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German Pages [671] Year 2006
B ö h la u
Waltraud Häupl
Die ermordeten Kinder vom Spiegelgrund Gedenkdokumentation für die Opfer der NS-Kindereuthanasie in Wien
Böhlau Verlag Wien Köln Weimar
Gedruckt mit der Unterstützung durch die Kulturabteilung der Stadt Wien, M A 7 die Wiener Stadtische Versicherung die Erzdiözese Wien das Bundesministerium fur Bildung, Wissenschaft und Kultur das Bundesministerium fur Wirtschaft und Arbeit und das Amt der Oberosterreichischen Landesregierung
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Inhalt Geleitwort (Marianne Enigl)
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Einleitung (Waltraud Häupl)
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Kindereuthanasie in Wien 1940-1945. (Brigitte Rigele)
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Der organisierte Massenmord: Lebensbilder, Auszüge und Kurzfassungen aus den noch erhaltenen Krankengeschichten und anderen Unterlagen Fotos von ermordeten Kindern
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Namen von Kindern aus dem Totenbuch, deren Krankengeschichten nicht auffindbar sind und von Kindern aus Hamburg, die in den Pavillons 19, 21 und 24 getötet wurden
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Epilog (Friedrich Zawrel)
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Dokument des „Reichsausschuss"
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Zeitungsmeldungen zu den Volksgerichtsprozessen 1946 und zur Verhaftung von Dr. H. Gross 1948
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Glossar
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Quellen
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Geleitwort „Alle haben sehr schön gesungen denn bald hat unser Führer Geburtstag und da müssen wir seiner gedenken. Bitte bringe mir folgendes mit: Ein paar Kriegsbücher, ein Sackerl Zuckerln ... Auf der neuen Abteilung, wo ich jetzt bin, haben viele keinen Besuch. Bitte Mutti, bringe ihnen auch etwas mit." Erika Stanzl, 16Jahre alt, Brief an die Mutter, undatiert, 1942 am Pavillon 1$ der „Heilpadagagischen Klinik der Stadt Wien - Am Spiegeigrund" geschrieben. Sie sind auf eigenartige Weise fremd geblieben, die „Kinder vom Spiegelgrund". Das Verständnis galt den Tätern - zu viele hatten Grund, sich mit ihnen zu identifizieren. Und daher mussten die Leiden der Opfer verschwiegen, geleugnet werden. So der bekannte Autor Ernst Klee, der sich mit den Krankenmorden im Nationalsozialismus intensiv beschäftigt hat. Die Täter bemühten sich, den Kindern alles Menschliche abzusprechen. „Tiefstehend idiotisch" war eine der gängigsten Diagnosen. „Na ja, die haben ja eine mindere Lebenschance gehabt, die Kinder an sich", sagte der ehemalige „Spiegel grund"-Arzt Heinrich Gross in einem profil-Gespräch. Er verschwieg hier geflissentlich, dass er selbst einer der Ärzte gewesen war, die über Leben und Tod der Kinder bestimmt hatten. Vermutlich stammen die meisten der Fotos, die von den Patienten am „Spiegelgrund" angefertigt wurden und die nach sorgsamer Auswahl in diesem Band veröffentlicht werden, von ihm. Er, der Arzt, SA-Mitglied von Jugend an, war den Kindern in Uniform gegenübergetreten, „Wehrmacht natürlich" (Gross). In den Gesichtern ist Ohnmacht spürbar. Die Kinder weinten Tränen der Scham, meist mussten sie entkleidet vor die Kamera. Schamlos. Es gab für die am „Spiegelgrund" ermordeten Kinder nur einen kurzen M o ment der öffentlichen Trauer - als ihre sterblichen Überreste im Jahr 2002 bestattet wurden. O f t wussten und wissen nahe Angehörige nichts von ihrem Schicksal. „Lass es, du musst vergessen": dieses Gebot hatte die Mutter eines 1944 ermordeten Mädchens von ihrer eigenen Mutter bekommen. Und geschwiegen, selbst vor dem eigenen Sohn. Nun erscheint zum ersten Mal ein Buch über die „Kinder vom Spiegelgrund". Es erzählt von ihrem Alltag in dieser nationalsozialistischen Anstalt, ihren Freuden, Ängsten, ihrem Stolpern und Bemühen, dem Versuch ihrer Anpassung an die Verhältnisse und ihrer Auflehnung, von den Umständen ihres Sterbens.
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Marianne Enigl
Mit den Einblicken in ihr Leben füllen sich wieder einige der Seiten unserer Geschichte, die von manchen immer noch lediglich als „dunkle Seiten" bezeichnet werden. Grundlage sind die Krankenakten, angelegt von Ärzten und Pflegepersonal. Es ist nicht nachvollziehbar, ob und welche Eintragungen gefälscht worden sind. Der später wegen der Beteiligung am Kindermord am „Spiegelgrund" angeklagte Arzt Heinrich Gross beantwortete die Frage, warum stereotypisch Lungenentzündung als Todesursache angegeben wurde, später kryptisch so: „Die kriegt man, wenn man da längere Z e i t . . . übermäßig." In seinem letzten Wort „übermäßig" verbirgt sich Medikamentenüberdosis als tatsächliche Todesursache. Jede individuelle Geschichte der „Kinder vom Spiegelgrund" ist ein Stück österreichischer Geschichte. Offener als jeder andere Beteiligte hat der erste ärztliche Leiter der Klinik, Erwin Jekelius, von systematischer „Vernichtung der Kinder" gesprochen und eine Mindestzahl genannt: „Monatlich töteten wir zwischen 6 und zehn". Er wurde 1945 in Wien von der sowjetischen Spionageabwehr verhaftet, die Protokolle seiner Verhöre in Moskau sind erst vor kurzem in Auszügen zugänglich geworden. Die in dieser Form einzigartigen Einblicke in das Leben der „Kinder vom Spiegelgrund" hat Waltraud Häupl zusammengestellt. Sie ist die Schwester eines auf dem „Spiegelgrund" ermordeten Mädchens und macht hier in Auszügen die Krankengeschichten zugänglich, die im Wiener Stadt- und Landesarchiv aufbewahrt werden. Sie hat die Dokumente übertragen, die in längst nicht mehr geläufiger Kurrentschrift verfasst sind, und hat die vielen hundert Seiten handschriftlicher Eintragungen von zuweisenden Stellen, Ärzten und Krankenschwestern entziffert. Und vor allem: Waltraud Häupl hat sich über Jahre hinweg dem gestellt, was aus den Krankengeschichten ablesbar ist. Es war eine oft beinahe unerträgliche Belastung. In diesem Buch erfährt man zum Beispiel von Erika Stanzl, von der sich der Brief an ihre Mutter erhalten hat. Darin schrieb sie über die eingelernten Lieder zu Ehren des „Führers", bat fürsorglich, beim Besuch auch fur die anderen Kinder etwas mitzubringen. Als 16-Jährige wegen angeblicher „Erziehungsschwierigkeiten" von der Wiener Kinderübernahmestelle auf den „Spiegelgrund" überwiesen, wurde ihr hier nach einem Intelligenztest attestiert, „Gedächtnis sogar als außerordentlich gut". Als „doch fast arbeitsunwillig" dem Reichsausschuss nach Berlin zwecks dortiger Zustimmung zur Ermordung gemeldet, starb sie 17-jährig. Adam Uivary kam im Alter von elf Monaten auf den „Spiegelgrund", weil „Zigeunerstämmlinge weder in arischen Kinderheimen gehalten noch bei arischen Pflegeeltern untergebracht werden dürfen" und starb als knapp Dreijähriger.
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Geleitwort
Engelbert Deimbacher, 13 Jahre alt, hat sich als taubstummes Kind mit bunten Zeichnungen ausgedrückt, ihm wurde die Diagnose „Schwachsinn höchsten Grades" zum Todesurteil. Bei Edeltraud Aschauer, geboren Ende 1943 in Oberösterreich, drängte der Landrat (Funktion ähnlich dem Bezirkshatiptmann) von Steyr auf Aufnahme am „Spiegelgrund": „Das Kind ist eine Missgeburt, die Mutter hat es noch nicht gesehen und soll es womöglich auch nicht zu Gesicht bekommen ... Nachdem es nicht spitalspflegebedürftig ist, muß es ehestens aus dem Kinderspital der Stadt Linz abgeholt werden." Der Säugling war bei der Uberstellung nach Wien drei Wochen alt, zwei Wochen später tot. Von damals möglichen Therapiemaßnahmen enthält die Krankengeschichte nichts. Viele der Eintragungen lassen die Verzweiflung der Kinder erahnen. Ein Mädchen, die 15-jährige Martha Arnhold, dürfte auf dem „Spiegelgrund" Selbstmord verübt haben. „Ruft oft nach Mama und Papa. Nach dem letzten Besuch von seinen Eltern war er sehr lange traurig", ist Ende September 1943 zum Beispiel in der Krankenakte des sieben Jahre alten Herbert Prosser vermerkt. Eine Woche später heißt es, von ihm sei „kein Arbeitseinsatz zu erwarten", sechs Wochen darauf ist er tot. Jenen Eltern, die die tatsächlichen Todesumstände ahnten, begegneten die Arzte rüde und mit Drohungen. Eine Mutter aus Bad Ischl schrieb nach dem Tod ihrer zweijährigen Tochter, sie leide doppelt, „da mir die Leute sagen direkt ins Gesicht nun habt Ihrs halt vergiftet, so zu sagen beseitigt". Der Anstaltsleiter drohte mit Strafanzeige gegen „Gerüchtemacher". Anna Wödl, selbst Krankenschwester in Wien, war 1940 in die Reichskanzlei nach Berlin gefahren, um gegen den drohenden Tod ihres Sohnes zu kämpfen. Sie bekam dort die zynische Zusicherung, man werde ihren Sohn in Wien töten, damit sie „ein Graberl" habe. Als drei der Ärzte vom „Spiegelgrund" 1946 in Wien vor Gericht standen, rief die Mutter eines ermordeten Buben in den Saal: „Ich habe diesen Angeklagten hier vor Augen zu halten, dass sie mit den Kindern auch die Mütter getötet haben." Dieses Buch lädt zum Nachdenken darüber ein, was Menschen - mitten in einer Stadt wie Wien - Kindern, Jugendlichen und ihren Familien angetan haben. Für die erwachsenen Opfer der nationalsozialistischen Medizin in Wien gibt es ein solches Gedenkbuch bisher nicht. Marianne Enigl
Einleitung Als ich im März 1997 zufällig in den Abendnachrichten des O R F Gläser mit konservierten Gehirnen ermordeter Kinder in Holzregalen sah und dazu noch das Wort „Spiegelgrund" fiel, traf es mich wie ein Blitz aus heiterem Himmel. - Da war es, was mich seit sechzig Jahren mehr oder minder, aber immer wieder bewegte: Annemarie, Spiegelgrund, tot! Viele Fragen waren damit verbunden, nun wusste ich wenigstens, dass sich der Spiegelgrund auf dem Gelände der Baumgartner Höhe befand. Ohne zu ahnen, was mich erwarten könnte, rief ich nach einer unruhigen Nacht am nächsten Morgen in der ärztlichen Direktion des heutigen Otto Wagner Krankenhauses an. Es war eine eigenartige Energie, die mich dazu bewog ... Bis dahin dachte ich während der vielen Jahrzehnte manchmal an meine kleine Schwester Annemarie. Ich erinnerte mich an ihre Geburt in unserer Wohnung und wie ich etwas später mit dem lieben kleinen Mädchen spielte, ich war ja immerhin drei Jahre älter. Plötzlich aber war Annemarie weg gewesen. Ein einziges Foto, das mein Vater gemacht hatte und das den Bombenkrieg in einem kleinen Dokumentenköfferchen „überlebte", ließ mich das Kind auch optisch nicht vergessen. Damals hatte ich nach der Todesnachricht lange Zeit eine traurige Belastung in der Familie gespürt und zwischendurch erlebt, dass die Mutter ohne einen mir ersichtlichen Grund plötzlich weinte. Oft fragte ich nach Annemarie, die Eltern erklärten mir, sie sei krank gewesen und am Spiegelgrund im Krankenhaus gestorben. Einmal schnappte ich während eines leisen Gespräches meiner Mutter mit einer Nachbarin das Wort „Versuchskaninchen" auf. Auf dieses für mich so geheimnisvolle Wort bekam ich keine Erklärung, und ich bewahrte es in mir auf. ... eine Sekretärin meldete sich am Telefon. Ich sagte ihr, dass meine Schwester während des Krieges am Spiegelgrund verstorben sei und schämte mich beinahe, weil ich nicht wusste, was ich fragen sollte. Ich wollte mich auf die Abendnachrichten des Vortages berufen, aber sie fragte sofort nach Namen und Geburtsdatum des Kindes und bat mich zu warten. Schon nach wenigen Minuten teilte sie mir mit: „Ich muss Ihnen leider sagen, sie steht auf unserer Liste . . . " und erklärte mir, ich könne, verbunden mit einem Gespräch mit dem ärztlichen Leiter, Einblick in die Unterlagen einer noch vorhandenen Krankengeschichte nehmen. Wir vereinbarten einen Termin. Z u m Glück war ich allein zuhause, denn ich musste diesen unerwarteten Schock zunächst mit mir verkraften: Meine kleine Schwester Annemarie ist keines natürlichen Todes gestorben!!
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Waltraud Haupl
Die nachfolgenden Jahre sollten fiir mich sehr mühevoll und bewegend werden. Zunächst hatte ich als einzige Angehörige eine Kopie der Krankengeschichte zur Verfugung. Diese war die erste konkrete Spur zur weiteren Wahrheitsfindung in einem der traurigsten Kapitel der Geschichte unseres Landes. Immer wieder legte ich die einzelnen Seiten nebeneinander auf, verglich die Aussagen von Ärzten, Pflegeschwestern und Behörden. Ich analysierte und entzifferte deren Schriften, versuchte Zusammenhänge zu erkennen. Als 1998 im Jugendstiltheater auf der Baumgartner Höhe das erste Internationale Symposion zum Thema „Geschichte der NS-Euthanasie in Wien" stattfand, kamen Wissenschaftler und Journalisten aus aller Welt. Auch die Regale mit den sterblichen Uberresten der 1940—1945 ermordeten Kinder, die noch immer im Keller der Prosektur lagerten, wurden thematisiert und konnten nicht mehr länger geheim gehalten werden. Es wurde von mehr als achthundert Kindern berichtet, die dem Massenmord im Rahmen der NS-„Euthanasie" in Wien zum Opfer gefallen waren. Um einen jener damaligen NS-Ärzte hatten einschlägige Bereiche in Medizin, Politik und Justiz jahrzehntelang Mauern des Schweigens errichtet, um Täter und Mitwisser zu schützen. Dieser Arzt ist bis zum heutigen Tag nicht gerichtlich verurteilt. Auf Opfer (nur sehr wenige überlebten) und deren Angehörige wurde in keiner Weise Rücksicht genommen. Ich nahm mir vor, nicht aufzugeben. Ich wollte Einzelheiten des grauenhaften Geschehens erkunden, die vielen hundert Kinder und Jugendlichen beim Namen nennen und ihnen ihre Geschichte wiedergeben, um sie vor dem Vergessen zu bewahren. Während der folgenden Jahre lernte ich sehr viele Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Bereichen kennen: Jene, die ehrlich versuchten, „am gleichen Strang" zu ziehen, jene, die einem zwar freundlich begegneten, aber hinterrücks quer trieben, jene, die jede Wahrheitsfindung von vornherein blockierten oder verhinderten, jene, die die Opfer vom Spiegelgrund als Mittel zum Zweck für vermeintliche eigene Profilierung einsetzten, jene, die immer wieder beteuerten: „Geh, das ist alles doch schon so lange her, das bringt doch nichts..." Sehr dankbar bin ich vor allem den vielen jungen Menschen, denen ich bisher begegnen durfte. Sie bestärkten mich immer wieder in Gesprächsrunden oder nach Vorträgen, „ja nicht aufzugeben". Sie möchten um diesen Teil unserer Vergangenheit Bescheid wissen, um eine Wiederholung derartiger Verbrechen in Zukunft verhindern zu helfen. Und diesbezüglich stehen wir in ihrer Schuld! Vor mehr als drei Jahren bekam ich endlich Zugang zu noch teilweise erhaltenen, wiedergefundenen und bisher hintan gehaltenen Unterlagen. Daraus ver-
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suchte ich in mühevoller Kleinarbeit das Geschehen in der Mordanstalt „Am Spiegelgrund" und die Lebensbilder von vielen hundert Kindern und Jugendlichen zu „filtern". - Dabei tat sich mir eine bestürzende Welt auf, denn der organisierte Massenmord an Kindern und Jugendlichen „Am Spiegelgrund" zwischen 1940 und 1945 war das größte, je in Wien planmäßig durchgeführte Gewaltverbrechen. Dr. Ernst Illing, der aus dem „Akreich" gekommen war, um die Durchführung der vom „Reichsausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden" erklärten Maßnahmen als „Geheime Reichssache" zu übernehmen und zu intensivieren, sagte bei einer seiner ersten Einvernahmen nach dem Krieg u. a.: „ ... man hat die Kinder sterben lassen, die überhaupt keinen Nutzen fur das deutsche Volk hatten...", und: „Es wurde zwar von einer Behandlung gesprochen, dass diese Behandlung eigentlich Todesbeschleunigung bedeutete, darüber war ich noch von Prof. Heinze in Brandenburg belehrt worden". Nachdem Illing die Anstaltsleitung übernommen hatte, gab er seinen ärztlichen Mitarbeitern und einigen aus dem Pflegepersonal die wahren Tatsachen bekannt und verpflichtete sie zur Geheimhaltung. Z u dieser Zeit waren nach Aussage von Dr. Marianne Türk außer ihr noch Dr. Heinrich Gross, Dr. Helene Jockl, Oberschwester Katschenka und Schwester Bertha anwesend. „Er hat uns alle zusammengerufen und ausdrücklich erklärt, dass der Erlass des Reichsinnenministeriums vorliegt und mit Gesetzeskraft ausgestattet sei, und dass auf Grund dieses Erlasses hoffnungslose und unheilbare Kinder durch einen sanften Tod erlöst werden sollten." (Aussage von Türk in der Hauptverhandlung vor dem Volksgericht in Wien am 17.7.1946) Die Selektion der Kinder erfolgte, um den Schein zu wahren, nach den Prinzipien ärztlicher Vorgangsweise: „Es war eine Psychologin da und eine Sonderkindergärtnerin. Es haben mehrere Leute die Betreuung dieser Kinder in verschiedenen Richtungen durchzuführen gehabt. Es wurde über jedes Kind, wenn eine Meldung gemacht wurde, vorher eine Beratung abgehalten, an der der Leiter der Anstalt, sowie sämtliche Arzte, die Psychologin, die Schwester, die das Kind betreute, die Stations- und Oberschwester teilnahmen." (Zeugenaussage der Oberschwester Anna Katschenka in der Verhandlung am 15.7.1946). Bei einem Teil der Kinder und Jugendlichen, die eingeliefert worden waren, war die Meldung an den Reichsausschuss in Berlin bereits im Zuge des üblichen „Reichsausschussverfahrens" (Meldung durch den Amtsarzt des zuständigen Gesundheitsamtes oder andere befugte Ärzte) durchgeführt worden. Mit der Bestätigung der von den Ärzten formulierten Diagnosen und Prognosen durch den Reichsausschuss war das Schicksal der meisten Kinder und Jugendlichen besiegelt.
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Ernst Illing sagte dazu u. a. aus: „ ... Kinder, die eingeschläfert wurden, erhielten Luminaltabletten, die meist verabreicht wurden, gewöhnlich mit Zucker oder Sirup odef-sonst wohlschmeckenden Speisen, damit sie den schlechten Geschmack der Tabktten nicht verspürten ... der Tod ist ganz unterschiedlich eingetreten und zwar abhängig vom Alter des Kindes oder davon, dass wir das Kind erst beruhigen mussten. Der Tod ist mitunter nach Stunden oder erst nach Tagen eingetreten. Es kamen auch Fälle mit schweren hirnorganischen Defekten, schweren Krampfanfällen und Epilepsie vor, wo das Kind schon Monate lang Luminal zur Beruhigung erhalten hatte und bei dem man eine größere Dosis geben musste. Das Luminal kann man aber nur so lange zufuhren, als das Kind schluckt. Wenn es aber im Sterben liegt, kann man nicht mehr schlucken lassen sondern muss injizieren, und zwar wurde Skopolamin genommen ...". Eine Aussage des Dr. E. Jekelius vor dem Moskauer Militärgericht, dessen Akte erst 2005 entdeckt und teilweise übersetzt werden konnten, bestätigt auch die zusätzliche „Behandlung" mit Luminalzäpfchen, um eine schnellere „Wirkung" zu erreichen. Erschreckend ist die beinahe unzählbar eingetragene Todesdiagnose „Lungenentzündung", der auch binnen kurzer Zeit bis dahin gesunde Kinder erlagen. Die Ärzte führten sie herbei, indem sie Luminal so dosierten, dass die Durchblutung der Lunge gestört und die Atemtätigkeit erschwert wurde: Durch die dauernde Ruhigstellung des Patienten ohne Indikation von Beruhigungs- und Schlafmitteln wurde das Abhusten des Schleims gedämpft und eine Lungenentzündung ausgelöst oder der Krankheitsverlauf erheblich gefördert. Als Dr. Heinrich Gross am 3.1.1998 vom Wiener Kurier in einem Interview darauf befragt wurde, ob es ihm nicht aufgefallen sei, dass so viele Kinder an Lungenentzündung starben, gab er die zynische Antwort: „Es wird halt eine Epidemie gewesen sein." Die „Euthanasie"-Morde im Pavillon 15 wurden immer mehr zum Klinikalltag. Die Täterinnen und Täter erfüllten ihre .Aufgaben" klaglos. Viele von ihnen wohnten an ihrem „Arbeitsplatz". Von Dr. Ernst Illing wird sogar bezeugt, dass er mit seiner Familie eine Wohnung im Todespavillon 15 hatte. Dr. H. Gross musste seine Wohnung am Gelände der Baumgartner Höhe erst vor wenigen Jahren räumen. Auch Dr. Marianne Türk wohnte bis zu ihrer Verhaftung in ihrem „Aufgabenbereich". Für ihre Hilfe im Haushalt und andere private Belange bedienten sie sich so genannter „Pflichtjahrmädchen", die sie sich im Pavillon 17 unter den von amtlicher Seite eingewiesenen Jugendlichen aussuchten. Im NS-Staat durften Menschen mit psychischer oder physischer Beeinträchtigung das Bild einer heilen Gesellschaft nicht stören! Je „eifriger" man war, desto höher fiel für die Täter die finanzielle Belohnung am Jahresende aus.
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Um sich die Atmosphäre im Mordpavillon 15 nur annähernd vorstellen zu können, seien hier einige Aussagen von Ärzten und Pflegepersonen aus Voruntersuchungen zu den Volksgerichtsprozessen der Jahre 1946 bis 1949 und der Hauptverhandlung gegen Dr. Heinrich Gross am 27.3.1950 angeführt: Sr. Mozelt Hildegard: Bei der Einvernahme am 23.6.1948 gab sie an, dass „die Kinder plötzlich zu schlafen anfingen, nicht mehr zu erwecken waren und nach einiger Zeit gestorben sind". Zur Verständigung der Eltern musste sie Telegramme aufgeben, in denen es immer hieß, das Kind sei an Lungenentzündung gestorben. Der Zustand des „Schlafens" habe bei den Kindern verschieden lang gedauert, bei manchen zwei Tage, bei manchen auch nur Stunden. Sr. Dvorak Hildegard: .Auffallend war, dass sehr viele Kinder unter der Leitung von Dr. Gross starben. Kinder, die kurz vorher noch ganz lebendig waren, fingen plötzlich an zu schlafen, nachdem sie ganz apathisch wurden und sind in der Regel nach 2 - 3 Tagen verstorben . . . " (Aussage vom 10.11.1948). Sr. Kalb Aloisia sagt am 27.3.1950 u. a. aus: „Aufgefallen ist mir die hohe Sterblichkeit der Kinder. Sie bekamen momentan eine Lungenentzündung und die Schlafkrankheit, haben mehrere Tage geschlafen und sind dann gestorben. Darüber gesprochen wurde nicht, auch nicht unter den Schwestern." Sr. Dvorak Hildegard, Sr. Matil Marie, Sr. Rausch Maria, bestätigten am 27.3.1950, dass ihnen sehr wohl aufgefallen war, „dass die Kinder so viel schlafen und dass sie sehr schnell sterben. Aber als nicht diplomierte Krankenschwestern hatten wir keine Befugnisse" - sie redeten nur heimlich untereinander - „es war strenger Auftrag, darüber nicht zu sprechen". „Wir haben auch diese Umstände, dass die Kinder eben schlafen und ganz apathisch sind, dem Arzt gemeldet, auch Dr. Gross, der dann die Kinder untersuchte, aber keine weiteren Anordnungen gab. Es waren bei diesen Untersuchungen höchstens „hoch lagern" oder dergleichen vorgekommen, nicht aber irgendwelche Medikamentenverordnungen — es wurde auch nichts weiter erklärt." (Aussage vom 23.06.1949). Laut Dr. Friedrich Menneke, einem der so genannten Gutachter über die Todgeweihten, bestand die Funktion einer „Kinderfachabteilung" darin, zur „Endstation der Ausmerze" zu werden. Und diesem Vorhaben entsprach die Mordklinik „Am Spiegelgrund" voll und ganz. Als zweitgrößte ihrer Art im gesamten „Dritten Reich" hatte sie sogar Vorbildcharakter mit der höchsten Todesrate. Hier fanden ergänzend zur ersten Kinderfachabteilung in Brandenburg-Görden bei Berlin auch Schulungen zur „Kindereuthanasie" statt. Durch die Sammeltransporte aus allen
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Richtungen des „Reiches" war die Wiener Anstalt so „angewachsen", dass auch die Pavillons ι und Ii mit „Reichsausschusskindern" belegt werden mussten. Die Einweisung der Kinder und Jugendlichen erfolgte mit sehr unterschiedlichen Begründungen. Nicht alle waren krank oder geistig behindert. Oft waren Folgeerscheinungen und Beeinträchtigungen nach abgeheilten oder in Heilung begriffenen Krankheiten, soziale Armut, Obdachlosigkeit u. a. Grund genug, um in die Todesmaschinerie zu geraten. Suchten Eltern ärztlichen Rat, wenn ihre Kinder z. B. verspätet zu sprechen oder zu laufen begannen, wurden sie bereits als auffällig registriert und über Gaufiirsorgeämter, Amtsärzte und Gemeindeärzte eingewiesen. Mit dem Anspruch auf „Wissenschaftlichkeit" und medizinische Kompetenz wurden Eltern und Angehörige getäuscht. Die Tötungen konnten mehrheitlich verschleiert werden, sodass Widerstände beim unwissenden Personal und aus der Bevölkerung weitgehend hintangehalten werden konnten. War man der Kinder und Jugendlichen durch offizielle Einweisung habhaft geworden, wurde auf ihre Würde, Ehre und ihr Schamgefühl keinerlei Rücksicht genommen. Ihre Ängste wurden zwar registriert, doch nichts dagegen unternommen. Das nackte Ausgeliefertsein veranlasste viele zu weinen, zu schreien, ins Bett zu nässen, sich zu wehren. Arzte und Pflegerinnen vermerkten dies in Protokollen, doch nur sehr selten versuchte jemand zu trösten oder zu beruhigen. Helfen, heilen und Schmerzen lindern stand nicht auf der Tagesordnung!!! Die Eintragungen der Arzte und Pflegerinnen in den Krankengeschichten lassen die grausame Wirklichkeit ahnen, welche die vielen hundert Kinder in der Mordklinik umgab. Ich erlaube mir, zu manchen eine persönliche Anmerkung zu machen. A m 3.8.1943 schrieb Illing an eine besorgte Mutter: „Im Zuge der Verlegung zahlreicher pflegebedürftiger Kinder aus den luftgefährdeten Gebieten wurde auch Ihr Söhnchen Ferdinand aus der Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt in die hiesige Klinik überstellt..." (Anmerkung: Dieses Kind kam mit einem Sammeltransport vom St. Josef Krankenhaus in Hardt bei Mönchengladbach nach Wien. Eltern, die eine derartige Nachricht aus Wien bekamen, wurden damit zugleich mehrmals getäuscht: 1. Die Begründung der Sorge, die Kinder wegen der Bombenangriffe in Sicherheit zu bringen, passte wahrlich nicht in das Mordprogramm der NS-Ärzte! 2. Die Überstellung der Kinder von der Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt in die „hiesige Anstalt", gemeint ist die Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder, sollte fachliche Kompetenz ausdrücken. Zusätzlich wurde die örtliche Unkenntnis der Mutter ausgenützt, denn es wurde nicht erklärt, dass sich beide Anstalten nebeneinander am selben Gelände befanden.)
Einleitung
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Selten wurde eine klare Diagnose erstellt. Mehrheitlich hieß es: „Wahrscheinlich erworbenes hirnorganisches Leiden mit Idiotie", oder „wahrscheinlich angeborenes Leiden"; oder „geburtstraumatisches Leiden", etc. Dr. Marianne Türk beschreibt ein von ihr untersuchtes 15-jähriges Kind u. a.: „ . . . hässliches Gesicht, bis zum Skelett abgemagert (24 kg), ganz elendes Befinden, sieht aus wie ein lebender Leichnam, lebt kaum noch . . . " (Anmerkung: Von heilsamen Maßnahmen ist keine Rede! Wie lange müssen die Arzte zugesehen und beobachtet haben, bis das Kind in diesem Zustand war?!) Einem 12-jährigen Buben wurde unzählige Male der Penis vermessen und die Ergebnisse aufgelistet. (Anmerkung: Man stelle sich dazu die verletzten Schamgefühle eines pubertierenden Kindes vor!) Dr. Heinrich Gross fragt am 30.1.1942 ein zuständiges Gesundheitsamt um Details zur Familie des Kindes: „ . . . von besonderem Interesse wären Auffälligkeiten in der Sippe . . . " Am 5.5.1942 beantwortet Illing die Nachfrage eines Gesundheitsamtes, nachdem er bereits am 15.4.1942 die Meldung an den Reichsausschuss gemacht hatte: „Die Untersuchungen und Beobachtungen bei dem Kinde sind noch nicht abgeschlossen. Körperlich befindet sich das Kind w o h l . . . " (Anmerkung: Am 16.6.1943 stirbt das Kind an Lungenentzündung!) Am 19.12.1942 steht im Sektionsprotokoll eines 18-jährigen Mädchens: „Die Leiche wurde konserviert und Herrn Dr. H. Gross zur wissenschaftlichen Bearbeitung überlassen." Dr. Heinrich Gross schreibt am 4.12.1941 an einen besorgten Vater: „Bezugnehmend auf Ihr Schreiben vom 21.11.1941 teile ich Ihnen mit, dass sich Ihr Sohn bester Gesundheit erfreut und Sie selbstverständlich dem Kinde zu Weihnachen etwas schicken können. Da Frau Dr. Hübsch derzeit erkrankt ist und außerdem ich die Leitung über die Abteilung, wo sich Ihr Kind befindet, über habe, wollen Sie sich in Zukunft direkt an mich wenden." (Anmerkung: 8 Tage später wird das Kind an den Reichsausschuss gemeldet und stirbt am 23.1.1942!) In einem psychologischen Gutachten über ein zweijähriges Mädchen bestätigt die Arztin Dr. Baar am 24.7.1944 u. a.: „ . . . den geringen allgemeinen Fortschritten stehen z.T. sogar gewisse Rückschritte gegenüber und zwar hinsichtlich der sozialen Aktivität und der Nachahmungsfähigkeit, bzw. Materialbetätigung; ferner war das Kind seinerzeit bei seinem Spiel lebhaft und vergnügt und hat wiederholt vor sich hingelallt, während es nun ruhiger und ernster ist und kaum einen Laut von sich gibt. Die Ursache dieser Rückschritte und Verhaltensstörungen scheint weitgehend in dem 5 monatigen Klinikaufenthalt mit den geringen Möglichkeiten einer individuellen Förderung, sowie in dem langen Krankenstand, von dem sich das Kind erst in letzter Zeit erholt hat, zu liegen ...".
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Dr. Heinrich Gross beschreibt ein io-jähriges Mädchen u. a.: „Gesicht sieht sehr verhutzelt aus, Nase 6er-förmig ... erbbiologisch ist die Sippe sehr minderwertig ...". Dr. Asperger überweist ein Kind von der Wr. Univ. Kinderklinik mit der Diagnose: „Minderwertigkeit fast sämtlicher Organe". Und Dr. Illing ergänzt an das Rasse- u. Siedlungshauptamt SS Berlin: „Uber eindeutige Schwachsinnsanfälle ist in der Sippe nichts bekannt, doch soll die Mutter zweimal in der Schule sitzen geblieben sein, sie sei schwerhörig . . . " A m 3.8.1943 schreibt Dr. Illing an den Vater eines aus dem ,Altreich" eingewiesenen Kindes u. a.: „ . . . ein Besuch ist bei der großen Entfernung und den schlechten Beförderungsmöglichkeiten nicht anzuraten. Das Kind wird nach bester Möglichkeit gepflegt..." (Anmerkung: 1 Monat später ist das 4-jährige Kind tot - gestorben an akuter Nierenentzündung!). Der Direktor der Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt, Hofrat Dr. Mauczka, lässt am 16.7.1943 den 9-jährigen Hubert auf den Pavillon 15 überstellen mit der schriftlichen Bemerkung: „Zur direkten Erledigung abgetreten." (Das Kind stirbt 2 Monate später an Lungenentzündung!) Am 3.12.1941 meldet der Amtsarzt des Staatlichen Gesundheitsamtes Salzburg die kleine Regina Turek an den Reichsausschuss in Berlin. Von dort ergeht am 28.2.1942 ein Antwortschreiben an den zuständigen Leiter retour. Da dieses ein einzigartiges Dokument ist, das ich in den Unterlagen finden konnte, sei es im Bildteil authentisch abgebildet. Ich weise auch auf die Erwähnung der „Kinderfachabteilung bei der Wiener Städt. Fürsorgeanstalt A m Spiegelgrund, Wien Baumgartnerhöhe" hin. Die Aufnahmeuntersuchungen, die den „status praesens" (= gegenwärtiger Zustand) festhalten sollten, dauerten meist 1 Vi bis 2 Stunden. Dr. Marianne Türk schreibt in das Protokoll eines 3 Vi -jährigen Buben u. a.: „ . . . stillschweigend nässt das Kind während der Untersuchung ein Dr. Heinrich Gross hält im Untersuchungsprotokoll der hochfiebernden Rosa fest: „ . . . es gelingt nicht mit Hilfe von zwei Pflegerinnen die Mundhöhle zu inspizieren Im Protokoll der 3 Monate alten Inge schreibt Dr. Erwin Jekelius u. a.: „.. .UrGroßvater war ein Sonderling . . . " Dr. Marianne Hübsch betont bei einem 10 Monate alten Mädchen die „Unterwertigkeit der mütterlichen Geschlechtsorgane", die Mutter sei bei der Geburt des Kindes bereits 44 Jahre alt gewesen. Dr. Marianne Türk beschreibt eine junge Landwirtin, die ihr 5-jähriges Kind im Auftrag des Landrates selbst in die Anstalt bringt, als „intellektuell minderwertig
Einleitung
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begabt": derlei Beurteilungen wurden gefällt, um die Kinder als „minderwertig" einstufen zu können. In einem Fragebogen vom 23.5.1944 steht u. a.: „Aufgenommen mit der Mutter, die einen etwas beschränkten Eindruck m a c h t . . . " Dr. Ernst Illing schreibt in der Meldung an den Reichsausschuss über ein 3 Monate altes Kind einer kinderreichen Familie u. a.: „ . . . Vater sexuell triebhaft, im ganzen hat Walter 13 Geschwister ... Mutter hat einen Sprachfehler Bei einem 2-jährigen Mädchen lässt Dr. Ernst Illing am 7.7.1943 „netter Gesichtsausdruck" gelten und schreibt eigenhändig dazu „Posaunenengel" (auch dieses Kind hatte keine Uberlebenschance!). Dr. Heinrich Gross hält im Untersuchungsprotokoll des 3 '/2-jährigen Rainer u. a. fest: „ . . . Motorische Entwicklung wegen der derzeit wirkenden Luminalwirkung nicht prüfbar . . . " (über dieses Kind wird weiter berichtet, dass es „nichts Sinnvolles" spricht, sondern nur Worte und Sätze nachspricht. Am 3.10.1944 steht in einem Tagesbericht: „Als heute morgens die Schwester fragte wo die Mutti sei, antwortete er prompt: ,Mit der Eisenbahn fortgefahren ...'") Wie Vorwürfe den Kindern gegenüber muten die vielen Eintragungen an, die in Krankengeschichten vermerkt sind. Hier eine kleine Auswahl: „weint häufig ohne Grund" - „lacht blöde" - „Ohren schlecht modelliert" - „betrachtet die verschiedenen Gegenstände, die im Zimmer herumliegen, ohne sich sinnvoll damit zu beschäftigen" - „Mutter und deren Mutter sind psychisch nicht normal, angeblich schwer nervös und schwermütig" - „alles Erreichbare steckt das Kind in den Mund, lutscht dauernd an seinen beiden Daumen" - „Mutter geistig rückständig, Hasenscharte" - „zuhause kann das Kind nicht gut bleiben, weil sonst die Mutter durch dessen ständige Pflege von jeder anderen Arbeitsverwendung abgehalten wird" - „Mutter macht charakterlich wenig günstigen Eindruck" - „Gesicht ist längsoval, zeigt semitische Züge, besonders die großen dunklen Augen und die vorderasiatische Nase" - „kürzlich hat das Kind einen Gummischnuller fast zur Gänze aufgegessen" - „der Ur-NefFe väterlicherseits hat sich erschossen" - „das Kind wurde im Rausch gezeugt" - „ein Bruder des väterlichen Urgroßvaters soll Epileptiker gewesen sein" - „im Stuhl zeigen sich große Stücke von Windeln, die er gefressen hat" - bei einem 19-jährigen Mädchen findet sich folgende Eintragung: „Gang ist ungraziös ... gutmütig, harmlos, gut erzogen oder besser gesagt dressiert. Die Dressur der häuslichen Erziehung blättert wie Kalk ab . . . " — usw. usw. Es ließen sich mit derartigen Aussagen noch unzählige Seiten füllen. Grundlagen fur meine Jahre lange Forschungsarbeit waren viele Gespräche mit Betroffenen, ein ausführliches Telefonat mit Dr. Marianne Türk im April 1999, die
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Korrespondenz zwischen Angehörigen, Anstaltsleitung, Behörden und vor allem die noch erhaltenen Krankengeschichten und Gutachten über jene Kinder und Jugendlichen, die „Am Spiegelgrund" der NS-„Euthanasie" zum Opfer gefallen sind. Nur sehr wenige haben überlebt, und von diesen wurden nach Kriegsende noch einige in die Heil- und Pflegeanstalt Am Steinhof transferiert. Sie waren jedoch in so schlechter Verfassung, dass sie mangels weiterer Pflege und einschlägiger Therapie keine Uberlebenschancen hatten und kurz darauf verstarben. Im Jahre 1999 hatte ich die Gelegenheit, Abschriften der letzten Briefe zu lesen, die Dr. Ernst Illing vor seiner Hinrichtung aus dem Gefängnis an seine Familie schrieb. Bis zum Schluss hielt er an seiner „Pflichterfüllung" fest und bezeichnete sich selbst als „Opfer des Nazi-Regimes". Der Massenmord an jungen Menschen in unserem Land wurde sechzig Jahre mehr oder weniger verschwiegen. Als endlich im Jahre 2002 mehr als sechshundert Urnen mit den sterblichen Überresten der Opfer in einem Ehrengrab der Stadt Wien beigesetzt wurden, geschah auch dies unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Einer prominenten Journalistin, die auf meinen Wunsch anwesend war, wurde untersagt, zu fotografieren. Einige Tage später, am 28. April 2002, wurden in einer öffentlichen Feier zwei letzte Urnen beigesetzt. Offen blieb die Frage: Wer waren sie, die N I E M A L S V E R G E S S E N werden sollen, wie es die Inschrift auf dem großen Stein der Grabanlage in der Gruppe 40 des Wiener Zentralfriedhofes verspricht? Niemand kann sich vorstellen, welche Schicksale sich hinter den vielen Namen verbergen, die in die Steinplatten eingemeißelt sind! Nachdem ich die leidvolle Geschichte meiner lieben kleinen Schwester Annemarie aufgearbeitet hatte, war es, als ob sie mir auch alle anderen Kinder und Jugendlichen „vorstellen" wollte. Und so „begegnete" ich ihnen, die fiir immer verschwiegen werden sollten. Ich fand sie in den wenigen Fotos, die noch erhalten sind. Durch die Analysen der Krankengeschichten, Gutachten, Briefe von Angehörigen und Behörden erlebte ich vier Jahre hindurch in intensiver Auseinandersetzung ihre Ängste und Schmerzen, ihr Ausgeliefertsein den Mördern gegenüber, ihre unzähligen Tränen und ihren Tod. So will ich hier ihre Namen und Geschichten festhalten und weitergeben, damit man ihrer gedenken kann. Es soll ein Beitrag sein, dass sie wirklich N I E M A L S V E R G E S S E N werden.
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Abschließend möchte ich mich bei jenen Menschen ganz besonders bedanken, die mich während dieser schweren Zeit begleiteten und mich vor allem durch ihr Mitgefühl, ihre Anteilnahme und Geduld immer wieder bestärkten. Diese sind vor allem mein Mann und meine beiden Söhne, Frau Dr. Marianne Enigl vom „Profil", Frau Dr. Brigitte Rigele vom Wiener Stadt- und Landesarchiv, mein Hausarzt Dr. Heinrich Joschtel und seine Frau. Mein besonderer Dank gilt Herrn Friedrich Zawrel als Uberlebendem der Mordklinik. Vielen Dank allen Freunden und wohlwollenden Menschen, deren Namen zu viele wären, um sie hier gesondert anzuführen. Ohne sie alle hätte ich niemals die Energie gehabt, diese Arbeit fertig zu stellen. Waltraud Häupl, Dezember 2005
Aktueller Nachtrag: Am 15. Dezember 2005 starb Dr. Heinrich Gross im 91. Lebensjahr. - Er wurde nie wegen Mordes verurteilt, war bis 1997 vielbeschäftigter Gerichtsgutachter und lebte in Osterreich mehrfach ausgezeichnet.
W i r haben uns mit der Täuschung abgefunden, die es uns ermöglicht, mit einer gewissen Ruhe zu leben. Die Täuschung besteht darin, dass wir meinen, das Vergangene, das Geschehen versinke in den Abgrund der Vergessenheit und sei dadurch, dass die Zeit darüber getrieben ist, abgetan. W i r leben in dem Glauben an die M a c h t des Vergessens - Ewigkeit heißt für uns Vergessen. Aber Ewigkeit ist nicht Vergessen, sondern Gedächtnis, ewiges Gedächtnis. W a s i m m e r auch in der Zeit geschieht, hinterlässt seine Spuren in der Ewigkeit. Dietrich Bonhoeffer
Kindereuthanasie in Wien 1940-1945 Krankengeschichten als Zeugen Von Brigitte Rigele1
In den letzten Jahren hat sich die historische und medizingeschichtliche Forschung in Wien mit dem Thema der Kindereuthanasie (griechisch für „schöner Tod") in der Zeit des Nationalsozialismus intensiver auseinander gesetzt. Auslöser war ein Gerichtsgutachten aus dem Jahre 1975, das Dr. Heinrich Gross über Friedrich Zawrel erstellte, der während dessen Tätigkeit als NS-Arzt „Am Spiegelgrund" Patient war und seinen „Peiniger" nach mehr als 30 Jahren wieder erkannte. Durch einen diesbezüglichen Artikel im Kurier vom 18.12.1978 wurde Dr. Werner Vogt von der Arbeitsgemeinschaft kritische Medizin aktiv aufmerksam und begann seither den „Fall Gross" verstärkt in die Öffentlichkeit zu bringen. Erst 1999 wurde gegen den vielbeschäftigten Gerichtsgutachter Gross Anklage wegen Beteiligung am Mord erhoben. 2002 wurde das Verfahren wegen „Verhandlungsunfähigkeit" auf unbestimmte Zeit vertagt und bis dato nicht wieder aufgenommen. Aber nicht die Tötung der Kinder allein, sondern der weitere Missbrauch der Opfer unter dem Deckmantel der wissenschaftlichen Forschung bis in die 1970er Jahre wurde aufgedeckt. Anhand erhaltener Quellen, wie den Akten der Volksgerichtsprozesse nach 1945, den im Wiener Stadt- und Landesarchiv vorhandenen Personalakten, den Krankengeschichten, Schilderungen von Zeitzeugen sowie gefundener und identifizierbarer Präparate gelang es, Licht in die Geschehnisse „Am Spiegelgrund" zu bringen. Die für Forschungszwecke aufbewahrten sterblichen Überreste (Köpfe, Gehirne u. a.) von über 400 Kindern befanden sich in einem Keller der Pathologie der Heil- und Pflegeanstalt „Am Steinhof', der im Jahre 1988 in einen Gedenkraum umgewidmet wurde. Aus den Präparaten entnommene histologische Schnitte fanden sich 1998 in großer Zahl in der Nachfolgeinstitution des Ludwig-Boltzmann-Instituts zur Erforschung der Missbildungen des Nervensystems, angesiedelt im Pavillon Β der Heil- und Pflegeanstalt. Hier war das von Heinrich Gross und seinen Mitarbeiterinnen angelegte Forschungsmaterial für wissenschaftliche Publikationen der Jahre 1954 bis 1978 untergebracht. Andere Präparate wurden in den Kriegsjahren und 1
Katalogtext zur gleichnamigen Ausstellung im Wiener Stadt- und Landesarchiv in: Veröffentlichungen des W S T L A , Reihe B: Ausstellungskataloge Heft: 71, Wien 2005
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in den 1950er Jahren von Heinrich Gross zur Forschung an das Neurologische Institut der Universität Wien und an das Max-Planck-Institut fur Hirnforschung in Gießen weitergereicht. Weitere Präparate in großer Zahl fanden sich schließlich im Jahre 2001 auf dem Dachboden des Ludwig-Boltzmann-Instituts. Alle identifizierten sterblichen Uberreste (Feuchtpräparate, histologische Schnitte, Paraffinblöcke) von schließlich mehr als 600 Kindern wurden im April 2002 in einem Ehrengrab der Stadt Wien am Zentralfriedhof begraben. Für viele ist das Kapitel Spiegelgrund damit zu Ende. Nicht jedoch fiür die Angehörigen. Noch heute melden sich Verwandte, die bei einem Besuch auf dem Zentralfriedhof auf einen bekannten Namen stoßen. Die Täterinnen in der städtischen Nervenklinik selbst und im Umfeld der städtischen Verwaltung sowie an der Universitätskinderklinik sind heute großteils bekannt. Geschwister hingegen wissen oft nichts über den Bruder oder die Schwester, die in ihrer Kindheit sterben mussten, erkennen erst nach Jahren die Zusammenhänge zwischen dem Verschwinden aus ihrem Leben und dem Tod „Am Spiegelgrund". Informationen in der Familie fehlen. Wer sind nun die Kinder, die die einem Todesurteil gleichkommenden Attribute dauernd anstaltspflegebedürftig, arbeits- und bildungsunfähig erhielten? Dieser Frage möchte das Wiener Stadt- und Landesarchiv seine Ausstellung widmen. Es soll um die Kinder gehen, die nicht nur aus ideologischen Gründen, sondern auch unter dem Aspekt des „interessanten Forschungsmaterials" ihr Leben lassen mussten.
Die institutionelle Bemäntelung Unter dem Deckmantel von Pädagogik, Krankenpflege, Fürsorge, Medizin und Wissenschaft schufen die Nationalsozialisten eine Tarnorganisation für Kindermord. Anordnungen von oben trafen sich mit dem kriminellen Antrieb der ausführenden Personen an der Basis. Bestehende Institutionen wurden in Tötungsmaschinerien umgewandelt.
Heil- und Pflegeanstalt Am Steinhof Der große Komplex der 1907 auf den Steinhofgründen im 14. Wiener Gemeindebezirk errichteten niederösterreichischen Landes-, Heil- und Pflegeanstalt für Geistes- und Nervenkranke und das daran anschließende niederösterreichische Landessanatorium wurden 1922 von der Stadt Wien übernommen. 1922-1942
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befand sich hier auch die erste Wiener Trinkerheilstätte. Das Landessanatorium erfuhr in den 1920er Jahren eine Umwidmung zur städtischen Lungenheilstätte für Frauen und Mädchen. In der Zeit des Nationalsozialismus erweiterte sich das Spektrum der „Gesundheits- und Fürsorgeeinrichtungen": Auf dem Gelände der Heilanstalt, die ab 1941 „Wagner von Jauregg Heil- und Pflegeanstalt der Stadt Wien" hieß, befanden sich ab 1940 die städtische Jugendfürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund" (benannt nach einem historischen, lokalen Flurnamen), ab 1941 eine Arbeitsanstalt für Frauen sowie ein psychiatrisches Reservelazarett der Wehrmacht.
Der „Reichsausschuss" Von Anfang an waren Planung und Durchführung der Kindereuthanasie als „geheime Reichssache" gedacht. Um die Rolle der Kanzlei des Führers zu verschleiern, wurde eine Organisation in Berlin gegründet, die unter der Bezeichnung „Reichsausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden" bekannt wurde. Die Mitarbeiter dieser Tarnorganisation mit der Kurzbezeichnung „Reichsausschuss" organisierten das Tötungsmanagement. Seit dem Frühjahr 1939 verpflichtete ein geheimer Runderlass Hebammen und Ärztinnen zur Meldung behinderter Kinder an die Gesundheitsämter. Der Erlass war „streng vertraulich" und wurde nicht im offiziellen Ministerialblatt veröffentlicht. Seine Einleitung vermittelt den Eindruck, das Ziel des Ministeriums sei es, mit wissenschaftlichen Untersuchungen behinderten Kindern zu helfen. Mit keinem Wort werden die wahren Hintergründe angedeutet. Diese „offizielle Haltung" wird dann in Wien mit allen Konsequenzen bis 1945 durchgezogen und Gerüchten sowie geäußerten Befürchtungen energisch entgegengetreten. Nach öffentlichen Protesten im Jahre 1941 in Zusammenhang mit den Abtransporten der Insassen der Heil- und Pflegeanstalten auch von den Steinhofgründen, die durch falsche und unglaubwürdige Todesmeldungen ausgelöst worden waren, sollte die Wiederholung solcher Fehler vermieden werden. Dennoch waren die Reichweite des Erlasses und auch die nicht ausgesprochenen Konsequenzen einem breiten Kreis an Fachpersonal bekannt, wie sich aus der Analyse der auf den Spiegelgrund einweisenden Stellen und Personen ergibt. Zur Verbreitung trugen sicherlich auch die Gründung der „Deutschen Vereinigung fur Kinderpsychiatrie und Heilpädagogik" bei, die am 5. September 1940 in Wien erfolgte, wie auch die der „Wiener heilpädagogischen Gesellschaft" unter dem Vorsitz von Dr. Erwin Jekelius, die ihre erste Vollversammlung 1941 in der Wiener Universitätskinderklinik abhielt.
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Angesprochen werden sollten von dieser Gesellschaft Sonderschullehrer, Kindergärtnerinnen, Nervenärzte, Kinderpsychologen, Fürsorgerinnen, Richter, Beamte etc., mit einem Wort alle, die mit Kindern beruflich in Berührung kamen und beeinflusst werden konnten.
Anfinge der Kinderfachabteilung Zur Umsetzung des Euthanasiekonzeptes ließ der „Reichsausschuss" so genannte Kinderfachabteilungen unter ärztlicher Leitung in Heilanstalten und Kliniken errichten, die administrativ der staatlichen oder kommunalen Verwaltung unterstanden. Der „Reichsausschuss" behielt sich nur die formale Entscheidung über die Tötung vor. Bei der Errichtung der i. Fachabteilung in Brandenburg-Görden informierte ein Erlass die Gesundheitsämter, dass die Anstalt sämtliche therapeutischen Möglichkeiten, die aufgrund letzter wissenschaftlicher Erkenntnisse vorliegen, wahrnimmt — ohne das wahre Ziel bekannt zu geben. Die Wiener Fachabteilung ist insofern hervorzuheben, als sie nicht nur die zweite Einrichtung im gesamten Reichsgebiet war, sondern auch durch eine hohe Eigenverantwortlichkeit der Arzte auffällt. Es waren zwar auch hier die Amtsärzte und die Gesundheitsämter, die Eltern von den sich bietenden Behandlungsmöglichkeiten der Kinderfachabteilung auch in Fällen, die bisher als hoffnungslos gelten mussten, überzeugen sollten, aber die Entscheidung über den weiteren Verlauf des Lebens lag vor allem bei den Ärzten und Ärztinnen der Kinderfachabteilung. Diese erstellten nach Einweisung der Kinder vor Ort ein ausschlaggebendes medizinisches Gutachten {status praesens). Folgte eine Meldung an den „Reichsausschuss", war das Todesurteil praktisch gefällt. Die Selektion sollte mit Hilfe von Meldebögen erfolgen. In Berlin sitzende Gutacher trafen anhand der auf den Meldungen angeführten Beurteilung die Entscheidung, ob das Kind zu töten sei. Aus der Praxis der Wiener Kinderfachabteilung lässt sich feststellen, dass die Ärzte anhand ihrer eindeutigen Formulierungen die Antworten aus Berlin vorwegnahmen. Dass sich die Wiener Arzte dieser Tatsache bewusst waren, zeigt nicht nur die oft kurze Frist zwischen Meldung und Tod des Kindes, sondern auch der Fall, dass die Meldung nach Berlin manchmal erst nach dem Tod des Kindes abgeschickt wurde. Nach neueren Forschungen existierten über 37 Kinderfachabteilungen im Reichsgebiet, davon je eine in Wien, Graz und Klagenfurt. Die Aufnahme in eine Kinderfachabteilung bedeutete gemäß einem Erlass vom 18. Juni 1940 „offiziell" die „Gewährung öffentlicher Fürsorge zur Behandlung von Kindern mit schwerem angeborenem Leiden". Schon am 26. Juni 1940, also acht Tage nach
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Veröffentlichung des Erlasses, fand im Wiener Hauptgesundheits- und Sozialamt eine erste Besprechung zur Errichtung einer eigenen Beobachtungsstation fur die „Ostmark" statt. 100 Betten sollten zur Verfugung gestellt werden. Die Unterbringung im Sinne des Reichserlasses betraf anfänglich Kleinkinder bis zu drei Jahren, die Aufnahme der Kinder erfolgte allerdings in der neu eröffneten Beobachtungsstation für Säuglinge und Kleinkinder der Fürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund", die auf bis zu Sechsjährige spezialisiert war. Später erhöhte sich die Altersgrenze der aufgenommenen Kinder und Jugendlichen offiziell auf 16 Jahre, die ältesten Betroffenen waren allerdings schon über 18 Jahre alt. Geplant war die Eröffnung des entsprechend gewidmeten Pavillons 15 für August 1940, definitiv dürfte er erst mit Jahresende besiedelt worden sein. Leitender Anstaltsarzt war Dr. Heinrich Gross, der dem ärztlichen Leiter der Fürsorgeanstalt Dr. Erwin Jekelius und später dem Leiter der Nervenklinik Dr. Ernst Illing unterstand. Die für den Reichsausschuss Gutachten erstellenden Arzte Dr. Heinrich Gross und Dr. Marianne Türk waren ebenfalls seit August bzw. seit November in der Fürsorgeanstalt beschäftigt. Eine weitere Ärztin, Dr. Margarethe Hübsch, folgte im Jänner 1941. Das erste Kind vom Spiegelgrund starb im September 1940. Die erste erhaltene Meldung an den Reichsausschuss datiert vom 14. November 1940. Im selben Monat wurde auch die Einweisung über das Gaujugendamt bzw. direkt über Dr. Jekelius als den Vertreter des „Reichsausschusses zur wissenschaftlichen Erfassung erb- und anlagebedingter schwerer Leiden" geregelt. Nachgewiesen werden kann die Tätigkeit im Sinne des Reichsausschusses erst mit dem Tod eines Kindes auf dem Pavillon 15 im Jänner 1941.
Geschichte der Kinderfachabteilung „Am Spiegelgrund" Anfänglich war die Kinderfachabteilung der städtischen Jugendfürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund" eingegliedert. Diese wurde am 24. Juli 1940 eröffnet und umfasste einen zentralen Block von neun Pavillons (mit den ungeraden Nummern von 1-17) zwischen der Heil- und Pflegeanstalt auf der rechten Seite (14., Baumgartner Höhe 1) und der städtischen Lungenheilstätte Baumgartner Höhe auf der linken Seite (14., Sanatoriumsstraße 2). Die davor von der Frauenabteilung von Steinhof genutzten Pavillons der Heilund Pflegeanstalt standen seit Juli 1940 zur Verfügung, nachdem die „Erwachseneneuthanasie" angelaufen war. Ein großer Teil der Patientinnen wurde in die so genannte „ungenannte Anstalt" des Reichs nach Schloss Hartheim in Alkoven bei Linz gebracht und ermordet. Aus dem Protokoll einer Besprechung vom 26. Juni
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1940, an der die Leiter beider Anstalten und Magistratsbeamte teilnahmen, geht hervor, dass die „Verlagerung" von ca. 2.000 Patientinnen geplant war. Als erstes übersiedelte im Juli 1940 die Schulkinderbeobachtungsstation (gegründet 1925 in der Kinderherberge am Tivoli) aus dem Zentralkinderheim in der Lustkandlgasse im 9. Wiener Gemeindebezirk in die Pavillons 3, 5 und 9. Die Inbetriebnahme weiterer Pavillons sollte etappenweise „nach Maßgabe der Freimachung" folgen. Von den anfangs 640 genehmigten Betten der Jugendfursorgeanstalt waren 40 Betten für Säuglinge bis zu einem Jahr, 60 Betten für Kleinkinder bis zu sechs Jahren, 300 Betten für Schulkinder bis zu vierzehn Jahren und 240 Betten fur Jugendliche bis zu achtzehn Jahren vorgesehen. Im November 1941 erhöhte sich die Zahl der Betten der Säuglings- und Kinderabteilung auf 150. Spätestens ab Juli 1941 verfugte diese Abteilung auch über einen Sonderkindergarten.
Leitung Die ärztliche Leitung übernahm bis Ende 1941 Dr. Erwin Jekelius, ab 1940 auch Referent im Hauptgesundheitsamt in Wien. Ihm folgten Dr. Margarethe Hübsch als Leiterin der Kinderabteilung bzw. der Leiter der Heil- und Pflegeanstalt Dr. Hans Bertha bis zur Führung der Kinderfachabteilung als eigene Anstalt im Sommer 1942. Die pädagogische Leitung oblag Dr. Hans Krenek. Das benötigte Pflege- und Verwaltungspersonal sollte von der Heil- und Pflegeanstalt übernommen und mit Pädagoginnen (Heimmutter, Erzieherinnen) ergänzt werden. Über 90 Personen waren involviert, aber nur gegen einige wenige wurde nach 1945 Anklage erhoben. Erster Leiter der Säuglings- und Kinderabteilung wurde Dr. Heinrich Gross, ihm zur Seite standen die Ärztinnen Dr. Marianne Türk und Frau Dr. Helene Jockl. Sowohl der später offiziell eingerückte Heinrich Gross als auch Marianne Türk blieben der Anstalt auch nach Juli 1942 unter ihrem neuen Leiter Dr. Ernst Illing treu und „betreuten" die Kinder der benachbarten Erziehungsanstalt im Bedarfsfall mit.
Städtische Erziehungsanstalt und Heilpädagogische Klinik Am 5. März 1942 wurde die Anstalt in „Heilpädagogische Klinik der Stadt Wien - Am Spiegelgrund" umbenannt und eine Neugliederung besprochen. Im Zuge der Neuorganisation der städtischen Verwaltung fiel die Führung der Jugendfursorgeanstalten ab April nämlich an die Hauptabteilung „Jugendwohlfahrt und Ju-
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gendpflege". Die Leitung übernahm der Pädagoge Dr. Krenek. Als Folge standen daher offiziell ab 16. Juni sieben der neun Pavillons (1, 3, 5, 7, 9,11 und 13) der Fürsorgeabteilung des Magistrats als Dauerheim und Beobachtungsanstalt mit 680 Betten zur Verfugung. Ab 11. November führte diese neue Anstalt die Bezeichnung „Wiener städtische Erziehungsanstalt Am Spiegelgrund, Wien 14, Baumgartner Höhe 1." Die restlichen Pavillons 15 und 17 - organisatorisch beim Gesundheitswesen verbleibend - wurden nach dem Gutachten der Leiterin der Anstalt Dr. Hübsch von Mai 1942 für die Unterbringung der Fälle des Reichsausschusses und der „bildungsunfähigen" Kinder zur Verfugung gestellt. Am 16. Juni genehmigte der Wiener Bürgermeister Dr. Philipp Jung die Angliederung dieser Pavillons als Kinderabteilung an die Heil- und Pflegeanstalt. Bereits am 7. August 1942 folgte er dem Antrag des Stadtrates Gundel und bestätigte die Selbstständigkeit dieser zwei Pavillons als eigene Anstalt unter ärztlicher Leitung und unter eigener Verwaltung für 220 Betten.
Wiener städtische Nervenklinik fiir Kinder Auf Betreiben des neuen kommissarischen Leiters Dr. Ernst Illing (seit 1. Juli 1942) führte sie ab 11. November 1942 die Bezeichnung „Wiener städtische Nervenklinik für Kinder". Illing argumentiert in einem Schreiben, dass die Bezeichnung heilpädagogisch irreführend sei, da Sprachgestörte, Sehbehinderte, Schwerhörige betreut und gefördert werden müssten. Etwas Derartiges ist aber tatsächlich bisher weder durchgeführt, noch für später geplant. Sein Vorschlag der Namengebung „Städtische Nervenklinik für Kinder" lehnte sich an die im Jahr davor in Berlin-Wittau eingerichtete Kindereuthanasieklinik an, deren Aufgaben seinen Vorstellungen vom „Fachkrankenhaus" besser entsprachen. Obwohl laut Begleitschreiben der Gesundheitsabteilung die Bezeichnung den Rahmen des Aufgabenkreises weit überschreitet, wurde sie genehmigt. Die Klinik umfasste eine psychiatrisch-neurologische Kinderkrankenabteilung und eine ärztlich geleitete Beobachtungsabteilung für psychisch abwegige Kinder und Jugendliche. Auffallend dabei sind die sprachlichen Änderungen im Laufe der Zeit. Bezugnehmend auf den genannten Erlass von Juni 1940 wird die Funktion der Klinik nun offiziell mit der Aufnahme der Fälle des Reichsausschusses zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden sowie der debilen, bildungsunfähigen Minderjährigen beschrieben. Entscheidend für den ständigen und endgültigen Verbleib in der Nervenklinik waren in den meisten
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Fällen die Diagnosen bildungsunfdhig oder arbeitsunfähig, auch wenn sich dahinter ehrgeiziges Interesse an medizinischer Forschung verbarg. Getroffen wurde diese Entscheidung von den Ärzten Dr. Ernst Illing, Dr. Marianne Türk, Dr. Margarethe Hübsch und Dr. Heinrich Gross. Die Aufgabe der Beobachtungsstation fur etwa 80 Kinder und Jugendliche bestand in der Feststellung von Erziehbarkeit und sozialer Brauchbarkeit. Drei Stationen standen zur Verfugung: eine für Kleinkinder (30 Betten) und zwei für Schulkinder und schulentlassene Jugendliche, getrennt nach Geschlecht (je 25 Betten); eine weitere Station war für die vom Reichsausschuss für wissenschaftliche Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden eingewiesenen Kinder mit sieben Gruppen (140 Betten) vorgesehen: 1) Säuglinge (20 Betten) 2) Krabbelkinder (20 Betten) 3) Kleinkinder (20 Betten) 4) Männliche bettlägerige Kinder und Jugendliche (15 Betten) 5) Weibliche bettlägerige Kinder und Jugendliche (15 Betten) 6) Männliche gehfähige, bildungsunfähige Kinder und Jugendliche (25 Betten) 7) Weibliche gehfähige, bildungsunfähige Kinder und Jugendliche (25 Betten) Die dem Reichsausschuss gemeldeten Kinder waren sowohl im Pavillon 15 als auch im Pavillon 17 untergebracht. Zum Tod der Kinder kam es allerdings nur im Pavillon 15 und gelegentlich im Pavillon 1, wenn Kinder auf der dort befindlichen Aufnahmestation untergebracht waren. 1945 löste der amtsführende Stadtrat der Verwaltungsgruppe II die Nervenklinik für Kinder mit sofortiger Wirkung auf und stellte sie der Heil- und Pflegeanstalt am Steinhof zur Errichtung einer Kinder- und Jugendabteilung mit Stichtag vom 1. Juli 1945 zurück. Erst mit diesem Datum wurde auch Dr. Illing offiziell außer Dienst gestellt. Ein Jahr später, am 30. September 1946, schied Frau Dr. Türk aus der Anstalt aus, gegen beide lief bereits ein Gerichtsverfahren. Illing wurde zum Tode verurteilt und hingerichtet. Dr. Gross befand sich zu diesem Zeitpunkt in russischer Kriegsgefangenschaft, Dr. Jekelius wurde durch die russische Besatzungsmacht auf der Flucht gefangen und starb 1952 angeblich in einem Lager. Die Pavillons der Fürsorgeanstalt und der Nervenklinik wurden mit Genehmigung des Stadtsenates vom 18. September 1945 für ein Epidemiespital zur Verfügung gestellt. Das „Zentrale Infektionskrankenhaus der Stadt Wien" mit einem Belag von 800 Betten wurde dem Krankenhaus Lainz angegliedert. Es nahm am 10. Oktober 1945 seinen Betrieb auf. Über das Schicksal der Kinder, die im Pavillon 15 und 17 das Kriegsende überlebten, ist bis auf das Faktum, dass einige im folgenden Jahr in der Heil- und
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Pflegeanstalt starben, nichts bekannt. - Die meisten Kinder der Erziehungsanstalt wurden auf andere Heime aufgeteilt. Die Agenden der geschlossenen Jugendfürsorge kamen wieder zur Geschäftsgruppe V - Gesundheitswesen und wurden in das Anstaltenamt (MA 17) eingegliedert. Für die Jugendfürsorge „Am Spiegelgrund" wurden die Pavillons 4 und 12 zur Verfügung gestellt und die Anstalt unter der Bezeichnung: „Erziehungsheim Am Spiegelgrund" wieder eingerichtet. Am 10. Oktober 1945 eröffnete die Knabenabteilung im Pavillon 4, Ende Jänner 1946 der Pavillon 12 für die Mädchen.
Die Krankengeschichten Als einzige Information über die Kinder haben sich oft nur die Krankengeschichten und Verrechnungsunterlagen erhalten, die der 1945 angeordneten Vernichtung aller belastenden Unterlagen entkamen, sei es, dass ihnen keine Beweiskraft zugetraut wurde, sei es, dass sie für die spätere Auswertung der Präparate benötigt wurden. Von den in der Nachkriegszeit noch vorhandenen 772 Krankengeschichten verstorbener Kinder fehlt ein beträchtlicher Teil. Spuren fuhren in das Ludwig-Boltzmann-Institut zur Erforschung der Missbildungen des Nervensystems und zu den Prozessakten des Volksgerichts, in denen die Fälle ein letztes Mal zitiert werden.
Spurensuche und Archivarbeit 2001 fiel die Entscheidung, die bis dahin im Otto-Wagner-Spital (Neubenennung der Heil- und Pflegeanstalt 1.8.2000) an verschiedensten Orten lagernden Krankengeschichten in das Wiener Stadt- und Landesarchiv zu übernehmen, um eine dauernde und gesicherte Aufbewahrung zu garantieren. Das neue Wiener Archivgesetz aus dem Jahr 2000 bildete dafür die rechtliche Grundlage. Viele Gespräche und Begehungen waren nötig, um einen Uberblick über alle möglichen Depots in Kellern, Dachböden, Bibliotheken etc. zu gewinnen. Der Großteil der Spiegelgrundunterlagen lagerte getrennt von den Krankengeschichten der Heil- und Pflegeanstalt im so genannten Krankengeschichtenarchiv des Otto-Wagner-Spitals. Mitarbeiterinnen des Krankengeschichtenarchivs hatten die Akten überlebender Kinder zwecks leichterer AufEndbarkeit alphabetisch geordnet, dabei allerdings beschädigte Originalaktendeckel gegen neue Umschläge getauscht. Ein Teil der Krankenge-
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schichten - nämlich jener der verstorbenen Kinder - war zum damaligen Zeitpunkt von der Staatsanwaltschaft für das Gerichtsverfahren beschlagnahmt gewesen. Ein Teil davon war zwecks Expertise nach Innsbruck gesandt worden und nicht greifbar. Ein anderer Teil — nämlich jener, zu dem Gehirnpräparate vorhanden waren - befand sich im so genannten Gedenkraum in der Pathologie. Dieser Krankengeschichtenbestand war und ist unvollständig, da wesentlich mehr Präparate als Krankengeschichten vorhanden waren. Kopien von hier fehlenden Krankengeschichten fanden sich allerdings im Ludwig-Boltzmann-Institut für klinische Neurobiologie, über 200 Stück befanden sich bei einem Primär, weitere Einzelstücke bei verschiedenen Forschungseinrichtungen sowie in der ärztlichen Direktion des Otto-Wagner-Spitals. Erst durch die Zusammenführung aller Unterlagen im Archiv war eine Ordnung und namentliche Erschließung möglich, wobei die ständigen „Neufunde" einen Abschluss der Arbeiten nicht ermöglichten. Durch Umbauten der Pavillons und unangekündigte und undokumentierte Verlagerungen der Bestände im riesigen Gelände der Anstalt wurde die archivarische Arbeit nicht gerade einfacher. Bei einer neuerlichen Begehung im Juli 2003 tauchten im Krankengeschichtenarchiv 57 weitere Krankengeschichten auf, deren Herkunft bis heute nicht geklärt werden konnte. Fünf Krankengeschichten wurden im selben Jahr im Spind von Dr. Elfriede Kaltenbäck, einer Mitarbeiterin von Dr. Gross, sichergestellt. Zuletzt wurden anlässlich der Übernahme von Beständen der Heil- und Pflegeanstalt weitere ärztliche und jugendpsychologische Gutachten dem Archiv übergeben. Laut Totenbuch fanden insgesamt 789 Kinder zwischen September 1940 und April 1945 den Tod. Derzeit belauft sich der Stand von zumindest teilweise erhaltenen Krankengeschichten der Kinderfachabteilung auf 561 Unterlagen von verstorbenen Kindern, 505 Unterlagen von überlebenden Mädchen und 506 Unterlagen von überlebenden Buben. Eine genaue Analyse der vorhandenen Unterlagen ermöglicht nicht nur den Nachweis der Täterinnen, sondern bringt auch viele Informationen zu den einzelnen Kindern und ihren Familien zum Vorschein. Aufnahmebücher der Kinderfachabteilung und ein noch 1996 vernichtet geglaubtes Totenbuch der Anstalt ergänzen die Informationsmöglichkeiten. Der formale Aufbau aller Krankengeschichten ist ähnlich: Der Aktendeckel (bei Mädchen rosa, bei Buben blau) enthält den Namen des Kindes mit Angabe der einweisenden Stelle (ζ. B. Kinderübernahmesteile) und die Stationen, die das Kind in der Nervenklinik durchlief. Diese konnten von einer Beobachtungsstation über die Krankenstation bis zur „Sterbestation" im Parterre des Pavillon 15 reichen. Auch die Meldung an den Reichsausschuss zur Erfassung erbkranker Kinder in Berlin oder Anträge auf Unfruchtbarmachung sind hier vermerkt.
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Nach einem Aufnahmebogen folgt ein ausführlicher körperlicher Befund, der teilweise erheblich von vorangegangenen Untersuchungen abweicht und bereits die geplante Meldung an den Reichsausschuss vermuten lässt. Jeder Krankengeschichte lagen ursprünglich auch in der Fachabteilung aufgenommene Ganzkörperfotos der unbekleideten Kinder, Röntgenaufnahmen sowie Tabellen über Ernährung, Körpergewicht und Temperatur bei. Die meisten Akten enthalten auch eine genaue Aufnahme der familiären Verhältnisse. Dank beigefügter Sippentafeln und Familienanamnesen wird über Leseschwierigkeiten der Mutter genauso wie über die Trunksucht des Großonkels und angeblich gesunde Geschwister und Verwandte informiert. Besonders die Formulierung noch nichts Nachteiliges in Erfahrung gebracht zeigt die negative Grundhaltung der Untersuchenden. Ein ärztlicher Fragebogen oder ein Fragebogen an das Gesundheitsamt mit Angaben von Angehörigen - oft der Mutter - wurde an die zuständigen Gesundheitsämter geschickt und dort überprüft und ergänzt. Bei Jugendlichen liegt auch eine Stellungnahme des Bezirksjugendamtes ein. Hingegen sind Meldungen von niedergelassenen Ärzten direkt an den Reichsausschuss, die zur Einweisung in die Fachabteilung führten, eher selten.
Einweisung Der Großteil der Kinder kam aus Wien und Niederösterreich. Nur ein Drittel etwa kam direkt aus häuslicher Pflege, die meisten wurden von der Kinderübernahmesteile und anderen Heimen oder Krankenanstalten, unter anderem der Wiener Universitätskinderklinik, eingewiesen. Für die meisten Wiener Kinder, die von der Kinderübernahmesteile eingewiesen wurden, gibt es im Archivbestand des Jugendamtes noch eine Karteikarte mit einem Verweis auf seine Heimaufenthalte sowie auf eventuelle Pflegeaufenthalte bei Pflegeeltern, jeweils mit genauer Aufenthaltsdauer. Weitere kindbezogene Informationen lassen sich in den Mündelakten der Stadt Wien und den beim Bezirksgericht oder Jugendgericht angelegten Pflegschaftsakten finden. Mengenmäßig hervorzuheben sind größere Transporte aus Gugging, aus dem Kinderheim Pressbaum, das für die Wehrmacht geräumt wurde, und aus dem Kinderheim St. Josef in Frischau bei Znaim. Ärzte vom Spiegelgrund unternahmen eigene Selektionsreisen, bei denen sie städtische und private Kinderheime und Anstalten aufsuchten, um Fälle fur die Kinderfachabteilung zu suchen. Im Jahre 1943 kamen Kinder aus Hamburg (Anstalten Alsterdorf und Langenhorn), Bad Kreuznach (Anstalt Niederweidenbacherhof) und dem Rheinland (St. Josefshaus,
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Hardt bei Mönchengladbach) mit Sammeltransporten nach Wien und wurden vorerst bei den Erwachsenen in der Heil- und Pflegeanstalt untergebracht. Den Eltern wurde die Transferierung von einer Anstalt in die andere mit der luftgefährdeten Lage der Heilanstalt erklärt. Einige Kinder blieben in der Heilanstalt, einige überstellte man in die Nervenklinik. Von diesen überlebte kaum eines. Das Argument der luftgefährdeten Lage wurde gleich ein zweites Mal bei der Uberstellung in die am selben Terrain befindliche Nervenklinik verwendet. So konnten die weit entfernt lebenden Eltern über die lokale Nachbarschaft hinweggetäuscht werden. Konkrete Einweisungsgründe werden nicht oft genannt. Abgesehen von der medizinischen Diagnose spielten bei vielen Abgaben aus häuslicher Pflege die sozialen Rahmenbedingungen eine ausschlaggebende Rolle. Auch litten keineswegs sämtliche ermordeten Kinder unter „unheilbaren Krankheiten" oder Missbildungen. Langsames Lernen oder „Verhaltensauffälligkeit" genügten manchmal schon. Beschrieben werden in der Familienanamnese meist nur die ungünstigen Verhältnisse. Ansonsten finden sich Bemerkungen, dass keine negativen Informationen vorliegen. Zu kleine und nicht behindertengerechte Wohnungen, die alleinige Belastung der Mutter mit der Pflege, der Kriegsdienst des Vaters und der gesellschaftliche Druck, dass ein behindertes Kind zu Hause die Vernachlässigung der gesunden Kinder zur Folge hätte, sind die häufigsten Angaben. Oft waren die Mütter, die für den Lebensunterhalt aufkommen mussten, einfach überfordert. Bei Obdachlosigkeit und anderen sozialen Problemen war auch mit wenig Widerstand zu rechnen. Vor allem in Wien erfolgte die Transferierung in die Fachabteilung vermutlich zum Zwecke der Verschleierung über den Weg der Ersteinweisung in andere Heime. Im Juli 1942 nennt der Leiter des Hauptgesundheitsamtes Dr. Hermann Vellguth die Kriterien, die Kinder von der Betreuung in NSV-Heimen ausschlossen und ihre Überstellung auf den Spiegelgrund vorprogrammierten: Kinder, die an einer Erbkrankheit leiden oder einer Erbkrankheit verdächtigt sind, (...) Kinder aus Familien, die als asozial bekannt sind, Kinder, die größere Erziehungsschwierigkeiten machen, etc. Die letzten Einweisungen in der Nervenklinik erfolgten laut Standesprotokoll im Juni 1945.
Gutachten und Meldung Es war meist ein in der Fachabteilung erstelltes Gutachten, das über das weitere Leben des Kindes entschied. Hieß dieses 1941 noch ärztlicher Befund und enthielt
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auch eine Beurteilung durch einen jeweils namentlich genannten Psychologen, änderte sich die Bezeichnung 1942 in Jugendpsychiatrisches oder medizinisches Gutachten und wurde alleine von Medizinerinnen erstellt. Der Idiot kommt in eine Bewahranstalt und der Antisoziale in ein Konzentrationslager für Minderjährige. Beide sindfur den Heilpädagogen nur bis zur Stellung der Diagnose interessant, die allerdings mit größter Gewissenhaftigkeit (...) gestellt werden muss, meinte Jekelius anlässlich seines Antrittsvortrages bei der Gesellschaft für Heilpädagogik. Um der Beurteilung wissenschaftliche Seriosität zu verleihen, teilte man diese in mehrere Kategorien, die von nicht bildungsfähig und nicht arbeitsverwendungsfähig bis zu erziehbar reichten. Herwig Czech weist in seinen Forschungen darauf hin, dass die geforderte Gewissenhaftigkeit bei der Diagnose ein häufig wiederkehrendes Motiv im Diskurs der „Rassenhygieniker" war, das der Legitimation eines medizinischen (Wert-)Urteils diente. Die ärztliche Diagnose entschied ohne Einspruchsmöglichkeit über Leben und Tod. Zu melden waren Kinder gemäß Runderlass des Reichsministeriums des Innern vom 18. August 1939 mit folgenden Leiden: Idiotie sowie Mongolismus, Mikrocephalie (abnorme Kleinheit des Kopfes), Hydrocephalus (Wasserkopf), Missbildungen (Fehlen von Gliedmaßen etc.) und Lähmungen. Zwei Fragen standen bei den Untersuchungen eindeutig im Vordergrund: Bestand eine Erbkrankheit, und welchen ökonomischen Nutzen würden die Kinder für die Gesellschaft bringen? Auch der zu erwartende Pflegeaufwand wurde bei der Meldung immer berücksichtigt. Ausschlaggebend bei der Beurteilung war daher weniger die Erbkrankheit, die in einigen Fällen erst durch die Obduktion festgestellt werden konnte. Erworbene Krankheiten oder Krankheiten mit ungeklärter Ursache überwogen in den Meldungen die eigentlich zu erfassenden Fälle der erblichen Idiotie bei weitem. Als Beispiel sei der Führungsbericht über einen elfjährigen Buben genannt, von dem die betreuende Schwester schreibt: Mit seinen Kameraden tollt er sehr herum und artet dabei bis zur Ausgelassenheit aus. Er ist gerne beschäftigt und sucht sich auch immer eine Beschäftigung. Zu einfachen Hausarbeiten kann er angehalten werden und macht sie auch ohne jede Aufforderung, wie: nasse Wäsche zum Trocknen aufhängen, Geschirr abtragen, usw. Beim Kleiden und Essen ist er selbständig (...) Willi kann oft ohne Grund herzlich lachen. In der Meldung an den Reichsausschuss heißt es dann allerdings: dauernde Pflegebedürftigkeit und keinerlei Arbeiteinsatzfähigkeit zu erwarten. (...) Sucht keine Beschäftigung, balgt sich nur mit idiotischen Kindern herum. Ein halbes Jahr später ist der Bub tot. Während bei den Säuglingen und Kleinkindern eine Meldung meist schon
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wenige Tage nach der Einlieferung abgeschickt wurde, hielten sich die Ärzte bei Jugendlichen an eine längere Beobachtungsdauer. Aufgrund der ärztlichen Beurteilung folgte bei der „positiven" Diagnose die Einweisung von Jugendlichen nach Gugging, Biedermannsdorf, Eggenburg bzw. die Unterbringung in einem Lehrlingsheim, die Rückgabe an die Eltern oder die Uberstellung in die Erziehungsanstalt „Am Spiegelgrund" bzw. in die städtische Erziehungsanstalt in Mödling. Aus dem Angebot an Mädchen wählten sich die Ärztinnen auch Haushaltshilfen und Mädchen, die bei ihnen zu Hause das Pflichtjahr, einen einjährigen Arbeitsdienst, absolvierten. Bei der Diagnose nicht erziehbar wurde die Einweisung nach Kaiserebersdorf, in ein Jugendschutzlager oder eine sonstige geschlossene Anstalt empfohlen. Von den gemeldeten Kindern überlebten jene, die als arbeitsverwendungsfiihig beurteilt waren, und jene, die gegen Revers der Eltern abgeholt wurden bzw. jene, die vom Urlaub nicht zurückkehrten oder entwichen. Antworten aus Berlin sind nicht erhalten. Laut Dr. Illing trafen die Bescheide zur Behandlung meist nach sechs bis acht Wochen ein. Es fällt allerdings auf, dass vor allem ab 1944 Kinder bereits vier Tage nach der Meldung verstarben, einem Zeitraum also, in dem eine Antwort noch nicht eingetroffen gewesen sein kann. Die letzte Meldung datiert vom 30. März 1945, die Kinder starben allerdings ohne Unterbrechung weiter bis Juni 1945. Noch von einem im Juli 1945 gestorbenen Buben befand sich die Krankengeschichte auf der Pathologie - ein Hinweis, dass ein Präparat angefertigt wurde.
Beobachtung, Untersuchung Forschung Der bei der Aufnahme angelegte status praesens, der alle bekannten Daten, die Familienanamnese, eine Beschreibung des Körpers sowie eine interne Untersuchung, einen neurologischen Status und eine psychische Beurteilung enthält, wurde handschriftlich bis zur Entlassung bzw. dem Tod des Kindes vom betreuenden Arzt oder der betreuenden Ärztin weitergeführt. Entsprachen die darin verwendeten Formulierungen im Wesentlichen den in der Rassenkunde üblichen, lassen sich doch auch persönliche Urteile der Ärztinnen heraushören, die Ausdrücke wie hässliches Gesicht oder nicht unhübsches Aussehen als Beschreibung verwendeten. Bedeutung für die abschließende Beurteilung ist dem nicht beizumessen, überlebte doch auch das Kind mit den sehr schönen Gesichtszügen nicht. Ein weiterer Teil der Krankengeschichte ist der schon erwähnte Pflegebericht. Dieser wurde von den das Kind betreuenden Schwestern gefuhrt und gibt über die
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pflegerischen Maßnahmen Auskunft. Auffallend dabei sind die für die damalige Zeit ausführlichen Berichterstattungen, die auch das Verhalten des Kindes schildern. Bei Schulkindern und Jugendlichen liegen gelegentlich Zeichnungen und Aufsätze bei, die sehr berührend die empfundene Angst und Bedrohung wiedergeben. Unter dem Titel Ein wunderliches Erlebnis schreibt etwa die 17-j ährige Elfriede: Ich ging ein mal spazieren im Park. Setzte mich auf eine Bank. Es kam eine Frau mit ihrem Kind. (
) Das Kind (...) schaute immer mich an, dann kam es zu mir
und sagte Tante bitte spiel mit mir, Mutti hat keine Zeit (...) Sonntag traf ich die Mutter in Trauer, ich sagte was ist mit Gerda. Sie sagte, Gerda hat in der Nacht Fieber gegriegt (sie!), und hat die ganze Nacht nach mir gerufen. Um halb 12 kam der Arzt, und Gerda schlief ein, wachte nicht mehr auf. Von den medizinischen Untersuchungen war es neben einer Reihe serologischer Untersuchungen vor allem die Enzephalographie, eine damals übliche Methode zum Nachweis organischer Hirnerkrankungen, der viele Kinder unterzogen wurden. Muss man heute die Sinnhaftigkeit der Untersuchung, die sehr schmerzhaft war, Übelkeit und Erbrechen hervorrief, mehr als in Frage stellen, ist es noch mehr der Zeitpunkt ihrer Durchführung, der den verbrecherischen Umgang mit den Kindern aufzeigt. Ohne Bedenken führten die Ärzte ihre Experimente an geschwächten und erkrankten Kindern aus. Es waren diese nicht vernichteten Unterlagen zu den Untersuchungen, mit denen man den Ärzten nach 1945 eine Verbindung mit dem Tod der Kinder nachweisen konnte und die u. a. zu den Verurteilungen führten. Welche weiteren „wissenschaftlichen Untersuchungen" in dem so genannten Beobachtungszeitraum an den lebendigen Kindern durchgeführt wurden, lässt sich nur erahnen. Zweimal scheint der Hinweis auf schlecht verheilende Trepanationswunden auf. Zu welchen Zwecken diese Schädelanbohrungen erfolgten, konnte nicht geklärt werden. Deutlich dokumentiert sowohl in den Krankengeschichten als auch am Aktendeckel sind die Sterilisationen an erbkranken weiblichen Jugendlichen mit angeblicher Fortpflanzungsgefahr. Anträgen, die nach dem Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses an das Erbgesundheitsgericht gerichtet waren und mit „positiver" Entscheidung zurückkamen, folgten in der Fachabteilung die entsprechenden Eingriffe. In einigen Krankengeschichten liegt auch die Korrespondenz der Klinikleitung mit Dr. Elmar Türk von der Wiener Universitätskinderklinik bei. Dieser führte Tuberkulin-Impfexperimente an behinderten Kindern in der Wiener Universitätsklinik durch, wobei er geimpfte Kinder einer erneuten Infektion aussetzte und zum Vergleich auch nicht geimpfte Kinder infizierte, um die Wirkung zu über-
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prüfen. Zur Abklärung durch die Obduktion schickte er die Kinder in die Fachabteilung. Dabei übermittelte er so genannte „Wunschzettel" betreffend des Kindes, mit der Bitte um klinische Kontrollen zu Lebzeiten und einige Untersuchungen nach dem Tod. Auch Dr. Illing forschte an den Kindern über die tuberöse Sklerose (Tumore an der Hirnrinde). Unter „perfekten" Vorraussetzungen konnte er seine Diagnostik mit Sektionsbefunden vergleichen und verbessern. Da diese Krankheit zu den Erbkrankheiten gezählt wurde, ging er in der Kinderfachabteilung seinem schon seit Jahren vorhandenen Forschungsinteresse im „geschützten Raum" nach. Die arglosen Eltern stimmten beim Eintritt des Kindes schriftlich den für die Feststellung der Krankheit notwendigen Untersuchungen zu. In bereits erwähnter Weise setzte sich das Forschungsinteresse noch über den Tod der Kinder und das Jahr 1945 hinaus fort. Obwohl diese schreckliche Form der „Nachnutzung" der Kinder seit einigen Jahren in der Öffentlichkeit bekannt ist, standen Besucherinnen des Gedenkraumes auf der Baumgartner Höhe immer wieder fassungslos vor dem zur Gänze erhaltenen Kopf der dreijährigen Anna Hofer. Das den Kopf enthaltende Glasgefäß war mit: reserviertfür Dr. Gross beschriftet. Die verschwundene Krankengeschichte des Kindes tauchte erst im September 2003 im Spind von Elfriede Kaltenbäck wieder auf. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass der wissenschaftliche Wert dieser Forschungen höchst zweifelhaft war und international als bedeutungslos einzustufen ist.
Reaktionen der Angehörigen Am Ende der Krankengeschichte liegen bei den verstorbenen Kindern die so genannten Schlechtmeldungen, das sind Schreiben des ärztlichen Leiters, die meist am Tag vor dem Tod der Kinder an die Eltern gingen, und ziemlich stereotyp einen besorgniserregenden Zustand oder eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes mitteilten. Im Gegensatz zu den Prozessaussagen von Dr. Illing, er hätte den Eltern damit ein persönliches Abschiednehmen ermöglichen wollen, erging das Schreiben an die Eltern allerdings meist zu einem Zeitpunkt, der ihnen kaum eine Begegnung mit ihrem lebenden Kind ermöglichte. Schließlich folgen Todesmeldungen und Obduktionsbericht. Fallweise beigelegte Briefe der Eltern dokumentieren deren Einstellung, die von Desinteresse zu Besuchsankündigungen und von Heimholwünschen bis zu Informationsbedürfnis über das Befinden des Kindes reicht. Den Kindern wurden Pakete geschickt und
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Briefe geschrieben. Aus den Briefen an die Direktion spricht das Vertrauen mancher Eltern in die Arzte und ihre Hoffnung auf Besserung. Andere erkundigten sich oft nach den Kindern oder besuchten diese regelmäßig. Der Verdacht eines unnatürlichen Todes wird ebenso geäußert wie der allerdings seltene Wunsch nach dem Tod des Kindes. In beiden Fällen wird von Seiten der Klinik die Möglichkeit der Euthanasie zurückgewiesen. Es gäbe dafür keine gesetzliche Grundlage. Bisher ungeklärt sind die Gründe für die Verhängung eines so genannten Ausfolgeverbotes für manche Kinder, das Urlaubsansuchen der Eltern unterband. Gehörte die Unterbindung des Kontaktes zur Familie zu den erzieherischen Maßnahmen oder galt sie dem wissenschaftlichen Interesse am Kind? Auch mit anderen Mitteln versuchte die Fachabteilung, die Kinder zu behalten. Einer Mutter, die ihr Kind gerne wieder zu sich genommen hätte, wurde mit der Meldung beim Arbeitsamt gedroht. Gemäß einem Erlass waren diese Ämter nämlich angewiesen, Mütter von Reichsausschusskindern für Arbeitseinsätze zu vermitteln. Anderen wird nach einer Verbesserung des Zustandes des Kindes im Laufe eines Urlaubs ein weiterer nicht mehr gewährt. Einige nahmen ihr Kind gegen Revers nach Hause, das heißt sie unterschrieben ein Schriftstück, dass sie bewusst auf eigene Verantwortung und gegen den ärztlichen Rat handelten.
Tötung Ich will noch bemerken, dass (...) sich in keiner Krankengeschichte etwas von Euthanasie befindet, nirgends ein Hinweis in dieser Richtung aufscheint, da wir aus leicht begreiflichen Gründen dies gar nicht tun durften. Insofern erscheint dort, wo tatsächlich Euthanasie vorgekommen ist, die Krankengeschichte als verfälscht auf. In sehr vielen Fällen war die unmittelbare Todesursache eine Lungenentzündung, die im Zuge der Schlafmittelvergiftung aufgetreten ist. In der Krankengeschichte scheint natürlich nur Lungenentzündungauf. (Frau Dr. Türk zitiert nach Mathias Dahl, Endstation Spiegelgrund 89). Die Tötungen verliefen meistens nach dem gleichen Muster. Nach Erstellung des ärztlichen Gutachtens und einer eventuellen Meldung begann eine Verschlechterung des allgemeinen Gesundheitszustandes mit schlechter Nahrungsaufnahme, Gewichtsverlust, Schnupfen, Katarrh, Lungenentzündung, hohem Fieber - schließlich bis zum Tod. Viele Kinder verloren im Laufe ihres Aufenthaltes an Gewicht, eine Anfälligkeit für Infektionen stieg dadurch. Kinder, die lachen und spielen konnten, wurden zu apathischen Pflegefällen gemacht und dann getötet. Unterernährung und Unterkühlungen waren qualvoll.
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Herbeigeführt wurde der Tod meist durch Verabreichung von Veronal oder Luminal, einem heute noch als Schlafmittel im Handel befindlichen Medikament, das früher bei Krampfanfällen und zur Beruhigung von Patientinnen verwendet wurde. Die Todesmeldungen an die Eltern enthielten die „offizielle" Todesursache und den Hinweis, dass das Kind durch einen sanften Tod erlöst •worden wäre. Diese Legende zerschlug eine Mutter 1946, die von einem von Schmerzen verzerrten und entstellten Gesicht ihres Sohnes sprach. Für den Zeitraum von Oktober 1942 bis Mai 1945 lassen sich aus einem Aufnahmebuch der Nervenklinik die Entlassungen von etwa 300 Kindern nachweisen. Dem stehen für denselben Zeitraum etwa 540 getötete Kinder gegenüber. Ein eigens für die Säuglings- und Kleinkinderabteilung geführtes Totenbuch, das außer dem Namen des Kindes noch den Namen des beschauenden Arztes oder der Ärztin angibt, fand sich erst im November 2004 auf der Baumgartner Höhe.
Prozesse nach 1945 Zu den Angeklagten vor dem Volksgericht gehörten Dr. Ernst Illing, Dr. Marianne Türk, Dr. Margarete Hübsch und die Krankenpflegerin Anna Katschenka. Die Anklage lautete auf Verbrechen des vollbrachten Meuchelmordes und begangene Quälerei und Misshandlungen. Dr. Illing wurde zum Tode durch den Strang, Dr. Türk zu zehn Jahren Freiheitsstrafe, Anna Katschenka zu acht Jahren schweren Kerkers verurteilt, Dr. Hübsch wurde freigesprochen. Dr. Heinrich Gross war nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft 1947 auf der Flucht, 1948 wurde er in der Steiermark verhaftet und 1950 wegen Beihilfe zum Totschlag an Kindern zu zwei Jahren schweren Kerkers verurteilt; das weiter geführte Verfahren nach Abbüßung der zwei Jahre wurde 1951 eingestellt. 1981 sah das Oberlandesgericht seine Mitbeteilung an den Tötungen als erwiesen an. Das Verbrechen des Totschlags verjährt allerdings. Warum Totschlag und nicht Mord? Das Gericht ging bereits im Jahre 1948 wieder davon aus, dass es sich bei den getöteten Kindern um Säuglinge und gehirnkranke Kinder handelte, bei denen die Verabreichung von Gift: nicht heimtückisch erfolgen konnte, da den Betroffenen die Einsicht fehle, was mit ihnen geschieht. (Dr. Werner Vogt wies 1999 auf den absurden Gedanken hin, dass Heimtücke beim Opfer geistige Rüstigkeit voraussetzt.) Diese Annahme hielt bis zum Jahre 1997, als aufgrund neuer Indizien Anklage wegen Beteiligung am Mord erhoben wurde. Der Rest ist senile Demenz.
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Einschlägige Bestände im Wiener Stadt- und Landesarchiv M.Abt. 202 Personalamt M.Abt.207 Jugendamt M.Abt.209 Anstaltenamt M.Abt. 209.2 Otto-Wagner-Spital M.Abt. 209.10 Wiener städtische Nervenklinik M.Abt. 212 Gesundheitsamt Staatliche Gerichte Meldearchiv
Literatur in Auswahl Herwig CZECH, Erfassung, Selektion und Ausmerze. Das Wiener Gesundheitsamt und die Umsetzung der nationalsozialistischen „Erbgesundheitspolitik" 1938 bis 1945 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte 41, Wien 2004). Mathias DAHL, Endstation Spiegelgrund, Die Tötung behinderter Kinder während des Nationalsozialismus am Beispiel einer Kinderfachabteilung in Wien 1940 bis 1945 (Wien 1998). Eberhard GABRIEL, Wolfgang NEUGEBAUER (Hgg.), NS-Euthanasie in Wien. 2 Teile (Wien/Köln/Weimar 2000 und 2002). In Memoriam. Ausstellung in Gedenken an die Opfer des nationalsozialistischen Euthanasieprogramms aus Anlass des XI. Weltkongresses für Psychiatrie in Hamburg 1999 (Ausstellungskatalog). Ernst KLEE, Euthanasie im NS-Staat, Die Vernichtung lebensunwerten Lebens (Frankfurt am Main 1983). Ernst KLEE, Dokumente zur Euthanasie (Frankfurt am Main 1985). United States Holocaust Memorial Museum (ed.), Deadly Medicine. Creating the Master race (Washington 2004).
Der „stumme Schrei" der ermordeten Kinder bleibt unüberhörbar. Jahrzehntelang wurde versucht, diesen zu ersticken und mit Mauern des Verschweigens, des Verdrängens und der Lüge zu umgeben. Waltraud Häupl
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Ackel Emma
ACKEL Emma
AZ138/44
geb. eingewiesen durch: aufgenommen: Aufnahmeuntersuchung: Meldung: gest.
Todesursache:
8. Ii. 1928 Wien KÜST 12.8.1944 Pav. 17/Ju. 2.9.1944 Pav. 15/Kr. 14.8.1944 Dr. M. Türk 30.9.1944 Dr. E. Illing 12.12.1944 13 Uhr 30 Lungenentzündung
r.k.
ehelich
Emma ist 15 % Jahre alt, als sie am 12. 8.1944 ln einem äußerst verwahrlosten Zustand mit verschmutzten und zerrissenen Kleidern, sowie den Kopf voller Läuse..."
in
der Wr. Städt. Nervenklinik fiiir Kinder aufgenommen wird. Am 14.8.1944
erfolgt die Aufnahmeuntersuchung durch Dr. M. Türk. Daraus geht hervor, dass Emma „groß, kräftig, mäßig gut genährt" ist, dass sie unter anderem „Schuhabdruckstellen an den Zehen " hat, dass ihr Gewicht Vi kg unter der Norm liegt, dass sie 6 cm größer als „normal" ist usw.
Emma erzählt während der Untersuchung, dass sie einen älteren Bruder und eine jüngere Schwester hat. Sie selbst wäre erst mit zehn Jahren in die Hilfsschule gekommen, nach zwei Jahren hätte die Lehrerin gesagt, sie bräuchte nicht mehr zu kommen. Die Mitschüler/Innen hätten sie geschlagen und „du depperter Trottel" geschimpft. Nach der Schulentlassung hätte sie nur mehr „zu Hause gearbeitet", da ihre kränkliche Mutter („fällt alle weil zusammen, wenn sie sich ärgern tut") als Bedienerin und der Vater als Matratzenmacher beschäftigt waren. Sonntags ging das Kind meist in den Prater, wo es von Männern missbraucht und mit Tripper angesteckt wurde... Am 2.9.1944
wird Emma vom Pav. 17 in den Pav. 15/1 verlegt. Dr. M. Türk attestiert „hochgradige Antriebslosigkeit" und dass das Mädchen wegen seiner Langsamkeit zu praktischen Arbeiten nicht zu gebrauchen wäre. Ihr Interesse gelte vor allem dem Essen und den Buben und „ es stört sie gar nicht, wenn ihre Hose voll Stuhl
Am 30.9.1944
ist..."
erfolgt die Meldung durch Dr. E. Illing. Er diagnostiziert, dass Emma „dauernd anstaltsbedürftig, nicht bildungsfähig und auch nicht beschränkt arbeitsverwendungsfähig sei.
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E m m a Ackel/Martha Arnold
Das Mädchen weint unentwegt, wenn die Rede auf ihre Mutter kommt. Es hat großes Heimweh. Vermutlich zieht es sich völlig in sich zurück, vermeint „bald sterben zu müssen" und ist tieftraurig, „weil sich die Mutter darüber sehr kränken würde ..." „Sitzt teilnahmslos herum "steht in einem Schwesternbericht vom 14. 8.1944. Am 7.12.1944 hat Emma plötzlich 39,4° Fieber mit Rachenrötung. Am 8.12.1944 steigt das Fieber auf 40 Grad — „schwere Bronchitis, Allgemeinbefinden schwer gestört — Schlechtmeldung an die Mutter ... 9.12.1944 beidseitige Lungenentzündung 10.12.1944 „zunehmende Schwäche, verweigert jede feste Nahrung" 11.12.1944
Emma stirbt um 13 Uhr 30.
Todesursache: Lungenentzündung Als die Mutter am selben Tag aufgrund der Verschlimmerungsanzeige zu Besuch kommt, wird sie „vom Ableben des Kindes in Kenntnis gesetzt. "
ARNHOLD Martha
AZ 84/44
geb.
19.7.1929
eingewiesen durch:
Erziehungsanstalt Theresienfeld/KUST
Wien
r.k.
aufgenommen:
20.6.1944
Aufnahmeuntersuchung:
20.6.1944
Dr. E. Illing
gest.
17.10.1944
9 Uhr
Todesursache:
Selbstmord durch Schlafmittelvergiftung
ehelich
Pav. 17/Ju.
Martha wächst die ersten vier Lebensjahre bei den Eltern in einer Zi. Kü.-Wohnung auf. Sie hat zwei Schwestern, 1941 kommt noch ein Brüderchen dazu. Aus den vorliegenden Unterlagen geht nicht hervor ob und wann die Kinder beisammen waren. Mit zunehmendem Alter ergeben sich Erziehungsschwierigkeiten, mit denen die Mutter nicht fertig wird. Martha kommt zu Pflegeeltern, nach der Scheidung der Eltern ins Badener Waisenhaus, dann wieder nach Hause, wo sie abwechselnd bei der Großmutter aufwächst, vor der sie aber Angst hat. Als das Kind neun Jahre alt ist, wird es mit zwei größeren Buben bei einem Wohnungseinbruch ertappt. Daraufhin bringt es die Mutter in die Erziehungsanstalt nach Klosterneuburg. Martha berichtet später selbst, dass sie dort „unverträglich" und „boshaft" war. Mit 12 Jahren wird sie wieder der Mutter übergeben, die sie aber der Großmutter überlässt. Bald darauf kommt das Mädchen wieder nach
Martha Arnold
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Klosterneuburg, wo es sich nicht wohl fühlt. Als es im August 1942 von dort davonläuft, wird es bei einer Kontrolle im Zug auf der Fahrt nach Wien mit falscher Fahrkarte und einem Geldbetrag von 7 R M gestellt. Martha verweigert jede Aussage und wird daraufhin in die Erziehungsanstalt Theresienfeld eingewiesen. Von dort kommt sie am 20.6.1944 über die K U S T „zur weiteren Beobachtung" in die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder „Am Spiegelgrund". Den vorliegenden Unterlagen aus der Krankengeschichte ist zu entnehmen (die Eintragungen, die oft handschriftlich vorgenommen wurden, werden hier stilistisch und orthografisch transkribiert wiedergegeben): Am 20.6.1944
erfolgt die Aufnahmeuntersuchung_durch Dr. E. Illing, es wird festgestellt, dass Martha 8 kg untergewichtig und 2 cm kleiner als die Norm ist (154 statt 156 cm). Sie hat noch nicht menstruiert, ist aber weder körperlich noch geistig behindert. Das Mädchen wird einer Intelligenzprüfung nach Binet-Simon unterzogen, die es vollkommen erfüllt. Martha hat bisher 4 Klassen Volksschule und 3 Klassen Hauptschule abgeschlossen.
„... Sie war bei der Aufrahme bedrückt, weinte leise vorsieh hin, war aber bald beruhigt, ab sie unter den Kam. einige Bekannte entdeckte. Ohne Schwierigkeiten ordnet sie sich in das Gruppenleben ein, ist hoflich und freundlich zu allen und wird von den Kam. gern gelitten. Bei der Arbeit ist sie willig, flink und umsichtig, sie leistetfür ihre schwache Körperkonstitution erstaunlich viel. Bei einem Besuch der Mutter benahm sie sich fast überschwänglich, das Küssen und Umarmen nahm kein Ende. Im Ganzen macht M. einen stillen, heiteren, etwas schüchternen Eindruck, ihr Benehmen scheint nicht ganz echt, sie dürfte sich sehr steuern. " 6.7.1944
„Martha ist geistig durchschnittlich begabt. Fasst gut auf. Führt Aufträge gut durch. Gute Merkfähigkeit. Das Mädchen ist bescheiden und zurückhaltend, jedoch selbstsicher und in allem selbständig. Gute Einfälle, aus ganz wenig und schlechtem Material bringt sie appetitliche gute Speisen zusammen, stellt ihre Person aber immer in den Hintergrund, wenn Lob folgt. Hat noch nie genascht, auch den Kindern nie Esswaren oder andere Gegenstände weggenommen. Antriebsreich, ist nicht gerne müßig, macht sich gerne nützlich. Auch den Kam. gegenüber hilfsbereit und spricht in höflichem Ton mit ihnen. Bei der Arbeit spricht sie wenig, in der Freizeit wohl lebhaft, doch nicht ausgelassen, sehr beweglich und geschickt beim Spielen. Martha macht gerne jemand eine Freude, bringt Blumen, richtet den Tisch nett her, gibt von gefundenen Beeren auch jenen Mädchen, mit denen sie nicht befreundet ist.
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9.7.1944
Martha Arnold
Das Mädchen hat sich eine ruhige, ernste, strebsame Kameradin zur Freundin genommen." „Martha war heute sehr erregt als sie von einer Sr. in einem etwas schärferen Ton aufmerksam gemacht wurde zu gehorchen, sie gab zur Antwort da müssen Sie ja nicht so schreien mit mir. Ich habe sie darauf streng verwiesen und sie beeindruckte es sehr, sodass sie sogar weinte und sich entschuldigte. Sie ist ansonsten auch niefrech, sondern höflich, sie ist stets sehr nett und ordentlich auf ihre Kleidungauch die Haare. Ihre Arbeiten sind gewissenhaft. Sie hat nie Differenzen mit den Mädchen ...
12.7.1944 Am 17.7.1944 25.7.1944
27.7.1944
20.8.1944 21.8.1944
7.9.1944
Martha wurde heute ins Spital gebracht (Nadel im Bauch). " „Das Mädchen ist wieder aus dem Spital zurück, ist ruhig, artig und macht kein Aufsehen wegen der Operation. " gelingt es Martha, das Haus zu verlassen. „Martha wurde zurückgebracht, sie gab an, dass sie die Sorge um die Mutter, weil sie nicht zu Besuch kommt, nachhause trieb, sie benimmt sich zurückhaltend, lässt jedoch oft freche Bemerkungen fallen". „Martha hat sich heute meinen Anordnungen widersetzt als ich sie aufforderte sich zu duschen, bleibt im Bad auf einem Fleck stehen wie ein Bock und rührt sich nicht. Ich frage Sie dann mit Güte warum Sie nicht bade, zuerst schweigt sie, dann endlich nach langem Zureden sagt sie ich kann nicht, auf mein befragen warum gibt sie wieder keine Antwort. Einige Mädchen sagen, dass ihre Wunde offen sei und als ich dieselbe sehen wollte lacht sie mirfrechins Gesicht und sagte es ist nichts. Auch mit Strenge erreichte ich nichts und sah mich gezwungen, das Mädchen in die Zelle zu sperren wo sie dann in Tränen aufgelost war, nahm auch keine Nahrung zu sich. " Unterschrift: Sr. Matil „Incision einer Phlegmone d. re. Ferse (3ccm Ennarcon)" „Das Mädchen wurde gestern aufPav. 15 gebracht wo ihr die Ferse aufgemacht wurde, bekam eine Injektion und 1 Streifen wurde eingezogen, erwachte bei der Operation weinte und schrie und wurde dann schlafend herüber getragen. Hat des Nachts sehr gut geschlafen und ist glücklich, dass alles gut vorübergegangen ist." Unterschrift: Sr. Matil >yArnhold istfür praktische Arbeiten gut verwendbar. In der Freizeit arbeitet sie ruhig, sitzt neben der Gruppenschwester und strickt sehr
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9.9.1944 28.9.1944
30.9.1944
17.10.1944
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schön. Kommt aber eine Schwester zur Ablose, ist sie wie umgewandelt, frech, schreit herum, streitet. Folgt nicht, ist boshaft. Im Kindergarten ist sie anhänglich, liebt eines der Kleinen sehr. Gibt auch von ihren Esswaren den Kindern ab. „In der Zelle (ungebührliches Verhalten der Erzieherin gegenüber)." „Aus der Zelle entlassen. " „Martha arbeitet tagsüber im Kindergarten, die Schwestern sind sehr zufrieden mit ihr. Sie ist umsichtig und hilfsbereit, sehr selbständig, sehr kinderliebend. Hat Gejuhl und Mitleid mit Kranken und Armen." „Martha ist in jeder Beziehung nett, höflich. Sie beschäftigt sich unermüdlich den ganzen Tag. Ist ernst. Übt guten Einfluss auf ihre zu lebhafte Freundin aus. Sehr verwendbar." 9 Uhr vormittags gestorben durch Selbstmord. Dr. E. Illing erstellt die Diagnose: „Selbstmorddurch
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vergiftung bei Psychopathie. Die Kriminalpolizei wurde verständigt und ordnete eine sanitätsärztliche Sektion an. " Unterschrift: Dr. E. Illing Der tragische Tod von Martha dürfte vermutlich in der Anstalt einige Aufregung verursacht haben. Es konnte nicht eruiert werden, wie das Mädchen zu der Uberdosis (vermutlich Adalin) kam. Nach den polizeilichen Erhebungen und der Untersuchung im Gerichtsmed. Univ. Institut wurde Selbsttötung bestätigt und am 22.11.1944 von Dr. Breitenecker, Dr. Höcht und Dr. Winkler unterschrieben. A m 23.Ii.1944
teilt Dr. E. Illing offiziell der Gesundheitsbehörde die „Einstel-
lung des Verfahrens" mit. Martha hat der Nachwelt zwei Schreiben hinterlassen, die in schön geschriebener Kurrentschrift und ohne Rechtschreibfehler im Original der Krankenakte beiliegen:
Mein Lebenslauf Martha Arnhold Ich wurde am 19. Juli 192g in Wien geboren. Blieb bis zu 2 Jahren bei meinen Eltern und kam dann ins Wilhelminen Kinderspital, wo ich einige Zeit blieb. Mit 4 Jahren kam ich zu Pflegeeltern ins Burgenland. Dort blieb ich bis zur ersten Klasse. Dann holte mich mein 2. Vater. Ein Jahr war ich zu Hause, dann kam ich in die Erziehungsanstalt in Klosterneuburg. Dort war ich bis 22. Juli 1943. Als ich mein 14. Lebensjahr
Martha Arnold
vollendet hatte, kam ich nach Theresienfeld. Nach 6Monaten entwich ich und war 18 Tage aus. Dabei 2 im Luisenheim. Dann kam ich wieder nach Theresienfeld. Nun war ich 11 Monate dort, als ich am 20. Juni hierher kam. Ein Erlebnis Es zählt zu den schönsten meines Lebens. Vor noch nicht langer Zeit, eine Woche nach Pfingsten, war in Theresienfeld Firmung. Unter den Firmlingen befand auch ich mich. Am Freitag, einen Tag vor der Firmung erhielten wir alle weiße Kleider, Schleier und Kränzchen, ferner Strümpfe und Schuhe. Die Freude war schon groß. Wir konnten in der Nacht kaum schlafen. Um 4 Uhr hieß es aufstehen. Angezagen waren wir alle schnell. Wir wurden um V2 5 Uhr abgeholt und fuhren per Auto nach Theresienfeld. Dort wurden wir aufs Herzlichste empfangen. Dann wohnten wir der hl. Messe bei. Nach der hl. Messe kam der hochw. Herr Bischof Kardinal Innitzer. Er hielt uns eine Ansprache über das wahre christliche Leben. Dann kam der Augenblick der Firmung, der lang ersehnte, seit Wochen schon herbei gewünschte Augenblick kam jetzt. Lch konnte gar nicht so schnell sehen und schon war ich gefirmt. Dann, als die Firmung vorbei war, gingen wir Mittagessen. Es war reichlich gedeckt. Und nachher durften wir bis am Abend, in einem grünen Rasenplatz am Waldrand verbringen. Am Abend fuhren wir wieder zurück. An diesen Tag in Frohsdorf erinnere ich mich oft gerne. Brief der Mutter von Martha Arnold an Dr. E. Illing (ohne Datum): An Herrn Dr. Illink In Wien! Habe am 12. 1. und heute am 13. 1. noch Restbestände von meinem toten Kinde Martha Arnold erhalten. Nachdem man noch so kleine Sachen wie Armband
und
Brosche fand, denke ich, muss man ja auch die großen noch finden. Es fehlen noch ein paar hohe schwarze Schuhe, 1 paar braune Holzschuhefast neu, 1 St. warme Unterhose, 1 Kunststricknadel, 5 St. Stricknadeln für Wolle und 2 St. starke Nadeln für Westen stricken. Ferner 2 Knäuel stahlblaue Wolle, 4 Knäuel silbergraue Wolle. Es sind lauter Sachen die ich ihr selbst gebracht habe und die auch da sein müssen. Meine Freundin verlangte diese Sachen ohnehin gleich und man gab ihr sehr kurz zur Antwort es ist nichts da. An den Nadeln sieht man es, dass sie da waren, dass eine Weste mit den großen Nadeln weg sind. Mit 1 Paar schwarzen hohen Schuhen kam sie hinein und die Hose hatte sie an, so dass auch das hier sein muss. Die braunen Holzschuhe brachte ich ihr im Einverständnis mit Frau Schilling hinein. Nachdem Herr Direktor mir sagten wenn ich etwas brauche dann soll ich mich nur an Ihn wenden, so bitte ich Sie
53
Martha Arnold /Herbert Artner
es möglich zu machen, dass ich auch das alles ehebaldigst erhalte und damit ich endlich auch zur Ruhe komme. Hochachtung Unterschrift und Adresse der Mutter Am io. Februar antwortet Dr. E. Illing. Unter anderem heißt es da: „... Die von Ihnen angeführten Gegenstände sind nicht mehr in der hiesigen Klinik. Diese Gegenstände sind offiziell nicht übergeben worden, so dass von hier aus auch keine Kontrolle oder gar Haftung übernommen werden konnte. Bei der ganzen Sachlage haben die Nachforschungen nach den von Ihnen vermissten Gegenständen somit zu gar keinem Erfolg gefuhrt". Heil Hitler! Dr. Illing
ARTNER Herbert
A Z 441/43
geb.
23.6.1939
eingewiesen durch:
St. Josef Heim Frischau/Znaim/KUST
Wien
r.k.
aufgenommen:
25.1.1944
Pav. 15/Sgl.
Aufnahmeuntersuchung:
25.1.1944
Dr. M . Türk
Meldung:
27.1.1944
Dr. E. Illing
gest.
13.2.1944
2 Uhr 30
Todesursache:
Herzlähmung bei toxischem Scharlach
ehelich
Herbert wächst bei seinen Eltern in einer feuchten Zi.-Kü.-Wohnung auf. Bereits am 10.7.1941 wird er durch den Mutterberatungsarzt „wegen Debilität" für die Aufnahme auf dem „Spiegelgrund" bes timmt. Da sich das Kind nur sehr langsam entwickelt, entschließt sich die Mutter zunächst, einer Einweisung in das St. Josef Heim in Frischau bei Znaim zuzustimmen. Ihr Mann ist inzwischen eingerückt. Am 25.1.1944 wird Herbert von Frischau in die Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder überstellt. Noch am selben Tag nimmt Dr. M. Türk die Aufnahmeuntersuchung vor. Ihr erstellter „statuspraesens" ist für das Kind vernichtend: „... ein im Wachstum beträchtlich zurückgebliebenes sehr mageres Kind von idiotischem Aussehen und Gehaben ... während der Untersuchung schreit das Kind durchdringend laut, ist sehr zornig und beißt sich andauernd heftig in die Hände ..." usw. In der Zusam-
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Herbert Artner/Edeltraud Aschauer
menfassung bezieht sich die Arztin vorrangig auf die Angaben in der Sippentafel, ζ. B. dass der Großvater Trinker war, etc. Am 27.1.1944, bereits nach zwei Tagen, schreibt Dr. E. Illing im Meldebogen nach Berlin sein Urteil über den Buben: „Dauernd bildungs- und arbeitsunfiihig und vollkommen pflegebedürftig..." In der Folge steht in der Krankengeschichte: 1.2.1944 „Leichte Grippe" 12.2.1944 „Nach mehrmaligem Erbrechen hohes Fieber bei 4.0,4 ° Allgemeinbefinden schwer gestört, Kreislaufschwäche" Am 13.2.1944 stirbt Herbert an Herzlähmung bei toxischem Scharlach
ASCHAUER Edeltraud
A Z 438/43
geb.
28.12.1943
eingewiesen durch:
Landrat Kreis Steyr
Weyer-Land
r.k.
ehelich
aufgenommen:
20.1.1944
Aufnahmeuntersuchung:
21.1.1944
Dr. M . Türk
Meldung:
26.1.1944
Dr. E. Illing
gest.
4.2.1944
2 Uhr 15
Todesursache:
Allgemeine Lebensschwäche, Lungenentzündung
Pav. 15/Sgl.
Edeltraud wird mit schweren körperlichen Missbildungen des Schädels, der Halswirbelsäule und aller vier Extremitäten geboren. Am 13.1.1944 ergeht vom Landrat des Kreises Steyr (Bezirksfürsorgeverband) ein dringendes Schreiben an die Wr. Städt. Nervenklinik fur Kinder: „... das Kind möge womöglich sofort in Ihre Anstalt eingewiesen werden. Das Kind ist eine Missgeburt, die Mutter hat es noch nicht gesehen und soll es womöglich auch nicht zu Gesicht bekommen, weshalb das Kind direkt vom Kinderspital der Stadt Linz aus, wo es jetzt in Pflege steht, in Ihre Anstalt überstellt werden soll... Die Sippenfragebogen werden ehestens nachgereicht." Am 20.1.1944 wird Edeltraud in Wien „Am Spiegelgrund" aufgenommen (mit Ausfolgeverbot) 21.1.1944 In der Aufnahmeuntersuchung diagnostiziert Dr. M. Türk u. a.: „...3 Wochen altes, schwer missgebildetes Kind in kümmerlichem Ernährungszustand..."
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Edeltraud Aschauer/Heinnch Bauer
Am 26.1.1944
meldet Dr. E.Illing das kleine Mädchen an den Reichsausschuss in Berlin
Am 28.1.1944
verschlechtert sich das körperliche Befinden, die Nahrungsaufnahme ist schlecht ist vermerkt: Fiebert seit 2 Tagen hoch. Lungenentzündung. Mutter verständigt, dass mit Ableben des Kindes zu rechnen ist. " stirbt Edeltraud an Lungenentzündung
Am 3.2.1944 Am 4.2.1944
BAUER Heinrich
AZ8/4Z
geb.
16.4.1936
eingewiesen durch:
Heil- u. Pflegeanstalt Niedernhart/Linz
Steyr/OD.
aufgenommen:
20.1.1942
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
25.1.1942
Dr. H. Gross
Meldung:
29.1.1942
Dr. H. Gross
gest.
27.3.1942
4 Uhr
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
ehelich
Der 6-jährige Heinrich wird von Dr. H. Gross als „körperlich stark zurückgebliebenes Kind in ziemlich reduziertem Ernährungszustand" beschrieben, „das Verhalten ist sicherlich beeinträchtigt durch das schlechte Allgemeinbefinden. Die Stimmung ist immer raunzig und das Kind weintfast immer während der Untersuchung. Es spricht während der Untersuchung nur einmal,Mama'. Es versteht die Aufforderung sich aufzusetzen und befolgt sie auch. Er ist sehr empfindlich. Andere Aufforderungen befolgt er nicht (ζ. B.: zeig die Zunge ...)" Enddiagnose: „Hirnorganisch bedingter Schwachsinn höchsten Grades. " Bereits am vierten Tag nach der Aufnahmeuntersuchung meldet Dr. H.Gross nach Berlin: „... keinerlei Arbeitseinsatzfähigkeit zu erwarten ..." Die besorgte Mutter erbittet am 10.2.1942 in einem Schreiben: Ich ersuche höflichst mir bekannt zu geben wie es meinem Kinde Heinrich Bauer, Steyr, geht. Selber wurde am 20.1.42 in Ihr Institut Psych. Kinderabteilung Pavillon I 1. St. überstellt und anschließend recht krank. Gleichzeitig gebe ich bekannt, dass ich in cirka 14 Tagen mein Kind besuchen komme und beim behandelnden Arzt vorsprechen werde. Mit deutschem Gruß Unterschrift der Mutter
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Heinrich Bauer
Im Schwesternbericht vom 18.3.1942 steht, dass Heinrich „ein sehr kontaktarmes Kind" sei, „welches den ganzen Tag apathisch im Bett liegt... bis jetzt konnte man nur das einzige Wort ,Mama' von ihm hören ... zeitweise schreit er sehr viel und muss fast täglich mit Luminal beruhigt werden ..." In einem Amtsvermerk der zuständigen Fürsorgerin steht nach einem Hausbesuch bei den Eltern des Kindes: „... Frau Bauer hängt mit großer Liebe an ihren beiden Knaben und weinte bitterlich als sie von dem kleinen Heinrich sprach. Heinrich Bauer war 2 Tage nach der Geburt ein ganz prächtiges Kind, alles freute sich über das schöne Kind. Am dritten Tag wurde der Knabe zum Bad geholt u. nach ca. 10 Minuten wieder zurückgebracht ohne Kopfbedeckung und ohne Umhüllung. Der Weg vom Bad zur Mutter ging über einen Gang. Im Zimmer der Kindesmutter waren zur selben Zeit die Fenster geöffnet u. kalt, es war ein stürmischer Apriltag. Gleich bei der Rückkehr v. Bad wurde der Kleine von der Mutter zur Brust genommen und bemerkte Frau Bauer, wie ein Tropfen Blut aus dem Ohr des Kindes kam. Am Nachmittag desselben Tages begann das Kind zu husten, in der Nacht hat es erbrochen und am folgenden Tag wurde es notgetaufi... ... die Familie bewohnt ein Einfamilienhaus neben dem Gaukrankenhaus, die Wohnung sieht sauber gehalten aus, sie ist sonnig, hell und gut gelüftet... Frau Bauer ist eine blühend aussehende nette Frau ..." Am 19.3.1942 wird das sehr geschwächte Kind (es ist inzwischen auch an Feuchtblattern erkrankt) einer Encephalografie unterzogen. Am 26.3.1942 teilt Dr. M. Hübsch den Eltern mit, dass Heinrich an einer Lungenentzündung erkrankt sei, „der Zustand ist ernst" Am 27.3.1942 stirbt das Kind um 4 Uhr Früh. Am 31.3.1942
schickt der Vater an die Fürsorgeanstalt Am Spiegelgrund ein Telegramm: „Uberführung meines Kindes Heinrich Bauer veranlasst"
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Helmuth Bauer
BAUER Helmuth (leg. Zuckriegel)
A Z 417/43
geb.
6.8.1942
eingewiesen durch:
Fürsorgeklinik Wien 18 / K Ü S T
Wien
aufgenommen:
4.1.1944
Pav. 15/Sgl.
Aufnahmeumersuchung:
6.1.1944
Dr. M . Türk
Meldung:
21.2.1944
Dr. E. Illing
gest.
26.2.1944
22
Todesursache:
Lungenentzündung
unehelich
Uhr
Der kleine Helmut wächst nie in einer Familie auf. Seine Eltern heiraten bald nach der Geburt des Kindes, wodurch dieses den leg. Namen Zuckriegel erhält. Doch der Vater muss einrücken und die Mutter ist obdachlos. Dies ist auch der Grund, weshalb der Bub vom Zentralkinderheim/Bastiengasse in die Wr. Städt. Nervenklinik fur Kinder, Baumgartner Höhe 1 am 4.1.1944 überstellt wird. Die Aufnahmeuntersuchung nimmt am 6.1.1944 Dr. M. Türk vor. Ihre vorläufige Diagnose lautet: „ Geistiger Entwicklungsrückstand höheren Grades, neurologisch leichte spastische Zeichen in den Beinen, sonst 0. B.". Da „über die Sippe und Vorgeschichte noch nichts bekannt ist" wird Helmut am 8.1.1944 von Dr. E. Illing nochmals untersucht, es wird eine Encephalografie angeordnet. In der Folge erbricht das Kind häufig, „schlechte Nahrungsannahme" wird vermerkt. Am 8.2.1944 beginnt es zu fiebern, verliert an Gewicht. Am 20.2.1944 steigt das Fieber auf 40°, Allgemeinbefinden, ist schlecht", der kleine Bub ist an Lungenentzündung erkrankt, das Gewicht beträgt nur mehr 6 kg 40. Am 26.2.1944 stirbt Helmut an Lungenentzündung.
5«
Robert Bauer
BAUER Robert
AZ128/41
geb.
14.1.1929
eingewiesen durch:
Spezial Kinderheim Pressbaum/KUST
Wien
r.k.
aufgenommen:
4.8.1941
Aufnahmeuntersuchung:
7.8.1941
Dr. M . Hübsch
Meldung:
8.8.1941
Dr. E. Jekelius
gest.
27.8.1941
22 Uhr
Todesursache:
Lungenentzündung
ehelich
Robert ist des jüngste von 8 Kindern. 1931 hat das Kind seinen ersten Anfall, wobei es blau im Gesicht und bewusstlos ist. Dann treten Krämpfe auf. Die Eltern bringen ihn in das Wr. Städt. Krankenhaus Ottakring, wo er 2 Tage zur Beobachtung verbleibt. Nachdem die Kindesmutter die Pflege nicht mehr bewältigen kann, ist das Kind längere Zeit im Haus der Barmherzigkeit, Wien 18, Antonig. 72, untergebracht. Ein ärztlicher Befund besagt, dass Robert an angeborenem Schwachsinn mit epileptischen Anfällen leidet. Aufgrund dieses Befundes kommt er am 20.11.1931 in die Wagner v. Jauregg-Heil- und Pflegeanstalt, wo sich in der Folge die Anfälle häufen. Von dort wird er am 28.6.1935 in das Spezialkinderheim Süßenbrunn verlegt. Aus einem weiteren ärztlichen Befund geht hervor, dass das Kind „vollständig pflegebedürftig" sei, „nicht sprechen, nicht gehen kann, immer im Bette liegt und häufig Anfälle hat." Am 4.8.1941
wird der Bub über die KÜST in die Wr. Städt. Jugendfiiirsorgeanstalt „Am Spiegelgrund" eingewiesen. Vier Tage nach der Aufnahme meldet Dr. E. Jekelius das Kind an den Reichsausschuss nach Berlin, es ist der 8.8.1941. Seit 20.8.1941 wird in den Therapielisten vermerkt: „Nimmt sehr wenig Nahrung zu sich ... ist ganz apathisch ... hatfast nichts gegessen ... nimmt keine Nahrung zu sich..." Am 27.8.1941
hat Robert 38,8° Fieber und stirbt um 22Uhr.
59
Helene Baumgartl
BAUMGARTL Helene
A Z 228/44
geb.
10.7.1942
eingewiesen durch:
Escherich Kinderkrankenhaus / K U S T
Wien
aufgenommen:
14.11.1944
Aufnahmeuntersuchung:
15.Ii. 1944
Dr. M . Türk
Meldung:
28.Ii.1944
Dr. E. Illing
gest.
11.12.1944
13 Uhr 30
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
unehelich
Pav. 15/SgI.
Weil Helene sehr schwach ist, kommt sie gleich nach der Geburt ins Preyer' sehe Kinderkrankenhaus, wo sie Bluttransfusionen erhält und beinahe ein Jahr verbleibt. Dann wird sie in häusliche Pflege übergeben. Im August 1943 bemerkt die Mutter, die das Kind aufopfernd pflegt, dass es plötzlich heftige Krämpfe hat, die mit Zuckungen, Teilnahmslosigkeit und Verfärben des Gesichtes einhergehen. Daraufhin wird das Mädchen ins Escherich Kinderkrankenhaus eingewiesen. Von dort wird Helene in die Wr. Städt. Nervenklinik fur Kinder, Wien 14, Baumgartnerhöhe 1 überstellt. Am 15.Ii.1944
Am 23.Ii.1944 Am 26.11.1944
führt Dr. M. Türk die Aufnahmeuntersuchung durch: „... weint bei der Untersuchung viel..." vermerkt Dr. M. Türk in der Krankengeschichte: „... hat den Pflegewechsel nicht erfasst..." ist das Kind an Grippe erkrankt, 38,7° Fieber das Kind hat 40° Fieber, Dr. E. Illing macht Meldung an den
Am 10.12.1944 Am 11.12.1944
Reichsausschuss in Berlin Zunehmende Schwäche Helene stirbt um 13 Uhr 30 an Lungenentzündung.
Am 18.11.1944
6o
Herbert Baumgartner
BAUMGARTNER Herbert geb.
8.3.1939
eingewiesen durch:
KÜST
AZ19/41 Wien
r.k.
aufgenommen:
24.2.1941
Aufnahmeuntersuchung:
1.3.1941
Dr. H . Gross
gest.
28.8.1941
6 Uhr 30
Todesursache:
Verletzungen nach Verbrennung 2. Grades
unehelich
Über die Entwicklung des Kindes kann die Kindesmutter keine Auskunft geben, da das Kind nie bei ihr in Pflege war. Nach einem anfanglichen Aufenthalt im Kinderheim Neulengbach kommt Herbert einige Wochen ins Karolinenkinderspital wegen Grippe, Lungenentzündung, Mittelohrentzündung, Angina und angeblich Skabies. Dr. H. Gross fasst im Protokoll der Aufnahmeuntersuchung zusammen: „Normal entwickeltes, gut ernährtes Kind, das sitzen, laufen, stehen aber noch nicht sprechen kann. Zeichen einer leichten abgelaufenen Rachitis. Debilität (?) " 4.3.1941 „Das Kind ist sehr lustig und lebhaft, fährt mit seinem Bettchen durch stoßweises Bewegen des Körpers bis in die Mitte des Saales, lacht und spielt mit dem daneben stehenden Kind und dessen Bettchen. Das Kind ist freundlich und zugänglich. " (Schwesternbericht) 18.8.1941 „Das Kind wurde beim Baden verbrüht. Die Haut löste sich von den unteren Extremitäten sofort in Fetzen ab und es bildeten sich Blasen. Die Haut ist bis zum Nabel stark gerötet. Das Kind schreit sehr stark. " (Schwesternbericht) Nach einer Erstversorgung wird Herbert um 16 Uhr in das Wr. Städt. Krankenhaus Ottakring, dermat. Abteilung, überführt. Zu diesem Unfall eine Meldung der Oberschwester Katschenka aus der Krankengeschichte: „ Um 14 Uhr 75 rief mich Sr. Suber Franziska zu einem Kinde mit dem Worten ,es sei etwas ganz schreckliches passiert'. Es handelte sich um das Kind BAUMGARTNER Herbert, 2 V2 f . alt, welches sich im Stuhl beschmutzt hatte, weshalb sie es zur Reinigung in das Badezimmer trug Nach Aussage der Schwester rutschte ihr das Kind ins Wasser, während sie den Mischhahn geöffnet hatte. Das Kind zeigte eine sehr starke Rötung der unteren Extremitäten und am Stamm bis in die Höhe der Nabelgegend. Die Schwester hatte das Kind bereits ganz mi Olivenöl eingefettet. An einzelnen Stellen der Unterschenkel und am Gesäß waren Reste von geplatzten Brandblasen, die zum Teil bluteten. Der Abteilungsarzt war sofort zu Stelle. Das Kind wurde mit Brandöl verbunden, bekam Herzmittel und reichlich Flüssigkeit, die es gut aufnahm." Die ärztliche Untersuchung ergab: „ Verbrennung 2. Grades an den unteren Extremitäten und am Gesäß, starke Rötung bis zum Nabel reichend. "
61
Herbert Baumgartner/Wilma Bayerl
Die Schuld an der Verletzung wurde nicht einwandfrei festgestellt. Am 22.8.1941 stirbt Herbert an den Verletzungen.
BAYERL Wilma
AZ101/41
geb.
I3-4-I935
Schwarztal/Rumänien
eingewiesen durch:
D.R.K.
Univ. Kinderklinik Dr. Bablik
aufgenommen:
28.8.1941
Aufnahmeuntersuchung:
29.8.1941
Dr. H. Gross
6.9.1941
Dr. M . Hübsch
Meldung:
18.5.1942
Dr. M . Hübsch
gest.
6.9.1942
6 Uhr 45
Todesursache:
Lungenentzündung
Wilma ist ein sog. „Umsiedlerkind". Es ist blind. Über die Vorgeschichte und die Familie konnte nichts in Erfahrung gebracht werden. Die Eltern sind Rückwanderer und unbekannten Aufenthaltes. Aus zwei Schreiben der Univ. Kinderklinik in Wien geht hervor: „Aus der Anamnese ist bloß bekannt, dass das Kind im Herbst ipjp an Fieber u. Krämpfen erkrankte ... sieht nicht, hört, antwortet nur auf vereinzelte Fragen, meistens Echolalie. Rückstand aller geistigen Funktionen. Diagnose: Restzustand nach Neuroencephalomyelitis, Therapie 0 (23.8.1941 Unterschr. Dr. Rusiczka) Im 2. Schreiben heißt es „... genauer Befund an Deutsches Rotes Kreuz, Kreisstelle Wien Nord, Wien 1, Milchg. 1 . . . abgegangen. Laut Übereinkommen transferiert auf den Spiegelgrund." (28.8.1941 Unterschr. Dr. Rusiczka) Am 28.8.1941 wird Wilma ,Am Spiegelgrund" aufgenommen. Am 6.9.1941 nimmt Dr. M. Hübsch die Aufnahmeuntersuchung vor. Am 26.9.1941 wird Wilma einer Encephalografie unterzogen. Hier einige Eintragungen aus den Schwesternberichten: „Das Kind liegt in Rückenlage im Bett... hält immer ihre Puppe fest. Beginnt zu weinen, wenn man ihm die Puppefortnehmen muss ... Kind weiß seinen Namen und gibt sein Alter mit 5 Jahren an ... das Kind kennt einzelne Schwestern und spricht sie mit Namen an ... akustische Reize erkennt sie richtig, z.B. als ein Kind in ihrer Nähe erbrechen musste und dies laut tat, rief ihm Wilma zu: ,Du, schbeib nicht so'... Sie ist ein gutmütiges und geduldiges Kind... zittert am ganzen Körper wenn sie angerührt wird... weint viel, aber leise und kläglich ..."
62
Wilma Bayerl/Anna Becker
Wilma befindet sich bereits ein Jahr auf dem Spiegelgrund, als Dr. H. Gross am 29.8.1942 eine zusammenfassende Diagnose erstellt: „... Das Zustandsbild hat sich während des hiesigen Klinikaufenthaltes wesentlich verschlechtert... nach ärztlicher Voraussicht wird sie dauernd pflegebedürftig bleiben ...es handelt sich somit um ein erworbenes hirnorganisches Leiden mit Demenz, die einer Idiotie entspricht..." Am 3.9.1942 tritt eine „weitere Verschlechterung des Allgemeinbefindens " ein Am 6.9.1942 stirbt Wilma um 6 Uhr 45 an Lungenentzündung Todesursache: Lungenentzündung
A Z 258/41
BECKER Anna geb.
29.1.1927
eingewiesen durch:
Spezial Kinderheim Pressbaum/KUST
Linz/zuständig Wien
aufgenommen:
4.8.1981
Aufnahmeuntersuchung:
17.10.1941
Dr. H . Gross
gest.
13.3.1942
17 U h r 30
Todesursache:
Lungenentzündung
unehelich
Pav. 17
Anna ist ein sog. „abgeschobenes" Kind. Die Eltern kümmern sich nicht um sie. Ihre früheste Kindheit verbringt sie in verschiedenen Heimen (Gugging, Süßenbrunn, Pressbaum ...) Am 4.8.1941 wird das Mädchen „Am Spiegelgrund" aufgenommen Am 17.10.1941 fasst Dr. H. Gross die Aufnahmeuntersuchung zusammen: „Körperlich dem Alter entsprechend annähernd normal entwickeltes Kind in gutem Ernährungszustand und frühzeitig entwickelten sekundären Geschlechtsmerkmalen. Intern und neurologisch keine Besonderheiten. Schwachsinn höchsten Grades (Idiotie) ". Am 31.10.1941 ergeht durch Dr. E. Jekelius die Meldung nach Berlin. In einem Schwesternbericht vom 31.11.1941 steht: „Sie ist ein freundliches Kind mit quecksilbriger Unruhe..." Am 11.3.1942
Am 12.3.1942
erstellt Dr. H. Gross eine vorläufige zusammenfassende Diagnose: „... Es ist im höchsten Grad schwachsinnig und wird dauernd anstaltspflegebedürftig sein. Encephalographisch ergab sich kein Anhaltspunktfür ein organisches Leiden ..." - es ist der nächste Tag - stirbt Anna um 17 Uhr 30 an Lungenentzündung.
Meta Becker
63
BECKER Meta
AZ189/43
geb.
7.5.1935
eingewiesen durch:
Wagner v. Jauregg Heil- u. Pflegeanstalt, Wien
Hamburg
aufgenommen:
24.9.1943
Pav. 15/1
Aufnahmeuntersuchung,
29.9.1943
Dr. M . T ü r k
gest.
3.12.1943
22
Todesursache:
Grippe mit Darm- u. Lungenentzündung
U h r 30
Meta stammt aus einer kinderreichen Familie. Sie ist das elfte von zwölf Kindern. Die Mutter ist schwermütig und macht eine schwere Operation durch. Meta lernt erst mit vier Jahren gehen und entwickelt sich sehr langsam. Nach der Geburt des 12. Geschwisterchens wird fiir das Mädchen die Aufnahme in die Alsterdorfer Anstalten auf Kosten der Sozialverwaltung erforderlich. Als im Sommer 1943 eine Gruppe von Frauen und Mädchen aus den Alsterdorfer Anstalten/Hamburg „wegen der Bombenangriffe" nach Wien transportiert wird, wird Meta am 24.9.1943 in der Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder im Pav. 15/1 aufgenommen. Am 29.9.1943 erfolgt die Aufnahmeuntersuchung durch Dr. M. Türk:«... das hübsche blonde Kind ist körperlich unterentwickelt und mangelhaft genährt. Es zeigt eine ganz auffallige Motorik. Der Gang ist steif u. ungeschickt, die Arme pendeln beim Gehen nicht mit ... Gesicht länglich, recht hübsch und nett im Ausdruck ...es istfreundlich,zeitweise summt es Melodien ...oft spricht es das Wort ,Mama'... geistig tiefitehend..." Am 7.10.1943 erkrankt das Kind an Masern und fiebert hoch. Am 4.11.1943 wird eine Encephalographie vorgenommen. In der Folge hat das Mädchen blutigen Stuhl, erkrankt an Schnupfen, Husten, Rachenrötungen und Durchfall. Am 1.12.1943 verschlechtert sich das Allgemeinbefinden. Eine „Schlechtmeldung" ergeht an die Mutter. Am 3.12.1943 stirbt Meta an Darm- und Lungenentzündung. Am 9.12.1943 schreibt Dr. M. Türk an die Mutter: An Frau Amalie Becker, Hamburg Ihr Töchterchen Meta befand sich seit 24.fi.1p4j in der hiesigen Klinik, nachdem es von August 1943 an in der Wagner von fauregg Heil- und Pflegeanstalt untergebracht war. Es handelte sich bei dem sehr zarten, mangelhaft genährten Kind um einen erworbenen Schwachsinn hohen Grades. Das Kind war bildungsunfahig und wäre voraussichtlich nie arbeitsfähig geworden.
64
Meta Becker/Johann Bichler
Das Kind hat im Oktober Masern und einen Darmkatarrh gut überstanden. Am 30. Ii. 1943 erkrankte es an einer fieberhaften Grippe, die schon am 1.12.1943 bedrohliche Formen annahm. Eine Verständigung ging an diesem Tage an Sie ab. Am 2.12.1943 trat eine Lungenentzündung hinzu, der das Kind am 3.12.1943 um 22 Uhr 30 erlag. Für das unheilbar kranke Kind konnte der Tod nur eine Erlösung bedeuten und es ist sanft und ruhig eingeschlafen.
Die Assistenzärztin Dr. Marianne Türk
Frau Becker schickt ein Telegramm an die Nervenklinik für Kinder: „Kommen unmöglich bitte um Bestattung"
BICHLER Johann
A Z 443/43
geb.
29.1.1941
Überackern/
eingewiesen durch:
Reichsstatthalter Oberdonau
unehelich
Braunau a. I. aufgenommen:
25.1.1944
Aufnahmeuntersuchung
26.1.1944
Pav. 15/Sgl. Dr. M. Türk
Meldung:
27.1.1944
Dr. E. Illing
gest.
4.2.1944
10 Uhr
Todesursache:
Lungenentzündung
Der kleine Johann wächst bei seiner Großmutter auf, da seine Mutter bei der Wehrmacht tätig und sein Vater bereits drei Jahre eingerückt ist. Das Kind hat einen Hydrocephalus (Wasserkopf) und eine schwere Deformation des Thorax nach Rachitis, es kann den Kopf nicht heben und spricht nicht. Die Mutter gibt an, dass sie zu Beginn der Schwangerschaft große Aufregung wegen eines Bombenangriffes auf ein in der Nähe gelegenes Ziel hatte und dass sie im 5. Monat von einer Fuhre Heu auf harten Boden gestürzt sei. Am 1.11.1943
wird vom Oberbürgermeister der Stadt Braunau/I. der Antrag
Am 30.11.1943
erfolgt die Genehmigung durch den Reichsstatthalter in O D .
auf Anstaltspflege mit Übernahme der Kosten gestellt. (Gaufursorgeamt): „Ich gebe Ihnen bekannt, dass der Mj. Johann Bichler, geb. 29.1.1941, sofort in der Wr. Städtischen Nervenklinik f . Kinder, Wien 14, ... aufgenommen werden kann ..."
Johann Bichler
Am 25.1.1944 Am 26.1.1944
Am 27.1.1944
65
wird der kleine Bub im Pav. 15/Sgl. aufgenommen. erfolgt die Aufnahmeuntersuchung durch Dr. M. Türk: Sie bestätigt die bereits bekannte (ob. gen.) Diagnose u. bemerkt u.a.: .Anscheinend sind die Spasmen schmerzlich, da es viel weint..." hat das Kind bereits 38° Fieber.
29.1.1944 1.2.1944
„fiebert noch, schlechtes Allgemeinbefinden, trinkt schlecht" 39>7° Fieber, beginnende Lungenentzündung, Nahrungsaufnahme sehr schlecht. 3.2.1944 zunehmende Verschlimmerung, 40° Fieber, Schlechtmeldung an die Mutter. Am 4.2.1944 stirbt der kleine Bub an Lungenentzündung Dr. M. Türk schreibt an die Mutter: „Ihr Kind BichlerJohann heute 10 Uhr an einer Lungenentzündung gestorben. Bitte um eheste Verfügung über Beerdigung..." Am 6.2.1944 schreibt die Mutter nach Wien: „Liebe Oberschwester Wir bitten um Nachricht über unseren kleinen Hansi Bichler wie es mit ihm steht und was der Arzt darüber sagt. Mit bestem Gruß Familie Bichler" Am 9.2.1944 schreibt die Mutter, nachdem das Kind bereits vor fiinfTagen verstorben war, nochmals nach Wien: „... Heute früh erhielt ich erst ihr wertes Schreiben betreffi des Todes unseres Kindes Johann Bichler. Da dasselbe römisch katholisch getauft ist, wünsche ich ausdrücklich dessen kirchliche Beerdigung. Sollte während des langen Postenlaufes die Beerdigung bereits vollzögen sein, so wünsche ich die Nachholung der kirchlichen Einsegnung, sofern dieselbe etwa unterblieben wäre. Sollte ichfür etwaige Kosten aufzukommen haben, bitte mir dies mitzuteilen. Unterschrift der Mutter Von etw. Antwortschreiben konnte in den vorliegenden Unterlagen nichts gefunden werden.
66
Theresia Billisich
BILLISICH Theresia
AZ135/41
geb.
31.12.1939
eingewiesen durch:
Prof. Dr. Hamburger/Wr. Univ. Kinderklinik
Steinbach/ND.
r.k.
aufgenommen:
24.7.1942
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
27.7.1942
Dr. H . Gross
Meldung:
30.7.1942
Dr. E. Illing
gest.:
4.8.1942
2 Uhr 15
Todesursache:
Lungenentzündung
ehelich
Theresia kommt als letzte von Zwillingen in Steißlage zur Welt. ,Ab dem 4. Lebensmonat weint das Kind sehr viel, schluckt schlecht, krampfi Händchen und Beine, Stuhl kann nur mit Klistier erreicht werden, jede Berührung löst ein schreiendes Weinen aus . . . " berichtet die Mutter, die sich diesbezüglich an das Krankenhaus in Oberpullendorf wendet. Von dort wird sie nach Wien an die Wr. Univ. Kinderklinik verwiesen. Prof. Dr. Hamburger veranlasst weiter die Uberstellung des Kindes in die Heilpäd. Klinik der Stadt Wien „Am Spiegelgrund". Die Mutter bringt das Kind selbst dorthin. Am 27.7.1942 Am 30.7.1942 Am 1.8.1942 Am 2.8.1943 Am 4.8.1942
wird die Aufnahmeuntersuchung von Dr. H. Gross durchgeführt. bereits drei Tage später macht Dr. E. Illing die Meldung nach Berlin. Veranlasst Dr. H. Gross eine Encephalografie für das sehr geschwächte Kind. ist vermerkt: „Sehr schlechte Nahrungsaufrahme, Allgemeinbefinden sehr schlecht". stirbt Theresa um 2 Uhr 15 an Lungenentzündung.
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Yildiz Binici
BINICI Yildiz
A Z 450/43
geb.
2.1.1940
eingewiesen durch:
Wr. Univ. Kinderklinik/Prof. Dr. Hamburger
Izmir/Türkei
islam.
ehelich
aufgenommen:
1.2.1944
P a v · 15/Sgl.
Aufnahmeuntersuchung:
4.2.1944
Dr. M . Türk
Meldung:
10.2.1944
Dr. E. Illing
gest.
13.6.1944
14 Uhr
Todesursache:
Status epilepticus, tuberöse Sklerose in klassischer Form
Die Eltern des Kindes sind über den schlechten Zustand ihres Kindes informiert. Sie wenden sich an mehrere Arzte in der Türkei und in Wien, wo sie auf Prof. Dr. Hamburger der Wr. Univ. Kinderklinik treffen. Dieser verweist sie an die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder „Am Spiegelgrund". Dort wird Yildiz am 1.2.1944 im Pav. 15 aufgenommen. Am 4.2.1944 nimmt Dr. M. Türk die Aufnahmeuntersuchung vor. Bald fiebert das Kind hoch, leidet an Durchfällen, erkrankt an einer Lungenentzündung, einer Mittelohrentzündung, es geht ihm sehr schlecht, bis es am 13.6.1944 um 14 Uhr während eines epileptischen Anfalls stirbt. Da sich die Eltern im Ausland befinden, schreibt Dr. E. Illing am 6.7.1944 an das Türkische Konsulat in Wien unter „streng vertraulich": „... Obgenanntes Kind befand sich vom 1.2.44 bis zu seinem Tod am 15.6.1944 in der hiesigen Klinik. Die klinische Diagnose lautet: Erethische Idiotie mit Krampfanfdllen. Das körperlich kräftig aussehende Kind zeigt einen seelisch geistigen Entwicklungsrückstand allerschwersten Grades. Neurologischfieleneine besonders motorische Unruhe, eine Störung des Gleichgewichtes und des Bewegungsablaufes auf, die an choreatische Zustände erinnert. Das Kind machte hier anfangs eine leichte rechtsseitige Mittelohrentzündung durch und litt gelegentlich an Durchfall. Ende April erkrankte es an einer schweren Bronchitis mit nachfolgender Lungenentzündung. Nach der Genesung von dieser Krankheit, die einige Tage hindurch hoffhungsbs erschien, traten hier erstmalig schwere epileptische Anfälle auf die sich medikamentös nur wenig beeinflussen ließen. Am 12.6. bestand durch fast 3 Stunden ein Daueranfall, vom dem sich das Kind nach 2 intravenösen Luminalinjektionen wieder erholte. Am 13.6. trat neuerlich ein status epilepticus auf, der sich durch die üblichen Maßnahmen nicht mehr beheben ließ. Das Kind starb nach 4 Stunden um 14 Uhr. Die Obduktion ergab das Vorliegen einer tuberösen Sklerose in ganz eindeutig voll ausgeprägter Form mit zahlreichen knotenförmigen Verhärtungen der Hirnsubstanz
68
Yildiz Binici/Peter Blaha
... Die tuberöse Sklerose ist eine unheilbare Erbkrankheit. Der Bruder der Mutter des Kindes wurde davon in Kenntnis gesetzt und gebeten, den Eltern hierüber Mitteilung zu machen." Unterschrift: Der Direktor Dr.med.habil. E. Illing Obermedizinal rat
BLAHA Peter
AZ?
geb.
16.7.1939
eingewiesen durch:
KUST
Aufnahmeuntersuchung:
Dr. E. Jekelius
gest.
25.7.1941
Todesursache:
Idiotie
Wien
r.k.
ehelich
Wegen Berufstätigkeit der Mutter wird der kleine Peter mit 8 Wochen in die Kinderübernahmsstelle eingewiesen. Von dort erfolgt die Uberstellung des Kindes in das NSV-Heim in Neulengbach. Dort wird festgestellt, dass der Bub an „angeborenem Schwachsinn" leidet und daher „für ein NS-Heim nicht geeignet" sei. Am 10.1.1941 wird Peter in die Wr. Städt. Jugendfürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund" gebracht. „Das Kind kann weder stehen noch gehen, ... spricht nichts, nimmt keinen Anteil an seiner Umgebung und äußert Unruhebewegungen ..." (lt. Gutachten v. Dr. E. Jekelius). „Eine Arbeitsfähigkeit auch auf primitivstem Gebiet ist nicht zu erwarten." Am 25.7.1941
stirbt das 2-jährige Kind an „Idiotie". (Nähere Angaben sind den wenigen Unterlagen nicht zu entnehmen).
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Rudolf Bock
BÖCK Rudolf
AZ152/43 r.k.
geb.
18.2.1932
eingewiesen durch:
Bez. Gesundheitsamt Wien 16, Dr. Eberl
Wien
aufgenommen:
7.7.1943
ehelich
Pav. 15/P.
Meldung:
2.8.1946
Dr. E. Illing
gest.
30.9.1943
13 U h r 30
Todesursache:
Doppelseitige Lungenentzündung
Rudolf wächst bei seinen Eltern auf. Mit großer Liebe und Geduld wird er gepflegt und erzogen, nachdem im 7. Monat Fraisen auftreten und das Kind sich geistig nur langsam weiterentwickelt. Die Eltern geben den Buben von Juni bis August 1934 in die Kinderklinik Glanzing, wo sich sein Zustand verschlechtert und er an Epilepsie erkrankt. In der Folge häufen sich die Anfälle. Am 7.7.1943 schreibt Dr. Eberl vom Bezirksgesundheitsamt Wien 16, Hasnerstr. in einem Gutachten: „... Bäck ist geisteskrank, leidet an Epilepsie mitzunehmender Geistesschwäche und Charakterveränderung und ist der Internierung in einer geschlossenen Anstalt bedürftig. Er wird der Wagner v. Jauregg'schen Heil-u. Pflegeanstalt übergeben." Noch am selben Tag wird das Kind im Pav. 15 „Am Spiegelgrund" aufgenommen und die Aufnahmeuntersuchung durch Dr. M. Türk durchgeführt. Am 2.8.1934 füllt Dr. E. Illing die Meldung an den Reichsausschuß in Berlin aus: „... dauernde Pflegebedürftigkeit, keinerlei Einsatzfdhigkeit zu erwarten ..." Die Eltern besuchen das Kind nun täglich und müssen miterleben, dass es immer schlechter wird. Rudolf erkrankt an Masern, dazu kommt ein schwerer Darmkatarrh, die epileptischen Anfälle werden stärker und dauern länger. Am 28.9.1943 erkrankt der Bub an einer doppelseitigen Lungenentzündung, der Zustand verschlimmert sich. Am 30.9.1943 um 13 Uhr 30 stirbt das Kind infolge plötzlich eintretender Kreislaufschwäche bei doppelseitiger Lungenentzündung. An die Eltern ergeht folgendes Schreiben: „Leider ist Rudolf heute mittags um 13 Uhr 30 infolge einer plötzlich auftretenden Kreislaufichwäche seiner schweren Krankheit erlegen. Mit dem Ausdruck herzlichsten Beileides " Heil Hitler! Die Assistenzärztin Dr. Marianne Türk
7ο
Hermine Bogner
AZ159/43
BOGNER Hermine 8.5.1932
geb.
Pinkafeld/
evang.
ehelich
b. Oberwart/ND. eingewiesen durch:
Univ. Kinderklinik Wien/ Dr. Pötzl
aufgenommen:
9.7.1943
Pav. 15
Aufnahmeuntersuchung:
13.7.1943
Dr. E. Illing
gest.
27-3-I945
3 Uhr 30
Todesursache:
Im status epilepticus. Lungenentzündung
Hermi ist das jüngste von 3 Kindern. Beide Eltern sind bei der Deutschen Reichsbahn Schaffner. Mit 1 Vi Jahren erkrankt das kleine Mädchen an Masern mit hohem Fieber. Nach der Genesung entwickelt es sich altersentsprechend. Bis 1942 besucht es mit großer Freude die Schule, Hermi ist Vorzugsschülerin. Im 8. Lebensjahr erkrankt das Kind plötzlich an krampfartigen Anfällen, die vor allem die rechte Körperhälfte sehr beeinträchtigen und anfangs einige Sekunden andauern. In der Folge häufen sich die Anfälle, manchmal wird das Kind auch bewusstlos dabei. Die besorgten Eltern suchen ärztliche Hilfe im Krankenhaus von Wr. Neustadt und werden von dort an die Wr. Univ. Kinderklinik zu Dr. Pötzl verwiesen. Umfangreiche Untersuchungen erbringen keine eindeutige Diagnose. Hermi hat ständig Kopfschmerzen und weint deshalb sehr viel. Sie wird mit 3 Röntgenbestrahlungsserien, mit einer Oberflächendosis von 600, behandelt. Am 9.7.1943 erfolgt die Uberstellung des kleinen Mädchens in die Wr. Städt. Am 26.7.1943
Am 28.7.1943
Nervenklinik für Kinder. schreibt Dr. M. Türk u. a. im Protokoll: „Muss im Bett gehalten werden, hat dauernd schwere Anfalle ... "Behandelt wird mit Luminal. wird das Kind einer Encephalografie unterzogen. Das Ergebnis
zeigt keine pathologischen Veränderungen. In der nächsten Zeit wiederholen sich die Anfälle bis zu 40 Mal innerhalb von 24 Stunden. Dann gibt es wieder anfallsfreie Phasen. Inzwischen wird die Diagnose „Epilepsie" erstellt. Da bisher keine Wesensveränderung eingetreten ist, wird Hermi in die Schulgruppe auf Pav. 17 transferiert und darf wieder die Schule besuchen. Das besonders empfindsame Kind ist darüber sehr glücklich. Seine einzige Sorge ist, dass ihm das Rechnen schwer fällt. Doch Belobigungen von Seiten der Schule helfen ihr teilweise darüber hinweg, denn sie zeichnet und schreibt besonders schön. Leider steigert sich im Laufe der Monate die Anzahl der Anfälle. Das Mädchen ist zwischendurch benommen und leidet an Appetitlosigkeit.
Hermine Bogner
Am 1.8.1943
71
besucht Hermi bereits die 4. Klasse. Die höheren Dosen von Luminal erschweren das Lernen.
Am rechten Unterschenkel treten zusätzlich Geschwüre auf, „die jeder Behandlung trotzen", wie Dr. M . Türk schreibt. Das Mädchen klagt oft über Schmerzen im Bein. Am 19.9.1944
schreibt Dr. M . Türk im Tagesprotokoll u. a.: „Ist immer außer
Bett, im Tagraum oder Garten. Hat guten Kontakt mit Kindern und Pflegepersonen. Spricht gut, versteht alles. Macht intellektuell keinen gröber gestörten Eindruck. Hermi ist selbständig in ihrer Körperpflege, hält ihre Kleidung nett und rein. Tag und Nacht sauber. Sie hilft der Schwester bei kleineren Handgriffen, ist dabei geschickt und flink. Zu anstrengenden Arbeiten wird sie wegen ihrer körperlichen Schwäche nicht herangezogen. Sie macht oft einen müden Eindruck, legt den Kopf auf den Tisch und schläft. Oft ist sie traurig und weint, wenn sie davon spricht, dass sie nach Hause möchte. Ihr Antrieb ist gering, wohl auch im Zusammenhang mit ihrer Traurigkeit. Sie ist leicht lenkbar, nie bockig oder trotzig ... sie will gerne verwöhnt u. verhätschelt werden. Sie ist anhänglich, liebebedürfiig, freudefähig. Nie grob zu anderen Kindern." Vom 21.12.1944
bis 31.1.1945 darf Hermi zu ihrer Familie auf Weihnachtsurlaub. Während dieser Zeit gibt es keinen Anfall. Nach der Rückkehr berichtet sie glückerfüllt über die schöne Zeit zu Hause. Nun möchte sie nicht mehr hier bleiben, auch die Schule macht ihr keine Freude mehr.
Am 21.2.1945
steht im Tagesprotokoll u. a.: „Die Lehrerin wird um Verständnis und Nachsicht mit dem im Grunde doch schwer kranken Kind gebeten ..." (Dr. M. Türk)
Wieder häufen sich die Anfälle. Bettruhe und Schulbesuch wechseln einander ab.
Das „Kind weint, wenn es um irgendetwas gefragt wird. Gibt außer leichten Kopfschmerzen keine Beschwerden an ... zwischen den Anfällen ist es dämmerig, benommen und nur wenig ansprechbar. Sehr schlechtes Aussehen ..." (Dr. M. Türk) Am 26.3.1945 steht im Tagesbericht u. a.: „Bewusstsein stärker getrübt, ist kaum noch ansprechbar. Lächelt ein wenig, als man ihr den Besuch der Mutter ankündigt." Am 27.3.1945
kommt das Mädchen nach einem schweren Anfall um Mitternacht nicht mehr zu Bewusstsein. Um 3 Uhr 30 stirbt Hermi im Alter von 13 Jahren im status epilepticus und an Lungenentzündung.
72
Hermine Bogner/Elfriede Bosch
In den vorliegenden Unterlagen befindet sich ein liebevoll mit einem Herzen verzierter, in schöner Kurrentschrift geschriebener Brief (undatiert) an Dr. M . Türk: Hier die Transkription: Meiner lieben Frau Dokter. Wie geht es Ihnen? Mir geht es sehr gut. Ich freue mich schon wieder nach Hause. Liebe Frau Dokter wie lange dauert es noch. Ich freue mich schon wieder auf die Schule. Liebe Frau Dokter wann komme ich von da fort. Ich habe ihnen sehr gerne. Heute habe ich schon geträumt von zu Hause. Ich begegne immer die Frau Dokter auf der Straße wenn wir im Garten sind. Da schnofelt die Gold (unleserlich) immer die (unleserlich) ab und haut ihr die Schuhe auf den Kopf die Hermi hat immer
Zahn-
schmerzen. Sie weint so sehr. Viele Bussi und Küsse
A Z 276/42
BOSCH Elfriede geb.
10.2.1930
eingewiesen durch:
Kinderheim St. Josef, Frischau/Znaim KUST
Klagenfurt
aufgenommen:
12.9.1942
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
13.9.1942
Dr. H. Gross
Meldung:
14.9.1943
Dr. E. Illing
gest.
4.12.1943
10 Uhr 30
Todesursache:
Grippe, Lungenentzündung
r.k.
ehelich
Elfriede ist das 3. von f ü n f Kindern. Nach einer komplizierten Geburt „gab" ihr der Arzt nur 8 Tage Lebenszeit. Doch die Mutter bemüht sich sehr um das schwache Kind (es ist ein Siebenmonate-Kind nach zwei heftigen Blutstürzen der Mutter). Der Kindesvater, der lange Zeit arbeitslos ist, hat 1932 wegen Notlage Selbstmord verübt. Die Kindesmutter ist tuberkulös und mittellos. Sie ist nicht in der Lage, das unbedingt pflegebedürftige Kind, welches seit dem 27.2.1932 im Leopoldstädter Kinderspital weilt, in Eigenpflege zu übernehmen. Auch die nächsten Angehörigen weigern sich, das kranke Kind zu übernehmen. So kommt das Mädchen über das Kinderheim St. Josef in Frischau nach Wien und wird am 12.9.1942 im Pav. 15/P. „Am Spiegelgrund" aufgenommen.
Elfriede Bosch/Liselotte Brandt
Am 13.9.1942
73
Am 14.9.1943
wird die Aufnahmeuntersuchung von Dr. H. Gross vorgenommen: „In der Motorik der Extremitäten, vor allem der Beine ist Elfriede stark behindert, sie kann weder stehen noch gehen." Diagnose: „Zerebrale Kinderlähmung". unterzeichnet Dr. E. Illing die Meldung an den Reichsausschuss in Berlin. In der Folge erkrankt das Mädchen wiederholt an Schnupfen, Husten, bis am 2.12.1943 in der Krankenakte „schlechtes Allgemeinbefinden bei 40° Fieber und Lungenentzündung" vermerkt ist.
Am 4.12.1943
stirbt Elfriede am Vormittag.
A Z 290/43
BRANDT Lieselotte geb.
12.7.1936
eingewiesen durch:
Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt, Wien
Hamburg
evang.
ehelich
aufgenommen:
24.9.1943
Pav. 15/Kr.
Aufnahmeuntersuchung:
24.9.1943
Dr. M . Türk
Meldung:
30.10.1943
gest.
17.1.1944
Todesursache:
Hochgradige allgemeine Atrophie, Verdacht auf T B C
18 Uhr
Liselotte kommt im Sommer 1943 mit einem Transport von Mädchen und Frauen aus den Alsterdorfer Anstalten/Hamburg „wegen der Bombenangriffe" in die Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt. Sie ist ein Zwilling, der Bruder ist kurz nach der Geburt gestorben. Das Geburtsgewicht des Mädchens betrug nur 1 kg. Am 24.9.1943 nimmt Dr. M. Türk die Aufnahmeuntersuchung vor: „... Gesicht recht hübsch und nett im Ausdruck, schmal, blass ... der körperliche Defekt des Kindes ist beträchtlicher als sein geistiger... Das Kind ist zugänglich und beobachtet mit Interesse seine Umgebung ...es spricht in kleinen Sätzen ...es benennt, ohne gefragt zu werden, die im Zimmer befindlichen Dinge... zum Führerbild sagt sie ,Heil Hitler'... es erkundigt sich, wo die Schwester, die sie gebracht hatte hingegangen ist, als es das Stethoskop und den Reflexhammer sieht, fragt sie, Was ist das Zusammenfassung: Wahrscheinlich geburtstraumatisch erworbenes hirnorganisches Leiden mit Microcephalic, spastischer Tetraparese u. choreatisch-athetotischen Bewegungsstörungen der ob. Körperhälfte und geistigem Rückstand mittleren Grades, ib Das Kind ist immerfreundlich u. geduldig..."
74
Liselotte Brandt
Transkription eines Schreibens der Mutter von Liselotte:
An die Schwester der Kinderabteilung. Liebe Schwester könnten Sie mir bitte doch mal Nachricht geben von meiner Tochter Liselotte Brandt geboren 12.7.1936. Sie ist von Hamburg Alsterdorfer Anstalt in ihre gekommen und ich als Mutter habe nicht einmal etwas zu hören bekommen, bin sehr in Sorge um meine Tochter denn ich möchte doch gerne mal wissen wie sie hingekommen ist und ihr Befinden ist, hat sie viel Heimweh? Könnten Sie mir nicht mal irgendwie schreiben wenn die Zeit es erlaubt. Meine Adresse ist Frau Edith Brandt, Hamburg (usw. Adresse ist angeführt) Grüßen Sie sie recht herzlich von Mutti, bitte Ihr lieben Schwestern, mit Gruß Frau Brandt (Das Schreiben ist mit dem Stempel der Nervenklinik „eingelangt am 1. Okt. /^"versehen) Am 20. Okt. 1943 schreibt Dr. E. Illing an die Mutter:
Ihr Töchterchen Liselotte ist im Zuge der Verlegung einer größeren Anzahl von Kindern am 24.9.1943 aus der Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt in die hiesige Klinik überstellt worden. Die Kleine hat sich hier recht gut eingelebt und äußert kein Heimweh. In den letzten Tagen hatte sie eine leichte Temperaturerhöhung, die mit einem Mittelohrkatarrh im Zusammenhang steht. Zur Besorgnis bestehtjetzt kein Anlass. Der Direktor Dr. E. Illing Am 10.12.1943 steht in der Krankenakte: „Schlechtes Aussehen, weitere Gewichtsabnahme trotz ausreichender Ernährung, Verdacht auf TBC." 8.1.1944 „Weitere Gewichtsabnahme, hat nur mehr 11.20 kg ... klagt nie über Schmerzen ... beginnender Dekubitus in der Kreuzbeingegend ... Verständigung der Mutter nicht mehr nötig, da sie spontan erschienen ist, Kind darüber sehr erfreut..." „Sieht von Tag zu Tag noch schlechter aus, schwerer Dekubitus am 12.1.1944 ganzen Rücken ..." 15.1.1944
Hohes Fieber 39,9, sehr geringe Nahrungsaufnahme
17.1.1944
Mutter kam nachmittags zu Besuch. Um 18 Uhr stirbt Liselotte an hochgradiger allgem. Atrophie mit Verdacht auf Tuberkulose.
Frau Brandt ersucht um die goldenen Ohrringe, die Liselotte als altes Erbstück getragen hatte, doch niemand kann ihr sagen, wohin diese gekommen sind!!
75
Anton Braun
BRAUN Anton Mein Bruder Anton Braun wurde am 19.4.1943 in Pinkafeld, Bgld., als Sohn von Maria Braun, geb. Klug, und Anton Braun geboren. Es war eine Hausgeburt mit Hebamme. Am 2. Mai empfing er in der Stadtpfarrkirche das Sakrament der Taufe. Er soll ein schönes und kräftiges Baby gewesen sein. Schon früh sollen sich die ersten Symptome seiner Krankheit gezeigt haben: starke Kopfschmerzen, Schütteln bzw. Hin- und Herwerfen des Kopfes, lautes Schreien. Da sich sein Leiden bis zum Winter zusehends verschlechterte und die Eltern sich nicht mehr zu helfen wussten, wurde er vom praktischen Arzt in Pinkafeld nach Wien in die Klinik von Prof. Hamburger überwiesen. Von dort kam er Ende November 1943 auf den Spiegelgrund, Pavillon 15, wo er am 9. Dezember 1943 zu Tode gebracht wurde. Der Aufenthalt dauerte ungefähr 2 Wochen. Meine Eltern haben ihn nicht besucht. Was während dieser Zeit geschah, kann ich nicht nachvollziehen, da die Krankengeschichte fehlt. Eine Tante in Wien hat ihn am Spiegelgrund regelmäßig besucht und meinen Eltern über seinen Gesundheitszustand berichtet. Mein Bruder soll einen Tag nach ihrem Besuch gestorben sein, und das soll ihr laut Aussage ihrer Tochter sehr plötzlich vorgekommen sein. Die sterblichen Uberreste meines Bruders wurden meinen Eltern übergeben und er bekam bis in die 1960er Jahre ein Grab am Zentralfriedhof: Gruppe 89, Reihe 26, Nr. 63. Meine Eltern haben es dann aufgelassen. Sein Gehirn blieb zu Forschungszwecken am Spiegelgrund. Meine Information: Über den Spiegelgrund wurde bei uns nie gesprochen. Ich wusste sehr wohl von der NS-Euthanasie, doch nicht vom Spiegelgrund. Meine Mutter erzählte, dass mein Bruder an einer Gehirnhautentzündung gestorben sei. Weiter sprach sie von zerebraler Kinderlähmung und Geburtstrauma. Von geistiger Behinderung sprach sie nie. Am 21.4.1997 hatte ich ein Gespräch mit Herrn Prof. Gabriel, dem ärztlichen Leiter des Otto Wagner Krankenhauses. Er bestätigte mir die Existenz eines Gehirnpräparats. Laut seiner Aussage ist nur mehr der Obduktionsbefund vorhanden. Dieser deckt sich mit dem, was mir meine Mutter erzählt hat. Prof. Gabriel sprach auch noch von starken epileptischen Anfällen und wollte eine natürliche Todesursache trotz beharrlichen Nachfragens meinerseits nicht ausschließen. Dr. Anne Braun (Schwester von Anton) Anmerkung:
Uber das Kind konnten keine Unterlagen gefunden werden Die Schwester besitzt Fotos von ihrem Bruder und mündliche Erinnerungen.
76
Gertrude Bruckner
BRÜCKNER Gertrude
A Z 291/42
geb.
15.4.1934
eingewiesen durch:
Heil- und Pflegeanstalt Gugging
Krems/Stein
aufgenommen:
23.9.1942
Aufnahmeuntersuchung:
23.9.1942
Meldung:
9.10.1942
Dr. E. Illing
gest.
30.11.1942
14 Uhr 30
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k
Dr. H. Gross
Gertrude kommt aus einer kinderreichen Familie. Sie hat 8 lebende Geschwister zwischen 2 und 21 Jahren, 4 Geschwister sind in den ersten Lebensmonaten gestorben. In ihrer frühen Kindheit macht Gertrude bereits mehrere schwere Krankheiten (Gelenksknochen-, Gehirnhaut- und Lungenentzündung) durch und hat mehrere Nervenanfälle. In der Folge entwickelt sie sich sehr langsam, ist ein scheues Kind, das nicht sprechen will oder nicht kann. Es kommt deshalb am 22.1.1941 in die Pflege- und Beschäftigungsanstalt für schwachsinnige Kinder nach Gugging. Von dort wird es am 23.9.1942 in die Heilpädagogische Klinik „Am Spiegelgrund" überstellt. Noch am selben Tag nimmt Dr. H. Gross die Aufnahmeuntersuchung vor. Seine vorläufige Diagnose lautet: „ Tuberöse Sklerose, Idiotie" und verordnet für den 28.9.1942 eine Encephalografie. 22.Ii.1942 Dr. Gross verordnet Bettruhe wegen „schlechten Allgemeinbefinden". 25.11.1942 Gertrude erkrankt an Lungenentzündung. 26.11.1942 „Schlechtmeldung an die Angehörigen". 30.11.1942 Um 14 Uhr 30 stirbt das Kind an Lungenentzündung.
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Eva Maria Brunner
BRUNNER Eva Maria
A Z 401/43
geb.
3.10.1931
eingewiesen durch:
Jugendamt Wien 13
Graz
r.k.
aufgenommen:
13.12.1943
Aufnahmeuntersuchung:
13.12.1943
Meldung:
16.12.1943
Dr. E. Illing
gest.
18.12.1943
13 U h r 30
Todesursache:
Herzlähmung bei toxischem Scharlach
ehelich
Dr. M . T ü r k
Eva Maria wird mit vier Jahren von einem Hund angefallen. Seither leidet sie an Angstzuständen, die sich in wutähnlichen Ausbrüchen zeigen, wenn man mit ihr auf die Straße geht. Der Vater war PR-Manager bei den IG Farben, doch ist er nach seiner Einrückung vermisst, was der Mutter, einer „intelligenten, netten und gemütsvollen" Frau, Aufregung und Sorge bereitet. Am 13.12.1943 w i f < l das Kind „Am Spiegelgrund" aufgenommen, am selben Tag nimmt Dr. M. Türk die Aufnahmeuntersuchung vor: „... Normal großes, schlankes, dunkelhaariges, hübsches Mädchen. Bei der Aufnahme hochgradig ängstlich, deshalb wird von einer genaueren körperlichen Untersuchung vorläufig Abstand genommen. Neurol, anscheinend 0. B. Psychisch ganz unfrei, hatfurchtbare Angst, wenn eine Türe offen ist, sprang wie wild auf, rannte von einem Saal in den anderen ... musste ins Gitterbett gebracht werden, wo sie sich dann ruhig verhielt und anscheinend sicher fühlte... spricht wenig... vorläufige Diagnose: Pfropfichizophrenie." 15.12.1943 Hohes Fieber, Scharlach (strenge Isolierung). 16.12.1943
Sehr schlechtes Allgemeinbefinden. Mutter verständigt.
17.12.1943 18.12.1943
Meldung: Dr. E. Illing an den Reichsausschuss in Berlin. Schwacher Puls, zeitw. Cyanose. 13 Uhr 30 Tod durch Herzlähmung bei toxischem Scharlach.
7«
Hilde Luise Marie Brunner
A Z 239/42
BRUNNER Hilde Luise Marie geb.
18. io. 1937
eingewiesen durch:
Dr. H . Gross
Wien
aufgenommen:
3.8.1942
Meldung:
4.8.1942
gest.
17.8.1942
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
ehelich
Pav. 15 17 U h r
Hilde bekommt mit 9 Monaten Fraisen und ist ihrer Umgebung gegenüber teilnahmslos. Medizinisch wird „Little'sche Krankheit" festgestellt. Nach einer Injektionsbehandlung bessert sich der Zustand des Kindes zusehends. Es spielt mit Gegenständen, lächelt und erkennt seine Kontaktpersonen. Hilde hört gerne Musik, weint ein anderes Kind, dann weint sie stets mit. Statt Breikost kann sie nun auch feste Nahrung aufnehmen. Von den Eltern wird das Mädchen neben den 3 Geschwistern mit großer Liebe umsorgt. Warum die Eltern das Kind im August 1942 auf den „Spiegelgrund" brachten, geht aus der Krankenakte nicht hervor. Jedenfalls stellt Dr. H. Gross bei der Aufnahmeuntersuchung am 3.8.1942 fest: „... es handelt sich wahrscheinlich um ein erworbenes, hirnorganisch bedingtes Leiden mit Idiotie. Hypotonie der Muskulatur mit vollständiger statischer Rückständigkeit, dessen Ursache jetzt noch nicht angegeben werden kann." Im Schwesternbericht steht: „... das Kind weinte, als es die Mutter der Schwester übergab..." Am 14.8.1942 ist in der Krankenakte vermerkt: „Seit mehreren Tagen ist das Kind an schwerem Brechdurchfall erkrankt, was zu einer starken Gewichtsabnahme geführt hat. Gestern wurde eine Schlechtmeldung an die Angehörigen gesendet." Dann schreibt Dr. Gross handschriftlich dazu: 16.8.1942 Weiter verschlechtertes Allgemeinbefinden. Seit gestern erhöhte Tem-
17.8.1942
peraturen bis 39 0. Beginnende Lobulärpneumonie. Noch immer starker Durchfall. 77 Uhr Exitus letalis Todesursache: Lungenentzündung.
Karl Bucher
79
BUCHER Karl
ΑΖ130/41
geb.
z7.10.1931
eingewiesen durch:
Spezial Kinderheim Pressbaum
Wien
aufgenommen:
4.8.1941
Aufnahmeuntersuchung:
15.8.1941
Meldung:
29.8.1941
gest.
10.11.1941
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
ehelich
Dr. H . Gross
Karl ist das jüngste von sieben Kindern, das zu Hause geboren wird. Die Geburt ist schwer, das Kind atmet nicht und muss wiederbelebt werden. Im Alter von einem halben Jahr erkrankt der kleine Bub an Krämpfen, die sich mehrmals täglich wiederholen. Seither ist er in seiner geistigen und körperlichen Entwicklung stark beeinträchtigt. Er lernt verspätet sich aufzusetzen und erst mit 2 Jahren laufen. Inzwischen stirbt der Vater. Die Mutter bemüht sich sehr um die Kinder, doch Karl braucht vermehrt Aufsicht und Zuwendung. Mit neun Jahren wird er über die Fürsorge in das Spezial Kinderheim Pressbaum eingewiesen, von wo er nach zwei Monaten wegen Auflösung auf den „Spiegelgrund" überstellt wird. Am 25.8.1941 nimmt Dr. H. Gross die Aufnahmeuntersuchung vor. U. a. stellt er fest: „das Gesicht wäre fast hübsch zu nennen, wenn es nicht durch andauerndes Grimassieren und Schnauzen entstellt wäre Seit der Abwesenheit von zu Hause ist das Kind zum Bettnässer geworden, „ist im allgemeinen ein ruhiges Kind, das den ganzen Tag irgendwo steht oder sitzt. Es sucht von sich aus nie Kontakt mit anderen Kindern ... den Vorgängen der Umwelt steht er vollkommen teilnahmslos gegenüber...". Am 29.8.1941 wird der Bub mit der Diagnose „Idiotie" an den Reichausschuss Am 10.11.1941
in Berlin gemeldet. stirbt Karl an Lungenentzündung. Der pathologisch-anatomische Befund ist unauffällig. Gehirn und Rückenmark werden in 4 % Formalin fixiert.
8o
Waltraud Buchleitner
BUCHLEITNER Waltraud
A Z 391/43 2·34/44
geb.
13.8.1941
eingewiesen durch:
1. Kinderklinik Glanzing
Berndorf/ND.
r.k
ehelich
2. Wr. Univ. Kinderklinik/Prof. Dr. Hamburger aufgenommen:
6.12.1943
Pav. 15/Sgl.
Aufnahmeuntersuchung:
7.12.1943
Dr. M.Türk
2. Aufnahme:
28.11.1944
Pav. 15/Sgl.
Meldung:
6.12.1944
Dr. E. Illing
gest.
20.2.1945
18 Uhr 30
Todesursache:
Grippe - Lungenentzündung
Waltraud macht bis zum 23. Monat eine altersentsprechende Entwicklung durch. Die Mutter beschäftigt sich viel mit dem Kind und seinem 7-jährigen Bruder, der Vater ist seit Kriegsbeginn eingerückt. Nach einer Erkrankung an Keuchhusten kommt es bei dem kleinen Mädchen zu einem Entwicklungsstillstand. Nachdem es einige Zeit in der Kinderklinik Glanzing verbrachte, wird es von dort auf den „Spiegelgrund" überstellt und am 6.12.1943 i m Pav. 15 aufgenommen. In der Aufnahmeuntersuchung stellt Dr. M. Türk fest: „... Schwachsinn erheblichen Grades Ii.12.1943
andauernd hochgradig unruhig, muss 2 χ tgl. Luminal 0,03 bekommen ...
12.12.1943
38° Fieber, Schnupfen.
14.12.1943
390 Fieber.
15.12.1943
Mutter nimmt das Kind gegen ausdrücklichen Rat des Arztes mit Revers nach Hause.
28.11.1944
Mutter erscheint mit dem Kind und bittet um Wiederaufnahme. Im Aufnahmebericht ist vermerkt:
„Das Mädchen habe seit dem Vorjahr keinerlei Fortschritte gemacht, ...es
nehme
an Gewicht nicht zu,... es wäre nach wie vor sehr unruhig und schlafe fast nie ... in letzter Zeit war es 11 Tage in der Univ. Kinderklinik (Prof. L. Schönbauer, Prof Hamburger), von Prof Hamburger sei ihr nun angeraten worden, das Kind in die hiesige Klinik zu bringen ... das Kind sieht nett aus, sitzt auf dem Schoß der Mutter ... frische Hautfarbe, guter Pflege- u. Ernährungszustand, sein Aussehen nicht unhübsch ..." Waltraud scheint sich in der neuen Umgebung nicht wohlzufuhlen. Im Bericht steht: „... Hochgradige psychomotorische Unruhe, schreit ohne ersichtlichen Grund
8ι
Waltraud Buchleitner/Ingemar Cap
durchdringend laut... kann nur im Bett gehalten werden, macht Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme, ist vollständig unsauber..." Am 14.12.1944 wird Waltraud einer Encephalographie unterzogen. Ergebnis: „Keine gröbere Veränderung zu erkennen." 10.1.1945 Stärkere Bronchitis, 390 Fieber. 13.2.1945 Fiebert weiter, schlechtes Allgemeinbefinden, nimmt nur flüssige Nahrung zu sich. 15.2.1945 Beginnende Lungenentzündung. 17.2.1945 19.2.1945 20.2.1945
Anhaltend hohes Fieber, schwere Lungenentzündung Zunehmende Verschlimmerung. Uhr 30 exitus letalis durch Grippepneumonie.
CAP Ingemar
AZ160/41
geb.
9.7.1933
eingewiesen durch:
Spezial Kinderheim Pressbaum/KUST
aufgenommen:
4.8.1941
Pav. 15/P
16.7.1942
Pav. 17/Bu.
7-I-I943
Pav. 15/P
Aufnahmeuntersuchung:
22.8.1941
Dr. M . Hübsch
Meldung:
7.12.1943
Dr. E. Illing
gest.
30.3.1944
23 Uhr 15
Todesursache:
Grippe - Lungenentzündung
Wien
r.k.
unehelich
Das Kind wird in Wien geboren, seine Heimatzugehörigkeit ist aber Böhmen (Kvasejovice), weshalb es erst ab 31.10.1939 in Anstaltspflege (KH Pressbaum) kommen kann. Ingemars Leidensweg beginnt bereits im Mutterleib. Als die Mutter, die als Stubenmädchen hart arbeiten muss, im dritten Monat schwanger ist, will sie sich mit Leuchtgas vergiften, weil der KV von ihr nichts mehr wissen will. Sie überlebt und bringt in Narkose das Mädchen als erstes Kind zur Welt. Es ist eine schwere Geburt in Steißlage, Ingemar ist sehr schwach. Anschließend wächst sie bei den Großeltern und zwischendurch bei einer Schwester der KM auf, bis sie 1939 in das Spezial Kinderheim Pressbaum kommt, Grund dafür ist „schwere Beeinträchtigung der gesamten Motorik durch Lähmungen in Armen und Beinen, sowie starke Bewegungsunruhe..."
82
Ingemar Cap
In einem psychologischen Gutachten steht u. a.: „ Trotz der Behinderung bei einfachen mechanischen Aufgaben, wie Sortieren oder Einsetzen von Bolzen, verhältnismäßiggeschickt und flink. Gröbere Arbeiten kommen nicht in Frage, da das Kind wenig Kraft in den Händen hat und leicht ermüdet... gut ansprechbar, überraschend gute Willenshaltung. Bemüht sich mit rührendem Eifer, trotz Schwierigkeiten, dem Erwachsenen zuliebe gute Leistungen zu erbringen ... sucht ständig Aufmerksamkeit, Anerkennung und Zärtlichkeit des Erwachsenen ... freudefähig... laut Vorgeschichte bis zum 6. Lebensjahr bei Verwandten mangelhaft gepflegt, in den letzten vier Jahren ständig in Heimen unter bildungsunfähigen Kindern. Geringe Bildungsfähigkeit im schulischen Sinn, Aussicht auf beschränkte Erwerbstätigkeit..." (Diese Eintragungen stammen aus einem Gutachten vom 21.9.1943, unterschrieben von Dr. Baar). Trotzdem meldet Dr. E. Illing das Mädchen am 7.12.1943 an den Reichsausschuss in Berlin: „ Voraussichtlich dauernd bildungs- und arbeitsunfähig!" In einem Schwesternbericht steht: „... das Kind ist sehr freundlich und lieb. Sucht immer Kontakt mit den Schwestern und anderen Kindern. Spielt sehr gerne und ausdauernd, beteiligt sich auch sehr gerne bei den Spielen der anderen Kinder. Ist sehr dankbar fur jedes gute Wort, das man ihm gibt. Zeigt sich sehr liebebedürftig. Sie ist immer bemüht, der Schwester zu helfen. Auf sich selbst und ihre Sachen ist sie sehr nett. Erzieherisch bereitet sie absolut keine Schwierigkeiten. Ihre Sprache ist sehr schlecht verständlich. Was zu ihr gesprochen wird, versteht sie alles. Sie kann einfache Aufträge richtig befolgen..." 21.2.1944 23. 3.1944 29.3.1944 30.3.1944 Um 23 Uhr 15
„40 0 Fieber, Grippe, klagt über Ohrenschmerzen " „Plötzliche Verschlechterung des Befindens, sieht verfallen aus, nimmt sehr wenig Nahrung zu sich, Kreislaufschwäche." „Befinden weiter schlecht, beginnende Lungenentzündung." „Allgemeinbefinden sehr schlecht, darniederliegen des Kreislaufs", „ Schlechtmeldung" an die Mutter, die nachmittags erscheint. ist Ingemar tot - gestorben an Grippe - Lungenentzündung
Cawenka/Franz Chalabala
83
CAWENKA (Mädchen)
A Z 33/42
geb.
25.2.1942
eingewiesen durch:
Wr. Stadt. Frauenklinik Gersthof
Wien
aufgenommen:
28.2.1942
Aufnahmeuntersuchung:
28.2.1942
Dr. M . Hübsch
gest.
1.3.1942
11 U h r 15
Todesursache:
Lungenentzündung
Das kleine Mädchen, das noch keinen Vornamen hat, wird drei Tage nach seiner Geburt „Am Spiegelgrund" eingewiesen. Es ist sehr schwach, blutet stark aus dem linken Nasenloch. Die Einweisungsdiagnose lautet: Spaltung der Wirbelsäule. 1.3.1942 Das Kind hat 40° Fieber und stirbt um 11 Uhr 15. Am 2.3.1942 unterzeichnet Dr. H. Gross die Todesmeldung des Kindes an den Vater. Die Abschrift des Obduktionsbefundes schickt er am 6.3.1942 an die Wr. Städt. Frauenklinik Gersthof (mit dem Vermerk: „gestorben 28.2.1942 ")
CHALABALA Franz
A Z 20/41
geb.
5.7.1939
Wien
eingewiesen durch:
Wilhelminenspital
aufgenommen:
10.2.1941
Aufnahmeuntersuchung:
12.2.1941
Dr. H . Gross
gest.
1.4.1941
3 Uhr
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
ehelich
Pav. 15
Franz erkrankt während seines ersten Lebensjahres bereits an mehreren Infektionskrankheiten (Hirnhautentzündung, Feuchtblattern, Keuchhusten). Danach stellen sich Krampfanfälle ein. Trotzdem ist das Kind ruhig, weint wenig, ist anlehnungsbedürftig, folgsam und spielt gerne. Es hat Interesse an seiner Umgebung. Nach der Uberstellung aus dem Wilhelminenspital wird das Kind am 12.2.1941 von Dr. H. Gross untersucht. Fünf Tage später erkrankt Franz an fieberhafter Grippe. In der Folge wird er mehrmals einer Lumbalpunktion unterzogen. Am 21.3.1941 zeigt sich eine deutliche Nackensteifigkeit und Anzeichen einer Hirnhautentzündung.
84 Am 23.3.1941 Am 1.4.1941
Franz Chalabala/Johann Czech
vermerkt Dr. H. Gross: „Das Kind ist schon sehr schwach ...", das Fieber steigt auf 40°. stirbt der 1 ^-jährige Bub um 3 Uhr an Lungenentzündung.
CZECH Johann
AZ 30/40
geb.
21.4.1939
Wien
eingewiesen durch:
Fürsorgeanstalt f. Mutter u. Kind, Bastiengasse/Wien
aufgenommen:
6.12.1940
Meldung:
30.1.1941 (ohne Unterschrift)
gest.
23.7.1941
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
ehelich
23 Uhr 30
Der kleine Johann ist das vierte Kind einer ärmlichen Familie, die in einer kleinen feuchten Schrebergartenhütte lebt. Nach einem heftigen Erschrecken der KM kommt der Bub in einer Frühgeburt (7. Monat) zur Welt und wird sofort zur künstlichen Ernährung in die Wr. Universitäts-Kinderklinik überstellt. Wegen der schlechten Wohnverhältnisse darf das Kind nicht nach Hause, sondern wird in die Fürsorgeanstalt Bastiengasse gebracht und von dort im Dezember 1940 auf den „Spiegelgrund", Pav. 15, überstellt. Der Krankengeschichte liegt ein psychologisches Gutachten, unterzeichnet von Dr. Baar, bei. Darin gibt es u. a. Anweisungen, w.f. „... Kind so warm wie möglich kleiden, dass ein unter die Decke — Binden nicht notwendig ist. Kind braucht Bewegungsfreiheit zum Kriechen lernen, kleine Ansätze bereits vorhanden. Ständig 1—2 Spielzeuge im Bett. Im Vorbeigehen in die Hand geben, wenn Kind nicht damit spielt. Öfter kurze Zeit aufsetzen u. in eine Ecke des Bettes lehnen ..." In einem weiteren Gutachten vom 3.2.1940 stellt Dr. Baar fest: „... Das Kind hat in den letzten vier Monaten seit der ersten Untersuchung fast keine Fortschritte gemacht. In Bezug aufdie Körperbeherrschung ist sogar ein gewisser Rückschrittfestzustellen ..." Am 21.7.1941 schreibt Dr. H. Gross an die KM: „Die gefertigte Anstaltsleitung bedauert Sie davon in Kenntnis zu setzen, dass in dem Befinden Ihres Kindes Czech fohann eine bedenkliche Verschlimmerung eingetreten ist. Das Kind ist an einer Lungenentzündung erkrankt und dürfte wohl mit dem Ableben zu rechnen sein." Am 23.7.1941 stirbt das Kind.
Johanna Czernin
85
CZERNIN Johanna
A Z 331/43
geb.
23.11.1941
eingewiesen durch:
KÜST
Wien
aufgenommen:
15.10.1943
Pav. 15/Sgl.
Aufnahmeuntersuchung:
15.10.1943
Dr. M . Türk
Meldung:
4.11.1943
Dr. E. Illing
gest.
4 U h r 30 15.12.1943 Lungenentzündung
Todesursache:
r.k
ehelich
Das kleine Mädchen Johanna kommt im Goldenen Kreuz durch eine Sturzgeburt zur Welt und wird gleich nach der Geburt in die Wr. Univ. Kinderklinik (Prof. Hamburger) überstellt. Danach wird es mit großer Liebe und Geduld von den Eltern und der Großmutter zu Hause in einer „sehr nett gehaltenen Wohnung" gepflegt. Der KV, ein Operationsgehilfe, muss inzwischen einrücken. Am 15.10.1943 schreibt Dr. M. Türk u. a. im Protokoll der Aufnahmeuntersuchung: „... ein seinem Alter entsprechend großes, hübsches, gut gepflegtes Kind, etwas zart, jedoch in gutem Ernährungszustand. Sitzen ist infolge einer starken Verkrampfung der Rückenmuskulatur nicht möglich ..." Die Diagnose lautet: Cerebrale Kinderlähmung mit Lähmung aller vier Gliedmaßen ..." Johanna bekommt nun 3 χ täglich Luminal gegen Krampfzustände. Am 4.11.1943 meldet Dr. E. Illing das Kind an den Reichsausschuss in Berlin, obwohl der einweisende Amtsarzt Entwicklungs- und Erziehungsfähigkeit attestiert hatte. Anfangs Dezember erkrankt das Kind an schwerer Bronchitis und fiebert bis 40°. Brief der Mutter an Dr. M. Türk nachdem ihr diese eine „Verschlechterung des Befindens ihres Kindes Johanna" am 7. Dez. 1943 gemeldet hat: Sehr geehrte Frau Dr. Türk! 11. Dez. 1943 Es tut mir leid, dass ich gestern untröstlich und kopflos war. Das Kind ist so verändert, sein Schicksal hart und sehr bitterfür mich. Ich habe oft Sehnsucht Hansi etwas Liebes zu tun, wenn ich sie dann sehe, muss ich weinen. Mein ganzes Herz und viel Liebe hängt an diesem Kinde und der Trennungsschmerz ist groß. Ich werde gewiss tapfer sein und mich bemühen alles ergeben zu ertragen. Ich habe Vertrauen zu Ihnen und bitte Sie innigst, meinem Kinde soweit als möglich zu helfen! Ich danke Ihnen auch fur die gut gemeinte Verständigung und all die Mühe, die Sie mit meinem Kinde haben. Unterschrift der Mutter
86 Am 13.12 1943
Am 15.12.1943
Johanna Czemin/Annemarie Danner
schreibt Dr. M. Türk erneut an die Mutter: „Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass im Befinden Ihres Kindes Johanna neuerlich eine Verschlechterung eingetreten ist, das Kind fiebert sehr hoch." stirbt Johanna um 4 Uhr 30 an Lungenentzündung.
DANNER Annemarie
A Z 79/41
geb.
8.5.1938
eingewiesen durch:
K Ü S T aus dem N S V - Heim Galvanigasse Wien 21
Wien
r.k.
aufgenommen:
6.6.1941
Aufnahmeuntersuchung:
31.7.1941
Dr. H . Gross
Meldung:
18.5.1942
Dr. M . Hübsch
gest.
26.9.1942
8 Uhr
Todesursache:
Eitrige Bronchitis, Lungenentzündung
ehelich
Es ist ein verregneter Nachmittag im Mai, als Annemarie zuhause geboren wird. In der Parterrewohnung, die nur aus zwei kleinen Räumen besteht, ist es düster und feucht. Doch zwei Schwestern (1 und 3 Jahr alt) und die Eltern freuen sich über das liebe hübsche Kind. In der Folge ist die Mutter kränklich. Die Obsorge um die drei kleinen Mädchen fällt ihr schwer, zumal der Vater als Schaffner bei der Wr. Städt. Straßenbahn am Tag kaum Zeit hat, der Mutter im Haushalt zu helfen. Wegen seines kargen Verdienstes ist eine Haushaltshilfe undenkbar. Annemarie leidet an einer schweren Rachitis. Im Alter von zwei Jahren erkrankt sie an einer akuten Darmentzündung, die in einem Kinderkrankenhaus geheilt wird. Da das Kind durch die Rachitis, vor allem in der körperlichen Entwicklung stark beeinträchtigt ist, wird es in das NSV - Heim Galvanigasse Wien 21, überstellt. Die Eltern sind einverstanden, da dieses in einer sonnigen Gegend im 21. Bezirk, mitten in einem Park, liegt. Dort dürfte es dem kleinen Mädchen auch gut gehen. Im Laufe der Zeit ist die Rachitis in Abheilung begriffen, das Kind könnte entlassen werden. Doch die Eltern haben trotz Bemühungen noch keine bessere Wohnung gefunden und getrauen sich nicht, einen Rückfall fürchtend, ihre jüngste Tochter nach Hause zu nehmen. So wird Annemarie in die Wr. Städt. Jugendfürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund" transferiert. Die amtsärztliche Untersuchung ergibt u. a.: „Kräftiges, aber kleines Kind... Muskulatur schwach, ... keine Missbildungen, Rachitis gravissima in Heilung. "
Annemarie Danner
87
Zusammenfassend bestätigt das amtärztliche Gutachten, dass das Mädchen „nichtschwachsinnig", sondern „entwicklungs- underziehungsfiihig"ist. Aber die „Pflegebedürftigkeit" rechtfertigt die Uberstellung, von deren Realität die Eltern anfangs nichts ahnen. Als die Mutter auf Befragung nach etwaigen krankhaften Belastungen in der Familie angibt, dass ein Verwandter des KV einen Hydrocephalus hatte, ist es zu spät. Von da an ist das weitere Schicksal des Kindes besiegelt. In der Folge erwähnt Dr. H. Gross immer wieder vorrangig die „Behinderung des Vetters des Kindesvaters". Am 29.10.1941 finden sich bereits in der Krankengeschichte die Seiten zum „Decursus morbi". Am 18.5.1942
erfolgt die „Meldung an den Reichsausschuß zur wissenschaftlichen Erfassung erb- und anlagebedingter schwerer Leiden " in Berlin. Das kleine Mädchen erkrankt an Masern und Keuchhusten. Es fiebert hoch. Inzwischen hat es auch auffallend an Gewicht verloren. Das anfangs „gut genährte Kind" wiegt jetzt, im Alter von vier Jahren, nur noch knapp 9 kg. Am 14.8.1942 wird Annemarie ins Parterre des Pav. 15 verlegt. Während das stark geschwächte Kind nun schon die 8. Woche an Keuchhusten leidet, wird es trotzdem einer schmerzhaften Encephalografie, an der bereits einige Kinder starben, unterzogen. Am 22.9.1942 schreibt Dr. H. Gross in die zusammenfassende Diagnose u.
Am 23.9.1942
Am 25.9.1942 Am 26.9.1942
a.: „Sie ist körperlich fur ihr Alter beträchtlich zurückgeblieben ... Motorisch ist sie sehr rückständig und kann noch nicht selbstständig laufen. Neurologisch zeigt sie keine Besonderheiten. Eine Encephalografie ist misslungen ... sie ist tiefitehend idiotisch. Sucht keinerlei Kontakt und hat während des langen Anstaltsaufenthaltes nicht die geringsten Fortschritte gemacht. Die geistigen Funktionen sind eher zurückgegangen. Nach ärztlicher Voraussicht wird sie dauernd bildungsunfähig undpflegebedürftig bleiben..." fügt Dr. H. Gross händisch hinzu: „Im Anschluss an den noch bestehenden Keuchhusten an Lungenentzündung erkrankt. Das Allgemeinbefinden ist sehr schlecht." steht: „Kreislaufichwäche. Sehr schlechte Atmung. Schkchtmeldung an die Angehörigen." stirbt Annemarie um 8 Uhr lt. Sektionsprotokoll an Lungenentzündung und eitriger Bronchitis.
88
Friedrich Dannmayr
DANNMAYR Friedrich
AZ198/44
geb.
7.1.1936
eingewiesen durch:
Landrat Kirchdorf Krems
aufgenommen:
4.10.1944
Linz/D.
r.k.
ehelich
Pav. 15/Kr.
Aufnahmeuntersuchung:
6.10.1944
Dr. M . Türk
Meldung:
9.11.1944
Dr. E. Illing
gest.
23.1.1945
19 Uhr 30
Todesursache:
Geschwürige Darmentzündung, Lungenentzündung
Friedrich wächst in einer einfachen Familie neben vier Geschwistern in einem kleinen Ort in Oberösterreich auf. Die Eltern kümmern sich um die Kinder, und es gibt keinerlei Probleme. Irgendwie scheint das Gesundheitsamt des zuständigen Landrates Nachricht bekommen zu haben, dass der kleine Bub motorisch schwerfällig und „geistig zurückgeblieben" sei. Deshalb ergeht am 9.5.1944 ein offizielles Ansuchen an die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder um Aufnahme des Kindes, da dieses „im stärkeren Grade schwachsinnig" ist. Am 4.10.1944 Am 6.10.1944
wird Friedrich in der Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder aufgenommen. nimmt Dr. M. Türk die Aufnahmeuntersuchung vor. Unter den vielen pseudomedizinischen Ausdrücken und Formulierungen (ζ. B. Ohrmuscheln mangelhaft modelliert", „angedeutete Verwachsung zw. 2. u. 3. Zehe" etc.) ist festgehalten: „Macht idiotischen Eindruck. Wehrt sich bei der Untersuchung durch heftiges Schreien, ruft immer wieder ,Muatta', ist hochgradig ängstlich, versteht einfache sprachliche Aufforderungen, spricht selbst nur undeutlich einzelne Worte, beim Weggehen ziemlich deutlich ,Pfüatdi Gott'".
In der Zusammenfassung wird vorrangig die Familie diagnostiziert (ohne Untersuchung!): „Mutter geistig minder begabt, lebensuntüchtig. Schwester des Vaters hatte einen Nervenzusammenbruch. Eine Tochter der mütterl. Großmutter war geisteskrank. Sonst keine psych. Auffälligkeiten in der Sippe." Für Friedrich gilt nun: „Erbl. Schwachsinn wahrscheinlich hohen Gerades". Nach diesem vernichtenden Urteil der Arztin hat Friedrich keine weitere Chance. Das ängstliche Kind fühlt sich anscheinend nur im Schutz des Bettes wohl. Es schreit, sobald es herausgenommen wird. „Im Luftschutzkeller brüllt er fürchterlieh". Am 9.11.1944 meldet Dr. E. Illing das Kind an den Reichsausschuss: „Dauernd vollständig bildungs- u. arbeitsunfähig..." Der Vater nimmt die Mühe auf sich in
Friedrich Dannmayr
89
diesen unsicheren Zeiten der Bombenangriffe, nach Wien zu kommen, um sein Kind mehrmals zu besuchen und mit Essenszubußen selbst zu futtern. Mitte Dezember erkrankt Friedrich an Bronchitis, Durchfall, Schnupfen. Transkription eines Briefes der Mutter von Friedrich Dannmayr an die Schwestern der Wr. Städt. Nervenklinik fur Kinder (ohne Datum): An die lieben Schwestern der Anstalt. Bitte könnte ich die Adresse von Herrn Oberarzt (Nerven) Spezialisten von Ihnen liebe Schwestern erhalten. Auch ersuche ich freundlich ob ich Wäsche und Schuhe für meinen Fritzerl schicken sollte. Auch bitte ich nochmals um meinen Fritzerl ob er bald heimkommen kann. Da ich doch jetzt wieder halbigs gesund bin. Hatte eine schwere Venenentzündung, wo ich 16 Wochen krank war und konnte daher Fritzerl nicht besuchen. Da ich ja jetzt mit dem Gehen noch nicht recht gut beisammen bin für meinen lieben Fritzerlsende ich Kekserl, einige Kletzenbirnen, ι Würstchen, Fleisch und Apfel im Schlafrock. Bitte geben Sie's dem Fritzerl. Und wie geht's denn meinem lieben Buberl? Darf er denn nicht bald wieder heim? Ich kränke mich so sehr um mein Kind wegen der schrecklichen Bombenabwürfe, die uns von Wien immer gemeldet wurden. Dann habe ich erfahren, dass Fritzerl so schlecht aussieht. Ihm wird halt die Milch abgehen, denn er hatja die Milch sehr geliebt. Herzliche Glückwünsche zum Jahreswechsel auf unbekannte Weise. Mit deutschem Gruße Unterschrift der Mutter u. Adresse Am 12.1.1945 16.1.1945
fiebert das Kind hoch. „Sehr schlechtes Allgemeinbefinden, erbricht häufig.
19.1.1945 21.1.1945 22.1.1945
Schlechtmeldung an die Mutter." „Stuhl blutig... Temp. 39,5, Schwere Bronchitis." „Beginnende Lungenentzündung" „Sehr schwach u. hinfällig. Kreislaufichwäche, Lungenentzündung «
23.1.1945
„Exitus letalis" 19 Uhr 30 Ursache: Geschwürige Darmentzündung, Lungenentzündung
Rosemarie Daxer
9°
DAXER Rosemarie
AZ170/43
geb.
i.2.1942
eingewiesen durch:
Reichsstatthalter Salzburg
Salzburg
aufgenommen:
12.7.1943
Pav. 15/1
Aufnahmeuntersuchung:
12.7.1943
Dr. E. Illing
Meldung:
21.8.1943
Dr. M . Türk
gest.
21.8.1943
U h r 30
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
unehelich
Rosemaries Vater fällt im September 1941 in Russland. Noch sind die Eltern nicht verheiratet und die junge Mutter muss als Küchenmädchen arbeiten. Der Tod des geliebten Mannes und ein Unfall mit dem Fahrrad erschüttern die junge Frau so sehr, dass das Mädchen bereits im 8. Monat geboren wird. Das Kind ist zart, und weil die Mutter nicht verheiratet ist, wird es über Antrag des Amtsarztes Pflegeeltern zugewiesen. Am 16. Juni 1943 beantragt der Reichsstatthalter in Salzburg die „sofortige Aufrahme"in der Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder. Dr. E. Illing schreibt u. a. in der Aufnahmeuntersuchung „Entwicklung in den nächsten 3 Monaten abwarten ", doch das kleine Mädchen lebt nur mehr knapp 6 Wochen. In dieser Zeit verliert das ohnehin sehr zarte Kind stark an Gewicht und fiebert bis 40,2°. Es erkrankt zusätzlich an Masern. An dem Tag, an dem Dr. M. Türk die Meldung an den Reichsausschuss macht, es ist der 21.8.1943, stirbt das 1 Vi -jährige Kind mit einem Gewicht von 7,20 kg an Lungenentzündung. Schreiben der Mutter von Rosemarie Daxer: Werte Frau Dr. Türk! Salzburg 31.8.1943 Ich habe die traurige Nachricht, dass mein liebes Kind Rosemarie am 21.8. bei Ihnen in der Klinik verstorben ist erhalten. Und danke Ihnen für selbe Mitteilung vielmals. Wenn es möglich ist werde ich einmalpersönlich bei Ihnen vorsprechen. Mit deutschem Gruß Heil Hitler Unterschrift der Mutter
Engelbert Deimbacher
91
DEIMBACHER Engelbert geb.
31.8.1929
AZ 94/42 Hainfeld/
r.k.
ehelich
Ldkr.St. Pölten eingewiesen durch:
Heil- u. Pflegeanstalt Gugging
aufgenommen:
20.5.1942
Pav. 15/P.
9.6.1942
Pav. 17
8.11.1942
Pav. 15/P
Aufnahmeuntersuchung:
21.5.1942
Dr. H . Gross
Meldung:
30.6.1942
Dr. H . Gross
gest.
8.11.1942
3 U h r 30
Todesursache:
Lungenentzündung
Engelbert ist taubstumm. Er wächst in einer kinderreichen Familie heran (7 Geschwister). Mit 7 Jahren kommt er ins Erziehungsheim Biedermannsdorf. Nach vier Jahren wird er von dort in die Landes Pflege- und Beschäftigungsanstalt in Gugging überstellt. Obwohl er gerne allein und mit anderen Kindern spielt, Interesse fur Bilderbücher zeigt, gerne zeichnet, selbstständig essen, sich an- und auskleiden kann, wird der taubstumme Bub am 20. Mai 1942 als „kaum entwicklungsfähig u. bildungsunfähig" in die Heilpädag. Klinik d. Stadt Wien „Am Spiegelgrund" übersetzt. Bericht v. 9.6.1942: „... Kind ist sehr kontaktarm, sitzt entweder andauernd vor sich hinbrütend oder schaut den ganzen Tag von der Veranda in den Garten, beschäftigt sich mit nichts. Er scheint ein gutmütiges Kind zu sein, das meistens freundlich lächelt ...Er ist kein Nässer..." Am 21.6.1942 schreibt Dr. H. Gross im neurolog. Befund „wahrscheinlich Taubstummheit... Im psych. Verhalten stellt Dr. H. Gross fest: „... Während der körperlichen Untersuchungfallt das Kind nur durch seine Taubstummheit auf... Es kann gegebene Befehle nur durch Vorzeigen durchführen. Sonst zeigt es sich interessiert. Als die Pupillen reaktion geprüft wird greift er gleich nach der Taschenlampe und hantiert richtig damit. Als ihm der Reflexhammer gegeben wird lächelt er und macht klopfende Bewegungen ... nach der Untersuchung zieht sich das Kind selbständig an" — in der Zusammenfassung diagnostiziert Dr. H. Gross „Schwachsinn höchsten Grades..."
92
Engelbert Deimbacher
Am 23.8.1942
steht in einem Führungsbericht; „... er sucht sich immer eine Beschäftigung, sei es dass er sich Holz zusammenklaubt oder Kastanien sucht..."
Am 30.10.1942
ist in einem weiteren Führungsbericht u. a. vermerkt: „... Kind ist sehr willig und hilft gerne mit bei kleinen Arbeiten: An- und Auskleiden der Kinder, Töpfe reinigen, Geschirr abtragen, auskehren. Zur Pflegeperson sucht er im allgemeinen Kontakt. Nur manchmal, wenn er glaubt, die Schwester hat nichts zu tun, so kommt er zu ihr, zeigt ihr die verschiedenen Spielsachen und will sich mit ihr unterhalten. Die Pflegeschwester schildert ihn nicht als sehr begriffistützig, wird ihm etwas einige Male gezeigt, so merkt er es sich und macht es nächstes Mal von selbst. Um zu verstehen, schaut er nicht auf den Mund des Sprechers, sondern wartet auf Mimik und Gesten, die die Weisungen begleiten sollen. Mit Interesse schaut er den Beschäftigungen seiner Kameraden zu, beobachtet ebenso Käfer und Ameisen, nimmt sie in die Hand ohne sie zu quälen. Als das Kind den Baukasten sah, fing er sofort ohne Aufforderung zu bauen an. Er hantiert damit zweckentsprechend, macht allerlei Figuren und zeigte große Ausdauer dabei. Auch beim Bilderwürfelspiel setzte er die Bilder richtig zusammen, auch ohne Vorlage, aus dem Gedächtnis ..."
In der vorläufigen zusammenfassenden Diagnose" geht Dr. H. Gross vorrangig auf die angeblichen „Belastungen in der Sippe"cin. Engelbert wird „schwerster Schwachsinn" attestiert. Der Bub wird wieder auf Pav. 15/P. transferiert, kommt zur Encephalografie, muss wegen allgemeiner Körperschwäche im Bett bleiben, erleidet am 4.11.1942 einen Kreislaufkollaps und stirbt am 8.11.1942 an Lungenentzündung.
Anna Derkics/Irma Dirry
93
DERKICS Anna
AZ113/42
geb.
13.5.1931
eingewiesen durch:
Heil- u. Pflegeanstalt Gugging
Trautmannsdorf/L.
aufgenommen:
27.5.1942
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
31.5.1942
Dr. H. Gross
Meldung:
1.6.1942
Dr. H . Gross
gest.
7.9.1942
16 Uhr 30
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
ehelich
Anna wächst in den ersten Lebensjahren bei den Eltern auf. Sie ist schwer sehbehindert. Nachdem Sie im August 1936 in der n.ö. Landes- Pflege- und Beschäftigungsanstalt Gugging aufgenommen wird, erblindet sie in der Folge ganz. Das Mädchen ist geistig und körperlich stark behindert. Wegen „Selbstbeschädigung" wird es in der Schutzjacke „gesichert". Ihr körperlicher Zustand verfällt zusehends. Am 27.5.1942 wird das Kind in die Heilpäd. Klinik der Stadt Wien „Am Spiegelgrund" überstellt. Dort wird es als „erbkrank"diagnostiziert, „andauernde Bettruhe"wird verordnet. Am 1.9.1942 verschlechtert sich nach einer Encephalografie das Allgemeinbefinden sehr. Am 7.9.1942
stirbt Anna an Lungenentzündung
DIRRY Irma
A Z 243/41
geb.
17.10.1929
eingewiesen durch:
Spezial Kinderheim Pressbaum/KÜST
Wien
r.k.
aufgenommen:
11.8.1941
Pav. 17
12.11.1941
auf Pav. 15 transferiert
Aufnahmeuntersuchung:
15.10.1941
Dr. H. Gross
Meldung:
15.10.1941
Dr. E. Jekelius
gest.
27.2.1942
23 Uhr 10
Todesursache:
Milliartuberkulose, Lungenentzündung
ehelich
Irma ist ein mongolider Zwilling mit „schwersten Entwicklungsrückständen ". Das Zwillingskind Gertrude starb im Alter von 2 Monaten und war auch mongolid. Das Mädchen befindet sich während der ersten Lebensjahre abwechselnd in
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Irma Dirry/Gertrude Dittrich
verschiedenen Heimen und Krankenhäusern, zu Hause und bei der Großmutter, an der es sehr hängt. Mit zunehmendem Alter kann die Pflege „nicht mehr bewältigt werden", da das Kind besonders unruhig wird. Am Ii.8.1941 erfolgt die Überstellung auf den „Spiegelgrund". Am 29.1.1942 schreibt Dr. H. Gross eigenhändig in die vorläufige zusammenfassende Diagnose „jüdischer Mischling II Grades." Am 27.2.1942 stirbt Irma an Lungenentzündung
DITTRICH Gertrude
A Z 268/41
geb.
24.5.1941
eingewiesen durch:
Fürsorgestelle Wien 16, Effingergasse
Wien
r.k.
ehelich
Pav. 15/1
aufgenommen:
1.12.1941
Aufnahmeuntersuchung:
16.12.1941
Meldung:
17.12.1941
Dr. E. Jekelius
gest.
31.3.1942
16 Uhr 45
Todesursache:
unbekannt
Der mongolide Säugling wird zur Beobachtung auf dem „Spiegelgrund" aufgenommen. Doch das kleine Mädchen hat keine Chance auf ein längeres Leben, denn wie die Ärzte konstatieren, entstammt es einer „erbbiologisch minderwertigen Sippe..." Da die KM bei der Geburt bereits 44 Jahre alt ist, betont Dr. M. Hübsch besonders die „ Unterwertigkeit der mütterlichen Geschlechtsorgane..." Am 31.3.1942 stirbt Gertrude nach viermonatiger „Beobachtungszeit". Das Kind ist noch nicht einmal 1 Jahr alt. Die Todesursache geht aus der Krankengeschichte nicht eindeutig hervor.
Hermine Döckl
95
D Ö C K L Hermine
A Z 36/43
geb.
13.4.1943
eingewiesen durch:
K U S T , Bezirksjugendamt Wien 26
Wien
aufgenommen:
27.4.1943
Pav. 15/1
Aufnahmeuntersuchung:
1.5.1943
Dr. M . Türk
Meldung:
17.5.1943
Dr. E. Illing
gest.
10.6.1943
1 U h r 15
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
ehelich
Die kleine Hermine ist 14 Tage alt, als sie in der Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder aufgenommen wird. Einige Tage später nimmt Dr. M. Türk die Aufnahmeuntersuchung vor. Aus der Karteikarte der KUST geht hervor, dass das kleine Mädchen aus dem Krankenhaus Klosterneuburg als „mongolid" überstellt wurde, es ist gut genährt und entsprechend gepflegt. Nach den üblichen Untersuchungsmethoden schreibt Dr. M. Türk am 16.5.1943 in der Krankengeschichte: „... macht geistig noch keine Fortschritte..." Eine Woche später fiebert das Kind hoch, es erbricht sehr oft und verliert stark an Gewicht. Am 29.5.1943 erkrankt es an leichter Bronchitis, es wird zusehends schwächer. Am 1.6.1943 ergeht „Schlechtmeldung an die Eltern ". Am 10.6.1943 stirbt Hermine unter „zunehmender Kreislaufichwäche an Lungenentzündung". Die Eltern, ein Landwirtsehepaar, sind über den Tod ihres geliebten Kindes erschüttert. Am 13.6.1943 schreibt der Hausarzt der Familie an Dr. E. Illing: Sehr geehrter Herr Ob. Med. Rat! Vor kurzer Zeit starb auf Ihrer Klink ein Kind namens Döckl aus Langenschönbichl. Als langjähriger Hausarzt dieser Familie würde mich sehr interessieren was das Kind eigentlich gehabt hat, denn aus den Angehörigen ist nichts Gescheites herauszubringen. Die Mutter ist in einerfurchtbaren Stimmung, äußert Suicidabsichten, darf nicht allein gelassen werden, u.s. w. Vielleicht könnte ich durch Zuspruch der Mutter und auch den anderen Angehörigen Ruhe bringen und allerlei stumme Gerüchte und Mutmaßungen zerstreuen, wenn Sie mir, wenn es angängig ist und es Ihre Zeit erlaubt, mitteilen um was es sich gehandelt hat. Für Ihre Bemühung im Voraus schönen Dank. Hans Geyer Gemeindearzt Judenau
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Hermine Döckl/Elisabeth Dörr
Am 28. Juni 1943 antwortet Dr. E. Illing: Sehr geehrter Herr Kollege! Das Kind Hermine Döckl befand sich vom 27.4. bis 10.6.4s der hiesigen Klinik. Es handelte sich um einen Mongolismus mit allen typischen körperlichen Merkmalen. Obwohl das Kind noch sehrjung war, konnte ich auch schon deutlich ein Zurückbleiben in der geistigen Entwicklung bemerken. Es befand sich anfangs recht wohl, wurde mit Frauen- und Citrettenmilch ernährt, nahm aber sehr schlecht zu. Am 29.5 trat eine Bronchitis mit leichten Temperatursteigerungen auf. Die Nahrungsaufnahme war von da an sehr schlecht und es verfiel zusehends. Es bekam dauernd Kreislaufmittel. Bis 2.6. hatte es 500g abgenommen. Am 6.6. war bei niedriger Temperatur eine Bronchopneumonie nachweisbar, der das Kind unter zunehmender Kreislaufechwäche am 9.6.43 erlag. Die Eltern hatten auf die Schlechtmeldung hin in der letzten Zeit das Kind mehrmals besucht, es wurde ihnen klar gemacht, dass es sehr lebensschwach sei. Nach dem Tod des Kindes sprach der Vater persönlich vor, zeigte ich aber recht gefasst und vernünftig. Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie irgendwelchen zweifelhaften Gerüchten entsprechendentgegentreten könnten, ist Ihnen doch gewiss selbst auch bekannt, wie groß die Anfälligkeiten und wie gering die Lebenserwartung mongolider Kinder sind. Heil Hitler! Der komm. Direktor Dr. E. Illing, Obermedizinalrat
DÖRR Elisabeth
A Z 459/43
geb.
26.11.1942
eingewiesen durch:
Prof. A . Reuss, Wien
Wien
aufgenommen:
10.2.1944
Aufnahmeuntersuchung:
10.2.1944
Dr. M . Türk
gest.
16.11.1944
2 U h r 30
Todesursache:
Lungenentzündung
gttgl.
ehelich
Pav. 15/Sgl.
Elisabeth ist ein, „seinem Alter entsprechendes großes, gut genährtes Kind mit den typischen Zeichen des Mongolismus", so stellt es Dr. M. Türk bei der Aufnahmeuntersuchung am 10. Februar 1944 fest. (Der Vater befindet sich während dieser Zeit in russischer Gefangenschaft bei Stalingrad!).
97
Elisabeth Dörr/Friederike Dosch
„Das Kind kann bitten und über Verlangen die Hand geben, hat für Spielzeug eigenes Interesse, ist weniger lebhaft als bei der Aufnahme, geht mit Anhalten einige Schritte..." Am 1.9.1944 hält Dr. M. Türk unter anderem in der Krankengeschichte fest: „... Bisher keine merkl. Antriebssteigerung. Kann noch immer nicht alleine laufen. Kein Sprachverständnis, unterscheidet aber den Tonfall, in dem man mit ihr spricht (weint wenn sie z.B. wegen ihres Einnässens ein wenig ausgezankt wird). Lächelt oft freundlich ... hat sich der Mutter entwöhnt, wenn sie das Kind beim Besuch auf den Arm nimmt, streckt es die Arme nach der Schwester aus... "Das kleine Mädchen hat während seines Aufenthaltes wiederholt Durchfall, Husten und Schnupfen. Am 29.10.1944 erkrankt es an Keuchhusten. Am 10.11.1944
verschlechtert sich sein Zustand, die Temperatur steigt auf 40°, eine beginnende Lungenentzündung ist erkennbar, das Kind ist „recht hinfällig", die Mutter wird „vom Zustand des Kindes in Kenntnis gesetzt..."
Am Abend des 15.11.1944 wird Elisabeth „zunehmend unruhig" und stirbt in den frühen Morgenstunden des 16.11.1944 an Keuchhusten und Lungenentzündung.
DOSCH Friederike
A Z 244/41
geb.
6.6.1933
eingewiesen durch:
Spezial Kinderheim Pressbaum/KUST
Wien
r.k.
aufgenommen:
4.8.1941
Pav. 15/P.
12.11.1941
Pav. 17
Aufnahmeuntersuchung:
19. 9.1941
Dr. H . Gross
Meldung:
14.5.1942
gest.
31.7.1942
Todesursache:
Lungenentzündung
ehelich
3 Uhr
Friederikes Vater ist seit Kriegsbeginn eingerückt. Inzwischen muss sich die Mutter einer Strumaoperation unterziehen. Die Großmutter betreut das Mädchen. Nachdem sie dies nicht mehr kann, wird das siebenjährige Kind in das Kinderheim Pressbaum in Anstaltspflege übergeben. Bald darauf nimmt die Mutter die kleine Friederike wieder nach Hause in Eigenpflege. Doch die Mutter leidet anscheinend sehr unter der Abwesenheit ihres Mannes und gibt sich dem Alkohol hin. Als der Vater während eines Front-
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Friederike Dosch/Richard Draskovic
urlaubes das trostlose Bild in der Familie sieht, ersucht er das Bezirksjugendamt Wien 16 um neuerliche Uberstellung des Kindes in eine Anstalt. So kommt das Mädchen am 4. 8.1941 in die Wr. Städt. Fürsorgeanstalt .Am Spiegelgrund". Am 19.9.1941 beschreibt Dr. H. Gross das Kind: „... Sie zeigt während der Untersuchung ein wechselndes Verhalten, manchmal ist sie sehr ängstlich, abwehrend, dann wieder ist sie liebebedürftig, ergreift die Hand des Untersuchers, tätschelt sie, scheint sehr eigenwillig zu sein ... die Sprache ist etwas undeutlich ... körperlich annähernd für sein Alter richtig entwickeltes Kind in gutem Ernährungszustand. Intern und neurologisch: Schwachsinn höheren Grades ..." Das Kind wird weiterhin „beobachtet". Am 25.7.1942 Am 27.7.1942 Am 30.7.1942 Am 31.7.1942
verschlechtert sich plötzlich das Allgemeinbefinden, es wird Bettruhe verordnet. erkrankt das Kind an Lungenentzündung. ergeht die „Schlechtmeldung" ζ η die Mutter. stirbt Friederike an Lungenentzündung.
DRASKOVIC Richard
AZ131/41
geb.
6.7.1938
eingewiesen durch:
Spezial Kinderheim Pressbaum/KUST
Wien
aufgenommen:
4.8.1941
Aufnahmeuntersuchung:
9.8.1941
Dr. M . Hübsch
Meldung:
12.8.1941
Dr. E. Jekelius
gest.
21.12.1941
7 U h r 30
Todesursache:
Lungenentzündung
ev.AB
ehelich
Richard macht in seinem kurzen Leben bereits viele Krankheiten durch (Diphtherie, Keuchhusten, Bronchialkatarrh, häufige Erkältungen). Die Diagnose Mongolismus wird gleich nach der Geburt erstellt. Als Richard ein Geschwisterchen bekommt, wird der kleine Bub auf Anraten des Arztes Dr. Asperger in das Spezial Kinderheim nach Pressbaum gebracht und von dort am 4.8.1941 in die Wr. Städt. Jugendfursorgeanstalt „Am Spiegelgrund" überstellt. Am 12.8.1941 meldet Dr. E. Jekelius das Kind als „unheilbar" dem Reichsausschuss in Berlin.
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Richard Draskovic/Robert Eberlein
Am 10.10.1941
schreibt Dr. H. Gross an die Mutter: „Zu meinem Bedauern muss ich Sie davon in Kenntnis setzen, dass Ihr Sohn Richard seit gestern an hohem Fieber erkrankt ist. Als besorgniserregend ist der Zustand bis jetzt noch nicht anzusehen."
Am 21.12.1941
stirbt das Kind an Lungenentzündung.
EBERLEIN Robert
A Z 278/41
geb.
30.5.1931
eingewiesen durch:
Spezial Kinderheim Pressbaum/KUST
aufgenommen:
4.8.1941
Pav. 11/iSt.
4.6.1942
Pav. 17/Bu.
11.12.1942
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
Chemnitz
23.12.1941
Dr. H . Gross
Meldung:
15.12.1942
Dr. E. Illing
gest.
14.1.1943
14 U h r
Todesursache:
Lungenentzündung
evang.
ehelich
Robert hat nicht das Glück, in eine geordnete Familie hineingeboren zu sein. Alle fünf Geschwister befinden sich in Gemeindepflege, die Eltern sind geschieden, die Mutter ist seh- und hörbehindert. Robert ist taubstumm. Seit seiner Geburt befindet er sich im Taubstummeninstitut Speising, von dort kommt er ins Spezial Kinderheim Pressbaum, von wo er am 4.8.1941 in die Wr. Städt. Jugendfiirsorgeanstalt „Am Spiegelgrund" überstellt wird. Am 14.8.1942 schreibt Dr. H. Gross in der Krankengeschichte u. a. „... Nach ärztlicher Voraussicht wird er nie arbeitsverwendungsfähig werden. " Am 17.9.1942 steht in einem Tagesbericht der Sr. Dw.: „Er zeigt große Freude, wenn man sich mit ihm beschäfiigt. Er zeichnet und schreibt gerne nach. Uberraschend löste er ein Zusammensetzspiel in kurzer Zeit «
Am 3.1.1943:
Am 7.1.1943
„ Wurde am 11. Dez. 1942 nach Pav. iyAls Franz auf die Abteilung kam, hat er sehr geweint, konnte sich stundenlang nicht beruhigen. Er hat sich unauffällig in das Gruppenleben eingelebt. Franz ist ein sehr gutmütiger stiller funge. Tut keinem Kind etwas zu Leide. Nimmt sich sehr der kleinen Kinder an. Wie ζ. B.: Im Garten fiel einmal der Klein Willy und weinte sehr. Franz lief sofort zu ihm hin, streichelte Willy und ging mit ihm solange spazieren, bis Willy sich beruhigt hatte ..." Franz hat keine Uberlebenschance. Das Kind, das bereits bei seiner ersten Aufnahme von Dr. E. Jekelius wegen „aussichtsloser Arbeitseinsatzfähigkeit" dem Reichsausschuss in Berlin gemeldet wurde, hat inzwischen alle seine Fröhlichkeit und sein heiteres Wesen verloren. Noch am Weihnachtsabend freut er sich sehr über ein Spielzeug, das er geschenkt bekommen hat. Am 4.1.1945 erkrankt Franz an Grippe und fiebert hoch. Am 6.1.1945 ergeht wegen des schlechten Allgemeinbefindens eine „Schlechtmeldung" an die Eltern. Als in der Folge eine Lungenentzündung, hohes Fieber und zeitweise Herz- und Kreislaufschwäche dazukommen, „klagt das Kind nicht über Schmerzen, es liegt ganz ruhig". Am 12.1.1945
tritt „mittagsplötzlich Verschlechterung ein", das Kind verfällt in Bewusstlosigkeit, „Puls kaum tastbar ...". Um 16 Uhr 45 stirbt Franz an Lungenentzündung.
ι6ο
Hugo Grones
A Z 208/43
GRONES Hugo geb.
31.3.1928
eingewiesen durch:
Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt Wien
Kempenich
aufgenommen:
29.7.1943
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
29.7.1943
Dr. M . Türk
Meldung:
4.8.1943
Dr. E. Illing
gest.
16.8.1943
15 Uhr 15
Todesursache:
Schwerster allgemeiner Marasmus (Kräfteverfall)
Hugo leidet seit seiner Geburt an Krampfanfällen, die in der Folge immer häufiger werden und die körperliche sowie die geistige Entwicklung sehr behindern. Seit seinem 11. Lebensjahr wächst das Kind in verschiedenen Heimen auf. Am 29.7.1943 wird der Bub mit einem Sammeltransport aus Mönchengladbach nach Wien in die Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt transferiert. Er ist sehr schwach, kann nur auf dem Rücken liegen, da alle vier Extremitäten gelähmt sind. Am 4.8.1943 meldet Dr. E. Illing das „bis zum Skelett abgemagerte Kind" fem Am 10.8.1943
Am 14.8.1943 Am 16.8.1943
Reichsausschuss in Berlin. schreibt Dr . M. Türk in der Krankengeschichte: „... sieht aus wie ein lebender Leichnam. Rührt sich kaum ... Nahrungsaufnahme minimal..." „... ganz elendes Befinden, lebt kaum noch ..." stirbt Hugo an „schwerster allgemeiner Lebensschwäche".
Gertrude Gross
GROSS Gertrude
AZ 76/41
gebeingewiesen durch:
7-4-1939 KÜST
Lundenburg
aufgenommen:
30.5.1941
Pav. 15/1
Aufnahmeuntersuchung:
161
27.9.1941
Pav. 15/Sgl.
25.1.1944
Pav. 15/Sgl.
5.8.1941
Dr. M . Hübsch
26.1.1944
Dr. M . T ü r k
Meldung:
9.8.1941
Dr. E. Jekelius
gest.
1.3.1944
17 U h r
Todesursache:
Lungenentzündung
Zehn Tage nach der Geburt von Gertrude und ihrer Zwillingsschwester Marie stirbt die Mutter im Alter von 36 Jahren. Da die Kinder unehelich geboren wurden, werden sie sofort in das NSV-Heim, 16, Seitenberggasse 12, überstellt. Die beiden Säuglinge entwickeln sich dort nur sehr langsam. Am 5.5.1941 ersucht die Leitung des Heimes die Kinderübernahmesteile um Uberstellung der beiden kleinen Mädchen in ein entsprechendes Heim, da ihr „ Verbleiben in einem Kinderheim fiir normale Kinder nicht möglich ist... ", deshalb wird von Dr. Baar „Beobachtung auf dem Spiegelgrund" beantragt. Die vorliegenden Unterlagen beziehen sich nur auf Gertrude. Am 5.8.1941 wird das Mädchen von Dr. M. Hübsch untersucht. In der zusammenfassenden Diagnose wird festgehalten: „... altersentsprechend großes, anatomisch entsprechend entwickeltes Kind, kann noch nichtfrei stehen, noch nicht gehen und sprechen ... auffallend ist eine gewisse Schlajfheit in der Muskulatur..." Am 16.8.1941 erkrankt das Kind an Angina und wird neun Tage darauf mit Scharlach ins Ottakringer Krankenhaus transferiert. Am 27. 9.1941 wird es vom Spital wieder rücküberstellt. In der Folge verliert Gertrude stark an Gewicht, sie ist sehr unruhig und bekommt öfters Brom-Luminal. Irgendwann im Jahre 1942 wird das Mädchen in das Kinderheim Frischau bei Znaim entlassen, es hat inzwischen laufen gelernt. Am 25.1.1944 wird das Kind erneut in der Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder aufgenommen. Dr. M. Türk stellt einen „Rückgang der geistigen En twicklungfest".
i62 Am 23.2.1944 Am 27.2.1944 Am 1.3.1944
Gertrude Gross/Ingeborg Gross
erkrankt Gertrude an Mumps und hat hohes Fieber. verschlechtert sich das Allgemeinbefinden. stirbt das 5-jährige Kind an Lungenentzündung.
A Z 45/42
GROSS Ingeborg geb.
8.3.1942
Wien
eingewiesen durch:
Gesundheitsamt, Doz. Dr. Bertha
aufgenommen:
12.3.1942
Pav. 1/1
Aufnahmeuntersuchung:
15.3.1942
Dr. H.Gross
Meldung:
17.3.1942
Dr. H.Gross
gest.
28.5.1942
22 Uhr 30
Todesursache:
r. k.
ehelich
Doppelseitige Lippen-Kiefer-Gaumenspalte, diffuse schleimige Bronchitis
Ingeborg wird mit einem so genannten „ Wolfirachen " geboren. Das Kind könnte operiert werden, doch eine Verunstaltung des Gesichtes ist nicht auszuschließen. Vier Tage nach der Geburt wird der Säugling in die Wr. Städt. Jugendfürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund" überstellt und daselbst am 15.3.1942 von Dr. H. Gross untersucht. Das gut genährte Kind zeigt weiters „ keine Auffälligkeiten " außer einer doppelseitigen LippenKiefer-Gaumenspalte. Das ist der Grund, weshalb Dr. H. Gross am 17.3.1942 die Meldung an den Reichsausschuss in Berlin macht. In der Folge geht es dem kleinen Mädchen nicht gut. Abwechselnd hat es Untertemperatur, dann wieder hohes Fieber. Es nimmt stark an Gewicht ab. Am 26.5.1942 erkrankt das Kind an Bronchitis, das Allgemeinbefinden ist schlecht. Am 28.5.1942
stirbt der 11 Wochen alte Säugling mit einem Gewicht von 2 kg 20.
163
Alfred Grossinger
GROSSINGER Alfred
AZ 98/42
geb.
26.5.1938
eingewiesen durch:
Heil- und Pflegeanstalt G u g g i n g
W i e n e r Neustadt
aufgenommen:
20.5.1942
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
21.5.1942
D r . H . Gross
Meldung:
1.7.1942
gest.
23.8.1942
Todesursache:
unbekannt
r.k.
ehelich
3 Uhr
Der kleine Alfred ist ein ruhiges Kind, das keinerlei Auffälligkeiten zeigt. Bis zum achten Lebensmonat hat sich der Bub ganz normal entwickelt, er nimmt Anteil an seiner Umgebung, kriecht am Boden und erkennt seine Kontaktpersonen. Plötzlich aber krampft Alfred, er biegt sich kreuzhohl nach hinten, verkrampft die Händchen und wird ganz rot im Gesicht. Der besorgte Vater bringt das Kind in das Kolschitzky-Kinderspital, wo es drei Monate behandelt und geheilt entlassen wird. Zwar sind die Krämpfe vorbei, aber Alfred kann nicht mehr kriechen wie vorher, und in der Folge kann er nur mit Unterstützung auf den Zehenspitzen gehen. Er ist völlig kraftlos in den unteren Extremitäten. Es wird „Little'sche Krankheit" diagnostiziert, die auch die geistige Entwicklung hemmt. Deshalb wird der kleine Bub in die Pflege- und Beschäftigungsanstalt in Gugging eingewiesen und von dort in die Heilpädag. Klinik der Stadt Wien „Am Spiegelgrund" überstellt, wo er am 20.5.1942 im Pav. 15/P. aufgenommen wird. Am 21.5.1942
nimmt Dr. H. Gross die Aufnahmeuntersuchung vor, während der das Kind „fortwährend leise weint". Am 13.6.1942 verschlechtert sich das Allgemeinbefinden, es erkennt den Vater nicht, als es dieser besucht. Das vierjährige Kind hat nur mehr ein Gewicht von 8,45 kg. Noch zwei Tage vor seinem Tod wird das sehr schwache Kind einer Encephalografie unterzogen, nachdem ihm vorher ein Furunkel in der rechten Brustwarze geöffnet wurde. Am 23.8.1942 Am 24.8.1942
stirbt Alfred in den Morgenstunden. steht im Sektionsbericht: „ Wegen hochgradiger Fäulnis der Leiche konnte eine Obduktion nicht stattfinden."
164
Erich Grössl
GRÖSSL Erich
AZ136/41
geb.
17.4.1935
eingewiesen durch:
SpeziaJ Kinderheim Pressbaum/KUST
Wien
r.k.
aufgenommen:
4.8.1941
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
11.8.1941
Dr. H . Gross
Meldung:
12.8.1941
Dr. E. Jekelius
gest.
2.10.1941
18 U h r 15
Todesursache:
Lungenentzündung
ehelich
Nach einer schweren Geburt entwickelt sich Erich nur sehr langsam. Wegen der „schlechten Wohnverhältnisse" wird das Kind in das Spezial Kinderheim Pressbaum eingewiesen, wo es zwei Jahre verweilt. Im abschließenden ärztlichen Befund steht u. a .·.„... Er hat sich gut entwickelt und ist vollkommen gesund ...er ist ständig bettlägerig ... bedarf ständiger Pflege und Aufsicht, zur Abgabe in häusliche Pflege daher vollkommen ungeeignet..." Am 4.8.1941
wird der kleine Bub im Pav. 15 der Wr. Städt. Jugendfürsorgeanstalt ,Λιη Spiegelgrund" aufgenommen und eine Woche später von Dr. H. Gross der Aufnahmeuntersuchung unterzogen. Bereits am nächsten Tag macht Dr. E. Jekelius Meldung an den Reichsausschuss in Berlin. In einem Schwesternbericht (ohne Datum) ist vermerkt: „Zeitweise weint er sehr stark — ohne anscheinend äußeren Anlass. " Am 20.9.1941
vermerkt Dr. H. Gross: „Das Kind verfällt immer mehr. Sehr starke Gewichtsabnahme." Am 28.9.1941 steht in einem weiteren Schwesternbericht u. a: „Das Kind liegt immer teilnahmslos, legt mit Vorliebe die Hände unter den Kopf. Essen tut es gut. Weiteres kann man von dem Kind nicht berichten, da es immer liegt. " Vier Tage darauf stirbt Erich in den Abendstunden an Lungenentzündung. Im Sektionsbericht ist u. a. ein „pfennigstückgroßes Magengeschwür" erwähnt.
165
Franz Grösz
GRÖSZ Franz
AZ 453/42
geb.
27.11.1939
eingewiesen durch:
Heil- und Pflegeanstalt G u g g i n g
Zwettl
aufgenommen:
26.1.1943
Aufnahmeuntersuchung:
28.1.1943
Dr. H . Gross
Meldung:
8.2.1943
Dr. E. Illing
gest.
8.2.1943
4 Uhr
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
unehelich
Pav· 15/P.
Der kleine Franz wächst abwechselnd bei der Großmutter, bei Onkel und Tante und der Mutter auf. Mit 1 Vi Jahren erkrankt das Kind an Fraisen, die durch Schrecken bei einschlagendem Blitz ausgelöst wurden. Die geistige und körperliche Entwicklung ist stark beeinträchtigt. Das besonders liebe- und anlehnungsbedürftige Kind wird deshalb in die Pflege- und Beschäftigungsanstalt Gugging eingewiesen und von dort nach ca. einem 3A Jahr in die Wr. Städt. Nervenklinik fiiir Kinder, Baumgartnerhöhe, transferiert. Am 28.1.1943
Am Am Am Am
4.2.1943 5.2.1943 6.2.1943 8.2.1943
nimmt Dr. H. Gross die Aufnahmeuntersuchung vor. Das „Kind lächelt auf freundliches Zureden", eine beiderseitige Amaurose (starke Sehschwäche) wird vermutet. verschlechtert sich das Allgemeinbefinden. erkrankt das Kind an Lungenentzündung. steht in den Unterlagen: „Nimmt keine Nahrung zu sich". stirbt Franz an Lungenentzündung.
Im Sektionsprotokoll vom 8.2.1943 steht: „Die kindliche Leiche wurde zum Zwecke wissenschaftlicher Erforschung zunächst in toto (im Ganzen) konserviert. "
166
Erich Gruber
A Z 43/44
GRUBER Erich geb.
7.8.1942
eingewiesen durch:
Dr. PetrikyBezirksgesundheitsamt Wien 2
Wien
r.k.
aufgenommen:
6.5.1944
Pav. 15/Sgl.
Aufnahmeuntersuchung:
6.5.1944
Dr. M . T ü r k
Meldung:
24.10.1944
Dr. E. Illing
gest.
16.12.1944
11 U h r 30
Todesursache:
Epileptischer Dauerkrampf
ehelich
Erich entwickelt sich bis zum 7. Lebensmonat ganz normal. Plötzlich treten am Tag und in der Nacht wiederholt Krämpfe auf, vor denen das Kind aufschreit. Die besorgte Mutter bringt den kleinen Buben in das Leopoldstädter Krankenhaus, von dort wird er in die Wr. Univ. Kinderklinik zu Prof. Dr. Hamburger überstellt. Am 6.5.1944 wird Erich in der Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder im Pav. 15 aufgenommen und von Dr. M. Türk untersucht: „... es handelt sich um ein seinem Alter entsprechend großes, ziemlich kräfiiges, gut genährtes Kind, das frei laufen kann ..., es ist sehr unruhig ... der Pflegewechsel hat auf das Kind keinen besonderen Eindruck gemacht, es schreit viel ohne ersichtlichen Grund..." In der Folge treten täglich mehrere epileptische Anfälle auf, bei denen das Kind auch kurzfristig das Bewusstsein verliert, nachher aber gleich wieder weiter läuft und spielt. Zusätzlich beeinträchtigt auch eine Kopfhauterkrankung das Befinden des Kindes. Am 3.8.1944
steigt das Fieber „ohne ersichtliche Ursache"auf 390. Der Bub sieht
schlecht aus, nimmt wenig Nahrung zu sich, erbricht öfters ... wird eine lumbale Encephalografie vorgenommen, danach häufen sich die Anfälle. Am 16.12.1944 setzt um 9 Uhr ein „status epilepticus" ein, während dem Erich um 11 Uhr 30 stirbt. Der Sektionsbefund ergibt: „ Tuberöse Sklerose, bds. Nierenzysten und Lungenentzündung". Am 27.9.1944
167
Heidi Grube
GRUBE Heidi
AZ195/43
geb.
19.1.1934
eingewiesen durch:
Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt Wien
Lübeck
aufgenommen:
24.9.1943
Pav. 15/Kr.
Aufnahmeuntersuchung:
28.9.1943
Dr. M . T ü r k
gest.
29.11.1943
1 Uhr
Todesursache:
Grippe, Lungenentzündung
Heidi leidet seit der fünften Lebenswoche an Krämpfen und Darmsteifiing. Seit Sommer 1935 ist sie wegen Ernährungsstörungen und krampfartigem Schlucken in ärztlicher Behandlung. Das kleine Mädchen wird am 20.7.1936 im Krankenhaus Lübeck wegen eines gutartigen Lipoms (Fettgeschwulst) in der linken Wange operiert. Leider bleibt ein Teil zurück und es entsteht eine Phlegmone (eitrige Entzündung des Zellgewebes). Da die Schwellung der linken Wange schon seit Geburt besteht ist auch der Mund verzogen, die linke Ober- und Unterlippe sowie die linke Zungenhälfte sind geschwollen. Das Kind befindet sich seit 8.3.1939 zur Beobachtung in den Alsterdorfer Anstalten in Hamburg, „da sich zu Hause noch kleine Geschwister befinden, ist ein Verbleib in den hiesigen Anstalten dringend geboten " (lt. Dr. Kreyenberg, ärztl. Leiter). Doch Heidi ist meist zufrieden und ruhig, spielt gerne mit Bausteinen und ihrer Puppe und interessiert sich an Bilderbüchern. Vor allem singt sie gerne und richtig. Am 17.8.1943 wird das Kind mit einem Sammeltransport von Frauen und Kindern „wegen schwerer Beschädigung der Anstalten durch Fliegerangriffverlegt nach Wien ". Zunächst werden die Ankömmlinge in der Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt aufgenommen. Von dort wird Heidi am 24. Sep. 1943 in den Pav. 15 transferiert und am 28.9.1943 von Dr. M. Türk untersucht. Die Diagnose lautet u. a.: „... Verdacht auf tuberöse Sklerose (seltenes angeb. Leiden mit Hirnmissbildung, knot. Veränderungen innerer Organe und der Haut), die Entstellung des Gesichtes durch die Schwellung der linken Wange und ein besonders großer Naevus (hornhautartiges Muttermal), der sich von der linken Wange über die ganze linke Halsseite bis zum Handgelenk ausbreitet..." Am 29.9.1943 wird das Kind einer lumbalen Encephalografie unterzogen, das Ergebnis lautet: „... zeigt keine Abweichung von der Norm ..."
ι68 Am 22.10.1943
Heidi Grube
hat Heidi einen kurzen epileptischen Anfall mit Bewusstlosigkeit. Seither wirkt sie „müde und interesselos".
In der Folge leidet das Kind tagelang an Durchfällen, die Temperatur steigt an. Am 27.11.1943
steht in der Krankengeschichte: „Schlechtes Allgemeinbefinden, 40,1 0 Fieber."
Am 29.11.1943
stirbt Heidi nach Mitternacht an Grippe und Lungenentzündung.
Der Obduktionsbefund ergibt keine Anhaltspunkte für tuberöse Sklerose!!! Am 18. Jän. 1944 schreibt die Mutter von Heidi Grube an den Leiter der Wagner v. Jauregg-Anstalt in Wien: „... Heute bekam ich das Paket, welches ich meiner Tochter Heidi zu Weihnachten schickte, die von Alsterdorfer Anstalt in die dortige gekommen ist, zurück mit dem Vermerk gestorben. Wie das auf eine Mutter wirkt, werden Sie nicht ahnen. Ich bitte Sie nun mir mitzuteilen, wann und woran ist meine Tochter gestorben? Lag es an ihrem ganzen Zustand oder kam noch etwas hinzu? Wie und wo ist sie beerdigt, besteht noch eine Möglichkeit, die sterblichen Reste, vielleicht die Asche, nach hier zu bekommen? Wir haben Heidi leider, wegen unserer zwei anderen Kinder, die gesund sind, nicht Zuhause haben können, haben aber immer die feste Absicht gehabt, sie einmal hier bei uns schlafen zu lassen und ihr Grab schön mit bunten Blumen, die sie so liebte, zu pflegen. In Alsterdorf konnte sie einer von der Familie jeden 2. Sonntag besuchen und sich über ihr Befinden erkundigen usw. Weshalb haben Sie mir keine Nachricht gegeben, wenn sie krank gewesen ist und weshalb haben Sie mir den Tod nicht angezeigt? Wir haben monatlich einen Betrag an die Anstalt gezahlt, wir haben sie gekleidet und haben nun auch verschiedenes durch ihren Tod zu ... (unlesbar), das kann ich aber nicht, wenn ich nichts Positives in den Händen habe. Durch Zufall las ich die Postkarte, die dem zurückgeschickten Paket vorausgeeilt war und habe am 12. fänner ein Telegramm an Sie geschickt, bisher aber auch noch keine Antwort erhalten ..." Unterschrift der Mutter Am 4.2.1944 schreibt Dr. E. Illing an die Mutter u. a.: „... bei der Schwere ihres Grundleidens — es handelte sich um ein hirnorganisches Leiden mit schweren Krampfanfallen und hochgradiger geistiger Rückständigkeit — bestand keine Hoffnung auf Besserung des körperlichen und geistigen Zustandes. Das Kind wäre, wenn es der Grippe gegenüber nicht so geringe Widerstandskraft gezeigt hätte, dauernd anstaltsbedürftig geblieben ..."
169
Brigitte Gruber/Marie Gruber
GRUBER Brigitte geb.
A Z 282/43 31.8.1943
eingewiesen durch:
Wien
ehelich
r.k.
KÜST
aufgenommen:
14.9.1943
Aufnahmeuntersuchung:
15.9.1943
Pav. 15/Sgl. Dr. M . Türk
gest.
11.10.1943
4 Uhr
Todesursache:
Allgemeine Lebensschwäche
Das 2 VJ Wochen alte Mädchen wird am 14.9.1943 in der Wr. Städt. Nervenklinik fur Kinder aufgenommen. „Das Kind ist noch sehr zart und zeigt in noch nicht ganz ausgeprägter Form Zeichen eines Mongolismus", wie Dr. M. Türk in der Aufnahmeuntersuchung feststellt. „Psychisch noch kein Abweichen von der Norm feststellbar. Das Kind bewegt sich lebhaft und schreit, wenn es hungrig ist... " In der Folge trinkt das Kind schlecht, durch mangelhafte Funktion des Kreislaufes ist es oft etwas bläulich. Es erkrankt an Bronchitis. Am 11.10.1943 stirbt das kleine Mädchen an allgemeiner Lebensschwäche. Im Sektionsprotokoll ist „Lungenentzündung" vermerkt.
GRUBER Marie
A Z 363/43
geb.
15.4.1939
eingewiesen durch:
Pflege- und Beschäftigungsanstalt Gugging
Unteramt/Landkreis Scheibbs
aufgenommen:
16.11.1943
Aufnahmeuntersuchung:
20.Ii.1943
Meldung:
30.11.1943
Dr. M . Türk Dr. E. Illing
gest.
21.2.1944
14 Uhr 50
Todesursache:
Lungenentzündung
Marie wächst in einer Familie mit drei Geschwistern in einer kleinen Landwirtschaft in Niederösterreich auf. 1 Vi Jahre entwickelt sich das kleine Mädchen gut. Doch plötzlich wird das Kind „auffallig", es hat Störungen beim Gehen, ist oft weinerlich, kann nicht allein essen, die Sprachentwicklung ist gehemmt. Im Jänner 1943 wird Marie in der Pflege- und Beschäftigungsanstalt in Gugging aufgenommen. Dort macht sie aber keine entwicklungsmäßigen Fortschritte und wird
170
Marie Gruber/Anna Grünanger
am 16.11.1943 in die Wir. Städt. Nervenklinik fur Kinder, Baumgartner Höhe, überstellt. Am 20.11.1943
nimmt Dr. M. Türk die Aufnahmeuntersuchung vor. Das Kind, dessen „Gesicht rundlich, nicht unhübsch" ist, wird einer lumbalen Encephalografie unterzogen. Das Ergebnis ist nicht aufschlussreich für eine weitere medizinische Diagnose. In der Folge hat Marie auch für Spielzeug kein Interesse mehr. Ihr Appetit ist mäßig, zeitweise leidet sie an Durchfällen.
Am 17.2.1944
erkrankt das Kind an „heftigen katarrhlichen Erscheinungen der oberen Luftwege", es fiebert hoch. Am 18.2.1944 verschlechtert sich das Allgemeinbefinden, es ergeht eine „Schlechtmeldung an die Eltern ". Am 21.2.1944 stirbt Marie an Grippe-Lungenentzündung. In einem Telegramm an die Nervenklinik ersuchen die Eltern um Beerdigung in Wien „mit Einsegnung durch einen kath. Priester". Sie selbst können nicht teilnehmen.
A Z 386/42.
GRUNANGERAnna geb.
29.10.1941
eingewiesen durch:
Dr. Zederbauer, Mutterberatungsstelle Wien 21
Wien
aufgenommen:
17.11.1942
Pav. 15/Sgl.
Aufnahmeuntersuchung:
20.11.1942
Dr. M . Türk
Meldung:
21.Ii.1942
Dr. E. Illing
gest.
6.12.1942
24 U h r
Todesursache:
Grippe-Lungenentzündung
evang.
ehelich
Die i-jährige Anna wird am 17.11.1942 in der Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder über einen Arzt der zuständigen Mutterberatungsstelle im Pav. 15 aufgenommen. Am 20.11.1942 nimmt Dr. M. Türk die Aufnahmeuntersuchung vor. Das Kind ist physisch und psychisch nicht ganz seinem Alter entsprechend entwickelt. Es zeigt mongolide Züge. Bereits am nächsten Tag, am 21.11.1942, meldet Dr. E. Illing das kleine Mädchen an den Reichsausschuss in Berlin. Eine Woche später erkrankt Anna, sie hat hohes Fieber, „Mund- u. Rachenhöhle sind von eitrigen Schleimmassen erfüllt..."
171
Anna Grünanger/Franziska Grurl
Am 5.12.1942 Am 6.12.1942
verschlimmert sich der Zustand zunehmend, nächsten Tag ergeht eine „Schlechtmeldung an die Eltern ". stirbt das Kind mit 41,4° Fieber an Grippe-Lungenentzündung.
GRURL Franziska
A Z 331/43
geb.
21.5.1932
eingewiesen durch:
Reichsstatthalter Oberdonau
Linz/D.
aufgenommen:
14.10.1943
Pav. 17/Beob.
28.12.1943
Pav. 15/Kr.
Aufnahmeuntersuchung:
14.10.1943
Dr E. Illing/Dr. M . Türk
Meldung:
8.12.1943
Dr. E. Illing
gest.
21.3.1944
17 Uhr 20
Todesursache:
Im status epilepticus
ehelich
Franziskas Mutter stirbt, als das Kind 7 V2 Jahre alt ist, an Lungenentzündung, Herzschwäche, Syphilis. Vermutlich hat sich das Kind im Mutterleib angesteckt. Es leidet häufig an Krampfanfällen, bei denen es auch bewusstlos wird. Beide Beine sind fast gelähmt, Plattfuße erschweren das Gehen zusätzlich. Eine Hüftluxation verunstaltet die Körperhaltung. Uber das zuständige Fürsorge- u. Jugendamt wird das Mädchen in die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder gebracht. Am 8.12.1943 meldet Dr. E. Illing das Kind an den Reichsausschuss in Berlin und schreibt an den Reichsstatthalter in „ Oberdonau ", dass „es zumindest für drei Monate der Behandlung und Belassung in der hiesigen Anstalt bedarf', er stellt weiters fest, dass Franziska „weiterhin bildungs- u. arbeitsunfähig ist und bleiben wird". In der Folge häufen sich die epileptischen Anfälle bis zu 19-mal am Tag. Am 21.3.1944 stirbt das Kind während eines 3 Vi-stündigen schweren Anfalls, bei dem es das Bewusstsein nicht mehr erlangt. Erstes Schreiben der Stiefmutter von Franziska G R U R L an die Leitung der Nervenklinik f. Kinder: Werte Frau Leiterin! Ersuche die liebe Frau Leiterin mir über das Befinden meines Kindes Franzi GRURL und ihren Krankheitszustand bekannt zu geben. Bitte, ist es schon besser, oder wird es nie mehr anders. Schreiben Sie, liebe Frau Leiterin ganz offen, es ist uns am liebsten
172.
Franziska Grurl/Herta Gschwandtner
die Wahrheit zu hören. Möchtegerne mein armes Kind besuchen, dochfiirchteich, dass es wieder Heimweh bekommt. Bitte sagen Sie mir ob es folgsam ist und brav. Grüße an mein liebes Kind Unterschrift der Stiefmutter Zweites Schreiben der Stiefmutter von Franziska Grurl, das am 16. 3. 1944 in der Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder ankommt: Werte Verwaltung! Ich ersuche mir mitzuteilen über das Befinden meines Kindes Franziska Grurl. Wie gerne möchte ich mein Kind endlich im Kreise meiner Familie wieder gesund sehen. Bitte schreiben Sie mir ganz offen wie es steht, ob man noch hoffen kann. Mir ist ganz oft ums Herz schwer, mir ist oft der Gedanke es wird nie mehr gesund. Bitte was ist mit den Anfallen und Füßen? Unterschrift der Stiefmutter
GSCHWANDTNER Herta
A Z 359/43
geb.
19.4.1942
eingewiesen durch:
Reichsstatthalter Linz
Bad Ischl
aufgenommen:
16.11.1943
r.k.
ehelich
Pav. 15/Sgl.
Aufnahmeuntersuchung:
17.11.1943
Dr. M . T ü r k
Meldung:
17.5.1943
Dr. Albert Meiers/Bad Ischl
gest.
27.Ii.1943
6 Uhr 30
Todesursache:
Akuter Kehlkopfkatarrh, Lungenentzündung
Herta ist bis zum Ende des ersten Lebensjahres ein ruhiges Kind, dann fängt es zu spielen an und beobachtet die Vorgänge in ihrer Umgebung. Der Vater ist eingerückt. Da das kleine Mädchen mongolid ist, wird über den zuständigen „Gaufürsorgeverband" der Antrag um Aufnahme des Kindes in der Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder gestellt. Am 17.11.1943 erfolgt die Aufnahmeuntersuchung durch Dr. M. Türk: „... das mongolide Kind istfür sein Alter wohl zurückgeblieben, doch man kann es nicht als idiotisch bezeichnen ... das Kind sitzt, steht und kann mit Anhalten gehen ... lebhafter Bewegungsdrang..."
Herta Gschwandtner
173
Am 21.Ii.1943
erkrankt das kleine Mädchen an Husten und hat hohes Fieber, das in den nächsten Tagen weiter steigt. Am 26.11.1943 fiebert das Kind über 40°. Am 27.11.1943 stirbt Herta in den Morgenstunden „plötzlich"an akutem Kehlkopfkatarrh und Lungenentzündung. Schreiben der Mutter von Herta Gschwandtner vom 17.11.1943 an die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder: An die Klinik! Nun erlaube ich mir einige Zeilen zu senden und möchte vielmals ersuchen um eine Bescheinigung von der Klinik, dass ich selbst mein Kind hinunterbrachte, damit ich einen Beweis beim Fürsorgeamt vorlegen kann für die Fahrtvergütung. Indem ich voller Aufregung war, habe ich ganz vergessen dies zu verlangen. Dann zweitens möchte ich auchfragenob ich die Lebensmittelkarte fürs Herthalein abgeben muss indem ich sie noch erhielt und auch mit hatte, wofür ich auch ganz vergaß zu fragen ob ich sie in der Klinik abgeben muss, ansonsten wäre ich halt sehr sehr dankbar, wenn ich siefur meinen Mann als Zubuße verwenden dürfte, weil er zu Weihnachten auf Urlaub kommt und wir unser Kind besuchen wollen, indem man doch wieder zur Abreise etwas mitgeben muss und unsere Karten nicht ausreichend ist... mit deutschem Gruß Unterschrift der Mutter 10 Tage später, am 27.11.1943 (Todestag des Kindes) antwortet Dr. E. Illing der Mutter: „Ihre kleine Herta muss sich auf der Reise hierher erkältet haben, da sie gleich in den ersten Tagen mit hohem Fieber und einem Katarrh der oberen Luftwege erkrankt ist ... Durch entsprechende Behandlung ist bereits eine leichte Besserung eingetreten. An die Pflegeschwestern hat sich das Kind bereits gewöhnt. Beiliegend die gewünschte Bestätigung zur Erlangung der Fahrtvergütung. Es ist unbedingt nötig, dass Sie ehestens die Abmeldebestätigungfür die Lebensmittelkarten vom Tage der Aufnahme an uns hierher senden. Die Karten sind hierfür bei der Kartenstelle abzugeben. Es kommt nicht in Frage, dass Sie die Karten für andere Zwecke verwenden dürfen." Unterschrieben Dr. E. Illing (Vom Tod der Tochter erfährt die Mutter in diesem Schreiben nicht!!!!) Am 24. 1. 1944 schreibt die völlig verzweifelte Mutter der kleinen Herta Gschwandtner an Dr. E. Illing und die Pflegeschwestern:
174
Herta Gschwandtner
An den Herrn Doktor und die lieben Schwestern! Entschuldigen Sie mir vielmals, dass ich Herrn Doktor und auch die lieben Schwestern mit einigen Zeilen belastige indem ich mich halt noch ganz und gar in Verzweiflung befinde über den schnellen Tod meines Kindes Herta Gschwandtner aus Bad Ischl. Ja lieber Herr Doktor, ich kann es halt noch immer nichtfassen, dass mein liebes Herthalein so schnell mir davon ging, so rasch musste sie sterben. Am 2j.11. wird es schon bald 2 Monate und mir ist heute noch ich muss mein liebes braves Herthi noch sehen und so derart Heimweh hatte mein (vermutl. Kosename — nicht lesbar). Und so zugetan war mein Kind. Bitte Herr Doktor schauen Sie, muss ich nicht jetzt doppelt den Schmerz tragen, da mir die Leute direkt ins Gesicht sagen nun habt Ihrs halt vergiftet, sozusagen beseitigt. Furchtbares kam schon über mich und noch dazu weiß ich, dass meine liebe Herta an ihrer Krankheit gestorben ist. Nun lieber Herr Doktor, viel tröstlicher wäre ich wenn es in meinen Armen gestorben wäre. 10 Tage wartete ich so mit Sehnsucht auf eine Post von meinem lieben Herthi und leider zu spät, ich bekam alle 3 Post unter 3 Stunden, es war schon viel zu spät. Ist das nichtfurchtbarfür eine Mutti, welche ihrem Kind so gut und zugetan, es war mein alles der Welt. Sie war nicht so dumm wie man mir sagte, denn wenn sie 6—j Fragen zu beantworten weiß, so war's auch keine von den Dümmsten. So ein lustiges Wesen war's, an allem hatte es Interesse ... zum Laufen hat sie mit 19 Monaten alleine angefangen, sowie auch ihre Mutti 18 Monate alt wurde man kann daher nichts erzwingen, es kommt von selbst, fa Herr Doktor und liebe Schwester, was soll ich machen, ich kann mich ohne mein lieb Herthi gar nicht mehr glücklich fühlen, meine größte Freude ist mir genommen worden ...es ist am besten ich gehe auch bald zu meinem lieben braven Herthi, welche ganze Nächte durchschlief und so brav stundenlang spielte. Auch den lieben Schwestern möchte ich noch vielen Dank schreiben für ihre Bemühungen mit meinem Kinde, daher bitte ich um genaue Adresse. Nun lieber Herr Doktor, ich kann Ihnen wohl sagen, dass mein Trost wäre wenn ich vielleicht zu meinem lieben Herthi komme, denn ich hatte es zu lieb und kann nicht mehr leben ohne sie. Ich bin ganz und gar gebrochen, mich freut das Schönste nicht mehr auf der Welt. Meine Auslagen der Überführungskosten haben einen ziemlich hohen Tarif gehabt — 600 Mark, was ich mir leider sehr mühsam ersparte gab ich aus für unser liebes Kind Herthi. Mein Mann weinte genauso wie ich als er von Berlin zum Begräbnis kam. Wir können es bis heute noch nicht glauben, dass unser Kind Herthi nicht heilbar gewesen wäre, denn da gibt es viel ärgere Fälle als unser lieb Herthi gewesen ist. Bitte Herr Doktor, sind Sie so liebenswürdig und schreiben Sie mir noch näher Bescheid was aus unserem Herthi doch geworden wäre, ich glaube einfach nicht, dass unser Kind dumm geblieben wäre. Bin deshalb ganz untröstlich. Für mein Kind opfere ich gern mein Leben, mir wurde meine größte Freude genommen ...
Herta Gschwandtner
175
Entschuldigen Sie mir vielmals meine schlechte Schrift, welche ich mit sehr verweinten Augen schrieb. Die besten Grüße erlaubt sich zu senden an Herrn Doktor und lieben Schwestern. Unterschrift der Mutter Am 29.1.1944 antwortet Dr. E. Illing:
An Frau Luise Gschwandtner, per Adresse Mit großem Bedauern habe ich aus Ihrem ausführlichen Brief von 24.1.1P44 entnommen, dass Sie über das Ableben Ihres Töchterchen Herta noch so viel Herzeleid immer wieder haben. Ich bestätige Ihnen gerne, dass die geistige Rückständigkeit bei Herta nur mittelgradig, aber keineswegs erheblichen Grades war. Herta litt an einem sogenannten Mongolismus. Da keine weiteren Fälle in der Familie bekannt sind, ist auch eine Erbkrankheit im Sinne des Gesetzes nicht anzunehmen. Ganz abgesehen vom Kriege ist leider bei dieser Krankheitsform die Lebenserwartung und Widerstandsfähigkeit gegenüber anderen Kindern leichten Erkältungskrankheiten ungewöhnlich gering. Mehr als 50 von 100 mit diesem Krankheitsbild geborenen Kinder starben (nach Statistiken aus sämtlichen großen Ländern und auch aus den Vereinigten Staaten) bereits vor Völlendung des 3. Lebensjahres, nur wenige kommen in ein Alter über 15 Jahre. In meiner vieljährigen fachärztlichen Tätigkeit habe ich selbst mehrere hundert derartige Kinder gesehen und zum Teiljahrelang betreut. Dabei habe ich wiederholt diese geringe Widerstandsfähigkeit gegen Erkältungskrankheiten gesehen, die sich in auffallig gehäufter Weise zu einer Lungenentzündung mitunter in wenigen Stunden entwickeln und dann nicht selten in 12-36 Stunden trotz aller ärztlichen Bemühungen zum Tode führen. So war es leider auch bei Ihrem Töchterchen, die im Übrigen ohne leiden zu müssen, ruhig eingeschlafen ist. Trotz der noch hier gezeigten gewissen geistigen Regsamkeit wäre Herta aberfür eine Völksschule sicherlich nie geeignet gewesen. Es wäre sogar sehr fraglich gewesen, ob sie jemals hilfischulreifgeworden wäre, voraussichtlich wäre sie eher oder späterfür viele Jahre anstaltspflegebedürftig geworden. Unter Berücksichtigung dieser ungünstigen Aussichten ist natürlich das Ableben in gewisser Beziehung als eine Erlösung anzusehen. Energisch verwehre ich mich dagegen, dass Ihr Töchterchen irgendwie vergiftet oder „beseitigt" worden ist. Ich bitte Sie auch derartigen Gerüchten energisch entgegen zu treten, erforderlichen Falles würde ich gegen derartige Gerüchtemacher Strafanzeige erstellen. Mit gutem Gewissen kann ich Ihnen versichern, dass Herta, wie auch die Leichenbeschau ergeben hat, eine Lungenentzündunggehabt hat und daran gestorben ist. Der Direktor Dr. E. Illing
176
Ilse Gübler
GÜBLER Ilse
AZ 48/41
geb.
7.6.1939
eingewiesen durch:
KUST
Wien
aufgenommen:
17.4.1941
Aufnahmeuntersuchung:
2.5.1941
Meldung:
31.5.1941
gest.
3θ.7·ΐ94ΐ
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
unehelich
Dr. H . Gross
Ilse ist nach einer lange dauernden Geburtsphase scheintot. Nach Wiederbelebungsversuchen treten Krämpfe auf, weshalb das Kind wegen Lebensschwäche mehrere Wochen im Krankenhaus bleiben muss. Da es nur sehr schwer Nahrung zu sich nehmen und behalten kann, wird das kleine Mädchen nach drei Monaten in die Wr. Univ. Kinderklinik eingewiesen. Dort kann keine klare Diagnose erstellt werden. Die Mutter holt das Kind wieder nach Hause. In der Folge erkrankt es an Masern, Röteln, Keuchhusten und einem Säuglingsekzem. Wegen einer neuerlichen Schwangerschaft muss die Mutter das Töchterchen der Kinderübernahmesteile übergeben. Von dort wird Ilse an die Wr. Städt. Jugendfürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund" überstellt Am 2.5.1941
Am 29.5.1941 Am 31.5.1941 Am 31.7.1941
nimmt Dr. H. Gross die Aufnahmeuntersuchung vor. Im körperlichen Befund hält er u. a. fest: „... ein für sein Alter zu kleines, untergewichtiges Kind, das sehr unruhig ist, jede Annäherung und Beschäftigung mit großem Geschrei quittiert... "Im psychischen Verhalten wird u.a. festgehalten: „ Währenddes hiesigen Aufenthaltes lernte es weder sitzen noch stehen ..." wird das Kleinkind einer Encephalografie unterzogen. In der Folge erkrankt es mehrmals an starken Durchfällen. erfolgt die Meldung an den Reichsausschuss in Berlin, Diagnose: „Microcephalic, Idiotie". stirbt das zweijährige Mädchen an Lungenentzündung
177
Adolf Guttmann
GUTTMANN Adolf
AZ 576/42.
geb.
12.6.1941
eingewiesen durch:
Wr. Univ. Kinderklinik/KÜST
Rastenfeld/Kr.
aufgenommen:
30.3.1943
Pav. 15/1.
Aufnahmeuntersuchung:
2.4.1943
Dr. M . Türk
Meldung:
15.4.1943
Dr. E. Illing
gest.
18.6.1943
15 Uhr
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
ehelich
Der kleine Adolf wächst in einer Familie mit sechs Geschwistern auf. Seit der Geburt entwickelt sich das Kind gut, ist sehr lebhaft und nie krank. Mit sechs Monaten vergrößert sich der Kopf plötzlich enorm und der Bub nimmt stark an Gewicht ab. Er wird zur Beobachtung und Behandlung in die Wr. Univ. Kinderklinik, Abt. Prof. Dr. Hamburger, eingewiesen. Am 13.3.1943 schreibt Doz. Dr. Elmar Türk von der Univ. Kinderklinik an Dr. E. Illing:
Sehr geehrter Herr Primarius! Entsprechend der telefonischen Vereinbarung schicke ich Ihnen in der Beilage einen Wunschzettel betreffend das Kind G UTTMANN Adolf mit dem großen Hydrocephalus (Wasserkopf). Ich hoffe, dass Sie dadurch nichtsehr belastet werden. Es handelt sich eigentlich nur um die unter „klinischer Kontrolle" zusammengefasste Ablesung und Untersuchung, alles andere tritt erst post mortem in Kraft. Mit vielem Dank im voraus und Heil Hitler Ihr ergebener
Doz. Elmar Türk Und hier der Wunschzettel von Doz. Dr. E. Türk:
Das lebensunfähige, tuberkulin-negative Kind wurde als Kontrolle fur einen Versuch über den Schutzwert der BCG-Impfung am 10.7.1942 in der rechten Glutäalgegend mit virulenten Tb. Baz. cutan infiziert. Es bildet sich ein exp. Primärkomplex, bei dem seit einiger Zeit die regionäre Drusefistelt.Ich würdefur den Fall des Ablebens des Kindes bitten mich zu verständigen, damit ich bei der Leichenöffnung anwesend sein kann, da ich vorhabe, verschiedene histologische Untersuchungen machen zu lassen. Über die Lokalveränderungen würde ich bitten in 1-2 wöchentlichen Abständen ganz kurze Notiz zu fuhren und wenn die Möglichkeit besteht in 1-2 Monatsabständen eine Röntgenuntersuchung aufKalkablagerung im Primärherd und reg. Druse zu machen ... Sollte aus irgendeinem Grund meine Anwesenheit bei der Autopsie nicht möglich sein, so bitte ich um Folgendes:
178
Adolf Guttmann/ Wilfried Gyergyai-Haardt
Histologische Untersuchung der Lokalveränderung Histologische Untersuchung der Nieren wegen ev. Kalkherde (bekam seinerzeit große Vigantoldosen) Histologische Untersuchung auch der wichtigen übrigen Organe wegen Tbc und Verkalkungen. Dr. E. Türk Univ. Kinderklinik Am 30.3.1943
wird Adolf in der Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder im Pav. 15 aufgenommen.
Am 2.4.1943
erfolgt die Aufnahmeuntersuchung durch Dr. M. Türk: „der 1 3A Jahre alte Knabe ist sehr zart und blass ... auffallig ist der mächtig vergrößerte Hirnschädel... der größte Schädelumfang beträgt 66 cm ... der Kopf hat schätzungsweise ein Gewicht von 5 kg ... der Gesichtsschädel ist schmal und zart... das Kind ist still und friedlich, lacht gelegentlich, wenn man es an der Wange streichelt... über Sippe und Vorgeschichte ist bis jetzt nichts bekannt geworden
Am 7.4.1943 Am 16.6.1943 Am 18.6.1943
fiebert Adolf. In der Folge wird das Kind weiteren Untersuchungen unterzogen. Es erbricht tagelang. verschlechtert sich das Allgemeinbefinden. Neben hohem Fieber tritt eine zunehmende Kreislaufschwäche ein. stirbt der kleine Bub an Lungenentzündung.
GYERGYAI-HAARDT Wilfried
A Z 13x744
geb.
28.5.1942
eingewiesen durch:
Prof. Dr. Hamburger/Wr. Univ. Kinderklinik
Wien
gttgl.
aufgenommen:
21.11.1944
Aufnahmeuntersuchung:
22.11.1944
Dr. M . Türk
gest.
6.4.1945
23 Uhr 15
Todesursache:
Darmentzündung mit Kreislaufschwäche
ehelich
Wilfried ist ein kräftiges Kind, das nach langer Geburtsdauer (20 Stunden) zur Welt kommt. In der Folge erweist sich der sehr liebebedürftige Bub als besonders zärtlich und anschmiegsam. „Er will gerne getragen werden und legt die Armchen
Wilfried Gyergyai-Haardt
179
um den Hals des Erwachsenen ". Wegen anscheinend motorischer Unruhe, die zwischendurch Zwangsbewegungen auslöst, wird das Kind vom zuständigen Hausarzt „mit Verdacht auf Taubstummheit" in die Wr. Univ. Kinderklinik zu Prof. Dr. Hamburger eingewiesen. Was dort mit dem kleinen Wilfried geschieht, geht aus den vorliegenden Unterlagen nicht hervor. Am 21.11.1944
wird das Kind in der Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder aufgenommen.
Am 22.11.1944
erfolgt die Aufnahmeuntersuchung durch Dr. M. Türk. U. a. stellt sie fest: „... Gesicht zart, nicht unhübsch ... primitives Anlehnungsbedürfnis ..." Sehr bald nach der Aufnahme erkrankt das Kind an Keuchhusten, ist „raunzig und mißmutig... ", die Temperatur schwankt zwischen erhöhter Temperatur und hohem Fieber. Der Anstaltsdirektor (Dr. E. Illing) bestimmt eine Weiterbelassung fiir etwa 3 Monate in der Anstalt. Im März erkrankt das Kind abermals. Dünnschleimige Stühle und häufiges Erbrechen beeinträchtigen das Allgemeinbefinden, es verliert an Gewicht. Am 27.3.1945 ist „schwach und hinfällig" eingetragen. In der Folge verschlechtert sich das Allgemeinbefinden unter anhaltendem Fieber sehr. Am 6.4.1945 stirbt Wilfried im Alter von 3 Jahren an einer schweren Darmentzündung. Die Todesmeldung ergeht einen Monat später an den Vater, der diese aber nie erhält. Wilfrieds Mutter will das Kind abholen und erfährt, dass es bereits verstorben ist ... Durch eine Angestellte der Klinik hört sie von einem Massengrab am gegenüberliegenden Friedhof. Sie läuft einem dahin abfahrenden Gefährt nach und sieht, wie kleine Körper in Papiersäcken bei strömendem Regen in die Grube gekippt werden. Viele Papiersäcke sind zerrissen und kleine Gliedmaßen werden für die geschockte Mutter sichtbar. Eine Sterbeurkunde wird nicht erstellt und ist auch in keinen Aufzeichnungen amtlich erwähnt.
ι8ο
Peter Haas
HAAS Peter
A Z 489/43
geb.
10.7.1942
eingewiesen durch:
Städt. Fürsorgeklinik Wien 18 K Ü S T
aufgenommen:
9.3.1944
Pav. 15/Sgl.
Aufnahmeuntersuchung:
9.3.1944
Dr. M . Türk
Meldung:
21.2.1945
Dr. E. Illing
gest.
7. 4.1945
4 Uhr
Todesursache:
Lungenentzündung
Wien
gttgl.
unehelich
Peter wird nach einer außerehelichen Beziehung der KM geboren und ist ein „unerwünschtes Kind", das die Mutter nicht behalten will. Das „hübsche, nett aussehende Kind" ist gut genährt, körperlich normal entwickelt, doch motorisch etwas rückständig. Es wird kurzfristig jeweils in verschiedenen Heimen untergebracht, bis es am 9.3.1944 in der Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder aufgenommen wird. Dort macht der Bub selbst eifrige Gehversuche. Am 10.9.1944 ergeht aus einer Eintragung: „... läuft zum ersten Malfrei" und „... lacht manchmal herzlich, wenn er den Kindern beim Ballspielen zuschaut..." Am 12.11.1944 erkrankt Peter an Keuchhusten, „wirdblau beim Erbrechen ...". Wie ein Vorwurf an das Kind mutet die anschließende Eintragung an: „... geistig keine Fortschritte..." Das Kind steht weiterhin unter Beobachtung. Am 4.4.1945 erkrankt der kleine Bub an Bronchitis, Schnupfen mit hohem Fieber. Am 7.4.1945 stirbt Peter in den Morgenstunden an Lungenentzündung.
181
Regina Haberstroh
HABERSTROH Regina geb.
14.12.1937
A Z 285/42 Schramberg
r.k.
ehelich
i. Schwarzwald eingewiesen durch:
Dr. Hirsch/Gesundheitsamt Wien 18
aufgenommen:
21.9.1942
(das Kind war bis 20.9.1942 in der Pflegeanstalt Heggbach/Kr. Bibrach bei Ulm)
Aufnahmeuntersuchung:
22.9.1942
Dr. H. Gross
Meldung:
17.10.1942
Dr. E. Illing
gest.
15.12.1942
10 Uhr 30
Todesursache:
Lungenentzündung
Regina ist nach der Geburt mittels Kaiserschnitt stark in ihrer geistigen und körperlichen Entwicklung beeinträchtigt. Sie zahnt schlecht, erkrankt an Rachitis und Scharlach. Als sie deshalb in das Junghans'sche Kinderkrankenhaus zu Schramberg im Schwarzwald eingewiesen wird, holt der Vater bald darauf sein Töchterchen wieder nach Hause. Er konsultiert verschiedene Arzte, um herauszufinden, ob das Kind heilbar sei. Als das kleine Mädchen am 21.9.1942 nach Wien in die Heilpäd. Klinik „Am Spiegelgrund" eingewiesen wird, soll dies der Vater nicht erfahren, seine Frau ist inzwischen verstorben. A m 22.9.1942
wird die Aufnahmeuntersuchung durch Dr. H. Gross vorgenommen. Er konstatiert „keinen schwachsinnigen Ausdruck" des Kindes. Auch die Bewegungsabläufe sind nicht gestört. In der vorläufigen Diagnose wird festgehalten: „Psychisch noch nicht genauer beurteilbar, wahrscheinlich Schwachsinn schweren
A m 17.10.1942
Grades..."
erfolgt die Meldung an den Reichsausschuss mit der Diagnose: „Nach ärztlicher Voraussicht wird sie dauernd vollständig pflegebedürftig
A m Ii.12.1942
bleiben."
wird das inzwischen sehr geschwächte Kind einer Encephalografie unterzogen.
A m 13.12.1942
hat sich das Allgemeinbefinden des Kindes derart verschlechtert, dass es in Bettruhe gehalten werden muss. Der Kreislauf bricht zusammen.
A m 15.12.1942
stirbt Regina im Alter von 5 Jahren an Lungenentzündung. Der Vater wird vom Tod des Kindes telefonisch verständigt.
i82
Josef Hacker/Brigitte Haipel
HACKER Josef
AZ6/41
geb.
26.3.1937
eingewiesen durch:
Wr. Univ. Kinderklinik/Dr. Elmar Türk
aufgenommen:
15.1.1941
Wien
r.k.
ehelich
Aufnahmeuntersuchung:
15.1.1941
Dr. M . Hübsch/Dr. H . Gross
Meldung:
30.1.1941
Dr. M . Hübsch (?)
gest.
3.2.1941
1 Uhr
Todesursache:
Lungenentzündung
Josef wird mit 40° Grad Fieber von der Wr. Univ. Kinderklinik, Dr. E. Türk, „Am Spiegelgrund" eingewiesen. Sein Aussehen ist schlecht, er ist sehr blass. Trotz seines schlechten Allgemeinbefindens wird eine Lumbalpunktion „am liegenden Patienten" vorgenommen, das Kind schreit vor Angst und Schmerzen. Die Eltern sind völlig verzweifelt, da sich bei dem kleinen Buben auch halbseitige Lähmungserscheinungen einstellen. In der Folge verschlechtert sich das Allgemeinbefinden sehr schnell. Am 3.2.1941 stirbt Josef an Lungenentzündung und wird noch am selben Tag von Dr. H. Gross obduziert.
HAIPEL Brigitte
A Z 64/43
geb.
21.6.1936
eingewiesen durch:
Wr. Stadt. Kinderkrankenhaus Leopoldstadt
Neunkirchen/ND.
r.k.
ehelich
aufgenommen:
13.5.1943
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
17.5.1943
Dr. M . T ü r k
Meldung:
18.6.1943
Dr. E. Illing
gest.
23.7.1943
8 Uhr 30
Todesursache:
Zentrale Atemlähmung bei zerebraler Kinderlähmung
Brigitte entwickelt sich seit der Geburt nur sehr langsam. Ab dem 6. Lebensmonat bekommt sie ein Schilddrüsenpräparat, auf das sie gut anspricht. Das sehr stille Kind wird lebhafter, lernt gehen, sprechen, führt kleinere Aufträge aus, erkennt die Tiere im Bilderbuch und ahmt ihre Stimmen nach. Das Kind wächst bei den Eltern auf und wird liebevoll umsorgt.
183
Brigitte Haipel/Renate Haller
Im Sommer 1942 erleidet das kleine Mädchen einen Krampfanfall, der einige Minuten dauert, es verliert das Bewusstsein. Nach einer Untersuchung in der Wr. Univ. Kinderklinik und einem kurzen Aufenthalt im Krankenhaus Leopoldstadt wird Brigitte in die Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder überstellt. Am 17.5.1943 nimmt Dr. M. Türk die Aufnahmeuntersuchung vor. Sie attestiert dem „nicht unhübschen " Kind eine übergroße Ängstlichkeit. Das zu Beginn freundliche und zutrauliche Kind „schreit bei den gewöhnlichen Untersuchungen heftig und wehrt sich sehr..." Am 18.6.1943 meldet Dr. E. Illing das Kind an den Reichsausschuss in Berlin, Am 23.7.1943
da „ keinerlei Arbeitseinsatzfähigkeit zu erwarten" sei. stirbt Brigitte an Atemlähmung.
Die Sektion ergibt „Myxödem" (Schädigung der Schilddrüse - Folge vom Thyroxinmangel bei Unterfunktion)
HALLER Renate
A Z 413/43
geb.
19.7.1943
eingewiesen durch:
Fürsorgeklinik, Wien 18/KÜST
Wien
aufgenommen:
30.12.1943
Pav. 15/Sgl.
Aufnahmeuntersuchung:
31.12.1943
Dr. M . Türk
Meldung:
8.1.1944
Dr. E. Illing
gest.
19.1.1944
7 Uhr
Todesursache:
Allgemeine Lebensschwäche
r.k.
ehelich
Während der Vater eingerückt ist, wird Renate geboren. Gleich nach der Geburt kommt das Kind in die Fürsorgeklinik, da die Mutter inzwischen obdachlos geworden ist. Am 30.12.1943 wird das kleine Mädchen in die Wr. Städt. Nervenklinik überstellt und am nächsten Tag von Dr. M. Türk untersucht. Es wird eine „schwere Missbildung der rechten Ohrmuschel" festgestellt, sowie eine „Spaltbildung des weichen Gaumens". Acht Tage später meldet Dr. E. Illing das Kind an den Reichsausschuss in Berlin. In der Folge steigt die Temperatur, Erbrechen und schlechte Nahrungsaufnahme bedingen die zunehmende Schwäche des kleinen Körpers. Am 19.1.1944 stirbt Renate an allgemeiner Lebensschwäche.
184
Josef Hammerl
HAMMERL Josef
AZ172-/44
geb.
28.2.1941
eingewiesen durch:
Landrat Neunkirchen N D .
Wien
aufgenommen:
ig.9.1944
Aufnahmeuntersuchung:
20.9.1944
Dr. M . Türk
Meldung:
25.9.1944
Dr. E. Illing
gest.
21.11.1944
19 Uhr 45
Todesursache:
Im status epilepticus
r. k.
unehelich/leg.
Pav. 15/SgI.
Im zweiten Lebensmonat erkrankt Josef an Fraisen. Die Eltern und die Stiefschwester bemühen sich mit viel Liebe und Geduld um das Kind. Als der Bub 18 Monate alt ist, schlägt er schwer mit dem Kopf auf dem Boden auf. In der Folge häufen sich epileptische Anfälle. Die besorgten Eltern wenden sich an die Wr. Univ. Kinderklinik/Prof. Dr. Hamburger. Von dort ergeht die Meldung „unheilbar" an das Gesundheitsamt. Der Vater wird beauftragt, das Kind in die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder „zur Pflege"zu bringen. Am 19.9.1944 Am 20.9.1944
Am 25.9.1944
wird Josef im Pav. 15 aufgenommen. erfolgt die Aufnahmeuntersuchung durch Dr. M. Türk. Außer „motorischer und geistiger Rückständigkeit" kann keine sichere Diagnose erstellt werden. meldet Dr. E. Illing das Kind an den Reichsausschuss in Berlin. Der kleine Bub ist blass und wird immer schwächer, seine Nahrungsaufnahme ist schlecht, die Anfälle wiederholen sich am Tag mehrmals.
Am 2.11.1944 Am 21.Ii.1944
wird eine lumbale Encephalografie vorgenommen. Ab da werden die Anfälle immer schwerer. stirbt das Kind während eines beinahe elfstündigen Daueranfalls 0).
Therese Harbalik
i85
HARBALIK Therese
A Z 247/41
geb.
24.10.1927
eingewiesen durch:
Spezial Kinderheim Pressbaum/KÜST
Wien
r. k.
aufgenommen:
4.8.1941
ehelich
Pav. 15/P
16.7.1942
Pav. 17/Bu.
7.1.1943
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
20.10.1941
Dr. H. Gross
Meldung:
24.6.1942
gest.
19.9.1943
Todesursache:
Herzstillstand bei Lungenentzündung
6 Uhr
Das familiäre U m f e l d v o n Therese ist v o n großer A r m u t geprägt. D e r Vater ist zehn Jahre arbeitslos, bis er beim Flughafenbau in Langenlebarn als Hilfsarbeiter 60 Pfennige pro Stunde verdienen kann. Neben den f ü n f Kindern hilft die Mutter den Hausparteien waschen, und erhält dafür abgelegte Kleidung. D i e W o h n u n g besteht aus einer ebenerdigen Z i . - K ü . - W o h n u n g , die sehr feucht ist. Ein K i n d ist wegen Tuberkulose in der Lungenheilstätte Baumgartnerhöhe untergebracht. Therese hat seit ihrer G e b u r t eine beiderseitige Hüftgelenksluxation. D a sie unbehandelt bleibt, verstärkt sich in der weiteren Entwicklung ihr hinkender G a n g . D i e soziale Situation und die R a u m n o t sind sicherlich „ G r ü n d e " , weshalb das M ä d c h e n sehr bald (ab w a n n , ist aus den Unterlagen nicht ersichtlich) in mehreren Erziehungsheimen untergebracht wird. A m 4.8.1941
wird das K i n d in der Wr. Städt. Jugendfürsorgeanstalt , A m Spiegelgrund" a u f g e n o m m e n .
Während seines zweijährigen Aufenthaltes wird es zwischen den beiden Pavillons 15 und 17 mehrmals transferiert. Aus den Schwesternberichten ergibt sich ein liebenswertes Bild der jugendlichen Therese. Bericht der Schwester Jantscher am 21.10.1941:
„ Therese ist ein sehr liebes, gutmütiges Kind. Sie ist sehr hilfsbereit den anderen Kindern gegenüber, half ihnen beim Anziehen, auch beim Essenaustragen. Erwachsenen gegenüber ist sie sehrfolgsam. Konnte beim Zimmerauskehren, beim Abstauben verwendet werden. Passt auf die anderen Kinder auf. Sie spielt sehr gerne mit den anderen Kindern, auch mit Puppen, Bausteinen u. Matador. Man konnte ihr auch komplizierte Aufträge geben, die sie bereitwilligst erfüllte. Durch ihr Krüppelleiden war sie etwas unbeholfen. Beim Essen, Waschen und Anziehen war sie selbständig. Von den Angehörigen wurde sie nie besucht..."
ι8 6
Therese Harbalik/Irmgard Harder
Bericht der Schwester Erhart vom 3.12.1941: „ Therese ist ein freundliches, liebes Kind, leicht zugänglich. Auf ihre Person u. ihre Sachen ist sie rein und ordentlich. Wird sie vorübergehend zur Aufiicht bestellt, so trachtet sie bei den Kindern Ruhe u. Ordnung zu erzielen. Kind ist sehr hilf bereit u. auch für einfache Arbeiten verwendbar, die sie ganz gut ausführt, nur fühlt sie sich durch ihr Gebrechen behindert. Sie ist ein folgsames u. williges Kind... Kind ist keine Nässerin." Im Schwesternbericht vom 22.6.1942 steht u. a.: „... sie ist sehr artig, sagt immer ,bitte' und,danke'..." Trotz dieser positiven Berichte meldet Dr. E. Illing das Kind am 24.6.1942 dem Reichsausschuss in Berlin: „In Bezug auf ihre spätere Arbeitsfähigkeit ist zu sagen, dass sie, wenn überhaupt, dann nur in äußerst beschränktem Ausmaß mit Hilfsarbeiten beschäftigt werden könnte, zumal sie ja auch durch die doppelseitige Hüftgelenksverrenkung behindert ist..." Am 11.9.1943 Am 19.9.1943
verschlechtert sich der Allgemeinzustand des Mädchens. stirbt Therese in den Morgenstunden an Herzstillstand bei Lungenentzündung.
AZ 296/43
HARDER Irmgard geb.
14.4.1933
Altona
unehelich
eingewiesen durch:
Wagner v. Jauregg Heil- u. Pflegeanstalt Wien
aufgenommen:
24.9.1943
Pav. 15/Kr.
Aufnahmeuntersuchung:
28.9.1943
Dr. M . Türk
Meldung (Bericht):
28.9.1943
Dr. E. Illing
gest.
12.11.1943
5 Uhr
Todesursache:
Lungenentzündung
Irmgards Mutter stirbt bald nach der Geburt des Kindes. Da sich das kleine Mädchen nur langsam weiterentwickelt, ersucht der Vater das Gesundheitsamt Altona um Einweisung in eine Anstalt, da er die weitere Erziehung nicht gewährleisten kann. Nun verbringt das Kind mehr als sechs Jahre in den Alsterdorfer Anstalten in Hamburg. w f Am 16.8.1943 i d e s v o n dort mit einem Transport mehrerer Frauen und Kinder „wegen schwerer Beschädigung der Anstalten durch Fliegerangriffverlegt nach Wien " und zunächst in der Wagner v. Jauregg Heil- u. Pflegeanstalt aufgenommen.
187
Irmgard Harder/Julius Haselgraber
Am 24.9.1943
erfolgt die Überstellung in den Pav. 15 der Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder.
Am 28.9.1943
nimmt Dr. M. Türk die Aufnahmeuntersuchung vor. U. a. kann man den vorliegenden Unterlagen entnehmen: „... Gesicht nicht unhübsch, netter Ausdruck ...es handelt sich um ein körperlich leicht unterentwickeltes Kind mit hochgradigem motorischen u. geistigen Rückstand ...es sieht anscheinend mangelhaft ...es spricht sehr viel, doch ganz undeutlich ...". Noch am selben Tag meldet Dr. E. Illing das Mädchen an den Reichsausschuss in Berlin.
Am 8.11.1943
erkrankt das Kind an Bronchitis, das Fieber ist hoch, das Allgemeinbefinden verschlechtert sich zusehends.
Am I2.li. 1943
stirbt Irmgard um 5 Uhr in der Früh an Lungenentzündung.
Α Ζ 2.88/42.
HASELGRABER Julius geb.
10.4.1934
eingewiesen durch:
Heil- u. Pflegeanstalt Gugging
Unternberg
aufgenommen:
23.9.1942
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
26.9.1942
Dr. H . Gross
Meldung:
15.10.1942
Dr. E. Illing
gest.
8.1.1943
4 Uhr
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
unehelich/leg.
Julius wächst bei Pflegeeltern auf, die ihn liebevoll betreuen. Das Kind macht Rachitis und eine Mittelohrentzündung durch. Es entwickelt sich körperlich gut, doch macht sich bald eine gesteigerte Erregbarkeit bemerkbar, die der geistigen Entwicklung hinderlich ist. Deshalb wird der Bub mit fünf Jahren in die Pflegeu. Beschäftigungsanstalt in Gugging eingewiesen. Ein dreijähriger Aufenthalt fördert weder die körperliche noch die geistige Entwicklung. Nach einer „vorläufigen Diagnose" wird das Kind als „bildungs- u. entwicklungsunfdhig" am 2 3 . 9 . 1 9 4 2 in die Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder überstellt. Es erfolgt die übliche Aufnahmeuntersuchung durch Dr. H. Gross. Zwei Wochen später meldet Dr. E. Illing den Buben an den Reichsausschuss in Berlin. Am 6.1.1943
verschlechtert sich „plötzlich das Allgemeinbefinden ".
Am 8.1.1943
stirbt Julius an Lungenentzündung.
Margit Hasenrader/Werner Haslauer
ι88
HASENRADER Margit
A Z 450/42
geb.
8.6.1942
eingewiesen durch:
Reichsstatthalter OD./Kinderklinik Glanzing Wien
Linz/D.
r.k.
ehelich
aufgenommen:
23.1.1943
Pav. 15/1
Aufnahmeuntersuchung:
28.1.1943
Dr. H . Gross
Meldung:
31.1.1943
Dr. E. Illing
gest.
10.3.1943
8 Uhr
Todesursache:
Lungenentzündung
Margit ist ein Zwillingskind. In der ersten Woche fiebert sie hoch, die Nahrungsaufnahme ist sehr schlecht, der kleine Körper wird durch häufige Krämpfe in seiner Entwicklung gehemmt. Das kleine Mädchen wird zur Beobachtung in die Kinderklinik Glanzing eingewiesen, nachdem es bereits einige Zeit im Säuglingsheim Riesenhof in Linz untergebracht war. Am 23.1.1943
wird der Säugling auf den Pav. 15 der Wr. Heilpädag. Klinik „Am Spiegelgrund" transferiert.
Am 28.1.1943
nimmt Dr. H. Gross die Aufnahmeuntersuchung vor.
Am 31.1.1943
macht Dr. E. Illing die Meldung an den Reichssauschuss in Berlin.
Am 10.3.1943
stirbt Margit um 8 Uhr in der Früh an Lungenentzündung.
Von der Zwillingsschwester liegen keine Unterlagen vor, es wird nur erwähnt, dass diese eine Missbildung am Herzgefäßsystem hatte.
HASLAUER Werner
A Z 85/42
geb.
18.9.1940
eingewiesen durch:
Fürsorgeklinik Wien 18, Bastiengasse/KÜST
Wien
aufgenommen:
1.5.1942
Pav. 15/1
Aufnahmeuntersuchung:
15.5.1942
Dr. M . Türk
Meldung:
19.11.1942
Dr. E. Illing
gest.
30.1.1943
5 Uhr
Todesursache:
Lungentuberkulose
r.k.
ehelich
Werner und seine Zwillingsschwester sind 10 Monate alt, als die Mutter an Lungentuberkulose stirbt. Die im Haushalt lebenden 10 Kinder werden teils von Verwandten
189
Werner Haslauer/Marie Haslinger
übernommen, teils kommen sie in Gemeindepflege. „Zur Sicherung einer ungestörten Pflege und Erziehung der Minderjährigen " wird auf Antrag des Amtsgerichtes Wien ein Ausfolgeverbot erlassen. Der kleine Werner wird im Kinderheim Bastiengasse aufgenommen und von dort in die Heilpädag. Klinik „Am Spiegelgrund" überstellt. Am 15.5.1942
nimmt Dr. M. Türk die Aufnahmeuntersuchung vor. In der Zusammenfassung stellt sie fest: „Körperlich und geistig zurückgebliebenes Kind mit Zeichen abgelaufener Rachitis ..."
Am 23.5.1942
ist in der Krankengeschichte festgehalten: „Gedeihtgut.
Freund-
liches Kind, das mit seinem Löffel andauernd zufrieden spielt, den Schwestern freundlich zulächelt." Am 27.7.1943
erkrankt Werner an Keuchhusten. Er ist sehr unruhig, erbricht ständig und fiebert hoch.
In der Folge nimmt das Kind stark an Gewicht ab, fiebert ständig. In der linken Achselhöhle bildet sich ein großes eitriges Drüsenabszess, dessen Schwellung nach Öffnung zurückgeht. Inzwischen zeigen sich scharlachähnliche Symptome. Am 31.12.1942
findet
sich u. a. ein Eintrag: „... Das Kind hat im Laufe seines
hiesigen Aufenthaltes keinerlei Fortschritte gemacht ...es schreit sehr viel und durchdringend laut, meist ohne ersichtlichen Grund... " Am 30.1.1943
stirbt der kleine Werner im Alter von 2 Vi Jahren an Lungentuberkulose.
HASLINGER Marie geb.
A Z 530/42 12.1.1933
Patzmannsdorf/
r.k.
unehelich
Mistelbach eingewiesen durch:
Pflege- u. Beschäftigungsanstalt Gugging
aufgenommen:
9.3.1943
Pav. 15/P
Aufnahmeuntersuchung:
15.3.1943
Dr. M . Türk
Meldung:
15.4.1943
Dr. E. Illing
gest.
16.7.1943
8 Uhr
Todesursache:
Herzstillstand, Lungenentzündung
„Kind war eine sehr schwere Zangengeburt...
nach ärztlicher Aussage wäre dem Kind
bei der Geburt der rechte Sehnerv eingedrückt worden ... ebenso rühre von Geburt her eine rechtsseitige Lähmung ...es war ein gesprächiges Kind, welches schon allein einkaufenging, war beim Essen und Kleiden selbstständig... der Appetit war immer gut
190
Marie Haslinger/Anneliese Hatschka
... "so berichtet die Tante (Schwester der Kindesmutter), bei der Marie in einem kleinen Bauernhaus liebevoll umsorgt aufwächst. Mit sieben Jahren kommt das Mädchen in das Erziehungsheim nach Biedermannsdorf, von wo es in die Pflege- u. Beschäftigungsanstalt Gugging transferiert wird. Dort verbringt es drei Jahre. Am 9.3.1943 wird Marie in die Wr. Stadt. Nervenklinik f. Kinder überstellt. Obwohl das ruhige, freundliche Mädchen bisher keinerlei schulische Ausbildung hatte, kann es bis 20 zählen, Gegenstände benennen, „kennt Pflegepersonen, sucht Kontakt mit Kindern und Schwestern, ist rein hei Tag und Nacht" (Bericht v. Sr. Kragulj). Einen Monat später nach der Aufnahmeuntersuchung durch Dr. M. Türk meldet Dr. E. Illing das Kind an den Reichsausschuss in Berlin. Am 14.7.1943 erkrankt Marie an Bronchitis. Am 17.7.1943
stirbt das Mädchen am Morgen an Lungenentzündung.
A Z 80/4Z
HATSCHKA Anneliese geb.
20.9.1934
Mähr.
a.k.
unehelich
Rothwasser eingewiesen durch:
Wr. Univ. Kinderklinik/Prof. Dr. Hamburger
aufgenommen:
23.4.1942
Pav. 15/I
13.6.1942
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
23.4.1942
Dr. M . Türk /Dr. Gross
Meldung:
2.5.1942
Dr. M . Hübsch
gest.
21.7.1942
14 Uhr 30
Todesursache:
Lungen- u. Darmentzündung
Anneliese ist nach der Geburt scheintot, es müssen eine Stunde lang Wiederbelebungsversuche gemacht werden. Seither entwickelt sich das Kind nur sehr langsam. Spasmen (Krampfzustände), vor allem in den Beinen verhindern in der Folge das Erlernen von Stehen, Sitzen und Gehen. Auch die geistige Entwicklung ist stark beeinträchtigt. Die Eltern, ein Lehrerehepaar, haben ein „inniges Verhältnis zu ihrem behinderten Kind", das deren Liebe mit Ansätzen von Lächeln dankbar erwidert. Die besorgten Eltern bringen das Mädchen in die Wr. Univ. Kinderklinik zu Prof. Dr. Hamburger. Sie erhoffen sich Rat und Hilfe. Doch von dort wird das
191
Anneliese Hatschka/Herbert Hauer
Kind nach kurzer Zeit in die Wr. Städt. Jugendfürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund" überstellt und am 23.4.1942 im Pav. 15 aufgenommen. Acht Tage nach der Aufnahmeuntersuchung wird Anneliese an den Reichsausschuss in Berlin gemeldet. Am 10.7.1942 erkrankt das Kind an starkem Brechdurchfall, das Allgemeinbefinden verschlechtert sich zusehends. „Schlechtmeldungen " ergehen an die Eltern. Am 21.7.1942 stirbt Anneliese im Alter von 8 Jahren und einem Körpergewicht von 8 kg 70 an Lungenentzündung und Darmentzündung. (Das Kind hat während seines kurzen Aufenthaltes „Am Spiegelgrund" 8 kg seines Gewichtes verloren!)
HAUER Herbert
A Z 73/43
geb.
7.8.1942
eingewiesen durch:
Dr. Haus
Wien
r.k.
aufgenommen:
26.5.1943
Pav. 15/1
Aufnahmeuntersuchung:
28.5.1943
Dr. M . Türk/Dr. E. Illing
Meldung:
10.6.1943
Dr. E. Illing
gest.
19.7.1943
21 Uhr 30
Todesursache:
Zentrale Atemlähmung
ehelich
Der kleine Herbert wird drei Tage nach der Geburt in der Klinik Weibl auf die Wr. Univ. Kinderklinik zu Prof. Dr. Hamburger überstellt, nachdem er 2 Tage bewusstlos in Krämpfen lag. Gleichzeitig bildet sich am rechten Oberschenkel ein eitriges Abszess. Zehn Wochen bleibt das Kind in der Klinik Hamburger. Es wird als geheilt entlassen. Doch nach 6 Monaten stellen sich die Krämpfe wieder ein, dauern bis zu 2 Stunden und wiederholen sich täglich mehrmals. Besorgt und voll Hoffnung auf Hilfe, bringt die Kindesmutter den kleinen Buben in die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder, zu Dr. E. Illing. Am 26.5.1943 wird Herbert im Pav. 15 aufgenommen und zwei Tage später von Dr. M. Türk untersucht. Die „vorläufige Diagnose" lautet u. a.: „Hochgradige motorische und geistige Rückständigkeit bei neurologisch noch unklarem Befund..." Am 10.6.1943 meldet Dr. E. Illing das Kind an den Reichsausschuss in Berlin. Am 19.7.1943 stirbt Herbert im Alter von einem Jahr an zentraler Atemlähmung.
192
Inge Havel/Karl Johann Havel
HAVEL Inge
A Z 43/41
geb.
13.1.1941
eingewiesen durch:
Kinderklinik Glanzing
Wien
r.k.
ehelich
aufgenommen:
7.3.1941
Pav. 15
Aufnahmeuntersuchung:
8.3.1941
Dr. M. Hübsch/Dr. H. Gross
Meldung:
10.3.1941
Dr. E. Jekelius
gest.
9.4.1941
2 Uhr 15
Todesursache:
Lungenentzündung
Inge wird mit einem Hydrocephalus (Wasserkopf) geboren und gleich nach der Geburt in die Kinderklinik Glanzing überstellt. Von dort wird das Baby in die Säuglings- u. Kleinkinderabteilung der Wr. Städt. Jugendfürsorgeanstalt „ A m Spiegelgrund" transferiert. A m 8.3.1941
erfolgt die Aufnahmeuntersuchung durch Dr. M . Hübsch - zwei Tage später meldet Dr. E. Jekelius das kleine Mädchen an den Reichsausschuss in Berlin.
A m 9.4.1941
stirbt das 7 Wochen alte K i n d in den Morgenstunden. Dr. H . Gross bestätigt als Todesursache: Lungenentzündung.
HAVEL Karl Johann
A Z 282/42
geb.
1.1.1941
eingewiesen durch:
Fürsorgeklinik Wien 18, Bastieng./KUST
Wien
aufgenommen:
17.9.1942
Pav. 15/Sgl.
Aufnahmeuntersuchung:
19.9.1942
Dr. M. Türk
gest.
27-5-1943 9 Uhr Lungenentzündung
Todesursache:
r.k.
unehelich/leg.
Die Mutter des kleinen Hansi ist taubstumm, doch trotz ihrer Behinderung bereits 20 Jahre als Arbeiterin in der Papierbranche tätig. Als der Bub in der Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder aufgenommen wird, kann er sitzen, stehen und gehen. Mit dem zutraulichen Kind ist leicht Kontakt aufzunehmen. Es gewöhnt sich sehr rasch an seine neue Umgebung, hat guten Appetit, isst schon allein und ist bereits tagsüber sauber. Es ist munter und guter Dinge, und läuft viel herum. Auch sein Wortschatz erweitert sich mehr und mehr, sein Interesse an Bilderbüchern ist groß.
193
Karl Johann Havel/Gerlinde Hawlitschek
Am 18.5.1942
steht u. a. in der Krankengeschichte: „... entwickelt sich ganz gut weiter..."
Am 22.5.1943
hat der Bub plötzlich hohes Fieber mit starkem Husten. In der Folge steigt das Fieber auf über 40°, das Allgemeinbefinden verschlechtert sich. ergeht eine „Schlechtmeldung" an die Mutter. stirbt Hansi an Lungenentzündung.
Am 26.5.1943 Am 27.5.1943
AZ 44/44
HAWLITSCHEK Gerlinde geb.
2
9·7· Ι 939
eingewiesen durch:
Prof. Dr. Hamburger/Wr. Univ. Kinderklinik
Znaim
aufgenommen:
9.5.1944
Aufnahmeuntersuchung:
12.5.1944
Dr. M. Türk
Meldung:
10.7.1944
Dr. E. Illing
gest.
12.9.1944
9 Uhr 30
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
ehelich
Pav. 15/Sgl.
Gerlinde wird nach einer zweitägigen Geburtsdauer geboren. Sie entwickelt sich seither nur sehr langsam, epileptische Anfälle behindern in weiterer Folge die motorische und geistige Entwicklung. Während der Vater zum Kriegsdienst eingezogen wird, bemüht sich die Mutter liebevoll um das Kind. Besorgt sucht sie ärztliche Hilfe. In der Kinderklinik Glanzing wird das kleine Mädchen als „ h o f f nungsloser Fall" abgestempelt, die Mutter wird an Prof. Dr. Hamburger von der Wr. Univ. Kinderklinik verwiesen. Von dort holt der Vater das Kind während eines Fronturlaubs ab und bringt es voll Hoffnung in die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder zu Dr. E. Illing. Doch Dr. E. Illing meldet Gerlinde am 10. Juni 1944 an den Reichsausschuss in Berlin, da sie „voraussichtlich dauernd bildungsunfähig und pflegebedürftig" bleiben wird. Am 12.9.1944
eilt die Mutter, beunruhigt durch eine „Schlechtmeldung", bereits um 8 Uhr in die Klinik und trifft ihr sterbendes Kind. 11/2 Stunden später ist Gerlinde tot, gestorben an Lungenentzündung.
194
Gerlinde Hawlitschek/Irmgard Heeger
Fünf Tage zuvor schreibt der Vater von der Front an Dr. E. Illing: Geehrter Herr Professor! Litauen, 7.9.44 Verzeihen Sie, daßich an Sie ein paar Zeilen richte von der Front in der Angelegenheit meiner Tochter Gerlinde Hawlitschek. Da ich meine Tochter anfangs Mai zu Ihnen ins Spital gegeben habe (mehrere Worte unlesbar) ... Da bis jetzt keine Besserung eingetreten ist und bis jetzt mit meiner Tochter auch nichts gemacht wurde, hat es länger keinen Wert meine Tochter im Spital zu lassen. Meine Frau wird meine Tochter beim nächsten Besuch nach Hause nehmen. So danke ich Ihnen Herr Professor und ersuche nochmals meiner Frau meine Tochterfreizugeben. Mit deutschem Gruß Unterschrift des Vaters
A Z 35/44
HEEGER Irmgard geb.
21.9.1942
Traismauer/ND.
r.k.
eingewiesen durch:
E. v. Behring Kinderkrankenhaus /Prof. Siegel
aufgenommen:
29.4.1944
Pav. 15/Sgl.
Aufnahmeuntersuchung:
30.4.1944
Dr. M . Türk
Meldung:
10.5.1944
Dr. E. Illing
gest.
22.6.1944
ο U h r 15
Todesursache:
Lungenentzündung
ehelich
Irmgard ist mongolid. Ihre geistige und körperliche Entwicklung ist dadurch stark beeinträchtigt, obwohl sie in einer liebevollen Familie aufwächst. Am 29.4.1944 wird das Kind in der Wr. Städt. Nervenklinik fur Kinder aufgenommen. Zehn Tage nach der Aufnahmeuntersuchung durch Dr. M. Türk meldet Dr. E. Illing das kleine Mädchen an den Reichsausschuss nach Berlin, seine zentrale Aussage lautet: „voraussichtlich vollständig bildungsunfähig..." Am 15.6.1944 beginnt das Kind hoch zu fiebern, es ist an einer schweren Bronchitis erkrankt, das Allgemeinbefinden verschlechtert sich rapid. Am 17.6.1944 steht u. a. in der Krankengeschichte: „... liegtfast unbeweglich, hustet nicht aus ...". An die Eltern ergeht eine „Schlechtmeldung".
Irmgard Heeger/Erwin Heller
195
In der Folge nimmt Irmgard kaum noch Nahrung zu sich, ist sehr „hinfällig , die Atmung ist schlecht. Am 22.6.1944
stirbt das 1 '/i-jährige Mädchen kurz nach Mitternacht an Lungenentzündung.
AZ 47/44
HELLER Erwin geb.
26.8.1935
Piskowitz/Kärnten
eingewiesen durch:
Blinden Erziehungsinstitut Wien 2, Wittelsbachstraße
aufgenommen:
15.5.1944
Pav. 15/Kr.
Aufnahmeuntersuchung:
16.5.1944
Dr. M . T ü r k
Meldung:
24.10.1944
Dr. E. Illing
gest.
18.12.1944
16 Uhr 25
Todesursache:
Im status epilepticus
unehelich
Erwin ist ein gutmütiges, anhängliches und liebebedürftiges Kind. Wie ein Vorwurf ihm gegenüber durchzieht sämtliche Gutachten und ärztliche Diagnosen ein Satz: „Er ist das ledige Kind der Bauernmagd..." Der kleine Bub leidet an einer hochgradigen Sehschwäche, deren Ursache ein beiderseitiger Sehnervschwund ist. Mit vier Jahren wird er nach Wien in ein Blindenerziehungsinstitut in der Wittelsbachstraße gebracht. Er besucht dort zuerst den Kindergarten und dann die Schule mit Heim. Am 15.5.1944
wird das Kind in der Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder aufgenommen, da er in letzter Zeit angeblich fast täglich epileptische Anfälle hatte. In der Meldung an den Reichsausschuss schreibt Dr. E. Illing u. a.: „Die Kombination von Blindheit, Epilepsie und Schwachsinn berechtigt keinerlei Aussicht auf spätere Arbeitsverwendungsfähigkeit..." In der psychischen Diagnose heißt es: „Geistigfür sein Alter wohl rückständig, gutes Sprachverständnis, spricht selbst gut artikuliert in vollständigen Sätzen. Er ist zeitlich, örtlich und persönlich gut orientiert. Er hat guten Kontakt zur Umgebung und zeigt Interesse für alles. Beim Anziehen weitgehend selbständig, beim Einfädeln der zerfransten Schuhbänder bedarf er der Hilfe und sagt dabei „Ich sag ja ohnehin dank schön ". Er isst allein und ist Tag und Nacht sauber. Uber Sippe und Vorgeschichte bisher nichts Näheres bekannt (ae. Kind einer Bauernmagd) ..."
196 Am 4.6.1944
Am 29.7.1944
Erwin Heller/Ferdinand Friedrich Hellmann
ist in einem Tagesbericht zu lesen: „... Orientiert sich trotz seines geringen Sehvermögens recht gut, ist überall dabei. Tut bei Kreisspielen mit und singt ganz gut...". In der Folge häufen sich die epileptischen Anfälle. wird eine lumbale Encephalografie vorgenommen: „.Annähernd normales Ergebnis"
Am 24.10.1944
meldet Dr. E. Illing das Kind an den Reichsausschuss in Berlin. Die Anfälle, die anfangs ein bis zwei Minuten dauerten, währen ab nun bis zu zwei Stunden. Am 18.12.1944 stirbt der neunjährige Erwin nach einem 5 '/i-stündigen Anfall im status epilepticus. Erst am 27.12.1944 erst erhält die Mutter die Todesnachricht. Bestürzt und traurig schreibt sie zurück: „... so istja doch alles zu spät, am Begräbnis teilzunehmen ..."
HELLMANN Ferdinand Friedrich
AZ113/43
geb.
17.6.1940
eingewiesen durch:
Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt, Wien
Köln
aufgenommen:
7.6.1943
Pav. 15/1
Aufnahmeuntersuchung:
12.6.1943
Dr. M . Türk
Meldung (Bericht):
1.7.1943 und 30.10.1943
gest.
12.1.1944
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
2 Uhr 30
Ferdinand wächst die erste Zeit seines Lebens in einem Waisenhaus auf, nachdem sich die Eltern scheiden ließen. Das Kind entwickelt sich nur sehr langsam. Es wird in das St. Josefshaus in Hardt bei Mönchengladbach transferiert, kommt von dort mit einem Sammeltransport nach Wien und wird am 19. Mai 1943 in der Wagner von Jauregg Heil- und Pflegeanstalt aufgenommen. Das Befinden des Kindes ist derart schlecht, dass eine „genauere Beurteilung vorerst nicht möglich ist". Am 7.6.1943 wird der kleine Bub „einvernehmlich in die Städt. Nervenklinik fiir Kinder (Pav. 15) transferiert" Das völlig kraftlose Kind liegt apathisch im Bettchen. Es ist 6 kg untergewichtig, sieht, hört, fixiert und greift, aber „es weint andauernd schmerzlich" (Dr. M. Türk). Wegen einer Mundschleimhautentzündung ist die Nahrungsaufnahme zusätzlich erschwert.
197
Ferdinand Friedrich Hellmann/Alfred Hellmuth
Am 29.10.1943
besucht die Mutter das Kind. Sie ist bestürzt über sein schlechtes Aussehen. Es sei, als sie es das letzte Mal gesehen habe, noch gut genährt gewesen und habe mit Anhalten gehen können. Sie berichtet, dass es bis zum Alter von 16 Monaten gesund und kräftig gewesen sei, habe auch schon laufen und auf einen Stuhl klettern können. Auch einzelne Worte wie „Mama" habe es sprechen können ...
Am 5.1.1944
hat das Kind plötzlich hohes Fieber, das in den nächsten Tagen auf über 40 Grad steigt. ist „schwerer Verlauf der Erkrankung, Nahrungsaufrahme sehr schlecht" vermerkt.
Am 10.1.1944 Am 12.1.1944
stirbt Ferdinand im Alter von 3 1/2 Jahren an Lungenentzündung.
AZ134/41
HELLMUTH Alfred geb.
30.8.1927
Patras/
r.k.
ehelich
Griechenland eingewiesen durch:
Wagner v. J
aufgenommen:
3.11.1941
Aufnahmeuntersuchung:
5.11.1941
Meldung:
24.11.1941
gest.
24.12.1941
Todesursache:
unbekannt
;g Heil- u. Pflegeanstalt Wien Dr. H. Gross
Nach einer schweren Geburt entwickelt sich Alfred bis zum 12. Lebensjahr seinem Alter entsprechend. Das Kind lernt früh laufen und sprechen und ist bereits mit 12 Monaten sauber. Im Februar 1939 erkrankt der Bub an Masern. Die Eltern bemerken eine Charakterveränderung und Anfälle, die in der Folge an Intensität zunehmen. Als es im Dezember 1939 zum ersten epileptischen Anfall kommt, wenden sich die besorgten Eltern an das Preyer'sche Kinderspital in Wien 10. Dort wird die Diagnose „Chronische Hirnhautentzündung nach Masern"gestellt. Das Kind leidet neben immer häufiger auftretenden epileptischen Anfällen zunehmend auch an Verwirrtheit und Erregungszuständen. Am 7.3.1940 wird Alfred in die Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt in Wien 14 eingewiesen. Bald nach Einlieferung erkrankt er an
198
Alfred Hellmuth/Waltraud Helga Hempel
Scharlach und wird nach sieben Wochen wieder nach Hause entlassen. Im Laufe der nächsten Monate verschlechtert sich das Zustandsbild des Kindes zusehends. Am 3.11.1941
wird es in der Wr. Städt. Jugendfürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund" aufgenommen. Am 15.11.1941 nimmt Dr. H. Gross die Aufnahmeuntersuchung vor, der auch eine Encephalografie folgt. Alfred magert auffallend ab. Meist verweigert er das Essen, schläft trotz Schlaftabletten kaum. Er wird im Gitterbett verwahrt. Am 24.11.1941 ergeht die Meldung an den Reichsausschuss in Berlin: „Intelligenzabbau und Persönlichkeitszerfall..." Am 24.12.1941 stirbt der 14-jährige Bub. Die Todesursache geht aus den wenigen Unterlagen nicht hervor.
AZ 229/42
HEMPEL Waltraud Helga geb.
5.7.1942
Wien
r.k.
eingewiesen durch:
Wiener Städt. Frauenklinik Gersthof
aufgenommen:
17.7.1942
Aufnahmeuntersuchung:
17.7.1942
Dr. M . Türk
gest.
18.9.1942
21 Uhr 15
Todesursache:
Lungenentzündung
ehelich
Pav. 15/SgI.
Das neugeborene Mädchen wird von Prim. Dr. Gasser der Frauenklinik Gersthof an die „Illing-Klinik" verwiesen mit dem Vermerk, dass das Kind „stets ein Idiot bleiben wird". Am 17.7.1942 wird Waltraud im Pav. 15 aufgenommen und von Dr. M. Türk untersucht. Diese stellt in der Zusammenfassung ihres Berichtes fest: „Neugeborenes Mädchen, das außer den typischen Zeichen der mongoliden Idiotie keine Besonderheiten bietet. " Das Kind schläft viel, bewegt sich sonst lebhaft, nimmt gut Nahrung zu sich. In den nächsten Tagen wird der Säugling an den Reichsausschuss in Berlin gemeldet (wann und von wem geht aus den vorliegenden Unterlagen nicht hervor). Am 25.6.1942 bestätigt Dr. E. Illing der Mutter, dass das Mädchen, dem Wunsch der Eltern entsprechend, „vom geistlichen Rektor nach römisch katholischem Ritus getauft wurde".
199
Waltraud Helga Hempel/Theodelinde Herbert
Inzwischen fiebert das Kind ziemlich hoch und erkrankt am 8.9.1942 an Keuchhusten. Es nimmt sehr wenig Nahrung zu sich. Das Allgemeinbefinden verschlechtert sich zusehends. Am 18.9.1942 stirbt Waltraud im Alter von 2 1/2 Monaten an Lungenentzündung.
HERBERT Theodelinde geb.
4.7.1942
eingewiesen durch:
Dr. E. Illing
A Z 34/43 Wien
aufgenommen:
22.4.1943
Pav. 15/1
Aufnahmeuntersuchung:
22.4.1943
Dr. M . Türk
Meldung:
24.4.1943
Dr. E. Illing
gest.
17.6.1943
18 Uhr
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
ehelich
Nach Absprache mit dem Kinderarzt Dr. J. Franke nimmt Dr. E. Illing die kleine Theodelinde am 22.4.1943 in „seiner" Klinik im Pav. 15 auf. Noch am selben Tag nimmt Dr. M. Türk die Aufnahmeuntersuchung vor und bestätigt damit die „typischen Zeichen eines Mongolismus". Bereits zwei Tage später ergeht durch Dr. E. Illing die Meldung an den Reichsausschuss in Berlin. In der Folge erkrankt das Kind an Bronchitis. Am 15.6.1943 ist in der Krankengeschichte vermerkt: „38,7° schlechtes Befinden. Rührt sich kaum. Hustet nicht aus." Am 17.6.1943 stirbt das 11 Monate alte Kind an Lungenentzündung.
200
Elfriede Hess/Rosa Hilbert
HESS Elfriede
A Z 21/40 ca. 8 Jahre (Geb. Datum u. Ort unbekannt) -
geb-
„Rückgefiihrte aus dem Alexander AsyllSarata Bessarabien "
eingewiesen durch:
Wr. Univ. Kinderklinik
aufgenommen:
11.10.1940
Pav. 15/Sgl.
Aufnahmeuntersuchung:
12.10.1940
Dr. M . Türk
gest. Todesursache:
29.11.1940
5 Uhr 45
Hochgradige allgemeine Lebensschwäche, Lungenentzündung, Herzschwäche
Elfriede wird ohne Dokumente, lediglich mit der Angabe, dass sie ca. 8 Jahre alt ist und aus dem Alexander Asyl in Sarata (Bessarabien) mit dem Deutschen RotenKreuz-Zug als Rückgeführte nach Wien gebracht und am 11.10.1940 in der Wr. Städt. Jugendfürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund" eingeliefert. Hier wird sie den üblichen Untersuchungsmethoden unterzogen. Das Mädchen dürfte sehr schwach sein, „es liegt die meiste Zeit apathisch im Bett...". Drei Tage nach seiner Ankunft erkrankt das Kind an Scharlach, die Nahrungsaufnahme ist schlecht, in der Kreuzbeingegend bilden sich offene wunde Stellen. „Zeitweise schreit das Kind hefiig..." Am 20.11.1940 treten plötzlich anfallsartig Zuckungen auf, in der Folge hat das Am 29.Ii.1940
Mädchen hohes Fieber. stirbt Elfriede in den Morgenstunden an Lungenentzündung, allgemeiner Lebens- und Herzschwäche.
HILBERT Rosa
A Z 63/42
geb.
17.7.1932
eingewiesen durch:
Kinderheim Frischau/KUST
Wien
aufgenommen:
23.3.1942
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
8.5.1942
Dr. H. Gross
r.k.
unehelich
Meldung:
19.5.1942
Dr. H . Gross
gest.
28.5.1942
18 Uhr 45
Todesursache:
Lungen- und Darmtuberkulose, Gehirnhautentzündung
Rosas Mutter ist sehr krank und wird in die Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt überwiesen. Das Mädchen wächst bei der betagten Großmutter auf. Auf
Rosa Hilbert/Rudolf Hlavacek
20I
Antrag des Gesundheitsamtes wird Rosa in Heimerziehung überstellt. Vom letzten Heimplatz in Frischau bei Znaim wird das Kind am 23.3.1942 auf den „Spiegelgrund" transferiert und im Pav. 15 aufgenommen. Am 8.5.1942
hält Dr. H. Gross in einer „vorläufigen Diagnose" u. a. fest: „... obwohl genaue Angaben über die Vorgeschichte fehlen, dürfte doch im Hinblick auf die erbliche Belastung... eine Erbkrankheit im Sinne des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses... vorliegen."
Über das zarte, sehr zurückhaltende Kind steht in einem Schwesternbericht vom 6.6.1942 (Keil): „... Ihre Sprache ist sehr leise ... einfache Aufträge kann sie ausführen ... beschäftigt sich mit Spielsachen, die sie von daheim bekommen hat... ihre Bedürfnisse meldet sie an, beim Essen ist sie selbständig. Am gemeinsamen Spiel nimmt sie teil, beschäftigt sich aber auch allein ... sucht Kontakt mit der Schwester, ist sehr anhänglich und schmeichelt gerne. Freut sich sehr, wenn man nett zu ihr ist. Sie ist sehr folgsam und macht keinerlei Erziehungsschwierigkeiten. Sie ist sehr kameradschaftlich, gibt von ihren Speisen ab, wenn andere noch hungrig sind...
sehr ruhiges Kind, will
keine besondere Rolle spielen ..." Rosa fiebert seit 9.5.1942 fast täglich. An ihrem Hals hat sich eine starke druckempfindliche Drüsenschwellung gebildet, die am 21.5.1942 geöffnet wird - es „entleerte sich reichlich Eiter ...". In der Folge verschlechtert sich das Allgemeinbefinden des Mädchens, Dr. H. Gross schickt eine „Schlechtmeldung" an den Vater. Am 28.7.1942 stirbt das Kind im Alter von 10 Jahren.
Α Ζ 285/41
HLAVACEK Rudolf geb.
26.12.1926
eingewiesen durch:
Spezial Kinderheim Pressbaum
Wien
aufgenommen:
4.8.1941
Pav. n/i
26.5.1942
Pav. n/i
9.6.1942
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
28.10.1941
Dr. H. Gross
Meldung:
31.10.1941
Dr. E. Jekelius
gest.
19.6.1942
16 Uhr
Todesursache:
Lungenentzündung
evang.
ehelich
Die ersten beiden Lebensjahre verbringt der kleine Rudolf in einem Heim. Seine Mutter hat Lungentuberkulose und stirbt zwei Jahre nach der Geburt des Kindes.
202
Rudolf Hlavacek/Wilhelmine Hlousek
Bis zu seinem siebenten Jahr lebt der Bub bei einer Bauernfamilie im Waldviertel. Von dort kommt er in das Spezial Kinderheim nach Pressbaum und wird im August 1941 in die Wr. Städt. Jugendfürsorgeanstalt „Arn Spiegelgrund" überstellt. Am 28.10.1941 wird Rudolf durch Dr. H. Gross der Aufnahmeuntersuchung unterzogen. In der Krankengeschichte steht u. a.: „... körperlich fiir sein Alter stark zurückgebliebenes Kind in ziemlich herabgesetztem Ernährungszustand... die statischen Funktionen sind nur weniggestört. Während der Untersuchung ist die aktive Beweglichkeit nur gering. Er steht meist vollkommen regungslos auf einer Stelle, hält die Hände vor den Mund, die Knie sind leicht gebeugt. Bei der geringsten Bewegung oder bei Erschrecken tritt ein eigenartiger Tremor auf... ein vor der Türe stehendes Auto erregt sein reges Interesse « Am 16.1.1942
ist in einem Tagesbericht vermerkt: „... Rudolf hat Tage, an denen er grundlos viel weint..." Dr. E. Jekelius hat bereits am 31.10.1941 dem Reichsausschuss in Berlin gemeldet, „dass keinerlei Arbeitseinsatzfähigkeit zu erwarten" sei. Am 15.6.1942 Am 19.6.1942
verschlechtert sich das Allgemeinbefinden, „das Kind wird hinfallig". stirbt der 15 V2 -jährige Bub an Lungenentzündung.
A Z 351/42
HLOUSEK Wilhelmine geb.
28.5.1932
Wien
eingewiesen durch:
Wiener Städt. Altersheim Währing
aufgenommen:
23.10.1942
Aufnahmeunterersuchung:
24.10.1942
Dr. H . Gross
Meldung:
28.10.1942
Dr. H . Gross
gest.
1.11.1942
14 U h r 30
Todesursache:
Ubertragbare Ruhr
evang.
unehelich/leg.
Pav. 15/P.
Wilhelmine hatte bei der Geburt am Kopf eine Beule in der Form eines großen Apfels. Diese wird im 3. Lebensmonat im Allgemeinen Krankenhaus entfernt. Seither ist das Mädchen auf beiden Augen blind und rechtsseitig gelähmt. Es kann frei sitzen, aber weder stehen noch gehen. Auch auf akustische Reize reagiert es nicht.
203
Wilhelmine Hlousek/Felix Hoberg
Am 23.10.1942
wird Wilhelmine „Am Spiegelgrund" im Pav. 15 aufgenommen. Nach der Aufnahmeuntersuchung wird das stark behinderte Kind an den Reichsausschuss in Berlin gemeldet. Breits am zweiten Tag des „hiesigen Klinikaufenthaltes erkrankt das Kind an übertragbarer Ruhr". Da das Kind sehr unruhig ist, bekommt es die „Schutzjacke". Während des kurzen Aufenthaltes hat das Mädchen stark an Gewicht verloren. Das Allgemeinbefinden ist sehr schlecht. Am 1.11.1942 stirbt das io'/i-jährige Mädchen an übertragbarer Ruhr.
A Z 286/41
HOBERG Felix geb.
22.9.1928
eingewiesen durch:
Spezial Kinderheim Pressbaum/KUST
Wien
r.k.
aufgenommen:
4.8.1941
Pav.
1.12.1941
Pav. 15
unehelich
ii/i
4.6.1942
Pav. 17/Bu.
5-3-1943
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
17.12.1941
Meldung:
8.3.1943
Dr. E. Illing
gest.
23.3.1945
23 Uhr 30
Todesursache:
Lungenentzündung
Felix wächst seit der Geburt bei den mütterlichen Großeltern auf. Da das Kind taubstumm ist, ist die Erziehung fur die betagten Menschen nicht leicht, deshalb wird der Bub in eine Taubstummenanstalt im 13. Wiener Bezirk gebracht. Er stellt sich dort recht geschickt an, „holt selbst den Topfzur Verrichtung seiner Notdurft, nimmt dem Pfleger den Löffel aus der Hand um selbst zu essen. Auffallend ist, dass das vierjährige Kind aus einem großen Schlüsselbundfür jedes Schloss sehr rasch den richtigen Schlüsselfindetund aufperren kann. Es ist besonders ordnungsliebend, trägt nach dem Spielen die Bausteine in die dafür bestimmte Lade..." Am 3.3.1932 wird das gutmütige und aufmerksame Kind im Einvernehmen mit der Taubstummenanstalt zur KÜST überstellt und von hier als „ nicht anstaltsbedürftig entlassen ". Inzwischen kommt der Vater in das K Z Dachau. In der Familie ist niemand, der sich um Felix kümmern kann. Der Bub wird in das Spezial Kinderheim Pressbaum eingewiesen. Von dort wird er am 4.8.1941 in die Heilpädagogische Klinik „Am Spiegelgrund" überstellt.
204 Am 16.1.1942
Am 29.5.1942
Felix Hoberg
steht u. a. in einem Bericht von Schwester Erhart: „... Felix ist ein freundliches und leicht zugängliches Kind. Mit Schwester und Kindern sucht er Kontakt. Am gemeinsamen Spiel nimmt er teil, ist verträglich und lieb zu den Kameraden. Zur Schwester ist er willig undfolgsam, er ist leicht zu fuhren ... sein Wortverständnis ist ein sehr gutes, zeigt sich sehr vernünfiig. Er kennt seine Wäsche genau und trachtet, dass sie nicht verwechselt wird. Aufsich und seine Sachen ist er sehr nett und verträgt nicht einmal einen abgerissenen Hosenknopf, kommt gleich damit zur Schwester. Bei den Mahlzeiten ist er rein und mäßig..." steht in einem weiteren Schwesternbericht u. a.: „... er tritt durch seine Lieblingsbeschäftigung, dem Zeichnen in den Vordergrund. Er zeichnet andauernd und mit viel Geschick. Aus dem Gedächtnis bringt er in reicher Folge und naturgetreu die verschiedenen Gegenstände aus dem täglichen Leben, mit Berücksichtigung der Perspektive. Als seine Zeichnung lobend anerkannt wurde, freut er sich derart, dass er sich beide Hände rieb, hüpfte und sich der ganze Körper in freudiger Erregung bewegte, er versuchte seine Zeichnungen durch reichliche und richtige Gesten zu erklären. Seine Intelligenz scheint nicht sehr geschwächt und Lernbegabung dürfte vorhanden sein ...er dürfte in einer ihm entsprechenden Anstalt und seinem geistigen Niveau angepassten Ausbildung zum Arbeitseinsatz doch herangezogen werden können ..." (Sr. Erhart)
Dazu ein psychologisches Gutachten vom 26.6.1942 der Heilpädagogischen Klinik „Am Spiegelgrund" (Unterschrift unleserlich): „Die vorgelegten Zeichnungen des Felix Hoberg, 14 Jahre alt, entsprechen ungefähr den zeichnerischen Fähigkeiten von Kindern der Altersstufe von 12—14 fahren. Zu bemerken ist die Vielseitigkeit und die gute Erfassung der Perspektive. Die ausführlicheren Bilder sind kompositioneil gut gestaltet. Es ist auch ein gedanklicher Zusammenhangfestzustellen. Er reiht diejenigen Zeichnungen von Gegenständen aneinander, die tatsächlich zueinander gehören. Es drängt ihn eigene Erlebnisse zeichnerisch darzustellen, was auf eine ziemlich starke Erlebnisfähigkeit und ein gutes Vorstellungsvermögen schließen läßt." Am 8.3.1943 meldet Dr. E. Illing den Buben an den Reichsausschuss in Berlin: „... dauernde Pflegebedürfiigkeit und keinerlei Arbeitseinsatzfähigkeit zu erwarten ..." Inzwischen wird Felix zur Musterung einberufen. Dr. E. Illing schreibt an das Polizeiamt Schmelz,
205
Felix Hoberg/Helmuth Hodl
Wehrerfassung: „... er leidet an erheblichem Schwachsinn mit Bildungs- und Arbeitsunfähigkeit..." In den vorangegangenen Schwesternberichten steht u. a.: „Hausarbeiten macht er genau und mit Fleiß... beim Spaziergang kümmert er sich lebhaft um Mensch, Tier und Baum ... bei den Arbeiten genau, ausdauernd, freudig... greift unaufgefordert zur Arbeit... Felix besitzt eine ausgezeichnete Fingerfertigkeit..." Am 20.3.1943 schreibt Dr. M. Türk, nachdem Felix vom Pav. 17 in den Pav. 15/P. überstellt wurde: „... ängstlich-verschreckt. Hebt abwehrend die Hände, wenn man ihm in die Nähe kommt..." Am 30.Ii.1943 vermerkt Dr. M. Türk u. a.: „... antriebsarm, muss zu jeder Arbeit dazugestellt werden..." In der Folge sitzt der Bursch nur mehr teilnahmslos herum. Er erkrankt an Krätzen, Hornhautentzündung des Auges, betätigt sich „kaum mehr nutzbringend", ist „schlampig auf sich und seine Kleidung". Am 10.1.1944 vermerkt Dr. M. Türk u. a.: „Sooft ihm jemand nahe kommt, duckt er sich und hebt abwehrend die Hände, als hätte er Angst, geschlagen zu werden ..." Am 20.3.1944 hat Felix hohes Fieber. In der Folge verschlechtert sich sein Allgemeinbefinden. Am 23.3.1945
stirbt der 17-jährige Jugendliche an Lungenentzündung.
A Z 267/43
HÖDL Helmuth geb.
6.7.1943
eingewiesen durch:
Landrat Kreis Gmunden
Laakirchen
aufgenommen:
1.9.1943
Pav. 15/Sgl.
Aufnahmeuntersuchung:
2.9.1943
Dr. M . T ü r k
Meldung:
7.9.1943
Dr. E. Illing
gest.
8.10.1943
22 Uhr 30
Todesursache:
Zentrale Atemlähmung
r.k.
unehelich
Mit acht Wochen wird Helmuth in die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder eingewiesen. Der kleine Bub hat einen Hydrocephalus (Wasserkopf), er wird punktiert, trinkt schlecht. Am 7.9.1943 meldet Dr. E. Illing das Kind an den Reichsausschuss in Berlin „körperlich minderwertig..."
Helmuth Hödl/Margarete Hodl
2o6
Am 8.10.1943
stirbt Helmuth im Alter von 3 Monaten an „zentraler Atemlähmung".
Am 9.π.1943
ergeht vom Gesundheitsamt/Kreis Gmunden ein Schreiben an
die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder: „... Von dem Kind sind noch nachstehende verzeichnete Gegenstände in Ihrer Verwahrung und bitte ich dieselben an das Gesundheitsamt Gmunden zurückzusenden: 1 Steckkissen, 1 Hemd, 2 Jäckchen, 3 Windeln, 1 Kautschukeinlage, 1 Schnuller..." Unterschr. Dr. Tenschert Amtsarzt
HÖDL Margarete
AZ?
geb.
10.9.1940
eingewiesen durch:
Reichsausschuss - Berlin über das Gesundheitsamt in
Laakirchen
r.k.
unehelich
Gmunden aufgenommen:
18.6.1941
Aufnahmeuntersuchung:
ohne Datum Dr. H . Gross
gest.
25.7.1941
Todesursache:
Hautdiphterie
Im Mai 1941 wird die kleine Margarete im Krankenhaus Wels wegen vorzeitigem Nahtverschluss beider Fontanellen mit der Diagnose Microcephalic behandelt. Am 18.6.1941 wird sie in der Wr. Städt. Fürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund" aufgenommen, nachdem sie schon vorher (vermutlich vom Krankenhaus) an den Reichsausschuss gemeldet worden war. Dr. H. Gross nimmt die Aufnahmeuntersuchung vor. Aus seinem Befund und Gutachten vom 26.7.1941 geht u. a. hervor: „In den unteren Extremitäten bestehen Spasmen in den Adduktoren des Hüftgelenkes, Streckern des Hüftgelenkes und Planetarreflektoren der Fußgelenke. Die bestehenden Spasmen können passiv überwunden werden, wobei das Kind lebhafte Schmerzen äußert... Das Kind lag während der hiesigen Beobachtungszeitfast dauernd bewegungslos in seinem Bettchen, reagierte nicht auf vorgehaltene Gegenstände,fixiertediese auch nicht. Das Kind sucht keinerlei Kontakt mit der Umgebung. Sitzen und stehen wegen der bestehenden Spasmen unmöglich. Bald nach der Aufnahme erkrankte das Kind im Gesicht an einem impetiginösem Ekzem, auf dem sich sekundär eine Hautdiphtherie bildete, die auf beide Augen überging. Das körperlich stark geschwächte Kind starb an dieser Erkrankung am 25,7.1941..."
207
Ingeborg Hofbauer
HOFBAUER Ingeborg
AZ7/42 Linz
r.k.
geb.
1.2.1938
eingewiesen durch:
Heil- u. Pflegeanstalt Niedernhart/Linz
aufgenommen:
20.1.1942
ehelich
Pav. 1/1
2.6.1942
Pav. 15/1
15.9.1942
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
24.1.1942
Dr. H . Gross
Meldung:
15.6.1942
Dr. H.Gross
gest.
Ii.10.1942
5 Uhr
Todesursache:
Lungen- und Rippenfellentzündung
Ingeborg wird im Alter von vier Monaten einer Augenoperation unterzogen. Sie leidet an Entzündung der Iris und an einer Linsentrübung. Nachher wird sie 15 Monate lang durch Einspritzungen behandelt. Dann dürfte sie aber blind sein. Inzwischen ist die körperliche und geistige Entwicklung sehr beeinträchtigt. Der zuständige Hausarzt beschreibt das kleine Mädchen als „lebhaftes, drolliges Wesen, das zu einfacher Laut- und Wortbildungfähig ist... es singt gem ..." Uber das Gaufursorgeamt wird Ingeborg wegen ihrer Behinderung in die Heilund Pflegeanstalt Niedernhart bei Linz überstellt und von dort am 20.1.1942 „Am Spiegelgrund " transferiert. Dr. H. Gross nimmt die Aufnahmeuntersuchung vor und meldet einige Monate später das Kind an den Reichsausschuss in Berlin. Am 15.9.1942 wird das Mädchen vom 1. Stock des Pav. 15 ins Parterre verlegt. Am 1.10.1942
Sein Allgemeinzustand verschlechtert sich zusehends. vermerkt Dr. H. Gross unter anderem „zunehmender Verfall
Am Ii.10.1942
stirbt Ingeborg an Lungen- und Rippenfellentzündung.
208
Anna Hofer
HOFER Anna
A Z 240/42
geb.
27.4.1940
eingewiesen durch:
Gaufiirsorgeamt/Reichsstatthalter in O D .
aufgenommen:
27.7.1942
Aufnahmeuntersuchung:
Linz
r.k.
ehelich
Pav. 15/P.
4.8.1942
Pav. 15/Sgl.
29.7.1942
Dr. H . Gross/Dr. M.Türk
Meldung:
19.11.1942
Dr. E. Illing
gest.
22.1.1943
11 Uhr 30
Todesursache:
Lungenentzündung
Anna befindet sich seit Ende des ersten Lebensmonats (ab 25.5.1940) im Säuglingsheim Bad Ischl. Warum das Kind dort ist, geht aus den vorliegenden Unterlagen, die bis zum Jahre 2003 uneinsehbar waren, nicht hervor. Man kann nur eine Schlussfolgerung aus mehreren Schreiben des besorgten Kindesvaters an die Heilpäd. Klinik d. Stadt Wien „Am Spiegelgrund "ziehen, in denen betont wird, dass die Eltern ihre Tochter „gerne bei sich gehabt hätten ... und sie sich um eine größere Wohnung bemühten ". Am 10.5.1942
Am 18.5.1942
Am 8.6.1942
Am 27.7.1942
Am 19.11.1942
wird vom zuständigen Reichsstatthalter schriftlich angefragt, ob das Kind zur Beobachtung und Untersuchung der Bildungsfähigkeit in der Anstalt ,Am Spiegelgrund" aufgenommen werden könne. antwortet Dr. H. Gross, dass „augenblicklich Platzmangel herrsche. Wir werden das Kind in Vormerkung halten und sobald ein Bettfrei wird, Sie hievon verständigen ". schreibt der Reichsstatthalter OD. von nochmals: „... Ich bitte Sie aber, die Aufnahme möglichst zu beschleunigen, da der Fall sehr dringend ist." wird die kleine Anna ,Am Spiegelgrund" im Pav. 15 aufgenommen. Zwei Tage später erfolgt die Aufnahmeuntersuchung durch Dr. H. Gross. In der Zusammenfassung der Diagnose vermerkt er unter anderem: „ Wahrscheinlich Schwachsinn höheren Grades. Das Gesamtbild läßt vorläufig eher auf ein erworbenes hirnorganisches Leiden schließen." meldet Dr. E. Illing das Kind an den Reichsausschuss in Berlin: „Dauernde Pflegebedürftigkeit und keinerlei Arbeitseinsatzfähigkeit zu erwarten". Inzwischen lernt das 2'/2-jährige Mädchen selbstständig laufen, doch hat es Angst vor allem, was sich außerhalb
Anna Hofer
209
seines Bettchens tut. In diesem scheint es sich am sichersten zu fühlen. Am 10.1.1943
erkrankt das Kind an starker Bronchitis. Das Allgemeinbefinden verschlechtert sich zusehends. Am 22.1.1943 stirbt die kleine Anna an Lungenentzündung. Im Sektionsprotokoll steht nur: „Die kindliche Leiche wurde zum Zwecke der wissenschaftlichen Bearbeitung konserviert." 60 Jahre später findet sich Annas Köpfchen, fixiert in Formalin mit der Bemerkung „Reserviertfur Dr. H. Gross" in der Pathologie des Krankenhauses auf der Baumgartner Höhe. Transkription eines Schreibens des Vaters von Anna Hofer an die Wr. Städt. Nervenklinik fur Kinder vom 9.3.1943, nachdem er sich mehrmals nach dem Befinden des Töchterchens erkundigt und keine Antwort erhalten hatte: Linz, am 9.5.1945 „Sehr hochverehrte Verwaltung! Lch, endesgefertigter Franz Hofer habe mit bestem Dank die Todesnachricht von unserem Kinde erhalten. Es ist mir sehr unverständlich, daßjetzt auf einmal angegeben wird, was früher nicht der Fall war, solange unser Kind in Ischl war. Auf jedwede Anfrage hat es geheißen Ihr Kind ist gesund und wohlauf, Sie können außer Sorge sein. Man sollte glauben in so einer hohen Anstalt soll doch so etwas nicht vorkommen wo so viele Beauftragte und Selbstaufopferer sind. Daß, wenn schon ein Kindlein körperlich schwach ist, daß man sorgt, daß es mit dem Leben davon kommt. Und daß es dann so unvorhergesehen mit einer angegebenen Krankheit ins Reich Gottes hinüber wandelt..." Dr. E. Illing antwortet, dass es unerklärlich sei, weshalb die Eltern die Todesnachricht nicht früher erhalten hätten und führt unter anderem aus: „Das Kind war geistig tiefstehend, sprach noch gar nichts und hatte auch kein Sprachverständnis; es konnte auch noch schlecht laufen. Es hat auch während seines hiesigen Aufenthaltes keinerlei Fortschritte gemacht. Das Kind ware im Leben sicher niemals ein brauchbarer Mensch geworden und wäre dauernd anstaltsbedürftig geblieben. Nehmen Sie dieses zum Trost, daß es fur das Kind sicher besser war, durch einen sanften Tod erlöst zu werden." Aus dem Jahre 1956 (!) gibt es ein Gutachten des histopathologischen Laboratoriums, unterschrieben von Dr. H. Gross, daraus geht unter anderem hervor: Zit.: Vorgeschichte: „Mutters Vater soll Trinker sein, die Mutter ist geistig beschränkt, in der Schule zweimal sitzengeblieben, spricht sehr langsam und leise. Die ältere Schwester der Pat. besucht die 3. Klasse Hilfsschule in Steyr. Mutter bei der Geburt 37 Jahre alt. Über Schwangerschaft, Geburt und frühkindliche Entwicklung ist nichts bekannt ... lt. Bericht der dortigen Schwester ist das Kind in körperlicher und geistiger Ent-
2IO
Anna Hofer/Karl Leopold Hofer
wicklung weit zurückgeblieben. Bei der Entlassung aus dem Heim konnte es gerade kurzzeitig stehen ..." Klinische Diagnose: Angeborene Entwicklungshemmung bei erblicher Belastung mit Schwachsinn und Macrocephalie. Idiotie ohne neurologische Ausfallserscheinungen. " Hirnsektion: nach Formolfixierung am 11.6.1956 (146/1/56) „Hirngewicht nicht vorliegend, da Schädel mit Gehirn konserviert. Weitere Bearbeitung erfolgt später." Unterschrift: Dr. H. Gross
HOFER Karl Leopold
A Z 2,14/41
geb.
9.9.1939
eingewiesen durch:
K U S T / S t ä d t . Krankenhaus Ottakring
Wien
r.k.
unehelich
aufgenommen:
29.9.1941
Aufnahmeuntersuchung:
30.9.1941
Meldung:
2.10.1941
Dr. E. Jekelius
gest.
19.11.1941
6 U h r 30
Todesursache:
Lungenentzündung, allgemeiner Kräfteschwund
Dr. H . Gross
Karl und seine drei Geschwister wachsen bei der mütterlichen Großmutter auf, die schon sehr betagt ist. Die Mutter kann sich um die Kinder nicht kümmern, da sie berufstätig ist. Von der Fürsorge wird der Antrag auf Uberstellung von Karl Leopold auf den „Spiegelgrund" gestellt. Am 29.9.1941 wird er aufgenommen und am nächsten Tag von Dr. H. Gross untersucht. Dieser hält u. a. fest: „Das Kind ist größtenteils während der Untersuchung sehr unruhig, besonders wenn man versucht, es still zu halten. Dies erscheintfast unmöglich ...es rief öfters,Mama'. Eine genauere Untersuchung muß noch vorgenommen werden ..." Am 2.10.1949 meldet Dr. E. Jekelius das Kind an den Reichsausschuss in Berlin: „... sehr unruhig, wälzt sichfortwährend herum. Mutter geistig und moralisch minderwertig..." Am 19.11.1941 stirbt der kleine Karl in den Morgenstunden an Lungenentzündung und allgemeinem Kräfteschwund.
211
Rudolfine Hofer
AZ 26/43
HOFER Rudolfine geb.
23.12.1940
eingewiesen durch:
Reichsstatthalter O D .
Weyer
r.k.
aufgenommen:
16.4.1943
Pav. 15/1
Aufnahmeuntersuchung:
17.4.1943
Dr. M . TürkyDr. E. Illing
Meldung:
9.7.1943
Dr. E. Illing
gest.
10.7.1943
17 Uhr 15
Todesursache:
Lungenentzündung
unehelich
Rudolfine wächst bei ihrer Tante, einer Schwester der Mutter, auf, die das Kind liebevoll betreut. Das kleine Mädchen war eine Frühgeburt und wog anfangs 960 g. Am 22.2.1943 steWt der Landrat des Kreises Steyr einen Antrag zur Einweisung in die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder. Der zuständige Arzt empfiehlt „eine Beobachtung in einer Anstalt nur vorrübergehend". Am 16.4.1943 wird das Kind, das noch nicht gehen und sprechen kann, im Pav.15 aufgenommen und den üblichen Untersuchungsmethoden unterzogen. Am 9.7.1943 meldet Dr. E. Illing das Kind an den Reichsausschuss in Berlin. Am 10.7.1943 vermerkt Dr. E. Illing in der Krankengeschichte: „Seit 8.7.1943 Temp. Erhöbung, schlechte Nahrungsaufnahme, Nasenflügelatmen ... verfallt im Laufe des Vormittags zusehends ... Mittags Lungenentzündung. Schlechtmeldung. 16 Uhr-39,4 17 Uhr 15 Exitus letalis. Rudolfine stirbt an katarrhal. Lungenentzündung.
212
Ilse H o f m a n n
HOFMANN Ilse
A Z 201/43
geb.
8.2.1941
eingewiesen durch:
Landrat Kreis Kirchdorf/Krems
Spital a. Pyhrn
gttgl.
aufgenommen:
24.7.1943
Pav. 15/1
Aufnahmeuntersuchung:
27.7.1943
Dr. M . Türk
gest.
16.8.1943
16 Uhr
Todesursache:
Geschwürige Darm- u. Lungenentzündung
ehelich
Die Eltern der kleinen Ilse „hängen mit großer Liebe und Fürsorge" An dem Kind. Neben einem Brüderchen wächst es in wohlhabenden Verhältnissen auf, der Vater ist Oberfeldmeister im Reichsarbeitsdienst. Das Mädchen macht so ziemlich alle Kinderkrankheiten durch (Masern, Scharlach, Feuchtblattern, Keuchhusten, Mittelohrentzündung ...). Durch die liebevolle Pflege der Mutter übersteht sie alles gut und entwickelt sich auch dem Alter entsprechend. Mit 1 Jahr hat das Kind plötzlich einen Anfall, während dem es 1 Vi Stunden bewusstlos ist. Der herbeigerufene Arzt stellt eine linksseitige Lähmung fest, die aber nach einigen Stunden wieder zurückgeht. Ein zweiter Anfall tritt fünf Monate später auf. Ab da ist Ilse vor allem in der Sprachentwicklung beeinträchtigt. Da die behandelnden Ärzte keine Erklärung für diese Symptome geben können, ersuchen die besorgten Eltern um Einweisung in die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder, sie erhoffen sich Klärung für das sonst gesunde und fröhliche Kind. Am 24.7.1943
wird das kleine Mädchen im Pav. 15 aufgenommen. Drei Tage später wird die Aufnahmeuntersuchung vorgenommen. Dr. M. Türk vermerkt u. a.: „... ein seinem Alter entsprechend großes, grazil gebautes, zartes Kind in gutem Ernährungszustand... rundliches, herziges Kindergesicht ... zeigt intern und neurologisch keine Störungen ..."
Am 5.8.1943
hat Ilse hohes Fieber, erbricht, der Stuhl ist blutig-schleimig. In der Folge verschlechtert sich das Allgemeinbefinden, das Kind hat starken Gewichtsverlust und es zeigen sich „Austrocknungserscheinungen ".
Am 16.8.1943
ist Ilse an Lungenentzündung erkrankt. Mittags verschlimmert sich ihr Zustand, es tritt eine Kreislaufschwäche auf. Um 16 Uhr stirbt das 2!/2-jährige Kind.
Am 30.3.1944
beantwortet Dr. E. Illing eine Anfrage des Staad. Gesundheitsamtes Kirchdorf a. d. Krems u.a.: „... bei der kurzen nach der hiesigen Klinikaufiiahme erfolgten schweren fieberhaften Erkrankung war eine genauere psychische Beurteilung nicht möglich ..."
213
Leopold Hollas
AZ 474/43
HOLLAS Leopold geb.
31.12.1930
Lichtenegg
r.k.
unehelich
b. Wels eingewiesen durch:
Städt. Jugendamt Linz/ O D .
aufgenommen:
1.3.1944
Aufnahmeuntersuchung:
Dr. M . Türk
Meldung:
30.9.1944
Dr. E. Illing
gest.
21.12.1944
11
Todesursache:
Bronchitis, Lungenentzündung
Pav. 15/Kr.
Uhr 30
Leopold wächst bei den Eltern auf. Besonders „die Mutter hängt sehr an dem Kind", das ausgeglichen, liebebedürftig, folgsam, aber sehr ängstlich ist. Der Bub hat noch drei Geschwister, die einander in Liebe zugetan sind. Das Kind macht während der ersten Lebensjahre drei Mal eine Lungenentzündung durch. Mit 6 Jahren stellen sich Lähmungserscheinungen ein, Diagnose: „Morbus Little". In der Folge kann Leopold nicht mehr gehen, im Laufe der Zeit ist auch die geistige Entwicklung gehemmt. Der zuständige Stadtarzt stellt an den Gaufiirsorgeverband in Linz den Antrag zur Aufnahme in die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder. Am 1.3.1944
wird der Bub in Pav. 15 aufgenommen und von Dr. M. Türk untersucht, sie hält u. a. fest: „... unterentwickelter, sehr magerer Buh, der gehunfdhig ist und gelähmt im Bett liegt ...er
ist im-
stande, sich allein aufzusetzen und frei zu sitzen ... auffallend ist die enorme Überempfindlichkeit fur Berührungen aller Art an den unteren Extremitäten. Besonders am rechten Fuß, wo jede noch so sanfte Berührung als heftiger Schmerz empfunden wird...
der
Junge ist freundlich zugänglich, es ist leicht mit ihm in Kontakt zu kommen ... sein Sprachverständnis ist gut, er gibt bereitwillig Antwort ...als vom Spielzeug zu Hause die Rede ist, kommen ihm einige Tränen in die Augen ..." Am 30.9.1944
meldet Dr. E. Illing das Kind an den Reichsausschuss in Berlin als „gänzlich bildungs- u. arbeitsunfähig u. vollständig pflegebedürftig ..."
Am 21.12.1944
stirbt Leopold im Alter von 14 Jahren an Lungenentzündung.
214
Anna Holoubek
HOLOUBEK Anna geb.
A Z 547/42 25.12.1938
Protektorat
r.k.
unehelich
Neuhaus eingewiesen durch:
Pflege- u. Beschäftigungsanstalt Gugging
aufgenommen:
16.3.1943
Aufnahmeuntersuchung:
18.3.1943
Meldung:
30.3.1943
Dr. E. Illing
gest.
29.5.1943
2 U h r 30
Todesursache:
Lungenentzündung
Dr. M . Türk
Annas Mutter arbeitet als Hausgehilfin bei einer sehr netten Dame. Da sie keine Wohnung hat, hat sie mit dem Töchterchen Unterkunft bei ihrer Dienstgeberin. Diese bemüht sich auch um die Pflege und Erziehung des kleinen Mädchens, das an „cerebraler Kinderlähmung" leidet. Mit 3 Vi Jahren wird das Kind nach Gugging eingewiesen und am 16.3.1943 als „geistig minderwertig" in die Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder in Wien 14, Baumgartner Höhe überstellt. Am 18.3.1943 nimmt Dr. M. Türk die Aufnahmeuntersuchung vor. U. a. hält sie im Protokoll fest: „4'Ä-jähriges annähernd normal großes, sehr mageres Kind, das ohne sich zu bewegen in Rückenlage im Bettchen liegt. Es ist nicht imstande sich aufzurichten ... Gesicht nicht unhübsch ... ruhig, apathisch und rechtfreundlich, wenn es angesprochen wird. Es hört auf seinen Namen, scheintauch ein geringes Sprachverständnis zu besitzen. Es bemüht sich über Aufforderung das Händchen zugeben oder den Mund zu öffnen. Esfixiert,schaut Gegenständen nach, bemüht sich auch sie zu ergreifen, doch gelingt ihm dies wegen seiner athedoiden (langsam bizarr bewegend) Bewegungsstörung nur mangelhaft." Am 22.5.1943
wird Anna einer Encephalografie unterzogen, in deren Folge sie bis 41 Grad fiebert. Am 28.5.1943 bricht der Kreislauf durch einen Temperatursturz auf 36 Grad zusammen. In der Nacht zum 29.5.1943 stirbt das kleine Mädchen. Als Todesursache wird Lungenentzündung angegeben.
215
August Holz
HOLZ August
AZ114/43
geb.
7·9· Ι 937
eingewiesen durch:
Wagner v. Jauregg Heil- u. Pflegeanstalt Wien
aufgenommen: Aufnahmeuntersuchung:
7.6.1943 12.6.1943
Pav. 15/1 Dr. M. Türk
Meldung (Bericht):
1.7.1943
Dr. E. Illing
Viersen
gest.
22.2.1945
Todesursache:
Grippe — Lungenentzündung
r.k.
ehelich
August kommt am 19.5.1943 mit einem Sammeltransport aus der Pflegeanstalt St. Josef in Hardt bei Mönchengladbach in die Wagner v. Jauregg Heil- u. Pflegeanstalt der Stadt Wien. Von dort wird das Kind in den Pav. 15 überstellt und von Dr. M. Türk untersucht. Das Kind ist durch eine cerebrale Kinderlähmung schwer behindert. Es liegt meist in Rückenlage im Bettchen, kann weder sitzen noch stehen oder gehen. Es hebt nur häufig den Kopf, weil es sehr an den Vorgängen seiner Umgebung interessiert ist, es ist freundlich und zugänglich. Trotz der schweren körperlichen Behinderung, die ihm bewusst ist, ist „diepsych. Persönlichkeit weitgehend erhalten ... (Dr. E. Illing) ...es zeigt lebhafte Freude, wenn man sich mit ihm beschäftigt und mit ihm spricht...". Am 1.7.1943
schreibt Dr. E. Illing einen Bericht an den Reichsausschuss nach Berlin und betont darin, dass bei dem kleinen August „voraussichtlich keinerlei Arbeitseinsatz zu erwarten sei
Im Februar 1945 erkrankt das Kind an Lungenentzündung, hat hohes Fieber, schlechten Appetit, das Allgemeinbefinden verschlechtert sich zusehends. Am 22.2.1945
stirbt der Bub gegen Mitternacht.
Der Krankengeschichte liegt ein Vermerk bei: „Wegen Wassermangel nicht obduziert. " Unterschr. Dr. Uiberrak. (Vorst, d. Prosektur)
Helga Holzhauer
A Z 297/43
HOLZHAUER Helga geb-
28.6.1936
eingewiesen durch:
Wagner v. Jauregg Heil- u. Pflegeanstalt Wien
Bad Kreuznach
evang.
aufgenommen:
24.9.1943
Aufnahmeuntersuchung:
Dr. M . Türk
ehelich
Pav. 15/Kr.
Meldung:
28.9.1943
Dr. E. Illing
gest.
10.10.1943
15 Uhr 30
Todesursache:
Lungentuberkulose
Helga wird mit einer Lippenkiefergaumenspalte geboren, die nach dem dritten Lebensmonat teilweise operativ geschlossen wird. Seit dem vierten Lebensmonat leidet das Kind an häufigen Krampfanfällen, die die Motorik und die geistige Entwicklung sehr beeinträchtigen. Die besorgten Eltern suchen ärztliche Hilfe. Ein kontaktierter Internist beantragt Anstaltspflege wegen „ Unzulänglichkeit der Familienpflege" und begründet dies: „... es sind noch zwei gesunde Kinder im Alter von 10 u. 6Jahren in der Familie, welche die Aufsicht der Mutter beanspruchen. Die Pflege des kranken Kindes ist zu schwer (unsauber!) als dass die Mutter sie bewältigen könnte, ohne die übrigen Kinder weitgehendst zu vernachlässigen." Das kleine Mädchen befindet sich von Mai 1939 bis Mai 1943 in der Anstalt Niederreidenbacher Hof und wird von dort mit einem Sammeltransport in die Wagner v. Jauregg Heil- u. Pflegeanstalt in Wien gebracht. Am 24.9.1943 Am 28.9.1943
Am 10.10.1943
wird das Kind im Pav. 15 aufgenommen und von Dr. M. Türk untersucht. schreibt Dr. E. Illing einen Bericht an den Reichsausschuss in Berlin und meldet, dass „das Kind dauernd bildungs- u. arbeitsunfähig" sein werde. stirbt Helga an Lungentuberkulose.
217
Peter Holzmann
HOLZMANN Peter
AZ158/43
geb.
28.1.1939
eingewiesen durch:
Reichsstatthalter Linz
aufgenommen:
8.7.1943
Aufnahmeuntersuchung:
Dr. E. Illing
Linz
evang.
ehelich
Pav. 15/1
Meldung:
26.7.1943
Dr. E. Illing
gest.
5.9.1943
17 Uhr 15
Todesursache:
Herzstillstand bei Keuchhusten
Peter wächst in seiner Familie mit zwei weiteren Geschwistern auf. Während der Vater zum Kriegsdienst eingezogen wird, kümmert sich die Mutter liebevoll um die Kinder. Der kleine Peter ist ein besonders lebhaftes Kind, liebt besonders lärmendes Spielzeug und versucht seinen Willen jederzeit mit Nachdruck durchzusetzen. Da er sich mit der Sprachentwicklung Zeit lässt, sucht die Mutter Beratung bei einem Arzt. In den vorliegenden Unterlagen findet sich ein Schreiben des Gaufursorgeamtes an den Oberbürgermeister der Gauhauptstadt Linz, in dem um Uberstellung des Buben in die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder ersucht wird. U. a. heißt es hier: „... bei der Uberstellung ist der Anstaltsleitung zu übergeben: Der dreiteilige Aufnahmebogen, die Seifenkarte, die Lebensmittelkarten, die Abmeldung der Lebensmittelkarten und ein Dokument, Weiters die ortspolizeiliche Abmeldebestätigung. Weiters mache ich darauf aufmerksam, dass das Kind ohne Abgabe eines Infektionsfreischeines nicht genommen wird..." Am 8.7.1943
(Unterschr.: Reg. Rat Herman Haider)
wird Peter im Pav. 15 aufgenommen und von Dr. E. Illing untersucht.
Am 26.7.1943
ergeht die Meldung des Kindes an den Reichsausschuss in Berlin. Es erkrankt an schwerem Keuchhusten, erbricht häufig und nimmt stark an Gewicht ab.
Am 5.9.1943
stirbt der 41/2-jährige Bub an „Herzstillstand bei Keuchhusten ".
218
Anna Hörting
HÖRTINGAnna geb.
A Z 275/41 4.7.1937
Staudach/
r.k.
ehelich
Hartberg/Stmk. eingewiesen durch:
Gesundheitsamt Hartberg
aufgenommen:
11.9.1942
Aufnahmeuntersuchung:
Pav. 15/P.
14.1.1943
Pav. 17/K.
13.2.1943
P av - I5^P·
3.1.1942
Dr. M.Türk
18.9.1942
Dr. H . Gross
Meldung:
13.2.1942
gest.
28.3.1943
Todesursache:
Lungenentzündung
5 Uhr 15
Anna hatte im Alter zwischen 2 und 3 Jahren täglich mehrere krampfartige Anfälle, die nicht eindeutig diagnostiziert werden konnten. Durch die Beratungsstelle des staatlichen Gesundheitsamtes in Hartberg „dringend empfohlen", bringt die Kindesmutter das kleine Mädchen voll Hoffnung auf helfende Behandlung selbst in die Heilpädag. Klinik der Stadt Wien „Am Spiegelgrund". Nach eingehenden Untersuchungen und besorgten Anfragen der Eltern nach dem Befinden ihres Kindes antwortet Dr. H. Gross am 26.9.1942: „AufIhre Anfrage vom 21.9.1942 wird Ihnen mitgeteilt, daß Ihr Töchterchen Anna körperlich gesund ist und sich bereits in das Abteilungsleben eingewöhnt hat. Die Kinder sind hier gut verpflegt und bedürfen keinerlei Nahrungszubußen. Obst zu schicken steht Ihnen frei. " In einer „vorläufigen Diagnose" hält Dr. H. Gross fest: „... Körperlich über ihr Alter entwickeltes Mädchen. Mongolismus nicht ganz typisch ..." Am 13.10.1942 steht im Schwesternbericht unter anderem: „... Sie ist sehr viel in Bewegung und zeigtfür alles Interesse was um sie vorgeht. Sie spielt sehr gerne mit den anderen Kindern. Es ist manchmal vorgekommen, daß sie einen ganzen Tag hindurch weint... Tag und Nacht ist sie rein ... keinerlei Aufträge kann sie befolgen ..." Am 3.1.1942 steht in einem weiteren Schwesternbericht: „Sie spricht anscheinend ziemlich viel, doch nie wenn eine Schwester auf der Abteilung ist. Da hört sie sofort auf. Man hört sie nur sprechen, wenn sie sich unbeobachtet glaubt. Sie erzählt den anderen Kindern von daheim, vom Garten. Als der Krampus auf der Abteilung war, wurde von einer Bedienerin gehört, wie sie zu einem anderem Kind gesagt hat, es solle brav sein, da sonst der Krampus käme ...
219
Anna Hörting/Berta Horvath
Am 13.2.1942 Am 25.3.1942 Am 28.3.1942
Im Verhalten zur Schwester ist sie immer scheu und zurückgezogen. Sucht nie Konakt zu ihr ... mit anderen Kindern beschäftigt sie sich gerne. Mit der Puppe spielt sie einfache Rollenspiele, sie trägt sie am Arm herum ..." Sr. Κ. wird Anna dem Reichsausschuss in Berlin gemeldet, das Kind hat auch inzwischen stark an Gewicht abgenommen. hat das Mädchen plötzlich hohes Fieber bei starker Bronchitis. Das Allgemeinbefinden ist sehr schlecht. stirbt Anna in den Morgenstunden an Lungenentzündung.
HORVATH Berta geb.
A Z 57/43 15.2.1938
Pinkafeld/
r.k
ehelich
Oberwarth eingewiesen durch:
Dr. E. Türk/Wr. Univ. Kinderklinik
aufgenommen:
10.5.1943
Aufnahmeuntersuchung:
12.5.1943
Pav. 15/P. Dr. M . T ü r k
Meldung:
17.5.1943
Dr. E. Illing
gest.
9.7.1943
17 U h r 45
Todesursache:
Lungenentzündung
Die kleine Berta wird mit beidseitigem Star und Lues geboren. Der Vater ist eingerückt, die mütterliche Großmutter und die Mutter bemühen sich um das Kind. Nach dem ersten Lebensjahr wird das Mädchen in Wr. Neustadt an beiden Augen operiert, anschließend wird es in die Wr. Univ. Kinderklinik überstellt, wo es einer Reihe von Impfversuchen unterzogen wird. Inzwischen ist das Kind nahezu erblindet, es ist aber trotzdem lebhaft und gutmütig. Am 10.5.1943
Am 17.5.1943
wird Berta nach Vereinbarung zwischen Univ. Kinderklinik und Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder im Pav. 15 aufgenommen. Dr. E. Türk gibt einen Wunschzettel mit, „da der Fall von großem wissenschaftlichen Interesse ist". Er ersucht „um besondere Beachtung der jeweiligen Impfttellen und um Verständigung, da ich der Autopsie beiwohnen möchte". macht Dr. E. Illing die Meldung an den Reichsausschuss und
Am 9.7.1943
betont die „voraussichtliche dauernde Anstaltsbedürfiigkeit". stirbt das jV^-jährige Kind an Lungenentzündung.
220
Franz Horvath/Friedrich Horvath
HORVATH Franz
A Z 3x3/43
geb.
i.7.1942
eingewiesen durch:
Fürsorgeklinik Wien 1 8 / K Ü S T
Wien
aufgenommen:
13.10.1943
Aufnahmeuntersuchung:
15.10.1943
Dr. M . Türk
Meldung:
21.10.1943
Dr. E. Illing
gest.
28.11.1943
23 U h r 45
Todesursache:
Lungenentzündung, Lungen T b c
r.k.
unehelich
Pav. 15/Sgl.
Obdachlosigkeit ist der Einweisungsgrund für den kleinen Franz. Die Mutter ist Nachrichtenhelferin, der Vater bei der Wehrmacht. Es gibt keine Verwandten, die sich um das Kind kümmern können. Am 13.10.1943
wird Franz im Pav. 15. der Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder aufgenommen.
Am 21.10.1943
meldet Dr. E. Illing das Kind an den Reichsausschuss in Berlin.
Am 28.Ii.1943
stirbt der Bub mit einem Gewicht von 4,90 kg im Alter von 15 Monaten an Lungentuberkulose.
HORVATH Friedrich
A Z 494/42 2.3.3.1937
geb.
Frauenkirchen/
r.k.
ehelich
ND. eingewiesen durch:
Gesundheitsamt Bruck/L.
aufgenommen:
15.2.1943
Pav· :5
Aufnahmeuntersuchung:
18.2.1943
Dr. H . Gross
Meldung:
20.2.1943
Dr. E. Illing
gest.
22.2.1943
13 U h r 30
Todesursache:
Lungenentzündung
Friedrich kommt durch eine Zangengeburt zur Welt. Vermutlich wird er dabei verletzt. In der Folge entwickelt sich das Kind nur sehr langsam. Es reagiert kaum auf akustische und optische Reize, nimmt nur breiige Nahrung zu sich. Am 15.2.1943
wird das fast sechsjährige Kind mit nur 9 kg Körpergewicht im Pav. 15 aufgenommen.
Am 20.2.1943
meldet Dr. E. Illing den Buben an den Reichsausschuss in Ber-
221
Friedrich Horvath/Hilde Houda
lin: „... dauernde Pflegebedürftigkeit u. keinerlei Arbeitseinsatzfdhigkeit zu erwarten ..." Am 22.2.1943 Am 31.5.1943
stirbt Friedrich an Lungenentzündung. schreibt der Verwalter der Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder an den zuständigen Reichsstatthalter u.a.: „... die Bestattungskosten sind in den Verpflegskosten nicht Inbegriffen. Das Kind erhielt ein Armenbegrdbnis, die Kosten betrugen DM$,-"
HOUDA Hüde geb.
A Z 89/41 4.10.1941
Wien
r.k.
eingewiesen durch:
Kinderspital Favoriten/Chefarzt Dr. Meier
aufgenommen:
7.5.1942
Pav. 1/1
Aufnahmeuntersuchung:
8.5.194z
Dr. M . Hübsch
gest.
16.5.1942
2 Uhr
Todesursache:
unbekannt
ehelich
Hilde wird nach einer Geburtsverletzung in das Kinderkrankenhaus Favoriten eingeliefert und nach wenigen Tagen nach Hause entlassen. Als das kleine Mädchen nach 5 Vi Monaten an Bronchitis mit sehr hohem Fieber erkrankt, kommt es ein zweites Mal in das Krankenhaus. Es ist sehr unruhig, schreit viel und trinkt schlecht. Zeitweise wird es von Krämpfen geschüttelt. Am 7.5.1942 Am 14.5.1942 Am 16.5.1942
wird Hilde auf Pav. 1 „Am Spiegelgrund" überstellt. Das Kind fiebert sehr hoch und nimmt schlecht Nahrung zu sich. wird eine Encephalografie vorgenommen, bei der es Komplikationen gibt. stirbt das Kind. Die Todesursache geht aus den Unterlagen nicht hervor.
222
Ernst Hruschka
HRUSCHKA Ernst geb.
A Z 296/44 10.4.1932
Pianz b.
r.k.
ehelich
Landegg/Tirol eingewiesen durch:
Jugendamt Wien 14/15
aufgenommen:
15.2.1945
Aufnahmeuntersuchung:
15.2.1945
Dr. M . Türk
Meldung:
21.2.1945
Dr. E. Illing
gest.
4.3.1945
6 Uhr
Todesursache:
Darmkatarrh u. Lungenentzündung
Pav. 15/Kr.
Ernst stürzt mit drei Monaten auf den Kopf, der Arzt stellt eine Gehirnerschütterung mit Gehirnblutung fest. In der Folge treten häufig Krämpfe mit Bewusstlosigkeit auf, der Bub bleibt linksseitig gelähmt. Im Jänner 1945 flüchtet die Mutter mit vier Kindern aus Oderberg nach Wien, während der Vater beim Volkssturm eingesetzt wird. Sie findet Unterschlupf bei ihrem Bruder in einem fensterlosen, nicht heizbaren Raum neben einer Schneiderwerkstätte. Da das behinderte Kind vom Wohnungsinhaber nicht behalten wird, wird der Antrag auf Unterbringung in der Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder gestellt. Am 15.2.1945
wird das Kind im Pav. 15 aufgenommen und von Dr. M . Türk untersucht.
Am 21.2.1945
meldet Dr. E. Illing den Buben an den Reichsausschuss in Berlin.
Während der nächsten Tage verschlechtert sich das Allgemeinbefinden des Kindes. Es wird eine lumbale Encephalografie vorgenommen. Die Nahrungsaufnahme ist sehr gering. Ohne Fieber erkrankt Ernst an Darmkatarrh und Lungenentzündung. Am 4.3.1945 stirbt der Bub.
Ekkehard Hubeny/Rudolf Huber
223
HUBENY Ekkehard
A Z 245/44
geb.
17.10.1944
eingewiesen durch:
Staatl. Gesundheitsamt Nikolsburg
Neusiedl/ND.
aufgenommen:
7.12.1944
Pav. 15/Sgl.
Aufnahmeuntersuchung:
7.12.1944
Dr. M . Türk
gest.
5.1.1945
1 U h r 30
Todesursache:
Allgemeine Lebensschwäche
r.k.
ehelich
Ekkehard wird mit schweren Missbildungen des Schädelskeletts und aller Extremitäten geboren. Am 7.12.1944 wird der Säugling in die Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder eingewiesen und noch am selben Tag von Dr. M. Türk untersucht. Am 20.12.1944 wird eine Encephalografie vorgenommen, deren Ergebnis keinerlei Erkenntnisse erbringt. In der Folge verschlechtert sich das Allgemeinbefinden des Kindes, „es vergisst zeitweilig zu atmen...". Am 5.1.1945 stirbt Ekkehard im Alter von Monaten an allgemeiner Lebensschwäche.
HUBER Rudolf
A Z 41/43
geb-
30.4.1938
eingewiesen durch:
KÜST
Wien
evang.
aufgenommen:
28.4.1943
Pav. 17/Kr.
29.5.1943
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
28.4.1943
Dr. E. Illing/Dr. Μ Türk
Meldung:
3.6.1943
Dr. E. Illing
gest.
26.7.1943
20 U h r
Todesursache:
Herzstillstand bei schwerer eitriger Bronchitis
unehelich
Rudolf wächst die ersten Lebensmonate bei seiner Mutter auf. Im zweiten Lebensjahr kommt er auf einen Pflegeplatz. Die Eltern dürften sich um das Kind nicht sehr bemühen. Es ist oft krank und muss mehrmals einige Zeit in Krankenhäusern verbringen. Dies macht sich im Laufe der Zeit in der geistigen Entwicklung des Kindes bemerkbar. Es kann nicht sprechen und hat auch nur ein geringes
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Rudolf Huber/Anton Huemer
Sprachverständnis. Als Rudolf im Jahre 1943 in die Wr. Univ. Kinderklinik zur Beobachtung eingeliefert wird, veranlasst diese über die K U S T eine Uberstellung in die Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder. Die Mutter möchte aber das Kind zu sich nehmen, doch es wird ein Ausfolgeverbot verhängt: „Der Knabe ist zur Zeit zur Entlassung nicht geeignet, zur Beurteilung ist eine weitere Belassung in der hiesigen Klinik erforderlich. Die Mutter drängt auf Entlassung, die ärztlicherseits nicht befürwortet werden kann, zumal auch gem. Rd.Erl. d. Rmdl. v. 18.6.1940 — IV10/40 — y8o$ eine Entlassung gegen ärztlichen Rat nur aufichiebende bezw. unterbrechende Wirkung haben könnte, da vom zuständigen Gesundheitsamte umgehend erneute Einweisung vorgenommen werden müsste, nachdem das Kind von hier aus dem Reichsauschuss gemeldet wird. Es wird gebeten, falls von den Angehörigen weitere Schritte gemacht werden, Ausfolgeverbot zu veranlassen. " Dr. E. Illing Am 29.5.1943 Am 3.6.1943
wird der kleine Bub auf Pav. 15 verlegt. meldet Dr. E. Illing das Kind an den Reichsausschuss in Berlin: „... dauernde
Am 26.7.1943
Anstaltsbedürftigkeit..."
stirbt Rudolf an Herzstillstand bei schwerer eitriger Bronchitis.
HUEMER Anton
A Z 211/44
geb-
19.2.1935
eingewiesen durch:
Reichsstatthalter Linz/D.
Linz/D.
aufgenommen:
19.10.1944
Pav. 15/Kr.
Aufnahmeuntersuchung:
20.10.1944
Dr. M . Türk
Meldung:
30.10.1944
Dr. E. Illing
gest.
23.1.1945
3 Uhr
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
ehelich
Anton leidet nach einer Geburtsverletzung an einer Hirnmissbildung. Das Kind ist deshalb in seiner geistigen und körperlichen Entwicklung stark beeinträchtigt. Neben vier weiteren Kindern bemüht sich die Mutter sehr um den behinderten Buben. Der Vater ist seit Kriegsbeginn eingerückt und als vermisst gemeldet. Auf Antrag des Gaufürsorgeamtes wird für das Kind Anstaltspflege als notwendig erachtet. In Begleitung einer Fürsorgerin bringt die Mutter das Kind selbst in die Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder, wo es am 19.10.1944 im Pav. 15 aufgenommen wird. 10 Tage nach der Aufnahmeuntersuchung meldet Dr. E. Illing den klei-
Anton Huemer/Erika Huttner
225
nen Anton bereits an den Reichsausschuss in Berlin: „... sicher dauernd vollständig pflegebedürftig und bildungsunßihig..." Inzwischen erkrankt das Kind an Feuchtblattern, hat Darmstörungen und nimmt stark an Gewicht ab (seit der Ankunft ist das Körpergewicht von 21 auf 17,5 kg gesunken). Das Allgemeinbefinden verschlechtert sich. Anton fiebert sehr hoch. Am 21.1.1945 Am 23.1.1945
ist in der Krankengeschichte eingetragen: „Sehr schwach und hinfällig ..." stirbt Anton im Alter von 10 Jahren an Grippe-Lungenentzündung.
HÜTTNER Erika
AZ163/43
geb-
6.5.1941
eingewiesen durch:
Landrat/Kreis Gmunden
Stadl Paura/OD. r.k.
aufgenommen:
27.8.1943
Pav. 15/Sgl.
Aufnahmeuntersuchung:
29.8.1943
Dr. M . T ü r k
Meldung:
31.8.1943
Dr. E. Illing
gest.
28.9.1943
1 Uhr 30
Todesursache:
Bronchitis, Lungenentzündung
unehelich
Erika wächst ab der Geburt bei der mütterl. Großmutter auf. Mit 12 Monaten hat das Kind Fraisen, seither ist es spastisch gelähmt. Am 27.8.1943 wird das kleine Mädchen in die Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder gebracht. Am 6.9.1943 fiebert Erika hoch, verliert während der nächsten Zeit stark an Am 27.9.1943 Am 28.9.1943
Gewicht und erkrankt an Bronchitis. ergeht eine „Schlechtmeldung" an die Mutter, nachdem sich der Allgemeinzustand zusehends verschlimmert. stirbt das Kind an Grippe-Lungenentzündung.
22 6
Robert ligner
ILGNER Robert
A Z 311/44
geb.
Ii.9.1930
eingewiesen durch:
KÜST
aufgenommen:
22.2.1945
Pav. 15/Kr.
Aufnahmeuntersuchung:
23.2.1945
Dr. M . Türk
Meldung:
28.2.1945
Dr. E. Illing
gest.
4.4.1945
18 U h r
Todesursache:
Lungenentzündung
Wien
evang.
ehelich
Mit sieben Monaten erkrankt Robert an Fraisen und einer Gehirnhautentzündung. Als Folge bleiben Lähmungserscheinungen. Besonders die Mutter bemüht sich mit großer Geduld um die weitere geistige und motorische Entwicklung des Kindes. Inzwischen wird die Familie ausgebombt. Uber das Gesundheitsamt wird die Uberstellung in die Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder beantragt. Am 22.2.1945 wird Robert im Pav. 15 aufgenommen und von Dr. M. Türk untersucht. Am 28.2.1945 Am 2.3.1945
Am 18.3.1945 Am 4.4.1945
meldet Dr. E. Illing das Kind an den Reichsausschuss in Berlin. erkrankt der Bub an eitrigem Schnupfen, er fiebert hoch. In den nächsten Tagen kommt eine Bronchitis dazu, das Allgemeinbefinden verschlechtert sich, „recht schwach und hinfällig" schreibt Dr. Türk in die Krankengeschichte. besuchen die Eltern ihren Sohn. Er erkennt sie. Lacht und freut sich „wie ein kleines Kind". stirbt Robert an Lungenentzündung
(Zwei Tage später stirbt die Mutter an einer Schussverletzung. Als sich der Vater am 29.4.1945 nach dem Befinden seines Kindes erkundigen will, wird ihm von dessen Ableben berichtet...!)
227
Hubert Imkamp
IMKAMP Hubert
A Z 210/43
geb.
5.9.1927
eingewiesen durch:
Wagner v. Jauregg Heil- u. Pflegeanstalt Wien
Oedt
r.k.
aufgenommen:
29.7.1943
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
29.7.1943
Dr. M . Türk
Meldung (Bericht):
14.8.1943
Dr. E. Illing
gest.
9.9.1943
π U h r 15
Todesursache:
Blutvergiftung bei Druckgeschwüren
ehelich
Hubert hat bereits 10 Jahre in Pflegeanstalten verbracht, als er am 18.5.1943 mit einem Sammeltransport aus dem St. Josefshaus in Hardt b. Mönchengladbach in die Wagner v. Jauregg Heil- u. Pflegeanstalt nach Wien gebracht wird. Der Bub, der gelähmt u. auf einem Auge blind ist, wird im Pav. 18 aufgenommen. Dort verfällt er körperlich und geistig immer mehr. Am 29.7.1943
wird er „einvernehmlich in die Städt. Nervenklinik f . Kinder transferiert" und im Pav. 15/Parterre aufgenommen.
Am 14.8.1943
ergeht durch Dr. E. Illing ein Bericht an den Reichsausschuss in Berlin, den Eltern wird mitgeteilt, „dass Anlass zu ernster Sorge besteht..."
Am 9.9.1943
stirbt Hubert an Blutvergiftung bei zahlreichen Druckgeschwüren.
Am 19.9.1943
schreiben die Eltern an Dr. E. Illing in der vermeintlichen Gewissheit, dass ihr Kind in dieser Spezialklinik beste Behandlung hatte:
„ Verehrter Herr Direktor! Gestatten Sie uns, Ihnen und Ihrem Hause für die wertvollen Dienste, welche Sie an unserem Sohn Hubert in aufopfernder Weise geleistet haben, unseren verbindlichsten Dank auszudrücken. Leider konnten wir durch die schlechte Verkehrsgelegenheit an dem Begräbnis nicht erscheinen. Unserer aufrichtigen Dankbarkeit und Hochachtung dürfen Sie sich jederzeit versichert halten ..."
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Kurt Iser/Gerlinde Jagschitz
ISER Kurt
AZ134/43
geb.
2.9.1942
eingewiesen durch:
Wr. Univ. Kinderklinik
Judenburg/Stmk. gttgl.
aufgenommen:
23.6.1943
ehelich
Pav. 15/1
Aufnahmeuntersuchung:
2.7.1943
Dr. M . Türk
Meldung:
π.7.1943
Dr. E. Illing
gest.
11.7.1943
10 U h r
Todesursache:
Lungenentzündung nach schwerer Darmentzündung
Kurt wird am 23.6.1943 im Pav. 15 der Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder aufgenommen und 9 Tage später von Dr. M. Türk untersucht. Sie vermerkt in der Krankengeschichte u. a.: „... das Kind dürfie wohl leicht rückständig sein, doch nimmt es deutlich Anteil an den Vorgängen seiner Umgebung, es sieht und hört, es fixiert und greift nach vorgehaltenen Gegenständen, die es aufmerksam betrachtet. Während der Untersuchung weint es viel... Gesicht rundlich, herzig... motorischer undpsychischer Rückstand derzeit nicht genau bestimmbaren Grades ..." Am 4.7.1943 erkrankt das Kind an einer schweren Darmentzündung mit 40 Grad Fieber. Am 6.7.1943 Am 11.7.1943
ergeht die „Schlechtmeldung" an die Mutter. macht Dr. E. Illing die Meldung an den Reichsausschuss in Berlin. Am selben Tag stirbt das Kind am Vormittag an Lungenentzündung.
JAGSCHITZ Gerlinde
A Z 263/43 Wien - Rodaun
r.k.
geb.
18.7.1941
eingewiesen durch:
Prakt. Arzt Dr. A . Krämer/Wien • Rodaun
aufgenommen:
13.5.1942
Pav. 15/1
Aufnahmeuntersuchung:
20.5.1942
Dr. M . T ü r k
Meldung:
17.5.1942
Dr. M . Hübsch
gest.
26.7.1942
7 Uhr
Todesursache:
Lungenentzündung
ehelich
Gerlinde dürfte bei einer schweren Geburt verletzt worden sein. Der Säugling ist auf beiden Augen blind und hat Lähmungserscheinungen, besonders in den obe-
229
Gerlinde Jagschitz/Felix Janauschek
ren Extremitäten. Das Kind liegt meist bewegungslos im Bett, zeigt kaum irgendeine Reaktion auf äußere Reize, mit Ausnahme von Schreien und der Nahrungsaufnahme. Die besorgten Eltern suchen Hilfe bei verschiedenen Ärzten, so auch in der Wr. Univ. Kinderklinik, wo fur die weitere Entwicklung des Kindes eine schlechte Prognose erstellt wird. Der zuständige Hausarzt weist das kleine Mädchen zur Beobachtung in die Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder ein. Am 13.5.1942
wird Gerlinde im Pav. 15 in der Säugling- u. Kleinkinderabteilung aufgenommen.
Am 17.5.1942
meldet Dr. Μ Hübsch das Kind noch vor der Aufnahmeuntersuchung an den Reichsausschuss in Berlin.
Am 20.7.1942
ist in der Krankengeschichte vermerkt: „ . . . Husten, sehr schlechte Nahrungsaufrahme..."
Am 26.7.1942
stirbt Gerlinde im Alter von einem Jahr an Lungenentzündung.
JANAUSCHEK Felix
A Z 289/41
geb.
4.3.1927
Wien
eingewiesen durch:
Spezial Kinderheim Pressbaum
aufgenommen:
4.8.1941
Aufnahmeuntersuchung:
24.12.1941
Dr. H . Gross
Meldung:
3.10.1942
Dr. E. Jekelius
gest.
16.3.1943
15 Uhr
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
ehelich
Bis zu seinem 12. Lebensjahr wächst Felix in einer liebevollen Familie auf. Er hat eine Halbschwester, die sieben Jahre älter ist als er, und mit der sich gut versteht. Die Mutter ist Wehrmachtsangestellte, der Vater kaufmänn. Leiter bei der A E G Union. Mit 18 Monaten erkrankt Felix an Kinderlähmung, die mit hohen Fieberschüben einhergeht. Nach der medizinischen Klärung in der Univ. Kinderklinik nimmt die Mutter das Kind wieder nach Hause. Monatelang liegt es im Bett, doch allmählich gehen die Lähmungen zurück, dies dauert bis zum vierten Lebensjahr. Folgeerscheinungen der Krankheit machen sich mit zunehmendem Alter (Vorpubertät!) bemerkbar und es treten Erziehungsschwierigkeiten auf. Da beide
230
Felix Janauschek
Eltern berufstätig sind und die Schwester inzwischen erwachsen wurde, geben sie den Buben für sieben Monate in das Kinderheim Biedermannsdorf in der Hoffnung, dass ihm eine Gemeinschaft unter Gleichaltrigen gut tun könnte. Doch dort nimmt er stark an Gewicht ab und macht keinerlei geistige Fortschritte. Er wird weiter in das Spezial Kinderheim Pressbaum überstellt und kommt von dort am 4.8.1941 in die Wr. Stadt. Jugendfursorgeanstalt „Am Spiegelgrund". Die Aufnahmeuntersuchung nimmt Dr. H. Gross vor: Er attestiert u. a. „... einen allgemeinen Intelligenzabbau, ein läppisch - albernes Verhalten ... eine verhältnismäßiggute musikalische Begabung die aber wegen der anderen Defekte nicht verwertbar ist, die Km neigt zu hysterischen Reaktionen ...es liegt bei Felix wahrscheinlich ein postencephalitisches Zustandsbild mit Verblödung vor ...er ist bildungsunfähig und dauernd pflegebedürftig..." In einem psychologischen Gutachten (ohne Unterschrift, wahrscheinlich aus einem der vorhergehenden Kinderheime) steht: „... Besonders gute Merkfähigkeit weist er auf musikalischem Gebiet auf er singt Melodien vollkommen rein nach, kann auch Klavierspielen ... "In einem Schwesternbericht vom Spiegelgrund am 18.9.1942: „... seine Hauptbeschäftigung ist nach wie vor das Klavierspiel. Dabei ist er unverwüstlich. Wenn er einmal beim Klavier sitzt, ist erfast nicht mehr wegzubringen. Man braucht bloß einmal eine Melodie vorzusingen, schon spielt er sie und auch eine richtige Begleitung dazu. Er spielt alles in Cis-Dur..." Den Eltern tut es Leid, dass sie ihren Sohn, gut gemeint, in Heimerziehung gegeben haben. Sie bemühen sich, ihr Kind wieder nach Hause zu bekommen. Doch es ist zu spät. Am Spiegelgrund wird ein ,ftusfolgeverbot" verhängt, und am 16.3.1943 teilt Dr. H. Gross telefonisch der Mutter den Tod des Kindes mit. Anschließend transkribierte Briefe der Mutter, aus denen die näheren Umstände um Felix erkennbar sind: An die Leitung d. Kinderheimes Am Spiegelgrund Mein Felix Janauschek befindet sich seit zirka 4-5 Wochen im dortigen Heim. Da ich das Kind unter keinen Umständen mehr dort lassen will, weil diese Anstalt ja kein Erholungs-, sondern nur ein Durchzugsheim ist, habe ich vor zirka 4 Wochen um Entlassung des Kindes angesucht und bis heute keine Erledigung erhalten. Ich wurde vom Rathaus in die Lustkandlgasse, von dort zu Ihnen, von draußen zum Gesundheitsamt, vom Gesundheitsamt zum Jugendamt geschickt. Dort hat man endlich die Sache in Angriff genommen und nun warte ich die 4. Woche auf Erledigung. Ich fragte am Jugendamt an warum dies so lange dauert, man sagte es kommt nur auf die Arzte vom Spiegelgrund an. Ich schickte heute jemanden hinaus, auch angerufen habe ich schon,
231
Felix Janauschek
unser Hausarzt hat auch mit einem dortigen Arzt gesprochen, da heißt es wieder man kann das Kind sofort haben wenn man vom Gesundheitsamt eine Bescheinigung hat. Ja um Gottes Willen, hält man uns denn auch für Narren. Ich kann im Amt schon keinen klaren Gedanken fassen seit mir die Fürsorgerin in der Lustkandlgasse gesagt hat ich bekomme mein Kind nicht weil es 14 Jahre ist. Das Kind hat Kinderlähmung gehabt, ich hatte mir den rechten Arm gebrochen, kein Mädchen, niemanden zu helfen, so gab ich ihn weg aber ich hätte ihn ja auf die Dauer auch nicht in Preßbaum lassen können, da er so abmagerte. Nun macht man mir solche Schwierigkeiten und ich weiß nicht warum. Wir sind schon fertig mit unseren Nerven. Ich habe mit gleicher Post um Audienz beim Reichsstatthalter eingereicht, denn das ist kein Vorgehen gegen anständigefleißige gesunde Menschen. Man muss dies zur Sprache bringen, wir sind doch keine — Wort unleserlich - . Ich bitte unbedingt Vorsorge zu treffen, dass unser Kind Felix Janauschek geb. 4. März 192 j, derzeit Pav. 17, nicht wegkommt. Man hat der Frau, die ich schickte, gesagt, man weiß noch gar nichts, dass ich ihn verlangt habe. Ja um Himmels Willen, wem soll ich denn da glauben. Die Fürsorgerin vom Jugendamt sagt wieder draußen dauert es so lange. Ich lass mich jetzt nicht mehr hin- und herschicken wie einen Bettler. Ich will mein Kind. Mein lebendes Kind. Sonntag ist Besuchszeit, wenn ich da keinen Bescheid bekomme, wird mein Mann als alter Illegaler sich eben an eine höhere Instanz wenden und unserem Herrn Gauleiter werden wir erzählen wie erbgesunde, anständige, arbeitsame Menschen behandelt werden. Das kann der Führer nicht wollen, das glauben wir nicht. Bitte uns am Sonntag unbedingt sicheren Bescheid zu sagen. Heil Hitler! Unterschrift der Mutter Stempel 13.9.1941
Tit. Direktion des Kinderheimes Wien XII Spiegelgrund Vorige Woche schrieb ich einen ziemlich erregten Brief an Ihre Adresse, da ich nach 4 Wochen noch keinen Bescheid wegen meinem Kinde haben konnte. Bitte mir diese Entgleisungfreundl. zu entschuldigen. Ich bin ja vollkommen überzeugt, dass meinem Kind in Ihrer Anstalt alles Gute geboten wird. Auch haben ganz besonders das Pflegepersonal sowie die Damen von der Fürsorge wirklich lieb und gut mit mir gesprochen, aber die Art und Weise wie ich in allen anderen Stellen abgefertigt wurde und wie ich von einer Stelle zur anderen laufen musste, um endlich doch gar nichts zu wissen, als
232
Felix Janauschek
dass Ihre Anstalt nur eine Durchgangsstation ist — und wie mir die Frau Fürsorgerin in der Lustkandlgasse sagte, ich mein Kind nicht haben kann weil es schon 14 Jahre ist, haben meine Nerven ein wenig in Unordnung gebracht. Ich war wirklich ganz bestürzt, dass man bei Ihnen noch nicht wusste, dass ich mein Kind heimnehmen will. Wir haben uns die Sache ja ganz anders vorgestellt. Wir hofften, wenn wir das Kind in einer Anstalt haben, dass man uns Ratschläge geben wird, was mit ihm zu machen sei. Statt dessen höre ich nur immer, der Staat hat zuallererst Interesse an gesunden Kindern u. s. w. Der Arzt in Preßbaum ζ. B. hat sich geweigert, dem Kinde Schuhe zu verordnen, obwohl es geschwollene Füße bekam durch das Barfußgehen. Er sagte, der Bub soll sich ins Bett legen wenn er geschwollen Füße hat, es sind zu wenig Schuhe da für gesunde Kinder, er habe den Auftrag etc. Das sind nur so kleine Beispiele und dies alles zusammen ist uns nun doch ein bisschen zu viel geworden. Wir wären der tit. Leitung sehr sehr dankbar wenn uns gesagt würde was für den Buben gut wäre, wenn es notwendigst ist under noch beobachtet werden muss, bitte lassen Sie ihn noch dort, nur bitte dass er nicht irgendwo ins Altreich geschickt wird, wir nehmen ihn in diesem Fall unbedingt nach Hause. Bitte ihm gütigst seine Schuhe anzuziehen, er hatja so schwache Muskeln von der Kinderlähmung. Wir haben ihm immer Schuhe mit eingebauten Einlagen machen lassen, er soll im Zimmer nicht barfuss und nicht in Hausschuhen gehen, er hat die Füße schon wieder schlechter, nicht mehr so gerade wie ehe ich ihn weggegeben habe. Er hatte seine eigenen Schuhe, aber der Schuster in dem Heim, wo er vor Ihrer Anstalt war, hat ihm die Schuhe repariert, vorgeschoben wie man sagt und nun ist von Einlagen nichts mehr zu sehen, und die Schuhe sindfür das Kind wertlos. Wir lassen ihm gerne Schuhe machen, denn die Herren Arzte werdeja selbst sehen, dass sich die Knochen verändert haben, bei den Knien sieht man schon wieder, dass etwas nicht in Ordnung ist. Das Kind war nach der eingetretenen Lähmung vollkommen lahm. Nach einigen Wochen gab sich dies, so dass er die Hände und Füße wohl bewegte, er griff aber lange Zeit daneben, wenn er nach etwas langte und stehen konnte er ca. V2 fahr nicht. Dann war der eine Fußgut, den anderen zog er nach. Ich schicke Ihnen ein Bild mit, man sieht noch wie das Fußerl schlecht war. (Das Mäderl mit dem Kreuz über der Mütze ist mein Töchterl) Wir haben unser ganzes Hab und Gut hergegeben, dass er körperlich stark und gesund würde. Dann gaben wir ihn weg und über den Winter wurde aus dem direkt ausgelassenen, übermütigen Jungen ein zittriges, blasses, mageres Geschöpf. In Preßbaum bekam er diesen schrecklichen Ausschlag, von dem Sie noch die blauen Flecken sehen. Über den Sommer hat er sich erholt und als wir ihn hier bei Ihnen besuchten, fanden wir, dass erfrischer und bedeutend gepflegter aussah. Aber wir können uns nicht denken, warum er so ruhig ist. Er hat gerne auf der Stange und den Ringen geturnt, er war so kräftig, konnte heben und tragen, jetzt macht er einen so schlappen Eindruck. Vielleicht irritiert ihn der Lärm, den die Kinder machen.
233
Felix Janauschek
Wenn ich ihm Kinder zum Spielen brachte, schaute er ihnen zu und dann musste ich sie wieder wegschicken, er wollte nicht spielen. Er hatte ein gutes Gedächtnis, konnte in der 1. Klasse, also nach seiner Krankheit, sehr gut lesen, bloß das Schreiben fiel ihm schwer, da er zitterte. Er hatte einen wirklich guten Lehrer damals, der einen großen Einfluss auf ihn hatte. Bei der Frau Lehrerin in den nachfolgenden Schuljahren tat er fast gar nicht mit, wenn man ihn zwang, bekam er 40 Grad Fieber, so ließen wir ihn schließlich gehen. Vielleicht wissen Sie mir bitte einen Rat, wir wären sehr dankbar. Nur bitte ihn nicht wegschicken. Unterschrift der Mutter 2.2.42 Sehr geehrter Herr Doktor ! Anbei die 2 Ambulanzkarten der Universitäts-Kinderklinik
und hoffe ich dass Sie
durch dieselben Näheres über die Krankheit meines Jungen erfahren werden. Ich bitte vielmals Herr Doktor, nehmen Sie sich unserer Sache ein wenig an. Wäre es nicht möglich, dass der Junge endlich auf einem bestimmten Pavillon bleibt. Ich weiß bestimmt, dass jede Veränderung ihn in Schrecken versetzt. Er war vor einigen Jahren nach einer Angina Monate lang sehr krank. Bekam eine Mundbodenphlegmone, nach der er die Narbe hat. Wurde auf der Kieferstation im Allgem. Krankenhaus operiert. Nachdem die Lebensgefahr vorbei war, bekam ich ihn nach Hause und musste erjeden Tag vom Arzt verbunden werden. Er war kaum 8 Tage zu Hause bekam er Diphtherie und 14 Tage später Scharlach dazu. Ich pflegte ihn zu Hause und er wurde wieder gesund, obwohl jeder daran gezweifelt hat. Der Junge ist aber seit damals so ängstlich, denn dadurch, dass er anschließend an die Operation die beiden Infektionskrankheiten mit hohem Fieber bekam, heilte ihm die Kieferwunde nicht zu und er musste täglich verbunden werden durch Wochen hindurch. Dann waren durch die lange Kieferkrankheit einige Wurzeln kaputt die gezogen werden mussten. Er hat also schon genug mitgemacht mein armer Lazarus und jede Änderung erschreckt ihn aufs Neue. Ich sehe schon, es wird nicht eher besser bis ich ihn wieder zu Hause habe. Ich will schon lieber das Kreuz auf mich nehmen, er leidet ja zu sehr und kommt immer mehr herunter. Wegen dem naßmachen habe ich keine Angst. Zu Hause macht er sich bestimmt nicht nass, da hat er seine Ruhe, denn der Lärm den die übrigen Kinder machen, hat sich bestimmt nur nachteilig auf seine Nerven ausgewirkt. Ich habe es gut gemeint und leider war der Erfolg ganz schrecklich. Hoffentlich sind die schrecklichen Krätzen bis zum nächsten Besuchstag besser, ich furchte mich schon, wenn ihn mein Mann wieder sieht. Bitte Herr Doktor vielleicht kann er wieder zum Pavillon 11 kommen, wo die Schwe-
234
Felix Janauschek
ster Maria, die auch in Preßbaum war, bei den Kindern ist. Sie versteht ihn schon ein wenig und bitte sie soll ihm auch die Haare schneiden und die Nägel, damit er nicht so aussieht wenn mein Mann kommt. Bitte seien Sie nicht böse, dass ich Ihre Güte so in Anspruch nehme. Gestern schenkten Sie mir 2 Stunden Ihrer kostbaren Zeit. Ich werde Ihnen dafür stets dankbar sein. Sie sind der Erste, mit dem ich endlich ein wenig über mein Kind reden konnte. Sie glauben gar nicht wie viel Sie mir damit geschenkt haben, denn manchmal hab ich schon nicht mehr gewusst was ich machen soll. Mit meinem Mann kann ich gar nichts sprechen über die Sache. Es ist so traurig und ich brauche viel viel Kraft um alles zu tragen. Nochmals vielen Dank. Heil Hitler! Unterschrift der Mutter
An die Leitung der heilpädagogischen Klinik der Gemeinde Wien, Wien XIII Spiegelgrund Hiermit ersuche ich höfl., meinem Sohn Felix zu Weihnachten einen Urlaub von 14 Tagen zu gewähren. Meine Dienststelle hat mir erlaubt, zu dieser Zeit meinen Resturlaub anzutreten. Ich habe im Vorjahr ebenfalls angesucht und wurde ohne Kommentar abschlägig beschieden. Ich erfuhr später, dass andere Kinder derselben Gruppe zu Weihnachten daheim waren, auch heuer im Sommer wurden Kinder geholt. Ich bitte also mir heuer nicht wieder grundlos mein Gesuch abzulehnen, denn mein Junge ist harmlos und gutmütig, ich wüsste nicht warum gerade er nicht wieder einmal in sein Elternhaus kommen sollte. Wenn der Grund vielleicht im Mangelan nötiger Kleidung zu suchen ist, bitte uns dies mitzuteilen, wir werden alles Nötige besorgen. Wir haben ihn s.Zt. ausgestattet, da Biedermannsdorf damals noch eine private Anstalt war. Es müssen also ein Winterulster, 1 Lodenmantel, 1 Anzug, 1 Bauernjanker und auch ein Hemd, 3 warme Unterhosen und 1 Paar Herrenstrümpfe draußen sein. Alles übrige wurde mir bei Übernahme durch die Gemeinde Wien zurückgegeben. Bitte probieren Sie ihm die Sachen, falls ihm noch etwas passt und tragfahig ist, soll er es benützen. Die Mäntel sind bestimmt noch gut, da sie sehr teuer und gut waren. Durch das Herumhängen werden sie auch nicht besser. 1 Paar eigene Schuhe hatte er auch. Falls sie ihm zu klein sind, bitte um Retournierung. Ich werde versuchen größere einzutauschen. Ebenso die Mäntel. Auch eine Pelzmütze müsste dort sein. Ferner wären wir sehr dankbar, wenn Sie uns endlich mitteilen würden, was nun mit dem Jungen sein wird. Wir wollten ihn ja nicht für immer weghaben, sondern hofften, dass er in der Gemeinschaft mit anderen Jungen vielleicht etwas lernen kann. Dies ist nun scheinbar nicht der Fall, denn außer mit Klavierspielen beschäftigt er sich mit nichts.
Felix Janauschek/Anna Jandrasits
235
Allerdings ging er damals zur Hilfischule und konnte ganz gut lesen und auch schreiben. Jetzt wird er dies noch verlernen. Ich kann z.Zt. nicht daheim bleiben, aber nach dem Kriege haben wir die Absicht irgendwo auf's Land zu ziehen und den Jungen wieder heim zu nehmen. Er ist groß und wird sehr kräftig. Vielleicht kann er, wenn er älter wird, arbeiten. Draußen in Ihrer Anstalt sitzt er zu viel, daheim hat er noch geturnt, auch halfer mir tragen etc. Er istja ganz schlapp, hat keine Muskeln von dem herumsitzen. Ein Kummer sind auch seine Zähne. Als ich ihn vor 3 Jahren weggab, hatte er einen Mund voll gepflegter Zähne. Jetzt sieht es gräulich aus in seinem Mund und ich habe die Absicht ihm das Nötige auf der Poliklinik mit Schlafgas machen zu lassen, denn er hat starke Zahnschmerzen und 2 mal hatte er eine dicke Backe. Die Zähne sind total ungepflegt, sie waren früher schneeweiß. Werde ihm eine Zahnbürste und Pasta besorgen, er putzte sich ganz gut unter meiner Leitung die Zähne. Ich bitte nochmals um Weihnachtsurlaub für meinen Jungen. Er ist ja brav und gut, istja nur nach einer Kinderlähmung pflegebedürftig, wovon Sie sich ja nun schon überzeugt haben werden. Ein Retourbriefkuvert liegt bei und wäre ich für eine baldige freundliche Rückäußerung dankbar. Heil Hitler! Unterschrift und Adresse der Mutter Stempel: Eingel. in d. Städt. Nerv. Kl. f. Kinder: am 7.12.1942
JANDRASITS Anna geb.
A Z 519/42 12.9.1939
Groß Mürbisch/
r.k.
ehelich
Stmk. eingewiesen durch:
Landrat Kreis Fürstenfeld/Stmk.
aufgenommen:
8.3.1943
Aufnahmeuntersuchung:
26.3.1943
Dr. M . T ü r k
Meldung:
21.4.1943
Dr. E. Illing
gest.
1.6.1943
22 Uhr 30
Todesursache:
Lungenentzündung
Pav. 15/P.
Seit dem 6. Lebensmonat leidet die kleine Anna an Krämpfen in den Extremitäten, was die weitere Entwicklung sehr beeinträchtigt.
23 6 Am 8.3.1943
Anna Jandrasits/Erhard Janisch
wird das behinderte Kind in die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder eingeliefert. U. a. steht in der Krankengengeschichte: „... ein für sein Alter etwas zu kleines, grazil gebautes Mädchen, in mittel gutem Ernährungszustand... Gesicht rundlich, nicht unhübsch ... das Kind kann frei sitzen und zeigt im Sitzen keine Gleichgewichtsstörung ...es kann mit Unterstützung stehen, ist aber dabei sehr ängstlich. An beiden Händen geführt, geht es auch einige Schritte, jedoch ist der Gang ataktisch (- unregelmäßigj ... das Kind ist zeitweise unruhig, weint, wehrt sich bei der Untersuchung..."
Eine Encephalografie ergibt keinen eindeutigen pathologischen Befund. Am 30.5.1943 erkrankt Anna an einer schweren Bronchitis mit hohem Fieber. Am 1.6.1943 verschlechtert sich das Befinden, es tritt eine Kreislaufschwäche ein. In der Nacht stirbt das vierjährige Mädchen an Lungenentzündung.
JANISCH Erhard
AZ 2/41
geb.
19.3.1939
eingewiesen durch:
KUST
Wien
aufgenommen:
10.1.1941
Aufnahmeuntersuchung:
11.1.1941
Dr. M . Hübsch
Meldung:
13.2.1941
Dr. E. Jekelius
gest.
10.5.1941
11 Uhr
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
unehelich
Erhard wird gleich nach der Geburt wegen „Obdachlosigkeit und Mittellosigkeit" der Mutter in das Zentralkinderheim der Stadt Wien gebracht. Von dort wird das Kind in die Wr. Städt. Jugendfiirsorgeanstalt „Am Spiegelgrund" überstellt. Im ärztlichen Gutachten vom 11.4.1941 steht u. a.: „... dem Alter entsprechend großes und entwickeltes Kind, mäßig kräfiiger Ernährungszustand... kann frei sitzen, mit Unterstützung gehen und stehen ... das sehrfreundliche Kind ist aufmerksam für die Vorgänge in seiner Umgebung... vorgehaltenen Gegenständen blickt es nach und greif gut danach ...". Der kleine Bub wird in der Folge einer Encephalografie unterzogen, die kein pathologisches Ergebnis erbringt. Inzwischen hat das Kind sehr an Körpergewicht verloren. Am 10.5.1941
stirbt Erhard an Lungenentzündung.
237
Franz Jasper
JASPER Franz
A Z 290/41
geb.
12.10.1925
eingewiesen durch:
Spez. Kinderheim Pressbaum/KUST
Klosterneuburg
aufgenommen:
4.8.1941
Aufnahmeuntersuchung:
28.10.1941
Dr. H . Gross
Meldung:
31.10.1941
Dr. E. Jekelius
gest.
3.7.1942
16 Uhr
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
ehelich
Pav. 15/P.
Franz erkrankt in seiner frühesten Kindheit an Fraisen. Später hat er häufige epileptische Anfälle, die vor allem die geistige Entwicklung sehr hemmen. Sieben Jahre lebt er mit seinen Eltern in einer kleinen Zimmer-Küche-Wohnung. Die drei älteren Brüder sind bei der Wehrmacht. Das Kind ist sehr anhänglich seinen Eltern gegenüber, die es liebevoll und mit viel Nachsicht behandeln. Als der ruhige, gutmütige und folgsame Bub in die Pubertät kommt, wird es schwierig, ihn dauernd zu beaufsichtigen. Deshalb suchen die Eltern um Unterbringung im Spezialkinderheim Pressbaum an. Von dort wird Franz, da sich die epileptischen Anfälle häufen, am 4.8.1941 in die Wr. Jugendfiirsorgeanstalt ,Am Spiegelgrund" überstellt. Am 31.10.1941 macht Dr. E. Jekelius Meldung an den Reichsausschuss in Berlin, da „keinerlei Arheitseinsatzfdhigkeit zu erwarten ..." ist. Was weiter mit dem inzwischen 17-jährigen Jugendlichen geschieht, geht aus den vorliegenden Unterlagen nicht hervor. In der Krankengeschichte ist vermerkt, dass er einer Encephalografie ohne pathologisches Ergebnis unterzogen wurde. Aus einer Gewichtsliste ist erkennbar, dass Franz im Juni 1942 innerhalb von 2 Wochen 7 kg an Gewicht verloren hat. Am 21.6.1942 erhalten die Eltern eine „Schlechtmeldung" und besuchen daraufhin sofort ihren Sohn. Am 3.7.1942 stirbt Franz an Lungenentzündung.
238
JEBAWY Horst geb. aufgenommen: Aufnahmeuntersuchung: gest. Todesursache:
Horst Jebawy
A Z 2,1/43 ehelich 13.11.1939 Wien g"g L I3-4-I943 Pav. 15/1 16.4.1943 Dr. M. Türk 7.6.1943 15 Uhr 30 Übertragbare Ruhr und Lungenentzündung
Warum und durch wen der kleine Horst in die Wr. Stadt. Nervenklinik f. Kinder eingewiesen wird, geht aus den Unterlagen nicht hervor. Am 13.4.1943 wird er im Pav. 15 aufgenommen Am 16.4.1943 nimmt Dr. Türk die Aufnahmeuntersuchung vor. Sie vermerkt in der zusammenfassenden Diagnose u. a.: „... Körperlich gut entwickeltes, kräftiges Kind, intern und neurologisch 0. B. ... ". Am Nachmittag desselben Tages hat das Kind einen „großen epileptischen Anfall mit Bewusstlosigkeit." In der Folge entwickelt der Bub eine „hochgradige motorische Unruhe", hustet sehr viel und erbricht oft. Am 27.5.1943
wird eine lumbale Encephalografie vorgenommen, ohne path. Ergebnis. Am nächsten Tag hat das Kind 40° Fieber, blutig-schleimigen Stuhl, erbricht häufig und hustet sehr stark. Es hat bisher 3 kg an Gewicht verloren. In der Krankengeschichte vermerkt Dr. M. Türk u. a.: „... ist arg herabgekommen ..." An die Mutter ergeht eine „Schlechtmeldung". Dass Allgemeinbefinden verschlechtert sich zusehends, der Bub hustet nicht aus und erbricht alles. Am 7.6.1943 stirbt das 3 i/2-jährige Kind an übertragbarer Ruhr und Lungenentzündung.
239
Hannelore John
JOHN Hannelore
A Z 536/42
geb.
22.1.1940
eingewiesen durch:
Wr. Univ. Kinderklinik/Prof. Dr. Hamburger
Wien
aufgenommen:
10.3.1943
Aufnahmeuntersuchung:
11.3.1943
Dr. M . T ü r k
Meldung:
22.3.1943
Dr. E. Illing
gest.
13.4.1943
1 Uhr
Todesursache:
Lungenentzündung
evang.
ehelich
Pav. 15/1
Hannelore hatte eine sehr schwere Geburt, bei de^r sie verletzt wurde. Gleich danach stellen sich Krämpfe ein, das Kind kann nicht trinken und muss mit einer Sonde ernährt werden. Die besorgten Eltern suchen Rat und Hilfe bei Prof. Dr. Hamburger in der Wr. Univ. Kinderklinik, da die starken Krämpfe auch sehr schmerzhaft sein dürften, weil es, wenn sie einschießen, sehr weint. Prof. Hamburger verweist auf die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder. Am 10.3.1943 wird das kleine Mädchen im Pav. 15 aufgenommen und am nächsten Tag von Dr. M. Türk untersucht. In der Krankengeschichte ist u. a. vermerkt: „... grazil gebautes, gut genährtes, seinem Alter entsprechendes gut gepflegtes Kind, an dem seine hochgradige motorische Rückständigkeit auffallt. Es liegt steifin Rückenlage im Bettchen, beim Versuch es aufzusetzen, verkrampft sich sogleich die gesamte Muskulatur... das Kind ist während der Untersuchung ängstlich, schreit und weint viel ...es ist unsauber mit Harn und Kot..." Hannelores Mutter hat liebevoll und voll Hoffnung, ihrem Kind damit zu helfen, folgende Zeilen bei der Übergabe des Kindes abgegeben: Hannerl John Essen: Frühstück und Nachtmahl: 250cm3 Milchgrieß in der Flasche (ziemlich dick eingekocht), 2 mal Reis oder Haferflockenbrei (Apfel), 1 mal Gemüse (mit dem Löfferl gefüttert, liegend) 1 Kaffeeschale ungefähr. Schlafen: Ist gewohnt auf der rechten Seite zu schlafen. Wenn sie in der Nacht aufwacht und weint, bitte wieder auf ihr Platzerl legen und schläft wieder weiter dann. Sitzt gerne im Betterl in Polster gestützt. Geht alle 1V2-2 Stunden aufs Topferl mit Erfolg wenn man ein bisserl Geduld hat mit ihr. Fürchtet sich vor Kindern. Am 22.3.1943 meldet Dr. E. Illing das Kind an den Reichsausschuss in Berlin: „... sicher dauernd pflegebedürftig ...". Am selben Tag beginnt Hannelore ohne ersichtlichem Grund hoch zu fiebern.
240
Hannelore John/Georg Joseph
Die Temperatur steigt in den nächsten Tagen auf 40°. Das Kind erbricht jede Nahrung, hat dünne schleimige Stühle, es hat inzwischen 3 kg abgenommen, das Allgemeinbefinden verschlechtert sich zusehends. Fast täglich besuchen die bestürzten Eltern ihr Töchterchen. Am 13.4.1943
stirbt Hannelore nach Mitternacht an Darmgrippe und Lungenentzündung.
JOSEPH Georg
AZ176/44
geb.
3.5.1942
eingewiesen durch:
Von Kindesmutter gebracht
aufgenommen:
20.9.1944
Wien
ehelich
Pav. 15/Sgl.
Aufnahmeuntersuchung:
21.9.1944
Dr. M . T ü r k
Meldung:
25.9.1944
Dr. E. Illing
gest.
3.Ii.1944
4 U h r 45
Todesursache:
Zentrale Atemlähmung
Ab dem 3. Lebensmonat bemerkt die Mutter, dass sich Horsts Köpfchen auffallend vergrößert. Während ihr Mann eingerückt ist, sucht sie Hilfe in der Kinderklinik Glanzing.'Dort wird ein Hydrocephalus (Wasserkopf) diagnostiziert und das Kind einige Zeit mit Röntgenbestrahlung behandelt. Nach einiger Zeit darf die Mutter den Buben wieder in Eigenpflege übernehmen. Doch das Kind, das liebevoll umsorgt wird, lernt weder sprechen, noch gehen noch stehen. Es nimmt auch keinen Anteil an seiner Umgebung. Die verzweifelte Frau bringt ihr Kind mit letzter Hoffnung auf Besserung in die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder, wo es am 20.9.1944 im Pav. 15 aufgenommen wird. Schon fünf Tage später meldet Dr. E. Illing das Kleinkind an den Reichsausschuss in Berlin: „... dauernd vollständig bildungs- und arbeitsunfähig..." Am 22.10.1944 beginnt das Kind hoch zu fiebern, das Allgemeinbefinden verschlechtert sich zusehends, es nimmt fast keine Nahrung auf und „macht müden Eindruck ... zeitweise sehrflacheAtmung... ". Am 3.Ii.1944 stirbt Horst in den Morgenstunden an zentraler Atemlähmung. (Die Obduktion ergibt als Ursache für den Hydrocephalus ein faustgroßes Medulloblastom, d. i. infiltrierender schnell wachsender Kleinhirntumor.)
241
Erich Jungbauer
JUNGBAUER Erich
AZ10/41
geb.
16.3.1940
eingewiesen durch:
KÜST
aufgenommen:
28.1.1941
Wien
Aufnahmeuntersuchung:
29.1.1941
Dr. H . Gross
Meldung:
ohne Datum
Dr. H . Gross
gest.
1.2.1941
2 Uhr
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
unehelich
Der kleine Erich verbringt die ersten Lebensmonate in der Kinderübernahmsstelle in der Lustkandlgasse in Wien. Als er Anfang Jänner 1941 an Windpocken erkrankt, wird er in die Infektionsabteilung des Wilhelminenspitals gebracht. Nach Besserung des Krankheitsbildes kommt das Kind wieder zurück in die Lustkandlgasse, doch von dort wird es sofort in die Wr. Städt. Jugendfürsorgeanstalt ,Am Spiegelgrund" überstellt. Am 29.1.1941 wird die Aufnahmeuntersuchung durch Dr. H. Gross vorgenommen, er vermerkt: „Körperlich und geistig stark zurückgebliebener Säugling in stark herabgesetzten Ernährungszustand. Eine genauere Untersuchung ist wegen des bald nach der Einlieferung vorhandenen schlechten körperlichen Befindens nicht möglich ...". Bereits am nächsten Tag fiebert das Kind sehr hoch, „... körperlicher Zustand sehr bedrohlich ..." (Dr. H. Gross) Am 1.2.1941 stirbt Erich im Alter von 9V2 Monaten an Lungenentzündung. Am Tag des Todes nimmt Dr. H. Gross selbst die Obduktion vor.
242
Meta Juncek
JURICEK Meta
A Z 463/43
geb.
4.1.1925
eingewiesen durch:
Dr. Kopsa/Wien II
Wien
aufgenommen:
19.2.1944
Pav. 15/Kr.
Aufnahmeuntersuchung:
21.2.1944
Dr. M . Türk
Meldung:
21.2.1944
Dr. E. Illing
gest.
5.3.1944
10 Uhr 50
Todesursache:
Lungenentzündung
gttgl.
ehelich
Meta kommt nach einer schweren Zangengeburt zur Welt. Durch eine Hirnschädigung ist das Kind gelähmt. Es leidet an Krampfanfällen, die Nahrungsaufnahme ist sehr schwierig, da offensichtlich auch die Schluckmuskulatur durch Lähmung beeinträchtigt ist. In der Folge ist vor allem die geistige Entwicklung sehr gehemmt. Doch die Eltern bemühen sich mit Liebe und Geduld um das schwer behinderte Kind. Inzwischen stirbt der Vater. Die Mutter pflegt aufopferungsvoll das heranwachsende Mädchen. Mehrere Arzte hat sie bisher aufgesucht, bis ihr vermutlich die Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder geraten wurde. Die Hausärztin nimmt Kontakt mit Dr. E. Illing auf, dieser nimmt „ausnahmsweise" das Mädchen am 19.2.1944 im Pav. 15 auf. Am 21.2.1944
wird Meta von Dr. M. Türk untersucht. Am selben Tag macht Dr. E. Illing die Meldung an den Reichsausschuss in Berlin.
Während der nächsten Tage beginnt das Mädchen hoch zu fiebern. Die Anfälle, die bis dahin seltener geworden waren, häufen sich, das Allgemeinbefinden verschlechtert sich zusehends. Die Mutter wird telefonisch verständigt. Voll Sorge eilt sie am nächsten Morgen zeitig in der Früh in die Klinik. Sie erlebt den Tod ihrer Tochter - Meta stirbt im Alter von neunzehn Jahren an Lungenentzündung.
Lothar Jurkowsky
JURKOWSKY Lothar
243 AZ128/43
geb.
26.9.1935
eingewiesen durch:
Dr. E. Illing
Brünn
aufgenommen:
19.6.1943
Aufnahmeuntersuchung:
22.6.1943
Dr. M . Türk
Meldung:
30.6.1943
Dr. E. Illing
gest.
24.7.1943
11 U h r
Todesursache:
Im status epilepticus
ehelich
Pav. 15/1
Lothar wächst bis zum 5. Lebensjahr gesund und umsorgt von liebevollen Eltern auf. Da schnappt plötzlich ein Hund nach der Semmel des Kindes, es erschrickt heftig. Ab da tritt eine Veränderung ein. Der Bub ist taub, will sprechen und kann nicht, es treten Schluckbeschwerden auf. Zwischendurch liegt das Kind völlig unbeweglich da. Solche Zustände mehren sich in der Folge. Als Lothar schulpflichtig wird, nehmen die Eltern einen Hauslehrer zur Vorbereitung. Das Kind ist willig und sehr aufmerksam, aber es kann nur schwer erfassen. Inzwischen stirbt der Vater. - Die Mutter ist nun gezwungen in Stellung zu gehen, sie kann dies aber nur, wenn sie ihr krankes Kind untergebracht hat. In der Kinderklinik Glanzing erhält sie den Bescheid, dass Lothar „nach dem augenblicklichen Stand der Wissenschaft nicht geheilt werden könne". Es wird ihr geraten, das Kind in die Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder zu geben. Sie schreibt ein dringendes Ansuchen an Dr. E. Illing, in dem sie ihn um Aufnahme ihres Sohnes ersucht. Am 8.6.1943 antwortet Dr. E. Illing auf das Ansuchen der Mutter um Aufnahme des Kindes in der Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder u.a.: „... Ihr Schreiben vom 3.6.1943 mit der Bitte um bald mögliche Aufnahme Ihres Sohnes Lothar in der hiesigen Klinik habe ich heute erhalten ... unter der Voraussetzung, dass Ihr Sohn höchstens 18 Jahre alt ist, bin ich gerne bereit, ihn hier aufzunehmen, genauestens zu untersuchen und einen Heilplan aufzustellen ...". Bald darauf erhält sie eine „positive" Nachricht. Sie fährt am 19.6.1943 mit dem schwer kranken Kind im Zug nach Wien und übergibt es voll Hoffnung den Ärzten der Wr. Städt. Nervenklinik fur Kinder. Sie erbringt die erforderlichen Dokumente und bezahlt im Voraus die Aufenthaltskosten. Am 22.6.1943 nimmt Dr. M. Türk die Aufnahmeuntersuchung vor. Sie stellt fest, dass das Kind ein „gewisses Sprachverständnis"hat, denn inzwischen hört es wieder besser, und dass seine „Satzbildung" eine gute ist.
244
Lothar Jurkowsky/Walter Kaczanowsky
In der Folge treten bis zu 20 epileptische Anfälle täglich auf. Das Kind beginnt hoch zu fiebern. Am 24.7.1943 stirbt der 8-jährige Bub im status epilepticus.
KACZANOWSKY Walter
A Z 344/42
geb.
13.11.1936
eingewiesen durch:
Haus d. Barmherzigkeit, Wien 18
Wien
aufgenommen:
23.10.1942
Aufnahmeuntersuchung:
24.10.1942
Dr. H . Gross
Meldung:
26.10.1942
Dr. H. Gross
gest.
15.11.1942
22 Uhr 30
Todesursache:
Ubertragbare Ruhr
ehelich
Pav. 15/P.
Im Alter von drei Monaten fällt Walter aus dem Bett. Das Kind entwickelt sich seither nur sehr langsam. Zwischendurch erleidet es Fieberschübe, der behandelnde Hausarzt vermutet eine Infektionskrankheit vor dem Ausbruch. Als in der Folge wenig Änderung eintritt, bringt die besorgte Mutter den Buben zur Beobachtung und allfälligen Behandlung in die Wr. Univ. Kinderklinik zu Prof. Dr. Hamburger. Doch auch hier kann nicht mit Sicherheit eine Diagnose erstellt werden. Vermutlich wird geraten, das Kind in die Heilpäd. Klinik der Stadt Wien „Am Spiegelgrund" zu geben. Am 23.10.1942 wird Walter im Pav. 15 aufgenommen und von Dr. Gross untersucht. Dieser vermerkt u. a. in der Krankengeschichte: „... Er zeigt eine übertriebene ängstliche Abwehr, wobei er immer wieder versucht vom Untersuchungstisch herunter zu klettern und zu flüchten. Er entwickelt dabei eine überraschende Behändigkeit die zu seiner sonstigen motorischen Rückständigkeit nicht zu vereinbaren ist... auch sonst versucht er immer wieder, dem Griff der haltenden Schwester zu entwischen ..." Am 26.10.1942 meldet Dr. H. Gross das Kind an den Reichsausschuss in Berlin „dauernde vollständige Pflegebedürfiigkeit zu erwarten ..." steht u. a.: „... das Kind hat den Pflegewechsel in keiner Weise erfasst. Es trat auch keinerlei Reaktion ein ..." Inzwischen hat Walter während seines 2-wöchigen Aufenthaltes in der Heilpäd. Klinik 8 kg an Körpergewicht verloren. Er ist so schwach, dass er auf seine Umgebung nicht mehr reagiert. Am 15.Ii.1942 stirbt das 6 Jahre alte Kind an übertragbarer Ruhr. Am 9.11.1942
Robert Kadawy/Erna Kadlec
245
KADAWY Robert
AZ11/41
geb.
30.1.1940
eingewiesen durch:
Karolinen Kinder Spital
Wien
aufgenommen:
Datum unbekannt
gttgl.
ehelich
(am 1.11.1940 gibt es einen Eintrag in einer Therapieliste) gest.
11.1.1941
Todesursache:
Verfall, Kräfteschwund
11 U h r 15
In der Krankenakte fehlen klärende Eintragungen. Es ist nur ersichtlich, dass der kleine Robert einige Zeit im Karolinen Kinderspital verbringt. Von dort wird er, vermutlich im November 1940, in die Wr. Städt. Jugendfiirsorgeanstalt „Am Spiegelgrund" überstellt. Das Kind dürfte an häufigen spastischen Krämpfen leiden. Nach mehreren Encephalografien kann dennoch keine sichere Diagnose erstellt werden. Am n.1.1941
stirbt Robert im Alter von einem Jahr an allgemeinem Kräfteschwund.
KADLEC Erna
A Z 78/41 134/41 163/41
geb.
1.3.1940
eingewiesen durch:
Wr. Univ. Kinderklinik
aufgenommen:
3.6.1941
Pav 15/1
entlassen 11.6.1941
24.7.1942
Pav. 15/Sgl.
26.8.1942 v. K V abgeholt
31.8.1942
Pav. 15/Sgl.
9.6.1941
Dr. M . Hübsch
Aufnahmeuntersuchung:
Wien
25.8.1941
Dr. M . T ü r k
Meldung:
11.6.1941
Dr. E. Jekelius
gest.
24.10.1942
19 U h r 30
Todesursache:
Diphtherie, Lungenentzündung
r.k.
ehelich
Erna ist seit ihrer Geburt ein sehr schwaches Kind. Die Eltern bemühen sich sehr um das Aufkommen des Wunschkindes. Nach dem 4. Lebenstag wird der Säugling wegen seiner Lebensschwäche in die Reichsanstalt eingewiesen und bleibt
246
Erna Kadlec/UIrike Kager
dort drei Monate, in denen er auch eine Mittelohrentzündung durchmacht. Als das Kind am 3.6.1941 auf den „Spiegelgrund" eingewiesen wird, nehmen die Eltern es bald wieder gegen Revers heraus, um es selbst zu pflegen. So geht es einige Zeit hin und her, weder in der Klinik noch zu Hause tritt eine Besserung von Ernas Gesundheitszustand ein. Am 1.8.1942
vermerkt Dr. M. Türk u. a. in der Krankengeschichte: „... Die Mutter des Kindes, die eine sehr nervöse abgehärmte Frau ist, hängt mit übertriebener Liebe an dem Kind, kommt sehr oft und will es außerhalb der Besuchszeiten besuchen. Immer wieder will sie neue Auskünfte über das Kind und wird dabei oft lästig..." Als die kleine Erna am 31.8.1942 wieder zurückgebracht wird, verschlechtert sich der Allgemeinzustand des kleinen Mädchen zusehends. Es beginnt hoch zu fiebern, hat Durchfälle und starke Drüsenschwellung. Am 24.10.1942
stirbt das 21/2-jährige Kind mit zunehmender Kreislaufschwäche an toxischer Diphtherie.
KAGER Ulrike
A Z 66/44
geb.
8.9.1943
eingewiesen durch:
Dr. Albert Hammel, Linz/D.
Linz/D.
aufgenommen:
31.5.1944
Aufnahmeuntersuchung:
2.6.1944
Dr. M . Türk
Meldung:
26.6.1944
Dr. E. Illing
gest.
31.7.1944
20 Uhr 15
Todesursache:
Brechdurchfall
r.k.
ehelich
Zwei Tage nach der Geburt hat Ulrike Krämpfe, die mit Zuckungen am ganzen Körper einhergehen. Das Kind wächst mit seiner Schwester in einem liebevollen Elternhaus auf. Der zuständige Hausarzt überweist das Kleinkind in die Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder. Nach einem Gespräch haben die Eltern Hoffnung auf Besserung und willigen zur Uberstellung ein. Am 31.5.1944 wird Ulrike im Pav. 15 aufgenommen und von Dr. M. Türk untersucht. Es wird eine 2-3-monatige Beobachtungszeit angeordnet. Inzwischen aber meldet Dr. E. Illing das Kind an den Reichsausschuss nach Berlin „Besserung vollständig ausgeschlossen ... ". In der Folge hat das kleine Mädchen
247
Ulrike Kager/Willibald Kainz
tagelang hohes Fieber und Durchfälle. Das wenige Essen, das es zu sich nimmt, erbricht es immer wieder verbunden mit heftigen Krämpfen. Da keine Besserung eintritt, ergeht die übliche „Schlechtmeldung" an die Eltern. Am 31.7.1944 stirbt Ulrike im Alter von 11 Monaten an Brechdurchfall.
KAINZ Willibald
AZ100/42
geb.
26.2.1931
Wien
eingewiesen durch:
Heil- und Pflegeanstalt Gugging
aufgenommen:
20.5.1942
Pav. 15/P.
26.5.1942
Pav.
4.6.1942
Pav. 17/BU
unehelich
ii/i
5-4-1943
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
23.5.1942
Dr. H. Gross
Meldung:
30.11.1942
Dr. E. Illing
gest.
2 Uhr 26.5.1943 Lungentuberkulose
Todesursache:
r.k.
Willibald verbringt bereits längere Zeit in der Heil- und Pflegeanstalt in Gugging, bevor er in die Heilpädag. Klinik „Am Spiegelgrund" transferiert wird. Dort wird er zwischen den Pavillons 15,17 u. 11 hin- und herverlegt, bis er ab 5.4.1943 im Parterre des Pav. 15 bleibt. Inzwischen hat am 30.11.1942 Dr. E. Illing an den Reichsausschuss in Berlin gemeldet „dauernde Pflegebedürftigkeit und keinerlei Arbeitseinsatzfdhigkeit zu erwarten..." Die Schwesternberichte auf den einzelnen Abteilungen sind oft einander sehr widersprüchlich, ζ. B. ist er einmal „sehr anhänglich und gut zugänglich", ein anderes Mal „kontaktscheu und unzugänglich . . . " ist er auf einer Abteilung „gut zu verwenden beim Tisch decken, wegräumen " etc., kann er anderswo „für häusliche Arbeiten kaum verwendet werden ...". Ansonsten ist Willibald „dauernd in Bewegung" und lernt auch langsam sich richtig sprachlich auszudrücken. Am Ii.5.1943 vermerkt Dr. M. Türk in der Krankengeschichte u. a.: „... in letzter Zeit sehr apathisch, macht müden Eindruck ..." In der Folge ist die Nahrungsaufnahme schlecht. Am 25.5.1943 liegt das Kind bei hohem Fieber im Sterben. Am 26.5.1943 stirbt Willibald im Alter von 12 Jahren an Lungentuberkulose.
248
Willibald Kai t/Josef Kamon
KAIT Willibald
AZ139/41
geb.
11.3.1930
eingewiesen durch:
Spezial Kinderheim Pressbaum/KUST
aufgenommen:
4.8.1941
Aufnahmeuntersuchung:
24.8.1941
Dr. H . Gross
Meldung:
29.8.1941
Dr. E. Jekelius
gest.
28.11.1941
16 Uhr
Todesursache:
Lungenentzündung
Wien
r.k.
ehelich
Willibald ist das achte Kind einer Familie, die in beengten Wohnverhältnissen lebt. Dies ist ein vorrangiger Grund für die Aufnahme des jüngsten Kindes in das Spezial Kinderheim in Pressbaum. Dort entwickelt sich das Kind geistig und motorisch nur sehr langsam. Am 4.8.1941 wird der Bub auf den „Spiegelgrund" überstellt, nachdem er kurze Zeit zu Hause war. Am 29.8.1941 meldet Dr. E. Jekelius das Kind an den Reichsausschuss in Berlin „Besserung oder Heilung nicht zu erwarten ..." Am 28.11.1941 stirbt Willibald an Lungenentzündung.
KAMON Josef
A Z 27/40
geb.
11.4.1940
Zistersdorf/ND.
eingewiesen durch:
Fürsorgeanstalt Bastiengasse, Wien 18
aufgenommen:
6.12.1940
Aufnahmeuntersuchung:
9.12.1940
Dr. H. Gross/Dr. M.Hübsch
Meldung:
6.4.1941
Dr. E. Jekelius
gest.
30.6.1941
16 Uhr
Todesursache:
Lungenentzündung
ehelich
Josef wird als kräftiges Kind geboren. Neun Tage danach schleudert die Mutter in einem Anfall von Sinnesverwirrung (vermutlich Stillpsychose) das Kind auf den Boden und begeht Suizid (Selbstmord). Der Säugling trägt schwere Kopfverletzungen davon und wird in die Fürsorgeanstalt für Mutter und Kind, Bastiengasse eingeliefert. Das Kind dürfte auch blind sein.
249
Josef Kamon/Johann Kana
Am 6.12.1940
wird der kleine Bub auf den „Spiegelgrund" überstellt und der üblichen Aufnahmeuntersuchung unterzogen.
In der Folge werden weitere Untersuchungsmethoden angewendet, ζ. B. sind mehrere Encephalogramme und Röntgenaufnahmen vermerkt. „Nebenbei erkrankt Josefan Husten, eitrigem Ohrfluss und Durchfallen." Am 30.6.1941
stirbt das Kind im Alter von 15 Monaten an Lungenentzündung.
A Z 84/43
K A N A Johann Dürnkrut
r.k.
geb.
16.3.1934
eingewiesen durch:
Pflege- und Beschäftigungsanstalt G u g g i n g
aufgenommen:
1.6.1943
Aufnahmeuntersuchung:
2.6.1943
Dr. M . T ü r k
Meldung:
12.6.1943
Dr. E. Illing
gest.
21.7.1943
23 U h r 30
Todesursache:
Herzstillstand im status epilepticus
ehelich
Bis zum 5. Lebensjahr ist Johann gesund und entwickelt sich altersgemäß. Er ist ein lebhaftes, fröhliches Kind, das folgsam ist, gerne spielt und es liebt, mit der Mutter einkaufen zu gehen. Plötzlich hat das Kind krampfartige Anfälle, die sich täglich wiederholen. Die besorgten Eltern bringen den kleinen Buben in die Wiener Universitäts Kinderklinik zur Beobachtung und allfälligen Behandlung. Als er im Herbst des selben Jahres dort nochmals untersucht wird, erfolgt eine Einweisung nach Gugging, wo er sich gut integriert. Als ihn die Mutter mehrmals besucht, fragt er sie nach einem Jahr nach seinem Schaukelpferd, das er zu Hause lassen musste. Dieses Erinnerungsvermögen über einen längeren Zeitraum gibt Hoffnung auf eine bessernde Entwicklung. Inzwischen wird der Vater zur Wehrmacht nach Polen eingezogen, dort begeht er Selbstmord durch Erschießen. Am 1.6.1943
wird das Kind in die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder überstellt.
Am 12.6.1943
meldet Dr. E. Illing über Johann an den Reichsausschuss in Berlin: „vollständig bildungsunfähig, dauernde vollständige Pflegebedürftigkeit..."
Am 21.7.1943
stirbt das neunjährige Kind an Herzstillstand im status epilepticus.
2JO Am 22.7.1943
Johann Kana/Wilhelm Kaposi
schreibt Dr. E. Illing an die Mutter des Kindes: „Zu meinem Bedauern muss ich Sie hievon in Kenntnis setzen, dass Ihr Kind Johann am 21.7.1943 um 23 Uhr 30 von seinen unheilbaren Leiden durch einen sanften Tod erlöst wurde."
KAPOSI Wilhelm
AZ107/42
geb.
22.10.1929
Wien
eingewiesen durch:
Heil- und Pflegeanstalt Gugging/KUST
aufgenommen:
27.5.1942
Aufnahmeuntersuchung:
1.6.1942
Meldung:
31.5.1942
gest.
10.9.1942
Todesursache:
Lungenentzündung
mosaisch
ehelich
Dr. H. Gross 5 Uhr 30
Wilhelm wird bei der Geburt verletzt und entwickelt sich seither nur sehr langsam. Aus den vorliegenden Unterlagen geht hervor, dass das Kind bereits in fünf verschiedenen Heimen, Instituten und Krankenhäusern untergebracht war, als es am 27.5.1942 in der Heilpädag. Klinik „Am Spiegelgrund" aufgenommen wird. Das KÜST-Anstaltenreferat betont in der Ubergabebestätigung, dass „das Kind Volljude ist...". Dementsprechend nimmt Dr. H. Gross am 1.6.1942 die Aufnahmeuntersuchung vor. Er nennt den Buben ab sofort „Israel" und diagnostiziert u. a. „typischeZeichen der vorderasiatischen Rassenzugehörigkeit..." Erkundigungen nach den Eltern, einer Kaufmannsfamilie aus Wien, ergeben, dass diese bereits nach dem Umbruch in „der Ostmark" nach London ausgewandert sind (lt. Auskunft des Gesundheitsamtes Wien 8). Bald verschlechtert sich das Allgemeinbefinden des dreizehnjährigen Kindes. Am 10.9.1942 stirbt Wilhelm in den Morgenstunden an Lungenentzündung.
251
Waltraud Karger
AZ?
KARGER Waltraud geb.
14.5.1940
eingewiesen durch:
Wohlfahrtsamt Liesing
Wien
gttgl.
aufgenommen:
10.4.1941
gest.
3-7-I94I
Todesursache:
Lungenentzündung nach toxischer Diphtherie
ehelich
Pav. 15
Während der Schwangerschaft mit Waltraud wird die Mutter wegen Basedow röntgenbestrahlt. Bei der Entbindung erleidet die Mutter einen Krampfanfall. Seither ist das Kind „auffällig" und entwickelt sich nicht dem Alter entsprechend. Es reagiert auf nichts, greift nicht nach vorgehaltenen Dingen, lacht selten, ist besonders ruhig und schläft viel. Als Waltraud in der Folge auch nicht sitzen und laufen lernt, bemüht sich die Mutter fur das Kind um Aufnahme in eine Anstalt. Am 10.4.1941 wird das kleine Mädchen in der Wr. Städt. Jugendfürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund" aufgenommen und den üblichen Aufnahmeuntersuchungen unterzogen. Neurologisch und intern gibt es keine Besonderheiten. Am 18.5.1941 geht aus dem psychologischen Gutachten von Dr. Baar hervor, dass „die Körperbeherrschung durch große Schwäche und besondere Ermüdbarkeit sehr beeinträchtigt" ist, „ein sozialer Kontakt ist nicht herstellbar..." Am 28.5.1941 Am 3.7.1941
werden Encephalografie und Schädelröntgen vorgenommen. (Ein Ergebnis liegt in den wenigen Unterlagen nicht vor.) stirbt Waltraud im Alter von 14 Monaten an Lungenentzündung nach toxischer Diphtherie.
252
Christine Karl
KARL Christine
A Z 249/ 43
geb.
8.11.1942
eingewiesen durch:
E. v. Behring Kinderkrankenhaus, Wien 9
aufgenommen:
18.8.1943
Aufnahmeuntersuchung: Meldung:
20.8.1943
Dr. M. Türk
31.8.1943
Dr. E. Illing
gest.
I5-9-I943 7 Uhr Lungenentzündung
Todesursache:
Langenlois
r.k.
ehelich
P a v · 15/1
Seit der Geburt werden bei Christine leichte Zuckungen am ganzen Körper beobachtet. Im Alter von vier Wochen tritt ein schwerer Krampfanfall auf. A b da verschlechtert sich der Zustand des Kindes. Die Eltern sind sehr besorgt und suchen ärztliche Hilfe. Es wird ein Hydrocephalus (Wasserkopf) intern u. teilweise extern diagnostiziert. Im Emil v. Behring Kinderkrankenhaus wird den Eltern geraten, das Kind in die Wr. Stadt. Nervenklinik für Kinder überstellen zu lassen. In der Hoffnung auf Besserung stimmen die Eltern zu. A m 18.8.1943
wird das kleine Mädchen im Pavillon 15 aufgenommen und zwei Tage später von Dr. M . Türk untersucht.
A m 31.8.1943
meldet Dr. E. Illing das Kind an den Reichsausschuss in Berlin. Wenige Tage später erkrankt der Säugling an schweren Masern mit hohem Fieber und starkem Erbrechen, das Allgemeinbefinden verschlechtert sich.
A m 15.9.1943
stirbt Christine im Alter von 10 Monaten an Lungenentzündung bei schweren Masern.
253
Johann Karl
KARL Johann
A Z 42/ 4 1
geb.
28.11.1939
eingewiesen durch:
Dr. O . Jettmar (Kinderfachärztin) Wien 16
Wien
aufgenommen:
7-3-I94I
Aufnahmeuntersuchung:
11.3.1941
Dr. M . Hübsch
gest.
28.4.1941
18 U h r 10
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
ehelich
Johann wird im 7. Monat geboren und kommt deshalb gleich nach der Geburt ins Preyersche Kinderkrankenhaus zur entsprechenden Pflege und Behandlung. Am 10.8.1940 wird das Kind nach guter Gewichtszunahme gesund entlassen. Doch der kleine Bub entwickelt sich nur sehr langsam. Seine Beinchen sind steif. Deshalb kann er weder sitzen noch stehen noch gehen. Eine Fachärztin für Kinderheilkunde diagnostiziert „Morbus Little" (zerebrale Kinderlähmung). Am 7.3.1941 wird Johann in der Wr. Städt. Nervenlink fur Kinder im Pavillon 15 aufgenommen und einige Tage darauf der üblichen Aufnahmeuntersuchung unterzogen. Das psychologische Gutachten von Dr. Baar ergibt u. a.: „... das Kind ist freundlich. Es zeigtjur Menschen und Spielzeug lebhaftes Interesse... außer einer besonderen Ermüdbarkeit, welche weitgehend durch eine vorangegangene Erkrankung bedingt ist, keine Auffälligkeiten . . . " Inzwischen erkrankt das Kind an starken Durchfällen mit hoher Gewichtsabnahme. Am 28.4.1941 stirbt das Kleinkind an Lungenentzündung.
Franz Karlowitz
KARLOWITZ Franz
A Z 1 4 0 / 41
geb.
20.12.1935
eingewiesen durch:
Spezial Kinderheim Pressbaum/KÜST
Wien
r.k.
aufgenommen:
4.8.1941
Pav. 15/P.
1.12.1941
Pav. I I / I
4.6.1942
Pav. 1 7 / B U
17.9.1942
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
18.8.1941
Dr. H . Gross
Meldung:
5.6.1942
gest.
18.9.1942
Todesursache:
Lungenentzündung
ehelich
4 U h r 10
Franzi ist ein lustiges Kind. Überall ist er dran, alles interessiert ihn, sein Aussehen ist so pfiffig, dass ihn die Leute den kleinen „Kasperl" nennen. Sein Sprachverständnis ist gut, doch beim Selber-Sprechen lässt er sich Zeit. Er ist in seiner Motorik so behände, dass es manchmal erschreckend ist, ihm zuzuschauen. Als die Mutter krank wird und in Spitalsbehandlung muss, weiß sie nicht wohin mit dem quietschlebendigen Kind, da der Vater berufstätig ist. Sie ersucht das zuständige Jugendamt um Unterbringung des Buben in einem Heim für die Zeit ihres Krankenhausaufenthaltes. Franzi kommt in das Spezial Kinderheim nach Pressbaum. Doch von dort hat er keine Chance mehr nach Hause zu kommen. Am 4.8.1941
wird er in die Heilpädagogische Klink „Am Spiegelgrund" überstellt. Dort wird er in der Folge zwischen den Pav. 1 5 , 1 7 , 1 1 hinund hertransferiert. Warum, geht aus den vorliegenden Unterlagen nicht hervor.
Am 17.9.1942
wird das Kind wegen sehr schlechten Allgemeinbefindens ins Parterre des Pav. 15 verlegt.
Am 18.9.1942
stirbt Franzi im Alter von 7 Jahren an Lungenentzündung mit Kreislaufschwäche.
Johann Karner/Johann Karoly
*55
KARNER Johann
A Z 431/43
geb.
27.4.1940
eingewiesen durch:
Med. Rat Dr. F. Kraus, Krumbach/ND.
Zöbern-Stubegg
aufgenommen:
17.1.1944
Pav. 15/Sgl.
Aufnahmeuntersuchung:
9.1.1944
Dr. M . Türk
Meldung:
21.2.1944
Dr. E. Illing
gest.
29.2.1944
3 Uhr
Todesursache:
Darmkatarrh, Lungenentzündung
r.k.
unehelich
Der kleine Johann ist stark schwerhörig. Daraus resultiert fehlendes Sprachverständnis und Sprechvermögen. Am 17.1.1944 wird das Kind in der Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder im Pavillon 15 aufgenommen. Dort wird es den üblichen Untersuchungen- und Behandlungsmethoden unterzogen. Am 21.2.1944 meldet Dr. E. Illing das Kind an den Reichsausschuss in Berlin. Am 20.4.1944 erkrankt der Bub an schwerem Darmkatarrh. Am 25.4.1944 steht in der Krankengeschichte u. a.: „... Sehr schwach und hinfällig ... Austrocknungserscheinungen ... Schnupfen ... Bronchitis ... Schlechtmeldung an die Eltern ..." Am 29.4.1944 stirbt der vierjährige Johann in den frühen Morgenstunden an Darmkatarrh und Lungenentzündung.
KAROLY Johann geb.
A Z 365/44 29.12.1944
Wolfsbach/
r.k.
unehelich
Amstetten eingewiesen durch:
Staatl. Gesundheitswesen Baden
aufgenommen:
16.3.1945
Aufnahmeuntersuchung:
18.3.1945
Dr. M . Türk
Meldung:
30.3.1945
Dr. M . Türk
gest.
11.4.1945
22 Uhr
Todesursache:
Allgemeine Lebensschwäche, Lungenentzündung
Pav. 15/Sgl.
Johann wird über Auftrag des zuständigen Amtsarztes in die Wr. Städt. Nervenklinik fiilr Kinder eingewiesen. Dem Kind fehlen seit der Geburt beide Arme.
2 56
Johann Karoly/Gunther Karth
Am 16.3.1945
wird es im Pavillon 15 aufgenommen. Dr. M. Türk vermerkt im Aufnahmeprotokoll u. a.: „Psychisch noch nicht genauer beurteilbar ... schaut etwas herum macht keinen abnormen Eindruck ... schwere körperliche Missbildungen ..."
Am 30.3.1945
meldet Dr. M. Türk an den Reichsausschuss in Berlin: „... auch bei günstiger geistiger Entwicklung Arbeits- u. Erwerbsfähigkeit kaum zu erwarten ...". In der Folge erkrankt das bis dahin gesunde Kind an Durchfällen, „hartnäckiger Bronchitis" und hohem Fieber. Es nimmt kaum Nahrung zu sich und verliert in der kurzen Zeit stark an Gewicht.
Am 3.4.1945 Am 11.4.1945
sinkt das hohe Fieber plötzlich auf Untertemperatur. ist eingetragen: „... Macht nur zeitweilig einige Atemzüge. Eiskalt. "In der Nacht stirbt das 3 V2 Monate alte Kind an allgemeiner Lebensschwäche und Lungenentzündung.
KARTH Günther
A Z 211/43
geb.
14.7.1937
eingewiesen durch:
Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt Wien
Essen
r.k.
ehelich
aus dem St. Josefshaus Hardt/Mönchengladbach aufgenommen:
29.7.1943
Pav. 15/1.
Aufnahmeuntersuchung:
29.7.1943
Dr. M . Türk
Meldung (Bericht):
12.8.1943
Dr. E. Illing
gest.
16.6.1944
1 Uhr 30
Todesursache:
Lungen- und Schädelknochen - Tuberkulose
Günther wächst in einer ärmlichen Familie mit vier älteren Brüdern auf. Zwischen den Eltern gibt es oft Unstimmigkeiten, deren Ursache sicherlich die soziale Lage ist. Die Familie wird als „asoziale Sippe "abgestempelt, alle Kinder werden in Fürsorgeerziehung übernommen. Doch entgegen der Behauptung, die Mutter würde die Kinder „vernachlässigen", leidet diese sehr unter den Entscheidungen der Fürsorgebehörde und den vermutlichen Denunzierungen der Nachbarn. Vergeblich bemühen sich die Eltern um ihre Kinder, und nur mit Mühe finden sie heraus, in welchen Heimen diese untergebracht sind. Besonders schmerzvoll dürfte, vor allem für die Mutter, die im Juli 1943 erfolgte Überstellung des kleinen Günther sein, der mit einem Sammeltransport nach
Günther Karth
2
57
Wien kommt. Dr. E. Illing schreibt ihr u. a.: „... es ist notwendig ..." - Damit ist die Entfernung zu ihrem Kind so groß geworden, dass sie dieses nicht einmal besuchen kann. Doch die Eltern wollen den kleinen Buben holen - da wird ein „Ausfolgverbot" über das Kind verhängt. Der schüchterne, aber freundliche und gut zugängliche Bub wird zunächst in der Wagner Jauregg Heil- und Pflegeanstalt aufgenommen. Er ist stark untergewichtig und hat Krätzen und Furunkulose — dieser Zustand stammt aus dem St. Josefsheim in Mönchengladbach, wo man dem Kind „besonderes Gefräßigkeit" attestiert hatte. Am 29.6.1943 wird Günther auf Pavillon 15 verlegt. Am 12.8.1943
berichtet Dr. E. Illing nach Berlin an den Reichausschuss und
schlägt „ weitere Beobachtung der Entwicklung" vor. Am 20.1.1944 erkrankt der Bub an schweren Masern, hat sehr hohes Fieber und hustet stark. Am 15.3.1944 bildet sich an der linken Stirnseite eine kirschgroße Geschwulst, die eine Gesichtslähmung hervorruft. In dieser Situation vermerkt Dr. M. Türk in der Krankengeschichte u. a.: „... hat in den vergangenen Monaten keinerlei geistige Fortschritte gemacht..." In der Folgezeit ist aus der anfänglichen Geschwulst auf der Stirn ein großer Tumor geworden, ebensolche haben sich auch in der Scheitelgegend gebildet, aus denen „grünflüssiger stinkender Eiter tritt"-wie Dr. M. Türk im Protokoll festhält. Noch immer fiebert das Kind bis zu 40°. In diesem Zustand „liegt es gut eingepackt bei offenem Fenster, Gesichtslähmung nimmt zu ..." (lt. Eintragung von Dr. M. Türk am 18.4.1944). Das anfangs ruhige Kind schreit nun sehr viel. Es nimmt kaum noch Nahrung auf. Sein Allgemeinzustand verschlechtert sich zusehends. Am 16.6.1944 stirbt Günther im Alter von 7 Jahren während der frühen Morgenstunden an Lungen- und Schädelknochen-Tuberkulose. Transkription der erhaltenen Briefe der Eltern des kleinen Günther KARTH an die Anstaltsleitung: Essen, den 1. Apr. 1943 Werther Herr Doktor, ich möchte malfragen, warum Sie mein Kind Günther in die Nervenklinik getan haben. Sie stellen mein Kind hin als ob es verrückt ist, aber ich werde sehen mein Kind zurückzubekommen, denn mein Kind ist gescheiter als manche andere. Oder glauben Sie, ich als Mutter möchte mein Kind nicht mehr sehen, ich hätte kein Herz mehr im Leibe, das mir weh tut und bricht vor Heimweh nach meinem Kind. Nicht einmal besuchen kann ich mein Kind mehr, weil man es mir entrissen und so weit gebracht hat. Ich bitte Sie mir Auskunft zu geben, was mein Kind macht ... (vier weitere Zeilen sind leider unlesbar)
258
Günther Karth
Essen, den 7. Apr. 1943 Werther Herr Doktor, möchte mitteilen dass wir unseren Günter zurückhaben wollen. Der Beschluss ist aufgehoben und wir verlangen unser Kind. Es ist traurig, dass man das Kind als schwachsinnig hinstellt...
Aber dass Sie unser Kind als Versuchskarnikel
haben und ihn noch als verrückt hinstellen, das werden wir nicht zulassen, es ist unser Fleisch und Blut, es gehört uns. Wir werden nicht ruhen bis wir das Kind haben, denn wir sind doch heute im Dritten Reich, wo Gerechtigkeit herrschen soll, auch unser Herrgott verlangt das und Sie wollen doch fromm und gerecht sein, dann werden Sie ja wissen, was Sie zu tun haben. Unser Kind gehört uns, der Schmerz tut weh. Mit Deutschem Gruß Eheleute Karth Essen, den 10. Apr. 1943 Werther Herr Doktor, Sie wissen bereits, dass wir unser Kind holen wollen, ich hoffe, dass Sie uns nichts in den Weg legen. Denn ich als Mutter von sieben Kindern, die schon ihr Leben bald eingebüsst hat bei der Geburt, bittet und fleht Sie an Herr Doktor um ihr Kind. Ich laufe schon Tage lang herum ohne Kraft durch Regen und Wind, nurfür mein Kind. Ich hoffe, dass Sie Verständnis dafür haben, denn das fugendamt und Wohlfahrtsträger, sagten mir, ich sollte mich an Sie wenden, denn mein Kind ist nicht schwachsinnig. Es ist nur eine Frühgeburt und ich habe dabei den zweiten Kaiserschnitt bekommen. Dafür kann doch so ein unschuldiges Wesen nichts. Ich flehe Sie als Mutter an und im Namen Gottes, geben Sie mir mein Kind zurück ehe man mich in eine Irrenanstalt bringt, denn das würde ich nie ertragen, mein Kind dort zu wissen. Zumal mein Kind gesund ist. Denn können Sie es vor Ihrem Gewissen und vor Gott verantworten, eine Mutter dorthin zu bringen. Ich flehe Sie nochmals an mir das Kind zu geben, ehe es zu spät ist. Ich bitte und flehe Sie an, denn mein Herz ist weh und gebrochen vor Schmerz und Kummer. Ich bin eine, die ein Herz hatfür ihre Kinder. Und wenn Sie ein Herz haben, dann helfen Sie einer Mutter und geben Sie ihr das Kind. Unterschrift der Mutter
259
Anna Kaschnig
KASCHNIG Anna
A Z 53/43
geb.
14.9.1940
eingewiesen durch:
Landrat Kreis Villach
Thörl-Maglern
aufgenommen:
9.5.1943
Pav. 15/1
Aufnahmeuntersuchung:
12.5.1943
Dr. M . Türk
Meldung:
17.5.1943
Dr. E. Illing
gest.
27.5.1943
8 U h r 30
Todesursache:
Bronchitis, Lungenentzündung
r.k.
unehelich
Anna ist ein lebhaftes, auffallend unruhiges Kind, das sich mit dem Sprechenlernen Zeit lässt. Die Mutter und der Stiefvater bringen viel Geduld fur das kleine Mädchen auf, das immer ordentlich gepflegt ist. In den vorliegenden Unterlagen scheint kein Grund auf, warum der zuständige Kinderfacharzt des Staatlichen Gesundheitsamtes „dringendAnstaltspflege" beantragt, zumal das Kind nie ernstlich krank war. Am 9.5.1943 wird Anna in der Wr. Städt. Nervenklinik fur Kinder im Pavillon 15 aufgenommen und den üblichen Untersuchungen unterzogen. Am 17.5.1943 Am 27.5.1943
meldet Dr. E. Illing das Kind an den Reichausschuss in Berlin: „... voraussichtlich dauerndpflege- und anstaltsbedürjiig..." stirbt das 3-jährige Mädchen an Bronchitis und Lungenentzündung.
Überrascht über den plötzlichen Tod des Kindes schreibt die Mutter sogleich nach Erhalt der Nachricht an die Anstaltsleitung: Gailitz, 27.5.1943 „... Habe heute das Telegramm von dem Tod meiner Tochter Anna erhalten. Bitte mir mitzuteilen warum das Kind so plötzlich starb. War es vielleicht
krank?..."
Am 8. Juni 1943 antwortet Dr. Illing: „Ihr Töchterchen Anna ist am 27. Mai 1943 an einer Lungenentzündung gestorben, nachdem es nur wenige Tage mit Fieber erkrankt war. Es ist ohne jeden Kampf sanft eingeschlafen. Der Tod konnte diesem armen Kinde, das infolge seiner hirnorganischen Störungen und den damit zusammenhängenden Lähmungen, nie sprechen oder gehen gelernt hätte, nur eine Erlösung bedeuten. Unterschrift Dr. E. Illing P.S. Bezüglich der Grabstätte wollen Sie sich an die Friedhofiverwaltung des Zentralfriedhofes Wien XI wenden.
2.6ο
Hedwig Kase/Leopold Kaspar
KASE Hedwig
AZ157/43
geb.
13.9.1941
eingewiesen durch:
Bezirksjugendamt Wien 3 / K Ü S T
Wien
aufgenommen:
8.7.1943
Pav. 15/1
Aufnahmeuntersuchung:
8.7.1943
Dr. E. Illing
Meldung:
16.7.1943
Dr. E. Illing
gest.
18.7.1943
10 U h r 30
Todesursache:
Im status epilepticus
r.k.
ehelich
Das Kind dürfte seit der Geburt an zerebraler Kinderlähmung leiden. Während der Vater zur Wehrmacht einrücken musste, ist die Mutter liebevoll um Hedwig besorgt. In der Hoffnung auf Besserung und Fortschritt in der Entwicklung des kleinen Mädchens bringt sie dieses in die Wiener Univ. Kinderklinik zu Prof. Dr. Hamburger. Von dort wird das Kind nach einiger Zeit der Beobachtung als „aussichtslos" in die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder überstellt. Dort häufen sich Krampfanfälle in den Beinchen und epileptische Zustände. Am 16.7.1943
macht Dr. E. Illing Meldung an den Reichsausschuss in Berlin.
Am 18.7.1943
stirbt Hedwig mit dem „netten Gesichtsausdruck", lt. Eintragung von Dr. E. Illing, im status epilepticus.
KASPAR Leopold
A Z 521/42
geb.
3.12.1932
eingewiesen durch:
Pflege- u. Beschäftigungsanstalt Gugging
Znaim
aufgenommen:
9.3.1943
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
10.3.1943
Dr. H . Gross
Meldung (Bericht):
1.7.1943
Dr. E. Illing
gest.
27.7.1943
21 U h r
Todesursache:
Katarrhl. Lungenentzündung
r.k.
ehelich
Leopold ist ein ruhiges folgsames und liebebedürftiges Kind. Er ist der Jüngste von fünf Geschwistern. Mit sechs Jahren wird der Bub von einem Radfahrer niedergestoßen, diesem Umstand wird kaum Beachtung geschenkt. Als das Kind schulpflichtig wird, fällt es ihm nicht leicht, sich einzugliedern. Nach zwei Wochen wird es ausgeschult und in die Anstalt nach Gugging überstellt. Dort macht der
261
Leopold Kaspar/Josef Kassin
Bub keine Schwierigkeiten, er ist stets gut gelaunt und besonders an den Naturgeschehen interessiert, die er oft lange vom Fenster aus beobachtet. Am 9.3.1943 wird Leopold in die Wr. Stadt. Nervenklinik f. Kinder überstellt und im Pav. 15 aufgenommen. Es folgen die Aufnahmeuntersuchung durch Dr. H. Gross und ein Bericht von Dr. E. Illing an den Reichsausschuss in Berlin Am 20.7.1943 erkrankt das Kind an Husten, der zu einer eitrigen Bronchitis wird. Während der nächsten Tage fiebert der Bub sehr hoch, das Thermometer zeigt mehr als 40 Grad. Das Allgemeinbefinden verschlechtert sich. Am 27.7.1943 stirbt Leopold im Alter von 11 Jahren an Lungenentzündung, inzwischen ergeht die „Schlechtmeldung" an die Mutter.
KASSIN Josef geb.
AZ113/41 14.6.1930
Nötsch/
r.k.
ehelich
Kreis Villach eingewiesen durch:
Reichsstatthalter Kärnten, Kreisjugendamt Villach
aufgenommen:
14.7.1941
Aufnahmeuntersuchung:
21.7.1941
Dr. H . Gross
Meldung:
8.8.1941
Dr. E. Jekelius
gest.
10.12.1941
22 U h r
Todesursache:
unbekannt
Pav. 15
Die Fürsorgebehörde wird im Mai 1941 auf das schwer vernachlässigte Kind aufmerksam. Es wächst in einem kleinen Bauernhof bei seinen Eltern auf, seine Schlafstelle ist der Backofen, Kleidung gibt es keine. Josef ist unansprechbar, sehr ängstlich und unruhig. Der zuständige Amtsarzt beantragt „dringend Unterbringung" in der Anstalt „Am Spiegelgrund". Am 14.7.1941 wird der 11-jährige Bub im Pav. 15 aufgenommen. Eine Woche später erfolgt die übliche Untersuchung durch Dr. H. Gross, der ihn als „tiefitehenden Idioten"bezeichnet. Die Schwesternberichte ergeben, dass sich das Kind im Laufe seines Aufenthaltes einzuordnen versucht und erziehungsfähig wäre: 20.10.1941 „... lebhaftes Kind, nimmt Anteil an seiner Umgebung ..." (Sr. Erhart)
2Ö2 27.10.1941
Ohne Datum
Am 10.12.1941
Josef Kassin/Christa Margarete Kauf
„... Kind ist anschmiegsam zur Schwester, hat gerne, wenn man mit ihm plaudert und freundlich ist... An- und Auskleiden tut er sich allein, ebenso zu kleinen Handgriffen, wie Geschirr auf den Tisch tragen, ist er verwendbar..." (Sr. Erhart) „... geht selbst auf das Closet, bringt sein Bett nicht mehr in Unordnung, auch ist er auf seinen Anzug sehr ordentlich. Er ist gutmütig, nie zornig, hingegen kann er sich sehr kränken wenn die Schwester mit ihm schimpfen muss, was früher öfters vorkam. Da versteckte er sich unter der Decke, man konnte bemerken, dass er weinte ... lacht immer die Schwesterfreundlichan, will sich gern unterhalten, freut sich, wenn er zu essen bekommt... sein Aussehen ist gesund und frisch ..." (Sr. D.) stirbt Josef in der Nacht. Todesursache unbekannt.
KAUF Christa Margarete
A Z 571/42
geb-
12.3.1942
eingewiesen durch:
Kinderklinik Glanzing/KUST
Wien
aufgenommen:
25.3.1943
Pav. 15/1
Aufnahmeuntersuchung:
26.3.1943
Dr. M . T ü r k
Meldung:
30.3.1943
Dr. E. Illing
gest.
25.5.1943
16 Uhr
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
ehelich
Christa leidet ab der 6. Lebenswoche an Krämpfen (Zuckungen) an Armen und Beinen. Das Kind dürfte blind sein. Zusätzlich muss es wegen einer Hüftgelenksluxation mehrere Wochen lang eine Gipshose tragen. In dieser Situation entwickelt sich der Säugling, vor allem geistig, nur sehr langsam. Eine Lumbalpunktion in der Kinderklinik Glanzing ergibt keinen negativen Befund. Am 25.3.1943 wird das kleine Mädchen in der Wr. Städt. Nervenklinik für Am 30.3.1943
Am 1.5.1943
Kinder im Pav. 15 aufgenommen. vier Tage nach der Aufnahmeuntersuchung durch Dr. M. Türk meldet Dr. E. Illing das Kind an den Reichsausschuss in Berlin: „... dauernde Pflegebedürftigkeit und keinerlei Arbeitseinsatzfahigkeit zu erwarten..." erkrankt Christa an Bronchitis.
263
Christa Margarete Kauf/Stefan K a u f m a n n
Am 11.5.1943
Am 25.5.1943
wird eine Encephalografie vorgenommen - ohne pathol. Ergebnis. In der Folge fiebert das Kind sehr hoch, sein Allgemeinbefinden verschlechtert sich. stirbt das i-jährige Mädchen unter zunehmender Kreislaufschwäche an Lungenentzündung.
AZ 90/42
KAUFMANN Stefan geb.
1.9.1937
eingewiesen durch:
Reichsstatthalter von Salzburg
Rattensam
aufgenommen:
12.5.1942
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
13.5.1942
Dr. H. Gross
Meldung:
14.5.1942
gest.
21.5.1942
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
ehelich
ο Uhr 30
Stefan ist schwerhörig und sehr ruhig. Am 15.4.1942 wird das Kind „erbbiologisch erfaßt" und als erbkrank angezeigt. Am 28.1.1942 stellt der zuständige Amtsarzt den Antrag auf Unterbringung in eine entsprechende Anstalt: „Die Unterbringung in einer Anstalt ist wünschenswert, um die Familie zu entlasten und ihr die Möglichkeit zu geben, mehr Zeit und Mühe auf die Erziehung der anderen Kinder zu verwenden. Begründung: Unruhe, Störung der Umgebung..." Am 12.5.1942
wird der Bub im Pav. 15 der Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder aufgenommen und am nächsten Tag von Dr. H. Gross untersucht.
Am 14.5.1942 Am 21.5.1942
wird das Kind an den Reichsausschuss nach Berlin gemeldet. stirbt Stefan im Alter von 5 Jahren kurz nach Mitternacht an Lungenentzündung.
264
Hilde Keclik
AZ 64/42
KECLIK Hilde Wien
r.k.
ehelich eh
geb.
5.11.1927
eingewiesen durch:
Kinderheim St. Josef Frischau bei Z n a i m / K U S T
aufgenommen:
23.3.1942
Aufnahmeuntersuchung:
7.5.1942
Dr. H. Gross
gest.
7.6.1942
11 Uhr 30
Todesursache:
unbekannt
Pav. 15/P.
Weil Hilde nach der Geburt sehr schwach ist, kommt sie in den Brutkasten. Auch die Mutter ist krank und bedarf Spitalsbehandlung. Das Kind verbringt seine Lebenszeit bis zur Einweisung in die Heilpädagogische Klinik „Am Spiegelgrund" in mehreren Krankenhäusern und Heimen. Am 23.3.1942 wird das inzwischen 15-jährige Mädchen im Pav. 15 aufgenommen. Am 7.5.1942 erst erfolgt die Aufnahmeuntersuchung durch Dr. H. Gross. In der zusammenfassenden Diagnose stellt er fest: „Körperlich für sein Alter enorm zurückgebliebenes Kind in stark herabgesetztem Ernährungszustand. Intern keine Besonderheiten. Neurologisch nicht grob gestört. Wachstumsstörung unbekannter Ursache (Körperlänge Iii statt 755 cm). "Wenige Tage später verschlechtert sich das Allgemeinbefinden des Mädchens. Am 7.6.1942
stirbt Hilde „plötzlich " am Vormittag. Weder in der Krankengeschichte noch im Obduktionsbefund ist die Todesursache angegeben.
265
Karl Heinz Kempken
KEMPKEN Karl Heinz geb.
AZ111/43 28.1.1937
Homberg
evang.
ehelich
a. Rhein eingewiesen durch:
Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt Wien
aufgenommen:
10.6.1943
Pav. 15/R
Aufnahmeuntersuchung:
12.6.1943
Dr. M . Türk
gest.
17.6.1943
12 Uhr 45
Todesursache:
im status epilepticus
(aus Hardt bei Mönchengladbach)
Karl Heinz hatte eine schwere Zangengeburt. In der Folge entwickelt sich das Kind körperlich gut, doch geistig geht es nur sehr langsam. Die Eltern geben den Buben, in der Hoffnung, dass ihm geholfen und er gefördert werden könnte, ins St. Josefsheim in Hardt bei Mönchengladbach.Von dort wird das Kind mit einem Sammeltransport „wegen der Fliegerangriffe nach Wien verlegt". Vorerst wird Karl Heinz in der Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt aufgenommen. Die besorgte Mutter schreibt am 3.6.1943 an die Pflegeschwester: „Sehrgeehrte Schwester! Da mein Kind Karl Heinz Kempken von Mönchengladbach nach Wien gekommen ist, möchte ich mal schreiben, schickt er sich gut, können die Kinder die Luft vertragen, hoffentlich wohl. Ich glaube, liebe Schwester, Sie werden wohl viel Arbeit mit ihm haben, wo er noch alles untergehen läßt. Aber wir wollen das beste hoffen, dass es ein bisschen anders wird. Als Karl Heinz noch in Mönchengladbach war, konnte ich ihn öfters besuchen undjetzt leider nicht. Aber in Wien sind die Kinder sicherer. Hier, bei uns istfastjede Nacht Fliegeralarm. Wir sind seit vorigem Jahr bombenbeschädigt. Ich muss immer in der Küche schlafen, weil mein Schlafzimmer kaputt ist... liebe Schwester schreiben sie mir bitte mal, ob man die Kinder besuchen darf und ob man für ein paar Tage oder Wochen übernachten kann ..." Am p. 6.ip43 antwortet der Direktor Dr. Mauczka der Mutter: „In Beantwortung Ihres Schreibens von 3. Juni wird Ihnen mitgeteilt, dass sich Ihr Junge hier rasch eingewöhnt hat. Das Essen scheint ihm sehr zu schmecken, das zeigt sein Gesicht, wenn er es auch nicht sagen kann. Er kann natürlich so wie alle anderen Kranken hier von den Angehörigen besucht werden. Da er jedoch körperlich gesund ist, besteht gegenwärtig eine Notwendigkeit eines Besuches und der langen beschwerlichen Reise nicht.
266
Karl Heinz Kempken/Josef Keuschnig
Besuchszeit: Sonntag, Dienstag, Donnerstag und Samstag von 14-16 Uhr In Wien bestehen derzeit große Unterkunftsschwierigkeiten, seitens derAnstalt kann kein Quartier geboten werden ..." Unterschrift Hofrat Dr. Mauczka Bereits einen Tag nach ob. gen. Schreiben wird das Kind auf Pav. 15 ins Parterre verlegt. Am 12.6.1943 erfolgt die Untersuchung durch Dr. M. Türk. Inzwischen hat Karl Heinz mehrere epileptische Anfälle. Am 17.6.1943 stirbt das 6 V2-jähr ige Kind im status epilepticus. Der Obduktionsbefund ergibt dazu noch eine Lungenentzündung.
KEUSCHNIG Josef
A Z 303/41
geb.
21.12.1935
eingewiesen durch:
Reichsstatthalter Kärnten
Obervellach
aufgenommen:
28.9.1942
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
1.10.1942
Dr. H . Gross
Meldung:
2.12.1942
Dr. E. Illing
gest.
24.2.1943
14 U h r 30
Todesursache:
Lungenentzündung
ehelich
Josef lebt seit der Geburt bei den Eltern. Geistig entwickelt sich das Kind nur sehr langsam. Es ist ruhig und spielt besonders gerne auf der Mundharmonika. Im Juni 1941 stirbt der Vater plötzlich nach einer Magenoperation. Nun muss die Mutter eine kleine Keusche mit den dazugehörenden Feldarbeiten allein besorgen. Am 28.9.1942 wird der Bub in der Wir. Heilpädagogischen Klinik „Am Spiegelgrund" aufgenommen. Dr. H. Gross nimmt die Aufnahmeuntersuchung vor, doch die Frage der späteren Arbeitsverwendungsfähigkeit kann er noch nicht beantworten. Bald nach seiner Aufnahme „erkrankt das Kind schwer" (woran, ist aus den Unterlagen nicht zu erkennen). Aber es dauert mehrere Wochen, bis sich Josef einigermaßen erholt. Doch „den Vorgängen in seiner Umgebung ist er vollkommen teilnahmslos gegenüber. Bei
267
Josef Keuschnig/Herbert Kientzl
Tisch sitzt er meist mit geschlossenen Augen, er sucht weder mit der Schwester noch mit den anderen Kindern Kontakt... "hält Sr. Κ. in einem (undatierten) Tagesbericht fest. Am 20.2.1943
Am 22.2.1943 Am 24.2.1943
verschlechtert sich das Allgemeinbefinden, der Bub nimmt kaum Nahrung zu sich. An die Angehörigen ergeht eine „Schlechtmeldung". erleidet das Kind einen Kreislaufkollaps, die Herztätigkeit ist sehr schlecht. stirbt Josef im Alter von 7 Jahren an Lungenentzündung. Die Obduktion ergibt: „Käsige Lunge — Tuberkulose mit Aussaat in alle Körperorgane".
AZ 52/42
KIENTZL Herbert geb.
23.12.1939
eingewiesen durch:
Kinderheim St. Josef Frischau b. Z n a i m / K U S T
Wien
aufgenommen:
23.3.1942
Pav. 1/1
15.6.1942
Pav. 15/BU
Aufnahmeuntersuchung:
4.5.1942
Dr. M . Hübsch
gest.
15.8.1942
4 Uhr 30
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
unehelich
Wegen Obdach- und Mittellosigkeit der Mutter wird der kleine Herbert zwischen mehreren Pflegeplätzen, der KUST, dem Ottakringer Spital und dem Kinderheim St. Josef in Frischau bei Znaim hin- und hertransportiert. Am 23.3.1942 wird das Kind „Am Spiegelgrund", zunächst im Pav. 1, aufgenommen. Drei Monate später wird es auf Pav. 15 verlegt. Angstlich und weinerlich steht der kleine Bub die Aufnahmeuntersuchung durch. In den nächsten Tagen ist Herbert erkältet und beginnt zu fiebern. Am 15.6.1942 wird das Kind ins Parterre des Pavillons 15 gebracht. Dort liegt es meist ruhig im Bett, sucht keinerlei Kontakt zur Umgebung, schläft sehr viel. „ Wenn es die Flasche mit der Nahrung sieht, beginnt es am ganzen Körper zu zittern und brülllt, wenn es nichts bekommt..." (Sr. Dworschak)
268 Am 26.6.1942 Am 15.8.1942
Herbert Kientzl/ Hans Gerhard Kierdorf
verschlechtert sich das Allgemeinbefinden zusehends. Eine „Schlechtmeldung" &rgeht an die Mutter. stirbt Herbert an Lungenentzündung.
KIERDORF Hans Gerhard
A Z Z12./43
geb.
21.7.1931
eingewiesen durch:
Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt Wien
Mönchengladbach
r.k.
ehelich
von St. Josefshaus, Hardt bei Mönchengladbach aufgenommen:
29.7.1943
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
29.7.1943
Dr. M . Türk
Meldung (Bericht):
13.8.1943
Dr. E. Illing
gest.
16.8.1943
10 Uhr 30
Todesursache:
Allgemeiner Kräfteschwund
Hans Gerhard wird als zweites von drei Kindern in einer liebevollen Familie geboren. Der Bub entwickelt sich dem Alter entsprechend. Als er drei Jahre alt ist, wird er einer Mandeloperation unterzogen, während der er einen epileptischen Anfall erleidet. Seither mehren sich die Anfälle täglich. Die besorgten Eltern suchen ärztliche Hilfe. Nach einer Beobachtungszeit in einem Bonner Kinderkrankenhaus von November 1935 bis Jänner 1936 geht es besser. Das Kind wird wieder der Obhut der Eltern übergeben. Inzwischen wird ein Geschwisterchen geboren, nach dessen Ankunft die Mutter schwer an Lungen-Tbc erkrankt und bald darauf stirbt. In der Hoffnung, dass es für Hans Gerhard gut ist, folgt der Vater dem Rat des behandelnden Arztes und bringt das Kind ins St. Josefshaus in Hardt bei Mönchengladbach. Er trägt die auflaufenden Kosten selbst und glaubt, damit die bestmögliche Behandlung für seinen Sohn zu erhalten. Der Bub verbringt nun 6 Jahre in dieser Pflegeanstalt. Im Mai 1943 wird das Kind mit einem Sammeltransport in die Wr. Wagner Jauregg Heil- und Pflegeanstalt verlegt. Grund dafür ist die angebliche Sorge um die Kinder, sie aus der luftgefährdeten Gegend in Sicherheit zu bringen. Am 1.6.1943 schreibt Direktor Dr. Mauczka an den Vater: „Ihr Junge hat den Transport gut überstanden und hat sich in die neue Umgebung bereits eingewohnt. Sein Geisteszustand ist unverändert, sein körperliches Befinden befriedigend..." Inzwischen wird der Bub von Pav. 22 auf Pav. 18 verlegt und „wegen motorischer Unruhe" im Gitterbett gehalten.
Hans Gerhard Kierdorf/Josefine Kiesslich
269
Der besorgte Vater schickt ein Paket, das wird in einem Schreiben der Anstalt vom 29.6.1943 bestätigt: „Ihr Junge hat das Paket am 25. Juni in tadellosem Zustand erhalten und zeigte große Freude. Es geht ihm gut. "Inzwischen aber nimmt das Kind stark an Gewicht ab. Matratzen und Strohsack werden entfernt, weil es deren Inhalte herauszupft und schluckt. Am 29.7.1943
Am 13.8.1943
Am 16.8.1943
wird Hans Gerhard „Einvernehmlich in die Wr. Stadt. Nervenklinik für Kinder transferiert" und im Pav. 15 im Parterre aufgenommen. Noch am selben Tag wird er von Dr. M. Türk der üblichen Aufnahmeuntersuchung unterzogen, wo es u. a. heißt: „... Gesicht bis zum Skelett abgemagert..." (Das Kind ist mehr als 9 kg untergewichtig!). „Im Stuhl zeigen sich große Stücke von Windeln, die er gefressen hat..." berichtet Dr. E. Illing dem Reichsausschuss in Berlin. Das Kind nimmt kaum mehr Nahrung auf, das Allgemeinbefinden verschlechtert sich. stirbt Hans Gerhard an „allgemeinem hochgradigen Marasmus" (= Kräfteverfall)
KIESSLICH Josefine geb.
A Z 249/41 13.6.1932
Wien
eingewiesen durch:
Spezial Kinderheim Pressbaum/KUST
aufgenommen:
4.8.1941
Pav. 17
12.π.1941
Pav. 15
Aufnahmeuntersuchung:
ohne Datum
Dr. H . Gross
Meldung:
2.10.1941
Dr. E. Jekelius
gest.
5.2.1943
12 Uhr 30
Todesursache:
Eitrige Bronchitis, Lungenentzündung
unehelich
Josefine ist ein gutmütiges Kind. Sie wächst zuhause auf, es gibt keinerlei Erziehungsschwierigkeiten oder Krankheiten. Angeblich ist sie mongolid. Gerne spielt das kleine Mädchen mit ihren Puppen und zeigt dabei ein fürsorgliches soziales Verhalten. Es zerstört nichts, ist selbständig beim Essen und Anziehen und zeigt gute Merkfähigkeit. Zwei Jahre besucht Josefine die Schule, da stirbt die Mutter 1939 plötzlich an Gehirnlähmung. Der Kindesvater bemüht sich um Aufnahme in einem Erzie-
270
Josefine Kiesslich
hungsheim. Auch die Schule ersucht im Jänner 1940 um Unterbringung des Kindes in einer Anstalt, da es „sehr schüchtern " ist. Doch Dr. E. Baar von der Heilpädagogischen Ambulanz für Mutter und Säuglingspflege in Wien 18 bestätigt, dass „durch das gutmütige Wesen des Kindes und die vernünftige und liebevolle Einstellung der Stiefmutter eine Anstaltsunterbringung weder anzuraten noch notwendig ist... " Durch das fachärztliche Gutachten gibt es einen schwerwiegenden Konflikt in der Familie. Der Vater ist gegen die liebevolle Betreuung des Kindes durch seine Lebensgefährtin und verlässt nach einem Streit die Familie. Er beginnt zu trinken. Nun kommt Josefine in das Spezial Kinderheim nach Pressbaum. Inzwischen ist sie 9 Jahre alt. Am 4.8.1941
wird sie auf den „Spiegelgrund" transferiert. Sie kommt zunächst
in den Pav. 17 und dann in den Pav. 15. Am 2.10.1941 meldet Dr. E. Jekelius das Kind an den Reichsausschuss in Berlin: „ Typ. Mongolismus, Idiotie ..." Die Ziehmutter gibt am 18. Nov. 1941 an: „Das Kind erzählte auch einmal und führte auch vor; dass der Vater mit ihr Geschlechtsverkehr geübt hatte. — Es erzählte dies allen Leuten, die es traf... " Am 4.12.1941
Am 17.1.1943
steht in einem Schwesternbericht: „Sie ist ein ruhiges Kind, hat eine langsame Sprachweise — ist zugänglich und sucht auch Kontakt mit der Schwester und den Kameradinnen, ist lieb und verträglich ... bei den Mahlzeiten ist sie wählerisch, kostet zuerst, wenn es nicht schmeckt, läßt sie sie stehen, nur Fleisch und Mehlspeisen bevorzugt sie, Gemüse verweigert sie. Josefine geht auffallend oft aufs WC... berührt man die Sache mit dem Vater, schweigt das Kind vollkommen ..." schreibt Dr. M. Türk nach einer Besprechung mit der Schwester: „Körperlich ist das Kind recht beweglich und flink. Beim Essen, Anziehen und Waschen ist das Mädchen selbständig. Sie ist sauber, näßt nie ein. Sie ist achtsam auf ihre Kleider. Ihr Sprachverständnis ist recht gut. Aufträge führt sie geschickt und willig aus. Sie futtert und betreut kleinere Kinder. Sie spricht verständlich ... Auf Fragen gibt sie klare Antworten. Sie sitzt nie ohne Beschäftigung da und zeigt beim Spiel eine gewisse Phantasie. Sie spielt zum Beispiel Kochen. Sie spielt nett mit anderen Kindern, beschäftigt sich mit Bausteinen, tut bei Kreisspielen gerne mit. Bilderbücher betrachtet sie mit Interesse und erklärt die Bilder recht gut. Sie ist den ganzen Tag in Bewegung... ihre Stimmung ist gleichmäßigfröhlich ..."
27I
Josefine Kiesslich/Sieglinde Kilga
Am 31.1.1943 Am 5.2.1943
erkrankt Josefine an Bronchitis, hat hohes Fieber, das Allgemeinbefinden verschlechtert sich. stirbt das Kind während der Mittagsstunden an eitriger Bronchitis und Lungenentzündung.
A Z 9/44
KILGA Sieglinde geb.
16.2.1942
eingewiesen durch:
Prof. Dr. Hamburger/Wr. Univ. Kinderklinik
Herzogenburg
r. k.
aufgenommen:
4.4.1944
Pav. 15/Sgl.
Aufnahmeuntersuchung:
6.4.1944
Dr. M . Türk
Meldung:
16.3.1945
Dr. M . Türk
gest.
3.4.1945
12 Uhr 30
Todesursache:
Im status epilepticus
ehelich
Sieglinde entwickelt sich bis zum Alter von 1 1 / 2 Jahren gut. Plötzlich erkrankt das Kind an einer Hirnhautentzündung und fiebert sehr hoch. 6 Wochen danach treten epileptische Anfälle auf, die sich in der Folge häufen. Die besorgten Eltern lassen das Kind in der Wr. Universitätsklinik bei Prof. Dr. Hamburger untersuchen, doch von dort wird das kleine Mädchen in die Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder überwiesen. Am 10.6.1944 unterschreibt die Mutter einen Revers und nimmt das Kind nach Hause, nachdem es in der kurzen Zeit des Aufenthaltes in der Klinik mehrmals erkrankt, schlecht Nahrung aufnimmt und „ziemlich hinfällig ist", wie Dr. M. Türk in der Krankengeschichte vermerkt. Am 8.3.1945 bringt die Mutter das Kind wieder zurück, da sich die Anfälle verstärken und öfters auftreten. Geistig hat sich Sieglinde nicht recht weiterentwickelt. Am 16.3.1945 meldet Dr. M. Türk das Kind an den Reichsausschuss in Berlin als „dauernd vollständig pflegebedürftig und bildungsunjahig..." Nach einem Schwesternbericht ist das Mädchen „ständig müde, schon morgens nach dem Aufwachen. Sei reibt sich immer wieder die Augen, gähnt und legt sich ofi untertags hin, wo sie eben steht, und steckt die Finger in den Mund..." Am 3.4.1945 stirbt Sieglinde während eines epileptischen Anfalls.
272
Theresia Kinauer
KINAUER Theresia geb.
A Z 88/43 8.n.1937
Unter-Wisternitz/
r. k.
ehelich
Kreis Nikolsburg eingewiesen durch:
Pflege- u. Beschäftigungsanstalt Gugging
aufgenommen:
I.6.1943
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
2.6.1943
Dr. M . Türk
Meldung:
II.6.1943
Dr. E. Illing
gest.
22.7.1943
18 Uhr
Todesursache:
Herzstillstand bei Luftröhrenkatarrh
Theresia befindet sich fünf Monate in der Pflege- und Beschäftigungsanstalt Gugging. Sie ist ein auffallend zartes, blasses Kind. Am 1.6.1943
wird das Mädchen im Pav. 15 der Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder aufgenommen. Am nächsten Tag erfolgt die Aufnahmeuntersuchung. Im Protokoll ist festgehalten und von Dr. E. Illing unterschrieben: „ Über Sippe und Vorgeschichte ist nichts bekannt, es handelt sich um ein körperlich sehr zartes, idiotisches Kind. Für eine organische Ursache des Schwachsinns besteht kein Anhaltspunkt. Diagnose: Angeborener Schwachsinn hohen Grades." Am 11.6.1943
Am 22.7.1943
meldet Dr. E. Illing das Kind an den Reichsausschuss in Berlin, weil es „ voraussichtlich dauernd anstaltspflegebedürftig und bildungsunßihig" sein wird. stirbt Theresia am Abend an Herzstillstand bei Luftröhrenkatarrh.
2/3
Peter Kittler
KITTLER Peter
A Z 53/41
geb.
13.3.1940
eingewiesen durch:
Kinderheim St. Josef Frischau b. Znaim K Ü S T
Wien
r. k.
aufgenommen:
23.3.1942
Pav. 15/Sgl.
Aufnahmeuntersuchung:
ohne Datum
Dr. M . Türk/Dr. Η Gross
Meldung:
19.Ii.1942
Dr. E.Illing
gest.
5.2.1943
12 Uhr
Todesursache:
Lungenentzündung
ehelich
Als er kleine Peter ist 1 Monat alt ist, muss die Mutter wegen einer Operation ins Krankenhaus. Es ist niemand da, der sich um das Kind kümmern kann. Aus diesem Grund kommt es zunächst ins Zentralkinderheim im 18. Bezirk, dann zu Pflegeeltern. Als der Bub mit einem Jahr ernstlich erkrankt, wechseln in der Folge Aufenthalte in verschiedenen Krankenhäusern und Heimen einander ab. Am 23.3.1942
wird das Kind in der Heilpädagogischen Klinik „Am Spiegelgrund" im Pav. 15 aufgenommen. Es ist motorisch behindert, kann nicht gehen und hat angeblich kein Sprachverständnis.
Am 3.12.1942
wird Peter ins Parterre des Pav. 15 verlegt. Er hat Rachendiphterie.
Es werden diverse Untersuchungen, u. a. auch eine Encephalografie, vorgenommen. Genauere Angaben sind in der Krankengeschichte nicht vermerkt. Das bereits an den Reichsausschuss gemeldete Kind erkrankt an 27.1.1943 an Grippe. Das Allgemeinbefinden verschlechtert sich. Am 5.2.1943
stirbt Peter im Alter von 3 Jahren an Lungenentzündung.
Pauline Kloimstein
274
KLOIMSTEIN Pauline
AZ198/43
geb.
4.5.1941
eingewiesen durch:
Reichsstatthalter Oberdonau
Oberrudling/OD.
aufgenommen:
22.7.1943
Aufnahmeuntersuchung:
22.7.1943
Dr. M . Türk
gest.
24.8.1943
12 Uhr
Todesursache:
Schwere Darmentzündung
r.k.
ehelich
Pav. 15/1
Pauline ist ein sehr ruhiges Kind, das bei seiner Mutter aufwächst. Als das kleine Mädchen 18 Monate alt ist, stirbt die Mutter, während der Vater eingerückt ist. Die Großmutter väterlicherseits übernimmt die Pflege und Erziehung des Kleinkindes. Doch drei Monate später wird Pauline über das Gaufürsorgeamt in die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder eingewiesen. Eine Begründung dafür geht aus dem Antrag nicht hervor. Am 22.7.1943
wird das Kind im Pav. 15 aufgenommen und noch am selben
Am 12.8.1943 Am 13.8.1943
Tag von Dr. M. Türk untersucht. Das körperlich normal entwickelte Kind zeigt „keine neurologischen und internen Besonderheiten ". Da das Sprachverständnis noch nicht entsprechend entwickelt ist, hält die Arztin in der zusammenfassenden Diagnose u. a. fest: „... Verdacht auf angeborenen Schwachsinn erheblichen Grades" und fügt hinzu: „Mit Meldung noch einige Wochen war. « ten. beginnt das Kind zu fiebern. Die Stühle sind blutig schmierig. wird das kleine Mädchen wegen Ruhrverdacht isoliert. Es ver-
Am 24.8.1943
weigert jede Nahrungsaufnahme. Da es während der kurzen Zeit seit der Aufnahme bereits stark an Gewicht verloren hat, wird sondiert. stirbt Pauline zu Mittag „plötzlich"an schwerer Darmentzündung.
275
Heinz Kmonicek
A Z 324/43
KMONICEK Heinz geb-
2.4.1942
eingewiesen durch:
Fürsorgeklinik Wien 18, K Ü S T
Wien
aufgenommen:
13.10.1943
Aufnahmeuntersuchung:
15.10.1943
Dr. M . T ü r k
gest.
7.4.1945
19 Uhr
Todesursache:
Angina, Herzschwäche
r.k.
ehelich
Pav. 15/Sgl.
Zweieinhalb Monate, bevor Heinz geboren wird, fällt sein Vater im Krieg. Wegen Obdachlosigkeit der Mutter wird diese mit dem Baby im Zentralkinderheim Wien 18, Bastiengasse aufgenommen. Von dort wird das Kind in die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder überstellt. Am 13.10.1943 wird der kleine Bub im Pav. 15 aufgenommen. Dr. M. Türk diagnostiziert „ein seinem Alter entsprechendes großes, ziemlich dickes Kind, welches motorisch und geistig rückständig ist..." In der Krankengeschichte ist u. a. vermerkt: „... bisher keine merklichen Fortschritte. " Es werden verschiedene Untersuchungsmethoden angewendet, so auch eine lumbale Encephalografie, die lt. Eintragung von Dr. M. Türk „keine brauchbare Füllung erbringt". Inzwischen aber lernt Heinz sicher laufen und entwickelt sich zu einem herzlichen Kind, ζ. B. umarmt er zärtlich ein Kind, das längere Zeit krank war. Der Bub ist auch freundlich zum Pflegepersonal. Anscheinend wird das Kind nicht dem Reichsausschuss in Berlin gemeldet, aber intern verschiedenen Versuchen unterzogen. So verliert es nach einer Behandlung, deren Grund in der Krankengeschichte nicht angegeben ist, die Haare. Allmählich verschlechtert sich das Allgemeinbefinden. Im März 1945 erkrankt Heinz an schwerer Angina, fiebert sehr hoch, zeitweise versagt die Herz- und Kreislauffunktion. Lt. Dr. M. Türk ist „das Allgemeinbefinden elend...". Am 7.4.1945 stirbt das Kind im Alter von 3 Jahren am Abend an Angina und Herzschwäche.
276
Franz Knafl
KNAFL Franz
AZ 97/43
geb.
15.12.1937
eingewiesen durch:
Reichsstatthalter Kärnten
Klagenfurt
aufgenommen:
4.6.1943 14.10.1943
Pav. 15/Kr.
Aufnahmeuntersuchung:
4.6.1943
Dr. E. Illing
r.k.
ehelich
Pav. 17/Kr.
Meldung:
13.8.1943
Dr. E. Illing
gest.
26.10.1943
1 Uhr
Todesursache:
Lungenentzündung
Wahrend des ersten Lebensjahres leidet Franz an häufigen epileptischen Anfällen, die sich im Laufe der Jahre verringern und vermutlich ab dem 5. Lebensjahr aufhören. Das Kind wird von der Mutter und deren Eltern gut erzogen. Es ist lebhaft und zeigt für alles Interesse. Besonders gern hält sich der Bub in der Schmiedewerkstätte des Großvaters auf, wo er auch mithilft. Durch die Erkrankung in den ersten Lebensjahren ist allerdings die Sprachentwicklung zurückgeblieben. Deshalb möchten vor allem die Großeltern, dass das Kind in eine Anstalt zur Erlernung des Sprechens und zur Erziehung unter Gleichaltrigen gebracht werde. Am 4.6.1943 bringt die Mutter den Buben selbst in die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder nach Wien. Vorerst wird Heinz ca. vier Monate im Pav. 17 beobachtet und „behandelt". Am 13.8.1943 meldet Dr. E. Illing das Kind an den Reichsausschuss nach Berlin, da es „geistig keine Fortschritte macht...". Am 14.10.1943 wird der Bub auf Pav. 15 verlegt. Eine Woche später fiebert das Am 26.10.1943
Kind sehr hoch und hustet stark. stirbt Heinz im Alter von 6 Jahren an Lungenentzündung. Der Mutter, die sofort nach Erhalt der üblichen „Schlechtmeldung" nach Wien eilt, wird „beim Besuch der Tod des Kindes mitgeteilt".
277
Erich Knapp
KNAPP Erich
A Z 454/41
geb.
9.5.1939
eingewiesen durch:
Heil- u. Pflegeanstalt Gugging
Altlengbach
aufgenommen:
26.1.1943
r.k.
ehelich
P a v · 15/P-
Aufnahmeuntersuchung:
28.1.1943
Dr. H. Gross
Meldung:
19.2.1943
Dr. E. Illing
gest.
20.5.1943
3 Uhr
Todesursache:
Lungenentzündung
Erich wird in einer sehr armen Familie geboren. Von seinen drei Geschwistern schenken die Eltern eines her, weil sie es nicht ernähren können. Mit drei Jahren kommt Erich in die Heil- und Pflegeanstalt Gugging. Von dort wird er nach neun Monaten mit einem Sammeltransport in die Wr. Städt. Nervenklinik ftir Kinder überstellt und am 26.1.1943 im Pav. 15 aufgenommen. Am 28.1.1943
hält Dr. H. Gross nach der Aufnahmeuntersuchung u. a. fest:
„... über Schwangerschaft und Geburt sowie früheste Vorgeschichte ist nichts bekannt... körperlich für sein Alter beträchtlich zurückgebliebenes Kind in etwas herabgesetztem Ernährungszustand, motorisch betrachtlich zurückgeblieben, sonst neurologisch und intern 0. B. Psychisch: wahrscheinlich Idiotie. " Am 19.2.1943
meldet Dr. E. Illing an den Reichsausschuss in Berlin:
„... keinerlei Arbeitseinsatzfähigkeit zu erwarten ..." Am 20.5.1943
stirbt das vierjährige Kind an Lungenentzündung.
278
Heinz Knoch
AZ180/43
KNOCH Heinz geb.
9.12.1936
eingewiesen durch:
Wagner v. Jauregg Heil- u. Pflegeanstalt Wien
aufgenommen:
16.7.1943
Pav. 15/P
Aufnahmeuntersuchung:
17.7.1943
Dr. E. Illing
Meldung (Bericht):
26.7.1943
Dr. E. Illing
gest.
7.9.1943
11 U h r
Todesursache:
Herzstillstand
Düren
r.k.
ehelich
(aus Mönchengladbach, St. Josefshaus)
Drei Monate nach einer schweren Zangengeburt treten bei dem Kind Krampfanfälle auf. Die besorgten Eltern nehmen als „Selbstzahler" jede mögliche ärztliche Hilfe in Anspruch. Doch der kleine Heinz entwickelt sich geistig und körperlich nur sehr langsam. Zwei Jahre verbringt das Kind im St. Josefshaus in Hardt bei Mönchengladbach. Von dort wird es im Juni 1943 als „unheilbar"mit einem Sammeltransport in die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder gebracht. Dr. Mauczka beruhigt die Eltern in einem Schreiben: „Ihr Junge hat die Reise nach Wien gut überstanden, er hat sich rasch in die neue Umgebung eingelebt. Sein Geisteszustand ist unverändert. Sein körperliches Befinden gibt zu keiner Besorgnis Anlass." In der Krankengeschichte ist am 16.7.1943 vermerkt: „ Trachom-, scabies- und infektionsfrei. Einvernehmlich von Pav. 18 auf die Städt. Nervenklinik für Kinder (Pav. 15) transferiert. Unterschrift: Dr. Mauczka, Dr. Baader". Die Eltern schicken Lebensmittel und Kleidung. Sie nehmen an, dass ihr Kind gut versorgt ist. Am 24.7.1943 schreibt Dr. E. Illing an die Mutter: „... Ihr Sohn Heinz hat sich hier gut eingelebt undfühlt sich wohl. Uber die von der Mutter geschickten Apfelsinen hat er sich gefreut... die Ernährung in der hiesigen Klinik ist aber so ausreichend undfür die Kinder besonders geeignet, dass es nicht nötig ist, dass Sie weitere entsprechende Pakete senden ..." Am 26.7.1943 berichtet Dr. E. Illing dem Reichsausschuss in Berlin, dass das Kind „mit Sicherheit bildungs- und arbeitsunfähig" bleiben wird. Am 7.9.1943 stirbt Heinz im Alter von sieben Jahren „plötzlich"an Herzstillstand. Am 8.10.1943
schreibt Dr. E. Illing an den Vater: „Bei Ihrem Sohn Heinz handelte es sich um eine tuberöse Sklerose, eine Erkrankung des Zentralnervensystems, die mit Knotenbildung im Gehirn einhergeht und bei der außerdem, wie es auch bei Ihrem Kind der Fall war, Tumore
279
Heinz Knoch/Fritz Kobrc
im Herzmuskel und in der Niere recht häufig sind. Die Todesursache war ein plötzlicher Herzstillstand. Das Kind hat gar nicht gelitten. Bei der Schwere- und Aussichtslosigkeit seines Leidens kann der Tod fiir das Kind nur eine Erlösung bedeuten. Die tuberöse Sklerose ist eine Erbkrankheit im Sinne des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses, es muss Ihnen also von weiterer Nachkommenschaft abgeraten werden ..."
KOBRC Fritz
AZ1/43
geb.
7.2.1934
eingewiesen durch:
Erziehungsanstalt Biedermannsdorf/KUST
aufgenommen:
Wien
2.4.1943
Pav. 17/Kr.
6.9.1944
Pav. 15/Kr.
Aufnahmeuntersuchung:
2.4.1943
Dr. E. Illing
Meldung:
15. 8.1944
Dr. M . T ü r k
gest.
18.10.1944
19 U h r 30
Todesursache:
Darm- u. Lungenentzündung
r.k.
ehelich
Fritz wächst in einer sehr armen Familie auf. Der Vater ist arbeitslos. Die wirtschaftliche Not ist eine große Belastung. Die Mutter verliert fünf Kinder vor deren Geburt. Der kleine Fritz ist ein lustiges, immer gut aufgelegtes Kind. Doch die tristen Familienverhältnisse gehen an ihm nicht spurlos vorüber. Er erkrankt öfters an Darm- und Magenstörungen und irgendwann (das Datum ist nicht angegeben) an einer Gehirnhautentzündung. In der Folge leidet er an Krampfanfällen. Zunächst wird der Bub in das Erziehungsheim Biedermannsdorf eingeliefert. Am 2.4.1943 erfolgt die Uberstellung in den Pav. 17 der Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder. Von dort wird das Kind nach 17 Monaten Beobachtung am 6.9.1944 in den Pav. 15 gebracht, nachdem es vorher bereits an den Reichsauschuss in Berlin gemeldet worden war: „... bildungsund arbeitsverwendungsunfdhig..." Durch wiederholte Streck- und Schüttelkrämpfe wird Fritz immer unruhiger. Er ist „ständig in Bewegung". Die Eltern bemühen sich um das Kind und erwirken zwischendurch die Möglichkeit kurzfristiger Beurlaubungen nach Hause. Doch es ist zu spät. Am 18.10.1944 stirbt der Bub an Darm- und Lungenentzündung.
28ο
Heinz Koch
KOCH Heinz geb.
AZ174/43 2.5.9.1933
Köln
r.k.
ehelich
(Lindenthal) eingewiesen durch:
Wagner v. Jauregg Heil- u. Pflegeanstalt Wien
aufgenommen:
15.7.1943
Aufnahmeuntersuchung:
15.7.1943
Dr. E. Illing
Meldung (Bericht):
23.7.1943
Dr. E. Illing
gest.
8.9.1943
2 Uhr
Todesursache:
Schwerer fieberhafter Bronchialkatarrh
(aus St. Josefshaus b. Mönchengladbach) Pav. 15/1. St.
Heinz ist das jüngste von drei Kindern. Seine beiden Schwestern sind gesund und sehr begabt. Doch der kleine Bub ist von Anfang an kränklich. Mit sieben Wochen leidet er an Krampfanfällen, im ersten Lebensjahr macht er zweimal eine Lungenentzündung durch. Mit drei Jahren erkrankt das Kind an Keuchhusten, ein Jahr darauf an Masern. In der Folge bleibt die körperliche und geistige Entwicklung zurück. Die zuständige Fürsorgebehörde beantragt Unterbringung in einer Anstalt mit der Begründung: „Das Kind ist körperlich hilflos und bedarfsehr der Aufsicht und Pflege. Die Kindesmutter ist nicht in der Lage sich diesem Kinde genügend zu widmen ohne dabei die anderen Familienmitglieder zu vernachlässigen ..." Deshalb kommt Heinz im Alter von sechs Jahren in das St. Josefshaus in Hardt bei Mönchengladbach. Inzwischen ist der Vater eingerückt. Die Mutter ist sehr besorgt um ihren kleinen Sohn und schreibt am 23. 9. 1939 an die zuständige Schwester des St. Josefshauses u. a.: „Möchte mich hiermit erkundigen, wie es dem kleinen Heinz geht. Werde ihn wohl so schnell nicht mehr zu sehen bekommen, da derjenige, der mich nach dort gefahren hat, auch weg ist. Möge dieses alles bald mit Gottes Hilfe vorübergehen. Habe auch über acht Tage von meinem Mann kein Lebenszeichen gehört. Schreiben Sie mir bitte, Schwester Orontia, wie es Heinz gesundheitlich geht, ist es wieder besser oder nicht. Werde bestimmt auch jetzt einen Wegfinden, um zu meinem Kind zu kommen. Grüßen Sie ihn bitte sehr von mir..." Im Mai 1943 wird das Kind mit einem Sammeltransport mit der Prognose „unheilbar" nach Wien in die Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt transferiert und zwei Monate später auf Pav. 15 überstellt. Dies ist in der Krankengeschichte vermerkt: 15.7.1943 „... Einvernehmlich von Pav. 22 auf die Stadt. Nervenklinik für Kinder (Pav. 15) transferiert... Unterschrift von Dr. Mauczka und Dr. Baader"
l8l
Heinz Koch/Johanna Koch
Am 23.7.1943
berichtet Dr. E. Illing dem Reichsausschuss in Berlin, dass das
Am 8.9.1943
stirbt Heinz im Alter von 10 Jahren, „an schwerem fieberhaften
Kind „mit Sicherheit bildungs- undarbeitsunfiihig" bleiben wird. Bronchialkatarrh", wie Dr. E. Illing diagnostiziert. Im Sektionsprotokoll steht „Lungentuberkulose" (das Gewicht des Kindes beträgt nur mehr 11,75 kg).
KOCH Johanna
A Z 298/43
geb-
19.3.1935
eingewiesen durch:
Wagner v. Jauregg Heil- u. Pflegeanstalt Wien
Roxheim
Aufgenommen:
24.9.1943
Pav. 15/Kr.
Aufnahmeuntersuchung:
28.9.1943
Dr. M . Türk
Meldung (Bericht):
28.9.1943
Dr. E. Illing
gest.
6.11.1943
10 U h r 45
Todesursache:
Darmentzündung
Johanna wird im Mai 1943 mit einem Sammeltransport in die Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt in Wien gebracht, nachdem sie einige Zeit in der Anstalt Niederreidenbacher Hof im Kreis Bad Kreuzbach verbracht hatte (wie lange das Kind dort war, geht aus den vorliegenden Unterlagen nicht hervor). Am 24.9.1943
wird das Mädchen im Pav. 15 aufgenommen und vier Tage später von Dr. M. Türk untersucht. Es befindet sich in einem erschreckenden Zustand. Das 10 kg untergewichtige Kind ist „hochgradig atrophisch" {= abgemagert), kann nicht sprechen und hat auch kein Sprachverständnis. Die Brustwirbelsäule ist rachitisch deformiert, alle vier Extremitäten sind spastisch gelähmt, an beiden Augen hat es eine eitrige Bindehautentzündung. „... vollständig hilflos liegt es mit angezogenen Beinen im Bett, muss gefitttert und völlig umsorgt werden. Manchmal lächelt es ein wenig, wenn man es streichelt..." ist u. a. in der Krankengeschichte festgehalten.
Am 2.10.1943
wird Johanna Dr. E. Illing vorgestellt, nachdem dieser bereits wenige Tage vorher an den Reichsausschuss in Berlin berichtet hat.
In der Folge verschlechtert sich das Allgemeinbefinden zusehends. Das Kind leidet an dünn- schleimigen Stühlen, verweigert jegliche Nahrungsaufnahme und wird immer schwächer.
282 Am 6.11.1943
Johanna Koch/Franz Kohler
stirbt Johanna im Alter von 8 1/2 Jahren an Darmentzündung, wie Dr. M. Türk diagnostiziert. Die Obduktion ergibt: Lungenund Darmtuberkulose.
AZ141/41
KOHLER Franz geb.
3.π.1925
Wien
r.k.
eingewiesen durch:
Spezial Kinderheim Pressbaum/KÜST
aufgenommen:
4.8.1941
Pav. 15
Aufnahmeuntersuchung:
10.8.1941
Dr. H . Gross
Meldung:
13.8.1941
gest.
11.11.1941
Todesursache:
Lungenentzündung
ehelich
Franz erkrankt im 4. Lebensmonat an Schüttelfrost mit Fieber, ist Vi Stunde bewusstlos, röchelt und wird blau. In der Folge bekommt das Kind kurz dauernde Anfälle, die aus einem kurzen Zusammenzucken des Körpers bestehen und dann mit Bewusstlosigkeit und Krämpfen einhergehen. Dadurch ist der Bub in seiner weiteren geistigen und körperlichen Entwicklung stark beeinträchtigt. Er lernt erst sehr spät sitzen und laufen, spricht nie und wird auch nicht sauber. Die Mutter ist der schwierigen Pflege des Kindes nicht gewachsen und bringt es am 9.3.1934 in die Kinderübernahmestelle. Von dort wird es in das Piusinstitut, Bruck a.d. Mur überstellt. Nach einem Jahr am 30.8.1939 erfolgt die weitere Einweisung in das Spezial Kinderheim Pressbaum bei Wien. Franz kann nicht gehen, seine Beine sind teilgelähmt, er muss gefuttert werden und ist vollkommen unrein, am 4.8.1941 Als das Heim aufgelöst wird, erfolgt die Transferierung in die Wr. Städt. Jugendfürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund". Zu Beginn seines Aufenthaltes zeigt der Bub noch Freude am Ball spielen und hat Interesse an Bilderbüchern, kann sich allein im Bett aufsetzen. Er sucht auch Kontakt zu anderen Kindern und zur betreuenden Schwester. Doch sehr bald verändert sich dieses Zustandsbild. Das Kind sucht keinen Kontakt und setzt sich auch nicht mehr im Bett auf. Dr. H. Gross schreibt im Protokoll u. a.: „Während des hiesigen Aufenthaltes verfiel das Kind körperlich und geistig zusehends. Es hatte in Abständen von mehreren Tagen
Fanz Köhler/Johann Kolber
283
epileptische Anfälle. Im Bereich des Ellbogens leidet es an einem tiefgreifenden Dekubitus." Am 11.11.1941 stirbt das Kind an Lungenentzündung.
KÖLBER Johann geb. eingewiesen durch: aufgenommen: Aufnahmeuntersuchung: Meldung: gest. Todesursache:
A Z 29/40 15.6.1939 Wien r.k. unehelich Fürsorgeanstalt f. Mutter u. Kind Wien 18, Bastiengasse 6.12.1940 Pav. 15 11.12.1940 Dr. H. Gross 30.1.1941 Dr. E. Jekelius 1.2.1941 ο Uhr 45 Lungenentzündung
Um den kleinen Johann kümmert sich weder Vater noch Mutter. Er kommt gleich nach der Geburt in das Zentralkinderheim Wien 18, Bastiengasse. Von dort wird das Kind in die Wr. Stadt. Jugendfürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund" überstellt und am 6.12.1940 im Pav. 15 aufgenommen. Am Ii.12.1940
nimmt Dr. H. Gross die Aufnahmeuntersuchung vor. Er diagnostiziert u. a.: „körperlich und geistig stark unterentwickeltes Kind mit Zeichen von Mongolismus ..."
In der Folge nimmt der kleine Bub schlecht Nahrung auf, leidet unter Verstopfung und fiebert zwischendurch hoch. Am 30.1.1941
meldet Dr. E. Jekelius an den Reichsausschuss in Berlin u. a.: „... nach ärztlicher Ansicht ist eine Besserung oder Heilung nicht zu erwarten ... ". Dr. H. Gross vermerkt in der Krankengeschichte: „... schlechtes Aussehen ..."
Am 1.2.1941
stirbt Johann an Lungenentzündung.
Dr. H. Gross fuhrt die Obduktion durch, er vermerkt im entsprechenden Befund u. a.: „... Drüsen mit innerer Secretion ... werden wie die übrigen innersecretorischen Drüsen der histologischen Untersuchung
zugeführt..."
284
Walter Koller
KOLLER Walter
AZ108/42
geb-
21.7.1932
eingewiesen durch:
Heil- u. Pflegeanstalt Gugging
r.k.
aufgenommen:
27.5.1942
Pav. 15/P.
9.6.1942
Pav. 17
20.6.1942
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
21.7.1942
Dr. H . Gross
Meldung:
22.6.1942
gest.
15.9.1942
Todesursache:
Lungenentzündung
ehelich
17 Uhr
Walter macht seit seiner frühesten Kindheit viele Krankheiten durch (Masern, Feuchtblattern, Rachitis, Darmoperation). Ab dem zweiten Lebensjahr befindet sich das Kind dauernd in Gemeindepflege in verschiedenen Heimen und Anstalten. Am 27.5.1942
wird der Bub, der inzwischen fast zehn Jahre alt geworden ist, in
die Heilpädagogische Klinik „Am Spiegelgrund" überstellt. Bei der Aufnahme stellt sich heraus, dass Walter „Mischling 1. Grades" ist, sein Vater ist Jude. Dr. H. Gross betont diese Tatsache mehrmals vorrangig vor der medizinischen Diagnose. In der Folge wird das Kind diversen Untersuchungen unterzogen, denen es sich fast apathisch gegenüber verhält. Walter verliert in den 3 Vi Monaten seines Aufenthaltes in der Heilpäd. Klinik „Am Spiegelgrund" 14 kg an Körpergewicht. In der zusammenfassenden Diagnose der Krankengeschichte vermerkt Dr. H. Gross u. a.: „... körperlich für sein Alter beträchtlich zurückgebliebenes, degeneriert aussehendes, sehr abgemagertes Kind, welches intern und neurobgisch keine Besonderheiten zeigt. ... torpider (= erstarrt) Schwachsinn höchsten Grades ..." Am 15.9.1942 stirbt Walter an Lungenentzündung.
Harald Kopecky
285
KOPECKY Harald
AZ143/41
geb.
15.3.1934
eingewiesen durch:
Spezial Kinderheim Pressbaum/KUST
Wien
r.k.
aufgenommen:
4.8.1941
Aufnahmeuntersuchung:
6.9.1941
Dr. H . Gross
Meldung:
11.9.1941
Dr. E. Jekelius
gest.
13.9.1941
4 Uhr 45
Todesursache:
Lungenentzündung
unehelich
Harald entwickelt sich bis zum 7. Lebensmonat ganz normal. Plötzlich hat das Kind fraisenartige Anfälle. Die besorgten Eltern bringen es in das Franz Josef Kinderspital. Während des dortigen Aufenthaltes verlernt es das Sich-aufsetzen-Können, das bis dahin fröhliche Kind ist in sich zurückgezogen und erkennt niemand. Im Alter von 2 xh Jahren kommt der Bub in das Kinderheim Süßenbrunn und von dort in das Spezial Kinderheim Pressbaum. Doch sein Zustand bessert sich nicht. Da Harald „Zur Abgabe in häusliche Pflege nicht geeignet" ist, wie im ärztlichen Befund festgehalten ist, wird er am 4.8.1941 in die Wr. Städt. Jugendfursorgeanstalt „Am Spiegelgrund" überstellt. Am 6.9.1941 erfolgt die Aufnahmeuntersuchung durch Dr. H. Gross. U. a. hält er in der Krankengeschichte fest: „Ein für sein Alter stark körperlich zurückgebliebenes Kind in ziemlich reduziertem Ernährungszustand ... Harald liegt vollkommen teilnahmslos in seinem Bett, reagiert auf keinerlei Vorgänge in seiner Umgebung...". Am 11.9.1941 meldet Dr. E. Jekelius an den Reichsausschuss in Berlin, dass weder Besserung noch Heilung zu erwarten sei. In der Folge verschlechtert sich der Allgemeinzustand, das Kind nimmt schlecht Nahrung auf und „verfallt körperlich zusehends". Am 13.9.1941 stirbt Harald an Lungenentzündung. Die Mutter erwirkt, dass das Kind nicht obduziert wird.
286
Johann Kordasch
KORDASCH Johann
AZ 399/42
geb.
8.4.1938
eingewiesen durch:
Reichsstatthalter Kärnten
Haber/Kärnten
aufgenommen:
2.12.1942
Pav. 17/B.
r.k.
3.12.1942
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
3.12.1942
Dr. H . Gross
Meldung:
10.12.1942
Dr. E. Illing
gest.
22.2.1943
11 Uhr 35
Todesursache:
Geschwürige Dickdarmentzündung
ehelich
Der kleine Johann ist das einzige Kind eines Landwirtehepaares aus Kärnten. Das auffallend ruhige Kind entwickelt sich körperlich und geistig sehr langsam. Mit sieben Monaten hat es Fraisen. Mutter und Großmutter bemühen sich liebevoll um den kleinen Buben. Im September ergeht von der Gauselbstverwaltung Kärnten eine Anfrage an die Gemeindeverwaltung des Reichsgaues Wien, ob und wann Johann in die Heilpäd. Klinik der Stadt Wien ,Am Spiegelgrund" eingewiesen werden kann. Ein amtsärztliches Gutachten liegt bei, in ihm ist u. a. vermerkt: .. von einer Anstaltsunterbringung ist keine Besserung zu erwarten, jedoch kommt eine solche aus Pflege- und Sicherheitsgründen in Betracht..." Am 7.io.1942
ergeht der Auftrag von der Gemeindeverwaltung des Reichsgaues Wien an die Direktion der Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder: „Zur direkten Erledigung abgetreten." Die Mutter selbst bringt das Kind nach Wien. Dort wird es am 3.12.1942 im Parterre des Pav. 15 aufgenommen und von Dr. H. Gross untersucht. Dieser vermerkt u. a.: „ Während der körperlichen Untersuchung tiefstehend idiotisches Verhalten, zeigt eine starke Abwehr, sehr starke Unruhe...". Der Bub wird in die Schutzjacke gesteckt, einer Encephalografie unterzogen, man rätselt, ob das Kind taub ist.
Am 10.12.1942
meldet Dr. E. Illing u. a. an den Reichsausschuss in Berlin keinerlei Arbeitseinsatzfiihigkeit zu erwarten ...". In der Zwischenzeit hat man durch die Nachforschung über die „Sippe" erfahren, dass der Bruder des väterlichen Urgroßvaters Epileptiker gewesen sei und ein Neffe der Mutter angeblich „wegen Schwachsinn sterilisiert wurde ..." Am 16.2.1943 erkrankt Johann an sehr starken Durchfällen. Das Allgemeinbefinden verschlechtert sich.
287
Johann Kordasch/Anna Kornhofer
Am 22.2.1943
erleidet das fünfjährige Kind einen Kreislaufkollaps und stirbt an einer geschwürigen Dickdarmentzündung (lt. Obduktionsbericht) .
KORNHOFER Anna
A Z 218/41
geb.
2.4.1929
Wien/Ebreichsdorf
r.k.
eingewiesen durch:
Wagner v. Jauregg Heil- u. Pflegeanstalt Wien
ehelich
4.10.1941
Uberstellung v. Pav. 2 auf Pav. 15
Aufnahmeuntersuchung:
6.10.1941
Dr. H . Gross
gest.
14.10.1941
9 Uhr 30
Todesursache:
unbekannt
Anna ist seit ihrer Geburt bettlägerig. Das Kind leidet an Caries (= Form der Gelenks-Tuberkulose im Schulter- u. Hüftgelenk). Vier Jahre verbringt das Mädchen zu Hause bei den Eltern. Anschließend wird es im Haus der Barmherzigkeit in Wien aufgenommen und im Alter von sechs Jahren in das Pflegeheim Kirchstetten überstellt. Während dieser Jahre erleidet Anna auch epileptische Anfälle, zusätzlich scheint sie blind zu sein (darüber sind sich die Ärzte aber nie klar geworden). Am 4.10.1941 wird das Kind vom Pav. 2 der Wagner v. Jauregg Heil- u. Pflegeanstalt in den Pav. 15 überstellt und zwei Tage darauf von Dr. H. Gross untersucht. Nach den üblichen umfangreichen Untersuchungen hält er u. a. in der Krankengeschichte fest: „... Einfiir sein Alter viel zu kleines Kind in stark herabgesetztem Ernährungszustand (14 j statt 32 kg.) ... ein passives Aufsitzen gelingt nicht, das Kind äußert Schmerzen ..." Wie es dem Mädchen während der nächsten zehn Tage ergeht, ist aus den vorliegenden Unterlagen nicht zu erkennen. Am 14.10.1941
ergeht von der Fürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund" ein Telegramm an die Eltern: „Kind Anna heute Vormittag plötzlich verstorben ".
288
Heinrich Kostal/Maria Kotal
KOSTAL Heinrich geb.
A Z 34/40 19.8.1937
gest.
10.1.1941
Todesursache:
Schwere Lungenentzündung
17 U h r
Aus den vorliegenden wenigen Unterlagen geht hervor, dass Heinrich an Little'scher Krankheit (= zerebrale Kinderlähmung) litt und am 10.1.1941 im Alter von drei Jahren in der Wr. Städt. Jugendfürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund" an schwerer Lungenentzündung starb.
KOTAL Maria
A Z 568/42
geb.
2.3.3.1939
eingewiesen durch:
Landrat/Kreis Krumau
Christianberg
aufgenommen:
23.3.1943
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
25.3.1943
Dr. M . Türk
Meldung:
30.3.1943
Dr. E. Illing
gest.
24-5-I943 7 U h r 15 Lungenentzündung
Todesursache:
r.k.
ehelich
Marie leidet seit dem ersten Lebensjahr an epileptischen Anfällen. Zusätzlich ist das Kind laut amtsärztlichem Gutachten vollkommen taub und hat Gleichgewichtsstörungen. Es wächst in einer sehr ärmlichen Familie auf. Das Gaufürsorgeamt beantragt Anstaltsunterbringung fur das kleine Mädchen. Der Bürgermeister von Christianberg sorgt dafür, dass die Mutter ihr Kind selbst per Bahn nach Wien in die Städt. Nervenklinik für Kinder bringt. 15 Stunden sind Mutter und Kind unterwegs. Am 23.3.1943 wird Marie im Parterre des Pav. 15 aufgenommen. Am 25.3.1943 erfolgt die Aufnahmeuntersuchung durch Dr. M. Türk. Das Kind wehrt sich und ist sehr unruhig. In der zusammenfassenden Diagnose betont die Ärztin vorrangig, was aus der „Sippenforschung" bekannt wurde, ζ. B. dass der Vater durch eine Verletzung im Krieg das Hörvermögen verloren hat, oder dass in der väterl. „Sippe"eines ae. Kindes der Mutter Schwachsinn und Taubstummheit vorkomme etc.
Maria Kotal/Hellmuth Kouba Am 30.3.1943
289
meldet Dr. E. Illing an den Reichsausschuss in Berlin u. a., dass „keinerlei Arbeitseinsatzfahigkeit"zu erwarten sei.
In der Folge erkrankt die kleine Marie an Bronchitis. Am 23.5.1943 steigt das Fieber auf über 40°, das Allgemeinbefinden ist sehr schlecht. Am 24.5.1943 stirbt das vierjährige Mädchen in den Morgenstunden an Lungenentzündung.
KOUBA Hellmuth
AZ18/40
geb.
4.10.1939
eingewiesen durch:
Fürsorgeheim f. Mutter u. Kind, Wien 18
Wien
aufgenommen:
6.12.1940
Pav. 15
Aufnahmeuntersuchung:
7.12.1940
Dr. H. Gross
Meldung:
13.2.1941
Dr. E. Jekelius
gest.
21.2.1941
23 Uhr 30
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
unehelich
Hellmuths Geburt ist eine besonders schwere. Durch „unüberwindlichen Geburtsstillstand" muss eine hohe Zange angewendet werden, um das kräftige und große Kind (5 kg/6ocm) zu entbinden. Nach dem Eingriff ist die Mutter sehr krank und schwach, das Kind muss wiederbelebt werden. In der Folge gedeiht der Säugling schlecht. Nach einem kurzen Aufenthalt in der Wr. Univ. Kinderklinik bei Prof. Dr. Hamburger wird das Kind in das Zentralkinderheim eingewiesen und von dort in die Wr. Städt. Jugendfiirsorgeanstalt „Am Spiegelgrund" überstellt. Am 6.12.1940 wird Hellmuth im Pav. 15. aufgenommen und am nächsten Tag von Dr. H. Gross untersucht. Er diagnostiziert „zerebrale Kinderlähmung". In der Folge verliert das Kind stark an Gewicht und verlernt, was es bisher konnte, ζ. B. Hochhalten von Kopf und Schultern in Bauchlage. „Die anfangs starke Verkrampfung von Armen und Rücken wird von einem schlaffen Zustand abgelöst" lt. psychol. Gutachten v. 2.1.1941, unterschrieben v. Dr. Baar. Am Kopf und im Gesicht bilden sich eitrige Bläschen. Am 21.2.1941 wird er kleine Bub einer Encephalografie unterzogen. In der Krankengeschichte ist vermerkt: „... der Eingriff wird gut vertragen ..."
290
Hellmuth Kouba/Hans Kovarik
Am Nachmittag verschlechtert sich der Allgemeinzustand des Kindes. Es erbricht mehrmals, hat hohes Fieber, die Spannungen an Armen und Beinen werden stärker. Um 23 Uhr 30 stirbt Hellmuth „plötzlich". Dr. H. Gross nimmt die Obduktion vor und vermerkt als Todesursache: Lungenentzündung.
KOVARIK Hans
A Z 9/43
geb-
29.3.1943
eingewiesen durch:
Frauenklinik Brigittenau/KÜST
Wien
gttgl.
ehelich
aufgenommen:
8.4.1943
Aufnahmeuntersuchung:
9.4.1943
Dr. M . Türk
gest.
23.4.1943
19 U h r
Todesursache:
Allgemeine Lebensschwäche, Lungenentzündung
Pav. 15/1
Hans wird zu Hause geboren. Er ist mongolid. Da keine Pflege vorhanden ist, wird der Säugling ins Brigittaspital gebracht. Von dort findet nach 11 Tagen eine Transferierung in die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder statt. Am 8.4.1943 wird das Kind im Pav. 15 aufgenommen und am nächsten Tag von Dr. M. Türk untersucht. In der zusammenfassenden Diagnose heißt es: „... Vorhautverengung, neurologisch bis auf geringen Muskeltonus o.B./Psychisch: Bewegt sich lebhaft, schreit kräftig, saugt gut, noch kein Abweichen von der Norm feststellbar. Mongolismus ..." In der Folge hat das Kind Temperatursteigerungen „ohne sonstige Erscheinungen ", es trinkt schlecht, ist sehr blass und sieht schlecht aus. Es wird eine Lungenentzündung, jedoch „ohne Fieber"festgestellt. Am 23.4.1943
stirbt Hans im Alter von vier Wochen mit zunehmender Kreislaufschwäche an Lungenentzündung.
291
Erika Kowatsch
KOWATSCH Erika
AZ 84/42
geb.
11.10.1940
eingewiesen durch:
Gesundheitsamt Spittal/Drau
Gamschitz/Ktn.
aufgenommen:
30.4.1942
Pav. 1/1
Aufnahmeuntersuchung:
1.5.1942
Dr. M . Hübsch
evang.
ehelich
Meldung:
18.11.1940
Dr. Köchl (Kinderfacharzt) Spittal/Drau
gest.
28.5.1942
22 Uhr 30
Todesursache:
Eitrige Bronchitis
Die Mutter ist während der Schwangerschaft als Sennerin auf einer Hochalm beschäftigt. Bevor der Vater zur Wehrmacht einberufen wird, mietet er eine kleine Keusche, damit die Frau bei der Geburt nicht alleine ist. Die Eltern und drei Geschwister erwarten nun voll Freude das Kind. Doch es kommt einen Monat verspätet, und eine Steißlage erschwert die Geburt. Nach vier Wochen wird die kleine Erika in der zuständigen Mütterberatung vorgestellt. Dort wird u. a. Mongolismus festgestellt. Am 18.11.1940
meldet der zuständige Kinderfacharzt den Säugling an den Reichsausschuss in Berlin.
Inzwischen muss der Vater einrücken. Die Mutter ist besorgt um das kleine Mädchen, sie und die drei Geschwister beschäftigen sich sehr viel mit ihm. Es spielt sehr gerne, zieht sich Strümpfe alleine an, sieht es ein Kleidchen, will es sich's sofort über dem Kopf ziehen. Mit dem Sprechen- u. Laufenlernen lässt es sich aber Zeit. Plötzlich wird die liebevolle Familienatmosphäre unterbrochen, denn der Amtsarzt des Staatlichen Gesundheitsamtes verfügt die Einweisung des Kindes in die Wr. Städt. Jugendfürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund". Eine Fürsorgerin wird beauftragt, Erika dorthin zu bringen. Am 30.4.1942
wird das Mädchen im Pav. 1 aufgenommen. Im Untersuchungsprotokoll ist u. a. vermerkt: „... das Kind lächelt nicht, ist aber ausgesprochen herzig..."
In der Folge geht es Erika nicht gut. Sie erbricht oft, ihr Allgemeinzustand ist schlecht. Was mit ihr geschieht, geht aus den vorliegenden Unterlagen nicht hervor. Am 28.5.1942
hat das Kind plötzlich 410 Fieber. In der Nacht stirbt es an „eitriger Bronchitis ".
292
Herta Kral
KRAL Herta
A Z 66/42
geb.
11.4.1931
eingewiesen durch:
Kinderheim St. Josef in Frischau b. Z n a i m / K Ü S T
aufgenommen:
Aufnahmeuntersuchung:
Wien
23.3.1942
Pav. 15/P.
16.7.1942
Pav. 17/Bu.
7.1.1943
Pav. 15/P.L.
7.5.1942
Dr. H H.. Gross
Meldung:
8.5.1942
gest.
18.7.1943
Todesursache:
Lungenentzündung
eehelich
22 U h r
Herta wächst 7 Vi Jahre bei ihrer Mutter auf, da die Eltern geschieden sind. Das Kind ist sehr gutmütig, liebebedürftig und folgsam. Es hat eine gute Merkfähigkeit von Personen und Gedichten. Besonders achtsam ist es auf seine Spielsachen, mit jeder Kleinigkeit hat es große Freude. Seit seinem 2. Lebensjahr kann es zwar gehen, aber da es Lähmungen in den Beinen hat, ist das Erscheinungsbild sehr steif. Im Orthopädischen Krankenhaus erhält die Mutter die Auskunft, dass sich diese Behinderung von selbst geben müsste. Herta kommt in der Folge in verschiedene Heime (Rosenhof in St. Pölten, St. Ägyd am Neuwald, St. Josefsheim in Frischau b. Znaim), da die Mutter berufstätig ist und niemand zur Aufsicht des Mädchens hat. Kurzfristig übernimmt die mütterl. Großmutter das Kind, aber sie ist der Erziehung das heranwachsenden Kindes nicht gewachsen. Am 23.3.1942 wird Herta in die Wr. Städt. Jugendfursorgeanstalt „Am SpiegelAm 15.5.1942
grund" eingewiesen. steht in einem Schwesternbericht (Sr. Erhart) u. a.: „Kind macht einen scheuen schüchternen Eindruck, schreckt zurück, wenn man sich ihm nähert. Mit den anderen Kindern unterhält sie sich gut, wenn keine Aufsicht da ist. Ihre Aussprache ist schlecht. Ankleiden könnte sie sich selbst, wenn sie nicht behindert wäre. Beim Essen ist sie selbständig, bescheiden wartet sie, bis sie etwas bekommt. Das Kind bekam ein Bild und Armband von ihrer Mutter, auf das es besonders achtsam ist... Spricht man mit ihr, so scheint sie alles zu erfassen. Sie ist liebebedürfiig und freut sich sichtbar, wenn sie mit dem Taufhamen gerufen wird. Zu Beginn ihres hiesigen Aufenthaltes war sie unrein, was ihr durch Strafen abgewöhnt wurde..."
293
Herta Kral/Elfriede Kranzler
Anfangs Juli 1943 erkrankt Herta an starken Brechdurchfällen. Das Allgemeinbefinden ist schlecht. Eine diesbezügliche Meldung ergeht an die Mutter. Am 18.7.1943 stirbt das 12-jährige Kind an Lungenentzündung.
A Z 49/43
KRANZLER Elfriede geb.
24.4.1942
eingewiesen durch:
Wr. Städt. Kinderklinik Glanzing
Rosenburg a. Kamp
aufgenommen:
5.5.1943
Pav. 15/1
16.7.1943
Pav. 15/1
Aufnahmeuntersuchung:
5.5.1943
Dr. M . Türk
gest.
12.9.1943
19 Uhr
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
unehelich
Elfriede wird mit drei Monaten in der Kinderklinik Glanzing aufgenommen, weil sie eine chronische Bronchitis hat und häufig erbricht. Nach zwei Monaten wird das Kind entlassen, doch eine Besserung ist nicht eingetreten. Als es ein Jahr alt ist, bringt es die Mutter nochmals in die Klinik, weil das kleine Mädchen öfters erhöhte Temperatur hat. Da diese nicht abgeklärt werden kann und das Kind „körperlich und geistig nicht ganz der altersentsprechenden Entwicklung entspricht", wird von Glanzing aus die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder ersucht, „den Fall zu übernehmen". Am 5.5.1943
wird Elfriede im Pav. 15 aufgenommen und von Dr. M. Türk untersucht. Im Aufnahmeprotokoll ist u. a. festgehalten: „... außerordentlich zartes Kind, das noch nicht sitzen kann, jedoch beim Aufsetzen sehr gut mithilfi...
Gesicht sehr zart und herzig...
sehr lange, dunkle Wimpern ... leicht aufgebogene Stupsnase... das Kind ist freundlich und zugänglich und beobachtet interessiert die Vorgänge in seiner Umgebung, es sieht, hört, fixiert und greift nach vorgehaltenen Gegenständen. Es erwidert freundlich lächelnd den Blick und ist sichtlich erfreut, wenn es ihm gelingt, sich mit Unterstützung aufzusetzen..." Als das Kind an Lungenentzündung mit sehr hohem Fieber erkrankt, nimmt es die Mutter auf Revers nach Hause. Sie holt Rat bei Prof. Dr. Hamburger (Univ. Kinderklinik Wien) ein, doch dieser empfiehlt, das Mädchen wieder zurück in die Nervenklinik für Kinder zu bringen. Dort erkrankt es noch an Masern und Keuchhusten. Am 12.9.1943 stirbt Elfriede mit 1 Vi Jahren an Lungenentzündung.
294
Lieselotte Kratky
KRATKY Lieselotte
A Z 262/42
geb.
11.2.1939
eingewiesen durch:
KÜST
Wien
r.k r.k.
aufgenommen:
29.8.1942
Aufnahmeuntersuchung:
1.9.1942
Dr. M . Türk
gest.
17.9.1942
4 Uhr
Todesursache:
Darmentzündung, Magenblutungen
ehelich
Pav. 15/P.
Lieselotte muss nach einer schweren Geburtsverletzung wegen Gehirnblutung 6 Wochen in stationärer Behandlung bleiben. Es erweist sich, dass das Kind blind ist. Da das kleine Mädchen an Schreikrämpfen leidet, beantragt das Bezirksjugendamt Einweisung in die Heilpädag. Klinik „Am Spiegelgrund". Die Mutter selbst bringt ihre Tochter dorthin, wo sie am 29.8.1942 im Pav. 15 aufgenommen wird. Im Protokoll der Aufnahmeuntersuchung steht u. a.: „... das blinde Kind hat einen Lichtschein. Beim Vorhalten einer Taschenlampe sagt es ,Lichti ...es weint viel und ruft sehr häufig nach der Mutter ...oft spricht die Kleine von ihrer Puppe, die sie ,Muzikazi nennt... das Kind kann sitzen, stehen und gehen, jedoch hält es sich heim Gehen krampfhaft ängstlich an ... was man ihm vorspricht, wiederholt sie wörtlich ... einfachen Aufforderungen kann sie nachkommen, ζ. B. Hand gehen usw. ... man kann sehr leicht mit dem Kind Kontakt herstellen ...an der Schwester hängt es sehr... wenn man sich mit ihm beschäftigt ist es sehr froh und lacht..." Am 12.9.1942
Am 17.9.1942
fiebert das Mädchen hoch, es hat blutige schleimige Stühle, erbricht häufig. Das Allgemeinbefinden verschlimmert sich sehr, das Fieber steigt an. stirbt das Kind im Alter von 3 V2 Jahren an Magenblutungen und Darmentzündung.
295
Walter K r a t o c h w i l
AZ 237/44
KRATOCHWIL Walter geb.
8.5.1943
eingewiesen durch:
Univ. Kinderklinik Wien
aufgenommen:
1.12.1944
Wien
r.k.
ehelich
P a v · 15/Sgl.
Aufnahmeuntersuchung:
5.12.1944
Dr. M . Türk
Meldung:
6.12.1944
Dr. E. Illing
gest.
26.1.1945
19 Uhr 15
Todesursache:
Keuchhusten, Lungenentzündung
In der 5. Lebenswoche erkrankt Walter an Fraisen. Als Folgeerscheinungen bleiben nicht genau diagnostizierte Krampfanfälle, die sich vor allem in den Extremitäten auswirken. Das Kind entwickelt sich geistig und motorisch sehr langsam. Die Mutter sucht Rat in der Wr. Univ. Kinderklinik. Von dort wird aber der kleine Bub in die Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder eingewiesen. Am 1.12.1944
wird das Kind im Pav. 15 aufgenommen, vier Tage später erfolgt die Aufnahmeuntersuchung durch Dr. M. Türk. Am 6.12.1944 meldet Dr. E. Illing das Kind an den Reichsausschuss in Berlin als „ vollständig pflegebedürftig und bildungsunfähig ..." Da die Mutter im Weinviertel wohnt und wegen der Kriegsereignisse keine Möglichkeit hat, das Kind zu besuchen, bittet sie in einem Schreiben vom 22.12.1944 um Mitteilung, wie es ihrem Söhnchen geht. Am 4.1.1945 beantwortet Dr. E. Illing die besorgte Anfrage der Mutter u. a.: „... über weitere Aussichten lässt sich ein endgültiges Urteil noch nicht abgeben. Es wird eine weitere Belassung in der Klinik jur 2 bis 3 Monate erforderlich gehalten. " Das Kind erkrankt an Bronchitis, Keuchhusten und Lungenentzündung. Am 26.1.1945 stirbt Walter im Alter von zwei Jahren.
296
Franz Kratzer
KRATZER Franz
A Z 229/41 8.11.1921
geb-
Wien/zuständig Skubitz i. Sudetengau r.k.
eingewiesen durch:
ehelich
Spezial Kinderheim Pressbaum
aufgenommen:
24.10.1941
(Transf. v. Pav. 17 auf Pav 15)
15.10.1941
Dr. H . Gross
Meldung:
31.10.1941
Dr. E. Jekelius
gest. Todesursache:
12.1.1942
13 Uhr
Aufnahmeuntersuchung:
Im status epilepticus
Franz erkrankt am Ende des ersten Lebensjahres an Fraisen. Im Alter von zwei Jahren häufen sich die Anfälle. Trotz dieser Zustände entwickelt sich der Bub körperlich entsprechend. Zwischen 1933 und 1936 besucht er die Sonderschule und macht auch geistig gute Fortschritte. Er ist ein ruhiges, einfühlsames Kind. Im September 1936 erkrankt Franz an Feuchtblattern. Ab da tritt Stillstand der geistigen Entwicklung ein, er hat bis zu zehn epileptische Anfälle im Monat, sodass er die Schule nicht mehr besuchen kann. Als ein Geschwisterchen kommt, wird Franz sicherheitshalber in Anstaltspflege gegeben. Im Oktober 1941 wird Franz in der Wr. Stadt. Jugendfürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund" aufgenommen, zunächst im Pav. 17. und dann im Pav. 15. Dazu gibt der erhaltene Schriftverkehr zwischen der Mutter, den Schwestern und den Ärzten Einblick in die nähere Situation: 2. Oktober 1941 Sehr geehrter Herr Institutsleiter! Mein Sohn Franz Kratzer ist Ihrem Institut seit 1 V2 Monaten aus dem aufgelösten Kinderheim Pressbaum überstellt worden. Die Leiterin schrieb mir, dass ich von Ihnen eine Verständigung erhalten würde, wann wir unseren Sohn besuchen können. Auch unser Herr Amtsleiter, der mich zwecks Erhebung zu sich rufen ließ, teilte mir mit, ich solle abwarten, bis ich von Ihnen eine Verständigung erhalten würde. Heute ist der 2. Oktober und ich habe noch immer keine Nachricht erhalten, wie es unserem Sohn Franzi geht und wann wir ihn besuchen können. Daher bitte ich Sie Herr Institutsleiter gütigst, mir doch baldigst Bescheid zukommen zu lassen, da Sie mich ja als Mutter verstehen können, dass ich mir große Sorgen um unseren Jungen mache. Ich darf doch bald auf ein Schreiben hoffen, indem ich Ihnen bestens danke, begrüße ich Sie
mit deutschem Gruß (Unterschrift u. Adresse der Mutter)
Franz Kratzer
Am 15.10.1941
2-97
meldet Dr. Ε. Jekelius an den Reichsausschuss in Berlin „... keinerlei Aussicht auf Arbeitseinsatzfähigkeit..."
11.12.1p41 Sehr geehrte Oberschwester Berta ! Verzeihen Sie, wenn ich mich mit einer Bitte an Sie verehrte Oberschwester wende. Es handelt sich um meinen Sohn Franzi Kratzer, der sich ja in Ihrer Obhut befindet, wie mir Herr Doktor mitteilte. Da doch nun das liebe Weihnachtsfest vor der Tür steht und wir unserem Franzi doch jedes fahr etwas Süßes zum Christkind geschickt haben, so möchte ich Sie bitten mir gütigst mitzuteilen ob ich ein Packerl schicken kann und ob es nicht besser ist, wenn ich es an Ihre werte Adresse nach Spiegelgrund sende, damit Sie so freundlich sind und es ihm bei der Bescherung mit einem herzlichen Gruß von Mama, Papa und Erika geben. Herr Doktor sagte mir, dass Sie liebe Oberschwester von Preßbaum hierher gekommen sind, so ist Ihnen unser Franzi nichtfremd. Es werden diesmal recht traurige Weihnachten sein, der Krieg und der arme Junge und noch dazu habe ich meine gute Mutter verloren, es ist sehr schwer, das Liebste zu verlieren. Auch für Sie liebe Oberschwester ist es eine große Aufgabe, diese schwere Pflicht zu erfüllen den Ärmsten der Armen gegenüber. Gott wird es Ihnen lohnen. Bitte sind Sie so freundlich und geben Sie mir mit ein paar Worten bekannt ob es Ihnen so angenehm ist. Bitte grüßen Sie unseren Jungen und sagen Sie ihm, er soll recht brav sein und den lieben Pflegerinnen folgen, dann bringt ihm das Christkind etwas Gutes. Nochmals recht herzinnigen Dank und seien Sie lieb zu unserem armen Kind, darum bittet Sie eine schwergeprüfte Mutter. Mitfreundlichem Gruß Ihre ergebene (Unterschrift u. Adresse d. Mutter) Am 15.12.1941
ist am Ende des Briefes vermerkt: erled. KM kann Paket schicken S.B.
Am 12.1.1942
stirbt Franz im Alter von 20 Jahren während eines epileptischen Anfalles (lt. Dr. M. Hübsch). Im Sektionsprotokoll steht: Tbc miliaris
298
Franz Kratzer
2.2.1942 Sehr geehrte Frau Doktor ! Verzeihen Sie gütigst, wenn ich Ihre kostbare Zeit in Anspruch nehme, aber bitte mir ein wenig Gehör zu schenken. Heute Montag sind es 3 Wochen, dass unser Franz und einziger Sohn mittags gestorben ist. Mein Mann war oben und hätte gern ein paar Worte mit Ihnen Frau Doktor gesprochen über die letzten Stunden, leider waren Frau Doktor selbst krank. Nun heute nach 3 Wochen erlaube ich mir Sie gütigst zu bitten, mir doch ein paar Worte über die letzten Stunden unseres armen Kindes mitzuteilen. Ich kann keine Ruhefinden,mache ich mir doch solche Gedanken, vielleicht hat er in seinen letzten Stunden so recht nach uns, vielleicht nach seiner Mutter verlangt, ich bitte sagen Sie mir doch, wie seine letzten Stunden gewesen sind. Sie verehrte Frau Doktor können mich wohl verstehen, ich habe das Kind ja doch unter dem Herzen getragen under war so ein herzensgutes Kind. Bitte erfüllen Sie einer schwergeprüften Mutter diesen Wunsch, wenn ich ihm schon nicht die Augen zudrücken konnte, so will ich gern wissen, wie seine letzten Stunden waren. Bitte noch um gütigste Mitteilung, wann und wo die Kleidungsstücke, welche doch desinfiziert worden sind, abzuholen sind. Ich bitte nochmals um Entschuldigung wenn ich Sie belästige, aber beruhigen Sie damit eine arme unglückliche Mutter, Sie tun ein edles Werk. Indem ich Ihnen im vorhinein herzlichst danke, begrüße ich Sie in tiefer Trauer Unterschrift u. Adresse der Mutter Am 16.2.1942 beantwortet Dr. Margarete Hübsch diesen Brief:
Sehr geehrte Frau Kratzer! In Beantwortung Ihres Briefes teile ich Ihnen mit, dass die Kleider Ihres Sohnes vom Pavillon 15 zu holen sind. Ihr Sohn hatte mehrere Tage hindurch schwere Anfälle, war trotz Medikamenten nicht anfallsfrei zu bekommen, blieb in einem Zustand von Benommenheit, aus der er nicht mehr erwachte. Er hat bestimmt keinerlei Schmerzen oder sonstige unangenehme Erscheinungen gehabt. Infolge seiner Benommenheit nahm er auch keine Notiz von seiner Umgebung und sprach auch gar nichts mehr. Er konnte deshalb auch nach niemandem verlangen. Der Tod ist ihm leicht geworden. Wir drücken Ihnen nochmals unser Bedauern aus. Heil Hitler! Unterschrift: Dr. Margarete Hübsch
299
Günter Kratzer/Reinhard Krenn
KRATZER Günter
AZ 521/41 10.1.1938
geb.
Leopoldsdorf i. Marchfeld r.k.
ehelich
eingewiesen durch
Pflege- und Beschäftigungsanstalt Gugging
aufgenommen:
9.3.1943
Pav. 15/P.
gest.
14.3.1943
16 Uhr 20
Todesursache:
Lungenentzündung
Der kleine Günter ist von Geburt an motorisch behindert, was in der Folge auch die geistige Entwicklung hemmend beeinflusst. Im September 1943 wird der Bub in der Pflege- und Beschäftigungsanstalt Gugging aufgenommen und von dort nach 6 Monaten in die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder überstellt. Am 10.3.1943
erfolgt die Aufnahmeuntersuchung durch Dr. H. Gross.
Am 14.3.1943
stirbt das 5-jährige Kind „plötzlich" an Lungenentzündung.
KRENN Reinhard
A Z 260/41
geb.
17.5.193z
Wien Guntramsdorf
eingewiesen durch:
Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt Wien
r.k.
ehelich
aufgenommen:
19.Π.1941
Transf. v. Pav. 18 auf Pav. 15
gest.
14.3.1942
13 Uhr
Todesursache:
nicht angegeben
Reinhard ist körperlich und geistig behindert. Er wird am 18.6.1941 von der Pflegeanstalt Allensteig in die Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt überstellt. Am 19.11.1941
erfolgt die Aufnahme in die Wr. Städt. Jugendfürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund". Das Kind wird den üblichen Untersuchungsmethoden unterzogen, so auch einer Encephalografie, deren Ergebnis aus den vorliegenden Unterlagen nicht ersichtlich ist.
Am 14.3.1942
stirbt das Kind. Die Todesursache ist in den Unterlagen nicht angegeben.
300
Reinhard Krenn/Kurt Kretschmann
Reinhards ältere Schwester Aurelia (geb. 14.5.1926), die angeblich an ähnlichen Symptomen wie ihr Bruder leidet, wird mit einem Sammeltransport von der Pflege· und Beschäftigungsanstalt Gugging in die Vernichtungsanstalt nach Hartheim bei Linz gebracht und dort am 20.5.1941 vergast und verbrannt.
KRETSCHMANN Kurt geb.
18.1.1942
eingewiesen durch:
KÜST
AZ 225/44 Rostock/Mecklenburg evang.
ehelich
aufgenommen:
7.11.1944
Pav. 15/Sgl.
Aufnahmeuntersuchung:
9.11.1944
Dr. M . Türk
Meldung:
28.n.1944
Dr. E. Illing
gest.
23.12.1944
2 Uhr 30
Todesursache:
Toxische Rachendiphtherie, Herzlähmung
Kurt macht als Säugling eine schwere Gehirnerkrankung durch. Als Folge bleibt geistige und motorische Behinderung. Da das Kind sehr viel schreit, besonders in der Nacht, ersucht die Mutter, in der Hoffnung auf Besserung, um Anstaltsuntersuchung. Außerdem hat sie noch drei Kinder im Alter zwischen 10 und 1 Jahr zu versorgen, der Vater ist in einem Rüstungsbetrieb beschäftigt. Die Univ. Kinderklinik Wien schlägt u. a. die Kleinkindergruppe „Am Spiegelgrund" vor. Am 7.11.1944 wird der kleine Bub im Pav. 15 aufgenommen und zwei Tage Am 13.11.1944 Am 28.11.1944
später von Dr. M. Türk untersucht. wird eine lumbale Enzephalografie durchgeführt, deren Ergebnis ο. B. ist. Ab da fiebert das Kind hoch und erbricht häufig. meldet Dr. E. Illing „dauernde Pfiegebedürftigkeit und Bildungs-
unfiihigkeit"an den Reichsausschuss in Berlin. In der weiteren Folge erkrankt Kurt an einer starken Entzündung des Scrotums (Hodensack), fiebert weiter hoch und ist sehr unruhig. Eine Diphtherie verschlechtert das Allgemeinbefinden des Kleinkindes. Am 23.12.1944 stirbt der 2-jährige Bub an toxischer Rachendiphtherie mit Herzlähmung.
Hans Kreuels
30I
KREUELS Hans
AZ181/43
geb.
18.9.1930
eingewiesen durch:
Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt Wien
Krefeld
r.k.
ehelich
aufgenommen:
16.7.1943
Aufnahmeuntersuchung:
16.7.1943
Dr. M . Türk
Meldung (Bericht):
28.7.1943
Dr. E. Illing
gest.
3.8.1943
18 Uhr
Todesursache:
Hochgrad, allgemeiner Marasmus (Kräfteschwund)
(v. St. Josefshaus in Hardt b. Mönchengladbach) Pav. 15/P.
Nach einer schweren Zangengeburt ist Hans an allen vier Extremitäten gelähmt. Er ist das jüngste von acht Kindern, von denen zwei an Diphtherie verstorben sind. In einem Bericht der Rheinischen Provinzial-Kinderanstalt vom 8.2.1935 schlägt der leitende Arzt Unterbringung des Kindes im St. Josefshaus in Hardt bei Mönchengladbach vor, „da die Eltern noch 6 unmündige gesunde Kinder zu erziehen haben, sind sie nicht in der Lage, diesem Kind die nötige Pflege angedeihen zu lassen, ohne dass die anderen Kinder darunter leiden . . . " Die Eltern willigen ein und holen ihren Sohn mehrmals auf Urlaub nach Hause. Sie müssen ihn aber immer wieder rechtzeitig zurückbringen. Im Mai 1943 wird Hans mit einem Sammeltransport nach Wien in die Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt gebracht. Von dort wird er zunächst zeitweise in die Pavillons 22 und 18 überstellt. Am 16.7.1943 wird der Bub im Pav. 15 im Parterre aufgenommen und noch am selben Tag von Dr. Türk untersucht. Am 28.7.1943 berichtet Dr. E. Illing an den Reichsausschuss in Berlin u. a.: „... eine Besserung des körperlichen oder geistigen Zustandes ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen ..." In der Folge erkrankt das Kind an einer Mundschleimhautentzündung, hat blutige Stühle und nimmt fast keine Nahrung zu sich. Am 3.8.1943 stirbt Hans im Alter von 13 Jahren an hochgradigem allgemeinem Kräfteschwund. Die Eltern schreiben am 13.8.1943 an die Nervenklinik für Kinder: „Ihr Schreiben vom Ableben unseres Kindes haben wir zu unserem großen Schmerz erhalten. Sie wollen uns doch bitte in Kenntnis setzen, an welcher Krankheit das Kind so schnell gestorben ist, da wir noch nicht in der Lage sind nach dort zu kommen ... in tiefem Schmerz Familie Kreuels"
302
Hans Kreuels/Franz Kristovitsch
Am 17.8.1943 antwortet Dr. Μ. Türk. u. a.: „... Ihr Kind Hans wurde am 16. Juli 1943 bereits in hochgradig reduziertem Ernährungszustand in die hiesige Klinik eingewiesen. Es handelt sich bei ihm vermutlich um ein bei der Geburt erworbenes hirnorganisches Leiden mit krampfhafter Lähmung aller 4 Extremitäten und höchstgradigem geistigen Rückstand. Der allgemeine Kräfteverfall, an dem das Kind gestorben ist, stand sicher mit diesem Grundleiden im Zusammenhang. Als Folge dieses Kräfteverfalls ist in der letzten Zeit noch eine Bronchitis und eine schwere Mundschleimhautentzündung aufgetreten. Für das Kind konnte der Tod nur eine Erlösung bedeuten, da das Leiden unheilbar war..."
KRISTOVITSCH Franz
A Z 238/42,
geb.
4.11.1939
eingewiesen durch:
KÜST
aufgenommen:
25.7.1942
Aufnahmeuntersuchung:
26.7.1942
Dr. M . Türk
Meldung:
30.7.1942
Dr. E. Illing
gest.
29.8.1942
13 Uhr 45
Todesursache:
Lungenentzündung
Wien
r.k.
ehelich
Pav. 15/Sgl.
Während der Vater eingerückt ist, kümmert sich die kränkliche Mutter um das Neugeborene und seinen 1936 geborenen Bruder. Der kleine Franz ist mongolid, seine geistige und körperliche Entwicklung ist schwer gehemmt. Inzwischen muss sich die Mutter einer ärztlichen Untersuchung unterziehen, da es ihr gesundheitlich immer schlechter geht. Es stellt sich eine beidseitige Lungentuberkulose im fortgeschrittenen Stadium heraus. Sputumkontrolle und Isolierung sind dringend erforderlich. Da niemand da ist, der sich um die Pflege der Kinder kümmern könnte, wird vom zuständigen Jugendamt der Antrag auf Übernahme der Buben in Gemeindepflege gestellt. Am 25.7.1942 wird das behinderte Kind Franz in die Heilpädagogische Klinik der Stadt Wien „Am Spiegelgrund" gebracht und im Pav. 15 aufgenommen. Am 30.7.1942
meldet Dr. E. Illing an den Reichsausschuss in Berlin, dass „geistige Fortschritte nicht wahrscheinlich"seien. An diesem Tag hörte eine Schwester, wie das Kind, das „, bisher keine sprachliche Äußerung zeigte, vorgesagte Wörter spontan nachsagte!"
303
Franz Kristovitsch/Liselotte Kroger
Am 2.8.1942
beginnt Franz hoch zu fiebern und zu husten.
In der Folge steigt die Fieberkurve bis 40°. Das Kind nimmt an Gewicht ab, das Allgemeinbefinden verschlechtert sich zusehends. Am 29.8.1942 stirbt das 2 %-jährige Kind an Lungenentzündung bei angeborenem Herzfehler. Inzwischen ist auch die Mutter verstorben.
AZ 299/43
KRÖGER Liselotte geb.
15.8.1937
eingewiesen durch:
Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt Wien
Altona
aufgenommen:
25.9.1943
Pav. 15/Sgl.
Aufnahmeuntersuchung:
27.9.1943
Dr. M . T ü r k
Meldung (Bericht):
20.10.1943
Dr. E. Illing
gest.
27.Ii.1943
8 Uhr
Todesursache:
Grippe, Lungenentzündung
unehelich
Liselotte dürfte von Geburt an spastisch gelähmt sein. Die Mutter hat noch drei Kleinkinder zu versorgen, deshalb befindet sich das behinderte Kind einige Zeit in der Alsterdorfer Anstalt in Hamburg. Von dort wird es mit einem Sammeltransport am 16.8.1943 „wegen schwerer Beschädigung der Anstalten durch Fliegerangriff verlegt nach Wien..." Am 17.8.1943 bestätigt Prim. Dr. Podhajsky die Ankunft in Wien im Pav. 21. Am 25.9.1943 wird Liselotte der Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder „zur direkten Erledigung abgetreten (mit Unterschrifi)" Am 27.9.1943 erfolgt die Aufnahmeuntersuchung durch Dr. M. Türk, sie stellt neben den üblichen Diagnosen u. a. fest: „Gesicht rundlich, blass, nicht unhübsch ...". In der Zusammenfassung wird die uneheliche Geburt vorrangig betont. In der Folge nimmt das Mädchen an Gewicht ab und nimmt schlecht Nahrung zu sich. Am 20.10.1943 berichtet Dr. E. Illing an den Reichsausschuss in Berlin, dass das Kind „bildungsunfähig und voraussichtlich dauernd vollständig pflegebedürftig sein wird..." Das Allgemeinbefinden von Liselotte verschlechtert sich zusehends.
3°4
Liselotte Kroger/Ingrid Kromer
Am 27.Ii.1943
stirbt das 6-jährige Kind am Morgen an Grippe und Lungenentzündung.
Am 8.5.1944
schreibt Dr. E. Illing an die sehr betroffene Mutter: „... es handelte sich hei Ihrem Kind um ein wahrscheinlich erworbenes hirnorganisches Leiden mit schweren Krampflähmungen und hochgradigem geistigen Rückstau. Es hätte, wenn es am Leben geblieben wäre, sicherlich nie gehen oder sprechen gelernt. Wenn Sie daran denken, werden Sie auch einsehen müssen, das der Todfür das Kind nur eine Erlösung bedeuten konnte. Es ist ohne Schmerzen sanfi und ruhig eingeschlafen..."
KROMER Ingrid
A Z 52/43
geb.
23-4-I943
eingewiesen durch:
KUST
Wien
aufgenommen:
8.5.1943
Pav. 15/1
Aufnahmeuntersuchung:
12.5.1943
Dr. M . T ü r k
M e l d u n g (Bericht):
17.5.1943
Dr. E. Illing
gest.
13-6-1943
22 U h r
Todesursache:
Bronchitis,
gttgl.
ehelich
;emeine Lebensschwäche
Die kleine Ingrid wird in Wien 20, Brigitta-Spital geboren. Es ist ein sehr zartes Kind. Nach drei Wochen wird es in die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder überstellt. Am 8.5.1943 wird der Säugling im Pav. 15 aufgenommen und vier Tage später von Dr. M. Türk untersucht. Die Diagnose lautet u. a.: „... Mikrocephalie (= zu kleiner Kopf), spastischer Klumpfuss bds. Psychisch noch nicht genauer beurteilbar..." Die Mutter ist sehr besorgt um ihr Kind. Aus einer ärztlichen Bestätigung geht hervor, dass sie „regelmäßig die Muttermilch" in die Klinik bringt. Am 17.5.1943 meldet Dr. E. Illing an den Reichsausschuss in Berlin, dass „keine Aussicht auf Besserung oder Heilung" τα. erwarten sei. Am 13.6.1943 stirbt das Mädchen im Alter von 7 Wochen an Bronchitis und allgemeiner Lebensschwäche.
Gertrud Krommer/Johann Kromp
KROMMER Gertrud
A Z 465/43
geb.
2.2.1944
eingewiesen durch:
Robert Koch Krankenhaus W i e n / K Ü S T
Wien
r.k.
ehelich
aufgenommen:
21.2.1944
Pav. 15/Sgl.
Aufnahmeuntersuchung:
23.2.1944
Dr. M . Türk
gest.
20.3.1944
23 U h r 45
Todesursache:
Allgemeine Lebensschwäche, Lungenentzündung
Gertrud ist mongolid. Da sie sehr zart ist, wird sie bald nach der Geburt in die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder eingewiesen und am 21.2.1944 im Pav. 15 aufgenommen. Das Kind trinkt sehr schlecht und nimmt an Gewicht ab. In der Folge erkrankt der Säugling an Bronchitis und fiebert hoch. Am 20.3.1944
stirbt das kleine Mädchen im Alter von 1 Vi Monaten an allgemeiner Lebensschwäche und Lungenentzündung.
KROMP Johann geb.
A Z 85/43 18.7.1931
Brennberg/Ungarn r.k.
ehelich
eingewiesen durch:
Pflege- und Beschäftigungsanstalt Gugging
aufgenommen:
1.6.1943
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
2.6.1943
Dr. M . Türk
Meldung:
4.6.1943
Dr. E. Illing
gest.
21.7.1943
17 U h r 40
Todesursache:
Lungenentzündung
Johann ist mongolid und geistig behindert. Als die Mutter erkrankt, kommt der Bub im März 1942 in die Heil- und Pflegeanstalt Gugging. Von dort wird er in die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder überstellt und am 1.6.1943 im Pav. 15 im Parterre aufgenommen. Am 4.6.1943
meldet Dr. E. Illing an den Reichssausschuss in Berlin u. a.: „... Bildungsunfahig, dauernd vollständig hilflos und pflegebedürftig".
Am 21.7.1943
stirbt das 12-jährige Kind an Lungenentzündung.
30 6
Margarete Kiibeck
KÜBECK Margarete
A Z 501/42
geb.
19.5.1941
eingewiesen durch:
KÜST
aufgenommen:
24.2.1943
Pav. 15/1
Wien
ΐ9·3·ΐ943
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
8.3.1943
Dr. M . Türk
Meldung:
13.3.1943
Dr. E. Illing
gest.
9.4.1943
4 U h r 30
Todesursache:
Darm- und Lungenentzündung
r.k.
ehelich
Margarete wächst bei den Eltern auf, die mit einem zweiten Kind sehr beengt in der Wohnung der väterlichen Großeltern leben. Im Alter von 8 Monaten erkrankt das kleine Mädchen an einer Enzephalitis (= Gehirnentzündung) mit Fieber über 41°. Das Kind schreit plötzlich sehr viel, besonders in der Nacht. In der Folge entwickelt es sich geistig und körperlich nicht entsprechend. Das zuständige Bezirksjugendamt stellt den Antrag auf Übernahme in Gemeindepflege mit der Begründung: „Kindesvater und Großvater (beide berufstätig) sind durch das ... Kind in ihrer Ausruhmöglichkeit sehr empfindlich beschränkt. Vor allem aber erscheint das gesunde Kind durch das kranke in seiner Entwicklung gefährdet..." Im September 1942 kommt Margarete in die Univ. Kinderklinik zu Prof. Dr. Hamburger und wird von dort nach einer kurzen Beobachtungszeit als „aussichtsloser Fall" wieder entlassen. Am 24.2.1943 wird das Kind in der Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder im Pav. 15 aufgenommen. Nach der üblichen umfangreichen Untersuchung, die sicherlich für das sehr ängstliche Kind belastend ist, wird es am 13.3.1943 Am 19.3.1943
Am 9.4.1943
von Dr. E. Illing als „sicher dauerndanstaltsbedürftig... "an den Reichsausschuss in Berlin gemeldet. wird es im Pav. 15 ins Parterre verlegt. Inzwischen verschlechtert sich der Allgemeinzustand des Kindes. Ohne Temperaturerhöhung erkrankt es an schleimigen Durchfällen, eitriger Mittelohrentzündung, schwerer Darm- und Lungenentzündung. stirbt Margarete im Alter von 2 Jahren.
Walter Kubisko
307
KUBISKO Walter
AZ 97/44
geb.
27.6.1942
eingewiesen durch:
Deutsches Rotes Kreuzspital Wien 9
Wien
aufgenommen:
5.7.1944
Aufnahmeuntersuchung:
6.7.1944
Dr. M . Türk
Meldung:
25.9.1944
Dr. E. Illing
gest.
22.1.1945
10 Uhr
Todesursache:
Im status epilepticus
r.k
ehelich
Pav. 15/Sgl.
Walter leidet seit dem ersten Lebensjahr an Krampfanfällen und krampfartigen Zuckungen. Die Mutter bringt das Kind in das Rote Keuzspital. Dort wird es einige Tage beobachtet, dann wird geraten, den kleinen Buben in die Wr. Städt. Nervenklinik fur Kinder zu bringen. Am 5.7.1944
wird das Kleinkind im Pav. 15 aufgenommen und am nächsten Tag der üblichen Aufnahmeuntersuchung unterzogen.
Am 25.9.1944
meldet Dr. E. Illing an den Reichsausschuss in Berlin, dass Walter „ voraussichtlich dauernd bildungs- und arbeitsunfähig" bleiben wird.
Die Mutter besucht da Kind fast täglich. Der Vater ist inzwischen eingerückt. Während des Aufenthaltes in der Nervenklinik häufen sich die epileptischen Anfälle, zusätzlich erkrankt das Kind an Feuchtblattern. Am 22.1.1945
stirbt der dreijährige Bub nach einem schweren Anfall im „status epilepticus".
3o8
Leopold Kugler
A Z 508/43
KUGLER Leopold geb.
18.5.1937
Limberg b. Hollabrunn r.k.
ehelich
eingewiesen durch:
Pflege- und Beschäftigungsanstalt Gugging
aufgenommen:
Ii.3.1944
Pav. 15/Kr.
Aufnahmeuntersuchung:
14.3.1944
Dr. M . Türk
Meldung:
25.9.1944
Dr. E. Illing
gest.
23.11.1944
2 Uhr
Todesursache:
Grippe und Lungenentzündung
Leopold wächst in einer sehr armen Familie auf. Als das Kind 5 Jahre alt ist, stirbt der Vater. Die Mutter ist der Erziehung des kleinen Buben nicht gewachsen. Auf Betreiben des Bürgermeisters wird Leopold in die Anstalt nach Gugging gebracht. Dort verbringt er 8 Monate und wird als „bildungsunfähig"in die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder überstellt. Am Ii.3.1944
wird er im Pav. 15 aufgenommen. Eine Spaltbildung des weichen Gaumens behindert sein Sprechvermögen. Trotzdem berichtet die Schwester, dass der Bub „nettsingt".
Am 25.9.1944
meldet Dr. E. Illing an den Reichsausschuss nach Berlin u. a.: „vollständig bildungs- und arbeitsunfähig".
In der Folge erkrankt das Kind an Mumps, Husten, Schnupfen und schwerer Grippe mit hohem Fieber. Es verweigert jede Nahrungsaufnahme, das Allgemeinbefinden verschlechtert sich. Am 23.11.1944 stirbt der siebenjährige Leopold am frühen Morgen. Der Sektionsbefund ergibt: „ Tuberkulose in der rechten Lunge, der Milzkapsel und im Dickdarmgekröse".
309
Erika Kuglinger/Gertrude Kuscher-Arndt
KUGLINGER Erika
AZ110/41
geb-
7.4.1939
eingewiesen durch:
Karolinen Kinderspital Wien
Wien
r.k.
aufgenommen:
7-7-I94I
Aufnahmeuntersuchung:
26.7.1941
Dr. H. Gross
Meldung:
26.7.1941
Dr. E. Jekelius
gest.
1.9.1941
22 Uhr
Todesursache:
Toxische Diphtherie, Lungenentzündung
ehelich
Erika ist mongolid. Sie ist das sechste Kind einer sehr hilfsbedürftigen Familie. Als das kleine Mädchen wegen Bronchitis und Rachitis ins Krankenhaus kommt, stellt der behandelnde Arzt einen Antrag zwecks Beobachtung in einer entsprechenden Anstalt. „ Um eine Verwahrlosung der übrigen Kinder sowie des Haushaltes hintanzuhalten", wird das Kind in Gemeindepflege übernommen. Am 7.7.1941 wird Erika in der Wr. Städt. Jugendfürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund" aufgenommen. Das Kind war lt. Schwesternbericht „anfangs lebhafi undfröhlich. Nach einer fieberhaften Erkrankung lacht es nicht mehr, zeigt keinerlei Interessefur seine Umgebung und macht einen sehr apathischen Eindruck". Am 1.9.1941 stirbt Erika in der Nacht an toxischer Diphtherie und Lungenentzündung.
KUSCHER-ARNDT Gertrude
A Z 531/41
geb.
1.4.1933
eingewiesen durch:
Pflege- u. Beschäftigungsanstalt Gugging
Wien
aufgenommen:
9.3.1943
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
10.3.1943
Dr. H . Gross
Meldung:
30.6.1943
Dr. E. Illing
gest.
28.7.1943
4 Uhr
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
unehelich
Kurz nach Gertrudes Geburt stirbt die Mutter. Der Vater ist in Stalingrad. Das Kind verbringt die ersten 1 Vi Jahre auf verschiedenen Pflegeplätzen. Im Mai 1941 wird es in der Beschäftigungs- u. Pflegeanstalt Gugging aufgenommen. Dort
Gertrude Kuscher-Arndt/Anna Katherina Kuttler
bleibt es zwei Jahre. Doch das kleine Mädchen hat bisher nur ganz wenige, dem Alter entsprechende Dinge gelernt und kann auch hier nicht schnell aufholen: So setzt sich ζ. B. das Sprachvermögen aus dem Wortschatz eines Kleinkindes zusammen, wie „Licht", „Pipi-Hendi" usw. Am 9.3.1943 wird Gertrude in die Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder überstellt und im Parterre des Pav. 15 aufgenommen. Hier wird sie den üblichen Untersuchungen und Behandlungsmethoden unterzogen. Am 30.6.1943 berichtet Dr. E. Illing dem Reichsausschuss in Berlin, dass „nach ärztlichem Ermessen eine Bildungs- oder spätere Arbeitsverwendungsfähigkeit nicht anzunehmen " sei. Am 28.7.1943 stirbt das 10-jährige Mädchen an Lungenentzündung.
KUTTLER Anna Katharina
A Z 300/43
geb.
31.1.1933
Weiler b. Siegbruck
eingewiesen durch:
Wagner v. Jauregg Heil- u. Pflegeanstalt Wien
aufgenommen:
25.9.1943
Aufnahmeuntersuchung:
27.9.1943
Dr. M.Türk
Meldung (Bericht):
20.10.1943
Dr. E. Illing
gest.
27.11.1943
10 Uhr
Todesursache:
Schwere Gelbsucht u. Lungenentzündung
r.k.
ehelich
(von Anstalt Bald Kreuznach) Pav. 15/Kr.
Anna Katharina wird bei der Geburt von der Hebamme, die trotz Wehenschwächen der Mutter keinen Arzt heranzieht, am Kopf verletzt. Schon drei Wochen danach tritt aus der Druckstelle über dem rechten Auge, von der Nase und den beiden Augenspalten Eiter aus. In der Folge entwickelt sich das Kind nur sehr langsam. Die vier Extremitäten sind gelähmt, die geistige Entwicklung ist nicht dem Alter entsprechend. Da die Mutter wegen Tuberkulose sehr schwächlich ist, kann sie auf Dauer die erforderliche Aufsicht und Pflege nicht übernehmen. Der Bürgermeister erfährt davon und beauftragt den zuständigen Amtsarzt ein Gutachten zu erstellen, um die Übernahme des behinderten Kindes in Anstaltspflege zu ermöglichen, denn inzwischen haben sich auch die anfangs leichten Krämpfe zu häufigen epileptischen Anfällen entwickelt. Anna Katharina kommt
311
Anna Katherina Kuttler/Chnstine Lackenbauer
in eine Anstalt bei Bad Kreuznach und wird von dort ohne Wissen der Eltern mit einem Sammeltransport im Mai 1943 in die Wagner v. Jauregg Heil- u. Pflegeanstalt nach Wien überstellt. Von dort wird sie am 25.9.1943 im Pav. 15 der Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder übernommen und von Dr. M. Türk den üblichen Untersuchungsmethoden unterzogen. Am 20.10.1943 meldet Dr. E. Illing an den Reichsausschuss nach Berlin „eine Bildungs- oder spätere Arbeitfdhigkeit ist vollständig ausgeschlossen ". Nun erkrankt das Mädchen an schwerer Gelbsucht, an Durchfällen, am linken Oberarm bildet sich ein Furunkel, es verliert an Gewicht, am Rücken verschlechtert sich ein Dekubitus (= offene Wunde durch das ständige Liegen). Am 27.11.1943 stirbt das 11-jährige Kind an Gelbsucht und Lungenentzündung.
A Z 244/44
LACKENBAUER Christine geb.
12.5.1944
eingewiesen durch:
Wr. Städt. Fürsorgeklinik 18/KÜST
Wien
aufgenommen:
4.12.1944
Pav. 15./Sgl.
Aufnahmeuntersuchung:
6.12.1944
Dr. M . Türk
Meldung:
20.12.1944
Dr. E. Illing
gest.
27.2.1945
10 Uhr
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
unehelich
Wegen Obdachlosigkeit der Mutter wird Christine gleich nach der Geburt in die Fürsorgeklinik, Bastiengasse, Wien 18, gebracht. Von dort erfolgt am 4.12.1944 die Uberstellung in die Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder und die Aufnahme im Pav. 15. Am 6.12.1944
nimmt Dr. M. Türk die Aufnahmeuntersuchung vor. In der vorläufigen Diagnose steht: „Idiotie, körperliche Auffälligkeiten, weiter Augenabstand, missgebildete Ohren,
Am 20.12.1944
Rothaarigkeit..."
meldet Dr. E. Illing dem Reichsausschuss in Berlin „voraussichtlich dauernd vollständig pflegebedürftig und bildungsunfähig".
Nach einer Encephalografie beginnt das kleine Mädchen zu fiebern, erkrankt an Grippe und Bronchitis, verliert stark an Gewicht. Am 27.2.1945 stirbt das 9 Monate alte Kind an Lungenentzündung.
312
Roman Lackner
A Z 497/42
LACKNER Roman geb.
19.12.1933
eingewiesen durch:
Reichsstatthalter Salzburg
Salzburg-Müllegg
r.k.
aufgenommen:
19.2.1943
Aufnahmeuntersuchung:
1.3.1943
Dr. H . Gross
Meldung:
5.3.1943
Dr. E. Illing
gest.
2.5.1943
8 U h r 15
Todesursache:
schwere eitrige Bronchitis, Lungenentzündung
ehelich
Pav. 15/P.
Roman ist das 6. Kind einer Bauernfamilie. Der Vater stirbt an Lungentuberkulose, als der kleine Bub ein Jahr alt ist. Die Mutter heiratet nach einmal, liebt ihre Kinder und „hält den Haushalt mit 10 Räumen und der großen Familie mit Umsicht und viel Fleiß ordentlich beisammen". Der kleine Roman ist behindert. Er kann nur schwer gehen, da er Lähmungen in den Beinen hat. Das ruhige und gutmütige Kind kann sich auch nur mit einem geringen Wortschatz verständigen. Als der Gaufürsorgeverband davon erfährt, wird der Antrag auf Anstaltsübernahme gestellt. Mutter und Stiefvater versuchen die Einweisung immer wieder zu verschieben. Am 19.2.1943 wird der Bub in der Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder im Pav. 15 aufgenommen. Nach der Aufnahmeuntersuchung durch Dr. H. Gross meldet am 5.3.1943 Dr. E. Illing dem Reichsausschuss in Berlin „dauernde Pflegebedürftigkeit und keinerlei Arbeitseinsatzfdhigkeit zu erwarten ...". Transkription eines Briefes der Mutter Romans an das Personal der Klinik: Sehr geehrte Schwester! Ohne Datum Das es mir unmöglich ist, mit ihnen persönlich zu sprechen, so komme ich schriftlich mit einer Bitte an Sie. Also liebe Schwester. Da Sie jetzt mein armes Kind zu betreuen haben und viel Arbeit haben damit, so bitte ich Sie liebe Schwester seien Sie mit meinem Roman recht gut. Er ist ja wirklich ein herzensgutes Kind. Wenn aber Roman grob behandelt wird, so könnten Sie liebe Schwester bestimmt nichts richten mit ihm. Er ist ja überhaupt recht ein schwermütiges Kind. Er verträgt auch keine Musik, auch keinen Gesang, und wenn ich seine Geschwister geschimpft habe, dann hat er immer zu weinen angefangen. Ja liebe Schwester und das ärgste stelle ich mir mit dem Essen vor. Roman isst mit Vorliebe Milchspeisen, was er bei euch jetzt in der Kriegszeit ganz unmöglich haben kann. Habe ich ihm gewürzte Speisen oder Fleisch gegeben dann hat er immer einen Durchfall bekommen, so dass ich
Roman Lackner
313
oft ganz verzagt bin, nachdem er nicht rein ist, so ist das ganz was fürchterliches. Ein Klosset kennt er ja überhaupt nicht, nur eine Leibschüssel oder einen Nachttopf, da kann man ihn nicht oft genug hinauf setzen, dass er nicht die Hosen nass hat. Aber das eine ist gut, Bettnässen tut er nicht, wenn er vor dem Schlafengehen noch auf den Topf kommt, und in der Früh um $ Uhr wieder. Ich wüsste liebe Schwester gar nicht, wie dankbar ich Ihnen sein müßte wenn Sie ihm das beibringen könnten, dass er endlich einmal anfangt allein zu essen und dass er rein wird. Zum Gehen habe ich auch etwas Hoffnung, weil er jetzt doch anfangt im Zimmer allein zu gehen. Und sollte es irgendetwas sein mit Roman, so bitte ich Sie liebe Schwester mich sofort zu verständigen. In der Hoffnung, dass Sie meine Bitte nicht abschlagen, seien Sie auf das herzlichste gegrüßt Unterschrift u. Adresse der Mutter Als die Mutter das Kind bei einem Besuch in einem viel schlechteren Zustand als zu Hause vorfindet, bemüht sie sich, Roman wieder nach Hause nehmen zu dürfen. Sie schreibt an die Klinik: Sehr geehrte Frau Doktor! Da ich am Samstag, vor acht Tagen bei meinem Kind Roman Lackner aus Hallwang auf Besuch war und ich leider annehmen musste, dass das Kind viel schlechter beisammen ist als daheim, es istja aussichtslos dem Kinde etwas beizubringen, drum möchte ich Sie bitten geehrte Frau Doktor, mich zu verständigen mit ein paar Zeilen wann ich das Kind wieder heim nehmen kann. Bitte Sie um recht baldige Antwort. Unterschrift u. Adresse der Mutter Am 16.4.1943 antwortet Dr. E. Illing auf ein diesbezügliches Ansuchen: „Frau Julia auf Ihr Schreiben vom 14.4.194$ teile ich Ihnen mit, dass eine Übernahme ihres Kindes Roman in häusliche Pflege ärztlicherseits derzeit nicht angeraten werden kann, da die Untersuchungen und Beobachtungen noch nicht abgeschlossen sind. Wenn auch der Fall augenblicklich wenig Hoffnung bietet, so soll doch nichts unversucht gelassen werden, was dem Kinde helfen könnte. Sein körperliches Befinden wird sich gewiss bessern, da sich jetzt die Kinder den ganzen Tag über im Sonnenschein auf unserer schönen Veranda auffalten ..." In der Folge beginnt Roman stark zu husten. Das Allgemeinbefinden verschlechtert sich zusehends. Das Kind liegt sehr ruhig im Bett und hustet nicht ordentlich aus. Das Fieber steigt über 40°. Am 2.5.1943
stirbt das 9 '/2-jährige Kind „plötzlich"An schwerer eitriger Bronchitis und Lungenentzündung.
Johann Laimer/Anton Lainer
314
LAIMER Johann
AZ178/44
geb.
3.1.1944
eingewiesen durch:
Kinderklinik Glanzing
Wien
aufgenommen:
22.9.1944
Pav. 15/Sgl.
Aufnahmeuntersuchung:
26.1.1945
Dr. M . Türk
Meldung:
27.1.1945
Dr. E. Illing
gest.
25.2.1945
23 Uhr
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
ehelich
Der kleine Johann ist mongolid. Am 22.9.1944 wird das Kind im Pav. 15 der Wr. Stadt. Nervenklinik für Kinder aufgenommen. Dr. M. Türk vermerkt im Untersuchungsprotokoll u. a.: „Fixiert, greift, lacht freundlich, lallt etwas ... Motorisch etwas rückständig, sitzt noch nicht, hilft aber beim passiven Aussetzen mit..." Am 27.1.1945
meldet Dr. E. Illing über das einjährige Kind an den Reichsausschuss in Berlin u.a.: „Voraussichtlich bildungs- u. arbeitsunfähig ... schon wochenlang an Keuchhusten und Lungenentzündung schwer erkrankt... hat 1I5 seines Körpergewichtes abgenommen ... (4200 gr. statt 6900g r.) " Inzwischen fiebert das Kind sehr hoch, nimmt fast keine Nahrung zu sich, es zeigt sich ein „zunehmender Kräfteverfall".
Am 25.2.1945
stirbt Johann in der Nacht an Lungenentzündung.
LAINER Anton
A Z 553/41
geb-
12.3.1936
eingewiesen durch:
Reichsstatthalter Salzburg/Landesheilanstalt
Zell a. See
r.k.
aufgenommen:
17.3.1943
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
25.3.1943
Dr. M . Türk
Meldung:
30.3.1943
Dr. E. Illing
gest.
8.6.1943
20
Todesursache:
Bronchitis, Lungenentzündung
ehelich
Uhr 30
Anton erkrankt im 5. Lebensmonat an fieberhaften Krampfanfällen mit Bewusstlosigkeit. Kinderlähmung im 1. Lebensjahr hemmt die weitere körperliche und
Anton Lainer
315
geistige Entwicklung, eine vollständige Lähmung des linken Armes u. Lähmungserscheinungen in den anderen Extremitäten bleiben zurück. Vier Monate verbringt das Kind in der Landesheilanstalt Salzburg, bevor es von dort über Auftrag des zuständigen Fürsorgeamtes in die Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder überstellt wird. Am 17.3.1943
wird Anton im Parterre des Pav. 15 aufgenommen und den üblichen Untersuchungen unterzogen.
Am 31.5.1943
erfolgt eine Encephalografie. Obwohl das Kind anschließend hohes Fieber hat, steht in den Unterlagen u. a.: „der Eingriff wurde gut vertragen ..."
Das Allgemeinbefinden des Buben verschlechtert sich nun sehr schnell. Er erkrankt an Bronchitis und Lungenentzündung und kann kaum mehr Nahrung aufnehmen. Am 8.6.1943
stirbt das 7-jährige Kind unter zunehmender Kreislaufschwäche.
Am 21.6.1943
ergeht ein Schreiben der Leiterin der NS-Frauenschaft der Kreisleitung an die Verwaltung der Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder, Baumgartner Höhe 1:
„ Die Kameradin Marie Leiner kam ganz verzweifelt zu mir wegen ihres Kindes Anton Leiner, welches bei Ihnen untergebracht war und von dem sie trotz wiederholter Bitten nie eine Nachricht bekam, bis auf die Drahtnachricht vom p.6.ip4j wo Sie seinen Tod mitteilten. Die Mutter ist ganz unglücklich, weil sie so gar nichts sonst von ihrem Kinde erfuhr, noch dazu erwartet sie ihren Mann aus dem Felde, der ganz besonders innig an diesem Kinde hing. Deshalb ersuche ich Sie herzlich, den Eltern doch einige Zeilen zu übermitteln, woran das Kind starb und wo es begraben wurde. Die Betroffenen tragen hart und schwer und es ist wohl die kleine Mühe wert, wenn man ihnen einige aufklärende Worte, die dann auch einigen Trost geben, schickt." Unterschrift der Leiterin Am 25.6.1943
erhält Frau Lainer ein Antwortschreiben von Dr. E. Illing: Teile davon sind hier wiedergegeben:
„Ihr Söhnchen Toni ist am 8.6.1943 durch einen sanften Tod von seinem unheilbaren Leiden erlöst worden. Er war nur wenige Tage an einem schweren Bronchialkatarrh erkrankt, dem dann eine Lungenentzündung nachfolgte. Dieser ist er trotz bester Behandlung überraschend schnell erlegen ... Wie die hiesigen Untersuchungen und Beobachtungen gezeigt haben, handelt es sich um ein schweres, erworbenes organisches Hirnleiden, das nicht nur vollständige Lähmung des linken Armes, sondern auch krampfhafte Lähmungserscheinungen im anderen Arm und in beiden Beinen und den erheblichen geistigen Rückstand verursachte.
3i6
Anton Lainer/Hildegard Landauf
Nach ärztlichem Ermessen war das Leiden unheilbar... das Kind wäre somit dauernd pflegebedürftig geblieben. Wenn Sie dies bedenken, muss es Ihnen ein Trost sein, dass dem Kinde weitere Leiden erspart bleiben, und Sie werden einsehen, dass der Tod nur eine Erlösung bedeuten konnte...! Heil Hitler! Unterschrift Dr. E. Illing
LANDAUF Hildegard
A Z 315/42
geb.
25.8.1926
eingewiesen durch:
St. Josefsheim Frischau b. Z n a i m / K U S T
aufgenommen:
Wien
2.10.1942
Pav. 17/Bu.
7.1.1943
Pav. 15/P.
6.10.1942
Dr. M . Türk
gest.
19-5-1943 3I-7-I943
Dr. E. Illing
Todesursache:
Im status epilepticus
Aufnahmeuntersuchung: Meldung:
r.k.
ehelich
10 U h r 15
Hildegard erleidet bei ihrer Geburt ein Hirntrauma. Trotzdem verläuft ihre frühkindliche Entwicklung unauffällig. Sie ist ein ruhiges, geselliges, anhängliches und sehr liebebedürftiges Mädchen, das weder zuhause noch in der Schule Erziehungsschwierigkeiten macht. Obwohl sie auf einem Auge sehschwach ist, hat sie viel Interesse für Lesen und Schreiben. Mit 12 Jahren erleidet das Kind einen epileptischen Anfall, während es seine Aufgaben macht. Zwei Monate später wiederholt sich der Anfall, der wie der erste einige Minuten dauert. Hildegard erklärt, sie hätte das Gefühl, „dass sich ihr alles zusammenziehe". In der Folge bleiben weitere Anfälle aus, das Mädchen schließt die Schule ab. Ein Gutachten der Wr. Univ. Kinderklinik (Dr. Asperger) empfielt Anstaltsunterbringung. Nach einem Aufenthalt im St. Josefsheim in Frischau b. Znaim wird das heranwachsende Mädchen in die Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder überstellt und vorerst am 2.10.1942 im Pav.15 aufgenommen. Am 7.1.1943 wird das 16 Vi-jährige Kind ins Parterre des Pav. 15 verlegt. Dr. M. Türk vermerkt u. a. im Untersuchungsprotokoll: „... kleines, gut genährtes, bereits entwickeltes Mädchen von gedrungenem Kör-
Hildegard Landauf/Hubert Langauer
317
perbau, mit mäßig guter Körperhaltung ...es ist zeitlich und örtlich richtig orientiert...
bei der Untersuchung beobachtet es ζ. B.
richtig, dass sie die Reflexbewegungen nicht willkürlich gemacht hat ... wahrscheinlich steht sie an der Grenze der
Debilität..."
Inzwischen verliert Hildegard jedes Interesse und vernachlässigt auch ihre Kleidung. Sie „ist praktisch bedeutend schlechter geworden " ist am 29.1.1943 von Dr. M. Türk in der Krankengeschichte vermerkt. Am 4.5.1943
wird das Mädchen einer Encephalografie unterzogen, das Ergebnis ist ο. B.
Am 19.5.1943
meldet Dr. E. Illing an den Reichsausschuss nach Berlin u. a.: „... voraussichtlich dauerndanstalts- u. pflegebedürfiig, nicht weiter bildungsfähig, kein Arbeitseinsatz zu erwarten ...".
Während der Vater an der Front in Lettland sehnsüchtig auf Post seiner Tochter wartet, erleidet diese wieder epileptische Anfälle. Diese häufen sich bis zu achtmal am Tag. Das Allgemeinbefinden verschlechtert sich zusehends. Am 31.7.1943
stirbt Hildegard im status epilepticus kurz vor Eintreffen der Mutter, die sie besuchen wollte.
LÄNGAUER Hubert geb.
AZ109/41 20.6.1935
Strohmarkt/Ldkr. Scheibbs r.k.
eingewiesen durch:
ehelich
Heil und Pflegeanstalt Gugging
aufgenommen:
27.5.1942
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
3.6.1942
Dr. H . Gross
Meldung:
31.5.1942
gest.
11.6.1942
Todesursache:
nicht angegeben
18 U h r 45
Hubert erkrankt mit 4 Monaten an Fraisen, deren Anfälle bis zum Ende des ersten Lebensjahres andauern. Die kinderreiche Familie wohnt in einer kleinen, feuchten und düsteren Wohnung. Der kleine Bub entwickelt sich körperlich und geistig sehr langsam, lernt nicht sprechen, ist unrein und uninteressiert an seiner Umgebung. Am 16.7.1941
wird er in die Pflege- und Beschäftigungsanstalt in Gugging eingeliefert.
Hubert Längauer/Maria Langer
3I8
Am 27.5.1942
wird er als „entwicklungs- u. bildungsunfiihig"in die Heilpädag. Klinik „Am Spiegelgrund" überstellt. Nach der Aufnahmeuntersuchung durch Dr. H. Gross meldet Dr. E. Illing das Kind an den Reichsausschuss in Berlin.
11 Tage darauf stirbt Hubert in den Abendstunden. Die Todesursache ist aus den vorliegenden Unterlagen nicht ersichtlich. Sie wurde auch nicht im Sektionsprotokoll angegeben.
LANGER Maria geb.
A Z 3x4/44 23.1.1930
Wostiz/Nikolsburg r.k.
eingewiesen durch:
ehelich
Pflege- u. Beschäftigungsanstalt Gugging
aufgenommen:
27.2.1945
Pav. 15/Kr.
Aufnahmeunters Lichung:
4.3.1945
Dr. M . Türk
gest.
3.6.1945
2 Uhr
Todesursache:
Lungen T b c (kavernös)
Das Kind gibt auf die Frage wie es heißt an: „Langer Mariechen". Es ist ein gutmütiges Kind, das niemals Anlass zu einer Klage gibt. Warum es in die Anstalt nach Gugging gekommen ist, geht aus den vorliegenden Unterlagen nicht hervor. Am 27.2.1945 wird das Mädchen in die Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder überstellt, dort wird sie auf .Atbeitsverwendungsfähigkeit" beobachtet. Es wird von Dr. Türk attestiert, dass das Kind freundlich, zugänglich, aber ein „williges Werkzeugfür jedermann" ist, es lässt sich von anderen Kindern zu jedem Unfug verleiten, ohne etwas Böses zu wollen. Plötzlich hat Mariechen hohes Fieber, Schüttelfrost und Husten. „ Uber dem linken Oberlappen vernimmt man deutlich reichliche trockene undfeuchte Rasselgeräusche ... Verdacht auf kavernöse Tbc." Oer Kräfte- und Ernährungszustand ist sehr schlecht. Der Verdacht auf Tbc bestätigt sich durch Röntgenuntersuchung. Das Fieber steigt, das Kind ist sehr schwach und hinfällig. Am 3.6.1945
stirbt Mariechen am frühen Morgen an kavernöser LungenTbc.
319
Rudolf Laugofsky/Helga Lehmann
LAUGOFSKY Rudolf
A Z 294/44
geb.
16.1.1945
eingewiesen durch:
Wr. Städt. Ausweichkrankenhaus Maria Zell
Maria Zell/Stmk.
aufgenommen:
11.2.1945
P a v · 15/Sgl.
Meldung:
21.2.1945
Dr. E. Illing
gest.
25.2.1945
24 U h r
Todesursache:
Lebensschwäche
ehelich
Der kleine Rudolf wird vier Wochen nach seiner Geburt in die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder eingeliefert und im Pav. 15 aufgenommen. Das Kind leidet an einer Spaltbildung im Bereich der Wirbelsäule und des Rückenmarks, zusätzlich blockiert ein großer Tumor den Bereich zwischen Lendenwirbelsäule und Kreuzbein. Dazu kommt noch eine Blasen- und Mastdarmlähmung sowie Lähmung der unteren Extremitäten. Am 21.2.1945 Am 25.2.1945
meldet Dr. E. Illing an den Reichsausschuss nach Berlin den aussichtslosen Zustand des Säuglings. stirbt das Kind um Mitternacht an „Lebensschwäche".
LEHMANN Helga
A Z 301/43
geb.
31.3.1929
eingewiesen durch:
Wagner v. Jauregg Heil- u. Pflegeanstalt Wien
Essen
evang.
aufgenommen:
25.9.1943
Aufnahmeuntersuchung:
27.9.1943
Dr. M . Türk
Meldung (Bericht):
20.10.1943
Dr. E. Illing
gest.
10.10.1943
ο U h r 30
Todesursache:
Hochgradige allgemeine Lebensschwäche
ehelich
(von Anstalt in Bad Kreuznach) Pav. 15/Kr.
Helga wird mit einem Sammeltransport von der Anstalt Niederreidenbacher Hof (Bad Kreuznach) im Mai 1943 nach Wien in die Wagner v. Jauregg Heil- u. Pflegeanstalt gebracht. Von dort wird sie am 25.9.1943 in den Pav. 15 überstellt. Das Mädchen ist bis zum Skelett abgemagert. Dr. M. Türk vermerkt u. a. „ Vorspringen der Kiefer wie bei einem Totenkopf... ". Das Kind hat ein Körpergewicht von 14 kg 50 bei einem Alter
320
Helga Lehmann/Roland Lehner
von 14 Vi Jahren. Trotz der extremen Schwäche des Kindes wird es verschiedenen Untersuchungen unterzogen, so auch noch 1 Tag vor seinem Tod einer Encephalografie und div. Röntgenaufnahmen. Am 10.10.1943 stirbt Helga kurz nach Mitternacht. Dr. M. Türk vermerkt als Todesursache „hochgradiger allgemeiner Marasmus " (= hochgradige allgemeine Lebensschwäche).
A Z 337/44
LEHNER Roland geb.
29.7.1944
eingewiesen durch:
E. v. Behring Kinderkrankenhaus W i e n / K U S T
Wien
unehelich
aufgenommen:
1.3.1945
Aufnahmeuntersuchung:
3.3.1945
Dr. M . Türk
Meldung:
7.3.1945
Dr. E. Illing
gest.
9.3.1945
ο Uhr 30
Todesursache:
Bronchitis, Lungenentzündung
Pav. 15/Sgl.
Roland ist ein mongolides Kind. Es wird wegen einer Erkrankung, die aus den vorliegenden Unterlagen nicht hervorgeht, in das oben genannte Kinderkrankenhaus gebracht. Am 1.3.1945 wird der Säugling in die Wr. Stadt. Nervenklinik für Kinder überstellt und im Pav. 15 aufgenommen. Eine Woche später meldet Dr. E. Illing an den Reichsausschuss in Berlin u. a. „voraussichtlich vollständigpflegebedürftig und bildungsunfdhig..." Am 5.3.1945 vermerkt Dr. M. Türk: „elendes Allgemeinbefinden ... fiebert seit der Aufnahme..." Am 9.3.1945 stirbt das Kind nach Mitternacht an Bronchitis und Lungenentzündung.
Hermine Leidenfrost
LEIDENFROST Hermine
AZ114/42
geb.
7.4.1939
eingewiesen durch:
Heil- u. Pflegeanstalt Gugging
Jetzendorf
aufgenommen:
27.5.1942
Aufnahmeuntersuchung:
30.5,1942
Dr. H. Gross
Meldung:
22.6.1942
Dr. H. Gross
gest.
27.8.1942
13 Uhr
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
ehelich
Pav. 15/P.
Hermines Eltern sind Viehhirten. Am Ende der Schwangerschaft wird die Mutter durch den Hufschlag eines Stieres in den Bauch verletzt. Es kommt zu einer Spontangeburt des Kindes unter hohem Blutverlust der Mutter. Das Kind ist scheintot und erholt sich erst nach mehreren Tagen im Krankenhaus. Die ersten beiden Lebensjahre verbringt das kleine Mädchen im Kreise der Familie mit vier Geschwistern. Doch es entwickelt sich körperlich und geistig nur sehr langsam, da es oft krank ist. Kurzfristig kommt es in die Pflegeanstalt nach Gugging. Von dort wird es am 27.5.1942 in die Heilpädag. Klinik „Am Spiegelgrund" überstellt. Dr. H. Gross untersucht das Kind und meldet an den Reichsausschuss nach Berlin u. a.: „Dauernde Pflegebedürftigkeit zu erwarten ..." In der Folge fiebert Hermine ständig. Wegen einer Mittelohrentzündung fließt eitriges Sekret aus beiden Ohren. Sie liegt andauernd im Bett, weil sie sich nicht alleine aufsetzen kann und weint sehr viel. Sie hört auf ihren Namen und nimmt auch Anteil an der Umgebung. Doch ist sie „bei Tag und Nacht unruhig und raunzig, was aber aufihren jetzigen Zustand (Mittelohrentzündung) zuriickzufiihren sein dürfte ... ", wie Sr. Erhart in einem Tagesbericht vom 2.7.1942 vermerkt. Am 27.8.1942 stirbt das 3 Vi-jährige Mädchen an Lungenentzündung.
322
Therese Leitner
LEITNER Therese geb.
AZ 31/40 12.2.1939
Wien/Atzgersdorf r.k.
unehelich
eingewiesen durch:
Fürsorgeanstalt f. Mutter und Kind, Wien 18
aufgenommen:
6.12.1940
Pav. 15
Aufnahmeuntersuchung:
8.12.1940
Dr. H. Gross
Meldung:
30.1.1941
Dr. M . Hübsch
gest.
14.2.1941
8 Uhr 30
Todesursache:
Lungenentzündung
Therese ist noch nicht ganz 2 Jahre alt, als sie wegen Obdach- u. Mittellosigkeit der Mutter in die Wr. Städt. Jugendfürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund" eingewiesen wird. Am 6.12.1940 wird das kleine Mädchen im Pav. 15 aufgenommen und zwei Tage später von Dr. H. Gross untersucht. Das Kind ist vorerst nicht krank. In den vorliegenden Unterlagen vermerkt Dr. H. Gross sogar das Wort „gesund". Doch Therese kann noch nicht gehen und sprechen. Sie weint viel und wird in der Folge sehr unruhig. Am 20.1.1941
wird eine Encephalografie vorgenommen. Die Untersuchung verläuft kompliziert, es sind „mehrere Einstiche"erforderlich. Am 21.1.1941 vermerkt Dr. M. Hübsch im Tagesprotokoll u. a.: „das Kind lacht freundlich entgegen und ist zum Spielen geneigt..." Inzwischen erkrankt Therese an einer eitrigen Mittelohrentzündung. Am 30.1.1941 meldet Dr. M. Hübsch an den Reichsausschuss in Berlin u. a.: „... die Kindeseltern sind Geschwister", zwei Wochen später stirbt das Mädchen an Lungenentzündung. Am 17.2.1941 vermerkt Dr. M. Türk: „Aussprache mit der Kindesmutter, die zwar sehr traurig ist, es aber auch doch einsieht, dass der Todfiir das Kind selbst undfür sie eine Erlösung ist."
323
Maria Lindlbauer/Anneliese Linortnert
LINDLBAUER Maria
AZ13/43
geb.
27.4.1932
eingewiesen durch:
Reichsstatthalter O D .
Tarsdorf/OD.
aufgenommen:
9.4.1943
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
12.4.1943
Dr. M . T ü r k
Meldung:
15.4.1943
Dr. E. Illing
gest.
7.5.1943
2 Uhr 30
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
ehelich
Maria leidet seit der Geburt an einer krankhaften Verminderung des Längenwachstums (= Zwergwuchs). Der zuständige Bürgermeister wird lt. Bescheid des Reichsstatthalters beauftragt, sich um die Einlieferung des 9-jährigen Töchterchens einer Gastwirtschaftsfamilie in die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder zu kümmern. Am 9.4.1943 wird das Mädchen im Pav. 15 im Parterre aufgenommen. Zwei Tage nach der Aufnahmeuntersuchung durch Dr. M. Türk meldet Dr. E. Illing an den Reichsausschuss in Berlin u. a. „dauernde Pflegebedürftigkeit und keinerlei Arbeitseinsatzfdhigkeit zu erwarten...". Am 7.5.1943 stirbt Maria „plötzlich" in den frühen Morgenstunden ohne Anzeichen einer akuten Erkrankung. Sie hat „kein Fieber, keine nennenswerten katarhl. Erscheinungen und dgl. . . . " Die Autopsie ergibt eine eitrige Bronchitis und Lungenentzündung.
LINORTNERT AnneÜese
A Z 261/41
geb.
31.1.1941
eingewiesen durch:
Landrat Gmunden, Beratungsstelle Bad Ischl
Bad Ischl
r.k.
aufgenommen:
20.11.1941
Pav. 15
Aufnahmeuntersuchung:
27.12.1941
Dr. H. Gross
Meldung:
6.2.1941
Krankenhaus Bad Ischl
gest.
22.2.1942
1 Uhr 30
Todesursache:
Lungenentzündung
unehelich
Anneliese ist ein kräftiges, großes Kind (3,75 kg/56 cm), doch bei der Geburt gibt es Komplikationen, das kleine Mädchen ist scheintot und muss wiederbelebt werden. Anschließend leidet das Kind an Fraisen. Folgeerscheinungen des schweren
324
Anneliese Linortnert/Karl Lipp
Lebensbeginns sind Darmprobleme, schlechte Nahrungsaufnahme, Lähmung aller vier Gliedmaßen, Behinderung der weiteren körperlichen und geistigen Entwicklung. Am 6.2.1941 meldet ein Arzt (sein Name ist unleserlich) vom Krankenhaus Am 20.11.1941
Am 22.2.1942
Bad Ischl den Säugling an den Reichsausschuss in Berlin. wird Anneliese in die Wr. Städt. Jugendfürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund" eingewiesen. Eine Tante bittet, sie zu verständigen, „wenn es dem Kind schlecht ginge, wolle sie es dann heimnehmen ". stirbt das einjährige Mädchen an Lungenentzündung.
LIPP Karl
AZ152/44
geb.
14.4.1943
eingewiesen durch:
NSDAP, Kreis Ottakring
Wien
aufgenommen:
22.8.1944
Aufnahmeuntersuchung:
2.8.1944
Dr. E. Illing
gest.
3.9.1944
10 Uhr 30
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
ehelich
Pav. 15/Sgl.
Der kleine Karl leidet an krampfartigen Anfällen. Sein Vater ist eingerückt, die Mutter muss sich wiederholt in Spitalsbehandlung begeben. Die Großmutter kann die Pflege des Kindes nicht übernehmen. Uber die Leitung der Hauptstelle der Wohlfahrtspflege und Jugendhilfe wird das Kleinkind in die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder gebracht. Am 22.8.1944
Am 1.9.1944
Am 3.9.1944
wird Karl im Pav. 15 aufgenommen und noch am selben Tag von Dr. E. Illing untersucht. Er ist „wegen starker Luminalwirkung neurologisch nur objektiv untersuchbar...". ist das Kind auch „psychisch wegen Luminalwirkung und hochfieberhafien Zustandes nicht beurteilbar..." Die Fieberkurve zeigt 40,6 Grad, Krampfanfälle dauern bis zu 1 Vi Stunden. stirbt der kleine Bub am Vormittag an Lungenentzündung.
325
Johann Lippert
LIPPERT Johann
AZ102/41
geb.
8.6.1931
eingewiesen durch:
Heil- u. Pflegeanstalt Gugging
Parndorf
aufgenommen:
20.5.1942
Pav. 17/Bu.
Dez. 1942
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
23.5.1942
Dr. H . Gross
Meldung:
31.5.1942
gest.
22.1.1943
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
ehelich
18 Uhr
Johann befindet sich von Juli 1940 bis 20.5.1942 in der Heil- und Pflegeanstalt in Gugging. Das anfangs gutmütige und anhängliche Kind wird während des Aufenthaltes in der Anstalt sehr unruhig und entwickelt Angst und Ablehnung dem Pflegepersonal gegenüber. Am 20.5.1942 wird der Bub in die Wr. Städt. Fürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund" überstellt. Er befindet sich „in einem herabgesetzten Ernährungszustand". Bald nimmt Johann regen Anteil an den Vorgängen seiner Umgebung, sucht Kontakt mit anderen Kindern und ist gerne in der Nähe der Schwester. Auch erfüllt er Aufträge bei der täglichen Reinigung in der Abteilung wie Aufreiben, Bettenlüften, Zusammenkehren usw. Am 17.9.1942
schreibt eine Schwester im Tagesbericht u. a.: „Er ist jetzt der Liebling der Abteilung..." Am 30.12.1942 steht in einem weiteren Schwesternbericht u. a.: „Er ist der Schwester auch sonst gerne behilflich. Wenn es an der Türe klopfi, springt er gleich mit dem Schlüssel hin um sie aufzusperren ... die Regel der einfachen Kreisspiele fasst er richtig auf und beteiligt sich auch gern daran..." Doch Dr. H. Gross hat bereits am 23.8.1942 im Protokoll festgehalten: „Nach ärztlicher Voraussicht wird er dauernd nicht arbeitsverwendungsfähig bleiben ..." Ende Dezember 1942 wird Johann in das Parterre des Pav. 15 verlegt. Am 10.1.1943 verschlechtert sich das Allgemeinbefinden. Am 23.1.1943 stirbt das Kind an Lungenentzündung.
32 6
Emil Lochner/Johann Loci
LOCHNER EmÜ geb.
AZ153/44 9.5.1939
Prokstedt/Schleswig Holstein ev.
eingewiesen durch:
Reichsstatthalter N D .
aufgenommen:
19.12.1944
Pav. 15 /Sgl.
Aufnahmeuntersuchung:
20.12.1944
Dr. M . Türk
Meldung:
30.12.1944
Dr. E. Illing
gest.
25.2.1945
16 Uhr 30
Todesursache:
Grippe-Lungenentzündung
ehelich
Emil ist das erste Kind einer Rückwandererfamilie aus dem Banat. Nach einer schweren Zangengeburt ist das Kind scheintot und muss „abgeschlagen" werden. In der Folge entwickelt es sich motorisch und geistig nur sehr langsam. Im Alter von 5 '/2 Jahren wird Emil in die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder eingewiesen. Am 30.12.1944 meldet Dr. E. Illing an den Reichsausschuss in Berlin u. a., dass das Kind „dauernd völlig hilflos undpflegebedürftig" sein wird. vermerkt Dr. M. Türk im Tagesprotokoll u. a.: „singtgelegentlich, macht vergnügten Eindruck..." Nach einer Encephalografie erkrankt das Kind an Bronchitis und hat hohes Fieber. Die Nahrungsaufnahme wird schlechter. Am 25.2.1945 stirbt Emil an Grippe-Lungenentzündung. Am 2.1.1945
LOCI Johann geb.
A Z 191/44 15.5.1944
Wien
eingewiesen durch:
Fürsorgeklinik Wien 18
aufgenommen:
30.9.1944
Aufnahmeuntersuchung:
3.10.1944
Dr. M . T ü r k
Meldung:
9.10.1944
Dr. E. Illing
gest.
10.11.1944
8 Uhr 30
Todesursache:
Allgemeine Lebensschwäche
r.k.
ehelich
Pav. 15/Sgl.
Johann wird als Zwillingskind zwei Wochen zu früh geboren. Am 30.9.1944 wird der kleine Bub in der Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder im Pav. 15 aufgenommen und der üblichen Untersuchung un-
327
Johann Loci/Rosa Locsmandi
terzogen. Das Kind leidet an einem Hydrocephalus internus (= Wasserkopf mit vermehrter Ansammlung von Flüssigkeit in den Hirnkammern). „Es weint und schreit viel, macht gequälten Eindruck ... "hält Dr. M. Türk im Protokoll fest. Am 9.10.1944 meldet Dr. E. Illing an den Reichsausschuss in Berlin, dass eine Aussicht auf Heilung oder Besserung „vollständigausgeschlossen" sei. In der Folge verschlechtert sich das Allgemeinbefinden, das Kind nimmt nur mäßig Nahrung auf. Am 10.11.1944
stirbt Johann im Alter von 6 Monaten „plötzlich " an „allgemeiner Lehensschwäche ". Die Obduktion ergibt zusätzlich eine „Hirnhautentzündung", die sich „klinisch nicht bemerkbar gemacht hatte", wie Dr. M. Türk im Protokoll festhält.
LOCSMANDI Rosa
A Z 421/43
geb.
7.2.1943
eingewiesen durch:
Fürsorgeanstalt Wien 18/KÜST
Wien
aufgenommen:
4.1.1944
Pav. 15
Meldung:
8.3.1944
Dr. E. Illing
gestorben:
8.3.1944
20 Uhr 45
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
unehelich
Obdachlosigkeit der Mutter, die als Landarbeiterin bei ihren Dienstgebern wohnt und das Kind nicht mitnehmen darf, ist der Grund für die Einlieferung der kleinen Rosa in die Wr. Städt. Nervenklinik fur Kinder. Am 4.1.1944 wird das Mädchen im Alter von 11 Monaten im Pav. 15 aufgenommen. Motorisch und geistig ist es seinem Alter entsprechend noch „rückständig". Am 8.3.1944 meldet Dr. E. Illing an den Reichsausschuss in Berlin, dass es „keine Aussicht auf Besserung oder Heilung" gibt. Am Abend desselben Tages stirbt Rosa an doppelseitiger Lungenentzündung.
328
Martha Loibl
LOIBL Martha
AZ189/44
geb.
6.7.1929
eingewiesen durch:
Bezirksgesundheitsamt Wien 16
Wien
aufgenommen:
29.9.1944
Aufnahmeuntersuchung:
2.10.1944
Dr. M . Türk
Meldung:
4.10.1944
Dr. E. Illing
gest.
25.10.1944
7 U h r 30
Todesursache:
geschwürige Darmentzündung
r.k.
unehelich
Pav. 15/Kr.
Um die Schwangerschaft zu verbergen, schnürt sich die Mutter sehr stark ab. Martha wird in Steißlage geboren, ist scheintot und muss „abgeschlagen" werden. Das Kind ist sehr zart, die vier Gliedmaßen sind verkrümmt. Obwohl das Mädchen von der Großmutter liebevoll gepflegt wird, bleibt es geistig, motorisch und im Längenwachstum zurück. Als die Großmutter im September 1944 stirbt, wird Martha über das zuständige Bezirksgesundheitsamt in die geschlossene Abteilung der Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt eingewiesen. Am 29.9.1944 wird sie „zuständigkeitshalber" auf Pavillon 15 der Wr. Städt. Nervenklinik fur Kinder überstellt. Am 2.10.1944 wird das bis „zum Skelett abgemagerte" Kind von Dr. M. Türk untersucht. Am 4.10.1944 Am 25.10.1944
meldet Dr. E. Illing an den Reichsausschuss in Berlin u. a.: „Aussicht auf Besserung oder Heilung völlig ausgeschlossen ...". stirbt das 15-jährige Mädchen während der Morgenstunden an geschwüriger Darmentzündung.
329
Willi Lorsch
LÖRSCH WiUi geb.
AZ182/43 25.7.1928
Oberlar b. Troisdorf r.k.
ehelich
eingewiesen durch:
Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt Wien
aufgenommen:
16.7.1943
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
28.7.1943
Dr. M . Türk
(von St. Josefshaus Hardt b. Mönchengladbach)
Meldung (Bericht):
29.7.1943
Dr. E. Illing
gest.
13.9.1943
23 Uhr 30
Todesursache:
Lungenentzündung
Willi hat von Geburt an bis zum 10. Lebensjahr täglich mehrere „Anfälle", die bis dahin nie medizinisch geklärt worden sind. Inzwischen stirbt die Mutter, und der Bub kann zu Hause nicht mehr gepflegt werden. Er wird in das St. Josefshaus in Hardt bei Mönchengladbach eingewiesen und verbringt dort 1 Jahr. Am 21.5.1943 wird Willi mit einem Sammeltransport nach Wien in die Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt gebracht. Von dort wird das Kind am 16.7.1943
„einvernehmlich von Pavillon 18 auf Pavillon 15 der Nervenklinik für Kinder überstellt". Am 29.7.1943 berichtet Dr. E. Illing an den Reichsausschuss in Berlin, dass „keine Bildungsfdhigkeit bestünde". Während des Aufenthaltes in der Nervenklinik können keine Krampfanfälle beobachtet werden. Aber das Kind erkrankt am 12.9.1943 an einer katarrhalischen Lungenentzündung, das Allgemeinbefinden ist sehr schlecht. Am 13.9.1943 ergeht eine „Schlechtmeldung"an den Vater. In der Nacht stirbt Willi im Alter von 15 Jahren an Lungenentzündung. Die Obduktion ergibt zusätzlich: „ Chronische Hirnhautentzündung".
Hans Lötz/Anna Luise Lübcke
33°
AZ127/43
LÖTZ Hans geb.
8.12.1941
eingewiesen durch:
KÜST
Wien
r.k.
aufgenommen:
18.6.1943
Pav.15/1
Aufnahmeuntersuchung:
21.6.1943
Dr. M . Türk
gest.
22.6.1943
11 U h r
Todesursache:
Lungenentzündung, erhöhter Hirndruck
ehelich
Hans leidet an spastischer Lähmung der gesamten Muskulatur und an zeitweise schweren Krampfzuständen. Die behandelnde Kinderärztin erstattet Anzeige an das zuständige Gesundheitsamt gemäß der Verordnung zur Ausführung des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 5.12.1933. Sie fordert die Abgabe des Kindes in die Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder „Am Spiegelgrund". Über die Kinderübernahmsstelle wird der kleine Hans am 18.6.1943 im Pavillon 15 aufgenommen. Am 21.6.1943 erfolgt die Aufnahmeuntersuchung durch Dr. M. Türk. Das Am 22.6.1943
Kind hat „plötzlich 40 Grad Fieber " und schwere Krämpfe. stirbt das Kleinkind am Vormittag an Lungenentzündung und erhöhtem Hirndruck.
A Z 302/43
LÜBCKE Anna Luise geb-
3.1.1934
Hamburg
evang.
ehelich
eingewiesen durch:
Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt Wien
aufgenommen:
25.9.1943
Pav. 15/Kr.
Aufnahmeuntersuchung:
27.9.1943
Dr. M . Türk
Meldung (Bericht):
30.10.1943
Dr. E. Illing
gest.
13.1.1944
4 U h r 15
Todesursache:
Grippe, Lungenentzündung
(aus d. Alsterdorfer Anstalten Hamburg)
Bei Anna Luises Geburt gibt es schwere Komplikationen. Erst nach 20 Minuten erholt sich das Kind und beginnt zu schreien. Als Folge bleiben spastische Lähmungserscheinungen in allen vier Gliedmaßen, die die weitere motorische Entwicklung stark beeinträchtigen. Mit 2 V2 Jahren wird das Kind in den Alsterdorfer
Anna Luise Liibcke
331
Anstalten aufgenommen. Es kann nicht sitzen und sich nicht alleine aufrichten. Im Krankenbericht vom 25.8.1936 ist festgehalten: „... sie weint zeitweise sehr, scheinbar leidet sie an Heimweh ...". Während des siebenjährigen Aufenthaltes in der Anstalt finden sich in den Protokollen des Krankheitsverlaufes Eintragungen, nach denen man sich ein gutes Bild des Kindes machen kann. Es dürfte wenig oder gar keine Abwehrkräfte gegen Infektionen haben. Im Laufe der Jahre macht das kleine Mädchen viele Erkrankungen durch (Kehlkopfentzündung, Bronchitis, Magenschleimhautentzündung, Lungenentzündung usw.). Immer wieder erholt sich das Kind und wird von einer Krankenstation zur anderen verlegt. Am 5.8.1938
findet sich folgende Eintragung: „Patientin ist im allgemeinen recht lebhaft. Sie beobachtet ihre Umgebung genau und versucht alles nachzuahmen. Mit ihren Puppen beschäftigt sie sich gern und unterhalt sich mit ihnen ... nach dem Besuch ihrer Mutter weinte sie sehr und redete kein Wort..." Am 26.3.1941 steht: „Sie kann gut sprechen, beobachtet alles und erzählt ihrem Besuch, was sich in der Abteilung zuträgt..." Aus einem Spielschulbericht geht hervor: 20.4.1942 ,Ληηα Luise besucht seit einiger Zeit die Spielschule, hat Freude da-
12.10.1942
ran. Sie liegt auf einem Liegestuhl und beobachtet ihre Umgebung ganz genau. Sie ist immer vergnügt und zufrieden, hört gern Musik und beteiligt sich gern am Gesang von kleinen Liedern. Sie folgt aufmerksam dem Erzähler von Geschichten und dem Zeigen von Bildern. Sie kann gut sprechen." „Patientin ist Liegekind, ganz pflegebedürftig, muss gefuttert wer-
den. Tag und Nacht sauber. Sie ist ein zufriedenes, dankbares Kind, hat ein gutes Gedächtnis und kann dadurch oft andere an etwas erinnern." Am 16.8.1943 wird das Kind „wegen schwerer Beschädigung der Anstalten durch Flieger-Angriff "mit einem Sammeltransport nach Wien verlegt. Hier wird es vorerst in der Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt aufgenommen. Am 25.9.1943 erfolgt die Uberstellung in die Wr. Städt. Nervenklinik fur Kinder. Zwei Tage später wird Anna Luise von Dr. M. Türk untersucht. Sie hält im Protokoll fest: „Ein im Längenwachstum beträchtlich zurückgebliebenes Mädchen, welches in Rückenlage gelähmt im Bettchen liegt und nicht imstande ist, den Kopf zu heben oder sich aufzusetzen. Das Kind bewegt sich wenig, die Bewegungen sind steifund ungeschickt ... im Hinblick auf die schweren körperlichen Defekte und das anscheinend
332
Anna Luise Lübcke
geringe Sehvermögen, sind die geistigen Fähigkeiten des Kindes erstaunlich gut. Es hat ein besonders gutes Kontaktvermögen, versteht alles, was man zu ihm spricht... der Sprachsatz des Kindes ist sehr reichlich, es drückt sich recht geschickt in verhältnismäßig langen Sätzen aus. Das Kind ist über seine Behinderung und seine Eltern gut orientiert. Es erzählt sogar von den Fliegerangriffen in Hamburg und erkundigt sich, ob die Wohnung der Besucherin auch schon kaputt sei. Es ist überaus wissbegierig und erkundigt sich bei den jeweils anwesenden Personen um alles Mögliche. Es weiß auch Bescheid über seine Lähmung und sonstigen körperlichen Defekte. Singt Melodien langsam, aber richtig. "Zusammenfassung: „Es handelt sich um eine geburtstraumatische Hirnschädigung (cerebrale Kinderlähmung) mit schweren spastischen Lähmungen, bei beidseitig angeborenem Star. Relativ guter geistiger Entwicklungszustand". Am 30.10.1943
berichtet Dr. E. Illing an den Reichsausschuss in Berlin u. a.:
„ Obwohl die Persönlichkeit weitgehend erhalten ist, ist bei der Schwere des körperlichen Zustandes eine schulische oder praktische Bildungsfähigkeit sowie auch nur die geringste Arbeitsverwendungsmöglichkeitfiir später auszuschließen." Schreiben der Mutter von Anna Luise an die Wagner v. Jauregg Heil- u. Pflegeanstalt in Wien vom 30. Nov. 1943:
Vor längerer Zeit bekam ich Bescheid, dass meine Tochter Anna Luise Lübcke von Ihrem Heim verlegt worden ist, und diese Adresse ist mir leider verloren gegangen bei einem neuen Quartierwechsel. Habe schon drei mal geschrieben; aber immer keine Antwort erhalten, es ist doch immer mein Kind, und ich möchte nicht in Ungewissheit bleiben über ihr Ergehen. Da wir uns immer um unser Kind in Hamburg gekümmert haben, bitte ich doch höflichst um baldige Antwort mit der neuen Adresse. Mit deutschem Gruß Unterschrift und neue Adresse der Mutter Antwortschreiben von Dr. Illing an die Mutter von Anna Luise am 13. Dez. 1943:
Ihr Töchterchen Anna Luise befindet sich seit 25. Sept. 1943 in der hiesigen Klinik. Ihr Schreiben vom 30. Nov. ist das einzige, das bisher hierher gelangt ist. Nur die Kleine hat einmal ein Päckchen mit Naschwerk und einer Karte bekommen, das in der Wagner v. fauregg Heil und Pflegeanstalt abgegeben worden ist. Sie hat sich darüber herzlich gefreut. Einmal ist sie von einer Diakonisse, die siefrüher in Pflege hatte, besucht worden. Anna geht es ihrem schweren Leiden entsprechend verhältnismäßig gut. Sie lässt Sie herzlich grüßen. Unterschrift Dr. E. Illing
Anna Luise Lubcke
333
Brief der Mutter an Anna Luise anlässlich des Weihnachtsfestes 1943: Meine liebe Anneliese! Du sollst doch von deiner Mutti einen herzlichen Gruß haben, zu Weihnachten ist es ja nichts geworden, da Mutti so spät deine neue Adresse bekam; aber meine Gedanken waren immer bei Dir, besonders am Heiligen Abend wie der Baum brannte und unser Papa unerwartet auf Urlaub kam. War bei Dir auch der Weihnachtsmann und hast du Du Post bekommen von Tante Emma aus Alsterdorf Meine liebe Anneliese, wenn Mutti es möglich machen kann um Heidi und Klaus unterzubringen, dann kommt Mutti bald zu Dir, das wird dann eine große Freude werden; sonst kommt eine Tante zu Dir hin aus Gunthirn, deren Sohn in Wien liegt und verwundet ist und bringtfür meine Anneliese von ihrer Mutti und Papa ein Paket mir lauter guten Sachen. Nun meine liebe Anneliese, lass es Dir weiterhin gut gehen und sei schön brav bis wir uns Wiedersehen können; das wünscht sich von ganzen Herzen Deine Mutti, Papa, Klaus und Heidi. Einen herzlichen Gruß und herzlichen Dank an die Herren Arzte und Schwestern, die in dieser schweren Zeit mein Kind betreuen. Mit deutschem Gruß Unterschrift u. Adresse der Mutter Am 12.12.1943
erlcrankt das Kind an Grippe und fiebert hoch,
A m 15.12.1943
schreibt Dr. M . Türk ins Tagesprotokoll: „Ruhig, geduldig zufrieden. Freut sich, wenn man mit ihr spricht, oder wenn sie Nachricht von daheim bekommt. Völlig hilflos und pflegebedürftig".
A m 6.1.1944
verschlechtert sich das Allgemeinbefinden. Die Mutter wird verständigt.
Schreiben von Dr. M. Türk an die Mutter von Anna Luise am 6. Jan. 1944: Ihr Töchterchen Anna Luise ist, nachdem es die Weihnachtsfeiertage noch gut verbracht hat, in den letzten Tagen an einer schweren Grippe erkrankt. Der Zustand ist als ernst zu bezeichnen. Unterschrift Dr. Marianne Türk A m 12.1.1944
gelingt es der Mutter, zu Besuch zu kommen.
A m 13.1.1944
stirbt Anna Luise in den frühen Morgenstunden an Lungenentzündung im Alter von 10 Jahren.
Juliane Ludwig
334
A Z 254/44
LUDWIG Juliane
geb.
31.7.1934
eingewiesen durch:
Umsiedlungslager Wieselburg/Erlauf
aufgenommen:
19.12.1944
Aufnahmeuntersuchung:
20.12.1944
Dr. M . Türk
Meldung:
28.12.1944
Dr. E. Illing
gest.
1.3.1945
18 Uhr 15
Todesursache:
Lungenentzündung, allgemeiner Kräfteverfall
Pantschowa (Banat) r.k.
ehelich
P a v · 15/Kr.
Die ersten 2 Vi Jahre entwickelt sich Juliane altersentsprechend. Plötzlich erkrankt sie an Hirnhautentzündung. In der Folge hört sie auf zu sprechen, und auch die motorische Entwicklung geht zurück. Dazu kommen krampfartige Anfälle. Das Mädchen ist das fünfte Kind einer Volksdeutschen Familie aus dem Banat. Uber das Amt des Umsiedler-Gesundheitsdienstes wird der Lagerarzt des Umsiedlerlagers aufgefordert, die Überstellung des Kindes in die Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder zu veranlassen. Am 19.12.1944 wird Juliane im Pavillon 15 aufgenommen und am nächsten Tag von Dr. M. Türk untersucht. Das Mädchen ist 12 kg untergewichtig und hat Lähmungen in den Beinen. Es kann weder gehen noch stehen und leidet zusätzlich unter Muskelschwund. In der Folge verschlechtern eine eitrige Mittelohrentzündung und die Erkrankung an Feuchtblattern das Allgemeinbefinden des Kindes. Am 15.1.1945
vermerkt Dr. M. Türk im Tagesbericht: „Sehr mangelhafte Nahrungsaufnahme. Kachexie (= Kräfteverfall) fortschreitend." Am 18.1.1945 wird es einer lumbalen Encephalografie unterzogen. Dazu kommen hohes Fieber und Bronchitis. Die krampfartigen Anfälle häufen sich plötzlich bis zu 18-mal am Tag. Am 1.3.1945
stirbt Juliane während der Abendstunden an Lungenentzündung und hochgradigem allgemeinem Kräfteverfall.
Friedrich Lukas/Nadda Luketa
335
LUKAS Friedrich
A Z 216/44
geb.
16.io.1944
eingewiesen durch:
Frauenhospiz/ K U S T
Wien
aufgenommen:
8.11.1944
Pav. 15/Sgl.
Aufnahmeuntersuchung:
9.11.1944
Dr. M . Türk
gest.
19.Ii.1944
zi Uhr 30
Todesursache:
Allgemeine Lebensschwäche
r.k.
ehelich
Der kleine Friedrich wird zu früh geboren. Das Kind ist mongolid und wird zwei Wochen nach der Geburt, am 8.11.1944
vom Frauenhospiz in die Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder überstellt. Es ist sehr schwach, wird häufig blau und hat Untertemperatur. Die Nahrungsaufnahme ist schlecht.
Am 19.11.1944
stirbt der Säugling in der Nacht an allgemeiner Lebensschwäche.
LUKETA Nadda
A Z 493/43
geb.
3.11.1942
eingewiesen durch:
Städtische Fürsorgenklinik Wien 18/KÜST
Wien
aufgenommen:
9.3.1944
Aufnahmeuntersuchung:
10.3.1944
Dr. M . Türk
Meldung:
24.10.1944
Dr. E. Illing
gest.
15.12.1944
8 Uhr 30
Todesursache:
Bronchitis - Lungenentzündung
r.k
ehelich
Pav. 15/Sgl.
Die Familie stammt aus Kroatien. Weder Vater noch Mutter verstehen deutsch. Mittel· und Obdachlosigkeit ist der Grund, weshalb Nadda am 9.3.1944 in die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder eingewiesen wird. Das Kind hat weder Sprech- noch Sprachvermögen. Liegt meist in Rückenlage im Bettchen, es nimmt kaum Anteil an der Umgebung. Während der Untersuchungen schreit es „ohne ersichtlichen Grund", wie Dr. M. Türk im Protokoll festhält. Eigentlich kann medizinisch keine klare Diagnose erstellt werden. Inzwischen ist der Vater wieder in seine Heimat zurückgefahren. Die Mutter, die wegen einer Stillpsychose in klinischer Behandlung war, ist wieder entlassen worden. Sie hat Arbeit gefunden und besucht ihr Töchterchen öfters.
336
Nadda Luketa/Kurt Lung
Am 24.10.1944
meldet Dr. Ε. Illing nach Berlin an den Reichsausschuss die „voraussichtliche Bildungs- und Arbeitsunfähigkeit" des Kindes. Am 7.12.1944 erkrankt das kleine Mädchen an Bronchitis und fiebert hoch. In der Folge verschlechtert sich das Allgemeinbefinden, die „Nahrungsaufnahme ist mangelhaft". Am 14.12.1944 ist „zunehmende Schwäche " vermerkt. Am 15.12.1944 stirbt Nadda im Alter von 2 Jahren an Bronchitis und Lungenentzündung.
LUNG Kurt
A Z 387/43
geb.
24.10.1942
eingewiesen durch:
KÜST/Wien 9
Wien
aufgenommen:
30.11.1943
Aufnahmeuntersuchung:
30.11.1943
Dr. M . Türk
gest.
12.1.1944
1 Uhr
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
unehelich
Pav. 15/Sgl.
Die Mutter befindet sich mit dem Säugling in einem Arbeitshaus. Das Bezirksjugendamt stellt am 4.5.1943 den Antrag auf Übernahme des Kindes in Pflege der Stadt Wien, denn es gibt niemand in der Familie, der den kleinen Buben beaufsichtigen könnte, da die Mutter wieder eine Arbeitsstelle annehmen muss. „Es wird Beobachtung auf der Wr. Städt. Nervenklinik f . Kinder vorgeschlagen, zwecks Feststellung ob eine Unterbringung bei einer Pflegepartei noch in Frage kommt, oder ob Anstaltsunterbringung der Vorzug zu geben wäre. " Am 30.11.1943 wird Kurt im Pavillon 15 aufgenommen und noch am selben Tag von Dr. M. Türk untersucht. Diese hält im Protokoll fest: „... ein im Längenwachstum etwas zurückgebliebenes, zartes Kind, das motorisch beträchtlich zurückgeblieben ist. Das Kind sitzt noch nicht frei, kann sich jedoch mit Anhalten kurze Zeit in sitzender Stellung halten. Es kann im Bett auf allen Vieren kriechen, zum Stehen fehlt noch jeder Ansatz ... Das Kind fixiert, greif nach vorgehaltenen Gegenständen und beschäfigt sich recht intensiv damit. Es holt sich ein Spielzeug auch aus einiger Entfernung zu sich heran. Beschäfigt sich auch mit zwei Dingen gleichzeitig... Gesicht rundlich, recht nett im Ausdruck ...".
KurtLung/Cacilia Maier
337
Am 19.12.1943 erkrankt Kurt an Bronchitis und fiebert hoch. In der Folge erbricht er sehr oft: und hat vermehrt dünnen Stuhl. In der Zwischenzeit hat das Kind stark an Gewicht verloren. Das Allgemeinbefinden verschlechtert sich, die Nahrungsaufnahme ist schlecht. Am Ii.1.1944 Am 12.1.1944
schreibt die Ärztin ins Protokoll: „Kindschon sehr hinfallig". stirbt das Kleinkind an Lungenentzündung.
MAIER Cacilia
A Z 388/42
geb.
16.2.1928
eingewiesen durch:
Landrat Kreis Hartberg/Steiermark
aufgenommen:
Graz
18.11.1942
Pav. 17/Bu.
7.1.1943
Pav. 15/P.
r.k.
Aufnahmeuntersuchung:
4.12.1942
Dr. M. Türk
Meldung:
16.9.1942
Amtsarzt des
gest.
9.3.1943
Todesursache:
Schwere Darm- und Lungenentzündung
unehelich
Staad. Gesundheitsamtes Hartberg 18 Uhr 30
Cacilia wächst bei einer Pflegefamilie auf. Das Kind ist mongolid und motorisch sowie geistig „zurückgeblieben ". Am 16.9.1942 ergeht durch den zuständigen Amtsarzt des Landrates des Kreises Hartberg die Meldung an den Reichsausschuss in Berlin, verbunden mit dem Antrag auf „entsprechende Anstaltseinweisung". Am 18.11.1942 wird das Mädchen zunächst im Pavillon 17 der Wr. Städt Nervenklinik fur Kinder aufgenommen. Am 16.2.1943 vermerkt Dr. E. Illing in einem Gutachten u. a.: „Eine spätere Arbeitsverwendungsfdhigkeit ist mit Sicherheit auszuschließen ". fiebert das Kind hoch, hat schweren Durchfall und wird isoliert. In der Folge verschlechtert sich das Allgemeinbefinden, das Kind schläft dauernd, nimmt keine Flüssigkeit zu sich. Am 9.3.1943 stirbt Cäcilia an schwerer Darmentzündung. Am 4.3.1943
KurtLung/Cacilia Maier
337
Am 19.12.1943 erkrankt Kurt an Bronchitis und fiebert hoch. In der Folge erbricht er sehr oft: und hat vermehrt dünnen Stuhl. In der Zwischenzeit hat das Kind stark an Gewicht verloren. Das Allgemeinbefinden verschlechtert sich, die Nahrungsaufnahme ist schlecht. Am Ii.1.1944 Am 12.1.1944
schreibt die Ärztin ins Protokoll: „Kindschon sehr hinfallig". stirbt das Kleinkind an Lungenentzündung.
MAIER Cacilia
A Z 388/42
geb.
16.2.1928
eingewiesen durch:
Landrat Kreis Hartberg/Steiermark
aufgenommen:
Graz
18.11.1942
Pav. 17/Bu.
7.1.1943
Pav. 15/P.
r.k.
Aufnahmeuntersuchung:
4.12.1942
Dr. M. Türk
Meldung:
16.9.1942
Amtsarzt des
gest.
9.3.1943
Todesursache:
Schwere Darm- und Lungenentzündung
unehelich
Staad. Gesundheitsamtes Hartberg 18 Uhr 30
Cacilia wächst bei einer Pflegefamilie auf. Das Kind ist mongolid und motorisch sowie geistig „zurückgeblieben ". Am 16.9.1942 ergeht durch den zuständigen Amtsarzt des Landrates des Kreises Hartberg die Meldung an den Reichsausschuss in Berlin, verbunden mit dem Antrag auf „entsprechende Anstaltseinweisung". Am 18.11.1942 wird das Mädchen zunächst im Pavillon 17 der Wr. Städt Nervenklinik fur Kinder aufgenommen. Am 16.2.1943 vermerkt Dr. E. Illing in einem Gutachten u. a.: „Eine spätere Arbeitsverwendungsfdhigkeit ist mit Sicherheit auszuschließen ". fiebert das Kind hoch, hat schweren Durchfall und wird isoliert. In der Folge verschlechtert sich das Allgemeinbefinden, das Kind schläft dauernd, nimmt keine Flüssigkeit zu sich. Am 9.3.1943 stirbt Cäcilia an schwerer Darmentzündung. Am 4.3.1943
338
Anna Maisenberger
MAISENBERGER Anna
A Z 33/43
geb.
21.5.1940
eingewiesen durch:
Reichsstatthalter Oberdonau
aufgenommen:
19.4.1943
Pav. 15/1
Aufnahmeuntersuchung:
21.4.1943
Dr. M . Türk
Meldung:
23.4.1943
Dr. E. Illing
gest.
3.6.1943
18 Uhr 20
Todesursache:
Lungenentzündung
Ibm b. Eggelsberg/OD. r.k.
ehelich
Anna leidet an Little'scher Krankheit (Entbindungslähmung), wie der zuständige Gemeindearzt feststellt. In einem Gutachten schreibt er unter anderem „... Heilbarkeit kommt nicht in Frage, vielleicht Besserung des Zustandes durch aktive undpassive Bewegungsübungen, eventuell durch chirurgische Maßnahmen, alles aber unwahrscheinlich . . . " denn die Familie ist sehr arm, wie aus einem besorgten Schreiben des Vaters von der Front hervorgeht. Sie kann sich keine ärztlichen Behandlungen leisten. Der Gemeindearzt stellt den Antrag an den zuständigen Gaufürsorgeverband für Anstaltsunterbringung des behinderten Kindes. Der Bürgermeister der Gemeinde wird beauftragt, sich um die Uberstellung des kleinen Mädchens in die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder zu kümmern. Am 19.4.1943
Am 23.4.1943
Am 3.6.1943
wird Anna im Pav. 15 aufgenommen und zwei Tage später von Dr. M. Türk untersucht. Das zarte Kind wehrt sich mit allen Kräften und umklammert stoppend den Arm der Ärztin. meldet Dr. E. Illing an den Reichsausschuss in Berlin die „vollständige dauernde Pflegedürftigkeit" des Kindes. In der Folge wird Anna völlig teilnahmslos, fiebert hoch, das Allgemeinbefinden verschlechtert sich zunehmend. stirbt das 3-jährige Mädchen an Lungenentzündung.
Gunther Mann/Kurt Mannert
339
MANN Günther
A Z 319/43
geb.
13.3.1943
eingewiesen durch:
Kinderklinik Glanzing
Olmütz
aufgenommen:
12.10.1943
Pav. 15/Sgl.
Aufnahmeuntersuchung:
13.10.1943
Dr. M . Türk
Meldung:
14.10.1943
Dr. E. Illing
gest.
9.11.1943
2 Uhr
Todesursache:
Lungenentzündung
ehelich
Günther ist mongolid. Er ist ein kleines, „dickes", gut gepflegtes Kind. Über die Kinderklinik Glanzing wird er in die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder eingewiesen. Am 12.10.1943
wird der Säugling im Pav. 15 aufgenommen.
Am 14.10.1943
meldet der Dr. E. Illing an den Reichsausschuss nach Berlin: „Hochgradige, motorische und geistige Rückständigkeit... sichtlich nie hildungs- und
Am 24.10.1943
voraus-
arbeitsfähig..."
erkrankt der kleine Bub u. a. an Bronchitis. In der Folge fiebert das Kind hoch, erbricht häufig, das Allgemeinbefinden verschlechtert sich. Die Mutter wird verständigt. Das Kind hat in der kurzen Zeit seines Aufenthaltes stark an Gewicht verloren.
Am 9.Ii.1943
stirbt Günther im Alter von 8 Monaten an Lungenentzündung.
MANNERT Kurt
A Z 163/44
geb.
4.12.1939
eingewiesen durch:
Reichsstatthalter Niederdonau
St. Pölten
aufgenommen:
8.9.1944
Pav. 15/Sgl.
Aufnahmeuntersuchung:
10.9.1944
Dr. M . Türk
Meldung:
27.1.1945
Dr. E. Illing
gest.
15.2.1945
10 Uhr 30
Todesursache:
Im status epilepticus
r.k.
ehelich
Der kleine Kurt leidet unter epileptiformen Anfällen (= dem epileptischen Anfall ähnlich), die sich mit zunehmendem Alter täglich bis zu 30 Mal wiederholen. Das Kind ist dabei kurz bewusstlos und sehr sturzgefährdet. Die Familie ist arm und
340
Kurt Mannert/Regina Markisch
wohnt in einer Baracke, wo ihr zwei Räume zur Verfugung stehen. Da noch zwei Kinder da sind, gelingt es der Mutter nicht immer, die „Wohnung" in Ordnung zu halten. Dies ist wahrscheinlich der Grund, weshalb die junge Frau kurzfristig in ein Arbeitshaus muss und die ganze Familie als „sozial- und erbbiologisch minderwertige ^/»/'abgestempelt wird. Am 8.9.1944 wird Kurt in die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder eingeliefert. Zwei Tage später nimmt Dr. M. Türk die Aufnahmeuntersuchung vor. Sie hält unter anderem im Protokoll fest: „... während der Untersuchung sehr scheu, verschreckt und ängstlich. Zeigtfortwährend aufseine Kleider, will sie anziehen um wieder wegzukommen. Er ist gegen Ende, als er wieder angekleidet wird, etwas freier. Spricht dann auch einige kleine Sätze, ζ. B. Schuhband ist ausgefadelt ...als das Kind in den Schlafiaal geführt wird, ist es sichtbar beruhigt und findet sein Bett..." Am 1.10.1944 erfolgt eine Encephalografie. Diese ergibt keinen Hinweis auf den von den Ärzten angenommenen Verdacht auf Tuberöse Sklerose. Am 8.12.1944
Am 19.12.1944 Am 15.2.1945
steht im Tagesbericht: „... hinkt, Rötung und Schwellung im Bereich der linken Gesäßbacke." Das Kind wurde vorher infiltriert (nähere Angaben sind den vorhandenen Unterlagen nicht zu entnehmen). In der Folge fiebert das Kind hoch - „Zunahme des Infiltrates"steht weiter im Bericht. i s t e s „vollständig zurückgegangen". setzen um 8 Uhr „große epileptische Anfälle" ein, sie dauern zweieinhalb Stunden. Um 10 Uhr 30 ist der kleine Bub tot.
MARKISCH Regina
AZ167/41
geb.
27.6.1930
eingewiesen durch:
Wien
r.k.
Spezial Kinderheim Pressbaum/KUST
aufgenommen:
4.8.1941
Aufnahmeuntersuchung:
27.8.1941
Dr. H. Gross
Meldung:
29.8.1942
Dr. E. Jekelius
gest.
8.1.1942
3 Uhr 15
Todesursache:
Lungenentzündung
unehelich
Regina verbringt die ersten Jahre ihres Lebens auf verschiedenen Pflegeplätzen, zuletzt im Spezial Kinderheim Pressbaum. Nach dessen Auflösung im August 1941
Regina Markisch/Irma Matejkowa
341
wird das Mädchen wegen „Obdach- u. Mittellosigkeit" der Mutter in die Wiener Städtische Jugendfürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund" überstellt. Am 27.8.1941 nimmt Dr. H. Gross die Aufnahmeuntersuchung vor. Im Protokoll hält er u. a. fest: „... Regina ist für ihr Alter körperlich annähernd entwickelt, der Ernährungszustand ist ausreichend ... während der Untersuchung zeigt das Kind bei passivem Lagewechsel Neigung zu zornigen Reaktionen, wobei es mit den Beinen strampelt und am ganzen Körper zittert... Nach der körperlichen Untersuchung ist das Kind viel zugänglicher, reagiert auf Zuruf und zeigt Interesse für die Umgebung..." Am 29.8.1941 meldet Dr. E. Jekelius an den Reichsausschuss in Berlin ohne nähere Begründung, dass „nach ärztlicher Ansicht eine Besserung oder Heilung nicht zu erwarten " sei. Am 8.11.1941 geht aus einem Tagesbericht von Schwester Erhart hervor: „Das Kind ist ängstlich und scheu, es spricht kein Wort ...Es fallt auf, dass das Mädchen nur den Erwachsenen so begegnet. Zu den Kindern ist esfreundlich, verträglich und läuft mit ihnen umher ..." Am 31.12.1941 wird Regina einer Encephalografie unterzogen. Anschließend Am 8.1.1942
erkrankt sie an Lungenentzündung und fiebert hoch. stirbt das 11 '/i-jährige Kind in den frühen Morgenstunden.
MATEJKOWA Irma
A Z 390/42
geb.
15.6.1942
eingewiesen durch:
Reichsstatthalter Oberdonau
Linz
aufgenommen:
23.Ii.1942
Pav. 15/Sgl.
Aufnahmeuntersuchung:
23.Ii.1942
Dr. M . Türk
gest.
19.1.1943
18 Uhr 30
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
unehelich
Irma ist eine „Frühgeburt", sie ist ein besonders zartes Kind und slowakischer Staatszugehörigkeit. Der Vater ist gefallen. Die Mutter wohnt in einer kleinen Baracke, wo sie das Baby nicht pflegen kann. Der Amtsarzt des zuständigen Bezirksfürsorgeverbandes stellt fest, dass das kleine Mädchen „sehr ungeschickt trinkt und sich dauernd verschluckt... und dass es voraussichtlich nicht heilbar"sei. Daraufhin stellt der Reichsstatthalter von Ober-
342
Irma Matejkowa/Elfriede Maunz
donau den Antrag auf Anstaltsunterbringung. An die Heilpäd. Klinik „Am Spiegelgrund" ergeht das Ersuchen, „... die eheste Einweisung in Ihre Anstalt bewilligen zu wollen, ... da die Unterbringung sehr dringend ist und mir keine geeignete Anstalt zur Verfügung steht...". Am 23.Ii.1942 wird die kleine Irma durch eine Amtsfürsorgerin des Stadtjugendamtes Linz nach Wien gebracht und im Pav. 15 aufgenommen. Noch am selben Tag findet die Aufnahmeuntersuchung durch Dr. M. Türk statt. Im Protokoll finden sich u. a. folgende Eintragungen: „Das $ Monate alte Kind bewegt sich lebhaft, die Bewegungen erscheinen noch ungesteuert, die Beinchen werden leicht gekreuzt gehalten ... das Kind fixiert nicht immer, doch zeitweise deutlich. Es schaut der Lichtquelle und vorgehaltenen Gegenständen nach. Es besieht die eigenen Finger, die es langsam bewegt. Es hält in die Hand gelegte Gegenstände fest ...es reagiert deutlich aufSchallreize ... auf den Bauch gelegt, kann es den Kopf gut heben. Die Angabe, die vom Bezirksjursorgeverband Linz über das Kind gemacht wurde, nämlich, dass es sich dauernd verschluckt und sehr ungeschickt trinkt, konnte hier bisher nicht bestätigt werden, das Kind hat bereits zwei Flaschen mit je 150 gr. Milch tadellos und rasch getrunken ohne sich zu verschlucken ..." Das Kind erkrankt an Bindehautentzündung und Schnupfen, nimmt stark an Gewicht ab, fiebert hoch und erbricht häufig. Am 19.1.1943 stirbt das 7 Monate alte Kind an Lungenentzündung.
A Z 451/41
MAUNZ Elfriede geb.
28.4.1941
Wien
eingewiesen durch:
KÜST
aufgenommen:
25.1.1943
Pav. 15/1
Aufnahmeuntersuchung.·
28.1.1943
Dr. H . Gross
Meldung:
30.3.1943
Dr. E. Illing
gest.
13.5.1943
18 U h r 30
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k..
unehelich
Elfriede ist ein Zwillingskind, das eine Stunde nach ihrem Bruder, der zu Hause entbunden wird, in einem Krankenhaus zur Welt kommt. Das kleine Mädchen wächst bis zum 5. Lebensmonat bei ihren Eltern mit weiteren 5 Geschwistern auf. Die Familie lebt in einer Baracke. Die Eltern werden geschieden, die Mutter lässt die Kinder verwahrlosen. Alle werden in Gemeindepflege übernommen.
Elfriede Maunz/Otto Mayer
343
Am 25.1.1943
wird die kleine Elfriede im Pav. 15 der Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder aufgenommen, nachdem sie, wie alle anderen Geschwister auch, auf verschiedenen Pflegeplätzen war.
Am 28.1.1943
erfolgt die Aufnahmeuntersuchung durch Dr. H. Gross. Im Protokoll fasst dieser zusammen: „... Körperlich, motorisch und geistig beträchtlich zurückgebliebenes Kind in herabgesetztem Ernährungszustand . . . " Es werden mehrere Untersuchungen durchgeführt. Inzwischen erkrankt das Kind an Durchfällen mit blutig-schleimigem Stuhl.
Am 11.5.1943
fiebert das Mädchen hoch, hat Bronchitis, aus der sich eine Lungenentzündung entwickelt.
Am 13.5.1943
stirbt das Kind unter zunehmender Kreislaufschwäche.
MAYER Otto
AZ130/43
geb.
13.3.1932
Hausbrunn/Niederdonau
eingewiesen durch:
Fr. Dr. Schwarzäugl Wien
aufgenommen:
5.2.1943
Pav. 17/Kr.
23.8.1943
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
5.8.1943
Dr. M . Türk
Meldung:
21.8.1943
Dr. M . Türk
gest.
31.8.1943
12 U h r 35
Todesursache:
Allgemeine Lebensschwäche
r.k.
ehelich
Otto wird als drittes Kind einer Gastwirtefamilie geboren. Er ist ein kräftiges Kind, das nach einer Verletzung durch die Hebamme 10 Minuten „abgeschlagen" werden muss, da es scheintot ist. Mit drei Jahren hat der kleine Bub „stille Fraisen" (= Zuckungen mit Schaum vor dem Mund), die mit Bewusstlosigkeit und Erstickungsgefahr verbunden sind. Sie treten ein- bis zweimal im Jahr auf. Inzwischen stirbt die Mutter, der Vater muss einrücken. Die ältere Schwester übernimmt die Pflege des behinderten Kindes. Am 5.2.1943 wird Otto durch die behandelnde Ärztin in die Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder eingewiesen. Zunächst verbringt das Kind einige Monate in der Krankenabteilung des Pavillons 17.
344
Otto Mayer/Ulrike Mayerhofen
Am 5.8.1943
erfolgt eine umfassende Untersuchung durch Dr. M. Türk: „Der Bub istfür sein Alter zu klein und sehr abgemagert. Er ist motorisch schwer gestört, kann sitzen und stehen, doch nur mit Unterstützung gehen. Er gibt keinerlei sprachliche Äußerungen von sich ..." Am 21.8.1943 meldet Dr. M. Türk „die dauernde vollständige Pflegebedürftigkeit" des Kindes an den Reichsausschuss in Berlin. In den darauf folgenden Tagen wird Otto körperlich noch schwächer, die Nahrungsaufnahme ist schlecht. Er erkrankt an einer Mittelohrentzündung, fiebert sehr hoch. Der Kräfteverfall verstärkt sich zusehends. Vater und Schwester besuchen das Kind täglich. Am 31.8.1943
ist Otto bereits 2 Vi Stunden tot, als ihn der Vater besuchen kommt.
MAYERHOFER Ulrike
AZ3/44
geb.
17.10.1938
eingewiesen durch:
Kinderheim St. Josef, Frischau b. Z n a i m / K U S T
Wien
aufgenommen:
1.4.1944
Pav. 15/Sgl.
Aufnahmeuntersuchung:
2.4.1944
Dr. M . Türk
Meldung:
10.5.1944
Dr. E. Illing
gest.
26.6.1944
17 U h r
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
ehelich
Ulrike wächst bis zum 2. Lebensjahr mit einem älteren Bruder in einem wohlbehüteten Elternhaus auf. Die Mutter hat als Lehrerin ihren Beruf aufgegeben, um sich mehr den eigenen Kindern widmen zu können. Der Vater ist Staatsanwalt, muss aber einrücken. Plötzlich bemerkt die Mutter, dass mit dem kleinen Mädchen etwas nicht stimmt, befragte Ärzte können keine klärende Diagnose erstellen. Erst in der Wiener Universitätskinderklinik stellt Dr. Asperger fest: „Es handelt sich um ein schwer autistisches, von außen her nur in sehr herabgesetztem Grade zugängliches Kind ...da das Kind zu Hause eine schwere Belastung bedeutet, wird vor allem mit Rücksicht auf das gesunde Geschwister Anstaltsunterbringung (Frischau) angeraten (9.10.1942)..." Daraufhin wird das kleine Mädchen in das St. Josefsheim in Frischau b. Znaim eingewiesen.
Ulrike Mayerhofer/Walter Mayr
345
Am i.4.1944
wird Ulrike in die Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder transferiert. Dr. M. Türk diagnostiziert u. a.: „Das Kind ist außerordentlich mager und schwächlich, es reagiert nicht auf Anrede, zeigt auch sonst keine Reaktion auf Schallreize, doch ist nicht sicher zu entscheiden, ob dies auf mangelndes Hörvermögen oder auf den geistigen Tiefitand zurückzufuhren ist... "
Am 10.5.1944
Am 21.6.1944
meldet Dr. E. Illing dem Reichsausschuss in Berlin u. a.: „Besserung oder Heilung völlig ausgeschlossen. "Ab nun wird das Kind nur mehr im Bett gehalten. Dort steht es dauernd „in einer Ecke". erkrankt Ulrike an Bronchitis, das Allgemeinbefinden verschlechtert sich zusehends, das Fieber steigt. In den darauf folgenden Tagen nimmt das Kind unter zunehmender Kreislaufschwäche keine Nahrung mehr zu sich. An die Mutter ergeht eine „Schlechtmeldung".
Am 26.6.1944
stirbt das Kind an Lungenentzündung.
MAYR Walter geb.
A Z 540/42 21.7.1941
Pichl/Kirchdorf gttgl.
eingewiesen durch:
Landrat Kreis Kirchdorf/Krems
aufgenommen:
12.3.1943
Pav. 15/1
Aufnahmeuntersuchung:
16.3.1943
Dr. M . T ü r k
Meldung:
16.3.1943
Dr. H. Gross
gest.
Ι
5 Uhr
Todesursache:
Lungenentzündung
7·4· Ι 943
ehelich
Walter ist ein „Nachzügler", er wird als fünftes Kind geboren, seine Geschwister sind bereits 21, 18, 11 u. 8 Jahre alt, alle sind gesund. Doch der kleine Bub entwickelt sich nicht so wie Kinder seines Alters. Der behandelnde Gemeindearzt von Windischgarsten nimmt Verbindung mit der Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder „Am Spiegelgrund" auf und ersucht um Aufnahme des Kindes. Am 28.1.1943 schreibt er an die Leitung der Anstalt: „Ich bitte um Vormerkungfür den kleinen Walter Mayr, ip Monate alt, Mikrocephalie mit Hydrocephalus, vollkommen stumpfsinnig, kann nicht sitzen noch sprechen, fixiert nicht usw. Seine Mutter, eine
346
Walter M a y r
arme brave Frau mit mehreren ganz normalen Kindern, die sich schwer durchs Leben schlägt, ist mit dem vollkommen nutzlosen Lebewesen sehr geplagt und in ihrer Arbeitsleistung gehemmt. Sie wäre sehr glücklich, wenn ihr das Kind abgenommen werden würde. "Postwendend erhält der Arzt die sofortige Zusage für die Aufnahme. Am 12.3.1943 wird Walter im Pav. 15 der Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder aufgenommen. Am 16.5.1943
nimmt Dr. M. Türk die Aufnahmeuntersuchung vor, und noch am selben Tag meldet Dr. E. Illing an den Reichsausschuss in Berlin „dauernde Pflegebedürftigkeit und keinerlei Einsatzfähigkeit zu erwarten...".
Am 29.3.1943
wird eine lumbale Encephalografie gemacht, daraufhin erbricht das Kind und fiebert hoch. In den nächsten Tagen verschlechtert sich das Allgemeinbefinden, das Fieber steigt auf 40°. Am 17.4.1943 stirbt Walter am Morgen an Lungenentzündung. Schreiben von Walters Mutter an die Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder vom 18.4.1943: „Besten Dankßir die traurige Nachricht von meinem kleinen Walter. Es fallt mir schon sehr schwer, aber man muss sich in das Unvermeidlichefugen. Konnte nicht einmal zum Begräbnis hinfahren, da mein Mann nicht ausreisen konnte und ich allein mich unmöglich zurecht finde. Ich bitte herzlich, mir doch Näheres von Walter zu berichten, ob er operiert wurde, oder an seinen Krämpfen starb." Mit Deutschem Gruß Unterschrift u. Adresse der Mutter Am 28.4.1943 antwortet Dr. M. Türk der Mutter: „Zu dem Tode Ihres Söhnchens Walter möchte ich Ihnen noch folgendes berichten. Das Kind hat den Pflegewechsel nicht erfasst, hat von Anfang an überhaupt nicht auf seine Umgebung reagiert und war völlig teilnahmslos. Es handelte sich um ein hirnorganisches Leiden mit krampfhaften Lähmungen aller vier Gliedmaßen und mit einem allgemeinen Entwicklungsrückstand höchsten Grades. Das Kind hätte voraussichtlich nie sitzen oder gehen, geschweige denn sprechen gelernt. Es hatte andauernd Krämpfe, die sich auch auf medikamentöse Behandlung nicht wesentlich besserten. Operiert wurde das Kind nicht, es wurde nur eine Röntgenaufnahme des Schädels mit Lufteinblasung vorgenommen, die dem Kind kaum irgendwie schaden konnte. Es starb an einer Lungenentzündung, die ein normales Kind, welches sich lebhaft bewegt und ordentlich aushustet und über entsprechende Abwehrkräfte verfügt, wohl ohne weiteres überstanden hätte. Das Kind hat nicht besonders gelitten, es ist ruhig eingeschlafen. Zum Trost sei Ihnen gesagt, dassfür dieses Kind der Tod nur eine Erlösung bedeutet hat. "
347
Ernst Hermann Meisen/Hubert Ferdinand Merks
MEISEN Ernst Hermann geb.
30.7.1931
AZ115/43 Mönchengladbach r.k.
ehelich
eingewiesen durch:
Wagner v. Jauregg Heil- u. Pflegeanstalt
aufgenommen:
7.6.1943
Pav. 15/1
Aufnahmeuntersuchung:
11.6.1943
Dr. M. Türk
Meldung (Bericht):
1.7.1943
Dr. E. Illing
gest.
4.7.1943
14 Uhr 30
Todesursache:
Schwere Mundschleimhautentzündung, Miliartuberkulose
Ernst ist schwerst behindert. Die Skelettentwicklung ist gestört, was das Größenwachstum und die geistige Entwicklung stark beeinträchtigt. Nachdem das Kind im Mai 1943 in das St. Josefshaus in Mönchengladbach eingeliefert wurde, wird es im Juni mit einem Sammeltransport in die Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt in Wien transferiert. Bald nach seiner A n k u n f t wird Ernst auf Pavillon 15 verlegt. A m 1.7.1943
berichtet Dr. E. Illing an den Reichsausschuss nach Berlin die
„vollständige Hilfi- und Pflegebedürfiigkeit und nicht die geringste Aussicht auf Besserung..." A m 4.7.1943
stirbt der 12-jährige B u b an schwerster M u n d s c h l e i m h a u t e n t zündung (Noma). D i e Obduktion ergibt zusätzlich Miliartuberkulose.
MERKS Hubert Ferdinand
A Z 183/43
geb.
18.5.1934
eingewiesen durch:
Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt Wien
Düsseldorf
r.k.
ehelich
(v. St. Josefshaus Hardt b. Mönchengladbach) aufgenommen:
16.7.1943
Aufnahmeuntersuchung:
23.7.1943
Dr. E. Illing
Meldung (Bericht):
23.7.1943
Dr. E. Illing
gest.
20.9.1943
16 Uhr 20
Todesursache:
Lungenentzündung
Pav. 15/P.
N a c h einer schweren G e b u r t muss Hubert „abgeschlagen" werden, da die A t e m tätigkeit schlecht ist. Bis zum 9. Lebensmonat entwickelt sich das K i n d gut. D o c h
348
Hubert Ferdinand Merks
nach einer Impfung (um welche es sich handelt, ist aus den Unterlagen nicht erkennbar) geht die Entwicklung zusehends zurück. Das Kind will nicht mehr stehen und spielen, es reagiert auf nichts. Drei Wochen verbringt daraufhin der kleine Bub im Krankenhaus. Der zugezogene Arzt stellt die Diagnose: „Spastische Lähmung nach Geburtstrauma. Schwachsinn ". In der Folge erkrankt das Kind an Masern, Bronchitis, Furunkulose, Mundschleimhautentzündung usw. Wegen seiner besonderen Unruhe kann Hubert zu Hause nicht mehr gehalten werden und wird am 20.11.1941 in die Pflegeanstalt St. Josefshaus in Hardt b. Mönchengladbach eingewiesen. Von dort wird er im Mai 1943 mit einem Sammeltransport nach Wien in die Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt transferiert. Direktor Dr. Mauczka schreibt den Eltern, dass ihr Sohn „gut angekommen"sei und er „sich hier rasch eingewöhnt"hätte. Er fügt aber hinzu: „ Von einem Besuche müssen wir wegen der bestehenden Reisebeschränkungen und Quartierschwierigkeiten derzeit abraten." Am 16.7.1943
unterzeichnet Dr. Mauczka die Verlegung des Kindes in die Wr.
Stadt. Nervenklinik für Kinder, wohin es „zur direkten Erledigungabgetreten wird". Es wird im Parterre des Pav. 15 aufgenommen. Am 23.7.1943 erfolgt die Aufnahmeuntersuchung durch Dr. E. Illing und zugleich die Meldung an den Reichsausschuss in Berlin wegen „Bildungs- u. Arbeitsunfähigkeit". Schreiben der Mutter von Hubert Merks an die Direktion der Wagner v. Jauregg Heil- u. Pflegeanstalt, dat. 12.8.1943: Ihr wertes Schreiben vom 17.8.1943 habe ich dankend erhalten und Kenntnis davon genommen. Möchte nur gerne mal anfragen, was mein Junge Hubert macht. Hoffentlich ist er noch gesund und munter. Ich bin inzwischen mit meinen zwei Kindern umquartiert und bin jetzt in Schweiz a. W. Da ich in großer Unruhe um meinen Sohn Hubert bin, bitte ich Sie recht herzlich mir doch baldigst ein Schreiben zukommen zu lassen. Im Voraus herzlichen Dank (Unterschrifi der Mutter und neue Adresse) Schreiben der Mutter von Hubert, ohne Datum Möchte doch mal anfragen, wie es dem armen kleinen Hubert geht. Ich habe große Sorgen um ihn. Schreiben Sie mir bitte was er macht. Schicke ihm ein Päckchen mit etwas Süßigkeiten ab. Unterschrifi und Adresse der Mutter
Hubert Ferdinand Merks
349
Schreiben von Dr. E. Illing an die Mutter von Hubert Merks, dat. 10.9.1943:
Das Päckchen für Ihren Sohn Hubert ist hier gut angekommen, er hat sich über die Süßigkeiten gefreut. Im Übrigen bekommt er auch hier monatlich Zuckerwaren und etwas Schokolade im Rahmen der Zuteilung fiir Kinderkliniken. Es geht ihm im wesentlichen unverändert, er hat sich hier gut eingelebt und auch schon etwas an Gewicht zugenommen. Unterschrift Dr. E. Illing Am 13.9.1943
erkrankt das Kind an Bronchitis und Lungenentzündung, hat hohes Fieber, das Allgemeinbefinden verschlechtert sich.
Schreiben von Dr. E. Illing an die Mutter von Hubert Merks, dat. 17.9.1943:
Das hiesige Schreiben vom 10.9.1943, in dem bestätigt wird, dass das Päckchen für Ihren Sohn Hubert angekommen ist, werden Sie sicherlich inzwischen erhalten haben. Leider muss ich Ihnen jetzt mitteilen, dass Hubert nach einer anfanglich leichten Erkrankung in diesen Tagen eine hochfiebrige Lungenentzündung bekommen hat, die heute auch noch die bis jetztfreie linke Lungenseite befallen hat. Da es sich nunmehr um eine doppelseitige katarrhralische Lungenentzündung handelt, ist ärztlicherseits der Zustand als ernst zu bezeichnen. Unterschrift Dr. E. Illing Am 20.9.1943 stirbt Hubert an Lungenentzündung. Schreiben der Mutter von Hubert Merks an die Direktion der Wagner v. Jauregg Heil- u. Pflegeanstalt der Stadt Wien, dat. 24.9.1943:
Mochte Sie höflichst bitten mir doch mitzuteilen, woran mein Kind Hubert Merks so schnell gestorben ist, kann es gar nichtfassen, denn in dem letzten Schreiben teilten Sie mir noch mit, dass mein Kind noch gesund und munter war. Warum teilten Sie es mir nicht sofort mit, so bekam ich erst gestern Nachricht von meiner Schwiegermutter aus Düsseldorf Leider war es da schon zu spät um nach Wien zu fahren, ich hätte mein Kind zu gerne noch einmal gesehen. Hoffentlich erfüllen Sie meinen letzten Wunsch und teilen mir die Adresse von der Friedhofiverwaltung mit, damit ich das Grab in Pflege geben kann ... Unterschrift der Mutter
Ernst Metzger
35° METZGER Ernst
A Z 86/42 A Z 60/44
geb.
15.2.1941
eingewiesen durch:
Fürsorgeklinik Bastiengasse/KUST
aufgenommen:
11.5.1942
Pav. 15/Sgl.
13.1.1943
in häusl. Pflege entlassen
20.5.1944
Pav. 15
Ii.5.1942
Dr. M . T ü r k
Aufnahmeuntersuchung:
Wien
r.k.
unehelich
20.5.1944 Meldung:
27.5.1944
Dr. E. Illing
gest.
20.7.1944
21 U h r
Todesursache:
Lungenentzündung
Ernst ist das zehnte Kind einer armen Familie, die als „sozial und erbbiologisch minderwertig" abgestempelt ist. Der Vater stammt aus Rumänien, beide Eltern erzeugen Spielzeug, das die Mutter zu verkaufen versucht. Wenige Wochen vor der Geburt des kleinen Ernst wird sie zu 8 Tagen Arrest wegen „verbotenen Hausierens" verurteilt und muss diese Strafe absitzen. Der Bub ist dann einige Zeit in der Fürsorgeanstalt Wien 18, Bastiengasse untergebracht und wird von dort am 11.5.1942 in die Wr. Heilpädag. Klinik „Am Spiegelgrund" überstellt. Im Untersuchungsprotokoll wird das Verhalten des Kindes geschildert: „Das Kind ist sehr lieb undfreundlich, lächelt dem Untersucher zu, sucht Kontakt, spielt, indem es den Kopf hin- und herbewegt und den Untersucher zum Mitspielen gleichsam auffordert. Es greif nach vorgehaltenen Gegenständen und solchen, die in seiner Nähe sind, hält siefest und betrachtet sie, spielt mit ihnen, indem es sie hin- und herbewegt. Wehrt unangenehme Untersuchungen ab, weint beim Spateln, ist gleich wieder lieb undfreundlich ... kräht dabei vor Vergnügen. Das Kind befreit sich von einer Decke, die in Bauchlage auf seinen Kopf gelegt wurde, nicht durch Wegziehen der Decke, sondern es kriecht darunter hervor und versucht sie abzuschütteln ..." Am 27.6.1942 hält Dr. M. Türk im Tagesbericht fest: „Seit zwei Wochen kann das Kind im Bettchen stehen und einige Schritte gehen ... freundlich, schreitfast nie, nur wenn er nass ist, dann aber mit Ausdauer so lange, bis er trockengelegt wird..." Am 13.1.1943 wird das Kind von der Mutter abgeholt. Es wird ihr geraten, sich viel mit dem Kind zu beschäftigen und es in einem halben Jahr wieder zur Kontrolle zu bringen.
Ernst Metzger/Otto Miegl
351
Erst 15 Monate später kommt die Mutter mit dem kleinen Ernst wieder. Nach Ansicht der Ärzte hat das Kind inzwischen „keinerlei geistige Fortschritte gemacht". Am 27.5.1943 meldet Dr. E. Illing an den Reichsausschuss in Berlin u. a.: vollständig bildungsunfdhig, voraussichtlich dauerndpflegebedürftig...". Am 19.7.1944 Am 20.7.1944
schreibt Dr. H. Gross eine „Schlechtmeldung" An die Angehörigen wegen Bronchialkatarrh. stirbt der kleine Ernst an Lungenentzündung.
AZ146/41
MIEGL Otto geb.
22.3.1926
Wien (zuständig Budweis)
eingewiesen durch:
Spezial Kinderheim Pressbaum/KUST
r.k. aufgenommen:
4.8.1941
Aufnahmeuntersuchung:
8.8.1941
Dr. H. Gross
Meldung:
8.8.1941
Dr. E. Jekelius
gest.
17.12.1941
23 Uhr 30
Todesursache:
Lungentuberkulose
ehelich
Otto wächst bei seinen Eltern auf. Sein Vater ist Schneider, die Mutter stirbt, als das Kind 12 Vi Jahre alt ist. Am 31.5.1939 wird der Bub in das Spezial Kinderheim Pressbaum eingewiesen. Nach dessen Auflösung im August 1941 wird er in die Wr. Städt. Jugendftirsorgeanstalt „Am Spiegelgrund" überstellt. Am 4.8.1941 erfolgt die Aufnahme im Pav. 15. Vier Tage später nimmt Dr. H. Gross die Aufnahmeuntersuchung vor. Nach der umfangreichen Untersuchung stellt sich heraus, dass intern u. neurologisch alles ο. B. ist, doch weiter hält der Arzt im Protokoll fest: „... im Gesicht leicht mongolide Züge, Gesichtsausdruck: tierisch, idiotisch Aus den Schwesternberichten geht hervor, dass Otto ein „gutmütiges", sehr ruhiges Kind ist. Am 27.9.1941 berichtet eine Schwester ζ. B.: „Ich deutete ihm ein Kind in den Saal zu fahren von der Veranda. Sacht fasst er die Hand des jüngeren und fiihrt ihn langsam in den Saal zur Schwester, bleibt so-
352
Otto Miegl/Johann Mitterecker
lange mit dem Kind an der Hand stehen bis es ihm abgenommen wird". Am 20.10.1941
Am 17.12.1941
berichtet Sr. Erhart u. a.: „... Seit der Punktion ist der Zustand des Kindes ein anderer, lässt Harn und Stuhl ins Bett, was vorher nicht der Fall war, ist nicht mehr so zutraulich undfreundlich wie früher". stirbt der Bub an einer seltenen Form der Lungentuberkulose.
MITTERECKER Johann
AZ
geb.
13.11.1932
eingewiesen durch:
Heil- u. Pflegeanstalt Gugging
Niederplöttbach/Zwettl r.k.
aufgenommen:
U0/4Z
27.5.1942
Pav. 15/P.
9.6.1942
Pav. 17
3.12.1942
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
1.6.1942
Dr. H . Gross
Meldung:
30.11.1942
Dr. E. Illing
gest.
18.2.1943
4 U h r 30
Todesursache:
Lungenentzündung
unehelich
Johann befindet sich von November 1941 bis Ende Mai 1942 in der Heil- u. Beschäftigungsanstalt Gugging. Seine Mutter ist Dienstmagd und kann das Kind vermutlich deshalb nicht weiter behalten (nähere Angaben fehlen in den vorliegenden Unterlagen). Der Bub spricht „im ländlichen Dialekt". Er hat „bisher keinen Unterricht genossen ", zeigt keine „auffallenden Gewohnheiten oder Sonderheiten ...". Er ist körperlich ziemlich gut entwickelt, wird aber als „nicht bildungsfähig" am 27.5.1942 in die Wr. Heilpädag. Klinik „Am Spiegelgrund" überstellt. Am 1.6.1942 nimmt Dr. H. Gross die Aufnahmeuntersuchung vor, deren Methoden und Situationen das Kind ängstlich begegnet. Es ist motorisch sehr unruhig und spricht nur ganz leise. Im Protokoll ist u. a. festgehalten: „... später fragt Hans dann spontan ob der Untersucher einen Christbaum habe und deutet auf die Ecke des Zimmers. Im Laufe der Untersuchung wird er immer gesprächiger und beginnt mit dem Untersucher in seiner unverständlichen Art zu plaudern. Er spricht den Untersucher immer mit „Du" an. Die
Johann Mitterecker
353
Taschenlampe gefällt ihm sehr und er möchte sie gerne haben. Er fragt auch, ob der Hammer dem Untersucher gehört. Seine Ängstlichkeit dauert während der ganzen Untersuchung an ... er ist z. B. nicht dazu zu bewegen, seine Zunge herauszustrecken, obwohl er den Auftrag versteht. Er sagt nur darauf ganz leise, dass er dies nicht könne..." In der Folge wird Hans zweimal von Dr. I. Caruso psychologisch begutachtet. Hier einige Passagen aus den beiden Gutachten v. 3. u. 11. Juni 1942: „... das 1., wasersagt, ist:, Herr Dr. tu mir nichts'... wenn der Untersucher einen Bleistift nehmen will, so macht das Kind eine abwehrende und schützende Handbewegung vor das Gesicht... Bilderbücher machen ihm viel Freude. Er nennt spontan viele Gegenstände: ,Mädi, Hund Hase'... während der Untersuchung ist das Kind in ständiger motorischer Unruhe... er hört ein Auto auf der Straße und sagt: ,Auto! Bist du auch schon im Auto gefahren?' ...Er sieht den Kalender an und bittet: ,Den Kalender möcht ich haben.' ... Dann zeigt er auf den Heizkörper undfragt: ,Du, höre, gehört das dir? Ist das Wasser? Geht das mit Wasser?' ...Er zeigt auch auf die Uhr, welche stillsteht: ,Du, kann man die Uhr aufziehen?'"... „Er zeigt in eine Ecke, wo sich ein Papierkorb befindet und sagt: ,Du hast du einen Christbaum? Dort ist der Christbaum.' Der Christbaum spielt eine große Rolle in seinem Reden., Hast du einen Christbaum gehabt?'fragt er später. Und wieder später: ,Der Christbaum ist weg, der Hund auch ... Der Christbaum ist jetzt draußen ... Kommt der Christbaum wieder hierher?'... Schließlich produziert er eine ideenflüchtige Erzählung über den Christbaum, die vom Untersucher schlecht verstanden wird..." Der reich entwickelte Wortschatz des Kindes, das Benennen vieler Gegenstände, einzelne sinnvolle Bemerkungen (.ζ. Β. : dass die Heizung mit Wasser geht, oder die stehen gebliebene Uhr aufgezogen werden kann) und spontane Äußerungen zeigen, dass die Potenz seiner Intelligenz viel mehr entwickelt ist, als sie bei einem angeborenen Schwachsinn sein könnte ..." Dr. I. Caruso wünscht weitere Beobachtungen und Führungsberichte. 2.6.1942 Führungsbericht von Sr. Erhart: „... unterhält man sich mit ihm, so antwortet er in absurder Folge und kehrt immer wieder zum Christbaum zurück, der in seinen sprachlichen Ausdrücken den Hauptfaktor bildet, wie ζ. B.: ,Ich möchte einen Christbaum haben, der Christbaum ist eingeschneit, er ist abgeräumt.' Mit seiner Umgebung hält er Kontakt, plaudert und lacht mit seinen Kameraden, er ist ein freundliches Kind..." Am 23.8.1942 steht in einem Schwesternbericht: „Am auffallendsten bei dem Kind ist seine große Scheu und Ängstlichkeit. Wenn man ihn an-
354
Am 3.io.1942
Am 30.11.1942
Am 3.12.1942
Johann Mitterecker
spricht, senkt er immer den Blick zu Boden und versucht einer Antwort zu entgehen oder bei solcher Gelegenheit das Weite zu suchen ...Es war sehr auffallend, dass er beim letzten Besuch seiner Mutter diese Scheu gänzlich verloren hatte und mit ihr über verschiedene Dinge plauderte..." gibt es einen weiteren Führungsbericht v. Sr. Erhart. U. a. ist hier festgehalten: „Kind ist zugänglich, geht auf eine Unterhaltung ein, doch ist sein Körper sowie Extremitäten in ständiger Erregung ...er ist ein besonders nachgiebiges Kind, teilt seine Sachen (er bekommt viele Esswaren von seinen Eltern) fast restlos unter seinen Kameraden aus..." meldet Dr. E. Illing an den Reichsausschuss in Berlin „dauernde Pflegebedürftigkeit und keinerlei Arbeitseinsatzfähigkeit zu erwarten ... ". wird das Kind im Pav. 15 ins Parterre verlegt. „Der Pflegewechsel macht auf ihn nicht den mindesten Eindruck, er hat sich gleich an das Abteilungsleben gewöhnt... mit den anderen Kindern sucht er Kontakt, spricht mit ihnen, hört aber gewöhnlich auf zu sprechen, wenn ein Erwachsener in die Nähe kommt... Beim Kleiden muss ihm geholfen werden, da er dazu zu schlampig ist. Beim Essen ist er selbständig. Er ist bei Tag und Nacht rein ..."
Am 9.2.1943
macht Dr. H. Gross eine Encephalografie, die einen „Normalen Befund" ergibt. In der Zwischenzeit hat die Sippenforschung u. a. ergeben: „Erbliche Belastung: Mutter soll in der Schule schlecht gelernt haben, ein Bruder verstarb in einer unbekannten Anstalt mit der Diagnose angeborener Schwachsinn mittl. Grades, Vater ist Trinker Am 13.2.1943 Am 18.2.1943
erkrankt der Bub an Lungenentzündung, das Allgemeinbefinden verschlechtert sich zusehends. stirbt das Kind in den frühen Morgenstunden im Alter von 10 Vi Jahren.
Norbert Mitterhofer
MITTERHOFER Norbert
355 AZ 300/44
geb.
5.12.1942
eingewiesen durch:
Reichsstatthalter Salzburg
Oberndorf
aufgenommen:
21.2.1945
Aufnahmeuntersuchung:
23.2.1945
Pav. 15/Sgl. Dr. M . Türk
Meldung:
28.2.1945
Dr. E. Illing
gest.
8.3.1945
21 Uhr 30
Todesursache:
Zentrale Atemlähmung
Norbert ist schwer behindert. Nach einer Gehirnhautentzündung vergrößert sich sein Kopf seit dem 5. Lebensmonat zusehends. Alle vier Extremitäten sind spastisch gelähmt. Das Kind hat Schluckbeschwerden, es kann nur sehr schwer gefuttert werden. Der zuständige Sprengelarzt des Gaufursorgeverbandes Salzburg stellt den Antrag auf Anstaltspflege, da „die Mutter aus sozialen Gründen nicht imstande ist, das behinderte Kind neben vier weiteren Kindern zu versorgen ". Am 21.2.1945
wird der Bub in die Wr. Stadt. Nervenklinik fur Kinder eingeliefert und im Pav. 15 aufgenommen. Der kleine Bub ist „schmutzig und verlaust".
Am 23.2.1945
nimmt Dr. M. Türk die Aufnahmeuntersuchung vor. In der Folge wird eine Encephalografie gemacht, die misslingt.
Am 28.2.1945
meldet Dr. E. Illing an den Reichsausschuss in Berlin die „dauernde vollständige Pflegebedürftigkeit" des Kindes.
Am 8.3.1945
stirbt das Kind an zentraler Atemlähmung.
356
Emil Moegle
AZ176/44
MOEGLEEmil geb.
24.6.1934
eingewiesen durch:
Dr. E. Türk, Univ. Kinderklinik Wien 9
Baden b. Wien
aufgenommen:
23.1.1945
Pav. 17/Kr.
2.2.1945
Pav. 15
Aufnahmeuntersuchung:
23.1.1945
Dr. E. Illing
Meldung:
7.3.1945
Dr. E. Illing
gest.
4.4.1945
23 Uhr
Todesursache:
Akute Gehirnentzündung
evang.
ehelich
Emil wird als zweites Kind einer Industriellenfamilie geboren. Die Mutter gibt ihren Beruf als Lehrerin auf, um sich ganz den eigenen Kindern widmen zu können. 1937 stirbt der Vater plötzlich an einem Herzinfarkt. Die ersten fünf Jahre entwickelt sich der Bub ganz „normal". Er ist lebhaft, geistig rege und spielt gerne allein und mit Freunden. Seine um 11 Jahre ältere Schwester kümmert sich liebevoll um den Bruder und unterstützt damit die Mutter. Im Dezember 1939 wird Emil zur Beobachtung in die Wr. Städt. Kinderklinik Glanzing eingewiesen, es besteht Epilepsieverdacht. Die psychologische Untersuchung, vorgenommen v. Dr. Baar, ergibt „das Bildeines seinem Alter entsprechend sehr gut und harmonisch entwickelten, charakterlich gut gearteten Kindes aus gepflegtem Milieu ". Es fällt nur ein gewisser Mangel an Konzentration und Sorgfalt, rasche Ermüdbarkeit und ständige leichte Unruhe auf. Ende Juli 1940 wird das Kind noch einmal in die Klinik zur Beobachtung eingewiesen, weil sich inzwischen die epilepitoformen Anfälle mit Bewusstseinsstörungen häufen. Das ursprünglich freundliche, willige und vergnügte Kind ist nun eigenwillig und trotzig. Die Psychologin rät derzeit von einem Schuleintritt ab. „Es ist dringend geboten, geistige Uberanstrengungen zu vermeiden ..." Im Herbst 1940 berichten Arztin und Mutter über plötzlichen Umschwung: „Seit 10.9.1940 keine Anfälle. Sehr gute geistige Entwicklung... besucht die Schule und lernt ganz gut. Hat j wöchige Versäumnisse infolge verspätetem Eintritt nachgeholt In der Folge scheint alles gut zu gehen. Doch Mutter und Schwester, die inzwischen ihr Pharmazie-Studium begonnen hat, sind weiterhin besorgt um das Kind. Vermutlich, um nichts zu übersehen, nehmen sie Kontakt mit der Wr. Univ. Kinderklinik bei Prof. Dr. Hamburger auf. Von dort aber wird Emil am 23.1.1945 in die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder eingewiesen.
Emil Moegle/Rudolf Moslinger
Am 2.2.1945
357
wird das Kind auf Pav. 15 überstellt. Das müde Kind ist weiterhin freundlich und fügsam. Es spricht oft von seiner Schwester und weint dabei.
Am 7. 2.1945
erstellt Fr. Dr. Baar erneut ein psychologisches Gutachten. Sie kennt den Buben ja bereits, doch im Gegensatz zur Situation vor 5 Jahren findet sie jetzt ein „antriebsarmes, sehr langsames und schwerfälliges Kind" vor, dessen „Steuerung von außen durch schwere Konzentrationsstörungen sehr beeinträchtigt ist ...es spricht langsam, mit schwerer Zunge, verwaschen, etwas singend . . . " Die Ärztin stellt „Einwirkung von Luminal in Frage???" Emil leidet sehr unter Heimweh. Immer wieder verlangt er, heimgehen zu dürfen.
Die Mutter leidet nach einer Grippe an Lähmung der re. Gesichtshälfte. Zusätzlich wird sie von der Gestapo festgehalten, weil sie ihr Haus nicht vermieten will. Die Schwester besucht ihren kleinen Bruder oft. Er freut sich, wenn sie da ist. Am 4.3.1945
befindet sich Emil wie immer im Tagraum. Er beschäftigt sich kaum, sitzt nur „ traumverloren " da und ist in seinem Verhalten nicht auffällig. Um 16 Uhr klagt er plötzlich über heftige Kopfschmerzen. Er hat hohes Fieber, ist benommen, die Atmung ist flach, der Puls ist schwach. Bis 19 Uhr erleidet das Kind sechs große Anfälle. Um 23 Uhr stirbt Emil „plötzlich".
Diagnose:
Akute Gehirnentzündung.
MÖSLINGER Rudolf
AZ196/43
geb.
6.6.1940
eingewiesen durch:
Univ. Kinderklinik, Wien 9
Gaspoltshofen
r.k.
aufgenommen:
21.7.1943
Aufnahmenuntersuchung:
21.7.1943
Dr. E. Illing
Meldung:
24.7.1943
Dr. E. Illing
gest.
24.7.1943
12 Uhr 45
Todesursache:
Status epilepticus, Lungenentzündung
ehelich
Pav. 15/1
Rudolf leidet seit den ersten Lebenstagen an epileptischen Anfällen. Diese verstärken und häufen sich in der Folge. Als das Kind 3 Jahre alt ist, fährt die besorgte Mutter nach Wien, um ihren Sohn in der Univ. Kinderklinik bei Prof. Dr. Hamburger untersuchen zu lassen. Der Vater musste inzwischen einrücken. In
358
Rudolf Möslinger/Johann Mühl
den vorliegenden Unterlagen findet sich ein fragmentarisches Schreiben (handgeschrieben v. Dr. E. Türk oder Dr. Hamburger) an die Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder, ohne Datum und Unterschrift: „... Bezugnehmend auf mein heutiges Telefongespräch schicke ich Ihnen das Kind Rudolf Möslinger aus Oberdonau. Es ist vollkommen debil (Geburtstrauma?postencephal?) und soll, da daheim noch ein gesundes Kind ist, bei Ihnen aufgenommen werden ..." Die Mutter selbst bringt Rudolf dorthin, sie ist sehr aufgeregt. Am 21.7.1943 wird das Kind im Pav. 15 aufgenommen. Es fiebert über 40°. Am 24.7.1943 meldet Dr. E. Illing an den Reichsausschuss in Berlin, dass „weder Heilung noch Besserung zu erwarten "sei. Am selben Tag stirbt der kleine Rudolf während der Mittagsstunde.
MÜHL Johann geb.
AZ 472/43 27.7.1942
Johannesfeld/Kroatien r.k.
eingewiesen durch:
ehelich
N S D A P Kreis Brünn
aufgenommen:
25.2.1944
Aufnahmeuntersuchung:
25.2.1944
Pav. 15/Kr. Dr. M . T ü r k
Meldung:
29.2.1944
Dr. E. Illing
gest.
1.3.1944
17 Uhr 45
Todesursache:
Grippe - Lungenentzündung
Der kleine Johann ist vom Beginn seines Lebens an krank. Als der Vater zum Kriegsdienst als Unterwachtmeister nach Brünn einberufen wird, bleibt die Mutter mit dem Kind in Johannesfeld zurück. Über seine Vorgesetzten und die NSDAP/Kreis Brünn versucht der Vater, medizinische Hilfe für sein krankes Söhnchen zu bekommen. In den vorliegenden Unterlagen findet sich ein Schreiben von Dr. E. Illing an das SS-Polizeiregiment 21 (dat. 23.11.1943): „Von der Gauleitung Niederdonau, Kreis Brünn, wurde über Ersuchen des Kindesvaters ... der Antrag um Aufnahme seines Kindes fohann ... gestellt. Es soll zur genauen Durchuntersuchung bzw. Behandlungsmöglichkeiten hierher gebracht werden. Das Kind kann sofort hier aufgenommen werden, falls eine Kostenübernahmserklärung vorliegt." Die Kostenübernahme scheitert vorerst an bürokratischen Problemen. Erst als sich die jungen Eltern bereiterklären, den für sie hohen Betrag von 186 R M pro
Johann Miihl/Wilhelm Müller
359
Monat selbst zu bezahlen, wird das Kind am 25.2.1944 im Pav. 15 der Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder aufgenommen. Noch am selben Tag erfolgt die Aufnahmeuntersuchung durch Dr. M. Türk. Diese hält im Protokoll u. a. fest: „Bei der Aufnahme ganz eiskalt durch die lange Fahrt im ungeheizten Zug, wurde im warmen Bad erwärmt. Roter verschwollener Rachen, Husten, bronchitische Geräusche. Kurz nach der Aufnahme hohes Fieber..." Auch in der Folge ist eine körperliche Untersuchung wegen des andauernden hohen Fiebers über 40° nicht durchführbar, die Nahrungsaufnahme ist sehr schlecht! Am 29.2.1944 meldet Dr. E. Illing an den Reichsausschuss in Berlin u. a.: „ Voraussichtlich vollständig hilflos und pflegebedürftig, keinerlei Bildungsfähigkeit zu erwarten ..." Am selben Tag verschlimmert sich der Allgemeinzustand zunehmend. Davon wird die Mutter, die zu Besuch gekommen ist, „in Kenntnis gesetzt". Am nächsten Tag stirbt Johann im Alter von 1 V2 Jahren während der Abendstunden. Dr. M. Türk gibt als Todesursache an: Grippe - Lungenentzündung. Die pathologisch-anatomische Diagnose v. 2.3.1944 lautet u. a.: „Hirnmißbildung, Lungenabszeß, eitrige Brustfellentzündung. Das Gehirn wird vorsichtig herauspräpariert, in 4% Formol fixiert. Gewicht 280g..." Unterschrieben von Dr. Uiberrak.
MÜLLER Wilhelm
AZ175/44
geb.
6.12.1943
eingewiesen durch:
Univ. Kinderklinik Wien
Wien
evang.
aufgenommen:
19.1.1945
Pav. 15/Sgl.
Aufnahmeuntersuchung:
20.1.1945
Dr. M . Türk
Meldung:
30.3.1945
Dr. M . Türk
gest.
4.4.1945
17 Uhr
Todesursache:
Grippe mit akuter Darmentzündung
unehelich
Am 18.1.1945 ergeht ein Schreiben der Univ. Kinderklinik Wien an die Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder: „S.g. Herr Doz. Illing! Ersuche um Aufnahme des Kindes Wilhelm Müller, 14 Mon. alt, an Ihrer Anstalt. Anscheinend debil, sitzt noch nicht, kann den Kopf nicht halten. 1 Geschwister angeblich in einer Nervenheilanstalt. Besten Danku. Heil Hitler!" Unterschrift unleserlich
360
Wilhelm Müller/Walter Nagl
Am 19.1.1945 Am 20.1.1945
wird der kleine Wilhelm im Pav. 15 aufgenommen. wird die Aufnahmeuntersuchung durch Dr. M. Türk vorgenommen. Im Protokoll vermerkt die Ärztin u. a.: „ein für sein Alter ziemlich großes, mittel kräftiges, gut ernährtes Kind... fixiert, greift nach vorgehaltenen Gegenständen, hält sie in der Hand... keine entsprechende Reaktion auf freundliche oder böse Miene des Erwachsenen, allgemeine geringe Ansprechbarkeit..."
Am 25.1.1945
ist im Tagesbericht vermerkt: „Ruhig, freundlich, lächelt manchmal. Liegt immer in Rückenlage, rührt sich kaum. "
Am 9.2.1945
erstellt Dr. Baar ein psychologisches Gutachten: „Das 14 Monate alte, sehr freundliche Kind ist auffallend schlaff und in seinen Bewegungen mangelhaft gesteuert. Lacht und jauchzt sehr lieb auf den Erwachsenen." erkrankt das Kind an Grippe und fiebert hoch. Dazu kommt eine Mittelohrenzündung. ist vermerkt: „... im übrigen schwach und hinfallig, liegt dauernd bewegungslos, hustet nicht aus. Beginnender Dekubitus an Rücken. Sehr schlechtes Allgemeinbefinden..."
Am 25.3.1945 Am 29.3.1945
Am 4.4.1945
stirbt der kleine Wilhelm um 17 Uhr.
NAGL Walter
AZ155/44
geb.
22.Ii.1940
eingewiesen durch:
KÜST
aufgenommen:
24.8.1944
Pav. 15/Sgl.
Aufnahmeuntersuchung:
25.8.1944
Dr. M . Türk
Meldung:
25.9.1944
Dr. E. Illing
gest.
8.11.1944
23 Uhr 30
Todesursache:
Lungenentzündung
Wien
unehelich
Der kleine Walter wächst bei seiner Mutter und deren Vater, der Lehrer ist, auf. Die Großmutter ist schon verstorben. Am 11.8.1944 stellt die Heilpäd. Abteilung der Wr. Univ. Kinderklinik einen Antrag auf Anstaltunterbringung, „da die Mutter das Kind nicht bei sich behalten kann. " Am selben Tag ergeht vom zuständigen Bezirksjugendamt der direkte Antrag auf
36I
Walter Nagl/Walter Nastl
Einweisung des Kindes zur Beobachtung in der „Nervenklinik für Kinder Am Spiegelgrund". Die Begründung lautet u. a.: „Die Pflege des Kindes ist äußerst mangelhaft. Laut Anzeigen der NSV und der Hausparteien ist der Aufenthalt im Luftschutzkeller in Anwesenheit des Mj. ein untragbarer. Der Mj. schreit ununterbrochen in einer nervenaujpeitschenden Art, wodurch eine Unruhe unter den übrigen Anwesenden hervorgerufen wird, die bei einem ev. Bombardement, auch wenn nur in der Nähe eine Bombe fallen sollte, zu einer Katastrophe ausarten würde ..." Am 24.8.1944
wird Walter im Pavillon 15 aufgenommen. Der Großvater, der mit großer Liebe an dem Buben hängt, weint, als er weggebracht wird. (Er hat bis zuletzt versucht, diese Unterbringung seines Enkels zu verhindern!) In der Folge ist Walter sehr unruhig und verweigert auch zeitweise jegliche Nahrungsaufnahme. Er sieht sehr schlecht aus und schreit viel. Eine Encephalografie ergibt „anscheinend normale Verhältnisse".
Am 15.10.1944
erkrankt das Kind an Feuchtblattern und Bronchitis. Es fiebert hoch. Das Allgemeinbefinden verschlechtert sich zusehends. stirbt das Kind im Alter von vier Jahren an „hochgradiger allgemeiner Lebensschwäche und Lungenentzündung".
Am 8.11.1944
NASTL Walter
A Z 391/43
geb.
23.11.1943
eingewiesen durch:
Joh. Peter Frank Krankenhaus/KÜST
Wien
aufgenommen:
2.12.1943
Pav. 15/Sgl.
Aufnahmeuntersuchung:
3.12.1943
Dr. M . Türk
Meldung:
13.12.1943
Dr. E. Illing
gest.
26.12.1943
18 Uhr
Todesursache:
Allgemeine Lebensschwäche
r.k.
ehelich
Im Alter von 10 Tagen wird der Säugling im Pavillon 15 der Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder aufgenommen. In der Aufnahmeuntersuchung wird u. a. festgestellt: „... Mittelkräftiges Kind mit typischen Merkmalen des Mongolismus ..." Am 5.12.1943 stirbt der kleine Walter in den Abendstunden an allgemeiner Lebensschwäche.
Bohuslav Nemec
362
A Z Z97/41
NEMEC Bohuslav geb.
27.8.1926
Elbeteinic, Bez. Kolin
eingewiesen durch:
Spezial Kinderheim Pressbaum
r.k.
ehelich
1.12.1941
Pav. 17
3.1.1942
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
18.12.1941
Dr. H. Gross
Meldung:
18.12.1941
Dr. E. Jekelius
gest.
20.1.1942
11 Uhr 45
Todesursache:
Plötzlicher Bluterguss aus der Lunge
aufgenommen:
Bohuslav wächst mit mehreren Geschwistern in der Familie eines Schneidermeisters auf. Von der Mutter gibt es keinerlei Angaben in den vorliegenden Unterlagen. Am 4.12.1938
stirbt der Vater. Bereits einige Jahre vorher war der Bub in die Pflegeanstalt Süßenbrunn gekommen und irgendwann von dort in das Spezial Kinderheim Pressbaum überstellt worden. Es wird berichtet, dass er „stämmig und wohlgenährt sei ...er ist sehr lebhafi, immer heiter, und stets esslustig ...er ist ständiger Überwachung und Pflege bedürftig, zur Abgabe in häusliche Pflege nicht geeignet..."
Am 1.12.1941
wird Bohuslav in die Heilpäd. Anstalt ,Am Spiegelgrund" transferiert und im Pavillon 17 aufgenommen. nimmt Dr. H. Gross die Aufnahmeuntersuchung vor. Noch am selben Tag meldet Dr. E. Jekelius das Kind an den Reichsausschuss in Berlin. Da „aus der Familienanamnese bis jetzt nichts bekannt geworden ist..." wird der Bub als „tiefstehender Idiot" bezeichnet. wird Bohuslav ins Parterre des Pavillon 15 übersetzt. Er hustet stark.
Am 18.12.1941
Am 3.1.1942 Am 20.1.1942
erleidet der Bub plötzlich einen Blutsturz aus der Lunge und stirbt zu Mittag.
363
Irma Nemecek
Α Ζ 251/41
NEMECEK Irma geb.
9.9.1928
eingewiesen durch:
Spezial Kinderheim Pressbaum/KUST
Wien
aufgenommen:
4.8.1941
Pav. 17/Bu.
12.11.1941
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
13.10.1941
Dr. H . Gross
Meldung:
15.10.1941
Dr. E. Jekelius
gest.
12.1.1943
3 Uhr 30
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
ehelich
Irma ist mongolid. Sie wächst bei ihren Eltern auf. Vermutlich, als der Vater zum Kriegsdienst eingezogen wird, kommt das Mädchen in das Spezial Kinderheim Pressbaum. Einmal holt die Mutter das Kind auf Revers nach Hause, bringt es aber nach drei Monaten wieder zurück. Am 4.12.1941
wird Irma in die Wr. Städt. Jugendfursorgenanstalt „Am Spiegel-
Am 15.10.1941
zwei Tage nach der Untersuchung durch Dr. Gross meldet Dr.
grund" überstellt und zunächst im Pavillon 17 aufgenommen. Jekelius das Kind an den Reichsausschuss in Berlin: „... ihre geringen arbeitsmäßigen Leistungen sind nur als Dressur anzusehen und berechtigen nicht auf eine spatere Arbeitsverwendungsfähigkeit Rückschlüsse zu ziehen. Irma wird dauernd anstaltspflegebedürftig sein ..." Am 4.12.1941
steht in einem Schwestern-Tagesbericht: „Irma ist ein lebhaftes, freundliches Kind. Mit der Schwester u. den Kindern sucht sie Kontakt u. ist auch zugänglich. Ihre Sprache ist unverständlich größtenteils. Sie spricht nicht in ganzen Sätzen, mit tiefer Stimme u. etwas Anstrengung. Während der Untersuchung beginnt sie plötzlich zu singen. Sie singt mit großer Vorliebe u. weiß auch viele Lieder ... Kind erfasst, was man zu ihr spricht, kommt einfachen Aufforderungen nach. Die Gegenstände ihrer Umgebung weißste richtig zu benennen. Mit den Kameraden ist sie lieb u. verträglich im allgemeinen, fallweise schlägt sie auch die Kinder. Sie veranlasst die Kinder zum Spiel und nimmt dabei eine Führer-Rolle ein. Irma ist hilfsbereit, arbeitet gerne aus eigenem Antrieb u. ist zu einfachen Arbeiten verwendbar. Sie ist rein, auch bei den Mahlzeiten u. auf ihre Sachen. Der Schwester gegenüber ist sie schmeichelhaft..."
364 Am 5.1.1943
Am 12.1.1943
Irma Nemecek/Jakob Nemencinskis
erkrankt das Mädchen an starkem Husten und hat Fieber. In der Folge verschlechtert sich das Allgemeinbefinden. Irma verweigert die Nahrung. Sie fiebert hoch. stirbt das 14-jährige Mädchen unter zunehmender Kreislaufschwäche am frühen Morgen an Lungenentzündung.
NEMENCINSKIS Jakob
AZ147/41
geb.
9.6.1930
eingewiesen durch:
Spezial Kinderheim Pressbaum/KUST
Kaunas/Litauen
aufgenommen:
4.8.1941
Aufnahmeuntersuchung:
25.8.1941
Dr. H . Gross
Meldung:
28.8.1941
Dr. Jekelius
gest.
16.11.1941
3 Uhr
Todesursache:
Lungenentzündung
mosaisch
als „Privatkind"
Jakob wird in Kaunas/Litauen geboren. Uber seine Familie ist nichts bekannt. Das Kind befindet sich zwischen 1936 und 1938 in der Erziehungsanstalt Biedermannsdorf, von dort wird es in das Spezial Kinderheim Pressbaum überstellt. Als dieses im August 1941 aufgelöst wird, wird der Bub in die Wr. Städt. Jugendfursorgeanstalt „Am Spiegelgrund" als „Privatkind" transferiert. Am 25.8.1941
Am 1.11.1941
Am 16.11.1941
nimmt Dr. H. Gross die übliche Aufnahmeuntersuchung vor und findet, dass Jakob „beschnitten" ist. Nun ist klar, dass es sich um ein jüdisches Kind handelt. Die Eltern dürften inzwischen ausgewandert sein. hält Schwester Erhart im Tagesbericht u. a. fest: Auffallend sind die tänzelnden u. sprunghaften, hastenden Bewegungen beim Gehen. Tagsüber sitzt er immer im Türkensitz, die Wolldecke über den Kopf gezogen u. kaut an dem Deckenzipf, ...er zeigt ein äußerst scheues Wesen. Kommt man zu seinem Bette, so hält er beide Hände schützend, wie Schläge abwehrend, vor dem Kopf und flüchtet in die Ecke des Bettes. Er hatte zeitweise die Schutzjacke, da er das Gitter seines Bettes sowie die der anderen Kinder öffnete u. auch sein Bett zerwühlte. Nachts liegt er auch verkrochen ..." stirbt Jakob in den frühen Morgenstunden an Lungenentzündung. Seinen Eltern wird die Todesnachricht drei Tage später nach Litauen geschickt. Doch sie kommt unbestellt wieder zurück.
Ernst Neriich
365
NERLICH Ernst
A Z 280/43
geb.
19.6.1933
Duisburg-Beeckerwerth evang.
ehelich
eingewiesen durch:
Wr. Univ. Kinderklinik/Prof. Dr. Hamburger
aufgenommen:
10.9.1943
Pav. 17/Kr.
30.3.1944
Pav. 15/Kr.
Aufnahmeuntersuchung:
10.9.1943
Dr. E. Illing
Meldung:
8.12.1943
Dr. E. Illing
gest.
28.4.1944
22 Uhr 30
Todesursache:
Lungenentzündung
Emst wächst in einer Familie mit fünf jüngeren Geschwistern auf, liebevoll umsorgt von den Eltern. Mit 2 Vi Jahren erkrankt der Bub an einer Gehirnhautentzündung. Er kann danach nicht mehr allein essen. Die Eltern lassen das Kind in der Wr. Univ. Kinderklinik untersuchen und werden von Prof. Dr. Hamburger auf die Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder verwiesen. Am 10.9.1943
wird Ernst im Pavillon 17 aufgenommen. Dr. E. Illing untersucht ihn.
Am 8.12.1943
meldet Dr. E. Illing u. a. an den Reichsausschuss in Berlin „... bildungs- u.
arbeitsunfähig..."
Im Dezember 1943 schreibt Schwester Sykora in den Tagesberichten u. a.: „Ernsti hat sich etwas schwer hier eingelebt, kann sich allein an- u. ausziehen, sehr nett auf seine Kleidung...
Tisch u. Bdnke tragen, hilft er gerne, auch hilft er anziehen u. das
Hinaustragen des leeren Essgeschirrs lässt er sich nicht nehmen. Am Besuchstag weint er oft, hat Heimweh ... Ernsti ist heute in froher Stimmung aufgestanden, singt die ganze Zeit bis zum Am 19.2.1944
Frühstück..." steht in einem weiteren Schwesternbericht u. a.: „Heute hatte Ernsti Besuch von seiner Mutter, er war rührend, mit einem lauten herzlichen fauchzen begrüßte er seine Mutter, die ganze Zeit über war er sehrfroh und gesprächig, als seine Mutter ihm erzählte, er habe ein Schwesterlein bekommen, lachte er und nahm mich in die Arme, über alles, was ihm die Mutter von zu Hause erzählte, freute er sich unbändig, er ist recht lieb und gesprächig. Er beschäftigt sich sehr allein, wenn er irgend etwas aus Bausteinen zusammengestellt hat, kommt er mit strahlendem Gesicht und bezeichnet in seiner Fantasie, die sehr reich ist, es sei z.B. ein Auto. Beim Essen ist er langsam und wählerisch, bei den Spaziergängen
366
Ernst Nerlich/Gertrude Neubauer
ist er lebhaft, sieht alles und macht die anderen Kinder auf alles aufmerksam..." Am 30.3.1944 Am 23.4.1944
Am 28.4.1944
wird das Kind auf Pavillon 15 verlegt. fiebert der Bub hoch, hat Husten, Schnupfen und Durchfall. In der Folge verschlimmert sich das Allgemeinbefinden. Die Mutter wird verständigt. Austrocknungserscheinungen verschlechtern die Situation. stirbt das Kind in der Nacht an Lungenentzündung und Darmkatarrh.
NEUBAUER Gertrude
A Z 333/41
geb.
18.11.1924
eingewiesen durch:
Spezial Kinderheim Pressbaum/KUST
Wien
aufgenommen:
4.8.1941
Aufnahmeuntersuchung:
27.8.1941
Dr. H . Gross
Meldung:
27.8.1941
Dr. E. Jekelius
gest.
19.11.1941
4 Uhr 30
Todesursache:
Lungentuberkulose
r.k.
ehelich
Pav. 15
Gertrude ist von Geburt an geistig behindert. Sie wächst als einziges Kind bei den Eltern auf. Als die Mutter an Blutvergiftung stirbt (Datum unbekannt), kommt das Mädchen vorerst in das Erziehungsheim Süßenbrunn und wird von dort im März 1934 in das Spezial Kinderheim Pressbaum transferiert. Dieses wird im August 1941 geschlossen, und Gertrude wird mit vielen anderen Kindern in die Wr. Städt. Jugendfürsorgenanstalt „Am Spiegelgrund" überstellt. Am 4.8.1941 wird das Mädchen im Pavillon 15 aufgenommen. Am 27.8.1941 erfolgt die übliche Untersuchung durch Dr. H. Gross. Noch am selben Tag meldet Dr. E. Jekelius dem Reichsausschuss in Berlin: „... keine Besserung oder Heilung zu erwarten ...". Am 17.11.1942 schreibt die Stiefmutter an Dr. E. Illing (nachdem sie die Schlechtmeldungen über Gertrude erhalten hat): Sehr geehrter Herr Obermedizinalrat! Leider konnte ich aus dienstlichen Gründen erst heute mit meinem Mann zusammentreffen. Wir haben uns nun dahin entschlossen, die Kleine im gegebenen Falle in Wien zu lassen. Nur bitte ich fur ein katholisches Begräbnis zu sorgen und mich zu verständigen.
367
Gertrude Neubauer/Karl Neunteufel
Wollen Sie bitte so lieb sein und mich benachrichtigen, wie es der Kleinen geht?! Meine Adresse in der nächsten Zeit ist Gmunden ... Es istfür mich eine große Beruhigung, das Kind in so guten Händen zu wissen, und ich danke Herrn Obermedizinalrat noch vielmals für die mir gewährte und ausfuhrliche Unterredung. Mit deutschem Gruß Unterschrift d. Stiefmutter Am 19.11.1941 stirbt das 17-jährige Mädchen in den frühen Morgenstunden an Lungentuberkulose.
NEUNTEUFEL Karl
A Z 381/43
geb.
6.11.1943
eingewiesen durch:
Emil v. Behring Kinderkrankenhaus, Wien 9
Wien
aufgenommen:
24.11.1943
Pav. 15/Sgl.
Aufnahmeuntersuchung:
26.Ii.1943
Dr. M . Türk
Meldung:
6.12.1943
Dr. E. Illing
gest.
II.12.1943
2 Uhr 30
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
ehelich
Drei Tage nach der Geburt wird der kleine Karl zur Beobachtung wegen „mongolider Idiotie" in das oben genannte Kinderkrankenhaus gebracht. Er ist ein so genanntes „blaues Baby"und bekommt eine Herzinjektion. Am 24.11.1943 wird das Kind in die Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder überstellt im Pavillon 15 aufgenommen. Am 6.12.1943 meldet Dr. E. Illing an den Reichsausschuss in Berlin u. a.:,Außer Nahrungsaufnahme noch keine Reaktion auf die Umwelt... keine Besserung oder Heilung zu erwarten ..." In der Folge erkrankt der Säugling an Husten und Schnupfen, „sieht schlecht aus" (Dr. M. Türk) und fiebert bis zu 410. Am 11.12.1943 stirbt Karl am frühen Morgen an katarrhl. Lungenentzündung.
368
Hermine Neuwirth
NEUWIRTH Hermine geb.
A Z 455/42 30.6.1934
Baumgarten a. Wagram/ND. r.k.
eingewiesen durch:
Heil- u. Pflegeanstalt Gugging
aufgenommen:
26.1.1943
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
29.1.1943
Dr. H . Gross
Meldung:
8.2.1943
Dr. E. Illing
gest.
15.2.1943
11 Uhr 30
Todesursache:
Lungenentzündung
ehelich
Hermine wird behindert geboren. Die Gliedmaßen sind gelähmt, das Kind leidet an Fraisen mit häufigen Anfällen. Die Mutter berichtet, dass sie im 8. Monat der Schwangerschaft beim Fensterputzen vom Blitz gestreift wurde, rücklings umfiel und mehrere Stunden bewusstlos war. In der Folge bleibt das kleine Mädchen in der geistigen und motorischen Entwicklung „zurück". Die ersten sechs Jahre verbringt Hermine neben 10 Geschwistern im Kreis der Familie. Sie kann weder stehen noch gehen, sie kann auch nicht sprechen. Im Juni 1942 wird sie in die Heil- u. Pflegeanstalt Gugging eingewiesen. Von dort wird sie am 26.1.1943 in die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder überstellt und im Parterre des Pavillon 15 aufgenommen. In der Folge wird das Kind „beobachtet" und verschiedenen Untersuchungen unterzogen. Am 8. 2.1943 meldet Dr. E. Illing an den Reichsausschuss in Berlin u. a.: „... dauernde vollständige Pflegebedürftigkeit zu erwarten ..." Am 12.2.1943 schreibt Dr. H. Gross im Tagesprotokoll u. a.: „Sehr schlechtes Allgemeinbefinden. Nimmt keinerlei Anteil an den Vorgängen seiner Umgebung... Nahrungsaufnahme gering..." Am nächsten Tag fiebert das Mädchen und erkrankt an schwerer Bronchitis. Am 15.2.1943 stirbt Hermine an Lungenentzündung.
Helga Nieber
369 A Z 303/43
NIEBER Helga geb-
26.12.1931
eingewiesen durch:
Wagner v. Jauregg Heil- u. Pflegeanstalt Wien
Hamburg
aufgenommen:
25.9.1943
Pav. 15/Kr.
Aufnahmeuntersuchung:
25.9.1943
Dr. M . T ü r k
Meldung (Bericht):
20.10.1943
Dr. E. Illing
gest.
11.11.1943
4 Uhr
Todesursache:
Lungenentzündung, Lungentuberkulose
Neun Jahre befindet sich Helga in den Alsterdorfer Anstalten/Hamburg. Das Kind ist an allen vier Extremitäten gelahmt, sehr zart und geistig nicht dem Alter entsprechend entwickelt. Aus den Tagesberichten des Krankheitsverlaufes geht unter anderem hervor, dass das Mädchen ein sehr anhängliches Kind ist, das seine Umgebung kennt. Besonders gern spielt es mit seiner Puppe. Zwar „schreit es zwischendurch sehr viel, doch wenn man ihm übers Haar streicht, geht ein Lächeln über sein Gesicht ...es mag gern, wenn man sich mit ihm beschäfiigt. Im Wesen ist Helga freundlich, liebebedürftig und anhänglich ...". Sie dürfte wenig oder keine Abwehrkräfte besitzen, denn im Laufe ihres Aufenthaltes macht sie viele Krankheiten durch, die vor allem auch die geistige Entwicklung beeinträchtigen. Aus den Protokollen des Krankheitsverlaufs ist zu entnehmen: Durchfälle, Ruhr, Bronchitis, Grippe, Mittelohrentzündung, Scharlach, Masern, Furunkulose, Angina ... In der Folge geht ihre geistige Entwicklung immer mehr zurück. Am 16.8.1943
wird das Mädchen mit anderen in einem Sammeltransport „wegen schwerer Beschädigung der Anstalten durch Fliegerangriff verlegt nach Wien " und zunächst in der Wagner v. Jauregg Heil- u. Pflegeanstalt aufgenommen. Von dort wird sie am 25.9.1943 in die Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder überstellt, im Pavillon 15 aufgenommen und den üblichen Untersuchungsmethoden unterzogen. Am 20.10.1943 berichtet Dr. E. Illing an den Reichsausschuss nach Berlin u. a.: „... Bildungs- oder spätere Arbeitsfähigkeit ist mit Sicherheit auszuschließen . . . " Bald verschlechtert sich Helgas Allgemeinbefinden. Sie erleidet Durchfälle, erkrankt an Bronchitis, es besteht der Verdacht auf Tuberkulose. An die Mutter ergeht eine „ Schlechtmeldung ". Schreiben von Helgas Mutter an die Heil- und Pflegeanstalt (dat. Hamburg 24.10.1943):
Helga Nieber
37°
Ich bitte höflich um eine Auskunft betreff meiner Tochter Helga Nieber, welche am 16. Aug. ip43 von der Alsterdorfer Anstalt zu Hamburg dorthin nach Wien überführt wurde. Den Umständen nach, da ich meinen Mann, Helgas Vater auf See verlor, mein Sohn aus erster Ehe im Lazarett seinen Verletzungen erlegen ist und nun am 24.125. Juli auch mein Heim verlor, war ich vollständig erschöpft: So glaubt ich Helga wäreja geborgen. Zu spät begab ich mich nach Alsterdorf, musste nun erst erfahren, dass Helga fort ist: Bitte höflich mich nicht als eine gleichgültige Mutter zu betrachten und bitte um Nachricht. Unterschrift der Mutter Am 4.11.1943 antwortet Dr. E. Illing der Mutter:
Mit Bedauern haben wir von dem schweren Geschick, das Sie betroffen hat, vernommen. Ihr Kind Helga befindet sich seit 2$. Sept. 1943 in der hiesigen Klinik. Seit der Aufnahme ist weder in körperlicher noch in geistiger Hinsicht eine Änderung eingetreten. Das Kind befindet sich in herabgesetztem Ernährungszustand. Es handelt sich bei Ihrer Tochter um ein wahrscheinlich erworbenes hirnorganisches Leiden mit innerem Wasserkopf, Lähmungen aller 4 Gliedmaßen und hochgradiger geistiger Rückständigkeit. Wenn auch zur unmittelbaren Besorgnis kein Anlass besteht, so ist im ganzen doch der Zustand als ernst zu bezeichnen. Unterschrift Dr. E. Illing Am 11.11.1943
stirbt das Mädchen in den frühen Morgenstunden an Lungenentzündung. Der Obduktionsbefund bestätigt: Lungentuberkulose.
Am 23.11.1943 schreibt Dr. M . Türk an Helgas Mutter:
Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass Ihr Kind Helga am 11. Nov. 1943 in der hiesigen Klinik verstorben ist. Die Todesursache war eine Lungentuberkulose. Wie aus beiliegender Meldung hervorgeht, kam das am Todestag aufgegebene Telegramm als unbestellbar zurück. Das Kind wurde inzwischen kostenlos beerdigt. Beim nochmaligen genaueren Durchsehen der Akten fand ich, dass das Telegramm an Ihre alte Anschrift gegangen war. Aus bürotechnischem Versehen war die neue Adresse nicht eingetragen worden. Wir bitten dies Versehen zu verzeihen. Bezüglich der Grabstätte wollen Sie sich an die Friedhofsverwaltung Wien 11, Zentralfriedhof II. Tor wenden. Unterschrift: Dr. M . Türk
Helga Nieber/Hildegard Niess
371
Antwortschreiben von Helgas Mutter an Dr. M . Türk (dat. 5.12.1943) Werte Doktorin Türk! Heute erst erhielt ich die Nachricht betr. vom Tode meines Kindes Helga Nieber. Hart nahm ich es auf. Denn gerne hätte ich meine Helga noch einmal gesehen. Gott hat eine Wohltat getan, aber das letzte Geleit hätte ich meinem Kindegern gegeben. Warum musste man Helga aus Hamburg schaffen? - Da ich meinem großen Sohn in Ohlsdorf habe, so wäre es für mich ein Trost auch meine Tochter schliefe dort. Alles ist nun von mir, mein Mann (Helga's Vater), mein großer Junge, und mein Heim. Nur meines Sohnes Grab kann ich außuchen, da man mir die Helga so weitfort schaffte. Unterschrift der Mutter
NIESS Hildegard
A Z 252/41
geb.
29.8.1929
eingewiesen durch:
Spezial Kinderheim Pressbaum/KUST
Eisenerz/Stmk.
aufgenommen:
4.8.1941
Pav. 17/Bu.
7-I-I943 Aufnahmeuntersuchung:
17.9.1941
Dr. H. Gross
Meldung:
2.10.1941
gest.
ehelich
Pav. 15/P
16.7.1942
Pav. 15/P.
Todesursache:
r.k.
Dr. E. Jekelius 20 Uhr
2.2.1943 Lungenentzündung
Hildegard wächst bis Jänner 1941 bei den Eltern am Land auf. Die beiden älteren Geschwister sind bereits außer Haus. Das Kind ist mongolid, lernt verhältnismäßig spät gehen und einzelne Wörter sprechen. Leider gibt es in der Nähe keine Sonderschule, die das Mädchen rechtzeitig besuchen könnte. „Zu Hause ist Hildegard sehrfleißig, räumt zusammen, arbeitet im Garten, spielt gerne mit anderen Kindern, ist beim Essen, Waschen und Anziehen selbständig. Sie ein stilles, aber geselliges Kind, das gerne zeichnet, sehr willig und leicht zu führen ist" wie die Mutter berichtet. Diese wird als stille arbeitsame Frau beschrieben, die bemüht ist, ein geordnetes Leben zu fuhren. Der Vater ist Trinker. Die Eltern lassen sich gerichtlich scheiden. Die Mutter übersiedelt mit der Tochter nach Wien. Weil sie von den Alimenten ihres Mannes den Lebensunterhalt nicht bestreiten kann, muss sie selbst diverse Arbeiten annehmen. Sie hat niemand zur Aufsicht und Betreuung des Kindes. Deshalb stellt das zuständige Jugendfursorgeamt den Antrag auf Übernahme von Hildegard in Gemeindepflege.
Hildegard Niess/Ilse Nissel
372 Am 4.8.1941
wird das Mädchen vom Spezial Kinderheim Pressbaum, in die Wiener Städt. Jugendfürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund" überstellt. Am 2.9.1941 meldet Dr. E. Jekelius an den Reichsausschuss in Berlin u. a.: „Mongolide Idiotie, Arbeitseinsatzfähigkeit nicht zu erwarten ..." In der Folge wird das Mädchen zwischen den Pavillons 15 und 17 hin- und hertransferiert. Am 4.12.1941 steht in einem Schwesternbericht u. a.: „... Kind ist seit Beginn ihres Hierseins schon etwas zugänglicher geworden ... sie ist selbständig beim Waschen, Kleiden u. Essen. Hilde ist gerne hilfibereit u. zu kleinen Arbeiten verwendbar, wie ζ. B. beim Ankleiden u. Ausspeisen der Kinder oder beim Betten machen ...zu ihren Kameradinnen ist sie lieb u. verträglich, nimmt gerne am gemeinsamen Spiel teil u. beschäftigt sich auch sonst gerne mit ihnen. Bei Erzählungen ist sie eine interessierte Zuhörerin. Sie ist rein u. auf ihre Person u. Sachen nett. Bei den Mahlzeiten ist sie eine schlechte Esserin und schenkt teilweise ihre Mahlzeiten ihren Kameradinnen. Zur Schwester sucht sie keinen Kontakt. " Im darauf folgenden Jahr ist das Mädchen wie verändert. „Seine Stimmung ist eher gedrückt, kaum ansprechbar, es sucht wenig Kontakt, sie kleidet sich nicht mehr ordentlich an ..." Am 30.1.1943 Am 2.2.1943
erkrankt das Kind an schwerer Bronchitis und fiebert hoch. stirbt Hildegard an Lungenentzündung.
AZ151/43
NISSEL Ilse geb.
7.3.1924
eingewiesen durch:
Dr. Gabriel
aufgenommen:
7.7.1943
Aufnahmeuntersuchung:
Dr. E. Illing
Wien
r.k.
ehelich
Pav. 15/P.
gest.
30.7.1943
Todesursache:
Toxischer Scharlach mit Kreislaufschwäche, schwere eitrige
11 Uhr 30
Mandelentzündung, Bronchitis, Lungenentzündung
Ilse ist bereits 19 Jahre alt, als sie Dr. Gabriel in die Wr. Städt. Nervenklinik fur Kinder überweist. Das gutmütige Mädchen ist nach einer Kopfverletzung bei der Geburt geistig behindert.
Ilse Nissel/Theo Niessen
373
Am 7.7.1943
übernimmt Dr. E. Illing persönlich das Mädchen, führt sämtliche Untersuchungen selbst durch und hält deren Ergebnisse mit eigener Handschrift in den Protokollen fest. Er macht auch nicht, wie sonst bei ihm üblich, Meldung an den Reichsausschuss in Berlin.
Am 20.7.1943
führt Dr. E. Illing eine Encephalografie durch, nach der Ilse noch mehrere Tage an den Nachwirkungen leidet. Sie hat hohes Fieber, starke Kopfschmerzen und erbricht oft. Der Kreislauf ist stark beeinträchtigt. erkrankt das Mädchen zusätzlich an toxischem Scharlach. An die Eltern ergeht eine fernmündliche „Schlechtmeldung". stirbt Ilse am Vormittag. Die Obduktion ergibt zusätzlich: Schwere eitrige Mandelentzündung, Bronchitis und Lungenentzündung.
Am 29.7.1943 Am 30.7.1943
NIESSEN Theo
AZ184/43
geb.
9.3.1935
eingewiesen durch:
Wagner v. Jauregg Heil- u. Pflegeanstalt Wien
Wien
r.k.
ehelich
(aus St. Josefshaus in Hardt b. Mönchengladbach) aufgenommen:
16.7.1943
Pav. 15/1
I9-7-I943
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
23.7.1943
Dr. E. Illing
Meldung (Bericht):
23.7.1943
Dr. E. Illing
gest.
I4-9-I943
20 Uhr 30
Todesursache:
Darmentzündung, Lungentuberkulose
Theo wächst in einer liebevollen Familie auf. Seit der Geburt ist der kleine Bub irgendwie „merkwürdig", wie die Mutter berichtet. Während des ersten Lebensjahres erkrankt das Kind an Masern, danach beginnen die Augen zu „flackern". Auch kann es keine Nahrung behalten, es erbricht immer alles. Die besorgten Eltern suchen ärztliche Hilfe. Sie werden an das St. Josefshaus in Hardt bei Mönchengladbach verwiesen. Dort wird „ Taubstummheit und Störung des Sehvermögens" festgestellt. In der Beurteilung heißt es u. a . : A u f Grund des erheblichen Intelligenzschadens in Verbindung mit den körperlichen Gebrechen ist von heilpädagogischen Maßnahmen kein Erfolg zu erwarten. Da Untersuchter zur Zeit ruhig ist
374
Theo Niessen
und keine Erziehungsschwierigkeiten bereitet, kann er bis aufweiters in der Familie gehalten werden." Irgendwann muss das Kind dann doch wieder zurückgekommen sein, denn im Mai 1943 wird es mit einem Sammeltransport nach Wien, in die Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt, gebracht. Am 16.7.1943 wird Theo „einvernehmlich vom Pav. 18 in die Städtische Nervenklinikfür Kinder (Pav. 15) transferiert". Am 23.7.1943 erfolgt die Aufnahmeuntersuchung durch Dr. E. Illing, noch am selben Tag meldet dieser an den Reichsausschuss in Berlin u. a.: „... bildungs- und arbeitsunfähig". Die Eltern schreiben an die ärztliche Direktion (ohne Datum): „Haben Ihr Schreiben vom IJ. Juli, in dem Sie uns mitteilten, dass Sie unser Kind Theo in die dortige Nervenklinik übernommen haben, erhalten! Da es uns leider persönlich nicht möglich ist, unser Kind in der jetzigen Zeit zu besuchen, bitten wir Sie höflichst, uns einige Zeilen über das Befinden unseres Kindes zukommen lassen! In der Erwartung, dass unsere Bitte nicht vergebens sein wird, grüßen wir auf diesem Wege unser Kind herzlich." Unterschrift und Adresse der Eltern Am 13.9.1943 fiebert das Kind hoch, es hat schweren Durchfall. Am 14.9.1943 verschlechtert sich das Allgemeinbefinden, an die Eltern ergeht eine „Schlechtmeldung". Am Abend stirbt der 8-jährige Bub an „fieberhafier Darmentzündung". Die Obduktion ergibt zusätzlich „verkäsende Lungentuberkulose". Die Eltern erhalten am 15.9.1943 telegrafisch die Todesnachricht. Noch am selben Tag schreiben sie an die Direktion: „Hart und schwer traf uns die Nachricht, dass unser liebes Kind Theo so plötzlich verschieden ist. Schwerfallt es uns, dass wir nicht die Möglichkeit haben unseren Sohn nach hier überführen zu lassen, auch sind wir nicht in der Lage rechtzeitig zum Begräbnis dort zu sein. Dieses sind alles kriegsbedingte Ereignisse, die wir ja leider nicht abändern können. Eine große Bitte haben wir noch, erfüllt uns bitte diesen letzten Wunsch und schreibt uns mal wie und woran er gestorben ist. Vielleicht hätte noch die Möglichkeit bestanden, ihn nochmals zu besuchen. Die Nachricht traf uns doppelt schwer, da uns vor acht Tagen die Nachricht vom Heldentod meines jüngsten Bruders an der Ostfront ereilte!" In tiefer Trauer Unterschrift und Adresse der Eltern
"Theo Niessen/Franz Rudolf Nothardt
375
Schreiben von Dr. E. Illing an Theos Eltern vom 20.9.1943: „Zum Tode ihres Söhnchens Theo sagen wir ihnen unser herzlichstes Beileid. Wie ihnen bereits im Schreiben vom 14.p. mitgeteilt wurde, ist ihr Kind an einer akuten Darmentzündung erkrankt, der es am 14.p. um halb ρ Uhr abends erlegen ist. Die Obduktion ergab weiters das Vorliegen einer chronischen Lungentuberkulose, die wahrscheinlich auch die geringe Widerstandskraft gegen die Darmerkrankung bedingt hat. Es hatte nicht den Anschein, dass das Kind gelitten hat, es ist ruhig eingeschlafen. Bei der Schwere und in der Hoffnungslosigkeit seines Grundleidens kann der Todfür das Kind nur eine Erlösung bedeuten. " Unterschrift: Dr. E. Illing Am 26.9.1943 schreiben die Eltern nochmals an die Direktion der Anstalt: „Danken für die aufrichtige Teilnahme! Benötigen dringend die Sterbeurkunde und den Begräbnisschein von unserem Kinde Theo. Für alle ihre Mühen und Sorgen, sowie ärztliche Betreuung an unserem lieben Theo unseren aufrichtigen Dank. " Unterschrift u. Adresse der Eltern
NOTHARDT Franz Rudolf
A Z 2/40
geb.
28.2.1940
eingewiesen durch:
Amtsarzt Dr. Hartinger, Gesundheitsamt Kreis Znaim
Waltrowitz
r. k.
ehelich
aufgenommen:
15.8.1940
Aufnahmeuntersuchung:
16.8.1940
Dr. Meier
Meldung:
18.3.1940
Marie Krappel (Gemeindehebamme)
gest.
25.8.1940
13 Uhr 10
Todesursache:
Lungenentzündung, Herzschwäche, Lungenödem
Der kleine Franz wird mit einer gespaltenen Lendenwirbelsäule, darüber sich ein faustgroßer Tumor befindet, geboren. Zusätzlich ist der ganze Unterkörper gelähmt. Das Kind muss künstlich ernährt werden. Dies alles meldet der zuständige Amtsarzt des Staatlichen Gesundheitsamtes des Kreises Znaim am 17.4.1940 an den Reichsausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden in Berlin. Am 15.8.1940
wird das Kind in der Wr. Städt. Jugendfursorgeanstak ,Am Spiegelgrund" aufgenommen. In der Folge erkrankt der Säugling an
376
Am 25.8.1940
Franz Rudolf Nothardt/Josef Novotny
schleimigen Stühlen, nimmt nur ganz wenig Nahrung zu sich und fiebert hoch. zeigen sich zusehends Verfallserscheinungen. In den frühen Morgenstunden stirbt das 6 Monate alte Kind. (Die gesamte Wirbelsäule mit dem Tumor wird abpräpariert und in 4 % Formol eingelegt.)
NOVOTNY Josef
A Z 86/43
geb.
29.9.1930
Deutsch Altenburg
eingewiesen durch:
Pflege- und Beschäftigungsanstalt Gugging
aufgenommen:
1.6.1943
Aufnahmeuntersuchung:
3.6.1943
Dr. M. Türk
Meldung:
12.6.1943
Dr. E. Illing
gest.
21.6.1943
3 Uhr 30
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
ehelich
P a v · 15/P·
In seiner frühesten Kindheit hat Josef häufig Fraisenanfälle. Er ist taubstumm und bleibt in der Folge sowohl im Längenwachstum, sowie in der motorischen und geistigen Entwicklung „zurück". Vom 6.2. bis 1.6.1943 befindet sich der Bub in der Pflege- und Beschäftigungsanstalt in Gugging. Am 1.6.1943 wird er in die Wr. Stadt. Nervenklinik für Kinder überstellt und im Parterre des Pavillon 15 aufgenommen. Am 12.6.1943 meldet Dr. E. Illing das Kind „als vollkommen pflegebedürftig und bildungsunfähig" an den Reichsausschuss in Berlin. Am 21.6.1943 stirbt Josef in den frühen Morgenstunden an Herzstillstand bei Lungenentzündung.
377
Wilhelm Nowak/Walter Oberbauer
NOWAK Wilhelm
AZ129/43
geb.
13.6.1943
eingewiesen durch:
KÜST
Wien
r.k.
ehelich
aufgenommen:
21.6.1943
Pav. 15/1
Aufnahmeuntersuchung:
21.6.1943
Dr. M . Türk
Meldung:
30.6.1943
Dr. E. Illing
gest.
5-7-1943
17 Uhr
Todesursache:
Allgemeine Lebensschwäche, Lungenentzündung
Wilhelm ist acht Tage alt, als er im Pavillon 15 der Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder aufgenommen wird. Das Kind ist mongolid. Am 30.6.1943 meldet Dr. E. Illing an den Reichsausschuss in Berlin: „Noch nicht genau beurteilbarer mangelhaft ausgebildeter Greifreflex... Besserung oder Heilung nicht zu erwarten..." Am 1.7.1943 schreibt Dr. M. Türk im Tagesbericht u. a.: „Kreislauftchwäche, hat häufig geschwollene Händchen und Füßchen, Temperatur normal." Am 5.7.1943 stirbt der Säugling an allgemeiner Lebensschwäche.
OBERBAUER Walter
A Z 506/42
geb.
29.8.1940
eingewiesen durch:
Landrat Kreis Baden/ND.
Brunn b. Wiener Neustadt r.k.
aufgenommen:
27.2.1943
Pav. 15/1
Aufnahmeuntersuchung:
8.3.1943
Dr. M . Türk
Meldung:
13.3.1943
Dr. E. Illing
gest.
3.4.1943
13 Uhr
Todesursache:
Darm- und Lungenentzündung
ehelich
Walter hat ab dem dritten Lebenstag Fraisen, deren Anfälle sich wiederholen. Ab dem 1. Lebensjahr kann der kleine Bub einige Wörter sprechen. Doch jedes Mal, nach einem Anfall, bleibt die Sprache weg. Auch in der motorischen Entwicklung hat das Kind Schwierigkeiten. Im Juni 1942 wird es im Kinderspital des Deutschen Roten Kreuzes Wien 9 untersucht. Ein diesbezüglicher Bericht liegt nicht vor.
37«
Walter Oberbauer/Ingrid Odendahl
Am 27.2.1943
wird Walter in die Wr. Städt. Nervenklinik fur Kinder eingewiesen und im Pavillon 15 aufgenommen. Die Einweisungsdiagnose lautet: „Mongolide Idiotie." Am 8.3.1943 nimmt Dr. M. Türk die Aufnahmeuntersuchung vor. Im Protokoll hält sie u. a. fest: „Im Gegensatz zur Einweisungsdiagnose lassen sich Zeichen von Mongolismus nichtfeststellen." Am 13.3.1943 meldet Dr. E. Illing das 2 Vi-jährige Kind an den Reichsausschuss in Berlin: „Keinerlei Arbeits- und Einsatzfähigkeit zu erwarten!" In der Folge erkrankt das Kind an Durchfällen, fiebert hoch, nimmt fast keine Nahrung auf. Es wird sondiert. Das Allgemeinbefinden verschlimmert sich zusehends. Am 1.4.1943 Am 3.4.1943
steht im Tagesbericht u. a.: „schwach und hinfällig . stirbt Walter an „schwerer Darmentzündung und Lungenentzündung".
ODENDAHL Ingrid
A Z 304/43
geb-
12.1.1932
eingewiesen durch:
Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt Wien
Solingen
evang.
unehelich
aufgenommen:
25.9.1943
Pav. 15/Kr.
Aufnahmeuntersuchung:
27.9.1943
Dr. M . Türk
Meldung (Bericht):
20.10.1943
Dr. E. Illing
gest.
25.10.1943
22 Uhr 10
Todesursache:
Schwerer Darmkatarrh
(von Anstalt Niderreidenbacher Hof, Bad Kreuznach)
Ingrid ist schwer behindert. Mit einem Sammeltransport wird sie im Sommer 1943 in die Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt gebracht. Von dort wird sie am 25.9.1943 auf Pavillon 15 verlegt. Am 27.9.1943 nimmt Dr. M. Türk die umfangreiche Aufnahmeuntersuchung vor. Im Untersuchungsprotokoll hält sie u. a. fest: „Hochgradig atrophisches, tiefitehend idiotisches Kind, welches gelähmt im Bett liegt. Das Kind ist völlig hilflos, kann nicht einmal den Kopfheben. Sitzen oder stehen ist gänzlich ausgeschlossen. Das Kind reagiert überhaupt nicht aufseine Umgebung, zeigt weder auf Licht- noch
Ingrid Odendahl/Ludwig O f f n e r
379
auf Schallreize irgendeine Reaktion. Greift nicht, hält auch in die Hand gelegte Gegenstände nicht fest...
das Skelett zeigt schwere
Deformitäten ..." Am 2i.10.1943
erkrankt Ingrid an „dünnen schleimigen Durchfallen ..."
Am 25.10.1943
stirbt das Mädchen in der Nacht an schwerem Darmkatarrh.
AZ192/42
OFFNER Ludwig geb.
Wien Pav. 15/P.
gest.
23.9.1942 9.12.1942 29.9.1942 19.1.1943 20.1.1943
Todesursache:
Kehlkopfdiphterie, Miliartuberkulose, Kreislaufschwäche
Aufnahmeuntersuchung: Meldung:
r.k.
ehelich
I3-9-I939 KÜST
eingewiesen durch: aufgenommen:
Pav. 15/1 Dr. H. Gross Dr. E. Illing
15 Uhr
Ludwig wird durch eine schwere Zangengeburt entbunden. Wegen eines „Schiefhalses" und eines „Klumpfußes" Wird der kleine Bub in die Wr. Städt. Jugendfürsorgeanstalt gebracht, wo er acht Monate verweilt. Eine Operation wird zwar erwähnt, aber Genaueres geht aus den vorliegenden Unterlagen nicht hervor. Irgendwann dürfte auch die Wiener Universitätsklinik auf das Kind aufmerksam geworden sein, denn auch dort verbringt es drei Monate. Als Ludwig dann endlich nach Hause kommt, gibt es zwei kleine Geschwisterchen. Das 3 !/2-jährige Kind scheint durch die Zeit außerhalb der Familie eine „ Veränderung der Persönlichkeit" durchgemacht zu haben, wie es Dr. A. Pötzl von der Univ. Kinderklinik formuliert. „Es ist unruhig, zornig, boshaft, schlägt, beißt und kratzt die Mutter...
spricht noch gar nichts. Viele degenerative Stigmata (Klumpfuß,
schielt). Die Mutter, die vor vier Wochen entbunden hat, weißsich nicht zu helfen. Da der Bub aber eine dauernde Aufsicht braucht, ist es dringend notwendig, ihn in einem Heim unterzubringen und zwar,Am Spiegelgrund'" {Unterschrift Dr. A. Pötzl). Dies wird über die Kinderübernahmestelle vereinbart und von Dr. H. Gross zugesagt. Am 23.9.1942
wird Ludwig im Pavillon 15 aufgenommen.
Am 29.9.1942
nimmt Dr. H. Gross die Aufnahmeunterschuchung vor. Im diesbezüglichen Protokoll vermerkt er u. a.: „... in seinen statischen Funktionen ist das Kind noch zurückgeblieben, der Gang
38ο
Ludwig Offner
ist noch etwas ungeschickt. Keine Störungen des Bewegungsablaufes. Während der körperlichen Untersuchung zuerst raunzig. Durch das Andrehen der Untersuchungslampe ,taut1 er aber auf. Blickt interessiert auf die Lampe, ...er spielt auch interessiert mit dem Reflexhammer und einem ihm übergebenen Bleistift. Sprachliche Äußerung ist noch keine vorhanden. Nach Bericht der Schwester zeigt er sich fur alle Vorgänge in seiner Umgebung interessiert. Nähere Beobachtungen stehen aber noch aus... noch nicht näher bestimmbarer geistiger Rückstand..." Am 16.10.1942
Am 1.11.1942 Am 11.Ii.1942
Am 1.12.1942 Am 9.12.1942
erkrankt das Kind an Darmentzündung mit blutig-schleimigem Stuhl. Das Allgemeinbefinden ist schlecht. Der Ernährungszustand ist stark vermindert. wird Ludwig wegen Ruhr-Verdachts isoliert. Acht Tage später ergeht eine „Schlechtmeldung" a.η die Mutter. eine Stuhluntersuchung auf Ruhr ist negativ, die Isolierung wird aufgehoben. Inzwischen hat das Kind stark an Gewicht verloren. steht im Tagesbericht: „... befindet sich jetzt im Saal. Wegen schlechten Ernährungszustandes noch immer in Bettruhe..."
ist in einem Schwesternbericht festgehalten: „... befindet sich noch immer in Bettruhe. Sprachliche Äußerung ist noch keine vorhanden, das Sprachverständnis ist besser ausgebildet. Er versteht einfache Aufträge wie ζ. B. aufstehen, Hand reichen, kann auf Verlangen einzelne Körperteile zeigen. Er fixiert, greift nach Gegenständen und beschäftigt sich auch mit denselben ... Mit anderen Kindern sucht er Kontakt, sieht es sehr gern, wenn sie um ihn herum stehen und sich mit ihm beschäftigen. Er ist immer sehr ernst und konnte bisjetzt noch nicht zum Lachen gebracht werden. Er ist noch zu schwach, um allein aufstehen zu können ... beim Ankleiden versucht er immer mitzuhelfen ..." Wegen des andauernd schlechten Allgemeinbefindens äußert Dr. H. Gross den Verdacht auf Lungentuberkulose. Am 20.1.1943 stirbt Ludwig im Alter von 3 V2 Jahren an Kreislaufschwäche während einer toxischen Kehlkopfdiphterie und Miliartuberkulose der Baucheingeweide.
Heinrich Ognanovic
38I
OGNANOVIC Heinrich geb.
23.6.1928
AZ121/43 Serbien (als Volksdeutscher) r.k.
ehelich
eingewiesen durch:
Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt Wien
aufgenommen:
29.7.1943
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
29.7.1943
Dr. M . Türk
Meldung:
9.8.1943
Dr. E. Illing
gest.
10.9.1943
10 Uhr 45
Todesursache:
Schwerer Darmkatarrh, Lungenentzündung
Heinrich entwickelt sich anfangs ganz normal. Als er im Alter von zwei Jahren einmal rücklings auf den Kopf stürzt, verliert er die Sprache und kann auch nicht mehr gehen. Erst ab dem 6. Lebensjahr spricht er wieder einige Worte und geht gern herum. Er ist lebhaft, Musik macht ihm Freude. Mit 14 Jahren leidet er plötzlich an epileptiformen Anfällen. Der Amtsarzt des zuständigen Gesundheitsamtes in Wien 18 diagnostiziert u. a.: „Patient ist offensichtlich geistesgestört, weshalb seine Anhaltung in derpsychiatr. Klinik zulässig und erforderlich ist." Am 12.5.1943
wird Heinrich im Pav. 18 der Wagner v. Jauregg Heil- und Pfle-
Am 15.5.1943
kommt eine Schwester der Mutter und teilt mit, dass Prof. Pötzl
geanstalt aufgenommen. von der Univ. Kinderklinik eine Aufnahme auf dem Spiegelgrund zugesagt hätte, weil „der Junge auch an Krämpfen leide". Am 24.6.1943
wird die Mutter mündlich vom schlechten Allgemeinzustand des Kindes in Kenntnis gesetzt. Wie in den vorliegenden Unterlagen festgehalten ist, meint sie „man solle ihm etwas geben, dass er einschlafen könne für immer, wenn ihm schon nicht mehr zu helfen sei...".
Doch Heinrich wird weiterhin im Gitterbett verwahrt. Er ist ängstlich und abwehrend. Er wird noch dazu wegen Diphterieverdacht isoliert. Am 29.6.1943
wird er „einvernehmlich"in die Wr. Städt. Nervenklinik f. Kinder transferiert und im Pavillon 15 aufgenommen. Noch am selben Tag nimmt Dr. M. Türk die Aufnahmeuntersuchung vor, u. a. hält sie im Protokoll fest: „... ein fiir sein Alter zu kleiner, bis zum Skelett abgemagerter Knabe von idiotischem Aussehen und Gehaben ...er
sitzt teilnahmslos im Bett...
Ohren sehr groß, schlecht
modelliert, löffeiförmig abstehend... Atem kaum
hörbar..."
382
Heinrich Ognanovic/ Luzia Ondracek
Am 9.8.1943
macht Dr. E.Illing die Meldung an den Reichsausschuss in Berlin. Der Bub verfällt körperlich und ist nicht ansprechbar. Er hat inzwischen 10 kg an Körpergewicht verloren. In der Folge leidet das Kind unter einer schweren fieberhaften Darmentzündung. Es verfällt zusehends.
Am 10.9.1943 stirbt Heinrich im Alter von 15 Jahren.
ONDRACEK Luzia
AZ170/41
geb.
18.10.1937
eingewiesen durch:
Spezial Kinderheim Pressbaum/KÜST
Wien
aufgenommen:
4.8.1941
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
8.8.1941
Dr. H . Gross
gest.
13.6.1942
6 U h r 15
Todesursache:
Lungenentzündung
r.k.
ehelich
Die jungen Eltern der kleinen Luzia stehen in Scheidung. Da sie berufstätig und beide Großmütter krank sind, kann das Kind nicht entsprechend beaufsichtigt werden. Das zuständige Jugendfürsorgeamt stellt den Antrag auf Übernahme in Gemeindepflege. Im Juli 1939 wird das 2 Vi-jährige Kind im Spezial Kinderheim Pressbaum aufgenommen. Da es zu Hause zeitweise nur im Bett verwahrt wurde, wird es hier lebhaft, lacht, spielt mit Spielsachen und reagiert auf Vater und Großmutter, wenn sie zu Besuch kommen. Am 4.8.1941 erfolgt wegen Schließung des Heimes die Uberstellung des Mädchens in die Wr. Stadt. Jugendfürsorgeanstalt ,Am Spiegelgrund". Im Protokoll der Aufnahmeuntersuchung hält Dr. H. Gross u. a. fest: „ Während der Untersuchung liegt das Kind meist vollkommen teilnahmslos auf dem Untersuchungstisch, die Haltung ist meist abweisend. Vorgehaltene Gegenstände werden für kurze Zeit fixiert, aber nicht ergriffen. Das Kind spricht nichts ... der Gesichtsausdruck ist leer, stumpfaber nicht direkt idiotisch ..." Am nächsten Tag wird Luzia dem Reichsausschuss in Berlin mit der Diagnose „Idiotie"gemeldet. In der Folge wird das Kind verschiedentlich untersucht (ζ. B. zweimal einer Encephalografie unterzogen), und beobachtet. Aus einem Schwesternbericht geht u. a. hervor: „... auffallend ist die Stellung des Kindes: sie liegt
383
Luzia Ondracek/Leonhard Opdenberg
seitlich rechts, die rechte Hand aufgestützt und den Kopf gehoben, so liegt das Kind tagsüber im Bette. Sie spricht kein Wort... sie sucht keinen Kontakt mit der Umgebung ..." Im Mai 1942 verschlechtert sich plötzlich das Allgemeinbefinden des Kindes. Es wird ins Parterre des Pavillon 15 verlegt. Es schläft fast den ganzen Tag. Am 13.6.1942 stirbt Luzia am frühen Morgen an Lungenentzündung.
OPDENBERG Leonhard
AZ176/43
geb.
z.ii.1939
Düsseldorf
r.k.
ehelich
eingewiesen durch:
Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt Wien
aufgenommen:
15.7.1943
Aufnahmeuntersuchung:
15.7.1943
Dr. E. Illing
Meldung (Bericht):
23.7.1943
Dr. E. Illing
gest.
5.9.1943
17 U h r 30
Todesursache:
Akute Nierenentzündung
(St. Josefshaus Hardt bei Mönchengladbach) Pav. 15/1
Leonhard leidet seit der Geburt an epileptiformen Krämpfen. In den Städtischen Krankenanstalten in Düsseldorf wird das Kind zweimal encephalografiert. Die Diagnose lautet auf Atrophie (= Schwund) besonders des Stirnhirnes, was dann durch die Obduktion nach dem Tod der Kindes in Wien widerlegt wird. Wegen der vermeintlichen organischen Hirnveränderung wird dem Kind nur „geringer bildungsmäßiger u. erzieherischer Erfolg" vorausgesagt und „dringend erforderliche Anstaltsunterbringung" beantragt. Vom 19.4.1942 bis 15.7.1943 verbringt der kleine Bub seinen Aufenthalt im St. Josefshaus in Hardt bei Mönchengladbach. Im Mai 1943 wird das Kind mit einem Sammeltransport nach Wien in die Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt gebracht. Am 15.7.1943 wird Leonhard in die Wr. Städt. Nervenklinik für Kinder transferiert und noch am selben Tag von Dr. E. Illing untersucht. 8 Tage später meldet er das Kind an den Reichsausschuss in Berlin. Am 3.8.1943 schreibt Dr. E. Illing an den Vater des kleinen Buben: „Ihr Kind Leonhard ist am 15. Juli aus der Wagner von Jauregg Heil- und Pflegeanstalt in die hiesige Klinik überstellt worden. Er befand sich
384
Leonhard Opdenberg/Renate Ortner
schon bei der Aufnahme in einem sehr schlechten Kräfiezustand, weder in körperlicher noch in geistiger Hinsicht ist seit der Aufnahme eine Änderung eingetreten. Ein Besuch ist bei der großen Entfernung und den schlechten Beförderungsmitteln nicht anzuraten. Das Kind wird nach bester Möglichkeit gepflegt. " In der Folge verschlimmert sich das Allgemeinbefinden des Kindes. Am 4.9.1943 ergeht eine „Schlechtmeldung" an die Eltern. Am 5.9.1943 stirbt der 4-jährige Bub an akuter Nierenentzündung.
ORTNER Renate
AZ10/43
geb.
26.3.1943
eingewiesen durch:
Robert-Koch-Krankenhaus W i e n / K Ü S T
Wien
aufgenommen:
8.4.1943
Pav. 15/1
Aufnahmeuntersuchung:
9.4.1943
Dr. M . Türk
gest.
26.4.1943
21 Uhr 45
Todesursache:
Akute Darmentzündung
ehelich
Am 8.4.1943
wird das „14 Tage alte, kleine zarte Mädchen mit den typischen Zeichen von Mongolismus" (Dr. Türk) im Pavillon 15 aufgenommen.
Am 9.4.1943
nimmt Dr. M. Türk die übliche Aufnahmeuntersuchung vor und hält im Protokoll fest: „Noch kein Abweichen von der Norm
Am 25.4.1943
verschlechtert sich plötzlich das Allgemeinbefinden des Kindes.
Am 26.4.1943
Es fiebert, ist sehr blass, der Bauch ist hochgradig gebläht. leidet Renate zusätzlich an Atemnot. Am späten Abend stirbt das kleine Mädchen an akuter Darmentzündung.
Ernst Ossenkamp
385
OSSENKAMP Ernst
A Z 217/43
geb.
4.8.1930
eingewiesen durch:
Wagner v. Jauregg Heil- und Pflegeanstalt Wien
Bochum
r.k.
aufgenommen:
29.7.1943
Pav. 15/P.
Aufnahmeuntersuchung:
29.7.1943
Dr. M . Türk
Meldung
20.8.1943
Dr. E. Illing
gest.
29.10.1943
18 Uhr 20
Todesursache:
fieberhafte Darm- und Lungenentzündung
ehelich
(von St. Josefshaus Hardt bei Mönchengladbach)
Ernst wird als „Frühgeburt" im 6. Monat geboren. Die geistige Entwicklung ist vom Anfang an beeinträchtigt. Das Kind wächst in einer sehr liebevollen Familie mit zwei älteren Geschwistern auf. Irgendwann (Datum ist nicht bekannt) geschieht es, dass der Bub bei einem nicht ungefährlichen Streich erwischt wird. Die Eltern berichten: Es betrifft das Abfahrenlassen eines Straßenbahnwagens. Das Kind sei mit sechs Mitschülern beisammen gewesen, von denen einer von den zum Ablassen nötigen drei Handgriffen zwei tätigte und dem Jungen dann den dritten zum Einschalten überließ. Ernst wird geschnappt und zwangsweise wegen „Gemeingefdhrlichkeit"in eine Anstalt eingewiesen. Am 28.5.1943
kommen die Eltern zu Besuch. Sie möchten ihr Kind in häusliche Pflege übernehmen, sie haben Haus und Garten und die Mutter ist zu Hause zur Beaufsichtigung. Inzwischen wird Ernst mit einem Sammeltransport nach Wien in die Wagner von Jauregg Heil- und Pflegeanstalt gebracht.
Am 28.6.1943
langt ein Päckchen mit Brief von den Eltern für das Kind ein.
Am 13.7.1943
ersucht die Schwester des Buben dringend um wenigstens 14tägige Beurlaubung. Sie ist extra deshalb nach Wien gefahren. Doch Hofrat Dr. Mauczka verweist das Mädchen, sich diesbezüglich an das Gesundheitsamt in Mönchengladbach zu wenden. Er gibt den Bruder nicht heraus.
Am 19.7.1943
langt ein Schreiben der Eltern mit der Reversunterschrift in der Direktion ein. Obwohl der zuständige Amtsarzt das Kind, als es noch in der Anstalt in Hardt war, als „gemeingefährlich und bildungsunjahig" bezeichnet hat, bestätigt der Direktor der Wagner von Jauregg Heil- und Pflegeanstalt in Wien: „Hier zeigte sich der Junge bis jetzt ziemlich gut lenkbar und leicht beeinflussbar. Er kann den Eltern in häusliche Pflege übergeben werden, wenn sich
386
Emst Ossenkamp
diese zur Einhaltung der allgemeinen Reversbedingungen und insbesonders zu ausreichender Überwachung verpflichten, die ein unbeaufsichtigtes Umhertreiben auf der Straße unmöglich macht und wenn nicht lokale, zeitbedingte Verhältnisse dagegen sprechen. " Ob Ernst tatsächlich nach Hause fahren durfte, geht aus den vorliegenden Unterlagen nicht hervor. Es scheint aber eher unwahrscheinlich zu sein, denn inzwischen wird er von Pavillon 22 in den Pavillon 18 verlegt und von diesem am 29.7.1943 „einvernehmlich in die Städtische Nervenklinik für Kinder transferiert". Noch am selben Tag nimmt Dr. M. Türk die Aufnahmeuntersuchung vor, sie beruft sich auf die Frühgeburt im 6. Monat, auf den geistigen Rückstand und eine Schwäche in den Beinen. Am 20.8.1943
Am 13.9.1943
berichtet Dr. E. Illing dem Reichsausschuss in Berlin, dass das Kind „bildungsunfähig und voraussichtlich dauernd anstaltsbedürftig" sei. schreibt Dr. E. Illing an die Familie von Ernst: „Der Brief Ihrer Tochter Marianne mit dem Päckchen an Ihren hier untergebrachten Sohn Ernst ist angekommen. Ihr Junge hat sich über den Inhalt sichtlich gefreut. Im Gesamtzustand ist bei Ihrem Sohn seit der hiesigen Klinikaufnahme am 2