Die Ermordung König Ladislaws (1457) [Reprint 2019 ed.] 9783486735215, 9783486735222


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Vorrede
Die Ermordung König Ladislaws (1457)
Exkurs
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Die Ermordung König Ladislaws (1457) [Reprint 2019 ed.]
 9783486735215, 9783486735222

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Die Ermordung König Ladislaws (1457).

Dr. Erhard Waldemar Kanter.

München und Berlin. Druck und Verlag von B. Oldenbourg. 1906.

Vorrede. Seit Jahren mit einer Monographie des Markgrafen Albrecht (Achilles) von Brandenburg beschäftigt, suchte ich mir

vor allem auch Klarheit über den Charakter Georg Podiebrads,

des mächtigsten Gegners und späteren Freundes des Markgrafen, zu verschaffen.

Bei der Durcharbeitung eines umfangreichen Materials in

fast allen großen Archiven Deutschlands (Bamberg, Nürnberg, München, Berlin, Stuttgart, Frankfurt, Karlsruhe, Straßburg,

Weimar,

Dresden u. a.) kam ich zu einem dem böhmischen

Nationalkönig wenig günstigen Ergebnis.

Eine Untersuchung der Mittel, durch die es Podiebrad gelang, König zu werden, ergab vorliegende Studie.

München, Mai 1906.

Der Verfasser.

Dr. Kanter, Die Ermordung König LadiSlaws.

1

Die Ermordung König Ladislaws (1457). Wer sich mit deutscher Reichsgeschichte in der Mitte des 15. Jahrhunderts beschäftigt, muß zu dem Böhmenkönig Georg Podiebrad Stellung nehmen.

Nicht so sehr, weil er in dieser

Zeit der oberste weltliche Kurfürst und der mächtigste Fürst des Reiches wurde, sondern weil wir Podiebrad in jedem der ver­ heerenden, blutigen Kriege, die von 1449—1470 den Körper

des Reiches zerfleischen, als Hauptfächer, Helfer oder Schürer finden.

Ein Mann mit vorzüglichen militärischen und diplo­

matischen Anlagen, der mit eiserner Faust länger als ein Jahr­

zehnt den inneren Frieden und das Gedeihen des Böhmenlandes

zu fördern wußte,

ein gütiger, besorgter Familienvater, ein

trefflicher Verwalter des eigenen Besitzes, wie des ganzen Landes,

aber ein rücksichtsloser Streber, ohne Treu und Glauben, zu

den hochfliegendsten Plänen geneigt und doch die Mittel kleinster

Intrige nie verschmähend, so beweist er sich in diesen 20 Jahren. Kein Eid band ihn, ihm lebte kein Freund, den er nicht einmal

verraten hatte.

Seine vielgerühmte Toleranz war für ihn gar

leicht gegen Katholiken wie Hussiten zu üben, wußte er wohl selber kaum, welchem Bekenntnisse er innerlich angehörte, und

gegen die Sekten, die von der durch Rokyczana gepredigten Lehre abwichen, hat er wahrlich keine Toleranz bewiesen.

Von der Parteiengunst verwirrt, schwankte nur allzulange

seit der Mitte des letzte» Jahrhunderts sein Charakterbild.

4 Der Heldenkönig war er den einen1), einen Romanheld macht ein anderer aus ihm.?)

Einen jeden von ihnen hat in seinem Urteil die Fest­ stellung beeinflußt, daß Georg Podiebrad nicht durch feigen Meuchelmord seines Königs, sondern nach dessen natürlichem

Tode die Krone aus den Händen seines angestammten Volkes

empfangen habe. Eine Prüfung?) der kritischen Untersuchung, die dieses Er­ gebnis gezeitigt hat, wird uns lehren, daß selten ein Richter

über einen Angeschuldigten mit größerer Milde geurteilt, seine Belastungszeugen mit größerem Eifer und Zorn verfolgt hat.4) Doch nein — wem die öffentlich behaupteten Angaben des An­ geklagten „notorische Tatsachen"6) sind, der ist der Verteidiger

des Beschuldigten — nicht sein Richter. Carvajal, der beste Kenner Ungarns und Böhmens an der Kurie, einer der wahrheits- und treuefestesten Glaubens­ streiter, wie solche die kämpfende Kirche zu allen Zeiten erzeugt hat, als Mensch und Priester gleich verehrungswürdig, — be­ hauptet mit größtem Nachdruck?), Georg habe von Jugend auf

nach der Krone Böhmens gestrebt. *) Vgl. Droysen: Gesch. der preuß. Politik II, 2; Jordan: Georg von Podiebrad, vgl. XVII und S. 317. 2) Vgl. Palacky: Gesch. v. Böhmen Bd. IV. Erst Bachmann : Deutsche Reichsgesch. kommt, wenngleich zu einer milden, so doch gerechten Be­ urteilung. 8) Palacky: Zeugenverhör über den Tod König Ladislaws, Ab­ handlungen der Kgl. Böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften 1856. Palacky druckt dort einen großen Teil der bez. Zeugnisse. 4) Jordan: Königtum Georgs von Podiebrad S. 93 sagt dazu: „Nach der erschöpfenden und letztgültigen Behandlung dieser Frage in Palackys Zeugenverhör rc. die Akten dieser Tatsache nochmals aufzu­ nehmen, wäre ein Vergehen am Beklagten, wie an seinem Anwälte rc. 5) Zeugenverhör S. 43.

6) Markgraf: Scriptores rer. Siles. IX S. 203 >qui ab adolescencia sua ad hec omnia studia convertit, ut regnum Bohemie aliquando occuparet. S. 204: Nam. Ladislaus intra paucos dies postquam Bohemiam intravit acerba morte vitam finivit et Georgi ns quod ab ineunte etate semper expetivit regnum sibi et nomen regni deinde

Sehen wir, wie weit die uns noch bekannten Tatsachen sich mit dieser Behauptung vereinbaren lassen; diese Unter­ suchung wird eine Sammlung

der Verdachtsmomente,

eine

Vorgeschichte des Mordes sein. Nachdem Georg Podiebrad am 2. und 3. September 1448 Prag überrumpelt und dann den Oberstburggrafen Meinhard von Neuhaus beseitigt hatte, war er tatsächlich der unbeschränkte Gebieter in Böhmen. Wie lieb ihm die gewonnene Macht war, zeigt sein Vergleich mit Kaiser Friedrich, nach dem dieser gegen den Willen auch der böhmischen Stände die Vormundschaft

über König Ladislaw bis zu seinem achtzehnten Jahre behalten sollte. Als dann die Österreicher und katholische böhmische Barone den jungen Ladislaw sehr gegen den Willen Podiebrads be­ freiten und der junge König für die Vertreter seiner drei Reiche einen Tag nach Wien anberaumte, der seine Stellung in seinen Ländern und zum Kaiser bestimmen sollte, weigerte

sich Podiebrad zu erscheinen. Auf einem Landtag in Prag hatte er vorher Beschlüsse durchgesetzt, „die dem wider seine Absicht befreiten König die Einnahme des Thrones wohl verleiden konnten". *) Die Stände, die so oft die Auslieferung des Knaben vom Kaiser verlangt hatten, sprachen ihm in Prag das Erbrecht aus die böhmische Krone ab; er sollte als gewählter König nur dann anerkannt werden, wenn er zuvor zugestände, daß sein Vater König Albrecht niemals zu Recht böhmischer König gewesen sei, die Kompaktaten bestätigte und Rokyczanas Erhebung zum Erz­ bischof bewilligte. „Wer wollte verkennen, daß dahinter der

Ehrgeiz des Gubernators stand!" Am königlichen Hofe stand es seit Jahren fest, daß König Albrecht durch seine Gemahlin imposuit. Auch Papst Paul II. sagt von ihm: „Der von seiner Jugend aus alle Zeit seinen Fleisi dazu gewant hat, wie er etwa das Königreich zu Behmen möchte becrüdcn und Unrecht besitzen." Eschenloer: Gesch. v. Breslau S. 328. *) Voigt: Äneas Splvius II S. 78; vgl. Palacky: Gesch. v. Böhmen IV S- 314—315.

6 Elisabeth und „alter Verschreibung wegen gotlich Recht" zum Throne gehabt habe „und darczu von allen Herren Ritterschaft

und Steten des Lands des Beheim erwelt" und gekrönt sei. Nur einige „Widersessige" hätten sich mit polnischer Hilfe ge­

weigert, den König anzuerkennen. *) Wie sehr schlug nun die geforderte Verleugnung des Königs Albrecht allen Traditionen

des Hofes ins Gesicht!

So hatte Podiebrad den fromm er­

zogenen Knaben früh vor eine folgenschwere Alternative gestellt. Entweder der Knabe widersetzte sich diesen der Kirche und seinem Hause gleich widrigen Forderungen, dann konnte der

Landtag sofort zur Königswahl schreiten, oder er fügte sich, dann aber war nach seinem Tode für alle Zeiten festgestellt, daß Böhmen ein Wahlreich sei. bewilligte Ladislaw auf den dringenden Rat seiner Getreuen diese Forderungen; doch erst, als er Podiebrad auf weitere sechs Jahre das Amt des Gubernators bestätigte, konnte an seine Krönung gedacht werden. Nach diesen Zugeständnissen entwickelte sich ein äußerlich durchaus freund­ schaftliches Verhältnis zwischen dem Knaben und dem von ihm Vater genannten Gubernator. Trotzdem verschob Ladislaw seine Ankunft in Prag von Monat zu Monat; einer der reichsten und edelsten katholischen Böhmen, Johann Smirzicki, hatte ihn dringend vor Mordan­ schlägen gewarnt. Podiebrad hatte diesen Warnungsbrief durch den damals mit ihm verbündeten Grafen Ulrich von Cilli er­ Mit größtem Widerwillen

halten und dann im böhmischen Landtag am 6. September die Frage gestellt, welche Strafe dem gebühre, der den König vor Mordanschlägen warne und so seine Reise nach Böhmen ver­ hindere. Alle Edeln, auch Smirzicki, sprachen sich für die Todesstrafe aus. So durch seinen eigenen Mund verurteilt, wurde er am 7. September hingerichtet. Welche Gründe hatte nun dieser edle Böhme zu seiner Warnung: war er wirklich nur ein leichtsinniger Verleumder??) •) Frankfurter Stadtarchiv: Kaiserbriefe HL Nr. 98. s) Vgl. die Streitschrift Gabriel von Veronas, Joachimsohn Programm des Augsbg. Realgymnasiums S. 24: »viro propter rectan Adern mag-

7 Weshalb stellte dann Podiebrad die Falle — warum diese allgemein

gehaltene Frage, bei deren Abstimmung Smirzicki in einer Not­ lage war, bei der leicht die zuerst Gefragten instruiert sein sonnten?1)

Weshalb kein ordentliches Hochverratsgericht aus den edelsten Baronen; weshalb diese auffallend schnelle Verhaftung, die dem Beklagten sein wichtigstes Recht der Verteidigung nahm, und die Hinrichtung kaum 24 Stunden nach der Verhaftung? Fürchtete Podiebrad, der „Verräter" könne der Welt erzählen, wie man König wird und was er mit seinen Getreuen in den „geheimen Zusammenkünften"-) ausgemacht hatte? Aus guten Gründen ist

die Hinrichtung einer der wenigen Fälle, wo das schöne Lob des Polen Dlngoß, Podiebrad habe sich nie rasch erwiesen, Menschen­ blut zu vergießen, seine Ausnahme findet. Hatte doch Podiebrad in diesen Monaten erkennen können, daß alle seine schlau ersonnenen Verträge vor dem Recht des

angestammten Königs nur beschriebenes Papier waren. Die mährischen Stände hatten Ladislaw als dem Sohn ihres Königs Albrecht, als ihrem Erbkönig in Brünn gehuldigt. Die grenzenlose Wut Podiebrads über diesen eigenmächtigen Schritt, der seine feinen Pläne kreuzte, spiegeln die stürmischen Jglauer Verhandlungen. Aber die Mähren trotzten auf ihr Recht, es war nichts

zu erreicheu. Auch die Beseitigung des Knaben, falls sie geplant war, der mit dem einzigen Verdienst eines Königssohnes bereits jetzt vcrtragsbrüchig seine Pläne kreuzte, der ihm einst die so schwer

errungene Macht spielend aus den Händen nehmen würde, war durch Smirzicki unmöglich geworden. Aber ein festes, am nifico absque lege, absque ullo iuris oreline sola vi tua caput abstulisti«. Wir wissen, daß Zdenko von Sternberg, Podiebrads bester Freund, aus der Hinrichtung Vorteile zog. Bachmann: Dialogus. Joh^ Raben­ steiners Archiv s. Josten. Geschichte 54 S. 359 und S. 364. ’) Wenn Äneas im April 1453 in einem Briefe, Palacky: Urkunde, Beiträge Fontes rer. austr. II 20 S. 55 f., von öffentlichen Landtagen spricht, so schließt das überhaupt und vorzüglich für später die „geheimen Zusammenkünfte" nichts aus. Vgl. Kollar S. 445.

8

Tage vor der Krönung abgeschlossenes Bündnis mit den Führern der Unabhängigkeitsparteien in Österreich und Ungarn, Eizinger

und Hunyadi, sicherte Georg für die nächsten Jahre die Herr­ schaft. T) Podiebrad hatte sich zwar vor bereits sechs Monaten mit dem mächtigen Grafen von Cilli verbunden, solch Bündnis konnte ihn aber nicht hindern, sich mit den schlimmsten Feinden des ohnmächtigen, in Ungnade gefallenen Grafen von Cilli zu

vereinen. Am 28. Oktober 1453 wurde dann Ladislaw im St. Veils­ dom auf dem Prager Schlosse gekrönt. Aber die Feierlichkeit

des Krönungstages hinderte Podiebrad und seine Anhänger­ nicht, zu versuchen, den Jglaucr Mißerfolg gut zu machen. Sie begannen einen in Anbetracht der Zeit und des Ortes doppelt häßlichen Streit mit den zur Krönung hcrbeigeeiltcn Vertretern Mährens, bis sie es durchgesctzt hatten, daß die

Huldigung der mährische» Stände nie als Präzedenzfall an­ geführt werden dürfe.

Über ein Jahr blieb Ladislaw in Prag im vertraulichsten Verkehr mit Podiebrad, dann rief den König der Wunsch seineranderen Länder nach Österreich und Ungarn. Den direkten

Anlaß zur Abreise bildete die Weigerung Breslaus, dem König in Prag zu huldigen. Diese seltsame Stadt scheute nicht Kosten,

nicht die Kriegsgefahr, „ireit König vor den Ketzern zu bringen, die ine sust nimmer mehr lebendig hetten weggelassen".")

x) Bachmann: Ein Jahr böhm. Geschichte, Archiv für österr. Ge­ schichte 54 S. 45 Anm. — Bachmann: König Georg von Böhmen, All­ gemeine Biographie S. 605. Kurze Gesch. K. Frdr. IV S. 277—279.

a) Eschenloer: Gesch. v. Breslau S. 21. Er sagt nicht mit Unrecht darüber: „Nach Vernunft war es torlich geredt, wann als er von freiem Willen in Behem zogen war, mochte er allezeit wieder darein ziehen das ihme die Breßler noch iemand mochte geweren." Aber auch er gibt zu, daß diese feste Haltung der Breslauer dem König ein. „Memento" hätte sein können. Vgl. S. 37: „C Laßlaw, woldest Du nicht gedenken was zuvor in Deiner Stat Breßlau besorget und Dir gesagt wart die Dir dorumme zu Prag nicht wolden Hulden uf daß sie Dich aus der Ketzer Handen brechten."

Selbst als Ladislaw seinen väterlichen Freund, Graf Ulrich von Cilli, bei dessen Absetzung Podiebrad einst wohl trotz seines

Bündnisses die Hand im Spiele gehabt hatte, zurückberief und Podiebrads neuer Verbündeter Eizinger in Ungnade fiel, trübte sich das Verhältnis zwischen König und Gubernator nicht. Ist

das Wort Kaiser Friedrichs Barbarossa: »Qui nescit dissimulare, nescit imperare« wahr, so hat Podiebrad seine Be­ fähigung und Ladislaw seine Anlage zum Herrscher in diesen Zeiten reichlich bewiesen. Im April 1455 schloß Podiebrad mit dem Grafen von

Cilli und der ungarischen Hofpartei wiederum ein festes Bünd­

nis ab, das er durch ein wohl kaum ganz ernst gemeintes Verlöbnis zwischen seinem Sohne Heinrich und Hieronima von Ujlak — beide Verlobte waren noch Kinder — befestigte. Verriet Podiebrad mit diesem Bündnis seine alten Freunde Eizinger und Huniady, oder beabsichtigte er mit ihm Verrat an seinen

neuen oder besser wiederum neuen Freunden, die in Sicher­ heit zu wiegen nicht ohne Wichtigkeit für ihn sein mußte?1) Wie wenig der Gubernator trotz solchen innigen Anschlusses an die königliche Partei geneigt war, selbständigen Entschlüssen des jungen Königs nur im geringsten nachzugeben, zeigt seine „zweideutige Haltung in dem Streite des Königs mit Kaiser Friedrich"2); an seinem Widerstände scheiterte die Hoffnung des Königs auf ausreichende böhmische Kriegshilfe gegen seinen früheren Vormund.

Den berechtigten Unwillen des „in seinen teuren Rechten gekränkten" Königs zog er sich zu, als er den von Ladislaw

mit den sächsischen Gesandten am 26. Februar in Ofen ge­ schlossenen Waffenstillstand bereits am 11. März kündigte. Eine bittere Lehre für den jungen König und für alle Fürsten, die *) Auch Huniady verband sich am 1. August 1455 mit Ulrich von Cilly. Als Gegenmaßregel gegen Podiebrads Schritt, oder entspringen beide Bündnisse einer gemeinsamen Verabredung?

8) Bachmann: Ein Jahr böhm. Geschichte S. 45; vgl. Palaeky, Gesch. v. Böhmen IVa S. 391—393.

10

ohne Bewilligung des Gubernators in böhmischen Angelegen­ heiten zu handeln wagten. Zur Bestrafung fehlte dem König die Macht, auch nahmen

die ungarischen Verhältnisse vorläufig sein ganzes Interesse in Anspruch

„Wehe dem Lande, dessen König ein Kind ist!"

Nach

dem Siege bei Belgrad, dem Tode Huniadys und Capristans folgen einander die Ermordung des zum Statthalter Ungarns

ernannten Grafen von Cilly durch den Sohn Huniadys, Ladislaw, dann Huniadys, vom König veranlaßte heimtückische Ge­

fangennahme, seine und seiner nächsten Anhänger Hinrichtung,

die Gefangenhaltung des Matthias Huniady,

die fast völlige

Niederschmetterung der Unabhängigkeitspartei. Podiebrad mag gelächelt haben, als er erfuhr, daß Ladis-

law in den letzten Dezembertagen 1456 den ungarischen Edlen mitgeteilt hatte, daß er von jetzt seine Lande selbst regieren wollet) Um dem König, den er wohl für einen machtlosen Gefangenen Huniadys hielt*2),3 seine ganze Verachtung zu zeigen,

zwang er Jesko von Boskowitz, dem König Ladislaw Policka verliehen hatte, das Städtchen wieder abzutreten, da es ohne

des Gubernators Rat übertragen wäre.2) nicht nur den

böhmischen sondern

auch

Ja, er wagte es, den österreichischen

Ständen einen Generallandtag zum 24. Januar nach Znaim

0 Birk: Beitrag zur Gesch. d. Königin Elisabeth von Ungarn und ihres Sohnes Ladislaus, Quellen und Forschungen 1849 S. 252—253: „Als nu wissentlich ist, daz wir unczher von unserm Vettern den von Cili von dem Gubernator zu Behem und annderen geregiert sein worden und haben unnserer Jugent halben unnsere Kunigreich und Lannd nicht mugen regiern. Nu wir aber mit der Hylff des Almechtigen gots zu unserer Vernufft und Jarn komen sein und not tut, daz wir unsere Kungreich und Lannd selbs regiern und fursehen."

2) Kürschner: Jobst von Einsiedel und seine Korrespondenz mit Eger, Archiv für oft. Gesch. Bd. 59 S. 239, Einsidel an Smidel und Junkher: „Der König ist frisch und gesunt und ist ganncz in der Ungern Gewalt, der Gubernator der regnet Im." 3) Kürschner: Jobst v. Eins, und s. K. mit Eger S. 240.

11 auszuschreiben, um zu beraten, „was zu des Königs, seiner Land und Leute Ehre, Nutz und Frommen wäre"?)

Der König verbot den Landtag, den Podiebrad so sehr wünschte, um seine bedrohte Stellung zu befestigen und Bundes­ genossen zu werbe». Dagegen setzte Ladislaw für die letzten Tage des März eine Zusammenkunft nach Skalitz an. Hatte Podiebrad dieses feste Auftreten stutzig gemacht, so belehrte

ihn die Niederwerfung der ungarischen Unabhängigkeitspartei, daß der König und sein treuer Mentor, der Wiener Alt-Bürger­ meister Hölzler, keine verachtenswerten Gegner seien.

Aber auch Georg Podiebrad war kein Schwächling, er wußte zu handeln. Er hatte noch im Dezember des vergangenen Jahres, als er Ladislaw Huniady allmächtig wähnte, eine „uamhaftige" Gesandtschaft nach Ungarn gesandt^), seinen Kämmerer Benesch von Weitmühl und den Untermarschall Borzita. Daß sein vertrauter Kämmerer, den Podiebrad später als König gerade mit den geheimsten Unterhandlungen zu betrauen pflegte, ungeachtet des Bündnisses seines Herrn

mit der Hofpartci, sich während seines mehr als dreimonat­ lichen Aufenthaltes'') rückhaltlos der ungarischen Unabhängigkeits­ partei in die Arme geworfen hat, wissen mir5); daß bei der Verhaftung der Führer dieser Partei auch Briefe Podiebrads von äußerst „kompromittierendem Inhalt" gefunden worden wären, behauptete das Gerücht in Böhmen. Weder der von ihm hcrvorgerufene Landtagsbeschluß, der die Verleumder bedrohte, Vgl. dazu die Ausführungen Bachmanns: Ein Jahr ?c. S. 51. 2) Kürschner: Jobst von Einsidel und seine Korrespondenz S. 260. Einsidel nennt naiv als Zweck der Gesandtschaft „zcu erfaren den ganczen Grünt der Sach, wie es sein königlichen Gnaden geet". — Der besorgte Georg! 3) Birk: Quellen und Forschungen 1849 S. 258. 4) Da die Gesandtschaft bereits am 1. Januar 1457 zurückerwartet wurde, ist sie spätestens 10. Dezember 1456 abgeordnet worden; vielleicht auf eine dringende Einladung Huniadys vom St. Andreastag aus Temesvar zu einem vor Weihnachten bei Temesvar abzuhaltenden Tag. Kürschner: Jobst ?c. S. 259—260. 5) Birk: Quellen und Forschungen 1849 S. 258.

12 noch die Versicherung des Königs, von dem seit Jahren be­ kannt war, „er kan wol froetgcit *), daß er von solchen Briefen nichts wisse, noch an sie glaube"2), mag Podiebrad über den Ver­ bleib manchen Briefes beruhigt haben2), zumal diese Versicherung mit einer dringenden Einladung nach Wien verbunden war.

Auch sprach die geplante Verhaftung seines Kämmerers Weitmühl, der dieser nur durch Flucht entronnen war, zu deutlich.4) Podiebrad mußte wissen, ob die Verhaftung allein deshalb erfolgen sollte, weil Weitmühl gegen den König „vil gerett"4) hatte. Diese Schmähungen und Weitmühls Stellung gegen die Hofpartei beweisen auch zur Genüge, daß er vom König für seinen Herrn nichts Gutes mehr erwarten konnte.

Daß der König den von ihm angesagten Skalitzer Tag, der eben durch eine vielleicht recht kurz gedachte Verhandlung in Wien ersetzt werden sollte, ohne vorherige Entschuldigung nicht besandte, würde durch die Entdeckung solcher Briefe nur zu erklärlich, und die Berufung feiner „Freunde" und der „©einigen", vorzüglich auch der für Georg so feindlichen Bres­ lauer2) nach Preßburg bedeutete für ihn nichts Gutes. So wurde der Skalitzer Tag eine Zusammenkunft der Führer der

drei Nnabhängigkeitsparteien.6) !) Birk: Quellen und Forschungen 1849 S. 233. 2) Palacky: Urkundliche Beiträge Fontes II 20 S. 113. 3) Vgl.: Historia seu epistola de miserabili morte serenissimi regis Ungariae etc. 8. 8. rer. Siles. XII S. 8. 87—92. Hier werden alle späteren Ereignisse auf die Anteilnahme Podiebrads an der Pester Verschwörung zurückgeführt. Die >Historia etc.« ist wenige Jahre nach Ladislaws Tod geschrieben worden. 4) Birk: Quellen und Forschungen 1849 S. 258. 5) Markgraf: Gesch. Schlesiens und besonders Breslaus unter Ladis­ laus Posthumus, Zeitschrift des Vereins für Gesch. Schlesiens XI S. 271. °) Bachmann: „Ein Jahr rc." S. 53, der die Wichtigkeit des Skalitzer Tages würdigt, nimmt leider an, daß Podiebrad sich dort allein mit den Führern der österreichischen Unabhängigkeitspartei verständigt habe und doch war die Verhandlung mit den ungarischen Herren gerade das wichtigste. Jobst von Einsidel schreibt: „Und mein g. Herrn reit für sich mit den Ungarn zu teidingen, mit den pehmischen, merherischen und osterichen Herren." Kürschner: Archiv für österr. Gesch. 59 S. 261.

13 Wir kennen die Skalitzer Verhandlungen nicht, und doch würden wohl die geheimen Besprechungen zwischen Podiebrad, Eizinger und einem der ungarischen Edlen den Schlüssel zu

allem Folgenden geben.

Suchen wir ihn nach der Sachlage und den später fol­ genden Ereignissen zu finden.

Die ungarische Unabhängigkeitspartei führte unter Szilagyi gegen den siegreichen Giskra einen Verzweiflungskampf. Die österreichische hatte im Adel zwar noch kräftige Stütze, ihre Führer aber wußten sich vom König und Hölzler wohl gehaßt;

die völlige Niederwerfung dieser Partei war mit Hilfe des treuen Wien nur eine Frage der Zeit — Giskra und Witowec hätten den letzten Widerstand gebrochen. Nur einer noch stand ungebeugt — Georg Podiebrad. Aber im Mai des nächsten Jahres lief seine Amtszeit ab.x) Nach den bestimmten Erklärungen des Königs, den Podiebrad so oft brüskiert hatte, war es ausgeschlossen, daß er ihm sein Amt erneuern würde; ebenso, daß Podiebrad, den die geringste Einmischung des Königs bisher zu unnötig erbitternden Schritten hingerissen hatte, ohne Schwertstreich sich von dem so oft Gedemütigten beiseite schieben, ihm die Früchte seiner segens­ reichen Tätigkeit ernten lassen würde. Waren überdies wirklich ihn kompromittierende Briefe in des Königs Händen, so war der Kampf nicht nur für die von ihm so heiß geliebte Macht sondern für sein Leben notwendig. Noch war er Landesverweser, noch folgten seinem Rufe

Tausende selbst gegen den König, wenn er ihnen vorstellte, es gelte, den Jüngling von antiutraquistischen und böhmenfeind­ lichen Einflüssen zu befreien, noch gab es keine Hofpartei in Böhmen. Aber in einem Jahre konnte sie sich gebildet haben ans seinen Neidern, aus den katholischen Baronen und mit fester Stütze an den katholischen Nebenländern; in einem Jahre konnte die geplante Heirat mit Magdalena von Frankreich dem *) Bachmann: „Ein Jahr rc." S. 68. Die sechsjährige Übertragung des Amtes am 2. Mai durch den König rechnet bereits vom Georgilandtag 1452, daher von der tatsächlichen Besetzung.

14

König unberechenbare Hilfskräfte zugeführt haben; bis dahin konnten die Unabhängigkeitsparteien in Österreich und Ungarn niedergerungen und die Kräfte dieser Länder unter einem Giskra und Witowec frei geworden sein. Und dann war Podiebrad

nicht mehr Landesverweser, der nach Belieben ausbieten unb Landtage berufen konnte.

So gab es für die Führer der drei Unabhängigkeitsparteien zwei Lösungen: Verzicht auf die Macht und die wahrschein­ liche Voraussicht auf strenge Bestrafung, „denn unsers Herrn Königs Genaden ist gar streng und hart", oder — der Tod

des Königs vor dem Mai 1458. Es ist wahrscheinlich, daß in Skalitz unter dem frischen Eindruck der Ofener Bluttat der Tod des Königs oder viel­ leicht seine Unschädlichmachung in der der Unabhängigkeitspartei allein noch sicheren Stadt Prag beschlossen wurde. Auch die Verbringung des Matthias Huniady nach Prag, seine Erwählung zum ungarischen König, die von Podiebrad zu leistende Hilfe und ihre Entschädigung sowie die Verlobung des Matthias mit der Tochter Podiebrads wird hier wohl besprochen sein. Diese Beschlüsse *) sind Vermutungen, wir aber können mit Tatsachen rechnen.

Im Juni 1457 lud Ladislaw Podiebrad und Eizinger nach Wien; den Vorwand bildete sein Streit mit dem Kaiser. Daß Podiebrad bereits jetzt Ursache hatte, zu fürchten, der König wolle ihn in der Mitte der treuen Bürgerschaft zur Verant0 Dlugos Palackl): Zeugenverhör S. 36 behauptet, daß Eizinger, Podiebrad und Matthias bezichtet würden, sich zur Vergiftung Ladislaws verbunden zu haben: >et quod practica ipsa per tres gubernatores praedictos notabili tempore fabricata fuerit et tandem per Gierzikonem Posdzyebraczki executioni mandata und behauptet ferner, Eizinger habe nach seiner durch Herzog Albrecht von Österreich angeordneten Verhaftung die Verschwörung zugestanden. Auch Antonius, der Bischof von Florenz, berichtet über solche Verschwörung; auch das Klagelied über Ladislaws Tod nimmt sie an. Pez Script, rer. Austr. II S. 679—681. Der Anonymus chronicon Austriacum berichtet, daß die Wiener von der Mitschuld Eizingers an Ladislaws Tod überzeugt gewesen seien.

15 Wortung ziehen, zeigt sein Verhaltens, daß er weitere Pläne

verfolgte, sein unerwarteter Gehorsam. Mit 800 Reisigen zog er nach Österreich, wo er sich mit

Eizinger verband. Die Untertanen verlangten von ihrem König einen Geleitsbrief — er wurde ihnen gewährt. Vor Wien meldeten sie dem König ihre Ankunft; aber die Stadt, die doch nicht mit ihnen in Fehde lag, zu betreten, weigerten sie sich: ein sicheres Zeichen, wie sehr Georg fürchten mußte, trotz des Geleitsbriefes vom Könige zur Verantwortung gezogen zu werden.

Huniady war wegen Mord und Hochverrat hingerichtet worden; hätte Podiebrad ein reines Gewissen gehabt, so hätte er Huniadys Schicksal nicht zu fürchten gehabt. Wollte Ladislaw nicht auf ihre Vermittlung in seinem Streite gegen den Kaiser verzichten und dem Gubernator keinen Grunds zu einer jetzt noch gefährlichen offenen Feindschaft und zum Anschluß an seine Gegner geben, so mußte er gegen den Rat der Wiener sich zu seinen Untertanen hinausbegeben.

Mag Ladislaw erwartet haben, daß Podiebrad die Absetzung seines Gegners Hölzler fordern oder die Erweiterung und Ver­ längerung seiner Machtbefugnisse ertrotzen würde, das „große Geheimnis", das Podiebrad nur ihm mitteilen zu wollen er­ klärt hatte b), hätte er nie erraten. Es war die seltsame Forderung, der König solle seine Hochzeit in Prag feiern, der Nationalstolz der Böhmen ver­ lange das; er müsse spätestens am 11. November in Prag sein. Anscheinend war das Verlangen harmlos, obgleich es wundernehmen mußte, daß man einen König zwingen wollte, seinen schönsten Tag in einer bestimmten Stadt zu verbringen;

in einer Stadt, in der er, der über so viel treue Städte gebot, nicht einmal den Schein der Macht besaß; unerklärlich, warum *) Vgl. zu dem Folgenden Bachmann: „Ein Jahr ?c." S. 55—59. 2) Die Berufung ihres verdienstvollen Führers nach Wien und sein Richtempfang wäre den hussitischen Böhmen sicher als eine schwere Be­ schimpfung, die Weigerung Podiebrads, Wien zu betreten, nach den Ofener Vorgängen berechtigt erschienen. 5) Äneas Sylvins: Kollar S. 468.

16 die Vermählung des frommen katholischen Königs mit der katholischen Königstochter gerade in der Ketzerstadt gefeiert werden sollte; beleidigend, daß der König sich in die Gewalt eines Untertanen begeben sollte, der soeben ein gleiches Ver­ trauen trotz feierlichen Geleitsbriefes ihm versagt hatte. Auch schienen nur die Böhmen, die um seine Wünsche sich bisher

gar wenig gekümmert hatten, solchen Nationalstolz zu besitze»; denn auch Eizinger riet dringend für Prag. Die Seltsamkeit der Forderung veranlaßte ihre Ablehnung; die Dringlichkeit, mit der die Barone auf ihr bestanden, mußte

Verdacht erregen. Und doch gab es keine Erklärung — wollte Podiebrad den Einfluß Hölzlers brechens, so wäre die For­ derung einer vieljährigen Verbannung dieses Mannes geeigneter gewesen. Die Anwesenheit des Königs wurde doch in Prag

nicht für immer verlangt; setzte man durch solche Forderung dem Einfluß Hölzlers auf wenige Monate Schranken, so war dem Getreuen nach der Entfernung aus Prag die alte Macht wieder sicher; ja selbst in Prag konnte er, wenn man ihn in seiner Stellung beließ, den Unabhüngigkeitsparteien genug schaden. Standhaft weigerte sich der junge König, einer an sich nebensächlichen Forderung nachzugeben, der erst die Dringlich­ keit, mit der die trotzigen Barone darauf bestanden, Wichtigkeit verlieh; man brach die Verhandlungen ab. Es galt, erst den jungen König sicher zu machen; er hatte die Barone zur Ver­ mittlung seiner Streitigkeiten mit dem Kaiser berufen; hier konnten sie sich, ohne ihr Interesse zu schädigen, als treue Diener erweisen. In Korneuburg gelang es Eizingers und Podiebrads Eifer, unterstützt von einigen Fürsten, einen Aus­ gleich zwischen Kaiser und König herbeizuführen. Zum Dank zog

sie der König zur Tafel; aber er und seine Räte waren doch um nichts geneigter, ihrer unerklärlichen Forderung nachzugeben.

Wohl schon in Skalitz war es beschlossen worden, loszu­ schlagen, wenn Ladislaw sich weigern würde, bis spätestens int

0 Wie Bachmann annimmt, „Ein Jahr rc." S. 55.

17 November nach Prag zu kommen; der Kampf war schwieriger

als der Mord, aber die Entscheidung mußte vor dem Mai des nächsten Jahres zwischen dem König und den Unabhängigkeits­ parteien fallen. Entschlossen kündigte Podiebrad den Kampf an, er werde

mit einem Heere den König holen — doch kaum zur Hochzeit, es wäre eine nicht ganz gewöhnliche Art, einen König „ein­

zuholen". Ja, Podiebrad soll sich in dieser Stunde nicht gescheut haben, seine verstecktesten Pläne zu enthüllen und eine Neuwahl

anzukündigen.T) Georg

verließ Korneuberg,

sicherlich

entschlossen,

sein

Wort zu halten. Es muß ein sehr ernster Kronrat gewesen sein, der nach seiner Entfernung den folgenschweren Beschluß gefaßt hat.

Die gleichen Gründe?), die Podiebrad zur Beschleunigung

der notwendigen Entscheidung hatte, mußten die königlichen

Räte zu ihrer Verzögerung haben.

Ein Aufstand in den drei

Reichen verschob die Hochzeit und damit die Aussicht auf fran­

zösisches Gold und französische Hilfe.

Wichtig genug — und

doch nur ein Grund unter den vielen, die die Hinausschiebung

des Kampfes bis zum nächsten Jahre verlangten. So dunkel die Absicht war, welche die Barone mit der Reise des Königs nach Prag verbanden, ihre Verweigerung

war das Zeichen zu dem jetzt noch gefürchteten Kampf.

Sogar

die böhmenfeindlichsten Räte Hölzler und der Bischof Ulrich

von Passau scheinen dafür gestimmt zu haben, Podiebrad diesen fadenscheinigen Vorwand zu nehmen;

unter ihrer Führung

eilte eine königliche Gesandtschaft dem Gubernator nach.

Im

Schrattentale überbrachten sie ihm die angenehme Botschaft,

daß der König bereits vor dem bestimmten Termin in Prag erscheinen werde.

Podiebrad hielt es nicht einmal für ange­

messen, dem König für seine Nachgiebigkeit zu danken.

Er zog

x) Nach dem Bericht des Hieronymus von Kreta gedruckt, Engls Allgemeine Welthistorie (1798) Bd. 2 S. 12. 2) Bide vorher gelegentlich der Skalitzer Verhandlungen. Dr. Kanter, Die Ermordung König Ladislaws.

2

18 weiter nach Böhmen; man hatte ihm den Kampf erspart.

Ohne

Schwertstreich hatte er seine Absicht erreicht. Am 29. September zog Ladislaw „mechticlich" in Prag ein1)2 3 und wurde mit allen Ehren empfangen.

Aber wieder

bewiesen die Breslauer wie manches Mal früher, wie gegen alle

Welt später ihren prophetischen Blick. Laut jammerte man dort,

daß Podiebrad

den König

nicht

mehr aus

seiner Gewalt

lassen werdet) In Prag ließ man die Maske gar bald fallen.

Der erste wohlgezielte Schlag traf den treuen Hölzler, der sich im Vertrauen auf den jungen König mit nach Prag

begeben hatte. Zahlungen, die Hölzler, der Schatzmeister des Königs, erwartet hattet, wurden nicht geleistet; so konnte er die versprochenen hohen Summen für die nach Frankreich be­

stimmte

Gesandtschaft

nicht

aufbringen:

eine

bedauerliche

Schwierigkeit, für die kaum bei den Türken der bewährte Schatz­ meister verantwortlich

gemacht worden wäre.

In Prag aber

inszenierten die Barone einen Entrüstungssturm, ohne Prüfung

von Schuld und Unschuld wurde Hölzler abgesetzt; dann ließ

ihn Podiebrad in einen der Prager Türme werfen. „Es ist dies eine der wenigen harten Taten, zu denen sich der sonst zur Versöhnlichkeit und zu friedlichem Ausgleiche stets geneigte Georg von Podiebrad aus Rücksichten der Politik bewegen liefe."4)

Die Tat war nicht so sehr ein Racheakt für den so

lange geübten feindlichen Einflufe, Maferegel.

es war eine notwendige

Galt es doch, nicht nur den treuen Berater zu

entfernen, der die Beschlüsse hindern konnte, zu deren Aus­ führung die formelle Einwilligung Ladislaws notwendig war, *) Bachmann: Fontes rer. Austr. S. 203. 2) Markgraf: Gesch. Schlesiens 2c., Zeitschr. des Vereins für Gesch. Schlesiens XI S. 271. 3) Es ist natürlich nicht unmöglich, daß Podiebrad auch bei diesen Zahlungsstockungen seine Hand im Spiele gehabt hat. Die an sich recht unglaubwürdige Erzählung in »Historia seu epistola de miserabili morte serenissimi regis«, 8. 8. rer. Siles. XII S. 87—92, die ihn einer recht plumpen Intrige zeiht, mag daraus entstanden sein. 4) Bachmann: „Ein Jahr 2C." S. 58.

19 sondern man mußte den Mann stumm machen, der, wenn er die Novembertage miterlebt hätte, auch den Mut gehabt hätte, die Geschehnisse vor aller Welt zu bezeugen, und das Ansehen, daß alle Welt ihn gehört hätte. Der edle Podiebrad trug einen Teil der Kosten für die Gesandtschaft, die im Namen des jungen Königs um die schöne Magdalena von Frankreich werben sollte. Die Gesandtschaft führte Bischof Ulrich von Passau, der Ladislaw vor den An­ schlägen Podiebrads und seiner Gemahlin gewarnt hattet,

Mitglieder der Gesandtschaft waren einige Führer der ungarischen Hospartei, die man später vor und bei der Wahl des Huniady recht gerne vermißte. Ihre Handlungen in Frankreich wurden

von dem getreuen Sternberg und Oswald Eizinger überwacht. Oswalds Bruder und Vetter Ulrich und Siegmund Eizinger hatten andere, schwierigere Aufträge auszurichten. Schon im Beginn des Jahres hatte Podiebrad, indem er seinen Anschluß an die katholische Kirche hoffen ließ und so­ gar Rokyczana zur Korrespondenz mit dem Papste veranlaßte, die bei den beabsichtigten Ereignissen so wichtige Gunst des greisen vertrauensseligen Pontifex Kalixt gewonnen. Nach dem Bewahrer des Bannes galt es, sich den Bewahrer der Acht zu verpflichten. Dafür gab es bei dem besitzgierigcn Kaiser ein einfaches

Mittel — man zwang Ladislaw zum Verzicht auf das vom Kaiser eingczogcne Erbe seines Onkels, des Grafen Cilli. Ulrich

Eizinger überbrachte das in den Augen des Kaisers großartige Geschenk-) — der konnte ja nicht wissen, daß es ihm als Erbe in einem Monat zufallen mußte — und veranlaßte gefällig Ladislaws kühnen Hauptmann Witowec zur Herausgabe der

für den König besetzten Schlösser. In Wien hatten Ulrich und Siegmund Eizinger bereits vorher einen großen Erfolg erzielt. Am 31. Oktober, an dem sonst nie der Rat zu wechseln pflegte, hatten sie den alten,

*) Pez.: Script rer. Austr. II S. 680. 8) Das man sich natürlich erst, um den Wert zu erhöhen, abhandeln lies;.

20 königstreuen Rat gegen den Willen der Gemeinde abgesetzt, neue Bürgermeister, Richter und einen ihnen genehmen Rat ernannt1)*; 3 die 4 5 unerschütterliche Feste königstreuer Gesinnung

war unschädlich gemacht.

Während Ulrich dann mit dem Kaiser

verhandelte, hatte Siegmund eine gleich wichtige Aufgabe.

Matthias Huniady war bis vor der Reise des Königs nach Prag in der Wiener Burg gefangen gehalten worden-), dann schien es dem König noch sicherer, das wertvolle Pfand aus Hölzlers Schloß Landbach bewahren zu lassen.^) Auf Befehl

des Königs — Thurotz und Gregor Heimburg brauchten es nicht zu bezeugen —, der durch Podiebrad bewirkt war, lieferte der Hauptmann der Burg Matthias Huniady an Siegmund von Eizinger aus. Pünktlich einen Tag nach dem Tode des Königs traf Eizinger mit ihm in Prag ein. Wie mag der junge König zu all diesen Geschehnissen ge­ knirscht haben! Sein treuester Diener im Gefängnis, seine treueste Stadt ihm entfremdet, sein Erbe an den gehaßten Kaiser verschleudert!'') Wie ein Schulbube gehofmeistert! Die an­ hänglichen katholischen Breslauer wurden in seiner Gegenwart beschimpft; als er ihnen die Hand zum Gruße bieten wollte, riß sie ihm Podiebrad fort.6) Verständlich ist es, daß der Jüngling, dessen Selbstbeherrschung seine Zeitgenossen rühmen, wenige Tage vor seinem Tode seinen Groll nicht mehr meistern x) Anonymi Chronicon Austriacum V S- 39. Vgl. Gregor Heim­ burg an den Wiener Rat, Archiv für Kunde österr. Geschichte Bd. 58 S. 170. ’) Anonymi Chronicon etc. V S. 32, vgl. Fontes rer. Austr. II, 20 S. 116. 3) Anonymi Chronicon V S. 38, vgl. Archiv für Kunde österr. Ge­ schichte Bd. 58 S. 170. 4) Straßburger Stadtarchiv A. A. 251. Schreibt doch Ladislaus noch am 15. Juni 1457 über das ungerechte Vorgehen des Kaisers: „Solchen Jurnemen unS nicht fügt mit Geduld lenzer nachzusehn, wann je mer wir das gestalten je größer Schaden uns daraus erwechst." „Er gedenke es nicht verrer zu dulden." 5) All das ist ja nur das Wenige, was wir aus dürftigen Quellen kennen, wie viel Demütigungen in weniger wichtigen Angelegenheiten mag er erlitten haben; vgl. Eschenloer: Gesch. v. Breslau S. 40.

21 konnte.

Einen Deutsche», der einen Böhmen im Zweikampfe

besiegt hatte, lobte er mit Worten, die seine Gesinnung gegen seine Wächter deutlich genug offenbaren.^)

Selbst ein Kindergemüt, dem alle wohlerwogenen, ein be­ stimmtes Ziel

voraussehenden Schritte Podiebrads

nur eine

Reihe von Zufälligkeiten sind, wird, wenn es konfessioneller oder nationaler Fanatismus nicht blind macht, zugeben: Podiebrad hat im Oktober und November 1457

Georg

nicht mehr

damit gerechnet, je als Diener dem Herrn, seinem jungen König gegenübcrzustehen.

Wer aber den frommen Kinderglauben an

zu viel Zufälligkeiten verloren hat, wird weiter folgern: Mußte Podiebrad bisher vor Mai, dem Ablauf seiner Amtszeit, den Tod Ladislaws wünschen,

so mußte ihm jetzt der Tod vor

Januar 1459, daher dem vermutlichen Eintreffen Magdalenas?),

noch willkommener sein.

Ein Posthumus hatte ja schon einmal

seine Pläne gestört, auch wären die Nachsorschungen des Königs von Frankreich nach dem Tode seines Schwiegersohnes wohl

dringender gewesen als nach dem eines Brautwerbers. Am bequemsten aber war der Tod des Königs für Podiebrad, wenn er bereits vor der Ankunft des Matthias Huniady in

Prag erfolgte.

Und

am 23. November um 3 Uhr nachmittags,

einen

Tag vor der Ankunft des Matthias^), 37 Stunden nachdem er mit Podiebrads Gemahlin zu Abend gespeist hatte, hauchte der König sterbend sein »Sed libera nos a malo«.

Billig ist es, „Kretschamhäusern"

den Instinkt der Masse,

der sich in den

Luft machte, als falsch zu schmähen, so

billig wie die Entgegnung: Vox populi, vox dei. (5jdienfocr: Gesch. v. Breslau S. 43 „Du solt Gott danken, der Dir gehulsen hat: bette der Behem als gut gehabt als Du, er hctte Dich nicht lassen leben." Das „groß Knirschen" der Ketzer nach diesen Worten ist begreiflich. 8) Die Gesandtschaft wurde durch Krankheit des Königs von Frank­ reich länger aufgehalten. 3) Fontes rer. Austr. II, 20 S. 116. Nach Leubings Bericht. Nach Eschenloer traf Matthias bereits am Abend d. 23. ein.

22 Man sage auch nicht, der jähe Tod des kräftigen Jüng­

lings ließ die Deutschen an seine Ermordung durch die ver­ haßten Ketzer glaubenx), im Gegenteil mochten die verständigeren Elemente, bevor alle Einzelheiten bekannt wurden, wegen der

Furchtbarkeit des Verbrechens es nicht für möglich halten.3*)2 Doch als der Hofstaat Ladislaws Böhmen verlassen hatte,

konnte die Welt nicht mehr an der Ursache des Todes zweifeln.

Die uns wichtigen Belastungszeugen können wir in drei Klassen teilen: I. Zeugen,

die während der Krankheit des Königs sich

um seine Person befanden; II. Zeugen, die sich zur Zeit des Todes in Prag aufhielten;

III. Zeugen, die die Aussagen von Zeugen der Klassen I

und II wiedergeben oder durch ihre Stellung wenigstens dazu in der Lage waren. Nicht allzu wichtig erscheinen uns also manche Lieder, die Podiebrad als den Mörder bezeichnen. Geringen Wert legen wir auch all den außerböhmischen

gleichzeitigen Chronisten bei, die uns über den Giftmord be­ richten. 3) Eine Einstimmigkeit, die sonst jedes Begebnis historisch

*) Der Verteidiger meint nicht allzu geschmackvoll, die fern von Prag lebenden Deutschen hätten bei der Nachricht „instinktmäßig" gedacht, „den haben gewiß die verfluchten Ketzer umgebracht". Zeugenverhör S. 56—57Zu den Auseinandersetzungen, die auch fernerhin mit dem toten Gegner notwendig werden, bemerkt der Verf.: Der Überzeugungstreue und dem

rührenden Eifer Palackys, dem ja auch diese Arbeit manche Erleichterung verdankt, wird jeder Unbefangene die höchste Achtung zollen. Palacky sollte und wollte durch die Geschichte beweisen, daß sein Volk einen ehren­ vollen Platz unter den Völkern Europas entnimmt; der Wunsch, den Nationalkönig von so schwerer Schuld entlastet zu sehen, ist bei ihm der Vater so mancher irrigen Wertung und Betrachtung, leider aber auch die Ursache vieler Unaufrichtigkeiten, ja Entstellungen.

2) Vgl. den Bericht der Frankfurter Boten, Janßen: Franks. Reichskorresp. II S. 38. 3) Zeugenverhör S. 24—26. Der Verteidiger läßt dort viele gleich­ zeitige Chroniken aus, die gleichfalls über die Vergiftung berichten. So

23 sich erstellen würde, soll hier nur beweisen, daß in Polen und Frankreich, in Byzanz und Italien, am Rhein wie in Österreich und fast in allen deutschen Landen und sogar in den katholischen Teilen Böhmens an de» Mord geglaubt wurde, daß diese

aufmerksamen Beobachter keinen Mann des zahlreichen könig­ lichen Hofstaates gekannt haben, der die Ermordung bestritten

hätte. Es ist selbstverständlich, daß die Phantasie der einzelnen Chronisten in ihrem Bericht mitspielt. Die einen vermuteten, die Rüblein, die Ladislaus am Montag abend gespeist hätte,

seien vergiftet gewesen, die anderen meinen, der Apfel, den ihm Johanna, Podiebrads Gattin, als Nachspeise geschält haben soll, habe das Gift enthalten; die einen nennen Eizinger und Huniady, andere nur Johanna als Mitschuldige. Es sind dies unwichtige, nur zu leicht erklärliche Widersprüche. Einem Sänger ist die Vergiftung zn undramatisch; er ersetzt sie durch Erdrosselung, eine Todesart, die durch Entfernung der Kämmerer am ersten Tage der Krankheit dem Volke glaubhaft wurde.x) Auch ist es nicht unsere „Hauptaufgabe", wie die des Ver­ teidigers, den Bericht des Äncas Sylvius zu prüfen.

Mit Meisterschaft hat es dieser kosmopolitisch gebildete Schöngeist verstanden, die offiziellen böhmischen Berichte mit de» Beschuldigungen der Begleiter Ladislaws und dem Klatsch der Höfe zu einer poetischen Schilderung zu verarbeiten. Daß Äncas den Gerichtstag statt auf den Montag auf

den Dienstag verlegt und so gegen alle Zeugnisse noch den kranken König seine Pflichten erfüllen läßt, ist eine poetische die Speierische Chronik, Tdiiriugiichc Chronik, Rosenbergische Chronik zum Jahre 1457. (Letztere Chronik war dem Verteidiger bekannt. Er zitiert sie zum Jahre 145s, Jeugenverhör S. 37.) Annales Glogovienses etc. Auch die Ilistoria seu epistola de miserabili morte Serenissimi regis etc., 8. 8. rer. Silos. XII S. 92, behauptet die Ver­ giftung, gleichfalls die Lieder bei Chmel, Berichte der kaiserlichen Akademie Wien 1850. *) Timpelfcld meint, das; man den Tod des Königs am Mittwoch gewaltsam beschleunigt habe. Jordan: Königtum Georgs von Podie­ brad S. 384.

24 Freiheit, wie vieles andere; sie gibt aber keinesfalls dem Ver­

teidiger zu der später so wohlbenutzten Behauptung Grund, Äneas „überspringe den ganzen Dienstag und mache aus

zwei Nächten eine".1) Als tertiäre Quelle ist der Bericht Äneas Sylvius' nur au der Stelle zu benutzen, wo er seine Quelle nennt und wo seine Angaben durch ernste Zeugen bestätigt werden — über die Aussagen der Ärzte.

Nur das, was er in dem letzten großen Ausschreiben vor

seinem Tode wieder

„Darumb sie

bezeugt, ist zu glauben:

Ladislaw mit Gift vergeben haben, das Girsigk lichtiglich zu

tun hatte so als Laßla in seiner Macht war und keinen andern Diener denn Ketzer bei Laßlaw Tode hatte.

Wie wol hiran

die Warheit verborgen ist, doch kamen hernach die Erzte gen

Wien und sageten offenbar, daß Ladislaw vergeben were mit

Gift, als sie ihn eigentlichen besehen hatten?)"

Und nun zu den Zeugen der drei Klassen. Ein wichtiger Belastungszeuge ist Andreas von Lapiz,

Burggraf von Steier. „Ich schrieb die Geschichte zu einem Unterricht meinen Kindern nahmblich meinen Söhnen das sie doch wissen was Wunders und unglaublicher Handl ist beschehen bey meinen Zeiten", so sagt er selbst;

er schrieb also

nicht aus persönlichen oder politischen Gründen.

Lapiz war

Cillis Begleiter bis zur Ermordung desselben gewesen und

dann in Ladislaws Dienste getreten.

Er hat also alle Phasen

des Mordplanes sich entwickeln sehen und er behüuptet, „daß

Ladislaw bößlich und verräterisch vergeben ward zu Prag durch 0 Zeugenverhör S. 40 und 51.

Nach Äneas Sylvius beginnt aber

tatsächlich die Krankheit: >X kal Decembris hora circiter XII< >XXXVI horas« vor dem Ableben — also Dienstag ca. 4 Uhr morgens. Dienstag vormittags ist Gerichtstag: der König mit sichtbaren Zeichen der Krank­ heit, nachmittags Eintreten einer geringen Besserung, nachts Ver­ schlimmerung des Zustandes; Mittwoch vormittags Empfang der hl. Sakramente, Aussprache mit Podiebrad und ca. 4 Uhr nachmittags Ab­ leben. Also haben „Kaprinai und andere" richtig, der Verteidiger aber falsch gelesen. ’) Eschenloer: Gesch. v. Breslau S. 248.

25

de» Girschickha von Podebra, der nach ihm Khunig ward in Beheim. Der pöß Mordt geschah an Khunig Laßla durch Gift

an St. Clemententag, da man zalt 1457 Jar".Z Wie findet sich nun der Verteidiger mit diesem Zeugen, dessen bona fides über allem Zweifel erhaben ist, ab? „Lapiz war bei König Ladislaws Tode erst 22 Jahre alt und schrieb sein Werk erst nach dem Tode der Kaiserin Eleonore, also nach 1465, wahrscheinlich im hohen Alter."

Zwei Zeilen und dann

verschwindet dieser Zeuge ans allen Erörterungen des Ver­ teidigers.-) Die behauptete Wahrscheinlichkeit ist Vermutung; auf diese will der Verteidiger uns glauben machen, ei» Mann, der das Datum des Todestages im Gedächtnis behalten hat, habe die Todesart vergessen? weltgeschichtliches Ereignis.

Und dieser Tod war doch ein

Gegen den zweiten Zeugen, Johannes Rode, Sekretär und Kämmerer König Ladislaws, ist der Verteidiger „mehr als gegen jeden anderen eingenommen". Er hat den Zeugens „im Ver­ dacht, dem Äneas Sylvins all jenes unsaubere Material ge­ liefert" zu haben, das Äneas zu einer Geschichte König Ladis­

laws im Jahre 1457 verarbeitet hat.4*)* 3 Wir teilen die „Animosität" des Verteidigers nicht, bis der Beweis dieses Verdachtes erbracht und nur ein lügenhafter Bericht Rodes festgestellt ist. Und warum auch läßt der Verteidiger der Erbitterung gegen diesen so ungefährlichen Zeugen die Zügel schießen? Zeugenverhör 3. 23. Der Verteidiger sagt Zeugenverhör S. 47: die wichtigeren Zeugen hätten „ohnehin nebenbei ihre Widerlegung" gefunden und er wolle „durch zu häufige Widerholung derselben Umstände und Gründe dem Leser keine Langeweile bereiten". 3) Zeugenverhör 3. 44. Die Vermutung des Verteidigers, daß der Brief Rodes vielleicht verfälscht sei, ist wohl nicht ganz ernst gemeint. Das beanstandete >> alias«. in dem 3st£ meuter eorum regem aegrotantem alias vidit« ist eine Bekräftigung, mit „überhaupt" zu übersetzen. So wird es häufig in dieser Zeit gebraucht, Fontes, rer. Austr. VII 3. 133 ?c. Über die Verwechslung des Herausgebers zwischen Absender und Adressat ist doch kein Wort zu verlieren. 4) Zeugeuverhör 3. 45.

26 Sagt er doch nach der Behauptung des Bertcidigcrs eigentlich nicht mehr aus: „Ich weiß, was ich weiß, aber ich sage es nicht, es wird schon von selbst ans Tageslicht kommend) Dieser Zeuge, der während der Krankheit des Königs am meisten um seine Person beschäftigt war, sagt aber tatsächlich mehr und anderes aus, als der Verteidiger wahr haben will. Der Zeuge bringt den damals und heute jedem Gebildeten gültigen Beweis, daß Ladislaw nicht an der Pest gestorben sei-):

»Ante quem vel minimus quisque ex eius familia neque post eum ullus etiain eorum qui ei aegrotanti quotidie astetimus, aut aliorum quispiam minimae sortis hoc genere mortis interiit.« Also weder vor noch nach dem Tode Ladislaws bestand selbst in seiner nächsten Umgebung irgend eine

Ansteckungsgefahr. Dem Kämmerer ist es nicht zweifelhaft, daß einst die Sonne alles an den Tag bringen werde, noch aber sei es

besser, zu schweige». Wahrlich es war besser — regierten doch die Räte „ihre Gemein" „in Furcht vor unnuczer Rede", selbst ohne daß sie Podiebrad dazu auffordern liefe.3) Wo war die Stadt, deren Handel den mächtigen Gubernator nicht zu fürchten gehabt hätte? Welcher Rat hätte sich einer geforderten Ver­ haftung widersetzen können? Mufeten später Männer, die Podie­ brad ihre Stimme zur Königswahl nicht geben wollten, für ihren Kopf zitterns, was hatte der zu fürchten, der den Guber­ nator öffentlich des Mordes zieh? Freilich der Verteidiger nennt von seinem Schreibtisch ans die Ärzte und Kämmerer, die nicht bereits in Prag „selbst auf

die Gefahr ihres Lebens" über die Ermordung Lärm schlugen, „niederträchtige, feige Memmen". Aber er vergißt, daß diesen ’) Zeugenverhör 8. 56. *) Vgl. Exkurs. 5) Jobst von Einsidel u. s. Korresp. m. d. Stadl Eger, Archiv für osterr. Gesch. XXXIX S. 264. Selbst in Breslau fürchteten „die Rat­ manne viel zukünftig arges, gedachten solche Rede umbs besten Witten zu unterstehen" — aber vergebens. Eschenloer: Gesch. v. Breslau S. 44. 4) Fontes rer. Austr. Bd. 46, S. 2. Rosenbergische Chronik, Archiv für österr. Geschichtsauellen XII S. 354 und Eschenloer: Gesch. v. Bres­ lau S. 47.

27 Lärm niemand gehört hätte, sie wären verschwunden.

Hätten sie

in Prag den Giftmord nachgewiesen, so wären sie die Mörder

des Königs gewesen, „da sie doch albeg nahent bey ihm ge­ wesen" seien. Nicht umsonst hatte „Girsik alle Tore zu Präge besatzt, daß niemand mochte auskommen biß nach Laßlaw Begrebniß", so daß sogar „Fvrchte in den Gesten entstunden".

Wunderbar ist das Schweigen und zuerst die vorsichtige Ausdrucksweise nicht, wunderbar ist nur, daß keiner dieser braven Männer dem mächtigen Gubernator und König zu Ge­ fallen die Tat geleugnet hat.

„Am meisten war ich um den kranken König beschäftigt, niemand kann eine bessere Kenntnis der Sachlage haben", sagt Rode.

Da fährt der Verteidiger ihn an: „Aber, bone vir, wenn Du diese notitia hast, warum kramst Du sie nicht aus, warum

ergehst Du Dich in bloßen Vermutungen (??!), Möglichkeiten (??!), Verdächtigungen? Warum sagst Du nicht geradeaus, wer den König umgebracht hat; warum gibst Du die Umstände der Ver­ giftung nicht an?" Tote pflegen nicht zu antworten.

Und doch wird — ohne Spiritismus — Johannes Rode vielleicht den Fragen des Verteidigers noch Antwort geben. 1458

oder im Beginn des Jahres 1459 haben die Kümmerer König Ladislaws in einer öffentlichen Klageschrift Georg Podiebrad als den Mörder bezeichnet.2) Findet sich diese »manifesta querela secretariorum« in einem Archiv — dann wird Johannes Rode Franz Palacky, der Tote dem Toten geantwortet haben.

Vorläufig genügt das, was Rode uns bezeugt hat. Der dritte Zeuge ist Peter Eschenloer, Stadtschreiber zu Breslau, der begabteste deutsche Chronist des XV. Jahr­ hunderts, ein Mann, den seine politische Gegnerschaft niemals x) Eschenloer: Gesch. v. Breslau S. 39. 8) Ausschreiben des Kanonikus Timpelfeld: Jordau Kgtm. Georgs von Podiebrad S. 384. Gabriel von Verona nennt diese Klageschrift »emissio camciariorum«. Ioachimsohn: Programm des Augsburger Realgymnasiums 3. 24.

28 zu gemeiner Verleumdung getrieben hätte, dem sein gerader

Sinn und seine Unparteilichkeit die Feindschaft vieler seiner Mit­

bürger eingetragen hat. Er war zur Zeit des Todes als Gesandter seiner Stadt in Prag. Er sagt, den blühenden Jüngling hätte eine natürliche Krankheit nicht binnen 20 Stun­ den*) töten können, „wenn seine Natur was also wol geschickt, daß sie widerstanden hette etliche Tage allen Krankheiten und Seuchen.

Dorumme als ich gesehen hab mag ich beweren mit

der Erfarunge das er hat aus äußerlicher Not müssen sterben. Oder wie, das wart darnach nicht offenbar, sunder mancherley Rede entstunden die doch nicht Grund hatten. Jedoch alle

seine Kämmerer und Erzte sagten eintrechtiglichen das ihm were vorgeben mit Gift an den Rüblein, die hette er des Abcndeö mit der Girsikinne geessen". Wer findet in diesen Ausführungen außer dem Verteidiger Widersprüche?'^) Er sagt: Ich stehe für die Ermordung.

Die Art der Ermordung wurde nicht offenbar; mancherlei unglaubhafte Gerüchte entstanden sofort, dagegen erklärten Ärzte und Kämmerer, Ladislaw sei durch

Rüben vergiftet worden. Der Verteidiger meint hiezu: „Man wußte nichts und wußte doch alles! Natürlich die Aufklärung ist dem Verfasser erst hinterdrein durch Äneas Sylvius gekommen."

Um diese Zeugen zu mißkreditieren, behauptet nämlich der Verteidiger, Eschenlocr habe Äneas Sylvius ausgeschrieben — der Chronist, Schriftsteller, sich von der braucht man

der das Gräßliche in Entsetzen miterlebt hat, den der zur Zeit des Mordes in Rom weilte. Um Nichtigkeit solcher Behauptung zu überzeugen, nur die bezüglichen Stellen bei beiden Schrift­

Auch spricht cs nicht gegen seine Konsequenz, daß Eschenlocr „die ganze Schuld der Vergiftung Johanna zuschreibt und dabei dennoch Georg den Mörder nennt".

stellern zu lesen.

Der Verteidiger zitiert falsch, nicht Eschenlocr schreibt Johanna die Schuld an der Vergiftung zu, sondern die Ärzte 1) Die Erklärung dieses zeitlichen Irrtums Krankheitsgeschichte zu geben versuchen.

2) Zeugenverhör 8. 46.

werden nur bei der

29 und Kümmerer Ladislciws: auch nennt nicht Eschenloer Podie­ brad einen Mörder, sondern das Prager Volk. — Aber selbst, täte er beides, so wäre cs doch richtig. Und die Frage des Verteidigers: „Womit will Eschenloer die Annahme rechtfertigenx), daß Johanna das Verbrechen nicht aus eigenem Antriebe be­

gangen habe?" ließe sich leicht beantworten.

Nicht Johanna, sondern Podiebrad hat Ladislaws Reise nach Prag erzwungen: mag Johanna das Werkzeug sein, Podiebrad ist der Mörder. Wahrlich ein Mut, der, ohne seine Motive, traurig genannt werden müßte, gehört dazu, zu er­ klären, der Bericht Eschenloers sei „gewissenlos ersonnen" und „abscheulich zu hören".2) „Verstehen, nicht sich ereifern", lehrt Spinoza.

Der vierte Zeuge, der österreichische Chronist Professor Thomas Ebendorfcr, ist um so wichtiger, als er die Aussagen der früheren Zeugen bestätigt und ergänzt. Er ist durch seine tatsächliche Anssage ei» wichtiger Belastungszeuge, dessen Un­

parteilichkeit am besten beweist, daß er selbst die Todesursache nicht entscheiden will und das den »altiora rimantibus« überläßt. Durch seinen Beruf ist er mit den Ärzten und Gelehrten des Hofes zusammengekomme». Das Urteil der Ärzte ist ver­

nichtend. Kein Symptom der Pest habe sich gezeigt, der Tod könne nicht durch Pest herbeigeführt sein, da sich sonst Kopfund Gliederschmerzen eingestellt hätten; beim Bubonentyphus hätten sich Anzeichen Monate vor dem Tod zeigen müssen. Daß sich die Böhmen der üblichen und von den Ärzten ge­ wünschten Einbalsamierung der Leiche widersetzten, bleibt trotz den Ausführungen des Verteidigers verdächtig. Hätten die Böhmen wirklich nur die Ansteckungsgefahr gefürchtet, so hätten

sie die Leiche nicht einen ganzen Tag öffentlich ausgestellt und ') Ter Verteidiger meint „der Annahme entgegentreten". *) Zeugerverhör S. 47. •) Morbus in Nandoralba. Ebendorfcr unterscheidet zwischen Lungen- und Triisenpest.

30 erst am dritten Tage begraben. Die Sorge um die Gesundheit der deutschen Ärzte wäre in diesem Falle rührend.

Der sechste Zeuges ist der Kanonikus der St. ElisabethKirche in Breslau, Dr. Nikolaus Timpelfeld. In seiner offenen Klageschrift bestätigt er uns die Aussage Eschenloers, daß im Beginn der Krankheit alle Getreuen des Königs von seinem Krankenlager ans Podiebrads Befehl verwiesen worden seien.

Er fordert die Wächter des Königs — seine Mörder — auf, nur einen der treuen christlichen Prälaten oder Edlen zu nennen, die beim Tode des Königs anwesend gewesen seien. Die Priester sollten sich melden, die dem König die üblichen Sterbegesänge gesungen, die dem Scheidenden die geweihte Kerze in die Hand gedrückt, das Abbild des Gekreuzigten vor Augen gehalten hätten; so auch die Edlen des Hofstaates, denen er seine letzten Aufträge gegeben habe, und die Notare, die sein Testament aufgezeichnct hätten. Wo war des Königs Leibkümmerer? Auch die Ärzte sollten auftreten, die verpflichtet gewesen wären, bis znm letzten Atem dem König beizustehen und den Leichnam einzubalsamieren.

Keiner von allen habe bisher über die Geschehnisse beim Tode des Königs wahrheitsgemäß bekunden können oder es gewagt, Dieses Schweigen, die öffentliche Klage der von Podiebrad vertriebenen Sekretäre, die schwerwiegendsten Ber­ dachtsgründe machten den Mord offenbar. Ja, man habe ge­ fürchtet, die Natur könne das Gift bewältigen, so habe man ihn gewaltsam umgebracht. Diese letzte Behauptung ist einer Phantasie entsprungen, der die tatsächliche Entfernung aller Getreuen von der Person

des Königs keine Fesseln mehr auferlegt. Auch scheint Timpelfeld anzunehmen, daß nicht einmal die deutsche» Ärzte dem Todeskampf des Königs beigewohnt haben. Mit dieser Annahme steht er im scheinbaren Widerspruch zu Ebendorfer. Dieser und die folgenden Belastungszeugen außer Herzog Albrecln von Österreich sind dem Verteidiger nicht bekannt gewesen.

31

»Audivi tarnen a fide digno quodain docto et collaterali, quod praecedenti nocte diem sui obitus Pragae cometa novus apparuit coloris sanguinei, quem et ipse rex contuitus etc. Asserunt etiam, qui usque ad ultimum spiramen sibi adhaeserunt quomodo tarn prudenter et seriöse etc. se gesserit verbo et actibus.« Der vir doctus et collateralis war also nicht bis zum letzten Augenblick bei dem König. Das wäre eine Bestätigung für Timpelfelds Annahme.

Wer sind nun die »qui«,

die

Ebendorfer über die letzten Stunden Ladislaws unterrichtet haben, die ihm mitgeteilt haben, Ladislaw hätte Podiebrad verpflichtet, sein Testament auszuführen? Ebendorfer bezeichnet sie nicht wie seinen ersten Gewährs-

tnann mit »a fide dignus« und setzt bei einer ihrer Angaben »ut fertur« in Klammer.

Dennoch scheint er ihnen geglaubt zu haben, und wir haben kein Recht, ihren Bericht zu verwerfen, zumal Timpelfeld seine Behauptung nicht direkt aufstellt, Eschenloer nur die Fort­

weisung der Kämmerer und aller Podiebrad nicht genehmen

Personen meldet. In der Wertung des nächsten Zeugen stimmen wir mit dem Verteidiger völlig überein. Es ist der Dichter eines wenig

mehr als ein Jahr nach Ladislaws Tode entstandenen Liedes.x)

„Man fühlt es dem Liede an," sagt der Verteidiger, „daß es ganz kurz nach dem Ereignisse und von einem Dichter ist ver­

faßt worden, welcher demselben persönlich nahe stand und es wenigstens zum Teil mit eigenen Augen sah?); denn der Schmerz,

der darin weht, ist kein Reflexionsschmerz, er ist ganz konkreter

T) Wir müssen im Anschluß an diesen Zeugen später das unaus­ richtige Verhalten Palackys besprechen. Das Lied ist gedruckt. Pez.: Script, rer. Austr. II S. 679—681. Palacky druckt es mit Auslassung einiger Verse in zwei Teilen, Zeugenverhör S. 15—17 und 22—23. 2) Nach der ganzen Darstellung muß man tatsächlich annehmen, daß der Zeuge sich zur Zeit des Todes in Prag befand. Auffallend ist nur, daß er weiß, an welchem Tag die Todesnachricht in Wien ankam.

32 Art, wie denn in demselben Umstände erwähnt werden, die

anderswoher, unbekannt aus eigener unmittelbarer Anschauung geschöpft zu sein scheinen." Der Zeuge ist bis auf Kleinigkeitenvorzüglich unterrichtet.

Er weiß die Warnen der edlen Hofleute Ladislaws und wie sich ihre Trauer geäußert hat.

Er kennt selbst den Namen

des Mannes, der nach dem Beichtvateer gesandt hat. Der Verteidiger hat Recht, dieser Zeuge muß dem König persönlich nahe gestanden haben.

Um so wichtiger ist es, daß gerade er die Ermordung auf eine lang geplante Verschwörung zurückführt. Er nennt als Teilnehmer Podiebrad, seine Frau, Rokyczana, Eizinger und Matthias Huniady.2) Auch auf den Höhen der Menschheit, wo sonst Verdächti­ gungen der Kretschamhäuser nachzusprechen nicht Gewohnheit ist, war die Überzeugung von der Ermordung Ladislaws ver­

breitet. Wir wollen hier nicht die Schriften der Päpste Pius und Paul und ihrer Legaten zitieren, die Podiebrad nach

seinem Rückfall in die Ketzerei oft genug dieses Mordes be­ schuldigten, uns liegt mehr an dem Zeugnis der weltlichen Fürsten. Schon im Jahre 1458 schreibt König Kasimir von Polen

an Georg, es schmerze ihn, »quod illum Ladislaum fama communi referente, quae universam christianitatem complet, audhnus veneno extinctum, de quo non aliis magis

quam baronibus Boheiniae quibus ipse se in totum propriis etiam Australibus praetermissis permiserat negligentius vitam suam providentibua succensemus«.3) Und *) Vgl. die zehn gedeckten Pferde, die den Leichenwagen führten

ebenso Eschenloer: Gesch. v. Breslau S. 39. *) Also choni er um sein Leben,

Der Gersick und sein Frau hat yem vergeben Der Rockenczan ist der ander

Der Eyezinger ist der drit Der zu Wien lag gefangen — d. h. Huniady.

3) Tlugoß: Hist. Poion. XIII S. 225.

33 dieser König, von dem Podiebrad später so oft rühmt, daß er gleichen Stammes sei, gunnt auch er der „Zungen der Eren"

nicht?! Dieser Fürst protestierte mit Worten, Herzog Albrecht von Lsterreich mit der Tat gegen den Mord. Als die Wahlen in Ungarn und Böhmen dem blödesten Auge den Zusammenhang der Dinge entschleierten, nahm der Herzog den ihm allein er­ reichbaren Komplizen der Verschwörung, Ulrich Eizinger, wegen Teilnahme am Morde gefangen; auch scheint der Herzog ge­ fürchtet zu haben, daß man in Skalitz die drei Länder Ladislaws verteilt

hätte und das dritte Eizinger zugedacht

morden |‘et.x) Es ist nicht glaubhaft, daß Eizinger im Gefängnis sein Verbrechen gestanden habe, wie der Pole Dlugoß behauptet. Solange seine Genossen ihn nicht verrieten, war seine Mit­ schuld wahrscheinlich, aber doch nicht zu beweisen, und seine Freunde konnten stets erklären, das; solcher Verdacht „nicht Grunts" hatte. Allen deutschen und ausländischen Fürsten erschien die Verhaftung Eizingcrs als eine rein österreichische Angelegenheit, außer zweien — ihre Namen sind leicht zu erraten — Podie­

brad und Huniady. Beide Jnterventionsbriefe sind verabredet und enthalten gleiche Stellen. Beide Briefe sind an die Stadt Wien ge­ richtet, in der Eizinger verhaftet worden war und gefangen lag. Huniady schreibt nur, daß er und Podiebrad nicht dulden würden, daß man Leute, die ihnen lieb sind, beleidige. *) Fontes rcr. Austr. II 7, S. 110: Wie er (Eizinger) gehandelt hat ein fürstlich Person antrefsend auch mit falschen Briefen und Gisst und noch genötiger Sachen, die er jecz nicht erczellen wolle. S. 99: Wir haben Ulrichen Eyezinger zu unsern Handen genommen merklicher Sach halben uns und unsern Stamm auch das ganez F-ürstentumb Österreich swerlich berürende"; vgl. auch zur Verhaftung Ehzingers Bach­ mann : „Ein Jahr böhm. Gesch." S. 103. Mit den „falschen Briefen" kann das von Eizinger gefälschte Testament König Albrechts gemeint sein; vgl. Chmel.: Gesch. Kaiser Friedrichs IV. I S- 426—432. s) Fontes rer. Austr. VII S. 133. Dr. Kanter, Tie Ermordung König Ladislamr.

Z

34 Viel interessanter ist der Brief Podiebrads.

Nachdem er

wie Huniady zuerst Eizingers Verdienste um Ladislaw ilnd das Haus Österreich hervorgehoben hat, gibt er als Grund seiner Einmischung an erstens den von ihm selbst verbreitete» letzten Wille» König Ladislaws, ferner sein Bündnis mit Eizinger. Der interessanteste Satz des Briefes aber ist: „nemlich als Jr yeczund enr selbs mechtig und frey seit, mit Geluben

und Aiden kein Regirenden Fürsten verpunden seit", sollten sie Eizinger selbst befreien. Man hielt Österreich also anch so „frey" wie die beiden anderen Königreiche. Die kluge Maßregel Herzog Albrechts scheint die Be­

nützung solcher Freiheit aber verhindert zu haben. Ja selbst den Kaiser, der über den Tod des gehaßten Mündels erfreut und über Eizingers Verhaftung zuerst ent­ rüstet war, hat wohl der Herzog von den hochverräterischen

Plänen Eizingers überzeugt. Nach der völligen Versöhnung zwischen Herzog und Kaiser

blieb Eizinger gefangen. Selbst als Podiebrad und die Brüder Eizingers den Kaiser mit dem Schwerte zum Versprechen zwangen,

Ulrich von Eizinger freizugeben, als Herzog Albrecht den Ge­ fangenen ihm auslieferte, entließ der Kaiser Eizinger erst aus der Haft, nachdem er geschworen hatte, daß er nach seiner Entlassung des Kaisers und der Herzöge Albrecht und Siegmund „Rath, Hüls und Beistand seyn wolle". *)

') Kurz: Österreich unter Kaiser Friedrich IV. S. 14 Anm. b In der Verteidigung des Herzogs Albrecht wegen der Gefangennahme Eizingers schreibt Gregor Heimburg dem Wiener Rat: At in presenti casu coniecturas singulas explicare plus esset avisare et monere quam latentem veiitatem indagine subtiliore explicare. Constat regem Ladislaum trans flinnen obvium iisse illis, qui tantam maiestatem usque ad cubiculum requirere debuissent, in quorum grege facciosus ille velud dux vel auriga fuit. Notum est vobis, quod ille ipse quietis impatiens magistratus huius urbis pro libito suae voluntatis instituit, destituitque donec omnia nutu suo disposita videret cum Mathiam Hunyad usque in suam suorumque forciam fere perduxisset. Omnibus tau dem machinationibus consuramatis Ladis­ laus innocens spiritum exalavit, vitaque cum gemitu fugit, indignata

35 Auch

die

sympathischste Fürsteilgestalt dieser Zeit,

den

klugen und ritterlichen Markgrafen Albrecht von Brandenburg,

zahlen wir zu den Belastungszeugen. Ohne Absicht, nebensächlich, wie von einer selbstverständ­ lichen Geschichte schreibt der Markgraf von diesem Mord, und wie eine lang bekannte Tatsache nimmt sie der Empfänger des Briefes, sein Bruder Friedrich, ohne Frage, ohne Erstaunen auf. Albrecht spricht das in einem Jahre aus, in dem Podie­ brad ihn als seinen besten, als seinen einzigen Freund vielleicht unter den deutschen Reichsfürsten hielt, nachdem Albrecht kurz

zuvor seine Tochter Ursula dem Sohne Podiebrads, Heinrich, trotz Papst und Kaiser vermählt hatte. Albrecht warnt seinen Bruder, die ihm vom Legaten,

Bischof Rudolf von Lavant, angebotenc böhmische Krone anzu­ nehmen, und schreibt: „König Laßlaw war ein leiblicher Sohn König Albrechts; demnach muß er sich mit Geld einkaufen und

gab am jüngsten sein Leben darumb."^ Nicht die Pestilenz, der Besitz der böhmischen Königskrone hat Ladislaw den Tod gebracht, davon sind alle überzeugt: Das versichern die, die ihm im Leben nahe gestanden, sein Gefolge, seine Ärzte, seine Kämmerer, und cs glauben ihnen Volk wie Fürsten. Wie können die Entlastungszeugen dies lückenlose Gebäude der Anklage einreißen? Wir wollen sie alle hören, also nicht nur die zu den früher genannten Klassen gehörigen Zeugen, denn sonst hätten wir nur einen Zeugen. sub urnbras. Sed Spiritus illinc rediil, unde profcctus erat. Illiic nos rcduci faciat dcus igno reverti. Vgl. Archiv für Kunde österr. Ge­ schichte 58 S. 170. ') Minutoli: Das kaiserl. Buch des Mgr. Albrecht Achilles S. 454 setzt fort: „er wäre fünft ninner umkommen", während Riedel: Cod. dipl. III, 1 S- 470—477 dafür sinnentstellend hat: „er tue re fünft nymer einkummen". Letztere Schreibweise haben auch aber das Original im Kgl. Berliner Hausarchiv, Rep. XXV la und die Kopie Kgl. Kreisarchiv Nürnberg, Herrschaftliche Bücher, Saal XI, R 1/1 Nr. 44 Fol. 12—23, während der Vers, das Konzept, nach dem Minutoli jedenfalls abgeschrieben hat, im Kgl. Kreisarchiv Bamberg nicht gefunden hat.

36

Dieser

eine

aber

scheint

wichtig.

Ein

deutscher Arzt

Ladislaws behauptet, der König sei an der Pest gestorben. Besäßen wir dieses Zeugnis in unverdächtiger Form, wir müßten

trotz dem und alledem zu einem »non liquet« gelangen — aber wir besitzen dieses Zeugnis überhaupt nicht.

Ein böhmischer Geschichtschreiber, der 250 Jahre nach

Ladislaw starb und Familiennachrichten nach der Behauptung des Verteidigers mit Benützung der handschriftlichen Nachrichten seiner Ahnenx) gesammelt hat, stellt zu der Nachricht vom Tode König Ladislaws folgendes Zeugnis:

„Im Jahre 1483 be­

kannte ein alter Doktor, der in Nürnberg lebte, vor Kutten­ berger Kaufleuten, ehrbaren Leuten, daß er des jungen Königs

Ladislaw Doktor gewesen, und als dieser starb, sei er an keinerlei Vergiftung oder Gewalttat gestorben, sondern er habe Aposteme in sich gehabt und nach seinem Tode sei noch eine Blase an

ihm ausgebrochen und das hätten noch andere Doktoren ge­ sehen. Und dabei waren gegenwärtig und hörten es: Matthias Struskitl, Nekes der Baccalar Ziwald, Michael der Goldschmied?) Trüge diese Nachricht nicht alle Zeichen einer Fälschung,

so müßten wir nach den sämtlichen vorhergcgangenen Zeug­ nissen annehmen, die ehrsamen Kuttenberger seien in die Hände

eines alten Spaßvogels gefallen, der ihnen Angenehmes sagen wollte. Aber die „Urkunde" hat tatsächlich den Wert des Proto­ kolls

der Landsgemeinde,

in der 100 Personen als eidliche

Zeugen für das frühere Dasein eines Tell aufgetreten sein sollen, oder anderer patriotischer Fälschungen.

Hier haben wir

es sogar mit einer plumpen Fälschung zu tun.

Wir wollen

absehen von dem Fehlen eines Klosters - Vidimus oder einer notariellen Bestätigung oder von unbeteiligten Zeugen, die wir sonst bei wichtigen Urkunden und Erklärungen in dieser Zeit 0 In diesem Falle vermutet resp, behauptet der Verteidiger: nach der Aufzeichnung seines Ur-Urgroßvaters großmütterlicherseits Bartos

von Prachnian, eines Kuttenberger Bürgers. Diese Behauptung ist natürlich völlig unbewiesen. 2) Zeugenverhör S. 13.

Nach der Übersetzung des Verteidigers.

37 finde»; aber es fehlt der llrkunde Ausstellungsort, Datum und Aussteller; keine wirkliche Urkunde beginnt im XV. Jahr­

hundert mit einer Jahreszahl, sondern sie beginnen mit dem Namen des Ausstellers. Nie und nimmer würde in einer echten Urkunde der Name des Arztes verschwiegen sein; aber der

Fälscher des XVII. Jahrhunderts kannte natürlich keinen Namen eines Nürnberger Arztes aus dem XV. Jahrhundert. Weder in den Nürnberger Briefbüchern noch sonst finden wir den

geringsten

Anhalt,

daß ein

Bürger

der Stadt Arzt

des Königs gewesen sei, wir hören nur von Ärzten.

österreichischen

Diese Urkunde, die uns nicht mit der Schrift und dem Papier des XV. Jahrhunderts erhalten ist, sondern sich als

Notiz in einem dem XVII. Jahrhundert angehörigen Kodex befindet, kann wahrlich nicht die übereinstimmenden Aussagen eines Eschenloer, Ebendorfer, Äneas Shlvius, die öffentlichen Ansschreiben Timpclfelds und Gabriels von Verona Lügen strafen. Sie alle versichern, ohne Widerspruch zu erfahren, daß die Ärzte Ladislaws von einer Vergiftung überzeugt ge­

wesen seien. Die Zahl der Leibärzte war doch sicherlich eine beschränkte, so daß Podiebrad mit der Stimme auch nur eines von ihnen seine Ankläger ivohl hätte Lügen strafen können. Aber dieser deutsche Leibarzt existierte damals noch nicht; er ist das Phantasiebild einer späteren Zeit. Die einzige positive Behauptung, es sei an der Leiche eine Beule aufgebrochcn, ist nach der Krankheitsgeschichte unmöglich. Z „Die anderen Dok­

toren", die das auch gesehen Unsinn natürlich nicht.

haben sollen, bezeugen solchen

Der zweite Entlastungszeuge ist der alte böhmische Anna­ list, als dessen Wohnsitz Königgrätz in Böhmen angenommen wird.2) Er muß von dem Gutachten eines der Ärzte Ladislaws gehört haben. Die Ärzte sagen: Es ist unwahrscheinlich, daß ein kräftiger Jüngling in so kurzer Zeit an der Pest stirbt.

’) Vgl. ltxkurs. ’) Zeugenverhör S 11.

38 Der Annalist verdoppelt die Krankheitszeit. x)

Das Fehlen der

Kopsschmerzen sei ein Zeichen, daß es sich nicht um Pest gehandelt habe; der Annalist bezeugt also die Kopfschmerzen. Genau kennt auch der Annalist die Diagnose der Ärzte und

die Mittel, die sie zur Heilung angewendet haben, aber er läßt Ladislaw bereits am Montag in Ohnmachten liegens, während

er tatsächlich frisch und fröhlich zu Gericht saß und später mit seinen Kämmerern scherzte. Den Gerichtstag verschweigt der Annalist natürlich so ganz. Nicht mir, daß am Montag Beulen, sondern daß überhaupt Pestbeulen aufgebrochen seien,

ist bei dem akuten Verlauf der Krankheit unmöglich. 3) Aber die Stirn, zu behaupten, der sterbende Ladislaw habe auch Österreich und Ungarn dem Gubernator empfohlen, hat der Annalist doch nicht, er begnügt sich mit Böhmen. Der dritte Zeuge ist gleichfalls ein Anonymus.*) Sein

Bericht beginnt mit einem Irrtum: er setzt den Gerichtstag !) Gegen das Zeugnis Rodes, Eschenloers, Ebendorfers, der Zittauer Gesandten, des Anonymus in N. E. (vgl. später). 2) Gegen Eschenloer, Zittauer Gesandte, Rode. 3) Vgl. Exkurs. 4) Bachmann: Fontes rer. austr. Bd. 42 S. 204—205. Der Vers, muß der Ansicht Bachmanns, daß es sich hier um „ein Stück eines Be­ richtes eines bayerischen Agenten, der gerade am Hofe Ladislaws in Prag weilte", handele, entgegentreten. Das Zeugnis ist kein Bericht : ihm fehlen Überschrift, Datum, Unterschrift, Adresse; auch nicht der Teil eines Berichtes, sonst würde >Zednla< darüberstehen und >dat utr.< am Schluß. Die Urkunde ist auf dünnem Pergamentpapier geschrieben und in die Neuenburger Kopialbücher eingeheftet, also zweifellos nicht in Landshut geschrieben. Schon durch die Überschrift kennzeichnet es sich

als ein „Memorabile". Es handelt sich bei dem Zeugnis nach Ansicht des Verf. um die offizielle deutsch-böhmische Version. Bei den vielfachen späteren Zusammenkünften bayerischer und böhmischer Räte, die infolge der Aus­ gleichs- und Bündnisverhandlungen notwendig wurden, wird sie einer der bayerischen Räte erhalten haben. Es ist auch eine böhmische Be­ zeichnung in der „Dreiundzwanzigsten Stund"; in Bayern galt damals die moderne Stundenzählung. Auch dem Äneas Sylvius hat dieser oder ein ganz ähnlicher Bericht Vorgelegen. Die Unterredung zwischen Ladis­ law und Podiebrad hat Äneas Sylvius, sehen wir von Ausschmückungen

39 statt auf den 21. November bereits auf de» 6. November an,

den Beginn der Krankheit auf den 14. November nachts und den Tod auf den

16. November.

Auch hat Podiebrad nicht

„nach solchem Geschicke (den Tod) dy Herren,

dy dieselbiger

Zeit dabey waren", zu ihm gebeten und sie auf den 14. De­

zember nach Prag geladen, sondern Podiebrad hat einen Tag nach dem Tode die „höchsten Beamten und Richter des König­ reichs berufe» und ihnen erklärt, daß sein Amt erst Pfingsten 1458

ablaufe". **) Dieser Zeuge ist also keinesfalls zur Zeit des Todes in Prag gewesen, sonst würde er de» Gerichtstag nicht zehn Tage

vor dem Todestag ansctzen, auch Zuhörer, Zeitpunkt und In­

halt der Rede Podiebrads besser kennen.

Sein Zeugnis ist

kein gleichzeitiges, sonst würde er den Todestag des Königs nicht vergessen haben.

Dagegen sind die Tatsachen, die er

gibt, auch anderweitig bezeugt. als

er

Krankheit ankomen".

falls

Es ist wahr,

„am Montag,

wollt slaffen gen in derselbigen Nacht, ist s. G. dy

bezeugt

Die Messe am Dienstag ist uns gleich­

oder wenigstens die Anwesenheit des Priesters

zur Abnahme der Beichte und Reichen der hl. Sakramente.?) Auch

ist

es

möglich, daß

die Schwellung des Unterleibes,

„ein Zeichen an dem rechten Fuß und Schoß", Dienstag nacht eingetretcn ist; wir wissen, daß der böhmische Annalist die Un­

wahrheit sagt, als er natürlich gleich zwei Beulen während des Montags ausbrechcn läßt.

Die rührende Unterredung aber zwischen Podiebrad und

Ladislaw ist ein Märchen, das nicht a» Glaubwürdigkeit ge­ winnt, weil es Äneas Sylvius diesem Zeugen nacherzählt.

ab, fast wörtlich diesem Bericht entnommen.

Haben wir es mit dem von

Rode angedeuteten, lange gesuchten Bericht Prokops von Nabenstein zu tun ? Dann würde der Irrtum im Beginn des Berichts die Behauptung

Rodes beweisen, Rabenstein habe den kranken König gar nicht gesehen; Rabenstein wäre darnach erst znm Begräbnis Ladislaws nach Prag ge­ kommen, sonst hätte er von dem Gerichstag am Montag wissen müssen. *) Bgl. Bachmann: „Ein Jahr 2c." S. 68. -) Timpelfelds Ausschreiben.

40 Schon Vogt hat bemerkt, daß die Unterredung nicht so

stattgefunde» haben könne, „da Podiebrad sehr wenig Teutsch,

Ladislaw aber gar kein Böhmisch sprach".

Wenn Böhmen

auch

dieser

Zeuge

Ladislaw

dem

Gubernator

und seine Nebenländer anvertrauen läßt,

so hätte

Podiebrad sicherlich, wie das bei dem letzten Willen der Fürsten von je Gebrauch war, solch günstige Äußerung durch Notare

für alle Zeiten festhalten lassen; es ist unwahrscheinlich, daß, selbst wenn Ladislaw noch auf Genesung hoffte, er, um das Mitleid seines Mörders zu erwecken, so weit seinen begründeten

Haß gegen seinen Mörder verborgen hat. Die Erzählung von dieser Unterredung glaubte man in Böhmen eben Podiebrad, weil man sie glauben wollte.Ge­

meinsam

hat dieser Zeuge mit dem vorhergehenden, daß beide

sich über den ihnen doch sicher bekannten Vorwurf, Ladislaw

sei an Gift gestorben, ausschweigen, auch nicht die Art der Krankheit,

an der er gestorben ist, nennen.

Dagegen soll ein

anderer, gleichzeitiger böhmischer Chronist Simon von Schlau

der Behauptung eines böhmischen Historikers,

nach

der die

bezügliche Handschrift benützt hat, mitgeteilt haben, Ladislaw

sei an Bubonentyphus gestorben. Mit den

beiden nächsten Zeugen Prokop von Rubenstein

und Nikolaus Listius können wir uns nicht beschäftigen, da wir von ihnen nur wissen, daß sie an Äneas Sylvins über den Tod Ladislaws »allter« geschrieben haben wie Rode.

Daß sie

die Vergiftung bestritten hätten, ist nirgends bezeugt, auch läßt der Bruder Prokops, Johann von Rabenstein, diese Frage offen.-')

Es ist wohl möglich, daß Prokop und Listius nur eine Kranken­

geschichte wie der Anonymus (in N. C.) geschrieben haben. wissen

nur,

daß

sie den

kranken König

gar

Wr

nicht gesehm

haben. *) Natürlich hatten die Böhmen nicht das Interesse Podiebrads en der Anempfehlung der beiden anderen Königreiche. 2) Bachmann: Dialogus Johannis Rabensteinensis, Archiv fir österr. Geschichte 54 8. 359.

41 Um einen scheinbar ausgezeichnet unterrichteten Entlastungs­

zeugen zu gewinnen, gebraucht der Verteidiger ein zwar ein­ faches, aber doch nicht nachahmenswertes Mittel. Er veröffent­ licht das Zeugnis nur, soweit es keine belastenden Stellen ent­

hält oder vielmehr, er verschweigt, daß das Zeugnis in zwei Lesarten erhalten ist.1) Auf das von ihm herangezogene Zeugnis folgert der Ver­ teidiger, daß, da der ausgezeichnet unterrichtete hussitenfeind­

liche Zeuge von dem Morde nicht spricht „der Eindruck der Wirklichkeit, die Überzeugung von dem auf natürlichem Wege erfolgten Tode noch zu mächtig war", um einen Verdacht gegen Podiebrad aufkommen zu lassen. Der Entlastungszeuge Palaekys

ist unser sechster Belastungszeuge, der ja mit dem größten Nachdruck Podiebrad und seine Gemahlin des Mordes beschuldigt. Ein echter Zeuge aber setzt die ganze Wucht seiner Per­ sönlichkeit für einen natürlichen Tod Ladislaws ein, es ist der Mönch Lukas Hladeck, der in Rom den Spottnamen „Lucri-

faeius" führte. ?) Als Ladislaw in Prag starb, war der Biedere in Nom gerade damit beschäftigt, seinem geistlichen Oberhirten ins Ge­ sicht zu lügen, in Böhmen wünsche man dringend als Erzbischof einen Spanier, eine Kreatur des päpstliche» Hofes. *) Palacky zitiert nach Vormaierschem Taschenbuch 1833 S. 157, wo ohne jede Quellenangabe eine kürzere Fassung des Liedes, die vom Mord« nicht spricht, veröffentlicht ist. Palackp hat aber auch das ganze Lied und die Quelle, aus der es geschöpft war, gekannt. Er zitiert Zeugenverhör S. 22 und 23 drei belastende Berse des Liedes mit richtiger Quellenangabe: Pez.: Script, rcr. Austr. II S. 679—681, Liliencron: Die histor. Volkslieder der Deutschen I, 492—496, druckt das Lied aus dem Hormaierschen Taschenbuch als eigene Redaktion ab, hauptsächlich des siebenten Verses halber, der int längeren Lied nicht enthalten ist. Beide Lieder sind von dem gleichen Dichter, der in Prag anwesend war, was vorzüglich aus Vers 14 und 15 des größeren Liedes hervorgeht, die das kleinere Lied nicht hat. In den Monaten nach dem Tode (das größere Lied ist bereits im November oder Dezember 1458 gedichtet) hat der Verfasser aus anderen Volksliedern möglicherweise Strophen übernommen. ’) Prokop von Rabenstcin soll den Namen ausgebracht haben.

42 Als die Nachricht vom Tode des Königs eintraf, ging der

Ehrenwerte natürlich zu dem neuen Herrn über. Und als dann viele Deutsche in Rom dem Papst ver­ sicherten, die Böhmen seien die Mörder des jungen Königs,

da trat Lukas Hladeck ihnen entgegen.

Man solle ihn in den

Kerker werfen, ihn töten, wenn die Beschuldigungen wahr wären. Dieses opferfreudige Angebot, von dem Seine Heiligkeit der greise

Papst natürlich auch bei einer, seinem neuen Herrn weniger günstigen Stimmung keinen Gebrauch gemacht hätte, ließ Lukas gleich durch zwei Briefe seiner Freunde dem Gubernator mit­ teilen. Der verdiente Dank für die Heldentat wird nicht aus­ geblieben sein.

Die täppische Fälschung aus dem XVII. Jahrhundert und Lucrifacius, das sind die besten Zeugen für die Unschuld Podie­ brads. Der böhmische Annalist ist fast in jedem Satze der Lüge überführt, widerspricht selbst Podiebrad auch dem andern anonymen Zeugen (in N. (£.), der die Daten des Gerichts- und Todestages vergessen hat, aber jedes Wort, das zwischen Podiebrad und Ladislaw gewechselt ist, weiß. Die beiden letzten Zeugen erwähnen das Gerücht, „welches die gesamte Christenheit damals erfüllte", überhaupt nicht, sowenig wie die Todesart. Nur ein böhmischer Chronist, der einen Panegyrikus auf König Georg geschrieben hat*) und dessen Zeugnis nur indirekt erhalten ist, erklärt, Ladislaw sei an der Pest ge­ storben.

Alle Entlastungszeugen sind Böhmen, die de» begreiflichen Wunsch hegen mußten, daß ihr Nationalkönig kein Meuchel­ mörder sei. Keiner dieser Zeugen war zur Zeit des Todes nachweislich in Prag, sie geben die Gerüchte wieder, die aus Podiebrads Umgebung in die Welt gesetzt worden sind. Und nicht einmal alle Podiebrad treu ergebenen Böhmen bestreiten

den Mord, Johann von Rabenstein läßt in seinem Dialog ge­ rade den Freund Podiebrads, Wilhelm von Riesenberg, den

*) Zeugenverhör S. 36.

43 natürlichen Tod in Zweifel stelle»1),2 während Podiebrad feind­ liche Böhmen die Ermordung geradezu behaupten.3)

Und nun geben wir dem Angeklagten selbst das Wort! Schon am Todestage teilt Podiebrad den ungarischen Ständen den Tod des Königs mit, damit sie die Vorbereitung zur Neuwahl treffen tonnten.3) Es war keine Zeit zu verlieren,

wenn die Ungarn den Böhmen mit der Erkürung eines Königs vorangehen sollten. Über die Todesart, die einen blühenden

Jüngling in wenigen Tagen dahingerafft hatte, schweigt Podie­ brad. Auch zeigt er keinerlei Furcht vor dem Ausbruch einer

neuen Epidemie. Er hilft sich mit einer Phrase über die Todesursache: Ladislaw »debitum carnis persolvit«.4)5 6 Weniger eilig hatte es Podiebrad, den Rat der Stadt Wien von dem Tode zu unterrichten; vom 28. November ist dieser Brief datiert.3) Jetzt ist es bereits entschieden, daß König Ladislaw „an der Pestilenz" gestorben sei.G) Ans Podie­ brads „großen Betrubnus und getreus Leid" werden wir später zurückkommen. Hier handelt es sich um den eigentlichen Zweck dieses Briefes. Podiebrad schreibt: Ladislaw „ist mit guter Gewissen und Vernunfft gewesen nncz in sein End und hat mit uns durch sein selbs Mund ain Bevelhen und Verlassen getan also daz wir seine kunigliche Kunigreich Lannd und Leut weiden und solden mit Frid betrachten schürzen und beschirmen und nicht

alain das Kunigreich zu Beheim sonder auch all ander Kunigrcich, Furstentumb Land und Lent" k.

Waren diese letzten

*) Bachmann: Johannis Rabensteinensis Dialogus Archiv für Öfterr. Gesch. 54 S. 359: moritur landein, cuius mortem multi natu­ ralem, multi veneno obtigisse dicunt, quam illis constare credimus, in quorum scola et regimine adolescens versabatur. 2) Nosenbergsche Chronik, Archiv für Kunde Österr. Geschichlsqttellen XII S. 354. s) Zeugenverhör S. 7: >ut debitas de regni vestri principe orbati rebus dispositiones facere possitis.« 4) Zeugenverhör S. 7. 5) Zeugenverhör S. 78. 6) d. h. der Eintrag in die Wiener Stadtbücher.

44 Worte

vielleicht

schon

im März

1457

in Skalitz bestimmt?

Sie gaben einen prächtigen Vorwand, sich, wie wohl damals

verabredet, in die österreichischen und ungarischen Verhältnisse

zu mischen. Aber selbst seine Böhmen haben Podiebrad diese sieche

Lüge nicht geglaubt, deren Zweck sie ja auch nicht kennen konnten, und haben sich mit der Anempfehlung Böhmens begnügt?) Selbst wenn Ladislaw nicht geahnt hätte, daß er ver­

giftet fei2), so bleibt es doch ausgeschlossen, daß der fromme, fast unduldsame Jüngling dem Ketzer,

der ihn so lange ge-

demütigt hatte, nun auch seine katholischen Länder anvertraut hätte, ebenso wie daß Podiebrad auf die Sicherstellung eines

ihm so willkommenen Auftrags verzichtet hätte.

Natürlich schenkte man nirgends solch törichter Erfindung Glauben. Am wenigsten in Wien, wo die Ärzte und viele Hof­ beamte Ladislaws aus Böhmen sich hinbegaben.

Offen

beschuldigte

man

dort Podiebrad

des

Mordes,

Eizingcr der Mitschuld?) Die unbequemen Mäuler zu stopfen, spielten die Schuldigen

nun eine Komödie: Podiebrad rechtfertigt sich vor der österreichischen Land­

schaft, einem Richterkollcgium, in dem sein Komplize Eizinger

fast allmächtig war.

Und diese Rechtfertigung beseitigt jeden Zweifel an seine Unschuld.

Wäre Ladislaw an der Pest gestorben, so war die Ver­ teidigung die denkbar einfachste.

Jobst von Einsiedel, der Redner

Podiebrads, hätte ausgeführt:

Jeder kennt leider in Böhmen

die Symptome der Pest; ich lege der Versammlung das beglau-

') Anonymus in C B. und der böhmische Annalist. Während die Gewährsmänner Ebendorfers nur wissen, daß Ladislaw seine Getreuen beauftragt und Podiebrad durch Eid verpflichtet habe, sein Testament ausführen zu lassen. ’) Gregor Heimburg behauptet: vita cum gemitu fugit indignata sub urnbras, Archiv für öftere. Geschichte Bd. 58 S. 170. 3) Anonymi Chron. Austriacum, Zcugenverhör S. 37.

45 bigte Zeugnis einiger ehrenwerten Männer aus der Umgebung

des Königs vor, die bezeugen, daß der König tatsächich an der

Pest gestorben sei. Man sage nicht, das sei esprit d’escalier.

Es handelt

sich um eine Zeit, in der die Wundertaten eines Capristan durch hundert notarielle Akten sichergestellt wurden.

Und wahrlich,

dem mächtigen Gubernator wäre cs nicht schwer gefallen, sich solche Zeugnisse

gegen

den Verdacht,

der bereits die ganze

Christenheit erfüllte, zu verschaffen, wenn diese Zeugnisse der

Wahrheit entsprochen hätten.

Er, der schon als der Mörder

Meinhards von Neuhaus und Heinrichs von Rosenberg bezeichnet

wurde, der den jungen König fast mit Gewalt in die Stadt geschleppt hatte, wo er seinen Tod gesunden, hätte sich sicher

gern von so furchtbarem Verdachte gereinigt. Aber kein Gold hätte solche Zeugnisse ihm verschafft, denn

„die dort inn zu Beheim gewesen" waren, sie erhoben gerade die Anklage gegen ihn, gegen sie richtete sich die Entgegnung.

Dieser Angeklagte

hat nicht nur wie

jeder andere das

Recht der falschen Aussage, er hat auch die Macht, zu drohen.

Von beiden macht Podiebrad Gebrauch.x) Mit Nachdruck läßt er noch einmal die Anvertrauung der drei Königreiche hcrvorheben. Dann fährt Jobst von Einsiedel fort: „wie der Gubernator

vernomen hat, das ein Red hie sei anferstanndn und die das aufbringen und sagen, die dort inn zu Beheim gewesen sein

und unern den Gubernator und die wirdig Cron in Beheim und

sprech»

sh

habn

sprech» der trett für.

dem Knnig

vergeb».

Wer das tun

Wann da sein kunigkleich Genad ge­

wesen ist in der Crannkheit sein bey sein Genade gewesn Bischof

Rat Kamrer Arzt und ander und wohl gesehn das das nicht

ist".

Seit Ladislaws Krönung

hätten

sie sich

„in gannczn

Treue" gegen ihn gehalten „und also in Gehorsam sich willik-

leich gebn" und was sein Großvater und Vater nie erreicht Hütte, vor seiner Krönung „sich im undertenig gemacht an all

") Zeugenverhvr S- 9—10.

46 Swertslag".

Wer anders rede, gönne „der Zungen der Eren

Und ob sein genade etwas widergangn wer, das möcht doch villeicht durch die, die albeg nahent bey im gewesen sein und nicht durch die Behem geschehn sein: wann es wissentlich ist das das Königreich zu Behem nye in solchem Ruf gewesen und von in erhört ist von dem Königreich zu Behem, das sy nicht.

iren Kunigen soltn vergeb» habn. Also begert hat die, die solhs redn und aufbringn zu Hanndn zu nennen von ainem auf den anndern damit sy wirdig Cron nicht also smehen wann sy das nicht getan haben". Der König sei bei ihnen frei ge­ wesen. Sie hätten ihm Treue bewiesen, „wann sy im sein Kunig-

reich gelost habn", und ihm Steuer von ihren Zinsen gegeben, auch zur Hochzeit eine Steuer zu geben bewilligt hätten. Ladislaw habe mit ihnen verkehrt nicht als Herr, „sunder gnediclich als einer der ihn gleich wer". Keine Erwähnung, daß Ladislaw an der Pest gestorben sei, im Gegenteil, die Möglichkeit eines Mordes wird zugegeben. Aber nicht der Gubernator, der allen Vorteil von dem Tode hatte, haben mußte, der so schwer belastete Angeklagte — nein, die Klüger, die treu an ihrem Herrn gehangen, die durch seinen Tod ihre Stellung verloren hatten, sollten die Mörder sein. Geschickt spielt die Rechtfertigung, überhaupt die Anklage gegen den Gubernator auf die „wirdig Cron" zu Beheim über, die

niemand beschuldigt hatte. Die „wirdig Cron" war ja auch durch nichts des Mordes dringend verdächtig; von alle» Böhmen konnte man fragen: „Warumb solltn sie das gethan habn?" Man konnte allen­ falls sagen, daß „sy sich in gannczn Treu» gen im sider seiner Krönung gehaldn habn und also sich im Gehorsam willikleich

geb», das sein Een und Vater mit großer Müe nye habn darzu bring» mögen", obgleich von Akten des Gehorsams wohl auch damals wenig bekannt war; man konnte rühmen, daß sic Ladislaw „sein Kunigreich gelost Hütten", man brauchte ja da­ bei nicht zu erwähnen, daß die „Losung" nur einem Manne, der des jungen Königs Vater und Großvater Feind gewesen war, daß sie nur Podiebrad zugute gekommen war, der die

47 „gelosten" Schlösser mit seinen Kreaturen besetzt hatte.

Auch

die bewilligte, aber nie erhobene Steuer zur Hochzeit Ladislaws ist sicherlich ein schlagender Beweis, daß die Böhmen

Ladislaw nicht vergiftet haben. Ohne ei» „aber" fürchten zu müssen, konnte Einsidel pathetisch ausrnfcn, „das das Kunigreich zu Bcheim nye in

solchem Rucff gewesen", „das sy ircn Kunigen solltn vergeb«

habn".

Wohl mag bei solchen Worten den Mund manches

Landbotens ein Lächeln umspielt haben, wenn er an das damals allgemeine Sprichwort dachte: »Non est fides in Bohemo.c Keiner aber von allen hatte Lust, „furzutretten" und zu versuchen, ob der Landtag ihn, wie es Einsidel gefordert hatte, als Ver­ leumder der „wirdig Cron" „zu Hanndn ncmen" lassen würde; niemand wollte sich unnütz die Feindschaft des Gubernators

und seiner mächtigen österreichischen Freunde zuzichcn. Wir kennen nur den Abschied, den die Mehrheit beschlossen

hat'), wissen nicht, ob einer der Landboten über die Freiheit König Ladislaws in Prag gespöttelt hat. Wohl waren bei dem König „in der Crannkheit" „Rät

Kammerer Aerczt, und annder", aber soweit die „Rät und Kammerer" deutsch umreit, mußten sic am ersten Tage der Krankheit den König verlassen"); sic und die Ärzte erheben ja die Anklage, haben also nicht gesehen, „das, das nicht ist".

Warum verschweigt Einsidel bei dieser wichtigen Ange­ legenheit des Bischofs oder der Bischöfe Namen, die den kranken König gesehen batten? Wurden doch damals bei unbedeutenden Zusammenkünften die Namen der anwesenden Bischöfe aufge­ zählt. Kein böhmischer oder deutscher Bischof war damals nachweislich in Prag, keiner hat an dem Begräbnis Ladislaws teilgenommen.

x) „Aber wer wollte je eine beratende Versammlung nach den letzten Ergebnissen ihrer Besprechungen beurteilen!" ruft Ranke in der Vorrede zu seiner deutschen Geschichte aus. 2) Eschenloer, Timpelfeld, vgl. auch Historia seu epistola de miserabili morte Serenissimi regis, 8. 8. rer. Sil es. XII S. 92.

48

mehr

Recht gewunden ist die Antwort des Landtags; etwas Entrüstung über die Verleumdung wäre wohl der

Eizingerschen Partei lieber gewesen. „Sie wissen noch gelaufen nicht annders, denn das unnser

gnedigister Herr der Knnig

von Gotzgewallt gestorben sey."

Da ohne Gottes Willen niemand stirbt, ist die Ausdrucksweise

mindestens zweideutig. Einsidel hatte als Kläger bezeichnet „die dort in» zu Beheim gewesen sein". Der Landtag überhört das „es mochte villeicht solh Ding redn und auffbringn rinng Leut, als Frey­ heit in Leut Heusern daran nicht leg wann Kunig und Kaiser

müssen von in redn lassen".

Ohne das „villeicht" wäre dieser

Satz eine bewußte Lüge. Nicht nur in den Leutheusern wurde dieser Verdacht ausgesprochen, der bald die ganze Christenheit

erfüllte. Männer, wie Eschenloer, Ebendorfer und die gut­ gesinnten Zittauer Gesandten, hegen ihn, und selbst Fürsten verleihen ihm noch im gleichen Jahre Ausdruck. „Davon begeren die Herrn das er sich solh Red nicht bekümern las;, wann sie in den Sachen an Vleiz nicht bisher gewesen sein

sich in den Dingen aigenleich zu crkunndten. Und so sy der Sachen an ahn Ramhaftn und ain Grnndt kamen, fülln er und die anndcrn Herren von Behem an zwevil, das sie darczu tun und sich also darin beweisen wollen, damit er und meniklcich versten das sy an solhen kam Gefallen habn. Dann was Im und der Cron zu Behem ain Mißvalln ist, sol er auch an Zweivel sein, das dem Herrn auch das kain Gevalln ist."1) *) Es ist völlig unverständlich, wie der Verteidiger „uns dieser Landtagsverhandlung" „als notorische Tatsache" herauslesen kann, das; der Hof des Königs „während seiner Krankheit sowie bei seinem Tode mit Deutschen und nicht mit Böhmen bestellt war". Aus Einsidels Worten geht nur hervor, daß der Hofstaat König Ladislaws vor seiner Vergiftung aus Deutschen bestand. Weniger verübeln wollen wir dem Verteidiger, daß er ferner für eine „notorische Tatsache" hält: „das; während derselben Zeit ein Bischof (wir wissen nicht welcher) mehrere Grafen, Barone, Ritter, Königliche Räte und Kämmerer das Krankenbett des Königs zu umgeben pflegten". Bedenklich wird diese wirklich von Einsidel behauptete „Tat­ sache" erst durch die vorhergehende irrtümliche; beide Tatsachen zusanunen

49 Der letzte Satz ist aufrichtig.

Auch hielten sie ihr Ver­

sprechen und taten „darczu".

»Senatus Viennensis medicis ea vulgare amplius prohibuit.« Wir sind

am Schlüsse des Verhörs und müssen noch

betrachten, wie Podiebrad nach dem Tode Ladislaws handelte.

Der Mann, der in alle Welt seine „große Betrubnus und getreus Leid" hinausschrieb, zeigte eine Gemütsroheit, für die selbst zügelloser Ehrgeiz kein Milderungsgrund mehr ist. Während in dem einen Saale des Prager Schlosses die Leiche des unglücklichen Königs ausgestellt wurde, feierte man in einem anderen Saale Verlobung.

Warum auch nicht? — War doch Podiebrad überzeugt, daß Ladislaws „selige Sele in der Schar der heyligen Engeln ir fraudelich Lon entpfangen hat, wann s. G. nicht allain menschlichen oder auch englisches Leb!» gefurdt habe".') Die Erlangung eines solch begehrenswerten Zustandes beschleunigt zu haben, konnte doch niemand die Gemütsruhe rauben.

Doch geben wir für die Ereignisse nach der Ernwrdung dem besten Kenner böhmischer Geschichte das Wort, der, trotz­

dem er von einem natürlichen Tode Ladislaws überzeugt ist, schreibt«): ergeben, daß alle oder der größte Teil der Genannten Deutsche gewesen wären. Und dann geschieht das Ungeheuerliche. Als folgende Tatsache behauptet der Verteidiger, daß diese alle ohne Ausnahme der Überzeugung gewesen wären, ihr Herr sei „von Gottes Gewalt", also eines natürlichen Todes gestorben. Das ist unwahr. Wohl behauptet Einsidel, daß während der Krankheit des Königs Bischof, Räte, Kämmerer, Ärzte und

andere bei ihm gewesen seien, die wohl gesehen hätten, daß „dem Kunig nicht vergebn sei". Daß die Genannten Deutsche waren sagt Einsidel natürlich nicht, die deutschen Hofbeamten waren ja die Kläger; ebensowenig sagt Einsidel, daß sie, ohne Ausnahme, von einem natürlichen Tode überzeugt waren. Nur die von Einsidel bedrohten österreichischen Land­ boten wußten nicht anders, noch glaubten sie, denn daß Ladislaw von „Gotzgewalt gestorben sey".

') Fontes rer. Austr. II, 20 S. 120. 2) Bachmann: Archiv für österr. Geschichte Bd. 54 S. 77—78. Dr. Kanter, Die Ermordung König Ladislaws.

4

50 „Hätten wir den sicheren Beweis,

daß Podiebrad

bei

Ladislaws Tode die Hand im Spiele gehabt, es würden dessen nachfolgende Handlungen, soweit sie sich auf Matthias und die

ungarischen Verhältnisse beziehen, sich als einfaches Ergebnis der getroffenen Verabredungen und die weiteren Konsequenzen

eines gelungenen Planes erklären lassen." Nur durch den Mangel solchen Beweises sieht sich der Beurteiler veranlaßt, „in Georgs Vorgehen eine überraschend schnelle Einsicht in die bestehenden Verhältnisse und wie sie sich durch des Königs Tod gestalten mußten, anzunehmcn". Kaum ausgesprochen,

genügt aber die eigene Annahme dem Wahrhcitsuchenden nicht mehr. Er fährt fort: „Mag es auch immerhin bloß Sache des Zufalls gewesen sein, daß Matthias erst am 23. und 24. No­

vember, also fast einen Monat nach des Königs Ankunft in Prag, und zwar erst nach dessen Tode, ankam, so bleibt denn doch immer noch die Frage: Was konnte einen so besonnenen Mann, wie den Gubernator, bewegen, einen Gefangenen sofort als Gast in sein Haus aufzunchmen und ihn in jeglicher Weise mit Auszeichnung zu behandeln? War auch bei der Ungewißheit

darüber, wie sich die Ereignisse in Ungarn gestalten würden, eine humane Behandlung des Gefangenen, vielleicht dessen Frei­ lassung am Platze? Was brachte ihn zu diesen Freundschafts­ bezeugungen? Doch nicht persönliches Mitgefühl? Nun bei Georg

siegte die Bonhomie nie über die Politik.

Und noch mehr: Wie konnte der Gubernator dem von den Fesseln Befreiten sofort seine Tochter verloben?" Dem Einwurfe Palckays, vielleicht habe Podiebrad schon

ein Vorwissen oder doch eine Ahnung von Matthias' späterer Erhebung gehabt, entgegnet Bachmann mit Spott: „Nun auf Ahnungen hin pflegt man seine Töchter nicht zu verloben, und wissen konnte Podiebrad sowenig als irgendein Mensch, was in Ungarn geschehen werde." Und doch hat Palacky gegen Bach­

mann dieses eine Mal recht, wo er sicher wünschen würde, unrecht zu haben. Podiebrad hat tatsächlich „ein Vorwissen" und

dazu ein recht gründliches über die Absichten der un­

garischen Unabhängigkeitsparteien gehabt.

51

Auffallend ist es dem aufmerksamen Beobachter auch, „daß der Bischof von Großwardein schon am 13. Dezember in Prag sein konnte":

der Bischof kam als der Bevollmächtigte seiner

Partei, mit deren Häuptern er sich doch erst verständigt haben „Diese waren aber nicht bloß über das Ziel einig,

mußte.

das sie anstreben mußten, sondern scheinen auch bereits über die Mittel und Wege dazu einig gewesen zu sein." In Skalitz war das Stück geschrieben, und seitdem spielte

man es Szene auf Szene, Akt auf Akt, wie in einem guten Theater; die Handelnden treten auf, wenn ihr Stichwort fällt.

Es gehört nicht mehr in den Nahmen dieser Abhandlung,

die Schlußszenen zu schildern, wie Georg den Tod Ladislaws ausbcutete, wie er seinem Schwiegersöhne, nicht ohne Entgelt, auf den ungarischen Thron half, wie er selbst König wurde, nachdem er zuerst alle Bewerber geschickt hingehalte», dann das

Erbrecht und die Wahlordnung mit Füßen getreten hatte.

Daß „wer der Kur widersprochen hätte", für seinen Köpf zu fürchten t)atte!), ist nach alledem nicht überraschend.

Aber

ist es, daß gerade der besten Freunde Podiebrads

bezeichnend

ein solches Vorgehen über Leichen wohl zutraut.

einer

ihm

Wer

mochte

sich solchem Manne in Böhmen widersetzen —

„sterben das tuet gar we". Es

bleibt

noch

eine

Frage zu

beantworten:

Warum

schwiegen die edlen und tapferen Fürsten des Reiches zu so furchtbarer Tat; warum verlobten oder vermählten die Mäch­ tigsten unter ihnen ihre Kinder denen des Mörders? Vor der Wahl hofften die Herzöge von Österreich, Sachsen,

Bayern und die Markgrafen von Brandenburg bald auf dem ') Eschenlver I S. 47. Die Rosenbergsche Chronik, Archiv für öftetr. Geschichtsquellen XII S- 354 und Fontes rer. Austr. 46 S. 2. Sternberg sagt zu dem seine Stimme weigernden Johann von Rosenberg: „Du wirst uns bringen umbe unsern Kopf." Ruprecht von Polheim fügt hinzu, vielleicht mit Anspielung auf Ladislaws Tod: „Nu verstett Jr woll solichen Ernst und sterben das tuet gar we "

52 Haupte eines der Ihrigen die böhmische Krone zu sehen; keines

dieser Häuser mochte bei solchem Streben den mächtigsten Mann im Reiche sich zum Feinde wissen.

Und als die Fürsten nach

der Wahl sahen, wie sehr sie getäuscht worden waren, wagte nur Herzog Albrecht von Österreich mit der Anklage des Gift­

mordes gegen Eizinger und dadurch natürlich auch gegen Podie­

brad

hervorzutreten;

Wagemut büßen.

sein

unglückliches Land

mußte diesen

Mit den Waffen befreite Podiebrad seinen

Komplicen.

Den anderen Fürsten war bald kein Opfer für die Freund­ schaft dieses Mannes zu groß, schien doch der Sieg sein zu

müssen, wo Zebraken kämpften.

Nur ein Gemeinwesen hat mit einer oft unlogischen, aber opferfreudigen und bewundernswürdigen Konsequenz, nicht

wankend, Papst, Kaiser und Fürsten trotzend, seinen gesunden Haß gegen den Usurpator nie verleugnet. In Breslau glaubte man, daß Gott die grauenvollen Zeiten, die bald anbrachen, über Deutschland verhängt habe „zur Rache für das unschuldige Blut Ladislaws und zur Buße für die Großen der Welt, die

seinen Mörder ungestraft lassen"?) Warum aber schenkte der Stellvertreter Christi den Reden eines Lucrifacius Gehörs, warum schleuderte er, der Berufene, nicht seinen Bann gegen den Mörder?

Wir wissen, wie geschickt Podiebrad bereits im Beginn des Jahres 1457 dieser Gefahr vorgebeugt hat. Sein Übertritt, seine Eide bei der Krönung, seine nahe Verwandtschaft zu der

Familie der Glaubenskämpfer Hunyadi gaben in Rom den Ausschlag.

Den Blick fest auf das hierarchische Prinzip von

der unbedingten Einheit in Kultus und Glauben gerichtet, ließ die Kurie „die Toten ihre Toten begraben".

9 Script, rer. Austr. IX S. 151. 8) Das Verhalten des Papstes schien Fernstehenden so unglaublich, daß sie vermuteten, es sei durch Bestechung beeinflußt worden. Contin. Matthias Döring Menken, Script, rer. Germ. III S. 25 — ein Ge­ danke, der zu töricht ist, um widerlegt zu werden.

53

brad

Aber als man sich in Rom überzeugt hatte, daß Podie­ seine Eide nicht halten wollte, vielleicht auch nicht

konnte, da kehrten die Beschuldigungen des Mordes in den Schreiben und Reden der Päpste Pius und Paul und ihrer

Legaten gar häufig wieder. Und Podiebrad hat nie versucht, diesen Vorwurf zur widerlegen, sei es denn durch die kühne Behauptung, daß „er nit mit Ufsatz oder Hoffart", „sondern

aus Barmherzigkeit" das Regiment des Königreiches erstrebt habe. *) Ziehen wir das Fazit. Der Beschuldigte ist eiu Mann, dem bereits zwei Morde vorgcworfen wurden2), dem selbst seine Freunde den Weg über Leichen zu einem ersehnten Ziele wohl zutrauen.3) Seine wider­ setzliche, vielleicht hochverräterische Amtsführung^) schloß ihre Verlängerung aus, machte seine Bestrafung wahrscheinlich; nach seinem ganzen Verhalten aber ist es unmöglich, daß er Wir sind am Schluffe.

überhaupt freiwillig die Macht einem Jüngling übergeben wollte, dessen geringfügigen Einmischungen er bisher in be­ leidigender Weise entgegcngetreten war. Der Beschuldigte mußte

den Tod seines Königs vor der geplanten Heirat, vor dem Ab­ laus der eigenen Amtszeit und vor der wahrscheinlichen Nieder­ werfung der mit ihm verbündeten österreichischen und ungarischen Unabhängigkeitsparteien wünschen; am bequemsten mußte er ihm vor der Ankunft des Hunyadi in Prag sein. Der Beschuldigte hat das bereits vielfach vor seinem Mord­ anschlage gewarnte b) Opfer durch Drohung an den einzigen Platz gezwungen, wo er es ohne Furcht vor Strafe vernichten

konnte, und dort vor dem Morde in der rücksichtslosesten Art behandelt. In überaus kluger Weise hat der Mörder sich vor der Tat die *) •) ’) 4) °)

beiden

„obersten Richter der Welt" zu verpflichten

Eschenloer: Gesch. v. Breslau S- 316. An Heinrich von Rosenberg und Meinhard von Neuhaus. Zdenko von Sternberg und Ruprecht von Polheim. Weitmiihls Gesandtschaft und Skalitzer Verhandlungen. Smiriczki, Bischof von Passau: Die Breslauer.

54 gewußt, hat er die vorzüglichsten Räte seines Opfers unschäd­

lich

gemacht.

Ulrich

von Passau

nach

ging

Frankreichs),

Hölzler wurde in den Kerker geschleppt.

Vor seinem Tode zwang man den jungen König, den ihm getreuen Wiener Rat abzusetzen und vor allem Huniady nach

Prag verbringen zu lassen, eine Handlung, die erst die Aus­

führung der späteren Pläne ermöglichte.

Der König erkrankte

kurz nach einem mit der Gemahlin Podiebrads eingenommenen

Nachtmahl. Der Beschuldigte,

der wußte,

daß der auf so seltsame

Weise Erkrankte häufig vor seinen Anschlägen gewarnt war —

hatte er doch durch List und Gewalt einen der Warner vor

Jahren schnell beseitigt —, hätte auch den Schein eines bösen Im Gegenteil: er entfernt im Be­

Gewissens meiden müssen.

der Krankheit alle Getreuen vom Lager ihres Königs,

ginn

besetzt den Hofstaat mit seinen Anhängern, widersetzt sich nach dem Tode der von den Ärzten geforderten Sektion der Leiche

und kann sich keinerlei Zeugnis verschaffen, daß der Tote nicht an Gift gestorben sei; er läßt auch die Tore Prags scharf

bewachen

und

in

den ersten Tagen nach

dem Tode keinen

Fremden die Stadt verlassen.

Nach vollbrachter Tat handelt er in jeder Weise so, als wenn er die Todesstunde seines Opfers vorhergewußt hätte.

Den für die lange beabsichtigten Einmischungen so willkommenen

letzten Willen des Königs haben dem Beschuldigten selbst seine

Böhmen nicht geglaubt.

Die Befreiung seines unter dem Ver­

dachte der Mitschuld verhafteten Genossen Eizinger scheint ihm

später selbst wichtiger als die Unterwerfung rebellischer Unter­ tanen. In seinem ersten Briefe nach dem Hinscheiden seines Opfers

verschweigt der Beschuldigte die Ursache des Todes, nennt sie

aber in einem späteren Brief.

Die dort aufgestellte Behauptung,

x) Diese Reise war schon lange projektiert, die letzten Bedenken werden die in Prag am 21. Oktober gegebene Verpflichtung Ladislaws beseitigt haben, dem Bischof die Reiseunkosten mit 5000 fl. zu ersetzen. Vgl. Kurz: Österreich unter K. Fdr. I. S. 193.

55 der König sei an der Pest gestorben, wagt er aber in seiner

öffentlichen Rechtfertigung selbst vor den von ihm ausgesuchten Richtern nicht zu wiederholen, sondern läßt dort die Möglichkeit

einer Ermordung zugestehen, aber die geschädigten Kläger als die mutmaßlichen Mörder bezeichnen. Auch läßt nicht er, der Beschuldigte, sich verteidigen, sondern die „wirdig Cron" und auch das durch wacker entstellte Tatsachen. Gegen später erhobene Beschuldigungen verteidigt sich der Mörder überhaupt nicht mehr?) Die Entlastungszeugen sind alle Böhmen, aber keiner von ihnen ist zur Zeit des Todes in Prag gewesen.

sprechen

sich,

Podiebrad

und

allen

Sie wider­ anderen Zeugen; der

böhmische Annalist ist fast in jedem Punkt der Lüge, der Ano­ nymus in N. C. der Unkenntnis in wichtigen Punkten über­ führt. Die beiden nennen übrigens die Todesursache gar nicht.

Gebildete Böhmen dagegen lassen, soweit sie Anhänger Podie­ brads sind, die Todesursache unentschieden ^), seine Gegner sind von der Ermordung überzeugt.8)

Ebenso behauptet der weltliche Hofstaat Ladislaws durch mindestens einen Vertreter jeden Standes, der König sei ver­ giftet worden. Die unabhängigen edelgeborenen Begleiter des Königs^), sein Sekretärs, seine Kämmerer"), seine Arztes sind *) Vor allem gegen die von den Päpsten und ihren Legaten er­ hobenen Beschuldigungen. Ja, er verbietet bereits 1460 oder 1461 seinem Prokurator am Kgl. Hof, „sich am päpstlichen Hof in irgend eine Diskussion über den Tod Ladislaws einzulassen. Nach Palacky: Zeugenverhör S. 15.

2) Dialogus Joh. Rabensteinensis. s) Rosenbergsche Chronik bei Höfler. Archiv für Kunde österr. Ge­ schichtsquellen XII S. 354. 4) Andreas von Lapiz, Burggraf von Steter, sowie die von derN wohl sicher Ladislaw nahestehenden Dichter genannten Edlen Ulrich von Bernburg, Ruckendorfer und Nikolaus Truchseß, die der Dichter in seinem Lied kaum genannt hätte, würden sie die im Liede ausgesprochene Überzeugung nicht geteilt haben.

5) Johannes Rode. 6) Durch ihre von Timpelfeld und Gabriel von Verona bezeugte offene Klageschrift. 7) Nach Eschenloer, Ebendorfer, Timpelfeld, Gabriel von Verona Äneas Sylvins.

56 darüber einer Ansicht.

Die Ärzte, die alle Arten der Pest

kannten, kennen mußten, erklären, daß die Krankheit des Königs weder Bubonentyphus noch Pest gewesen sein könne. Nicht

nur das Volk — selbst in Prag — auch alle Gebildeten außerhalb Böhmens sind von der Ermordung Ladislaws über­ zeugt. Der König von Polen und Herzog Albrecht von Öster­ reich glauben an sie, Podiebrads bester Freund und naher Verwandter Markgraf Albrecht spricht von ihr wie von einer selbstverständlichen, allgemein bekannten Tatsache.

Wahrlich Gabriel von Verona sagt nicht zu viel, wenn er Podiebrad ins Gesicht schleudert: »Te presumptiones

accusant fortissime, te convincunt testes fidelissimi, te

denunciant medici, te regis cammerariorum culpat emissio.« Selten wohl war ein Angeklagter schwerer belastet, über den das „Schuldig" gesprochen ist.

Es wäre müßig, die Frage nach den Mitschuldigen ein­ gehend zu beantworten. Daß Eizinger und der Vertreter Huniadys Ladislaw alle Macht entziehen wollten, ist sicher, daß sie seinen Tod gewünscht haben, sehr wahrscheinlich. Johanna, Podiebrads Gemahlin, zeihen von unseren Zeugen nur Eschenloer und der Dichter des Klageliedes der Mitschuld; daß Podiebrad am 21. d. M. an dem Nachtmahl überhaupt nicht teilgenommen hat, wird nicht gesagt, so ist auch ihre Mitschuld nicht völlig erwiesen. Rokyczana wird nur von dem Dichter des Klageliedes der Mitschuld verdächtigt. Wir haben den Mord nachgewiesen, wir brauchen ihn nicht zu beurteilen.

Mag man vom utraquistischen Standpunkt Podiebrad einen Reiniger, nicht einen Mörder nennen, von dem der Hunyadis in ihm einen Rächer erblicken; mag man ihm selbst

’) Eschenloer. Auch die wohlgesinnten Zittauer Gesandten, die zur Zeit des Todes in Prag waren, zweifeln an einem natürlichen Tod. Zeugenverhör S. 30. 8) Seine Mitschuld bezeugen: Anonymi Chronicon Austriacum, DlugoS Rosenbergsche Chronik, Herzog Albrecht von Österreich, bet Dichter in Pez, Script, rer. Austr.

-

57



vom menschlichen Standpunkte, nach seiner Widersetzlichkeit und seinem wahrscheinlichen Hochverrat das Recht der Notwehr

nicht absprechen — der Meuchelmord an dem blühenden Jüng­ ling bleibt doch so abscheulich, daß die Heldenrolle Podiebrads wohl für alle Zeiten ausgespielt ist. Der Mann, der es so weit gebracht hatte, daß zehn Jahre nach seinem Regierungs­ antritt in Deutschland „Gelübd und Eid ein Spott waren, Treue und Ehre so viel heißen, als guten Morgen bieten" — wird in künftigen Geschichtswerken besser das Fach eines klugen und energischen, aber skrupellosen Intriganten ausfüllen.

Exkurs. Um die Erfüllung der Prophezeiung Rodes: »rem illam in dies magis clarescere« hinauszuschieben, hat der Ver­ teidiger einen ihm befreundeten ärztlichen Sachverständigen ge­ laden, von dem der Verteidiger nun seinerseits prophezeit, das; er „in nicht ferner Zukunft als Autorität in Fragen dieser Art anerkannt werden dürfte". Es ist nicht notwendig, auf alle „medizinisch epikritischen Bemerkungen" Dr. Lambls einzugchen. Seine Patientengeschichten sind hier gleichgültig; auch auf das, was er auf langen Seiten über die Geschichte der Syphilis erzählt, brauchen wir nicht zu erwidern; jeder gebildete Laie weiß heute, daß das, was Herr Dr. Lambl darüber auseinandersetzt, völlig falsch ist Eine Erkrankung an Syphilis schließt nicht nur der von vielen, selbst von dem Mörder gerühmte keusche Lebenswandel Ladislaws, sondern vielmehr die Nichtexistenz dieser Krankheit aus. Auch wollte uns Dr. Lambl wohl nur seine Kenntnisse auf diesem Gebiet entwickeln, da er ja selbst zum Schlüsse kommt,

Ladislaw sei an der Pest gestorben. Die Beweise, die Dr. Lambl für diese Behauptung und für die

Unmöglichkeit einer Vergiftung anführt, wollen wir

*) Vgl. die öffentlichen Verhandlungen des Dermatologenkongreffes Berlin 1904.

59 durch einen Arzt nachprüfen lassen, der als bewährter Kämpfer gegen diese Epidemie bekannt ist — Herrn Oberstabsarzt Prof.

Dr. Dieudonne, München. Vorher aber gilt es, die vom Verteidiger entstellte Krank­

heitsgeschichte festzustellen.T) Am 21. November, Montag vormittag, hielt König Ladislaw Gericht, das bis ca. 5 Uhr nachmittags dauerte. Die Boten, die ihn dort sahen, freuten sich über den frischen, schönen, gesunden Mann2) und über seine ausgelassene Lustigkeit.3) Den Montag-Nachmittag und -Abend verbrachte der König in der allerbesten Launey) Zur Nacht speiste er mit Johanna, der Gemahlin Podiebrads, jedenfalls zu sehr später Stunde"); denn *) Die Feststellung der Krankheitsgeschichte zeigt die Beweismethode des Verteidigers vorzüglich. Wie er gegen alle Zeugen nur mit geschickter Benützung des böhmischen Annalisten und Äneas Sylvius die Krankheit

bereits Sonntag Nachmittag beginnen läßt und so das Nachtmahl am Montag wegleugnet, ist lesenswert. Um zu diesem Resultat zu gelangen, muß Palacky selbst die Berichte seiner Gewährsmänner vergewaltigen. Um zu verschweigen, daß Äneas Sylvins irrtümlich die Gerichtssitzung

aus den Dienstag verlegt, läßt er ihn lieber einen Tag und eine Nacht überspringen. Sehr unbequem ist auch, daß der Annalist von dem Ge­ richtstag gar nichts weiß und bereits am Montag den König in ein­ greifendster Behandlung der Ärzte sein und in Ohnmachten liegen läßt. Das wird alles verschwiegen; dagegen wird auf die Diagnose des ersten Arztes, der behauptet, es sei keine Gefahr, Wert gelegt. Die gleichzeitige Diagnose des zweiten Arztes und die sofort einsetzende Behandlung wird nicht berücksichtigt, da sie ja die Gerichtssitzung unmöglich gemacht hätte. 8) Eschenloer. 3) Zittauer Gesandte: >vakle laetus«. 4) Rode: >summa postrema et facili laetitia.« 6) Eschenloer, dessen Erinnerung zweifellos über die Krankheitsdauer sich täuscht, sagt: „Binnen zwanzig Stunden war er gesund und tot", das hieße, die Krankheit habe erst Dienstag abend 8 Uhr begonnen, so daß man das Nachtmahl Ladislaws mit Johanna, von dem die Kämmerer und Ärzte Eschenloer erzählt haben, auf Dienstag abend verlegen konnte. .Daß Eschenloer sich später über die Dauer der Krankheit geirrt hat, geht aus dem Schreiben der Stadt Breslau an den König von Polen hervor, das Eschenloer als Stadtschreiber wohl verfaßt hat. Die Breslauer schrieben damals, Ladislaw sei am Tage der hl. Cäcilie erkrankt und den folgenden Tag gestorben. Nun rechnet der Tag in Breslau aber

60 er war Dienstag morgen um 3 Uhr noch auf. **) Als er sich zur Ruhe legen wollte, keinesfalls früher, begann nach über­ einstimmendem Zeugnis?) fast aller glaubwürdigen Zeugen die Krankheit. Am Morgen scheinen die Ärzte geholt worden zu sein. Der König saß leicht bekleidet auf einem Sessel3), doch schien die Krankheit den Ärzten so gefährlich, daß Meister Paul

bereits am Vormittag nach den heiligen Sakramenten sandte.4) Um Mittag entfernte Podiebrad alle Getreuen vom Kranken­ lager des Königs und besetzte den Hofstaat mit ihm genehmen Personen; am Dienstag scheint eine starke Schwellung des Unterleibes eingetreten zu sein sein Zeichen, aufgeschossen an dem rechten Fuß und Schoß).3) Am Mittwoch morgen bat Ladislaw Podiebrad an sein Bett, ließ ihn schwören, sein Testament getreu auszuführen3), vielleicht auch den deutschen Hofstaat unbehelligt in die Heimat zu entlassen. Der König starb, wahrscheinlich bei vollem Bewußtsein, Mittwoch nach­ mittag zwischen 3 und 4 Uhr (37 Stunden Krankheitsdauer); während der ganzen Krankheit hatte der König weder Kopfdamals von Sonnenuntergang des vorhergehenden Tages bis wieder zum Sonnenuntergang des genannten Tages. Demnach ist Ladislaw zwischen Montag und Dienstag nachmittag 4 Uhr erkrankt. Diese völlig richtige Darstellung erschien Eschenloer später falsch, und er änderte sie in der Übersetzung durch einen entstellenden Zusatz. Vgl. Zeugenverhör S. 30. Der einzige Zeuge, der außer ihm dieses Nachtmahl näher bestimmt, setzt es auf den Montag Abend. Chronika der Grafen von Cilli. Zeugen­ verhör S. 26 und 27. i) Rode. *) Rode, Ebendorfer, Zittauer Gesandten, Äneas Sylvius, Cillische

Chronik. Auch der Anonymus in N. C. läßt die Krankheit in einer Montag-Nacht beginnen. Die verschiedenen Angaben über die Krankheits­ dauer lassen sich zum Teil daraus erklären, daß die Gewährsmänner den Beginn der Krankheit nicht gleichzeitig erfahren haben. Die Anfänge der Krankheit sah Rode, später wurden erst die Ärzte gerufen (Ebendorfer).

Nach der Entfernung der Kämmerer am Dienstag nachmittag verbreitete sich das Gerücht von der Krankheit in der Stadt, wo es Eschenloer erfuhr. 3) Anonymus in N. C. 4) Dichter des Klageliedes. 5) Anonymus in N C. 6) Ebendorfer.

61 noch Gliederschmerzen. *) Einer Sektion der Leiche und der üblichen Einbalsamierung widersetzten sich die Böhmen.l) Doch wurde die Leiche während des ganzen folgenden Tages öffent­ lich ausgestellt. Beim Todeskampf waren bereits Augen, Nase und Zunge schwarz gefärbt; auf dem ganzen Rückgrat und auf der linken Seite zeigte sich ein schwarzer Fleck. (Viderunt

eins versus fineni oculos et nasum et linguam penitus denigratos et in spina dörsi per extensum ac sinistro

latere maculam nigram similiter apparere). ’) Nach einem in vielen Punkten der Unwahrheit überführten parteiischen Zeugen") sollen die Ärzte dem Kranken erst eine

Arznei zum Schwitzen, dann zum Erbrechen, dann zum Ab­ führen gegeben haben und ihn zuletzt zur Ader gelassen haben. Der König sei während der Krankheit in Ohnmachten gelegen. Ein anderer Zeuge berichtet von heftigen Leibschmerzen bei Beginn der Krankheit ^); am Montag sollen zwei Beulen auf­ gebrochen sein.") Am Tage nach dem Tode wurde besonders eine außerordentliche Anschwellung des Unterleibes bemerkt; zwei Tage nach dem Tode fand das Begräbnis statt. Es ist zweifellos festgestellt 4), daß zur Zeit des Todes keine Pestfälle in Prag vorgekommen sind und daß von den vielen Personen, die vor und während der Krankheit den König bedienten oder das Lager des Königs umstanden, sowie von den Tausenden, die den aufgebahrten König angesehen haben, kein einziger an der Pest erkrankt ist. 25 Jahre nach dem Tode Ladislaws ließ der folgende König Wladislaw das Grab öffnen. Der König erklärt, die Leiche völlig unversehrt (plane incorruptum) und ohne ein Zeichen einer Vergiftung gefunden zu haben.') Der Prager Propst Ponton von Braitenberg will die Leiche ca. 130 Jahre nach dem Tode »integrum et ex omni parte incorruptum« gefunden haben.') *) Ebendorscr. a) Böhmische Annalist. s) Äneas Sylvins. 4) Eschenloer, Rode. 5) Zeuc;e>lverhör S. 18.

62 Herr Prof. Dieudonne führt aus:

„Es ist völlig un­

möglich, daß es sich bei der Krankheit König Ladislaws um Pest gehandelt hat, da bereits ganz im Beginn dieser Krank­

heit der Pestkranke in die für Pest charakteristischsten .Flucht­ delirien'

verfällt,

keinesfalls ein Bewußtsein bis zum Tode

möglich ist. Der Kranke müßte bei einer akuten Pestkrankheit die un­ erträglichsten Kopfschmerzen haben?)

Das frühe Auftreten der Leichenflecke zeugt nur von einer

Zersetzung

des Blutes,

Vergiftung herrühren.

kann

also ebensogut von Pest

als

Die gemeldete Behandlungsweise ist

typisch für alle Krankheiten.

Die Auftreibung des Leibes spricht

absolut nicht für Pest, man findet sie bei allen Vergiftungen, entsprechend den Totenflecken. Ein so akuter Pestfall, der in

co. 36 Stunden zum Tode führt, kommt zweifellos nicht spora­ disch, sondern nur bei den schwersten Epidemien vor. Auch der Leichenbefund König Wladislaws zeugt weder für noch gegen Pest; Wohlerhaltenheit der Leiche spricht vielleicht

für Arsenik.

Der schnelle Verlauf der Krankheit schließt das Aufbrechen

des Bubo, sowohl während der Krankheit als an der Leiche, mit Sicherheit aus." Wir sehen, Dr. Lambl ist in schwerem Irrtum, wenn er

meint, die Krankheitsgeschichte zeige das treue Bild des Bubonentyphus, wie er in der Mitte des vorigen Jahrhunderts noch in Ägypten geherrscht habe. Daß König Ladislaw nicht an der Pest gestorben ist, das weisen die Ärzte des XV. Jahrhunderts nach, es bestätigen

ihnen die des XX. Jahrhunderts.

Was Dieudonne über die Unmöglichkeit akuter sporadischer Pestfälle ausführt, hat 450 Jahre vor ihm Eschenloer gewußt:

„Ettliche sageten er hette die Pestilenczia.

Oder wie groß die

*) Vgl. „Anweisung zur Bekämpfung der Pest", festgestellt in der Sitzung des Bundesrates 3. Juli 1902 S. 27 und 41. Dieudonne: Über die Pest, Ärztliche Praxis 1900 S. 9. Dieudonne: Die Pest in Bombay,

Westermaiers Monatshefte 1899 S. 496.

63 gewest were, so als sie doch sust zu Präge dieselbe Zeit nicht schlug, sie hette in sulcher kurzer Zeit Laßlaw nicht mögen töten." Auch die Ärzte, welche die Gewährsmänner Ebendorfers waren, haben sich in keinem Punkt geirrt.

Nun behauptet aber Dr. Lambl ferner: die im XV. Jahr­ hundert üblichen Arsenikgifte seien ausgeschlossen, da die auf­ fallendsten Symptome weder der akuten Arsenikkrankheit (Er­ brechen, unsäglicher Leibschmerz, peinlicher Durst, Delirien)

noch der chronischen (qualvolles Dahinsiechen, Paralyse, Ab­ magerung zum Skelett) erwähnt werden.

Ein narkotisches Gift

sei neben anderen Umständen durch das klare Bewußtsein des Kranken bis zum Tode ausgeschlossen. *)

Dr. Lambl übersieht, daß der von ihm und Palaeky so ost herangezogene Bericht des Äneas Sylvius gleich im Be­

ginn der Krankheit von

heftigen Leibschmerzen

meldet, Er­

brechen ja schon durch das von dem böhmischen Annalisten angeführte Brechmittel herbeigeführt sein müßte und nur nicht bezeugt ist. Die glaubwürdigen Zeugen haben sich leider darauf be­ schränkt, die Vergiftung zu bekunden und Material zusammen­ zutragen, daß die Behauptung des Mörders, sein Opfer sei an der Pest gestorben, erlogen sei.

*) Palaeky kann sich nicht enthalten, selbst die Warte seines Freundes zu verdrehen. Er übersieht die Teilung Dr. Lambls in Arsenik und narkotische Gifte, von denen nur letztere das Bewußtsein beim Tod aus­ schließen sollen, und behauptet rundweg: „Wie die Pathologie lehrt und Dr. Lambl in der Beilage nachweist, ist kein Fall einer tödlich ver­ laufenden ohtteii Vergiftung denkbar, ohne daß am Ende neben anderen notwendigen Symptomen auch eine Störung der Funktionen des Gehirns eiutrete." Zeugenverhör S. 53 und später S. 55: „Ladislaw sei bis zum letzten Atemzuge bei ungetrübtem Bewußtsein geblieben, was nach dem Zeugnisse kompetenter ärztlicher Autoritäten bei tödlich verlaufenden akuten Vergiftungen eine reine Unmöglichkeit ist." Nach allem, was Palaeky in dieser Abhandlung nachgewiesen ist, ergibt sich die Antwort auf seine Ausfälle gegen deutsche Gelehrte am Schluß des Zeugenverhörs wohl von selbst.

64 Außer den Arsenikpräparaten gab es auch im Mittelalter bekannte Pflanzengifte, nach deren Genuß der Kranke bei vollem

Bewußtsein sterben konnte. Keines der wirklich bezeugten Symptome widerspricht einer Vergiftung.

Die völlige Unversehrtheit der Leiche nach 25, ja

sogar nach 130 Jahren *) und die Blase an den Genitalien, die in der Dienstag-Nacht aufgetreten sein soll, sowie die Krankheits­ dauer sind Symptome, die zu einer Arsenikvergiftung stimmen.*2) Die Krankheitsgeschichtc straft den Mörder, aber in keiner

Weise die Ankläger Lügen. *) Koberi:

Lehrbuch der Intoxikationen S. 68.

Auffällig ist es,

daß der Prozeß (der Mumifikation) auch in unseren Klimaten bei in Blei­

kellern oder Bleisärgen Begrabenen sowie nicht selten bei mit Arsenik

Vergifteten vorkommt, vgl. auch S. 256. 2) Kobert: Lehrbuch der Intoxikationen L. 253.