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German Pages 599 Year 2011
CHEMNITZER EUROPASTUDIEN
Band 13
Die europäischen Mikrostaaten und ihre Integration in die Europäische Union Andorra, Liechtenstein, Monaco, San Marino und Vatikanstadt auf dem Weg in die EU?
Von Katrin Friese
Duncker & Humblot · Berlin
KATRIN FRIESE
Die europäischen Mikrostaaten und ihre Integration in die Europäische Union
Chemnitzer Europastudien
Herausgegeben von Frank-Lothar Kroll und Matthias Niedobitek Band 13
Die europäischen Mikrostaaten und ihre Integration in die Europäische Union Andorra, Liechtenstein, Monaco, San Marino und Vatikanstadt auf dem Weg in die EU?
Von Katrin Friese
Duncker & Humblot · Berlin
Die Philosophische Fakultät der Technischen Universität Chemnitz hat diese Arbeit im Sommersemester 2010 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2011 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1860-9813 ISBN 978-3-428-13519-6 (Print) ISBN 978-3-428-53519-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-83519-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 * ∞
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Vorwort Ich möchte mich an dieser Stelle bei all denen bedanken, die zum Gelingen meiner Dissertation beigetragen haben. Mein besonderer Dank gilt meiner Familie, meinen Eltern Evelin und Günter Friese sowie meiner Schwester Simone, die mich immer unterstützen und mir in allen Lebenslagen zur Seite stehen. Ebenso möchte ich ihnen für das Interesse an meiner Arbeit und die vielen Stunden Korrekturlesen danken. Ganz besonders möchte ich mich bei meinem Lebensgefährten Lars Fritzsche bedanken, für sein Verständnis, seine hilfreichen Anregungen und seine moralische Unterstützung. Weiterhin möchte ich mich bei meinen Interviewpartnern bedanken, die mir ihr Expertenwissen zur Verfügung gestellt und einen Einblick in die Praxis gegeben haben. Des Weiteren gilt mein herzlicher Dank Prof. Dr. Matthias Niedobitek für die wissenschaftliche Betreuung der Arbeit. Er hat mich in außergewöhnlicher Weise bei allen fachlichen und organisatorischen Fragen unterstützt und ließ mir viel Freiraum bei der Bearbeitung des Themas. Auch bei Prof. Dr. Frank-Lothar Kroll möchte ich mich für die Übernahme des Zweitgutachtens bedanken. Nicht unerwähnt möchte ich meine Freunde und auch meine Kollegen des International Office der Universität Ulm lassen, die mir während der Doktorandenzeit mit Rat und Tat sowie persönlichen Gesprächen zur Seite standen oder das eine oder andere Mal für die zuweilen notwendige Ablenkung sorgten. Chemnitz, im Winter 2010
Katrin Friese
Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Forschungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fragestellungen und Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Struktur und Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Abgrenzung des Begriffs Mikrostaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Die Mikrostaaten als Bestandteil der internationalen Ordnung . . . . . . . . I. Historische Entwicklung der Kleinstaaten in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Staatseigenschaft der Mikrostaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Definition „Staat“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Staatsgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Staatsvolk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Staatsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verkehrsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Unabhängigkeit und Souveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Anerkennung der Mikrostaaten in der internationalen Ordnung . . . 1. Rechtliche Bedeutung der Anerkennung von Staaten . . . . . . . . . . . . . 2. Außenpolitische Strategien der Mikrostaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Strategie 1: Neutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Strategie 2: Beziehungen zu den Nachbarstaaten . . . . . . . . . . . . . . c) Strategie 3: Beziehungen zu internationalen Organisationen . . . . 3. Mikrostaaten und internationale Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mikrostaaten und der Völkerbund sowie die Vereinten Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mikrostaaten und der Europarat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mikrostaaten und die KSZE/OSZE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Grundsatz der rechtlichen Gleichheit von Staaten . . . . . . . . . . . . 5. Die europäischen Mikrostaaten in der internationalen Ordnung . . . . 6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Folgen der Kleinheit für die staatliche Organisation der Mikrostaaten . . 1. Staatsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsrezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Outsourcing“ von Staatsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Das wirtschaftliche Überleben der Mikrostaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Generelle wirtschaftliche Merkmale der Mikrostaaten . . . . . . . . . . . .
32 32 33 34 35 35 36 37 38 40 41 41 43 44 45 46 47 47 53 56 57 58 60 61 61 62 64 67 67
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Inhaltsverzeichnis 2. Mikrostaaten in der Globalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Die Differenzierung der Integration der Mikrostaaten in die EU . . . . . . VII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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D. Das Fürstentum Andorra und seine Integration in die EU . . . . . . . . . . . . . I. Charakteristika des Staates Andorra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Staatsgebiet und Bevölkerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das verfassungsrechtliche System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rückblick über die Verfassungsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Verfassung von 1993 und grundlegende Bestimmungen . . . . c) Die Staatsoberhäupter: die Co-Fürsten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das Parlament: der Generalrat der Täler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die Regierung und der Regierungsvorsitzende . . . . . . . . . . . . . . . . f) Beziehungen zwischen dem Parlament und der Regierung . . . . . . g) Die Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Das Verfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Überarbeitung der Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j) Politische Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Binnenwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Finanzplatz Andorra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Außenhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Staatshaushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Beziehungen zu anderen Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die außenpolitische Strategie Andorras . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beziehungen zu Frankreich und Spanien (trilaterale Abkommen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Trinationaler Nachbarschaftsvertrag 1993 . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Trilaterale Abkommen über Einreise, Aufenthalt und Niederlassung 2003 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Währung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beziehungen zu Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der französische Co-Fürst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Handel und Zoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Soziale Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Administrative Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Weitere Abkommen und Bereiche der Zusammenarbeit . . . . d) Beziehungen zu Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der spanische Co-Fürst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Handel und Zoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Soziale Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
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dd) Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Weitere Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Beziehungen zum Heiligen Stuhl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Beziehungen zu weiteren Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Beziehungen zu internationalen Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Völkerbund und Vereinte Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Europarat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) KSZE/OSZE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Weitere internationale Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Die Staatseigenschaft Andorras . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Integration Andorras in die Europäische Union . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Andorras indirekte Integration in die EU durch die Beziehungen zu den Nachbarstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Handel und Zoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Währung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Status der Übernahme des Besitzstandes von Schengen . . . . . . . . 2. Andorras direkte Integration in die EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Anwendbarkeit des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Abkommen im Bereich Handel und Zoll . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Kooperationsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das Abkommen im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen . . e) Weitere Zusammenarbeit und neueste Entwicklungen . . . . . . . . . 3. Europäischer Integrationswille Andorras und Zukunftsausblick . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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E. Das Fürstentum Liechtenstein und seine Integration in die EU . . . . . . . . I. Charakteristika des Staates Liechtenstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Staatsgebiet und Bevölkerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das verfassungsrechtliche System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rückblick über die Verfassungsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Verfassung von 1921 und grundlegende Bestimmungen . . . . c) Das Staatsoberhaupt: der Fürst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das Parlament: der Landtag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die Regierung und der Regierungsvorsitzende . . . . . . . . . . . . . . . .
174 174 174 175 179 180 181 183 185 186
II.
133 133 135 139 140 140 142 142 148 155 158 160 160 162 163 164 166 167 171
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Inhaltsverzeichnis
II.
f) Beziehungen zwischen dem Parlament und der Regierung . . . . . . g) Die Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Das Verfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Überarbeitung der Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j) Politische Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . k) Direktdemokratische Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Währung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Binnenwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Finanzplatz Liechtenstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Außenhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Staatshaushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Beziehungen zu anderen Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die außenpolitische Strategie Liechtensteins . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beziehungen zur Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Handel und Zoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Währung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Diplomatische Vertretungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Mehrwertsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Ausländerwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Weiteres anzuwendendes Schweizer Recht . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beziehung zu Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Beziehungen zu weiteren Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Beziehungen zu internationalen Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Völkerbund und Vereinte Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Europarat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) KSZE/OSZE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Weitere internationale Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Die Staatseigenschaft Liechtensteins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Integration Liechtensteins in die Europäische Union . . . . . . . . . . . . . 1. Liechtensteins indirekte Integration in die EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Integration in die EU durch die Beziehungen zu EU-Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Integration in die EU durch die Beziehungen zur Schweiz . . . . . aa) Handel und Zoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Landwirtschaftliche Erzeugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Status der Übernahme des Besitzstandes von Schengen . . . . c) Integration in die EU durch die EFTA-Mitgliedschaft . . . . . . . . . . 2. Liechtensteins direkte Integration in die EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Anwendbarkeit des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Mitgliedschaft im EWR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis aa) bb) cc) dd)
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Der Weg zur EWR-Mitgliedschaft Liechtensteins . . . . . . . . . Inhalt des EWR-Abkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonderregelungen für Liechtenstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewertung des EWR-Abkommens aus der Sicht Liechtensteins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Abkommen im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen . . d) Weitere Zusammenarbeit und neueste Entwicklungen . . . . . . . . . 3. Europäischer Integrationswille Liechtensteins und Zukunftsausblick 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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F. Das Fürstentum Monaco und seine Integration in die EU . . . . . . . . . . . . . I. Charakteristika des Staates Monaco . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Staatsgebiet und Bevölkerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das verfassungsrechtliche System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rückblick über die Verfassungsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Verfassung von 1962 und grundlegende Bestimmungen . . . . c) Das Staatsoberhaupt: der Fürst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das Parlament: der Nationalrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die Regierung und der Regierungsvorsitzende . . . . . . . . . . . . . . . . f) Beziehungen zwischen Parlament und Regierung . . . . . . . . . . . . . g) Beratende Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Die Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Das Verfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j) Überarbeitung der Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . k) Politische Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Binnenwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Finanzplatz Monaco . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Außenhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Staatshaushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Beziehungen zu anderen Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die außenpolitische Strategie Monacos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beziehungen zu Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Basis der Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Handel und Zoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Währung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Finanzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Besetzung von öffentlichen Ämtern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Diplomatische Vertretungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hh) Ausländerwesen und freier Personenverkehr . . . . . . . . . . . . . . ii) Weitere und angestrebte Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
264 264 264 265 270 270 271 272 273 276 278 278 280 282 283 283 284 284 286 288 289 290 290 291 291 295 297 297 298 299 299 301 302
248 252 253 256 262
12
Inhaltsverzeichnis
II.
c) Beziehungen zu Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Beziehungen zu weiteren Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Beziehungen zu internationalen Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Völkerbund und Vereinte Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Europarat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) KSZE/OSZE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Weitere internationale Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Die Staatseigenschaft Monacos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Integration Monacos in die Europäische Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Monacos indirekte Integration in die EU durch die Beziehungen zu Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Handel und Zoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Währung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Status der Übernahme des Besitzstandes von Schengen . . . . . . . . d) Banken- und Versicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Monacos direkte Integration in die EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Anwendbarkeit des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Abkommen über die Anwendung bestimmter Gemeinschaftsakte im Gebiet des Fürstentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Abkommen im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen . . d) Weitere Zusammenarbeit und neueste Entwicklungen . . . . . . . . . . aa) Diplomatische Vertretungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schutz der Alpen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Soziale Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Finanzdienstleistungsmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Regionale Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Neueste Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Europäischer Integrationswille Monacos und Zukunftsausblick . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
G. Die Republik San Marino und seine Integration in die EU . . . . . . . . . . . . . I. Charakteristika des Staates San Marino . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Staatsgebiet und Bevölkerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das verfassungsrechtliche System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfassungsentwicklung und grundlegende Bestimmungen . . . . . b) Die Staatsoberhäupter: die Regenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
304 304 305 305 308 310 310 311 314 315 315 315 319 319 321 322 324 326 326 327 327 329 331 332 332 332 332 334 334 335 335 336 339 341 341 341 343 348 348 350
Inhaltsverzeichnis
II.
c) Das Parlament: der Große und Allgemeine Rat . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Regierung: der Staatskongress . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Beziehungen zwischen dem Parlament und der Regierung . . . . . f) Weitere Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Die Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Das Verfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Überarbeitung der Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j) Politische Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Binnenwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Finanzplatz San Marino . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Außenhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Staatshaushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Beziehungen zu anderen Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die außenpolitische Strategie San Marinos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beziehung zu Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Basis der Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Handel und Zoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Währung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Finanzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Diplomatische Vertretungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Verteidigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Ausländerwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hh) Post . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ii) Radio und Fernsehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . jj) Weitere Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beziehungen zu weiteren Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Beziehungen zu internationalen Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Völkerbund und Vereinte Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Europarat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) KSZE/OSZE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Weitere internationale Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Die Staatseigenschaft San Marinos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Integration San Marinos in die Europäische Union . . . . . . . . . . . . . . 1. San Marinos indirekte Integration in die EU durch die Beziehung zu Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Handel und Zoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Währung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Status der Übernahme des Besitzstandes von Schengen . . . . . . . . 2. San Marinos direkte Integration in die EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Abwendbarkeit des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13 351 353 355 355 356 358 359 359 360 360 361 362 363 364 364 364 364 366 367 368 368 369 369 370 370 370 371 372 372 374 376 376 377 379 381 381 381 383 386 387 387
14
Inhaltsverzeichnis b) Das Abkommen im Bereich Zoll und Kooperation . . . . . . . . . . . . aa) Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Aide Memoire vom 17. Oktober 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das Abkommen im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen . e) Weitere Zusammenarbeit und neueste Entwicklungen . . . . . . . . . . 3. Europäischer Integrationswille San Marinos und Zukunftsausblick . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
388 388 394 399 401 403 404 405 407
H. Der Staat Vatikanstadt und seine Integration in die EU . . . . . . . . . . . . . . . I. Charakteristika des Staates Vatikanstadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Staatsgebiet und Bevölkerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das verfassungsrechtliche System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfassungsentwicklung und grundlegende Bestimmungen . . . . . b) Das Staatsoberhaupt: der Papst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die legislative Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die exekutive Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die judikative Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wirtschaft und Staatshaushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Beziehungen zu anderen Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die außenpolitische Strategie des Vatikans/Heiligen Stuhls . . . . b) Besonderheit: Beziehungen zum Heiligen Stuhl . . . . . . . . . . . . . . . c) Beziehung zu Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Lateranverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Konkordat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Handel und Zoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Währungsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Verteidigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Anzuwendendes italienisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Steuervergünstigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hh) Weitere Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Beziehungen zu anderen Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Beziehungen zu internationalen Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Völkerbund und Vereinte Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Europarat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) KSZE/OSZE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Weitere internationale Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Die Staatseigenschaft des Staates Vatikanstadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
410 410 410 412 413 413 415 416 417 418 419 421 421 422 423 423 423 423 425 425 425 426 427 428 429 429 430 430 431 432 435
Inhaltsverzeichnis II.
15
Die Integration Vatikanstadts in die Europäische Union . . . . . . . . . . . . . 1. Die indirekte Integration Vatikanstadts durch die Beziehung zu Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Handel und Zoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Währung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Status der Übernahme des Besitzstandes von Schengen . . . . . . . . 2. Vatikanstadts direkte Integration in die EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Europäischer Integrationswille Vatikanstadts und Zukunftsausblick 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
436
I. Vergleich der Mikrostaaten hinsichtlich ihrer Integration in die EU . . . I. Vergleich der Mikrostaaten allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Beziehungen der Mikrostaaten zu ihren Nachbarstaaten . . . . . . . . . III. Die Anwendbarkeit des Unionsrechts in den Mikrostaaten . . . . . . . . . . . 1. Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Wahrnehmung der Außenbeziehungen der Mikrostaaten . . . . . . 3. Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Integration der Mikrostaaten in die EU in verschiedenen Bereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Handel und Zoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vergleich der Abkommen der EG mit San Marino bzw. Andorra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Besonderheiten der Beziehungen im Bereich Handel und Zoll EU – Monaco . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Besonderheiten der Beziehungen im Bereich Handel und Zoll EU – Liechtenstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Ergebnisse und Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Währung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vergleich der Währungsvereinbarungen der EG mit Monaco, San Marino und dem Vatikan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Besonderheiten der Währungsbeziehungen EU – Andorra . . . . . d) Ergebnisse und Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Status der Übernahme des Besitzstandes von Schengen . . . . . . . . . . . 4. Abkommen im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vergleich der Abkommen der EG mit Andorra, Liechtenstein, Monaco und San Marino . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnisse und Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Weitere Bereiche der Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kooperationsabkommen mit Andorra und San Marino . . . . . . . . . b) Abkommen zwischen der EG und Monaco über die Anwendung bestimmter Gemeinschaftsakte im Gebiet des Fürstentums . . . . .
445 445 445 448 448 449 450
436 436 437 441 441 443 444
452 452 452 453 456 456 458 459 459 460 465 465 467 469 469 471 473 474 474 475
16
Inhaltsverzeichnis
V.
c) Monacos indirekte Integration in die EU im Steuer-, Bankenund Versicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Beobachterstatus des Vatikans bei der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Aktuelle Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Betrugsbekämpfungsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Neuverhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
475 477 477 477 477 479 479 480
J. Wechselseitige Interessen der Mikrostaaten und der EU aneinander . . . . 487 I. Interesse der Mikrostaaten an der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 II. Interesse der EU an den Mikrostaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 K. Die Zukunft der Integration der Mikrostaaten in die EU . . . . . . . . . . . . . . I. Perspektive Vollmitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beitrittsszenario für die Mikrostaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wahrscheinlichkeit einer EU-Mitgliedschaft der Mikrostaaten . . . . . II. Perspektive Koexistenz und neue Formen der Integration in die EU . . III. Position und Zukunft der einzelnen Mikrostaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Andorra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Liechtenstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Monaco . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. San Marino . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Vatikanstadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
493 493 493 493 495 497 503 509 509 510 512 513 515 515
L. Ergebnisse und Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 Abstract . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541 Begriffsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 591 Sach- und Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 595
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Karte Andorra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
79
Abbildung 2: Karte Liechtenstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 Abbildung 3: Ständige Bevölkerung Liechtensteins (bis 2009) . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Abbildung 4: Anteile der Bruttowertschöpfung Liechtensteins (2008) . . . . . . . . . 196 Abbildung 5: Aufteilung der Steuereinnahmen Liechtensteins (2008) . . . . . . . . . . 205 Abbildung 6: Karte Monaco . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 Abbildung 7: Karte San Marino. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 Abbildung 8: Karte Vatikanstadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410
Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Vergleich: Mikrostaaten allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 Tabelle 2: Vergleich Integration in die EU: Handel und Zoll . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 Tabelle 3: Vergleich Integration in die EU: Währung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 Tabelle 4: Vergleich Integration in die EU: Schengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 Tabelle 5: Vergleich Integration in die EU: Finanzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 Tabelle 6: Vergleich Integration in die EU: Weiteres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 Tabelle 7: Vergleich Integration in die EU: Aktuelle Entwicklungen . . . . . . . . . . 480 Tabelle 8: Vergleich Integration in die EU: Mikrostaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 Tabelle 9: Vergleich: Umfang der Integration in die EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 Tabelle 10: Vergleich: Wille zur Integration in die EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516
Abkürzungsverzeichnis AAS ABl. Abs. ACCOBAMS AEUV Art. ASS BIP BNE BOPA BuA B.U.R.S.M. Can. C.I.C. C.I.E.S.M. CL CoE Doc./Dok. EFTA EG EGMR EGV EMRK EU EuGH EUTELSAT EUV EWG EWGV EWR EZB FAO
Acta Apostolicae Sedis (Amtsblatt des Heiligen Stuhls ab 1909) Amtsblatt der EG/EU Absatz Accord du PNUE sur la Conservation des cétacés de la Mer Noire, de la Méditerranée et de la zone Atlantique Adjacente Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Artikel Acta Sanctae Sedis (Amtsblatt des Heiligen Stuhls bis 1908) Bruttoinlandsprodukt Bruttonationaleinkommen Butlletí Oficial del Principat d’Andorra (Amtsblatt Andorras) Berichte und Anträge der Regierung (Liechtenstein) Bollettino Ufficiale della Repubblica di San Marino (Amtsblatt San Marinos) Canon, Abschnitt des kanonischen Rechts Codex Iuris Canonici (Kodex des kanonischen Rechts) Commission Internationale pour l’Exploration Scientifique de la Méditerranée Codes et Lois de la Principauté de Monaco Council of Europe/Europarat Document/Dokument European Free Trade Association/Europäische Freihandelsassoziation Europäische Gemeinschaft Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Europäische Menschenrechtskonvention Europäische Union Europäischer Gerichtshof European Telecommunications Satellite Organization Vertrag über die Europäische Union Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Europäischer Wirtschaftsraum Europäische Zentralbank Food and Agricultural Organization of the United Nations
20 FATF FN GAR GASP GATT GG Hg. IAEA/ IAEO i. d. F. IGH ILM ILO IMI INTELSAT IPU ITU IHO IN.DE.MER. IOR i. V. m. Jb. JM JORF KSZE LGBL LV Nr. OECD OLP OS OSZE PV sh. SIS SPO StIGH u. a. UN
Abkürzungsverzeichnis Financial Action Force on Money Laundring (Geldwäsche-Ausschuss der OECD) Fußnote Großer und Allgemeiner Rat (Parlament San Marinos) Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik General Agreement on Tarifs and Trade/Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen Grundgesetz Herausgeber International Atomic Energy Agency/ Internationale Atomenergieorganisation in der Fassung Internationaler Gerichtshof (UNO) International Legal Materials International Labour Organisation Indirekte Warensteuer (Andorra) International Telecommunications Satellite Organization Inter Parliamentary Union International Telecommunication Union International Hydrographical Organization Institut du Droit Economique de la Mer Istituto per le Opere di Religione/Institut für religiöse Werke (Vatikan) in Verbindung mit Jahrbuch Journal de Monaco (Amtsblatt Monacos) Journal Officiel de la République Française (Amtsblatt Frankreichs) Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Landesgesetzblatt (Liechtenstein) Landesverfassung (Liechtenstein) Nummer Organisation for Economic Co-operation and Development Organization for the Liberation of Palestine Ordonnance Souveraine/Fürstliche Verordnung (Monaco) Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Parlamentarische Versammlung siehe Schengen Information System Strafprozessordnung Ständiger Internationaler Gerichtshof (Völkerbund) unter anderem/und andere United Nations/Vereinte Nationen
Abkürzungsverzeichnis UNCTAD UNESCO UNIDROIT UNITAR UNO UNWTO UPU vgl. Vol. WCO WHO WIPO WTO WWU z. B. ZPO z. T.
21
United Nations Conference on Trade and Development/Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung United Nations Educational Scientific and Cultural Organisation International Institute for the Unification of Private Law United Nations Institute for Training and Research United Nations Organisation United Nations World Tourism Organization Universal Postal Union vergleiche Volume/Ausgabe World Customs Organization/Weltzollorganisation World Health Organisation/Weltgesundheitsorganisation World Intellectual Property Organization World Trade Organisation Wirtschafts- und Währungsunion zum Beispiel Zivilprozessordnung zum Teil
A. Einleitung I. Forschungsgegenstand Die fünf europäischen Mikrostaaten Andorra, Liechtenstein, Monaco, San Marino und Vatikanstadt werden als die klassischen europäischen Mikrostaaten bezeichnet.1 Sie sind nicht nur territorial besonders klein und verfügen nur über eine besonders geringe Population von unter 100.000 Einwohnern, sondern sie besitzen auch spezielle rechtliche, politische und wirtschaftliche Strukturen. Diese Mikrostaaten, die geographisch betrachtet alle in der EU eingeschlossen liegen, werden in Fragen der europäischen Integration häufig kaum wahrgenommen. Sie sind weder EU-Mitglieder, noch Beitrittskandidaten, und trotzdem sind sie auf gewisse Art in die EU integriert. Dadurch befinden sie sich in einer rechtlichen Sonderstellung gegenüber der EU. In vielen Bereichen nutzen die Mikrostaaten schon die Vorzüge der EU. Einerseits sind sie oftmals durch Abkommen mehr oder weniger fest mit der EU verwoben. Andererseits ist der jeweilige Mikrostaat in den meisten Fällen mit einem EU-Mitgliedstaat eng verbunden oder nutzt die EU-Beziehungen seines Nachbarstaates für seine eigene Integration in die EU. Eine Einbeziehung in die Union kann ebenso durch die Mitgliedschaft eines Mikrostaates in einer anderen europäischen Organisation, wie der EFTA oder dem EWR erfolgen. So entsteht ein komplexes, zum Teil sehr verstricktes Integrationsgeflecht zwischen den Mikrostaaten und der EU, z. B. nutzen einige der Mikrostaaten den Euro oder gehören dem EU-Zollgebiet an. Bis weit in die 1970er Jahre hinein herrschte sogar die Meinung vor, dass einige der Mikrostaaten, insbesondere Monaco und San Marino, zum Teil auch Andorra, schon zur EG gehörten und damit das Gemeinschaftsrecht in diesen Ländern anwendbar gewesen wäre. Nur langsam setzte sich die Sichtweise durch, dass die Mikrostaaten souveräne Staaten sind.2 Die Wissenschaft konzentriert sich bisher überwiegend auf die Untersuchung der Beziehungen der EU zu ihren großen Mitglieds- und Nachbarländern, die Mikrostaaten werden allenfalls als deren „Anhängsel“ wahr1 2
Vgl. Hummer 2004, S. 83; Stapper 1999, S. 85; Amelunxen 1966, S. 16. sh. Punkt C. I.; vgl. Stapper 1999, S. 24 f.
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A. Einleitung
genommen. Da die Mikrostaaten jedoch zumeist gar nicht darauf bedacht sind, in näherer Zukunft der EU oder einem der EU-Mitgliedstaaten beizutreten, sondern eher ihre Eigenständigkeit stärken wollen, muss sich der wissenschaftliche Blickwinkel auch auf diese Länder richten. Trotz der geringen geographischen Ausdehnung der Mikrostaaten ist ihre Bedeutung nicht zu unterschätzen. Beispielsweise gelten Andorra, Liechtenstein und Monaco als Steueroasen und ziehen somit viel Kapital und damit Wirtschaftskraft an. Auch der Vatikan verfügt über große Einflussmöglichkeiten, vor allem im religiösen, politischen und gesellschaftlichen Bereich. Daher ist es aus Sicht der EU und ihrer Mitgliedstaaten von großem Interesse, stabile und intensive Beziehungen zu den Mikrostaaten zu unterhalten. Nur wenn man diese Länder als gleichrangige, qualifizierte Partner wahrnimmt und behandelt, kann man vertrauensvolle Beziehungen und effektive Kooperationen auf den verschiedensten Gebieten aufbauen und vertiefen. Die Integration der europäischen Mikrostaaten in die EU stellt ein sehr interessantes und komplexes Untersuchungsfeld dar. Die Dissertation wird somit dazu beigetragen, entgegen der vorherrschenden wissenschaftlichen Konzentration auf große Staaten auf die Bedeutung der Mikrostaaten im europäischen Gefüge aufmerksam zu machen. Innerhalb der EU gibt es weitere sehr kleine autonome Gebiete, wie Jersey, Gibraltar oder die Färöer Inseln. Da diese jedoch nur eine eingeschränkte Souveränität besitzen und zum Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates zählen, werden sie hier nicht untersucht.3
II. Fragestellungen und Ziele Wie erwähnt, ist das Integrationsgeflecht zwischen den europäischen Mikrostaaten und der EU sehr komplex und teilweise sehr verstrickt. Außerdem ist es ständigen Änderungen unterworfen. Ziel der Arbeit ist es zunächst, auf der Basis der historischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen und außenpolitischen Eigenschaften der einzelnen Mikrostaaten deren spezielle Integration in die EU detailliert darzustellen. Hierbei werden Aspekte des nationalen Verfassungsrechts jener Staaten ebenso untersucht wie völker- und europarechtliche Aspekte. Es werden die Beziehungen der Mikrostaaten zur EU sowie zu den EU-Mitgliedstaaten, Nachbarstaaten oder europäischen Organisation und die sich 3 Auch die Kanalinseln, die Isle of Man, die Åland-Inseln, Grönland, Ceuta und Mellila, die Kanarischen Inseln, Madeira, die Azoren sowie die britischen Militärbasen Dhokelia und Akrotiro auf Zypern. Vgl. Hummer 2004, S. 83; Sack 1997, S. 45 ff.
III. Struktur und Methodik
25
daraus aufbauende Integration in die EU genauer betrachtet. Dabei wird zwischen direkter und indirekter Integration der Mikrostaaten in die EU unterschieden. Darauf aufbauend werden zukünftige Entwicklungstendenzen und -möglichkeiten aufgezeigt. Ziel ist es dabei, die verschiedenen Möglichkeiten und Standpunkte zu einer vertieften Integration der Mikrostaaten in die EU zu beleuchten. Die Mikrostaaten und ihre Integration in die EU werden sowohl einzeln als auch im Vergleich untersucht, um schließlich eine Kategorisierung der Mikrostaaten entsprechend ihrer derzeitigen Integration in die EU und ihrem Willen zur zukünftigen Integration in die EU vorzunehmen. Dabei steht die Frage im Vordergrund, auf welche Art und Weise, auf welcher Grundlage und mit welchen Besonderheiten sich die derzeitige Integration der Mikrostaaten in die EU jeweils entwickelt hat sowie wie sich die zukünftige Integration entwickeln könnte. Außerdem wird hinterfragt, in wie weit eine derartige vertiefte Integration in die EU von den jeweiligen Seiten überhaupt gewünscht ist und welche Zukunftsperspektiven sich daraus ergeben.
III. Struktur und Methodik Nach der Einführung in die Thematik wird zunächst der Begriff „Mikrostaat“ für den Rahmen dieser Arbeit abgegrenzt. Anschließend werden die Mikrostaaten im Allgemeinen als Bestandteil der internationalen Ordnung untersucht. Dabei wird auf die historische Entwicklung in Europa, die Staatseigenschaft der Mikrostaaten, deren Anerkennung in der internationalen Staatengemeinschaft sowie auf die Besonderheiten der staatlichen und wirtschaftlichen Organisation der Mikrostaaten und mögliche Vertragsbeziehungen der Mikrostaaten zur Integration in die EU eingegangen. In den folgenden Kapiteln werden dann die fünf Mikrostaaten im Einzelnen vorgestellt, wobei Vatikanstadt aufgrund ihrer Sonderrolle nicht in der Ausführlichkeit wie die anderen Mikrostaaten betrachtet wird. Zu der Vorstellung gehören Informationen über Staatsgebiet und Bevölkerung, zur Geschichte, die Darstellung des verfassungsrechtlichen Systems, der Wirtschaft, des Staatshaushaltes sowie der Beziehungen zu anderen Staaten und internationalen Organisationen. Im Folgenden wird dann jeweils die Integration des Mikrostaates in die EU in den verschiedenen Bereichen, indirekt und direkt, sowie der Integrationswille des jeweiligen Mikrostaates untersucht. Anschließend wird ein Zukunftsausblick hinsichtlich der Integration in die EU aufgestellt.
26
A. Einleitung
Nachdem die Mikrostaaten im Einzelnen vorgestellt wurden, wird deren Integration in die EU in den verschiedenen Bereichen verglichen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede dargestellt sowie Besonderheiten hervorgehoben. Des Weiteren werden die unterschiedlichen Interessen sowohl der Mikrostaaten an der EU und als auch der EU an den Mikrostaaten erläutert. Im abschließenden Teil werden mögliche Perspektiven einer zukünftigen Integration der Mikrostaaten in die EU diskutiert. Dazu gehört die Perspektive Vollmitgliedschaft, Koexistenz oder auch neue Formen der Integration in die EU. Diese werden anschließend auf die Mikrostaaten im Einzelnen angewandt. Für die Anfertigung der Arbeit wurden vor allem Rechtsquellen der Mikrostaaten, der EU sowie weiterer internationaler Organisationen ebenso wie die einschlägige Literatur ausgewertet. Zu den Rechtsquellen gehören z. B. die rechtlichen Abkommen und Bestimmungen zwischen der EU bzw. den EU-Mitgliedstaaten und den einzelnen Mikrostaaten, entsprechende staatliche Regelungen, oder die relevanten Verträge und Abkommen der Mikrostaaten mit internationalen Organisationen und Konventionen (z. B. EWR, EFTA, Europarat, UNO). Zu den Quellen gehören ebenso die Internetseiten der EU und anderer internationaler Organisationen sowie der einzelnen Mikrostaaten und ihrer Organe und Institutionen. Des Weiteren erfolgte eine Kontaktaufnahme zu diversen Experten, die zu den Fragestellungen der Arbeit vor allem aktuelle Informationen und Insiderwissen preisgeben konnten. Darunter waren die Außenministerien bzw. die für Beziehungen zur EU zuständigen Behörden der einzelnen Mikrostaaten, die Vertretungen der Mikrostaaten bei der EU, die Vertretungen der einzelnen Mikrostaaten in Deutschland oder anderen EU-Mitgliedstaaten, falls vorhanden die Delegationen der EU bzw. der Europäischen Kommission bei den Mikrostaaten sowie der entsprechende Ausschuss bzw. die verantwortliche Generaldirektion beim Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission. Obwohl nicht alle kontaktierten Stellen Auskunft erteilt haben, konnte durch zahlreiche Interviews (ca. 10) mit diesen Experten – persönlich, telefonisch oder per Email – eine Bestandsaufnahme über die aktuelle Situation sowie zukünftig geplante oder angestrebte Aktivitäten aufgenommen werden. Die interviewten Personen möchten anonym bleiben und sind daher in den Quellenangaben nicht explizit genannt. Über die Interviewpartner kann jedoch nach Rücksprache Auskunft gegeben werden. Die Ergebnisse dieser Experteninterviews fließen sowohl direkt als auch indirekt in die Arbeit ein. Die gewonnenen Details sind zudem als Hintergrundinformationen sehr nützlich.
B. Abgrenzung des Begriffs Mikrostaat Mikrostaaten kann man auch als Kleinst- oder Zwergstaaten bezeichnen und sie fallen unter den Oberbegriff Kleinstaaten.1 Man findet in der völkerrechtlichen Literatur weitere Namen wie Ministaat, Liliputstaat, Diminutivstaat, Miniaturstaat, usw.2 Manche Autoren3 sehen in den verschiedenen Begriffen teilweise eine Geringschätzung oder Diskriminierung der kleinsten Staaten widergespiegelt. Die in dieser Arbeit verwendeten Begriffe werden jedoch absolut neutral und gleichwertig angewandt, ohne jegliche völkerrechtspsychologische Deutungsabsicht. Der Begriff Mikrostaat wird daher im Folgenden neutral und als Synonym der o. g. Begriffe Zwergstaat, Kleinststaat, usw. für diese kleinsten Staaten entsprechend der in diesem Kapitel erarbeiteten Abgrenzung verwendet. Zwar wird der Begriff Mikrostaat immer häufiger in der völkerrechtlichen und staatsrechtlichen Literatur diskutiert, doch bisher gibt es keine eindeutige wissenschaftliche oder politische Definition.4 Eine einheitliche Definition für Mikrostaaten ist praktisch auch nicht notwendig, da mit der Bezeichnung als Mikrostaat keine besonderen völkerrechtlichen Rechte oder Pflichten verbunden sind. Mikrostaaten sind keine eigene Kategorie im Völkerrecht.5 Eine eindeutige Definition für Großstaaten gibt es andererseits auch nicht. Obwohl der Untersuchungsgegenstand Mikrostaat in der wissenschaftlichen Literatur nicht genau definiert ist, lässt sich nicht daraus schlussfolgern, dass die Forschung darüber irrelevant ist.6 1
Vgl. Bruha/Gey-Ritter 1998, S. 154. Z. T. werden auch noch Unterschiede zwischen ihnen gemacht, z. B. zwischen Mikro- und Ministaat. Vgl. Hummer 2004, S. 30; Seiler 2004, S. 293; Armstrong/ Read 1995, S. 1131; Ehrhardt 1970a, S. 8 ff. 3 Vgl. Ehrhardt 1970a, S. 8 ff. 4 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 901; Stapper 1999, S. 84; Kirt/Waschkuhn 2001, S. 25; Waschkuhn 2003, S. 759; Waschkuhn 1994, S. 28; Waschkuhn 1993, S. 7; Dózsa 2008, S. 94; Förster/Lambertz 2004, S. 7; Häberle 2001, S. 125; Luif 2004, S. 253; Hummer 2004, S. 30, 112; Dosenrode 1993, S. 60; Glassner 2004, S. 64; Amstrup 1976, S. 165; Armstrong/Read 1995, S. 1130; Armstrong u. a. 1998, S. 641; Bray 1987, S. 296; UNITAR 1969, S. 22; Ehrhardt 1970a, S. 29; Dommen 1985, S. 10; Geser 1992, S. 628. 5 Auch die Kategorie des Kleinstaates ist nicht definiert und besitzt keine rechtliche Relevanz. Vgl. Kilian 2002, S. 201, 210; Stapper 1999, S. 84; Hummer 2004, S. 111, 116 f., 132; Duursma 1996, S. 2; Harden 1985, S. 51. 2
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B. Abgrenzung des Begriffs Mikrostaat
Die meisten existierenden Konzepte für Mikrostaaten stützen sich der Einfachheit halber auf die absolute Einwohnerzahl der Staaten, wobei die festgesetzten Obergrenzen unterschiedlich sind.7 Die Bevölkerungszahlen, die per Definition den Mikrostaat abgrenzen sollen, schwanken hauptsächlich zwischen drei Millionen,8 einer Million,9 300.000,10 150.00011 oder 100.00012 Einwohnern. Selbst für Kleinstaaten wird von manchen Autoren die Höchstzahl von Einwohnern bei 500.000 festgelegt.13 Andere Autoren wiederum sprechen sich für die Mitberücksichtigung anderer bzw. weiterer Parameter wie Staatsgebiet, Bruttoinlandsprodukt, das Maß an effektiver Staatsmacht oder politische Selbstwahrnehmung aus.14 Unter den verschiedenen Autoren hat fast jeder seine selbst festgelegten Grenzwerte für Einwohnerzahl und Staatsgebiet. Die Mehrheit der Autoren ist sich einig, dass eine Definition von Mikrostaaten nur willkürlich sein kann.15 Wenn man allerdings den Mikrostaat besonderen Regeln, z. B. in internationalen Organisationen unterwerfen will, muss es auch eine eindeutige Definition geben. Im Folgenden werden beispielhaft einige Definitionen verschiedener Autoren sowie Institutionen und Organisationen ausführlicher betrachtet. Waschkuhn vertritt die Auffassung, dass Staaten mit einer Einwohnerzahl bis zu 15 Millionen zu den Kleinstaaten zählen, Staaten bis zu drei Millio6
Vgl. Kirt/Waschkuhn 2001, S. 26; Waschkuhn 1993, S. 16. Vgl. Hummer 2004, S. 46; Seiler 2004, S. 294; Armstrong/Read 1995, S. 1131; Hein 1985, S. 16; u. v. a. 8 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 759; Armstrong u. a. 1998, S. 641; Armstrong/Read 1995, S. 238, Dózsa 2008, S. 95. 9 Vgl. Harden 1985, S. 9; Hein 1985, S. 16; Anand 1986, S. 9 ff.; Gunter 1977, S. 110; Harbert 1976, S. 111; Harris, 1970, S. 23; Mendelson 1972, S. 609; Reid 1974, S. 12; Sutton 1987, S. 6; UNITAR 1969, S. 31; Rapaport/Muteba/Therattil 1971, S. 186; UN Secretariat/UNITAR 1971, S. 148 ff.; Seiler 1995, S. 11 f.; Luif 2004, S. 253; Seiler 2004, S. 294; Kilian 2002, S. 220 (verbunden mit dem Kriterium von weniger als 1000 km2 Fläche). 10 Vgl. Blair 1967, S. 3 ff.; Starr 1968, S. 60; Ehrhardt 1970a, S. 93 f., 102; Ehrhardt 1970b, S. 12; Plischke 1977, S. 18 f.; Darsow 1984, S. 177, 186. 11 Vgl. De Smith 1970, S. VII; zitiert in Hummer 2004, S. 47. 12 Vgl. Hummer 2004, S. 32; Gunter 1972, S. 121; auch Art. 4 Abs. 1 eines Vorentwurfes einer Weltverfassung sieht die Untergrenze eines souveränen Staates bei 100.000 Einwohnern. In: Hutchins 1948, S. 10, zitiert in Ehrhardt 1970a, S. 91. 13 Vgl. Häberle 2001, S. 126; Seiler 1995; Neisser 1995, S. 224 ff.; Zapotoczky 1996, S. 261 ff. 14 Vgl. Gstöhl 2001, S. 102; Blair 1967, S. 27–31; UNITAR 1969, S. 30, 183–202; Häberle 2001, S. 126; Geser 1992, S. 629 f.; Dosenrode 1993, S. 61; Darsow 1984, S. 196, Kilian 2002, S. 210, 218. 15 Vgl. Gstöhl 2001, S. 102; Anand 1986, S. 170; Erhardt 1970b, S. 111; Gunter 1977, S. 116; Mendelson 1972, S. 609; UNITAR 1969, S. 30. 7
B. Abgrenzung des Begriffs Mikrostaat
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nen Einwohnern zählen zu den Mikrostaaten. Dies würde dann auch u. a. die EU-Mitgliedstaaten Slowenien, Estland, Lettland und Litauen einschließen. Noch bei einer Grenze von einer Million Einwohnern, würde man Luxemburg, Malta und Zypern zu den Mikrostaaten zählen. Waschkuhn stellt außerdem fest, dass zur genaueren sozialwissenschaftlichen Bestimmung Cluster-Analysen zur Anwendung kommen, und dabei verschiedene Variablen wie Bevölkerungsgröße, territoriale Fläche und das Bruttoinlandsprodukt kombiniert werden. Als Grundlage der Evaluation nennt Waschkuhn die internationale Anerkennung staatlicher Souveränität, mit dem Hinweis, dass dies nicht mit Autonomie gleichbedeutend ist.16 Vertreter der US-amerikanischen Auffassung ziehen die Grenze von Kleinstaaten bei weniger als 15 bzw. 10 Millionen Einwohnern. Falls die Einwohnerzahl eine Million unterschreitet, handelt es sich nach dieser Auffassung um Mikro- bzw. Kleinststaaten. Dabei werden nochmals die Staaten mit weniger als 100.000 Einwohnern als Kleinst-, Mikro- oder Zwergstaaten gesondert betrachtet. Nicht zuletzt sei auch der Vergleich zu den Nachbarstaaten sowie die Selbsteinschätzung des Staates von Bedeutung, ob er sich selbst als Klein- oder Mikrostaat fühle und bezeichne.17 Auch die UNO hat den Begriff Mikrostaaten nicht direkt definiert. Zunächst wurden Mikrostaaten in der politischen und völkerrechtlichen Diskussion als Staaten mit weniger als einer Million Einwohnern beschrieben.18 Im Jahr 1967 definierte Generalsekretär U Thant den Begriff der „Mikrostaaten“ als Staaten, die aus dem Dekolonisierungsprozess hervorgingen und „außergewöhnlich klein an Gebiet, Bevölkerung und menschlichen und wirtschaftlichen Ressourcen“ waren.19 Ehrhardt beschreibt den Mikrostaat als eine „unabhängige, effektive politische Einheit auf zugehörigem Gebiet mit weniger als 300.000 zugehörigen Einwohnern, die völkerrechtliche Rechte und Pflichten von Staaten nicht hinreichend wahrnehmen kann“.20 Dass diese Ansicht heute veraltet ist, zeigen die Anerkennung und der internationale Status der behandelten Mikrostaaten, z. B. durch deren Beitritt zur UNO. 16
Vgl. Waschkuhn 2003, S. 759; Marxer/Pállinger 2009, S. 901. Vgl. Abt 1993, S. 22 (Abt spricht von wenigen Tausend Einwohnern bei Mikrostaaten); Chenery/Syrquin 1975; Kuznets 1960; Förster/Lambertz 2004, S. 7. 18 sh. FN-Nr. 12; vgl. auch Gstöhl 2001, S. 102; Harden 1985, S. 16; Grard 2002, S. 88. 19 Vgl. UN Doc. A/6701/Add.1, 1967, S. 20; Gstöhl 2001, S. 103, Hummer 2004, S. 30 f., 65; Ehrhardt 1970a, S. 74; Seiler 2004, S. 294, 297; Darsow 1984, S. 199. 20 Vgl. Ehrhardt 1970a, S. 87, 102; Zitat auch in: Hummer 2004, S. 23, 115; Duursma 1996, S. 2. 17
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B. Abgrenzung des Begriffs Mikrostaat
Die Europäische Union verwendete lange Zeit keine explizite Definition von Klein- oder Mikrostaaten. Oftmals orientierte sie sich aber an der Bevölkerungszahl als Kriterium, z. B. bei der Stimmengewichtung im Rat oder der Anzahl der Abgeordneten im Europäischen Parlament. In seinem Bericht über die Rechte der Bürger kleiner Staaten und Territorien in Europa von 1989 bezeichnete das EP die Staaten Andorra, Monaco, San Marino und den Vatikan als Kleinststaaten.21 Im Rahmen der Verhandlungen mit Andorra über eine Zollunion stufte die Europäische Kommission das CoFürstentum als Mikrostaat ein.22 Gegenüber Liechtenstein erkannte der EWR-Rat 1995 hinsichtlich der Personenfreizügigkeit an, „dass Liechtenstein ein sehr kleines bewohnbares Gebiet“ umfasst und ein „vitales Interesse an der Wahrung seiner nationalen Identität“ hat.23 Im Rahmen der Erweiterungsrunde 2004 wurde deutlich, dass die EU die Kleinststaaten als eine Klasse von Staaten für sich betrachtet. Sie bestimmt als Merkmal dieser Staaten eine Bevölkerungszahl von weniger als 100.000 Personen. Dadurch wurde eine Abgrenzung gegenüber den anderen kleineren Staaten, wie Malta, Zypern und Luxemburg sowie den osteuropäischen Kleinstaaten geschaffen.24 Es ist festzustellen, dass kein Konsens hinsichtlich der Begriffsabgrenzung für Mikrostaaten existiert. Das Gebilde eines Mikrostaates muss in seinem Ganzen betrachtet werden. Zwischen den allerkleinsten bis hin zu kleinen Staaten existieren Übergänge, die nicht streng gezogen werden können. Weiterhin relativiert und verändert sich der Begriff im Laufe der Geschichte und der aktuellen Entwicklungen. Neben den traditionellen absoluten Kriterien wie Staatsgebiet und -bevölkerung, kann die Fähigkeit, sich unabhängig selbst zu verteidigen, die wirtschaftliche Lage, die Verfügbarkeit von Ressourcen, das Entwicklungsniveau der Technologie sowie die Selbstwahrnehmung, die relative Größe eines Staates in der Region oder im Vergleich zu seinen Nachbarstaaten einbezogen werden.25 In dieser Arbeit werden die Mikrostaaten als Staaten mit einer sehr geringen Bevölkerungszahl bezeichnet, d.h. es werden Staaten mit weniger als 100.000 Einwohnern betrachtet. Durch die geographische Beschränkung auf 21
ABl. C 158 vom 26.06.1989, S. 329 ff. (Begründung, Punkt 1). Am 13.04.1989 begannen die Verhandlungen zwischen Andorra und der EG über eine Zollunion für gewerbliche Waren. Der Begriff „Mikrostaat“ wurde in den einleitenden Ausführungen des Kommissionsvertreters bei der Aufnahme der Verhandlungen genannt (unveröffentlichtes Dokument). Vgl. Stapper 1999, S. 68; Gstöhl 2001, S. 103. 23 Vgl. ABl. L 86 vom 20.04.1995, S. 80; Gstöhl 2001, S. 103. 24 Vgl. Simon 2007a, S. 3; Marxer/Pállinger 2009, S. 901. 25 Vgl. Kukan 2004, S. 13 f.; Hummer 2004, S. 52; Geser 1992, S. 629 f.; Dosenrode 1993, S. 61; Verhest 2002, S. 349; Amstrup 1976, S. 166. 22
B. Abgrenzung des Begriffs Mikrostaat
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Europa heißt das, dass die klassischen europäischen Mikrostaaten Andorra, Liechtenstein, Monaco, San Marino und der Staat Vatikanstadt untersucht werden, die – außer dem Vatikan – alle Mitglieder der UNO sind. Diese Abgrenzung wurde gewählt, um sich auf die außergewöhnlich kleinen Staaten Europas zu konzentrieren, die alle bisher noch keine EU-Mitglieder sind. Die Ausführungen zu Mikrostaaten in dieser Arbeit beziehen sich, wenn nicht anders angegeben, auf die europäischen Mikrostaaten, welche sich z. B. durch ihre zumeist lange Geschichte, die lange Tradition der Unabhängigkeit oder ihren wirtschaftlichen Erfolg deutlich von anderen Mikrostaaten, wie Inselstaaten in der Karibik, dem indischen Ozean oder dem Pazifik unterscheiden. Die europäischen Mikrostaaten bilden auch in dem Sinne einen Sonderfall, als sie nicht, im Gegensatz zu vielen anderen Mikrostaaten, aus dem Dekolonisierungsprozess hervorgegangen sind. Des Weiteren sind sie, mit den Worten von U Thant, „außergewöhnlich klein an Gebiet, Bevölkerung und menschlichen und wirtschaftlichen Ressourcen“.26 Neben der Definition der Größe eines Mikrostaates muss weiterhin untersucht werden, ob er in der internationalen Gemeinschaft anerkannt und integriert wird, und im Speziellen, inwieweit er die Staatseigenschaft erfüllt.
26
Vgl. UN Doc. A/6701/Add.1, 1967, S. 20; Marxer/Pállinger 2009, S. 901.
C. Die Mikrostaaten als Bestandteil der internationalen Ordnung I. Historische Entwicklung der Kleinstaaten in Europa Die im 19. Jahrhundert entstehende nationalstaatliche Ordnung hat kleinen Staaten neue Chancen eröffnet. Die völkerrechtliche Gleichstellung aller souveränen Staaten hat selbst den Mikrostaaten unabhängig von ihrer Machtstellung Eigengewicht gegeben.1 Im Zuge der Dekolonisierung seit 1945 und nach dem Zusammenbruch des Ostblocks hat sich in Europa die Zahl der Kleinstaaten stark erhöht. Besonders in den 1960er Jahren stieg die Zahl der Klein- und Kleinststaaten durch die forcierte Wahrnehmung des äußeren Selbstbestimmungsrechts. Damit hat sich Europa wieder zu einem Kleinstaaten-Kontinent entwickelt, ein Trend zum Kleinstaat ist festzustellen.2 Bis heute koexistieren die Klein- und Mikrostaaten mit den größeren Staaten in fast allen Fällen friedlich und bedrohungsfrei und zeigen keinerlei Tendenzen, sich zu größeren politischen Einheiten zu verbinden. Eher noch gibt es regionalistische Unabhängigkeitsbestrebungen oder Desintegrationsprozesse.3 Das markanteste Paradoxon seit dem auslaufenden 20. Jahrhundert ist die parallele Präsenz von zwei gegenläufigen Tendenzen, nämlich von integrativen (Globalisierung, Europarat, die UNO, GATT/WTO, EU usw.) und desintegrativen Tendenzen in Europa (Baskenland, Belgien, Schottland, usw.) als Konsequenz der jüngsten geopolitischen Umwälzungen auf unserem Kontinent.4 Es erfolgt eine gleichzeitige Orientierung hin zu regionaler 1
Vgl. Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004b, S. 199. Viele aufgrund der Entkolonisierung entstandene Mikrostaaten liegen in der Karibik, im Indischen oder im Pazifischen Ozean. Vgl. Kirt/Waschkuhn 2001, S. 27 f.; Kirt 1999, S. 34.; Goetschel 2000, S. 1; Häberle 2001, S. 156; Häberle 1993, S. 173; Hummer 2004, S. 32; Seiler 2004, S. 293, 297; Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein 2004, S. 1; Armstrong u. a. 1998, S. 639; Harden 1985, S. 1; Kilian 2002, S. 199 f., 206 f., 222 f. 3 Vgl. Geser 2004, S. 141 f. 4 Vgl. Kirt 1999, S. 16, 18 f., 21; Kirt/Waschkuhn 2001, S. 33; Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein 2004, S. 1; Glassner 2004, S. 65; Geser 1992, S. 627 f.; Kilian 2002, S. 222. 2
II. Die Staatseigenschaft der Mikrostaaten
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Autonomie und zu supranationalen Strukturen. Der Fall des Eisernen Vorhangs hat die europäischen Einigungsbemühungen intensiviert, flaute aber auch nach Verabschiedung des Maastrichter Vertrages wieder ab. Gleichzeitig sind aus drei osteuropäischen Bundesstaaten (Jugoslawien, Sowjetunion, Tschechoslowakei) 22 unabhängige Staaten entstanden.5 Diese Tendenzen führen heute dazu, dass auch Staaten mit extremen Größenunterschieden nebeneinander existieren können und die Überlebensund Autonomiechancen der Kleinstaaten heute kaum noch davon abhängen, dass sie eine unattraktive, isolierte geographische Nische besetzen, von einer Schutzmacht abhängig sind oder von der Uneinigkeit größerer Dritter profitieren.6 Insgesamt existieren mehr als 40 Mikrostaaten auf der Welt (weniger als 100.000 Einwohner), sie besitzen erstaunliche Vitalität und Resistenz.7
II. Die Staatseigenschaft der Mikrostaaten Gewisse Grenzen für Staatlichkeit und Souveränität zu ziehen, ist aus Sicht der Weltgemeinschaft notwendig, denn wenn jede ethnische, religiöse oder linguistische Gruppe eine eigene Staatlichkeit beanspruchen würde, gäbe es keine Grenzen der Zersplitterung und Desintegration, und Frieden, Sicherheit und wirtschaftlicher Wohlstand würden immer schwieriger zu erreichen sein.8 Was die Mikrostaaten grundsätzlich von anderen Völkerrechtssubjekten unterscheidet, ist vor allem ihr verhältnismäßig extrem kleines Staatsgebiet und die geringe Bevölkerungszahl, was gleichzeitig bedeutet, dass ihre personellen und natürlichen Ressourcen beschränkt sind. In diesem Zusammenhang – und mit Blick auf die Staatlichkeit der Mikrostaaten – ergeben sich unter anderem die Fragen, welche Mindestvoraussetzungen erfüllt werden müssen, um als ein Staat nach internationalem Recht zu gelten, welche Schlussfolgerungen sich aus der Existenz dieser winzigen Staaten in der Weltgemeinschaft ergeben, wie die Mikrostaaten in der internationalen Ordnung funktionieren oder ob ihre Handlungsfähigkeit durch ihre geringen 5
Vgl. Kirt 1999, S. 17 f., 21.; Kukan 2004, S. 15; Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein 2004, S. 1; Glassner 2004, S. 65; Abt 1993, S. 23. 6 Vgl. Geser 2004, S. 142. 7 Vgl. CIA World Factbook 2009 (Basis: 237 Staaten insgesamt). Die Zahlen schwanken je nach zugrunde gelegter Einordnung als Staat. Laut Fischer Weltalmanach gibt es demnach insgesamt nur 195 Staaten und dementsprechend deutlich weniger Mikrostaaten (13). Vgl. auch Waschkuhn 2003, S. 759. 8 Vgl. UN Doc. A/47/277 (1992), para. 17 (An Agenda for Peace), zitiert in Duursma 1996, S. 1.
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C. Die Mikrostaaten als Bestandteil der internationalen Ordnung
Ressourcen begrenzt ist.9 Daher werden im Folgenden die Kriterien der Staatlichkeit und ihre Anwendung auf die Mikrostaaten untersucht. 1. Definition „Staat“ In der Allgemeinen Staatslehre bestimmt die Drei-Elemente-Lehre nach Jellinek10 die Staatseigenschaft eines organisierten Herrschaftsverbandes. Demnach ist ein Staat ein politisch und rechtlich organisierter Gebiets- und Personenverband, wenn eine Gewalt gegeben ist, die einem Volk und einem abgegrenzten Gebiet zugeordnet ist. Die Gewalt sei nach außen nur an das Völkerrecht gebunden und nach innen autonom. Die drei unabdingbaren Elemente des Staates sind somit Staatsgewalt, Staatsvolk und Staatsgebiet.11 Diese Elemente werden auch als rechtliche Kriterien eines Staates bezeichnet. Artikel 1 der Konvention von Montevideo über die Rechte und Pflichten der Staaten vom 26. Dezember 193312 nennt als traditionelle Kriterien der Staatlichkeit eine permanente Bevölkerung (Staatsvolk), definiertes Gebiet (Staatsgebiet), eine Regierung (Staatsgewalt) sowie die Fähigkeit, mit anderen Staaten in völkerrechtliche Beziehung zu treten (Staatenverkehrsfähigkeit, Unabhängigkeit). Die Kriterien dieses Artikel 1 der Montevideo-Konvention werden auch häufig als Völkergewohnheitsrecht angesehen.13 Die internationale Anerkennung als ein politisches Kriterium wurde immer wichtiger für effektive Staatlichkeit.14 Besonders eine UN-Mitgliedschaft zeugt von internationaler Anerkennung.15 Damit in Verbindung stehen die politischen Kriterien Souveränität und Unabhängigkeit.16 Im Folgenden werden die rechtlichen Kriterien der Staatlichkeit – Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt – sowie die politischen Kriterien der Verkehrsfähigkeit, Unabhängigkeit, Souveränität auf die Mikrostaaten angewandt, um zu untersuchen, ob sie diese Merkmale erfüllen. Die Anerkennung der Mikrostaaten in der internationalen Staatengemeinschaft wird in Punkt C. III. untersucht. 9
Vgl. Duursma 1996, S. 3. Genauer: Jellinek 1914, S. 394 ff. 11 Vgl. Ipsen 2004, S. 59 ff.; Hummer 2004, S. 37; Darsow 1984, S. 12 f.; Duursma 1996, S. 110 f.; Kilian 2002, S. 209. 12 LNTS 165, 1934, S. 19 ff. 13 Vgl. Hummer 2004, S. 37; Seiler 2004, S. 315; Duursma 1996, S. 112; Harden 1985, S. 51; Ehrhardt 1970a, S. 29; Darsow 1984, S. 61 ff.; Ipsen 2004, S. 60. 14 sh. Punkt C. III. 1.; vgl. Duursma 1996, S. 110 f. 15 Vgl. Duursma 1996, S. 110 f. 16 Vgl. Glassner 2004, S. 32. 10
II. Die Staatseigenschaft der Mikrostaaten
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2. Staatsgebiet Das Staatsgebiet bezeichnet das Gebiet, in dem die Funktionen des Staates ausgeführt werden.17 Das Gebiet ist durch Grenzen gekennzeichnet, die geographische Räume unter einer gemeinsamen Rechtsordnung zusammenfassen. Die Grenze ist damit die Trennlinie zwischen verschiedenen Rechtsordnungen.18 Die Grenzen müssen nicht genau feststehen, aber konsistent genug sein. Es muss jedoch keine minimale Größe eines Staatsgebietes vorhanden sein, dies ist nach internationalem Recht nicht vorgegeben.19 Das Staatsgebiet umfasst neben dem Gelände auch den darüber befindlichen Luftraum und das darunter liegende Erdreich.20 Weiterhin wichtig sind die Lage, Rohstoffvorkommen und natürliche Ressourcen.21 Da es keine minimale Vorgabe für die Größe eines Staatsterritoriums gibt und die Grenzen der europäischen Mikrostaaten genau festgelegt sind, meist durch Verträge mit den Nachbarstaaten, kann festgestellt werden, dass die Mikrostaaten dieses Kriterium erfüllen. Die Mikrostaaten sind zwar außerordentlich klein, doch die territoriale Kleinheit der Mikrostaaten war kein Hinderungsgrund bei der Aufnahme in internationale Organisationen, wie die UNO oder der Europarat.22 3. Staatsvolk Das Staatsvolk bezeichnet eine Gemeinschaft von Individuen, die in einem Staatsgebiet zusammen leben, einen auf Dauer angelegten Verbund von Menschen.23 Der soziologische Volksbegriff definiert eine Personengruppe mit generativem Verhalten, d.h. dass sie sich selbst fortpflanzen kann. Eine Ausnahme davon ist der Vatikan, da hier das Volk aufgrund zölibatärer Verpflichtungen sich nicht selbst regeneriert. Daher ist der Vatikan ein Staat sui generis mit einer historisch zu erklärenden Entstehung und seinem Fortbestand.24 Die Bevölkerung eines Staates muss nicht vollkommen homogen sein.25 Allein die Zusammenfassung der Menschen unter einer gemeinsamen 17
Vgl. Glassner 2004, S. 31; Duursma 1996, S. 116. Vgl. Ipsen 2004, S. 60. 19 Vgl. Glassner 2004, S. 31; Duursma 1996 S. 116 f.; Ehrhardt 1970a, S. 31; Abt 1993, S. 25. 20 Vgl. Ipsen 2004, S. 60; Hummer 2004, S. 39; Darsow 1984, S. 22 f. 21 Vgl. Duursma 1996 S. 116; Ipsen 2004, S. 57. 22 sh. Punkt C. III. 3. a)/b). 23 Vgl. Ipsen 2004, S. 61; Duursma 1996, S. 117. 24 Vgl. Hummer 2004, S. 38, Darsow 1984, S. 22; Dommen 1985, S. 5. 25 Vgl. Duursma 1996, S. 117; Glassner 2004, S. 31. 18
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C. Die Mikrostaaten als Bestandteil der internationalen Ordnung
Rechtsordnung ist wichtig, nicht die Sprache, Kultur, Rasse, Geschichte oder Religion.26 Die rechtliche Beziehung eines Individuums zu einem Staat wird durch das Kriterium der Staatsangehörigkeit ausgedrückt. Maßgeblich für die Zugehörigkeit zu einem Staatsvolk ist daher die Staatsangehörigkeit.27 Genau wie für das Staatsgebiet ist für das Staatsvolk keine Mindestzahl in internationalem Recht vorgegeben. Die geringste Zahl an Einwohnern weist in Europa der Vatikan auf. Es ist auch möglich, dass es in einem Staat mehr ausländische Einwohner gibt als Staatsangehörige (z. B. in Monaco).28 Grundsätzlich ist festzustellen, dass für die Staatsqualität die Größe des Staatsgebiets und der Bevölkerung von geringerer Bedeutung sind als die Staatsgewalt, die Verkehrsfähigkeit sowie die Unabhängigkeit, Souveränität und Anerkennung, was die durchgeführten Untersuchungen vor den Beitritten der europäischen Mikrostaaten in internationale Organisationen bestätigen.29 4. Staatsgewalt Die Staatsgewalt ist die zentrale Bedingung von Staatlichkeit, von der alle anderen Kriterien abhängen.30 Sie umschreibt die Autorität, um Stabilität in die Gemeinschaft zu bringen, Recht und Ordnung zu sichern, oder auch die Fähigkeit, eine Ordnung auf dem Staatsgebiet zu organisieren (innere Souveränität) und nach außen selbständig und von anderen Staaten rechtlich unabhängig im Rahmen und nach Maßgabe des Völkerrechts zu handeln (äußere Souveränität).31 Dazu gehört auch das Innehaben der Kompetenz-Kompetenz. Die hoheitliche, öffentliche Staatsgewalt erstreckt sich auf das Staatsvolk und das Staatsgebiet.32 In allen europäischen Mikrostaaten existieren Verfassungen oder verfassungsähnliche Regelungen, die die Verteilung der Staats- bzw. Herrschaftsgewalt bestimmen (Legislative, Exekutive, Judikative), die selbständig die Staats- und Regierungsform festlegen und die Organisation der Innen- und 26
Vgl. Ipsen 2004, S. 61. Vgl. Kempen/Hillgruber 2007, S. 14. 28 Vgl. Duursma 1996, S. 117 f.; Hummer 2004, S. 38; Harden 1985, S. 51; Darsow 1984, S. 50; Kempen/Hillgruber 2007, S. 14. 29 sh. Punkt C. III. 3. (bspw. der Beitritt Monacos in die UNESCO oder den Europarat). 30 Vgl. Duursma 1996, S. 118. 31 Vgl. Duursma 1996, S. 118; Glassner 2004, S. 31; Ipsen 2004, S. 61; Darsow 1984, S. 26 f. 32 Vgl. Ipsen 1990, S. 57; Hummer 2004, S. 40. 27
II. Die Staatseigenschaft der Mikrostaaten
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Außenpolitik regeln. Zwar mag die Größe und der Umfang der Regierungsorganisation deutlich kleiner sein als in großen Staaten, doch das Merkmal der Staatsgewalt an sich ist in den europäischen Mikrostaaten als erfüllt zu betrachten. Trotzdem ist darauf hinzuweisen, dass die Knappheit der personellen Ressourcen die Effektivität der Staatsgewalt beeinflusst. 5. Verkehrsfähigkeit In Artikel 1 der Konvention von Montevideo wird die Verkehrsfähigkeit umschrieben als Fähigkeit, mit anderen Staaten in internationale Beziehungen zu treten. Diese Umschreibung ist jedoch ein recht vages und unbestimmtes Element von Staatlichkeit.33 Bestimmte Faktoren, zu allererst die ressourcenbedingte Unmöglichkeit der Unterhaltung zahlreicher diplomatischer Vertretungen durch Mikrostaaten, könnten die Verkehrsfähigkeit einschränken und damit einen Qualitätsmangel an Staatlichkeit erzeugen. Dies würde durchaus einige anerkannte Staaten betreffen, was das Festhalten an diesem Kriterium erschwert.34 Ehrhardt ist in der deutschsprachigen Literatur der wichtigste Vertreter mit der Meinung, dass kleine Staaten ihre völkerrechtlichen Rechte und Pflichten aufgrund der geringen Bevölkerungszahl unzureichend wahrnehmen könnten und dadurch die völkerrechtliche Verkehrsfähigkeit in unzulässiger Weise eingeschränkt sei.35 Dieser Meinung kann jedoch heute nicht mehr gefolgt werden. Auch wenn ein Mikrostaat aus Kapazitäts- oder Kostengründen keine oder sehr wenige bilaterale diplomatische Beziehungen unterhält und sich in seinen multilateralen Beziehungen nur auf eine internationale Organisation, z. B. die UNO beschränkt, spricht dies nicht gegen seine Souveränität und Unabhängigkeit. Weiterhin haben viele der Mikrostaaten Regelungen mit ihren größeren Nachbarstaaten getroffen, die diplomatische oder Interessens-Vertretung zu übernehmen, ohne die Souveränität der Mikrostaaten wesentlich einzuschränken. Außerdem ermöglichen die neuen Mittel der Telekommunikation auch ressourcenarmen Staaten die Aufrechterhaltung der Verkehrsfähigkeit.36 Oftmals wird die Verkehrsfähigkeit auch gleichbedeutend angesehen mit Souveränität und Unabhängigkeit, weswegen eine eindeutige Begriffsabgrenzung kaum möglich ist. 33
Vgl. Hummer 2004, S. 41; Ehrhardt 1970a, S. 38 f. Vgl. Hummer 2004, S. 41. 35 Vgl. Ehrhardt 1970a, S. 38 ff. 36 Genauer in den Kapiteln der Vorstellung der Mikrostaaten, Punkte D.–H., „Beziehungen zu anderen Staaten“; vgl. Hummer 2004, S. 50 f.; Kilian 2002, S. 231. 34
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C. Die Mikrostaaten als Bestandteil der internationalen Ordnung
6. Unabhängigkeit und Souveränität Die Souveränität ist eine Eigenschaft der Staatsgewalt und wird oft als politisches Kriterium der Staatsgewalt bezeichnet. Die innere Souveränität ist gleichzustellen mit Verfassungsautonomie. Die äußere Souveränität beschreibt den Zustand, dass ein Staat keiner anderen Autorität, insbesondere keiner anderen staatlichen Rechtsordnung, unterstellt ist, sondern nur dem Völkerrecht (Völkerrechtsunmittelbarkeit).37 Die Übertragung von Hoheitsrechten auf internationale Organisationen beeinträchtigt die äußere Souveränität nicht, solange der Staat in der Lage ist, sich einseitig aus dieser Übertragung von Hoheitsrechten zu lösen und der Staat sich nicht einseitig einem anderen Staat unterwirft.38 Die Unabhängigkeit eines Staates ist notwendig, um zu beweisen, dass er einzeln existieren kann. Dabei ist es eher die Unabhängigkeit der Regierung als die des Staates, die dafür notwendig ist. Souveränität und Unabhängigkeit werden oft als Synonyme verwendet, man kann aber zwischen ihnen unterscheiden. Der Verlust der Unabhängigkeit lässt nicht unbedingt den Staat gleich verschwinden.39 Für die Mikrostaaten ist die Aufrechterhaltung der Souveränität sehr wichtig. Besonders bedeutsam für sie ist, nicht unter substanzieller externer Kontrolle zu stehen. Die Kleinheit des Staatsgebietes, die begrenzte Bevölkerung und wenige oder keine natürlichen Ressourcen führen fast zwangsläufig zu einem teilweisen Verlust von Unabhängigkeit.40 Der Grad an Unabhängigkeit von Mikrostaaten hängt von verschiedenen Elementen ab. Dazu gehören u. a. die historische Evolution der Beziehungen des Mikrostaats zu seinen Nachbarstaaten oder seine Bereitschaft, finanzielle Verluste hinzunehmen. Diese Faktoren basieren hauptsächlich auf der politischen und wirtschaftlichen Stärke des jeweiligen Mikrostaates. In diesem Zusammenhang haben sich vor allem drei Gebiete der Kooperation herausgebildet: die praktische Kooperation für das tägliche Funktionieren des Mikrostaates, die wirtschaftliche Kooperation sowie die politische Kooperation, die meist die Verteidigung und diplomatische Vertretung umfasst.41 Hinsichtlich Letztgenanntem stellt sich u. a. die Frage, inwieweit sich die Mikrostaaten anpassen müssen, wenn sie Verteidigungsvereinbarungen getroffen haben. 37 38 39 40 41
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Ipsen 2004, S. 61; Duursma 1996, S. 120; Darsow 1984, S. 35 ff., 42. Ipsen 2004, S. 61 f. Duursma 1996, S. 120 f.; Darsow 1984, S. 36 f., 140. Duursma 1996, S. 120 ff. Duursma 1996, S. 125 f.
II. Die Staatseigenschaft der Mikrostaaten
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Für den Erhalt der Staatseigenschaft ist es vor allem wichtig, dass der Mikrostaat keiner rechtlichen Fremdbestimmung unterliegt, eine einzig wirtschaftliche Abhängigkeit reicht dagegen nicht aus, um die Staatsfähigkeit abzusprechen.42 Im Falle der Mikrostaaten gibt es besondere Abhängigkeitsverhältnisse. Dies ist der Fall, wenn Zusammenschlüsse auf ungleicher Basis erfolgen, wodurch ein Abhängigkeitsverhältnis eines Staates von einem anderen entsteht bzw. so reflektiert wird. So kann sich ein Staat verpflichten, seine Außenpolitik oder sogar Akte seiner Innenpolitik von der Zustimmung eines anderen Staates abhängig zu machen oder sogar bestimmte staatliche Befugnisse an einen anderen Staat übertragen. Trotzdem erhält der abhängige Staat seine Völkerrechtssubjektivität, die Beziehungen zwischen den beiden Staaten werden durch das Völkerrecht geregelt, nur ist der abhängige Staat möglicherweise in seiner völkerrechtlichen Handlungsfreiheit beschränkt.43 Betrachtet man die zu untersuchenden Mikrostaaten, ist festzustellen, dass Liechtenstein seine volle Entscheidungsfreiheit bewahrt, trotz der Zollunion mit der Schweiz. Dies gilt auch für San Marino, obwohl es gegenüber Italien verpflichtet ist, keinen Schutz einer anderen Macht anzunehmen. Lange Zeit war fraglich, ob Monaco formal unabhängig von Frankreich war, da die beiden Staaten sehr eng verbunden waren und sind, u. a. auch in der Außenpolitik. Erst 2002 erlangte Monaco formale Unabhängigkeit von Frankreich. Ebenso wurde die Außenpolitik Andorras bis 1993 durch Frankreich bestimmt, erst durch die neue Verfassung wurde es unabhängig. Der Vatikan dagegen hat einen sehr hohen Status an Unabhängigkeit.44 Neben den besonderen Abhängigkeitsverhältnissen gibt es noch eine weitere Besonderheit, die man mit Bezug auf die Mikrostaaten betrachten muss: das Kondominium. Dies bezeichnet ein Gebiet, über das zwei Staaten die Hoheitsgewalt gesamthänderisch zusteht. Andorra war bis 1993 ein Kondominium, und damit kein Völkerrechtssubjekt, da bis dahin das französische Staatsoberhaupt und der Bischof von Urgell gemeinsam die Gebietshoheit innehatten.45 Dies hat sich mit der Verabschiedung der Verfassung Andorras 1993 geändert, seit dem ist der Mikrostaat ein souveränes Völkerrechtssubjekt. 42
Vgl. Kilian 2002, S. 218; Darsow 1984, S. 180, 211. Vgl. Ipsen 2004, S. 78. 44 sh. im Einzelnen in den Punkten D.–H.; vgl. Ipsen 2004, S. 78; Duursma 1996, S. 120 ff. 45 Vgl. Ipsen 2004, S. 81; Kilian 2002, S. 201. 43
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C. Die Mikrostaaten als Bestandteil der internationalen Ordnung
Heute sind die früheren Formen gestufter Abhängigkeit von größeren Staaten, meist den Nachbarstaaten, wie das Protektorat oder das Kondominium fast vollständig verschwunden.46 7. Zusammenfassung Die Mikrostaaten vereinen die rechtlichen Merkmale eines Staates: Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt – mit Ausnahme des Vatikans bei dem Merkmal Staatsvolk –, was durch ihre internationale Anerkennung bestätigt wird. Auch wenn manche Mikrostaaten einen Teil der Staatsaufgaben an andere Staaten delegieren, erhalten sie ihre Staatsqualität, solange sie keine wesentlichen Gewalten abgeben. Jedoch sind ihre Fähigkeiten zu internationalen Handlungen oder die praktische Autonomie manchmal teilweise eingeschränkt. In wie weit die politischen Kriterien Verkehrsfähigkeit, Souveränität und Unabhängigkeit erfüllt werden, wird in den einzelnen Kapiteln zu den jeweiligen Mikrostaaten detailliert in der historischen Entwicklung erläutert, da man diese nicht für alle Mikrostaaten verallgemeinern kann. Es ist weiterhin darauf hinzuweisen, dass sich diese Eindeutigkeit der Erfüllung der Staatskriterien durch die europäischen Mikrostaaten erst in den 1990er Jahren gefestigt hat. Zuvor gab es zahlreiche Diskussionen und Uneinigkeiten, viele der heutigen europäischen Mikrostaaten wurden lange als Protektorate angesehen.47 Die europäischen Mikrostaaten sind heute alle Mitglieder bzw. Beobachter bedeutender internationaler Organisationen, wie der UNO oder des Europarates, was bestätigt, dass die Mikrostaaten in der internationalen Staatenwelt als Staaten anerkannt werden. Im folgenden Kapitel werden die Entwicklung und der heutige Status der Anerkennung der Mikrostaaten – als weiteres politisches Kriterium der Staatlichkeit – in der internationalen Staatenordnung detaillierter untersucht.
46 47
Vgl. Kilian 2002, S. 231. sh. Punkt I. III.
III. Die Anerkennung der Mikrostaaten in der internationalen Ordnung
41
III. Die Anerkennung der Mikrostaaten in der internationalen Ordnung 1. Rechtliche Bedeutung der Anerkennung von Staaten Entsprechend der verbreiteten völkerrechtstheoretischen Auffassung handelt es sich bei der Anerkennung um eine einseitige Willenserklärung des anerkennenden Völkerrechtssubjekts.48 Nach Ipsen ist „die Anerkennung als Staat [. . .] die Erklärung eines bestehenden Völkerrechtssubjektes, dass es sich bei dem anerkannten Herrschaftsverband um einen Staat im Sinne des Völkerrechts und damit um ein Völkerrechtssubjekt handelt.“49 Im Gegensatz dazu würde eine Nichtanerkennung eines Staates bedeuten, dass „der übliche völkerrechtliche Verkehr [. . .] nicht stattfindet und sich die betreffenden Subjekte nicht als Völkerrechtssubjekte behandeln“.50 Die Rechtswirkungen der Anerkennung von Staaten in der internationalen Staatenwelt sind in der Völkerrechtslehre umstritten. Dabei stehen sich vor allem die deklaratorische und die konstitutive Theorie gegenüber.51 Die deklaratorische Theorie besagt, dass im Völkerrecht die Anerkennung eines Staates nicht konstitutiv für die Existenz dieses Staates sei, da es sonst von anderen Staaten abhängen würde, ob ein selbständiger Staat besteht, was wiederum dem Konzept der Souveränität widersprechen würde. Demnach kann eine Entität die Staatseigenschaft unabhängig von der Anerkennung besitzen.52 Im Gegensatz dazu besagt die konstitutive Theorie, dass als Ergebnis der Anerkennung die anerkannte Gebietseinheit den rechtlichen Status eines Staates gemäß Völkerrecht erlangt.53 Demzufolge konstituiere die Anerkennung nicht den Staat als solchen, sondern seine Völkerrechtssubjektivität, und zwar nur gegenüber den Staaten, die den neuen Staat anerkannt haben.54 Des Weiteren existieren „vermittelnde Ansichten“, die der völkerrechtlichen Anerkennung sowohl deklaratorische als auch konstitutive Elemente zusprechen.55 48 Vgl. Ipsen 2004, S. 258 f. Die Auffassung, dass die Anerkennung ein gegenseitiger Akt in Form eines völkerrechtlichen Vertrages sei, ist kaum verbreitet. 49 Ipsen 2004, S. 266. 50 Ipsen 2004, S. 266. 51 Vgl. Ipsen 2004, S. 267. 52 Vgl. Kilian 2002, S. 219; Ipsen 2004, S. 267. 53 Vertreter: Hillgruber; vgl. Hillgruber 1998, S. 492; Ipsen 2004, S. 267. 54 Vgl. Hillgruber 1998, S. 492; Ipsen 2004, S. 267; Darsow 1984, S. 46 f. 55 Vgl. Ipsen 2004, S. 267 f.
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C. Die Mikrostaaten als Bestandteil der internationalen Ordnung
Im Rahmen der Entstehung neuer Staaten in Osteuropa durch den Zerfall der früheren Sowjetunion und Jugoslawiens hat der Europäische Rat am 16. Dezember 1991 Richtlinien über die Anerkennung von neuen Staaten verabschiedet, um ein einheitliches Anerkennungsverhalten sicherzustellen.56 Durch diese Richtlinien wurden die „Bewerberstaaten“ evaluiert, vor allem in Hinblick auf deren Verlässlichkeit als Partner in internationalen Beziehungen und der Frage, ob sie fähig und willens sind, sich politisch zu integrieren.57 Die Richtlinien besagen, dass als Voraussetzung für die Anerkennung eines Staates die Selbstbestimmung, eine demokratische Basis, Rechtstaatlichkeit, Menschenrechte, der Schutz von Minderheiten, die Erfüllung internationaler Pflichten, die Achtung der Charta der Vereinten Nationen sowie der Schlussakte von Helsinki (1975) und der Charta von Paris (1990), der Verhandlungs- und Friedenswille, u. a. geachtet bzw. erfüllt werden müssen.58 Diese Bedingungen zur Anerkennung gehen weit über den minimalen völkerrechtlichen Standard der Anerkennung von Staaten hinaus.59 Diese Kriterien sind laut Ipsen jedoch keine objektiven Kriterien für die Anerkennung eines Staates, sondern politische Bedingungen für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Die damalige Anerkennung der Staaten durch die EG habe daher keine konstitutive Wirkung gehabt.60 Aufgrund der Anerkennung durch die schon bestehenden Staaten wird ein neuer Staat in die internationale Gemeinschaft aufgenommen. Dabei existiert weder eine Pflicht noch ein Recht auf Anerkennung, auch wenn eine Entität die so genannten klassischen Kriterien der Staatlichkeit erfüllt.61 Dies unterstreicht die Einstufung der Anerkennung als politisches Kriterium, da häufig politische Gründe bei der Entscheidung für oder gegen die Anerkennung eines Herrschaftsverbandes von Bedeutung sind. Wie oben beschrieben, ist die Rechtswirkung der Anerkennung von Staaten umstritten. Dies äußert sich u. a. darin, dass unterschiedliche Quellen und Autoren die Anzahl der Staaten dieser Welt ungleich angeben. Derzeit haben die Vereinten Nationen 192 Mitgliedstaaten, die sie als vollständig souverän anerkennen.62 Man kann daher davon ausgehen, dass 56 EA 47 (1992); D 120 ff.: European Council: Declaration on the „Guidelines on the Recognition of New States in Eastern Europe and in the Soviet Union“. 16.12.1991; vgl. Hillgruber 1998, S. 492, 500; Ipsen 2004, S. 259, 268 f. 57 Vgl. Hillgruber 1998, S. 493. 58 EA 47 (1992); D 120 ff.: European Council: Declaration on the „Guidelines on the Recognition of New States in Eastern Europe and in the Soviet Union“. 16.12.1991; vgl. Hillgruber 1998, S. 492, 500; Ipsen 2004, S. 269. 59 Vgl. Hillgruber 1998, S. 501; Ipsen 2004, S. 270. 60 Vgl. Ipsen 2004, S. 270. 61 Vgl. Hillgruber 1998, S. 503; Ipsen 2004, S. 270 f.
III. Die Anerkennung der Mikrostaaten in der internationalen Ordnung
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es mindestens 192 Staaten gibt. Allerdings bedeutet dies weder, dass Entitäten, die keine UN-Mitglieder sind, automatisch keine Staaten sind, noch dass alle UN-Mitglieder von allen anderen Staaten automatisch anerkannt werden.63 Der Fischer Weltalmanach nennt beispielsweise eine Gesamtstaatenzahl von 195 Staaten.64 Dabei richtet man sich nach den Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, und hinzu kommt die Republik China (Taiwan), die von nur wenigen Staaten anerkannt wird, de facto aber ein souveräner Staat mit funktionierenden staatlichen Institutionen ist, der Kosovo, dessen Unabhängigkeitserklärung zur Zeit auf Antrag Serbiens vom Internationalen Gerichtshof geprüft wird, das aber dennoch mittlerweile von mehr als 60 Staaten anerkannt wird, sowie der Vatikan. Alle anderen Staaten seien entweder nur von einigen wenigen Staaten anerkannt und ohne diese nicht überlebensfähig oder gelten nach Definition der UN als abhängige Gebiete (z. B. Abchasien, DARS Sahara).65 Das „CIA World Factbook“ dagegen geht von einer Gesamtzahl von 237 Staaten aus, was auf eine weniger strenge Beachtung des Kriteriums der internationalen Anerkennung zurückzuführen ist.66 2. Außenpolitische Strategien der Mikrostaaten Mikrostaaten als kleine politische Gebilde sind einerseits dauerhaft zur Kooperation gezwungen und andererseits gerade dadurch konfliktanfällig, wenn die traditionellen Strategien der Konfliktbegrenzung versagen. Deshalb sind die Mikrostaaten meist besonders auslandsabhängig und auf eine stabile, friedfertige und wohlwollende Umwelt angewiesen.67 Das Handeln kleiner Staaten in den internationalen Beziehungen wird bestimmt durch deren politische Geographie, historische Interaktionen sowie deren momentane wirtschaftliche und militärische Stärke. Man kann zwischen drei außenpolitischen Langzeitstrategien der Mikrostaaten unterschei62 Vgl. UNRIC/Regionales Informationszentrum der Vereinten Nationen für Westeuropa 2007. 63 Bspw. ist der Staat Vatikanstadt nicht Mitglied der UN [sh. Punkt H. I. 6. a)], wird aber trotzdem von der internationalen Staatengemeinschaft als Staat anerkannt, und bspw. werden die UN-Mitglieder Israel und Montenegro nicht von allen UNMitgliedstaaten anerkannt. Doch auch hierüber existieren unterschiedliche Auffassungen (Stichwort „stillschweigende Anerkennung“): sh. Ipsen 2004, S. 263. 64 Vgl. Fischer Weltalmanach 2009. 65 Schriftliche Information der Redaktion des Fischer Weltalmanachs. 66 Vgl. CIA World Factbook 2009. 67 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 759 f.
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C. Die Mikrostaaten als Bestandteil der internationalen Ordnung
den. Dazu gehört erstens das Streben nach Neutralität, zweitens die Kooperationen in der bzw. die Integration in die Region (Nachbarstaaten) und drittens die Pflege internationaler Kooperationen und strategischer Beziehungen mit internationalen Organisationen.68 Gerade durch internationale Kooperationen können die Mikrostaaten ihren eigenständigen Charakter erhalten und stärken.69 In diesem Kapitel werden zunächst die generellen außenpolitischen Strategien von Mikrostaaten dargestellt, welche dann in den einzelnen Länderkapiteln für die jeweiligen Mikrostaaten detailliert erläutert werden. a) Strategie 1: Neutralität Die Neutralität hat heute zwar ihre ursprüngliche Bedeutung für den Kriegsfall weitgehend verloren, dennoch ist sie politisch sehr relevant. Denn die Verankerung in der Bevölkerung ist oftmals immer noch sehr stark, die Neutralität ist zu einem festen Bestandteil der außenpolitischen nationalen Identität des jeweiligen Landes geworden. Außerdem trägt die Neutralität dazu bei, als Staat wahrgenommen zu werden, der Krieg als Mittel zur Wahrung der außen- und sicherheitspolitischen Interessen ablehnt und sich eher der zivilen Lösung von Konflikten und der Friedensforschung verpflichtet sieht.70 Damit sichert die Neutralität die Unabhängigkeit und verschafft Anerkennung.71 Die Mikrostaaten haben schnell gelernt, dass militärische Expansion keine Option für sie darstellt und es deutlich attraktivere Wege staatlicher Selbstbehauptung gibt.72 Sie lehnen Gewalt als Mittel zur Konfliktlösung auf internationaler Ebene ab.73 Mikrostaaten unterhalten meist keine Militärformationen im Ausland, in den seltensten Fällen besitzen sie überhaupt ein Militär. Genauso wenig existieren Geheimdienste in den Mikrostaaten.74 Somit ist auch das Image der neutralen Staaten in diesen Bereichen positiv besetzt, ihre Außen- und Sicherheitspolitik gilt als glaubwürdig und weniger interessen- bzw. machtorientiert. Da den Kleinststaaten weniger die Verfolgung eigener machtpolitischer Interessen unterstellt wird, erhalten die Aktionen mit ihrer Beteiligung ein besonderes Maß an Legitimität in den Augen der politischen Öffentlichkeit. Somit können Militärbündnisse zwar für Klein- und Mikrostaaten noch von 68 69 70 71 72 73 74
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Amstrup 1976, S. 170 ff.; Kukan 2004, S. 14 f. Waschkuhn 1994, S. 26. Goetschel 2004, S. 227 ff., 233; Waschkuhn 1994, S. 26. Geser 1992, S. 640. Geser 2004, S. 137 f. Dosenrode 1993, S. 56. Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004b, S. 194.
III. Die Anerkennung der Mikrostaaten in der internationalen Ordnung
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Bedeutung sein, jedoch nicht in der verteidigungspolitischen Funktion, sondern als Unterstützung und Koordinierungshilfe in der Friedens- und Sicherheitspolitik.75 Wegen ihres geringen Strebens nach Macht und ihrer minimalen Chancen, etwas zu erzwingen, sind kleine Staaten in besonderer Weise zu Vermittlungsleistungen fähig, können Kulturen des politischen Kompromisses schaffen oder auch faire Ausgleichslösungen gestalten helfen. Problematisch ist allerdings oftmals die Frage, ob die kleinen Staaten bereit bzw. in der Lage sind, etwa die Lasten einer gesamteuropäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik mitzutragen.76 Weiterhin ist die Anzahl der diplomatischen Missionen der Mikrostaaten kleiner, da sie weniger globale Interessen zu vertreten haben und meist nur geringe personelle Ressourcen vorhanden sind.77 b) Strategie 2: Beziehungen zu den Nachbarstaaten Die Überlebensbedingungen der Mikrostaaten waren historisch gesehen meist an bestimmte Faktoren geknüpft. Dazu gehörten fast immer geographische Isolation, eine unsichere, risikoreiche Umwelt und/oder ein Abhängigkeitsverhältnis zu einer größeren Schutzmacht. Von dieser Konstruktion gibt es nur wenige Ausnahmefälle.78 Vereinfacht lassen sich bezogen auf die Schutzmacht vier typische Verhaltensmuster feststellen. Falls ein Mikrostaat aus einer Kolonie erwachsen ist, spielen meist die Beziehungen zu der ehemaligen Kolonialmacht eine große Rolle. In Fällen, in denen die Mikrostaaten vom Staatsgebiet eines großen Staates eingeschlossen sind, stellt dieser Staat den Bezugspunkt für die auswärtigen Beziehungen dar. Wenn ein Staat mehrere gleich wichtige Nachbarstaaten besitzt, sind es meist diese Staaten, auf die der Mikrostaat seine Außenpolitik konzentriert. Kleine Inselstaaten wiederum unterhalten verstärkt Beziehungen zu dem Lieferanten der wichtigsten Lebens- und Arbeitsmittel.79 Daher sind die Mikrostaaten besonders auf Kooperation mit ihren größeren Nachbarstaaten sowie mit internationalen Organisationen angewiesen.80 75
Vgl. Goetschel 2004, S. 227 ff., 233; Waschkuhn 1994, S. 26. Vgl. Kirt/Waschkuhn 2001, S. 43; Jansen 2001, S. 169 ff.; Zemanek 2004, S. 247. 77 sh. in den Länderkapiteln Punkte D.–H., „Beziehungen zu weiteren Staaten“; vgl. Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004b, S. 195; Dosenrode 1993, S. 56; Kilian 2002, S. 231. 78 Vgl. Geser 2004, S. 139 f. 79 Vgl. Hummer 2004, S. 53. 76
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Vor allem aufgrund ihrer knappen Ressourcen sind die Mikrostaaten oftmals dazu gezwungen, ihre formellen Außenbeziehungen auf die Region, d.h. auf wenige größere Nachbarstaaten zu fokussieren und damit auch Asymmetrien oder Abhängigkeitsverhältnisse zu akzeptieren.81 Sie sind somit häufig weniger global veranlagt. Die möglichst enge Verbindung zu den Nachbarstaaten ist genauso wichtig wie eine prinzipielle „adaptive Flexibilität“ nach außen.82 Ein gutes Verhältnis zu den Nachbarstaaten ermöglicht den Mikrostaaten, die beschränkten außenpolitischen Kapazitäten etwas zu kompensieren, da die großen Nachbarstaaten die Mikrostaaten in der diplomatischen Welt oftmals vertreten. Weiterhin kann der Mikrostaat insgesamt gestärkt werden, da die ohnehin beschränkten Ressourcen für wichtigere Aufgaben frei werden. Auch in der europäischen Integration wird dieses Prinzip angewandt, da die EU-Mitgliedstaaten Hoheitsrechte an eine supranationale Organisation zur besseren gemeinsamen Erfüllung von Staatsaufgaben abgeben.83 Schon die Geschichte der Mikrostaaten ist durch den Einfluss eines oder mehrerer größeren Nachbarstaaten geprägt. Historisch waren daher die Möglichkeiten für kleinere Staaten, als eigenständiger Akteur in internationalen Beziehungen aufzutreten, meist sehr eingeschränkt. c) Strategie 3: Beziehungen zu internationalen Organisationen Durch internationale Organisationen, wie z. B. die UNO, haben sich die internationalen Beziehungen der Mikrostaaten qualitativ geändert, da die Organisationen den Mikrostaaten ein Forum geben, ihre Vorstellungen zu präsentieren oder Entscheidungsprozesse mitzugestalten.84 Heute werden informell-bilaterale Beziehungen immer häufiger durch organisierte multilaterale Beziehungen ersetzt, z. B. im Rahmen transnationaler oder supranationaler Organisationen, was auch dem Mikrostaat neue Chancen liefert und damit gerade für ihn besonders bedeutsam ist. So kann er seine knappen Ressourcen effizienter ausnutzen, da der Mikrostaat im Rahmen internationaler Organisationen vielfältige transnationale Kontakte auf allen Ebenen 80 Vgl. Häberle 2001, S. 128; Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004b, S. 195; Zemanek 2004, S. 247; Seiler 2004, S. 305; Dosenrode 1993, S. 54; Armstrong/ Read 1995, S. 1129; Harden 1985, S. 15. 81 Vgl. Geser 2004, S. 149; Geser 1992, S. 644; Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004b, S. 197; Dosenrode 1993, S. 54; Vital 1967, S. 22 f.; Harden 1985, S. 15. 82 Vgl. Kirt/Waschkuhn 2001, S. 43; Geser 1992, S. 642; Jansen 2001, S. 169 ff.; Zemanek 2004, S. 247; Dosenrode 1993, S. 54. 83 Vgl. Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004b, S. 196 ff. 84 Vgl. Kmentt 2004, S. 285; Geser 1992, S. 644 ff.
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gewinnen und pflegen kann. Zusätzlich können Erfahrungen, Informationen und Know-how ausgetauscht werden. Außerdem kann der Mikrostaat im Rahmen multilateraler Organisationen meist vergleichsweise günstige Partizipationsrollen, Statuspositionen und Mobilitätschancen erhalten, die unverhältnismäßig zu seinem minimalen demographischen und politischen Gewicht sind.85 Die internationalen Organisationen sowie die internationale Rechtsgemeinschaft schützen vor allem die kleinen Staaten und helfen ihnen zu internationaler Effizienz sowie rechtlicher Sicherheit.86 Internationale Organisationen prüfen vor der Aufnahme neuer Mitglieder deren Beitrittsanträge meist darauf, ob die Bewerberländer Staatsqualität haben.87 Eine Aufnahme in eine internationale Organisation bestätigt damit das Vorhandensein von Staatsqualität. Dadurch stärkt die Aufnahme von Mikrostaaten in internationale Organisationen deren Anerkennung und trägt zu ihrer Souveränität bei. Im Folgenden sollen daher die Beziehungen der Mikrostaaten zu internationalen Organisationen, historisch und aktuell, betrachtet werden. 3. Mikrostaaten und internationale Organisationen a) Mikrostaaten und der Völkerbund sowie die Vereinten Nationen Am 25. April 1919 reichte San Marino ein Beitrittsgesuch für die Mitgliedschaft im Völkerbund ein, es folgten Monaco am 6. April 1920 sowie Liechtenstein am 15. Juli 1920.88 Damit lagen erstmals in der Geschichte internationaler Organisationen Beitrittsgesuche von Mikrostaaten vor.89 Jedoch wurde das Beitrittsgesuch Liechtensteins abgelehnt, mit der Begründung, das Fürstentum habe keine Armee und es habe „einige Aspekte der Souveränität an Stellvertreter delegiert“.90 Deshalb sei es Liechtenstein 85
Vgl. Geser 2004, S. 149 f., 153; Geser 1992, S. 644 f.; Seiler 2004, S. 305; Dosenrode 1993, S. 56 f. 86 Vgl. Kilian 2002, S. 223 f. 87 Z. B. Aufnahme Monacos in die UNESCO, Beitrittsantrag San Marinos in die Weltgesundheitsorganisation, Zulassung Lichtensteins, Monacos und San Marinos als Vertragsparteien des Statuts des IGH, sh. Punkt C. III. 3. a). 88 League of Nations Official Journal, no. 5, 1920, S. 264 ff. League of Nations: Documents of the Assembly. no. 18, 1920; vgl. Duursma 1996, S. 133 f.; Gstöhl 2001, S. 106; Hummer 2004, S. 55; Ehrhardt 1970a, S. 53; Darsow 1984, S. 81 ff. 89 Vgl. Hummer 2004, S. 55. 90 League of Nations: Records of the first Assembly: Plenary Meetings. Annex C. Genf 1920, S. 667–668; vgl. Gstöhl 2001, S. 106; Hummer 2004, S. 56; Harden 1985, S. 15; Ehrhardt 1970a, S. 54; Darsow 1984, S. 88; Dommen 1985, S. 3; Kilian 2002. S. 202.
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nicht möglich, den aus dem Beitritt zum Völkerbund resultierenden internationalen Pflichten nachzukommen. Andererseits wurde festgestellt, dass Liechtenstein zweifelsfrei ein souveräner Staat sein.91 Daraufhin zog Monaco seine Bewerbung zurück und San Marino ließ sein Gesuch hinfällig werden.92 Somit wurden die Beitrittsgesuche nicht erfüllt, sie führten jedoch zu Diskussionen über eine alternative Mitgliedschaft besonders kleiner Staaten im Völkerbund. Zunächst war die Versammlung des Völkerbundes nicht bereit, die Mikrostaaten als Vollmitglieder anzunehmen. Laut der Satzung des Völkerbundes hatte jeder Staat eine Stimme und normalerweise mussten Entscheidungen in der Versammlung oder im Rat von allen anwesenden Mitgliedstaaten einstimmig getroffen werden.93 Es wurde als nicht wünschenswert angesehen, wenn nun Mikrostaaten dieselben Rechte erhalten würden wie große Staaten. Deshalb beschloss die Versammlung am 17. Dezember 1920, dass sich ein Komitee für Anhänge der Satzung des Völkerbundes mit der Frage auseinander setzten sollte, ob und wie es möglich sei, Mikrostaaten an den Völkerbund anzubinden.94 Das Ergebnis des Komitees war die Schlussfolgerung, dass alle Staaten dem Völkerbund beitreten könnten, unabhängig von ihrer Bedeutung oder Größe. In einem Bericht eines Unterkomitees der Versammlung des Völkerbundes zur Position der kleinen Staaten wurden drei Alternativen zu einer Vollmitgliedschaft vorgeschlagen, nämlich zum ersten die Assoziierung (mit den Rechten der vollen Teilnahme, aber ohne Stimmrecht), zweitens die Repräsentation (Vertretung des kleinen Staates durch ein Mitglied des Völkerbundes) sowie drittens die eingeschränkte Teilnahme (Ausübung der Mitgliederrechte beschränkt auf Angelegenheiten, die Interessen des kleinen Staates betreffen). Keiner dieser Vorschläge wurde letztendlich angenommen, der Bericht wurde nicht weiter beachtet.95 Die europäischen Mikrostaaten wurden somit nie Mitglieder im Völkerbund, der im April 1946 aufgelöst wurde. In den Vereinten Nationen, die 91 League of Nations: Records of the first Assembly: Plenary Meetings. Annex C. Genf 1920, S. 667–668; Minutes of the 5th Committee, 4th Meeting vom 01.12.1920, S. 172; vgl. Ehrhardt 1970a, S. 54; Darsow 1984, S. 83. 92 League of Nations: Records of the Second Assembly: Plenary Meetings. Annex B. Genf 1921, S. 685 f.; vgl. Gstöhl 2001, S. 101, 106; Hummer 2004, S. 56; Harden 1985, S. 15; Bray 1987, S. 296; Ehrhardt 1970a, S. 53 f.; Darsow 1984, S. 81; Dommen 1985, S. 4. 93 Art. 3, S. 4 und 5, S. 1 der Satzung des Völkerbundes, 1919. 94 Originaltitel des Komitees: Comitee on Amendments to the Covenant. League of Nations: Records of the Second Assembly. Plenary Meetings. Annex B. Genf 1921, S. 685. 95 Vgl. Duursma 1996, S. 133; Harden 1985, S. 15.
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praktisch als Nachfolgeorganisation des Völkerbundes 1945 aus diesem hervorging, wurde die Diskussion um die Mitgliedschaft der Mikrostaaten später wieder aufgenommen. Durch die Dekolonisierung Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre bildeten sich viele neue Staaten, genauso in den 1990er Jahren durch den Zusammenbruch des Ostblocks und das Aufbrechen ethnisch-politischer Konflikte.96 Es kam zu einer Zunahme der Anzahl von kleinen und Kleinststaaten.97 Wenn in den 1970er Jahren alle potentiellen Staaten mit weniger als 300.000 Einwohnern der UNO beigetreten wären, hätten diese in der Generalversammlung eine 2/3-Mehrheit inne gehabt, hätten 10% des Budgets abgedeckt und 4% der Weltbevölkerung ausgemacht.98 Vor allem für die USA war diese Situation nicht akzeptabel.99 Im Jahresbericht der UNO von 1965 tauchte erstmals die „Frage der Mikrostaaten“ auf, was man auch als „Mikrostaatendiskussion“ bezeichnete.100 Besonders der Generalsekretär U Thant machte darauf aufmerksam und thematisierte diese Frage in weiteren Berichten. Die Befürchtungen bezüglich eines Beitritts der vielen neuen kleinen Staaten waren verbunden mit den Fragen, ob die Mikrostaaten überhaupt zur Ausführung der getroffenen Entscheidungen beitragen könnten, ob sie der Überredungskunst und dem Stimmenkauf von größeren Staaten unterliegen und ob sie das notwendige qualifizierte Personal aufbringen könnten.101 Außerdem beunruhigte das unverhältnismäßige Stimmengewicht auf Seiten der Mikrostaaten und deren Unerfahrenheit, was letztendlich zu einem Effizienzverlust der UNO – neben der Organisation auch die Finanzierung die UNO betreffend – hätte führen können. So hätte der Ruf der Organisation geschwächt werden können.102 Im Jahresbericht 1967 stellt U Thant fest, dass eine Unterscheidung zwischen dem Recht auf Unabhängigkeit und der Frage einer Vollmitgliedschaft in der UNO innerhalb der Organisation wünschenswert wäre.103 Generalsekretär U Thant schlug vor, eine umfassende Studie über die Merkmale einer UN-Mitgliedschaft zu erarbeiten, inklusive der Aufstellung von 96 Vgl. Duursma 1996, S. 134 f.; Ipsen 2004, S. 82; Hummer 2004, S. 32, 59; Seiler 2004, S. 297; Gstöhl 2001, S. 104; Geser 1992, S. 627. 97 Vgl. Gstöhl 2001, S. 104. 98 Vgl. Ehrhardt 1970b, S. 11; Duursma 1996, S. 135; Gstöhl 2001, S. 108. 99 Vgl. UN SCOR, 20th year, 1243rd meeting (1965), S. 14 f.; Duursma 1996, S. 135; Gstöhl 2001, S. 107. 100 Vgl. UN Doc. A/6001/Add. 1 (1965); Duursma 1996, S. 135; Häberle 2001, S. 127; Seiler 2004, S. 293; Marxer/Pállinger 2009, S. 917. 101 Vgl. Gstöhl 2001, S. 109; Harden 1985, S. 17. 102 Vgl. Gstöhl 2001, S. 109 f. 103 UN Doc. A/6701/Add. 1 (1967), S. 20; vgl. Gstöhl 2001, S. 107; Seiler 2004, S. 293, Ehrhardt 1970a, S. 57; Darsow 1984, S. 198.
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Grenzkriterien der Vollmitgliedschaft und der Definitionen sonstiger Teilnahmeformen, aus denen sowohl die Mikrostaaten als auch die UNO Nutzen ziehen könnten.104 Daraufhin führte das „United Nations Institute for Training and Research“ (UNITAR) ein Forschungsprojekt mit dem Titel „Status and Problems of very small States and Territories“ durch.105 Die Ergebnisse wurden als „UNITAR Series No. 3“ im Juli 1969 veröffentlicht.106 Der UN-Sicherheitsrat gründete 1969 auf Initiative der USA sogar einen Mikrostaatenausschuss. Im Jahr 1971 wurde er wieder aufgelöst, keiner seiner Vorschläge hatte sich durchgesetzt.107 Dies war auch dadurch bedingt, dass es keine einheitliche Definition des Begriffes Mikrostaat gab.108 Die Mikrostaaten selbst waren mit der Zuordnung eines besonderen Status nicht zufrieden, da dies ihre Staatlichkeit in Frage stellte. Das Problem in internationalen Organisationen war, dass die Staatlichkeit der Mikrostaaten zwar nicht bestritten wurde, aber die internationale Gemeinschaft nicht dazu bereit war, ihnen Rechte zuzugestehen, die ihnen erlauben würden, unproportional großen politischen Einfluss auf internationale Angelegenheiten zu erlangen. Erst als diese Ängste überwunden waren, wurden einige der Mikrostaaten in die UNO aufgenommen.109 Direkte Fragen hinsichtlich der Staatsqualität der Mikrostaaten ergaben sich z. B. bei der Aufnahme Monacos in die UNESCO,110 wobei die Staatsqualität des Fürstentums bestätigt wurde, bei der Verhandlung des Beitrittsantrags San Marinos in die Weltgesundheitsorganisation,111 wobei offen blieb, ob San Marino Staatsqualität erfüllt, sowie bei der Zulassung Liechtensteins, Monacos und San Marinos als Vertragsparteien des Statuts des IGH,112 wodurch die Staatsqualität implizit bescheinigt wurde.113 Weiterhin 104
UN Doc. A/6701/Add. 1 (1967), S. 20. UN Doc. UNITAR/EX/8/Annex, 1967, S. 8. 106 Rapaport u. a. 1971; vgl. Hummer 2004, S. 60; Ehrhardt 1970a, S. 6. 107 Vgl. Gstöhl 2001, S. 107 f.; Hummer 2004, S. 33; Seiler 2004, S. 293 Darsow 1984, S. 199; Kilian 2002, S. 203 f. 108 Vgl. Gstöhl 2001, S. 108; Hummer 2004, S. 33, 60; Duursma 1996, S. 138; Seiler 2004, S. 294. 109 Vgl. Duursma 1996, S. 138 f. 110 UN Doc. E/568 (1947). 111 WHO Off. Rec. 2nd Ass., 1949, S. 290 ff. 112 UN SCOR 4th year, 432nd meeting (1949), S. 6 (Annahme Sicherheitsrat Liechtenstein); UNYB 1950, S. 119 (Beitritt Liechtenstein); UN Doc. S/3137 (Antrag San Marino); UNYB 1953, S. 41, UN Doc. A/2630 (1954) (Beitritt San Marino). 113 Vgl. Hummer 2004, S. 60 ff.; Ehrhardt 1970a, S. 57 ff.; Darsow 1984, S. 162 ff. 105
III. Die Anerkennung der Mikrostaaten in der internationalen Ordnung
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ergaben sich Fragen um den Beitritt von Mikrostaaten bei der Aufnahme der Malediven und von Barbados als Vollmitglieder der UNO und außerdem durch die Äußerung U Thants 1967, dass eine Unterscheidung zwischen dem Recht auf Unabhängigkeit und der Frage nach Vollmitgliedschaft in der UNO wünschenswert wäre.114 Nach der Mikrostaaten-Debatte hat sich die UNO zu uneingeschränkter Universalität bekannt. Danach sollen alle Länder von der internationalen Zusammenarbeit profitieren. Man erkannte, dass auch die Mikrostaaten wertvolle Mitarbeit leisten und das gemeinsame Wohl vorantreiben. Somit hat sich die Gleichheit der Staaten in der UNO durchgesetzt.115 Dieser Grundsatz wurde in der UN-Generalversammlung verwirklicht, wo jeder Mitgliedstaat eine Stimme hat.116 Trotzdem erfolgte erst in den 1990er Jahren der Beitritt einiger Mikrostaaten in die Vereinten Nationen. Die UNO befürchtete durch die große Anzahl neu entstandener Mikrostaaten eine Verlagerung ihrer inhaltlichen Schwerpunkte und damit verbundene finanzielle Auswirkungen.117 Heute sind u. a. die Mikrostaaten Liechtenstein, San Marino, Monaco, Andorra, die Marshall-Inseln, Palau, Nauru, Djibouti, die Seychellen, Aruba sowie Tuvalu Vollmitglieder der UNO.118 Die europäischen Mikrostaaten traten völlig problemlos, ohne Diskussion über ihre Staatsqualität der UNO bei. Es ist bisher kein Staat aufgrund seiner Kleinheit nicht aufgenommen worden.119 Die UNO hat derzeit 192 Mitglieder, u. a. Taiwan und der Vatikan sind keine Mitglieder. Der Vatikan hat Beobachterstatus bei der UNO.120 Den Mikrostaaten wird in der UN-Generalversammlung dasselbe Wahlrecht zuteil wie den großen Staaten und sie dürfen genauso an den internationalen Konferenzen teilnehmen. Diese Stellung haben sich die Mikrostaaten durch ihr internationales Verhalten erkämpft. Ein wichtiger Faktor dafür war, dass den Mikrostaaten nach dem Zweiten Weltkrieg größere finanzielle Mittel zur Verfügung standen, um ihre internationalen Beziehungen zu ent114
UN Doc. A/6701/Add. 1, S. 20; vgl. Hummer 2004, S. 60 ff.; Ehrhardt 1970a, S. 66 f.; Darsow 1984, S. 170. 115 Art. 2 (1) der UN-Charta; vgl. Gstöhl 2001, S. 111 f.; Hummer 2004, S. 34, 62, 65; Luif 2004, S. 255; Wenaweser 2004, S. 277; Kmentt 2004, S. 285. 116 Art. 18 UN-Charta; vgl. Luif 2004, S. 255. 117 Vgl. Gstöhl 2001, S. 101. 118 Liechtenstein: 18.9.1990, San Marino: 2.3.1992, Monaco: 28.5.1993, Andorra: 28.7.1993; vgl. Duursma 1996, S. 138; Gstöhl 2001, S. 105; United Nations Statistics Division 2009; UNRIC 2007, S. 1 ff. 119 Vgl. Hummer 2004, S. 63; Harden 1985, S. 19; Bray 1987, S. 296. 120 Vgl. UNRIC 2007, S. 1 ff.
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wickeln und Bedingungen zu erfüllen, die an die Mitgliedschaft in einer internationalen Organisation gebunden waren. Außerdem machten die Mikrostaaten die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen zu einer der höchsten Prioritäten ihrer Außenpolitik, mit dem Ziel der Anerkennung ihres internationalen Status.121 Mittlerweile hat die „Frage der Mikrostaaten“ praktisch an Interesse verloren. Die Gegner des Beitritts von Mikrostaaten sind verschwunden, als klar wurde, dass die Weltgemeinschaft nicht durch so viele Mikrostaaten bereichert wurde, wie angenommen.122 So gab es keinen Handlungsbedarf mehr zur Beschränkung der Mitgliedschaft von Mikrostaaten. Weiterhin zeigte sich, dass die Mitgliedschaft der Mikrostaaten den Entscheidungsprozess in der Generalversammlung nicht wesentlich veränderte, keine Blockbildung stattfand, dass sich die Mikrostaaten nicht unverantwortlich verhielten und dass die Mitarbeit eines Mikrostaates zur Arbeit der Organisation beitragen konnte. Ebenso konnte eine Verschlechterung von Effektivität oder des Images der UNO nach dem Beitritt der Mikrostaaten nicht beobachtet werden.123 Auch finanzielle Bedenken wurden nicht bestätigt, viele der europäischen Mikrostaaten und auch einige der sehr kleinen Entwicklungsländer findet man an der Spitze der Pro-Kopf-Beitragsbeträge.124 Betrachtet man die Auflistung der heutigen Mitgliedstaaten der UNO nach der Bevölkerungszahl, sind die vier hier betrachteten europäischen Mikrostaaten (außer Vatikan) unter den letzten zehn zu finden. Betrachtet man jedoch die Liste des Beitrags zum Finanzhaushalt der UNO, folgen noch zahlreiche Staaten hinter ihnen.125 Mikrostaaten haben nur sehr kleine Delegationen, d.h. nur einen oder zwei Vertreter, und müssen somit die Themen stark selektieren, die sie behandeln. Die Vertreter der vier europäischen Mikrostaaten treffen sich und konsultieren sich gegenseitig.126 Wichtigste Mittel zur Mitarbeit sind für die Mikrostaaten erstens die Prioritätensetzung und eine intelligente Auswahl der Themen, um sich in bestimmten Bereichen zu profilieren oder Themen von nationalem Interesse zu verfolgen, zweitens eine gute Vernetzung beim Zugriff auf Informationen und die Einbindung in informelle Gruppen, drittens ein selbstbewusstes und selbständiges Auftreten, um zu zeigen, dass man eigenständig arbeiten will und kann, sowie viertens die 121
Vgl. Duursma 1996, S. 432. Vgl. Duursma 1996, S. 138; Häberle 2001, S. 127. 123 Vgl. Gstöhl 2001, S. 108 ff.; Harden 1985, S. 22; Duursma 1996, S. 432. 124 Liechtenstein liegt hier auf Platz 4, Luxemburg an erster Stelle. Vgl. UN Department of Public Information 2005. 125 Vgl. United Nations Secretariat 2009, S. 3 ff.; Luif 2004, S. 266 ff. 126 Vgl. Duursma, 1996 S. 141. 122
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Beschränkung auf das Mögliche, einen gewissen Realitätssinn, da ein Mikrostaat durch die begrenzten finanziellen und personellen Mittel gar nicht in allen Bereichen mitwirken kann. Daher ergibt sich die beste Möglichkeit der eigenständigen Mitarbeit von Mikrostaaten in dem Bereich „Brainpower“, d.h. Ideen, Lösungsansätze für Probleme, mögliche Kompromissvorschläge und Vermittlungsdienste.127 Die UNO ist nicht unsensibel gegenüber Themen, die die Mikrostaaten besonders betreffen, z. B. dass sie sehr empfindlich gegenüber äußeren Bedrohungen sind.128 Die Mitgliedschaft der Mikrostaaten in der UNO ist Herausforderung und Chance zugleich. Die Herausforderung ist, den Grundsatz der souveränen Gleichheit umzusetzen. Die Chance besteht darin, die UNO als ideale Plattform zu nutzen, weltweit bekannt zu werden und darzustellen, wofür der jeweilige Mikrostaat steht. Ein Staat kann hier die Gelegenheit ergreifen, auf einer internationalen Bühne ein eigenständiges Profil zu schaffen.129 Weiterhin war der Beitritt zur UNO für die Mikrostaaten sehr bedeutend hinsichtlich der internationalen Anerkennung ihrer Souveränität sowie der Verstärkung ihrer Beziehungen zu anderen Staaten. Ebenso verstärkt die Mitgliedschaft in der UNO die Souveränität der Mikrostaaten durch die Schaffung von stärkerem juristischen und politischen Schutz gegen äußere Einflüsse auf ihre Innenpolitik, ferner bietet sie ein System kollektiver Sicherheit, eine Quelle technischer und wirtschaftlicher Hilfe sowie ein diplomatisches Zentrum, welches Kontakte mit Vertretern anderer Staaten ermöglicht. Die UNO ist ein Forum, in dem sich die Mikrostaaten Gehör verschaffen können und ihre Probleme der Weltgemeinschaft zeigen können, ohne in Vergessenheit zu geraten. Die Vorteile überwiegen weit die Kosten einer Mitgliedschaft.130 b) Mikrostaaten und der Europarat Der Europarat sieht sich als eine Regionalorganisation, dessen Mitgliedstaaten sich durch gemeinsame Wertvorstellungen auszeichnen. Gemäß Art. 4 der Satzung des Europarates vom 5. Mai 1949131 kann jeder europäische Staat, der für fähig und gewillt befunden wird, die Bestimmungen des Art. 3, d.h. Achtung der Rechtstaatlichkeit sowie Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, zu erfüllen, vom Ministerkomitee eingeladen 127 128 129 130 131
Vgl. Wenaweser 2004, S. 279 ff. Vgl. Duursma 1996, S. 141. Vgl. Wenaweser 2004, S. 277 f. Vgl. Duursma 1996, S. 139 ff.; Harden 1985, S. 15; Gstöhl 2001, S. 106. BGBl. 1956/121 i. d. F. 1995/839.
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werden, Mitglied des Europarates zu werden. Im Ministerkomitee gilt das Prinzip der Staatengleichheit und in der Parlamentarischen Versammlung werden die kleinen Saaten bei der Festlegung der Stimmenverteilung überproportional berücksichtigt, was den Europarat zu einer idealen Organisation für Mikrostaaten macht. Auch die geringere Anzahl der Mitgliedstaaten im Vergleich zur UNO sowie der überschaubare Apparat des Europarates liegen im Interesse der Mikrostaaten.132 Für alle Klein- und Mikrostaaten war eine der Voraussetzungen für den Beitritt eine weitgehende innenpolitische Geschlossenheit hinsichtlich des Interesses, dem Europarat beitreten zu wollen. Dies ist besonders wichtig, da die Außenpolitik der Mikrostaaten nur dann erfolgreich sein kann, wenn die Staaten ihre knappen materiellen und personellen Ressourcen konzentriert einsetzen.133 Luxemburg war als einer der Kleinstaaten Europas im Jahr 1949 Gründungsmitglied des Europarates. Im Jahr 1950 trat Island bei, Malta folgte 1965, nur sieben Monate nach Erlangung seiner Unabhängigkeit. Liechtenstein wurde am 23. November 1978 Mitglied des Europarates. Im Lauf der Zeit hat der Europarat bis heute weiterhin die Mikrostaaten San Marino (1988), Andorra (1994) und Monaco (2004) aufgenommen. Der Vatikan hat im Europarat Beobachterstatus.134 Für die europäischen Klein- und Mikrostaaten gestaltete sich der Beitritt zum Europarat durchaus unterschiedlich. Liechtenstein hatte zunächst mit größerem Widerstand zu kämpfen, für Luxemburg, Island und Malta dagegen war die Aufnahme unproblematisch. Neben Liechtenstein musste sich auch San Marino einem speziellen Prüfverfahren stellen, das allerdings problemlos verlief. Sowohl Liechtenstein als auch San Marino strebten die Mitgliedschaft im Europarat vor allem wegen der damit verbundenen völkerrechtlichen Bestätigung ihrer Souveränität und ihrer staatlichen Unabhängigkeit an.135 Andorra konnte nach der Erlangung seiner Unabhängigkeit 1993 zwar mit einigen Empfehlungen, aber ohne eine spezielle Prüfung der Staatlichkeit dem Europarat beitreten. Der Beitritt Monacos gestaltete sich wiederum schwieriger, da das Fürstentum nach Auffassung des Europarates zum Zeitpunkt der Antragsstellung auf Mitgliedschaft den demokratischen Kriterien nicht entsprach. Der Beitrittsprozess dauerte sechs Jahre, in denen die monegassische Verfassung und einige grundlegende Verträge 132
Vgl. Seiler 2004, S. 305. Vgl. Seiler 2004, S. 298 ff. 134 Vgl. Europarat 2007; Hummer 2004, S. 34, 67 ff., 74; Seiler 2004, S. 295. 135 sh. Punkte E. I. 7. b)., G. I. 7. b); vgl. Hummer 2004, S. 74; Seiler 2004, S. 295, 300 f. 133
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zwischen Frankreich und Monaco geändert werden mussten, bevor das Fürstentum 2004 Mitglied des Europarates werden konnte.136 Anlässlich des liechtensteinischen Beitritts wurde noch mehrfach die Befürchtung geäußert, dass die Effizienz oder die Funktionsfähigkeit des Europarates durch den Beitritt von Mikrostaaten gefährdet werden könnte. Diese Befürchtungen haben sich allerdings nicht bestätigt, sondern die Mikrostaaten haben es geschafft, mit allen Mitgliedern des Europarates auf der Ebene der Regierung, des Parlaments und der Verwaltung enge Beziehungen aufzunehmen. Gerade Liechtenstein zeichnet sich durch die Errichtung einer Ständigen Vertretung in Straßburg sowie eine beeindruckende Konstanz der Mitarbeiter aus. Beispielsweise wurde Prinz Nikolaus erst nach zehn Jahren Amtszeit als Ständiger Vertreter abgelöst und Regierungschef Brunhart führte 15 Jahre lang die Delegation des Fürstentums im Ministerrat.137 So wurden in der Folge des Beitritts Liechtensteins und dessen aktiver und konstruktiver Mitarbeit in den Gremien des Europarates die Bedenken bezüglich der Zusammenarbeit mit Mikrostaaten im Europarat zerstreut. Faktisch sind die Mikrostaaten gleichberechtigt an den Arbeiten und Entscheidungen des Europarates beteiligt. Trotzdem halten sie sich oft freiwillig zurück, z. B. bei ausgabenwirksamen Entscheiden oder bei Budgetdebatten. Auch ihr Vetorecht wenden sie praktisch nie an. Die Mikrostaaten haben es verstanden, das multilaterale Forum des Europarates zu nutzen. Dadurch wurde ihre völkerrechtliche Handlungsfähigkeit entscheidend erweitert und ihre außenpolitische Bewegungsfreiheit meist deutlich gestärkt.138 Auf den Europarat wirken die Mikrostaaten durch ihre vielfältigen Interessen organisationserhaltend. Durch die gleichberechtigte Mitwirkung der Mikrostaaten im Europarat wird dieser als demokratische Organisation legitimiert und gewinnt an Glaubwürdigkeit. Außerdem wird ein großstaatlicheinheitlichen Denken innerhalb der Organisation vermieden. Die sich vorbildlich verhaltenden Klein- und Mikrostaaten genießen in Straßburg moralische Autorität und die Achtung der anderen Mitgliedstaaten.139 Innerhalb des Europarates bilden die Mikrostaaten keineswegs eine homogene Gruppe, ihre Interessen sind durchaus sehr differenziert und sie betreiben selten eine aufeinander abgestimmte Politik. Ihre Mitarbeit ist verschieden intensiv und von unterschiedlicher Kontinuität. Einige Korrelationen lassen sich dennoch beobachten. Dazu gehören das Engagement für die Achtung der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit, 136 137 138 139
Detailliert zu den Beitrittsprozessen sh. Punkte D. I. 7. b), F. I. 7. b). Vgl. Seiler 2004, S. 298, 303 f., 310. Vgl. Hummer 2004, S. 74 f.; Seiler 2004, S. 298 ff. Vgl. Seiler 2004, S. 311 ff.
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das Interesse an kultureller Zusammenarbeit und der Wunsch nach Kooperation im Bereich der Rechtssetzung sowie der Forschung, Wissenschaft und Bildung.140 Für alle Mikrostaaten erfüllt der Europarat eine wichtige Funktion als Forum für zahlreiche Kontakte auf Regierungsebene, zwischen den Parlamenten, Verwaltungen und Fachleuten. Ihre Beiträge leisten die Mikrostaaten oftmals auf eigentlichen „Nebenschauplätzen“, in Bereichen, in denen die großen Mitgliedstaaten weniger aktiv sind.141 Man kann festhalten, dass alle Mikrostaaten ihre Mitgliedschaft im Europarat als Erfolg bezeichnen können und diese Staaten auch positiv auf den Europarat selbst gewirkt haben.142 c) Mikrostaaten und die KSZE/OSZE Aus der am 1. August 1975 unterzeichneten Schlussakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) ist im Jahr 1995 die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hervorgegangen.143 Innerhalb der OSZE gibt es keine deklarierte Gruppe der Klein- oder Mikrostaaten. Doch bereits seit der Gründung der KSZE waren die Klein- und Mikrostaaten darin eingebunden. So nahmen Luxemburg, Island, Zypern, Malta, Liechtenstein und San Marino schon an den Vorbereitungsgesprächen teil. Auch der Heilige Stuhl zählt seit 1969 zu den Teilnehmern des KSZE-Prozesses. Monaco kam dann bei der eigentlichen Schlusskonferenz der KSZE vom 3. Juli bis 1. August 1975 in Helsinki hinzu. Andorra trat erst 1996 der OSZE bei, da bis 1993 noch Frankreich die Führung seiner Außenpolitik übernommen hatte.144 Die KSZE bot den Mikrostaaten von Beginn an ein Forum, in dem sie ihre Interessen in besonderer Weise einbringen und sich Gehör verschaffen konnten. So kommt die Grundstruktur der OSZE den Klein- und Mikrostaaten sehr entgegen. Informelle Gruppen und besonders das Konsensprinzip, dass ihnen formelle Gleichstellung mit den Großmächten verleiht, ermöglichen eine politische Entfaltung. Die Klein- und Mikrostaaten erhalten die Möglichkeit, Stellung zu beziehen und zu vermitteln oder auch als politischer Akteur aufzutreten, was zur Entwicklung an außenpolitischem Ansehen beiträgt.145 140 141 142 143 144 145
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Hummer 2004, S. 74 f.; Seiler 2004, S. 305 ff., 351. Seiler 2004, S. 304, 311. Seiler 2004, S. 316. Hummer 2004, S. 75 f. Hummer 2004, S. 76, 79. Grüningen 2004, S. 318 f.
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Die OSZE ist heute ein wichtiges Forum zur Förderung von Sicherheit, Frieden und der transatlantischen Zusammenarbeit, für den politischen Diskurs und operationelle Maßnahmen zur Erzielung friedlicher politischer Lösungen in Europa. Somit ist die OSZE besonders für Staaten, die noch nicht Mitglied in der EU sind, eine wichtige Plattform. Denn auch für diese Staaten ist jeglicher Alleingang undenkbar. Kleine Staaten verfolgen in der Regel keine machtpolitischen Ziele, was sie als Partner für andere Staaten oder Beitrittswillige glaubwürdig macht.146 Innerhalb der OSZE kann man die Haltung der EU gegenüber kleinen und mittleren Staaten beobachten, die keine Mitglieder und keine Anwärter auf einen EU-Beitritt in nächster Zeit sind. Es existiert eine wöchentlich tagende Gruppe, welcher die EU-Präsidentschaft vorsteht, zu der alle Staaten zählen, die NATO-, aber nicht EU-Mitglieder sind. Zusätzlich wurden die Schweiz, Liechtenstein und Island eingeladen. Diese Gruppe ist zu einem lebhaften Gremium angewachsen, in welchem Informationen und Ideen frei ausgetauscht werden und aus dem oft neue Entwicklungen eingeleitet werden.147 Kleine und mittlere Staaten sind in der OSZE als eigenständige Mitglieder gefordert und sie finden hohe Akzeptanz. Mit nur wenigen Ausnahmen haben kleine und mittlere Staaten die Präsidentschaft der Organisation oder andere Spitzenfunktionen übernommen, da sie keiner Interessen- oder Machtpolitik verdächtig sind. Innerhalb der OSZE können Kleinstaaten somit durch eigenständige, mutige und kohärente Politik ihrem eigenen Anliegen Gehör verschaffen und eine geachtete Stellung einnehmen. Wichtig dafür ist der Wille zur Zusammenarbeit und hoher persönlicher Einsatz aller Beteiligten.148 4. Der Grundsatz der rechtlichen Gleichheit von Staaten Dem heutigen internationalen System liegt der Grundsatz der rechtlichen Gleichheit aller Staaten zu Grunde („one state one vote“), wie er auch in der Charta der Vereinten Nationen festgeschrieben ist. In Art. 1 Abs. 1 ist die Achtung des Grundsatzes der Gleichberechtigung der Völker als Ziel der UNO festgeschrieben, in Art. 2 die souveräne Gleichheit aller Mitgliedstaaten.149 In der Generalversammlung erhält jeder Staat eine Stimme (Art. 18 Abs. 1). Dem steht die in der Präambel der UNO-Charta vorgenommene Differenzierung zwischen großen und kleinen Staaten sowie 146 147 148 149
Vgl. Dosenrode 1993, S. 407; Grüningen 2004, S. 320 f. Vgl. Grüningen 2004, S. 322. Vgl. Grüningen 2004, S. 322 f. UN-Charta.
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der festgelegte Vorrang der Großmächte, der auch in der Organisationsstruktur der UNO umgesetzt wird (speziell durch den Sicherheitsrat) entgegen.150 Außerdem existiert ein weiterer im Völkerrecht angewandter, doch der Staatengleichheit widersprechender Grundsatz, nämlich der des Repräsentationsprinzips („one man one vote“).151 Dieser Widerspruch verdeutlicht die Unvereinbarkeit des völkerrechtlichen Prinzips der Gleichberechtigung der Staaten mit der Realität des internationalen Systems. Die in der Satzung erwähnten Privilegien großer Staaten oder die Zusammensetzung des Sicherheitsrates beweisen die Ungleichheit der Staaten. Allerdings genießen auch kleinere Staaten im internationalen System gelegentlich eine privilegierte Stellung, z. B. innerhalb einer internationalen Organisation, der auch große Staaten angehören. Ein Beispiel dafür sind die Repräsentations- und Stimmrechtsvorschriften in der EU, die die besonders kleinen Staaten bevorteilen.152 Auch dadurch wird die faktische Ungleichheit der Staaten legitimiert. Offiziell folgt man auch in der EU dem Prinzip der Gleichheit der Staaten, z. B. dadurch, dass bei grundsätzlichen Entscheidungen über Veränderungen der Institutionen oder dem Beitritt neuer Staaten alle Mitgliedstaaten zustimmen müssen.153 Die real existierende politische, militärische und wirtschaftliche Ungleichheit wurde durch die rechtliche Gleichstellung der Staaten relativiert. Sie ermöglicht den kleineren Staaten meist einen größeren Spielraum, als ihnen ihrer Bedeutung nach zukommen würde.154 Letztendlich muss man feststellen, dass der im Völkerrecht tief verankerte und respektierte Grundsatz der rechtlichen Staatengleichheit der real existierenden Ungleichheit der Staaten entgegensteht.155 5. Die europäischen Mikrostaaten in der internationalen Ordnung Liechtenstein, San Marino, Monaco und Andorra sind europäische Mikrostaaten, die aus alten traditionellen Einheiten entstanden sind, jedoch ohne kolonialen Kontext, und die mit einer wachsenden europäischen Integration konfrontiert sind. Nach Jahrhunderten relativer Inaktivität in der Pflege ihrer internationalen Beziehungen kam es erst Mitte bis Ende des 20. Jahr150 UN-Charta; vgl. Kirt/Waschkuhn 2001, S. 37; Zemanek 2004, S. 238; Luif 2004, S. 255; Wenaweser 2004, S. 277; Kmentt 2004, S. 285; Kilian 2002, S. 236 f. 151 Vgl. Gstöhl 2001, S. 101, 123; Hummer 2004, S. 34; Seiler 2004, S. 315. 152 Vgl. Kirt/Waschkuhn 2001, S. 38. 153 Vgl. Verhest 2002, S. 353. 154 Vgl. Zemanek 2004, S. 238. 155 Vgl. Kirt/Waschkuhn 2001, S. 38; Kilian 2002, S. 233.
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hunderts zu einem Bedeutungswandel. Der Vatikan als Mikrostaat steht alleine in der internationalen rechtlichen Geschichte und ist ein Beispiel des höchsten Grades an Unabhängigkeit, welche ein Mikrostaat erreichen kann.156 Im Laufe der geschichtlichen Entwicklung mussten die Mikrostaaten zunächst ihre Unabhängigkeit verteidigen und anschließend versuchen, ihren Platz in der internationalen Staatengemeinschaft zu finden. Die ersten Versuche Liechtensteins, San Marinos und Monacos 1919 bzw. 1920 in den Völkerbund aufgenommen zu werden, scheiterten. Später gelang es den Mikrostaaten, in verschiedene andere internationale Organisationen und Institutionen aufgenommen zu werden. So traten Liechtenstein und San Marino u. a. 1950 bzw. 1953 dem Statut des Internationalen Gerichtshofs bei, Monaco wurde 1949 Mitglied der UNESCO und in den 1970er Jahren wurden Liechtenstein, Monaco und San Marino zur KSZE eingeladen. Alle vier Mikrostaaten, einschließlich Andorra, wurden Mitglieder in verschiedenen Spezialorganisationen der Vereinten Nationen. Anfang der 1990er Jahre gelang dann Liechtenstein, San Marino, Monaco sowie Andorra innerhalb weniger Jahre die Aufnahme in die UNO und damit die Anerkennung durch die internationale Staatengemeinschaft, wodurch die internationale Bedeutung der Mikrostaaten stark aufgewertet wurde.157 Die Mikrostaaten in der internationalen Staatenwelt unterscheiden sich trotzdem noch deutlich von der nächsten Kategorie der Kleinstaaten Luxemburg, Island, Malta und Zypern. Dies wird erkennbar beim Vergleich der Mitgliedschaften in internationalen Organisationen sowie der Anzahl der diplomatischen Vertretungen. Die Mikrostaaten beschränken sich dabei im Wesentlichen auf die bedeutendsten internationalen Organisationen wie die UNO, den Europarat und die OSZE. Weiterhin bedienen sie sich oftmals des Instituts der Mehrfachakkreditierungen, d.h. die eingerichteten Botschaften bzw. ständige Vertretungen bei internationalen Organisationen bzw. Staaten sind bei mehreren Staaten bzw. Organisationen akkreditiert. Eine Ausnahme bildet der Staat Vatikanstadt bzw. der Heilige Stuhl mit seinen weit über 100 Nuntiaturen (Vertretungen).158 Es ist jedoch auffällig, dass die Anzahl der diplomatischen Vertretungen der Mikrostaaten in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist. Die Details der Entwicklung und der aktuelle Stand der internationalen Beziehungen der europäischen Mikrostaaten werden in den jeweiligen Länderkapiteln untersucht. 156 157 158
Vgl. Duursma 1996, S. 2. sh. Länderkapitel Punkte D.–G./I. 7.; vgl. Stapper 1999, S. 80. Vgl. Hummer 2004, S. 77 f.; Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004b, S. 194.
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6. Zusammenfassung Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, spätestens in den 1990er Jahren, erlangten die Mikrostaaten umfassende Anerkennung durch die internationale Staatengemeinschaft, was eng mit Mitgliedschaften in internationalen Organisationen in Verbindung steht. Doch noch immer kommt es vor, dass größere Mitgliedstaaten der gleichberechtigten Teilnahme von Mikrostaaten in internationalen Organisationen skeptisch gegenüber stehen. Ein Grund dafür ist, dass beim Beitritt von Mikrostaaten zu internationalen Organisationen zwei grundlegende Prinzipien des Völkerrechts, das der Staatengleichheit („one state one vote“) und das Repräsentationsprinzip („one man one vote“) aufeinander treffen. Weiterhin birgt die Aufnahme von Mikrostaaten in internationale Organisationen institutionelle Fragen, u. a. nach den Kapazitäten zur Erfüllung der Pflichten, die aus einem Beitritt erwachsen, aber auch nach dem Umfang der Mitbestimmung dieser Staaten. Außerdem wird oftmals bei Mitgliederzuwachs einer Organisation befürchtet, dass diese an Effizienz und Handlungsfähigkeit verliert. Diese Befürchtungen haben sich allerdings bisher nicht bewahrheitet.159 Die UNO hat nach dem Prinzip der Universalität alle Mikrostaaten, die ein Beitrittsgesuch gestellt haben, aufgenommen. Auch die EU scheint sich in Richtung einer Ausdehnung auf ganz Europa zu entwickeln. In der EU ist die Diskussion über die angemessene Einbindung der Mikrostaaten im institutionellen System noch nicht beendet. Zwar wurden die Staaten mit weniger als 100.000 Einwohnern zum Teil schon mit in den Binnenmarkt einbezogen, doch keiner von ihnen hat bisher einen Antrag auf Mitgliedschaft in der EU gestellt.160 Betrachtet man die gegebene Abhängigkeit der Mikrostaaten von der äußeren Umwelt, wird klar, warum den Mikrostaaten völkerrechtliche Regelungen der Beziehungen zwischen Staaten sowie die Weiterentwicklung internationaler Organisationen so wichtig sind. Mikrostaaten betrachten internationale Organisationen als natürliche Verteidigung gegen unkontrollierten Einfluss größerer Nachbarstaaten und Großmächte sowie als ein Instrument, ihre eigenen Interessen zu vertreten. Gerade deshalb setzen sie sich außenpolitisch verstärkt das Ziel, das Völkerrecht, die Menschenrechte und multilaterale Institutionen zu stärken.161 Die Mikrostaaten sind besonders auf die Einhaltung des Völkerrechts angewiesen, da sie in hohem Maße unter dessen Schutz stehen.162 Für die Mikrostaaten wirkt sich eine Aufnahme in in159 160 161 162
Vgl. Gstöhl 2001, S. 101, 123; Hummer 2004, S. 34; Seiler 2004, S. 315. sh. u. a. Punkt K. I.; vgl. Gstöhl 2001, S. 123. Vgl. Kukan, 2004, S. 14; Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004b, S. 198. Vgl. Kilian 2002, S. 234.
IV. Folgen der Kleinheit für die staatliche Organisation der Mikrostaaten
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ternationale Organisationen besonders positiv aus, da ihnen dadurch unabhängig von ihrer Größe ein Status nationaler Souveränität zugewiesen wird, der ihnen wiederum umfangreiche Rechte verleiht, und da sie dann nicht mehr gezwungen sind, sich in ein Abhängigkeitsverhältnis zu einem größeren Nachbarstaat zu begeben.163 Das aktuelle Geschehen in internationalen Organisationen zeigt, dass die Mikrostaaten vor neuen Herausforderungen der internationalen Selbstbehauptung stehen. Erfolgreiche Methoden zur Begegnung der neuen Herausforderungen sind das engagierte Mitwirken auf europäischer und internationaler Ebene, das Eingehen von Koalitionen, Ordnung halten im eigenen Land sowie qualitativ hoch stehende Beiträge zum internationalen Leben. Ein Vorteil für die Mikrostaaten dabei ist heute, dass es dank der modernen Kommunikationswege weniger Schranken gibt, mit anderen zusammenzuarbeiten.164 Die Besonderheiten der staatlichen Organisation und des innerstaatlichen Rechts aufgrund der Kleinheit der Mikrostaaten sichern einerseits das Überleben der Mikrostaaten, bedeuten andererseits möglicherweise einen Verlust an Unabhängigkeit, sofern Staatsaufgaben an andere Staaten oder Organisationen delegiert werden. Diese komplexe Situation wird im folgenden Kapitel dargestellt.
IV. Folgen der Kleinheit für die staatliche Organisation der Mikrostaaten 1. Staatsstruktur Der Mikrostaat weist zumeist einfache staatliche Strukturen auf. Oftmals existiert keine weitere Instanz zwischen Staat und kommunaler Ebene. Durch die einfachen Verwaltungsstrukturen gibt es auch kürzere Verwaltungswege. Die intensive Nähe der Bevölkerung zu obersten politischen und anderen Stellen bringt sowohl positive als auch negative Aspekte mit sich.165 Durch die Eigenschaft der Kleinheit müssen sich die Mikrostaaten mit dem Problem der Knappheit auseinandersetzen, d.h. sie verfügen normalerweise über wenig materielle und personelle Ressourcen. Aus dieser Problematik heraus ist verständlich, dass von jedem Aktivbürger eine hohe Teil163
Vgl. Hummer 2004, S. 153; Marxer/Pállinger 2009, S. 902. Vgl. Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004b, S. 195, 199; Geser 2004, S. 141 f.; Seiler 2004, S. 315. 165 Vgl. Förster/Lambertz 2004, S. 9; Waschkuhn 194, S. 26 ff; Waschkuhn 1994, S. 28. 164
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C. Die Mikrostaaten als Bestandteil der internationalen Ordnung
nahmeintensität gefordert wird. Viele Ämter müssen im Nebenamt oder ehrenamtlich ausgeführt werden oder es ist eine Ämterhäufung zu beobachten. Ebenso sind Regierungs- und Parlamentsmitglieder häufig nicht ganztags angestellt. Dazu kommt, dass die Mitglieder der wirtschaftlichen und politischen Klasse nur schwer zu ersetzen sind. Insgesamt müssen diese außerdem ein breites Spektrum heterogener Aufgaben bewältigen, eine „interaktive Konnektivität der Eliten“166 entsteht. Dadurch wird der Meinungs-, Willenbildungs- und Entscheidungsprozess auf politischer Ebene vorangetrieben und inhaltlich vorentschieden. Diese Strategie der Konfliktvermeidung sowie das entstandene Entscheidungssystem ist eine Folge der Knappheit an Handlungs- und Organisationskapazitäten und ist damit kaum vermeidbar.167 Weiterhin sind in Mikrostaaten oftmals die Möglichkeiten verschiedener Formen der Beteiligung und Mitwirkung der Bürger, Vereine, Vereinigungen und Institutionen, der Kommunen und anderer gesellschaftlicher Kräfte stärker ausgeprägt bzw. haben andere Voraussetzungen als in großen Staaten.168 Dies könnte eine Vorbildwirkung für andere Staaten haben, ebenso wie die häufig starken direktdemokratischen Elemente. 2. Rechtsrezeption Die Knappheit der Ressourcen zwingt die Mikrostaaten außerdem zu einer Öffnung nach außen. So entwickelten sich die Mikrostaaten beispielsweise durch das Entstehen von Rechtsgemeinschaften im europäischen Recht im weiteren Sinn, z. B. im Rahmen des Europarats oder der OSZE, bei überstaatlichen Zusammenschlüssen oder durch die engen Beziehungen zu den Nachbarstaaten und die damit verbundene Harmonisierung des Rechts weiter.169 Typisch für den Mikrostaat im Bereich der Rechtsrezeption ist es, dass er vor allem das Recht des Nachbarstaates aufgreift, daraus aber etwas Eigenes macht. Oftmals verwandelt der Mikrostaat das Recht und übernimmt es dann, so dass seine Rechtsordnung eine Integrations- und Innovationsleistung erbringt. Dies trägt zu Offenheit, Integration, aber auch zu Identitätsgewinnung bei. Der Mikrostaat schafft es, aus seiner Not eine Tugend zu machen. Fast muss er sich dieser fremden Vorleistungen bedienen, da er 166
Vgl. Waschkuhn 2003, S. 760. Vgl. Waschkuhn 2003, S. 760; Geser 1992, S. 642; Dosenrode 1993, S. 52.; Darsow 1984, S. 177 f.; Kilian 2002, S. 229; Waschkuhn 1994, S. 28; HansAdam II. v. Liechtenstein 1986 (Thronrede). 168 Vgl. Förster/Lambertz 2004, S. 10; Waschkuhn 1994, S. 93. 169 Vgl. Häberle 2001, S. 152. 167
IV. Folgen der Kleinheit für die staatliche Organisation der Mikrostaaten
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selbst nicht über die personellen u. a. Ressourcen verfügt, um diese Leistung selbst zu erbringen. So rezipiert der Mikrostaat Recht und reproduziert es.170 Ein Beispiel für eine solche Rezeption gibt Liechtenstein, das sich das Recht Österreichs, der Schweiz aber auch Deutschlands oder die EMRK zum Vorbild genommen bzw. dieses teilweise übernommen hat. Ebenso nutzt Monaco das französische Recht als Referenzrecht und übernimmt dadurch indirekt schon viele EU-Regelungen. Die Rezeptionsformen und der -umfang können durchaus unterschiedlich sein und reichen von Teil- oder Totalrezeption von Gesetzeswerken bzw. Rechtssystemen über einzelne Verfassungsprinzipien oder Rechtsinstitute zu einer lockeren Form von Vertragsabschlüssen oder Konföderationen.171 Eine weitere Beeinflussung des Rechts der Mikrostaaten erfolgt über die Bestellung von Sachverständigen oder Gutachtern aus dem Ausland bei nationalen Verfassungs- oder Gesetzesvorhaben oder auch durch die Berufung ausländischer Richter an das Verfassungsgericht (z. B. Liechtenstein Art. 105 Verf.).172 Die Rezeption kann man als besondere Leistung des Mikrostaates ansehen, vor allem wenn sich der Staat das Rezipierte schöpferisch aneignet, wie im Fall Liechtensteins. Liechtenstein kann durchaus als Pionier angesehen werden, betrachtet man die mögliche Integration fremder Richter in das Verfassungsgericht. Auf europäischer Ebene werden internationale Richtergremien transnational im EGMR oder EuGH errichtet, das Fürstentum hat dies national gewagt. So bildet sich wie durch den EGMR und den EuGH auch in Liechtenstein ein europäisches Verfassungs- und Verwaltungsrecht heraus, eine Europäisierung des nationalen Verfassungsgerichts erfolgt, ein Modell, was durchaus eine Vorreiterrolle einnehmen könnte.173 Ebenso dürfen in San Marino, mit Ausnahme der Friedensrichter, nur ausländische Richter eingesetzt werden, in Monaco sind zahlreiche französische Richter tätig und auch in Andorra werden französische und spanische Bürger für das Richteramt nominiert.174 Durch die Rechtsrezeption entstehenden so genannte „Misch-Rechtsordnungen“ in den Mikrostaaten. Man könnte einen Mikrostaat auch als Vorreiter für größere Staaten und die überstaatlichen regionalen oder universellen Vergemeinschaftungsformen betrachten, z. B. die EU. Auch in der EU ist man auf vielfältige Rezeptionsvorgänge sowie eine gemeinschaftliche Pro170
Vgl. Häberle 2001, S. 153; Kilian 2002, S. 229; Häberle 1993, S. 131 ff. Vgl. Häberle 2001, S. 154; Gschnitzer 1963, S. 19, 27 ff., 32 ff.; Kühne 1989, S. 379, 400 f.; Batliner 1990, S. 91, 114, 131, 133 ff., 160 ff. 172 Vgl. Häberle 2001, S. 154; Thürer 1990, S. 11 f. 173 Vgl. Häberle 2001, S. 155. 174 sh. Punkt D.–H. I. 3. zur Gerichtsbarkeit und dem Verfassungsgericht. 171
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C. Die Mikrostaaten als Bestandteil der internationalen Ordnung
duktion von Recht angewiesen. Der Mikrostaat nimmt demnach eine modellhafte Funktion ein.175 Aus rechtsvergleichender Sicht hat sich schon oft bewiesen, dass sich kleine Staaten leichter als große damit tun, über die Grenzen zu schauen und Lösungen für Probleme zu finden bzw. diese, wenn sie sich woanders bewährt haben, zu übernehmen. Entscheidend dafür sind Geisteshaltung und politisches Handeln.176 3. „Outsourcing“ von Staatsaufgaben Der öffentliche Sektor eines Staates stellt öffentliche Güter und Dienstleistungen bereit, z. B. interne und externe Sicherheit, Gesundheit, soziale Sicherheit, ein monetäres und fiskalisches System, öffentliche Verwaltung, Gesetzgebung, die Außenpolitik, Grundlagenforschung und Universitäten. Die Kleinheit hat gravierende Rückwirkungen auf die Organisation der kleinen Binnenwirtschaft und die Ausgestaltung des öffentlichen Sektors. So ist es nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, die Aufgaben eines Staates zu bewältigen, vor allem die Bereitstellung öffentlicher Güter. Theoretisch müssten Mikrostaaten im öffentlichen Sektor einen erheblichen Nachteil im Bereich der Kosten aufweisen. Diese vom Staat öffentlich bereitgestellten Güter bringen hohe fixe Kosten mit sich, die jedoch unabhängig von der Anzahl der Personen sind, die die Güter nutzen.177 Der Verwaltungsaufwand ist sehr groß, wodurch die Umsetzung der Aufgaben kaum finanzierbar wird. Dadurch wenden kleinere Staaten relativ betrachtet mehr für die Bereitstellung öffentlicher Güter auf als große Staaten.178 Lösungsmodelle sind das des „Freeriders“ (Trittbrettfahrer), d.h. man nutzt Strukturen anderer mit, oder der Kooperationen, um Schwachpunkte zu überbrücken. Ein Mikrostaat muss sich demnach öffnen, um zu überleben.179 Es ist zu beobachten, dass Mikrostaaten besonders dann erfolgreich sind, wenn sie sich an einen größeren Partner binden. Man kann weiterhin festhalten, dass der erfolgreiche Mikrostaat in seiner Chancenausnutzung bei strukturell geringen Möglichkeiten kaum zu überbieten ist.180 Daher werden einige öffentliche Güter, die von größeren Staaten gewissermaßen selbstverständlich angeboten werden, von Mikrostaaten nicht 175
Vgl. Häberle 2001, S. 157. Vgl. Baudenbacher 2004, S. 219 f. 177 Vgl. Kocher 2003a, S. 1 f. 178 Vgl. Förster/Lambertz 2004, S. 9; Hummer 2004, S. 30; Waschkuhn 1990, S. 15; Marxer/Pállinger 2009, S. 902; Kocher 2003a, S. 2. 179 Vgl. Förster/Lambertz 2004, S. 10. 180 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 760; Waschkuhn 1994, S. 30. 176
IV. Folgen der Kleinheit für die staatliche Organisation der Mikrostaaten
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bzw. nicht selbst bereitgestellt. Je kleiner ein Mikrostaat ist, desto geringer ist der Anteil aller Staatsaufgaben, die er tatsächlich selbst erfüllen kann. Gerade jene öffentlichen Güter, deren Bereitstellung theoretisch mit sehr hohen oder hohen relativen Kosten für Mikrostaaten verbunden ist, wie zum Beispiel eine eigene Währung, werden meist nicht selbst bereitgestellt. Dafür gibt es diverse Verträge und Abkommen, die die Bereitstellung des jeweiligen öffentlichen Gutes sicherstellen, und zwar meist durch einen Nachbarstaat (internationales „Outsourcing“).181 Aus diesem Grund haben die meisten Mikrostaaten keine Volluniversität, keine eigene Währung und keine Armee. Wenn eine Armee existiert, dann eher aus symbolischen Gründen. Oftmals ist dies dann nur eine kleine Grenztruppe, die nicht fähig wäre, den Staat gegen einen größeren Nachbarn im Falle eines Angriffs zu verteidigen.182 Zum einen fehlt es an militärischer Ausrüstung zum anderen an personellen Ressourcen zum Aufbau einer Armee. Eine andere Möglichkeit sind regionale Abkommen mit den größeren Nachbarstaaten die Verteidigung betreffend.183 Dadurch, dass die Produktion bzw. die Bereitstellung des öffentlichen Gutes des Mikrostaates auf den öffentlichen Sektor eines anderen Staates übertragen wird, wird impliziert, dass die Abhängigkeit der Mikrostaaten vom Ausland im öffentlichen Sektor sehr hoch ist.184 Trotz der sich daraus ergebenden Nachteile gibt es zwei Gründe, welche die eigentlich negativen Effekte der Außenabhängigkeiten ausgleichen: Erstens wären die Kosten der Eigenproduktion der öffentlichen Güter für den Mikrostaat meist deutlich höher, als wenn sie die Güter mit Hilfe des Auslands bereitstellen. Zum Beispiel ruft die Mitnutzung des Schweizer Frankens in Liechtenstein für die Schweiz nur geringe Zusatzkosten hervor, möglicherweise sogar gar keine. Müsste Liechtenstein aber eine eigene Währung schaffen, würden weit höhere Kosten für das Fürstentum anfallen. Zweitens können die Mikrostaaten in den meisten Fällen zwischen mehreren Staaten wählen, bei denen sie die öffentlichen Güter mitnutzen bzw. von denen die Güter bereitgestellt werden.185 Beispielsweise könnte Liechtenstein theoretisch langfristig den Euro anstatt des Frankens als Währung einführen.186 Die Außenabhängigkeit von Mikrostaaten wird in dem Fall problematisch, wenn keine guten Beziehungen zu den Nachbarstaaten beste181 182 183 184 185 186
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004b, S. 197; Kocher 2003a, S. 2, 8. Kocher 2003a, S. 2, 10; Geser 1992, S. 633. Harden 1985, S. 76, 119. Kocher 2003a, S. 8 f. Kocher 2003a, S. 9. Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004b, S. 197; Kocher 2003a, S. 9.
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C. Die Mikrostaaten als Bestandteil der internationalen Ordnung
hen oder wenn sie sich in abgelegenen Regionen der Welt, zum Beispiel im Pazifik, befinden.187 Durch das „Outsourcing“ öffentlicher Dienstleistungen kann die Größe des öffentlichen Sektors soweit beschränkt werden, dass er durch Steuern finanzierbar wird, ohne dass die Qualität der öffentlichen Dienstleistungen auffallend darunter leidet. In gewissen Fällen ziehen es Mikrostaaten auch vor, bestimmte öffentliche Dienstleistungen gar nicht bereitzustellen, wenn es sich dabei um Güter handelt, die auch privat angeboten werden können. So werden zunehmend Staatsaufgaben auch an private Institutionen übertragen.188 Zusätzlich ist anzumerken, dass es durch die heutigen Fortschritte in der Transport- und Kommunikationstechnologie für die Mikrostaaten zunehmend einfacher wird, politisch-administrative Aufgaben zu erfüllen und vermehrt nach außen in Erscheinung zu treten. Durch die elektronische Datenübertragung kann auch ein Mikrostaat weltweit kommunizieren und präsent sein. So wird der unterschiedliche Mitteleinsatz zwischen großen und kleinen Staaten weniger offensichtlich.189 Weiterhin ist der Klein- bzw. Mikrostaat auch bevorzugte Geburtsstätte für bedeutende Innovationen, was damit begründet werden könnte, dass neuartige Modelle, z. B. politisch-sozietaler Organisationen, zunächst im Kleinen erprobt werden, bevor sie umfassender umgesetzt werden. Damit haben sie oftmals einen weit überproportionalen Einfluss auf die gesellschaftliche und kulturelle Entwicklung ausgeübt.190 Häufig wurden die Klein- bzw. Mikrostaaten als erste mit bestimmten Problemen konfrontiert, z. B. mit dem alltäglichen Umgang mit Angehörigen fremder Kulturen und Religionen, was zur Herausbildung der Normen Toleranz und Verständigung geführt hat. Auch der Import alltäglicher Güter aus anderen Staaten hat frühzeitig zu dem Interesse geführt, zwischenstaatliche Verträge und völkerrechtliche Normen zu etablieren und zu sichern.191 Der Weg zum Erfolg der europäischen Mikrostaaten liegt somit in ihrer Fähigkeit, die Beschränkungen, die sich aus ihrer speziellen Lage in geographischer, sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht ergeben, zu neutralisieren und die potentiell negativen Merkmale zu ihrem Vorteil im internationalen Bereich zu verwenden.192 Eigenschaften des Mikrostaates, die zunächst als Begrenzung seiner Möglichkeiten und Aufgabenerfüllung wahrgenom187
Vgl. Kocher 2003a, S. 9. Vgl. Kocher 2003a, S. 10; Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004b, S. 197. 189 Vgl. Geser 2004, S. 141 f.; Geser 1992, S. 642; Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004b, S. 195, 199; Seiler 2004, S. 315. 190 Vgl. Hummer 2004, S. 152; Geser 2004, S. 136; Geser 1992, S. 649 f. 191 Vgl. Geser 2004, S. 137 f. 192 Vgl. Dózsa 2008, S. 95 f. 188
V. Das wirtschaftliche Überleben der Mikrostaaten
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men werden, können als Herausforderung zu Vorteilen werden, zu Möglichkeiten, sich zu öffnen und daraus Positives zu gewinnen.193 Dies gilt sowohl für den öffentlichen Sektor als auch den wirtschaftlichen Bereich.
V. Das wirtschaftliche Überleben der Mikrostaaten 1. Generelle wirtschaftliche Merkmale der Mikrostaaten Die Größe von Staaten spielt sowohl in den internationalen politischen Beziehungen als auch im wirtschaftlichen Bereich eine wesentliche Rolle. Durch die Kleinheit der Mikrostaaten scheinen sie in der Wirtschaft und bei der Durchsetzung politischer Prioritäten in der internationalen Politik benachteiligt. Sicherlich hat die Kleinheit bedeutende Auswirkungen auf die Organisation der Binnenwirtschaften und die Gestaltung des öffentlichen Sektors der Mikrostaaten.194 Es ist jedoch auch zu beobachten, dass die Mikrostaaten, die am internationalen Leben teilhaben und sich diesem zum Teil sogar unterordnen, zu den ökonomisch erfolgreichsten Ländern der Welt zählen.195 Historisch-geographisch betrachtet haben sich Mikrostaaten in Gebieten entwickelt, die im Vergleich schwer zu erreichen sind, z. B. Inseln oder gebirgige Gegenden, da sie dort bessere Möglichkeiten hatten, ihr Gebiet gegen Angreifer auch mit wenigen Personen zu verteidigen. Weiterhin hat sich gezeigt, dass sich Kleinstaaten in Zeiten und Gebieten entwickelt haben, die gute Möglichkeiten boten, Handel zu treiben, wie z. B. an Handelswegen oder der Meeresküste.196 Auf den ersten Blick könnte die Wirtschaft der Mikrostaaten anfällig und schwach wirken, mit erheblichen ökonomischen Nachteilen. Gründe dafür wären der sehr kleine nationale Markt, die schon erwähnte hohe Abhängigkeit vom Ausland, die Exportkonzentration mit dem höheren Risiko der Exportmärkte, die kleine selbst erzeugte Produktpalette, die zur Anfälligkeit gegenüber so genannten exogenen Schocks führen, sowie das Fehlen von internen Ausgleichsmechanismen im Falle des Eintretens solcher exogener ökonomischer Schocks.197 Weiterhin gehört zu den Nachteilen die mate193
Vgl. Häberle 2001, S. 157. Vgl. Kocher 2003a, S. 1. 195 Vgl. Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004b, S. 197. 196 Vgl. Waschkuhn 1994, S. 96: zitiert Überlegungen des Fürsten Hans Adam von Liechtenstein: Die Zukunft des Kleinstaates. Rede am 24.01.1987; Geser 1992, S. 633. 197 Vgl. Kocher 2003a, S. 5, 11; Armstrong u. a. 1998, S. 640; Waschkuhn 1994, S. 29. 194
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C. Die Mikrostaaten als Bestandteil der internationalen Ordnung
rielle und personelle Ressourcenknappheit. Diese führt zur Abhängigkeit von Importen von Rohstoffen und Halbfabrikaten aus dem Ausland und damit ebenso zu Abhängigkeit vom Zugang zu fremden Märkten und vom internationalen Handel.198 Negativ für kleine Staaten sind weiterhin multilaterale, regionale oder bilaterale gemeinsame Regeln, die den Handlungsspielraum von eben diesen Staaten in den für sie wichtigen wirtschaftlichen Bereichen einschränken oder Regeln, die den Wettbewerb begrenzen bzw. überwachen.199 Andererseits existieren durchaus zahlreiche wirtschaftliche Vorteile der kleinen Staaten, nämlich die hohe Flexibilität, die höhere Entscheidungseffizienz und die „kurzen Wege“ sowie eine hohe Effektivität der Gesetzgebung. Außerdem gehören zu den Vorteilen die meist höhere soziale Homogenität und größerer Zusammenhalt sowie Offenheit für Wandel und dadurch auch die Fähigkeit, schnelle und effektive Antworten auf exogene Veränderungen zu finden. Somit hat sich für die europäischen Mikrostaaten positiv ausgewirkt, dass sie in der Lage waren, sich sehr gut auf die Veränderungen der Weltwirtschaft einzustellen und auf die richtige Wirtschaftsstruktur und -strategie zu setzen. Wichtig ist dabei, dass die Wachstumsimpulse in den Mikrostaaten insbesondere aus dem Dienstleistungsbereich stammen, in dem die Größe des Heimatmarktes meist eine untergeordnete Rolle spielt.200 Weiterhin haben Mikrostaaten wirtschaftlich betrachtet eine stärkere außenwirtschaftliche Verflechtung als größere Staaten. Charakteristisch sind außerdem die fast zwangsläufige Offenheit gegenüber dem Ausland, die geringere Diversifikation ebenso wie spezialisiertere wirtschaftliche Aktivitäten, die Konzentration bestimmter Güter im Export, die Konzentration auf wenige Handelspartner sowie Kooperationen mit anderen Ländern und Aktivitäten in internationalen Organisationen, um ihre Interessen zu schützen.201 Die verstärkte Offenheit der Wirtschaft der Mikrostaaten ist damit begründet, dass ihr beschränktes Territorium keine Isolation oder gar Autarkie zulässt. Außerdem ist durch die Kleinheit praktisch jeder Bewohner und jedes Unternehmen grenznah angesiedelt, was fast automatisch zu zahlreichen transnationalen Kontakten führt. Dadurch ergibt sich der Einfluss der Außenwirtschaft auf den Wohlstand des Mikrostaates.202 Die wirtschaftliche 198 Vgl. Dosenrode 1993, S. 53; Vital 1967, S. 39; Armstrong/Read 1995, S. 1130; Armstrong u. a. 1998, S. 640; Harden 1985, S. 89; Abt 1993, S. 21. 199 Vgl. Kocher 2003a, S. 14 f. 200 Vgl. Kocher 2003a, S. 5, 12; Armstrong/Read 1995, S. 1130; Armstrong u. a. 1998, S. 641. 201 Vgl. Krantz 2006, S. 6; Marxer/Pállinger 2009, S. 902; Geser 1992, S. 633, 638.
V. Das wirtschaftliche Überleben der Mikrostaaten
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und währungspolitische Integration in größere Gebiete, d.h. in Nachbarstaaten oder internationale Organisationen, ist ebenso eine praktikable Strategie der Mikrostaaten, um einige Nachteile der Kleinheit auszuschalten.203 Da die Mikrostaaten von Importen sehr abhängig sind, sie aber auch ihre Handelsbilanz im Gleichgewicht halten wollen, müssen sie auch einen starken Export aufweisen. Dabei treten die Mikrostaaten mit größeren Staaten und deren multinationalen Konzernen in Wettbewerb, dies ohne die Sicherheit eines eigenen großen Inlandsmarktes. Die Folge dessen ist, dass die Mikrostaaten nach Nischen im internationalen Markt suchen und diese dann ausfüllen.204 Die Mikrostaaten sind in der Nischennutzung so erfolgreich, da sie sich in Bereichen entfalten, die für die Großen zunächst nicht lohnenswert erscheinen, und die Kleinheit ermöglicht, flexibel und homogen zu bleiben. Sie schaffen es, oftmals besser als Großstaaten, ihre eigenen Politiken unauffällig zu betreiben und sich erstaunlich weitgehende Autonomiespielräume zu sichern.205 So haben viele von ihnen in den Bereichen Treuhand-, Banken- und Versicherungswesen, der Unternehmens- und Rechtsberatung, sprich im Finanzdienstleistungsbereich, im Tourismusbereich sowie auch bei Kommunikationstechnologien erfolgreiche Dienstleistungsfunktionen entwickelt.206 Außerdem verfügen die europäischen Mikrostaaten oft auch über eine starke industrielle Basis.207 Viele der Mikrostaaten haben es geschafft, unterstützt durch die internationale Liberalisierung der Finanzmärkte im Laufe der letzten Jahrzehnte, ihre Vorteile zu nutzen, was die bedeutende Rolle des Finanzdienstleistungsbereiches bzw. der damit verwandten Sektoren deutlich macht. Um diese Strategie der Spezialisierung auf Nischenbereiche umzusetzen, ist meist eine hinreichende Gestaltung der Gesetze erforderlich. Demzufolge ist die souveräne Gesetzgebungshoheit anscheinend ein wichtiges Instrument des Mikrostaats, das den wirtschaftlichen Erfolg mitbestimmt. Die Mikrostaaten profitieren in diesem Bereich von bewusst eingeführten Regeldifferenzen zu anderen Rechtssystemen, sie schaffen ein Gesetzgebungsgefälle zu den Nachbarstaaten.208 So ist es ihnen möglich, Geschäftszweige oder Strukturverhältnisse zu gestatten, die in größeren oder den Nachbarstaaten 202
Vgl. Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004b, S. 198; Geser 1992, S. 633,
636 f. 203
Vgl. Armstrong/Read 1995, S. 1130. Vgl. Dosenrode 1993, S. 53, 101. 205 Vgl. Geser 2004, S. 134 f.; Waschkuhn 1994, S. 31. 206 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 760; Krantz 2006, S. 14; Geser 1992, S. 640; Marxer/Pállinger 2009, S. 902. 207 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 902. 208 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 760; Kocher 2003a, S. 12 f.; Marxer/Pállinger 2009, S. 902. 204
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C. Die Mikrostaaten als Bestandteil der internationalen Ordnung
verboten oder strengeren Beschränkungen und Überwachungen unterworfen sind. Ebenso können sie auf die Erhebung von Steuern verzichten oder die staatliche Aufsicht im Banken- und Versicherungssektor einschränken, was auch ihrem personell oft gering besetzten Verwaltungsapparat entgegenkommt.209 Eine notwendige Grundlage für diese Strategie ist der Fakt, dass die Mikrostaaten aufgrund ihrer Kleinheit bisher international eher unbeachtet handeln,210 obwohl ihr Vorgehen auf Kosten größerer Staaten gehen kann. Es ist wahrscheinlich, dass die Mitgliedschaft in der EU den souveränen Handlungsspielraum in diesen für die europäischen Mikrostaaten zentralen Bereichen begrenzen würde. Es ist daher nachvollziehbar, dass es den Mikrostaaten sehr wichtig ist, die ökonomische Offenheit und internationale Integration dort zu begrenzen, wo ihre wirtschaftliche Nischenpolitik gefährdet wäre. Dies ist ein bedeutender Grund dafür, dass die Mikrostaaten noch nicht Mitglieder der EU sind, da die Mitgliedschaft in für die Mikrostaaten wichtige Bereiche der Gesetzgebung eingreifen und deren Vorteile möglicherweise vermindern oder sogar vernichten würde.211 Trotzdem haben praktisch alle europäischen Mikrostaaten, außer dem Vatikan, bevorzugten Zugang zum europäischen Binnenmarkt bzw. bilden eine Zollunion mit der EU bzw. einem EU-Mitgliedstaat, von der nur einzelne Bereiche ausgenommen sind. Studien belegen, dass diejenigen Mikrostaaten wirtschaftlich am erfolgreichsten sind, die einen gut entwickelten Finanzdienstleistungssektor, einen starken Tourismussektor und einen Produktionssektor aufgebaut haben oder über natürliche Ressourcen verfügen. Am erfolgreichsten ist ein Mikrostaat, wenn er mehrere dieser Bereiche kombinieren kann. Ein großer landwirtschaftlicher Sektor ist hingegen eher ein negativer Faktor.212 Dabei ist es sehr wichtig, dass sich die Mikrostaaten in diesen Schlüsselbereichen an die EU-Politiken und den EU-Binnenmarkt anpassen, um erfolgreich zu bleiben. Ihre Flexibilität und auch ihre Unwichtigkeit helfen ihnen dabei. Ihre Flexibilität erlaubt den Mikrostaaten, ihren Anliegen entgegengesetzte EU-Rechtssetzungen zu vermeiden, speziell in Gebieten der Regulierung von „Offshore-Finanzdienstleistungen“.213 Die Praxis hat ebenso gezeigt, dass diejenigen Staaten erfolgreich waren und sind, die etwas Außergewöhnliches bzw. ein Alleinstellungsmerkmal 209 210 211 212 213
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Geser 1992, S. 641. Kocher 2003a, S. 13 f.; Geser 1992, S. 649. Kocher 2003a, S. 13 f. Armstrong/Read 1995, S. 1139; Armstrong u. a. 1998, S. 651, 654. Armstrong/Read 1995, S. 1139.
V. Das wirtschaftliche Überleben der Mikrostaaten
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besaßen bzw. besitzen. Dieser Vorteil muss so signifikant sein, dass er andere Nachteile eines Mikrostaates übertrumpft. Es ist also nicht gesagt, dass Kleinheit automatisch Schwäche bedeutet, denn wenn man unter den jeweiligen Gegebenheiten die Situation ausnutzt, können Mikrostaaten durchaus erfolgreich sein.214 Eine wirtschaftliche Entwicklungstendenz spricht ebenfalls für die Mikrostaaten, nämlich, dass wirtschaftlicher Erfolg zunehmend weniger auf Landbesitz beruht, sondern auf erfolgreichem Einsatz von Kapital, Organisation und personellen Ressourcen. Dies setzt eine starke räumliche Konzentration der Kräfte voraus, was in den Mikrostaaten gegeben ist. Außerdem bringen die modernen Technologien günstige Realisierungsbedingungen für kleinformatige Produktionsstrukturen mit sich und auch der steigende Flexibilisierungsdruck spricht für kleinere Betriebsstrukturen. Demnach sehen die Mikrostaaten geringeren Anlass, sich aus ökonomischen Gründen mit Großstaaten zu vereinen.215 Die Anstrengungen, die die Mikrostaaten leisteten und immer noch leisten, um ihre Souveränität zu erhalten, haben sie einerseits – mit Ausnahme San Marinos und des Vatikans – externem Druck ausgesetzt, ihren Status als Steuerparadies zu beseitigen. Sie haben den Mikrostaaten aber auch ermöglicht, die Probleme ihrer Wirtschaft, d.h. die Knappheit an menschlichen und materiellen Ressourcen, und damit ihre Anfälligkeit gegenüber äußeren Konjunkturschwankungen, zu überwinden. Insbesondere wurde und wird der enge Kontakt, den die Mikrostaaten zu ihren Nachbarstaaten unterhalten, genutzt, um ihren politischen Einfluss wirkungsvoll spielen zu lassen.216 Auch wenn scheinbar die negativen Argumente in der Wirtschaftstheorie von kleinen Staaten überwiegen,217 zeigt sich in der Praxis, dass die Kleinheit eines Staates keinen bedeutsamen Einfluss auf dessen Wohlstand, Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit hat. Besonders in Europa wird das Bild der erfolgreichen und wohlhabenden kleinen Staaten, durch Beispiele wie Liechtenstein, Monaco oder Luxemburg, bestätigt.218 Verschiedene empirische Studien unterstützen dieses Bild, da sie zeigen, dass die europäischen Mikrostaaten sowie kleine weitgehend autonome Territorien bessere Wirt214 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 759; Waschkuhn 1994, S. 30; Kukan 2004, S. 13 ff.; Vogel 1983, S. 55. 215 Vgl. Geser 2004, S. 142 f.; Geser 1992, S. 652. 216 Vgl. Dózsa 2008, S. 95 f.; Armstrong/Read 2003, S. 244. 217 Vgl. Kocher 2003a, S. 5, 11, 14 f.; Armstrong u. a. 1998, S. 640; Waschkuhn 1994, S. 29; Dosenrode 1993, S. 53; Vital 1967, S. 39; Armstrong/Read 1995, S. 1130; Harden 1985, S. 89. 218 Vgl. Kocher 2003a, S. 5; Kirt 1999, S. 9, 12; Armstrong/Read 1995, S. 1130; Armstrong u. a. 1998, S. 644.
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C. Die Mikrostaaten als Bestandteil der internationalen Ordnung
schaftsdaten, d. h. geringere Arbeitslosigkeit, höheres BIP u. a., nachweisen können als der Durchschnitt benachbarter Regionen größerer Staaten.219 Beispielsweise ist das BIP pro Kopf in Liechtenstein weltweit am höchsten. Die Arbeitslosenquote ist in den Mikrostaaten zumeist geringer als in den angrenzenden EU-Gebieten.220 Weiterhin realisierten die Mikrostaaten in wirtschaftlicher Hinsicht das höchste in Westeuropa zu beobachtende Wachstum nach dem Zweiten Weltkrieg.221 Fazit Obwohl die wirtschaftliche Außenabhängigkeit als Folge von Kleinheit von den Wirtschaftwissenschaften generell als negativ gesehen wird,222 ist sie für Mikrostaaten eine Tatsache, an die sie sich durch Offenheit, Integration, Kooperation und den richtigen gesetzlichen Rahmen bei Bewahrung der Souveränität angepasst haben. Viele der Mikrostaaten haben es geschafft, durch Anpassungsfähigkeit, Vitalität, Vielfalt, Spezialisierung, innovative Nischenausnutzung und Flexibilität sowohl wirtschaftlich als auch politisch erfolgreich zu sein.223 Die Vorteile, die die Kleinheit der Mikrostaaten mit sich bringen, ermöglichen es, die Nachteile auszugleichen bzw. diese sogar zu überwiegen. Die wirtschaftlichen Indikatoren der Mikrostaaten sind daher in fast allen Fällen besser als die der angrenzenden EU-Regionen.224 Durch ihre Kleinheit haben es die europäischen Mikrostaaten erreicht, ein Wirtschaftsklima mit extrem flexiblen Finanz- und Handelsregeln zu schaffen und damit große Summen ausländischen Kapitals anzuziehen.225 Kleinheit ist demnach aus wirtschaftlicher Sicht nicht zwingend ein Defizit.226
219 Vgl. Kocher 2003a, S. 6, 11; Armstrong/Read 1995, S. 1133 f.; Armstrong/ Read 2003, S. 244; Dózsa 2008, S. 95 f. 220 Vgl. Eurostat 2009; Armstrong/Read 1995, S. 1134 ff. 221 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 902. 222 Vgl. Kocher 2003a, S. 5, 11, 14 f.; Armstrong u. a. 1998, S. 640; Waschkuhn 1994, S. 29; Dosenrode 1993, S. 53; Vital 1967, S. 39; Armstrong/Read 1995, S. 1130; Harden 1985, S. 89. 223 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 759; Waschkuhn 1994, S. 29; Geser 2004, S. 133; Krantz 2006, S. 8; Kirt 1999, S. 13; Armstrong/Read 1995, S. 1130; Marxer/Pállinger 2009, S. 902. 224 Vgl. Armstrong/Read 1995, S. 1139. 225 Vgl. Dózsa 2008, S. 95. 226 Vgl. Kocher 2003a, S. 14; Amstrup 1976, S. 175.
V. Das wirtschaftliche Überleben der Mikrostaaten
73
2. Mikrostaaten in der Globalisierung Dank neuer Informationstechniken und Kommunikationsmittel wächst die Welt immer mehr zusammen, der Kapital-, Waren- und Personenverkehr wird zunehmend liberalisiert, die Welt wird zu einem „global village“. In der Wirtschaft entstehen multinationale Megakonzerne, die Entwicklung der Staaten ist geprägt von der Integration in inter- oder supranationale Organisationen, denn nur so behalten sie Mitspracherechte und die Chance zum Überleben. Im Rahmen dieser Entwicklung stellt sich die Frage, ob damit der Nationalstaat überholt sei und kleine Entitäten überhaupt noch eine Daseinsberechtigung hätten.227 Kleine, rohstoffarme, exportorientierte und z. T. lohnkostenintensive Länder scheinen in besonders hohem Maße durch die Globalisierung gefährdet. Sprachbarrieren, nicht-tarifäre Handelshemmnisse oder unterschiedliche gesetzliche Regelungen können zur Folge haben, dass Unternehmen im internationalen Geschäft nicht so erfolgreich sind, wie auf dem Heimatmarkt.228 In der Realität erkennt man, dass kleine Staaten als Organisationsform noch hochaktuell sind, da die Klein- und Mikrostaaten noch existieren, und zwar erfolgreich. Argumente für die kleinen Staaten sind die Erfahrung, dass große Staaten wichtigen Aufgaben und Herausforderungen nicht unbedingt besser gewachsen sind als kleinräumige Staaten, sowie ebenso die zu beobachtenden Tendenzen zur Fragmentierung.229 Besonders kleine Staaten haben in diesem Weltsystem, in dem scheinbar nur noch das Große von Belang ist, eine ganz spezifische Funktion, denn sie bilden nach Roman Herzog „Gegenmodelle gegen das Übermaß an Großorganisationen [. . .], die anderswo entstehen oder bereits entstanden sind, und sie bilden damit zugleich Mahnzeichen der Individualität und Notausgänge für die, die sich mit der Herrschaft der Großorganisationen nicht abfinden wollen oder für die Großorganisationen ganz einfach nicht passen.“230 Die kleinen Staaten haben es geschafft, meist durch eine Mischung aus wirtschaftspolitischer Integration und optimaler Nischenausnutzung Erfolg zu haben, was auch zukünftig viele Chancen bietet.231 Durch die Globalisierung lassen sich viele Beschränkungen des Marktes von kleinen Staaten, die sich durch die Kleinheit ergeben, reduzieren, beispielsweise durch Integration geschaffene größere Märkte.232 Auch als Fi227
Vgl. Kirt 1999, S. 8, 18. Vgl. Kocher 2003a, S. 12. 229 Vgl. Kirt 1999, S. 9, 16; Kirt/Waschkuhn 2001, S. 33. 230 Herzog 1989, S. 17, zitiert in Kirt 1999, S. 9. 231 Vgl. Kirt 1999, S. 13; Waschkuhn 2003, S. 759; Geser 2004, S. 133; Krantz 2006, S. 8. 228
74
C. Die Mikrostaaten als Bestandteil der internationalen Ordnung
nanzplätze und Steuerparadiese profitieren die Mikrostaaten von dem Wegfall vieler Handelsschranken.233 Weiterhin begünstigt die wirtschaftliche Logik der Globalisierung die kleinen Länder sehr stark, da sie sich die Größe des Weltmarktes zu Nutze machen können. Auf dem Weg zu einer Weltwirtschaftsordnung ohne Handelsbarrieren und ohne gezielte Benachteiligung einzelner Staaten oder Staatengruppen haben auch kleinere Staaten immer bessere Möglichkeiten, ihr spezifisches Wissen, ihr Know-how und ihren Ideenreichtum zu nutzen, um so im globalen Wettbewerb erfolgreich zu bestehen.234 Prinz Nikolaus von und zu Liechtenstein, seit 1996 Leiter der Mission des Fürstentums Liechtenstein bei der EU, ist generell der Auffassung, dass kleine Einheiten in Europa gute Entwicklungschancen hätten. Sie seien von Natur aus nach außen ausgerichtet, d.h. es bestehe die grundsätzliche Notwendigkeit, wenn man sich wirtschaftlich entwickeln wolle, eine starke Exportindustrie nach außen zu schaffen, während große Staaten auch auf dem Binnenmarkt handeln könnten. Mit der Globalisierung werde diese Mentalität der Ausrichtung nach außen, diese starke internationale Ausrichtung zu einem großen Plus.235 Außerdem könnten auch die kleinen Staaten die neuen Möglichkeiten der modernen Technik, der Kommunikation und des Internets nutzen, welche ihnen helfen, Aufgaben selbst wahrzunehmen und den kleinen Staat auch den Größeren näher bringt. Die stärkere Zusammenarbeit und die gemeinsame Wahrnehmung von Aufgaben zwischen Staaten seien positiv zu bewerten und zu befürworten. Dabei sei wichtig, dass sowohl die EU als auch die Staaten Verständnis dafür haben.236 Prinz Nikolaus stellt allerdings auch fest, dass heute selbst für große Staaten gewisse Aufgaben enorm angewachsen seien, die auch diese nicht mehr alleine wahrnehmen könnten. Dadurch entstehe natürlich eine Gefahr für die recht kleinen Staaten, die befürchten müssen, völlig unabsichtlich überfahren zu werden. Deshalb sei es wichtig zu versuchen, gegenüber der Bevölkerung und großen Staaten verständlich zu machen und positiv auszustrahlen, dass Vielfalt für alle ein Gewinn ist.237 Es ist außerdem zu beobachten, dass es im Zusammenhang mit der Globalisierung und der europäischen Regionalisierung zu einer Verrechtlichung 232 233 234 235 236 237
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Kocher 2003a, S. 12. Kilian 2002, S. 228. Kirt 1999, S. 10, 39 f. Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004a, S. 16. Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004a, S. 17. Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004a, S. 17 f.
VI. Die Differenzierung der Integration der Mikrostaaten in die EU
75
der internationalen Beziehungen und einer Vergerichtlichung des Rechts kommt. In Europa geschieht dies u. a. durch den EuGH, den EFTA-Gerichtshof oder den EGMR. Für die Rechtsbetroffenen führt diese Entwicklung zu mehr Rechtssicherheit, Unparteilichkeit und fairen Verfahren. Dabei spielen die Kriterien Größe und Macht keine Rolle, was mit sich bringt, dass besonders Mikrostaaten davon profitieren können. Durch die Verrechtlichung und Vergerichtlichung werden außerdem Konflikte entpolitisiert, was wiederum den Belangen von Mikrostaaten dient. Beispiele sind die UNO oder auch die Europäische Union, die sich als eine Gemeinschaft des Rechts versteht und in der sich die kleineren Mitgliedstaaten immer besonders wohl gefühlt haben. Gleiches gilt für den EWR. Auch hier sind die Beziehungen innerhalb des EFTA-Pfeilers in hohem Maße vergerichtlicht. Der EFTA-Gerichtshof kann bei Streitigkeiten zwischen EFTA-Staaten angerufen werden. Dabei ist zu bemerken, dass der EFTA-Gerichtshof den rechtlichen Belangen des Fürstentums Liechtenstein, dem kleinsten unter den EWR-Staaten, besondere Aufmerksamkeit entgegenbringt. Über die Auslegung und Anwendung des EWR-Abkommens wacht gemäß Art. 111 EWR-Abkommen der gemeinsame EWR-Ausschuss.238
VI. Die Differenzierung der Integration der Mikrostaaten in die EU Die europäischen Mikrostaaten unterhalten verschiedenste bilaterale oder multilaterale vertragliche Beziehungen. Durch einen bestimmten Teil dieser Beziehungen werden sie in die Europäische Union integriert. In den folgenden Kapiteln, in denen die Mikrostaaten und deren Integration in die EU untersucht werden, wird zwischen indirekter und direkter Integration der Mikrostaaten in die EU unterschieden. Daher werden im Folgenden die unterschiedlichen Formen bzw. die unterschiedliche Intensität der Integration in die EU erläutert. Zu der indirekten Integration tragen Abkommen zwischen den europäischen Mikrostaaten und ihren Nachbarstaaten bei. Dadurch, dass die Nachbarstaaten wiederum meistens, mit Ausnahme der Schweiz, EU-Mitgliedstaaten sind, wenden diese Unionsrecht an. Wenn nun der Mikrostaat ein Abkommen mit seinem Nachbarstaat in einem Bereich schließt, z. B. über eine Zollunion, führt dies meist dazu, dass nun auch der Mikrostaat Unionsrecht in dem Bereich des Abkommens anwendet. Weiterhin ist es in vielen Fällen so, dass die Mikrostaaten als Referenzrecht das Recht ihres bzw. ihrer Nachbarstaaten nutzen, was den Unionsvorgaben entspricht. Auch dadurch findet das Unionsrecht indirekt Eingang in das Recht der Mikrostaaten. 238
Vgl. Baudenbacher 2004, S. 213 ff.; Goetschel 2004, S. 231.
76
C. Die Mikrostaaten als Bestandteil der internationalen Ordnung
Im Falle Liechtensteins und der Schweiz findet auch eine indirekte Integration des Fürstentums in die EU statt. Einerseits hat die Schweiz zahlreiche Verträge mit der EU abgeschlossen. Andererseits ist Liechtenstein eng mit der Schweiz verbunden, vor allem durch die Zollunion von 1923. Dies führt dazu, dass zu den Abkommen zwischen der Schweiz und der EG Zusatzabkommen bzw. Protokolle abgeschlossen wurden, die eine Einbeziehung Liechtensteins in das jeweilige Abkommen regeln, wodurch wiederum Unionsrecht im Fürstentum zur Anwendung kommt. Auch diese Art von vertraglichen Beziehungen wird im Folgenden als indirekte Integration in die EU eingestuft. Ebenso fällt in die Kategorie der indirekten Integration als Sonderfall die Mitgliedschaft von Mikrostaaten in internationalen Organisationen, die eine Annäherung an die EU schafft. Im Speziellen trifft dies auf Liechtenstein und seine Mitgliedschaft in der EFTA zu. Eine direkte Integration eines Mikrostaats in die EU wird erreicht durch alle Abkommen, die unmittelbar zwischen einem Mikrostaat und der EU bzw. allen EU-Mitgliedstaaten geschlossen werden. Dabei werden in der Regel alle Abkommen mit den verschiedenen Mikrostaaten einzeln verhandelt, es gibt weder eine einheitliche Strategie der Mikrostaaten gegenüber der EU noch der EU gegenüber den Mikrostaaten. Das umfassendste Abkommen in diesem Bereich ist das u. a. von Liechtenstein unterzeichnete EWR-Abkommen. Die ersten Abkommen zwischen den einzelnen Mikrostaaten und der EU, die nahezu identisch sind, sind die Abkommen über die Besteuerung von Zinserträgen, die, außer mit dem Vatikan, mit allen europäischen Mikrostaaten im Jahr 2004 abgeschlossen wurden. Auf die Details dieser indirekten und direkten Integration der europäischen Mikrostaaten in die EU wird in den folgenden Länderkapiteln genauer eingegangen.
VII. Zusammenfassung Die europäischen Mikrostaaten erfüllen generell die Staatsmerkmale Staatsgebiet, Staatsvolk sowie Staatsgewalt. Einzige Ausnahme ist der Staat Vatikanstaat, der zwar die Eigenschaft eines sich selbst reproduzierenden Staatsvolkes nicht erfüllt, dennoch aufgrund seiner Sonderrolle international als Staat anerkannt wird. Nicht ganz so eindeutig ist die Beurteilung der staatlichen Autonomie und Unabhängigkeit der Mikrostaaten. In diesen Kriterien sind die Mikrostaaten zum Teil Grenzfälle, da sich aufgrund der Kleinheit und damit Knappheit Besonderheiten der staatlichen Organisationen herausgebildet haben. Zu diesen Besonderheiten zählen u. a. die Delegation von Staatsaufgaben („Outsourcing“) an größere Nachbarstaaten oder
VII. Zusammenfassung
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internationale Organisationen oder die Rechtsrezeption des Rechts der Nachbarstaaten. Kritisch für die Staatseigenschaft ist vor allem die Delegation von Staatsaufgaben. Allerdings wird die Souveränität der Mikrostaaten nicht eingeschränkt und die Staatsgewalt erhalten, wenn keine wesentlichen Gewalten abgegeben werden und dies weitestgehend auf der Basis von kündbaren Verträgen mit Schiedsklauseln geschieht. Die Besonderheiten der staatlichen Organisation der Mikrostaaten werden ebenso in deren Außenpolitik widergespiegelt. So gehören zu den wichtigsten außenpolitischen Strategien der Mikrostaaten Neutralität, die engen Beziehungen zu den Nachbarstaaten sowie die Integration bzw. Mitgliedschaft in internationalen Organisationen. Die engen Beziehungen zu den Nachbarstaaten können wiederum zu Außenabhängigkeit führen. Die internationale Anerkennung eines Mikrostaates durch die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen kann zwar das Nichterfüllen der Kriterien für Staatlichkeit ausgleichen bzw. die Souveränität des Mikrostaates unterstreichen, kann aber nicht oder nur eingeschränkt die praktische Abhängigkeit eines Mikrostaates gegenüber seinem Nachbarstaat verändern. Die Aufnahme der Mikrostaaten in internationale Organisationen, und damit die Anerkennung der Staatengemeinschaft, verlief nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst zögerlich. Heute werden die Mikrostaaten als Vollmitglieder in der internationalen Gemeinschaft akzeptiert und können genauso wie große Staaten internationalen Organisationen beitreten, was der Beitritt der vier europäischen Mikrostaaten Andorra, Liechtenstein, Monaco und San Marino zur UNO in den 1990ern zeigt. Die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen ist für die Mikrostaaten besonders wichtig, da sie vor allem aufgrund ihrer militärischen Ohnmacht auf den internationalen Rechtsschutz und den Frieden in der Welt angewiesen sind. Ebenso profitieren sie stärker als große Staaten vom Fortschritt des Völkerrechts, welches stark zur rechtlichen Erhaltung der Mikrostaaten beiträgt. Je stärker die Mikrostaaten in internationalen Organisationen integriert oder durch das Völkerrecht geschützt werden, desto weniger sind sie auf die engen, teilweise Abhängigkeit erzeugenden Beziehungen zu ihren Nachbarstaaten angewiesen. Weiterhin bieten internationale Organisationen für Mikrostaaten die Chance, auf internationaler Bühne wahrgenommen zu werden und wertvolle Kontakte zu knüpfen. Ökonomisch betrachtet zählen die europäischen Mikrostaaten zu den erfolgreichsten Ländern der Welt. Es ist ihnen gelungen, die Nachteile, wie z. B. die Knappheit an materiellen und personellen Ressourcen oder die Außenabhängigkeit, durch die Vorteile der Kleinheit sowie besondere Strate-
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C. Die Mikrostaaten als Bestandteil der internationalen Ordnung
gien zu überwinden. Dazu gehören die Flexibilität und Offenheit, die Entscheidungseffizienz und die Effektivität der Gesetzgebung, die wirtschaftsund währungspolitische Integration in größere Gebiete, die Bewahrung der Gesetzgebungshoheit ebenso wie Nischenausnutzung und Spezialisierung. Durch die Wahrung von Autonomiespielräumen und die Ausgestaltung auf gesetzlicher Ebene konnten Gesetzgebungsgefälle zu den Nachbarstaaten erzeugt werden, die besonders den Finanzdienstleistungsbereich als Nische attraktiv machten. Daneben zeichnen sich die erfolgreichen Mikrostaaten meist durch einen starken Tourismussektor sowie eine gefestigte industrielle Basis aus. Die Mikrostaaten haben es geschafft, sowohl politisch als auch wirtschaftlich nicht nur toleriert zu werden, sondern sie haben ihre Existenz in der internationalen Gemeinschaft gesichert. Dabei wurde deutlich, dass die Kleinheit der Staaten kein Defizit ist. In den folgenden Kapiteln werden die europäischen Mikrostaaten im Detail vorgestellt, einschließlich ihrer internationalen Beziehungen, und im Besonderen ihre derzeitige Integration in die EU. Ziel ist es, auf dieser Basis die möglichen Perspektiven der weiteren Entwicklung der europäischen Mikrostaaten in ihrer Integration in die EU abzuleiten.
D. Das Fürstentum Andorra und seine Integration in die EU I. Charakteristika des Staates Andorra 1. Staatsgebiet und Bevölkerung
Quelle: CIA World Factbook 2010 [www.cia.gov].
Abbildung 1: Karte Andorra
Das Fürstentum Andorra (Principat d’Andorra) liegt mit einer Größe von 468 km2 auf der Mittelmeerseite der östlichen Pyrenäen zwischen Spanien und Frankreich.1 Die Hauptstadt ist Andorra la Vella. Die Grenzlinie ergibt sich auf französischer Seite aus den Grenzen des französischen Departments 1 Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 4; Govern d’Andorra u. a. 2007b; European Commission 2009; Fischer Weltalmanach 2009; Govern d’Andorra u. a. 2001, S. 8; Duursma 1996, S. 316; Stapper 1999, S. 58; Waschkuhn 2003, S. 760; Dózsa 2008, S. 96; Hummer 2004, S. 90; Murray 2006, S. 187; Mateu 2001, S. 415; Maresceau 2008, S. 273; Miller 2007, S. 167; Marxer/Pállinger 2009, S. 903.
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D. Das Fürstentum Andorra und seine Integration in die EU
und den andorranischen Gemeinden basierend auf dem Vertrag von Corbeil von 1258 und auf der spanischen Seite durch die Abgrenzungslinie, die im Vertrag zwischen Andorra und Spanien von 1863 festgelegt ist.2 Das Territorium wird Y-förmig in drei Täler von den Flüssen Valira del Nord und Valira d’Orient und deren Zusammenfluss Gran Valira unterteilt. Die Täler sind von hohen Gebirgskämmen umgeben, was dazu führt, dass die durchschnittliche Höhe Andorras bei 1996 m liegt.3 Der Gipfel von Coma Pedrosa ist mit 2.942 m der höchste Punkt, bei der Mündung des Flusses Runer auf 840 m an der spanischen Grenze liegt der niedrigste Punkt Andorras. Das Fürstentum bildet durch seine hohen Berge zum größten Teil ein raues, gebirgiges Gebiet.4 Aufgrund der Lage herrscht in Andorra ein mediterranes Gebirgsklima mit heißen Sommern und kalten Wintern mit starken Schneefällen. Durch die unterschiedlichen Höhenlagen können die Temperaturen zwischen den verschiedenen Gebieten stark schwanken.5 Andorra ist der größte der hier betrachteten Mikrostaaten und größer als der EU-Mitgliedstaat Malta mit 316 km2.6 Auch hinsichtlich der Bevölkerungszahl ist Andorra mit 84.000 Einwohnern7 der größte der hier untersuchten Mikrostaaten, bleibt in dieser Kategorie aber weit hinter Malta mit ca. 400.000 Einwohnern zurück.8 Von den Einwohnern Andorras besitzen 30.400 die andorranische Staatsbürgerschaft (36%), 27.500 sind Spanier (33%), 5.200 Franzosen (6%), 13.500 Portugiesen (16%) und 6.500 andere (8%).9 Die Andorraner bilden somit eine Minderheit im eigenen Land.10 Gleichzeitig mit dem beeindruckenden wirtschaftlichen Wachstum seit den 1950er Jahren wuchs auch die Bevölkerung sehr stark. So hatte Andorra im Jahr 1950 nur 6.176 Einwohner. Dieses demographische Wachstum ist sowohl durch eine hohe Geburtenrate, als auch durch eine starke Immigration in den letzten sechs Jahrzehnten begründet.11 Die Bevölkerung Andorras als Ressource für Arbeitskraft charakterisiert sich neben dem raschen Bevölkerungswachstum außerdem durch eine hohe 2 Vgl. Duursma 1996, S. 316, Bélinguier 1970, S. 210; Zemanek 1980, S. 4; Raton 1991, S. 46. 3 Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 4; Govern d’Andorra u. a. 2001, S. 8. 4 Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007b; Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 6. 5 Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 7; Govern d’Andorra u. a. 2001, S. 8. 6 Vgl. Sack 1997, S. 48; Maresceau 2008, S. 273. 7 Vgl. Govern d’Andorra 2008b, S. 7 (Stand 2007). 8 Vgl. Auswärtiges Amt 2009b; Maresceau 2008, S. 273. 9 Vgl. Govern d’Andorra 2008b, S. 7; Dózsa 2008, S. 96. 10 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 903. 11 Vgl. Mateu 2001, S. 415; Marxer/Pállinger 2009, S. 903; Emerson 2007, S. 31 f.
I. Charakteristika des Staates Andorra
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Beschäftigung von Ausländern sowie eine Übernahme extern erworbener Fähigkeiten und Kenntnisse. Sozial betrachtet zählt die Bevölkerung zum größten Teil zur Mittel- und Oberschicht. Nur eine kleine Gruppe, ca. einhundert Personen, oftmals aus den traditionsreichen Familien Andorras stammend, verfügen über politischen und wirtschaftlichen Einfluss im Land.12 Die Amtssprache ist Katalanisch, aber auch Französisch und Spanisch werden als Verkehrssprache gesprochen.13 Fast 95% der Bürger sind römisch-katholischen Glaubens.14 Andorra ist in sieben Gemeinden (Parròquies) untergliedert,15 die sich wiederum zum Teil in Unterbezirke (Quarts, Veinants) aufteilen.16 Die Gemeinden werden jeweils durch eigene, selbständige Regierungs-, Vertretungs- und Verwaltungsorgane, z. B. die Gemeinderäte (Communs) vertreten und verwaltet.17 Die Gemeinderäte werden demokratisch gewählt. Sie sind öffentliche Körperschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit. Somit können sie lokale Vorschriften, Verordnungen und Erlasse beschließen, sie besitzen lokale Gesetzgebungsbefugnis.18 In lokalen Angelegenheiten besitzen die Gemeinderäte weiterhin ausgeprägte Autonomie und sie verwalten selbständig die öffentlichen Güter, die sich im Besitz einer Gemeinde befinden.19 Ferner bestehen in Andorra drei Schulsysteme nebeneinander, um das Abitur zu erlangen, nämlich nach andorranischem Lehrplan, nach spanischem oder nach französischem. Alle drei Systeme werden ungefähr im selben Maße angenommen. Im Jahr 1997 wurde in Andorra sogar eine eigene Universität gegründet.20
12
Vgl. Waschkuhn 2003, S. 761. Vgl. Fischer Weltalmanach 2009; Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 16; Govern d’Andorra u. a. 2001; Waschkuhn 2003, S. 761; Murray 2006, S. 187; Miller 2007, S. 166; Marxer/Pállinger 2009, S. 911. 14 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 761; Miller 2007, S. 166; Marxer/Pállinger 2009, S. 911. 15 Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 4; Govern d’Andorra u. a. 2001; Miller 2007, S. 167; Marxer/Pállinger 2009, S. 912. 16 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 763. 17 Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 4; Govern d’Andorra u. a. 2001; Waschkuhn 2003, S. 763; Marxer/Pállinger 2009, S. 912. 18 Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 16; Marxer/Pállinger 2009, S. 912. 19 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 912. 20 Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 26 f.; Emerson 2007, S. 33. 13
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D. Das Fürstentum Andorra und seine Integration in die EU
2. Geschichte Ausgrabungen beweisen, dass das Gebiet Andorras schon vor mehr als 4000 Jahren besiedelt wurde. Dokumentiert ist, dass Andorra im 7. Jahrhundert durch die arabische Invasion der Iberischen Halbinsel miterobert wurde.21 Glaubt man einer Legende, wurde Andorra durch Karl den Großen von den Mauren zurück erobert, der ihnen nach der Befreiung das Privileg gab, sich selbst zu verwalten. Noch heute wird er als Gründer des Landes angesehen. Dennoch sind die wahren Wurzeln des Fürstentums umstritten.22 Sicher ist trotzdem, dass Andorra über eine lange staatliche Tradition verfügt. In der Einweihungsurkunde der Kathedrale von Urgell aus dem Jahr 839 findet man eine der ersten authentischen Dokumentierungen Andorras. In dieser werden bestimmte geistliche Rechte des Bischofs von Urgell über Andorra beschrieben.23 Im Jahr 843 wurde erstmals urkundlich in einer Belehnung erwähnt, dass Kaiser Karl der Kahle seinem Lehnsmann Sunifred, dem Grafen von Urgell, unter anderem das Tal von Andorra als Lehen gibt. Die Nachkommen des Grafen von Urgell tauschten seine Besitztümer in Andorra 988 mit dem Bischof von Urgell gegen andere Gemeinden. Später, im 11. Jahrhundert, sprach der Bischof von Urgell Andorra als Lehnsgut der Caboet-Familie aus Frankreich zu, um dadurch den militärischen Schutz seiner Besitztümer in den Tälern zu verbessern. Diese Feudalrechte gingen 1208 durch Heirat auf den Grafen von Foix über.24 Ausgehend von dem Grafen von Foix war das 13. Jahrhundert geprägt von Rivalitäten um die Herrschaft über Andorra.25 Es entbrannten Streitigkeiten um die Rechte über das Gebiet, als dann der Graf von Foix die Hoheitsrechte über Andorra vom Bischof von Urgell forderte. Daraufhin wurde entschieden, die Feindseligkeiten durch ein Abkommen und durch die Intervention des Bischofs von Valencia sowie des Königs von Aragon zu lösen.26 So kam es, dass am 8. September 1278 das Abkommen zwischen dem Bischof von Urgell (Pere d’Urtx), bis dahin alleiniger Feudalherr über die Täler von Andorra, und dem Grafen von Foix (Roger Bernat III.), aus den 21
Vgl. Stapper 1999, S. 58; Bélinguier 1970, S. 16. Vgl. Duursma 1996, S. 317; Brutails 1965, S. 23; Stapper 1999, S. 53; Van Hemelrijck 1973, S. 423; Marxer/Pállinger 2009, S. 903; Emerson 2007, S. 29. 23 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 903; Stapper 1999, S. 58; Raton 1991, S. 11. 24 Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 10; Govern d’Andorra u. a. 2001, S. 2; Duursma 1996, S. 317; Raton 1991, S. 11 f.; Emerson 2007, S. 29. 25 Vgl. Stapper 1999, S. 58; Maresceau 2008, S. 273; Emerson 2007, S. 29. 26 Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 10; Duursma 1996, S. 317; Stapper 1999, S. 58; Maresceau 2008, S. 273. 22
I. Charakteristika des Staates Andorra
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sich daran anschließenden nördlichen Tälern, unterzeichnet wurde – der erste Pareatge-Vertrag –, kraft dessen sie ihre gegenseitigen Rechte definierten und in dem beide Seiten Andorra zu einem Kondominium erklärten.27 Damit bezeichnet man im Völkerrecht ein Territorium, in dem die Herrschafts- bzw. Staatsgewalt, die mehreren Herrschaftsträgern gleichsam gesamthänderisch zusteht, gemeinsam ausgeübt wird.28 Dem Grafen und dem Bischof wurden demnach eine gleichgewichtige Co-Souveränität über Andorra sowie Rechte in bestimmten Bereichen wie dem Militär oder der Justiz gewährt.29 Grundlage der Pareatge von 1278 war außerdem, dass der Graf von Foix das Lehen über Andorra vom Bischof von Urgell auf unbegrenzte Dauer behalten konnte (Art. IV Pareatge von 1278). Der Graf sowie der Bischof hatten das Recht, je einen permanenten Repräsentanten, den Veguer, nach Andorra zu senden, die nur im gegenseitigen Einvernehmen handeln konnten.30 Weiterhin sollten der Graf und der Bischof aller zwei Jahre abwechselnd eine Abgabe, die Qüèstia, von der Bevölkerung Andorras erhalten (Art. 1 Pareatge von 1278).31 Zehn Jahre später wurden am 6. Dezember 1288 die zweiten Pareatge-Verträge abgeschlossen, da einige Bestimmungen in den ersten Verträgen nicht genau genug waren.32 Die Pareatge-Verträge sind die Gründungsdokumente bzw. Grundlagen der derzeitigen Institutionen von Andorra, auch wenn sie nicht ausdrücklich die gleichen Rechte des Grafen von Foix und des Bischofs von Urgell in allen Bereichen festlegen. Sie schreiben die ungeteilte Co-Souveränität der beiden Co-Fürsten über Andorra fest, stellen eine Justizordnung durch Amtsrichter her, ernennen Vogte und Notare, usw. Damit wurde die CoSouveränität in Andorra geboren. Die weitere Entwicklung der Co-Souveränität in Andorra basiert in erster Linie auf Gewohnheitsrecht.33 Zu den wichtigsten Bestimmungen der Pareatge-Verträge gehört weiterhin, dass die beiden Co-Fürsten zusicherten, Andorra nicht zu erobern oder in ihr Gebiet einzuschließen. So entstand das Fürstentum Andorra.34 27 Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 10; Govern d’Andorra u. a. 2001, S. 2; Duursma 1996, S. 317; Stapper 1999, S. 58; Waschkuhn 2003, S. 760; Dózsa 2008, S. 94; Hummer 2004, S. 90; Maresceau 2008, S. 273; Marxer/Pállinger 2009, S. 903; Emerson 2007, S. 29. 28 Vgl. Kimminich 1997, S. 144; Ipsen 2004, S. 81; Waschkuhn 2003, S. 760; Glassner 2004, S. 127. 29 Vgl. Stapper 1999, S. 58; Bélinguier S. 44; Maresceau 2008, S. 273. 30 Vgl. Duursma 1996, S. 318; Marxer/Pállinger 2009, S. 904. 31 Vgl. Duursma 1996, S. 318; Raton 1991, S. 53; Stapper 1999, S. 58; Maresceau 2008, S. 273; Emerson 2007, S. 29. 32 Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 10; Duursma 1996, S. 318; genauer dazu Raton 1991, S. 53; Stapper 1999, S. 58; Emerson 2007, S. 29. 33 Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 10; Duursma 1996, S. 318; Stapper 1999, S. 58.
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D. Das Fürstentum Andorra und seine Integration in die EU
Die Pareatge-Verträge hatten für Andorra eine enorme Bedeutung, da sie fast bis Ende des 20. Jahrhunderts praktisch unverändert blieben und sie wurden von keinem anderen Staat in Frage gestellt.35 Die Tatsache, dass Andorra diese staatlichen Konstruktionen, besonders die der beiden CoFürsten bis heute erhalten konnte, erklärt den einmaligen Status des Fürstentums im Völkerrecht.36 Ein weiteres, für die institutionelle Entwicklung Andorras bedeutendes Ereignis war die französische Thronbesteigung des Grafen von Foix, der 1590 König Heinrich IV. von Frankreich wurde.37 Er vereinigte ab 1607 durch den „Edit de Réunion“ alle seine Ländereien unter der Französischen Krone.38 Seitdem ist der Kopf des französischen Staates zur gleichen Zeit der Co-Fürst von Andorra. Als die Monarchie in Frankreich abgeschafft wurde, übernahm der französische Präsident die Rechte des Königs, einschließlich seiner Co-Souveränität über Andorra.39 Als die Rechte über Andorra auf französischer Seite von einer Adelsfamilie auf den französischen Staat übergingen, sah der Bischof von Urgell seine Position als gleichberechtigter Souverän gefährdet und gab sich selbst, ohne Widerspruch des französischen Königs Ludwig XIII., den Titel „Souveräner Fürst der Täler von Andorra“.40 Nur während eines kurzen Zeitraums während der Revolutionszeit zwischen 1793 und 1806 lehnte es der französische Co-Fürst Napoleon Bonaparte ab, aufgrund der Abschaffung der Feudalrechte in Frankreich, die zweijährliche Abgabe, die Qüèstia, von den Andorranern anzunehmen und suspendierte damit seine Beziehungen zu Andorra. Diese wurden durch ein Dekret von Napoleon I. wieder aufgenommen. Gleichzeitig wurde Andorra durch dieses Dekret als autonom erklärt.41 Aufgrund des Mangels an einem klaren, geschriebenen Dokument blieben die Rechte beider Co-Fürsten in Andorra lange eine ungelöste und angefochtene Frage.42 Andorra geriet zwar stark unter französischen Einfluss, konnte aber durchweg seine Autonomie bewahren.43 34
Vgl. Maresceau 2008, S. 273; Mateau/Luchaire 1999, S. 19. Vgl. Stapper 1999, S. 58; Marxer/Pállinger 2009, S. 904. 36 Vgl. Maresceau 2008, S. 273. 37 Vgl. Duursma 1996, S. 318; Stapper 1999, S. 58. 38 Vgl. Duursma 1996, S. 318; Raton 1991, S. 18; Marxer/Pállinger 2009, S. 904. 39 Vgl. Duursma 1996, S. 318; Maresceau 2008, S. 274; Marxer/Pállinger 2009, S. 904. 40 Vgl. Stapper 1999, S. 58. 41 Vgl. Duursma 1996, S. 319; Stapper 1999, S. 59; Raton 1991, S. 19; Waschkuhn 2003, S. 761; Maresceau 2008, S. 274. 42 Vgl. Duursma 1996, S. 319. 35
I. Charakteristika des Staates Andorra
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Der Erste Weltkrieg hatte kaum Auswirkungen auf das Fürstentum.44 Zwischen 1931 und 1933 dagegen herrschte in Andorra ein Klima politischer Unruhe aufgrund der Ereignisse in den Nachbarstaaten und auch im Inland. Im Jahr 1931 wurde die spanische Monarchie gestürzt und durch eine republikanische Regierung ersetzt. Diese verlangte vom Bischof von Urgell seine Rechte über Andorra an sie zu übertragen. Der Bischof lehnte dies ab und wurde vom französischen Co-Fürsten unterstützt. Weitere innere Spannungen waren dadurch begründet, dass 1931 der Generalrat, das Parlament Andorras, auf eigene Initiative die Gründung eines Casinos in Andorra genehmigt hatte. Diese unrechtmäßige Genehmigung wurde sofort durch die Co-Fürsten zurückgezogen, was einen gewaltsamen Protest des Generalrates auslöste. Außerdem hatte der Generalrat Spanien eine Genehmigung erteilt, Andorras Telefonnetz zu errichten, was erneut von den CoFürsten widerrufen wurde.45 Die Kontroversen zwischen dem Generalrat und den Co-Fürsten erreichten 1933 ihren Höhepunkt, als der Generalrat wünschte, ein allgemeines Männerwahlrecht einzuführen. In diesem Zusammenhang nahm der Generalrat ein neues Wahlgesetz an, was von den CoFürsten wieder für ungültig erklärt wurde. Daraufhin wurde der Generalrat aufgelöst und ein provisorischer Generalrat eingesetzt. Neuwahlen wurden noch im selben Jahr angesetzt und die Co-Fürsten verabschiedeten ein Dekret über die Einführung des Allgemeinen Männerwahlrechts.46 Die Sitzungen des Generalrates wurden zudem öffentlich.47 Während des Ersten Weltkriegs, des Zweiten Weltkriegs und des Spanischen Bürgerkriegs blieb Andorra neutrales Gebiet. Für den Zeitraum zwischen 1936 und 1940 einigten sich die Co-Fürsten, französische Truppen zur spanischen-andorranischen-Grenze zu schicken, um diese zu beschützen.48 Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Situation charakterisiert durch starkes wirtschaftliches Wachstum, vor allem durch den Aufschwung im Tourismusbereich, zeitweise Meinungsdifferenzen zwischen den Co-Fürsten über die Abgrenzung ihrer Rechte im internationalen Bereich sowie die Kodifizierung des andorranischen Gewohnheitsrechts durch die Entwicklung eines kodifizierten rechtlichen Systems mit definierten Institutionen und Kompetenzbereichen, die durch Gesetz festgeschrieben wurden.49 43
Vgl. Vgl. 45 Vgl. 46 Vgl. S. 905. 47 Vgl. 48 Vgl. 49 Vgl. 44
Marxer/Pállinger 2009, S. 904. Stapper 1999, S. 59. Duursma 1996, S. 319; Armengol Vila 1983, S. 28. Stapper 1999, S. 59; Duursma 1996, S. 319; Marxer/Pállinger 2009, Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 11. Duursma 1996, S. 319. Duursma 1996, S. 319; Maresceau 2008, S. 275.
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D. Das Fürstentum Andorra und seine Integration in die EU
So beschloss im Jahr 1978 der Generalrat das Memorandum über eine Institutionenreform, durch welches nach dem Willen des Generalrates die Geschäftsordnungen der Institutionen des Landes abgeändert wurden. Weiterhin wird darin die internationale Anerkennung Andorras als Rechtsstaat erwähnt und die Gewaltenteilung sowie die Abgrenzung der Kompetenzen zwischen den Gemeinderäten und dem Generalrat als Prinzipien festgehalten.50 Anschließend wurden ab 1981 in Andorra weitreichende Reformen der politischen Ordnung durchgeführt.51 So wurde im Jahr 1981 die erste eigenständige andorranische Regierung (Consell Executif später Govern) durch die Co-Fürsten gegründet. Im Jahr darauf wurde der erste andorranische Regierungschef gewählt (Cap de Govern).52 Diese Schritte legten zwar die Grundlagen für die Gewaltenteilung, doch trotzdem waren die Reformschritte nicht ausreichend.53 Ergebnis dieser Entwicklung und ein sehr wichtiger Meilenstein in der neuesten Geschichte Andorras ist die Verabschiedung der ersten Verfassung im Jahr 1993.54 Durch diese wurde Andorra unabhängig und ist damit der jüngste souveräne Staat Europas.55 Bis dahin war der Status der internationalen Rechtsfähigkeit Andorras unklar.56 In den 1990er Jahren trat Andorra zahlreichen Internationalen Organisationen bei, z. B. den Vereinten Nationen, dem Europarat, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), der UNESCO, der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Weltzollorganisation (WCO).57 3. Das verfassungsrechtliche System a) Rückblick über die Verfassungsentwicklung Die in den Pareatge-Verträgen von 1278 festgelegten Bestimmungen galten bis zur Verabschiedung der Verfassung 1993 und enthielten zum Teil verfassungstypische Bestimmungen. Mit den Verträgen wurde das Fürsten50
Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 11. Vgl. Stapper 1999, S. 59; Marxer/Pállinger 2009, S. 905. 52 Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 12; Marxer/Pállinger 2009, S. 905. 53 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 905. 54 Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2001, S. 2; Waschkuhn 2003, S. 760; Sack 1997, S. 46; Mateu 2001, S. 416; Maresceau 2008, S. 274; Marxer/Pállinger 2009, S. 903 ff. 55 Vgl. KOM(2004) 456 endgültig/2, Präambel; Hummer 2004, S. 90; Marxer/ Pállinger 2009, S. 905. 56 Vgl. Maresceau 2008, S. 275; Marxer/Pállinger 2009, S. 903. 57 sh. Punkt D. I. 7.; vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 12; Mateu 2001, S. 416; Glassner 2004, S. 122. 51
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tum Andorra zu einem Kondominium mit zwei Co-Fürsten, die durch von ihnen ernannte Landvögte und ständige Delegierte in der Wahrnehmung ihrer Funktionen vertreten wurden.58 Die Co-Fürsten waren zuständig für die Außenpolitik, Verteidigung und das juristische System.59 Trotz des Nicht-Vorhandenseins einer Verfassung verfügte Andorra nach der Staats- und Verwaltungsreform von 1981 über weitestgehend republikanische Autonomie. Diese Reform führte zur Institutionalisierung einer neuen politischen Körperschaft, der Regierung, repräsentiert durch einen de facto-Staatschef und seine Ressortminister. Dem zufolge bestanden nun drei voneinander unabhängige Institutionen, nämlich die Regierung (Govern) als Exekutive, der Generalrat (Consell General) als Legislative und die CoFürsten (Coprínceps), die die Judikative vertraten. Die Gewaltenteilung in dieser Form ist bis heute so erhalten.60 Der andorranische Regierungschef nahm seit 1985 zahlreiche Funktionen eines Staatschefs wahr. Die außenpolitischen Interessen wurden dagegen von Frankreich und teilweise von Spanien vertreten. Erst durch die Verfassung von 1993 hat das Fürstentum auch in der Außenpolitik die volle Souveränität erlangt, aus pragmatischen Gründen wird sie jedoch auch heute noch oft von Frankreich oder Spanien wahrgenommen.61 b) Die Verfassung von 1993 und grundlegende Bestimmungen Wie erwähnt, begann man Ende der 1970er Jahre in Andorra mit einer Institutionenreform. Die zweite Phase der Reform wurde vom Vorsitzenden der Regierung eingeleitet, in dem er 1990 eine Erklärung gegenüber dem Generalrat62 abgab, in welcher er feststellte, dass die Regierung dafür zuständig sei, eine Verfassung auf Grundlage der Gewaltenteilung zu entwerfen, anzunehmen und durch ein Referendum bestätigen zu lassen. Dies sollte auch dazu beitragen, Andorras Unabhängigkeit zu sichern.63 Anschließend wurde eine Kommission einberufen, zusammengesetzt aus Abgeordneten des Generalrates und den beiden Co-Fürsten. Somit begann man im Dezember 1990 eine neue Verfassung zu entwerfen.64 Anschließend beschloss der 58
Vgl. Waschkuhn 2003, S. 761; Sack 1997, S. 46. Vgl. Glassner 2004, S. 122. 60 Vgl. Duursma 1996, S. 321; Marxer/Pállinger 2009, S. 905; Emerson 2007, S. 37; Waschkuhn 2003, S. 761 f. 61 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 761 f. 62 Declaració sobre l’Orientació Política General del Govern, 01.06.1990, S. 5 f., zitiert in: Duursma 1996, S. 321. 63 Vgl. Duursma 1996, S. 321; Emerson 2007, S. 38. 64 Vgl. Duursma 1996, S. 321. 59
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Generalrat am 26. März 1991, wesentliche Inhalte für einen Verfassungstext zu definieren, der dann mit den Co-Fürsten verhandelt werden musste.65 Die Verfassung wurde schließlich am 2. Februar 1993 einstimmig vom Generalrat angenommen und zwei Jahre nach Beginn der Verhandlungen über eine Verfassung stimmte am 14. März 1993 das andorranische Volk in einem Referendum der Verfassung des Fürstentums Andorra mit 74% der Stimmen zu.66 Die Verfassung wurde von dem französischen Präsident François Mitterand und Bischof von Urgell Joan Marti Alanis unterzeichnet.67 In der Verfassung wird Andorra als unabhängiger, demokratischer und sozialer Rechtsstaat bestätigt und zu einem parlamentarischen Co-Fürstentum umgewandelt. Dadurch wird Andorra selbständig. In der Verfassung werden Gewaltenteilung, die Achtung der Menschenrechte sowie das Recht auf die Gründung von Parteien und Gewerkschaften garantiert. Bis zu diesem Zeitpunkt waren Parteien und Gewerkschaften sogar verboten. Die Souveränität wird dem andorranischen Volk zugesprochen und lag daher seit dem nicht mehr bei den Co-Fürsten. Das Volk übt seine Rechte direkt durch Gesetzesinitiative und Verfassungsreferendum oder indirekt durch die Wahl des Generalrates aus. Damit entspricht die Verfassung westeuropäischem Standard.68 Die Verfassung trat am 4. Mai 1993, nach Veröffentlichung im Amtsblatt Andorras (Butlletí Oficial del Principat d’Andorra), in Kraft.69 Einige grundlegende Elemente der Pareatge-Verträge bleiben erhalten, z. B. die Ämter der Co-Fürsten als Staatsoberhäupter (Cap de l’Estat), doch regiert sich das Land nun auf repräsentativer Grundlage selbst.70 Die wichtigsten Neuerungen, die durch die Verfassung eingeführt wurden, betreffen den internationalen Status von Andorra, die klare Akzeptanz der Menschenrechte sowie die Machtverschiebung und -übergabe von den Co-Fürsten an den Generalrat und an die Regierung. Andorras Regierungsform wird dadurch zu einer Sammlung der Überbleibsel des Feudalsystems und der Werte der modernen Demokratie.71 Artikel 1 Abs. 1 der Verfassung besagt, dass Andorra ein unabhängiger demokratischer und sozialer Staat, auf Grundlage der Gewaltenteilung ist. 65
Im gleichen Jahr noch schließt Andorra ein Zollunionsabkommen mit der EWG. Genauer dazu Punkt D. II. 2. b). Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 12. 66 Vgl. Duursma 1996, S. 321; Waschkuhn 2003, S. 761; Mateu 2001, S. 416; Emerson 2007, S. 38. 67 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 761. 68 Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 12; Waschkuhn 2003, S. 762; Maresceau 2008, S. 274; Marxer/Pállinger 2009, S. 905; Emerson 2007, S. 38. 69 BOPA 1993, Nr. 24; vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 12; Duursma 1996, S. 321; Stapper 1999, S. 61; Waschkuhn 2003, S. 760; Hummer 2004, S. 90. 70 Vgl. Sack 1997, S. 46; Hummer 2004, S. 91; Maresceau 2008, S. 274. 71 Vgl. Duursma 1996, S. 321.
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Der offizielle Name des Fürstentums ist Principat d’Andorra. Die Verfassung proklamiert, dass die Handlungen des Staates Andorra durch die Prinzipien des Respekts und der Förderung von Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Toleranz, der Verteidigung der Menschenrechte und der Achtung der Würde des Menschen inspiriert werden (Art. 1 Abs. 2 Verfassung). Die Souveränität geht vom Volk aus (Art. 1 Abs. 3 Verf.) und Andorras politisches Regime ist ein parlamentarisches Co-Fürstentum (Art. 1 Abs. 4 Verf.). Katalanisch ist offizielle Staatssprache, Andorra La Vella die Hauptstadt (Art. 2 Verf.). Die Verfassung bindet alle öffentlichen Institutionen und alle Individuen (Art. 3 Abs. 1 Verf.). Die universell anerkannten Prinzipien des Völkerrechts sind in das rechtliche System Andorras eingearbeitet (Art. 3 Abs. 3 Verf.). In Titel II der Verfassung werden die Rechte und Freiheiten der Bürger festgehalten (Art. 4–42 Verf.). Sie entsprechen (west)europäischem Standard. Durch die Verfassung wurden die staatlichen Strukturen des Fürstentums grundlegend neu geordnet, das Rechtsstaatsprinzip wurde verwirklicht, ein parlamentarisches Regierungssystem geschaffen und die Unabhängigkeit der Justiz gewährleistet.72 Die bedeutendsten Personen in der Politik Andorras sind derzeit die beiden Staatsoberhäupter Nicolas Sarkozy (seit Mai 2007), Präsident der Französischen Republik, und Joan Enric Vives i Sicília (seit 2003), Bischof von Urgell sowie der Regierungsvorsitzende Jaume Bartumeu Cassany (seit 2009). c) Die Staatsoberhäupter: die Co-Fürsten Mit der neuen Verfassung wurde Andorra in ein parlamentarisches CoFürstentum umgewandelt (parlamentarische Demokratie). In Titel III der Verfassung sind die Rechte und Pflichten der Co-Fürsten (Coprínceps) festgehalten (Art. 43–49 Verf.). Laut Art. 43 Abs. 1 der Verfassung sind die Co-Fürsten gemeinsame und unteilbare Staatsoberhäupter und höchste Vertreter des Staates. Der Bischof von Urgell und der Präsident der Französischen Republik sind persönlich und exklusiv die Co-Fürsten, die ihre gleichrangige Macht in Übereinstimmung mit der Verfassung ausüben (Art. 43 Abs. 2 Verf.). Im Speziellen sind dies derzeit Staatspräsident Frankreich Nicolas Sarkozy, sowie der Bischof von Urgell (Seo de Urgel) in Spanien Joan Enric Vives i Sicília, die in Andorra durch Vertreter repräsentiert werden.73 72
Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 905.
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Die Herrschaftsrechte des Bischofs von Urgell aus Spanien sind bis heute bei der katholischen Kirche geblieben, so dass Andorra neben dem Vatikan der einzige Kirchenstaat christlicher Prägung der Welt ist, heute jedoch eher in symbolischer Weise.74 Die Souveränität des Mikrostaates wird nicht dadurch eingeschränkt, dass sich zwei Ausländer das Amt des Staatsoberhauptes teilen.75 Als Staatsoberhaupt setzen sie sich auf internationaler Ebene für Andorra ein. Sie sind sowohl Symbol als auch Garantie der Unabhängigkeit des Landes und für die Gleichbehandlung der Beziehungen mit Frankreich und Spanien (Art. 44 Abs. 1 Verf.). Die Co-Fürsten vermitteln und moderieren das Funktionieren der Staatsgewalten und der Institutionen und werden regelmäßig über die Staatsangelegenheiten aufgrund ihrer eigenen Initiative oder der des Vorsitzenden des Parlaments oder des Regierungsvorsitzenden informiert (Art. 44 Abs. 2 Verf.). Die Kompetenzen der Co-Fürsten werden in Art. 45 und 46 der Verfassung festgelegt, sie sind jeweils identisch. Die Co-Fürsten haben repräsentative Aufgaben, ein Vetorecht bei der Ausfertigung von Gesetzen, sie wirken bei der Ratifizierung völkerrechtlicher Verträge mit und ernennen den Regierungschef.76 Die Organe, die neben den Co-Fürsten die Gesetzesvorlagen gegenzeichnen, tragen die Verantwortung für diese, nicht die Co-Fürsten selbst (Art. 44 Abs. 3 Verf.).77 Die Macht der Co-Fürsten wird beschränkt durch die Einführung eben dieser Gegenzeichnung der Gesetzesvorlagen durch den Regierungsvorsitzenden oder den Parlamentsvorsitzenden für Akte, die nicht zu den freien Vorrechten der Fürsten gehören. Die Mitglieder der Regierung sind damit rechtlich und politisch verantwortlich, die Co-Fürsten im Gegenzug dazu sind es nicht.78 Außerdem können die Co-Fürsten nur im gemeinsamen Einvernehmen entscheiden. So sind entweder der Regierungsvorsitzende oder der Parlamentsvorsitzende – je nachdem, wer ein Gesetz gegenzeichnet – verantwortlich für die Einberufung der Allgemeinen Wahlen, die Einberufung eines Referendums, die Ernennung des Regie73 Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 14; Marxer/Pállinger 2009, S. 905; Dózsa 2008, S. 94; Murray 2006, S. 187; Maresceau 2008, S. 274; Miller 2007, S. 167. 74 Vgl. Fischer Weltalmanach 2009; Duursma 1994, S. 340 f., 360 f.; Waschkuhn 2003, S. 761. 75 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 905. 76 Vgl. Stapper 1999, S. 61; Colliard 1993, S. 386 f.; Waschkuhn 2003, S. 761; Marxer/Pállinger 2009, S. 906; Emerson 2007, S. 38. 77 Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 14; Maresceau 2008, S. 274; Emerson 2007, S. 38; Marxer/Pállinger 2009, S. 905. 78 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 906 f.
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rungsvorsitzenden, die Unterzeichnung des Auflösungsdekrets für den Generalrat, die Akkreditierung der diplomatischen Vertreter Andorras, die Ernennung der Amtsinhaber anderer Staatsinstitutionen, die Bewilligung und Ausführung der Gesetze, das Äußern des Einverständnisses des Staates zur Anerkennung internationaler Verträge, die Ausführung anderer Funktionen gemäß der Verfassung (Art. 45 Abs. 1 a–i Verf.). Gemäß Art. 45 Abs. 2, S. 2 und Abs. 3 der Verfassung gibt es drei Ausnahmen von dem Prinzip, dass jede Entscheidung, die von den Co-Fürsten ausgeht, von beiden angenommen werden muss, nämlich die Ernennung ihrer Vertreter, die Genehmigung von Gesetzen und Verträgen, wenn das Verfassungsgericht deren Übereinstimmung mit der Verfassung bestätigt hat sowie Akte, die nicht innerhalb der vorgeschriebenen Zeiträume von einem der beiden Co-Fürsten bewilligt wurden. Die Co-Fürsten können folgende Akte nach freiem Willen durchführen: die Begnadigung, die Schaffung und Strukturierung von Dienstleistungen, die notwendig sind, um ihre institutionellen Funktionen zu erfüllen, sowie die Benennung der Amtsinhaber dieser Dienste, die Ernennung der Mitglieder des Obersten Justizrats (Consell Superior de la Justícia), die Ernennung der Mitglieder des Verfassungsgerichts (Tribunal Constitucional), die Forderung eines vorläufigen Urteils zur Prüfung der Verfassungswidrigkeit von Gesetzen, die Forderung eines Urteils über die Verfassungswidrigkeit von internationalen Verträgen vor ihrer Ratifizierung, einen Konflikt vor das Verfassungsgericht bringen oder die Bewilligung eines Abkommens für die Annahme eines Textes eines internationalen Vertrages (Art. 46 Abs. 1 Verf.). Dabei müssen die Akte, die in Art. 45 und 46 der Verfassung genannt sind, von den Co-Fürsten direkt ausgeführt werden. Ausnahmen sind die vier letztgenannten Punkte (Art. 46 e, f, g und h), die durch Delegation ausgeführt werden können (Art. 46 Abs. 2 Verf.). Vor der Verkündung der Verfassung erhielten sowohl der Bischof von Urgell als auch der französische Präsident jeweils von Spanien bzw. von Frankreich einen finanziellen Beitrag als Entschädigung für ihre offiziellen Ausgaben.79 Jetzt werden die Dienste der Co-Fürsten aus dem andorranischen Staatsbudget bezahlt, wobei ein gleicher Betrag für beide festgelegt ist (Art. 47 Verf.). Da die beiden Co-Fürsten nicht permanent persönlich im Fürstentum sein können, ernennt jeder Co-Fürst seinen persönlichen Vertreter in Andorra (Art. 48 Verf.), mit ähnlicher Stellung wie ein Botschafter. Die Verfassung hat damit die Institution der Veguers sowie der permanenten Delegierten der Co-Fürsten abgeschafft.80 Gleich geblieben ist, dass die Co-Fürsten ihre 79
Vgl. Duursma 1996, S. 322.
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Funktion in persönlicher und exklusiver Eigenschaft wahrnehmen (Art. 43 Abs. 2 Verf.), wodurch zu Frankreich und zu Spanien zwischenstaatliche Beziehungen bestehen.81 Für die Dauer ihres Amtes sind die beiden CoFürsten andorranische Staatsbürger und vertreten als solche das Land.82 Im Fall der Vakanz einer der Stellen der beiden Co-Fürsten erkennt die andorranische Verfassung die Stellvertretungsmechanismen der jeweiligen rechtlichen Systeme an, d.h. die französische Verfassung oder das Kirchenrecht, um das normale Funktionieren der andorranischen Institutionen nicht zu unterbrechen (Art. 49 Verf.). Grundsätzlich gibt es keine Treffen und Diskussionen zwischen den beiden Co-Fürsten.83 d) Das Parlament: der Generalrat der Täler Die alltägliche Arbeit des Fürstentums wird nicht von den Co-Fürsten, sondern von der Regierung und dem Parlament (Consell General de les Valles), dem legislativen Organ des Staates, ausgeführt.84 Die Wurzeln des Parlaments gehen auf den 1419 gegründeten Landrat (Consell de la Terra) zurück, der 1866 reformiert wurde und seit dem „Consell General“ heißt. Das Parlament besteht aus einer Kammer.85 Zum Parlament, dem Generalrat der Täler, enthält Titel IV der Verfassung genauere Bestimmungen. Der Generalrat repräsentiert das Volk Andorras, übt legislative Macht aus, d.h. er erarbeitet und beschließt Gesetze, genehmigt den Staatshaushalt und kontrolliert das politische Handeln der Regierung (Art. 50 Verf.). Er trägt gemeinsam mit der von ihm gewählten Regierung die eigentliche politische Verantwortung. Die Abgeordneten, die Räte (Consellers), werden durch allgemeine, freie, gleiche und direkte Wahlen für vier Jahre gewählt (Art. 51 Abs. 1 Verf.). Alle Nationalangehörigen Andorras mit vollen politischen Rechten dürfen wählen und gewählt werden (Art. 51 Abs. 3 Verf.). Der Generalrat besteht aus mindestens 28 und maximal 42 Abgeordneten, von denen die Hälfte in jeweils gleicher Anzahl von jeder der sieben Gemeinden (Parròquies) nach Mehrheitswahlrecht und die andere Hälfte durch eine nationale Wahl nach Verhältniswahlrecht gewählt wird (Art. 52 Verf.). Das Wahlsystem ent80
Vgl. Duursma 1996, S. 322; Stapper 1999, S. 61. Vgl. Stapper 1999, S. 61. 82 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 761; Marxer/Pállinger 2009, S. 905. 83 Vgl. Duursma 1996, S. 323. 84 Vgl. Murray 2006, S. 187. 85 Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 15; Stapper 1999, S. 59; Raton 1991, S. 20 f.; Marxer/Pállinger 2009, S. 904, 906. 81
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spricht vom Prinzip dem deutschen System der Bundestagswahl. Derzeit gibt es 28 Räte.86 Das Präsidium (Sindicatura) ist das regierende Organ des Generalrates (Art. 55 Abs. 1 Verf.), das die parlamentarischen Arbeiten koordiniert und leitet. Der Generalrat tritt während seiner Amtseinführungssitzung zusammen, 15 Tage nach der Bekanntgabe der Wahlergebnisse. Der Generalratspräsident (Síndic General), der stellvertretende Generalratspräsident (Subsíndic General) u. a. Mitglieder, die Teil der Sinidicatura sind, sollen auf derselben Sitzung gewählt werden (Art. 55 Abs. 2 Verf.). In den Zeiten zwischen den ordentlichen Sitzungen wird eine permanente Kommission (Commissió Permanent), aus derzeit sieben Mitgliedern, besetzt (Art. 56 Abs. 3).87 Bevor die neue Verfassung verabschiedet wurde, hatten die Co-Fürsten das legislative Initiativrecht inne. Durch die Verfassung wurde dieses Recht nun an den Generalrat und die Regierung übertragen (Art. 58 Abs. 1 Verf.). Demnach können nun grundsätzlich die Regierung, der Generalrat, aber auch drei Gemeinden oder ein Zehntel der Wahlberechtigten einen Gesetzesentwurf in den Generalrat einbringen.88 Die Geschäftsordnung des Generalrates von 199389 spezifiziert dies und sieht zwei Prozedere der legislativen Initiative vor: Zum einen werden Gesetzesentwürfe von der Regierung dem Generalrat vorgelegt und zum anderen können Vorschläge für Gesetzesentwürfe von einer parlamentarischen Gruppe, drei Gemeinden oder einem Zehntel der nationalen Wählerschaft eingereicht werden.90 Im Falle, dass der Generalrat die Umsetzung eines Gesetzentwurfes bzw. eines Vorschlages nicht in Betracht zieht, wird über diesen auch nicht abgestimmt, denn wenn der Generalrat es nicht für notwendig erachtet, einen Vorschlag zu betrachten, hat dieses Gesetz später geringe Chancen, auf einem anderen Weg im Generalrat angenommen zu werden.91 Sobald ein Gesetz vom Generalrat bewilligt wurde, wird es vom Parlamentsvorsitzenden den Co-Fürsten präsentiert, so dass diese das Gesetz sanktionieren, ausfertigen und seine Veröffentlichung im Amtsblatt Andorras (Butlletí Oficial del Principat d’Andorra) anordnen können. Hier könnte das Vetorecht der Co-Fürsten wirken, in dem sie ein Gesetz nicht genehmi86 Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 15; Govern d’Andorra 2009a; Marxer/ Pállinger 2009, S. 906, 909; Stapper 1999, S. 61, Waschkuhn 2003, S. 762; Maresceau 2008, S. 274; Emerson 2007, S. 38. 87 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 906. 88 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 906, 908; Waschkuhn 2003, S. 763. 89 Art. 92–101 und Art. 102–104 der Geschäftsordnung des Generalrates. BOPA 1993, Nr. 51, S. 922. 90 Vgl. Duursma 1996, S. 323; Marxer/Pállinger 2009, S. 908. 91 Vgl. Duursma 1996, S. 323.
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gen würden. Die Gesetze müssen, wie erwähnt, grundsätzlich vom Regierungsvorsitzenden oder dem Parlamentsvorsitzenden gegengezeichnet werden (Art. 63 i. V. m. 45 Abs. 1 g Verf.). Die Gesetze und Verordnungen werden seit 1989 in einem offiziellen Statutenbuch veröffentlicht. Vorher wurden die andorranischen Gesetze und Verordnungen oft von privaten Publizisten veröffentlicht.92 Der Generalrat kann die Ausübung der Legislative an die Regierung per Gesetz übertragen (Art. 59 Verf.). Dies ist eine Möglichkeit, das personell eher schwach besetzte Parlament zu entlasten.93 Im Notfall kann die Regierung dem Generalrat ein Gesetzestext vorlegen und es wird innerhalb von 48 Stunden über den Text abgestimmt (Art. 60 Abs. 1 Verf.). Grundsätzlich ist die gesetzgeberische Aktivität in Andorra eher gering, im Durchschnitt werden weniger als 20 Gesetze im Jahr verabschiedet.94 Gemäß Art. 61 Abs. 1 der Verfassung hat die Regierung das exklusive Vorschlagsrecht für den Staatshaushalt, der vom Parlament genehmigt werden muss. Der Finanzsausschuss des Generalrates ist mit einer jährlichen Revision der Ausführung des Budgets beauftragt (Art. 61 Abs. 5 Verf.). Auch die Ratifikationen von internationalen Staatsverträgen bedürfen der Zustimmung des Generalrates mit absoluter Mehrheit, um danach von den Co-Fürsten ratifiziert werden zu können. Dies betrifft vor allem Verträge bezüglich Sicherheit und Verteidigung, territorialen Angelegenheiten, Menschenrechten, diplomatischen Vertretungen, Beziehungen zu internationalen Organisationen oder Verträge, die finanzielle Pflichten nach sich ziehen, wenn rechtliche Regelungen zur Implementierung notwendig sind (Art. 64 Abs. 1 Verf.). Außerdem kann der Generalrat mit absoluter Mehrheit internationale Verträge aufheben.95 Artikel 65 der Verfassung besagt, dass die Mitglieder des Generalrates mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit zustimmen müssen, wenn die legislative, exekutive oder judikative Gewalt des Staates an internationale Organisationen übertragen wird, wenn dies im Interesse des andorranischen Volkes, des Fortschritts oder des internationalen Friedens ist. Des Weiteren ist die Zustimmung des Generalrates zwingend notwendig für Verfassungsrevisionen und für die Durchführung von Volksbefragungen (Art. 76, 105 Verf.).96 92
Z. B. Sabater Tomas 1986; 2009, S. 908. 93 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, 94 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, 95 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, 96 Vgl. Marxer/Pállinger 2009,
vgl. Duursma 1996, S. 324; Marxer/Pállinger S. S. S. S.
908. 909. 906; Waschkuhn 2003, S. 763. 906.
I. Charakteristika des Staates Andorra
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Am 26. April 2009 fanden in Andorra die letzten Parlamentswahlen statt. Derzeit sind die folgenden Parteien im Generalrat vertreten: die Sozialdemokratische Partei (Partit Socialdemòcrata) mit 14 Sitzen, die Reformisten (Coalició Reformista) mit 11 Sitzen sowie die Partei Andorra pel Canvi mit 3 Sitzen. Die Grünen Andorras sowie die Nationale Fortschrittsunion (Unió Nacional de Progrés) haben keinen Sitz im Parlament.97 Vor 1993 waren keine Parteien in Andorra zugelassen und die Wähler mussten zwischen Einzelbewerbern entscheiden.98 Im Vergleich zu den Wahlen 2005 sind drei zuvor gewählte Parteien durch drei neue, andere Parteien ersetzt worden mit einem gesamten Stimmenanteil von über 50%. Einzig die Grünen und die Sozialdemokraten wurden sowohl 2005 als auch 2009 gewählt.99 Dies deutet auf ein noch nicht gefestigtes Parteiensystem im Co-Fürstentum hin. e) Die Regierung und der Regierungsvorsitzende Titel V der Verfassung befasst sich mit der Regierung (Govern) Andorras. Die Regierung besteht aus dem Regierungsvorsitzenden (Cap de Govern) und weiteren neun Ministern und leitet die nationale und internationale Politik Andorras sowie die Verwaltung des Staates (Art. 72 Verf.). Die Regierung ist die Exekutive des Staates, d.h. sie setzt die vom Generalrat beschlossenen Gesetze um. Sie wird für vier Jahre gewählt.100 Weiterhin hat die Regierung das Initiativrecht inne und arbeitet den Entwurf des Budgetgesetzes aus. Zusätzlich kann mit Zustimmung des Parlaments der Regierungschef Volksbefragungen durchführen lassen. Die Minister leiten ihre Ressorts selbständig, und zwar im Rahmen der Zielvorgaben der Regierung. Alle Handlungen der Verwaltung unterliegen der gerichtlichen Kontrolle.101 Der Regierungsvorsitzende wird von den Co-Fürsten ernannt, nachdem er vom Generalrat gewählt wurde (Art. 73 Verf.). Der Regierungsvorsitzende, oder in einigen Fällen der jeweils kompetente Minister, zeichnet bestimmte Gesetze nach der Unterzeichnung der Co-Fürsten gegen (Art. 75 i. V. m. Art. 45 Verf.) und kann damit die Co-Fürsten kontrollierten. Weiterhin kann er, nach Genehmigung durch die Mehrheit des Generalrates, die Co-Fürsten darum bitten, ein Referendum zu politischen Angelegenheiten einzuberufen (Art. 76 Verf.). Der Vorsitzende der Regierung kann in nicht mehr als zwei 97
Vgl. Govern d’Andorra 2009a. Die Anzahl der Sitze ergibt sich aus den gewonnenen Sitzen der Wahlen in den Gemeinden sowie der nationalen Wahl. 98 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 762; Marxer/Pállinger 2009, S. 910. 99 Vgl. Govern d’Andorra 2009a; Govern d’Andorra 2005. 100 Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 15; Marxer/Pállinger 2009, S. 907. 101 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 907.
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aufeinander folgenden Legislaturperioden gewählt werden (Art. 78 Abs. 1 Verf.). Die Mitglieder der Regierung können nicht gleichzeitig Mitglieder im Generalrat sein (Art. 78 Abs. 2 Verf.). Obwohl die außenpolitischen Interessen des Fürstentums meist durch Spanien und Frankreich vertreten werden, besitzt der Vorsitzende der andorranischen Regierung zahlreiche Funktionen eines Staatsoberhauptes. Seine zentrale Rolle erwächst einerseits aus der verfassungsmäßigen Stellung und andererseits realpolitisch aus seiner Funktion als Vorsitzender der Mehrheitspartei. Zu seinen Hauptaufgaben gehören daher auch die Schaffung und das Management von Mehrheiten, im Parlament, seiner Partei oder auch in der Koalition. Des Weiteren ist die Verantwortung der Regierung gegenüber dem Parlament an der Person des Regierungschefs ausgerichtet (Misstrauensvotum gegen ihn möglich). Weiterhin wird er als einziges Mitglied der Regierung direkt vom Parlament gewählt. Anders herum kann nur er dem Parlament die Vertrauensfrage stellen. Der Regierungschef setzt die Minister ein und entlässt sie. Demnach stehen die Minister in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Regierungschef.102 Derzeit ist Jaume Bartumeu Cassany Regierungschef Andorras. Die Regierung setzt sich momentan aus neun Ministern einschließlich des Regierungschefs zusammen.103 Titel VI der Verfassung befasst sich mit der territorialen Struktur des Landes, was an dieser Stelle nicht detaillierter erläutert wird. f) Beziehungen zwischen dem Parlament und der Regierung Das Verhältnis zwischen Parlament und Regierung wird durch die Funktionslogik des parlamentarischen Regierungssystems bestimmt. Beide Akteure haben durch die Verfassung bestimmte Kompetenzen inne, durch die ein Gleichgewicht geschaffen wurde.104 Der Generalrat wählt den Regierungsvorsitzenden (Art. 68 Verf.). Die Regierung ist dem Generalrat politisch verantwortlich, der unter bestimmten Bedingungen den Vorsitzenden der Regierung absetzen kann (Art. 69 Abs. 1 Verf.). So kann ein Fünftel der Abgeordneten des Parlaments einen Misstrauensantrag gegen den Regierungsvorsitzenden stellen, der dann im Parlament der absoluten Mehrheit bedarf (Art. 69 Abs. 2, 3 Verf.). Falls dem Misstrauensantrag zugestimmt wird, muss der Regierungsvorsitzende abgesetzt werden (Art. 69 Abs. 4 Verf.). 102 103 104
Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 907. Vgl. Botschaft Andorras 2009a; Govern d’Andorra 2009b. Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 906.
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Der Vorsitzende der Regierung kann ebenfalls gegenüber dem Generalrat eine Vertrauensfrage stellen. Das Vertrauen wird durch einfache Mehrheit ausgesprochen (Art. 70 Verf.). Falls dies nicht der Fall wäre, sollte der Regierungsvorsitzende abdanken. Zusätzlich kann gemäß Artikel 71 (1) der Verfassung auch der Regierungsvorsitzende die Co-Fürsten bitten, den Generalrat vorzeitig aufzulösen. g) Die Gerichtsbarkeit Das Justizwesen Andorras wird in Titel VII und VIII der Verfassung genauer dargestellt. Durch die Verfassung von 1993 wurde eine beachtliche Reform des juristischen Systems eingeleitet.105 Die Verfassung wird durch qualifizierte Gesetze (Lleis Qualificades), u. a. das Gesetz vom 3. September 1993, ergänzt.106 In Artikel 85 Abs. 1 der Verfassung wird festgehalten, dass Gerechtigkeit im Namen des andorranischen Volkes – nicht mehr im Namen der Co-Fürsten – durch unabhängige Richter gesprochen wird, die an die Verfassung und die Gesetze gebunden sind. Die Unabhängigkeit der Justiz wird durch die Verfassung garantiert. Die gesamte juristische Gewalt wird auf eine einheitliche Organisation des Justizwesens übertragen (Art. 85 Abs. 2 Verf.). Die juristische Gewalt haben im Speziellen die erstinstanzlichen Richter (Batlles), das erstinstanzliche Gericht als Basis der juristischen Organisation in Andorra (Tribunal de Batlles), das Berufungs- und Schwurgericht (Tribunal de Corts) und der Oberste Gerichtshof (Tribunal Superior de la Justícia d’Andorra) sowie die Präsidenten dieser Tribunale inne (Art. 87 Verf.). Der Oberste Gerichtshof wurde in Andorra eingerichtet, um die duale Gerichtsbarkeit des Obersten Gerichtshofs von Perpignan und dem Obersten Gerichtshof des Bischofs von Urgell zu ersetzen; beide richteten zuvor über zivile Angelegenheiten in dritter Instanz.107 Das Rechtssystem Andorras besteht weiterhin aus dem Obersten Justizrat (Consell Superior de la Justícia), der Staatsanwaltschaft sowie dem Verfassungsgericht.108 Der Oberste Justizrat ist das Organ, das beauftragt ist mit der Repräsentation, Leitung und Verwaltung der Organisation der Justiz und er wacht über die Unabhängigkeit und das einwandfreie Funktionieren der Justiz. Die Mitglieder des Rates müssen Staatsbürger Andorras sein (Art. 89 Abs. 1 Verf.). Der Oberste Justizrat besteht aus fünf Mitgliedern: Einer wird von jeweils einem Co-Fürsten ernannt, einer vom Parlamentsvorsitzenden, einer vom 105 106 107 108
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Duursma 1996, S. 326. Botschaft Andorras 2009b. Duursma 1996, S. 326. Botschaft Andorras 2009b.
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Regierungsvorsitzenden und einer von den Richtern und Batlles. Sie werden für einen Zeitraum von sechs Jahren ernannt und sie können nicht zweimal hintereinander das Amt innehaben (Art. 89 Abs. 2 Verf.). Die Batlles, Richter und Gerichtsschreiber werden vom Obersten Justizrat ernannt, nicht mehr von den Co-Fürsten (Art. 89 Abs. 3 Verf.). Der Oberste Justizrat kann außerdem disziplinarische Handlungen gegenüber den Batlles und Richtern im Rahmen der Gesetze anordnen (Art. 89 Abs. 3, 4 Verf. und Art. 79–87 des 1993er Gesetz über das juristische System109). Alle Richter werden jeweils für sechs Jahre ernannt und sind wieder wählbar (Art. 90 Abs. 1 Verf.). Auch die Präsidenten der Tribunale werden durch den Obersten Justizrat ernannt (Art. 90 Abs. 2 Verf.). Bezüglich der Staatsanwaltschaft ist in Artikel 93 der Verfassung festgelegt, dass sie über den Schutz und die Anwendung der Rechtsordnung sowie über die Unabhängigkeit der Gerichte wacht, um die Rechte der Bürger zu bewahren und das Allgemeinwohl zu schützen (Art. 93 Abs. 1 Verf.). Die Staatsanwaltschaft setzt sich aus Mitgliedern zusammen, die vom Obersten Justizrat auf Vorschlag der Regierung für sechs Jahre ernannt werden. Ihre Amtszeit kann um weitere sechs Jahre verlängert werden (Art. 93 Abs. 2 Verf.). Im Gesetz über das juristische System von 1993110 werden detailliert weitere Einzelheiten über das juristische System Andorras festgelegt. So wurde 1993 eine dreistufige Gerichtsorganisation geschaffen, die sich auf strafrechtliche, zivile und verwaltungsrechtliche Fälle erstreckt (Art. 47, 53, 57 des 1993er Gesetz über das juristische System).111 Die Richter sind unabhängig, unabsetzbar und in ihrer Funktion nur dem Gesetz und der Verfassung unterworfen. Ein Richter darf keiner sonstigen Berufstätigkeit nachgehen oder ein anders Amt innehaben.112 In Strafsachen richten einzelne Batlles über kleinere Rechtsverstöße, das erstinstanzliche Gericht sowie das Berufungs- und Schwurgericht beschäftigen sich dagegen mit geringfügigen und ernsthaften Straftaten (Art. 49 Abs. 1 und 52 Abs. 1 des 1993er Gesetzes). Berufung gegen die Urteile der einzelnen Batlles oder des erstinstanzlichen Gerichts kann vor dem Berufungs- und Schwurgericht eingelegt werden (Art. 52 (4) des 1993er Gesetzes). Artikel 56 Abs. 2 des 1993er Gesetzes besagt, dass das Urteil des Berufungs- und Schwurgerichts, in erster Instanz handelnd, vor dem Obersten Gerichtshof angegriffen werden kann. Es gibt keine dritte Instanz, dennoch 109 110 111 112
BOPA 1993, Nr. 51, S. 864 ff. BOPA 1993, Nr. 51, S. 864 ff. Vgl. Duursma 1996, S. 327; Marxer/Pállinger 2009, S. 912. Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 912.
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kann eine Bitte um Revision eines Urteils beim Obersten Gerichtshof eingereicht werden, sowohl in strafrechtlichen, in zivilen als auch in verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten (Art. 56 Abs. 3 des 1993er Gesetzes). Seit 1984 besitzt Andorra eine Strafprozessordnung und seit 1990 ein Strafgesetzbuch.113 Die Strafprozessordnung besagt, dass eine Person, die zu weniger als drei Monaten Gefängnis verurteilt wird, diese Haft im Gefängnis von Andorra absitzen muss (Art. 234 Strafprozessordnung). In den anderen Fällen kann die verurteilte Person zwischen einem französischen und einem spanischen Gefängnis wählen (Gewohnheitsrecht seit dem 12. Jahrhundert).114 Das Recht zur Begnadigung haben die beiden Co-Fürsten gemeinsam inne (Art. 46 Abs. 1 (a) Verf.). In der zivilen Rechtssprechung wird in erster Instanz von einem einzelnen Batlles oder vom erstinstanzlichen Gericht verhandelt, abhängig von der Geldmenge, um die es in einem Streit geht oder die eingeklagt wird (Art. 49 Abs. 3 des 1993er Gesetzes). Das Oberste Gerichtshof fungiert als Berufungsgericht gegen alle zivilen Urteile, die durch die Batlles ausgesprochen wurden (Art. 56 Abs. 2 des 1993er). In Andorra gibt es bisher kein Zivilgesetzbuch oder eine Zivilprozessordnung, sondern Streitigkeiten werden auf der Basis von Gewohnheitsrecht in Ergänzung mit der Rechtssprechung oder auch entsprechend katalanischem Recht, Kirchenrecht, römischem Recht oder kastilischem Recht geregelt.115 Das zivile Gewohnheitsrecht wurde schon von einigen Gelehrten kodifiziert. Die bekanntesten Dokumente darunter sind von Manuel Digest von 1748 oder auch der Politar von 1763.116 Verwaltungsrechtliche Fälle betreffend kann jede Person, deren Rechte durch eine Entscheidung oder das Nicht-Handeln einer öffentlichen Behörde beeinträchtigt wurden, Berufung bei dieser jeweiligen Behörde beantragen mit Möglichkeit der Revision vor der andorranischen Regierung (Art. 124 des Verwaltungsgesetzes117).118 Wenn der Kläger immer noch unzufrieden ist, kann der Streit vor die Batlles gebracht werden (Art. 49 Abs. 4 des 1993er Gesetzes). Gegen ihr Urteil kann dann vor dem Obersten Gerichtshof Berufung eingelegt werden (Art. 56 Abs. 2 des 1993er Gesetzes). Ein weiterer Bestandteil des juristischen Systems ist der Ombudsmann. Dieses 113 Strafprozessordnung aktualisiert am 16.02.1989 und am 16.07.1990 und Strafgesetzbuch vom 11.07.1990, BOPA 1990, Nr. 21, S. 377 ff. Vorher basierte dies auf Gewohnheitsrecht, Verordnungen der Veguers und Rechtssprechung. 114 Vgl. Duursma 1996, S. 327. 115 Vgl. Duursma 1996, S. 328; Brutails 1965, S. 48 ff. 116 Vgl. Sabater Tomas 1981, S. 93 ff.; Duursma 1996, S. 328. 117 BOPA 1989, Nr. 6, S. 133 ff. 118 Vgl. Duursma 1996, S. 328.
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Amt wurde 1998 geschaffen und er hat die Aufgabe, die von der Verfassung gewährleisteten Rechte und Freiheiten zu verteidigen und über sie zu wachen.119 h) Das Verfassungsgericht Im Titel VIII der Verfassung Andorras werden die Bestimmungen zum Verfassungsgericht (Tribunal Constitucional) dargelegt. Demnach ist das Verfassungsgericht der oberste Interpret und Hüter der Verfassung. Seine Entscheidungen binden sowohl öffentliche Behörden als auch Individuen (Art. 95 Abs. 1 Verf.). Das Verfassungsgericht setzt sich aus vier Richtern zusammen, davon sind zwei von jeweils einem Co-Fürsten ernannt und zwei vom Generalrat (Art. 96 Abs. 1 Verf., siehe auch Art. 10 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfassungsgericht120). Sie können maximal zweimal aufeinander folgend für jeweils acht Jahre dieses Amt bekleiden (Art. 96 Abs. 1 Verf.). Der Präsident wechselt in einem Zwei-Jahres-Rotationssystem (Art. 96 Abs. 2 Verf.). In der Praxis nominiert das Parlament spanische und französische Bürger als Richter, um die Neutralität zur andorranischen Politik zu wahren.121 Das Verfassungsgericht fällt seine Entscheidungen durch Mehrheitsbeschluss (Art. 97 Verf.). Gemäß Artikel 98 der Verfassung werden am Verfassungsgericht verhandelt: (a) Klagen aufgrund der Verfassungswidrigkeit von Gesetzen, ausführenden Verordnungen (auch Art. 45 Abs. 2, 46 Abs. 1 (e), 99 Abs. 1 Verf.) und der Geschäftsordnung des Generalrates, (b) Anfragen bezüglich einer Vorabentscheidung zur Verfassungswidrigkeit von internationalen Gesetzen und Verträgen (dazu Art. 101 Verf.), (c) Prozesse von Verfassungsklagen sowie (d) Konflikte der Gerichtsbarkeit zwischen Verfassungsorganen. Hierbei werden die Co-Fürsten, der Generalrat, die Regierung, der Oberste Justizrat und die Gemeinden als Verfassungsorgane angesehen (dazu Art. 103 Verf.). Klagen aufgrund der Verfassungswidrigkeit von Gesetzen oder gesetzlichen Regelungen (Normenkontrollklagen) können von einem Fünftel des Generalrates, dem Regierungsvorsitzenden oder drei Gemeinden eingereicht werden. Ein Fünftel des Generalrates kann eine Klage wegen Verfassungswidrigkeit der Geschäftsordnung der Kammer einreichen (Art. 99 Abs. 1 Verf.). Wenn ein Gericht im Laufe einer Verhandlung Zweifel über die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes oder eines legislativen Entscheids hat, kann es ein Vorabentscheidungsverfahren beim Verfassungsgericht erbitten, 119 120 121
Vgl. Botschaft Andorras 2009b. BOPA 1993, Nr. 51, S. 852 ff. Vgl. Emerson 2007, S. 39.
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in dem über die Gültigkeit der betreffenden Regel entschieden wird (Art. 100 Verf.). Das Verfassungsgericht verfügt demzufolge über die Kompetenz der abstrakten und der konkreten Normenkontrolle.122 Wie schon oben erwähnt kann der Regierungsvorsitzende oder ein Fünftel des Parlaments das Verfassungsgericht um Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit von noch nicht abgeschlossenen internationalen Verträgen bitten (Art. 46 Abs. 1 f, Art. 101 Abs. 1 Verf.). Wenn in dem Urteil eine Verfassungswidrigkeit festgestellt wird, darf dieser Vertrag nicht ratifiziert werden. In Fällen, in denen ein verfassungswidriger internationaler Vertrag abgeschlossen wurde, muss in der Folge die Verfassung geändert werden (Art. 101 Abs. 2 Verf.). In letzter Instanz, egal ob in zivilen, strafrechtlichen oder verwaltungsrechtlichen Fällen, kann das Verfassungsgericht von den Parteien angerufen werden, wenn sie erklären, dass ein Grund- bzw. Menschenrecht verletzt wurde, das in der Verfassung garantiert ist (Art. 85, 86 des Gesetzes über das Verfassungsgericht).123 Das heißt, das Gericht befasst sich mit außerordentlichen Verfahren zum Verfassungsschutz gegen Handlungen der öffentlichen Gewalt, wenn diese die Inhalte der Rechte und Freiheiten verletzen, die in der Verfassung in Titel III und IV festgehalten sind (Art. 102 Verf.).124 i) Überarbeitung der Verfassung Titel IX der Verfassung beschäftigt sich mit den Vorgehensweisen, wenn eine Überarbeitung der Verfassung notwendig wird. Eine Verfassungsreform kann durch die beiden Co-Fürsten gemeinsam oder von einem Drittel des Generalrates eingeleitet werden (Art. 105 Verf.). Für die Änderung der Verfassung, welcher von mindestens zwei Drittel der Mitglieder des Generalrates zugestimmt wurde, ist ein Referendum Pflicht zur Ratifizierung (Art. 106 Verf.). Wenn die Prozedur des Referendums beendet ist, müssen die Co-Fürsten den neuen Verfassungstext für seine Verkündung und sein Inkrafttreten genehmigen (Art. 107 Verf.). j) Politische Kultur Ähnlich wie in vielen anderen Mikrostaaten verfügt auch in Andorra eine kleine elitäre Gruppe von ca. 100 Personen über den größten wirtschaftlichen und politischen Einfluss. Diese Personen stammen überwiegend aus 122 123 124
Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 912. Vgl. Duursma 1996, S. 328. Vgl. Botschaft Andorras 2009c.
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den traditionsreichen Familien. Außerdem sind die Wege in der Politik Andorras meist kurz. Sowohl auf lokaler als auch auf nationaler Ebene haben Interessengruppen direkten Zugang zu den Politikern.125 Die politische Identität der Andorraner ist meist stark lokal geprägt und es dominieren eher konservative Werthaltungen. Dennoch haben mit der generellen Modernisierung auch fortschrittlichere Ansichten verstärkt Verbreitung gefunden. Auf allen Ebenen des Staates ist die politische Partizipation sehr groß, im Durchschnitt nehmen über 80% der Stimmberechtigten an Wahlen teil. Dies scheint zwar im ersten Moment positiv, doch deutet dies auch auf ein grundlegendes Problem in der Politik Andorras hin, nämlich, dass die Ausländer, obwohl sie die Mehrheit der Bevölkerung ausmachen, im politischen Diskurs keine Stimme haben. Zwar können Ausländer eine Einbürgerung beantragen, jedoch nur unter strengen Restriktionen.126 4. Wirtschaft a) Binnenwirtschaft Bis Mitte des 20. Jahrhunderts war Andorra arm und rückständig.127 Erst in den 1960er Jahren wuchsen die Bevölkerung, die Infrastruktur und damit auch die wirtschaftliche und soziale Entwicklung stark. Erstaunlich ist der enorme Zuwachs der Bevölkerung seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die von 6.000 auf 80.000 stieg, vor allem durch Einwanderung. Dieses außergewöhnliche Wachstum der Wirtschaft basierte vor allem auf dem Tourismus, Handel, Finanzdienstleistungen und Immobilien. Die wirtschaftsbegünstigenden Faktoren waren u. a. die niedrige Besteuerung und die wenigen Wirtschaftsregulierungen, ebenso wie die attraktive Berglandschaft, die den Tourismus anzog.128 Es ist erkennbar, dass das Land seinen Fokus von der Landwirtschaft auf Dienstleistungen änderte. Im Jahr 1985 wurden schließlich 80% des BIP im tertiären Sektor erwirtschaftet. In diesem Kontext wurde das Abkommen über eine partielle Zollunion mit der EG ausgehandelt.129 Das Bruttoinlandsprodukt Andorras liegt heute bei ca. 2,6 Mrd. Euro und einem BIP pro Kopf von ca. 30.000 Euro (2007).130 Das Pro-Kopf-Einkommen ist durchschnittlich höher als der EU-Durchschnitt und ähnlich seiner beiden Nachbarstaaten.131 125 126 127 128 129 130
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Marxer/Pállinger 2009, S. 910. Marxer/Pállinger 2009, S. 911; Emerson 2007, S. 33. Marxer/Pállinger 2009, S. 903. Emerson 2007, S. 1, 35. Mateu 2001, S. 415; Marxer/Pállinger 2009, S. 903. Auswärtiges Amt 2009a.
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Fast 75% der Einwohner Andorras sind derzeit im Dienstleistungsbereich beschäftigt, nur 24% im industriellen Sektor und weniger als 1% im Agrarsektor. Aufgrund des gebirgigen Reliefs ist nur wenig Ackerbau ausgebaut, Viehzucht wird etwas extensiver betrieben. Das am meisten angebaute landwirtschaftliche Produkt ist Tabak, an Tieren werden hauptsächlich Rinder und Schafe gehalten. Im industriellen Sektor ist besonders das Baugewerbe aber auch das Druckgewerbe stark vertreten.132 Im tertiären Sektor ist der bedeutendste Wirtschaftsbereich der Tourismus, insbesondere der Wintersport, aber auch Bergsport und Einkaufstourismus. Im Jahr 2006 reisten fast 11 Millionen Besucher nach Andorra.133 Dennoch kommt trotz der vielen Hotels sowie Sport- und Freizeitzentren kaum internationales Flair auf.134 Auch, dass es in Andorra nur geringe direkte Steuern und nur niedrige indirekte Steuern gibt und somit steuerfrei eingekauft werden kann, zieht viele Besucher an.135 Auch der Kapitalverkehr ist weitgehend steuerfrei.136 Deshalb genießt Andorra den Status eines Steuerparadieses.137 Der Finanzdienstleistungssektor, der in erster Linie aus Banken und Versicherungsgesellschaften besteht, trägt heute substantiell zum Wirtschaftswachstum bei.138 Zwar müssen Personen, die in Andorra einer Geschäftstätigkeit nachgehen, eine jährliche pauschale Abgabe zahlen, deren Größenordnung entsprechend der Art der Geschäftstätigkeit variiert, doch die Abgabe ist eher symbolischer Natur.139 Zusätzlich existieren in Andorra drei große Wasserkraftwerke, die es ermöglichen, dass der Energieexport nach Spanien zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor Andorras wurde.140 Andorra bietet zahlreiche produktive Investitionsmöglichkeiten und entwickelte Humanressourcen, insbesondere in den Bereichen Spezialtourismus, Finanzdienstleistungen, Handel, Bildung, Immobilien sowie in neuen 131
Vgl. Emerson 2007, S. 1, 36. Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 28 ff. 133 Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 35; Murray 2006, S. 187; Miller 2007, S. 167. 134 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 763. 135 Vgl. Maresceau 2008, S. 275; Marxer/Pállinger 2009, S. 913; Dózsa 2008, S. 96; Waschkuhn 2003, S. 763; Armstrong/Read 1995, S. 1143. 136 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 913. 137 Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 36. 138 Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 36; Murray 2006, S. 187; Miller 2007, S. 167. 139 Vgl. Dózsa 2008, S. 96. 140 Vgl. Armstrong/Read 1995, S. 1143. 132
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D. Das Fürstentum Andorra und seine Integration in die EU
Branchen. Die Regierung Andorras legt dabei gesteigerten Wert auf eine fortschrittliche Umweltpolitik, auf hohe Qualitätsstandards und spezifische Maßnahmen zur Unternehmensförderung.141 Weiterhin ist zu beobachten, dass sich die Zahl der unselbständigen Beschäftigten in den vergangenen zehn Jahren auf ca. 43.000 fast verdoppelt hat.142 Vorzüge der andorranischen Wirtschaft sind seine Investitionen in eine moderne urbane Infrastruktur, seine vielsprachige und kosmopolitische Bevölkerung, die Nutzung der modernen Informationstechnologien, sein Finanzdienstleistungssektor sowie die Kombination von geringer Besteuerung und hoher Lebensqualität.143 Jedoch stößt die Wirtschaft Andorras seit der Jahrtausendwende auf eine steigende Zahl an Hindernissen. Dazu gehören die Grenzen der Umwelt für weiteres Wachstum und Bautätigkeit, die Verkürzung der Wintersportsaison – möglicherweise durch den Klimawandel –, der Wegfall von Vorteilen im Handel im Vergleich zu den französischen und spanischen Handelszentren sowie der externe Druck, internationale Steuer- und Regulierungsstandards anzuwenden. Die Regierung des Mikrostaates hat erkannt, dass diese Entwicklungen ein neues Modell nachhaltiger Entwicklung notwendig machen und hat ein Programm „Andorra 2020“ entworfen, welches eine Neugestaltung der Wirtschaft, vor allem neue Dienstleistungsaktivitäten vorsieht.144 Auch aufgrund dieser wirtschaftlichen Entwicklung ist eine Beschäftigung mit der Thematik einer vertieften Integration in die EU verstärkt in den Vordergrund zu rücken. b) Finanzplatz Andorra Die geringen direkten Steuern sowie der weitgehend freie Kapitalverkehr in Andorra ist unbestreitbar ein Anreiz für Individuen und Unternehmen, sich in dem Fürstentum niederzulassen, um dabei direkte Steuern zu umgehen. Dadurch hat sich Andorra zu einem bedeutenden „Offshore-Finanzzentrum“ entwickelt. Dieser Bereich erwirtschaftet mittlerweile ca. 15% des BIP (2005)145 und steigt in seiner Bedeutung.146 Die Lage zwischen Frankreich und Spanien begünstigt Andorras Status als internationales Finanzzentrum. Das im Jahr 1998 verabschiedete Bankengesetz erlaubt ausländischen Banken, Zweigniederlassungen in Andorra 141 142 143 144 145 146
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 34; Waschkuhn 2003, S. 764. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 29. Emerson 2007, S. 2. Emerson 2007, S. 1. Emerson 2007, S. 68. Waschkuhn 2003, S. 763; Armstrong/Read 1995, S. 1143.
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zu gründen. Die Vertraulichkeit der Bankgeschäfte wird vom Gesetz garantiert. Außerdem bieten die ansässigen Banken ein weites Spektrum von professionellen und diskreten Dienstleistungen an.147 Im Jahr 1989 wird das Nationale Institut für Finanzen148 in Andorra gegründet. Dieses kontrolliert unter der Autorität der Regierung die finanzielle Gesundheit der andorranischen Banken.149 Andorra wird regelmäßig mit Vorwürfen internationaler Organisationen konfrontiert, Steuerhinterziehung zu begünstigen und die Zusammenarbeit mit internationalen Finanzbehörden zu verweigern.150 Deswegen stand Andorra auf der im April 2002 erstellten OECD-Liste der unkooperativen Steuerparadiese, ebenso wie Liechtenstein und Monaco.151 Daraufhin wurde auch von der EU Druck auf Andorra ausgeübt und ein Abkommen über die Besteuerung von Zinserträgen zwischen dem Fürstentum und der EG abgeschlossen.152 Dieses sieht einen Informationsaustausch vor zwischen den Steuerbehörden Andorras und der Mitgliedstaaten, die Steuerzahlungen aus andorranischer Quelle erhalten sollten. Die Schwäche des Abkommens liegt darin, dass der Informationsaustausch durch die Zahlung eines bestimmten Prozentsatzes der Steuern als Kapitalertragssteuer bzw. Quellensteuer leicht umgangen werden kann (Art. 1–9 des Abkommens). Somit wurde das Kernproblem der Steuerflucht nicht gelöst, lediglich der Preis der Anonymität ist gestiegen.153 Erst im Mai 2009 wurden schließlich die drei auf der OECD-Liste der unkooperativen Steuerparadiese verblieben Staaten Andorra, Liechtenstein und Monaco aufgrund ihrer jeweiligen Anpassungsmaßnahmen von der Liste gestrichen.154 Weiterhin kündigte die Regierung Andorras an, eine geringe Unternehmenssteuer einzuführen sowie die indirekten Steuern zu reformieren, mit dem Ziel, den Status als Steueroase sowie die Einstufung als unkooperatives Steuerparadies dauerhaft abzulegen und dabei trotzdem ein attraktives Steuergebiet zu bleiben.155 Andorra liegt viel daran, die internationalen Standards zu erfüllen, um als seriöser Finanzmarkt wahrgenommen zu werden.156 147
Vgl. Miller 2007, S. 168. BOPA 1989, Nr. 13, S. 293; BOPA 1993, Nr. 51, S. 892. 149 Vgl. Duursma 1996, S. 341. 150 Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 39; Marxer/Pállinger 2009, S. 913; Waschkuhn 2003, S. 763. 151 Vgl. OECD 2009a; Dózsa 2008, S. 97; Emerson 2007, S. 4. 152 sh. Punkt D. II. 2. d). 153 Vgl. Dózsa 2008, S. 97. 154 Vgl. OECD 2009a. 155 Vgl. Emerson 2007, S. 5 f. 156 Vgl. Emerson 2007, S. 67. 148
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D. Das Fürstentum Andorra und seine Integration in die EU
c) Außenhandel Die Einfuhren nach Andorra haben einen Wert von ca. 1,4 Mrd. Euro, die Ausfuhren liegen bei ca. 80 Mio. Euro (Juli 2007–Juli 2008).157 Auffallend ist, dass die Importe über die letzten Jahre nur wenig angestiegen sind bzw. zum Teil sogar zurückgegangen sind, die Exporte dagegen steigen seit dem Jahr 2000 kontinuierlich zwischen 5% und 25% an.158 Die Importe stammen zu 91% aus der Europäischen Union (54% Spanien, 21% Frankreich), 7% aus Asien und Ozeanien sowie jeweils 1% aus Resteuropa und sonstigen Staaten.159 Importiert werden hauptsächlich Maschinen, Lebensmittel, Getränke, Tabak, Transportmittel, chemische Erzeugnisse, Textilien sowie Mineralien.160 Die Exporte gehen zu 87% nach Spanien, 8% nach Frankreich, 4% an andere EU-Staaten. Damit gehen 99% an EU-Staaten, nur 1% an andere Länder.161 Ausgeführte Waren sind vor allem Lebensmittel, Getränke, Tabak, Maschinen sowie Transportmittel.162 5. Staatshaushalt Der Haushalt der öffentlichen Hand ist gegliedert in den Haushalt der Regierung, der in den Haushalt der Ministerien untergliedert ist, und der Gemeinderäte. Die Regierung gab im Jahr 2008 ca. 396 Millionen Euro aus, und wahrte damit noch einen Überschuss von 12 Millionen Euro.163 Wie schon oben erwähnt, gibt es nur geringe direkten Steuern in Andorra. Indirekte Steuern sind die Haupteinnahmequelle des Staatseinkommens und decken 74% der totalen Einnahmen.164 Das andorranische Zollrecht beinhaltet die Verbrauchssteuer, die auf importierte Produkte der Kapitel 1 bis 24 des Harmonisierten Systems165 (d.h. landwirtschaftliche Produkte) erhoben werden sowie Einfuhrabgaben, die vom gemeinsamen Außenzoll der EU abgeleitet werden. Diese werden auf aus Drittstaaten im157
Vgl. Govern d’Andorra 2008b, S. 19. Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 48. 159 Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 49; Govern d’Andorra 2008b, S. 28 ff. 160 Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 50; Govern d’Andorra 2008b, S. 20 ff. 161 Vgl. Govern d’Andorra 2008b, S. 32 ff. 162 Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 51; Govern d’Andorra 2008b, S. 24 ff. 163 Vgl. Govern d’Andorra 2008a, S. 3. 164 Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2001; Govern d’Andorra u. a. 2008a, S. 4. 165 Internationale Nomenklatur mit verschiedenen Verwendungen, die unter der Schirmherrschaft der WCO erarbeitet wurde. Es wird hauptsächlich zur Erstellung der jeweiligen nationalen Zolltarife und zur Erfassung wirtschaftsbezogener statistischer Daten verwendet. Sh. Europäische Kommission 2009. 158
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portierte Waren, die in Kapitel 25 bis 99 des Harmonisierten Systems festgelegt sind (d.h. industrielle Erzeugnisse), erhoben.166 Auch im inländischen Steuerrecht nimmt der Staat zahlreiche indirekte Steuern ein. Dazu gehören die indirekte Warensteuer (IMI), die indirekte Steuer auf die Erbringung von Bank- und Finanzdienstleistungen, auf die Erbringung von Versicherungsdienstleistungen, auf die Erbringung von unternehmerischen und freiberuflichen Dienstleistungen, die indirekte Produktionssteuer, die indirekte Handelssteuer, die Steuer über Immobilienvermögensübertragungen, die Steuer auf Gewinne aus Immobilienvermögensübertragungen, die Gebühren auf Strom- und Wasserverbrauch, die Gebühr auf das Bingospiel, die Gebühr auf Dienstleistungen der notariellen Beurkundung, die Gebühr auf Fahrzeugbesitz, die Gebühr des Patentamtes, die Gebühr auf die Eintragung von Gewerbetreibenden, Gerichtsgebühren, die Gebühr für die Erstellung von Arbeitsgenehmigungen sowie die Besteuerung der Sparerträge in Form von Zinsen.167 Die IMI wurde als Ergebnis der Vereinbarungen zur Zollunion zwischen dem Fürstentum Andorra und der EWG vom 28. Juni 1991 für die Erzeugnisse der Kapitel 25 bis 99 des Harmonisierten Systems eingeführt. Sie gilt für Produkte, die aus der EU stammen und nach Andorra importiert werden. Die IMI besteuert somit die Herstellung und die Einfuhr dieser Erzeugnisse mit maximal 12%.168 Auch die Besteuerung von Zinserträgen geht auf die Kooperation mit der EU zurück. Es wurde festgelegt, dass eine Quellensteuer auf Zinszahlungen durch in Andorra niedergelassene Zahler an Personen mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat der EU einbehalten werden muss. Dieser einbehaltene Betrag wird dann zu 75% an die Staaten überwiesen, in dem die empfangsberechtigte Person ihren Wohnsitz hat.169 Weitere indirekte Steuern können durch die Gemeinderäte erhoben werden, z. B. die Ortssteuer oder die Mietertragssteuer.170 6. Beziehungen zu anderen Staaten a) Die außenpolitische Strategie Andorras Andorra war lange Zeit unfähig, eine eigene Außenpolitik auszuarbeiten, da der französische Co-Fürst die alleinige Verantwortung für Andorras in166
Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 56. Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 56 ff.; Govern d’Andorra u. a. 2008a, S. 4 ff. 168 Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 56. 169 sh. Punkt D. II. 2. b)/d); vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 59. 170 Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 60. 167
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D. Das Fürstentum Andorra und seine Integration in die EU
ternationale Beziehungen beanspruchte und gleichzeitig aufrecht erhielt, dass das Fürstentum kein eigener Staat war und daher nicht in internationale Beziehungen treten konnte.171 Noch 1990 hat die französische Regierung vor der Europäischen Kommission für Menschenrechte behauptet, dass es kein Nachbarschaftsabkommen zwischen Andorra und Frankreich geben könnte, da Andorra keine souveräne Macht sei.172 Durch die Verfassung kam es zu einem bedeutenden Positionswechsel, da diese die Autorität in internationalen Angelegenheiten von den Co-Fürsten auf den Regierungsvorsitzenden übertrug (Art. 72 Abs. 2 Verf.).173 Die Co-Fürsten sind nun lediglich mit der formellen Repräsentation des Landes und der Akkreditierung der Botschafter beauftragt. So wurde Andorra erst mit dem Erhalt der Souveränität des andorranischen Volkes durch die Verfassung 1993 zu einem aktiven Teilnehmer der internationalen Gemeinschaft.174 Die Verfassung enthält verschiedene Bestimmungen, die es Andorra ermöglichen, seine eigenen diplomatischen Vertretungen einzurichten und sich an internationale Konventionen und Organisationen anzuschließen.175 Die Außenpolitik Andorras ist durch die Prinzipien der Neutralität und der Bekräftigung seiner Staatlichkeit geprägt. Die Neutralität in Kriegszeiten hat eine Jahrhunderte lange Tradition. Das Manual Digest von 1748 legt die Maxime fest, dass Andorra im Falle eines Krieges zwischen Frankreich und Spanien immer neutral bleibt.176 Die Neutralität gilt auch für bewaffnete Konflikte, in denen weder Frankreich noch Spanien involviert sind.177 Grundsätzlich sind für Andorra aufgrund der historischen Verflechtungen und der geographischen Lage die Beziehungen zu seinen beiden Nachbarstaaten von grundlegender Bedeutung.178
171
Vgl. Duursma 1996, S. 335, S. 354 ff.; Emerson 2007, S. 39. CoE/ECHR: Application no. 12747/87, Report of 11 Dec. 1990, S. 25; vgl. Duursma 1996, S. 371. 173 Vgl. Duursma 1996, S. 335; Marxer/Pállinger 2009, S. 913. 174 Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 36; Marxer/Pállinger 2009, S. 913; Emerson 2007, S. 41. 175 Art. 44 Abs. 1; 45 Abs. 1 e, h; 46 Abs. 1 f, h; 64–67; 72 Abs. 2 der Verfassung; vgl. Duursma 1996, S. 335. 176 Maxime Nr. 37 in: Sabater Tomas 1981, S. 108. 177 Vgl. Duursma 1996, S. 335. 178 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 913. 172
I. Charakteristika des Staates Andorra
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b) Beziehungen zu Frankreich und Spanien (trilaterale Abkommen) aa) Trinationaler Nachbarschaftsvertrag 1993 Die Handelsabkommen in Form eines Briefwechsels mit Frankreich und Spanien von 1867 waren lange Zeit die einzigen internationalen Instrumente Andorras.179 Die institutionellen Reformen des Fürstentums Andorra seit der zweiten Hälfte der 1980er Jahre wurden schließlich durch den umfassenden Vertrag über gute Nachbarschaft, Freundschaft und Zusammenarbeit von 1993 (Nachbarschaftsvertrag) komplettiert, der zwischen Andorra, Frankreich und Spanien abgeschlossen wurde.180 Er definiert den Rahmen der Beziehungen Andorras mit seinen beiden Nachbarstaaten. In dem Vertrag erkennen beide Nachbarstaaten das Fürstentum als souveränen Staat an (Art. 1 des Vertrages) und die Stellung der Co-Fürsten wird geklärt.181 Der Nachbarschaftsvertrag zwischen Andorra, Frankreich und Spanien reguliert die Position und Aufgaben des diplomatischen Dienstes der beiden Nachbarstaaten bezüglich Andorras internationaler Vertretungen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Frankreich bereitwillig seine diplomatischen und konsularischen Dienste auf andorranische Staatsbürger in Drittstaaten ausgeweitet. Praktisch wurde diese Aufgabe auch von den spanischen Auslandsvertretungen wahrgenommen. Entsprechend dem Nachbarschaftsvertrag haben Ende 1993 sowohl Frankreich als auch Spanien einen permanenten Botschafter nach Andorra entsandt (Art. 2 Abs. 1 Nachbarschaftsvertrag). Anfang 1995 wurde ein andorranischer Botschafter nach Frankreich gesandt. Ein Botschafter nach Spanien wurde 1994 nominiert.182 Andorra ist, wie oben erwähnt traditionell ein neutrales Land. Dennoch bestimmt Art. 3 des Nachbarschaftsvertrages, dass Frankreich und Spanien militärische Unterstützung leisten, falls Andorra angegriffen wird. Jedoch geschieht dies nicht automatisch, sondern erst nach Beratungen mit der andorranischen Regierung. Die andorranische Verfassung sieht kein Recht der Co-Fürsten vor, um militärische Hilfe zu bitten.183 Die andorranische Regierung kann nach Zustimmung des Generalrates den Notstand ausrufen, für den Fall, dass die Demokratie in Andorra gefährdet ist (Art. 42 Abs. 1 Verf.). 179
Vgl. Maresceau 2008, S. 275; Raton 1991, S. 21 f.; Emerson 2007, S. 41. BOPA 1993, Nr. 37, S. 683 ff.; auch in JORF 1995, no. 35. Vertrag wurde provisorisch angewandt und trat am 1.12.1994 in Kraft. Vgl. Duursma 1996, S. 335; Dózsa 2008, S. 94; Maresceau 2008, S. 284; Marxer/Pállinger 2009, S. 913. 181 Vgl. Duursma 1996, S. 335; Marxer/Pállinger 2009, S. 913. 182 Vgl. Duursma 1996, S. 338, 347. 183 Vgl. Duursma 1996, S. 345, 350. 180
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D. Das Fürstentum Andorra und seine Integration in die EU
In dem Vertrag sind verschiedene Formen der Zusammenarbeit vorgesehen und der konsularische Schutz der Staatsbürger Andorras im Ausland durch Frankreich und Spanien wird geregelt (Art. 6, 7 Nachbarschaftsvertrag).184 Gemäß Art. 6 Abs. 1 Nachbarschaftsvertrag kann Andorra in Drittstaaten sowie bei internationalen Konferenzen und Organisationen, in denen Andorra keine eigene diplomatische Vertretung hat, entweder Frankreich oder Spanien mit seiner Vertretung beauftragen in Übereinstimmung mit der Wiener Konvention über diplomatische Beziehungen. Die repräsentativen Aufgaben Frankreichs und Spaniens müssen gleichmäßig verteilt sein und werden ergänzt durch spezielle Abkommen, die den genauen Umfang der Vertretung regeln (Art. 6 Abs. 2 Nachbarschaftsvertrag). Klar ist, dass weder Frankreich noch Spanien nach Belieben die Außenbeziehungen des Fürstentums steuern können.185 Laut Art. 7 Nachbarschaftsvertrag können sich in Staaten, in denen Andorra keine eigene konsularische Vertretung hat, Bürger des Mikrostaates an französische oder spanische Konsulate wenden, wenn dies der empfangende Staat so erlaubt. Die Bestimmung des Art. 8 Nachbarschaftsvertrag besagt, dass bilaterale Verträge, die zwischen Andorra auf der einen Seite und Frankreich oder Spanien auf der anderen Seite abgeschlossen werden wollen, dem jeweils anderen Land vorgelegt werden müssen. Im Falle gemeinsamer Interessen kann ein trinationaler Vertrag abgeschlossen werden (Art. 9 Nachbarschaftsvertrag). Der Nachbarschaftsvertrag enthält keine Kündigungsklausel. Andorras absolute Freiheit in seinen internationalen Beziehungen wird jedoch in zwei Punkten eingeschränkt. Dies betrifft erstens die Beziehung zwischen Andorra und Frankreich bzw. Spanien, da in Art. 4 Abs. 1 Nachbarschaftsvertrag festgehalten wird, dass die Staaten sich verpflichten, ihre gegenseitigen Grundinteressen zu respektieren und bei Schwierigkeiten zu kooperieren. Dabei sind die Pflichten eingeschlossen, die sich für Frankreich und Spanien im Rahmen der EG ergeben. Schwierigkeiten der Interpretation des Textes entstehen durch dessen Ungenauigkeit, da es unklar bleibt, was die Grundinteressen der Staaten sind und wie weit genau die Pflicht zur Kooperation geht. Dieser Punkt ist durchaus kritisch, da es keine Streitschlichtungsmechanismen gibt. So würde es zu komplizierten Situationen kommen, falls die Grundinteressen Spaniens, Frankreichs und Andorras nicht übereinstimmen. Sicher festgehalten ist, dass die Pflichten im Rahmen der EG ein definitives Grundinteresse darstellen.186 184 185
Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 913. Vgl. Duursma 1996, S. 339.
I. Charakteristika des Staates Andorra
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Zweitens ist Andorras Gestaltungsfreiheit bezüglich seiner internationalen Beziehungen durch Art. 5 Nachbarschaftsvertrag eingeschränkt, durch welchen sich Andorra verpflichtet, nichts zu unternehmen, was der internen oder externen Sicherheit Frankreichs oder Spaniens oder ihrem internationalen Engagement in diesem Bereich schadet. Dies könnte implizieren, dass Sicherheitsinteressen nicht zu den Grundinteressen gehören und Art. 4 weniger streng zu sehen ist.187 Der Art. 3 Abs. 1 Nachbarschaftsvertrag hält fest, dass Frankreich und Spanien die Souveränität und Unabhängigkeit des Fürstentums Andorra respektieren, genauso wie die Integrität seines Staatsgebietes. Die Pflicht Andorras, die Grundinteressen Frankreichs und Spaniens zu wahren, sollte in diesem Licht gesehen werden. Art. 4 Abs. 1 sollte keine permanente Pflicht Andorras erzeugen, seine internen und externen Angelegenheiten mit französischen und spanischen Wünschen in Einklang zu bringen, da dies zu nachteilig für die Unabhängigkeit Andorras wäre.188 Dieses Abkommen bestätigt Andorras externe Rechtsfähigkeit und ist deshalb in diesem Bereich das wichtigste von seinen Nachbarstaaten unterzeichnete Abkommen. Außerdem wird in der Präambel Bezug auf den Aufbau eines Europas des Friedens, der Demokratie und der Solidarität genommen, zu dem das Abkommen beitragen soll. Seit dem Abschluss dieses Vertrages wurden zahlreiche weitere bilaterale und trilaterale Abkommen zwischen Andorra mit einem oder beiden seiner Nachbarstaaten unterzeichnet.189 bb) Trilaterale Abkommen über Einreise, Aufenthalt und Niederlassung 2003 Am 4. Dezember 2000 wurden zwei Abkommen über die Einreise, die Bewegungsfreiheit, den Aufenthalt und die Niederlassung ihrer Staatsangehörigen und über die Bewegungsfreiheit und den Aufenthalt von Staatsangehörigen von Drittstaaten abgeschlossen. Beide Abkommen traten am 1. Juli 2003 in Kraft.190 In dem Abkommen bezogen auf Angehörige der Vertragsparteien wird festgelegt, dass sich die Staatsangehörigen in den jeweils anderen Ländern für einen Aufenthalt von weniger als 90 Tagen frei bewegen können, ohne ein Visum beantragen zu müssen. Für Aufenthalte für mehr als 90 Tage 186 187 188 189 190
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Duursma 1996, S. 337 f. Duursma 1996, S. 337. Duursma 1996, S. 337. Maresceau 2008, S. 284 f. Goverment of Andorra 2009d; Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 12 ff.
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D. Das Fürstentum Andorra und seine Integration in die EU
muss eine Aufenthaltserlaubnis beantragt werden. Außerdem sind die Niederlassungsbedingungen für andorranische Staatsbürger im Staatsgebiet der anderen Vertragsparteien mindestens genau so günstig wie für EU-Bürger. Ebenso muss Andorra für Staatsangehörigen Frankreichs und Spaniens bezüglich ihrer Niederlassung mindestens genauso gute Bedingungen schaffen, wie für Bürger anderer Staaten. Die Bürger Spaniens und Frankreichs können sich somit entsprechend den andorranischen Gesetzen in Andorra niederlassen. Neben weiteren Bestimmungen wird festgelegt, dass eine gemeinsame Kommission die Implementierung des Abkommens überwacht. Das Abkommen gilt für unbegrenzte Zeit und kann mit einer sechsmonatigen Frist gekündigt werden.191 In dem Abkommen bezüglich Drittstaatsangehöriger verpflichten sich die Vertragsparteien, dass sie ihre Rechtssetzung in dem Bereich der Einreise und des Aufenthalts in Andorra von Staatsangehörigen von Drittstaaten aufeinander abstimmen und die Interessen der anderen Vertragsparteien und deren internationale Verpflichtungen berücksichtigen. Das Abkommen kann mit einer sechsmonatigen Frist gekündigt werden.192 cc) Währung Vor der Einführung des Euros in Frankreich war der französische Franc gesetzliches Zahlungsmittel in Andorra, auch wenn diese Währungsunion auf keinem legalen Vertrag basierte. Praktisch wurde jedoch die spanische Peseta öfter benutzt, z. B. beim Staatsbudget.193 Auch heute hat Andorra keine eigene Landeswährung. Es gilt der Euro, jedoch wurden bisher keine eigenen Münzen mit andorranischer Prägung herausgegeben. Anders als mit dem Vatikan, San Marino und Monaco existiert kein Währungsabkommen mit der Europäischen Union.194 Jedoch schon im Juli 1997 fasste die andorranische Regierung einen Beschluss mit dem erklärten Ziel, den Euro so schnell wie möglich einführen zu wollen.195 Der Haushalt wird nun auch in Euro festgestellt.196
191
Vgl. Goverment of Andorra 2009d; Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 12 ff. Vgl. Goverment of Andorra 2009d; Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 12 ff. 193 Vgl. Duursma 1996, S. 341. 194 Zu den Verhandlungen über ein Abkommen sh. Punkt D. II. 1. b); vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 39; European Commission 2009; Sack 1997, S. 47; Hummer 2004, S. 93; Armstrong/Read 1995, S. 1143. 195 Vgl. FAZ vom 28.07.1997, S. 12; Hummer 2004, S. 93. 196 Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 39. 192
I. Charakteristika des Staates Andorra
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c) Beziehungen zu Frankreich aa) Der französische Co-Fürst Gemäß der Verfassung (Art. 43 Abs. 2 Verf.) ist der französische Präsident persönlich und exklusiv Co-Fürst Andorras. Der Französische Präsident wird, wenn er als Co-Fürst handelt, als andorranische Behörde angesehen, die einzig an die andorranische Verfassung gebunden ist. Dabei muss das französische öffentliche Recht diesen persönlichen und exklusiven Status erlauben. Weder die französische Verfassung noch irgendein anderer Rechtsakt schaffen einen rechtlichen Rahmen, in dem die Rechte des französischen Präsidenten gegenüber Andorra ausgeübt werden. Daher basieren die Beziehungen zwischen dem französischen Co-Fürsten und dem französischen Staat auf der bisherigen Praxis. So hat der französische Staat akzeptiert, dass Entscheidungen des französischen Präsidenten als Co-Fürst Andorras nicht von einem französischen Minister gegengezeichnet werden müssen, außer wenn sie Auswirkungen auf das Budget Frankreichs haben. Finanzielle Auswirkungen sind allerdings gerade seit der Verfassung von 1993 eher selten, da die Dienste des französischen Co-Fürsten nicht länger von Frankreich gezahlt werden, sondern Kraft Artikel 47 der andorranischen Verfassung durch das Staatsbudget Andorras finanziert werden.197 Daraus ergibt sich die Frage, ob es eine Pflicht des französischen Präsidenten gibt, seine rechtlichen Verpflichtungen gegenüber Andorra mit der Politik Frankreichs gegenüber Andorra in Einklang zu bringen. Da laut französischer Verfassung die Regierung für Außenpolitik zuständig ist und die Regierung keine Außenpolitik dem Präsidenten aufzwingen kann, kann der Präsident bezüglich Andorras freie Entscheidungen treffen. Dies muss jedoch unter den Bedingungen geschehen, dass er die nationale Unabhängigkeit, die territoriale Integrität Frankreichs und die durch Frankreich abgeschlossenen Verträge wahrt (Art. 5 der französischen Verfassung). Praktisch ist dies unproblematisch, da der Präsident eigentlich auch die Linien der Außenpolitik bestimmt.198 Der französische Co-Fürst hat bisher oft die Dienste französischer Regierungsbehörden genutzt. Der persönliche Vertreter des französischen CoFürsten in Andorra ist ein französischer Diplomat, der auf unbestimmte Zeit ernannt wird. Er erhält keine Anweisungen vom Außenministerium Frankreichs.199 197 198 199
Vgl. Duursma 1996, S. 342. Vgl. Duursma 1996, S. 342 f. Vgl. Duursma 1996, S. 343 f.
114
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Schlussfolgernd ist festzuhalten, dass die Beziehungen zwischen dem französischen Co-Fürsten und dem französischen Staat durch die Praxis definiert sind, aber keinerlei rechtliche Garantien haben. Dies führt zu rechtlicher Unsicherheit bezüglicher des persönlichen und exklusiven Charakters der Position des französischen Co-Fürsten in Andorra. Verdeutlicht werden kann dies durch den Fakt, dass in der Vergangenheit die Souveränitätsrechte des französischen Co-Fürsten von der Caboets-Familie an den französischen Präsidenten übertragen wurden, mit entsprechenden Nachfolgeregeln, die nicht andorranischen Ursprungs waren. Jede Änderung der Rechte des französischen Präsidenten oder der französischen Verfassung könnten die Position des französischen Präsidenten ändern und dadurch auch Auswirkungen auf den Status des französischen Co-Fürsten in Andorra haben.200 Theoretisch kann die Pflicht der Gegenzeichnung durch den französischen Premierminister jederzeit auf jede Entscheidung des französischen Präsidenten ausgeweitet werden, auch in seiner Tätigkeit als Co-Fürst. Da Frankreich gemäß dem Nachbarschaftsvertrag (Art. 3) die Souveränität und Unabhängigkeit Andorras wahren muss, wird Frankreich den französischen Co-Fürsten nicht in eine Position bringen, die die Unabhängigkeit Andorras gefährdet. In diesem Zusammenhang ist das französische öffentliche Recht durch die internationale Verpflichtung eingeschränkt. Der Status des französischen Co-Fürsten ist somit bestimmt durch die Vorgaben der andorranischen Verfassung, durch die Verfassung Frankreichs und Kraft des Nachbarschaftsvertrages.201 bb) Handel und Zoll In dem Briefwechsel vom 23. November 1867 kommen Frankreich und Andorra überein, dass in Andorra hergestellte Waren, außer Tabak, zollfrei nach Frankreich exportiert werden dürfen. Andorra importiert im Gegenzug französische Produkte zollfrei. Später passte man diese Regelungen an bzw. spezialisierte sie, vor allem um der EG-Zollunion Rechnung zu tragen.202 Es wurde festgelegt, dass 100% in Andorra produzierte Waren zollfrei nach Frankreich exportiert werden durften. Andorranische Exporte, in die Produkte aus Drittstaaten eingearbeitet waren, wurden mit Zöllen in Höhe des nicht-andorranischen Anteils belegt. Französische Produkte konnten zollfrei 200
Vgl. Duursma 1996, S. 344. Vgl. Duursma 1996, S. 344 f. 202 Erneuert durch den Briefwechsel von 1967 zwischen dem Generalsekretär des Französischen Präsidenten, seinem ständigen Vertreter und dem französischen Minister für Wirtschaft und Finanzen; vgl. Stapper 1999, S. 64; Zemanek 1981, S. 62 ff.; Hummer 2004, S. 91. 201
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nach Andorra exportiert werden. Frankreich wandte keine Exportbeschränkungen an.203 Mit der Einführung der EG-Zollunion galten dieselben Regeln auch für Produkte aus den anderen EG-Staaten. Falls von den französischen Behörden eine Erlaubnis vorlag, konnten Waren aus Drittstaaten im Transit zollfrei nach Andorra gelangen. Frankreich jedoch gab nur wenige Transitgenehmigungen aus, da es Reimporte dieser Waren nach Frankreich vermeiden wollte. Dadurch kamen Produkte aus Drittländern erst nach Andorra, nachdem sie in Frankreich in den freien Verkehr gebracht wurden und entsprechende Außenzölle bzw. Abschöpfungen durch die jeweiligen Exporteure geleistet wurden. Diese Zölle flossen dem EG-Budget zu. Die französische Regierung war nicht bereit, diese Praxis aufzugeben. Deshalb wurde Andorra im Gegensatz zu San Marino und Monaco nicht als Teil des Zollgebietes der EG angesehen. Andererseits kauften viele Touristen, die durch die geringen Verbrauchssteuern begünstigten Waren in Andorra, was wiederum deutlich höhere steuerliche Ausfälle für Frankreich mit sich brachte.204 Durch die gegebenen Regelungen konnten somit Produkte aus Andorra zollfrei über Frankreich in die Gemeinschaft exportiert werden und Waren aus der EG kamen zollfrei nach Andorra.205 Es ist jedoch anzumerken, dass andorranische Produkte zwar frei nach Frankreich exportiert werden konnten, was aber nicht garantierte, dass andere EG-Staaten dieselben Rechte garantieren würden, wohingegen die Produkte, die aus der EG stammten, nach Andorra ohne französische Zölle eingeliefert werden konnten. Weiterhin erhob Frankreich die gemeinsamen Zolltarife der EG auf jedes Produkt, das nach Andorra von außerhalb der EG importiert wurde. Die gemeinsamen Zolltarife der EG wurden auch auf andorranische Produkte angewandt, die nach Frankreich exportiert wurden, die vorher durch Andorra von Nicht-EG-Ländern importiert wurden. Dieses Vorgehen schien im Gegensatz zu stehen zu der Regel der Transitfreiheit, festgeschrieben in Art. 5, Paragraph 2 des General Agreement on Tarifs and Trade (GATT). Demnach dürfte Frankreich als Transitstaat keine Abgaben auf Transitprodukte verlangen, die aus Vertragsstaaten des GATT kommen. Trotzdem hat Andorra 1985 ein Gesetz verabschiedet, wodurch allen importierten Gütern eine indirekte Steuer auferlegt wurde. Diese andorranische Zollabgabe, die Konsumsteuer, wird immer noch auf Produkte angewandt, die nicht von dem Zollabkommen mit der EU abgedeckt werden.206 203 204 205 206
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Stapper 1999, S. 64. Stapper 1999, S. 64; Gstöhl 2001, S. 116; Hummer 2004, S. 91. Gstöhl 2001, S. 116; Hummer 2004, S. 91; Maresceau 2008, S. 276. Zemanek 1980, S. 63; Duursma 1996, S. 340 f.
116
D. Das Fürstentum Andorra und seine Integration in die EU
Wie schon angedeutet, wurde schließlich am 28. Juni 1990 das Abkommen über eine Zollunion zwischen Andorra und der EWG unterzeichnet, das am 1. Juli 1991 in Kraft trat. Dadurch wurde das Zollregime, wie es durch Frankreich kraft des Briefwechsel von 1867 angewandt wurde, abgeschafft (Art. 25 des Zollabkommens).207 cc) Soziale Sicherheit Kraft der Bestimmungen über soziale Sicherheit in Andorra, kann die andorranische Sozialbehörde Abkommen mit kompetenten Organen der sozialen Sicherheit anderer Staaten abschließen.208 Im Jahr 1970 wurde ein derartiges Abkommen mit Frankreich in Form einer Verwaltungsübereinkunft ohne den Status eines Vertrages abgeschlossen.209 Schließlich wurde am 12. Dezember 2000 ein Abkommen über soziale Sicherheit zwischen Frankreich und Andorra abgeschlossen, dass am 13. März 2003 in Kraft trat.210 In dem Abkommen werden die Beziehungen der beiden Staaten im Bereich der sozialen Sicherheit definiert. Es sollen Regeln aufgestellt werden, die die sozialen Angelegenheiten zwischen den beiden Systemen der sozialen Sicherheit, z. B. für französische Arbeitnehmer, die in Andorra arbeiten, für französische Angestellte im öffentlichen Dienst, militärisches Personal, Krankenhauspersonal in Andorra, für weitere Personen in Andorra, die in das französische System der sozialen Sicherheit eingeschlossen sind, genauso wie für Andorraner, die unter dem andorranischen System der sozialen Sicherheit versichert sind, regulieren (Art. 2). So regeln einzelne Kapitel u. a. die Bestimmungen für Ältere bzw. Pensionäre (Kapitel 2), für Kranken- und Mutterschutzversicherung (Kapitel 3), für Berufsunfähigkeitsversicherung (Kapitel 4), für Lebensversicherungen (Kapitel 5). Weiterhin wird ein generelles Abkommen über die administrative Umsetzung dieses Abkommens abgeschlossen (Art. 43) und ein gemeinsamer Ausschuss eingesetzt (Art. 44). Die Konvention wird für unbestimmte Zeit geschlossen und kann mit einer Frist von sechs Monaten vor Jahresende gekündigt werden (Art. 48).
207
Vgl. Zemanek 1980, S. 63; Duursma 1996, S. 340. Vgl. Art. 9 der 1967er generellen Bestimmungen bezüglich der andorranischen sozialen Sicherheit. In: Zemanek 1980, S. 56. 209 Vgl. Duursma 1996, S. 346. 210 UN Treaty Series (No. 2238) 2007a, S. 219 ff. 208
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dd) Bildung Frankreich hat in Andorra einige Schulen gegründet. Ihr Status, der an öffentliche Schulen Frankreichs angeglichen ist, ist in einem Dekret von 1917 definiert.211 Kraft des Bildungsgesetzes von 1993 können andorranische Schulen im Fürstentum neben den französischen und spanischen errichtet werden.212 Am 19. März 1993 unterzeichneten Frankreich und Andorra ein Abkommen im Bereich Bildung, welches einen Monat später in Kraft trat.213 Diese Konvention wurde durch den Briefwechsel vom 13. März 2003 bis zum Inkrafttreten der Konvention von 2003 verlängert.214 Schließlich schlossen am 24. September 2003 Frankreich und Andorra die heute gültige Konvention im Bereich der Bildung, einschließlich der Berufsausbildung sowie höherer Bildung, ab, die am 1. September 2005 in Kraft trat.215 Darin wird festgelegt, dass französische Bildungsinstitutionen im Fürstentum zur Entwicklung der Bildung durch das Angebot hochwertiger französischer Bildung beitragen, wobei die die andorranische Identität achten (Art. 1). Weiterhin werden Details zur Ausgestaltung der französischen Bildungsinstitutionen in Andorra geregelt. Diese Konvention ersetzt die Konvention vom 19. März 1993 (Art. 26). Das Abkommen wird für zehn Jahre geschlossen. In dem Briefwechsel vom 5. Dezember 2007 zwischen Frankreich und Andorra einigte man sich außerdem auf die Gleichwertigkeit der Zeugnisse der andorranischen Berufsausbildung im Vergleich zu den französischen Zertifikaten der technischen Ausbildung und ähnlichen Bereichen sowie die Anerkennung des andorranischen Bachelors in den Bereichen der Kunst und Kommunikation. Diese Bestimmungen traten am 22. Oktober 2008 in Kraft.216 ee) Administrative Zusammenarbeit Am 14. Februar 2001 schlossen Andorra und Frankreich eine Konvention über administrative Zusammenarbeit ab, die am 1. April 2003 schließlich in Kraft trat.217 In diesem Abkommen werden die Bedingungen festgelegt, un211
Vgl. Duursma 1996, S. 346. Art. 1 des 1993er Bildungsgesetzes. BOPA 1993, Nr. 51, S. 883 ff.; vgl. Duursma 1996, S. 346. 213 UN Treaty Series (No. 1747) 2000, S. 173 ff. 214 UN Treaty Series (No. 2239) 2007b, S. 69 ff. 215 UN Treaty Series (No. 2383) 2006, S. 195 ff. 216 Exchange of letters 5 December 2007 and 22 October 2008. 212
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ter welchen Richter des französischen judikativen Systems und französische Beamte ein öffentliches Amt in Andorra wahrnehmen können (Art. 1). Dabei soll Andorra die französischen Behörden über seine Vorhaben, einen französischen Vertreter zu ernennen, informieren, was dann von der französischen Behörde genehmigt werden muss (Art. 2). Für ihre Amtszeit in Andorra sind die Offiziellen an die andorranische Verfassung gebunden (Art. 4). Das Abkommen kann mit Sechsmonatsfrist gekündigt werden (Art. 9). ff) Weitere Abkommen und Bereiche der Zusammenarbeit Weitere Abkommen werden geschlossen in den Bereichen des Handels von Gütern auf der Straße (2006), im Bereich der Landplanung (2001), zur Begradigung der Grenzen (2001), den Behörden der Nationalen Kontrolle (2004) oder über die Befahrbarkeit der Grenzstraßen im Winter (1996).218 d) Beziehungen zu Spanien aa) Der spanische Co-Fürst Der Status des bischöflichen Co-Fürsten unterscheidet sich von dem des französischen, da der Bischof von Urgell keine öffentliche Regierungsposition in Spanien innehat. Seine Beziehungen zum spanischen Staat sind von daher von einer anderen Natur.219 Die Rechte und Pflichten des Bischofs von Urgell in Spanien sind definiert durch Kirchenrecht, dem Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und Spanien von 1953220 sowie durch das Abkommen vom 23. Juli 1993 zwischen Spanien und Andorra, in dem der Status des bischöflichen Co-Fürsten definiert wird.221 Die Prozedur, die im Konkordat von 1953 festgehalten ist, besagt, dass der apostolische Nuntius222 dem Papst sechs Kandidaten präsentiert, nachdem er das Einverständnis der spanischen Regierung erhalten hat. Dieser sucht drei aus, von denen wiederum das spanische Staatsoberhaupt einen auswählt, Bischof zu werden, der anschließend vom Papst ernannt wird.223 Der Einfluss der spa217
UN Treaty Series (No. 2238) 2007c, S. 185 ff. Vgl. Government of Andorra 2009d. 219 Vgl. Duursma 1996, S. 348. 220 AAS 1953, S. 625 ff. 221 In Kraft seit 01.12.1994. BOPA 1994, Nr. 72, S. 1588; vgl. Government of Andorra 2009e; Duursma 1996, S. 348. 222 Der Apostolische Nuntius ist der ständige Vertreter des Heiligen Stuhles bei den Ortskirchen und den Staaten. 223 AAS 1953, S. 625 ff. 218
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nischen Zivilbehörden bei der Ernennung des Bischofs verschwand durch das Abkommen über juristische Fragen vom 3. Januar 1979 mit dem Heiligen Stuhl. In der Regel ist der Bischof von Urgell Katalane.224 Wenn der Bischof seine Autorität über Andorra ausübt, handelt er nicht als kirchliche Macht, sondern besitzt eine temporäre Souveränität. In seiner Funktion als Co-Fürst von Andorra ist der Bischof als spanischer Nationalangehörige nicht verpflichtet, der spanischen Außenpolitik hinsichtlich Andorras zu folgen.225 Der Bischof wurde durch Spanien offiziell in seiner Funktion als CoFürst von Andorra anerkannt und er besitzt den Status einer international geschützten Person (Art. 1 des Abkommens von 1993 über den Status des bischöflichen Co-Fürsten). Seine Person ist unverletzlich und genießt strafrechtliche, zivile und verwaltungsrechtliche Immunität auf dem spanischen Territorium (Art. 2 Abk.). Geschützt sind auch seine Wohnung, Bürodokumente und Korrespondenz (Art. 3 Abk.).226 Es kann nicht abgestritten werden, dass Spanien in gewissen Perioden der andorranischen Geschichte versucht hat, Einfluss in dem Fürstentum auszuüben, meist jedoch nur, um eine befürchtete französische Einflussnahme auszugleichen. So im Jahr 1941, als sich der spanische Außenminister in einem Rundbrief auf Andorra als „nicht-fremdes“ Land bezieht, was letztendlich von der übergeordneten Souveränität der spanischen Nation ausgeht.227 Nach dem Ende des Franco-Regimes änderte sich die Position Spaniens zu Andorra und es unterstützte den Bischof in seiner Argumentation, dass Frankreich nicht das exklusive Recht hätte, Andorra im internationalen Bereich zu vertreten.228 bb) Handel und Zoll Traditionsgemäß erlaubte Spanien den zollfreien Import und Export von Produkten von und nach Andorra.229 Dadurch nahm jedoch der Schmuggel im 19. Jahrhundert zu und das spanische Finanzministerium sah sich gezwungen, dies durch eine Verordnung vom 17. Mai 1864 zu unterbinden, in dem es den zollfreien Export aufhob. In dem Briefwechsel vom 15. Juli 1867 gelang es Andorra wiederum, den zollfreien Verkehr mit Spanien wie224 225 226 227 228 229
Vgl. Duursma 1996, S. Vgl. Duursma 1996, S. Vgl. Duursma 1996, S. Brief in: Marquès Oste Vgl. Duursma 1996, S. Vgl. Duursma 1996, S.
348 f. 349. 349. 1989, S. 195. 349 f. 347; Stapper 1999, S. 64.
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der herzustellen. Einige Produkte wurden jedoch davon ausgenommen, u. a. Tabak, und die Regierung Andorras verpflichtete sich, Maßnahmen gegen Schmuggel zu ergreifen. In den folgenden Jahren schaffte Spanien allerdings schrittweise die Privilegien für Andorra ab. Ein Dekret vom 18. Oktober 1922 führte ein neues System ein.230 Dieses legte fest, dass bestimmte andorranische Produkte in einem gewissen Kontingent zollfrei nach Spanien exportiert werden durften, andere bestimmte andorranische Produkte wurden jedoch mit Zöllen belegt. Der Export aller weiteren Produkte musste von den spanischen Zollbehörden genehmigt werden und auf diese wurden ebenfalls Zölle erhoben. Für die Exporte spanischer Produkte nach Andorra wurden ebenfalls Kontingente festgelegt, die zollfrei ausgeführt werden durften. Falls höhere Mengen exportiert werden sollten, mussten die entsprechenden Behörden zustimmen. Nach der Gründung der EG wurden für Produkte aus anderen EG-Mitgliedstaaten sowie aus Drittstaaten Transitkontingente festgelegt. Diese Waren konnten zollfrei nach Andorra gelangen. Alle weitergehenden Importe bedurften der Zustimmung einer interministeriellen Kommission.231 Dieses Zollregime wird seit dem Inkrafttreten des Zollabkommens zwischen Andorra und der EWG vom 1. Juli 1991 (Art. 1 des Zollabkommens) nicht mehr angewandt.232 cc) Soziale Sicherheit Die soziale Sicherheit betreffend wurden einige Verwaltungsabkommen zwischen Spanien und Andorra abgeschlossen.233 Schließlich wurde im Jahr 2003 ein Abkommen im Bereich der sozialen Sicherheit zwischen Spanien und Andorra unterzeichnet.234 dd) Bildung Wie Frankreich unterhält auch Spanien Schulen in Andorra, die in dessen Bildungssystem integriert sind.235 Die Details zur Zusammenarbeit im Bereich der Bildung wurden in einem Abkommen von 2007 festgelegt, welches die Konvention von 1993 in diesem Bereich ablöste.236 230
Vgl. Stapper 1999, S. 64; Zemanek 1981, S. 76 f. Vgl. Stapper 1999, S. 64 f.; Duursma 1996, S. 347. 232 Genauer dazu Punkt D. II. 2. b). 233 Verwaltungsabkommen von 1968, 1971 und 1978; vgl. Zemanek 1980, S. 56; Duursma 1996, S. 350. 234 Vgl. Government of Andorra 2009e. 235 Vgl. Duursma 1996, S. 350. 231
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ee) Weitere Beziehungen Ohne Einfluss des französischen Co-Fürsten wurde 1863 der Vertrag zwischen Spanien und Andorra abgeschlossen, in dem die Grenze zwischen beiden Ländern festgelegt wird. Der Vertrag wurde nicht von Frankreich anerkannt, da es für sich die alleinige Kompetenz annahm, Verträge im Namen von Andorra zu schließen.237 Weitere Abkommen bestehen u. a. im Bereich der Müllentsorgung (2000 und 2007) oder bezüglich dem Bau bzw. der Erweiterung einer Grenzbrücke.238 e) Beziehungen zum Heiligen Stuhl Die Pareatges-Verträge von 1278 und 1288 wurden beide durch den Papst bestätigt. Damit gab der Papst sein Einverständnis zur Ausübung der temporalen Macht im Gebiet Andorras durch den Bischof von Urgell und seine Nachfolger.239 Hauptelement der Beziehungen zwischen dem traditionell katholischen Fürstentum und dem Heiligen Stuhl liegt in der Position des bischöflichen Co-Fürsten. Der Heilige Stuhl kann in drei Aspekten den Status des Bischofs beeinflussen: erstens bei der Ernennung des Bischofs, zweitens bei der Festlegung seiner Rechte und Pflichten sowie drittens hinsichtlich seiner hierarchischen Position. Bei der Ernennung des Bischofs von Urgell könnte der Papst bedenken, dass dieser auch gleichzeitig Co-Fürst von Andorra wird. Diese Bedenken wären nur bis zur Ernennung relevant, da der Papst dem bischöflichen Co-Fürsten keine Anweisungen erteilt. Im Falle der Vakanz des bischöflichen Sitzes hat der Vatikan auch Einfluss. Die Verfassung Andorras hat die rechtliche Geltung des Mechanismus der Nachfolge bzw. Ersetzung, der im Kircherecht im Falle einer Vakanz gültig ist, anerkannt.240 Bezogen auf die zweite Möglichkeit der Beeinflussung des Bischofs durch den Heiligen Stuhl ist zu erklären, dass das Staatsgebiet Andorras in der Diözese von Urgell liegt. Der Bischof von Urgell ist daher auch Bischof von Andorra. Das Kirchengesetzbuch sieht vor, dass der Bischof in seiner Diözese alle Macht besitz, die notwendig ist, um die pastoralen Pflichten zu erfüllen. Ausgeschlossen ist die Macht, die dem Papst oder anderen 236
Vgl. Government of Andorra 2009e. Vgl. Duursma 1996, S. 350. 238 Vgl. Government of Andorra 2009e. 239 Vgl. Duursma 1996, S. 350 f. 240 Art. 49 Verfassung Andorras; Can. 416–430 des Kirchenrechtsgesetzbuch 1983, AAS 1983; vgl. Duursma 1996, S. 351. 237
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kirchlichen Autoritäten vorbehalten ist.241 Die Bischöfe leiten die Diözesen frei unter der Autorität des Papstes, aber der apostolische Nuntius im jeweiligen Staat kann zu jedem Zeitpunkt im Namen der höheren Autorität in die Debatten und Diskussionen der Bischöfe eingreifen. Wenn der Bischof von Urgell also als Co-Fürst von Andorra handelt, übt er weltliche Macht aus, was grundsätzlich nicht abgedeckt ist von den auf ihn durch das Kirchenrecht auferlegten Pflichten. Eine Ausnahme ist, dass der Bischof in allen seinen Handlungen die Prinzipien des göttlichen Rechts einhalten muss und keine Verbrechen nach Kirchenrecht begehen darf.242 Hinsichtlich der dritten Einflussmöglichkeit des Heiligen Stuhls bezüglich der hierarchischen Position des Bischofs von Urgell ist festzuhalten, dass der Heilige Stuhl das Recht hat, dem bischöflichen Co-Fürsten seinen Rang als Bischof zu entziehen oder ihm einer anderen Diözese zu zuweisen und einen neuen Bischof von Urgell zu ernennen. Dies kann zu zeitweiligen Vakanzen führen.243 Diese disziplinarische Sanktion wird jedoch nur sehr selten genutzt.244 Als Konsequenz der hierarchischen Macht, die der Papst über den Bischof von Urgell ausübt, wird argumentiert, dass das Einverständnis des Heiligen Stuhls erfragt werden muss, um dem Bischof von Urgell zu erlauben, Co-Fürst Andorras zu werden. Außerhalb dieser Beschränkungen nimmt der Papst keinen Einfluss auf die Angelegenheiten Andorras.245 Der Kirche in Andorra wurde in der andorranischen Verfassung eine bestimmte Position eingeräumt (Art. 11 (3) Verf.): Die Kirche darf frei und öffentlich ihre Aktivitäten ausüben und ihre traditionelle und spezielle Kooperation mit dem andorranischen Staat aufrechterhalten. f) Beziehungen zu weiteren Staaten Derzeit unterhält der Mikrostaat mit mehr als 114 Staaten diplomatische Beziehungen und hat 72 Botschafter akkreditiert.246 Das Fürstentum unterhält acht eigene Botschaften und ständige Vertretungen im Ausland. Meistens sind diese mehrfach akkreditiert.247 Neun Honorarkonsule verschie241 Can. 381 Abs. 1 des Kirchengesetzbuches 1983, AAS 1983; vgl. Duursma 1996, S. 351. 242 Vgl. Duursma 1996, S. 351. 243 Vgl. Can. 416 des Kirchengesetzbuch 1983, AAS 1983. 244 Vgl. Duursma 1996, S. 352. 245 Vgl. Duursma 1996, S. 352. 246 Vgl. Goverment of Andorra 2009a. 247 Vgl. Goverment of Andorra 2009b.
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denster Länder sowie der französische, der spanische und portugiesische Botschafter sitzen in Andorra.248 Um in Andorra als Vertretung akkreditiert zu sein, muss die Erlaubnis zur Ausübung konsularischer Funktionen von beiden Co-Fürsten unterzeichnet werden.249 San Marino nahm mit Andorra im Jahr 1995 diplomatische Beziehungen auf. Außerdem verabschiedeten die beiden Staaten eine gemeinsame Erklärung zur Kooperation in den Bereichen Bildung, Kultur, Sport, Handel, Tourismus, Umwelt und andere Sektoren (1996). Weiterhin wurde 2009 ein Abkommen über den Informationsaustausch in Steuerangelegenheiten abgeschlossen.250 Andorra hat weiterhin mit Portugal bilaterale Beziehungen aufgebaut, u. a. im Bereich der sozialen Sicherheit (1990), dem internationalen Transport von Personen und Gütern (2003), Bildung (2001) oder zu Einreise, Aufenthalt und Niederlassung der Staatsangehörigen (2008).251 Weitere bilaterale Abkommen schloss Andorra mit Kanada, China, Lettland, Malta, Marokko und den USA.252 7. Beziehungen zu internationalen Organisationen a) Völkerbund und Vereinte Nationen Der Generalsekretär des Völkerbundes sprach am 19. Februar 1925 eine Einladung an den Vorsitzenden des Generalrates aus, der internationalen Opiumkonvention beizutreten. Der Generalrat stimmte zwar zu, doch Frankreich bat darum, dies zu annullieren, da der Parlamentsvorsitzende in internationalen Angelegenheiten nicht kompetent sei, sondern nur Frankreich. Spanien protestierte dagegen, aber letztendlich trat Andorra nicht bei.253 Im Jahr 1933 kam es zu politischen Unruhen in Andorra. Frankreich entsandte daraufhin die französische Polizei zur Sicherung der öffentlichen Sicherheit. Der Generalrat wiederum sandte einen Brief an den Völkerbund, in dem er mitteilte, die Intervention Frankreichs als Einmischung anzusehen. Der Völkerbund sah sich aber als nicht zuständig.254 248
Vgl. Goverment of Andorra 2009c. Vgl. Duursma 1996, S. 339. 250 Vgl. Republic of San Marino/Secretariat of State for Foreign and Political Affairs 2010. 251 Vgl. Government of Andorra 2009f. 252 Vgl. Government of Andorra 2009g. 253 Vgl. Duursma 1996, S. 352. 254 Vgl. Duursma 1996, S. 353. 249
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Im Gegensatz zu Liechtenstein, Monaco und San Marino erhielt Andorra keinen Brief vom Ständigen Internationalen Gerichtshof mit der Information über die Möglichkeit, dem Statut dieses Gerichtshofes beizutreten. Trotzdem wurde die Akzeptanz des Statuts durch Andorra registriert. Allerdings wurde Andorra von der Liste der Vertragsparteien auf Aufforderung Frankreichs im Jahr 1926 gelöscht. Von den Co-Fürsten wurden keine weiteren Versuche unternommen, sich um Mitgliedschaft im Völkerbund zu bewerben, vor allem aufgrund der Position Frankreichs, dass Andorra kein Staat gemäß Völkerrecht war.255 Viele Jahre später, im Rahmen der Unterzeichnung des trilateralen Nachbarschaftsvertrages am 3. Juni 1993 kündigte der Regierungsvorsitzende Andorras die Absicht der Bewerbung um Mitgliedschaft bei der UNO an.256 Wenige Tage später, am 9. Juni 1993, ging die Bewerbung um Mitgliedschaft beim UNO-Generalsekretär ein.257 Der Sicherheitsrat empfahl am 8. Juli 1993, Andorra als neuen Mitgliedstaat aufzunehmen.258 Einen knappen Monat später bestätigte die Generalversammlung am 28. Juli 1993 Andorras Beitritt.259 Im Rahmen des UN-Beitritts hatte kein Organ der UNO Andorras Staatlichkeit untersucht, man ging von einer Anerkennung durch die internationale Gemeinschaft aus.260 Die UNO war somit die erste internationale Organisation, die Andorra als Mitgliedstaat akzeptierte.261 Die Aufnahme in die UNO hat Andorras Status als Staat bestätigt.262 Im Juni 1994 wurde der andorranische Vertreter Vorsitzender der Gruppe der westeuropäischen Staaten in der Generalversammlung. Weiterhin betreute Andorra im Oktober 1994 einen Entwurf einer Resolution mit, die alle Mitgliedstaaten dazu aufforderte, die Todesstrafe abzuschaffen,263 dieser wurde jedoch nicht angenommen. Trotz seiner kleinen Delegation bemüht sich Andorra sehr, die Erfüllung der Ziele der UNO zu verbessern und ist der Meinung, dass viel von den Mikrostaaten gelernt werden kann, vor allem wegen deren Respekt für Vielfalt und Koexistenz.264 255
Vgl. Duursma 1996, S. 354; Zemanek 1980, S. 108. Vgl. Duursma 1996, S. 364. 257 UN Doc. S/26039 (1993). 258 UN SC Res. 848 (1993). 259 UN Doc. A/RES/47/232; vgl. Duursma 1996, S. 364; Mateu 2001, S. 416; Glassner 2004, S. 127; Marxer/Pállinger 2009, S. 913. 260 UN Doc. A/47/PV.108 (1993) S. 13: Aussage des luxemburgischen Abgeordneten; vgl. Duursma 1996, S. 364. 261 Vgl. Duursma 1996, S. 364. 262 Vgl. Glassner 2004, S. 122. 263 UN Doc. A/49/234 (1994). 256
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b) Europarat Zu ersten Kontakten zwischen dem Europarat und Andorra kam es im Jahr 1987. Diese führten zu dem Entwurf einer Resolution, die von einem Mitglied der Parlamentarischen Versammlung (PV) des Europarates präsentiert wurde und in der die Co-Fürsten und die Behörden Andorras dazu aufgerufen wurden, die politischen Institutionen Andorras zu reformieren, um das Fürstentum hinsichtlich der Achtung der Menschenrechte in einen modernen Staat umzuwandeln.265 Im Jahr 1988 wurde eine Arbeitsgruppe einberufen, bestehend aus vier Mitgliedern der PV, die einen Bericht und einen Entwurf einer Resolution erarbeiteten. Der Europarat war nicht nur an einer Zusammenarbeit interessiert, weil inoffiziell die Aufmerksamkeit durch Andorra gesucht wurde, sondern auch da das Fürstentum geographisch, historisch und traditionell Teil Westeuropas ist.266 Schließlich nahm am 11. Mai 1990 die PV eine Resolution über das Fürstentum Andorra an, in der sie bestimmte Reformen hinsichtlich des Schutzes der Menschenrechte, der Integration von Ausländern sowie dem Wahlrecht und verfassungsrechtlicher Demokratisierung empfahl.267 Alle Empfehlungen der PV werden in der neuen andorranischen Verfassung befolgt: Alle Grund- und Menschenrechte werden in der Verfassung garantiert, die Vereinigungsfreiheit wird ausdrücklich anerkannt, ein Teil der Macht wird von den Co-Fürsten an den Generalrat gegeben, um ein demokratisches Parlament und eine demokratische Regierung zu schaffen und das Wahlgesetz wird entsprechend geändert. Andorra lockerte auch sein Gesetz zur Staatsbürgerschaft, um die Einbürgerung von Ausländern sowie deren Integration in die andorranische Gesellschaft zu erleichtern – dies wurde aber im Nachhinein durch das Verfassungsgericht annulliert.268 Kurze Zeit nachdem Andorra Mitglied der UNO wurde, äußerte es den Wunsch, Mitglied im Europarat zu werden.269 Die PV übergab diese Angelegenheit dem Berichterstatter des Komitees für politische Angelegenheiten, Herrn Reddemann270 und beauftragte einen Richter des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR), einen Bericht über die Menschen264
UN Doc. A/49/PV.6 (1994); vgl. Duursma 1996, S. 364. CoE Doc. 5742, 1987; vgl. Duursma 1996, S. 357. 266 CoE Doc. 6146, 1989; vgl. Duursma 1996, S. 357. 267 CoE PA Res. 946, 1990. 268 Vgl. Duursma 1996, S. 357 f. 269 Brief vom 22.11.1993, CoE Res., 1994, 1; CoE Doc. 6988, 1994; vgl. Duursma 1996, S. 358. 270 CoE Doc. 7152. 265
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rechtssituation in Andorra anzufertigen.271 Beide Berichte kamen zu dem Schluss, dass es keine Hindernisse für den Beitritt Andorras gäbe, jedoch sei es dringend notwendig, einen neuen, flexibleren Text des Gesetzes über Staatsbürgerschaft anzunehmen.272 Im Gegensatz zu den Untersuchungen vor dem Beitritt von Liechtenstein und San Marino ist es bemerkenswert, dass die Berichterstatter nicht den internationalen rechtlichen Status Andorras untersuchten. Andorras Staatlichkeit wurde nicht in Frage gestellt, wahrscheinlich, weil es schon Mitglied der UNO war und weil das Fürstentum die Empfehlungen der PV 1990 durch rechtliche Reformen befolgt hatte, die ausreichend erschienen, um die Beitrittsbedingungen des Europarates zu erfüllen.273 In der Einladung der PV an Andorra Mitglied des Europarates zu werden, wurde noch einmal die Notwendigkeit der Änderung des Gesetzes über Staatsbürgerschaft hervorgehoben.274 Am 10. November 1994 wurde das Fürstentum Andorra Mitglied im Europarat mit zwei Vertretern in der PV,275 ein Jahr nach der Verabschiedung der Verfassung und dadurch der Erlangung der Unabhängigkeit.276 c) KSZE/OSZE Wie schon erwähnt, trat Andorra erst 1996 der OSZE bei, da bis 1993 noch Frankreich die Führung seiner Außenpolitik übernommen hatte.277 Die OSZE ist auch für Andorra ein wichtiges Forum zur Förderung von Sicherheit, Frieden und der transatlantischen Zusammenarbeit, für den politischen Diskurs und operationelle Maßnahmen zur Erzielung friedlicher politischer Lösungen in Europa. Da Andorra nicht Mitglied in der EU ist, bietet die OSZE eine wichtige Plattform.278
271
CoE Doc. 7080, 1994, Add. III. CoE Doc. 7080, 1994, Add. III, S. 11. 273 Vgl. Duursma 1996, S. 358. 274 CoE PA Opinion Nr. 182, 1994, § 7; CoE Doc. AS, 1994, CR 24, S. 23–35; neues Gesetz über Staatsbürgerschaft wurde angenommen am 5.10.1995, BOPA 1996, Nr. 8; vgl. Duursma 1996, S. 359. 275 CoE Res., 1994, 26; vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 36; Duursma 1996, S. 359; Marxer/Pállinger 2009, S. 913. 276 Vgl. Hummer 2004, S. 90; Mateu 2001, S. 416. 277 Vgl. Government of Andorra 2009h; Hummer 2004, S. 76, 79. 278 Vgl. Dosenrode 1993, S. 407; Grüningen 2004, S. 320 f. 272
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d) Weitere internationale Organisationen Andorra ist in zahlreichen weiteren internationalen Organisationen Mitglied bzw. hat multilaterale Abkommen abgeschlossen, wie z. B. bei bzw. mit dem Internationalen Strafgerichtshof (2002), der FAO (2007), der IAEA (1996), der UNWTO (1995), der ITU (1993), der UNESCO (1993), der WCO (1998), EUTELSAT (1994) und der WIPO (1994).279 Im Jahr 1997 bewarb sich Andorra um Mitgliedschaft bei der WTO. Diese Bewerbung befindet sich immer noch unter Prüfung, denn die WTO betrachtet das Abkommen über eine Zollunion mit der EG als konträr zu WTO-Regeln, da es ein gesamtes Gebiet (Landwirtschaft) ausschließt.280 Deshalb ist Andorra Beobachter in der WTO, aber kein Mitglied.281 8. Die Staatseigenschaft Andorras Mit der Verfassung 1993 wurde erstmals eine umfassende demokratische Struktur in Andorra kodifiziert. Damit wurden die ca. 700 Jahre alten Pareatges-Verträge abgelöst. In der Verfassung von 1993 wird Andorra in Art. 1 (1) als unabhängiger souveräner Staat deklariert.282 Vor der Verabschiedung der Verfassung 1993 gab es keine allgemein akzeptierte Einordnung des völkerrechtlichen Status Andorras. Einer der Gründe war das hohe Alter der Pareatges, wodurch eine Interpretation laut modernem Völkerrecht sehr schwierig war, was dazu führte, dass man den Status verschiedenartig auslegte. Daraus ergab sich, dass Andorra zum Teil als Co-Protektorat, als Kondominium oder Co-Imperium sowie als Staat sui generis eingeordnet wurde. Auch wenn schon vor Verabschiedung der Verfassung von einigen Autoren festgestellt wurde, dass Andorra grundsätzlich die Elemente der Staatseigenschaft erfüllt, wurde dies von der Staatenwelt bis dahin nicht anerkannt. Ein anderes Problem der völkerrechtlichen Einordnung beruht darauf, dass Frankreich lange das Außenvertretungsrecht für Andorra für sich beanspruchte, was zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Co-Fürsten führte.283 279 Vgl. Government of Andorra 2009h; Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 12 ff.; Duursma 1996, S. 365 f.; Marxer/Pállinger 2009, S. 913. 280 Vgl. WT/ACC/AND/8, S. 39 f.; World Trade Organization 2008; Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 36; Maresceau 2008, S. 284. 281 Vgl. World Trade Organization 2008; Maresceau 2008, S. 284; Marxer/Pállinger 2009, S. 913. 282 Vgl. Stapper 1999, S. 59; Duursma 1996, S. 366. 283 Vgl. Stapper 1999, S. 59 f.; Zemanek 1981, S. 136 ff., 148 ff.
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D. Das Fürstentum Andorra und seine Integration in die EU
So wurde Andorra lange als Überbleibsel der Feudalzeit ohne völkerrechtliche Existenz und überwiegend nicht als ein souveräner Staat angesehen, was sich erst in den 1980er Jahren mit der Einleitung der Reformen des politischen Systems in Andorra änderte.284 Erst nachdem in Andorra die wichtigen politischen Reformen durchgeführt wurden, interessierte sich die übrige Welt für das Fürstentum. Dazu gehörte, dass der Europarat 1989 einen ausführlichen Bericht über Andorra verabschiedete.285 Noch wichtiger für die Akzeptanz Andorras war die EG. Sie führte schon seit dem Beitritt Spaniens Verhandlungen mit Andorra und trug damit erheblich zu dessen Aufwertung bei. In einer Pressemitteilung der Kommission vom 14. Dezember 1988 heißt es: Andorra ist ein unabhängiger Staat unter der gemeinsamen Herrschaft des Präsidenten der französischen Republik und des Bischofs von Urgell.286 Das Inkrafttreten der Verfassung in Andorra am 4. Mai 1993 schafft Sicherheit bezüglich des völkerrechtlichen Status. Noch im selben Jahr wurde das Fürstentum in die UNO aufgenommen und ein Jahr später in den Europarat.287 Gleich zu Beginn der Verfassung wird auf die Souveränität Andorras verwiesen. Hinsichtlich des Staatsgebietes Andorras ist festzustellen, dass das CoFürstentum der größte der fünf hier untersuchten Mikrostaaten ist. Da, wie schon diskutiert, die Kleinheit eines Staatsgebietes kein Grund zur Negation derer ist, kann man schlussfolgern, dass Andorra diese Bedingung erfüllt. Außerdem kann festgehalten werden, dass weder Frankreich noch Spanien das Fürstentum als zugehörig zu ihrem Staatsgebiet betrachten.288 Die beiden Nachbarstaaten verpflichteten sich, die territoriale Integrität Andorras zu wahren, was die Anerkennung des Staatsgebietes impliziert (Art. 3 Nachbarschaftsvertrag).289 Das Staatsvolk betreffend ist in Andorra besonders, dass die 36% der Einwohner Andorras, die Staatsangehörige des Landes sind, eine Minderheit bilden. Sie leben jedoch schon lange in dem Gebiet und sie stellen eine dauerhafte Population dar in der Bedeutung des Kriteriums für Staatlichkeit. Seit der Verkündung der Verfassung 1993 besitzt Andorra ein kodifiziertes rechtliches Regierungssystem. Die Befugnisse jedes verfassungsrecht284
Vgl. Stapper 1999, S. 60; Maresceau 2008, S. 275; Waschkuhn 2003, S. 761. sh. Punkt D. I. 7. b); vgl. Stapper 1999, S. 60. 286 EP Doc. A3-0256/90 vom 18.10.1990, S. 5; sh. Punkt D. II. 2.; vgl. Stapper 1999, S. 60. 287 sh. Punkte D. I. 7. a)/b); vgl. Stapper 1999, S. 60. 288 U. a. Vertrag zwischen Spanien und Andorra von 1863. 289 Vgl. Duursma 1996, S. 367. 285
I. Charakteristika des Staates Andorra
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lichen Organs wurden klar definiert, um eine demokratische Regierung, basierend auf dem Rechtsstaatsprinzip, zu garantieren. Die effektive Kontrolle der Regierungsinstitutionen wurde verbessert. Die Regierung von Andorra übt im weitesten Sinne Macht innerhalb seines Staatsgebietes aus.290 Somit ist auch das Kriterium der Staatsgewalt erfüllt. Untersucht man die Souveränität und Unabhängigkeit Andorras, gibt es einige wenige Bereiche, bezüglich deren andere Staaten behaupten, Einflussrechte in andorranische Angelegenheiten zu haben, die somit auch die formale Unabhängigkeit des Fürstentums einschränken. Einer dieser Bereiche ist die diplomatische Vertretung. Gemäß Art. 45 Abs. 1 (e) der andorranischen Verfassung ist ein andorranischer diplomatischer bzw. konsularischer Dienst vorgesehen. Die Nutzung anderer diplomatischer Dienste ist ein zusätzliches Mittel der Vertretung, was nur akzeptabel für Andorra ist, wenn diese Dienste von seinen Anweisungen abhängig sind. Somit bleibt die Unabhängigkeit Andorras bestehen, solange Frankreich und Spanien, wenn sie ihre diplomatischen Dienste Andorra zur Verfügung stellen, eine legale Garantie bieten, dass ihre Vertreter entsprechend der Wünsche des Fürstentums handeln.291 Ein weiterer Bereich mit Einflussmöglichkeiten anderer Staaten sind die Co-Fürsten. Laut Art. 43 Abs. 2 der Verfassung sind der Bischof von Urgell und der Präsident der Französischen Republik persönlich und exklusiv die Co-Fürsten, die ihre Rechte in Übereinstimmung mit der Verfassung ausüben. Dennoch sind diese Rechte aufgrund der speziellen Beziehungen der Co-Fürsten mit Spanien und dem Heiligen Stuhl bzw. mit Frankreich beschränkt.292 Die Beziehungen zwischen dem Bischof von Urgell und Spanien sind recht liberal. Spanien hat kein Recht, dem bischöflichen Co-Fürsten Politiken aufzuzwingen. Spanien hat dem Bischof von Urgell die Privilegien und Immunitäten für ausländische Staatsoberhäupter unter Völkerrecht garantiert. Ein gewisser Einfluss des Heiligen Stuhls auf den Bischof von Urgell kann nicht abgestritten werden. Allerdings weist der Heilige Stuhl den Bischof von Urgell in andorranischen Angelegenheiten nicht an.293 Die Beziehungen des französischen Co-Fürsten zu Frankreich sind verschwommener. Zwar ist laut der französischen Verfassung der französische Co-Fürst frei, seine Handlungen in Andorra zu bestimmen, doch spricht die 290
Vgl. Duursma 1996, S. 367. In Übereinstimmung mit der Wiener Konvention über Diplomatische Beziehungen; Art. 6 des Nachbarschaftsvertrages; vgl. Duursma 1996, S. 367. 292 Vgl. Duursma 1996, S. 368. 293 Vgl. Duursma 1996, S. 368. 291
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D. Das Fürstentum Andorra und seine Integration in die EU
französische Verfassung auch nicht dagegen, die Gegenzeichnung des französischen Premierministers für jede Handlung des französischen Präsidenten zu nutzen, eben auch in seiner Tätigkeit als Co-Fürst von Andorra. Somit ist die formale Unabhängigkeit Andorras nur gewährleistet, wenn Frankreich zusichert, dass der französische Co-Fürst seine Rechte in Andorra unabhängig vom französischen Staat ausüben kann. Frankreichs Verpflichtung Andorras Unabhängigkeit zu wahren (Art. 3 Nachbarschaftsvertrag) ist daher bestimmend für Andorras formale und tatsächliche Unabhängigkeit.294 Ein zusätzlicher Bereich der möglichen Beeinflussung Andorras von außen ist die Festlegung, dass Andorra die internen und externen Sicherheitsinteressen von Frankreich und Spanien respektieren muss (Art. 5 Nachbarschaftsvertrag). Das Fürstentum sollte außerdem die grundlegendsten Interessen von Frankreich und Spanien achten, die im Gegenzug auch Andorras grundlegende Interessen wahren werden (Art. 4 Abs. 1 Nachbarschaftsvertrag).295 Diese Verpflichtungen implizieren, dass Frankreich und Spanien nicht mehr von Andorra verlangen als das Fürstentum von ihnen. Dies sollte also nicht zu einem Verlust der formalen Unabhängigkeit Andorras führen. In diesem Sinn sollte der Charakter der Interessen der Vertragsparteien interpretiert und bestimmt werden.296 Die Unabhängigkeit Andorras betreffend ist zusammenfassend festzustellen, dass es durch den trilateralen Nachbarschaftsvertrag genügend legale Garantien gibt, dass die formale Unabhängigkeit Andorras akzeptiert und gewahrt wird. Schwieriger ist es, festzustellen, ob das Fürstentum tatsächliche Unabhängigkeit besitzt.297 Vor allem durch die Verabschiedung der Verfassung und des Nachbarschaftsvertrages ist Andorras formale Unabhängigkeit gesichert, so dass auch seine tatsächliche Unabhängigkeit seit dem deutlich stabiler ist. Eng mit der Unabhängigkeit und Souveränität verbunden ist die internationale Anerkennung Andorras. Eine ernsthafte Schwierigkeit, mit der Andorra in dem Bemühen internationale Rechtspersönlichkeit zu erlangen, konfrontiert war, war die Position der französischen Regierung. Lange Zeit vertrat diese den Standpunkt, Andorra sei nur ein Gebiet, aber kein souveräner Staat und deshalb könnte nur der französische Co-Fürst, also der französische Präsident, darüber entscheiden, ob ein internationales Abkommen in Andorra angewandt würde.298 Nach und nach wurde diese Interpretation durch führende internationale Rechtsexperten bezweifelt und auch der 294 295 296 297 298
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Duursma 1996, S. 368 f. Duursma 1996, S. 369. Duursma 1996, S. 370. Duursma 1996, S. 370. Maresceau 2008, S. 275; Marques 1989, S. 252 ff.
I. Charakteristika des Staates Andorra
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zweite Co-Fürst, der Bischoff von Urgell, war nicht länger bereit, dieser französischen Interpretation zu folgen und plädierte daher mehr und offener für die Anerkennung der internationalen Rechtspersönlichkeit des Fürstentums.299 Frankreich und Spanien waren dann die ersten Staaten, die Andorra als völkerrechtlichen Staat anerkannten. Mindestens bis zum Abschluss des trilateralen Nachbarschaftsvertrages 1993 war die internationale Anerkennung Andorras als Staat nicht eindeutig.300 Die EG-Kommission war zuvor das erste internationale Organ, das in einer Pressemitteilung vom 14. Dezember 1988 direkt erklärt hat, dass Andorra ein unabhängiger Staat sei.301 Schließlich wurde ein Abkommen zwischen der EWG und Andorra in Form eines Briefwechsels abgeschlossen, was impliziert, das alle damaligen EU-Mitgliedstaaten Andorra als Staat anerkannten. Darauf folgend erachteten es weder die UNO, UNESCO oder der Europarat als notwendig, Andorras Staatlichkeit zu untersuchen.302 Zusammenfassend ist festzustellen, dass Andorra die rechtlichen Kriterien der Staatseigenschaft Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt erfüllt. Auch die politischen Kriterien sind in Andorra weitestgehend umgesetzt. Sicher ist, dass Andorra in der internationalen Gemeinschaft als Staat anerkannt wird. Die beiden wichtigsten Schritte auf diesem Weg waren die Verfassung von 1993 sowie die Unterzeichnung des trilateralen Nachbarschaftsvertrages zwischen Andorra, Frankreich und Spanien 1993. 9. Zusammenfassung Das Fürstentum Andorra liegt mit einer Größe von 468 km2 in den Pyrenäen zwischen Spanien und Frankreich. Es hat 84.000 Einwohner, die Hauptstadt ist Andorra la Vella. Die Amtssprache ist Katalanisch, aber auch Französisch und Spanisch werden gesprochen. Bis 1993 war der internationale Status Andorras unklar. Mit der neuen Verfassung, die im März 1993 in Kraft trat, wurde Andorra in ein parlamentarisches Co-Fürstentum umgewandelt. Staatsoberhäupter sind zwei Co-Fürsten, nämlich der Staatspräsident Frankreichs sowie der Bischof von Urgell in Spanien, die in Andorra durch Vertreter repräsentiert werden. Beide haben repräsentative Aufgaben sowie das Vetorecht bei internationa299
Vgl. Maresceau 2008, S. 275 f.; Zemanek 1981, S. 187. Vgl. Duursma 1996, S. 370. 301 EP Doc. A3-0256/90 vom 18.10.1990, S. 5; vgl. Duursma 1996, S. 371; Stapper 1999, S. 60. 302 sh. Punkte D. I. 7. a)/b); vgl. Duursma 1996, S. 371. 300
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D. Das Fürstentum Andorra und seine Integration in die EU
len Verträgen und der Gesetzgebung. Die Herrschaftsrechte des Bischofs von Urgell aus Spanien liegen bei der katholischen Kirche, so dass Andorra neben dem Vatikan der einzige christliche Kirchenstaat der Welt ist. Daneben besitzt der andorranische Regierungschef zahlreiche Funktionen eines Staatsoberhauptes. Durch die Verfassung von 1993 wurden die Hauptelemente der legislativen und exekutiven Gewalt von den Co-Fürsten auf den Generalrat übertragen. Das juristische System bietet größere legale Sicherheit als vorher und es verfügt über eine sehr differenzierte Struktur. Ebenso hat auch die Bevölkerung Andorras mehr Rechte als zuvor. Hauptwirtschaftszweig ist der Tourismus, durch den 80% des BNP eingenommen werden. Weiterhin trägt der Finanzdienstleistungsbereich substantiell zum Wirtschaftswachstum bei, so dass Andorra den Status eines Steuerparadieses genießt. In der Außenpolitik des Co-Fürstentums folgt man dem Prinzip der Neutralität. Wichtiges Ziel dabei ist, die Staatlichkeit zu festigen. Eine Priorität sind dabei die Beziehungen zu den Nachbarstaaten sowie in den letzten Jahren zunehmend die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen. Diese Mitgliedschaften in internationalen Organisationen zeugen von der Anerkennung Andorras in der internationalen Staatenwelt. Die internen Reformen, der Nachbarschaftsvertrag mit seinen Nachbarstaaten sowie die Verfassung von 1993 haben Andorras Unabhängigkeit von seinen Nachbarstaaten sowie seine Souveränität weitestgehend hergestellt. Die Unabhängigkeit und Staatlichkeit Andorras können erhalten werden, wenn garantiert wird, dass die Befugnisse der Co-Fürsten unabhängig von den Staaten ausgeführt werden können, mit denen die Co-Fürsten spezielle Beziehungen unterhalten. Durch die rechtlichen Garantien des trilateralen Nachbarschaftsvertrags wurde Andorra zu einem Staat gemäß Völkerrecht. Obwohl die Präsenz Andorras im internationalen Bereich in der Vergangenheit recht beschränkt war, wurde durch die erlangte Staatlichkeit ein Rahmen geschaffen, der eine aktivere Beteiligung in der Zukunft erlaubt.
II. Die Integration Andorras in die Europäische Union
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II. Die Integration Andorras in die Europäische Union 1. Andorras indirekte Integration in die EU durch die Beziehungen zu den Nachbarstaaten a) Handel und Zoll Die beiden Nachbarstaaten Andorras, Frankreich und Spanien, sind heute beide EU-Mitgliedstaaten. Durch die Beziehungen, die Andorra zu den beiden Staaten unterhält, wird es indirekt in die EU integriert. Die Beziehungen sind historisch gewachsen und bestanden schon lange, bevor die EU gegründet bzw. Spanien der EU beigetreten ist. Die Handelsabkommen in Form eines Briefwechsels mit Frankreich und Spanien von 1867 waren lange Zeit die einzigen internationalen Instrumente Andorras.303 Das am 28. Juni 1990 unterzeichnete Abkommen über eine Zollunion zwischen Andorra und der EWG trat am 1. Juli 1991 in Kraft und beendete das Zollregime, wie es durch den Briefwechsel von 1867 angewandt wurde (Art. 25 Zollabkommen zwischen Andorra und EWG).304 Vor dem Inkrafttreten des Handelsabkommens mit der EG wurde Andorra zwar als ein Drittstaat gegenüber der EG angesehen, doch trotzdem hatte die Existenz der EG Einfluss auf Andorra, besonders durch die Beziehungen zu den EG-Mitgliedstaaten, speziell zu Frankreich und Spanien. Diese Beziehungen hatten natürlich auch Einfluss auf den EG-Binnenmarkt. Die Situation Andorras war vor allem dadurch problematisch, dass von den zwei großen Nachbarn lange Zeit nur Frankreich der EG angehörte.305 Die wirtschaftlichen Beziehungen zu Frankreich bzw. Spanien hatten im Wesentlichen die bilateralen Handelsabkommen in Form eines Briefwechsels mit Frankreich und Spanien von 1867 als Grundlage. Beide wurden im Jahr 1867 abgeschlossen, inhaltlich wiesen sie jedoch Unterschiede auf.306 Es stellt sich die Frage, ob Andorra schon vor Abschluss des Handelsabkommens mit der EG Teil der EG-Zollunion war. Da Produkte zwischen Frankreich und Andorra untereinander zollfrei verkehrten, könnte man dies schlussfolgern. Allerdings wurde in der Verordnung 1496/68 vom 27. September 1968307 eindeutig festgehalten, dass Andorra nie als Teil des Zoll303 304 305 306 307
Vgl. Maresceau 2008, S. 275; Raton 1991, S. 21 f.; Emerson 2007, S. 41. Genauer dazu in den Punkten D. II. 1. a), D. II. 2. b). Vgl. Duursma 1996, S. 359; Stapper 1999, S. 63. sh. Punkt D. I. 6. c)/d); vgl. Stapper 1999, S. 63; Gstöhl 2001, S. 116. ABl. L 238 vom 28.09.1968, S. 1 ff.
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D. Das Fürstentum Andorra und seine Integration in die EU
gebietes der EG angesehen wurde, im Gegensatz zu Monaco und San Marino. Es ist zwar richtig, dass die Handelsregelungen zwischen Frankreich und Andorra einen unter den ehemaligen Art. 307 EGV (heute Art. 351 AEUV) fallenden Sachverhalt darstellten, und somit Frankreich dazu berechtigt war, seine zollrechtlichen Beziehungen mit Andorra auch nach der Gründung der EG-Zollunion zu erhalten.308 Doch die dort geltenden Regelungen für den Handel mit Drittländern waren mit der EG-Handelspolitik nicht vereinbar. Eine Eingliederung in das Gebiet der EG-Zollunion kam außerdem nicht in Frage, da Frankreich die Praktiken zur Vermeidung der Reimporte nicht abschaffte.309 In der Antwort der Kommission auf die Anfrage 191/78 vom 2. Mai 1978 des EU-Parlamentariers Spénale310 bestätigte die Kommission die Tatsache, dass die Gemeinschaft durch den EWGV an die Vereinbarung zwischen Frankreich und Andorra gebunden war, also dass der Briefwechsel zwischen Frankreich und Andorra, in dem das Zollregime Andorras definiert wurde, nicht durch den EWGV beeinflusst wurde.311 Der Rat erkannte in der Verordnung 918/83 vom 28. März 1983 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen312 ausdrücklich die Sonderstellung Andorras an. Er hielt fest, dass die Zollbefreiungen in Frankreich, die sich aus dem Vertrag von 1867 zwischen Frankreich und Andorra ergeben, beibehalten werden.313 In einer weiteren Antwort der Kommission auf die Anfrage 900/86 eines EU-Parlamentariers im Jahr 1986 betonte die Kommission nochmals, dass die Bestimmungen des EWGV bezüglich des Freien Verkehrs von Personen, Niederlassungsfreiheit und Dienstleistungsfreiheit nicht auf Andorra zutraf.314 Andorra wurde demnach, im Gegensatz zu San Marino und Monaco, vor Abschluss des Abkommens mit der EG 1991 nicht als Teil des Zollgebietes der EG angesehen. Man erkennt, dass sich die Gemeinschaft der Sonderstellung Andorras bewusst war. Mit dem Beitritt Spaniens zur EG wurde die Lage nun komplizierter, da die zwischen Andorra und Spanien vereinbarten zollfreien Kontingente für die Ein- und Ausfuhr im Gegensatz zur Handelspolitik der EG standen. Spanien war bei weitem Andorras wichtigster Handelspartner, doch der bilaterale Briefwechsel von 1867 konnte nicht länger ihre bilatera308 309 310 311 312 313 314
Vgl. Stapper 1999, S. 62; Hummer 2004, S. 91. Vgl. Stapper 1999, S. 65. ABl. C 238 vom 09.10.1978, S. 14 f.; vgl. Stapper 1999, S. 65. Vgl. Stapper 1999, S. 65; Duursma 1996, S. 359. ABl. L 105 vom 23.04.1983, S. 1 ff. Vgl. Stapper 1999, S. 65. ABl. C 54 vom 02.03.1987, S. 31; vgl. Duursma 1996, S. 359.
II. Die Integration Andorras in die Europäische Union
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len Handelsbeziehungen lenken. Daher wurde während der EG-Beitrittsverhandlungen Spaniens erkannt, dass auch die Beziehungen zwischen der EG und Andorra auf eine neue Grundlage gestellt werden mussten.315 b) Währung Das Fürstentum Andorra hat weder eine offizielle Währung noch hat es mit einem EU-Mitgliedstaat oder einem Drittland eine Währungsvereinbarung geschlossen. Anders als mit dem Vatikan, San Marino und Monaco ist momentan auch kein Abkommen zwischen Andorra und der EG bezüglich einer Währungsunion in Kraft. Trotzdem nutzt das Fürstentum den Euro als offizielle Währung, doch wurden bisher keine eigenen Münzen mit andorranischer Prägung herausgegeben. Der Grund für die derzeit gängige Praxis liegt in der Geschichte des Landes, da Andorra vor der Einführung des Euros den Französischen Franc als Zahlungsmittel nutzte. Gleichzeitig waren auch die spanischen Peseten als Zahlungsmittel anerkannt. Auch damals gab es keine Währungsvereinbarung zwischen Andorra und Frankreich bzw. Spanien. Nach der Währungsumstellung in Frankreich und Spanien hat Andorra die zuvor verwendeten spanischen und französischen Banknoten und Münzen am 1. Januar 2002 durch den Euro als de facto-Währung des Fürstentums ersetzt, ohne das die EU interveniert hätte.316 In ihrer Antwort auf die schriftliche Anfrage Nr. 2063/98 bezüglich der Einführung des Euro und die Ausgabe von Briefmarken durch Andorra, Monaco, San Marino und Vatikanstadt317 stellt die Kommission am 21. September 1998 fest, dass die Gemeinschaft grundsätzlich nicht verhindern kann, dass der Euro in Drittländern verwendet wird. Sie erläutert, dass es Parteien in Drittländern frei steht, Verträge in Euro aufzusetzen, solange das dem jeweils geltenden Vertragsrecht nicht entgegensteht. Indirekt könnte man daraus schlussfolgern, dass sie auch nichts gegen diesen Zustand unternehmen will, dass wie im Falle Andorras, ein Staat ohne Währungsvereinbarung mit der EU den Euro als offizielle Währung verwendet. Da dieser Zustand, sowohl für die EU als auch Andorra, nicht befriedigend war, hat Andorra am 15. Juli 2003 offiziell den Abschluss einer Währungsvereinbarung mit der Gemeinschaft beantragt.318 Die EG wie315 Vgl. Gstöhl 2001, S. 116; Stapper 1999, S. 65; Maresceau 2008, S. 276; Murray 2006, S. 188. 316 Vgl. Dózsa 2008, S. 97; Murray 2006, S. 191; Marxer/Pállinger 2009, S. 913; Duursma 1996, S. 302, 340 f., 360 f.; European Commission 2009; Fischer Weltalmanach 2009; Emerson 2007, S. 3. 317 ABl. C 118 vom 29.04.1999, S. 20. 318 Punkt 6 Präambel, ABl. L 244 vom 16.07.2004, S. 47 ff.
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D. Das Fürstentum Andorra und seine Integration in die EU
derum wollte dies mit dem Abschluss eines Abkommens zur Besteuerung von Zinserträgen verbinden. Daher wurde die Zusage, Verhandlungen zu einem Währungsabkommen zu eröffnen, abhängig gemacht von der Unterzeichnung und Ratifizierung eines Abkommens zur Besteuerung von Zinserträgen durch Andorra. Diese durch die Gemeinschaft an Andorra gestellte Bedingung ist etwas verwunderlich, da es unabhängig von einem Abkommen über die Besteuerung von Zinserträgen im Interesse der Gemeinschaft ist, ein Abkommen mit Drittstaaten zu schließen, wenn diese den Euro nutzen.319 Dementsprechend äußerte sich auch die Europäische Zentralbank in ihrer Stellungnahme vom 1. April 2004 zu einer Empfehlung der Kommission für eine Entscheidung des Rates über den von der Gemeinschaft zu vertretenden Standpunkt bezüglich einer Vereinbarung über die Währungsbeziehungen zum Fürstentum Andorra.320 Sie stellt fest, dass es im Interesse der Gemeinschaft wäre, Verhandlungen über eine Währungsvereinbarung mit Andorra aufzunehmen. Die EZB ist der Auffassung, dass eine Vereinbarung zwischen der Gemeinschaft und Andorra den rechtlichen Status des Euro in Andorra klarstellen wird. Am 11. Oktober 2000 verabschiedete Andorra einseitig das Gesetz über die Maßnahmen zur Gewährleistung des Übergangs zum Euro im Fürstentum Andorra,321 dem bestimmte Verordnungen des Rates über die Einführung des Euro beigefügt wurden. Die EZB ist der Ansicht, dass Drittländer den Euro nur infolge einer Vereinbarung mit der Gemeinschaft einführen sollten. Schließlich betont die EZB, dass die Aufnahme von Verhandlungen über eine Währungsvereinbarung mit Andorra keineswegs als Präzedenzfall für künftige Verhandlungen über Währungsvereinbarungen zwischen der Gemeinschaft und anderen Drittländern angesehen werden sollte. In diesem Zusammenhang weist die EZB darauf hin, dass das bisherige Fehlen einer formellen Währungsvereinbarung zwischen Andorra und den Mitgliedstaaten die Tatsache widerspiegelt, dass Andorra, anders als die Republik San Marino, der Staat Vatikanstadt und das Fürstentum Monaco, erst 1993 den Status eines souveränen Staates erlangte. Dies könnte auch erklären, warum Andorra nicht in der Erklärung Nr. 6 des Vertrages von Maastricht zu den Währungsbeziehungen zur Republik San Marino, zum Staat Vatikanstadt und zum Fürstentum Monaco, die dem Vertrag über die Europäische Union beigefügt ist, aufgeführt wurde.322 Als Fazit der Stellungnahme hält die EZB fest, dass sie eine Vereinbarung über Währungsbeziehungen mit Andorra begrüßen würde. 319 320 321 322
Vgl. Maresceau 2008, S. 299. ABl. C 88 vom 08.04.2004, S. 18 f. BOPA, 8. November 2000. ABl. C 191 vom 29.7.1992, S. 99 (Vertrag von Maastricht).
II. Die Integration Andorras in die Europäische Union
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In der Entscheidung Nr. 548/04 des Rates vom 11. Mai 2004 über den von der Gemeinschaft zu vertretenden Standpunkt zu einer Vereinbarung über die Währungsbeziehungen zum Fürstentum Andorra,323 die an die Kommission gerichtet ist, wird festgehalten, dass auch der Rat in Anbetracht der engen Wirtschaftsbeziehungen zu Andorra eine Vereinbarung in diesem Bereich empfiehlt. Diese Vereinbarung soll Regelungen über EuroBanknoten und -Münzen, den Rechtsstatus des Euro in Andorra sowie den Zugang zu den Zahlungsverkehrssystemen des Eurogebiets enthalten. Da der Euro in Andorra bereits verwendet wird, soll vereinbart werden, dass Andorra den Euro als offizielle Währung verwendet und Euro-Banknoten und -Münzen den Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels zuerkennt (Punkt 7 Präambel). Gemäß der Entscheidung soll die Kommission Andorra über die Bereitschaft der Gemeinschaft unterrichten, zum frühestmöglichen Zeitpunkt eine Vereinbarung über Währungsangelegenheiten zu schließen, und Verhandlungen für den Abschluss einer derartigen Vereinbarung vorschlagen (Artikel 1). Andorra soll berechtigt werden, den Euro als offizielle Währung zu verwenden und Euro-Banknoten und -Münzen den Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels zuzuerkennen (Artikel 3). Im Gegenzug soll sich Andorra verpflichten, keine Banknoten, Münzen oder Geldsurrogate irgendwelcher Art auszugeben, außer wenn die Bedingungen für eine solche Ausgabe mit der Gemeinschaft vereinbart worden sind (Artikel 4). Andorra soll sich weiterhin verpflichten, die Gemeinschaftsregeln für Euro-Banknoten und -Münzen einzuhalten und bei dem Schutz der Euro-Banknoten und -Münzen vor Fälschungen und gegen Betrug eng mit der Gemeinschaft zusammenzuarbeiten und Regeln zu erlassen, die die Gemeinschaftsregeln in diesem Bereich umsetzen (Artikel 5). Zusätzlich wird es Andorra zur Pflicht, alle Maßnahmen zu ergreifen, die der Anwendung aller einschlägigen Bestimmungen der Bank- und Finanzvorschriften der Gemeinschaft förderlich sind (Artikel 6). Es wird weiterhin festgelegt, dass die Kommission im Namen der Gemeinschaft die Verhandlungen mit Andorra über die in den Artikeln 3 bis 6 genannten Bereiche führt, dabei werden Spanien und Frankreich in vollem Umfang an den Verhandlungen beteiligt. Die EZB wird in vollem Umfang an den Verhandlungen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, beteiligt (Artikel 7). Bezüglich des Zeitpunkts der Verhandlungen einigt man sich, dass man beginnt, sobald der Rat auf der Grundlage zu der Auffassung gelangt ist, dass die Voraussetzungen für die Einleitung derartiger Verhandlungen gegeben sind. Zu den Voraussetzungen gehört unter anderem, dass beide Par323
ABl. L 244 vom 16.07.2004, S. 47 ff.
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D. Das Fürstentum Andorra und seine Integration in die EU
teien die Vereinbarung über die Besteuerung von Einkünften aus Zinserträgen im Vorfeld paraphiert haben, und dass Andorra sich verpflichtet, eine solche Vereinbarung vor einem mit der Gemeinschaft abzustimmenden Zeitpunkt abzuschließen (Artikel 8). Sollte Andorra die Vereinbarung über die Besteuerung von Zinserträgen nicht vor dem vereinbarten Datum abgeschlossen haben, werden die Verhandlungen über die Währungsvereinbarung ausgesetzt, bis der Abschluss der Vereinbarung erfolgt ist. Wenige Monate später legt die Kommission am 9. August 2004 eine Empfehlung für einen Beschluss des Rates zur Aufnahme der Verhandlungen über eine Vereinbarung über die Währungsbeziehungen zum Fürstentum Andorra vor.324 In der Begründung für den Beschluss wird dargelegt, dass Art. 8 der Entscheidung 548/04 des Rates erfüllt wurde und damit die Voraussetzungen für die Aufnahme für Verhandlungen gegeben sind. Beide Parteien haben das Abkommen über die Besteuerung von Zinserträgen am 1. Juli 2004 paraphiert und Andorra hat sich verpflichtet, das Abkommen bis zum 30. April 2005 zu ratifizieren.325 Somit können Verhandlungen über eine Vereinbarung über Währungsangelegenheiten eingeleitet werden. Auf Ersuchen des Rates für einen Beschluss zur Aufnahme dieser Verhandlungen gibt die Europäische Zentralbank am 6. Oktober 2004 erneut eine Stellungnahme326 diesbezüglich ab. Aus der Sicht der EZB bestehen keine Einwände gegen einen Ratsbeschluss zur Aufnahme von Verhandlungen mit Andorra. So beschließt der Rat am 21. Oktober 2004 die Aufnahme der Verhandlungen über eine Vereinbarung über die Währungsbeziehungen zum Fürstentum Andorra.327 Er stellt nochmals fest, dass die Voraussetzungen für die Aufnahme von Verhandlungen mit dem Fürstentum Andorra erfüllt sind. Die Kommission setzt das Fürstentum Andorra davon in Kenntnis, dass die Gemeinschaft zum Abschluss einer Vereinbarung über Währungsangelegenheiten bereit ist, und bietet Verhandlungen über eine solche Vereinbarung an. Allerdings weist der Rat darauf hin, dass diese Verhandlungen ausgesetzt werden, falls Andorra das Abkommen über die Besteuerung von Zinserträgen nicht bis zum 30. April 2005 ratifizieren sollte.328 Die offiziellen Verhandlungen begannen daraufhin am 28. Oktober 2004.329 In diesem Fall – anders als bei den Währungsvereinbarungen mit 324
KOM (2004) 548 endgültig, ABl. C 256 vom 16.10.2004, S. 9. Verbalnote der Botschafterin des Fürstentums Andorra bei der Gemeinschaft, Frau Meritxell Mateu, vom 1. Juli 2004, dass es das Abkommen bis spätestens 30. April 2005 ratifizieren will. Das Abkommen über die Besteuerung von Zinserträgen trat am 1. Juni 2005 in Kraft. Genauer dazu sh. Punkt D. II. 2. d). 326 KOM (2004) 548 endgültig, ABl. C 256 vom 16.10.2004, S. 9. 327 ABl. L 332 vom 06.11.2004, S. 15. 328 ABl. L 332 vom 06.11.2004, S. 15. 325
II. Die Integration Andorras in die Europäische Union
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Monaco, San Marino und dem Vatikan – verhandelt die Europäische Kommission im Namen der Gemeinschaft das Abkommen, in Verbindung mit Frankreich und Spanien sowie der EZB in deren Kompetenzbereichen.330 Bisher kamen die Verhandlungen über die Währungsbeziehungen zum Fürstentum Andorra noch zu keinem Abschluss. Es ist zu erwarten, dass die Verhandlungen langwierig sind, vor allem aufgrund der Tatsache, dass Andorra – im Gegensatz zu Monaco, San Marino und dem Vatikan – zuvor noch kein Währungsabkommen mit einem EU-Mitgliedstaat abgeschlossen hatte.331 Vor Abschluss des Abkommens ist es notwendig, eine Reihe von Gesetzen zur Regulierung und Überwachung des andorranischen Finanzmarktes zu verabschieden. Deswegen arbeitet das andorranische Finanzministerium an Gesetzen zur Regulierung finanzieller Investmentaktivitäten in Übereinstimmung mit den EU-Standards, um das Abkommen über Währungsbeziehungen voranzutreiben.332 Andorra ist bestrebt, angemessene legislative Mittel zu schaffen, um das relevante Gemeinschaftsrecht anzuwenden.333 c) Status der Übernahme des Besitzstandes von Schengen Um es für Bürger Andorras zu vereinfachen, nach Andorra zu gelangen, da sie dafür immer EU-Außengrenzen übertreten müssen, erstrebte Andorra eine Erlaubnis für andorranische Bürger auf gleiche Weise behandelt zu werden, wie EU-Bürger, um somit lange Abfertigungszeiten an den Grenzen als Nicht-EU-Bürger zu verringern.334 Dieser Bitte wurde im Jahr 2004 nachgekommen, so dass es heute den Staatsbürgern Andorras und ebenso San Marinos, erlaubt ist, die EU-Grenzen an den Passkontrollstellen zu passieren, die für EU-, EWR- und Schweizer Bürger reserviert sind („EU-Korridore“).335 Diese Vereinbarung gilt nur für die EU-Mitgliedstaaten, die dem Schengen-Raum angehören. Für die Nicht-Schengen-Staaten würde Andorra gern bilaterale Vereinbarungen diesbezüglich abschließen.336 Trotz dieser Vereinbarung haben bisher weder Andorra noch San Marino mit der EU ein Abkommen über den freien Personenverkehr geschlossen.337 329
Vgl. Murray 2006, S. 192; Maresceau 2008, S. 300. ABl. L 244 vom 16.07.2004, S. 47; vgl. Maresceau 2008, S. 300. 331 Vgl. Murray 2006, S. 193. 332 Vgl. Emerson 2007, S. 8, 13, 57. 333 Vgl. Maresceau 2008, S. 300. 334 Vgl. Murray 2006, S. 193. 335 Note of the Council Presidency to the Working party on Frontiers on the subject of Andorra and San Marino, 13020/1/04, Rev 1, 6 October 2004; vgl. Emerson 2007, S. 3, 58. 336 Vgl. Murray 2006, S. 193. 330
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D. Das Fürstentum Andorra und seine Integration in die EU
Außerdem hat Andorra bisher das Schengener Durchführungsübereinkommen nicht explizit unterzeichnet. Auch schon zuvor bestanden keine Grenzkontrollen zu den Nachbarländern Spanien und Frankreich.338 Dadurch ist Andorra ein de-facto-Teil des Schengengebietes, auch da die Einreisenden immer über Frankreich oder Spanien einreisen müssen (Andorra hat keinen Flughafen) und Andorra Schengen Visa akzeptiert.339 Kein Bürger eines Nicht-EU-Mitgliedstaates kann nach Andorra kommen, ohne vorher nicht die Bedingungen des Schengen-Visums erfüllt zu haben. Drittstaatsangehörige, die in Andorra einreisen möchten, benötigen ein „Multientry Schengen-Visum“, da sie beim Verlassen Andorras das Schengen-Gebiet wieder neu betreten dürfen müssen. In dem Abkommen über die Bewegungsfreiheit und den Aufenthalt von Staatsangehörigen von Drittstaaten,340 das von Andorra, Spanien und Frankreich im Jahr 2000 angenommen wurde und 2003 in Kraft trat, hat Andorra zugestimmt, seine Visapolitik mit der des Schengen-Gebietes zu koordinieren. Dies bleibt bisher jedoch eine theoretische Bestimmung, da Andorra keine Bedingungen für Visa für Nicht-EU-Bürger festgelegt hat.341 2. Andorras direkte Integration in die EU a) Die Anwendbarkeit des Unionsrechts Wie oben schon erwähnt, ist Andorra erst seit 1993 ein vollständig souveräner Staat. Die Beziehungen zur EU haben bisher einen eher geringen Umfang.342 Hinsichtlich der Beziehung des Fürstentums zur EU wird zunächst untersucht, ob der Acquis Communautaire generell für Andorra anwendbar ist, sprich ob Art. 355 Abs. 3 AEUV für Andorra gilt. Lange Zeit ging man von einer Geltung des Gemeinschafts- bzw. Unionsrechts für Monaco und San Marino aus, im Bezug auf Andorra war man sich jedoch unsicher.343 Gegen die Anwendbarkeit spricht, dass der französische Staatspräsident und der Bischof von Urgell Co-Souveränität über Andorra ausüben und damit zur Wahrnehmung der auswärtigen Beziehungen berechtigt sind. Frank337
Vgl. Maresceau 2008, S. 302. Vgl. Auswärtiges Amt 2009c. 339 Vgl. Emerson 2007, S. 3, 58. 340 sh. Punkt D. I. 6. b); vgl. Goverment of Andorra 2009d; Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 12 ff. 341 Vgl. Emerson 2007, S. 58. 342 Vgl. Emerson 2007, S. 2. 343 Vgl. Stapper 1999, S. 61. 338
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reich ist nicht allein befähigt, die Geltung des Unionsrechts auf Andorra auszuweiten. Laut Art. 355 Abs. 3 AEUV muss aber die Wahrnehmung der Außenbeziehung durch einen Mitgliedstaat erfolgen. Auch aus Sicht der französischen Seite erfüllt der Staatspräsident die Rolle des Co-Fürsten nicht als Vertreter des französischen Staats, sondern als natürliche Person. Die Anwendung von Art. 355 Abs. 3 AEUV scheitert somit am Merkmal der Wahrnehmung der auswärtigen Beziehungen.344 Lange Zeit glaubte man trotzdem, das Gemeinschaftsrecht über den heutigen Art. 355 Abs. 3 AEUV auf Andorra ausdehnen zu können. Andorras Außenbeziehungen wurden sicherlich lange nicht durch Andorra ausgeübt, wodurch die Voraussetzung erfüllt schien. Zusätzlich bemühte sich Frankreich immer wieder, ein Alleinvertretungsrecht in Fragen der andorranischen Außenbeziehungen in Anspruch zu nehmen, obwohl man sich im Rahmen der Co-Souveränität die Rechte mit dem Bischof von Urgell teilen musste. Zeitweise nahm Frankreich auch für sich in Anspruch, internationale Verträge, die in Frankreich gelten, auf Andorra auszudehnen. Zum Teil ging man sogar davon aus, dass alle von Frankreich geschlossenen Verträge auch in Andorra gelten, ohne dass dies gesondert vereinbart werden müsste.345 Dieses Vorgehen bzw. diese Ansicht wurde vom Bischof von Urgell nie anerkannt und birgt daher erhebliche rechtliche Zweifel. Auch die UNESCO und andere internationale Organisationen lehnten derartige Ansichten ab, dass Frankreich die Geltung völkerrechtlicher Verträge auf Andorra ausdehnen könnte. Daher distanzierte sich Frankreich auch bald von dieser Vorgehensweise und erkannte die gemeinsame Zuständigkeit der beiden Co-Fürsten für die auswärtigen Beziehungen an.346 Die Unklarheiten im Verhältnis Andorra-EG wurden auch deutlich, als am 11. August 1965 der deutsche Botschafter das französische Außenministerium in einem Schreiben anfragte, ob Andorra mit Hinweis auf den damaligen Art. 227 Abs. 4 EWGV (heute Art. 355 Abs. 3 AEUV) Teil der EG sei. Der französische Außenminister verneinte dies. Als Gründe nannte er zum ersten das Zollregime Andorras, das nicht mit den Römischen Verträgen vereinbar sei und zweitens den internationalen Status Andorras, der dem entgegenstehen würde.347 Den ersten Punkt betreffend ist anzumerken, dass, wie erwähnt, seit 1897 Produkte aus Andorra mit andorranischem Ursprung zollfrei nach Frankreich ausgeführt werden und EG-Ursprungswaren zollfrei nach Andorra ge344 345 346 347
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Stapper 1999, S. 61. Stapper 1999, S. 61 f.; Zemanek 1981, S. 45 ff. Stapper 1999, S. 62; Zemanek 1981, S. 48. Duursma 1996, S. 359; Stapper 1999, S. 62.
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D. Das Fürstentum Andorra und seine Integration in die EU
langen konnten. Durch die Verordnung 1496/68 des Rates348 (Zollkodex) wurde indirekt die These der Unvereinbarkeit des andorranischen Zollregimes mit EG-Recht bestätigt, da demnach Andorra nicht zum EG-Zollgebiet gehört.349 Das zweite Argument des französischen Außenministers, dass der Status Andorras einer Mitgliedschaft des Fürstentums in der EG entgegenstünde, deutete an, dass Frankreich seinen Alleinvertretungsanspruch Andorras aufgegeben hatte.350 Diese Position impliziert, im Gegensatz zu Frankreichs Politik gegenüber Andorra in anderen Fällen, dass Frankreich nicht erwog, die Außenbeziehungen des Mikrostaates zu bestimmen in dem Sinne, dass der EWGV auf dem Staatsgebiet Andorras gemäß dem damaligen Art. 227 Abs. 4 EWGV angewandt wurde.351 Demzufolge bot auch schon vor der Verabschiedung der Verfassung 1993 der rechtliche Status keine Grundlage für die Anwendung des EGV auf Andorra. Dies hat sich mit der Verfassung auch nicht geändert.352 Heute ist klar, dass Andorra gegenüber der EU ein Drittstaat ist, da Art. 355 Abs. 3 AEUV nicht auf das Fürstentum anwendbar ist. Der Acquis Communautaire ist daher nicht generell auf Andorra anwendbar.353 b) Das Abkommen im Bereich Handel und Zoll aa) Entstehung Vor dem Beitritt Spaniens zur EG unterhielt Andorra keine formalen Beziehungen zur EG und das Bedürfnis nach Absprachen mit der Gemeinschaft war nur sehr gering ausgeprägt. So wurde während der spanischen EG-Beitrittsverhandlungen das Handelsregime Andorras zum ersten Mal auf EG-Ebene zur Sprache gebracht. Die spanische Delegation und die EG tauschten im Dezember 1979 erstmals Informationen dazu aus. Auf der Ministerkonferenz am 18. Dezember 1979 sprach sich Spanien für die Beibehaltung der bis dahin geltenden Handelsbeziehungen zu Andorra aus und legte im März 1981 im Rahmen der Ministerkonferenz einen umfassenden Bericht diesbezüglich vor.354 348 349 350 351 352 353 354
ABl. L 238 vom 28.09.1968, S. 1 ff. Vgl. Stapper 1999, S. 62; Hummer 2004, S. 91. Vgl. Stapper 1999, S. 63. Vgl. Duursma 1996, S. 359. Vgl. Stapper 1999, S. 63. Vgl. Dózsa 2008, S. 96. Vgl. Stapper 1999, S. 65 f.
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Schon vor der Unterzeichnung des EG-Beitrittsvertrages durch Spanien unternahm die andorranische Regierung 1982 die Initiative und drängte die Co-Fürsten dazu, direkte Kontakte zwischen der Regierung und der EG zu unterstützen, um die wirtschaftlichen Konsequenzen eines möglichen EGBeitritts Spaniens abzuschätzen.355 Am 23. März 1984 wandte sich der Vorsitzende der Regierung Andorras in einem Schreiben an die beiden Co-Fürsten mit dem Vorschlag, Verhandlungen mit der Gemeinschaft über Handelsbeziehungen aufzunehmen, um die zukünftigen Beziehungen zu gestalten. Der Bischof von Urgell benachrichtigte den französischen Co-Fürsten über seine Bereitschaft, den Vorschlag des Regierungsvorsitzenden anzunehmen, dieser meldete sich jedoch nicht.356 Daraufhin informierte der französische Botschafter bei der EG die Kommission darüber, dass die Außenbeziehungen von Andorra durch den Französischen Präsidenten in seiner Funktion als Co-Fürst gesichert würden und dass nur er für die außenpolitische Vertretung Andorras zuständig sei.357 Weiterhin stellte Frankreich dem Vorschlag der Regierung Andorras entgegen, dass das Fürstentum kein Staat im Sinne des Völkerrechts sei und es daher nicht in direkte Verhandlungen mit der EG treten könne. Deshalb sprach sich Frankreich dafür aus, eine einseitige Regelung der Gemeinschaft bezüglich Andorra und dessen Zollregime zu treffen, die in die Beitrittsverhandlungen mit Spanien hätten aufgenommen werden können.358 Der Bischof von Urgell informierte die Kommission seinerseits, dass ein internationales Abkommen die Zustimmung beider Co-Fürsten verlange und das nichts mit der EG vereinbart werden sollte, ohne das andorranische Volk zu fragen.359 Der Generalrat und die andorranische Regierung, unterstützt durch den Bischof von Urgell, sprachen sich gegen die Einbeziehung Andorras in den spanischen Beitrittsakt zur EG aus. Beide plädierten für direkte Verhandlungen mit der EG und die Annerkennung der Staatlichkeit Andorras.360 Kurz vor Abschluss der EG-Beitrittsverhandlungen mit Spanien wurde deutlich, dass zum Fall Andorras kaum Grundsatzfragen geklärt waren. Um 355 sh. Erklärung des andorranischen Cap de Govern M. Oscar Ribas, zitiert in: Maresceau 2008, S. 277. 356 Vgl. Duursma 1996, S. 360; Stapper 1999, S. 66; Marquès Oste 1989, S. 283. 357 Brief des Französischen Botschafters bei der EG an die Kommission vom 02.05.1984, in: Marquès Oste 1989, S. 284; vgl. Duursma 1996, S. 360; Stapper 1999, S. 66. 358 Vgl. Stapper 1999, S. 66; Duursma 1996, S. 360. 359 Memorandum der bischöflichen Co-Fürsten an die Kommission vom 18.7. 1984, in: Marquès Oste 1989, S. 285; vgl. Duursma 1996, S. 360; Stapper 1999, S. 66. 360 Vgl. Marquès Oste 1989, S. 286 ff.; Duursma 1996, S. 360.
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den Abschluss der Beitrittsverhandlungen nicht weiter zu verzögern, wurde in einer gemeinsamen Erklärung im Anhang an den Beitrittsakt Spaniens zur EG entschieden, dass innerhalb von zwei Jahren nach dem Beitritt Spaniens Regelungen aufgestellt würden, die die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der EG und Andorra regulieren und damit die geltenden nationalen Vorschriften ersetzen, die aber bis dahin gelten bleiben würden.361 Diese Erklärung bot eine einmalige Gelegenheit für das Fürstentum, sich international zu behaupten, da ein bilaterales Abkommen mit der EG gleichzeitig auch eine Anerkennung der internationalen Rechtspersönlichkeit Andorras bedeuten würde und dadurch auch indirekt der weltweiten Anerkennung der Rechtspersönlichkeit Andorras zu Gute kommen würde.362 Nach dem Beitritt Spaniens zur EG im Jahr 1986 verschärfte sich die Lage für das Co-Fürstentum, da es nun vollkommen von Gemeinschaftsgebiet umschlossen war, ohne aber über ein freies Transitrecht zu verfügen. Außerdem konnten die bilateralen Handelsabkommen mit den Nachbarländern Frankreich und Spanien nicht aufrechterhalten werden. Weiterhin bemühte sich Andorra, sich aus der Umklammerung seiner beiden Schutzmächte zu lösen.363 Als ersten Schritt in diese Richtung sah es ein Abkommen mit der EG. Dieser Ansatz wurde durch die Erlangung der vollen Souveränität 1993 bestätigt. An diesem Fall zeigt sich, dass Gemeinschaftsrecht nicht nur Souveränität beschneiden, sondern auch souverän machen kann.364 Dennoch änderte sich nach dem Beitritt Spaniens nicht sofort die tatsächliche Situation Andorras. Dies war vor allem bedingt durch die Streitigkeiten zwischen den beiden Co-Fürsten bzw. der andorranischen Regierung. Hauptstreitpunkt war die Vertretungsbefugnis für Andorra, die zwischen Frankreich auf der einen Seite und dem bischöflichen Co-Fürsten sowie der andorranischen Regierung auf der anderen Seite lange ungeklärt blieb. Auch bei der EG bestanden große Unsicherheiten, da zu diesem Zeitpunkt der völkerrechtliche Status Andorras nicht eindeutig geklärt war.365 Klar war, dass die Beziehungen zwischen Andorra und der EG auf eine neue Grundlage gestellt werden mussten. Da der völkerrechtliche Status 361 ABl. L 302 vom 15.11.1985, S. 488: Gemeinsame Erklärung der EWG und Spanien, Anhang zum Beitrittsakt von 1985, Nr. A-8.; vgl. Duursma 1996, S. 361; Stapper 1999, S. 66; Waschkuhn 2003, S. 763; Hummer 2004, S. 91; Maresceau 2008, S. 277. 362 Vgl. Maresceau 2008, S. 277. 363 Vgl. Hummer 2004, S. 91; Mateu 2001, S. 416; Sack 1997, S. 46; Murray 2006, S. 188; Maresceau 2008, S. 276. 364 Vgl. Sack 1997, S. 46; Murray 2006, S. 188. 365 Vgl. Stapper 1999, S. 67.
II. Die Integration Andorras in die Europäische Union
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nicht eindeutig war, sollte dies durch eine einseitige Regelung der EG geschehen. Damit war jedoch auch verbunden, dass die andorranischen Volksvertreter bei der Ausarbeitung dieser neuen Regelungen mitwirkten und ihnen zustimmten. Eine Beteiligung Andorras war somit unentbehrlich. Demzufolge bat die Kommission darum, dass sich die Vertreter Andorras über die Zusammensetzung einer Verhandlungsdelegation einigten.366 Daraufhin gab Frankreich 1988 seinen Alleinvertretungsanspruch für Andorra auf und der französische Co-Fürst willigte in die Bildung einer Verhandlungsdelegation für Andorra ein. Die Delegation sollte aus Vertretern der beiden Co-Fürsten und der andorranischen Regierung bestehen.367 Glücklicherweise änderte sich die Haltung Frankreichs bezüglich dem Aufbau eigener bilateraler internationaler Beziehungen Andorras Mitte der 1980er Jahre, da der damalige französische Co-Fürst Präsident Mitterand Andorra aufgeschlossen gegenüber stand.368 Diese Position des französischen Co-Fürsten war für die Delegation Andorras bei den Verhandlungen des Abkommens mit der EG von unschätzbarem Wert.369 Schließlich beantragte Andorra in einem Schreiben vom 15. Juli 1988 an die Kommission die Eröffnung der Verhandlungen mit der EG. In dem anhängenden Memorandum wurden Andorras Vorschläge für die Verhandlungen dargestellt.370 In dem Memorandum hielt Andorra fest, dass es als Drittland gegenüber der EG willens ist, sich den europäischen Tatsachen anzupassen. Diese Anpassung solle einerseits nicht zum Störfaktor für die gemeinsame Handelspolitik der EG werden, andererseits müsse zur Erhaltung der kommerziellen Anziehungskraft des Fürstentums, die mit der Vollendung der Integration Spaniens in den gemeinsamen Markt nachlassen werde, durch eine gewisse Differenzierung entgegengesteuert werden.371 Anschließend entwarf die Kommission Verhandlungsrichtlinien, die am 12. Dezember 1988 dem Rat zur Genehmigung vorgelegt wurden.372 Die Begründung des Entwurfs enthielt zwei Hauptüberlegungen: Zum einen sollten gemeinschaftliche Regelungen an die Stelle der bisherigen einzelstaatlichen Regelungen gegenüber Andorra treten. Zum anderen sollten die Wirtschafts- und Handelsinteressen Andorras durch die Berücksichtigung 366
Vgl. Stapper 1999, S. 67. Vgl. Duursma 1996, S. 361; Marquès Oste 1989, S. 290; Stapper 1999, S. 67. 368 Vgl. Maresceau 2008, S. 277; Colliard 1993, S. 367 ff. 369 Président de la République Française: Allocution prononcée par Monsieur François Mitterrand, Président de la République à l’occasion de la remise de la quèstia andorrane. Palais de l’Elysée, 17.11.1989; vgl. Maresceau 2008, S. 278. 370 KOM (1988) 744, Anhang 2; vgl. Stapper 1999, S. 67; Hummer 2004, S. 91. 371 Vgl. Stapper 1999, S. 67 f.; Hummer 2004, S. 92. 372 KOM (1988) 744. 367
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seiner besonderen Lage ausreichend geschützt werden. Die Kommission schlug den Abschluss eines Abkommens in Form eines Briefwechsels vor, das hauptsächlich die Bildung einer Zollunion für Industriegüter vorsah. Außerdem sollten im Rahmen von Steuerangleichungen Steuerfreigrenzen für Reisende vorgesehen werden.373 Am 14. Dezember 1988 veröffentlichte die Kommission eine Pressemitteilung, in der sie feststellte, dass Andorra ein unabhängiger Staat sei, unter der gemeinsamen Souveränität des französischen Präsidenten und dem Bischof von Urgell.374 Wenige Monate später, am 20. März 1989 nahm der Rat der EG eine Entscheidung an, die die Kommission dazu ermächtigte, Verhandlungen mit Andorra aufzunehmen.375 Somit gelang es der Regierung Andorras im Jahr 1989 direkte Verhandlungen mit der EG aufzunehmen.376 Die Verhandlungen zwischen Andorra und der EG-Kommission begannen am 13. April 1989. Zum damaligen Zeitpunkt war dies in dem Sinne neuartig, da die EG zum ersten Mal mit einem Mikrostaat verhandelte. Weiterhin besonders war, dass die EG mit Vertretern von Drittstaaten verhandelte, die teilweise selbst Angehörige eines EG-Mitgliedstaates waren. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass Andorra 1989 noch nicht als vollwertiges Mitglied der Staatengemeinschaft anerkannt war.377 Auch wenn die Anerkennung der internationalen Rechtspersönlichkeit Andorras eine schwierige politische und rechtliche Frage blieb, konzentrierten sich die Verhandlungen erstaunlicherweise nicht darauf. In den formalen bilateralen Verhandlungen wurde die Thematik nicht einmal angesprochen und schon bevor die wirklichen Verhandlungen begannen wurde ein politischer Kompromiss diesbezüglich gefunden. Um eine weniger direkte Form eines Abkommens zu wählen, da Andorra noch nicht international anerkannt war, war es die Idee des Rates und der Kommission, das Abkommen in Form eines Briefwechsels statt als klassisches bilaterales Abkommen zu schließen.378 Gründe für dieses Vorgehen waren die Flexibilität des rechtlichen Instruments „Briefwechsel“ zusammen mit den Besonderheiten von Andorras rechtlichem Status. Andorra hätte eine klassischere rechtliche Form des Abkommens bevorzugt, auch aufgrund der nicht sehr überzeugen373
Vgl. Stapper 1999, S. 68. EP Doc. A3-0256/90 vom 18.10.1990, S. 5; vgl. Duursma 1996, S. 361, 371; Stapper 1999, S. 60. 375 EG Bulletin 3/1989, Punkt 2.2.11, S. 53; vgl. Duursma 1996, S. 361; Stapper 1999, S. 68. 376 Vgl. Gstöhl 2001, S. 116; Maresceau 2008, S. 278. 377 Vgl. Stapper 1999, S. 68; Hummer 2004, S. 92; Mateu 2001, S. 416. 378 Vgl. Maresceau 2008, S. 278 f.; Mateu 2001, S. 416; Murray 2006, S. 188. 374
II. Die Integration Andorras in die Europäische Union
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den rechtlichen Begründung der Wahl dieses rechtlichen Instruments von Seiten der EG.379 Die inhaltlichen Verhandlungen wurden bereits am 14. Dezember 1989, also nach nur acht Monaten, mit der Paraphierung des Abkommens abgeschlossen.380 Jedoch bereitete die Frage, auf welche Rechtsgrundlage man die Ratifizierung durch den Rat stellte, größere Schwierigkeiten.381 Die Kommission schlug den damaligen Art. 113 EWGV vor (heute Art. 207 AEUV). Nach eingehender Prüfung und zahlreichen Diskussionen mit den Mitgliedstaaten einigte man sich mit der Kommission, auch den damaligen Art. 99 EWGV (heute Art. 113 AEUV) als Rechtsgrundlage aufzuführen, da die Abgabenbefreiung nicht nur als Anhang zu den Handelsbestimmungen anzusehen sei, sondern als zentrales Element des Abkommens. Daraus ergaben sich zwei Folgen für den Abschluss des Abkommens. Erstens war durch die Einbeziehung des Art. 99 EWGV eine Konsultierung des Europäischen Parlaments zwingend vorgeschrieben. Das Europäische Parlament stimmte am 23. November 1990 dem Abkommen zu.382 Zweitens konnte der Rat durch die Bezugnahme auf Art. 99 EWGV nur einstimmig beschließen. Wahrscheinlich diente das Erfordernis der Einstimmigkeit des Art. 99 EWGV dazu, den Nachbarländern Frankreich und Spanien ein Veto im Rat bezüglich Fragen, die Andorra betreffen, zu sichern. Ein Nebeneffekt des Abschlusses des Abkommens durch Einstimmigkeit im Rat war, das indirekt alle EG-Mitgliedstaaten Andorras internationale Rechtspersönlichkeit anerkannten.383 Das Erfordernis der Einstimmigkeit war jedoch unproblematisch und der Rat beschloss das Abkommen am 26. Juni 1990.384 Es ist darauf hinzuweisen, dass noch zu Beginn der Verhandlungen mit Andorra demokratische Mängel im Fürstentum angeprangert wurden, z. B. das Verbot, Gewerkschaften zu gründen. Da Andorra aber in den vergangenen Jahren erhebliche Nachbesserungen an seinem politischen System vorgenommen hatte, eine demokratische Verfassung ausarbeitete und kurz vor dem Beitritt in den Europarat stand, war die EG zum Abschluss des Abkommens mit Andorra bereit.385 Dank dieses Abkommens ist Andorra der internationalen Staatenwelt näher gerückt. Die Handelsbeziehungen zwi379
Vgl. Maresceau 2008, S. 278 f.; Mateu 2001, S. 416. EG Bulletin 12/1989, Punkt 2.2.38. 381 Vgl. Stapper 1999, S. 68 f. 382 EP Doc. A3-0256/90 vom 18.10.1990. 383 Vgl. Sack 1997, S. 47; Maresceau 2008, S. 279; Stapper 1999, S. 69 f.; Duursma 1996, S. 361. 384 ABl. L 374 vom 31.12.1990, S. 14 ff.; vgl. Stapper 1999, S. 69 f.; Duursma 1996, S. 361. 385 Vgl. Stapper 1999, S. 70; Waschkuhn 2003, S. 763. 380
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schen dem Fürstentum und der EG seit dem Ende der 1980er Jahre waren essentiell für die neue internationale Dynamik des Landes.386 Das Abkommen wurde am 28. Juni 1990 in Form eines Briefwechsels abgeschlossen und trat am 1. Juli 1991 in Kraft.387 Es war der erste Vertrag Andorras mit einer externen Macht, wodurch seine internationale Anerkennung gestärkt wurde.388 bb) Inhalt Das Abkommen verbindet den Wunsch der EWG, benachteiligende Steuern abzuschaffen und die in der Gemeinschaft geltenden Zolltarife anzuwenden, mit Andorras Wunsch, ein Staat mit wettbewerbsfähigen Preisen zu bleiben, um Tourismus und ausländische Käufer anzuziehen.389 In der Präambel ist die Zielsetzung des Abkommens festgehalten. Die Handelsbeziehungen sollen durch eine neue Übereinkunft geregelt werden, die die einzelstaatlichen Regelungen ersetzen und der besonderen Lage des Fürstentums Andorra Rechnung tragen. Das Abkommen ist in vier Teile untergliedert: Titel I, der umfangreichste, beinhaltet die Bestimmungen zur Zollunion (Art. 2–10); Titel II umfasst Regelungen für die nicht unter die Zollunion fallenden Waren (Art. 11 und 12); Titel III enthält die Bestimmungen bezüglich der Abgabenbefreiungen für Reisende sowie den gemeinsamen Ausschuss (Art. 13–19) und Titel IV beinhaltete die Allgemein- und Schlussbestimmungen (Art. 20–26). Industrielle Produkte Die Zollunion zwischen Andorra und der EWG wird nur für industrielle Produkte (Produkte der Kapitel 25 bis 97 des Harmonisierten Systems, Art. 2 des Zollunionsabkommen) geschaffen. Die Art. 3 und 4 regeln den Anwendungsbereich der Zollunion und legen fest, dass der freie Warenverkehr für die in der Gemeinschaft oder in Andorra hergestellten Waren oder Waren aus Drittländern gelten, die sich in der Gemeinschaft oder in Andorra im zollrechtlich freien Verkehr befinden. Weiterhin wird die Einführung neuer Ein- und Ausfuhrzölle oder Abgaben gleicher Wirkung verboten 386
Vgl. Mateu 2001, S. 416; Maresceau 2008, S. 278. Vgl. Mateu 2001, S. 415 f.; Maresceau 2008, S. 279; Grard 2002, S. 94; Emerson 2007, S. 48; Hummer 2004, S. 92; Dózsa 2008, S. 96; Sack 1997, S. 46; Murray 2006, S. 187 f.; Marxer/Pállinger 2009, S. 913. 388 Vgl. Grard 2002, S. 95. 389 Vgl. Duursma 1996, S. 362. 387
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(Art. 5). Auch die bisher zwischen der Gemeinschaft und dem Fürstentum Andorra geltenden Einfuhrzölle und Abgaben gleicher Wirkung werden nach Maßgabe des Art. 6 zum 1. Januar 1991 abgeschafft. Genauso beseitigt ab 1. Januar 1991 die Gemeinschaft – mit Ausnahme Spaniens und der Portugals – die für die Einfuhren aus dem Fürstentum Andorra geltenden Zölle und Abgaben gleicher Wirkung (Art. 6 Abs. 3a). Ab 1. Januar 1991 wenden Spanien und Portugal gegenüber Andorra die gleichen Zölle an, die von diesen beiden Ländern gegenüber der Gemeinschaft in ihrer Zusammensetzung am 31. Dezember 1985 anzuwenden sind (Art. 6 Abs. 3b). Hier wurden Übergangsvorschriften geschaffen, die noch bis Ende 1992 galten.390 Abweichend von diesen Bestimmungen sind die Regelungen hinsichtlich der landwirtschaftlichen Verarbeitungserzeugnisse sowie die Steuerbefreiungen im Reiseverkehr. Da Andorra gemäß dem Abkommen alle Zollpflichten und -abgaben mit gleicher Wirkung abgeschafft hat, galt auch die Konsumsteuer auf importierte Waren aus der Gemeinschaft nicht mehr. Um den Verlust dieser Einnahmequelle zu kompensieren, führte Andorra eine indirekte Steuer auf Handelsgüter ein, anwendbar auf alle importierten Güter und heimische Produkte.391 Art. 7 des Abkommens schreibt eine dynamisierte Verpflichtung zur Übernahme des relevanten gemeinschaftlichen Außenwirtschafts- und Zollrechts vor. Dementsprechend musste das Fürstentum für die Produkte der Kapitel 25–97 des harmonisierten System zum 1. Januar 1991 die von der Gemeinschaft gegenüber Drittländern angewandten Bestimmungen über die Einfuhrförmlichkeiten übernehmen genauso wie die in der Gemeinschaft im Zollwesen geltenden und für das einwandfreie Funktionieren der Zollunion erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften (Art. 7 Abs. 1392). Daraus kann man schlussfolgern, dass nicht nur die formellen, prozeduralen Zollvorschriften durch Andorra angewandt werden müssen, sondern auch der gemeinsame Zolltarif und die Vorschriften zur gemeinsamen Handelspolitik, d.h. das gesamte für die Wareneinfuhr geltende Recht der Gemeinschaft, insbesondere mengenmäßige Beschränkungen. Dies ist im Abkommen undeutlich formuliert, aber in den Verhandlungen wurde darauf hingewiesen.393 390
Vgl. Stapper 1999, S. 71. BOPA 1991, extra Nr. 7, S. 498 ff.: Gesetz über indirekte Steuern auf Handelsgüter vom 26.6.1991; vgl. Duursma 1996, S. 362. 392 Präzisiert durch ABl. L 250 vom 07.09.1991, S. 24 ff.: Beschluss 2/91 gem. Ausschuss; ergänzt durch ABl. L 184 vom 24.07.1996, S. 39 f.: Beschluss 1/96 gem. Ausschuss; aufgehoben durch ABl. L 253 vom 07.10.2003, S. 3 ff.: Beschluss 1/2003 gem. Ausschuss. 391
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Eine wichtige Konsequenz der Verpflichtung zur Übernahme des gemeinschaftlichen Außenwirtschafts- und Zollrechts ist, dass Zollpräferenzen, die von der EG an Drittstaaten gewährt wurden, auch von Andorra angewandt werden müssen.394 Die in Anhang 1 zum Zollabkommen genannten Zollstellen der Gemeinschaft werden von Andorra dazu ermächtigt, in seinem Namen die für das Fürstentum bestimmten Waren aus Drittländern zum zollrechtlich freien Verkehr abzufertigen (Art. 8 Abs. 1). Zunächst wurde die EG für fünf Jahre berechtigt die Zollformalitäten abzuwickeln, danach wurde geprüft, ob Andorra dies selbst übernehmen konnte.395 Die Gemeinschaft übergab die Abgaben, die für Andorra bestimmt waren, an die andorranische Staatskasse nach Abzug administrativer Kosten (Art. 8 Abs. 3396). Nachdem die fünf Jahre der Zollabfertigung durch die EG Ende 1995 abgelaufen waren, wurden seit 1. Juli 1996 mit Zustimmung der Gemeinschaft eigene Zollbehörden Andorras mit der Abfertigung beauftragt.397 Gemäß Artikel 9 Zollunionsabkommen werden mengenmäßige Einfuhrund Ausfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen der Gemeinschaft und dem Fürstentum Andorra ab 1. Januar 1991 verboten. Damit wurde das bis dahin geltende System der Kontingentierungen zwischen Spanien und Andorra beendet. Laut Art. 10 Zollunionsabkommen wird bei Unstimmigkeiten der gemeinsame Ausschuss einberufen. Dies ist eine Schutzklausel für Fälle von Vertragsverletzungen oder wirtschaftlichen Schwierigkeiten einer Vertragspartei.398 Im Bereich der industriellen Güter nimmt Andorra somit am gemeinsamen Binnenmarkt teil und wendet den gemeinsamen Außenzolltarif an.
393
Vgl. Stapper 1999, S. 71; Sack 1997, S. 47. Vgl. Maresceau 2008, S. 280. 395 Vgl. Duursma 1996, S. 362; Stapper 1999, S. 73. 396 Präzisiert durch ABl. L 250 vom 07.09.1991, S. 32: Beschluss 5/91 gem. Ausschuss. Der Prozentsatz, der für die Verwaltung abgezogen wurde, wurde auf 10% festgesetzt (Art. 1 g der Entscheidung 5/91). 397 Dazu ABl. L 145 von 1996, S. 16: Beschluss des Rates vom 11. Juni 1996; ABl. L 184 vom 24.07.1996, S. 39: Beschluss 1/96 gem. Ausschuss; vgl. Stapper 1999, S. 73; Gstöhl 2001, S. 117; Sack 1997, S. 47; Hummer 2004, S. 93; Maresceau 2008, S. 281; Mateu 2001, S. 417. 398 Vgl. Stapper 1999, S. 74. 394
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Agrarprodukte In Titel II des Zollunionsabkommens werden Regelungen für die nicht unter die Zollunion fallenden Waren getroffen. Die Agrarprodukte sind aus der Zollunion zwischen Andorra und der EG ausgenommen. Grund dafür ist, dass es eines unverhältnismäßigen großen Aufwands bedurft hätte, die gemeinsame Agrarpolitik auf Andorra auszudehnen, gerade weil die landwirtschaftlichen Produkte in Andorra selbst eher eine untergeordnete Rolle spielen. Es war sogar der Wunsch Andorras, seinen Drittstaatencharakter im Agrarbereich beizubehalten, da das Fürstentum somit die Möglichkeit besaß, bestimmte Grunderzeugnisse zu Niedrigstpreisen aus anderen EG-Drittstaaten zu importieren.399 Da Andorra ein Drittstaat gegenüber der EG bleibt, gelten für Agrarprodukte, die aus EG-Drittstaaten nach Andorra eingeführt werden, nicht die EG-Tarife.400 Trotzdem sind Agrarprodukte, die aus Andorra stammen, von Eingangsabgaben befreit, wenn sie in die Gemeinschaft importiert werden (Art. 11 Abs. 1401) – nicht aber umgekehrt.402 Zwar wurde das Ungleichgewicht des Abkommens kritisiert, man könnte dies aber durch die in der Präambel des Abkommens festgelegten Prinzipien legitimieren, die besagen, dass die außergewöhnliche Situation Andorras besondere Maßnahmen rechtfertigen.403 Außerdem sind die Importzölle nach Andorra sehr niedrig, außer für Tabak und Getränke.404 Im Anhang des Abkommens wird definiert, welche Produkte als Ursprungswaren Andorras angesehen werden können (Art. 11 Abs. 2, Art. 1 des Anhangs). Durch verschiedene Beschlüsse des gemeinsamen Ausschusses wurde diese Liste der als Ursprungswaren deklarierten Produkte erweitert, um traditionelle Handelsströme zu erhalten.405 Schon in dem Abkom399 Vgl. Stapper 1999, S. 74; Sack 1997, S. 46; Gstöhl 2001, S. 117; Mateu 2001, S. 416. 400 Vgl. Duursma 1996, S. 363. 401 Betrifft Produkte, die von Kapitel 1 bis 24 des Harmonisierten Systems abgedeckt werden. 402 Vgl. Dózsa 2008, S. 96; Duursma 1996, S. 363; Maresceau 2008, S. 280; Gstöhl 2001, S. 117; Mateu 2001, S. 416. 403 Vgl. Dózsa 2008, S. 96; Maresceau 2004, S. 756. 404 Vgl. Maresceau 2008, S. 280. 405 ABl. L 250 vom 07.09.1991, S. 29: Beschluss 3/91 gem. Ausschuss; ABl. L 43 vom 19.02.1992 S. 33 f.: Beschluss 7/91 gem. Ausschuss; dazu ABl. L 372 vom 31.12.1991, S. 27: Verordnung (EWG) 3915/91 des Rates vom 19. Dezember 1991; ABl. L 321 vom 06.11.1992 S. 27: Beschluss 1/92 gem. Ausschuss; ABl. L 288 vom 01.12.1995, S. 51 f.: Beschluss 2/95 gem. Ausschuss; ABl. L 192 vom 02.08.1996, S. 22 f.: Beschluss 3/96 gem. Ausschuss; ABl. L 191 vom 23.07.1999, S. 1–33: Beschluss 1/99 gem. Ausschuss; vgl. Stapper 1999, S. 74; Gstöhl 2001, S. 117.
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D. Das Fürstentum Andorra und seine Integration in die EU
men zwischen Andorra und Frankreich sowie Spanien von 1867 war die Möglichkeit vorgesehen, diese Produkte zollfrei zu exportieren, dem mit diesen Bestimmungen Rechnung getragen werden sollte.406 Bei der Einfuhr von Waren aus Drittländern in das Fürstentum Andorra darf keine günstigere Regelung angewendet werden als bei Einfuhren von Waren aus der Gemeinschaft (Art. 12 Abs. 1), d.h. die EG darf nicht diskriminiert werden. Weiterhin beschäftigt sich Art. 12 Abs. 2 mit Sonderregelungen für Tabakprodukte. Es wird festgelegt, dass Tabak aus dem Anwendungsbereich der Zollunion herausgenommen wird. Im Gegenzug verpflichtet sich Andorra, einen Präferenzzollsatz bei der Einfuhr von verarbeitetem Tabak zugunsten von Gemeinschaftsprodukten anzusetzen. Dieser soll 60% des Zollsatzes entsprechen, der gegenüber Drittstaaten auf Tabakprodukte angewandt wird.407 Zu begründen ist dies damit, dass die Tabakproduktion in Andorra eine besondere Rolle spielt. Die Tabakindustrie wird im Fürstentum besonders geschützt, sowohl aus wirtschaftlichen als auch historischen Gründen. Jährlich werden hunderte Tonnen Tabak produziert. Der andorranische Tabak ist jedoch zur Produktion von international wettbewerbsfähigen Zigaretten nicht geeignet und wird daher vernichtet. Zuvor sind aber sämtliche Zigarettenhersteller in Andorra dazu verpflichtet, 90% der Tabakernte Andorras zu künstlich hohen Preisen zu kaufen und erst dann erhalten sie Importgenehmigungen für Tabak aus dem Ausland. Daher ist die andorranische Zigarettenindustrie mit der aus der EU nicht konkurrenzfähig.408 Die Regelungen des Abkommens wurden ergänzt durch das 1997 ausgehandelte Veterinärabkommen, das als Protokoll des Abkommens über eine Zollunion zwischen der EG und Andorra409 geschlossen wurde, da man einsehen musste, dass die Handelsregelungen für landwirtschaftliche Produkte ohne Vereinbarungen zum Veterinärrecht nicht funktionieren. Insbesondere war es notwendig festzuhalten, dass Andorra die Möglichkeit erhält, seine Viehexporte in die EG sicher zu stellen. Die traditionellen Handelsströme zwischen Andorra und der Europäischen Gemeinschaft mit lebenden Tieren und tierischen Erzeugnissen sollen dadurch aufrechterhalten und in Übereinstimmung mit dem EG-Veterinärrecht durchgeführt werden. Somit übernahm Andorra das relevante Veterinärrecht der EG.410 Das Pro406
Vgl. Stapper 1999, S. 74. Durchführungsvorschriften dazu in: ABl. L 310 vom 28.11.2001, S. 1: Verordnung (EG) 2302/2001 des Rates vom 15. November 2001; vgl. Maresceau 2008, S. 280. 408 Vgl. Stapper 1999, S. 74 f.; Gstöhl 2001, S. 117. 409 ABl. L 148 vom 06.06.1997, S. 16 ff.; vgl. Stapper 1999, S. 74; Sack S. 46. 410 Vgl. Präambel des Protokolls; vgl. Gstöhl 2001, S. 117; Hummer 2004, S. 92; Sack 1997, S. 46; Maresceau 2008, S. 283; Mateu 2001, S. 417. 407
II. Die Integration Andorras in die Europäische Union
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tokoll trat am 1. März 1998 in Kraft.411 Der gemeinsame Ausschuss des Abkommens legt die Liste der anzuwendenden veterinärrechtlichen Bestimmungen fest.412 Abgabebefreiung für Reisende Titel III des Zollunionsabkommens (Art. 13–19) beschäftigt sich mit der Abgabebefreiung für Reisende. Für die Einfuhr von Waren, die im persönlichen Gepäck von Reisenden aus dem Gebiet einer Vertragspartei mitgeführt werden, gelten spezielle Zölle (Art. 13). Die Steuerbefreiung für Reisende ist eines der zentralen Aspekte des Abkommens und wird schon ausführlich in der zweiten Erwägung der Präambel bedacht. Demnach rechtfertigt die „außergewöhnliche Lage des Fürstentums Andorra aus geographischen, historischen und sozio-ökonomischen Gründen eine Sonderregelung, insbesondere für die Befreiung von Einfuhrzöllen, Umsatzsteuern und Verbrauchssteuern [. . .], die die Gemeinschaft bei der Einfuhr von Waren erhebt, die im persönlichen Gepäck von Reisenden aus dem Fürstentum Andorra mitgeführt werden.“413 Bei den Verhandlungen mussten die Ziele des Fürstentums, d.h. der Erhalt des steuerfreien Einkaufs für Touristen zur Sicherung des Überlebens dieses Wirtschaftszweiges der andorranischen Wirtschaft, sowie der EG, nämlich den möglichen Missbrauch dieser Abgabenbefreiung zu verhindern, beachtet werden.414 Der Kompromiss sieht laut Art. 13 des Abkommens Folgendes vor: In Abs. 1 wird als allgemeine Regel formuliert, dass bei der Einfuhr von Waren, die im persönlichen Gepäck von Reisenden aus dem Gebiet eines der Vertragsstaaten mitgeführt werden, die in der Gemeinschaft gegenüber Drittstaaten geltenden Befreiungen von Zöllen und Umsatzsteuern gewährt werden. Dies gilt, solange die Einfuhr dieser Waren keinen kommerziellen Charakter hat. Andorra wird demnach grundsätzlich wie ein Drittstaat behandelt. In Art. 13 Abs. 3 wird jedoch eine umfassende Ausnahme festgelegt: Für alle Waren, die unter die Zollunion zwischen Andorra und der EG fallen (Industrieprodukte), wird die Gesamthöhe der Abgabenbefreiungen pro Person auf das Dreifache des Freibetrages erhöht, den die EG Reisenden aus Drittstaaten gewährt. Man hat sich an dieser 411 ABl. L 28 vom 04.02.1998, S. 41; genauere Durchführungsbestimmungen festgelegt durch ABl. L 31 vom 05.02.2000, S. 84 ff.: Beschluss 2/1999 gem. Ausschuss; ABl. L 33 vom 02.02.2002, S. 35 ff.: Beschluss 1/2001 gem. Ausschuss; ABl. L 269 vom 21.10.2003, S. 28 ff.: Beschluss 2/2003 gem. Ausschuss; ABl. L 318 vom 06.12.2005, S. 26 ff.: Beschluss 2/2005 gem. Ausschuss. 412 Vgl. Maresceau 2008, S. 283. 413 ABl. L 374 vom 31.12.1990, S. 14 ff.; vgl. Stapper 1999, S. 75. 414 Vgl. Stapper 1999, S. 75.
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Stelle auf einen abstrakten Wert, nicht auf einen absoluten Wert geeinigt. Damit werden die Freibeträge alleine durch die Änderung der zugrunde liegenden Richtlinie verändert, das Abkommen zwischen der EG und Andorra muss nicht einzeln erneuert werden. Art. 13 Abs. 3 sieht für einige sensible Produkte, so Tabakwaren, Alkohol und Kaffee, absolute Höchstmengen vor. Demnach gilt die allgemeine Bestimmung des Art. 13 Abs. 1 primär für landwirtschaftliche Produkte, in Art. 13 Abs. 2, 3 dagegen werden Höchstmengen bezüglich einiger Nahrungsmittel festgelegt, die zum Teil sogar strenger als die für andere Drittstaaten sind.415 Sonstige gemeinsame Bestimmungen und Schlussbestimmungen Die Vertragsparteien unterlassen jede interne steuerrechtliche Maßnahme oder Praxis, die mittelbar oder unmittelbar eine Diskriminierung der Waren einer Vertragspartei gegenüber gleichartigen Waren der anderen Vertragspartei herbeiführt. Für die in das Gebiet einer der beiden Vertragsparteien versandten Waren können inländische Abgaben nur bis zur Höhe der unmittelbar oder mittelbar erhobenen Abgaben erstattet werden (Art. 14). Dadurch werden die Vertragsparteinen verpflichtet, Diskriminierungen importierter Güter durch steuerrechtliche Maßnahmen zu unterlassen.416 Weiterhin verpflichtet man sich zur gegenseitigen Amtshilfe zwischen den mit der Durchführung des Abkommens betrauten Behörden (Art. 15).417 Zur Verwaltung und Überwachung der ordnungsgemäßen Durchführung des Abkommens wird ein gemeinsamer Ausschuss eingesetzt (Art. 17 Abs. 1). Der Ausschuss fast in bestimmten Fällen, gemäß dem Abkommen, Beschlüsse, gibt einvernehmliche Stellungnahmen ab und gibt sich selbst eine Geschäftsordnung (Art. 17 Abs. 3, 4). Er setzt sich aus Vertretern der EG und Andorras zusammen. Letztere werden von der andorranischen Regierung ernannt (Art. 17 Abs. 4), der Vorsitz wird abwechselnd geführt (Art. 17 Abs. 6).418 Weiterhin regelt der gemeinsamen Ausschuss Streitigkeiten (Art. 18 Abs. 1). Falls der Ausschuss einen Streit nicht lösen kann, können Schlichter bestellt werden. Die Vertragsparteien sind an seine Entscheidungen gebunden (Art. 18 Abs. 2). Außerdem wird in Art. 19 festgelegt, dass der Warenverkehr zu keinerlei Diskriminierung führen darf. 415
Vgl. Stapper 1999, S. 76; Maresceau 2008, S. 281. Vgl. Stapper 1999, S. 77. 417 Durch ABl. L 250 vom 07.09.1991, S. 34: Beschluss 6/91 gem. Ausschuss wurden die Modalitäten festgelegt; geändert durch ABl. L 288 vom 01.12.1995, S. 50: Beschluss 1/95 gem. Ausschuss. 418 Vgl. Gstöhl 2001, S. 117. 416
II. Die Integration Andorras in die Europäische Union
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Die Art. 20 bis 26 beinhalten die typischen Schlussbestimmungen. Das Zollunionsabkommen wurde auf unbegrenzte Zeit abgeschlossen, kann aber jederzeit mit einer 6-Monatsfrist gekündigt werden (Art. 20, 21). Dieses Abkommen tritt an die Stelle der Bestimmungen, die bis zu seinem Inkrafttreten von der Gemeinschaft und insbesondere von Frankreich und Spanien aufgrund des Briefwechsels mit dem Fürstentum Andorra aus dem Jahr 1867 angewendet wurden (Art. 25). In den Anhängen zum Abkommen findet man detaillierte Regelungen zu den Zollstellen (Anhang I), Ausnahmeregelungen, etc. (Anhang II) sowie einen Anhang über Begriffsbestimmung zu „Ursprungswaren“ und Maßnahmen der Zusammenarbeit der Verwaltung. Nachdem das Abkommen im Jahr 1997 durch das Veterinärabkommen komplettiert wurde, ergänzte man es 1999 mit einem Anhang zu den Ursprungsregeln. Dadurch sollte der Export und Import von verarbeiteten landwirtschaftlichen Produkten und Produkten tierischen Ursprungs in den Fokus gerückt werden. Seit dem übernehmen der Veterinärdienst und die Ministerien für Landwirtschaft und Gesundheit von Andorra den Acquis Communautaire in diesem Bereich. Die durch das Abkommen eingeleitete Entwicklung erlaubt es, einen gefestigten rechtlichen Rahmen aufzubauen und ermutigt die Entwicklung und Ansiedlung von Unternehmen der Spitzenindustrie und der Lebensmittelindustrie.419 cc) Bewertung Im Großen und Ganzen gab es nur wenige Probleme. Ausnahme dabei war der so genannte „Tabakkrieg“, der in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre zwischen der EG und Andorra entbrannte. Andorra wurde beschuldigt, Quelle von ausgeprägtem Zigarettenschmuggel zu sein, wobei die Zigaretten in Andorra hergestellt bzw. in einem EG-Drittstaat produziert und nach Andorra importiert wurden, um dann in die EG, vor allem nach Spanien, exportiert zu werden. Große Mengen an Zigaretten wurden konfisziert, meist durch die spanischen Zollämter, aber auch von Zollämtern anderer Mitgliedstaaten. Nach Angaben der EG waren die Mengen an Tabak, die nach Andorra importiert oder dort hergestellt wurden deutlich höher, als was für den lokalen Verbrauch und den zollfreien Verkauf an Touristen benötigt wurde.420 Die Einnahmeverluste der Steuern der EG in Folge des Zigarettenschmuggels wurden beispielsweise im Jahr 1997 auf 400 Mio. ECU geschätzt. Laut der Europäischen Kommission lag dies auch an einem Mangel 419
Vgl. Mateu 2001, S. 417. Vgl. Maresceau 2008, S. 281, 285; Emerson 2007, S. 50; Murray 2006, S. 190. 420
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D. Das Fürstentum Andorra und seine Integration in die EU
geeigneter legislativer Instrumente in Andorra, um Betrug zu verhindern oder zu bekämpfen.421 Es war fraglich, ob die betreffenden andorranischen Exporte gegen das Abkommen von 1990 verstießen. Die EG, speziell Spanien, übte durch strenge Grenzkontrollen großen Druck auf Andorra aus. Dies führte letztendlich dazu, dass die andorranische Regierung im Jahr 1999 einseitige Maßnahmen in Form von Gesetzen zur Bekämpfung von Betrug und zur Bestrafung von Schmuggel erließ.422 Seit dem sind keine ernsthaften Probleme im Bezug auf den Export von Tabak aus Andorra in die EU bzw. in den bilateralen Handelsbeziehungen als solche aufgetreten.423 Allerdings hat der Europäische Rechnungshof in seinem Sonderbericht 2/93 über das Zollgebiet der Gemeinschaft und diesbezügliche Handelsabkommen die Bestimmungen des Abkommens EG-Andorra von 1990 im Generellen kritisiert.424 Er hob dabei hervor, dass die Mehrheit der Güter, die nach Andorra importiert werden, nicht für den Konsum der Andorraner selbst, sondern für den Verkauf an Touristen bestimmt sind, die diese Waren dann in großen Mengen in die Gemeinschaft reimportieren. Der Rechnungshof hat deshalb vorgeschlagen, dass es „angemessener sein [dürfte], bei den Erstattungssystemen in Andorra und San Marino von den Zöllen und Abschöpfungen, die auf ihren tatsächlichen Warenverbrauch entfallen, d.h. von entsprechenden Bevölkerungskoeffizienten unter Berücksichtigung der Touristen auszugehen“ und er schlussfolgert, dass „die Beseitigung der Steuerschranken und der Möglichkeit, Waren im Reiseverkehr zwischen den Mitgliedstaaten abgabefrei („tax free“) zu erwerben, die Attraktivität der Enklaven, die abgabenfrei Waren bieten, zweifellos noch erhöhen [wird]“ und es deshalb „offenbar [. . .] notwendig [ist], eine Neuaushandlung der betreffenden Regelungen im Rahmen des Binnenmarktes ins Auge zu fassen“.425 Zu einer Neuverhandlung ist es bisher noch nicht gekommen, trotz dem, dass auch die Kommission dies in ihrer Antwort auf den Sonderbericht vorschlägt. Sie stellt fest, dass „gewisse von der Gemeinschaft oder ihren Mitgliedstaaten getroffene Regelungen historische und/oder politische Ursprünge [haben]“ und sich die Kommission in diesem Zusammenhang „bemüht [. . .], geeignete Mittel und Wege zu finden, um die fraglichen historischen und politischen Interessen und die mit den Eigenmitteln der Gemeinschaft verknüpften finanziellen Interessen in Einklang zu bringen“. Dabei weist sie darauf hin, dass „nicht übersehen [werden darf], dass diese 421 422 423 424 425
Vgl. KOM (1998) 276, S. 19; Maresceau 2008, S. 282. Vgl. Murray 2006, S. 190; Maresceau 2008, S. 285. Vgl. Maresceau 2008, S. 282. ABl. C 347 vom 27.12.1993, S. 1 ff. ABl. C 347 vom 27.12.1993, S. 9; vgl. Maresceau 2008, S. 282.
II. Die Integration Andorras in die Europäische Union
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Sonderfälle für die Gemeinschaft nur von geringer finanzieller Bedeutung sind“.426 Es wird deutlich, dass die historischen, geographischen und politischen Besonderheiten sowie die geringe wirtschaftliche Rückwirkung auf die EU als Ganzes wichtige Argumente dafür sind, die besondere Beziehung zwischen der EU und Andorra sowie anderen europäischen Mikrostaaten aufrecht zu erhalten.427 Aus Sicht Andorras erwies sich als problematisch, dass es mit Abschluss des Abkommens einwilligte, sämtliche von der EG beschlossenen handelspolitischen Regelungen zu übernehmen und zwar autonom, d.h. ohne an der Ausarbeitung beteiligt gewesen zu sein und ohne sich darauf gegenüber Drittstaaten berufen zu können.428 Ein ähnliches Problem ergibt sich aus der Frage der Zuteilung der Gemeinschaftskontingente. Einerseits muss Andorra die Einfuhrbeschränkungen der EG einhalten, andererseits werden aber keine gesonderten Quoten für Andorra ausgewiesen und in Andorra ansässige Unternehmen haben keinen Anspruch auf die Zuteilung von Gemeinschaftskontingenten. Dies ist grundsätzlich zu rechtfertigen, denn wenn man Unternehmen in Andorra Zugang zu Gemeinschaftskontingenten gewähren würde, bestände die Gefahr, dass sich Unternehmen in Andorra niederließen, die zuvor in der Gemeinschaft waren, um Steuern zu sparen, da die Beteiligung an den Kontingenten oft große Gewinne erbringt. Andererseits ist es eine übermäßige Belastung, das Fürstentum nur auf die indirekte Versorgung über die EG zu verweisen, gerade auch, weil es einen nicht unbedeutenden Einfuhrverkehr direkt mit Drittländern gegeben hat.429 Als Folge des Abschlusses des Abkommens mussten sich die Zollorgane Andorras strukturieren, vergrößern und entwickeln. Es mussten neue legislative Instrumente geschaffen werden, sowie auch Investitionen in Ausbildung und Rekrutierung von kompetentem und qualifiziertem Personal für den Zolldienst, das den europäischen Kriterien entspricht, getätigt werden. Außerdem nahm Andorra im Jahr 1996 einen Zollkodex an, inspiriert durch den Zollkodex der Gemeinschaft, der im Jahr 2000 aktualisiert wurde.430 Andorra war der erste Mikrostaat, mit dem die EG vertragliche Beziehungen einging.431 Zu Beginn der Verhandlungen waren diese durch 426 427 428 429 430 431
ABl. C 347 vom 27.12.1993, S. 27; vgl. Maresceau 2008, S. 282. Vgl. Maresceau 2008, S. 283. Vgl. Stapper 1999, S. 71; Gstöhl 2001, S. 117. Vgl. Stapper 1999, S. 72; Sack S. 47; Gstöhl 2001, S. 117. Vgl. Mateu 2001, S. 416. Vgl. Stapper 1999, S. 77; Mateu 2001, S. 416.
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D. Das Fürstentum Andorra und seine Integration in die EU
enorme Probleme gekennzeichnet, besonders wegen dem ungeklärten internationalen Status Andorras zu dieser Zeit. Trotz dieser starken Unsicherheiten war die EG bereit, einen völkerrechtlichen Vertrag mit Andorra abzuschließen, was als große Leistung gewertet werden kann. Aus dieser Situation heraus musste Andorra einerseits inhaltlich umfangreiche Zugeständnisse bei den Verhandlungen machen. Andererseits gab es auch zahlreiche Ausnahmeregelungen zugunsten des Fürstentums, die es ermöglichten, Andorra eng an die EG anzugliedern, ohne dass es in die Gemeinschaft aufgenommen wurde.432 Trotz der Probleme ist die Bilanz des Abkommens für beide Seiten positiv.433 Andorra zieht zahlreiche Vorteile aus dem Abkommen. Erstens erhält es nun die Importzölle für Industrieprodukte aus Drittstaaten. Agrarprodukte dagegen, die aus Drittstaaten nach Andorra importiert werden, sind von den Gemeinschaftszöllen ausgeschlossen. Dies entspricht einer finanziellen Verbesserung im Vergleich zum vorher in Andorra geltenden Zollregime.434 Zweitens wird Andorra durch den Abschluss des Abkommens von der EG indirekt als Staat anerkannt. Die Beziehungen zwischen der EG und Andorra werden direkt durch die andorranischen Institutionen aufrechterhalten, ohne die Notwendigkeit der Intervention von Frankreich oder Spanien.435 dd) Zusammenfassung Das Abkommen schafft eine Zollunion zwischen der EU und Andorra für industrielle Produkte mit Sonderregelungen für Agrarprodukte und einer Abgabebefreiung für Touristen. Dies bedeutet aber nicht, das Andorra zum Zollgebiet der EU gehört. Da die landwirtschaftlichen Produkte nur eine untergeordnete Rolle in Andorra spielen, wurde die gemeinsame Agrarpolitik nicht in das Abkommen aufgenommen. Bestimmte Agrarprodukte aus Andorra können trotzdem zollfrei in die EU exportiert werden. Tabakprodukte sind dabei ausgenommen. Eine Regelung zu indirekten Steuern wurde nicht getroffen.436 Durch den Zollunionsvertrag wird Andorra in den Bereichen des Abkommens weitgehend in den freien Warenverkehr der EG einbezogen und erhält 432
Vgl. Stapper 1999, S. 77. Vgl. Mateu 2001, S. 416; Maresceau 2008, S. 281. 434 Vgl. Duursma 1996, S. 363. 435 Vgl. Duursma 1996, S. 364. 436 Vgl. Gstöhl 2001, S. 117; Mateu 2001, S. 416, Dózsa 2008, S. 96; Duursma 1996, S. 363; Maresceau 2008, S. 280; Stapper 1999, S. 74; Sack 1997, S. 46 f.; Murray 2006, S. 189; Hummer 2004, S. 92. 433
II. Die Integration Andorras in die Europäische Union
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Zugang zum Binnenmarkt der EU. Andorra hat aber weiterhin seine Stellung als Drittstaat behalten.437 Somit übernahm Andorra den gesamten Acquis im Bereich des Abkommens. Dabei war es jedoch nicht an der Ausarbeitung dieser Regelungen beteiligt gewesen, hat keinerlei Anspruch auf Zuteilung von Gemeinschaftskontingenten und kann sich gegenüber Drittstaaten mit Präferenzabkommen (z. B. Freihandelsabkommen, EWR, etc.) nicht darauf berufen, dass die Präferenzen auch für Andorra angewandt werden. Obwohl die tatsächliche Bedeutung von Exporten aus Andorra in Drittländer gering ist, wäre prinzipiell und zur Erleichterung des Warenverkehrs eine Gleichbehandlung wünschenswert. Aus diesem Grund bemüht sich die EU – wie im Fall San Marino – darum, dass die Partnerländer den Waren aus Andorra die gleichen Rechte wie Waren aus der EU zugestehen.438 Der Abschluss dieses bilateralen Abkommens mit der EG, das erste bilaterale Abkommen Andorras nach dem Briefwechsel mit seinen Nachbarstaaten von 1867 und das erste Abkommen der EG mit einem Mikrostaat, war für das Fürstentum der entscheidende internationale Durchbruch. Bis heute bleibt das Abkommen für Andorra das wichtigste, wenn auch nicht das einzige Abkommen mit der EG bzw. der EU. Auch auf nationalem Niveau trug es zur Modernisierung der andorranischen Institutionen bei und unterstützte die Verabschiedung der Verfassung 1993, die Andorras Unabhängigkeit und externe Rechtsfähigkeit schuf. Der Einfluss des Abkommens von 1990 vor allem auf letzteres war bedeutend. Zuvor war das Fürstentum der europäische Mikrostaat mit der unsichersten und schwächsten externen Rechtsfähigkeit, doch das Abkommen implizierte, dass Andorra von der EG als vollwertiger Drittstaat behandelt wurde. Auch, da nun Frankreich nicht mehr darauf bestand, das Fürstentum international zu vertreten, bedeutete das Abkommen einen wichtigen Wendepunkt und hatte immense historische Bedeutung für Andorra.439 Der Abschluss des Abkommens sowie die Verabschiedung der Verfassung war der Anfang der weltweit anerkannten Präsenz von Andorra. Kurz darauf folgten die Mitgliedschaft in der UNO, dem Europarat, die Eröffnung diverser Botschaften und Vertretungen im Ausland, darunter auch eine Mission in Brüssel, die bei der EU akkreditiert ist.440 Das Zollunionsabkommen hat die Beziehungen und die gemeinsamen Interessen zwischen der EG und Andorra gestärkt und zu weiteren Entwicklungen angeregt.441 437
Vgl. Mateu 2001, S. 416; Sack 1997, S. 47. Vgl. Sack 1997, S. 47; Hummer 2004, S. 92; Gstöhl 2001, S. 117; Stapper 1999, S. 71 f. 439 Vgl. Maresceau 2008, S. 276; 283 f. 440 Vgl. Maresceau 2008, S. 284. 438
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D. Das Fürstentum Andorra und seine Integration in die EU
Die Regierung Andorras strebte zu diesem Zeitpunkt zusätzlich ein umfangreicheres Kooperationsabkommen mit der EG an, das Umweltschutz, soziale Fragen, Infrastrukturmaßnahmen, den kulturellen Austausch und die Beteiligung an gemeinschaftlichen Programmen mit einbeziehen sollte.442 Dazu haben der Rat der EU und auch der Europäische Rat in Madrid 1995 grundsätzlich zugestimmt. Der Wunsch nach einem weiteren Abkommen war durch das Streben begründet, sich gegenüber Frankreich und Spanien zu emanzipieren. Es war zunächst zweifelhaft, ob seitens der EG ausreichend Interesse bestand, ein solches Abkommen abzuschließen (besonders hinsichtlich des Subsidiaritätsprinzips). Es wäre eher eine politische Geste.443 Tatsächlich wurde über ein Jahrzehnt später am 15. November 2004 ein Kooperationsabkommen zwischen Andorra und der EG abgeschlossen. c) Das Kooperationsabkommen aa) Entstehung Das Kooperationsabkommen wurde am selben Tag unterzeichnet, wie das Abkommen im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen. Doch die erste Verhandlungsphase des Abkommens begann schon 1997.444 In der Antwort der Kommission vom 16. Juli 1998 auf die schriftliche Anfrage 1783/98 von Concepció Ferrer an die Kommission445 wird erläutert, dass der Rat am 24. Februar 1997 Verhandlungsdirektiven annahm, mit denen die Kommission ermächtigt wurde, über den Abschluss eines Kooperationsabkommens mit Andorra Verhandlungen aufzunehmen. Ein knappes Jahr später, am 19. Januar 1998 schloss die Kommission daraufhin die Verhandlungen über dieses Kooperationsabkommen ab. Das Abkommen beinhaltet viele Bereiche, einschließlich Umwelt, Kommunikationswesen, Information, Kultur, Bildung, Verkehr, regionale und grenzüberschreitende Zusammenarbeit und soziale Fragen. Das Funktionieren des Abkommens über die Zollunion wird dadurch nicht beeinträchtigt. Beide Abkommen sollen nebeneinander ausgeführt und von demselben Gemeinsamen Ausschuss verwaltet werden. Die Unterzeichnung dieses neuen Abkommens wurde von der Kommission ausgesetzt, bis eine befriedigende Lösung der Tabakfrage gefunden sein würde.446 Die Kommission zeigte sich sehr besorgt über das 441 442 443 444 445 446
Vgl. Mateu 2001, S. 416. Vgl. Gstöhl 2001, S. 117; Sack 1997, S. 47. Vgl. Sack 1997, S. 47. Vgl. Maresceau 2008, S. 285. ABl. C 50 vom 22.02.1999, S. 92. sh. Punkt D. II. 2. c) („Tabakkrieg“).
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Ausmaß und die Bedrohlichkeit des Tabakschmuggels. Sie wünschte sich rasche Fortschritte im Hinblick auf eine Beendigung dieses für die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten unerträglichen Zustands.447 Die Thematik des Zigarettenschmuggels wurde 1996 zu einem Problem, als Andorra als ein Land der wichtigsten Quellen für Zigarettenschmuggel in die EU identifiziert wurde. Daraufhin nahm Andorra einige Maßnahmen gegen den Zigarettenschmuggel in Angriff.448 Es wird deutlich, dass die Verhandlungen des Abkommens schon frühzeitig abgeschlossen waren, doch es aufgrund der damaligen Situation, speziell aufgrund des Problems des Tabakschmuggels, erst 2005 zum Abschluss des Abkommens kam.449 Die Grundlage für den Abschluss dieses Kooperationsabkommens bildet das vom Rat am 19. Juni 2002 erteilte neue Mandat, nachdem seit Januar 1998, als der Entwurf eines Kooperationsabkommens letztmals mit der andorranischen Seite erörtert worden war, keine Verhandlungssitzungen mehr stattgefunden hatten. Am 4. September 2002 wurden die diesbezüglichen Kontakte zwischen den Kommissionsdienststellen und den andorranischen Behörden auf der Grundlage von Überlegungen und Vorschlägen der andorranischen Seite wieder aufgenommen. Die meisten der im Abkommensentwurf von 1998 genannten Sektoren wurden als Bereiche der künftigen Zusammenarbeit übernommen. Dazu zählen insbesondere Umwelt, Kommunikation, Information und Kultur, allgemeine und berufliche Bildung und Jugend, soziale Angelegenheiten und Gesundheitsfragen, Energie und transeuropäische Kommunikationsnetze sowie Regionalpolitik. In einem informellen Arbeitspapier vom 29. April 2002 schlug Andorra vor, Währungsfragen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Euro, ebenfalls in das Abkommen aufzunehmen. Die Kommission hielt es jedoch für zweckmäßiger, die Frage der Prägung des Euro wie auch die der Besteuerung von Zinserträgen aus dem Kooperationsabkommen auszuklammern, damit im Einklang mit dem vom Rat erteilten Mandat dessen Gemeinschaftscharakter gewahrt bleibt. Die Verhandlungen mit den andorranischen Behörden über die Vereinbarung über die Besteuerung von Zinserträgen waren bis dahin schon weit fortgeschritten.450 Das Kooperationsabkommen soll das Abkommen über die Zollunion nicht ersetzen, sondern vielmehr ergänzen und den Rahmen der Beziehungen zwischen der Union und Andorra erweitern und stärken.451 Andorra er447
ABl. C 50 vom 22.02.1999, S. 92; vgl. Maresceau 2008, S. 285. Vgl. Murray 2006, S. 190; Maresceau 2008, S. 285. 449 Vgl. Murray 2006, S. 188 ff. 450 Vgl. KOM (2004) 456 endgültig/2, Präambel; Maresceau 2008, S. 285. Zum Abkommen im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen sh. Punkt D. II. 2. d), zu den Währungsverhandlungen sh. D. II. 1. b). 448
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D. Das Fürstentum Andorra und seine Integration in die EU
hoffte sich, durch das Abkommen eine große Bandbreite möglicher gemeinsamer Aktivitäten zu schaffen, um die Verluste, die ihm durch das Abkommen im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen entstanden, auszugleichen.452 Die Verhandlungen über das Kooperationsabkommen wurden am 29. April 2004 abgeschlossen.453 Am 10. Mai 2005 genehmigt der Rat den Abschluss des Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Fürstentum Andorra.454 Auch das Europäische Parlament spricht am 22. Februar 2005 seine Zustimmung aus.455 bb) Inhalt Am 15. November 2004 wurde das Kooperationsabkommen zwischen der EG und Andorra unterzeichnet,456 das am 1. Juli 2005 in Kraft trat.457 Es enthält die Bereiche Umwelt (Art. 2), Kommunikation, Information und Kultur (Art. 3), allgemeine und berufliche Bildung und Jugend (Art. 4), soziale Angelegenheiten und Gesundheitsfragen (Art. 5), Energie und transeuropäische Kommunikationsnetze (Art. 6), Regionalpolitik (Art. 7). Es wurde gleichzeitig mit dem Abkommen im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen unterzeichnet.458 Das Abkommen umfasst jedoch nicht den freien Verkehr von Personen, Kapital und Dienstleistungen oder das Niederlassungsrecht.459 Inhalt des Abkommens ist eine Verpflichtung zur Zusammenarbeit auf breiter Grundlage und zu beiderseitigem Wohl in den oben genannten Bereichen. Zur Verwaltung und Überwachung der ordnungsmäßigen Durchführung des Abkommens wird ein Kooperationsausschuss eingesetzt. Dieser setzt sich aus Vertretern der Europäischen Gemeinschaft (Kommission) einerseits und Vertretern des Fürstentums Andorra andererseits zusammen (Art. 9). Außerdem regelt der Kooperationsausschuss jegliche Streitigkeit über die Auslegung oder Anwendung dieses Abkommens (Art. 10). Das Abkommen wird auf unbegrenzte Zeit geschlossen, ist aber jederzeit durch die Vertragsparteien kündbar (Art. 11, Art. 12). 451
Vgl. KOM (2004) 456 endgültig/2, Präambel; Maresceau 2008, S. 285. Vgl. Emerson 2007, S. 53. 453 Vgl. KOM (2004) 456 endgültig/2, Präambel. 454 ABl. L 135 vom 28.05.2005, S. 12 f. 455 ABl. E 304 vom 01.12.2005, S. 106 f. 456 ABl. L 135 vom 28.05.2005, S. 12 f. 457 ABl. L 138 vom 01.06.2005, S. 17. 458 sh. Punkt D. II. 1. b). 459 Vgl. Govern d’Andorra u. a. 2007a, S. 12 ff.; Murray 2006, S. 190; Maresceau 2008, S. 285. 452
II. Die Integration Andorras in die Europäische Union
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cc) Bewertung Das Abkommen ist weit gefächert, jedoch eher generell und vage formuliert. Dies könnte man darauf zurückführen, dass in der Präambel festgehalten wurde, „Kooperationen in allen Gebieten mit gemeinsamen Interesse“ zu bilden und dass daher der Anwendungsbereich des Abkommens nach beidseitiger Zustimmung ausgeweitet werden kann (Präambel, Art. 8).460 Aus EG-rechtlicher Sicht ist es erstaunlich, dass, obwohl das Abkommen soziale Bestimmungen enthält (v. a. Art. 5), es nicht von allen EU-Mitgliedstaaten unterzeichnet werden musste. Zwar erklärte die EU formal nicht, warum die EU-Mitgliedstaaten das Abkommen nicht unterzeichnen mussten, doch ein möglicher Grund ist, dass der Artikel 137 EGV461 (jetzt Art. 153 AEUV) es der EG erlaubt, die Aktivitäten der Mitgliedstaaten im Bereich der Sozialpolitik zu unterstützen und zu ergänzen, einschließlich der Beschäftigungsbedingungen für Angehörige von Drittstaaten, die sich legal im Gemeinschaftsgebiet aufhalten.462 Die Auswirkungen dieses Abkommens sind bisher schwer zu beurteilen, nur wenige konkrete Implementierungen wurden durchgeführt, es gab bisher kaum operationale Resultate.463 Trotzdem ist das Kooperationsabkommen ein wichtiger Schritt auf dem langen und komplexen Weg Andorras zur Annäherung an die EU. Das Fürstentum hat beachtliche rechtliche Bemühungen unternommen, um dieses Abkommen umzusetzen, speziell den Art. 2 (Umwelt). Artikel 7 des Abkommens (Regionalpolitik) beinhaltet jedoch das meiste Potential und bietet mehr Kooperationsmöglichkeiten.464 So ist die vielversprechendste Idee für Andorra, die sich aus diesem Abkommen ergibt, die Teilnahme an einem Programm mit Unterstützung der Regionalfonds der EU, die von der „Communauté de Travail des Pyrénées“, einer regionalen Organisation, durchgeführt wird. Andorra ist gemeinsam mit den Regionen der Pyrenäen Spaniens und Frankreichs Mitglied dieser Organisation. Dennoch ist das Abkommen bisher eher enttäuschend für Andorra.465 Dadurch, dass dem Abkommen kein Finanzprotokoll zugefügt wurde, ist eine direkte Teilnahme Andorras an EU-Programmen nicht möglich.466
460 461 462 463 464 465 466
Vgl. Dózsa 2008, S. 97; Murray 2006, S. 191. ABl. C 325 vom 24.12.2002, S. 33 ff. (Vertrag von Nizza). Vgl. Maresceau 2008, S. 286. Vgl. Maresceau 2008, S. 285; Emerson 2007, S. 3. Schriftliche Auskunft einer andorranischen Quelle. Vgl. Emerson 2007, S. 3, 7, 54 f. Schriftliche Auskunft einer andorranischen Quelle.
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D. Das Fürstentum Andorra und seine Integration in die EU
d) Das Abkommen im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen Andorra stand noch im April 2002 auf der OECD-Liste der unkooperativen Steuerparadiese, ebenso wie Liechtenstein und Monaco.467 Daraufhin wurde auch von der EU Druck auf Andorra ausgeübt und schließlich das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Fürstentum Andorra über Regelungen, die denen der Richtlinie 2003/48/EG des Rates im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen gleichwertig sind und eine gemeinsame Absichtserklärung468 am 14. November 2004 unterzeichnet. Durch den Beschluss des Rates über den Abschluss des Abkommens,469 wurde das Abkommen am 22. Dezember 2004 vom Rat genehmigt. Auch das Europäische Parlament stimmte dem Abschluss des Abkommens zu.470 Anschließend musste es noch durch die Vertragsparteien ratifiziert und genehmigt werden, danach trat es am 1. Juni 2005 in Kraft.471 Im Abkommen über die Besteuerung von Zinserträgen wird festgelegt, dass Zinsen, die im Fürstentum Andorra an wirtschaftliche Eigentümer gezahlt werden, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft ansässige natürliche Personen sind, einer Quellensteuer unterliegen, die von den im Gebiet des Fürstentums Andorra ansässigen Zahlstellen einbehalten wird (Art. 1 (1) Abs. 1). Die Einnahmen aus der Quellensteuer werden zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und dem Fürstentum Andorra aufgeteilt (Art. 1 (1) Abs. 2, Art. 8). Dabei gehen drei Viertel an den Mitgliedstaat, aus denen der Anleger stammt (Art. 8). Die Schwäche des Abkommens liegt darin, dass der Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden Andorras und der Mitgliedstaaten (Art. 12) durch die Zahlung eines bestimmten Prozentsatzes der Steuern als Kapitalertragssteuer bzw. Quellensteuer leicht umgangen werden kann (Art. 1–9). Somit wurde das Kernproblem der Steuerflucht nicht gelöst, lediglich der Preis der Anonymität ist gestiegen.472 Inhaltlich parallele Abkommen wurden außerdem abgeschlossen mit den Mikrostaaten Liechtenstein, Monaco und San Marino. Das Abkommen zwischen der EU und Andorra im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen sollte nur angewandt werden, wenn die gleichen Mittel durch die Schweiz, 467
Vgl. OECD 2009a; Dózsa 2008, S. 97; Emerson 2007, S. 4. ABl. L 359 vom 04.12.2004, S. 33 ff. 469 ABl. L 114 vom 04.05.2005, S. 9. 470 ABl. E 201 vom 18.08.2005, S. 62 f.; vgl. Murray 2006, S. 188; genauer zur Entstehung: Emerson 2007, S. 3, 50 f. 471 ABl. C 119 vom 20.05.2005, S. 1. 472 Vgl. Dózsa 2008, S. 97. 468
II. Die Integration Andorras in die Europäische Union
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Liechtenstein, Monaco, San Marino und abhängige und assoziierte Territorien des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und den Niederlanden sowie allen EU-Mitgliedstaaten angewandt werden würden. Da dies der Fall war, trat das Abkommen am 1. Juni 2005 in Kraft (Art. 14).473 Dieses Abkommen dient der Bekämpfung von Geldwäsche. Ziel ist die Verhinderung von Steuerbetrug sowie, dass EU-Bürger nicht zu viele Zinsen in Andorra erhalten können. Das Abkommen soll sicherstellen, dass das Fürstentum Andorra Regelungen erlässt, die den in der Gemeinschaft anzuwendenden Regelungen zur Gewährleistung einer effektiven Besteuerung von Zinserträgen gleichwertig sind.474 Der Abschluss dieses Abkommens gilt als Voraussetzung für den Abschluss einer Vereinbarung über Währungsbeziehungen.475 Dennoch wurde bisher keine Vereinbarung dieser Art abgeschlossen.476 Dem Abkommen wurde außerdem eine gemeinsame Absichtserklärung (Memorandum of Understanding) beigefügt, in welchem sich Andorra verpflichtet, das Konzept des Steuerbetrugs als Straftat in die Gesetzgebung im Laufe des ersten Jahres der Anwendung des Abkommens zu übernehmen (Punkt 3). Diese Verpflichtung bezieht sich auf Art. 12 Abs. 1 des Abkommens, welches sicherstellt, dass die EU und Andorra „hinsichtlich der unter dieses Abkommen fallenden Erträge Informationen über Handlungen aus[tauschen], die nach den Rechtsvorschriften des ersuchten Staates, als Steuerbetrug oder als ähnliches Delikt gelten“. Das Memorandum stellt klar, das sich die Definition von Steuerbetrug nur auf die Besteuerung von Zinserträgen in Rahmen dieses Abkommens bezieht.477 Andorra nutzte die Verhandlungen zu diesem Abkommen um verschiedene Gegenforderungen zu stellen, wie das Recht auf Überquerung der Schengen-Grenzen, den Abschluss eines Kooperationsabkommens, das am selben Tag unterzeichnet wurde, oder einer Währungsvereinbarung.478 So werden in dem Memorandum weiterhin zukünftige Formen der Kooperation erwähnt. Zusätzlich zu einem zukünftigen Währungsabkommen schlägt das Memorandum die Eröffnung bilateraler Beziehungen zwischen Andorra und den einzelnen EU-Mitgliedstaaten vor, um die administrativen Prozeduren des Informationsaustausches zu steuerlichen Sachverhalten zu definieren. Ziel der bilateralen Kooperationen im Bereich der Steuern wäre die mög473 474 475 476 477 478
Vgl. Murray 2006, S. 191. Vgl. Emerson 2007, S. 3, 52. ABl. L 114 vom 04.05.2005, S. 9. sh. Punkt D. II. 1. b). Vgl. Murray 2006, S. 191 f. Vgl. Emerson 2007, S. 52; Maresceau 2008, S. 272.
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D. Das Fürstentum Andorra und seine Integration in die EU
liche Abschaffung oder Reduzierung von Quellensteuern, die zur Zeit von den EU-Mitgliedsländern auf die Provisionen von Dienstleistungen und Finanzprodukten aus Andorra erhoben werden. Außerdem ruft das Memorandum zu bilateralen Verhandlungen auf, um wirtschaftliche und fiskalische Kooperationen zu erweitern. Ziel dieser bilateralen Kooperationen sollte sein, die Integration der andorranischen Wirtschaft in die EU-Wirtschaft zu fördern.479 Auf den ersten Blick ist die ausgewogene Natur der Abkommen nicht jedem augenscheinlich und es scheint sich eher um einen von der EG vorgegebenen Text zu handeln. Elemente der ausgewogenen und akzeptablen Natur der Abkommen können jedoch vor allem mit der Verbindung zu den weiteren politischen Verhandlungs-Paketen gesehen werden, die einige Mikrostaaten teilweise parallel zu den Verhandlungen der Abkommen im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen verhandelt haben.480 Das Abkommen bestimmt wichtige Punkte für die zukünftigen Beziehungen zwischen der EU und Andorra. Es ist das erste Beispiel dafür, dass die EU ihre eigene Politik praktisch kollektiv allen sehr kleinen europäischen Drittstaaten und Territorien auferlegt. Aus formaler Sicht führten Verhandlungen zu dem Abkommen. Dies wurde allerdings nur erreicht, da die Partner der EU dem Druck nicht standhalten konnten.481 Das Abkommen mit Andorra sowie auch die Abkommen mit den anderen Staaten in diesem Bereich werden wahrscheinlich noch einmal verhandelt werden, wenn die Übergangsbestimmungen für die drei EU-Mitgliedstaaten Österreich, Belgien und Luxemburg in diesem Bereich im Jahr 2010 auslaufen. Es ist zu erwarten, dass die EU ein Abkommen anstrebt, dass einen automatischen Informationsaustausch festlegt.482 e) Weitere Zusammenarbeit und neueste Entwicklungen Das Fürstentum hat im Jahr 1995 eine Mission bei der EU akkreditiert und zum ersten Mal einen Botschafter ernannt, der dann 1997 Außenminister des Fürstentums wurde (Albert Pintat).483 Seit dem Abschluss des ersten Abkommens 1990 haben sich die „Beobachtungs- und Analyse-Posten“ zwischen Andorra und der EU kontinuierlich vervielfacht. Dies sichert eine bessere Kenntnis der Realitäten beider Par479 480 481 482 483
Vgl. Murray 2006, S. 192 f. Vgl. Maresceau 2008, S. 303. Vgl. Emerson 2007, S. 52; Dózsa 2008, S. 97. sh. Punkt I. IV. 4.; vgl. Emerson 2007, S. 52. Vgl. Mateu 2001, S. 417; Grard 2002, S. 95.
II. Die Integration Andorras in die Europäische Union
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teien, erlaubt einen Austausch und bestärkt eine dynamische Kooperation. Es wird sich zeigen, welche Gemeinsamkeiten gefunden werden zwischen der EU mit ihrer Liberalisierung und Globalisierung sowie Andorra, das kleine Fürstentum, das gerade erst seine internationalen Seiten entdeckt und gleichzeitig seine Besonderheiten und Identität erhalten will.484 Am 17. Dezember 2008 ermächtigte der Rat die Kommission, Verhandlungen mit dem Fürstentum Andorra und der Republik San Marino zu eröffnen, mit dem Ziel der Erweiterung des Umfangs des Abkommens in Form eines Briefwechsels mit dem Fürstentum Andorra und dem Zollunions- und Kooperationsabkommens mit der Republik San Marino um Zollsicherheitsmaßnahmen einzubeziehen.485 Ebenso soll das Abkommen über die Besteuerung von Zinserträgen baldmöglichst neu verhandelt werden. Im Bereich Steuern und Zollunion wurde am 30. Juni 2009 eine Empfehlung der Kommission an den Rat abgegeben, die Kommission zu autorisieren, Verhandlungen über ein Betrugsbekämpfungsabkommen zwischen der EG und ihren Mitgliedstaaten einerseits sowie dem Fürstentum Andorra, dem Fürstentum Monaco und San Marino andererseits zu eröffnen. Das Abkommen soll dazu dienen, Betrug und andere illegale Handlungen zu bekämpfen und administrative Zusammenarbeit durch Informationsaustausch in Steuerfragen zu sichern.486 Daraufhin debattierte der Rat am 20. Oktober und 26. November 2009 über einen Entwurf für eine Entscheidung des Rates.487 3. Europäischer Integrationswille Andorras und Zukunftsausblick Die Frage der Annäherung der Beziehungen zwischen Andorra und der EU steht seit Abschluss des Zollabkommens 1991 auf der politischen Tagesordnung. Die Angleichungen der Positionen im Bereich der weiteren drei Grundfreiheiten der EU (Personen, Dienstleistungen und Kapital) werden seit dem vorangetrieben. Die europäische Frage stand auch besonders während des Wahlkampfes 2001 im Zentrum des politischen Interesses in Andorra.488 In einem Bericht für die andorranische Regierung aus dem Jahr 1999 lenkt der Autor Solbes489 die Aufmerksamkeit stark auf das Modell des 484 485 486 487 488
Vgl. Mateu 2001, S. 417. Rats-Dok. 17415/08. Kom.-Dok. SEC (2009) 899/F. Rats-Dok. 14325/09, 16308/09. Vgl. Mateu 2001, S. 417.
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D. Das Fürstentum Andorra und seine Integration in die EU
EWR als Vorbild für Andorra. Der EWR scheint jedoch nicht unbedingt das geeignetste Modell für Andorra zu sein, da er einerseits die Übernahme von zahlreichen Richtlinien fordern würde, andererseits aber auch nicht alle EUPolitikfelder einschließt. Außerdem ist es fraglich, ob die EWR-Mitgliedstaaten einer Erweiterung zustimmen würden.490 In einer Studie von Emerson aus dem Jahr 2007, die im Auftrag des andorranischen Außenministers durchgeführt wurde, mit dem Ziel, die möglichen Zukunftsperspektiven für die Beziehungen Andorras zur Europäischen Union abzustecken, sprach sich der Autor deutlich für eine stärkere Annäherung des Mikrostaates an die EU aus, bis hin zu einer quasi-Mitgliedschaft.491 Eine Annäherung an die EU würde unter anderem eine Abkehr von den bisherigen wirtschaftlichen Paradigmen Andorras bedeuten, da es seinen Wohlstand der letzten 50 Jahre vor allem durch den Abstand zu EUPolitiken gewann. Heute scheint anhaltender Wohlstand in Andorra jedoch stärker von einer Anwendung der EU-Regeln, speziell die Teilnahme an den vier Freiheiten sowie die Abschaffung des Status als Steuerparadies, abhängig zu sein.492 Für eine stärkere Annäherung an die EU bis hin zu einer Quasi-Mitgliedschaft schlägt Emerson das Jahr 2020 als Ziel vor.493 Er untergliedert den Prozess der Annäherung in vier Schritte, die sich jeweils über Jahre erstrecken könnten: 1. Eine vorbereitende Etappe einseitiger Reformen, der Verhandlungen mit der EU voraus gehen, 2. Verhandlung sektoraler Abkommen mit der EU, weitergehend als die bisher existierenden, 3. Ein umfassender multisektoraler Vertrag und 4. Ein neues Model der Quasi-Mitgliedschaft in der EU.494 Dabei entspricht der heutige Zustand einem Mix aus dem Schritt 1 und 2.495 Liechtenstein wäre ein Beispiel für Schritt 3, da das Fürstentum durch die Mitgliedschaft im EWR am europäischen Binnenmarkt teilnimmt, ein489 Solbes, Pedro: Éléments de définition d’un modèle de relation entre l’Union Européenne et l’Andorre, Andorra La Vella: Govern d’Andorra, Ministeri d’Afers Exteriors, 2000. Erläutert in: Emerson 2007, S. 17 ff. 490 Vgl. Emerson 2007, S. 17 f. 491 Vgl. Emerson 2007, S. 10 ff. 492 Vgl. Emerson 2007, S. 2. 493 Vgl. Emerson 2007, S. 12. 494 Vgl. Emerson 2007, S. 10 ff. Originalbezeichnung Emersons: „virtual membership of the EU“. 495 Vgl. Emerson 2007, S. 10 f.
II. Die Integration Andorras in die Europäische Union
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schließlich der vier Freiheiten und umfassender Harmonisierung der Regulierungsstandards.496 Für Andorra wäre vor allem die Übernahme des gesamten EU-Acquis im Bereich Finanzmarkt sowie freier Kapitalverkehr eine Herausforderung.497 Weitere Formen schon heute existierender umfassender Verträge sind Beitrittsverträge, Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen, Partnerschaftsund Kooperationsabkommen oder die Aktionspläne der Europäischen Nachbarschaftspolitik.498 Weder die bisherigen Formen umfassender Verträge, noch das Schweizer oder Liechtensteiner Modell scheinen ohne Probleme auf Andorra anwendbar zu sein, was es wahrscheinlich macht, dass ein neues, umfassendes Vertragsmodell für Andorra entwickelt werden müsste.499 Die Idee des Schrittes 4 erwächst aus dem Kontext, dass die EU möglicherweise Erweiterungen, zusätzlich zu den bisher begonnenen Prozessen, zunehmend zurückhaltend gegenüber steht. Der Vorschlag sieht eine umfassende funktionale Teilnahme in der EU vor, mit umfassenden Rechten für Bürger und Unternehmen, aber mit besonderen institutionellen Ausgestaltungen, um Blockaden der EU-Entscheidungsfindungen zu verhindern. Dieser Schritt 4 wäre ebenso für die EU eine neue Entwicklung. Bisher gibt es keinen Präzedenzfall für dieses Modell. Dieser Vorschlag wird außerdem relevant hinsichtlich der Initiative San Marinos vom 27. August 2007, wo die Republik um eine Diskussion einer möglichen EU-Mitgliedschaft oder mindestens eines neues Status der EU-Beziehungen bittet.500 Die institutionelle Ausgestaltung der Quasi-Mitgliedschaft könnte derart aussehen, dass Andorraner die Möglichkeit erhielten, europäische Beamte zu werden und hohe Positionen innerhalb der EU-Institutionen einzunehmen, dass Andorra aber auch möglicherweise auf einen Kommissar verzichtete. Im Europäischen Parlament wäre es möglich, Andorra trotz der geringen Einwohnerzahl einen Sitz zu geben. Alternativ könnte man einem Beobachter Andorras Zugang ermöglichen oder Regelungen treffen, so dass die Andorraner in den Nachbarwahlkreisen Frankreichs und Spaniens zur Europawahl gehen könnten. Eine Regelung für den Rat der EU zu treffen, scheint am problematischsten. Varianten wären, dass Andorra einen Platz im Rat erhält, dass Andorra das Recht garantiert wird, durch einen anderen Mitgliedstaat seiner Wahl im Rat repräsentiert zu werden oder dass Andorra an den Sitzungen teilnehmen und seine Stimme einbringen kann, solange 496 497 498 499 500
Vgl. Emerson 2007, S. 18. Vgl. Emerson 2007, S. 80. Vgl. Emerson 2007, S. 15, 85 f. Vgl. Emerson 2007, S. 18. Zu San Marino sh. Punkt G. II. 2. V.; vgl. Emerson 2007, S. iv f.
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D. Das Fürstentum Andorra und seine Integration in die EU
grundlegende Angelegenheiten des Mikrostaates betroffen sind. Die Frage wäre gleichzeitig, ob Andorra diese Vereinbarung als kompatibel mit seinem Status als souveräner Staat ansehen würde. Ein Kompromiss könnte ebenso sein, dass in dem Fall, dass Andorra keinen Sitz oder keine Stimme im Rat hätte, es dann auch einen geringeren Anteil zum Budget beitragen müsste.501 Nach der Meinung Emersons ist eine Vollmitgliedschaft Andorras in der näheren Zukunft unrealistisch, weshalb er das Modell der Quasi-Mitgliedschaft genauer vorstellt. Da der Mikrostaat möglicherweise einige seiner wichtigen Alleinstellungsmerkmale aufgrund des externen Drucks aufgeben muss, wäre eine Hinwendung zu einer europäischen Strategie besser als eine Abwendung von Europa. Gleichzeitig bringt die Hinwendung zur EU eine Abwendung von diesen besonderen Charakteristiken mit sich. Andorra muss daher genau die Bedeutung und Folgen eines solchen Szenarios untersuchen und entscheiden, ob es dazu bereit ist.502 In der Betrachtung dieses möglichen Prozesses ist anzumerken, dass es wahrscheinlich ist, dass es keine Initiative seitens der EU geben wird, sondern Andorra selbst tätig werden müsste, falls es sich eine weitere Annäherung an die EU als Ziel setzt und auch bereit ist, die notwendigen Umgestaltungsprozesse in Angriff zu nehmen. Dies können allein die andorranischen Entscheidungsträger beschließen.503 Im Rahmen der Verhandlungen über das Kooperationsabkommen, das seit 2005 gilt, wurde in Andorra zeitweise diskutiert, ob das Fürstentum eine Assoziierung mit der EU anstreben sollte oder nicht. Letztendlich wurde dies noch nicht festgelegt und diese Entscheidung war auch nicht mit dem Kooperationsabkommen verbunden.504 Für die Zukunft sind weitere und tiefere Kooperationen durch das Kooperationsabkommen selbst oder auch durch eine Assoziierung oder eine andere Form der engeren Beziehung nicht ausgeschlossen. Doch bevor dieser Schritt ernsthaft in Betracht gezogen werden kann, muss eine breite politische Debatte und großer politischer Konsens über die Beziehungen mit der EU als Ganzes und im Speziellen über die Stellung Andorras in Europa geführt werden.505 Andorra befindet sich derzeit in einer Zeit des Wandels und versucht seit dem Abschluss des Abkommens über eine Zollunion (1990) und der Aner501 502 503 504 505
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Emerson 2007, S. 22 f. Emerson 2007, S. 11. Emerson 2007, S. 13. Maresceau 2008, S. 286. Maresceau 2008, S. 287.
II. Die Integration Andorras in die Europäische Union
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kennung in der internationalen Staatengemeinschaft durch seine Verfassung (1993), seinen eigenen Platz in Europa zu finden. Der Vertrag von Lissabon, speziell Erklärung 3 zu Artikel 8, ist für Andorra und die anderen Mikrostaaten sehr positiv. Andorra ist gewillt, ein neues Modell zu finden, um den derzeitigen kommerziellen Rahmen abzulösen. Das Fürstentum versucht, sich auf dem besten Weg, auf progressive und strukturierte Art, in den europäischen Binnenmarkt und vielleicht auch in den EWR (mit einigen Anpassungen) oder in ein ähnliches Gefüge zu integrieren. In Anbetracht der Entwicklung der EU und ihrer Politik ist sich Andorra der neuen europäischen Realität und der Notwendigkeit einer europäischen Annäherung bewusst.506 Die andorranische Regierung hatte bis vor kurzem angedeutet, dass sie gerne dem EWR beitreten würden.507 Dies scheint jedoch nicht mehr möglich, und zwar weniger aus Sicht der EWR-Mitglieder, die nicht EU-Mitglieder sind, sondern aus der Sicht der EU-Staaten. Für diese sei der EWR im Moment nicht mehr zu öffnen. Andorra hat sich demnach zu spät für eine mögliche EWR-Mitgliedschaft entschieden. Die andorranische Regierung hat nun einen sehr an der EU interessierten Kurs eingeschlagen: Nachdem der EWR im Moment nicht zu öffnen ist, spricht der neue Regierungschef davon, dass man ein Assoziationsabkommen brauche.508 Die derzeitige Regierung spricht sich demnach stark für eine weitere Annäherung Andorras an die EU aus.509 Die Möglichkeit, dass Andorra Vollmitglied der EU wird, ist derzeit keine Option und momentan generell für sehr kleine Staaten schwer umzusetzen, da ihnen nur beschränkte administrative Ressourcen zur Verfügung stehen. Andererseits – vor allem langfristig – kann eine Vollmitgliedschaft nicht komplett ausgeschlossen werden.510 4. Zusammenfassung Andorra ist gegenüber der EU ein Drittstaat, es ist kein Mitglied im EWR und kein EU-Beitrittskandidat. Die EU-Rechtssetzung ist nicht grundsätzlich in Andorra anwendbar, nur wenn ein entsprechendes Abkommen und eine rechtliche Grundlage bestehen. Die europäische Integration des Mikrostaates erfolgt sowohl auf indirektem als auch auf direktem Weg. Indirekte Beziehungen hatte Andorra im 506 507 508 509 510
Auskunft einer andorranischen Quelle 2009. FAZ vom 15.12.2009, S. 7. FAZ vom 15.12.2009, S. 7; Auskunft einer liechtensteinischen Quelle 2010. FAZ vom 15.12.2009, S. 7. Auskunft einer andorranischen Quelle 2009.
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D. Das Fürstentum Andorra und seine Integration in die EU
Bereich Handel und Zoll zu seinen Nachbarstaaten aufgebaut, bevor es das Abkommen mit der EWG 1990 abschloss. Weiterhin besaß Andorra schon vor der Einführung des Euro keine eigene Währung, sondern nutzte die Währungen seiner beiden Nachbarstaaten. Anders als mit dem Vatikan, San Marino und Monaco existiert bis heute kein Währungsabkommen, dennoch gilt der Euro. Andorra kann daher keine eigenen Münzen prägen, es nimmt nur passiv an der Währungsunion teil. Seit Oktober 2004 laufen zwischen Andorra und der EU Verhandlungen über ein Abkommen zu Währungsbeziehungen, die aber noch nicht abgeschlossen sind. Es wäre das erste Abkommen zwischen einem Mikrostaat und der EU in Währungsangelegenheiten, das direkt von der EU – nicht einem der Mitgliedstaaten – verhandelt wird. Außerdem ist festzuhalten, dass Andorra kein Unterzeichnerstaat des Schengen-Abkommens ist, es aber de-facto daran teilnimmt, da die Grenzen zwischen Andorra und Frankreich sowie Spanien offen sind. Ebenso müssen alle Einreisenden zwangsläufig über EU-Gebiet einreisen, so dass sie immer die Schengen-Bedingungen erfüllt haben müssen. Die direkten vertraglichen Beziehungen zwischen Andorra und der EU basieren auf dem Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Fürstentum Andorra, das am 1. Juli 1991 in Kraft trat. Durch dieses Abkommen wurde eine Zollunion zwischen Andorra und der EWG für industrielle Produkte geschaffen, genauer gesagt für Produkte im Harmonisierten System Kapitel 25 bis 97, nicht aber für landwirtschaftliche Produkte. Ein gemeinsamer Ausschuss zur Überwachung des Abkommens wurde eingesetzt. Somit bilden heute Andorra und die EU eine Zollunion im Bereich des Handels des produzierenden Gewerbes mit Sonderregelungen für Agrarprodukte und Sonderbestimmungen, d.h. Steuerfreigrenzen für Touristen. Andorra war der erste Mikrostaat, mit dem die EG ein Handelsabkommen bzw. überhaupt vertragliche Beziehungen abschloss. Die Beziehungen wurden zwar erst 1984, also ein Jahr später als mit San Marino aufgenommen und der Status Andorras warf deutlich mehr rechtliche Probleme in Hinsicht auf eine vertragliche Beziehung auf, und dennoch trat das Abkommen am 1. Juli 1991 in Kraft. Außerdem wurde am 15. November 2004 ein Kooperationsabkommen in den Bereichen Umwelt, Kommunikation, Information, Kultur, Transport, regionale und grenzüberschreitende Zusammenarbeit sowie in sozialen Angelegenheiten geschlossen, dass am 1. Juli 2005 in Kraft trat. Gleiches gilt für ein Abkommen über die Besteuerung von Zinserträgen, das in naher Zukunft neu verhandelt werden soll. Ebenso ist im Gespräch, Verhandlungen über ein Betrugsbekämpfungsabkommen aufzunehmen.
II. Die Integration Andorras in die Europäische Union
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Als europäischer Staat hat Andorra grundsätzlich die Möglichkeit, der EU als Vollmitglied beizutreten. Zwar hat sich Andorra in den letzten Jahren zunehmend an die EU angenähert, doch eine EU-Mitgliedschaft sieht das Fürstentum momentan nicht als Option, vor allem aufgrund der eigenen beschränkten Ressourcen. Ziel Andorras ist es, ein eigenes Modell der europäischen Integration zu finden. Die andorranische Regierung hatte bis vor kurzem angedeutet, dass sie gerne dem EWR beitreten würden, was jedoch nicht möglich scheint, und spricht nun davon, dass man ein Assoziationsabkommen brauche. Langfristig ist eine EU-Mitgliedschaft dennoch nicht ausgeschlossen.
E. Das Fürstentum Liechtenstein und seine Integration in die EU I. Charakteristika des Staates Liechtenstein 1. Staatsgebiet und Bevölkerung
Quelle: CIA World Factbook 2010 [www.cia.gov].
Abbildung 2: Karte Liechtenstein
Das Fürstentum Liechtenstein liegt mit einem Gebiet von 160 km2 in den Alpen zwischen der Schweiz und Österreich.1 Hauptstadt ist Vaduz mit ca. 5.100 Einwohnern.2 Nur 14 km2 des Landes sind besiedelt, zwei Drittel sind Gebirge.3 Das Rheintal formt die Hauptsiedlungsebene.4 1 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Amt für Statistik 2010d, S. 15; Stapper 1999, S. 85; Dózsa 2008, S. 97, 100; Duursma 1996, S. 147; Waschkuhn 2003, S. 764; Stapper 1999, S. 85; Waschkuhn 1994, S. 14; Marxer/Pállinger 2009, S. 914; u. a. 2 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Amt für Statistik 2009a, S. 9. 3 Vgl. Waschkuhn 1994, S. 14.
I. Charakteristika des Staates Liechtenstein
175
Ständige Bevölkerung per 30. Juni 40.000 30.000 20.000 10.000 0
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
Ausländer
11.283 11.503 11.645 11812 11.884 11.904 11.927 11797 11.854
Liechtensteiner
21.821 22.175 22.377 22.665 22.850 23.106 23395
23649
23935
Quelle: Fürstentum Liechtenstein/Amt für Statistik 2010a, S. 9.
Abbildung 3: Ständige Bevölkerung Liechtensteins (bis 2009)
Insgesamt leben in Liechtenstein ca. 36.000 Einwohner (31.12.2009), davon sind 67% von der Nationalität Liechtensteiner sowie 33% Ausländer (Schweizer, Österreicher, Deutsche, Italiener, u. a.).5 Liechtenstein ist ein dezentralisierter Einheitsstaat, der in zwei Landschaften (Oberland und Unterland) und außerdem in elf Gemeinden untergliedert ist.6 Die Gemeinden sind in ihrem Wirkungskreis politisch relativ autonom.7 Auf der Ebene der Gemeinden spielt sich ein erheblicher Teil des politischen Lebens des Landes ab. Das Subsidiaritätsprinzip wird hier angewandt.8 Dennoch sind auch in Liechtenstein durch die zunehmende Aufgabenverflechtung zwischen Staat und Gemeinden Zentralisierungstendenzen erkennbar.9 In Liechtenstein beeinflusst die katholische Kirche stark das Bildungswesen und ist auch sozial dominant.10 4
Vgl. Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004a, S. 13. Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Amt für Statistik 2010a, S. 3 f. 6 Vgl. Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004a, S. 13; Waschkuhn 2003, S. 768; Glassner 2004, S. 138; Glassner 2004, S. 138; Waschkuhn 1994, S. 16, 343 ff.; Marxer/Pállinger 2009, S. 922 f. 7 Vgl. Waschkuhn 1994, S. 343; Marxer/Pállinger 2009, S. 922. 8 Vgl. Prinz Nikolaus von und zu Liechtenstein 2004a, S. 13; genauer Waschkuhn 1994, S. 344 ff. 9 Vgl. Waschkuhn 1994, S. 345. 5
176
E. Das Fürstentum Liechtenstein und seine Integration in die EU
2. Geschichte Die Liechtensteins sind ursprünglich eine mährisch-österreichische Familie.11 Im Jahr 1608 wurde Karl von Liechtenstein durch den Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nationen, Rudolf II., in den erbländischen Fürstenstand erhoben.12 Er erhielt den Fürstentitel, jedoch noch ohne ein Fürstentum zu besitzen.13 Fürst Hans-Adam I. von Liechtenstein (1657–1712)14 erwarb die Herrschaft von Schellenberg 1699 und die Grafschaft Vaduz 1712,15 das heutige Ober- und Unterland.16 Der Antrieb zum Erwerb dieser Ländereinen war ihr Rang, nämlich der reichsunmittelbare Rechtsstatus.17 Schließlich wurden im Jahr 1719 die Herrschaften Vaduz und Schellenberg unter Fürst Anton Florian durch Kaiser Karl VI. zum reichsunmittelbaren Fürstentum Liechtenstein erhoben und somit Liechtenstein als Reichsfürstentum gegründet. Dabei wurde das Gebiet nach seinem Fürsten Fürstentum von Liechtenstein benannt und nicht, wie sonst üblich, der Fürst nach dem Land.18 Seit dem hat es Form und Größe beibehalten, wie man es heute kennt.19 Damit erhielt der Fürst von Liechtenstein als Besitzer eines reichsunmittelbaren Gebietes Stimme und Sitz am Deutschen Reichsfürstentag.20 Das Land ist somit weder durch Loslösung noch durch Freiheitskampf entstanden.21 10
Vgl. Waschkuhn 2003, S. 768. Vgl. Press 1988, S. 15–85. Dort mehr zur Geschichte der Fürstenfamilie. 12 Vgl. Press 1988, S. 43. 13 Vgl. Duursma 1996, S. 149. 14 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 764; Press 1988, S. 52; Waschkuhn 1994, S. 17; auch genannt: Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein: Kellenberger 1996, S. 47; Press 1988, S. 34, 52; Nuener 2006, S. 79; Waschkuhn 1994, S. 17. 15 Vgl. Duursma 1996, S. 148; Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004a, S. 13; Stievermann 1988, S. 127; Noflatscher 1988, S. 149; Schröder 1988, S. 165, 184; Schlip 1988, S. 285; Nuener 2006, S. 79; Böhme 1988, S. 295; Waschkuhn 1994, S. 17; Marxer/Pállinger 2009, S. 914. 16 Vgl. Stievermann 1988, S. 87; Press 1988, S. 56; Duursma 1996, S. 148; Waschkuhn 2003, S. 764; Waschkuhn 1994, S. 17. 17 Vgl. Press 1988, S. 56; Noflatscher 1988, S. 151. 18 Vgl. Duursma 1996, S. 149; Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004a, S. 13; Kellenberger 1996, S. 48; Waschkuhn 1994, S. 17; Marxer/Pállinger 2009, S. 914. 19 Vgl. Stapper 1999, S. 85; Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004a, S. 13; Noflatscher 1988, S. 151; Press 1988, S. 57; Schröder 1988, S. 165; Hörrmann 1988, S. 191, 200; Nuener 2006, S. 79; Waschkuhn 1994, S. 17, 31; Marxer/Pállinger 2009, S. 914; genauer dazu: Schlip 1988, S. 249 ff. 20 Vgl. Nuener 2006, S. 79; Duursma 1996, S. 149; Waschkuhn 2003, S. 764; Schlip 1988, S. 266; Waschkuhn 1994, S. 17. 21 Vgl. Kellenberger 1996, S. 48. 11
I. Charakteristika des Staates Liechtenstein
177
Im Jahr 1799 wurde Liechtenstein durch Napoleons Truppen und die österreichische Armee eingenommen.22 Mit dem Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation 1806 wurde im selben Jahr der Rheinbund gegründet. Durch die Aufnahme in der Rheinbund 1806 wurde die Souveränität des Landes anerkannt, Liechtenstein erhielt seine formale Unabhängigkeit, da der Rheinbund völkerrechtlich einen Bund souveräner Staaten darstellte.23 Das Fürstentum wurde somit formal zu einem souveränen Staat, es musste aber Napoleon als Schutzherr akzeptieren.24 Liechtenstein gehörte 1806 bis 1814 zum Rheinbund und 1815 bis 1866 zum Deutschen Bund.25 Nach dem Wiener Kongress wurde Liechtenstein in den Deutschen Bund aufgenommen, der aus 39 souveränen Staaten bestand.26 Die Souveränität Liechtensteins wurde dadurch gefestigt.27 Die Aufnahme in den Deutschen Bund verlangte allerdings auch, dass eine Verfassung erlassen wurde (Art. 13 der Bundesakte).28 Die erste liechtensteinische Verfassung ist als „landständische Verfassung“ bekannt und wurde am 9. November 1818 durch Fürst Johann I. verabschiedet.29 Fürst Alois II. besuchte 1842 als erster Fürst das Land. Zuvor hatten die Fürsten ihr Fürstentum in den Alpen nie betreten.30 Dennoch wohnte der Monarch zur damaligen Zeit noch nicht in Liechtenstein.31 Liechtenstein schloss im Jahr 1852 einen Vertrag über eine Zoll- und Währungsunion mit Österreich ab, wodurch Liechtenstein zum österreichischen Zoll- und Steuergebiet beitrat,32 sowie 1912 einen Vertrag über eine postalische Union.33 22
Vgl. Duursma 1996, S. 149. Vgl. Schmidt 1988, S. 387; Ignor 1988, S. 467; Kellenberger 1996, S. 48; Waschkuhn 2003, S. 764; Nuener 2006, S. 79; Waschkuhn 1994, S. 17; Marxer/Pállinger 2009, S. 914. 24 Vgl. Duursma 1996, S. 149; Waschkuhn 2003, S. 764; Press 1988, S. 62 f.; Waschkuhn 1994, S. 17. 25 Vgl. Stapper 1999, S. 85; Waschkuhn 2003, S. 764; Noflatscher 1988, S. 158; Schmidt 1988, S. 388, 392, 407; Nuener 2006, S. 79; Marxer/Pállinger 2009, S. 914. 26 Vgl. Duursma 1996, S. 149; Ignor 1988, S. 467; Nuener 2006, S. 79; Waschkuhn 1994, S. 17. 27 Vgl. Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004a, S. 14; Kellenberger 1996, S. 48; Press 1988, S. 63; Schmidt 1988, S. 407; Nuener 2006, S. 79. 28 Vgl. Kellenberger 1996, S. 48; Press 1988, S. 64; Ignor 1988, S. 468; Waschkuhn 1994, S. 17; Marxer/Pállinger 2009, S. 914. 29 Vgl. Ignor 1988, S. 468; Waschkuhn 1994, S. 17. 30 Vgl. Press 1988, S. 67; Waschkuhn 1994, S. 81. 31 Vgl. Kellenberger 1996, S. 49. 32 Erneuerungsvertrag 1863. Vertragsverlängerung des Zollanschlussabkommens 1876; vgl. Waschkuhn 1994, S. 45; Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004a, S. 14; Nuener 2006, S. 79; Waschkuhn 1994, S. 18. 23
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E. Das Fürstentum Liechtenstein und seine Integration in die EU
Nach dem österreichisch-preußischen Krieg wurde der Deutsche Bund 1866 aufgelöst, was Liechtenstein von jeglicher Allianz befreite.34 Dennoch geriet Liechtenstein unter das alleinige Protektorat Österreichs. Der Weg zum souveränen Staat konnte erst nach dem Ersten Weltkrieg erfolgreich abgeschlossen werden.35 Während des Ersten Weltkrieges blieb das Fürstentum neutral, aber es wurde natürlich beeinflusst. Die Rohstoffe für die Textilindustrie gingen aus und nach der starken Abwertung der österreichischen Währung verloren auch die Liechtensteiner ihr Erspartes.36 Nach dem Krieg und dem Zusammenbruch der Donaumonarchie löste Liechtenstein seine Verbindungen zu Österreich und suchte die Annäherung zur Schweiz.37 So übertrug man 1919 der Schweiz die diplomatische Vertretung des Landes und unterzeichnete 1920 die Konvention über eine postalische Union. Im Jahr 1921 wurde in Liechtenstein der Schweizer Franken eingeführt.38 Im Jahr 1923 unterzeichnete man den Vertrag über eine Zollunion mit der Schweiz,39 durch welchen das Fürstentum einen gemeinsamen Wirtschaftsraum mit der Schweiz bildet. So ist Liechtenstein seit 1923 durch eine Zoll- und Währungsunion mit der Schweiz verbunden.40 Die Währungsunion wurde in einem Abkommen von 1980 formalisiert.41 Im Jahr 1918 gab es die ersten direkten Wahlen des Liechtensteiner Landtages. Ungefähr zu diesem Zeitpunkt bildeten sich die Parteien in Liechtenstein. Weiterhin wurde 1921 eine neue Verfassung verabschiedet.42 Sie ist noch heute in den Grundzügen gültig, Änderungen wurden durch eine Verfassungsreform im Jahr 2003 eingearbeitet. Der Fürst Franz Josef II. (1938–1989) von Liechtenstein stärkte die Verbundenheit von Fürstenhaus und Volk, als er Ende der 1930er Jahre seinen 33
Vgl. Duursma 1996, S. 149; Waschkuhn 1994, S. 18. Vgl. Duursma 1996, S. 149; Ignor 1988, S. 469. 35 Vgl. Schmidt 1988, S. 417. 36 Vgl. Duursma 1996, S. 149. 37 Aufkündigung der liechtensteinisch-österreichischen Zoll- und Währungsunion im August 1919; vgl. Duursma 1996, S. 149; Nuener 2006, S. 80; Waschkuhn 1994, S. 18; Marxer/Pállinger 2009, S. 917; Press 1988, S. 80. 38 LGBl. 1924, Nr. 8; vgl. Stapper 1999, S. 85; Nuener 2006, S. 81; Waschkuhn 1994, S. 18; Kellenberger 1996, S. 92; Waschkuhn 1994, S. 19. 39 LGBl. 1923, Nr. 23/24 und LGBl. 1924, Nr. 11, in Kraft am 01.01.1924; vgl. Duursma 1996, S. 149; Nuener 2006, S. 80; Waschkuhn 1994, S. 18 f. 40 Vgl. Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004a, S. 14; Kellenberger 1996, S. 50. 41 LGBl. 1981, Nr. 52; vgl. Stapper 1999, S. 85; Waschkuhn 2003, S. 764; genauer dazu: Kellenberger 1996, S. 92. 42 LGBl. 1921, Nr. 15; vgl. Duursma 1996, S. 150; Kellenberger 1996, S. 49; Nuener 2006, S. 80; Waschkuhn 1994, S. 19, 128 f.; Marxer/Pállinger 2009, S. 915. 34
I. Charakteristika des Staates Liechtenstein
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Wohnsitz in die Hauptstadt des Fürstentums verlegte. Erst seit dem residierte das Fürstenhaus in Liechtenstein.43 Auch im Zweiten Weltkrieg blieb Liechtenstein offiziell neutral, was großer Anstrengung bedurfte.44 Im März 1939 lag der gesamte Besitz des Hauses Liechtenstein auf dem Boden des Großdeutschen Reiches. In diesem Zusammenhang entstanden Pläne zum Anschluss Liechtensteins an das Reich. Letztendlich konnte Liechtenstein durch das politische Geschick seines Fürsten Franz Josef II. seine Selbständigkeit bewahren.45 Nach dem Krieg wurde 1945 der Besitz der Fürstenfamilie konfisziert und sie wurde de-facto enteignet. Somit wurden die materiellen Grundlagen des Hauses schwer bedroht sowie die Jahrhunderte lange Verbundenheit mit den Ländern Mähren, Schlesien und Böhmen schlagartig beendet.46 In dieser Zeit kam es zu einem rasanten Wirtschaftswachstum. Innerhalb einer Generation wandelte sich der damalige Bauernstaat zu einem der reichsten und höchstindustrialisierten Länder der Welt.47 Seit 1989 ist Fürst Hans Adam II. von und zu Liechtenstein der regierende Fürst.48 Vor der Volksabstimmung zur Verfassungsreform 2003 hatte Fürst Hans Adam II. seinen Rücktritt als Staatsoberhaupt angekündigt. Die Amtsgeschäfte wurden somit im August 2004 an seinen Sohn, Erbprinz Alois, übergeben. Seit dem übernahm er auf unbestimmte Zeit alle Aufgaben des Staatsoberhauptes.49 Liechtenstein ist heute der Mikrostaat, der die letzte deutschsprachige Monarchie bewahrt hat.50 Das Fürstentum hat es geschafft, einen höheren Grad an Wohlstand zu erreichen als die meisten anderen europäischen Staaten in derselben Zeit. Insbesondere die Finanzdienstleistungen, Treuhänder und Banken erfuhren international die meiste Beachtung, oft nicht unumstritten.51
43
Vgl. Kellenberger 1996, S. 54; Waschkuhn 1994, S. 83; Marxer/Pállinger 2009, S. 914. 44 Vgl. Duursma 1996, S. 150; Nuener 2006, S. 80. 45 Vgl. Press 1988, S. 81; Waschkuhn 1994, S. 82. 46 Vgl. Press 1988, S. 82. 47 Genauer sh. Punkt E. I. 4.; vgl. Duursma 1996, S. 150; Waschkuhn 1994, S. 14, 20, 80; Simon 2008, S. 270. 48 LGBl. 1989, Nr. 61; vgl. Waschkuhn 1994, S. 91; Duursma 1996, S. 151. 49 Vgl. Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein, 2004, S. 2. 50 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 764; Waschkuhn 1994, S. 14. 51 Genauer sh. Punkt E. I. IV.; vgl. Nuener 2006, S. 80; Waschkuhn 2003, S. 764; Duursma 1996, S. 150.
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E. Das Fürstentum Liechtenstein und seine Integration in die EU
3. Das verfassungsrechtliche System a) Rückblick über die Verfassungsentwicklung Im Laufe der liechtensteinischen Verfassungsentwicklung wurde der Gegensatz von monarchischem und demokratischem Prinzip überwunden und ein eigenes monarchisch-demokratisches Konsensprinzip entstand.52 Bisher gab es im Fürstentum Liechtenstein drei Verfassungen, die landständige Verfassung von 1818, die konstitutionelle Verfassung von 1862 und die liechtensteinische Verfassung von 1921, welche im Jahr 2003 reformiert wurde. Wie oben erwähnt, mussten gemäß Artikel 13 der Bundesakte alle Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes eine Verfassung einführen.53 Die daraufhin am 9. November 1818 durch Fürst Johann I. einseitig verabschiedete erste liechtensteinische Verfassung ist als landständische Verfassung bekannt.54 Noch hatte die Verfassung starke autoritäre Züge, zementierte eine spätabsolutistische Herrschaft des Fürsten und gestand den Untertanen nur wenig Mitwirkung zu.55 Am 26. September 1862 wurde unter Fürst Johann II. eine konstitutionelle Verfassung erlassen.56 Als „konstitutionell“ wird sie bezeichnet, da die monarchische Gewalt verfassungsrechtlich beschränkt wurde. Ziel dieses Verfassungstyps war es, monarchische Traditionen und demokratische Intentionen zu vereinen, um ein Miteinander von Volk, Regierung und König zu ermöglichen. So galt zwar das monarchische Prinzip, doch Monarch und Volksvertretung übten gemeinsam die gesetzgebende Gewalt aus (Art. 40 a, b). Der Landtag wurde zum Organ der Gesamtheit der Landesangehörigen. Er erhielt Mitwirkungsrechte zur Gesetzgebung und Steuerbewilligung. Allerdings gingen die Gesetze und Verordnungen noch immer grundsätzlich vom Fürsten aus (Art. 24, 29). Der Fürst konnte den Landtag berufen, schließen, vertagen oder auflösen. Ebenso wurden drei der 15 Abgeordneten vom Fürsten ernannt. Weiterhin verblieb – im Unterschied zu einer parlamentarischen Monarchie – die Regierung beim Monarchen, d.h. er ernannte fürstliche Beamte nach seiner Wahl (Art. 27, 28), meist waren dies ausländische Beamte (Landesverweser). Vor allem der Einsatz der meist ausländischen Landesverweser wurden vom Volk und dessen politi52
Vgl. Ignor 1988, S. 468. Vgl. Kellenberger 1996, S. 48; Press 1988, S. 64; Ignor 1988, S. 468. 54 Vgl. Ignor 1988, S. 468; genauer dazu: Waschkuhn 1994, S. 37 f. 55 Vgl. Press 1988, S. 64; Ignor 1988, S. 470; Marxer/Pállinger 2009, S. 914. 56 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 764; Kellenberger 1996, S. 48; Press 1988, S. 68; Ignor 1988, S. 472; Waschkuhn 1994, S. 81; Marxer/Pállinger 2009, S. 914. 53
I. Charakteristika des Staates Liechtenstein
181
schen Vertreter als Fremdherrschaft empfunden.57 Der Monarch hatte außerdem die Kommandogewalt über das Heer.58 Die obersten Gerichtsbehörden wurden außerhalb des Fürstentums angesiedelt. Zum Teil waren die Bestimmungen zurückzuführen auf den Mangel an geeigneten Personen in Liechtenstein.59 Die konstitutionelle Verfassung war ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu der heute gültigen Verfassung mit wachsenden demokratischen Elementen. b) Die Verfassung von 1921 und grundlegende Bestimmungen Im Jahr 1921 wurde die neue Landesverfassung (LV) verabschiedet.60 Sie ist noch heute gültig, Änderungen wurden u. a. durch eine Verfassungsreform im Jahr 2003 eingearbeitet. Als Staatsform legt man eine konstitutionelle Erbmonarchie auf demokratischer und parlamentarischer Grundlage fest (Art. 2 LV). Weiterhin wird in Art. 2 LV festgehalten, dass die Staatsgewalt im Fürsten und im Volke verankert und von beiden entsprechend der Verfassung ausgeübt wird. Das monarchische Prinzip wird somit eingeschränkt, aber nicht durch das demokratische Prinzip ersetzt, sondern beide existieren parallel.61 Somit geht praktisch das staatliche politische Handeln in Liechtenstein aus einem Konsens zwischen Fürst und Volk hervor.62 Diese Verfassung wird als Mischverfassung bezeichnet, da sie institutionell eben ein demokratisches und ein monarchisches Element mischt.63 Die Staatsordnung ist demnach weder eine reine Demokratie, noch eine reine Monarchie und wird in der Literatur als duale, dualistische oder elliptische Staatsform bezeichnet.64 Laut dem Art. 79 LV gibt es seit dem einen liechtensteinischen Regierungschef. Direktdemokratische Instrumente wie Initiative und Referendum sowie die Verfassungsgerichtsbarkeit werden als wichtige Grundlagen eines Rechtsstaates eingeführt. Durch eine Verfassungsreform im März 200365 unter Fürst Hans Adam II. erhält der Fürst mehr Rechte. Das Volk erfährt eine Stärkung seiner Rechte 57
Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 915. Vgl. Ignor 1988, S. 472, 477, 479; Marxer/Pállinger 2009, S. 914 f.; Kellenberger 1996, S. 49; Waschkuhn 1994, S. 35, 39. 59 Vgl. Kellenberger 1996, S. 49. 60 LGBl. 1921, Nr. 15; vgl. Duursma 1996, S. 150; Kellenberger 1996, S. 49; Marxer/Pállinger 2009, S. 915; genauer dazu: Waschkuhn 1994, S. 119 f. 61 Vgl. Ignor 1988, S. 481; Marxer/Pállinger 2009, S. 915. 62 Vgl. Ignor 1988, S. 482; Waschkuhn 1994, S. 36, 120. 63 Vgl. Waschkuhn 1994, S. 36; Marxer/Pállinger 2009, S. 915. 64 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 915. 58
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E. Das Fürstentum Liechtenstein und seine Integration in die EU
bei der eventuellen Mitwirkung bei der Richterwahl oder durch das Recht auf ein Misstrauensvotum gegen den Fürsten (Art. 13ter LV), wonach es theoretisch seinen Fürsten zur Abdankung zwingen könnte. Faktisch ist das anzuwendende Verfahren jedoch sehr kompliziert, so dass es zweifelhaft ist, ob man es durchführen könnte. Dagegen werden die Repräsentativorgane Regierung und Landtag geschwächt. Trotz der Verstärkung der Macht des Fürsten haben in dem Referendum knapp zwei Drittel der liechtensteinischen Wahlberechtigten der Verfassungsreform zugestimmt.66 Vor allem von außerhalb gab es Kritik an der Verfassungsreform. So fällt das Urteil der Venedig-Kommission des Europarates67 negativ aus. Sie warnt vor der Machtfülle des Monarchen, die größer ist als bei den anderen europäischen Monarchien. Die Experten bezeichneten die Änderungen als einen Rückschritt der Demokratie.68 Fürst Hans-Adam II. legte in seiner letzten Thronrede 2004 dar, dass die Verfassungsreform nach der Erhaltung der Souveränität des Fürstentums seine wichtigste Aufgabe war. Er stellte fest, dass es durch die Verfassungsreform gelungen sei, das Selbstbestimmungsrecht des Volkes weiter auszubauen und den Rechtsstaat zu stärken. Die beiden wichtigsten Punkte in der Verfassung nach der Reform sieht der Fürst in der demokratischen Legitimation der Erbmonarchie und im Selbstbestimmungsrecht auf Gemeindeebene. Ersteres sei gesichert durch einen Verfassungsartikel, der dem Volk die Möglichkeit gibt, jederzeit die Monarchie durch eine Volksabstimmung abzuschaffen. Zweitens ist Liechtenstein der erste Staat, der das Selbstbestimmungsrecht auf Gemeindeebene in seiner Verfassung verankert hat. Somit wäre es möglich, dass eine Gemeinde nach demokratischer Abstimmung aus dem Fürstentum ausscheidet. Auch mit diesem Konzept könnte Liechtenstein eine weltweite Vorreiterrolle einnehmen.69 In der Verfassungsentwicklung, abgesehen von der Verfassungsreform 2003, hat der Monarch seine Souveränität etappenweise selbst eingeschränkt.70 In der Verfassungsgeschichte des Landes spielt das monarchische Element eine staatserhaltende Rolle. Es trägt sowohl zu Kontinuität als auch zu politischer Stabilität bei und ist eine Kraft des Ausgleichs und des Zusammenhalts.71 Viele Liechtensteiner können sich eine andere Form 65
LGBl. 2003, Nr. 186. Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 915. 67 Die Venedig-Kommission des Europarates überprüft die Rechtssysteme der Mitgliedstaaten des Europarates auf ihre Rechtsstaatlichkeit. 68 Vgl. Council of Europe/Venice Commission 2002, S. 12. 69 Vgl. Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein 2004, S. 2 ff.; schon 1992 schlug der Fürst ein derartiges Recht vor: Waschkuhn 1994, S. 16. 70 Vgl. Waschkuhn 1994, S. 40, 119. 66
I. Charakteristika des Staates Liechtenstein
183
des Staates, wie z. B. einen Freistaat, für ihr Fürstentum kaum vorstellen.72 Ein Vorteil der Monarchie ist weiterhin, dass einerseits langfristige Entwicklungen mehr Beachtung finden können und andererseits sich der Fürst nicht nach Parteipolitik richten muss.73 Die wichtigsten politischen Personen des Landes sind Staatsoberhaupt Fürst Hans-Adam II. (seit 1989), Erbprinz Alois, der seit 2004 die Aufgaben des Staatsoberhauptes wahrnimmt, sowie Regierungschef Klaus Tschütscher (seit 2009).74 c) Das Staatsoberhaupt: der Fürst Die erbliche Thronfolge nach dem Prinzip der männlichen Primogenitur (erstgeborener Sohn ist designierter Nachfolger) wird durch das Fürstenhaus in der Form eines Hausgesetzes bestimmt, das auch eine Kontrolle über den regierenden Fürsten durch den Familienrat vorsieht (Art. 3 LV).75 Gemäß der Verfassung von 1921 ist der Fürst das Staatsoberhaupt und übt seine Macht im Einklang mit der Verfassung und der Gesetze aus. Er untersteht nicht der Gerichtsbarkeit und ist rechtlich nicht verantwortlich (Art. 7 LV). Der Fürst hat starke politische Kompetenzen. Er repräsentiert den Staat in allen seinen Verhältnissen gegen auswärtige Staaten (Art. 8 Abs. 1 LV). Ebenso bedarf jedes Gesetz zu seiner Gültigkeit der Sanktion des Landesfürsten (Art 9 LV). Im Auftrag des Fürsten trifft die Regierung die für Vollziehung und Durchführung der Gesetze erforderlichen Entscheidungen und erlässt Verordnungen (Art. 10 Abs. 1 LV, i. V. m. Art. 92 LV), d.h. der Fürst lässt sich im Bereich der Exekutive durch die Regierung vertreten. Außerdem kann der Fürst notwendige Maßnahmen in Notfällen ergreifen, um die Sicherheit und das Gemeinwohl des Staates zu wahren (Art. 10 Abs. 2 LV). Dabei kann die Anwendbarkeit einzelner Bestimmungen der Verfassung eingeschränkt werden. Notverordnungen können maximal sechs Monate lang gelten. Weiterhin ernennt der Fürst die Richter (Art. 11 LV, i. V. m. Art. 96 LV) und hat zusätzlich das Abolitionsrecht inne, d.h. er hat das Recht auf Be71
Vgl. Waschkuhn 1994, S. 85. Vgl. Waschkuhn 1994, S. 90. 73 Hans Adam von Liechtenstein: Die Zukunft des Kleinstaates. Vortrag im TAKino in Schaan vom 24.01.1987, zitiert in: Waschkuhn 1994, S. 94. 74 Vgl. Landesverwaltung Fürstentum Liechtenstein 2009. 75 Art. 12 (1) des Gesetzes des Fürstenhauses, LGBl. 1993, Nr. 100; vgl. Duursma 1996, S. 151; Marxer/Pállinger 2009, S. 915 f. 72
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gnadigung, Milderung und Umwandlung rechtskräftig zuerkannter Strafen und der Niederschlagung eingeleiteter Untersuchungen (Art. 12 LV).76 Der Fürst beruft den Landtag ein, schließt ihn, kann ihn vertagen oder auflösen (Art. 48 Abs. 1 LV). Zur Einbringung von Gesetzesvorschlägen sind berechtigt der Fürst (in Form von Regierungsvorlagen), der Landtag sowie die wahlberechtigten Landesbürger (durch ein Referendum) (Art. 64 Abs. 1 LV). Zur Gültigkeit eines jeden Gesetztes ist die Zustimmung des Landtags, die Sanktion des Landesfürsten und Gegenzeichnung des verantwortlichen Regierungschefs oder seines Stellvertreters sowie die Kundmachung im Landesgesetzblatt notwendig (Art. 65). So kann kein Gesetz ohne die Genehmigung des Parlaments, des Fürsten und des Regierungschefs Gültigkeit erlangen (Art. 9, 65, 85 LV). Falls der Landesfürst eine Vorlage innerhalb von sechs Monaten nicht unterzeichnet, gilt sie als verweigert (Art. 65 Abs. 1 LV). In einigen Fällen ist ein Referendum notwendig (Art. 65 Abs. 2, Art. 66 LV). Der Fürst ernennt des Regierungschef, dessen Stellvertreter und die weiteren Regierungsräte (einvernehmlich mit dem Landtag und auf dessen Vorschlag, Art. 79 Abs. 2 LV) und er kann der Regierung jederzeit das Vertrauen entziehen (Art. 80 LV), ohne das die Zustimmung des Landtages erforderlich ist. Damit ist der Landesfürst in Liechtenstein das höchste, verfassungsunmittelbare und vom Willen des Volkes unabhängige Staatsorgan. Da die Staatsgewalt gemäß Art. 2 LV auch beim Volk liegt, ist fraglich, ob diese beiden obersten Staatsorgane gleichgestellt sind, z. B. ob durch das Notverordnungsrecht oder das Recht der Sanktion aller Gesetze ein Vorrang des Fürsten gegenüber dem Volk besteht.77 Ferner hat der Landesfürst formelle und informelle Einflussmöglichkeiten aufgrund seiner Autorität, sowohl national als auch international.78 Besonderheiten Bedenklich ist das Hausgesetz des Fürstlichen Hauses Liechtenstein vom 26.10.1993,79 das die Stufenordnung der Rechtsetzung und das Völkerrecht in Frage stellt, da gemäß Art. 18 Abs. 2 des Hausgesetzes dieses weder durch die Verfassung noch durch zwischenstaatliche Verträge verändert oder aufgehoben werden kann. Dies steht den Prinzipien des Rechtsstaates entgegen (Recht außerhalb der Verfassung). Außerdem ist es fraglich, ob das 76 77 78 79
Genauer dazu: Waschkuhn 1994, S. 122 f. Vgl. Waschkuhn 1994, S. 119 f. Vgl. Waschkuhn 1994, S. 123 f. LGBl. 1993, Nr. 100.
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in Art. 12 LV festgehaltene Abolitionsrecht des Fürsten mit den Grundsätzen des demokratischen Rechtsstaates zu vereinbaren ist. Dieses Recht durchbricht den Grundsatz der Gewaltenteilung und ist ein bedeutendes Machtinstrument des Fürsten.80 Weitere kontroverse Verfassungsfragen der Verfassung von 1921 sind der Art. 10 LV, der dem Fürsten ein Notverordnungsrecht schafft, sowie Art. 79 Abs. 4 LV, der festschreibt, dass die Regierung aus gebürtigen Liechtensteinern bestehen muss.81 d) Das Parlament: der Landtag Das Parlament, die Vertretung des Volkes (Art. 45 LV), besteht aus 25 Mitgliedern in einer Kammer, gewählt durch allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahl nach Verhältniswahlrecht für einen Zeitraum von vier Jahren (Art. 46, 47 LV). Als Institution existiert der Landtag seit 1862.82 Der Präsident des Landtages ist seit 2009 Brunhart Arthur.83 Die Mitglieder des Landtages sind Freizeitabgeordnete (Milizparlament).84 Durch die Kleinheit des Parlaments muss jeder Abgeordnete intensiv mitarbeiten. Die Arbeit im Milizparlament führt zu besonderen, vor allem zeitlichen Problemen eines Abgeordneten.85 Das Wahlsystem der Landtagswahlen unterteilt Liechtenstein in zwei Wahlkreise, das Unter- und das Oberland, denen jeweils 10 bzw. 15 Abgeordnete entstammen (Art. 46 Abs. 1 LV). Es existiert eine 8%-Sperrklausel (Art. 46 Abs. 3 LV). Die Wahlbeteiligung im Fürstentum ist traditionell hoch (2009: 85%).86 Das Parlament kann durch den Fürsten oder durch das Volk (durch ein Referendum) einberufen oder aufgelöst werden (Art. 48 LV). Bisher erfolgten Landtagsauflösungen stets durch den Fürsten, nicht durch das Volk.87 Die Kompetenzen des Landtages sind in Art. 62 LV dargestellt. Das Parlament arbeitet bei der Gesetzgebung und beim Abschluss von Staatsverträge mit (i. V. m. Art. 8 Abs. 2 LV). Außerdem stellt es das jährliche Budget auf und fasst wichtige Finanzbeschlüsse (Art. 62 LV). Ebenso hat der Landtag das Recht auf Kontrolle der Staatsverwaltung, einschließlich der 80 81 82 83 84 85 86 87
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Kellenberger 1996, S. 72 f. Kellenberger 1996, S. 66. Waschkuhn 1994, S. 125, dort genauer zur Landtagsgeschichte: S. 125 ff. Landtag des Fürstentums Liechtenstein 2009. Waschkuhn 1994, S. 16; Waschkuhn 2003, S. 765. Waschkuhn 1994, S. 164. Marxer/Pállinger 2009, S. 918. Waschkuhn 1994, S. 138; Marxer/Pállinger 2009, S. 917.
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Justizverwaltung (Art. 63 Abs. 1 LV). Er hat das Recht auf Interpellation (Art. 63 Abs. 4 LV, d.h. er kann von der Regierung Auskunft verlangen, sowie auf Petition (Art. 42 LV). Ebenso besitzt der Landtag das Recht auf Gesetzesinitiative (Art. 64 LV), was jedoch relativ selten wahrgenommen wird.88 Der Landtag tagt in unregelmäßigen Abständen.89 Jährlich werden ungefähr acht bis zehn ein- bis dreitägige Sitzungen abgehalten. In der Regel sind die Sitzungen des Landtages öffentlich und sie werden sogar im Landeskanal live übertragen. Nur bestimmte Themen werden nicht öffentlich behandelt, z. B. wenn es hochrangige Staatsinteressen gebieten oder Persönlichkeitsrechte geschützt werden sollen. Gesetze und Finanzvorlagen müssen zwingend öffentlich behandelt und beschlossen werden.90 Faktisch befindet sich der Landtag in einer eher schwachen Position, ein wissenschaftlicher Parlamentsdienst fehlt, die Exekutive liegt im Übergewicht.91 Die Regierung bereitet in der Praxis die meisten im Landtag zu behandelnden Vorlagen mit Hilfe der Verwaltung und Experten vor und bringt sie ein.92 Daher können vom Landtag kaum neue Weichenstellungen erfolgen. Außerdem ist davon auszugehen, dass sowohl die Halbmilizregierung als auch die Milizparlamentarier strukturell überfordert bzw. stark belastet sind.93 Die letzten Wahlen zum liechtensteinischen Landtag fanden am 6. und 8. Februar 2009 statt. Derzeit sind folgende drei Parteien im Parlament vertreten: die Fortschrittliche Bürgerpartei (11 Sitze), die Vaterländische Union (13 Sitze) sowie die Freie Liste (1 Sitz).94 e) Die Regierung und der Regierungsvorsitzende Die Regierung Liechtensteins ist politischer Hauptakteur des Fürstentums und übernimmt im Auftrag des Fürsten die Exekutive. Sie ist zugleich die oberste Verwaltungsbehörde des Landes.95 In den Art. 78 bis 94 LV wird die Regierung behandelt. 88
Vgl. Waschkuhn 1994, S. 144 f. Vgl. Waschkuhn 1994, S. 172. 90 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 916. 91 Vgl. Waschkuhn 1994, S. 147, 165. 92 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 918. 93 Vgl. Waschkuhn 1994, S. 147, 165. 94 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Regierung und Verwaltung/Presse- und Informationsamt Fürstentum Liechtenstein 2009a. 95 Vgl. Waschkuhn 1994, S. 149; Waschkuhn 2003, S. 765; genauer dazu: Waschkuhn 1994, S. 174 ff. 89
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Die Regierung ist dem Fürsten und dem Landtag verantwortlich (Art. 78 Abs. 1 LV). Die Kollegialregierung besteht aus dem Regierungschef und vier Regierungsräten (Art. 79 Abs. 1 LV). Der Art. 79 Abs. 2, 6 LV schreibt vor, dass der Regierungschef und die Regierungsräte vom Fürsten einvernehmlich mit dem Landtag auf dessen Vorschlag für vier Jahre ernannt werden. Die Regierungsmitglieder müssen Liechtensteiner sein (Art. 79 Abs. 4). Die beiden Wahlkreise müssen durch jeweils mindestens zwei Mitglieder in der Regierung vertreten sein (Art. 79 Abs. 5 LV). Dabei werden der Regierungschef sowie die Mehrheit der Regierungsmitglieder durch die mandatsstärkere Partei gestellt.96 Sowohl der Fürst als auch das Parlament können die Regierung jederzeit entlassen (Art. 80 LV). Die Regierung ist eine Kollegialregierung, d.h. Regierungsbeschlüsse werden im Kollektiv gefällt (Art. 78 LV). Ein gültiger Beschluss der Kollegialregierung kommt gemäß Art. 81 LV bei der Anwesenheit von mindestens vier Mitgliedern und der Stimmenmehrheit der anwesenden Mitglieder zustande. Der Regierungschef hat das Recht der Gegenzeichnung der Gesetze und der fürstlicher Erlässe und Verordnungen inne (Art. 65, 85 LV). Die Ressortverteilung der Regierung wird in jeder Legislaturperiode neu festgelegt (Art. 91 LV). In der Legislaturperiode ab 2009 übernimmt der Regierungschef Dr. Klaus Tschütscher die Ressorts Präsidium, Finanzen sowie Familie und Chancengleichheit. Die weiteren Ressorts werden unter den vier Regierungsräten aufgeteilt: Wirtschaft, Verkehr, Bau; Gesundheit, Soziales, Umwelt, Raum, Land- und Waldwirtschaft; Inneres, Bildung, Sport sowie Äußeres, Kultur und Justiz.97 In der Regel finden die Regierungssitzungen einmal wöchentlich statt. Sie sind nicht öffentlich.98 Es ist zu vermuten, dass informelle Verhaltensweisen in Liechtenstein durch seine Kleinheit und dadurch die enge Vernetzung einen hohen Stellenwert einnehmen.99 Nur der Regierungschef und der Regierungsrat, der als sein Stellvertreter fungiert, sind hauptamtlich angestellt, die weiteren drei Regierungsräte (Minister mit mehreren Ressorts) sind nebenberuflich – praktisch aber fast vollberuflich – tätig. Es kann daher von einer Halbmilizregierung gesprochen werden.100 Auch die Halbmilizregierung Liechtensteins ist tendenziell überfordert und bedarf einer Verstärkung und Professionalisierung.101 96
Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 917. Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Landesverwaltung 2009. 98 Vgl. Waschkuhn 1994, S. 172. 99 Vgl. Waschkuhn 1994, S. 189. 100 Vgl. Duursma 1996, S. 152; Waschkuhn 2003, S. 765; Waschkuhn 1994, S. 170. Es besteht die Tendenz, dass der Beschäftigungsgrad der nebenamtlichen Regierungsräte ausgeweitet wird. Ebd. 97
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Grundsätzlich liegen die beiden großen Parteien, die Fortschrittliche Bürgerpartei (FBP) und die Vaterländische Union (VU), ideologisch und programmatisch nah beieinander und sie waren in der Regierung von 1938 bis 1993 bei wechselnder Führung in einer Dauerkoalition (Allparteienregierung) und seit 1993 bis 1997 in einer großen Koalition verbunden. Dies ist ein Kennzeichen der politischen Stabilität Liechtensteins.102 Einzig von 1997 bis 2001 gab es eine Phase der VU-Alleinregierung und 2001 bis 2005 eine FBP-Alleinregierung. Seit den Wahlen 2005 ist wieder die traditionelle Koalition präsent.103 Durch die Freie Liste (grün-alternativ), die 1993 erstmals als neuer parlamentarischer Mitgestalter in den Landtag einziehen konnte, steigt die Tendenz des Auseinanderdriftens der beiden traditionellen Koalitionsparteien.104 Ein bedeutender Substanzgewinn bleibt jedoch trotz der Erweiterung des Parteinsystems aus.105 f) Beziehungen zwischen dem Parlament und der Regierung Die Regierung fungiert als ein Bindeglied zwischen dem Fürsten und dem Landtag.106 Sie ist dem Fürst und dem Volk gegenüber verantwortlich (Art. 78 Abs. 1 LV). Der Landtag besitzt diverse Kontrollinstrumente gegenüber der Regierung, wie u. a. die Interpellationen (Art. 63 Abs. 4 LV), Petitionen (Art. 42 LV), die parlamentarische Finanzaufsicht (Art. 62 c, d LV), der Einsatz der parlamentarischen Kommissionen (Art. 63bis LV) oder die Ministerklage (Art. 62 g LV). Außerdem wird durch die Landtagswahlen indirekt der Regierungschef gewählt, da im Falle eines Wahlsieges die Parteien über ihre Fraktionen dem Fürsten ihren Kandidaten zur Ernennung vorschlagen. Ebenso schlägt der Landtag die Regierungsmitglieder entsprechend der Mehrheitsverhältnisse dem Fürsten zur Ernennung vor (Art. 79 Abs. 2 LV).107 Weiterhin kann der Landtag die Regierung jederzeit entlassen, wenn sie das Vertrauen des Parlaments verloren hat (Art. 80 LV). Die Verfassung sieht keine kombinierte Mitgliedschaft in Regierung und Parlament vor, generell ist dies aber nicht inkompatibel, da kein Gesetz über die Unvereinbarkeit existiert.108 101
Vgl. Waschkuhn 1994, S. 149, 170, 172. Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 919; Waschkuhn 2003, S. 766; Waschkuhn 1994, S. 83, 131 f., 188, 304, 322, genauer dazu ebd. S. 243 ff., 275 f. 103 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 917. 104 Vgl. Waschkuhn 1994, S. 256; Marxer/Pállinger 2009, S. 919. 105 Vgl. Waschkuhn 1994, S. 277. 106 Vgl. Waschkuhn 1994, S. 168. 107 Vgl. Waschkuhn 1994, S. 306, 322. 102
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g) Die Gerichtsbarkeit Das juristische System ist stark differenziert. Es speist sich aus verschiedenen Rechtskulturen, basiert besonders auf österreichischem und schweizerischem, teilweise auch auf deutschem Recht.109 Problematisch ist diese Rezeption verschiedener Quellen und die daraus folgende Durchmischung, da es die Rechtsauslegung zum Teil schwierig gestaltet.110 Aufgrund des Mangels an Ressourcen ist man auf die Rezeption fremder Normen sowie auf ausländische Richter – mehrheitlich aus Österreich, aber auch der Schweiz – und Gutachter angewiesen.111 Die liechtensteinische Verfassung garantiert seinen Bürgern Grundrechte und -pflichten (Art. 27bis 44 LV). Der Grundrechtsschutz ist im Fürstentum gut ausgebaut und die Effektivität des Rechtsstaates ist sichergestellt.112 Die gesamte Gerichtsbarkeit wird im Namen des Fürsten und des Volkes ausgeführt (Art. 95 Abs. 1 LV). Dabei wird die Unabhängigkeit der Richter verfassungsrechtlich garantiert (Art. 95 Abs. 2 LV). Der Landesfürst kann unmittelbar durch sein Abolitionsrecht in ein Strafverfahren eingreifen, wobei die Gegenzeichnung des Regierungschefs erforderlich ist (Art. 12, 85 LV). Das liechtensteinische Rechtssystem wird gemäß der Verfassung in die Bereiche der ordentlichen Gerichte (Art. 97–101 LV), des Verwaltungsgerichtshofs (Art. 102, 103 LV) sowie des Staatsgerichtshofes untergliedert (Art. 104, 105 LV). Die höchste juristische Instanz der ordentlichen Gerichte ist der Oberste Gerichtshof (Art. 97 Abs. 1 LV), ein Kollegialgericht. In erster Instanz urteilt das Fürstliche Landesgericht, in zweiter Instanz das Obergericht (Art. 97 Abs. 1 LV). Das Obergericht und der Oberste Gerichtshof sind Kollegialgerichte (Art. 100 Abs. 3 LV). Oftmals sind der Präsident und Vizepräsident des Obergerichts sowie des Obersten Gerichtshofes österreichische oder Schweizer Richter.113 Jedoch müssen die Richter und Ersatzrichter der Kollegialgerichte mehrheitlich Liechtensteiner sein (Art. 107 LV). Das Zivil- und Strafrecht basiert auf österreichischem Beispiel.114 In bürgerlichen Rechtssachen entscheidet in erster Instanz ein oder mehrere Ein108
Vgl. Duursma 1996, S. 152; Waschkuhn 1994, S. 163. Vgl. Waschkuhn 2003, S. 768; Waschkuhn 1994, S. 195, 209. 110 Vgl. Waschkuhn 1994, S. 237. 111 Vgl. Kellenberger 1996, S. 75; genauer dazu: Kellenberger 1996, S. 73 ff.; Waschkuhn 1994, S. 209 f. 112 Vgl. Waschkuhn 1994, S. 191 f. 113 Vgl. Waschkuhn 1994, S. 196. 109
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zelrichter (Landesgericht) (Art. 100 Abs. 2 LV). In Strafsachen ist die Prozedur gleich: in erster Instanz kann das Landgericht Strafrechtsfälle hören (Art. 100 Abs. 4 LV).115 Der Verwaltungsgerichtshof und der Staatsgerichtshof bilden die öffentlich-rechtliche Gerichtsbarkeit. Der Vorsitzende des Verwaltungsgerichtshofes wird nach Vorschlag des Landtages vom Fürsten ernannt und muss rechtskundiger, gebürtiger Liechtensteiner sein (Art. 11, 96, 102 Abs. 1 LV). Die Amtsdauer beträgt fünf Jahre (Art. 102 Abs. 2 LV). Die Instanz entscheidet über Verwaltungsbeschwerden gegen die Regierung oder auch Aufsichtsbeschwerden gegen die Untätigkeit von Behörden.116 Vom Verwaltungsgerichtshof können teilweise Verfahren an internationale Gerichtshöfe wie den EGMR oder das EWR-/EFTA- bzw. EU-Schiedsgericht durch Appellation oder Weiterzug von Verfahren übergeben werden.117 Besonderheiten und Probleme Bemerkenswert ist, dass die liechtensteinischen Kollegialgerichte mehrheitlich mit Laien und Inländern besetzt sind. Ein Mangel ist die hohe Zahl an nebenamtlichen Richtern, die in ihrem Hauptberuf schon ausgelastet sind und denen im Richteramt oftmals nicht einmal Assistenten zur Verfügung stehen. Eigentlich verfügt Liechtenstein über genügend einheimische Juristen, doch diese nutzen des Öfteren die lukrativen Berufsaussichten im Finanzdienstleistungs- und Beratungssektor, so dass man für erstinstanzliche Gremien auf ausländische Richter zurückgreifen muss.118 Der Beizug von ausländischen Richtern verschafft dem Mikrostaat aber auch richterliche Unabhängigkeit und internationales Expertenwissen. Ein Risiko besteht allerdings darin, dass die Ausländer das Fürstentum als Experimentierfeld sehen und zu wenig mit den spezifischen Rahmenbedingungen vertraut sind.119
114
Vgl. Duursma 1996, S. 154. Vier verschiedene Gerichtshöfe abhängig von der Stärke des Vergehens: Kriminalgericht, Schöffengericht, Jugendgericht, Einzelrichter. Vgl. auch Duursma 1996, S. 155; Waschkuhn 1994, S. 193. 116 Vgl. Waschkuhn 1994, S. 197. 117 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 922. 118 Vgl. Kellenberger 1996, S. 76; Waschkuhn 1994, S. 195, 237. 119 Vgl. Kellenberger 1996, S. 76. 115
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h) Das Verfassungsgericht Der Staatsgerichtshof übt auch das Amt des Verfassungsgerichts aus und entscheidet in Zweifelsfragen über die Auslegung einzelner Bestimmungen der Verfassung (Art. 104 LV). Er arbeitet heute noch mit Laienrichtern.120 Der Staatsgerichtshof behandelt Fälle, in denen eine Rechtsvorschrift möglicherweise gegen die Verfassung verstößt, er entscheidet Kompetenzkonflikte zwischen den Gerichten und Verwaltungsbehörden und ist Disziplinargerichtshof für Mitglieder der Regierung (Art. 104 Abs. 1 LV). Er prüft die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen und Staatsverträgen sowie die Gesetzmäßigkeit der Regierungsverordnungen und fungiert als Wahlgerichtshof (Art. 104 Abs. 2 LV). Des Weiteren prüft der Staatsgerichtshof die Beachtung der EMRK.121 Der Staatsgerichtshof, zusammengesetzt aus einem Präsident und vier weiteren Mitgliedern sowie fünf Ersatzrichtern, sollte mehrheitlich mit gebürtigen Liechtensteinern besetzt werden (Art. 105 LV). Seit der Verfassungsreform 2003 werden die Richter von einem Gremium122 vorgeschlagen, vom Landtag gewählt und anschließend vom Fürsten ernannt (Art. 96, 105 LV). Falls der Landtag den Vorschlägen des Gremiums nicht zustimmt, kann er Vorschläge abgeben, worüber dann eine verbindliche Volksabstimmung durchgeführt wird, was allerdings bisher noch nicht eingetreten ist.123 Die richterliche Amtszeit am Staatsgerichtshof beträgt fünf Jahre (Art. 105 i. V. m. 102 LV). i) Überarbeitung der Verfassung Die liechtensteinische Verfassung kann relativ leicht geändert werden. Gemäß Art. 112 Abs. 2 LV kann eine Verfassungsabänderung „sowohl von der Regierung als auch vom Landtage oder [durch eine] Initiative (Art. 64) beantragt werden“. Dabei ist auf „Seite des Landtages Stimmeneinhelligkeit [Einstimmigkeit] seiner anwesenden Mitglieder oder eine auf zwei nacheinander folgenden Landtagssitzungen sich aussprechende Stimmenmehrheit 120
Genaueres im Staatsgerichtshofgesetz LGBl. 1925, Nr. 8; vgl. Waschkuhn 2003, S. 768; Marxer/Pállinger 2009, S. 922; Waschkuhn 1994, S. 191. 121 LGBl. 1982, Nr. 57; vgl. Waschkuhn 1994, S. 202. 122 Das Gremium besteht aus Vertretern der Landtagsparteien, vom Fürsten ernannte Vertreter in gleicher Zahl, das für Justiz zuständige Regierungsmitglied und der Landesfürst. Bei Stimmengleichheit übt der Fürst den Stichentscheid aus. Er hat ein Vetorecht gegen alle Vorschläge des Gremiums inne. Art. 96 LV; vgl. Marxer/ Pállinger 2009, S. 922. 123 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 922.
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von drei Vierteln derselben, allenfalls eine Volksabstimmung (Art. 66) und [. . .] [die] Zustimmung des Landesfürsten“ erforderlich. j) Politische Kultur Die politischen Verhältnisse Liechtensteins gelten als stabil.124 Aufgrund der Kleinheit muss Liechtenstein mit Ressourcenknappheit – sowohl materiell als auch personell – auskommen. Daher bilden sich in der Gesellschaft Funktionseliten. Die politische Kultur ist geprägt durch ein Beziehungsnetz. Außerdem bestimmt die Parteizugehörigkeit auch meist die privaten Kontakte und die Funktionseliten sind sowohl im politischen, als auch im sozialen und wirtschaftlichen Bereich miteinander verflochten. Da die Gesellschaft des Fürstentums nicht besonders pluralistisch ist, bestehen die Tendenzen einerseits zu Konfliktscheue und Kompromissbereitschaft, was sich u. a. in der langjährigen Allparteienregierung widerspiegelte, und relativ hoher Polarisierung andererseits. Es entsteht ein Harmoniebedürfnis, dass auf persönliche Vertrautheit und öffentlichkeitsabgewandte Absprachen baut.125 Die Einstellung der Bevölkerung ist einerseits eher konservativ mit einer vom Katholizismus geprägten Wertehaltung. Andererseits ist die Bevölkerung auch von einer weltoffenen Einstellung geprägt, vor allem durch die dynamische wirtschaftliche Modernisierung in den letzten Jahrzehnten, die zunehmende Mobilität, die allgegenwärtige Grenznähe, die Zuwanderung von ausländischen Arbeitskräften, die Globalisierung sowie die Teilnahme an der europäischen Integration.126 Bedenklich sind die mehrheitliche Scheu der Bürger Liechtensteins vor einem öffentlichen Engagement und das geringe Interesse an Politik. Solange das Wohlstandsniveau aufrechterhalten wird, wird sich daran kaum etwas ändern.127 k) Direktdemokratische Elemente Die Liechtensteinische Verfassung besitzt sehr starke direktdemokratische Elemente, wie das Initiativrecht oder das Recht auf ein Referendum (Art. 64, 66 LV), die bei der Gesetzgebung sowie bei Verfassungsänderungen Anwendung finden. Ebenso existiert seit 1992 ein fakultatives Staats124
Vgl. Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004a, S. 13. Vgl. Waschkuhn 1994, S. 278, 371 f., 390 f.; Kellenberger 1996, S. 329; Marxer/Pállinger 2009, S. 915. 126 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 920. 127 Vgl. Waschkuhn 1994, S. 276 ff., 300. 125
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vertragsreferendum (Art. 66bis LV) sowie außerdem die mögliche Mitwirkung bei bestimmten Finanzbeschlüssen (Art. 66 Abs. 1 LV).128 Die politischen Rechte des Volkes sind weit ausgebaut, zum Teil sogar stärker als in der Schweiz.129 Im Unterschied zur Schweiz ist jedoch in Liechtenstein die Referendumsmöglichkeit nicht gegeben, wenn der Landtag einen Beschluss für dringlich erklärt. Außerdem ist im Fürstentum nur ein fakultatives, kein obligatorisches Referendum vorgesehen.130 Initiiert werden Volksabstimmungen durch Beschluss und Anordnung durch den Landtag, oder durch Unterschriftensammlung der Stimmberechtigten oder aufgrund von Beschlüssen mehrerer Gemeindeversammlungen (Art. 64, 66 LV).131 Letztendlich entscheidet die absolute Mehrheit der im gesamten Fürstentum abgegebenen gültigen Stimmen über Annahme oder Ablehnung der Vorlage. Beide Arten der Volksabstimmung, Initiative und Referendum, dienen auf verschiedene Weisen dem Schutz von Minderheiten.132 Durchschnittlich ist im Fürstentum fast die Hälfte aller Initiativen erfolgreich, bei den Referenden gegen bereits geschlossene Gesetze sind die Erfolgschancen sogar noch besser. Falls der Landtag bestimmte Gesetze für dringlich erklärt, kann er sie der Abstimmung entziehen.133 Insgesamt werden die direktdemokratischen Rechte zurückhaltend eingesetzt.134 Außerdem existieren weitere Volksrechte, die jedoch bisher nicht zur Anwendung gekommen sind, nämlich die Möglichkeit, den Landtag einzuberufen oder aufzulösen (Art. 48 LV), das Misstrauen gegenüber dem Fürsten auszusprechen (Art. 13ter LV), das Recht, Richter zu wählen – im Fall, dass bei der regulären Besetzung keine Einigkeit zwischen den Gremien besteht – (Art. 96 Abs. 2 LV) sowie das Recht, die Monarchie abzuschaffen, wobei der Fürst kein Vetorecht hat (Art. 113 LV).135
128
Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 920. Vgl. Waschkuhn 2003, S. 765; Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004a, S. 13; Kellenberger 1996, S. 59; Waschkuhn 1994, S. 16; Marxer/Pállinger 2009, S. 920. 130 Vgl. Waschkuhn 1994, S. 325; Marxer/Pállinger 2009, S. 917. 131 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 920. 132 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 765; Waschkuhn 1994, S. 324 ff. 133 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 766. 134 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 920. 135 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 920. 129
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4. Wirtschaft a) Währung Liechtenstein hat keine eigene Währung. Die offizielle Währung ist seit 1924 der Schweizer Franken.136 Mit dem Währungsvertrag vom 19. Juni 1980 wurden die Währungsbeziehungen formalisiert. Der Vertrag trat am 23. November 1981 in Kraft.137 Eine Folge des Währungsvertrages ist es, dass alle maßgeblichen Gerichtsentscheidungen diesbezüglich die schweizerische Gerichtsbarkeit trifft.138 Trotz des Währungsvertrages wird Liechtenstein als souveräner Staat mit eigener Währungshoheit anerkannt. Weiterhin erhält Liechtenstein dadurch deutliche volkswirtschaftliche Vorzüge. Faktisch hat sich das Fürstentum jedoch der Schweiz untergeordnet, da Liechtenstein als Währungsinland behandelt wird und damit der Schweiz weitgehende Befugnisse in der Rechtssetzung und -anwendung übertragen hat.139 b) Binnenwirtschaft Liechtenstein war bis weit in das 20. Jahrhundert hinein landwirtschaftlich geprägt. Erst nach den 1920er Jahren und vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg verbesserte sich die wirtschaftliche Lage hin zu einem Wirtschaftsboom, sowohl im Industrie- als auch Dienstleistungssektor und dort besonders im Finanzdienstleistungsbereich. In dem Zusammenhang verdreifachte sich die Bevölkerung seit 1945 bis heute.140 Heute ist Liechtenstein ein aufstrebender Industrie- und Dienstleistungsstaat und gehört zu einem der reichsten Länder der Welt.141 Das Bruttoinlandsprodukt von 5,5 Mrd. CHF142 im Jahr 2007 wurde von ca. 32.000 Beschäftigten erarbeitet.143 Daraus ergeben sich ein Brutto136 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Amt für Volkswirtschaft 2006, S. 22, 93; Dózsa 2008, S. 100; Miller 2007, S. 169. 137 LGBl. 1981, Nr. 52. Die Gesellschaftsrechtsreform 1980 war eine Voraussetzung für die Unterzeichnng des Währungsvertrages, jedoch blieb die liechtensteinische Bankengesetzgebung und die liechtensteinische Währungs- und Finanzhoheit davon unangetastet; vgl. Waschkuhn 1994, S. 50. 138 Vgl. Waschkuhn 1994, S. 51. 139 Vgl. Waschkuhn 1994, S. 51. 140 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 914; Simon 2008, S. 270. 141 Vgl. Simon 2008, S. 270; Waschkuhn 1994, S. 15. 142 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Amt für Volkswirtschaft 2009, S. 6; Fürstentum Liechtenstein/Amt für Statistik 2010d, S. 127. Entspricht ca. 3 Mrd. Euro (2007): vgl. Auswärtiges Amt 2009d. Erste Schätzungen des BIP von 2008 ergeben eine
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inlandsprodukt pro Beschäftigtem von ca. 194.000 CHF und ein Bruttonationaleinkommen pro Einwohner von 140.000 CHF (BNE gesamt: 4,9 Mrd. CHF).144 Im internationalen Vergleich belegt Liechtenstein mit dieser Wirtschaftsleistung einen Spitzenplatz.145 Diese verhältnismäßig hohen Ergebnisse pro Kopf verdankt Liechtenstein seiner gut ausgebildeten Bevölkerung, die sich als ein Teil einer staatenübergreifenden Gemeinschaft versteht und die Chancen der grenzüberschreitenden Möglichkeiten bewusst nutzt. Außerdem sind in der liechtensteinischen Wirtschaft ca. 17.000 Pendler beschäftigt, die jeden Tag aus dem Ausland in das Fürstentum zur Arbeit kommen, das entspricht ca. 50% der Gesamtbeschäftigten.146 Insgesamt haben sogar fast 70% der 32.600 Arbeitsplätze (2009) Nicht-Liechtensteiner inne, 35% der Wohnbevölkerung sind keine Liechtensteiner.147 Die Wirtschaft des Mikrostaates ist auf diese, meist aus der Schweiz und Österreich stammende, Arbeitskräfte in höchstem Maße angewiesen, da Arbeitskräftebedarf und Bevölkerungsentwicklung erheblich auseinander klaffen.148 So kommt es, dass im Fürstentum die Zahl der Einwohner und die der Arbeitsplätze fast übereinstimmen.149 Für die Volkswirtschaft Liechtensteins rechnen sich die ausländischen Fachkräfte sehr gut, da das Fürstentum selbst nicht in ihre Ausbildung investiert hat, sie im produktivsten Alter kommen, die Binnennachfrage beleben sowie eine Verjüngung der Bevölkerung bewirken.150 Obwohl das Fürstentum auf die ausländischen Arbeitskräfte angewiesen ist, ist der Zuzug von Ausländern nach Liechtenstein begrenzt. Jährlich wird nur eine geringe Zahl an Aufenthaltsbewilligungen an Erwerbstätige Absenkung auf 5,3 Mrd. CHF: vgl. Fürstentum Liechtenstein/Amt für Statistik 2010b, S. 3. 143 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Amt für Statistik 2009b, S. 8. 144 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Amt für Volkswirtschaft 2009, S. 7, 9; Fürstentum Liechtenstein/Amt für Statistik 2010d, S. 127. 145 Vgl. Simon 2008, S. 270; zum Vergleich das deutsche BIP/Kopf 2007: 27.200 e, entspricht ca. 43.500 CHF. 146 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Amt für Statistik 2009b, S. 8; Fürstentum Liechtenstein/Amt für Statistik 2010d, S 89. 147 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Amt für Statistik 2009a, S. 18, Fürstentum Liechtenstein/Amt für Statistik 2009b, S. 8, 12; Fürstentum Liechtenstein/Amt für Statistik 2010c, S. 3. 148 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Amt für Statistik 2009b, S. 8; Walch 2004, S. 206; Kellenberger 1996, S. 83; Simon 2008, S. 272; Waschkuhn 1994, S. 15, 55. 149 Vgl. Simon 2008, S. 272. 150 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Amt für Statistik 2009b, S. 11; Waschkuhn 1994, S. 304.
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E. Das Fürstentum Liechtenstein und seine Integration in die EU Landwirtschaft und Haushalte 6 % Finanzdienstleistungen 31 %
Industriewaren und produzierendes Gewerbe 39 %
Allgemeine Dienstleistungen 23 % Quelle: Fürstentum Liechtenstein/Amt für Volkswirtschaft 2009, S. 7.
Abbildung 4: Anteile der Bruttowertschöpfung Liechtensteins (2008)
aus dem EWR vergeben. Deshalb hat die Grenzgängerbeschäftigung immer stärker an Bedeutung gewonnen, es entsteht eine Abhängigkeit.151 Nicht nur der im Ausland wahrgenommene Finanzdienstleistungssektor ist bedeutend für den Wirtschaftstandort Liechtenstein, das Land verfügt auch über eine breite Branchenlandschaft. Die Industrie ist stark exportorientiert, der Dienstleistungssektor, inklusive Banken und Tourismus, hoch entwickelt.152 Wichtige Wirtschaftszweige sind der Maschinenbau (9,9% der Beschäftigten), die Finanz- und Versicherungsdienstleistungen (9,6%), die Rechts-, Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung (8%), Handel, Instandhaltung und Reparatur von Fahrzeugen (7,4%) sowie das Baugewerbe (4,2%).153 Nur noch 1% der Bevölkerung sind in der Landwirtschaft tätig, 42% im industriellen Sektor und 57% im Dienstleistungssektor.154 Der größte Teil der Bruttowertschöpfung des Landes wird mit einem Anteil von 39% in der industriellen Produktion erwirtschaftet, 31% im Finanzdienstleistungsbereich.155 Die Arbeitslosenquote liegt bei ca. 2% (2008).156 In Liechtenstein sind ca. 600 Unternehmen des industriellen Sektors ansässig, darunter weltweit agierende Firmen wie die ThyssenKrupp Presta 151
Vgl. Simon 2008, S. 272; Waschkuhn 1994, S. 57. Vgl. Duursma 1996, S. 147; Simon 2008, S. 270; Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004a, S. 13. 153 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Amt für Statistik 2009b, S. 18; Fürstentum Liechtenstein/Amt für Statistik 2010d, S. 186. 154 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Amt für Statistik 2009b, S. 8; Fürstentum Liechtenstein/Amt für Statistik 2010d, S. 89. 155 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Amt für Volkswirtschaft 2009, S. 7; Simon 2008, S. 270. 156 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Amt für Statistik 2010d, S. 111. 152
I. Charakteristika des Staates Liechtenstein
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AG oder die Hilti AG, die mit ihren Produkten Weltmarktführer auf dem internationalen Markt sind.157 Als Standortvorteile des Fürstentums gelten u. a. die stabile Sozial-, Rechts- und Wirtschaftsordnung, ein hohes Maß an politischer Stabilität, politische Neutralität und neutrale Nachbarstaaten, die gut ausgebildete, leistungswillige Bevölkerung, die liberale Wirtschaftspolitik und Steuergesetzgebung, eine funktionierende Infrastruktur, wenig Bürokratie, große Kapitalkraft, ein leistungsfähiges Bankensystem, das Bankgesetz mit Bankgeheimnis, die Wirtschafts-, Zoll- und Währungsunion mit der Schweiz sowie die hohe Lebensqualität. Weiterhin zählen dazu die Konzentration der Produktion auf Erzeugnisse und Dienstleistungen nach Prinzipien der Diversifizierung und Spezifikation sowie die junge Altersstruktur der erwerbstätigen Personen. Liechtenstein hat es geschafft, die gegebenen Standortvorteile zu nutzen und sich vorteilhafte Rahmenbedingungen zu schaffen.158 Als Standortnachteile gelten u. a. die fehlenden eigenen Rohstoffe, die Randlage im schweizerischen Wirtschaftsraum oder die starke Auslandsabhängigkeit.159 Außerdem zählen dazu die hohen Lohn- und Lohnnebenkosten, der extrem kleine Binnenmarkt oder die Distanz zu den europäischen Ausbildungs- und Forschungszentren.160 Durch diese Voraussetzungen ist Liechtenstein prädestiniert für wertschöpfungs- und kapitalintensive Arbeitsplätze. Jedoch ist eine nur einseitige Orientierung Richtung Finanzdienstleistungssektor nicht anzustreben. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen werden im zusammenrückenden Europa immer weniger autonom durch Liechtenstein festzulegen sein. So musste das Fürstentum durch seinen Beitritt zum EWR schon einige Bestimmungen ändern, was auch zu Einnahmeverlusten geführt hat.161 Wie sich die Wirtschaft Liechtensteins in der Zukunft entwickelt, ist abhängig von den Erfolgen des Landes im globalen Standort- und Innovationswettbewerb. Ein wichtiges Element ist die Nischenpolitik des Landes, vor allem in den Bereichen, in denen Standortwettbewerb im politischen Umfeld möglich ist. Dabei ist der Faktor Humankapital zentral bedeutend für das Wirtschaftswachstum, da die Innovationsfähigkeit auf Wissen beruht. Das betrifft vor allem auch die Grenzgängersituation im Fürstentum. Um langfristig im Wettbewerb um hoch qualifizierte Arbeitskräfte erfolg157
Vgl. Simon 2008, S. 271; Walch 2004, S. 205; Waschkuhn 1994, S. 62. Vgl. Waschkuhn 1994, S. 16, 58 f. 159 Liechtenstein ist auslandsabhängig zu 100% bei Rohstoffen und Tourismus, zu 90% bei Energie und Kapitalfluss, zu 80% bei Nahrungsmitteln, zu 60% bei den Arbeitskräften; vgl. Waschkuhn 1994, S. 59, 16; Kellenberger 1996, S. 84 f. 160 Vgl. Waschkuhn 1994, S. 59. 161 Vgl. Kellenberger 1996, S. 83 ff. 158
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E. Das Fürstentum Liechtenstein und seine Integration in die EU
reich zu sein, ist es wahrscheinlich erforderlich, die Zuwanderungspolitik Liechtensteins zu überarbeiten. Dabei werden neben den harten Standortfaktoren (niedrige Steuern) vor allem auch die weichen Faktoren (z. B. Lebensoder Umweltqualität) entscheidend sein.162 Weiterhin bedeutend für die zukünftige Wirtschaftentwicklung des Landes ist die Überwindung der aktuellen Finanzmarktkrise. Diese sollte als eine Chance zur Fortsetzung der Reformpolitik angesehen werden. Der Finanzleistungssektor könnte dann auch weiterhin einen überproportionalen Beitrag zum Wohlstand des Fürstentums leisten. Die diversifizierte Branchenlandschaft Liechtensteins bildet dabei ein Polster und trägt zu einer ganzheitlichen Weiterentwicklung des Wirtschaftsstandortes bei.163 c) Finanzplatz Liechtenstein Liechtenstein ist heute als Steuerparadies für seinen starken Finanzdienstleistungssektor bekannt und geschätzt.164 Dieser ist ein bedeutender Faktor für den Wohlstand des Landes. Klarzustellen ist, dass ein Land als Steueroase nicht automatisch Steuerhinterziehung begünstigt, sondern eben die legalen Möglichkeiten ausnutzt.165 Schon in den 1920er Jahren wurden ausländische Gelder in Liechtenstein steuergünstig in Sitzgesellschaften angelegt. Daraus ging das Gesellschaftsund Bankwesen hervor, was noch bis heute einen wesentlichen Pfeiler der Volkswirtschaft des Fürstentums darstellt. Der EWR-Beitritt Liechtensteins wirkte durch die Ermöglichung des Marktzugangs zu anderen Ländern wie ein Katalysator. Der Finanzdienstleistungssektor umfasst Banken, Versicherungen sowie das Gesellschaftswesen.166 Die Finanzdienstleistungen erwirtschafteten 2007 ca. 31% der gesamten Bruttowertschöpfung.167 Der Finanzdienstleistungssektor ist auch für die Einnahmen des Landes sehr bedeutsam, da die Einnahmen Liechtensteins zu ca. 40% aus diesem Wirtschaftszweig (Steuereinnahmen) stammen.168 In Liechtenstein gibt es 162
Vgl. Simon 2008, S. 272 f. Vgl. Regierung des Fürstentums Liechtenstein 2008, S. 59; Simon 2008, S. 273. 164 Vgl. Simon 2008, S. 270; Waschkuhn 1994, S. 61. 165 Vgl. Kellenberger 1996, S. 95. 166 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Amt für Auswärtige Angelegenheiten 2009, S. 6; Simon 2008, S. 270. 167 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Amt für Volkswirtschaft 2009, S. 7; Simon 2008, S. 270. 168 Vgl. Walch 2004, S. 205. 163
I. Charakteristika des Staates Liechtenstein
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derzeit ca. 80.000 Holding- und Sitzunternehmen,169 15 konzessionierte Banken,170 ca. 70.000 Stiftungen und 113 Treuhänder.171 Liechtenstein hat es geschafft, seine Standortvorteile zu nutzen und Rahmenbedingungen zu schaffen, die die positive Entwicklung der Finanzdienstleistungsbranche im Fürstentum unterstützen. Dazu gehören die vielfältigen juristischen Formen der Gestaltung von Vermögen nach dem Gesellschaftsrecht, die liberale Steuergesetzgebung, die engen Verbindungen zur Schweiz, der Schweizer Franken als gesetzliche Währung sowie der Geheimnisschutz und der relativ hohe Anonymitätsgrad.172 Das Gesellschaftsrecht Liechtensteins hat einige Besonderheiten. Es ist für Unternehmen besonders attraktiv, da es eine Vielzahl von Unternehmensformen ermöglicht (z. B. Anstalt, Stiftung, Treuhänderschaft, Treuunternehmen), die meist nur sehr geringe Steuern zahlen müssen bzw. teilweise sogar steuerbefreit sind.173 Dabei ist für Liechtenstein die eigene Rechtssetzungskompetenz sehr bedeutsam, durch welche das Niedrigsteuersystem und die speziellen Rechtsinstitute des Personen- und Gesellschaftsrechts bereitgestellt werden können.174 Schon oft fiel die Aufmerksamkeit in Verbindung mit Geldwäsche, Steuerflucht oder anderen Verstrickungen im Finanzsektor auf das Fürstentum, was einen erheblichen Imageverlust des internationalen Finanzplatzes Liechtenstein mit sich brachte.175 Gerade deshalb und aufgrund der hohen Bedeutung des Finanzdienstleistungsbereiches für Liechtenstein aber auch für Europa bedarf dieser des Schutzes vor Missbrauch, Geldwäsche, organisiertem Verbrechen sowie Terrorismusfinanzierung durch ein effektives gesetzliches Regelwerk. Liechtenstein ist entschlossen, seine Position als Finanzzentrum mit höchsten internationalen Standards zu wahren. Daher verfügt Liechtenstein seit 1996 über ein europarechtskonformes Anti-Geldwäsche-Regime, welches zur Sicherung des Finanzdienstleistungsplatzes Liechtenstein permanent verbessert und erweitert wird.176 Dazu gehört das Rechtshilfege169
Vgl. Merki 2007, S. 299; Simon 2008, S. 270. Vgl. Liechtensteinischer Bankenverband 2007, S. 4; Fürstentum Liechtenstein/ Amt für Statistik 2010d, S. 167; Nuener 2006, S. 83. 171 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Amt für Statistik 2010d, S. 211; Waschkuhn 2003, S. 768; genauer dazu Kellenberger 1996, S. 89. 172 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Amt für Auswärtige Angelegenheiten 2009, S. 6; Waschkuhn 1994, S. 52, 61. 173 Vgl. und genauer dazu: Kellenberger 1996, S. 89; Waschkuhn 1994, S. 55, 59; Miller 2007, S. 105 ff., 118 f., 162. 174 Vgl. Waschkuhn 1994, S. 59. 175 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 767. 176 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Amt für Auswärtige Angelegenheiten 2009, S. 2, 8 ff.; Nuener 2006, S. 83; Insam 2006, S. 277 ff. 170
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E. Das Fürstentum Liechtenstein und seine Integration in die EU
setz,177 die Einrichtung der Stabstelle Financial Intelligence Unit FIU,178 das Sorgfaltspflichtsgesetz,179 die Umsetzung der ersten, zweiten und dritten EU-Geldwäscherichtlinie (Richtlinie 91/308/EWG, 2001/97/EWG, 2005/60/EG) im Rahmen der Verpflichtungen des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraumes, das Gesetz über Finanzmarktaufsicht zur Einrichtung einer Finanzmarktsaufsichtsbehörde (FMA)180 im Jahr 2005 und die Vorbereitung zur Umsetzung der Payment Services Directive (PSD).181 Damit besitzt Liechtenstein im Bereich der Bekämpfung der Geldwäsche dieselbe Regelungskette wie ein EU-Staat.182 Weiterhin ist das Fürstentum Vertragspartei zahlreicher internationaler Übereinkommen zum Schutz vor Geldwäsche, der Anti-Terrorismusfinanzierung, der Bekämpfung des organisierten Verbrechens sowie der internationalen Rechtshilfe, u. a. im Rahmen des Europarates und der UNO.183 Somit hat Liechtenstein schon viele strenge Rechtsvorschriften realisiert.184 Generell ist Liechtenstein als EWRMitglied verpflichtet, EU-Recht in den Bereichen des Abkommens in nationales Recht umzusetzen, so dass die rechtlichen Bestimmungen über Banken, Versicherungen und Buchhaltung den jeweiligen EU-Richtlinien entsprechen.185 Laut dem liechtensteinischen Bankenverband ist der Bankenplatz Liechtenstein europakompatibel und erfüllt in Sachen Sorgfaltspflicht und Kriminalitätsbekämpfung höchste internationale Standards, was durch den Internationalen Währungsfonds (IWF) gewürdigt wurde.186 177
LGBl. 2000, Nr. 215; vgl. Nuener 2006, S. 84. LGBl. 2002, Nr. 57; vgl. Nuener 2006, S. 84. 179 LGBl. 1996, Nr. 116; erneuert durch LGBl. 2000, Nr. 213; LGBl. 2005, Nr. 5; vgl. Fürstentum Liechtenstein/Amt für Auswärtige Angelegenheiten 2009, S. 9; Nuener 2006, S. 84 f. 180 LGBl. 2004, Nr. 175; LGBl. 2009, Nr. 362. 181 Vgl. Nuener 2006, S. 85; Liechtensteinischer Bankenverband 2007, S. 3; vgl. und genauer in: Fürstentum Liechtenstein/Amt für Auswärtige Angelegenheiten 2009, S. 6, 8 ff. 182 Auskunft einer liechtensteinischen Quelle 2010. 183 Vgl. Nuener 2006, S. 86; Waschkuhn 1994, S. 212; vgl. und genauer in: Fürstentum Liechtenstein/Amt für Auswärtige Angelegenheiten 2009, S. 10 ff. 184 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 924. 185 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Amt für Auswärtige Angelegenheiten 2009, S. 7. 186 Vgl. Liechtensteinischer Bankenverbandes 2007, S. 2. Im März/April 2007 überprüfte eine IWF-Delegation den Finanzplatz Liechtenstein hinsichtlich seines Regulierungs- und Überwachungssystems zur Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung auf Grundlage der Empfehlungen der FATF und der OECD. Der IWF stellte gute Noten aus, forderte aber auch eine Stärkung der rechtlichen Grundlagen für den Informationsasutausch mit ausländlischen Aufsichtsbehörden. Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Amt für Auswärtige Angelegenheiten 2009, S. 11. 178
I. Charakteristika des Staates Liechtenstein
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Dennoch geriet das Fürstentum aufgrund des starken Finanzdienstleistungsbereiches in den letzten Jahren stark unter Druck, was sich in Verhandlungen mit der EU oder der OECD widerspiegelt. So trat zwischen Liechtenstein und der EU 2005 ein Abkommen über die Besteuerung von Zinserträgen in Kraft und ein Betrugsbekämpfungsabkommen steht kurz vor dem Abschluss.187 Vor allem das Bankgeheimnis und die beschränkte Rechtshilfe bei Steuerdelikten stehen immer wieder in der Kritik.188 Allerdings tritt die liechtensteinische Regierung weiterhin für die Erhaltung des Bankkundengeheimnisses ein. Liechtenstein ist es wichtig, die spezifischen Standortvorteile seines Finanzplatzes mit dem Bankgeheimnis, dem Schweizer Franken als Währung, der politischen Stabilität, dem Schutz der Privatinteressen und der rechtspolitischen Berechenbarkeit und Zuverlässigkeit zu erhalten. Dies wird sich auch in zukünftigen Verhandlungen mit der OECD oder der EU widerspiegeln.189 Im Sommer 2000 wurde Liechtenstein auf die „schwarze Liste“ des Geldwäsche-Ausschusses der OECD (Financial Action Force on Money Laundring, FATF) gesetzt und wurde von diesem als „nicht kooperativ“ eingestuft. Im Juni 2001 wurde Liechtenstein wieder von der FATF-Liste gestrichen, nachdem es ein Maßnahmenpaket zur Verschärfung der Bestimmungen gegen Geldwäsche verabschiedete, Justiz und Polizei personell aufstockte und ein Institut zur Zertifizierung der Finanzindustrie einrichtete. Im April 2002 wurde Liechtenstein erneut auf die Liste der unkooperativen Steuerparadiese gesetzt. Erst im Mai 2009 wurden schließlich die drei auf der OECD-Liste der unkooperativen Steuerparadiese verblieben Staaten Andorra, Liechtenstein und Monaco aufgrund ihrer jeweiligen Anpassungsmaßnahmen von der Liste gestrichen.190 Ebenso bot Liechtenstein den EU-Mitgliedstaaten im Juni 2008 den OECD-Standard in der internationalen Kooperation in Steuerangelegenheiten im Rahmen von entsprechenden bilateralen Abkommen an.191 Dieses Angebot wurde ausgeweitet, indem das Fürstentums Liechtenstein am 12. März 2009 die „Liechtenstein Declaration“ der Regierung und damit ihre Bereitschaft zur Anwendung der globalen OECD-Standards für Trans187 sh. Punkt E. II. 2. c)/d); vgl. Fürstentum Liechtenstein/Amt für Auswärtige Angelegenheiten 2009, S. 2; Walch 2004, S. 205. 188 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 924. Allerdings ist das Bankkundengeheimnis in Liechtenstein nicht absolut, d.h. es wird in strafrechtlichen Fällen (jedoch nicht bei steuerrechtlichen) aufgehoben und anonyme Konten gibt es nicht. Sh. Fürstentum Liechtenstein/Amt für Auswärtige Angelegenheiten 2009, S. 7 f. 189 Vgl. Walch 2004, S. 205 f. 190 Vgl. OECD 2009. 191 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Amt für Auswärtige Angelegenheiten 2009, S. 2.
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E. Das Fürstentum Liechtenstein und seine Integration in die EU
parenz und Informationsaustausch in Steuerfragen verkündete. Weiterhin bietet es interessierten Staaten bilaterale Steuerabkommen zur effektiven Zusammenarbeit bei Steuerfragen an (z. B. Steuerinformationsabkommen mit den USA und Deutschland). Liechtenstein will Rechtssicherheit und -konformität bei gleichzeitiger Wahrung der Privatsphäre und des Bankkundengeheimnisses sicherstellen sowie damit seiner Verantwortung gegenüber den Kunden des Finanzplatzes sowie den berechtigten Steueransprüchen seiner Vertragspartner nachkommen.192 Außerdem ist eine Reform des Steuergesetzes geplant, mit dem Ziel, die Unternehmensbesteuerung zu vereinfachen, das Steuergesetz europarechtskonform auszugestalten, einschließlich der Abschaffung der besonderen Gesellschaftssteuern, die Nachlass-, Erbanfalls- und Schenkungssteuern für natürliche Personen abzuschaffen, sowie in einen einfacheren 5-Stufen-Tarif einzuführen. Außerdem soll die Verwaltungspraxis vereinfacht werden.193 Zahlreiche weitere Gesetzesänderungen oder Übernahmen von EU-Richtlinien und -Vorgaben in diesem Bereich sind geplant.194 Weiterhin hat Liechtenstein sein Stiftungsrecht reformiert und ist damit im Finanzbereich auf die EU zugekommen, auch eine weitere Zusammenarbeit mit der OECD in diesem Bereich ist geplant.195 Botschafter Reiterer stellt Mitte 2009 fest, dass die „Regierung energische Schritte gemacht [hat], den Bankenplatz Liechtenstein an internationale Standards heranzuführen, eine Politik, die die neu gewählte Regierung weiterzuführen und zu vertiefen versprochen hat“.196 Regierungschef Tschütscher weist ebenfalls auf die zahlreichen Maßnahmen hin, die Liechtenstein im Bereich der Bekämpfung der Geldwäsche, der Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung und der Bekämpfung der Korruption im letzten Jahrzehnt unternommen hat. Dieser Reformprozess wird weiterhin durch die oben erwähnte Liechtenstein-Erklärung vom 12. März 2009 betont.197 Liechtenstein als Finanzplatz bewegt sich permanent auf dem schmalen Grad zwischen Bekämpfung von Kriminalität, Geldwäscherei, Betrug, etc. und der Aufrechterhaltung bestimmter Steuerprivilegien und des Bankkun192 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Amt für Auswärtige Angelegenheiten 2009, S. 2, 7; Tschütscher 2009, S. 4 f.; Lauber 2009, S. 3; Auszug aus der „Liechtenstein Declaration“ im Bankenmagazin, März 2009, S. 4 f. 193 Vgl. Bankenmagazin, März 2009, S. 9, 18 ff.; Fürstentum Liechtenstein/Regierung 2009, S. 236. 194 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Regierung 2009, S. 236 ff. 195 Vgl. Reiterer 2008, S. 2. 196 Delegation der Europäischen Kommission für die Schweiz und für das Fürstentum Liechtenstein 2009b. 197 Vgl. Tschütscher 2009, S. 4 f.
I. Charakteristika des Staates Liechtenstein
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denschutzes.198 Trotz aller Kritik ist festzuhalten, dass Liechtenstein in den letzten Jahrzehnten zu einem erfolgreichen und respektierten Finanzplatz gewachsen ist und ein seriöses Image hat. Die Gesetzgebung des Fürstentums, vor allem die Niedrigsteuerpolitik, erlaubt es den Investmentunternehmen, attraktive Anlagemöglichkeiten u. a. zu Wertpapieren, Versicherungen oder Immobilien anzubieten.199 Auch zukünftig wird Liechtenstein weiterhin ein liberales und am Wettbewerb orientiertes Wirtschafts- und Steuersystem mit einem differenzierten Gesellschaftsrecht bewahren. Liechtenstein zielt darauf, seine flexible Grundeinstellung beizubehalten und permanent zur Weiterentwicklung bereit zu sein. Dazu müssen gegebenenfalls gewisse Rahmenbedingungen neu bewertet und angepasst werden.200 Auch der Bankenplatz Liechtenstein steht weiter vor großen Herausforderungen, nämlich die Sicherung eines starken europäischen Finanzplatzes oder der internationale Wettbewerb. Dabei will sich der Bankenverband für den Schutz der Privatsphäre einsetzen. Der Bankenverband sieht für den Liechtensteinischen Bankenplatz die Chance, Nischen zu besetzen, weiter zu wachsen und zu diversifizieren.201 d) Außenhandel Durch Liechtensteins enge Beziehungen zur Schweiz und der gleichzeitigen Mitgliedschaft im EWR, d.h. die Zugehörigkeit zu zwei Wirtschaftsräumen, ergibt sich in dem Fürstentum ein weites und interessantes Betätigungsfeld für Industrie, Gewerbe, Finanzdienstleistungen und ausländische Investoren. Dadurch profitiert es sowohl vom freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Kapital im EWR als auch von den Vorteilen des Schweizer Wirtschaftsgebietes wie dem Schweizer Franken oder den offenen Grenzen zur Schweiz dank der Zollunion.202 Liechtenstein ist auf Importe angewiesen, da es nicht alle benötigten Produkte innerhalb seiner Grenzen anfertigen kann.203 Gleichzeitig ist die Wirtschaft stark exportorientiert und abhängig von Fremdkapital. Somit ist die Wirtschaft stärker äußeren Einflüssen ausgesetzt als die Wirtschaft anderer größerer Länder.204 198 199 200 201 202 203 204
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Marxer/Pállinger 2009, S. 924. Miller 2007, S. 170. Walch 2004, S. 211 f. Liechtensteinischer Bankenverband 2007, S. 3. Miller 2007, S. 169 f. Walch 2004, S. 204. Duursma 1996, S. 148.
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E. Das Fürstentum Liechtenstein und seine Integration in die EU
Im Jahr 2008 ging der größte Teil der Warenexporte im Wert von 2,6 Mrd. CHF (62%) in die EWR-Staaten, dabei hauptsächlich nach Deutschland, gefolgt von Frankreich und Österreich (der Warenverkehr mit und über die Schweiz ist nicht erfasst).205 Warenimporte wurden in Höhe von 2,5 Mrd. CHF eingeführt, davon 92% aus EWR-Staaten. Deutschland ist neben Österreich auch bei den Warendirektimporten (Schweiz nicht erfasst) der bedeutendste Außenhandelspartner des Fürstentums. Mehr als ein Drittel aller Güter, die nach Liechtenstein importiert werden, bezogen auf den Warenwert, stammen aus Deutschland.206 Pro Kopf exportiert das Fürstentum ca. sechs Mal so viele Waren wie die Bundesrepublik. Auch die liechtensteinischen Warenimporte übersteigen die Importe in Deutschland pro Einwohner ca. um das Vierfache.207 Liechtenstein ist es gelungen, ökonomische Flexibilität und politische Stabilität zu verknüpfen. Aus den Nachteilen, wie den Mangel an Rohstoffen, hat man eine Tugend gemacht und sich auf eine hohe Spezialisierung, Marktnischen und Produktdiversifikation oder auch den Ausbau des Niedrigsteuersystems konzentriert. Man hat die wirtschaftlichen Vorteile, die sich einem Mikrostaat bieten, konsequent genutzt.208 5. Staatshaushalt Liechtenstein hat ein sehr moderates Steuersystem mit relativ niedrigen Abgaben, daher ist es auch als Steuerparadies bekannt. Beispielsweise liegt die Mehrwertsteuer je nach Produkt zwischen 2,4 und 7,6%, die Kapitalsteuer bei 2 Promille, die Ertragssteuer zwischen 7,5 und 20%, die Erwerbssteuer zwischen 3,24% und 17,01% des Einkommens sowie die Vermögenssteuer zwischen 1,62 Promille und 8,51 Promille des Vermögens.209 Die Niedrigsteuerpolitik Liechtensteins gilt sowohl für Unternehmen im Finanzdienstleistungsbereich und Industriebetriebe als auch für Privatpersonen. Für natürliche Personen wird keine Einkommensteuer erhoben, sondern es besteht ein System der allgemeinen Erwerbsteuer mit ergänzender Vermögenssteuer.210 205 Gesamt Warenexporte: 4,2 Mrd. CHF. Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Amt für Statistik 2010d, S. 145. 206 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Amt für Statistik 2010d, S. 144. 207 Vgl. Simon 2008, S. 271. 208 Vgl. Kellenberger 1996, S. 82; Waschkuhn 1994, S. 97. 209 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Landesverwaltung 2009; Duursma 1996, S. 148. 210 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Landesverwaltung 2009; Waschkuhn 1994, S. 55.
I. Charakteristika des Staates Liechtenstein
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Übrige Steuern/Abgaben 2,89 % Stempelabgaben 7,49 %
Mehrwertsteuer 24,83 %
Couponsteuer 5,62 % Grundstückgewinnsteuer 2,04 %
Vermögens- und Erwerbssteuer 18,81 %
Quellensteuer der Zugpendler 2,25 %
Kapital- und Ertragssteuer 25,64 %
Besondere Gesellschaftssteuer 10,43 %
Quelle: Fürstentum Liechtenstein/Regierung 2009, S. 248.
Abbildung 5: Aufteilung der Steuereinnahmen Liechtensteins (2008)
Die Staatseinnahmen im Jahr 2008 lagen bei 856 Mio. CHF. Sie werden hauptsächlich durch Steuern finanziert.211 Die größten Steuereinnahmen stammen von der Kapital- und Ertragssteuer (26%), der Mehrwertsteuer (25%) sowie der Vermögens- und Erwerbssteuer (19%).212 In der Gesamtrechnung des Jahres 2008 resultierte als Differenz von Gesamtausgaben und -einnahmen ein Finanzierungsfehlbetrag in Höhe von 128 Mio. CHF.213 Fürstliches Vermögen Die Kosten der Monarchie werden nicht vom Steuerzahler, sondern vom fürstlichen Vermögen getragen. Im 20. Jahrhundert verringerte sich das fürstliche Vermögen stark und die Kosten der Monarchie mussten teilweise durch Verkäufe aus dem Kunst- und Grundbesitz des fürstlichen Vermögens gezahlt werden. Erst Ende des 20. Jahrhunderts gelangen Fürst 211
Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Regierung 2009, S. 242. Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Regierung 2009, S. 243. 213 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Landesverwaltung/Ressort Finanzen 2009; Fürstentum Liechtenstein/Amt für Statistik 2010d, S. 289: laufender Aufwand 2008: 1,2. Mrd. CHF, laufender Ertrag 2008: 1,1 Mrd. CHF. 212
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E. Das Fürstentum Liechtenstein und seine Integration in die EU
Hans-Adam II. die Reorganisation und der Wiederaufbau des fürstlichen Vermögens, so dass die finanzielle und auch politische Unabhängigkeit der Monarchie gesichert ist.214 Nach Meinung des Fürstenhauses sind die Besitzungen auf einem Gebiete von ca. 1600 km2 in der ehemaligen Tschechoslowakei, die enteignet wurden, immer noch liechtensteinisches Eigentum. Das fürstliche Vermögen umfasst weiterhin die Fürstlichen Sammlungen, die Bank in Liechtenstein, Besitzungen in Österreich und den USA, u. a. mit einem geschätzten Gesamtwert von ca. 2,5 Mrd. Schweizer Franken.215 6. Die Beziehungen zu anderen Staaten a) Die außenpolitische Strategie Liechtensteins Liechtenstein ist ein eigenständiger Staat, der eine unabhängige und aktive Außenpolitik betreibt.216 Schwerpunkte sind dabei die Anerkennung der Staatlichkeit und der Unabhängigkeit, sowie Neutralität und die Förderung günstiger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen.217 Augrund seiner Neutralität gehört das Fürstentum keinem politischen oder militärischen Bündnis an.218 Außerdem besitzt Liechtenstein keine eigene Armee. Es ist daher darauf angewiesen, dass internationales Recht gilt, was ihm zum Schutz und zur Durchsetzung seiner Interessen verhilft. Für einen Mikrostaat sind die Solidarität seiner unmittelbaren Nachbarn sowie die Einbettung in eine internationale Gemeinschaft des Rechts und der Sicherheit deutlich wichtiger als für größere Staaten. So ist auch Friedenssicherung und Konfliktverhütung ein zentrales Thema für die Außenpolitik eines Mikrostaates, so auch für Liechtenstein. Prävention, Solidarität und Gewaltverzicht sind weitere Prinzipien der liechtensteinischen Außenpolitik. Die Regierung des Fürstentums hat erkannt, dass ein Mikrostaat mit seinen Bemühungen zur Friedenssicherung eine Möglichkeit hat, sich in die internationale Politik einzubringen. Weiterhin ist zu bemerken, dass die internationale Solidarität im Rahmen der humanitären und der Katastrophenhilfe ein wichtiges Anliegen Liechtensteins ist.219 Das Fürstentum engagiert sich 214
Vgl. Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein 2004, S. 4. Vgl. Waschkuhn 1994, S. 104. 216 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Amt für Auswärtige Angelegenheiten 2009, S. 1; Walch 2004, S. 201. 217 Vgl. Duursma 1996, S. 160 f.; Kellenberger 1996, S. 27; Marxer/Pállinger 2009, S. 923. 218 Vgl. Nuener 2006, S. 81. 215
I. Charakteristika des Staates Liechtenstein
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weiterhin für die Menschenrechtspolitik, die Weiterentwicklung des Völkerrechts, die internationale humanitäre Zusammenarbeit und Entwicklung, wie auch in einzelnen Bereichen der internationalen Umweltpolitik.220 Aufgrund der begrenzten personellen Ressourcen müssen die Mikrostaaten, so auch Liechtenstein, Prioritäten in ihrer Außenpolitik setzen.221 Liechtenstein hat der Nachbarschaftspolitik einen hohen Stellenwert eingeräumt, was insbesondere die Beziehungen zu den Nachbarstaaten betrifft, aber auch die regionalen oder subregionalen Beziehungen (z. B. Kooperation der Grenzregionen). Die europäische Integration ist eine treibende Kraft in dieser Prioritätensetzung, durch sie gewinnt die regionale Komponente in der Außenpolitik an Bedeutung. Liechtenstein kann sich auf der internationalen Bühne auf seine Nachbarstaaten Schweiz und Österreich verlassen, die die Interessen des Fürstentums vertreten.222 In den letzten 30 Jahren hat Liechtenstein eine erhebliche Zunahme seiner Außenpolitik erfahren,223 vor allem durch die Beitritte zur UNO, dem EWR und der WTO. Die Mitgliedschaft in der WTO ist neben der Mitgliedschaft im EWR für Liechtenstein von sehr hoher Bedeutung. Das Fürstentum hat das Bewusstsein entwickelt, dass es wichtig ist, sich nicht abzukapseln, sondern aktiv die internationale Staatenwelt mitzugestalten.224 Durch die Teilnahme Liechtensteins an den internationalen Organisationen hat es die Möglichkeit, auch international seine Interessen in bestimmten Bereichen wahrzunehmen sowie gleichzeitig seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit und Solidarität zu zeigen.225 Ein wichtiger Faktor zur Erhaltung der Souveränität der Mikrostaaten ist die Fähigkeit, Staatsaufgaben richtig zu „outsourcen“. Man sollte nicht alles selbst machen, gerade wenn dies nur mit sehr teuren Mitteln möglich wäre. So ist Liechtenstein mit den angrenzenden Regionen und den Nachbarstaaten weit über 100 Vertragsbeziehungen eingegangen, z. B. in den Bereichen der kommunalen Aufgaben wie Müllverwertung, Erziehung, gemeinsame Hospitalverwaltungen, Hochschulzusammenarbeit und Justizzusammenarbeit. Liechtenstein sieht darin die moderne Erfüllung seiner Staatsaufgaben. Man 219 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Amt für Auswärtige Angelegenheiten 2009, S. 1; Walch 2004, S. 209 f. 220 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Amt für Auswärtige Angelegenheiten 2009, S. 1. 221 Vgl. Walch 2004, S. 202; Marxer/Pállinger 2009, S. 917. 222 Vgl. Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004b, S. 195 f.; Waschkuhn 1994, S. 20, 66, 89. 223 Vgl. Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004b, S. 198. 224 Vgl. Walch 2004, S. 202 f. 225 Vgl. Nuener 2006, S. 83.
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ist nicht der Auffassung, dass ein Staat weniger eigenständig ist, wenn er nicht alle Staatsaufgaben selbst wahrnimmt. Es sei wichtiger, die richtigen Prioritäten zu setzen, das Wesentliche selbst zu verwalten und die zu „outsourcenden“ Aufgaben richtig zu verteilen, damit keine einseitigen Abhängigkeiten entstehen. Diese Chance könne man nutzen, um sich als Einheit zu stärken. Gleichzeitig muss eine Politik geführt werden, die der Anerkennung der Souveränität dient, um diese abzusichern.226 Die bekanntesten Beispiele dieses „Outsourcings“ von Staatsaufgaben sind der Anschluss an das Zollgebiet und die gemeinsame Währung mit der Schweiz.227 Der außenpolitische Apparat Liechtensteins ist verhältnismäßig groß, trotz dem, dass auch hier „Outsourcing“ betrieben wird. Liechtenstein besitzt neun diplomatische Vertretungen im Ausland, weiteres wird über Vereinbarungen geregelt (z. B., dass die Schweiz Liechtenstein vertritt, wo das Fürstentum keine eigenen Botschaften eröffnet).228 Über 60 Botschafter sind in Liechtenstein akkreditiert.229 Fürst Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein äußerte in seiner Thronrede230 2004, dass es für ihn die wichtigste Aufgabe war, „die Souveränität des Landes und das Selbstbestimmungsrecht des liechtensteinischen Volkes für die Zukunft so gut als möglich abzusichern“.231 Als höchste Priorität der Außenpolitik sieht er die traditionell engen und guten Beziehungen zu den beiden Nachbarstaaten des Fürstentums, an zweiter Stelle die Mitgliedschaft in der UNO und der WTO und erst dann die Mitgliedschaft im EWR. Die Mitgliedschaft in der UNO sei besonders wichtig für die Sicherung der weltweiten Anerkennung der Souveränität des Mikrostaates, die Mitgliedschaft in der WTO erfahre seine Begründung dadurch, dass vor allem auch die außereuropäischen Märkte für Liechtenstein sehr wichtig sind und das Land überdurchschnittlich von der Globalisierung der Weltwirtschaft profitiert hat. Da sich Liechtenstein nicht auf seine militärische oder wirtschaftliche Macht verlassen kann, muss es mit Intelligenz, Weitblick und Diplomatie seinen außenpolitischen Weg beschreiten.232 Dessen ungeachtet haben die Beziehungen zur EU einen sehr hohen Stellenwert in der liechtensteinischen Außenpolitik.233 226
Vgl. Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004a, S. 15 f.; Kellenberger 1996, S. 82; Waschkuhn 1994, S. 97. 227 Vgl. Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004b, S. 197. 228 sh. Punkt E. I. 6. b); vgl. Fürstentum Liechtenstein/Stabstelle für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit 2009a; Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004a, S. 16. 229 Vgl. Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004a, S. 16. 230 Jährliche Rede des Landesfürst zur Eröffnung des Landtags. 231 Hans-Adam II. von Liechtenstein 2004, S. 1. 232 Vgl. Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein 2004, S. 1 f.
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b) Beziehungen zur Schweiz aa) Handel und Zoll Wie oben erwähnt, steht das Fürstentum in engen bilateralen Beziehungen mit der Schweiz.234 Nach dem Ende der Zoll-Beziehungen zu Österreich unterzeichnete Liechtenstein am 29. März 1923 einen Vertrag über eine Zollunion mit der Schweiz (Zollanschlussvertrag), durch welchen das Fürstentum bis heute einen gemeinsamen Wirtschaftsraum mit der Schweiz bildet.235 Diese Vereinbarung ist die bedeutendste zwischen den beiden Staaten und Grundlage für weitere Verträge und Vereinbarungen.236 Durch den Vertrag ist das Gebiet des Fürstentums in das Schweizer Zollgebiet angeschlossen und von keiner Seite dürfen Abgaben erhoben sowie Beschränkungen und Verbote der Ein- und Ausfuhr erlassen werden, sofern solche nicht im Verkehr von Kanton zu Kanton als zulässig erklärt werden (Art. 1). Die gesamte schweizerische Zollgesetzgebung sowie die übrige Bundesgesetzgebung, soweit deren Anwendung durch den Zollanschluss bedingt ist, sind im Fürstentum anwendbar (Art. 4, 5 Abs. 1). Auch Verträge in diesem Bereich (Handel und Zoll) zwischen der Schweiz und Drittstaaten gelten für Liechtenstein (Art. 5 Abs. 2, Art. 7). Die Schweiz wird durch den Zollvertrag ermächtigt, Liechtenstein in diesen Verhandlungen zu vertreten und derartige Verträge auch mit der Wirksamkeit für das Fürstentum abzuschließen (Art. 8 Abs. 2). Die schweizerische Zollverwaltung übernimmt den Zollschutz der Grenzen zwischen Österreich und Liechtenstein (Art. 11). Im Falle von Streitigkeiten kann man sich an ein Schiedsgericht wenden (Art. 43). Der Vertrag kann mit einjähriger Kündigungsfrist von beiden Seiten aufgelöst werden (Art. 41). In den Jahren 1990 bis 1995 wurde der Zollvertrag im Rahmen der EWR-Beitrittsverhandlungen den gegenwärtigen Bedürfnissen angepasst.237 Weiterhin wurde eine Vereinbarung getroffen, nach der in Liechtenstein das EWR-Recht Vorrang vor den Schweizer Zoll-Bestimmungen hat, wenn es um Beziehungen zu EWR-Staaten geht.238 Die Schweizer Zollbeamten müssen in Liechtenstein EWR-Recht anwenden, wenn es um Produkte geht, 233
Auskunft liechtensteinischer Quellen 2009, 2010. Vgl. Nuener 2006, S. 81. 235 LGBl. 1923, Nr. 24, LGBl. 1924, Nr. 11; vgl. Duursma 1996, S. 149, 164; Walch 2004, S. 207; Nuener 2006, S. 80 f.; Waschkuhn 1994, S. 47, 66; Grard 2002, S. 93. 236 Vgl. Nuener 2006, S. 81; Waschkuhn 1994, S. 66. 237 LGBl. 1991, Nr. 55; LGBl. 1995, Nr. 76; vgl. Nuener 2006, S. 81. Zum EWR-Beitritt sh. Punkt E. II. 2. b). 238 Art. 3, LGBl. 1995, Nr. 77. 234
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die aus EWR-Staaten kommen.239 Die Schweiz zahlt jährlich Liechtensteins Anteil an Zolleinnahmen an das Fürstentum.240 bb) Währung Nach dem Ersten Weltkrieg musste die Liechtensteinische Bevölkerung hohe Verluste durch die starke Abwertung der österreichischen Währung hinnehmen.241 Daher entschied sich das Fürstentum 1921, den Schweizer Franken als gesetzliches Zahlungsmittel auf seinem Gebiet einzuführen.242 Dadurch ist Liechtenstein seit 1923 durch eine Zoll- und Währungsunion mit der Schweiz verbunden.243 Die Währungsunion wurde in dem Währungsvertrag zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Schweizerischen Eidgenossenschaft formalisiert, abgeschlossen in Bern am 19. Juni 1980, in Kraft am 25. November 1981,244 Kraft dessen Liechtenstein in das Währungsgebiet der Schweiz eingebunden wird und die schweizerischen Rechts- und Verwaltungsvorschriften im Bereich Geld-, Kredit- und Währungspolitik sowie zum Schutz der Schweizer Banknoten und Münzen in Liechtenstein gelten (Art. 1 Abs. 1).245 Liechtensteins Währungshoheit bleibt dabei unberührt (Art. 2 Abs. 1). Die Schweizer Nationalbank übt ihre Rechte über Banken und Unternehmen in dem Fürstentum genauso aus, wie in der Schweiz (Art. 3 Abs. 1). Eine gemischte Kommission zur Interpretation und Implementierung des Währungsvertrages wird eingesetzt (Art. 13 Abs. 1), Streitigkeiten werden vor einem Schiedsgericht verhandelt (Art. 14). Eine Kündigung des Vertrages ist mit sechsmonatiger Frist zum Ende des Kalenderjahres möglich (Art. 15 Abs. 1). Außerdem hat das Liechtenstein hat das Recht, innerhalb eines Monats nach Erlass neuer schweizerischer Vorschriften, die gemäß Art. 1 anwendbar sind, durch Abgabe einer Erklärung auf diplomatischem Weg von diesem Vertrag zurückzutreten (Art. 15 Abs. 2). Die Währungsunion ermöglicht und unterstützt die Zollunion mit der Schweiz. Trotzdem bleibt dem Fürstentum die Möglichkeit, in relativ kurzer 239
Art. 7 und Annex III, LGBl. 1995, Nr. 77. Art. 37, LGBl. 1995, Nr. 77; vgl. Duursma 1996, S. 165. 241 Vgl. Duursma 1996, S. 166. 242 Zunächst mündliches Abkommen mit der Schweiz, LGBl. 1920, Nr. 8 und LGBl. 1924, Nr. 8; vgl. Duursma 1996, S. 166; Dózsa 2008, S. 100; Nuener 2006, S. 81; Stapper 1999, S. 85; Kellenberger 1996, S. 92; Waschkuhn 1994, S. 47. 243 Vgl. Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004a, S. 14; Kellenberger 1996, S. 50. 244 LGBl. 1981, Nr. 52. Trat 1981 in Kraft. 245 Vgl. Nuener 2006, S. 81; Duursma 1996, S. 166; Waschkuhn 2003, S. 764; Waschkuhn 1994, S. 66; Stapper 1999, S. 85; genauer dazu: Kellenberger 1996, S. 92. 240
I. Charakteristika des Staates Liechtenstein
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Zeit andere gesetzliche Zahlungsmittel anzunehmen.246 Liechtenstein ist heute der einzige Mikrostaat, der nicht den Euro als offizielle Währung nutzt.247 cc) Diplomatische Vertretungen Am 21. Oktober 1919 bat der Regierungschef des Fürstentums den Schweizer Föderationsrat „die Vertretung der Liechtensteinischen Interessen in den Ländern zu übernehmen, wo das Fürstentum keine Vertretung hat, während die Schweiz eine solche besitzt“.248 Die Schweizer Vertretung soll dabei jeweils nur auf ausdrücklichen Wunsch des Fürstentums tätig werden. In der Erklärung der Schweiz vom 10. März 1920 erklärt die Schweiz, dass diese Vertretungsmacht nicht die Souveränität Liechtensteins beeinträchtigt und der Fürst weiterhin eigene Botschafter ernennen kann. Obwohl nur sehr wenige Liechtensteiner außerhalb des Landes wohnten, war Lichtenstein die Vertretung seiner Interessen in anderen Ländern sehr wichtig. Der Schweizer Föderationsrat akzeptierte die Bitte des kleinen Nachbarn. Auch die meisten anderen Staaten akzeptierten die Repräsentation Liechtensteins durch die Schweiz. Nach dem Zweiten Weltkrieg richtete Liechtenstein vermehrt eigene Vertretungen ein, vor allem bei internationalen Organisationen.249 Durch Liechtensteins geringe personelle Ressourcen können nicht all diese Posten von Staatsbürgern des Fürstentums eingenommen werden, u. a. war 1980 ein Kanadier Richter im EGMR für Liechtenstein.250 dd) Mehrwertsteuer Nach dem Beispiel der Schweiz führte Liechtenstein am 1. Januar 1995 ein Mehrwertsteuersystem ein. Durch einen Vertrag und eine Übereinkunft hat sich der Mikrostaat verpflichtete, die Schweizer Mehrwertsteuer-Gesetze in eigenes Recht umzusetzen.251 Das Schweizer Föderationsgerichtshof agiert als höchstes Gericht in Mehrwertsteuer-Angelegenheiten.252 Ebenso 246
Vgl. Duursma 1996, S. 166. Vgl. Dózsa 2008, S. 100. 248 Vgl. Duursma 1996, S. 161; Stapper 1999, S. 85; Waschkuhn 1994, S. 68. 249 Vgl. Duursma 1996, S. 161 f.; Stapper 1999, S. 85. 250 Vgl. Duursma 1996, S. 162. 251 Art. 1 Abs. 1, LGBl. 1995, Nr. 30–31; LGBl. 1994, Nr. 84, erneuert durch LGBl. 2000 Nr. 163; LGBl. 2009, Nr. 330; LGBl. 2009, Nr. 340; LGBl. 2009, Nr. 342. Verordnung zum Gesetz über die Mehrwertsteuer, LGBl. 2009, Nr. 340: Zum ersten Mal wurde Schweizer Recht nicht automatisch in Liechtenstein übernommen, sondern musste ins eigene Recht transformiert werden; vgl. BuA 17/2010, S. 68; Duursma 1996, S. 165. 252 Art. 1 Abs. 3, LGBl. 1995, Nr. 30–31. 247
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E. Das Fürstentum Liechtenstein und seine Integration in die EU
wurde eine gemeinsame Kommission gegründet.253 Die gemeinsamen Einnahmen werden auf Grundlage eines Verteilungs-Codes verteilt, so dass Gütergrenzkontrollen unnötig sind.254 So gelten Schweiz und Liechtenstein bezüglich Mehrwertsteuer-Angelegenheiten als ein Gebiet.255 ee) Ausländerwesen Aufgrund Art. 33 des Vertrages über eine Zollunion kooperieren Liechtenstein und Schweiz im Bereich der fremdenpolizeilichen Grenzkontrolle. Diesbezüglich wurde am 6. November 1963 eine Vereinbarung über die fremdenpolizeiliche Rechtsstellung der beiderseitigen Staatsangehörigen im anderen Vertragsstaat abgeschlossen.256 Gemäß dieser Vereinbarung gibt es keine Grenzkontrollen zwischen Liechtenstein und der Schweiz, Liechtensteiner und Schweizer können die Grenze ohne Dokumente überqueren (Art. 1 Abs. 1). Weiterhin können Liechtensteiner und Schweizer eine Wohnungs- und Arbeitserlaubnis im jeweiligen anderen Land auf Anfrage erhalten (Art. 3 Abs. 1). Diese Abmachung wurde seit dem 19. Oktober 1981 auf Initiative Liechtensteins ausgesetzt, welches sich darum bemühte, ein gutes Verhältnis zwischen Liechtensteinern und Ausländern in Liechtenstein aufrecht zu erhalten.257 Trotzdem behält das Fürstentum für Schweizer Staatsangehörige eine besondere Behandlung vor, sie werden EWR-Staatsangehörigen gleichgestellt (Art. 3bis).258 Die Vereinbarung kann durch jeden Vertragspartner jederzeit auf ein Jahr gekündigt werden. Auch bei der Kündigung des Zollvertrages vom 29. März 1923 gilt diese Vereinbarung als gekündigt (Art. 10). In einer weiteren Vereinbarung zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Schweiz über die Handhabung der Fremdenpolizei für Drittausländer im Fürstentum Liechtenstein und über die fremdenpolizeiliche Zusammenarbeit259 vom 6. November 1963 einigt man sich auf eine enge Zusammenarbeit und Unterstützung zwischen der fürstlich liechtensteinischen und schweizerischen Fremdenpolizei- und Arbeitsmarktbehörden sowie darauf, dass die eidgenössischen Gesetze und Erlasse über Ein- und Ausreise sowie 253
Art. 2, 3 LGBl. 1995, Nr. 30–31 und Art. 12, 13, LGBl. 1994, Nr. 84; vgl. Duursma 1996, S. 165. 254 Art. 8, LGBl. 1995, Nr. 30–31. 255 Vgl. und genauer dazu: Duursma 1996, S. 165 f. 256 LGBl. 1963, Nr. 38; LGBl. 2007, Nr. 78. Genauer dazu: Duursma 1996, S. 167 f. 257 LGBl. 1981, Nr. 49. 258 LGBl. 1995, Nr. 84. 259 LGBl. 1963, Nr. 39; LGBl. 2007, Nr. 78.
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über Aufenthalt und Niederlassung auf die Ausländer, die nicht Schweizerbürger sind (und seit der Suspendierung des Art. 3 des ersten Vertrages im Jahr 1981 auch auf Schweizer), anwendbar sind (Art. 1). Wenn sich Schweizer Recht und EWR-Recht zum Aufenthalt von Ausländern widersprechen, gilt in Liechtenstein das EWR-Recht (Art. 2 (e)). Weiterhin wurde ein bilaterales Protokoll zum Personenverkehr im Rahmen der Vaduzer Konvention im Jahr 2003 abgeschlossen.260 Das Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EU wird praktisch unverändert auf die EFTA-Staaten ausgedehnt, und zwischen der Schweiz und Liechtenstein gilt das gesonderte Protokoll. Es wird vereinbart, dass Liechtenstein die schweizerischen Staatangehörigen mit EWR-Staatsangehörigen gleich behandelt. Die Schweiz dagegen wendet die Regeln des Freizügigkeitsabkommens Schweiz-EU gegenüber Liechtensteinern an. Demzufolge gewährt die Schweiz nach Ablauf von Übergangsfristen den Liechtensteiner Staatsangehörigen die volle Freizügigkeit. Somit soll eine äquivalente Rechtsstellung der Staatsangehörigen im jeweils anderen Vertragsstaat gewährleistet werden.261 Schließlich erneuerte der am 3. Dezember 2008 abgeschlossene Rahmenvertrag über die Zusammenarbeit im Bereich des Visumverfahrens, der Einreise und des Aufenthalts sowie über die polizeiliche Zusammenarbeit im Grenzraum die Bestimmungen. Der Vertrag regelt alle Themen im Ausländerbereich zwischen Liechtenstein und der Schweiz unter Berücksichtigung von „Schengen“, der nationalen Ausländergesetzgebung und des EWR-Abkommens.262 Schließlich wurden im Dezember 2009 das Personenfreizügigkeitsgesetz263 sowie die Personenfreizügigkeitsverordnung264 erlassen, die am 1. Januar 2010 in Kraft traten. Darin werden die Details und die Umsetzung der Freizügigkeit für EWR- und Schweizer Staatsangehörige geregelt. Im Wesentlichen entsprechen diese Regelungen dem bis dahin geltenden Recht und lösen die Personenverkehrsverordnung als Rechtsgrundlage ab. Durch dieses Gesetz und die zugehörige Verordnung wird die Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und auf260 LGBl. 2003, Nr. 189. Die Vaduzer Konvention ist das Abkommen zur Änderung des Übereinkommens zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation vom 21. Juni 2001. 261 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Stabstelle für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit 2009b. 262 Vgl. BuA 17/2010, S. 71. 263 LGBl. 2009, Nr. 348. 264 LGBl. 2009, Nr. 350.
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zuhalten, umgesetzt ebenso wie das EWR-Abkommen und der Notenaustausch von 2003 zwischen der Schweiz und Liechtenstein über die Umsetzung des Protokolls zum Personenverkehr im Rahmen der Vaduzer Konvention (Art. 1 Personenfreizügigkeitsgesetz). ff) Weiteres anzuwendendes Schweizer Recht Das Gesetz vom 20. Juni 1996 regelt die Kundmachung der in Liechtenstein anwendbaren Schweizerischen Rechtsvorschriften.265 Gemäß Art. 2 findet dieses Gesetz insbesondere Anwendung auf bestimmte Verträge zwischen der Schweiz und Liechtenstein und daraus abzuleitende in Liechtenstein anwendbaren Schweizerischen Rechtsvorschriften. Dazu gehört u. a. der Zollvertrag vom 29. März 1923,266 die Vereinbarung vom 6. November 1963 über die fremdenpolizeiliche Rechtsstellung der Staatsangehörigen,267 die Vereinbarung vom 6. November 1963 über die Handhabung der Fremdenpolizei für Drittausländer im Fürstentum und über die fremdenpolizeiliche Zusammenarbeit,268 den Patenschutzvertrag vom 22. Dezember 1978269 sowie dem Währungsvertrag vom 19. Juni 1980.270 Zur Art der Kundmachung wird festgelegt, dass die Schweizerischen Rechtsvorschriften, welche insbesondere im Fürstentum Liechtenstein als anwendbar zu erklären sind, von der Regierung regelmäßig in vereinfachter Form im Liechtensteinischen Landesgesetzblatt kundgemacht werden (Art. 3). Es wird festgelegt, dass die Regierung spätestens ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes die in Liechtenstein anwendbaren Schweizerischen Rechtsvorschriften nach den Bestimmungen dieses Gesetzes kundzumachen hat (Art. 8). Erst im Jahr 2007 wurde ein großer Teil der anwendbaren Schweizerischen Rechtsvorschriften kundgemacht. Die Ausführungsbestimmungen betreffend die Durchführung der Bundesgesetzgebung über die Stempelabgaben,271 in Kraft am 1. Juli 1974, hält fest, dass das Gebiet des Fürstentums Liechtenstein als Inland im Sinne der Bundesgesetzgebung über die Stempelabgaben gilt, und daher diese Gesetzgebung im Fürstentum unverändert Anwendung findet (Art. 1 Abs. 1). Dabei wird Liechtenstein als Kanton behandelt, die Gemeinden des Fürstentums so, wie die Gemeinden der Schweiz (Art. 2 Abs. 2). 265 266 267 268 269 270 271
LGBl. LGBl. LGBl. LGBl. LGBl. LGBl. LGBl.
1996, 1923, 1963, 1963, 1980, 1981, 1974,
Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr.
122. In Kraft am 01.09.1996. 24. 38. 39. 31. 52. 33; LGBl. 2007, Nr. 80.
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Der Patentschutzvertrag,272 abgeschlossen in Vaduz am 22. Dezember 1978, in Kraft seit 1. April 1980, beschließt den einheitlichen Schutz für Erfindungspatente in beiden Ländern. Er ist mit der Frist von einem Jahr kündbar. c) Beziehung zu Österreich Die Beziehungen zu Österreich sind, ebenso wie zur Schweiz, überaus freundschaftlich, entspannt und weitestgehend störungsfrei.273 Die Verbindungen zu Österreich bestanden historisch vor allem aufgrund der Herkunft des Fürstenhauses. Im 19. Jahrhundert dehnte sich der österreichische Postdienst nach Liechtenstein aus. Danach folgte am 5. Juni 1852 ein Vertrag über eine Zollunion, der freien Handel zwischen beiden Ländern ermöglichte. Die Zollunion wurde jedoch durch das Liechtensteiner Parlament am 2. August 1919 beendet und dies am 30. August 1919 durch Österreich bestätigt.274 Bis zum Abschluss der Zollunion mit der Schweiz gab es neue Abkommen mit Österreich, und zwar u. a. am 22. April 1920 einen Briefwechsel, der das neue Zollregime regulierte.275 Lange Tradition gibt es im Bereich der Zusammenarbeit im Recht, die zu einer Zeit begann, als Liechtenstein noch über einen Zollvertrag mit Österreich verbunden war. Es wurde u. a. das österreichische Strafrecht sowie praktisch das gesamte Zivilprozessrecht mit einigen wenigen Abweichungen in Liechtenstein rezipiert.276 Derzeit existieren einige Abkommen zu rechtlicher Kooperation,277 Bildung,278 sozialer Sicherheit,279 Doppelbesteuerung280 und Grenzmarkierung.281 Ein weiterer Bereich der Zusammenarbeit ist der kulturelle Sektor.282 Die Beziehungen sind nicht so stark reguliert, die zur Schweiz, werden aber intensiver. 272
LGBl. 1980, Nr. 31; LGBl. 2007, Nr. 79. Vgl. Walch 2004, S. 207; Waschkuhn 1994, S. 67. 274 Vgl. Duursma 1996, S. 169; Waschkuhn 1994, S. 46. 275 LGBl. 1920, Nr. 2; LGBl. 1921, Nr. 25; vgl. Duursma 1996, S. 170; Waschkuhn 1994, S. 46. 276 Vgl. Walch 2004, S. 207. 277 LGBl. 1884, Nr. 8; LGBl. 1956, Nr. 10; LGBl. 1968, Nr. 14; LGBl. 1983, Nr. 40, 41; vgl. Duursma 1996, S. 170; Nuener 2006, S. 82. 278 Z. B. LGBl. 1980, Nr. 74; vgl. Nuener 2006, S. 82; Duursma 1996, S. 170. 279 LGBl. 1969, Nr. 14, 15; LGBl. 1974, Nr. 34; LGBl. 1977, Nr. 48, 63; LGBl. 1987, Nr. 73; vgl. Nuener 2006, S. 82; Duursma 1996, S. 170. 280 Vertrag vom 7.12.1955, LGBl. 1956, Nr. 12; LGBl. 1970, Nr. 37; vgl. Nuener 2006, S. 82; Duursma 1996, S. 170. 281 LGBl. 1960, Nr. 19; LGBl. 1991, Nr. 11; vgl. Duursma 1996, S. 170. 273
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Weiterhin ist Österreich als Mitglied der EU wichtiger Partner in europäischen Fragen.283 Sowohl Österreich als auch die Schweiz haben die Kandidatur Liechtensteins für die Mitgliedschaft im Europarat und bei der UNO unterstützt.284 d) Beziehungen zu weiteren Staaten Liechtenstein hat Botschafter in Berlin, Bern, Brüssel (auch nichtresidierende Botschaft beim Heiligen Stuhl sowie Mission bei der EU), Washington und Wien sowie ständige Vertretungen beim Europarat (Strasbourg), der UNO (Wien, Genf, New York), der EFTA (Genf) und der OSZE (Wien).285 Zu erwähnen ist, dass die Bedeutung Deutschlands auf europäischer und internationaler Ebene wichtig ist und stets wächst. Liechtenstein hat daher auch das Anliegen, die bilateralen Beziehungen zu Deutschland zu vertiefen und Liechtenstein hat seit Ende 2002 einen Botschafter in Berlin.286 Seit 2002 ist Liechtenstein auch mit einer Botschaft in Washington vertreten. Das Fürstentum möchte damit der bedeutenden Rolle der USA in der Welt Rechnung tragen und die Beziehungen zu der Weltmacht vertiefen. Als weitere Bestätigung der engen Beziehungen zu den USA trat am 1. August 2003 der Rechtshilfevertrag zwischen Liechtenstein und den USA in Kraft.287 Ende der 1990er gab es in den Beziehungen zum Papst einige Unruhen, denn im Jahr 1997 hatte der Papst das Fürstentum als eine neue Erzdiözese aus dem schweizerischen Bistum Chur herausgelöst. Anschließend wurde der stark umstrittene Liechtensteiner Wolfgang Haas zum Erzbischof von Vaduz ernannt. Der Heilige Stuhl rechtfertigte die Gründung eines direkt Rom unterstehenden kirchlichen Jurisdinktionsbereich mit nur zehn Pfarreien mit der Apostolischen Nuntiatur in Bern mit dem Hinweis auf das Großherzogtum Luxemburg und das Fürstentum Monaco. Sowohl die liechtensteinische Regierung als auch die Öffentlichkeit wurden von dieser Entscheidung heftig überrascht und kritisierten diese. So forderte die Partei Freie Liste sogar, dass die Botschaft des Fürstentums Liechtenstein beim Heiligen Stuhl aufgelöst werden sollte, da diese vom Vatikan übergangen worden sei. 282
Vgl. Walch 2004, S. 207; Waschkuhn 1994, S. 67. Vgl. Walch 2004, S. 207. 284 Vgl. Duursma 1996, S. 170. 285 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Stabstelle für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit 2009c. 286 Vgl. Walch 2004, S. 207; Seiler 2004, S. 312. 287 Vgl. Walch 2004, S. 207. 283
I. Charakteristika des Staates Liechtenstein
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Letztendlich lehnte der Landtag im Juni 1998 einen Bistumsvertrag ab und forderte an dessen Stelle Konkordatsverhandlungen mit dem Vatikan.288 Daraufhin begannen Konkordatsverhandlungen zwischen Liechtenstein und dem Heiligen Stuhl, die aber bisher zu keinem Ergebnis führten.289 Mit San Marino existiert eine Konvention zur Vermeidung von Doppelbesteuerung bezüglich der Einkommenssteuer und auf Kapital aus dem Jahr 2009.290 7. Beziehungen zu internationalen Organisationen Liechtenstein ist in den für das Fürstentum wichtigen internationalen Organisationen vertreten. Auf dieser Bühne hat Liechtenstein die Möglichkeit, mit Vertretern der großen Staaten an einem Tisch zu sitzen und sich einzubringen.291 Vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg begann Liechtenstein verstärkt, sich um die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen zu bemühen und sich zu engagieren.292 Ende der 1970er Jahre orientierte sich Liechtenstein verstärkt nach Europa. Die Beziehung zum Europarat, dem das Fürstentum 1978 beitrat, wurde ausgebaut, später kam EFTA und EWR hinzu. Außerdem begann in dieser Zeit die KSZE, der Liechtenstein von Anfang an angehörte. Bis heute sind der Europarat und die OSZE wichtige Pfeiler der Europapolitik des Landes, gerade weil das Fürstentum nicht der Europäischen Union angehört.293 a) Völkerbund und Vereinte Nationen Am 15. Juli 1920 bewarb sich Liechtenstein um den Beitritt zum Völkerbund durch den Schweizer Minister in London.294 Das Fürstentum wies besonders auf seine Neutralität hin und darauf, dass es seit 1866 keine Armee hatte. Daraufhin gab es zahlreiche Diskussionen im Völkerbund über die mögliche Aufnahme Liechtensteins. Festgestellt wurde, dass das Fürstentum zwar eine stabile Regierung habe und feste Grenzen vorhanden seien, jedoch wäre Liechtenstein nicht in der Lage, alle aufkommenden Pflichten 288
Vgl. Waschkuhn 2003, S. 768. Vgl. Radio Vatikan 2008. 290 Vgl. Republic of San Marino/Secretariat of State for Foreign and Political Affairs 2010. 291 Vgl. Walch 2004, S. 202. 292 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 917. 293 Vgl. Walch 2004, S. 202 f. 294 League of Nations: Documents of the Assembly, 1920, Nr. 18. 289
218
E. Das Fürstentum Liechtenstein und seine Integration in die EU
wahrzunehmen. Die Schlussfolgerungen des Komitees waren 1920, dass Liechtenstein Teile seiner Souveränität abgegeben und keine Armee hätte.295 Daher stimmte die Versammlung am 17. Dezember 1920 gegen den Beitritt des Fürstentums.296 Die offizielle Begründung war möglicherweise nicht der wahre Grund, doch Kleinheit konnte nicht als offizieller Grund genannt werden. Es ist wahrscheinlich, dass man einem Mikrostaat nicht die gleichen Stimmrechte oder das Vetorecht wie den großen Staaten gewähren wollte.297 Der Völkerbund verabschiedete am 17. Mai 1922 eine Resolution, die erlaubte, dass auch Nicht-Mitgliedstaaten des Völkerbundes Teil des Statuts des Ständigen Internationalen Gerichtshofes werden konnten. Liechtenstein wurde dies angeboten. Daraufhin antwortete das Fürstentum auf den Brief des Gerichts am 22. März 1939, in dem es bekundete, das Statut anzunehmen und es verabschiedete eine Erklärung der Registrierung zum Gerichtshof.298 Das Schweizer Verbindungsbüro der UNO übermittelte am 24. März 1949 dem Generalsekretär der UNO die Bitte Liechtensteins, Mitglied des Statuts des Internationalen Gerichtshofes zu werden.299 Am 16. Juni 1949 entschied das Expertenkomitee, den Sicherheitsrat anzuweisen, Liechtenstein als Mitglied des Statuts des Gerichtshofes zuzulassen.300 Anschließend gab es viele Diskussionen über die Staatlichkeit des Fürstentums, die letztendlich jedoch bestätigt wurde. Letztendlich nahm die Vollversammlung am 1. Dezember 1949 eine Resolution an, die es Liechtenstein ermöglichte, Mitglied des Statuts des Gerichtshofes zu werden, so dass das Fürstentum 1950 durch die UNO-Generalversammlung in den Internationalen Gerichtshof aufgenommen wurde.301 Dies war ein erster Erfolg Liechtensteins auf dem Weg zu einer internationalen Anerkennung als gleichberechtigtes Mitglied der Staatengemein295 League of Nations: Records of the First Assembly, 1920, S. 217; vgl. Duursma 1996, S. 171 f. 296 Vgl. Stapper 1999, S. 85; Hummer 2004, S. 30; Wenaweser 2004, S. 278; Seiler 2004, S. 302; Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein 2004, S. 1; Waschkuhn 1994, S. 69; Marxer/Pállinger 2009, S. 917. 297 Vgl. Duursma 1996, S. 173 f.; Seiler 2004, S. 302. 298 Vgl. Duursma 1996, S. 174. 299 UN Doc. S/1298, Corr. 1 (1949), S. 6. 300 UN Doc. S/1342 (1949), S. 2 f.; vgl. Duursma 1996, S. 175; Waschkuhn 1994, S. 70; Ehrhardt 1970a, S. 61. 301 UN GA Res. 363 (IV) vom 01.12.1949; UNYB 1948–49, S. 146; UN Doc. A/1251; UNYB 1950, S. 119; vgl. Duursma 1996, S. 175 f.; Ehrhardt 1970a, S. 62; Seiler 2004, S. 302; Marxer/Pállinger 2009, S. 917.
I. Charakteristika des Staates Liechtenstein
219
schaft. Dennoch war die internationale Stellung Liechtensteins als souveräner Staat noch nicht gesichert. Die volle internationale Anerkennung erhielt das Fürstentum erst mit dem Beitritt zum Europarat. Die danach folgenden problemlosen Beitritte in der EFTA und die UNO belegen dies.302 Die Diskussion um Liechtensteins Mitgliedschaft in der UNO als Nachfolgeorganisation des Völkerbundes begann relativ zeitig. Schon in den 1960ern fanden inoffizielle Gespräche in New York statt, jedoch schien der Beitritt aufgrund der Kleinstaaten-Problematik bis dahin fast unmöglich. Erst im Jahr 1988 sprach sich die Mehrheit in der UNO für einen Beitritt aus, jedoch fand das Beitrittsgesuch in Liechtenstein selbst kaum öffentliche Unterstützung.303 Die Bevölkerung der Schweiz stimmte 1986 gegen einen Beitritt zur UNO. Man erwartete ein ähnliches Ergebnis in Liechtenstein und ließ daher kein Referendum stattfinden.304 Letztendlich befürwortete im Dezember 1989 das Parlament einstimmig das Beitrittsgesuch Liechtensteins zur UNO.305 Das Hauptargument gegen den Beitritt waren die Kosten, die die Mitgliedschaft bringen würde im Gegensatz dazu, dass die UNO für Liechtenstein kaum etwas Neues oder Substantielles bringen würde.306 Für den Beitritt argumentierte man mit der Stärkung der Unabhängigkeit und Staatlichkeit durch eine aktive Außenpolitik auf internationalem Level, der globalen Kooperation und der internationalen Solidarität auf Basis internationaler Regeln (Völkerrecht), dem Aufbau diplomatischer Kontakte mit nahezu allen Staaten der Welt ohne dabei unproportional hohe Kosten zu verursachen sowie der Teilhabe an der Findung internationaler Lösungen.307 So bewirbt sich Liechtenstein schließlich am 10. August 1990 um den Beitritt in die UNO.308 Der Sicherheitsrat empfiehlt am 14. August 1990 einstimmig den Beitritt Liechtensteins, woraufhin die Generalversammlung den Beitritt am 18. September 1990 durch Abstimmung annimmt.309 Liechtenstein wird 160. Mitglied der UNO.310 302
Vgl. Seiler 2004, S. 302. Vgl. Duursma 1996, S. 195; Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein 2004, S. 1; Waschkuhn 1994, S. 69, 73. 304 Vgl. Duursma 1996, S. 195; Stapper 1999, S. 85. 305 Landtagsprotokolle 1989, Vol. V., S. 1589; vgl. Waschkuhn 1994, S. 73; Duursma 1996, S. 196. 306 Landtagsprotokolle 1989, Vol. V., S. 1575; vgl. Duursma 1996, S. 196. 307 BuA 41/1989; vgl. Duursma 1996, S. 196. 308 UN Doc. S/21486 (1990); vgl. Duursma 1996, S. 196; Waschkuhn 1994, S. 73. 303
220
E. Das Fürstentum Liechtenstein und seine Integration in die EU
Es ist beachtenswert, dass im Rahmen des Beitrittsgesuchs die Staatlichkeit Liechtensteins nicht untersucht wurde. Es bestanden keine Zweifel an der Staatlichkeit oder der Fähigkeiten der Erfüllung der Pflichten, die aus der Mitgliedschaft erwuchsen. Dies ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass Liechtenstein schon aktiv an der OSZE und dem Europarat teilnahm. Die UNO gibt Liechtenstein die Möglichkeit, seinen Interessen auf universellem politischem Level Gehör zu verschaffen.311 Eine Diskussion um die Souveränität Liechtensteins wird heute nicht mehr geführt.312 Heute setzt sich Liechtenstein bei der UNO für seine offiziellen Prioritäten der Menschenrechte, der Stärkung und Weiterentwicklung des Völkerrechts, der Terrorismusbekämpfung, der Umwelt sowie der Konfliktvermeidung und der Vermittlung von Kompromisslösungen ein. Liechtenstein ist in verschiedene Gruppen eingebunden und hat darin ein enges Verhältnis zur EU. Die EWR-Mitgliedschaft des Fürstentums ist auch bei der UNO von wesentlicher Bedeutung, denn gemeinsam mit den anderen EFTA-, EWR-Staaten und EU-Beitrittsländern wird Liechtenstein regelmäßig zur Assoziierung an EU-Statements und zu Konsultationen eingeladen. Diese enge Anbindung an die EU stellt ein wichtiges Mittel zur Informationsbeschaffung dar. Liechtenstein kann weitgehend unabhängig agieren, was die Voraussetzung für die Herausbildung eines eigenständigen nationalen Profils ist.313 b) Europarat Liechtenstein ist kein Gründungsmitglied des Europarates. Der erste Kontakt fand 1969 statt, als das Fürstentum fünf europäischen Harmonisierungskonventionen beitrat.314 Im Jahr 1971 entsandte das Fürstentum erstmals Beobachter und erst am 27. November 1974 wurde dem Mikrostaat offiziell der ständige Beobachterstatus in der Parlamentarischen Versammlung gewährt.315 Dadurch konnte das Fürstentum die Arbeit des Europarates kennenlernen und das Vertrauen der Mitglieder gewinnen.316 309 UN Doc. A/45/419 (1990); UN SC Res. 663 (1990); vgl. Duursma 1996, S. 196 f.; Waschkuhn 1994, S. 73; Marxer/Pállinger 2009, S. 917. 310 UN Doc. A/RES/45/1 und UN Doc. A/45/PV.1 (1990), S. 23; vgl. Duursma 1996, S. 197; Stapper 1999, S. 85; Waschkuhn 1994, S. 72 f. 311 Vgl. Duursma 1996, S. 198. 312 Vgl. Wenaweser 2004, S. 278. 313 Vgl. Wenaweser 2004, S. 281 f. 314 Vgl. Duursma 1996, S. 179; Hummer 2004, S. 68 ff. 315 CoE PA: 16th meeting, 22.1.1975, S. 495. 316 Vgl. Duursma 1996, S. 179 f.; Hummer 2004, S. 68 ff.; Seiler 2004, S. 297.
I. Charakteristika des Staates Liechtenstein
221
Im Jahr 1977 fanden die ersten Sondierungsgespräche zwischen Liechtenstein und dem Generalsekretär des Europarates über eine mögliche Mitgliedschaft statt, woraufhin der offizielle Beitrittsantrag am 4. November 1977 gestellt wurde.317 Zahlreiche Debatten im Ministerkomitee sowie zwei von der Parlamentarischen Versammlung beauftragte ausführliche Berichte folgten.318 Anfangs traten einige Bedenken wegen der Kleinheit des Landes auf, ebenso aufgrund der möglicherweise schwieriger werdenden Entscheidungsfindung. Weiterhin gab es anfänglich starke Zweifel an der Souveränität des Fürstentums und an dessen Fähigkeit, Rechte und Pflichten eines Mitgliedstaates in gefordertem Umfang wahrnehmen zu können. Ein weiteres erwähntes Problem war, dass es bis dahin in Liechtenstein keine Wahlrechte für Frauen gab.319 So musste nun auch im Europarat eine Entscheidung über die Mikrostaatenfrage gefällt werden.320 Am 17. März 1978 bestätigten die beauftragten Komitees schließlich, dass Liechtenstein alle Aufnahmebedingungen erfüllt:321 Liechtenstein ist ein souveräner Staat, achtet die Grundrechte, hat die Fähigkeit, Pflichten aus dem Statut zu erfüllen, die Souveränität und Unabhängigkeit wurde bestätigt und Liechtenstein ist ein europäisches Land. Die Bedenken konnten nach sorgfältiger Überprüfung beseitigt werden.322 Schließlich stimmte am 28. September 1978 die Parlamentarische Versammlung für Liechtensteins Beitritt und empfahl dem Ministerkomitee, den Beitritt anzunehmen.323 Das Ministerkomitee lud darauf hin am 13. November 1978 Liechtenstein als Vollmitglied ein. Das Fürstentum wurde am 23. November 1978 als erster der europäischen Mikrostaaten in den Europarat aufgenommen.324 Seit dem nimmt das Land zwei Sitze in der Parlamentarischen Versammlung ein.325 Vorteile der Mitgliedschaft im Europarat für Liechtenstein sind langfristig die Stärkung der internationalen bzw. europäischen Anerkennung, Unabhängigkeit und Staatlichkeit sowie die Möglichkeit, in diplomatische Beziehun317 Vgl. Duursma 1996, S. 180; Stapper 1999, S. 85; Hummer 2004, S. 68 ff.; Seiler 2004, S. 297. 318 Vgl. Seiler 2004, S. 297. 319 Vgl. Duursma 1996, S. 180; Hummer 2004, S. 68 ff.; Wenaweser 2004, S. 278; Seiler 2004, S. 297. 320 Vgl. Seiler 2004, S. 297. 321 CoE Doc. 4193, 1978, S. 13; CoE Doc. 4211, 1978. 322 Vgl. Duursma 1996, S. 180; Seiler 2004, S. 297; Stapper 1999, S. 85; Hummer 2004, S. 70 f. 323 Vgl. Duursma 1996, S. 182; Hummer 2004, S. 71. 324 CoE Res., 1978, 48E; vgl. Duursma 1996, S. 183; Stapper 1999, S. 85; Hummer 2004, S. 71; Waschkuhn 1994, S. 68 ff.; Marxer/Pállinger 2009, S. 917. 325 Vgl. Duursma 1996, S. 183; Waschkuhn 1994, S. 71.
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E. Das Fürstentum Liechtenstein und seine Integration in die EU
gen mit anderen europäischen Staaten zu treten ohne kostenintensive diplomatische Missionen zu gründen. Die Mitgliedschaft macht es möglich, multilaterale Verträge abzuschließen und erlaubt, die Politiken anderer Mitgliedstaaten zu beeinflussen.326 Gerade Liechtenstein zeichnet sich durch eine beeindruckende Konstanz der Mitarbeiter und der Errichtung einer Ständigen Vertretung in Strasbourg aus. Beispielsweise wurde Prinz Nikolaus erst nach zehn Jahren Amtszeit als Ständiger Vertreter abgelöst, Regierungschef Brunhart führte 15 Jahre lang die Delegation des Fürstentums im Ministerrat. Ebenso profitierte Liechtenstein in der Beitrittsphase von dem ehemaligen Regierungschef Batliner, langjähriger Leiter der Liechtensteinischen Delegation in Strasbourg. Vor allem diese drei Persönlichkeiten standen für Kontinuität und Zuverlässigkeit des Fürstentums. Das Image der Mikrostaaten im Europarat wurde positiv durch diese Persönlichkeiten geprägt.327 Liechtensteins Verhalten im Europarat war sicherlich auch vorteilhaft für die anderen europäischen Mikrostaaten, da es den Mitgliedstaaten zeigte, dass auch Mikrostaaten einen Beitrag zur Arbeit einer internationalen Organisation leisten können. Aufgrund der guten Erfahrungen des Europarates mit der Aufnahme Liechtensteins gab es bei der Aufnahme weiterer Mikrostaaten kaum ernsthaften Widerstand.328 c) KSZE/OSZE Liechtenstein nahm an der ersten in Helsinki stattfindenden Konferenz der KSZE teil und war Mitunterzeichner der Helsinki-Erklärung von 1975. Das Fürstentum schloss sich der Gruppe neutraler und nicht-alliierter Staaten an.329 Die Interessen Liechtensteins in dieser Organisation waren in erster Linie die Anerkennung der Souveränität durch andere europäischen Staaten, die USA und Kanada, die Stärkung der Solidarität zwischen den europäischen Staaten sowie die Wahrung einer stabilen Sicherheit, die Stärkung der Menschenrechte sowie der Informationsaustausch darüber. Die Staatlichkeit Liechtensteins wurde in der OSZE nicht in Frage gestellt, auch nicht von den osteuropäischen Staaten.330 326 327 328 329 330
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Duursma 1996, S. 184. Seiler 2004, S. 298, 303 f., 307. Duursma 1996, S. 183; Seiler 2004, S. 298. Duursma 1996, S. 177 f.; Marxer/Pállinger 2009, S. 917. Duursma 1996, S. 178 f.
I. Charakteristika des Staates Liechtenstein
223
Der Mikrostaat konnte trotz der geringen Größe seiner Delegation einige Beiträge zur Konferenz leisten, da die Abstimmungen mit Einstimmigkeit erfolgten. In der parlamentarischen Versammlung der OSZE wird das Fürstentum durch zwei Mitglieder des Parlaments vertreten und es zahlt 0,2% der Kosten der OSZE.331 Die Staatlichkeit Liechtensteins wird bis heute nur von einem einzigen Staat problematisiert, der Tschechischen Republik. Tschechien unterhält auch keine diplomatischen Beziehungen mit Liechtenstein. Grund dafür ist allerdings nicht die Kleinheit des Fürstentums, sondern die Tschechische Republik versucht, sich der Pflicht zu entziehen, in Verhandlungen mit Liechtenstein um die Rückgabe des unter Benesch in Tschechien konfiszierten Vermögens liechtensteinischer Bürger, vor allem des Fürsten, zu treten.332 Im Rahmen der OSZE kam es zu wiederholten Beschwerden über die Konfiszierung von Eigentum von Liechtensteinern in der damaligen Tschechoslowakischen Republik.333 d) Weitere internationale Organisationen In den letzten 30 Jahren hat Liechtenstein eine erhebliche Zunahme seiner Außenpolitik erfahren,334 vor allem durch die Beitritte zur UNO, dem EWR und der WTO. Die Mitgliedschaft in der WTO seit 1995 ist neben der Mitgliedschaft im EWR für Liechtenstein von sehr hoher Bedeutung.335 Weitere bedeutende Schritte zur Ausweitung seiner zwischenstaatlichen Beziehungen waren die Beitritte zu verschiedenen UN- und europäischen Organisationen (UPU 1962, ITU 1963, CEPT 1963, IAEO 1968, WIPO 1972, INTERPOL 1960, UNCTAD; Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung). Die Mitgliedschaften in den internationalen Organisationen unterstreichen die internationale Anerkennung der Souveränität, insbesondere der Beitritt zum Europarat.336
331
Vgl. Duursma 1996, S. 178 f. Vgl. Hummer 2004, S. 72. 333 Vgl. Duursma 1996, S. 179. 334 Vgl. Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004b, S. 198. 335 Vgl. Walch 2004, S. 202 ff. 336 Vgl. Kellenberger 1996, S. 348; Nuener 2006, S. 82; Duursma 1996, S. 199 f.; Waschkuhn 1994, S. 71. 332
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E. Das Fürstentum Liechtenstein und seine Integration in die EU
8. Die Staatseigenschaft Liechtensteins Bezüglich des Staatsgebietes wurde schon festgestellt, dass Kleinheit nicht der Staatlichkeit entgegensteht. Weiterhin besitzt Liechtenstein ein permanentes Staatsvolk, von dem 33% Ausländer sind. Diese Proportion von Ausländern führte nie zur internationalen Ablehnung der Existenz eines Staatsvolkes in Liechtenstein. Die Staatsgewalt umfasst ein ausgefeiltes System auf hoher demokratischer Grundlage. Kein Zweifel besteht bezüglich der Gewalt der Institutionen im Staatsgebiet.337 Die Unabhängigkeit des Fürstentums von Österreich und vor allem der Schweiz ist der sensibelste Aspekt der rechtlichen Position Liechtensteins. Unter anderem folgende, möglicherweise die Unabhängigkeit einschränkende, Elemente sind in der Regierungsorganisation des Fürstentums vorhanden:338 – bestimmte Schweizer oder österreichischen Richter sind im juristischen System angestellt, aber unabhängig; – einige diplomatische Beziehungen werden von der Schweiz unter- bzw. aufrechterhalten, aber nur nach Anweisungen Liechtensteins, und die Schweiz ist nicht als solche für alle diplomatischen Beziehungen zuständig; – die Schweizer Kontrolle über Zoll-Dienstleistungen, die jedoch innerhalb eines Jahres gekündigt werden kann, Liechtenstein kann bezüglich der Zölle in EFTA und EWR unabhängig handeln; – die Schweizer Währungskontrolle: Liechtenstein kann keine eigene Währungspolitik entwickeln, die Schweizer Nationalbank übt seine Autorität über Liechtensteiner Banken, Personen und Unternehmen aus, doch auch dieses Abkommen kann innerhalb von sechs Monaten gekündigt werden. Die Delegation bestimmter Rechte an die Schweiz schränkt die formale Unabhängigkeit von Liechtenstein nicht ein und schränkt aus Sicht der internationalen Gemeinschaft auch die Staatlichkeit Liechtensteins nicht ein. Es ist fraglich, ob Liechtenstein seine tatsächliche Unabhängigkeit von der Schweiz bewahrt hat. Diesbezüglich kann man feststellen, dass es Liechtenstein in Anbetracht seiner Kleinheit geschafft hat, trotz der engen Beziehungen ein beachtliches Maß an Unabhängigkeit zu erhalten. Die Freiheit der politischen Aktionen wird z. B. gestärkt durch den Fakt, dass das Fürstentum für eine eigene Wasser- und Stromversorgung sorgt. Außerdem kann Liechtenstein innerhalb eines Jahres all seine Verträge mit der Schweiz 337 338
Vgl. Duursma 1996, S. 200. Vgl. Duursma 1996, S. 201 f.
I. Charakteristika des Staates Liechtenstein
225
lösen. Die Effekte dabei wären wahrscheinlich nicht existenzbedrohend, da der überwiegende Teil der Industrieexporte in andere Länder gehen. Weiterhin könnte die Währung durch eine andere ersetzt. Es wird deutlich, dass Liechtenstein tatsächliche Unabhängigkeit besitzt und nicht substantieller externer Kontrolle durch die Schweiz unterliegt. Generell hat die Unterzeichnung des EWR-Abkommens die Unabhängigkeit Liechtensteins bestärkt.339 Bezüglich der internationalen Anerkennung Liechtensteins ist festzustellen, dass schon der Völkerbund keinen Zweifel bezüglich der Souveränität Liechtensteins hegte. Die erste offizielle Anerkennung nach den Weltkriegen erfolgte durch die UNO durch Beitritt Liechtensteins zum Statut des Internationalen Gerichtshofs. Weitere internationale Anerkennung erfuhr das Fürstentum u. a. durch den Beitritt zum Europarat, der KSZE/OSZE oder der UNO. Der Europarat untersuchte die Staatlichkeit Liechtensteins detaillierter und bestätigte seine Unabhängigkeit, die UNO erhob während der Beitrittsverhandlungen keinen Zweifel.340 Daraus ist zu schlussfolgern, dass Liechtenstein die völkerrechtlichen Staatseigenschaften erfüllt. Trotz seiner engen Beziehungen zu der Schweiz ist Liechtenstein unabhängig. Die Souveränität Liechtensteins ist heute gefestigt und allgemein anerkannt. 9. Zusammenfassung Das Fürstentum Liechtenstein liegt mit einer Größe von 160 km2 zwischen der Schweiz und Österreich. Es hat 36.000 Einwohner, die Hauptstadt ist Vaduz. Liechtenstein, die letzte deutschsprachige Monarchie, ist ein hoch entwickelter Mikrostaat. Die Staatsform des Fürstentums ist eine konstitutionelle Erbmonarchie auf parlamentarischer Grundlage. Es gilt eine Mischverfassung, d.h. die Souveränität liegt beim Fürsten und beim Volk. Das Prinzip des Rechtsstaats ist im Fürstentum gesichert. Es verfügt über ein differenziertes Rechtssystem, auch durch die zahlreichen externen Verflechtungen. Der Fürst von Liechtenstein ist das höchste, verfassungsunmittelbare Staatsorgan. Er ist vom Willen des Volkes unabhängig. Aufgrund der Mischverfassung ist ein Zusammenwirken aller Staatsorgane notwendig. Dennoch hat der Fürst, besonders nach der Verfassungsreform 2003, eine sehr starke Stellung inne. 339 340
Vgl. Duursma 1996, S. 201 f. sh. Punkte E. I. 7. a)/b); vgl. Duursma 1996, S. 202 f.
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E. Das Fürstentum Liechtenstein und seine Integration in die EU
In der politischen Praxis ist die Regierung der Hauptträger der Entscheidungsmacht. Die Halbmilizregierung wird in der Verfassung als Kollegialregierung bezeichnet. Der Landtag ist ein Milizparlament mit 25 Abgeordneten, das relativ schwach ist. Sowohl für den Landtag als auch die Regierung ist eine Verstärkung und Professionalisierung zu empfehlen. Wirtschaftlich betrachtet ist Liechtenstein ein Exportland, der eigene Binnenmarkt ist praktisch zu vernachlässigen. Dadurch entsteht eine Auslandsabhängigkeit des Fürstentums. Trotz dem Ressourcenmangel hat es der Mikrostaat geschafft, günstige Rahmenbedingungen und Standortvorteile zu schaffen. Dazu gehören die eigene Rechtssetzungskompetenz, das damit zusammenhängende Niedrigsteuersystem sowie die Bereitstellung spezieller Rechtsinstitute des Personen- und Gesellschaftsrechts, die es erlauben, Vorteile aus dem Regelungsgefälle zu den Rechtssystemen anderer Staaten zu gewinnen und daraus Nutzen zu ziehen. So gehört das BIP pro Kopf der Liechtensteiner zu den höchsten der Welt. Die Schwerpunkte der Außenpolitik Liechtensteins sind die Anerkennung der Staatlichkeit und der Unabhängigkeit, Neutralität und die Förderung günstiger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen. Der Fokus der internationalen Beziehungen liegt in den Verbindungen zu seinen Nachbarstaaten, besonders der Schweiz, sowie zu internationalen Organisationen. Zahlreiche Verträge regeln die bilaterale Zusammenarbeit mit der Schweiz, wobei Liechtenstein als kleinerer Partner daraus die größeren Vorteile zieht. Dazu gehören Abkommen im Bereich der Handels- und Währungspolitik. Auch wenn Liechtenstein durch die Verträge mit der Schweiz in manchen Bereichen teilweise Souveränitätsverluste erlitten hat, so bleibt doch das Fürstentum in den Gebieten von existenzieller Bedeutung unabhängig und selbständig (Gesellschaftsrecht, Steuerrecht, Bankengesetzgebung). Außerdem sind die Abkommen mit der Schweiz zumeist kündbar. Durch die engen Beziehungen zur Schweiz kann das Fürstentum die Nachteile aus seiner Kleinheit zu einem großen Teil kompensieren. Dennoch besteht durch die Kleinheit eine Außenabhängigkeit und demzufolge auch ein Anpassungsdruck.341 Trotzdem ist Liechtenstein unabhängig. Die Außenpolitik Liechtensteins ist weiterhin darauf ausgerichtet, durch den Beitritt zu internationalen Organisationen langfristig die Souveränität zu sichern. Die Staatlichkeit des Fürstentums wird durch diese Mitgliedschaften in zahlreichen internationalen Organisationen, wie der UNO, dem Europarat und dem EWR, bestätigt. 341
Vgl. Waschkuhn 1994, S. 380.
II. Die Integration Liechtensteins in die Europäische Union
227
Liechtensteins internationales Verhalten war Vorreiter für andere europäische Mikrostaaten, da es der erste Mikrostaat war, der dem Europarat und der UNO beigetreten ist. Das Fürstentum gab den internationalen Organisationen Sicherheit und Vertrauen in Mikrostaaten. So haben die außenpolitischen Erfolge Liechtensteins anderen Mikrostaaten die Möglichkeit eröffnet, auch ihre Souveränität und Unabhängigkeit durch die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen zu festigen.
II. Die Integration Liechtensteins in die Europäische Union 1. Liechtensteins indirekte Integration in die EU a) Integration in die EU durch die Beziehungen zu EU-Mitgliedstaaten Österreich ist als Mitgliedstaat der EU wichtiger Partner zu europäischen Fragen.342 Weiterhin existieren zwischen Österreich und Liechtenstein einige Abkommen zu rechtlicher Kooperation,343 Bildung,344 sozialer Sicherheit,345 Doppelbesteuerung346 und Grenzmarkierung.347 Die Beziehungen sind nicht so stark reguliert, die die zur Schweiz, werden aber intensiver. Es ist anzumerken, dass auch die Bedeutung Deutschlands für Liechtenstein auf europäischer und internationaler Ebene wichtig ist und stets wächst. Liechtenstein hat daher das Anliegen, die bilateralen Beziehungen zu Deutschland zu vertiefen.348
342
Zu den Beziehungen zu Österreich sh. Punkt E. I. 7. c); vgl. Walch 2004, S. 207. 343 LGBl. 1884, Nr. 8; LGBl. 1956, Nr. 10; LGBl. 1968, Nr. 14; LGBl. 1983, Nr. 40, 41; vgl. Duursma 1996, S. 170; Nuener 2006, S. 82. 344 Z. B. LGBl. 1980, Nr. 74; vgl. Nuener 2006, S. 82; Duursma 1996, S. 170. 345 LGBl. 1969, Nr. 14, 15; LGBl. 1974, Nr. 34; LGBl. 1977; Nr. 48, 63; LGBl. 1987; Nr. 73; vgl. Nuener 2006, S. 82; Duursma 1996, S. 170. 346 LGBl. 1956 Nr. 12; LGBl. 1970 Nr. 37; vgl. Nuener 2006, S. 82; Duursma 1996, S. 170. 347 LGBl. 1960, Nr. 19; LGBl. 1991, Nr. 11; vgl. Duursma 1996, S. 170. 348 Vgl. Walch 2004, S. 207; Seiler 2004, S. 312.
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E. Das Fürstentum Liechtenstein und seine Integration in die EU
b) Integration in die EU durch die Beziehungen zur Schweiz aa) Handel und Zoll Wie oben schon erwähnt349 wurde in Brüssel am 22. Juli 1972 ein Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft abgeschlossen.350 Dieses sieht eine schrittweise Beseitigung von Einfuhr- und Ausfuhrzöllen sowie Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen der EWG und der Schweiz sowie außerdem die Abschaffung mengenmäßiger Ausfuhr- und Einfuhrbeschränkungen oder Maßnahmen gleicher Wirkung vor. Somit soll eine Freihandelszone geschaffen werden. Ein gemischter Ausschuss wird eingesetzt. Das Abkommen ist mit einer 12-Monatsfrist kündbar. In einem Zusatzabkommen über die Geltung des Abkommens zwischen der EWG und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 22. Juli 1972 für das Fürstentum Liechtenstein351 wird festgelegt, dass das genannte Abkommen auch für das Fürstentum Liechtenstein gilt (Art. 1) und zwar so lange, wie der Vertrag vom 29. März 1923 zwischen der Schweiz und Liechtenstein in Kraft ist (Art. 3). Das Zusatzabkommen tritt am 1. Januar 1973 in Kraft. In Folge des Zusatzabkommens konnte ein Vertreter Liechtensteins im gemischten Ausschuss Schweiz – EG im Rahmen der Delegation aus der Schweiz teilnehmen.352 Begründet wird dieses Zusatzabkommen dadurch, dass das Fürstentum Liechtenstein gemäß dem Vertrag vom 29. März 1923 mit der Schweiz eine Zollunion bildet, doch das dieser Vertrag nicht allen Bestimmungen des am 22. Juli 1972 zwischen der EWG und der Schweiz unterzeichneten Abkommens Geltung für das Fürstentum Liechtenstein verleiht. Das Fürstentum Liechtenstein hatte daher den Wunsch geäußert, dass sämtliche Bestimmungen des genannten Abkommens für Liechtenstein Wirksamkeit haben sollen. Ebenso wurde ein Zusatzabkommen über die Geltung des Abkommens zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 22. Juli 1972 349
sh. Punkt E. I. 6. b). ABl. L 300 vom 31.12.1972, S. 189 ff. Von der Bundesversammlung genehmigt am 3. Oktober 1972. Schweizerische Ratifikationsurkunde hinterlegt am 21. Dezember 1972. In Kraft getreten für die Schweiz am 1. Januar 1973. 351 ABl. L 300 vom 31.12.1972, S. 281 f., geändert durch ABl. L 106 vom 26.04.1975, S. 20. 352 Vgl. Gstöhl 2001, S. 118; Stapper 1999, S. 86. 350
II. Die Integration Liechtensteins in die Europäische Union
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für das Fürstentum Liechtenstein353 verabschiedet. Dieses Abkommen wurde allerdings durch einen Beschluss des Rates vom 9. Oktober 2009354 aufgehoben, in Folge dessen, dass der Vertrag über die Gründung der EGKS am 23. Juli 2002 außer Kraft trat. bb) Landwirtschaftliche Erzeugnisse In einer Verordnung der EG vom 26. März 2002 wird festgelegt, dass Gemeinschaftszollkontingente für die Einfuhr bestimmter landwirtschaftlicher Verarbeitungserzeugnisse mit Ursprung in der Schweiz und in Liechtenstein in die Gemeinschaft vom 1. April bis zum 31. Dezember 2002 unter Zollbefreiung eröffnet werden (Artikel 1 Abs. 1).355 Diese Festlegung wird in den darauf folgenden Jahren erneuert bzw. ergänzt.356 Durch eine weitere Verordnung aus dem Jahr 2005 wird die Ausfuhr bestimmter landwirtschaftlicher Verarbeitungsprodukte durch die Möglichkeit der Verringerung der Erstattungsbescheinigungen erleichtert.357 Letztendlich wurde am 27. September 2007 ein Zusatzabkommen zwischen dem Fürstentum Liechtenstein, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die Einbeziehung des Fürstentums Liechtenstein in das Abkommen zwischen der EG und der Schweiz über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen von 1999 abgeschlossen.358 Die Basis des Abkommens liegt auch hier darin, dass Liechtenstein seit 1923 eine Zollunion mit der Schweiz bildet und aufgrund des Zollvertrags die Bestimmungen des Abkommens zwischen der EG und Schweiz über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen vom 21. Juni 1999 auch für Liechtenstein gelten (Art. 1). Durch Beschluss Nr. 97/2007 des gemeinsamen EWR-Ausschusses wurde Liechtenstein von der Anwendung der betreffenden Teile des EWRAbkommens ausgenommen.359
353
ABl. L 350 vom 19.12.1973, S. 29–32. ABl. L 288 vom 04.11.2009, S. 18–21. 355 ABl. L 83 vom 27.3.2002, S. 24 f. In Kraft ab 01.04.2002. 356 ABl. L 260 vom 28.9.2002, S. 13 f.; ABl. L 22 vom 25.1.2003 S. 3 f. 357 ABl. L 48 vom 19.2.2005, S. 12 f. 358 ABl. L 270 vom 13.10.2007, S. 6–11; Abkommen EG-Schweiz: ABl. L 114 vom 30.4.2002, S. 132–368. 359 ABl. L 47 vom 21.01.2008, S. 3–5. 354
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E. Das Fürstentum Liechtenstein und seine Integration in die EU
cc) Status der Übernahme des Besitzstandes von Schengen Die Verhandlungen der Schweiz mit der EU zur „Schengen“-Thematik haben auch Auswirkungen auf Liechtenstein.360 So werden derzeit spezielle Abkommen zwischen der EU, der Schweiz und Liechtenstein verhandelt, die die Abkommen zwischen der EU und der Schweiz zu „Schengen“ und „Dublin“ erweitern sollen. Diesbezüglich lag im Dezember 2006 ein Vorschlag für einen Beschluss des Rates vor über die Unterzeichnung des Protokolls zwischen der EU, der EG, der Schweiz und Liechtenstein über den Beitritt des Fürstentums zum Abkommen zwischen der EU, der EG und der Schweiz über die Assoziierung der Schweiz bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands und die vorläufige Anwendung einiger Bestimmungen dieses Protokolls (Schengen-Protokoll)361 sowie ein Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung eines Protokolls zwischen der EG, der Schweiz und Liechtenstein über den Beitritt des Fürstentums zum Abkommen zwischen der EG und der Schweiz über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags (Dublin/Eurodac-Protokoll).362 Das Abkommen über die Assoziierung der Schweiz bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (Schengen-Abkommen mit der Schweiz),363 auf das man sich bezieht, wurde am 26. Oktober 2004 zwischen der EU, der EG und der Schweiz unterzeichnet. Am selben Tag unterzeichnete die EG ebenso ein Abkommen mit der Schweiz über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags (Dublin/Eurodac-Abkommen mit der Schweiz).364 Schließlich fielen am 12. Dezember 2008 die Personengrenzkontrollen zwischen der Schweiz und der EU weg. Sowohl das Schengen-Abkommen als auch das Dublin/Eurodac-Abkommen mit der Schweiz sehen eine etwaige Assoziierung Liechtensteins am Schengen- bzw. Dublin-Besitzstand vor; so kann Liechtenstein gemäß Artikel 16 bzw. 15 der Abkommen im Wege eines Protokolls beitreten. Bereits in einem Schreiben vom 12. Oktober 2001 hatte Liechtenstein sein Interesse daran bekundet, sich der Schweiz als Vertragspartei eines et360 361 362 363 364
Vgl. Walch 2004, S. 207; Waschkuhn 1994, S. 66. KOM (2006) 752 endgültig. KOM (2006) 754 endgültig. ABl. L 53 vom 27.02.2008, S. 52–79. ABl. L 53 vom 27.02.2008, S. 5–17.
II. Die Integration Liechtensteins in die Europäische Union
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waigen Abkommens zur Assoziierung am Schengen- und Dublin-Besitzstand anzuschließen, da Liechtenstein und die Schweiz beim Personenverkehr seit Jahrzehnten eine Politik der offenen Grenzen betreiben. Da jedoch zu dem damaligen Zeitpunkt kein Abkommen über die Besteuerung von Zinserträgen zwischen der EG und Liechtenstein bestand, wurde das Fürstentum nicht an den Verhandlungen mit der Schweiz beteiligt.365 Später schlossen die EG und Liechtenstein ein solches Abkommen über die Besteuerung von Zinserträgen ab, das seit Juli 2005 in Kraft ist.366 In einem Schreiben vom 10. Juni 2005 bekräftigte Liechtenstein seinen Wunsch, am Schengen- und Dublin/Eurodac-Besitzstand assoziiert zu werden.367 Nachdem der Rat am 27. Februar 2006 der Kommission eine entsprechende Ermächtigung erteilt hatte, nahm diese Verhandlungen mit Liechtenstein und der Schweiz auf. Am 21. Juni 2006 wurden die Verhandlungen abgeschlossen und die Entwürfe zweier Protokolle über die Assoziierung Liechtensteins am Schengen- bzw. am Dublin/Eurodac-Abkommen mit der Schweiz sowie der Entwurf des Protokolls über Dänemarks Beteiligung am Dublin/Eurodac-Abkommen mit der Schweiz und Liechtenstein paraphiert.368 Inhaltlich besagen die Protokolle, dass Liechtenstein dem Schengenbzw. Dublin/Eurodac-Abkommen mit der Schweiz beitritt und dieselben Rechte und Pflichten haben wird, wie die Schweiz. Mit Ausnahme der Sonderregelung, die auch der Schweiz eingeräumt wurde (Art. 7 Abs. 5 Schengen-Abkommen mit der Schweiz) wird Liechtenstein den Schengen- sowie den Dublin/Eurodac-Besitzstand und seine Weiterentwicklung vollständig übernehmen müssen, sonst tritt das Protokoll außer Kraft. Liechtenstein wird im Gemischten Ausschuss vertreten und berechtigt sein, seine Meinung in diesem Rahmen darzulegen und den Ausschussvorsitz zu führen.369 Da sich Dänemark nicht an der „Dublin-Verordnung“370 und der „Eurodac-Verordnung“371 beteiligt, müssen in einem gesonderten Protokoll zum Dublin/Eurodac-Abkommen mit der Schweiz die Bedingungen für die Teilnahme Liechtensteins an dem Abkommen festgelegt werden. Diese Bedingungen werden in einem weiteren Vorschlag für einen Beschluss des Rates vom 1. Dezember 2006 über die Unterzeichnung eines Protokolls zwischen der EG, der Schweiz und Liechtenstein zum Abkommen zwischen der EG 365 366 367 368 369 370 371
KOM (2006) 752 endgültig. sh. Punkt E. II. 2. c). KOM (2006) 752 endgültig; KOM (2006) 754 endgültig. KOM (2006) 752 endgültig; KOM (2006) 754 endgültig. KOM (2006) 752 endgültig; KOM (2006) 754 endgültig. ABl. L 50 vom 25.02.2003, S. 1–10. ABl. L 316 vom 15.12.2000, S. 1–10.
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E. Das Fürstentum Liechtenstein und seine Integration in die EU
und der Schweiz über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat, in der Schweiz oder in Liechtenstein gestellten Asylantrags bezüglich der Teilnahme von Dänemark festgelegt.372 Zuvor hatte das Königreich Dänemark eine Teilnahme am Dublin/Eurodac-Abkommen mit der Schweiz beantragt. Da Liechtenstein dem Abkommen nun beitreten wird, sollte die Teilnahme Dänemarks sowohl in Bezug auf die Schweiz als auch in Bezug auf Liechtenstein geregelt werden.373 Der Inhalt dieses Protokolls lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die Dublin- und die Eurodac-Verordnung sowie die dazugehörigen Durchführungsvorschriften werden in den Beziehungen zwischen Dänemark einerseits und der Schweiz und Liechtenstein andererseits anwendbar. Gleiches gilt für künftige Änderungen und neue Durchführungsbestimmungen.374 Das Inkrafttreten des Schengen-Protokolls ist an das Inkrafttreten des Dublin/Eurodac-Protokolls (und vice versa) sowie der jeweiligen SchengenVereinbarungen zwischen Liechtenstein und Dänemark sowie zwischen Liechtenstein und Norwegen und Island375 und ebenso des Protokolls zwischen der Europäischen Gemeinschaft, der Schweiz und Liechtenstein über die Beteiligung Dänemarks und des Dublin/Eurodac-Abkommens zwischen Liechtenstein einerseits und Norwegen und Island andererseits gekoppelt.376 Da mit der Schweiz bereits bei der Visumpolitik und bei Sicherheitsbelangen zusammengearbeitet wird und unter anderem gemeinsame Datenbanken genutzt werden, kann Liechtenstein beim Zugang zum Schengener Informationssystem und zum Visa-Informationssystem auf die technische Infrastruktur der Schweiz zurückgreifen.377 Gemäß dem Beschluss des Rates vom 28. Februar 2008 und vorbehaltlich seines späteren endgültigen Abschlusses wird das Schengen-Protokoll im Namen der Europäischen Gemeinschaft sowie von dem liechtensteinischen Regierungschef Otmar Hasler am 28. Februar 2008 unterzeichnet. Schließlich beschließt der Rat am 24. Juni 2008, auch das Dublin-Protokoll zwischen der EG, der Schweiz und Liechtenstein zu genehmigen.378 Schließ372
KOM (2006) 753 endgültig. KOM (2006) 753 endgültig. 374 KOM (2006) 753 endgültig. 375 KOM (2006) 752 endgültig. 376 KOM (2006) 754 endgültig. 377 KOM (2006) 752 endgültig. 378 ABl. L 83 vom 26.03.2008, S. 3–6, Berichtigung: ABl. L 110 vom 22.04.2008; ABl. L 161 vom 24.06.2009, S. 6–12. Vgl. auch Hasler 2008, S. 1; Reiterer 2008, S. 1. 373
II. Die Integration Liechtensteins in die Europäische Union
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lich wurde auch das Protokoll zur Eurodac-Konvention und der Teilnahme Dänemarks vom Rat am 24. Oktober 2008 für Liechtenstein genehmigt.379 Die Protokolle wurden schließlich durch das Liechtensteinische Parlament am 27. Juni 2008 ratifiziert. Am 14. Januar 2009 wurde die Ratifikation der Protokolle zur Assoziierung Liechtensteins an die Systeme von Schengen und Dublin offiziell notifiziert und die entsprechenden Ratifikationsdokumente hinterlegt. Allerdings ist der Ratifizierungsprozess innerhalb der EU noch nicht abgeschlossen. Dadurch war ein zeitgleicher Beitritt der Schweiz und Liechtensteins zum Schengenabkommen nicht möglich und die seit 1923 offene Grenze zwischen der Schweiz und Liechtenstein wurde durch den alleinigen Schengen-Beitritt der Schweiz zu einer Schengen-Außengrenze.380 Da die Schweiz schon Ende 2008 Mitglied im Schengen-Raum wurde, musste, trotz dem, dass Liechtenstein seit dem praktisch nur über SchengenGebiet erreichbar ist, für das Fürstentum eine Übergangsregelung gefunden werden. Die zwischen der Schweiz und der EU abgesprochene Lösung sieht vor, dass die Grenzübergänge gegen die Schweiz offen gelassen werden und die Straßen in Richtung Schweiz per Video überwacht werden. Die Grenze von Liechtenstein nach Österreich wird, wie zuvor, durch die Schweizer Grenzwacht überwacht. Außerdem sollen verstärkt Kontrollen im grenznahen Raum der Schweiz durchgeführt werden. Eine weitere Übergangslösung wurde geschaffen für Drittstaatsangehörige mit Wohnsitz in Liechtenstein, da diese mit dem Schengenbeitritt der Schweiz zum Teil visumspflichtig wurden, d.h. ein Schengen-Visum beantragen müssen, wenn sie die Grenze zur Schweiz übertreten wollen. Man hat daher beschlossen, den Gesuchstellern das Schengen-Visum kostenlos auszustellen. Somit können Angehörige von Drittstaaten mit Aufenthaltsgenehmigung für Liechtenstein ungehindert über die Grenze in die Schweiz gehen. Da Liechtenstein keine Schengen-Außengrenze hat, stellt es auch bei offenen Grenzen kein Immigrationsrisiko für den Schengen-Raum dar. Aus diesem Grund wurde der Heliport Liechtensteins für Anflüge aus Nicht-Schengen-Staaten gesperrt.381 Der Regierungsrat Quaderer nahm im Juni 2009 zum ersten Mal an dem Justiz- und Innenministertreffen der EU in Luxemburg teil und nutzte dies, um die Ratifikation mit den verschiedenen EU-Innenministern zu besprechen. Grundsätzlich befürworten alle EU-Staaten den Schengen-Beitritt Liechtensteins, mit der Ausnahme von einzelnen Bedenken aus Schweden und Deutschland. Die Bedenken sehen sie vor allem im Steuerbereich. In 379
ABl. L 161 24.06.2009, S. 6. Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Landesverwaltung 2008; Fürstentum Liechtenstein/Regierung und Verwaltung/Presse- und Informationsamt 2009b. 381 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Landesverwaltung 2008. 380
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E. Das Fürstentum Liechtenstein und seine Integration in die EU
Deutschland schloss die Bundeskanzlerin Merkel im September 2009 schließlich die nationale Ratifizierung der Schengenassoziation Liechtensteins ab, nur in Schweden ist der nationale Prozess noch nicht abgeschlossen.382 So wird die Ratifikation in Schweden wahrscheinlich an den Abschluss eines Betrugsbekämpfungs- bzw. Steuerinformationsabkommens zwischen der EU bzw. Schweden und Liechtenstein geknüpft.383 Der reibungslose zeitliche Ablauf des Ratifikationsverfahrens wurde außerdem durch technische Probleme bei der Einführung der zweiten Generation des Schengeninformationssystems „SISII“ in Frage gestellt, was zu weiteren Verzögerungen des Liechtensteinischen Schengen-Beitritts führen könnte.384 Sobald der Ratifizierungsprozess des Protokolls zum Beitritt Liechtensteins zum Schengen-Raum in den EU-Mitgliedstaaten abgeschlossen, die Schengentauglichkeit Liechtensteins evaluiert und das Protokoll in Kraft gesetzt ist, wird das Fürstentum ebenso wie die Schweiz, Norwegen und Island an „Schengen“ und „Dublin“ assoziiert sein, d.h. Liechtenstein wird an der Grenzöffnung für den Personenverkehr, an einer verstärkten Zusammenarbeit im Visumsbereich, Polizei und Justiz sowie an der europäischen Zusammenarbeit im Asylbereich beteiligt.385 Liechtenstein geht davon aus, dass sein Schengen-Beitritt im Laufe des Jahres 2010 vollzogen werden kann.386 Weitere Regelungen zu den Außengrenzen im Zusammenhang mit Schengen Aufgrund der Teilnahme am EWR ist es den Bürgern Liechtensteins erlaubt, an den EU-Außengrenzen die „EU-Korridore“ zu nutzen.387 Außerdem führte die Entscheidung 896/2006/EG des EP und des Rates Regeln für die einseitige Anerkennung von Aufenthaltserlaubnissen, die von der Schweiz und Liechtenstein ausgestellt wurden, als Transit-Visa ein. 382 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Regierung und Verwaltung/Presse- und Informationsamt 2009c, S. 9. 383 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Landesverwaltung/Ressort Inneres 2009; Fürstentum Liechtenstein/Regierung und Verwaltung/Presse- und Informationsamt Liechtenstein 2009d. 384 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Regierung und Verwaltung/Presse- und Informationsamt Liechtenstein 2009d. 385 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Landesverwaltung: Zentrale Informationen 2008. 386 Schriftliche/mündliche Auskunft liechtensteinischer Quellen 2009, 2010; vgl. BuA 17/2010, S. 70. 387 Vgl. Maresceau 2008, S. 302.
II. Die Integration Liechtensteins in die Europäische Union
235
Diese Aufenthaltserlaubnisse werden somit von EU-Mitgliedstaaten als Äquivalent zu Transit-Visa anerkannt. Die Regelungen wurden nach den Beitrittsrunden 2004 und 2007 auch jeweils auf die neuen Mitglieder ausgedehnt.388 Durch diese Entscheidung können Personen, die eine Aufenthaltserlaubnis für die Schweiz und Liechtenstein besitzen, zum Zwecke des Transits durch die Staatsgebiete der EU-Mitgliedstaaten reisen, ohne ein Visum beantragen zu müssen. Hintergrund ist, dass der Schengen-Acquis diese Anerkennung von bestimmten Visa vorsieht, in den Staaten, die Schengen-Mitglieder sind, um ein Gebiet ohne interne Grenzen zu schaffen. Somit kann auch ein Drittstaatsangehöriger, der in Besitz eines Dokuments eines Schengen-Mitgliedstaates ist, sich frei im Schengen-Raum bewegen. Mit dem Beitritt der neuen Mitgliedstaaten 2004 und 2007 ergaben sich einige rechtliche Lücken, die nun durch diese Regelungen wieder geschlossen werden sollten. Um sowohl den bürokratischen Aufwand für die Behörden der neuen Mitgliedstaaten als auch für die Bürger der Schweiz und Liechtenstein zu senken, wurden diese vereinfachten Regeln festgelegt. Des Weiteren wurde seit Ende 2007 ein Übereinkommen zwischen der EG einerseits sowie Norwegen, Island, der Schweiz und Liechtenstein andererseits über zusätzliche Regeln im Zusammenhang mit dem Außengrenzenfonds für den Zeitraum 2007 bis 2013 verhandelt, dessen Abschluss vom Rat im November 2009 beschlossen wurde.389 Hintergrund ist, dass die Staaten, die mit dem Schengen-Acquis assoziiert sind, auch an dem Außengrenzen-Fonds, der durch die Entscheidung 574/2007/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates geschaffen wurde, beteiligt werden sollen. In dem Abkommen werden die Regeln zur Verwaltung des Fonds sowie die Beiträge der Zahlungen in das Budget des Fonds festgelegt. Das Abkommen soll vorläufig nach dem Tag seiner Unterzeichnung angewandt werden. Für Liechtenstein gilt, dass das Übereinkommen erst in Kraft tritt, wenn auch das Schengen-Protokoll für Liechtenstein in Kraft tritt. Außerdem existiert eine gemeinsame Erklärung zu dem Übereinkommen, dass besagt, dass Liechtenstein die Möglichkeit hat, sich nicht an dem Fonds zu beteiligen, unabhängig von seinen finanziellen Verpflichtungen, in den Fonds einzuzahlen. Zusätzlich wurde durch die Verordnung 2007/2004/EG des Rates vom 26. Oktober 2004390 die Europäische Agentur für die operative Zusammen388 ABl. L 167 vom 20.06.2006, S. 8–13; ABl. L 162 vom 21.06.2008, S. 27; ABl. C 312 vom 06.12.2008, S. 8; ABl. C 251 vom 17.10.2006, S. 20. 389 KOM (2009) 525; KOM (2009) 524; Rats-Dok. 15954/09; Rats-Dok. 7185/10. 390 ABL. L 349 vom 25.11.2004.
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E. Das Fürstentum Liechtenstein und seine Integration in die EU
arbeit an den Außengrenzen (FRONTEX) eingerichtet. Aufgrund des schon vollzogenen bzw. bald anstehenden Beitritts der Schweiz und Liechtensteins zum Schengen-Gebiet soll deren Teilnahme an FRONTEX ermöglicht werden.391 Die Verhandlungen wurden am 19. Januar 2009 abgeschlossen und die Teilnahme im Februar 2010 beschlossen.392 Ebenso erfolgten im Oktober 2009 Vorschläge der Kommission für einen Beschluss des Rates über den Abschluss und die Unterzeichnung der Vereinbarung zwischen der Europäischen Gemeinschaft sowie der Republik Island, dem Fürstentum Liechtenstein, dem Königreich Norwegen und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Beteiligung dieser Staaten an der Arbeit der Ausschüsse, die die Europäische Kommission bei der Ausübung ihrer Durchführungsbefugnisse in Bezug auf die Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands unterstützen.393 Am 30. Oktober 2009 wurden der Vorschläge an Rat und EP übermittelt. c) Integration in die EU durch die EFTA-Mitgliedschaft Am 4. Januar 1960 unterzeichneten sieben europäische Staaten eine Konvention zur Gründung der Europäischen Freihandelszone (EFTA) in Stockholm. Diese Staaten waren Österreich, Dänemark, Norwegen, Portugal, Schweden, Großbritannien und die Schweiz.394 Im Rahmen der EFTA hatte Liechtenstein die ersten Kontakte mit der Europäischen Integration.395 Mit der Gründung der Freihandelszone der EFTA ergab sich das Problem, dass sich einerseits Liechtenstein durch den Vertrag über die Zollunion mit der Schweiz verpflichtet hatte, keine weiteren eigenständigen Zollunionen einzugehen. Andererseits hatte die Schweiz nicht die Kompetenz, mit seinem Beitritt in die EFTA auch Liechtenstein daran zu binden, da die Stockholmer Konvention deutlich umfassender war als die Zollunion mit der Schweiz.396 Im Protokoll zur Stockholmer Konvention wurde daher festgehalten, dass die Rechte der Schweiz ausgeweitet wurden – unterzeichnet von den Vertragsparteien der Stockholmer Konvention und Liechtenstein.397 Damit dehnte sich die EFTA-Konvention auch auf Liechtenstein aus, solange es eine Zollunion mit der Schweiz bildete.398 Dabei 391
KOM (2009) 255. Rats-Dok. 5707/10. 393 KOM (2009) 605; KOM (2009) 606. 394 Vgl. Duursma 1996, S. 184; Glassner 2004, S. 351. 395 Vgl. Stapper 1999, S. 85. 396 Vgl. Stapper 1999, S. 85; Gstöhl 2001, S. 118; Duursma 1996, S. 184. 397 Protocol relating to the application of the convention establishing the European Free Trade Association to the Principality of Liechtenstein 1960. 392
II. Die Integration Liechtensteins in die Europäische Union
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sollte Liechtenstein von der Schweiz vertreten werden. Diese neuen Kompetenzen der Eidgenossenschaft waren ausdrücklich auf die EFTA beschränkt.399 Als 1991 die Verhandlungen mit der EU um einen Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) begannen, hatte Liechtenstein das Ziel, Vollmitglied des EWR zu werden und musste deshalb auch Vollmitglied der EFTA werden.400 Um dies zu ermöglichen, musste zunächst der Vertrag über eine Zollunion mit der Schweiz von 1923 angepasst werden. So wurde im November 1990 ein Anhang zum Zollvertrag mit der Schweiz unterzeichnet, der am 28. August 1991 ratifiziert wurde und in Kraft trat.401 Anschließend bewarb sich Liechtenstein am 1. März 1991 um die Vollmitgliedschaft in der EFTA.402 Daraufhin bestätigt der EFTA-Rat am 22. Mai 1991 Liechtensteins Beitritt zur Stockholmer Konvention,403 dessen Entscheidung am 1. September 1991 in Kraft trat. Somit wurde Liechtenstein 1991 Mitglied in der EFTA – neben Island, Norwegen und der Schweiz. die anderen Gründungsmitglieder waren mittlerweile der EU beigetreten.404 Nachdem die Schweiz im Jahr 1999 sieben bilaterale Abkommen mit der EU abgeschlossen hatte, beschloss im Juni 1999 der EFTA-Ministerrat, das EFTA-Übereinkommen zu überarbeiten. Ziel war es, dass das EFTA-Übereinkommen dem Stand der Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU entspricht.405 Schließlich wurden die Verhandlungen im Juni 2001 abgeschlossen und das Abkommen zur Änderung des Übereinkommens zur Errichtung der EFTA wurde am 21. Juni 2001 in Vaduz unterzeichnet (Vaduzer Abkommen).406 Der konsolidierten Fassung des Vaduzer Abkommens vom 21. Juni 2001 stimmte der Landtag am 14. März 2002 zu, die Ratifizierungsurkunde wurde am 24. April 2002 hinterlegt und sie trat am 1. Juni 2002 in Kraft.407 398
Vgl. Stapper 1999, S. 85; Gstöhl 2001, S. 118; Duursma 1996, S. 185. Vgl. Stapper 1999, S. 86. 400 Vgl. Duursma 1996, S. 184, 186; Gstöhl 2001, S. 118. 401 Vgl. Duursma 1996, S. 186; Stapper 1999, S. 86; Gstöhl 2001, S. 118. 402 Vgl. Entscheidung des EFTA-Rates 2/1991, S. 2. 403 Entscheidung des EFTA-Rates 2/1991: Anhang 3, BuA 43/1991. Protokoll von 1960 wird ungültig. Abkommen zur Änderung des Übereinkommens zur Errichtung der EFTA, LGBl. 1992, Nr. 17. 404 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 924; Waschkuhn 1994, S. 67. 405 Fürstentum Liechtenstein/Webportal, S 1. 406 LGBl. 2003, Nr. 189. 407 LGBl. 2003, Nr. 189. 399
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E. Das Fürstentum Liechtenstein und seine Integration in die EU
Ziele des Übereinkommens zur Errichtung der EFTA (konsolidierte Fassung des Vaduzer Abkommens) sind, die weitere Vertiefung der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten mit der EU, die Erleichterung des Warenverkehrs, das schrittweise Erreichen des freien Personenverkehrs und der Liberalisierung von Dienstleistungen und Investitionen, die Öffnung der öffentlichen Beschaffungsmärkte der EFTA-Staaten sowie ein angemessener Schutz des geistigen Eigentums. Die Beziehungen und der Handel zur EU hat eine hohe Priorität (Präambel, Art. 2). Das EWR-Abkommen sowie die Zollunion zwischen der Schweiz und Liechtenstein werden durch das EFTA-Abkommen nicht beeinträchtigt (Art. 49 Abs. 2). Anzumerken ist außerdem, dass auch im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik durch die Mitgliedschaft in der EFTA eine indirekte Integration stattfindet, da Liechtenstein zwar nicht bei der Entscheidungsfindung beteiligt, aber doch im Rahmen des mit den EWR-/EFTAStaaten (Island, Liechtenstein, Norwegen) geführten politischen Dialogs in Politikkomitees (z. B. West-Balkan, Europarat und OSZE, Naher Osten usw.) in eine Informationsplattform eingebunden ist.408 Dabei findet durchaus ein gegenseitiger Austausch auf Expertenebene statt. Normalerweise folgen diese Komiteesitzungen zeitlich auf die entsprechenden Beratungen der EU-internen Komitees und dienen grundsätzlich der gegenseitigen Information. Allerdings finden die Komiteesitzungen der EWR-/EFTA-Staaten betreffend den Europarat und die OSZE, in denen Liechtenstein am meisten beitragen kann, jeweils vor der EU-internen Sitzung statt, was auf ein hohes Interesse für Kommission, Rat und Präsidentschaft schließen lässt. Damit fließt die Sichtweise der EWR-/EFTA-Staaten direkt in die Diskussionen des entsprechenden EU-Komitees ein.409 Es ist anzumerken, dass die Kategorisierung Liechtensteins als EWRoder EFTA-Staat z. T. ineinander verfließt, da innerhalb des Politischen Dialogs mit der EU eben auch die Kategorie des EWR-/EFTA-Staates existiert. Im Folgenden wird die direkte Integration Liechtensteins in die EU und dabei vor allem dessen EWR-Mitgliedschaft untersucht.
408 409
Auskunft einer liechtensteinischen Quelle 2009. Auskunft einer liechtensteinischen Quelle 2010.
II. Die Integration Liechtensteins in die Europäische Union
239
2. Liechtensteins direkte Integration in die EU a) Die Anwendbarkeit des Unionsrechts Im Gegenzug zu den anderen europäischen Mikrostaaten Andorra, Monaco und San Marino stellte sich für Liechtenstein nie die Frage, ob das Unionsrecht bzw. vormals das Gemeinschaftsrecht hier Anwendung findet. Dies ist damit zu begründen, dass Österreich, der einzige EU-Mitgliedstaat, der an das Fürstentum grenzt, erst im Jahr 1995 der EU beitrat. Bis dahin entbehrte eine Diskussion über die Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts in dem Mikrostaat einer Grundlage. Aufgrund dessen und da Liechtenstein enge Beziehungen zur Schweiz pflegte, war eine Anwendung des EGV (heute gemäß Art. 355 Abs. 3 AEUV) auf Liechtenstein von vornherein ausgeschlossen. b) Die Mitgliedschaft im EWR aa) Der Weg zur EWR-Mitgliedschaft Liechtensteins Die Beziehungen zwischen der EU und Liechtenstein basieren auf dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen),410 das für Liechtenstein am 1. Mai 1995 in Kraft trat. Die Beziehungen Liechtensteins zur EU unterscheiden sich grundsätzlich von denen anderer Mikrostaaten zur Union, u. a. da Liechtenstein Unterzeichner dieses EWR-Abkommens ist. Die Aushandlung erwies sich durch einige Besonderheiten des Fürstentums recht langwierig und schwierig, was im Folgenden erläutert werden soll. Seit 1987 war der Export von Produkten des Industriesektors aus Liechtenstein in EG-Mitgliedstaaten überdurchschnittlich gestiegen. Die liechtensteinische Regierung glaubte, dass die langfristigen wirtschaftlichen Vorteile nur bewahrt werden könnten, wenn Liechtensteins Eigenstaatlichkeit erhalten und gefestigt würde.411 Dies machte ein Voranschreiten im Prozess der Europäischen Integration notwendig.412 Liechtenstein war aktiv am Entwurfsprozess des EWR-Abkommens beteiligt.413 Der Mikrostaat bestand schon bei der Aushandlung des Abkommens darauf, als eigenständiger Verhandlungspartner wahrgenommen zu werden und verwies dabei auf seine anerkannte Souveränität in der interna410 411 412 413
ABl. L 1 vom 03.01.1994, S. 1 ff.; LGBl. 1995, Nr. 68. BuA 46/1992, S. 238. Vgl. Duursma 1996, S. 188. Vgl. Duursma 1996, S. 187.
240
E. Das Fürstentum Liechtenstein und seine Integration in die EU
tionalen Staatenwelt. Dies wurde sowohl von der EFTA als auch der EG und ihren Mitgliedstaaten akzeptiert.414 Es war vorgesehen, Liechtenstein von Anfang an am EWR zu beteiligen.415 Das EWR-Abkommen wurde von den Liechtensteinern durch ein Referendum am 13. Dezember 1992 mit 56% der Stimmen angenommen,416 das liechtensteinische Parlament stimmte bereits am 21. Oktober 1992 mit 19:5 Stimmen für den Beitritt zum EWR.417 Die Schweizer lehnten es dagegen wenige Tage vorher, am 6. Dezember 1992, ab. Nun kamen rechtliche Fragen auf, da diese Situation einen Widerspruch zu Art. 8 des Vertrages zwischen der Schweiz und Liechtenstein über eine Zollunion von 1923 darstellte.418 Liechtenstein verfügt über eine exportorientierte, industrielle Produktion, der man den Zugang zum europäischen Binnenmarkt ermöglichen wollte. Daher war das starke Interesse Liechtensteins an einer Teilnahme am EWR zu erklären. Außerdem wurde in Liechtenstein von vornherein ein Beitritt zur EG als Folge des EWR-Abkommens ausgeschlossen. In der Schweiz dagegen war letzteres nicht der Fall, der EWR-Beitritt wurde sogar als erste Stufe zum EG-Beitritt erklärt, woraus wahrscheinlich die Ablehnung im Referendum resultierte.419 Die EG behandelte das Fürstentum als gleichberechtigten Partner, obwohl man sich bewusst war, dass eine separate Aufnahme des Fürstentums in den EWR, d.h. ohne die Schweiz, enorme Anpassungen des EWR-Abkommens selbst sowie auch der geltenden Regelungen zwischen der Schweiz und Liechtenstein notwendig machte.420 Umfangreiche Maßnahmen waren nun erforderlich, um eine ausreichende Abkoppelung von der Schweiz zu erreichen, gleichzeitig aber die bestehenden Verträge aufrecht zu erhalten und sicher zu stellen, dass Liechtenstein die Bestimmungen des EWR eigenverantwortlich durchführen kann.421 Der Beitritt Liechtensteins zum EWR unabhängig von der Schweiz zeigt, dass das Thema Europa bzw. europäische Integration und wie sich Liech414
Vgl. Stapper 1999, S. 86; Duursma 1996, S. 190. Art. 126 EWR-Abkommen, Art. 1 Abs. 2 Anpassungsprotokoll. ABl. L 1 vom 03.01.1994, S. 1; vgl. Sack 1997, S. 47. 416 BuA 147/1992; vgl. Waschkuhn 2003, S. 769; Duursma 1996, S. 187; Gstöhl 2001, S. 118; Walch 2004, S. 203; Waschkuhn 1994, S. 67, 115 f. 417 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 769. 418 Vgl. Duursma 1996, S. 187; Gstöhl 2001, S. 118; Sack 1997, S. 47; Walch 2004, S. 203. 419 Vgl. Stapper 1999, S. 86. 420 Vgl. Stapper 1999, S. 86; Waschkuhn 1994, S. 116. 421 Vgl. Sack 1997, S. 47; Walch 2004, S. 203. 415
II. Die Integration Liechtensteins in die Europäische Union
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tenstein darin einbringt, einen ganz dominanten Stellenwert in der liechtensteinischen Außenpolitik hat.422 Am 13. Dezember 1993 wurde durch den Beschluss des Rates und der Kommission über den Abschluss des EWR-Abkommens423 das am 2. Mai 1992 in Porto unterzeichnete Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum genauso wie das Anpassungsprotokolls zum Abkommen424 genehmigt. Das Protokoll zum EWR-Abkommen wurde am 17. März 1993 auf einer Konferenz der EG- und EFTA-Staaten (ohne Schweiz) bestätigt.425 Dieses Protokoll besagt, dass für Liechtenstein das EWR-Abkommen zu einem Zeitpunkt in Kraft treten wird, der vom EWR-Rat beschlossen wird (Art. 1 Abs. 2). So trat das EWR-Abkommen 1994 für Liechtenstein zunächst nicht in Kraft, wurde aber zu einem späteren Zeitpunkt ermöglicht.426 Anschließend wurden eine Reihe von Verträgen und Übereinkommen zwischen der Schweiz und Liechtenstein unterzeichnet, die es erlaubten, dass das EWR-Abkommen in dem Mikrostaat in Kraft trat, ohne das Grenzen zwischen den beiden Ländern geschaffen werden mussten und Konflikte zum EWR-Abkommen auftraten.427 Der Zollvertrag von 1923 wurde im Rahmen der EWR-Beitrittsverhandlungen den gegenwärtigen Bedürfnissen angepasst.428 So kann Liechtenstein nun auch Mitglied einer internationalen Konvention oder Organisation sowie Vertragsstaat internationaler Übereinkommen im Deckungsbereich des Zollvertrages werden, welcher die Schweiz auch angehört (Art. 8bis Abs. 1). Außerdem ist es möglich, für den Fall, dass die Schweiz einem Übereinkommen oder einer Organisation nicht beitritt, eine separate Vereinbarungen diesbezüglich zwischen Liechtenstein und der Schweiz zu schließen (Art. 8bis Abs. 2). Dies war 1994 im Rahmen der Vorbereitung des Beitritts Liechtensteins zum EWR notwendig.429 Weiterhin wurde 1994 eine Vereinbarung430 getroffen, nach der in Liechtenstein das EWR-Recht Vorrang vor den Schweizer Zoll-Bestimmungen 422 423 424 425
Auskunft einer liechtensteinischen Quelle 2010. ABl. L 1 vom 03.01.1994, S. 1 ff. ABl. L 1 vom 03.01.1994, S. 571 ff. Vgl. Duursma 1996, S. 187; Marxer/Pállinger 2009, S. 923; Grard 2002,
S. 93. 426
Vgl. Stapper 1999, S. 86. Vgl. Duursma 1996, S. 188; Stapper 1999, S. 87; Grard 2002, S. 93. 428 LGBl. 1991, Nr. 55; LGBl. 1995, Nr. 76; vgl. Nuener 2006, S. 81. Zum Zollvertrag sh. Punkt E. I. 6. b). 429 Zum EWR-Beitritt sh. Punkt E. II. 2. b); vgl. Nuener 2006, S. 81; Duursma 1996, S. 164. 430 LGBl. 1995, Nr. 77; vgl. auch Duursma 1996, S. 165; Dózsa 2008, S. 100. 427
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E. Das Fürstentum Liechtenstein und seine Integration in die EU
hat, wenn es um Beziehungen zu EWR-Staaten geht (Art. 3 der Vereinbarung). So müssen die Schweizer Zollbeamten in Liechtenstein EWRRecht anwenden, wenn es um Produkte geht, die aus EWR-Staaten kommen (Art. 7 und Anhang 3 der Vereinbarung).431 Eine Gemeinsame Kommission wurde eingerichtet, um die korrekte Implementierung des Abkommens zu überwachen (Art. 9, 10 der Vereinbarung). Liechtenstein sichert durch ein internes Überwachungs- und Kontrollsystem ab, dass keine Produkte illegal in die Schweiz eingeführt werden (Art. 4 und Anhang 1 der Vereinbarung). Dafür hat das Fürstentum eine eigene Zollbehörde gegründet (Art. 7, 8 Zollgesetz).432 Praktisch werden die Zollabfertigungen für Importe nach Liechtenstein noch immer von der Schweiz durchgeführt.433 Der Währungsvertrag mit der Schweiz ist der einzige Vertrag, der nicht an das EWR-Abkommen angepasst wurde.434 Die schon bestehenden Sonderregelungen im EWR-Abkommen (u. a. Art. 121 lit. b), Protokolle 15, 16 zu Freizügigkeit und sozialer Sicherheit) wurden noch durch weitere umfangreiche Übergangs- und Ausnahmevorschriften ergänzt.435 Diese Anpassungen des EWR-Abkommens, die für das Fürstentum ausgehandelt wurden, verabschiedete der EWR-Rat mit Beschluss vom 10. März 1995.436 Der Beschluss hält fest, dass das gute Funktionieren des Abkommens durch die regionale Union zwischen der Schweiz und Liechtenstein nicht beeinträchtigt wird (Art. 1). Weiterhin besagt es, dass die Protokolle, Anhänge und Beschlüsse des EWR-Ausschusses z. T. geändert, und andere längere Übergangszeiten für Liechtenstein festgeschrieben werden. Schließlich trat das EWR-Abkommen für Liechtenstein am 1. Mai 1995 in Kraft.437 Der Mikrostaat wird als vollwertiges Mitglied in den EWR aufgenommen. Eine bisher einmalige Beziehung der EG zu einem Mikrostaat entstand.438 Nach den EU-Erweiterungsrunden wurde auch das EWR-Abkommen am 30. März 2004 sowie am 25. Juli 2007 durch ein EWR-Erweiterungsabkom431
sh. ABl. L 86 vom 20.04.1995, S. 78; Stapper 1999, S. 87. LGBl. 1995, Nr. 92; vgl. Duursma 1996, S. 165; Gstöhl 2001, S. 119; Stapper 1999, S. 87. 433 Vgl. Gstöhl 2001, S. 118. 434 Vgl. Duursma 1996, S. 189. 435 Vgl. Sack 1997, S. 47. 436 ABl. L 86 vom 20.04.1995, S. 58–84; vgl. Fürstentum Liechtenstein/Amt für Auswärtige Angelegenheiten 2009, S. 4; Stapper 1999, S. 87; Gstöhl 2001, S. 118; Marxer/Pállinger 2009, S. 923; Grard 2002, S. 92. 437 ABl. L 86 vom 20.04.1995, S. 58–84; vgl. Duursma 1996, S. 188; Marxer/ Pállinger 2009, S. 923; Grard 2002, S. 94. 438 Vgl. Stapper 1999, S. 86 f.; Sack 1997, S. 47. 432
II. Die Integration Liechtensteins in die Europäische Union
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men bzw. ein Abkommen in Form eines Briefwechsels erneuert.439 Dabei werden die neuen EU-Mitglieder als Vertragsparteien des EWR-Abkommens und der vier Nebenabkommen hinzugefügt, die Schweiz (sowie die EGKS in Art. 2) wird als Vertragspartei gestrichen. Inhaltlich ergeben sich keine relevanten Änderungen. Zahlreiche Beschlüsse des gemeinsamen EWR-Ausschusses machen EURechtsvorschriften für den EWR gültig, Anhänge werden erweitert, neue Richtlinien und Verordnungen werden in das EWR-Abkommen übernommen oder Besonderheiten angepasst. Dabei wird Liechtenstein des Öfteren wegen seiner Kleinheit von einzelnen Bestimmungen ausgenommen (Elektrizitätsbinnenmarkt, Erdgasbinnenmarkt, etc.).440 bb) Inhalt des EWR-Abkommens Das EWR-Abkommen,441 ein auf Art. 217 EAUV basierendes Assoziationsabkommen, besteht aus dem Hauptabkommen mit 129 Artikeln, 50 Protokollen und 22 nach Sachgebieten geordneten Anhängen sowie den EU-Rechtsakten (Richtlinien, Entscheidungen und Verordnungen), auf die darin verwiesen wird. Ziel des Abkommens ist die Errichtung eines dynamischen und homogenen Europäischen Wirtschaftsraums, der auf gemeinsamen Regeln und gleichen Wettbewerbsbedingungen beruht und in dem angemessene Mittel für deren Durchsetzung vorgesehen sind. Außerdem will man die weitest mögliche Verwirklichung der Freizügigkeit und des freien Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs innerhalb des ganzen Europäischen Wirtschaftsraums sowie für eine verstärkte und erweiterte Zusammenarbeit bei den begleitenden und horizontalen Politiken, wie z. B. Umwelt oder Forschung und Entwicklung, sorgen (Präambel, Art. 1). Nicht unter das EWR-Abkommen fallen die gemeinsame Steuerpolitik sowie die gemeinsame Agrar- und Fischereipolitik der EU, die Währungsunion, die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und die Zusammenarbeit in den Bereichen Inneres und Justiz. Da es sich beim EWR nicht um eine Zollunion handelt, ist auch die Handelspolitik gegenüber Drittländern nicht Gegenstand des Abkommens.442 439 ABl. L 130 vom 29.4.2004, S. 1 ff.; EWR-Abkommen Anhang 23 vom 29.4.2004, S. 1; auch in: LGBl. 2005, Nr. 249; abgeschlossen in Luxemburg am 14.10.2003, Zustimmung des liechtensteinischen Landtags am 10.03.2004, Inkrafttreten am 06.12.2005 (vorläufig angewendet seit 01.05.2004); ABl. L 221 vom 25.8.2007, S. 7–10. 440 Z. B. Beschlüsse 1/2003, 177/2004, 97/2007 gemeinsamer EWR-Ausschuss. 441 ABl. L 1 vom 03.01.1994, S. 1 ff.; LGBl. 1995, Nr. 68.
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Auch die auf die primäre Gesetzgebung der Europäischen Union aufbauende sekundäre Gesetzgebung, der so genannte Acquis Communautaire, ist Teil des EWR-Abkommens. Daher müssen EWR-relevante EU-Rechtsakte, welche von den EU-Institutionen fortlaufend angenommen werden, auch in den EWR-Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Der freie Warenverkehr innerhalb des EWR gilt für Ursprungswaren der Vertragsparteien, für Waren, die unter die Kapitel 25 bis 97 des Harmonisierten Systems fallen (Ausnahme: die in Protokoll 2 aufgeführten Waren) sowie die in Protokoll 3 aufgeführten Waren (Art. 8). Weiterhin sind Einund Ausfuhrzölle und Abgaben gleicher Wirkung (Art. 10), mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung (Art. 11), mengenmäßige Ausfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Vertragsparteien verboten (Art. 12). Kraft des Art. 28 wird zwischen den EU-Mitgliedstaaten und den EFTAStaaten die Freizügigkeit der Arbeitnehmer hergestellt. Sie umfasst die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der EU-Mitgliedstaaten und der EFTA-Staaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen. Gemäß Art. 31 Abs. 1 unterliegt die freie Niederlassung von Staatsangehörigen eines EU-Mitgliedstaats oder eines EFTA-Staates im Hoheitsgebiet eines dieser Staaten keinen Beschränkungen. Das gilt auch für die Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines EU-Mitgliedstaats oder eines EFTA-Staates, die im Hoheitsgebiet eines dieser Staaten ansässig sind. Der freie Dienstleistungsverkehr wird in Art. 36 Abs. 1 Im Rahmen dieses Abkommens geregelt. Er unterliegt im Gebiet der Vertragsparteien für Angehörige der EU-Mitgliedstaaten und der EFTA-Staaten, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat beziehungsweise einem anderen EFTA-Staat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, keinen Beschränkungen. Bezüglich des Kapitalverkehrs wird in Art. 40 festgelegt, dass der Kapitalverkehr in Bezug auf Berechtigte, die in den EU-Mitgliedstaaten oder den EFTA-Staaten ansässig sind, keinen Beschränkungen und keiner Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnortes der Parteien oder des Anlageortes unterliegt. Weitere Zusammenarbeit wird im Rahmen der Gemeinschaftsaktionen in den Bereichen Forschung und technologische Entwicklung, Informationsdienste, Umwelt, allgemeine und berufliche Bildung und Jugend, Sozial442 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Amt für Auswärtige Angelegenheiten 2009, S. 4; Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004a, S. 15.
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politik, Verbraucherschutz, kleine und mittlere Unternehmen, Fremdenverkehr, audiovisueller Sektor und Katastrophenschutz vorgesehen (Art. 78). Titel VII des Abkommens beschäftigt sich mit den institutionellen Bestimmungen. So wird ein EWR-Rat eingesetzt. Er hat insbesondere die Aufgabe, die politischen Anstöße für die Durchführung dieses Abkommens zu geben und die allgemeinen Leitlinien für den gemeinsamen EWR-Ausschuss festzulegen (Art. 89). Der EWR-Rat besteht aus den Mitgliedern des Rates der Union und Mitgliedern der EU-Kommission sowie je einem Mitglied der Regierung jedes EFTA-Staates, welches Mitglied im EWR ist (Art. 90 Abs. 1). Der Vorsitz im EWR-Rat liegt abwechselnd für jeweils sechs Monate bei einem Mitglied des Rates der EU und bei einem Mitglied der Regierung eines EFTA-Staates. Der EWR-Rat wird zweimal jährlich von seinem Präsidenten einberufen. Er tritt nach Maßgabe seiner Geschäftsordnung ferner zusammen, sooft die Umstände dies erfordern (Art. 91 Abs. 1). Weiterhin wird ein gemeinsamer EWR-Ausschuss eingesetzt. Er gewährleistet die wirksame Durchführung und Anwendung dieses Abkommens. Zu diesem Zweck führt er einen Meinungs- und Informationsaustausch und fasst in den in diesem Abkommen vorgesehenen Fällen Beschlüsse (Art. 92 Abs. 1). Im EWR-Ausschuss beraten die Vertragsparteien über eine das Abkommen betreffende Frage, die zu Schwierigkeiten führen kann und die von einer der Vertragsparteien zur Sprache gebracht wird (Art. 92 Abs. 2). Der gemeinsame EWR-Ausschuss besteht aus Vertretern der Vertragsparteien. Er fasst seine Beschlüsse im Einvernehmen zwischen der Union einerseits und den mit einer Stimme sprechenden EFTA-Staaten andererseits (Art. 93). Der Vorsitz liegt abwechselnd für jeweils sechs Monate bei dem Vertreter der Union, d. h. der Kommission, und bei einem Vertreter eines der EFTA-Staaten. Der EWR-Ausschuss tritt grundsätzlich mindestens einmal monatlich zusammen. Er wird nach Maßgabe seiner Geschäftsordnung von seinem Präsidenten oder auf Antrag einer Vertragspartei einberufen (Art. 94). Der gemeinsame EWR-Ausschuss übernimmt Rechtsvorschriften in das EWR-Abkommen. Außerdem wird ein gemeinsamer parlamentarischer EWR-Ausschuss eingesetzt. Er besteht zu gleichen Teilen aus Mitgliedern des Europäischen Parlaments einerseits und aus Mitgliedern der Parlamente der EFTA-Staaten, die Mitglieder im EWR sind, andererseits (Art. 95 Abk.). Die EFTA-Überwachungsbehörde in Brüssel überwacht die Erfüllung der Verpflichtungen des EWR-Abkommens durch die EWR- bzw. EFTA-Staaten Island, Norwegen und Liechtenstein. Der EFTA-Gerichtshof in Luxemburg wird, entsprechend dem EuGH, in den die EWR- bzw. EFTA-Staaten betreffenden Angelegenheiten tätig. Darunter fallen u. a. Vertragsverlet-
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zungsklagen der EFTA-Überwachungsbehörde gegen einen EWR- bzw. EFTA-Staat oder die Beilegung von Streitigkeiten zwischen EWR- bzw. EFTA-Staaten.443 cc) Sonderregelungen für Liechtenstein Für Liechtenstein werden bezüglich des EWR-Abkommens zwei Besonderheiten festgelegt. Zum einen wurde im Hinblick auf den freien Warenverkehr vereinbart, dass gleichzeitig zur EWR-Mitgliedschaft die Zollunion mit der Schweiz von 1923 sowie die offene Grenze zur Schweiz erhalten wird.444 Demnach bildet Liechtenstein parallel zum EWR-Abkommen eine Zoll- und Währungsunion mit der Schweiz, es gehört also zwei Wirtschaftsräumen an (Konzept der „parallelen Verkehrsfähigkeit“). Dadurch werden die Zollangelegenheiten Liechtensteins mit der EU nicht nur durch das EWR-Abkommen, sondern auch durch die verschiedenen zwischen der Union und der Schweiz abgeschlossenen Abkommen bestimmt.445 Somit unterliegt Liechtenstein in bestimmten Bereichen, wie tierärztliche Angelegenheiten, landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse oder Ursprungsregelungen nicht vollständig den Regelungen des EWR-Abkommens. In diesen Bereichen, in denen Liechtenstein durch Verträge mit der Schweiz verbunden ist, gelten Sonderregelungen bzw. teilweise die um Zusatzprotokolle ergänzten bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU.446 Andererseits geht das EWR-Abkommen weit über die Zuständigkeiten der Schweiz aus dem Zollvertrag hinaus.447 Gemäß der schon oben erwähnten Vereinbarung zum Vertrag über eine Zollunion mit der Schweiz448 hat das EWR-Recht in Liechtenstein Vorrang über Schweizer Zollbestimmungen in Beziehungen zu Staaten, die Teilnehmer am EWR-Abkommen sind (Art. 3).449 Auch das schweizerische Recht wird zunehmend an das Recht der EU angepasst, wodurch sich das Regelungsgefälle ständig verringert.450 443 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Amt für Auswärtige Angelegenheiten 2009, S. 4 f.; genauer dazu: BuA 17/2010, S. 27 ff. 444 Vgl. Gstöhl 2001, S. 118. 445 Vgl. Walch 2004, S. 203; Gstöhl 2001, S. 118 f.; Stapper 1999, S. 87; Waschkuhn 2003, S. 769. 446 Delegation der Europäischen Kommission für die Schweiz und für das Fürstentum Liechtenstein 2009a. 447 Vgl. Gstöhl 2001, S. 118. 448 LGBl. 1995, Nr. 77. 449 Vgl. Duursma 1996, S. 165; Dózsa 2008, S. 100. 450 Vgl. Gstöhl 2001, S. 118.
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Dennoch führt diese „Zwitterstellung“ zu komplexen Auswirkungen, da Liechtenstein nun einerseits in bestimmten Angelegenheiten die Regelungen der Schweiz anwendet und in Abkommen der Schweiz mit Drittstaaten einbezogen wird sowie andererseits in anderen Bereichen die Regelungen des EWR, d. h. der EU anwendet. Dieses komplizierte Konstrukt bringt es mit sich, dass selbst Experten die genauen Regelungen im Detail nicht kennen und immer wieder nachschlagen müssen.451 Die zweite Besonderheit ist, dass Kraft des Artikels 112 des EWR-Abkommens, der den unterzeichnenden Staaten erlaubt, Sicherungsmaßnahmen im Falle wirtschaftlicher, gesellschaftlicher oder Umweltschwierigkeiten zu ergreifen und dabei von einer oder mehreren Bestimmungen des Abkommens abzuweichen, Liechtenstein den Grad der Freizügigkeit von Arbeitnehmern in sein Staatsgebiet eingeschränkt hat, obwohl dies eines der Grundprinzipien des Abkommens ist. Diese Maßnahmen schließen Einschränkungen des Aufenthaltsrechts ein.452 Zunächst wurde festgelegt, dass das Fürstentum langfristig seine restriktiven Einreisebestimmungen abschaffen muss, und zwar durch das Protokoll Nr. 15 zum Abkommen, in dem man Übergangsphasen mit Verlängerungsmöglichkeiten vorsieht.453 Diese Sonderregelung wäre eigentlich am 31. Dezember 2006 ausgelaufen, doch im Rahmen der Verhandlungen über die EWR-Erweiterung wurde eine dauerhafte Lösung erzielt. Diese beinhaltet nun kein automatisches Auslaufen mehr, sondern eine Überprüfung aller fünf Jahre. Es ist davon auszugehen, dass diese Sonderregelung für Liechtenstein weiterhin Akzeptanz findet.454 Hintergrund dieser Bestimmung ist, dass man befürchtet, dass bei voller Personenfreizügigkeit zahlreiche EU-Bürger ihren Hauptwohnsitz in das steuergünstige Liechtenstein legen würden, was weder von der EU noch von Liechtenstein gewünscht wäre. Der besonderen Behandlungen des Fürstentums wurde seitens der EU verständnisvolle Beachtung geschenkt, die die Union diese Akte durch die spezielle geographische Situation Liechtensteins gerechtfertigt sah.455 Auch der EFTA-Gerichtshof verweist in späteren Entscheidungen auf die Erklärung des EWR-Rates betreffend die Personenfreizügigkeit vom 20. Dezember 1994, in der anerkannt wird, dass Liechtenstein über ein sehr kleines bewohnbares Gebiet ländlichen Charakters mit einem ungewöhnlich hohen Prozentsatz an ausländischen Gebietsansässigen und Beschäftigten verfüge und es daher ein vitales Interesse an der Wahrung seiner nationalen Identi451 452 453 454 455
Auskunft einer EU-Quelle, Okt. 2009. Vgl. Dózsa 2008, S. 100. Vgl. Stapper 1999, S. 87. Vgl. BuA 17/2010, S. 45. Vgl. Dózsa 2008, S. 100; genauer dazu Maresceau 2008, S. 761 f.
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tät habe.456 Dies würde diese „Sonderbehandlung“ rechtfertigen. Dieses bedeutende Interesse Liechtensteins nach der Wahrung seiner nationalen Identität wurde im Beschluss des EWR-Rates vom 10. März 1995, Erklärung Nr. 3, bekräftigt.457 dd) Bewertung des EWR-Abkommens aus der Sicht Liechtensteins Fürst Hans-Adam II. äußerte sich in seiner letzten Thronrede 2004, dass er sich vor dem EWR-Beitritt für eine Mitgliedschaft im EWR eingesetzt habe, selbst wenn dieser in der Schweiz abgelehnt würde. Dennoch müsse die EWR-Mitgliedschaft des Fürstentums immer kritisch betrachtet werden. Die Kosten der EWR-Mitgliedschaft seien durch die Erweiterung der EU stark gestiegen und betrögen ein Vielfaches der Kosten der WTO- und UNO-Mitgliedschaft des Staates. Daher sollte sich der Mikrostaat immer wieder fragen, ob der Nutzen die aufgewendeten Kosten rechtfertigt.458 Im Vergleich zum Freihandelsabkommen von 1972 zwischen der Schweiz und der EU, das auch in Liechtenstein gilt, ändert sich durch den EWR im Hinblick auf den freien Warenverkehr, dass bisher ausgeschlossene Industrieprodukte in die Zollunion aufgenommen wurden. Außerdem wurden die Zölle für sensible Agrarprodukte gesenkt. Wie schon erwähnt, wendet Liechtenstein nun parallel Schweizerisches Zollrecht und EWR-Zollrecht an.459 Im Rahmen des EWR-Beitritts übernahm Liechtenstein umfangreich Rechtssetzungsakte der EU.460 Liechtenstein kann zwar an der Ausformulierung des relevanten EWR-Rechtes und an den einschlägigen Binnenmarktkomitees teilnehmen (Mitbestimmungsrecht), das Fürstentum hat jedoch kein Entscheidungsrecht. Das für den EWR relevante Unionsrecht muss innerhalb einer bestimmten Frist in Landesrecht umgesetzt werden.461 Diese Flut an neuen Gesetzen durch die Übernahme des europäischen Rechts und dessen Umsetzung bringt einen enormen Aufwand und damit die Erhöhung von Staatsausgaben mit sich. Weiterhin ist zu erwähnen, dass aufgrund der EWR-Mitgliedschaft Liechtensteins über einige der binnenmarktrelevanten Themen indirekt auch 456
EFTA Court 1999, S. 205; vgl. Baudenbacher 2004, S. 215. Vgl. Sack 1997, S. 48; Stapper 1999, S. 87. 458 Vgl. Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein 2004, S. 2. 459 Vgl. Stapper 1999, S. 87. 460 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 923. 461 Delegation der Europäischen Kommission für die Schweiz und für das Fürstentum Liechtenstein 2009a; Auskunft liechtensteinischer Quellen 2009, 2010. 457
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Rechtsangleichung stattfindet, z. B. durch den Konsumentenschutz kann Zivilrechtsharmonisierung bzw. durch Umweltschutz kann eine Harmonisierung bei Strafrechtsmaßnahmen stattfinden, obwohl Liechtenstein an der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen eigentlich keinen Anteil hat.462 Nach der EWR-Erweiterung 2004 und 2007 musste Liechtenstein einen deutlich höheren Beitrag an den EWR-Finanzierungsmechanismus leisten.463 Dennoch stellt die Ratifizierung des EWR-Abkommens für Liechtenstein einen beachtlichen wirtschaftlichen und politischen Vorteil dar.464 Zwar wurden vor dem Beitritt Befürchtungen bezüglich Wohlstandsverlusten oder der Beeinflussung der guten Beziehungen zur Schweiz geäußert, doch diese erfüllten sich nicht. So kam es in der Folge des EWR-Beitritts zu einer Erhöhung der Zahl der Gesamtbeschäftigung sowie einem Aufschwung im Banken- und Versicherungssektor. Durch die Übernahme des Acquis Communautaire in den Bereichen des Abkommens und dem Inkrafttreten von Unionsrecht in Liechtenstein kann das Fürstentum die Freiheiten des europäischen Binnenmarktes nutzen.465 Vor allem Liechtenstein als Industriestandort hat von dem Abkommen profitiert, da der Zugang zum Binnenmarkt der EU lebensnotwendig für den Mikrostaat ist.466 Aufgrund der Kleinheit des Landes hat es kaum einen eigenen Binnenmarkt und auch der gemeinsame Wirtschaftsraum mit der Schweiz ist schon zu klein. Gleiches gilt für den Finanzdienstleistungsbereich, der ebenfalls auf einen größeren Markt angewiesen ist.467 Innerhalb des EWR arbeitet man auch im Bereich der EU-Programme zusammen, d.h. Liechtenstein kann sich voll an den Erziehungsprogrammen sowie in der Forschung und Entwicklung in vielen anderen Bereichen beteiligen. Darüber hinaus ist der politische Dialog stark ausgebaut.468 Prinz Nikolaus stellt bezüglich des EWR-Beitritts dar, dass eine Integrationsform gewählt wurde, die einerseits für den Mikrostaat günstig sei und andererseits auch die EU nicht zu sehr belaste. Man könne sogar sagen, 462
Auskunft einer liechtensteinischen Quelle 2009. Vgl. BuA 17/2010, S. 61; Walch 2004, S. 210. 464 Vgl. Duursma 1996, S. 188. 465 Vgl. Grard 2002, S. 94. 466 Vgl. Reiterer 2008, S. 1. 467 Auskunft einer liechtensteinischen Quelle 2009. 468 Vgl. Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004a, S. 16; Duursma 1996, S. 188 f.; Gstöhl 2001, S. 118. 463
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dass die EU wirtschaftlich gesehen gewonnen habe, da die Handelsströme, besonders in der Export- und Dienstleistungswirtschaft aus der EU in die EWR-Staaten erheblich gestiegen sind. Doch auch die EWR-Staaten würden profitieren, die kleineren Staaten proportional mehr. Zum einen sei ein kleiner Staat zwar abhängiger, doch durch die Integration sowie von den Möglichkeiten der Zusammenarbeit und des „Outsourcings“ profitiere der kleine Staat mehr.469 In dem Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag zur 15-jährigen Mitgliedschaft Liechtensteins im EWR vom 23. März 2010 zieht die Regierung eine positive Gesamtbilanz.470 Dies wird durch diverse Stellungnahmen verschiedener Wirtschafts- und Interessenverbände bestätigt. Die im Großen und Ganzen positive wirtschaftliche Entwicklung seit 1995 lege die Schlussfolgerung nahe, dass es gelungen sei, mit der EWR-Mitgliedschaft die guten Rahmenbedingungen zu erhalten bzw. sogar auszubauen. Am wichtigsten dabei sei der ungehinderte Zugang zum EU-weiten Binnenmarkt für Waren und Dienstleistungen. Weiterhin positiv zu beurteilen sei auch die mit dem EWR-Beitritt einhergehende Diversifizierung und Internationalisierung im Dienstleistungsbereich. Dabei konnten die guten Beziehungen zur Schweiz erhalten bleiben und weiterentwickelt werden. Ebenso konnte die Wettbewerbsfähigkeit Liechtensteins bewahrt werden.471 Besonders positiv ist außerdem zu bewerten, dass es dem Fürstentum gelungen ist, Liechtenstein-spezifische Lösungen zu verhandeln und zu erhalten, speziell im Bereich des freien Personenverkehrs.472 Die Regierung stellt fest, dass die vor dem EWR-Beitritt vorhandenen Befürchtungen sich nicht bewahrheitet haben und die meisten der erhofften Entwicklungen eingetreten sind. Weiterhin biete die EWR-Mitgliedschaft neue Geschäftsmöglichkeiten, wie z. B. Versicherungen, Anlagefonds, Telekommunikation, Zertifizierung und eröffne neue Märkte.473 Außerdem sei der EWR nicht nur ein Wirtschaftsvertrag sondern er habe Entwicklungen in weiteren Bereichen, wie Konsumenten- und Arbeitnehmerschutz, bei der Gleichstellung von Mann und Frau, Bildung und Jugend und in anderen gesellschaftlichen Bereichen verschiedene positive Veränderungen ausgelöst.474 Den Bericht abschließend hält die Regierung fest, dass der Integrationsstatus Liechtensteins derzeit als angemessen und als beste Startposition für ein 469 470 471 472 473 474
Vgl. Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004a, S. 16. BuA 17/2010, S. 7. BuA 17/2010, S. 7. BuA 17/2010, S. 7 f. BuA 17/2010, S. 8. BuA 17/2010, S. 9 f.
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allenfalls notwendig werdendes anderes Integrationsszenario bewertet wird. Die Regierung beobachtete die Entwicklungen sehr genau, um zum richtigen Zeitpunkt die geeigneten Weichenstellungen vornehmen zu können.475 Diese Bemerkungen der Regierung machen deutlich, dass Liechtenstein theoretische eine weitere, möglicherweise tiefere Integrationsform in die EU zukünftig in Erwägung zieht, in Abhängigkeit von der sich entwickelnden Dynamik im EWR, der EU, der EFTA und den Partnerländern.476 Ungeachtet der positiven Bilanz sind die Regelungen durch Liechtensteins Mitgliedschaft in zwei Wirtschaftsräumen sehr kompliziert und unübersichtlich geworden. Es ist zweifelhaft, ob das EWR-Abkommen mit Liechtenstein, zumindest aus Sicht der EU, wirtschaftlich überhaupt Sinn ergibt. Politisch ist das Abkommen in der Weise zu rechtfertigen, dass deutlich gemacht wird, dass die EU kleineren Partnern eine Chance gibt, gleichberechtigte Beziehungen zu ihr aufzubauen.477 Es wird deutlich, dass die EU, vor allem durch das Ermöglichen von Sonderregelungen extrem großzügig gegenüber dem Fürstentum war und daher die Teilnahme am EWR für Liechtenstein die optimale Teilhabe an der europäischen Integration darstellt, vor allem für die eigene Industrie. Es wäre theoretisch denkbar, dass man dieses Modell langfristig auch auf Andorra und San Marino anwendet.478 Letztendlich haben alle beteiligten Parteien sichergestellt, dass Liechtensteins enge Beziehungen zur Schweiz aufrechterhalten wurden, und sich das Fürstentum trotzdem Europa annäherte.479 Liechtenstein hat mit dem Beitritt zum EWR eine für sich akzeptable Lösung der Europafrage gefunden. Rechtlich gesehen, ist Liechtenstein der Mikrostaat, der am stärksten in die EU integriert ist.480 Botschafter Reiterer bezeichnet den EWR „das für das Land und die Union erfolgreiche Modell“ und vermutet, dass dieses „im Prinzip wohl bestehen bleiben [wird]“.481
475
BuA 17/2010, S. 10. Vgl. BuA 17/2010, S. 10. 477 Vgl. Sack 1997, S. 47. 478 Vgl. Sack 1997, S. 48. 479 Vgl. Stapper 1999, S. 88. 480 Vgl. Grard 2002, S. 94. 481 Delegation der Europäischen Kommission für die Schweiz und für das Fürstentum Liechtenstein 2009b. 476
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E. Das Fürstentum Liechtenstein und seine Integration in die EU
c) Das Abkommen im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen Liechtenstein hat – wie alle anderen europäischen Mikrostaaten außer dem Vatikan – am 7. Dezember 2004 ein Abkommen mit der EG über Regelungen, die denen der Richtlinie 2003/48/EG des Rates im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen gleichwertig sind und eine gemeinsame Absichtserklärung482 abgeschlossen, das am 1. Juli 2005 in Kraft trat.483 Das Abkommen soll verhindern, dass Liechtenstein zur Umgehung der Steuerpflicht auf Kapitalerträge in der EU benutzt wird. Dennoch stand Liechtenstein noch nach Abschluss des Abkommens auf der OECD-Liste der unkooperativen Steuerparadiese.484 Erst im Mai 2009 wurden schließlich die drei auf der OECD-Liste der unkooperativen Steuerparadiese verblieben Staaten Andorra, Liechtenstein und Monaco aufgrund ihrer jeweiligen Anpassungsmaßnahmen von der Liste gestrichen.485 Inhaltlich entspricht das Abkommen den Abkommen über die Besteuerung von Zinserträgen mit den anderen Mikrostaaten,486 d.h. es wird festgelegt, dass Zinsen, die in Liechtenstein an wirtschaftliche Eigentümer gezahlt werden, die in einem Mitgliedstaat der EU ansässige natürliche Personen sind, einer Quellensteuer unterliegen, die von den im Gebiet des Fürstentums ansässigen Zahlstellen einbehalten wird (Art. 1). In der Absichtserklärung zum Abkommen wird bestätigt, dass die EG in Verbindung mit anderen wichtigen Finanzzentren treten wird, um die Anwendung von Rechtssprechung, welche zu der der EG äquivalent ist, zu fördern. Außerdem verpflichten sich die Parteien, dass sie das Abkommen in gutem Glauben anwenden und nicht einseitig handeln werden. Weiterhin soll der Austausch an Informationen bezüglich des Abkommens sichergestellt werden. Im Jahr 2009 hat die Europäische Kommission vorgeschlagen, die Zinsbesteuerungsrichtlinie neu zu verhandeln, um bestehende Schlupflöcher zu schließen, was folglich wahrscheinlich zu einer Neuverhandlung der Abkommen mit den Mikrostaaten in diesem Bereich führen wird.487
482 ABl. L 379 vom 24.12.2004, S. 84–104; EP: ABl. E 201 vom 18.08.2005, S. 63; Rat: ABl. L 112 vom 03.05.2005, S. 12 f. 483 ABl. C 137 vom 04.06.2005, S. 1. 484 Vgl. Delegation der Europäischen Kommission für die Schweiz und für das Fürstentum Liechtenstein 2009a; Dózsa 2008, S. 100. 485 Vgl. OECD 2009. 486 sh. Punkt I. IV. 4. 487 Vgl. Reiterer 2009, S. 2.
II. Die Integration Liechtensteins in die Europäische Union
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d) Weitere Zusammenarbeit und neueste Entwicklungen Liechtenstein hat 1994 eine Mission bei der EU eingerichtet.488 Ebenso existiert seit 2007 eine Delegation der Europäischen Kommission bzw. der Union für die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein. Seit 1991 besteht ein Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und Liechtenstein über die Zusammenarbeit im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung im Rahmen des ERASMUS-Programms.489 Darin wird eine Zusammenarbeit im Bereich der hochschulübergreifenden Kooperation und Mobilität im Rahmen der Durchführung von ERASMUS vereinbart (Art. 1). Liechtenstein bemüht sich stets, die im Rahmen des EWR und der von diesem Abkommen abgedeckten Bereiche ein guter Partner der EU zu sein. Das Fürstentum hat bisher eine sehr hohe Umsetzungsquote erreicht, und das trotz nur beschränkter Ressourcen. Liechtenstein nimmt seine europäischen Verpflichtungen ernst und hält sie ein.490 Weiterhin hat Liechtenstein sein Stiftungsrecht reformiert und ist damit im Finanzbereich auf die EU zugekommen, auch eine weitere Zusammenarbeit mit der OECD in diesem Bereich ist geplant.491 Von Seiten der EU wird die Anpassung des Zollkodex angegangen.492 Im Laufe der Weiterentwicklung des EWR nimmt Liechtenstein auch am politischen Dialog mit der EU teil. Zu verschiedenen außenpolitischen Themen finden gemeinsame Sitzungen auf politischer und Beamtenebene statt. Weiterhin assoziiert sich Liechtenstein regelmäßig zu Deklarationen und Stellungnahmen der EU.493 Aber auch für weitere Politikbereiche, wie die Sicherheitspolitik oder die Nachbarschaftspolitik, ist die EU für Liechtenstein wesentlich, da z. B. deren Politik im Balkan auf Grund der relativen Nähe direkten Einfluss auf Liechtenstein haben kann, Liechtenstein aber zu klein ist, selber eine entsprechende Politik zu betreiben.494 In der Nachbarschaftspolitik wird seitens der Union des Öfteren mit allen EWR-/EFTA-Staaten Rücksprache gehalten, weil sie in entsprechenden Bereichen besondere Erfahrungen haben oder insofern als auch schon angedacht wurde, den EWR als Modell für die 488 Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Stabstelle für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit 2009c. 489 ABl. L 332 vom 03.12.1991, S. 62–70. 490 Vgl. Hasler 2008, S. 2. 491 Vgl. Reiterer 2008, S. 2. 492 Vgl. Reiterer 2008, S. 2. 493 Vgl. Walch 2004, S. 203. 494 Auskunft einer liechtensteinischen Quelle 2009.
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E. Das Fürstentum Liechtenstein und seine Integration in die EU
Weiterentwicklung der Nachbarschaftspolitik z. B. für andere Kleinststaaten zu verwenden.495 Im Februar 2008 wurden die Protokolle zum Schengen- bzw. Dublin-Abkommen mit der Schweiz unterzeichnet, woraufhin der Ratifizierungsprozess folgte, der bisher nur in Liechtenstein, nicht aber in allen Mitgliedstaaten der EU abgeschlossen wurde.496 Der Beitritt Liechtensteins wird im Jahr 2010 erwartet. Weiterhin laufen seit 2006 die Verhandlungen zum Abschluss eines Abkommens zur Betrugsbekämpfung, die vor allem Liechtenstein vor beträchtliche Herausforderungen gestellt haben.497 Das Abkommen lehnt sich an das Betrugsbekämpfungsabkommen mit der Schweiz an, ist jedoch anders als dieses, auch auf direkte Steuern anwendbar.498 Botschafter Reiterer merkt in seiner Grußrede aus Anlass des Europatages 2009 an, dass der Umfang des angestrebten Abkommens zur Betrugsbekämpfung entsprechend den Wünschen der EU-Mitgliedstaaten ausgedehnt werden soll, wobei dabei auch das vom Fürstentum mit den USA vereinbarte Abkommen eine wichtige Rolle spielt. Zwar sei das Abkommen noch nicht ganz ausverhandelt, doch es gelte bereits jetzt als „benchmark“ oder „best practice“ für andere Abkommen.499 Die Verhandlungen zum Betrugsbekämpfungsabkommen wurden am 27. Juni 2008 abgeschlossen. Hintergrund ist, dass im Zusammenhang mit den Verhandlungen zur Aufnahme Liechtensteins in den Schengen-Raum deutlich wurde, dass weitere Regelungen in diesem Bereich notwendig wurden. Der Entwurf beinhaltet als grundlegendes Ziel, den Beitritt Liechtensteins zum Schengen-Gebiet durch EU-Bestimmungen im Bereich Amts- und Rechtshilfe zu ergänzen im Hinblick auf illegale Aktivitäten in Verbindung mit dem Waren- und Dienstleistungsverkehr, die im Moment weder durch den EWR noch durch den Schengen-Acquis abgedeckt werden. Damit soll die vollkommene Unterstützung im Kampf gegen Betrug und andere betrügerische Handlungen, einschließlich Zöllen und indirekten Steuern, garantiert werden. Außerdem ist es Ziel des Abkommens, die Amts- und Rechtshilfe im Bereich des Betrugs mit direkten Steuerabgaben mit Liechtenstein 495
Auskunft einer liechtensteinischen Quelle 2010. Genauer sh. Punkt E. II. 1. b) cc); vgl. Hasler 2008, S. 1; Reiterer 2008, S. 1; Tschütscher 2009, S. 4. 497 KOM (2008) 839; KOM (2009) 644 endgültig; KOM (2009) 648 endgültig/3; vgl. Delegation der Europäischen Kommission für die Schweiz und für das Fürstentum Liechtenstein 2009b; Hasler 2008, S. 2; Reiterer 2008, S. 2; Marxer/Pállinger 2009, S. 924; Tschütscher 2009, S. 4. 498 Delegation der Europäischen Kommission für die Schweiz und für das Fürstentum Liechtenstein 2009a. 499 Vgl. Reiterer 2009b, S. 2. 496
II. Die Integration Liechtensteins in die Europäische Union
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zu sichern, die über das Abkommen im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen hinausgehen. In dieser Hinsicht ist dieses Abkommen innovativ, da es das erste auf europäischen Level verhandelte Abkommen ist, dass alle Steuerformen betrifft.500 Im Jahr 2009 wurden die Verhandlungen erneut aufgenommen und der Geltungsbereich des geplanten Abkommens erweitert. Es soll eine Vorbildwirkung auf zukünftige Abkommen der EU mit Drittstaaten in diesem Bereich haben.501 Das Abkommen geht demnach weiter, als jeder andere steuerrechtlicher Vertrag, den ein Staat mit der EU abgeschlossen hat.502 Das Abkommen liegt eigentlich zur Unterschrift bereit, und wurde von der Kommission den Mitgliedstaaten zur Unterzeichung vorgelegt. Es wird jedoch derzeit durch einige EU-Mitgliedstaaten aus Gründen der EU-internen Steuerdiskussion blockiert, da es einigen Mitgliedstaaten selbst zu weit geht.503 Weitere aktuelle Vorgänge und Verhandlungen betreffen die vermutlich anstehende Neuverhandlung bzw. Ausweitung der Zinsbesteuerungsrichtlinie und dem daraus hervorgehenden Abkommen sowie außerdem bilaterale Doppelbesteuerungsabkommen zwischen den EU-Mitgliedstaaten und Liechtenstein, so genannte Tax Information Exchange Agreements (TIEA).504 Außerdem befinden sich die Verhandlungen über weitere Kohäsionszahlungen der drei EWR-/EFTA-Staaten in der Abschlussphase.505 Zusätzlich schließt sich Liechtenstein auf internationaler Ebene sämtlichen Positionen der EU an, z. B. in der UNO oder der OSZE, da es die europäische Sicht der Dinge und die Wertvorstellungen ebenso vertritt.506 Weitere schon aktuell diskutierte und noch wichtiger werdende Themen sind Umwelt, Energie und Sicherheit. Auch aus der Sicht Liechtensteins muss man bei diesen Themen europäisch denken, weshalb das Fürstentum in diesen Bereichen auf europäische Lösungen hinarbeiten möchte.507
500
KOM (2008) 839, S. 2 ff. KOM (2009) 644 endgültig; KOM (2009) 648 endgültig/3. 502 Auskunft einer liechtensteinischen Quelle 2009, 2010. 503 Auskunft einer liechtensteinischen Quelle 2009, 2010. 504 Vgl. Tschütscher 2009, S. 4. 505 In Art. 115 ff. (und Protokoll 38 bzw. 38a) des EWR-Abkommens finden sich die Bestimmungen über den Finanzmechanismus; Auskunft liechtensteinischer Quellen 2009, 2010. 506 Auskunft einer liechtensteinischen Quelle 2010. 507 Auskunft einer liechtensteinischen Quelle 2010. 501
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E. Das Fürstentum Liechtenstein und seine Integration in die EU
3. Europäischer Integrationswille Liechtensteins und Zukunftsausblick Alle EFTA-Staaten, mit den Ausnahmen Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz sind heute EU-Mitglieder. Liechtenstein könnte theoretisch, genau wie alle anderen EFTA-Staaten, der EU beitreten. Doch dies ist in absehbarer Zeit eher unwahrscheinlich, genau wie für alle anderen EFTA-Staaten. Die Mitgliedschaft Liechtensteins im EWR stellt für diesen Mikrostaat derzeit die maximale Annäherung an die EU dar. Die Position Liechtensteins zur europäischen Integration bzw. zu einem EU-Beitritt unterlag in den letzten Jahrzehnten einem stetigen Wandel, der im Folgenden dargestellt werden soll. Im Jahr 1988 erarbeitete Fürst Hans Adam II. einen „Entwurf zu einer europäischen Verfassung“. Der Entwurf hat einen Umfang von 14 Artikeln und ist im Austausch mit Ferdinand Graf Kinsky, Professor an der Universität Nizza und Schwager des Fürsten, entstanden. Hans Adam formuliert in diesem Zusammenhang überspitzt bezüglich der EG, dass diese ein bürokratisches Monster sei, von einer Oligarchie beherrscht und unfähig, die echten Probleme Europas zu lösen.508 Auf dem zweiten Symposium des Liechtenstein-Instituts im Jahr 1991 beschreibt Prinz Nikolaus von Liechtenstein die äußeren Umstände, die einen Wendepunkt in der Entwicklung Liechtensteins andeuten.509 Dazu gehörten die Relativierung einiger der bisherigen Standortvorteile des Fürstentums durch die Harmonisierung mit internationalen Normen, das Umdenken in der Politik seiner Nachbarstaaten (Frage der EG-Mitgliedschaft) sowie die entscheidenden Umwälzungen in ganz Europa. Zu diesem Zeitpunkt hielt sich der Prinz sehr zurückhaltend bei der Zuweisung eines Platzes des Fürstentums in diesem neuen Europa.510 Dennoch sei er sich bewusst, dass supranationale Zusammenschlüsse und die EG sowie die Beziehungen Liechtensteins zu diesen von großer Bedeutung für das Fürstentum seien. Dabei soll vor allem, wenn möglich, mit der Schweiz als Partner und auch mit dem Nachbarn Österreich zusammengearbeitet werden. Prinz Nikolaus ist der Meinung, dass Liechtenstein versuchen solle, die europäische Integration mit seinen Möglichkeiten mitzugestalten. Die Gestaltungen der Beziehungen zur EG hänge auch besonders von den Beziehungen der Nachbarstaaten zur EG ab, da sich Liechtenstein, wenn überhaupt, nur in verein508 Vgl. Waschkuhn 1994, S. 104 f., dort mehr zum Entwurf des Fürsten zu einer europäischen Verfassung. 509 Vgl. Prinz Nikolaus von Liechtenstein 1993, S. 318 f. 510 Prinz Nikolaus von Liechtenstein 1993, S. 318 f.; vgl. Kellenberger 1996, S. 300; Waschkuhn 1994, S. 64.
II. Die Integration Liechtensteins in die Europäische Union
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zelten Bereichen einen Alleingang leisten kann. Prinz Nikolaus ist sich bewusst, dass die Mitgliedschaft im EWR ein deutlich höheres politisches und wirtschaftliches Integrationsniveau aufweist als die EFTA.511 Bis Mitte 1992 hatte Fürst Hans-Adam II. des Öfteren in Interviews und öffentlichen Reden eine EG-Vollmitgliedschaft des Fürstentums ausgeschlossen, doch dann kam es zu einer konzeptionellen Wende. Nachdem der Fürst erfahren hatte, dass die liechtensteinische Regierung den Termin zur Volksabstimmung über das EWR-Abkommen Ende 1992, nach den Abstimmungen in der Schweiz festsetzten wollte, erklärte er im Liechtensteiner Volksblatt vom 8. Juli 1992,512 dass er unter diesen Voraussetzungen der liechtensteinischen Regierung den Auftrag geben werde, möglichst schnell ein EG-Beitrittsgesuch einzureichen. Er befürchtete, weder von der EG noch den EFTA-Partnern ernst genommen zu werden, wenn man nicht ernsthaft verhandele. Dabei läge die Kompetenz für den EG-Antrag sowieso beim Fürsten, da dieser gemäß Verfassung die Hauptverantwortung der Außenpolitik trägt.513 Trotzdem sah der Fürst grundsätzlich die bessere Lösung darin, wenn sich Liechtenstein klar für das EWR-Abkommen aussprechen und auf EGBeitrittsverhandlungen verzichten würde. Der Fürst war der Meinung, dass man daher möglichst bald über das EWR-Abkommen abstimmen müsse, damit Liechtenstein noch rechtzeitig auf den EG-Beitrittszug aufspringen könnte, falls die Volksabstimmung über den EWR-Vertrag negativ ausginge.514 Da jedoch Landtag und Regierung weiterhin auf einem Abstimmungstermin nach der Schweiz bestanden, kam es im Oktober 1992 zu einer Staats- und Institutionenkrise in Liechtenstein.515 Schließlich stimmte am 16. September 1992 der liechtensteinische Landtag mit 19:5 Stimmen dem EWR-Abkommen vom 2. Mai 1992 zu und war sich darin einig, dass Liechtenstein nach der Schweiz über einen EWR-Beitritt abstimmen soll. Fürst Hans-Adam II. forderte die Regierung daraufhin zum Rücktritt auf, jedoch widerstanden die Regierung und der Landtag diesem Begehren, was zu der Staatskrise führte.516 Letztendlich konnte man sich doch auf einen Kompromiss einigen, der in einer gemeinsamen Erklä511 Prinz Nikolaus von Liechtenstein 1993, S. 318 f.; vgl. Waschkuhn 1994, S. 65 f. 512 Liechtensteiner Volksblatt vom 08.07.1992, S. 3; zitiert in Waschkuhn 1994, S. 109 f. 513 Vgl. Waschkuhn 1994, S. 109 f. 514 Liechtensteiner Volksblatt vom 08.07.1992, S. 3; zitiert in Waschkuhn 1994, S. 110. 515 Vgl. Waschkuhn 1994, S. 110. 516 Vgl. Waschkuhn 1994, S. 110 f.
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E. Das Fürstentum Liechtenstein und seine Integration in die EU
rung von Fürst, Landtag und Regierung Ausdruck fand. Man einigte sich darauf, dass die Volksabstimmung zum Beitritt zum EWR-Abkommen am 11. und 13. Dezember 1992, nach der Abstimmung der Schweiz, stattfinden sollte. Dabei habe der Beitritt zum EWR-Abkommen selbständige Bedeutung für das Fürstentum, unabhängig vom Abstimmungsergebnis der Schweiz. Die Institutionen sprachen sich einheitlich für den Beitritt zum EWR-Abkommen aus. Im Fall, dass die Bevölkerung den Beitritt zum EWR-Abkommen ablehne, sollte zusammen mit der Schweiz die EG-Beitrittvariante geklärt werden, um nicht in die Isolation zu geraten.517 Die Schweiz hatte zu diesem Zeitpunkt schon einen Antrag auf EG-Mitgliedschaft gestellt. Doch die beste Lösung für Liechtenstein sah Hans-Adam II. dennoch im EWR-Beitritt.518 Im Jahr 2004 äußerte sich Fürst Hans-Adam II. in seiner letzten Thronrede kritisch zu den Entwicklungen in der EU, vor allem, da mit jeder Erweiterung der EU die Schwierigkeiten der politischen Integration wahrscheinlich steigen werden. Weiterhin legte er dar, dass, selbst wenn die Schweiz Mitglied der EU werden sollte, es für Liechtenstein am sinnvollsten wäre, zunächst die weiteren Entwicklungen abzuwarten und zu beobachten. Aus seiner Sicht würde zu dem Zeitpunkt eine EU-Mitgliedschaft des Mikrostaates sowohl den Wohlstand als auch das Selbstbestimmungsrecht der liechtensteinischen Bevölkerung verringern.519 Der Regierungschef Liechtensteins Otmar Hasler äußerte im Mai 2008 anlässlich des Europatages in Vaduz, dass sich das Fürstentum zur Zusammenarbeit mit der EU bekenne und es bereit sei, die notwendigen Schritte zu einer weiteren und vertieften Zusammenarbeit zu gehen. Weiterhin legte er dar, dass Liechtenstein mit dem Beitritt zum EWR Rechte und Pflichten übernommen habe, wobei es hoffe, dass das Geben und Nehmen im beiderseitigen Interesse liegt und die Voraussetzungen des Mikrostaates berücksichtigt werden. Das Fürstentum sei bereit, sich an europäische Standards zu halten und man gehe davon aus, dass von ihnen nicht mehr verlangt werde, also von anderen.520 Der Botschafter der Delegation der Europäischen Kommission für die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein Dr. Michael Reiterer stellt bei seiner Grußrede zum Europatag 2008 in Vaduz fest, dass die Offenheit Liechtensteins, u. a. der Gesellschaft, des Wirtschaftssystems, der Grenzen, für Wettbewerb und auch für Steuerwettbewerb in den letzten Monaten zu 517 Liechtensteiner Vaterland und Liechtensteiner Volksblatt vom 29.10.1992, S. 1, zitiert in Waschkuhn 1994, S. 112. 518 Vgl. Waschkuhn 1994, S. 115. 519 Vgl. Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein 2004, S. 2. 520 Vgl. Hasler 2008, S. 1.
II. Die Integration Liechtensteins in die Europäische Union
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teils heftigen Diskussionen geführt und unterschwellig eine Partnerschaft in Frage gestellt haben. In dem Zusammenhang ist er der Meinung, dass die Lösung von Konflikten auf der Basis gemeinsamer Werte und Interessen und durch Respekt des Rechts im Allgemeinen und des Rechts des anderen möglich sei.521 Auch in 2010 bezeichnet Liechtenstein seine EWR-Mitgliedschaft als „größenverträglichste“ Form der europäischen Integration des Fürstentums. Dessen ungeachtet wird ein EU-Beitritt Liechtensteins zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr kategorisch ausgeschlossen. Es ist eine mögliche Option, wobei auch andere Szenarien denkbar wären.522 Aus Liechtensteiner Sicht unternimmt man mit Blick auf die europäische Integration mehr als die anderen europäischen Mikrostaaten. Viel mehr könnte man ohne einen EU-Beitritt kaum machen. Ebenso sei man, wenn man all die Bereiche der Zusammenarbeit betrachtet, d.h. den EWR und die damit im Zusammenhang übernommenen Rechtsakte sowie die bilateralen Verträge die schon abgeschlossen bzw. die jetzt im Endstadium sind (Assoziation zum Schengen-Abkommen, Betrugsbekämpfungsabkommen), in allen Politikfeldern in irgendeiner Weise in die EU integriert und leiste auch einen hohen finanziellen Beitrag. Praktisch sei man nur bei der GASP und im steuerrechtlichen Bereich nicht einbezogen, ebenso sei der EuGH nicht für Liechtenstein bindend, doch sonst fehle nur noch wenig, um das Integrationsniveau eines EU-Staates zu erreichen.523 Die Liechtensteinische Regierung glaubt, dass die Kleinheit des Landes kein Grund für eine Nicht-Aufnahme des Fürstentums in die EU ist. Allerdings könnte es aufgrund der verhältnismäßig geringen Personaldecke Probleme bezüglich der Besetzung der EU-Institutionen geben und man erwartet eine starke zusätzliche bürokratische Belastung. Aus der Sicht Liechtensteins würde eine EU-Mitgliedschaft außerdem finanzielle Nachteile mit sich bringen, da man erwartet, dass Liechtenstein ein Netto-Zahler sein würde.524 Liechtenstein sieht sich in einer ähnlichen Situation wie Norwegen, in der Hinsicht, dass die nationale Situation einen EU-Beitritt wirtschaftlich nicht unbedingt attraktiver macht. Daraus ergibt sich für Liechtenstein, dass man mit dem bestehenden Integrationsgrad, den der EWR bietet, zufrieden ist, solange man den Eindruck hat, dass eine Vollmitgliedschaft hauptsächlich nur Kosten verursacht. Erst wenn es absehbarer wäre, dass ein EU-Beitritt ein Schritt ist, bei dem sich die Vor- und Nachteile die 521
Vgl. Reiterer 2008, S. 2. Auskunft einer liechtensteinischen Quelle 2010. 523 Auskunft einer liechtensteinischen Quelle 2010. 524 BuA 92/1992, S. 5, 13, 15; Auskunft einer liechtensteinischen Quelle 2010; vgl. Duursma 1996, S. 191. 522
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E. Das Fürstentum Liechtenstein und seine Integration in die EU
Balance halten, würden Diskussionen um eine Vollmitgliedschaft möglicherweise konkreter.525 Liechtenstein muss außerdem sicher gehen können, dass keine EU-Vorschrift es dazu zwingen wird, sein moderates Steuersystem abzuschaffen.526 Eine Mitgliedschaft in der EU wird auch aus dem Grund nicht angestrebt, um die Autonomie in verschiedenen Regelungsbereichen zu erhalten, vor allem im Finanzdienstleistungssektor.527 Weiterhin ist es Liechtenstein wichtig, die in seiner Verfassung festgelegten direktdemokratischen Elemente zu bewahren.528 Aus mitgliedstaatlicher Sicht mag die Problematik der gleichgestellten Mitbestimmung ein Problem darstellen. Dies wird aber durch das Inkrafttreten des Lissabonner Vertrags stark gemildert.529 Aufgrund der engen Beziehungen zwischen Liechtenstein und der Schweiz, vor allem durch die Zoll- und Währungsunion, ist für die Positionierung des Fürstentums gegenüber der EU die zukünftige Gestaltung der Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz bedeutsam.530 Allerdings ist, wie dargestellt, Liechtenstein unabhängig von der Schweiz ein Vertragspartner des EWR-Abkommens geworden, so dass man bei einem möglichen EU-Beitritt der Schweiz nicht von einem Automatismus für Liechtenstein sprechen kann. Somit ist die Frage, ob die Schweiz auch EU-Mitglied wird, bei der Diskussion um Liechtensteins Mitgliedschaft zwar nicht absolut irrelevant, aber auch nicht absolut entscheidend. Es müsste jeweils abgewogen werden, ob der Verbleib im Rahmen einer Schweizer Vertragsbeziehung oder die Vertiefung der Integration in die EU für das Fürstentum, unter Einbezug der Befindlichkeiten der Bevölkerung (direkte Demokratie) besser sind. Bei einem alleinigen EU-Beitritt Liechtensteins wiederum müsste die Schweiz bestimmten bilateralen Abkommen zustimmen und die Zollunion zwischen den beiden Ländern müsste wahrscheinlich aufgelöst werden. Somit müsste das Verhältnis zur Schweiz und die wirtschaftliche Verflechtung völlig neu definiert werden. Dies ist derzeit innenpolitisch nicht zu vertreten.531 Trotzdem äußern Autoren die Vermutung, dass Liechtenstein sich an der Schweiz orientiert und nur einen EU-Beitrittsantrag stellt, wenn auch die Schweiz den Wunsch ausdrückt, EU-Mitgliedstaat zu werden.532 525 526 527 528 529 530 531 532
Auskunft einer liechtensteinischen Quelle 2010. Vgl. Duursma 1996, S. 191. Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 924. Auskunft einer liechtensteinischen Quelle, 2010. Auskunft einer liechtensteinischen Quelle 2009. Vgl. Walch 2004, S. 203; Grard 2002, S. 92. Auskunft einer liechtensteinischen Quelle 2010. Vgl. Grard 2002, S. 92.
II. Die Integration Liechtensteins in die Europäische Union
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Ein weiteres denkbares Szenario wäre, dass Island und Norwegen der EU beitreten würden. Dann würde Liechtenstein vor der Frage stehen, ob man versucht, den EWR-Integrationsgrad über bilaterale Verträge zu erreichen oder welche Alternative es gäbe.533 Liechtenstein hat im 20. Jahrhundert und im Laufe der europäischen Integration versucht, die neuen Formen der Integration zu nutzen. Wichtig dabei war die Suche nach Gleichgewicht zwischen einer größenverträglichen Integration bei einer gleichzeitigen Wahrung einer möglichst großen Eigenständigkeit.534 Man sieht die europäische Integration als Chance und hat sich ihr angeschlossen, aber nur in einem bestimmten Maße.535 Bisher hat Liechtenstein im Vergleich zu den anderen hier betrachteten Mikrostaaten schon ein sehr weit gehendes europäisches Integrationsniveau erreicht.536 Auch der Botschafter der Delegation der Europäischen Kommission für die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein Dr. Michael Reiterer spricht bei seiner Grußrede zum Europatag 2008 in Vaduz davon, dass „Liechtenstein [de facto und de lege] auf das engste mit der Union verknüpft“ ist.537 Derzeit wäre allerdings unter den gegebenen Bedingungen eine Vollmitgliedschaft des Fürstentums in der EU kaum „größenverträglich“ bzw. die EU noch nicht „mikrostaatentauglich“.538 Lange stand Liechtenstein der Annäherung an bzw. der Integration in die EU eher zögerlich bis skeptisch gegenüber. Es beschreitet den Weg Richtung Europa aber doch ein Stück, um nicht ausgegrenzt zu werden. Zwar trat das Land 1991 der EFTA und 1995 dem EWR bei, doch ein Beitritt zur EU war für den Fürsten lange Zeit undenkbar. Daher sieht Liechtenstein die Mitgliedschaft im EWR einerseits als eine Anbindung an Europa, da es somit als vollwertiges Mitglied am europäischen Binnenmarkt teilnehmen kann, aber andererseits auch als bestmöglichste und „größenverträglichste“ Form der Integration.539 In dem Bericht der Regierung zur 15-jährigen EWR-Mitgliedschaft540 stellt diese dar, dass sie verschiedene zukünftige Optionen der Beziehungen zur EU erwägt. Sie plane „zum jetzigen Zeitpunkt den bisherigen Weg umfassender aber selektiver Integrationsschritte weiterzugehen“. Die Regierung 533
Auskunft einer liechtensteinischen Quelle 2010. Vgl. Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004a, S. 14. 535 Vgl. Prinz Nikolaus von Liechtenstein 2004a, S. 15. 536 Vgl. Gstöhl 2001, S. 118. 537 Vgl. Reiterer 2008, S. 1. 538 Vgl. Gstöhl 2001, S. 118. 539 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 769; Kellenberger 1996, S. 350; Auskunft von liechtensteinischen Quellen 2009, 2010. 540 BuA 17/2010. 534
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E. Das Fürstentum Liechtenstein und seine Integration in die EU
stellt fest, „dass mit dem EWR und Schengen Liechtenstein bereits den größten Teil des EU-Rechtsbestandes übernommen hat und über weitere Verträge und einen gut funktionierenden politischen Dialog zusätzliche Formen der Zusammenarbeit hat. Markante Ausweitungen der Integration müssten wohl eine Teilnahme an der Zollunion oder die Euro-Übernahme bedeuten. Entsprechende Absichten hat die Regierung nicht. Ausweitungen der Kooperation sind eher im Rahmen und im Umfeld des Binnenmarktes und damit des EWR zu erwarten, sowie im Bereich der Justiz und Inneren Sicherheit im Umfeld der Schengen-Assoziation.“541 Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Beziehungen des Fürstentums Liechtenstein zur EU immer enger geworden sind und vermutlich auch noch enger werden. Eine zukünftige EU-Mitgliedschaft ist nicht absolut auszuschließen. 4. Zusammenfassung Liechtenstein ist gegenüber der EU ein Drittstaat und es ist kein Beitrittskandidat. Die EU-Rechtssetzung ist nicht grundsätzlich in dem Fürstentum anwendbar. Allerdings ist Liechtenstein Mitglied im EWR, weshalb es EURecht in diesem Bereich übernimmt. Aufgrund dessen sind die Beziehungen zwischen dem Fürstentum und der EU stark ausgeprägt. Liechtenstein ist der europäische Mikrostaat, der rechtlich am stärksten in die EU integriert ist. Die europäische Integration des Mikrostaates erfolgt sowohl auf indirektem als auch auf direktem Weg. Die indirekte Integration erfolgt vor allem durch Liechtensteins Beziehungen zur Schweiz und dessen Beziehungen zur EU. So existieren das Abkommen zwischen der EG und der Schweiz von 1972 sowie das Abkommen zwischen der EG und der Schweiz über den Handel landwirtschaftlicher Erzeugnisse von 1999, in welche Liechtenstein durch Zusatzprotokolle 1972 bzw. 2007 eingebunden wurde. Des Weiteren ist Liechtenstein durch ein Protokoll, das 2008 unterzeichnet wurde, dem Schengen-/Dublin-Abkommen mit der Schweiz beigetreten. Allerdings ist der Ratifikationsprozess in den EU-Mitgliedstaaten noch nicht abgeschlossen, so dass man damit rechnet, dass das Liechtenstein im Laufe des Jahres 2010 dem Schengen-Raum beitreten wird. Weiterhin erfolgt Liechtensteins Integration in die EU auf indirektem Weg durch die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen, speziell der EFTA. Nachdem Liechtenstein schon nach der Gründung der EFTA über seine Beziehungen zur Schweiz eingebunden war, wurde es 1991 Voll541
BuA 17/2010, S. 21 f.
II. Die Integration Liechtensteins in die Europäische Union
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mitglied. Hauptziel der EFTA ist die Vertiefung der Beziehungen und des Handels mit der EU, so dass auch auf diesem Wege eine europäische Integration des Mikrostaates voranschreitet. Die direkten vertraglichen Beziehungen zwischen Liechtenstein und der EU basieren auf dem EWR-Abkommen, das am 1. Mai 1995 für Liechtenstein in Kraft trat. Durch dieses Abkommen wurde eine bis heute einmalige Beziehung zwischen der EU und einem Mikrostaat geschaffen. Durch die EWR-Mitgliedschaft ist Liechtenstein in den europäischen Binnenmarkt mit seinen vier Grundfreiheiten einbezogen. Eine Besonderheit ist dabei, dass Liechtenstein gleichzeitig Mitglied im EWR ist, aber auch in einer Zollund Währungsunion mit der Schweiz verbunden bleibt. Damit gehört es zwei Wirtschaftsräumen an. Weiterhin trat am 1. Juli 2005 ein Abkommen über die Besteuerung von Zinserträgen zwischen Liechtenstein und der EU in Kraft. Im Jahr 2009 schlug die Kommission vor, dieses neu zu verhandeln. Ebenso wurden seit 2006 Verhandlungen über ein Betrugsbekämpfungsabkommen geführt, welche 2008 abgeschlossen wurden. Allerdings wurde das Abkommen bisher noch nicht unterzeichnet. Aus der Sicht Liechtensteins unterscheidet sich das Fürstentum insofern von den anderen europäischen Mikrostaaten, dass es durch die EWR-Mitgliedschaft wohl die stärkste rechtliche Integration der Mikrostaaten aufweist. Dies hat zum einen historische Gründe, da Liechtenstein z. B. früher damit begonnen hat, internationalen Organisationen beizutreten (Europarat, KSZE/OSZE, WTO, UNO), sogar noch vor der Schweiz. Das europäische bzw. globale Denken hat demnach früher eingesetzt, als in den anderen europäischen Mikrostaaten. Weiterhin spielt die geographische Lage insofern eine Rolle, da die beiden Nachbarstaaten Schweiz und Österreich keine exzessiv dominanten Partner sind, wie dies vielleicht Frankreich im Falle Monacos oder Italien im Falle San Marinos sein mögen. Des Weiteren ist die wirtschaftliche Struktur, etwa verglichen mit Andorra, eher jene eines europäischen Kleinstaats. Ebenso hat die liechtensteinische Wirtschaft schon früh, seit den 1960er Jahren, einen Globalisierungsweg an den Tag gelegt. Daher musste sich die Politik daran anpassen und sich auf internationalem Parkett zeigen, um das Land bekannter zu machen.542 Grundsätzlich erfüllt Liechtenstein die Voraussetzungen, der EU als Vollmitglied beizutreten. Allerdings stellt derzeit die EWR-Mitgliedschaft für das Fürstentums die größenverträglichste Form der europäischen Integration dar. Ein EU-Beitritt war vor allem für den Fürsten lange Zeit undenkbar, wird aber heute nicht mehr vollkommen ausgeschlossen. 542
Auskunft liechtensteinischer Quellen 2009, 2010.
F. Das Fürstentum Monaco und seine Integration in die EU I. Charakteristika des Staates Monaco 1. Staatsgebiet und Bevölkerung
Quelle: CIA World Factbook 2010 [www.cia.gov].
Abbildung 6: Karte Monaco
Das 2,02 km2 große Fürstentum Monaco (Principauté de Monaco),1 nach dem Vatikan zweitkleinster Staat der Welt, mit der Hauptstadt Monte Carlo liegt an der Mittelmeerküste, umgeben von französischem Hoheitsgebiet, östlich von Nizza und in der Nähe der italienischen Grenze.2 Regelmäßig versucht man durch Landgewinnung, das Staatsgebiet zu vergrößern.3 1
Vgl. Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2008, S. 14. Die Angaben zur Größe des Staatsgebietes variieren unter den Quellen (z. B. Angabe des Auswärtigen Amtes 2009e: 1,97 km2). Grund ist hauptsächlich die Landgewinnung Monacos durch Aufschüttung. 2 Vgl. Dózsa 2008, S. 99; Murray 2006, S. 193; Duursma 1996, S. 261; Stapper 1999, S. 25; Waschkuhn 2003, S. 769; Marxer/Pállinger 2009, S. 924.
I. Charakteristika des Staates Monaco
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Im Jahr 2008 fand in Monaco eine Volkszählung statt, bei der 31.109 Einwohner gezählt wurden, allerdings schätzt man die tatsächliche Zahl auf 35.350 Einwohner.4 Dabei sind nur 21,5% davon Monegassen (ca. 7.600 Personen), 28,2% sind Franzosen, 18,6% Italiener und 7,5% Britten.5 Insgesamt leben Menschen aus ca. 125 Nationen in Monaco.6 Die Monegassen bilden somit eine Minderheit im eigenen Land, ihre Zahl steigt jedoch in den letzten Jahren durch die Lockerung der Gesetze zur Annahme der monegassischen Staatsbürgerschaft.7 Monaco hat eine Bevölkerungsdichte von über 16.000 Menschen je km2 und ist damit der dicht besiedeltste Stadtstaat der Welt.8 Die Amtssprache ist Französisch. Der Staat Monaco und die Gemeinde (Commune) von Monaco sind bezogen auf die Einwohner und das Territorium identisch. Monaco besteht aus den Stadtteilen (Quartiers) Monaco Ville, Monte-Carlo, La Condamine sowie Fontvieille.9 Die Gemeinde existiert seit 1215 und ist damit die älteste Institution Monacos. Die Gemeinde ist unter Aufsicht der Regierung vor allem für die Erbringung lokaler Dienstleistungen verantwortlich, während die Regierung für alle Fragen von nationaler Bedeutung zuständig ist. Die Gemeinde besitzt eigene Organe, wie den Bürgermeister, den Gemeinderat (Conseil Communal) mit 15 Mitgliedern sowie weiterhin die Kommunalverwaltung, bestehend aus ca. 500 Personen.10 Seit 1887 ist Monaco Bischofssitz. Ca. 87% der Einwohner sind römischkatholisch, was auch in der Verfassung als Staatsreligion festgehalten ist (Art. 9 Verf.).11 Gleichzeitig wird die Religionsfreiheit garantiert (Art. 23 Verf.). 2. Geschichte Im 5. Jahrhundert vor Christus wurde die Siedlung von Griechen gegründet, die dort einen Tempel zu Ehren des Gottes Herakles erbauten und den sie Herakles Monoikes nannten. Später entwickelte sich aus dem Beinamen 3
Vgl. Ulses 2004, S. 7; Grinda 2006, S. 7. Vgl. Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2008, S. 12. 5 Vgl. Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2008, S. 17. 6 Vgl. Sack 1997, S. 48; Marxer/Pállinger 2009, S. 932. 7 Vgl. Grinda 2006, S. 8. 8 Vgl. Miller 2007, S. 198. 9 Vgl. Auswärtiges Amt 2009e; Ulses 2004, S. 7. 10 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 934 f.; Ulses 2004, S. 11; Grinda 2006, S. 137 ff. 11 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 769; Miller 2007, S. 197; Grinda 2006, S. 127. 4
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des Gottes der Landesname Monaco.12 Monaco stand bis zum Fall des Römischen Reiches im 5. Jahrhundert unter römischer Herrschaft, danach wurde es mehrmals von Invasoren eingenommen.13 Im Jahr 1191 wurde die Küste des heutigen Monaco der Republik von Genua unterstellt. Innerhalb der Republik von Genua entbrannte zum damaligen Zeitpunkt ein Machtkampf zwischen zwei Mächten: den Guelfen und den Ghibellinen.14 Die Guelfen (auch Welfen) waren dem Papst verbunden, die Gruppe der Ghibellinen (auch Waiblinger) waren dem Kaiser treu. Zu den Guelfen gehörte die einflussreiche Familie der Grimaldis.15 Im Jahr 1295 haben die Ghibellinen nach Kämpfen die Macht über Genua erlangt, die Guelfen wurden aus der Stadt ausgeschlossen, unter ihnen auch Mitglieder der Grimaldi-Familie.16 Daraufhin gelang es François Grimaldi (Rainier I.) im Januar 1297, verkleidet als Franziskanermönch, in die Festung von Monaco einzudringen und sie zu erobern.17 Somit erlangte die Grimaldi-Familie Macht über Monaco.18 Zunächst fungierte die Familie Grimaldi nur als Statthalter Genuas, doch ihr gelang es im Laufe der nächsten beiden Jahrhunderte, die Unabhängigkeit ihrer Herrschaft zu erringen.19 Lange Zeit herrschte ein ständiger Kampf zwischen Ghibellinen und Guelfen. Im Jahr 1419 übernahmen die Grimaldis erneut die Macht.20 In einer Charta des französischen Königs Charles VIII. wurde Monaco 1489 als eigenständiger Staat anerkannt, ebenso durch den Herzog von Savoy.21 Diese Anerkennung wurde 1512 durch den französischen König Louis XII. wiederholt.22 Je nach den Machtverhältnissen in Europa schloss Monaco verschiedene Schutzverträge. So bestand 1524 bis 1641 eine Allianz mit dem spanischen König: Um ihr Gebiet vor der Einnahme in den italienischen Kriegen zu 12
Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 924. Vgl. Duursma 1996, S. 262; Stapper 1999, S. 25. 14 Vgl. Duursma 1996, S. 262; Stapper 1999, S. 25; Marxer/Pállinger 2009, S. 924. 15 Vgl. Stapper 1999, S. 26. 16 Vgl. Duursma 1996, S. 262. 17 Vgl. Duursma 1996, S. 262; Stapper 1999, S. 26; Waschkuhn 2003, S. 769; Ulses 2004, S. 10. 18 Vgl. Duursma 1996, S. 262; Waschkuhn 2003, S. 769; Maresceau 2008, S. 292. 19 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 924. 20 Vgl. Stapper 1999, S. 26. 21 Vgl. Auswärtiges Amt 2009e; Stapper 1999, S. 26; Murray 2006, S. 193; Maresceau 2008, S. 292; Ulses 2004, S. 10; Grinda 2006, S. 1, 3. 22 Vgl. Grinda 2006, S. 3. 13
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schützen, schloss der Fürst von Monaco einen Schutzvertrag mit Charles V. ab (Vertrag von Burgos und Erklärung von Tordesillas), der ihn zum Vasallen des Königs von Spanien machte. Daraufhin wurde eine spanische Garnison in Monaco errichtet.23 In den folgenden Jahrhunderten befand sich das Fürstentum wiederholt unter der Schutzherrschaft Frankreichs oder Sardiniens.24 Als das spanische Protektorat zu dominant wurde, schloss der Fürst von Monaco Honoré II. am 14. September 1641 den Vertrag von Péronne mit König Louis XIII. von Frankreich, um eine französische Garnison im Monaco zu errichten, die die spanische ersetzen und den zukünftigen Schutz Monacos vor fremden Angriffen sichern sollte.25 Damit wurde Monaco zu einem französischen Protektorat.26 Dieser Schutz ließ dem Fürsten volle innere Souveränität über seine Gemeinden.27 Im Jahr 1793 wurde Monaco von Frankreich annektiert.28 Unter dem Einfluss der französischen Revolution wurden Monaco, Menton und Roquebrune dem französischen Gebiet angeschlossen.29 Das Fürstentum existierte nicht mehr, man gab ihm den Namen Port-Hercule und integrierte es in das französische Department Alpes-Maritimes.30 Doch nach der Amtsenthebung Napoleons 1814 erlangte der Fürst von Monaco seine Rechte über das Fürstentum zurück, und zwar unter denselben Bedingungen wie sie im Vertrag von Péronne festgeschrieben waren. Der Erste Vertrag von Paris 1814 hob die Degradierung des Fürstentums zum französischen Verwaltungsbezirk wieder auf.31 Nach der zweiten Amtsenthebung Napoleons wurde der Wiener Kongress 1815 vom Königreich Sardinien davon überzeugt, dass die monegassische Küste nicht unter französischen Schutz gestellt werden sollte. Ohne den Fürst von Monaco zu fragen, beschloss der Wiener Kongress, Monaco, Menton und Roquebrune unter den Schutz des Königreiches Sardinien zu 23
Vgl. Duursma 1996, S. 262; Grinda 2006, S. 3; Stapper 1999, S. 26. Vgl. Maresceau 2008, S. 292. 25 Vgl. Grinda 2006, S. 4; Duursma 1996, S. 263; Ulses 2004, S. 10; France Diplomatie 2009. 26 Vgl. Stapper 1999, S. 26. 27 Vgl. Duursma 1996, S. 263. 28 Vgl. Ulses 2004, S. 10; Marxer/Pállinger 2009, S. 924; France Diplomatie 2009. 29 Vgl. Duursma 1996, S. 263; Maresceau 2008, S. 292; Grinda 2006, S. 4. 30 JORF vom 24.07.1920, S. 1300; vgl. Grinda 2006, S. 4. 31 Vgl. Duursma 1996, S. 263; Stapper 1999, S. 26; Maresceau 2008, S. 292; Marxer/Pállinger 2009, S. 924; Ulses 2004, S. 10; Grinda 2006, S. 5. 24
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stellen, unter ähnlichen Bedingungen wie im Vertrag von Péronne.32 So wurden durch den Zweiten Vertrag von Paris 1815 die Regelungen des Vertrags von Péronne wieder gültig, allerdings trat Sardinien an die Stelle von Frankreich und übernahm das Protektorat.33 Im Jahr 1848 erklärten sich Menton und Roquebrune für unabhängig.34 Anschließend wurden in Menton und Roquebrune Volksabstimmungen abgehalten, die sich mit überwältigender Mehrheit für eine Eingliederung in das französische Reich aussprachen.35 Im Anschluss daran führten Verhandlungen mit Frankreich am 2. Februar 1861 zum Abschluss eines Vertrages, kraft dessen der Fürst von Monaco seine Rechte über Menton und Roquebrune für eine Summe von 4 Mio. Francs abgab.36 Zusätzliche Bestimmungen hielten fest, dass der König von Sardinien auf das Protektorat über Monaco verzichtet. Außerdem durfte sich der Fürst von Monaco mit keinem anderen als mit Frankreich verbinden oder irgendein Protektorat von einer anderen Macht als Frankreich akzeptieren.37 Monaco wurde die vollständige Unabhängigkeit und Souveränität garantiert, es verlor jedoch über 80% seines Gebietes.38 Den Verlust des Großteils seines Territoriums, insbesondere der Agrarflächen, glich Monaco durch den Erwerb einer Spielbankkonzession und der Schaffung einer Zollunion mit Frankreich im Jahr 1865 aus.39 Ab diesem Zeitpunkt begann Monaco seine Wirtschaft zu entwickeln und seine finanziellen Ressourcen aufzustocken, vor allem durch die Eröffnung des Casinos 1863 und der Ankurbelung von Luxus-Tourismus.40 Dies wurde dadurch begünstigt, dass 1869 alle direkten Steuern abgeschafft wurden.41 32 Vgl. Duursma 1996, S. 263; Maresceau 2008, S. 292; Ulses 2004, S. 10; France Diplomatie 2009; Grinda 2006, S. 5. 33 Vgl. Grinda 2006, S. 5; Stapper 1999, S. 26; Maresceau 2008, S. 292; Marxer/Pállinger 2009, S. 924. 34 Vgl. Duursma 1996, S. 263; Stapper 1999, S. 26; Marxer/Pállinger 2009, S. 924; Grinda 2006, S. 5. 35 Vgl. Duursma 1996, S. 263; Stapper 1999, S. 26; Marxer/Pállinger 2009, S. 925. 36 JM vom 17.02.1861; vgl. Grinda 2006, S. 6; Gallois, S. 86; Duursma 1996, S. 263; Maresceau 2008, S. 292; Marxer/Pállinger 2009, S. 925; Ulses 2004, S. 10; France Diplomatie 2009. 37 Vgl. Duursma 1996, S. 263; Stapper 1999, S. 26. 38 Vgl. Stapper 1999, S. 26; Ulses 2004, S. 17; Grinda 2006, S. 5. 39 JM vom 10.12.1865; vgl. Stapper 1999, S. 26; Marxer/Pállinger 2009, S. 925; Grinda 2006, S. 5; Maresceau 2008, S. 292; Weitershagen 2000b, S. 17; Ulses 2004, S. 10. 40 Vgl. Duursma 1996, S. 264; Marxer/Pállinger 2009, S. 925; Grinda 2006, S. 5. 41 Vgl. Duursma 1996, S. 264.
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Am 5. Januar 1911 gab sich Monaco unter Albert I. seine erste Verfassung.42 Monaco wurde dadurch zu einer konstitutionellen Monarchie.43 Während des Ersten Weltkrieges erklärte Monaco seine Neutralität.44 Am 17. Juli 1918 wurde unter großem Druck Frankreichs ein endgültiger Vertrag zwischen Frankreich und dem Fürstentum auf Basis von Frankreichs Schutzfreundschaft unterzeichnet.45 Dieser war im 20. Jahrhundert die Grundlage der französisch-monegassischen Beziehung.46 Auch im Zweiten Weltkrieg erklärte Monaco seine Neutralität, wurde aber trotzdem zuerst von Italien und dann von Deutschland bombardiert. Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war geprägt durch steigenden Wohlstand, dem Einfluss von Fremdkapital und ausländischen Bewohnern sowie der Entwicklung des Bau- und Industriesektors.47 Fürst Rainier III. trat 1949 die Regentschaft an.48 Am 17. Dezember 1962 die gegenwärtig gültige Verfassung in Kraft.49 Eine Krise im Jahr 1962, führte zur Kündigung des Staatsvertrages von 1918 durch Frankreich, doch schon 1963 wurde ein neuer Staatsvertrag abgeschlossen, welcher ein Zoll- und Steuerabkommen beinhaltet.50 Durch die Aufnahme Monacos am 28. Mai 1993 in die UNO wurden die Zweifel über seine Eigenstaatlichkeit beseitigt.51 Monaco gilt als souverän. So wurde es im Jahr 2004 auch in den Europarat aufgenommen.52 Der Beitritt zum Europarat machte im Vorfeld eine Verfassungsreform notwendig, durch die die demokratischen Rechte gestärkt wurden. Außerdem wurde der französisch-monegassische Vertrag von 1918 angepasst. Daher wurde 2002 die Verfassung Monacos revidiert sowie ein neuer Freundschaftsvertrag mit Frankreich abgeschlossen. Durch den neuen Vertrag wurden Einschränkun42
Vgl. Stapper 1999, S. 26; Waschkuhn 2003, S. 769; Marxer/Pállinger 2009, S. 925. 43 Vgl. Ulses 2004, S. 10. 44 Vgl. Duursma 1996, S. 264. 45 sh. Punkt F. I. 6. b); JM vom 19.08.1919; vgl. Duursma 1996, S. 264; Murray 2006, S. 193; Maresceau 2008, S. 292; Ulses 2004, S. 10. 46 Vgl. Duursma 1996, S. 264; Murray 2006, S. 193; Maresceau 2008, S. 292. 47 Vgl. Duursma 1996, S. 264; Marxer/Pállinger 2009, S. 925. 48 Vgl. Ulses 2004, S. 10. 49 sh. Punkt F. I. 3. b); vgl. Waschkuhn 2003, S. 770; Maresceau 2008, S. 291; Marxer/Pállinger 2009, S. 925; Ulses 2004, S. 10. 50 sh. Punkt F. I. 6. b); vgl. Stapper 1999, S. 26; Hummer 2004, S. 86; Ulses 2004, S. 10. 51 UN-Doc. A/47/L.62/Add.1 (1993); sh. Punkt F. I. 7. a); vgl. Hummer 2004, S. 86; Maresceau 2008, S. 291; Marxer/Pállinger 2009, S. 925; Ulses 2004, S. 10; Murray 2006, S. 193; Maresceau 2008, S. 291. 52 sh. Punkt F. I. 7. b); vgl. Maresceau 2008, S. 291.
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gen der Souveränität Monacos durch den Vertrag von 1918 abgebaut sowie das Mitspracherecht Frankreichs in der Thronfolge abgeschafft.53 Der neue Grundlagenvertrag wurde am 24. Oktober 2002 abgeschlossen und trat schließlich am 1. Dezember 2005 in Kraft.54 3. Das verfassungsrechtliche System a) Rückblick über die Verfassungsentwicklung Die erste Verfassung Monacos stammt vom 5. Januar 1911. Sie wurde unter Albert I. verabschiedet.55 Der Fürst vereinigte alle Rechte der Staatsgewalt in seiner Person und war alleiniger Inhaber der Gesetzesinitiative. Auch die Exekutive blieb beim Fürsten. Die Legislative teilte man zwischen ihm und dem Nationalrat (Parlament) auf, der aus 21 auf vier Jahre durch allgemeine Wahlen gewählten Abgeordneten bestand und der den Gesetzen und dem Budget zustimmen musste.56 Außerdem wurde ein Staatsrat (Conseil d’État) als beratendes Organ geschaffen, welcher den Fürsten bei der Ausarbeitung der Gesetze unterstützte.57 Monaco wurde durch diese Verfassung zu einer konstitutionellen Monarchie.58 Seit 1959 wurde über eine Verfassungsrevision verhandelt. Schließlich trat am 17. Dezember 1962 die gegenwärtig gültige Verfassung in Kraft, die vor allem das Parlament stärkt.59 Im Rahmen des Beitritts zum Europarat wurde 2002 die Verfassung Monacos revidiert.60 Dadurch wurden die demokratischen Rechte gestärkt und der Einfluss Frankreichs verringert.61
53
sh. Punkt F. I. 6. b); vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 925; Murray 2006, S. 194; Maresceau 2008, S. 291. 54 Vgl. France Diplomatie 2009. 55 Vgl. Stapper 1999, S. 26; Waschkuhn 2003, S. 769; Marxer/Pállinger 2009, S. 925; Grinda 2006, S. 51. 56 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 769; Marxer/Pállinger 2009, S. 925. 57 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 925. 58 Vgl. Ulses 2004, S. 10. 59 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 770; Maresceau 2008, S. 291; Marxer/Pállinger 2009, S. 925; Ulses 2004, S. 10; Grinda 2006, S. 51. 60 JM vom 02.04.2002, Nr. 7541: Gesetz Nr. 1.249 vom 02.04.2002; vgl. Grinda 2006, S. 51. 61 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 925; Murray 2006, S. 194; Maresceau 2008, S. 291.
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b) Die Verfassung von 1962 und grundlegende Bestimmungen Gegenwärtig gilt die 1962 verabschiedete Verfassung, entsprechend der Verfassungsrevision vom Jahr 2002.62 Die Verfassung hält fest, dass Monaco ein souveräner und unabhängiger Staat, im Rahmen der Prinzipien des Völkerrechts und der Konventionen mit Frankreich, ist (Art. 1 Verf.). Laut Art. 2 der Verfassung von 1962 bezeichnet sich das Fürstentum Monaco selbst als „monarchie héréditaire et constitutionelle“ und „Etat de droit“, konstitutionelle Erbmonarchie und Rechtsstaat, die die Grundrechte und Freiheiten respektiert. Staatsoberhaupt ist derzeit, seit dem 6. April 2005, Fürst Albert II. Die Regierungsstruktur basiert auf der Gewaltenteilung der Exekutive, Legislative und Judikative (Art. 6 Verf.). Die Erbfolge der Dynastie der Grimaldis wird verfassungsrechtlich nach dem Prinzip der männlichen Erstgeburt garantiert (Art. 10 Verf.). Aufgrund der Bestimmung des Französisch-Monegassischen Freundschaftsvertrages galt von 1918 bis 2002 die Regel, dass, falls es einmal keinen Erben des Hauses Matignon-Grimaldi geben sollte, das Fürstentum an Frankreich fallen würde. Zur Zeit der Geltung dieses Freundschaftsvertrages war die Staatssouveränität Monacos eingeschränkt, da eine enge völkerrechtliche Bindung an Frankreich bestand.63 Die Verbindung zu Frankreich ist zwar noch immer eng, doch wurden die Einschränkungen der Souveränität weitestgehend behoben. Es gilt nun seit der Verfassungsänderung von 2002, dass der Kronrat (Conseil de la Couronne) im Fall der Vakanz des Thrones einen neuen Fürsten ernennen würde (Art. 10 Verf.). Durch diese Verfassungsänderung wird die Staatlichkeit des Fürstentums gestärkt.64 Weitere Änderungen durch die Verfassungsreform von 2002 waren u. a. die Erweiterung der Liste der Verträge, die nur Kraft Gesetzes ratifiziert werden können (Art. 14 Verf.), die Erhöhung des Zahl der Mitglieder des Nationalrates von 18 auf 24 (Art. 53 Verf.) oder die Ausweitung des Rechts des Nationalrates Gesetzesvorschläge einzubringen (Art. 67 Verf.). Die Staatsflagge wurde 1881 offiziell eingeführt.65 Die Staatsflagge unterscheidet sich von der Flagge der fürstlichen Familie (Art. 7 Verf.). 62 Constitution de la Principauté de Monaco du 17 Décembre 1962, modifiée par la loi no. 1.249 du 2 avril 2002. Vgl. dazu Stapper 1999, S. 27, 29; Hummer 2004, S. 86; Murray 2006, S. 194; Maresceau 2008, S. 291; Maresceau 2008, S. 291; Marxer/Pállinger 2009, S. 925; Grinda 2006, S. 50 ff.; Duursma 1996, S. 264; Waschkuhn 2003, S. 770. 63 Vgl. Grinda 2006, S. VII. 64 Vgl. Grinda 2006, S. VII. 65 Fürstliche Verordnung vom 04.04.1881, CL 41.13; vgl. Grinda 2006, S. 56.
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Die wichtigsten Personen in der monegassischen Politik sind derzeit Staatsoberhaupt Fürst Albert II. (seit 2005), der Thronfolger Kronprinz Albert Alexandre Louis Pierre, der Regierungschef Jean-Paul Prust (seit 2005) sowie der Vorsitzende des Nationalrats Jean-François Robillon (seit 2010).66 c) Das Staatsoberhaupt: der Fürst Der Fürst (le Prince) besitzt eine recht große Autorität, was einerseits verfassungsrechtlich garantiert wird und andererseits ein politisches Symbol darstellt.67 Er hat im politischen System des Mikrostaates eine absolut dominante Stellung inne.68 Die staatliche Souveränität des Fürstentums ist in der Person des Fürsten verankert, wobei er als Fürst unverletzlich ist. (Art. 3 Verf.). Seine weitreichenden Befugnisse muss der Fürst in Übereinstimmung mit dem Rechtsstaatsprinzip sowie der Verfassung und den Gesetzen ausüben (Art. 12 Verf.). Der Fürst vertritt das Land nach außen (Art. 13 Verf.). Internationale Konventionen werden von ihm nach Konsultation des Kronrates unterzeichnet und ratifiziert. In manchen Fällen bedarf die Ratifikation die Konsultation des Kronrates69 und der Zustimmung bzw. Information des Nationalrates (Conseil National) (Art. 14 Verf.). Die Regierung führt, unter Oberhoheit des Fürsten, die Exekutive Monacos aus (Art. 3, 43 Verf.). Zusammen mit dem Nationalrat hat der Fürst die Legislative inne (Art. 4 Verf.). Weiterhin hat der Fürst das ausschließliche Recht zur Gesetzesinitiative sowie das Recht, Gesetze zu sanktionieren und zu verkünden (Art. 66 Verf.). Gemeinsam mit dem Nationalrat hat er das Recht der Verfassungsrevision inne (Art. 94). Des Weiteren steht ihm das Recht der Amnestie und Begnadigung (Art. 15 Verf.), der Ordensverleihung (Art. 16 Verf.) und der Vornahme von Einbürgerungen (Art. 15 Verf.) zu. Zusätzlich ernennt er zumeist die staatlichen Funktionsträger, z. B. den Regierungsminister, auch Staatsminister (Ministre d’Etat) genannt, sowie die weiteren Mitglieder der Regierung, die Regierungsräte (Conseillers de Gouvernement) (Art. 46 Verf.), die ihm verantwortlich sind (Art. 50 Verf.). 66 Vgl. Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2010b; Principauté de Monaco/Le Conseil National 2010a; Grinda 2006, S. 56. 67 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 770. 68 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 926. 69 sh. Punkt F. I. 3. g).
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Der Fürst hat das Recht, nach Beratung mit dem Kronrat, den Nationalrat aufzulösen (Art. 46, 74 Verf.). In diesem Fall würden Neuwahlen angesetzt (Art. 74 Verf.). Weiterhin hat der Fürst die Judikative inne, die er an die Gerichte und Tribunale delegiert hat, die nun Recht in seinem Namen sprechen (Art. 88 Verf.). Im April 2005 trat Fürst Albert II. nach dem Tod seines Vaters Rainier III., der von 1949 bis 2005 regierte, das Amt des Staatsoberhauptes von Monaco an (Fürst seit 12. Juli 2005). Fürst Albert hatte vorher das Amt des Vertreters Monacos bei den Vereinten Nationen inne. Außerdem nahm er mehrfach als Bobfahrer an den Olympischen Winterspielen teil.70 d) Das Parlament: der Nationalrat Die legislative Gewalt liegt beim Fürsten und beim Parlament (Conseil National; Art. 4 Verf.). Der Nationalrat, ein Einkammer-Parlament besteht aus 24 Mitgliedern (seit 2002), gewählt für fünf Jahre durch allgemeine und direkte Wahlen (Art. 53 Verf.). Vorsitzender des Parlaments ist derzeit Jean-François Robillon (seit 11. Januar 2010).71 Alle Monegassen, die die Staatsangehörigkeit besitzen und mindestens 18 Jahre alt sind, haben das Recht zu wählen (Art. 53 Verf.). Alle Monegassen, die mindestens 25 Jahre alt sind und seit mindestens fünf Jahren die monegassische Staatsbürgerschaft haben, können gewählt werden (Art. 54 Verf.). Seit 2002 gilt ein gemischtes Wahlrecht, d.h. 16 Sitze werden im einfachen Mehrheitsverfahren vergeben und acht Mandate werden proportional an die bei der Wahl aufgestellten Wahllisten der Parteien vergeben (Verhältniswahlsystem).72 Das Parlamentsmandat ist unvereinbar mit anderen Funktionen, u. a. als Mitglied des fürstlichen Hauses, der Regierung oder der Gerichte, ebenso wenig wie die Ausübung hoher diplomatischer Funktionen (Art. 54 Verf.; Art. 14 Gesetz Nr. 839 vom 23. Februar 1963).73 Der Nationalrat ist ein Milizparlament. Zwei mal jährlich wird es vom Fürsten zu ordentlichen Sitzungen einberufen (Art. 58 Verf.), die jeweils nicht länger als drei Monate andauern. Sowohl der Fürst als auch zwei Drit70
Vgl. Grinda 2006, S. 56; Duursma 1996, S. 26; Waschkuhn 2003, S. 770. Vgl. Principauté de Monaco/Le Conseil National 2010a. 72 Gesetz Nr. 1250 vom 09.04.2002; Gesetz Nr. 839 vom 23.02.1963, CL 41.32, S. 1; vgl. Grinda 2006, S. 86; Marxer/Pállinger 2009, S. 931; Ulses 2004, S. 28. 73 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 928, 930. 71
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tel der Abgeordneten können bei Bedarf das Zusammentreten des Parlaments zu außerordentlichen Sitzungen veranlassen (Art. 59 Verf.). Im internationalen Vergleich ist der Nationalrat ein schwaches Parlament. Unter Führung der Regierung und mit Hilfe beratender Kommissionen werden die Gesetzentwürfe von der Verwaltung ausgearbeitet.74 Danach entscheidet der Fürst im Rahmen seines Initiativrechts mit seiner Unterschrift, ob der Entwurf dem Parlament unterbreitet wird (Art. 67 Verf.). Das Parlament ist dann an der Gesetzgebung beteiligt, in dem es über ein vorgeschlagenes Gesetz abstimmt. Bis zur Verfassungsrevision 2002 war es ihm nicht einmal gestattet, Gesetzesvorschläge abzuändern. Mit Ausnahme des Budgetgesetzes hat der Nationalrat heute das Recht, Gesetzesvorschläge abzuändern (Art. 67 Abs. 7 Verf.). Dennoch ist es der Regierung möglich, bei ungewollten Änderungen die Vorlagen zurückzuziehen und damit den Gesetzgebungsprozess zu unterbrechen (Art. 67 Abs. 7 Verf.). Nach der Verabschiedung eines Gesetzesentwurfs durch das Parlament, wird der Entwurf abschließend dem Fürsten zur Sanktionierung vorgelegt (absolutes Vetorecht; Art. 66 Verf.). Das Gesetz tritt mit der Unterschrift des Fürsten und der anschließenden Publikation im Amtsblatt in Kraft (Art. 66 Verf.).75 Das Parlament hat jedoch kein Initiativrecht, dies steht ausschließlich dem Fürsten zu (Art. 66 S. 2 Verf.). Der Nationalrat besitzt aber ein Vorschlagsrecht, d.h. er kann der Regierung unverbindliche Gesetzesentwürfe oder Anregungen für die Ausarbeitung bzw. Änderung von Gesetzen (Propositions de Loi) unterbreiten (Art. 67 Abs. 2–4 Verf.). Diese Vorschläge können wiederum vom Fürsten oder der Regierung verworfen, verändert oder erweitert werden. Das stärkste Recht des Nationalrates ist es, dem Budgetgesetz zuzustimmen oder eben die Zustimmung zu verweigern (Art. 70 Verf.). Doch auch im Falle einer Ablehnung durch das Parlament könnte der Fürst durch eine fürstliche Verordnung (ordonnance souveraine) Wege einleiten, die staatlichen Aufgaben weiterzuführen. Praktisch ist es noch nicht zu einer derartigen Situation gekommen, da sich Regierung und Parlament im Rahmen der Budgetdebatte einigen.76 Weiterhin ist seit der Verfassungsrevision im Jahr 2002 eine Zustimmung des Parlaments zu völkerrechtlichen Verträgen notwendig, welche die Anpassungen der institutionellen Struktur des Staates bedingen, die Mitwirkung des Parlaments erfordern, ein unvorhergesehenes Budget notwendig 74
Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 927, 930. Genauer zum Gesetzgebungsprozess sh. Marxer/Pállinger 2009, S. 927, 930; Grinda 2006, S. 58, 88 ff., 95 ff. 76 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 927, 930; Grinda 2006, S. 105. 75
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ist oder die Veränderungen des geltenden monegassische Rechts verlangen (Art. 14, 70 Verf.). Damit wurden die Kompetenzen des Parlaments in der Außenpolitik gestärkt.77 Der Nationalrat gibt sich eine eigene Geschäftsordnung (Art. 61 Verf.) und wählt das Nationalratsbüro (Bureau du Conseil National), das Leitungsgremium des Parlaments (Art. 57 Verf.), welches aus dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten des Parlaments besteht (Art. 60 Verf.). Auch das Parlament an sich verfügt über ein Generalsekretariat, welches es in administrativen und organisatorischen Belangen unterstützt.78 Die Tagesordnung wird nach Anhörung des Staatsministers durch das Nationalratsbüro festgelegt und alle Mitglieder der Regierung nehmen an den Plenarsitzungen des Parlaments teil. Sie können zu allen Vorgängen Stellung nehmen.79 Der Fürst kann das Parlament, nach Beratung mit dem Kronrat,80 jederzeit auflösen (Art. 74 Verf.). Die Wahlen zum Nationalrat Anfang Februar 2003 führten zu einem Machtwechsel und haben die Zusammensetzung des Parlaments grundlegend verändert. Nach 40 Jahren gelang der bisher außerparlamentarischen Opposition ein erstaunlicher Sieg, sie stellte nach den Wahlen 21 der 24 Abgeordneten im Nationalrat. Bis dahin nahm die „Vereinigung für Monaco – Nationale und Demokratische Union“ (Rassemblement pour Monaco – Union Nationale et Démocratique UND)81 alle Parlamentssitze ein, doch nun muss sie mit nur noch drei Abgeordneten als Opposition agieren.82 Geschlagen wurde die UND von der „Union für Monaco“ (Union pour Monaco UpM), eine Allianz von drei Oppositionsparteien, nämlich die „Union für das Fürstentum“ (Union pour la Principauté UP), der „Nationalen Union für die Zukunft Monacos“ (Union nationale pour l’Avenir de Monaco UNAM) sowie der „Förderung der monegassischen Familie“ (Promotion de la famille monégasque). Dennoch haben diese neuen Mehrheitsverhältnisse nicht zu einer grundlegenden Änderung der monegassischen Politik geführt, vor allem aufgrund der schwachen Stellung des Parlaments.83 77
Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 927; Grinda 2006, S. 89. Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 927. 79 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 928; Grinda 2006, S. 93. 80 sh. Punkt F. I. 3. g). 81 Zwischenzeitliche Umbenennung in REM, heute R&E (Rassemblement & Enjeux pour Monaco); vgl. Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2010a. 82 Wahlergebnisse in JM vom 21.01.2003; vgl. Principauté de Monaco/Le Conseil National 2010b; Grinda 2006, S. 87; Marxer/Pállinger 2009, S. 928. 83 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 928. 78
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Die letzten Wahlen zum Nationalrat fanden im Februar 2008 statt.84 Sie bestätigten die Ergebnisse der vorangegangenen Wahlen.85 Die Wahlbeteiligung lag bei 77%.86 Siegreiche Parteien waren, wie 2003, die „Union für Monaco“ mit 21 Sitzen, d.h. im Einzelnen die UP (14 Sitze) sowie die UNAM (7 Sitze). Die „Vereinigung für Monaco – Nationale und Demokratische Union“, die sich in „Zusammenschluss und Einsatz für Monaco“ (R&E – Rassemblement & Enjeux pour Monaco) umbenannt hat, zog erneut mit nur drei Sitzen in den Nationalrat ein.87 e) Die Regierung und der Regierungsvorsitzende Der Fürst hat die exekutive Gewalt inne (Art. 3 Verf.) und überlässt die Führung der Amtsgeschäfte der Regierung (Gouvernement), die ihm untersteht und verantwortlich ist (Art. 43 Verf., Art. 50 Verf.). Die Regierung wird daher auch „Fürstliche Regierung“ genannt.88 Die Regierung setzt sich aus einem Staatsminister (Ministre d’Etat), der die Regierungsgeschäfte führt, und derzeit fünf Regierungsräten (Conseillers de Gouvernement) zusammen, die jeweils ein Ministerium leiten. Die fünf Ministerien sind die Ministerien des Inneren, der Finanzen und Wirtschaft, der Umwelt, der Sozialangelegenheiten und der Gesundheit sowie des Äußeren.89 Zusammen bilden sie den Regierungsrat (Conseil de Gouvernement). Der Staatsminister und die Regierungsräte werden vom Fürsten ernannt, der sie auch absetzen kann.90 Der Staatsminister repräsentiert den Fürsten, steht dem Regierungsrat vor und hat die ausschlaggebende Stimme im Regierungsrat. Der Staatsminister ist mit der Verwaltung des Staates beauftragt und kontrolliert daher die ausführenden Organe des Fürstentums (Art. 44 Verf.).91 Seit dem 1. Juni 2005 ist Jean-Paul Proust Staatsminister.92 84
Vgl. Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2010a. Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 928. 86 Vgl. Principauté de Monaco/Le Conseil National 2008. 87 Vgl. Principauté de Monaco/Le Conseil National 2010b; Principauté de Monaco/Le Conseil National 2008; Marxer/Pállinger 2009, S. 928. 88 Vgl. Grinda 2006, S. 74. 89 Vgl. Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2010b; Principauté de Monaco/ Ministère d’Etat 2010c; Stapper 1999, S. 27, 29; Hummer 2004, S. 86; Grinda 2006, S. 53, 58, 74, 77. 90 Vgl. Duursma 1996, S. 264; Marxer/Pállinger 2009, S. 926, 929; Grinda 2006, S. 76. 91 Rechte des Staatsministers sind geregelt durch Fürstliche Verordnung vom 14.04.1857, CL 41.52; vgl. Grinda 2006, S. 79. 92 Vgl. Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2010b. 85
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Gemäß der Verfassung gibt es zwei verschiedene Rechtssetzungsakte von regulatorischer Natur, die Fürstliche Verordnung (wendet Recht an und setzt internationale Abkommen in Kraft, Art. 45, 46 Verf.) und das MinisterialDekret (ermöglicht die Anwendung von Gesetzen und Verordnungen, Art. 47 Verf.).93 Die Regierung berät alle Fürstlichen Verordnungen, die nach der Gegenzeichnung des Staatsministers der Unterzeichnung und Sanktion des Fürsten bedürfen (Art. 45 Verf.). Ein Ministerial-Dekret wird im Regierungsrat beraten und vom Staatsminister unterzeichnet. Das Dekret wird gültig, wenn der Fürst dem Entscheid nicht innerhalb von zehn Tagen, nachdem es ihm übermittelt wurde, widerspricht (Art. 47 Verf.). Zwar müssen die Rechtsetzungsakte formell von der Regierung und dem Fürsten gegengezeichnet werden, doch die Regierung hat eigentlich keinen eigenständigen Willen gegenüber dem Fürsten, so dass die Regierung letztendlich macht, was der Fürst will.94 Wie oben erwähnt, legt die Regierung dem Fürsten, obwohl der Fürst das Recht der Gesetzesinitiative innehat, Gesetzesvorschläge vor (Art. 67 Verf.). Dadurch übt die Regierung auch einen Teil der legislativen Gewalt aus.95 Die Regierung wird durch die Verwaltung unterstützt. Die Ministerien des Staatsministers und der Regierungsräte sind in Direktionen und Dienste untergliedert. Die Struktur der Verwaltung und die Anzahl ihrer Mitarbeiter sind fluktuierend. Im Staatsdienst sind mehr als 3000 Personen beschäftigt, davon sind ca. 1000 Beamte.96 Rückblick Aufgrund der französisch-monegassischen Konvention vom 28. Juli 1930, die festlegte, dass bestimmte, hohe Positionen der monegassischen Regierung, Verwaltung und Justiz Staatsbürgern Frankreichs vorbehalten waren, mussten der Staatsminister und der Regierungsrat für Inneres bis zum Jahr 2005 die französische Staatsbürgerschaft inne haben.97 Die französische Regierung schlug für den Staatsminister drei Kandidaten ihrer Verwaltung vor, unter denen der Fürst von Monaco auswählen konnte.98 93
sh. auch Grinda 2006, S. 78. Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 929. 95 Genauer in Grinda 2006, S. 77. 96 Rechte und Pflichten der Beamten: Art. 51 Verf., Status der Beamten: Gesetz Nr. 975 vom 12.07.1975, CL 41.73, S. 1; vgl. Grinda 2006, S. 80; Marxer/Pállinger 2009, S. 929. 97 Genauer in Punkt F. I. 6. b); vgl. Duursma 1996, S. 265; Hummer 2004, S. 86; Stapper 1999, S. 27, 29; Maresceau 2008, S. 291; Glassner 2004, S. 32; Grinda 2006, S. 74; Marxer/Pállinger 2009, S. 926. 94
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Heute verzichtet Frankreich praktisch auf sein Vorschlagsrecht. Diese Änderungen erfolgten im Zuge des Beitritts Monacos zum Europarat, da Monaco die Auflage erteilt wurde, die Diskriminierung der monegassischen Staatsbürger zu beenden. Am 8. November 2005 wurde das neue Grundlageabkommen mit Frankreich zur Erneuerung der Konvention unterzeichnet (abgeschlossen 2002), welches am 15. Februar 2006 in Kraft trat. Die erneuerte Konvention von 1930 wurde 2005 unterzeichnet und trat schließlich 2009 in Kraft.99 Die neuen Regelungen wurden schon zuvor provisorisch angewandt. So konnte der Fürst seinen neuen Staatsminister im Mai 2005 frei ernennen.100 Nun können auch Monegassen diese Ämter einnehmen, wobei der Fürst freiwillig die französischen Behörden konsultiert.101 f) Beziehungen zwischen Parlament und Regierung Die Regierung ist nur dem Fürsten, nicht dem Nationalrat verantwortlich (Art. 50 Verf.). Der Nationalrat hat keine Kontrolle über die Regierung und Verwaltung.102 Diese unterstehen alleine dem Fürsten. Daher ist auch der Bestand der Regierung nicht vom Vertrauen des Parlaments abhängig.103 Die Regierung wird alleine vom Fürsten ernannt, der dazu die Mehrheitsverhältnisse im Nationalrat nicht beachten muss.104 Der Nationalrat hat keine Möglichkeit, die politische Verantwortung der Regierung einzuschränken.105 g) Beratende Organe Es gibt mehrere Kommissionen und Räte, die den Fürsten oder die Regierung unterstützen. Kronrat (Conseil da la Couronne) Der Kronrat setzt sich aus sieben Personen zusammen. Sie werden vom Fürsten ernannt, dabei vier Mitglieder, einschließlich des Präsidenten, direkt 98 Vgl. Duursma 1996, S. 265; Stapper 1999, S. 27; Glassner 2004, S. 32; Marxer/Pállinger 2009, S. 926; Grinda 2006, S. 74. 99 Genauer in Punkt F. I. 6. b). 100 Vgl. Grinda 2006, S. 75. 101 Vgl. Auswärtiges Amt 2009e; Maresceau 2008, S. 291; Marxer/Pállinger 2009, S. 926; Grinda 2006, S. 75. 102 Vgl. Stapper 1999, S. 27; Gallois 1964, S. 65 ff.; Duursma 1996, S. 267; Marxer/Pállinger 2009, S. 927. 103 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 927. 104 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 931. 105 Vgl. Grinda 2006, S. 88.
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vom Fürsten, drei auf Vorschlag des Parlaments (Art. 75 Verf.). Der Kronrat wird mindestens zweimal im Jahr vom Fürsten einberufen (Art. 76 Verf.). Der Kronrat ist ein beratendes Komitee (Art. 75–77 Verf.). Beim Abschluss internationaler Verträge muss sich der Fürst von ihm beraten lassen, ebenso bei der Auflösung des Nationalrates, bei Einbürgerungs- und Begnadigungsgesuchen sowie bei Gesuchen auf Straferlass (Amnestien) (Art. 77 Abs. 2 Verf.). Bei allen Fragen, die das Staatsinteresse berühren, kann der Fürst den Kronrat konsultieren (Art. 77 Abs. 1 Verf.). Die Meinung des Kronrats ist nicht bindend, sondern beratend.106 Staatsrat (Conseil d’Etat) Der Fürst bzw. die Regierung können Entwürfe von Verordnungen und Gesetzen zur Untersuchung beim Staatsrat einreichen (Art. 52 Verf.).107 Er kann auch zu allen anderen Vorschlägen befragt werden. Die zwölf Mitglieder des Staatsrates werden vom Fürsten benannt, nach Beratung mit dem Staatsminister und dem Vorsitzenden der Justischen Dienste (Directeur des Services Judicaires).108 Weitere Organe Es gibt weitere beratende Kommissionen wie den Wirtschafts- und Sozialrat109 u. a. spezialisierte Komitees, die von der Regierung zu bestimmten Fragen zu Rate gezogen werden können.110 Der Wirtschafts- und Sozialrat (Conseil Economique et Social) besteht aus 33 Mitgliedern, die für drei Jahre ernannt werden, und nimmt eine wichtige Stellung ein.111 Er fördert den Austausch zwischen Wirtschaft und Politik und berät die Regierung u. a. bei sozialen Problemen oder wirtschaftlichen Fragen. Alle Gesetzes- und Verordnungsentwürfe aus diesen Bereichen werden von der Regie106 Genauer dazu: Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009a; vgl. Duursma 1996, S. 267; Marxer/Pállinger 2009, S. 927; Grinda 2006, S. 63. 107 I.V.m. Art. 1 Fürstliche Verordnung 3191 vom 29.05.1964 über die Organisation und Funktion des Staatsrates; Genauer dazu: Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009b; Duursma 1996, S. 267; Grinda 2006, S. 65, 80. 108 Vgl. Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009b; Duursma 1996, S. 267; Grinda 2006, S. 81. 109 Vgl. Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009c; Grinda 2006, S. 81, 125. 110 Genauer dazu: Grinda 2006, S. 82 f.; vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 929; Duursma 1996, S. 267. 111 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 929; Grinda 2006, S. 82.
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rung gemeinsam mit dem Wirtschafts- und Sozialrat diskutiert.112 Er tagt ungefähr alle drei Monate.113 Weiterhin existiert ein Stadtrat, bestehend aus fünfzehn Mitgliedern, die alle vier Jahre vom Volk gewählt werden. Dessen Hauptaufgabe ist die Ernennung des Bürgermeisters und der städtischen Magistratsbeamten.114 h) Die Gerichtsbarkeit Die judikative Gewalt liegt beim Fürsten, der sie an die Gerichte und Tribunale delegiert, die die Judikative in seinem Namen ausüben (Art. 5, 88 Verf.). Das bedeutet, das Recht in Monaco wird im Namen des Fürsten gesprochen, doch die Justiz ist unabhängig von den anderen Staatsorganen und Gewalten (delegierte Justiz).115 Die Unabhängigkeit der Richter wird durch die Verfassung garantiert (Art. 88 S. 2 Verf.). Auch organisatorisch ist der Bereich der Justiz von der Exekutive abgetrennt. In der Regierung gibt es keinen Justizminister. Die Justiz besitzt mit der Direktion der Juristischen Dienste (Direction des Services Judicaires) ein eigenes unabhängiges Verwaltungsorgan.116 Monaco besitzt ein ausgeklügeltes Rechtssystem mit mehreren spezialisierten Kommissionen und Gerichtshöfen.117 Der Fürst ernennt die ordentlichen Richter.118 Das System der Gerichtsbarkeit ist dem französischen ähnlich. Man teilt die Justiz in die Bereiche Zivil-, Straf- und Verwaltungsrecht.119 Die Verfassung wird durch ein Gesetz über die Juristische Organisation ergänzt.120 Der Instanzenzug verläuft über den Friedensrichter (Juge de Paix), das erstinstanzliche Gericht (Tribunal de Première Instance) und das Kriminalgericht (Tribunal Criminel), ein Appelationsgericht (Cour d’Appel), das Revisionsgericht (Cour de Révision Judiciaire) sowie letztendlich den Obersten 112
Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 929; Grinda 2006, S. 81. Vgl. Grinda 2006, S. 81. 114 Vgl. Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009e; Waschkuhn 2003, S. 770. 115 Genauer dazu: Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009f; Marxer/Pállinger 2009, S. 934. 116 Direktion der Rechtsdienste: Verordnung vom 09.03.1918, CL 52.12 und Verordnung vom 18.11.1917, CL 41.23; vgl. Grinda 2006, S. 145; Marxer/Pállinger 2009, S. 934; Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009f. 117 Vgl. Duursma 1996, S. 268. 118 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 934. 119 Vgl. Grinda 2006, S. 147; Marxer/Pállinger 2009, S. 934; Ulses 2004, S. 11. 120 Gesetz Nr. 783 vom 15.07.1965, CL 52.25; vgl. Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009f.; Grinda 2006, S. 147. 113
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Gerichtshof (Tribunal Suprême). Der Oberste Gerichtshof hat die Funktion des obersten Verwaltungsgerichts, des Verfassungsgerichts und es ist für Kompetenzstreitigkeiten zuständig (Art. 90, 91 Verf.).121 Streitigkeiten im zivilen und Wirtschaftsrecht können in bestimmten Fällen, abhängig vom bestrittenen Geldwert, vor den Friedensrichter gebracht werden. Wenn dieser oder kein anderes spezielles Gericht zuständig ist, kann ein ziviler Streit vor dem Gerichtshof Erster Instanz und in zweiter Instanz vor dem Berufungsgericht gehört werden (Art. 21 Abs. 1 und Art. 22 der Zivilprozessordnung ZPO).122 In strafrechtliche Streitigkeiten können in erster Instanz drei verschiedene Gerichtshöfe angerufen werden, nämlich ein Friedensrichter (Art. 22 Strafprozessordnung SPO), das Strafgericht (Tribunal Correctionell, Art. 23 SPO) und das Kriminalgericht (Art. 25 SPO). Eine Berufung gegen das Urteil des Strafgerichtes kann vor dem Berufungsgericht eingelegt werden, nicht aber gegen das Urteil des Strafgerichts (Art. 24 SPO).123 In zivilen und Straffällen kann der Revisionsgerichtshof (Cour de Révision Judiciaire) jedes Urteil der letzten Instanz, welches das Recht verletzt, revidieren (Art. 23 ZPO und Art. 30 SPO). Sowohl das Zivilrecht Monacos als auch das Strafrecht ist dem französischen Recht ähnlich.124 Obwohl Monaco ein Gefängnis hat, verbüßen Verurteilte ihre Strafen in französischen Justizvollzugsanstalten (Art. 14 der Franco-Monegassischen Nachbarschafts-Konvention vom 18. Mai 1963).125 Wie erwähnt, hat der Fürst das Recht, eine Begnadigung oder einen Straferlass auszusprechen, nachdem er den Kronrat konsultiert hat (Art. 15 Verf.). In verwaltungsrechtlichen Verfahren kann eine Verhandlung vor dem Obersten Gerichtshof gegen jede Entscheidung oder Anordnung einer Verwaltungsbehörde zur Ausführung von Gesetzen verhandelt werden (Art. 90 (B) Abs. 1 Verf.). Ein Gesetz kann vom Obersten Gerichtshof nur annulliert werden, wenn es die in der Verfassung festgehaltenen Grundrechte und -freiheiten verletzt (Art. 90 (A) Abs. 2 Verf.). Wenn die Sache nicht in die Kompetenz des Obersten Gerichtshofes fällt, kann sie vor das Gericht erster Instanz gebracht werden (Art. 21 Abs. 2 121
Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 934. Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009g; vgl. Grinda 2006, S. 148 f.; Duursma 1996, S. 268. 123 Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009h; vgl. Duursma 1996, S. 269; Grinda 2006, S. 149, 152. 124 Vgl. Grinda 2006, S. 148 ff.; Duursma 1996, S. 268 f. 125 Vgl. Duursma 1996, S. 269. 122
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ZPO), mit Möglichkeit der Berufung vor dem Berufungsgericht (Art. 22 ZPO).126 Der Oberste Gerichthof handelt dann als ein Kassationsgerichtshof (Art. 90 (B) Abs. 2 Verf.). Zusätzlich zu den genannten gibt es in Monaco noch weitere, spezielle Gerichtsbarkeiten.127 Im politischen System Monacos bildet die Justiz die stärkste Gegenmacht zur Exekutive.128 Rückblick Kraft Art. 6 Abs. 1 der Französisch-Monegassischen Konvention vom 28. Juli 1930 musste die Mehrheit der Richter der monegassischen Gerichte und Gerichtshöfe die französische Staatsangehörigkeit besitzen. Auch der Generalstaatsanwalt des Berufungsgerichts musste die französische Staatsbürgerschaft innehaben.129 Dies galt nicht für das Kriminalgericht.130 Im Jahr 2005 wurde ein Abkommen zur Erneuerung der Konvention von 1930 unterzeichnet, so dass diese Regelungen seit dem gelockert sind (in Kraft 2009).131 i) Das Verfassungsgericht Der Oberste Gerichtshof (Tribunal Suprême) hat die Funktion des obersten Verwaltungsgerichts, des Verfassungsgerichts inne und ist für Kompetenzstreitigkeiten (Art. 90, 91 Verf.) zuständig. Er setzt sich aus fünf ernannten und zwei temporären Mitgliedern zusammen (Art. 89 Verf.). Die Mitglieder werden vom Fürsten ernannt, je einer auf Vorschlag des Nationalrates, des Staatsrates, des Kronrates, des Berufungsgerichts sowie des Zivilgerichts erster Instanz (Art. 89 Verf.). Der Oberste Gerichtshof kontrolliert die Verfassungsmäßigkeit der Geschäftsordnung des Conseil National und der Gesetze (Art. 90 (A) Verf.). Falls er einen Verstoß gegen die in der Verfassung gesicherten Rechte feststellt, werden die Gesetze ganz oder teilweise annulliert (Art. 90 (A) Verf.). 126 Vgl. Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009g; Grinda 2006, S. 149; Duursma 1996, S. 269. 127 Genauer dazu sh. Grinda 2006, S. 152 ff. 128 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 934. 129 Genauer zur Konvention von 1930 in Punkt F. I. 6. b). JORF vom 28.02.1974, S. 2320: Briefwechsel vom 07.05.1973. 130 JORF vom 25.10.1978, S. 3664: Briefwechsel vom 07.07.1978; Stapper 1999, S. 28 f.; Grinda 2006, S. 147. 131 Genauer in Punkt F. I. 6. b); vgl. Grinda 2006, S. 147.
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Jedes Gericht kann den Obersten Gerichtshof um eine Vorabentscheidung zur Gültigkeit einer Verwaltungsentscheidung oder einer fürstlichen Verordnungen bitten (Art. 90 (B) Abs. 3 Verf.). Obwohl die Vorrangigkeit der Verfassung über die Gesetze festgelegt wurde, überprüft der Oberste Gerichtshof nicht die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes, das die Ratifizierung oder Ausführung einer internationalen Konvention erlaubt. Es erkennt den Vorrang internationaler Konventionen vor dem nationalen Recht an.132 In verfassungsrechtlichen Angelegenheiten ist keine Berufung oder Revision der Urteile des Obersten Gerichtshofes möglich.133 j) Überarbeitung der Verfassung Eine Verfassungsänderung bedarf einer Einigung zwischen dem Fürsten und dem Nationalrat (Art. 94 Verf.). Der Nationalrat darf nach Zustimmung von zwei Drittel seiner Mitglieder eine teilweise oder vollständige Revision der Verfassung vorschlagen (Art. 95 Verf.). Es ist jedoch möglich, dass dieser Vorschlag vom Fürsten oder der Regierung abgelehnt wird. Die Änderung der Verfassung folgt dann denselben Regeln wie die Annahme eines einfachen Gesetzes.134 k) Politische Kultur In Monaco existieren listengebundene und unabhängige Gruppen, die Kandidaten für städtische und nationale Wahlen aufstellen. Allerdings kann man die Parteien Monacos nicht mit Parteien im Sinne einer straffen Organisation der politischen Willensbildung vergleichen.135 Da die Regierung vom Fürsten, unabhängig von den Mehrheiten im Nationalrat, bestimmt wird, ist die Aufgabe der Parteien, die Interessen ihrer Wähler in den Gesetzgebungsprozess einzubringen sowie ein Einvernehmen zwischen dem Willen des Volkes und des Fürsten herzustellen.136 Die Abgeordneten des Nationalrates können sich zwar informell zu Fraktionen zusammenschließen, doch praktisch haben diese keine Funktionen.137 Die monegassischen Parteien waren bisher nicht in der Lage, eine vergleichbar wichtige Position im politischen Prozess zu erringen, wie in ande132 133 134 135 136 137
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Duursma 1996, S. 270; Grinda 2006, S. 166. Grinda 2006, S. 164. Duursma 1996, S. 267; Grinda 2006, S. 52. Waschkuhn 2003, S. 770; Grinda 2006, S. 72. Marxer/Pállinger 2009, S. 931. Marxer/Pállinger 2009, S. 928.
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ren Staaten Westeuropas. Außerdem ist die Parteienlandschaft in ständiger Bewegung, Parteien benennen sich um, neue Parteien entstehen oder spalten sich ab, so dass z. T. Parteien im Nationalrat vertreten sind, ohne dass sie sich bei der Wahl gestellt hatten. Auch programmatisch gibt es zwischen den Parteien häufig keine großen Unterschiede und sie bilden sich eher um einzelne Personen oder bestimmte Probleme.138 Die Wahlbeteiligung der Monegassen ist generell sehr hoch, eine der höchsten in Europa.139 Ähnlich wie in Andorra sind die Monegassen mit ca. 22% der Bevölkerung eine Minderheit im eigenen Land. Dennoch verfügen nur sie über politische Rechte, so dass die Mehrheit der Bevölkerung von der Teilnahme am politischen Prozess ausgeschlossen ist.140 Das Nationalbewusstsein, das politische Interesse und die Identifikation mit dem eigenen Gemeinwesen der Monegassen sind ausgeprägt und sie fühlen sich mit der Fürstenfamilie verbunden. Wegen der geringen Zahl an Monegassen empfindet man die nationale Existenz als bedroht, was wiederum dazu führt, das die Einheimischen gegenüber anderen Bevölkerungsgruppen bevorzugt werden, z. B. bei der Vergabe von subventionierten Wohnungen oder bei der Besetzung von bestimmten Arbeitsstellen (ähnlich in Liechtenstein). Im Rahmen der Mitgliedschaft im Europarat wurde diese Benachteiligung etwas gemildert.141 Die politische Kultur ist gekennzeichnet von einer Tendenz zum Provinziellen oder Insularen. Konflikte orientieren sich oftmals eher an Persönlichkeiten als an ideologischen Problemen. Die Intensität der politischen Auseinandersetzungen ist beschränkt und die Kleinheit des Landes zwingt die Politik oft zu Kompromissen.142 4. Wirtschaft a) Binnenwirtschaft Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlebt Monaco, besonders durch eine geschickte Wirtschafts- und Steuerpolitik, einen stetigen Wirtschaftsaufschwung.143 Trotz des hohen Kostenniveaus ist Monaco aufgrund seiner guten Lage, der klimatischen Bedingungen und der geregelten Strukturen ein begehrter Standort mit hochmoderner Infrastruktur.144 138 139 140 141 142 143
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Marxer/Pállinger 2009, Grinda 2006, S. 72. Marxer/Pállinger 2009, Marxer/Pállinger 2009, Marxer/Pállinger 2009, Marxer/Pállinger 2009,
S. 931. S. S. S. S.
932. 932 f. 933. 925.
I. Charakteristika des Staates Monaco
285
Das Bruttoinlandsprodukt Monacos lag im Jahr 2007 bei ca. 4,4 Mrd. Euro, das entspricht bei ca. 72.000145 Personen einem BIP pro Kopf von ca. 61.000 Euro.146 Ungefähr 73% davon wurden im Dienstleistungssektor erwirtschaftet, 15% durch die Banken und den Finanzplatz und 12% in der Industrie.147 Im Fürstentum gab es im Jahr 2008 ca. 48.000 Arbeitsplätze.148 Die Einwohnerzahl Monacos ist mittlerweile deutlich geringer als die Zahl der in Monaco beschäftigten Personen.149 Im öffentlichen Sektor arbeiten 8% der Arbeitnehmer, 92% im Privatsektor.150 Innerhalb letzterem verteilen sich die Arbeitskräfte zu 83% auf den tertiären Bereich und 17% auf den sekundären Sektor. Einen Agrarsektor gibt es praktisch nicht.151 Die Wirtschaft basiert hauptsächlich auf einem stark entwickelten Dienstleistungssektor. Die wichtigsten Wirtschaftszweige sind der Handel, Bankwesen und Finanzdienstleistungen, der Tourismus, Immobilien, Bau- und Konstruktionswesen, die pharmazeutische Industrie sowie der Transportsektor. Die einstige Abhängigkeit vom Casino besteht nicht mehr.152 Für den Tourismus ist neben dem 1856 gegründeten Casino auch das große Kulturangebot anziehend.153 Weiterhin wurden in den letzten Jahren große Anstrengungen unternommen, um den Geschäfts- und Kongresstourismus zu verstärken.154 Die Wirtschaft hat sich von der früheren Konzentration auf den Luxustourismus auch in zahlreiche andere Bereiche diversifiziert. So spielt auch der Handel in Monaco eine große Rolle.155 144
Vgl. Miller 2007, S. 198; Ulses 2004, S. 13. Als Personenzahl rechnet man mit den Einwohnern Monacos im Jahr 2007 (34.850), plus die Arbeitskräfte aus Frankreich (33.800), plus die italienischen Arbeitskräfte (3.700). Principauté de Monaco 2008, S. 7. 146 Vgl. Auswärtiges Amt 2009e; Principauté de Monaco/Département des Finances et de l’Economie 2009, S. 149; Principauté de Monaco 2008, S. 11. 147 Vgl. Principauté de Monaco 2008, S. 12. 148 Vgl. Principauté de Monaco/Département des Finances et de l’Economie 2009, S. 153, 185. 149 Vgl. Miller 2007, S. 198. 150 Vgl. Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009i. 151 Vgl. Ulses 2004, S. 13. 152 Vgl. Principauté de Monaco/Département des Finances et de l’Economie 2009, S. 151 ff.; Duursma 1996, S. 261; Murray 2006, S. 194; Marxer/Pállinger 2009, S. 925. 153 Vgl. Ulses 2004, S. 14. 154 Vgl. Weitershagen 2000a, S. 8; Ulses 2004, S. 14. 155 Vgl. Ulses 2004, S. 12 ff. 145
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Besonders seit der Abschaffung der personenbezogenen Einkommenssteuer im Jahr 1869 (mit Ausnahme der französischen Staatsangehörigen seit 1963) und durch die sehr geringen Wirtschaftssteuern gilt Monaco als Steuerparadies und wurde ein attraktiver Wohnort für Wohlhabende und ausländische Firmen. Folgerichtig entwickelten sich die Sektoren der unbeweglichen Güter und der Finanzdienstleistungsbereich sehr gut. Circa 40 international tätige Banken haben ihren Sitz in Monaco.156 Durch die Raumnot in Monaco sind die Immobilienpreise recht hoch und das Stadtbild ist von Hochbauten geprägt. Das vorteilhafte Steuersystem und der Mangel an Immobilien machen Immobilien in Monaco zu sehr guten Investitionen, weshalb die Geschäfte damit gut laufen. Mehr als die Hälfte der Käufer sind Nicht-Residenten Monacos. Dazu kommt, dass viele Franzosen von dem günstigen Erbschaftssteuersystem profitieren möchten.157 Die wichtigsten Industriezweige sind die chemische, pharmazeutische und kosmetische Industrie, die Kunststoffindustrie sowie die Produktion von Elektro- und Präzisionsinstrumenten.158 Weiterhin ist Monaco in den letzten Jahren sehr erfolgreich in der Ansiedlung neuer, innovativer und umweltfreundlicher Industrien.159 Typisch ist die Gründung von Unternehmen mit einem hohen Wertschöpfungsfaktor, was von der Industriepolitik Monacos begünstigt wird.160 b) Finanzplatz Monaco Monaco hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem attraktiven Finanzplatz entwickelt. In dem kleinen Fürstentum haben ungefähr 40 international tätige Banken und zahlreiche Finanzinstitutionen ihren Sitz.161 Die Banken und Finanzinstitutionen unterliegen den französischen Rechtsvorschriften, und zwar aufgrund des französisch-monegassischen Abkommens von 1945 und den darauf folgenden Briefwechseln.162 Die Banken und Finanz156 Vgl. Principauté de Monaco/Département des Finances et de l’Economie 2009, S. 169; Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009j. 157 Vgl. Monte Carlo Multimedia 2010a; Ulses 2004, S. 15. 158 Vgl. Principauté de Monaco/Département des Finances et de l’Economie 2009, S. 158; Weitershagen 2000a, S. 7; Ulses 2004, S. 14. 159 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 926; Ulses 2004, S. 14. 160 Vgl. Weitershagen 2000a, S. 7; Ulses 2004, S. 14. 161 Vgl. Principauté de Monaco/Département des Finances et de l’Economie 2009, S. 169; Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009j; Monte Carlo Multimedia 2010a; Ulses 2004, S. 15; Miller 2007, S. 198. 162 sh. Punkt F. I. 6. b); JM vom 26.07.1945; vgl. Ulses 2004, S. 15; Waschkuhn 2003, S. 771; Marxer/Pállinger 2009, S. 925.
I. Charakteristika des Staates Monaco
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institutionen zeichnen sich durch hochqualifizierte Finanzexperten, ein leistungsstarkes Bankensystem, strenge Verwaltung sowie durch die vertrauliche Behandlung von Transaktionen unter Berücksichtigung der Bekämpfung der Geldwäsche aus.163 Die Banken sind vor allem auf vermögende Privatkunden ausgerichtet. Ungefähr die Hälfte der in Monaco veranlagten Gelder gehören Nicht-Residenten.164 Im Zusammenhang mit dem Finanzplatz Monaco steht die Steuergesetzgebung des Fürstentums. Monaco gilt als Steuerparadies, da es aufgrund einer 1869 erlassenen Verordnung des Fürsten Charles III. kaum direkte Steuern gibt.165 Ausnahmen sind lediglich seit 1963 eine Gewinnsteuer für bestimmte Unternehmen auf industrielle und kommerzielle Aktivitäten,166 ebenso für die nach 1957 nach Monaco zugezogenen französischen Staatsbürger, die aufgrund des Steuerabkommens von 1963 den französischen Steuern unterworfen sind167 sowie die Steuer auf Zinserträge für Bürger der Europäischen Union, die 2005 durch das Abkommen mit der EU in diesem Bereich eingeführt wurde.168 Besonders für Privatpersonen ist das monegassische Steuersystem sehr attraktiv. So können sehr hohe Gehälter steuerfrei gezahlt werden. Monaco lebt daher vor allem vom Reichtum seiner Einwohner und entwickelte sich mit diesem Hintergrund zu einem der exklusivsten Touristenziele der Welt.169 Zwar gibt es seit 1963 diese Unternehmenssteuer auf Gewinne, doch Monaco gilt dennoch als Steuerparadies, das Geldwäsche begünstige.170 So forderte im Oktober 2000 die französische Regierung Monaco dazu auf, stärker im Kampf gegen die Geldwäsche aktiv zu werden. Der Rechtsausschuss der Nationalversammlung Frankreichs hatte zuvor im Juni 2000 das Fürstentum 163
Vgl. Ulses 2004, S. 15. Vgl. Miller 2007, S. 198 f. 165 Fürstliche Verordnung vom 08.02.1869; vgl. Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009k; Ulses 2004, S. 16. 166 Unternehmen zahlen seit dem 1. Januar 1963 Gewinnsteuern, wenn ihr Umsatz zu mindestens 25% außerhalb des Gebietes von Monaco erzielt wird sowie wenn ihre Tätigkeiten darin bestehen, Einnahmen von Patenten oder Copyrights im künstlerischen und literarischen Bereich zu beziehen. In diesen Fällen unterliegen die Firmen einer Gewinnbesteuerung von 33,3%; vgl. und genauer: Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009k; Monte Carlo Multimedia 2010b; Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009k; Weitershagen 2000a, S. 10; Ulses 2004, S. 16. 167 sh. Punkt F. I. 6. b); vgl. Weitershagen 2000a, S. 10; Waschkuhn 2003, S. 769. 168 sh. Punkt F. II. 2. c). 169 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 769, 771; Monte Carlo Multimedia 2010b; Ulses 2004, S. 16; Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009k. 170 Vgl. Dózsa 2008, S. 99; Waschkuhn 2003, S. 771. 164
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F. Das Fürstentum Monaco und seine Integration in die EU
als ein „Offshore-Zentrum“ eingestuft, das Geldwäsche begünstige. Auch vom Geldwäsche-Ausschuss der OECD wurde die Kapitalanlagepolitik des Landes als problematisch, die Geldwäsche begünstigend qualifiziert und Monaco vorübergehend auf die OECD-Liste der unkooperativen Steuerparadiese (ebenso Liechtenstein und Andorra) gesetzt. Der Fürst wies anschließend die Vorwürfe zurück und leitete weitergehende Maßnahmen gegen illegale Finanztransaktionen ein, wie den Abschluss verschiedener bilateraler Abkommen zur Abschaffung von Steuerschlupflöchern oder die Zusammenarbeit mit dem Geldwäscheausschuss FATF der OECD. Aus dieser Situation heraus ist Monaco nun durch erzwungene Gesetzesänderungen in diesem „Offshore-Bereich“ weniger aktiv.171 Erst im Mai 2009 wurden schließlich die drei auf der OECD-Liste der unkooperativen Steuerparadiese verblieben Staaten Andorra, Liechtenstein und Monaco aufgrund ihrer jeweiligen Anpassungsmaßnahmen von der Liste gestrichen.172 Unter anderem schloss Monaco im zweiten Halbjahr des Jahres 2009 mit 14 Staaten, darunter auch Andorra, Liechtenstein, San Marino und die USA, Abkommen über den Informationsaustausch in Steuersachen nach OECD-Standards.173 In diesem Rahmen hat Monaco mit verschiedenen europäischen Staaten, unter anderem Frankreich (2002) und Deutschland (2009), Konventionen über Zusammenarbeit und Informationsaustausch abgeschlossen.174 c) Außenhandel Im Jahr 2008 exportierte Monaco Waren im Wert von 560 Mio. Euro, davon 342 Mio. Euro in die EU.175 Das Fürstentum importierte 2008 Produkte im Wert von ca. 550 Mio. Euro, davon 351 Euro aus der EU.176 So hatte Monaco im Jahr 2008 einen Exportüberschuss von 10 Millionen Euro, im Verhältnis zur EU allerdings einen Importüberschuss von 9 Mio. Euro.177 Exportwaren sind vor allem nicht-metallische Halbfertigwaren (40%), Automobilzubehör (17%) sowie Bedarfsgüter (10%).178 Die wichtigsten 171
Vgl. Waschkuhn 2003, S. 771; Dózsa 2008, S. 99. Vgl. OECD 2009a. 173 Vgl. Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009o. 174 Vgl. Commission de Contrôle des Activités Financières 2009. 175 Vgl. Principauté de Monaco/Département des Finances et 2009, S. 192, 194. 176 Vgl. Principauté de Monaco/Département des Finances et 2009, S. 192, 194. 177 Vgl. Principauté de Monaco/Département des Finances et 2009, S. 192, 194. 178 Vgl. Principauté de Monaco/Département des Finances et 2009, S. 193. 172
de l’Economie de l’Economie de l’Economie de l’Economie
I. Charakteristika des Staates Monaco
289
Importgüter Monacos sind Bedarfsgüter (29%) und nicht-metallische Halbfertigwaren (24%).179 Monaco wird aufgrund der Wirtschafts- und Währungsunion mit Frankreich zollrechtlich wie ein Departement Frankreichs behandelt. Daher wird der Außenhandel Monacos mit Drittländern in die französische Handelsbilanz aufgenommen. Durch den Anschluss an Frankreich gehört das Fürstentum zum Zollgebiet der EU.180 5. Staatshaushalt Der Staatshaushalt wird von der Regierung aufgestellt und vom Nationalrat abgestimmt. Anschließend ist die Regierung verantwortlich für die Ausführung des Budgets (Art. 70–73 Verf.).181 Der Staatshaushalt von 2008 zeigte einen Überschuss von 4 Mio. Euro bei 897 Mio. Euro Einnahmen. In den Jahren 2002 bis 2006 dagegen prägten deutliche Defizite im zweistelligen Millionenbereich das Staatsbudget. Man könnte daher auf eine Erholung des Finanzhaushaltes schließen.182 Die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer sind die Hauptquelle des Einkommens des Monegassischen Staates und deckten 48% der Gesamteinnahmen im Jahr 2008. Weitere Einnahmequellen sind juristische Transaktionen sowie Einnahmen aus Immobiliengeschäften mit 15% bzw. 9% Anteil am Gesamteinkommen des Staates.183 In bestimmten Bereichen hat der Staat Monaco das Monopol inne, wie bei Tabakwaren (Einnahmen 2008: 15 Mio. Euro), dem Casino oder Briefmarken bzw. Post (Einnahmen 2008: 3 Mio. Euro).184 Die Ausgaben des Mikrostaates kann man in laufende Ausgaben und Sachausgaben untergliedern. Zahlreiche Investitionen fließen in öffentliche Aufgaben, wie die Stadtplanung und im speziellen das Bauwesen.185 Monacos Infrastruktur ist durch ein einzigartiges Verkehrsleit- und Logistiksystem geprägt, für welche ein großer Teil der Staatsausgaben verwendet wer179
Vgl. Principauté de Monaco/Département 2009, S. 193. 180 sh. Punkt F. II. 1. a); vgl. Waschkuhn 2003, 181 Vgl. Grinda 2006, S. 102 ff. 182 Vgl. Principauté de Monaco/Département 2009, S. 143. 183 Vgl. Principauté de Monaco/Département 2009, S. 144. 184 Vgl. Principauté de Monaco/Département 2009, S. 145 f. 185 Vgl. Weitershagen 2000a, S. 9.
des Finances et de l’Economie S. 771. des Finances et de l’Economie des Finances et de l’Economie des Finances et de l’Economie
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F. Das Fürstentum Monaco und seine Integration in die EU
den. Auch im Telekommunikationssektor ist Monaco führend, z. B. nimmt es in der Entwicklung neuester Kommunikationstechniken einen führende Stellung ein (UMTS).186 6. Beziehungen zu anderen Staaten a) Die außenpolitische Strategie Monacos Die engen Beziehungen zu Frankreich waren lange ein Hindernis der Akzeptanz Monacos als unabhängiger Staat. Doch das Fürstentum hat es geschafft, schrittweise die internationale Anerkennung seines unabhängigen Status zu erreichen.187 Trotzdem ist die Außenpolitik Monacos stark mit der Außenpolitik Frankreichs verwoben. Das Fürstentum nimmt im Kern keinen anderen Standpunkt ein als Frankreich in seinen Außenbeziehungen. Dies impliziert, dass Monaco keiner der traditionell neutralen Mikrostaaten ist. Die Grundlage der Außenpolitik des Fürstentums bleibt dennoch sein Wunsch, als unabhängiger Staat anerkannt zu werden. Dieses Ziel wird bekräftigt durch Art. 1 Satz 1 der Verfassung, in dem man Monaco als souveränen und unabhängigen Staat im Rahmen der Prinzipien des Völkerrechts und der Konventionen mit Frankreich bezeichnet.188 Mit dem Beitritt zum Europarat und den damit in Zusammenhang stehenden Änderungen der Verfassung Monacos sowie der Erneuerung des französisch-monegassischen Freundschaftsvertrages wurden die Souveränität des Fürstentums und damit auch seine außenpolitische Handlungsfähigkeit gestärkt.189 Die Außenpolitik Monacos ist geprägt von zwei Achsen, nämlich einerseits die Ausstrahlung Monacos in die Welt und andererseits die Solidarität mit Unterstützungsbedürftigen. Damit im Zusammenhang stehen die verfolgten Prinzipien, wie u. a. der Kampf gegen den Terrorismus, der Schutz der Menschenrechte, Bekämpfung der Armut, Entwicklung und Ausbau internationaler Beziehungen und die Positionierung Monacos bei internationalen Organisationen.190
186
Vgl. Miller 2007, S. 198. Vgl. Maresceau 2008, S. 291. 188 Vgl. Duursma 1996, S. 274. 189 sh. genauer Punkt F. I. 7.b). und folgendes Kapitel F. I. 6. b). 190 Vgl. Principauté de Monaco/Ministère d’Etat/Département des Relations Extérieures 2008, S. 4 f. 187
I. Charakteristika des Staates Monaco
291
b) Beziehungen zu Frankreich aa) Basis der Beziehungen Frankreich ist Monacos einziger Nachbarstaat und sein wichtigster Partner, auch im Hinblick auf die EU.191 Seit der Integration Sardiniens in den italienischen Staatsverband bestand zwischen Frankreich und Monaco ein völkerrechtliches Protektorats-Verhältnis, das im Freundschaftsabkommen und Schutzvertrag mit Frankreich vom 17. Juli 1918 kodifiziert wurde.192 Die völkerrechtliche Situation des Landes sowie die französisch-monegassischen Beziehungen waren bis 2002 durch diesen Vertrag und den zusätzlichen Briefwechsel gleichen Datums geprägt.193 Die Beziehungen heute werden – neben der Verfassung – durch den Vertrag über die Freundschaftsbeziehungen und die Zusammenarbeit von 2002 zwischen Frankreich und Monaco bestimmt.194 Der neue Grundlagenvertrag wurde am 24. Oktober 2002 abgeschlossen und trat am 1. Dezember 2005 in Kraft.195 Das Verhältnis zum Nachbarstaat Frankreich ist der Schwerpunkt der monegassischen Außenpolitik.196 In dem Vertrag von 1918 garantierte Frankreich die Verteidigung der Unabhängigkeit und Souveränität Monacos sowie seine territoriale Integrität, als ob das Gebiet ein Teil Frankreichs wäre (Art. 1 Abs. 1). Diese Pflicht der Verteidigung Monacos, als ob es Teil Frankreichs wäre, setzte voraus, dass Monaco von Frankreich als souveränes und unabhängiges Gebiet anerkannt wurde.197 Im Gegenzug verpflichtete sich die Regierung des Fürsten, seine Souveränitätsrechte nur in vollständiger Übereinstimmung mit den Interessen Frankreichs in Politik, Militär, Schifffahrt und Wirtschaft auszuüben (Art. 1 Abs. 2). Gemäß Artikel 2 Abs. 1 des Vertrages von 1918 musste bei internationalen Handlungen, z. B. dem Abschluss völkerrechtlicher Verträge, eine Abstimmung zwischen der fürstlichen Regierung und der Regierung Frankreichs 191 Vgl. Principauté de Monaco Ministère d’Etat/Département des Relations Extérieures 2008, S. 3, 6. 192 JM vom 19.08.1919; vgl. Ulses 2004, S. 17; Murray 2006, S. 193; France Diplomatie 2009. 193 Vgl. Duursma 1996, S. 264, 274; Hummer 2004, S. 86; Murray 2006, S. 193; Maresceau 2008, S. 292; Marxer/Pállinger 2009, S. 935; Ulses 2004, S. 17; Grinda 2006, S. 10, 28. 194 Traité destiné à adapter et à confirmer les rapports d’amitié et de coopération, 24.10.2002; vgl. France Diplomatie 2009; Marxer/Pállinger 2009, S. 926. 195 Vgl. France Diplomatie 2009. 196 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 935. 197 Vgl. Duursma 1996, S. 275; Murray 2006, S. 193; Grinda 2006, S. 28.
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bzw. eine vorherige Zustimmung durch Frankreich erfolgen. Dies galt speziell für neue Gesetze, bei der Rekrutierung von diplomatischem Personal sowie dem Feststellen, ob neue Verträge im Gegensatz zu anderen stehen.198 Der Vertrag stellte damit die Übereinstimmung der monegassischen Außenpolitik mit den Interessen Frankreichs sicher.199 Monaco nimmt seine auswärtigen Beziehungen ansonsten selbst wahr.200 Daraus ergab sich eine enge völkerrechtliche Bindung an Frankreich, es bestand ein völkerrechtliches Protektoratsverhältnis. Durch den Vertrag wurde eine Basis für mögliche permanente Interventionen in die Angelegenheiten des Fürstentums geschaffen.201 Auch bei Fragen über die Regentschaft und Thronfolge musste laut Artikel 2 Abs. 2 des Vertrages von 1918 eine vorherige Abstimmung mit Frankreich erfolgen, in dem der Regent oder Thronfolger durch Frankreich bestätigt werden musste. Außerdem konnte die Krone nur an eine Person mit französischer oder monegassischer Nationalität übertragen werden. Falls die Dynastie der Grimaldis während der Gültigkeit des Vertrages ausgestorben wäre bzw. der Thron nicht besetzt worden wäre, wäre das Fürstentum in einen „État de Monaco“, einen autonomen Staat mit dem Namen Staat von Monaco unter französischem Protektorat umgewandelt worden (Art. 3 Abs. 2 Vertrag von 1918). Auch eine Klausel der Nicht-Alliierung des Fürstentums war in Art. 3 Abs. 1 des Vertrages von 1918 festgeschrieben. Demnach war es die Pflicht Monacos, sich nicht mit keiner anderen Macht außer Frankreich zu verbünden. Des Weiteren besagte Art. 4 des Abkommens von 1918, dass die französische Regierung nach Zustimmung des Fürstentums oder in Notfällen nach Benachrichtigung Streitkräfte nach Monaco hätte einrücken lassen und dort stationieren können, um die Sicherheit der beiden Staaten zu gewährleisten. Ebenso hätte das Fürstentum um Frankreichs Intervention bitten können. Weiterhin regelte das Abkommen in Artikel 5, dass die französische Regierung dem Fürstentum seine Dienste zur Verfügung stelle, um den Zugang zu internationalen Konferenzen und Institutionen an seiner Seite zu erleichtern. Dieses Abkommen von 1918 wurde in Art. 436 des Vertrages von Versailles offiziell bestätigt.202 198
Vgl. Duursma 1996, S. 280; Hummer 2004, S. 86; Maresceau 2008, S. 292; Ulses 2004, S. 17; Grinda 2006, S. 28. 199 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 925. 200 Vgl. Hummer 2004, S. 86. 201 Vgl. Maresceau 2008, S. 292. 202 Vgl. Ulses 2004, S. 18; Grinda 2006, S. 9; Gallois 1964, S. 103.
I. Charakteristika des Staates Monaco
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Einerseits wurden durch dieses Abkommen die Unabhängigkeit und Souveränität Monacos bestätigt, andererseits wurden wichtige Kompetenzen der Konsultationspflicht bei der französischen Regierung unterworfen. Da das Abkommen Ende des 20. Jahrhunderts veraltet war und die Souveränität Monacos einschränkte, wurde im Oktober 2000 mit neuen Verhandlungen begonnen, auch um die Erfordernisse des Beitritts zum Europarat zu erfüllen.203 Schließlich wurde am 24. Oktober 2002 ein neues bilaterales Abkommen, der neue Grundlagenvertrag zwischen Frankreich und Monaco unterzeichnet.204 Er trat am 1. Dezember 2005 in Kraft.205 Der Vertrag von 1918 wurde durch diesen Vertrag ersetzt. Wichtigstes Ziel des Abkommens war es, die bestehenden bilateralen Beziehungen zu modernisieren, vor allem das Abkommen von 1918. Grund dafür war u. a., dass zwei Richter des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (Ridruejo und Ress) in einem Bericht über die Übereinstimmung der monegassischen Rechtsordnung mit den Grundprinzipien des Europarates die Überarbeitung des Abkommens von 1918 empfahlen. Gleichzeitig wurde in dem Bericht festgestellt, dass die Ausübung der Souveränität Monacos bedeutenden Einschränkungen als Ergebnis der bilateralen Beziehungen zu Frankreich unterlag. Es wurde als äußerst wünschenswert angesehen, dass die Verträge von 1918 und 1930 erweitert wurden.206 Die Stellungnahme der Parlamentarischen Versammlung des Europarates übernahm viele der Vorschläge aus dem Bericht und bestand auf neuen Regelungen der bisher gängigen Praxis – basierend auf dem französisch-monegassischen Vertrag von 1930 – die hochrangige Positionen in der monegassischen Regierung und dem öffentlichen Dienst französischen Staatsangehörigen vorenthielt. Dies stände dem Nicht-Diskriminierungsprinzip entgegen.207 Der Vertrag von 2002 vertieft und bestätigt, entsprechend seinem Namen, die Freundschaft und Kooperation zwischen den beiden Staaten, basierend auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit. Gemäß Art. 1 des Abkommens gewährleistet die Republik Frankreich dem Fürstentum Monaco den Schutz 203
Vgl. Ulses 2004, S. 19; Grinda 2006, S. 32. JM vom 03.03.2006; JORF vom 14.10.2005, S. 16297; JORF vom 07.01.2006, S. 309; vgl. Maresceau 2008, S. 293; Marxer/Pállinger 2009, S. 936; Ulses 2004, S. 19; France Diplomatie 2009. 205 Vgl. France Diplomatie 2009; Grinda 2006, S. 9. 206 CoE Doc. AS/Bur/Monaco. 1999, 1 rev. 2, 25.07.1999; vgl. Maresceau 2008, S. 293; Ulses 2004, S. 27. 207 CoE Opinion Nr. 250, 2004; vgl. Maresceau 2008, S. 293; Ulses 2004, S. 27. Genauer zum Europarat sh. Punkt F. I. 7. b), zum Abkommen von 1930 sh. Punkt F. I. 6. b). 204
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F. Das Fürstentum Monaco und seine Integration in die EU
seiner Unabhängigkeit und seiner Souveränität und garantiert die Integrität des monegassischen Gebiets unter denselben Bedingungen wie das Seinige (anstatt 1918: „als ob das Gebiet ein Teil von Frankreich wäre“). Das Fürstentum verpflichtet sich im Gegenzug, seine Handlungen bei der Ausübung seiner Souveränität mit den grundlegenden Interessen der Republik Frankreich in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Sicherheit und Verteidigung zu harmonisieren. Bezüglich der Außenbeziehungen des Fürstentums vergewissert sich Monaco gemäß Art. 2 Abs. 1, dass eine angemessene und regelmäßige Abstimmung mit der Republik Frankreich zu den Grundzügen der internationalen Beziehungen erfolgt (1918: vorherige Absprache). Frankreich verpflichtet hingegen, Monacos grundlegende Interessen zu beachten.208 Zwar benutzt das neue Abkommen nicht mehr Ausdrücke wie „perfekte Übereinstimmung“ oder „vorherige Zustimmung“, dennoch wird eine Konvergenz, Information und Abstimmung mit Frankreich betont.209 In dem neuen Abkommen werden die Gleichheit und die Zusammenarbeit beider Länder bekräftigt.210 Zusätzlich beinhaltet das neue Abkommen nicht mehr die Bestimmung, dass im Falle des Aussterbens des Fürstenhauses der Mikrostaat als Protektorat an Frankreich falle.211 In dem neuen Grundlagenvertrag wird laut Art. 3 (i. V. m. Art. 10. 11 Verf.) bei Tod oder Abdankung des regierenden Fürsten, dessen Nachfolge gemäß der monegassischen Verfassung gewährleistet. Frankreich muss lediglich benachrichtigt werden. Monaco regelt somit die Thronfolge selbst.212 Gemäß Art. 4 des Abkommens garantiert Frankreich weiterhin die militärische Verteidigung des Gebietes des Fürstentums, allerdings kann Frankreich, mit Ausnahme von Notfällen, nicht mehr auf eigene Initiative, sondern nur nach der Bitte bzw. mit Zustimmung des Fürsten in Monaco einrücken. Monaco selbst hat keine Armee oder allgemeine Wehrpflicht.213 In Art. 5 Abs. 1 des neuen Abkommens wird festgelegt, dass sich die Beziehungen zwischen den beiden Staaten auf diplomatischer Ebene abspielen. 208 Dazu auch France Diplomatie 2009; Maresceau 2008, S. 293; Ulses 2004, S. 28; Grinda 2006, S. 33. 209 Vgl. Maresceau 2008, S. 293; Marxer/Pállinger 2009, S. 936; Grinda 2006, S. 32. 210 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 936; Grinda 2006, S. 32. 211 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 936; Grinda 2006, S. 33. 212 Anwendung ist geregelt in den Statuten der Fürstlichen Familie, geändert durch Fürstliche Verordnung vom 29.05.2002; vgl. Grinda 2006, S. 33, 57, 66; France Diplomatie 2009; Ulses 2004, S. 28. 213 Vgl. Duursma 1996, S. 290.
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Daher werden beide Staaten jeweils eine Repräsentanz in dem anderen Staat unterhalten. Weiterhin ermöglicht Frankreich auf Bitten des Fürstentums dessen Beitritt zu internationalen Organisationen und Institutionen, bei denen Frankreich Mitglied ist (Abs. 2). Die Zustimmung Frankreichs zur Teilnahme an internationalen Konferenzen und Institutionen ist nicht mehr notwendig.214 So wurde aufgrund dieser Bestimmung des Vertrages das französische Generalkonsulat im Januar 2006 in den Rang einer Botschaft erhoben.215 Auf der Basis eines Briefwechsels wurde 1994 die Kommission für französisch-monegassische Zusammenarbeit geschaffen. Diese wird durch den Vertrag von 2002 institutionalisiert (Art. 7).216 Durch das Abkommen von 2002 werden die politischen Beziehungen zwischen Frankreich und Monaco neu geordnet und die Souveränität Monacos gestärkt. Auch der außenpolitische Spielraum Monacos wird durch das Abkommen erweitert.217 Zwar bringt dieses neue Abkommen für Monaco eine beachtliche qualitative Verbesserung im Vergleich zu dem Abkommen von 1918, dennoch bleibt der Eindruck, dass die bilateralen französisch-monegassischen Beziehungen Vorrang in den Außenbeziehungen Monacos als Ganzes haben.218 Es kann somit nicht abgestritten werden, dass auch nach dem Abkommen von 2002 Frankreich eine gewisse Protektion über Monaco ausübt. Auch wenn das Abkommen von 2002 die Souveränität Monacos achtet und weitere bilaterale Kooperationen möglich machen will, ist kein anderer europäischer Mikrostaat so eng mit seinem Nachbarstaat verbunden. Dies ist eine der möglichen Erklärungen, warum bis heute kein generelles Abkommen zwischen Monaco und der EU unterzeichnet wurde.219 bb) Handel und Zoll Durch das Abkommen von 1861 trat Monaco die Gemeinden Menton und Roquebrune an Frankreich ab, erlangte aber auch seine volle Souveränität und Unabhängigkeit zurück.220 Aufgrund des Art. 6 dieses Abkom214 215
Vgl. Ulses 2004, S. 29. Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 936; France Diplomatie 2009; Grinda 2006,
S. 32. 216
Vgl. Grinda 2006, S. 34; France Diplomatie 2009. Vgl. Ulses 2004, S. 19. 218 Vgl. Maresceau 2008, S. 294; Grinda 2006, S. 32 ff. 219 Vgl. Maresceau 2008, S. 294. 220 JM vom 17.02.1861; vgl. Gallois 1964, S. 86; Grinda 2006, S. 26; Ulses 2004, S. 17, 38; Stapper 1999, S. 33; Sack 1997, S. 48; Maresceau 2008, S. 292; Marxer/Pállinger 2009, S. 936. 217
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mens wurde 1865 durch einen Zollanschlussvertrag eine Zollunion zwischen Monaco und Frankreich gegründet.221 Dadurch schloss sich Monaco dem französischen Zollgebiet an und ist seit dem in einer Währungs- und Zollunion mit Frankreich verbunden.222 Die Zollunion zwischen Monaco und Frankreich wird durch die Zollkonvention vom 18. Mai 1963 bestätigt und spezifiziert.223 Demnach sind alle Zollgesetze und Regulierungen, die in Frankreich gelten, sowie alle französischen Ein- und Ausfuhrmodalitäten in Monaco anwendbar (Art. 1 Abs. 2 Zollkonvention, Art. 1 Protokoll). Die Zölle werden von den französischen Behörden eingezogen (Art. 6 Zollkonvention). Die Zolleinnahmen werden zwischen Monaco und Frankreich im Verhältnis der Einwohnerzahl beider geteilt; vor der Teilung werden die Zolleinnahmen mit einem fixen Koeffizienten multipliziert, da das Fürstentum ein höheres Pro-Kopf-Einkommen hat als Frankreich (Art. 7 Zollkonvention, Art. 2 Protokolls).224 Gemäß Art. 8 der Konvention wurde in Monaco eine Zollbehörde gegründet, in der alle Angestellten französische Staatsangehörige sind, ernannt durch die französische Regierung, die auch deren Absetzung verlangen kann (Art. 8 Zollkonvention). Die Zollkonvention kann nach Ankündigung innerhalb von 6 Monaten aufgelöst werden (Art. 13 Zollkonvention). Durch diese Zollkonvention ist Monaco heute Teil des Zollgebietes der EU und wendet den Zollkodex, wie er in Frankreich angewendet wird, an.225 Das Zollrecht, welches heute in Monaco gilt, beruht somit auf den Regelungen der EU in diesem Bereich und hat die Vereinbarungen zwischen Monaco und Frankreich abgelöst.226 Dies wird genauer in Kapitel F.II.1.a) behandelt.
221
JM vom 10.12.1865. Das Abkommen von 1865 wurde ersetzt durch das Abkommen von 10.04.1912, dieses wiederum wurde modifiziert am 07.05.1935 und am 13.05.1939, ersetzt durch das Abkommen vom 23.12.1951, in der Fassung vom 14.12.1954; vgl. Weitershagen 2000b, S. 17; Stapper 1999, S. 33; Sack 1997, S. 48; Maresceau 2008, S. 292; Marxer/Pállinger 2009, S. 936; Ulses 2004, S. 38. 222 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 771; Hummer 2004, S. 85 f.; Maresceau 2008, S. 292; Marxer/Pállinger 2009, S. 935; Grinda 2006, S. 26. 223 JM vom 23.08.1963; JORF vom 27.09.1963, S. 8679; abgeändert durch den Briefwechsel vom 8.11.1994, JORF vom 10.03.1995, S. 3763; vgl. Grinda 2006, S. 30; Duursma 1996, S. 286; Stapper 1999, S. 33; Maresceau 2008, S. 294; Weitershagen 2000a, S. 12; Ulses 2004, S. 21; Grard 2002, S. 96. 224 Vgl. Stapper 1999, S. 35. 225 ABl. L 302 vom 19.10.1992, S. 1–50, Art. 3 (2)(b). 226 Vgl. Stapper 1999, S. 35.
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cc) Währung In dem Vertrag von 1865 zwischen Frankreich und Monaco wurde festgelegt, dass die monegassischen Münzen dieselbe Größe, Titel und Wert wie die französischen Münzen haben müssen und durch das Hôtel de Monnaies in Paris, die französische Münzprägeanstalt, geprägt werden.227 Schließlich wurde der französische Franc 1925 durch eine fürstliche Verordnung als offizielles Zahlungsmittel im Fürstentum eingeführt.228 Aufgrund dieser Abkommen wurde 2001 eine Währungsvereinbarung zwischen Frankreich, im Namen der EU, und Monaco zur Nutzung des Euro geschlossen. Die Währungsvereinbarung berechtigt das Fürstentum Monaco, den Euro vom 1. Januar 2002 an als offizielle Währung zu verwenden. Dabei hat Monaco das Recht, eigene Münzen herauszugeben.229 dd) Finanzbereich Die Währungsunion zwischen dem Fürstentum und Frankreich wird außerdem durch die Konvention zur Devisenkontrolle vom 14. April 1945 sowie die darauf folgenden Briefwechsel reguliert.230 Die Konvention legt fest, dass die Gesetze bezüglich Devisenkontrolle, Währungsschutz, Organisation des Banksektors und dem Funktionieren des Finanzmarktes, die in Frankreich gelten, in Monaco voll anwendbar sind (Art. 1, 2, 4 Konvention 1945, Art. 1 Briefwechsel 1987). Die Banque de France (Französische Nationalbank) hat in Monaco dieselben Rechte wie in Frankreich (Art. 3 Konvention 1945).231 Die französischen Behörden können die korrekte Anwendung ihrer Finanzgesetze in Monaco kontrollieren. Bei Verstößen wird vor einem französischen Gericht angeklagt (Art. 6, 8 Konvention 1945). Die Konvention zur Devisenkontrolle von 1945 enthält keine Auflösungsklausel.232 227
Vgl. Grinda 2006, S. 26, 44. Ordonnance fixant le cours légal et le cours forcé des monnaies et billetes. 2 janvier 1925; vgl. Weitershagen 2000b, S. 18; Grinda 2006, S. 44; Marxer/Pállinger 2009, S. 935; Tchakaloff 2002, S. 105. 229 sh. Punkt F. II. 1. b). 230 JM vom 26.07.1945 (JORF vom 03.09.1963, S. 8031; JORF vom 29.06.1988, S. 8535; JORF vom 23.05.2003, S. 8824); vgl. Duursma 1996, S. 289; Stapper 1999, S. 37; Weitershagen 2000a, S. 19, 33; Ulses 2004, S. 20; Tchakaloff 2002, S. 105. 231 Vgl. Duursma 1996, S. 289; Weitershagen 2000a, S. 20. 232 Vgl. Duursma 1996, S. 289 f. 228
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Durch diese Bestimmungen müssen die in Monaco ansässigen Kreditanstalten die französischen Bankregelungen beachten und die französischen Aufsichtsorgane können im Fürstentum ihre Kompetenzen ausüben. Es entsteht gewissermaßen ein homogener Raum zur Ausübung von Bankaktivitäten.233 ee) Besetzung von öffentlichen Ämtern Bis zum Jahr 2002 waren die hohen monegassischen Ämter in der Regierung und der Verwaltung französischen Staatsbürgern vorbehalten. Die Konvention von 1930 lieferte dafür die rechtliche Grundlage.234 Gemäß Artikel 4 der Konvention von 1930 stellte Frankreich Monaco Beamte zur Verfügung, die mit Zustimmung des Fürsten ausgewählt wurden. Dazu zählten bestimmte öffentliche Ämter, die die Sicherheit, die öffentliche Ordnung und die Außenbeziehungen des Fürstentums sowie die Ausführung der mit Frankreich geschlossenen Verträge betreffen (Art. 5). Neben der Mehrheit der Richter (Art. 6), gehörten dazu der Staatsminister (Art. 7) sowie u. a. der Vorsitzende der juristischen Dienste, der Regierungsrat für Inneres, der Leiter der Öffentlichen Sicherheit, der Generalstaatsanwalt des Berufungsgerichts, der Leiter der Meldestelle, der Polizeileiter, der Leiter des Arbeitsamtes, der Leiter der Steuerbehörde sowie der Leiter des Hafens.235 Die Konvention von 1930 enthielt keine Kündigungsklausel. Durch diese Konvention entstand eine gewisse Abhängigkeit Monacos von Frankreich. Die Änderung dieser Konvention war notwendig, um die Voraussetzungen für einen Beitritt des Fürstentums zum Europarat zu schaffen.236 Durch neue Regelungen sollten die Souveränität Monacos gestärkt und die Diskriminierung der Bürger Monacos gegenüber den französischen Bürgern beendet werden. Schließlich wurden am 8. November 2005 drei Texte, ein so genanntes „Modernisierungstriptychon“, unterzeichnet, darunter das Übereinkommen über die administrative Zusammenarbeit, welches die Konvention vom 28. Juli 1930 ersetzt (Art. 8). Es ermöglicht den Monegassen insbesondere den Zugang zu hochrangigen Posten im Fürstentum. Das Übereinkommen ist am 1. Januar 2009 in Kraft getreten.237 Die darin 233
Vgl. Weitershagen 2000a, S. 32; Ulses 2004, S. 20. JM vom 16.05.1935; JORF vom 29.03.1935, S. 3562 (geändert durch JORF vom 24.10.1976, S. 6204; JORF vom 25.10.1978, S. 3664; JORF vom 10.04.1985, S. 4158); vgl. Grinda 2006, S. 30; Maresceau 2008, S. 292; Marxer/Pállinger 2009, S. 935; France Diplomatie 2009; Waschkuhn 2003, S. 771. 235 Diese Funktionen sind aufgezählt in JORF vom 28.02.1974, S. 2320: Briefwechsel vom 07.05.1973; vgl. Ulses 2004, S. 19; Duursma 1996, S. 271, 283; Waschkuhn 2003, S. 771; Hummer 2004, S. 86; Maresceau 2008, S. 292. 236 Zum Beitritt Monacos zum Europarat sh. Punkt F. I. 7. b). 234
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festgehaltenen Regelungen wurden schon seit 2002 provisorisch angewandt.238 Nun spielt Frankreich nur noch eine beratende Rolle.239 ff) Diplomatische Vertretungen Der am 24. Oktober 2002 abgeschlossene Grundlagenvertrag zwischen Frankreich und Monaco240 enthält auch Bestimmungen zur diplomatischen Vertretung des Fürstentums. Gemäß Art. 5 Abs. 3 des Vertrages können sich die Bürger Monacos in einem Staat, wo das Fürstentum selbst über keine konsularische Vertretung verfügt, entsprechend den Vorgaben des Völkerrechts, an eine französische Botschaft oder Konsulat wenden. gg) Steuern Im Jahr 1962 kam es zwischen Frankreich und Monaco zu einem Streit über Monacos Steuersystem. Frankreich bat u. a. um eine Angleichung der Steuersysteme, da eine große Steuerflucht von französischen Staatsangehörigen nach Monaco stattfand, weil dort bis dahin keine direkten Steuern erhoben wurden. Monaco sah darin allerdings eine Einschränkung seiner Unabhängigkeit und Souveränität. Als die Verhandlungen zum Stillstand kamen, unternahm Frankreich Zwangsmaßnahmen, z. B. verweigerte es Visaausstellungen nach Monaco und es wurden Grenzposten nach Monaco aufgestellt, die den Waren- und Personenverkehr kontrollierten.241 Der Kern dieser Zwangsmaßnahmen wurde zwischen Oktober 1962 und Mai 1963 angewandt.242 Am Ende dieser Zeitspanne, am 18. Mai 1963, wurden schließlich sechs Konventionen abgeschlossen: das Zollabkommen,243 das Steuerabkommen,244 das Nachbarschaftsabkommen,245 die Versicherungskonvention,246 237 JM vom 09.01.2009, Annex (S. 2814 ff.); JORF vom 19.02.2009, S. 42; vgl. France Diplomatie 2009; Marxer/Pállinger 2009, S. 936; Grinda 2006, S. 36. 238 Vgl. Maresceau 2008, S. 291; Glassner 2004, S. 32; Marxer/Pállinger 2009, S. 935 f.; Ulses 2004, S. 20. 239 Vgl. Murray 2006, S. 193; Maresceau 2008, S. 291. 240 JORF vom 14.10.2005, S. 16297; JORF vom 07.01.2006, S. 309. 241 Vgl. Gallois 1964, S. 166 f., 175 ff.; Duursma 1996, S. 276 f.; Ulses 2004, S. 21; Stapper 1999, S. 39. 242 Vgl. Duursma 1996, S. 277. 243 JM vom 23.08.1963; JORF vom 27.09.1963, S. 8679; JORF vom 10.03.1995, S. 3764; JM vom 03.03.1995, S. 220; JORF vom 29.08.2003, S. 14735. 244 JM vom 23.08.1963; JORF vom 27.09.1963, S. 8679; JORF vom 25.12.1969, S. 12559; JORF vom 08.01.1972, S. 331; JORF vom 30.05.1986, S. 6853; JORF vom 15.03.2005, S. 4393; JORF vom 01.09.2005, S. 14170.
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das Post-, Telegrafie- und Telefonabkommen247 sowie das Pharmazieabkommen.248 Dadurch konnte die Krise beigelegt werden.249 Das bedeutendste der 1963 abgeschlossenen Abkommen war das Steuerabkommen, das vor allem Monacos Steuersystem neu definiert und neue direkte Steuern in Monaco einführt.250 So müssen Unternehmen mit Sitz in Monaco Steuern auf ihre Gewinne zahlen, wenn mindestens 25% ihres Umsatzes durch industrielle oder kommerzielle Tätigkeiten außerhalb Monacos erwirtschaftet werden (Art. 1, 2 (a)). Ebenso gilt dies für Unternehmen, deren Aktivitäten darin bestehen, Einnahmen von Patenten oder Copyrights im künstlerischen und literarischen Bereich zu beziehen (Art. 2 (b)). Außerdem sind in Monaco ansässige französische Staatsbürger verpflichtet, in Frankreich Einkommenssteuer zu zahlen, außer wenn sie beweisen können, dass sie fünf Jahre vor dem 13. Oktober 1962 in Monaco gewohnt haben (Art. 7). Das französische Einkommenssteuerrecht wird somit zum Vorteil von Frankreich und zum Nachteil der Franzosen, die nach 1957 nach Monaco zogen, angewandt.251 Dadurch soll vor allem das Problem der Steuerflucht von französischen Staatsangehörigen nach Monaco geregelt werden.252 Monaco ist das einzige Land, in dem französische Staatsangehörige zur Versteuerung in Frankreich verpflichtet sind.253 Dies ist einer der Gründe, warum der Anteil der französischen Bevölkerung in Monaco stark zurückgegangen ist.254 Das Steuerabkommen reguliert auch die Umsatz- und Mehrwertsteuer.255 So erhebt Monaco die Umsatz- bzw. Mehrwertsteuer unter denselben Bedingungen und in gleicher Höhe wie in Frankreich (Art. 15, Art. IV Pro245 JM vom 23.08.1963; JORF vom 27.09.1963, S. 8679; JORF vom 17.06.2007, S. 10475; Briefwechsel: JORF vom 02.12.1999, S. 17922/3; JORF vom 30.06.2000, S. 9866/8, 9870; JM Nr. 7449 vom 30.06.2000. 246 JM vom 23.08.1963; JORF vom 27.09.1963, S. 8679. 247 JM vom 23.08.1963; JORF vom 27.09.1963, S. 8679; JORF vom 05.06.1999, S. 8299. 248 JM vom 23.08.1963; JORF vom 27.09.1963, S. 8679; JORF vom 15.02.1982, S. 583. Außerdem wurden vier Briefwechsel abgeschlossen zu den Themen Bankenregulierung, Straßenverkehr, Urbanismus, Hoheitsgewässer; vgl. France Diplomatie 2009; Ulses 2004, S. 21 ff. Zum Zollabkommen sh. oben. 249 Vgl. Stapper 1999, S. 39. 250 Vgl. Duursma 1996, S. 277 f., 287; Grinda 2006, S. 31. 251 Vgl. Duursma 1996, S. 287; Ulses 2004, S. 22. 252 Vgl. Stapper 1999, S. 26; Hummer 2004, S. 86; Marxer/Pállinger 2009, S. 925. 253 Vgl. Duursma 1996, S. 287. 254 Vgl. Ulses 2004, S. 22. 255 Vgl. Duursma 1996, S. 287; Maresceau 2008, S. 294; Ulses 2004, S. 22.
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tokoll). Diese Steuereinnahmen werden zwischen Monaco und Frankreich entsprechend einer festen Formel aufgeteilt (Art. 17, Briefwechsel vom 18.05.1963). Im Rahmen des Steuerabkommens wird eine gemischte beratende Kommission gegründet, die auf Nachfrage jeder Partei einberufen werden kann. Die Kommission untersucht Schwierigkeiten, die sich aus der Interpretation oder Anwendung des Abkommens ergeben, und erarbeitet entsprechend Lösungsvorschläge (Art. 25). Die Konvention kann nach Ankündigung innerhalb von sechs Monaten aufgelöst werden (Art. 26). Der normale Mehrwertsteuersatz beträgt derzeit 19,6%. Seit dem 1. Januar 1993 wird das Mehrwertsteuersystem der EU angewandt.256 hh) Ausländerwesen und freier Personenverkehr Die Regelungen bezüglich Aufenthaltsrechten von Ausländern u. ä. werden in der Nachbarschaftskonvention vom 18. Mai 1963257 festgehalten. In Titel 1 der Nachbarschaftskonvention wird außerdem der freie Personenverkehr zwischen Frankreich und Monaco geregelt. Im Zusammenhang mit dem Schengen-Abkommen mussten diese Bestimmungen angepasst werden, was durch den Briefwechsel vom 15. Dezember 1997, der am 1. Juli 2000 in Kraft trat, bezüglich der Änderungen des Titels 1 des Nachbarschaftsabkommens von 1963 geschah.258 Demnach können die französischen und monegassischen Staatsangehörigen jeweils frei ein- und ausreisen und sich auf dem Territorium des anderen Staates aufhalten, niederlassen und einen Beruf dort ausüben. Dabei müssen die monegassischen Gesetze zu Einreise, Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern in Übereinstimmung mit der französischen Gesetzgebung auf diesem Gebiet gehalten werden (Art. 1). Für die Ein- und Ausreise von Ausländern, die weniger als drei Monate in Monaco bleiben möchten, gelten die gleichen Vorschriften wie in Frankreich (Art. 2). Die Staatsangehörigen Monacos können, wie die Franzosen, im Schengen-Gebiet ein- und umherreisen und die für die Schengen-Staaten geltenden Aufenthaltstitel gelten auch für Monaco (Art. 2). Der Art. 3 des Nachbarschaftsabkommens regelt den Aufenthalt für Ausländer über drei Monate. Staatsangehörige der EU- oder EWR-Mitgliedstaaten stellen ihren 256
Vgl. Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009k; Ulses 2004, S. 16. JM vom 23.08.1963; JORF vom 27.09.1963, S. 8679; JORF vom 17.06.2007, S. 10475. 258 Briefwechsel: JORF vom 02.12.1999, S. 17922/3; JORF vom 30.06.2000, S. 9866/8, 9870; JM Nr. 7449 vom 30.06.2000; vgl. Ulses 2004, S. 22, 39 f. 257
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Antrag für einen derartigen Aufenthalt bei den monegassischen Behörden, alle anderen bei dem für sie zuständigen französischen Konsulat. Die französischen Konsulate konsultieren dazu die monegassischen Behörden, die den Anträgen zustimmen müssen. Andererseits muss auch die monegassische Regierung mögliche Einwände der französischen Behörden berücksichtigen.259 Gemäß Art. 7 des Nachbarschaftsabkommens kontrollieren die französischen und monegassischen Behörden gemeinsam den Hafen und Heliport in Monaco. Die Nachbarschaftskonvention kann nach einer Ankündigung nach sechs Monaten aufgelöst werden (Art. 24). Im Gegensatz zu Liechtenstein, San Marino und Andorra gibt es keine Einschränkungen für Ausländer in Monaco, Grundbesitz zu erwerben.260 ii) Weitere und angestrebte Abkommen Das Sozialabkommen zwischen Frankreich und Monaco vom 28. Februar 1952 erlaubt den Bürgern der beiden Staaten von der jeweiligen Gesetzgebung zur sozialen Sicherheit in beiden Staaten zu profitieren.261 In dem Versicherungsabkommen von 1963262 verpflichtet sich Monaco, Versicherungsvorschriften einzuführen, die mit dem französischen Versicherungsrecht harmonisiert sind. Letztendlich wurden jedoch keine monegassischen Gesetzestexte erstellt und es wurden nie Zulassungsmodalitäten für Versicherungsgesellschaften festgelegt. Daher ist es bis heute in Monaco nicht möglich, eine Versicherungsgesellschaft nach monegassischem Recht zuzulassen263 und Versicherungen werden nur von französischen Versicherungsgesellschaften angeboten.264 Auch die postalischen, telegraphischen und telefonischen Beziehungen mit Frankreich werden von einer der sechs Konventionen, dem Post-, Telegrafie- und Telefonabkommen265 vom 18. Mai 1963 geregelt. Demnach fallen die postalischen und telegraphischen Dienstleistungen Monacos unter 259
Vgl. Ulses 2004, S. 40. Vgl. Duursma 1996, S. 289. 261 JM vom 29.03.1954; JORF vom 27.06.1954, S. 6132; JORF vom 13.12.1961, S. 11430; JORF vom 26.06.1964; S. 5550; JORF vom 02.03.1966, S. 1811; JORF vom 08.10.1982, S. 2997; JORF vom 30.04.2000, S. 6562; vgl. Grinda 2006, S. 31; Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009l. 262 JM vom 23.08.1963; JORF vom 27.09.1963, S. 8679. 263 Vgl. République Française/Ministère de l’économie, des finances et de l’industrie 2000. 264 Vgl. International Monetary Fund 2008; Ulses 2004, S. 21. 265 JM vom 23.08.1963; JORF vom 27.09.1963, S. 8679; JORF vom 05.06.1999, S. 8299. 260
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die Autorität der französischen Verwaltung in diesem Bereich (Art. 1). Es werden die französischen Gesetze auf monegassischem Gebiet angewandt (Art. 2). Die Konvention kann innerhalb von sechs Monaten aufgekündigt werden (Art. 14 Abs. 2). In dem Pharmazieabkommen von 1963266 wird geregelt, dass die monegassischen Vorschriften im Bereich Pharmazie den französischen weitestgehend angepasst sein müssen (Art. 1). Am 8. November 2005 wurden drei Texte, ein so genanntes „Modernisierungstriptychon“, unterzeichnet. Dazu gehören neben dem oben erwähnten Übereinkommen über die administrative Zusammenarbeit, welches das Übereinkommen vom 28. Juli 1930 ersetzt, ein Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen und ein Briefwechsel über den Anlegerschutz. Das Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen hat zum Ziel, den Informationsaustausch bei Strafverfahren zu vereinfachen. Das Übereinkommen ist am 1. November 2008 in Kraft getreten. Der Briefwechsel über den Anlegerschutz unterstellt gewisse monegassische Kreditinstitute dem französischen Code monétaire et financier (Gesetzbuch über das Währungsund Finanzwesen). Die Kreditinstitute können im Gegenzug dem französischen Wertpapiersicherungssystem beitreten. Der Text des Briefwechsels wurde vom Staatsrat geprüft und wird in Kürze dem französischen Parlament zur Zustimmung vorgelegt.267 Weiterhin reichte Monaco 2008 bei den französischen Behörden ein Dossier über die neuen monegassischen Maßnahmen zur Bekämpfung der Geldwäsche ein, um die Ausnahmeregelung gemäß Artikel 17 der Verordnung 1781/2006 (über Informationen, die den Auftraggeber von Überweisungsaufträgen betreffen) mit dem Ziel geltend machen zu können, Überweisungen zwischen Monaco und Frankreich als interne Überweisungen zu behandeln.268 Trotz der Verpflichtungen Monacos, verschiedene Rechtsgebiete mit der französischen Gesetzgebung zu harmonisieren, u. a. in den Bereichen Steuern, Aufenthaltsrecht für Ausländer, Banken- und Versicherungsrecht, Zollbestimmungen, das Postwesen oder Arzneimittelrecht, bleibt die Souveränität Monacos im Kern unangetastet.269 266 JM vom 23.08.1963; JORF vom 27.09.1963, S. 8679; JORF vom 15.02.1982, S. 583. 267 Vgl. France Diplomatie 2009; Principauté de Monaco/Ministère d’Etat/Département des Relations Extérieures 2008, S. 8. 268 Vgl. France Diplomatie 2009. 269 Vgl. Stapper 1999, S. 28 f.; weitere Abkommen in spezifischen Bereichen sh. République Française/Ministère des Affaires étrangères 2009; Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009l.
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F. Das Fürstentum Monaco und seine Integration in die EU
c) Beziehungen zu Italien Ebenso mit Italien hat Monaco diverse Übereinkommen geschlossen. Dazu gehört das Abkommen zur Auslieferung von Straftätern (1866), zu medizinischer Hilfe der Bedürftigen (1872), zu rechtlicher Zusammenarbeit (1872), der Briefwechsel zum Wegfall der Visapflicht für Monegassen, die sich nach Italien begeben wollen (1923), der Briefwechsel über den freien Personenverkehr (1957) sowie die Konvention über soziale Sicherheit (1982).270 Weiterhin gibt es seit 2007 zur Vertiefung der Beziehungen Gespräche über die Einrichtung einer gemischten Kommission zwischen Monaco und Italien. Diese Kommission trifft sich jährlich und erörtert Themen in Bereichen wie Transport, Umwelt und Kultur.271 d) Beziehungen zu weiteren Staaten Weitere Verträge wurden mit anderen Staaten abgeschlossen, u. a. zur Auslieferung von Straftätern (mit zwölf Staaten: u. a. Belgien, Niederlande, Spanien, Russland, Schweiz, Österreich, Großbritannien, Dänemark, Tschechoslowakei (1934), USA, Deutschland, Australien), zu rechtlicher Unterstützung in Strafsachen (Deutschland, Australien), zur gegenseitigen Mitteilung von Geburten und Heiraten oder zum Schutz des Urheberrechts (USA).272 Die Beziehungen zu San Marino umfassen ein Abkommen zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen aus dem Jahr 2006 sowie ein Abkommen über den Informationsaustausch in Steuerangelegenheiten von 2009.273 Am 1. Januar 2010 unterhält Monaco neun eigene Botschaften, die in 20 Staaten akkreditiert sind, u. a. in Deutschland, Frankreich, Italien und den USA. Außerdem verfügt Monaco über zwei nichtresidierende Botschafter, die in weiteren Ländern akkreditiert sind, sowie vier ständigen Vertretungen bei internationalen Organisationen, d.h. in New York, Genf, Strassburg sowie in Brüssel bei der EU. Insgesamt verfügt der Mikrostaat über 124 Konsulate, die in 72 Staaten überall auf der Welt aktiv sind. Ebenso sind 50 Botschafter in Monaco akkreditiert, zwei davon, der französische und der italienische Botschafter, residieren in Monaco. Insgesamt besitzen 65 Staa270
Vgl. Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009m. Vgl. Principauté de Monaco/Ministère d’Etat/Département des Relations Extérieures 2008, S. 9. 272 Vgl. Grinda 2006, S. 20, 160; Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009n. 273 Vgl. Republic of San Marino/Secretariat of State for Foreign and Political Affairs 2010. 271
I. Charakteristika des Staates Monaco
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ten eine in Monaco akkreditierte Botschaft, hinzu kommen 75 konsularische Vertretungen, die in Monaco akkreditiert sind.274 7. Beziehungen zu internationalen Organisationen a) Völkerbund und Vereinte Nationen Monacos außenpolitisches Ziel ist es, seine Souveränität durch die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen zu stärken.275 Im Jahr 1919 informiert das Fürstentum seinen Nachbarstaat über seinen Wunsch, zu den vorbereitenden Treffen des Völkerbundes eingeladen zu werden. Diese Bitte ergibt sich aus Artikel 5 des französisch-monegassischen Vertrages von 1918, in dem die Regierung Frankreichs verspricht, Monaco Zutritt zu internationalen Konferenzen und Organisationen zusammen mit Frankreich zu ermöglichen. Dieser Wunsch wurde zunächst nicht erfüllt.276 Am 6. April 1920 reichte Monaco eine Bewerbung um Mitgliedschaft im Völkerbund ein. Ohne auf die Entscheidung des Völkerbundes zu der Bewerbung Liechtensteins zu warten, zog Monaco seine Bewerbung am 22. Oktober 1920 zurück. Einsprüche kamen hauptsächlich von Großbritannien, das Zweifel über die Unabhängigkeit Monacos hegte und Frankreich keine zusätzliche Stimme geben wollte.277 Am 8. September 1924 bewarb sich Monaco erneut um Mitgliedschaft. Wieder gab es Beanstandungen durch Großbritannien. Außerdem war Monaco in dem Jahr der einzige Bewerber um Mitgliedschaft und große Staaten wie Deutschland oder die Türkei hatten noch keinen Antrag gestellt. So zog Monaco am 1. Mai 1925 zum zweiten Mal seine Bewerbung um Mitgliedschaft zurück.278 Genauso wie Liechtenstein und San Marino litt Monaco unter der generellen Ablehnung von Beitritten von Mikrostaaten in den Völkerbund.279 Der Völkerbund wurde 1946 aufgelöst. Der Ständige Internationale Gerichtshof (StIGH) wurde 1922 durch den Völkerbund mit Sitz in Den Haag gegründet. Im Jahr 1946 wurde er durch den Internationalen Gerichtshof (IGH) abgelöst. 274 275 276 277 278 279
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2010d. Marxer/Pállinger 2009, S. 936. Duursma 1996, S. 291; Grinda 2006, S. 11. Duursma 1996, S. 291 f.; Grinda 2006, S. 11. Duursma 1996, S. 292 f.; Grinda 2006, S. 11. Duursma 1996, S. 293.
306
F. Das Fürstentum Monaco und seine Integration in die EU
Wie Liechtenstein und San Marino war Monaco einer der Nichtmitgliedstaaten des Völkerbundes, die eine Einladung erhielten, Vertragspartei des Statuts des StIGH zu werden. Am 22. April 1937 ratifizierte Monaco das Statut des StIGH. Monaco brachte nie einen Fall vor den StIGH und es wurde keine Klage gegen Monaco eingebracht.280 Der seit 1946 bestehende Internationale Gerichtshof (IGH) mit Sitz in Den Haag ist das Hauptrechtssprechungsorgan der UNO. Nachdem bekannt wurde, dass Liechtenstein am 24. März 1949 darum gebeten hatte, als Vertragspartei zum Statut des IGH angenommen zu werden, sah auch Monaco die Möglichkeit, dem Status beizutreten und Liechtenstein als Präzedenzfall heranzuziehen. So schloss sich Monaco der Bitte an. Eine Einzelbewerbung Monacos folgte nicht. Da das Fürstentum vorher schon Vertragspartei des Statuts des StIGH war, sprach dem Beitritt nichts entgegen.281 Seit 1956 hat das Fürstentum den permanenten Beobachterstatus bei der UNO, der Nachfolgeorganisation des Völkerbundes, in New York.282 Nach Liechtenstein und San Marino ist Monaco der dritte europäische Mikrostaat, der sich um Vollmitgliedschaft bei der UNO bewarb. Das Beitrittsgesuch wurde vom UN-Generalsekretär am 18. Mai 1993 empfangen.283 Der Beitritt von Monaco wurde nach einem Screening, jedoch ohne größere Diskussion von dem Komitee für den Beitritt neuer Mitglieder empfohlen.284 So stimmte auch der Sicherheitsrat dem Beitritt am 26. Mai 1993 zu und empfahl dies ebenso der Generalversammlung.285 Am 28. Mai 1993 begrüßte die Generalversammlung mit Beifall den Beitritt Monacos.286 Die Bedeutung des Beitritts in die UNO liegt für Monaco darin, dass die anderen Mitgliedstaaten die Beziehungen des Fürstentums zu Frankreich nicht als Hindernis eines Beitritts in eine internationale politische Organisation gesehen haben. Außerdem wurde Monacos Staatlichkeit anerkannt, was langfristig seine Position stärkt. Gleichzeitig kann das Fürsten280
Vgl. Duursma 1996, S. 293. Vgl. Duursma 1996, S. 293. 282 Vgl. Duursma 1996, S. 303. 283 UN Doc. A/47/950 (1993); UN Doc. S/25796 (1993); vgl. Duursma 1996, S. 303. 284 UN Doc. S/25842; vgl. Duursma 1996, S. 303; Maresceau 2008, S. 291. 285 UN Doc. S/RES/829 (1923); UN Doc. S/PV.3219 (1993); vgl. Duursma 1996, S. 303. 286 UN Doc. A/47/L.62/Add.1; UN Doc. A/RES/47/231; JM vom 11.06.1993; vgl. Duursma 1996, S. 303; Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009p; Murray 2006, S. 194; Maresceau 2008, S. 291; Marxer/Pállinger 2009, S. 936; Grinda 2006, S. 9, 11. 281
I. Charakteristika des Staates Monaco
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tum von den rechtlichen und politischen Möglichkeiten, die die UNO bietet, profitieren.287 Schon vor seinem eigentlichen UN-Beitritt war Monaco Mitglied zahlreicher Sonder- und Unterorganisationen der UNO, wie der UNESCO, der Weltgesundheitsorganisation,288 der Internationalen Atomenergiebehörde oder der Weltorganisation für intellektuelles Eigentum.289 Der Beitrittsprozess zur UNESCO wird im Folgenden dargestellt, da er für die Anerkennung Monacos bedeutsam ist. Am 19. Juli 1947 bewarb sich Monaco um Mitgliedschaft bei der UNESCO.290 Es fand eine Untersuchung durch den Wirtschafts- und Sozialausschuss statt, da Monaco noch kein Mitglied der UN war. Der Ausschuss entwarf am 5. Februar 1948 eine Resolution, in der er die UNESCO informierte, keine Einwände gegen den Beitritt Monacos zu haben.291 Der Resolutionsentwurf besagt, dass kein Zweifel über Monacos Staatlichkeit vorherrscht, aber man glaubt, dass das Fürstentum nicht alle Voraussetzungen für Souveränität erfüllt, vor allem durch den Vertrag, der es an Frankreich bindet.292 Der Exekutivausschuss der UNESCO beschäftigte sich anschließend am 24. September 1948 mit der Bewerbung Monacos. Seine Schlussfolgerung ergibt u. a., dass aufgrund des Vertrages zwischen Frankreich und Monaco von 1918 keine Verletzung der Unabhängigkeit und Souveränität von Monaco vorliegt und dieser Punkt demzufolge dem Beitritt in eine internationale Organisation nicht entgegensteht. Monaco sei ein kleiner unabhängiger und souveräner Staat, der wichtige Souveränitätsrechte selbst ausführt.293 Die Untersuchungen der UNESCO sind die ausführlichsten einer internationalen Organisation hinsichtlich des rechtlichen Status Monacos.294 Die Generalversammlung der UNESCO befürwortete am 9. Dezember 1948 einstimmig die Empfehlung des Exekutivausschusses.295 Mit der Auf287
Vgl. Duursma 1996, S. 303; Grinda 2006, S. 9. WHO Off. Rec., 1st Ass., 1948, S. 76. 289 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 936; Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009p; Grinda 2006, S. 11 f.; Duursma 1996, S. 294, 297. Die IAEO gründete im Jahr 1961 in Monaco ein internationales Labor für maritime Radioaktivität. 290 UN Doc. E/568; vgl. Grinda 2006, S. 11; Ehrhardt 1970a, S. 57; Duursma 1996, S. 294. 291 UN Doc. E/568/Add. 1; UNESCO Doc. 8 EX/6 (1948); vgl. Duursma 1996, S. 295; Ehrhardt 1970a, S. 58. 292 UN Doc. E/568/Add. 1, S. 53 ff.; vgl. Duursma 1996, S. 295. 293 UNESCO Doc. 8 EX/6 (1948); vgl. Duursma 1996, S. 295. 294 Vgl. Duursma 1996, S. 295. 295 UNESCO Doc. Res. 3C/Rev. IV.; vgl. Duursma 1996, S. 297. 288
308
F. Das Fürstentum Monaco und seine Integration in die EU
nahme Monacos in die UNESCO wurde implizit die Anerkennung der Staatlichkeit des Fürstentums bestätigt. b) Europarat Schon im Jahr 1949 unternahm Monaco große Anstrengungen, dem Europarat beizutreten. Letztendlich wurde aber eine Bewerbung um eine Vollmitgliedschaft bis zum Jahr 1998 nicht eingereicht.296 Monacos Beitritt zum Europarat wurde langwierig diskutiert. Erst sechs Jahre nach dem Aufnahmeantrag vom 15. Oktober 1998297 wurde Monaco 2004 in den Europarat aufgenommen, da Monaco bis zu diesem Zeitpunkt einige demokratische Kriterien nicht erfüllte. Möglich Einwände gegen die Vollmitgliedschaft Monacos kamen vor allem aufgrund der engen Beziehungen zu Frankreich auf. Es war erkennbar, dass Monaco seine Meinung fast immer an seinen großen Nachbarn anpasste. So wurden im Rahmen des Beitrittsprozesses als Schwerpunkte die Souveränität Monacos, die parlamentarische Demokratie, das Rechtstaatsprinzip und der Schutz der Menschenrechte untersucht. Außerdem mussten Steuerfragen geklärt (Stichwort Steuerparadies) und das monegassische Wahlrecht geändert werden, welches zuvor der Opposition nur geringe Chancen ließ.298 Schließlich stellte der Europarat fest, dass die Souveränität Monacos durch die engen Beziehungen zu Frankreich eingeschränkt ist, vor allem durch das Abkommen von 1918 und forderte daher, die Herstellung der Souveränität, die Stärkung der Macht des Nationalrates, Änderungen am Wahlgesetz sowie an der Verfassung.299 In folge dessen wurde einige der Konventionen mit Frankreich (von 1918, von 1930) sowie auch die Verfassung Monacos erneuert bzw. revidiert und Gesetze verabschiedet. Erst am 2. September 2004 beschloss das Ministerkomitee, das Fürstentum als Vollmitglied aufzunehmen, was am 5. Oktober 2004 als 46. Mitglied geschah.300 296
Vgl. Hummer 2004, S. 73; Ulses 2004, S. 27; Grinda 2006, S. 12, 39. Bewerbung Monacos um Mitgliedschaft im Europarat: CoE/CM(2004)115/ 29.06.2004: Brief von H.E.M. Michel Levêque, Staatsminister, im Namen der Fürstlichen Regierung, an Daniel Tarschys, Generalsekretär des Europarates vom 15.10.1998. Pressemitteilung des Europarates vom 21.10.1998. Zur Beitrittsprozedur: Mitteilung des Fürsten an den Nationalrat vom 25.06.2001, anschließend Regierungserklärung von H.E.M. Patrick Leclercq, Staatsminister von Monaco, Anhang von JM Nr. 7.505; vgl. Grinda 2006, S. 39. 298 Vgl. Duursma 1996, S. 300 f.; Ulses 2004, S. 27. 299 CoE Doc. AS/Bur/Monaco, 1 rev. 2, 25.07.1999, S. 29–31; vgl. Ulses 2004, S. 27. 297
I. Charakteristika des Staates Monaco
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Weiterhin ist Monaco Vertragspartei von zahlreichen Europäischen Konventionen, die im Rahmen des Europarates abgeschlossen wurden. Dazu gehören die Europäische Menschenrechtskonvention,301 das Europäisches Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe,302 das Übereinkommen über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume,303 das Europäische Kulturabkommen (1954) Nr. 18304 oder das Europäische Übereinkommen zum Schutz des archäologischen Erbes,305 das Strafrechtsübereinkommen über Korruption306 oder das Protokoll Nr. 14bis zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten.307 Zusätzlich nimmt Monaco an zahlreichen Ausschüssen und Komitees sowie Konferenzen teil.308 Dazu gehört auch MONEYVAL, der Ausschuss des Europarates zur Bewertung von Maßnahmen zur Bekämpfung von Geldwäsche.309 Durch die Aufnahme Monacos in den Europarat wurde die Anerkennung des Fürstentums in Europa gestärkt und gleichzeitig dessen Gesetze an die Prinzipien des Europarates angepasst.310
300 Zu den Änderungen sh. Punkt F. I. 6. b); CoE Doc. D31, 2004; vgl. Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009p; Grinda 2006, S. 12, 39 f.; Hummer 2004, S. 73; Murray 2006, S. 194; Maresceau 2008, S. 291; genauer zum Beitrittsprozess: Grinda 2005, S. 25–58. 301 Inkraft am 30. November 2005; vgl. Europarat 2010a; Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009p. 302 Inkraft am 30. November 2005; vgl. Europarat 2010a; Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009p. 303 Inkraft am 1. Juni 1994; vgl. Europarat 2010a; Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009p. 304 Inkraft am 6. Juli 1994; vgl. Europarat 2010a; Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009p. 305 Inkraft am 22. April 1999; vgl. Europarat 2010a; Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009p. 306 Inkraft am 1. Juli 2007; vgl. Europarat 2010a; Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009p. 307 Inkraft am 1. November 2009; vgl. Europarat 2010a; Principauté de Monaco/ Ministère d’Etat 2009p. 308 Vgl. Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009p; Grinda 2006, S. 40. 309 Vgl. Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009p; Principauté de Monaco/ Ministère d’Etat/Département des Relations Extérieures 2008, S. 14 f. 310 Vgl. Grinda 2006, S. 40.
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F. Das Fürstentum Monaco und seine Integration in die EU
c) KSZE/OSZE Zunächst war Monaco nicht an den vorbereitenden Gesprächen zur KSZE beteiligt. Daraufhin bat am 28. Mai 1973 ein französischer Abgeordneter zu den Vorbereitungen zur KSZE, Monaco zur Konferenz einzuladen. Wieder einmal gab es Einwände, vor allem die damalige Sowjetunion hatte Bedenken bezüglich Monacos Unabhängigkeit. Doch letztendlich war die Bitte erfolgreich. So nahm Monaco mit einem Vertreter an der Helsinkikonferenz teil und hat seit dem regelmäßig an den KSZE- bzw. OSZE-Treffen und Gipfeln teilgenommen.311 Das Fürstentum nimmt jedoch nicht, wie Liechtenstein und San Marino, an der Gruppe neutraler und nicht-alliierter Staaten teil, sondern stellt sich stattdessen innerhalb der OSZE immer auf die selbe Position wie Frankreich.312 Die Interessen Monacos, an der OSZE teilzunehmen, sind zum einen, die Anerkennung der Staatlichkeit Monacos und die Akzeptanz durch andere Europäische Staaten in einer gemeinsamen Organisation. Zum anderen sind die Erklärung von Helsinki und die Charta von Paris für ein neues Europa zwar keine rechtlich bindenden Instrumente, aber sie erlauben Monaco auf Basis der Prinzipien des Völkerrechts und der internationalen Sicherheit in Beziehung zu anderen europäischen Staaten zu treten.313 Monaco hat, wie Liechtenstein und San Marino, zwei Sitze in der Parlamentarischen Versammlung der OSZE und deckt 0,2% der Kosten der OSZE-Institutionen. Weitere Vorteile für das Fürstentum sind der Mechanismus zur Streitbeilegung, der 1991 in Valletta angenommen wurde sowie das Schiedsgericht. In diesem Rahmen kann Monaco einen Streit mit anderen OSZE-Staaten beilegen, auch mit Frankreich.314 d) Weitere internationale Organisationen Neben den oben genannten Organisationen und Konventionen nimmt Monaco weiterhin u. a. an der ITU, UPU, INTELSAT, EUTELSAT und der FAO teil315 sowie an einigen UN-Konferenzen, wie der Wiener Konferenz zu dem Recht von Verträgen, zu Meeresrecht oder über Umwelt und Entwicklung.316 Weitere intergouvernementale Organisationen, an denen Mo311 Vgl. S. 12, 40. 312 Vgl. 313 Vgl. 314 Vgl. 315 Vgl. 316 Vgl.
Duursma 1996, S. 298; Marxer/Pállinger 2009, S. 936; Grinda 2006, Duursma Duursma Duursma Duursma Duursma
1996, 1996, 1996, 1996, 1996,
S. S. S. S. S.
298. 298; Grinda 2006, S. 41. 298 f. 304; Grinda 2006, S. 11. 304.
I. Charakteristika des Staates Monaco
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naco teilnimmt, sind die internationale Walfangkommission, das Internationale Patentamt, INTERPOL u. a.317 Monaco ist kein Mitglied der WTO.318 Außerdem haben einige Organisationen mit wissenschaftlichem Charakter ihren Sitz in Monaco. Dazu gehören u. a. die Internationale Kommission zur wissenschaftlichen Erforschung des Mittelmeeres (C.I.E.S.M., 1910), die Internationale Hydrographie-Organisation (IHO, 1921), das Ständige Sekretariat von ACCOBAMS (1996), Labore der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA, seit 1960) oder das Institut des Wirtschaftsrecht des Meeres (IN.DE.MER, 1984).319 8. Die Staatseigenschaft Monacos Betrachtet man den völkerrechtlichen Status des Fürstentums in seiner Geschichte, blickt man noch in den letzten Jahrhunderten auf einen häufigen Wechsel der Herrscher. So war es 1524 bis 1641 Protektorat von Spanien, 1641 bis 1817 Protektorat von Frankreich, 1817 bis 1861 Protektorat von Sardinien und von 1918–2002 wäre es ohne Thronnachfolger wieder zu einem französischen Protektorat geworden.320 Trotzdem erfüllt Monaco die Kriterien der Staatlichkeit nach der DreiElemente-Lehre. Das Staatsgebiet Monacos ist zwar relativ klein, nach dem Vatikan ist das Fürstentum das kleinste Land der Welt, doch es ist klar bestimmt. In verschiedenen Abkommen mit Frankreich wurden die maritimen Grenzen und die Grenzen des Luftraums definiert.321 Die Kleinheit ist, wie auch bei den anderen Mikrostaaten, in der internationalen Gemeinschaft kein Widerspruch zu Staatlichkeit.322 Hinsichtlich des Staatsvolkes ist festzuhalten, dass die Monegassen unter den Einwohnern des Fürstentums zwar eine Minderheit darstellen, sie aber dennoch das Staatsvolk bilden. Die Existenz einer Mehrheit von ausländischen Einwohnern kann man nicht als ein Grund der Verneinung der Existenz eines Staatsvolkes in Monaco ansehen.323 317
Vgl. Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009p. Vgl. Maresceau 2008, S. 291. 319 Vgl. Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009p; Grinda 2006, S. 13, 17. 320 sh. Punkt F. I. 2.; vgl. Duursma 1996, S. 304; Stapper 1999, S. 28. 321 Französisch-Monegassischer Vertrag, 02.02.1861; Art. 1 der Zollkonvention von 1963; Convention de délimitation maritime, 16.02.1984; Convention relative à la circulation aérienne, 24.01.1991; vgl. Duursma 1996, S. 305, Stapper 1999, S. 27; Grinda 2006, S. 7. 322 Vgl. Duursma 1996, S. 305. 323 Vgl. Duursma 1996, S. 305; Grinda 2006, S. 7; Stapper 1999, S. 27. 318
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Die Staatsgewalt in Form der Regierungsorganisation ist formal auf der Verfassung Monacos von 1962 (Verfassungsreform 2002) gegründet und hat effektive Macht im Staatsgebiet.324 Monaco ist ein Rechtstaat, in dem die Gewaltenteilung sicher gestellt ist. Seine Ausgaben kann es durch ein eigenes nationales Budget tragen.325 Das am häufigsten diskutierte politische Kriterium Monacos ist dessen Grad seiner formalen und tatsächlichen Unabhängigkeit. Dabei werden die fremden Elemente bei der Ausübung der Souveränitätsrechte, der Einfluss Frankreichs auf Monacos internationale Handlungen sowie die Haltung der internationalen Gemeinschaft gegenüber Monaco betrachtet.326 Zu den fremden Elementen in der Funktion als Staat gehören die französischen Richter in den monegassischen Gerichten. Wie auch im Fall San Marinos und Liechtensteins kann jedoch die Anwesenheit fremder Richter in dem juristischen System eines Staates nicht als eine Verletzung der Unabhängigkeit des Staates angesehen werden, da Richter, egal ob sie Ausländer oder Staatsangehörige sind, als unabhängig definiert sind; die Unabhängigkeit wird per Gesetz garantiert.327 Weiterhin haben französische Beamte öffentliche Ämter inne, bis hin zu Mitgliedern der monegassischen Regierung. Diese französischen Beamten sind aus der französischen Verwaltung abgeordnet und können vom Fürsten, von dem sie Anweisungen empfangen, entlassen werden. Diese Beamten sind rechtlich unabhängig von der französischen Regierung.328 Diese Abhängigkeit von Frankreich in diesem Bereich wurde außerdem durch die Änderung der Konvention von 1930 zur Besetzung von öffentlichen Ämtern, die 2009 in Kraft trat, stark abgeschwächt.329 Ein weiterer Punkt bezüglicher fremder Elemente bei der Ausübung der Souveränitätsrechte ist die Tatsache, dass die meisten monegassischen Gesetze mit französischem Recht harmonisiert werden. Dazu gehört auch der Fakt, dass die französische Einkommenssteuer in Monaco für französische Staatsbürger gilt. Das Fürstentum kann innerhalb einer Ankündigung von sechs Monaten die Verträge, die es verpflichtet, diese Gesetze anzupassen und anzuwenden, frei aufkündigen.330 Eine Ausnahme bildet das französische Bankengesetz. Das Französische Bankengesetz schränkt Monacos Unabhängigkeit jedoch nicht auf grundlegende Art ein.331 324 325 326 327 328 329 330
Vgl. Duursma 1996, S. 305; Grinda 2006, S. 8. Vgl. Grinda 2006, S. 8. Vgl. Duursma 1996, S. 305. Vgl. Duursma 1996, S. 305. Vgl. Duursma 1996, S. 306. sh. Punkt F. I. 6. b). Vgl. Stapper 1999, S. 28 f.; Duursma 1996, S. 306.
I. Charakteristika des Staates Monaco
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Was den Bereich der Verteidigung betrifft, ist Frankreichs Pflicht zum Schutz der Unabhängigkeit und Souveränität Monacos gemäß dem Grundlagenvertrag von 2002 nicht verbunden mit der Anwesenheit von Militär in Monaco. Die Pflicht der Verteidigung ist daher nicht als Einschränkung der Unabhängigkeit des Fürstentums anzusehen. Ein weiterer wichtiger Aspekt, der für die monegassische Souveränität entscheidend ist, ist die Wahrnehmung seiner Außenbeziehungen. Lange Zeit war die Unabhängigkeit Monacos durch die Festlegungen des französisch-monegassischen Vertrags vom 17. Juli 1918 und damit die Einflussmöglichkeiten Frankreichs gefährdet.332 Erst durch den neuen Grundlagenvertrag und die Verfassungsrevision von 2002 wurde die Souveränität und Unabhängigkeit Monacos deutlich gestärkt. Nun sind die Beschränkung der Außenkompetenzen des Fürstentums sowie die Zustimmung Frankreichs bei der Thronfolge des Fürstentums aufgehoben.333 Auch wenn das neue Grundlagenabkommen und die Verfassungsrevision von 2002 für Monaco eine beachtliche qualitative Verbesserung von Monacos Souveränität bringt, sind die bilateralen Beziehungen zwischen Frankreich und Monaco sehr eng. Auch nach dem Abkommen von 2002 übt Frankreich eine gewisse Protektion über Monaco aus. Kein anderer europäischer Mikrostaat ist so eng mit seinem Nachbarstaat verbunden.334 Zwar ist Monaco praktisch nicht völlig unabhängig, dennoch erfüllt das Fürstentum die völkerrechtlichen Kriterien für Staatlichkeit und ist ein Völkerrechtssubjekt. Heute wird die staatliche Souveränität Monacos von anderen Staaten nicht mehr bezweifelt. Dies wird bestätigt durch die eigenen diplomatischen und konsularischen Vertretungen, die bilateralen und multilateralen Abkommen, welches es abgeschlossen hat, sowie durch die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen, wie der UNO oder dem Europarat.335 Dennoch bestanden lange Unsicherheiten, was die relativ späte Aufnahme in den Europarat oder die Diskussionen um die Auslegungen des EGV hinsichtlich der Frage, ob Monaco Mitglied der EU sei, zeigten.336
331
Vgl. Duursma 1996, S. 306. sh. Punkt F. I. 6. b); vgl. Stapper 1999, S. 28 ff. 333 sh. Punkt F. I. 6. b). 334 Vgl. Maresceau 2008, S. 294; Grinda 2006, S. 32 ff.; Marxer/Pállinger 2009, S. 925. 335 Vgl. Stapper 1999, S. 26, 30 f.; Grinda 2006, S. 2, 7, 11, 21. 336 sh. Punkte F. I. 7. b) und F. II. 2. a). 332
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F. Das Fürstentum Monaco und seine Integration in die EU
9. Zusammenfassung Das Fürstentum Monaco liegt mit einer Größe von 2,02 km2 an der Mittelmeerküste, umgeben von Frankreich, unweit zu Italien. Es hat ca. 35.000 Einwohner, die Hauptstadt ist Monte Carlo. In Monaco sind die Monegassen mit 21,5% der Bevölkerung in der Minderheit. Das Fürstentum ist der dicht besiedeltste Staat der Welt. Die Amtssprache ist Französisch. Die derzeit gültige Verfassung Monacos von 1962, die 2002 reformiert wurde, ist stark an die französische Verfassung angelehnt. Gemäß der Verfassung wird Monaco als konstitutionelle Erbmonarchie bezeichnet, die die Grundsätze des Rechtsstaates und der Gewaltenteilung achtet. Staatsoberhaupt ist seit 2005 Fürst Albert II. Die Verfassung garantiert dem Fürsten weitreichende Befugnisse und sichert seine dominante Stellung. Der Fürst ist ein politisches Symbol des Fürstentums und die staatliche Souveränität ist in seiner Person verankert. Er vertritt das Land nach außen. Die Regierung, auch fürstliche Regierung genannt, führt unter der Oberhoheit des Fürsten die Exekutive aus. Gemeinsam mit dem Parlament (Nationalrat) übt der Fürst die Legislative aus und hat das ausschließliche Recht zur Gesetzesinitiative inne. Ebenso delegiert der Fürst die Judikative an die Gerichte und Tribunale. Das Rechtssystem ist dem französischen sehr ähnlich. Der Nationalrat ist ein Milizparlament und im internationalen Vergleich eher schwach. Die Regierung ist einzig dem Fürsten verantwortlich, das Parlament hat keinerlei Kontrollbefugnisse. Monaco ist wirtschaftlich durch eine geschickte Wirtschafts- und Steuerpolitik, vor allem seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sehr erfolgreich. Die Wirtschaft basiert auf einem starken Dienstleistungssektor, vor allem dem Handel, Tourismus, Banken- und Finanzplatz. Da es in Monaco kaum direkte Steuern gibt, wird es als Steuerparadies bezeichnet. Es ist vor allem für wohlhabende Privatpersonen als Wohnort attraktiv. Die Grundlage der monegassischen Außenpolitik ist die Anerkennung des Fürstentums als unabhängiger Staat. Lange Zeit waren die engen Beziehungen zu Frankreich ein Hindernis in der Akzeptanz als unabhängiger Staat in der internationalen Staatengemeinschaft. Heute hat Monaco das Ziel der internationalen Anerkennung als Staat erreicht, was durch die Mitgliedschaft des Fürstentums in internationalen Organisationen, wie der UNO oder dem Europarat, unterstrichen wird. Durch die Verfassungsrevision im Jahr 2002, den neuen französisch-monegassischen Grundlagenvertrag von 2002 sowie die Änderung der Konvention über die Besetzung öffentlicher Ämter, die 2009 in Kraft trat, wurde die Souveränität, Unabhän-
II. Die Integration Monacos in die Europäische Union
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gigkeit sowie außenpolitische Handlungsfähigkeit und damit die Staatlichkeit Monacos gestärkt. Trotzdem ist die Außenpolitik des Fürstentums mit der Außenpolitik Frankreichs verwoben. Monaco zählt daher nicht zu den neutralen Staaten.
II. Die Integration Monacos in die Europäische Union 1. Monacos indirekte Integration in die EU durch die Beziehungen zu Frankreich a) Handel und Zoll Die engen Beziehungen zwischen der EU und Monaco werden im Bereich des Zollrechts besonders deutlich. Diese basieren jedoch nicht auf direkten Beziehungen, sondern auf Abkommen zwischen Frankreich und dem Fürstentum Monaco. Dazu gehört das oben erwähnte Abkommen zwischen Frankreich und Monaco aus dem Jahr 1861, in dem die beiden Länder die Bildung einer Zollunion vereinbarten.337 Dieses wurde anschließend durch den Zollanschlussvertrag mit Frankreich von 1865 umgesetzt und später im Abkommen vom 18. Mai 1963 modifiziert. Darin verpflichtet sich Monaco dazu, die gesamten französischen Regelungen im Zusammenhang mit Zöllen genauso wie alle französischen Ein- und Ausfuhrmodalitäten anzuwenden.338 Durch die Schaffung der EG-Zollunion im Jahr 1968 wurde die Zollgesetzgebung der Mitgliedstaaten vergemeinschaftet. Damit wurden die französischen Zollregelungen durch EG-Rechtsakte abgelöst.339 Da die Zoll-Gesetze Frankreichs in Monaco galten, implizierte dies gleichzeitig, dass das Zollrecht der EG auch in Monaco anwendbar war.340 Wie für San Marino hat der Rat der EG im Jahr 1968 festgehalten,341 dass Monaco Teil des Zollgebietes der Gemeinschaft ist, so wie es durch das Abkommen mit Frankreich von 1963 vereinbart wurde. Monaco wendet den Zollkodex wie er in Frankreich angewendet wird, an, wobei Frankreichs Zollbeamte für 337 Vgl. Stapper 1999, S. 33; Sack 1997, S. 48; Maresceau 2008, S. 292; Marxer/ Pállinger 2009, S. 936; Ulses 2004, S. 38. 338 sh. Monacos Beziehungen zu Frankreich Punkt F. I. 6. b); vgl. Stapper 1999, S. 33; Dózsa 2008, S. 99; Sack 1997, S. 48; Murray 2006, S. 194; Maresceau 2008, S. 292; Ulses 2004, S. 38. 339 Vgl. Stapper 1999, S. 34; Sack 1997, S. 48. 340 Vgl. Duursma 1996, S. 286; Dózsa 2008, S. 99. 341 Art. 2 und Anhang Pkt. 2, ABl. L 238 vom 28.09.1968, S. 1; vgl. Duursma 1996, S. 301; Maresceau 2008, S. 294; Grinda 2006, S. 42; Vandersanden 2000, S. 176.
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F. Das Fürstentum Monaco und seine Integration in die EU
die Zollkontrollen des Staatsgebietes von Monaco zuständig sind.342 Aufgrund dieses Vertrages gehört Monaco bis heute als Enklave zum Zollgebiet der Europäischen Union, es ist integraler Teil der EU-Zollunion.343 Diese Beziehung wird auch im EU-Zollkodex in Artikel 3 Abs. 2 (b) bestätigt.344 Außerdem wurde dies im Jahr 2003 im Übereinkommen von Kyoto noch einmal bestätigt.345 Die Anwendung des Zollkodex der Union in Monaco bedeutet jedoch nicht, dass die Zollunion zwischen Monaco und Frankreich nicht mehr existiert. Art. 351 AEUV schreibt dazu fest, dass „Die Rechte und Pflichten aus Übereinkünften, die vor dem 1. Januar 1958 oder, im Falle später beigetretener Staaten, vor dem Zeitpunkt ihres Beitritts zwischen einem oder mehreren Mietgliedstaaten einerseits und einem oder mehreren dritten Ländern andererseits geschlossen würde, [. . .] durch diesen Vertrag nicht berührt [werden].“ Diese Altverträge bleiben demnach auch nach der Gründung der Zollunion der EU gültig. Zwar ist Monaco Teil des Zollgebietes der EU geworden, trotzdem muss die Union die Abkommen und Verträge zwischen Monaco und Frankreich respektieren.346 Es ist allerdings festzuhalten, dass der Einschluss Monacos in das Zollgebiet der EU und damit die Anwendung des Unionsrechts in diesem Bereich auf einem einseitigen Akt der EU beruht und nicht auf der Bitte Monacos. So kann das Fürstentum zwar nun seine Produkte in EU-Mitgliedstaaten exportieren, muss sich dabei aber an die Regulierungen der EU halten.347 Trotz dem, dass Monaco Teil der EU-Zollunion ist, wird in keinem offiziellen Dokument der EU erwähnt, dass auch die Regelungen des freien Warenverkehrs zwischen Monaco und der Union gelten.348 Indirekte Hinweise finden sich jedoch u. a. in der Begründung des Berichts über die Rechte der Bürger kleiner Staaten und Territorien in Europa des Europäischen Parlaments von 1989.349 Darin heißt es: „Die Waren aus Monaco verkehren auf dem Hoheitsgebiet der Gemeinschaft unter den gleichen Be342
Vgl. Maresceau 2008, S. 294; Grinda 2006, S. 42. Vgl. Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009q; Waschkuhn 2003, S. 771; Hummer 2004, S. 86; Gstöhl 2001, S. 113; Marxer/Pállinger 2009, S. 936; Sack 1997, S. 48; Maresceau 2008, S. 294. 344 ABl. L 302 vom 19.10.1992, S. 1–50; geändert durch ABl. L 17 vom 21.01.1997, S. 1. 345 ABl. L 86 vom 03.04.2003, S. 21–45; vgl. Ulses 2004, S. 38. 346 Vgl. Stapper 1999, S. 34 f.; Hummer 2004, S. 86. 347 Vgl. Grinda 2006, S. 43. 348 Vgl. Stapper 1999, S. 36; Gstöhl 2001, S. 114; Hummer 2004, S. 86. 349 ABl. C 158 vom 26.06.1989, S. 329 ff. 343
II. Die Integration Monacos in die Europäische Union
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dingungen wie die französischen Waren“. Auch im Hintergrundbericht des Londoner Kommissionsbüros von 1992 heißt es: „EC rules on the free circulation of goods apply to Monaco.“350 Dies wird aber jeweils nicht genauer erläutert. Ebenso wird in der Mehrwertsteuerrichtlinie von 1992351 (Art. 3 Abs. 4) erklärt, dass Warenlieferungen von und nach Monaco gleich zu denen von und nach Frankreich angesehen werden.352 Theoretisch könnte Monaco die Anwendung des freien Warenverkehrs im Fürstentum ebenso damit begründen, dass laut Art. XXIV Abs. 8 GATT eine Zollunion auch den Abbau restriktiver Handelsregelungen umfasst.353 Mitte des Jahres 1992, kurz vor der Vollendung des Binnenmarktes, sprach die monegassische Regierung bei der Kommission vor, um die Konsequenzen des Binnenmarktes für Monaco zu diskutieren und vor allem, um eine Bestätigung des Prinzips des freien Warenverkehrs zu erhalten. Ein rechtsgültiges Dokument gibt es allerdings bis heute nicht.354 Obwohl also formell das Prinzip des freien Warenverkehrs für Monaco nicht gilt, hat sich in der Praxis etabliert, dass die Regeln des freien Warenverkehrs im Verhältnis EU-Monaco angewandt werden.355 Der freie Warenverkehr gehört zu den vier Grundfreiheiten des gemeinsamen Binnenmarktes der EU (Art. 26, 27 AEUV). Der freie Warenverkehr (Art. 28, 29 AEUV) charakterisiert sich zusätzlich neben dem Verbot von Ein- und Ausfuhrzöllen und Abgaben gleicher Wirkung auch durch die Beseitigung mengenmäßiger Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung sowie die Umformung der staatlichen Handelsmonopole (Art. 34 bis 37 AEUV). Aufgrund der Zollunion ist praktisch das gesamte Zoll- und Außenhandelsrecht der EU in Monaco gültig, auch wenn rein rechtlich gesehen die Teilnahme an der EU-Zollunion den Außenhandel nicht einschließt.356 Obwohl theoretisch nicht festgelegt, gelten de facto also Waren aus dem Fürstentum innerhalb der EU und in Drittstaaten als Ursprungswaren der Union.357 Dies wird so praktiziert, es gibt jedoch keine rechtliche Garantie 350
Dokument ISEC/B33/92 vom 10.12.1992; vgl. Stapper 1999, S. 36. ABl. L 384 vom 30.12.1992, S. 47–57. 352 Vgl. Gstöhl 2001, S. 114; Hummer 2004, S. 86. 353 Vgl. Stapper 1999, S. 37. 354 Vgl. Stapper 1999, S. 36. 355 Vgl. Stapper 1999, S. 37; Dózsa 2008, S. 99; Hummer 2004, S. 86; Maresceau 2008, S. 294. 356 Vgl. Murray 2006, S. 195; Maresceau 2008, S. 295. 357 Vgl. Gstöhl 2001, S. 114; Hummer 2004, S. 86; Sack 1997, S. 48; Stapper 1999, S. 37; Duursma 1996, S. 286. Aufgrund der rechtlichen Unklarheit widersprechen sich die Autoren; so geben folgende an, dass die Waren aus Monaco beim Export in Drittstaaten keinen Unionsursprung haben: Maresceau 2008, S. 295; Ulses 2004. S. 38; Grinda 2006, S. 43. 351
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F. Das Fürstentum Monaco und seine Integration in die EU
dafür.358 Ebenso wendet Monaco den gemeinsamen EU-Zolltarif auf Importe aus Drittstaaten an.359 Zwar ist damit ein größerer Souveränitätsverzicht als mit einem Zollunionsabkommen verbunden und bietet keinerlei Mitwirkungsrechte, doch für Monaco bringt es den Vorteil, dass das Fürstentum meist die Präferenzbehandlung von Waren aus der Union in Drittländern erhält und auch Kumulierungsregelungen, die die EU mit Drittstaaten ausgehandelt hat, für Monaco gelten (anders in Andorra und San Marino).360 Da die französischen Zollbehörden auch für die Erhebung von Zöllen in Monaco zuständig sind und dieses Einkommen zunächst Teil des Budgets Frankreichs wird und damit auch zu eigenen Ressourcen der EU, ist eine Abrechnung gegenüber der EU problematisch.361 Praktisch zieht Frankreich, bevor es seine Zolleinkünfte an die Kommission überweist, einen Anteil Monacos ab und unterrichtet die Kommission darüber. Diesem Vorgehen hat die Kommission bisher nicht widersprochen.362 Die derzeitige Praxis der Durchführung der Zollunion, vor allem im Bereich des freien Warenverkehrs und des Außenhandels bringt für Monaco wesentliche Vorteile. Man kann annehmen, dass Monaco aus diesem Grund bisher noch nicht deutlicher auf eine Kodifizierung der Beziehungen zur EU bestanden hat. Dennoch muss man feststellen, dass dieses Vorgehen nicht dafür spricht, dass Monaco seine Souveränität in der Staatengemeinschaft unter Beweis stellen will, da das Fürstentum derzeit auf den guten Willen der französischen Zollbehörden angewiesen ist, wodurch es wiederum in Abhängigkeit zu Frankreich gerät.363 Neben dem Vatikan ist Monaco der einzige europäische Mikrostaat, der bis jetzt kein Abkommen im Bereich Zoll mit der EU abgeschlossen und keine Verhandlungen diesbezüglich aufgenommen hat.364 Trotzdem ist Monaco schon sehr stark in die Union integriert; daher würden wahrscheinlich 358 Vgl. Sack 1997, S. 48; Duursma 1996, S. 287; Stapper 1999, S. 37; Dózsa 2008, S. 99; Gstöhl 2001, S. 114. 359 Vgl. Maresceau 2008, S. 295; Ulses 2004. S. 38. 360 Vgl. Gstöhl 2001, S. 114; Hummer 2004, S. 86; Sack 1997, S. 48. Aufgrund der rechtlichen Unklarheit widersprechen sich die Autoren; so geben folgende an, dass Präferenzabkommen, die die EU mit Drittstaaten abgeschlossen hat, nicht für Produkte aus Monaco gelten: Maresceau 2008, S. 295; Ulses 2004. S. 38. 361 Vgl. Stapper 1999, S. 35; Grinda 2006, S. 42. 362 Vgl. Stapper 1999, S. 35; Gstöhl 2001, S. 113; Sack 1997, S. 48; Hummer 2004, S. 86. 363 Vgl. Stapper 1999, S. 37. 364 Vgl. Duursma 1996, S. 301; Stapper 1999, S. 33; Dózsa 2008, S. 99; Gstöhl 2001, S. 113.
II. Die Integration Monacos in die Europäische Union
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nur geringe Komplikationen auftreten, wenn ein Abkommen mit der EU verhandelt werden würde. Ein Abkommen über eine Zollunion zwischen Monaco und der EU würde dem Fürstentum ermöglichen, direkt mit der EU zu verhandeln. Es könnte einen Rahmen für alle zukünftige EU-Beziehungen schaffen, in Bereichen, die Monaco betreffen, beeinflussen und in denen es angehört werden möchte.365 Weiterhin könnte der in der Praxis schon angewandte freie Warenverkehr und Bestimmungen im Außenhandel rechtlich fixiert werden.366 Ein mögliches Problem bestände in dem Charakter Monacos als Steuerparadies. Dies ist eher ein politisches Problem, da die direkte Besteuerung nicht unter die Kompetenzen der EU fällt. Die geringen direkten Steuern auf Einkommen und Unternehmensgewinne hat auch nicht den Abschluss eines Abkommens über eine Zollunion mit Andorra verhindert.367 b) Währung aa) Entstehung Die wirtschaftliche und währungspolitische Nähe zu Frankreich und damit auch zur EU ist auch dem geschuldet, dass Frankreich und Monaco schon 1865 eine Währungs- und Zollunion eingingen. Diese Währungsunion wurde 1945 formalisiert.368 Lange Zeit war unklar, was die Einführung einer europäischen Währung für die französisch-monegassische Währungsunion bedeuten würde. In der Erklärung Nr. 6 zum EU-Vertrag von Maastricht zu den Währungsbeziehungen zur Republik San Marino, zum Staat Vatikanstadt und zum Fürstentum Monaco369 wurde festgehalten, dass bilaterale Vereinbarungen bis zur Einführung des Euros unberührt bleiben. Außerdem verpflichtete sich die Gemeinschaft, die Neuverhandlung bestehender Übereinkünfte, die durch die Einführung einer einheitlichen europäischen Währung erforderlich werden können, zu erleichtern. Am 24. Juli 1997 verkündeten Fürst Rainier III. gemeinsam mit dem französischen Staatspräsidenten Chirac anlässlich dessen 365
Vgl. Duursma 1996, S. 302. Vgl. Duursma 1996, S. 302. 367 Vgl. Duursma 1996, S. 302. 368 sh. Punkt F. I. 6. b); vgl. Waschkuhn 2003, S. 771; Hummer 2004, S. 85 f.; Maresceau 2008, S. 292; Marxer/Pállinger 2009, S. 935; Weitershagen 2000b, S. 17; Grinda 2006, S. 26. 369 ABl. C 191 vom 29.07.1992, S. 99 (Vertrag von Maastricht). 366
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F. Das Fürstentum Monaco und seine Integration in die EU
Besuchs in Monaco, dass das Fürstentum den Euro als seine Währung zum gleichen Zeitpunkt wie Frankreich einführen wird.370 Am 31. Dezember 1998, unmittelbar vor der offiziellen Einführung des Euros, verabschiedete der Rat eine an Frankreich gerichtete Entscheidung über den von der Gemeinschaft zu vertretenden Standpunkt bezüglich einer Vereinbarung über die Währungsbeziehungen zum Fürstentum Monaco.371 Frankreich wird darin aufgerufen, Monaco mitzuteilen, dass die bestehenden Übereinkünfte zwischen Frankreich und dem Fürstentum Monaco, soweit sie Währungsfragen betreffen, zum frühest möglichen Zeitpunkt geändert werden müssen, und dass Frankreich Verhandlungen über eine neue Vereinbarung anbietet (Art. 1). Frankreich wird demnach ermächtigt, im Namen der Gemeinschaft aufzutreten (Art. 7). Weiterhin werden bestimmte grundsätzliche Punkte festgelegt, die in die Verhandlungen aufgenommen werden sollten. Die Europäische Zentralbank stimmt in ihrer Stellungnahme der auf Ersuchen des Rates der Europäischen Union zu drei Empfehlungen für drei Entscheidungen des Rates bezüglich der Währungsbeziehungen zum Fürstentum Monaco, zur Republik San Marino und zur Vatikanstadt dem Umfang der geplanten Währungsvereinbarungen im Jahr 1999 zu.372 Im Rahmen dieser Entwicklungen war es notwendig, das FranzösischMonegassische Abkommen über die Devisenkontrolle anzupassen, so dass am 10. Mai 2001 ein Abkommen diesbezüglich zwischen Monaco und Frankreich in Kraft trat. Darin wird die Übermittlung von Auskünften an eine ausländische Bankenaufsicht sowie außerdem Überprüfungen vor Ort auf Anfrage einer ausländischen Bankenaufsicht in Monaco geregelt. Gleichzeitig wird auf das Berufsgeheimnis373 hingewiesen und auf die Fälle, in denen die jeweiligen Personen davon entbunden werden können. Weiterhin wird geregelt, dass die Prüfungen in bestimmten Fällen abgelehnt werden können.374 Am 26. Dezember 2001 trat schließlich die Währungsvereinbarung zwischen der Regierung der Französischen Republik, die im Namen der Europäischen Gemeinschaft handelte, und der Regierung seiner Durchlaucht des 370
Vgl. Weitershagen 2000a, S. 12. ABl. L 30 vom 04.02.1999, S. 31 f. 372 ABl. C 127 vom 07.05.1999, S. 4. 373 In Monaco gibt es kein absolutes Bankgeheimnis und keine Nummernkonten, doch es existiert das Berufsgeheimnis der Bankangestellten, wonach es unter Strafe steht (Art. 308 ff. mon. Strafgesetz), ein aus beruflichen Gründen anvertrautes Geheimnis zu offenbaren. Dadurch sollen die Interessen der Kunden geschützt und Vertrauen aufgebaut werden. Vgl. Ulses 2004, S. 46. 374 JM vom 08.06.2001, Nr. 7498; vgl. Ulses 2004, S. 42. 371
II. Die Integration Monacos in die Europäische Union
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Fürsten von Monaco in Kraft.375 Sie wurde am 24. Dezember 2001 in Paris abgeschlossen. Schon zuvor, zum 1. Januar 1999, wurde der Euro im Fürstentum Monaco eingeführt.376 Ebensolche Abkommen über Währungsbeziehungen wurden auch zwischen der EG und San Marino sowie dem Vatikan abgeschlossen. Zwar wurde die Währungsvereinbarung zwischen Monaco und Frankreich im Namen der EG abgeschlossen, doch da das Abkommen, ebenso wie in den Fällen San Marinos und des Vatikans, aufgrund der historischen Währungsbeziehungen mit den Nachbarstaaten zustande gekommen ist, wird es in die Kategorie der indirekten Integration in die EU eingeordnet. bb) Inhalt Die Währungsvereinbarung berechtigt das Fürstentum Monaco, den Euro vom 1. Januar 2002 an als offizielle Währung zu verwenden. Das Fürstentum soll im Gegenzug die innerstaatlichen Rechtsvorschriften in Einklang mit den entsprechenden Verordnungen der EG bringen (Art. 1). Monaco verleiht den Euro-Banknoten und -Münzen vom 1. Januar 2002 an den Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels. Das Fürstentum verpflichtet sich, auf interner Ebene die rechtlichen Maßnahmen für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften für die Euro-Banknoten und -Münzen in seinem Hoheitsgebiet zu ergreifen und sich an den Zeitplan Frankreichs für die Einführung der Euro-Banknoten und -Münzen zu halten (Art. 2 Abs. 1). Das Fürstentum gibt selbst keine Banknoten aus. Es gibt Münzen nur dann aus, wenn die Ausgabebedingungen mit der Gemeinschaft vereinbart worden sind (Artikel 3). Laut Art. 5 Abs. 1 der Währungsvereinbarung wird für die Zwecke der Genehmigung des Gesamtumfangs der Münzausgabe Frankreichs durch die EZB der Jahresumfang der vom Fürstentum Monaco ausgegebenen Euro-Münzen dem Umfang der Münzausgabe Frankreichs hinzugerechnet. In Art. 6 der Währungsvereinbarung wird festgelegt, dass Monaco auf Euro lautende Sammlermünzen ausgeben kann, die jedoch nicht den Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels in der EG haben. Jährlich darf Monaco 1/500 der Menge der Münzen, die in Frankreich ausgegeben werden, in Umlauf bringen. Die monegassischen Euros werden in der Prägeanstalt in Paris hergestellt und sind in der gesamten Eurozone gültig.377 375 ABl. L 142 vom 31.05.2002, S. 59–73; aktualisiert durch ABl. L 219 vom 10.8.2006, S. 23, ABl. L 31 vom 05.02.2008, S. 34–38. 376 Vgl. Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009q; Weitershagen 2000a, S. 22 ff.; Ulses 2004, S. 42. 377 Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009q.
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F. Das Fürstentum Monaco und seine Integration in die EU
Das Fürstentum verpflichtet sich bei der Bekämpfung von Fälschungen der Euro-Banknoten und -Münzen eng mit der EG zusammen zu arbeiten (Art. 9). Außerdem können die Kreditinstitute und gegebenenfalls die anderen Finanzinstitutionen, die im Hoheitsgebiet Monacos zugelassen sind, an den Interbank-Zahlungssystemen und den Wertpapierliefer- und Abrechnungssystemen der EU teilnehmen, und zwar nach den gleichen Modalitäten wie die Kreditinstitute und gegebenenfalls die anderen Finanzinstitutionen, die im Hoheitsgebiet Frankreichs ansässig sind, sofern sie die für den Zugang zu diesen Systemen festgelegten Bedingungen erfüllen (Art. 10 Abs. 1). Bezüglich der Rechtsakte der EU und etwaigen Änderungen, die zur Währungsunion erlassen worden sind, sowie die von Frankreich für die Umsetzung dieser Rechtsakte erlassenen Rechtsvorschriften, wird in Art. 11 der Währungsvereinbarung festgelegt, dass diese im Hoheitsgebiet Monacos Anwendung finden. Weiterhin ergreift Monaco Maßnahmen entsprechend der Geldwäsche-Richtlinie der Union (Art. 11 Abs. 6). In Art. 13 Abs. 1 wird festgehalten, dass für alle Fragen betreffend die Gültigkeit von Entscheidungen und Beschlüssen der Organe oder Einrichtungen der EG, die diese in Anwendung dieser Vereinbarung treffen, ausschließlich der EuGH zuständig ist. Außerdem wird ein Gemischter Ausschuss eingesetzt, um die Durchführung und die Funktionsweise dieser Vereinbarung zu erleichtern (Art. 14 Abs. 1). Er führt einen Gedanken- und Informationsaustausch, trifft bestimmte Entscheidungen und prüft die von Monaco entsprechend dieser Vereinbarung getroffenen Maßnahmen. Der Gemischte Ausschuss setzt sich aus Vertretern des Fürstentums Monaco, Frankreichs, der Kommission und ggf. der EZB. Er trifft seine Entscheidungen einstimmig (Art. 14 Abs. 2). Die Vereinbarung kann durch jede Partei mit einer Kündigungsfrist von einem Jahr beenden werden (Art. 15 Abs. 4). cc) Bewertung Im ersten Moment scheint es doch erstaunlich, dass einige der Mikrostaaten, wie auch Monaco, den Euro als offizielle Währung benutzen dürfen, obwohl sie nicht der EU angehören. So äußerte sich auch Daniel Feret in der schriftlichen Anfrage Nr. 308/98 an die Kommission am 5. Februar 1998.378 Er zählt die verschiedenen Privilegien Monacos auf, wie die Nutzung der einheitlichen Währung Euro oder die Teilnahme am Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaft. Er betont allerdings auch, dass das Fürstentum nicht Mitglied der Europäischen Union ist. Er bezeichnet die Mög378
ABl. C 310 vom 09.10.1998, S. 48.
II. Die Integration Monacos in die Europäische Union
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lichkeit der Einführung des Euro in Monaco als einen juristischen Trick, der darin besteht, dass in Anwendung des Vertrags von Maastricht eine Sonderklausel für das Währungsverhältnis zwischen Frankreich und Monaco vorgesehen ist. Er bemängelt, dass alle Unionsländer, die der Währungsunion beitreten wollen, riesige Anstrengungen unternehmen müssen, um die Kriterien des EU-Vertrags zu erfüllen und der Einführung des Euros zugestimmt wird, während das Fürstentum Monaco ganz ohne Mühen den Euro einführen kann. Daher fragt Feret bei der Kommission an, ob diese das Privileg, das Monaco zugestanden wird, als rechtlich und moralisch vertretbar ansieht. Am 2. März 1998 antwortet Herr de Silguy im Namen der Kommission. Er führt aus, dass sich die Gemeinschaft nach der dem EG-Vertrag beigefügten Erklärung Nr. 6 verpflichtet, die Neuaushandlung bestehender Übereinkünfte, die nach Einführung der einheitlichen Währung erforderlich werden können, zu erleichtern. Damit werde Kontinuität in den Währungsbeziehungen zwischen Frankreich und Monaco angestrebt. Es sei nicht ungewöhnlich, dass kleine Staaten die Währung eines Nachbarlandes einführen. Die genannte Erklärung beziehe sich auch auf die Währungsbeziehungen der Republik San Marino und der Vatikanstadt zu Italien. Bezüglich der Konvergenzkriterien führt die Kommission aus, dass diese nicht unmittelbar für das Fürstentum Monaco gelten, da es nicht zur Gemeinschaft gehört und nicht den EG-Vertrag unterzeichnet hat. Daher sei es auch nicht an dem Entscheidungsprozeß für die Einführung der einheitlichen Währung beteiligt und kann auch in Zukunft nicht aktiv an der Währungspolitik der Europäischen Zentralbank und der Koordinierung der Wirtschaftspolitik durch die im Rat vereinigten Mitgliedstaaten mitwirken. Eine weitere Anfrage Nr. 2063/98 vom 7. Juli 1998 an die Kommission von Anne André-Léonard bezieht sich nochmals auf die Einführung des Euro und die Ausgabe von Briefmarken durch Andorra, Monaco, San Marino und Vatikanstadt.379 Herr de Silguy antwortete am 21. September 1998 darauf im Namen der Kommission. Bezüglich der Einführung des Euro in Monaco erklärt die Kommission, dass die Gemeinschaft grundsätzlich nicht verhindern kann, dass der Euro in Drittländern verwendet wird. Parteien in Drittländern stehe es frei, Verträge in Euro aufzusetzen, sofern das jeweils geltende Vertragsrecht dem nicht entgegensteht. Ähnliches gelte für Dienstleistungen. Demnach sei es den Behörden in Andorra, Monaco, San Marino, dem Vatikan oder einem anderen Drittland freigestellt, Preise in Euro festsetzen, z. B. bei der Ausgabe von Euro-Briefmarken. Einerseits ist Monaco trotz dieser Währungsvereinbarung nicht aktiv an der Währungspolitik der EZB beteiligt und kann auch nicht an der Koor379
ABl. C 118 vom 29.04.1999, S. 20.
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F. Das Fürstentum Monaco und seine Integration in die EU
dinierung der Wirtschaftspolitik durch den Rat der EU oder die Mitgliedstaaten daran mitwirken.380 Andererseits ist es dem Fürstentum schon seit dem 1. Januar 1999 möglich gewesen, von der Einführung des Euro zu profitieren, vor allem auf Grund dessen, dass seine Wirtschaft zu einem großen Teil vom Tourismus und vom internationalen Geschäft abhängt. Risiko und Umtauschkosten verringerten sich bzw. fielen ganz weg, da der Euro weltweit akzeptiert wird. Dies ist auch für den monegassischen Finanzsektor mit seiner Priorität im privaten Bankwesen von positiver Bedeutung, genauso wie die Expansion des Kapitalmarktes in der Eurozone, um neue Kunden zu gewinnen. Gegenüber den Finanzmärkten der Schweiz oder der Kanalinseln, die nicht an der Euro-Zone teilnehmen, hat der Finanzsektor des Fürstentums nun beträchtliche Vorteile.381 Zehn Jahre nach der Einführung des Euro, forderte der Rat im Februar 2009 die Kommission auf, die Währungsvereinbarungen mit Monaco, San Marino und dem Staat Vatikanstadt zu überprüfen.382 Im Ergebnis verfasste die Kommission im Juli 2009 als Mitteilung an den Rat einen Bericht über die Währungsvereinbarungen mit Monaco, San Marino und Vatikanstadt.383 Darin gelangte sie zu dem Schluss, dass die bestehenden Währungsvereinbarungen geändert werden sollten, um die Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und den Ländern, die eine Währungsvereinbarung unterzeichnet haben, einheitlicher zu gestalten. Dabei ist die Währungsvereinbarung mit Monaco die am weitesten fortgeschrittene bzw. die am stärksten regulierte, an der sich die neu zu verhandelnden Abkommen mit San Marino und dem Vatikan orientieren sollen. Die Währungsvereinbarung mit Monaco selbst wird voraussichtlich in dem Rahmen nicht neu verhandelt. c) Status der Übernahme des Besitzstandes von Schengen Schon seit dem Jahr 1865, als die Zollunion zwischen Frankreich und Monaco abgeschlossen wurde, gibt es zwischen den beiden Staaten keine Grenzkontrollen mehr.384 Kraft des bilateralen Nachbarschaftsabkommens bezüglich der Freizügigkeit von Personen zwischen Frankreich und Monaco von 1963 erlangt Monaco als ein Drittstaat gegenüber der EU einen besonderen Status bezüglich des freien Personenverkehrs.385 Eine grundlegende 380
Vgl. Hummer 2004, S. 87. Vgl. Weitershagen 2000a, S. 36 f.; Ulses 2004, S. 42. 382 Schlussfolgerungen des Rates, 2922. Sitzung des ECOFIN-Rates vom 10. Februar 2009. 383 KOM (2009) 359 endgültig. Details sh. Punkt I. IV. 2. 384 Vgl. Ulses 2004, S. 39. 385 sh. Punkt F. I. 6. b). 381
II. Die Integration Monacos in die Europäische Union
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Bestimmung des Abkommens ist, dass Monaco den französischen Behörden erlaubt, über die Einwanderung nach Monaco zu bestimmen. Grund dafür ist, dass es keine Personenkontrollen an der französisch-monegassischen Grenze gibt und Frankreich einziger Nachbar des Fürstentums ist. Andererseits verfügt Monaco über direkten Zugang zum Mittelmeer und besitzt einen Heliport. Für diesen Zugang nach Monaco ohne den Übertritt französischer Grenzen mussten Bestimmungen gefunden werden.386 Durch das Schengen-Abkommen vom 14. Juni 1985, das den freien Personenverkehr unter den Unterzeichnerstaaten erlaubt, wäre prinzipiell die Grenze zwischen Frankreich und Monaco zu einer Schengen-Außengrenze geworden. Dies hätte zur Folge gehabt, dass das Nachbarschaftsabkommen von 1963 zwischen Frankreich und Monaco nicht mehr anwendbar gewesen wäre. Eigentlich hätte Monaco außerhalb des Schengengebietes bleiben müssen, da es das Schengen-Abkommen nicht unterzeichnet hat. Grenzkontrollen zwischen Frankreich und Monaco hätten installiert werden müssen.387 Um jedoch den freien Personenverkehr zu erhalten, entschied das Schengenkomitee am 23. Juni 1998 über Aufenthaltserlaubnisse für Monaco, dass die Freizügigkeit zwischen Frankreich und Monaco vor dem Inkrafttreten der Konvention zur Errichtung des Schengen-Abkommens eingeführt wurde und dass die Unterzeichnerstaaten der Konvention zur Errichtung des Schengen-Abkommens diese Freizügigkeitsregelungen daher nicht in Frage stellen.388 Außerdem würden auf der Basis des Nachbarschaftsabkommens zwischen Frankreich und Monaco von 1963 die französischen Behörden Regeln und Kontrollen anwenden, die in der Konvention zur Errichtung des Schengen-Abkommens festgelegt sind, wenn sie Kontrollen zur Einreise, Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern in Monaco durchführen.389 Als Ergebnis dieser besonderen Situation entschied das Schengen-Komitee die monegassischen Aufenthaltstitel in den Teil der Anlage IV der Gemeinsamen Konsularischen Instruktion aufzunehmen, der den französischen Behörden vorbehalten ist. Außerdem wurden Monacos Hafen und Heliport als zugelassene Grenzübergangsstellen in das gemeinsame Schengen-Handbuch aufgenommen.390 Somit wird Monaco aufgrund des Nachbarschaftsabkommens mit Frankreich von 1963 in das Schengen-Gebiet integriert, ohne dass Monaco selbst ein Unterzeichner des Schengen-Abkommens ist.391 386
Vgl. Maresceau 2008, S. 296; Ulses 2004, S. 39. Vgl. Principauté de Monaco/Ministère d’Etat/Département des Relations Extérieures 2008, S. 3, 6. 388 ABl. L 239 vom 22.09.2000, S. 199; vgl. Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009q; Maresceau 2008, S. 296; Grinda 2006, S. 46 f.; Murray 2006, S. 194; Maresceau 2008, S. 296 f. 389 ABl. L 239 vom 22.09.2000, S. 199; vgl. Maresceau 2008, S. 296 f. 390 ABl. L 239 vom 22.09.2000, S. 199. 387
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Praktisch hat dies zur Folge, dass die Inhaber einer monegassischen Aufenthaltserlaubnis sich im Schengen-Raum genauso wie Bürger der Unterzeichnerstaaten des Schengener Abkommens frei bewegen können. Diese Vereinbarungen hängen von der Anerkennung von Monacos Hafen und dem Heliport als französische Eintrittspunkte durch Frankreich ab. Wenn Frankreich entscheiden würde, dass Monaco kein Eintrittspunkt Frankreichs mehr ist, würde Monaco auch nicht mehr Teil des Schengen-Gebietes sein.392 d) Banken- und Versicherungsrecht Wie oben schon erwähnt existieren einige bilaterale Abkommen zwischen Monaco und Frankreich bezüglich Banken und Versicherungen.393 Dazu gehören das Abkommen zur Devisenkontrolle vom 25. Juli 1945 und das Abkommen über Versicherungen vom 18. Mai 1963. Dies führt dazu, dass im Fürstentum im Wesentlichen das französische Bankenrecht sowie das französische Versicherungsrecht Anwendung findet. Die Normen Frankreichs haben wiederum sowohl im Banken- als auch im Versicherungsrecht meist ihren Ursprung in EU-Regelungen, die somit indirekt von Monaco übernommen werden.394 Die enge Verbindung zwischen Monaco und Frankreich führt u. a. auch dazu, dass französische Banken ihre Dienste in Monaco anbieten dürfen, ebenso umgekehrt. Zuvor muss die französische Zentralbank bzw. das Finanzministerium zustimmen. Für monegassische Banken kann die Erlaubnis nur für Frankreich erteilt werden, nicht für andere EU-Staaten. Genauso können Banken aus anderen EU-Staaten nur mit Erlaubnis der französischen Behörden eine Niederlassung in Monaco errichten.395 e) Steuerrecht Das oben vorgestellte Steuerabkommen von 1963 bildet die Grundlage der steuerrechtlichen Beziehungen zwischen Monaco und Frankreich.396 In dem Steuerabkommen von 1963 ist in Art. 15 festgeschrieben, dass Frankreich und das Fürstentum Monaco hinsichtlich der Mehrwert- und Umsatzsteuer ein einheitliches Territorium bilden. Daher haben die auf EU-Ebene 391
Vgl. Dózsa 2008, S. 99; Murray 2006, S. 195. Vgl. Murray 2006, S. 195. 393 sh. Punkt F. I. 6. b). 394 Vgl. Stapper 1999, S. 38; Gstöhl 2001, S. 114. 395 Vgl. Stapper 1999, S. 38. 396 sh. Punkt F. I. 6. b); vgl. Stapper 1999, S. 39; Duursma 1996, S. 286; Maresceau 2008, S. 294. 392
II. Die Integration Monacos in die Europäische Union
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verabschiedeten Mehrwert- und Umsatzsteuerrichtlinien herausragende Bedeutung für Monaco.397 Dazu gehört u. a. die Mehrwertsteuerrichtlinie 77/388 vom 17. Mai 1977398 sowie weitere in Frankreich geltende Regeln, die Monaco durch diverse Verordnungen und Gesetzen übernommen hat.399 Im Zusammenhang mit dem Wegfall der Grenzkontrollen ab 1. Januar 1993 hat der Rat die Richtlinie 92/111 vom 14. Dezember 1992400 zur Änderung der Richtlinie 77/388 verabschiedet, welche Regelungen zur Besteuerung im Bestimmungsland bezüglich der Mehrwertsteuer festlegt. Die Richtlinie bestätigt ausdrücklich, dass das Mehrwertsteuersystem der EU seit dem 1. Januar 1993 auch in Monaco gilt.401 Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie werden EU-Mehrwertsteuer-Regelungen in Monaco angewandt. Es wird im Speziellen festgehalten, dass Monaco in Anbetracht der Konventionen und Verträge, die es mit Frankreich abgeschlossen hat, bei der Anwendung dieser Richtlinie nicht als Drittstaat angesehen wird (Art. 3 Abs. 4). Somit werden die Warenlieferungen von und nach Monaco als solche von und nach Frankreich angesehen.402 Dieses Abkommen setzt monegassische Händler und Firmen mit französischen Händlern und Firmen gleich, so dass z. B. monegassische Händler eine französische Umsatzsteueridentifikationsnummer erhalten.403 Grundsätzlich steht Monaco einer Harmonisierung der Steuern in der EU eher skeptisch gegenüber, da es den Verlust von Einnahmen bzw. Steuervorteilen befürchtet.404 2. Monacos direkte Integration in die EU a) Die Anwendbarkeit des Unionsrechts Zu untersuchen ist, ob Art. 355 Abs. 3 AEUV auf Monaco anwendbar ist und damit, ob der Acquis Communautaire für Monaco gilt. Besonderen Stellenwert hat dabei die Problematik der Wahrnehmung der auswärtigen Beziehungen Monacos, mit der sich Art. 2 des französisch-mo397
Vgl. Stapper 1999, S. 40; Ulses 2004, S. 39. ABl. L 145 vom 13.06.1977, S. 1–40. 399 Vgl. Stapper 1999, S. 40. 400 ABl. L 384 vom 30.12.1992, S. 47–57. 401 Vgl. Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009k; Stapper 1999, S. 40; Ulses 2004, S. 16; Murray 2006, S. 194; Maresceau 2008, S. 294. 402 Vgl. Stapper 1999, S. 40. 403 Vgl. Murray 2006, S. 195. 404 Vgl. Stapper 1999, S. 40. 398
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F. Das Fürstentum Monaco und seine Integration in die EU
negassischen Vertrages von 1918 beschäftigte, der bis 2002 galt. In dem Vertrag wurden die drei Fälle aufgelistet, wann Monaco zur Wahrnehmung seiner auswärtigen Beziehungen um vorherige Zustimmung Frankreichs bitten musste, nämlich zur Einrichtung von diplomatischen Vertretungen bei ausländischen Regierungen, zur Auswahl der entsprechenden Botschafter sowie zum Abschluss internationaler Abkommen. In diesen Fällen musste sich Monaco laut Art. 1 Abs. 2 des Vertrages von 1918 an den politischen, militärischen und ökonomischen Belangen und den Schifffahrtsinteressen Frankreichs orientieren. Andererseits war Frankreich gemäß Art. 5 des Vertrages von 1918 dem Fürstentum im Falle der Beitrittsabsicht zu internationalen Organisationen behilflich, wenn es selbst Mitglied war. Weiterhin konnte Frankreich in einigen Bereichen die Anwendbarkeit internationaler Abkommen auf Monaco ausdehnen. Dies umfasste Bereiche, hinsichtlich deren Monaco seine Bereitschaft erklärt hatte, die französischen Regeln zu übernehmen (z. B. Zoll-, Mehrwertsteuer- und Bankenrecht). Dadurch erhielt Frankreich implizit die Kompetenz, durch den Abschluss internationaler Verträge in diesen Bereichen die entsprechenden Regeln auch auf das Fürstentum auszudehnen. In diesen Gebieten war die Wahrnehmung der auswärtigen Beziehungen durch Frankreich dadurch eine zwingende Folge, es sind aber Einzelfälle. Dies ließ auch schon während der Gültigkeit des Vertrages von 1918 nicht auf eine Anwendbarkeit von dem ehemaligen Art. 299 Abs. 4 EGV405 bzw. dem heutigen Art. 355 Abs. 3 AEUV für Monaco schließen.406 Allerdings existierte während der Gültigkeit des Vertrages von 1918 ein Sonderfall. Denn falls es zu einer Vakanz des monegassischen Thrones gekommen wäre (Art. 3 Abs. 2 des Vertrages von 1918), wäre Monaco zu einem Protektorat Frankreichs geworden und dann wären über den damaligen Art. 299 Abs. 4 EGV (heute Art. 355 Abs. 3 AEUV) die Regeln des Gemeinschaftsrechts in Monaco anwendbar geworden.407 Der Vertrag von 1918 wurde im Jahr 2002 durch einen neuen Grundlagenvertrag zwischen Frankreich und Monaco ersetzt. Darin wurden die Souveränität und damit auch die außenpolitische Handlungsfähigkeit des Fürstentums gestärkt. Im Fall der Vakanz des Thrones fällt Monaco nun nicht mehr als Protektorat an Frankreich. Monaco nimmt seine Außenpolitik selbst wahr, orientiert sich aber trotzdem an Frankreich. Frankreich besitzt jedoch grundsätzlich keine aktiven Kompetenzen in der monegassischen Außenpolitik.408 405 406 407 408
ABl. C 325 vom 24.12.2002, S. 33 ff. (Vertrag von Nizza). Vgl. Stapper 1999, S. 31 ff.; Hummer 2004, S. 86. Vgl. Stapper 1999, S. 33. sh. Punkt F. I. 6. b).
II. Die Integration Monacos in die Europäische Union
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b) Das Abkommen über die Anwendung bestimmter Gemeinschaftsakte im Gebiet des Fürstentums Monaco nimmt, wie oben beschrieben, an der Zollunion der EU und dadurch praktisch auch am freien Warenverkehr des EU-Binnenmarktes teil. Trotzdem können die Waren aus Monaco auch innerhalb der EU auf Hindernisse stoßen, z. B. wenn die Union bestimmte Regeln zur Harmonisierung des Rechts der Mitgliedstaaten verabschiedet hat. Diese Regeln gehen z. T. weiter als die Vorschriften, die Monaco als Mitglied des EU-Zollgebietes anwendet.409 Dies begründet, warum das Fürstentum das bilaterale Abkommen am 4. Dezember 2003 zwischen der EG und dem Fürstentum über die Anwendung bestimmter Gemeinschaftsakte im Gebiet des Fürstentums410 unterzeichnete, das am 1. Mai 2004 in Kraft trat.411 Es ist das erste bilaterale Abkommen in den Beziehungen Monacos zur EU.412 In dem Abkommen wird die Anwendung von Rechtsakten der Gemeinschaft in den Bereichen Human- und Tierarzneimittel, kosmetische Mittel und Medizinprodukte in Monaco festgeschrieben. Zwar existiert seit 1963 ein Pharmazieabkommen zwischen Frankreich und Monaco, welches sicherstellt, dass die monegassischen Gesetze und Vorschriften im Bereich der Pharmazie denen Frankreichs soweit wie möglich angepasst sein müssen, jedoch gab es keine Rechtsgrundlage, die gewährleistete, dass EU-Recht im Bereich der Herstellung und des Inverkehrbringens von Arzneimitteln, kosmetischen Mitteln und Medizinprodukten im Fürstentum angewandt und überwacht wurde. Dies war aber eine Voraussetzung dafür, dass die in Monaco niedergelassenen Hersteller in der EU anerkannt werden konnten und damit Zugang zu diesem Markt erhielten.413 So sind gemäß Art. 1 des Abkommens bestimmte Gemeinschaftsregelungen, die im Anhang des Abkommens aufgelistet sind, auch für Monaco gültig. Die genannten Regelungen sind in der Rechtsordnung Monacos ohne weitere rechtliche oder administrative Intervention anwendbar.414 Außerdem müssen die monegassischen Behörden und Gerichte das entsprechende Gemeinschaftsrecht in Übereinstimmung mit den relevanten Urteilen des Europäischen Gerichtshofes anwenden (Art. 1). 409
Vgl. Maresceau 2008, S. 295. ABl. L 332 vom 19.12.2003, S. 42–51. 411 ABl. L 104 vom 08.04.2004, S. 113. 412 Vgl. Maresceau 2008, S. 295; Ulses 2004, S. 41; Grinda 2006, S. 48. 413 Vgl. Ulses 2004, S. 40 f. 414 Vgl. Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009q; Dózsa 2008, S. 99; Murray 2006, S. 197; Maresceau 2008, S. 295. 410
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F. Das Fürstentum Monaco und seine Integration in die EU
Die wichtigste Bedeutung des Abkommens ist, dass es in Monaco hergestellten Waren höhere Rechtssicherheit bezüglich des Zugangs dieser Produkte zum EU-Markt gibt.415 Das Abkommen erlaubt es, in Monaco hergestellte pharmazeutische, kosmetische und medizinische Produkte in alle EU-Staaten zu exportieren. Dabei haben die monegassischen Behörden, um die einheitliche Interpretation in Übereinstimmung mit der Rechtssprechung des EuGH zu sichern, die Möglichkeit auf die besondere administrative Beziehung mit Frankreich zurückzugreifen (Art. 2 Abs. 2). Dies ist für die Fälle hilfreich, in denen Monaco selbst nicht über die benötigte Infrastruktur, Labore, Know-how etc. verfügt, um die notwendigen Tests und Nachweise durchzuführen.416 Die französischen Behörden können die Produktion dieser Waren in Monaco entsprechend der Standards des EU-Rechts überwachen.417 Ein gemischter Ausschuss wird eingesetzt, der für die Verwaltung und die ordnungsgemäße Anwendung des Abkommens zuständig ist (Art. 3). Der gemischte Ausschuss kann Empfehlungen formulieren und Entscheidungen treffen. Um das Abkommen in Übereinstimmung mit der Entwicklung im EU-Recht zu halten, kann der gemischte Ausschuss die Liste der EU-Rechtssetzung im Anhang des Abkommens erweitern. Der Ausschuss kann auch als Schlichtungsorgan eingesetzt werden. Er kommt nach Bedarf zusammen. Es ist der erste gemischte Ausschuss in den Beziehungen EG-/EU-Monaco.418 Die Rechtssprechung des Ausschusses hat eine weitreichende Dimension, denn wenn ein Streit vor den Ausschuss gebracht wird, muss dieser entsprechend einer vorgeschriebenen Prozedur und in einem bestimmten Zeitrahmen gelöst werden. Falls dies nicht erreicht wird, bedeutet dies gleichzeitig das Ende des Abkommens (Art. 4 Abs. 3). Dieses Abkommen ist besonders für Monacos Industrie sehr wichtig, da es einige sehr bekannte Pharma- und Kosmetikhersteller im Fürstentum gibt, deren Umsatz einen großen Teil der monegassischen Industrie ausmacht.419
415 416 417 418 419
Vgl. Maresceau 2008, S. 295. Vgl. Maresceau 2008, S. 295. Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009q. Vgl. Maresceau 2008, S. 295. Vgl. Ulses 2004, S. 41.
II. Die Integration Monacos in die Europäische Union
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c) Das Abkommen im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen Monaco stand noch im April 2002 auf der OECD-Liste der unkooperativen Steuerparadiese, ebenso wie Andorra und Liechtenstein.420 Um dies zu verändern, wurde – wie auch mit den anderen Mikrostaaten Andorra, Liechtenstein und San Marino – zwischen Monaco und der EG ein Abkommen im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen und eine gemeinsame Absichtserklärung geschlossen, das am 1. Juli 2005 in Kraft trat.421 Ziel des Abkommens ist es, Regeln festzulegen, die der Richtlinie 2003/48/EG des Rates vom 3. Juni 2003 über die Besteuerung von Zinserträgen gleichwertig sind. Genau wie im Falle der Abkommen mit den anderen drei Mikrostaaten wird festgelegt, dass Zinsen, die in Monaco an wirtschaftliche Eigentümer gezahlt werden, die in einem Mitgliedstaat der EU ansässige natürliche Personen sind, einer Quellensteuer unterliegen, die von den im Gebiet des Fürstentums ansässigen Zahlstellen einbehalten wird (Art. 1). Das Abkommen soll verhindern, dass Monaco zur Umgehung der Steuerpflicht auf Kapitalerträge in der EU benutzt wird und dient der Bekämpfung von Geldwäsche. Ebenso wurde zum Abkommen eine gemeinsame Absichtserklärung unterzeichnet, die auch mögliche zukünftige Kooperation zwischen Monaco und der EG, speziell im Bereich der Finanz- und Versicherungsdienstleistungen erwähnt.422 Dennoch stand Monaco noch nach Abschluss des Abkommens auf der OECD-Liste der unkooperativen Steuerparadiese. Erst im Mai 2009 wurden schließlich die drei auf der OECD-Liste der unkooperativen Steuerparadiese verblieben Staaten Andorra, Liechtenstein und Monaco aufgrund ihrer jeweiligen Anpassungsmaßnahmen von der Liste gestrichen.423 Im Jahr 2009 hat die Europäische Kommission vorgeschlagen, die Zinsbesteuerungsrichtlinie neu zu verhandeln, um bestehende Schlupflöcher zu schließen, was folglich zu einer Neuverhandlung der Abkommen mit den Mikrostaaten in diesem Bereich führen würde.424
420
Vgl. OECD 2009a; Dózsa 2008, S. 97; Emerson 2007, S. 4. ABl. L 19 vom 21.01.2005, S. 53–54, 55–69; ABl. L 110 vom 30.4.2005, S. 40–41; ABl. E 208 vom 25.08.2005, S. 37–38; ABl. C 137 vom 04.06.2005, S. 1; JM vom 24.06.2005, Nr. 7709; sh. Punkt I. IV. 4. 422 ABl. L 19 vom 21.01.2005, S. 68–69. 423 Vgl. OECD 2009. 424 sh. Punkt I. IV. 4.; vgl. Reiterer 2009, S. 2. 421
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F. Das Fürstentum Monaco und seine Integration in die EU
d) Weitere Zusammenarbeit und neueste Entwicklungen aa) Diplomatische Vertretungen In der praktischen Gestaltung der Beziehung zwischen der EU und dem Fürstentum war es Frankreich lange Zeit sehr wichtig, gegenüber der EU für Monaco aufzutreten. Schließlich hat Monaco im Januar 2000 eine Mission bei der EU in Brüssel eingerichtet.425 Die Europäische Union unterhält derzeit weder eine Delegation noch einen Vertreter in Monaco. bb) Schutz der Alpen Monaco unterzeichnete im Dezember 1994 das Protokoll zum Übereinkommen zum Schutz der Alpen (Alpenkonvention).426 Weitere Unterzeichner der Konvention sind Deutschland, Frankreich, Italien, Liechtenstein, Österreich, die Schweiz, Slowenien sowie die EG. Ziel des Übereinkommens ist der Schutz der Alpen im gesamten Alpenraum. cc) Soziale Sicherheit In der schriftlichen Anfrage Nr. 735/98 von Rinaldo Bontempi an die Kommission vom 2. März 1998 fordert der Verfasser zum Abschluss eines Abkommens zwischen der Europäischen Union und dem Fürstentum Monaco auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit auf.427 Bontempi erinnert, dass schon auf die Anfrage E-4012/96,428 in der ein Abkommen zwischen der EU und Monaco auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit gefordert wurde, die Kommission mit dem Versprechen geantwortet hat, sich für den Abschluss eines derartigen Abkommens einzusetzen. Dennoch stehe die Unterzeichnung des Abkommens immer noch aus. Hintergrund dabei ist, dass die EU-Bürger, die in Monaco arbeiten, mit Problemen aufgrund eines fehlenden Abkommens konfrontiert sind. Besonders gilt dies für die Grenzgänger, die zum Zeitpunkt der Einreichung ihres Rentenantrags nach einer Berufstätigkeit in Italien, Frankreich und im Fürstentum keine ausreichenden Beitragszeiten vorweisen können. Bontempi fragt daher bei der Kommission an, ob beabsichtigt wird, demnächst ein Kooperations- oder Assoziierungsabkommen, das auch Vereinbarungen im Sozialbereich einschließt, zwischen der EU und Monaco abzuschließen. 425 426 427 428
Vgl. Ulses 2004, S. 38; Grinda 2006, S. 12, 49. ABl. L 33 vom 07.02.1998, S. 21, 22–24. ABl. C 304 vom 02.10.1998, S. 152. ABl. C 138 vom 05.05.1997, S. 165.
II. Die Integration Monacos in die Europäische Union
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Herr Flynn antwortet im Namen der Kommission darauf am 2. April 1998, dass sich die Kommission über die Schwierigkeiten der EU-Bürger im Klaren sei, bei einem Aufenthalt in Monaco angesichts der Besonderheit dieses Landes Leistungen der sozialen Sicherheit zu erhalten. Die Kommission habe die Möglichkeit geprüft, ein Abkommen der gleichen Art vorzuschlagen, wie es für San Marino zum damaligen Zeitpunkt vorgesehen war. Doch ein solches Abkommen würde weit über die soziale Sicherheit hinausgehen, und bis dahin konnte noch kein entsprechender Vorschlag erarbeitet werden. Auch in den kommenden Jahren hatte sich in dieser Angelegenheit nicht viel getan, so dass am 10. Februar 2003 eine erneute schriftliche Anfrage einging, und zwar die Anfrage E-0333/03 von Luigi Cocilovo an die Kommission bezüglich des Abschlusses eines Assoziierungsabkommens zwischen der Europäischen Union und dem Fürstentum Monaco.429 Cocilovo begründet die Anfrage wieder mit der Lage der Gemeinschaftsbürger, die in Italien ansässig sind und sich zur Arbeit in das Fürstentum begeben. Deren Situation sei sehr schwierig und kompliziert aufgrund der zwischen den beiden Ländern geltenden Sozialversicherungsvereinbarung. Die Schwierigkeiten beruhen insbesondere darauf, dass es zwischen der EU und Monaco kein Sozialversicherungsabkommen gibt und dass dies die Anwendung der in der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 vorgesehenen Gemeinschaftsnormen für die Koordinierung erschwert. Cocilovo fragt deshalb an, ob die Kommission beabsichtigt, den Abschluss eines Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Monaco vorzuschlagen, das Vereinbarungen über die Freizügigkeit von Personen und über die soziale Sicherheit beinhaltet, um die Anwendung der Gemeinschaftsnormen in diesen Bereichen für die Gemeinschaftsbürger im Fürstentum Monaco zu ermöglichen. Frau Diamantopoulou antwortet darauf im Namen der Kommission am 14. März 2003, dass Monaco zwar ein Drittland außerhalb der Union ist, es jedoch aufgrund seiner besonderen Beziehung zu Frankreich in den Anwendungsbereich mehrerer Gemeinschaftspolitiken integriert ist (z. B. Zollunion, Euro-Münzen). Außerdem kann im Bereich der sozialen Sicherheit jeder Mitgliedstaat ein bilaterales Abkommen mit einem Drittland abschließen. So hat auch Italien diese Möglichkeit genutzt und mit Monaco das allgemeine Abkommen über soziale Sicherheit geschlossen. Trotzdem sei sich die Kommission bewusst, dass die derzeitige Situation Probleme aufwirft, und zwar nicht nur für die EU-Bürger, die in Monaco arbeiten, sondern beispielsweise auch für Touristen, wenn sie dringend ärztliche Behandlung benötigen. 429
ABl. E 161 vom 10.07.2003, S. 210–211.
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F. Das Fürstentum Monaco und seine Integration in die EU
Daher prüfe die Kommission die Möglichkeit, die Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und dem Fürstentum Monaco zu intensivieren in einem Rechtsrahmen, der der Art der gemeinsamen Anliegen angemessen ist. Es wird erkennbar, dass schon seit mindestens 10 Jahren (1998) nach einem Assoziierungsabkommen bzw. weiteren Abkommen gefragt wird, welches die Kommission angeblich auch prüft, doch bisher wurde kein derartiges Abkommen vorgeschlagen oder verabschiedet. dd) Forschung Monaco ist sehr daran interessiert, engere Beziehungen mit der EU auf dem Gebiet der Forschung aufzubauen. Nachdem Monaco das Abkommen im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen unterzeichnet hatte, war die EU bereit, die Bewerbung Monacos, Mitglied von EUREKA zu werden, zu unterstützen. Dementsprechend wurde Monaco am 21. März 2005 das 35. Mitglied von EUREKA. EUREKA ist die gesamteuropäische Forschungsund Entwicklungsinitiative, die 1985 gegründet wurde. Ziel dieser Initiative ist es, die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu steigern durch Unterstützung der Industrie, Forschungszentren und Universitäten, die gesamteuropäische Projekte durchführen, um innovative Produkte, Prozesse und Dienstleistungen zu entwickeln.430 ee) Finanzdienstleistungsmarkt Es ist zu erwarten, dass das Abkommen über die Besteuerung von Zinserträgen aufgrund der Änderung der zugrunde gelegten EU-Richtlinie neu verhandelt wird. Die gemeinsame Absichtserklärung zum Abkommen im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen sieht die Möglichkeit von zukünftigen Verhandlungen zwischen der EU und Monaco bezüglich dem Zugang bestimmter monegassischer Finanzinstrumente und Versicherungsprodukte zum EU-Finanzdienstleistungsmarkt vor.431 Alle zukünftigen Abkommen in diesem Bereich müssen mit dem GATTund GATS-Abkommen der WTO übereinstimmen, das u. a. besagt, dass Handelsabkommen, bei denen WTO-Mitglieder Teilnehmer sind, einen beachtlichen Teil an Handel erfassen müssen. Jedes zukünftige Abkommen zwischen Monaco und der EU, die vorgeben, nur einen begrenzten Teil des 430 Vgl. Principauté de Monaco/Ministère d’Etat/Département des Relations Extérieures 2008, S. 13 f.; Murray 2006, S. 198 f. 431 ABl. L 19 vom 21.01.2005, S. 68–69; sh. Punkt F. II. 2. c).
II. Die Integration Monacos in die Europäische Union
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Finanzdienstleistungssektors abzudecken, könnte dadurch im Konflikt zu den Verpflichtungen der EU durch GATT/GATS stehen und müsste daher speziell überprüft werden.432 Bisher wurden noch keine formalen Diskussionen über ein solches Abkommen eingeleitet. ff) Regionale Zusammenarbeit Außerdem ist Monaco in das Programms ALCOTRA integriert, ein Programm zur regionalen grenzüberschreitenden Kooperation zwischen Frankreich und Italien 2007–2013 (Nachfolge von INTERREG). Dieses Programm hat zum Ziel, wirtschaftliche, soziale und Umwelt-Aktivitäten durch gemeinsame Strategien und mit nachhaltiger Entwicklung zu realisieren. Die fürstliche Regierung hatte offiziell im Juli 2006 gegenüber den französischen und italienischen Behörden seinen Wunsch geäußert, an dem Programm assoziiert zu werden. Dieser Bitte wurde durch die französischen und italienischen Behörden stattgegeben. Im Rahmen des Programms werden gemeinsame Projekte in den Bereichen Transport, Tourismus, Umweltschutz, Kultur und Gesundheit durchgeführt.433 gg) Neueste Entwicklungen Am 20. Januar 2009 hat der damalige Vorsitzende des Nationalrates Valerí einen Antrag an den Präsidenten des EP Pöttering gestellt, Mitglied in der Parlamentarischen Versammlung der Euromediterranen Partnerschaft zu werden.434 Heute ist Monaco Partner in der Euromediterranen Partnerschaft.435 Im Bereich Steuern und Zollunion wurde am 30. Juni 2009 eine Empfehlung der Kommission an den Rat abgegeben, die Kommission zu autorisieren, Verhandlungen über ein Betrugsbekämpfungsabkommen zwischen der EG und ihren Mitgliedstaaten einerseits sowie dem Fürstentum Andorra, dem Fürstentum Monaco und San Marino andererseits zu eröffnen. Das Abkommen soll dazu dienen, Betrug und andere illegale Handlungen zu bekämpfen und administrative Zusammenarbeit durch Informationsaustausch in Steuerfragen zu sichern.436 Daraufhin debattierte der Rat am 432
Vgl. Murray 2006, S. 198. Vgl. Principauté de Monaco/Ministère d’Etat/Département des Relations Extérieures 2008, S. 13 f. 434 Principauté de Monaco/Le Conseil National/Le Président: Brief Valerí an Pöttering vom 20.01.2009. 435 Vgl. European Commission 2010. 436 Kom.-Dok. SEC (2009) 899/F. 433
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F. Das Fürstentum Monaco und seine Integration in die EU
20. Oktober und 26. November 2009 über einen Entwurf für eine Entscheidung des Rates.437 Weiterhin wird die Neuverhandlung des Abkommens im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen baldmöglichst angestrebt.438 3. Europäischer Integrationswille Monacos und Zukunftsausblick Das Verhältnis zwischen Monaco und der EU ist gewissermaßen gegensätzlich. Zwar bestehen bis heute kaum direkte vertragliche Beziehungen zwischen beiden, dennoch ist das Fürstentum enger als die meisten Drittstaaten mit der EU verbunden.439 Erst im Jahr 2000 richtete Monaco eine Mission bei der EU ein, erst 2003 wurden zwischen Monaco und der EU die ersten direkten Beziehungen formalisiert.440 Im Moment ist ein formaler EU-Beitritt zwar nicht ausgeschlossen, wird aber auch nicht angestrebt. Stéphane Valerí, Präsident des Nationalrates von 2003 bis Anfang 2010, erklärte in seiner Rede vor dem Europarat am 27. April 2004, dass die Hinwendung Monacos zum Europarat – und nicht zur EU – auch deshalb erfolgt sei, da die Türen der EU für kleine Staaten verschlossen schienen.441 Die Autorin Ulses erhielt zu der Frage nach einem möglichen EU-Beitritt Monacos im April 2004 Antwort der monegassischen Regierung mit der Aussage, dass der EU-Beitritt Monacos keine Priorität für den Mikrostaat habe. Des Weiteren hätte die EU nie in Erwägung gezogen, sich den Mikrostaaten in seiner unmittelbaren Umgebung zu öffnen.442 Bedeutsam ist in dieser Hinsicht auch immer die Haltung Frankreichs als Monacos großer Nachbarstaat. Frankreich hat in den letzten Jahren schon deutlich seinen Einfluss aus Monaco zurückgezogen, z. B. bei der Revision der Verträge von 1918 und 1930 im Rahmen des Beitritts Monacos zum Europarat und trug damit zur Stärkung der Souveränität des Fürstentums bei. Wenn Monaco der EU beitreten würde, wären die Einflussmöglichkeiten Frankreichs noch geringer. Außerdem wäre es wahrscheinlich, dass Frankreich auf die Besteuerung der Einkünfte der in Monaco lebenden Franzosen verzichten müsste, was einen nicht unerheblichen Betrag darstel437 438 439 440 441 442
Rats-Dok. 14325/09, 16308/09. sh. Punkt F. II. 2. c). Vgl. Stapper 1999, S. 40; Hummer 2004, S. 87. sh. Punkt F. II. 2. b). Vgl. Council of Europe/Parliamentary Assembly 2004; Ulses 2004, S. 49. Vgl. Ulses 2004, S. 49.
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len würde. Es ist daher fraglich, ob Frankreich Interesse an einem EU-Beitritt Monacos haben und ob er diesem zustimmen würde.443 Generell für den Beitritt sprechen würden wirtschaftliche Vorteile für Monaco, wie der noch einfachere Zugang zu den europäischen Märkten.444 Für die EU wird die monegassische Wirtschaft, die sich in den letzten Jahrzehnten vor allem in der Industrie und im Finanzsektor stark entwickelt hat, immer interessanter. Die Richtlinie 2003/48/EG im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen, in welche die Mikrostaaten mit einbezogen wurden, hat gezeigt, dass auch die EU die Mikrostaaten beachtet und involviert, vor allem aufgrund der Bedeutung der Mikrostaaten als Finanzzentren. Ein EU-Beitritt Monacos würde beiderseitige Vorteile bringen, aber auch Risiken bergen.445 Ein Hindernis für vertiefte Beziehungen sind die Befürchtungen Monacos, seine Identität zu verlieren und seine gesetzlichen Besonderheiten aufgeben zu müssen.446 Dazu gehören Bedenken bezüglich sich ergebender Nachteile für den Bankensektor oder einer weniger günstigen Besteuerung für natürliche Personen und Gesellschaften.447 Allerdings kann Monaco die EU nicht auf Dauer ignorieren. Selbst wenn Monaco nie oder nicht in naher Zukunft der EU beitreten wird, ist die EU durch Monacos enge Beziehungen zu Frankreich auch im Fürstentum spürbar. Da das französische Recht immer mehr zugunsten des Unionsrechts weicht, jenes aber das Referenzrecht für Monaco darstellt, passt auch Monaco sein Recht indirekt an das Unionsrecht an. So findet das EU-Recht Eingang nach Monaco, wenn auch nur indirekt, und das Fürstentum nähert sich allmählich immer weiter der EU. Schließlich könnte diese Entwicklung dazu führen, dass der Mikrostaat de facto fast vollständig in der EU integriert ist, bevor Monaco einen Mitgliedsantrag gestellt hat.448 In dieser Situation wäre dann ein EU-Beitritt recht nahe liegend. Als Alternative zu einem EU-Beitritt könnte Monaco ein weiteres, zunächst ein grundlegendes Abkommen mit der EU abschließen. Durch den stärkeren Aufbau direkter Beziehungen mit der EU wäre Monaco unabhängiger von Frankreich. Dies wäre ein Schritt zu einer Annäherung an die EU ohne eine vollkommene Integration, was auch als Vorbereitung auf einen EU-Beitritt wirken könnte.449 Gleichzeitig würden Verhandlungen mit der 443 444 445 446 447 448 449
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Ulses Ulses Ulses Ulses Ulses Ulses Ulses
2004, 2004, 2004, 2004, 2004, 2004, 2004,
S. S. S. S. S. S. S.
49. 50. 53. 53. 50. 53. 52; Grinda 2006, S. 49.
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F. Das Fürstentum Monaco und seine Integration in die EU
EU höchstwahrscheinlich einen vorgeschalteten Dialog zwischen Monaco und Frankreich begründen, auch nach dem neuen französisch-monegassischen Grundlagenvertrag.450 Mögliche Formen des oder der Abkommen wären u. a. ein Assoziierungsabkommen, der Beitritt zum EWR oder ein Kooperationsabkommen.451 Ein Assoziierungsabkommen gemäß Art. 217 AEUV dient vor allem dem Ausbau der wirtschaftlichen und handelspolitischen Beziehungen zwischen der EU und dem jeweiligen Land und zielt besonders auf die Gründung einer Zollunion. Da Monaco jedoch bereits an der EU-Zollunion teilnimmt, ist es unwahrscheinlich, dass ein Assoziierungsabkommen verhandelt würde.452 Ebenso könnte Monaco dem EWR beitreten, so wie Liechtenstein. Da sich der EWR besonders auf die Wirtschaft konzentriert, wäre dies für Monaco sehr entgegenkommend. Andererseits müsste Monaco ca. zwei Drittel des Unionsrechts übernehmen, wäre damit aber auch gut auf einen EU-Beitritt vorbereitet. Tatsächlich ist diese Möglichkeit jedoch auch nicht sehr wahrscheinlich, vor allem aufgrund der engen Bindungen an Frankreich und den sich daraus ergebenden impliziten Vorteilen, des Nachteils der Integration des umfangreichen EU-Rechts sowie der geringen Kapazität in der Verwaltung. Falls Monaco bereit wäre, einen so großen Schritt auf die EU zuzugehen, sollte es eher prüfen, ob es nicht ganz der EU beitreten wolle.453 Des Weiteren ist grundsätzlich der Fortbestand des EWR zu hinterfragen, vor allem nach dem Island einen Antrag auf Beitritt zur EU gestellt hat. Eine weitere Möglichkeit wäre der Abschluss eines Kooperationsabkommens, u. a. auf wirtschaftliche Zusammenarbeit zielend. Andorra und San Marino haben derartige Abkommen in verschiedensten Bereichen abgeschlossen, u. a. zur Kooperation in wirtschaftlicher Entwicklung, Umweltschutz, Tourismus, Kommunikation, Information, Kultur, Soziale Angelegenheiten, Transport oder grenzüberschreitende Zusammenarbeit.454 Seit Mitte 2009 beratschlagt die Europäische Kommission über einen vertieften Integrationsprozess der kleinen europäischen Drittstaaten in die EU. Diese zukünftige Vorstellung wurde Monaco mitgeteilt, um diesen Vorschlag zu überdenken.455
450 451 452 453 454 455
Vgl. Grinda 2006, S. 49. Vgl. Ulses 2004, S. 52. Vgl. Ulses 2004, S. 52. Vgl. Ulses 2004, S. 52. Vgl. Ulses 2004, S. 52. Auskunft einer monegassischen Quelle 2009.
II. Die Integration Monacos in die Europäische Union
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4. Zusammenfassung Monaco ist gegenüber der EU ein Drittstaat. Die EU-Rechtssetzung ist gemäß Art. 355 Abs. 3 AEUV nicht in Monaco anwendbar. Monaco ist nicht Mitglied im EWR und kein EU-Beitrittskandidat. Trotzdem hat das Fürstentum aufgrund der besonders engen Beziehungen zu Frankreich und die daraus hervorgehende Verbindung zur EU eine Sonderstellung unter den Mikrostaaten inne, z. B. da die Interessen Monacos gegenüber der EU zumeist von Frankreich vertreten werden. Die europäische Integration des Fürstentums erfolgt sowohl auf indirektem als auch auf direktem Weg, wobei die indirekte Integration in die EU deutlich überwiegt. Aufgrund der engen Beziehungen zu Frankreich und den sich daraus ergebenden bilateralen Abkommen findet EU-Recht in zahlreichen Bereichen auf indirektem Weg Eingang in monegassisches Recht, es wird de facto EU-Recht in Monaco angewandt. So ist Monaco aufgrund der Zollunion mit Frankreich seit 1968 Teil des EU-Zollgebietes. Ein Währungsabkommen mit der EU sichert die Nutzung des Euro als offizielle Währung in Monaco sowie das Prägen eigener Münzen. Zuvor bestand ein Währungsabkommen mit Frankreich, aufgrund dessen die EU zu Verhandlungen mit Monaco verpflichtet war. Zwar wurde die Währungsvereinbarung im Jahr 2001 zwischen Monaco und Frankreich im Namen der EG abgeschlossen, doch da das Abkommen aufgrund der historischen Währungsbeziehungen mit dem Nachbarstaat zustande gekommen ist, wird es in die Kategorie der indirekten Integration in die EU eingeordnet. Außerdem ist Monaco zwar kein Unterzeichnerstaat des Schengen-Abkommens, doch es ist aufgrund einer Entscheidung des Schengen-Komitees vom 23. Juni 1998 in das Schengen-Gebiet integriert. Grundlage dafür ist das Nachbarschaftsabkommen mit Frankreich von 1963, durch welches die Freizügigkeit zwischen Frankreich und Monaco vor dem Inkrafttreten der Konvention zur Errichtung des Schengen-Abkommens eingeführt wurde. Des Weiteren existieren Abkommen zwischen Frankreich und Monaco zu Banken-, Versicherungs- und Steuerrecht, durch welche das EU-Recht in diesem Bereich in das monegassische Recht Einzug findet. So wird u. a. die EU-Mehrwertsteuer in Monaco angewandt. Die direkten vertraglichen Beziehungen zwischen Monaco und der EU beschränken sich erstens auf ein Abkommen vom 4. Dezember 2003 über die Anwendung bestimmter Gemeinschaftsakte im Gebiet des Fürstentums, das am 1. Mai 2004 in Kraft trat. Es betrifft die Bereiche Human- und Tierarzneimittel, kosmetische Mittel und Medizinprodukte. Dieses Abkommen war das erste bilaterale Abkommen in den Beziehungen Monacos zur EU.
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F. Das Fürstentum Monaco und seine Integration in die EU
Zweitens trat am 1. Juli 2005 das Abkommen über die Besteuerung von Zinserträgen in Kraft, das in naher Zukunft neu verhandelt werden soll. Ebenso ist im Gespräch, Verhandlungen über ein Betrugsbekämpfungsabkommen aufzunehmen. Bisher hat Monaco nicht auf die Ausweitung direkter Abkommen mit der EU bestanden, da es auch so – durch die Beziehungen zu Frankreich – sehr eng mit der EU verbunden ist. Durch diese Beziehungen ist Monaco indirekt am stärksten in die EU integriert. Monaco hat grundsätzlich die Möglichkeit, der EU als Vollmitglied beizutreten. Zwar wird der EU-Beitritt von keiner der Parteien kategorisch ausgeschlossen, doch ein erklärtes Ziel bzw. Wunsch einer der Parteien ist er momentan nicht. Daher spricht vieles für den Fortbestand der derzeitigen Lage. Auffällig ist dennoch, dass sich die Beziehungen Monacos zur EU wie auch mit anderen europäischen Organisationen in den letzten Jahren verstärkt haben. Es ist wahrscheinlich, dass in bestimmten Bereichen Abkommen über Zusammenarbeit und Kooperation abgeschlossen werden. Die Beziehungen Monacos zur EU sind immer verbunden mit der Einstellung Frankreichs diesbezüglich.
G. Die Republik San Marino und seine Integration in die EU I. Charakteristika des Staates San Marino 1. Staatsgebiet und Bevölkerung
Quelle: CIA World Factbook 2010 [www.cia.gov].
Abbildung 7: Karte San Marino
San Marino1 (Repubblica di San Marino) ist eine autonome Republik unter dem Schutz Italiens, dessen Staatsgebiet den Kleinststaat umschließt.2 San Marino ist nach dem Vatikan und Monaco der drittkleinste Staat in Europa und behauptet von sich, die älteste Republik der Welt zu sein.3 Die 1 Im Folgenden wird in den meisten Fällen vereinfacht „San Marino“ für die Republik San Marino geschrieben. Falls es die gleichnamige Hauptstadt gemeint ist, wird dies ausdrücklich kenntlich gemacht. 2 Vgl. Stapper 1999, S. 41; Waschkuhn 2003, S. 772; Dózsa 2008, S. 97; Sack 1997, S. 48; Duursma 1996, S. 207; Maresceau 2008, S. 287; Miller 2007, S. 196.
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G. Die Republik San Marino und seine Integration in die EU
61 km2 große Republik4 liegt ungefähr im Zentrum der nördlichen Hälfte Italiens als Enklave zwischen den italienischen Regionen Emilia-Romagna im Nordosten und Marken-Montefeltro im Südwesten, ca. 10 km Luftlinie von der Adriaküste entfernt.5 Das Gebiet ist überwiegend hügelig und gipfelt im Monte Titano.6 In San Marino leben ca. 31.300 Einwohnern (Ende 2009).7 Die Hauptstadt heißt ebenfalls San Marino (4.350 Einwohner).8 Die Einwohner des Landes sind zu 86% Sanmarinesen und zu 13% Italiener.9 Insgesamt leben knapp 4.500 Ausländer in dem Mikrostaat.10 Damit leben im Vergleich zu den anderen europäischen Mikrostaaten relativ wenige Ausländer in dieser Republik.11 Über 12.000 weitere Sanmarinesen leben im Ausland, der größte Teil davon in Italien (5.800), gefolgt von den USA (3.000), Frankreich (1.900) und Argentinien (1.600).12 Ein großer Teil davon, ca. 6.750, leben in sanmarinesischen Gemeinden im Ausland.13 Auch die im Ausland lebenden Sanmarinesen verfügen über Wahlrecht. Das aktive Wahlrecht für Frauen wurde 1960 eingeführt, 1974 das passive.14 3
San Marino ist sicher eine der ältesten Republiken der Welt. Dass es tatsächlich die älteste ist, bestreitet Veiter (1979), der auf das isländische Thing und den färöischen Lagting, die schon im 10. und 11. Jahrhundert demokratische Strukturen aufwiesen, verweist. Vgl. Stapper 1999, S. 42; Sack 1997, S. 48; Murray 2006, S. 199; Miller 2007, S. 196; Marxer/Pállinger 2009, S. 936. 4 Vgl. Murray 2006, S. 199; Maresceau 2008, S. 287; Miller 2007, S. 195; Reinkenhof 1997, S. 25. 5 Vgl. Repubblica di San Marino/Segretaria di Stato al Turismo, allo Sport, Programmazione economica e rapporti can l’A. A.S.S. 2009a; Reinkenhof 1997, S. 25; Duursma 1996, S. 207; Hummer 2004, S. 72; Murray 2006, S. 199; Maresceau 2008, S. 287; Miller 2007, S. 196; Marxer/Pállinger 2009, S. 936. 6 Vgl. Repubblica di San Marino/Segretaria di Stato al Turismo, allo Sport, Programmazione economica e rapporti can l’A. A.S.S. 2009a. 7 Vgl. Repubblica di San Marino/Ufficio Programmazione Economica/Centro Elaborazione Dati E Statistica 2010a. 8 Vgl. Repubblica di San Marino/Ufficio Programmazione Economica/Centro Elaborazione Dati E Statistica 2010a; Murray 2006, S. 199; Miller 2007, S. 195. 9 Vgl. Repubblica di San Marino/Ufficio Programmazione Economica/Centro Elaborazione Dati E Statistica 2010c, S. 45. 10 Vgl. Repubblica di San Marino/Ufficio Programmazione Economica/Centro Elaborazione Dati E Statistica 2010c, S. 45. 11 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 943. 12 Vgl. Repubblica di San Marino/Ufficio Programmazione Economica/Centro Elaborazione Dati E Statistica: 2010b. 13 Vgl. Republic of San Marino/Secretariat of State for Foreign and Political Affairs 2008a; Waschkuhn 2003, S. 772. 14 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 772 f.
I. Charakteristika des Staates San Marino
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Man kann San Marino als dezentralisierten Einheitsstaat bezeichnen.15 Regional gliedert sich die Republik in neun Gemeinden (Castelli). Die neun Gemeinden bilden eigenständige Verwaltungsbezirke.16 Die Gemeinden besitzen je einen Gemeinderat (Giunta di Castello), der von einem Gemeindevorsteher (Capitano di Castello) geführt wird.17 Die Kompetenzen der Gemeinden liegen vor allem bei lokalen Verwaltungs- und Vollzugsaufgaben, der Förderung von Erholung und Kultur sowie der Kontrolle der Qualität der zentralstaatlichen Leistungserbringung. Die Gemeinden werden vom Zentralstaat in Angelegenheiten, die sie betreffen, konsultiert und sie können Vorschläge für bestimmte Maßnahmen machen, sie erstellen Gutachten und kontrollieren die öffentliche Verwaltung.18 Außerdem steht dem Gemeinderat das Recht auf Gesetzesinitiative zu.19 Weiterhin können mindestens fünf Gemeinderäte gemeinsam einen Vorschlag für ein Referendum einreichen.20 Man spricht italienisch und die Sanmarinesen gehören überwiegend dem römisch-katholischen Glauben an.21 2. Geschichte Der Legende nach wurde San Marino vom heiligen Marino im Jahr 301 gegründet.22 Eine Adlige aus Rimini hatte Marino den Berg Titano und sein umgebendes Gebiet als Dank für die Rettung ihres Sohnes gegeben.23 Marino und seine Anhänger wollten dort nun eine von Kaiser und Papst unabhängige christliche Gemeinschaft gründen.24 Es ist umstritten, ob Marino ein Heiliger der römischen Kirche ist. Trotzdem wurde er schon zu Lebzei15
Vgl. Waschkuhn 2003, S. 774. Vgl. Repubblica di San Marino/Segretaria di Stato al Turismo, allo Sport, Programmazione economica e rapporti can l’A. A.S.S. 2009a; Waschkuhn 2003, S. 774; Marxer/Pállinger 2009, S. 944; Reinkenhof 1997, S. 46. 17 Vgl. Reinkenhof 1997, S. 46. 18 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 944. 19 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 944. 20 Gesetz Nr. 101/1994 vom 28.11.1994, Art. 3; vgl. Reinkenhof 1997, S. 46. 21 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 943; Reinkenhof 1997, S. 25. 22 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 772; Duursma 1996, S. 208; Stapper 1999, S. 41; Murray 2006, S. 199; Maresceau 2008, S. 287; Marxer/Pállinger 2009, S. 936; Repubblica di San Marino/Segretaria di Stato al Turismo, allo Sport, Programmazione economica e rapporti can l’A. A.S.S. 2009a, 2009b. 23 Vgl. Repubblica di San Marino/Ufficio di Stato per il Turismo 1991, S. 7; Duursma 1996, S. 208, Stapper 1999, S. 41; Reinkenhof 1997, S. 27. 24 Vgl. Stapper 1999, S. 41; Le Besnerais 1969, S. 4; Reinkenhof 1997, S. 27; Repubblica di San Marino/Segretaria di Stato al Turismo, allo Sport, Programmazione economica e rapporti can l’A. A.S.S. 2009b. 16
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G. Die Republik San Marino und seine Integration in die EU
ten als Heiliger verehrt. Außerdem sieht man ihn als Begründer und Namensgeber der Republik an.25 Diese Legende ist jedoch nicht belegbar.26 Auch wenn einige Historiker die Legende bezweifeln, existierte die Republik San Marino als eine separate Einheit schon mindestens seit der Gründung des Kirchenstaates im Jahr 754. Nachgewiesen ist, dass um 600 eine Siedlung mit republikanischem Charakter um den Monte Titano entstand. Im Jahre 754 wurde dann das heutige San Marino erstmals als Castellum Sancti Marini (Kloster) urkundlich als Teil des Kirchenstaates erwähnt.27 Ebenso wird im Jahr 885 San Marinos Existenz in dem Dokument „Placitum Feretranum“, einem Gerichtsurteil, urkundlich erwähnt. Darin wird die Beilegung eines Disputs zwischen dem Abt von San Marino und dem Bischof von Rimini kommentiert.28 Seit dem hat die Republik bis heute viele seiner ursprünglichen Institutionen erhalten und es ist erstaunlich, dass sich San Marino so lange als unabhängiger Staat halten konnte.29 Im 12. Jahrhundert war San Marino eine selbständige Kommune, eine Stadtrepublik, die sich selbst regierte und in der eigene Gesetze existierten.30 Aufgrund der strategisch günstigen Lage des Monte Titano hatte San Marino oftmals gegen Angriffe zu kämpfen. Im 13. Jahrhundert stand die kleine Republik zwischen den sich bekämpfenden kaisertreuen Ghibellinen und den dem Papst nahe stehenden Guelfen (auch Welfen). San Marino wurde den Ghibellinen angeschlossen, was zu Konflikten mit dem Papst führte. Schließlich entwickelte sich San Marino im 13. Jahrhundert zu einem selbständigen Staat in Form einer italienischen Stadtrepublik.31 Seit dem Jahr 1463 ist das Hoheitsgebiet San Marinos bis heute unverändert geblieben, militärische Besetzungen waren nur von kurzer Dauer.32 Die Statuten San Marinos wurden erstmals 1253 und nochmals 1352/53 nach dem Muster einer mittelalterlichen, oberitalienischen Stadtverfassung konzipiert. Im Jahr 1243 wurden zwei Regenten (Capitani Reggenti) bestellt, die seit dem als Staatsoberhäupter fungieren.33 Im Jahr 1352/53 ent25
Vgl. Stapper 1999, S. 41; Maresceau 2008, S. 287. Vgl. Reinkenhof 1997, S. 27. 27 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 772; Reinkenhof 1997, S. 27; Veiter 1979, S. 535 ff. 28 Vgl. Miller 2007, S. 196; Stapper 1999, S. 41; Le Besnerais 1969, S. 12 ff.; Reinkenhof 1997, S. 27 f. 29 Vgl. Duursma 1996, S. 208; Maresceau 2008, S. 287. 30 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 936; Repubblica di San Marino/Segretaria di Stato al Turismo, allo Sport, Programmazione economica e rapporti can l’A. A.S.S. 2009b. 31 Vgl. Stapper 1999, S. 41. 32 Vgl. Reinkenhof 1997, S. 28; Repubblica di San Marino/Segretaria di Stato al Turismo, allo Sport, Programmazione economica e rapporti can l’A. A.S.S. 2009b. 26
I. Charakteristika des Staates San Marino
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stand ein Parlament als Großer und Allgemeiner Rat, der zum entscheidenden politischen Organ wurde. Dieser Rat ging aus dem Arengo, der allgemeinen Versammlung der Bürger hervor. Bis dahin diente der Arengo als politisches Lenkungsorgan.34 Mitte des 16. Jahrhunderts erfolgte eine Annäherung an den Heiligen Stuhl, da San Marino ein indirektes Herrschaftsgebiet des Heiligen Stuhls war. Zur damaligen Zeit gab es zwei Strukturen innerhalb der päpstlichen Staaten: das direkte Herrschaftsgebiet unter direkter päpstlicher Autorität und das indirekte Herrschaftsgebiet mit eigener autonomer Regierung unter päpstlicher Souveränität.35 Im späten Mittelalter wurde San Marino unabhängig. Die bedeutendsten rechtlichen Dokumente, die die institutionellen Organe erwähnen, ähnlich einer Verfassung, und die im Wesentlichen noch heute gültig sind, sind die Statuten von 1600. Das heutige politische System ist seit dem fast unverändert und beruht auf eben dem Gesetzesbuch.36 Kurz darauf, im Jahr 1602, schließt San Marino einen Bündnisvertrag mit dem Heiligen Stuhl ab. In der Konvention von 1627/1631 erkannte der Heilige Stuhl die Autonomie und Privilegien San Marinos an, gleichzeitig bestätigte San Marino die Souveränität des Heiligen Stuhls.37 Die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts in San Marino war charakterisiert durch Missbrauch des Asylrechts sowie das Recht, Empfehlungsschreiben zu erhalten, die die Beherbergung von verfolgten Personen in dem Mikrostaat ermöglichte. Dadurch und durch den Protest einiger Einwohner San Marinos überzeugte der Entsandte des Papstes in Romagna, Kardinal Alberoni, den Papst Clemens XII., San Marino mit Gewalt einzunehmen und in ein direktes Herrschaftsgebiet umzuwandeln. Daraufhin wurde der Mikrostaat am 17. Oktober 1739 von den Truppen der Kirche eingenommen.38 Die Mehrheit der Bevölkerung war gegen diese Intervention und erhielt Unterstützung von anderen Kardinälen sowie von den österreichischen, spanischen und französischen Botschaftern in Rom. Deshalb wurde eine Volksabstimmung durchgeführt, in der drei Viertel der Abstimmenden die Frei33 Vgl. Repubblica di San Marino/Segretaria di Stato al Turismo, allo Sport, Programmazione economica e rapporti can l’A. A.S.S. 2009b. 34 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 772; Reinkenhof 1997, S. 28. 35 Vgl. Duursma 1996, S. 208; Stapper 1999, S. 41. 36 Vgl. Duursma 1996, S. 211; Stapper 1999, S. 43; Marxer/Pállinger 2009, S. 937. 37 Vgl. Duursma 1996, S. 208; Stapper 1999, S. 41. 38 Vgl. Duursma 1996, S. 208 f.; Stapper 1999, S. 41; Le Besnerais 1969, S. 45 ff.
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G. Die Republik San Marino und seine Integration in die EU
heit San Marinos bestätigten. Schließlich erlangt San Marino am 5. Februar 1740 den vorherigen Status unter dem Schutz des Papstes, welcher feierlich die Wiederherstellung der Unabhängigkeit erklärte.39 Der am 23. Mai 1789 abgeschlossene Freundschafts- und Handelsvertrag mit Napoleons Republik, sah seiner Präambel vor, dass San Marino unter dem Schutz der Französischen Republik stand.40 Auf dem Wiener Kongress 1815 wurde San Marino nicht explizit erwähnt. Der Heilige Stuhl schlussfolgerte daher, dass es wieder sein indirektes Herrschaftsgebiet war. San Marino jedoch bestand auf die Anerkennung seines unabhängigen Status.41 Von den anderen Staaten wurde auf dem Wiener Kongress die Souveränität der Republik nicht in Frage gestellt.42 Der Heilige Stuhl erkannte diese Interpretation jedoch nicht an und die Beziehungen verschlechterten sich bis zur Vereinigung des italienischen Staates im Jahr 1861.43 Als Ende der 1840er Jahre während der italienischen Einigungskämpfe dem Freiheitskämpfer Giuseppe Garibaldi nach dem Zusammenbruch der römischen Republik in San Marino politisches Asyl gewährt wurde sowie weitere politische Flüchtlinge und mehrheitlich republikanisch ausgerichtete Freiheitskämpfer in der Folgezeit aufgenommen wurden, führte dies zu weiteren Konflikten mit dem Kirchenstaat. Die Unabhängigkeit wurde aber nicht beeinträchtigt.44 Als Garibaldi später Italien vereinte, konnte San Marino weiterhin als unabhängiger Staat bestehen bleiben.45 Im Jahr 1861 bezeugte der amerikanische Präsident Lincoln (1809–1865), nachdem ihm die Ehrenstaatsbürgerschaft San Marinos verliehen wurde, seine Sympathie für den Mikrostaat, was wiederum die internationale Anerkennung der Republik stärkte.46 Der Abschluss des Freundschafts- und Nachbarschaftsvertrages mit dem Italienischen Königreich am 22. März 1862 ist wegweisend für die Stellung San Marinos im heutigen Europa. Der Mikrostaat akzeptierte darin des Königs schützende Freundschaft, wobei die Einheit San Marinos bestehen 39
Vgl. Duursma 1996, S. 209; Le Besnerais 1969, S. 58 ff.; Stapper 1999, S. 41. Vgl. Duursma 1996, S. 209. 41 Vgl. Duursma 1996, S. 210. 42 Vgl. Stapper 1999, S. 42; Reinkenhof 1997, S. 29. 43 Vgl. Duursma 1996, S. 210. 44 Vgl. Stapper 1999, S. 42; Waschkuhn 2003, S. 772; Maresceau 2008, S. 287; Reinkenhof 1997, S. 29; Repubblica di San Marino/Segretaria di Stato al Turismo, allo Sport, Programmazione economica e rapporti can l’A. A.S.S. 2009b. 45 Vgl. Maresceau 2008, S. 287. 46 Vgl. Reinkenhof 1997, S. 29; Repubblica di San Marino/Segretaria di Stato al Turismo, allo Sport, Programmazione economica e rapporti can l’A. A.S.S. 2009b. 40
I. Charakteristika des Staates San Marino
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blieb. Italien erkannte ausdrücklich die Unabhängigkeit der Bergrepublik an und sicherte somit seine Existenz als Enklave.47 Im Jahr 1867 wurde eine Währungs- und Zollunion zwischen San Marino und Italien gebildet, anschließend 1897 wurde ein Freundschafts- und Kooperationsabkommen zwischen beiden Staaten abgeschlossen. Am 31. März 1939 schloss San Marino erneut einen Freundschaftsvertrag mit Italien. Dieser wurde 1971 modifiziert um ihn seiner faschistischen Elemente zu entledigen. Außerdem war bis 1971 nicht klar, ob es sich bei den völkerrechtlichen Beziehungen zwischen Italien und dem Mikrostaat San Marino um ein Protektorat handelte, da alle bis dahin abgeschlossenen Abkommen eine Schutzmachtklausel enthielten. Erst durch die Modifizierung von 1971 wurde die Schutzmachtklausel entfernt. Seit dem wird die Unabhängigkeit San Marinos anerkannt.48 Während beider Weltkriege erklärte San Marino seine Neutralität. Trotzdem wurde das Gebiet von den Deutschen besetzt und von den Alliierten zwischen Juli und September 1944 bombardiert und dadurch befreit. In Folge dessen verlangte San Marino eine Entschädigung von Großbritannien und erhielt diese auch.49 Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich die Wirtschaft San Marinos sehr stark durch den Zufluss an Fremdkapital und die Gründung von Unternehmen.50 Ab dem Jahr 1950 kam es jedoch zu Problemen im Verhältnis zu Italien. Die italienische Regierung verhängte eine Blockade gegen San Marino, mit welcher Italien versuchte, die Schließung eines Spielcasinos und die Liquidierung italienischer Scheinfirmen durchzusetzen.51 Diese Periode war außerdem gekennzeichnet durch die Intensivierung San Marinos diplomatischer und internationaler Beziehungen. Schließlich wurde San Marino 1986 Mitglied des Europarates und 1992 der Vereinten Nationen.52 Das Überleben San Marinos als separate Einheit ist wahrscheinlich nur möglich gewesen durch seine politische Unwichtigkeit und seinem Wille, seine autonomen Institutionen zu erhalten.53
47 Vgl. Duursma 1996, S. 210; Stapper 1999, S. 42; Hummer 2004, S. 88; Reinkenhof 1997, S. 29. 48 Vgl. Reinkenhof 1997, S. 30. 49 Vgl. Duursma 1996, S. 210; Waschkuhn 2003, S. 772; Reinkenhof 1997, S. 30. 50 Vgl. Duursma 1996, S. 210. 51 Vgl. Stapper 1999, S. 42. 52 sh. Punkte G. I. 7. a)/b); Duursma 1996, S. 210. 53 Vgl. Duursma 1996, S. 210.
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G. Die Republik San Marino und seine Integration in die EU
3. Das verfassungsrechtliche System a) Verfassungsentwicklung und grundlegende Bestimmungen Bis heute existiert in San Marino keine einheitliche, geschriebene Verfassung, sondern verschiedene Rechtsquellen, aus denen die Verfassung hergeleitet wird, wie den Statuten, den Gesetzen, dem Gemeinrecht und dem Gewohnheitsrecht.54 Die wichtigsten rechtlichen Dokumente, die die institutionellen Organe erwähnen, ähnlich einer Verfassung, und die im Wesentlichen noch heute gültig sind, sind die Statuten von 1600.55 Schon zuvor, im 13. Jahrhundert, gab es die ersten Statuten.56 Durch zahlreiche folgende Überarbeitungen, Neufassungen und Änderungen bestand zunehmend Rechtsunsicherheit, so dass am 21. September 1600 die Regenten (Capitani Reggenti) dem Parlament die neuen Statuten (Legis Statutae Republicae Sancti Marini) vorschlugen, die dann am 8. Oktober verabschiedet wurden und noch heute in Kraft sind. Die Statuten wurden in lateinischer Sprache verfasst.57 Das heutige politische System ist seit dem fast unverändert und beruht auf eben dem Gesetzesbuch. Die Statuten umfassen 344 Rubriken, die in sechs Bücher unterteilt sind. Dabei wird in dem ersten Buch das verfassungsrechtliche Gerüst San Marinos kodifiziert.58 Gemäß den Statuten ist San Marino eine parlamentarische Republik mit einem bemerkenswert starken Parlament. Schon damals bestanden als Institutionen das Parlament – der Große und Allgemeine Rat (Consiglio Grande e Generale) –, der Rat der Familienoberhäupter (Arengo) sowie zwei Regenten (Capitani Reggenti), die nur gemeinsam handeln konnten. Die Regenten wurden vom Großen und Allgemeinen Rat für sechs Monate gewählt. Außerdem durften nur Auswärtige Richter werden, um die Unabhängigkeit der Justiz zu wahren. 54 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 937; Maresceau 2008, S. 287; Repubblica di San Marino/Segretaria di Stato al Turismo, allo Sport, Programmazione economica e rapporti can l’A. A.S.S. 2009c. 55 Das Wahlgesetz von 1926 erfüllt außerdem einige Funktionen einer Verfassung. Vgl. Murray 2006, S. 199; Waschkuhn 2003, S. 772. 56 Im Jahr 1253 erste Erwähnung eines wahrscheinlich mündlichen Statuts, zwischen 1295 und 1302 Verfassung des ältesten noch erhaltenen Statutenbuchs, 1317 drittes Statutenbuch, Ergänzungen und Änderungen 1320–1343, neues Statutenbuch 1352–1353, bis 1488 mehrfach reformiert, 1491 Inkraftsetzung der nächsten Statuten mit zahlreichen weiteren Reformen; vgl. Reinkenhof 1997, S. 40 f. 57 Vgl. Reinkenhof 1997, S. 41 f. 58 Neuauflage der Statuten mit unwesentlichen Änderungen 1834; vgl. Reinkenhof 1997, S. 42; Marxer/Pállinger 2009, S. 937; Duursma 1996, S. 211; Stapper 1999, S. 43.
I. Charakteristika des Staates San Marino
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Bis ins 17. Jahrhundert hat sich die Macht im Großen und Allgemeinen Rat konzentriert, es herrschte noch keine Gewaltenteilung.59 Der Große und Allgemeine Rat veränderte sich während dem 17. Jahrhundert deutlich, da die Mitglieder des Rates nicht mehr gewählt wurden, sondern Adelige benannt wurden. Außerdem wurde der Arengo, die Volksversammlung, nicht mehr einberufen. Erst Ende des 19. Jahrhunderts forderte eine Reformbewegung die Einführung der Demokratie, so dass schließlich 1906 der Arengo wieder einberufen wurde. Dadurch wurden die alten Volksrechte wieder hergestellt, das allgemeine Wahlrecht zum Großen und Allgemeinen Rat wurde für Männer eingeführt und der Übergang zur Demokratie vollzogen.60 Die Rechtsordnung San Marinos wurde im Laufe des 20. Jahrhunderts systematisiert. Oftmals blieb dabei das alte Recht bestehen. Am 8. Juli 1974 wurde ein Gesetz, die Erklärung der Freiheiten und Grundrechte der Bürger und der Prinzipien der staatlichen Ordnung, verabschiedet, das ähnlich einem Grundgesetz den institutionellen Rahmen des Landes festigt.61 Dieses Gesetz kann nur von einer 2/3-Mehrheit des Parlamentes geändert werden (Art. 16). Es wird festgelegt, dass die Souveränität beim Volk liegt, welches diese durch eine repräsentative Demokratie ausübt (Art. 2).62 Weiterhin wird niedergelegt, dass Verfassungsrecht beschlossen werden darf (Art. 3 bis).63 Die Erklärung wurde 2002 aktualisiert.64 Die Demokratisierung des politischen Systems des Mikrostaates führte im Jahr 1981 zur Einführung der Möglichkeit eines Referendums.65 Das Volk hat verschiedene Wege, seine Rechte auszuüben, nämlich indirekt durch die Wahl des Parlaments oder direkt mittels Initiative oder Referendum sowie durch die Teilnahme im Arengo.66
59
Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 937. Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 937. 61 B.U.R.S.M. 1974, S. 87: Gesetz Nr. 59 vom 08.07.1974; vgl. Stapper 1999, S. 43; Maresceau 2008, S. 287; Marxer/Pállinger 2009, S. 937; Reinkenhof 1997, S. 43. 62 Vgl. Duursma 1996, S. 211; Marxer/Pállinger 2009, S. 937. 63 Vgl. Maresceau 2008, S. 288. 64 Gesetz Nr. 36 vom 26.02.2002; vgl. Repubblica di San Marino/Segretaria di Stato al Turismo, allo Sport, Programmazione economica e rapporti can l’A. A.S.S. 2009c. 65 Vgl. Duursma 1996, S. 213. 66 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 937. 60
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G. Die Republik San Marino und seine Integration in die EU
b) Die Staatsoberhäupter: die Regenten Die Funktion des Staatsoberhaupts wird von den zwei Regenten (Capitani Reggenti) ausgeführt, die die staatliche Einheit symbolisieren (Art. 3 Gesetz Nr. 36 vom 26.02.2002, Art. 1 Gesetz Nr. 185 vom 16.12.2005).67 Es gilt das Prinzip der Kollegialität, d.h. Entscheidungen müssen in gegenseitigem Einvernehmen gefällt werden (Art. 1 Gesetz Nr. 185 vom 16.12.2005).68 Die Regenten gehören jeweils zwei unterschiedlichen politischen Parteien an, um einen Machtausgleich zu schaffen.69 Sie werden vom Parlament unter seinen Mitgliedern für sechs Monate gewählt, und zwar jeweils am 1. April und am 1. Oktober (Art. 1, 5 Gesetz Nr. 186 vom 16.12.2005). Sie sind nach der Amtszeit für drei Jahre von der Wiederwahl ausgeschlossen (Art. 2 Gesetz Nr. 186 vom 16.12.2005).70 Diese Praxis wurde seit der Einführung im Jahr 1243 nicht verändert.71 Die Regenten können nicht zurücktreten. Während ihrer Amtszeit behalten sie trotzdem ihr Mandat im Parlament. Nur in San Marino Geborene können Regenten werden und sie müssen mindestens 25 Jahre alt sein.72 Die Capitani Reggenti nehmen vor allem repräsentative Aufgaben wahr. Sie sind verantwortlich für Ernennungen, für die Verkündung und Bekanntmachung der Gesetze, Erlasse und Verordnungen und sie fungieren als Staatsnotare (Art. 4, 5 Gesetz Nr. 185 vom 16.12.2005). Sie können ein suspensives Veto sowie eine Notgesetzgebung aussprechen (Art. 9 Gesetz Nr. 186 vom 16.12.2005) und Gesetzesvorschläge an das Parlament zu einer weiteren Behandlung zurückweisen. Sie unterstützen die Nominierung und Bildung der Regierung und können Beschlüsse annehmen.73 Sie stehen an der Spitze des Staatskongresses (Congresso di Stato), der Regierung.74 67
Vgl. Duursma 1996, S. 212; Waschkuhn 2003, S. 774; Maresceau 2008, S. 287; Marxer/Pállinger 2009, S. 938; Repubblica di San Marino/Segretaria di Stato al Turismo, allo Sport, Programmazione economica e rapporti can l’A. A.S.S. 2009c. 68 Vgl. Duursma 1996, S. 212; Marxer/Pállinger 2009, S. 938; Reinkenhof 1997, S. 47. 69 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 938. 70 Vgl. Duursma 1996, S. 212; Stapper 1999, S. 43; Waschkuhn 2003, S. 774; Duursma 1996, S. 212; Maresceau 2008, S. 287; Marxer/Pállinger 2009, S. 938; Repubblica di San Marino/Segretaria di Stato al Turismo, allo Sport, Programmazione economica e rapporti can l’A. A.S.S. 2009c. 71 Vgl. Stapper 1999, S. 43. 72 Gesetz Nr. 45 vom 24.03.1945; vgl. Duursma 1996, S. 212; Marxer/Pállinger 2009, S. 938; Stapper 1999, S. 43. 73 Vgl. Duursma 1996, S. 212. 74 Vgl. Stapper 1999, S. 43; Marxer/Pállinger 2009, S. 938; Reinkenhof 1997, S. 46.
I. Charakteristika des Staates San Marino
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Weiterhin sind die Regenten zuständig für die Kontrolle des Funktionierens der staatlichen Organe. Sie sind gleichzeitig die Vorsitzenden des Parlaments, des Rates der Zwölf (Consiglio dei XII) und des Justizrates (Consiglio Giudizario). Als Vorsitzende des Parlaments sind sie verantwortlich für dessen Einberufung, Abschluss und Auflösung. Außerdem leiten sie die Sitzungen des Staatskongresses, d.h. der Regierung, und der Konferenz der Gemeindevorsteher (Capitani di Castello) (Art. 3 Gesetz Nr. 185 vom 16.12.2005).75 c) Das Parlament: der Große und Allgemeine Rat San Marino ist eine parlamentarische Republik. Das Parlament von San Marino (Consiglio Grande e Generale), der Große und Allgemeine Rat (GAR), hat die legislative Gewalt inne und ist die wichtigste Institution im politischen System des Mikrostaates (Art. 3 Abs. 1, Gesetz Nr. 59 vom 08.07.1974).76 Mindestens seit den Statuten von 1600, wahrscheinlich aber schon länger, setzt sich das Einkammerparlament aus 60 Mitgliedern zusammen, die alle fünf Jahre direkt in allgemeinen und freien Wahlen vom Volk gewählt werden. Er kann vorzeitig aufgelöst werden.77 Alle ansässigen Bürger, die älter als 21 Jahre sind, können gewählt werden, wählen können alle Bürger ab 18 Jahren.78 Ausländer sind nicht wahlberechtigt, doch im Ausland lebende sanmarinesische Staatsbürger dürfen wählen, wenn sie am Tag der Wahlen in San Marino sind. Da ein großer Teil – knapp die Hälfte – der Wahlberechtigten im Ausland leben, sind ihre Stimmen sehr wichtig und es wurde lange Zeit eine Transporthilfe bzw. Kostenerstattung für die Anreise zur Wahl angeboten, welche erst 1993 abgeschafft wurde. Seit dem können die im Ausland lebenden Sanmarinesen in den Konsulaten der Republik wählen.79 Es gibt keine gesetzliche Sperrklausel, faktisch liegt sie bei ca. 2%. Dadurch wird die Zersplitterung des Parteiensystems begünstigt.80 75
Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 938. Vgl. Duursma 1996, S. 211; Stapper 1999, S. 43; Marxer/Pállinger 2009, S. 938; Reinkenhof 1997, S. 44. 77 Vgl. Duursma 1996, S. 211; Stapper 1999, S. 43; Waschkuhn 2003, S. 772; Maresceau 2008, S. 287; Reinkenhof 1997, S. 45; Marxer/Pállinger 2009, S. 938; Repubblica di San Marino/Segretaria di Stato al Turismo, allo Sport, Programmazione economica e rapporti can l’A. A.S.S. 2009c. 78 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 938, 941; Repubblica di San Marino/Segretaria di Stato al Turismo, allo Sport, Programmazione economica e rapporti can l’A. A.S.S. 2009c; Consiglio Grande e Generale de la Repubblica di San Marino 2009a. 79 Gesetz Nr. 112 und 113 vom 27. bzw. 28.10.1993; vgl. Reinkenhof 1997, S. 45. 76
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Der GAR gibt sich eine eigene Geschäftsordnung. Die Parlamentarier können sich in parlamentarischen Gruppen zusammenfinden. Das Parlament arbeitet in fachlich spezialisierten Parlamentskommissionen. Im Rahmen ihrer Tätigkeit genießen die Abgeordneten Immunität. Sie erhalten eine finanzielle Unterstützung für ihre Arbeit.81 Der GAR ist das politische Leitungs- und Gesetzgebungsorgan San Marinos, wobei er über das Initiativrecht verfügt.82 Das Initiativrecht kann von jedem Mitglied des Parlaments, von den Parlamentskommissionen, von der Regierung oder von jedem Gemeinderat (Giunta di Castello) ausgeübt werden und seit 1981 auch von mindestens 60 Staatsangehörigen San Marinos (Art. 21, 24 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 21 vom 11.03.1981).83 Das Volk kann durch ein Referendum, das durch mindestens ein Fünftel der Wähler unterzeichnet werden muss, in den Gesetzgebungsprozess eingreifen (Gesetz Nr. 101 vom 28.11.1994).84 Vor der Inkraftsetzung werden alle Gesetze zum Referendum ausgeschrieben. Nach Ablauf der Referendumsfrist wird das Gesetz durch die Regenten verkündet und bekannt gemacht und tritt am 15. nach seiner Bekanntmachung in Kraft.85 Auch gegen schon bestehende Gesetze kann das abrogative Referendum ergriffen werden (Gesetz Nr. 82 vom 29.10.1981).86 Weiterhin hat der GAR das Recht, den Staatshaushalt anzunehmen, ist verantwortlich für die Ratifikation von Staatsverträgen und verfügt über das Recht, veröffentlichte Verordnungen der Regenten zu ratifizieren (Art. 3 Abs. 2 Gesetz Nr. 59 vom 08.07.1974).87 Ebenso besitzt er die juristische Macht, eine Amnestie, Begnadigung, Entschädigung oder ein Straferlass zu erteilen und ein Strafurteil zu ändern sowie über Nichtigkeitsklagen oder ein „restitutio in integrum“ zu entscheiden, wenn eine private Person ungerechtfertigt von einer bestimmten juristischen Person beschuldigt wird.88 80
Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 941. Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 939. 82 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 938. 83 Vgl. Duursma 1996, S. 213; Marxer/Pállinger 2009, S. 941; Reinkenhof 1997, S. 66. 84 Vgl. Consiglio Grande e Generale de la Repubblica di San Marino 2009d; Marxer/Pállinger 2009, S. 941; Reinkenhof 1997, S. 66. 85 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 941; Reinkenhof 1997, S. 66. 86 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 941; Consiglio Grande e Generale de la Repubblica di San Marino 2009d. 87 Vgl. Duursma 1996, S. 211; Marxer/Pállinger 2009, S. 938; Reinkenhof 1997, S. 45. 88 Vgl. Duursma 1996, S. 211; Marxer/Pállinger 2009, S. 939; Reinkenhof 1997, S. 45; Consiglio Grande e Generale de la Repubblica di San Marino 2009b. 81
I. Charakteristika des Staates San Marino
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Zusätzlich nimmt der GAR auch administrative Aufgaben wahr, wie die öffentliche Auftragsvergabe oder die Veräußerung von Staatsbesitz.89 Heute konzentriert sich der GAR vor allem auf seine gesetzgeberische Funktion, er hat aber noch immer auch exekutive und judikative Funktionen inne. Alle weiteren Handlungsträger der Politikgestaltung San Marinos gehen aus dem Parlament hervor. Es hat eine bemerkenswert starke Position.90 Die letzten Parlamentswahlen fanden am 9. November 2008 bei einer Wahlbeteiligung von 68% statt. Daraus ging die christdemokratische Partei PDCS-EPS-AeL mit 32% der Stimmen und damit 22 Sitzen knapp als Wahlsieger hervor. Dahinter lagen die Sozialisten und Demokraten (PSD) mit 32% und damit 18 Sitzen, gefolgt von den Liberalen (AP) mit 12%, was sieben Sitzen entspricht. Weitere vier Parteien (SU, LDL, DdC, UDDM) wurden in das Parlament gewählt. Seit dem haben die bürgerliche Christdemokratische Partei sowie kleinere Splitterparteien (AP, LDL, USDM) die Mehrheit im Parlament inne, eine Mitte-Links-Koalition (PSD, SU, DdC) steht als Opposition gegenüber.91 Die Parteien, vor allem die Linken, sind von Zersplitterung gekennzeichnet und in ständiger Bewegung. Viele Parteien zerfallen und schließen sich zu neuen Bündnissen zusammen. Es gibt einige Kleinstparteien, die durch die Hilfe der nicht vorhandenen Sperrklausel hin und wieder mit einzelnen Abgeordneten im GAR vertreten sind.92 d) Die Regierung: der Staatskongress Der Staatskongress (Congreso di Stato) – die Regierung San Marinos – hat die exekutive Gewalt inne. Er ist dem Parlament verantwortlich (Art. 3 Abs. 3 Gesetz Nr. 59 vom 08.07.1974, Art. 1 Abs. 3 Gesetz Nr. 183 vom 15.12.2005) und wird durch die Regenten koordiniert (Art. 6 Gesetz Nr. 184 vom 15.12.2005).93 Er setzt sich aus zehn Staatssekretären zusammen (Art. 1 Gesetz Nr. 183 vom 15.12.2005, Art. 1 Gesetz Nr. 184 vom 89 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 939; Consiglio Grande e Generale de la Repubblica di San Marino 2009c. 90 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 774; Marxer/Pállinger 2009, S. 939. 91 Vgl. Repubblica di San Marino/Segretaria di Stato per gli Affari Interni 2009. 92 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 942. 93 Durch Gesetz Nr. 26 vom 15.05.1945 eingerichtet; vgl. Reinkenhof 1997, S. 46; Duursma 1996, S. 212; Marxer/Pállinger 2009, S. 940; Repubblica di San Marino/ Segretaria di Stato al Turismo, allo Sport, Programmazione economica e rapporti can l’A. A.S.S. 2009c; Consiglio Grande e Generale de la Repubblica di San Marino 2009e.
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15.12.2005).94 Nur drei Mitglieder der Regierung sind hauptamtlich beschäftigt.95 Die Entscheidungen der Regierung müssen einstimmig angenommen werden und die Regierung ist kollegial organisiert (Art. 1 Gesetz Nr. 183 vom 15.12.2005). Dadurch sind die Kompetenzen der Regierungsmitglieder hinsichtlich der Leitung der Ministerien (Dicastero) eingeschränkt.96 Die Regierung wird am Anfang jeder Legislaturperiode durch und unter den Mitgliedern des Parlaments für diese Legislaturperiode, d.h. in der Regel fünf Jahre, gewählt (Art. 1 Gesetz Nr. 184 vom 15.12.2005). Die Regierungsmitglieder müssen ihr Mandat im Parlament ruhen lassen und werden im Parlament durch Stellvertreter ersetzt. Die Regierung kann zurücktreten oder durch das Parlament entlassen werden.97 Aufgrund der Leitung der Regierung durch die Regenten können diese sicherstellen, dass die Arbeit der Regierung den rechtlichen Erfordernissen und den Vorgaben des Parlaments entspricht. Im Alltag übernimmt der Staatssekretär für Äußeres die Leitungs- und Koordinationsarbeit. Er entspricht somit informell einem Premierminister.98 Die Funktion eines Regierungschefs ist in der sanmarinesischen Ordnung nicht vorgesehen.99 Die Regierung setzt die Leitlinien der Politik des Landes um und führt die Verwaltung (Art. 1 Abs. 2 Gesetz Nr. 183 vom 15.12.2005). Die Kompetenzen des Staatskongresses werden in Art. 2 Gesetz Nr. 183 vom 15.12.2005 aufgeführt. Er bereitet Entwürfe für Gesetze und Verordnungen vor, die dann vom Parlament erlassen und den Regenten verkündet werden. Er ist verantwortlich für den Vollzug der Gesetze, überwacht die Ausführung der Gesetze und Rechtsvorschriften. Der Staatskongress hat das Recht der Gesetzesinitiative inne. Außerdem legt die Regierung die Leitlinien der internationalen Politik des Landes fest und beschließt diesbezüglich internationale Abkommen und Verträge. Der Staatskongress bestimmt weiterhin die Richtung der Verwaltung und legt dementsprechende Ziele und Programme fest. Ebenso regelt er die Zuständigkeiten unter den Staatssekretären.
94 Vgl. Consiglio Grande e Generale de la Repubblica di San Marino 2009e; Repubblica di San Marino/Segre-taria di Stato per gli Affari Interni 2007c. 95 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 774. 96 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 774; Marxer/Pállinger 2009, S. 940; Duursma 1996, S. 213. 97 Vgl. Duursma 1996, S. 212; Stapper 1999, S. 43; Marxer/Pállinger 2009, S. 940; Repubblica di San Marino/Segretaria di Stato per gli Affari Interni 2007c. 98 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 940. 99 Vgl. Repubblica di San Marino/Segretaria di Stato al Turismo, allo Sport, Programmazione economica e rapporti can l’A. A.S.S. 2009c.
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e) Beziehungen zwischen dem Parlament und der Regierung Das Parlament benennt die Mitglieder der Regierung und die Regenten unter seinen Mitgliedern.100 Neben seiner legislativen Macht kontrolliert das Parlament die Regierung, z. B. hat es das Recht zur Befragung der Regierung und zur Interpellation.101 Außerdem hat es das Recht, Anträge anzunehmen, um die Regierung zu entlassen, d.h. das Parlament kann die Regierung oder einzelne Mitglieder durch einen Misstrauensantrag stürzen.102 f) Weitere Organe Arengo Ein Überbleibsel der Statuten von 1600 ist der „Arengo“, ehemals eine Versammlung aller Familienoberhäupter der sanmarinesischen Familien und die eigentliche Volksversammlung, die im 12. Jahrhundert ihre Macht an das Parlament übertrug. Heute besteht er aus allen Wahlberechtigten, die zwei Mal im Jahr zusammen kommen. Der Arengo hat das Recht, Petitionen und Vorschläge an die Regenten zu richten, welche dann die Anfragen an das Parlament weiterreichen können. Dieses Recht auf Petition steht jedem Bürger San Marinos zu. Im Falle einer Ablehnung einer Petition muss das Parlament dem Arengo die Gründe darlegen.103 Seine eigentlichen Kompetenzen hat der Arengo an das Parlament abgetreten. Der Arengo wird als Instrument der direkten Demokratie und als Symbol der Volkssouveränität in San Marino wahrgenommen.104 Rat der Zwölf (Consiglio dei XII) Das Parlament ernennt außerdem zwölf seiner Parlamentarier in jeder Legislaturperiode in den Rat der Zwölf.105 Die Regenten bilden die Vorsitzen100 Vgl. Duursma 1996, S. 211; Sack 1997, S. 48; Marxer/Pállinger 2009, S. 938 f.; Reinkenhof 1997, S. 45. 101 Vgl. Duursma 1996, S. 211; Reinkenhof 1997, S. 45. 102 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 939. 103 Vgl. Duursma 1996, S. 213; Stapper 1999, S. 43; Marxer/Pállinger 2009, S. 940; Reinkenhof 1997, S. 44. 104 Vgl. Stapper 1999, S. 43; Marxer/Pállinger 2009, S. 940. 105 Art. 1 Gesetz Nr. 13 vom 05.06.1923; vgl. Consiglio Grande e Generale de la Repubblica di San Marino 2009f. Duursma 1996, S. 213; Waschkuhn 2003, S. 774; Marxer/Pállinger 2009, S. 940; Reinkenhof 1997, S. 46.
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den dieses Gremiums, haben allerdings kein Stimmrecht.106 Dieses politische Organ hatte lange Zeit neben exekutiver vor allem juristische Macht, denn er entschied über Zivil- und Verwaltungsstreitigkeiten in dritter Instanz und ebenso über Kompetenz- und Befangenheitsfragen bei sämtlichen Rechtswegen und Instanzen.107 Allerdings hat er nach einer Reform der Organisation der Justizorgane momentan nur administrative Funktionen als besonderer Verwaltungsausschuss des Parlaments. In diesem Bereich hat er Aufgaben wie die Stiftungsaufsicht oder die Bewilligung des Verkaufs von Grundstücken und Immobilien an Ausländer inne.108 Die einzige verbliebene Aufgabe des Rates der Zwölf mit begrenztem juristischem Umfang ist derzeit die Gewährung von Prozesskostenhilfe.109 Beratungsausschuss (Commissioni Consiliari) Der Beratungsausschuss ist gemäß Art. 3 des Gesetzes Nr. 42 vom 21. März 1995 vorgesehen. Der Ausschuss setzt sich aus 15 Beratern zusammen, und zwar aus Parlamentsmitgliedern proportional zu den im Parlament vertretenen Gruppen. Es ist nicht möglich, gleichzeitig Mitglied des Staatskongresses und des Beratungsausschusses zu sein. Der ständige Beratungsausschuss bleibt während der gesamten Legislaturperiode im Amt.110 g) Die Gerichtsbarkeit Die Organe der Justiz San Marinos werden durch Verfassungsgesetze eingesetzt.111 Die Justizorgane, die die ordentliche Gerichtsbarkeit und die Verwaltungsgerichtsbarkeit ausüben, sind in einem einzigen Tribunal (Tribunale Unico) organisiert (Art. 1 Abs. 1 Gesetz Nr. 145 vom 30.10.2003). Die ordentliche Gerichtsbarkeit ist unterteilt in Zivil- und Strafangelegenheiten sowie den Schutz von Kindern und Familie (Art. 1 Abs. 2 Gesetz 106
Vgl. Repubblica di San Marino/Segretaria di Stato per gli Affari Interni 2007b. 107 Vgl. Duursma 1996, S. 213; Reinkenhof 1997, S. 46; Stapper 1999, S. 43; Waschkuhn 2003, S. 774; Consiglio Grande e Generale de la Repubblica di San Marino 2009f; Repubblica di San Marino/Segretaria di Stato per gli Affari Interni 2007b. 108 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 940; Reinkenhof 1997, S. 46; Consiglio Grande e Generale de la Repubblica di San Marino 2009f; Repubblica di San Marino/Segretaria di Stato per gli Affari Interni 2007b. 109 Vgl. Repubblica di San Marino/Segretaria di Stato per gli Affari Interni 2007b. 110 Vgl. Consiglio Grande e Generale de la Repubblica di San Marino 2009g. 111 Gesetz Nr. 144 und 145 vom 30.10.2003 (erneuert Gesetz Nr. 83 vom 28.10. 1992).
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Nr. 145 vom 30.10.2003). Für jeden dieser Bereiche ist ein Rechtskommissar zugeordnet (Commissario della Legge). Diese Richter werden vom Großen und Allgemeinen Rat mit absoluter Mehrheit ernannt. Die Richter dritter Instanz werden vom Justizrat mit einer Mehrheit von zwei Dritteln ernannt. Berufungsrichter, Rechtskommissare, Staatsanwälte, Friedensrichter und Verwaltungsrichter erster Instanz werden auf der Grundlage des Wettbewerbs ernannt. Dem Großen und Allgemeinen Rat werden die erfolgreichen Kandidaten zur Kenntnisnahme bekannt gegeben (Art. 2, 3 Gesetz Nr. 145 vom 30.10.2003).112 Das Amt des Richters ist unvereinbar mit der Übernahme von Verantwortlichkeiten und der Mitgliedschaft in politischen Parteien, Bewegungen oder Gewerkschaften, dem Antritt als Kandidat bei Parlaments- und Kommunalwahlen, die mit der Ausübung eines Gewerbes oder Unternehmens (Art. 2 Abs. 4 Gesetz Nr. 145 vom 30.10.2003). Das Amt des Berufungsrichters oder eines Richters höherer Instanz ist mit der Ausübung des Berufs im Gebiet der Republik unvereinbar (Art. 2 Abs. 5 Gesetz Nr. 145 vom 30.10.2003).113 Die Richter müssen vor der Amtsübernahme einen Eid auf die Republik schwören (Art. 2 Abs. 8 Gesetz Nr. 145 vom 30.10. 2003).114 Die Richter dritter Instanz werden für eine Amtszeit von fünf Jahren ernannt, die verlängert werden kann. Berufungsrichter, Rechtskommissare, Friedensrichter und Verwaltungsrichter erster Instanz unterliegen einer Probezeit von drei Jahren. Der Justizrat bewertet dann die Handlungen und empfiehlt dem Großen und Allgemeinen Rat die unbefristete Beschäftigung oder die Entlassung, was dieser bestätigen muss. Die Richter bleiben dann auf unbestimmte Zeit bis zum Alter von 65 Jahren im Amt (Art. 4 Gesetz Nr. 145 vom 30.10.2003).115 Die Richter San Marinos, mit Ausnahme des Friedensrichters in Zivilangelegenheiten, dürfen laut den Statuten keine Staatsagehörigen des Mikrostaates sein; ansonsten sind nur Ausländer, meist italienische Rechtsgelehrte, als Richter zugelassen.116 112 Vgl. Repubblica di San Marino/Segretaria di Stato per gli Affari Interni 2007a. 113 Vgl. Repubblica di San Marino/Segretaria di Stato per gli Affari Interni 2007a. 114 Auch Statuten von 1600, Rub. 31 Lib. 1; vgl. Repubblica di San Marino/Segretaria di Stato per gli Affari Interni 2007a. 115 Vgl. Repubblica di San Marino/Segretaria di Stato per gli Affari Interni 2007a. 116 Statuten von 1600, Rub. 31 Lib. 1; ebenso Art. 15 Abs. 3 Gesetz Nr. 59 vom 08.07.1974; vgl. Reinkenhof 1997, S. 48 f.; Duursma 1996, S. 214; Marxer/Pállinger 2009, S. 944.
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Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit ist per Gesetz garantiert.117 Die Richter sind dem Parlament verantwortlich.118 Sie unterliegen nur dem Gesetz und sollen das geltende Gesetz punktuell interpretieren und anwenden (Art. 1 Gesetz Nr. 144 vom 30.10.2003).119 Der Justizrat (Consiglio Giudizario) ist ein Selbstverwaltungsorgan, das die Unabhängigkeit der Justiz sicherstellt. Sein Leitungsgremium (Magistrato Dirigente) ist für die Koordination und Administration der Justiz verantwortlich (Art. 7 Gesetz Nr. 145 vom 30.10.2003).120 Der Justizrat ist u. a. zuständig für die Verfahren der Ernennung von Richtern und Staatsanwälten, er kann die Verfassungsmäßigkeit von Rechtsvorschriften überprüfen und regelt Fragen der Beziehungen zwischen der Justiz und anderen staatlichen Stellen.121 Die beratende Kommission für Justizangelegenheiten (Commissione Consiliare per gli Affari di Giustizia) besteht aus zehn Beratern, die vom Großen und Allgemeinen Rat zu Beginn einer Legislaturperiode mit mindestens Zwei-Drittel-Mehrheit ernannt werden (Art. 8 Gesetz Nr. 145 vom 30.10. 2003). Die Kommission berät nur den Großen und Allgemeinen Rat.122 In Zivil- und Strafsachen kann der Große und Allgemeine Rat ein „restitutio in integrum“ gegen ungerechtfertigte Urteile aussprechen, d.h. eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.123 h) Das Verfassungsgericht In San Marino gibt es keinen Verfassungsgerichtshof. Seit 2002 gibt es ein dem Verfassungsgericht ähnliches Organ, das Collegio Garante della Constituzionalità delle Norme, welches für die präventive Normenkontrolle und die Behandlung von Organkonflikten zuständig ist. Dieses Organ kann angerufen werden durch das Parlament, die Regierung, den Ausschuss der Gemeinden und von Staatsbürgern. Der Große und Allgemeine Rat wählt 117 Art. 15 Abs. 3 Gesetz Nr. 59 vom 08.07.1974; Gesetz Nr. 145 vom 30.10.2003; vgl. Duursma 1996, S. 214; Marxer/Pállinger 2009, S. 944. 118 Statuten von 1600, Rub. 31 Lib. 1. 119 Vgl. Duursma 1996, S. 215; Marxer/Pállinger 2009, S. 944. 120 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 944; Repubblica di San Marino/Segretaria di Stato per gli Affari Interni 2007a. 121 Vgl. Repubblica di San Marino/Segretaria di Stato per gli Affari Interni 2007a. 122 Vgl. Repubblica di San Marino/Segretaria di Stato per gli Affari Interni 2007a. 123 Vgl. Duursma 1996, S. 211; Marxer/Pállinger 2009, S. 939; Reinkenhof 1997, S. 45; Consiglio Grande e Generale de la Repubblica di San Marino 2009b.
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mit qualifizierter Mehrheit die drei ordentlichen und die drei Ersatzmitglieder für eine Amtsdauer von vier Jahren. Anschließend werden diese von den Regenten ernannt. Je ein Drittel des Kollegiums wird aller zwei Jahre ersetzt.124 Zuvor wurde die Frage, ob eine Norm nichtig ist, in Art. 16 des Gesetzes Nr. 59 von 1974 geklärt, nach welchem ein Richter das Parlament befragen konnte, wenn er die Rechtmäßigkeit einer Norm als zweifelhaft oder strittig ansah. Allerdings musste er das nicht. Anschließend bezog der GAR nach Anhörung eines Gutachtens von einem Experten Stellung. Diese Form der Normenkontrolle war insoweit problematisch, dass es im Ermessen des Richters lag, ob eine Rechtmäßigkeitskontrolle herbeigeführt wurde und dass der Gesetzgeber selbst über die Rechtmäßigkeit entschied.125 i) Überarbeitung der Verfassung Wie beschrieben, existiert in San Marino keine einheitliche, geschriebene Verfassung. Die wichtigsten rechtlichen Dokumente, die die institutionellen Organe erwähnen, ähnlich einer Verfassung, sind die Statuten von 1600 sowie die Erklärung der Freiheiten und Grundrechte der Bürger und der Prinzipien der staatlichen Ordnung (Gesetz Nr. 59 vom 8. Juli 1974, erneuert durch Gesetz Nr. 36 vom 26.02.2002). Letztgenanntes Gesetz ähnelt einem Grundgesetz. Dieses Gesetz kann nur von einer 2/3-Mehrheit des Parlamentes geändert werden (Art. 16). j) Politische Kultur Im Kampf um die Erhaltung der Freiheit und Unabhängigkeit ist bei den Bürgern San Marinos ein Nationalbewusstsein entstanden. Die Bevölkerung ist stolz und identifiziert sich stark mit dem Land.126 Allerdings sinken die vormals hohen Partizipationsraten an den Wahlen oder Volksversammlungen in den letzten Jahren.
124 125 126
Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 944. Vgl. Reinkenhof 1997, S. 55. Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 943.
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4. Wirtschaft a) Binnenwirtschaft Bis weit ins 20. Jahrhundert war San Marino agrarisch geprägt und arm. Erst seit den 1950ern nahm die Bedeutung des Tourismus zu und seit den 1980ern stieg die industrielle Produktion.127 Heute basiert die Wirtschaft vor allem auf industrieller Produktion (36,4%) und dem Dienstleitungssektor (63,5%). Nur 0,1% des BIP stammt aus der Landwirtschaft (Stand 2008).128 Trotzdem wird ca. 65% der Fläche des Landes agrarisch genutzt.129 Die wichtigsten Bereiche des Dienstleistungssektors sind die Finanzdienstleistungen und der Handel. Jährlich besuchen ca. 2 Mio. Touristen den Mikrostaat. So hat der Tourismus große Bedeutung für den Mikrostaat.130 Die wichtigsten Industriezweige sind die Fertigung von Möbeln und andere verarbeitende Industrie, Herstellung von Waren aus Gummi und Plastik sowie die Herstellung von Autos und Anhängern.131 In der Landwirtschaft werden Gerste, Weizen, Oliven, Wein und Mais angebaut, es werden vor allem Rinder gehalten, sowie Fleisch, Käse und Leder produziert.132 Die Arbeitslosenquote des Mikrostaates liegt bei 3,7% (2009),133 das Bruttoinlandsprodukt bei ca. 938 Mio. e (2008).134 Ungefähr 39% der Beschäftigten San Marinos arbeiten im industriellen Sektor, 41% im Dienstleistungssektor, 20% in der öffentlichen Verwaltung sowie nur 0,2% im landwirtschaftlichen Bereich (2008).135 Dabei gehen über 80% der Frauen arbeiten, was weit über dem europäischen Durch127
Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 937 f. Vgl. Repubblica di San Marino/Ufficio Programmazione Economica/Centro Elaborazione Dati E Statistica 2010, S. 21. 129 Vgl. Reinkenhof 1997, S. 25. 130 Vgl. Repubblica di San Marino/Ufficio Programmazione Economica/Centro Elaborazione Dati E Statistica 2010, S. 136 f. 131 Vgl. Repubblica di San Marino/Ufficio Programmazione Economica/Centro Elaborazione Dati E Statistica 2010, S. 34. 132 Vgl. Repubblica di San Marino/Ufficio Programmazione Economica/Centro Elaborazione Dati E Statistica 2010, S. 140. 133 Vgl. Repubblica di San Marino/Ufficio Programmazione Economica/Centro Elaborazione Dati E Statistica 2010, S. 77. 134 Vgl. Repubblica di San Marino/Ufficio Programmazione Economica/Centro Elaborazione Dati E Statistica 2010, S. 16. Entspricht einem BIP zu laufenden Preisen von 1,3 Mrd. e. Ebd. S. 18. 135 Vgl. Repubblica di San Marino/Ufficio Programmazione Economica/Centro Elaborazione Dati E Statistica 2010, S. 80, 85. 128
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schnitt liegt.136 Auch San Marino muss Arbeitskräfte aus dem Ausland rekrutieren, um den Bedarf der Wirtschaft zu decken. So wurden Anfang 2009 mehr als 6.700 Grenzgänger gezählt.137 b) Finanzplatz San Marino Seit den 1990er Jahren erlebte der Finanzsektor San Marinos einen Aufschwung.138 Insgesamt sind in San Marino zwölf Banken, 50 Finanzgesellschaften und ca. 30 Zwischenhändler (Broker) tätig (2005).139 Die Banken beschränken sich jedoch zum größten Teil auf das Binnengeschäft. Die internationalen Transaktionen werden von den italienischen Banken ausgeführt.140 Im Zusammenhang mit dem Aufschwung im Bank- und Finanzsektor und dem Wachstum des Finanzplatzes San Marino wurden bedeutende Fortschritte bei der Überwachung und Regulierung des Sektors gemacht. Dazu gehören die jüngsten Initiativen wie die Aufsicht und Kontrolle der Banken-, Finanz- und Versicherungsdienstleister (2003) und die Verabschiedung des Gesetzes über die Unternehmen im Bank-, Finanz- und Versicherungswesen (2005). San Marino richtet sich nach internationalen Standards aus, auch im Bereich der Bekämpfung der Geldwäsche und der Anti-Terrorismus-Finanzierung.141 Die Republik San Marino ist Mitglied des Internationalen Währungsfonds, der Weltbank, Unterzeichner zahlreicher Kooperationen und Abkommen gegen Doppelbesteuerung mit anderen Staaten und Mitglied des Moneyval-Ausschusses (Europarat).142 Trotzdem wurde San Marino im April 2009 auf die graue Liste der OECD gesetzt, d.h. das Land hatte sich internationalen Standards verpflichtet, diese aber noch nicht umgesetzt. Schließlich wurde die Republik nach der Umsetzung der entsprechenden Rechtsvorschriften und dem Abschluss 136 Vgl. Repubblica di San Marino/Ufficio Programmazione Economica/Centro Elaborazione Dati E Statistica 2010, S. 84. 137 Vgl. Repubblica di San Marino/Ufficio Programmazione Economica/Centro Elaborazione Dati E Statistica 2010, S. 96. 138 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 938; Weitershagen 2000b, S. 18 f. 139 Vgl. Repubblica di San Marino/Segreteria di Stato per le Finanze e il Bilancio, le Poste e i Rapporti con l’A. A.S.F.N. 2005a. 140 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 774; Miller 2007, S. 196. 141 Vgl. Repubblica di San Marino/Segreteria di Stato per le Finanze e il Bilancio, le Poste e i Rapporti con l’A. A.S.F.N. 2005a. 142 Vgl. Repubblica di San Marino/Segreteria di Stato per le Finanze e il Bilancio, le Poste e i Rapporti con l’A. A.S.F.N. 2005a.
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von zwölf bilateralen Abkommen schon im September 2009 wieder auf die weiße Liste gesetzt.143 Acht weitere Abkommen wurden im Januar 2010 abgeschlossen.144 Auch die Länderberichte des Internationalen Währungsfonds, bei dem San Marino als einziger der hier behandelten Mikrostaaten Mitglied ist, zeigen anhand der Indikatoren des Finanzsektors, dass San Marino in die Kategorie der Länder eingeordnet werden kann, die als „Offshore-Finanzzentren“ (Steueroasen), z. B. für Italiener, etabliert sind.145 Dennoch kann man San Marino nicht wie andere Mikrostaaten direkt als Steuerparadies bezeichnen. Dessen ungeachtet ist das Land wirtschaftlich stark und garantiert Vollbeschäftigung, auch die medizinische Versorgung ist kostenlos, die Verkehrsanbindungen sind ideal.146 Es besteht kein Wohlstandsgefälle zu Italien.147 c) Außenhandel Die Wirtschaft San Marinos ist stark exportorientiert.148 Charakteristisch für Mikrostaaten, und so auch für San Marino, ist, dass die Wirtschaft stark von der Situation im internationalen Handel abhängig ist sowie vom im Land investierten Fremdkapital.149 Im Jahr 2008 lagen die Exporte bei 2,8 Mrd. Euro (2008), davon gehen 90% nach Italien. Es werden Güter und Dienstleistungen im Wert von ca. 2,6 Mrd. Euro importiert (2008).150 Importierte Güter sind vor allem Industriegüter und Lebensmittel. San Marino arbeitet besonders mit Italien, Westsowie Osteuropa, Russland, China und Hongkong zusammen.151
143 Vgl. Repubblica di San Marino/Segreteria di Stato per le Finanze e il Bilancio, le Poste e i Rapporti con l’A. A.S.F.N. 2009b. 144 Vgl. International Monetary Fund 2010, S. 11. 145 Vgl. Dózsa 2008, S. 98; International Monetary Fund 2010, S. 3. 146 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 774; Miller 2007, S. 196; Marxer/Pállinger 2009, S. 938. 147 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 938. 148 Vgl. Duursma 1996, S. 207. 149 Vgl. Duursma 1996, S. 208. 150 Vgl. Repubblica di San Marino/Ufficio Programmazione Economica/Centro Elaborazione Dati E Statistica 2010, S. 19, 27. 151 Vgl. Repubblica di San Marino/Ufficio Programmazione Economica/Centro Elaborazione Dati E Statistica 2010, S. 28.
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5. Staatshaushalt Das Steuersystem San Marinos ist relativ einfach aufgebaut. Der Mikrostaat hat sich vertraglich verpflichtet, die Steuergesetzgebung Italiens in ihren wichtigsten Bestimmungen zu übernehmen.152 Die direkten Steuern werden durch ein Gesetz von 1984 reguliert, das später geändert wurde.153 Es wird festgelegt, dass natürliche Personen in progressiven Steuerklassen besteuert werden (Einkommenssteuer), allerdings werden durch bestimmte Regelungen die Einkünfte der Privathaushalte geschützt. Ebenso werden juristische Personen und Körperschaften direkt besteuert.154 Die wichtigste indirekte Steuer ist die Steuer auf Importe. Diese Steuer beträgt in der Regel 17%. Eine weitere bedeutende indirekte Steuer ist die Mehrwertsteuer.155 Die Einnahmen San Marinos unterteilen sich in die Steuereinnahmen, Nicht-Steuereinahmen, Veräußerung und Abschreibung von Vermögensgütern sowie die Einnahmen aus Rückzahlungen von Krediten. Die beiden erstgenannten sind mit 78% und 10% Anteil Haupteinnahmequellen San Marinos (Schätzungen für 2010).156 Zu den Steuereinnahmen zählen die direkten und indirekten Steuern sowie die Steuern auf verschiedene Güter. Die Nicht-Steuereinnahmen umfassen z. B. Zollabgaben, Erträge von Monopolgütern und beweglichen Konsumgütern, Erträge aus anderen öffentlichen Dienstleistungen und Staatsgütern, Zinsen auf Kredite des Staates sowie weitere Rückzahlungen. Ein weiterer wichtiger Teil der Staatseinnahmen sind die von Italien gezahlten Entschädigungen für den Verzicht auf Zolleinnahmen.157 Die Ausgaben des Mikrostaates unterteilen sich in laufende (85%), Investitionen (9%) und Kapitalkosten (1%; Schätzungen für 2010).158 Zu den 152
Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 938. Gesetz Nr. 91 vom 13.10.1984; vgl. Repubblica di San Marino/Segreteria di Stato per le Finanze e il Bilancio, le Poste e i Rapporti con l’A. A.S.F.N. 2005b; Weitershagen 2000b, S. 16. 154 Vgl. Repubblica di San Marino/Segreteria di Stato per le Finanze e il Bilancio, le Poste e i Rapporti con l’A. A.S.F.N. 2005b. 155 Gesetz Nr. 40 vom 22.12.1972: Gesetz bezügl. der Importsteuer, geändert durch Gesetz Nr. 134 vom 21.12.1993; vgl. Repubblica di San Marino/Segreteria di Stato per le Finanze e il Bilancio, le Poste e i Rapporti con l’A. A.S.F.N. 2005b; Weitershagen 2000b, S. 16; Duursma 1996, S. 208. 156 Vgl. Repubblica di San Marino/Segreteria di Stato per le Finanze e il Bilancio, le Poste e i Rapporti con l’A. A.S.F.N. 2009a. 157 Vgl. Reinkenhof 1997, S. 26. 158 Vgl. Repubblica di San Marino/Segreteria di Stato per le Finanze e il Bilancio, le Poste e i Rapporti con l’A. A.S.F.N. 2009a. 153
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laufenden Kosten zählen Gehälter, Rentenbeiträge, Zinsen, Erwerb von Gütern und Monopolen, Kosten für die öffentlichen Dienstleistungen sowie die Tilgung und Rückzahlung von Darlehen. Für 2010 werden die Staatseinnahmen und -ausgaben San Marinos auf 664 Mio. e geschätzt.159 6. Beziehungen zu anderen Staaten a) Die außenpolitische Strategie San Marinos Derzeitige Ministerin für Außenbeziehungen und politische Angelegenheiten sowie Wirtschaftsplanung bzw. Staatssekretär für Außenbeziehungen und politische Angelegenheiten ist Antonella Mularoni.160 Die Außenpolitik San Marinos basiert auf den Prinzipien Neutralität, Stärkung des internationalen Status sowie der Leistung von Beiträgen zur Lösung internationaler Konflikte im Rahmen seiner Kapazitäten.161 Die Stärkung seines internationalen Status erreicht San Marino durch Verträge mit anderen Staaten, um seine Eigenstaatlichkeit zu sichern, bspw. mit den USA (1946, 1963) oder den Niederlanden (1907, 1964).162 Trotzdem sind vor allem die Beziehungen zu seinem Nachbarstaat Italien von essentieller Bedeutung.163 Heute ist die internationale Rechtspersönlichkeit San Marinos etabliert und unangefochten.164 b) Beziehung zu Italien aa) Basis der Beziehungen Der Aufbau des internationalen Status San Marinos begann mit dem Abschluss des Freundschaftsvertrags mit dem Königreich Italien am 22. März 1862.165 Hauptpfeiler der italienisch-sanmarinesischen Beziehungen ist das Abkommen über Freundschaft und gutnachbarschaftliche Beziehungen zwi159 Vgl. Repubblica di San Marino/Segreteria di Stato per le Finanze e il Bilancio, le Poste e i Rapporti con l’A. A.S.F.N. 2009a. 160 Vgl. Republic of San Marino/Secretariat of State for Foreign and Political Affairs 2008b. 161 Vgl. Duursma 1996, S. 222. 162 Vgl. Republic of San Marino/Secretariat of State for Foreign and Political Affairs 2008c. 163 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 945. 164 Vgl. Maresceau 2008, S. 288. 165 Vgl. Duursma 1996, S. 255.
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schen San Marino und Italien vom 31. März 1939,166 welches heute in seinen Grundsätzen nach einigen Anpassungen noch in Kraft ist.167 Das Nachbarschaftsabkommen von 1939 ersetzte die Verträge vom 22. März 1862 und 27. Juni 1897.168 Es wurden die Prinzipien Italiens beschützender Freundschaft, um San Marinos Freiheit und Unabhängigkeit zu erhalten sowie San Marinos Versprechen, die beschützende Freundschaft einer anderen Macht nicht zu akzeptieren, übernommen. Letztere Bestimmung führte zu Unsicherheiten über den Grad des Schutzes, den Italien ausüben konnte, sowie über den internationalen Status von San Marino, da diese Bestimmung zu der Schlussfolgerung führen könnte, dass der Mikrostaat ein Protektorat von Italien sei. Folglich musste die Regelung abgeschafft werden, dass nur Italien Schutz ausüben darf, da sonst keine Unabhängigkeit San Marinos gegeben wäre. So kam es am 10. September 1971 zum Abschluss eines zusätzlichen Abkommens, durch welches ein neuer Art. 1 des Freundschaftsvertrages eingeführt wurde. Italiens Kooperation zur Erhaltung der Freiheit und Unabhängigkeit San Marinos wurde festgehalten, jedoch die Pflicht zur Nicht-Alliierung wurde ersetzt durch eine Bestätigung der Neutralität des Mikrostaates.169 Außerdem wird in Art. 4 des Freundschaftsabkommens festgelegt, dass Staatsangehörige beider Republiken jeweils in dem anderen Land jeden Beruf oder auch ein öffentliches Amt ausüben können, und zwar unter denselben Bedingungen wie die eigenen Staatsangehörigen.170 Ausnahmen gibt es bei Regierungspositionen bzw. Positionen im Parlament. Die Richter in San Marino dürfen keine eigenen Staatsangehörigen sein, meist sind es Italiener.171 Im Jahr 1949 genehmigte das sanmarinesische Parlament die Errichtung von Casinos auf seinem Staatsgebiet, um mehr Touristen anzuziehen und um das Staatsdefizit schneller ausgleichen zu können. Diese Bestimmung und der deutliche Anstieg der Anzahl der Unternehmen mit beschränkter Haftung zwischen 1944 und 1948 in San Marino wurde von Italien als nachteilig für sein Fiskalsystem gesehen, da es zu staatlichen Verlusten Italiens kam. Dieser Konflikt zwischen Italien und San Marino wurde noch dadurch unterstützt, dass viele italienische Paare die Möglichkeit der An166
B.U.R.S.M. 1939, Nr. 8; erweitert u. a. durch B.U.R.S.M. 1970, Nr. 4. Vgl. Maresceau 2008, S. 288; Weitershagen 2000b, S. 21; Republic of San Marino/Secretariat of State for Foreign and Political Affairs 2009a. 168 Vgl. Republic of San Marino/Secretariat of State for Foreign and Political Affairs 2009a; Duursma 1996, S. 223. 169 Vgl. Duursma 1996, S. 223 f.; Marxer/Pállinger 2009, S. 945. 170 Vgl. Duursma 1996, S. 224. 171 Art. 15 Abs. 3 Gesetz Nr. 59 vom 08.07.1974; vgl. Duursma 1996, S. 225. 167
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nullierung von Heiraten im sanmarinesischen Recht nutzten. Dies interpretierte Italien als die Verletzung des Freundschaftsvertrages von 1939 durch San Marino und reagierte von August 1949 bis August 1951 mit Gegenmaßnahmen. Grenzkontrollen wurden eingeführt und die Zahlung von Zöllen ausgesetzt.172 Nach dem Wechsel in der Regierungskoalition in San Marino gab der Mikrostaat nach. Die Gegenmaßnahmen Italiens wurden aufgehoben und der Freundschaftsvertrag am 29. April 1953 erweitert, z. B. durch das Verbot, Spielhallen in San Marino zu errichten, die Einschränkung der exzessiven Nutzung der Annullierungsmöglichkeit von Heiraten durch Italiener oder die Pflicht Italiens, die Bahnstrecke nach Rimini zu rekonstruieren.173 Das Nachbarschaftsabkommen wurde u. a. durch das o. g. Zusatzabkommen am 10. September 1971 sowie durch ein weiteres Abkommen über Rechtshilfe, Staatsangehörigkeitsfragen und militärische Rekrutierung am 28. Oktober 1980 ergänzt.174 Das Abkommen kann innerhalb 6 Monaten gekündigt werden.175 bb) Handel und Zoll Seit dem 1. Dezember 1992 besteht eine Zollunion zwischen San Marino und der EG bzw. der EU.176 Zuvor bestand seit 1862 eine Zoll-, Wirtschafts- und Währungsunion mit Italien (Freundschaftsvertrag von 1862). Ebenso bestätigte der Art. 52 des Nachbarschaftsabkommens von 1939, dass San Marino Teil des italienischen Zollgebietes war. Der Artikel 44 des Abkommens sah die Bildung einer Zollunion vor. Darin verzichtet San Marino auf den freien Transit und damit auf den zollfreien Verkehr von Drittlandswaren, die für den Import nach San Marino bestimmt sind. Somit betraute San Marino Italien damit, Zölle auf die Einfuhr von Waren nach Italien zu erheben, die für den Verbrauch in San Marino bestimmt waren. Diese Zölle wurden dementsprechend an die italienische Staatskasse gezahlt, und San Marino erhielt dafür vom italienischen Staat jährlich einen pauschalen Ausgleichsbetrag (Art. 52). Die Kommission duldete diese Praxis. So war San Marino ab 1939 bis zum 30. November 1992 Teil des italienischen Zollgebietes.177 172
Vgl. Duursma 1996, S. 225 f. Art. 5 Nachbarschaftsvertrag, erweitert 29.04.1953; vgl. Duursma 1996, S. 226. 174 Vgl. Republic of San Marino/Secretariat of State for Foreign and Political Affairs 2009a; Hummer 2004, S. 88. 175 Vgl. Duursma 1996, S. 227. 176 ABl. C 302 vom 22.11.1991, S. 12 ff.; sh. Punkt G. II. 2. b). 173
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Außerdem sah das Abkommen von 1939 in Art. 51 den freien Verkehr von Waren zwischen San Marino und Italien vor. Demnach wurden Waren, die aus dem Mikrostaat stammten und nach Italien ausgeführt wurden, als im freien Warenverkehr befindlich angesehen.178 Das Abkommen von 1939 behielt nach dem Beitritt Italiens zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gemäß dem damaligen Art. 234 EGV (heute Artikel 351 AEUV) seine Gültigkeit.179 Kraft dieses Abkommens war San Marino gemäß einer Verordnung des Rates von 1968 auch Teil des Zollgebietes der EG.180 Trotzdem wurde ein Abkommen zwischen der EG und San Marino über eine Zollunion im Jahr 1991 verhandelt, dass seit dem 1. Dezember 1992 gültig ist.181 cc) Währung San Marino nahm mit dem ersten Freundschaftsvertrag mit Italien von 1862 die Lira als offizielle Währung an.182 Der Mikrostaat stellt eigene Münzen, aber seit 1914 keine Banknoten her.183 Am 21. Dezember 1991 wurde die Währungskonvention erneuert, einschließlich eines Protokolls über das Prägen von Münzen vom 10. Februar 1992.184 Außerdem wurde in der Währungskonvention mit dem Vatikan vom 30. Dezember 1931 festgelegt, dass sanmarinesische und vatikanische Münzen offizielle Währungen im Vatikan und in San Marino sind.185 Im Rahmen des Maastrichter Vertrages vom 7. Februar 1992 wurde eine Erklärung zu den Währungsbeziehungen mit der Republik San Marino, der Vatikanstadt und dem Fürstentum Monaco verabschiedet. In Folge dessen ist der Euro nach seiner Einführung in Italien auch in San Marino offizielles Zahlungsmittel.186 177 Vgl. Stapper 1999, S. 46; Duursma 1996, S. 223, 229 f.; Maresceau 2008, S. 288; Marxer/Pállinger 2009, S. 945; Waschkuhn 2003, S. 774; Weitershagen 2000b, S. 16 f.; Sack 1997, S. 48. 178 Vgl. Stapper 1999, S. 47; Hummer 2004, S. 88. 179 Vgl. Hummer 2004, S. 88; Maresceau 2008, S. 288. 180 Art. 2 und Anhang Punkt 3 der Verordnung des Rates 1496/68, ABl. L 238 vom 28.09.1968, S. 1 ff. 181 Vgl. Dózsa 2008, S. 98. 182 Vgl. Republic of San Marino/Secretariat of State for Foreign and Political Affairs 2009a; Duursma 1996, S. 231; Marxer/Pállinger 2009, S. 945. 183 Vgl. Duursma 1996, S. 231. 184 Protokoll erneuert am 12.01.1994; vgl. Republic of San Marino/Secretariat of State for Foreign and Political Affairs 2009a. 185 B.U.R.S.M. 1932, Nr. 4, Art. 1; vgl. Duursma 1996, S. 231. 186 Genauer sh. Punkt G. II. 1. b).
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dd) Finanzbereich San Marino hat versprochen, keine Finanzinstrumente direkt oder indirekt anzuwenden, die das italienische Währungssystem beeinflussen.187 Dies wurde 1991 in der Konvention über Finanz- und Währungsbeziehungen zwischen Italien und San Marino weiter spezifiziert.188 Diese Konvention wurde am 26. November 2009 durch das Abkommen über finanzielle Zusammenarbeit zwischen Italien und San Marino ersetzt.189 Dieses Abkommen legt die Grundsätze und Formen der Zusammenarbeit in den Bereichen Bank-, Finanz- und Versicherungsdienstleistungen zwischen der Italienischen Republik und der Republik San Marino fest (Art. 1). San Marino verpflichtet sich u. a., diverse EU-Regelungen im Finanzbereich, z. B. gegen Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung zu übernehmen (Art. 2). Außerdem wird im Rahmen dieses Abkommens eine gemischte Kommission eingerichtet (Art. 4). Das Abkommen wird auf unbegrenzte Zeit geschlossen, kann jedoch von jeder Partei mit einer Frist von sechs Monaten gekündigt werden. Weiterhin wurde am 21. März 2002 ein Abkommen über die Vermeidung von Doppelbesteuerung und Steuerbetrug hinsichtlich der Einkommensbesteuerung abgeschlossen.190 ee) Diplomatische Vertretungen Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts hatte San Marino keine bzw. kaum diplomatische Repräsentationen aufgrund seiner beschränkten finanziellen und humanen Ressourcen. Es wurde notwendig, dass San Marino seinen internationalen Status durch den Abschluss von Auslieferungsverträgen mit größeren Staaten sowie durch den Aufbau diplomatischer und konsularischer Beziehungen mit anderen Ländern festigte.191 Die Entwicklung der diplomatischen Beziehungen war zum Teil auch dadurch begründet, dass Anfang des 20. Jahrhunderts relativ viele Einwohner des Mikrostaates aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Situation ins 187
Vgl. Duursma 1996, S. 231. B.U.R.S.M. 1991, Nr. 5; vgl. Duursma 1996, S. 231; Weitershagen 2000b, S. 21; Tchakaloff 2002, S. 105. 189 Vgl. Republic of San Marino/Secretariat of State for Foreign and Political Affairs 2009a. Abkommen wurde bis zum 04.12.2009 noch nicht ratifiziert (Stand der Homepage). 190 Vgl. Republic of San Marino/Secretariat of State for Foreign and Political Affairs 2009a. 191 Vgl. Duursma 1996, S. 227. 188
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Ausland abwanderten. Weiterhin erhoffte man sich vom Ausbau der Beziehungen zu anderen Staaten und internationalen Organisationen auch die Verbesserung der Beziehungen zu Italien.192 Nach dem Zweiten Weltkrieg schien die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen für San Marino noch zu kostspielig. Daher erweiterte man zunächst am 6. März 1968 den Nachbarschaftsvertrag mit Italien von 1939, in dem man nun die Errichtung diplomatischer Beziehungen zwischen den beiden Staaten ermöglichte.193 Der Artikel 3 des Nachbarschaftsvertrages von 1939 sieht nun vor, dass italienische Konsulate Hilfe für Sanmarinesen anbieten, und zwar in den Ländern, mit denen San Marino keine diplomatischen oder konsularischen Beziehungen unterhält.194 ff) Verteidigung Es existiert kein militärisches Verteidigungsabkommen zwischen Italien und San Marino. Dies wäre konträr zur politischen Neutralität des Mikrostaates. Aus dem Freundschaftsvertrag von 1939 ist keine Pflicht zur militärischen Verteidigung erwachsen, sie ist aber auch nicht ausgeschlossen.195 Obwohl San Marino neutral ist, existiert ein freiwilliges Militärkorps, das die Unabhängigkeit des Staates repräsentiert. Es gibt keine allgemeine Wehrpflicht, sondern alle Bürger im Alter von 16 bis 65 Jahren können bei Gefahren die Republik verteidigen.196 gg) Ausländerwesen Italiener und Sanmarinesen können sich aufgrund des Nachbarschaftsvertrages in dem jeweiligen anderen Land frei ohne Pass bewegen. Das Recht auf Niederlassung in San Marino ist dabei nicht automatisch eingeschlossen. Es gibt kein Gesetz, das eine Einreise eines Drittstaatsangehörigen nach San Marino verbietet, der aus Italien ausgewiesen wird, wobei dies praktisch schwierig ist, da San Marino von Italien umgeben ist.197
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Vgl. Duursma 1996, S. 227. B.U.R.S.M. 1970, Nr. 4; vgl. Republic of San Marino/Secretariat of State for Foreign and Political Affairs 2009a. 194 Vgl. Duursma 1996, S. 227 f.; Dózsa 2008, S. 98; Marxer/Pállinger 2009, S. 945. 195 Vgl. Duursma 1996, S. 233. 196 Vgl. Repubblica di San Marino/Segretaria di Stato per gli Affari Interni 2004. 197 Vgl. Duursma 1996, S. 230. 193
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hh) Post Die Postunion zwischen Italien und San Marino wurde durch die Konvention vom 5. Mai 1923 gegründet.198 San Marino besitzt eigene Postämter in seinem Gebiet, nimmt eigene Postgebühren ein und kann eigene Briefmarken ausgeben. Dabei gelten alle Tarife und Normen, die für Italien gelten, auch für die Post aus dem Mikrostaat. Die Konvention besagt weiterhin, dass Regelungen, die zwischen Italien und einem Drittstaat gelten, auch auf San Marino ausgedehnt werden müssen. Jede Änderung der Tarife und Normen in Italien müssen separat in die sanmarinesische Rechtssetzung übernommen werden. Wenn San Marino Post-Konventionen unterzeichnet, müssen diese auch in Italien gelten. Die Konvention kann innerhalb von sechs Monaten gekündigt werden.199 ii) Radio und Fernsehen Im Jahr 1987 wurde ein Abkommen zwischen Italien und San Marino im Bereich Radio und Fernsehen geschlossen.200 Es besagt, dass Fernseh- und Radio-Stationen, die in San Marino und Italien senden können, durch gemischtes Kapital aus San Marino und aus Italien errichtet werden dürfen. Ein gemeinsames Komitee zur Kontrolle des Abkommens wurde eingerichtet.201 Das Abkommen wurde am 5. März 2008 erneuert.202 Sanmarinesische Radio- und TV-Sender arbeiten seit 1991.203 jj) Weitere Beziehungen San Marino erhält als Vergütung für den Verzicht auf bestimmte Rechte (z. B. den Betrieb eines eigenen kommerziellen TV-Senders, Schaffung einer Freihandelszone, Anpassung der sanmarinesischen an die italienische Steuergesetzgebung, etc.) Zahlungen von Italien, die einen wichtigen Teil der Staatseinnahmen des Mikrostaates darstellen.204 198
Vgl. Republic of San Marino/Secretariat of State for Foreign and Political Affairs 2009a; Duursma 1996, S. 228. 199 Vgl. Duursma 1996, S. 228. 200 B.U.R.S.M. 1990, Nr. 4; vgl. Duursma 1996, S. 231. 201 Vgl. Duursma 1996, S. 231. 202 Vgl. Republic of San Marino/Secretariat of State for Foreign and Political Affairs 2009a. 203 Vgl. Duursma 1996, S. 231; Marxer/Pállinger 2009, S. 943. 204 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 945.
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Weitere Konventionen und Abkommen wurden mit Italien u. a. abgeschlossen über die Zugverbindung Rimini-San Marino sowie die Nutzung des Flughafens Riminis und in den Bereichen Telefondienstleistungen, Mehrwertsteuer, soziale Sicherheit, gegenseitige Anerkennung von Bildungsabschlüssen, Müllentsorgung, Verwaltungszusammenarbeit, Umweltschutz, Zusammenarbeit in Kultur und Wissenschaft sowie Zusammenarbeit im Tourismus.205 Zusätzlich wurden im Jahr 2009 ein Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie das oben erwähnte Abkommen über eine Zusammenarbeit im Finanzbereich abgeschlossen.206 c) Beziehungen zu weiteren Staaten San Marino hat trotz seiner Kleinheit mit zahlreichen Staaten bilaterale Abkommen geschlossen, darunter zahlreiche EU-Mitgliedstaaten, andere Mikrostaaten, aber auch China und die USA.207 Thematisch schloss San Marino Abkommen oftmals in den Bereichen über die Auslieferung von Straftätern, soziale Sicherheit, gegenseitigen Schutz von Investments sowie besonders in den Jahren nach 2000 Abkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung und Vorbeugung von Steuerbetrug hinsichtlich der Einkommenssteuer.208 San Marino nahm mit Andorra im Jahr 1995 diplomatische Beziehungen auf. Außerdem verabschiedeten die beiden Staaten eine gemeinsame Erklärung zur Kooperation in den Bereichen Bildung, Kultur, Sport, Handel, Tourismus, Umwelt und andere Sektoren (1996). Weiterhin wurde 2009 ein Abkommen über den Informationsaustausch in Steuerangelegenheiten abgeschlossen.209 Mit Liechtenstein existiert eine Konvention zur Vermeidung von Doppelbesteuerung bezüglich der Einkommenssteuer und auf Kapital aus dem Jahr 2009.210 205 Vgl. Republic of San Marino/Secretariat of State for Foreign and Political Affairs 2009a. 206 Vgl. Republic of San Marino/Secretariat of State for Foreign and Political Affairs 2009a. Abkommen wurden bis zum 04.12.2009 noch nicht ratifiziert (Stand der Homepage). 207 Vgl. Republic of San Marino/Secretariat of State for Foreign and Political Affairs 2010. 208 Vgl. Republic of San Marino/Secretariat of State for Foreign and Political Affairs 2010. 209 Vgl. Republic of San Marino/Secretariat of State for Foreign and Political Affairs 2010. 210 Vgl. Republic of San Marino/Secretariat of State for Foreign and Political Affairs 2010.
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Die Beziehungen zu Monaco umfassen das Abkommen zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen aus dem Jahr 2006 sowie ein Abkommen über den Informationsaustausch in Steuerangelegenheiten von 2009.211 Mit dem Heiligen Stuhl wurde, wie oben erwähnt, im Jahr 1931 eine Währungskonvention abgeschlossen. Außerdem kam es zu einem Abkommen über die zivile Anerkennung von religiösen Festen (1989) sowie einem Abkommen zwischen den beiden Staaten im Jahr 1992.212 Der Mikrostaat unterhält diplomatische oder konsularische Beziehungen mit 114 Staaten, davon mit 103 Staaten auf Botschafter-Niveau (Juni 2009).213 In San Marino selbst sind zusätzlich zur italienischen Botschaft 72 Botschafter sowie 33 Konsulate akkreditiert.214 Der Mikrostaat unterhält u. a. diplomatische Vertretungen in Rom, im Vatikan, Belgien, Frankreich, Argentinien und Uruguay.215 7. Beziehungen zu internationalen Organisationen a) Völkerbund und Vereinte Nationen San Marino war der erste Mikrostaat, der sich um den Beitritt zum Völkerbund bewarb, und zwar am 23. April 1919 per Brief. Der Generalsekretär des Völkerbundes bat daraufhin am 22. August 1920 um mehr Information. Diese Anfrage blieb jedoch von San Marino unbeantwortet, so dass der Antrag auf Mitgliedschaft des Mikrostaates nie auf der Tagesordnung der Versammlung des Völkerbundes erschien. Wahrscheinlich wurde dies bedingt durch die politische Ungewilltheit des Völkerbundes, sehr kleine Staaten wie San Marino mit größeren Mitgliedstaaten gleichzustellen.216 Nach der Ablehnung des Beitrittsgesuchs von Liechtenstein zog San Marino sein Gesuch um Mitgliedschaft zurück.217
211 Vgl. Republic of San Marino/Secretariat Affairs 2010. 212 Vgl. Republic of San Marino/Secretariat Affairs 2010. 213 Vgl. Republic of San Marino/Secretariat Affairs 2009b. 214 Vgl. Republic of San Marino/Secretariat Affairs 2008d. 215 Vgl. Republic of San Marino/Secretariat Affairs 2008e. 216 Vgl. Duursma 1996, S. 234. 217 Vgl. Seiler 2004, S. 302.
of State for Foreign and Political of State for Foreign and Political of State for Foreign and Political of State for Foreign and Political of State for Foreign and Political
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Der Ständige Internationale Gerichtshof (StIGH) wurde 1922 durch den Völkerbund mit Sitz in Den Haag gegründet. Im Jahr 1946 wurde er durch Internationalen Gerichtshof (IGH) abgelöst. Der Völkerbund verabschiedete am 17. Mai 1922 eine Resolution, die erlaubte, dass auch Nicht-Mitgliedstaaten des Völkerbundes Teil des Statuts des Ständigen Internationalen Gerichtshofes werden konnten.218 Per Brief teilte der Registerführer des Ständigen Internationalen Gerichtshofes am 30. Juni 1922 den Regenten mit, dass die Möglichkeit besteht, dem Statut des Gerichtshofes beizuwohnen. Diese Möglichkeit wurde nur den Entitäten angeboten, die als Staaten angesehen wurden. Jedoch bat San Marino nie darum, Vertragspartei des Statutes des Gerichtshofes zu werden.219 Nach der Auflösung des Völkerbundes bewarb sich San Marino am 6. November 1953 wieder per Brief, Vertragspartei des Statutes des Internationalen Gerichtshofes (UNO) zu werden.220 Der Sicherheitsrat leitete diese Bewerbung an ein Expertenkomitee weiter, das einen Bericht verfasste.221 Das Komitee diskutierte jedoch nicht die Staatlichkeit und Unabhängigkeit San Marinos. Anschließend stimmte der Sicherheitsrat für die Aufnahme San Marinos als Vertragspartei des Statutes des Gerichtshofes, folgend auch die Generalversammlung. Somit wurde San Marino am 18. Februar 1954 Vertragspartei.222 Die Behandlung des Themas war sehr kurz, keine Redewünsche wurden eingebracht, die Bewerbung wurde nicht diskutiert. Die damalige Sowjetunion enthielt sich bei der Abstimmung.223 San Marino nahm zum ersten Mal im Jahr 1952 als Ad-hoc-Beobachter in der Sitzung der Generalversammlung der UNO teil, der Nachfolgeorganisation des Völkerbundes. Im März 1987 erhielt der Mikrostaat den ständigen Beobachterstatus.224 Eine stärkere finanzielle Position San Marinos und die gewonnen Erfahrungen in den Vereinten Nationen als ständiger Beobachter führten am 19. Februar 1992 zu einer offiziellen Bewerbung um Mitgliedschaft in der UNO. So sendete der sanmarinesische Staatssekretär für Außenbeziehungen 218
Vgl. Duursma 1996, S. 174. Vgl. Duursma 1996, S. 234. 220 UN Doc. S/3137 (1953); vgl. Duursma 1996, S. 235, Ehrhardt 1970a, S. 63. 221 UN Doc. S/PV.641 (1953); Bericht: UN Doc. S/3147 (1953), S. 73; UN SCOR 8th year, 645th meeting (1953), S. 2; vgl. Duursma 1996, S. 235; Ehrhardt 1970a, S. 63. 222 UN SCOR 8th year, 645th meeting (1953), S. 3; UN GA Res. 806 (VIII) (1953); UN Doc. A/2630 (1954); UNYB 1953, S. 41; vgl. Duursma 1996, S. 235; Ehrhardt 1970a, S. 63; Marxer/Pállinger 2009, S. 945. 223 Vgl. Duursma 1996, S. 235; Ehrhardt 1970a, S. 63. 224 Vgl. Duursma 1996, S. 254. 219
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und politische Angelegenheiten am 19. Februar 1992 einen Brief an das Generalsekretariat der UNO mit einem Antrag auf Mitgliedschaft und der Erklärung, dass man die Verpflichtungen aus dem Beitritt erfüllen kann und wird.225 Der Sicherheitsrat nahm daraufhin eine Resolution an, die der Generalversammlung die Mitgliedschaft San Marinos in der UNO empfahl.226 Die Annahme dieser Resolution führte jedoch zu keiner Diskussion im Sicherheitsrat.227 Am 2. März 1992 akzeptierte die Generalversammlung die Empfehlung des Sicherheitsrates durch Abstimmung,228 so dass die Aufnahme San Marinos in die UNO erfolgte. Damit wurde die Staatseigenschaft des Mikrostaates weltweit anerkannt und bestätigt.229 Auffällig ist, dass die Aufnahme San Marinos viel weniger diskutiert wurde als die von Liechtenstein.230 Weiterhin ist San Marino Mitglied zahlreicher Unter- bzw. Spezialorganisationen der UNO. Dazu gehören die UNESCO (1974),231 die Weltgesundheitsorganisation (WHO, 1980),232 oder die International Labour Organisation (ILO, 1982).233 Oftmals blieb der erste Antrag auf Mitgliedschaft in diesen Unterorganisationen wie bei der UNESCO, WHO, FAO und der ILO erfolglos, vor allem wegen den Diskussionen über Souveränität, dem internationalen Status von San Marino und der Fähigkeit der Erfüllung der finanziellen Verpflichtungen von San Marino, die aus den Beitritten erwuchsen.234 Erst bei den zweiten Versuchen Jahre später war der Mikrostaat erfolgreich. b) Europarat Nachdem San Marino beim Europarat um die Verleihung des Beobachterstatus ersuchte, wurden diesbezüglich zwei Berichte erstellt. Dies war im Mai 1982 zum einen der Adler-Bericht, erstellt vom Ausschuss für die Beziehungen zu den europäischen Nicht-Mitgliedstaaten, der San Marino Un225
UN Docs. A/46/881, S/23619 (1992). UN Doc. A/46/885 (1992); UN Doc. S/23640 (1992); UN SC Res. 744 (1992). 227 Vgl. Duursma 1996, S. 254. 228 UN Doc. A/RES/46/231 (1992). 229 Vgl. Stapper 1999, S. 42; Waschkuhn 2003, S. 774; Murray 2006, S. 199; Hummer 2004, S. 88. 230 Vgl. Duursma 1996, S. 254. 231 UNESCO Doc. 94 EX/54 (1974); Records of the General Conference of UNESCO: Proceedings, 18th Session, 1974, vol. III, part 1, S. 31, para. 65.3. 232 WHO Doc. A33/30 vom 03.04.1980, S. 33; WHA Res. 33.1 vom 06.05.1980. 233 Vgl. Duursma 1996, S. 237 ff.; Ehrhardt 1970a, S. 60. 234 Vgl. Duursma 1996, S. 239. 226
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abhängigkeit und Souveränität beschied und dementsprechend die Verleihung des Beobachterstatus empfahl. Zum anderen wurde der Urwin-Bericht vom politischen Ausschuss der parlamentarischen Versammlung des Europarates verfasst, der positive Tendenzen aufzeigte, aber auch auf das damalige Fehlen eigener Radiosender und eigener Tageszeitungen in San Marino hinwies.235 Trotzdem wurde im Jahr 1983 San Marino der Beobachterstatus im Europarat verliehen. Dies trug dazu bei, die Position des Mikrostaates auf europäischem Level zu stärken und internationale Aktivitäten zu intensiveren.236 Schließlich äußerte San Marino am 18. Januar 1988 seinen Wunsch, als Mitglied in den Europarat eingeladen zu werden. Daraufhin wurden verschiedene Ausschüsse und Berichterstatter eingesetzt und drei Hauptfragen untersucht, nämlich, ob San Marino ein souveräner Staat sei, ob es eine demokratische Verfassung habe und die Menschenrechte achte und ob das Land die Fähigkeiten besäße, die Verpflichtungen einer Mitgliedschaft zu erfüllen.237 Die Ergebnisse der Untersuchungen sagten aus, dass San Marino kein Protektorat von Italien ist. Es ist gleichwertig, souverän und die Staatlichkeit wird auch durch internationale Anerkennung verstärkt. Es herrschte kein Zweifel über die Souveränität. Weiterhin bestätigte man das Vorhandensein einer parlamentarischen Demokratie, in der der Rechtsstaat anerkannt wird, auch die Zweifel bei Frauenrechten und der Pressefreiheit wurden ausgeräumt. Ebenso waren die finanziellen Mittel und Wille zum Beitritt gegeben. Die Berichterstatter konstatierten zufrieden stellende Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft. Das einzige Problem, was sich im Laufe der Mitgliedschaft zeigte, sind die zu geringen personellen Ressourcen San Marinos, um tatsächlich alle Dokumente des Europarates zu untersuchen und darauf zu reagieren.238 So stimmte am 6. Oktober 1988 die parlamentarische Versammlung der Mitgliedschaft San Marinos im Europarat zu.239 San Marino ratifizierte die Satzung des Europarates offiziell am 16. November 1988 und wurde somit das 22. Vollmitglied des Europarates.240 235
Seit 1993 gibt es zwei Tageszeitungen in San Marino. Vgl. Hummer 2004, S. 72 f.; Duursma 1996, S. 242. 237 CoE Doc. 5938, 1988; vgl. Duursma 1996, S. 242 ff.; Hummer 2004, S. 73. 238 Vgl. Duursma 1996, S. 242 ff. 239 CoE Doc. AS, 1988, CR 13 (40) 2nd part, S. 27–39; CoE PA Opinion Nr. 143, 1988. 240 Unterzeichnung der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Satzung des Europarates durch San Marino am 16.11.1988, in Kraft am 22.03.1989. Zum Datum der Unterzeichnung ist San Marino dem Europarat beigetreten. Vgl. 236
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c) KSZE/OSZE San Marino wurde schon zu den Vorbereitungsgesprächen zur KSZE im Jahr 1972 eingeladen. Es schien keinerlei Proteste anderer Teilnehmer zur Teilnahme San Marinos an der Helsinki-Konferenz zu geben. Der Mikrostaat wählte innerhalb der KSZE die Gruppe der neutralen und nicht-alliierten Staaten.241 Hauptinteresse San Marinos bei der Teilnahme an der OSZE ist die internationale Akzeptanz seiner Souveränität und Gleichheit durch die anderen teilnehmenden Staaten. Außerdem betont San Marino die Relevanz internationaler Sicherheit und der Reduzierung des Wettrüstens, was für militärisch schwache Mikrostaaten besonders relevant ist. Weiterhin kann San Marino innerhalb der OSZE seine individuelle Stärke hervorheben.242 Der Mikrostaat hat zwei Sitze in der Parlamentarischen Versammlung der OSZE und trägt 0,2% der Kosten für die OSZE-Institutionen.243 d) Weitere internationale Organisationen San Marino ist Mitglied zahlreicher weiterer internationaler Organisationen. Dazu gehören die ITU, UPU, IPU, die Weltbank, Interpol und der Internationale Währungsfond.244 Weiterhin ist San Marino Unterzeichner zahlreicher multilateraler Konventionen, vor allem im Rahmen des Europarates, der UNO, der UPU (Post), der WHO (Gesundheit), EUTELSAT, ITU (Telekommunikation), ILO (Arbeiter), IMF (Wirtschaft und Finanzen), OSZE (Wirtschaft), WTO (Handel) und vielen anderen.245 Bei einigen der internationalen Organisationen hat San Marino ständige Vertretungen eingerichtet. So führt es u. a. eine Vertretung bei der UN in Genf, Wien und New York, bei der UNESCO, dem Europarat und der EU.246 Duursma 1996, S. 245 f.; Hummer 2004, S. 73; Stapper 1999, S. 42; Waschkuhn 2003, S. 774; Murray 2006, S. 199; Marxer/Pállinger 2009, S. 945. 241 Vgl. Duursma 1996, S. 235. 242 Vgl. Duursma 1996, S. 236. 243 Vgl. Duursma 1996, S. 236. 244 Genauer dazu: Republic of San Marino/Secretariat of State for Foreign and Political Affairs 2008f; vgl. Duursma 1996, S. 229, 255; Weitershagen 2000b, S. 27. 245 Genauer dazu: Republic of San Marino/Secretariat of State for Foreign and Political Affairs 2009c. 246 Vgl. Republic of San Marino/Secretariat of State for Foreign and Political Affairs 2008e; Marxer/Pállinger 2009, S. 945.
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Durch den Beitritt zu internationalen Organisationen, wie u. a. dem Europarat (seit 1988) und der UNO (1992) oder durch die Unterhaltung der Beziehungen zur EU steigt die Anerkennung des internationalen Status des Mikrostaates.247 Dies wurde dadurch bestätigt, dass San Marino von November 2006 bis Mai 2007 den Vorsitz des Ministerkomitees des Europarates übernahm.248 8. Die Staatseigenschaft San Marinos Wie auch bei den anderen europäischen Mikrostaaten wurde die relative Kleinheit des Staatsgebietes von San Marino nie als ein Argument der internationalen Gemeinschaft genutzt, um die Eigenstaatlichkeit San Marinos auszuschließen.249 Ebenso ist die Existenz einer festen Bevölkerung in San Marino unbestritten, auch die Präsenz von ca. 14% Ausländern hat nicht zu Einsprüchen bezüglich der Staatlichkeit des Mikrostaates geführt.250 Derzeit wohnen knapp 27.000 Einwohner mit sanmarinesischer Staatsangehörigkeit in der Republik.251 Die sanmarinesische Staats- und Regierungsorganisation basiert auf Institutionen mit jahrhunderte langer Autonomie und lässt sich bis ins Mittelalter zurückverfolgen. Es besteht kein Zweifel, dass die derzeitigen Verwaltungsorgane effektive Macht im Staatsgebiet ausüben. Trotzdem ist die Organisation der Staatsgewalt einmalig. Seit 1560 wird der Begriff Republik für die Bezeichnung des Staatswesens verwendet und die heutige politische Struktur ist seit 1600 fast unverändert.252 Man kann somit schlussfolgern, dass die Kriterien der Drei-ElementeLehre zur Staatseigenschaft San Marinos erfüllt sind. Für die Staatlichkeit San Marinos ist der Grad der formellen und realen Unabhängigkeit von Italien ein entscheidender Faktor. Daher ist zu prüfen, ob möglicherweise fremde Elemente in der Regierungsorganisation San Marinos dessen Unabhängigkeit beeinflussen. 247 Vgl. Duursma 1996, S. 222; Murray 2006, S. 199; Maresceau 2008, S. 288; Marxer/Pállinger 2009, S. 945; Reinkenhof 1997, S. 31. 248 Vgl. Republic of San Marino/Secretariat of State for Foreign and Political Affairs 2008f. 249 Vgl. Duursma 1996, S. 256; Stapper 1999, S. 42. 250 Vgl. Repubblica di San Marino/Ufficio Programmazione Economica/Centro Elaborazione Dati E Statistica 2010c, S. 45. 251 Vgl. Repubblica di San Marino/Ufficio Programmazione Economica/Centro Elaborazione Dati E Statistica 2010c, S. 45. 252 Vgl. Stapper 1999, S. 42 f.; Duursma 1996, S. 257.
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G. Die Republik San Marino und seine Integration in die EU
Schon seit dem 1862 abgeschlossenen ersten Freundschafts- und Nachbarschaftsvertrag zwischen Italien und San Marino steht der Mikrostaat unter schützender Freundschaft Italiens.253 Diese Bestimmung wurde auch in das Nachbarschaftsabkommen von 1939 übernommen. Sie wurde im Jahr 1971 insofern ergänzt, dass die Klausel über die Verpflichtung zur NichtAlliierung San Marinos mit einer anderen Macht außer Italien aufgehoben wurde.254 Somit wurde die Unabhängigkeit und Souveränität des Mikrostaates gestärkt. Ein weiterer Einflussfaktor findet sich in Artikel 3 des Abkommens von 1939. Gemäß diesem Artikel übernimmt Italien den Schutz der Staatsangehörigen San Marinos in den Ländern, in denen der Mikrostaat keine diplomatische oder konsularische Vertretung hat.255 Daraus ergibt sich die verbreitete Auffassung, dass man dies als „Protektion“ einordnen könnte.256 Diese Protektion dient aber nur zum Schutz des protegierten Staates, nicht zu einer Begrenzung der Kompetenzen.257 Aufgrund der Vergrößerung des diplomatischen Dienstes San Marinos ist der Rückgriff auf italienische Vertretungen stetig zurückgegangen. Eine weitere Pflicht gegenüber Italien aus dem Nachbarschaftsabkommen von 1939 (Art. 47, Ergänzung von 1954) ist es, keine Maßnahmen zu ergreifen, die direkt oder indirekt in irgendeiner Weise Italiens Steuer- oder Währungssystem beeinflussen könnten und keine Eröffnung von Spielcasinos in San Marinos zu genehmigen.258 San Marino hat theoretisch die Möglichkeit, das Abkommen mit einer Frist von sechs Monaten zu kündigen.259 Somit stehen die Bestimmungen des Nachbarschaftsabkommens von 1939 nicht für eine Beschränkung der Unabhängigkeit San Marinos. Dies schlussfolgert auch der Europarat zum Aufnahmegesuch. Des Weiteren muss in bestimmten Bereichen die italienische Gesetzgebung in San Marino anwendbar gemacht werden, u. a. die Rechtsetzung zu Postdiensten und Währungsnormen aber auch das Zollregime Italiens bzw. der EU.260 Weiterhin sind bestimmte Kompetenzen von einer Zustimmung Italiens abhängig, wie die Herausgabe von Briefmarken oder das Recht, Münzen zu prägen.261 253 254 255 256 257 258 259 260
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Stapper 1999, S. 43. Stapper 1999, S. 44. Stapper 1999, S. 44; Dózsa 2008, S. 98. Le Bésnerais 1969, S. 133; Stapper 1999, S. 44. Stapper 1999, S. 44. Duursma 1996, S. 257; Stapper 1999, S. 44. Duursma 1996, S. 258; Stapper 1999, S. 44. Duursma 1996, S. 257.
I. Charakteristika des Staates San Marino
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Weiterhin haben die meisten Richter in San Marino die italienische Staatsangehörigkeit. Ihre Unabhängigkeit wird durch Gesetz garantiert und sie sind dadurch von Italien unabhängig. Die fremde Herkunft der Richter wird als Notwendigkeit gesehen, ihre Unbefangenheit in einer kleinen Gemeinschaft zu sichern.262 Schlussfolgernd kann man feststellen, dass die Beziehungen zu Italien keinen Eingriff in die Souveränität San Marinos darstellen. Die Unabhängigkeit San Marinos wird auch von der Staatengemeinschaft anerkannt. Dies wurde offiziell u. a. durch die Aufnahme in die UNO und den Europarat bestätigt.263 San Marino ist ein Staat im Sinne des Völkerrechts und der Grad seiner formellen und realen Unabhängigkeit liegt im Rahmen der Kriterien für Eigenstaatlichkeit.264 9. Zusammenfassung Die Republik San Marino liegt mit einer Größe von 61 km2 als Enklave im Zentrum der oberen Hälfte Italiens. Sie hat ca. 31.300 Einwohner (2009), 86% davon sind Sanmarinesen. Die Hauptstadt heißt ebenfalls San Marino. Die Amtssprache ist Italienisch. San Marinos institutionelles System hat sich seit Jahrhunderten erhalten und gefestigt. San Marino besitzt keine einheitliche Verfassung, sondern verschiedene Rechtsquellen, aus denen die Verfassung hergeleitet wird. Die wichtigsten dieser Quellen sind die Statuten von 1600 sowie die Erklärung der Freiheiten und Grundrechte der Bürger und die Prinzipien der staatlichen Organisation von 1974, die 2002 erneuert wurde und einem Grundgesetz ähnelt. Demnach ist San Marino eine parlamentarische Demokratie mit sehr starkem Parlament. Die Souveränität liegt beim Volk. Staatsoberhäupter sind zwei Regenten (Capitani Reggenti), die für jeweils sechs Monate unter den Parlamentsmitgliedern bestimmt werden. Sie haben vor allem repräsentative Aufgaben inne. Außerdem nehmen sie den Vorsitz des Parlaments, der Regierung, des Rates der Zwölf und des Justizrates ein. Das Parlament San Marinos, der Große und Allgemeine Rat, ist die wichtigste politische Institution des Landes. Dieses Einkammerparlament besteht aus 60 Mitgliedern und ist das politische Leitungs- und Gesetzgebungsorgan des Landes. Das Parlament konzentriert sich heute auf seine legislative Funktion, hat aber auch exekutive und judikative Gewalt inne. 261 262 263 264
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Stapper 1999, S. 44. Duursma 1996, S. 258; Stapper 1999, S. 45. Stapper 1999, S. 42 ff. Duursma 1996, S. 259.
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Aus dem Parlament gehen nicht nur die beiden Regenten, sondern auch der Staatskongress, die Regierung San Marinos, hervor. Die Regierung besteht aus zehn Staatssekretären, die vom Parlament aus seinen Mitgliedern ernannt werden, und wird von den Regenten koordiniert. Die Regierung übt die Exekutive aus und ist dem Parlament verantwortlich. Die ordentliche Gerichtsbarkeit und die Verwaltungsgerichtsbarkeit sind in einem einzigen Tribunal organisiert. Die Unabhängigkeit der Richter ist per Gesetz garantiert. Sie sind dem Parlament verantwortlich. Mit wenigen Ausnahmen sind die Richter keine sanmarinesischen Staatsangehörigen. San Marino war lange Zeit agrarisch geprägt. Heute wird das BIP zum größten Teil in der Industrie und im Dienstleistungssektor erwirtschaftet, dabei vor allem im Tourismus und seit den 1990er Jahren auch zunehmend im Finanzdienstleistungsbereich. Allerdings kann man San Marino – im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Mikrostaaten – nicht als Steueroase bezeichnen, da es sich verpflichtet hat, größtenteils die italienische Steuergesetzgebung anzuwenden. Die wichtigsten Prinzipien der Außenpolitik San Marinos sind die Neutralität, die Stärkung des internationalen Status und die Beteiligung an der Lösung internationaler Konflikte im Rahmen seiner Möglichkeiten. Schon durch seine Lage bedingt sind die Beziehungen zu dem Nachbarstaat Italien bedeutend sowie zunehmend die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen. Die Mitgliedschaften in internationalen Organisationen sowie die zahlreichen bilateralen Beziehungen zu anderen Staaten zeugen von der Anerkennung San Marinos in der internationalen Staatenwelt. Seine Unabhängigkeit und Souveränität sind international unangefochten. Die Beziehungen zu Italien stellen dabei kein Hindernis dar. Im Vergleich zu anderen europäischen Mikrostaaten – wie vor allem Andorra oder Monaco – ist San Marino erstaunlich unabhängig gegenüber seinem großen Nachbarstaat Italien.
II. Die Integration San Marinos in die Europäische Union
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II. Die Integration San Marinos in die Europäische Union 1. San Marinos indirekte Integration in die EU durch die Beziehung zu Italien a) Handel und Zoll San Marinos Nachbarstaat Italien, in welchem der Mikrostaat als Enklave liegt, ist EU-Mitgliedstaat. Durch die Beziehungen, die San Marino zu Italien unterhält, wird es indirekt in die EU integriert. Die Beziehungen sind historisch gewachsen und bestanden schon lange, bevor die EU gegründet wurde. Aufgrund des Freundschaftsvertrages von 1862 bildete San Marino eine Zoll-, Wirtschafts- und Währungsunion mit Italien, was durch das Nachbarschaftsabkommen von 1939 fortgeführt wurde.265 Im Jahr 1991 wurde ein Abkommen zwischen der EG und San Marino über eine Zollunion verhandelt, dass seit dem 1. Dezember 1992 gültig ist. Es beendete das Zollregime, wie es durch das Nachbarschaftsabkommen von 1862 bzw. 1939 angewandt wurde.266 Es stellt sich die Frage, ob San Marino schon vor Abschluss des Abkommens mit der EG in das EG-Zollgebiet integriert war. Vor dem 1. Dezember 1992 ähnelten die Beziehungen der EG zu San Marino denen der EG zu Monaco, vor allem im Bereich des Zollrechts.267 Das heißt, San Marino war bis dahin – ebenso wie Monaco – durch einen einseitigen Akt der Gemeinschaft,268 den Zollkodex, in das Zollgebiet der EG integriert. Dies erfolgte als Konsequenz des Nachbarschaftsabkommens mit Italien von 1939, in dessen Rahmen San Marino einen Zollunionsvertrag mit Italien unterzeichnete.269 Das Abkommen von 1939 behielt nach der Gründung der EG gemäß dem ehemaligen Art. 234 EGV (heute Artikel 351 AEUV) seine Gültigkeit.270 Im Jahr 1968 bekräftigte der Rat der EG in einer Verordnung, dass San Marino einen Teil des Zollgebietes der EG darstellt, und zwar Kraft des Freundschaftsvertrages von 1939, der es mit Italien verbindet.271 265 266 267 268 269 270 271
Genauer sh. Punkt G. I. 6. b). Genauer sh. Punkt G. II. 2. b). Vgl. Stapper 1999, S. 46; Hummer 2004, S. 88; Gstöhl 2001, S. 115. ABl. L 238 vom 28.9.1968, S. 1 ff. (Zollkodex). Genauer sh. Punkt G. I. 6. b). Vgl. Hummer 2004, S. 88; Maresceau 2008, S. 288. Art. 2 Verordnung des Rates 1496/68, ABl. L 238 vom 28.09.1968, S. 1 ff.
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Aufgrund des Abkommens war Italien für die Zollabfertigung bei der Einfuhr von Waren, die für den Mikrostaat bestimmt waren, verantwortlich. Außerdem sah das Abkommen den freien Verkehr von Waren zwischen San Marino und Italien vor. Deshalb war für San Marino jederzeit gegeben, dass die sanmarinesischen Waren sowohl von der Zollunion als auch vom freien Warenverkehr innerhalb der EG profitierten.272 Ebenso wurde die EG-Zollgesetzgebung auf für San Marino bestimmte Produkte angewandt. Somit konnten Waren nur nach San Marino gelangen, wenn sie vorher in der EG in den freien Verkehr gelangt waren. Es wurde nie ausdrücklich kodifiziert, dass die EG-Vorschriften zum freien Warenverkehr anwendbar waren, doch in der Praxis gingen die Mitgliedstaaten der EG davon aus.273 Probleme ergaben sich – ähnlich wie bei Monaco – besonders im Bereich der Warenausfuhr in Drittstaaten. Grundsätzlich wird in Handelsabkommen zwischen der EU und Drittstaaten vorgesehen, dass die Abkommen dort gültig sind, wo auch der EGV bzw. heute der AEUV angewandt wird. Dies war und ist jedoch für San Marino nicht der Fall.274 So kam es, dass einerseits Waren aus Drittstaaten über EG-Präferenzsysteme nach San Marino gelangten, andererseits jedoch San Marino selbst keine Garantie hatte, dass sanmarinesischen Exporten in Drittstaaten der Status von Gemeinschaftswaren gewährt wurde.275 Ein weiteres Problem vor dem 1. Dezember 1992 war der Umgang mit der Mehrwertsteuer. Im Jahr 1972 wurde die Mehrwertsteuer in Italien eingeführt, worauf sich San Marino bereit erklärte, ebenfalls eine Steuer auf importierte Waren einzuführen. Diese war jedoch deutlich niedriger. Daher bestand die Gefahr, dass Importeure bei der Einfuhr von Waren nach Italien San Marino als Ziel angaben, um somit eine niedrigere Importsteuer zu zahlen. Jedoch beließen sie dann die Waren im freien Verkehr in Italien, ohne jemals die italienische Mehrwertsteuer gezahlt zu haben. Aufgrund dieser Problematik wurde ein Kontrollsystem der italienischen Behörden geschaffen, wonach Importeure auf importierte Produkte nach Italien immer die italienische Mehrwertsteuer zahlen mussten, auch wenn die Waren für San Marino bestimmt waren. Anschließend wurde die Mehrwertsteuer wieder erstattet, wenn nachgewiesen werden konnte, dass in San Marino Vorsteuer auf die Waren gezahlt wurde.276 272 273 274 275 276
Vgl. Stapper 1999, S. Vgl. Stapper 1999, S. sh. Punkt G. II. 2. a). Vgl. Stapper 1999, S. Vgl. Stapper 1999, S.
47; Hummer 2004, S. 88. 46 f. 47; Hummer 2004, S. 88; Gstöhl 2001, S. 115. 47.
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Es ist abschließend festzustellen, dass San Marino auch schon vor Abschluss des Abkommens über eine Zollunion mit der EG im Jahr 1992 als Teil des Zollgebietes der EG angesehen wurde. b) Währung San Marino nahm mit dem ersten Freundschaftsvertrag mit Italien von 1862 die Lira als offizielle Währung an.277 Die Währungsunion mit Italien wurde durch den Freundschaftsvertrag von 1939 reguliert und zuletzt wurde am 21. Dezember 1991 eine Währungsvereinbarung zwischen der Italienischen Republik und der Republik San Marino geschlossen.278 Da zum 1. Januar 1999 der Euro an die Stelle der italienischen Lira trat (Buchgeld) und damit auch die EG für Währungsfragen zuständig wurde, wurde eine Neuaushandlung der Währungsvereinbarungen erforderlich. In der Erklärung Nr. 6 zum EU-Vertrag von Maastricht vom 7. Februar 1992 zu den Währungsbeziehungen zur Republik San Marino, zum Staat Vatikanstadt und zum Fürstentum Monaco279 wurde festgehalten, dass die damaligen Währungsbeziehungen zwischen Italien und San Marino bis zur Einführung des (damals noch) ECU unberührt bleiben. Außerdem verpflichtete sich die Gemeinschaft, die Neuverhandlung bestehender Übereinkünfte, die durch die Einführung einer einheitlichen europäischen Währung erforderlich werden können, zu erleichtern. Die EZB nahm daraufhin auf Ersuchen des Rates bezüglich der Währungsbeziehungen zu San Marino Stellung und stimmte darin dem Umfang der geplanten Währungsvereinbarungen zu.280 Am 31. Dezember 1998 entschied der Rat über den von der Gemeinschaft zu vertretenden Standpunkt bezüglich einer Vereinbarung über die Währungsbeziehungen zur Republik San Marino,281 dass Italien im Namen der Gemeinschaft zum frühestmöglichen Zeitpunkt der Republik San Marino Verhandlungen bezüglich der Währungsfragen anbieten soll (Artikel 1). Außerdem werden grundsätzliche Punkte festgelegt, die in die neue Vereinbarung aufgenommen werden sollen. Diese Entscheidung entspricht inhaltlich der Entscheidung zu Monaco.282 277
Vgl. Duursma 1996, S. 231. Vgl. Republic of San Marino/Secretariat of State for Foreign and Political Affairs 2009a. 279 ABl. C 191 vom 29.07.1992, S. 99 (Vertrag von Maastricht). 280 ABl. C 127 vom 07.05.1999, S. 4. Genauer dazu: Weitershagen 2000b, S. 11 f. 281 ABl. L 30 vom 04.02.1999, S. 33. 282 sh. Punkt F. II. 1. b); vgl. Hummer 2004, S. 90. 278
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Schließlich wird eine Währungsvereinbarung zwischen der Italienischen Republik – im Namen der Europäischen Gemeinschaft – und der Republik San Marino am 29. November 2000 abgeschlossen.283 Darin wurde San Marino berechtigt, den Euro vom 1. Januar 1999 an als offizielle Währung zu verwenden und ab dem 1. Januar 2002 den Euro-Banknoten und -Münzen den Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels zu verleihen. Im Gegenzug verpflichtet sich die San Marino, für die Anwendbarkeit der Gemeinschaftsregeln für Euro-Banknoten und -Münzen in ihrem Hoheitsgebiet Sorge zu tragen und sich an den von der Italienischen Republik für die Einführung von Euro-Banknoten und -Münzen vorgesehenen Zeitplan zu halten (Artikel 1). San Marino ist es nicht gestattet Banknoten, Münzen oder Geldsurrogate irgendwelcher Art auszugeben, außer wenn die Ausgabebedingungen mit der EG vereinbart worden sind. Nur die Ausgabe eines begrenzten Kontingents von Euro-Münzen ab dem 1. Januar 2002 ist erlaubt (Artikel 2), und jährlich höchstens 1.944.000 EUR (Artikel 3). Außerdem behält San Marino weiterhin das Recht, auf Scudi lautende Goldmünzen auszugeben und der Mikrostaat kann Euro-Sammlermünzen herausgeben (Artikel 5). San Marino verpflichtet sich, mit der EG eng zusammenzuarbeiten, vor allem bei der Bekämpfung von Fälschungen der Euro-Banknoten und -Münzen sowie zur Bekämpfung und Ahndung etwaiger Fälschungen der EuroBanknoten und -Münzen in ihrem Hoheitsgebiet (Artikel 8). Den in dem Mikrostaat ansässigen Finanzinstitutionen kann zu Bedingungen, die von der Banca d’Italia im Einvernehmen mit der Europäischen Zentralbank festzulegen sind, Zugang zu Zahlungsverkehrssystemen des Euro-Raumes gewährt werden (Artikel 9). Mit dem Inkrafttreten dieser Vereinbarung läuft die am 21. Dezember 1991 geschlossene Währungsvereinbarung zwischen Italien und San Marino ab (Artikel 10). Die Vereinbarung kann unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Jahr gekündigt werden. Damit wurde zum 1. Januar 2002 in San Marino – genauso wie in Monaco und im Vatikan – den Euro-Banknoten und -Münzen der Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels verliehen.284 Zehn Jahre nach der Einführung des Euro, forderte der Rat im Februar 2009 die Kommission auf, die Währungsvereinbarungen mit Monaco, San Marino und dem Staat Vatikanstadt zu überprüfen.285 Im Ergebnis verfasste die Kommission im Juli 2009 als Mitteilung an den Rat einen Bericht über 283 ABl. C 209 vom 27.07.2001, S. 1–4; vgl. Republic of San Marino/Secretariat of State for Foreign and Political Affairs 2009d; Murray 2006, S. 199, 201. 284 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 774; Dózsa 2008, S. 98; Marxer/Pállinger 2009, S. 945. 285 Schlussfolgerungen des Rates zu den „Gemeinsamen Leitlinien für die nationalen Seiten und die Ausgabe von für den Umlauf bestimmten Euro-Münzen“, 2922. Sitzung des ECOFIN-Rates vom 10. Februar 2009.
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die Währungsvereinbarungen mit Monaco, San Marino und Vatikanstadt.286 Darin gelangte sie zu dem Schluss, dass die bestehenden Währungsvereinbarungen geändert werden sollten, um die Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und den Ländern, die eine Währungsvereinbarung unterzeichnet haben, einheitlicher zu gestalten.287 Schließlich gab die Kommission am 16. September 2009 eine Empfehlung für eine Entscheidung des Rates zum Standpunkt der Europäischen Gemeinschaft hinsichtlich der Neuverhandlung der Währungsvereinbarung mit der Republik San Marino ab.288 Für die Währungsvereinbarung mit San Marino empfahl die Kommission, dass auch San Marino die Gemeinschaftsvorschriften zum Schutz der EuroScheine und -Münzen gegen Fälschung umsetzen soll. Weiterhin sollte San Marino seine Rechtsvorschriften im Banken- und Finanzbereich mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang bringen.289 Außerdem schlug die Kommission vor, mit der Republik San Marino einen Gemeinsamen Ausschuss einzusetzen, dem Vertreter des Mikrostaates, Italiens, der Europäischen Kommission und der Europäischen Zentralbank angehören.290 Des Weiteren empfahl die Kommission, eine neue, einheitliche Methode zur Berechnung der Obergrenzen für die Ausgabe von Münzen festzulegen. Dabei sollten die neuen Obergrenzen einen festen und einen variablen Anteil umfassen.291 Außerdem schlug die Kommission vor, den Europäischen Gerichtshof als zuständige Instanz für die Beilegung von Streitigkeiten im Zusammenhang mit den Währungsvereinbarungen zu bestimmen.292 Nach der Empfehlung der Kommission sollte die Währungsvereinbarung mit San Marino so bald wie möglich neu verhandelt werden.293 Daraufhin gibt die Europäische Zentralbank am 5. November 2009 eine Empfehlung für Entscheidungen des Rates zum Standpunkt der EG hinsichtlich Neuverhandlungen der Währungsbeziehungen mit San Marino und Vatikanstadt ab.294 Grundsätzlich begrüßte die EZB die Entscheidungsentwürfe, vor allem, „um eine Gleichbehandlung der Pflichten der Länder sicherzustellen, die die Währungsvereinbarungen mit der Gemeinschaft abgeschlossen haben, Überwachungsmechanismen einzurichten, eine einheitliche 286 287 288 289 290 291 292 293 294
KOM (2009) 359 endgültig; genauer sh. Punkt I. IV. 2. KOM (2009) 572 endgültig. KOM (2009) 572 endgültig. KOM (2009) 572 endgültig, S. 2. KOM (2009) 572 endgültig, S. 3. KOM (2009) 572 endgültig, S. 3 f. KOM (2009) 572 endgültig, S. 4. KOM (2009) 572 endgültig, S. 5 f. ABl. C 284 vom 25.11.2009, S. 1–5.
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Methode zur Berechnung der Obergrenzen für die Ausgabe von Euro-Münzen festzulegen sowie es dem Staat Vatikanstadt und der Republik San Marino freizustellen, für die Prägung ihrer Münzen auf andere Münzprägeanstalten als die italienische Münzprägeanstalt zurückzugreifen.“ Außerdem empfahl die EZB den Verordnungsentwurf in bestimmten Punkten geringfügig zu ändern. Schließlich entschied der Rat am 17. November 2009 zum Standpunkt der EG hinsichtlich der Neuverhandlungen der Währungsvereinbarung mit der Republik San Marino.295 Dementsprechend informierte gemäß Art. 1 der Entscheidung die Italienische Republik die Republik San Marino über die Notwendigkeit, die zwischen Italien im Namen der EG und San Marino geschlossene Währungsvereinbarung so bald wie möglich neu zu verhandeln, und bot ihr die Neuverhandlung der einschlägigen Bestimmungen an. Weiterhin wurden Änderungsvorstellungen gemäß der Empfehlung der Kommission mit Bezugnahme auf die Stellungnahme der EZB aufgelistet (Art. 2). Es ist zu erwarten, dass die Währungsvereinbarung gemäß dieser Entscheidung in naher Zukunft neu verhandelt wird. c) Status der Übernahme des Besitzstandes von Schengen San Marino ist zwar kein Unterzeichnerstaat des Schengen-Abkommens, doch praktisch ist der Mikrostaat in den Schengen-Raum integriert, da einerseits schon vor Schengen keine Grenzkontrollen zu dem einzigen Nachbarstaat Italien bestanden und andererseits Drittstaatsangehörige nur über das Gebiet Italiens nach San Marino reisen können (kein Zugang per Luft oder Meer). Damit muss ein Drittstaatsangehöriger für die Reise nach San Marino ein Visum für einen Schengen-Staat besitzen.296 Außerdem ist es seit 2004 den Staatsbürgern San Marinos erlaubt – ebenso wie den Andorranern –, die EU-Grenzen an den Passkontrollstellen zu passieren, die für EU-, EWR- und Schweizer Bürger reserviert sind („EU-Korridore“).297 Diese Vereinbarung gilt nur für die EU-Mitgliedstaaten, die dem Schengen-Raum angehören.298 Trotz dieser Vereinbarung haben bisher weder Andorra noch San Marino mit der EU ein Abkommen über den freien Personenverkehr geschlossen.299 295
ABl. L 322 vom 9.12.2009, S. 12–13. Vgl. Auswärtiges Amt 2009c. 297 Note of the Council Presidency to the Working party on Frontiers on the subject of Andorra and San Marino, 13020/1/04, Rev. 1, 6 October 2004; vgl. Emerson 2007, S. 3, 58. 298 Vgl. Murray 2006, S. 193. 299 Vgl. Maresceau 2008, S. 302. 296
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2. San Marinos direkte Integration in die EU a) Die Abwendbarkeit des Unionsrechts Da die mit Italien abgeschlossenen Verträge nicht beinhalten, dass San Marino die Wahrnehmung seiner auswärtigen Beziehungen auf Italien übertragen hat, ist und war in dem Mikrostaat gemäß Art. 355 Abs. 3 AEUV (ex-Art. 299 Abs. 4 EGV300) das EU- bzw. EG-Recht nicht anwendbar. Das 1939 abgeschlossene Nachbarschaftsabkommen zwischen Italien und San Marino, sieht eine „schützende Freundschaft“ Italiens vor, jedoch keine Wahrnehmung der Außenbeziehungen. Seit der Änderung des Nachbarschaftsabkommens im Jahr 1971 sind in Artikel 1 nur noch „regelmäßige Konsultationen“ zwischen Italien und San Marino vorgeschrieben. Doch solange San Marino seine Neutralität wahrt, ist es auch in seiner außenpolitischen Handlungsfähigkeit nicht beschränkt.301 Der Artikel 3 des Abkommens von 1939 besagt, dass sich Italien bereit erklärt, den diplomatischen Schutz für Staatsangehörige San Marinos zu übernehmen, und zwar in den Staaten, in denen der Mikrostaat keine diplomatische Vertretung unterhält. Dieser Fakt ist jedoch kein Argument für die Bestätigung der Wahrnehmung der Außenbeziehungen San Marinos durch Italien. Eine ähnliche Konstruktion ist auch in vielen anderen Staaten zu finden.302 Die Europäische Kommission stellte im Jahr 1986 als Antwort auf eine Frage fest, die von einem irischen Parlamentarier des EP gestellt wurde, dass die Freiheit von Arbeitnehmern, die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit bezüglich San Marino nicht anwendbar sei, da dies ein Drittstaat hinsichtlich der Gemeinschaft ist.303 Es wird deutlich, dass der Art. 355 Abs. 3 AEUV bzw. der ehemalige Art. 299 Abs. 4 EGV304 nicht auf San Marino anwendbar ist bzw. war. Dies wurde lange Zeit anders gesehen, was damit zu erklären ist, dass San Marino erst spät angefangen hat, seine außenpolitischen Kompetenzen zu nutzen.305
300 301 302 303 304 305
ABl. C 325 vom 24.12.2002, S. 33 ff. (Vertrag von Nizza). Vgl. Stapper 1999, S. 45. Vgl. Stapper 1999, S. 45. ABl. C 54 vom 02.03.1987, S. 31. ABl. C 325 vom 24.12.2002, S. 33 ff. (Vertrag von Nizza). Vgl. Stapper 1999, S. 45 f.
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b) Das Abkommen im Bereich Zoll und Kooperation aa) Entstehung Obwohl San Marino, wie oben beschrieben, schon vor Abschluss eines Zollabkommens zwischen dem Mikrostaat und der EG aufgrund der Abkommen mit Italien Teil des EG-Zollgebietes war, war die Situation vor allem für San Marino unbefriedigend und es wollte das rechtliche Vakuum beseitigen.306 Bereits in den 1980er Jahren strebte die Regierung San Marinos den Abschluss eines Assoziierungsabkommens mit der EG an.307 Die Gemeinschaft lehnte dies allerdings ab und die Europäische Kommission beharrte darauf, ein Handels- und Kooperationsabkommen abzuschließen.308 Dafür nahm San Marino im Mai 1983 mit der EG diplomatische Beziehungen auf. Daraufhin besuchte am 18. September 1983 der Kommissionspräsident den Mikrostaat und Vorverhandlungen über eine Zollunion begannen. Damit war San Marino der erste europäische Mikrostaat, der direkte Beziehungen zur Gemeinschaft aufnahm.309 Zwar war San Marino schon Teil des EG-Zollgebietes aufgrund der Beziehungen zu Italien, doch der institutionelle Rahmen war nicht gegeben und San Marino nahm nicht an Entscheidungen hinsichtlich der Durchführung der Zollunion teil. Dementsprechend war die wesentliche Motivation San Marinos, als gleichberechtigter, souveräner Partner von der EG wahrgenommen zu werden.310 Während der Verhandlungen versuchte San Marino, seine rechtliche Stellung gegenüber der EG als Drittstaat klarzustellen und betonte seine Unabhängigkeit.311 Die Verhandlungen zwischen der EG und San Marino über ein Abkommens über eine Zollunion schritten nur mäßig voran, erste Gespräche brachten nur geringe Fortschritte. Die EG ging mit einer gewissen Vorsicht an die Verhandlungen, da man sich bewusst war, dass diese Verhandlungen einen Präzedenzfall darstellen würden, insbesondere für die anderen europäischen Mikrostaaten. Am 28. Januar 1986 verabschiedete der Rat Handlungsalternativen, die jedoch nie zur Anwendung kamen, da die Verhandlungen aufgrund eines politischen Kurswechsels San Marinos auf unbestimmte Zeit verschoben wurden.312 306 307 308 309 310 311
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Dózsa 2008, S. 98; Stapper 1999, S. 47; Gstöhl 2001, S. 115. Hummer 2004, S. 88; Gstöhl 2001, S. 115. Hummer 2004, S. 88; Gstöhl 2001, S. 115. Duursma 1996, S. 246; Stapper 1999, S. 47; Murray 2006, S. 199. Stapper 1999, S. 48. Duursma 1996, S. 246.
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Der Eröffnung offizieller Gespräche im Dezember 1990 ging ein Memorandum vom 6. April 1990 voraus, das an die Kommission gerichtet war und in dem San Marino erneut den Wunsch auf Aufnahme von Verhandlungen äußerte.313 Hauptgrund war neben dem Bericht des Europäischen Parlaments „über die Rechte der Bürger kleiner Staaten und Territorien Europas“,314 welcher die Position der Mikrostaaten stärkte, dass Andorra in der Zwischenzeit über ein Handelsabkommen mit der EG verhandelte, dem San Marino nicht nachstehen wollte.315 San Marino war es sehr wichtig, die bestehende Rechtsunsicherheit v. a. auf institutioneller Ebene zu beseitigen, gerade auch nach der Verabschiedung der Einheitlichen Europäischen Akte und der damit verbundenen Zielsetzung der Vollendung des Binnenmarktes.316 Die Vorstellungen San Marinos laut dem Memorandum waren, dass eine Zollunion inklusive freiem Warenverkehr geschaffen werden müsse und dass Mechanismen eingeführt werden sollen, die helfen, auftretende Probleme gemeinsam zu beseitigen. Außerdem wollte San Marino die Rechtsordnung so ändern, dass Störungen des freien Warenverkehrs vermieden werden. Neben dem Warenverkehr sollen zusätzlich weitere Bereiche wie Verkehrspolitik, Sozialwesen, Anerkennung von Diplomen, freier Dienstleistungsverkehr oder der Schutz des geistigen Eigentums in das Abkommen aufgenommen werden. Das Memorandum verweist weiterhin auf einen möglichen finanziellen Beitrag der EG zur Entwicklung San Marinos. Hauptziel des Mikrostaates war aber vor allem, die Unabhängigkeit gegenüber Italien deutlich zu machen und sicherzustellen, dass man in den Binnenmarkt integriert wird.317 Die von San Marino angestrebten Ziele für das Abkommen waren recht ehrgeizig, da der Mikrostaat implizit hoffte, einen Assoziierungsabkommen mir der EG abzuschließen. Außerdem wollte man über das Abkommen, was gleichzeitig mit Andorra vereinbart wurde, hinausgehen. San Marino wollte ähnlich behandelt werden wie Malta, Zypern oder die Türkei, mit denen die EG Assoziierungsabkommen abgeschlossen hatte. Die angestrebte unterschiedliche Behandlung gegenüber Andorra wurde damit gerechtfertigt, dass die Stellung San Marinos eine andere sei, da Andorra 1990 noch kein anerkannter souveräner Staat gewesen wäre, San Marino dagegen schon an der KSZE teilnahm und 1988 in den Europarat aufgenommen worden war.318 312 313 314 315 316 317 318
Vgl. Stapper 1999, S. 48. Vgl. Duursma 1996, S. 247; Stapper 1999, S. 49. ABl. C 158 vom 26.06.1989, S. 329 f. Vgl. Stapper 1999, S. 49. Vgl. Stapper 1999, S. 49. Vgl. Stapper 1999, S. 49. Vgl. Stapper 1999, S. 50.
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Die Kommission allerdings befürwortete die sanmarinesischen Vorstellungen nicht. Ein Assoziierungsabkommen hielt man im Verhältnis zu den angestrebten Zielen für unproportional, man bevorzugte ein Handelsabkommen.319 Dementsprechend beantragte am 30. September 1990 die Kommission beim Rat eine Ermächtigung zur Aufnahme der offiziellen Verhandlungen zum Abschluss eines Abkommens mit San Marino.320 Es wurde ausdrücklich aufgeführt, dass das Abkommen in Form eines Briefwechsels geschlossen werden solle. San Marino und Andorra sollten gleich behandelt werden. Der Rat verabschiedete die Entscheidung am 18. Dezember 1990.321 In den Verhandlungen war die Frage nach der Rechtsgrundlage eines der Hauptprobleme. Im ersten Vertragsentwurf wurde trotzdem die Bezeichnung „Assoziierungsabkommen“ genutzt, um den Wünschen San Marinos entgegenzukommen. Doch dies stieß auf Widerstand des juristischen Dienstes der Kommission, der darauf hinwies, dass ein Assoziierungsabkommen auf Art. 238 EWGV basieren müsse (heutiger Art. 217 AEUV). Da neben den Bestimmungen zum Handelsabkommen nur ein Kapitel zur Sozialpolitik im Vertragsentwurf enthalten sei, ging dieser nur unwesentlich über den Charakter eines Handelsabkommens hinaus. Daher könne man sich nicht auf Art. 238 EWGV beziehen.322 Die Kommission schlug daher der sanmarinesischen Verhandlungsdelegation vor, ein Kooperationsabkommen abzuschließen. Kooperationen wurden in bestimmten Bereichen vereinbart, um die bestehenden Beziehungen zu stärken. Zu den Bereichen gehörten kleine und mittlere Unternehmen, Umweltschutz, Tourismus, Kultur und Kommunikation. Diese Bereiche wurden aufgenommen, um den Wünschen San Marinos Rechnung zu tragen. So hatte der Mikrostaat doch erreicht, dass weitergehende Bestimmungen in das Abkommen aufgenommen wurden, als im Vergleich zu dem Abkommen der Gemeinschaft mit Andorra.323 Die Rechtsgrundlage, auf der das Abkommen basieren sollte, war jedoch immer noch nicht ganz klar. Die Kommission hatte das Ziel, ein Handelsabkommen auf Grundlage des Art. 113 EWGV (heutiger Art. 207 AEUV) abzuschließen, da in diesem Fall die Gemeinschaft die ausschließliche Vertragskompetenz besaß. Da in dem Abkommen jedoch nicht nur Zollbestimmungen abgedeckt werden, sondern auch Bestimmungen zu Kooperationen, insbeson319 320 321 322 323
Vgl. Stapper 1999, S. 50; Hummer 2004, S. 88; Gstöhl 2001, S. 115. EG Bulletin 11/1990 Punkt 1.4.20. EG Bulletin 12/1990 Punkt 1.4.26.; vgl. Stapper 1999, S. 50. Vgl. Stapper 1999, S. 50 f. Vgl. Stapper 1999, S. 51.
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dere zu Kultur und Tourismus, sowie Sozialbestimmungen aufgenommen werden sollten, war dies problematisch, da diese zusätzlichen Bestimmungen nicht zu den ausschließlichen Kompetenzen der Gemeinschaft kraft des Art. 3 EWGV (heute im Wesentlichen Art. 3 bis 6 AEUV) gehörten. Daher bestanden einige Mitgliedstaaten darauf, dass ein gemischtes Abkommen abgeschlossen werden müsste, d.h. dass die Beteiligung der Mitgliedstaaten am Vertragsabschluss notwendig war.324 Es wurde ein Kompromiss gefunden, ein gemischtes Abkommen abzuschließen und gleichzeitig die handelspolitischen Bestimmungen im Rahmen eines vorläufigen Abkommens sofort in Kraft zu setzen. Dennoch musste das eigentliche Abkommen nun durch jeden Mitgliedstaat einzeln ratifiziert werden, auch das EP musste zustimmen.325 Schließlich wurde das Abkommen über eine Zollunion und Kooperation zwischen San Marino und der Kommission am 4. Juli 1991 unterzeichnet. Der größte Teil der Wünsche San Marinos aus dem Memorandum wurde darin erfüllt.326 Daraufhin präsentiert die Kommission am 7. November 1991 das unterzeichnete Abkommen dem Rat und unterbreitet dem Rat den Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den Abschluss eines Abkommens in Form eines Briefwechsels zwischen der EWG und der Republik San Marino.327 Der Rat und San Marino schlossen das Abkommen in Form eines Briefwechsels zwischen der EWG und San Marino über Zusammenarbeit und eine Zollunion schließlich am 16. Dezember 1991 ab,328 der u. a. die Bereiche Soziales, Umweltschutz, Tourismus, Kultur und Information umfasst. Ebenso wurde das Abkommen an vier parlamentarische Ausschüsse des EP weitergegeben, die es alle befürworteten. So stimmte am 9. Juli 1992 das EP den Schlussfolgerungen der Ausschüsse und dem Inkrafttreten des Abkommens zu.329 Das Abkommen wurde durch San Marino am 3. März 1993 in Brüssel ratifiziert.330 Wie schon angedeutet, handelte sich um ein gemischtes Abkommen, welches von jedem einzelnen Parlament der Mitgliedstaaten ratifiziert werden 324
Vgl. Stapper 1999, S. 51 f.; Duursma 1996, S. 248. Vgl. Duursma 1996, S. 248. 326 Vgl. Duursma 1996, S. 247. 327 KOM (1991) 429 endgültig vom 04.11.1991; ABl. C 302 vom 22.11.1991, S. 10 ff.; EG Bulletin 12/1991, Punkt 1.3.23, S. 101; vgl. Duursma 1996, S. 248; Stapper 1999, S. 52; Hummer 2004, S. 88. 328 ABl. C 302 vom 22.11.1991, S. 12 f.; vgl. Duursma 1996, S. 248; Gstöhl 2001, S. 114; Republic of San Marino/Secretariat of State for Foreign and Political Affairs 2009d; Murray 2006, S. 199; Marxer/Pállinger 2009, S. 945; Reinkenhof 1997, S. 32. 329 ABl. C 241 vom 21.9.1992, S. 169; vgl. Duursma 1996, S. 249. 330 Vgl. Republic of San Marino/Secretariat of State for Foreign and Political Affairs 2009d. 325
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musste. Aufgrund dessen wurde eine Verzögerung des Inkrafttretens erwartet. Deshalb schlug die Kommission dem Rat am 7. April 1992 den Abschluss eines Interimsabkommens über die Handels- und Zollunion zwischen der EWG und San Marino vor, um die Bestimmungen des Hauptabkommens im Handels- und Zollrecht schnell umzusetzen.331 Das vorläufige Abkommen über Handel und Zollunion wurde schließlich durch einen Beschluss des Rates vom 27. November 1992 abgeschlossen und ratifiziert und trat am 1. Dezember 1992 in Kraft.332 So besteht zwischen der EU und San Marino seit 1. Dezember 1992 eine Zollunion, ähnlich wie zwischen der EU und Andorra. Damit wurde der rechtliche Rahmen geschaffen, der das rechtliche Vakuum abschaffte, das zuvor, ähnlich wie heute noch in Monaco, existierte. Das Abkommen stellt die Beziehungen zwischen San Marino und der EU heute auf eine stabile Grundlage.333 Das eigentliche Abkommen sowie das dazugehörige Protokoll traten letztendlich am 1. April 2002 durch einen Beschluss des Rates in Kraft, nachdem die Notifikationsurkunden über den Abschluss der erforderlichen Verfahren am 1. März 2002 vorlagen.334 Es ersetzt nun das Interimsabkommen. Weiterhin wurde mit dem Beschluss des Rates vom 28. Februar 2002335 das Abkommen über eine Zollunion und die Zusammenarbeit zwischen der EWG und San Marino sowie das Protokoll336 infolge des Beitritts von Österreich, Finnland und Schweden zur EU genehmigt, das am 1. April 2002 in Kraft trat. Diese Länder sind demnach nun ebenfalls Vertragsparteien des Abkommen. Durch zwei weitere Protokolle zu dem Abkommen anlässlich des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der 331
ABl. C 114 vom 05.05.1992, S. 7 ff.; vgl. Stapper 1999, S. 52, 46; Gstöhl 2001, S. 115; Maresceau 2008, S. 289. 332 ABl. C 302 vom 22.11.1991, S. 12 ff.; ABl. L 359 vom 09.12.1991, S. 13, 14–19; B.U.R.S.M. 1992, Nr. 12, S. 938: Gesetz Nr. 98 vom 02.12.1992; vgl. Duursma 1996, S. 249; Stapper 1999, S. 52; Gstöhl 2001, S. 115; Sack 1997, S. 48; Hummer 2004, S. 88; Stapper 1999, S. 46; Republic of San Marino/Secretariat of State for Foreign and Political Affairs 2009d; Grard 2002, S. 95; Reinkenhof 1997, S. 32. 333 Vgl. Stapper 1999, S. 46. 334 ABl. L 84 vom 28.03.2002, S. 43–52; ABl. L 84 vom 28.03.2002, S. 64; vgl. Dózsa 2008, S. 98; Hummer 2004, S. 89; Republic of San Marino/Secretariat of State for Foreign and Political Affairs 2009d; Maresceau 2008, S. 289; Murray 2006, S. 199 f. 335 ABl. L 84 vom 28.03.2002, S. 41. 336 ABl. L 84 vom 28.03.2002, S. 53–64. Unterzeichnet in Brüssel am 30.10. 1997. Ratifiziert durch San Marino am 24.11.1997.
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Slowakischen Republik337 sowie Bulgarien und Rumäniens338 zur Europäischen Union wurden auch diese Länder zum 1. August 2005 bzw. zum 1. Februar 2008 Vertragsparteien des Abkommens.339 Am 17. Dezember 2008 ermächtigte der Rat die Kommission, Verhandlungen mit dem Fürstentum Andorra und der Republik San Marino zu eröffnen, mit dem Ziel der Erweiterung des Umfangs des Abkommens in Form eines Briefwechsels mit dem Fürstentum Andorra und dem Zollunions- und Kooperationsabkommens mit der Republik San Marino, um Zollsicherheitsmaßnahmen einzubeziehen.340 Am 16. Juli 2009 legte die Kommission einen Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den Standpunkt in dem mit dem Abkommen über eine Zusammenarbeit und eine Zollunion zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik San Marino eingesetzten Kooperationsausschuss betreffend die Annahme des „Globalbeschlusses“341 ab. Der Rat verabschiedete am 15. Februar 2010 eine Entscheidung über den Standpunkt der EU im Kooperationsausschuss, um den Globalbeschluss anzunehmen, die besagt, dass der Standpunkt der EU auf dem Entwurf des Kooperationsausschusses von 2009 basieren soll.342 Hintergrund ist, dass der Kooperationsausschuss EG-San Marino, der am 12. Juli 2004 in Brüssel zusammentrat, beschlossen hatte, mehrere Fragen verschiedener Art in einem einzigen Beschluss von allgemeiner Geltung zu regeln, der als Globalbeschluss bezeichnet wird. Vor allem soll darin festgehalten werden, dass die Beschlüsse und Erklärungen, die der Kooperationsausschuss während der Gültigkeit des Interimsabkommens verabschiedete, auch weiterhin gelten. Dieser Beschluss soll nun ausgearbeitet werden und als Rechtsgrundlage für bestimmte bereits etablierte Vorgehensweisen dienen. Außerdem werden darin einige Bestimmungen des Abkommens aktualisiert. Der Vorschlag umfasst unter anderem die Annahme der Geschäftsordnung des Kooperationsausschusses sowie zahlreiche Bestimmungen zur Zusammenarbeit im Zollwesen.343
337
ABl. L 251 vom 27.09.2005, S. 3–6; ABl. L 197 vom 28.07.2005, S. 30. ABl. L 325 vom 11.12.2007, S. 84–88; ABl. L 37 vom 12.02.2008, S. 9. 339 Vgl. Republic of San Marino/Secretariat of State for Foreign and Political Affairs 2009d; Murray 2006, S. 200. 340 Rats-Dok. 17415/08. 341 KOM (2009) 367 endgültig. 342 Council Decision 5757/10. 343 KOM (2009) 367 endgültig. 338
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bb) Inhalt Die Motivation des Abkommens wird in der Präambel verdeutlicht. Es wird erläutert, dass die bereits engen Beziehungen zwischen der EWG und San Marino gefestigt und ausgebaut werden sollen, dass es zweckmäßig ist, die bestehenden Beziehungen in allen Fragen von gemeinsamen Interesse zu stärken sowie dass aufgrund der Sonderstellung San Marinos und der Einbeziehung in das Zollgebiet der Gemeinschaft die Schaffung einer Zollunion zwischen San Marino und der EWG erforderlich ist. Das Zoll- und Kooperationsabkommen begründet eine Zollunion zwischen den Vertragsparteien, soll eine globale Zusammenarbeit fördern und dazu beitragen, die soziale und wirtschaftliche Entwicklung von San Marino und die bilateralen Beziehungen zwischen beiden Parteien zu stärken (Art. 1). Das Abkommen untergliedert sich in vier Teile: Artikel 2 bis 13 zur Zollunion, Artikel 14 bis 19 über Kooperation in bestimmten Bereichen wie Industrie, Umwelt, Tourismus, Kommunikation, Information und Kultur, Artikel 20 bis 22 zu Bestimmungen im sozialen Bereich sowie Artikel 23 bis 32 mit den Schlussbestimmungen. Zollunion Zwischen der EWG und San Marino wird eine Zollunion für industrielle und landwirtschaftliche Güter (Waren der Kapitel 1 bis 97 des Gemeinsamen Zolltarifs), mit Ausnahme der Waren, die unter den EGKS-Vertrag fallen, geschaffen (Art. 2). Als Konsequenz wurde San Marino aus Art. 3 Abs. 2 lit. b) des Zollkodex herausgenommen, da der Mikrostaat nun nicht mehr als Teil des Zollgebietes der Gemeinschaft angesehen wird.344 Für unter den EGKS-Vertrag fallende Waren gilt der bisherige Zustand weiter, wie er vor Abschluss des Abkommens bestand. Dies hat jedoch keine praktischen Auswirkungen, da es in San Marino keine Kohle- und Stahlindustrie gibt.345 Die Artikel zur Zollunion beinhalten im Wesentlichen die klassischen Aussagen.346 Artikel 3 legt fest, dass die Zollunion für alle in der Gemeinschaft und in San Marino hergestellten Waren gilt, ebenso für Waren aus Drittländern, die sich im zollrechtlich freien Verkehr befinden. Durch Artikel 5 und 6 werden sämtliche Zölle und Abgaben gleicher Wirkung aufgehoben. 344 ABl. L 17 vom 21.1.1997, S. 1 ff.; vgl. Duursma 1996, S. 249; Stapper 1999, S. 53; Hummer 2004, S. 89; Maresceau 2008, S. 290; Gstöhl 2001, S. 115. 345 Vgl. Stapper 1999, S. 53. 346 Vgl. Stapper 1999, S. 53.
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Daraufhin mussten einige Bestimmungen der sanmarinesisch-italienischen Beziehungen geändert werden, denn entsprechend dem Briefwechsel mit Italien vom 21. Dezember 1972 erklärte sich San Marino bereit, Steuern auf importierte Güter zu erheben. Diese Steuer wurde nicht auf nationale Produkte angewandt und stellte deshalb eine Abgabe gleicher Wirkung wie ein Importzoll dar und musste zum 1. Januar 1996 abgeschafft werden (Art. 6 Abs. 2 Abk.). Gleichzeitig musste San Marino spätestens sechs Monate nach Inkrafttreten des Abkommens eine Zusatzsteuer für Inlandswaren einführen, um damit ein Ausgleich zu den auf Importwaren lastenden Abgaben herzustellen, was einen ersten Schritt zur Einführung einer Mehrwertsteuer darstellte (Art. 6 Abs. 2).347 Am 1. Januar 1996 folgte daraufhin die Einführung einer allgemeinen Mehrwertsteuer in San Marino.348 Das Abkommen enthält bezüglich landwirtschaftlicher Produkte, die wichtige Exportprodukte des Mikrostaates sind, besondere Bestimmungen. In Artikel 6 Abs. 4 verpflichtet sich San Marino im Bereich des Agrarhandels die Gemeinschaftsregeln auf dem Gebiet der Veterinärmedizin, des Pflanzenschutzes und der Produktqualität zu übernehmen, wenn dies für das ordnungsgemäße Funktionieren des Abkommens notwendig ist.349 Gegenüber Drittstaaten wendet San Marino den Zolltarif der EG, Bestimmungen der gemeinsamen Handelspolitik sowie die für die Gemeinschaft geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften im Zollbereich an, die für das einwandfreie Funktionieren der Zollunion notwendig sind (Art. 7 Abs. 1). Auch die Gemeinschaftsregelungen zum Handel mit Agrarerzeugnissen werden angewandt, mit Ausnahme der Erstattungen und Ausgleichsbeiträge bei der Ausfuhr (Art. 7 Abs. 1, 4. Gedankenstrich). Dies ist die Konsequenz daraus, dass San Marino keine finanziellen Beiträge an die Gemeinschaft leistet und damit auch keine Gelder aus dem europäischen Fond für Landwirtschaft erhält.350 Gemäß Art. 7 Abs. 2 des Abkommens legt der Kooperationsausschuss die Bestimmungen zur Umsetzung des Abkommens fest.351 Der entsprechende Beschluss des Ausschusses sieht eine sinngemäße Anwendung einer umfangreichen Liste von Zollvorschriften durch San Marino vor.352 Aus347
Vgl. Duursma 1996, S. 250; Stapper 1999, S. 53 f. Vgl. Stapper 1999, S. 54; Gstöhl 2001, S. 115. 349 sh. Beschluss Nr. 1/94 des Kooperationsausschusses vom 28.06.1994 über die Gemeinschaftsregelung im Veterinärbereich, die von der Republik San Marino zu übernehmen ist, ABl. L 238 vom 13.09.1994, S. 25–35; vgl. Stapper 1999, S. 55; Gstöhl 2001, S. 116. 350 Vgl. Stapper 1999, S. 55, 78; Hummer 2004, S. 89. 351 sh. ABl. L 42 vom 19.02.1993, S. 23–28. 352 sh. ABl. L 42 vom 19.02.1993, S. 23–28. 348
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nahmen sind gemäß Art. 7 Abs. 3 des Abkommens Veröffentlichungen, Kunstgegenstände, wissenschaftliches und didaktisches Material, Arzneimittel und medizinische Geräte, die der Regierung San Marinos unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden, sowie außerdem Insignien, Medaillen, Briefmarken und Drucksachen und andere ähnliche Gegenstände oder Werte zur Verwendung durch die Regierung. Diese Waren sind zollfrei.353 Gemäß Artikel 8 Abs. 1 lit. a des Abkommens autorisierte San Marino die Gemeinschaft zunächst bis zum 1. Dezember 1997 in ihrem Namen und für Rechnung die für den Mikrostaat bestimmten Waren aus Drittländern abzufertigen und in den zollrechtlich freien Verkehr zu überführen. Dies erfolgt an den Zollstellen der Gemeinschaft.354 Nach dem 1. Dezember 1997 wurde überprüft, ob San Marino die Zollabfertigung selbst durchführen kann (Art. 8 Abs. 1 lit. b i. V. m. Art. 26). Letztendlich werden noch bis heute die für San Marino bestimmten Waren an Zollstellen der EU abgefertigt. Die Importabgaben, die für San Marino erhoben werden, werden an dessen Staatskasse abgeführt, wobei ein bestimmter Prozentsatz für die entstandenen Verwaltungskosten bei den Zollbehörden der EG bleibt, der durch den Kooperationsausschuss festgelegt wird (Art. 8 Abs. 3 lit. b). Dadurch wurde der bürokratische Aufwand erhöht, da jetzt spezielle Dokumente für den Warenverkehr mit San Marino notwendig sind.355 Im Beschluss 1/93 des Kooperationsausschusses vom 27. Juli 1993 wurde der Prozentsatz auf 10% festgelegt356 und wurde mit Beschluss Nr. 2000/597/EG des Rates ab dem 1. Januar 2001 auf 25% angehoben.357 Die Artikel 9 bis 13 des Abkommens enthalten Regelungen, die über die eigentliche Zollunion hinausgehen.358 So wird in Artikel 9 das Verbot sämtlicher mengenmäßiger Einfuhr- und Ausfuhrbeschränkungen sowie Maßnahmen gleicher Wirkung zur Schaffung des freien Warenverkehrs festgelegt. Der Art. 10 (entspricht Art. 34 AEUV) regelt Ausnahmen für Gold und Silber, Art. 11 (in Anlehnung an Art. 110 AEUV) befasst sich mit der Verpflichtung der Parteien zur Nichtdiskriminierung eingeführter Waren durch interne steuerrechtliche Maßnahmen, Art. 12 beschreibt die Ermächtigung der Vertragsparteien zu Schutzmaßnahmen in bestimmten Fällen und Art. 13 beschäftigt sich mit der Sicherstellung der Abkommensbestimmun353 Diese Vergünstigen stammen aus Art. 44 Abs. 2 Vertrag von 1939 und werden beibehalten und z. T. erweitert. Vgl. Stapper 1999, S. 54. 354 Vgl. ABl. L 256 vom 26.10.1995, S. 55 f.; ABl. L 21 vom 23.1.2001, S. 20. 355 Vgl. Sack 1997, S. 49. 356 ABl. L 208 vom 19.08.1993, S. 38 f., geändert durch ABl. L 184 vom 24.07.1996, S. 35 f.; ABl. L 184 vom 24.07.1996, S. 37 f.; ABl. L 68 vom 16.3.2000, S. 64. 357 Vgl. KOM (2009) 367 endgültig, S. 2. 358 Vgl. Stapper 1999, S. 55.
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gen und der Durchführung des Abkommens, wofür die zuständigen Behörden einander Amtshilfe leisten.359 Kooperation Die Gemeinschaft und die Republik San Marino begründen eine Kooperation mit dem Ziel, die zwischen ihnen bestehenden Beziehungen auf möglichst breiter Grundlage, zum Wohle beider Vertragsparteien und unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Kompetenzen zu festigen (Art. 14). Im Abkommen werden vier prioritäre Bereiche festgelegt (Art. 15–18), und zwar die Förderung der Erholung und Diversifizierung der Wirtschaft von San Marino im gewerblichen und im Dienstleistungssektor, wobei die Kooperationsmaßnahmen insbesondere auf die kleinen und mittleren Unternehmen ausgerichtet sind (Art. 15), der Umweltschutz (Art. 16), die Zusammenarbeit im Fremdenverkehrssektor, insbesondere die Förderung von Außensaisontourismus in San Marino (Art. 17) sowie die Zusammenarbeit in Kommunikation, Information und kulturellen Angelegenheiten (Art. 18). Laut Art. 19 des Abkommens können im gegenseitigen Einvernehmen weitere Bereiche hinzugefügt werden. Mit der Aufnahme dieser Regelungen wollte man den politischen Forderungen der sanmarinesischen Regierung entgegenkommen. Inhaltlich enthalten sie jedoch keine wesentlichen juristischen Verpflichtungen.360 Bestimmungen im sozialen Bereich Das Abkommen führt durch Artikel 20 das Prinzip der Nichtdiskriminierung auf Grund der Staatsangehörigkeit bezüglich Arbeits- und Entlohnungsbedingungen für beschäftigte Arbeitnehmer der Gemeinschaft und San Marinos ein. Ebenso wird die Gleichbehandlung im Bereich der sozialen Sicherheit für sanmarinesische Arbeiternehmer und ihre Familienangehörigen in der Gemeinschaft und vice versa (Art. 21 Abs. 1) geregelt. Arbeitnehmer aus San Marino können Versicherungszeiten aus verschiedenen Mitgliedstaaten zusammen rechnen, können Familienzulagen für innerhalb der Gemeinschaft wohnende Familienangehörige erhalten und haben die Möglichkeit, Rentenansprüche nach San Marino zu transferieren (Art. 21 Abs. 2–4). Die Republik San Marino gewährt den in ihrem Gebiet beschäftigten Arbeitnehmern, die Staatsangehörige der EG-Mitgliedstaaten sind, und deren Familienangehörigen die gleiche Behandlung (Art. 21 Abs. 5). Einzelheiten werden durch den Kooperationsausschuss festgelegt (Art. 22). 359 360
sh. ABl. L 42 vom 19.02.1993, S. 29–33. Vgl. Stapper 1999, S. 56.
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Augrund der Aufnahme dieser Bestimmungen in das Abkommen wurde die Unterzeichnung aller EG-Mitgliedstaaten notwendig, bevor das Abkommen in Kraft treten konnte. Der lange und schwere Weg der Genehmigung in allen Mitgliedstaaten wurde noch erschwert durch die Erweiterungen der EU, so dass zusätzliche Ratifikationen notwendig wurden. Letztendlich dauerte der Ratifikationsprozess ganze 11 Jahre, die längste Dauer für ein gemischtes Abkommen.361 Schlussbestimmungen In Artikel 23 Abs. 1 wird festgelegt, dass ein Kooperationsausschuss eingesetzt wird, der mit der Verwaltung dieses Abkommens beauftragt ist und über dessen ordnungsgemäße Durchführung wacht. Dazu spricht er Empfehlungen aus und fasst Beschlüsse. Er setzt sich aus Vertretern der Gemeinschaft und aus Vertretern der Republik San Marino zusammen (Art. 23 Abs. 4). Vertreter der Gemeinschaft sind im speziellen Vertreter der Kommission, denen durch Vertreter der Mitgliedstaaten assistiert wird.362 Streitigkeiten, die über die Auslegung dieses Abkommens zwischen den Vertragsparteien entstehen, werden an den Kooperationsausschuss verwiesen (Art. 24 Abs. 1). Falls es dem Kooperationsausschuss nicht gelingt, die Streitigkeit beizulegen, können zur Lösung Schlichter bestellt werden (Art. 24 Abs. 2). Die Existenz dieser Schlichtungsprozedur hat San Marinos Position gegenüber Italien bedeutend gestärkt. Demnach wird z. B. die EG für die Verletzung des Abkommens verantwortlich erklärt, wenn Italien nicht mindestens die genaue Menge an Zollabgaben zahlt, die im Namen und für San Marino eingenommen wurden. In diesem Fall könnte San Marino diese Schlichtungsprozedur nutzen. Das bedeutet auch, dass Italien eines seiner Druckmittel auf San Marino verloren hat, nämlich die Einbehaltung des Zollbeitrags, was es einmal im Casino-Streit nutzte.363 Das Abkommen wird auf unbegrenzte Zeit geschlossen (Art. 26). Jede Vertragspartei kann dieses Abkommen durch Mitteilung an die andere Vertragspartei kündigen. In diesem Fall tritt dieses Abkommen sechs Monate nach dem Zeitpunkt der Mitteilung außer Kraft (Art. 27). Der Artikel 28 des Abkommens legt fest, dass die Bestimmungen dieses Abkommens die Regelungen der zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und der Republik San Marino zuvor geschlossenen Abkommen erset361 362 363
Vgl. Maresceau 2008, S. 289. Vgl. Duursma 1996, S. 252; Stapper 1999, S. 57. sh. Punkt G. I. 2.; vgl. Duursma 1996, S. 252; Stapper 1999, S. 57.
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zen, die mit den Bestimmungen dieses Abkommens unvereinbar sind oder übereinstimmen. So werden die Artikel 44 bis 46 und 51 des Freundschaftsvertrages von 1939 mit Italien hinfällig.364 An das Abkommen wurden mehrere Erklärungen angehängt (vier der Gemeinschaft, eine der Mitgliedstaaten), eine davon verdient besondere Beachtung. Dies ist die Erklärung der Gemeinschaft zur Stellung von sanmarinesischen Exporten in Drittländer, in der es heißt: „Die Gemeinschaft ist bereit, im Namen und für Rechnung der Republik San Marino Verhandlungen zu führen, soweit dies durch den Umfang der Handelsströme gerechtfertigt ist, um seitens der Staaten, mit denen die Gemeinschaft Präferenzabkommen geschlossen hat, eine Anerkennung der Gleichstellung der Ursprungswaren San Marinos mit den Ursprungswaren der Gemeinschaft in geeigneter Weise zu erwirken.“ Zu diesen Staaten, mit denen die Gemeinschaft Präferenzabkommen geschlossen hat, gehören die EFTA- und EWRStaaten oder der Türkei.365 Diese Festlegung war einer der Wünsche, die San Marino im Memorandum vom April 1990 äußerte.366 Damit wollte man versuchen, den Zustand vor Abschluss des Abkommens herzustellen, da damals die Anerkennung als EG-Ursprung für Waren aus San Marino gegeben war. Die Bestimmungen der Erklärung implizieren jedoch nicht, dass die EG die Pflicht hat, diese Anerkennungen zu erstreben, noch hat sie ein exklusives Recht, dies zu tun. Falls die EG nicht im Namen San Marinos verhandelt, kann der Mikrostaat gern eine Zollregelung mit einem Drittstaat treffen, um dieselben Vorteile wie die EG-Mitgliedstaaten zu genießen. Dies wäre nicht gegensätzlich zu dem Abkommen solange die Regelung nicht vom Gemeinsamen Zolltarif, von der gemeinsamen Wettbewerbspolitik und von bestimmten Gemeinschaftsrecht bezüglich der Importe von Drittstaaten abweicht (Art. 7 Abs. 1).367 cc) Bewertung Die Bestimmungen zur Zollunion sind von beachtlicher Bedeutung. Es wird eine Zollunion für alle Produkte der Kapitel 1 bis 97 des harmonisierten Systems, somit auch für landwirtschaftliche Produkte, geschaffen. Durch das Abkommen zwischen der EG und San Marino wird der Einschluss in das EG-Zollgebiet aufgrund des Zollanschlusses an Italien ersetzt. Deshalb wurde San Marino aus dem EG-Zollkodex herausgenommen. 364 365 366 367
Vgl. Duursma 1996, S. 252. Umsetzung bspw. mit Mazedonien: ABl. L 56 vom 27.02.2002, S. 24. Vgl. Duursma 1996, S. 253; Stapper 1999, S. 54; Hummer 2004, S. 89. Vgl. Duursma 1996, S. 253.
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Allerdings unterscheidet sich das Zollregime, das nun in San Marino angewandt wird, nicht wesentlich von dem alten Regime.368 So ergeben sich praktisch aus den Regelungen zum Außenhandel keine wesentlichen Verbesserungen für San Marino. Die sanmarinesischen Waren gelten nun offiziell in Drittstaaten nicht mehr als Waren aus der Gemeinschaft. San Marino muss sogar die EG-Einfuhrregelungen gegenüber Drittstaaten beachten, ohne jedoch selbst an Gemeinschaftskontingenten beteiligt zu werden.369 In den wesentlichen Bereichen wurde den Wünschen San Marinos entsprochen, doch nicht alle Vorstellungen der Republik konnten erfüllt werden. So wurde die Zollabfertigung zunächst nicht den sanmarinesischen Behörden überlassen. Denn für die EG war es nicht akzeptabel, neue Grenzen zu schaffen, da sie gerade selbst versuchte, diese im Rahmen des Binnenmarktprojektes abzuschaffen. Inakzeptabel war auch das Ziel San Marinos, finanzielle Mittel aus EG-Fonds zu erhalten. Auch nicht in den Vertrag aufgenommen wurden die von der sanmarinesischen Regierung vorgeschlagenen Bereiche Verkehr, gegenseitige Anerkennung von Titeln und Diplomen sowie geistiges Eigentum (nur im Anhang des Abkommens).370 In der Praxis allerdings scheinen die Bestimmungen zu Kooperationen bisher nur geringen Effekt zu haben und noch keine einzige Entscheidung zur Implementierung wurde durch den Kooperationsausschuss in den Kooperationsbereichen getroffen.371 Bisher, auch da das Abkommen relativ gesehen noch nicht sehr lange in Kraft ist, sind Ergebnisse aus diesem Kooperationsabkommen zwischen San Marino und der EU eher gering.372 Obwohl San Marino nicht alle Kooperationswünsche durchsetzen konnte, bringt das Abkommen für den Mikrostaat Vorteile mit sich. Man hat nun mit der EU einen direkten Ansprechpartner in ökonomischen Fragen. Besonders wichtig ist außerdem, dass eine direkte vertragliche Beziehung mit der EU geschaffen wurde und dadurch kein Druckmittel seitens Italiens mehr besteht, die San Marino zustehenden Zollabgaben nicht zu überweisen.373 San Marino hat nun auch die Möglichkeit, Zollstreitigkeiten durch einen Schiedsprozess zu lösen, was in den ehemaligen Zollbeziehungen mit Italien nicht automatisch vorgesehen war.374 368
Vgl. Duursma 1996, S. 253. Vgl. Stapper 1999, S. 54; Sack 1997, S. 49. 370 Vgl. Stapper 1999, S. 57. 371 Vgl. Maresceau 2008, S. 290. 372 Vgl. Murray 2006, S. 200; Emerson 2007, S. 91. 373 sh. oben (Casinostreit 1949–1951), Punkt G. I. 2.; vgl. Gstöhl 2001, S. 116; Stapper 1999, S. 57. 374 Vgl. Duursma 1996, S. 253. 369
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Zusätzlich ist der Mikrostaat in einen Kooperationsrahmen mit den EUMitgliedstaaten getreten, der zuvor nicht existierte. Es ist beachtlich, dass die EG ihre Bereitschaft zur Absicherung nicht nur der separaten legalen Existenz San Marinos, sondern auch des wirtschaftlichen Überlebens der Republik langfristig zugesichert hat.375 Weiterhin hat der Mikrostaat durch den Abschluss des Abkommens seine rechtliche Abgrenzung von der EU als ein Drittstaat betont, gleichzeitig wird seine Souveränität bestätigt. Durch die Schaffung des Kooperationsausschusses hat San Marino eine dauerhafte Basis für eine aktive Verhandlungsposition in den Beziehungen zur EU gesichert.376 Die Gemeinschaft hat San Marino mit diesem Abkommen als gleichberechtigten Partner anerkannt. Dadurch wurde die Souveränität des Mikrostaates gestärkt.377 Dies war der dritte bedeutende außenpolitische Erfolg San Marinos nach dem Beitritt zur UNO und zum Europarat.378 Durch das Abkommen hat San Marino zwar seine Staatlichkeit gestärkt, jedoch den zuvor bestehenden EG-Ursprung seiner Waren eingebüßt.379 Es ist fraglich, ob der Abschluss des Vertrages zwischen der Gemeinschaft und San Marino tatsächlich einen Gewinn für den Mikrostaat darstellt. Doch das Land wünschte sich vor allem, „aus dem Schatten Mussolinis“ heraus zu treten (Vertrag von 1939), was es durch das neue Abkommen erreichte. Zukünftig muss man beobachten, ob es gelingt, den umfassenden Vertrag über die Zusammenarbeit praktisch auszugestalten, da er in vielen Bereichen nur von Absichtserklärungen spricht.380 c) Aide Memoire vom 17. Oktober 2002 Das Aide-Memoire vom 17.10.2002 ist ein allgemeines Dokument über die Beziehungen zwischen der EU und San Marino und wurde vom sanmarinesischen Staatssekretariat für Auswärtiges verfasst. Inhaltlich wird zunächst die Entwicklung der bisherigen Beziehungen zusammengefasst: Der Aufbau offizieller Beziehungen zwischen San Marino und der EG begannen im Februar 1983. Seit dem werden sie gestärkt und gefestigt, auch durch das Abkommen über eine Zusammenarbeit und eine Zollunion, das am 16. Dezember 1991 in Brüssel unterzeichnet wurde. Für 375 376 377 378 379 380
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Duursma 1996, S. 254. Duursma 1996, S. 253; Reinkenhof 1997, S. 32. Sack 1997, S. 49. Stapper 1999, S. 57. Gstöhl 2001, S. 115; Sack 1997, S. 49; Hummer 2004, S. 90. Sack 1997, S. 49.
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San Marino seien diese Beziehungen besonders wichtig, v. a. um die Gefahr abzuwenden, isoliert zu sein, und auch um die politischen, kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen typischen Merkmale für einen kleinen Staat zu erhalten. Die Implementierung des Abkommens über eine Zusammenarbeit und eine Zollunion von 1991, das erst im April 2002 in Kraft trat, ermögliche San Marino und seinen Wirtschaftsteilnehmern am europäischen Binnenmarkt teilzunehmen. Dennoch seien Schwierigkeiten der Unternehmen des Mikrostaates in Handelsbeziehungen mit EU-Mitgliedstaaten ungelöst. Das Abkommen müsse daher den neuen Umständen angepasst und vielleicht auch ausgeweitet werden (lt. Art. 19 des Abkommens), möglicherweise anlässlich der zehnjährigen Implementierung und der auftretenden Probleme. Man sei sich dessen bewusst, dass das Abkommen der kleinen Republik nur einen recht geringen Nutzen der Möglichkeiten bietet, im Vergleich dazu, was die EU ihren Mitgliedstaaten bietet. Ein weiteres wichtiges Ereignis sei die am 29. November 2000 abgeschlossene Währungsvereinbarung zwischen der Italienischen Republik (im Namen der EG) und Republik San Marino, welches dem Mikrostaat nun erlaube, den Euro als offizielle Währung zu nutzen und Euro-Münzen auszugeben. Die Beziehungen zwischen San Marino und der EG betreffen immer einen der grundsätzlichen Aspekte des politischen, sozialen und wirtschaftlichen Lebens der Republik und erfahren daher eine besondere Beachtung der Regierung San Marinos. Die sanmarinesische Regierung ist davon überzeugt, dass die Beziehungen weiter gestärkt und erweitert werden müssen, auch gerade wegen der permanenten Erweiterung der EU. Die Regierung San Marinos erachtet es als wichtig, alle Folgen einer möglichen Mitgliedschaft in der EU genau zu betrachten, für ein Land, das territorial und bevölkerungsmäßig ein Mikrostaat ist, der aber auch seine eigene Identität wahren will. Die Folgen daraus würden nicht nur San Marino betreffen, sondern auch die EU. Besonders mit dieser letztgenannten Aussage war San Marino der erste europäische Mikrostaat, der die Möglichkeit einer EU-Mitgliedschaft nicht ausschließt. Diese Ansicht hat erst vor kurzer Zeit an Fahrt gewonnen, als San Marino am 27. August 2007 die EU-Präsidentschaft informierte, dass es eine vertiefte Integration in die EU anstrebt mit Blick auf eine mögliche Bewerbung um EU-Mitgliedschaft. Diese Initiative ist noch keine formale Bewerbung um EU-Mitgliedschaft. Es bleibt abzuwarten, wie die EU und San Marino weiter handeln.381
381
Vgl. Maresceau 2008, S. 291.
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d) Das Abkommen im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen Nachdem das Europäische Parlament dem Abkommen zugestimmt hatte382 wurde das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik San Marino über Regelungen, die denen der Richtlinie 2003/48/EG des Rates im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen gleichwertig sind, am 7. Dezember 2004 in Brüssel unterzeichnet.383 San Marino ratifizierte das Abkommen am 6. April 2005. Es trat am 1. Juni 2005 in Kraft.384 So hat San Marino auch ein Abkommen über die Besteuerung von Zinserträgen abgeschlossen, ebenso wie Liechtenstein, Monaco, Andorra und die Schweiz. Die Formulierungen der Abkommen sind grundsätzlich identisch, speziell zur Einführung einer Quellensteuer auf die Zinserträge von EU-Bürgern, die freiwillige Offenlegung von Informationen als Alternative zu der Quellensteuer, eine Klausel zur regelmäßigen Überarbeitung des Abkommens und zum Informationsaustausch auf Anfrage im Fall von Betrug o. ä.385 Ziel des Abkommens ist die Festigung und Ausweitung der bestehenden engen Beziehungen zwischen den beiden Vertragsparteien durch die Festlegung von Maßnahmen über die Zinsbesteuerung natürlicher Personen, die wirtschaftliche Eigentümer der Zinserträge sind und ihren steuerlichen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft haben (Artikel 1 Abs. 1). Trotzdem sollte man daran erinnern, dass San Marino nie auf der schwarzen OECD-Liste für unkooperative Steuerparadiese stand und nur kurzzeitig auf der grauen Liste, im Gegensatz zu Andorra, Liechtenstein und Monaco. Zwar hat der Mikrostaat auch einige steuerrechtlichen Vorteile, doch ist er mit den anderen europäischen Mikrostaaten (Monaco, Liechtenstein, Andorra) in dieser Hinsicht nicht vergleichbar.386 Auch das Abkommen mit San Marino wird durch eine gemeinsame Absichtserklärung (Memorandum of Understanding) bezüglich der zukünftigen Kooperation zwischen San Marino und der EG vom 7. Dezember 2004 ergänzt. Diese Erklärung wurde zwischen der EG, den EG-Mitgliedstaaten und San Marino387 abgeschlossen. Bezüglich des Wunsches San Marinos, stärker in das europäische wirtschaftliche Umfeld integriert zu werden, und 382
ABl. E 208 vom 25.08.2005, S. 37. ABl. L 381 vom 28.12.2004, S. 33–51; vgl. Republic of San Marino/Secretariat of State for Foreign and Political Affairs 2009d. 384 ABl. C 119 vom 20.05.2005, S. 1; vgl. Republic of San Marino/Secretariat of State for Foreign and Political Affairs 2009d. 385 Details sh. Andorra Punkt D. II. 2. d); vgl. Murray 2006, S. 199 ff. 386 sh. Punkt G. I. 4. 387 ABl. L 381 vom 28.12.2004, S. 45. 383
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vollständig am europäischen Banken- und Finanzsystem teilzunehmen, sei es angebracht und wünschenswert, dass San Marino und die EG so bald wie möglich in Beratungen dafür treten. Ziel der Beratungen sei die gegenseitige Anerkennung der jeweiligen Maßnahmen und Finanzdienstleistungssysteme, einschließlich Versicherungen. Dafür müsse San Marino den Acquis Communautaire in diesem Bereich übernehmen (Punkt 3). Außerdem wird daran erinnert, dass im Rahmen der Vertiefung der Beziehungen der Abschluss von Finanzabkommen mit den Mitgliedstaaten die weitere Wirtschafts- und Steuerkooperation stärken würde (Punkt 4), z. B. um Doppelbesteuerung zu verhindern. Weiterhin sollten die EG und San Marino Beratungen hinsichtlich der Vereinfachung der Prozeduren des Kooperations- und Zollunion-Abkommens beginnen. Ebenso sollten die bestehenden Möglichkeiten für Staatsangehörige und Unternehmen aus San Marino besser genutzt werden, um an Forschungs- und Entwicklungsprogrammen sowie -aktivitäten der Gemeinschaft teilzunehmen. Im Jahr 2009 hat die Europäische Kommission vorgeschlagen, die Zinsbesteuerungsrichtlinie neu zu verhandeln, um bestehende Schlupflöcher zu schließen, was folglich zu einer Neuverhandlung der Abkommen mit den Mikrostaaten in diesem Bereich führen würde.388 e) Weitere Zusammenarbeit und neueste Entwicklungen Der Mikrostaat unterhält eine Vertretung bei der EG in Brüssel und zwar schon seit 1983.389 Damit ist San Marino einer der Mikrostaaten mit den zeitlich längsten diplomatischen Beziehungen nach Brüssel (nach dem Vatikan).390 Am 17. Dezember 2008 ermächtigte der Rat die Kommission, Verhandlungen mit dem Fürstentum Andorra und der Republik San Marino zu eröffnen, mit dem Ziel der Erweiterung des Umfangs des Abkommens in Form eines Briefwechsels mit dem Fürstentum Andorra und dem Zollunions- und Kooperationsabkommens mit der Republik San Marino um Zollsicherheitsmaßnahmen einzubeziehen.391 Im Bereich Steuern und Zollunion wurde am 30. Juni 2009 eine Empfehlung der Kommission an den Rat abgegeben, die Kommission zu autorisie388
Vgl. Reiterer 2009, S. 2. Vgl. Sack 1997, S. 49; Maresceau 2008, S. 288; Republic of San Marino/ Secretariat of State for Foreign and Political Affairs 2008e; Marxer/Pállinger 2009, S. 945. 390 Vgl. Maresceau 2008, S. 288. 391 Rats-Dok. 17415/08. 389
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ren, Verhandlungen über ein Betrugsbekämpfungsabkommen zwischen der EG und ihren Mitgliedstaaten einerseits sowie dem Fürstentum Andorra, dem Fürstentum Monaco und San Marino andererseits zu eröffnen. Das Abkommen soll dazu dienen, Betrug und andere illegale Handlungen zu bekämpfen und administrative Zusammenarbeit durch Informationsaustausch in Steuerfragen zu sichern.392 Daraufhin debattierte der Rat am 20. Oktober und 26. November 2009 über einen Entwurf für eine Entscheidung des Rates.393 Weiterhin wird, wie oben dargestellt, die Neuverhandlung der Währungsvereinbarung sowie des Abkommens im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen baldmöglichst angestrebt. 3. Europäischer Integrationswille San Marinos und Zukunftsausblick Die Beziehungen zur EU sind für San Marino von außerordentlich großer Bedeutung.394 Seine Annäherung mit der EU hat seine Verhandlungsposition gegenüber Italien gestärkt und hat erleichtert, seine Unabhängigkeit juristisch stärker zu verteidigen.395 Generell sind die Beziehungen unproblematisch, doch ergeben sich immer wieder Differenzen bezüglich Steuerfragen u. ä.396 San Marino äußert sich in dem Aide-Memoire vom 17. Oktober 2002 über die Beziehungen zwischen der EU und San Marino, dass diese eine besondere Achtung durch die Regierung San Marinos erfahren. Die sanmarinesische Regierung ist davon überzeugt, dass die Beziehungen weiter gestärkt und erweitert werden müssen. Der Regierung San Marinos ist es wichtig, alle Folgen einer möglichen EU-Mitgliedschaft genau zu betrachten. Damit ist San Marino der erste europäische Mikrostaat, der die Möglichkeit einer EU-Mitgliedschaft nicht ausschließt. Schließlich äußerte die sanmarinesische Regierung im Jahr 2007 Interesse an einem EU-Beitritt. Der Außenminister von San Marino, Fiorenzo Stolfi, teilte dem portugiesischen Außenminister Luís Amado (damalige Präsidentschaft des Rates) in einem Brief vom 27. August 2007 mit, dass San Marino eine vertiefte Integration in die EU anstrebt und die Möglichkeit eines Antrags auf EU-Mitgliedschaft diskutieren wird. Stolfi spricht davon, dass 392 393 394 395 396
Kom.-Dok. SEC (2009) 899/F. Rats-Dok. 14325/09, 16308/09. Auskunft einer sanmarinesischen Quelle 2009. Vgl. Duursma 1996, S. 260. Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 945.
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G. Die Republik San Marino und seine Integration in die EU
San Marino einen neuen Status gegenüber der EU erreichen möchte.397 Diese Initiative ist noch keine formale Bewerbung um EU-Mitgliedschaft. Es bleibt abzuwarten, wie die EU und San Marino weiter handeln.398 Sowohl die Europäische Kommission als auch der Rat antworteten dem sanmarinesischen Außenminister, dass sie das Interesse San Marinos, seine Beziehungen zur EU zu stärken, begrüßen würden. Derzeit gibt es keine weiteren aktuellen Verhandlungen, auch, da es im November 2008 Neuwahlen gab und eine neue Regierung ernannt wurde.399 An einen Antrag als Vollmitglied wird daher im Moment nicht gedacht.400 Die neue Regierung legt in ihrem Regierungsprogramm vom 9. November 2008401 hinsichtlich der Außenpolitik dar, dass die auswärtige Politik und die Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit größte Priorität haben. Aufgrund der geopolitischen Bedingungen sowie den historischen und kulturellen Verbindungen sei es wichtig, die Zusammenarbeit und das gegenseitige Vertrauen mit Italien zu stärken und die Beziehungen mit der EU zu vertiefen. Das Abkommen zwischen San Marino und die Europäische Union, dass im Jahr 1991 unterzeichnet wurde, solle einer sorgfältigen Prüfung unterzogen und aktualisiert werden, um mögliche Hindernisse für die Entwicklung des Landes zu beseitigen. Die Perspektiven und Chancen, die aus einer neuen Beziehung zur Europäischen Union entstehen, müssten durch einen direkten Dialog mit den EU-Institutionen bewertet werden, den die Regierung sofort mit der Hilfe von Vertretern der politischen Kräfte sowie der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Organisationen beginnen müsste. Außerdem werde San Marino die Einrichtung eines ständigen Büros der kleinen Staaten von Europa in der Republik unterstützen, um Probleme von gemeinsamem Interesse zu behandeln, insbesondere die Beziehungen mit der Europäischen Union. San Marinos Wunsch ist es, dass die existierenden Beziehungen tiefer und besser ausgebaut werden und der Mikrostaat somit stärker in die EU 397 Auszug aus dem Brief vom 27.08.2007: „I wish to inform the Council of the European Union that San Marino Government has expressed its willingness to achieve increasing integration within the European Union and to further discuss the possibility of submitting its candidature for membership to the European Union. [. . .] I thank you in advance, Dear Minister, for the attention you will pay to the process that my Government intends to start in order to achieve a new status of San Marino vis-à-vis the European Union.“ Emerson 2007, S. 91; vgl. Wirtschaftskammer Österreich 2007; Maresceau 2008, S. 291. 398 Vgl. Maresceau 2008, S. 291. 399 Auskunft einer sanmarinesischen Quelle 2009. 400 Auskunft einer sanmarinesischen Quelle 2009. 401 Vgl. Repubblica di San Marino/Segretaria di Stato per gli Affari Interni 2008.
II. Die Integration San Marinos in die Europäische Union
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integriert wird, vor allem im Bereich des Binnenmarktes. Dabei sieht man in der Kleinheit des Landes kein Hindernis für eine Mitgliedschaft in der EU und man sieht eine EU-Mitgliedschaft San Marinos als realistisch an. Auf dem Weg dahin solle man jeden Vorschlag genau betrachten und bewerten. San Marino spricht sich dagegen aus, dass sich die EU zukünftig aus Mitgliedern erster und zweiter Klasse zusammensetzen werde, doch einige mögliche Anpassungen der Mitgliedschaft für Mikrostaaten könnten auch positiv sein.402 Zuletzt äußerte die Außenministerin San Marinos bei ihrem Besuch im Juli 2009 in Brüssel, dass man die Möglichkeit in Betracht zieht, Mitglied im EWR zu werden. Dies wurde von der EU begrüßt.403 Allerdings ist anzumerken, ähnlich wie bei den anderen europäischen Mikrostaaten, dass eine Annäherung von San Marino an die EU und die Intensivierung der Zusammenarbeit mit deren Mitgliedstaaten von dem großen Nachbarstaat Italien abhängt. Nach Auskunft einer sanmarinesischen Quelle leide der Mikrostaat derzeit unter einer seit längerem geführten Kampagne des italienischen Wirtschaftsministers gegen San Marino. Auch nachdem San Marino die Vorgaben der OECD erfüllt hat und wieder in die Weiße Liste aufgenommen wurde, hielte die aggressive Haltung Italiens gegen San Marino an. Diese Vorgänge zeigen, dass die zukünftigen Entwicklungen nicht allein vom Interesse und guten Willen eines Mikrostaates abhängen, sondern auch die EU bzw. ihre Mitgliedstaaten gewisse Mindestvoraussetzungen schaffen müssen.404 4. Zusammenfassung San Marino ist gegenüber der EU ein Drittstaat. Die EU-Rechtssetzung ist gemäß Art. 355 Abs. 3 AEUV nicht grundsätzlich in dem Mikrostaat anwendbar. San Marino ist nicht Mitglied im EWR und kein EU-Beitrittskandidat. Der Mikrostaat unterhält seit 1983 eine Vertretung bei der EU in Brüssel und ist damit einer der europäischen Mikrostaaten mit den zeitlich längsten diplomatischen Beziehungen nach Brüssel. Im Gegensatz zu Monaco vertrat sich San Marino in seinen Beziehungen zur Union von Anfang an selbständig. Die europäische Integration des Mikrostaates erfolgt sowohl auf indirektem als auch auf direktem Weg. Indirekte Beziehungen hatte San Marino 402
Auskunft einer sanmarinesischen Quelle 2009. Vgl. Republic of San Marino/Secretariat of State for Foreign and Political Affairs 2009e. 404 Auskunft einer sanmarinesischen Quelle 2009. 403
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G. Die Republik San Marino und seine Integration in die EU
im Bereich Handel und Zoll zu seinem Nachbarstaat Italien aufgebaut, bevor es das Abkommen mit der EWG 1992 abschloss. So war San Marino durch ein Abkommen mit Italien von 1862 seit der Gründung des Zollgebietes der Gemeinschaft darin integriert. Weiterhin bestand seit 1862 neben der Zollunion auch eine Wirtschafts- und Währungsunion mit Italien, so dass San Marino seit dem die italienische Lira als Währung nutzte. Aufgrund dessen wurde mit der Einführung des Euro am 29. November 2000 ein Währungsabkommen mit Italien, das im Nahmen der EG handelte, abgeschlossen und San Marino kann nun den Euro als offizielle Währung nutzen. Es ist geplant, diese Währungsvereinbarung zu aktualisieren. Außerdem ist festzuhalten, dass San Marino kein Unterzeichnerstaat des Schengen-Abkommens ist, es aber de-facto daran teilnimmt, da die Grenzen zwischen dem Mikrostaat und Italien offen sind. Ebenso müssen alle Einreisenden zwangsläufig über EU-Gebiet einreisen, so dass sie immer die Schengen-Bedingungen erfüllt haben müssen. Die direkten vertraglichen Beziehungen zwischen San Marino und der EU basieren auf dem Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und San Marino über eine Zollunion und Kooperation, das im Dezember 1991 abgeschlossen wurde. Das Abkommen trat erst am 1. April 2002 in Kraft, bis dahin galt ein Interimsabkommen. Durch dieses Abkommen wird eine Zollunion zwischen San Marino und der EWG für Produkte der Kapitel 1 bis 97 des gemeinsamen Zolltarifs geschaffen, einschließlich landwirtschaftlicher Produkte. Des Weiteren enthält das Abkommen Bestimmungen im sozialen Bereich sowie über mögliche Kooperationen. Ein Kooperationsausschuss zur Überwachung des Abkommens wird eingesetzt. Aufgrund dieses Abkommens ist San Marino aus dem Zollkodex der Gemeinschaft gestrichen worden. Auch dieses Abkommen soll zur Einbeziehung von Zollsicherheitsmaßnahmen aktualisiert werden. Im Jahr 2005 trat ein Abkommen über die Besteuerung von Zinserträgen in Kraft, das in naher Zukunft neu verhandelt werden soll. Ebenso ist im Gespräch, Verhandlungen über ein Betrugsbekämpfungsabkommen aufzunehmen. Als europäischer Staat hat San Marino grundsätzlich die Möglichkeit, der EU als Vollmitglied beizutreten. In dem „Aide Memoire“ vom 17. Oktober 2002 vom Außenminister der sanmarinesischen Regierung schließt dieser als erster europäische Mikrostaat die Möglichkeit einer EU-Mitgliedschaft nicht aus. Weiterhin äußerte die sanmarinesische Regierung im Jahr 2007 Interesse an einer vertieften Integration in die EU und teilt mit, dass es die Möglichkeit eines Antrags auf EU-Mitgliedschaft diskutieren wird. San Marino möchte einen neuen Status gegenüber der EU erreichen. Diese Initiative ist noch keine formale Bewerbung um EU-Mitgliedschaft, so dass es
II. Die Integration San Marinos in die Europäische Union
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abzuwarten bleibt, wie die EU und San Marino weiter handeln. Zuletzt äußerte die Außenministerin San Marinos bei ihrem Besuch im Juli 2009 in Brüssel, dass man die Möglichkeit in Betracht zieht, Mitglied im EWR zu werden, was allerdings – ähnlich wie im Fall Andorras – aufgrund des hohen administrativen Aufwands eher unwahrscheinlich ist. An einen Antrag auf Vollmitgliedschaft in nächster Zukunft wird momentan nicht gedacht. Die zukünftigen Entwicklungen sind immer auch von dem Nachbarstaat Italien abhängig.
H. Der Staat Vatikanstadt und seine Integration in die EU I. Charakteristika des Staates Vatikanstadt 1. Staatsgebiet und Bevölkerung
Quelle: CIA World Factbook 2010 [www.cia.gov].
Abbildung 8: Karte Vatikanstadt
Der Staat Vatikanstadt (Stato della Città del Vaticano) stellt grundsätzlich eine internationale Besonderheit dar. Der Vatikan ist Sitz des Papstes und Zentrum der katholischen Christenheit, bezeichnet im alltäglichen Sprachgebrauch den Regierungssitz des Papstes und der obersten kirchlichen Behörden, die vatikanischen Hügel in Rom, die römische Kurie, den Heiligen Stuhl, der im Namen des Papstes und der Kirche handelt, das Bistum Rom sowie den 1929 gegründeten Staat Vatikanstadt.1 Aufgrund seiner Besonderheiten ist er grundsätzlich und auch in seinen Beziehungen zur Europäi1 Vgl. Gatz 1998, S. 11, 91; Murray 2006, S. 202; Marxer/Pállinger 2009, S. 945.
I. Charakteristika des Staates Vatikanstadt
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schen Union nur bedingt mit den anderen europäischen Mikrostaaten vergleichbar und wird deshalb in dieser Arbeit weniger ausführlich vorgestellt. Das Staatsgebiet des Vatikans liegt in der Mitte von Rom umschlossen von italienischem Staatsgebiet und bedeckt nur 0,44 km2.2 Er ist damit die kleinste territoriale Entität der Welt, die Staatlichkeit für sich beansprucht, er ist unabhängig und souverän.3 Eine regionale Gliederung in dem Sinne existiert im Vatikan nicht, doch es gibt verschiedene Residenzen und Besitztümer, auch außerhalb des Vatikans, die man zu dem Mikrostaat zählt. So gehören zum Vatikan der Petersdom, das Gebiet um den Petersdom und der Petersplatz, der Apostolische Palast, die vatikanischen Paläste und Gärten im Vatikan; sowie weitere exterritoriale Gebiete und Grundstücke und einige Kirchen und Paläste in Rom sowie die Sommerresidenz Castel Gandolfo.4 Die Angaben über die Einwohnerzahl des Vatikans schwanken. Gemäß dem Presseamt des Vatikans leben in dem Mikrostaat 557 Personen mit vatikanischer Staatsbürgerschaft und weitere 293, die autorisiert sind, ohne vatikanische Staatsbürgerschaft in dem Mikrostaat zu residieren (Stand Ende 2005).5 Das Generalsekretariat des Governatorato beziffert die Zahl der Einwohner im Vatikan mit etwa 750 Personen, wovon ca. 450 die vatikanische Staatsbürgerschaft innehaben (Stand 2007). Ungefähr die Hälfte der Vatikanstaatsbürger wohnt nicht im Vatikan, sondern in anderen Ländern. Dies betrifft vor allem Personen im diplomatischen Dienst.6 Die vatikanische Staatsangehörigkeit, die nur auf Zeit verliehen wird, ist an das Amt und den ständigen Aufenthalt in Vatikanstadt gebunden, mit dem Amt verliert man auch die Staatsangehörigkeit.7 Die vatikanische Staatsbürgerschaft wird nur zusätzlich zu einer schon bestehenden Staatsbürgerschaft verliehen und ist auf spezielle Personengruppen eingeschränkt.8 Die Bevölkerung des katholischen Kirchenstaates besteht zum größten Teil aus kirchlichen Würdenträgern, langjährigen Angestellten, einigen Ordensschwestern, vatikanischen Diplomaten sowie der Schweizer Garde.9 2
Vgl. Wall 1956, S. 112; McDowell 1991, S. 16; Stapper 1999, S. 88; Waschkuhn 2003, S. 774; Sack 1997, S. 49; Hummer 2004, S. 93; Gatz 1998, S. 96; Murray 2006, S. 202; Glassner 2004, S. 122. 3 Vgl. Stapper 1999, S. 88; Sack 1997, S. 49; Hummer 2004, S. 93; Gatz 1998, S. 96; Duursma 1996, S. 374; Murray 2006, S. 202. 4 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 774; Gatz 1998, S. 96; Marxer/Pállinger 2009, S. 946. 5 Vgl. Holy See Press Office 2005. 6 Vgl. Staat Vatikanstadt 2010a. 7 Vgl. Wall 1956, S. 116; Marxer/Pállinger 2009, S. 945. 8 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 945.
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H. Der Staat Vatikanstadt und seine Integration in die EU
2. Geschichte Ungefähr 50 n. Chr. entsteht eine christliche Gemeinde in Rom, die in den nächsten Jahrhunderten weiter anwächst.10 Im 6. Jahrhundert reorganisierte Papst Gregor I. (590–604) die kircheneigenen Territorien in Italien und schuf damit die Grundlage für einen unabhängigen Kirchenstaat (kirchlicher Grundbesitz).11 So gelang es den Päpsten seit dem frühen Mittelalter einen Kirchenstaat aufzubauen, der ihnen relativ große Unabhängigkeit sicherte.12 Im 15. Jahrhundert erreichte das Territorium des Kirchenstaates seine maximale Größe, nahm ab dem 16. Jahrhundert jedoch wieder ab.13 Im Jahr 1506 begann der Bau der neuen Basilika nach einer Idee von Julius II., geplant durch Papst Nikolaus V.14 Erst im Jahr 1626 konnte Papst Urban VIII. den neuen Petersdom einweihen, fertig gestellt wurde er erst 1650.15 Ab Mitte des 19. Jahrhunderts, während der revolutionären Ereignisse in Europa, lies sich der Niedergang des Kirchenstaates nicht mehr aufhalten.16 Als französische Truppen 1870 aus dem Kirchenstaat abgezogen wurden, wurde der Kirchenstaat sofort von Italien eingenommen, Rom wurde zur Hauptstadt erklärt und der Papst entmachtet.17 Damit wurde die über tausendjährige weltliche Herrschaft des Papstes beendet.18 Das vom italienischen Staat erlassene Garantiegesetz vom 13. Mai 1871 bestimmte, dass der Papst den Vatikan, die Lateranpaläste und die Villa Castel Gandolfo frei nutzen konnte. Außerdem überließ man dem Papst die Kommunikationsfreiheit, das Recht, diplomatische Gesandte zu empfangen und sicherte ihm die volle und freie Ausübung seiner geistlichen Herrschaft zu.19 Doch der Papst fühlte sich im Vatikan wie ein Gefangener und lehnte 9
Vgl. Hummer 2004, S. 93; Wall 1956, S. 116; Waschkuhn 2003, S. 774; Marxer/Pállinger 2009, S. 946. 10 Vgl. Gatz 1998, S. 21. 11 Vgl. McDowell 1991, S. 32; Gatz 1998, S. 21. 12 Vgl. Gatz 1998, S. 13; genauer dazu in: Noble 1991. 13 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 946. 14 Vgl. McDowell 1991, S. 35; Walpen 2005, S. 24, 51; Marxer/Pállinger 2009, S. 946. 15 Vgl. Walpen 2005, S. 52; Marxer/Pállinger 2009, S. 946. 16 Vgl. Walpen 2005, S. 81. 17 Vgl. Duursma 1996, S. 375; Wall 1956, S. 117; McDowell 1991, S. 40; Stapper 1999, S. 88; Gatz 1998, S. 33; Aretin 1970, S. 91 f.; Glassner 2004, S. 122; Marxer/Pállinger 2009, S. 946. 18 Vgl. Walpen 2005, S. 81; Marxer/Pállinger 2009, S. 946. 19 Vgl. Duursma 1996, S. 376; Stapper 1999, S. 88; Walpen 2005, S. 81.
I. Charakteristika des Staates Vatikanstadt
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das italienische Garantiegesetz als Lösung dafür ab, was als römische Frage, also dem Konflikt zwischen Papsttum und italienischem Staat, bekannt wurde.20 Während des Ersten Weltkrieges suchte man nun nach Lösungen der Römischen Frage.21 Schließlich wurden am 11. Februar 1929 im Lateranpalast zwischen Italien durch den Diktator Mussolini und dem Heiligen Stuhl durch den Kardinalstaatssekretär Gasparri für Papst Pius XI. die Lateranverträge22 abgeschlossen. Die Lateranverträge bilden die Grundlage des heutigen Vatikanstaates. Durch sie fand man eine Lösung der Römischen Frage.23 Während des Zweiten Weltkriegs erklärte der Heilige Stuhl die Vatikanstadt zu neutralem Gebiet.24 Schon Art. 24 der Lateranverträge legt fest, dass der Heilige Stuhl neutral ist.25 3. Das verfassungsrechtliche System a) Verfassungsentwicklung und grundlegende Bestimmungen Die Lateranverträge von 1929 bilden die Grundlage des Staates Vatikanstadt. Ziel der Lateranverträge ist es, dem Heiligen Stuhl absolute Unabhängigkeit in der Ausführung seiner hohen Mission in der Welt zu garantieren (Präambel). Die Verträge bestehen aus drei Teilen: dem Staatsvertrag, der die Vatikanstadt als unabhängigen Staat gründet und die Souveränität des Papstes sichert, dem Finanzvertrag, der den Heiligen Stuhl für den Verlust der päpstlichen Ländereien entschädigt, und dem Konkordat, dass sich mit den kirchlichen Beziehungen der römisch katholischen Kirche zum italienischen Staat beschäftigt.26 Der Staatsvertrag ähnelt einer Verfassung. Er garantiert die volle Souveränität des Heiligen Stuhls auf internationaler Ebene mit der Vatikanstadt als neuem Hoheitsgebiet und dem Papst als Staatsoberhaupt.27 Dem Vatikan wird eine unabhängige und sichtbare territoriale Grundlage gesichert.28 20
Vgl. Duursma 1996, S. 376; Gatz 1998, S. 33; Marxer/Pállinger 2009, S. 946; genauer dazu in: Aretin 1970, S. 126 ff. 21 Vgl. Duursma 1996, S. 376; Aretin 1970, S. 136. 22 AAS Suppl.: 1929, Nr. 1. 23 Vgl. Duursma 1996, S. 376, 389; Wall 1956, S. 120; McDowell 1991, S. 16, 40; Walpen 2005, S. 82; Hummer 2004, S. 93; Gatz 1998, S. 33; Waschkuhn 2003, S. 775; Murray 2006, S. 202; Aretin 1970, S. 183, 190 ff.; Marxer/Pállinger 2009, S. 946. 24 Vgl. Duursma 1996, S. 376. 25 Vgl. Stapper 1999, S. 88; Waschkuhn 2003, S. 774. 26 Vgl. Maltese 2009, S. 11.
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H. Der Staat Vatikanstadt und seine Integration in die EU
Der Staat Vatikanstadt wurde durch die Lateranverträge als eigenständiges Völkerrechtssubjekt gegründet und tritt seit dem neben dem Heiligen Stuhl als Völkerrechtssubjekt auf.29 Der Staat Vatikanstadt ist unlöslich mit dem Heiligen Stuhl verbunden und diesem untergeordnet. Im internationalen Rechtsverkehr tritt daher primär der Heilige Stuhl, die oberste Instanz der katholischen Weltkirche, auf.30 Der Papst ist somit in Personalunion Souverän des Staates Vatikanstadt und hat den Heiligen Stuhl inne. Er repräsentiert damit zwei unterschiedliche Völkerrechtssubjekte.31 Damit ist das Schicksal des Staates Vatikanstadt abhängig von der Existenz des Heiligen Stuhls.32 Der Heilige Stuhl erkennt den Staat Italien, mit Rom als Hauptstadt an. Im Gegenzug erkennt Italien den Staat Vatikanstadt unter der Souveränität des Papstes an. Der Finanzvertrag legt eine einmalige Entschädigung an den Heiligen Stuhl für den Verlust des Kirchenstaates fest.33 Der Staatsvertrag und das Konkordat regeln die Rechtsstellung der katholischen Kirche in Italien.34 Die Lateranverträge wurden durch das Abkommen von 1985 erweitert.35 Am 22. Februar 2001 wurde die nach den Lateranverträgen erlassene Verfassung durch ein neues Grundgesetz für den Staat der Vatikanstadt (GG) ersetzt.36 Es räumt dem Papst als Souverän der Vatikanstadt weiterhin die oberste legislative, exekutive und judikative Gewalt ein (Art. 1 GG). Der Vatikan ist nach dem Verfassungsprinzip eine absolute Wahlmonarchie.37 Der Vatikan besitzt kein typisches nationalstaatliches Verfassungssystem, vielmehr besteht das Wesen des Staates darin, sich dem Papst und seinem Auftrag als Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche zu widmen und unterzuordnen. Dies ist einzigartig und damit nicht vergleichbar mit anderen Nationalstaaten.38 27 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 775; Aretin 1970, S. 191; Marxer/Pállinger 2009, S. 946; Maltese 2009, S. 12. 28 Vgl. Stapper 1999, S. 88; Marxer/Pállinger 2009, S. 946. 29 Vgl. Ipsen 2004, S. 101 f.; Kimminich 1997, S. 186. 30 Vgl. Stapper 1999, S. 88; Ipsen 2004, S. 101 f. 31 Vgl. Hummer 2004, S. 93. 32 Vgl. Duursma 1996, S. 376; Stapper 1999, S. 88. 33 Vgl. Aretin 1970, S. 191; Maltese 2009, S. 12. 34 Vgl. Aretin 1970, S. 191. 35 sh. Punkt H. I. 6. c). 36 Legge fondamentale dello Stato della Città del Vaticano, 26 novembre 2000; vgl. Walpen 2005, S. 82; Marxer/Pállinger 2009, S. 946. 37 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 947; Wall 1956, S. 121; Gatz 1998, S. 97. 38 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 774.
I. Charakteristika des Staates Vatikanstadt
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b) Das Staatsoberhaupt: der Papst Die Lateranverträge beinhalten sieben Verfassungsgesetze, die die weltliche Souveränität des Papstes in Vatikanstadt regeln.39 Das erste Verfassungsgesetz, dass auch als Grundgesetz (GG) bezeichnet werden kann, wurde durch ein neues Grundgesetz ersetzt, das am 22. Februar 2001 in Kraft trat. Es wird festgehalten, dass der Papst Staatsoberhaupt der Vatikanstadt ist und damit die volle legislative, exekutive und judikative Gewalt inne hat (Art. 1 Abs. 1 GG).40 Demnach existiert im Vatikan keine Gewaltenteilung, was zu einem deutlichen Mangel an Volkssouveränität führt.41 Der Papst wird bei der Ausübung der Gewalten von verschiedenen Gremien und Institutionen unterstützt.42 Zugleich ist der Papst Vorsitzender des Heiligen Stuhls, Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche und römischer Bischof.43 Der Papst wird gemäß kanonischem Recht vom Kardinalskollegium ernannt, das ein Konklave hält (gemäß apostolischer Konstitution von Pius XII.).44 Das Kardinalskollegium übt während der Sedisvakanz die legislative, exekutive und judikative Gewalt aus (Art. 1 Abs. 2 GG).45 Der Papst wird von den Kardinälen gewählt, die das achtzigste Lebensjahr noch nicht überschritten haben. Die Kardinäle werden vom Papst ernannt, wobei die Anzahl der wahlberechtigten Kardinäle im Kardinalskollegium 120 nicht überschreiten sollte. Durch die Ernennung der Kardinäle kann der amtierende Papst zwar nicht seinen Nachfolger bestimmen, doch kann er die Zusammensetzung des Wahlgremiums beeinflussen. Der neu gewählte Papst wird in dem Augenblick auch zum Staatsoberhaupt, in dem er das Amt annimmt.46 Mit seiner Wahl zum Oberhaupt der katholischen Kirche durch das Konklave wird der Papst automatisch auch Souverän der Vatikanstadt.47 Die Amtszeit des Papstes endet mit seinem Tod, die Wahl gilt auf Lebenszeit. Trotzdem ist im Kirchenrecht ausdrücklich die Möglichkeit 39
Vgl. Duursma 1996, S. 376. Vgl. Staat Vatikanstadt 2010b; Waschkuhn 2003, S. 774; Murray 2006, S. 202; Marxer/Pállinger 2009, S. 947 f. 41 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 774. 42 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 947. 43 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 774; McDowell 1991, S. 30; Marxer/Pállinger 2009, S. 947 f. 44 Vgl. Duursma 1996, S. 377; Wall 1956, S. 75 ff.; Marxer/Pállinger 2009, S. 947. 45 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 947; Staat Vatikanstadt 2010b; Duursma 1996, S. 377; Walpen 2005, S. 7. 46 Vgl. Staat Vatikanstadt 2010b; Marxer/Pállinger 2009, S. 948 ff. 47 Vgl. Waschkuhn 2003, S. 775; Marxer/Pállinger 2009, S. 948. 40
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H. Der Staat Vatikanstadt und seine Integration in die EU
eines Rücktritts vorgesehen (Can. 332 § 2).48 Es gibt keine allgemeinen Wahlen.49 Die Funktionsweise des politischen Systems des Staates Vatikanstadt auf der Basis des Grundgesetzes ist eng mit weiteren Rechtsnormen verknüpft, die sich auf den Heiligen Stuhl beziehen. Der Heilige Stuhl ist die Leitungsinstitution der römisch-katholischen Kirche in der Person des Papstes allein oder gemeinsam mit Institutionen der Kirche. Diese kirchlichen Leitungs- und Verwaltungsorgane und -institutionen bezeichnet man als Römische Kurie.50 Durch die Verwebung von Staats- und Kirchenrecht kommt es dazu, dass auch die Kompetenzen des Heiligen Stuhles und die des Staates Vatikanstadt nicht immer scharf getrennt werden können.51 Der derzeitige Papst Benedikt XVI. wurde am 19. April 2005 gewählt (J. A. Ratzinger).52 c) Die legislative Gewalt Die Gesetze werden sowohl vom Papst selbst oder von der Päpstlichen Kommission in seinem Namen für den Staat der Vatikanstadt erlassen, welche diese auch publiziert.53 Die Päpstliche Kommission wurde 1939 gegründet und setzt sich derzeit aus einem Kardinalspräsidenten (S. Em. Kard. Giovanni Lajolo)54 und sechs weiteren Kardinälen zusammen, die für fünf Jahre vom Papst ernannt werden (Art. 3 Abs. 1 GG). Hauptsächlich befasst sich die Kommission mit Fragen der Haushalts- und Finanzpolitik (Art. 11, 12 GG).55 Veröffentlicht werden die Bestimmungen der Päpstlichen Kommission in einer besonderen Beilage zu den „Acta Apostolicae Sedis“ (AAS), dem Amtsblatt des Heiligen Stuhles.56 In der Glaubenslehre wird dem Papst seit 1870 Unfehlbarkeit attestiert. Im Normalfall entwickeln sich kirchliche Normen und Entscheidungen jedoch unter Mitwirkung der verschiedenen Hierarchiestufen der Kirche, 48 49 50 51 52 53 54 55 56
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Marxer/Pállinger 2009, S. 948 ff. McDowell 1991, S. 16. Marxer/Pállinger 2009, S. 947 f. Marxer/Pállinger 2009, S. 948; Wall 1956, S. 122. Marxer/Pállinger 2009, S. 948; Walpen 2005, S. 249. Staat Vatikanstadt 2010b. Staat Vatikanstadt 2010c. und genauer dazu: Marxer/Pállinger 2009, S. 948. Staat Vatikanstadt 2010b.
I. Charakteristika des Staates Vatikanstadt
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wobei die niedrigeren Hierarchiestufen kaum Mitentscheidungsrechte haben. Diskussionen und Entscheidungen werden meist intransparent gefällt und der Vatikan ist daher wenig demokratisch. Die wichtigste mitwirkende Institution des Heiligen Stuhles ist das Staatssekretariat, geleitet vom Kardinalstaatssekretär. Im legislativen Prozess gibt es weitere beratende Gremien.57 d) Die exekutive Gewalt Die Exekutive unterliegt, auch wie die Legislative, der Päpstlichen Kommission für den Staat der Vatikanstadt in der Person ihres Präsidenten, welcher sich der Mitarbeit des Generalsekretärs und des Vize-Generalsekretärs bedient (Art. 5 Abs. 1 und 2 GG).58 Der Generalsekretär leitet die zentrale Verwaltung, er überwacht die Anwendung der Gesetze und maßgeblicher Bestimmungen sowie die Durchführung von Entscheidungen und Anweisungen des Präsidenten der Kommission. Außerdem überwacht er die Verwaltungstätigkeit des Governatorato und koordiniert die Funktionen der verschiedenen Direktionen (Art. 9 Abs. 1 GG).59 Das Sekretariat des Präsidenten, der Governatorato, nutzt verschiedene verwaltungstechnische Mittel, um die vom Papst oder der Päpstlichen Kommission verkündeten Gesetze auszuführen. Der Governatorato ist also das administrative Organ, das der Päpstlichen Kommission bei der Ausübung seiner Befugnisse assistiert.60 Der Präsident der Päpstlichen Kommission kann somit als Regierungschef des Staates Vatikanstadt angesehen werden. Sein Aufgabenbereich umfasst Rechts- und Personalfragen, Registratur, Buchhaltung, Archive, Postwesen, Brief- und Münzwesen, Polizei sowie weitere Sonderbereiche wie Museen, Galerien, das vatikanische Observatorium, etc.61 Die kirchliche Verwaltung liegt in der Hand von Ämtern der Römischen Kurie. Sie kann als Regierung der Gesamtkirche bezeichnet werden. Auch in der Exekutive kommt dem Staatssekretariat die bedeutendste Funktion 57
Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 948 ff. Vgl. Staat Vatikanstadt 2010b; Waschkuhn 2003, S. 775. 59 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 949. 60 Vgl. Duursma 1996, S. 378. Zum Aufbau des Governatorato: Staat Vatikanstadt 2010d. 61 Vgl. und genauer dazu: Marxer/Pállinger 2009, S. 949. Auch hier bestehen Unklarheiten aufgrund der engen Verwebung von Vatikan und Heiligem Stuhl: Das Auswärtige Amt benennt den Kardinalstaatssekretär als „Regierungschef“. Sh. Auswärtiges Amt 2009f. 58
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H. Der Staat Vatikanstadt und seine Integration in die EU
zu. Es kann als Regierung des Heiligen Stuhls (nicht des Staates) angesehen werden.62 e) Die judikative Gewalt Die judikative Gewalt wird im Namen des Papstes ausgeübt (Art. 15 Abs. 1 GG). Sie wird durch die nach der Gerichtsordnung bestellten Organe ausgeübt (Art. 15 Abs. 1 GG). Die oberste Gewalt des Papstes in juristischen Angelegenheiten spiegelt sich in der Bestimmung wider, dass der Papst in allen zivilen oder strafrechtlichen Angelegenheiten in jedem Stadium des Verfahrens die Untersuchung und die Entscheidung an eine spezielle Instanz übertragen kann. Diese Instanz hat die Berechtigung, die Entscheidung nach Billigung und unter Ausschluss jedweden weiteren Rechtsmittels zu fällen (Art. 17 GG). Außerdem kann jeder, der ein persönliches oder legitimes Interesse durch einen Verwaltungsakt für verletzt hält, sich an die zuständige gerichtliche Autorität wenden (Art. 17 Abs. 1 GG). Allerdings ist eine gerichtliche Klage ausgeschlossen, es sei denn, der Papst gibt dazu im einzelnen Fall eine Genehmigung (Art. 17 Abs. 2). Dem Papst ist das Recht vorbehalten, Amnestien, Indulte, Straferlasse und Gnaden zu gewähren (Art. 19 GG).63 Vatikanstadt hat ein Gefängnis, was aber sehr selten genutzt wird.64 Das Gesetz über die juristische Organisation der Vatikanstadt von 1987 hat eine strenge Teilung von kirchlichen und weltlichen Gerichten eingeführt.65 Kirchliche Gerichte sind nun nicht mehr zuständig für verwaltendes Justizwesen in weltlichen zivilen, strafrechtlichen oder verwaltungsrechtlichen Fällen, auch wenn sich einige weltliche Gerichte noch aus Kardinälen zusammensetzen.66 Gemäß dem Gesetz vom 21. November 1987 wird die (weltliche) Gerichtsbarkeit in Vatikanstadt (Art. 1) von einem Einzelrichter, einem Gericht, einem Berufungsgericht und einem obersten Gerichtshof ausgeübt.67 Die einzelnen Kompetenzen dieser Institutionen sind im Bürgerlichen Gesetzbuch und im Strafgesetzbuch der Vatikanstadt festgelegt.68 62
Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 949. Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 952. 64 Vgl. Duursma 1996, S. 380. 65 AAS Suppl. 1987, Nr. 12. 66 Vgl. Duursma 1996, S. 379. 67 AAS Suppl. 1987, Nr. 12, auch Art. 3, 4, 12, 18; vgl. Staat Vatikanstadt 2010e; Waschkuhn 2003, S. 775. 68 Vgl. Staat Vatikanstadt 2010e. 63
I. Charakteristika des Staates Vatikanstadt
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Die Richter der weltlichen Gerichte werden vom Papst ernannt (Art. 7 Abs. 1 und Art. 12 des Gesetzes über juristische Organisation). Die Richter sind nur dem Gesetz unterworfen, sie sind aber hierarchisch auch vom Papst oder anderen Organen abhängig, an die er Rechtssetzungsbefugnisse delegiert hat (Art. 2 des Gesetzes über juristische Organisation). Auch wenn die Richter ihre Urteile auf das Recht stützen, gibt es keine legale Garantie dafür, dass sie unabhängig vom Staatsoberhaupt sind, und dadurch von der legislativen und exekutiven Gewalt. Jeder Richter muss einen Eid schwören, dass er dem Papst gegenüber ehrlich und gehorsam ist (Art. 9 Gesetz juristische Organisation). Außer für den Obersten Gerichtshof gibt es keine generellen Normen, wie der Richter ernannt wird. Mit Ausnahme des Einzelrichters müssen die Richter nicht Staatsangehörige des Vatikans sein. Sie sind entweder Pfarrer oder Laien und sind normalerweise männliche Katholiken.69 Es gibt drei kirchliche Gerichtshöfe, nämlich die Römische Rota, den Obersten Gerichtshof der Apostolischen Signatur sowie die Apostolische Pönitentiarie. In ihrer Funktion übt die Römische Rota für den Papst die ordentliche Gerichtsbarkeit aus und ist Berufungsinstanz der Gerichte der einzelnen Diözesen. Als Berufungsgericht der Römischen Rota fungiert die Apostolische Signatur. Diese ist gleichzeitig das höchste Gericht der Römischen Kurie sowie Verwaltungsgericht. Die Pönitentiarie ist ein Gnadengericht. Laut kirchlichem Recht kann gegen ein Urteil oder ein Dekret des Papstes weder Berufung noch Beschwerde eingelegt werden (Can. 333 § 3).70 4. Wirtschaft und Staatshaushalt Der Staat Vatikanstadt ist keine Volkswirtschaft im eigentlichen Sinne. Seine finanzielle Struktur kann nicht mit der Wirtschaft anderer Staaten verglichen werden, v. a. aufgrund des Nichtvorhandenseins von industriellen Aktivitäten.71 Es gibt Aktivitäten rund um den Vatikan als Touristen- und Pilgerziel. Außerdem werden gemäß Art. 20 des Lateranvertrages (Staatsvertrag) die Warenlieferungen an den Vatikan von italienischen Zöllen und indirekten Steuern befreit. Der Re-Export von Waren aus dem Vatikan ist grundsätzlich untersagt, um Abgabenhinterziehung zu vermeiden.72 Im Bezug auf den Staatshaushalt hat der Vatikan drei getrennte Verwaltungen: eine für Diözese Roms, eine für den Staat Vatikanstadt und eine 69 70 71 72
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Duursma 1996, S. 379. Marxer/Pállinger 2009, S. 947, 952. Duursma 1996, S. 375. Stapper 1999, S. 88 f.
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H. Der Staat Vatikanstadt und seine Integration in die EU
für den Heiligen Stuhl.73 Daher gibt es zwei Hauptbudgets, mit denen die Handlungen des Staates finanziert werden, nämlich zum einen das Budget der Vatikanstadt und zum anderen das Budget des Heiligen Stuhls, wodurch die internationalen Aktivitäten des Heiligen Stuhls finanziert werden.74 Die Finanzen des Papstes in Form des Budgets des Heiligen Stuhls, des Staates Vatikanstadt und der Diözese von Rom sind von außen extrem undurchsichtig. Die Angaben der Autoren unterscheiden sich stark und widersprechen sich teilweise. Aktuelle, verlässliche bzw. offizielle Zahlen sind nur schwer zu finden, und oftmals ist unklar, von welchem Budget genau gesprochen wird. Daher sind die folgenden Angaben als Einschätzungen anzusehen. Das Vermögen des Vatikans ist schwer schätzbar. Es besteht fast ausschließlich in Grundbesitz, Liegenschaften, in Kunstwerken oder Gebäuden, die keine Einnahmen bringen.75 Im Vatikan gibt es keine Immobilien in Privatbesitz sowie keine direkten oder indirekten Steuern. Das Budget der Vatikanstadt wird gedeckt durch den Verkauf von Souvenirs und Briefmarken, Einnahmen des Museums, Einnahmen des Staatsmonopols für Salz und Tabak, Einkommen aus dem Verkauf von Gütern und der Vermietung von unbeweglichen Gütern, Abgaben für Dienstleistungen bezüglich Fahrzeugen und intellektuellen Besitzes sowie die Einkommen aus Post, Telefon und Telegraphie.76 Zu den laufenden Ausgaben der Vatikanstadt zählen verschiedenste Zeremonien, besondere Arbeiten im Vatikan, wie z. B. die Beleuchtung der Kuppel des St. Petersdoms, der Sold für die Wachen, Reparaturarbeiten, Unterhalt der Ministerien der Vatikanstadt, Ausstattung und Gehalt der Kardinäle, Personal, das Gehalt der vatikanischen Beamten etc.77 Der Haushalt des Heiligen Stuhls setzt sich ca. zur Hälfte aus Kapitaleinkünften, zu einem Drittel aus Spenden und einem Sechstel aus Beiträgen von Diözesen und Ordensgemeinschaften zusammen. Die Spenden bestehen hauptsächlich aus der Kollekte in jeder katholischen Kirche im Juni an Peter und Paul, dem Peterspfennig.78 Der Heilige Stuhl hat keinerlei Steuereinnahmen.79 Das römische Pilgerwerk untersteht direkt dem Heiligen Stuhl. Der Pilgertourismus wird seit dem Heiligen Jahr 2000 verstärkt betrieben und un73 74 75 76 77 78 79
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
McDowell 1991, S. 66; Gatz 1998, S. 97. Duursma 1996, S. 374. Wall 1956, S. 153; McDowell 1991, S. 67. Duursma 1996, S. 374 f.; McDowell 1991, S. 66. Wall 1956, S. 152. McDowell 1991, S. 66; Gatz 1998, S. 98. Gatz 1998, S. 97.
I. Charakteristika des Staates Vatikanstadt
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terstützt. Neben dem Pilgerwerk spielt die Vermögensverwaltung des Heiligen Stuhls eine wichtige Rolle. Beide Gesellschaften haben ihren Sitz im Vatikan, was wiederum für sie Steuerfreiheit nach sich zieht.80 Weiterhin wurde im Jahr 1942 von Papst Pius XII. das Institut für religiöse Werke (Istituto per le Opere di Religione – IOR) gegründet. Das IOR gilt als Vatikan-Bank bzw. Bank des Heiligen Stuhls. Kunden sind zumeist katholische Einrichtungen. Doch über das Handeln des IOR ist wenig bekannt, es legt traditionell weder Bilanzen noch Rechenschaftsberichte vor. So ist das IOR schon des Öfteren negativ in die Schlagzeilen geraten. Der Papst ist Eigentümer der Bank und beansprucht die Gewinne für sich. Die Kunden erhalten eine sehr gute Verzinsung und es gilt das absolute Bankgeheimnis.81 5. Beziehungen zu anderen Staaten a) Die außenpolitische Strategie des Vatikans/Heiligen Stuhls Die diplomatischen Anstrengungen des Heiligen Stuhls in der Weltpolitik sind im Verhältnis zur Größe des Staates sehr unproportional aber entsprechen der speziellen Natur seiner religiösen Aufgaben.82 Der Papst hat die außenpolitische Kompetenz inne, wobei er diese durch das Staatssekretariat ausüben lässt.83 Die zwei wichtigsten Prinzipien der Außenpolitik des Heiligen Stuhles und damit auch der Vatikanstadt sind christliche Diplomatie und Neutralität. Aufgrund des Prinzips der christlichen Diplomatie basiert die internationale Position des Heiligen Stuhls auf der Verteidigung der römisch-katholischen Werte. Folglich spricht sich der Heilige Stuhl gegen die Anwendung von Gewalt und für eine friedliche Lösung von Streitigkeiten, Solidarität zwischen Nationen, Menschenrechte und Wohlstand der Menschheit aus. Die diplomatischen Bemühungen des Heiligen Stuhls zielen auf weltliche Angelegenheiten und Probleme bezüglich der Beziehungen zwischen einem Staat und der katholischen Kirche.84 Das Prinzip der Neutralität wird in Artikel 24 der Lateranverträge festgehalten. Darin erklärt der Heilige Stuhl, dass er in keine Beziehungen zu weltlichen Streitigkeiten zwischen Staaten bzw. internationalen Kongressen treten will. Dies impliziert eine Nicht-Alliierung mit bestimmten Staatsblö80 81 82 83 84
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Maltese 2009, S. 83. Maltese 2009, S. 105 ff., 112. Duursma 1996, S. 376. Marxer/Pállinger 2009, S. 953. Duursma 1996, S. 388.
422
H. Der Staat Vatikanstadt und seine Integration in die EU
cken oder Gruppen von Staaten, es bedeutet aber nicht Inaktivität. Internationale Handlungen des Heiligen Stuhls sind in erster Linie bestimmt durch die moralischen Werte, die durch kirchliches Recht vorgeschrieben sind.85 b) Besonderheit: Beziehungen zum Heiligen Stuhl Entsprechend der Definition des Kodex des kanonischen Rechts (Can. 361)86 bezeichnet der Heilige Stuhl sowohl den römischen Bischof, d.h. den Papst, als auch das Staatssekretariat, den Rat für die öffentlichen Angelegenheiten der Kirche und andere Einrichtungen der Römischen Kurie mit dem gesamten Verwaltungsapparat, der mit dem Papst die katholische Kirche leitet. Da sich die Rechtsmacht der Römischen Kurie vom Papst herleitet, wird der Heilige Stuhl durch den Papst personalisiert.87 Wie schon erwähnt, ist völkerrechtlich zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Staat Vatikanstadt zu unterscheiden. Der Heilige Stuhl bezeichnet eine nichtstaatliche souveräne Macht, Vatikanstadt dagegen ist der souveräne weltliche Staat.88 Die Existenz der Vatikanstadt ist eng verbunden mit der Existenz des Heiligen Stuhls und der römisch-katholischen Kirche. Es sind also zwei Rechtssubjekte, wobei das erste geschaffen wurde, damit das zweite besser funktioniert.89 Dabei ist die Souveränität des Heiligen Stuhles territorial unabhängig, sie würde auch erhalten bleiben, wenn der Vatikanstaat nicht mehr existieren würde.90 In der Praxis wird die Trennung oftmals wenig beachtet.91 Der Papst bestimmt als Inhaber des Heiligen Stuhls und Staatsoberhaupt der Vatikanstadt über die hierarchische Beziehung zwischen beiden.92 Aufgrund des Prinzips, dass die Vatikanstadt der Existenz des Heiligen Stuhls untergeordnet ist, kümmert sich grundsätzlich der Heilige Stuhl um die internationale Vertretung, wie u. a. beim Abschluss von Verträgen, auf völkerrechtlichen Konferenzen oder bei der Pflege diplomatischer Beziehungen, auch wenn seine Handlungen Auswirkungen auf das Staatsgebiet der Vatikanstadt haben.93 Der Heilige Stuhl ist im Völkerrecht somit kein Staat, 85
Vgl. Duursma 1996, S. 389; Waschkuhn 2003, S. 776. AAS 1983, Nr. 75. 87 Vgl. Ipsen 2004, S. 101 f. 88 Vgl. Sack 1997, S. 49; Ipsen 2004, S. 101 f.; Marxer/Pállinger 2009, S. 947. 89 Vgl. Duursma 1996, S. 374, 387. 90 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 947. 91 Vgl. Sack 1997, S. 49. 92 Vgl. Duursma 1996, S. 387. 93 Vgl. Duursma 1996, S. 386 f., 390; Sack 1997, S. 49; Marxer/Pállinger 2009, S. 947, 953. 86
I. Charakteristika des Staates Vatikanstadt
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aber trotzdem eine internationale Rechtspersönlichkeit, die ihm erlaubt, internationale Handlungen durchzuführen, unabhängig von jeglicher Ausübung weltlicher Souveränität über ein bestimmtes Gebiet.94 Eine Folge davon ist, dass nicht der Staat Vatikanstadt, sondern der Heilige Stuhl bei den meisten internationalen Organisationen akkreditiert ist.95 Der Staat Vatikanstadt ist somit der Autorität des Heiligen Stuhles unterstellt.96 c) Beziehung zu Italien Die Beziehungen zu Italien sind natürlich für den Staat Vatikanstadt sehr wichtig, da sein Territorium mitten in Rom liegt und man in einigen Angelegenheiten auf eine Zusammenarbeit mit Rom bzw. den italienischen Behörden angewiesen ist. So benötigt der Vatikan bei diversen Dienstleistungen und Einrichtungen wie der Hotellerie, Energieversorgung, Abfallentsorgung oder der Wasserver- und Entsorgung die Hilfe seines Nachbarstaates.97 aa) Lateranverträge Die Grundlagen der Unabhängigkeit und Souveränität der Vatikanstadt liegen in den Lateranverträgen von 1929 zwischen Italien und dem Heiligen Stuhl.98 Auf dieser Grundlage ist es dem Staat Vatikanstadt als Mikrostaat gelungen, eine rechtliche Ordnung und Vertragsbeziehungen mit einem größeren Nachbarn aufzubauen.99 Die Gebäude, die der Heilige Stuhl außerhalb der Vatikanstadt auf italienischem Gebiet besitzt, sind von italienischer Enteignung und Steuerrecht ausgeschlossen. Einige von ihnen besitzen dieselbe Immunität, die durch Völkerrecht auch den diplomatischen Vertretungen anderer Staaten gewährt wird (Art. 14–16 und Anhänge 2 und 3 der Lateranverträge/Staatsvertrag).100 Außerdem sichert Italien der Vatikanstadt die Versorgung mit Wasser, Eisenbahnverkehr und Kommunikation (Art. 6 Lateranverträge/Staatsvertrag).
94
Vgl. Duursma 1996, S. 387 f. Vgl. Waschkuhn 2003, S. 776. 96 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 947. 97 Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 953. 98 sh. oben Punkt H. I. 2.; vgl. Duursma 1996, S. 376, 389; Waschkuhn 2003, S. 774 f.; Hummer 2004, S. 93; Wall 1956, S. 115; McDowell 1991, S. 16; Walpen 2005, S. 82; Stapper 1999, S. 88; Gatz 1998, S. 33. 99 Vgl. Duursma 1996, S. 376. 100 Vgl. Duursma 1996, S. 389; Wall 1956, S. 115. 95
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H. Der Staat Vatikanstadt und seine Integration in die EU
bb) Konkordat Das am 11. Februar 1929 abgeschlossene Laterankonkordat wurde durch das Konkordat vom 18. Februar 1984 ersetzt. Dieses neue Abkommen wurde als Anhang den Lateranverträgen hinzugefügt. Im neuen Konkordat wurde festgehalten, dass Staat und katholische Kirche unabhängig und souverän voneinander sind (Art. 1). Dieser Artikel sollte einen Eingriff der katholischen Kirche in das politische Leben Italiens verhindern und in zweiter Linie den Art. 1 der Lateranverträge (Staatsvertrag) aufheben, nach dem die römisch-katholische Kirche die Staatsreligion in Italien geworden war (Punkt 1 des Protokolls zum 1984er Konkordat). So wurden nun Staat und Kirche in Italien getrennt.101 Dies ist die wichtigste Neuerung durch das Konkordat. Die Unabhängigkeit der katholischen Kirche und folglich des Heiligen Stuhls wurde ausdrücklich bestätigt (Art. 2), die Existenz des Staates Vatikanstadt blieb unangetastet.102 cc) Handel und Zoll Auch Bestimmungen zum Zollrecht wurden in den Lateranverträgen geregelt. So sind Handelsgüter, die in die Vatikanstadt kommen, laut den Lateranverträgen von italienischen Zöllen und indirekter Besteuerung befreit (Art. 20 Lateranverträge/Staatsvertrag). Zusätzlich wurde am 30. Juni 1930 eine Zollkonvention zwischen Italien und dem Vatikan abgeschlossen. Sie setzt Art. 20 der Lateranverträge um. Die Zollkonvention enthält keine Kündigungsklausel.103 Die zuständigen Behörden überwachen die Lieferung von Waren in den Vatikan sehr streng.104 Der Export von Gütern aus Vatikanstadt ist generell verboten, um Steuerhinterziehung durch die Wiedereinfuhr von in den Vatikan importierten Produkten nach Italien oder den illegalen Export in Drittstaaten zu verhindern (Art. 6 Verfassungsgesetz Nr. 5). Ausnahmen gelten für Produkte, die vom Papst als Geschenk benutzt werden, Produkte, für die die italienischen Steuern bezahlt wurden, Produkte, die nur zeitweise ausgeführt und dann wieder eingeführt werden sowie gekaufte Produkte von Nicht-Einwohnern des Vatikans für den persönlichen Gebrauch (Art. 6 Abs. 2 Verfassungsgesetz Nr. 5). In jedem Fall steht jeder Export von Waren unter Vorbehalt der Autorisierung des vatikanischen Handelsbüros nach 101 102 103 104
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Duursma 1996, S. 395. Duursma 1996, S. 395. Duursma 1996, S. 391 f.; Stapper 1999, S. 89. Stapper 1999, S. 89.
I. Charakteristika des Staates Vatikanstadt
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vorheriger Zustimmung der italienischen Zollbehörden (Art. 8 Abs. 2 Zollkonvention).105 dd) Währungsbeziehungen Die Währungsunion zwischen dem Staat Vatikanstadt und Italien, die in der Währungskonvention vom 2. August 1930 und in der Währungskonvention vom 21. April 1951 vereinbart wurde, schrieb die Akzeptanz der italienischen Lira und der vatikanischen Münzen in beiden Gebieten fest.106 Ebenso wurde 1931 eine derartige Währungskonvention mit San Marino abgeschlossen. Zuletzt wurde am 3. Dezember 1991 eine Währungsvereinbarung zwischen der Italienischen Republik und dem Staat Vatikanstadt geschlossen (Präambel Währungsvereinbarung 2001). Aufgrund dieser Abkommen wurde eine Währungsvereinbarung zwischen Italien, im Namen der EU, und dem Vatikan zur Nutzung des Euro geschlossen. Die Währungsvereinbarung berechtigt den Staat Vatikanstadt, den Euro vom 1. Januar 2002 den Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels zu verleihen. Dabei hat der Mikrostaat das Recht, eigene Münzen herauszugeben.107 ee) Verteidigung Zwischen Italien und dem Vatikan wurde aufgrund des Prinzips der Neutralität der Vatikanstadt kein Verteidigungsabkommen abgeschlossen. Gemäß Artikel 4 der Lateranverträge darf Italien in Vatikanstadt nicht eingreifen, jedoch kann der Papst Italien um Hilfe bei der Verteidigung bitten.108 ff) Anzuwendendes italienisches Recht Die Hauptquelle des Rechts in Vatikanstadt ist das Kirchenrecht und die Gesetze, die vom Papst oder den Stellen, an die er legislative Gewalt übertragen hat, veröffentlicht wurden. Alle Bereiche, die nicht dadurch geregelt sind, werden durch die italienische Gesetzgebung geregelt. Italienische Gesetze, die in Vatikanstadt gelten, dürfen nicht im Gegensatz zu Prinzipien des göttlichen Rechts, des Kirchenrechts, der Lateranverträge oder dem Konkordat stehen und müssen in der jeweiligen aktuellen Situation in Vatikanstadt anwendbar sein.109 105
Vgl. Duursma 1996, S. 392; Stapper 1999, S. 89. Vgl. Duursma 1996, S. 392; Stapper 1999, S. 89; Hummer 2004, S. 95; Murray 2006, S. 203. 107 sh. Punkt H. II. 1. b). 108 Vgl. Duursma 1996, S. 396. 106
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Zum anzuwendenden italienischem Recht gehören das Zivilgesetzbuch, das Handelsgesetzbuch, die Zivilprozessordnung, das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung sowie italienische Gesetze zur Enteignung, Künsten, geistigem Eigentum, Bahnverkehr, Flugverkehr, Kraftfahrzeugen, ansteckende Krankheiten, Hygiene sowie zur Sicherheit von Personen und Eigentum. Italienische Regeln zur öffentlichen Organisation, zur Behandlung von Beamten und Angestellten, zu Streitkräften und zum Fiskalsystem sind von der vatikanischen Rechtsordnung ausgeschlossen. Die italienischen Gesetze sind nur durch einen Wunsch der Vatikanstadt im Vatikan anwendbar und können jederzeit einseitig durch vatikanische Regeln ersetzt werden.110 gg) Steuervergünstigungen Durch die Lateranverträge erhält der Heilige Stuhl direkt oder durch weitergehende Abmachungen Privilegien gegenüber Italien, wie die Steuerbefreiung für die Bewohner und das Eigentum des Vatikans, Zollfreiheit für alle Importwaren, diplomatische Immunität und weitere Privilegien für vatikanische Diplomaten sowie beim Heiligen Stuhl akkreditierte Vertretungen, der Bau eines Bahnhofes auf Staatskosten Italiens, kostenlose Wasserversorgung u. a.111 Weiterhin zahlt nach Schätzungen der italienische Steuerzahler jährlich ca. 4,5 Mrd. Euro an die Kirche; diese Zahlungen setzten sich zusammen aus direkten staatlichen und kommunalen Zuwendungen sowie den Steuerausfällen, die durch die Gewährung von Steuerfreiheit entstanden sind.112 Es gilt eine Befreiung von der Grundsteuer für Immobilien des Vatikans auch auf italienischem Gebiet.113 Dabei gehören nach Schätzungen 20% des Grundbesitzes in Italien der Kirche.114 Es ist zu hinterfragen, ob diese Steuervergünstigungen für die Kirche im Widerspruch zum freien Wettbewerb stehen. Aus diesem Grund erstattete eine Gruppe von römischen Geschäftsleuten im März 2006 bei der Wettbewerbskommission in Brüssel Anzeigen wegen Wettbewerbsverletzung durch staatliche Hilfen.115 Im Oktober 2007 bat die Europäische Kommission die Regierung Prodi um Aufklärung, da der Verdacht aufkam, dass die 109 110 111 112 113 114 115
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Duursma 1996, S. 393. Duursma 1996, S. 380 f., 393 f. Maltese 2009, S. 12; 134. Maltese 2009, S. 40. Maltese 2009, S. 64 f. Maltese 2009, S. 70. Maltese 2009, S. 71.
I. Charakteristika des Staates Vatikanstadt
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Steuervorteile für den Vatikan verschleierte staatliche Hilfen sein könnten.116 Die Antworten der Regierung Prodi blieben unbefriedigend. Durch die italienische Regierungskrise wurden die Verhandlungen unterbrochen. Die EU hat in anderen Ländern diesbezüglich schon Erfolge erzielt, beispielsweise haben Portugal und Spanien die Befreiung kirchlicher Aktivitäten von der Mehrwertsteuer abgeschafft. Im Gegensatz dazu forderten einige Politiker den Papst dazu auf, die Kommission in Brüssel zu exkommunizieren.117 Ein weiterer kritischer Punkt ist die Verwendung der Mittel aus dem EUStrukturfonds, dessen Mittel in Italien zum größten Teil für die Restaurierung von Kirchenbesitz ausgegeben werden. Oftmals werden diese Immobilien nach der Sanierung veräußert und bringen der katholischen Kirche hohe Gewinne.118 hh) Weitere Abkommen Am 29. Juli 1929 wurde die Postkonvention zwischen Italien und dem Vatikan abgeschlossen. Der Vatikan hat seine eigenen Postämter und bringt eigene Briefmarken heraus (Art. 1 der Postkonvention).119 Die internen italienischen Posttarife werden in der Vatikanstadt entsprechend internationaler Konventionen und Abkommen angewandt (Art. 9 Abs. 1 Postkonvention). Die Einkünfte der Post werden zwischen den Parteien in gegenseitiger Übereinkunft aufgeteilt (Art. 14 Abs. 2 Postkonvention). Die Postkonvention kann mit einer Frist von 6 Monaten von beiden Seiten gekündigt werden (Art. 18 Postkonvention). Bezüglich Telegraph- und Telefondiensten wurde am 18. November 1929 eine Konvention zwischen Italien und dem Staat Vatikanstadt abgeschlossen.120 Demnach werden die italienischen Tarife im Gebiet der Vatikanstadt angewandt und zu Gunsten der vatikanischen Regierung erhoben (Art. 13 Telefonkonvention). Außerdem muss Vatikanstadt den internationalen Telegraph- und Telefonkonventionen beitreten, denen Italien angehört (Art. 5 Telefonkonvention). Die Telefonkonvention kann von beiden Seiten mit einer Kündigungsfrist von 6 Monaten gekündigt werden (Art. 18 Telefonkonvention).
116 117 118 119 120
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Maltese 2009, S. 55. Maltese 2009, S. 72 f. Maltese 2009, S. 80 f. Duursma 1996, S. 390 f.; Staat Vatikanstadt 2010f. Duursma 1996, S. 391.
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d) Beziehungen zu anderen Staaten Die Vertretung des Staates und seine Beziehungen zu anderen Staaten sind dem Papst vorbehalten. Er übt diese Aufgabe durch das Staatssekretariat aus.121 Sowohl der Heilige Stuhl, der ein souveränes Organ der katholischen Kirche ist, als auch der Staat der Vatikanstadt besitzen seit jeher auf breiter Ebene die volle Anerkennung ihrer eigenen internationalen Rechtspersönlichkeit, sind Mitglieder internationaler Organisationen, nehmen an internationalen Konferenzen teil und haben Konventionen unterzeichnet.122 Der Heilige Stuhl ist gewillt, Beziehungen zu anderen Staaten aufzubauen, ungeachtet deren religiöser oder philosophischer Ansichten, vorausgesetzt, sie sind bereit, der Kirche einen ausreichend großen Freiraum in der Ausübung ihrer Mission zu gewährleisten und die Grundrechte zu achten. Die Stellung eines anderen Staates gegenüber dem Heiligen Stuhl hängt im Generellen von der Politik dieses Staates gegenüber der katholischen Kirche ab, und damit von nicht-weltlichen Gründen.123 Die Vertragsbeziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und Drittstaaten haben meistens die Form von Konkordaten. Manchmal werden die diplomatischen Bemühungen des Heiligen Stuhles von Staaten erbeten, mit dem Wunsch, dass der Heilige Stuhl als Mediator auftritt, z. B. bei Gebietsstreitigkeiten.124 Die erste apostolische Nuntiatur wurde 1500 in Venedig geschaffen. Kraft der Lateranverträge gesteht Italien dem Heiligen Stuhl das aktive und passive Recht zu, diplomatische Beziehungen auch mit Staaten zu erhalten, mit denen Italien keine diplomatischen Kontakte aufgenommen hat.125 Der Heilige Stuhl unterhält diplomatische Beziehungen mit fast allen Staaten der Welt (in 2007: 176 Staaten). Weiterhin steht der Heilige Stuhl in Beziehung mit den EU sowie in Beziehungen besonderer Natur mit der Russischen Föderation und der Organization for the Liberation of Palestine (OLP).126
121 122 123 124 125 126
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Staat Vatikanstadt 2010g; Marxer/Pállinger 2009, S. 953. Staat Vatikanstadt 2010g; Ipsen 2004, S. 101 f. Duursma 1996, S. 396. Duursma 1996, S. 397. Duursma 1996, S. 390. Holy See Press Office 2007.
I. Charakteristika des Staates Vatikanstadt
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6. Beziehungen zu internationalen Organisationen a) Völkerbund und Vereinte Nationen Alle Bemühungen des Heiligen Stuhls, an den Vorbereitungstagungen des Völkerbundes und dann an den Tagungen selbst teilzunehmen, scheiterten, da es eine starke Opposition gab.127 Der Heilige Stuhl war anfangs um eine Vollmitgliedschaft bei der UNO bemüht, dies stieß aber auf Ablehnung. Gründe dafür waren Probleme, die durch die Neutralität des Heiligen Stuhls (Art. 24 Lateranverträge) entstehen könnten, der Zweifel an der Fähigkeit der Erfüllung aller Pflichten aus der Mitgliedschaft aufgrund der Kleinheit der Vatikanstadt sowie die Natur des Heiligen Stuhles, da er wegen seiner katholischen Werte gegen bestimmte Staaten stimmen oder sich bei zahlreichen Abstimmungen enthalten müsste. Weiterhin muss sich der Heilige Stuhl gemäß Art. 24 der Lateranverträge aus weltlichen Streitigkeiten zwischen Staaten heraus halten, auch weil er sich nicht an vom Sicherheitsrat anderen Staaten auferlegten Sanktionen halten könnte. Außerdem akzeptiert der Heilige Stuhl keine höhere Gerichtsbarkeit außer seine eigene, woraus sich Probleme mit dem Internationalen Gerichtshof ergeben könnten.128 Der Vatikan und der Heilige Stuhl sind heute Mitglied oder ständiger Beobachter verschiedener spezialisierter Organisationen der UNO, meist ist der Heilige Stuhl Vertragspartei. Nur in Ausnahmefällen ist es die Vatikanstadt, und zwar bei ausschließlich weltlichem Charakter einer Organisation. Der Heilige Stuhl handelt immer in erster Linie aus religiösen Gründen. Der Heilige Stuhl hat den Status des Ständigen Beobachters bei der UN selbst.129 Gründe für die Einstufung des Heiligen Stuhls als ständiger Beobachter sind die Sicherung seiner geistlichen Freiheit und die Vermeidung der Situation, Mehrheitsstimmrechten untergeordnet zu werden. Außerdem ist dieser Status weniger kostenintensiv, geeigneter bei technischen Hindernissen wie der Ablehnung einer Mitgliedschaft oder bei Problemen der Inkompatibilität mit der Natur des Heiligen Stuhls.130 Beachtlich ist, dass der Heilige Stuhl Mitglied dieser Organisationen wurde, ohne dass darüber in der Generalversammlung abgestimmt wurde oder ein Mitgliedstaat Einspruch dagegen erhoben hätte, dass der Heilige 127 128 129 130
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Duursma Duursma Duursma Duursma
1996, 1996, 1996, 1996,
S. S. S. S.
398 f. 406 f. 401 ff. 404.
430
H. Der Staat Vatikanstadt und seine Integration in die EU
Stuhl ein Staat sei und daher nicht als Mitglied zuzulassen sei. Demnach wird der Heilige Stuhl für die Ziele dieser internationalen Organisationen mit einem Staat assoziiert, mit denselben Rechten und Pflichten. Auch der Beitritt der Vatikanstadt zu verschiedenen internationalen Organisationen der UNO hat nicht zu Diskussionen oder Einsprüchen geführt.131 b) Europarat Seit der Gründung des Europarates unterstütz der Heilige Stuhl diese Organisation moralisch. Der Heilige Stuhl hat des Öfteren seine befürwortende Stellung gegenüber dem Europarat bekräftigt, speziell zu den Bemühungen zum Schutz der Menschenrechte.132 Eine Vollmitgliedschaft des Heiligen Stuhls bzw. des Vatikans im Europarat stößt auf technische Probleme, da der Staat Vatikanstadt keine Demokratie ist, weil die Wahl des Papstes durch Kardinäle erfolgt.133 Außerdem ist es fraglich, ob die Grundrechte in der Vatikanstadt ausreichend geschützt sind. Daher hat der Heilige Stuhl seit November 1970 einen ständigen Vertreter beim Europarat ernannt.134 Der Heilige Stuhl ist Mitglied verschiedener Europäischer Abkommen, u. a. des Europäischen Kulturabkommens oder des Übereinkommens über die Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich in der europäischen Region.135 c) KSZE/OSZE Im Jahr 1969 wurde der Heilige Stuhl zur Teilnahme an der KSZE eingeladen. Daraufhin erklärte der Abgeordnete des Heiligen Stuhls am 28. November 1972, dass der Heilige Stuhl keine Positionen einnehmen wird, wenn Resolutionen zu bestimmten Problemen mit politischem Charakter angenommen werden. Dieses Prinzip wurde seit dem befolgt.136 Im Jahr 1991 wurde in der Abschlussresolution der Madrider Konferenz bezüglich der Schaffung einer Parlamentarischen Versammlung der OSZE festgelegt (Art. 1), dass der Heilige Stuhl zwei Abgeordnete zu den Treffen der Versammlung als Gäste senden kann, obwohl er selbst kein Parlament 131 132 133 134 135 136
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Duursma 1996, S. 403. Duursma 1996, S. 409. CoE PA: Official Report, 27.09.-05.10.1978, Vol. II, S. 386. Duursma 1996, S. 409. Europarat 2010b. Duursma 1996, S. 407.
I. Charakteristika des Staates Vatikanstadt
431
in dem Sinne hat. Außerdem muss der Heilige Stuhl 0,2% der institutionellen Kosten der OSZE tragen.137 Am 2. Juni 1992 veröffentlichte der Heilige Stuhl ein Memorandum, in dem es seine Position erklärt und Vorschläge für einen zukünftigen Rahmen seiner Beziehungen mit der OSZE beschreibt. Er weist darauf hin, dass die Beiträge des Heiligen Stuhls zur Entscheidungsfindung und Implementierung an dem Punkt enden, wo die Mitgliedstaaten Initiativen mit politischmilitärischem Charakter annehmen.138 Diese neue Übereinkunft sei der speziellen Natur des Heiligen Stuhls zu verdanken und nicht auf andere Mitgliedstaaten übertragbar.139 Das Ergebnis dieser Mitgliedsbedingungen des Heiligen Stuhls bei der OSZE könnte ein Präzedenzfall der Mitgliedschaft des Heiligen Stuhls bei andern internationalen Foren sein, wie z. B. der UNO.140 d) Weitere internationale Organisationen Wie schon erwähnt, ist meist der Heilige Stuhl, nicht Vatikanstadt, Mitglied wichtiger völkerrechtlicher Institutionen. Bei weltlichen, staatlich-gebietsbezogenen Fragen tritt jedoch der Vatikan als Völkerrechtssubjekt auf.141 So ist der Vatikan Mitglied bzw. Beobachter bei technischen Organisationen, wie u. a. der UPU, der ITU, der Internationalen Union von Bern für den Schutz literarischer und künstlerischer Werke, der Internationalen Union von Paris für den Schutz industriellen Eigentums und der Weltvereinigung der Ärzte.142 Der Heilige Stuhl dagegen ist Mitglied oder Beobachter bei verschiedenen internationalen völkerrechtlichen Organisationen und Körperschaften u. a. kultureller, sozialer, humanitäre, wirtschaftlicher, wissenschaftlicher Ausrichtung.143 In den meisten Fällen ist der Heilige Stuhl in diesen Organisationen Beobachter, um seine strikt apolitische, neutrale Stellung zu unterstreichen. Ausnahme ist z. B. die Mitgliedschaft bei der Internationalen Atomenergie-Behörde, UNIDROIT und der KSZE/OSZE.144 Zudem hat der 137
Vgl. Duursma 1996, S. 407 f. Considerations on the Participation of the Holy See to the CSCE. 02.06.1992. Nicht veröffentlicht. In: Duursma 1996, S. 408. 139 Vgl. Duursma 1996, S. 408. 140 Vgl. Duursma 1996, S. 409. 141 Vgl. Ipsen 2004, S. 102 f. 142 Vgl. Hummer 2004, S. 94; Staat Vatikanstadt 2010i; Holy See Press Office 2001. 143 Vgl. Hummer 2004, S. 94; Holy See Press Office 2001. 144 Vgl. Hummer 2004, S. 94; Holy See Press Office 2001. 138
432
H. Der Staat Vatikanstadt und seine Integration in die EU
Heilige Stuhl den Status eines ständigen Beobachters u. a. bei der Welthandelsorganisation, der Welttourismusorganisation, der Weltgesundheitsorganisation, der FAO, der ILO, INTELSAT, der UNESCO und bei der Europäischen Union.145 In verschiedenen internationalen Organisationen ist der Heilige Stuhl auch im Namen des Vatikans Mitglied.146 Vor allem im Rahmen der UNO haben der Heilige Stuhl bzw. der Staat der Vatikanstadt zahlreiche internationale Abkommen unterzeichnet, einige davon unter Vorbehalt. Dazu gehören das Abkommen hinsichtlich der Vermeidung jeglicher Rassendiskriminierung, das Abkommen über die Rechte der Kinder, die Genfer Konvention und ergänzenden Protokolle, das Abkommen für den Schutz von Kulturgütern im Kriegsfall, das Abkommen der UNESCO über den Schutz von Weltkulturgütern und Naturschätzen, das Wiener Abkommen über diplomatische Beziehungen und das Europäische Abkommen über Kulturgüter.147 7. Die Staatseigenschaft des Staates Vatikanstadt Der rechtliche Status des Vatikans wird seit seiner Gründung 1929 durch die Lateranverträge gesichert. Sein kleines Staatsgebiet von 0,44 km2 macht den Vatikan zum kleinsten Statt der Welt. Der Heilige Stuhl und Italien waren der Meinung, dass der Heilige Stuhl ein Staatsgebiet bräuchte, um politisch souverän zu sein. Dabei erfüllt auch schon ein minimales Gebiet die internationale Rechtsgrundlage für Staatlichkeit. Die Mitgliedschaft des Vatikans in diversen internationalen Organisationen und Konventionen bestätigt die Anerkennung der Staatlichkeit des Vatikans. Kein Drittstaat hatte je einen Vorbehalt bezüglich des territorialen Elements des Mikrostaates. Es gibt von daher keinen unter Völkerrecht annehmbaren Beweis, dass die Kleinheit des Staatsgebietes von Vatikanstadt seine Staatlichkeit ausschließt.148 Zum Staatsvolk ist allerdings anzumerken, dass es einige Merkmale gibt, die die Einwohner der Vatikanstadt von anderen Staaten unterscheiden. Die Staatsbürger des Vatikans stehen praktisch alle im Dienst des Heiligen Stuhls.149 Die Einwohner können nur so lange die vatikanische Staatsangehörigkeit besitzen, wie sie ihren festen Wohnsitz im Vatikan haben.150 Gleichzeitig sind sie alle auch Staatsbürger anderer Staaten.151 145
Vgl. Duursma 1996, S. 405; Staat Vatikanstadt 2010i; Holy See Press Office
2001. 146 147 148 149 150
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Holy See Press Office 2001. Staat Vatikanstadt 2010h. Duursma 1996, S. 411. Duursma 1996, S. 411. Ipsen 2004, S. 102.
I. Charakteristika des Staates Vatikanstadt
433
Weiterhin ist anzumerken, dass die Bevölkerung des Vatikans nicht in der Lage ist, sich selbst zu reproduzieren. Dies schließt zwar zunächst das Vorhandensein einer vatikanischen Bevölkerung nicht aus, aber auf lange Sicht kann man nicht von einer dauerhaften Nachfolge der Generationen in Vatikanstadt sprechen.152 Man kann daraus schlussfolgern, dass das Vorhandensein einer festen Bevölkerung im Vatikan von nachrangigem Interesse ist. Auch wenn es keinen anderen Einwohner außer dem Papst gäbe, würde der Vatikan immer noch als Staat mit besonderem Zweck entsprechend den Lateranverträgen bestehen. Es ist nicht das Ziel des Heiligen Stuhls, Macht über eine Bevölkerung auf vatikanischem Gebiet zu haben. Es ist erkennbar, dass es der Vatikanstadt an einer vereinigten stabilen Gesellschaft in ihrem Gebiet fehlt. Demnach hat der Staat Vatikanstadt keine Bevölkerung in der Bedeutung des Kriteriums für Staatlichkeit.153 Bezüglich der Staatsgewalt ist festzuhalten, dass die Regierung der Vatikanstadt effektive weltliche Macht über seine Einwohner und Angestellten ausübt. Außerdem besitzt der Vatikan eine geeignete Regierungsorganisation, die juristisch gesehen nicht mit dem Heiligen Stuhl identisch ist und hat damit einen eigenen rechtlichen Rahmen.154 Untersucht man die Unabhängigkeit des Vatikans muss die Frage gestellt werden, ob der Staat Vatikanstadt unabhängig sein kann, wenn er zum Dienste des Heiligen Stuhls gegründet wurde. Doch gerade aus dieser Tatsache heraus kann man den Vatikan als ein Staat „sui generis“ bezeichnen. Die Abhängigkeit der Vatikanstadt vom Heiligen Stuhl kann man kaum bestreiten, doch das Kriterium der Abhängigkeit eines Staates zielt auf die Abhängigkeit von einem anderen Staat. Da der Heilige Stuhl weder ein Staat noch eine territoriale Einheit ist, sondern eine Instanz, die z. T. übereinstimmt mit bestimmten vatikanischen weltlichen Regierungsinstitutionen, die von innerhalb der Vatikanstadt agieren, kann das Vorhandensein des Heiligen Stuhl nicht die Staatlichkeit der Vatikanstadt behindern.155 Auch die Unabhängigkeit der Vatikanstadt von Italien muss betrachtet werden. Gemäß Artikel 4 Lateranverträge erkennt Italien an, dass es in keiner Weise in Vatikanstadt eingreifen kann und dass es innerhalb der Vatikanstadt keine andere Autorität als den Heiligen Stuhl gibt. Dennoch gibt es zwei „fremde Elemente“ auf dem Staatsgebiet der Vatikanstadt, die im 151 152 153 154 155
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Glassner 2004, S. 122. Duursma 1996, S. 412. Duursma 1996, S. 412. Duursma 1996, S. 412 f. Duursma 1996, S. 413.
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H. Der Staat Vatikanstadt und seine Integration in die EU
Vergleich zu anderen europäischen Mikrostaaten auf ein Minimum beschränkt wurden.156 Diese fremden Elemente sind zum ersten die spezielle „Verwaltung“ des Petersplatzes, da die italienische Polizei diesen bewacht, wenn er der Öffentlichkeit zugänglich ist. Diese Verabredung wurde aus praktischen Gründen getroffen und kann jederzeit geändert werden. Sie beschränkt die Autorität des Heiligen Stuhles oder der Vatikanstadt nicht bemerkenswert. Das zweite Element ist die anzuwendende italienische Gesetzgebung. Bestimmte rechtliche Bereiche der Vatikanstadt werden durch italienische Gesetzgebung reguliert, die somit exterritorial angewandt wird. Allerdings kann die italienische Gesetzgebung jederzeit durch die Verkündung eines vatikanischen Gesetzes zum selben Thema abgeschafft werden. Von Italien abgeschlossene internationale Verträge in diesen Bereichen müssen von Vatikanstadt zugestimmt werden, damit sie in dessen Gebiet anwendbar sind. Daher ist die Unabhängigkeit der Vatikanstadt nicht eingeschränkt.157 Es ist festzustellen, dass die Unabhängigkeit der Vatikanstadt gewahrt ist. Zwar hätte Italien Mittel, Vatikanstadt unter Druck zu setzen, hat diese aber noch nie benutzt. Italien übt keine Kontrolle über Vatikanstadt aus.158 Der Staat Vatikanstadt ist im Sinne des Völkerrechtes kein Staat, da es kein dauerhaftes Staatsvolk gibt. Jedoch hat die internationale Anerkennung der Staatlichkeit der Vatikanstadt einen konstitutiven, reparierenden Effekt. Dabei hat Italien den Staat Vatikanstadt als erstes Land durch die Lateranverträge anerkannt. Die internationale Gemeinschaft hat sich dieser Position angeschlossen. Später wurde die Vatikanstadt auf internationalen Konferenzen und bei internationalen Organisationen nach und nach durch den Heiligen Stuhl ersetzt, jeweils ohne internationale Einwände. Doch auch die Vatikanstadt wurde als Staat durch seine Teilnahme an verschiedenen internationalen Organisationen anerkannt, jedoch nicht durch den Aufbau diplomatischer Beziehungen zu anderen Staaten, da diese immer vom Heiligen Stuhl eingegangen wurden.159 Daraus ist die Schlussfolgerung abzuleiten, dass Vatikanstadt von der internationalen Gemeinschaft als Staat anerkannt wird, gerade auch aufgrund der Präsenz des Heiligen Stuhls im Staatsgebiet der Vatikanstadt und nicht aufgrund der Erfüllung der Kriterien der Staatlichkeit nach Völkerrecht. Der Heilige Stuhl dagegen wird nicht als Staat angesehen, ihm werden aber einige Rechte garantiert, die der Eigenschaft der Staatlichkeit anhaften.160 156 157 158 159 160
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Duursma Duursma Duursma Duursma Duursma
1996, 1996, 1996, 1996, 1996,
S. S. S. S. S.
414. 415. 416. 416. 417.
I. Charakteristika des Staates Vatikanstadt
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Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Vatikanstadt gegründet wurde, um die Unabhängigkeit des Heiligen Stuhles zu sichern. Die Vatikanstadt ist daher eine Gebietskörperschaft, die von der internationalen Gemeinschaft als Staat für besondere Zwecke anerkannt wird und ist damit Völkerrecht unterworfen. Er ist unabhängig und souverän. Dabei ist das Fehlen des Staatsvolkes als Staatseigenschaft in diesem besonderen Fall irrelevant. Mit der Kleinheit von 0,44 km2 ist der Vatikan derzeit die kleinste Entität, die das Kriterium der Staatlichkeit erfüllt. 8. Zusammenfassung Der Staat Vatikanstadt als Sitz des Papstes, des Heiligen Stuhls und als Zentrum der römisch-katholischen Kirche stellt eine internationale Besonderheit dar. Durch die Machtkonzentration des Papstes, sowohl auf kirchlicher als auch weltlicher Ebene, die fehlende Gewaltenteilung, die fehlende Volkssouveränität sowie die Vermischung von Staats- und Kirchenrecht besitzt der Staat Vatikanstadt einen mit anderen Staaten kaum vergleichbaren Charakter.161 Der Vatikan liegt mit einer Größe von 0,44 km2 als kleinster Staat der Welt inmitten von Rom. Er hat ca. 800 Einwohner, von denen ca. 500 die vatikanische Staatsbürgerschaft besitzen. Die Staatsbürgerschaft ist an das Amt im Vatikan gebunden und beschränkt auf bestimmte Personengruppen, wie kirchliche Würdenträger oder die Schweizer Garde. Grundlage des Staates Vatikanstadt sind die Lateranverträge von 1929, die einen Staatsvertrag, ähnlich einer Verfassung, enthalten. Demnach wird die Souveränität des Heiligen Stuhles mit der Vatikanstadt als neues Hoheitsgebiet und dem Papst als Staatsoberhaupt festgelegt. Durch die Lateranverträge wird Vatikanstadt somit als Staat und damit auch als Völkerrechtssubjekt gegründet. Im Jahr 2001 wurde ein neues Grundgesetz erlassen, das dem Papst weiterhin die oberste legislative, exekutive und judikative Gewalt sichert. Der Vatikan ist eine absolute Wahlmonarchie. Er besitzt kein typisch nationalstaatliches Verfassungssystem, sondern widmet sich dem Papst und seinem Auftrag als Oberhaupt der katholischen Kirche. Der Vatikan ist daher einzigartig und nicht vergleichbar. Außerdem können der Heilige Stuhl und der Staat Vatikanstadt nicht immer streng getrennt werden. Der Staat Vatikanstadt besitzt keine Volkswirtschaft im eigentlichen Sinne. Ebenso sind die Finanzen des Staates von außen nur schwer einsehbar. 161
Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 947.
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H. Der Staat Vatikanstadt und seine Integration in die EU
Der Papst hat die außenpolitischen Kompetenzen des Landes inne. Er verfolgt die Prinzipien der christlichen Demokratie und der Neutralität. Der Papst bestimmt die Hierarchie zwischen Heiligem Stuhl und Vatikanstadt, so dass sich letztendlich der Heilige Stuhl um die internationale Vertretung kümmert und bei den meisten internationalen Organisationen akkreditiert ist. So ist er ständiger Vertreter bei der UNO und dem Europarat. Ebenso baut der Heilige Stuhl bilaterale Beziehungen zu anderen Staaten auf, mittlerweile unterhält er Beziehungen zu fast allen Staaten der Welt. Aufgrund der Nachbarschaft sind natürlich die Beziehungen zu Italien von besonderer Bedeutung. Am wichtigsten sind dabei die Lateranverträge von 1929, weiterhin wurde eine Zollkonvention von 1930 abgeschlossen sowie Währungskonventionen 1930 und 1951, die die Basis für Währungsbeziehungen zur EU bildeten. Außerdem werden im Vatikan zahlreiche italienische Rechtsvorschriften angewandt und Italien erlässt Steuervergünstigungen gegenüber der Kirche. Der Staat Vatikanstadt wird in der internationalen Staatengemeinschaft anerkannt, obwohl er die Staatseigenschaft des eigenen Staatsvolkes nicht erfüllt. Er ist ein Staat „sui generis“.
II. Die Integration Vatikanstadts in die Europäische Union 1. Die indirekte Integration Vatikanstadts durch die Beziehung zu Italien a) Handel und Zoll Die Regelungen zum Zoll des Vatikans basieren auf dem Zollabkommen mit Italien vom 30. Juni 1930, das Art. 20 der Lateranverträge (Staatsvertrag) von 1929 umsetzt. Demnach werden Warenlieferungen aus Italien in den Vatikan von italienischen Zöllen und indirekten Steuern befreit. Der Re-Export von Waren aus dem Vatikan nach Italien ist nicht erlaubt, um Abgabehinterziehung zu verhindern.162 Der Staat Vatikanstadt ist im Vergleich zu den anderen europäischen Mikrostaaten in einer anderen Position gegenüber der EU. Der grundlegende Unterschied im Vergleich zu San Marino, Monaco, Andorra und Liechtenstein ist, dass der Vatikan kraft seiner Zollkonvention mit Italien keine Zollunion mit Italien bildet und damit auch kein Teil des EU-Zollgebietes ist.163 162
Vgl. Hummer 2004, S. 94; Stapper 1999, S. 89; Gstöhl 2001, S. 114.
II. Die Integration Vatikanstadts in die Europäische Union
437
Die Vereinbarungen zwischen Italien und Vatikanstadt binden die EU trotzdem, und zwar über Art. 351 AEUV. Dies hat eine wichtige Bedeutung für das Transitrecht, da dadurch Warenlieferungen nach Vatikanstadt von allen EU-Handels- und Zollregelungen befreit sind.164 Außerdem ist die Situation der Vatikanstadt dahin gehend außergewöhnlich, dass die Zollformalitäten erst auf vatikanischem Staatsgebiet erfolgen und damit außerhalb der EU.165 b) Währung Historisch gesehen bestand schon seit dem 2. August 1930 zwischen Italien und dem Vatikan eine Währungsunion.166 Zuletzt wurde am 3. Dezember 1991 eine Währungsvereinbarung zwischen der Italienischen Republik und dem Staat Vatikanstadt geschlossen (Präambel Währungsvereinbarung 2001). Daraus entwickelte sich das Recht des Staates Vatikanstadt, den Euro seit dem 1. Januar 1999 als offizielle Währung zu nutzen.167 Genau wie für San Marino und Monaco wurde auch für den Vatikan in der Erklärung Nr. 6 des Vertrages von Maastricht über die Europäische Union168 vereinbart, dass sich die Gemeinschaft verpflichtete, die Neuaushandlung bestehender Übereinkünfte, die durch Einführung einer einheitlichen europäischen Währung erforderlich werden können, zu erleichtern. Seitens der EU stimmte der Rat bezüglich der Einführung des Euro im Jahr 1998 einem neuen Währungsabkommen mit dem Vatikan zu,169 durch welches die Erklärung Nr. 6 zum Vertrag über die Europäische Union umgesetzt wurde. In der Entscheidung des Rates vom 31. Dezember 1998 werden die Modalitäten für neue Verhandlungen über eine neue Vereinbarung gelegt. Zuvor ersuchte der Rat die Europäische Zentralbank und bat um eine Empfehlungen für seine Entscheidungen bezüglich der Gestaltung der Währungsbeziehungen zur Vatikanstadt (ebenso San Marino und Monaco).170 Im Dezember 1998 stimmte auch die EZB dem Umfang der Währungsvereinbarung zu. 163 Vgl. Duursma 1996, S. 410; Gstöhl 2001, S. 114; Stapper 1999, S. 89; Hummer 2004, S. 94. 164 Vgl. Stapper 1999, S. 89; Sack S. 49; Hummer 2004, S. 94. 165 Sonderbericht Nr. 2/93 des Rechnungshofes, S. 63, ABl. C 347 vom 27.12.1993; vgl. Stapper 1999, S. 89. 166 Vgl. Hummer 2004, S. 95; Murray 2006, S. 203. 167 Vgl. Staat Vatikanstadt 2010f. 168 ABl. C 191 vom 29.07.1992, S. 99 (Vertrag von Maastricht). 169 ABl. L 30 vom 04.02.1999, S. 35–36. 170 ABl. C 127 vom 07.05.1999, S. 4.
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H. Der Staat Vatikanstadt und seine Integration in die EU
Das Währungsabkommen wurde schließlich am 29. Dezember 2000171 unterzeichnet. Dadurch wurde der Euro zur offiziellen Währung im Vatikan. Vertragsparteien sind die Italienische Republik, die im Namen der EG handelt, und der Staat Vatikanstadt, vertreten durch den Heiligen Stuhl. Es wurde vereinbart, dass der Staat Vatikanstadt berechtigt ist, den Euro vom 1. Januar 1999 an als offizielle Währung zu verwenden. Der Vatikan verleiht den Euro-Banknoten und -Münzen vom 1. Januar 2002 an den Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels. Außerdem verpflichtet sich der Staat Vatikanstadt, für die Anwendbarkeit der Gemeinschaftsregeln für EuroBanknoten und -Münzen in seinem Hoheitsgebiet Sorge zu tragen und sich an den von Italien für die Einführung von Euro-Banknoten und -Münzen vorgesehenen Zeitplan zu halten (Artikel 1). Außerdem verpflichtet sich der Vatikan, keine Banknoten, Münzen oder Geldsurrogate irgendwelcher Art herauszugeben, außer wenn die Ausgabebedingungen mit der Gemeinschaft vereinbart worden sind (Artikel 2). Die Menge an Euro-Münzen, die von Vatikanstadt ab dem 1. Januar 2002 ausgegeben werden darf, wird auf einen Nennwert von jährlich höchstens 670.000 EUR fixiert (Artikel 3), wobei die Beträge aller zwei Jahre angepasst werden (Artikel 12). Dabei wird der jährliche Nennwert der vom Staat Vatikanstadt ausgegebenen Euro-Münzen dem Umfang der Münzausgabe der Italienischen Republik hinzugerechnet (Artikel 4). Zusätzlich behält der Vatikan das Recht, weiterhin Sammlermünzen zu prägen (Artikel 5). Die Prägung der vatikanischen Münzen und der päpstlichen Medaillen erfolgt in der italienischen Staatsdruckerei und Münzprägeanstalt (Artikel 6). Weiterhin hat der Mikrostaat die Möglichkeit, bei Sedisvakanz in dem Jahr, in dem die Vakanz eingetreten ist, über die in Artikel 3 vorgesehene Obergrenze hinaus Münzen in Höhe eines Betrags von 201.000 EUR prägen (Artikel 7), ebenso in jedem Heiligen Jahr und im Jahr der Eröffnung eines ökumenischen Konzils auf Antrag (Artikel 7). Auch diese Beträge werden aller zwei Jahre angepasst (Artikel 12). Hinsichtlich der Bekämpfung von Fälschungen der Euro-Banknoten und -Münzen verpflichtet sich der Vatikan eng mit der EG zusammenarbeiten (Artikel 9). Weiterhin wird beschlossen, dass in Vatikanstadt ansässigen Finanzinstitutionen zu Bedingungen, die von der Banca d’Italia im Einvernehmen mit der EZB festzulegen sind, Zugang zu Zahlungsverkehrssystemen des Euro-Raumes gewährt werden kann (Artikel 10). Die Vereinbarung kann von jeder Vertragspartei unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Jahr gekündigt werden (Artikel 12). 171 ABl. C 299 vom 25.10.2001, S. 1–4; geändert durch ABl. L 267 vom 17.10. 2003, S. 27–28.
II. Die Integration Vatikanstadts in die Europäische Union
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Diese Vereinbarung ist das einzige zwischen der Vatikanstadt und der EU. Neben diesem Abkommen gibt es keine weiteren vertraglichen Vereinbarungen mit der EU.172 Die vertraglichen Beziehungen mit der EU hinsichtlich der Währung stimmen mit denen zwischen der EU und Monaco bzw. San Marino zum größten Teil überein.173 Da diese Vereinbarung aufgrund früherer Verträge mit Italien abgeschlossen wurde, zählt es zu der indirekten Integration in die EU. In den folgenden Jahren zeigte sich, dass die Obergrenzen der vom Vatikan ausgegebenen Münzen nicht ausreichten. Daher verfasste die EZB am 1. September 2003 auf Ersuchen des Rates eine Stellungnahme über die Genehmigung von Änderungen der Artikel 3 und 7 der Währungsvereinbarung.174 Die EZB empfiehlt eine Anhebung der Obergrenze für die jährliche Ausgabe von Euro-Münzen durch den Staat Vatikanstadt (Punkt 3). Außerdem bestätigt sie, dass Italien berechtigt ist, im Namen der Gemeinschaft die erforderlichen Änderungen der Währungsvereinbarung vorzunehmen (Punkt 4) und empfiehlt daher auch Artikel 2 der Währungsvereinbarung so zu ändern, dass explizit festgelegt wird, dass künftig Italien im Namen der Gemeinschaft die Verhandlungen mit dem Staat Vatikanstadt führt, falls künftig weitere Änderungen der Währungsvereinbarung angemessen erscheinen. Diese Empfehlung wird im Beschluss des Rates vom 7. Oktober 2003 umgesetzt.175 Als Begründung wird u. a. darauf hingewiesen, dass das Gesamtkontingent der Münzen, die der Staat Vatikanstadt im Rahmen der neuen Währungsvereinbarung prägen darf, niedriger ist als das Kontingent der Münzen, die im Rahmen des Abkommens zuvor unter normalen Umständen und bei besonderen Anlässen geprägt werden durften (Währungsvereinbarung mit Italien von 1991). Daher sei es wünschenswert, den Nennwert der Euro-Münzen, die der Vatikan jährlich und bei besonderen Anlässen ausgeben darf, anzuheben (Punkt 3 und 5). Diese im Antrag vorgeschlagenen neuen Obergrenzen entsprechen dem Kontingent der Münzen, das laut dem vorausgegangenen Währungsabkommen zugelassen war (Punkt 6). Somit beschließt der Rat, dass die Währungsvereinbarung geändert wird (einziger Artikel). Der neue Artikel 3 Abs. 1 besagt nun, dass der Staat Vatikanstadt ab dem 1. Januar 2004 Euro-Münzen für einen Nennwert von jährlich höchstens 1.000.000 EUR ausgeben darf. Der neue Artikel 7 gibt 172 Vgl. Stapper 1999, S. 89; Hummer 2004, S. 95; Murray 2006, S. 203; Marxer/Pállinger 2009, S. 953. 173 sh. Punkt I. IV. 2.; vgl. Hummer 2004, S. 95; Murray 2006, S. 203. 174 ABl. C 212 vom 06.09.2003, S. 10 f. 175 ABl. L 267 vom 17.10.2003, S. 27–28.
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H. Der Staat Vatikanstadt und seine Integration in die EU
über die Obergrenzen hinaus einen Betrag von jährlich 300.000 Euro frei, aus Anlass der Sedisvakanz, des Heiligen Jahres und im Jahr der Eröffnung eines ökumenischen Konzils (einziger Artikel, Abs. 1). Außerdem wird die Italienische Republik ermächtigt, im Namen der EG die erforderlichen Änderungen an der Währungsvereinbarung vorzunehmen (einziger Artikel, Abs. 2). Zehn Jahre nach der Einführung des Euro, forderte der Rat im Februar 2009 die Kommission auf, die Währungsvereinbarungen mit Monaco, San Marino und dem Staat Vatikanstadt zu überprüfen.176 Im Ergebnis verfasste die Kommission im Juli 2009 als Mitteilung an den Rat einen Bericht über die Währungsvereinbarungen mit Monaco, San Marino und Vatikanstadt.177 Darin gelangte sie zu dem Schluss, dass die bestehenden Währungsvereinbarungen geändert werden sollten, um die Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und den Ländern, die eine Währungsvereinbarung unterzeichnet haben, einheitlicher zu gestalten.178 Daraufhin gab die Kommission am 16. Oktober 2009 eine Empfehlung für eine Entscheidung des Rates zum Standpunkt der EG hinsichtlich der Neuverhandlung der Währungsvereinbarung mit dem Staat Vatikanstadt ab.179 Die Kommission schlägt vor, dass auch der Vatikan im Interesse der Gleichbehandlung und eines angemessenen Schutzes der Euro-Scheine und -Münzen gegen Fälschung die einschlägigen Gemeinschaftsvorschriften umsetzen sollte. Es besteht keine Notwendigkeit zur Umsetzung des Gemeinschaftsrechts im Banken- und Finanzbereich, da der Vatikan über einen Bereich in diesem Sinne nicht verfügt.180 Des Weiteren schlägt die Kommission vor, analog zu dem für das Fürstentum Monaco eingerichteten Ausschuss auch mit dem Staat Vatikanstadt einen Gemeinsamen Ausschuss einzusetzen, welcher auch als Überwachungsgremium fungieren sollte. Dem Gemeinsamen Ausschuss mit dem Staat Vatikanstaat sollten Vertreter des Staates Vatikanstadt, Italiens, der Europäischen Kommission und der Europäischen Zentralbank angehören.181 Außerdem soll im Interesse einer fairen Behandlung aller Länder, mit denen Währungsvereinbarungen bestehen, 176
Schlussfolgerungen der 2922. Sitzung des ECOFIN-Rates vom 10. Februar
2009. 177
KOM (2009) 359 endgültig. Details sh. Punkt I. IV. 2. KOM (2009) 572 endgültig. 179 KOM (2009) 570 endgültig. 180 KOM (2009) 570 endgültig, S. 3. In seiner Empfehlung empfiehlt die EZB (s. u., ABl. C 284 vom 25.11.2009, S. 1–5) trotzdem, einen Passus diesbezüglich aufzunehmen, um eine Gleichberechtigung zu gewährleisten. 181 KOM (2009) 570 endgültig, S. 3 f. 178
II. Die Integration Vatikanstadts in die Europäische Union
441
eine neue, einheitliche Methode zur Berechnung der Obergrenzen für die Ausgabe von Münzen festgelegt werden, die einen festen und einen variablen Anteil umfasst. Dabei soll die Obergrenze für die Ausgabe von Münzen erhöht werden, um einen gewissen Umlauf dieser Münzen zu ermöglichen.182 Zusätzlich soll festgelegt werden, dass dem Vatikan freigestellt wird, seine Euro-Münzen von einer anderen, in der Herstellung von EuroMünzen erfahrenen Münzprägeanstalt in der EU prägen zu lassen.183 Ebenso soll der Europäische Gerichtshof als zuständige Instanz für die Beilegung von Streitigkeiten im Zusammenhang mit den Währungsvereinbarungen bestimmt werden.184 Daraufhin gab die Europäische Zentralbank am 5. November 2009 eine Empfehlung für Entscheidungen des Rates zum Standpunkt der EG hinsichtlich Neuverhandlungen der Währungsbeziehungen mit San Marino und Vatikanstadt ab.185 Grundsätzlich begrüßt die EZB die Entscheidungsentwürfe, vor allem, „um eine Gleichbehandlung der Pflichten der Länder sicherzustellen, die die Währungsvereinbarungen mit der Gemeinschaft abgeschlossen haben, Überwachungsmechanismen einzurichten, eine einheitliche Methode zur Berechnung der Obergrenzen für die Ausgabe von Euro-Münzen festzulegen sowie es dem Staat Vatikanstadt und der Republik San Marino freizustellen, für die Prägung ihrer Münzen auf andere Münzprägeanstalten als die italienische Münzprägeanstalt zurückzugreifen.“ Außerdem empfiehlt die EZB den Verordnungsentwurf in bestimmten Punkten geringfügig zu ändern. Schließlich entscheidet der Rat am 17. November 2009 zum Standpunkt der EG hinsichtlich der Neuverhandlungen der Währungsvereinbarung mit dem Staat Vatikanstadt.186 Einen Monat später, am 17. Dezember 2009, wurde die neue Währungsvereinbarung in Brüssel zwischen der EU und Vatikanstadt, entsprechend der Empfehlung der Kommission und der EZB, unterzeichnet.187 Sie trat am 1. Januar 2010 in Kraft.188
182
KOM (2009) 570 endgültig, S. 4. KOM (2009) 570 endgültig, S. 4 f. 184 KOM (2009) 570 endgültig, S. 5. 185 ABl. C 284 vom 25.11.2009, S. 1–5. 186 Entscheidung des Rates 15254/09, noch nicht veröffentlicht. 187 Vgl. European Union/Delegation of the European Union to the Holy See, to the Order of Malta and to the UN Organisations in Rome 2010. 188 ABl. C 28 vom 04.02.2010, S. 13–18. 183
442
H. Der Staat Vatikanstadt und seine Integration in die EU
c) Status der Übernahme des Besitzstandes von Schengen Der Staat Vatikanstadt ist zwar kein Unterzeichnerstaat des SchengenAbkommens, doch praktisch ist der Mikrostaat in den Schengen-Raum integriert, da einerseits schon vor Schengen keine Grenzkontrollen zu dem einzigen Nachbarstaat Italien bestanden und andererseits Drittstaatsangehörige nur über das Gebiet Italiens nach Vatikanstadt reisen können (kein Zugang per Luft oder Meer). Damit muss ein Drittstaatsangehöriger für die Reise in den Vatikan ein Visum für einen Schengen-Staat besitzen.189 Trotzdem hat der Vatikan Interesse bekundet, dem Schengen-Abkommen beizutreten, vor allem, um am Schengener-Informationssystem (SIS) teilnehmen zu können.190 2. Vatikanstadts direkte Integration in die EU Da die Außenvertretung der Vatikanstadt nie ganz oder teilweise durch Italien durchgeführt wurde, stand eine Anwendung des Gemeinschaftsbzw. des Unionsrechts gemäß dem heutigen Art. 355 Abs. 3 AEUV schon immer außer Frage. Seit 1970 unterhält der Vatikan diplomatische Beziehungen zur EU. Dies begann nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil Ende der 1960er Jahre, in denen die Entscheidung getroffen wurde, Beziehungen zu internationalen Institutionen zu entwickeln mit dem Ziel der Verbreitung von Frieden und Fortschritt.191 Auf ausdrücklichen Wunsch des Vatikans ist sein diplomatischer Vertreter bei der EU der Ranghöchste aller diplomatischen Vertreter bei der EU. Der apostolische Nuntius, der Vertreter des Vatikans bei der EU, beschäftigt sich speziell mit den moralischen, sozialen und kulturellen Aspekten der EU. Im Jahr 1996 trennte der Außenminister des Vatikans die päpstliche Nuntiatur bei der EG von der päpstlichen Vertretung in Belgien. Im Jahr 2006 benannte die Europäische Kommission einen Vertreter beim Heiligen Stuhl in Rom.192 Im Vertrag über eine Verfassung für Europa193 sollte durch Artikel I-52 u. a. ein regelmäßiger Dialog zwischen Kirchen und der EU gewährleistet werden. Zwar ist dieser Vertrag nie in Kraft getreten, dennoch drückt die 189
sh. Punkt H. I. 2. Vgl. Küchler 2006. 191 Vgl. Murray 2006, S. 203. 192 Vgl. Duursma 1996, S. 410; European Union 2009; Stapper 1999, S. 89; Murray 2006, S. 202. 193 ABl. C 310 vom 16.12.2004. 190
II. Die Integration Vatikanstadts in die Europäische Union
443
Aufnahme dieses Artikels in den Vertragstext die Wertschätzung der Kirche als solches aus. Der Heilige Stuhl war aktiv an der Debatte über eine europäische Verfassung beteiligt und setzte sich für die Aufnahme bestimmter Punkte in den Vertrag ein. Dazu gehörten die Anerkennung der institutionellen Dimension von religiöser Freiheit (Art. I-52), die Anerkennung einer Ausnahme von EU-Recht für Politiken, die der Kirchenlehre widersprechen (Art. I-52 (1)) sowie den speziellen beratenden Status der Kirche (Art. I-52 (3)). Andererseits war der Heilige Stuhl nicht erfolgreich in seinen Bemühungen, in dem Vertrag über eine Verfassung für Europa das christliche Erbe Europas zu erwähnen.194 Auch wenn der Vertrag nicht in Kraft getreten ist, sprechen die Einflussnahmen für die Bedeutung des Heiligen Stuhls für die EU. Im Gegensatz zu den anderen europäischen Mikrostaaten hat der Vatikan nicht angestrebt, seine Beziehungen mit der EU über die Währungsvereinbarung hinaus zu erweitern.195 Er ist in keinem Bereich direkt in die EU integriert. 3. Europäischer Integrationswille Vatikanstadts und Zukunftsausblick Wie verdeutlicht wurde, ist der Staat Vatikanstadt ein Sonderfall. Er hat kein Interesse an einer Mitgliedschaft in der EU. Abgesehen davon ist der Vatikan eine absolute Monarchie, der nicht die Gewaltenteilung achtet und damit auch kein Rechtsstaat ist. Er ist daher gemäß Art. 2 EUV nicht zur Mitgliedschaft in der EU berechtigt. Das Europäische Parlament kam schon 1989 zu dem Schluss, dass es unwahrscheinlich sei, dass Vatikanstadt ein Abkommen über eine Zollunion mit der EG abschließen würde, vor allem, weil es keine Zollunion mit Italien bildet, seine wirtschaftlichen Aktivitäten beschränkt sind sowie „in Anbetracht seiner geistlichen Wesensart“.196 Mit Blick auf die zukünftigen Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und der EU ist zu vermuten, dass der Hauptfokus der Zusammenarbeit auf spirituellen Angelegenheiten und der Förderung der Menschenrechte liegt, z. B. speziell im Kontext der Ausarbeitung neuer Grundsatzverträge.197
194
Vgl. Murray 2006, S. 203 f.; Maltese 2009, S. 153. Vgl. Murray 2006, S. 203. 196 ABl. C 158 vom 26.06.1989, S. 329 ff. (Begründung, Punkt 1); vgl. Duursma 1996, S. 410; Stapper 1999, S. 89. 197 Vgl. Murray 2006, S. 203. 195
444
H. Der Staat Vatikanstadt und seine Integration in die EU
4. Zusammenfassung Wie auch die anderen europäischen Mikrostaaten ist der Vatikan kein Mitgliedstaat der EU. Er ist kein EWR-Mitglied und auch kein EU-Beitrittskandidat. Im Verhältnis zur EU ist der Staat Vatikanstadt ein Drittstaat. Die EU-Rechtssetzung ist gemäß Art. 355 Abs. 3 AEUV nicht in dem Mikrostaat anwendbar. Der Mikrostaat unterhält seit 1970 eine Vertretung bei der EU in Brüssel und ist damit der europäische Mikrostaat mit den zeitlich längsten diplomatischen Beziehungen nach Brüssel. Außerdem hat die Europäische Kommission seit 2006 einen Vertreter beim Heiligen Stuhl ernannt. Der Vatikan unterhält keine direkten vertraglichen Beziehungen zur EU. Einzig eine Währungsvereinbarung wurde zwischen dem Vatikan und Italien, das im Namen der EG handelte, abgeschlossen. Die Währungsvereinbarung ist eine Form der indirekten Integration des Staates Vatikanstadt in die EU, da sie aufgrund historischer Beziehungen zu Italien (erstes Währungsabkommen 1930) abgeschlossen wurde. Eine aktualisierte Währungsvereinbarung trat 2010 in Kraft. Indirekte Beziehungen erwuchsen weiterhin aufgrund der Lateranverträge von 1929 sowie einem Zollabkommen von 1930 im Bereich Handel und Zoll. Allerdings existiert auf Basis dieser Verträge keine Zollunion mit Italien, so dass der Vatikan dadurch nicht in das EU-Zollgebiet integriert ist. Außerdem ist der Vatikan aufgrund seiner offenen Grenzen zu Italien indirekt in das Schengen-Gebiet integriert, obwohl er kein Unterzeichnerstaat ist. Der Vatikan hat allerdings schon Interesse an einem Beitritt zum Schengener Abkommen geäußert. An einem EU-Beitritt hat der Vatikan weder Interesse, noch würde er die Voraussetzungen dafür gemäß EU-Recht erfüllen. Die zukünftige Zusammenarbeit wird sich vermutlich auf spirituelle Angelegenheiten und den Bereich der Menschenrechte konzentrieren.
I. Vergleich der Mikrostaaten hinsichtlich ihrer Integration in die EU In den folgenden Betrachtungen wird der Vatikan aufgrund seiner Sonderrolle zwar einbezogen, aber in den Detailbetrachtungen vernachlässigt. Wenn im Folgenden von den Mikrostaaten gesprochen wird, sind also im Speziellen die vier europäischen Mikrostaaten Andorra, Liechtenstein, Monaco und San Marino gemeint.
I. Vergleich der Mikrostaaten allgemein Die untersuchten Mikrostaaten sind außergewöhnlich kleine Staaten mit weniger als 100.000 Einwohnern. Die Geschichte eines jeden der Mikrostaaten ist sehr unterschiedlich und dabei eng verflochten mit der politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Prägung der Region, in der er liegt. Durch ihre Kleinheit sind die Mikrostaaten von ihrem Umland abhängig und sie sind jeweils eng mit einem anderen, größeren Nachbarstaat, meist einem EU-Mitgliedstaat, verbunden.1 Eine weitere Auffälligkeit besteht darin, dass die Mikrostaaten zum überwiegenden Teil Monarchien sind: das Fürstentum Andorra, das Fürstentum Liechtenstein, das Fürstentum Monaco sowie die absolute Monarchie Vatikanstadt. Einzig die Republik San Marino fällt aus diesem Rahmen. Weiterhin ist in diesem Kontext zu bemerken, dass die stabilsten und ältesten parlamentarischen Demokratien in Europa gleichzeitig Monarchien sind.2 Zusätzlich können – mit Ausnahme des Vatikans3 – alle europäischen Mikrostaaten als rechtsstaatliche Demokratien angesehen werden. Die administrative Kapazität der Staaten wurde nach dem Zweiten Weltkrieg so erweitert, dass sie, u. a. auch in internationalen Organisationen, handlungsfähig sind.4 Eine weitere Gemeinsamkeit der Mikrostaaten ist, dass sie relativ wohlhabend sind. Ihre Wirtschaftslage ist gut, die Arbeitslosenzahlen sind niedrig. Meist zählen der Tourismus und der Finanzdienstleistungssektor mit ausgeprägtem Bankgeheimnis zu den wichtigen, umsatzstarken Wirtschafts1 2 3 4
Vgl. Maresceau 2008, S. 271; Stapper 1999, S. 11; Ulses 2004, S. 26. Vgl. Waschkuhn 1994, S. 8. Genauer Punkt K. III. 5. Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 902.
446
I. Vergleich der Mikrostaaten hinsichtlich ihrer Integration in die EU Tabelle 1 Vergleich: Mikrostaaten allgemein
Vergleich
Mikrostaat Fürstentum Andorra
Fläche (km2) 468
Fürstentum Liechtenstein 160
Fürstentum Monaco
Republik San Marino
Staat Vatikanstadt
2
61
0,4
Einwohner
84.000 36.000 (36% Andor- (67% Liechraner) tensteiner)
31.000 (22% Monegassen)
31.000 (86% Sanmarinesen)
800 (60% mit Staatsangehörigkeit)
Staatsform
ParlamenKonstitutiotarisches Co- nelle ErbFürstentum monarchie
Konstitutionelle Erbmonarchie
Republik
Absolute Wahlmonarchie
BIP (2007)
2,6 Mrd. e
4,4 Mrd. e
940 Mio. e
Keine Angaben
3,1 Mrd. e 5
97.000 e
61.000 e
6
30.700 e
BIP/Kopf
30.000 e
Internationale Organisationen
UNO (1993), UNO (1990), UNO (1993), UNO (1992), Europarat Europarat Europarat Europarat (1994) (1978), (2004) (1986) EFTA (1991), EWR (1995)
Heiliger Stuhl: Beobachterstatus bei der UNO, Europarat, EU
bereichen. Dazu kommt oftmals eine geringe Besteuerung. Dies führte allerdings auch dazu, dass Andorra, Liechtenstein und Monaco lange Zeit auf der OECD-Liste der unkooperativen Steueroasen standen.7 Erst am 27. Mai 2009 wurden sie von dieser Liste gestrichen.8 Des Weiteren sind alle europäischen Mikrostaaten Mitglieder bzw. Beobachter (Vatikan/Heiliger Stuhl) in den bedeutenden internationalen Organisationen wie der UNO oder dem Europarat. Liechtenstein ist weiterhin Mitglied in der EFTA und dem EWR, der Heilige Stuhl hat außerdem Beobachterstatus bei der EU. In neuester Zeit ist zu beobachten, dass die Mikrostaaten auch untereinander Abkommen schließen, vor allem im Steuerbereich.9 5
Kurs 2007: 1,60 CHF zu 1 Euro. Bei Annahme von 72.000 Personen als Berechnungsgrundlage des BIP/Kopf. Sh. Punkt F. I. 4. 7 Vgl. Ulses 2004, S. 26. 8 Vgl. OECD 2009. 6
II. Die Beziehungen der Mikrostaaten zu ihren Nachbarstaaten
447
Die europäischen Mikrostaaten sind unabhängig und souverän, werden aber von der EU beeinflusst. Sie sind keine EU-Mitgliedstaaten. Dennoch ist jeder der hier betrachteten Mikrostaaten mit der EU auf verschiedenste Weise verbunden, oftmals auch durch die engen Beziehungen zum jeweiligen Nachbarstaat, der meist EU-Mitgliedstaat ist. Im Folgenden werden daher die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der direkten und indirekten Integration der Mikrostaaten in die EU dargestellt.
II. Die Beziehungen der Mikrostaaten zu ihren Nachbarstaaten Die Existenz eines Mikrostaates hängt von seiner wirtschaftlichen Lebensfähigkeit und seiner internationalen rechtlichen Anerkennung ab, wobei oftmals die Beziehungen zum Nachbarstaat entscheidend sind.10 Die internationalen rechtlichen Beziehungen zwischen den Mikrostaaten und ihren Nachbarstaaten sind historisch zumeist aus politischen und wirtschaftlichen Interessen erwachsen. Daher entwickelten sich Kooperationen vor allem im wirtschaftlichen und politischen Bereich.11 Das Niveau der Unabhängigkeit des Mikrostaates hängt vom Willen des größeren Nachbarstaates ab. So gibt Italien dem Vatikanstaat relativ große Freiheit, die Schweiz und Italien sind eher nachgiebig mit Liechtenstein bzw. San Marino, Andorra erlangt einen politischen und rechtlichen Vorteil aus der gegenseitigen Machtkontrolle zwischen Frankreich und Spanien und Monaco ist mit dem traditionellen französischen Zentralismus konfrontiert.12 Auch in Hinblick auf die Integration der Mikrostaaten in die EU spielen die Nachbarstaaten eine große Rolle. So findet über die Beziehungen zu den Nachbarstaaten, die meist EU-Mitglieder sind, eine indirekte Integration der Mikrostaaten in die EU statt. Selbst wenn der Nachbarstaat kein EU-Mitgliedstaat ist, wie im Falle der Schweiz, kann eine indirekte Integration in die EU durch die Beziehungen des Nachbarstaates zur EU und der Teilnahme daran stattfinden. Im Folgenden wird die Integration der Mikrostaaten in die EU nach Bereichen dargestellt, wobei jeweils auf die direkte oder indirekte Art der Integration hingewiesen wird. 9 Z. B. Doppelbesteuerungsabkommen und Informationsaustauschabkommen (Liechtenstein-Andorra, Liechtenstein-Monaco, Liechtenstein-San Marino). Vgl. Fürstentum Liechtenstein/Regierung und Verwaltung/Presse- und Informationsamt Fürstentum Liechtenstein 2009c, S. 11 ff. 10 Vgl. Duursma 1996, S. 433; Maresceau 2008, S. 270. 11 Vgl. Duursma 1996, S. 433. 12 Vgl. Duursma 1996, S. 433; Maresceau 2008, S. 271.
448
I. Vergleich der Mikrostaaten hinsichtlich ihrer Integration in die EU
III. Die Anwendbarkeit des Unionsrechts in den Mikrostaaten 1. Rechtsgrundlage Die Artikel 52 EUV und 355 AEUV regeln den räumlichen Geltungsbereich dieser Verträge. Die Verträge überlassen die genaue territoriale Abgrenzung dem innerstaatlichen Verfassungsrecht (Art. 52 Abs. 1 EUV). Die Aufzählung der Mitgliedstaaten verweist auf deren Völkerrechtssubjektivität, womit die Feststellung der Gebietshoheit der Mitgliedstaaten auf diese übertragen wird. Daraus ergibt sich der Geltungsraum des EUV und AEUV als Raum, in dem die Mitgliedstaaten ihre Souveränitätsrechte ausüben. Geographische Kriterien sind weniger wichtig, eher der völkerrechtliche Souveränitätsbegriff. Die Union besitzt also ein von den Mitgliedstaaten abgeleitetes Hoheitsgebiet. Dies wird auch als Grundsatz der beweglichen Vertragsgrenzen bezeichnet.13 In der Praxis wird die Anwendbarkeit des Unionsrechts auf nicht-europäische Gebiete meist gesondert festgelegt, oftmals werden in diesem Zusammenhang Sonderbestimmungen erlassen. Es hat sich erwiesen, dass die uneingeschränkte Anwendbarkeit des Unionsrechts auf weit abgelegene außereuropäische Gebiete wenig praktikabel ist. Die aus Art. 52 Abs. 1 EUV ableitbare Geltung der Verträge hat für die außereuropäischen Gebiete daher nur theoretische Bedeutung.14 Der für die Mikrostaaten relevante Artikel 355 Abs. 3 AEUV besagt, dass „Die Verträge [. . .] auf die europäischen Hoheitsgebiete Anwendung [finden], deren auswärtige Beziehungen ein Mitgliedstaat wahrnimmt“. Mit Blick auf die Mikrostaaten Europas werden hier interessante Fragestellungen aufgeworfen, da die meisten Mikrostaaten auch eine spezielle Verknüpfung zu einem Mitgliedstaat der EU haben. In den Länderkapiteln wurde jeweils die Anwendung des Artikels 355 Abs. 3 AEUV auf die einzelnen Mikrostaaten untersucht,15 was im Folgenden für Andorra, Monaco und San Marino verglichen und zusammengefasst werden soll. Liechtenstein und der Vatikan werden nicht untersucht. Hinsichtlich Liechtensteins ist dies damit zu begründen, dass Österreich, der einzige EU-Mitgliedstaat, der an das Fürstentum grenzt, erst im Jahr 1995 der EU beitrat. Bis dahin entbehrte eine Diskussion über die Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts in dem Mikrostaat einer Grundlage. Aufgrund des13 14 15
sh. auch Stapper 1999, S. 13 ff. zum Amsterdamer Vertrag. sh. auch Stapper 1999, S. 15 zum Amsterdamer Vertrag. Je unter Punkt D./E./F./G. II. 2. a).
III. Die Anwendbarkeit des Unionsrechts in den Mikrostaaten
449
sen und da Liechtenstein enge Beziehungen zur Schweiz pflegte, war eine Anwendung des Gemeinschaftsrechts auf Liechtenstein von vornherein ausgeschlossen. Auch die Sonderrolle des Vatikans schließt eine Anwendung der Artikel 52 EUV und 355 AEUV auf den kleinsten Staat der Welt aus. 2. Die Wahrnehmung der Außenbeziehungen der Mikrostaaten Die Mikrostaaten erhielten zumeist erst relativ spät internationale Anerkennung. Dennoch legen die für Monaco, San Marino und Andorra relevanten rechtlichen Übereinkommen mit Frankreich, Spanien und Italien keine rechtliche Grundlage für eine Übertragung der Wahrnehmung der Außenbeziehungen auf diese Staaten.16 Durch die getroffenen Regelungen zwischen den Mikrostaaten und den EU-Mitgliedstaaten hinsichtlich der Außenbeziehungen soll nur sichergestellt werden, dass die Mikrostaaten keine völkerrechtlichen Verpflichtungen eingehen, die den Interessen ihrer Nachbarstaaten entgegenstehen, wodurch allenfalls eine Mitwirkungsmöglichkeit entsteht. Da die Mikrostaaten also nicht ihre gesamte Außenpolitik auf einen EU-Mitgliedstaat übertragen haben, fallen sie nicht unter den Anwendungsbereich des Art. 355 Abs. 3 AEUV, sondern sie sind souveräne Drittstaaten gegenüber der EU.17 Für die Auslegung des Art. 355 Abs. 3 AUEV bedeutet dies, dass, wenn von der Wahrnehmung der auswärtigen Beziehungen gesprochen wird, die gesamten Außenbeziehungen gemeint sind und es nicht ausreicht, wenn nur bestimmte isolierte Politikbereiche davon betroffen sind, wie z. B. die Zollpolitik. Außerdem sind die Kompetenzen von z. B. Frankreich und Italien in diesem Bereich nicht darauf zurückzuführen, dass außenpolitische Handlungsfähigkeit übertragen wurde, sondern, dass sich Monaco und San Marino dazu bereit erklärt haben, die in Frankreich und Italien in diesem Bereich geltenden Regeln anzuwenden.18 Diese Konstellationen sind in Art. 351 AEUV berücksichtigt. Auch wenn der politische Einfluss Frankreichs und Italiens zeitweise in den betreffenden Mikrostaaten sehr groß war bzw. ist, hätte die Unterwerfung der Mikrostaaten unter EG- bzw. EU-Recht gegen ihren Willen einen Bruch der bilateralen Verträge bedeutet. Damals wie heute ist es eher unwahrscheinlich, dass die Mikrostaaten dem zustimmen würden, da sie ihre über Jahrhunderte erkämpfte Unabhängigkeit nicht durch den Beitritt zur EU, einer supranationalen Organisation, relativiert sehen wollen.19 16 17 18
Vgl. Stapper 1999, S. 81 f.; Gstöhl 2001, S. 113. Vgl. Hummer 2004, S. 84 f.; Gstöhl 2001, S. 112 f.; Stapper 1997, S. 79 ff. Vgl. Stapper 1999, S. 84.
450
I. Vergleich der Mikrostaaten hinsichtlich ihrer Integration in die EU
3. Historische Entwicklung Vermutlich gingen die EG-Mitgliedstaaten lange Zeit davon aus, dass das Gemeinschaftsrecht auch auf Monaco, San Marino und z. T. auch auf Andorra anwendbar gewesen sei.20 Bestätigt wurde dies durch die amtlichen Erläuterungen der Bundesregierung anlässlich der Ratifikation der Römischen Verträge, in denen Monaco und San Marino als europäische Hoheitsgebiete im Sinne des heutigen Art. 355 Abs. 3 AEUV angesehen wurden.21 In den 1950er Jahren sah man es als nicht derartig eindeutig erwiesen, dass die Außenbeziehungen der Mikrostaaten nicht durch EG-Mitgliedstaaten ausgeführt wurden. Es bestanden Zweifel an der Souveränität, und die rechtliche Unabhängigkeit der Mikrostaaten war von der Staatengemeinschaft nicht allgemein anerkannt. Dadurch herrschte noch lange Zeit die unzutreffende Auffassung vor, Monaco, San Marino und Andorra, seien Teil der EG.22 Außerdem ist der in Art. 355 Abs. 3 AEUV (ex-Art. 299 Abs. 4 EGV23) verwendete Begriff des „Hoheitsgebietes“ nicht ganz eindeutig. Da in den 1950er Jahren Frankreich das Fürstentum Monaco als Protektorat einordnen wollte, lag gleichzeitig nahe, dass auch das Gemeinschaftsrecht auf den Mikrostaat angewandt wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Analyse des Status der Mikrostaaten noch stark von kolonialen Elementen geprägt, was damit einherging, dass für Frankreich und Italien die politische Abhängigkeit ausreichte, um die Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts auf die Mikrostaaten auszudehnen.24 Eben diese Überschätzung der Einflussmöglichkeiten von Frankreich und Italien führte eine zeitlang zu der Annahme, dass das Gemeinschaftsrecht in Monaco, San Marino und evt. auch in Andorra gelte, auch wenn die völkerrechtlichen Beziehungen der Mikrostaaten zu Frankreich bzw. Italien bereits damals eine derartige Schlussfolgerung eigentlich nicht zuließen, da die Mikrostaaten schon seit den 1950er bzw. 1960er Jahren völkerrechtliche Einheiten waren.25 Auch noch bis weit in die 1970er Jahre herrschte die Meinung in der Rechtswissenschaft vor, dass vor allem San Marino und Monaco zur EG 19
Vgl. Stapper 1999, S. 82. Vgl. Stapper 1999, S. 24, 173 f.; Gstöhl 2001, S. 112; Darsow 1984. 21 Deutscher Bundestag: Drucksache, 2. Wahlperiode, Nr. 3440, zu Art. 227, S. 256; vgl. Stapper 1999, S. 25. 22 Vgl. Stapper 1999, S. 79; Gstöhl 2001, S. 112. 23 ABl. C 325 vom 24.12.2002, S. 33 ff. (Vertrag von Nizza). 24 Vgl. Stapper 1999, S. 81 f. 25 Vgl. Stapper 1999, S. 79 f.; Gstöhl 2001, S. 112. 20
III. Die Anwendbarkeit des Unionsrechts in den Mikrostaaten
451
gehörten.26 Andorra war ein Sonderfall, da nicht klar war, welche Rolle der Bischof von Urgell bei einer Bejahung der Zugehörigkeit zur Gemeinschaft einnehmen würde.27 Trotzdem schlossen einige Autoren auch Andorra mit in die EG ein.28 Praktisch war dies zunächst unwesentlich, da sich die Aktivitäten der Gemeinschaft zunächst auf die Bildung einer Zollunion konzentrierten, wobei Monaco und San Marino zu Recht in den Geltungsbereich dieser aufgenommen wurden. Grundlage dafür war jedoch nicht der Art. 299 Abs. 4 EGV (heute Art. 355 Abs. 3 AEUV), sondern Art. Art. 307 EGV (heute Art. 351 AEUV), durch den die zollrechtlichen Vereinbarungen zwischen Monaco und Frankreich bzw. San Marino und Italien ihre Geltung erhielten. Wann genau sich die Einstellung der EU diesbezüglich änderte, ist nicht ganz eindeutig. Das erste Gemeinschaftsdokument, in dem Monaco und San Marino erwähnt werden, ist der Zollkodex von 1968.29 Die Anerkennung der Tatsache, dass Monaco und San Marino souveräne Staaten sind, setzte sich nur langsam durch. Unklarheiten über den Status der Mikrostaaten in der politischen Realität zeigten sich bis in die 1990er Jahre, u. a. durch verschiedene Anfragen von Europaabgeordneten an die Kommission und den Rat, wobei die Fragesteller oft von der Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts auf die Mikrostaaten ausgingen.30 Weiterhin wird durch eine Entscheidung des französischen Conseil d’Etat vom 24. Februar 1993 deutlich, dass immer noch Missverständnisse bestanden, da dieser die gemeinschaftsrechtlichen Regeln über die Freizügigkeit auf in Monaco ausgeübte Tätigkeiten in einer Entscheidung angewandt hat.31 Innerhalb der EU hat sich im Laufe der Jahre das Bewusstsein für die Mikrostaaten verändert und man hat diese ausdrücklich als eigenständige Staaten anerkannt. Dies wurde durch den Abschluss von Handelsabkom26 Z. B.: Ipsen 1972, § 4 Rn. 2; Parry/Hardy 1973, S. 418 f.; Common Market Law Reports 1981, S. 4371; Encyclopedia of EC Law 1975, Art. 227 B 10-503; Campbell 1973, S. 433; vgl. Stapper 1999, S. 24 f., 79 ff.; Hummer 2004, S. 83 f.; Gstöhl 2001, S. 112 f. 27 Vgl. Stapper 1999, S. 25. 28 Z. B.: Groeben/Boeckh 1960, Art. 227 Rn. 19; Bindschedler 1954, S. 205; vgl. Stapper 1999, S. 24, 82; Gstöhl 2001, S. 112 f. 29 ABl. L 238 vom 28.09.1968, S. 1; genauso später Zollkodex der Gemeinschaften in der Verordnung 2913/92 vom 12.19.1992, ABl. L 302 vom 19.10.1992, S. 1–50; vgl. Stapper 1999, S. 82; Gstöhl 2001, S. 112 f.; Hummer 2004, S. 85. 30 Antworten der Kommission in ABl. C 54 vom 02.03.1987, S. 31; ABl. C 210 vom 19.08.1981, S. 14; ABl. C 113 vom 22.06.1981, S. 81; ABl. C 238 vom 09.10.1978, S. 14 f., C 102 vom 22.04.1992, S. 33 f.; ABl. C 153 vom 22.06.1981, S. 19; vgl. Stapper 1999, S. 25; Gstöhl 2001, S. 113. 31 Vgl. Stapper 1999, S. 25.
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I. Vergleich der Mikrostaaten hinsichtlich ihrer Integration in die EU
men mit Andorra und San Marino völkerrechtlich bestätigt, was wiederum die Existenz der Mikrostaaten in einem sich vereinigenden Europa gesichert hat. Heute ist klar, dass die Mikrostaaten trotz ihrer engen Beziehungen zu EU-Mitgliedstaaten ihre auswärtigen Angelegenheiten selbst wahrnehmen und damit eine Anwendung des Art. 355 Abs. 3 AEUV auf sie ausgeschlossen werden kann.32 Sie werden als Drittstaat gegenüber der EU angesehen.33
IV. Die Integration der Mikrostaaten in die EU in verschiedenen Bereichen 1. Handel und Zoll a) Überblick Alle europäischen Mikrostaaten haben im Bereich der Zollkooperation enge Beziehungen zur EU – direkt oder indirekt – aufgebaut (außer dem Vatikan). Die inhaltlichen Unterschiede der Kooperationen ergeben sich zumeist aus dem speziellen historischen Kontext, der das Verhalten der Mikrostaaten bestimmt und zum Teil auch eingeschränkt hat.34 Das Zollgebiet der EU wird im Zollkodex durch den Rat definiert.35 Dies ist notwendig, da die Zollgrenzen einiger EU-Mitgliedstaaten nicht mit den Grenzen ihrer politischen Souveränität übereinstimmen. Zur Ausweitung oder Verkleinerung der Zollgebiete der EU-Mitgliedstaaten kam es zum Beispiel in den Fällen, in denen Mitgliedstaaten vor Inkrafttreten des EGVertrages internationale Abkommen geschlossen haben oder besondere historische Beziehungen zu einem Territorium besaßen. Diese historischen Übereinkünfte sind auch für die EU bindend (Art. 351 AEUV).36 Der Zollkodex von 1968 (Verordnung 1496/68),37 in dem das EG-Zollgebiet definiert wurde, ist das erste Gemeinschaftsdokument, in dem San Marino und Monaco erwähnt wurden, und zwar aufgrund ihrer Altverträge gemäß Art. 351 AEUV.38 Demnach waren bzw. sind sie Teil des EG- bzw. 32
Vgl. Stapper 1999, S. 24 f., 79 ff.; Gstöhl 2001, S. 113; Hummer 2004, S. 83 f. Vgl. Stapper 1999, S. 79 ff., 173 f.; Gstöhl 2001, S. 112 f.; Darsow 1984; Hummer 2004, S. 84 f. 34 Vgl. Dózsa 2008, S. 101. 35 ABl. L 238 vom 28.09.1968, S. 1–50; 1992; ABl. L 302 vom 19.10.1992, S. 1–50. 36 Vgl. Stapper 1999, S. 15 f. 37 ABl. L 238 vom 28.09.1968, S. 1; genauso später Zollkodex der Gemeinschaften in der Verordnung 2913/92 vom 12.19.1992, ABl. L 302 vom 19.10.1992, S. 1. 33
IV. Integration der Mikrostaaten in die EU in verschiedenen Bereichen
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EU-Zollgebietes. Nachdem San Marino 1992 ein direktes Zoll-Abkommen mit der EG abgeschlossen hatte, wurde es aus dem Zollkodex heraus genommen. Zwischen Monaco und der EU besteht auch bis heute kein bilaterales Abkommen über Zollangelegenheiten. Daher ist das Fürstentum kraft seines Abkommens über eine Zollunion mit Frankreich Teil des EU-Zollgebietes. Monaco ist demnach im Bereich des Handels und Zolls indirekt in die EU integriert.39 Weiterhin hat die EG spezielle Zollabkommen direkt mit den Mikrostaaten Andorra und San Marino geschlossen, um dementsprechend eine partielle bzw. umfassende Zollunion mit diesen Mikrostaaten zu bilden. Somit sind Andorra und San Marino im Bereich des Handels und Zolls, entsprechend der Abkommen, direkt in die EU integriert. Liechtenstein ist vor allem durch die Mitgliedschaft im EWR in den Binnenmarkt der EU eingebunden. Im Binnenmarkt sind die Zölle abgeschafft, es besteht jedoch keine Zollunion mit der EU (kein gemeinsamer Zolltarif). Besonders im Fall Liechtenstein ist außerdem, dass es teilweise die Zollbestimmungen des EWR und zum Teil die der Schweiz anwendet.40 Es ist somit im Bereich Handel und Zoll zum Teil direkt und zum Teil indirekt in die EU integriert. Der Vatikan dagegen ist weder mit Italien noch mit der EU eine Zollunion eingegangen. b) Vergleich der Abkommen der EG mit San Marino bzw. Andorra41 Die beiden Abkommen sind in den wesentlichen Punkten sehr ähnlich, trotzdem gibt es einige Unterschiede. Zur Zeit der Verhandlungen Anfang der 1990er Jahre waren die Ausgangspositionen der beiden Mikrostaaten recht unterschiedlich. Auf der einen Seite unterhielt San Marino, vor allem durch die schon bestehende Zugehörigkeit zum EG-Zollgebiet, bereits enge Beziehungen zur EG wohingegen auf der anderen Seite die Situation Andorras stark durch die bilateralen Beziehungen zu Frankreich und Spanien gekennzeichnet war und sein völkerrechtlicher Status durchaus deutlich unsicherer war, als der San Marinos. Außerdem besaß Andorra zu jenem Zeit38 39 40 41
rino.
Vgl. Gstöhl 2001, S. 112 f.; Hummer 2004, S. 85; Stapper 1999, S. 82. sh. Punkt F. II. 1. a); vgl. Dózsa 2008, S. 101. sh. Punkt E. II. 1. a)./E. II. 2. b); vgl. Dózsa 2008, S. 101. Details sh. Punkt D. II. 2. b) für Andorra und Punkt G. II. 2. b) für San Ma-
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I. Vergleich der Mikrostaaten hinsichtlich ihrer Integration in die EU
punkt noch keine demokratische Verfassung, und trotzdem behandelte die EG das Fürstentum als gleichwertigen Partner.42 Inhaltlich betrachtet beinhalten beide Abkommen die Bildung einer Zollunion. Die Abkommen unterscheiden sich allerdings bezüglich der Agrarprodukte und der Regelung der Mehrwertsteuer. So wurde im Fall Andorras vereinbart, dass landwirtschaftliche Produkte aus dem Anwendungsbereich der Zollunion ausgeschlossen werden. Dies wurde damit begründet, dass die andorranische Landwirtschaft nur eine untergeordnete Bedeutung habe und es daher unverhältnismäßig gewesen wäre, die gesamte komplizierte Landwirtschaftspolitik der Gemeinschaft auf Andorra auszudehnen. In San Marino dagegen spielt die Landwirtschaft eine bedeutend größere Rolle und wurde in das Abkommen einbezogen.43 Ähnlich zu den Bestimmungen des Abkommens mit Andorra, autorisierte San Marino die Gemeinschaft, in einem Zeitraum von 5 Jahren oder länger, im Namen von und für San Marino die Zollabfertigungsformalitäten auszuführen. Weder Andorra noch San Marino erhielten einen finanziellen Ausgleich dafür, dass Importeure von Waren aus Drittstaaten ihre Importzölle bereits an anderen EU-Zollgrenzen geleistet haben.44 Im Gegensatz zu Andorra ist die Übergabe dieser Kompetenzen an die sanmarinesischen Behörden noch nicht geschehen. Somit werden noch für alle Waren aus Drittstaaten, die für San Marino bestimmt sind, durch die Zollbehörden Italiens und anderer EU-Mitgliedstaaten der Zoll abgefertigt. Folglich können Produkte aus Drittstaaten mit Ziel San Marino die EU nicht durchqueren, ohne in den freien Warenverkehr aufgenommen zu werden. San Marino erhebt selbst also keine Importzölle oder -gebühren. Diese Verantwortung hätte für den Mikrostaat die Notwendigkeit von ausreichend vielen und gut ausgebildeten Zollbeamten bedeutet. Wahrscheinlich haben daher die sanmarinesischen Behörden nicht auf die Umsetzung dieser Bestimmung des Abkommens bestanden. Aus San Marino stammende Produkte werden automatisch als im freien Warenverkehr befindlich angenommen.45 Betrachtet man Art. 6 Abs. 2 des Abkommens EG – San Marino, erkennt man einen weiteren inhaltlichen Unterschied. So verpflichtet sich San Marino in dieser Bestimmung, ein allgemeines Mehrwertsteuersystem einzuführen. Implizit verzichtet es damit darauf, die Grundlagen für einen Einkaufstourismus aufzubauen. Im Abkommen EG – Andorra dagegen gibt es 42
Vgl. Stapper 1999, S. 78; Europäisches Parlament 1989a, S. 330. Vgl. Stapper 1999, S. 78. 44 Im Unterschied dazu erhält Monaco die nach Einwohnerzahl berechneten Ausgleichszahlungen von Frankreich. Vgl. Stapper 1999, S. 78; Gstöhl 2001, S. 117 f.; Sack 1997, S. 47. 45 Vgl. Maresceau 2008, S. 290. 43
IV. Integration der Mikrostaaten in die EU in verschiedenen Bereichen
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keine derartige Bestimmung zu indirekten Steuern. Zusätzlich wurden zur Kontrolle und Erhaltung des Reisetourismus in Andorra bestimmte Freibeträge für Reisende eingeführt.46 Auch der Artikel 7 der beiden Abkommen zu den Außenhandelsbeziehungen wurde jeweils unterschiedlich gestaltet. Die Ausführungen im Abkommen mit San Marino sind dabei ausführlicher. Begründen kann man dies mit der Tatsache, dass Art. 7 des Abkommens EG – Andorra Kodifikationsmängel aufwies, die man mit San Marino nicht wiederholen wollte.47 Es ist erkennbar, dass das Abkommen mit Andorra das Abkommen mit San Marino inspiriert hat.48 Die Bestimmungen zur Kooperation und im sozialen Bereich des Abkommens EG – San Marino kann man als Ausgleich zu den strengen Regelungen zu den indirekten Steuern betrachten. Da jedoch die Regelungen zur Kooperation keine juristisch bindenden Verpflichtungen enthalten, sind sie nur eine schwache Entschädigung für die steuerlichen Nachteile. Positiv ist festzuhalten, dass mit dem Abkommen eine Grundlage für den zukünftigen Ausbau der Beziehungen geschaffen wurde.49 Das Abkommen über eine Zollunion EG – Andorra enthält zwar keine Bestimmungen zu weiteren Kooperationen, jedoch trat im Jahr 2005 ein eigenständiges Kooperationsabkommen EG – Andorra in Kraft.50 Gemeinsam ist beiden Abkommen, dass die jeweiligen Detailfragen im gemeinsamen bzw. Kooperationsausschuss behandelt werden. So ist man in der Lage, die Modalitäten der Anwendung der Verträge den jeweiligen Entwicklungen anzupassen.51 Trotz der vielen Vorteile, die die beiden Mikrostaaten durch die Abkommen mit der EG verbuchen konnten, mussten sie jedoch auch erhebliche Zugeständnisse machen.52 Beide Länder haben keinen rechtlich gesicherten Zugang zu den Märkten von EU-Handelspartnern, obwohl deren Waren wiederum durch die EU-Zollunion auf die Märkte der beiden Mikrostaaten gelangen.53 Zusätzlich sind die Mikrostaaten nicht automatisch an den Einfuhrkontingenten der EU und an Präferenzen, die der Union von Drittstaaten eingeräumt wurden, beteiligt.54 Diesbezüglich existiert eine Erklärung 46 47 48 49 50 51 52 53 54
Vgl. Stapper 1999, S. 78 f. Vgl. Stapper 1999, S. 78. Vgl. Maresceau 2008, S. 290. Vgl. Stapper 1999, S. 79. sh. Punkte D. II. 2. c), G. II. 2. b). Vgl. Stapper 1999, S. 79. Details sh. Punkt D. II. 2. b) für Andorra und Punkt G. II. 2. b) für San Marino. Vgl. Stapper 1999, S. 78; Gstöhl 2001, S. 117 f.; Sack 1997, S. 47. Vgl. Gstöhl 2001, S. 117 f.
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I. Vergleich der Mikrostaaten hinsichtlich ihrer Integration in die EU
zu dem Abkommen EG – San Marino, welche vorsieht, dass die Gemeinschaft im Namen von San Marino mit Drittstaaten verhandeln kann, mit denen die EG Präferenzabkommen geschlossen hat, mit dem Ziel der Gleichbehandlung von aus San Marino stammenden Produkten mit Waren, die aus der EG stammen.55 c) Besonderheiten der Beziehungen im Bereich Handel und Zoll EU – Monaco Monaco ist aufgrund der Zollunion mit Frankreich im Bereich Handel und Zoll indirekt in die EU integriert. Dadurch gelten de facto Waren aus Monaco innerhalb der EU und in Drittstaaten als Ursprungswaren der Union, obwohl dies rechtlich nicht festgelegt ist.56 Dies bringt für Monaco den Vorteil, dass das Fürstentum meist die Präferenzbehandlung von Waren aus der Union in Drittländern erhält und auch Kumulierungsregelungen, die die EU mit Drittstaaten ausgehandelt hat, für Monaco gelten (anders in Andorra und San Marino).57 Obwohl diese Rechtslage für Monaco einen höheren Souveränitätsverlust mit sich bringt als eine Zollunion und keinerlei Mitwirkungsrechte bietet, ist sie für das Fürstentum vorteilhaft.58 Monaco ist somit, obwohl es kein direktes Abkommen über eine Zollunion mit der EU abgeschlossen hat, stärker als Andorra und San Marino im Bereich Handel und Zoll in die EU integriert. d) Besonderheiten der Beziehungen im Bereich Handel und Zoll EU – Liechtenstein Seit dem Jahr 1923 bilden Liechtenstein und die Schweiz eine Zollunion. Aufgrund dieser Zollunion wurde das Abkommen zwischen der Schweiz und der EWG von 1972 auch für Liechtenstein gültig,59 welches die Besei55
Z. B. mit Mazedonien; vgl. Dózsa 2008, S. 98; Duursma 1996, S. 253. Vgl. Gstöhl 2001, S. 114; Dózsa 2008, S. 99; Hummer 2004, S. 86; Sack 1997, S. 48; Stapper 1999, S. 37; Duursma 1996, S. 286 f. Aufgrund der rechtlichen Unklarheit widersprechen sich die Autoren; so geben folgende an, dass die Waren aus Monaco beim Export in Drittstaaten keinen Unionsursprung haben: Maresceau 2008, S. 295; Ulses 2004. S. 38; Grinda 2006, S. 43. 57 Vgl. Gstöhl 2001, S. 114; Hummer 2004, S. 86; Sack 1997, S. 48. Aufgrund der rechtlichen Unklarheit widersprechen sich die Autoren; so geben folgende an, dass Präferenzabkommen, die die EU mit Drittstaaten abgeschlossen hat, nicht für Produkte aus Monaco gelten: Maresceau 2008, S. 295; Ulses 2004. S. 38. 58 Vgl. Gstöhl 2001, S. 114. 59 ABl. L 300 vom 31.12.1972, S. 189 ff.; ABl. L 300 vom 31.12.1972, S. 281 f., geändert durch ABl. L 106 vom 26.04.1975, S. 20. 56
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tigung von Einfuhr- und Ausfuhrzöllen sowie Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen der EWG und der Schweiz sowie außerdem die Abschaffung mengenmäßiger Ausfuhr- und Einfuhrbeschränkungen oder Maßnahmen gleicher Wirkung vorsieht, um eine Freihandelszone zu schaffen. Ebenso auf der Basis der Zollunion von 1923 wird im Jahr 2007 ein Zusatzabkommen zwischen Liechtenstein, der Schweiz und der EG über die Einbeziehung Liechtensteins in das Abkommen zwischen der EG und der Schweiz über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen von 1999 abgeschlossen.60 Aufgrund dieser Regelungen ist Liechtenstein indirekt über die EU-Beziehungen der Schweiz in die EU integriert.61 Des Weiteren ist Liechtenstein seit 1991 Mitglied in der EFTA. Ziele des Übereinkommens zur Errichtung der EFTA sind, die weitere Vertiefung der Zusammenarbeit mit der EU, die Erleichterung des Warenverkehrs, das schrittweise Erreichen des freien Personenverkehrs und der Liberalisierung von Dienstleistungen und Investitionen, die Öffnung der öffentlichen Beschaffungsmärkte der EFTA-Staaten sowie ein angemessener Schutz des geistigen Eigentums. Die Beziehungen und der Handel zur EU hat eine hohe Priorität. Neben der indirekten Integration in die EU im wirtschaftlichen Bereich findet durch die Mitgliedschaft in der EFTA auch im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik eine indirekte Integration statt (politischer Dialog).62 Zusätzlich trat am 1. Mai 1995 das EWR-Abkommen63 für Liechtenstein in Kraft, wodurch Liechtenstein in diesem Bereich direkt in die EU integriert wird. Aufgrund dieses Abkommens unterscheiden sich die Beziehungen Liechtenstein – EU grundsätzlich von denen anderer Mikrostaaten zur Union. Im Rahmen des EWR findet in den das Abkommen umfassenden Politikbereichen weitere direkte Integration Liechtensteins in die EU statt. Als Besonderheit im EWR-Abkommen wurde für Liechtenstein im Hinblick auf den freien Warenverkehr vereinbart, dass gleichzeitig zur EWRMitgliedschaft die Zollunion mit der Schweiz von 1923 sowie die offene Grenze zur Schweiz erhalten wird. Liechtenstein gehört also zwei Wirtschaftsräumen an. Die Zollangelegenheiten Liechtensteins mit der EU werden somit nicht nur durch das EWR-Abkommen, sondern auch durch die verschiedenen zwischen der Union und der Schweiz abgeschlossenen Abkommen bestimmt.64 60 ABl. L 270 vom 13.10.2007, S. 6–11; LGBl. 2007, Nr. 257. Abkommen EG-Schweiz: ABl. L 114 vom 30.04.2002, S. 132–368. 61 sh. Punkt E. II. 1. b). 62 sh. Punkt E. II. 1. c). Auskunft einer liechtensteinischen Quelle 2009. 63 ABl. L 1 vom 03.01.1994, S. 1 ff., LGBl. 1995, Nr. 68.
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I. Vergleich der Mikrostaaten hinsichtlich ihrer Integration in die EU
e) Ergebnisse und Zusammenfassung Die Zollbeziehungen der EU zu den Mikrostaaten variieren von einer nicht vorhandenen Zollbeziehung mit dem Vatikan, über unterschiedliche Zollabkommen mit Andorra und San Marino, der Teilnahme Liechtensteins am EWR und am Schweizer Zollgebiet bis zum Einschluss Monacos in das EU-Zollgebiet durch seine engen Beziehungen zu Frankreich. Diese Unterschiede der Kooperation resultieren zumeist aus den verschiedenartigen historischen Kontexten, in denen die Mikrostaaten zu ihren großen Nachbarstaaten stehen. Tabelle 2 Vergleich Integration in die EU: Handel und Zoll Vergleich
Mikrostaat Fürstentum Andorra
Handel und Zoll
Fürstentum Liechtenstein
Fürstentum Monaco
Republik San Marino
Abkommen Zusatzabkom- Zollkonvention Abkommen EG – Andorra men zum Abk. mit Frankreich EG – San Marino ! Zollunion EG – Schweiz, ! Zollunion mit EU
EFTA
mit Frankreich
Staat Vatikanstadt Zollkonvention mit Italien
! Zollunion mit EU
EWRAbkommen
direkte Integration in die EU
indirekte Integration in die EU
Die aktuellen Beziehungen der Mikrostaaten im Bereich Handel und Zoll sind für Andorra, San Marino und Liechtenstein (EWR) als direkte Beziehungen zwischen Mikrostaat und EU einzustufen. Liechtenstein ist außerdem durch seine Beziehungen zur Schweiz indirekt integriert. Monacos Einstufung als Teil des EU-Zollgebietes geht einzig aus den engen Verbindungen mit Frankreich hervor, es existieren keine direkten EU-Beziehungen in diesem Bereich. Vatikan hat zwar mit Italien eine Zollkonvention abgeschlossen, diese ist jedoch keine Grundlage für eine Zollunion und demnach auch keine Integration in die EU. 64 sh. Punkt E. II. 1. b)/E. II. 2. b); vgl. Walch 2004, S. 203; Gstöhl 2001, S. 118 f.; Stapper 1999, S. 87; Waschkuhn 2003, S. 769.
IV. Integration der Mikrostaaten in die EU in verschiedenen Bereichen
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2. Währung a) Überblick Keiner der europäischen Mikrostaaten hat eine eigene offizielle nationale Währung. Alle nutzen die Währung eines Nachbarstaates auf ihrem Gebiet. Bis zur Einführung des Euro nutzten San Marino und der Vatikan die italienische Lira, Monaco den französischen Franc, Andorra auch den französischen Franc sowie die spanischen Peseten und Liechtenstein nutzt noch immer den Schweizer Franken. Rechtliche Grundlage für die Nutzung der Währung des Nachbarstaats – mit Ausnahme Andorras – waren Währungsabkommen mit dem jeweiligen Nachbarstaat.65 Als der Euro in den Staaten eingeführt wurde, die Mitglieder der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion waren (WWU), hatte dies auch Auswirkungen auf die Mikrostaaten, die die bisherige Währung dieser Länder nutzten. Gemäß Art. 351 AEUV bleiben bilaterale Verpflichtungen, die Teilnehmerstaaten der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion vor Abschluss eben dieser Union mit Territorien außerhalb des Geltungsbereiches abgeschlossen haben, bestehen und werden somit in die Währungsunion eingebracht. Zusätzlich hat die EU in der Erklärung Nr. 6 zum EU-Vertrag von Maastricht zu den Währungsbeziehungen zur Republik San Marino, zum Staat Vatikanstadt und zum Fürstentum Monaco66 festgehalten, dass bilaterale Vereinbarungen bis zur Einführung des Euros unberührt bleiben. Außerdem verpflichtete sich die Gemeinschaft, die Neuverhandlung bestehender Übereinkünfte, die durch die Einführung einer einheitlichen europäischen Währung erforderlich werden können, zu erleichtern. Andorra und Liechtenstein sind in dieser Erklärung nicht aufgeführt, da beide Staaten keine Währungsvereinbarung mit einem EU-Mitgliedstaat abgeschlossen hatten: Andorra nutzte die französischen Franc und die spanischen Peseten ohne eine spezielle Vereinbarung und Liechtenstein hat eine Währungsvereinbarung mit der Schweiz abgeschlossen. Die Einführung des Euro in den WWU-Mitgliedstaaten und die damit verbundene Anpassung des Währungswesens führte durch die traditionellen Wirtschafts- und Währungsbeziehungen mit den Mikrostaaten San Marino, Monaco und Vatikanstaat dazu, dass der Euro in diesen Staaten offizielle Währung wurde.67 So wurde mit jedem dieser drei Mikrostaaten eine Währungsvereinbarung durch Italien bzw. Frankreich, die im Namen der EG 65
Vgl. Maresceau 2008, S. 297. ABl. C 191 vom 29.07.1992, S. 99 (Vertrag von Maastricht). 67 sh. Punkte D. II. 1. b), F. II. 1. b), G. II. 1. b), G. II. 1. b); vgl. Hafke 2000, S. 8; Maresceau 2008, S. 297. 66
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I. Vergleich der Mikrostaaten hinsichtlich ihrer Integration in die EU
handelten, abgeschlossen. Es wurde jeweils festgelegt, dass diese drei Mikrostaaten berechtigt sind, den Euro vom 1. Januar 1999 an als offizielle Währung zu verwenden und ab dem 1. Januar 2002 den Euro-Banknoten und -Münzen den Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels zu verleihen. Da die Einführung des Euro in Monaco, San Marino und dem Vatikan aufgrund der historischen Beziehungen zu ihren Nachbarstaaten erfolgte, wird dies jeweils als indirekte Integration in die EU eingeordnet. Auch Andorra nutzt seit der Einführung des Euro diesen als Währung, allerdings bisher ohne offizielle Vereinbarung. b) Vergleich der Währungsvereinbarungen der EG mit Monaco, San Marino und dem Vatikan Die Währungsbeziehungen von San Marino und dem Vatikan zu Italien bzw. von Monaco zu Frankreich sind historisch gewachsen.68 Vor der Gründung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion gestalteten sich die Beziehungen zwischen Monaco und Frankreich etwas anders als bei San Marino und dem Vatikan, denn zusätzlich zur Geltung des Franc als gesetzliches Zahlungsmittel hatten monegassische Finanzinstitutionen vollständigen Zugang zu den Refinanzierungsmöglichkeiten der Banque de France und sie nahmen an einigen französischen Zahlungssystemen unter denselben Bedingungen wie französische Banken teil. Dies war für San Marino und den Vatikan hinsichtlich der Italienischen Staatsbank nicht gegeben.69 Die Entscheidungen des Rates zu den Währungsvereinbarungen der EU vom 31. Dezember 1998 mit den drei Mikrostaaten, die einen Tag vor dem Eintritt in die letzte Stufe der Währungsunion abgeschlossen wurden, lauten fast gleich.70 Zur Führung der Verhandlungen für die Währungsvereinbarungen zur Nutzung des Euros wurde Frankreich gebeten, mit Monaco zu verhandeln und Italien mit San Marino und dem Vatikan, jeweils im Namen der Gemeinschaft. Die wichtigste Bestimmung der Entscheidungen ist, dass die Mikrostaaten den Euro als offizielle Währung verwenden dürfen und er den Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels erhält. Außerdem können die Europäische Zentralbank und die nationalen Zentralbanken den in den Mikrostaaten ansässigen Finanzinstitutionen den Zugang zu den Zahlungsverkehrssyste68
Vgl. Hafke 2000, S. 8; Maresceau 2008, S. 297. Vgl. Hafke 2000, S. 8; Maresceau 2008, S. 297 f. 70 ABl. L 30 vom 04.02.1999, S. 31 f.; ABl. L 30 vom 04.02.1999, S. 33 f.; ABl. L 30 vom 04.02.1999, S. 35 f.; Zustimmung EZB: ABl. C 127 vom 07.05. 1999, S. 4; vgl. Hafke 2000, S. 8; Maresceau 2008, S. 297. 69
IV. Integration der Mikrostaaten in die EU in verschiedenen Bereichen
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men der Notenbanken ermöglichen. Dabei erhalten die Mikrostaaten jedoch keinen Anspruch auf Refinanzierungsmöglichkeiten (Zugang zum Notenbankgeld). Im Ergebnis der Währungsvereinbarungen ist es San Marino, Monaco und dem Vatikan erlaubt, den Euro als ihre Landeswährung zu nutzen. Der Euro wird in diesen Mikrostaaten ab dem 1. Januar 2002 zum gesetzlichen Zahlungsmittel.71 Die Mikrostaaten verzichten darauf Banknoten oder Münzen auszugeben, es sei denn es basiert auf diesem Abkommen (Sammlermünzen). Es ist ihnen erlaubt einen bestimmten Betrag von Euro-Münzen jedes Jahr auszugeben, festgelegt in den jeweiligen Abkommen, Unterschiede dabei sind die Konsequenz der bis dahin bestehenden Währungsvereinbarungen mit den Nachbarstaaten.72 Monaco, San Marino und Vatikanstadt sind jedoch nicht berechtigt, EuroBanknoten auszugeben, und ihre Sammlermünzen sind außerhalb ihres Hoheitsgebiets keine gesetzlichen Zahlungsmittel. Alle drei Mikrostaaten haben sich verpflichtet, den Gemeinschaftsvorschriften für die Euro-Banknoten und -Münzen in ihrem innerstaatlichen Recht Geltung zu verschaffen und bei der Bekämpfung von Münz- und Banknotenfälschungen eng mit der Europäischen Gemeinschaft zusammenzuarbeiten.73 Neben den Gemeinsamkeiten der Abkommen weisen sie jedoch auch Unterschiede auf. So ist die Währungsvereinbarung mit Monaco im Vergleich zu den Abkommen mit San Marino und dem Vatikan detaillierter und teilweise auch strenger. Diese Bestimmungen waren größtenteils bereits in den früheren Vereinbarungen mit Frankreich enthalten. Einer der Unterschiede ist, dass Kreditinstitute und andere in Monaco zugelassene Finanzinstitute an den Interbank-Zahlungssystemen und den Wertpapierliefer- und Abrechnungssystemen nach den gleichen Modalitäten teilnehmen können wie die Institute, die in Frankreich ansässig sind, sofern sie die dazu Bedingungen erfüllen. In den Vereinbarungen mit Vatikanstadt 71
Vgl. EZB 2006, S. 90–93; Maresceau 2008, S. 298. Monaco: jährlich 1/500 der in Frankreich geprägten Münzen, San Marino: jährlich höchstens EUR 1.994.000, Vatikan: ursprünglich höchstens EUR 67.000 pro Jahr, zusätzlich im Jahr einer Sedisvakanz, in jedem Heiligen Jahr und im Jahr der Eröffnung eines ökumenischen Konzils Münzen im Wert von jeweils EUR 201.000, die Obergrenzen wurden per Ratsentscheidung vom 7. Oktober 2003 auf EUR 1.000.000 für ein „normales“ Ausgabejahr und um EUR 300.000 bei besonderen Ereignissen erhöht. Die Obergrenzen für San Marino und den Vatikan werden alle zwei Jahre angepasst. Die jährlichen Prägeauflagen der Euro-Münzen von Monaco bzw. von San Marino und Vatikanstadt werden den Kontingenten von Frankreich bzw. Italien hinzugerechnet. KOM (2009) 359 endgültig, S. 2 f.; vgl. Maresceau 2008, S. 298. 73 KOM (2009) 359 endgültig, S. 2 f. 72
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I. Vergleich der Mikrostaaten hinsichtlich ihrer Integration in die EU
und San Marino ist im Vergleich festgelegt, dass die in diesen beiden Staaten ansässigen Finanzinstitutionen zu Bedingungen, die von der Banca d’Italia im Einvernehmen mit der EZB festzulegen sind, Zugang zu Zahlungsverkehrssystemen des Euroraums gewährt wird. Allerdings haben Vatikanstadt und San Marino bislang kein Interesse an einer direkten Teilnahme an den Zahlungssystemen des Euroraums geäußert, auch wenn San Marino über einen bedeutenden Finanzsektor verfügt.74 Weiterhin ist es die Aufgabe Monacos, die für den Schutz und die Stabilität des Euro und des Finanzsystems der EG auf seinem Hoheitsgebiet notwendigen rechtlichen Bestimmungen zu erlassen. Ebenso wendet Monaco die von Frankreich zur Umsetzung gemeinschaftlicher Rechtsakte über die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und die Vorbeugung gegen Systemrisiken in den Zahlungssystemen und den Wertpapierliefer- und Abrechnungssystemen erlassenen Rechtsvorschriften an (Art. 11 Abs. 2 des Abkommens). Weiterhin muss Monaco Maßnahmen ergreifen, die im Ergebnis den EG-Richtlinien der Gemeinschaft zur Bekämpfung der Geldwäsche und den Rechtsakten über Investmentdienste gleichwertig sind und Monaco verpflichtet sich, Vorschriften der EG zur Bekämpfung der Fälschung von Euro-Banknoten und -Münzen in innerstaatliches Recht umzusetzen.75 Außerdem sieht die Währungsvereinbarung mit Monaco einen Gemeinsamen Ausschuss vor, dessen Aufgabe es ist, die Umsetzung der Vereinbarung in der Praxis zu erleichtern.76 Die Umsetzung der Vereinbarung mit Monaco auf dem Gebiet der Fälschungssicherheit wird regelmäßig überprüft, und das Verzeichnis der zu verabschiedenden Rechtsvorschriften wird auf den Sitzungen des Gemeinsamen Ausschusses aktualisiert. Die Vereinbarungen mit San Marino und Vatikanstadt enthalten keine expliziten Vorgaben hinsichtlich der Umsetzung der gemeinschaftlichen Bestimmungen zum Schutz von Euro-Bargeld gegen Fälschungen und der Art der Zusammenarbeit mit der Gemeinschaft und die EG wird nicht regelmäßig über die Umsetzung der Währungsvereinbarungen in San Marino und Vatikanstadt unterrichtet.77 Aktuelle Entwicklungen Der Rat forderte im Februar 2009 die Kommission auf, die Währungsvereinbarungen mit Monaco, San Marino und dem Staat Vatikanstadt zu über74 75 76 77
KOM (2009) 359 endgültig, S. 3 f. KOM (2009) 359 endgültig, S. 3 f. Vgl. KOM (2009) 359 endgültig, S. 4; Maresceau 2008, S. 299. KOM (2009) 359 endgültig, S. 4 f.
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prüfen.78 Im Ergebnis verfasste die Kommission im Juli 2009 als Mitteilung an den Rat einen Bericht über die Währungsvereinbarungen mit Monaco, San Marino und Vatikanstadt.79 In dieser Mitteilung wurde der Inhalt der Vereinbarungen im Einzelnen erläutert, Stärken und Schwächen der Umsetzung untersucht und inhaltliche Änderungen vorgeschlagen. Mit Blick auf die Vorlage dieser Mitteilung haben Kommission und EZB im März 2009 eine informelle Sitzung mit Vertretern dieser drei Staaten abgehalten. Während die Gespräche mit den Vertretern von Monaco und San Marino konstruktiv waren, zeigte sich der Staat Vatikanstadt weniger interessiert an einem Meinungs- und Informationsaustausch.80 Bezüglich der Umsetzung der einschlägigen EG-Rechtsvorschriften stellte die Kommission fest, dass es zwischen den Vereinbarungen große Unterschiede gibt. So fällt die Verpflichtung, einschlägiges EG-Recht in die nationale Rechtsordnung umzusetzen bzw. gleichwertige Maßnahmen zu verabschieden, in den drei Ländern sehr unterschiedlich aus. Außerdem sollte für einen wirksamen Schutz der Euro-Banknoten und Münzen gegen Fälschung die Umsetzung der einschlägigen EG-Vorschriften in allen drei Ländern beobachtet werden. Weiterhin sollten nach Auffassung der Kommission die Banken und Finanzinstitutionen in San Marino den gleichen Regeln wie die entsprechenden Institutionen im Euro-Raum unterliegen.81 Die Kommission schlägt daher vor, die bestehenden Währungsvereinbarungen zwischen der EG und den Mikrostaaten zu verändern bzw. neu zu verhandeln. Der erste Vorschlag bezieht sich auf die Überwachungsmechanismen. Da auch für die Mitgliedstaaten des Euroraums strenge Regeln gelten, deren Einhaltung von den EU-Organen genau überwacht wird, sollten die EU-Organe ebenso in die Überwachung der Umsetzung der Währungsvereinbarungen involviert sein. In der Währungsvereinbarung mit Monaco ist ein Gemeinsamer Ausschuss vorgesehen, der die Umsetzung und Durchführung der Vereinbarung erleichtert und überwacht. Die mit San Marino und Vatikanstadt unterzeichneten Vereinbarungen enthalten allerdings kein förmliches Überwachungsverfahren. Die Kommission schlägt daher vor, analog zu dem für das Fürstentum von Monaco eingerichteten Ausschuss, zwei gemeinsame Ausschüsse mit dem Staat Vatikanstadt bzw. der Republik San Marino einzusetzen, an denen Vertreter von San Marino bzw. Vatikanstadt, Italien, der Kommission und der EZB teilnehmen würden, um die Fort78 79 80 81
Schlussfolgerungen 2922. Sitzung des ECOFIN-Rates vom 10. Februar 2009. KOM (2009) 359 endgültig. KOM (2009) 359 endgültig, S. 6. KOM (2009) 359 endgültig, S. 6.
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schritte bei der Umsetzung der Vereinbarungen und etwaige Änderungen dieser Vereinbarungen zu überwachen.82 Des Weiteren schlägt die Kommission vor, die EU im Falle einer anhaltenden und schwerwiegenden Verletzung von Pflichten aus den Währungsvereinbarungen zu ermächtigen, vorübergehend das Recht auf die Ausgabe von Euro-Münzen auszusetzen. Der vorübergehenden Aufhebung des Ausgaberechts müssten mehrere Verwarnungen und Gespräche vorausgehen.83 Ein weiterer Vorschlag der Kommission betrifft die Obergrenzen für die Ausgabe von Euro-Münzen, da die bisherigen Prägeauflagen unter den Mikrostaaten unterschiedlich hoch angesetzt sind. Um wenigstens einen gewissen Umlauf der Münzen der drei Länder zu ermöglichen, da viele dieser Euro-Münzen von Sammlern aufgekauft werden und nicht ihrem eigentlichen Zweck zugeführt werden, schlägt die Kommission vor, die Obergrenzen für die Prägeauflage der drei Länder zu erhöhen. Die neuen Obergrenzen würden nach einem neuen, einheitlichen Verfahren berechnet werden, das die Gleichbehandlung aller drei Länder gewährleistet. Nach dem neuen Berechnungsverfahren würde sich die jährliche Obergrenze aus einem festen und einem variablen Bestandteil zusammensetzen, die die Nachfrage von Münzsammlern einerseits (fest) sowie eine durchschnittliche Pro-KopfAusgabe andererseits einbezieht (variabel).84 Das neue Berechnungsverfahren würde zukünftig auch für potenzielle künftige Währungsvereinbarungen gelten (z. B. Andorra wird gerade verhandelt).85 Eine weitere von der Kommission vorgeschlagene Neuerung betrifft die Regeln für die Prägung von Euro-Münzen. Bisher dürfen die Euro-Münzen Monacos nur von der nationalen Münze von Frankreich geprägt werden, die Münzen für Vatikanstadt und San Marino nur von der Münze Italiens. Um das Monopol dieser Münzprägeanstalten aufzulösen, sollten die Münzen des Euroraums Gelegenheit haben, den drei betreffenden Ländern ein Angebot für die Produktion ihrer Euro-Münzen vorzulegen, so wie auch Monaco, Vatikanstadt und San Marino die Möglichkeit haben sollten, unter diesen Münzen die Auftragnehmer frei auszuwählen.86 Außerdem soll der Europäische Gerichtshof als zuständige Instanz für die Beilegung von Streitigkeiten im Zusammenhang mit den Währungsvereinbarungen bestimmt werden.87 82 83 84 85 86 87
KOM KOM KOM KOM KOM KOM
(2009) (2009) (2009) (2009) (2009) (2009)
359 endgültig, S. 6 f. 359 endgültig, S. 7. 359 endgültig, S. 7 f. 359 endgültig, S. 10; sh. Punkt D. II. 1. b). 359 endgültig, S. 10. 570, 572 endgültig, S. 5.
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Entsprechend dieser Vorschläge könnten die Kommission und Italien beauftragt werden, gemeinsam mit der EZB die Währungsvereinbarungen mit San Marino und Vatikanstadt neu auszuhandeln.88 Schließlich gab die Kommission am 16. September 2009 entsprechend ihrer Vorschläge in der Mitteilung eine Empfehlung für eine Entscheidung des Rates zum Standpunkt der EG hinsichtlich der Neuverhandlung der Währungsvereinbarung mit der Republik San Marino89 und am 16. Oktober 2009 mit dem Vatikan ab.90 Am 17. November 2009 entscheidet der Rat zum Standpunkt der EG hinsichtlich der Neuverhandlungen der Währungsvereinbarung mit der Republik San Marino91 sowie mit dem Staat Vatikanstadt.92 Einen Monat später, am 17. Dezember 2009, wurde eine neue Währungsvereinbarung in Brüssel zwischen der EU und Vatikanstadt unterzeichnet.93 Schon am 1. Januar 2010 trat die neue Währungsvereinbarung zwischen der EU und dem Vatikan in Kraft.94 Es ist zu erwarten, dass die neue Vereinbarung mit San Marino auch bald unterzeichnet und in Kraft treten wird. Dann sind die drei Währungsvereinbarungen zwischen der EU und den Mikrostaaten Monaco, San Marino und dem Vatikan weitestgehend harmonisiert. c) Besonderheiten der Währungsbeziehungen EU – Andorra Da Andorra kein eigenes Währungssystem und im Speziellen keine eigenen Geldzeichen besitzt, befanden sich vor der Einführung des Euro entsprechend der geographischen Lage hauptsächlich spanische Pesetas und französische Francs im Umlauf. Die Nutzung der Währungen der Nachbarstaaten basierte nicht auf einem Abkommen. Seit der Einführung des Euros am 1. Januar 2002 wird dieser auch in dem Mikrostaat auf Basis einer einseitigen Entscheidung genutzt, es existiert keine Währungsvereinbarung. Dabei kann Andorra keine eigenen Geldscheine und Münzen ausgeben.95 Da Andorra den Euro aufgrund seiner historischen Beziehungen zu seinen Nachbarstaaten nutzt, wird dies als indirekte Integration in die EU einge88
KOM (2009) 359 endgültig, S. 11. KOM (2009) 572 endgültig. Details sh. Punkt G. II. 1. b). 90 KOM (2009) 570 endgültig. Details sh. Punkt H. II. 1. b). 91 ABl. L 322 vom 09.12.2009, S. 12–13. 92 Entscheidung des Rates 15254/09, noch nicht veröffentlicht. 93 Vgl. European Union/Delegation of the European Union to the Holy See, to the Order of Malta and to the UN Organisations in Rome 2010. 94 ABl. C 28 vom 04.02.2010, S. 13–18. 95 Vgl. Hafke 2000, S. 10; Maresceau 2008, S. 297, 299. 89
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I. Vergleich der Mikrostaaten hinsichtlich ihrer Integration in die EU
stuft. Ein möglicher Grund, warum Andorra kein Währungsabkommen mit seinen Nachbarstaaten abschloss, ist, dass es aufgrund der speziellen konstitutionellen Struktur des Co-Fürstentums ein sensibler Punkt gewesen wäre, einen der beiden Nachbarstaaten auszuwählen. Im Jahr 2003 schlug Andorra der EG vor, eine Währungsvereinbarung abzuschließen.96 Obwohl mittlerweile das Abkommen über die Besteuerung von Zinserträgen zwischen der EG und Andorra ratifiziert wurde, an welches die Gemeinschaft die Verhandlungen über ein Währungsabkommen knüpfte, wurden zwar im Oktober 2004 Verhandlungen durch die Kommission im Namen der EG aufgenommen,97 jedoch kamen sie noch zu keinem Abschluss.98 Bei diesen Verhandlungen – anders als bei den Währungsvereinbarungen mit Monaco, San Marino und dem Vatikan – verhandelt die Europäische Kommission im Namen der Gemeinschaft das Abkommen.99 Es ist zu erwarten, dass die Verhandlungen langwierig sind, vor allem aufgrund der Tatsache, dass Andorra – im Gegensatz zu Monaco, San Marino und dem Vatikan – zuvor noch kein Währungsabkommen mit einem EU-Mitgliedstaat abgeschlossen hatte.100 d) Ergebnisse und Zusammenfassung Generell stellen die Staaten und Territorien, die nicht WWU-Mitglieder sind und trotzdem den Euro nutzen, ausgesprochen kleine Wirtschaftsräume dar. Dazu zählen vier der fünf europäischen Mikrostaaten – außer Liechtenstein. Liechtenstein hat in Währungsfragen keine Beziehungen zur EU, da es den Schweizer Franken als offizielle Währung nutzt und dementsprechend mit der Schweiz in einem Abkommen verbunden ist. Andorra nutzt zwar den Euro als offizielle Währung, war aber weder vor noch nach der Einführung des Euro mit Frankreich, Spanien oder der EU in einem Währungsabkommen verbunden. Allerdings wurden Verhandlungen durch die Kommission mit Andorra aufgenommen, die aber noch nicht abgeschlossen wurden. Falls dieses Abkommen abgeschlossen wird, wäre es 96
Punkt 6 Präambel, ABl. L 244 vom 16.07.2004, S. 47 ff. ABl. L 244 vom 16.07.2004, S. 47 ff.; KOM (2004) 548 endgültig, ABl. C 256 vom 16.10.2004, S. 9; ABl. L 332 vom 06.11.2004, S. 15. 98 Vgl. Maresceau 2008, S. 299 f.; Dózsa 2008, S. 97; Murray 2006, S. 191; Marxer/Pállinger 2009, S. 913; Duursma 1996, S. 302, 340 f., 360 f.; European Commission 2009a; Fischer Weltalmanach 2009; Emerson 2007, S. 3. 99 ABl. L 244 vom 16.07.2004, S. 47; vgl. Maresceau 2008, S. 300. 100 Vgl. Murray 2006, S. 193. 97
IV. Integration der Mikrostaaten in die EU in verschiedenen Bereichen
467
das erste, was direkt zwischen der EU und einem Mikrostaat abgeschlossen werden würde. Im Gegensatz dazu sind Monaco, San Marino und der Vatikan in einer Währungsvereinbarung mit Frankreich bzw. Italien, die im Namen der EG bzw. der EU handelten, verbunden. Vor der Einführung des Euro hatten diese Mikrostaaten mit ihren Nachbarstaaten Währungsabkommen geschlossen, auf denen die derzeitigen Währungsvereinbarungen aufbauen. Zwar waren die ursprünglichen Währungsvereinbarungen der EG mit den drei Mikrostaaten ähnlich, doch wiesen sie auch Unterschiede auf. Dabei war das Abkommen mit Monaco das detaillierteste bzw. strengste. Nach Überprüfung der Währungsvereinbarungen durch die Kommission im Jahr 2009 wurde beschlossen, die Währungsvereinbarungen mit San Marino und dem Vatikan nach dem Vorbild des Abkommens mit Monaco neu zu verhandeln, um eine Gleichbehandlung der drei Mikrostaaten zu gewährleisten. Die neue Währungsvereinbarung mit dem Vatikan ist seit Anfang 2010 in Kraft.
Tabelle 3 Vergleich Integration in die EU: Währung Vergleich
Mikrostaat Fürstentum Andorra
Währung Euro, Keine Vereinbarung (in Verhandlung)
Fürstentum Liechtenstein Schweizer Franken, Währungsunion
direkte Integration in die EU
Fürstentum Monaco
Republik San Marino
Staat Vatikanstadt
Euro,
Euro,
Euro,
Vereinbarung Frankreich – i. N. EG – Monaco
Vereinbarung Italien – i.N. EG – San Marino
Vereinbarung Italien – i.N. EG – Vatikanstadt
indirekte Integration in die EU
Die Währungsbeziehungen der Mikrostaaten zur EU, wenn vorhanden, sind aus den historischen Währungsbeziehungen zu ihrem jeweiligen Nachbarland bzw. den Nachbarländern hervorgegangen und beruhen folglich auf diesen historischen Beziehungen, weshalb sie in der aufgestellten Systematik als indirekt eingestuft werden.
468
I. Vergleich der Mikrostaaten hinsichtlich ihrer Integration in die EU
3. Status der Übernahme des Besitzstandes von Schengen Alle europäischen Mikrostaaten nehmen de facto an Schengen teil. Trotzdem gibt es Unterschiede. Andorra, Monaco, San Marino und der Vatikan sind zwar keine Unterzeichnerstaaten des Schengen-Abkommens, doch praktisch sind sie in den Schengen-Raum integriert, da schon vor Schengen keine Grenzkontrollen zu den Nachbarstaaten bestanden.101 Im Fall Monacos gilt zusätzlich, dass der Mikrostaat aufgrund einer Entscheidung des Schengen-Komitees zu einem Teil des Schengen-Gebietes erklärt wurde, ohne das Abkommen selbst unterzeichnet zu haben.102 Außerdem hat der Vatikan Interesse bekundet, an Schengen und damit am Schengener Informationssystem teilzunehmen.103 Tabelle 4 Vergleich Integration in die EU: Schengen Vergleich
Mikrostaat Fürstentum Andorra
Fürstentum Liechtenstein
Fürstentum Monaco
Schengen Kein Unterzeichner, offene Grenzen
Protokoll zum Abkommen EG – Schweiz (2008)
Mitglied durch Entscheidung des SchengenKomitees
direkte Integration in die EU
Republik San Marino Kein Unterzeichner, offene Grenzen
Staat Vatikanstadt Kein Unterzeichner, offene Grenzen
indirekte Integration in die EU
Seit 1923 gibt es zwischen Liechtenstein und der Schweiz keine Personenkontrollen. Außerdem ist die Schweiz für die Personenkontrollen an den Grenzen von Liechtenstein zu Österreich zuständig. Dies ist auch nach dem Beitritt der Schweiz am 12. Dezember 2008 zum Schengenraum so geblieben. Zum Schengen-Abkommen mit der Schweiz existiert ein Protokoll, das erlaubt, dass auch Liechtenstein Mitglied des Schengen-Gebietes werden kann. Das Protokoll wurde am 28. Februar 2008 in Brüssel von Liechtenstein unterzeichnet und durch das Liechtensteinische Parlament am 27. Juni 2008 ratifiziert. Allerdings ist der Ratifizierungsprozess innerhalb der 101 102 103
sh. Punkte D./F./G./H. II. 1. c); vgl. Auswärtiges Amt 2009c. sh. Punkt F. II. 1. c). sh. Punkt H. II. 1. c).
IV. Integration der Mikrostaaten in die EU in verschiedenen Bereichen
469
EU noch nicht abgeschlossen. Durch die Festlegung von Übergangregeln nach dem Schengen-Beitritt der Schweiz, z. B. die Überwachung des Grenzverkehrs per Video, ist Liechtenstein schon de-facto Teil des Schengen-Gebietes.104 Somit ist auch Liechtenstein indirekt, d.h. über seine Beziehungen zur Schweiz, in diesem Bereich in die EU integriert. Bei allen europäischen Mikrostaaten, die praktisch oder faktisch in den Schengen-Raum integriert sind, ist dies als indirekte Integration in die EU zu klassifizieren. 4. Abkommen im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen a) Überblick Die EU hat das Ziel, Zinseinkünfte von Privatpersonen in umfassender Weise mit der Einkommenssteuer zu erfassen. Daher sollte diesbezüglich eine Richtlinie erlassen werden, um eine lückenlose Besteuerung von Zinserträgen innerhalb des EU-Raumes zu garantieren.105 Innerhalb der EU war es besonders schwer, die Steuerpolitiken der Mitgliedstaaten aus der Sicht des fairen Wettbewerbs in Angriff zu nehmen, vor allem da dies in Einstimmigkeit beschlossen werden muss. Ein wichtiger politischer Meilenstein war der Europäische Rat von Santa Maria da Feira im Jahr 2000, auf dem man sich über ein umfassendes Maßnahmenpaket im Bereich der Steuern einigte.106 Obwohl das Hauptziel der EU-Initiative war, eine Verpflichtung zu einem automatischen Informationsaustausch unter den EU-Mitgliedstaaten zu schaffen, wurde schnell deutlich, dass es mindestens für einen Übergangszeitraum notwendig war, in drei der EU-Mitgliedstaaten unterschiedliche Instrumente anzuwenden. So wurde es Belgien, Luxemburg und Österreich erlaubt, eine anonyme Quellensteuer auf Zinserträge abzuführen. Eine Schwierigkeit ergab sich daraus, dass nicht nur EU-Mitgliedstaaten diesbezüglich in Betracht gezogen werden mussten, sondern auch Nicht-EU-Staaten, die als Schlüsseldrittstaaten eingestuft wurden. Zu diesen Staaten zählte man die Schweiz und die europäischen Mikrostaaten Andorra, Liechtenstein, Monaco und San Marino.107 Beachtenswert ist, dass die Mikrostaaten zum ersten Mal als „Schlüsseldrittstaaten“ von der EU bezeichnet wurden. Ähnliche Instrumente wurden auch in den abhängigen oder assoziierten Gebieten der EU-Mitgliedstaaten angewandt.108 104 105 106 107 108
sh. Punkt E. II. 1. b) cc). Vgl. Miller 2007, S. 296. Vgl. Maresceau 2008, S. 300. Vgl. Maresceau 2008, S. 300; Miller 2007, S. 198. Vgl. Maresceau 2008, S. 301.
470
I. Vergleich der Mikrostaaten hinsichtlich ihrer Integration in die EU
So wurden parallel zu der Diskussion über eine Richtlinie zur Besteuerung von Zinserträgen innerhalb der EU auch Abkommen mit den Schlüsseldrittstaaten verhandelt, um die gleichen Instrumente aufzubauen. Mit der Schweiz wurde schon im März 2003 ein politischer Kompromiss im Kontext des Verhandlungspakets der bilateralen Abkommen II geschlossen. Bevor einer der Mikrostaaten ein Abkommen mit der EG unterzeichnete, verabschiedete der Rat am 3. Juni 2003 die Richtlinie 2003/48/EG im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen.109 Der Artikel 17 Abs. 2 der Richtlinie hält fest, dass „die Mitgliedstaaten [. . .] diese Vorschriften ab dem 1. Januar 2005 an[wenden], sofern [. . .] die Schweizerische Eidgenossenschaft, das Fürstentum Liechtenstein, die Republik San Marino, das Fürstentum Monaco und das Fürstentum Andorra ab dem gleichen Zeitpunkt gemäß den von ihnen nach einstimmigem Beschluss des Rates mit der Europäischen Gemeinschaft geschlossenen Abkommen Maßnahmen anwenden, die den in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen gleichwertig sind.“ Das Datum wurde später auf den 1. Juli 2005 verschoben.110 Die Anwendung der Richtlinie wurde nicht abhängig von einem derartigen Abkommen mit den USA gemacht, die abgelehnt hatte, ein Abkommen in diesem Bereich mit der EG zu unterzeichnen.111 Die Entscheidung der Schweiz, das Abkommen mit der EG in diesem Bereich zu unterzeichnen, entfesselte enormen Druck auf die Mikrostaaten. Sie hatten keine andere Möglichkeit, als die Abkommen zu unterzeichnen. Als die EU um die Unterzeichnung der Abkommen bat, schlugen einige der Mikrostaaten trotzdem andere, weitere Verhandlungspunkte vor. Anfangs wurde die Idee, Verhandlungspakete zu bilden, nicht sehr begrüßt und noch weniger durch die EU favorisiert, doch es war für die EU auch schwierig, diese kategorisch zu ignorieren oder jede Anfrage der Mikrostaaten zur Eröffnung oder Erweiterung anderer Verhandlungen einfach abzulehnen.112 Beispielsweise bestand Andorra auf die Verabschiedung eines Pakets, besonders um das Kooperationsabkommen voranzutreiben, um Verhandlungen über ein Währungsabkommen bezüglich der Nutzung des Euros zu beginnen sowie um die Freizügigkeit der Bürger Andorras zu ermöglichen. Andere Mikrostaaten betonten die Notwendigkeit verstärkter Kooperationen in bestimmten Bereichen, z. B. bei den Dienstleistungen, und definierten diese in den gemeinsamen Absichtserklärungen, die bei der Unterzeichnung der Abkommen im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen mit unterzeichnet wurden. Auch wenn nicht alle Anfragen in diesen Memoranden behandelt 109 ABl. L 157 vom 26.06.2003, S. 38–48; geändert durch ABl. L 168 vom 01.05.2004, S. 35; vgl. Maresceau 2008, S. 301. 110 ABl. L 257 vom 04.08.2004, S. 7. 111 Vgl. Maresceau 2008, S. 301. 112 Vgl. Maresceau 2008, S. 301 f.
IV. Integration der Mikrostaaten in die EU in verschiedenen Bereichen
471
wurden, ist es trotzdem möglich, dass diese in gesonderten Verhandlungen thematisiert werden.113 Im Folgenden werden die Abkommen der Mikrostaaten mit der EG in diesem Bereich verglichen. b) Vergleich der Abkommen der EG mit Andorra, Liechtenstein, Monaco und San Marino Die Abkommen im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen wurden mit den vier europäischen Mikrostaaten (außer Vatikan) im Jahr 2004 unterzeichnet und sie sind nahezu identisch. Sie traten zum 1. Juli 2005 in Kraft.114 Es wird das Prinzip festgelegt, dass die Zahlstelle (Bank, Finanzinstitut, etc.) in den betreffenden Mikrostaaten eine Quellensteuer auf Zinserträge erheben wird, ähnlich wie die zuvor erwähnte Quellensteuer der drei EU-Mitgliedstaaten. Der Einbehalt der Steuer wird nicht angewandt auf EU-ansässige Steuerzahler, die die Zahlstellen in Andorra, Liechtenstein, Monaco und San Marino autorisieren, Informationen über die Zinszahlungen seinen zuständigen Steuerbehörden offen zu legen. Es gibt keinen automatischen Informationsaustausch und so wird das Bankgeheimnis größtenteils gewahrt. Allerdings erlauben die Abkommen einen Informationsaustausch auf Ersuchen. Die Mikrostaaten haben zugestimmt, „hinsichtlich der unter dieses Abkommen fallenden Erträge Informationen über Handlungen aus[zutauschen], die nach den Rechtsvorschriften des ersuchten Staates, als Steuerbetrug oder als ähnliches Delikt gelten.“ (z. B. Andorra: Art. 12 Abs. 1 des Abkommens). Da die Gesetze des ersuchten Staates die Bedeutung von „Steuerbetrug“ bestimmen, mussten einige der Mikrostaaten sogar erst diesen Begriff in ihre Gesetzgebung aufnehmen.115 Wie erwähnt, ist all den Abkommen im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen eine gemeinsame Absichtserklärung beigefügt, unterzeichnet durch die EG, die Mitgliedstaaten und jedem der vier Mikrostaaten, bzw. im Fall Monacos nur durch die EG und Monaco. Die Absichtserklärungen erwähnen den möglichen Abschluss von bilateralen Abkommen zwischen den Mikrostaaten und EU-Mitgliedstaaten oder bestimmten Vereinbarungen durch die Mitgliedstaaten. 113
Vgl. Maresceau 2008, S. 302. sh. Punkte D. II. 2. d)/E. II. 2. c)/F. II. 2. c)/G. II. 2. d); Beschlüsse des Rates: Andorra: ABl. L 114 vom 04.05.2005, S. 9 und ABl. L 359 vom 04.12.2004, S. 32; Liechtenstein: ABl. L 112 vom 03.05.2005, S. 12 und ABl. L 379 vom 24.12.2004, S. 83; Monaco: ABl. L 110 vom 30.04.2005, S. 40 und ABl. Nr. L 19 vom 21.01.2005, S. 53; San Marino: ABl. L 114 vom 04.05.2005, S. 11 und ABl. L 381 vom 28.12.2004, S. 34. 115 Vgl. Maresceau 2008, S. 302 f. 114
472
I. Vergleich der Mikrostaaten hinsichtlich ihrer Integration in die EU
In der gemeinsamen Absichtserklärung des Abkommens mit Andorra wird erklärt, dass das Abkommen im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen als „akzeptable Regelung“ angesehen wird, die Absichtserklärungen mit Liechtenstein, Monaco und San Marino sprechen sogar von einer „akzeptable[n] und ausgewogene[n] Regelung“, die die Interessen der Vertragsparteien wahrt.116 Alle Absichtserklärungen legen weiterhin dar, dass die Vertragsparteien die „vereinbarten Maßnahmen nach Treu und Glaube durchführen und diese Regelung nicht ohne hinreichenden Grund durch einseitiges Handeln verletzen.“117 Auf den ersten Blick ist die ausgewogene Natur der Abkommen nicht jedem augenscheinlich und es scheint sich eher um einen von der EG vorgegebenen Text zu handeln. Elemente der ausgewogenen und akzeptablen Natur der Abkommen können jedoch vor allem mit der Verbindung zu den weiteren politischen Verhandlungs-Paketen gesehen werden, die einige Mikrostaaten teilweise parallel zu den Verhandlungen der Abkommen im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen verhandelt haben.118 Andorra bestand, wie schon erwähnt, auf die Aufnahme von Verhandlungen über eine Währungsvereinbarung zur Nutzung des Euros.119 Außerdem enthält die Absichtserklärung mit Andorra in Punkt 3 die Verpflichtung des Mikrostaates „[. . .] in sein innerstaatliches Recht [. . .] den Tatbestand des Steuerbetrugs einzuführen, der mindestens die Verwendung falscher, gefälschter und inhaltlich nachweislich unrichtiger Wertpapiere und Dokumente mit dem Vorsatz der Täuschung der Steuerverwaltung im Bereich der Zinsbesteuerung umfasst“. Die Definition von Steuerbetrug ist nur zum Zweck der Anwendung des Abkommens relevant. Diese Einschränkung des Umfangs des Konzepts „Steuerbetrug“ kann auch in den Absichtserklärungen der anderen Mikrostaaten gefunden werden. In einigen der Absichtserklärungen wird auch hingewiesen auf die Erweiterung der Kooperation in den Bereichen Finanz- und Versicherungsdienstleistungen (Monaco, San Marino) oder der Stärkung von wirtschaftlicher und steuerlicher Kooperation mit den EU-Mitgliedstaaten (Andorra). Aus Sicht der EU ist es sicherlich als Erfolg zu bewerten, dass dieses Netzwerk der Abkommen im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen mit der Schweiz, den vier europäischen Mikrostaaten und den abhängigen und assoziierten Gebieten der EU-Mitgliedstaaten aufgebaut werden konnte. Noch ist es zu früh, um die konkreten Ergebnisse zu beurteilen. Eines der Probleme ist, dass nicht alle „Offshore-Zentren“ der Welt ähnliche Abkom116 117 118 119
Erster Absatz der Absichtserklärungen; vgl. Maresceau 2008, S. 303. Erster Absatz der Absichtserklärungen; vgl. Maresceau 2008, S. 303. Vgl. Maresceau 2008, S. 303. Punkt 5 Absichtserklärung; vgl. Maresceau 2008, S. 303 f.
IV. Integration der Mikrostaaten in die EU in verschiedenen Bereichen
473
men mit der EU geschlossen haben und dadurch Fluchtmöglichkeiten weiterhin existieren.120 Diese Abkommen sind das erste Beispiel dafür, dass die EU ihre Politik kollektiv allen sehr kleinen europäischen Drittstaaten und Territorien auferlegt. Aus formaler Sicht führten Verhandlungen zu dem Abkommen. Dies wurde allerdings nur erreicht, da die Partner der EU dem Druck nicht standhalten konnten.121 Die Europäische Kommission hat vorgeschlagen, die Zinsbesteuerungsrichtlinie neu zu verhandeln, um bestehende Schlupflöcher zu schließen, da die Übergangsbestimmungen für die drei EU-Mitgliedstaaten Österreich, Belgien und Luxemburg in diesem Bereich 2010 ausläuft. Dies macht dann ebenso eine Änderung der Abkommen mit den EU-Drittstaaten notwendig.122 Erste Sondierungsgespräche haben stattgefunden.123 Es ist zu erwarten, dass die EU ein Abkommen anstrebt, dass einen automatischen Informationsaustausch festlegt.124 c) Ergebnisse und Zusammenfassung Außer dem Vatikan haben alle Mikrostaaten mit der EG ein Abkommen in Bereich der Besteuerung von Zinserträgen abgeschlossen. Tabelle 5 Vergleich Integration in die EU: Finanzbereich Vergleich
Mikrostaat Fürstentum Andorra
Besteuerung von Zinserträgen
Abkommen Besteuerung von Zinserträgen
Fürstentum Liechtenstein Abkommen Besteuerung von Zinserträgen
direkte Integration in die EU
120 121 122 123 124
Fürstentum Monaco
Republik San Marino
Abkommen Besteuerung von Zinserträgen
Abkommen Besteuerung von Zinserträgen
Staat Vatikanstadt Kein Abkommen
indirekte Integration in die EU
Vgl. Maresceau 2008, S. 304. Vgl. Emerson 2007, S. 52; Dózsa 2008, S. 97. Vgl. Emerson 2007, S. 52. KOM (2008) 727 endgültig; vgl. Reiterer 2009, S. 2. Vgl. Emerson 2007, S. 52; Auskunft einer liechtensteinischen Quelle 2010.
474
I. Vergleich der Mikrostaaten hinsichtlich ihrer Integration in die EU
Alle vier Abkommen im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen zwischen den jeweiligen Mikrostaaten und der EU sind als direkte Integration in die EU einzuordnen. 5. Weitere Bereiche der Zusammenarbeit a) Kooperationsabkommen mit Andorra und San Marino125 Sowohl Andorra als auch San Marino haben mit der EG ein Kooperationsabkommen abgeschlossen. Das Kooperationsabkommen zwischen der EG und dem Fürstentum Andorra trat im Jahr 2005 in Kraft, im Falle San Marinos ist es Bestandteil des 2002 in Kraft getretenen Abkommens über eine Zusammenarbeit und eine Zollunion zwischen der EG und der Republik San Marino. Beide Abkommen sind Formen der direkten Integration in die EU. In dem Kooperationsabkommen mit Andorra verpflichten sich die Vertragsparteien auf möglichst breiter Grundlage und zum beiderseitigen Wohl in Bereichen von gemeinsamem Interesse zusammenzuarbeiten. Bereiche der Zusammenarbeit sind dabei Umwelt; Kommunikation, Information, Kultur; Bildung, Ausbildung, Jugend; soziale Fragen und Gesundheit, transeuropäische Netze und Verkehr sowie Regionalpolitik. Weiterhin können die Vertragsparteien das vorliegende Abkommen in gegenseitigem Einvernehmen durch Abkommen über weitere spezifische Bereiche erweitern. Auch das Abkommen mit San Marino sieht das Ziel vor, die bestehenden Beziehungen auf möglichst breiter Grundlage, zum Wohle beider Vertragsparteien zu festigen. Die prioritären Bereiche der Kooperation sind die Förderung der Erholung und Diversifizierung der Wirtschaft von San Marino im gewerblichen und im Dienstleistungssektor mit besonderer Ausrichtung auf die kleinen und mittleren Unternehmen, der Schutz und die Verbesserung der Umwelt, die Zusammenarbeit im Fremdenverkehrssektor sowie die Bereiche der Kommunikation, der Information und der Kultur. Ebenso wie bei Andorra können die Vertragsparteien können dieses Abkommen im gegenseitigen Einvernehmen erweitern. Es ist erkennbar, dass die Bereiche der Kooperation nicht absolut identisch sind, sondern schon eine gewisse Anpassung an die jeweiligen Mikrostaaten vorgenommen wurde. Wichtigster Unterschied ist, dass im Abkommen mit Andorra der soziale Bereich mit aufgenommen wurde, während im Abkommen mit San Marino ökonomische Fragen abgedeckt wurden. 125
sh. Punkte D. II. 2. c), G. II. 2. b).
IV. Integration der Mikrostaaten in die EU in verschiedenen Bereichen
475
In dem Abkommen mit Andorra und dem Abkommen mit San Marion wird jeweils ein Kooperationsausschuss eingesetzt, zusammengesetzt aus Vertretern der EG und des Mikrostaates, der für die Verwaltung des Abkommens zuständig ist und seine ordnungsgemäße Durchführung überwacht. Beide Abkommen werden auf unbegrenzte Zeit geschlossen. Jede Vertragspartei kann das jeweilige Abkommen jederzeit mit sechsmonatiger Frist kündigen. Beide Abkommen sind weit gefächert, jedoch eher generell formuliert. Da beide Abkommen noch relativ neu sind, können die Auswirkungen nur schwer beurteilt werden. Bisher wurden nur wenig konkrete Implementierungen durchgeführt. Trotzdem sind die Abkommen ein wichtiger Schritt zur Annäherung dieser Mikrostaaten an die EU, direkte vertragliche Beziehungen wurden geschaffen, die auch die Souveränität der Mikrostaaten festigen. b) Abkommen zwischen der EG und Monaco über die Anwendung bestimmter Gemeinschaftsakte im Gebiet des Fürstentums Obwohl Monaco an der Zollunion der EU und dadurch praktisch auch am freien Warenverkehr des EU-Binnenmarktes teilnimmt, können die Waren aus Monaco auch innerhalb der EU auf Hindernisse stoßen. Daher wurde das bilaterale Abkommen am 4. Dezember 2003 zwischen der EG und dem Fürstentum über die Anwendung bestimmter Gemeinschaftsakte im Gebiet des Fürstentums126 unterzeichnet, das am 1. Mai 2004 in Kraft trat.127 Es ist das erste direkte Abkommen in den Beziehungen Monacos zur EU.128 In dem Abkommen wird die Anwendung von Rechtsakten der Gemeinschaft in den Bereichen Human- und Tierarzneimittel, kosmetische Mittel und Medizinprodukte in Monaco festgeschrieben. So wurde die Voraussetzung dafür geschaffen, dass die in Monaco niedergelassenen Hersteller in der EU anerkannt werden und damit Zugang zum EU-Markt erhielten.129 Im Rahmen des Abkommens wurde der erste gemischte Ausschuss in den Beziehungen EG-Monaco eingesetzt.130 Dieses Abkommen ist besonders für Monacos Industrie sehr wichtig, da es einige sehr bekannte Pharma- und Kosmetikhersteller im Fürstentum gibt, deren Umsatz einen großen Teil der monegassischen Industrie ausmacht.131 126 127 128 129 130
ABl. L 332 vom 19.12.2003, S. 42–51. ABl. L 104 vom 08.04.2004, S. 113. Vgl. Maresceau 2008, S. 295; Ulses 2004, S. 41; Grinda 2006, S. 48. Vgl. Ulses 2004, S. 40 f. Vgl. Maresceau 2008, S. 295.
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I. Vergleich der Mikrostaaten hinsichtlich ihrer Integration in die EU
c) Monacos indirekte Integration in die EU im Steuer-, Banken- und Versicherungsrecht Monaco hat im Finanzbereich diverse Steuer- und Fiskalkonventionen mit Frankreich abgeschlossen, aufgrund derer EU-Recht indirekt in dem Fürstentum Einzug findet.132 Dazu gehört das Steuerabkommen von 1963,133 das festschreibt, dass Frankreich und das Fürstentum Monaco hinsichtlich der Mehrwert- und Umsatzsteuer ein einheitliches Territorium bilden. Daher haben die auf EU-Ebene verabschiedeten Mehrwert- und Umsatzsteuerrichtlinien herausragende Bedeutung für Monaco.134 Dazu gehört u. a. die Mehrwertsteuerrichtlinie 77/388 vom 17. Mai 1977135 sowie die Richtlinie 92/111 vom 14. Dezember 1992136 sowie weitere in Frankreich geltende Regeln, die Monaco durch diverse Verordnungen und Gesetzen übernommen hat.137 Die Richtlinie 92/111 bestätigt ausdrücklich, dass das Mehrwertsteuersystem der EU seit dem 1. Januar 1993 auch in Monaco gilt und Monaco, in Anbetracht der Konventionen und Verträge, die es mit Frankreich abgeschlossen hat, in der Anwendung dieser Richtlinie nicht als Drittstaat angesehen wird.138 Somit werden die Warenlieferungen von und nach Monaco als solche von und nach Frankreich angesehen.139 Dieses Abkommen setzt monegassische Händler und Firmen mit französischen Händlern und Firmen gleich.140 Weiterhin existieren einige bilaterale Abkommen zwischen Monaco und Frankreich bezüglich Banken und Versicherungen.141 Dazu gehören das Abkommen zur Devisenkontrolle vom 25. Juli 1945 und das Abkommen über Versicherungen vom 18. Mai 1963. Dies führt dazu, dass im Fürstentum im Wesentlichen das französische Bankenrecht sowie das französische Versicherungsrecht Anwendung findet. Die Normen Frankreichs haben wiederum sowohl im Banken- als auch im Versicherungsrecht meist ihren Ursprung in EU-Regelungen, die somit indirekt von Monaco übernommen werden.142 131
Vgl. Ulses 2004, S. 41. sh. Punkt F. II. 1. d). 133 sh. Punkte F. I. 6. b), F. II. 1. d); vgl. Stapper 1999, S. 39; Duursma 1996, S. 286; Maresceau 2008, S. 294. 134 Vgl. Stapper 1999, S. 40; Ulses 2004, S. 39. 135 ABl. L 145 vom 13.06.1977, S. 1–40. 136 ABl. L 384 vom 30.12.1992, S. 47–57. 137 Vgl. Stapper 1999, S. 40. 138 Vgl. Stapper 1999, S. 40; Principauté de Monaco/Ministère d’Etat 2009k; Ulses 2004, S. 16; Murray 2006, S. 194; Maresceau 2008, S. 294. 139 Vgl. Stapper 1999, S. 40. 140 Vgl. Murray 2006, S. 195. 141 sh. Punkte F. I. 6. b), F. II. 1. d). 132
IV. Integration der Mikrostaaten in die EU in verschiedenen Bereichen
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Zu erwähnen ist die Zusammenarbeit Monacos mit der EU im Forschungsbereich durch die Teilnahme an EUREKA sowie die regionale Zusammenarbeit durch die Teilnahme an ALCOTRA und der euro-mediterranen Partnerschaft. d) Beobachterstatus des Vatikans bei der EU Der Vatikan hat bei der EU Beobachterstatus. e) Zusammenfassung Tabelle 6 Vergleich Integration in die EU: Weiteres Vergleich
Mikrostaat Fürstentum Andorra
Weiteres
Fürstentum Liechtenstein
Kooperationsabkommen
Fürstentum Monaco Abkommen über Anwendung von EG-Recht
Republik San Marino
Staat Vatikanstadt
Kooperations- Beobachterabkommen status bei der EU
Steuer-, Banken- und Versicherungsrecht
direkte Integration in die EU
indirekte Integration in die EU
Die EU und die Mikrostaaten haben Kooperationen in weiteren Gebieten von gegenseitigem Interesse gefördert. Auffällig ist, dass sich diese weiteren Abkommen oder Formen der Zusammenarbeit von einem zum anderen Mikrostaat deutlich unterscheiden und bisher kaum eine Systematik oder eine klare politische Strategie seitens der EU angewandt wurde.143 Es ist allerdings zu vermuten, dass zukünftig seitens der EU verstärkt eine koordinierte Politik gegenüber den Mikrostaaten erfolgt, was in den aktuellen Entwicklungen schon erkennbar wird. 142 143
Vgl. Stapper 1999, S. 38; Gstöhl 2001, S. 114. Vgl. Dózsa 2008, S. 101.
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I. Vergleich der Mikrostaaten hinsichtlich ihrer Integration in die EU
6. Aktuelle Entwicklungen a) Betrugsbekämpfungsabkommen Seit 2006 laufen Verhandlungen zum Abschluss eines Abkommens zur Betrugsbekämpfung zwischen Liechtenstein und der EU.144 Die Verhandlungen des Abkommens sind schon abgeschlossen, jedoch wurde es noch nicht unterzeichnet. Auch für die anderen Mikrostaaten Andorra, Monaco und San Marino besteht die Absicht, ein Betrugsbekämpfungsabkommen mit der EU abzuschließen. Diese Abkommen sind jeweils eine Form der direkten Integration in die EU. Schon im Jahr 2007 hat die fürstliche Regierung Monacos die Möglichkeit untersucht, ein Betrugsbekämpfungsabkommen mit der EG abzuschließen.145 Schließlich tagten am 19./20. Oktober 2009 die Eurogroup und der informelle Wirtschafts- und Finanzministerrat, auf dem das Betrugsbekämpfungsabkommen mit Liechtenstein besprochen wurde. In den Vorbereitungen wurde festgelegt, dass die Präsidentschaft versuchen wird, eine politische Übereinkunft über das Betrugsbekämpfungsabkommen EU-Liechtenstein zu erreichen. Durch dieses Abkommen sollen alle EU-Mitgliedstaaten befähigt werden, verstärkt gegen Steuerbetrug und andere illegale Handlungen, die ihre finanziellen Interessen betreffen, zu kämpfen. Der Informationsaustausch und die Transparenz in Steuerangelegenheiten sollen durch das Abkommen gefördert werden. Des Weiteren wurde auf der Sitzung am 19./20. Oktober 2009 besprochen, dass die Präsidentschaft eine politische Übereinkunft darüber finden will, der Kommission ein Mandat für die Verhandlungen über Betrugsbekämpfungsabkommen mit Andorra, Monaco, San Marino und der Schweiz zu erteilen (Entwurf einer Entscheidung des Rates vom 16.10.2009). Zuvor verabschiedete die Kommission am 30. Juni 2009 eine Empfehlung an den Rat, die Kommission zum Abschluss der Abkommen zwischen der EG und ihren Mitgliedstaaten sowie diesen vier Ländern zu ermächtigen. Wie auch in dem angestrebten Abkommen mit Liechtenstein soll es das Ziel sein, Betrug und sonstige rechtswidrige Handlungen, die ihre finanziellen Interessen beeinträchtigen, zu bekämpfen sowie die Verwaltungszusammenarbeit durch Informationsaustausch in Steuerangelegenheiten zu gewährleisten.146 144 KOM (2008) 839 vom 10.12.2008; sh. Punkt E. II. 2. d); vgl. Delegation der Europäischen Kommission für die Schweiz und für das Fürstentum Liechtenstein 2009b; Hasler 2008, S. 2; Reiterer 2008, S. 2; Marxer/Pállinger 2009, S. 924; Tschütscher 2009, S. 4. 145 Vgl. Principauté de Monaco/Ministère d’Etat/Département des Relations Extérieures 2008, S. 13. 146 Kom.-Dok. SEC (2009) 899/F; vgl. Europa/Press Releases RAPID 2009.
IV. Integration der Mikrostaaten in die EU in verschiedenen Bereichen
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b) Neuverhandlungen Schon in den Länderkapiteln bzw. in den Vergleichen wurde darauf hingewiesen, dass diverse Abkommen mit den Mikrostaaten neu verhandelt bzw. aktualisiert werden sollen. So ermächtigte der Rat am 17. Dezember 2008 die Kommission, Verhandlungen mit dem Fürstentum Andorra und der Republik San Marino zu eröffnen, mit dem Ziel der Erweiterung des Umfangs des Abkommens in Form eines Briefwechsels mit dem Fürstentum Andorra und dem Zollunions- und Kooperationsabkommens mit der Republik San Marino um Zollsicherheitsmaßnahmen einzubeziehen.147 Ebenso hat die Europäische Kommission vorgeschlagen, die Zinsbesteuerungsrichtlinie neu zu verhandeln, um bestehende Schlupflöcher zu schließen. Dies macht dann ebenso eine Änderung der Abkommen über die Besteuerung von Zinserträgen mit Andorra, Liechtenstein, Monaco und San Marino notwendig. Es ist zu erwarten, dass die EU Abkommen anstrebt, die einen automatischen Informationsaustausch festlegt.148 Des Weitern wurde nach Überprüfung der Währungsvereinbarungen durch die Kommission im Jahr 2009 beschlossen, die Währungsvereinbarungen mit San Marino und dem Vatikan nach dem Vorbild des Abkommens mit Monaco neu zu verhandeln, um eine Gleichbehandlung der drei Mikrostaaten zu gewährleisten. Die neue Währungsvereinbarung mit dem Vatikan trat am 1. Januar 2010 in Kraft. Außerdem sind seit 2004 Verhandlungen zwischen der EG und Andorra über den Abschluss einer Währungsvereinbarung im Gange, die jedoch noch nicht abgeschlossen wurden. c) Zusammenfassung Es wird deutlich, dass sowohl die EU als auch die Mikrostaaten in neuester Zeit bestrebt sind, ihre Beziehungen und damit die Integration der Mikrostaaten in die EU zu vertiefen. Dabei ist auffällig, dass die Tendenz zu direkten Abkommen zwischen der EU und den Mikrostaaten geht. Außerdem scheint die EU bemüht, ihre Politik gegenüber den Mikrostaaten zu vereinheitlichen und dementsprechend auch die Abkommen anzupassen.
147 148
Rats-Dok. 17415/08. Vgl. Emerson 2007, S. 52; Auskunft einer liechtensteinischen Quelle 2010.
480
I. Vergleich der Mikrostaaten hinsichtlich ihrer Integration in die EU Tabelle 7 Vergleich Integration in die EU: Aktuelle Entwicklungen
Vergleich
Mikrostaat Fürstentum Andorra
Aktuelle Entwicklungen
Fürstentum Liechtenstein
Fürstentum Monaco
Republik San Marino
Betrugsbekämpfung
Betrugsbekämpfung
Betrugsbekämpfung
Betrugsbekämpfung
Neuverhandlung Besteuerung von Zinserträgen
Neuverhandlung Besteuerung von Zinserträgen
Neuverhandlung Besteuerung von Zinserträgen
Neuverhandlung Besteuerung von Zinserträgen
Neuverhandlung Zollabkommen
Staat Vatikanstadt
Neuverhandlung Zollabkommen Neuverhandlung Währungsvereinbarung
direkte Integration in die EU
Neuverhandlung Währungsvereinbarung
indirekte Integration in die EU
V. Zusammenfassung Auch wenn keiner der europäischen Mikrostaaten Mitglied der EU ist, ist schon heute in den Beziehungen zueinander ein ausgeklügeltes politisches und rechtliches System entstanden.149 Die Beziehungen zwischen den europäischen Mikrostaaten und der EU sind sehr komplex, vor allem aufgrund der Besonderheiten dieser Staaten. Alle europäischen Mikrostaaten teilen die existenzielle Sorge über ihren Platz und ihre Rolle als sehr kleine Territorien auf einem europäischen Kontinent, der so stark mit der EU verflochten und integriert ist.150 Dies macht die Beziehungen mit diesem großen Nachbarn zu einer permanenten und gleichzeitig anonymeren Herausforderung als die zuvor erlebten Beziehungen mit ihren historisch eng verbundenen Nachbarstaaten.151 Die unterschiedlichen Beziehungen der Mikrostaaten 149 150 151
Vgl. Maresceau 2008, S. 307. Vgl. Maresceau 2008, S. 304. Vgl. Maresceau 2008, S. 305.
V. Zusammenfassung
481
zur EU basieren zum größten Teil auf den diversen historischen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen, etc. Beziehungen zu ihrem Nachbarstaat bzw. ihren Nachbarstaaten, die alle – außer der Schweiz im Fall Liechtensteins – Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind. Alle europäischen Mikrostaaten haben diplomatische Beziehungen mit der EU aufgebaut und diese schrittweise vertieft. Die Integration der Mikrostaaten in die EU findet auf direktem oder indirektem Weg statt. Mit direkter Integration in die EU werden die direkten Abkommen oder Beziehungen mit der EU bezeichnet. Die indirekte Integration in die EU umfasst die Bereiche der Zusammenarbeit, in denen die Mikrostaaten aufgrund ihrer Beziehungen zu einem Nachbarstaat – egal ob EU-Mitgliedstaat oder nicht – oder die Mitgliedschaft in einer internationalen Organisation in die EU integriert werden. Obwohl es bisher keinerlei gemeinsame Initiativen der Mikrostaaten gab152 und jeder von ihnen seine Beziehungen zur EU einzeln entwickelt hat, sind diese Beziehungen zwar komplex, aber oftmals auch ähnlich gestaltet. Dazu gehören z. B. die Währungsabkommen mit der EG (mit Monaco, San Marino und dem Vatikan), ebenso der Fakt, dass die Grundlage formaler Beziehungen mit der EU oftmals mit der Unterzeichnung eines Zoll- und Kooperationsabkommens begann (Andorra, San Marino) sowie außerdem die Ähnlichkeiten in den neueren Abkommen im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen. Weiterhin werden in neuester Zeit verstärkt bestimmte Themenbereiche aus EU-Sicht für die Mikrostaaten im Zusammenhang betrachtet, z. B. die Neuverhandlung der Währungsabkommen (San Marino und Vatikan nach Vorbild Monaco) oder das Aushandeln eines Betrugsbekämpfungsabkommens (Andorra, Monaco, San Marino nach Vorbild Liechtenstein). Dennoch ist es kaum möglich, Verallgemeinerungen zu wagen. Letztendlich hat jeder der Mikrostaaten ein eigenes Integrationsgeflecht mit der EU entwickelt, z. T. auf eigene Initiative, z. T. auf Initiative der EU.153 Im Allgemeinen kann man davon ausgehen, dass die Mikrostaaten von ihrer direkten oder indirekten Integration in die EU profitieren. Selbst bei Abkommen, bei denen es scheint, dass sie für die Mikrostaaten ungünstig sind – z. B. im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen –, haben sie mindestens insoweit Nutzen daraus gezogen, dass sie Diskussionen in anderen 152
Mit Ausnahme einiger Entwicklungen in Verbindung mit dem Vertrag über eine Verfassung für Europa oder der Konferenz der Parlamentspräsidenten der Kleinstaaten Europas (Andorra, Zypern, Island, Liechtenstein, Luxemburg, Malta, Monaco, Montenegro, San Marino). Auskunft einer sanmarinesischen Quelle 2009; vgl. Maresceau 2008, S. 271. 153 Vgl. Maresceau 2008, S. 271.
482
I. Vergleich der Mikrostaaten hinsichtlich ihrer Integration in die EU
für sie interessanten Bereichen beschleunigen oder initiieren konnten. Weiterhin haben einige der Mikrostaaten – speziell Andorra und San Marino – angestrebt, obwohl das EU-Recht als solches nicht in den Mikrostaaten anwendbar ist, im Rahmen ihrer Kooperationsabkommen mit der EU den Einfluss des EU-Rechts in ihrem Land in bestimmten Bereichen, wie Umwelt, Regionalpolitik und Tourismus zu erweitern.154 Außerdem haben es die Mikrostaaten erstaunlich erfolgreich geschafft, ihre nationalen Interessen beim Abschluss der Abkommen mit der EU zu schützen. Beispielsweise haben einige der Mikrostaaten Einschränkungen bei der Freizügigkeit von Personen eingeführt, was hinsichtlich der Struktur ihrer Bevölkerung, speziell der hohen Präsenz ausländischer Bürger, nicht verwunderlich ist. Gerade Liechtenstein hat es geschafft, permanente Einschränkungen eines der Hauptprinzipien des EWR-Abkommens durchzusetzen.155 Ebenso enthalten einige der Zoll-Abkommen Sicherheitsklauseln, die es den Mikrostaaten ermöglichen, von den Hauptbestimmungen des jeweiligen Abkommens in Falle von unvorhergesehenen wirtschaftlichen oder sozialen Schwierigkeiten abzuweichen (z. B. Art. 12 des Abkommens über eine Zollunion zwischen der EWG und San Marino).156 In folgender Tabelle wird die Integration der Mikrostaaten in die EU in verschiedenen Bereichen verglichen. In ihrer Integration in die EU am ähnlichsten sind San Marino und Andorra, die jeweils ein direktes Abkommen über eine Zollunion mit der EU abgeschlossen haben, im Fall Andorras nur industrielle Produkte betreffend. Jedoch unterscheiden sie sich auch in wichtigen Punkten. So verfügt Andorra, im Vergleich zu San Marino nicht über ein Währungsabkommen mit der EU, nutzt aber dennoch auch den Euro. Im Falle Andorras und San Marinos existiert außerdem ein rechtlicher Rahmen, um vertiefte Kooperationen in bestimmten Bereichen aufzubauen, wobei eine konkrete Umsetzung bisher schwierig schien. Sehr eng mit der EU verbunden ist auch Monaco, die Basis dafür ist aber die enge Beziehung zu Frankreich (v. a. Zollunion) und nicht ein Abkommen mit der EU. So ist Monaco in das EU-Zollgebiet eingeschlossen und wendet EU-Recht bezüglich des Zollgebietes an. Diese Abmachungen stellen eine sehr weitreichende Form von Handelsintegration dar und haben bisher sehr gut funktioniert. Auch ein Währungsabkommen wurde zwischen Monaco und der EU abgeschlossen. Monaco ist somit durch seine sehr engen Beziehungen zu Frankreich am stärksten indirekt in die EU integriert. 154 155 156
Vgl. Murray 2006, S. 205. Vgl. Dózsa 2008, S. 101. Vgl. Dózsa 2008, S. 101 f.
V. Zusammenfassung
483
Tabelle 8: Vergleich Integration in die EU: Mikrostaaten Vergleich
Handel und Zoll
Mikrostaat Fürstentum Andorra
Fürstentum Liechtenstein
Fürstentum Monaco
Abkommen EG – Andorra ! Zollunion mit EU (nur industrielle Produkte)
Zusatzabkommen zum Abkommen EG – Schweiz, EFTA
Zollkonvention mit Frankreich ! Zollunion mit Frankreich
Republik San Marino
Staat Vatikanstadt
Abkommen EG – San Marino ! Zollunion mit EU
Zollkonvention mit Italien
Euro, Vereinbarung Italien – i.N. EG – San Marino
Euro, Vereinbarung Italien – i.N. EG – Vatikanstadt
EWRAbkommen
Währung
Euro, Keine Vereinbarung (in Verhandlung)
Euro, Schweizer Vereinbarung Franken, Währungsunion Frankreich – i.N. EG – Monaco
Schengen
Kein Unterzeichner, offene Grenzen
Protokoll zum Abkommen EG – Schweiz (2008)
Mitglied durch Entscheidung des SchengenKomitees
Kein Unterzeichner, offene Grenzen
Kein Unterzeichner, offene Grenzen
Besteuerung von Zinserträgen
Abkommen Besteuerung von Zinserträgen
Abkommen Besteuerung von Zinserträgen
Abkommen Besteuerung von Zinserträgen
Abkommen Besteuerung von Zinserträgen
Kein Abkommen
Weiteres
Kooperationsabkommen
Abkommen über Anwendung von EG-Recht
Kooperationsabkommen
Beobachterstatus bei der EU
Steuer-, Banken- und Versicherungsrecht Aktuelle Entwicklungen
Betrugsbekämpfung
Betrugsbekämpfung
Betrugsbekämpfung
Betrugsbekämpfung
Neuverhandlung Besteuerung von Zinserträgen
Neuverhandlung Besteuerung von Zinserträgen
Neuverhandlung Besteuerung von Zinserträgen
Neuverhandlung Besteuerung von Zinserträgen
Neuverhandlung Zollabkommen
Neuverhandlung Zollabkommen NeuverhandNeuverhandlung Währungs- lung Währungsvereinbarung vereinbarung
direkte Integration in die EU
indirekte Integration in die EU
484
I. Vergleich der Mikrostaaten hinsichtlich ihrer Integration in die EU
Liechtenstein ist insofern einen Sonderfall, da es zum einen nicht sehr eng mit einem EU-Mitgliedstaat verbunden ist, sondern mit der Schweiz, und zum anderen jedoch EFTA- und EWR-Mitglied ist und auf dieser Ebene enge direkte Verbindungen zur EU aufgebaut hat. Aufgrund der EWR-Mitgliedschaft ist Liechtenstein rechtlich am stärksten in die EU integriert. Der Vatikan stellt vor allem durch seine Sonderrolle als Sitz des Heiligen Stuhles, was besondere Staatseigenschaften mit sich bringt, eine Ausnahme dar, und entzieht sich somit jedem Vergleich. Zu erwähnen bleibt, dass selbst dieser winzige Staat ein Währungsabkommen mit der EU abgeschlossen hat. Alle europäischen Mikrostaaten nehmen de facto an Schengen teil, obwohl sie keine Unterzeichnerstaaten sind, da es auch vor Schengen keine Grenzkontrollen zu ihrem Nachbarstaat bzw. ihren Nachbarstaaten gab, die jeweils Schengen-Mitglieder sind. Im Falle Monacos wurde dies durch eine Entscheidung des Schengen-Komitees bestätigt, Liechtenstein wird zusätzlich in naher Zukunft dem Schengen-Abkommen mit der Schweiz beitreten. Weiterhin haben alle Mikrostaaten – außer dem Vatikan – ein Abkommen über die Besteuerung von Zinserträgen mit der EG abgeschlossen und sind in Verhandlungen über ein Betrugsbekämpfungsabkommen mit der EU bzw. streben diese an. Grundsätzlich haben die EU und die Mikrostaaten Kooperationen in weiteren Gebieten von gegenseitigem Interesse gefördert. Bisher wurde scheinbar keine Systematik oder keine klare politische Strategie seitens der EU in den Beziehungen zu den Mikrostaaten angewandt.157 Es ist allerdings zu vermuten, dass zukünftig seitens der EU verstärkt eine koordinierte Politik gegenüber den Mikrostaaten erfolgt, was in den aktuellen Entwicklungen schon erkennbar wird. Sowohl die EU als auch die Mikrostaaten sind bestrebt, ihre Beziehungen und damit die Integration der Mikrostaaten in die EU zu vertiefen. Dabei ist auffällig, dass die Tendenz von der indirekten Integration aufgrund der historischen Bindung zu den Nachbarstaaten hin zu direkten Abkommen zwischen der EU und den Mikrostaaten geht. Außerdem scheint die EU bemüht, ihre Politik gegenüber den Mikrostaaten zu vereinheitlichen und dementsprechend auch die Abkommen anzupassen. Hinsichtlich des Umfangs der Integration in die EU ist zwischen den europäischen Mikrostaaten folgendermaßen zu unterscheiden:
157
Vgl. Dózsa 2008, S. 101.
V. Zusammenfassung
485
Tabelle 9 Vergleich: Umfang der Integration in die EU Vergleich
Mikrostaat Fürstentum Andorra
Fürstentum Liechtenstein
Fürstentum Monaco
Republik San Marino
Staat Vatikanstadt
Umfang Anwendung EU-Recht
Gering
Umfangreich (direkt)
Umfangreich (indirekt)
Gering
Minimal
„Rangfolge“ der Integration in die EU (Umfang)
4
1 Stärkste direkte Integration in die EU.
1 Stärkste indirekte Integration in die EU.
3
5
Im Vatikan wird nur minimal EU-Recht angewandt, es findet nur im geringsten Umfang eine Integration in die EU statt. Im Fall von Andorra und San Marino ist die Integration in die EU auch eher gering, jedoch mit steigender Tendenz. Dabei ist die Integration San Marinos in die EU noch etwas größer als im Fall Andorras, da im Fall San Marinos eine Währungsvereinbarung mit der EG abgeschlossen wurde und da die Zollunion EU-San Marino sowohl industrielle als auch landwirtschaftliche Produkte einschließt (die Zollunion EU-Andorra schließt Agrarprodukte aus). Monaco erfährt indirekt die stärkste Integration in die EU. Das Fürstentum ist sehr eng mit dem EU-Mitgliedstaat Frankreich verbunden. Da das französische Recht Referenzrahmen für das monegassische Recht ist, findet das EU-Recht so in überwiegendem Umfang Eingang in das Recht des Fürstentums. Gerade weil die Integration Monacos in die EU auf indirektem Wege erfolgt, ist sie teilweise nur schwer greifbar oder konkret messbar. Liechtenstein ist vor allem durch seine EWR-Mitgliedschaft direkt in die EU integriert. Durch die Teilnahme am EWR und der daraus hervorgehenden Rechtsangleichung findet EU-Recht in umfangreicher Weise Eingang in liechtensteinisches Recht. Daher ist Liechtenstein rechtlich und direkt am stärksten in die EU integriert. Liechtenstein und Monaco stehen daher gemeinsam auf dem ersten Rang bezüglich des Umfangs ihrer Integration in die EU. Müsste man diese Einordnung der beiden Fürstentümer differenzieren, wäre von Relevanz, ob
486
I. Vergleich der Mikrostaaten hinsichtlich ihrer Integration in die EU
man die direkte oder die indirekte Integration in die EU als „wertvoller“ betrachtet. Da mit einer direkten Integration größere Anstrengungen und ein stärkerer Wille zur Annäherung verbunden sind, spräche dies für eine höhere „Wertigkeit“ der Integration Liechtensteins in die EU im Vergleich zu Monaco.
J. Wechselseitige Interessen der Mikrostaaten und der EU aneinander I. Interesse der Mikrostaaten an der EU Hauptvorteile, die die Mikrostaaten heute aus den Beziehungen zur EU bzw. ihrer Mitgliedstaaten ziehen, sind, soweit in dem jeweiligen Mikrostaat umgesetzt, die Nutzung des Euro als Währung, die Teilnahme am Schengen-Raum, die Zusammenarbeit im Bereich Handel und Zoll, z. B. durch den Abschluss von Zollabkommen, die Teilnahme am EU-Zollgebiet oder am EU-Binnenmarkt. So ist es den Mikrostaaten in gewissem Umfang möglich, an den Vorteilen der EU, vor allem im wirtschaftlichen Bereich, teilzuhaben, ohne aber tatsächlich EU-Mitglied zu sein und die daraus hervorgehenden Pflichten zu erfüllen. Andererseits haben die Mikrostaaten keine Möglichkeit, sich an den Entscheidungen der Union zu beteiligen. Die EU selbst rechtfertigt diese besondere Behandlung der Mikrostaaten, in dem sie auf deren Sonderstatus verweist.1 Besonders aufgrund ihrer Kleinheit waren die Mikrostaaten im Laufe der Geschichte fortwährend einem Kampf um ihre Unabhängigkeit und die Durchsetzung ihrer Selbstbestimmung ausgesetzt. Jeder Mikrostaat hat seine eigene Geschichte und trotzdem existieren gemeinsame Merkmale, die die heutigen Beziehungen zur EU in ähnlicher Weise beeinflusst haben.2 Andererseits ist auffällig, dass die Mikrostaaten, obwohl sie wichtige Gemeinsamkeiten, wie die Kleinheit, die geringe Bevölkerungszahl und ähnliche wirtschaftliche Eigenschaften, aufweisen, bisher kaum aufeinander abgestimmte Handlungen unternehmen, um ihre gemeinsamen Interessen gegenüber der EU zu vertreten.3 Jedes Land hat unterschiedliche Prioritäten und Einstellungen. Die Staaten sind zu verschieden, einzig die Kleinheit ist ge1 Z. B. Präambel des Abkommens über eine Zollunion zwischen der EWG und dem Fürstentum Andorra von 1990, ABl. L 374 vom 31.12.1990, S. 14; vgl. Dózsa 2008, S. 93. 2 Vgl. Dózsa 2008, S. 94. 3 Mit Ausnahme einiger Entwicklungen in Verbindung mit dem Vertrag über eine Verfassung für Europa oder der Konferenz der Parlamentspräsidenten der Kleinstaaten Europas (Andorra, Zypern, Island, Liechtenstein, Luxemburg, Malta, Monaco, Montenegro, San Marino). Auskunft einer sanmarinesischen Quelle 2009; vgl. Maresceau 2008, S. 271; Dózsa 2008, S. 94; Maresceau 2004, S. 752.
488
J. Wechselseitige Interessen der Mikrostaaten und der EU aneinander
meinsam.4 Ein historischer Grund dafür, könnten die engen Beziehungen mit einem oder mehreren ihrer größeren Nachbarstaaten sein.5 Wie schon angedeutet, nimmt die Bedeutung der Nachbarstaaten für die Mikrostaaten in neuester Zeit langsam und geringfügig, aber doch meist stetig zugunsten der enger werdenden Beziehungen mit der EU ab. Die EU ist demnach eine Chance für die Mikrostaaten, ihre internationale rechtliche Position sowie ihre Souveränität und Unabhängigkeit gegenüber ihren Nachbarstaaten zu stärken. Dabei ist bedeutsam, dass die direkte Integration der Mikrostaaten in die EU nicht einfach die bilateralen Beziehungen zwischen den Mikrostaaten und ihrem bzw. ihren Nachbarn ergänzen, sondern dass die direkte Integration in die EU auch dazu beitragen, ein besseres Gleichgewicht in der Struktur der Außenbeziehungen der Mikrostaaten herzustellen. Die Integration in die EU hilft oftmals, die historisch gewachsenen, meist festgefahrenen Beziehungen mit den Nachbarstaaten neu zu ordnen, was nicht heißen soll, dass sie zu den alten Strukturen im Konflikt stehen. Eine gute Beziehung zu den Nachbarstaaten der Mikrostaaten ist immer eine entscheidende Bedingung für Stabilität und Wohlstand der Mikrostaaten.6 Weiterhin wuchs besonders in der Zeit des Aufbaus der ersten direkten Beziehungen zwischen der EU und einem Mikrostaat meist auch dessen internationale Anerkennung, wobei Andorra hier als bestes Beispiel genannt werden kann. Das Fürstentum ist wahrscheinlich der größte Nutznießer dieses Fakts, da mit dem Abschluss des Abkommens von 1990 mit der EWG die international vorherrschende Unsicherheit hinsichtlich seiner internationalen Rechtspersönlichkeit quasi ausgelöscht wurde.7 Generell scheinen für die Mikrostaaten kollektive Abkommen weniger riskant für ihre Unabhängigkeit als bilaterale Abkommen mit ihren größeren Nachbarn. Die Interessen der Mikrostaaten sind in diesen Systemen besser geschützt.8 Gerade durch die europäische Integration und die EU-Erweiterungen müssen die europäischen Mikrostaaten erkennen, dass es immer schwieriger für kleine Staaten wird, kein Mitglied der EU zu sein und dabei von EU-Mitgliedstaaten umgeben zu werden. Gleichzeitig haben EU-Politiken und -Recht aufgrund ihrer Lage in Europa und der engen Beziehungen mit EU-Mitgliedstaaten steigenden Einfluss auf die Mikrostaaten. Andererseits kann festgehalten werden, dass die Auswirkungen der letzten beiden 4
Auskunft einer liechtensteinischen Quelle 2010; Auskunft einer sanmarinesischen Quelle 2009. 5 Vgl. Dózsa 2008, S. 94. 6 Vgl. Maresceau 2008, S. 308. 7 Vgl. Maresceau 2008, S. 308. 8 Vgl. Tchakaloff 2002, S. 103.
II. Interesse der EU an den Mikrostaaten
489
Erweiterungsrunden der EU 2004 und 2007 auf die Mikrostaaten bisher nicht sehr groß waren. Die hauptsächliche kurzfristige Auswirkung war die Ausweitung von einigen schon bestehenden Abkommen auf die neuen Mitgliedstaaten.9 Weitere Gründe zur Annäherung der Mikrostaaten an die EU oder im Falle einer EU-Mitgliedschaft wären die Garantie der Gleichheit der Staaten sowie die Absicherung der internationalen Anerkennung der Mikrostaaten. Die Vorteile, die sich innerhalb der EU für Klein- und Mikrostaaten ergeben, schaffen gleichzeitig die Probleme, die es notwendig machen würden, bei einem EU-Beitritt der Mikrostaaten das institutionelle System der EU zu reformieren.10 Zu betonen ist aber auch, dass die kleineren Staaten in einer Gemeinschaft das Risiko tragen, beliebigen äußeren Einmischungen ausgesetzt zu sein, wobei sie sich zu ihrem Schutz nicht mehr auf die klassisch-völkerrechtlichen Prinzipien der Nichteinmischung berufen können. Dies hindert die Mikrostaaten möglicherweise daran, sich um tiefere Integration in die EU zu bemühen.11 Durch die vorhandenen engen Beziehungen zur EU bzw. einem EU-Mitgliedstaat sind die Mikrostaaten aus ihrer heutigen Sicht weitest möglich und verträglich in die EU integriert. Zwar schließen nicht alle der hier betrachteten Mikrostaaten einen EU-Beitritt auf lange Sicht aus, doch momentan wird dieser von keiner Seite offiziell angestrebt. Ausnahme ist San Marino, welches ein grundsätzliches Interesse an einem EU-Beitritt bekundet hat.
II. Interesse der EU an den Mikrostaaten Die EU kann die Existenz der fünf europäischen Mikrostaaten nicht ignorieren, gerade auch, da sie zumeist als Enklaven im Gebiet der Union liegen.12 Durch die oftmals engen Verbindungen der Mikrostaaten zu EU-Mitgliedstaaten ist auch die EU mit diesen eng verwoben. Die europäischen Mikrostaaten haben politisch zwar eher geringe Bedeutung, weisen jedoch einige rechtliche sowie wirtschaftliche Problemstellungen auf.13 So können sie der EU in bestimmten Bereichen durch regelungsfreie Räume wirtschaftlich schaden bzw. zusetzen, auch wenn sie sehr klein sind. Dies betrifft insbesondere die Funktion einiger der Mikrostaaten als 9
Vgl. Murray 2006, S. 204. sh. Punkt K.; vgl. Tchakaloff 2002, S. 103 f. 11 Vgl. Hummer 2004, S. 150 ff. 12 Vgl. Tchakaloff 2002, S. 102. 13 Vgl. Stapper 1999, S. 11. 10
490
J. Wechselseitige Interessen der Mikrostaaten und der EU aneinander
Steueroasen oder regulierungsfreie Räume aller Art, die zu gefährlichen Schlupflöchern der Regelungen des Unionsrecht werden können. Daher haben nicht nur die Mikrostaaten, sondern auch die EU ein Interesse daran, die Beziehungen untereinander zu regeln.14 Dabei hat die EU bisher ihren Willen gezeigt, die wirtschaftlichen Abweichungen der europäischen Mikrostaaten zu respektieren.15 Das Europäische Parlament vertrat in seiner Entschließung zu den Rechten der Bürger kleiner Staaten und Territorien in Europa von 1989 die Meinung, dass die Mikrostaaten, die vom EG-Hoheitsgebiet umgeben sind, speziell Andorra, Monaco und San Marino, in geeigneter Weise am Binnenmarkt teilnehmen können sollten. Die Resolution war angeregt durch die beginnenden offiziellen Verhandlungen mit Andorra und besagte, dass die Mikrostaaten Andorra, San Marino und Monaco der Erhaltung ihrer politischen Unabhängigkeit große Bedeutung beimessen würden, dass aber die Vereinigung des europäischen Marktes ohne Zweifel negative Auswirkungen auf ihre Wirtschaft haben würde.16 Deshalb müsse die Gemeinschaft dafür Sorge tragen, dass die Interessen dieser Staaten gewahrt blieben, ohne eine Integration in die Gemeinschaft vorherzubestimmen und ohne dass die Mikrostaaten ihre politische Unabhängigkeit verlieren würden.17 Die Mikrostaaten sollten in bestimmte Bereiche des EG-Rechts eingebunden werden, soweit wie dies die Gemeinschaftsintegration nicht beeinträchtigen würde.18 Bereiche der Beteiligung und Zusammenarbeit könnten sich auf wirtschaftliche Bereiche (Einführung eines gemeinsamen Zolltarifs, freien Warenverkehr, Handelsvertretung gegenüber Drittstaaten, u. a.) sowie die Rechte der Bürger (Freizügigkeit der Personen, engere Anbindung an das Europa der Bürger, u. a.) beziehen.19 Das Europäische Parlament schloss den Beitritt der Mikrostaaten zur EG nicht grundsätzlich aus, doch es stellte fest, dass das „starke historische Bewusstsein dieser Länder in Verbindung mit ihrem wirtschaftlichen Wohlstand [es nicht erlaubt], einen eventuellen Antrag auf Beitritt zur EG zu erwarten, vor allem, wenn diese Staaten die Quelle ihres Reichtums dank der Sonderabkommen mit der Gemeinschaft wahren können“.20 Deshalb sollten Modelle bilateraler Abkommen zwischen den Mikrostaaten und der EG als Alternative zu einer Mitgliedschaft aufgefasst 14
Vgl. Sack 1997, S. 46. Vgl. Duursma 1996, S. 432. 16 Punkt B der Entschließung, ABl. C 158 vom 26.06.1989, S. 329 ff. 17 Punkt C der Entschließung, ABl. C 158 vom 26.06.1989, S. 329 ff.; vgl. Stapper 1999, S. 49; Duursma 1996, S. 247. 18 Vgl. Stapper 1999, S. 49. 19 Punkte 2 und 3 der Resolution, ABl. C 158 vom 26.06.1989, S. 329 ff.; vgl. Gstöhl 2001, S. 113; Hummer 2004, S. 84; Duursma 1996, S. 247. 20 Vgl. ABl. C 158 vom 26.06.1989, S. 329 ff.; Gstöhl 2001, S. 113. 15
II. Interesse der EU an den Mikrostaaten
491
bzw. entwickelt werden, durch welche die Mikrostaaten am gemeinsamen Markt und an den Gemeinschaftspolitiken teilhaben können.21 In dem Bericht des Europäischen Parlaments wurde der Vatikan aufgrund seiner geringen wirtschaftlichen Aktivitäten und seiner „geistlichen Wesensart“ ausdrücklich außen vor gelassen. Liechtenstein, das damals zwischen den Nicht-EU-Mitgliedern Schweiz und Österreich lag, wurde nicht erwähnt.22 Bisher hat weder das Europäische Parlament noch die EU als ganzes eine einheitliche Position zu allen europäischen Mikrostaaten, sondern sie entwickeln zu jedem Land und jedem ausgehandelten Vertrag eine eigenständige Position. Eine solche Herangehensweise ist u. a. schon deshalb erforderlich, weil die Beziehungen der Europäischen Union zu jedem dieser Länder sehr verschieden sind. Lichtenstein genießt eine besondere Stellung, da es als einziger der Mikrostaaten zum EWR gehört. Im Fall von Monaco, das durch seine gewachsenen historischen Vertragsstrukturen mit Frankreich sehr eng verbunden ist, gibt es eine andere Herangehensweise als im Fall von San Marino oder Andorra.23 Der Botschafter der Delegation der Europäischen Kommission für die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein Dr. Michael Reiterer stellt bei seiner Grußrede zum Europatag 2008 in Vaduz fest, dass die EU von Anfang an darauf ausgelegt war, das Zusammenleben großer und kleiner Staaten zu ermöglichen. Dies sei die Basis für den europäischen Integrationsprozess und sei auch die Maxime für die Zusammenarbeit mit Drittstaaten, wie Liechtenstein. Liechtenstein sei ein respektierter Partner der EU.24 Außerdem merkt Reiterer in seiner Grußrede zum Europatag 2009 an, dass Liechtenstein mit der EU als EWR-Mitglied besonders eng verbunden ist, was wiederum zum Ausdruck bringt, dass die EU auch kleinere Partner schätzt und ihnen Aufmerksamkeit entgegenbringt.25 Wie schon verdeutlicht wurde, gibt es nicht nur aus der Sicht der Mikrostaaten, sondern auch aus Sicht der EU bisher kaum eine einheitliche Strategie des Beziehungsaufbaus zu den Mikrostaaten.26 Die vorhandenen bilateralen Abkommen zwischen den einzelnen Mikrostaaten und der EU unterscheiden sich von einem zum anderen Mikrostaat zum Teil deutlich. Als Beispiele seien die unterschiedlich ausgestalteten Abkommen über eine 21 Vgl. ABl. C 158 vom 26.06.1989, S. 329 ff.; Gstöhl 2001, S. 113; Hummer 2004, S. 84; Duursma 1996, S. 247; Stapper 1999, S. 49. 22 Vgl. ABl. C 158 vom 26.06.1989, S. 329 ff.; Gstöhl 2001, S. 113. 23 Auskunft einer Quelle des EP 2009. 24 Vgl. Reiterer 2008, S. 2. 25 Vgl. Reiterer 2009b, S. 2. 26 Vgl. Dózsa 2008, S. 93, 102; Maresceau 2008, S. 271.
492
J. Wechselseitige Interessen der Mikrostaaten und der EU aneinander
Zollunion mit Andorra bzw. San Marino genannt oder die Tatsache, dass mit Monaco ein Abkommen zur Übernahme des gemeinsames Besitzstandes im Bereich der kosmetischen Produkte existiert, jedoch kein Abkommen im Bereich des Umweltschutzes, obwohl die EU mit den anderen Mikrostaaten eine Zusammenarbeit in diesem Bereich aufgebaut hat.27 Die EU hatte scheinbar zunächst andere Prioritäten und entwickelte die meisten ihrer Initiativen gegenüber den Mikrostaaten auf Ad-hoc-Basis. Sicherlich ist die Gestaltung der Beziehungen der EU zu den Mikrostaaten auch heute keine Priorität in der Wahrnehmung der Außenbeziehungen der EU. Obwohl beispielsweise mit Andorra und San Marino rechtliche Rahmenbedingungen bestehen, um in bestimmten Bereichen die Kooperationen zu vertiefen, blieben bisher konkrete Maßnahmen zur Implementierung aus. Auffällig dabei ist, dass die Kooperationsinitiativen meist nicht von der EU kommen, nur wenn sie die größeren Vorteile daraus zieht. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass, wenn die Mikrostaaten vertiefte Kooperation wünschen, sie selbst Initiative ergreifen und die Kooperations-Dossiers gründlich vorbereiten müssen. Selbst dann ist es schwer vorauszusagen, inwieweit und in welcher Art und Weise die EU darauf reagiert.28 Eine Ausnahme von der zurückhaltenden Initiative der EU gegenüber den Mikrostaaten ist die EU-Initiative im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen. Hier wurden zum ersten Mal die Mikrostaaten einer einheitlichen, genau konzipierten politischen EU-Strategie unterworfen.29 Möglicherweise ist die Initiative der EU bezüglich der Besteuerung von Zinserträgen ein erstes Zeichen einer Orientierung der EU hin zu den Mikrostaaten bzw. zumindest der Vereinheitlichung ihrer Strategie gegenüber den Mikrostaaten.30 Dieser Vermutung bestätigt sich in der neuen EU-Initiative zur Aushandlung und Verabschiedung von Betrugsbekämpfungsabkommen mit den Mikrostaaten oder der Initiative zur Vereinheitlichung der Währungsvereinbarungen. Es wird deutlich, dass die Mikrostaaten, trotz ihrer geringen politischen Bedeutung, vor allem aufgrund der dortigen Konzentration an Kapital, einen nicht zu unterschätzenden Rang einnehmen.
27 28 29 30
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Dózsa 2008, S. 101. Maresceau 2008, S. 307. Maresceau 2008, S. 271. Maresceau 2008, S. 305.
K. Die Zukunft der Integration der Mikrostaaten in die EU I. Perspektive Vollmitgliedschaft 1. Voraussetzungen Grundsätzlich kann jeder europäische Staat, der die Grundsätze der EU achtet, beantragen, Mitglied der EU zu werden (Artikel 49 EUV i. V. m. Art. 2 EUV). Diese Grundsätze gemäß Art. 2 EUV sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte, einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Alle vier Mikrostaaten Andorra, Liechtenstein, Monaco und San Marino würden diese Bedingungen erfüllen – der Vatikan dagegen nicht.1 Daraufhin würde geprüft, ob das europäische Land die Beitrittskriterien erfüllt. Diese Kriterien wurden auf dem Europäischen Rat in Kopenhagen 1993 aufgestellt (Kopenhagener Kriterien). Art. 49 EUV spricht diese Kriterien mittelbar an. Die politischen Kriterien umfassen institutionelle Stabilität als Garantie für demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, Wahrung der Menschenrechte sowie Achtung und Schutz von Minderheiten. Die wirtschaftlichen Kriterien setzen eine funktionsfähige Marktwirtschaft sowie die Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften innerhalb der Union standzuhalten, voraus. Des Weiteren müssen die Beitrittskandidaten in der Lage sein, die aus einer Mitgliedschaft erwachsenden Verpflichtungen zu übernehmen und sich die Ziele der politischen sowie der Wirtschafts- und Währungsunion zu Eigen machen zu können. Zusätzlich muss der gesamte Acquis Communautaire übernommen werden.2 Gleichzeitig muss auch die EU im Bezug auf ihre innere Verfasstheit in der Lage sein, die neuen Mitglieder zu integrieren.3
1
sh. genauer Punkt K. III. Europäischer Rat von Kopenhagen 21.-22. Juni 1993: Schlussfolgerungen des Vorsitzes, S. 13; vgl. European Commission 2007, S. 6; Emerson 2007, S. 19. 3 Europäischer Rat von Kopenhagen 21.-22. Juni 1993: Schlussfolgerungen des Vorsitzes, S. 13.; vgl. European Commission 2007, S. 6. 2
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K. Die Zukunft der Integration der Mikrostaaten in die EU
2. Ablauf Ein europäischer Staat, der die Aufnahme in die Europäische Union wünscht, reicht beim Rat der EU einen Antrag auf Mitgliedschaft ein. Der Rat beauftragt die Europäische Kommission, die Fähigkeit des Bewerberlandes zur Erfüllung der Beitrittskriterien zu bewerten. Wenn die Europäische Kommission eine positive Stellungnahme abgibt, das Europäische Parlament zustimmt und der Rat einstimmig ein Verhandlungsmandat beschließt, sind die Verhandlungen zwischen dem Bewerberland und allen Mitgliedstaaten formell eröffnet (Art. 49 EUV).4 Die erste Phase in den Verhandlungen ist das so genannte „Screening“. Dabei wird den Kandidatenländern in Kapiteln der Acquis Communautaire erläutert und es werden gemeinsam Bereiche identifiziert, in denen Probleme zu bewältigen sein könnten. Als Grundlage für den Beginn der eigentlichen, technischen Verhandlungen erstellt die Europäische Kommission für jedes Land einen „Screening-Report“ für jede Verhandlungsgruppe, so genannte Kapitel. Die eigentlichen Verhandlungen finden auf Ministerebene statt bzw. auf der Ebene der Stellvertreter, d.h. zwischen den ständigen Vertretern der Mitgliedstaaten und den Botschaften bzw. den Chefunterhändlern der Kandidatenländer. Hier werden die verschiedenen Kapitel verhandelt.5 Dabei wird geprüft, inwieweit die Gesetzgebung des Bewerbers mit den Rechtsvorschriften der EU übereinstimmt bzw. wo noch Bedarf zum Rechtsangleich besteht, was dann umgesetzt werden muss. Die Fortschritte der Erfüllung der Beitrittskriterien sowie die noch notwendigen Anstrengungen werden in regelmäßigen Berichten der Kommission festgehalten. Die Kapitel werden so lange wieder aufgenommen bis alle Kriterien erfüllt sind.6 Nach dem Abschluss der Verhandlungen zwischen einem Beitrittskandidat und der EU-Kommission müssen alle EU-Mitgliedstaaten im Rat und das Europäische Parlament dem Beitritt des potenziellen neuen Mitgliedes uneingeschränkt zustimmen. Nach der Unterzeichnung des Vertrages muss er noch von jedem EU-Mitgliedstaat und dem aufzunehmenden Land ratifiziert werden. Erst danach tritt der Vertrag in Kraft und der Bewerber wird zu einem neuen Mitglied der EU. Unabhängig davon ist es vor weiteren Erweiterungen wichtig, dass die notwendigen Strukturen innerhalb der EU für weitere Erweiterungen geschaffen sind.7 4
Vgl. Europäische Kommission 2010; European Commission 2007, S. 9 ff. Vgl. Europäische Kommission 2010; European Commission 2007, S. 9 ff.; Ulses 2004, S. 34. 6 Vgl. Ulses 2004, S. 34. 7 Vgl. European Commission 2007, S. 13; Ulses 2004, S. 34. 5
I. Perspektive Vollmitgliedschaft
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3. Beitrittsszenario für die Mikrostaaten Da die vier Mikrostaaten als souveräne Staaten anerkannt sind und die EU-Grundsätze achten, könnten sie theoretisch jederzeit einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft stellen. Eine Ausnahme ist der Vatikan, da dieser als absolute Monarchie nicht die Grundzüge der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit wahrt.8 Bei der Prüfung der Beitrittskriterien ist es wahrscheinlich, dass nicht alle Mikrostaaten ohne jegliche Anpassungen die Bedingungen erfüllen würden. Betrachtet man die politischen Kriterien, kann argumentiert werden, dass alle vier Mikrostaaten dem Europarat angehören und daher diese Kriterien weitestgehend erfüllt sind. Die engen Beziehungen der Mikrostaaten zu ihren Nachbarstaaten schränken die Souveränität der Mikrostaaten nicht ein, und da die Nachbarstaaten bewährte EU-Mitgliedstaaten sind (außer die Schweiz), werden die Bedenken in dieser Hinsicht äußerst gering sein. Andererseits ergibt die Analyse der Verfassungen und Gesetze der Mikrostaaten, dass diese zum Teil der Charta der Grundrechte der EU widersprechen. Beispielsweise werden sowohl Monegassen als auch Liechtensteiner durch ihre Verfassungen gegenüber Einwohnern dieser Mikrostaaten mit anderer Nationalität bevorzugt, z. B. beim Wahlrecht, dem Zugang zu bestimmten Arbeitsstellen oder der Niederlassungsfreiheit. Zwar haben diese Regelungen den Hintergrund, die Minderheit der Staatsangehörigen der Mikrostaaten gegenüber der Überzahl an Ausländern zu schützen, doch stehen diese Vorschriften im Widerspruch zum Prinzip der Nichtdiskriminierung (Art. 18 AEUV, Art. 21 Grundrechtecharta).9 Im Falle Monacos steht außerdem das Steuerabkommen von 1963, nach dem die Mehrzahl der französischen Staatsangehörigen in Monaco der französischen Einkommenssteuer unterliegt, im Widerspruch zu dem Diskriminierungsverbot. Außerdem existieren Wettbewerbsregeln, die steuerliche Beihilfen erlauben, was nicht mit Art. 107 Abs. 1 AEUV vereinbar ist.10 Hinsichtlich der Prüfung der wirtschaftlichen Beitrittskriterien kann davon ausgegangen werden, dass die Mikrostaaten diese aufgrund ihrer starken Wirtschaften erfüllen würden. Außerdem sind die Mikrostaaten durch die engen Beziehungen zu ihren Nachbarstaaten, die EU-Mitglieder sind, bzw. durch das EWR-Abkommen im Fall Liechtensteins oder Abkommen über eine Zollunion und weitere Kooperationen (San Marino, Andorra) mit der EU verbunden und wenden diesbezügliches Unionsrecht an. 8
sh. Punkt K. III. 5. Vgl. Ulses 2004, S. 34 ff. 10 Vgl. Ulses 2004, S. 35 f. 9
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K. Die Zukunft der Integration der Mikrostaaten in die EU
Bezüglich der Bedingung, dass die Beitrittskandidaten in der Lage sein müssen, die aus einer Mitgliedschaft erwachsenden Verpflichtungen zu übernehmen, muss festgestellt werden, dass dies vor allem im Hinblick auf die personellen und möglicherweise auch die finanziellen Ressourcen der Mikrostaaten problematisch sein könnte. Bedenkt man die Vielzahl an europäischen Institutionen, Kommissionen, Ausschüssen, etc., in denen die EUMitgliedstaaten vertreten sein sollten, scheint es nur schwer vorstellbar, dass ein Mikrostaat alle diese Positionen mit eigenen Staatsangehörigen besetzen könnte. Daher wäre es möglich, dass eine andere Lösung für die Mikrostaaten gefunden wird, z. B. dass sie durch den Vertreter einer ihrer Nachbarstaaten repräsentiert werden oder auch dass ein gemeinsamer Vertreter für die Mikrostaaten ernannt wird. Dass die Beitrittskandidaten in der Lage sein sollen, sich die Ziele der politischen sowie der Wirtschafts- und Währungsunion zu Eigen machen zu können ist eher unproblematisch, gerade da fast alle Mikrostaaten schon den Euro nutzten und, wie oben beschrieben, wirtschaftlich eng mit der EU verbunden sind. Für Liechtenstein, mit seiner engen Beziehung zur Schweiz in diesem Bereich, wäre zu überdenken, wie bzw. ob die Wirtschafts- und Währungsunion mit der Schweiz erhalten werden kann, vor allem, wenn die Schweiz nicht der EU beitritt. Die letzte Bedingung, den gesamten Acquis Communautaire zu übernehmen, wird in mehr als 30 Kapiteln verhandelt. Ähnlich wie bei den wirtschaftlichen Kriterien ist zu erwarten, dass durch die engen Beziehungen zur EU, dem EWR bzw. einem Nachbarstaat, der EU-Mitglied ist, viele der Kapitel schon erfüllt sein werden. Andererseits würden vor allem im Bereich der Steuern und damit zusammenhängend im Bereich freier Kapitalverkehr oder Wettbewerb genauere Prüfungen notwendig sein. Wichtig in diesen Bereichen wäre besonders, dass die Mikrostaaten weiterhin nicht mehr auf der OECD-Liste der unkooperativen Steueroasen stehen und die von der OECD geforderten Verpflichtungen umsetzen. Bezüglich der Besteuerung von Kapitalerträgen haben alle vier Mikrostaaten im Jahr 2004 ein Abkommen mit der EG über die Besteuerung von Zinserträgen abgeschlossen, so dass dieser Bereich unproblematisch sein sollte. Für alle weiteren direkten Steuern sind ausschließlich die einzelnen Mitgliedstaaten zuständig (z. B. die Einkommenssteuer oder Steuer auf Unternehmensgewinne).11 Sicherlich wären einige Kapitel zu verhandeln und Rechtsangleichungen vorzunehmen, doch diese Hürde scheint grundsätzlich nicht unüberwindbar. Andererseits stellt sich die Frage, ob die Anpassungen aus Sicht der Mikro11
Vgl. Europäische Union 2010; Ulses 2004, S. 37.
I. Perspektive Vollmitgliedschaft
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staaten gewünscht wären oder letztendlich doch ein Grund wären, der EU nicht beizutreten. Im Falle, dass die Beitrittsverhandlungen mit den Mikrostaaten abgeschlossen würden, müssten nun alle EU-Mitgliedstaaten im Rat und das Europäische Parlament dem Beitritt des potenziellen neuen Mitgliedes uneingeschränkt zustimmen und nach der Unterzeichnung des Vertrages müsste dieser von jedem EU-Mitgliedstaat und dem aufzunehmenden Land ratifiziert werden. 4. Wahrscheinlichkeit einer EU-Mitgliedschaft der Mikrostaaten Mit Malta und Zypern sind im Jahr 2004 zwei weitere sehr kleine Staaten der EU beigetreten. Allerdings hat bis heute noch kein Mikrostaat mit unter 100.000 Einwohnern einen formellen Antrag auf EU-Mitgliedschaft gestellt. Es ist unwahrscheinlich, dass dies für alle europäischen Mikrostaaten in naher Zukunft geschehen wird. Bisher wurde weder durch die EU noch durch die europäischen Mikrostaaten ein EU-Beitritt ernsthaft in Erwägung gezogen, zuletzt mit der Ausnahme San Marinos.12 Zwar hatte San Marino 2007 Interesse an einem EU-Beitritt bekundet, allerdings hat es bis heute keinen Antrag auf Mitgliedschaft gestellt. Gründe dafür, dass der EU-Beitritt der Mikrostaaten eher unwahrscheinlich ist, sind aus Sicht der Mikrostaaten u. a., dass ein Beitritt eine administrative Masse auf internationaler Ebene voraussetzt, die diese Staaten meist nicht erbringen können. Dazu gehört die personelle Beteiligung an den europäischen Institutionen, der Vorsitz im Rat oder ausreichende Präsenz in Drittländern und internationalen Organisationen. Die administrativen Auflagen wären sehr hoch.13 Ebenso müssten die Mikrostaaten bei einem EU-Beitritt die steigenden Kosten der Staatsführung tragen, ohne eine klare Aussicht auf Nutzen, den sie davon tragen könnten. Wenn man den Wohlstand der Mikrostaaten in Betracht zieht, würden sie wahrscheinlich zu Nettozahlern in der EU werden. Daher könnte die Vereinigung des europäischen Marktes negative Auswirkungen auf die Wirtschaften der Mikrostaaten haben.14 Außerdem würde der Beitritt der Mikrostaaten zur EU den Wegfall des flexiblen gesetzesgebenden Umfeldes in den Mikrostaaten mit sich bringen, mit dem es den Staaten bisher gelungen ist, die strukturellen Nachteile ihrer Wirtschaften zu überwinden.15 12 13 14
Vgl. Maresceau 2008, S. 305. Vgl. Sack 1997, S. 46; Murray 2006, S. 205. ABl. C 158 vom 26.06.1989, S. 329 ff.; vgl. Dózsa 2008, S. 102.
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Die souveräne Gesetzgebungshoheit ist scheinbar einer der ganz wichtigen Hebel des Mikrostaats, der ökonomischen Erfolg potentiell ermöglicht. So haben einige der Mikrostaaten u. a. Steuervergünstigungen geschaffen, die Kapital in Form von Unternehmen und reichen Ausländern anziehen, die sich in den Mikrostaaten niederlassen, um Steuern zu sparen. Die Mitgliedschaft in der EU würde wahrscheinlich den souveränen Handlungsspielraum gerade in den für Mikrostaaten zentralen wirtschaftlichen Bereichen immer stärker einschränken. Dies betrifft vor allem den Dienstleistungsbereich, z. B. den Finanzdienstleistungs- oder Tourismusbereich oder andere Nischen, auf die sich die Mikrostaaten spezialisiert und die gesetzliche Ebene entsprechend ausgestaltet haben. Die Mitgliedschaft der Mikrostaaten in der EU würde in zentrale Bereiche der Gesetzgebung eingreifen und ihre Vorteile möglicherweise verringern.16 So würde auch die Vereinheitlichung der Gesetze, die in der EU vorangetrieben wird, für die Mikrostaaten eine Schwierigkeit darstellen.17 Im Falle eines Beitritts würden die Mikrostaaten daher besonders auf die Erhaltung bestimmter Kernbereiche ihrer Souveränität bedacht sein.18 Außerdem profitieren die Mikrostaaten, zum Teil in umfangreichem Ausmaß, schon von einer wirtschaftlichen Integration in die EU. Durch die engen Beziehungen zu ihren Nachbarstaaten, die oftmals EU-Mitglieder sind, findet das Unionsrecht in vielen Bereichen Eingang in das Recht der Mikrostaaten.19 Daher stellt sich für die Mikrostaaten die Frage, ob eine EU-Mitgliedschaft tatsächlich weitere Vorteile bringen würde, die die Nachteile aufwiegen. Oftmals sind die Staatsangehörigen der Mikrostaaten in ihrem eigenen Land eine Minderheit der Einwohner. Auch deshalb sind die Mikrostaaten besorgt, dass sie als Mitglieder in der EU ihre Identität verlieren würden. Andererseits bietet die EU eine wichtige diplomatische Plattform, auf welcher die Mikrostaaten diplomatische Kontakte knüpfen könnten. Die EU hat in ihrer bisherigen Entwicklung gezeigt, dass kleine Staaten in manchen Aspekten durchaus übervorteilt werden.20 Die Befürchtung einiger der Mikrostaaten, sie würden mit einer Mitgliedschaft in der EU von dieser abhängig, kann relativiert werden. Zum einen wurde schon gezeigt, dass die Mikrostaaten auch schon jetzt abhängig sind, 15 ABl. C 158 vom 26.06.1989, S. 329 ff.; vgl. Dózsa 2008, S. 102; Kocher 2003a, S. 12. 16 Vgl. Kocher 2003a, S. 12 ff. 17 Vgl. Ulses 2004, S. 50. 18 Vgl. Bredow 2001, S. 57. 19 Vgl. Grard 2002, S. 92 f. 20 Vgl. Ulses 2004, S. 26, 50; Grinda 2006, S. 42.
I. Perspektive Vollmitgliedschaft
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vor allem von ihren jeweiligen größeren Nachbarstaaten. Die Abhängigkeit ist jedoch zum Teil qualitativ anders gestaltet. Als EU-Mitglieder würden die Mikrostaaten in vollem Umfang Zugang zum Binnenmarkt der EU erhalten. Weiterhin könnten sie an Verhandlungen teilnehmen, ihre Meinung äußern und würden höchstwahrscheinlich durch diverse institutionelle Regelungen vor den größeren Mitgliedstaaten geschützt.21 Als Nicht-Mitglied kann der Mikrostaat diese Rechte nicht bzw. nur in geringerem Umfang entsprechend seiner Abkommen mit der EU wahrnehmen, und kann innerhalb der EU nicht an Entscheidungen beteiligt werden. Die bisherigen Erfahrungen der Kleinstaaten, die EU-Mitglieder sind, zeigen, dass die Kleinstaaten ihre Abhängigkeit von der EU nicht als etwas Negatives ansehen. Im Gegenteil, da die Staaten ihre EU-Mitgliedschaft als etwas Notwendiges betrachten, wird sie zumeist als etwas Positives eingestuft. Außerdem versuchen die Großmächte nur selten, die Abhängigkeit der Kleinstaaten auszunutzen, was durch die Abstimmungsregeln im Ministerrat auch kaum möglich ist. Es würde das gegenseitige Vertrauen und die Toleranz der EU-Mitglieder untereinander zerstören, was sicherlich nicht gewollt wäre.22 Obwohl eine gewisse Abhängigkeit der Kleinstaaten besteht und ihre Souveränität formell in Teilbereichen beschränkt wurde, hat die EU-Mitgliedschaft den Einfluss und die Handlungsfreiheit dieser Staaten vergrößert. Letztendlich sind in der EU auch die Großmächte von den Kleinstaaten abhängig, welche durch die EU die Möglichkeit haben, sich von der Abhängigkeit von verschiedenen Großmächten loszusagen. Die Kleinstaaten, die EU-Mitglieder sind, haben mit der EU-Mitgliedschaft bezogen auf ihren politischen und wirtschaftlichen Einfluss durchweg positive Erfahrungen gemacht.23 Malta als bisher kleinster Mitgliedstaat der EU hat gezeigt, dass es möglich ist, auch als kleiner Staat der EU beizutreten. Zwar ist Malta (316 km2) hinsichtlich der Fläche des Landes tatsächlich kleiner als Andorra (468 km2), doch liegen die Dimensionen der Bevölkerungszahlen der hier betrachteten Mikrostaaten in einem anderen Bereich. Malta hat über 400.000 Einwohner, während Andorra als größter unserer betrachteten Mikrostaaten nur über ca. 84.000 Einwohner verfügt. Die anderen Mikrostaaten haben noch deutlich geringere Bevölkerungszahlen. Die Probleme, die die EU im Falle des Beitritts der Mikrostaaten sieht, sind nicht wirtschaftlich oder finanziell bedingt. Die europäischen Mikro21 22 23
Vgl. Dosenrode 1993, S. 411. Vgl. Dosenrode 1993, S. 412 f. Vgl. Dosenrode 1993, S. 413 f., 424.
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staaten zählen aufgrund ihrer erfolgreichen Nischenpolitik zu den reicheren Staaten. Es ist schwierig zu beurteilen, ob tatsächlich jeder EU-Mitgliedstaat dem Beitritt der Mikrostaaten zustimmen und den Beitrittsvertrag bzw. die Verträge ratifizieren würde. Gerade die EU-Mitgliedstaaten, die derzeit enge Verbindungen mit den Mikrostaaten pflegen und gleichzeitig ihren Einfluss ausüben können, würden diese Privilegien aller Voraussicht nach einschränken müssen bzw. verlieren. Die Mikrostaaten würden unabhängiger von ihren Nachbarstaaten. Als Beispiel sei die momentane Regelung genannt, dass französische Staatsbürger in Monaco Einkommenssteuer zahlen müssen, während alle anderen Bürger und eben auch alle anderen EU-Bürger davon freigestellt sind. Ein Wegfall dieser Regelung bei einem möglichen EU-Beitritt Monacos wäre sehr wahrscheinlich, was einen finanziellen Verlust für Frankreich bedeuten würde. Unabhängig von der Zustimmung aller Mitgliedstaaten müssten die notwendigen Strukturen innerhalb der EU für weitere Erweiterungen geschaffen werden. Die Frage nach der Aufnahmefähigkeit der EU ist wahrscheinlich mindestens genauso kritisch wie die die Erfüllung der Kriterien durch die Mikrostaaten.24 Ein weiterer, damit im Zusammenhang stehender, diskussionswürdiger Punkt ist die Frage nach der Anzahl der Sitze der Mikrostaaten im Europäischen Parlament, der Stimmen im Rat, die Vertretung durch einen Kommissar in der Europäischen Kommission, eventuelle Vetorechte, die Vertretung in den weiteren europäischen Organen und Institutionen,25 die Frage, ob ein Mikrostaat im Laufe der Rotation die Präsidentschaft der EU übernehmen könnte oder genauso die Frage, ob überhaupt die Möglichkeit besteht, dass die Mikrostaaten in der EU effektiv vertreten werden können und ihre Verpflichtungen erfüllen können. Durch den EU-Beitritt der Mikrostaaten würden sich somit in einer supranationalen Gemeinschaft mit unabhängigen Organen und Mehrheitsbeschlüssen Probleme in Repräsentation und Stimmengewichtung ergeben. Wenn die Mikrostaaten zu denselben Bedingungen aufgenommen würden wie bisher, würde ihre jeweilige Macht überproportional groß im Vergleich zu ihrer relativen Bedeutung.26 Es ist daher durchaus fraglich, ob die EU den Beitritt der Mikrostaaten wünscht, und es ist zu überdenken, ob ein besonderer Status angepasster wäre.27 24
Vgl. Emerson 2007, S. 20. EuGH, Gerichtshof Erster Instanz, Rechnungshof, Wirtschafts- und Sozialausschuss, Ausschuss der Regionen, EZB, u. a. 26 Vgl. Gstöhl 2001, S. 101. 27 Vgl. Ulses 2004, S. 51. 25
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Ursprünglich wurde in den Gemeinschaftsverträgen die Stimmenverteilung absichtlich zugunsten der bevölkerungsärmeren bzw. kleineren Mitgliedstaaten festgelegt, um deren souveräne Staatlichkeit zu würdigen und um eine Vorherrschaft der Großmächte zu verhindern.28 Vor der letzten Erweiterungsrunde aber gaben die großen EU-Länder und die EU-Institutionen im Vorfeld der Regierungskonferenz 2000 zu bedenken, dass Demokratie und Gerechtigkeit durch die starke Bevorzugung der kleinen Staaten eingeschränkt würden.29 Es wurde gefordert, dass sowohl im Rat als auch im Europäischen Parlament Anpassungen durchgeführt werden, um eine demokratische Repräsentativität der Entscheidungen zu sichern und somit die großen Mitglieder vor den Koalitionen der Kleinstaaten zu schützen. Dies war auch notwendig, um das Repräsentationsprinzip im Rahmen der EU zu wahren, das verlangt, dass keine zu großen Unterschiede zwischen der Stimmkraft der Unionsbürger entstehen. Gleichzeitig muss Staatengleichheit erhalten bleiben. Daher ist eine Überrepräsentation der kleinen Mitgliedstaaten durchaus konsequent.30 Die Stimmgewichtung ist demnach so angelegt, dass die Kleinstaaten überproportional begünstigt werden.31 Dennoch wurden beide Prinzipien, das der Staatenrepräsentation (one state-one vote) und das der Stimmengleichheit der Bürger (one man-one vote), durch die Anwendung des Grundsatzes der degressiven Proportionalität zum Ausgleich gebracht. Trotzdem hat die Gleichheit der Staaten bei der politischen Willensbildung in der EU einen höheren Stellenwert als die Gleichheit der Bürger.32 Durch die Mitgliedschaft der Mikrostaaten in der EU könnte das Prinzip der Gleichheit der Staaten in Frage gestellt werden, da es schwer vorstellbar wäre, dass z. B. die Stimme von San Marino oder Monaco bei Entscheidungen über das Funktionieren der EU so schwer wiegen sollte, wie die Italiens oder Frankreichs.33 Zwar wurden nach dem Vertrag von Nizza und im Vertrag von Lissabon die Bevölkerungsrelationen bei der Zahl der Abgeordneten im Europaparlament und die Stimmengewichtung im Rat stärker berücksichtigt, doch eine Verschiebung zugunsten der Kleinen ist immer noch deutlich spürbar. Trotzdem wurde klar, dass die Kleinstaaten nach den Reformen der Regierungskonferenz 2000 im Zuge der so genannten Osterweiterung zu ihren Lasten zu kämpfen haben. Es ist fraglich, wie die Bedingungen einer Mitgliedschaft 28
Vgl. Gstöhl 2001, S. 119. Vgl. KOM (2000) 34 vom 26.01.2000, S. 32–33; Secretary of State for Foreign and Commonwealth Affairs 2000, S. 19; CONFER 4733/00 vom 30.03.2000, S. 5; CONFER 4717/00 vom 30.03.2000, S. 4; Gstöhl 2001, S. 120. 30 Vgl. Gstöhl 2001, S. 120; Höreth 1999, S. 189. 31 Vgl. Hummer 2004, S. 82. 32 Vgl. Gstöhl 2001, S. 120 f. 33 Vgl. Grard 2002, S. 92; Verhest 2002, S. 380. 29
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K. Die Zukunft der Integration der Mikrostaaten in die EU
für die Mikrostaaten gestaltet würden.34 Nach dem Inkrafttreten des Lissabonner Vertrages finden gerade im institutionellen Bereich (Besetzung der Kommission, Durchführung einer Präsidentschaft, Teilnahme an Komitees) starke Entlastungen statt. Damit wird die Beteiligung auch für sehr kleine Staaten zumutbarer.35 Dennoch wird ein strukturelles Ungleichgewicht zwischen großen, mittleren und kleinen Staaten in der EU bestehen bleiben. Die Entscheidungsprozesse in der EU müssten daran angepasst werden.36 Falls die EU zukünftig verstärkt Druck auf die Mikrostaaten ausübt, könnte dies möglicherweise die Antragstellung auf EU-Mitgliedschaft von ihnen provozieren.37 An dieser Stelle sei nochmals auf San Marino hingewiesen, das scheinbar eine tiefere Integration in die EU anstrebt und eine Mitgliedschaft nicht ausschließt. Dieser Schritt San Marinos könnte die EU dazu zwingen, seine Beziehungen zu den europäischen Mikrostaaten als Ganzes zu überdenken. Gleichzeitig könnte die Initiative San Marinos die Position der anderen Mikrostaaten gegenüber der EU beeinflussen. Im Falle, dass sich San Marino formal um EU-Mitgliedschaft bewirbt, könnte es für die EU kompliziert sein, diesen Antrag abzulehnen. Tatsächlich kann nur wenig gegen den Antrag hervorgebracht werden, außer dass San Marino sehr klein sei und vielleicht nicht die Kapazität hat, den gesamten Acquis Communautaire anzuwenden.38 Es ist wahrscheinlich, dass die anderen Mikrostaaten, auch wenn sie bisher noch nicht an einen EU-Beitritt gedacht haben, die Beziehungen EU – San Marino genau verfolgen werden, auch wenn sie sich eine EU-Mitgliedschaft zunächst nur schwer vorstellen können.39 Sicher ist außerdem, dass, wenn ein Mikrostaat einen Beitrittsantrag stellen würde, die EU diesen gemäß dem EU-Vertrag berücksichtigen müsste.40 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es sowohl seitens der Mikrostaaten als auch seitens der EU Vorbehalte gegenüber einer EU-Mitgliedschaft der Mikrostaaten gibt. Daher ist ein EU-Beitritt der Mikrostaaten in naher Zukunft unwahrscheinlich. Dennoch ist zumeist von beiden Seiten eine weitere Annäherung erwünscht, z. B. für Andorra und San Marino möglicherweise im Rahmen des EWR oder einer ähnlichen Assoziierung. Obwohl derzeit eine EU-Mitgliedschaft in naher Zukunft von keinem der Mikrostaaten direkt angestrebt oder forciert wird, ist sie längerfristig nicht auszuschließen. 34 35 36 37 38 39 40
Vgl. Gstöhl 2001, S. 122. Auskunft einer liechtensteinischen Quelle 2010. Vgl. Bredow 2001, S. 57. Vgl. Maresceau 2008, S. 305. Vgl. Maresceau 2008, S. 306. Vgl. Maresceau 2008, S. 306. Vgl. Ulses 2004, S. 51.
II. Perspektive Koexistenz und neue Formen der Integration in die EU
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II. Perspektive Koexistenz und neue Formen der Integration in die EU Das Europäische Parlament vertrat in seiner „Entschließung zu den Rechten der Bürger kleiner Staaten und Territorien in Europa“ von 1989 die Meinung, dass die Mikrostaaten, die vom EG-Hoheitsgebiet umgeben sind, d.h. speziell Andorra, Monaco und San Marino, in geeigneter Weise am Binnenmarkt teilnehmen können sollten und stellte aber auch fest, dass das „starke historische Bewusstsein dieser Länder in Verbindung mit ihrem wirtschaftlichen Wohlstand [es nicht erlaubt], einen eventuellen Antrag auf Beitritt zur EG zu erwarten, vor allem, wenn diese Staaten die Quelle ihres Reichtums dank der Sonderabkommen mit der Gemeinschaft wahren können“. Deshalb sollten Modelle bilateraler Abkommen zwischen den Mikrostaaten und der EU als Alternative zu einer Mitgliedschaft aufgefasst bzw. entwickelt werden, durch welche die Mikrostaaten am gemeinsamen Markt und an den Gemeinschaftspolitiken teilhaben könnten.41 Dies hat sich bis heute nicht grundlegend geändert. Eben diese sektorale Teilnahme an Unionspolitiken und -Recht durch die Mikrostaaten aufgrund von Abkommen in bestimmten Bereichen wird schon so angewandt. Diese Variante der Zusammenarbeit und Integration wird derzeit bevorzugt, auch um die Besonderheiten der Mikrostaaten zu wahren. Als engste Nachbarn der EU sind sich die Mikrostaaten bewusst, dass sie sich nicht von der Welt um sie herum isolieren können und dass sie notwendigerweise ihre Gesetze und Regelungen zu einem sehr großen Teil dem EU-Acquis angleichen müssen. Sie selbst können den Grad und die Intensität dieser Anpassung am besten bestimmen und dabei die fundamentalen Elemente, die ihre Identität und Besonderheiten charakterisieren, erhalten. Es kann außerdem beobachtet werden, dass die Angleichung von Gesetzen und Regulierungen an die der EU nicht nur Mikrostaaten betrifft, sondern auch größere EU-Nachbarn wie Norwegen oder die Schweiz. Der Nachteil für die Mikrostaaten ist dabei, dass sie nicht an dem Gesetzgebungsprozess der EU teilnehmen können und keinerlei Einfluss auf Entscheidungsfindungen in der EU haben. Daher ist derzeit anscheinend die beste Lösung sowohl für die Mikrostaaten als auch die EU, ausgereifte und strukturierte Netzwerke von Abkommen oder ein umfangreiches Abkommen zu schaffen, da dies beiden Parteien die beste Möglichkeit bietet, ihre eigenen Interessen zu wahren.42 41 Vgl. ABl. C 158 vom 26.06.1989, S. 329 ff.; Gstöhl 2001, S. 113; Hummer 2004, S. 84. 42 Vgl. Maresceau 2008, S. 306.
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K. Die Zukunft der Integration der Mikrostaaten in die EU
Ein Beispiel der schrittweisen Annäherung durch sektorale Abkommen sind die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU (Bilaterale Abkommen I, II). Das Modell der Schweiz steht für einen langen, progressiven Prozess und ständige Verhandlungen mit dem Ziel, tiefe Integration mit der Verhinderung von automatischer Harmonisierung mit EU-Politiken zu schaffen. Als Folge hat die Schweiz heute über 40 Abkommen mit der EU bzw. ihren vorhergehenden Institutionen seit 1956 abgeschlossen. Andererseits ist es fraglich, ob dieses Modell in der Art auf die Mikrostaaten angewendet werden kann. Die zwischen 1994 und 2004 verabschiedeten Verhandlungspakete zwischen der Schweiz und der EU waren vor allem ein Rettungspaket als Folge dessen, dass die Schweizer Bevölkerung den Beitritt zum EWR abgelehnt hatte, obwohl dies von der Schweizer Regierung anders erhofft wurde.43 Die Anwendung der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP) auf die Mikrostaaten steht außer Frage, da die Kooperation der EU mit den Mikrostaaten den Grad der Integration, den dieses Instrument vorsieht, schon in vieler Hinsicht überschritten hat. Außerdem könnte die außergewöhnliche Behandlung der Mikrostaaten einem der abschließenden Ziele der ENP entgegenlaufen, nämlich dass für die Partnerstaaten „eine gemeinsame Regulierungsgrundlage und ein vergleichbares Maß an Marktzugang“ geschaffen wird.44 Man sollte auch daran denken, dass die ENP ein Instrument zur Annäherung an einen EU-Beitritt ist. Da die Mikrostaaten ohne zukunftsnahen Beitrittswillen sind, könnte die EU sie mit den ENP-Maßnahmen möglicherweise nicht disziplinieren.45 Eine weitere Überlegung wäre, ob die europäischen Mikrostaaten, genauso wie Liechtenstein, Mitglieder des EWR werden könnten. Sie könnten somit auch vom EU-Binnenmarkt profitieren ohne die gesamten Verpflichtungen einer EU-Vollmitgliedschaft zu übernehmen. Allerdings hätten die Mikrostaaten höchstwahrscheinlich große Schwierigkeiten, die EWR-Mitgliedschaft aus eigenen Kräften aufrecht zu erhalten. Ein großer Teil der administrativen Last von Liechtensteins Mitgliedschaft wird derzeit durch die Schweiz unterstützt. Ein weiterer bedenklicher Punkt ist, dass der EWR mit nur drei Mitgliedstaaten, von denen einer schon einen Antrag auf EUMitgliedschaft gestellt hat (Island) und zwei die Vollmitgliedschaft in der EU nicht ausschließen (Norwegen und Liechtenstein), wohlmöglich nur eine beschränkte Zukunft hat.46 Dennoch haben sowohl Andorra als auch 43
Vgl. Emerson 2007, S. 14, 81 f. KOM (2006) 726 endgültig, S. 5; vgl. Dózsa 2008, S. 102. 45 Vgl. Dózsa 2008, S. 102. 46 Vgl. Murray 2006, S. 205; Delegation der Europäischen Kommission für die Schweiz und für das Fürstentum Liechtenstein 2009b. 44
II. Perspektive Koexistenz und neue Formen der Integration in die EU
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San Marino im Jahr 2009 angedeutet, dass sie gerne dem EWR beitreten würden.47 Dies scheint jedoch nicht mehr möglich, und zwar weniger aus Sicht der EWR-Mitglieder, die nicht EU-Mitglieder sind, sondern aus der Sicht der EU-Staaten.48 Dennoch steigt das Interesse sehr kleiner Staaten Europas an umfassenderen Assoziationslösungen mit der EU, im Sinne einer EWR-Lösung. Konkrete diesbezügliche Schritte sind bisher noch nicht erfolgt, aber seitens der EU steht man solchen Avancen offen gegenüber.49 In Anbetracht des wachsenden Einflusses der EU-Politik auf die Mikrostaaten hat die Europäische Kommission ihr Interesse angedeutet, sich mit einer neuen Form der Assoziierung mit den Mikrostaaten zu beschäftigen. Die Idee wäre, eine Rahmenvereinbarung zwischen den Mikrostaaten und der EU auszuhandeln, nach dem z. B. EU-Rechtssetzung und -Politiken automatisch in den Mikrostaaten angewandt würden, wenn letztere nicht im Speziellen etwas anderes verlangen würden. Diese neue Vereinbarung wurde jedoch bisher nicht formell diskutiert und es ist unwahrscheinlich, dass sie in der näheren Zukunft vollständig ausgearbeitet wird, zum einen aufgrund eines Mangels an Ressourcen und zum anderen, da es andere dringendere Prioritäten für die EU im Generellen gibt.50 An dieser Stelle sei an die Studie von Emerson aus dem Jahr 2007 erinnert, in der er die möglichen Zukunftsperspektiven für die Beziehungen Andorras zur Europäischen Union absteckt,51 die in ähnlicher Weise auch auf die anderen Mikrostaaten angewandt werden kann. Emerson untergliedert den Prozess der Annäherung in vier Schritte, die sich jeweils über Jahre erstrecken könnten: 1. Eine vorbereitende Etappe einseitiger Reformen, der Verhandlungen mit der EU voraus gehen, 2. Verhandlung sektoraler Abkommen mit der EU, weitergehend als die bisher existierenden, 3. Ein umfassender multisektoraler Vertrag und 4. Ein neues Modell der Quasi-Mitgliedschaft in der EU.52 Dabei entspreche der heutige Zustand Andorras einem Mix aus dem Schritt 1 und 2,53 was auch für San Marino gelten würde. Liechtenstein 47
sh. Punkte D. II. 3., G. II. 3. Auskunft einer liechtensteinischen Quelle 2010. 49 BuA 17/2010, S. 21. 50 Vgl. Murray 2006, S. 205. 51 sh. Punkt D. II. 3.; vgl. Emerson 2007, S. 10 ff. 52 Vgl. Emerson 2007, S. 10 ff. Originalbezeichnung Emersons: „virtual membership of the EU“. 48
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K. Die Zukunft der Integration der Mikrostaaten in die EU
wäre ein Beispiel für Schritt 3, da das Fürstentum durch die Mitgliedschaft im EWR am europäischen Binnenmarkt teilnimmt.54 Monaco wäre aufgrund der geringen direkten EU-Beziehungen noch vor Andorra und San Marino zwischen Stufe 1 und 2 einzuordnen. Wie schon angesprochen, wäre die EU gefordert, die institutionelle Einbindung des Staates zu ermöglichen, falls ein Mikrostaat ein Beitrittsgesuch stellen würde. Dies würde wahrscheinlich größte Schwierigkeiten bereiten, wenn nicht eine Sonderform der Mitgliedschaft für die Mikrostaaten entwickelt werden könnte. Luxemburg oder auch Malta und Zypern können dabei nicht als Präzedenzfall betrachtet werden, da sie deutlich größer in Territorium und/oder Bevölkerung sind, und selbst diese Staaten können ihre Verpflichtungen aus der Mitgliedschaft oftmals nur mit Hilfe weiterer Partner erfüllen.55 Es ist daher zu überdenken, ob ein besonderer Status bzw. eine neue Form der EU-Mitgliedschaft angepasster wäre.56 Falls es eine Abstufung der Pflichten einer EU-Mitgliedschaft für kleinere Staaten geben sollte, könnte dies einen Beitritt der Mikrostaaten in die EU in unmittelbarere Nähe rücken.57 Ein denkbares Szenario wäre, dass ein oder zwei Abgeordnete einen Mikrostaat im Europäischen Parlament vertreten, dass im Ministerrat ausdrücklich auf ein Veto verzichtet und kein eigener Kommissar benannt würde. Ebenso gibt es den Vorschlag der Rotation, d.h. dass es z. B. ein Kommissionsmitglied der Mikrostaaten geben könnte, dass je ein Jahr lang aus Liechtenstein, Monaco, San Marino oder Andorra stammt, ebenso bei den Parlamentariern. Weitere mathematische Lösungen wurden diskutiert.58 Diese mögliche Strategie einer multilateralen anstatt einer bilateralen Integration bietet weitere Vorteile. Im Fall des Fürstentums Liechtenstein ist zu erkennen, dass es im EWR mehr Einfluss auf die Entscheidungsfindung hat als in seiner Union mit der Schweiz. Die EFTA-Länder empfinden das eingeschränkte Mitbestimmungsrecht im EWR daher nicht als Souveränitätsverlust. Aus Sicht der EU dürfte diese eher zur Aufnahme von Mikrostaaten bereit sein, wenn sie diesen nicht die gleichen institutionellen Rechte einräumen müsste.59 Im Rahmen der Aufnahmedebatte der Mikrostaaten in die UNO wurden Ende der 1960er Jahre verschiedene Lösungsansätze überdacht. Dazu ge53 54 55 56 57 58 59
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Emerson 2007, S. 10 f. Emerson 2007, S. 18. Sack 1997, S. 46; Maresceau 2008, S. 305. Ulses 2004, S. 51. Gstöhl 2001, S. 122. Ulses 2004, S. 51; Auskunft einer liechtensteinischen Quelle 2010. Gstöhl 2001, S. 122.
II. Perspektive Koexistenz und neue Formen der Integration in die EU
507
hörte die Aufnahmesperre bei Nichterfüllung bestimmter Aufnahmekriterien, das Aufnahmekriterium der Fähigkeit, den diplomatischen Verkehr aufrechtzuerhalten oder die UN-Charta zu erfüllen, eine Stimmenwägung oder die Zusammenfassung mehrerer Mikrostaaten zu einem Stimmenverbund mit einer Stimme, die Zulassung nur beratender Stimmen oder die Assoziierung an einen größeren Staat, der dann die Vertretung des Mikrostaates übernimmt. Diese Lösungsansätze könnten auch heute im Bezug auf die Mikrostaaten und die EU überdacht werden.60 Allerdings wurden sie in der UNO letztendlich nie angewandt, so dass man sich die Frage stellen kann, ob eine Beschränkung der Mitgliedsrechte für Mikrostaaten in der EU notwendig ist. Außerdem sprechen sich die Mikrostaaten zumeist gegen eine Sonderform der EU-Mitgliedschaft mit verminderten Rechten und Pflichten aus.61 Es sei bei gewissen Rechten schwierig, kleinste Staaten essentiell zu diskriminieren. Weiterhin könne man sich seit der Aufnahme Zyperns und Maltas ohnehin fragen, wo die Grenzen zu ziehen sind, wenn auch Kriterien wie Wirtschaftskraft, geographische Lage oder effiziente Verwaltung als Kriterien herangezogen werden würden.62 Aus der Sicht Liechtensteins brauche es von der Substanz her keine besondere Mikrostaatenpolitik der EU und damit auch keine abgestufte Form der Mitgliedschaft zu geben, da man im Wesentlichen mit denselben Problemen konfrontiert ist, wie jeder andere Mitgliedstaat. Dabei betrachtet man die Fragen der institutionellen Vertretung innerhalb der EU als technische Details die zwar nicht unwichtig sind, aber auch nicht entscheidend.63 Der Vertrag über eine Verfassung für Europa, unterzeichnet am 29. Oktober 2004, beinhaltet eine politische Erklärung mit der Absicht, die besondere Position der Mikrostaaten im Kontext der Beziehungen der EU zu seinen Nachbarstaaten anzuerkennen. Der Artikel I-57 sah eine spezielle Bestimmung zu den Beziehungen der EU zu seinen Nachbarn vor, und legte dar, dass „die Union [. . .] besondere Beziehungen zu den Ländern in ihrer Nachbarschaft [entwickelt], [. . .] der auf den Werten der Union aufbaut und sich durch enge, friedliche Beziehungen auf der Grundlage der Zusammenarbeit auszeichnet.“64 Die Erklärung Nr. 11 zum Artikel I-57 besagt im Speziellen: „Die Union trägt der besonderen Lage der Länder mit geringer 60
Vgl. Killian 2002, S. 203 f. Auskunft liechtensteinischer Quellen 2009, 2010; Auskunft einer sanmarinesischen Quelle 2009. 62 Auskunft einer liechtensteinischen Quelle 2009. 63 Auskunft einer liechtensteinischen Quelle 2010. 64 ABl. C 310 vom 16.12.2004. 61
508
K. Die Zukunft der Integration der Mikrostaaten in die EU
territorialer Ausdehnung Rechnung, die spezifische Nachbarschaftsbeziehungen zur Union unterhalten.“ Diese Erwähnung im Vertrag über eine Verfassung für Europa zeigt, dass die EU sich der Sonderrolle der Mikrostaaten bewusst ist und man spricht von „spezifischen Nachbarschaftsbeziehungen“, was auch auf eine Sonderbeziehung zu den Mikrostaaten hindeutet.65 Im Vertrag von Lissabon wurde diese Formulierung aufrechterhalten und findet sich jetzt in Artikel 8 EUV und der dazu gehörenden Erklärung (Erklärung 3) wieder.66 Dieser Artikel und die Erklärung schaffen eine gewisse rechtliche Grundlage, um die Beziehungen zwischen der EU und den Mikrostaaten als EU-Nachbarn zu entwickeln.67 Es ist allerdings fraglich, ob diese Erklärung tatsächlich als Rechtsgrundlage oder doch eher als eine Absichtserklärung anzusehen ist.68 Der gegenwärtige Stand der Dinge lässt vermuten, dass die Beziehungen zwischen der EU und den europäischen Mikrostaaten und damit deren Integration in die EU weiterhin auf den existierenden rechtlichen Grundlagen aufgebaut sein werden, d.h. auf direkten, sektoralen, bilateralen Abkommen mit der EU oder indirekten Beziehungen aufgrund der Verbindungen zu den Nachbarstaaten oder der Mitgliedschaft in europäischen Organisationen. Durch bilaterale sektorale Abkommen, die schon bestehenden engen Verbindungen zu den Nachbarstaaten oder den EWR sind die Mikrostaaten schon weit in die EU integriert und genießen Vorteile, die eigentlich nur eine EU-Mitgliedschaft mit sich bringt. In naher Zukunft ist hier keine grundlegende Veränderung zu erwarten.69 Auffällig ist allerdings die stärkere Tendenz hin zu direkten bilateralen Abkommen zwischen EU und Mikrostaaten sowie die einheitlicher werdende Politik der EU gegenüber den Mikrostaaten. Bei den meisten Mikrostaaten ist der Wille zu einer vertieften Integration und Kooperation deutlich erkennbar. Eine neue Sonderform der EU-Mitgliedschaft mit abgestuften Rechten und Pflichten oder auch eine EWR-Mitgliedschaft für weitere Mikrostaaten, neben Liechtenstein, ist eher unwahrscheinlich. Eher denkbar wären Assoziierungsabkommen (Ziel Andorras). Möglicherweise schafft der Vertrag von Lissabon durch Artikel 8 EUV und der dazu gehörenden Erklärung Nr. 3 einen neuen Impuls, um weitere Beziehungen zwischen der EU und den Mikrostaaten als EU-Nachbarn zu entwickeln. 65
ABl. C 310 vom 16.12.2004; vgl. Murray 2006, S. 205; Maresceau 2008, S. 305; Emerson 2007, S. 16. 66 ABl. C 115 vom 09.05.2008. 67 Vgl. Maresceau 2008, S. 305. 68 Vgl. Emerson 2007, S. 16. 69 Vgl. Ulses 2004, S. 51; Dózsa 2008, S. 102; Murray 2006, S. 205.
III. Position und Zukunft der einzelnen Mikrostaaten
509
III. Position und Zukunft der einzelnen Mikrostaaten 1. Andorra Eingeschlossen zwischen Frankreich und Spanien, nähert sich Andorra seit dem Beitritt Spaniens in die EWG im Jahr 1986 stärker der EU an, was 1991 zu der Zollunion für industrielle Produkte zwischen der EG und Andorra führte. Dieser erste internationale Vertrag des Mikrostaates sowie die Verabschiedung der ersten Verfassung 1993 war die Basis für die internationale Anerkennung des Fürstentums.70 Die Angleichungen der Positionen im Bereich der weiteren drei Grundfreiheiten der EU (Personen, Dienstleistungen und Kapital) werden seitdem vorangetrieben.71 Andorra unterhält enge Beziehungen zu seinen beiden Nachbarstaaten, kann aufgrund der historischen Beziehungen den Euro nutzen, bildet eine Zollunion mit der EU für industrielle Produkte, hat mit der EU ein Kooperationsabkommen sowie ein Abkommen über die Besteuerung von Zinserträgen geschlossen und nimmt de facto an Schengen teil. Die Möglichkeit, dass Andorra Vollmitglied der EU wird, ist derzeit keine Option und momentan generell für sehr kleine Staaten schwer umzusetzen, da ihnen nur beschränkte administrative Ressourcen zur Verfügung stehen. Andererseits – vor allem langfristig – kann eine Vollmitgliedschaft auch nicht komplett ausgeschlossen werden.72 Da der Mikrostaat allerdings möglicherweise einige seiner wichtigen Alleinstellungsmerkmale aufgrund des externen Drucks aufgeben muss, wäre eine Hinwendung zu einer europäischen Strategie besser als eine Abwendung von Europa. Gleichzeitig bringt die Hinwendung zur EU eine Abwendung von diesen besonderen Charakteristiken mit sich. Andorra muss daher genau die Bedeutung und Folgen eines solchen Szenarios untersuchen und entscheiden, ob es dazu bereit ist.73 Andorra ist gewillt, sich stärker an die EU anzunähern bzw. sich zu integrieren. Der Mikrostaat hat erkannt, dass der Wohlstand Andorras zunehmend von einer Anwendung der EU-Regeln, speziell der Teilnahme an den vier Freiheiten sowie der Abschaffung des Status als Steuerparadies, abhängig ist.74 Diese Annäherung kann sowohl, wie bisher, über sektorale Abkommen, als auch über ein umfassendes Abkommen oder ein weiteres Mo70 71 72 73 74
Vgl. Verhest 2002, S. 380. Vgl. Mateu 2001, S. 417. Auskunft einer andorranischen Quelle 2009. Vgl. Emerson 2007, S. 11. Vgl. Emerson 2007, S. 2.
510
K. Die Zukunft der Integration der Mikrostaaten in die EU
dell der Integration in die EU erfolgen. Dazu gehört z. B. die Mitgliedschaft im EWR oder ein Assoziierungsabkommen. Die andorranische Regierung hatte bis vor kurzem (Ende 2009) angedeutet, dass sie gerne dem EWR beitreten würden.75 Dies scheint jedoch nicht mehr möglich, und zwar weniger aus Sicht der EWR-Mitglieder, die nicht EU-Mitglieder sind, sondern aus der Sicht der EU-Staaten. Für diese sei der EWR im Moment nicht mehr zu öffnen. Somit scheint das Liechtensteiner Modell nicht ohne Probleme auf Andorra anwendbar zu sein und es ist wahrscheinlich, dass ein neues, umfassendes Vertragsmodell für Andorra entwickelt werden muss.76 Für die nähere Zukunft sind weitere und tiefere Kooperationen durch das Kooperationsabkommen oder auch durch eine Assoziierung oder eine andere Form der engeren Beziehung nicht ausgeschlossen. Doch bevor dieser Schritt ernsthaft in Betracht gezogen werden kann, muss eine breite politische Debatte und politischer Konsens über die Beziehungen mit der EU als Ganzes und im Speziellen über die Stellung Andorras in Europa geführt werden.77 Ziel Andorras ist es, ein neues Modell zu finden, um den derzeitigen kommerziellen Rahmen abzulösen. Das Fürstentum versucht, sich auf dem besten Weg, auf progressive und strukturierte Art, in den europäischen Binnenmarkt zu integrieren. In Anbetracht der Entwicklung der EU und ihrer Politik ist sich Andorra der neuen europäischen Realität und der Notwendigkeit einer europäischen Annäherung bewusst.78 Die andorranische Regierung hat einen sehr an der EU interessierten Kurs eingeschlagen: Nachdem der EWR im Moment nicht zu öffnen ist, spricht der neue Regierungschef nun davon (Dezember 2009), dass man ein Assoziationsabkommen brauche.79 Die derzeitige Regierung spricht sich demnach stark für eine weitere Annäherung Andorras an die EU aus.80 2. Liechtenstein Liechtenstein ist, wenn man all die Bereiche der Zusammenarbeit betrachtet, d.h. die EFTA, den EWR und die damit im Zusammenhang übernommenen Rechtsakte sowie die bilateralen Verträge, die schon abgeschlos75 76 77 78 79 80
FAZ vom 15.12.2009, S. 7. Vgl. Emerson 2007, S. 18. Vgl. Maresceau 2008, S. 287. Auskunft einer andorranischen Quelle 2009. FAZ vom 15.12.2009, S. 7; Auskunft einer liechtensteinischen Quelle 2010. FAZ vom 15.12.2009, S. 7.
III. Position und Zukunft der einzelnen Mikrostaaten
511
sen bzw. die jetzt im Endstadium sind (Assoziation zum Schengen-Abkommen, Betrugsbekämpfungsabkommen), in zahlreichen Politikfeldern in die EU integriert. Aus der Sicht Liechtensteins fehle nur noch wenig, um das Integrationsniveau eines EU-Mitgliedstaates zu erreichen.81 Hinsichtlich der Integration Liechtensteins in die EU, vor allem einer möglichen Mitgliedschaft, ist auch immer die Entwicklung der Beziehung zwischen der Schweiz und der EU entscheidend. Dies bedeutet allerdings nicht, dass sich Liechtenstein automatisch der Schweiz in diesem Bereich anpasst. Ein weiteres denkbares Szenario wäre, dass Island und Norwegen, die beiden anderen EWR-Mitglieder, der EU beitreten würden. Dann würde Liechtenstein vor der Frage stehen, ob man versucht, den EWR-Integrationsgrad über bilaterale Verträge zu erreichen oder welche Alternative es gäbe.82 Liechtenstein könnte theoretisch, wie alle anderen EFTA-Staaten auch, der EU beitreten. Doch dies ist in absehbarer Zeit eher unwahrscheinlich, genau wie für alle anderen EFTA-Staaten. Die Mitgliedschaft Liechtensteins im EWR stellt für diesen Mikrostaat derzeit die maximale Annäherung an die EU dar. Die Position Liechtensteins zur europäischen Integration bzw. zu einem EU-Beitritt unterlag in den letzten Jahrzehnten einem stetigen Wandel. Lange Zeit wurde ein EU-Beitritt des Fürstentums kategorisch ausgeschlossen. Neuerdings ist ein EU-Beitritt zu einem späteren Zeitpunkt eine mögliche Option, wobei auch andere Szenarien denkbar wären.83 Im Falle eines EU-Beitritts könnte es aufgrund der verhältnismäßig geringen Personaldecke Probleme bezüglich der Besetzung der EU-Institutionen geben und man erwartet eine starke zusätzliche bürokratische Belastung. Aus der Sicht Liechtensteins würde eine EU-Mitgliedschaft außerdem finanzielle Nachteile mit sich bringen, da man erwartet, dass Liechtenstein ein Netto-Zahler sein würde.84 Daraus ergibt sich für Liechtenstein, dass man mit dem bestehenden Integrationsgrad, den der EWR bietet, zufrieden ist, solange man den Eindruck hat, dass eine Vollmitgliedschaft hauptsächlich nur Kosten verursacht. Erst wenn es absehbarer wäre, dass ein EU-Beitritt ein Schritt ist, bei dem sich die Vor- und Nachteile die Balance halten, würden Diskussionen um eine Vollmitgliedschaft möglicherweise konkreter.85 Weiterhin ist man bestrebt, die Autonomie in verschiedenen Regelungsbereichen zu bewahren, vor allem im Finanzdienstleistungssektor.86 81
Auskunft einer liechtensteinischen Quelle 2010. Auskunft einer liechtensteinischen Quelle 2010. 83 Auskunft einer liechtensteinischen Quelle 2010. 84 BuA 92/1992, S. 5, 13, 15; Auskunft einer liechtensteinischen Quelle 2010; vgl. Duursma 1996, S. 191. 85 Auskunft einer liechtensteinischen Quelle 2010. 82
512
K. Die Zukunft der Integration der Mikrostaaten in die EU
In dem Bericht der Regierung vom März 2010 zur 15-jährigen EWR-Mitgliedschaft87 stellt diese dar, dass sie verschiedene zukünftige Optionen der Beziehungen zur EU erwägt. Sie plane „zum jetzigen Zeitpunkt den bisherigen Weg umfassender aber selektiver Integrationsschritte weiterzugehen“. Die Regierung stellt fest, „dass mit dem EWR und Schengen Liechtenstein bereits den größten Teil des EU-Rechtsbestandes übernommen hat und über weitere Verträge und einen gut funktionierenden politischen Dialog zusätzliche Formen der Zusammenarbeit hat. Markante Ausweitungen der Integration müssten wohl eine Teilnahme an der Zollunion oder die Euro-Übernahme bedeuten. Entsprechende Absichten hat die Regierung nicht. Ausweitungen der Kooperation sind eher im Rahmen und im Umfeld des Binnenmarktes und damit des EWR zu erwarten, sowie im Bereich der Justiz und Inneren Sicherheit im Umfeld der Schengen-Assoziation.“88 Die Beziehungen des Fürstentums Liechtenstein zur EU sind in ihrer Entwicklung immer enger geworden und werden vermutlich auch noch enger. Liechtenstein ist als einziger der Mikrostaaten Mitglied im EWR und damit rechtlich derzeit am stärksten in die EU integriert. Eine zukünftige EU-Mitgliedschaft ist nicht absolut auszuschließen. 3. Monaco Das Verhältnis zwischen Monaco und der EU ist in der Art besonders, dass bis heute zwar kaum direkte vertragliche Beziehungen zwischen beiden bestehen, das Fürstentum aber dennoch sehr eng mit der EU verbunden ist.89 Monacos Mitgliedschaft in der EU-Zollunion, die Nutzung des Euro, die Teilnahme am Schengen-Gebiet sowie die Anwendung von EU-Recht im Bereich der Steuern, des Banken- und Versicherungswesens resultiert aus diversen Abkommen mit Frankreich. Obwohl Monaco aufgrund seiner engen Beziehungen zu Frankreich äußert umfangreich in die EU integriert ist, ist im Moment ein formaler EU-Beitritt zwar nicht ausgeschlossen, wird aber auch nicht angestrebt. Selbst wenn Monaco nie oder nicht in naher Zukunft der EU beitreten wird, ist die EU durch Monacos enge Beziehungen zu Frankreich auch im Fürstentum spürbar. Da das französische Recht immer mehr zugunsten des Unionsrechts weicht, jenes aber das Referenzrecht für Monaco darstellt, passt auch Monaco sein Recht indirekt an das Unionsrecht an. So findet 86 87 88 89
Vgl. Marxer/Pállinger 2009, S. 924. BuA 17/2010. BuA 17/2010, S. 21 f. Vgl. Stapper 1999, S. 40; Hummer 2004, S. 87.
III. Position und Zukunft der einzelnen Mikrostaaten
513
das EU-Recht Eingang nach Monaco, wenn auch nur indirekt, und das Fürstentum nähert sich allmählich immer weiter der EU. Schließlich könnte diese Entwicklung dazu führen, dass der Mikrostaat de facto fast vollständig in die EU integriert ist, bevor Monaco einen Mitgliedsantrag gestellt hat.90 In dieser Situation wäre dann ein EU-Beitritt recht nahe liegend. Bedeutsam ist in dieser Hinsicht auch immer die Haltung Frankreichs gegenüber einer direkten Annäherung Monacos an die EU, da dies gleichzeitig einen Rückzug des Einflusses Frankreichs in dem Fürstentum bedeuten würde. Als Alternative zu einem EU-Beitritt könnte Monaco ein weiteres, zunächst ein grundlegendes Abkommen mit der EU abschließen. Durch den stärkeren Aufbau direkter Beziehungen mit der EU wäre Monaco unabhängiger von Frankreich. Dies wäre ein Schritt zu einer Annäherung an die EU ohne eine vollkommene Integration, was auch als Vorbereitung auf einen EU-Beitritt wirken könnte.91 Mögliche Formen des oder der Abkommen wären u. a. ein Assoziierungsabkommen, der Beitritt zum EWR oder ein Kooperationsabkommen. Dabei ist es allerdings unwahrscheinlich, dass ein Assoziierungsabkommen verhandelt würde. Aufgrund der engen Beziehungen zu Frankreich und den sich implizit daraus ergebenden Vorteilen sowie des hohen administrativen Aufwands der Übernahme von EU-Recht ist auch eine EWR-Mitgliedschaft Monacos nicht sehr wahrscheinlich. Falls Monaco bereit wäre, einen so großen Schritt auf die EU zuzugehen, sollte es eher prüfen, ob es nicht ganz der EU beitreten wolle. Eine weitere Möglichkeit wäre der Abschluss eines Kooperationsabkommens, ähnlich wie im Fall Andorras und San Marinos.92 Es scheint, dass Monaco aufgrund seiner schon vorhandenen engen Integration in die EU, auch wenn diese vor allem indirekt ausgeprägt ist, ein deutlich geringeres Interesse an einer vertieften, direkten Integration in die EU hat, als die anderen Mikrostaaten (außer dem Vatikan). 4. San Marino Die Beziehungen zur EU sind für San Marino von außerordentlich großer Bedeutung,93 da der Mikrostaat dadurch seine Unabhängigkeit und seine Position gegenüber Italien stärkt.94 90 91 92 93 94
Vgl. Ulses 2004, S. 53. Vgl. Ulses 2004, S. 52; Grinda 2006, S. 49. Vgl. Ulses 2004, S. 52. Auskunft einer sanmarinesischen Quelle 2009. Vgl. Duursma 1996, S. 260.
514
K. Die Zukunft der Integration der Mikrostaaten in die EU
Der Mikrostaat ist durch ein Zoll- und Kooperationsabkommen sowie das Abkommen im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen direkt mit der EU verbunden, er nutzt den Euro als Währung und ist de-facto Mitglied im Schengen-Raum. Wie erwähnt, war San Marino der erste der Mikrostaaten, der die Möglichkeit einer EU-Mitgliedschaft nicht ausgeschlossen hat. Schließlich äußerte die sanmarinesische Regierung im Jahr 2007 Interesse an einem EUBeitritt.95 Diese Initiative ist noch keine formale Bewerbung um EU-Mitgliedschaft. Es bleibt abzuwarten, wie die EU und San Marino weiter handeln.96 Sowohl die Europäische Kommission als auch der Rat antworteten dem sanmarinesischen Außenminister, dass sie das Interesse San Marinos, seine Beziehungen zur EU zu stärken, begrüßen würden. Derzeit gibt es keine weiteren aktuellen Verhandlungen, auch, da es im November 2008 Neuwahlen gab und eine neue Regierung ernannt wurde.97 An einen Antrag als EU-Vollmitglied wird daher im Moment nicht gedacht.98 San Marinos Wunsch ist es, dass die existierenden Beziehungen tiefer und besser ausgebaut werden und der Mikrostaat somit stärker in die EU integriert wird, vor allem im Bereich des Binnenmarktes. Generell sieht man eine zukünftige EU-Mitgliedschaft San Marinos als realistisch an. Auf dem Weg dahin solle man jeden Vorschlag genau betrachten und bewerten. San Marino spricht sich dagegen aus, dass sich die EU zukünftig aus Mitgliedern erster und zweiter Klasse zusammensetzen werde.99 Zuletzt äußerte die Außenministerin San Marinos bei ihrem Besuch im Juli 2009 in Brüssel, dass man die Möglichkeit in Betracht zieht, Mitglied im EWR zu werden. Dies wurde von der EU begrüßt.100 Allerdings gestaltet sich dies, ebenso wie im Fall Andorras, vor allem aufgrund der hohen bürokratischen und administrativen Hürden, als problematisch. Ähnlich wie bei den anderen europäischen Mikrostaaten, hängt eine Annäherung von San Marino an die EU auch von dem großen Nachbarstaat Italien und nicht allein vom Interesse und guten Willen eines Mikrostaates ab.
95 sh. Punkt G. II. 3.; vgl. Emerson 2007, S. 91; Wirtschaftskammer Österreich 2007; Maresceau 2008, S. 291. 96 Vgl. Maresceau 2008, S. 291. 97 Auskunft einer sanmarinesischen Quelle 2009. 98 Auskunft einer sanmarinesischen Quelle 2009. 99 Auskunft einer sanmarinesischen Quelle 2009. 100 Vgl. Republic of San Marino/Secretariat of State for Foreign and Political Affairs 2009e.
IV. Zusammenfassung
515
5. Vatikanstadt Wie verdeutlicht wurde, ist der Staat Vatikanstadt ein Sonderfall. Er hat kein Interesse an einer Mitgliedschaft in der EU. Abgesehen davon ist der Vatikan eine absolute Monarchie, die nicht die Gewaltenteilung achtet und damit auch kein Rechtsstaat ist. Er ist daher gemäß Art. 49 EUV i. V. m. Art. 2 EUV nicht zur Mitgliedschaft in der EU berechtigt. Mit Blick auf die zukünftigen Beziehungen zwischen dem Staat Vatikanstadt und der EU ist zu vermuten, dass der Hauptfokus der Zusammenarbeit, neben Vereinbarungen zur Währung und möglicherweise zu Schengen, auf spirituellen Angelegenheiten und der Förderung der Menschenrechte liegt, z. B. speziell im Kontext der Ausarbeitung neuer Grundsatzverträge.101
IV. Zusammenfassung Die Standpunkte der Mikrostaaten in Bezug auf die zukünftigen Entwicklungen ihrer Integration in die EU unterscheiden sich deutlich und können nicht verallgemeinert werden. Generell können die europäischen Mikrostaaten – mit Ausnahme des Vatikans – einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft stellen, da sie die Voraussetzungen dafür gemäß den europäischen Verträgen erfüllen. Entsprechend der Kopenhagener Kriterien wären Beitrittsverhandlungen und Rechtsharmonisierungen notwendig, doch diese Hürde scheint für die Mikrostaaten nicht unüberwindbar. Eine andere Frage wäre allerdings, ob die Mikrostaaten bereit und in der Lage wären, die aus der Mitgliedschaft entstehenden Anpassungen und Pflichten zu erfüllen, vor allem in Hinblick auf ihre personellen und finanziellen Ressourcen, da ein EUBeitritt durchaus mit einem hohen administrativen Aufwand und Kosten verbunden wäre. Außerdem profitieren die Mikrostaaten schon heute von der EU, oftmals aufgrund ihrer engen Beziehungen zu ihren Nachbarstaaten. Weiterhin sehen die Mikrostaaten bei einem EU-Beitritt ihre souveräne Gesetzgebungshoheit in Gefahr. Aus Sicht der EU ergäbe sich die Frage, ob sie bereit wäre, neue Mitglieder aufzunehmen, speziell auch, ob sie den institutionellen Rahmen schaffen wolle und könnte, damit die Mikrostaaten in den Organen und Institutionen der EU entsprechend vertreten wären. Ebenso ist unklar, ob tatsächlich alle bisherigen EU-Mitgliedstaaten einem Beitritt der Mikrostaaten zur EU zustimmen würden. 101
Vgl. Murray 2006, S. 203.
516
K. Die Zukunft der Integration der Mikrostaaten in die EU
Ein EU-Beitritt der Mikrostaaten ist daher in näherer Zukunft unwahrscheinlich, kann aber längerfristig auch nicht ausgeschlossen werden. Alternativ wäre an eine Sonderform der EU-Mitgliedschaft mit abgeschwächten Rechten und Pflichten für die Mikrostaaten zu denken. Dies wird jedoch von den Mikrostaaten überwiegend abgelehnt. Des Weiteren besteht theoretisch die Möglichkeit, dass weitere Mikrostaaten, wie Liechtenstein, dem EWR beitreten. Dies wird aber derzeit von den EU-Mitgliedstaaten im EWR nicht befürwortet, weshalb die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung eines Assoziierungsabkommen längerfristig gegeben ist, vor allem für die Mikrostaaten, die eine vertiefte direkte Integration in die EU wünschen. Der Vertrag von Lissabon bietet gemäß Art. 8 EUV und der Erklärung Nr. 3 eine neue Grundlage für eine vertiefte Zusammenarbeit mit den Mikrostaaten. Für die nähere Zukunft ist es wahrscheinlich, dass die Mikrostaaten ihre Integration in die EU im Kontext der existierenden oder neuer bilateraler, sektoraler Abkommen mit der EU sowie durch ihre Beziehungen zu den Nachbarstaaten oder der Mitgliedschaft in europäischen Organisationen fortsetzen und vertiefen. Bei der Betrachtung der zukünftigen Integration der Mikrostaaten in die EU muss zwischen der Fähigkeit und dem Willen zur Integration in die EU unterschieden werden. Die Fähigkeit, wiedergespiegelt im Umfang der Anwendung von EU-Recht, wurde oben im Vergleich der derzeitigen Integration in die EU dargestellt. Der Wille zur Integration in die EU wird in folgender Tabelle abgebildet: Tabelle 10 Vergleich: Wille zur Integration in die EU Vergleich
Mikrostaat Fürstentum Andorra
„Rangfolge“ 1 Wille zur (größter Integration Integrationsin die EU wille) „Rangfolge“ derzeitige Integration in die EU (Umfang)
4
Fürstentum Liechtenstein
Fürstentum Monaco
Republik San Marino
Staat Vatikanstadt
3
4
2
5
1 (stärkste Integration in die EU)
1 (stärkste Integration in die EU)
3
5
IV. Zusammenfassung
517
Mit Blick auf die zukünftige Entwicklung äußerte sich derzeit Andorra am europafreundlichsten, welches sich zuletzt für den Beitritt im EWR interessiert zeigte bzw., nachdem dies nicht möglich schien, davon sprach, dass ein Assoziierungsabkommen mit der EU notwendig sei. Ähnlich europafreundlich ist San Marino, das sogar schon Interesse an einem EU-Beitritt andeutete und auch die Möglichkeit eines EWR-Beitritts ansprach. Auch Liechtenstein ist europafreundlich eingestellt und setzt stetig im Rahmen des EWR und z. B. auch im Finanzdienstleistungsbereich die EU-Vorgaben um. Liechtenstein schließt – ebenso wie Andorra, San Marino und Monaco – einen EU-Beitritt langfristig nicht aus, es sieht aber derzeit die Mitgliedschaft im EWR als größenverträglichste Lösung. Monaco ist durch die engen Beziehungen zu Frankreich stark in die EU integriert, strebt aber von sich aus keine vertiefte direkte Integration in die EU an. Der Vatikan als Sonderfall ist weder stark in die EU integriert, noch strebt er zukünftig eine stärkere Integration an. Es ist anzumerken, dass diese Darstellung eine Momentaufnahme der derzeitigen Situation ist, die sich relativ schlagartig aufgrund der Änderung der äußeren Umstände, z. B. durch Neuwahlen oder wirtschaftlichen Entwicklungen, ändern kann. Es wird erkennbar, dass die beiden Mikrostaaten Andorra und San Marino, die in ihrer Integration in die EU im Vergleich zurückliegen, derzeit einen größeren Willen haben, sich stärker in die EU zu integrieren. Wann bzw. ob sie den EU-Integrationsgrad von Liechtenstein oder Monaco erreichen, ist momentan nicht absehbar.
L. Ergebnisse und Zusammenfassung Die europäischen Mikrostaaten sind als unabhängige, souveräne Staaten in der internationalen Staatenwelt anerkannt. Sie erfüllen – mit Ausnahme des Vatikans – die Staatsmerkmale Staatsgebiet, Staatsvolk sowie Staatsgewalt. Der Vatikan wird trotzdem aufgrund seiner Sonderrolle international als Staat anerkannt. Aufgrund der Kleinheit der Mikrostaaten haben sich Besonderheiten der staatlichen Organisation herausgebildet, z. B. die Delegation von Staatsaufgaben („Outsourcing“) an größere Nachbarstaaten oder internationale Organisationen oder die Rechtsrezeption des Rechts der Nachbarstaaten. Da keine wesentlichen Gewalten abgegeben werden, wird die Souveränität der Mikrostaaten dadurch nicht eingeschränkt. Die Besonderheiten der staatlichen Organisation der Mikrostaaten werden ebenso in deren Außenpolitik widergespiegelt. So gehören zu den wichtigsten außenpolitischen Strategien der Mikrostaaten zumeist Neutralität, die engen Beziehungen zu den Nachbarstaaten sowie die Integration bzw. Mitgliedschaft in internationalen Organisationen zur Sicherung der Staatlichkeit und Unabhängigkeit. Die Mikrostaaten werden heute, nach einer anfangs zögerlichen Entwicklung, als Mitglieder in der internationalen Gemeinschaft akzeptiert und können, genauso wie große Staaten, internationalen Organisationen beitreten, was der Beitritt der vier europäischen Mikrostaaten Andorra, Liechtenstein, Monaco und San Marino zur UNO zeigt. Die Mitgliedschaft der Mikrostaaten in internationalen Organisationen stärkt deren Unabhängigkeit und Souveränität, auch und vor allem gegenüber ihren Nachbarstaaten. Weiterhin bieten sie eine Plattform, um auf internationaler Bühne wahrgenommen zu werden und wertvolle Kontakte zu knüpfen. Wirtschaftlich betrachtet zählen die europäischen Mikrostaaten zu den erfolgreichsten Ländern der Welt. Es ist ihnen gelungen, die Nachteile durch die Vorteile der Kleinheit sowie besondere Strategien zu überwinden. Durch die Wahrung von Autonomiespielräumen und die Ausgestaltung auf gesetzlicher Ebene konnten Gesetzgebungsgefälle zu den Nachbarstaaten erzeugt werden, die besonders den Finanzdienstleistungsbereich als Nische attraktiv machen. Daneben zeichnen sich die erfolgreichen Mikrostaaten meist durch einen starken Tourismussektor sowie eine gefestigte industrielle Basis aus. Die Mikrostaaten haben ihre Existenz sowohl politisch als auch wirtschaftlich in der internationalen Staatengemeinschaft gesichert. Dabei ist die Kleinheit der Staaten kein Defizit.
L. Ergebnisse und Zusammenfassung
519
Alle hier betrachten Mikrostaaten sind außergewöhnlich klein an Bevölkerung und Gebiet. Gebietsmäßig ist Andorra der größte der fünf Mikrostaaten mit 468 km2 Fläche und ca. 84.000 Einwohner, gefolgt von Liechtenstein mit 160 km2 und ca. 36.000 Einwohnern, San Marino mit 61 km2 und ca. 31.000 Einwohnern, Monaco mit 2 km2 und 35.000 Einwohnern sowie dem Vatikan als kleinsten Staat der Welt mit 0,4 km2 und ca. 800 Einwohnern. Mit Ausnahme San Marinos, eine Republik, sind alle Mikrostaaten Monarchien. Alle Mikrostaaten haben Grenzen zur EU bzw. sind meist sogar ganz von ihr eingeschlossen. Dennoch sind sie der EU gegenüber Drittstaaten. Die EU-Rechtssetzung ist gemäß Art. 355 Abs. 3 AEUV nicht grundsätzlich in den Mikrostaaten anwendbar. Keiner der Mikrostaaten ist EU-Beitrittskandidat und mit Ausnahme Liechtensteins ist keiner der Staaten Mitglied im EWR. Trotzdem sind sie in gewissem Maße in die EU integriert und genießen Vorteile, die eigentlich nur eine EU-Mitgliedschaft mit sich bringt. Die Integration der Mikrostaaten in die EU findet auf direktem oder indirektem Weg statt. Mit direkter Integration in die EU werden die direkten Abkommen oder Beziehungen mit der EU bezeichnet. Die indirekte Integration in die EU umfasst die Bereiche der Zusammenarbeit, in denen die Mikrostaaten aufgrund ihrer Beziehungen zu einem Nachbarstaat – egal ob EU-Mitgliedstaat oder nicht – oder die Mitgliedschaft in einer internationalen Organisation in die EU integriert werden. Andorra hat indirekte Beziehungen zur EU durch seine Beziehungen zu den Nachbarstaaten Frankreich und Spanien u. a. im Bereich der Währung aufgebaut. Schon vor der Einführung des Euro besaß Andorra keine eigene Währung, sondern nutzte die Währungen seiner beiden Nachbarstaaten. Auf dieser Basis nutzt es heute den Euro, obwohl bisher kein Währungsabkommen existiert. Seit Oktober 2004 laufen zwischen Andorra und der EU Verhandlungen über eine Währungsvereinbarung, die aber noch nicht abgeschlossen sind. Außerdem ist Andorra kein Unterzeichnerstaat des Schengen-Abkommens, nimmt aber de-facto daran teil, da die Grenzen zwischen Andorra und Frankreich sowie Spanien offen sind. Die direkten vertraglichen Beziehungen zwischen Andorra und der EU basieren auf dem Abkommen zwischen der EWG und Andorra, das am 1. Juli 1991 in Kraft trat. Durch dieses Abkommen bilden Andorra und die EU eine Zollunion im Bereich des Handels des produzierenden Gewerbes mit Sonderregelungen für Agrarprodukte und Sonderbestimmungen, d.h. Steuerfreigrenzen für Touristen. Andorra war der erste Mikrostaat, mit dem die EWG ein Handelsabkommen bzw. überhaupt vertragliche Beziehungen abschloss. Außerdem trat am 1. Juli 2005 ein Kooperationsabkommen in
520
L. Ergebnisse und Zusammenfassung
Kraft. Gleiches gilt für ein Abkommen über die Besteuerung von Zinserträgen, das in naher Zukunft, ebenso wie das Zollabkommen, neu verhandelt werden soll. Ebenso ist im Gespräch, Verhandlungen über ein Betrugsbekämpfungsabkommen aufzunehmen. Liechtenstein nimmt unter den Mikrostaaten eine Sonderstellung ein. Es ist einerseits als einziger Mikrostaat Mitglied im EWR und damit rechtlich am stärksten in die EU integriert, und andererseits ist es sehr eng mit seinem Nachbarn Schweiz verbunden, das kein EU-Mitgliedstaat ist. Liechtensteins internationales Verhalten war Vorreiter für andere europäische Mikrostaaten, da es der erste Mikrostaat war, der dem Europarat und der UNO beigetreten ist. Die indirekte Integration in die EU erfolgt vor allem durch Liechtensteins Beziehungen zur Schweiz und dessen Beziehungen zur EU. So existieren zu dem Abkommen zwischen der EG und der Schweiz von 1972 sowie dem Abkommen zwischen der EG und der Schweiz über den Handel landwirtschaftlicher Erzeugnisse von 1999 Zusatzprotokolle, durch welche Liechtenstein in die Abkommen eingebunden wurde. Des Weiteren ist Liechtenstein durch ein Protokoll, das 2008 unterzeichnet wurde, dem Schengen-Abkommen mit der Schweiz beigetreten. Allerdings ist der Ratifikationsprozess in den EU-Mitgliedstaaten noch nicht abgeschlossen. Man rechnet damit, dass das Liechtenstein im Laufe des Jahres 2010 dem Schengen-Raum beitreten wird. Weiterhin erfolgt Liechtensteins Integration in die EU auf indirektem Weg durch die Mitgliedschaft in der EFTA, deren Hauptziel es ist, die Beziehungen und den Handel mit der EU zu vertiefen. Die direkte Integration Liechtensteins in die EU basiert auf dem EWRAbkommen, das am 1. Mai 1995 für Liechtenstein in Kraft trat. Durch die EWR-Mitgliedschaft nimmt Liechtenstein am europäischen Binnenmarkt teil. Eine Besonderheit ist dabei, dass Liechtenstein gleichzeitig in einer Zoll- und Währungsunion mit der Schweiz verbunden bleibt und somit zwei Wirtschaftsräumen angehört. Weiterhin trat am 1. Juli 2005 ein Abkommen über die Besteuerung von Zinserträgen in Kraft, das bald neu verhandelt werden soll. Ebenso wurden seit 2006 Verhandlungen über ein Betrugsbekämpfungsabkommen geführt, welche 2008 abgeschlossen wurden. Allerdings wurde das Abkommen bisher noch nicht unterzeichnet. Monacos Besonderheit ist die besonders enge Beziehung zu Frankreich und die daraus hervorgehende Verbindung zur EU. Obwohl Monaco kaum direkte Beziehungen zur EU aufgebaut hat, ist es indirekt am stärksten in die EU integriert. Es ist auch der einzige der Mikrostaaten, der nicht neutral ist, da er sich in der Regel der Meinung Frankreichs anpasst. Aufgrund der engen Beziehungen zu Frankreich findet EU-Recht in zahlreichen Bereichen auf indirektem Weg Eingang in monegassisches Recht.
L. Ergebnisse und Zusammenfassung
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So ist Monaco aufgrund der Zollunion mit Frankreich Teil des EU-Zollgebietes. Ein historisches Währungsabkommen mit Frankreich ist die Basis für eine Währungsvereinbarung mit der EU aus dem Jahr 2001, aufgrund dessen Monaco den Euro als offizielle Währung nutzt. Außerdem ist Monaco zwar kein Unterzeichnerstaat des Schengen-Abkommens, doch es ist aufgrund einer Entscheidung des Schengen-Komitees vom 23. Juni 1998 in das Schengen-Gebiet integriert. Auch dafür ist das Nachbarschaftsabkommen mit Frankreich von 1963 die Grundlage. Des Weiteren existieren Abkommen zwischen Frankreich und Monaco zu Banken-, Versicherungs- und Steuerrecht, durch welche das EU-Recht in diesem Bereich in das monegassische Recht Einzug findet. So wird u. a. die EU-Mehrwertsteuer in Monaco angewandt. Die direkten vertraglichen Beziehungen zwischen Monaco und der EU beschränken sich auf ein Abkommen vom 4. Dezember 2003 über die Anwendung bestimmter Gemeinschaftsakte im Gebiet des Fürstentums, das am 1. Mai 2004 in Kraft trat. Dieses Abkommen war das erste bilaterale Abkommen in den Beziehungen Monacos zur EU. Weiterhin trat am 1. Juli 2005 das Abkommen über die Besteuerung von Zinserträgen in Kraft, das in naher Zukunft neu verhandelt werden soll. Ebenso ist im Gespräch, Verhandlungen über ein Betrugsbekämpfungsabkommen aufzunehmen. Neben dem Vatikan ist San Marino der europäische Mikrostaat mit den zeitlich längsten diplomatischen Beziehungen nach Brüssel. San Marino, das sich als älteste Republik der Welt bezeichnet, vertrat sich in seinen Beziehungen zur EU von Anfang an selbst. Zur indirekten Integration San Marinos in die EU zählt die Wirtschaftsund Währungsunion mit Italien, aufgrund derer die Republik die italienische Lira als Währung nutzte. Sie war Grundlage für die Einführung des Euro auf der Basis eines Währungsabkommens vom 29. November 2000 mit Italien, das im Nahmen der EG handelte. Die Aktualisierung dieser Währungsvereinbarung steht kurz vor einem Abschluss. Außerdem ist San Marino kein Unterzeichnerstaat des Schengen-Abkommens, nimmt aber defacto daran teil, da die Grenzen zwischen dem Mikrostaat und Italien offen sind. Die direkte Integration San Marinos in die EU basiert auf dem Abkommen zwischen der EWG und San Marino über eine Zollunion und Kooperation von 1991. Das Abkommen trat erst am 1. April 2002 in Kraft, bis dahin galt ein Interimsabkommen. Durch dieses Abkommen wird eine Zollunion zwischen San Marino und der EWG geschaffen und es enthält Bestimmungen im sozialen Bereich sowie über mögliche Kooperationen. Dieses Abkommen soll zur Einbeziehung von Zollsicherheitsmaßnahmen aktualisiert werden. Weiterhin trat im Jahr 2005 ein Abkommen über die Besteuerung von Zinserträgen in Kraft, das in naher Zukunft neu verhandelt
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werden soll. Ebenso ist im Gespräch, Verhandlungen über ein Betrugsbekämpfungsabkommen aufzunehmen. Der Staat Vatikanstadt ist als Sitz des Papstes, des Heiligen Stuhls und als Zentrum der römisch-katholischen Kirche eine internationale Besonderheit und besitzt einen mit anderen Staaten nicht vergleichbaren Charakter. Er ist ein Staat „sui generis“. Der Vatikan ist eine absolute Monarchie mit dem Papst als Staatsoberhaupt. Der Mikrostaat unterhält seit 1970 eine Vertretung bei der EU und ist damit der europäische Mikrostaat mit den zeitlich längsten diplomatischen Beziehungen nach Brüssel. Der Vatikan unterhält keine direkten vertraglichen Beziehungen zur EU. Einzig eine Währungsvereinbarung wurde zwischen dem Vatikan und Italien, das im Namen der EG handelte, abgeschlossen. Die Währungsvereinbarung ist eine Form der indirekten Integration in die EU, da sie aufgrund historischer Währungsbeziehungen zu Italien abgeschlossen wurde. Eine aktualisierte Währungsvereinbarung trat 2010 in Kraft. Weitere indirekte Integration in die EU entwickelte sich aufgrund der Beziehungen zu Italien im Bereich Handel und Zoll, allerdings ist der Vatikan dadurch nicht in das EU-Zollgebiet integriert. Außerdem ist der Vatikan aufgrund seiner offenen Grenzen zu Italien indirekt in das Schengen-Gebiet integriert, obwohl er kein Unterzeichnerstaat ist. Der Vatikan hat Interesse an einem Beitritt zum Schengener Abkommen geäußert. Die indirekte und direkte Integration der europäischen Mikrostaaten in die EU gestaltet sich sehr komplex, aber oftmals auch ähnlich. Die unterschiedlichen Beziehungen der Mikrostaaten zur EU basieren zum größten Teil auf den diversen historischen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen, etc. Beziehungen zu ihrem Nachbarstaat bzw. ihren Nachbarstaaten, die alle – außer der Schweiz im Fall Liechtensteins – EU-Mitgliedstaaten sind. Alle Mikrostaaten haben diplomatische Beziehungen mit der EU aufgebaut und diese schrittweise vertieft. Dabei kann man im Allgemeinen davon ausgehen, dass die Mikrostaaten von ihrer direkten oder indirekten Integration in die EU profitieren. In ihren Beziehungen zur EU am ähnlichsten sind San Marino und Andorra, die jeweils ein direktes Abkommen über eine Zollunion mit der EU abgeschlossen haben, im Fall Andorras nur industrielle Produkte betreffend. Jedoch unterscheiden sie sich in wichtigen Punkten. So verfügt Andorra, im Vergleich zu San Marino, nicht über ein Währungsabkommen mit der EU, nutzt aber dennoch auch den Euro. Im Falle Andorras und San Marinos existiert außerdem ein rechtlicher Rahmen, um vertiefte Kooperationen in bestimmten Bereichen aufzubauen, wobei eine konkrete Umsetzung bisher schwierig schien. Sehr eng mit der EU verbunden ist Monaco, die Basis dafür ist aber die enge Beziehung zu Frankreich und nicht ein Abkommen
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mit der EU. So ist Monaco in das EU-Zollgebiet eingeschlossen und wendet EU-Recht bezüglich des Zollgebietes an. Auch ein Währungsabkommen wurde zwischen Monaco und der EU abgeschlossen. Monaco ist somit durch seine sehr engen Beziehungen zu Frankreich am stärksten indirekt in die EU integriert. Liechtenstein ist zum einen nicht sehr eng mit einem EUMitgliedstaat verbunden, sondern mit der Schweiz, und zum anderen EFTA- und EWR-Mitglied und hat auf dieser Ebene enge direkte Verbindungen zur EU aufgebaut. Aufgrund der EWR-Mitgliedschaft ist Liechtenstein rechtlich am stärksten in die EU integriert. Der Vatikan stellt eine Ausnahme dar und entzieht sich somit jedem Vergleich. Er ist nur minimal in die EU integriert. Zu erwähnen bleibt, dass selbst dieser winzige Staat ein Währungsabkommen mit der EU abgeschlossen hat. Alle europäischen Mikrostaaten nehmen de facto an Schengen teil, obwohl sie keine Unterzeichnerstaaten sind, da es auch vor Schengen keine Grenzkontrollen zu ihrem Nachbarstaat bzw. ihren Nachbarstaaten gab, die jeweils Schengen-Mitglieder sind. Im Falle Monacos wurde dies durch eine Entscheidung des Schengen-Komitees bestätigt, Liechtenstein wird in naher Zukunft dem Schengen-Abkommen mit der Schweiz beitreten. Weiterhin haben alle Mikrostaaten – außer dem Vatikan – ein Abkommen über die Besteuerung von Zinserträgen mit der EG abgeschlossen und sind in Verhandlungen über ein Betrugsbekämpfungsabkommen mit der EU bzw. streben diese an. Grundsätzlich haben die EU und die Mikrostaaten Kooperationen in Gebieten von gegenseitigem Interesse gefördert. Bisher wurde kaum eine klare politische Strategie seitens der EU in den Beziehungen zu den Mikrostaaten angewandt. Die neuesten Entwicklungen haben gezeigt, dass zukünftig seitens der EU verstärkt eine koordinierte, vereinheitlichte Politik gegenüber den Mikrostaaten zu erwarten ist. Beispielsweise unternahm die EU eine gemeinsame Initiative im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen, bei der Vereinheitlichung der Währungsvereinbarungen oder der Aushandlung von Betrugsbekämpfungsabkommen. Weiterhin ist auffällig, dass die Tendenz von der indirekten Integration in die EU aufgrund der historischen Bindung zu den Nachbarstaaten hin zu direkten Abkommen zwischen der EU und den Mikrostaaten geht. Die Standpunkte der Mikrostaaten in Bezug auf ihre zukünftige Integration in die EU unterscheiden sich deutlich und können nicht verallgemeinert werden. Generell können die europäischen Mikrostaaten – mit Ausnahme des Vatikans – einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft stellen, da sie dafür die Voraussetzungen gemäß den europäischen Verträgen erfüllen. Fraglich wäre allerdings, ob die Mikrostaaten bereit und in der Lage wären, die aus der Mitgliedschaft entstehenden Anpassungen und Pflichten zu erfüllen, vor al-
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lem in Hinblick auf ihre personellen und finanziellen Ressourcen, da ein EU-Beitritt durchaus mit einem hohen administrativen Aufwand und Kosten verbunden wäre. Außerdem profitieren die Mikrostaaten schon heute von der EU, so dass sie einen Beitritt nicht unbedingt als erforderlich betrachten. Weiterhin sehen die Mikrostaaten bei einem EU-Beitritt ihre souveräne Gesetzgebungshoheit in Gefahr. Aus Sicht der EU ergäbe sich die Frage, ob sie bereit wäre, neue Mitglieder aufzunehmen, speziell auch, ob sie den institutionellen Rahmen schaffen wolle und könnte, damit die Mikrostaaten in den Organen und Institutionen der EU entsprechend vertreten wären. Ebenso ist unklar, ob tatsächlich alle bisherigen EU-Mitgliedstaaten einem Beitritt der Mikrostaaten zur EU zustimmen würden. Ein EU-Beitritt der Mikrostaaten ist daher in näherer Zukunft unwahrscheinlich, kann aber längerfristig auch nicht ausgeschlossen werden. Alternativ wäre an eine Sonderform der EU-Mitgliedschaft mit abgeschwächten Rechten und Pflichten für die Mikrostaaten zu denken. Dies wird jedoch von den Mikrostaaten überwiegend abgelehnt. Des Weiteren besteht theoretisch die Möglichkeit, dass weitere Mikrostaaten, wie Liechtenstein, dem EWR beitreten. Dies wird aber derzeit von den EU-Mitgliedstaaten im EWR nicht befürwortet, weshalb die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung eines Assoziierungsabkommen längerfristig gegeben ist, vor allem für die Mikrostaaten, die eine vertiefte direkte Integration in die EU wünschen. Der Vertrag von Lissabon bietet möglicherweise einen neuen Impuls für eine vertiefte Zusammenarbeit mit den Mikrostaaten. Für die nähere Zukunft ist es wahrscheinlich, dass die Mikrostaaten ihre Integration in die EU im Kontext der existierenden oder neuer bilateraler, sektoraler Abkommen mit der EU sowie durch ihre Beziehungen zu den Nachbarstaaten oder der Mitgliedschaft in europäischen Organisationen fortsetzen und vertiefen. Im Einzelnen äußerte sich Andorra mit Blick auf die zukünftige Entwicklung zuletzt am europafreundlichsten, da es sich für den Beitritt im EWR interessierte bzw., nachdem dies nicht möglich schien, davon sprach, dass ein Assoziierungsabkommen mit der EU notwendig sein. Langfristig schließt man eine EU-Mitgliedschaft nicht aus. Ähnlich europafreundlich ist San Marino, das sogar schon Interesse an einem EU-Beitritt zeigte und auch die Möglichkeit eines EWR-Beitritts ansprach. Auch Liechtenstein ist europafreundlich eingestellt und setzt stetig im Rahmen des EWR und z. B. auch im Finanzdienstleistungsbereich die EU-Vorgaben um. Liechtenstein schließt – ebenso wie Andorra, San Marino und Monaco – einen EU-Beitritt langfristig nicht aus, es sieht aber derzeit die Mitgliedschaft im EWR als größenverträglichste Lösung. Monaco ist durch die engen Beziehungen zu Frankreich stark in die EU integriert, strebt aber von sich aus keine ver-
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tiefte direkte Integration in die EU an. Der Vatikan als Sonderfall ist weder stark in die EU integriert, noch strebt er zukünftig eine stärkere Integration an. Ein EU-Beitritt des Vatikans ist ausgeschlossen. Bei der Betrachtung der zukünftigen Integration der Mikrostaaten in die EU kann zwischen der Fähigkeit und dem Willen zur Integration in die EU unterschieden werden. Die Fähigkeit zur Integration in die EU kann man am derzeitigen Umfang der Anwendung von EU-Recht messen. Würde man eine Rangliste aufstellen, ständen Monaco und Liechtenstein an erster Stelle, mit größerem Abstand würden San Marino und Andorra folgen sowie an letzter Stelle der Vatikan. Der Wille zur Integration in die EU wird derzeit am stärksten geäußert von Andorra, gefolgt von San Marino, Liechtenstein, Monaco und schließlich dem Vatikan. Es wird erkennbar, dass Andorra und San Marino, die in ihrer Integration in die EU im Vergleich zurückliegen, derzeit einen größeren Willen haben, sich stärker in die EU zu integrieren. Wann bzw. ob sie den Integrationsgrad von Liechtenstein oder Monaco erreichen, ist momentan nicht absehbar. Ebenso sind die zukünftigen Entwicklungen immer auch von dem bzw. den Nachbarstaat/en sowie der EU abhängig.
Zusammenfassung Die europäischen Mikrostaaten Andorra, Liechtenstein, Monaco, San Marino und Vatikanstadt sind als souveräne Staaten in der internationalen Staatenwelt anerkannt. Aufgrund ihrer Kleinheit haben sich Besonderheiten der staatlichen Organisation herausgebildet, die sich auch in deren Außenpolitik widerspiegeln. So gehören zu den wichtigsten außenpolitischen Strategien der Mikrostaaten zumeist Neutralität, die engen Beziehungen zu den Nachbarstaaten sowie die Integration bzw. Mitgliedschaft in internationalen Organisationen zur Sicherung der Staatlichkeit und Unabhängigkeit. Wirtschaftlich betrachtet zählen die europäischen Mikrostaaten zu den erfolgreichsten Ländern der Welt. Es ist ihnen gelungen, die Nachteile der Kleinheit durch deren Vorteile sowie durch besondere Strategien zu überwinden, z. B. durch die Wahrung der Autonomie in relevanten Gesetzgebungsbereichen. Die Existenz der Mikrostaaten ist heute sowohl politisch, rechtlich als auch wirtschaftlich in der internationalen Staatengemeinschaft gesichert. Alle hier betrachten Mikrostaaten sind außergewöhnlich klein an Bevölkerung und Fläche. Gebietsmäßig ist Andorra der größte der fünf Mikrostaaten mit 468 km2 Fläche und ca. 84.000 Einwohnern, gefolgt von Liechtenstein mit 160 km2 und ca. 36.000 Einwohnern, San Marino mit 61 km2 und ca. 31.000 Einwohnern, Monaco mit 2 km2 und 35.000 Einwohnern sowie dem Vatikan als kleinsten Staat der Welt mit 0,4 km2 und ca. 800 Einwohnern. Mit Ausnahme der Republik San Marino sind alle Mikrostaaten Monarchien. Alle Mikrostaaten haben Grenzen zur EU bzw. sind meist sogar ganz von ihr eingeschlossen. Dennoch sind sie der EU gegenüber Drittstaaten, sie sind keine EU-Beitrittskandidaten und mit Ausnahme Liechtensteins ist keiner der Staaten Mitglied im Europäischen Wirtschaftraum (EWR). Trotzdem sind sie in gewissem Maße in die EU integriert und genießen Vorteile, die eigentlich nur eine EU-Mitgliedschaft mit sich bringt. Die Integration der Mikrostaaten in die EU findet auf direktem oder indirektem Weg statt. Mit direkter Integration in die EU werden die bilateralen Abkommen oder Beziehungen der Mikrostaaten mit der EU bezeichnet. Die indirekte Integration in die EU umfasst die Bereiche der Zusammenarbeit, in denen die Mikrostaaten aufgrund ihrer Beziehungen zu einem Nachbar-
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staat oder die Mitgliedschaft in einer internationalen Organisation in die EU integriert werden. Die Integration der europäischen Mikrostaaten in die EU gestaltet sich sehr komplex. Alle Mikrostaaten haben diplomatische Beziehungen mit der EU aufgebaut und diese schrittweise vertieft. Dabei kann man im Allgemeinen davon ausgehen, dass die Mikrostaaten von ihrer Integration in die EU profitieren. Unterschiede zwischen den Mikrostaaten bezüglich ihrer Integration in die EU basieren zum größten Teil auf den diversen Beziehungen zu ihrem Nachbarstaat bzw. ihren Nachbarstaaten, die alle – außer der Schweiz im Fall Liechtensteins – EU-Mitgliedstaaten sind. Sehr stark in die EU integriert ist Monaco, die Basis dafür ist allerdings die enge Beziehung zu Frankreich und nicht ein Abkommen mit der EU. Monaco ist dadurch am stärksten indirekt in die EU integriert. Liechtenstein ist zwar nicht sehr eng mit einem EU-Mitgliedstaat verbunden, sondern mit der Schweiz, ist aber selbst auch Mitglied in der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) und im EWR. Liechtenstein ist somit am stärksten direkt in die EU integriert. Andorra und San Marino sind sich hinsichtlich ihrer Integration in die EU am ähnlichsten, da sie jeweils vor allem sektorale Abkommen mit der EU abgeschlossen haben und teilweise durch ihre Beziehungen zu den Nachbarstaaten indirekt in die EU integriert werden. Der Vatikan nimmt eine Sonderrolle ein und ist nur minimal in die EU integriert. Die neuesten Entwicklungen haben gezeigt, dass zukünftig seitens der EU, im Gegensatz zur bisherigen Entwicklung, verstärkt eine vereinheitlichte Politik gegenüber den Mikrostaaten zu erwarten ist. Weiterhin ist auffällig, dass sich die Tendenz von der indirekten Integration in die EU aufgrund der historischen Bindung zu den Nachbarstaaten hin zu direkten Abkommen zwischen der EU und den Mikrostaaten entwickelt. Prinzipiell können die Mikrostaaten – mit Ausnahme des Vatikans – einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft stellen. Fraglich wäre allerdings, ob die Mikrostaaten bereit und in der Lage wären, die aus der Mitgliedschaft entstehenden Pflichten zu erfüllen. Außerdem profitieren die Mikrostaaten schon heute von der EU, so dass sie einen Beitritt nicht unbedingt als erforderlich betrachten. Weiterhin sehen die Mikrostaaten bei einem EU-Beitritt ihre souveräne Gesetzgebungshoheit in Gefahr. Aus Sicht der EU ergäbe sich die Frage, ob sie bereit wäre, neue Mitglieder aufzunehmen und ob sie den entsprechenden institutionellen Rahmen schaffen wolle und könnte. Ebenso ist unklar, ob alle EU-Mitgliedstaaten einem EU-Beitritt der Mikrostaaten zustimmen würden.
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Zusammenfassung
Ein EU-Beitritt der Mikrostaaten ist daher in näherer Zukunft unwahrscheinlich, kann aber längerfristig nicht ausgeschlossen werden. Alternativ wäre an eine Sonderform der EU-Mitgliedschaft mit abgeschwächten Rechten und Pflichten für die Mikrostaaten zu denken. Dies wird jedoch von den Mikrostaaten überwiegend abgelehnt. Des Weiteren besteht theoretisch die Möglichkeit, dass neben Liechtenstein weitere Mikrostaaten dem EWR beitreten. Dies wird aber derzeit von den EU-Mitgliedstaaten im EWR nicht befürwortet, weshalb alternativ die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung eines Assoziierungsabkommen eher gegeben ist. Für die nähere Zukunft ist es wahrscheinlich, dass die Mikrostaaten ihre Integration in die EU im Kontext der existierenden oder neuer bilateraler, sektoraler Abkommen mit der EU sowie durch ihre Beziehungen zu den Nachbarstaaten und der Mitgliedschaft in europäischen Organisationen fortsetzen und vertiefen. Der Wille zur Integration in die EU wird derzeit am stärksten geäußert von Andorra, gefolgt von San Marino, Liechtenstein, Monaco und schließlich dem Vatikan. Welchen EU-Integrationsgrad die Mikrostaaten tatsächlich einmal erreichen und ob dieser unter den Mikrostaaten einheitlich ist, ist momentan nicht absehbar. Dabei ist die zukünftige Entwicklung nicht nur von den Mikrostaaten selbst, sondern immer auch von dem bzw. den Nachbarstaat/en sowie der EU abhängig.
Abstract The European microstates Andorra, Liechtenstein, Monaco, San Marino, and Vatican State are recognized as sovereign states in the international community. Because of their small size specific characteristics of the governmental organization have emerged, which are also reflected in their foreign policy. Thus the most important foreign policy strategies of microstates are often neutrality, close relations with neighbouring countries and the integration or membership in international organizations to ensure sovereignty and independency. In economic terms the European microstates are among the most successful countries of the world. They have managed to overcome the disadvantages of smallness by using their specific advantages and strategies such as by the preservation of autonomy in relevant areas of legislation. Today, the existence of the microstates is politically, legally, and economically well accepted in the international community. All considered microstates are exceptionally small in population and area. Territorially Andorra is the largest of the five states with 468 km2 and approximately 84,000 inhabitants, followed by Liechtenstein with 160 km2 and approximately 36,000 inhabitants, San Marino with 61 km2 and 31,000 inhabitants, Monaco with 2 km2 and 35,000 inhabitants, and Vatican State as the smallest country of the world with 0.4 km2 and about 800 inhabitants. All European microstates are monarchies except for the Republic of San Marino. All microstates have borders with or are even entirely surrounded by the EU. Yet, they are third countries towards the EU; they are no candidates for EU membership and none of them is a member state of the European Economic Area (EEA) except for Liechtenstein. Nevertheless, they are to some extent integrated in the EU and enjoy benefits that are usually entailed only with EU membership. The microstates can be integrated into the EU in a direct and/or indirect way. Direct integration into the EU covers direct agreements or direct relations of the microstates with the EU. The indirect integration into the EU includes areas of cooperation in which the microstates are integrated into the EU through their relationship with neighbouring state/s or their membership in an international organization.
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The integration of the European microstates into the EU is very complex. All microstates have established diplomatic relations with the EU and deepen them gradually. Generally the microstates presumably do benefit of their integration into the EU. The differences between the microstates’ integration into the EU are largely based on the various relations with their neighbouring country/ies, which are all EU Member States except for Switzerland in the case of Liechtenstein. Monaco is integrated into the EU very strongly based on the close relationship with France instead of direct agreements with the EU. Thus, Monaco reveals the strongest indirect integration into the EU. Liechtenstein is not connected very closely with an EU member State, but with Switzerland instead; and it is also member of the EEA and the European Free Trade Area (EFTA). Thus, Liechtenstein reveals the strongest direct integration into the EU. Andorra and San Marino are very similar regarding their EU integration; both have concluded mainly sectoral agreements with the EU and are partly indirectly integrated into the EU through their relations to their neighbouring countries. The Vatican State takes over a special position and is only minimally integrated into the EU. Latest developments have shown, in contrast to all previous developments, that a unified EU policy towards the microstates can be expected in the future. Furthermore, there is a tendency from the indirect EU integration due to historical ties with neighbouring countries to direct agreements between the EU and the microstates. In principle, the European microstates can apply for EU membership except for Vatican State. The question would be if the microstates were willing and able to fulfil the adjustments and obligations that result from EU membership. In addition, the microstates are already benefiting from the EU so that membership is not considered as urgently necessary. Furthermore, the microstates see their legislative sovereignty at risk through an EU accession. For the EU an application for membership by a microstate could raise the question whether the Union would be willing to accept new members, especially if the EU would be able and willing to create the appropriate institutional framework. To date it is also unclear whether all EU member states would agree to an EU accession of the microstates. Therefore, an EU accession of the microstates is unlikely in the near future, but it can not be excluded on the long term. An alternative would be to create a special form of EU membership with alleviated rights and obligations for the microstates. This proposal is largely rejected by the microstates. Furthermore, from a theoretical point of view there is the possibility that other microstates besides Liechtenstein join the EEA. However, this is currently not supported by the EU member states in the EEA, which ampli-
Abstract
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fies the probability of the development of an association agreement on the longer term. For the near future it is likely that the microstates continue or even deepen their integration into the EU in the context of the existing or new bilateral sectoral agreements, through their relations with neighbouring states, and their membership in European organizations. Currently the will of integration into the EU is being expressed most strongly by Andorra, followed by San Marino, Liechtenstein, Monaco and finally Vatican State. At this point of time it is not foreseeable what level of integration into the EU the microstates will effectively achieve and whether this will happen uniformly among the microstates. Of course the future development is not only dependent on the microstates themselves, but also on the neighbouring state/s and the EU.
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einbarung über die Währungsbeziehungen zur Republik San Marino (KOM/98/0789 endg. – CNB 98/0366) angenommen durch Entscheidung des Rates vom 31. Dezember 1998 über den von der Gemeinschaft zu vertretenden Standpunkt bezüglich einer Vereinbarung über die Währungsbeziehungen zur Republik San Marino. ABl. L 30 vom 04.02.1999, S. 35–36: Entscheidung des Rates vom 31. Dezember 1998 über den von der Gemeinschaft zu vertretenden Standpunkt bezüglich einer Vereinbarung über die Währungsbeziehungen zur Vatikanstadt (1999/98/EG). ABl. L 31 vom 05.02.2000, S. 84 ff.: Beschluss Nr. 2/1999 des Gemeinsamen Ausschusses EG-Andorra vom 22. Dezember 1999. ABl. L 31 vom 05.02.2008, S. 34–38: Beschluss der Kommission vom 25. Januar 2008 über die Aktualisierung des Anhangs A der Währungsvereinbarung zwischen der Regierung der Französischen Republik – im Namen der Europäischen Gemeinschaft – und der Regierung Seiner Durchlaucht des Fürsten von Monaco. ABl. L 33 vom 02.02.2002, S. 35 ff.: Beschluss 1/2001 des gemeinsamen Ausschusses EG-Andorra vom 13. Dezember 2001. ABl. L 33 vom 07.02.1998, S. 21: Beschluss des Rates vom 16. Dezember 1997 über den Abschluss des Protokolls über den Beitritt des Fürstentums Monaco zum Übereinkommen zum Schutz der Alpen. ABl. L 33 vom 07.02.1998, S. 22–24: Protokoll über den Beitritt des Fürstentums Monaco zum Übereinkommen zum Schutz der Alpen (Beitrittsprotokoll). ABl. L 37 vom 12.02.2008, S. 9: Information betreffend das Inkrafttreten des Protokolls zu dem Abkommen über die Zusammenarbeit und eine Zollunion zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik San Marino zur Einbeziehung der Republik Bulgarien und Rumäniens als Vertragsparteien nach ihrem Beitritt zur Europäischen Union. ABl. L 42 vom 19.02.1993, S. 23–28: Beschluss Nr. 2/92 des Kooperationsausschusses EWG-San Marino vom 22. Dezember 1992 über die in der Gemeinschaft im Zollwesen geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die von der Republik San Marino zu übernehmen sind. ABl. L 42 vom 19.02.1993, S. 29–33: Beschluss 3/92 des Kooperationsausschusses vom 22.12.1992 betreffend die Durchführungsmodalitäten für die in Artikel 13 des Interimsabkommens zwischen der Gemeinschaft und der Republik San Marino vorgesehene Amtshilfe. ABl. L 43 vom 19.02.1992 S. 33 f.: Beschluss Nr. 7/91 des Gemeinsamen Ausschusses EG-Andorra. ABl. L 47 vom 21.01.2008, S. 3–5: Beschluss Nr. 97/2007 des gemeinsamen EWRAusschusses wurde Liechtenstein daraufhin von der Anwendung der betreffenden Teile des EWR-Abkommens ausgenommen. ABl. L 48 vom 19.02.2005, S. 12 f.: Verordnung (EG) Nr. 285/2005 der Kommission vom 18. Februar 2005 zur Festlegung von Übergangsmaßnahmen, die sich aus der Vereinbarung besserer Handelsbedingungen für die Ausfuhr bestimmter
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landwirtschaftlicher Verarbeitungserzeugnisse in die Schweiz und nach Liechtenstein ergeben. ABl. L 50 vom 25.02.2003, S. 1–10: Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist. („Dublin-Verordnung“). ABl. L 53 vom 27.02.2008, S. 5–17: Abkommen mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags („Dublin/Eurodac-Abkommen mit der Schweiz“). ABl. L 53 vom 27.02.2008, S. 52–79: Abkommen über die Assoziierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands („Schengen-Abkommen mit der Schweiz“). ABl. L 56 vom 27.2.2002, S. 24: Beschluss Nr. 1/2002 des Kooperationsrates EG-ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien vom 30. Januar 2002. ABl. L 68 vom 16.3.2000, S. 64: Beschluss Nr. 1/2000 des Kooperationsausschusses vom 7. März 2000 zur Änderung des Beschlusses Nr. 1/93 zur Festlegung der Modalitäten der Abführung der von der Gemeinschaft für die Republik San Marino erhobenen Einfuhrabgaben an die Staatskasse von San Marino sowie des Anhangs zu Beschluss Nr. 2/96 zur Anwendung von Artikel 1 Buchstaben a) und b) des Beschlusses Nr. 1/93. ABl. L 83 vom 26.3.2008, S. 3–4: Beschluss des Rates vom 28. Februar 2008 über die Unterzeichnung – im Namen der Europäischen Gemeinschaft – des Protokolls zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über den Beitritt des Fürstentums Liechtenstein zum Abkommen zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Assoziierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands und die vorläufige Anwendung einiger Bestimmungen dieses Protokolls. (Berichtigung: ABl. L 110 vom 22.4.2008, S. 16). ABl. L 83 vom 26.03.2008, S. 5–6: Beschluss des Rates vom 28. Februar 2008 über die Unterzeichnung – im Namen der Europäischen Union – des Protokolls zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über den Beitritt des Fürstentums Liechtenstein zum Abkommen zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Assoziierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands und die vorläufige Anwendung einiger Bestimmungen dieses Protokolls. Berichtigung: ABl. L 110 vom 22.04.2008. ABl. L 83 vom 27.03.2002, S. 24 f.: Verordnung (EG) Nr. 541/2002 der Kommission vom 26. März 2002 zur Eröffnung von Zollkontingenten für die Einfuhr be-
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stimmter landwirtschaftlicher Verarbeitungserzeugnisse mit Ursprung in der Schweiz und in Liechtenstein in die Gemeinschaft. ABl. L 84 vom 28.03.2002, S. 41: Beschluss des Rates vom 28. Februar 2002 über den Abschluss des Abkommens über eine Zollunion und die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik San Marino und des Protokolls zu jenem Abkommen infolge der am 1. Januar 1995 erfolgten Erweiterung. ABl. L 84 vom 28.03.2002, S. 43–52: Abkommen über eine Zusammenarbeit und eine Zollunion zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik San Marino. ABl. L 84 vom 28.03.2002, S. 53–64: Protokoll zum Abkommen über die Zusammenarbeit und eine Zollunion zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik San Marino infolge des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zur Europäischen Union. ABl. L 84 vom 28.03.2002, S. 64: Mitteilung über das Inkrafttreten des Abkommens über eine Zollunion und die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik San Marino und des Protokolls zum Abkommen über die Zusammenarbeit und eine Zollunion zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik San Marino infolge des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zur Europäischen Union. ABl. L 86 vom 03.04.2003, S. 21–45: Beschluss des Rates vom 17. März 2003 über den Beitritt der Europäischen Gemeinschaft zum Änderungsprotokoll zu dem Internationalen Übereinkommen über die Vereinfachung und Harmonisierung der Zollverfahren (Übereinkommen von Kyoto). ABl. L 86 vom 20.04.1995, S. 78: Erklärung des EWR-Rates zur Anwendung des Protokolls Nr. 4 nach dem Inkrafttreten des EWR-Abkommens für Liechtenstein. ABl. L 86 vom 20.04.1995, S. 80: Beschluss des EWR-Rates 1/95 vom 10. März 1995 über das Inkrafttreten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum für das Fürstentum Liechtenstein. ABl. L 104 vom 08.04.2004, S. 113: Mitteilung über das Inkrafttreten des Abkommens über die Anwendung bestimmter Rechtsakte der Gemeinschaft auf dem Gebiet des Fürstentums Monaco. ABl. L 105 vom 23.04.1983, S. 1 ff.: Verordnung 918/83 vom 28. März 1983 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen. ABl. L 106 vom 26.04.1975, S. 20 ! ABl. L 300 vom 31.12.1972, S. 281 f. ABl. L 110 vom 30.4.2005, S. 40–41: Beschluss 2005/347/EG des Rates vom 22. Dezember 2004 über den Abschluss des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Fürstentum Monaco über Regelungen, die denen der Richtlinie 2003/48/EG des Rates im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen gleichwertig sind.
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ABl. L 112 vom 03.05.2005, S. 12 f.: Beschluss des Rates vom 22. Dezember 2004 über den Abschluss des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über Regelungen, die denen der Richtlinie 2003/48/EG des Rates im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen gleichwertig sind. ABl. L 114 vom 04.05.2005, S. 9: Beschluss des Rates über den Abschluss des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Fürstentum Andorra über Regelungen, die denen der Richtlinie 2003/48/EG des Rates im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen gleichwertig sind. ABl. L 114 vom 30.4.2002, S. 132–368: Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen. ABl. L 130 vom 29.4.2004, S. 1 ff.: Beschluss des Rates vom 30. März 2004 über die vorläufige Anwendung des Übereinkommens über die Beteiligung der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik am Europäischen Wirtschaftsraum und der vier Nebenabkommen. ABl. L 135 vom 28.05.2005, S. 12 f.: Beschluss des Rates über den Abschluss eines Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Fürstentum Andorra (2005/398/EG). Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Fürstentum Andorra. ABl. L 138 vom 01.06.2005, S. 17: Information betreffend das Inkrafttreten des Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Fürstentum Andorra. ABl. L 142 vom 31.05.2002, S. 59–73: Währungsvereinbarung zwischen der Regierung der Französischen Republik – im Namen der Europäischen Gemeinschaft – und der Regierung seiner Durchlaucht des Fürsten von Monaco. Aktualisiert durch Beschluss der Kommission vom 2. August 2006 über die Aktualisierung der Anhänge der Währungsvereinbarung zwischen der Regierung der Französischen Republik – im Namen der Europäischen Gemeinschaft – und der Regierung Seiner Durchlaucht des Fürsten von Monaco (2006/558/EG). ABl. L 219 vom 10.8.2006, S. 23. Weitere Aktualisierung: ABl. L 31 vom 05.02.2008, S. 34–38. ABl. L 145 vom 13.06.1977, S. 1–40: Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage. ABl. L 145 von 1996, S. 16: Beschluss des Rates vom 11. Juni 1996. ABl. L 148 vom 06.06.1997, S. 16 ff.: Protokoll über Fragen des Veterinärwesens zur Ergänzung des Abkommens in Form eines Briefwechsels zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Fürstentum Andorra. ABl. L 157 vom 26.06.2003, S. 38–48: Richtlinie 2003/49/EG des Rates vom 3. Juni 2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen
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und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten. (geändert durch ABl. L 168 vom 01.05.2004, S. 35). ABl. L 161 vom 24.06.2009, S. 6–12: Beschluss des Rates vom 24. Oktober 2008 über den Abschluss eines Protokolls zwischen der Europäischen Gemeinschaft, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein zum Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags. Protokoll zwischen der Europäischen Gemeinschaft, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein zu dem Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags. ABl. L 162 vom 21.06.2008, S. 27–29: Entscheidung Nr. 586/2008/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 zur Änderung der Entscheidung Nr. 896/2006/EG zur Einführung einer vereinfachten Regelung für die Personenkontrollen an den Außengrenzen, die darauf beruht, dass die Mitgliedstaaten bestimmte von der Schweiz und von Liechtenstein ausgestellte Aufenthaltserlaubnisse für die Zwecke der Durchreise durch ihr Hoheitsgebiet einseitig anerkennen. ABl. L 167 vom 20.06.2006, S. 8–13: Entscheidung Nr. 896/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 zur Einführung einer vereinfachten Regelung für die Personenkontrollen an den Außengrenzen, die darauf beruht, dass die Mitgliedstaaten bestimmte von der Schweiz und von Liechtenstein ausgestellte Aufenthaltserlaubnisse für die Zwecke der Durchreise durch ihr Hoheitsgebiet einseitig anerkennen. ABl. L 184 vom 24.07.1996, S. 35 f.: Beschluss Nr. 1/96 des Kooperationsausschusses vom 20. Juni 1996 zur Änderung des Beschlusses Nr. 1/93 über die Festlegung der Modalitäten der Abführung der von der Gemeinschaft für die Republik San Marino erhobenen Einfuhrabgaben an die Staatskasse von San Marino. ABl. L 184 vom 24.07.1996, S. 37 f.: Beschluss Nr. 2/96 des Kooperationsausschusses vom 20. Juni 1996 zur Anwendung von Artikel 1 Buchstaben a) und b) des Beschlusses Nr. 1/93 zur Festlegung der Modalitäten der Abführung der von der Gemeinschaft für die Republik San Marino erhobenen Einfuhrabgaben an die Staatskasse von San Marino. ABl. L 184 vom 24.07.1996, S. 39 f.: Beschluss Nr. 1/96 des Gemeinsamen Ausschusses EG-Andorra. ABl. L 191 vom 23.07.1999, S. 1–33: Beschluss Nr. 1/99 des Gemeinsamen Ausschusses EG-Andorra. ABl. L 192 vom 02.08.1996, S. 22 f.: Beschluss Nr. 3/96 des Gemeinsamen Ausschusses EG-Andorra.
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ABl. L 197 vom 28.07.2005, S. 30: Information betreffend das Inkrafttreten des Protokolls zum Abkommen über die Zusammenarbeit und eine Zollunion zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik San Marino anlässlich des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union. ABl. L 208 vom 19.08.1993, S. 38 f.: Beschluss Nr. 1/93 des Kooperationsausschusses EWG-San Marino vom 27. Juli 1993 zur Festlegung der Modalitäten der Abführung der von der Gemeinschaft für die Republik San Marino erhobenen Einfuhrabgaben an die Staatskasse von San Marino. (geändert durch ABl. L 184 vom 24.07.1996, S. 35 f.). ABl. L 219 vom 10.08.2006, S. 23: Beschluss der Kommission vom 2. August 2006 über die Aktualisierung der Anhänge der Währungsvereinbarung zwischen der Regierung der Französischen Republik – im Namen der Europäischen Gemeinschaft – und der Regierung Seiner Durchlaucht des Fürsten von Monaco. ABl. L 221 vom 25.08.2007, S. 7–10: Abkommen in Form eines Briefwechsels zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die vorläufige Anwendung des Übereinkommens über die Beteiligung der Republik Bulgarien und Rumäniens am Europäischen Wirtschaftsraum und die vorläufige Anwendung der vier Nebenabkommen. ABl. L 238 vom 28.09.1968, S. 1 ff.: Verordnung des Rates 1496/68 (Zollkodex). ABl. L 238 vom 13.09.1994, S. 25–35: Beschluss Nr. 1/94 des Kooperationsausschusses vom 28.06.1994 über die Gemeinschaftsregelung im Veterinärbereich, die von der Republik San Marino zu übernehmen ist. ABl. L 239 vom 22.09.2000, S. 199: Beschluss des Exekutivausschusses vom 23.06. 1998 bezüglich der monegassischen Aufenthaltstitel (SCH/Com-ex (98) 19). ABl. L 244 vom 16.07.2004, S. 47 ff.: Entscheidung des Rates vom 11. Mai 2004 über den von der Gemeinschaft zu vertretenden Standpunkt zu einer Vereinbarung über die Währungsbeziehungen zum Fürstentum Andorra. ABl. L 250 vom 07.09.1991, S. 24 ff.: Beschluss Nr. 2/91 des Gemeinsamen Ausschusses EWG-Andorra vom 12. Juli 1991 über die in der Gemeinschaft im Zollwesen geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die vom Fürstentum Andorra zu übernehmen sind. ABl. L 250 vom 07.09.1991, S. 29: Beschluss Nr. 3/91 des Gemeinsamen Ausschusses EWG-Andorra. ABl. L 250 vom 07.09.1991, S. 32: Beschluss Nr. 5/91 des Gemeinsamen Ausschusses EWG-Andorra vom 12.7.1991. ABl. L 250 vom 07.09.1991, S. 34: Beschluss Nr. 6/91 vom 12. Juli 1991 des Gemeinsamen Ausschusses. ABl. L 251 vom 27.09.2005, S. 3–6: Protokoll zum Abkommen über die Zusammenarbeit und eine Zollunion zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik San Marino anlässlich des Beitritts der Tschechischen
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Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union. ABl. L 253 vom 07.10.2003, S. 3 ff.: Beschluss Nr. 1/2003 des Gemeinsamen Ausschusses EG-Andorra vom 3. September 2003 über die für das einwandfreie Funktionieren der Zollunion erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften. ABl. L 256 vom 26.10.1995, S. 55 f.: Beschluss Nr. 1/95 des Kooperationsausschusses vom 6. Oktober 1995 über die Änderung des Verzeichnisses der Zollstellen nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a) des Interimsabkommens über den Handel und eine Zollunion zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik San Marino. ABl. L 257 vom 04.08.2004, S. 7: Entscheidung des Rates vom 19. Juli 2004 zum Zeitpunkt der Anwendung der Richtlinie 2003/48/EG im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen. ABl. L 260 vom 28.9.2002, S. 13 f.: Verordnung (EG) Nr. 1718/2002 der Kommission vom 27. September 2002 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 541/2002 über die Eröffnung von Zollkontingenten für die Einfuhr von bestimmten landwirtschaftlichen Verarbeitungserzeugnissen mit Ursprung in der Schweiz und in Liechtenstein in die Gemeinschaft. ABl. L 267 vom 17.10.2003, S. 27–28: Beschluss des Rates vom 7. Oktober 2003 zur Annahme von Änderungen der Artikel 3 und 7 der Währungsvereinbarung zwischen der Italienischen Republik, im Namen der Europäischen Gemeinschaft, und dem Staat Vatikanstadt, vertreten durch den Heiligen Stuhl, und zur Ermächtigung der Italienischen Republik, diese Änderungen in Kraft zu setzen. ABl. L 269 vom 21.10.2003, S. 28 ff.: Beschluss 2/2003 des gemeinsamen Ausschusses EG-Andorra vom 8. Oktober 2003. ABl. L 270 vom 13.10.2007, S. 5–11: Beschluss des Rates vom 26. September 2007 über den Abschluss eines/Zusatzabkommen zwischen dem Fürstentum Liechtenstein, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die Einbeziehung des Fürstentums Liechtenstein in das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen vom 27. September 2007. LGBl. 2007, Nr. 257. ABl. L 288 vom 04.11.2009, S. 18–21: Beschluss des Rates vom 9. Oktober 2009 betreffend die Aufhebung der Übereinkünfte zwischen der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und der Schweizerischen Eidgenossenschaft (2009/804/EG). ABl. L 288 vom 01.12.1995, S. 50: Beschluss Nr. 1/95 des Gemeinsamen Ausschusses EG-Andorra vom 6. November 1995. ABl. L 288 vom 01.12.1995, S. 51 f.: Beschluss Nr. 2/95 des Gemeinsamen Ausschusses EG-Andorra.
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ABl. L 300 vom 31.12.1972, S. 189 ff.: Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 22. Juli 1972. ABl. L 300 vom 31.12.1972, S. 281 f.: Zusatzabkommen über die Geltung des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 22. Juli 1972 für das Fürstentum Liechtenstein. Geändert durch Ergänzungsprotokoll zu dem Zusatzabkommen über die Geltung des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft für das Fürstentum Liechtenstein. ABl. L 106 vom 26.04.1975, S. 20. ABl. L 302 vom 15.11.1985, S. 488: Gemeinsame Erklärung der EWG und Spanien, Anhang zum Beitrittsakt von 1985, Nr. A-8. ABl. L 302 vom 19.10.1992, S. 1–50: Verordnung des Rates (EWG) Nr. 2913/92 vom 12.10.1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Zollkodex). (geändert durch ABl. L 17 vom 21.01.1997, S. 1: Verordnung 82/97 des Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 1996, die die Verordnung (EWG) 2913/92 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaft abändert) ABl. L 310 vom 28.11.2001, S. 1: Verordnung (EG) 2302/2001 des Rates vom 15. November 2001. ABl. L 316 vom 15.12.2000, S. 1–10: Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 des Rates über die Einrichtung von „Eurodac“ für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens. („EurodacVerordnung“). ABl. L 318 vom 06.12.2005, S. 26 ff.: Beschluss 2/2005 des Gemeinsamen Ausschusses EG-Andorra vom 10. Oktober 2005. ABl. L 321 vom 06.11.1992 S. 27: Beschluss Nr. 1/92 des Gemeinsamen Ausschusses EG-Andorra. ABl. L 322 vom 09.12.2009, S. 12–13: Entscheidung des Rates vom 26. November 2009 zum Standpunkt der Europäischen Gemeinschaft hinsichtlich der Neuverhandlung der Währungsvereinbarung mit der Republik San Marino (2009/904/EG). ABl. L 325 vom 11.12.2007, S. 84–88: Protokoll zum Abkommen über die Zusammenarbeit und eine Zollunion zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik San Marino zur Einbeziehung der Republik Bulgarien und Rumäniens als Vertragsparteien nach ihrem Beitritt zur Europäischen Union. ABl. L 332 vom 03.12.1991, S. 62–70: Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und Liechtenstein über die Zusammenarbeit im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung im Rahmen des ERASMUS-Programms. ABl. L 332 vom 06.11.2004, S. 15: Beschluss des Rates am 21. Oktober 2004 die Aufnahme der Verhandlungen über eine Vereinbarung über die Währungsbeziehungen zum Fürstentum Andorra.
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ABl. L 332 vom 19.12.2003, S. 42–51: Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Fürstentum Monaco über die Anwendung bestimmter Rechtsakte der Gemeinschaft auf dem Gebiet des Fürstentums Monaco vom 4.12.2003. ABL. L 349 vom 25.11.2004: Verordnung (EG) Nr. 2007/2004 des Rates vom 26. Oktober 2004 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (FRONTEX). ABl. L 350 vom 19.12.1973, S. 13: Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 22. Juli 1972. ABl. L 350 vom 19.12.1973, S. 29–32: Zusatzabkommen über die Geltung des Abkommens zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 22. Juli 1972 für das Fürstentum Liechtenstein. ABl. L 359 vom 04.12.2004, S. 33 ff.: Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Fürstentum Andorra über Regelungen, die denen der Richtlinie 2003/48/EG des Rates im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen gleichwertig sind“ und eine gemeinsame Absichtserklärung. ABl. L 359 vom 09.12.1991, S. 13, 14–19: Vorläufige Abkommen über eine Handel- und Zollunion (Interimsabkommen)/Beschluss des Rates 92/561/EEV vom 27.11.1992. Auch: Gesetz Nr. 98 vom 02.12.1992, B.U.R.S.M. 1992, Nr. 12, S. 938 ff. ABl. L 372 vom 31.12.1991, S. 27: Verordnung (EWG) 3915/91 des Rates vom 19. Dezember 1991. ABl. L 374 vom 31.12.1990, S. 14–32: Abkommen in Form eines Briefwechsels zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Fürstentum Andorra. Geändert in ABl. L 43 von 1991, S. 55. Protokoll zur Erweiterung des Abkommens um Österreich, Schweden und Finnland nach deren EG-Beitritt: ABl. L 271 vom 24.10.1996, S. 38. ABl. L 374 vom 31.12.1990, S. 16 ff.: Entscheidung des Rates 90/680/EEC vom 26.06.1990. ABl. L 379 vom 24.12.2004, S. 83: Beschluss 2004/897/EG des Rates vom 29. November 2004 über die Unterzeichnung des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über Regelungen, die denen der Richtlinie 2003/48/EG des Rates im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen gleichwertig sind, und über die Genehmigung und Unterzeichnung des Einverständlichen Memorandums. ABl. L 379 vom 24.12.2004, S. 84–104: Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über Regelungen, die denen der Richtlinie 2003/48/EG des Rates über die Besteuerung von Zinserträgen gleichwertig sind – Einverständliches Memorandum.
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KOM (2009) 525 endgültig: Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den Abschluss – im Namen der Europäischen Gemeinschaft – eines Übereinkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft sowie der Republik Island, dem Königreich Norwegen, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über zusätzliche Regeln im Zusammenhang mit dem Außengrenzenfonds für den Zeitraum 2007 bis 2013. KOM (2009) 570 endgültig: Recommendation for a Council Decision on the position to be taken by the European Community regarding the renegotiation of the Monetary Agreement with the Vatican City State. KOM (2009) 572 endgültig: Recommendation for a Council Decision on the position to be taken by the European Community regarding the renegotiation of the Monetary Agreement with the Republic of San Marino. KOM (2009) 605: Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den Abschluss der Vereinbarung zwischen der Europäischen Gemeinschaft sowie der Republik Island, dem Fürstentum Liechtenstein, dem Königreich Norwegen und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Beteiligung dieser Staaten an der Arbeit der Ausschüsse, die die Europäische Kommission bei der Ausübung ihrer Durchführungsbefugnisse in Bezug auf die Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands unterstützen. KOM (2009) 606: Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung der Vereinbarung zwischen der Europäischen Gemeinschaft sowie der Republik Island, dem Fürstentum Liechtenstein, dem Königreich Norwegen und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Beteiligung dieser Staaten an der Arbeit der Ausschüsse, die die Europäische Kommission bei der Ausübung ihrer Durchführungsbefugnisse in Bezug auf die Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands unterstützen. KOM (2009) 644 endgültig: Geänderter Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Namen der Europäischen Union – und die vorläufige Anwendung des Abkommens über die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Fürstentum Liechtenstein andererseits zur Bekämpfung von Betrug und sonstigen rechtswidrigen Handlungen, die ihre finanziellen Interessen beeinträchtigen, und zur Sicherstellung des Informationsaustauschs in Steuersachen. KOM (2009) 648 endgültig/3: Corrigendum – Geänderter Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den Abschluss – im Namen der Europäischen Union – des Abkommens über die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Fürstentum Liechtenstein andererseits zur Bekämpfung von Betrug und sonstigen rechtswidrigen Handlungen, die ihre finanziellen Interessen beeinträchtigen, und zur Sicherstellung des Informationsaustauschs in Steuersachen. Kom.-Dok. SEC (2009) 899/F: Empfehlung der Kommission an den Rat zur Ermächtigung der Kommission, Verhandlungen im Hinblick auf den Abschluss von Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Fürstentum Andorra, dem Fürstentum Monaco und der Republik San Marino andererseits zur Bekämpfung von Betrug und sonstigen rechts-
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widrigen Handlungen, die ihre finanziellen Interessen beeinträchtigen, und zur Gewährleistung der Verwaltungszusammenarbeit durch den Austausch von Informationen in Steuersachen aufzunehmen und zur Ermächtigung der Kommission, Verhandlungen im Hinblick auf den Abschluss eines Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits zur Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung bei den direkten Steuern und zur Gewährleistung der Verwaltungszusammenarbeit durch den Austausch von Informationen in Steuersachen aufzunehmen. 01.07.2009. Konkordat Italien – Heiliger Stuhl. 1984. Konvention über soziale Sicherheit zwischen der Republik San Marino und dem Königreich Italien vom 10.07.1974. (Änderungen/Protokolle vom: 19.05.1978, 21.12.1991, 03.04.2007). Konvention von Montevideo über die Rechte und Pflichten der Staaten vom 26.12.1933. League of Nations Treaty Series (LNTS) 165, 1934, S. 19 ff. Konvention zu Finanz- und Währungsbeziehungen zwischen der Republik San Marino und Italien vom 02.05.1991. (ersetzt durch Abkommen zu Finanzkooperation (Accordo tra il Governo della Repubblica Italiana e il Governo della Repubblica di San Marino in Materia di Collaborazione Finanziaria) vom 26.11. 2009). Küchler, Teresa: Vatican seeks to join Schengen borderless zone. In: EUobserver.com vom 13.01.2006. [http://euobserver.com/9/20680; Zugriff am 21.03.2010]. Landtag des Fürstentums Liechtenstein 2009. [http://www.landtag.li/default.aspx?id=387&auswahl=0; Zugriff am 05.07.2009]. Landtagsprotokolle 1989, Vol. V., S. 1589 (Liechtenstein): Zustimmung des Parlaments zur UNO-Mitgliedschaft. Öffentliche Landtagssitzung 13.-14. Dezember 1989. League of Nations: Documents of the Assembly. No. 18, 1920. League of Nations: Minutes of the 5th Committee, 4th Meeting, 01.12.1920. League of Nations: Records of the first Assembly: Plenary Meetings. Annex C. Genf 1920. League of Nations Official Journal, no. 5, 1920. League of Nations: Records of the Second Assembly: Plenary Meetings. Annex B. Genf 1921, S. 685 f. Legge fondamentale dello Stato della Città del Vaticano, 26 novembre 2000: AAS, Supplemento per le leggi e disposizione dello stato della Città del Vaticano. Anno LXXi, Città del Vaticano, domenica 26 novembre 2000. [Grundgesetz] Leges Statutae reipublicae Sancti Marini. 1599. Ausgabe Florenz 1895, Nachdruck Republik San Marino 1981. LGBl. 1884, Nr. 8: Staatsvertrag bezüglich der Justizverwaltung im Fürstentum Liechtenstein vom 19.1.1884.
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Begriffsverzeichnis Andorra Batlles
Erstinstanzliche Richter
Butlletí Oficial del Principat d’Andorra
Offizielles Amtsblatt Andorras
Cap de Govern
Regierungsvorsitzender
Cap de l’Estat
Staatsoberhaupt
Comuns
Gemeinderäte: Selbstregierungs-, Repräsentationsund Verwaltungsorgane der Parròquies
Consellers
Räte: Mitglieder des Generalrates
Consell Executiu
Exekutivrat (Vorläufer der Regierung Andorras)
Consell General de les Valles
Generalrat: Parlament
Consell Superior de la Justícia
Oberster Justizrat
Coprínceps
Co-Fürsten
Coprincipat
Co-Fürstentum
Govern
Regierung
Kondominium
Territorium, in dem die Herrschaftsgewalt, die mehreren Staaten gleichsam gesamthänderisch zusteht, gemeinschaftlich ausgeübt wird
Llei Qualificada
Qualifiziertes Gesetz. Um genehmigt zu werden ist eine höhere Zustimmung als bei normalen Gesetzen notwendig
Pareatges
Zwei im 13. Jahrhundert abgeschlossene Verträge, die verschiedene Streitpunkte über die Ausübung der Hoheitsrechte über Andorra zwischen dem Grafen von Foix und dem Bischof von Urgell regeln
Parròquies
Traditionelle Einheiten des Staatsgebietes von Andorra, ähnlich Gemeinden
Principat d’Andorra
Fürstentum Andorra
Qüèstia
Abgabe der andorranischen Bevölkerung an die Co-Fürsten
Sindicatura
Präsidium des Generalrates, regierendes Organ des Generalrates
592
Begriffsverzeichnis
Síndic General
Vorsitzender bzw. Sprecher des Generalrats und der Sindicatura
Subsíndic General
Stellvertretender Generalratspräsident
Tribunal Constitucional
Verfassungsgericht
Tribunal de Batlles
Basis der juristischen Organisation in Andorra, erstinstanzliches Gericht
Tribunal de Corts
Berufungs- und Schwurgericht, Strafgericht in erster und einziger Instanz
Tribunal Superior de la Justícia d’Andorra
Oberster Gerichtshof
Urgell
Bistum bzw. bis ins 15. Jahrhundert Grafschaft im nordspanischen Katalonien
Veguer
Permanenter Repräsentant der Co-Fürsten in Andorra (Institution wurde mit der Verfassung abgeschafft)
Liechtenstein Halbmilizregierung
Regierung, in der ein Teil der Regierungsmitglieder nicht hauptamtlich beschäftigt sind
Kollegialregierung
Regierung, in der die Regierungsbeschlüsse im Kollegium getroffen werden
Landesgesetzblatt
Amtsblatt von Liechtenstein
Landtag
Parlament
Milizparlament
Parlament, in dem die Abgeordneten Freizeitabgeordnete sind, d.h. sie üben einen anderen Hauptberuf aus
Regierungsräte
Mitglieder der Regierung
Monaco Banque de France
Französische Nationalbank
Bureau du Conseil National
Nationalratsbüro: Leitungsgremium des Parlaments
Commune
Gemeinde
Conseil Communal
Gemeinderat
Conseil de la Couronne
Kronrat
Conseil de Gouvernement
Regierungsrat (Institution)
Conseil d’État
Staatsrat
Conseil Economique et Social
Wirtschafts- und Sozialrat
Conseil National
Nationalrat: Parlament
Begriffsverzeichnis Conseillers de Gouvernement
Regierungsräte (Personen)
Contrôleur général des dépenses
Generalkontrolleur für Ausgaben
Cour d’Appel
Appelationsgericht/Berufungsgericht
Cour de Révision Judiciaire
Revisionsgerichtshof
Directeur des Services Judicaires
Vorsitzenden der Justischen Dienste
Direction des Services Judicaires
Direktion der Juristischen Dienste
Gouvernement
Regierung
Journal de Monaco
Amtsblatt von Monaco
Juge de Paix
Friedensrichter
Ministre d’Etat
Regierungsvorsitzender/Staatsminister
Ordonnance Souveraine
Fürstliche Verordnung
Prince
Fürst
Quartier
Stadtteil
Tribunal Correctionell
Strafgericht
Tribunal Criminel
Kriminalgericht
Tribunal de Première Instance
Erstinstanzliches Gericht
Tribunal Suprême
Oberster Gerichtshof
593
San Marino Arengo
Ursprünglich: Rat der Familienoberhäupter, heute: Versammlung der Bürger
Capitano di Castello
Bürgermeister, Gemeindevorsteher
Capitani Reggenti
Regenten/regierende Kapitäne/regierende Hauptmänner
Castelli
Gemeinden
Collegio Garante della Constituzionalità delle Norme
Kollegium der Garantie der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen (ähnlich Verfassungsgerichtshof)
Commissario della Legge
Rechtskommissar
Commissione Consiliare per gli Affari di Giustizia
Beratende Kommission für Justizangelegenheiten
Commissioni Consiliari
Beratungsausschuss
Congresso di Stato
Staatskongress: Regierung
Consiglio dei XII
Rat der Zwölf
Consiglio Giudizario
Justizrat
594
Begriffsverzeichnis
Consiglio Grande e Generale
Großer und Allgemeiner Rat: Parlament
Dicastero
Ministerium
Giunta di Castello
Gemeinderat
Magistrato Dirigente
Leitungsgremium (des Justizrates)
Milizia
Bürgerwehr
Tribunale Unico
Einziges Tribunal
Vatikanstadt Apostolischer Nuntius
Diplomatischer Vertreter des Heiligen Stuhls
Codex Iuris Canonici
Codex des kanonischen Rechtes
Governatorato
Sekretariat des Präsidenten der Päpstlichen Kommission, administratives Organ
Kanonisches Recht
Kirchenrecht der römisch-katholischen Kirche
Kardinalspräsident
Vorsitzender der Päpstlichen Kommission
Kardinalsstaatssekretär
Leiter des Staatssekretariates
Nuntiatur
Vertretung des Heiligen Stuhls, Missionen mit diplomatischen Status
Päpstliche Kommission
Legislative und exekutive Gewalt der Vatikanstadt (im Namen des Papstes)
Pontifex
Papst
Römische Kurie
Kirchliche Leitungs- und Verwaltungsorgane und -institutionen
Sedisvakanz
Zeitraum, in dem ein Amt nicht besetzt ist
Staatssekretariat
Wichtigste Institution des Heiligen Stuhles im Prozess der Entstehung kirchlicher Normen und Entscheidungen
Sach- und Personenregister Abhängigkeit 39–40, 65, 67, 196, 298, 312, 318, 433, 450, 499 Acquis Communautaire 140, 142, 155, 244, 249, 327, 404, 493–494, 496, 502 Albert I. von Monaco 269–270 Albert II. von Monaco 271–273 Anerkennung, internationale 41–42, 44, 47, 52–53, 59, 86, 124, 128, 130, 144, 146, 148, 171, 206, 208, 218, 221–223, 225, 290, 307, 309–310, 346, 375, 377, 428, 432, 434, 447, 449, 488–489, 509 Arengo 345, 348–349, 355 Assoziierung 48, 170–171, 220, 230, 333, 338, 388–390, 502, 505, 507–508, 510, 513 Bankgeheimnis 197, 201, 320, 421, 445, 471 Betrugsbekämpfungsabkommen 167, 201, 234, 254, 259, 335, 405, 478, 492, 511 Binnenmarkt, europäischer 70, 133, 150, 156, 168, 171, 240, 249–250, 261, 317, 329, 389, 402, 407, 453, 475, 487, 490, 499, 503–504, 506, 510, 512, 514 Bischof von Urgell 39, 82–85, 88–89, 91, 97, 118, 121–122, 128–129, 140–141, 143, 146, 451 Cap de Govern 86 Capitani Reggenti 344, 348, 350 Co-Fürsten 83–85, 87–95, 97, 99–101, 108–109, 113–114, 118–119, 121–125, 127, 129, 141, 143–145
Co-Fürstentum, parlamentarisches 89 Communs 81 Dekolonisierung 29, 31–32, 49 Deutscher Bund 177, 180 Donaumonarchie 178 Drei-Elemente-Lehre 34, 311, 377 Dublin-Abkommen 230, 254 EFTA 23, 75–76, 190, 213, 216–217, 219–220, 224, 236, 240–241, 244–245, 247, 251, 253, 255–257, 261, 399, 446, 457–458, 506, 510–511 Erbmonarchie, konstitutionelle 181, 271 EU-Geldwäscherichtlinie 200 Europäische Kommission 30, 128, 131, 134–139, 143, 145–147, 155–156, 160–162, 167, 231, 236, 241, 245, 252–253, 255, 258, 261, 317–318, 322–324, 331–332, 338, 366, 384–385, 387–391, 393, 398, 404, 406, 426, 440–442, 451, 462–466, 473, 478–479, 491, 494, 500, 502, 505, 514 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) 63, 191 Europäische Nachbarschaftspolitik 169, 504 Europäische Wirtschafts- und Währungsunion 459–460, 496 Europäische Zentralbank (EZB) 136–138, 320–323, 383, 385, 437–438, 441, 460, 462–463 Europäischer Gerichtshof (EuGH) 63, 75, 245, 259, 322, 330, 385, 441, 464
596
Sach- und Personenregister
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) 63, 75, 125, 190, 211, 293 Europäischer Rat 42, 469, 493 Europäischer Wirtschaftsraum (EWR) 23, 30, 75–76, 139, 167–168, 171, 190, 196–198, 200, 203, 207–209, 212–213, 217, 220, 223–224, 229, 234, 237, 239, 241–243, 245–251, 253–261, 301, 338, 386, 399, 407, 446, 453, 457–458, 491, 495–496, 502, 504, 506, 508, 510–514 Europäisches Parlament 30, 147, 162, 164, 169, 234, 236, 245, 316, 335, 387, 389, 391, 403, 443, 490–491, 494, 497, 500–501, 503, 506 Europarat 32, 35, 53–55, 59, 86, 125, 128, 131, 147, 200, 216–217, 219–220, 223, 225, 238, 269–270, 278, 284, 290, 293, 298, 308, 313, 336, 347, 361, 374, 376, 379, 389, 401, 430, 446, 495
Großer und Allgemeiner Rat (San Marino) 345, 348, 351, 357–358 Guelfen 266, 344 Halbmilizregierung 186–187 Hans-Adam I. von Liechtenstein 176 Hans Adam II. von und zu Liechtenstein 179, 181, 206, 208, 248, 256–257 Hasler, Otmar 232, 258 Heiliger Stuhl 118–119, 121, 129, 216–217, 345–346, 372, 410, 413–414, 416, 420–423, 426, 428–434, 438, 442–443, 446 Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation 177 Internationaler Gerichtshof (IGH) 43, 50, 59, 218, 306, 373, 429 Internationaler Währungsfond (IWF) 200, 361, 376 Jellinek, Georg 34
Finanzdienstleistung 69–70, 102–104, 107, 179, 190, 194, 196–199, 201, 203, 249, 260, 285–286, 334, 360–361, 368, 404, 445, 472, 498, 511 Freihandelszone 228, 236, 370, 457 FRONTEX 236 GATT 32, 115, 317, 334 Geldwäsche 165, 199–200, 202, 287, 303, 309, 322, 331, 361, 368, 462 Generalrat (Andorra) 85–88, 91–97, 100–101, 123, 125, 143 Ghibellinen 266, 344 Globalisierung 32, 73–74, 192, 208 Govern 86–87, 95 Graf von Foix 82–84 Grenzgänger 332, 361 Grimaldi 266, 271, 292
Karl der Große 82 Karl von Liechtenstein 176 Kirchenrecht 92, 99, 118, 122, 415–416, 425 Kirchenstaat 90, 346, 412 Knappheit 37, 61–62, 68, 71, 192 Kollegialregierung 187 Kondominium 39, 83, 87, 127 Konferenz/Organisation für Zusammenarbeit und Sicherheit in Europa (KSZE/OSZE) 56, 59, 86, 126, 216–217, 220, 222, 225, 238, 255, 310, 376, 430–431 Konvention von Montevideo 34, 37 Kooperationsabkommen 160–163, 167, 169–170, 338, 347, 388, 390, 394, 397, 400, 455, 470, 474, 479, 509–510, 513–514 Kopenhagener Kriterien 493
Sach- und Personenregister Landtag, Liechtensteiner 180, 182, 184–185, 188, 191, 193, 217, 237, 250, 257 Lateranverträge 413–415, 421, 423–426, 428–429, 432–434, 436 Lissabonner Vertrag 171, 260, 501, 508 Mikrostaat 27 Mikrostaatendiskussion 49, 51 Milizparlament 185, 273 Mischverfassung 181 Mitterand, François 88 Nationalrat 336 Nationalrat (Monaco) 270–273, 275, 278–279, 283, 289 Neutralität 44, 108, 197, 206, 217, 269, 347, 364–365, 369, 387, 421, 425, 429 Nuntiatur 216, 428, 442 OECD 105, 164, 201–202, 252–253, 288, 331, 361, 403, 407, 446, 496 Outsourcing 64–66, 207–208, 250 Päpstliche Kommission 416–417 Pareatge 83–84, 86, 88, 121, 127 Péronne, Vertrag von 267–268 Personenfreizügigkeit 30, 247 Prinz Nikolaus von und zu Liechtenstein 55, 74, 222, 249, 256 Protektorat 40, 127, 178, 267–268, 291–292, 294, 311, 328, 347, 365, 375, 450 Quellensteuer 105, 107, 164, 252, 331, 403, 469, 471 Qüèstia 83–84 Rainier III. von Monaco 269, 273, 319 Rat der EG/EU 136–138, 145–147, 160, 162, 164, 167, 169, 229–230,
597
235, 241, 320, 383, 385, 390–392, 404, 406, 437, 451–452, 460, 463, 465, 470, 478–479, 494, 497, 500–501, 514 Rechnungshof der EG/EU 156 Rechtsrezeption 62–63, 189, 215 Referendum 87, 95, 101, 181–182, 184–185, 192, 219, 240, 343, 349, 352 Referenzrecht 63, 75, 337, 512 Reichsfürstentag 176 Reiterer, Michael 258, 261, 491, 560, 586 Repräsentationsprinzip 60, 501 Rheinbund 177 Römische Frage 413 Römische Kurie 417, 419, 422 Römisches Reich 176–177, 266 Schengener Abkommen 139, 165, 213, 230, 234, 254, 259, 262, 301, 324–325, 386, 442, 468, 487, 509, 511–512, 514–515 Souveränität 33, 38, 41, 47, 53–54, 71, 87–90, 108, 111, 114, 119, 128–129, 144, 146, 177, 182, 207–208, 218, 220–223, 225, 239, 268, 270–272, 290–291, 293–295, 298–299, 303, 305, 307–308, 313, 318, 328, 336, 346, 374–376, 378–379, 401, 413, 415, 422–423, 450, 452, 475, 488, 495, 498–499 Staatengleichheit 54, 58, 501 Staatlichkeit 33–34, 36–37, 42, 50, 54, 108, 124, 126, 128, 131, 143, 206, 218–222, 224–225, 271, 306–307, 310–311, 313, 373, 375, 377, 401, 411, 432–434, 501 Staatseigenschaft 33–34, 39, 41, 127, 224, 311, 374, 377, 432 Staatsgebiet 35, 79, 112, 128, 174, 224, 264, 311, 341, 377, 410, 422, 432, 434 Staatsgewalt 36, 83, 129, 181, 184, 224, 270, 312, 377, 433
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Sach- und Personenregister
Staatsstruktur 61 Staatsvolk 35, 128, 224, 311, 432, 434 Ständiger Internationaler Gerichtshof (StIGH) 124, 218, 305, 373 Steuerparadies 71, 74, 103, 105, 164, 168, 198, 201, 204, 252, 286–287, 308, 319, 331, 362, 403, 446, 496, 509 Thant, U 29, 31, 49, 51 Unabhängigkeit 38, 44, 49, 51, 54, 87, 90, 111, 113–114, 126, 129–130, 177, 206, 219, 221, 224–225, 268, 291, 293–295, 299, 305, 307, 310, 312, 346–347, 359, 365, 369, 373, 375, 378–379, 388–389, 405, 412–413, 423, 433–434, 447, 449–450, 487–488, 490, 513 UNESCO 50, 59, 86, 127, 131, 141, 307, 374, 376, 432 United Nations Institute for Training and Research (UNITAR) 50 Ursprungswaren der EG/EU 141, 151, 155, 244, 317, 399, 456 Veguer 83, 91 Vereinte Nationen 29, 32, 35, 37, 42, 47–53, 57, 59, 86, 123, 124, 126, 128, 131, 200, 207–208, 216–220, 223, 225, 248, 255, 269, 273, 305–306, 313, 347, 372–373, 376, 379, 401, 429, 431–432, 446, 506 Verkehrsfähigkeit 37, 246
Vertrag über eine Verfassung für Europa 507 Völkerbund 47, 59, 123–124, 217, 225, 305, 372, 429 Wahlmonarchie 414 Währungsabkommen/-vereinbarung 112, 135–136, 138, 165, 297, 320–324, 383, 385–386, 402, 405, 408, 425, 437, 439–441, 443, 459–465, 470, 472, 479, 492, 515 Weltgesundheitsorganisation (WHO) 50, 86, 374, 376, 432 Welthandelsorganisation (WTO) 32, 127, 207–208, 223, 248, 311, 334, 376, 432 Weltzollorganisation (WCO) 86, 127 Wiener Kongress 177, 267, 346 Zinserträge, Besteuerung von 76, 105, 107, 136, 138, 162, 164–165, 167, 201, 231, 252, 255, 287, 331, 334, 336–337, 403, 405, 466, 469–473, 479, 492, 496, 509, 514 Zollkodex der EG/EU 142, 157, 253, 296, 316, 381, 394, 399, 451–452 Zollunion 30, 39, 70, 75–76, 102, 107, 114–116, 127, 133, 146, 148, 151–153, 167, 170, 178, 203, 209, 212, 215, 228–229, 236, 240, 243, 246, 248, 260, 262, 268, 296, 315–319, 324, 329, 333, 335, 338, 347, 366–367, 381, 383, 388–389, 391–394, 399, 401, 404, 436, 443, 451, 453–458, 474–475, 479, 492, 495, 509, 512