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German Pages 585 [587] Year 2023
ÆTERNA Altertumswissenschaften
RO M A
Franz Steiner Verlag
Antje Klein
Die Chronik des Victor von Tunnuna (ca. 565) Eine Chronik und ihre Geschichte(n)
M AA ÆT EÆ R N AT E R N A ROR OM Beiträge zu Spätantike und Frühmittelalter
Herausgegeben von Volker Henning Drecoll, Irmgard Männlein-Robert, Mischa Meier und Steffen Patzold Band 12
Die Chronik des Victor von Tunnuna (ca. 565) Eine Chronik und ihre Geschichte(n) Antje Klein
Franz Steiner Verlag
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Evangelischen Landeskirche in Württemberg
Umschlagabbildung: Bronzestatue der Kapitolinischen Wölfin, Kapitolinische Museen, Rom © akg/De Agostini Picture Library Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2023 www.steiner-verlag.de Umschlaggestaltung: r2 Röger & Röttenbacher, Leonberg Layout und Herstellung durch den Verlag Druck: Beltz Grafische Betriebe, Bad Langensalza Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-13380-7 (Print) ISBN 978-3-515-13382-1 (E-Book)
Dank Die vorliegende Monographie ist meine geringfügig überarbeitete Dissertation, mit der ich im Juni 2021 an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien promoviert wurde. Bis dahin war es eine lange Reise. Viele Menschen an ganz verschiedenen Orten haben diese Reise begleitet. Dafür möchte ich Danke sagen – auch wenn hier nur eine Auswahl möglich ist. Begonnen hat die Reise im Evangelischen Stift in Tübingen. Prof. Dr. Volker Henning Drecoll hat mich nicht nur dazu angeregt, mich mit „Geschichtsschreibung in Nordafrika in der Spätantike“ zu beschäftigen, sondern er hat vor allem auch die ersten Schritte der Beschäftigung mit Victor von Tunnuna und anderen wohlwollend, geduldig und mit konstruktivem Interesse unterstützt. Ich danke ihm dafür sehr – und dafür, dass er nie das Vertrauen verloren hat, dass die Reise ein Ziel hat, das ich erreichen kann, auch wenn der ein oder andere Umweg nötig ist. Im Evangelischen Stift habe ich mit Studierenden, vor allem aber mit den Repetentinnen und Repetenten erlebt, was kollegialer Austausch bedeuten kann. Ich habe davon nicht nur für dieses Buch profitiert. Danke an Euch alle! Der Evangelischen Landeskirche in Württemberg bin ich dankbar dafür, dass sie sich ein solches Haus und solche Pfarrstellen, die Freiraum für ein wissenschaftliches Projekt bieten, leistet. Dankbar bin ich „meiner“ Kirche auch für den mir ganz unkompliziert gewährten Druckkostenzuschuss! Dafür, dass sie mir die Weiterreise nach Wien ermöglicht hat, danke ich Prof. Dr. Uta Heil, die dort die Betreuung der Arbeit übernahm. Ihrer Präzision und ihrem Blick dafür, wo noch mehr dahinter stecken und wo noch gründlicher gebohrt werden könnte, verdankt diese Arbeit sehr viel. Ich danke Uta Heil für ihre Fürsorge, ihre Unermüdlichkeit und für ihr kritisches Engagement, das mich über manche Hürde hinweg angespornt hat, meinen Weg weiterzuverfolgen – und noch rechtzeitig von den Umwegen in die Zielgerade abzubiegen. Wien wäre nicht einmal halb so schön gewesen ohne die Kolleginnen und Kollegen im Mittelbau an der Fakultät. Danke, dass Ihr immer ein Ohr hattet für alle möglichen Fragen, Klagen, Erkenntnisse und Lustigkeiten. Besonders danke ich Dr. Michaela Durst, meiner Instituts- und Zimmerkollegin, für das konstruktive gemeinsame Arbeiten und Diskutieren und alles andere, was wir geteilt haben.
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Dank
Ein herzliches „Danke“ auch an Hildegard Busch, die Institutsreferentin, für das Gute-Seele-Sein und für zwei wunderschöne Tage am Pool. Meine Arbeit an der Dissertation hat in Wien auch abseits der Evangelisch-Theologischen Fakultät wichtige Anregungen erhalten. Nennen möchte ich an dieser Stelle die Vienna Doctoral Academy „Medieval Academy“. Der interdisziplinäre Austausch war für mich sehr bereichernd. Prof. Dr. Matthias Meyer hat die Mitglieder der VDA und ihre Projekte stets sehr konstruktiv begleitet. Vielen Dank dafür! Vielen Dank auch an den Latein-Lektüre-Kreis unter der Leitung von Prof. Dr. Thomas Prügl, der mir in entspannter Atmosphäre einen interessanten ökumenischen Austausch ermöglichte. Die Jahre in Wien waren von der Arbeit an der Dissertation geprägt, aber nicht nur. Für das „nicht nur“, das für mich ein wichtiger Ausgleich war, danke ich allen Menschen, die uns dort im 6. Bezirk und anderswo zu Wegbegleitern, zu Freundinnen und Freunden geworden sind. Es war wunderbar mit Euch! Ein herzliches Dankeschön möchte ich auch meinen Eltern und Schwiegereltern aussprechen für die Unterstützung in unserem unsteten Lebenswandel. Fertiggestellt habe ich die Dissertation in Geislingen/Steige, als Pfarrerin in Geislingen-Altenstadt. Meinem Kollegen dort, Pfarrer Dr. Tobias Kaiser, danke ich dafür, dass er meinen Weg bis zu dieser Fertigstellung aufmerksam und mit Gelassenheit begleitet hat. Für ihr wohlwollendes Interesse sowie für die in den Gutachten enthaltenen wertvollen Hinweise danke ich den Gutachtern der Arbeit, Prof. Dr. Bruno Bleckmann und Prof. Dr. Volker Henning Drecoll. Für die Aufnahme des Manuskripts in die Reihe Roma aeterna danke ich Prof. Dr. Volker Henning Drecoll, Prof. Dr. Irmgard Männlein-Robert, Prof. Dr. Mischa Meier sowie Prof. Dr. Steffen Patzold. Katharina Stüdemann und dem Team vom Franz Steiner Verlag danke ich für die engagierte Betreuung der Publikation. Die lange Reise bis zur Fertigstellung der Dissertation wäre nie zu ihrem Ziel gekommen, hätte nicht mein Mann, Christoph Scheerer, sie von ihren Anfängen bis zum Schluss so großartig unterstützt. Er hat sich auf die Umzüge nach Tübingen und nach Wien eingelassen und oft den Alltag mit unseren dann drei Kindern gemanagt. Er war mir mein wichtigster und liebster Diskussionspartner. Bei ihm konnte ich auch unfertigen Gedanken freien Lauf lassen. Er hat mit mir über lateinischen Formen gebrütet. Er hat die Arbeit in all ihren Redaktionsstufen gelesen. Und er hat immer daran geglaubt, dass einmal ein Buch daraus wird. Danke! Meine Großmutter, Ruth Spiess, hätte sich besonders gefreut, dieses Buch in den Händen zu halten. Mit ihrer Neugier und ihrem Einsatz für ihre eigene Bildung war sie mir immer ein großes Vorbild. Ihrem Andenken widme ich dieses Buch. Geislingen/Steige, im Juni 2022 Antje Klein
Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung Die Chronik des Victor von Tunnuna (ca. 565) – eine Chronik und ihre Geschichte(n) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1.1. Einführung: Die Chronik des Victor von Tunnuna im Kontext ihrer Gattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1.2. Fragestellungen und Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 2. Eine Chronik und ihre (Vor-)Geschichte Der historische Kontext der Chronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2.1.Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2.2. Nordafrika – Africa: Der geographische, politische und kirchliche Kontext der Chronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2.2.1 Nordafrika vor der Vandalenherrschaft – ein knapper Überblick . . . . . . . . 26 2.2.2 Nordafrika unter den Vandalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2.2.2.1 Die Herrschaft Geiserichs (428–477) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2.2.2.2 Die Herrschaft Hunerichs (477–484) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2.2.2.3 Die Herrschaft Gunthamunds (484–496) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2.2.2.4 Die Herrschaft Thrasamunds (496–523) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2.2.2.5 Die Herrschaft Hilderichs (523–530) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2.2.3 Das Ende der Herrschaft der Vandalen in Nordafrika und der Beginn der byzantinischen Herrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2.2.4 Die Kirchen Nordafrikas und die byzantinische Herrschaft . . . . . . . . . . . . . 46 Ein Konflikt zwischen den Kirchenprovinzen in Nordafrika? (Exkurs) . . . . . . . . . 48 2.2.5 Gegen Mauren und Vandalen: Politische Probleme der byzantinischen Herrschaft in Nordafrika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2.3. Der Drei-Kapitel-Streit: Der theologiegeschichtlich-kirchenpolitische Kontext der Chronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2.3.1 Von Marcian und dem Konzil von Chalcedon (451) bis zum Auftakt des Drei-Kapitel-Streites unter Justinian . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2.3.2 Justinian und der Beginn des Drei-Kapitel-Streites . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 2.3.3 Widerstand in Nordafrika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
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2.3.4 Wer ist verantwortlich für den Drei-Kapitel-Streit? Antworten aus Nordafrika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 2.3.5 Vom Iudicatum des Vigilius bis zur Verurteilung der Drei Kapitel auf dem Konzil von Konstantinopel 553 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 3. Der Text der Chronik und seine Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 3.1. Zum Autor der Chronik: Victor von Tunnuna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 3.1.1 Name und Herkunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 3.1.2 Biographische Annäherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 3.2. Zur Datierung der Chronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 3.3. Zu den Quellen der Chronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 3.4. Überlieferung und Editionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 3.4.1 Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 3.4.2 Die Chronik des Victor von Tunnuna und die Chronik des Johannes von Biclaro . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 3.4.3 Eine Sammlung von Chroniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 3.4.4 Die Trennung der Überlieferung in zwei Zweige: Codex Soriensis und Codex Uniuersitatis Complutensis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 3.4.5 Spätere Überlieferung und Editionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 3.5. Der ursprüngliche Umfang der Chronik 1: Universalchronik oder Anschluss an Prosper? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 3.5.1 Das Zeugnis der Chronik des Victor von Tunnuna und das Zeugnis des Isidor von Sevilla . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 3.5.2 Keine ursprüngliche Universalchronik? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 3.5.3 Doch eine ursprüngliche Universalchronik – die Einwände von Carmen Cardelle de Hartmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 3.5.4 Das Zeugnis des Johannes von Biclaro, des Isidor und die Verweise auf Didymus und Evagrius in Chronicon 170 – Versuch einer Neubewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 3.6. Der ursprüngliche Umfang der Chronik 2: Die Chronik und ihr Schluss (Chronicon 175) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 3.6.1 Der Schlussabschnitt Chronicon 175 – erste Beobachtungen . . . . . . . . . . . . 157 3.6.2 Die Angabe der Jahre a natiuitate Domini nostri Iesu Christi secundum carnem – eine Besonderheit bei Victor von Tunnuna . . . . . . . . 160 3.6.3 Geburt oder Passion Christi als Endpunkt einer Berechnung von Jahren: Die Angaben ad natiuitatem bzw. ad passionem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 3.6.4 Die Passion als Ausgangspunkt von Berechnungen: Die Zählung der Jahre a passione . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 3.6.5 Die Geburt Christi als Ausgangspunkt von Berechnungen: Die Zählung der Jahre a natiuitate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
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3.6.6 567 Jahre a natiuitate als Rückgriff auf den Osterzyklus des Dionysius Exiguus, und woher kommt die Zahl 567? . . . . . . . . . . . . . . . 177 3.6.7 567 Jahre a natiuitate – Chronicon 175 als mögliche spätere Hinzufügung zur Chronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 3.6.8 Der Schluss der Chronik des Prosper Tiro von Aquitanien im Codex Uniuersitatis Complutensis und im Codex Soriensis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 3.6.9 Der Schluss der Chronik des Johannes von Biclaro . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 3.6.10 Die Schlussparagraphen bei Victor von Tunnuna und bei Johannes von Biclaro – Versuch einer Neubewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 4. Zum Gerüst der erzählten Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 4.1. Die Chronologie der Chronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 4.1.1 Die Zählung der Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 4.1.2 Datierungen innerhalb der Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 4.1.2.1 Tagesdatierungen in der Chronik: Ein kurzer Überblick . . . . . . . . . 204 4.1.2.2 Der Tod des Timotheus von Konstantinopel am 5. April (Chronicon 99) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 4.1.2.3 Der Tod des Reparatus (Chronicon 165) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 4.1.2.4 Der Tod des Theodor von Cebarsussa (Chronicon 173) . . . . . . . . . 207 4.1.2.5 Der Tod des Laetus von Nepte (Chronicon 50) . . . . . . . . . . . . . . . . 207 4.1.2.6 Der Tod des Proterius (Chronicon 19) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 4.2. Angaben zu Personensukzessionen in der Chronik als chronologische Stränge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 4.2.1 Kaiser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 4.2.2 … und (ihre) Frauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 4.2.3 Die Herrschaft der Vandalen in Africa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 4.2.4 Patriarchen und Päpste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 4.2.5 Bischöfe von Karthago . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 5. Die erzählte Geschichte der Chronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 5.1. Der Auftakt der Chronik: Rund um die Synode von Chalcedon – eine Geschichte ausgehend von Prospers Epitoma chronicon . . . . . . . . . . . . . . . . 230 5.1.1 Akzente des Victor von Tunnuna im Vergleich zu Prosper Tiro von Aquitanien – erste Beobachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . 232 5.1.2 Politische Notizen der Jahre 444–455 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 5.1.3 Die Darstellung des Konzils von Chalcedon und seiner Vorgeschichte . . . . 236 5.1.4 Die Frage der Drei Kapitel als Fokus der Chronik des Victor von Tunnuna von Anfang an . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 5.1.5 Zusammenfassende Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 5.2. Der Beginn der Rezeption Chalcedons unter Leo I. (Chronicon 16–40) . . . . . 257
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5.3. Damnatores et defensores sinodi Calcidonensis 1: Die Herrschaft Zenos (Chronicon 41–67) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 5.3.1 Der Beginn der Herrschaft Zenos bis zu seiner Rückkehr aus Isaurien . . . . 266 5.3.2 Zeno in der communio mit den Gegnern Chalcedons . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 5.3.3 Sonstige Nachrichten bis zu Zenos Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 5.4. Damnatores et defensores sinodi Calcidonensis 2: Die Herrschaft des Anastasius (Chronicon 67–100) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 5.4.1 Der Beginn der Herrschaft des Anastasius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 5.4.2 Anastasius und Euphemius von Konstantinopel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 5.4.3 Weitere antichalcedonensische Maßnahmen des Anastasius . . . . . . . . . . . . . 288 5.4.4 Anastasius und Severus von Antiochien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 5.4.5 Die „Verbesserung“ des Evangeliums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 5.4.6 Anastasius und Vitalian . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 5.4.7 Anastasius als Chalcedon-Gegner bis kurz vor seinem Tod . . . . . . . . . . . . . 300 5.4.8 Die perfidia der Zeit unter Anastasius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 5.4.9 Der Staurotheis-Aufstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 5.4.10 Der Tod des Anastasius als Fazit seiner Herrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 5.5. Dazwischen erzählt: Die Geschichte Nordafrikas unter den Vandalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 5.5.1 Nordafrika unter Geiserich: multarum prouinciarum clades et christiani apud Affricam populi spolia atque neces . . . . . . . . . . . . . . . . 318 5.5.2 Nordafrika unter Hunerich: furor arrianus und confessores ac martyres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 5.5.3 Nordafrika unter Gunthamund: Ein knappes Zwischenspiel . . . . . . . . . . . . 333 5.5.4 Nordafrika unter Thrasamund: arriana insania und zwei Lichtblicke . . . . 334 5.5.5 Nordafrika unter Hilderich: Rücknahme der Maßnahmen Thrasamunds und ein neuer Bischof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 5.5.6 Gelimer und das Ende der Herrschaft der Vandalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 5.6. Sinodi Calcidonensis amator simulque defensor: Die Zeit unter Justin I. (Chronicon 101–110) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 5.7. Damnatores et defensores trium capitulorum: Die Geschichte des Drei-Kapitel-Streites . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 5.7.1 Der Beginn der Herrschaft Justinians I. (Chronicon 101–129) . . . . . . . . . . 352 5.7.1.1 Justinians Aufstieg zum Kaiser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 5.7.1.2 Justinian als Kaiser in der Tradition Chalcedons . . . . . . . . . . . . . . . 355 5.7.1.3 Justinian und der nordafrikanische Märtyrer Laetus von Nepte (Chronicon 118) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 5.7.1.4 Justinian und die Bischöfe von Illyrien (Chronicon 120) . . . . . . . . 360 5.7.1.5 Justinian und Severus von Antiochien sowie Konflikte in Alexandria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362
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5.7.2 Die Kaiserin und der Papst: Theodora, Vigilius und der Beginn des Drei-Kapitel-Streites (Chronicon 111–130/140) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 5.7.2.1 Der Anfang Theodoras als Augusta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 5.7.2.2 Theodora und der Konflikt um Anthimus, Bischof von Konstantinopel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 5.7.2.3 Chronicon 130 als Kulminationspunkt und als Zäsur: Theodora und Vigilius, Bischof von Rom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 5.7.2.4 Der Brief des Vigilius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 5.7.2.5 Der Anfang des Drei-Kapitel-Streites: Die „Anfänge der Schlechtigkeiten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 5.7.2.6 Der Tod der Theodora . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 5.7.3 Der Drei-Kapitel-Streit: Eine nordafrikanische Geschichte zwischen defensores und praeuaricatores . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 5.7.3.1 Justinian als Akteur gegen die Drei Kapitel (Chronicon 132–137) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 5.7.3.2 Zwischen Widerstand und Abfall: Bischöfe in Illyrien und in Africa (Chronicon 138–145) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 5.7.3.3 Das 2. Konzil von Konstantinopel 553 (Chronicon 147) . . . . . . . . . 431 5.7.3.4 Nach dem 2. Konzil von Konstantinopel: Der Abfall von der Verteidigung der Drei Kapitel preter paucissimos in Africa und darüber hinaus (Chronicon 148–152) . . . . . . . . . . . . 435 Praeuaricatio, communio, polluere – drei zentrale Begriffe für die Darstellung des Drei-Kapitel-Streites bei Victor von Tunnuna (Exkurs) . . 437 5.7.3.5 Das Schicksal des Victor von Tunnuna (Chronicon 153–156) . . . . 446 5.7.3.6 Vigilius vs. Felix: Ein „guter“ und ein „schlechter“ Tod und die Sukzession in Rom (Chronicon 157–159) . . . . . . . . . . . . . . 450 5.7.3.7 Das Schicksal der letzten Verteidiger der Drei Kapitel (Chronicon 160–173) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 Chronicon 169 zum Ersten: Die noua superstitio (Exkurs) . . . . . . . . . . . 460 Chronicon 169 zum Zweiten: Wer diskutiert mit wem über was? (Exkurs) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 5.8. Ein ruhiges Ende: Justin II. und Sophia (Chronicon 174) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 5.9. Ein Ausblick: Die Epistula fidei catholicae als letztes Zeugnis des Widerstandes gegen die Verurteilung der Drei Kapitel in Africa . . . . . . . . 477 6. Eine Chronik und ihre Geschichte(n) Die Chronik des Victor von Tunnuna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 . Welche Geschichte (vom Drei-Kapitel-Streit und darüber hinaus) erzählt die Chronik des Victor von Tunnuna? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 . Was bedeutet dies für den historischen Ort der Chronik und für die ihr zugrundeliegende Intention? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491
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7. Victor von Tunnuna, Chronicon Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 8. Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521 8.1. Quellen und Übersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521 8.2.Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534 8.3.Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535 . .
Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557 Stellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579
1. Einleitung Die Chronik des Victor von Tunnuna (ca. 565) – eine Chronik und ihre Geschichte(n) 1.1 Einführung: Die Chronik des Victor von Tunnuna im Kontext ihrer Gattung Die vorliegende Monographie widmet sich der Chronik des Victor von Tunnuna (ca. 565) und ihrer/ihren Geschichte(n). Victor von Tunnuna berichtet in seiner Chronik anhand der Jahre nach dem Konzil von Chalcedon (451) und dem 2. Konzil von Konstantinopel (553) insbesondere von den Geschehnissen rund um die christologischen Streitigkeiten unter der Herrschaft von Justinian I. mit einem Schwerpunkt auf dem Streit um die Drei Kapitel. Daher nehmen kirchenpolitische bzw. kirchengeschichtliche Ereignisse in der Chronik des Victor von Tunnuna einen besonders großen Raum ein. Ein weiterer Schwerpunkt der Chronik sind Ereignisse in oder mit Bezug zu Africa. Der Zeit der Chronik entsprechend sind dies zunächst solche unter der Herrschaft der Vandalen, später solche in der späteren Phase des Drei-Kapitel-Streites.1 Bis zu ihrem Schluss ist die Verteidigung der Drei Kapitel in der Chronik greifbar: Despite his heavy-handed methods, Justinian therefore was unable to impose the degree of assent that he would have liked. The African resistance did not blow over. Victor of Tonnena, whose chronicle is our main source for many of these events, was as staunch as ever when he wrote it in 565/66, after years of exile and personal suffering […].2
Diese Charakterisierung des Victor von Tunnuna und seiner Chronik durch Averil Cameron spitzt Antonio Placanica noch weiter zu: Er sieht in der Chronik Victors – wie auch im Breuiarium des Liberatus von Karthago – im Kontext des Drei-Kapitel-Strei-
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Vgl. schon die Charakterisierung durch Schanz/Hosius/Krüger, Geschichte der römischen Literatur 4,2, 113: „Das Kirchliche ist in dieser Chronik viel stärker berücksichtigt als das Weltliche, besonders von 456 an. Die Chronik geht nicht selten in die Form der Geschichtserzählung über. Den Ereignissen seines Heimatlandes wendet der Afrikaner seine besondere Aufmerksamkeit zu.“ Cameron, „Byzantine Africa“, 58.
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Einleitung
tes eine „Streitschrift“ mit polemischer Intention.3 Damit schließt er sich Wolfgang Pewesin, der die Chronik als „antikaiserliche Streitschrift“ bestimmt,4 sowie Theodor Schnitzler5 an.6 Der Charakter als Streitschrift manifestiert sich aus Placanicas Sicht insbesondere in der klaren Trennung zwischen den Förderern und Gegner (v. a. defensores und obtrectatores) des Konzils von Chalcedon bzw. (eng damit zusammenhängend) der Drei Kapitel.7 Mit der Chronik des Victor von Tunnuna nimmt diese Arbeit eine Quelle in den Blick, die zu einer Gattung gehört, die in der historiographischen Forschung lange keinen guten Ruf genoss. Dies wirkte sich auch auf die Rezeption der hier untersuchten Chronik aus. So schreibt etwa Otto Bardenhewer in seiner Geschichte der altkirchlichen Literatur 4 (1932) in seinem Eintrag zu Victor von Tunnuna: „Die Chronik oder die dürre und trockene Aneinanderreihung unzusammenhängender Daten hat im Abendlande die Geschichtsdarstellung völlig zurückgedrängt.“8 Bardenhewer spielt damit auf die Gattung Chronik in ihrem Unterschied zur klassischen antiken Geschichtsschreibung (historia/historiae), aber auch in ihrem Unterschied zur christlichen Gattung „Kirchengeschichte“ (historia ecclesiastica) an. Als Vertreterin dieser Gattung sieht er offenbar auch in der Chronik des Victor von Tunnuna eine solche „dürre und trockene Aneinanderreihung unzusammenhängender Daten“. Ein angemessener Beitrag zur Geschichtsschreibung oder gar Geschichtsdeutung wurde Chroniken in dieser Tradition kaum zugestanden. „Der Niedergang der Geschichte zeigt sich darin, dass an Stelle der Geschichtsdarstellung eine dürre Aufzählung der Ereignisse, die Chronik, tritt“, urteilten Martin Schanz, Carl Hosius und Gustav Krüger in ihrer Geschichte der römischen Literatur.9 Richard W. Burgess und Michael Kulikowski fassen diese Geringschätzung von Chroniken prägnant wie folgt zusammen:
3 Vgl. Placanica, „Introduzione“, XIV. 4 Pewesin, Imperium, 135 (Anm. 14). 5 Schnitzler, Im Kampfe um Chalcedon, 55: Liberatus von Karthago und Victor von Tunnuna „wollten aus der Geschichte gegen Justinian und seine dogmatische Anmassung Beweis führen“. Ähnlich auch Cameron, „Byzantine Africa“, 60: „Chroniclers like Victor of Tonnena, who might have written of more general things, devoted their entire attention to the progress of the African opposition to Justinian, which therefore seems to hold the entire key to African cultural life in the mid sixth century.“ 6 Vgl. auch die Angabe bei Steinacher, Die Vandalen, 313, Victor von Tunnuna habe Justinian als „Verfolger“ (in Bezug auf die nach 553 in der Verteidigung der Drei Kapitel bleibenden Bischöfe) bezeichnet (leider ohne genauen Hinweis auf die betreffende Stelle in der Chronik). Vgl. ähnlich über Victor von Tunnuna und andere nordafrikanische Autoren unter byzantinischer Herrschaft Lassère, Africa, quasi Roma, 723: „Fidèles à leur doctrine, ils n’ont pas hésité à s’opposer aux décisions impériales.“ 7 Vgl. Placanica, „Introduzione“, XIV. 8 Bardenhewer, Geschichte der altkirchlichen Literatur 4, 330. 9 Schanz/Hosius/Krüger, Geschichte der römischen Literatur 4,2, 112.
Einführung: Die Chronik des Victor von Tunnuna im Kontext ihrer Gattung
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Because classical or „classicizing“ history, as it is usually called – Herodotus und Thucydides in Greek, Livy and Tacitus in Latin, for instance – has since the Renaissance been held up as the ideal form of writing about the past, a genre like the chronicle that differs so obviously from it can only be regarded as second- or third-rate; when combined with the generalized depreciation of things Christian and medieval („Gothic“) in comparison to things ancient, customary since the Renaissance and still implicit in much modern scholarship, the inferiority of the chronicles as a way of conceptualizing and reporting past events is simply assumed without a second thought.10
Im Gegensatz zu historiae und im Gegensatz zu Kirchengeschichten wurden Chroniken daher weniger als eigenständige Texte selbst (und im Ganzen) untersucht, sondern sie wurden v. a. aufgrund der Informationen, die in ihnen über bestimmte Ereignisse enthalten sind, herangezogen: Nach der bahnbrechenden editorischen Arbeit des Theodor Mommsen an den chronistischen Texten der Spätantike galten diese lange Zeit als eine mindere historische Gattung, die es nur als „Steinbruch“ zu benutzen galt.11
In dieser Tradition stehend bewerteten Schanz, Hosius und Krüger den Informationsgehalt der Chronik des Victor von Tunnuna bzw. des Chronisten selbst so: „Ueber seine Unzuverlässigkeit werden Klagen geführt“.12 Auch wenn Carmen Cardelle de Hartmann sich selbst mit ihrer Edition um die Chronik des Victor von Tunnuna verdient gemacht hat, gilt das, was sie in ihrem Aufsatz „Historie und Chronographie“ aus dem Jahr 2000 schreibt, in mancher Hinsicht nach wie vor: Obwohl in den letzten Jahrzehnten immer wieder Untersuchungen zu einzelnen Chroniken erschienen sind,13 werden Chroniken nach wie vor besonders als Quellen (und in diesem Sinn als „Steinbruch“) für die Rekonstruktion von Geschichte benutzt bzw. es werden (dafür) einzelne Aspekte ihrer Texte herangezogen.14 Unter
10 Burgess/Kulikowski, Mosaics of Time, 6. 11 Cardelle de Hartmann, „Historie und Chronographie“, 107. 12 Schanz/Hosius/Krüger, Geschichte der römischen Literatur 4,2, 113. 13 Vgl. etwa Muhlberger, The Fifth-Century Chroniclers. Prosper, Hydatius, and the Gallic Chronicler of 452 (1990); Burgess, The „Chronicle of Hydatius“ and the „Consularia Constantinopolitana“ (1993); Cardelle de Hartmann, Philologische Studien zur Chronik des Hydatius von Chaves (1994); Croke, Count Marcellinus and his Chronicle (2001); vgl. jetzt auch die von Bruno Bleckmann und Markus Stein herausgegebene Reihe Kleine und fragmentarische Historiker der Spätantike, insbesondere das Modul G. Chroniken und Chronikfortsetzungen des fünften und sechsten Jahrhunderts mit Übersetzungen und philologisch-historischen Kommentaren u. a. zu den Chroniken von Prosper Tiro von Aquitanien und von Hydatius; der Gattung Chronik insgesamt widmet sich die Studie von Burgess/Kulikowski, Mosaics of Time. 14 Das gilt für die Chronik des Victor von Tunnuna etwa für die einschlägigen Studien zur Geschichte des spätantiken Nordafrika wie Steinacher, Die Vandalen; Vössing, Das Königreich; Modéran, „L’Afrique reconquise“ u. a.
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Einleitung
der Prämisse, dass die Eigenart der (christlichen) Chroniken darin bestehe, dass sie die historische Darstellung der Zeitmessung unterordneten und dass diese Präsentation der Geschehnisse nicht die für eine historische Darstellung adäquate sei, dass zusammenhängende Ereignisse auseinandergerissen würden und dass „eine kritische Reflexion […] in dieser Struktur kaum unterzubringen“ sei,15 wird seltener nach ihrem Eigenwert gefragt, der über die Einzelinformationen, die Chroniken über bestimmte Ereignisse liefern, hinausgeht, und der sich erst im Blick auf die ganze Chronik zeigen kann. Die (Welt-) Chronik gilt neben der Kirchengeschichte als eine der beiden Hauptgattungen spätantiker christlicher Geschichtsschreibung. Beide Gattungen gehen im christlichen Kontext letztlich auf Eusebius von Caesarea zurück; antike (pagane) und jüdische Einflüsse und Vorgänger sind freilich jeweils nicht zu bestreiten.16 Im Gegensatz zur Kirchengeschichte, die am Übergang zum Mittelalter als Gattung verschwindet, wurde die Chronik zum Modell für die folgende Geschichtsschreibung.17 In der 15
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Cardelle de Hartmann, „Historie und Chronographie“, 109. Das Urteil von Cardelle de Hartmann relativiert sich freilich im Verlauf ihres Aufsatzes, wenn sie die einzelnen Chroniken als durchaus durchdachte Geschichtsdarstellungen mit bisweilen universalistischem Anspruch präsentiert, in denen auch Narrativität bzw. ein Narrativ zu erkennen sei, vgl. Cardelle de Hartmann, „Historie und Chronographie“, 114–123; s. weiter u. S. 19–20. Vgl. exemplarisch Cardelle de Hartmann, „Historie und Chronographie“, 109–113; Mehl, Römische Geschichtsschreibung, 105–106, 187–191 u. ö.; Vittinghoff, „Selbstverständnis“, 535; Timpe, Römische Geschichte, 105–106; Rüpke, Römische Geschichtsschreibung, 193–204. Eusebius nimmt in seiner Historia ecclesiastica jüdische und griechisch-römische Elemente auf und schreibt die Geschichte der Kirche als Geschichte eines eigenen Volkes, nämlich des neuen Gottesvolkes. Insbesondere hagiographische und martyrologische Elemente spielen darin eine große Rolle; auch steht die „Kirchengeschichte“ in der Tradition der frühchristlichen Apologetik. Mit ihrer Methodik knüpft sie an die überkommene historiographische Tradition an, dient aber darüber hinaus dem historiographischen Zweck des Nachweises der Schrifterfüllung im Prozess der Geschichte, dem Nachweis der Entfaltung des Logos und des Wirkens der göttlichen Providenz in den Geschicken der Kirche, ihrer Lehre, Lehrer und Zeugen. Besonders im Osten wurden in der Nachfolge Eusebs weitere Kirchengeschichten geschrieben; vgl. etwa die Kirchengeschichten von Philostorgius (ca. 368–439), Eunomius (ca. 335–394), Socrates Scholasticus (ca. 380 – ca. 450), Sozomenus (frühes fünftes Jahrhundert), Theodoret von Kyrrhos (ca. 393 – ca. 466), Zacharias Rhetor (gest. nach 536; erhalten in miaphysitischer, syrischer Überarbeitung als Ps-Zacharias Rhetor) und Evagrius Scholasticus (ca. 536 – nach 594). Im Westen sind nur zwei Werke als direkte Nachfolger der Historia ecclesiastica des Eusebius zu nennen: Die Übersetzung und Bearbeitung der Historia ecclesiastica von Rufinus von Aquileia sowie die Historia ecclesiastica tripartita des Cassiodor/Epiphanius Scholasticus. Dass die Gattung am Übergang zum Mittelalter verschwindet, hängt u. a. damit zusammen, dass ihr spezifischer Gegenstand im Unterschied zur allgemeinen politischen Geschichte unklar wird. Vgl. als Überblick Markschies, „Kirchengeschichte I.“, 1170–1179; Brennecke, „Kirchengeschichte/ Kirchengeschichtsschreibung II. 2.“, 1181–1183; Stöve, „Kirchengeschichtsschreibung“, 535–539. Zu Eusebius’ Historia ecclesiastica vgl. exemplarisch Schwartz, „Über Kirchengeschichte“, 110–130, bes. 113–124; Brennecke, „Die Kirche als ΔΙΑΔΟΧΑΙ ΤΩΝ ΑΠΟΣΤΟΛΩΝ“, 81–93; Timpe, Römische Geschichte; ders., „Was ist Kirchengeschichte?“, 171–204; Ulrich, „Eusebius als Kirchengeschichtsschreiber“, 277–287; Verdoner, Narrated Reality. Vgl. bspw. Engels/Hofmann, „Literatur und Gesellschaft“, 40; vgl. Vittinghoff, „Selbstverständnis“, 535. Zur Chronik vgl. Croke, „The Origins“; vgl. insgesamt Cardelle de Hartmann, „Historie und
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chronographischen Tradition von Sextus Julius Africanus (ca. 170–240) und Hippolyt von Rom (gest. ca. 235)18 stehend, anschließend an die Vorstellungen und Modelle der frühchristlichen Apologeten,19 gilt Eusebius von Caesarea als der erste, der eine Chronik im eigentlichen Sinn (d. h. im Sinn der später im Mittelalter fortgeführten Gattung) schrieb20: „No such universal synchronism for world history that incorporated Greek, Mediterranean, and biblical history rather than just a series of individual regnal lists had ever been written before“.21 Die Chronik des Eusebius besteht aus zwei Teilen, den Chronographia und den Chronici canones (geschrieben bis 325/326).22 Durch die Übersetzung der Chronici
Chrongraphie“; vgl. auch grundsätzlich Burgess/Kulikowski, Mosaics of Time. Zur antiken Tradi tion, in der die christliche Chronik steht, vgl. bspw. ebd., 35: Die Gattung habe, was sie biete, von der hellenistischen griechischen Chronik geerbt: „In fact, apart from certain apocalyptic, providentialist, or teleological interpretations that may exist in late Roman and medieval chronicles, there is nothing inherently Christian in the chronicle genre at all. Christians simply discovered that the chronicle form satisfied or fulfilled the requirements of their own historiographical outlook and historical philosophy“. Gerade weil aber die Gattung Chronik dann von christlichen Autoren rezipiert wird (und insofern dann als christliche Gattung angesehen wird), wurde und wird immer wieder darüber debattiert, inwiefern Chronisten mit ihren Texten auch religiöse bzw. theologische Interessen verfolgen. Solche Interessen betont etwa Croke, „Chronicles, Annals“, 308, der in Chroniken wie in den Chroniken Prospers, des Hydatius und des Marcellinus „indeed religious documents in the broad sense of the word“ sieht, denn „they represent the pattern of divine chronology based on a Christian interpretation of history and they include many events of an explicitly religious nature.“ Dazu gehörten auch Naturgereignisse wie Erdbeben – „they all reflect the essentially religious interpretation of these events and the liturgified ceremonial that surrounded each of them.“ Burgess/Kulikowski, Mosaics of Time, 34 betonen, dass neben verschiedenen theologischen Interessen, insbesondere „adding another section to a long record of the outline of God’s ultimate plan“, auch christliche Autoren Chroniken einfach aufgrund von „historical and antiquarian enthusiasm“ schrieben. Van Nuffelen, „Theology versus Genre?“, 125–126 hingegen spricht sich ganz für das Verständnis der Gattung unabhängig von Theologie aus. Christliche Autoren schrieben keine „Heilsgeschichte“, sondern „thought of ecclesiastical history as a subgenre of history, and did not define their task as ‚tracing God’s plan of salvation in history‘“. […] „We should therefore see Christian historiography in the first place as history, obviously written from a Christian perspec tive, and not as a transposition of theology in history.“ 18 Vgl. Timpe, Römische Geschichte, 97–98; Löhr, „Heilsgeschichte und Universalgeschichte“, 542– 551; Cardelle de Hartmann, „Historie und Chronographie“, 113–114. Julius Africanus und Hippolyt bestimmten bereits die Zeit der Welt von der Schöpfung bis zum Jüngsten Tag als 6000 Jahre. 19 Vgl. z. B. Theophilus von Antiochien, Ad Autolycum oder Tertullian, Apologeticum, die die Chronologie für den Altersbeweis in Anspruch nahmen. Zur apologetischen Chronographie vor Eusebius in Hellenismus und Judentum bzw. im frühen Christentum vgl. Burgess/Kulikowski, Mosaics of Time, 99–119. 20 Vgl. Cardelle de Hartmann, „Historie und Chronographie“, 108–109, 114–115. 21 Burgess/Kulikowski, Mosaics of Time, 124; vgl. den gesamten Band zur Entwicklung der Gattung. 22 Vgl. Burgess/Kulikowski, Mosaics of Time, 123; Timpe, Römische Geschichte, 100. Die Chronographia sind ein Kompendium aus Listen und Quellenauszügen, das chronographisch die Weltgeschichte der Völker seit Abraham fixiert; im zweiten Teil (Chronici canones) sind, als Weltgeschichte von Abraham bis zum 25.07.325 in vertikalen Spalten die königlichen Regierungszeiten von 19 Königreichen verzeichnet, vgl. Löhr, „Heilsgeschichte und Universalgeschichte“, 551. Vgl. die Ausgaben in den GCS (20 = Eusebius 5, Karst; 47 = Eusebius 7, Helm).
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Einleitung
canones des Eusebius durch Hieronymus (381) wurde dieser Teil der Chronik im Westen breit rezipiert.23 Weitere nachfolgende, oftmals das Werk des Eusebius bzw. dann eine der nachfolgenden Chroniken fortsetzende lateinische Chroniken in der Spätantike sind etwa die Chronica Gallica ad a. 452, die Chroniken von Prosper Tiro von Aquitanien (verschiedene Ausgaben: 433, 445, 455, wahrscheinlich auch 451)24, Hydatius von Chaves (ca. 469), Marcellinus Comes (ca. 520), Cassiodor (Ende 518), Marius von Avenches (ca. 581) sowie Johannes von Biclaro (592/602) bis zu Isidor von Sevilla (615/616; 626) und Beda Venerabilis (725 [als Teil des Liber de ratione temporum]).25 Auch die Chronik des Victor von Tunnuna reiht sich hier in eine bestimmte „Genealogie“ von Chroniken ein.26 War anfänglich bei Eusebius die gesamte, universale Geschichte im Blick, konzentrierte sich mit dem Auseinanderbrechen des Römischen Reiches der Fokus der spätantiken Chroniken meist besonders auf eine Provinz; zum Teil schrieben sie die Geschichte des Römischen Reiches mit einer bestimmten Gruppe als Erbin von dessen Geschichte fort.27 Grundsätzlich sind Chroniken Chronologien; dies wird von den Chronisten selbst hervorgehoben. Isidor von Sevilla etwa ordnet die Chronik in seinen Etymologiae unter Chronologie (Gesetze und Zeiten) und nicht unter die historischen Gattungen ein.28 Die der Gattung Chronik zuzurechnenden Texte zeichnen sich hierbei – v. a. im
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Vgl. Burgess/Kulikowski, Mosaics of Time, 125–126. Vgl. Kötter, „Einleitung“, 7–9. Vgl. das „Verzeichnis der frühen lateinischen Chroniken“ bei Cardelle de Hartmann, „Historie und Chronographie“, 123–127; vgl. zum Inhalt bzw. zur Geschichtsdeutung einzelner Chroniken von Eusebius und Hieronymus bis Beda ebd., 114–123. Vgl. auch Burgess/Kulikowski, Mosaics of Time, 130, 184–187. S. u. Kap. 3.4. Dass Chroniken Fortsetzungen nach sich zogen, führt Cardelle de Hartmann, „Historie und Chronographie“, 123 auf ihre offene Struktur, aber auch auf ihre Form zurück: „Einerseits erlaubt sie [die Chronik] manchen Autoren, Informationen zu präsentieren, ohne sie interpretieren oder miteinander in Verbindung bringen zu müssen, andererseits kann sie mit ihrer einfachen Sprache und Form ein relativ breites Publikum erreichen. […] Noch ein Grund für den Erfolg dieser Form […] ist die offene Struktur. Zum einen lud das offene Ende zu einer Fortsetzung ein. Zum anderen führte die weitgehend starre chronologische Struktur dazu, dass narrative Stränge zerhackt wurden und in der Tendenz unkoordiniert, ja chaotisch, erschienen. Dies erlaubte – von Fassung zu Fassung – narrative Ergänzungen und Erweiterungen, was enzyklopädischen Interessen (v. a. im Spätmittelalter) besonders entgegenkam.“ Zum offenen Schluss als Kennzeichen der Gattung Chronik vgl. auch Burgess/Kulikowski, Mosaics of Time, 28–29. Vgl. Cardelle de Hartmann, „Historie und Chronographie“, 119–122, besonders betont für Hydatius von Chaves. Vgl. auch Van Nuffelen, „Theology versus Genre?“, 123: Spätere Chroniken „narrowly focus on their own region“ (123). Der Chroniken gattungsmäßig zugeschriebene Universalismus werde von der literarischen Tradition bestimmt. „The scope of their actual contribution is very limited and hardly universal in any sense of the word. The genre of the chronicle thus incorporates some universal elements, not because Christian chroniclers are universal historians, but because these universal elements were a fossilised part of the genre ‚chronicle‘“. Vgl. Isidor von Sevilla, Etymologiae 5,28 (De legibus et temporibus) (s. p., 10–14 Lindsay): De chronicae uocabulo. Chronica Graece dicitur quae Latine temporum series appellatur, qualem apud Graecos
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Gegenüber zu Kirchengeschichten (oder auch zu antiken historiae) – insgesamt durch breuitas aus.29 The annalistic chronology, not the content, imposes the explicit structure. There need not be any overall sense of progression, development, or narrative relevance in the way events are recounted; each fact can be listed in its proper chronological location, in conceptual isolation from the rest of the chronicle’s entries. […] The authorial rationale is rarely overt and often unrecoverable.30
Dennoch ist es nicht einfach so, dass Chroniken aufgrund ihrer parataktischen Struktur keine eigene (Geschichts-) Erzählung bieten. Dabei kann jedoch „die reine Präsentation von Information […] Objektivität vorgaukeln und die Absichten des Autors kaschieren“.31 Dem Leser kommt die Aufgabe zu, die zugrundeliegende Erzählung aus den parataktisch präsentierten Fakten selbst herauszuarbeiten. Die Leserin hat also eine fundamentale Rolle im interpretativen Prozess, auch wenn gerade in den spätantiken Chroniken – etwa in der von Prosper – die über die parataktische Struktur vermittelte Geschichte durchaus offenkundig sein kann.32 Bei der aufmerksamen Lektüre der Chroniken nach Eusebius kann man bemerken, dass eine […] Auswahl [der spezifischen Themen, AK] durchaus getroffen und von der Ideologie des Autors gelenkt wurde. Sogar eine Narrativität ist in [sic!] Ansatz zu erkennen: bestimmte Themen werden verfolgt, wenn auch die chronologische Anordnung zur Verwirrung der Erzählfäden führen kann, nur ein Abschluss wird vermisst.33
Eusebius Caesariensis episcopus edidit, et Hieronymus presbyter in Latinam linguam conuertit. / „Über das Nomen ‚Chronica‘. ‚Chronica‘ wird auf Griechisch genannt, was auf Lateinisch ‚series temporum‘ (‚Reihenfolge der Zeiten‘) genannt wird, was bei den Griechen der Bischof Eusebius von Caesarea herausgegeben hat, und der Presbyter Hieronymus in die lateinische Sprache umgewandelt hat.“ Vgl. Cassiodor, Institutiones 1,17,2, der auch die Kürze von Chroniken hervorhebt (Chronica uero, quae sunt imagines historiarum breuissimaeque commemorationes temporum / „Chronicles, which are sketches of history or very brief summaries of the past“ [56,17–18 Mynors; Übers. 150 Halporn]). Vgl. Cardelle de Hartmann, „Historie und Chronographie“, 108–109; Burgess/Kulikowski, Mosaics of Time, 20–35, 59–60. 29 Vgl. Burgess/Kulikowski, Mosaics of Time, 25–27 (vgl. 35, 59), hier 26: „Cicero summed up the virtues of the chronicle genre best when he said that Atticus’s Liber annalis allowed one to view all history ‚uno in conspectus‘“ (vgl. Cicero, Brutus 15). Vgl. etwa auch Eusebius, Chronici canones praefatio (19,6–7 Helm): Quae uniuersa in suis locis cum summa breuitate ponemus. / „Die gesamten Dingen stellen wir an ihren Orten mit höchster Kürze dar.“ Breuitas kennzeichnet auch in Teilen die Chronik des Victor von Tunnuna – jedoch nicht in jedem Fall. 30 Burgess/Kulikowski, Mosaics of Time, 23–24. 31 Cardelle de Hartmann, „Historie und Chronographie“, 123. 32 Vgl. Burgess/Kulikowski, Mosaics of Time, 24–25. Im Gegensatz dazu gibt es in den klassischen historiae einen Erzähler, der Struktur, Kohärenz, Bedeutung der erzählten Ereignisse vorgibt, vgl. ebd., 21. 33 Cardelle de Hartmann, „Historie und Chronographie“, 117.
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Einleitung
Chroniken haben, so formulieren es Burgess und Kulikowski, eine „macro-narrative“, die sich aus ihrem Gesamten ergibt: Aus ihren Chronologien, aus den Ereignissen und aus den Individuen, die in einem Text zusammenkommen. Die Bedeutung von Geschichte liegt für eine Chronik insofern nicht in den Details, „but in the overall picture offered by the complete work, in which one could trace the rise and fall of empires, cities, and cultures“.34 So sind auch die spätantiken Chroniken zwar nicht als Historien, aber doch als historiographische Schriften zu verstehen.35 Die Zeitmessung ist in ihnen vor allem als ordnendes Prinzip wichtig.36 Allerdings schließt dieses ordnende Prinzip chronologische Vor- oder Rückgriffe nicht aus, etwa in summarischen Einträgen.37 Zwischen dem (theologischen) „Anspruch auf sinnstiftendes Verstehen des Gesamten“ und dem (historiographischen) „Anspruch auf wissenschaftliches Verstehen des Einzelnen“ besteht in Chroniken eine Spannung, die kaum aufgelöst werden kann.38 1.2 Fragestellungen und Vorgehensweise Dass neben ihrer Nutzung als Quelle für die Rekonstruktion von Geschichte seltener nach dem Eigenwert von Chroniken gefragt wird, gilt bedingt auch für die Chronik des Victor von Tunnuna. Sie wurde vielfach für die Rekonstruktion des Drei-KapitelStreites v. a. in dessen Spätphase herangezogen, da sie dafür eine der wenigen Quellen überhaupt ist (zuletzt etwa Yves Modéran, „L’Afrique reconquise“; Stanisław Adamiak, Carthage). Die Chronik ist editorisch mehrfach erschlossen (Theodor Mommsen; Antonio Placanica; Carmen Cardelle de Hartmann), und sie wurde ins Italienische (Placanica) und ins Englische ( John R. C. Martyn)39 übersetzt. Zudem liegt ein phi-
34 Burgess/Kulikowski, Mosaics of Time, 33. 35 Cardelle de Hartmann, „Der mozarabische Blick“, 45. 36 Vgl. Cardelle de Hartmann, „Historie und Chronographie“, 109. Dies kann dann aber als wichtigstes Ziel innerhalb der Gattung gelten, vgl. Burgess/Kulikowski, Mosaics of Time, 25 zum wichtigsten Ziel der Chronik: „to serve as aides-mémoires“, „to organize those memories and put everything in its proper chronological relationship to everything else“. Vgl. Cardelle de Hartmann, „Historie und Chronographie“, 123: Das „Interesse für die Zeitmessung“ bleibe jedoch „für die Gattung konstitutiv“. 37 Dass die Chronologie nicht absolut ist („related events from different times can be narrated together or out of sequence“), ist für Burgess/Kulikowski, Mosaics of Time, 21 ein Charakteristikum für die klassische historia. 38 Wallraff, „Protologie und Eschatologie“, 167. 39 Die Übersetzung von Martyn ist allerdings nicht unproblematisch, vgl. etwa Victor von Tunnuna, Chronicon 38 (Übers. 139 Martyn): „But Martyrius was ordained bishop of the Church of Constantinople after Anastasius“ für Iherosolimitane uero ecclesie Marturius post Anastasium episcopus aderat (13,194–195 Cardelle de Hartmann); Chronicon 74 (Übers. 145 Martyn): „The Emperor Anastasius followed the Synod of the heretics, and confirmed Zeno’s man Henoticus“ für Anastasius imperator, hereticorum sinodum faciens, enoticum Zenonis confirmat (23,376–377 Cardelle de Hartmann). S. auch u. S. 151–152 (Anm. 320).
Fragestellungen und Vorgehensweise
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lologisch-historischer Kommentar zu ihr vor, der sich den einzelnen Einträgen der Chronik widmet und v. a. auch auf Parallelüberlieferungen hinweist (Placanica).40 Über die Leistung des Lesers bei der (Re-) Konstruktion der Erzählung, die einer Chronik zugrunde liegen kann, schreiben Richard W. Burgess und Michael Kulikowski, dass der Unterschied zwischen einer Historia und einer Chronik darin liege, dass der Autor einer Geschichte „has already made the decisions and provided the emphasis and connections. The narrative belongs to him“. In einer Chronik jedoch „the reader makes his own history from the materials provided and makes whatever use of it he will“. Spätantike Chronisten allerdings „could be as explicit, biased, propagandistic, and committed to particular points of view as the most sophisticated author of narrative histories“.41 Als spätantike Chronik steht die Chronik des Victor von Tunnuna irgendwo dazwischen: Zwischen einer parataktischen Präsentation der Fakten und einer (Geschichts-) Erzählung, die mehr oder weniger offenkundig sein und durch die Leserin rekonstruiert werden kann – und vielleicht auch soll, weil dies vom Autor so angelegt wurde. Sind die Fakten, die die Chronik bietet, immer wieder Gegenstand von Untersuchungen gewesen, ist die Frage nach der der Chronik des Victor von Tunnuna zugrundeliegende Erzählung bzw. ihrer Rekonstruktion eine Frage, die bisher nur ansatzweise gestellt wurde.42 Dies aber ist das Vorhaben der vorliegenden Arbeit: Sie fragt nach dem Ganzen der Chronik. Ziel ist, herauszuarbeiten, welche Geschichte43 vom Drei-Kapitel-Streit die Chronik erzählt, welche „macro-narrative“44 der Chronik zugrunde liegt. Dies ergibt sich freilich erst aus der historisch-kritischen Untersuchung der durch die Chronik präsentierten Einzelheiten (den aufgezeichneten res gestae) – neben den einzelnen Fakten und Ereignissen (und sich daraus möglicherweise auch ergebenden Zusammenhängen) etwa auch die chronologischen Strukturen sowie die handelnden Personen und den ihnen durch die Chronik zugeschriebenen Rollen. Das Profil der Chronik des Victor von Tunnuna zeigt sich dabei nicht nur in der Untersuchung ihres eigenen Textes, sondern auch durch einen vergleichenden Rückgriff auf (mögliche) Quellen (wie etwa die Historia ecclesiastica des Theodoros Anagnostes, verfügbar nur in der späteren Epitome, sowie die Chronik des Prosper Tiro von Aqui-
40 Zu den genannten Titeln vgl. jeweils das Literaturverzeichnis. 41 Burgess/Kulikowski, Mosaics of Time, 24. 42 Dies gilt auch für den Kommentar von Placanica, der sich der Chronik in ihren Einzelheiten widmet, aber neben Ansätzen dazu in der Einleitung („Introduzione“) kaum einen Blick auf das Gesamte der Chronik wirft. 43 Hier verstanden nicht in einem literaturwissenschaftlichen Sinn, sondern zunächst als historia rerum gestarum. Damit ist keine völlige Objektivität impliziert – dass nicht nur das Finden, sondern auch die „Erfindung“ (s)einer Geschichte die Arbeit eines Historikers prägt, darauf macht White, Metahistory, hier 20–21 aufmerksam. 44 S. o. S. 20.
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Einleitung
tanien), aber auch im Vergleich mit anderen spätantiken historiographischen Werken sowohl aus dem Westen als auch aus dem Osten, etwa mit der Chronik des Marcellinus Comes, der Historia ecclesiastica des Evagrius Scholasticus oder dem Breuiarium des Liberatus von Karthago, wenn sie von denselben Ereignissen berichten. Die Chronik des Victor von Tunnuna entstand, wie oben bereits kurz erwähnt, im Kontext des Drei-Kapitel-Streites; ihr Autor steht stets auf der Seite der Verteidiger der Drei Kapitel.45 Es ist anzunehmen, dass dieser Umstand eine entscheidende Rolle für die von ihm verfasste Erzählung des Drei-Kapitel-Streites spielt. Gefragt werden muss aber, ob die Chronik in diesem Kontext wirklich als antikaiserliche „Streitschrift“ mit polemischer Intention bestimmt werden kann, oder ob der Blick auf das Ganze der Chronik zu einem anderen Verständnis ihrer Intention und ihres konkreten Ortes innerhalb der Geschichte des Drei-Kapitel-Streites führt. Diese Fragen, die sich mit der inhaltlichen Gestalt der Chronik befassen, sind Gegenstand des ausführlichen 5. Kapitels dieses Buches. Um sich dieser erzählten Geschichte der Chronik zu nähern, wird im vorherigen Kapitel 4 zunächst das Gerüst der Geschichte, d. h. die Chronologie der Chronik in den Blick genommen. Erst danach kann die eigentliche erzählte Geschichte untersucht werden, wobei im Wesentlichen dem chronologischen Duktus der Chronik gefolgt wird. In diesem Teil der Arbeit wird also die Aufgabe, die oben dem Leser, der Leserin einer Chronik zugesprochen wurde, wahrgenommen – die Rekonstruktion einer im Text der Chronik angelegten Geschichte (historia). Im Blick auf die Chronik des Victor von Tunnuna sind allerdings auch einige der klassischen „Einleitungsfragen“ nicht abschließend geklärt. Sie spielen aber auch eine Rolle für die Deutung der Geschichte, die die Chronik erzählt. D. h.: Für eine Untersuchung ihrer erzählten Geschichte ist auch die Untersuchung einer anderen Geschichte von Bedeutung – die Untersuchung der Geschichte ihres Textes. Dazu gehören die Frage nach ihrem Autor, nach ihrer Datierung und nach ihren Quelle sowie Überlieferungsfragen, die auch den ursprünglichen Textbestand betreffen. Diese Fragen bezüglich der Geschichte des Textes sind Gegenstand von Kapitel 3.46 Besonders in Kapitel 3–6 fließen die einschlägigen Forschungsdiskussionen, die sich (auch) auf die Chronik des Victor von Tunnuna beziehen, ein, daher ist kein vorgeschalteter Forschungsüberblick notwendig. Um eine Grundlage für die spätere Arbeit am Text zu schaffen und die in der Chronik abgehandelten Ereignisse einordnen
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Es wird in den Formulierungen in dieser Monographie nicht scharf zwischen der Erzählung der Chronik und der Erzählung des Autors, des Victor von Tunnuna, unterschieden – der Autor hat sich als Victor von Tunnuna selbst in die Chronik eingeschrieben, ihr Text ist daher mit seiner Stimme wenn auch nicht gleichgesetzt, so doch eng verbunden. Eine abschließende Klärung aller dieser Fragen ist auch hier nicht möglich, aber es können doch einige Argumente neu gewichtet und neue Perspektiven aufgezeigt werden.
Fragestellungen und Vorgehensweise
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zu können, wird jedoch noch zuvor im einführenden Kapitel 2 der historische Kontext der Chronik umrissen. Der Arbeit ist die eigene Übersetzung der Chronik ins Deutsche beigefügt (Kapitel 7). Grundlage dafür ist die Ausgabe von Cardelle de Hartmann, CChr.SL 173A (2001). Die englische Übersetzung von Martyn ist – im Gegensatz zur italienischen Übersetzung von Placanica – nicht immer befriedigend, und es erscheint für das Verständnis der Chronik im Rahmen dieser Arbeit sinnvoll, wenn auf eine vollständige deutsche Übersetzung zurückgegriffen werden kann. Die Übersetzung ist möglichst wörtlich am lateinischen Text orientiert – problematische Abschnitte werden im jeweiligen Kapitel diskutiert, wenn die betreffende Stelle analysiert wird.
2. Eine Chronik und ihre (Vor-)Geschichte Der historische Kontext der Chronik 2.1 Vorbemerkungen In diesem Abschnitt soll der historische Kontext der Chronik des Victor von Tunnuna umrissen werden, damit deutlich wird, wo – in welcher Zeit und in welchem Raum – sie grundsätzlich ihren Ort hat. Dafür sind – neben den von der Chronik abgehandelten Jahren, also der Zeit, von der sie erzählt – vor allem zwei Parameter von Bedeutung: „Nordafrika“ bzw. „Africa“ und der „Drei-Kapitel-Streit“. Vereinfachend gesagt handelt es sich also um einen geographischen Kontext („Nordafrika“), der gleichzeitig einen bestimmten politischen und kirchlichen Kontext impliziert („Africa“), und um einen theologiegeschichtlichen Kontext im engeren Sinn („Drei-Kapitel-Streit“).1 Der Kirche in diesem Kontext „Nordafrika“ wurden durch die Geschichte hindurch immer wieder bestimmte Charakteristiken zugeschrieben, insbesondere die Betonung der Autorität der Konzilien und das Beharren auf Autonomie: From the time of Tertullian […] the African church had presented certain characteristics: viz., a continuing reliance on the conciliar form for settling questions, a deep respect for the Roman Church combined with a jealously guarded autonomy, a considerable degree of obstinacy, sometimes crossing the link to fanaticism.2
Victor von Tunnuna schreibt seine Chronik allerdings nicht nur als afrikanischer Bischof – entsprechend dem zu vermutenden Abfassungsort der Chronik, Konstantinopel, sowie der wichtigsten Quelle der Chronik bis 518, der Historia ecclesiastica des Theodoros Anagnostes, spielen östliche, kirchengeschichtliche Ereignisse darin eben-
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Das geographische „Nordafrika“ erstreckt sich von Westen nach Osten vom heutigen Marokko bis nach Westlybien; zur politischen und kirchlichen Struktur der römischen Diözese Africa s. u. Kap. 2.2.1. Vgl. zu den Begrifflichkeiten auch Howe, Vandalen, 12 (Anm. 2). Eno, „Doctrinal Authority“, 96; vgl. z. B. auch Bruns, „Zwischen Rom und Byzanz“, 157, der diese Charakteristiken gerade in der Zeit des Drei-Kapitel-Streites beobachtet; Conant, Staying Roman, 316.
Vorbemerkungen
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so eine wichtige Rolle. Die Perspektive spitzt sich allerdings im Verlauf der Chronik immer mehr auf den nordafrikanischen, v. a. kirchlichen, Kontext zu. Es ist nicht der Anspruch dieses Kapitels, der Arbeit an der Chronik selbst eine vollständige Darstellung oder gar eine eigene (Neu-) Erarbeitung ihres historischen Kontextes voranzustellen. Ziel ist vielmehr, die wichtigsten Eckpunkte des Drei-KapitelStreites sowie der Historie Nordafrikas an dieser Stelle ins Gedächtnis zu rufen und überblicksartig darzustellen, um das später an der Quelle zu Erarbeitende einordnen und interpretieren zu können. Ebenso wenig angestrebt ist in diesem Einführungskapitel ein vollständiger Forschungsüberblick über die Literatur zu den abgehandelten Ereignissen und Zusammenhängen. 1995 schrieben David J. Mattingly und R. Bruce Hitchener zwar: „Until the 1970s, mastery of ‚l’Afrique tardive‘ arguably could be obtained through the reading of only four works, none written after the mid-1950s“,3 nämlich Christian Courtois, Les Vandales et l’Afrique (1955)4; Charles Diehl, L’Afrique byzantine (1896); William H. C. Frend, The Donatist Church (1952); Brian H. Warmington, The North African Provinces from Diocletian to the Vandal Conquest (1954)5. Auch wenn Stanisław Adamiak in seiner Arbeit zum byzantinischen Afrika konstatiert: „Nothing has changed materially in the interim, and their position still remains valid“,6 sind seither zur Geschichte Nordafrikas doch verschiedenste Beiträge erschienen, die einzelne Aspekte des spätantiken römischen, vandalischen und byzantinischen Nordafrika und seiner Kirche(n) beleuchten. Auch diese hier insgesamt aufzuzählen oder gar zu diskutieren und zu gewichten7 und daraus einen Überblick über den historischen Kontext der Chronik des Victor von Tunnuna zu erstellen, würde über das Ziel dieses Kapitels hinausgehen.8 Wo es aber für das Verständnis und die Interpretation des in der Chronik Dargestellten sinnvoll ist, Mattingly/Hitchener, „Roman Africa“, 209; dieser Hinweis aus Adamiak, Carthage, 2–3. Vgl. auch Julien/Courtois, Histoire de l’Afrique du Nord (10. Aufl., 1951); Audollent, Carthage ro maine (1901). 5 Vgl. hierzu die kritische Rezension von Frend, The Journal of Roman Studies 45 (1955), 203–204. 6 Adamiak, Carthage, 3. 7 Einen solchen groben Überblick versucht Adamiak, Carthage, 2–5. Er geht dabei jedoch fast nur auf die größeren, „klassischen“ Untersuchungen ein, neben den o. g. Devreesse, „L’Église d’Afrique“ (1940 [angegeben als 1937]); Pewesin, Imperium (1937); Gavigan, De vita monastica (1962); Marschall, Karthago und Rom (1971); Cameron, „Byzantine Africa“ (1982); Mombili Thumaini, L’aspect d’autonomie (2001); Modéran, Les Maures (2003); ders., „L’Afrique reconquise“ (2007). Als Forschungsüberblick bleibt dies insofern unbefriedigend, als neuere Untersuchungen zu einzelnen Aspekten, abgesehen von Modérans Aufsatz „L’Afrique reconquise“, so gut wie nicht in dem Blick genommen werden. Zu begrüßen ist, dass Adamiak (ebd., 4) die Forschungsgeschichte kurz in den Kontext der Kolonialisierung Nordafrikas einordnet; vgl. dazu auch Mattingly/Hitchener, „Roman Africa“, 169–170. 8 Vgl. neben den bei Adamiak genannten Titeln exemplarisch neuere Literatur zum spätantiken Nordafrika wie Conant, Staying Roman (2012); Vössing, Das Königreich der Vandalen (2014); Patout Burns/Jensen, Christianity in North Africa (2014); Lassère, Africa, quasi Roma, bes. 653–733 (2015); Wolff, Littérature, politique (2015); Steinacher, Die Vandalen (2016); Stevens/Conant, North Africa under Byzantium and Early Islam (2016); Whelan, Being Christian (2017). 3 4
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Eine Chronik und ihre (Vor-)Geschichte
findet selbstverständlich auch in diesem Kapitel eine kritische Auseinandersetzung mit der einschlägigen Literatur im Rückgriff auf die entsprechenden Quellen statt.9 Da der historische Ort der Chronik in Nordafrika innerhalb des Drei-KapitelStreites zu suchen ist – und dieser Kontext für die Darstellung der Geschichte in der Chronik eine entscheidende Bedeutung hat –, sollen hier in einem ersten Schritt der kirchlich-politisch-geographische Kontext der Chronik und in einem zweiten Schritt ihr engerer theologiegeschichtlich-kirchenpolitischer Kontext (zugespitzt auf den Drei-Kapitel-Streit) dargestellt werden. Mit dem Beginn der Chronik im Jahr 444 und ihrem Ende im Jahr 565 ist der grundsätzliche zeitliche Rahmen für die Darstellung des historischen Kontextes gesteckt. Endpunkt der Chronik ist der Tod Justinians bzw. die Übernahme der Herrschaft durch Justin II. Der zeitliche Rahmen der Chronik umfasst damit kirchengeschichtlich gesehen sowohl die Jahre direkt vor dem Konzil von Chalcedon (451) als auch die Jahre nach dem 2. Konzil von Konstantinopel (553). Gleichzeitig sind die in der Chronik behandelten Jahre zu großen Teilen die Jahre der Vandalenherrschaft in Nordafrika (429–533/534). Besonders die Jahre nach deren Ende waren in Nordafrika vom Widerstand gegen die Verurteilung der sogenannten Drei Kapitel geprägt. Für einige Ereignisse v. a. der späten Jahre des Drei-Kapitel-Streites in Nordafrika ist die Chronik eine der wenigen oder gar die einzige Quelle. 2.2 Nordafrika – Africa: Der geographische, politische und kirchliche Kontext der Chronik 2.2.1 Nordafrika vor der Vandalenherrschaft – ein knapper Überblick Für den nordafrikanischen Kontext der Chronik ist es wichtig, zunächst grundsätzlich die politische Struktur des römischen Nordafrika zu vergegenwärtigen10: Die römische prouincia Africa entsteht nach dem Sieg der Römer über Karthago 146 v. Chr. im karthagischen Gebiet, das durch die fossa regia11 begrenzt war. Zur Zeit Caesars kommen weitere Gebiete hinzu, die als Provinz Africa noua bezeichnet werden; das bisherige
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Grundlage und „Gerüst“ für die Einführung in den nordafrikanischen Kontext waren zunächst der TRE-Artikel „Afrika I“ von Alfred Schindler sowie die einschlägigen Beiträge aus der Geschichte des Christentums 3, hg. von Luce Pietri (Der lateinische Westen und der byzantinische Osten 431–642; konkret zu den einzelnen Artikeln s. u. jeweils an entsprechender Stelle; vgl. knapp auch entsprechende Abschnitte aus Hauschild/Drecoll, Lehrbuch), von Adamiak, Carthage, 3 nicht zu Unrecht als nach wie vor „the best introduction to the topic“ bezeichnet. Zur „Begriffsgeschichte“ und „Entdeckungsgeschichte“ vgl. kurz Huß, „Afrika 1.A.“; ders., „Afrika 1.B.“. Die Grenzlinie, die von Scipio dem Jüngeren im Jahr 146 v. Chr. zwischen der römischen Provinz Africa und dem numidischen Königreich gezogen wurde; vgl. Huß, „Fossa 7. Fossa regia“, dort auch zum Verlauf.
Nordafrika – Africa: Der geographische, politische und kirchliche Kontext der Chronik
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Gebiet hingegen wird zu Africa uetus. Seit etwa 27 v. Chr. wird die dann senatorische Provinz – nach der Aufhebung der Trennung in Africa noua und Africa uetus – häufig auch Africa proconsularis genannt. Weitere westliche Provinzen kommen hinzu (Mauretania Caesariensis, Mauretania Tingitana). Unter Septimius Severus (Kaiser 193–211) wird Numidia als kaiserliche Provinz von Africa abgetrennt. Diokletian (Kaiser 284– 305) teilt die bisherige Provinz Proconsularis in die drei Provinzen Africa proconsularis, Africa Byzacena und Africa Tripolitana auf. Zusammen mit der Numidia (ihrerseits unterteilt in Numidia Cirtensis und Numidia Militiana), der 288 n. Chr. installierten Mauretania Sitifensis sowie der Mauretania Caesariensis fasst er diese zur Diözese Afri ca zusammen, die Teil der praefectura Italiae ist. Die Mauretania Tingitana hingegen wird der Diözese Spanien zugeordnet.12 Die kirchliche Provinzeinteilung geschieht allmählich in Anlehnung an die politische, sie bildet sich im vierten Jahrhundert heraus.13 Kirchlich entstehen zunächst sechs Provinzen: Numidia, Byzacena, Mauretania Sitifensis, Mauretania Caesariensis, Tripolitania und Africa proconsularis14. Diese Provinzen bleiben im Wesentlichen bis zum Ende der Herrschaft Ostroms erhalten. Dass die Mauretania Tingitana politisch zeitweise zur Spanien gehört, ändert nichts an ihrer kirchlichen Zugehörigkeit (als Teil der Mauretania Caesariensis) zur Africa. Kann man Ende des dritten bis Anfang des vierten Jahrhunderts von bis zu 250 Bischofssitzen in Nordafrika ausgehen, gibt es im frühen fünften Jahrhundert in Africa bereits etwa 650 Bischofssitze. Wahrscheinlich unter Bischof Agrippinus von Karthago beginnen um 220 die dann unter Cyprian ab 251 regelmäßig abgehaltenen Generalsynoden.15 Die Bedeutung der außerafrikanischen Konzilien für die nordafrikanische Kirche kann als relativ gering eingeschätzt werden. Unumstritten ist allerdings die Autorität des nizänischen Konzils von 325.16 Mit dem homöischen Christentum17 kommen die Nordafrikaner – abgesehen von der Teilnahme des Caecilianus von Karthago am Konzil von Nizäa 325 und der Teilnahme des Restitutus, Bischof von Karthago, am
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Vgl. Huß, „Afrika 3.“; ders., „Mauretania B.“; Schindler, „Afrika I“, 641. Die Grenze des römischen Machtbereichs in Richtung Süden schwankt. Vgl. zu einer übersichtlichen Darstellung die Karte „Nordafrika von der byzantinischen Periode bis zur islamischen Eroberung (5. bis 8. Jh. n. Chr.)“ in Huß/Scheid/Leisten, „Afrika“. Vgl. zum Folgenden Schindler, „Afrika I“, 642–647; vgl. auch Markus, „Carthage“, 279; Duval, „Die Kirche Nordafrikas“, 123–126. Vgl. insgesamt Diehl, L’Afrique byzantine 2, 410–418. Hier verläuft die Grenze zu Numidien kirchlich anders als staatlich: Der westliche Teil der (politischen Provinz) Proconsularis gehört kirchlich zum Teil zu Numidien. Vgl. Patout Burns/Jensen, Christianity, 4; Duval, „Die Kirche Nordafrikas“, 123. Zu Konzilien im späteren vierten und frühen fünften Jahrhundert in Nordafrika vgl. Schindler, „Afrika I“, 671–672. Zur Bedeutung von Nizäa vgl. etwa das Breuiarium Hipponense, das mit dem nizänischen Bekenntnis eröffnet wird (30 Munier): Nicaenii concilii professio fidei recitata et confirmata est quae ita se habet. D. h. mit dem „Arianismus“ – zur Problematik und zum Gebrauch dieses Begriffes s. u. S. 33–36.
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Eine Chronik und ihre (Vor-)Geschichte
Konzil von Rimini 35918 – erst durch die Vandalen mehr als nur punktuell in Kontakt.19 Afrikaner wurden zum Konzil von Ephesus 431 eingeladen, konnten aber aufgrund der Situation unter den Vandalen nicht teilnehmen. Nur vier Afrikaner nahmen am Konzil von Chalcedon 451 teil.20 Wichtig für die nordafrikanische Kirche und ihr späteres Selbstverständnis sind von Anfang an die Martyrien und Verfolgungen der Christen bzw. die Lösung der Fragen, die aus dem Umgang mit den entsprechenden Erfahrungen resultierten. Hier kommt es sowohl zu innerafrikanischen Konflikten als auch zu Auseinandersetzungen mit Rom.21 So widerspricht Cyprian bereits während der Christenverfolgungen unter Decius und Valerian (249/50–260) aus dem Exil der Praxis, den Abgefallenen (lapsi), also denen, die der Aufforderung zum Opfer gefolgt waren, pauschal die Absolution zu erteilen. Streitigkeiten in Karthago sind die Folge, und die Frage der Wiedertaufe von reuigen häretischen Christen führt auch zu einem Konflikt mit Rom.22 Auch die Verfolgung unter Diokletian, die in Nordafrika knapp zwei Jahre dauert (303–305), führt nicht nur zu einer Zunahme des Märtyrer- und Reliquienkultes aufgrund der hohen Zahl von Opfern unter den Christen, sondern auch zu Konflikten innnerhalb der nordafrikanischen Kirche.23 An der Frage der Gültigkeit einer von traditores vorgenommenen Bischofsweihe entzündet sich zwischen 308 und 312 ein Streit, der in das Schisma zwischen „katholischer“ (das bedeutet hier: „caecilianistischer“) und „donatistischer“ Kirche mündet. Es kommt zu einer Doppelwahl einerseits des Caecilianus – für die Donatisten ungültig von traditores geweiht – und andererseits des Maiorinus, dessen Nachfolger Donatus wird.24 Das von da an bestehende Schisma prägt die Kirche Nord-
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Vgl. Schindler, „Afrika I“, 677; er sieht in der Teilnahme am Konzil von Rimini durch Restitutus einen Anschluss des „katholischen“ Klerus Afrikas an die arianisierende Hoftheologie (vgl. Schindler, „Afrika I“, 661–662). Zu Restitutus und seiner Rolle auf dem Konzil vgl. von Stockhausen, Athanasius von Alexandrien, 146–147. Von Stockhausen weist hier auch auf einen weiteren nordafrikanischen Teilnehmer am Konzil von Rimini hin, Bischof Muzonius aus der Byzacena, von dem Hieronymus, Contra Luciferum 18 berichtet. Dies gilt auch für Augustinus; zu Augustinus und dem „Arianismus“ vgl. kurz Brennecke, „Auseinandersetzung mit sogenannten ‚Arianern‘“, 208–212; Heil, „The Homoians“, 111–115; Patout Burns/ Jensen, Christianity, 67–68; Whelan, Being Christian, 13–14, 73–77. Vgl. Patout Burns/Jensen, Christianity, 58: „No evidence survives that the continuing rejection of Arian teaching by these councils made much impression in Africa; the Greek concerns over the constitution of the Savior were not high on the bishops’ agenda.“ Zu den an- bzw. abwesenden Bischöfen vgl. Maier, L’Épiscopat, 71–72. Vgl. zum Folgenden insgesamt Schindler, „Afrika I“, 648–668. Vgl. Duval, „Die Kirche Nordafrikas“, 122–123; vgl. Cyprian, Epistula 26; 41–43; 57. Im sogenannten Ketzertaufstreit stellt sich die nordafrikanische Kirche (ab 255) gegen den römischen Bischof Stephanus: Die Afrikaner vetreten die Position, dass eine von „Häretikern“ durchgeführte Taufe beim Eintritt in die „katholische“ Kirche abzulehnen ist (vgl. bereits Cyprian, De unitate 1). Dies gilt besonders hinsichtlich der Auslieferung der biblischen Schriften, der traditio. Zum Anfang des donatistischen Schismas vgl. auch Duval, „Die Kirche Nordafrikas“, 126–128. Vgl. zum Donatismus Pietri, „Der Donatistenstreit“, 507–523. Als Überblick vgl. auch Frend, „Donatismus“; vgl. ausführlich ders., The Donatist Church.
Nordafrika – Africa: Der geographische, politische und kirchliche Kontext der Chronik
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afrikas in den darauffolgenden Jahrzehnten, auch wenn Konstantin 321 die Duldung der Donatisten verfügt. Verfolgungen stärken die Identität der Donatisten als Kirche der Märtyrer in der Tradition Cyprians. Beim Konflikt zwischen „Donatisten“ und „Caecilianisten“ spielen auch die Fragen nach dem Verhältnis zum Staat und nach der Autonomie (und in diesem Sinn auch der Identität) der nordafrikanischen Kirche eine wichtige Rolle – Fragen, die in der weiteren Geschicht der Kirchen Nordafrikas bis zum Drei-Kapitel-Streit immer wieder von Bedeutung sind. Das vierte Jahrhundert ist in Nordafrika auch politisch von Konflikten geprägt: Immer wieder kommt es zu Aufständen wie unter Firmus (372) und Gildo, der 397/398 eine offene Revolte führt, die aber bald von römischen Truppen niedergeschlagen wird.25 Weitere Konflikte unter dem comes Africae26 Heraclianus zur Zeit von Kaiser Honorius (Kaiser 395–423) folgen. Schlüsselfigur der 420er Jahre, der Jahre direkt vor der Ankunft der Vandalen in Nordafrika, ist der comes Bonifatius, der nach Streitigkeiten mit dem Kaiserhof zunächst durch den gotischen Homöer Sigisvult ersetzt werden soll, sich daraufhin aber Hilfe suchend nach Spanien wendet und Kontakt mit dem König der Vandalen, Gunderich, aufnimmt. Bonifatius wird jedoch bald darauf (428) von der Reichsregierung wieder in Africa eingesetzt, was zu einem Gegensatz zu Gunderichs Nachfolger Geiserich führt. Ob Bonifatius wirklich als derjenige gelten kann, der die Vandalen nach Africa rief, ist umstritten.27 Jedenfalls bereiteten diese letzten Jahre vor 429 den Boden für eine Lage in Nordafrika, an die Geiserich anknüpfen konnte.28 Mit dem Ende des ersten Drittels des fünften Jahrhunderts und der Ankunft der Vandalen in Nordafrika nähern wir uns der erzählten Zeit der Chronik des Victor von Tunnuna und damit den zum Teil auch in der Chronik berichteten Ereignissen. Die Zeit unter der Herrschaft der Vandalen soll daher im Folgenden etwas ausführlicher dargestellt werden.
25 Vgl. zum Folgenden Schindler, „Africa I“, 651–652. 26 Der comes Africae wurde unter Konstantin eingesetzt – ein militärischer Oberbefehlshaber für ganz Nordafrika, der faktisch die gesamte Macht über Nordafrika in seiner Hand vereinigte und gegenüber Rom ein wirksames Druckmittel in der Hand hatte aufgrund der Abhängigkeit von den Kornlieferungen aus Africa. 27 Vgl. Steinacher, Die Vandalen, 89–90; dort auch zur Suche des Verantwortlichen für die Invasion der Vandalen bei Prokopios von Caesarea, der zwar Bonifatius’ Rolle hervorhebt, aber in den Intrigen des Aëtius den Grund für dessen Handeln sieht (vgl. Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 1,3,16–22; vgl. 23–26). Anders Jordanes, Historia gothorum 167, der berichtet, Bonifatius habe Geiserich nach Africa eingeladen, und der die Motive bei Bonifatius allein sucht und ihm die Verantwortung zuschiebt. 28 Vgl. Steinacher, Die Vandalen, 85: „Auch ohne eine Invasion der Barbaren verlor die römische Führung in den Reichszentren die Kontrolle über zentrifugale Kräfte in den Provinzen. So konnte Geiserich in Afrika an die Politik einheimischer Vorgänger, wie Gildo, Heraclianus und vor allem Bonifatius, anknüpfen.“ Vgl. auch Modéran, „Afrika und die Verfolgung“, 266.
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Eine Chronik und ihre (Vor-)Geschichte
2.2.2 Nordafrika unter den Vandalen 2.2.2.1 Die Herrschaft Geiserichs (428–477) 429 n. Chr. landen die Vandalen in Mauretania Tingitana.29 Inwiefern deren 14-monatige Belagerung von Hippo Regius erfolgreich war, ist umstritten. Normalerweise wird eine erfolgreiche Eroberung für den Sommer des Jahres 431 angenommen.30 Die Beschreibung von Possidius – die Stadt destituta ab hostibus fuerit concremata31 – ist jedoch wohl übertrieben und lässt sich archäologisch nicht belegen.32 Auch wenn man von einer zunächst erfolglosen Belagerung ausgeht wie Konrad Vössing, kann Hippo Regius jedenfalls spätestens 434 nicht mehr gehalten werden und wird wahrscheinlich zu Geiserichs neuem Königssitz.33 Durch einen ersten Friedensvertrag erhalten die Vandalen 435 Teile der Proconsularis, Numidiens und der Mauretania Sitifensis.34
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Zur „Vorgeschichte“ der Vandalen im römischen Reich und zum Einfall in Nordafrika vgl. Vössing, Das Königreich, 11–40; Steinacher, Die Vandalen, 21–97, hier auch zum Namen „Vandalen“. Vgl. zur Landung in Nordafrika insb. Hydatius, Chronicon 90 (ad a. 429); Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 1295; Victor von Vita, Historia persecutionis Africanae prouinciae 1,1 (dazu Vössing, „Einleitung“, 14; die Historia im folgenden zitiert als Historia persecutionis); später und legendarisch dann bei Gregor von Tours, Historiarum libri X 2,2 (vgl. dazu Steinacher, Die Vandalen, 92). Zur bei Victor von Vita, Historia persecutionis 1,2 angegebenen Anzahl der nach Africa gekommenen Personen (LXXX milia [3,11 Petschenig]) vgl. Steinacher, Die Vandalen, 94–95; Lassère, Africa, quasi Roma, 654–655; Vössing, Das Königreich, 39; ders., „Kommentar“, 154–155 (mit Anm. 12–13), hier auch weitere Literatur. Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 1,5,18 weiß von derselben Zahl, bezieht sie aber auf Soldaten und reduziert sie daher auf 50.000. Vgl. dieselbe Zahl auch bei Prokopios von Caesarea, Anekdota 18,6. Die Zahl 80.000 taucht als Summe bei Heeresgrößen oder auch anderen großen Gruppen häufiger (in verschiedenen Kontexten) auf, vgl. bspw. Orosius, Historiae aduersum paganos 3,16,9; 5,14,4; 5,16,3; 5,20,9; 7,32,11; vgl. auch Tacitus, Annales 14,37; Caesar, De bello Gallico 7,71; 7,77; Valerius Maximus, Facta et dicta memorabilia 9,2,3; Flavius Josephus, Contra Apionem 1,257 u. ö. Vorkommen und Bedeutung dieser Zahl weiter zu verfolgen wäre möglicherweise lohnenswert. 30 Vgl. Steinacher, Die Vandalen, 99; Leisten, „Afrika 4.“; Patout Burns/Jensen, Christianity, 62–63. 31 Possidius, Vita Augustini 28 (84,11 Geerlings): „preisgegeben und von den Feinden niedergebrannt“; vgl. 29–30. Zu Zerstörungen in Africa insgesamt vgl. u. a. auch Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 1339; Victor von Vita, Historia persecutionis 1,3–8, hier auch zu möglichen Zerstörungen in Karthago. 32 Vgl. Patout Burns/Jensen, Christianity, 62 (mit Anm. 5), dort auch kurz zur Diskussion um die Angabe bei Possidius; vgl. auch Steinacher, Die Vandalen, 99, 127–131. 33 Vgl. Vössing, Das Königreich, 43–46; Merrills/Miles, The Vandals, 60. Zurückhaltend zu Hippo Regius als Königssitz Steinacher, Die Vandalen, 105. 34 Vgl. Vössing, Das Königreich, 46 (mit 160 [Anm. 50] zu den Quellen; vgl. hier v. a. Prosper Tiro von Aquitanien, Chronicon 1321 [474 Mommsen]: Pax facta cum Vandalis data eis ad habitandum Africae portione [per Trigetium in loco Hippone III idus Febr.]); vgl. auch die Karte ebd., 42. Zum Zusatz in einigen Handschriften (per Trigetium […] idus Febr.) vgl. Becker/Kötter, „Kommentar“, 263, vgl. auch ebd., 264 zur Einschätzung eines Föderatenstatus der Vandalen. Zur habitatio vgl. Steinacher, Die Vandalen, 105.
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Ob und inwiefern hier von einem Föderatenstatus oder eher einer amicitia zu sprechen ist, ist umstritten.35 Karthago wird ab 439 neues Zentrum des vandalischen Herrschaftsgebietes,36 das mit weiteren Gebieten 442 unter Valentinian III. Geiserich auch durch einen Vertrag als souveränem Herrscher zufällt.37 Die Vandalen erhalten damit „den besseren Teil Afrikas, die fruchtbare Zeugitana (Africa proconsularis) und das östliche Numidien“.38 Ebenso steht die Byzacena nun unter Geiserichs Jurisdiktion.39 Auch wenn beide Verträge (von 435 und von 442) umstritten sind, wurde es doch meistens als „sicher“ angesehen, dass ab 442 das Vandalenreich offiziell als Königreich anerkannt und als autonom behandelt wurde.40 Roland Steinacher geht allerdings davon aus, dass „sowohl Konstantinopel als auch Ravenna das vandalische Afrika stets als römisches Hoheitsgebiet auf[fassten].“ „Moderne Vorstellungen von Souveränität“ seien dabei aber „nicht geeignet, diese Vorgänge zu erklären“.41 Jedoch: „Die Hasdingen verhielten sich eben wie Vizekaiser.“42 Die weiteren Operationen der Vandalen gegen das nördliche Festland und die Mittelmeerinseln finden in einem Ereignis von besonderer Symbolkraft ihren Höhepunkt: in der Plünderung Roms unter Geiserich im Jahr 455.43 Nach verschiedenen weiteren Kämpfen schließen Kaiser Zeno und Geiserich 474 (oder 476) einen „ewi-
Vgl. Steinacher, Die Vandalen, 103–105; Vössing, Das Königreich, 46; Patout Burns/Jensen, Christianity, 63; Merrills/Miles, The Vandals, 60–61; Lassère, Africa, quasi Roma, 656; zu den Verträgen mit Geiserich vgl. auch Schulz, Die Entwicklung, 92–95. 36 Zu Karthago und seiner Bedeutung für die Vandalen vgl. Steinacher, Die Vandalen, 120–126. 37 Vgl. Prosper Tiro von Aquitanien, Chronicon 1347; zum Gebiet vgl. Victor von Vita, Historia persecutionis 1,13; vgl. Vössing, Das Königreich, 52 (Abb. 5); Modéran, „Afrika und die Verfolgung“, 267–268; vgl. auch Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 1,4,12–14, der beide genannten Verträge vermischt. Vermischt auch bei Patout Burns/Jensen, Christianity, 63 (mit Anm. 14). 38 Steinacher, Die Vandalen, 143. Dort (vgl. 144) auch zu den weiteren bei Victor von Vita angegebenen Gebieten. Vgl. dazu auch Vössing, Das Königreich, 75–77. 39 Vgl. Steinacher, Die Vandalen, 143: Der „Küstenstreifen vom Golf von Hadrumetum (Sousse) bis zum Golf von Gabes, der kleinen Syrte, mit dem landwirtschaftlich besonders reichen Hinterland bis zu den Bergen und der Steppe im heutigen Westtunesien an der Grenze zu Algerien“. 40 So Vössing, Das Königreich, 50; vgl. Courtois, Les Vandales, 173; Castritius, „Wandalen“, 191–192; Lassère, Africa, quasi Roma, 663; Patout Burns/Jensen, Christianity, 64: „an independent kingdom“. Weitere Belege bei Steinacher, Die Vandalen, 144–145. 41 Steinacher, Die Vandalen, 145, der hier die fehlende Münzprägung als Argument nennt; anders Vössing, Das Königreich, 52–53, der eher „keinen Bedarf an eigenen Münzen“ sieht (53). 42 Steinacher, Die Vandalen, 146. 43 Vgl. Vössing, Das Königreich, 47–60; Steinacher, Die Vandalen, 196–205 (jeweils mit weiterer Literatur in den Anmerkungen). Zu den Gründen für den „sacco di Roma“ vgl. zusammenfassend insb. Vössing, Das Königreich, 55–60; Steinacher, Die Vandalen, 200–203 (mit den entsprechenden Quellen in den Anm.). S. dazu u. Kap. 5.1.2 im Zusammenhang mit der Darstellung der Plünderung Roms durch Geiserich bei Victor von Tunnuna. 35
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gen“ Friedensvertrag.44 Darin wird den Vandalen der Anspruch auf Korsika, Sardinien, die Balearen und Sizilien anerkannt.45 Grenzen der vandalischen Herrschaft zeigen sich nach Geiserichs Tod (477) in Bezug auf die Berber: Es entstehen unabhängige Berberreiche in den Provinzen der Mauretania, im Gebirge des Aurès (Mons Aurasius), in der südlichen Byzacena und in der Tripolitana.46 Strittig ist, ob man hier von einer Invasion der Berber sprechen kann47 – Prokopios von Caesarea nennt etwa einen Aufstand sesshafter Marusier im Aurès zur Zeit Hunerichs48 –, oder ob in Bezug auf die Berber eher Kontinuitäten zu der Zeit vor der Vandalenherrschaft vorliegen. Strittig ist auch, inwiefern dabei von den Berbern eine maurische oder eine römisch-christliche Identität betont wird.49 Unter Geiserich finden schon bald erste Maßnahmen gegen die „katholische“ (d. h. nizänische)50 Kirche statt wie die Exilierung von Klerikern und die Konfiszierung von Kirchen innerhalb Karthagos.51 Geiserich lässt zwar eine Bischofswahl in Karthago 454
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So Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 1,7,26 (τὸν πάντα αἰῶνα [344,15–16 Haury/Wirth]); vgl. Vössing, Das Königreich, 71–74; vgl. auch Victor von Vita, Historia persecutionis 1,51. Vgl. Vössing, „Kommentar“, 166 (Anm. 109); Courtois, Les Vandales, 185–193. Große Teile Siziliens trat Geiserich kurz darauf an Odoaker ab, vgl. Vössing, Das Königreich, 74. Weiter zu Geiserich und seiner Politik bzw. seiner Herrschaft vgl. Vössing, Das Königreich, 75–117; Steinacher, Die Vandalen, 207–234. Vgl. Diehl, L’Afrique byzantine, 42–44, 260–266, mit Hinweisen v. a. auf Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico; vgl. Leisten, „Afrika 4.“; Schindler, „Afrika I“, 641; Vössing, Das Königreich, 108–110; Adamiak, Carthage, 16–22; Steinacher, Die Vandalen, 107–109, 259–268. Vgl. in diesem Sinn etwa Coripp, Iohannis 2,235. Steinacher, Die Vandalen, 260 äußert sich kritisch zur herkömmlichen Darstellung einer Invasion der Berber: „Die stark typisierende wie auch generalisierende Darstellungsweise der spätantiken Historiographie wurde von der modernen Forschung oftmals kritiklos für bare Münze genommen.“ Zur Sicht Coripps bzw. von Nordafrikanern auf die byzantinische Rückeroberung im Zusammenhang mit der Bedrohung durch die Berber vgl. Patout Burns/Jensen, Christianity, 77: Coripps „writings supply invaluable but undoubtedly biased evidence on contemporary Mauri tribes and customs but also offer perspective on how some Africans viewed the Byzantine army. He describes them as bringing stability and order in the midst of untenable social and civil strife.“ Als Überblick zu Coripp vgl. auch Cameron, „Byzantine Africa“, 36–43. Vgl. Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 1,8,5; vgl. Steinacher, Die Vandalen, 261. Vgl. Steinacher, Die Vandalen, 261–268 mit der Deutung einiger Inschriften. Zu Vandalen und Mauren vgl. weiter Modéran, „Vandales et Maures“; Modéran, Les Maures mit weiteren Differenzierungen (innere und äußere Berber); Modéran, „Afrika und die Verfolgung“, 291–297 zu den Mauren und ihrem Verhältnis zum Christentum bzw. zu den Kirchen. Zu Berichten über Verbannungen von „Katholiken“ unter maurische Bewachung vgl. Victor von Vita, Historia persecutionis 1,30–38; 2,26–28. Zu den Begrifflichkeiten s. im Folgenden. Vgl. Victor von Vita, Historia persecutionis 1,15–16. Zu Maßnahmen vor der Eroberung Karthagos vgl. Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 1327; 1329. Vgl. Schindler, „Afrika I“, 683–684. Zur Darstellung einer Geschichte der nizänischen Kirche Nordafrikas unter den Vandalen ist anzumerken, dass ihre Hauptquelle bis einschließlich zur Zeit Hunerichs, die Historia persecutionis des Victor von Vita, in ihrer Deutung und ihrem historiographischen Wert aufgrund ihrer Tendenz, die Leiden der „Katholiken“ und die Grausamkeiten der Vandalen zu betonen, umstritten ist. Vgl. dazu exemplarisch Courtois, Victor de Vita, bes. 3, 86–87; Lancel, „I. Introduction“, 29–49, bes.
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zu, nach dem Tod dieses Bischofs, Deogratias (456/457), wird der Bischofssitz aber nicht wieder besetzt. Weitere Bischofsweihen in der Proconsularis werden verboten, Kirchen werden geschlossen, liturgisches Gerät und die heiligen Bücher müssen übergeben werden. Durch den bereits genannten Friedensvertrag von 474 mit Zeno werden die Maßnahmen allerdings wieder gemildert.52 Die Vandalen werden in den Quellen als „Arianer“ bezeichnet.53 Seit seiner Prägung im vierten Jahrhundert wird dieser Begriff polemisch gebraucht54 und ist daher heute als Bezeichnung für Anhänger eines bestimmten religiösen Bekenntnisses problematisch.55 In diesem Sinn aber, als Anhänger eines bestimmten religiösen Bekenntnisses, wurden die Vandalen als „Arianer“ bezeichnet: Sie waren dem sogenannten
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29–37; Vössing, „Einleitung“, 20–22; Patout Burns/Jensen, Christianity, 70–71 u. ö.; Heil, „From Hippolytus to Fulgentius“, 173–175; zur Problemanzeige vgl. auch Whelan, Being Christian, 9–10. Für die vorliegende Arbeit ist dieses Problem im Hinblick auf die Chronik des Victor von Tunnuna weniger relevant, weil die Darstellung der Verfolgungen unter den Vandalen bei Victor von Tunnuna sehr stilisiert erscheint und in summarischen Einträgen zu den Verfolgungen auf Einzelheiten fast ganz verzichtet. Bei der Deutung dieser Abschnitte der Chronik geht es weniger um die Frage danach, wie es wirklich war (und somit nicht um einen historischen Vergleich mit Victor von Vita), sondern vielmehr um die Frage ihrer Bedeutung im Rahmen dessen, was die Chronik als Geschichte erzählt. Die Umstrittenheit der Historia persecutionis (v. a. für einzelne Aspekte der Darstellung und für die Frage nach der Dichotomie „Vandalen“ – „Katholiken“) stellt auch nicht ihren Quellenwert insgesamt in Frage, zumal für eine zusammenfassende Darstellung der Ereignisse wie im vorliegenden Kapitel. Vgl. in diesem Sinn auch Vössing, Das Königreich, 120: Victor von Vita stelle mit der Historia persecutionis „ein Dossier zusammen, das in den Einzelheiten zwar durchaus verlässlich ist, in den Wertungen aber unhistorisch und parteiisch“, was sich inbesondere in der Darstellung Hunerichs zeige. Vgl. zum Quellenwert der Historia persecutionis auch Howe, Vandalen, 28–37. Vgl. Victor von Vita, Historia persecutionis 1,24; 27; 29; 39; 51. Vgl. Modéran, „Afrika und die Verfolgung“, 273–275, der besonders auf die regional unterschiedliche Intensität der Verfolgungen hinweist, die auch mit der regional unterschiedlichen Verteilung der sortes Vandalorum zu tun hätten: Geiserich habe immer „dasselbe vornehmliche Ziel“ verfolgt: „Die Konsolidierung der Africa Proconsularis als Wandalenland, wozu er den Katholizismus eliminieren und die örtliche Bevölkerung assimilieren wollte“ (275). Inwiefern jedoch die sortes Vandalorum „ein geschlossenes vandalisches Siedlungsgebiet“ in der Proconsularis implizieren, ist umstritten, dagegen argumentiert etwa Steinacher, Die Vandalen, 151–166 (das Zitat ebd., 161, 163). Vgl. auch Whelan, Being Christian, 98–99 zu der Frage, inwiefern die nizänischen („katholischen“) Christen bereits unter Geiserich als Häretiker galten; vgl. ebd., 181 zur Verbindung dieser Frage mit der Frage nach der Bedeutung der sortes Vandalorum in Bezug auf Modéran, „L’établissement territorial“: Hinsichtlich des Verbotes von nizänischen Gottesdiensten in den sortes Vandalorum könnten diese nicht nur verstanden werden als „the estates given to individual warriors but also, through a semantic drift, the kingdom itself “. Vgl. zum Verhältnis von „katholischer“ und homöischer Kirche unter Geiserich auch kurz Vössing, Das Königreich, 93–96; Lassère, Africa, quasi Roma, 666–667. Vgl. allein die Darstellung bei Victor von Vita, Historia persecutionis; vgl. dazu die Untersuchung von Howe, Vandalen. Vgl. Brennecke, „Introduction“, 14–15. Dies ist auch in der Chronik des Victor von Tunnuna der Fall, nicht nur im Hinblick auf die Vandalen. Zum Begriff „Arianer“ vgl. insgesamt Brennecke, „Introduction“. Zur generellen Problematik der Zuschreibung bestimmter häretischer Namen an Christen, die sich selbst für orthodox hielten, vgl. im Kontext von Nordafrika jetzt Whelan, Being Christian, 10–11.
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homöischen Reichsdogma, d. h. dem Bekenntnis von Ariminum (Rimini)/Seleukia/ Konstantinopel von 359/360 aufgrund der Geschichte ihrer „Mission“ (Bekehrung zum Christentum)56 verpflichtet.57 Die zunächst also innerhalb der Reichskirche zu verortende Gruppe der „Homöer“ war dabei keineswegs von Anfang an einheitlich. Auf dem Konzil von Konstantinopel (381) wurden die Homöer jedoch als Gruppe als „Arianer“ bezeichnet und damit als Häretiker aufgefasst, die aus der Kirche auszuschließen waren. Erst von da an kann man von einer „arianischen“ Kirche sprechen. Der Neunizänismus hingegen wurde zur Orthodoxie.58 Für Föderaten, die nicht an die Religionsgesetze des Reiches gebunden waren, war es aber auch danach möglich, dem homöischen Bekenntnis verpflichtet zu bleiben – so auch für die Vandalen. Wie und wann die Vandalen genau zum homöischen Christentum kamen, ist allerdings unsicher,59 sichere Zeugnisse gibt es erst aus der spanischen Zeit.60 Aufgrund der Quellenlage61 ist immer noch wenig bekannt über ihre Theologie bzw. über die Charakteristiken ihres Christentums62 und die Strukturen ihrer Kirche.63 56
Vgl. Brennecke, „Introduction“, 17–18. Dass die Vandalen sich selbst auf das Konzil von Rimini und Seleukia beriefen, bezeugt das Dekret Hunerichs vom 24. Februar 484, vgl. Victor von Vita, Historia persecutionis 3,5; hier wird das „katholische“ Bekenntnis auch als omousion bezeichnet (73,21 Petschenig). Vgl. Patout Burns/Jensen, Christianity, 67. 57 Vgl. Heil, „The Homoians“; zum Begriff „Homöer“ bzw. zu dessen Herkunft aus der Beschreibung des Verhältnisses zwischen Gott Vater und Sohn als ὅμοιος („gleich“) vgl. ebd., 86. Zum Bekenntnis vgl. „Theologische Erklärung der Synode von Konstantinopel“ (= Dok. 62.5; Einleitung, griechischer Text, Kommentar, in Athanasius Werke 3,1,4, 550–552). 58 Vgl. canon 1 der Beschlüsse der Synode von Konstantinopel 381 (ACO 2,1,3 [96,7 Schwartz]). „‚Arians‘ […] therefore are no longer a theological category, but rather a juridical term for a church deemed to be heretical and therefore illegal under Imperial law“ (Brennecke, „Introduction“, 17– 18). Vgl. Brennecke, „Arius/Arianismus“, 743, vgl. auch insgesamt 741–743. Vgl. insgesamt auch Heil, „The Homoians“; vgl. Merrills/Miles, The Vandals, 177–179. 59 Vgl. Modéran, „Afrika und die Verfolgungen“, 282. Als Möglichkeit werden die Donauländer genannt. Vössing, Das Königreich, 32 nimmt eine Christianisierung der Vandalen schon im vierten Jahrhundert in Mitteleuropa durch Vermittlung der Goten und damit auch in der für die Goten bestimmenden Variante an; vgl. ähnlich Conant, Staying Roman, 159–160. 60 Vgl. Salvian, De gubernatione dei 7,46. 61 Die meisten der insgesamt wenigen Informationen über das Christentum oder die Kirche der Homöer und/oder Vandalen stammen eben aus gegnerischer Sicht (wie etwa aus der Historia persecutionis des Victor von Vita). Vgl. dazu die Hinweise bei Conant, Staying Roman, 173–175, vgl. auch 166–170. 62 Eine grundlegende Unterscheidung „vom Arianismus der übrigen Germanen“ sieht noch Schindler, „Afrika I“, 681. Eine besonders kämpferische „Auffassung von der eigenen göttlichen Erwählung“ erkennt Vössing, Das Königreich, 31. Modéran, „Afrika und die Verfolgung“, 271, betont für die Vandalen einen „antikatholischen Fanatismus, der das Hauptmerkmal der Verfolgungen bildete“. Die Vandalen hätten versucht, „die Eliten und die Massen in Nordafrika von der eigenen Religion, dem Arianismus, wechselweise mit Gewalt und Verführung zu überzeugen“ (272). Er sieht eine kaum kompromissbereite Lehre des Klerus, findet jedoch insgesamt: „Für den persönlichen Fanatismus gibt es einfach keine zufriedenstellende Erklärung“ (283). 63 Eine große Ähnlichkeit auch in institutioneller Hinsicht zwischen der nizänischen und der homö ischen Kirche betont jetzt Whelan, Being Christian, 29–54, hier insgesamt zur Organisation und personellen Besetzung beider Kirchen. Vgl. auch Modéran, „Afrika und die Verfolgung“, 284–285.
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Als (polemische) Bezeichnung für die Anhänger des genannten Bekenntnisses wird der Begriff „Arianer“ für die Vandalen in den (nizänischen) Quellen und von dort ausgehend auch bis heute vielfach in der Literatur verwendet.64 „Arianer“ ist dabei keinesfalls eine Selbstbezeichnung – aufgrund ihres Bekenntnisses sind die Vandalen heute daher besser als „Homöer“ bzw. homöische Christen zu bezeichnen. Für diese Arbeit gilt allerdings, dass, wenn auf die Bezeichnung in den Quellen bzw. auf bestimmte Aussagen von Quellen rekurriert wird, der Begriff „Arianer“ (in Anführungszeichen) verwendet wird, um diesen Bezug zu kennzeichnen.65 Dasselbe Problem besteht auch hinsichtlich der Begriffe „katholisch“ bzw. „Katholiken“. Er bezeichnet in den Quellen die Anhänger des nizänischen Bekenntnisses bzw. der homoousianischen „Orthodoxie“, oft auch im Gegenüber zu den „Arianern“, den homöischen Christen (und kennzeichnet sie so als der „richtigen“, der orthodoxen Kirche zugehörig). Sinnvoll ist es daher, die Anhänger des nizänischen Bekenntnisses grundsätzlich als „Nizäner“ zu bezeichnen. In der Chronik des Victor von Tunnuna wird, wie später zu sehen sein wird, der Begriff catholicus auch im Streit um die Rezeption Chalcedons und im Kontext des Drei-Kapitel-Streites aufgegriffen, d. h. dann aber nicht (nur) als Gegensatz zu arianus.66 Es ist nicht sinnvoll, dabei von „Nizänern“ zu sprechen, da auch die jeweiligen Gegner eigentlich „Nizäner“ sind – hier wird die Begrifflichkeit der Chronik („katholisch“) selbst aufgenommen und durch Anführungszeichen gekennzeichnet. So wird in dieser Arbeit auch dann verfahren, wenn dies für eine Kennzeichnung der Übernahme dieses Begriffes aus einer Quelle etwa im Gegenüber zu Homöern (und damit als Ausdrucksweise der jeweiligen Quelle) sinnvoll erscheint.67 Angemerkt sei zudem, dass hinsichtlich des Bekenntnisses der Vandalen überhaupt grundsätzlich Vorsicht vor einer zu schnellen Gleichsetzung von Homöern und Vandalen und deren Herrschaft geboten ist, wie jüngst Whelan betont hat. Die religiöse
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Neuere Untersuchungen zu verschiedenen Aspekten des Christentums der homöischen Vandalen, insbesondere auch zu ihrer Theologie, sind etwa Dossey, „Last Days of Vandal Africa“; Modéran, „Une guerre de religion“; Whelan, Being Christian; Heil/Scheerer, „Wiederentdeckung“. Vgl. etwa trotz des Bezugs auf das Bekenntnis von Rimini und Seleukia bei Vössing, Das Königreich, 31–33; 93–96. Trotz der immer wiederkehrenden Verwendung des Begriffes „homöisch“ auch bei Steinacher, Die Vandalen, vgl. bspw. 246–249, 251–252; vgl. Merrills/Miles, The Vandals, 177–203. Besonders pointiert bei Modéran, „Afrika und die Verfolgung“, 271: „Die Wandalen [hatten] den christlichen Glauben angenommen […], wenn auch in der Form des häretischen Arianismus“. Vgl. auch Conant, Staying Roman, 159: „It is not clear when or how the Vandals as a people were converted to Arianism […]“, der aber ebd., 160 auf die Problematik der Begrifflichkeiten hinweist. Damit soll nicht an der abwertenden Polemik der jeweiligen Quelle partizipiert werden, vielmehr wird durch das Aufgreifen der Begrifflichkeit und ihrer gleichzeitigen Kennzeichnung mit Anführungszeichen eben diese Begrifflichkeit gerade als Polemik offengelegt. S. dazu insgesamt Kap. 5. In direkten Zitaten aus der Quelle und auch in den zusammenfassenden Tabellen in Kap. 5. wird auf weitere Anführungszeichen grundsätzlich verzichtet, dasselbe gilt für die unter 7. angehängte Übersetzung.
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Realität sei diverser gewesen, als bisher meistens wahrgenommen wurde: „Homoian Christanity should be decoupled from both the Vandal war band and Vandal power.“68 Nicht alle Vandalen waren Homöer, und nicht alle Römer waren Nizäner. 2.2.2.2 Die Herrschaft Hunerichs (477–484) Die vandalische Herrschaft wird nach Geiserichs Tod von dessen Sohn Hunerich69 weitergeführt. Er war zwischen 442 und 445/446 als Geisel in Ravenna gewesen und mit der Tochter von Valentinian III. und von Eudoxia, mit Eudocia, verlobt worden.70 Seine Politik ist zunächst deutlich kompromissbereiter als die Geiserichs. Auch kirchenpolitisch setzt er anfangs auf Ausgleich und lässt die Wahl eines Bischofs in Karthago zu, wo der Bischofsstuhl seit über 20 Jahren vakant war:71 Der möglicherweise aus dem Osten des Reiches stammende Eugenius wird im Jahr 480 oder 481 als (nizänischer) Bischof von Karthago eingesetzt.72 So pflegt Hunerich vorerst ein in diesem Sinne eher pragmatisches Verhältnis zur nizänischen Kirche Nordafrikas.73 Nach 480/481 verschärfen sich aber die antinizänischen Maßnahmen wieder, ohne dass die Gründe dafür aus den Quellen letztlich nachvollziehbar sind. Möglicherweise hängen die Maßnahmen mit innervandalischen
68 Whelan, Being Christian, 18. Er betont die Wichtigkeit des religiösen Bekenntnisses vor der Ethnizität und vor der römischen Identität, vgl. ebd., 19: „For all parties in this Christian conflict, the matter at stake was the true Christian faith. Ethnicity or Roman identity might sometimes enter the equation, but the key term was orthodoxy.“ So sei auch die homöische Kirche weder durch ihr Verhältnis zur hasdingischen Dynastie noch zur vandalischen „Kriegsbande“ („warband“) definiert gewesen (ebd., 53). Vgl. ähnlich zunächst Conant, Staying Roman, 182–184, der in der Frage nach der religiösen Identität aber letztlich eine politische Frage sieht: „Religious identity was inherently political in the Vandal kingdom. In changing the confession of Africa’s Roman popu lation, the Vandal kings would also have changed the fundamental identity of the vast majority of their subjects.“ Vgl. auch Patout Burns/Jensen, Christianity, 61–75 mit der Überschrift zu Kapitel 3, durch die sie das religiöse Bekenntnis und die Ethnizität eng verbinden: „Fifth-Century Conflicts: Vandal Arians and African Nicenes“. Vgl. auch grundlegend v. a. in Bezug auf die Historia persecu tionis des Victor von Vita Howe, Vandalen, besonders 120–182 (Kapitel 3). 69 Zu biographischen Informationen vgl. Courtois, Les Vandales, 395–396. Vgl. insgesamt zu Hunerich und seiner Herrschaft Vössing, Das Königreich, 118–124; Steinacher, Die Vandalen, 235–258. 70 Vgl. Steinacher, Die Vandalen, 236. 71 Hintergrund waren Bemühungen Konstantinopels, vgl. Victor von Vita, Historia persecutionis 2,2. Vgl. Steinacher, Die Vandalen, 246–249. 72 Vgl. Victor von Vita, Historia persecutionis 2,6–7; Victor von Tunnuna, Chronicon 26. Zur Darstellung des Eugenius bei Victor von Tunnuna s. u. Kap. 5.5.2. Zur östlichen Herkunft vgl. auch Modéran, „Afrika und die Verfolgung“, 288, der in seiner Berufung als Bischof den Beweis daür sieht, „dass der Osten wegen der Verfolgung gleichfalls sehr besorgt war“. 73 Vgl. Steinacher, Die Vandalen, 244: Wahrscheinlich wollte Hunerich zwischen den beiden Kirchen zunächst einen Ausgleich schaffen, um seiner Macht bzw. der seines Hauses eine sicherere Basis zu schaffen. Modéran, „Afrika und die Verfolgung“, 276, sieht hier „punktuelle Befriedungsmaßnahmen“ i. S. eines politischen Zugeständnisses.
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Streitigkeiten um Hunerichs Nachfolge zusammen.74 V. a. die Proconsularis ist betroffen. Die Maßnahmen beinhalten sowohl das Verbot der nizänischen Rituale als auch die Exilierung von Diakonen, Priestern und Bischöfen.75 484 findet in Karthago ein Religionsgespräch zwischen homöischen und nizänischen Bischöfen statt, was Hunerich laut seiner Einberufung verfügt, weil die Nizäner in den sortes Vandalorum trotz Verbotes Gottesdienste feiern.76 Die nizänischen Bischöfe bringen ein Schriftstück über ihren Glauben, den Liber fidei catholicae, zur Darlegung ihres Standpunktes ein.77 Hunerich befiehlt jedoch nur wenige Tage nach Beginn des Gesprächs die Schließung der nizänischen Kirchen; der kirchliche Besitz, der noch in den Händen der Nizäner war, wird beschlagnahmt und den Homöern übergeben. Am 24. Februar 484 erlässt Hunerich ein Gesetz, dessen Bestimmungen auf alle angewandt werden sollen, die an ihrem homoousianischen Glauben festhalten. Verschiedene kaiserliche Häretikergesetze werden dabei auf die Nizäner bezogen.78 Inwiefern Hunerichs Maßnahmen Erfolg hatten und nizänische Bischöfe tatsächlich das Bekenntnis wechselten, ist umstritten.79 Victor von Vita schildert jedenfalls ausführlich die auf das Religionsgespräch folgenden heftigen Verfolgungen, während denen verschiedene „Katholiken“ als Märtyrer und Bekenner auftreten, die Victor von 74
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Vgl. so Steinacher, Die Vandalen, 241–246, hier 241, vgl. auch 249: Die eigentlichen Verfolgungen beginnen mit schikanierenden Maßnahmen gegen nizänische uirgines sacrae, vgl. Victor von Vita, Historia persecutionis 2,24–25. Folterungen schildert Victor von Vita zum ersten Mal in Historia persecutionis 2,8–9, vgl. 10; zu den Streitigkeiten am Hof vgl. Victor von Vita, Historia persecutionis 2,12–16. Vgl. auch Historia persecutionis 3,17–20: Als Hauptgrund für Exilierungen nach dem Religionsgespräch 484 gibt Victor hier die Weigerung der „katholischen“ Bischöfe an, einer Änderung der Thronfolgeordnung Geiserichs zugunsten Hunerichs Sohn Hilderich zuzustimmen. Zu den bei Victor von Vita geschilderten Exilierungen vgl. auch Heil, „From Hippolytus to Fulgentius“, 176–183. Vgl. Steinacher, Die Vandalen, 249–250 (vgl. bes. Anm. 45 zu weiterer Literatur); Modéran, „Afrika und die Verfolgung“, 276. Vgl. Victor von Vita 2,26–37. Zur Darstellung bei Victor von Tunnuna, Chronicon 50 s. u. Kap. 5.5.2. Vgl. Victor von Vita, Historia persecutionis 2,39. Vgl. Steinacher, Die Vandalen, 251–253. Der Liber fidei catholicae ist in die Historia persecutionis des Victor von Vita eingefügt: 2,56–101. Zur Diskussion um die Verfasserschaft vgl. Steinacher, Die Vandalen, 424 (Anm. 54). Dass der Liber in Africa große Bedeutung hatte, zeigt seine Benutzung noch eine Generation später im theologischen Disput zwischen Fulgentius von Ruspe und König Thrasamund (Dicta regis Thrasamundi), vgl. dazu Heil/Scheerer, „Wiederentdeckung“. Vgl. Victor von Vita, Historia persecutionis 3,2 sowie das von Hunerich erlassene und bei Victor von Vita, Historia persecutionis 3,3–14 überlieferte Gesetz (lex). Hunerich nimmt hier (3,5) auch auf die Reichssynoden von Seleukia und Rimini Bezug und damit auf das dort a mille et quod excurrit pontificibus de toto orbe (73,22–74,1 Petschenig) beschlossene homöische Bekenntnis; vgl. Steinacher, Die Vandalen, 253–256 (bes. Anm. 58 und 60); Vössing, „Kommentar“, 180–183 (Anm. 232–261) zu Inhalt und zu den verschiedenen aufgenommenen Gesetzen; Whelan, Being Christian, 98–99 zur Kontinuität zur Regierung Geiserichs. Vgl. Steinacher, Die Vandalen, 257; vgl. dazu insbesondere die Diskussion um die Notitia prouinciarum und ihre Angaben bei Howe, Vandalen, 82–91; Lancel, „II. Introduction“, 223–248; Modéran, „La Notitia provinciarum“; Castritius, „Barbaren“, 377–379; vgl. jetzt mit einer Gegenposition auch Scheerer, „Catholic Identity“. Vgl. auch Lassère, Africa, quasi Roma, 686–687.
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Vita in seiner Historia persecutionis insgesamt in eine Kontinuität zu den Verfolgten unter den großen Christenverfolgungen setzt.80 Zusätzlich zu den Problemen der nizänischen Kirche innerhalb Nordafrikas selbst litten gleichzeitig deren Beziehungen zu Konstantinopel: Kaiser Zeno veröffentlicht bereits im Frühsommer 482 das sogenannte Henotikon, eine von Acacius von Kon stantinopel81 formulierte „theologische Deklaration“, die auf die Einheit im Osten, insbesondere mit Ägypten, zielte. Sie verurteilte das Konzil von Chalcedon zwar nicht, grenzte sich aber doch deutlich davon ab.82 Der Gegensatz der lateinischen und der griechischen, miaphysitischen Kirchen verschärft sich. Für die chalcedontreue nizänische Kirche in Nordafrika bedeutet dies zwar keinen Abbruch der Verbindungen zu Konstantinopel, aber deren Schwächung.83
Vgl. Victor von Vita, Historia persecutionis 3,15–60; vgl. Modéran, „Afrika und die Verfolgung“, 278– 279; zur Kontinuität zu den Christenverfolgungen vgl. Moorhead, Victor of Vita, XIV–XV; Shanzer, „Intentions and Audiences“, 283, 285, 288–289. Zu den Bekennern und Märtyrern vgl. weiter u. Kap. 5.5.2. 81 Vgl. Brennecke, „Chalkedonense“, 42, mit Verweis auf Ps-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica 5,7; Theophanes, Chronographia a. m. 5976; Johannes von Nikiou, Chronicon 88,62. 82 Das Henotikon, kein „Einigungsedikt“ (Maraval, „Die Religionspolitik“, 133; von einem „Edikt“ spricht auch Kötter, Zwischen Kaisern, 64), sondern eher eine „theologische[…] Deklaration“ oder „theologische Stellungnahme“ (Brennecke, „Das akakianische Schisma“, 81, 92; so auch in ders., „Chalkedonense“, 43), eine „Einigungsformel“ (Hauschild/Drecoll, Lehrbuch, 340), sollte insbesondere ein Schisma mit der alexandrinischen Kirche verhindern: Es handelt sich dabei „um eine allein für das von kirchlicher Spaltung bedrohte Ägypten bestimmte theologische Deklaration, die für die Ägypter die Anstöße von Chalkedon beseitigen sollte und ihnen die Möglichkeit eröffnen sollte, Chalkedon grundsätzlich und in seiner antihäretischen Tendenz anerkennen zu können“ (Brennecke, „Chalkedonense“, 43). Der Text verurteilte Chalcedon nicht, legte aber nur die ersten drei Konzilien als verbindlich fest und grenzte sich durch seine Formulierungen vom Chalcedonense ab. Als verbindlich gelten darin auch die Anathematismen Cyrills gegen Nestorius sowie die Verurteilungen gegen Nestorius und gegen Eutyches. Vgl. Maraval, „Die Rezeption“, 133, vgl. insgesamt 133–137; vgl. Brennecke, „Das akakianische Schisma“, bes. 92–95, der auch hier betont, dass das Henotikon keinesfalls antichalcedonensisch intendiert war (93); noch pointierter Uthemann, „Kaiser Justinian“, 263–265, der im Henotikon einen „Fortschritt“ sieht, einen „Versuch […], das eigentliche Anliegen der Definition von Chalkedon zu verdeutlichen“ (264), jedoch eben sehr offen formuliert und im miaphysitischen Sinn gegen Chalcedon interpretierbar. Der Text ist überliefert bei Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,14 (griechisch); Ps-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica 5,8 (syrisch); Liberatus von Karthago, Breuiarium 17 (Latein); griechisch zudem in Codex Vaticanus graecus 1431 (Nr. 75 [52,21–54,21 Schwartz]). Die Überlieferung geht auf Zacharias Rhetor und die Sammlung aus dem Codex Vaticanus graecus 1431 zurück, vgl. Brennecke, „Chalkedonense“, 40–41 (mit Anm. 87). 83 Vgl. Vössing, Das Königreich, 120. 80
Nordafrika – Africa: Der geographische, politische und kirchliche Kontext der Chronik
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2.2.2.3 Die Herrschaft Gunthamunds (484–496) Hunerich stirbt 484.84 Sein Nachfolger wird jedoch nicht sein Sohn, den er auf den Thron bringen wollte, sondern sein Neffe Gunthamund, Sohn von Hunerichs Bruder Gento. Er agiert mit einer milderen Politik gegenüber den nizänischen Christen, indem er die gegen diese gerichteten Edikte zwar nicht widerruft, aber auch nicht ausführt. Nach dem Zeugnis des Laterculus Regum Vandalorum lässt er etwa Eugenius 487 nach Karthago zurückkehren und gibt die Basilika des Agileus, ein wichtiges Märtyrerheiligtum, an die Nizäner zurück; bald darauf kehren alle nizänischen sacerdotes aus dem Exil zurück.85 2.2.2.4 Die Herrschaft Thrasamunds (496–523) Auf Gunthamund folgt dessen jüngerer Bruder Thrasamund, der nicht nur in panegyrischen Texten hoch gelobt wird.86 Politisch schließt sich Thrasamund enger an das Ostgotenreich unter Theoderich dem Großen an, was sich unter anderem in seiner Heirat mit der verwitweten Schwester Theoderichs, Amalafrida, im Jahr 500 zeigt.87 Auch eine Einigung über Sizilien, worüber es unter Gunthamund erneut Konflikte mit den Goten gegeben hatte, wird erzielt. Das Verhältnis zwischen Theoderich und Thrasamund verschlechtert sich bald darauf jedoch wieder. Obwohl er auch nizänische Bischöfe exiliert – darunter erneut
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Zur Darstellung von Hunerichs Tod bei Victor von Tunnuna u. a. s. u. Kap. 5.2.2. Laterculus Regum Vandalorum et Alanorum, Augiensis A8–A9 (356,5–15 Becker); vgl. auch Victor von Tunnuna, Chronicon 52 (dazu s. u. 5.5.3); Steinacher, Die Vandalen, 276; Courtois, Les Vandales, 299–301. In der Agileus-Basilika fand auch das Konzil von Karthago 525 statt, vgl. Concilium Car thaginense a. 525 (255,1–2 Munier). Modéran, „Afrika und die Verfolgung“, 280, weist darauf hin, dass es insgesamt für die Verfolgungen der nizänischen Christen seit Gunthamund nur wenige Quellen gibt; er selbst stützt seine Darstellung v. a. auf die schon gattungsmäßig nicht unproblematische Vita Fulgentii (zu dieser Vita vgl. jetzt die Ausgabe von Isola mit ausführlicher Einleitung). Steinacher, Die Vandalen, 277, führt den „Kurswechsel des Regimes Gunthamunds“ auf das Henotikon zurück – Gunthamund habe durch die folgende zunehmende Entfremdung der westlichen von der östlichen Kirche einen größeren Handlungsspielraum gehabt: „Ein Gegensatz zwischen der lateinischen und der griechischen Kirche erhöhte den Bewegungsspielraum des hasdingischen Königs erheblich, verlor doch der Ostkaiser dadurch seine Schutzherrschaft über die afrikanischorthodoxe Kirche. Diese blieb nach Rom orientiert.“ Vgl. zu Gunthamund insgesamt Vössing, Das Königreich, 124–125; Steinacher, Die Vandalen, 275–278. Vgl. Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 1,8,8; vgl. z. B. auch Florentinus, In laudem regis (= Anthologia latina 371). Auch Fulgentius lobt ihn zu Beginn seiner Bücher Ad Thrasamundum (2,1–2), wobei jedoch zu bedenken ist, dass dieses Lob wohl nicht Fulgentius’ eigentliche Meinung widerspiegelt, sondern großteils Konventionen in der Widmung an einen Herrscher geschuldet ist, besonders aus einer defensiven Position heraus. Vgl. Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 1,8,11–12; vgl. Vössing, Das Königreich, 125–126; Steinacher, Die Vandalen, 284–286.
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Eine Chronik und ihre (Vor-)Geschichte
Eugenius und später Fulgentius von Ruspe (ca. 467–ca. 532) – und die Widerbesetzung von Bischofssitzen weiterhin verbietet,88 setzt Thrasamund religionspolitisch insgesamt mehr auf positive Anreize statt auf Zwang durch Gewaltmaßnahmen: Geldzahlungen und bestimmte Posten bekommen diejenigen, die sich zum homöischen Glauben bekennen.89 Thrasamund zeigt auch Interesse an der theologisch-dogmatischen Seite des Streites zwischen den Homöern und den Nizänern: Um 51590 holt er Fulgentius von Ruspe aus dem sardinischen Exil nach Karthago, zumindest der Legende nach, um mit ihm ein theologisches Streitgespräch zu führen.91 Fulgentius von Ruspe spielt für die Geschichte und das Selbstverständnis der (nizänischen) Kirche Nordafrikas eine bedeutende Rolle, was sich auch in der Chronik des Victor von Tunnuna zeigt. Fulgentius stammte aus der Byzacena,92 wurde 507 nizänischer Bischof des ebenfalls in der Byzacena gelegenene Ruspe,93 und weil er an seinem homoousianischen Bekenntnis festhielt, wurde er vom homöischen Vandalenkönig Thrasamund mit anderen Bischöfen ins Exil nach Sardinien geschickt. Nach dem erwähnten kurzen Aufenthalt in Karthago auf Thrasamunds Geheiß wurde er erneut exiliert und blieb bis zum Regierungsantritt Hilderichs im Exil. Fulgentius richtete sich mit seinen theologischen Schriften dezidiert gegen die homöische („arianische“) vandalische Theologie.94
Vgl. Merrills/Miles, The Vandals, 196; Vita Fulgentii 13,32 (Bezug auf das Verbot der Weihe von Bischöfen); 17,40 (Exilierung des Fulgentius nach Sardinien). Eine Hunerich in nichts nachstehende Politik gegenüber dem nizänischen Klerus durch Thrasamund betont Courtois, Les Vandales, 302. 89 Vgl. Steinacher, Die Vandalen, 281; vgl. Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 1,8,9; Vita Fulgentii 20,44; zum Erfolg vgl. Vita Fulgentii 20,45; 25,54. 90 Die genaue Datierung ist umstritten; anders etwa bei Merrills/Miles, The Vandals, 197 (zwischen 517 und 519). 91 So etwa bei Steinacher, Die Vandalen, 282; Whelan, Being Christian, 160. Vgl. Vita Fulgentii 20,44– 21,49 (Fulgentius wird nach dem Streitgespräch laut der Vita wieder ins Exil geschickt). Vgl. die Thesen von Thrasamund, überliefert als Obiectiones oder Dicta regis Thrasamundi (67–70 Fraipont); vgl. die Antworten von Fulgentius, Responsiones Fulgentii (71–94 Fraipont); vgl. auch die drei Bücher Ad Thrasamundum (97–185 Fraipont); vgl. zu den Thesen Thrasamunds jetzt Heil/ Scheerer, „Wiederentdeckung“; vgl. auch Merrills/Miles, The Vandals, 196–198. Zu Fulgentius besonders im Blick auf seine Exile vgl. Heil, „From Hippolytus to Fulgentius“, 181–188. 92 Zur Byzacena vgl. Dessau, „Byzacium“, 1114–1116; Audollent, „Byzacène“; Desanges/Lancel/Ristow, „Byzacena“. 93 Seine Bestellung zum Bischof sei „one of many carried out by the primate of Byzacena in contravention of a kingdomwide ban“, so Whelan, Being Christian, 160; vgl. auch Modéran, „La chronologie“, 151: Das Verbot zur Weihe von Bischöfen „fut finalment bravée par les évêques de Byzacène qui procédèrent à une série de consécrations“. Dies bezieht sich auf Vita Fulgentii 13 (zur Erhebung des Fulgentius zum Bischof vgl. dann Vita Fulgentii 14). 94 Vgl. etwa Fulgentius von Ruspe, Dicta regis Thrasamundi et contra ea responsiones (CPL 815; s. o. Anm. 91); Ad Thrasamundum (CPL 816); Psalmus abecedarius (CPL 827); Contra sermonem Fastidiosi Ariani (CPL 820). Vgl. Markschies, „Fulgentius 2. Fulgentius von Ruspe Bischof 507“; Collins, „Fulgentius von Ruspe“; Modéran, „La chronologie“ (besonders zur Frage nach der Vita Fulgentii und ihrer Chronologie und deren Bedeutung für die Geschichte des vandalischen Africa); Whelan, Being Christian, 49; 160–163 (v. a. auch zu Fulgentius und Thrasamund). Vgl. ferner Diesner, 88
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Die Frontstellung Thrasamunds gegenüber der nizänischen Kirche, besonders gegenüber den Bischöfen, bleibt über seine Regierungszeit bestehen; die Verbindung zwischen König und der homöischen Kirche kann sogar als gefestigt gelten.95 Insgesamt wird Thrasamunds Regierungszeit als ruhig bewertet.96 2.2.2.5 Die Herrschaft Hilderichs (523–530) Auf Thrasamund folgt im Jahr 523 Hilderich. Er ist Sohn der Eudocia und des Hunerich, damit Enkel von Valentinian III. und von Geiserich. Hilderich lässt noch vor seinem formalen Herrschaftsantritt die exilierten (nizänischen) Bischöfe nach Nordafrika zurückkehren.97 „Er sah die Zukunft seines Reiches nicht in der traditionellen Politik der Abgrenzung und in ‚barbarischer‘ Eigenständigkeit, sondern in der Integration auch der Romanen Africas und ebenso ihrer Kirche.“98 Inwiefern man unter seiner Herrschaft von einer „Restitution“ der „katholischen“ Kirche sprechen kann, ist jedoch umstritten.99 525 kann in Karthago jedenfalls das einzige allgemeine afrikanische (nizänische) Konzil unter der Herrschaft der Vandalen stattfinden, allerdings nur mit 61 Teilnehmenden, und zwar unter dem Vorsitz des 523 neu eingesetzten Bischofs von Karthago, Bonifatius. Die Dauer des Konzils ist unsicher, da nur die Akten des ersten Verhandlungstages vollständig überliefert sind; am zweiten Tag brechen die Akten ab.100 Fulgentius von Ruspe; Schneider, „Fulgentius von Ruspe“, 274–276; vgl. auch Langlois, „Fulgentius“, 632–661, der allerdings noch zu einer Gleichsetzung von Fulgentius von Ruspe mit Fulgentius dem Mythographen tendiert. Zu Fulgentius in der Chronik Victors von Tunnuna s. u. Kap. 5.5.4. 95 Vgl. Vössing, „Einleitung“, 28. 96 Politisch verschlechtert sich unter Thrasamund allerdings nach dem Regierungsantritt Justins I. 518 das Verhältnis der Vandalen zu Ostrom, weil sich der Osten und die römische Kirche wieder annähern. Vgl. insgesamt zu Thrasamund Vössing, Das Königreich, 125–128; Steinacher, Die Vandalen, 279–287; Modéran, „Afrika und die Verfolgung“, 281–282. 97 Vgl. Vita Fulgentii 25,55; vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 106. Zu Hilderich vgl. insgesamt Steinacher, Die Vandalen, 288–292. 98 Vössing, Das Königreich, 128. 99 Vgl. Vössing, Das Königreich, 129. Vgl. bspw. auch Courtois, Les Vandales, 309; Placanica, „Note“, 106 (ad a. 523,2); Castritius, Die Vandalen, 133–134; besonders pointiert Merrills/Miles, The Vandals, 59 („major changes within the Vandal kingdom, including the official conversion of the state to Nicene Catholicism“), 201–202; vgl. Steinacher, Die Vandalen, 289 (Hilderich „vollzog einen drastischen Kurswechsel in der Religionspolitik und wollte die katholische Kirche uneingeschränkt anerkennen“). Vgl. Vita Fulgentii 25,55 (214,24–25 Isola): Ecclesiae catholicae per Africam constitutae libertatem restituens. Vgl. auch Laterculus regum Vandalorum et Alanorum, Augiensis A16 (358,17–18 Becker): omnibus catholicis libertate restituit. Vgl. Paulus Diaconus, Historia romana 16,7, der zusätzlich angibt, Hilderichs Mutter sei katholisch gewesen. 100 Schindler, „Afrika I“, 682, geht davon aus, dass die Teilnahme von Bischöfen aller afrikanischen Provinzen daran (wie auch am Religionsgespräch von 484) den kirchlichen gesamtafrikanischen Zusammenhalt bezeuge, also zwischen den unter vandalischer Herrschaft stehenden Gebieten und denen, die nicht unter vandalischer Herrschaft stehen; auch die Bemühung, die Ordnung
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Grundsätzlich ging es auf dem Konzil um die Rekonstitution der „katholischen“ Kirche in Africa – u. a. um die Ordnung der afrikanischen Provinzen aufgrund der Beschlüsse des Konzils von Karthago 418101 und um die Bestätigung der Vorrangstellung des Bischofs von Karthago102 –, aber auch um konkrete Einzelfragen. Die Akten des zweiten Tages zeigen einen Streit zwischen dem Primas der Byzacena, Liberatus, und dem Kloster des Petrus, weil Liberatus beansprucht hatte, das Ordinationsrecht im Kloster auszuüben; das Kloster selbst war jedoch der Meinung, dies stehe dem Bischof von Karthago zu.103 Dieser Streit wurde oft mit der Annahme eines grundsätzlichen Konfliktes um die bischöfliche Vorrangstellung in Africa zwischen der Proconsularis und der Byzacena in Verbindung gebracht.104 Wie Wolfgang Kaiser überzeugend gezeigt hat, geht der Konflikt auf dem Konzil aber nicht über die konkrete Frage hinsichtlich der Ordinationen im Kloster hinaus. Richtig ist freilich, dass die Vorrangstellung
der Gesamtkirche aufrechtzuerhalten werde hier deutlich. Allerdings gab es beim Konzil von 525 wenige Teilnehmer aus der Byzacena, wo zuvor mehrere Regionalkonzilien stattgefunden hatten, u. a. das Konzil von Iunci 523, dessen Akten zum Teil in den Akten des Konzils von 525 überliefert sind; vgl. dazu Kaiser, Authentizität, 96 (mit Anm. 221); Audollent, „Byzacène“, 1478. Vgl. zum Konzil von 525 Marschall, Karthago und Rom, 206–209; Kaiser, Authentizität, 95–100 (mit weiteren Literaturhinweisen 97–98 [Anm. 235]); Whelan, Being Christian, 134–137. Die Akten des Konzils sind herausgegeben von Charles Munier in CChr.SL 149, 255–282. Vgl. zu den teilnehmenden Bischöfen auch Courtois, Les Vandales, 305–307 (mit Anm. 8; insgesamt zum Konzil ebd., 304–308), mit einer aufgearbeiteten Anwesenheitsliste, diese in Concilium Carthaginense a. 525, subscriptio (271–272 Munier). In der Chronik des Victor von Tunnuna wird das Konzil nicht erwähnt. 101 Vgl. auch Kaiser, Authentizität, 94–95. 102 Vgl. Concilium Carthaginense a. 525 (261,284–262,318; 267,498–270,615 Munier). 103 Vgl. die Darlegung des Problems durch Petrus und seine Mönche in Concilium Carthaginense a. 525 (273,26–275,90; 275,125–276,164 Munier). Die Frage war offenbar schon auf dem Regionalkonzil von Iunci (523) behandelt worden, vgl. Concilium Carthaginense a. 525 (277,196–197 Munier); vgl. Kaiser, Authentizität, 96–97. Zum Streit vgl. auch Audollent, „Byzacène“, 1478–1480. 104 So etwa jetzt Adamiak, Carthage, 46–47: Der Konflikt zwischen den Primaten der Byzacena und von Karthago sei das Hauptthema des Konzils von 525 gewesen, er stünde im Rahmen einer „ancient rivalry“ zwischen dem Erzbischof von Karthago und dem Primas der Byzacena, in dem dann Bonifatius versucht hätte, seine Überlegenheit über alle anderen Bischöfe Africas zu etablieren. Vgl. auch Markus, „Carthage“, 284, der den Hauptzweck des Konzils so beschreibt: „We must conclude that it had only one item on its agenda, the precedence and jurisdiction of the see of Carthage, which it treated in general terms on its first session, and in specific conflict before it in the second.“ Auch Marschall, Karthago und Rom, 207 sieht den Konflikt als Hauptthema des Konzils; für Modéran, „L’Afrique reconquise“, 76–77 spiegeln sich im Konflikt um das Kloster die sich seit der Vandalenherrschaft verstärkenden Unterschiede bzw. Trennungen („divisions“) zwischen den Kirchenprovinzen (die damit jeweils mehr Eigenständigkeit erlangt hätten), die auf die unterschiedlich starken Auswirkungen der Verfolgungen zurückzuführen seien. Diese setzten sich dann auch in den folgenden Konflikten fort. Vgl. auch Modéran, „Afrika und die Verfolgung“, 289–291. In dieser Hinsicht ist die Frage nach einem möglichen, sich hier zeigenden innerafrikanischen Konflikt auch für die Deutung der Chronik des Victor von Tunnuna von Bedeutung, denn dort zeigt sich, wie später zu sehen sein wird, ein ebensolcher.
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Karthagos auf dem Konzil durch ihre Bestätigung auch bekräftigt wurde – im Rückgriff auf das geltende Recht (aber nicht als Neuerung bzw. als Resultat eines Streites).105 Verschlechterte sich unter Justin I. ab 518 das Verhältnis der Vandalen zu Ostrom zunächst, nähert sich Hilderich dem 527 auf Justin I. als oströmischem Kaiser folgenden Justinian I. (481/482–565) wieder an.106 Neben innenpolitischen Machtkämpfen beschäftigen auch Hilderich als militärische Gegner besonders die Mauren. Eine empfindliche Niederlage erleiden die Vandalen 530 unter ihrem General Hoamer gegen den Maurenfürsten Antalas in der Byzacena.107 Daraufhin gelangt 530 mit Gelimer der sechste und letzte vandalische König durch einen Putsch an die Macht.108 Kaiser Justinian protestiert zwei Mal dagegen, Gelimer lenkt jedoch nicht ein.109 Ein mögliches militärisches Eingreifen in Nordafrika ist in Konstantinopel dennoch durchaus umstritten.110 2.2.3 Das Ende der Herrschaft der Vandalen in Nordafrika und der Beginn der byzantinischen Herrschaft 533 beauftragt Justinian seinen General Belisar (ca. 500/505–565)111 zur Invasion in Africa und erteilt ihm sämtliche Vollmachten.112 Zunächst war dabei wohl weniger an eine Eroberung als vielmehr an eine Intervention i. S. einer Wiedereinsetzung Hilderichs gedacht.113 Nach einem unerwartet schnellen Sieg kann Belisar jedoch schon im
105 Vgl. insgesamt Kaiser, Authentizität, 86–114; konkret zum Konzil von Karthago 525 ebd., 95–100, hier 97: Der bereits bestehende Vorrang des Bischofs von Karthago zeigt sich bspw. darin, dass ihm schon das Konzil von Iunci bestimmte Fragen zur Entscheidung vorlegte und die Bischöfe auch in einem Begleitschreiben diesen Vorrang zum Ausdruck brachten (Concilium Carthaginense a. 525 [277,180; 277,177 Munier]). Festgelegt worden war die Rangordnung der fünf Provinzen Karthago (Proconsularis), Numidia, Byzacena, Mauretania Sitifensis, Tripolitana auf dem Konzil von Karthago 518, s. dazu u. S. 49. 106 Vgl. Steinacher, Die Vandalen, 237, 286–287, 293; Meier, Das andere Zeitalter, 174; vgl. Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico, 1,9,5–6. Zu Justinian s. weiter u. Kap. 2.3. 107 Vgl. Vössing, Das Königreich, 130; Steinacher, Die Vandalen, 292; Modéran, „Die Kirchen“, 750; vgl. Coripp, Iohannis 3,198–264; Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 1,9,2–3. 108 Vgl. Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 1,9,8–9; vgl. Steinacher, Die Vandalen, 292–293. 109 Vgl. Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 1,9,10; 1,9,14–19. Vgl. Steinacher, Die Vandalen, 293–295; vgl. Vössing, Das Königreich, 131, der v. a. im ersten Protest noch die „Linie vorsichtiger Vandalenpolitik früherer byzantinischer Kaiser“ sieht. 110 Vgl. Steinacher, Die Vandalen, 295–296. 111 Vgl. als Überblick Tinnefeld, „Belisarios“. 112 Vgl. Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 1,11,18–21. Zum bei Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 1,10,18–21 berichteten Traum eines Bischofs, der Justinian zum Umschwung bewegt und einer pointiert unterschiedenen Version bei Victor von Tunnuna, Chronicon 118 s. u. Kap. 5.7.1.3. 113 Vgl. Steinacher, Die Vandalen, 302; vgl. Merrills/Miles, The Vandals, 228–229. Zu möglichen Gründen und Motiven vgl. auch Vössing, Das Königreich, 132–133; Steinacher, Die Vandalen, 296.
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September Karthago einnehmen, und bis Mitte Dezember desselben Jahres gelingt es ihm, die Herrschaft der Vandalen in den nordafrikanischen Provinzen zu beenden.114 Im Frühjahr 534 gibt Gelimer, der vor Belisar und seinen Truppen geflohen war, auf. Er wird schließlich – nachdem er im Triumphzug duch Konstantinopel geführt wird – nach Galatien ins Exil gebracht.115 Die Vandalen bleiben in Africa und assimilieren sich oder gehen nach Spanien,116 zum Teil werden sie auch in die oströmische Armee eingegliedert und in den Osten geschickt.117 Vössing beschreibt die Zustände in Africa nach dem Sieg Belisars als chaotisch: Belisars Sieg war nicht etwa der Auftakt zu einer stabilen Herrschaft, sondern zu einer anderthalb Jahrzehnte dauernden, chaotischen und desaströsen Abfolge von Kämpfen zwischen kaisertreuen und revoltierenden Byzantinern, in die sich maurische Aufstände mischten. Und mitten darin, natürlich auf der Seite der Rebellen, agierte eine schlagkräftige Truppe von vandalischen Kriegern. […] bis zum Jahr 548 kehrte in Africa Ruhe ein.118
Die byzantinische Herrschaft in Nordafrika hat Bestand bis ca. 700 n. Chr. Africa hat eine eigene Präfektur119 und besteht nach Codex Iustinianus 1,27,1,12 aus sieben Provinzen.120 Justinian lässt in Nordafrika viele neue Bauten errichten oder alte renovieren, 114 Vgl. dazu insgesamt Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico, insb. ab 1,11. Zur letzten Schlacht bei Tricamarum vgl. Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 1,12,2–3. Vgl. insgesamt zu Belisars Unternehmungen in Nordafrika und Gelimers Reaktionen Merrills/Miles, The Vandals, 228–233; Steinacher, Die Vandalen, 296–314; Vössing, Das Königreich, 132–139. 115 Vgl. Vössing, Das Königreich, 136–139. Zur Eroberung unter Belisar vgl. auch Vössing, „Africa zwischen Vandalen“, 196–199. 116 Vgl. Leisten, „Afrika 4.“. 117 Vgl. Steinacher, Die Vandalen, 310, 313–314; Merrills/Miles, The Vandals, 233. 118 Vössing, Das Königreich, 140. Vgl. ebd., 141–144 zur Frage, ob „Belisars Feldzug Africa wirklich befreit“ hat (141) und zu Hypothesen, wie sich das Vandalenreich hätte positiv entwickeln können. Steinacher, Die Vandalen, 308 formuliert noch deutlicher als Vössing: „Die afrikanischen Provinzen waren freilich keineswegs befriedet, im Gegenteil, ihnen standen noch für ein Jahrhundert teils schwere Kämpfe mit verschiedenen maurischen Gruppen, vandalischen und anderen Aufständischen aus der Armee des Kaisers bevor. Genau genommen mussten die Byzantiner nach der Kapitulation Gelimers 534 bis zum ersten Erscheinen der Araber 647 einen nie endenden Maurenkrieg führen.“ 119 Der Präfekt unterstand dem magister militum Africae (Solomon), vgl. Steinacher, Die Vandalen, 311. Vgl. aber ebd., 315: „Solomon wurde zum Heermeister und Prätorianerpräfekt Afrikas ernannt“, mit Hinweis (439, Anm. 59) auf Nouellae Iustiniani 36 und 37, die an Salomoni pp [= praefecto praetorio] gerichtet sind (243,21; 244,21 Schöll/Kroll). 120 Codex Iustinianus 1,27,1,12 (77 Krüger [51892]): Et ab ea auxiliante deo septem prouinciae cum suis iudicibus disponantur, quarum Zeugi [die Ausgabe von 1877 liest noch Tingi], quae proconsularis antea uocabatur, Carthago et Byzacium ac Tripolis rectores habeant consulares: reliquae uero, id es Numidia et Mauretaniae [die Ausgabe von 1877 liest Mauritania] et Sardinia, a praesidibus cum dei auxilio gubernentur. D. h. also die Zeugitana (die zuvor Africa proconsularis genannt wurde und dem Gebiet von Karthago entspricht), Byzacena, Tripolis, Numidia, zwei mauretanische Provinzen, wahrscheinlich Mauretanis Sitifensis als Mauretania prima und Mauretania Caesariensis und Tingitana als Mauretania secunda, sowie Sardinia. Vgl. zur Diskussion dieser Liste und ihrer Lesarten Diehl, L’Afrique
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besonders in den Küstenstädten.121 Das tatsächliche Herrschaftsgebiet Ostroms ist kleiner als das nordafrikanische Gebiet des Römischen Reiches vor der Vandalenherrschaft.122 Justinian versucht, Kontinuitäten zu dieser Zeit hervorzuheben und damit seine Maßnahmen als restaurativ darzustellen.123 Er sieht sich als Kaiser grundsätzlich in der Pflicht, die fragmentierten Teile des alten Römischen Imperiums wiederzuvereinigen. Diese Wiedervereinigung, zu der auch die Invasion in Nordafrika gehört, sieht er als Plan Gottes an. So wird auch das Unternehmen in Africa als religiös motiviert präsentiert.124 Die nordafrikanische Kirche reagiert zunächst positiv und sieht sich – eben gerade auch in religiöser Hinsicht – befreit von der vorherigen Gefangenschaft.125 Der An-
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byzantine 107–111; vgl. auch Schindler, „Afrika I“, 641–642, der von einer Provinz Tingi und einer Provinz Mauretania ausgeht. Zur Bezeichnung Zeugitana für Africa proconsularis vgl. auch Stei nacher, Die Vandalen, 143 (mit 399, Anm. 165); vgl. ebd., 311 zur Provinz „Zeugi Carthago“ als eine der unter Justinian eingerichteten Provinzen. Vgl. zur politischen Struktur auch Merrills/Miles, The Vandals, 240. Vössing, „Africa zwischen Vandalen“, 212–213 hebt die tatsächliche Schlechterstellung der Afrikaner durch die von Justinian vorgenommene Verwaltungsreform hervor, einer der Faktoren, durch welche die alte städtische Oberschicht Missachtung erfahren habe. Vgl. Leisten, „Afrika 4.“; Merrills/Miles, The Vandals, 234–238, vgl. zum Fazit 238: „Very swiftly the new regime presented itself as the divinely-sanctioned deliverer of the Romano-Africans from the heresy and barbarism of the Vandals, and supported this with an ambitious building programme.“ Prokopios von Caesarea berichtet vom Bauprogramm Justinians in De aedificiis, vgl. zu Nordafrika bes. De aedificiis 6; dieses Zeugnis ist aber v. a. hinsichtlich eines „Bauprogramms“ für Karthago (De aedificiis 6,5) mit Vorsicht zu betrachten (vgl. Merrills/Miles, The Vandals, 234–235, differenziert zu neuen Bauten in Karthago und anderswo ebd., 241–248; auch zur wachsenden Verehrung östlicher Heiliger in Nordafrika). Modéran, „Die Kirchen“, 759–760 (Zitat 759), weist hingegen auf den „Prozeß großen Ausmaßes“ für die Bautätigkeit Justinians in Nordafrika hin, den neuere archäologische Untersuchungen bezeugen würden. Vgl. dazu Schindler, „Afrika I“, 642; Steinacher, Die Vandalen, 311. Vgl. Vössing, „Africa zwischen Vandalen“, 203–204. Vgl. Merrills/Miles, The Vandals, 237: „The conquest of Africa was cast as a crusade to unite the orthodox Romano-Africans with their church, while restoring the lands of the old western Roman Empire.“ Besonders deutlich Adamiak, Carthage, 53: „Belisarius’s expedition against the Vandals should in many respects be considered a religious war.“ Vgl. Nouellae Iustiniani 30,11,2 (234,33–36 Schöll/Kroll; Übers. Merrills/Miles, The Vandals, 237): […] et spes habere bonas quia etiam reliquorum nobis detentionem annuet deus, quam prisci Romani usque ad utriusque oceani fines tenentes sequentibus neglegentiis amiserunt […]. / „We are inspired with the hope that God will grant us rule over the rest of what, subject to the ancient Roman limits of both seas, they later lost by their neglects.“ Vgl. auch Codex Iustinianus 1,27,1,1–6; Nouellae Iustiniani 78,4,1; vgl. auch Marcellinus Comes, Chronicon a. 534 (103,32 Mommsen; Übers. 44–46 Croke): Prouincia Africa […] uolente deo uindicata est. / „The province of Africa […] was liberated by God’s will.“ Zur religiösen Motivation des Unternehmens vgl. auch Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 1,10,18–20 ( Justinian erscheint im Traum ein Bischof, der ihm zum Eingriff in Africa rät; s. dazu u. Kap. 5.7.1.3); 1,12,2 (Taufe eines Soldaten durch den Patriarchen von Konstantinopel kurz vor der Einschiffung der Flotte Belisars); vgl. Modéran, „Die Kirchen“, 752. Noethlichs, „Iustinianus (Kaiser)“, 686–688, stellt die religiösen Motive Justinians im Zusammenhang mit den von ihm geführten Kriegen (nicht nur gegen die Vandalen) unter der Überschrift „Religion im Dienste der Außenpolitik“ dar. Vgl. Modéran, „Die Kirchen“, 750–751, mit Hinweis auf Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 1,21,18–25 (Wiederinbesitznahme der Cyprian geweihten Kirche in Karthago); Modéran,
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spruch Justinians, sich auch in kirchlichen und theologischen Angelegenheiten zu engagieren, wird in Nordafrika zunächst akzeptiert.126 Die Herrschaft Ostroms in Africa ist im Folgenden dennoch von Konflikten geprägt, sowohl in politischer als auch in religiöser Hinsicht. Sie hat in weiten Teilen den Charakter einer Fremdherrschaft.127 Ostrom versuchte zwar als Befreier von der vandalischen Herrschaft aufzutreten, insgesamt aber bedeutete „für Afrika […] das Ende der Vandalenherrschaft […] eine Verschlechterung“128 – sei es bezüglich des Verhältnisses zu den Mauren oder bezüglich der Ausbeutung von Ressourcen durch die neuen Herrscher. Besonders die Eliten waren unter der neuen Herrschaft die Verlierer.129 2.2.4 Die Kirchen Nordafrikas und die byzantinische Herrschaft Grundsätzlich sieht sich Justinian hinsichtlich der Kirchen als Garant ihrer Einheit in der „Pflicht zur Verteidigung des Glaubens“ und ausgestattet mit dem „Recht, innerhalb der Kirche zu intervenieren“.130 Seine o. g. Bautätigkeit betrifft auch den Kirchenbau.131 Er versucht, die nizänische Kirche Nordafrikas stärker an Konstantinopel
„L’Afrique reconquise“, 40; vgl. auch den Brief des Konzils von Karthago 535 (s. auch u. S. 47) an Johannes II. (zu Fragen über den Umgang mit homöischen Geistlichen; Collectio Auellana 85,1 [328,10–14 Guenther]): Optimam consuetudinem praeteriti temporis, quam uiolenta captiuitas per annos centum dolentibus cunctis abstulerat, iterum seruare cupientes ad uniuersalem totius Africae synodum fideli deuotione conuenimus […]. / „Indem wir begehrten, die vorzügliche Gewohnheit der vergangenen Zeit, welche die hundertjährige gewaltsame Gefangenschaft für alle, die darunter gelitten hatten, unmöglich gemacht hatte, wiederum zu pflegen, sind wir zu einer allgemeinen gesamtafrikanischen Synode in gläubiger Demut zusammengekommen […]“. Im Weiteren ist von „Freudentränen“ (lacrimantibus gaudiis [328,19 Guenther]) über diese Möglichkeit der Versammlung in der Kirche, aus der die „Katholiken“ von Hunerich vertrieben worden waren, die Rede. Adamiak, Carthage, 86–87 sieht hingegen keine Dankbarkeit der „katholischen“ Kirche Nordafrikas gegenüber Justinian. Die „Katholiken“ hätten Justinian nicht als Befreier gesehen, da sie von Hilderich nicht unterdrückt gewesen seien. Die Bedrohung für die „Katholiken“ sei vielmehr von den Berbern ausgegangen (s. auch u. Anm. 128). S. u. Kap. 5.5.6 und 5.7.1.3 zur (ambivalenten) Sicht auf die Rückeroberung Africas in der Chronik des Victor von Tunnuna. 126 Vgl. Modéran, „Die Kirchen“, 755–756: Die afrikanische Kirche habe den Kaiser zwischen 533 und 543 durch wiederholte Appelle an ihn zu einer solchen Haltung ermutigt. Zum Anspruch Justinians, sich auch um kirchlich-theologische Angelegenheiten zu kümmern bzw. in diesen zu intervenieren vgl. etwa Nouellae Iustiniani 6, praefatio; 7,2. S. dazu auch u. Kap. 2.3.1. 127 Vgl. Vössing, „Africa zwischen Vandalen“, 205–216, der hierfür vier Gründe nennt: „Die Verkennung der machtpolitischen Realitäten in Bezug auf die Mauren“ (205–208), „Das mangelhafte Eingehen auf die Notwendigkeiten eines Söldnerkrieges“ (208–212), „Die weitgehende Missachtung der alten städtischen Oberschicht“ (212–214), „Die neue Stellung und Inanspruchnahme kirchlicher Würdenträger“ (214–216). 128 Steinacher, Die Vandalen, 310. 129 Vgl. Steinacher, Die Vandalen, 311–312; Merrills/Miles, The Vandals, 238–239. 130 Maraval, „Die Religionspolitik“, 421. 131 Vgl. Maraval, „Die Religionspolitik“, 425.
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anzubinden.132 Die nizänische Kirche erhält nach dem Sieg für Justinian die Kirchen und Pfründe, die von den Homöern beschlagnahmt worden waren, zurück. Auch mit der homöischen Kirche werden aber zunächst Kompromisse gesucht133 – dabei geht es vor allem um die Frage der Integration des verbliebenen homöischen Klerus und der Gemeinden, aus denen wohl nicht wenige Romano-Afrikaner sind, in die nizänische Kirche.134 Anfang des Jahres 535 fand unter der Leitung des neuen Bischofs der Proconsularis, Reparatus, in der Basilica Fausti ein Konzil statt, auf dem die Afrikaner ihre neue Situation klären wollten. Es ging insbesondere um die Restitution der Kirchengüter und um das Schicksal der homöischen Geistlichen.135 Die nizänische Kirche wollte Justinians Entgegenkommen gegenüber den Homöern und deren Kirche (in Sinn der o. g. Kompromisse) nicht einfach hinnehmen.136 Justinian veranlasste schließlich die bereits genannte Rückgabe des kirchlichen Besitzes und ordnete in seiner Novelle De Africana ecclesia (Nouellae Iustiniani 37) vom 1. August 535 weitere Maßnahmen gegen „Arianer“, Donatisten und Juden an. Dieses Gesetz ist deutlich umfassender und radikaler als die bisherigen Maßgaben.137
132 Vgl. Tilley, „The Collapse“, 14: „Justinian exercised a much tighter control over internal ecclesiastical affairs than that to which the Africans had grown accustomed either before or during the Vandal occupation“. 133 Vgl. Steinacher, Die Vandalen, 312–313. 134 Justinians Gesetzgebung bezieht sich explizit auf die Konversion von Romano-Afrikanern durch Wiedertaufe ad suam [= der Vandalen] perfidiam (Codex Iustinianus 1,27,2 [77 Krüger]); vgl. Merrills/Miles, The Vandals, 239–241, 249. 135 Vgl. Merrills/Miles, The Vandals, 249–250; Vössing, „Africa zwischen Vandalen“, 203; Modéran, „Die Kirchen“, 752; Kaiser, Authentizität, 103–104; vgl. Collectio Auellana 85,1–6. Der Bischof von Karthago, Reparatus, schreibt im Kontext des Konzils von 535 zusammen mit den Bischöfen der Proconsularis an den Kaiser mit der Bitte um die Regelung solcher Fragen, vgl. Nouellae Iustiniani 37,1 (244,24–32 Schöll/Kroll); vgl. Kaiser, Authentizität, 81; Markus, „Carthage“, 281. Vgl. zu weiteren Quellen und zur Frage der genauen Datierung Champetier, „Les conciles africaines“, 104. Ein Regionalkonzil wurde auch 541 in der Byzacena abgehalten, auch wenn mit den Adressaten der entsprechenden Novelle Justinians vom 6. Oktober 541 (Iussio Iustiniani imperatoris pro priuilegio concilii Byzaceni neben dem „Metropoliten“ Datianus wohl kein Konzil, sondern das Bischofskollegium gemeint ist (Datiano metropolitano Byzacii et omni concilio Byzacena [796,25–26 Schöll/Kroll; vgl. auch bei Kaiser, Authentizität, 37,4]). Vgl. dazu Kaiser, Authentizität, 117–120, auch 130. 136 Vgl. etwa Ferrandus von Karthago, Epistula ad Eugippium (Epistula 4); vgl. Epistula 4A (Fragmentum), worin sich Ferrandus nach dem Ende der Herrschaft der Vandalen ausführlich gegen die homöische Trinitätslehre wendet; vgl. dazu Merrills/Miles, The Vandals, 249: „As early as 533, leading theologians were writing to important ecclesiastical figures in Italy, rehearsing the doctrinal case against Arianism with the clear intention of galvanizing wider western support.“ Zum Brief vgl. auch kurz Howe, Vandalen, 26. 137 Vgl. Nouellae Iustiniani 37,1; 5–9. Vgl. Merrills/Miles, The Vandals, 250: „For the Pope and the Afri can Church this apparent volte face represented an important victory over an emperor who until then had shown little propensity for listening to their opinions or acting upon them.“ Vgl. ebd., 251: Justinian habe dennoch eigenständig und nicht auf Druck des Papstes gehandelt, um sich als frommer christlicher Herrscher zu inszenieren. Vgl. auch Steinacher, Die Vandalen, 312–313; Maraval, „Die Religionspolitik“, 431–432; Modéran, „Die Kirchen“, 753. Zum Umgang mit „religiöse[n] Dis-
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Ein Konflikt zwischen den Kirchenprovinzen in Nordafrika? (Exkurs) Es ist auch für diese Zeit138 diskutiert worden, ob es zu einem Rangstreit zwischen den Kirchenprovinzen Nordafrikas kam. Die Nouella 37 verleiht dem Bischof von Karthago auch die Metropolitenwürde bzw. die entsprechenden Privilegien.139 Wahrscheinlich ging dem ein entsprechendes Gesuch von Reparatus, dem Bischof von Karthago, voraus.140 Auf eine „neue und direkte Autoriät über den gesamten afrikanischen Episkopat“141 für den Bischof von Karthago ist daraus allerdings nicht zu schließen: Aus den Konstitutionen im 1. Buch des Codex Theodosianus (vgl. Codex Theodosianus 1,1– 13) ergibt sich für die Metropoliten wenig Konkretes, ihre Amtsbefugnisse erstrecken sich lediglich auf die jeweils eigene Provinzialkirche, nicht jedoch auf andere.142 Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang etwa auch Collectio Auellana 87. Hier wendet sich Papst Agapitus an Reparatus von Karthago als Metropoliten. Die gebrauchte Formulierung (caritati tuae metropolitana iura reparantes)143 deutet jedoch eher auf eine Erneuerung der Metropolitenwürde hin, nicht auf eine erstmalige Verleihung.144 Der Papst sah den Bischof von Karthago wohl „von vornherein als Metropoliten“ an.145
sidenten“ (hier als Heiden, Juden und Samariter, Häretiker verstanden) unter Justinian vgl. Maraval, „Die Religionspolitik“, 426–432. Mit zahlreichen Belegen zur Gesetzgebung gegenüber Juden vgl. Noethlichs, „Iustinianus (Kaiser)“, 740–44, vgl. ebd., 744–748 zu „Häretikern“. Zu Justinians kirchenpolitischer Gesetzgebung insgesamt mit Verfügungen in Bezug auf die Kirche und ihre Verwaltung, den Klerus und die Mönche vgl. zusammenfassend und mit zahlreichen Beispielen Maraval, „Die Religionspolitik“, 423–425; vgl. auch Noethlichs, „Iustinianus (Kaiser)“, 733–752. 138 S. o. S. 41–42. Hier gilt wie bereits oben, dass diese Frage insofern für die Deutung der Chronik des Victor von Tunnuna relevant ist, als in der Chronik ein innerafrikanischer Konflikt deutlich wird. Modéran, „L’Afrique reconquise“, 76–78 sieht etwa eine Verbindung von dem hier diskutierten, bereits zur Zeit der Vandalen beginnenden und sich deutlich im Konzil von Karthago 525 zeigenden Konflikt zum heftigen Widerstand gegen die Verurteilung der Drei Kapitel gerade in der Byzacena im Gegenüber zu den anderen afrikanischen Provinzen, auch wenn man nicht von einer direkten kausalen Verbindung sprechen könne. 139 Vgl. Nouellae Iustiniani 37,9 (245,21–22 Schöll/Kroll): Priuilegia insuper sacrosanctae ecclesiae nostrae Carthaginis Iustinianae omnia condonamus quae metropolitanae ciuitates et earum antistites habere noscuntur. / „Wir gewähren überdies der hochheiligen Kirche unserer Stadt Karthago alle Privilegien, von denen man weiß, dass sie die Metropolitanstädte und deren Bischöfe haben.“ Fortgeführt wird diese Bestimmung mit dem Wunsch, die Stadt möge, ausgestattet mit kaiserlichen Privilegien, erblühen (245,24 Schöll/Kroll): imperialibus etiam priuilegiis exornata florescat. 140 Bei Victor von Tunnuna wird Reparatus allerdings nicht als Metropolit, sondern als Erzbischof bezeichnet, vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 143; 145; 149; 165; zu den Stellen s. jeweils u. Kap. 7.7.3. 141 Modéran, „Die Kirchen“, 754. 142 Vgl. Kaiser, Authentizität, 105–106. 143 Collectio Auellana 87,4 (333,13–14 Guenther). 144 Anders Tilley, „The Collapse“, 14. 145 Kaiser, Authentizität, 106–107, hier 107. Auch im vierten Jahrhundert wurde der Bischof von Karthago bereits als Metropolit bezeichnet, konkret Capreolus von Karthago beim Konzil von Ephesus 431, vgl. Collectio Casinensis 25 (ACO 1,3 [81,1–3 Schwartz]) und Collectio Veronensis 25 (ACO 1,2, [64,5 Schwartz]). Markus, „Carthage“, 280, sieht die Metropolitenwürde seit der Zeit von Cy-
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Die Rangordnung der Kirchenprovinzen war bereits durch das Konzil von Karthago 418 festgelegt worden und seither gültig geblieben – ihr entspricht noch die Reihenfolge in der Novelle Justinians vom 29. Oktober 542 (Iussio Iustiniani imperatoris pro priuilegio concilii Bycazeni [797,21–22 Schöll/Kroll; vgl. auch bei Kaiser, Authentizität, 38,19]).146 Von einem auf Nouellae Iustiniani 37 folgenden Rangstreit zwischen der Byzacena und der Proconsularis ist schon deshalb nicht auszugehen.147 Eine Auseinandersetzung zwischen der Byzcaena und der Proconsularis kann, wie oben gesehen, nur für das Regionalkonzil von Iunci (523) und für das Konzil von Karthago (525) hinsichtlich der konkreten Frage des Ordinationsrechtes eines Kloster in der Byzacena herausgearbeitet werden: „Ein Dissens zwischen Byzacium und Karthago lässt sich damit nicht über das Jahr 525 hinaus verfolgen“.148 Auch die Novellen von 541 und 542, die als Belege für einen solchen Konflikt gesehen wurden, sind, wie Wolfgang Kaiser ebenfalls gezeigt hat, in einem anderen Kontext zu sehen. In der Novelle vom 6. Oktober 541 geht es um auch sonst übliche kaiserliche Vergünstigungen für eine bestimmte Provinzialkirche (keineswegs spezifisch für Africa), hier eben die der Byzacena. Die Bestimmungen und Vergünstigungen der Novelle vom 29. Oktober 542 betreffen nicht allein die Byzacena, sondern die ganze Diözese Africa und können schon allein deshalb nicht für einen Streit zwischen Byzacena und Proconsularis herangezogen werden. Mit ihnen wollte Justinian vielmehr eine „Stärkung der Orthodoxie“ erreichen.149
prian in Karthago gegeben (leider ohne Quellenbelege). So sieht er auch ebd., 282, keinen Beleg dafür, dass der Kirche von Karthago über die sowieso traditionell bestehenden Rechte hinaus hier weitere Rechte zugestanden werden. Vielmehr habe der Kaiser als Geber eines neuen Privilegs gesehen werden wollen. 146 Vgl. Registri ecclesiae Carthaginensis excerpta 127 (227,1546–228,1555 Munier), hier ist die Reihenfolge Karthago, Numidia, Byzacena, Mauretania Sitifensis, Tripolitana genannt. Der Kanon wurde auf dem Konzil von Karthago 525 verlesen, vgl. Concilium Carthaginensis a. 525 (261,281–282; vgl. 261,294–262,300 Munier). Vgl. auch Kaiser, Authentizität, 94–95. 147 Einen solchen Konflikt, in den dann der Kaiser eingriff, sieht noch Modéran, „Die Kirchen“, 754; vgl. ders., „L’Afrique reconquise“, 76–78 (hier wird der Konflikt über das Konzil von 525 bis auf die Zeit unter der Vandalenherrschaft zurückgeführt; s. bereits den Hinweis o. Anm. 138). 148 Vgl. Kaiser, Authentizität, 86–114, hier 114. Vgl. in Bezug auf Kaiser auch Vössing, „Africa zwischen Vandalen“, 215 (Anm. 83). 149 Vgl. Kaiser, Authentizität, 115–155 (Zitat 154); vgl. die Novelle Justinians vom 6. Oktober 541 (796,21–797,6 Schöll/Kroll; vgl. auch bei Kaiser, Authentizität, 37,1–19) und die Novelle Justinians vom 29. Oktober 542 (797,7–29 Schöll/Kroll; vgl. auch bei Kaiser, Authentizität, 38,1–30). Die Geschichte des von einem Rangstreit bestimmten Verhältnisses zwischen der Byzacena und der Proconsularis wird dann mit Massigli, „Primat de Carthage“, 427–440, hier 438–439 fortgeschrieben mit dem Verweis auf die Novelle Justins II. vom 1. Mai 568 (Nouella 4); vgl. Adamiak, Carthage, 64. Modéran, „L’Afrique reconquise“, 79–80, sieht in dieser Novelle ähnlich, aber mit einem anderen Akzent, einen Beleg für den bewussten, für sich geschickt genutzten Umgang von Byzanz mit alten Tendenzen zur Fragmentierung der nordafrikanischen Kirche. Vgl. zu dieser Novelle Justins und ihrer Zielsetzung Kaiser, Authentizität, 156–171, der ihr Anliegen als Freistellung (Exemtion) der Kirche der Byzacena von der staatlichen Gerichtsbarkeit und Erhalt eines unmittelbaren Zugangs zum Kaisergericht für den Primas beschreibt.
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Einen Konflikt zwischen den kirchlichen Provinzen Africas in dieser Zeit sehen auch Andy Merrills und Richard Miles, die annehmen, dass ein solcher Konflikt sich darin zeigt, dass die Primaten der Byzacena und von Numidia in den Jahren nach 533 aktiv ihre kirchliche Autorität hervorgehoben hätten, indem sie mehrere Provinzialkonzilien einberiefen.150 Merrills und Miles verweisen hier jedoch lediglich auf Pierre Champetier,151 der sich aber wiederum auf Stellen bei Victor von Tunnuna beruft, bei denen er aufgrund der Verwendung des Begriffs concilium von einem tatsächlichen Regionalkonzil ausgeht.152 Dieser Begriff wird aber bei Victor von Tunnuna nur in Ausnahmefällen für ein tatsächliches Konzil gebraucht; grundsätzlich bezeichnet er vielmehr das Bischofskollegium einer Provinz.153 Auch aus diesen Angaben lässt sich also kein Machtkonflikt zwischen den afrikanischen Provinzen konstruieren. *** Die Bedeutung des Bischofsamtes und damit der bischöfliche Einfluss in allen Bereich des urbanen Lebens nahm unter der byzantinischen Herrschaft in Nordafrika zu, brachte aber auch eine größere Abhängigkeit vom Kaiser und seiner Gewalt mit sich.154 In diesem Zusammenhang zeigt die genannte Novelle von 541 tatsächlich ein neues Moment in den Auseinandersetzungen innerhalb der afrikanischen Kirche, auch wenn man sie nicht auf einen Rangstreit zwischen Karthago und der Byzacena bezieht, nämlich „die Bereitschaft, unter Umgehung gesamtafrikanischer Konzilien persönlich oder als Kirchenprovinz an den Kaiser zu appellieren in der Hoffnung, mit seiner Hilfe die eigenen Ansprüche durchzusetzen.“155
150 Vgl. Merrills/Miles, The Vandals, 251. 151 Vgl. Champetier, „Les conciles africaines“, 108–111. 152 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 145, 152; vgl. nach Champetier, „Les conciles africaines“, 108, auch ein concilium 554 in der Proconsularis nach Victor von Tunnuna, Chronicon 149. Auch Maier, L’Épiscopat, 78–79, vgl. auch 77, verzeichnet entsprechende Konzilien unter Berufung auf Victor von Tunnuna. 153 Vgl. Kaiser, Authentizität, 88–90, 117–118. Zu den Stellen bei Victor von Tunnuna und seiner Verwendung von concilium s. u. S. 419 (Anm. 905). 154 Vgl. Vössing „Africa zwischen Vandalen“, 215; vgl. auch Cameron, „Byzantine Africa“, 45–46, die auch den Umstand, dass unsere Informationen über das byzantinische Africa vielfach auf Bischofslisten zurückgehen, nicht auf einen Mangel an Quellen zurückführt, sondern davon ausgeht, dass dies die soziale Realität repräsentiere; auch der Kirchenbau spiegele die soziale Bedeutung der Bischöfe, nicht nur die kaiserliche Politik. Vgl. zu den Bischofslisten etwa Maier, L’Épiscopat. Vgl. Cameron, „Byzantine Africa“, 45 (Anm. 147) zu weiterer Literatur zu den Bischofslisten. Vgl. auch Modéran, „Die Kirchen“, 753–754. 155 Vgl. Vössing, „Africa zwischen Vandalen“, 215–216, hier 215. Vössing weist hier besonders auf die priuilegia und beneficia im Jahr 541 für die Byzacena in der genannten Novelle Justinians hin (s. o. S. 49), die er als Eingehen des Kaisers auf Versuche der Bischöfe, das „kaiserliche Gängelband […] zur Schwächung der innerafrikanischen, kollegialen Kontrolle“ und damit zur Stärkung seiner eigenen Macht zu nutzen, einschätzt; ähnlich Tilley, „The Collapse“, 14.
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Die nordafrikanische (nizänische) Kirche war zwar für Justinian „a prime, if not the prime instrument for Byzantine rule“.156 Auf lange Sicht schadete Justinians Umgang mit ihr in den Jahren der Machtübernahme aber seinem Verhältnis zu ihr, obwohl sie Justinians Anspruch auf Behandlung auch kirchlich-religiöser Angelegenheiten anfänglich nicht ablehnte: „His unilateral legislation raised suspicion among the African ecclesiastical community that Justinian felt intervening into Christian doctrinal affairs to be within his jurisdiction as emperor.“ Diese „suspicion“ in Bezug auf das Eingreifen des Kaisers in christliche Lehrangelegenheiten zeigt sich dann auch im Drei-Kapitel-Streit.157 Bei der zunehmend ablehnenden Haltung gegenüber der byzantinischen Herrschaft spielte auch die kaum vergangene Zeit unter den Vandalen eine Rolle: Ein Jahrhundert lang hatte die nordafrikanische Kirche relativ isoliert von östlichem Einfluss ihre religiösen Positionen entwickelt und vertreten – und die byzantinische Herrschaft setzte dem ein Ende.158 Justinian unterschätzte oder übersah zwei wesentliche Motive der afrikanischen Kirche in ihrem Widerstand: Die Opposition gegenüber der vandalischen Kirchenpolitik war in Nordafrika entscheidend durch das unbedingte Festhalten am nizänischen Bekenntnis geprägt, was einerseits eine standhafte (nizänische) Argumentationsfähigkeit in trinitarischen Debatten mit sich brachte159 und andererseits die Zustimmung zu einer Änderung des Chalcedonense als einem ökumenisch verbindlichen Konzilsbeschluss nicht erwarten ließ.160 Hinzu kamen die Sicht auf die Herrschaft von Byzanz als Fremdherrschaft und das Unvermögen Konstantinopels, ausreichenden Schutz vor den Mauren zu bieten.161
156 Cameron, „Byzantine Africa“, 45 (mit Anm. 146), mit Verweis auch auf Champetier, „Les conciles africaines“, 118: „L’église d’Afrique, c’est en fait le domaine de l’autorité byzantine“. 157 Merrills/Miles, The Vandals, 251–252; vgl. auch Cameron, „Byzantine Africa“, 45: „For Africa, it was soon clear that the price of ‚liberation‘ was, besides taxation, the acceptance of Byzantine ideas, especially in matter of doctrine. The Catholics were restored and supported by the imperial government, but orthodoxy was to be defined from Constantinople.“ 158 Vgl. Cameron, „Byzantine Africa“, 48: „The Africans were not interested in the wider politics of Justinian’s empire or his need for compromise with Monophysitism, which they would have seen, if they understood it at all, as quite contrary to their interests.“ 159 Vgl. Modéran, „L’Afrique reconquise“, 65. Vgl. bspw. die Korrespondenz zwischen Ferrandus von Karthago und Fulgentius von Ruspe (Epistulae 13 und 14); vgl. etwa auch Collectio Auellana 85,3, wo für die Synode von 535 die Bestimmungen des Konzils von Nizäa als Grundlage der Untersuchungen benannt werden. 160 Vgl. etwa Ferrandus von Karthago, Epistula 6,7 (PL 67, 926A Migne); vgl. Conant, Staying Roman, 318–319; s. u. Kap. 2.3.3. Vgl. insgesamt auch Eno, „Doctrinal Authority“. 161 Vgl. Vössing, „Africa zwischen Vandalen“, 216; vgl. auch Modéran, „L’Afrique reconquise“, 78–82, der hierin einen der Gründe für die heftigen Reaktionen der nordafrikanischen Kirche im DreiKapitel-Streit sieht; s. u. S. 78.
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Eine Chronik und ihre (Vor-)Geschichte
2.2.5 Gegen Mauren und Vandalen: Politische Probleme der byzantinischen Herrschaft in Nordafrika Widerstand gab es gegen die byzantinische Herrschaft nicht nur von Seiten der nordafrikanischen Kirchen: Schon bald nachdem Belisar 534 Africa verlassen hatte, zeigte sich die politische Instabilität der Herrschaft Ostroms – bereits unter Solomon kam es zu Maurenaufständen.162 Aufstände aus den eigenen Reihen kamen hinzu, auch aus religiös motivierten Gründen.163 Anführer der Aufständischen wird 536/537 Stotzas, dieser kann aber unter dem magister militum Germanus, einem von Justinian entsandten Cousin Belisars,164 besiegt werden.165 539 kommt Solomon nach Africa zurück und versucht, in weiteren Kämpfen gegen Mauren, u. a. in einem Feldzug gegen den Aurès 539, weitere Provinzen zu restituieren. 543 wird der von Kaiserin Theodora166 begünstigte Sergius neuer dux Tripolitanae prouinciae, ist gegenüber den Mauren aber erfolglos. Stotzas kehrt wieder auf die Bühne zurück und ist zunächst erfolgreich, woraufhin Konstantinopel Athanasius zum neuen Prätorianerpräfekten macht anstelle des weiterhin unglücklich agierenden Sergius. Die Byzantiner bleiben trotz eines weiteren neuen Befehlshabers, dem Senatsaristokraten Areobindus, mäßig erfolgreich. Stotzas stirbt 544 bei Cillium.167 Ein weiterer Aufstand geschieht 545/546 unter Guntharis (Guntharit), Solomons ehemaligem Leibwächter und Numidiens Militärbefehlshaber. Er wird als „der letzte Vandale, der in Afrika eine besondere Rolle spielt“, bezeichnet.168 Guntharis wird im Frühjahr 546 von Artabanes, einem Armenier, der sich zuvor scheinbar mit Guntharis verbündet hatte, getötet. Artabanes wird dafür in Konstantinopel geehrt. 546 kommt gegen Ende des Jahres Johannes Troglita nach Africa und wird neuer Oberbefehlshaber. Er führt bis 551 weitere Kämpfe gegen Mauren, und er kann letzt-
162 Vgl. Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 2,8,9–11; 2,11,15–56; 2,12. Vgl. Steinacher, Die Vandalen, 314–316. 163 Prokopios von Caesarea führt diese Aufstände auch darauf zurück, dass viele Soldaten in der byzantinischen Armee in Africa „Arianer“ waren, vgl. De bello Vandalico 2,14,11–16. 164 Vgl. Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 2,16,1. 165 Vgl. insgesamt Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 2,14–15; vgl. 1,11,30 zu Stotzas; vgl. Steinacher, Die Vandalen 316–320. 166 S. u. S. 61. 167 Vgl. insgesamt Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 2,19–24. Vgl. Steinacher, Die Vandalen, 320–326, vgl. dort die enstprechenden Anm. zu weiteren Quellen. Vgl. insgesamt auch Lassère, Africa, quasi Roma, 706–708. Zu Stotzas und seinem Tod in der Chronik des Victor von Tunnuna (Chronicon 134) s. u. Kap. 5.5.6. 168 Steinacher, Die Vandalen, 326, vgl. 327–328; vgl. Vössing, „Africa zwischen Vandalen“, 212; vgl. insgesamt zu Guntharis Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 2,25–28; vgl. auch Marcellinus Comes, Chronicon a. 547,6; vgl. Placanica, „Note“, 122 (ad a. 546,2) zu weiteren Quellen. Von den Geschehnissen wird auch in der Chronik des Victor von Tunnuna knapp berichtet (Chronicon 136; s. u. Kap. 5.5.6).
Der Drei-Kapitel-Streit: Der theologiegeschichtlich-kirchenpolitische Kontext der Chronik
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lich einen Frieden schließen.169 Prokopios schildert drastisch die Folgen der vorgangegangenen Jahre der Kämpfe für Africa.170 Dennoch lässt sich für die Zeit unter Johannes Troglita nach 546 von einer „Wende“ sprechen, weil sein letzter Sieg nachhaltig war und es in Numidien und der Byzacena zu einem dauerhaften Übereinkommen von Mauren und Byzantinern kam.171 Zumindest bis kurz vor Justinians Tod war nun also eine gewisse Stabilität erreicht.172 Mit seinem Tod bzw. der Machtübernahme durch Justin II. (565) endet der zeitliche Rahmen der Chronik des Victor von Tunnuna. Dass die nordafrikanische (nizänische) Kirche nicht einfach einverstanden war mit der Herrschaft Justinians, sondern zunehmend eine ablehnende Haltung einnahm, wurde oben bereits angerissen. Einer der wichtigsten Konflikte, in denen Justinian der Kirche Nordafrikas gegenüberstand, ist, wie ebenfalls schon benannt, der Drei-Kapitel-Streit. Dieser wird im folgenden Kapitel als theologiegeschichtlich-kirchenpolitischer Kontext der Chronik genauer in den Blick genommen. 2.3 Der Drei-Kapitel-Streit: Der theologiegeschichtlich-kirchenpolitische Kontext der Chronik Der Drei-Kapitel-Streit entzündet sich innerhalb des eben beschriebenen grundsätzlichen kirchlich-politisch-geographischen Kontextes der Chronik und ist als ein wesentlicher Konflikt der nordafrikanischen Kirche(n) (auch) mit der byzantinischen Herrschaft selbst Teil dieses Kontextes. Da er der theologiegeschichtliche und kirchenpolitische Rahmen im engeren Sinn ist, in dem die Chronik steht, soll er hier genauer in den Blick genommen werden. Ziel ist, einen Überblick über den Verlauf des Drei-Kapitel-Streites zu bieten, der das in der Chronik Dargestellte zu deuten und zu
169 Vgl. Steinacher, Die Vandalen, 328, mit Verweis auf Modéran, Les Maures, 697–661. Vgl. Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 2,28,50–52; vgl. Vössing „Africa zwischen Vandalen“, 217, der hier auf 548 datiert, vgl. dazu auch 218 (mit Anm. 96); das Jahr 548 als das Jahr, in dem „das Reich die Oberhand gewann“, nennt auch Modéran, „Die Kirchen“, 762. 170 Vgl. Prokopios von Caesarea, De bellis 8,17,20–22; Anekdota 18,1–9. Positiver unter Betonung der militärischen Siege bei Coripp, Iohannis 3,68; 3,195–196; vgl. Steinacher, Die Vandalen, 328–329 (mit Anm. 116 [S. 442]); Modéran, Les Maures, 565–566. 171 Vgl. Vössing, „Africa zwischen Vandalen“, 216–220. Adamiak, Carthage, 87, sieht den Sieg des Johannes Troglita insofern als Wendepunkt für Justinian, als er nun die Möglichkeit gehabt habe „to visit on his religious opponents the kind of repressive treatment that was usually reserved fo those whose activities were seen as threatening the Empire’s cohesion“. 172 Zum (weiteren) „Schicksal der Romanitas in Africa“ unter der Herrschaft von Byzanz vgl. Vössing, „Africa zwischen Vandalen“, 220–224. Er spricht ebd., 223, sogar davon, dass „sich die byzantinische Herrschaft in Africa erstaunlich sicher behaupten [konnte]. Keineswegs taumelte sie, wie eine geläufige (deterministische) Vorstellung es will, im späteren 6. und früheren 7. Jahrhundert bereits dem Untergang entgegen.“
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verstehen erlaubt.173 Wie oben schon erwähnt,174 ist dabei besonders für die späte Phase des Drei-Kapitel-Streites in Nordafrika zu beachten, dass die Chronik des Victor von Tunnuna dafür die einzige Quelle ist. Der Drei-Kapitel-Streit gehört zur Geschichte der christologischen Streitigkeiten im fünften und sechsten Jahrhundert. Er ist damit Teil der Debatten um die Rezeption des Konzils von Chalcedon,175 die seit dem Konzil für fortwährende Unruhen gesorgt hatten: Weder die zunächst großzügige, seit dem ersten Jahrzehnt des sechsten Jahrhunderts zunehmend miaphysitisch eingefärbte Henotikon-Politik des Anastasios noch die strikte Chalkedon-Haltung Justins I. noch der Kampf Justinians gegen die Miaphysiten […] erwiesen sich als geeignet, um die Streitigkeiten beizulegen.176
Mit seinem Beginn in der Mitte des sechsten Jahrhunderts gehört der Streit in ein Jahrhundert, das man besonders im oströmischen Reich als „eine Phase entscheidender theologischer und kirchenpolitischer Weichenstellungen“ bezeichnen kann.177 Auf verschiedenen Ebenen entstanden Konflikte und „kirchenpolitische[…] Verwicklungen“, die ein gegenseitiges Unverständnis zwischen West und Ost zeigten. Die theologischen Diskussionen im Osten wurden im Westen immer weniger verstanden. Ost und West befanden sich zu Beginn des sechsten Jahrhunderts aufgrund unterschiedlicher Auslegungen der Konzilsbeschlüsse von Chalcedon (451) sowie kirchenpolitischer Konflikte im Schisma (das so genannte Akakianische Schisma); diese Spaltung der Christenheit war durch das so genannte Henotikon des Kaisers Zeno (474–491) und des Patriarchen von Konstantinopel, Akakios (471–489) ausgelöst worden, vertiefte sich durch die in ihrer Tendenz seit etwa 506 zunehmend miaphysitische Religionspolitik des Anastasios (491–518) und konnte erst nach einem radikalen Kurswechsel Konstantinopels unter Justin I. (518–527) im Jahr 519 behoben werden.178
173 Das heißt auch: Die komplexen theologischen Inhalte werden dann dargestellt, wenn sie für die Deutung der Chronik relevant sind. Wo sinnvoll, werden sie erst bei der Arbeit an der Quelle selbst genauer in den Blick genommen. Eine Doppelung lässt sich allerdings nicht immer ganz vermeiden. Vgl. grundsätzlich zum Drei-Kapitel-Streit insgesamt insbesondere Pewesin, Imperium; Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“; Stein, Histoire du Bas-Empire 2, 632–683; Haacke, „Die kaiserliche Politik“, 163–175; Gray, The Defense, 61–79; Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 431–484; Bruns, „Zwischen Rom und Byzanz“ (vgl. die Literatur 151 [Anm. 1]); Uthemann, „Kaiser Justinian“, 298–325; Noethlichs, „Iustinianus (Kaiser)“, 694–699; zur Religions- und Kirchenpolitik Justinians ab 543 vgl. auch Meier, Das andere Zeitalter, 274–293; zu deren Anfängen vgl. Leppin, „Zu den Anfängen“. 174 S. o. S. 26. 175 Vgl. Uthemann, „Dreikapitel-Streit“, 977; Meier, Das andere Zeitalter, 273–274. 176 Drecoll/Meier, „Einleitung“, 4. 177 Drecoll/Meier, „Einleitung“, 4 (auch das folgende Zitat). 178 Drecoll/Meier, „Einleitung“, 4 (vgl. Anm. 3 zu Literatur).
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So kann das sechste Jahrhundert auch als Jahrhundert „einer fehlgeleiteten Kommunikation zwischen Osten und Westen“ gedeutet werden.179 Ein gegenseitiges Verständnis wäre jedoch schon deshalb wichtig gewesen, weil seit 552 nicht nur Nordafrika, sondern auch Italien, und damit zwei herausragende Städte des christlichen Westens, nämlich Rom und Karthago, zum Herrschaftsbereich Justinians gehörten.180 Die Chronik des Victor von Tunnuna hat als Chronik eines Nordafrikaners – eines Bischofs aus dem lateinischen Westen – geschrieben in Konstantinopel, mit einem Fokus auf den Drei-Kapitel-Streit, Anteil an dieser komplexen Gemengelage zwischen Ost und West. 2.3.1 Von Marcian und dem Konzil von Chalcedon (451) bis zum Auftakt des Drei-Kapitel-Streites unter Justinian Am Anfang der Streitigkeiten, die zum eigentlichen Drei-Kapitel-Streit führten, steht das Konzil von Chalcedon (451), welches mit seiner unmittelbaren Vorgeschichte auch Inhalt der ersten Abschnitte der Chronik Victors von Tunnuna ist. Das von Kaiser Marcian (ca. 393–457, Kaiser 450–457) und seiner Frau Pulcheria (399–453) einberufene Konzil sollte die besonders im Westen umstrittenen Beschlüsse der Synode von Ephesus (449; sog. „Räubersynode“) aufheben und unter die Streitigkeiten, welche die Lehren des Nestorius und des Eutyches hervorgerufen hatten, durch das Verfassen eines gemeinsamen Bekenntnistextes endgültig einen Schlussstrich ziehen.181 Das Ergebnis des Konzils war ein Kompromiss: Verabschiedet wurden die Bekenntnisse von Nizäa (325) und Konstantinopel (381; in überarbeiteter Fassung), zudem wurde mit dem sogenannten Chalcedonense ein eigener theologischer Lehrtext, eine Glaubens definition verfasst.182 Indem darin Elemente der Theologie Kyrills von Alexandria sowie des Tomus ad Flauianum von Leo I. von Rom integriert wurden, war es ein Kompromiss, der im Westen aufgrund der Rezeption der Theologie Leos angenommen, im Osten jedoch die Streitigkeiten in der Folgezeit nicht beenden konnte. Dort kam es vielmehr zu weiteren heftigen Konflikten zwischen Miaphysiten, besonders in Ägypten, und antiochenischen („nestorianischen“) Theologen.183
179 Drecoll/Meier, „Einleitung“, 5. 180 Vgl. Drecoll/Meier, „Einleitung“, 5–6. 181 Zur Vorgeschichte des Konzils von Chalcedon vgl. als Überblick Frend, The Rise, 1–49; FraisseCoué, „Von Ephesus nach Chalcedon“, 3–89 (mit ausführlicher Bibliographie, auch der Quellen); Grillmeier, Jesus der Christus 1, 637–750. 182 Vgl. ACO 2,1,2 (127,9–130,18 Schwartz). 183 Zum Konzil von Chalcedon vgl. als Überblick Maraval, „Das Konzil von Chalcedon“, 90–119; Grillmeier, Jesus der Christus 1, 751–775; Hauschild/Drecoll, Lehrbuch, 333–338; Ritter, „Chalcedon“, 92– 93; ders., „Chalcedonense“, 93–94; vgl. jetzt auch Leuenberger-Wenger, Das Konzil von Chalcedon, die das Konzil hinsichtlich seiner ekklesiologischen Dimension untersucht.
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Die unterschiedliche Rezeption des Chalcedonense in Ost und West sieht Richard Price als Wurzel des Drei-Kapitel-Streits: While for the eastern bishops the Definition, despite its assertion of two natures, expressed the Christology of Cyril, it was understood at Rome to canonize the Christology of Leo and his Tome. This fundamental divergence was the root of the Three Chapters controversy, in that, while the East was happy to improve on the work of Chalcedon in a Cyrillian direction, this looked to western observers like a derogation from the completeness of the Chalcedonian Definition, understood as a confirmation of western theology.184
Kaiser Marcian und sein Nachfolger Leo I. (Kaiser 457–474) hatten sich um der Einheit des Reiches willen gegen heftigen Widerstand um eine Durchsetzung des Chalcedonense bemüht, das 452 als Reichsgesetz erlassen worden war.185 Der nachfolgende Kaiser Zeno186 (Kaiser 474–491) suchte einen neuen Weg, die Einheit zu sichern und veröffentlichte 482 das zunächst konkret auf die Einheit in Ägypten zielende Henotikon. Gleichwohl kam es in der Folge der Veröffentlichung dieser theologischen Deklaration zum schon genannten acacianischen Schisma zwischen Ost und West.187 Formal war der Anlass der Aufhebung der Kirchengemeinschaft mit Konstantinopel auf Betreiben von Felix III. von Rom das Eingreifen des Acacius von Konstantinopel bei der Wahl des Patriarchen von Alexandria, Petrus Mongus. Eine römische Synode exkommunizierte den Konstantinopler Patriarchen deshalb im Spätsommer 484. Das daraus resultierende Schisma zwischen Rom und Konstantinopel dauerte bis 518/519, also bis in die Zeit Justins I.188 Anastasius I.189 (Kaiser 491–518) übernahm das Henotikon und wollte so zunächst die Kompromisspolitik des Zeno fortsetzen. Er weitete die Gültigkeit des Henotikon 184 Price, „The Three Chapters Controversy“, 20. 185 Marcian, Constitutio ad synodum Chalcedonensem (ACO 2,2,2 [21,29–22,27 Schwartz]). Vgl. Maraval, „Die Rezeption“, 120–121, vgl. insgesamt zu Marcian und Leo Maraval, „Die Rezeption“, 120– 129; Grillmeier, Jesus der Christus 2,1, 107–130, 221–238. 186 Auch der zwischenzeitige Usurpator Basiliscus (475–476) griff mit zwei Dokumenten, dem von Timotheus Ailurus verfassten Enkyklion und dem dieses dann bald widerrufende Antienkyklion, in die Streitigkeiten ein, vgl. Grillmeier, Jesus der Christus 2,1, 267–279; Maraval, „Die Rezeption“, 129–131. Der Text des Enkyklion ist überliefert bei Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,4 (101,6–104,19 Bidez/Parmentier); das Antienkyklion ebd. 3,7 (107,1–28 Bidez/Parmentier). Das Enkyklion betont die Gültigkeit der Beschlüsse von Nizäa (325), Konstantinopel (381) und Ephesus (431), verwirft aber Chalcedon. Es scheint ohne Widerspruch angenommen worden zu sein; angeblich unterschrieben es über fünfhundert Bischöfe, vgl. Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,4–5; vgl. Brennecke, „Chalkedonense“, 34–36. 187 S. o. S. 38. 188 Vgl. Kötter, Zwischen Kaisern, 91–97, 138–144; zum acacianischen Schisma vgl. insgesamt diese Monographie; zu weiterer Literatur vgl. übersichtlich Brennecke, „Das akakianische Schisma“, 74 (Anm. 2). Zur (wenig ausgeprägten) Rezeption bei Victor von Tunnuna s. u. S. 347–348. 189 Zu Anastasius I. vgl. insgesamt Haarer, Anastasius I; Meier, Anastasios I.; vgl. Kötter, Zwischen Kaisern, 262–268; Grillmeier, Jesus der Christus 2,1, 302–358; Maraval, „Die Rezeption“, 137–146; Haacke, „Die kaiserliche Politik“, 124–141.
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in einer zunehmend miaphysitischen Interpretation im Sinne eines im ganzen Reich verbindlichen Bekenntnistextes aus.190 Einerseits wurde so die Deutung des Henotikon bezogen auf Chalcedon immer mehr zur Streitfrage; die (östliche[n]) Kirche(n) und ihre Bischöfe waren sich uneins in ihren dogmatischen Positionen, selbst unter den Henotikon-Anhängern. Eine wichtige Rolle spielte in diesem Zusammenhang Severus, seit 512 Bischof von Antiochien, der in Konstantinopel als Berater des Kaisers agierte und eine radikal antichalcedonensische Linie vertrat.191 Andererseits vertiefte sich bereits unter Papst Gelasius I. (492–496) auch der Konflikt Konstantinopels mit Rom. Dieser setzte sich unter dessen Nachfolgern Symmachus (498–514) und Hormisdas (514–523) fort.192 Anastasius’ Einheitsprogramm scheiterte, vielmehr zersplitterte er die Kirche und brachte Chalcedon-Anhänger dazu, mit Rom Kontakt zu suchen.193 Zwischen Papst und Kaiser kam es hingegen zum Beziehungsabbruch.194 Justin I. (Kaiser 518–527) änderte daher das Vorgehen und und nahm wieder einen „chalkedonischen Kurs“ ein. Er suchte in diesem Zusammenhang wieder die Nähe zu Rom, auch, weil er hierin eine größere Chance für eine kirchliche Einheit des Reiches sah. Ob es ein kaiserliches Edikt für die Versöhnung mit Rom gab, ist unklar.195 Dem Henotikon erteilte Justin – auch mit dem Ziel der eigenen Herrschaftssicherung – jedenfalls eine Absage, wenn er auch dessen Unterzeichner nicht verdammte, und er befahl, Chalcedon im ganzen Reich anzunehmen.196 Auch Papst Hormisdas war mitt-
190 Vgl. Meier, Anastasios I., 84; Brennecke, „Chalkedonense“, 50; Grillmeier, Jesus der Christus 2,1, 284. 191 Vgl. zu Severus und seinen Anhängern und den entsprechenden gegnerischen Gruppierungen Kötter, Zwischen Kaisern, 122–128. Zu Severus vgl. auch ebd., 229–238 u. ö. Severus wurde 518 verurteilt und floh nach Ägypten in die Wüste, wo er wahrscheinlich 538 starb, vgl. Noethlichs, „Iustinianus (Kaiser)“, 692. Seine Anhänger, die sog. Severianer, spielen in den folgenden Konflikten immer wieder eine große Rolle. Severus galt ihnen nach wie vor als eigentlicher Patriarch, vgl. Uthemann, „Kaiser Justinian“, 267; s. auch u. Kap. 5.7.1.5. 192 Vgl. Kötter, Zwischen Kaisern, 129–137. Hormisdas versuchte ab 515, offensiv in die Kirchenpolitik im Osten einzugreifen, wo der dortige chalcedonensisch orientierte Widerstand sich in zunehmendem Maß Unterstützung von ihm erhoffte. Zum sich verschärfenden Konflikt mit Rom unter Gelasius vgl. auch Kötter, Zwischen Kaisern, 103–109, zum weiteren Verhältnis zu Rom unter Anastasius I. vgl. insgesamt ebd., 109–144. Vgl. Meier, Anastasios I., 103–117, zum Verhältnis von Anastasius zu Gelasius und dessen Nachfolger Anastasius II. 193 Vgl. Kötter, Zwischen Kaisern, 266. 194 Vgl. Kötter, Zwischen Kaisern, 262–264; Meier, Anastasios I., 316–319; vgl. zum Konflikt zwischen Papst und Kaiser etwa Symmachus, Epistula ad Anastasium Imperatorem (= Symmachus, Epistula 10 [Thiel]); Anastasius I., Epistula Hormisdae Papae (Collectio Auellana 138), v. a. Abschnitt 5. 195 Kötter, Zwischen Kaisern, 270, vgl. ebd. 270–273, mit Hinweis auf den Brief Justins I. an Hormisdas (Collectio Auellana 160); vgl. ebd., 138 (mit Anm. 427) mit Überlegungen zu den Gründen für Justins Umschwung zu einer prochalcedonensischen Haltung, dort auch zu Literatur; vgl. insgesamt ebd., 138–144. Vgl. auch Maraval, „Die Rezeption“, 150, vgl. insgesamt 146–156. 196 Vgl. Kötter, Zwischen Kaisern, 270–271. Ein Hinweis auf die prochalcedonensische Haltung von Justin ist zunächst die Aufnahme der vier ökumenischen Konzilien in die Diptychen, vgl. Collectio Sabaitica 5,27, zu entsprechenden Forderungen der Synoda endemousa in Konstantinopel; vgl. 5,28–31 zur Rezeption durch Synoden in Jerusalem und Tyros. Vgl. Kyrill von Skythopolis, Vita Sabae 60 (162,10–13 Schwartz; Übers. 171 Price): Ἰουστῖνος αὐτίκα τὴν βασιλείαν παραλαβὼν
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lerweile zu Zugeständnissen bereit.197 Unter Justin wurde so bald (März 519) das Schisma überwunden: Der Bischof von Konstantinopel, Johannes II., stimmte dem Libellus Hormisdae, der u. a. die Anerkennung Chalcedons und des Tomus Leonis beinhaltete, zu und durfte diesem dafür ein Vorwort beilegen. Die Unterschrift unter den Libellus Hormisdae hatte der Papst zur Bedingung für eine Versöhnung gemacht.198 Die Fragen, die zur Entfremdung zwischen den Kirchen geführt hatten, waren dennoch nicht aus der Welt. Seit Anfang 519 gab es in Jerusalem Unruhen, die durch skythische (gotische) Mönche hervorgerufen wurden, welche der Unionsformel zwischen Osten und Westen nicht zustimmen wollten, jedoch einen Kompromiss vorschlugen mit dem Ziel der Versöhnung des Tomus Leonis mit den Anathematismen Kyrills, die sogenannte theopaschitische Glaubensformel (unus de Trinitate cruxifixus bzw. unus de [bzw. ex] Trinitate passus est carne). Damit sollte sichergestellt werden, dass wirklich die zweite Person der Trinität gelitten hatte.199 Die Formel zielte also auf die Betonung der Personeinheit in Christus, d. h. die Identifikation der zweiten Person der Trinität mit dem gottmenschlichen Erlöser.200 Die skythischen Mönche waren der Meinung, das Chalcedonense sei nur mit dem genannten Zusatz, der dem zwölften Anathema Kyrills Rechnung trägt, ausreichend gegen eine nestorianische Interpretation abgegrenzt. Justin und sein Neffe Justinian setzten sich – nach anfänglicher Ablehnung und wohl
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νόμοις ἐχρήσατο τοῖς κελεύουσιν τοὺς ὑπὸ Ἀναστασίου ἐξορισθέντας πάντας ἀνακληθῆναι καὶ τὴν ἐν Χαλκηδόνι σύνοδον τοῖς ἱεροῖς ἐνταγῆναι διπτύχοις. / „Justin, on succeeding to the throne, immediately issued decrees ordering all those exiled by Anastasius to be recalled and for the Council of Chalcedon to be inserted in the sacred diptychs.“ Vgl. auch die Korrespondenz zwischen Rom und Konstantinopel in Collectio Auellana 141 (Mitteilung des Kaisers an den Papst über seine Wahl); 143 (Brief Justins an Hormisdas) und 146 (Brief des Johannes von Konstantinopel an Hormisdas), mit dem Signal der Versöhnungsbereitschaft und dem Bekenntnis zu Chalcedon bzw. mit der Bitte um die Sendung von Legaten zur Beilegung des Schismas; vgl. zum Briefwechsel zwischen Konstantinopel und Rom auch Collectio Auellana 148–157. Vgl. Schwartz, Publizistische Sammlungen, 260; Maraval, „Die Rezeption“, 149; Grillmeier, Jesus der Christus 2,1, 364–368. Vgl. Kötter, Zwischen Kaisern, 140–141. Die Forderung zur Unterschrift findet sich in Collectio Auellana 116a, einer Aufzeichnung des Hormisdas über die Ziele seiner Legaten beim Kaiser in Konstantinopel; der Text des Libellus Hormisdae in Collectio Auellana 116b (vom 18.03.517) sowie in Appendix 4 (vom 11.08.515), weitere Exemplare verzeichnet bei Collectio Auellana, Appendix 4 (800 Guenther [apparatus ad locum]). Das Vorwort des Johannes sowie seine Billigung und Unterschrift unter den Libellus in Collectio Auellana 59. Vgl. Kötter, Zwischen Kaisern, 133–134, zum Ende des Schismas vgl. ebd., 141–144; Uthemann, „Kaiser Justinian“, 260–261; Maraval, „Die Rezeption“, 149; Schwartz, Publizistische Sammlungen, 260–261. Vgl. Maraval, „Die Rezeption“, 150; ders., „Die Religionspolitik“, 436; Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 336–344. Die Formel war nicht neu; zu ihrer Vorgeschichte und zu ihren verschiedenen Varianten vgl. ebd., 334–336; Uthemann, „Kaiser Justinian“, 268–275; Meier, Das andere Zeitalter, 215–217, zum Streit um die Formel unter Justinian vgl. insgesamt ebd., 215–223 (vgl. ebd., 126 [Anm. 569] zu weiterer Literatur). S. u. Kap. 5.4.9, vgl. Kap. 5.7.2 zur Frage der theopaschitischen Formel in der Chronik. Vgl. so bei Gleede, „(Neu-) Chalkedonismus“, 268.
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auch durch den Einfluss des magister militum Vitalian201 – für die Annahme der Formel ein.202 Möglicherweise erhofften sie sich davon eine konsensfähige Öffnung gegenüber den Miaphysiten.203 Hormisdas aber behielt seine ablehnende Haltung bei.204 Es dauerte noch bis 533, bis der theopaschitische Zusatz duchgesetzt werden konnte.205 Auch unter Justinian, der 527 auf Justin I. folgte,206 dauerten die Auseinandersetzungen um die Beschlüsse von Chalcedon an. Auch wenn sein religiöses Herrschaftsverständnis an traditionelle Elemente anknüpfte, zeigte sich in Justinians Herrschaft doch mehr als bei seinen Vorgängern eine religiöse Motivation und ein religiöser Impetus.207 Justinian
201 Vgl. Collectio Auellana 216,5; betont bei Uthemann, „Kaiser Justinian“, 268; zurückhaltend Meier, Das andere Zeitalter, 216–217 (mit Anm. 277 zur weiteren Diskussion). S. u. bes. Kap. 5.4.6 zu Vita lian und seiner Darstellung in der Chronik des Victor von Tunnuna. 202 Vgl. Meier, Das andere Zeitalter, 217 (mit Anm. 579): Im u. g. Glaubensbekenntnis aus dem Codex Iustinianus (s. u. S. 370–371) erscheint dann auch die theopaschitische Formel in auf die Inkarnation abgewandelter Form (Codex Iustinianus 1,1,5,2). Vgl. dazu auch Speigl, „Formula Iustiniani“, 112. 203 Vgl. Hauschild/Drecoll, Lehrbuch, 344; Meier, Das andere Zeitalter, 221–222, lehnt hingegen die Ansicht, das Eintreten Justinians für die theopaschitische Formel sei eine „Konzession gegenüber den Monophysiten“ gewesen, ab. Er habe sich vielmehr von diesen distanziert (Codex Iustinianus 1,1,6,6). Meier deutet Justinians Engagement daher als „persönlichen religiösen Eifer“ (222). Ähnlich auch Uthemann, „Kaiser Justinian“, 297. Vgl. auch das Resumee von Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 291: Justinian, „der ein sattelfester Dogmatiker zu sein glaubte, hat nie daran gedacht, ‚die Monophysiten durch Entgegenkommen zu gewinnen‘, sondern, wenn es hoch kam, versucht, sie zu widerlegen und als Irrgläubige zu überführen.“ 204 Aus diesem Konflikt sind mehrere Briefe erhalten, u. a. eine Korrespondenz zwischen Justinian und Hormisdas (Collectio Auellana 187–191 [im Brief 191 zeigt sich der Anschluss Justinians an die Position der Mönche]; 196); der letzte Brief von Justinian an Hormisdas in dieser Sache ist Collectio Auellana 235 vom 9. September 520; die bleibend ablehnende Haltung von Horsmidas wird deutlich in Collectio Auellana 236 (Hormisdas an Justin, 26.03.521) und 237 (Hormisdas an Epiphanius von Konstantinopel, 26.03.521). 205 Vgl. Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 355–357; Meier, Das andere Zeitalter, 217; Codex Iustinianus 1,1,6; 1,1,7; 1,1,8. Von päpstlicher Seite aus wurde der Zusatz 535 durch Johannes II. anerkannt, vgl. Lange, Mia energeia, 322–323. 206 Zu Justinian vgl. als Überblick exemplarisch Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“; Noeth lichs, „Iustinianus (Kaiser)“; Uthemann, „Kaiser Justinian“; Leppin, Justinian; Meier, Das andere Zeitalter; ders., Justinian. 207 S. auch o. S. 45. Insgesamt betont die Bedeutung des christlichen Bekenntnisses und der persönlichen Frömmigkeit für Justinian und seine Herrschaft besonders Meier, Das andere Zeitalter. Er weist ebd., hier 385–386 (mit Anm. 217) auch auf die strukturelle Verflechtung von Kaisertum und Kirche hin – die συμφωνία τις ἀγαθή (Nouellae Iustiniani 6, praefatio [36,7–8 Schöll/Kroll]) sei gerade nicht i. S. einer Dichotomie von Kirche und Staat zu sehen, für Justinian hätten „erst das Zusammenwirken von Kaiser und Patriarch das staatliche Gefüge überhaupt ergeben“. Vgl. zu einem religiösen Herrschaftsverständnis Justinians auch kurz Leppin, „(K)ein Zeitalter Justinians“, 30–31. Religiöse Elemente von „Herrschaftsverständnis u. Regierungsmaximen“ zeigt auch Noethlichs, „Iustinianus (Kaiser)“, 708–711, vgl. auch 733, anhand vieler Beispiele aus der Gesetzgebung Justinians auf. „Hauptaufgabe des Herrschers“ sei, „die wahre Religion zu gewährleisten; die Hoffnung auf Gott muß Anfang, Mitte u. Ende aller gesetzgeberischen Maßnahmen sein“. Dies zeige sich schon am Stellenwert der Religion in der Gesetzgebung, die im Codex Iustinianus im Gegen-
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glaubt sich berechtigt u. fähig, an der Wahrheitsfindung selbst mitwirken zu können, allerdings weniger durch den Aufweis eigener, originärer Lösungswege, sondern mehr durch die theologische Abwehr „falscher“ Meinungen auf dem Hintergrund dessen, was er selbst für „orthodox“ hält.208
Vor allem seit den 540ern ging Justinian noch einen Schritt weiter: „Bemerkenswert ist für das Selbstverständnis des Kaisers, daß er in mehreren seiner Abhandlungen selbstbewußt ‚Anathematismen‘ verkündet, als sei er Teil des kirchlichen Lehramtes“ – Facundus von Hermiane warnt ihn (Pro defensione trium capitulorum 12) nicht ohne Grund, dass es schlimme Folgen habe, wenn der Kaiser sich in kirchliche Dinge einmische, die ihn nichts angingen.209 Justinian knüpfte zunächst in einem pro-chalcedonensischen Sinn, aber kompromissbereit an die Religionspolitik von Justin I. an. Dies zeigt sich etwa in einem Glaubensbekenntnis, wohl aus der Zeit vor 527 oder aus diesem Jahr (Codex Iustinianus 1,1,5), das sowohl ein Bekennnis zur Zwei-Naturen-Lehre als auch zu Maria als theotokos beinhaltet und als Gegner die Anhänger von Nestorius und Eutyches sowie von Apollinaris von Laodicea benennt. Damit ist es theologisch mehr auf das Konzil von Ephesus bezogen, auch wenn es sich nicht konkret auf ein Konzil bezieht.210 Im Osten kam es darüber zu heftigen Konflikten.
satz zum Codex Theodosianus an die erste Stelle rückt, vgl. die Überschrift in Codex Iustinianus 1,1 (5 Krüger): De summa trinitate et de fide catholica et ut nemo de ea publice contender audeat. 208 Noethlichs, „Iustinianus (Kaiser)“, 752. Zu den theologischen Erörterungen Justinians vgl. ebd., 752–754 (im Codex Iustinianus) und 754–755 (in separaten Traktaten). Neben – anschließend an Chalcedon – christologischen Fragen spielt darin besonders die Auseinandersetzung mit Origenes eine Rolle. Unklar ist bei den theologischen Texten Justinians oft die Rolle der kaiserlichen Berater. 209 Vgl. Noethlichs, „Iustinianus (Kaiser)“, 754; Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 12,3,35; 12,4,5. Vgl. Meier, Das andere Zeitalter, 278–279, der besonders eine Änderung im Verhalten Justinians seit den 540ern betont. Vgl. zur Haltung des Facundus gegenüber dem Kaiser Bruns, „Zwischen Rom und Byzanz“, 170–173. Zu Facundus von Hermiane s. u. S. 73–74. 210 Vgl. Noethlichs, „Iustinianus (Kaiser)“, 689; vgl. Maraval, „Die Religionspolitik“, 436. Dass Justinian damit von Anfang an einen milderen Kurs gegenüber den Miaphysiten eingeschlagen hat, betont Leppin, „Zu den Anfängen“, 191–193: Das Bekenntnis sei aufgrund der fehlenden Nennung von Miaphysiten ein ausdrückliches Signal an diese, dass die scharf antimiaphysitische Politik seines Onkels nun ein Ende habe. Zu den Maßnahmen am Anfang von Justinians Regierungszeit gehören auch solche gegen „Heiden“ und die Schließung der Akademie in Athen 529. Leppin, „Zu den Anfängen“, 192, sieht in beiden Maßnahmen angelegt, was für die nächsten Jahre der Politik Justinians prägend sei: „Dogmatische Äußerungen, sofern er sie überhaupt machte, blieben vage, dafür wurden gemeinsame Gegner von Chalkedoniern und Miaphysiten mit ungewöhnlicher Energie bekämpft.“ Uthemann, „Kaiser Justinian“, 275, wiederum sieht als Ziel der Kirchenpolitik Justinians von Beginn an die Sicherstellung einer authentischen Interpretation von Chalcedon: „Die Kirchenpolitik Justinians verfolgte von Anfang an das Ziel, die Anerkennung von Chalkedon im Reich durchzusetzen.“ Zur kontroversen Beurteilung der Religions- und Kirchenpolitik Justinians in der jüngeren Forschung vgl. Meier, Das andere Zeitalter, 274 (mit der entsprechenden Literatur in den Anm. 215–218), s. auch u. S. 70–72.
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Justinian machte den Miaphysiten jedoch bald Zugeständnisse und bemühte sich um ein Entgegenkommen und einen Kompromiss, indem er im Jahr 532 eine Konferenz zwischen einer Gesandtschaft severianischer Bischöfen (und weiterer Kleriker und Mönche) und chalcedonensischen Bischöfen einberief (Collatio cum Seuerianis).211 Auch Justinians Ehefrau Theodora scheint hier aktiv geworden zu sein.212 Auf der Konferenz wurde u. a. das Verhältnis der Synode von Chalcedon zu Ibas von Edessa bzw. seinem Brief an den Perser Mari, zu Theodoret von Khyrros und Theodor von Mopsuestia sowie deren Rezeption diskutiert. Die Miaphysiten forderten eine Anathematisierung der Rezeption des Briefes von Ibas und der Rehabiliterung von Ibas und Theodoret.213 Hier deutet sich bereits der spätere Drei-Kapitel-Streit an.214 Theodora (ca. 500–548) war wahrscheinlich seit 525 (jedenfalls vor 527) mit Justinian verheiratet.215 Sie gestaltete aktiv Justinians Regierung mit – dies gilt insbesondere für die Religionspolitik. Hier war sie – anders als Justinian – offenbar den Miaphysiten zugeneigt.216 Inwiefern dabei tatsächlich ihr persönlicher Glaube berührt war, ist umstritten,217 auch ist ihre genaue Rolle bei den verschiedenen Geschehnissen im Einzel-
211 Vgl. Noethlichs, „Iustinianus (Kaiser)“, 690. Leppin, „Zu den Anfängen“, 193, weist zudem darauf hin, dass Ps-Zacharias Rhetor berichtet, Miaphysiten seien aus der Verbannung zurückgerufen worden, vgl. Historia ecclesiastica 8,5; vgl. 8,4; 9,15; auch dies deutet auf Kompromissbereitschaft des Kaisers hin. Zur Collatio und ihrer unterschiedlichen Deutung in miaphysitischen und chalcedonensischen Quellen vgl. auch Leppin, „Zu den Anfängen“, 194–199; Uthemann, „Kaiser Justinian“, 278–284 (ausführlich zum Verlauf und zu den Argumenten). 212 Vor einer Überschätzung der Rolle Theodoras an dieser Stelle warnt aber Leppin, „Zu den Anfängen“, 194 (Anm. 30): Sie habe ja gerade „das eindeutige Bekenntnis zu Chalkedon nicht verhindern“ können. 213 Vgl. Uthemann, „Kaiser Justinian“, 280–281; vgl. Maraval, „Die Religionspolitik“, 437. 214 Vgl. Noethlichs, „Iustinianus (Kaiser)“, 690; Meier, Das andere Zeitalter, 282. 215 Theodoras Eltern hatten im Zirkus in Konstantinopel gearbeitet. Sie selbst war „Schauspielerin“ gewesen, weshalb sogar eine Gesetzesänderung vorgenommen wurde für eine rechtsgültige Eheschließung mit Justinian. Prokopios von Caesarea schildert in den Anekdota toposartig „ihr skandalöses Vorleben“ (Tinnefeld, „Theodora 2.“). Theodora starb im Jahr 548. Vgl. zu Theodora exemplarisch Noethlichs, „Iustinianus (Kaiser)“, 678–681; Tinnefeld, „Theodora 2.’“; Garland, Byzantine Empresses, 23–37; Beck, Kaiserin Theodora; Evans, The Empress Theodora; Pratsch, Theodora von Byzanz; Potter, Theodora; Evans, The Power Game in Byzantium (v. a. zu der Beziehung zwischen Antonina und Theodora). Kritisch zu allen biografischen Versuchen („die letztlich […] alle gescheitert sind“) bis auf Beck Meier, „Rezension zu Paolo Cesaretti, Theodora“. 216 Vgl. etwa Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 363–365 zum Eingreifen Theodoras bei der Einsetzung von Patriarchen. 217 Die differenzierte Auseinandersetzung von Menze, Justinian and the Making, 208–228 mit der „nonChalcedonian empress“ (bspw. S. 222) zeigt, dass Theodora erst seit 535/536 als Beschützerin von Nicht-Chalcedoniern auftrat. Menze schließt, dies sei eine Notwendigkeit gewesen: Die NichtChalcedonier hätten nicht ignoriert werden können. Während Justinian als Chalcedon-Anhänger regiert habe, habe sich Theodora um die Nicht-Chalcedonier gekümmert (vgl. ebd., 227). Leppin, Justinian, 392 (Anm. 109) merkt dazu an, dass Justinian selbst ja auch erst seit diesem Zeitpunkt „eine prononcierte Gegnerschaft erkennen ließ [d. h. gegen die Miaphysiten], so dass sie vorher in dieser besonderen Rolle weniger gefordert bzw. sichtbar war“.
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nen nicht leicht zu rekonstruieren.218 Aktiv scheint sie etwa in die Niederschlagung des Nika-Aufstandes eingegriffen zu haben.219 Inwiefern Theodora allerdings (kirchen-) politisch wirklich eigenständig agierte oder im Zusammenspiel mit Justinian, ist ebenfalls umstritten und jeweils im Einzelfall zu betrachten. Ihre Einschätzung ist schon bei Zeitgenossen zwiegespalten.220 Victor von Tunnuna betont, wie wir später sehen werden, ihre (intrigante) Beteiligung am Drei-Kapitel-Streit.221 In der Folge der Collatio cum Seuerianis veröffentlichte Justinian im März 533 einen Erlass, gerichtet an die Einwohner Konstantinopels und zwölf anderen Städten im Reich. Ein weiteres Schreiben erging an den Patriarchen von Konstantinopel, Epiphanius. Justinian bemühte sich in beiden Texten, ausgewogen zu formulieren und betonte die Einheit der Person Christi.222 Zudem schickte er ein Glaubensbekenntnis an den Bischof von Rom, Johannes II.223 Sein Versuch der versöhnlichen Haltung gegenüber den Miaphysiten scheiterte aber ebenso wie der Versuch des Johannes, der in einem Brief an die Senatoren von Konstantinopel Zugeständnisse machte.224
218 Vgl. etwa Meier, Das andere Zeitalter, 275–278 (zum Patriarchat von Alexandria und Absetzung des Silverius). 219 Vgl. etwa Victor von Tunnuna, Chronicon 113 (Erlass eines theopaschitischen Gesetzes); 121 (Anthi mus wird Bischof durch die Unterstützung Theodoras); Prokopios von Caesarea, De bello Persico 1,24,33–38 (Theodoras Rede beim Nika-Aufstand [129,22–130,16 Haury/Wirth]); Ps-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica 9,14 (Nika-Aufstand); Theophanes, Chronographia a. m. 6039 (1,225,12–28 de Boor [zu Menas]); vgl. Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 284–285; Meier, Das andere Zeitalter, 220, 283 (Anm. 260) u. ö.; Stein, Histoire du Bas-Empire 2, 453–454 (zum Nika Aufstand). Kritisch zur Rede Theodoras beim Nika-Aufstand als Zeugnis für ihre eigenes politisches Handeln Leppin, Justinian, 146–147. 220 Dies führt zum Teil auch zu ihrer negativen Einschätzung in der Sekundärliteratur, vgl. etwa Bruns, „Zwischen Rom und Byzanz“, 153–154, der v. a. den Anekdota Prokopios’ in ihrer negativen Sicht auf Theodora folgt. Ein schönes Beispiel für die ambivalente Einschätzung Theodoras in der Spätantike selbst ist Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 4,10 (160,16–23 Bidez/Parmentier; Übers. 469–471 Hübner), der einen Gegensatz in der Haltung Justinians und Theodoras zeichnet, sich aber nicht sicher ist, warum Theodora den Miaphysiten folgt: „entweder weil sie wirklich so dachte […], oder weil sie eine bestimmte Abmachung getroffen hatten, daß der eine sich an die halte, die zwei Naturen in Christus unserem Gott nach der Einigung annehmen, die andere an die, die eine Natur verehren.“ (εἴτε καὶ τῶν ἀληθῶς οὕτως ἐχόντων […], εἴτε καὶ κατά τινα συγκείμενοι οἰκονομίαν ἵν’ ὁ μὲν τῶν λεγόντων δύο φύσεις ἐπὶ Χριστοῦ τοῦ θεοῦ ἡμῶν μετὰ τὴν ἕνωσιν ἀντέχηται, ἡ δὲ τῶν πρεσβευόντων μίαν φύσιν.). Vgl. dazu Menze, Justinian and the Making, 209. 221 S. u. Kap. 5.7.2. Vgl. Noethlichs, „Iustinianus (Kaiser“), 678. 222 Vgl. Codex Iustinianus 1,1,6–7. Justinian betonte in den Erlassen auch die theopaschitische Formel, vgl. Uthemann, „Kaiser Justinian“, 284–285 (das dort genannte Zitat ist allerdings wörtlich in Codex Iustininaus 1,1,6 nicht zu finden); Meier, Das andere Zeitalter, 217, spricht in diesem Zusammenhang von der Durchsetzung des theopaschitischen Zusatzes durch den Kaiser. 223 Collectio Auellana 84,7–21; das Antwortschreiben des Papstes in Codex Iustinianus 1,1,8; vgl. Noeth lichs, „Iustinianus (Kaiser)“, 690–691; Leppin, „Zu den Anfängen“, 199–200, der den „Ausgleich“ zwischen Justinian „mit dem wichtigsten Exponenten der chalkedonischen Gegenseite“ betont (200). 224 Vgl. Maraval, „Die Religionspolitik“, 438; Uthemann, „Kaiser Justinian“, 286–287; der Brief in ACO 4,2 (206–210 Schwarz); vgl. auch den Brief an Justinian vom selben Tag (Collectio Auellana 84).
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535 wurden, auch durch die Beeinflussung Theodoras,225 zwei den Severianern nahstehende Patriarchen gewählt, Theodosius von Alexandria und Anthimus von Konstantinopel.226 Besonders um Anthimus gab es Konflikte, in die sowohl der Kaiser als auch der Bischof von Rom involviert waren – die entsprechenden Ereignisse um Anthimus, die Annäherung des Kaisers an Papst Agapitus und die anschließende Synode werden meistens als Justinians endgültiger „Bruch mit den Monophysiten“ verstanden:227 Anthimus war bei der Collatio von 532 noch auf der Seite der Anhänger Chalcedons gestanden, nahm jedoch bald die kirchliche Gemeinschaft mit Severus von Antiochien, der sich 535/536 kurzzeitig in Konstantinopel befand, und mit dessen Anhänger Theodosius von Alexandria auf.228 Theodosius wurde aber bald, als er sich weigerte, die Beschlüsse von Chalcedon zu unterzeichnen, vom Kaiser wieder abgesetzt.229 Nun besuchte auch Papst Agapitus Konstantinopel, zunächst, um sich auf Befehl von Theodahat, des Königs der Goten in Italien, dafür einzusetzen, dass der Kaiser sein Heer aus Sizilien abziehe.230 Dann aber lehnte auch er die Gemeinschaft mit Anthimus ab, schien dieser ihm doch durch seine Interpretation des Henotikon bereit, das Chalcedonense aufzugeben.231 Nachdem Justinian noch versucht hatte, Anthimus zur Umkehr zu bewegen, setzt er ihn auf Betreiben des Agapitus hin schließlich ab und begründete dies zunächst mit dessen unkanonischer Wahl. Schließlich wurde Menas unter der Zustimmung Justinians zum Bischof von Konstantinopel geweiht. Agapitus verurteilte Anthimus zusätzlich, was von Justinian ebenfalls bestätigt wurde.232 Er ver225 Dies wird u. a. betont von Evans, The Empress Theodora, 79. 226 Zur Affäre um Anthimus vgl. insgesamt Uthemann, „Kaiser Justinian“, 290–294; Leppin, Justinian, 183–189. 227 Uthemann, „Kaiser Justinian“, 296–297, stellt die Geschehnisse dieser Synode unter die Überschrift „Der endgültige Bruch mit den Monophysiten“ und sieht die constitutio (der Synode, s. u. S. 64) als dahingehende Zeugin der „Kontinuität in Justinians Politik und theologischem Denken“; vgl. auch bei Meier, Das andere Zeitalter, 275, mit anderem Akzent, nämlich auf der Collatio von 532 vgl. ebd., 221–222; vgl. (sinngemäß) Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 370–372; vgl. Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 289, der hier ein Ende des kaiserlichen Zickzackkurses sieht; kritisch dagegen Meier, Das andere Zeitalter, 274 (mit Anm. 15). Noethlichs, „Iustinianus (Kaiser)“, 694, formuliert etwas zurückhaltender: „Der Besuch Agapets in Kpel hat wohl [ Justinian] doch veranlaßt, nun schärfer das Chalcedonense durchzusetzen.“ Vgl. auch Leppin, „Zu den Anfängen“, 189 (mit Anm. 9 u. 10) zu Positionen, die bei Justinian nach 536 eine „hart chalkedonische Linie“ sehen. 228 Vgl Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 4,11; Ps-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica 9,19. Vgl. Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 285; Leppin, „Zu den Anfängen“, 200–201; Uthemann, „Kaiser Justinian“, 288, 290–291; Stein, Histoire du Bas-Empire 2, 382 (Anm. 1); zu Theodoras Rolle vgl. Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 363–365. 229 Vgl. Maraval, „Die Religionspolitik“, 438–439; Meier, Das andere Zeitalter, 275–276. Auch hier gab es weitere Konflikte innerhalb der verschiedenen miaphysitischen Gruppen. 230 S. u. S. 375 (mit Anm. 693). 231 Vgl. Collectio Sabbaitica 5,62 (= ACO 3 [135,11–12 Schwartz]). Vgl. Uthemann, „Kaiser Justinian“, 292. 232 Vgl. Nouellae Iustiniani 42. Vgl. Leppin, „Zu den Anfängen“, 201–202 (mit Anm. 56), der einen Verzicht auf den Thron durch Anthimus selbst, wie ihn Johannes von Ephesus, Historia ecclesiastica
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langte die Einberufung einer Synode, jedoch starb er – als alles „auf eine ideale Beziehung zwischen Kaiser und Papst hinauszulaufen“ schien233 –, bevor diese begann. Die Synode, die 536 kurz nach dem Tod des Agapitus stattfand, verurteilte u. a. Anthimus und Severus und bekräftigte das Band zu den ersten vier Konzilien sowie zum Tomus Leonis, was von Justinian in einer constitutio bestätigt wurde.234 Liberatus von Karthago sieht in der Synode sogar die Einheit der Kirchen verwirklicht.235 Auf die Synode folgten vermehrt Repressionen gegen die Miaphysiten.236 Justinian versuchte zudem, das Chalcedonense in Ägypten mit Gewalt durchzusetzen. Thedosius von Alexandria wurde in diesem Zuge durch Paulus von Tabennisis ersetzt, der Justinians Maßgaben durchführte. Paulus wurde aber seinerseits von einer Synode in Gaza abgesetzt,237 und für ihn wurde Zoilus Bischof (540–551). Auch zu dieser Zeit verfasste Justinian theologische Schriften, ein Lehrschreiben an Zoilus (540) und eines an die Mönche in Alexandria (542/543). In diesen Schriften wird Kyrill von Alexandria als die für Justinian entscheidende Autorität für die Interpretation von Chalcedon deutlich. Besonders im Schreiben an die Mönche versuchte er eine Übereinstimmung des Chalcedonense mit Kyrill von Alexandria sowie eine Übereinstimmung von Kyrill mit den Vätern und der Bibel aufzuzeigen.238 1,42 suggeriert, ablehnt, so rezipiert etwa bei Maraval, „Die Religionspolitik“, 439 (mit Anm. 75), allerdings mit Bezug auf Johannes von Ephesus, Mönchsgeschichte 48. Zu weiteren Quellen im Vergleich mit der Darstellung bei Victor von Tunnuna s. u. Kap. 5.7.2.2. 233 Leppin, „Zu den Anfängen“, 203. 234 Vgl. insgesamt zur Synode Speigl, „Die Synode von 536“; vgl. auch Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 287–289; Haacke, „Die kaiserliche Politik“, 161–162; Maraval, „Die Religionspolitik“, 439–440; Leppin, Justinian, 187–188; Meier, Das andere Zeitalter, 221 (Anm. 604); Leppin, „Zu den Anfängen“, 203–206; Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 367–372; die Akten der Synode in ACO 3 (27,11–189,17 Schwartz); die constitutio Justinians in Nouellae Iustiniani 42. Der Kaiser bekannte sich darin ausdrücklich zu Chalcedon (und insgesamt zu den vier heiligen Synoden), vgl. Leppin, „Zu den Anfängen“, 205. Zur Verurteilung des Severus in der Chronik des Victor von Tunnuna s. u. Kap. 5.7.1.5. 235 Vgl. Liberatus von Karthago, Breuiarium 23 (138,32–33 Schwartz): Hoc ergo modo unitas facta est ecclesiarum anno X imperii gloriosi Iustiniani augusti. / „Auf diese Weise also wurde die Einheit der Kirchen geschaffen im 10. Jahr der ruhmreichen Herrschaft des Augustus Justinian.“ Zu Liberatus s. u. S. 118–119 (Anm. 145). 236 Vgl. auch Leppin, „Zu den Anfängen“, 205–205, der im Nachklapp zur Synode von 536 ein Scheitern des bis dahin integrativen Ansatzes Justinians sieht. 237 Zu den Verwicklungen vgl. Liberatus von Karthago, Breuiarium 23. S. auch u. S. 365 (Anm. 647) zu Victor von Tunnuna, Chronicon 128. 238 Das Schreiben Justinians an die alexandrinischen Mönche bei Schwartz, Drei dogmatische Schriften, 7–43 (Contra Monophysitas); der Brief an Zoilus ist fragmentarisch enthalten (ACO series secunda 2,1, 352,11–356,15 Riedinger; PG 86,1, 1145D–1150A Migne). Vgl. auch Uthemann, „Kaiser Justinian“, 299–309, vgl. insbesondere 301–302 zur „neuchalkedonischen“ Theologie dieser Schrift („eine Mitte zwischen Nestorios’ Betonung der Transzendenz des Gott Logos gegenüber dem Menschen Jesus und Eutyches’ Immanenz des Gott Logos in der Oikonomia“ [301]). Auch hier zeige sich der eindeutige „Bruch mit den Monophysiten“ (vgl. 307). Zu den Schriften vgl. auch Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 373–378, 400–402, der in ihnen „eine reine, streng chalcedonische, an Leo I. orientierte Christologie“ erkennt (402).
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Die Jahre nach 536 verliefen insgesamt „im Zeichen der aufgezwungenen Einheit“, auch unter Zoilus’ Nachfolger Apollinarius.239 Weiterhin fanden jedoch Miaphysiten bei Theodora Schutz, und die Stimme derjenigen, die in Konstantinopel erneut die Beschlüsse Chalcedons diskutieren wollten, hatte gegenüber dem Kaiser weiter Gewicht. Gleichwohl war die westliche Opposition gegen sie noch stark, besonders in der Person von Papst Vigilius und dessen Apokrisiar Pelagius.240 Vigilius wurde 537 Papst, nach mehreren Quellen unterstützt von Theodora, und nach einer mehr oder weniger willkürlichen Absetzung seines Vorgängers Silverius.241 Mischa Meier betont, dass sich nicht nur in den Aktionen gegen die Miaphysiten, sondern auch in dieser Absetzung Justinians Kompromisslosigkeit in seiner Politik seit 536 zeige: Der kurzfristigen Gesprächsbereitschaft gegenüber den Monophysiten folgte seit 536 ein offener Konfrontationskurs, in den sich der Eingriff in die Besetzung des Patriarchats von Alexandrien im Interesse der Chalcedonier gut einfügt. Die Absetzung des Silverius hingegen kann als weiteres Beispiel der Kompromißlosigkeit Justinians in machtpolitischen Fragen während der 20er und 30er Jahre gewertet werden.242
Insgesamt fällt für die Zeit seit den frühen 540er Jahren auf, dass Justinian wiederholt theologische Traktate verfasste. Für Meier zeigt sich darin ein „Wandel vom Kirchenpolitiker mit starken theologischen Interessen hin zum Theologen, der seine überragende politische Stellung kompromißlos zur Durchsetzung seiner eigenen Standpunkte ausnutzt“.243 Auch hier zeige sich nun eine Kompromisslosigkeit: Justinians Diskussionbereitschaft in theologischen Fragen nehme ab. Auffällig sei andererseits, dass jetzt weniger Gesetze erlassen würden – (macht-)politische Interessen habe Justinian nun weniger dezidiert verfolgt.244 Ob Justininan in dieser Zeit daher vorrangig als Theologe oder doch als (Kirchen-)Politiker zu sehen ist, ist umstritten.245
239 Vgl. insgesamt Maraval, „Die Religionspolitik“, 441–442, hier 442. 240 Vgl. Maraval, „Die Religionspolitik“, 442. 241 S. dazu im Einzelnen u. Kap. 5.7.2.3. Für einen Überblick zu Vigilius vgl. Sotinel, „Vigilio“, dort auch zu weiterer Literatur. 242 Meier, Das andere Zeitalter, 278. 243 Meier, Das andere Zeitalter, 278. Zu den verschiedenen dogmatischen Schriften im Vorfeld des eigentlichen Drei-Kapitel-Streits vgl. ebd., 279–281. 244 Vgl. Meier, Das andere Zeitalter, 235–236, für die Innenpolitik vgl. ebd., 251–273, zusammenfassend ebd., 650–652. Kritisch zu Meiers Sicht auf Justinian vorrangig als Theologen vgl. bspw. die Rezension von Menze zu Das andere Zeitalter in sehepunkte 6 (2006). 245 Vorsichtiger als Meier äußert sich zu einem Wandel in der Kirchen- und Religionspolitik Justinians Leppin, „Zu den Anfängen“, 207–208. Uthemann, „Kaiser Justinian“, 257, sieht eine politische Intention: „Justinians theologische Schriften dienen seinem Willen, expansiv die Restauration des Imperium zu verwirklichen.“ S. weiter u. S. 70–72 zur Frage nach der religiösen Motivation Justinians bzw. zur Deutung seiner Intentionen.
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2.3.2 Justinian und der Beginn des Drei-Kapitel-Streites Der eigentliche Drei-Kapitel-Streit beginnt in der Mitte der 540er Jahre: Justinian erließ in dieser Zeit zwei Edikte. Ob sie im Kontext weiterer Versuche, die Miaphysiten von seiner Neudeutung Chalcedons zu überzeugen, stehen, ist nicht unumstritten und hängt mit der Gesamtdeutung der Intentionen seiner Kirchen- und Religionspolitik zusammen.246 Das erste dieser beiden Edikte veröffentlichte Justinian im Januar 543. In diesem Edikt wurden die zehn Anathematismen des Origenes und der Origenismus verurteilt. Unklar ist, ob das Edikt von Pelagius, Apokrisiar des römischen Bischofs in Konstantinopel, initiiert wurde.247 Liberatus von Karthago jedenfalls stellt es so dar248 – und bringt das folgende zweite Edikt Justinians,249 gerichtet gegen die Drei Kapitel, direkt damit in Verbindung: Theodor Askidas, Bischof von Caesarea und Berater des Kaisers in Konstantinopel, habe aus Schmerz über die Verurteilung des Origenes und als Rivale des Pelagius den Kaiser zur Verurteilung des Theodor von Mopsuestia angestiftet.250 Insofern wurde auch das erste Edikt (= das Edikt gegen Origenes) direkt als im Zusammenhang mit dem Drei-Kapitel-Streit stehend verstanden.251 Dass Theodor von Askidas hinsichtlich der Verurteilung der Drei Kapitel initiativ wurde und dabei so eine wichtige Rolle spielte, kann aufgrund der entsprechenden Darstellung sowohl bei Befürwortern als auch bei Gegnern der Verurteilung der Drei Kapitel zumindest ver-
246 In den Kontext dieser Versuche eingeordnet bei Hauschild/Drecoll, Lehrbuch, 346–347; ähnlich bei Maraval, „Die Religionspolitik“, 443: Justinians Agieren in den Konflikten um Origenes sei als „Auftakt“ zu einem weiteren Suchen des Ausgleichs mit den Miaphysiten zu verstehen; vgl. auch Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 405–406. 247 Vgl. Noethlichs, „Iustinianus (Kaiser)“, 694; Maraval, „Die Religionspolitik“, 445–446, der betont, Justinian habe sich von dieser Verurteilung des Origenes auch erhofft, Papst Vigilius werde im Gegenzug der Verurteilung des Theodor von Mopsuestia zustimmen; Gleede, „Liberatus’ Polemik“, 128–129; Meier, Das andere Zeitalter, 280–281. Vgl. insgesamt zu Justinian und den Origenisten bis zum Konzil von 553 Maraval, „Die Religionspolitik“, 443–448. Das Edikt in Collectio Sabbaitica 6 (ACO 3 [189,18–214,9 Schwartz]). Vgl. auch Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 295–298. 248 Vgl. Liberatus von Karthago, Breuiarium 23. 249 Zu datieren zwischen 543 und 545: 543/544, so Noethlichs, „Iustinianus (Kaiser)“, 694; Modéran, „Die Kirchen“, 756; zwischen 543 und 545, so Meier, Das andere Zeitalter, 282; ca. 544, so Drecoll/ Hauschild, Lehrbuch, 347; Ende 544/Anfang 545, so Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 302; 544/545, so Uthemann, „Kaiser Justinian“, 314. 250 Mit der Begründung, er habe Schriften gegen Origenes verfasst und Chalcedon habe ihn durch den Brief des Ibas von Edessa positiv rezipiert, der Theodor Askidas als nestorianisch gegolten habe (Liberatus von Karthago, Breuiarium 24 [140,13–19, hier 17–19 Schwartz]: quod Theodorus multa opuscula edidisset contra Origenem […] et maxime quod synodus Calchedonensis […] laudes eius susceperit in Ibae epistola [140,17–19 Schwartz]). Der Brief des Ibas quae per omnia Nestoriana esse cognoscitur (140,26–27 Schwartz). Vgl. auch Kyrill von Skythopolis, Vita Sabae 85 (192,9–11 Schwartz). 251 Vgl. Uthemann, „Kaiser Justinian“, 311–312, 321–322; Meier, Das andere Zeitalter, 281–282, 286–287. Diese Deutung wird z. B. von Bruns, „Zwischen Rom und Byzanz“, 153 übernommen.
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mutet werden, auch wenn eine „Rache“ für die Verurteilung des Origenes nicht seine letztlich ausschlaggebende Motivation gewesen sein dürfte.252 Bei den Drei Kapiteln253 handelt es sich um drei Bischöfe bzw. ihre Schriften aus der sogenannten Schule von Antiochia: Theodor von Mopsuestia (ca. 352–428),254 Theodoret von Kyrrhos (ca. 393–ca. 460/466)255 und Ibas von Edessa (seit 435 Bischof von Edessa)256. Diese waren v. a. in kyrillischen Kreisen äußerst umstritten, obwohl sie versöhnt mit der Kirche gestorben waren – sie galten als Nestorianer. Theodor von Mopsuestia war schon kurz nach seinem Tod von Bischof Rabbula von Edessa verurteilt worden, weitere Angriffe gegen ihn folgten.257 Theodor hatte hauptsächlich exegetisch gearbeitet, zum Stein des Anstoßes wurde jedoch seine Christo-
252 Differenziert zur aus seiner Sicht durchaus entscheidenden Rolle des Theodor Askidas für den Beginn des Drei-Kapitel-Streits Gleede, „Liberatus’ Polemik“, bes. 121–127; vgl. 124–125 zu dessen äußerst negativer Darstellung in den Vigiliusbriefen; vgl. ebd., 123–124 zur Darstellung bei Evagrius, Historia ecclesiastica 4,38, wo Theodor als Protektor origenistischer Mönche in Palästina dargestellt wird, der die Verurteilung der Drei Kapitel angestiftet habe, um vom antiorigenistischen Verfahren abzulenken. Victor von Tunnuna erwähnt Theodor Askidas überhaupt nicht. Vgl. zu Theodors Rolle aus westlicher Sicht v. a. Liberatus von Karthago, Breuiarium 24: Theodor werden hier zwei Motive zugeschrieben, neben der Bekämpfung des Theodor von Mopsuestia (s. o.) die Chalcedons, weil Chalcedon den Brief des Ibas von Edessa angenommen habe, in welchem Theodor von Mopsuestia gelobt worden sei (vgl. auch Uthemann, „Kaiser Justinian“, 311). Gleede, „Liberatus’ Polemik“, 126, folgt für den Grund für die Initiative gegen die Drei Kapitel den Schilderungen von Evagrius: „Er [= Theodor Askidas] wollte […] von dem für seine palästinischen Mitbrüder desaströsen Edikt ablenken, in dem [sic!] er ein höchst sensibles Problem auf die Tagesordnung brachte, das die Gemüter im Reich mit Sicherheit stark erhitzen würde“. Letztlich habe aber „die Sorge um eine Aushöhlung der Autorität Chalkedons im Mittelpunkt gestanden“ (ebd., 127). Vgl. auch Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 1,2,4 (9,23–27 Clément/Vander Plaetse; Übers. 163 Fraïsse-Bétoulières): […] quod eius complices [von Domitian von Ancyra], cum uiderent non se posse proprium dogma defendere […] ad ultionem eorum quae contra Origenem gesta sunt, haec Ecclesiae scandala commouerunt. / „[…] que les complices […], lorsqu’ils virent qu’ils ne pouvaient défendre leur doctrine propre […], provoquèrent ces scandales pour l’Église afin de tirer vengeance des décrets contre Origène.“ Zur Entwicklung bei den Origenisten bis zum Konzil von Chalcedon vgl. Uthemann, „Kaiser Justinian“, 322–323. 253 „Kapitel“ von kephalaia, lat. capitula, eigentlich also „Anathematismen“, vgl. Maraval, „Die Religionspolitik“, 448. 254 Zu Theodor von Mopsuestia vgl. als Überblick Jansen, Theodor von Mopuestia, 2–4 (mit weiteren bibliographischen Hinweisen in Anm. 1); Grillmeier, Jesus der Christus 1, 614–634; Fraisse-Coué, „Die theologische Diskussion“, 572–573; vgl. Price, The Acts of Constantinople 553 1, 77–84, zur Einordnung in die Diskussion um die Drei Kapitel. 255 Zu Theodoret von Kyrrhos vgl. als Überblick Grillmeier, Jesus der Christus 1, 693–700; Clayton, The Christology; Price, The Acts of Constantinople 553 1, 84–88. 256 Zu Ibas von Edessa vgl. Rammelt, Ibas von Edessa (zur Biographie insbesondere 35–61); kurz etwa auch Grillmeier, Jesus der Christus 2,1, 436–437. 257 Vgl. Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 432–436: Rabbula trat in Edessa gegen die an Theodor von Mopsuestia orientierte sog. Schule der Perser auf, wo auch Ibas tätig war, der wiederum an der Weitergabe der Lehre Theodorets von Khyrros beteiligt gewesen sei – die Namen der Drei Kapitel werden bereits hier in einen Zusammenhang gebracht.
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logie, die er in Schriften gegen die „Arianer“ und gegen den Apollinarianismus entwickelte: Ihm wurde vorgeworfen, er halte Christus lediglich für einen Menschen.258 Theodoret von Kyrrhos hatte Werke gegen Kyrill, auch gegen die zwölf Anathematismen, und das Konzil von Ephesus verfasst sowie sich in seiner Historia ecclesiastica positiv über Diodor von Tarsos und Theodor von Mopsuestia geäußert.259 Die „Räubersynode“ von Ephesus 449 hatte ihn in absentia abgesetzt, er war aber durch das Konzil von Chalcedon aufgrund dieser unrechtmäßigen Absetzung wieder rehabilitiert worden.260 Auch Ibas von Edessa, ein Gegenspieler des Rabbula,261 wurde deshalb in Chalcedon rehabilitiert.262 Er hatte u. a. in einem Brief an den Perser Mari die Unruhen bedauert, die nach dem Konzil von Ephesus 431 von den Anhängern Kyrills verursacht worden waren, zudem hatte er Kyrill als Apollinaristen bezeichnet und in dem genannten Brief Theodor von Mopsuestia gelobt.263 Theodor von Mopsuestia selbst hingegen war formal nicht anathematisiert worden, und sein Name wird in den Akten des Konzils von Chalcedon nicht erwähnt.264 Die Stellung des Briefes des Ibas von Edessa wurde im Drei-Kapitel-Streit zur umstrittensten und kompliziertesten Frage, obwohl der Brief ursprünglich in den auf das Konzil von Chalcedon hinführenden Diskussionen im Vergleich zu anderen Aussagen des Ibas nur sekundäre Bedeutung gehabt hatte und auf dem Konzil von Chalcedon auch weder konkret verurteilt noch rehabilitiert worden war.265 Dennoch wurde gerade seine Infragestellung von den Verteidigern der Drei Kapitel später als Infragestellung Chalcedons selbst aufgefasst.266 Der Bezug auf Chalcedon wurde der eigentliche Streitpunkt im Drei-Kapitel-Streit: Die Frage nach der Verurteilung der Drei Kapitel wurde zur Frage nach der Treue zu Chalcedon. 258 259 260 261 262 263
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Vgl. Price, The Acts of Constantinople 553 1, 77–84. Vgl. bspw. Theodoret von Kyrrhos, Historia ecclesiastica 2,24–25; 5,42. S. dazu weiter u. Kap. 5.1. Vgl. Bruns, „Zwischen Rom und Byzanz“, 152. Vgl. Price, „The Three Chapters Controversy“, 21–24, hier 22: „Their condemnation in absentia was judged uncanonical. Chalcedon dealt with them as victims of injustice who deserved redress; it had no wish to examine the orthodoxy or otherwise of their theological opinions.“ Vgl. Maraval, „Die Religionspolitik“, 448. Der Brief des Ibas von Edessa in ACO 2,1,3 (32,9–34,27 Schwartz; griech.); ACO 2,3,3 (39,26–43,2 Schwartz; lat.); 4,1 (138,6–140,23 Straub; lat.); zudem zitiert bei Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 6,3,2–17. Das syrische Original ist verloren, vgl. Bruns, „Ibas von Edessa“, 1. Vgl. Price, The Acts of Constantinople 553 1, 276–277. Vgl. Price, The Acts of Constantinople 553 1, 88–98, zum Brief des Ibas auf dem Konzil von Chalcedon vgl. bes. ebd., 91–93, v. a. in Bezug auf die Voten von vier Bischöfen in Actio 10/11,161–163 (lat. ACO 2,3,3 [48,24–49,20 Schwartz]; griech ACO 2,1,3 [39,23–40,17 Schwartz]), die auch seinen Brief als orthodox erklärten. Vgl. dazu auch Placanica, „Note“, 118 (ad a. 442,1), der allerdings betont, diese Meinungen seien als Einzelmeinungen keine Überlegungen des Konzils: „Le parole dei legati romani [= Actio 10/11,161] rappresentano la motivazione di un voto, non esprimono la deliberazione del Concilio.“ S. dazu u. Kap. 2.3.3. Vgl. auch Graumann, „Orthodoxy“, 223.
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Das zweite der beiden oben genannte Edikte Justinians ist konkret gerichtet gegen die Person des Theodor von Mopsuestia und seine Werke, gegen den Brief an den Perser Mari, der als anonym aufgefasst wird und gegen jeden, der Ibas von Edessa als dessen Autor behauptet sowie gegen die antikyrillischen Schriften des Theodoret von Kyrrhos. Damit gilt es als erstes Edikt des Kaisers gegen die Drei Kapitel.267 Obwohl die Drei Kapitel (mit Ausnahme des zuvor nicht verurteilten Theodor von Mopsuestia) ja auf dem Konzil von Chalcedon rehabilitiert worden waren, konnte Justinian jetzt betonen, dass er mit seinem Edikt keinesfalls das Konzil angreifen wollte: Dafür argumentierte er insbesondere, der Brief des Ibas von Edessa an Mari sei eine anonyme Schrift, daher treffe eine Verurteilung des Briefes das Konzil von Chalcedon nicht.268 Theodor von Mopsuestia sei nicht Gegenstand des Konzils gewesen, insofern sei auch seine Verurteilung nicht gegen Chalcedon gerichtet. Dies treffe auch für die antikyrillischen Schriften Theodorets zu. Justinian versichert daher mehrfach, mit seinem Edikt Chalcedon zu bestätigen.269 Justinians Behauptung, das Konzil von Chalcedon nicht infrage stellen zu wollen, entspricht die mehrfache Bestätigung Chalcedons und der anderen drei ökumenischen Konzilien in seinen Gesetzen: Es finden sich ausdrückliche (auch inhaltliche) Bezüge auf die Lehre der vier ökumenischen Konzilien.270 Die canones der vier ökumenischen Konzilien werden als dauerhaft gültige Gesetze festgelegt.271 Schon Codex
267 Vgl. Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 441, der allerdings wie Schwartz von „Traktat“ spricht. Von „Dekret“ spricht Jansen, Theodor von Mopsuestia, 71. Das Edikt selbst ist nicht erhalten, eine Zusammenstellung der erhaltenen Zitate bei Facundus von Hermiane und Pelagius bei Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 321–328; ohne die Zitate aus Pelagius bei Pewesin, Imperium, 150–158. 268 Vgl. im ersten Edikt gegen die Drei Kapitel Justinians im Anhang bei Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 327–328 bzw. das Zitat einer angeblich früheren Version bei Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 2,3,12–13 (hier 52,81–82 Clément/Vander Plaetse; Übers. 297 Fraïsse-Bétoulières): Si quis dicit rectam esse ad Marin impiam epistulam quae dicitur ab Iba esse facta. / „Si quelqu’un dit qu’est correcte la lettre impie à Maris qu’on attribue à Ibas“. Vgl. dann auch in Justinians Schreiben gegen die Drei Capitel 2; 14 (48,14; 52,29–29 Schwartz, wo vom „sogenannten Brief des Ibas“ die Rede ist [ἐπιστολὴ ἡ λεγομένη Ἴβα]); 63 (64,22–65,22 Schwartz). In der Literatur wird behauptet, Theodor Askidas habe Justinian von der Anonymität des Briefes von Ibas überzeugt, vgl. bspw. Schwartz, „Zur Kirchenpolitik“, 301; Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 440–441, 443; Maraval, „Die Religionspolitik“, 449; Bruns, „Zwischen Rom und Byzanz“, 153 – leider jeweils ohne Beleg (der sich auch nicht finden ließ). Vgl. auch Meier, Das andere Zeitalter, 281 (mit Anm. 251). Zu den Diskussionen um den Brief des Ibas vgl. auch Rammelt, Ibas von Edessa, 277–278; Price, The Acts of Constantinople 553 1, 93–96 zu den Argumenten Justinians bzw. der Gegner der Drei Kapitel im Einzelnen. 269 Vgl. bes. die Zitate bei Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 326–328. Vgl. Maraval, „Die Religionspolitik“, 449. Vgl. Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 301–303; Uthemann, „Kaiser Justinian“, 314–319; Meier, Das andere Zeitalter, 282 (mit Anm. 254). 270 Vgl. z. B. Codex Iustinianus 1,1,7,11; 1,1,11,8 (533); vgl. Noethlichs, „Iustinianus (Kaiser)“, 754. 271 Vgl. Nouellae Iustiniani 131,1 aus dem Jahr 545; allgemeiner formuliert bereits in Codex Iustinianus 1,3,44 (530); s. auch u. S. 246–247. Vgl. Noethlichs, „Iustinianus (Kaiser)“, 734; Meier, Das andere
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Iustinianus 1,5,8,9 (455) weist an, nichts gegen die Synode von Chalcedon zu befehlen, zu schreiben, zu veröffentlichen oder herauszugeben.272 Welche Intentionen Justinians Kirchen- und Religionspolitik bestimmten, ist allerdings nicht unumstritten. Grundsätzlich war wohl sein Ziel eine Einigung mit den Miaphysiten i. S. einer kyrillischen Interpretation des Chalcedonense, auch, um die Einheit der Kirche zu erhalten.273 Nach Justinians eigenem Zeugnis dürfte dies aber zumindest nicht der einzige Grund für die Verurteilung der Drei Kapitel sein.274 Mischa Meier hat in seiner Habilitationsschrift daher im Anschluss an Eduard Schwartz und Karl-Heinz Uthemann275 der These, die Verurteilung der Drei Kapitel sei ein Versuch gewesen, „zum Ausgleich mit den Monophysiten zu gelangen“, was der „Grundlinie seiner Religionspolitik“ entspreche, widersprochen.276 Er betont stattdessen für das Vorgehen Justinians dessen theologische Intentionen: Dem Kaiser sei es „allein um die allgemeine Duchsetzung persönlicher Glaubensinhalte“ gegangen.277 Justinians eigentliches Ziel in dieser Auseinandersetzung habe darin bestanden, die Glaubensformel von Chalkedon sowohl gegen nestorianische als auch gegen monophysitische Interpretationsmöglichkeiten abzusichern und im Sinne der von ihm selbst
Zeitalter, 289: Dies sei ein „unverhohlener Angriff gegen die Monophysiten“ gewesen; zugleich zeige sich auch hier Justinians Eingreifen in kirchliche Dinge bzw. ein Verständnis von Orthodoxie als staatliche Aufgabe (vgl. die Überschrift des entsprechenden Abschnittes bei Noethlichs, „Iustinianus [Kaiser]“, 733). 272 Codex Iustinianus 1,5,8,9 (78,13–14 Krüger): Nulli etiam contra uenerabilem Chalcedonensem synodum liceat aliquid uel dictare uel scribere uel edere atque admittere. Vgl. Noethlichs, „Iustinianus (Kaiser)“, 747; vgl. ebd., 734 den Hinweis auf das Verbot von öffentlichen theologischen Diskussionen und Neuerungen in Codex Iustinianus 1,1,4–5 (über Chalcedon [Zitat des Gesetzes von Marcian] und das von Justinian dort gegebene Bekenntnis hinaus). 273 Vgl. Devreesse, Le patriarcat d’Antioche, 75; Stein, Histoire du Bas-Empire 2, 632–633; Haacke, „Die kaiserliche Politik“, 141–175, bes. 154–155, 163; Bruns, „Zwischen Rom und Byzanz“, 176; Grillmeier, Jesus der Christus 2,2 496 (das Ziel Justinians als Wiederherstellung der „Glaubenseinheit des Reiches“); vgl. Meier, Das andere Zeitalter 285 (Anm. 268) für zahlreiche weitere Belege. 274 So Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 301 in Bezug auf ein Schreiben Justinians, in dem er Bischöfen gegenüber (wahrscheinlich einer illyrischen Synode, vgl. Schwartz, „Bemerkungen“, 115) die Verurteilung der Drei Kapitel rechtfertigt (v. a. Justinian, Schreiben gegen die Drei Capitel 1 [47,26–48,5 Schwartz]). Vgl. Meier, Das andere Zeitalter, 285–286 (Anm. 272) zur unklaren Datierung, entweder 549/550, nach dem Edikt von 551 oder nach dem Konzil von 553; zum Schreiben vgl. auch Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 442–445; s. auch u. S. 360–362. 275 Vgl. Uthemann, „Kaiser Justinian“, 313–314. 276 Meier, Das andere Zeitalter, 285–286 (vgl. Anm. 268 zur entsprechenden Literatur), hier 286. 277 Meier, Das andere Zeitalter, 285.
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bevorzugten Theologie des Kyrillos von Alexandreia neu zu definieren („Neuchalkedonismus“278).279
So hätten die Aktionen Justinians – „die Anbindung der monophysitisch geprägten Provinzen an die Orthodoxie“ – auch kein politisches Ziel.280 Theologisch, nicht kirchenpolitisch, habe sich Justinian „dem Monophysitismus“ angenähert.281 Dem kaiserlichen Handeln liege „in der Tat ein Einigungsbestreben zugrunde, nicht jedoch aus politischen, sondern insbesondere aus persönlichen religiösen Motiven“.282 Es bleibt die Frage, ob sich aus öffentlichen Äußerungen des Kaisers so dezidiert auf persönliche religiöse Motive unter Absehung von politischen Intentionen schließen lässt. Das eine muss das andere nicht ausschließen. Justinian blieb auch nach 540 Kaiser, und als
278 Die Verwendung des Begriffs „Neuchalcedonismus“ ist nicht unproblematisch, und er ist schwer theologisch präzise auf den Punkt zu bringen. Kurz zusammengefasst lässt sich sagen: Das Bekenntnis von Chalcedon wird kyrillisch interpretiert. Es geht um die Versöhnung der Wesenseinheit (hypostatische Union des Logos: eine Hypostase aus zwei Naturen [ἐκ δύο φύσεων]; Kyrill gegen Nestorius) mit der Zwei-Naturen-Lehre (Christus in zwei Naturen [ἐν δύο φύσεσιν]; Chalcedon gegen Eutyches). Dies geschieht durch die Vorstellung der Enhypostasie bzw. der enhypostatischen Einung: Voraussetzung ist, dass es keine anhypostatische Natur (eine Natur ohne Hypostase) geben kann. Leontius von Byzanz entwickelte den Gedanken, in der Einung der zwei Hypostasen werde die menschliche Natur durch die göttliche Natur so überformt, dass die menschliche Natur nur ἐνυπόστατος bestehe (also in der Hypostase der göttlichen Natur). Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 450–459, hier 459, unterscheidet einen gemäßigten und einen extremen Neuchalcedonismus, wobei Justinian eine gemäßigte Richtung vetrete: „Bei Justinian finden wir erstmals den Entwurf zu einer Gesamtdeutung der Person Christi und ihrer Einigung aus göttlicher und menschlicher Natur in der einen göttlichen Hypostase des Logos, die grundsätzlich an der chalcedonischen Formel von der einen Hypostase in zwei Naturen festhält, zu ihrer stärkeren Interpretation im Sinn der Henosis aber eine Reihe cyrillischer Elemente heranholt.“ Vgl. auch die kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff „Neuchalcedonismus“ bei Uthemann, „Der Neuchalkedonismus“, 207–243; vgl. auch Graumann, „Orthodoxy“, 222 (Anm. 6). 279 Meier, Das andere Zeitalter, 286. Ähnlich auch Uthemann, „Kaiser Justinian“, 314–316. Vgl. ebd., 317, wo Uthemann darauf hinweist, dass Justinian sowohl in dem ersten Edikt gegen die Drei Kapitel (= das o. g. zweite Edikt) als auch in dem o. g. Schreiben an die illyrischen Bischöfe (historisch fälschlicherweise) behauptete, neben Papst Coelestin und der Synode von Ephesus (431) hätten auch das Konzil von Chalcedon und Papst Leo Kyrills zwölf Anathematismen angenommen. Auch Ibas von Edessa und Theodoret von Kyrrhos seien erst nach deren Anerkennung wieder rehabilitiert worden. Vgl. die Stelle im Edikt Justinians gegen die Drei Kapitel bei Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 321 (Anhang); Justinian, Schreiben gegen die Drei Capitel 54 (61,34–36; 62,27–30 Schwartz). Vgl. auch Uthemann, „Kaiser Justinian“, 318: „Für Justinian erschließt sich die Definition von Chalkedon, sofern es um den Ausschluß eines jeden nestorianisierenden Mißverständnisses geht, aus Kyrills Anathematismen“. 280 Meier Das andere Zeitalter, 286 (Anm. 274), mit kritischem Verweis auf Bruns, „Zwischen Rom und Byzanz“, 152. 281 Meier, Das andere Zeitalter, 288. Zur Einschätzung von Justinians Religions- und Kirchenpolitik in den Jahren von 543–565 vgl. ebd., 291–293. 282 Meier, Das andere Zeitalter, 293. Zur Rückführung auf äußere Faktoren für diesen Umschwung bei Justinian (Krisen in den Jahren 540–542) vgl. dann ebd., 307–341.
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solcher agierte er reichs- und kirchenpolitisch und nicht nur aus persönlichen Motiven heraus. Er blieb Politiker und handelte nicht (nur) als Theologe. Justinian verlangte Unterschriften von allen fünf Patriarchen unter sein Edikt gegen die Drei Kapitel. Von den östlichen Bischöfen und Patriarchen wurde der Erlass trotz zum Teil starker Bedenken – und zum Teil durch Zwang – angenommen.283 Menas von Konstantinopel etwa behielt sich vor, seine Zustimmung im Falle der Ablehnung durch den Papst zuückzunehmen.284 2.3.3 Widerstand in Nordafrika Der Westen reagierte negativ auf das Edikt. Er sah in der Verurteilung der Drei Kapitel vor allem einen Angriff auf das Konzil von Chalcedon.285 Zudem wurde eine Verurteilung von Toten abgelehnt.286 Der Apokrisiar Roms in Konstantinopel, der Diakon Stephanus, stellte sich seit der Veröffentlichung des Ediktes gegen die Verurteilung der Drei Kapitel und verweigerte Menas die kirchliche Gemeinschaft.287 Eine Entscheidung des Papstes, der in dieser frühen Phase des Streites jedenfalls offiziell288 noch nicht selbst beteiligt war, in der Frage der Drei Kapitel wurde wichtig, auch, weil Ste-
283 Vgl. Meier, Das andere Zeitalter, 282–283; Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 303–304; Sotinel, „Das Dilemma des Westens“, 462–463. 284 Vgl. Noethlichs, „Iustinianus (Kaiser)“, 695; Meier, Das andere Zeitalter, 283 (mit Anm. 257); vgl. Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 4,4,2–3. 285 Eine zusammenfassende Formulierung dahingehend bei Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum, praefatio 1 (3,1–10 Clément/Vander Plaetse; Übers. 141 Fraïsse-Bétoulières), wo er die Motivation zur Verfassung seines Werkes darlegt: Cum in praeiudicium sancti concilii Chalcedonensis impugnatores eius Acephali per quosdam subriperent, ut epistulae Ibae Edesseni episcopi, quam ad se delatam memorata synodus Catholicam iudicauit, sed et Theodorus Mopsuestenus episcopus eiusque doctrina, quae in eadem epistula Ibae laudata est, nec non et quaedam Theodoreti Cyrri episcopi scripta, qui in praedicto Chalcedonensi concilio epistulam dogmaticam papae Leonis asseruit, sub anathemate damnarentur, hoc opus suadentibus fratribus ad imperatorem Constantinopoli scripsi. / „Pour nuire au saint synode de Chalcédoine, ses adversaires acéphales s’employaient sournoisement, par l’entremise de quelques individus, à faire frapper d’anathème la lettre d’Ibas, évêque d’Édesse, jugée catholique par ce synode à qui on l’avait soumise; ils visaient également Théodore, évêque de Mopsueste et sa doctrine, louée dans cette même lettre d’Ibas ainsi que certains écrits de Théodoret, évêque de Cyr, qui défendit au synode de Chalcédoine la lettre dogmatique du pape Léon; c’est alors que, sur le conseil de mes frères, j’ai écrit cet ouvrage à l’empereur, à Constantinople.“ Theologisch steht auch im Hintergrund, dass die Christologie von Kyrill von Alexandria dem Westen fremd und die Anerkennung der theopaschitischen Formel durch Rom 535 (s. o. S. 59 [Anm. 204]) weitgehend, mit Ausnahme der Päpste, unbeachtet geblieben waren; vgl. auch Uthemann, „Kaiser Justinian“, 310. 286 S. dazu u. S. 75–76. 287 Vgl. Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 304. 288 Vgl. Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 307–308, der allerdings davon ausgeht, dass Vigilius vor dessen offizieller Vorlage durch Justinian „den Traktat längst kannte“ (ebd., 308 [Anm. 1]); vgl. auch Sotinel, „Vigilio“, 520.
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phanus bald verstarb.289 Justinian ließ Vigilius im September 545 aus Rom wegbringen.290 Erst im Januar 547 traf der Papst dann – nach einem längeren Aufenthalt in Sizilien im Jahr 546291 – in Konstantinopel ein, wo er bis zum Jahr 555 bleiben sollte.292 Trotz anfänglichem Widerstand, der sich u. a. in der Exkommunikation des Menas293 und der anderen, die den Erlass unterschrieben hatten, äußerte, gab Vigilius schließlich offenbar dem Druck Justinians294 nach und verpflichtete sich in zwei Briefen, die er im Juni 547 an Justinian und Theodora schrieb, dazu, die Drei Kapitel zu verurteilen. Diese beiden Briefe wurden jedenfalls auf dem Konzil von Konstantinopel 553 verlesen – ihre Echtheit ist jedoch nicht unumstritten.295 Vor einer öffentlichen Entscheidung suchte Vigilius jedenfalls zunächst die Diskussion mit etwa siebzig in Konstantinopel anwesenden Bischöfen. An diesem Zusammentreffen, dessen genauer Charakter unklar ist,296 war auch der nordafrikanische Theologe Facundus von Hermiane (vor 547/548–ca. 570) beteiligt. Er trat besonders bestimmt auf, weil er mit der Verurteilung der Drei Kapitel die Autorität des Konzils von Chalcedon ruiniert sah.297 Facundus von Hermiane veröffentlichte in diesem Zu289 Vgl. Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 304–305. 290 Zu den Umständen vgl. auch Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 308–309; Sotinel, „Das Dilemma des Westens“, 463; Sotinel, „Vigilio“, 519. Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 446, sieht hier eine Initiative Theodoras. 291 Hier traf er schon westliche Kleriker (möglicherweise auch Facundus von Hermiane), die ihn dazu drängten, die Unterschrift unter das kaiserliche Edikt zu verweigern, vgl. Modéran, „L’Afrique reconquise“, 46, mit Verweis auf Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 4,3,5. 292 Vgl. Marcellinus Comes, Chronicon a. 546; Johannes Malalas, Chronographia 18,97; Prokopios von Caesarea, De bello Gothico 3,15,9; vgl. Placanica, „Note“, 121 (ad a. 544,1). Vgl. Sotinel, „Das Dilemma des Westens“, 564–565 zum Umfeld des Vigilius in Konstantinopel. Auch die nordafrika nischen Theologen Facundus von Hermiane, Verecundus von Iunci und Primasius von Hadrumetum befanden sich Ende der 540er Jahre in Konstantinopel; s. dazu weiter u. S. 418–420. 293 So bei Johannes Malalas, Chronographia 18,98; vgl. Theophanes, Chronographia a. m. 6039; vgl. Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 309. 294 Vgl. auch den Brief italienischer Kleriker an fränkische Gesandte, die Epistula legatariis (hier 19,12–13 Schwartz; Übers. 1,165 Price; vor 551): coeperunt ibi ipsum exspectare, ut damnationem alienorum capitulorum faceret / „they began there to look to him [= Vigilius] to condemn some chapters“. 295 Maraval, „Die Religionspolitik“, 449–450, hier 450, sieht die Briefe als echt an: „In zwei geheimen Briefen an Justinian und Theodora belegte er [Vigilius] die Drei Kapitel völlig klar und eindeutig mit dem Anathema.“ Vgl. Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 309–310. Die Briefe auf dem Konzil von Konstantinopel 553 in ACO 4,1 (187,21–188,21 Straub). Zur umstrittenen Echtheit vgl. den apparatus ad locum (187 Straub); vgl. Sotinel, „Autorité pontificale“, 457–458; Gleede, „Liberatus’ Polemik“, 109–110. S. auch u. Kap. 5.7.2.4. 296 Es wird insbesondere diskutiert, ob die Bischöfe freiwillig oder wegen eines kaiserlichen Befehls zu dem Treffen kamen; es gibt allerdings keinen Hinweis in den Quellen auf einen solchen Befehl. Wahrscheinlich wurden die Bischöfe von ihren Provinzen delegiert, um den Papst bei seinem Widerstand gegen die Verurteilung der Drei Kapitel zu unterstützen; vgl. Modéran, „L’Afrique reconquise“, 47–48. 297 Vgl. Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum, praefatio 2–3; Contra Mocianum 25– 33; vgl. Clément/Vander Plaetse, „Einleitung“, XI; Bruns, „Zwischen Rom und Byzanz“, 158–159; Sotinel, „Vigilio“, 522; Modéran, „L’Afrique reconquise“, 47–48; Noethlichs, „Iustinianus (Kaiser)“, 696: Facundus sei Apokrisiar in Konstantinopel gewesen. Facundus beklagt sich in Pro defensione
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sammenhang die erste Ausgabe seiner Schrift Pro defensione trium capitulorum. V. a. aufgrund dieser 12 Bücher umfassenden Schrift wird Facundus als die Stimme des Westens298 und als Anführer des Widerstandes gegen die Verurteilung der Drei Kapitel gesehen.299 Setzt sich Facundus darin zunächst mit Aussagen Justinians auseinander – gegen „Eutychianer“ und „Nestorianer“ –,300 verteidigt er dann die sogenannten Drei Kapitel sowohl theologisch301 als auch mit dem Argument, dass Tote nicht verurteilt werden können302. Er betont zudem die Autorität der Konzilien, insbesondere Chal-
trium capitulorum, praefatio in Bezug auf das o. g. Treffen darüber, dass der Papst die Diskussion abgebrochen und innerhalb von nur sieben Tagen – darunter zwei Feiertage – schriftliche Ausfertigungen über die Frage der Drei Kapitel erwartet habe. 298 Facundus selbst kontrastiert darin die Kirchen des Westens und des Ostens, vgl. Pro defensione trium capitulorum 1,4,38; 5,3,34; 9,5,42. Vgl. Eno, „Doctrinal Authority“, 108. 299 Vgl. auch Pro defensione trium capitulorum, praefatio 1, wo Facundus die fratres suadentes erwähnt (s. o. Anm. 285), die ihn bei Abfassung der Schrift beraten haben – möglicherweise sind hier konkret andere afrikanische Bischöfe gemeint, vgl. Modéran, „L’Afrique reconquise“, 47 (Anm. 31). Eine weitere wichtige Schrift des Facundus im Zusammenhang mit der Verteidigung der Drei Kapitel ist der Liber contra Mocianum Scholasticum (= Contra Mocianum), gerichtet gegen „einen im diplomatischen Sinne kaisertreuen nordafrikanischen Theologen“ ( Jansen, Theodor von Mopsuestia, 84; vgl. auch Bruns, „Zwischen Rom und Byzanz“, 159; Modéran, „L’Afrique reconquise“, 52 [Anm. 48] sieht ihn als Anwalt [„un avocat“]). Die Datierung beider Schriften des Facundus ist umstritten, vgl. Chrysos, „Zur Datierung und Tendenz“; Clément/Vander Plaetse, „Einleitung“, XII; Bruns, „Zwischen Rom und Byzanz“, 159; Pewesin, Imperium, 160–162 (zu Contra Mocianum); Jansen, Theodor von Mopsuestia, 87–89. Bei Pro defensione trium capitulorum stellt sich v. a. die Frage, wie die Schrift im Verhältnis zum Iudicatum von Papst Vigilius (veröffentlicht im April 548; s. u. S. 83–84) zu datieren ist und ob man eine Übergabe an den Kaiser von einer Veröffentlichung in Afrika unterscheiden muss (so Jansen, Theodor von Mopsuestia, 87–88, vgl. 85, vgl. dort auch zu einer kurzen Darstellung der Forschungsdiskussion; für eine zweistufige Entstehung [ohne bzw. mit praefatio] auch Chrysos, „Zur Datierung und Tendenz“). Modéran, „L’Afrique reconquise“, 48, datiert die Veröffentlichung von Pro defensione trium capitulorum in das Jahr 550 unter Bezug auf Victor von Tunnuna, Chronicon 142; Clément/Vander Plaetse, „Einleitung“, XII gehen von zwei Ausgaben aus, die frühere zwischen Juni 547 und April 548, die zweite „zwischen August 550 […] und Sommer 551“. Contra Mocianum ist wahrscheinlich in das Jahr 550/551, kurz nach der Synode von Karthago (vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 141) zu datieren, vgl. Jansen, Theodor von Mopsuestia, 89; Chrysos, „Zur Datierung und Tendenz“, 322 (zwischen der Synode und der Rücknahme des Iudicatum im August 551); anders Bruns, „Zwischen Rom und Byzanz“, 159 (Anm. 45): „nach 553“, da sich die „Situation einer definitiven Trennung“ spiegele. Vgl. zu Contra Mocianum und zur Lokalisierung von Mocianus’ Wirken auch Modéran, „L’Afrique reconquise“, 52–53 (mit Anm. 48– 49), der etwas später (551/552) datiert; auf 553 – zwischen Iudicatum und Constitutum des Vigilius – datiert Fraïsse-Bétoulières, „Introduction“, 13, in Bezug auf Stein, Histoire du Bas-Empire 2, 824–826. Zu einer weiteren Schrift im Drei-Kapitel-Streit, die zum Teil ebenfalls Facundus von Hermiane zugeschrieben wird, der Epistula fidei catholicae, s. u. Kap. 3.3 und Kap. 5.9. Vgl. insgesamt zur Biographie des Facundus von Hermiane Jansen, Theodor von Mopsuestia, 83–86; Clément/Vander Plaetse, „Einleitung“, XI–XII; Hainthaler, „Facundus von Hermiane“, 6. Vgl. zu Facundus und seiner Theologie auch noch Bruns, „Zwischen Rom und Byzanz“, bes. 158–176. 300 Vgl. Pro defensione trium capitulorum 1–2. 301 V. a. Pro defensione trium capitulorum 3–9. 302 V. a. Pro defensione trium capitulorum 10–11. Dies war neben dem Bezug auf Chalcedon ein besonders wichtiges Argument für die Verteidiger der Drei Kapitel; vgl. etwa auch Liberatus von Karthago, Breuiarium 24 (140,14 Schwartz) zur vorher geschilderten Aktion des Theodor Askidas, die
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cedons, der für ihn hinsichtlich der Anerkennung des Briefes des Ibas von Edessa eine hohe Bedeutung zukommt,303 und er formuliert scharfe Kritik am Eingreifen des Kaisers in die Belange der Kirche.304 Gerade mit der Berufung auf die unbedingte Autorität eines Konzils (in diesem Fall v. a. Chalcedon) steht Facundus auch in einer nordafrikanischen Tradition.305 Eine weitere Stimme aus Nordafrika hatte sich bereits zuvor mit einschlägigen Argumenten aktiv gegen die Verurteilung der Drei Kapitel eingesetzt: Der Diakon Ferrandus von Karthago (gestorben 546/547), ein Schüler des Fulgentius,306 der ihm ins sardinische Exil folgte, schrieb mit seiner Epistula 6307 an Pelagius und Anatolius, Diakone aus Rom, einen expliziten Bericht über den Drei-Kapitel-Streit und legte darin Gründe gegen die Verurteilung der Drei Kapitel dar.308 Ferrandus bringt hier Argumente vor, die auch später im Streit, bspw. auch, wie gesehen, bei Facundus von
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schließlich in die Verurteilung der Drei Kapitel mündet: et reserato aditu aduersariis ecclesiae, ut mortui damnarentur („und nachdem der Zugang für die Gegner der Kirche geöffnet worden war, Tote zu verurteilen“) – damit sind dann die Möglichkeiten für alles weitere offen. In der Chronik des Victor von Tunnuna spielt die Kritik an der Verurteilung bereits Verstorbener keine Rolle. Vgl. bspw. die Argumentation in Pro defensione trium capitulorum 12,3,14–37, wo Facundus gegenüber Justinian in Bezug auf vorherige Kaiser für die Autorität des Konzils argumentiert. Vgl. zu dieser Stelle bei Facundus auch Modéran, „L’Afrique reconquise“, 60. Vgl. Eno, „Doctrinal Authority“, bes. 104–106 zu Facundus’ Konzilstheologie (mit zahlreichen Belegen aus Pro defensione trium capitulorum); vgl. auch Sieben, Die Konzilsidee, 291–300, insbesondere mit Bezug auf Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 5,5. Vgl. z. B. Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 12,3,3 (381,18–19 Clément/Vander Plaetse): Die Rolle, die dem Kaiser zukommt, ist die des ecclesiasticorum canonum exsecutor […], non conditor, non exactor; 12,3,27 (230–233 Clément/Vander Plaetse): Die Entscheidungen, die durch den Willen eines einzigen Laien zustande kommen, sind nicht mit den Dekreten eines Konzils zu vergleichen; vgl. Modéran, „L’Afrique reconquise“, 60–61. Diesen Zug von Pro defensione trium capitulorum betont besonders Adamiak, Carthage, 83, der die Schrift des Facundus als „something of an anti-imperial manifesto, proclaiming both the absolute incompetence of the state and the outright independence of the Church in spiritual matters“ bezeichnet. Eine solche Opposition sei auch ein Erbe aus der Zeit unter den Vandalen (ebd., 84). Vgl. zum Inhalt von Pro defensione trium capitulorum Fraïsse-Bétoulières, „Introduction“, 49–50, zu den dort als „theologisch“ und als „historisch“ bezeichneten Argumenten im Einzelnen ebd., 50–78. Dies betont Eno, „Doctrinal Authority“, v. a. 96, 109; vgl. auch Adamiak, Carthage, 80–82. Es wurde lange angenommen, dass Ferrandus der Autor der Vita Fulgentii sei, so etwa in der lange maßgeblichen Edition von Lapeyre, Vie de Saint Fulgence. Mittlerweile wird dies jedoch in Frage gestellt, vgl. die Darstellung der Forschung und kritisch zur Autorschaft des Ferrandus von Karthago Isola, „Introduzione“, 7–25; zur Frage nach der Vita Fulgentii und ihrer Chronologie und deren Bedeutung für die Geschichte des vandalischen Africa vgl. auch insgesamt Modéran, „La chronologie“. Zu datieren „um 545“ (Bruns, „Zwischen Rom und Byzanz“, 157) oder „kurz nach 546“ (Sotinel, „Das Dilemma das Westens“, 463). Ferrandus von Karthago, Epistula 6 (Ad Pelagium et Anatolium diaconos urbis Romae [PL 67, 921D– 928B Migne). Vgl. Sotinel, „Das Dilemma des Westens“, 463; vgl. Roland Fröhlich, „Ferrandus“; Fuhrer, „Ferrandus“, 411.
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Hermiane, bestimmend sein werden:309 Die Beschlüsse des Konzils von Chalcedon sind zu respektieren, seine Urteilsfähigkeit ist nicht in Zweifel zu ziehen.310 Im Frieden mit der Kirche Bestattete dürfen nicht posthum aufgrund eines menschlichen Urteils verurteilt werden.311 Kein Einzelner darf über das, was in der Heiligen Schrift und in den Konzilien enthalten ist hinaus etwas für die Kirche festsetzen.312 Die Autorität der Konzilsakten ist der der Heiligen Schrift fast gleichgestellt.313 Niemand, also auch nicht der Kaiser, darf vorschreiben, was die Kirche zu lehren hat, vielmehr muss jeder der Lehre der Kirche folgen.314 Ähnlich bestritt Ferrandus in einem weiteren Brief, dass 309 Vgl. Bruns, „Zwischen Rom und Byzanz“, 157; Sotinel, „Das Dilemma des Westens“, 464. Modéran, „L’Afrique reconquise“, 46 sieht in dem Brief des Ferrandus eine Äußerung zumindest der ganzen Proconsularis. Facundus von Hermiane bezieht sich in Pro defensione trium capitulorum 4,3,6–9 auf Ferrandus von Karthago und seine Epistula 6; vgl. Placanica, „Note“, 122 (ad a. 546,1); vgl. zu Ferrandus und zum Brief auch Price, The Acts of Constantinople 553 1, 109–110. 310 Vgl. z. B. Ferrandus von Karthago, Epistula 6,2 (PL 67, 922B Migne; Übers. 1,113 Price): Quidquid semel statuitur in concilio et congregatione sanctorum Patrum, perpetuam debet obtinere iugiter firmitatem. / „whatever is once decreed on a council and assembly of holy fathers ought to possess perpetual calidity forever“; 6,3 (PL 67, 923C–D Migne; Übers. 1,114–115 Price): Totum concilium Chalcedonense, cum est totum concilium Chalcedonense, uerum est. Nulla pars illius habet ullam reprehensionem: quidquid ibi dictum, gestum, iudicatum nouimus atque firmatum. Sancti Spiritus operata est ineffabilis et secreta potentia. / „But the whole Council of Chalcedon, since the whole of it is the Council of Chalcedon, is true; no part of it is open to criticism. Whatever we know to have been uttered, transacted, decreed and confirmed there was worked by the ineffable and secret power of the Holy Spirit.“ Dies gilt, wie Facundus von Hermiane dann herausstellt, generell – wird ein Konzil zurückgenommen, werden die Beschlüsse aller Konzilien in Zweifel gestellt, vgl. Pro defensione trium capitulorum 4,3,9; 2,6,7. Hier zeige sich, so Price, The Acts of Constantinople 553 1, 98 ein neuer „conciliar fundamentalism […], where all the acts and not just the decrees were treated with exaggerated respect“, d. h. es wurde nicht mehr zwischen Diskussionen und Beschlüssen eines Konzils unterschieden. Vgl. auch Eno, „Doctrinal Authority“, 100; Modéran, „L’Afrique reconquise“, 61–62. 311 Vgl. Ferrandus von Karthago, Epistula 6,7 (PL 67, 926C Migne; Übers. 1,119 Price): Si quis accusatus et absolutus in pace Ecclesiae transiuit ad Dominum, condemnari non potest humano iudicio. / „If anyone arraigned and acquitted has gone to the Lord in the peace of the church, he cannot be condemned by a human tribunal.“ 312 Vgl. Ferrandus von Karthago, Epistula 6,9 (PL 67, 927C–D Migne; Übers. 1,120 Price): Sola enim sunt […] in canonicis libris praecepta diuina, et in generalibus synodis paterna decreta, non refutanda nec respuenda, sed custodienda et amplectenda […]. Lex enim patris fulget […] in canonicis libris; consilium matris in uniuersalibus conciliis continetur […] ceterum praeter illos qui statuunt quae statuenda sunt, nullus cogit ultra subscribere. / „For […] it is only the divine precepts in the canonical books and the decrees of the fathers in general synods that are to be neither opposed nor rejected but preserved and embraced […]. For the law of the Father […] shines forth in the canonical books, and the advice of the mother [the church] is contained in the general councils […]. But apart from those who decree what has to be decreed no one compels further subscriptions“. 313 Vgl. Ferrandus von Karthago, Epistula 6,7 (PL 67, 925A Migne; Übers. 1,118 Price): Uniuersalia concilia, praecipue illa quibus Ecclesiae Romanae consensus accessit, secundae auctoritatis locum post canonicos libros tenent. / „General councils, particularly those that have gained the assent of the Roman church, hold a place of authority second only to the canonical books.“ Vgl. Price, The Acts of Constantinople 553 1, 98. 314 Vgl. Ferrandus von Karthago, Epistula 6,10 (PL 67, 927D–928A Migne; Übers. 1,121 Price): Ut nullus libro suo per subscriptiones plurimorum uelit dare auctoritatem, quam solis canonicis libris Ecclesia catholica detulit. Illud quoque tranquillitati Ecclesiarum proficere poterit, si nullus uelit praescribere
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dem christlichen dux, also auch dem Kaiser, als Laie ein Urteil in Glaubensfragen zustehe – er müsse sich dem (Lehr-) Urteil der Bischöfe (sacerdotes) unterwerfen: Bischöfe lehren und Laien werden gelehrt.315 Orthodoxie war damit vor allem formal verstanden als „die Treue zu einer klar formulierten Tradition“.316 Neben diesen einschlägigen Argumenten im Drei-Kapitel-Streit wurde von nordafrikanischer Seite aber auch – nicht unberechtigterweise – die eigene Unkenntnis der Sachverhalte vorgebracht: So schrieb der nordafrikanische Bischof Pontianus317 in einer ersten Antwort auf das Edikt Justinians, man kenne die dicta der Drei Kapitel ja gar nicht: Eorum dicta ad nos usque nunc minime peruenerunt. Die dicta könne man, wenn man sie hätte, bedenken, Tote allerdings keinesfalls verurteilen.318
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quid sequitur Ecclesia, sed tenere quod Ecclesia docet. / „That no one is to wish through numerous subscriptions to claim for his own book an authority that the catholic church has attributed only to the canonical books. This also will contribute to the tranquility of the churches, if everyone seeks not to lay down what the church should follow, but to hold what the church teaches.“ Vgl. Chrysos, „Zur Datierung und Tendenz“, 322: Dieses Prinzip gelte aber gerade auch für den Bischof von Rom. Vgl. Ferrandus von Karthago, Epistula 7,17 an den comes Reginus (PL 67, 945A–B; 945C Migne). Es wäre möglicherweise lohnenswert, zu überprüfen, ob diese Aussagen durch die Aussagen von Gelasius I. zu den zwei Gewalten beeinflusst sein könnten. So formuliert es Sotinel, „Das Dilemma des Westens“, 468, die darauf hinweist, dass das Wort „Tradition“ „in den Werken des Facundus öfter vorkommt als in der ganzen lateinischen patristischen Literatur, und zwar durchgehend in der Weise, daß die Tradition einfach so zu bewahren sei, wie sie bei den früheren Konzilien, besonders in Chalkedon, verkündet worden sei.“ Vgl. Price, „The Three Chapters Controversy“, 32–33 zum unterschiedlichen Verständnis von Orthodoxie in Ost (Festhalten an der Theologie Kyrills von Alexandria um der Wahrheit über Christus willen) und West (Festhalten an der Formel von Chalcedon und damit an den Zwei Naturen in Christus). Der Name Pontianus ist selten. In den Akten des Konzils von Iunci 523 wird ein Ponticanus erwähnt (Concilium Carthaginense a. 525 [277,181.200–201 Munier]); in der Vita Fulgentii 29,66 (226,9–10 Isola) für das Jahr 533 im Zusammenhang mit der Nachfolge des Fulgentius von Ruspe ein Pontianus von Thenae (Byzacena) ([…] uisionem fidelissimam beati Pontiani, episcopi Thenitani […]). Möglicherweise handelt es sich bei allen drei Erwähnungen um dieselbe Person, so Modéran, „L’Afrique reconquise“, 44–45; die (vorsichtig formulierte) Identifizierung bereits bei Mandouze, Prosopographie, 884 (s. v. „Ponticanus 2“). Aufgrund dieser Annahme geht Adamiak, Carthage, 69, davon aus, dass Pontianus mit seinen Äußerungen das ganze Episkopat der Byzacena repräsentiert habe. Modéran, „L’Afrique reconquise“, 45, formuliert vorsichtiger: „Même si elle ne désigne pas explicitement son auteur comme un porte-parole, il se peut donc que sa lettre ait constitué une première réponse officielle de l’ensemble de l’épiscopat de Byzacène à Justinien.“ Vgl. auch Eno, „Doctrinal Authority“, 97. Pontianus von Thenae, Epistula ad Iustinianum Imperatorem (PL 67, 997A Migne), wahrscheinlich von 545. Vgl. Cameron, „Byzantine Africa“, 47; Tilley, „The Collapse“, 16; Maas, Exegesis and Em pire, 63–64 (mit englischer Übersetzung des Briefes); Modéran, „L’Afrique reconquise“, 44–45 (mit französischer Übersetzung); Adamiak, Carthage, 68–70; Dossey, „Exegesis and Dissent“, 251. Zur Unkenntnis der (griechischen) Texte bzw. Sachverhalte vgl. auch das von Liberatus von Karthago im Proömium seines Breuiarium genannte Ansinnen, das er mit seiner Schrift offenbar verfolgte, s. u. S. 83 (Anm. 341); vgl. Modéran, „L’Afrique reconquise“, 66. Hinsichtlich der Übermittlung von ins Lateinische übersetzten griechischen Dokumenten aus der antiochenischen Schule an Nordafrikaner wird oft auf das Lehr- oder Handbuch Instituta regularia diuina des Junillus Africanus, von 542 bis 549 quaestor sacri palatii bei Kaiser Justinian, verwiesen. Dieses ist Primasius von Hadru-
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Insgesamt war die Reaktion aus Nordafrika auf die Verurteilung der Drei Kapitel besonders intensiv und besonders nachhaltig.319 Dafür ist auch die Chronik des Victor von Tunnuna ein Zeugnis. Averil Cameron formuliert als Folge der Verurteilung der Drei Kapitel sehr zugespitzt: „The general effect of the condemnation of the Three Chapters was to turn the African church into a nationalistic organ and to cause it to reflect on the dubious benefits which liberation from the Arian Vandals had brought“.320 Allerdings war und blieb die nordafrikanische Kirche weiterhin in vielfältiger Weise mit dem byzantinischen Reich verknüpft.321 Camerons Aussage macht aber darauf aufmerksam, dass der Drei-Kapitel-Streit mit seinen heftigen Reaktionen in Nordafrika auch im Zusammenhang mit der byzantinischen Rückeroberung und ihren Auswirkungen für Nordafrika zu sehen ist. Der Aufruhr, den die Verurteilung der Drei Kapitel durch Justinian in Nordafrika verursachte, war also erstens auch ein Ausdruck „of the discomfort felt by many Roman Africans on realising how much the reconquest was going to interfere with their lives and indeed bring all the disadvantages of actual and dangerous warfare.“322
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metum gewidmet. In der Folge von Kihn, Theodor von Mopsuestia (1880), wird Junillus damit als Übermittler der Ideen von Paulus dem Perser, identifiziert mit Paulus von Nisibis, einem Schüler des Theodor von Mopsuestia, gesehen, der damit den Nordafrikanern die Theologie der antiochenischen Schule vermittelt habe; so etwa bei Cameron, „Byzantine Africa“, 46; Patout Burns/ Jensen, Christianity, 79; vgl. auch die Beispiele bei Maas, Exegesis and Empire, 10–11 (mit Anm. 20 zur Forschungsdiskussion; der Text der Instituta mit Übersetzung auf den S. 118–235). Maas arbeitet aber in seiner Studie heraus, dass Junillus vielmehr – trotz einer antiochenischen Tendenz – im justinianischen Sinn orthodox argumentiert und seine Schrift Teil eines Austausches zwischen zwei Exegeten, eben Junillus und Primasius, ist. Vgl. auch Modéran, „L’Afrique reconquise“, 66–67. Zur Einschätzung der sprachlichen Schwierigkeiten der Nordafrikaner bei der Rezeption der einschlägigen Schriften vgl. auch knapp Adamiak, Carthage, 85–86. Vgl. Markus, „Religious Dissent“, 142: „Resistance may have been widespread in the West; but we shall not be far wrong if we follow the lead of the imperial government in looking to Africa as the chief source of the intellectual vitality and of the moral strength behind it.“ Vgl. Modéran, „L’Afrique reconquise“, 42: Der bemerkenswerteste Zug der Krise der Drei Kaptel ist „la virulence et la radicalité de l’attitude des Africains“; vgl. ebd., 58–59. Ein Grund ist für Modéran (vgl. ebd., 63–64, das folgende Zitat 67) auch, dass einige der späteren Verteidiger der Drei Kapitel – auch Pontianus – Augenzeugen des Kampfes gegen die „Arianer“ gewesen seien. Die Vehemenz des Widerstandes der „Katholiken“ unter den „arianischen“ Vandalen setzte sich also im Drei-KapitelStreit im Widerstand der Verteidiger der Drei-Kapitel (und damit der dem Selbstverständnis nach Chalcedon-Treuen) fort: „L’expérience de la lutte contre les Vandales, que beaucoup avaient vécue, fut donc décisive, selon nous, à la fois dans la spontanéité et la vigueur de la réaction des clercs africains à la condamnation des Trois Chapitres“. Cameron, „Byzantine Africa“, 47; vgl. Conant, Staying Roman, 316–317, kritisch zu Cameron v. a. 330. Vgl. Conant, Staying Roman, 330, wo Conant die Integration der nordafrikanischen Kirche in die imperialen und kirchlichen Strukturen des byzantinischen Reiches des sechsten Jahrhunderts betont; vgl. auch ebd., 352, vgl. insgesamt die Darstellung ebd., 306–361. Cameron, „Byzantine Africa“, 45, die auch die Bedeutung der byzantinischen Verwaltung hervorhebt: Auch aufgrund dieser hätte sich der nordafrikanische Klerus wieder mehr nach Rom gewandt. Vgl. auch Markus, „Religious Dissent“, 146.
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Sowohl die steuerpolitischen Maßnahmen der neuen Herrscher als auch die Maurenaufstände trugen zu diesem „discomfort“ bei: Statt Ordnung und Ruhe, welche eine erhöhte Steuerlast rechtfertigen würden, sahen sich die Nordafrikaner einer größeren Bedrohung ihrer Existenz durch die Mauren gegenüber als zuvor.323 Zudem agierte der afrikanische Klerus wohl im Zusammenhang mit den Maurenaufständen vor dem Eingriff des Johannes Troglita324 immer wieder eigenständig auch in nicht genuin kirchlichen Angelegenheiten, indem er wichtige militärische Funktionen oder Funktionen von Staatsbeamten übernahm.325 Zweitens spielte auch die jüngere Vergangenheit für den heftigen Widerstand gegen die Verurteilung der Drei Kapitel in Nordafrika eine Rolle, nämlich die Geschichte der „katholischen“ Kirche Nordafrikas unter den Vandalen. Einerseits konnte diese doch (trotz der Verfolgungen) zu dieser Zeit relativ eigenständig agieren und entscheiden,326 andererseits hatte sie sich auch theologisch gegenüber den Homöern positioniert. Hierbei war bereits der Bezug auf die sich in den Konzilien zeigende Tradition der Väter essentiell. Dass dieses Erbe der Zeit der Verfolgungen unter den Vandalenherrschern im Drei-Kapitel-Streit fortwirkt, betont besonders Yves Modéran: L’idée qu’en matière de doctrine, seule la tradition des Pères, exprimée notamment dans les conciles, énonçait la vérité, et qu’aucune discussion ni aucun compromise n’étaient envisageables, avait été en effet un des leitmotiv de leur polémique contre les ariens à l’époque vandale, et elle était devenue pour eux une règle absolue.327
323 Vgl. Modéran, „L’Afrique reconquise“, 68–70, 81–82, der auch die Bedeutung der Koinzidenz des Drei-Kapitel-Streites und des großen Maurenkrieges („la grande guerre libyque“) 544–548 betont. 324 S. o. S. 52. 325 Vgl. Modéran, „L’Afrique reconquise“, 70–72; vgl. etwa Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 2,23,18–25; 2,26,23–28.31. 326 Vgl. Patout Burns/Jensen, Christianity, 79: Die reiche literarische theologisch-dogmatische Produktion von den späten 540ern bis in die frühen 560er Jahre in Nordafrika (Ferrandus von Karthago, Facundus von Hermiane, Liberatus von Karthago), zeige, dass „African clerics presumed the right to judge independently in matters of dogma and discipline“. 327 Modéran, „L’Afrique reconquise“, 61–68, hier 62, vgl. auch besonders ebd., 62–63 mit Verweis auf den Brief an das Konzil von Ephesus des Capreolus von Karthago (ACO 1,2 [64,7–65,9 Schwartz]); vgl. ebd., 65: „A cette entreprise de conversion [= der Mission der „Arianer“], il avait fallu opposer une théologie de combat, fondée sur une argumentation approfondie“, mit dem Hinweis auf Quodvultdeus, Vigilius von Thapsus und Fulgentius von Ruspe. Deren Argumentation sei zudem schon über „le conflict avec l’arianisme“ hinausgegangen. Vgl. auch die Hinweise zu Fulgentius von Ruspe, ebd., 65–66; vgl. auch zusammenfassend ebd., 81. Vgl. auch insgesamt Whelan, Being Christian, 109–137. Adamiak, Carthage, spricht in seinem Kapitel zu „The Specificity of the North African Church“ (11–52) vom „Erbe der Verfolgungen“ („The Legacy of the Persecutions“ [11–22]) und beschreibt diesbezüglich die Zeit vor Diokletian, die Donatisten und Circumcellionen sowie die Vandalen und Berber; er sieht also im „Erbe der Verfolgungen“ über die Herrschaft der Vandalen hinaus ein Charakteristikum der nordafrikanischen Kirche. Zur Bedeutung der Zeit der Vandalenherrschaft für die Chronik des Victor von Tunnuna s. u. bes. Kap. 5.5 und dann wieder 5.7.3. S. dazu auch die Hinweise o. S. 75 (Anm. 304).
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Besonders die Heftigkeit des Widerstandes habe hier ihren Ursprung: L’expérience de la lutte contre les Vandales, que beaucoup avaient vécue, fut donc décisive, selon nous, à la fois dans la spontanéité et la vigueur de la réaction des clercs africains à la condamnation des Trois Chapitres.328
Von der Gegenseite wird der Widerstand der Nordafrikaner gegen die Verurteilung der Drei Kapitel auch mit dem Agieren der Donatisten verglichen. Dies wird v. a. in Facundus’ Contra Mocianum erkennbar.329 In diesem Vergleich mit den früheren „Schismatikern“ kann man ein Moment der Wahrheit erkennen, wenn man hier die Tradition einer typisch afrikanischen Widerspruchshaltung sehen will. Dies hat vor allem Robert A. Markus betont: Der Leser von Contra Mocianum sei „left with the overwhelming impression that we are very close to a characteristically African stance of dissent – even though it is now dissent inspired by a sense of fidelity to conciliar decisions, especially to those of Chalcedon.“330 Damit hinge der Widerstand der nordafrikanischen Kirchen also drittens mit einer bereits länger bestehenden Tradition einer bestimmten Haltung gegenüber Autoritäten zusammen, in der diese Kirchen stehen, eben einer Tradition von dissent.331 Der argumentative Rückgriff auf den donatistischen Streit war allerdings schon in der Zeit der Vandalenherrschaft üblich, wie Robin Whelan herausgearbeitet hat, und zwar sowohl bei nizänischen als auch bei homöischen Christen. Beide Seiten griffen damit auf bekannte „Häretiker“ zurück, um die jeweiligen Gegner als eben solche zu diffamieren.332 Wenn Mocianus also den Verteidigern der Drei Kapitel vorwirft, den Donatisten zu ähneln,333 wirft dies jedenfalls nicht nur ein Licht auf eine mögliche Tradition des dissent, die sich hier ausdrückt, sondern v. a. auch auf eine Tradition der Argumentation im Rückgriff auf den donatistischen Streit,
328 Modéran, „L’Afrique reconquise“, 67. 329 Vgl. etwa Facundus von Hermiane, Contra Mocianum, 7; 17; vgl. Markus, „Religious Dissent“, 145: „Facundus’s reply [= Contra Mocianum] is substantially nothing more nor less than a defence against the charge of being party to a new Donatist schism.“ 330 Markus, „Religious Dissent“, 146. Vgl. ebd., 149: „The persistence and volume of dissent through out the history of African Christianity is striking enough to prompt the historians to seek an underlying thread behind the changing forms.“ Vgl. zustimmend, aber zurückhaltender Eno, „Doctrinal Authority“, 112. 331 So betont Markus, „Religious Dissent“, 148 die deutlichen Affinitäten zwischen dem Denken von afrikanischen Klerikern wie Ferrandus und Facundus und einer langen Tradition innerhalb der nordafrikanischen Kirchen, wie das Verhältnis von Kirche gegenüber der päpstlichen und säkularen Autorität zu denken sei. In dieser Tradition sei eben auch der Donatismus gestanden, und nun bediene sich die afrikanische Kirche ihrer erneut. Vgl. grundsätzlich zustimmend, aber vor Überbetonung dieses Faktors warnend Modéran, „L’Afrique reconquise“, 59–60. 332 Vgl. Whelan, Being Christian, 130–134, in Bezug z. B. auf Ps-Fulgentius, De trinitate und Hunerichs Edikt vom 24. Februar 484. 333 Vgl. Facundus von Hermiane, Contra Mocianum 7 (402,61–62 Clément/Vander Platese; Übers. 237 Solignac): si autem uidetur quia nos Donatistis similes sumus / „s’il pense que nous sommes semblables aux donatistes“.
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die im Drei-Kapiel-Streit fortgeführt wurde, weil sie offenbar weiterhin nützlich erschien.334 Bedenkt man die Bedeutung exegetischer Fragen bzw. von Entscheidungen über Exegeten (Origenes, Theodor von Mopsuestia) im Drei-Kapitel-Streit, ist noch an eine andere Ebene zu denken, die wichtig für den Widerstand in Nordafrika gegen die Verurteilung der Drei Kapitel war: Leslie Dossey hat jüngst eine weitere Interpretation dieses Widerstandes vorgelegt, in der sie dafür argumentiert, dieser sei v. a. der Widerstand von doctores gewesen – genauer gesagt ihres Rechtes, Texte selbst zu interpretieren: „At the core of the debate was a concern over the censorship of texts.“ Das Festhalten an der Freiheit der Interpretation von Texten – bei korrekter Intention, nämlich der Liebe, um Häresie und Schisma zu vermeiden –, zeige sich sowohl bei Ferrandus und Facundus als auch in den exegetischen Texten von Junillus und Primasius.335 Für die Entstehung und Entwicklung des (heftigen) Widerstandes gegen die Verurteilung der Drei Kapitel in Nordafrika haben letztlich wohl alle diese Gründe und Motive eine Rolle gespielt. Es lässt sich nicht grundsätzlich sagen, welcher Faktor hier der wichtigste war. Es wird sich später im Hinblick auf die Chronik des Victor von Tunnuna zeigen, ob für sie eines oder mehrere dieser Motive wichtig ist – und ob bzw. inwiefern hier von einer spezifischen nordafrikanischen Tradition gesprochen werden kann, in der die Chronik damit steht. 2.3.4 Wer ist verantwortlich für den Drei-Kapitel-Streit? Antworten aus Nordafrika Wen machen nordafrikanische Quellen für den Drei-Kapitel-Streit verantwortlich bzw. wer wird als dessen Urheber und somit als der Hauptschuldige dargestellt? Blicken wir zurück zu Justinian und zur Beurteilung seiner Rolle am bzw. für den Anfang des Drei-Kapitel-Streites: Erscheint Justinian in den bisherigen Geschehnissen als aktiv die Kirchenpolitik gestaltender Kaiser, ist es auffällig, dass für die Verurteilung 334 Vgl. Whelan, Being Christian, 134 zur Nützlichkeit dieser Argumentationstradition: „If both Nicenes and Homoians kept using arguments developed during the Donatist schism, it was because that was one of the best ways to claim ecclesiastical legitimacy within the African Christian community.“ Vgl. auch Whelans entsprechende Beobachtungen zum Konzil von Karthago 525, ebd., 136–137, hier 137: Das Vermächtnis des donatistischen Schismas zeige sich „in the use of the same arguments and the strategies to contest the status of the true church in a new ecclesiastical controversy“. 335 Mit der Intention der Vermeidung von Häresie und Schisma ist dieser Punkt mit den o. g. Faktoren verknüpft. Vgl. insgesamt Dossey, „Exegesis and Dissent“; vgl. ähnlich auch Sotinel, „Le rôle des expertises“. Ein Erbe der Verteidiger der Drei Kapitel in dieser Hinsicht sei, so Dossey, im Westen Cassiodor, der die Texte von Junillus, Facundus und Primasius – und auch von Origenes – rezipiere, was zeige, dass die nordafrikanischen Argumente nicht einfach mit dem Ende des Drei-KapitelStreites untergegangen seien. Zu Junillus s. o. S. 77–78 (Anm. 318).
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der Drei Kapitel durch Justinian sowohl bei Facundus von Hermiane (vgl. etwa Pro defensione trium capitulorum 2,1,3–4) als auch bei Liberatus von Karthago (vgl. Breuiarium 24)336 die dunklen Machenschaften von Hintermännern betont werden. Dies wird unterschiedlich gedeutet: Peter Bruns sieht die Rolle der Hintermänner bei Facundus von Hermiane vor dem Hintergrund von dessen Forderung der Orthodoxie für den Kaiser.337 Diese Forderung sei nicht nur eine captatio beneuolentiae, sondern entspreche Facundus’ „reichskirchliche[m] Denken“: Es sei für Facundus die Aufgabe des Kaisers, „seine äußere, weltliche Autorität einzusetzen, um die Kirche von ihrer Häresie zu reinigen.“ Von einem christlichen Kaiser habe ein Christ nichts zu fürchten (vgl. Pro defensione trium capitulorum 4,4,18): „Schriften, die der katholischen Lehre widerstreiten, sind offenkundig nicht vom Kaiser selbst, sondern von irgendwelchen Hintermännern in Umlauf gesetzt worden“. Facundus kann sich bei einem christlichen Kaiser also quasi nichts anderes vorstellen, positiv formuliert: Die Abschiebung der Verantwortung entspricht seinem Verständnis des christlichen Kaisers.338 Für Eduard Schwartz, Karl Leo Noethlichs und Mischa Meier hingegen hat die Darstellung der Machenschaften der Hintermänner einen anderen Grund: Facundus von Hermiane habe Justinian nun nicht direkt angreifen müssen. Justinian verurteilte die Drei Kapitel nur, weil er mit böser Absicht getäuscht wurde, also quasi als Opfer. Damit ist er letztlich nicht selbst verantwortlich, und somit gilt auch die Kritik an der Verurteilung der Drei Kapitel nicht ihm selbst. Gleichzeitig steht damit aber auch Facundus nicht im Verdacht, den Kaiser anzugreifen. Diese Deutung betont eine vorsichtigere, eine defensivere Haltung der Verteidiger der Drei Kapitel gegenüber dem Kaiser.339 Bezüglich des Breuiarium des Liberatus von Karthago geht Meier in der Deutung der Hintermänner noch einen Schritt weiter: Er hat herausgearbeitet, dass Liberatus, indem Justinian bei ihm Opfer „einer finsteren Intrige“ wird, die Verantwortung gerade von Justinian habe wegschieben wollen, um „seinem Publikum einen tendenziell günstigen Eindruck Justinians“ zu vermitteln.340 Der Kaiser wird also nicht aufgrund einer defensiven Haltung als Opfer einer Intrige dargestellt, sondern weil er positiv dargestellt werden soll, um damit ein anderes Ziel zu erreichen: Das tendenziell positive Bild 336 S. o. S. 66–67 zu Theodor Askidas. 337 Vgl. Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 1,1,1.3.13; 1,2,1; 2,3,22. 338 Bruns, „Zwischen Rom und Byzanz“, 170. Allerdings vertrete Facundus eine deutliche Trennung von Herrschertum, regnum, und Priestertum, sacerdotium, worin er im Gegensatz zu Justinian stehe. Dieser könne als Laie den Glaubensinhalt nicht beurteilen, er sei für die Verteidigung der Orthodoxie nach außen zuständig (vgl. ebd., 171–172; vgl. etwa Pro defensione trium capitulorum 12,5,25.27, wo Facundus mit Beispielen aus der Vergangenheit argumentiert). Und (Bruns, „Zwischen Rom und Byzanz“, 172): „Die Einheit im Glauben läßt sich nicht durch kaiserliches Dekret auf Kosten der Wahrheit erkaufen“ – aus Sicht des Facundus so geschehen bei Zeno (vgl. Pro defensione trium capitulorum 12,4,16). 339 Vgl. Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“; 304; Noethlichs, „Iustinianus (Kaiser)“, 695 (so auch zu Liberatus von Karthago); Meier, Das andere Zeitalter, 287. 340 Meier, „Das Breviarium“, 138.
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Justinians diene dem eigentlichen Ziel des Liberatus, nämlich der Vermittlung der oströmischen Kirchenpolitik an die Afrikaner und deren Akzeptanz: „Den nunmehr zum Oströmischen Reich gehörenden Afrikanern sollte auseinandergesetzt werden, wie im christlichen Imperium die Spielregeln der Kirchenpolitik funktionierten, in welcher Weise sie historisch verankert waren und sich bisher auch ausgezahlt hatten.“341 Dass die Nordafrikaner Facundus von Hermiane und Liberatus von Karthago versuchen,342 andere als Justinian für den Ausbruch des Drei-Kapitel-Streites verantwortlich zu machen – sei es, um eine positive Sicht auf Justinian sicherzustellen, um ihn aus Vorsicht nicht direkt anzugreifen, sei es, um die eigenen Landsleute für seine Politik empfänglich zu machen –, ist ein Hinweis darauf, auch bei der Analyse der Darstellung der Chronik aufmerksam zu sein für die dort dem Kaiser zugeschriebene Rolle und Verantwortung im Drei-Kapitel-Streit. Die Frage danach ist, wie später zu sehen sein wird, auch für die Bewertung der Chronik des Victor von Tununna und ihrer Intention von Relevanz.343 2.3.5 Vom Iudicatum des Vigilius bis zur Verurteilung der Drei Kapitel auf dem Konzil von Konstantinopel 553 Am 11. April 548 veröffentlichte Vigilius, nachdem er sich zuvor die Zustimmung der Bischöfe hatte zusichern lassen,344 seinen Urteilsspruch in der Sache der Drei Kapitel, das Iudicatum: Eine Verurteilung der Drei Kapitel bei gleichzeitiger Bekräftigung des Chalcedonense.345 Mit diesem sollte wohl vor allem informell eine Einigung erreicht werden.346 Die ablehnenden Reaktionen darauf waren jedoch im Westen besonders
341 Meier, „Das Breviarium“, 147. Cameron, „Byzantine Africa“, 47, hebt für das Breuiarium des Liberatus von Karthago ähnlich die Intention hervor, den Nordafrikanern grundlegendes Wissen über Nestorianismus und Monophysitismus zu vermitteln – so ja auch Liberatus von Karthago selbst in seinem prooemium (99,4–7 Schwartz): Quod faciens pro mea eruditione et responsione contra falsiloquos utrarumque partium sectatores, qui consueto studio aliter loquuntur de suis auctoribus quam ueritas habet, libenter offero catholicis fratribus ignorantibus acta ipsarum heresum et legere uolentibus. / „Dies mache ich für meine Bildung und als Antwort gegen die lügenhaften Anhänger von beiden Seiten, die mit gewohntem Eifer anders sprechen über ihre Urheber als es sich tatsächlich verhält, und gerne biete ich dies den katholischen Brüdern, die die Umstände der Häresien selbst nicht kennen und die es lesen wollen, an.“ 342 Auch in den Vigiliusbriefen (Epistula 1 und 2) wird die Verantwortung für den Drei-Kapitel-Streit Theodor Askidas zugeschrieben, vgl. Gleede, „Liberatus‘ Polemik“, 124–125; s. auch o. S. 66–67. 343 S. o. S. 13 zur Deutung der Chronik als „antikaiserliche Streitschrift“ durch Pewesin. 344 S. o. S. 73. 345 Zum Teil überliefert in ACO 4,1 (11,21–12,6 Straub); vgl. Collectio Auellana 83 (316,4–317,16 Guen ther). 346 Vgl. Noethlichs, „Iustinianus (Kaiser)“, 696.
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heftig,347 v. a. in Nordafrika. Victor von Tunnuna berichtet sogar (Chronicon 141) von der Exkommunikation des Papstes durch eine nordafrikanische Synode.348 Vigilius wollte das Iudicatum nun zurücknehmen.349 Justinian gab diesem Ansinnen nach, nahm Vigilius aber den Eid ab, alles zur Verurteilung der Drei Kapitel zu unternehmen und den Kaiser über jeglichen Widerstand zu informieren. Bis zu einem Konzilsentscheid solle nichts weiter unternommen werden.350 In der Folge wurden verschiedene Bischöfe abgesetzt. Im Juli 551 veröffentlichte Justinian erneut ein Dekret351 oder Edikt, die Confessio rectae fidei, worin er die Drei Kapitel verurteilte und seine Treue zu Chalcedon erklärte. Grundsätzlich hält Justinian in diesem Edikt an der Formel von der einen Hypostase in zwei Naturen, also an der Formel von Chalcedon, fest, die Einung i. S. der henosis (bzw. synthesis) wird aber mit kyrillischen Elementen stärker betont.352 Dabei stellt sich Justinian in die Tradition der Väter, sowohl bezüglich der dogmatischen Inhalte als auch bezüglich der gewählten Methode der Interpretation der jeweiligen Texte,353 und er verteidigt sich in der Schrift gegen Angriffe der Gegner der Verurteilung der Drei
347 Auch im Osten sorgte das Iudicatum aber nicht für Ruhe, vgl. Noethlichs, „Iustinianus (Kaiser)“, 696–697. 348 Vgl. Bruns, „Zwischen Rom und Byzanz“, 155 (mit Anm. 21), mit Verweis auf die einen Konflikt mit Rom und Africa zeigenden Briefe des Vigilius an Valentinianus von Tomi (18.03.550; veröffentlicht in den Akten des Konzils von Konstantinopel 553 [ACO 4,1 (195,1–196,36 Straub)]) sowie an Rusticus, seinen Neffen, und Sebastianus, welche Vigilius absetzte. Der Brief an Rusticus und an Sebastianus ist kurz nach dem ersten Brief zu datieren, so Price, The Acts of Constantinople 553 2, 81 (Anm. 21), bzw. auf den 15.08.550 (Bruns, „Zwischen Rom und Byzanz“, 155 [Anm. 21]); veröffentlicht in den Akten des Konzils von Konstantinopel (ACO 4,1 [188,23–194,36 Straub]). Rusticus unterstützte zunächst das Iudicatum, bei seinem Umschwenken spielte wohl Felix Gillitanus eine Rolle, der im selben Brief exkommuniziert wurde; vgl. Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 311–312; zu Felix s. u. Kap. 5.7.3.3 und 5.7.3.6. Vgl. auch Sotinel, „Vigilio“, 522; dies., „Das Dilemma des Westens“, 466, mit Bezug v. a. auf Victor von Tunnuna, Chronicon 139 und 141; dies., „Autorité pontificale“, 458–459. Zu Chronicon 141 s. u. Kap. 5.7.3.2. 349 Vgl. Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 446–447; vgl. Collectio Auellana 83,297. 350 Vgl. Maraval, „Die Religionspolitik“, 450–451; Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 313; Gleede, „Liberatus’ Polemik“, 110; der Eid in ACO 4,1 (198,30–199,20 Straub), allerdings in der Echtheit umstritten, vgl. Noethlichs, „Iustinianus (Kaiser)“, 697. 351 So genannt bei Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 2,3,19. 352 Vgl. Maraval, „Die Religionspolitik“, 451; das Edikt bei Schwartz, Drei dogmatische Schriften, 72–111 (lat. betitelt als Edictum […] rectae fidei confessionem continens et refutationem heresium quae aduersantur catholicae dei ecclesiae); vgl. dazu auch in den „Bemerkungen“, 116–117; die englische Übersetzung bei Price, The Acts of Constantinople 553 1, 129–159; vgl. auch ebd., 122–129 zur Einführung. Zum Edikt vgl. auch Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 447–449, 455–459, 484. Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 314, sieht im Hintergrund wieder ein Agieren des Theodor Askidas. Das Schreiben wird zitiert im Chronicon paschale, Olympiade 333 (636,1–684,15 Dindorf). 353 Vgl. Justinian, Confessio rectae fidei (74,35; 84,13–14; 86,18–19 Schwartz); vgl. Graumann, „Orthodoxy“, 228 (mit Anm. 22); vgl. auch Justinian, Confessio rectae fidei (100,10–19 Schwartz) mit Bezug auf Athanasius’ methodischen Zugang zum Problem der Diskrepanzen zwischen einzelnen Äußerungen und anderen Texten eines Autors (konkret Dionysius); vgl. dazu bzw. zu Justinians Umgang damit Graumann, „Orthodoxy“, 227–231.
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Kapitel. Die Drei Kapitel sind v. a. Thema in Confessio rectae fidei, Anathemata 11–13, wobei Justinian sich am ausführlichsten der Argumentation bezüglich des Briefes des Ibas und seiner Behandlung auf dem Konzil von Chalcedon in Confessio rectae fidei, Anathema 13 widmet.354 Wahrscheinlich antwortete Justinian mit seinem Edikt auf Facundus von Hermianes Schrift Pro defensione trium capitulorum.355 Vigilius forderte die Rücknahme des Ediktes356 und war massiven Schikanen ausgesetzt, so dass er schließlich in die Kirche der heiligen Euphemia in Chalcedon flüchtete.357 Es wurde mehrfach versucht, ihn aus dem Asyl fortzubringen. Vigilius wandte sich zwei Mal an die Öffentlichkeit und prangerte nicht nur die ihm angetane Gewalt an, sondern fügte auch eine expositio fidei bei, ein Glaubensbekenntnis in Übereinstimmung mit den vier ersten Konzilien, allerdings ohne Erwähnung der Drei Kapitel.358 Der Westen scheint über die Geschehnisse um Vigilius zu dieser Zeit schlecht bzw. einseitig informiert gewesen zu sein, was auch ein Brief italienischer Kleriker an fränkische Gesandte (552)359 zeigt: Auf ihrer Reise nach Konstantinopel werden sie vor den Gefahren, die „katholische“ sacerdotes dort erleiden müssen – persecutiones und uiolentiae – gewarnt. Es lässt sich durch den Brief aber auch erkennen, dass Vigilius dem Westen erfolgreich als Chalcedon-Gegner präsentiert worden war, wohl durch die bereits erwähnten Diakone Rusticus und Sebastianus.360 Andererseits wird berichtet, dass gerade die Afrikaner bereit waren, die Diskussionen mit Papst und Kaiser erneut
354 Vgl. Graumann, „Orthodoxy“, 226–227, 231. Justinian argumentiert hier u. a., der Brief des Ibas könne als heterodoxes Dokument nicht vom Konzil als ganzem, als corpus, befürwortet worden sein, denn als ganzes Konzil bezeuge es die Orthodoxie, unabhängig von den Aussagen Einzelner; vgl. Justinian, Confessio rectae fidei (100,6–10 Schwartz). 355 Vgl. Pewesin, Imperium, 139–141; Cameron, „Byzantine Africa“, 47. 356 Er verstand es wohl als Vertragsbruch, da ja vereinbart worden war, dass bis zu einem Konzil in der Sache der Drei Kapitel nichts mehr unternommen werden sollte, s. o. Anm. 350. Vgl. Vigilius, Epistula 1 (Vigiliusbriefe 1 [2,4–13 Schwartz]). Dort droht Vigilius auch mit der Exkommunikaton derer, die das Edikt annehmen. Vgl. auch Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 314–315. 357 Vgl. Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 315–316. Zur Kirche Euphemia s. u. S. 428–429. 358 Vgl. Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 317; mit Hinweis auf Vigiliusbriefe 1 (5. Februar 552); vgl. auch die Mitteilung an die fränkischen Gesandten mit einem Glaubensbekenntnis des Vigilius (Brief des Vigilius), Vigiliusbriefe 3 (16,24–18,19 Schwartz); vgl. dazu auch die Erläuterungen bei Schwartz, „Vigiliusbriefe“, 29–32. Vgl. auch Maraval, „Die Religionspolitik“, 452–453, allerdings mit Hinweis auf Vigiliusbriefe 2 (10,24–15,15 Schwartz). 359 Zum Brief vgl. auch Sotinel, „The Three Chapters“, 92. Er zeige mehrere charakteristische Ansichten des italienischen Klerus: „unshaken confidence in Pope Vigilius; a sense of solidarity with the western churches – especially of Africa – against ‚the Greeks‘; sharp distrust of the rumours circulating in Italy; and reasoned rejection of an ecclesiastical model regarded as ‚Greek‘“. 360 Vgl. Sotinel, „Das Dilemma des Westens“, 467–468. Auch wenn Rusticus und Sebastianus in dem Brief nicht namentlich genannt werden, zeigen die Italiener sich in dem Brief gut über ihre Agita tionen informiert. Der Brief italienischer Kleriker an fränkische Gesandte (Epistula legatariis): Epistula 4 (438,24–442,24 Gundlach) = Vigiliusbriefe 4 (18,23–25,6 Schwartz). Für Italien spielte allerdings andererseits auch Datius von Mailand eine Rolle für eine positive Rezeption des Vigilius, vgl. Sotinel, „Vigilio“, 517, 528.
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aufzunehmen – in diesem Zuge kommt auch Reparatus von Karthago nach Konstantinopel, wovon der Brief auch berichtet.361 Nach weiteren Einschüchterungsversuchen durch Justinian und Gegenreaktionen des Papstes stimmte dieser schließlich der Einberufung eines Konzils, bei dem über die Drei Kapitel verhandelt werden sollte, zu.362 Jedoch kam es zu weiteren Streitigkeiten über dessen Besetzung und dessen Ort.363 Das Konzil kam am 5. Mai 553 ohne Vigilius zusammen.364 Vorsitzender war Eutychius von Konstantinopel. Neben sechs nordafrikanischen Bischöfen nahmen nur Bischöfe aus dem Osten teil, auch die Patriarchen von Alexandria und Antiochien.365 Justinian war nicht anwesend, wodurch er versuchte, dem Konzil Unabhängigkeit zu signalisieren. Dennoch zeigte er durch einen Brief (forma), der zu Beginn der ersten Sitzung verlesen wurde, dass seine Vorgaben wie die Verurteilung der Drei Kapitel zu befolgen seien, und er legte auch noch einmal die Ziele seiner Drei-Kapitel-Politik dar: die Restitution der kirchlichen Gemeinschaft und die Verteidigung Chalcedons gegen
361 Vgl. Epistula legatariis (19,27–21,2 Schwartz); vgl. Modéran, „L’Afrique reconquise“, 49–51. Zu Reparatus und anderen afrikanischen Bischöfen, die nach der Chronik des Victor von Tunnuna nach Konstantinopel kommen s. u. Kap. 5.7.3.2 zu Chronicon 143. 362 In einem Brief an den Nachfolger des Menas, Eutychius von Konstantinopel, vom 06./07.01.553 (PL 69,65B– 68B Migne), ein Antwortschreiben auf dessen professio fidei, später aufgenommen in das Constitutum des Vigilius (Collectio Auellana 83,11–18 [232,22–234,14 Guenther]); vgl. Haacke, „Die kaiserliche Politik“, 171. 363 Vgl. Collectio Auellana 83,20–22; vgl. ACO 4,1 (12,17–38; 25,22–26,9 Straub). Vgl. Maraval, „Die Religionspolitik“, 452–453; Noethlichs, „Iustinianus (Kaiser)“, 697–698. 364 Vgl. insgesamt zum Konzil und seiner theologischen Aussage Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 459–484. 365 Vgl. Maraval, „Die Religionspolitik“, 453; Price, The Acts of Constantinople 553 1, 51, spricht von sieben Bischöfen aus Africa und neun aus dem Illyricum. Die genaue Zahl der beim Konzil insgesamt anwesenden Bischöfe wird unterschiedlich wiedergegeben: Chrysos, Die Bischofslisten, 44–51, 138–144, verweist auf 166 Bischöfe, die die dogmatischen canones des Konzils unterschrieben hätten, in den Bischofslisten seien insgesamt 9 Afrikaner verzeichnet. Diese Zahl von afrikanischen Bischöfen gibt auch Maier, L’Épiscopat, 78 an. Noethlichs, „Iustiniaus (Kaiser)“, 698 geht von einer Gesamtzahl von 164 Bischöfen aus, unter ihnen acht Afrikaner; so auch Modéran, „L’Afrique reconquise“, 54. Nur ein Bischof, Pompeianus von Victoriana, scheint aus der Byzacena gewesen zu sein, vgl. Adamiak, Carthage, 75; Modéran, „L’Afrique reconquise“, 75; vgl. die Listen in ACO 4,1 (4,8; 21,4; 33,8; 40,5; 204,5; die Unterschrift verzeichnet in 225,6–7 Straub). Pompeianus verstand sich offenbar als Vertreter der gesamten Byzacena auf dem Konzil, vgl. Price, The Acts of Constantinople 553 2, 293 (Anm. 14): „Its high position in the list and the designation of its bishop in the attendance list as simply ‚bishop of Byzacena‘ imply that he claimed to represent his province, despite the presence in the city of Primasius of Hadrumetum, active in the opposition to the council.“ Es sei unklar, ob die kleine Zahl von afrikanischen Bischöfen Resultat einer strengen Auswahl war oder Reflex dessen, dass nicht mehr (im kaiserlichen Sinn) zuverlässige Bischöfe gefunden werden konnten, so Modéran, „L’Afrique reconquise“, 54 mit Verweis auf einen entsprechenden Bericht zum Handeln des praefectus Africae in der Epistula legatariis (21,2–5 Schwartz).
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die Anhänger von Eutyches und Nestorius.366 Auch sein Konzilsverständnis machte Justinian deutlich: Semper studium fuit orthodoxis et piis imperatoribus patribus nostris pro tempore exortas haereses per congregationem religiosissimorum episcoporum amputare et recta fide sincere praedicata in pace sanctam dei ecclesiam custodire.367
So ist es wohl gerechtfertigt, Meier in seiner Einschätzung zu folgen: „Selbst das äußerlich unabhängig tagende 5. Ökumenische Konzil stand letztlich ganz unter dem Einfluß des Kaisers und diente lediglich der Ratifizierung seiner Entscheidungen.“368 Trotz mehrfacher Aufforderung kam Vigilius nicht zum Konzil dazu.369 Er erklärte, er werde eine eigene Beurteilung abgeben, und falls er dies nicht innerhalb von zwanzig Tagen tun werde, werde er den Entscheidungen des Konzils folgen – jedenfalls aber werde er nicht die communio mit den Anwesenden verlassen.370
366 Vgl. Maraval, „Die Religionspolitik“, 453–454. Vgl. ACO 4,1 (8,13–14,27, das folgende Zitat 10,12–19 Straub; Übers. 1,192 Price): […] initium et fundamentum nostri imperii fecimus coniungere diuisos sacerdotes sanctarum dei ecclesiarum ab Oriente usque Occidentem et omnem contentionem amputantes, quae is contra Calchedonensem sanctam synodum ab Eutychis et Nestorii impiorum sequacibus mouebatur, fecimus praedicari eandem sanctam synodum cum praedictis aliis sanctis tribus conciliis in dei ecclesiis, certe scientes quod ea quae ab ea de fide exposita sunt, consonant per omnia aliis tribus sanctis conciliis. / „We made it the start and foundation of our reign to unite the divided priests of the holy churches of God from east to west, and in order to suppress all the contention that the followers of the impious Eutyches and Nestorius were stirring up against the holy Council of Chalcedon, we made the same holy council to be proclaimed in the churches of God together with the aforesaid other holy councils, knowing for certain that its teaching on the faith accords in all respects with the three other holy councils.“ Vgl. auch Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 460; Price, The Acts of Constantinople 553 1, 29; ders., „The Second Council“, 130. 367 ACO 4,1 (8,19–22 Straub): „Es war immer das Streben für die rechtgläubigen und frommen Kaiser, unsere Väter, die in der jeweiligen Zeit aufgetretenen Häresien durch eine Versammlung der gottesfürchtigsten Bischöfe abzuschneiden und die heilige Kirche Gottes im Frieden zu bewahren durch den richtigen, rein gepredigten Glauben.“ Vgl. Noethlichs, „Iustinianus (Kaiser)“, 698: „Die Kaiser versammeln die Bischöfe, um Irrlehren zu beseitigen, den rechten Glauben zu verkünden u. die Kirche in Frieden zu behüten.“ Zum Frieden der Kirchen in Bezug auf das Konzil von Chalcedon (Victor von Tunnuna, Chronicon 10) s. u. Kap. 5.1.3. 368 Meier, Das andere Zeitalter, 293. 369 Vgl. die Berichte darüber in der 2. Sitzung des Konzils (Actio secunda 5 und 8–11 [ACO 4,1 (24,31– 27,5; 27,18–29,15 Straub)]). Vgl. auch Noethlichs, „Iustinanus (Kaiser)“, 697, zu den Gründen (Forderungen wie ein Tagungsort im Westen seien nicht erfüllt worden). Vigilius’ o. g. grundsätzliche Zustimmung zu einem Konzil (Antwortschreiben an Eutychius) wurde in der ersten Sitzung verlesen, vgl. ACO 4,1 (16,17–17,31 Straub). 370 Vgl. ACO 4,1 (26,11–14 Straub; Übers. 1,212 Price): Et uobis autem similia dico hoc adiciens quod, nisi intra praedictos dies manifestam meam faciam uoluntatem, quidquid uos de capitulis istis ordinaueritis, sequor uos et non separo me de uestra communione / „And I say the same to you, adding this, that unless I make known my will within the aforesaid days [= zwanzig Tage], whatever you decide about those chapters, I follow you and do not separate myself from your communion“. Die Forderung der Beibehaltung der communio wird auch durch die zu Vigilius gesandten Bischöfe betont (ACO 4,1 [26,29–30 Straub; Übers. 1,213 Price]): permanetis in nostra communione et condemnatis a nobis tribus capitulis / „you remain in our communion even after we have condemned the Three Chap-
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Das Konzil verhandelte die Frage der Drei Kapitel in seiner vierten, fünften und sechsten Sitzung:371 In der vierten Sitzung des Konzils wurde zuerst Theodor von Mopsuestia behandelt, indem Teile seiner Schriften verlesen wurden, um seine blasphemiae darzustellen und ihn der Häresie zu überführen. Er wurde aber noch nicht abschließend verurteilt.372 In der fünften Sitzung wurde der Fall des Theodor daher anhand dessen, quae de ipso sancti patres dixerunt et imperialibus legibus et historicis conscriptis continentur,373 weiter verhandelt. Es wurde zudem geprüft, ob es schon einmal den Fall gegeben hatte, Verstorbene zu verurteilen, und es wurden Beispiele dafür angeführt.374 Es entspreche der kirchlichen Tradition, Häretiker posthum zu verurteilen.375 Schließlich wurden in derselben Sitzung noch Exzerpte aus den antikyrillischen Schriften des Theodoret von Kyrrhos verlesen – desjenigen der Drei Kapitel, der im ganzen Streit am wenigsten diskutiert wurde –, um zu zeigen dass sie dem Brief des Ibas ähnelten und gleich diesem verwerflich seien.376 Der Brief des Ibas von Edessa an den Perser Mari wurde in der sechsten Sitzung des Konzils verhandelt, in weiten Teilen präsentiert von Theodor Askidas. Auch hier wurde u. a. die Argumentation der Unechtheit des Briefes aufgegriffen. Der Brief wurde aber ebenso theologisch auseinandergenommen und als nestorianisch interpretiert. Das Bekenntnis von Chalcedon widerspreche seinem Inhalt; wer den Brief anerkenne, lehne Chalcedon ab.377
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ters“. Vgl. Price, The Acts of Constantinople 553 1, 213 (Anm. 16), der dies als Forderung an Vigilius versteht, nicht mit Exkommunikation zu reagieren wie nach Justinians Edikt Confessio rectae fidei (vgl. Vigiliusbriefe 1). Vgl. Price, The Acts of Constantinople 553 1, 52: „These sessions consisted of a one-sided presentation of the case against the chapters; though the final verdict was utterly predictable, the bishops held back from pronouncing it immediately, presumably in the hope that Vigilius might even now be induced to take part.“ Zusammengefasst bei Price, The Acts of Constantinople 553 1, 225–226; zur Auswahl der Texte Theodors vgl. ebd., 227–230; der Text der Actio in ACO 4,1 (39–72 Straub), zur noch nicht abschließenden Verurteilung vgl. ACO 4,1 (72,23–30 Straub [Actio quarta 83]). ACO 4,1 (73,22–23 Straub [Actio quinta 2]; Übers. 1,283 Price): „of what the holy fathers said about him and what is contained in imperial laws and historical writings“. So auch Justinians Anweisung in Actio prima 7,15; vgl. Price, The Acts of Constantinople 553 1, 271; zur Einordnung der verlesenen Texte in die Kontroversen der 430er Jahre und ihrer Präsentation auf dem Konzil vgl. ebd., 271–279. Vgl. auch Justinian, Confessio rectae fidei (102,16–106,5 Schwartz). Vgl. ACO 4,1 (Actio quinta 93 [130,5–7 Straub; Übers. 1,358 Price]): Sufficiunt quidem quae dicta et prolata sunt, ecclesiasticam traditionem demonstrare eo quod oportet haereticos et post mortem anathematizari. / „What has been stated and produced is sufficient to prove the church tradition that it is proper to anathematize heretics even after death.“ Vgl. zusammenfassend zur Sitzung Price, The Acts of Constantinople 553 1, 271; vgl. auch kurz Maraval, Die Religionspolitik, 455; der Text der Actio in ACO 4,1 (73–136 Straub). Vgl. zur Rolle der Schriften Theodorets im Drei-Kapitel-Streit Price, The Acts of Constantinople 553 1, 84–88, zur Verurteilung in dieser Sitzung vgl. ebd., 281–282. Vgl. zur Argumentation des Theodor Askidas in dieser Sitzung Price, „The Second Council“, 127–129; Graumann, „Orthodoxy“, 231–235. Vgl. Price, The Acts of Constantinople 553 2, 3–5; Price, „The Three Chapters Controversy“, 27–29; der Text der sechsten Sitzung in ACO 4,1 (137–182 Straub). Das Gesamturteil sprach Eutychius von Konstantinopel für das ganze Konzil (Actio sexta 30), wobei er grundsätzlich Justinians Confessio
Der Drei-Kapitel-Streit: Der theologiegeschichtlich-kirchenpolitische Kontext der Chronik
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Vigilius hatte in der Zwischenzeit seine angekündigte eigene Beurteilung in der Frage der Drei Kapitel verfasst, das Constitutum.378 Es wurde am 14. Mai von drei römischen Diakonen und siebzehn weiteren Bischöfen, darunter Primasius von Hadrumetum, in Konstantinopel unterzeichnet, jedoch erst am 25. Mai dem Kaiser übergeben.379 Justinian lehnte das Dokument jedoch ab: Es „war überflüssig, wenn es die Drei Kapitel verurteilte, da sich der Papst bereits gegen sie ausgesprochen hatte, und es war unannehmbar, wenn er sie guthieß, da er sich damit selbst wiedersprochen hätte.“380 Im Constitutum werden Auszüge aus den Werken Theodors von Mopsuestia präsentiert, die für häretisch befunden werden, wenngleich die Verurteilung eines Verstorbenen abgelehnt wird. Theodoret von Kyrrhos und der Brief des Ibas von Edessa an Mari werden verteidigt; ebenso die Autorität des Konzils von Chalcedon.381 Abschließend wird verboten, irgendetwas anderes als im Constitutum dargelegt über die Drei Kapitel zu schreiben, zu lehren oder weiter zu untersuchen.382 Das Dokument ähnelt v. a. in seiner Verteidigung der Drei Kapitel Pelagius’ 554 herausgegebener Schrift In defensione trium capitulorum.383 Sein Anliegen ist aber v. a. darin zu sehen, den Papst vor dem Vorwurf der Häresie zu schützen und seine Leser davon zu überzeugen, dass dessen Weigerung, die Drei Kapitel zu verurteilen, sein Festhalten an der kyrillischen Christologie, wie sie Justinian in der Confessio rectae fidei dargelegt hatte, nicht kompromittierte.384
rectae fidei folgte, im Einzelnen aber von den Argumenten Justinians abwich; vgl. Price, The Acts of Constantinople 553 2, 5. 378 Vigilius, Constitutum de tribus capitulis (= Collectio Auellana 83 [230,19–320,16 Guenther]). 379 Vgl. Vigilius, Constitutum de tribus capitulis 307–314 (318,15–320,11 Guenther). 380 Maraval, „Die Religionspolitik“, 455; vgl. Actio septima 4,2 (ACO 4,1, 185,10–42 [hier 34–40 Straub; Übers. 2,77 Price]): Cum autem hoc recusasti [= das Kommen zum Konzil und das Urteilen über die Drei Kapitel], dicis uero quaedam solus scripsisse per te de his tribus capitulis, si quidem condemnasti ea consonanter his quae iam facta ante sunt, habemus multa talia scripta quae fecisti, et altero non indigemus; si autem aliquid contrarium his quae iam ante facta sunt, in praesenti fecisti, tu te ipsum per tua scripta condemnas a rectis desistens dogmatibus et impietatem defendens. Et quomodo a te habemus talem chartam suscipere? / „But since you have refused to do this and say that you have written certain things on your own about these Three Chapters –, if you have condemned them in accord with previous transactions, we possess many such writings that you have composed and have no need of another; but if you have composed at the present time something contrary to what was already composed before, you condemn yourself in your writings by forsaking orthodox doctrines and defending impiety. How can I accept such a document from you?“ Das Constitutum wurde daher wahrscheinlich nie veröffentlicht, vgl. Zettl, Die Bestätigung, 13; Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 461 (Anm. 502). 381 Vgl. Price, The Acts of Constantinople 553 2, 141–144 für eine Zusammenfassung der (weiteren) Inhalte. Vgl. auch Maraval, „Die Religionspolitik“, 455–456. 382 Vgl. Vigilius, Constitutum de tribus capitulis 305–306. 383 Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 461, hebt daher die Rolle des Pelagius beim Verfassen des Constitutum hervor. 384 Vgl. Price, The Acts of Constantinople 553 2, 144.
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Von den Geschehnissen um die Übergabe des Constitutum wurde zu Beginn der siebten Sitzung385 berichtet, die dann im Folgenden das Problem der Haltung des Papstes behandelte. Es wurden die Dokumente vorgebracht, die zeigen sollten, wie sich Vigilius zuvor in der Frage der Drei Kapitel positioniert hatte, wie die o. g. geheimen Briefe an Justinian und an Theodora.386 Die Gemeinschaft mit der Kirche Roms wurde zwar beibehalten,387 der Name des Papstes aber als dem Christlichen „fremd“ bezeichnet und aus den Diptychen getilgt.388 Damit war Vigilius quasi von seinem Amt suspendiert.389 Seine Opposition stand nicht mehr im Weg, und die Frage der Drei Kapitel konnte in der achten und letzten Sitzung des Konzils abschließend beurteilt werden.390 Nach einer Zusammenfassung der in den vorherigen Sitzungen zusammengetragenen Argumente erfolgte die formale Verurteilung der Drei Kapitel: des Theodor von Mopsuestia und seiner gottlosen Schriften, der Schriften des Theodoret von Kyrrhos gegen den rechten Glauben, gegen die zwölf Anathematismen des Kyrill von Alexandria, gegen das Konzil von Ephesus und zur Verteidigung des Theodor und des Nestorius, sowie des Briefes an den Perser Mari, der Ibas zugeschrieben wird.391 385 Vgl. Actio septima 4 (ACO 4,1 [183,23–187,18; die Sitzung insgesamt 183–202 Straub]). 386 S. o. S. 73. 387 Vgl. Actio septima 17 (ACO 4,1 [202,18–19 Straub; Übers. 2,101 Price]): Seruemus itaque unitatem ad apostolicam sacrosanctae ecclesiae sedem antiquioris Romae. / „Let us therefore preserve unity with the apostolic see of the sacrosanct church of Elder Rome“. 388 Vgl. Actio septima 16,3 (ACO 4,1 [202,7–8 Straub; Übers. 2,101 Price]): His igitur ab eo factis alienum Christianis iudicauimus nomen ipsius sacris diptychis non recitari. / „Since therefore he has acted in this way, we have pronounced that his name is alien to Christians and is not to be read out in the sacred diptychs“. Zur Bedeutung dieses Aktes vgl. kurz Sotinel, „Das Dilemma des Westens“, 472: Durch die Erwähnung bzw. eben Nicht-Erwähnung in den Diptychen, die im Gottesdienst verlesen wurden, wurde seit dem Ende des fünften Jahrhunderts das Bestehen bzw. das Fehlen der kirchlichen Gemeinschaft ausgedrückt. 389 Vgl. Price, The Acts of Constantinople 553 2, 73–74, vgl. 102: Er wurde nicht formal abgesetzt, impliziert wurde aber, „if he refused to yield to the council, deposition would swiftly follow“. Vgl. auch Maraval, „Die Religionspolitik“, 456: „Vigilius’ Verhalten wurde getadelt, ohne daß das Konzil Maßnahmen gegen ihn ergriffen hätte. Man unterschied zwischen dem sedens (Vigilius) und der sedes Apostolica. Letztere wurde nicht angegriffen, dafür aber der sedens.“ Eine solche Unterscheidung findet sich später auch gegenüber Pelagius: Nach seiner Einsetzung als Papst wollten Bischöfe aus der Tuscia Annonaria zwar mit der römischen Kirche Gemeinschaft haben, nicht aber mit ihm als Papst; vgl. Pelagius I., Epistula 10; vgl. Sotinel, „Das Dilemma des Westens“, 472–473. 390 Der Text der achten Sitzung in ACO 4,1 (203–231 Straub). 391 Vgl. Actio octaua 4,27 (ACO 4,1 [214,16–34 Straub; Übers. 2,118–119 Price]): Condemnamus autem et anathematizamus una cum aliis omnibus haereticis qui condemnati et anathematizati sunt a praedictis sanctis quattuor conciliis et a sancta catholica et apostolica ecclesia, et Theodorum qui Mopsuestiae episcopus fuit, et impia eius conscripta et quae impie Theodoretus conscripsit contra rectam fidem et contra duodecim capitula sancti Cyrilli et contra Ephesenam primam synodum, et quae ad defensionem Theodori et Nestorii ab eo scripta sunt. Super haec anathematizamus et impiam epistolam quam dicitur Ibas ad Marim Persam scripsisse […]. Praedicta igitur tria capitula anathematizamus, id est Theodorum impium Mopsuestenum cum nefandis eius conscriptis et quae impie Theodoretus conscripsit, et impiam epistolam quae dicitur Ibae, et defensores eorum et qui scripserunt uel qui scribunt ad defensionem eorum uel recta ea dicere praesumunt uel omnino impietatem eorum nomine sanctorum patrum aut sancti Calchedonensis concilii defenderunt aut defendere conantur. / „Together with all the other her-
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Die 14 canones des Konzils (215,8–220,14 Straub) sind eine erweiterte Fassung von Justinians Confessio rectae fidei. Die Verurteilungen der Drei Kapitel werden in den canones 12–14 festgehalten. Die canones 1–10 bestätigen im Prinzip das Bekenntnis zu Chalcedon; canon 11 bezieht sich auf die Verurteilung des Origenes.392 Damit war 122 Jahre nach dem Konzil von Ephesus 431 erneut der Nestorianismus mit seinen Hauptthesen verurteilt und Chalcedon durch die Verurteilung der des „Nestorianismus“ bezichtigten Drei Kapitel vom Verdacht des „Nestorianismus“ „befreit“.393 Das Konzil versichert abschließend noch einmal, mit seinem Bekenntnis der Lehre der Schrift, den Vätern und den vier Konzilien zu folgen.394 Die prochalcedonensischen Bischöfe, die am Konzil teilgenommen hatten, stimmten dem Konzil ohne größere Widerstände zu. Der Status von Vigilius hingegen blieb zunächst offen: „There were only two ways in which the impasse could now be resolved – either by the formal trial and deposition of Vigilius or by his capitulation, in which case his name could be restored to the diptychs.“395 Es ist zu vermuten, dass Vigilius daher in der Folge weiterem Druck ausgesetzt war.396 Schließlich verurteilte Vigilius die Drei Kapitel zunächst in einem kurzen Brief an Eutychius von Konstanti-
etics who were condemned and anathematized by the aforesaid holy four councils and by the holy catholic and apostolic church we also condemn and anathematize Theodore at one time bishop of Mopsuestia and his impious writings, the things that Theodoret wrote impiously against the orthodox faith and against the Twelve Chapters of the holy Cyril and against the […] First Council of Ephesus, and what he wrote in defence of Theodore and Nestorius. In addition to this we also anathematize the impious letter that Ibas is said to have been written to Mari the Persian […]. We therefore anathematize the aforesaid Three chapters, that is, the impious Theodore of Mopsuestia together with his execrable writings, the things that Theodoret wrote impiously, and the impious letter ascribed to Ibas, and also their defenders and those who have written or write in their defence or presume to call these writings orthodox or have defended or try to defend their impiety in any way in the name of the holy father or of the holy Council of Chalcedon.“ Vgl. auch Price, The Acts of Constantinople 553 2, 102–103; ders., „The Three Chapters Controversy“, 26; Maraval, „Die Religionspolitik“, 455. 392 Vgl. Price, The Acts of Constantinople 553 2, 103–105; vgl. Maraval, „Die Religionspolitik“, 456. Der Origenismus war (erneut) kurz vor dem Konzil verurteilt worden, das Konzil nahm diese Verurteilung lediglich zur Kenntnis; vgl. Uthemann, „Kaiser Justinian“, 324–325; Meier, Das andere Zeitalter, 282 (mit Anm. 255). 393 Vgl. Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 465; vgl. ebd., 466–484 zur theologischen Einordnung der Konzilsbeschlüsse. Das Konzil vertrete in christologischer Hinsicht einen gemäßigten Neuchalcedonismus (vgl. ebd., 483). Vgl. auch Price, „The Second Council“, 130 zum letztlichen Ziel des Konzils: „The only way to solve the problem of the apparent flaws in the work of Chalcedon was to demonstrate that its work had not been properly understood. The reshaping of the record […] presented a perfected and purified Chalcedon“, aber eben im genannten Sinn, und nicht im Sinne einer Weiterentwicklung der Lehre des Konzils oder gar einer Korrektur der Fehler Chalcedons. 394 Vgl. Actio octaua 5,14 (ACO 4,1 [220,6–8 Straub]). Die Autorität der vier Konzilien wird auch an anderer Stelle betont, vgl. Meier, Das andere Zeitalter, 285 (mit Anm. 267) mit Hinweis auf ACO 4,1 (209,28–37; 214,12–16 Straub [hier kurz vor der Verurteilung der Drei Kapitel]). 395 Price, The Acts of Constantinople 553 2, 214. Vgl. zu Vigilius und zum Konzil selbst auch Sotinel, „Vigilio“, 523–527. 396 Vgl. Price, The Acts of Constantinople 553 1, 54.
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nopel (08.12.553), indem er hauptsächlich die canones des Konzils wiederholte.397 Am 23.02.554 veröffentlichte Vigilius dann ein zweites Constitutum, ein deutlich umfangreicheres Dokument, welches die Verurteilung aus dem Brief an Eutyches offiziell wiederholte.398 Der Text befasst sich hauptsächlich mit dem Brief des Ibas von Edessa, die anderen „Zwei Kapitel“ spielen nur eine untergeordnete Rolle.399 Vigilius argumentiert v. a. für die Unechtheit des Briefes.400 Vigilius starb im Juni 555 auf der Rückreise von Konstantinopel nach Rom.401 Er wurde dem Liber pontificalis zufolge als einziger Papst des sechsten Jahrhunderts nicht in der St. Peter-Basilika in Rom bestattet.402 Vigilius’ Nachfolger wurde Pelagius, über zehn Jahre römischer Apokrisiar in Konstantinopel, der kurz zuvor ja noch eine Schrift zur Verteidigung der Drei Kapitel ver-
397 Der Brief an Euytchius (Vigilius, Epistula 2 ad Eutychium) in ACO 4,1 (245,9–247,39 Straub), angefügt an die Akten der achten Sitzung des Konzils in deren zweiten Ausgabe: „As expressing papal confirmation of the council’s condemnation of the Three Chapters it was an essential part of the second edition of the acts, produced to celebrate the achievement of unanimity.“ (Price, The Acts of Constantinople 553 2, 214; zur zweiten Edition vgl. ders., The Acts of Constantinople 553 1, 104–105.) Dieser Brief kann schon als offizielles Schreiben verstanden werden, vgl. Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 463. 398 Vgl. Maraval, „Die Religionspolitik“, 456–457; das zweite Constitutum in ACO 4,2 (138–168 Schwartz). Die Echtheit dieser beiden Texte des Vigilius war lange umstritten, wurde aber durch Zettl, Die Bestätigung, bes. 17–69 bereits überzeugend nachgewiesen, vgl. die Erörterung bei Straub, „Praefatio“, XXIX–XXXII. 399 Vgl. Price, The Acts of Constantinople 553 1, 54–55. Als Reaktion schrieb Pelagius wohl kurz darauf seine Schrift In defensione trium capitulorum, in der er das päpstliche Dokument attackierte; u. a. behauptete er, dieses basiere auf einem Brief aus dem Palast (In defensione trium capitulorum 2 [6,32; 11,4 Devreesse] u. ö.); vgl. Devreesse, „Introduction“, XLI (mit Anm. 1); wahrscheinlicher ist jedoch, dass es das verlorene Iudicatum als Grundlage hatte (vgl. Price, The Acts of Constantinople 553 1, 54). Vgl. insgesamt zur Schrift des Pelagius die Einleitung in der Ausgabe von Devreesse. 400 Vgl. Price, The Acts of Constantinople 553 2, 219–220; ders., „The Three Chapters Controversy“, 29– 30, hier 29: „He went beyond the call of duty in not simply querying the authenticity of the Letter to Mari but arguing that it was certainly inauthentic.“ Vgl. etwa die Interpretation der Konzilsakten der 9. Sitzung von Chalcedon im Constitutum II (ACO 4,2 [142,24–26 Schwartz; Übers. 2,227 Price]): Claret igitur ab ipso initio quo Hibas Edessenae ciuitatis episcopus sanctam Chalcedonensem synodum monstratur ingressus, epistolam quae Marim Persam ab eo scripta confingitur, quia sua fuerit, denegasse […]. / „It is therefore clear from the very start, when Ibas bishop of the city of Edessa is described as having entered the holy Synod of Chalcedon, that he denied as being his letter which pretends to have been written by him to Mary the Persian […]“. 401 Vgl. Price, The Acts of Constantinople 553 1, 55, der den Verdacht äußert, Konstantinopel könnte der Providenz hierbei ein wenig nachgeholfen haben. Zwischenzeitlich hatte Vigilius bei Justinian noch den Erlass der sog. Pragmatischen Sanktion, die Maßnahmen zugunsten Italiens zugestand, erreicht (Nouellae Iustiniani, Appendix 7 [799–802 Schöll/Kroll]); vgl. Stein, Histoire du Bas-Em pire 2, 613–616; Maraval, „Die Religionspolitik“, 457; Price, The Acts of Constantinople 553 1, 55. 402 Vgl. Liber pontificalis 61,9 (299,12 Duchesne); Sotinel, „Vigilio“, 527: Dies sei der erste Ausdruck einer subtilen damnatio memoriae, die Vigilius’ Nachfolger Pelagius verfolgt habe. Wenn Vigilius mit der Verurteilung der Drei Kapitel die Gunst des Kaisers erlangt habe, habe er dafür die Feindschaft beinahe aller, die in ihrer Verteidigung standhaft geblieben waren, auf sich gezogen. Diese Feindschaft wird auch in der Chronik des Victor von Tununna deutlich, s. u. Kap. 5.7.2 und 5.7.3.
Der Drei-Kapitel-Streit: Der theologiegeschichtlich-kirchenpolitische Kontext der Chronik
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fasst hatte, nun aber auf Verlangen Justinians der Verurteilung durch das Konzil zustimmte, um Papst zu werden.403 Das Konzil von 553 stieß auf Widerstand bei den Miaphysiten und im Westen, besonders in Nordafrika und im Illyricum404, wo es zu Verfolgungen und Exilierungen von Mönchen und Klerikern kam, die gegen die Verurteilung der Drei Kapitel Widerstand leisteten. Aber auch in Italien gab es gegen die Beschlüsse von 553 heftige Gegenwehr, wobei hier besonders die Gemeinschaft mit Rom in Frage gestellt wurde.405 Für Nordafrika urteilt Claire Sotinel: Die Gegenmaßnahmen des Kaisers scheinen Erfolg gehabt zu haben: In der Folgezeit gab es in Nordafrika keine Auseinandersetzungen mehr, die sich an der Haltung zu den Drei Kapiteln entzündeten. Obgleich man in der Sache selbst entschieden blieb, wie schon das Werk des Liberatus von Karthago bezeugt, war die Gemeinschaft mit Konstantinopel und Rom nicht davon betroffen.406
Die Arbeit an der Chronik des Victor von Tunnuna wird zeigen, ob diese Einschätzung auch von ihr her bestätigt werden kann. Immerhin zeichnet sie mit einem Fokus auf den Drei-Kapitel-Streit noch die Jahre bis 565 auf. Justinian suchte auch nach dem Konzil noch das Gespräch mit den Miaphysiten, Anfang der 560er Jahre versuchte er sogar eine Annäherung mit der (nestorianischen) persischen Kirche. Diese weiteren Aktionen sind aber kein Thema in der Chronik des Victor von Tunnuna, möglicherweise abgesehen von der (umstrittenen) Hinwendung Justinians zum sogenannten Aphthartodoketismus.407 403 Vgl. Maraval, „Die Religionspolitik“, 457; Sotinel, „Das Dilemma des Westen“, 470–471; Bruns, „Zwischen Rom und Byzanz“, 156. Im Liber Pontificalis 62,1 (303,4–5 Duchesne) wird Vigilius als Märtyrer des Pelagius gesehen, d. h. Pelagius wird für den Tod des Vigilius verantwortlich gemacht, und deshalb kündigen ihm Klöster und eine Menge von Mönchen, Weisen und Noblen die Gemeinschaft auf (monasteria et multitudo religiosorum, sapientium et nobilium subduxerunt se a communione eius, dicentes quia in morte Vigilii papae se imiscuit). Die Nachricht, dass Vigilius selbst kurz nach dem Konzil seine Meinung geändert hatte, verbreitete sich wohl nicht überall, vgl. Sotinel, „The Three Chapters“, 93–94; Adamiak, Carthage, 76 (Anm. 869). Die Gründe für das Umschwenken des Pelagius sind unklar und umstritten. Vgl. Sotinel, „Das Dilemma des Westens“, 471–477; dies., „The Three Chapters“, bes. 93–109, zu Pelagius und zur Situation in Italien (Rom, Ravenna, Mailand und Aquileia), wo Vigilius weiterhin als Verteidiger der Drei Kapitel betrachtet wurde. Nur in Rom gelang es, Bedenken gegen Pelagius zu zerstreuen. Dies zeigt auch die erhaltene Korrespondenz des Pelagius. 404 Zum Illyricum vgl. Sotinel, „Das Dilemma des Westens“; 469; vgl. auch kurz Flusin, „Bischöfe und Patriarchen“, 576–577; s. auch u. in Kap. 5.7.1.4 und 5.7.3. 405 Zwischen Mailand und Aquileia führten die Konflikte bis zum Schisma, das bis zum Ende des siebten Jahrhunderts anhielt, vgl. Sotinel, „Das Dilemma des Westens“, 477–479, vgl. ebd., 478– 488 zur weiteren Entwicklung in Aquileia; vgl. dies., „Vigilio“, 527–528; dies. „The Three Chapters“. Vgl. zur Rezeption im Westen auch Price, „The Three Chapters Controversy“, 35–36. 406 Sotinel, „Das Dilemma des Westens“, 469, mit Verweis auch auf die Chronik des Victor von Tunnuna und die Epistula fidei catholicae. 407 Vgl. Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 485–495; Maraval, „Die Religionspolitik“, 458. Zur Diskussion bezüglich Justinian und den Aphthartodoketismus s. u. Kap. 5.7.3.7 und die entsprechenden Exkurse.
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Eine Chronik und ihre (Vor-)Geschichte
„North African churchmen were looking both east and west in the Byzantine period“.408 Dies spiegelt auch der zweifache Kontext der Chronik des Victor von Tunnuna: Das Panorama „Nordafrika“, also der Kontext der Chronik in geographisch-politischkirchlicher Hinsicht und der Drei-Kapitel-Streit als theologiegeschichtlicher – und auch kirchenpolitischer – Kontext der Chronik. Diese sind hiermit abgesteckt.409 Wie die Chronik des Victor von Tunnuna in dieses Panorama einzuordnen ist – als Chronik aus Nordafrika, dennoch geschrieben in Konstantinopel, als parteiischer Text im Drei-Kapitel-Streit, wird im weiteren Verlauf der Arbeit zu untersuchen sein.
408 Dossey, „Exegesis and Dissent“, 267. 409 Da die Chronik des Victor von Tunnuna für einige Ereignisse aus der späten Zeit des Drei-Kapitel- Streites (nach 553) die einzige Quelle ist, wird die historische Darstellung an dieser Stelle nicht fortgeführt, um die folgende Untersuchung nicht vorwegzunehmen.
3. Der Text der Chronik und seine Geschichte In diesem Kapitel 3 steht die erste Geschichte der Chronik im Mittelpunkt: Die Geschichte des Textes der Chronik. Darunter werden hier zunächst die klassischen „Einleitungsfragen“ subsumiert: Die Frage nach dem Autor der Chronik, die Datierung der Chronik, ihre Quellen und ihre grundsätzliche Überlieferung bis zu den bisher erschienenen Editionen und Übersetzungen. Immer wieder wurde diskutiert, ob die Chronik des Victor von Tunnuna ursprünglich eine Universalchronik war oder ob der überlieferte Text dem ursprünglichen Textbestand entspricht. Damit hängt die Beurteilung des Anfangs der Chronik (Präskript) zusammen. Eine weitere Unklarheit in Bezug auf den ursprünglichen Textbestand ergibt sich am Schluss der Chronik (Chronicon 175), der vom restlichen Text der Chronik sehr unterschieden ist und besondere formale Merkmale aufweist. Auch diese Probleme werden daher in diesem Kapitel untersucht. 3.1 Zum Autor der Chronik: Victor von Tunnuna Über den Autor der Chronik, also die historische Person „Victor von Tunnuna“, ist wenig bekannt. Schon sein Name und die Lokalisierung von Victors Bischofssitz sind umstritten. Die einzige Quelle für das Leben des Victor von Tunnuna ist die Chronik selbst, in der in wenigen Kapiteln Informationen über ihren Autor zu finden sind.1 Von
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Die für Victors Biographie relevanten Stellen in der Chronik sind Victor von Tunnuna, Chronicon 153 (50,905–912 Cardelle de Hartmann); 156 (51,919–923 Cardelle de Hartmann); 169 (53,968– 54,975 Cardelle de Hartmann). Zu Victors Biographie vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 95*–102*; Placanica, „Introduzione“, XI–XII; ders., „Da Cartagine“, 327–336; Martyn, „Preface“, 130–131; vgl. auch Mommsen, „Praefatio“, 178–179. Placanica, „Da Cartagine“, 333, nimmt zudem an, Chronicon 141 belege, dass Victor von Tunnuna am afrikanischen Konzil von 550 teilgenommen habe, „del quale egli stesso conserva il ricordo“. Aus Chronicon 141 ist aber seine eigene Teilnahme nicht ersichtlich, es werden nur allgemein afrikanische Bischöfe erwähnt. Im Kommentar zu diesem Jahr in Victors Chronik (Placanica, „Note“, 123) erwähnt Placanica diese Vermutung auch nicht mehr, obwohl er sie in der Einleitung zu seiner Edition nochmals äußert (vgl. Placanica, „Introduzione“, XII).
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Der Text der Chronik und seine Geschichte
der Chronik abhängig2 schreibt Isidor von Sevilla über Victor in De uiris illustribus 15.3 Zudem gibt es eine kurze Notiz in De uiris illustribus 25, die über das in der Chronik Notierte hinausgeht.4 So kann es im Folgenden nur um Annäherungen an die Person gehen, die sich in der Chronik Victor Tunnensis ecclesie huius auctor operis nennt.5 3.1.1 Name und Herkunft Es ist davon auszugehen, dass der auctor der Chronik, der sich als Victor Tunnensis bezeichnet, aus Africa stammt: Er schreibt von sich und Bischof Theodor von Cebarsussa, der mit ihm in Gefangenschaft war, etwas später als von episcopi Affricani.6 Eine präzisere Lokalisierung über Africa hinaus ist nicht sicher möglich,7 auch wenn der Bischofssitz Tunnuna mehrfach in der Proconsularis vermutet wurde: Theodor Mommsen verlegt die Stadt „in provincia proconsulari fortasse non longe a Carthagine magna“;8 Antonio Placanica nennt Victors Bischofssitz „una città, o più probabilmente vilaggio, nell’Africa Proconsulare“.9 In der Notitia prouinciarum wird für die Proconsularis nämlich ein Bischof Cresconius Tennonnensis notiert.10 Zudem wird für das Konzil von Karthago von 525 ein Optatus episcopus plebis Tonnonensis aufgeführt.11 Auch der Sitz dieses Bischofs wird mit Verweis auf die Notitia prouinciarum und den genannten Cresconius Tennonnensis normalerweise in der Proconsularis lokalisiert.12
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Vgl. Placanica, „Da Cartagine“, 328–329; Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 97*; vgl. zur Abhängigkeit des Isidor von Victor auch Codoñer Merino, „Estudio de la obra“, 60–62. Isidor von Sevilla, De uiris illustribus 15 (147,1–12 Codoñer Merino). Von Isidor wiederum abhängig ist Johannes Trithemius, Liber de scriptoribus ecclesiasticis, Basel 1494, fol. 36r, der Victor eine Schrift Pro defensione trium capitulorum zuschreibt (et quaedam alia), was aber wohl eine Fehlinterpretation von Isidor von Sevilla, De uiris illustribus 25 (147,5–7 Codoñer Merino) ist, wo Isidor schreibt: Hic pro defensione trium capitulorum a Iustiniano Augusto exilio in Aegypto transportatur. Vgl. Placanica, „Da Cartagine“, 330–331, sowie Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 97* (Anm. 189). S. u. S. 106. Victor von Tunnuna, Chronicon 153 (50,905–906 Cardelle de Hartmann). Victor von Tunnuna, Chronicon 156 (51,919 Cardelle de Hartmann). Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 97*. Mommsen, „Praefatio“, 179. Placanica, „Introduzione“, XI. Notitia prouinciarum et ciuitatum Africae 21 (253,21 Lancel; vgl. 63,21 Halm). Petschenig entscheidet sich in seinem Text in Angleichung an das Konzil von Karthago 525 für Cresconius Tonnonensis (118,21 Petschenig; vgl. apparatus ad locum). Die (einzige vorhandene) Handschrift der Notitia (Laon BM 113, 9. Jahrhundert) bezeugt aber eben Tennonnensis, ebenso wie die indirekte Bezeugung im Thesaurus geographicus von Abraham Ortelius, Antwerpen 1596 (fol. ccv). Concilium Carthaginense a. 525, subscriptio (272,60 Munier). Vgl. Mommsen, „Praefatio“, 179; Placania, „Da Cartagine“, 331. Vgl. Courtois, Les Vandales, 37; Mandouze, Prosopographie, 806 (s. v. „Optatus 11“).
Zum Autor der Chronik: Victor von Tunnuna
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Allerdings kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass es sich bei beiden, Tennonnensis und Tonnonensis, um denselben Bischofssitz handelt: Mommsen schlägt für Victor nach der Erwähnung der Varianten in den Handschriften den Beinamen Tonnenensis vor13 und stützt sich dabei auf eine unvollständige Inschrift einer Liste von Städten im Gebiet von Karthago, die von Johannes Schmidt entdeckt wurde.14 Carmen Cardelle de Hartmann kritisiert dies wegen des Wechsels der Vokale: Sie weist darauf hin, dass ein Wechsel zwischen u und o im spätantiken Latein zwar normal, ein Wechsel zwischen u und e jedoch schwierig zu erklären sei.15 Dieses Argument spricht auch gegen eine Gleichsetzung der Bischofssitze des Cresconius Tennonnensis und des Optatus Tonnonensis. Wenn sie aber nicht gleichzusetzen sind, bedeutet das wiederum für den Bischofssitz des Optatus, dass er nicht in Bezug auf Cresconius Tennonnensis in der Proconsularis lokalisierbar (und damit zunächst überhaupt nicht lokalisierbar) ist. Ebensowenig kann dann allerdings der Bischofssitz des Victor von Tunnuna in Bezug auf diese beiden Bischöfe in der Proconsularis verortet werden. Ein weiteres Problem ist, dass der Name des Bischofssitzes von Victor von Tunnuna selbst unklar ist: Victors (Bei-) Name variiert in der Textüberlieferung der Chronik und bei Isidor.16 Die Tradition der Handschriften der Chronik spricht für Tunnensis als Originalform.17 Bezeugt sind in den Handschriften der Chronik die Varianten Tunnensis (P, P-S ex So), Tuniensis (P’) und Tunnuriensis (U).18 Da die lateinischen Formen des Adjektives für Tunis (lateinisch Thynos oder Thunos) Tuneiensis und Tuniensis sind,19 wurde vermutet, dass Victor Bischof von Τύνες (dem heutigen Tunis) war.20 Allerdings ist dies schon deshalb nicht wahrscheinlich, weil die Akten des 2. Konzils von Konstantinopel 553 für Tunis einen Sixtilianus als Bischof bezeugen.21 Cardelle de Hartmann geht daher davon aus, dass die Form Tunnensis aus Chronicon 153 ein sehr früher Fehler vom Anfang der Überlieferung ist.22 In den Handschrif13 14 15 16 17 18 19 20 21 22
„Dubbiosamente“, so Placanica, „Da Cartagine“, 332. CIL 8, Suppl. 1, n. 125552a: ]nennenses (1298 Cagnat/Schmidt). Vgl. Mommsen, „Praefatio“, 179: „Hanc coniecturam secutus equidem in re incerta Tonnenensem eum appello“. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 98*. Neben den o. g. Abschnitten über Victor in De uiris illustribus erwähnt Isidor Victor im Vorwort seiner Chronik (Isidor von Sevilla, Chronica 1/2 1 [6,7–8/7,7–8 Martín]) als Victor Tonnonensis (mit zahlreichen Varianten im apparatus ad locum). Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 97*. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 153 (50,905 Cardelle de Hartmann und apparatus ad locum; zur Übersicht der Handschriften vgl. das Stemma in der „Introducción“, 76*). Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 98* (Anm. 192). Diese These wurde bereits von Henrique Flórez, dem Herausgeber der ersten kritischen Edition der Chronik des Johannes von Biclaro vertreten und war sehr wirkungsvoll (vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 97*–98*; Flórez, Chronicon Johannis Biclarensis, 375 [Anm. 1]). Sextilianus […] episcopus ecclesiae catholicae Tuneiensis (ACO 4,1 [222,32 Straub]). Vgl. Placanica, „Da Cartagine“, 331; vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 97*–98*. Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 98*.
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ten bezeugen das Vorwort der Chronik von Johannes von Biclaro sowie die Texte von Isidor von Sevilla (die Chronik und De uiris illustribus) nämlich weitere Varianten.23 Wahrscheinlich, so Cardelle de Hartmann, laute, wenn man alle Zeugnisse, auch die subscriptio des Konzils von Karthago 525, berücksichtige, die originale Form wohl Tunnunensis oder Tunnonensis.24 Cardelle de Hartmann entscheidet sich so für die Form Tunnunensis bzw. Tunnuna: Sie ist belegt durch das Vorwort zur Chronik von Johannes von Biclaro im Codex Uniuersitatis Complutensis (U), zudem sei sie die von Editoren und Forschern meistens gewählte Form, auch wenn nicht auszuschließen sei, dass die Formen Tonnonensis oder Tunnonensis die Originalformen gewesen sein könnten.25 Aus ähnlichen Gründen entscheidet sich Placanica ebenfalls für Tun(n)unensis.26 Dem schließe ich mich hier an, mehr also pragmatisch aufgrund der traditionellen Überlieferung als aufgrund des handschriftlichen Befundes; immerhin ist die gewählte Form für den Text der Chronik selbst nicht belegt. Eine (Bei-) Namens-Variante, die dem o. g. Cresconius Tennonnensis ähnelt, ist für Victor nicht überliefert. Damit bleibt eine genauere Lokalisierung des Bischofssitzes aufgrund des Namens unmöglich: Der Bischofssitz des Victor von Tunnuna kann höchstens derselbe sein wie der des genannten Optatus episcopus plebis Tonnonensis, dessen Lage jedoch, wie gesehen, ebenfalls unklar ist. Vermutungen über den genaueren Ort lassen sich allerdings anstellen aufgrund der inhaltlichen Darstellung der Chronik bzw. ihr erkennbaren Position. Beides weist auf die Provinz Byzacena. Einige der in der Chronik genannten Verteidiger der Drei Kapitel stammen aus der Byzacena – ebenso wie der deutlich kritisierte Primasius von Hadrumetum.27 Zudem war Victor zusammen mit Theodor von Cebarsussa, dessen Bischofssitz wohl ebenfalls in der Byzacena lag, im Exil.28 Eine Herkunft bzw. Verortung Victors in der Byzacena erscheint daher aus inhaltlichen Gründen möglich, wenn
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Bei Johannes von Biclaro Tunnunensis, Tunnensis sowie Tunnonensis korrigiert aus Tunnensis, vgl. Johannes von Biclaro, Chronicon, praefatio (59,3 Cardelle de Hartmann sowie apparatus ad locum). Bei Isidor dominieren Τon(n)on(n)ensis in der Chronik (vgl. Isidor von Sevilla, Chronica 1/2 1 [6,7–8/7,7–8 Martín und apparatus ad locum]) und Tunnuntensis und Tunnutensis in De uiris illustribus, mit zahlreichen Varianten (vgl. Isidor von Sevilla, De uiris illustribus 25 [147,1 Codoñer Merino und apparatus ad locum]). Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 98*. Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 98*. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 98*. Martyn, „Preface“, 131, folgert übrigens daraus, Cardelle de Hartmann „rightly accepts Mommsen’s Tonnonensis“ [sic!]. „Denominazione […] sotto la quale l’autore fu conosciuto sin dall’editio princeps: forma peraltro ben attestata nei codici, e della quale rimane vestigio in varianti corrotte“ (Placanica, „Da Cartagine“, 332); vgl. Placanica, „Introduzione“, XI. Die editio princeps (s. u. S. 141) von Heinrich Canisius hat den Titel Chronicon Victoris Episcopi Tunnunensis. S. dazu v. a. Kap. 5.3.7.3.3. Dem soll an dieser Stelle nicht vorausgegriffen werden, daher nur dieser kurze Hinweis. Zur Lage Cebarsussas in der Byzacena vgl. Audollent, „Cabarsussi“, 8; Mesnage, L’Afrique chrétienne, 187; Desanges/Lancel/Ristow, „Byzacena“, 251.
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auch nicht abschließend beweisbar.29 Von der Darstellung der Chronik her bleibt auch denkbar, dass Victor von Tunnuna zu den paucissimi gehörte, die sich in der Proconsularis der Verurteilung der Drei Kapitel wiedersetzten (vgl. Chronicon 149) – darauf könnten sowohl der sich zeigende Konflikt mit Primosus als auch die deutlich werdende Hochschätzung des Reparatus von Karthago hindeuten.30 3.1.2 Biographische Annäherungen Victors Chronik endet im Jahr 565 (Thronbesteigung Justins II.).31 Dies lässt eine Datierung seiner Geburt auf etwa das Jahr 500 zu, auch wenn dies freilich nur eine weitere Vermutung bleibt, die über den Autor der Chronik geäußert werden kann.32 Falls Victor wie der eben genannte Optatus Bischof der nordafrikanischen Stadt Tunnuna oder Tonnona war, wurde er dies nach 525, da eben für das Jahr 525 Optatus als Bischof bezeugt ist. Weitere Informationen über Victors Leben lassen sich, wie bereits erwähnt, nur seiner eigenen Darstellung in der Chronik entnehmen. Die erste Information, die Victor dort über sich selbst gibt, bezieht sich auf sein Exil als Konsequenz seiner Verteidigung der Drei Kapitel: Victor Tunnensis ecclesie episcopus huius auctor operis, post custodias simulque et plagas quas in insulis est Valericis perpessus nec non33 etiam in monasterio de Mandracum primo, ac secundo exilio Aegimuritanae insule, tertio Alexandriam una cum Theodoro Cebarsusitanee ecclesie episcopo, pro prefatorum trium capitulorum defensione exilio mittitur et carceri[s] castelli Diocleciani post pretorianum carcerem truditur.34
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Desanges/Lancel/Ristow, „Byzacena“, 253, verorten Victor von Tunnuna ebenfalls dort, jedoch leider ohne nähere Begründung, wenn auch die Position des Victor von Tunnuna im Drei-Kapitel- Streit bei dieser Verortung eine Rolle gespielt zu haben scheint. Audollent, „Byzacène“, 1487, platziert Victor zwar nicht explizit in der Byzacena, verortet ihn aber im Kontext des anhaltenden Widerstandes, der insbesondere aus der Byzacena gekommen sei. Zu den (angenommenen) Bischöfen aus der Byzacena auf dem Konzil von Karthago 525 vgl. Kaiser, Authentizität, 98–99 (mit Anm. 243) – Optatus wird in der genannten Literatur nicht in der Byzacena verortet, weil sein Bischofssitz mit dem des Cresconius gleichgesetzt wird (s. o. S. 96). S. v. a. Kap. 5.3.7.3.3–5.3.7.3.4. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 174. Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 100*. Wenn Victor von Tunnuna um 500 geboren wurde, ist Modéran, „L’Afrique reconquise“, 64 zuzustimmen, der auf die Bedeutung der „expérience du pouvoir arien“ durch den Schüler Victor von Tunnuna hinweist. Weitere Belege zu diesem Pleonasmus, auch mehrfach bei Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum, bei Placanica, „Note“, 128–129 (ad a. 555,1). Victor von Tunnuna, Chronicon 153 (50,905–912 Cardelle de Hartmann): „Victor, Bischof der Kirche von Tunnuna, Urheber dieses Werkes, wurde nach dem Gefängnis und den Schlägen, die er auf den [balearischen Inseln] erduldete, gewiss auch im Kloster Mandracum im ersten, und im zweiten Exil der Insel Aegimuritana, im dritten Exil für die Verteidigung der zuvor genannten Drei
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Der Text der Chronik und seine Geschichte
Diese Notiz ist, vom Schlussabschnitt Chronicon 175 zurückgezählt, auf das Jahr 555 zu datieren.35 Sie stellt zunächst vor ein textkritisches Problem: Die Handschriften bezeugen den Text in sala est ualericis.36 Mommsen und Cardelle de Hartmann haben den aus ihrer Sicht unklaren Text in ihren Editionen geändert: Mommsen entscheidet sich für in insulis est Balearicis;37 Cardelle de Hartmann schließt sich mit der Variante in insulis est Valericis grundsätzlich Mommsen an,38 weil sie keinen sonst unbekannten Ort für ein Gefängnis oder ein Exil annehmen will.39 Stimmt man dieser Konjektur zu, erscheinen hinsichtlich des Verlaufs von Victors Leben hier zunächst die für dasselbe Jahr genannten Orte der Gefangenschaft bzw. des Exils problematisch: die Balearen, das Kloster von Mandracum40 (in Karthago), die Insel Aegimuritana (bei Karthago) und Alexandria. Für ein Jahr sind dies viele Orte, die zum Teil dazu noch weit voneinander entfernt liegen. Es wäre schwierig, anzunehmen, dass die Exile im Jahr 555 begannen und Victor in einem Jahr an alle genannten Orte führten, zumal für das Jahr darauf eine weitere Klosterhaft (custodia monasterii) in der Chronik vermerkt ist.41 Selbst mit einem Beginn der Exilierungen im Jahr 552, als Maßnahmen gegen die Verteidiger der Drei Kapitel ergriffen wurden, nachdem Primosus Bischof von Karthago geworden war (vgl. Chronicon 145), wären es viele verschiedene Orte in kurzer Zeit.42
Kapitel zusammen mit Theodor, dem Bischof von Cebarsussa, nach Alexandria geschickt, und er wurde gestoßen in den Kerker der Burg von Diokletian nach dem Gefängnis des Prätoriums.“ Der Aufenthalt in einem öffentlichen Gefängnis (carcer des Prätoriums) ist bei spätantiken verbannten Klerikern nur für Victor von Tunnuna (und mit ihm Theodor von Cebarsussa) bezeugt, vgl. Hillner, Prison, 225. Der carcer des castellum Diocletiani beziehe sich möglicherweise auf das Legionärslager von Nikopolis außerhalb der Stadt (Alexandria), vgl. ebd., 243. Vgl. auch ebd., 231–232 zum eigentlichen Verbot von öffentlichem Gefängnis für Exilierte unter Justinian seit 529, die sich frei bewegen sollten (vgl. Codex Iustinianus 9,47,26; „troublemakers“ sollten aber mit dem Tod bestraft werden) und zur „conflicting evidence“ bei Victor von Tunnuna, die Hillner mit dem Kontext des Gesetzes von 529 erklärt. Der Bruch mit den Miaphysiten und der Drei-Kapitel-Streit seit den 540ern „may have convinced the emperor, as it had those before him both at imperial and at provincial level, that some clerical exiles simply must be controlled more tightly for security purposes or coercion.“ Hier habe dann das Exil im Kloster eine wichtige Rolle gespielt, um eine Balance herzustellen zwischen dem Bedürfnis nach Bewachung und dem Bedürfnis des Kaisers, ein Bild von sich als Verfolger zu vermeiden. 35 Zur Problematik der Zählung aufgrund von Chronicon 175 vgl. jedoch u. bes. Kap. 3.6.6. 36 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 153 (50,906–907 Cardelle de Hartmann und apparatus ad locum). 37 Victor von Tunnuna, Chronicon a. 555 (204,6 Mommsen). 38 Victor von Tunnuna, Chronicon 153 (50,906–907 Cardelle de Hartmann). 39 Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 99*. 40 Oder Mandracio, Mandracium, Μανδράκιον, vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 153 (50,908 Cardelle de Hartmann und apparatus ad locum). 41 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 156. S. u. S. 105. 42 Vgl. zum Problem Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 99*; Placanica, „Da Cartagine“, 332–333.
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Chronicon 153 wird – unter Annahme der Richtigkeit der Konjektur – daher von Antonio Placanica und Cardelle de Hartmann diskutiert: Placanica bemerkt dazu, dass sich der Text über die Gefangenschaft (custodias simulque plagas) deutlich von dem „rapporto quasi di continuità“43 des Exils (primo, ac secundo exilio […], tertio […] exilio) absetze. Es sei möglich, dass sich der Hinweis auf die Gefangenschaft nicht auf den Streit um die Drei Kapitel beziehe, sondern auf frühere Umstände bzw. auf frühere Verfolgungen, nämlich die der katholischen Kirche unter den „Vandali ariani“,44 genauer auf die Verfolgung unter Thrasamund, die auch in Victors Chronik erwähnt werde und von der bekannt sei, dass sie Exilierungen etwa nach Sardinien zur Folge gehabt habe.45 Ein Exil oder eine Gefangenschaft auf den Balearen erscheine in diesem Zusammenhang nicht undenkbar.46 Victor habe dabei möglicherweise sogar den beim Konzil von 525 anwesenden Optatus Tonnonensis als Kleriker oder Diakon begleitet und sein Schicksal geteilt.47 Die These Placanicas, dass Victor sich hier auf ein eigenes früheres „vandalisches“ Exil beziehe, lehnt Cardelle de Hartmann aus drei Gründen ab:48 Erstens verwundere es dann, dass Victor bei der Notiz zu den Verfolgungen unter Thrasamund Sardinien als Exilsort benenne, aber nicht die Balearen.49 Zweitens erscheine es merkwürdig, dass die Bischöfe von Diakonen und Presbytern begleitet worden sein sollten, da man sie in diesem Moment doch eher in Africa gebraucht habe, um die Kontinuität der katholischen Kirche dort zu gewährleisten. Dies wisse man von Victor von Vita.50 43 44 45 46 47 48 49
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Placanica, „Da Cartagine“, 332. Placanica, „Da Cartagine“, 333. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 78. Vgl. zu den Balearen unter den Vandalen Courtois, Les Vandales, 185–186; vgl. Victor von Vita, Historia persecutionis 1,13 (7,7–15 Petschenig). Vgl. Placanica, „Da Cartagine“, 333. Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 99*–100*. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 78 (24,401 Cardelle de Hartmann): Sardinia exilio. Placanica, „Note“, 128 (ad a. 555,2) erklärt den Umstand, dass Victor an dieser Stelle nicht von sich berichtet, damit, dass er zu dieser Zeit noch nicht Bischof gewesen und eine Mitteilung über sein eigenes Schicksal an dieser Stelle nicht logisch gewesen sei, eine solche Mitteilung in Chronicon 153 sei hingegen „del tutto naturale“. Cardelle de Hartmann gibt keine spezifische Stelle aus der Historia persecutionis an, auf die sie sich bezieht. So bleibt ihre Bemerkung unklar: Die Historia persecutionis endet 484, so dass konkret für Verfolgungen unter Thrasamund aus ihr nichts geschlossen werden kann. Victor von Vita selbst war wohl als comitans bei der Exilierung des Klerus der Proconsularis dabei (482/483), vgl. Victor von Vita, Historia persecutionis 2,30 (35,4–6 Petschenig). Für die Verfolgung unter Hunerich berichtet Victor von Tunnuna selbst, dass dieser die „Katholiken“, und zwar „die Bischöfe und Kleriker jeglicher Ordnung“, dazu auch „Mönche und Laien“, insgesamt ungefähr 4.000, exilierte (catholicos iam non solum sacerdotes et cuncti ordinis clericos sed et monachos atque laycos quatuor circiter milia exiliis durioribus relegat [Victor von Tunnuna, Chronicon 50 (16,244–247 Cardelle de Hartmann)]). Victor von Vita, Historia persecutionis 2,26 (33,21–22 Petschenig; Übers. 79 Vössing) spricht auch von episcopos, presbyteros, diaconos et alia ecclesiae membra […] ad exilium heremi destinauit („als er Bischöfe, Priester, Diakone und andere Mitglieder der Kirche […] zur Verbannung in der Wüste verurteilte“). Ähnlich sind auch bei der Vertreibung der Kleriker von Karthago wohl
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Drittens werde die Deportation nach Sardinien von Victor von Tunnuna auf das Jahr 497 datiert, auch wenn Courtois51 annehme, sie habe nicht vor 502 stattgefunden. Jedenfalls aber müsse man, wenn Victor von dieser Exilierung betroffen gewesen wäre, sein Geburtsjahr auf jeden Fall vor 490, eher noch vor 480 datieren. Er wäre dann bei der Redaktion der Chronik, die ja 565 endet, sehr alt gewesen und hätte ebenfalls im hohen Alter noch das Exil überstanden. Dies sei zwar nicht unmöglich, aber wenig wahrscheinlich.52 Möglich sei eine spätere Verbannung Victors, da die Verfolgungen unter Thrasamund bis zum Jahr 523 anhielten. Dann könne die Geburt Victors auf 500 datiert werden. Dann bleibe aber merkwürdig, dass Victor sein Exil nur indirekt und in Verbindung mit sehr viel späteren Ereignissen erwähne. Cardelle de Hartmann selbst schlägt folgende Lösung vor: Victor sei möglicherweise von Primosus, nachdem dieser 552 Primas von Karthago53 geworden sei, in Gewahrsam genommen worden („puso a Víctor bajo custodia“).54 Victor schreibe schließlich selbst, dass Primosus ab diesem Zeitpunkt die Verteidiger der Drei Kapitel verfolgt habe.55 Das offizielle Exil (was von Victor dann auch so genannt werde) beginne ein Jahr später auf Befehl des Kaisers nach der offiziellen Verurteilung der Drei Kapitel auf dem Konzil von Konstantinopel 553. Dass Victor in den kommenden zwei Jahren an drei
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nicht nur Bischöfe betroffen: uniuersus clerus ecclesiae Carthaginis […], inter quos quam plurimi errant lectores infantuli […] exilio crudeli traduntur („als damals auch alle Kleriker von Karthago […], darunter sehr viele Lektoren in kindlichem Alter […] in ein […] grausames Exil verwiesen wurden“ [Victor von Vita, Historia persecutionis 3,34 (89,4–7 Petschenig; Übers. 125 Vössing)]). Victor von Vita bezeugt also wie auch Victor von Tunnuna gerade nicht, dass Diakone und Presbyter et alii nicht mit ins Exil gingen (was freilich nicht notwendigerweise bedeutet, dass alle exiliert wurden, vgl. dazu auch Courtois, Les Vandales, 297–298 [Anm. 10]). Der These von Placanica, dass Victor von Tunnuna Optatus begleitet habe, kann schlicht entgegengesetzt werden, dass sie keinen Anhalt in den Quellen hat. Vgl. Courtois, Les Vandales, 302. Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 100*. So bei Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 99*, vgl. irrtümlicherweise ebd., 100*–101*: „el nombramiento de Primoso como primado de Numidia en 552“. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 145; 155. Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 100*–101*. Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 101*, mit Bezug auf Chronicon 145, wo Victor von Tunnuna allerdings Verfolgungen der Verteidiger der Drei Kapitel aus Nordafrika dem Primasius, Nachfolger des Boethius als Primas der Byzacena, zuschreibt (48,853–856 Cardelle de Hartmann): […] reuersusque ad sua, que prius defendebat, ualidissimis persecutionibus impugnauit, fidelibusque calunnias generando, eorumque substantias auferendo. / „[…] und er [Primasius] kehrte zu seinem Sitz zurück. Was er vorher verteidigt hatte, bekämpfte er durch stärkste Verfolgungen, sowohl indem er Schikanen für die Gläubigen erzeugte als auch indem er ihre Habseligkeiten wegnahm.“ Primosus, von dessen Amtsübernahme nach seiner Verurteilung der Drei Kapitel Chronicon 145 berichtet, werden dann erst in Chronicon 155 (nach dem Konzil von Konstantinopel) Unterdrückungen derer, die ihm nicht die Zustimmung geben wollten, „bald mit Knüppeln, bald mit Gefängnisstrafen, bald auch mit Exilen“, vorgeworfen (51,915–918 Cardelle de Hartmann): Primosus Cartaginis incubator ecclesie sibi nolentes assensum prebere nunc fustibus nunc custodibus nunc quoque exiliis affligit. Eine Bestrafung durch Bischöfe war unter Justinian ab 546 möglich (vgl. v. a. Nouellae Iustiniani 123,21), vgl. Hillner, Exile, 87, was wohl eine Legalisierung einer bereits zuvor üblichen Praxis war.
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verschiedenen Orten war, verwundere dann nicht mehr, denn die zwei ersten Orte lägen sehr nah beieinander. Die Annahme, einer ersten Strafmaßnahme liege eher ein Konflikt mit Primosus, also ein innerafrikanischer Konflikt, zugrunde, würde zum engeren historischen Kontext der Chronik passen.56 Allerdings wird eben Victor von Tunnuna hier selbst nicht konkreter, so dass wir auf Vermutungen angewiesen bleiben. Plausibel erscheint jedenfalls die Annahme, dass in Chronicon 153 mehrere unterschiedliche (Haft-)Strafen im Zusammenhang mit dem Drei-Kapitel-Streit in unterschiedlichen Jahren zusammengefasst werden. Auch in anderen Notizen werden die Ereignisse mehrerer Jahre zusammengefasst.57 Mit einer solchen Deutung der Angaben in Chronicon 153 wird der zutreffenden Beobachtung Placanicas, dass sich die Erwähnung der custodias simulque et plagas von der Benennung der weiteren Stationen als Exile unterscheidet, Rechnung getragen. Andererseits vermeidet aber Cardelle de Hartmanns Deutung der ersten Gefangenschaft als einer Gefangenschaft unter Primosus die bei Placanica gegebene Problematik von Victors Alter bzw. insbesondere die Frage, warum an dieser Stelle – ohne entsprechenden expliziten Hinweis – von deutlich früheren Verfolgungen unter den Vandalen die Rede sein sollte.58 Ähnlich wie Cardelle de Hartmann sieht übrigens auch Julia Hillner in Chronicon 153 eine längere Zeitspanne während des Drei-Kapitel-Streites abgehandelt: Der Aufenthalt Victors im Kloster Mandracum beziehe sich auf eine Zeit der Verbannung seit 544 (also aufgrund des Widerstandes gegen Justinians Edikt gegen die Drei Kapitel), die möglicherweise vom Prätorianerpräfekt von Africa oder vom Statthalter („governor“) der Proconsularis bestimmt worden sei. Das Exil in Alexandria sei dann auf das Jahr 555 bezogen.59 Diese Datierung der ersten Haft ist freilich hinfällig, wenn man sie mit dem Konflikt mit Primosus verbindet. Es bleibt die Frage nach einem Exil Victors auf den Balearen: Zu bedenken ist bei der vorgenommenen Konjektur, dass damit Victor von Tunnuna der einzige Zeuge für die Balearen als Exilsort für einen Kleriker der Spätantike wäre.60 Möchte man der
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Vgl. auch Modéran, „L’Afrique reconquise“, 56. Zu diesem Konflikt als Kontext der Chronik s. u. insgesamt Kap. 5.7. Im näheren Kontext von Chronicon 153 etwa die Aktionen und Schicksale der afrikanischen Bischöfe in Chronicon 145. Vgl. auch Modéran, „L’Afrique reconquise“, 57 (Anm. 66), der die Jahresangabe von Chronicon 153 nur auf das Exil im Osten (Alexandria) bezieht. Offen bleibt freilich, warum Victor nicht für das Jahr 552 von seinem Schicksal berichtet; andererseits entspräche das nicht dem Fokus von Chronicon 145, dem Abfall der nordafrikanischen Bischöfe von der Verteidigung der Drei Kapitel. Vgl. Hillner, Prison, 319. Die Datenbank Clerical Exile gibt jedenfalls für die Balearen nur Victor von Tunnuna als exilierte Person an, vgl. https://www.dhi.ac.uk/clericalexile/location/133 (letzter Zugriff 23.01.2021). Lediglich auf Victor von Tunnuna verweisen auch Cau Ontiveros/Mas Florit, „The Early Byzantine Period“, 33, 39. Keine Erwähnung als Exilsort finden die Balearen bei Panzram, „Kleine Geschichte“. Mit Tacitus, Annales 13,43, der vom Exil des P. Suillius auf den Balearen berichtet, liegt immerhin ein Zeugnis dafür vor, dass die Balearen überhaupt Exilsort waren.
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Konjektur von Mommsen und Cardelle de Hartmann auch aus diesem Grund nicht folgen, legt sich vielleicht eine schlichte Lösung nahe, nämlich dass dem Exil eine Inhaftierung an einem nicht näher bestimmbaren Ort vorausging, was ja auch Cardelle der Hartmann selbst als Möglichkeit ins Spiel bringt: „Lo que sí parece extraño es que lo enviara a las Baleares, pero no olvidemos que nos hallamos ante una conjetura textual, y el nombre en el texto puede referirse a algún lugar en Africa desconocido para nosotros“.61 Damit wäre auch das Problem der ganz verschiedenen, weit voneinander entfernt liegenden Exilsorte für die kurze Zeit gelöst: Es wären nur noch zwei weiter auseinanderliegende Orte, Karthago und Alexandria. Die Haft in bzw. bei Karthago lässt sich in den Kontext der Darstellung des Drei-Kapitel-Streites in Africa einordnen – und könnte so mit den Agitationen des Primosus verbunden sein. Darauf würde dann die (kaiserliche) Exilstrafe in Alexandria folgen.62 Es wäre dann nicht mehr nötig, für den ersten Ort ein doch deutlich früheres Ereignis anzunehmen. Erwähnt sei an dieser Stelle noch, dass John R. C. Martyn durch seine Übersetzung von Chronicon 153 neben Cardelle de Hartmann und Placanica noch eine dritte Möglichkeit für das Exil bzw. die Gefangenschaft Victors vorschlägt: Victor […] suffered imprisonments and simultaneous beatings on the Balearic Islands, and in the monastery of Mandracium as well. His first and second exiles on the island of Aegimuritanae, and his third exile in Alexandria, were shared with Theodore […].63
Martyn geht also von zwei Exilen in „Aegimuritanae“ aus, und durch die Parallelisierung von in insulis Valearicis und in monasterio de Mandracum von einer Gefangenschaft und Schlägen an diesen beiden Orten. Er entscheidet sich dabei auch für eine eigene Punktierung bzw. Aufteilung des Satzes. Aufgrund der o. g. Überlegungen zum Unterschied zwischen dem Bericht über die Gefangenschaft und über das Exil ist jedoch die Chronologie in der Übersetzung Placanicas (Übers. 55 Placanica) vorzuziehen, die die Haft und die Schläge von den nachfolgenden Exilen trennt: Vittore, […] dopo la prigionia e le percosse subìte nelle isole Baleari e anche durante il suo primo esilio nel monastero di Mandracio e il secondo nell’isola Egimuritana, a causa della sua difesa in favore dei Tre Capitoli già ricordati viene per la terza volta relegato in esilio ad Allesandria insieme con Teodoro […].64
Ein genaues Nachzeichnen von Victors Exilen bzw. von Strafmaßnahmen gegen ihn allein aufgrund des vorliegenden Zeugnisses ist allerdings auch aufgrund der Textüberlieferung nicht möglich. Nach den jetzt vorhandenen Angaben der Chronik selbst lässt
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Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 101*. Denkbar wäre etwa auch, dass ualericis auf einen Personennamen zurückzuführen ist. S. auch u. Kap. 5.7.3.5 zu Victor von Tunnuna, Chronicon 155. Victor von Tunnuna, Chronicon 153 (Übers. 163 Martyn). Dieser Chronologie schließe ich mich in meiner eigenen Übersetzung an, s. o. S. 99–100 (Anm. 34).
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sich lediglich sagen: Victor von Tunnuna wurde inhaftiert und exiliert aufgrund seiner Haltung zu den Drei Kapiteln. Nach vorherigen, nicht näher bestimmbaren Geschehnissen (Haft und Schläge an einem nicht bekannten Ort, wahrscheinlich in Africa), war er um bzw. bis 555/55665 im Exil bei Karthago und Alexandria.66 Er gehört damit jedenfalls zu der (kleinen) Gruppe, die die Drei Kapitel auch nach dem Konzil von 553 noch verteidigte. Für das darauffolgende Jahr berichtet Victor von Tunnuna in Chronicon 156 von einem weiteren Ort einer Inhaftierung, (erneut in einem Kloster) bei Canopus in der Nähe von Alexandria, wohin er zusammen mit Theodor von Cebarsussa67 geschickt worden sei: Victor et Theodorus antefati episcopi Affricani de carcere eiciuntur et post disputationes in pretorio continuas dierum XV ad aliam custodiam monasterii Tabennensiotarum quod est apud Canopum XII milia procul ab urbe Alexandrina mittuntur.68
Klosterhaft war unter Justinian nicht ungewöhnlich und bedeutete wahrscheinlich einen größeren Komfort als andere Haftstrafen.69 Ob die Haft im hier als monasterium Tabennesiotarum bezeichneten Kloster Metanoia eher der prochalcedonensischen Haltung Victors entgegenkam oder nicht, ist umstritten.70 Für die Zeit im Kloster bei 65
Cardelle de Hartmann geht zwar von einer Gefangeschaft unter Primosus ab 552 aus (s. o. S. 102), schreibt aber hierzu, Victor „entre el 550 y el 555 estuvo desterrado en Cartago y Alejandría“ (Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 101*). 66 Es ist nicht undenkbar, dass Victor in der Gefangenschaft weitere westliche Verteidiger der Drei Kapitel kennenlernte, vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 169 (53,968–54,971 Cardelle de Hartmann), wo neben Victor und Theodor von Cebarsussa weitere afrikanische Bischöfe erwähnt werden (Musicus, Brumasius, Donatus und Crisonius). Placanica, „Introduzione“, XII, verweist in dieser Frage auch auf Liberatus von Karthago (Breuiarium 1; 12) und Rusticus Diaconus (Contra Acephalos disputatio [PL 67, 1170 B Migne]) – beide waren zwar in Alexandria; es findet sich an den von Placanica genannten Stellen aber kein Hinweis auf einen konkreten gemeinsamen Gefängnisbzw. Exilsort mit Victor von Tunnuna, auch bei Victor findet sich kein Hinweis auf Liberatus oder Rusticus. 67 Von dessen Schicksal berichtet die Chronik später (Victor von Tunnuna, Chronicon 173 [54,989– 990 Cardelle de Hartmann]): exilio apud urbem regiam eo mense et die quo Iustinianus moritur / „er starb im Exil bei der Königsstadt in dem Monat und an dem Tag, an dem Justinian starb“. S. u. Kap. 5.7.3.7. 68 Victor von Tunnuna, Chronicon 156 (51,919–924 Cardelle de Hartmann): „Victor und Theodor, die zuvor genannten afrikanischen Bischöfe, wurden aus dem Kerker hinausgeworfen und nach fortlaufenden Disputationen von 15 Tagen im Prätorium in eine andere Haft des Klosters von Tabennisis, was bei Canopus, 12 Meilen entfernt von der Stadt Alexandria, liegt, geschickt.“ 69 Vgl. Hillner, Prison, 319–320; vgl. auch die Listen ebd., 381–386 für einen Überblick über Orte von Klosterhaft in der Spätantike. Hillner führt Justinian als Verantwortlichen für die Klosterhaft Victors von Tunnuna an (ebd., 383–384). Die Chronik des Victor von Tunnuna berichtet von einer Klosterhaft noch für Primasius von Hadrumetum (Chronicon 145). 70 Hillner, Prison, 319–320 sieht eine Haltung des Klosters, die Victor entgegenkam: „This was a community famous for its support of Chalcedon and hence likely to be sympathetic to Victor’s views.“ Vgl. auch Bacht, „Die Rolle“, 259, der das Kloster als einen „Hort der chalkedonischen Orthodoxie“ bezeichnet. Gascou, „Metanoia“, 1609, sieht in der Haft Victors in dem Kloster hingegen gerade
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Canopus stellen sich Placanica und andere jedenfalls den Beginn von Victors historiographischer Tätigkeit vor.71 Da Victors Chronik noch kurz vor Ende von einer weiteren Inhaftierung berichtet (Chronicon 169), liegt es nahe, vom Schreiben der Chronik in Haft auszugehen, auch wenn auf den genauen Ort nicht sicher geschlossen werden kann. Eine letzte Information über Victors Leben bietet Chronicon 16972: 564, also nach mindestens 10 Jahren in Haft bzw. Verbannung, ruft Justininan einige afrikanische Bischöfe, unter ihnen Victor und Theodor (diese aus Ägypten), zu einem Streitgespräch in seiner Anwesenheit bzw. mit dem Bischof Eutychius nach Konstantinopel.73 Der genaue Inhalt des Gespräches ist unklar.74 Die Afrikaner bleiben anschließend jedenfalls in Konstantinopel, und zwar als Inhaftierte, erneut in Klöstern: per monasteria eiusdem urbis custodie mittuntur.75 Nicht näher bestimmt werden können sowohl die Umstände als auch das Datum von Victors Tod: Denkbar ist ein Todesdatum kurz nach der Abfassung der Chronik oder auch einige Jahre später. Placanica hält es insbesondere aufgrund der „improvvisa conclusione“76 der Chronik für wahrscheinlich, dass Victor kurz nach der Thronbesteigung durch Justin II. starb.77 Darauf weise auch Isidor von Sevilla hin, der damit in De uiris illustribus 25 die einzige über die Chronik hinausgehende Information über Victors Leben biete: Er sage von Victor, dass dieser in eadem damnatione, ut dicunt, permanens moritur,78 wobei mit eadem damnatione das Exil Victors in dem in Chronicon 169 genannten Kloster bei
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eine der Spuren von Anti-Chalcedonismus dort. Zum Recht des Klosters Metanoia auf Immunität vgl. ACO 2,1,2 (217,21–31 Schwartz): Ein Kleriker erklärt beim Konzil von Chalcedon, dass er dort Zuflucht gefunden habe gegen die Verfolgungen von Dioskur; vgl. Gascou, „Metanoia“, 1609. Vgl. Placanica, „Da Cartagine“, 333–334. Diese Vorstellung findet sich bereits bei Schanz/Hosius/ Krüger, Geschichte der römischen Literatur 4,2, 113 („[i]m Exil schrieb er seine Chronik“) und Bardenhewer, Geschichte der altchristlichen Literatur 5, 329–330, der sich für die schriftstellerische Tätigkeit von Victor die „Klosterhaft“ in Konstantinopel vorstellt. Neben der Chronik sind übrigens keine weiteren Werke Victors bekannt. Das ihm bisweilen zugeschriebene De paenitentia stammt von Victor von Cartenna, vgl. Mommsen, „Praefatio“, 178; Bardenhewer, Geschichte der altkirchlichen Literatur 5, 331; ders., Geschichte der altkirchlichen Literatur 4, 546. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 169 (54,968–54,975 Cardelle de Hartmann). Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 101*. Terminus ante quem dieses Ereignisses ist Januar 565, da Eutychius zu diesem Zeitpunkt auf Befehl des Kaisers verbannt wurde, vgl. Placanica, „Da Cartagine“, 334. Dazu s. ausführlich u. die Exkurse in Kap. 5.7.3.7. Victor von Tunnuna, Chronicon 169 (54,974–975 Cardelle de Hartmann): „Sie wurden als Verhaftete in Klöster derselben Stadt geschickt“. Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 101*. Placanica, „Da Cartagine“, 336. Zur Frage danach, ob es sich hier tatsächlich um einen „plötzlichen Schluss“ handelt s. u. Kap. 5.8 u. ö. In „Da Cartagine“, 336 führt Placanica dafür sogar einen recht genauen Zeitraum an, nämlich zwischen dem 15. November und dem Ende des Jahres 565. Denn: „Il richiamo degli esuli va collocato alla fine del 565“. Cardelle de Hartmann hingegen („Introducción“, 108*) bezieht sich auf die Annahme Placanicas, Victor sei 567 [sic!] gestorben. Isidor von Sevilla, De uiris illustribus 25 (147,11–12 Codoñer Merino).
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Konstantinopel gemeint sei.79 Die Information stamme direkt von Johannes von Biclaro – ut dicunt beziehe sich auf ihn als Quelle.80 Dafür gibt es freilich keinen weiteren Hinweis – genauso gut könnte angenommen werden, Isidor habe diese Aussage zum Tod Victors schlicht aufgrund der letzten Information der Chronik über Victors Leben, d. h. der Angabe zu seiner Haft in bzw. bei Konstantinopel und fehlender darüber hinausgehender Informationen getroffen. Zudem erwähnt die Chronik ja auch, dass Victors Gefährte Theodor von Cebarsussa im Exil starb (Chronicon 173) – die Annahme, dass dies auch auf Victor von Tunnuna zutraf, liegt also auch von daher nicht fern. Auf wen sich Isidor mit ut dicunt bezieht, kann nicht zweifelsfrei bestimmt werden. Wenn Victor von Tunnuna in Haft bzw. im Exil starb, ist es allerdings aufgrund der folgenden religionspolitischen Maßnahmen des Kaisers tatsächlich wahrscheinlich, dass dies nur kurz nach der Thronbesteigung durch Justin geschah, also kurze Zeit nach dem Zeitpunkt des Endes der Chronik.81 Cardelle de Hartmann geht von einem späteren Tod Victors aus:82 Sie sieht in der Chronik zwei Textpassagen, die auf eine Redaktion von 568 bzw. sogar von 575 hinweisen könnten.83 Auch sei das Ende der Chronik keineswegs abrupt.84 Der Satz des Isidor ließe sich erklären, wenn man annehme, dass seine Information die war, dass Victor in Konstantinopel geblieben sei. Isidor habe dann wohl angenommen, dass Victor auch verbannt geblieben sei. Es sei freilich möglich, dass Victor in Konstantinopel geblieben sei, auch wenn Justin II. seine Strafe aufgehoben habe. Vielleicht habe einfach Victors Gesundheit eine Rückreise nach Africa nicht zugelassen. Victor sei jedenfalls eher kurz nach der Endredaktion der Chronik, 568 oder 575, gestorben.85 Die Annahmen hinsichtlich des Todesjahres Victors hängen damit eng mit dem angenommenen Zeitpunkt der Verfassung bzw. der Endredaktion der Chronik zusammen. Darüber hinaus bleiben sie letztlich spekulativ – es ist eben neben der Chronik keine Quelle mit weiteren Informationen über das Leben Victors bekannt. Auch Isidor von Sevilla hat seine Angaben wahrscheinlich aus der Chronik selbst gewonnen –
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Vgl. Placanica, „Da Cartagine“, 333. Vgl. Placanica, „Da Cartagine“, 335 Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 101*: „tuvo que ser muy poco después de la llegada al poder de Justino II, defensor de Calcedonia, que con toda seguridad levantaría esta pena“. Zu Justin II. und seinen möglichen religionspolitischen Maßnahmen (die im Einzelnen durchaus umstritten sind) s. u. Kap. 5.8. Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 101*–102*. Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 102*. Leider nennt Cardelle de Hartmann diese Textpassagen an dieser Stelle nicht. Wahrscheinlich bezieht sie sich auf die hier in Kap. 3.3 diskutierten Stellen, in denen Victor sich auf ein erstes Konsulat bezieht, wobei der betreffende Konsul sein zweites Konsulat erst 568 innehatte. Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 108*. Zur möglichen Endredaktion der Chronik s. u. S. 110.
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außer seines vagen Hinweises ut dicunt lässt aus dem Text seiner Chronik nichts darauf schließen, dass er weitere Quellen zur Verfügung hatte.86 Insgesamt lässt sich wie zu manchem zuvor also auch keine endgültige Entscheidung treffen, was den Tod des Victor von Tunnuna und dessen Umstände betrifft: Der einzige sichere terminus post quem bleibt das Ende der Chronik.87 3.2 Zur Datierung der Chronik Victors Chronik beginnt in der überlieferten Form mit dem Jahr 444 (8. Konsulat des Kaisers Theodosius II. und Konsulat des Albinus) und endet mit der Thronbesteigung Justins II. (565) und einer darauffolgenden summarischen Bemerkung.88 Damit steht als terminus post quem für ihre Abfassung grundsätzlich die Thronbesteigung Justins II. fest. Die Frage der Datierung der Chronik hängt zunächst einmal mit der Frage nach dem Todesjahr ihres Autors zusammen: Antonio Placanica datiert die Chronik ebenso wie den Tod des Victor von Tunnuna auf das Ende des Jahres 565. Er stellt sich – insbesondere auf der Basis der o. g. Notiz des Isidor von Sevilla (De uiris illustribus 25) und des von ihm als plötzlich eingestuften Endes der Chronik – vor, dass Victor die Arbeit an der Chronik schon in seiner Zeit im Gefängnis in Alexandria begann und kurz vor seinem Tod, nicht lange nach dem Tod Justinians, beendete.89
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Vgl. Codoñer Merino, „Estudio de la obra“, 71–72. Angemerkt sei noch, dass Martyn, „Preface“, 130–131 einen noch späteren Tod Victors und zuvor eine Rückkehr auf seinen Bischofssitz annimmt. Obwohl er selbst feststellt, dass Victor „the second most frequent name for Bishops in the North African Church“ war, geht er davon aus, dass der Bischof Victor (Primas von Numidien), der in Briefen von Gregor I. erscheint und an den Gregor I. auch einen Brief richtet (Martyn nennt die Briefe 12,3; 12,8; 12,9; vgl. aber auch 4,35; 8,14 [vgl. den Index in MGH.Ep 2, 513, s. v. „Victor 2“]), Victor von Tunnuna ist: „Victor reappears in North Africa as the reinstated bishop of Tonnena in the letters of Pope Gregory“ (Martyn, „Preface“, 130). Die Briefe stammen aus den Jahren 601 und 602, was die Geburt von Victor um 500 fast unmöglich machen würde. Wie Martyn überhaupt zu dieser These kommt, bleibt unklar, zumal es auf „Tununna“, „Tonnena“ o. ä. an den genannten Stellen keinerlei Hinweise gibt. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 1 (3,3–5 Cardelle de Hartmann); 174–175 (55,992–1003 Cardelle de Hartmann). Victor von Tunnuna (Chronicon 175 [55,997–1002 Cardelle de Hartmann]) datiert die Thronbesteigung Justins II. auf das Jahr 567 nach Christus (zu dieser Zahl s. ausführlich u. Kap. 3.6.6 und 3.6.7): a Natiuitate uero Domini nostri Iesu Christi […] usque in annum Iustini primum principis Romanorum, qui Iustiniano imperio successit, anni DLXVII. Unklar ist, warum Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 77*, angibt, die Chronik von Victor „llega hasta el año 569“. Wenn hier nicht schlicht ein Tippfehler vorliegt, bezieht sie sich möglicherweise auf die Zählung Prospers (s. u. S. 182). Der in Chronicon 1 erwähnte Bischof Domnus von Antiochien wurde vor 444 n. Chr. (441–442) Bischof, vgl. Devreesse, Le patriarcat d’Antioche, 54. Vgl. Placanica, „Introduzione“, XXII; ders., „Da Cartagine“, 336; s. auch o. Kap. 3.1.2.
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Carmen Cardelle de Hartmann datiert die Chronik des Victor von Tunnuna später – entsprechend des von ihr angenommenen späteren Todes Victors.90 Eine Datierung kurz nach dem Ereignis, mit dem die Chronik endet, sieht Cardelle de Hartmann als „altamente hipotético“91 an: Das Ende von Victors Chronik sei eben nicht plötzlich. „Da la impresión más bien de que Victor eligiera ese momento de cambio de gobierno para terminar su relato“.92 Außerdem biete die Chronik ja noch die chronologische Zusammenfassung im Schlussparagraphen (Chronicon 175): Es sei daher vielmehr wahrscheinlich, dass Victor seine Chronik einige Jahre nach dem letzten Jahr, von dem er berichtet, geschrieben habe. Die zusammenfassende Chronologie am Ende der Chronik, die die Jahre ab Adam bis Justin zählt, unterscheidet sich zwar in ihrem Charakter tatsächlich vom Rest der Chronik.93 Indem sie die Jahre seit Adam zählt, schließt sie das bisher Berichtete ab und schafft eine Zäsur. Damit liegt, wenn man diese Passage nicht als spätere Hinzufügung sehen will, ihre Deutung als absichtsvoll gestalteter Schluss der Chronik oder jedenfalls als Übergang zu einem neuen, von einem nachfolgenden Chronisten zu schreibenden Abschnitt nahe.94 Ein relativ früher Tod Victors kurz nach der Übernahme der Herrschaft durch Justin II. und damit die Datierung der Chronik auf den Zeitraum kurz danach ist damit allerdings nicht ausgeschlossen. Die Datierung der Chronik hängt neben der Frage, ob ihr Schluss als abrupt (und damit einem plötzlichen Tod Victors geschuldet) angesehen werden kann oder nicht, auch mit der Bewertung möglicher späterer Zusätze in der Chronik zusammen. Als solche kommen insbesondere drei Abschnitte in Frage95: In Chronicon 126 wird notiert, dass der „Häretiker Theodosius“ bis zum ersten Konsulat Justins des Jüngeren lebte.96 Das impliziert die Kenntnis des zweiten Konsulats Justins 568.97 In Chronicon 159 wird 90 91 92
S. o. Kap. 3.1.2. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 108*. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 108*. Vgl. grundsätzlich auch Burgess/Kulikowski, Mosaics of Time, 28: Chroniken haben nicht notwendigerweise einen gestalteten Schluss und enden insofern abrupt; das bedeutet aber nicht, dass das Ende nicht gewählt wurde: „They simply stopped abruptly when the narrative reached the date of writing, an important recent event, or the end of the previous ruler’s reign“. 93 Victor von Tunnuna, Chronicon 175 (55,996–1003 Cardelle de Hartmann): Colliguntur omnes anni ab Adam primo homine usque ad Natiuitatem Domini nostri Iesu Christi secundum carnem VMCXCIX, a Natiuitate uero Domini nostri Iesu Christi secundum carnem que facta est XLIII Augusti Octauiani Cesaris imperii anno usque in annum Iustini primum principis Romanorum, qui Iustiniano imperio successit, anni DLXVII. Fiunt simul ab Adam usque in annum primum memorati principis Romanorum anni VM DCCLXVI. 94 Zu Chronicon 175 s. ausführlich u. Kap. 3.6, dort auch die Übersetzung. 95 Es ist auch über die im Folgenden genannten Stellen hinaus möglich, dass es spätere Redaktionen, Hinzufügungen und Streichungen am Text der Chronik gab; s. dazu u. Kap. 3.5 und 3.6 zur Frage nach der ursprünglichen Gestalt der Chronik. 96 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 126 (41,717–719 Cardelle de Hartmann): Vixit enim Theodosius prefatus hereticus usque ad primum Iustini iunioris Augusti consulatum. 97 Vgl. Placanica, „Introduzione“, XLIX.
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gegen die sonstige Gewohnheit des Chronisten die Dauer eines Papstamtes erwähnt.98 Die Dauer eines Papstamtes wird auch in Chronicon 167 genannt, wobei dessen 11 Jahre Dauer bis in das Jahr 574/575 reichen.99 Placanica nimmt – vor dem Hintergrund seiner frühen Datierung von Victors Tod – für diese drei Abschnitte die Einfügung durch eine spätere Hand an. Diese Hand sei die des Johannes von Biclaro, der die Dauer eines Papstamtes normalerweise angebe.100 Cardelle de Hartmann hingegen sieht in den Textpassagen keine Zusätze durch eine spätere Hand. Aufgrund ihrer von Placanica abweichenden Sicht auf den Schluss der Chronik sowie auf die Notiz bei Isidor von Sevilla und ihrer daraus folgenden späteren Datierung des Todes Victors kann sie die Angaben, die auf ein späteres Datum verweisen als das letzte in der Chronik berichtete Ereignis, auf eine Endredaktion durch Victor von Tunnuna selbst zurückführen. Sie datiert daher die Chronik – oder jedenfalls deren Endredaktion – auf 568 oder sogar 575.101 Dennoch lässt Cardelle de Hartmann die Möglichkeit, dass es sich bei den von Placanica genannten Stellen um spätere Einfügungen handelt, prinzipiell offen. Sie selbst setzt den betreffenden Text in der Ausgabe der Chronik jeweils nicht in Klammern, weist aber im Apparat auf diese Möglichkeit bzw. auf die Entscheidung Placanicas hin.102 Eine abschließende Entscheidung für die genaue Datierung der Chronik lässt sich m. E. aufgrund ihres des Textes tatsächlich nicht treffen: Ob jemand anders die Notizen, die auf ein späteres Jahr weisen als der letzte Abschnitt der Chronik, eingefügt hat oder ob diese Notizen von Victor von Tunnuna selbst stammen, sei es, dass er sie in einem Redaktionsprozess eingefügt, sei es, dass er die Chronik insgesamt einige Jahre nach dem Tod Justinians geschrieben hat, muss offen bleiben. Plausibel erscheint damit jedenfalls auch, dass sich die Abfassung der Chronik bis zu ihrer endgültigen Fertigstellung insgesamt über einen längeren Zeitraum hinzog. Der jetzt vorliegende Text der Chronik kann jedenfalls erst nach 565 fertig gestellt worden sein; eine Endredaktion ist (aufgrund der Angabe in Chronicon 167) bis spätestens 575 anzunehmen.
Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 159 (52,934–935 Cardelle de Hartmann): Qui [Pelagius] prefuit annis V. Vgl. Placanica, „Introduzione“, XLIX. 99 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 167 (53,964 Cardelle de Hartmann): Prefuit [ Johannes] annis XI. 100 Vgl. Placanica, „Introduzione“, XLIX. 101 Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 102*. Damit sei auch denkbar, dass Victor und Johannes von Biclaro sich kannten: Johannes habe, als er in Konstantinopel studiert habe, dort möglicherweise den betagten Victor kennengelernt und von ihm persönlich ein Exemplar der Chronik erhalten. Damit jedoch „nos movemos en el terreno de la conjetura“ (ebd., 108*). Vgl. auch ebd., 77*. Zum Argument, die Zusätze gingen wegen des ähnlichen Stils (Nennung der Dauer eines Papstamtes) auf Johannes von Biclaro zurück, nimmt Cardelle de Hartmann nur implizit Stellung, vgl. ebd., „Introducción“, 107*–108*. 102 Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 108*; vgl. jeweils den apparatus ad locum. 98
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3.3 Zu den Quellen der Chronik In diesem Abschnitt sollen überblicksartig die wichtigsten Quellen der Chronik des Victor von Tunnuna benannt werden. Dabei geht es an dieser Stelle grundsätzlich darum, welche Quellen Victor von Tunnuna möglicherweise benutzt hat. Eine eingehendere Untersuchung von Victors Umgang mit ihnen bzw. vom Verhältnis der Chronik zu ihren Quellen im Einzelnen erfolgt dann später an der jeweiligen konkreten Stelle.103 Für die Jahre 444–455, d. h. also für den Anfang der Chronik, hat, wie oben bereits erwähnt, Victor von Tunnuna die Chronik des Prosper Tiro von Aquitanien als Quelle benutzt. Da die Benutzung dieser Quelle eng mit der Überlieferungsgeschichte der Chronik verknüpft ist, wird das Verhältnis zur Chronik Prospers weiter unten genauer analysiert werden.104 Die wichtigste Quelle, die sich darüber hinaus identifizieren lässt, ist die Historia ecclesiastica von Theodoros Anagnostes (Theodorus Lector). Theodoros war Lektor an der Hagia Sophia in Konstantinopel; darüber hinaus ist über sein Leben so gut wie nichts bekannt. Günther Christian Hansen sieht ihn in der Einleitung zu seiner Ausgabe der Historia ecclesiastica als Teil „der starken chalkedonisch gesinnten Fronde innerhalb des Konstantinopler Klerus, die zu Anasthasios und dem ihm ergebenen Patriarchen Timotheos in scharfer Opposition stand“; er sei möglicherweis mit dem Patriarchen Macedonius von Konstantinopel (496–511) auf Befehl von Kaiser Anastasius I. verbannt worden.105 Theodoros erstellte zunächst eine Historia tripartita ab der Regierungszeit Kaiser Konstantins bis zum Beginn der Regierung von Theodosius II. (408–450) aus den Kirchengeschichten des Sokrates, Sozomenos und Theodoret.106 Anschließend fertigte er die Historia ecclesiastica als eigenständige Fortsetzung an – sie liegt heute jedoch nur noch in Fragmenten und in Form einer Epitome, die auf 610–615 datiert wird, vor.107 Politische Geschichte spielt darin eine relativ geringe Rolle,108 und der vorliegende Text zeigt Theodoros’ pro-chalcedonensische Einstellung. Hansen urteilt: Nicht nur die Verengung des Horizonts, die für die Zeit vor Justinians Reichserneuerung charakteristisch sein dürfte, sondern auch die dogmatische und kirchenpolitische Voreingenommenheit des Autors hat zu mancher Verzerrung der wirklichen historischen Zusammenhänge geführt.109
103 Vgl. zu den Quellen insgesamt Placanica, „Introduzione“, XVIII–XXXVIII sowie den Kommentar von Placanica und den Similienapparat bei Cardelle de Hartmann. 104 S. u. Kap. 3.5; s. u. Kap. 5.1 für einen inhaltlichen Vergleich. 105 Hansen, „Einleitung“, X; vgl. auch Uthemann, „Theodor Anagnostes“, 867; Whitby, „The Church Historians“, 467. 106 Vgl. Hansen, „Einleitung“, XI–XVII; Uthemann, „Theodor Anagnostes“, 867. 107 Vgl. dazu Hansen, „Einleitung“, XXXVII–XXXIX. 108 Insbesondere zur Profangeschichte in der Historia ecclesiastica vgl. Greatrex, „Théodore le Lecteur“. 109 Hansen, „Einleitung“, XVIII.
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Der Text der Chronik und seine Geschichte
Erhalten sind Fragmente der Kirchengeschichte bis in das Jahr 518 (Thronbesteigung Justins I. = Victor von Tunnuna, Chronicon 100–101). In diesem Jahr wurde sie wohl auch fertiggestellt.110 Die Mehrzahl der in der Ausgabe von Hansen aufgeführten Fragmente der Historia ecclesiastica findet sich bei Victor von Tunnuna. Es ist davon auszugehen, dass Victor von Tunnuna entsprechend der Gattung seines Textes die Informationen der Historia ecclesiastica gekürzt und zum Teil auch verändert hat; dennoch besteht kein Zweifel daran, dass er die Kirchengeschichte als Quelle benutzt hat.111 Insbesondere für die Regierungszeit Zenos und Anastasius’ ist sie Victors Hauptquelle;112 Hansen geht von einer Benutzung bereits ab Chronicon 3 aus.113 Beispielhaft zeigt sich die gattungsgemäße breuitas der Chronik des Victor von Tunnuna bei seiner Benutzung der Historia ecclesiastica im Vergleich der ausführlichen Darstellung des „Arianers“ Olimpius bei Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica fr. 52a (131,10–133,32 Hansen [aus Johannes Damascenus, De imaginibus, oratio 3, Florilegium]) mit den wenigen Zeilen bei Victor von Tunnuna, Chronicon 80 (25,405–410 Cardelle de Hartmann), der im Gegensatz zu seiner Quelle etwa alle direkten Reden weglässt.114 Das genaue Verhältnis des Textes der Chronik Victors zum ursprünglichen Text der Historia ecclesiastica ist allerdings aufgrund der Überlieferungslage nicht mehr zu bestimmen – inwiefern die Epitome aus dem siebten Jahrhundert dem ursprünglichen oder auch dem Victor von Tunnuna vorliegenden Text der Kirchengeschichte
110 Vgl. Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica fr. 77 und E524 (151,6–12.24–29 Hansen). Vgl. auch Hansen, „Einleitung“, X–XI: „Da nun die KG mit der Thronbesteigung Justins endet und jeden Ausblick auf den Triumph der chalkedonischen Orthodoxie vermissen läßt, darf als sicher gelten, daß sie noch im Jahre 518 abgeschlossen ist.“ Vgl. Placanica, „Introduzione“, XXI: Victor benutzt die Historia von Theodoros von 444/457 bis 518, „anno con il quale si concludeva la Storia di Teodoro Lettore“. Unklar ist, warum Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 110*, schreibt, dass die Historia ecclesiastica „abarcaba los años 439 al 527“. 111 Vgl. Hansen, „Einleitung“, XXI, in Bezug auf Sarrazin, De Theodoro Lectore, 224 (dort konkret zu Victor von Tunnuna, Chronicon 82) und Schwartz, Publizistische Sammlungen, 219 (Anm. 1). Schwartz verzichtet auf eine weitere Darlegung seiner Aussage „Ich bemerke nebenbei, daß Theodors Kirchengeschichte von Victor Tunnunensis benutzt ist.“, führt ebd. aber die „Konkordanz“ zwischen Theophanes, Chronographia a. m. 5984 und Victor von Tunnuna, Chronicon 70 auf die gemeinsame Quelle Theodoros Anagnostes zurück. 112 Vgl. Hansen, „Einleitung“, XXI, zu den wichtigsten Parallelen bei Victor von Tunnuna als Beleg, dass dieser „ThA [die Kirchengeschichte des Theodoros Anagnostes] vor sich gehabt und exzerpiert hat“; vgl. insgesamt seine Ausgabe der Historia ecclesiastica fr. 1–77 (98–151 Hansen). Vgl. auch Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 110*; vgl. mit Beispielen Placanica, „Introduzione“, XIX– XXI. Dies muss hier nicht im Einzelnen nachgezeichnet werden. Zur Analyse ausgewählter Stellen s. u. in Kapitel 5 (bis 518). Theodoros Anagnostes’ Darstellung hatte selbst den Schwerpunkt in den Jahren der Herrschaft von Zeno und (besonders) von Anastasius, da er deren Zeitgenosse war, vgl. Greatrex, „Théodore le Lecteur“, 123. 113 Vgl. Theodors Anagnostes, Historia ecclesiastica fr. 1 (98,1–18 Hansen). 114 Vgl. Placanica, „Introduzione“, XX–XXI; vgl. auch Placanica, „Introduzione“, XVIII (Anm. 2) zu der Darstellung des Alamundarus bei Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E513 und bei Victor von Tunnuna, Chronicon 93. Zu beiden Stellen s. weiter u. Kap. 5.4.8.
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entspricht, kann letztlich nur vermutet werden.115 Trotz dieser Einschränkung ist es, weil die Historia ecclesiastica eben nicht selbst zur Verfügung steht, dennoch für die Analyse der Chronik des Victor von Tunnuna sinnvoll, die entsprechenden Texte aus der Epitome vergleichend heranzuziehen, um das Profil der Chronik genauer herauszuarbeiten.116 Für die Zeit nach 518, also für die Abschnitte nach Chronicon 101, ist es schwierig, Quellen ausfindig zu machen. Eine gemeinsame (unbekannte) chronistische Quelle von Victor von Tunnuna, Kyrill von Skythopolis und Johannes Malalas, wie sie Ernest Stein117 v. a. aufgrund einer Übereinstimmung für das Jahr 518, den Tod des Anastasius in Folge eines Blitzes,118 annahm, erscheint nicht wahrscheinlich: Antonio Placanica weist nach, dass die Parallelen zu Kyrill auf (zum Teil verlorene) Passagen der Historia ecclesiastica des Theodoros Anagnostes zurückzuführen sind, welche auch Kyrill benutzte. Zudem legt er dar, dass die Ähnlichkeiten mit Malalas zu vage sind, um daraus auf eine gemeinsame Quelle oder überhaupt auf die genauen Beziehungen zwischen den Chronographiae und der Chronik Victors zu schließen.119 Weil Victor von Tunnuna die Konsulatsjahre als chronologische Struktur benutzt, ist es wahrscheinlich, dass er sich hierbei auf Konsullisten (fasti consulares)120 stützt. Placanica nimmt als konkrete mögliche Quelle die Consularia Italica an, relativiert dies 115
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Als Theophanes seine Chronographia verfasste (nach 810), lag ihm wohl die Epitome selbst vollständig vor, vgl. Hansen, „Einleitung“, XXIX. Dass besonders die Interpretation der nur bei Theophanes vorkommenden Stücke schwierig ist, darauf macht Greatrex, „Théodore le Lecteur“, 125–126 aufmerksam; vgl. auch ebd., 130–139 seine Untersuchung der Vorgehensweise des Verfassers der Epitome im Vergleich mit Ps-Zacharias Rhetor, mit der er nachweist, dass manche Einfügungen in die Epitome eben nicht etwa aus Theophanes stammen, sondern vom Epitomator selbst. Gleiches gelte womöglich für auffälligerweise fehlende Stücke, z. B. zu westlicher Geschichte. S. dazu u. Kap. 5. Vgl. Stein, „Cyrille de Scythopolis“, 173 (Anm. 1). Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 100 (33,548–552 Cardelle de Hartmann); Kyrill von Skythopolis, Vita Sabae 60 (162,4–10 Schwartz); Johannes Malalas, Chronographia 16,22 (335,64–66 Thurn). Vgl. Placanica, „Introduzione“, XXIII–XXVI; vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 112*. Ferner gibt es eine auffällige Ähnlichkeit einer Formulierung in der Chronik (Chronicon 130 [43,771–773 Cardelle de Hartmann]: generalis orbis terrarum mortalitas sequitur et inguinum percussione melior pars populorum uexatur [„es folgte eine Sterblichkeit der Länder des ganzen Erdkreises, und der bessere Teil der Völker wurde weggerafft durch das Schlagen der Leisten“) mit Prokopios von Caesarea, Anekdota 18,44 (119,14–16 Haury/Wirth): ἐπιγενόμενος δὲ καὶ ὁ λοιμὸς, οὗ πρόσθεν ἐμνήσθην, τὴν ἡμίσειαν μάλιστα τῶν περιγινομένων ἀνθρώπων ἀπήνεγκε μοῖραν. / „Nachdem aber auch die Pest aufgekommen war, an die ich zuvor erinnert habe, raffte sie die bessere Hälfte der übrig gebliebenen Menschen als gebührenden Anteil weg.“ V. a. die Formulierung der „besseren Hälfte“ ist auffällig, weil sie in den anderen Quellen zu dieser Pest nicht vorkommt; s. dazu u. S. 393 (Anm. 777). Da die Ähnlichkeit aber nur einen kleinen Teil der Gesamtformulierung betrifft, lässt sich letztlich auch hier keine (direkte) Abhängigkeit postulieren. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 111*, spricht von „fastos consulares“. Die Problematik der Begrifflichkeit bezüglich fasti, fasti consulares, consularia u. ä. kann hier nicht diskutiert werden, vgl. dazu Burgess/Kulikowski, Mosaics of Time, 10–12, vgl. insgesamt 1–62 zur Frage der Gattung und Nomenklatur. Kritisch zu den dortigen Lösungsversuchen Becker, „Consularia Constantinopolitana, Einleitung“, 3–7.
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aber selbst wieder, indem er darauf hinweist, dass „il gran numero di errori e fraintendimenti, e sopratutto la totale assenza di conicidenze verbali inducono a postulare ameno una fonte intermedia attraverso cui sia giunto a Vittore il material ricavato dai Consularia“.121 Bei den Consularia Italica handelt es sich zudem um eine Gruppe von Texten, deren genaue Herkunft unbekannt ist.122 Welchen Text Victor von Tunnuna seiner Chronik hier konkret zugrunde legt, kann daher aufgrund des generell offenen Charakters und der häufigen Fortschreibung solcher Konsullisten nicht genau bestimmt werden. Victor nennt weder den östlichen noch den westlichen Konsul immer zuerst: Von 444 bis 457 nennt er zuerst den westlichen Konsul, von 548 bis 500 zuerst den östlichen, von 501 bis 563 wieder den westlichen (jeweils mit wenigen Ausnahmen).123 Dies deutet auf die Benutzung verschiedener Listen hin oder auf die Benutzung einer Liste, deren Text selbst Elemente verschiedener Herkunft aufweist, ähnlich wie etwa die sogenannten Consularia Constantinopolitana.124 Denkbar, aber aus dem Text der Chronik letztlich nicht zu belegen, ist auch eine Benutzung von Synodalakten durch Victor von Tunnuna: Es gibt Hinweise auf die Kenntnis der Akten des zweiten Konzils von Ephesus bzw. des Konzils von Chalcedon, die aber eher vage sind.125 121 Placanica, „Introduzione“, XXI–XXII (das Zitat XXII), unter Rückbezug auf Zecchini, Aezio, 88– 89 sowie Bury, „The Nika Riot“, 94. 122 Wahrscheinlich stammt die originale Sammlung aus dem späten vierten Jahrhundert; vgl. Bur gess/Kulikowski, Mosaics of Time, 178–179. Die Consularia Italica sind unter diesem Titel ediert von Mommsen, Chronica minora 1 (249–339; jeweils mit Einleitung); die Beziehung der einzelnen Texte untereinander ist jedoch noch nicht geklärt, vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 111*. Zur Forschungsgeschichte und Diskussion der bei ihm als „consular annals“ bezeichneten Texte vgl. auch Muhlberger, The Fifth Century Chroniclers, 25–27. 123 Vgl. die Angaben bei Mommsen, „Praefatio“, 180. 124 Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 111*. Zu den Consularia Constantinopolitana vgl. jetzt die Einleitung von Maria Becker neben Text (Becker) und Übersetzung (Mehran A. Nickbakht) sowie Kommentar (Becker und Nickbakht) in Modul G1–4 der Reihe der Kleinen und fragmentarischen Historiker der Spätantike, Consularia Constantinopolitana und verwandte Quellen. Vgl. auch Burgess/Kulikowski, Mosaics of Time, 175–178 (dort als Descriptio consulum bezeichnet). Zum Charakter von Consularia vgl. kurz auch Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 122*–123*. 125 Vgl. Placanica, „Introduzione“, XVIII–XIX: Victor von Tunnuna verwendet beim Eintrag zum zweiten Konzil von Ephesus in Chronicon 4 das Verb contradicere, welches auf das Κοντραδίκιτουρ des römischen Diakons Hilarius, notiert in den Akten des Konzils, anspiele (vgl. ACO 2,1,1 [191,30– 31 Schwartz]). Immerhin verwendet Prosper, Victors Hauptquelle für diese Jahre, an dieser Stelle ein anderes Verb, woraus man auf eine andere Quelle schließen könnte: Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 4 (4,29–30): […] contradicentibus etiam legatis sedis apostolice […]. / „[…] obwohl die Gesandten des Apostolischen Stuhls widersprachen […]“. Vgl. Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 1358 (480,14–15 Mommsen; Übers. 127 Kötter): […] reclamantibus eis qui uice sancti papae Leonis intereant […]. / „[…] obwohl diejenigen, die an Stelle des heiligen Papstes Leo teilnahmen, widersprachen […].“ Das Verb contradicere findet sich im selben Zusammenhang auch bei Liberatus von Karthago, Breuiarium 12 (118,26 Schwartz). Da Liberatus sagt, er habe eine aus dem Griechischen übersetzte Version der Akten des Konzils von Chalcedon (mit den dort in der ersten Sitzung verlesenen Akten des Konzils von Ephesus) in Alexandria erhalten (Breuiarium 12 [119,7–8 Schwartz]), ist vorstellbar, dass Victor von Tunnuna in Alexandria ebenfalls Zugang
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Placanica sieht darüber hinaus die Möglichkeit, dass Victor auf weitere offizielle Dokumente zurückgegriffen hat: Aufgrund ähnlicher Wortwahl bei jeweils denselben Themen könnte Victor Briefe oder Briefsammlungen von Päpsten aus dem fünften und sechsten Jahrhundert als Quelle benutzt haben.126 Er nennt Parallelen von – Chronicon 8 (Martianus […] ecclesiarum paci prospiciens [5,49–51 Cardelle de Hartmann]) zu Leo I. der Große, Epistula 94,1 (ad reparationem pacis ecclesiasticae synodum habere uoluistis [PL 54, 941A Migne]); – Chronicon 19 zu Leo I. der Große, Epistula 170 (PL 54, 1214B Migne; Timotheus Ailurus jeweils als auctor des Todes von Proterius); – Chronicon 58 (litteris […] admonitus; custodie mancipat [18,295–297 Cardelle de Hartmann]) zu Felix III. (II.) von Rom, Epistula 6,1 (Vitalem atque Misenum […] custodiae passus fueri mancipari [244–245 Thiel]) und Epistula 7 (secundo a nobis admonitus [247 Thiel]). Zudem werde in Chronicon 22 ein Brief von Leo dem Großen an Juvenal von Jerusalem erwähnt, bei dem es sich um Epistula 150 handeln könnte. Chronicon 53 zeige ferner eine Nähe zu einem Abschnitt der Narrationis ordo de prauitate Dioscori.127 Carmen Cardelle de Hartmann ist zuzustimmen, wenn sie hier insgesamt eher Echos als Paral lelen sieht.128 Der Anklang zumindest an die Briefe des Felix von Rom in Chronicon 58 ist aber auch insofern deutlich gegeben, als es ja dort gerade konkret um Briefe des Felix geht. Ob Victor von Tunnuna die Briefe allerdings wirklich direkt benutzt hat, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Aufgrund ihres nordafrikanischen Autors und ihres Profils stellt sich die Frage, ob sich auch nordafrikanische Quellen der Chronik identifizieren lassen. V. a. an eine Benutzung der Historia persecutionis Africanae prouinciae des Victor von Vita ist zu denken, erwähnt doch die Chronik an mehreren Stellen die Verfolgungen der „Katholiken“ Nordafrikas unter der vandalischen Herrschaft.129 Placanica geht davon aus, dass „più che generiche affinità nel contenuto storico fanno pensare alcune somiglianze verbali“.130 Er verweist auf mehrere solcher „wörtlichen Ähnlichkeiten“:
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zu solchen Dokumenten hatte; vgl. Placanica, „Introduzione“, XIX. Weiter zu Chronicon 4 s. u. Kap. 5.1.3 und 5.1.4; zu einem weiteren Hinweis bezüglich einer Benutzung der Konzilsakten (Datierung des Konzils in das Konsulat des Augustus Marcian) s. ebf. u. S. 244. Für die Benutzung der Akten des 2. Konzils von Konstantinopel gibt es keinen Hinweis, auch wenn die Angabe der Chronik, dass Vigilius von Rom auf dem Konzil anwesend war (vgl. Chronicon 147) für eine dahingehende Argumentation nicht überbewertet werden sollte; s. zu diesem Problem u. Kap. 5.7.3.3. Vgl. Placanica, „Introduzione“, XXII. Narrationis ordo de prauitate Dioscori, Appendix 2,14 (795,10–12 Guenther). Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 112*. Sie hält es dann aber doch für „probable que Víctor pudiera utilizar estas epístolas, ya que estas expresiones similares aparecen al tratar de los mismos temas“. S. dazu insgesamt u. Kap. 5.5. Placanica, „Introduzione“, XXIII.
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Victor von Tunnuna, Chronicon 14 (Hic itaque malum quod latebat apparuit. [7,86– 87 Cardelle de Hartmann]) erinnere direkt an Victor von Vita, Historia persecutionis 3,20 (Post uero fraus quae celabatur apparuit. [81,8 Petschenig]). Chronicon 28 (post multarum prouinciarum clades et christiani apud Affricam populi spolia atque neces [11,150–151 Cardelle de Hartmann]) erscheine wie eine Verstärkung von Historia persecutionis 3,59 (frequens [bei Placanica als frequentia zitiert] multarum prouinciarum spolia [101,9–10 Petschenig]). Zudem runde Victor von Tunnuna die Zahl der Exilierten unter Hunerich (Chronicon 50 [16,246 Cardelle de Hartmann]: quatuor circiter milia) aus Victor von Vita, Historia persecutionis 2,26 (quattuor milia DCCCCLXVI [33,22 Petschenig]).
Letztlich lässt Placanica zwar die Frage, ob Victor von Tunnuna die Historia persecutionis als Quelle benutzt hat, dennoch offen. Aber selbst dies greift noch zu weit: Die Zahl der genannten Anklänge ist erstens äußerst gering, und zweitens sind diese sehr vage. Gerade die gerundete Zahl der Exilierten kann auch allgemein bekannt gewesen sein. Zudem steht, selbst wenn es sich um eine „wörtliche Ähnlichkeit“ handelt, zumindest die erste „Ähnlichkeit“ in beiden Quellen in ganz verschiedenen Kontexten.131 Auch die zweite „Ähnlichkeit“ läuft bei Victor von Vita auf ein anderes Ziel hin, nämlich nicht den Regierungswechsel zu Hunerich (so bei Victor von Tunnuna), sondern die Hungersnot der Vandalen. Eine direkte Benutzung der Historia persecutionis als Quelle legt sich aufgrund dieser Stellen jedenfalls nicht nahe, und auch hinsichtlich anderer Stellen ist ein solcher Nachweis schwer zu erbringen.132 Placanica sieht auch „generici accostamenti“ mit dem Laterculus Regum Vandalorum hinsichtlich der Verfolgung durch Hunerich und der Rückeroberung durch Belisar.133 Hier dürfte die Abhängigkeit aber in die andere Richtung gehen: Roland Steinacher hat gezeigt, dass die Chronik des Victor von Tunnuna vielmehr für den Text des Laterculus, einer (afrikanischen) Fortsetzung der Chronik Prospers, in der Version des Reichenauer Codex (Parisinus Latinus 4860, fol. 49v) selbst eine Quelle ist.134 Für einen Verteidiger der Drei Kapitel aus Nordafrika wie Victor von Tunnuna stellt sich dann auch die Frage nach einer Rezeption von Texten anderer Verteidiger der Chronicon 14: Ermordung Valentinians und Eroberung Roms durch Geiserich, der genannte Text bezogen auf die Heirat der Witwe von Valentinian durch Maximus ohne die übliche Trauerzeit. Historia persecutionis 3,20: Erzwungener Eid von katholischen Bischöfen, verbannt werden letztlich sowohl die, die geschworen haben, weil das Schwören im Evangelium verboten ist, als auch die anderen, weil sie keinen Eid gegenüber dem König geleistet haben. 132 Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 113*–114*. S. auch u. S. 319–320 (Anm. 412) zu einer weiteren Ähnlichkeit, Victor von Tunnuna, Chronicon 30 und Victor von Vita, Historia persecutionis 2,17. 133 Placanica, „Introduzione“, XXIII. 134 Vgl. Steinacher, „The So-Called Laterculus Regum Vandalorum et Alanorum“; ausführlicher in der dem Aufsatz zugrundeliegenden Arbeit Der Laterculus Regum VVandalorum et Alanorum, in Auseinandersetzung mit der Edition Mommsens, Chronica minora 3, 456–460 (mit Einleitung). 131
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Drei Kapitel, gerade aus Nordafrika. Es gibt jedoch insgesamt nur wenige Hinweise auf eine direkte Benutzung solcher Texte: Dem Zeugnis der Chronik zufolge kannte Victor von Tunnuna Facundus von Hermiane und seine duodecim libri, also seine Schrift Pro defensione trium capitulorum.135 Auf eine tatsächliche Kenntnis oder auch Benutzung dieser Schrift durch Victor weisen die Benennung des zweiten Konzils von Ephesus als nec dicenda sinodus136 sowie die Rückführung der Verurteilung der Drei Kapitel durch Papst Vigilius auf die Anstachelung des Kaisers durch die subreptiones Accephalorum hin, die Facundus von Hermiane als Hintergrund für das Edikt Justinians sieht, gegen das er sich mit seiner Schrift wendet.137 In Chronicon 137, wo berichtet wird, dass Justinian per diuersas prouincias in regni sui finibus constitutas instantissime scribit et antistites cunctos prefata tria capitula damnare compellit (45,811–46,813 Cardelle de Hartmann) findet sich zudem ein wörtlicher Anklang an Pro defensione trium capitulorum 2,3,17,138 wobei Chronicon 137 auch inhaltlich im selben Kontext steht. V. a. deshalb kann dies als weiterer Hinweis darauf gesehen werden, dass Victor von Tunnuna diese Schrift des Facundus kannte und benutzte.139 Dieselbe Stelle in der Chronik ist zudem ein Anklang an Facundus von Hermianes Liber contra Mocianum Scholasticum140 13. In Contra Mocianum 13 schreibt Facundus von Hermiane, bezogen auf Zenos Henotikon, insbesondere aber auch auf die Gemein135 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 142. Zu kurzen Einordnung und Datierung der Schrift s. o. S. 74–75. 136 Victor von Tunnuna, Chronicon 10 (6,59–60 Cardelle de Hartmann); vgl. Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 5,3,33 (secunda non dicenda synodo Ephesena [146,259–260 Clément/Vander Plaetse); vgl. 6,1,1; vgl. Placanica, „Note“, 70 (ad a. 451); ders., „Introduzione“, XXVI; Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 113. 137 Victor von Tunnuna, Chronicon 132 (44,786–791 Cardelle de Hartmann); vgl. Facundus von Her miane, Pro defensione trium capitulorum, praefatio (3,1–2 Clément/Vander Plaetse; Übers. 141 FraïsseBétoulières): Cum in praeiudicium sancti concilii Chalcedonensis impugnatores eius Acephali per quosdam subriperent […] / „Pour nuire au saint synode de Chalcédoine, ses adversaires acéphales s’employaient sournoisement de quelques individus […]“. Allgemein mit haeretici verbunden wird subreptio in Pro defensione trium capitulorum 2,1,2; 3,5,13; 4,3,6; 5,5,20. Vgl. Placanica, „Introduzione“, XXVI; ders., „Note“, 121 (ad a. 544,1); Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 113*. Bei Victor von Tunnuna wird subreptio nur an der genannten Stelle und somit nur in Verbindung mit den Accephali gebraucht. Auch impugnatores wird nur einmal in Chronicon 124 für Severus von Antiochien und Julian von Halicarnassus gebraucht, s. u. Kap. 5.7.1.5. 138 Facundus von Herminae, Pro defensione trium capitulorum 2,3,17 (53,117–120 Clément/Vander Plaetse; Übers. 301 Fraïsse-Bétoulières): […] ad augmendum numerum, alieno decreto subscribere compelluntur episcopi, quod per diuersas circumlatum prouincias omnium sacerdotum uideretur subscriptione firmari. / „pour en augmenter le nombre sont contraints de souscrire à un décret différent qui, porté à travers diverses provinces, semblerait avoir reçu confirmation par l’adhésion de tous les évêques“. 139 Vgl. Placanica, „Introduzione“, XXVI. Cardelle der Hartmann, „Introducción“, 113* (Anm. 222) lehnt die Argumentation mit dieser Stelle eher ab: „La única semejanza con § 137 es la expresión per diuersas prouincias.“ Vgl. zudem auch die ähnliche Beschreibung der Drei Kapitel in ihrem Verhältnis zu Chalcedon in Victor von Tunnuna, Chronicon 130 und Facundus von Hermiane, Contra Mocianum 5. 140 S. o. S. 74 (Anm. 299) zur Datierung und Einordnung.
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schaft mit Acacius von Konstantinopel und anderen Gegnern von Chalcedon, Zeno omnes Ecclesias in sui regni finibus constitutas idem facere compellebat.141 Diese wörtlichen Parallelen können auch Zufall sein, fallen aber, obwohl auf ein anderes Ereignis bezogen, auf.142 Weitere Anklänge von Chronicon 57 und 104 an Contra Mocianum 13 und 19 sind zwar vage, finden sich aber immerhin im entsprechenden inhaltlichen Kontext.143 Ein Rückgriff Victors auf Contra Mocianum erscheint damit jedenfalls denkbar. In Bezug auf Facundus von Hermiane wird auch das Verhältnis der Chronik zur Epistula fidei catholicae diskutiert. Da eher von einer pseudepigraphen Zuschreibung der Epistula fidei catholicae an Facundus von Hermiane, v. a. aber von einer späteren Datierung als die Chronik auszugehen ist, kommt bezüglich der Epistula aber nur eine Benutzung der Chronik Victors durch Ps-Facundus in Frage, nicht umgekehrt.144 Hinweise auf eine solche Benutzung würden dann auf eine Rezeption der Chronik in dem (nordafrikanischen) Milieu hindeuten, das auch noch nach 565 die Drei Kapitel gegen ihre Verurteilung zu verteidigen suchte. In Bezug auf weitere nordafrikanische Quellen wird in der bisherigen Forschung zu Victor von Tunnuna die Annahme einer Benutzung des (ca. 560 bis 566 entstandenen) Breuiarium causae Nestorianorum et Eutychianorum des Nordafrikaners Liberatus von Karthago durch Victor von Tunnuna diskutiert, aber normalerweise abgelehnt.145
141 Facundus von Hermiane, Contra Mocianum 13 (404,114–115 Clément/Vander Plaetse; Übers. 241 Fraïsse-Bétoulières): „contraignait à faire de même les évêques soumis à son empire“. 142 Insgesamt zu Chronicon 137 und den Anklängen an Facundus von Hermiane sowie zur Deutung dieser möglichen Neu-Kontextualisierung durch Victor von Tunnuna s. u. S. 408–411. 143 Placanica, „Introduzione“, XXVI und Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 113* halten aufgrund der genannten Stellen Chronicon 57 und 104 und deren Rückgriff auf Contra Mocianum 13 eine Benutzung dieser Schrift von Facundus von Hermiane durch Victor von Tunnuna wahrscheinlich. Sie beziehen sich für Chronicon 57 (Acacianisches Schisma) wahrscheinlich auf die orientales episcopi preter paucos (18,287–288 Cardelle de Hartmann) im Gegenüber zu omnis Oriens, praeter admodum paucos in Contra Mocianum 13 (404,117 Clément/Vander Plaetse). Für Chronicon 104 (Beendigung des acacianischen Schismas) nennt Placanica als Parallele zu Contra Mocianum 13 sub digna satisfactione (34,574 Cardelle de Hartmann), gemeint ist hier aber wohl eine Parallele zu Contra Mocianum 19 (sub debita satisfactione [405,163 Clément/Vander Plaetse]). 144 Vgl. Placanica, „Introduzione“, XXVI–XXVII. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 113* (Anm. 222) sieht in den bei Placanica angegebenen Stellen (Chronicon 145 und 152 sowie Epistula fidei catholicae 25–26 und 59) keinen Beleg für eine Benutzung der Chronik durch den Autor der Epistula. Zur Diskussion von Datierung und Autorschaft der Epistula fidei catholicae sowie zu deren Verhältnis zur Chronik Victors von Tunnuna s. u. Kap. 5.9. 145 Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 112*–113*; Placanica, „Introduzione“, XXVII–XXVIII; vgl. schon Mommsen, „Praefatio“, 183, so jetzt auch, in Bezug auf Cardelle de Hartmann und Placanica, Blaudeau, „Introduction“, 15 (mit Anm. 2), vgl. auch ebd., 51–52. Liberatus, (Erz?-) Diakon von Karthago, gibt in seinem Breuiarium causae Nestorianorum et Eutychianorum (hier zitiert als Breuiarium; ediert von Eduard Schwartz in ACO 2,5, 98–141; vgl. jetzt auch die französische Übersetzung mit Einleitung in den Sources chrétiennes 607 von Philippe Blaudeau, Libératus de Carthage [2019]) einen Abriss der religions- und kirchenpolitischen Debatten im oströmischen Reich im fünften und sechsten Jahrhundert (von Nestorius bis zum Konzil von Konstantinopel 553),
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In Frage kommt eine direkte Abhängigkeit insbesondere für Victor von Tunnuna, Chronicon 130 (42,752–43,771 Cardelle de Hartmann), das Zitat eines (unechten) Briefes von Papst Vigilius, welcher sich auch in Breuiarium 24 (137,27–138,5 Schwartz) findet.146 Gegen eine Abhängigkeit wird argumentiert, dass es zwischen der Chronik und dem Breuiarium bis auf den Vigilius-Brief keine formalen Parallelen gebe und dass Victor auch nicht dieselben Quellen benutze wie Liberatus. Hinsichtlich des Vigilius- Briefes werden die vielen Unterschiede zwischen den Texten bei Victor und Liberatus
inklusive einer kurzen Vorgeschichte zum christologischen Streit im vierten Jahrhundert (so charakterisiert bei Drecoll/Meier, „Einleitung“, 6). Das Breuiarium ist ein Zeugnis für die Schwierigkeiten in der Kommunikation zwischen Ost und West im sechsten Jahrhundert, aber es ist auch ein Versuch, diese zu überwinden. Liberatus von Karthago verteidigt damit zwar einerseits die Drei Kapitel – überhaupt wurde im Breuiarium oft „vornehmlich eine Rechtfertigung der Drei Kapitel sowie [der] Versuch, die Unrechtmäßigkeit ihrer Verurteilung durch Justinian zu erweisen“ (ebd., 6) gesehen, so etwa bei Suchla, „Liberatus, Diakon von Karthago“ (456): „Das Anliegen dieser Schrift, die zwischen 560 und 566 entstand, lag in der Verteidigung der Drei Kapitel und im Erweis, dass Justinian mit der Verurteilung der Drei Kapitel eine falsche Entscheidung getroffen habe“ (zu weiteren Beispielen vgl. Meier, „Das Breviarium“, 132–133). Gleichzeitig schreibt Liberatus selbst, dass sein Ziel mit dem Breuiarium ist, einem lateinischsprachigen Leserkreis Einblick in komplizierte Diskussionen im griechischen Osten zu geben (vgl. Breuiarium 1 [99,6–7 Schwartz]: libenter offero catholicis fratribus ignorantibus acta ipsarum heresum et legere uolentibus / „gerne biete ich es [= was ich schreibe] den katholischen Brüdern an, die die Ereignisse derselben Häresien [= Nestorianer und Eutychianer] nicht kennen und sie lesen wollen“); vgl. Drecoll/Meier, „Einleitung“, 6. Daher ist mit der Verteidigung der Drei Kapitel „die Intention des Liberatus keineswegs ausreichend beschrieben“ (ebd., 6): Von Justinians Herrschaft zieht er „ein ausgesprochen positives Fazit“ (Meier, „Das Breviarium“, 138); insgesamt ist er eher als Vermittler zwischen Ost und West zu sehen, der v. a. „einen Abriss oströmischer Kirchenpolitik im 5. und 6. Jahrhundert“ bietet (ebd., 142) und „eine tendenzöse Schrift weitgehend im Sinne Justinians“ verfasst hat (ebd., 147). Der Intention einer positiven Darstellung der Herrschaft Justinians widerspricht nun wieder Blaudeau, „Introduction“, bes. 42–47, der zudem wieder die inhaltliche Verwandtschaft zu Facundus von Hermiane und Victor von Tunnuna im Kampf für die Verteidigung der Drei Kapitel hervorhebt (vgl. bes. ebd., 47–52). Insgesamt sind Gattung und Intention des Breuiarium so auch weiterhin umstritten. Die Annahme, dass es keine unmittelbare textliche Beziehung zwischen der Chronik des Victor von Tunnuna und dem Breuiarium gebe, spricht für Blaudeau, „Introduction“, 15–17.51 übrigens (neben anderen Hinweisen) für die Redaktion des Breuiarium in Italien (Vivarium) (in Bezug auf die These von Schwartz, „Praefatio“, XXII, der annimmt, dass Liberatus dahin geflohen sein könnte). Vgl. insgesamt zum Breuiarium v. a. das Themenheft ZAC 14,1 (Das „Breviarium“ des Liberatus von Karthago), dort in den einzelnen Beiträgen auch einschlägige weitere Literatur zu Liberatus; jetzt eben auch den o. g. Band von Blaudeau. 146 Dass der Brief nicht von Vigilius selbst stammt, hat Placanica, „De epistola Vigilio supposita“, gezeigt; vgl. auch die Anmerkungen zu einzelnen Textteilen bei Placanica, „Note“, 118–120 (ad a. 542,1). Es ist nicht nötig, seine Argumentation hier im Einzelnen nachzuzeichnen. Es gibt eine weitere Stelle, die auf eine direkte Verbindung der Chronik und des Breuiarium hinweisen könnte: Bereits im 18. Jahrhundert wurde eine Abhängigkeit zwischen Liberatus von Karthago, Breuiarium 19 (133,8–12 Schwartz) und Victor von Tunnuna, Chronicon 87 (27,449–451 Cardelle de Hartmann; „Tadel“ des Evangeliums durch Kaiser Anastasius) diskutiert, vgl. Placanica, „Note“, 98 (ad a. 506 [genannt ist dort fälschlicherweise Breuiarium 18]). Schon Mommsen, „Praefatio“, 183, lehnt diese Abhängigkeit aber ab: „Victor rem diverse omnino narrans certe non pendet a Liberato“. Die Frage lässt sich für diese Stelle nicht eindeutig lösen. Zu Victor von Tunnuna, Chronicon 130 vgl. insgesamt Kap. 5.7.3.2–5.7.3.4.
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Der Text der Chronik und seine Geschichte
betont. Wahrscheinlicher sei hier, dass Victor und Liberatus mit dem Brief unabhängig voneinander einen pseudepigraphischen Text wiedergeben würden, der in Nordafrika unter den Verteidigern der Drei Kapitel verbreitet gewesen sei, einem dezidiert gegen Vigilius eingestellten Milieu.147 Betrachtet man die Brieftexte bei Victor und bei Liberatus nebeneinander, fällt aber weniger ihre Unterschiedlichkeit auf als vielmehr ihre große Ähnlichkeit. Neben einzelnen Wort- oder Flexionsvarianten wie iuuante und adiuuante oder Umstellungen wie qui est uester und qui uester est,148 die nicht zuletzt auch durch die Überlieferung entstanden sein können, gibt es drei größere Unterschiede: Der längere Briefanfang149 und die Nicht-Nennung des Namens der Antonina bzw. stattdessen ihre Benennung als domina150 bei Victor von Tunnuna sowie der unterschiedliche letzte Satz vor der subscriptio151. Gerade eine Änderung am Anfang einer zitierten Textstelle ist nicht ungewöhnlich. Der längere Anfang des Briefes könnte eine Anpassung durch Victor von Tunnuna an die subscriptio des Briefes sein.152 Schon
147 Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 112*–113*, hier 113*: „un ambiente particularmente hostil al Papa Vigilio“; vgl. auch Gleede, „Liberatus’ Polemik“, 111. Placanica, „De epistola Vigilio supposita“, 32, nimmt eine Entstehung an „fortasse in Aegypto, ubi deguerunt Liberatus et Victor“; vgl. auch ders., „Note“, 118–119 (ad a. 542,1); Placanica, „Introduzione“; XXVII – der Brief könne im Original sogar auf Griechisch geschrieben gewesen sein. Blaudeau, „Notes“, 330 (Anm. 4), sieht in Bezug auf Speigl, „Leo quem Vigilius condemnavit“, 13, den Brief von Partisanen des Silverius verfasst, der bei Liberatus von Karthago die entsprechende Erzählung um Vigilius garantieren solle. 148 Vgl. bspw. Victor von Tunnuna, Chronicon 130 (42,755–756 Cardelle de Hartmann): deo iuuante mit Liberatus von Karthago, Breuiarium 22 (137,33–34 Schwartz): deo adiuuante. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 130 (43,763 Cardelle de Hartmann): qui est uester mit Liberatus von Karthago, Breuiarium 22 (137,33 Schwartz): qui uester est. Unterschiedlich in der Bedeutung, aber möglicherweise auch auf einen frühen Schreib- oder Verständnisfehler zurückzuführen ist die Variante profectus mei bei Victor von Tunnuna (43,763 Cardelle de Hartmann, ihrer Angabe zufolge in allen Handschriften; „meines Fortschritts“) im Gegenüber zu prouectus mei bei Liberatus (137,33 Schwartz; „meiner Beförderung“). Placanica (46 Placanica) entscheidet sich bei Victor von Tunnuna gegen das Zeugnis der Handschriften für die Variante des Liberatus, also prouectus. Aus meiner Sicht gibt es dafür keinen nachvollziehbaren Grund (zumal an den anderen unterschiedlichen Stellen der Text des Briefes ja auch nicht vereinheitlicht wird), weshalb ich in der Übersetzung mit Cardelle de Hartmann dem für die Chronik überlieferten Text folge. Zu weiteren kleineren Varianten vgl. die Darstellung bei Placanica, „De epistola Vigilio supposita“, 27–28. 149 Vgl. Liberatus von Karthago, Breuiarium 22 (137,27–28 Schwartz): Dominis et Christis Vigilius. Bei Victor von Tunnuna, Chronicon 130 (42,752–754 Cardelle de Hartmann): Dominis et in Christi Dei Saluatoris nostri karitate coniunctis fratribus Theodosio, Antimo et Seuero episcopis Vigilius episcopus. 150 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 130 (42,756–758 Cardelle de Hartmann): quia modo gloriosa domina et filia mea patricia christianissima desideria mea fecit impleri. Vgl. Liberatus von Karthago, Breuiarium 22 (137,28–29 Schwartz): quia modo gloriosa filia mea patricia Antonina Christianissima desideria mea fecit impleri. 151 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 130 (43,768–769 Cardelle de Hartmann): ut facilius possit Deus que cepit operari perficere. Vgl. Liberatus von Karthago, Breuiarium 22 (138,3 Schwartz): ut facilius possim his quae coepi operari, perficere. 152 Dort werden einige Begriffe genannt, die in der Variante des Anfangs bei Victor von Tunnuna vorkommen, vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 130 (43,769–771 Cardelle de Hartmann; die gemeinsamen Begriffe [vgl. 42,752–754 Cardelle de Hartmann] sind unterstrichen): orate pro me domini
Zu den Quellen der Chronik
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Schwartz bemerkt im apparatus ad locum zur Stelle (137 Schwartz): „longior extat salutationis forma apud Victorem partim ex fine epistulae desumpta“153. Das Problem des fehlenden Namens der Antonina bei Victor von Tunnuna hingegen löst Cardelle de Hartmann selbst durch eine Konjektur auf.154 Wenn man dieser Konjektur nicht zustimmen will, bleibt immer noch die Beobachtung, dass der Name der Antonina in der Version des Briefes von Victor von Tunnuna zum Verständnis nicht notwendig ist, weil er kurz zuvor in Verbindung mit patricia genannt wurde und daher klar ist, auf wen sich gloriosa domina et filia mea patricia christianissima bezieht. Bei Liberatus von Karthago hingegen wird zwar Antonina auch kurz zuvor genannt, aber als coniux des Belisar ohne den Titel patricia.155 Dass Antonina dafür bei Victor von Tunnuna stattdessen als domina bezeichnet wird, kann einerseits ebenso gut eine spätere Hinzufügung sein, die die doppelte Rolle der Antonina als filia i. S. des päpstlichen Amtes, aber als domina i. S. dessen, zu dem sie Vigilius zwingt, verdeutlicht. Andererseits passt die Bezeichnung aber auch zum Duktus der Vigiliusdarstellung in der Chronik, die ihn gerade in Chronicon 130 als leicht durch die beiden Frauen Theodora und Antonina verführbaren Bischof von Rom präsentiert. Die Satzvariante vor der subscriptio schließlich lässt sich leicht als Schreibvariante erklären. Trotz dieser Unterschiede gibt es jedenfalls insgesamt mehr Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Brieffassungen,156 und die bestehenden Unterschiede können zumindest ohne größere Schwierigkeiten erklärt werden. Sie können jedenfalls nicht als Argumente gegen eine Benutzung des Breuiariums, und sei es nur für die Übernahme des Briefes, durch Victor von Tunnuna angeführt werden. Ein wichtigeres Gegenargument bleibt wohl der Umstand, dass es sonst keine formalen (d. h. auch wörtlichen) Parallelen zwischen beiden Quellen gibt. Trotzdem lässt sich eine Benutzung des Breuiarium durch Victor von Tunnuna an dieser Stelle nicht dezidiert ausschließen, gerade auch im Vergleich der jeweiligen Einbettung des Briefes in die erzählte Geschichte, die bei Victor mit ihrer eigenen Zuspitzung so wirkt, als sei sie eine Anpas-
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mei fratres in Christi Dei nostri Saluatoris karitate conexi. Die Namen der drei Patriarchen kommen in der Version des Anfangs bei Victor von Tunnuna dazu, eine freilich für einen Briefanfang nicht ungewöhnliche Ergänzung. Die Version der subscriptio bei Liberatus von Karthago verwendet bis auf wenige Ausnahmen die gleichen Wörter, allerdings teilweise in unterschiedlicher Flexion, vgl. Liberatus von Karthago, Breuiarium 22 (138,4–5 Schwartz): Orate pro nobis, domini mihi fratres in Christo domini nostri caritate coniuncti. Schwartz selbst nimmt ja für den Anfang bei Liberatus eine Konjektur vor, s. o. Anm. 149. S. o. Anm. 150. Vgl. Liberatus von Karthago, Breuiarium 22 (137,25 Schwartz): Vigilius autem per Antoniam Bilisarii coniugem inplens. Vorher erfolgt ihre Nennung einmal ohne Namen als Frau des Belisar (Bilisarius et eius coniux [136,32 Schwartz]), und dann bei der Erwähnung ihres Sohnes mit Namen und als patricia (Photis filius Antoninae patriciae [136,36 Schwartz]). Dies gilt v. a. auch im Vergleich zu den Gemeinsamkeiten der Chronik mit den Texten, die sonst als Quellen für Victor von Tunnuna genannt werden; s. o in diesem Kapitel.
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Der Text der Chronik und seine Geschichte
sung der bei Liberatus vorgefundenen Geschichte an das eigene Vorhaben.157 Ebenso wenig auszuschließen ist freilich die oben genannte Möglichkeit, dass Victor von Tunnuna und Liberatus von Karthago beide unabhängig voneinander jeweils den Brief als solchen zitieren, gerade weil es sich bei der einzigen größeren Parallele zwischen beiden Texten eben um einen zitierten Text handelt. Zudem werden Versprechungen des Vigilius, die bei Liberatus und (etwas anders) bei Victor Anlass für den Brief sind, in mehreren anderen Quellen erwähnt; offenbar kursierten entsprechende Gerüchte unter den Verteidigern der Drei Kapitel, so dass auch von daher denkbar ist, dass in diesem Milieu, das sich gegen Vigilius wandte, ein solcher Brief zirkulierte, von dem Liberatus und Victor unabhängig voneinander Kenntnis hatten.158 Letztlich lässt sich bezüglich einer Benutzung des Breuiarium durch Victor von Tunnuna daher an dieser Stelle kein abschließendes Urteil fällen. Es gibt weitere Ähnlichkeiten zwischen dem Breuiarium und der Chronik, die allerdings eher inhaltlicher Art sind, also weniger auf die Benutzung des einen Textes durch den anderen i. S. einer Quelle, sondern ebenfalls eher auf ein gemeinsames Milieu hindeuten, in dem beide Texte entstanden sind.159 Es lassen sich also trotz des nordafrikanischen Kontextes der Chronik konkret nur wenige, punktuell benutzte nordafrikanische Quellen identifizieren.160 Woher Victor von Tunnuna seine Informationen über die afrikanischen Ereignisse hatte, von denen er berichtet, muss daher offen bleiben. Es besteht freilich die Möglichkeit, dass er auf mündliche Traditionen und persönliche Erinnerungen zurückgreifen konnte.161 V. a. persönliche Erinnerungen sind schon deshalb wahrscheinlich, weil sich der Autor der Chronik ja dezidiert in die berichteten Ereignisse einschreibt.162 Das nordafrikanische Milieu der Verteidiger der Drei Kapitel dürfte hier insgesamt eine wichtige Rolle gespielt haben, auch wenn sich dies offenbar kaum in konkret nachweisbaren Abhängigkeiten der Texte spiegelt. Die wichtigste Quelle Victors bis in das Jahr 518 ist – neben der Chronik Prospers für den Anfang der Chronik bis 455 – mit der Historia ecclesiastica des Theodoros Anagnostes eine prochalcedonensische, aber aus dem griechischen Osten stammende Schrift. Nach dem Urteil Placanicas ist die Tendenz der Historia ecclesiastica für Inhalt und Charakteristik von Victors Chronik prägend:
157 S. u. Kap. 5.7.2.4. 158 S. auch u. Kap. 5.9 zur Epistula fidei catholicae. 159 Vgl. auch Blaudeau, „Introduction“, 51, der dem Breuiarium „un intime rapport de solidarité logique“ mit den Werken des Facundus von Hermiane und des Victor von Tunnuna attestiert, wenngleich: „il n’y a pas pour autant d’évidente et immédiate relation textuelle entre eux“. Eine weitergehende Untersuchung zum Verhältnis der beiden Schriften wäre wünschenswert. 160 Placanica, „Introduzione“, XXVII, nimmt auch an, dass Victor von Tunnuna Ferrandus von Karthago kannte, stellt aber gleichzeitig fest, dass sich die Benutzung seiner Briefe im Text der Chronik nicht zeigen lasse. 161 Vgl. Placanica, „Introduzione“, XXIII. 162 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 153; 156; 169.
Überlieferung und Editionen
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Vittore accoglie molte delle caratteristiche proprie alla sua fonte: preminente interesse per gli avvenimenti ecclesiastici, attenzione esclusiva alla pars Orientis e centralità di Constantinopoli rispetto agli altri patriarcati, atteggiamento non sempre imparziale, che si dimostra nella recenzione di dicerie e aneddoti tendenzioso.163
Es wird sich jedoch zeigen – insofern dies aufgrund der Überlieferung der Historia ecclesiastica möglich ist –, wie Victor von Tunnuna mit dieser Quelle umgeht und wie er ihre Informationen an sein eigenes Interesse und seinen Kontext anpasst, inwiefern er also ihre Tendenz für sich nutzt und mit ihr seine eigene Geschichte schreibt. Dass Victor von Tunnuna die Historia ecclesiastica benutzte, ist übrigens auch ein wichtiger Hinweis auf eine weitere Information über den Autor der Chronik selbst: Er konnte offenbar gut genug griechisch, um diese Schrift zu lesen und Teile davon ins Lateinische zu übertragen.164 Möglicherweise hatte Victor von Tunnuna im Exil in Alexandria oder später in Konstantinopel Zugang zu ihr. Angemerkt sei an dieser Stelle noch, dass Victor von Tunnuna die biblischen Schriften so gut wie gar nicht als Quellen benutzt bzw. zitiert – weder als Geschichtsquellen, was sich natürlich schon durch die erzählte Zeit nicht nahelegt, noch als Mittel zur Interpretation von Geschichte. Dies entspricht freilich grundsätzlich dem Charakter einer Chronik. 3.4 Überlieferung und Editionen 3.4.1 Grundsätzliches Carmen Cardelle de Hartmann hat die Überlieferungsgeschichte sowohl der Handschriften (10 codices seruati und 7 codices deperditi) als auch der Editionen der Chronik von Victor von Tunnuna im Vorwort ihrer Ausgabe gründlich untersucht und ausführlich dargestellt.165 Im Detail muss die Geschichte und Bewertung der Codices hier nicht nachgezeichnet werden, da kein neuer Text erstellt werden soll. Zunächst war auch eine generelle Sichtung bzw. Überprüfung von Codices für diese Arbeit nicht vorgesehen. Dennoch hat sich gezeigt, dass die Überlieferungsgeschichte der Chro163 Placanica, „Introduzione“, XX. S. dazu aber o. S. 113 (Anm. 115) die Anm. von Greatrex. 164 Von einer anderen lateinischen Übersetzung, die Victor von Tunnuna hätte benutzen können, ist nichts bekannt. 165 Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 12*–45* (Codices); 45*–57* (Editionen); 59*–76* (Beziehungen zwischen den Codices, Stemma); 77*–94* (Textgeschichte [Überlieferungs-/Druckgeschichte]); bei Placanica vgl. „Introduzione“, XXXII–LII; in der Ausgabe von Mommsen vgl. „Subsidia critica“, 165–177. Die Stemmata von Cardelle de Hartmann („Introducción, 76*) und von Placanica („Introduzione“, XLVIII) sind sehr ähnlich. Ihr Vergleich wird allerdings durch die unterschiedlichen Abkürzungen der Codices in den beiden Editionen erschwert.
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Der Text der Chronik und seine Geschichte
nik, u. a. die Frage ihrer Einbettung und der Gestaltung möglicher früherer Sammlungen, zu denen die Chronik gehörte, auch für die inhaltliche Arbeit an der Chronik relevant ist, da von ihr auch die Frage nach der ursprünglichen Textgestalt, die über einfache Varianten hinausgeht, abhängt. Insbesondere die Frage nach dem ursprünglichen Umfang der Chronik, d. h. insbesondere nach ihrem Anfang und ihrem Schluss, sind hier berührt. Zur Geschichte einzelner Codices, die (auch) die Chronik Victors von Tunnuna enthalten, sind seit der Ausgabe Cardelle de Hartmanns zudem neuere Untersuchungen erschienen, die für die Antwort auf die Frage nach der ursprünglichen Gestalt der Chronik ebenfalls nicht unerheblich sind.166 Daher ist an dieser Stelle zunächst grundsätzlich die Überlieferungsgeschichte der Chronik vor dem Hintergrund der genannten Fragestellungen nachzuvollziehen, darzustellen und ggf. zu präzisieren, bevor dann in Kap. 3.5 und 3.6 Anfang und Schluss der Chronik genauer in den Blick genommen werden. Dazu gehört dann auch ein selektiver Rückgriff auf die Codices selbst. Die älteste heute erhaltene Handschrift der Chronik ist der Codex Uniuersitatis Complutensis – U (Madrid, Biblioteca General de la Universidad Complutense, Fondo Histórico, 134, 178 fol.) aus dem 13. Jahrhundert, wahrscheinlich kurz nach 1244 in Toledo kopiert.167 Er repräsentiert einen von zwei großen Überlieferungssträngen. Die beiden weiteren wichtigsten erhaltenen Codices, Codex Perezianus Escorialensis – P-E168 und Codex Perezianus Segobrigensis – P-S169 stammen aus dem 16. Jahrhundert und sind damit nochmals deutlich jünger. Von diesen drei Codices stammen die weiteren erhaltenen Handschriften ab. Eine wichtige Rolle für die Überlieferungsgeschichte spielen aber auch die früheren codices deperditi, insbesondere der Codex 166 Vgl. v. a. Furtado, „A Collection of Chronicles“; ders., „Reassessing Spanish Chronicle Writing“; Bautista, „Páez de Castro“. 167 Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 27*–38*; Furtado, „A Collection of Chronicles“, passim, als Überblick und zu verwandten Handschriften vgl. 227–231. Vgl. zur Beschreibung auch Mommsen, „Subsidia critica“, 167–172; vgl. Placanica, „Introduzione“, XXXII–XXXIII. Zum Codex Uniuersitatis Complutensis innerhalb der Überlieferungsgeschichte der Chronik des Victor von Tunnuna s. u. Kap. 3.4.4. 168 San Lorenzo de El Escorial, Königliche Bibliothek, & IV. 23. Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 38*–42*; vgl. Placanica, „Introduzione“, XXXIV (dort mit E abgekürzt); vgl. Mommsen, „Subsidia critica“, 173–174. 169 Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 23*–27*. Der Codex Perezianus Segobrigensis – P-S (Segobrigensis Capituli cathedralis, I [arm. G, est. I (vgl. Placanica, „Introduzione“, XXXIV)]) selbst ist physisch nicht mehr vorhanden, er verschwand im spanischen Bürgerkrieg 1938. Cardelle de Hartmann zählt ihn daher zu den codices deperditi. Es gab Fotografien, die aber ebenfalls verschwunden waren, weshalb Placanica auf die Arbeit von Mommsen zurückgriff (vgl. Placanica, „Introduzione“, XXXIV–XXXV), der für seine Edition eine Kollation von Roque Chabas verwendete (vgl. Mommsen, „Subsidia critica“, 174). 1998 wurden die Fotografien von P–S wieder gefunden, so dass Cardelle de Hartmann in ihrer Edition darauf zurückgreifen konnte. Allerdings fehlen Textteile, und der Text in den Fotografien ist sehr schwer zu lesen. Die in den Codex eingeschriebenen Notizen von Juan Bautista Pérez weisen u. a. auf Varianten aus dem verlorenen Codex Soriensis hin, s. u. S. 136.
Überlieferung und Editionen
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Soriensis (So) aus dem 9./10. Jahrhundert, der den zweiten Überlieferungsstrang der Chronik repräsentiert.170 Die heute vorliegenden Codices sind also relativ jung. Dennoch soll nun versucht werden, die Überlieferungsgeschichte der Chronik des Victor von Tunnuna möglichst von Anfang an nachzuvollziehen – Zeugnisse bei anderen Autoren und der Versuch der Rekonstruktion der Überlieferungsgeschichte der Handschriften im Rückgriff auf die genannten neueren Untersuchungen geben hier wichtige Hinweise, wenngleich an manchen Stellen nur Vermutungen angestellt werden können. Insgesamt ist hinsichtlich der Überlieferung der Chronik des Victor von Tunnuna zunächst festzuhalten, dass diese eine eher geringe Verbreitung fand. Es gibt keinen Beleg dafür, dass sie von byzantinischen Autoren als Quelle benutzt wurde. In einem Umfeld, das auch nach 565 an der vehementen Verteidigung der Drei Kapitel festhielt, wurde die Chronik möglicherweise durch den Autor der Epistula fidei catholicae rezipiert.171 Hinweise auf eine frühe Rezeption der Chronik in Nordafrika ergeben sich auch durch ihre Benutzung durch den Autor des Laterculus Regum Vandalorum et Alanorum, einer nordafrikanischen Fortsetzung der Chronik Prospers.172 Als westlicher nichtafrikanischer Autor benutzte Isidor von Sevilla die Chronik als Quelle für verschiedene Werke – für die längere Version seiner Chronik, für seine Historia Gothorum Wandalorum Sueborum, für verschiedene Biographien in De uiris illustribus und für Informationen bezüglich bestimmter Häresien in seinen Etymologiae. Über Isidor gelangten einige Notizen Victors und biographische Informationen über Victor in andere mittelalterliche Chroniken wie die Bedas. Es gibt (abgesehen von der indirekten Vermittlung über Isidor von Sevilla) kein Zeugnis für die (direkte) Kenntnis der Chronik Victors von Tunnuna in der mittelalterlichen spanischen Historiographie. Erst im 16. Jahrhundert wurde die Chronik Victors wieder von Johannes Vasaeus benutzt.173 Schon sehr früh wurde die Chronik des Victor von Tunnuna zusammen mit der Chronik des Johannes von Biclaro174 und den Randnotizen Consularia Caesaraugustana175 überliefert. Normalerweise wird aufgrund der vorliegenden Zeugnisse und Handschriften davon ausgegangen, dass die Chronik des Victor von Tunnuna nicht außerhalb Spaniens und nicht ohne die Chronik des Johannes von Biclaro überliefert
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S. u. Kap. 3.4.4. Dies ist umstritten und wird unten, Kap. 5.9, genauer dargelegt. Vgl. Steinacher, „The So-Called Laterculus Regum Vandalorum et Alanorum“; s. dazu auch o. S. 116. In seinen Chronici rerum memorabilium Hispaniae, Salamanca 1552. Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 89*–90*, 114*–115*. 174 Zu Johannes und seiner Chronik vgl. insgesamt Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 124*–143*, sowie die Anmerkungen von Collins, „An Historical Commentary“; neben der Ausgabe von Cardelle de Hartmann vgl. die Ausgabe von Campos Ruíz, Juan de Biclaro obispo de Gerona; vgl. auch Díaz y Díaz, „La transmisión textual“. 175 S. u. S. 134–135.
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Der Text der Chronik und seine Geschichte
wurde.176 Es gibt allerdings zumindest einen Hinweis auf ihre Benutzung durch einen nicht-spanischen Autor: Wolfram Brandes macht in seiner Rezension zu der Ausgabe von Antonio Placanica darauf aufmerksam, dass „auch der Kardinal Deusdedit († 1098/1099) […] einige Passagen in seine Kanonessammlung inkorporierte“. Diese sei durch relativ alte Handschriften überliefert, weshalb deren Varianten (konkret für die Jahre 499, 506, 510 und 511) für eine Edition zu berücksichtigen seien (etwa Codex Vaticanus latinus 3833, ca. 1099–1118).177 Möglicherweise gab es also eine (indirekte?) Überlieferung der Chronik Victors in Italien oder Gallien.178 3.4.2 Die Chronik des Victor von Tunnuna und die Chronik des Johannes von Biclaro Der Hauptstrang der Überlieferung, der hier nachgezeichnet werden soll, weist jedenfalls nach Spanien und hängt mit der Chronik des Johannes von Biclaro zusammen. Deren Datierung ist, ähnlich wie die der Chronik Victors, nicht unumstritten: Sie endet nach heutiger Zeitrechnung mit dem Jahr 590 (Chronicon 91). Die in allen Handschriften der Chronik vorkommende Erwähnung der zwanzigjährigen Regierungszeit von Mauritius (Chronicon 63) und der fünfzehnjährigen Amtszeit von Papst Gregor dem Großen (Chronicon 81) weisen jedoch auf das Jahr 602.179 Manuel C. Díaz y Díaz und Cardelle de Hartmann nehmen für diese Angaben einen näheren Bezug zur Abfassung der eigentlichen Chronik an: Díaz y Díaz geht von einer Rezension in einem mit Johannes von Biclaro verbundenen mönchischen Umfeld aus;180 Cardelle de Hartmann von einer Endredaktion durch Johannes von Biclaro selbst.181 Julio Campos Ruíz 176 Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 114*; vgl. auch wieder Bautista, „Páez de Castro“, 5. 177 Brandes, „Rezension zu Antonio Placanica, Hg., Vittore de Tunnuna, Chronica“, 278–279. Vgl. Kardinal Deusdedit, Collectio canonum 4,277 (547,22–548,19 Glanvell, hier 547,22–23 Glanvell): Ex chronica Victoris episcopi Tunnesis Africe, quam subiecit chronice Prosperi. Zu den Handschriften vgl. Glanvell, Die Kanonessammlung, XIX–XLIV. Zu Kardinal Deusdedit vgl. van de Wouw, „Deusdedit“, 739–740. Ich danke Carmen Cardelle de Hartmann für diesen Hinweis. Vgl. so jetzt in Bezug auf einen Hinweis von Brandes Blaudeau, „Introduction“, 52 (mit Anm. 2), der die Entdeckung der Chronik zudem auch über „une légation vers la Saxe“ für möglich hält. 178 Leider kann diese Spur hier nicht weiter verfolgt werden. 179 Vgl. die letzte Datierung in Johannes von Biclaro, Chronicon 91 (81,348–349 Cardelle de Hartmann): Anno VIII Mauricii imperatoris, qui est Reccaredi regis IV annus. Dieses Jahr ist das Jahr 590 n. Chr. nach heutiger Zeitrechnung. Zur zwanzigjährigen Regierungszeit von Mauritius und der fünfzehnjährigen Amtszeit von Papst Gregor dem Großen vgl. Johannes von Biclaro, Chronicon 63 (73,232 Cardelle de Hartmann): Romanorum LV Mauritius regnat annis XX; sowie Chronicon 81 (77,298–299 Cardelle de Hartmann): Pelagio iuniore mortuo Romane ecclesie Gregorius in episcopatum succedit, preest annis XV. Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 130*. 180 Vgl. Díaz y Díaz, „La transmisión textual“, 63–65. Diese Rezension sei dann die Basis für die ganze weitere handschriftliche Überlieferung. 181 Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 130*–131*. Cardelle de Hartmann folgt darin im Prinzip Mommsen, „Praefatio ad Iohannis Abbatis Biclarensis Chronica“, 208, der es für die genannten
Überlieferung und Editionen
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hingegen spricht für diese Stellen von späteren Interpolationen und benützt damit einen starken Begriff, ohne näher auszuführen, welches Umfeld er sich für diese Interpolationen vorstellt.182 Vor dem Hintergrund des Aufenthaltes von Johannes von Biclaro in Konstantinopel183 und aufgrund der Art des Anschlusses seiner Chronik an die Chronik Victors184 ist es, wie bereits erwähnt, möglich, dass Johannes von Biclaro seine Chronik selbst der Chronik des Victor angefügt hat und sie, als er nach Spanien ging, dorthin mitbrachte, wo sie in dem von ihm gegründeten Kloster kopiert wurde.185 Die Zusammenstellung beider Chroniken könnte also schon um das Jahr 602 oder etwas früher erfolgt sein. Wenige Jahre nach der Fertigstellung der Chronik des Johannes von Biclaro hatte Isidor von Sevilla sowohl die Chronik Victors186 als auch die Chronik des Johannes zur Verfügung. Aufgrund der Benutzung zumindest der Chronik des Johannes von Biclaro durch Isidor in der Kurzfassung seiner Historia (619), (noch) nicht aber in der Kurz-
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Stellen (Chronicon 63 und 81) für möglich hält, „possunt adiecti esse post tempus ab ipso [= Johannes von Biclaro], videmusque eum in vivis fuisse, quo tempore Isidorus de viris illustribus commentarium edidit“. Cardelle de Hartmann („Introducción“, 130*) schreibt allerdings, Mommsen habe für diese Stellen wie Campos Ruíz Interpolationen angenommen. Mommsens Aussage ist tatsächlich nicht eindeutig, da er im Text selbst die betreffenden Zahlenangaben in Klammern setzt (216,20; 217,39 Mommsen) und im Apparat vermerkt: „postea adscriptum“ bzw. „non sunt Iohannis“. Campos Ruíz selbst („Introducción“, 53) grenzt sich dennoch von Mommsen ab. Vgl. Campos Ruíz, „Introducción“, 53. Dass sich Johannes von Biclaro in Konstantinopel aufhielt, kann aus Chronicon 26 (65,99–100 Cardelle de Hartmann) geschlossen werden, wo Johannes als Augenzeuge von der Beulenpest berichtet: In regia urbia mortalitas inguinalis plage exardescit, in qua multa milia hominum uidimus defecisse. / „In der Königsstadt entbrannte die Krankheit der Beulenpest, in der wir viele Tausende von Menschen sterben sahen.“ Vgl. auch Isidor von Sevilla, De uiris illustribus 31; vgl. dazu Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 124*–125*. Sowohl die letzte Datierung der Chronik des Victor von Tunnuna (Chronicon 172 [54,986–987 Cardelle de Hartmann]: Quadragesimo imperii sui anno Iustinianus uite suscepit finem indictione XV.) als auch die erste Datierung der Chronik des Johannes von Biclaro (Chronicon 1 [59,13–15 Cardelle de Hartmann]: Quinta decima ergo indictione, ut dictum est, Iustiniano mortuo Iustinus iunior nepos eius romanorum efficitur imperator.) erfolgen – als jeweils einzige in der jeweiligen Chronik und auf dasselbe Ereignis bezogen – aufgrund von Indiktionen, zudem bezieht Johannes sich mit ut dictum est auf etwas bereits Erwähntes, wohl eben aus der Chronik Victors; vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 132*. Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 77*, 131*–132*. Bei Isidor von Sevilla, De uiris illustribus 31 (152,13–16 Codoñer Merino), findet sich eine kurze Biographie zu Johannes von Biclaro, in der Isidor auch vermerkt, Johannes habe seine historia an einen liber chronicorum angefügt: Addidit et in libro Chronicorum ab anno primo Iustini iunioris principatus […] ualde utilem historiam. Vgl. dazu und insgesamt zur Rekonstruktion einer Biographie des Johannes Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 124*–128*, 132*. Aufgrund einer Angabe bei Isidor wird zum Teil angenommen, Isidor habe die Chronik Victors mit vorangehender eigener Epitome (d. h. in ihrer Originalgestalt als Universalchronik) vor sich gehabt; vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 77*; Furtado, „A Collection of Chronicles“, 230 (Anm. 10); deutlich für eine eigenständige Universalchronik Victors dann Furtado, „Reassessing Spanish Chronicle Writing“, 178 (mit Anm. 44). S. dazu weiter u. Kap. 3.5.1. Zur Rezeption der Chronik Victors bei Isidor s. o. Kap. 3.1.1.
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fassung seiner Chronik (615), lässt sich schließen, dass die Chroniken zwischen 615 und 619 nach Sevilla kamen.187 3.4.3 Eine Sammlung von Chroniken Sehr wahrscheinlich wurde aus der ersten kleinen Zusammenstellung der beiden Chroniken schon bald eine größere Sammlung: In allen bekannten Handschriften sind die Chroniken von Victor und Johannes im Anschluss an die Chronik von Eusebius/ Hieronymus188 und an die Chronik des Prosper Tiro von Aquitanien überliefert.189 Rodrigo Furtado hat für den ältesten noch vorhandenen Codex der Chronik, den Codex Uniuersitatis Complutensis – U, gezeigt, dass sich darin u. a. in Form eines incipit und eines explicit Spuren einer größeren Sammlung finden, die über diesen Kern hinausgeht, genannt Liber chronicorum: Im Codex folgt auf die Anni sacerdotum Hebreorum der Hinweis explicit liber chronicorum (fol. 42r); vor der ersten Epitome der Chronik des Eusebius/Hieronymus findet sich ein Incipit liber chronicorum (fol. 2v).190 Furtado nimmt zunächst an, dass ein Kompilator diesen Liber nach 602 (jedoch anscheinend vor dem Auseinandergehen der Überlieferung) in Spanien aus zwei Teilen zusammengestellt hat: aus einer bereits bestehenden Sammlung mit den Chroniken von Eusebius/Hieronymus, Prosper, Victor von Tunnuna und Johannes von Biclaro (fol. 2v–25v),191 sowie aus einer Sammlung mit chronographischen Texten, die zwischen Africa, Italien und Südgallien zirkulierte und ca. 568 erstellt wurde (fol. 25v– 42r).192 Weil dieser (große) Liber chronicorum jedoch im zweiten Überlieferungsstrang (repräsentiert durch den Codex Soriensis) nicht überliefert ist,193 müsste man, wollte man eine sehr frühe Zusammenfügung vertreten, entweder annehmen, er sei für diesen Strang verloren gegangen bzw. ersetzt worden, oder der (große) Liber chronicorum 187 Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 77*–78*, 141*, in Bezug auf Collins, „Isidore, Maximus“, 353–354; vgl. auch Furtado, „Reassessing Spanish Chronicle Writing“, 173. 188 Die im Codex Uniuersitatis Complutensis überlieferte abgekürzte Version dieser Chronik ist nach Furtado, „La ‚crónica‘“ nicht wirklich eine Epitome (sie beginnt nach den Prologen mit dem Tod des Pompejus [fol. 4v]). Zudem sei sie relativ jung, im Modell von U sei ursprünglich eine vollständige Version der Chronik überliefert gewesen, worauf u. a. das Inhaltsverzeichnis des Complutensis (fol. 2r) hinweise. 189 Im Codex Uniuersitatis Complutensis ohne die vorherige prospersche Epitome der Chronik des Eusebius/Hieronymus, in der Ausgabe von 445, mit einer kleinen Fortführung bis 455; vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 31*. 190 Vgl. Furtado, „A Collection of Chronicles“, 249–250. 191 Auf diesen Kern der Überlieferung für die Chronik Victors verweist auch Bautista, „Páez de Cas tro“, 42, der jedoch noch die Chronica des Isidor als diesem Kern zugehörig ansieht. 192 Vgl. Furtado, „A Collection of Chronicles“, 230–231, 250–251, zu den Texten und der darin erkennbaren theologisch-chronologischen Diskussion um die Daten von Parusie und Passah vgl. bes. ebd., 231–237, 244–249. 193 So auch Furtado selbst, „A Collection of Chronicles“, 231.
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sei doch erst nach dem Auseinandergehen der Tradition zusammengefügt worden. Dies hat Furtado auch selbst in einem späteren Beitrag so präzisiert.194 Wenn man Isidors Zeugnis über Victors Chronik in Richtung einer ursprünglichen Universalchronik deutet, die er kannte, kann man annehmen, dass Isidor eine Zusammenstellung dieser Art (als große oder als kleine Sammlung) in der jetzt vorliegenden Form (mit Anschluss Victors an Prosper) noch nicht zur Verfügung hatte – oder jedenfalls zunächst keinen Gebrauch davon machte.195 Wenn die Chronik Victors ursprünglich eine Universalchronik war, ist es ebenso denkbar, dass ihr erster Teil zu dieser Zeit – in der ersten Hälfte des siebten Jahrhunderts – durch eine Epitome von Eusebius/Hieronymus ersetzt und mit der Fortsetzung Prospers ergänzt wurde. Damit könnte der erste Teil des von Furtado herausgearbeiteten Liber chronicorum als Kern der heute bekannten Handschriften in Sevilla entstanden sein: This model196 must have been produced not in Biclar, but only after Victor’s and John’s Chronica had arrived at Seville, since Isidore still knew Victor’s full text, and before the tradition of these texts had split in two branches […]. Seville, where Isidore had and used extensively both Eusebius/Jerome’s and Prosper’s Chronica, must have been a good place to make this replacement. This new Liber chronicorum did not change its main thread: it was in fact a unique narrative of world history, where each Chronicon, by intending to complete the former one, updated the facts since the last date of the last Chronicon up to the present of the new text.197
194 Vgl. Furtado, „Reassessing Spanish Chronicle Writing“, 179–180. Der Schluss der Chronik des Johannes von Biclaro kann ebenfalls ein Hinweis darauf sein, s. u. Kap. 3.6.9. Ähnlich sieht Bautista, „Páez de Castro“, 64–65, vgl. auch 66 (ohne Bezug auf Furtado) die Bildung des Modells für den Überlieferungsstrang von U (bei ihm als „miscelánea ‚alcobacense‘“ bezeichnet): „Su formación parece ser el fruto de la combinación del núcleo que acabo de mencionar [= der o. g. kleine Kern der Überlieferung] con otra colección historiográfica, procedente en parte del Norte de África“. Er nimmt für diesen zweiten Teil anders als Furtado dann die Texte 7–18 aus der Auflistung der in U enthaltenen Texte von Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 30*–35*, an, nimmt also noch die Karthagische Chronik von 525 dazu. Zum von Furtado untersuchten incipit und explicit äußert er sich nicht. Die Texte dieses zweiten Teils seien am Ende des sechsten Jahrhunderts auf der iberischen Halbinsel zusammengestellt und in der zweiten Hälfte des siebten bzw. am Anfang des achten Jahrhunderts der ersten kleineren Sammlung angefügt worden. Weitere Texte seien in der ersten Hälfte des achten Jahrhunderts in Toledo dazugekommen, in der zweiten Hälfte des achten Jahrhunderts die Chronica Muzarabica; s. auch u. S. 138. 195 Vgl. Isidor von Sevilla, De uiris illustribus 25 (147,2–4 Codoñer Merino); Isidor von Sevilla, Chronica 1/2 1 (4,3–6,10/5,3–7,10 Martín); möglicherweise kannte Isidor aber die Sammlung des zweiten Teils des Liber chronicorum, vgl. Furtado, „A Collection of Chronicles“, 251. Zur Frage der Universalchronik, auch in Bezug auf die Aussagen Isidors, s. insgesamt Kap. 3.5. 196 Furtado bezieht sich an dieser Stelle selbst nur auf den ersten Teil des von ihm postulierten (großen) Liber chronicorum. 197 Furtado, „Reassessing Spanish Chronicle Writing“, 178. Hier scheint auch Furtado selbst davon auszugehen, dass der (große) Liber chronicorum zu diesem Zeitpunkt der Überlieferung noch nicht zusammengestellt ist. Vgl. zur ersten Sammlung mit den genannten Chroniken etwa auch Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 78*; Furtado, „A Collection of Chronicles“, 231, 250. Zum
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Aber auch wenn man sich der Vorstellung einer ursprünglichen Universalchronik nicht anschließt, spricht die Überlieferung der genannten Chroniken in derselben Reihenfolge in allen Handschriften für ihre frühe Zusammenstellung. Einzig der Schritt der Kürzung der Chronik Victors fiele dann weg. Auf diese erste kleine Sammlung als Kern der Überlieferung gibt es mehrere Hinweise in den Texten selbst: Bereits Theodor Mommsen hat sich unter der Annahme, die Chronik Victors sei ursprünglich eine Universalchronik gewesen, einen Kompilator vorgestellt, der den Anfang der Universalchronik Victors durch den Originaltext von Prosper ersetzt habe.198 Cardelle de Hartmann hat Hinweise auf diesen Kompilator in den Präskripten des genannten Kerns der Überlieferung, also den Chroniken von Eusebius/Hieronymus, Prosper, Victor und Johannes im Codex Uniuersitatis Complutensis gesehen (dieser Kompilator habe dann auch die ursprüngliche Universalchronik Victors gekürzt)199: Es gibt sowohl für die Chronik von Prosper als auch für die Chronik des Johannes von Biclaro, also für die beiden Texte, die im Complutensis die Chronik des Victor rahmen, Präskripte, die dem zur Chronik des Victor von Tunnuna sehr ähnlich sind. – Das Präskript zur Chronik des Prosper: Hucusque Iheronimus presbyter ordinem precedentium digessit annorum: nos que consecuta sunt adicere curauimus.200 – Das Präskript zur Chronik des Victor von Tunnuna: Huc usque Prosper uir religiosus ordinem precedentium digessit annorum cui et nos ista subiecimus.201 – Das Präskript zur Chronik des Johannes von Biclaro: Huc usque Victor Tunnunensis ecclesie episcopus Affricane prouincie ordinem precedentium digessit annorum, nos que consecuta sunt adicere curauimus. Ab hinc historiam ducit uenerabilis pater noster Iohannes abbas monasterii Biclarensis fundator.202 Alle diese Präskripte sind also – jedenfalls im ersten Satz – nach demselben Schema verfasst: Nach Huc usque folgt der Name des vorherigen Autors mit einer näheren
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gemeinsamen Kern der beiden Überlieferungsstränge vgl. auch Bautista, „Páez de Castro“, 36, 64. Zur Frage, ob die Texte des Isidor auch zu dieser frühen Sammlung gehörten s. u. S. 137–138. Vgl. Mommsen, „Praefatio“, 180. S. dazu auch u. S. 145–146. Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 104*–105*. Codex Uniuersitatis Complutensis, fol. 14v. Das Präskript der Chronik Prospers hat in der Überlieferung mehrere Varianten; Mommsen und Becker/Kötter entscheiden sich für ihren Text für die Variante Hucusque Hieronimus presbyter ordinem praecedentium digessit annorum. Nos, quae consecuta sint, adicere curauimus (Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 1166 [460 Mommsen; 64,8–9 Becker/Kötter; jeweils mit unterschiedlicher Zeichensetzung]). Vgl. auch Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 105* (mit Anm. 203); vgl. Mommsen, „Praefatio ad Epitoma Chronicon“, 347. Codex Uniuersitatis Complutensis, fol. 17v; Victor von Tunnuna, Chronicon, praescriptio (3,1–2 Cardelle de Hartmann). Codex Uniuersitatis Complutensis, fol. 23r.
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(Amts-) Bezeichnung, mit denselben Worten die Benennung dessen, was er getan hat (precedentium digessit annorum) und dann der Hinweis auf das, was „wir“ nun tun, allerdings sind hier im letzten Teil des Satzes nur die Präskripte von Prosper und Johannes von Biclaro gleich, die Formulierung bei Victor von Tunnuna weicht davon ab. Dennoch ist insgesamt eine große Übereinstimmung erkennbar. Zudem ist auch das ebenfalls ähnliche (originale) Präskript der Fortsetzung des Hieronymus in diesem Codex zu finden, das zwar nicht über der gesamten Epitome von Eusebius/Hieronymus, aber nach den praefationes von Hieronymus und Eusebius und den historischen Notizen des Eusebius steht: Huc usque hystoriam scribit Eusebius Pamphili martyris contubernalis cui nos ista subiecimus.203 Die hier gebrauchte Variante, welche die Weiterführung bezeichnet, entspricht der bei Victor von Tunnuna (cui [et] nos ista subiecimus). Die Präskripte der Chroniken von Eusebius/Hieronymus und Prosper entsprechen freilich dem insgesamt in deren Überlieferung üblichen Schema – sie allein sind damit noch kein Hinweis auf eine Sammlung von Chroniken, die sich im Complutensis zeigt. Jedoch ist auffällig, dass eben auch die Chroniken von Victor und Johannes hier mit einem entsprechenden Präskript überliefert sind – und sich damit die Präskripte genau der Texte entsprechen, die oben bereits als erster zusammenhängender Kern der Überlieferung postuliert wurden. Die Präskripte der weiteren, direkt an diese Texte anschließenden Werke im Complutensis weichen hingegen von diesem Schema ab.204 Damit unterstützen die Präskripte die These dieses ersten Überlieferungskerns, der durch einen Kompilator zusammengefügt wurde.205 Bisher war jedoch unklar, ob die Präskripte so auch im Codex Soriensis (und damit im zweiten Überlieferungsstrang der Chronik) überliefert waren: Zur Chronik Victors berichtet Mommsen zwar von einem chronologisch präzisierenden Präskript, das sich nach dem Zeugnis von Juan Bautista Pérez im Soriensis befunden habe und das im ersten Teil mit dem im Complutensis vorhandenen Präskript übereinstimme: Huc usque Prosper uir religiosus ordinem praecedentium digessit annorum: cui et nos ista subiicimus. Abhinc, id est a XVIII Theodosii iunioris consulatu, Victor Tunnunensis (mut. in Tunnensis) ecclesiae Africanae episcopus texit historiam.206 Für Cardelle de Hartmann war diese Angabe – auch aufgrund der schlechten Überlieferungslage von P–S – nicht verifizierbar.207
203 Codex Uniuersitatis Complutensis, fol. 12v; vgl. Hieronymus, Chronicon a. 362,2 (331,12–13 Helm). 204 Vgl. die Beschreibung bei Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 31*–35*. Generell wäre eine weitergehende Untersuchung des Complutensis im Hinblick auf dessen Geschichtsdeutung wünschenswert. Zur Bedeutung der Manuskripttradition für das Verständnis spätantiker Chroniken vgl. kurz Croke, „Chronicles, Annals“, 326–328. 205 Dafür, dass das Präskript der Chronik von Johannes von Biclaro und auch die Präskripte der Chroniken des Victor von Tunnuna und des Prosper einem späteren Kopisten zuzuschreiben sind, argumentiert bereits Díaz y Díaz, „La transmisión textual“, 3–4. 206 Mommsen, „Praefatio“, 179. 207 Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 106*.
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Zur Chronik des Johannes von Biclaro gab es nach Cardelle de Hartmann im von P-S und P-E reflektierten Codex Oxomensis (O)208 folgendes Präskript: Hactenus Victor Tunnunensis / Ab hinc historiam ducit uenerabilis pater noster Ioannes Abba monasterii Biclarensis fundator. In P-S sind nach der Chronik des Victor von Tunnuna die Worte Hactenus Victor Tunnunensis durchgestrichen, und der oben wiedergegeben erste Teil des Präskriptes aus U zur Chronik des Johannes von Biclaro notiert (Huc usque […] curauimus; p. 32). Der zweite Teil des Präskriptes steht über dem Text der Chronik des Johannes mit der Bemerkung hoc erat in margine.209 Dabei blieb aber bisher unklar, ob die von Juan Bautista Pérez notierte Variante aus dem Apograph von Florian de Ocampo (Oc) oder aus dem Soriensis (So) stammt.210 Das Präskript zur Chronik des Johannes von Biclaro wurde daher durch die bisherigen Herausgeber unterschiedlich bewertet: Mommsen ediert den ersten Teil des Präskriptes von U als Text der Chronik,211 den weiteren Teil, also den oben aufgeführten zweiten Satz des Präskriptes, sieht er als sekundär an, eingefügt von einem angenommenen Kompilator aus dem achten Jahrhundert.212 Cardelle de Hartmann hingegen sieht nur eine geringe Möglichkeit, dass das Präskript insgesamt zum ursprünglichen (oder zu einem frühen) Text der Chronik von Johannes von Biclaro gehörte. Die Notiz in P-S stamme eher aus dem Apograph von Ocampo, nicht aus dem Soriensis, und sei damit eine Anpassung des Präskriptes der Chronik des Johannes von Biclaro durch einen späteren Schreiber: Der einzige Satz, der in allen drei Manuskripten vorhanden sei (Ab hinc historiam ducit uenerabilis pater noster Iohannes Abba monasterii Biclarensis fundator), könne nicht von Johannes selbst stammen.213 Daher ediert Cardelle de Hartmann das Präskript auch nicht als Teil der Chronik des Johannes von Biclaro, auch
208 Zu diesem Codex vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 20*–21*, vgl. 22*. Juan Bautista Pérez konnte auf ihn zurückgreifen. Der Apopgraph von Juan Páez de Castro ist laut Pérez eine Abschrift von diesem Codex, s. u. S. 140, 149. 209 Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 131*. 210 Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 131*; Bautista, „Páez de Castro“, 26. Zu den Notizen von Pérez s. auch u. S. 136. 211 Johannes von Biclaro, Chronicon, praescriptio (211 Mommsen): Huc usque Victor Tunnennensis ecclesiae episcopus Africanae prouinicae ordinem praecedentium digessit annorum: nos quae consecuta adicere curauimus. Er geht auch davon aus, dass diese Worte im Soriensis vorhanden waren, vgl. „Praefatio ad Iohannis Abbatis Biclarensis Chronica“, 208. 212 Mommsen, „Praefatio ad Iohannis Abbatis Biclarensis Chronica“, 208: „Ab Hispano eo qui saec. VIII corpus historicorum chronica duo continens ordinauit“. 213 Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 131*–132*; vgl. so auch Díaz y Díaz, „La transmisión textual“, 8, in Bezug auf Campos Ruíz, „Introducción“, 52 und Mommsen, „Praefatio ad Iohannis Abbatis Biclarensis Chronica“, 208. Campos Ruíz, „Introducción“, 52, weist als Begründung auch darauf hin, dass im Complutensis beide Teile des Präskriptes zur Chronik des Johannes von Biclaro rot geschrieben seien (vgl. fol. 23r), „como solían ponerse las observaciones del copista, que no son texto del autor“. Dies kann freilich lediglich ein Hinweis auf die Sekundarität des Präskriptes sein.
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wenn sie theoretisch noch die Möglichkeit sieht, dass Johannes von Biclaro das Präskript sogar selbst verfasste, um seine Chronik an die Chronik Victors anzufügen.214 Durch eine Entdeckung von Francisco Bautista215 hat sich nun jedoch in Bezug auf die Präskripte geklärt, dass sie in beiden Zweigen der Überlieferung vorkommen und also schon früh die Texte verknüpft haben. Jéronimo Zurita (1512–1580) notierte die Präskripte des Codex Soriensis im Codex Kopenhagen, Arnamagnæanske Institut, Københavns Universitet, AM 833 4°: Das Präskript zur Chronik des Victor von Tunnuna entspricht dort tatsächlich dem bei Mommsen notierten Text und damit im ersten Teil dem Text von U (fol. 120r).216 Das Präskript zur Chronik des Johannes von Biclaro entspricht dem Text von U (fol. 130v). Zuritas Notizen zeigen also, dass sich die Präskripte in beiden Zweigen der Überlieferung entsprechen.217 Das Präskript zur Chronik von Johannes von Biclaro könnte damit sogar vom Autor selbst eingefügt sein.218 Die These einer frühen Sammlung vor dem Auseinandergehen der Tradition wird damit jedenfalls auch durch den zweiten Zweig der Überlieferung gestützt: Auch in diesem Zweig sind die genannten Chroniken durch die Präskripte verbunden. Zu beachten ist allerdings, dass neben dem Präskript für den Text der Chronik des Johannes von Biclaro noch eine praefatio überliefert ist: Post Eusebium Cesariensies ecclesie episcopum, Iheronimum toto orbe notum presbyterum, nec non et Prosperum uirum religiosum atque Victorem Tunnunensis ecclesie Affricane episcopum, qui hystoriam omnium pene gentium summa breuitate et diligentia contexere uisi sunt, et usque ad nostram etatem congeriem219 perduxerunt annorum […], nos ergo […] que temporibus nostris acta sunt […] studuimus […] transmittere.220
214 Warum allerdings das Präskript zur Chronik des Victor von Tunnuna bei Cardelle de Hartmann im edierten Text der Chronik erscheint und das zur Chronik des Johannes von Biclaro nicht, obwohl sie für beide letztlich eine spätere Einfügung durch den Kompilator annimmt, bleibt unklar. Wahrscheinlich ist dies auf die sich Cardelle de Hartmann bietende Bezeugung in beiden Teilen bzw. nur einem Teil der Tradition zurückzuführen. 215 S. weiter u. S. 136–137. 216 S. o. S. 131. Das Präskript in So hat also gegenüber U einen zusätzlichen Satz, möglicherweise in Anpassung an das Präskript zur Chronik des Johannes von Biclaro. 217 Die von Pérez in P-S notierte Variante nach dem durchgestrichenen Hactenus Victor Tunnunensis kann damit tatsächlich auch aus dem Soriensis stammen; sie muss nicht notwendigerweise aus dem Apograph von Ocampo sein. 218 Vgl. Bautista, „Páez de Castro“, 26. 219 Congeries wird selten in diesem Zusammenhang (Sammlung von Jahren) gebraucht, vgl. TLL, s. v. „congeries 2“. 220 Johannes von Biclaro, Chronicon, praefatio (59,1–12 Cardelle de Hartmann): „Nach Eusebius, dem Bischof der Kirche von Caesarea, Hieronymus, dem im ganzen Erdkreis bekannten Presbyter, und auch Prosper, dem Mönch und Victor von Tunnuna, dem Bischof der Kirche Africas, die gelten als solche, die die Geschichte fast aller Völker in höchster Kürze und Sorgfalt zusammenfügen, und die bis zu unserem Zeitalter die Sammlung der Jahre geführt haben […], haben wir uns also bemüht, die Dinge, die in unseren Zeiten geschehen sind […] zu übermitteln.“
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Auch mit dieser praefatio wird die Chronik des Johannes von Biclaro in die oben postulierte erste Sammlung eingereiht, und zwar – durch die Bezeichnungen der jeweiligen Autoren – die Präskripte der anderen Chroniken bzw. eine Formulierung aus der Chronik des Victor von Tunnuna221 aufgreifend. Die Chroniken werden quasi als Fortschreibungen dargestellt, welche die Chronik des Johannes von Biclaro bis in „unsere Zeiten“ aktualisiert. Cardelle der Hartmann lehnt auch aufgrund dieser praefatio ein weiteres durch Johannes von Biclaro verfasstes Präskript ab.222 Auch hier bietet die Annahme eines etwas späteren Kompilators, der die Präskripte eben vor dem Auseinandergehen der Tradition eingefügt hätte, eine mögliche Lösung. Wenn die praefatio noch früher entstanden ist – und damit möglicherweise von Johannes von Biclaro selbst stammt223 –, würde dies aber bedeuten, dass er selbst seine Chronik schon in die genannte Überlieferungskette eingeordnet hat. So ist auch denkbar, dass er selbst schon die genannte Sammlung zur Verfügung hatte, und dass der etwas spätere Kompilator oder Redaktor dann die praescriptiones zur deutlicheren Verknüpfung der Chroniken einfügte. Sowohl die Präskripte und ihre Überlieferung als auch der Text der praefatio zur Chronik des Johannes von Biclaro deuten also auf Folgendes hin: Es gab früh eine erste kleine Sammlung der Chroniken von Eusebius/Hieronymus, Prosper, Victor von Tunnuna und Johannes von Biclaro, die als Kern der weiteren Überlieferung der Chroniken von Victor und Johannes gelten kann. Ob die Sammlung aber durch Johannes von Biclaro oder durch einen bald auf ihn folgenden Kompilator zusammengestellt wurde, oder ob erst ein weiterer Redaktor die Präskripte hinzugefügt und die Sammlung dahingehend bearbeitet hat, kann nicht abschließend entschieden werden. In die Zeit der Zusammenstellung einer ersten kleinen Sammlung, vor Mitte des achten Jahrhunderts, möglicherweise sogar bereits Anfang des siebten Jahrhunderts, fällt auch die Hinzufügung der Consularia Caesaraugustana zum Text der Chronik Victors. Isidor von Sevilla hat Fragmente von ihnen in seine Historia Gothorum eingefügt.224 V. a. aber sind sie in beiden Zweigen der Überlieferung belegt, d. h. also sie gehörten schon früh zur Chronik dazu.225 Es handelt sich bei den Consularia um Marginalien, die wahrscheinlich auf eine Konsularliste zurückgehen. Die Randnotizen informieren insbesondere über das westgotische Spanien der ersten Hälfte des sechsten Jahrhun-
Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 153; 156. Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 132*. Auf eine Überlieferung der praefatio nur in einem Zweig der Tradition gibt es keinen Hinweis. Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 118*; Furtado, „Reassessing Spanish Chronicle Writing“, 173; Bautista, „Páez de Castro“, 42. Vgl. auch Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 78*–80*. 225 Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 115*: In P–E, P–S mit Hinweis auf ihr Vorkommen im So, zudem, einem Hinweis von Johannes Vasaeus folgend, im Codex Alcobaciensis (s. u. S. 139– 140). In U sind sie jedoch nicht überliefert. 221 222 223 224
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derts.226 Es ist wahrscheinlich, dass die Consularia aus der Provinz Tarraconensis stammen. Cardelle de Hartmann hält es für denkbar, dass es dieselbe Person war, die sowohl die genannte Epitome von Eusebius/Hieronymus der Chronik Victors vorangestellt als auch die Consularia zum Text hinzugefügt hat227 – es könnte sich also hierbei um den Kompilator des o. g. Kerns des Liber chronicorum handeln, möglicherweise um einen Mönch aus dem Kloster von Biclarum oder sogar um Johannes von Biclaro selbst.228 3.4.4 Die Trennung der Überlieferung in zwei Zweige: Codex Soriensis und Codex Uniuersitatis Complutensis Spätestens im achten Jahrhundert trennt sich die Überlieferung der Chroniken in zwei Zweige229: Ein Zweig ist dadurch gekennzeichnet, dass in ihm der Schluss der Chronik des Johannes von Biclaro fehlt230 und dass er die Chronica Byzantia-Arabica (741)231 überliefert. Er wird, wie oben bereits erwähnt, durch den Codex Soriensis (So) repräsentiert. Dieser Codex aus der Bibliothek San Lorenzo del Escorial, VI E 28 zählt heute zu den codices deperditi; er ging vermutlich 1671 in einem großen Feuer in El Escorial verloren. Wahrscheinlich ist er in das neunte/zehnte Jahrhundert zu datieren.232 Kenntnis über den Inhalt des Codex gab es bisher nur durch die Notizen von Juan Bautista Pérez (ca. 1534–1597). Er vermerkte die ihn interessierenden Varianten des 226 Vgl. zu den Consularia Caesaraugustana Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 80*, 115*–124* (hier 115*, 123*) sowie den Kommentar von Collins, „An Historical Commentary on the Consularia Caesaraugustana“, 95–109. 227 Ebenso wie die o. g. Bearbeitung der langen Version der Historiae des Isidor von Sevilla, vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 80*. 228 Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 123*–124*: Die Consularia könnten von Johannes von Biclaro selbst stammen, „quien completó su ejemplar de Víctor con estas notas marginales, algún tiempo después de la terminación de su crónica“. Ebenso sieht Furtado, „Reassessing Spanish Chronicle Writing“, 173 die Consularia schon durch denjenigen eingefügt, der die Chronik des Johannes an die Chronik Victors anfügte, entweder durch einen Mönch des Klosters von Biclarum oder durch Johannes selbst. 229 Terminus ante quem ist die Abfassung der Chronica Byzantia-Arabica von 741, da sie nur im So überliefert ist (s. dazu im Folgenden). Zu den beiden Zweigen vgl. auch Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 66*–69*. 230 Dazu s. u. Kap. 3.6.9. 231 Herausgegeben von Mommsen, Chronica minora 2, 334–348 (= „Additamentum IV“ zu den Historiae des Isidor); Gil, Corpus Scriptorum Muzarabicorum 1, 7–14; jetzt neu von Gil in CChr.CM 65, 309–323; vgl. ders. „Introducción“, 15–49; vgl. als Überblick auch Cardelle de Hartmann, „Der mozarabische Blick“, 45–51. Zu den anderen Texten, die So enthielt vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 13*; jetzt auch Bautista, „Páez de Castro“, 39–41; vgl. Mommsen, „Subsidia critica“, 165–166. 232 Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 13*. Etwas später datiert ihn Bautista, „Páez de Castro“, 37: „Entre la segunda mitad del siglo X y la primera del XI“, vgl. ebd., 42: Die dort zu findende Sammlung von Texten „hubo de estar fijada ya definitivamente antes de fines del siglo X“, vgl. aber 43: „la miscelánea […] se hallaba en Oviedo en la segunda mitad del siglo IX“.
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Codex Soriensis in Randnotizen in seinem Codex Perezianus Segobrigensis (P–S),233 wodurch zum Teil auf Varianten von So geschlossen werden kann. Der Ausgangstext von P–S ist die (bisher als nicht erhalten angenommene) Abschrift von Juan Páez de Castro (Apograph von Juan Páez de Castro – Pa), die mit der (nicht erhaltenen) Abschrift von Florianus de Ocampo (Oc) und später eben mit dem Codex Soriensis kollationiert wurde.234 Francisco Bautista hat nun in seinem Beitrag „Juan Páez de Castro, Juan Bautista Pérez, Jerónimo Zurita y dos misceláneas historiográficas de la España altomedieval“ (2016) weitere Hinweise zur Erschließung des Textes des Codex Soriensis gegeben: Er hat herausgearbeitet, dass der Codex Kopenhagen, Arnamagnæanske Institut, Københavns Universitet, AM 833 4° (zusammen mit weiteren späteren Texten) den von Pérez selbst benutzten Codex Paezianus (Apograph von Juan Páez de Castro – Pa) überliefert. Pérez hat darin einige Notizen zu Varianten eingefügt, v. a. aus der Abschrift von Florianus de Ocampo (Oc).235 Der Codex Paezianus gehörte (wahrscheinlich nach dem Tod von Pérez) Jéronimo Zurita, der darin unabhängig von Pérez, wahrscheinlich 1576–1577, ebenfalls Varianten notierte, die er einem visigothischen Codex entnehmen konnte: „ex vetustissimo codice regię bibliothecę ante D annos litteris gothicies descripto emmendatum exemplar“236. Bautista legt dar, dass es sich bei diesem Codex um den Codex Soriensis handelt, insbesondere, weil er auch die Chronica Byzantia-Arabica überliefert.237 Bautista kann zudem auf zwei weitere Beschreibungen des Soriensis hinweisen: Eine ist erhalten in einer Kopie eines Inventars von elf Handschriften von Jorge de Beteta, die im Manuskript Archivo Catedralicio de Palencia, ms. 37, fol. 297v–298 gefunden wurde. Sie nennt weitere Texte über Zurita und Pérez hinaus, von denen damit jedoch noch nicht völlig klar ist, ob sie tatsächlich im Soriensis enthalten waren. Eine
233 Über die Notizen von Pérez gibt es eine Zusammenstellung in der Beschreibung von P–S bei Villanueva, Viage literario 3, 196–220, die auch Mommsen verwendet („Subsidia critica“, 165–166), die allerdings zum Teil von den Fotografien von P–S abweicht, vgl. Bautista, „Páez de Castro“, 36–37. 234 Vgl. zur Notierung von Varianten durch Pérez Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 24*–25*. 235 Vgl. Bautista, „Páez de Castro“, hier bes. 7–11; die Notizen von Pérez sind bei Bautista als Pa-P bezeichnet. 236 Codex Kopenhagen, Arnamagnæanske Institut, Københavns Universitet, AM 833 4°, fol. 120r, vor den Chroniken von Victor von Tunnuna und Johannes von Biclaro; vgl. Bautista, „Páez de Castro“, 12. Die Notizen von Zurita sind bei Bautista mit Pa-Z bezeichnet. Zum Codex Paezianus (Pa) vgl. auch kurz Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 22* (dort als C bezeichnet, im Stemma ebd., 76* jedoch als Pa). 237 Vgl. Bautista, „Páez de Castro“, 12–13. Seine Untersuchung konzentriert sich dann v. a. auf die Überlieferung der Historiae des Isidor von Sevilla, von der die beiden Überlieferungszweige der Chroniken des Victor von Tunnuna und des Johannes von Biclaro ein Teil sind, vgl. die Stemmata auf den S. 34 (die U zugrunde liegende Überlieferung = „miscelánea ‚alcobacense‘“) und 62 (Gesamtüberlieferung).
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weitere Beschreibung des Soriensis findet sich in der Handschrift Ms. Besançon, Bibliothèque Municipale, 128.238 Auch im Codex Soriensis sind die Chroniken von Victor – mit den Consularia – und Johannes, wie oben schon angedeutet, nach den Chroniken von Eusebius/Hieronymus und Prosper überliefert. Daran schließen die Chronik von Isidor, die Historiae von Isidor, die Chronica Byzantia-Arabica und weitere historiographische Schriften an.239 Auch Bautista verweist darauf, dass der älteste Kern der hier erhaltenen Sammlung wohl aus den Chroniken des Eusebius/Hieronymus sowie denen von Prosper, Victor von Tunnuna und Johannes von Biclaro besteht,240 d. h. also aus dem ersten Teil des o. g. (großen) Liber chronicorum.241 Weil auch die Chronica des Isidor in beiden Zweigen der Tradition überliefert werden, ist es möglich, dass auch sie früh, vor dem Auseinandergehen der Traditionszweige, an diese erste kleine Sammlung von Chroniken angefügt wurden. Dies ist jedoch umstritten: Während Cardelle de Hartmann und Bautista für die baldige Hinzufügung der Chronica und einer bearbeiteten Version der langen Fassung der Historiae des Isidor zu der Sammlung plädieren,242 sieht Furtado für die Werke des Isidor in beiden Zweigen der Überlieferung jeweils einen eigenen, späteren Kompilator am Werk. Ein Kompilator habe im Zweig des Complutensis neben den Texten des Isidor auch die Chronica Muzarabica (Mozarabische Chronik von 754) angefügt.243 Im So schließt die Chronica Byzantia-Arabica direkt an die Chroniken von Victor und Johannes an. Furtado macht daher v. a. geltend, dass die Chronica Byzantia-Arabica als Fortsetzung für die Chroniken von Victor und Johannes gedacht war244 und ihr Autor die Chronik Isidors nicht benutzte. Zwar habe er Isidors Historia Gothorum benutzt,245 aber nicht, um deren Fortsetzung zu schreiben: „Since the Chronica Byzantia-Arabica intended to complete John’s Chronicon, and not Isidore’s texts, I assume that the Biclar collection must have reached the Mozarabic world without Isidore’s historical works.“ Dies ist tatsächlich ein starkes Argument dafür, dass Isidors Texte später hinzugekommen
238 Vgl. Bautista, „Páez de Castro“, 37–38. Zu den Inventaren vgl. Faulhaber/Perea Rodríguez, „¿Cuántos Cancioneros de Baena?“, 26–34. Vgl. auch Furtado, „Reassessing Spanish Chronicle Writing“, 174–175. 239 Vgl. zu So auch Furtado, „Reassessing Spanish Chronicle Writing“, 174–176. 240 Vgl. Bautista, „Páez de Castro“, 42. 241 S. o. Kap. 3.4.3. 242 Vgl. Cardelle de Hartmann, 66* (diese Sammlung dann als Archetyp der Manuskripte), 78*–80*; Bautista, „Páez de Castro“, 15, 42, 64. 243 Furtado, „A Collection of Chronicles“, 253–255. 244 Dies bemerkt bereits Díaz y Díaz, „La transmisión textual“, 67: Die Chronica Byzantia-Arabica beginnen mit Rekkared, also mit dem Herrscher, mit dem die Chronik des Johannes von Biclaro abschließt. 245 Für die Regentschaften von Sisebut und Sunthila; vgl. auch Díaz y Díaz, „La transmisión textual“, 67.
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sind, da dieser zweite Kompilator sonst doch eher die Chronica oder die Historiae des Isidor als letzte Texte einer bereits bestehenden Sammlung vervollständigt hätte.246 Weil die Texte des Codex auf Oviedo hindeuten, ist denkbar, dass das Modell von So dort zusammengestellt wurde.247 Die Chronica Byzantia-Arabica (und wohl auch Isidors historische Schriften) kam vielleicht in Toledo – oder in einem anderen mozarabischen Zentrum – hinzu.248 Der andere, zweite Zweig der Überlieferung wird durch den ältesten erhaltenen Codex, der die Chroniken des Victor von Tunnuna und des Johannes von Biclaro enthält, repräsentiert: Den Codex Uniuersitatis Complutensis – U (13. Jahrhundert).249 Dem beiden Zweigen gemeinsamen Kern der Überlieferung wurde, wenn man den Hinweisen Furtados auf den in U nachweisbaren Liber chronicorum folgt,250 in diesem Überlieferungszweig zunächst der oben bereits erwähnte zweite Teil dieses Liber hinzugefügt, die Anthologie mit Texten aus Africa, Italien und Gallien. In einem zweiten Schritt wurden dann auch hier Isidors Chronica und seine Historiae angefügt, zudem die Chronica Muzarabica a. 754, möglicherweise durch denselben Kompilator in der Mitte des achten Jahrhunderts.251 Diese Sammlung war dann das Modell für den Codex Uniuersitatis Complutensis.252 246 So Furtado, „Reassessing Spanish Chronicle Writing“, 179, im Gegenüber zu Mommsen, „Subsidia critica“, 165–166; vgl. auch Mommsen, „Additamenta IV.V., praefatio“, 323; vgl. ähnlich, trotz der Bemerkung zum Anschluss an Johannes von Biclaro Díaz y Díaz, „La transmisión textual“, 66–68. Bautista, „Páez de Castro“, äußert sich zunächst nicht zum Zusammenhang zwischen der Chronica Byzantia-Arabica und der Chronik des Johannes von Biclaro. Auch er nimmt eine frühe Zugehörigkeit der Texte des Isidor zu der Sammlung an und argumentiert zunächst damit, dass die Chronik von Isidor und seine Historiae in beiden Zweigen der Überlieferung belegt sind (vgl. etwa 15, 42); die Historia gehe in beiden Zweigen der Überlieferung auf dieselbe Rezension zurück, weise aber signifikante Unterschiede auf, die dann aber eben später entstanden seien. Später (66) weist Bautista jedoch darauf hin, dass die Chronica Byzantia-Arabica die erste Hinzufügung zum Kern der Sammlung seien, „que se presentan justamente como una continuación de la crónica de Juan de Biclaro, y que quizá se llevase a cabo en algún lugar del sur de la peninsula Ibérica, tal vez en Córdoba o Sevilla.“ Eine Kopie dieser Sammlung sei dann im zweiten Viertel des achten Jahrhunderts in Toledo gewesen. Vielleicht habe sie auch der Autor der Chronica Muzarabica gekannt. 247 Vgl. Furtado, „Reassessing Spanish Chronicle Writing“, 180–183; vgl. Bautista, „Páez de Castro“, 43: Die dem Soriensis zugrundeliegende Sammlung habe sich in der zweiten Hälfte des neunten Jahrhunderts in Oviedo befunden. 248 Vgl. Furtado, „Reassessing Spanish Chronicle Writing“, 180; so auch Bautista, „Páez de Castro“, 16. 249 S. o. S. 124; zum Teil für die Historiae des Isidor und die Chronica Muzarabica mit M abgekürzt, so auch insgesamt bei Bautista, vgl. Bautista, „Páez de Castro“, 17 und passim. 250 S. o. Kap. 3.4.3. 251 Vgl. Furtado, „A Collection of Chronicles“, 253–254. Bautista, „Sobre los primeros textos“, hat jetzt herausgearbeitet, dass der Autor der Chronica Muzarabica wahrscheinlich die Sammlung, die dem Soriensis zugrunde liegt, kannte und sowohl benutzte als auch diesbezügliche Notizen in die Chronica Byzantia-Arabica eingefügt hat. Vgl. dazu auch Gil, „Introducción“, 20–21. 252 Vgl. Furtado, „Reassessing Spanish Chronicle Writing“, 178–180; ders., „A Collection of Chronicles“, 250–253 zu Zeugnissen für eine Verbreitung und Benutzung in Spanien. Die Chronica Muz arabica spielt mit ihrer Überlieferung auch für die Frage der ursprünglichen Gestalt der Chroniken des Victor von Tunnuna und des Johannes von Biclaro eine Rolle, s. dazu u. Kap. 3.6.9. Editionen
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Der Codex Uniuersitatis Complutensis als ganzer wird von Cardelle de Hartmann auch inhaltlich ausführlich in der Einleitung zur Ausgabe der Chronik des Victor von Tunnuna beschrieben. Die Chronik Victors von Tunnuna wird hier, wie bereits erwähnt, ohne die Consularia Caesaraugustana, in einer kleinen Sammlung nach einer Epitome bzw. abgekürzten Version253 der Chronik von Eusebius/Hieronymus (fol. 2v– 14v), der Chronik des Prosper Tiro von Aquitanien (fol. 14v–17v; ohne vorangehende eigene Epitome, in der Ausgabe von 445, mit eigener Fortsetzung bis 455) überliefert (fol. 17v–23r), gefolgt von der Chronik des Johannes von Biclaro (fol. 23r–25v) einschließlich dessen zusammenfassender Schlussberechnung (Epilog). Daran schließen sich zahlreiche weitere historiographische oder chronographische Texte an.254 Zu diesem zweiten Zweig der Überlieferung gehören neben U nach Cardelle de Hartmann auch die codices deperditi Codex Alcobaciensis (A), Codex Toletanus (T) und Codex Oxomensis (O). Diese drei repräsentieren einzelne Überlieferungsstränge dieses Zweiges der Tradition und gehen auf einen gemeinsamen Subarchetyp β zurück.255 Informationen über den Codex Alcobaciensis (A) sind über Johannes Vasaeus erhalten. Er berichtet von A im Prolog seines Werkes Chronici rerum memorabilium Hispaniae 1 (1552).256 Vasaeus bezieht sich mehrfach auf seinen Inhalt, ohne jedoch eine ausführliche Beschreibung des Codex zu geben. Bei seinen Zitaten vermerkt Vasaeus zwar jeweils, aus welchem Werk er selbst zitiert; allerdings ist seine Zitation weder vollständig noch völlig zuverlässig. Der Codex Alcobaciensis unterscheidet sich von So vor allem darin, dass er nicht die Chronica Byzantia-Arabica überliefert, dafür aber die Chronica Muzarabica a. 754 und die Chronik des Hydatius. Auch wenn Vasaeus nicht die genaue Reihenfolge der in dem Codex enthaltenen Werke notiert hat, zeigt sich
der Chronica Muzarabica (der Mozarabischen Chronik) bei Mommsen, Chronica minora 2, 334–368 (= „Additamentum V“ zu den Historiae des Isidor); Gil, Corpus Scriptorum Muzarabicorum 1, 16–54; jetzt neu von Gil in CChr.CM 65, 327–382; vgl. auch dort die ausführliche „Introducción“, 50–100. 253 S. o. S. 128 (Anm. 188). 254 Vgl. auch o. S. 128–129 zum Liber chronicorum. 255 Zum Stemma vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 76*, vgl. die Ausführungen ebd., bes. 65*–75*. 256 Vasaeus, Chronici rerum memorabilium Hispaniae 1, fol. 10v. S. auch o. S. 125.
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aufgrund der ihm zufolge enthaltenen Texte so eine große Nähe zum Codex Uniuersitatis Complutensis.257 A stammt wahrscheinlich aus dem 12. Jahrhundert.258 Zu den weiteren codices deperditi gibt es nur wenige Informationen: Den aus Burgo de Osma stammenden Codex Oxomensis (O)259 erwähnt Pérez, der den Apograph von Páez (Pa) auf diesen Codex zurückführte. Er enthielt auch die Chronica Muzarabica.260 Der Codex Toletanus (T) war Cardelle de Hartmann zufolge dann wahrscheinlich das Modell für den Codex Uniuersitatis Complutensis.261 Der letzten Annahme hat Furtado jüngst widersprochen, vielmehr basierten U und T auf demselben Modell.262 Eine im Detail von Cardelle de Hartmann abweichende Überlieferungsgeschichte dieses zweiten Zweiges der Tradition hat Francisco Bautista in der bereits genannten Untersuchung herausgearbeitet.263 Sein Stemma unterscheidet sich von dem Cardelle de Hartmanns besonders dadurch, dass Pa (der Apograph von Juan Páez de Castro, bei Bautista Pa-orig) nicht von *O264 abstammt: *O und Pa gehörten zu zwei verschiedenen Überlieferungssträngen dieses Zweiges der Tradition, die bereits im achten Jahrhundert auseinandergegangen seien. Das Modell, auf das *O letztlich zurückgehe (= γ; wahrscheinlich aus Toledo), sei spätestens Anfang des neunten Jahrhunderts entstanden. Einen gemeinsamen Subarchetyp (= ε; ebenfalls aus Toledo) mit Pa hätten M (= U) und *V (= A),265 diese bildeten jedoch, aus Coimbra stammend, selbst eine andere Unterfamilie als Pa. Die Überlieferung dieser zwei Unterfamilien sei vor dem 12. Jahrhundert auseinandergegangen.266 Diese Sammlung gehe insgesamt auf einen
257 Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 14*–18*, hier 14*–15*, 18*. In der Forschung wurde zur Geschichte von A v. a. debattiert, ob die sechs folia mit der Chronica Muzarabica, die in London, British Library Egerton 1934 und Madrid, Biblioteca de la Academia de la Historia 81 überliefert sind, zu diesem Codex gehören. Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 15*–18* zur Diskussion um die dahingehende These von Mommsen, „Additamenta IV.V., praefatio“, 330; vgl. auch Díaz y Díaz, „La transmisión textual“, 70–71; vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 19*–20* zu den genannten folia, die sie selbst einem Codex Muzarabicus zuordnet; für die These Mommsens nun wieder Gil, „Introducción“, 81–85 in Bezug auf Bautista, „Páez de Castro“, 20, mit Verweis auf die Entdeckung eines Apographs von Juan Vázquez de Mármol aus dem Jahr 1576 (bei Bautista und Gil werden die sechs folia, obwohl nicht als Fragment der Sammlung des Alcobaciensis angesehen, dennoch mit dem Siglum A versehen). 258 Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 18*. 259 S. o. S. 132, 139. 260 Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 20*–21*. 261 Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 21*–22*. Mommsen nahm an, T sei U, vgl. Mommsen, „Subsidia critica“, 167. Vgl. zu beiden Codices auch kurz Furtado, „A Collection of Chronicles“, 229. 262 Vgl. Furtado, „La ‚Crónica‘“, 79–80. Dies muss hier nicht näher ausgeführt werden. 263 Bautista, „Páez de Castro“, 15–36, das Stemma ebd., 34. 264 Entspricht der als O bezeichneten Handschrift bei Cardelle de Hartman (Codex Oxomensis). 265 Zudem die Handschrift Paris, Bibliothèque de l’Arsenal 982, 14. Jahrhundert (= P), die allerdings die Chroniken von Victor von Tunnuna und Johannes von Biclaro nicht enthält. 266 Vgl. Bautista, „Páez de Castro“, 33: „La tradición de la que proceden M, P, *V y Pa-orig se separó ya antes del siglo XII, y que, por tanto, su antecedente no puede identificarse con el subarquetipo procedente de Coimbra“.
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Subarchetyp α zurück, der mit der Chronica Muzarabica als jüngstem gemeinsamem Text in Toledo zusammengestellt worden sei.267 Die Stemmata können hier im Einzelnen nicht weiter verglichen werden. Für die oben genannte Frage nach der ursprünglichen Textgestalt (Anfang und Schluss der Chronik) ist v. a. die Überlieferung in den beiden großen Zweigen wichtig. Dies wird unten noch einmal aufgegriffen werden. 3.4.5 Spätere Überlieferung und Editionen Abschließend sei noch zusammenfassend auf die weitere, spätere Überlieferung der Chronik des Victor von Tunnuna hingewiesen: Neben dem Codex Uniuersitatis Complutensis sind, wie oben bereits angeführt,268 die beiden weiteren wichtigsten Codices der Codex Perezianus Escorialensis – P-E und der Codex Perezianus Segobrigensis – P-S, von denen die weiteren erhaltenen Handschriften abstammen. Ein Zeugnis für die Benutzung der Chronik Victors durch andere Autoren in Spanien gibt es abgesehen von der indirekten Benutzung über Isidor erst wieder im 16. Jahrhundert mit den Chronici des Johannes Vasaeus.269 Die Editio princeps (inklusive der Consularia Caesaraugustana) wurde herausgegeben von Heinrich Canisius, Chronicon Victoris Episcopi Tunnnunensis. Chronicon Ioannis Biclarensis, episcopi Gerundensis. […], Ingolstadt 1600.270 Ihre handschriftliche Basis ist der Codex Vulcanianus Leidensis – Vu,271 eine Abschrift von P-E. Die kurz darauf erschienene zweite Edition wurde auf derselben Textbasis herausgegeben von Joseph Scaliger.272 Auf diesen beiden Editionen basieren einige weitere Ausgaben aus dem 17.–19. Jahrhundert.273 Nach der Ausgabe der Chronik des Johannes von Biclaro durch Henrique Flórez274 ist die erste kritische Ausgabe der Chroniken von Victor und Johannes sowie – vom Text der Chroniken separiert – der Consularia Caesaraugustana die von Theodor
267 Vgl. Bautista, „Páez de Castro“, 35: „El hecho de que las dos ramas de la tradición de la miscelánea ‚alcobacense‘ se encuentren vinculadas con Toledo sugiere que fue allí donde esta colección alcanzó su forma definitiva, con la inclusión de la Chronica Muzarabica, la obra más moderna común a todos los ejemplares, y también que desde allí se fue difundiendo“. Vgl. zu dieser Zusammenstellung mit der Chronica Muzarabica auch Furtado, „A Collection of Chronicles“, 253–254; s. auch o. S. 138. 268 S. o. S. 124. 269 S. o. S. 125, 139–140. 270 Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 45*–46*; vgl. Placanica, „Introduzione“, LI. 271 Bibliothek der Reichsuniversität Leiden, Vulc. 20 IIa. 272 Scaliger, Thesaurus Temporum […], Leiden 1606, 1–12. 273 Vgl. dazu Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 47*–51*. 274 Flórez, España Sagrada. Theatro Geográfico-Histórico de la Iglesia de España 6, Madrid 1751 (2. Auflage Madrid 1773), vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 52*–53*.
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Mommsen in den Chronica minora 2 (MGH.AA 11; 1894).275 Deren Text folgt die Ausgabe von Antonio Placanica (1997) weitgehend.276 Zu Placanicas Ausgabe gehört eine italienische Übersetzung der Chronik Victors sowie ein ausführlicher Kommentar, der v. a. historisch ausgerichtet ist und insbesondere umfangreich auf Quellen Victors bzw. Parallelüberlieferungen in anderen (Geschichts-) Werken verweist. Besonders an die vielfach listenartig aufgeführten Quellenangaben bei Placanica knüpft diese Arbeit in Kapitel 5 an. Placanica verzichtet auf die Edition der Consularia Caesaraugustana.277 Die neueste Edition der Chronik mit ausführlicher Einleitung ist die von Carmen Cardelle de Hartmann (CChr.SL 173A; 2001), die, insbesondere basierend auf U, P-E und P-S, mit ihrem Text einen Archetyp α rekonstruiert und dabei den Text auch (wieder) dem Spätlatein anpasst.278 Cardelle de Hartmann hat auch die Consularia in ihrer Edition in den Text der Chronik integriert, sie aber durch Kursivsetzung und besondere Zählung kenntlich gemacht.279 3.5 Der ursprüngliche Umfang der Chronik 1: Universalchronik oder Anschluss an Prosper? 3.5.1 Das Zeugnis der Chronik des Victor von Tunnuna und das Zeugnis des Isidor von Sevilla Der ursprüngliche Umfang der Chronik Victors von Tunnuna, also die Frage, ob sie seit je mit dem Jahr 444 begann und somit grundsätzlich an die Chronik Prospers Tiro von Aquitanien anschloss oder ursprünglich eine (eigene) Universalchronik war, ist
275 Mommsens Edition basiert für Victors Chronik v. a. auf U unter Bezugnahme auf P-S, P-F (Codex Perezianus Matritensis) und P-E, die er allerdings nicht im Original zur Verfügung hatte, sondern für die er auf Zusammenfassungen zurückgriff, vgl. Mommsen, „Subsidia critica“ 173–174; vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 53*–54*. Mommsen hat die Orthographie des Textes an klassisches Latein angepasst, vgl. Mommsen, „Subsicia critica“, 177; vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 54*. 276 Vgl. Placanica, „Introduzione“, LII–LIII. 277 Vgl. Placanica, „Note“, 63–133. Cardelle de Hartmann kritisiert an Placanicas Ausgabe einen wenig reflektierten Umgang mit dem spätantiken Charakter von U, vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 57*. 278 Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 9*–10*, 12*, 143*–145*. Für die von ihr gewählte Orthographie ist Cardelle de Hartmann kritisiert worden, vgl. Martyn, „Preface“, 130; vgl. Schiefer, „Rezension zu Victoris Tunnunensis Chronicon“, 633–634. Schiefer kritisiert dort auch die seltenen „substantiellen Veränderungen“ im Vergleich zum Text von Mommsen. 279 Vgl. etwa Consularia Caesaraugustana in Victor von Tunnuna, Chronicon 4a (4,33–36 Cardelle de Hartmann). Weil die Consularia trotz der frühen gemeinsamen Überlieferung mit der Chronik ein separater Text sind – oder vielmehr ein in die Chronik eingeschriebener Text –, sind sie für die Interpretation der Chronik selbst nicht relevant und werden daher auch nicht in die im Anhang beigefügte Übersetzung aufgenommen.
Der ursprüngliche Umfang der Chronik 1: Universalchronik oder Anschluss an Prosper?
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ein immer wieder diskutiertes Problem und muss daher vor der inhaltlichen Arbeit an der Chronik zunächst in formaler Hinsicht bedacht werden, auch wenn sich dabei inhaltliche Überlegungen und damit Überschneidungen mit anderen Teilen dieser Arbeit nicht völlig vermeiden lassen. Auch die bei der Diskussion der möglichen Überlieferung der Chronik bereits bedachte Frage nach den Präskripten der Chronik wird in diesem Abschnitt erneut aufgegriffen werden, da sie auch im Zusammenhang mit der Frage nach der ursprünglichen Gestalt der Chronik diskutiert worden ist. Victors Chronik selbst präsentiert sich in den vorliegenden Handschriften als Fortsetzung der Chronik Prospers: Huc usque Prosper uir religiosus ordinem precedentium digessit annorum cui et nos ista subiecimus.280 Es wurde oben schon erwähnt, dass insbesondere aufgrund von Angaben bei Isidor von Sevilla dennoch oft angenommen wird, die Chronik Victors sei ursprünglich eine Universalchronik gewesen, die Isidor noch kannte. Es geht dabei um die Deutung von den folgenden Aussagen Isidors aus De uiris illustribus und aus seiner Chronik: Hic [= Victor von Tunnuna] a principio mundi usque ad primum Iustini iunioris imperii annum […] nobilissimam promulgauit historiam.281 Dehinc Eusebius Caesariensis atque sanctae memoriae Hieronymus chronicorum canonum multiplicem ediderunt historiam regnis simul ac temporibus ordinatam. Post hos alii atque alii, inter quos praecipue Victor Tonnonensis ecclesiae episcopus recensitis praedictorum historiis gesta sequentium aetatum usque ad consulatum Iustini iunioris expleuit.282
Isidor berichtet also in De uiris illustribus von einer historia a principio mundi Victors. Die Aussage in seiner Chronik lässt sich zudem zumindest dahingehend deuten, dass Victor selbst die vergangenen Geschichten noch einmal erzählt und diese dann bis zu Justin II. ergänzt hat. Diese Deutung des recensitis praedictorum historiis ist freilich nicht zwingend: Die passivische Formulierung recensitis praedictorum historiis legt nicht notwendigerweise Victor von Tunnuna als handelndes Subjekt fest. Es könnte auch ein Anschluss an eine vorher bereits bestehende Darlegung gemeint sein, also ein
280 Victor von Tunnuna, Chronicon, praescriptio (3,1–2 Cardelle de Hartmann): „Bis hierher hat der Mönch Prosper die Ordnung der vorangehenden Jahre der Reihe nach eingetragen, dem lassen auch wir diese Dinge folgen.“ 281 Isidor von Sevilla, De uiris illustribus 25 (147,2–4 Codoñer Merino): „Dieser veröffentlichte eine überaus edle Geschichte […] vom Beginn der Welt bis zum ersten Jahr der Regierung Justins des Jüngeren.“ 282 Isidor von Sevilla, Chronica 1/2 1 (4,3–6,10/5,3–7,10 Martín): „Seitdem gaben Eusebius von Caesarea und Hieronymus heiligen Angedenkens den vielfältigen Kanon der Chroniken heraus, die Geschichte geordnet durch die Reiche wie auch durch die Zeiten. Nach diesen waren es immer wieder andere, unter ihnen hat besonders Victor, der Bischof der Kirche von Tunnuna, nachdem die Geschichten der vorher genannten der Reihe nach erzählt worden waren, die Ereignisse der folgenden Zeitalter bis zum Konsulat Justins des Jüngeren ergänzt.“
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Der Text der Chronik und seine Geschichte
Anschluss entsprechend des Zeugnisses der Chronik in ihrer praefatio und entsprechend des vorliegenden Textbestandes. An diesen beiden Aussagen Isidors von Sevilla hat sich jedenfalls die genannte Frage entzündet, ob der überlieferte Text der Chronik des Victor von Tunnuna vollständig ist und die Chronik somit seit je her eine Fortsetzung der Chronik von Prosper war, oder ob die Chronik des Victor von Tunnuna ursprünglich eine Universalchronik war – eigenständig oder in Form einer Epitome von Eusebius/Hieronymus –, von der somit nur ein Fragment erhalten ist.283 3.5.2 Keine ursprüngliche Universalchronik? Die Manuskripttradition bezeugt eine eigenständige Universalchronik oder eine Epitome der Chronik von Eusebius-Hieronymus mit eigener Fortsetzung nicht, weshalb sich frühe Forscher (Heinrich Canisius, Jacobus Basnage u. a.) gegen die Glaubwürdigkeit der Angabe bei Isidor bzw. eine dahingehende Interpretation seiner Aussagen entschieden haben.284 Carmen Codoñer Merino sieht in der Passage aus Isidors Chronik ebenfalls keinen Hinweis auf eine eigene Epitome von Eusebius/Hieronymus durch Victor, sondern nur auf eine Fortsetzung von Eusebius und Hieronymus.285 Bei seiner Angabe in De uiris illustribus habe Isidor sich vom Schluss der Chronik Victors leiten lassen, welcher die Jahre ab Adam zusammenfasst bzw. berechnet.286 Freilich entspricht die Formulierung ab Adam primo homine bei Victor nicht ganz dem a principio mundi aus der Angabe Isidors. Auch Marc Reydellet geht nicht davon aus, dass Isidor tatsächlich auf eine Universalchronik Victors verweist: Er vermutet, dass Isidor Victor und Prosper verwechsele, da er eine Handschrift vor sich habe, welche neben der Chronik von Hieronymus auch die Chronik von Prosper und die Fortsetzung von Victor enthalte, die alle Victor von Tunnuna zugeschrieben würden.287
283 Vgl. insgesamt Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 102*–106*. 284 Vgl. Canisius, Chronicon Victoris, 6; Basnage, Thesaurus 1, 262; vgl. Placanica, „Introduzione“, XIII (mit Anm. 1). 285 Vgl. Codoñer Merino, „Estudio de la obra“, 71. 286 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 175 (55,996 Cardelle de Hartmann): Colliguntur omnes anni ab Adam primo homine. Vgl. Codoñer Merino, „Estudio de la obra“, 71. So schon Canisius, Chronicon Victoris, 6; anders dann ders., Antiquae lectiones 1, 668; vgl. Placania, „Introduzione“, XIII. Zum Schluss der Chronik und zur Frage, ob dieser ursprünglich zur Chronik gehörte s. u. Kap. 3.6. 287 Vgl. Reydellet, „Les intentions“, 368–369, hier 369: „La bibliothèque de Séville comptait, à côté de la Chronique de Jérôme, un manuscrit qui contenait à la suite la Chronique de Prosper et la continuation de Victor, le tout placé sous le nom de ce dernier“. Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 103*–104*. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 103*, spricht in Bezug auf Reydellets
Der ursprüngliche Umfang der Chronik 1: Universalchronik oder Anschluss an Prosper?
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3.5.3 Doch eine ursprüngliche Universalchronik – die Einwände von Carmen Cardelle de Hartmann Gegen diese These formuliert Carmen Cardelle de Hartmann zwei Einwände, die neben dem Zeugnis des Isidor von Sevilla zunächst den Text der Chronik Victors selbst in den Blick nehmen und die Möglichkeit einer ursprünglichen Universalchronik Victors wieder denkbar erscheinen lassen. Sie sollen hier ausführlicher diskutiert werden: Der erste Einwand Cardelle de Hartmanns basiert auf einer bereits von Theodor Mommsen288 gemachten Beobachtung zum Jahr 565/566 in Victors Chronik: Dort schreibt Victor von den supra gelobten Evagrius und Didymus.289 Weder Evagrius noch Didymus werden jedoch zuvor im vorliegenden Text der Chronik Victors erwähnt; und in der Chronik von Hieronymus (und in der Epitome von Prosper) wird nur Didymus genannt, nicht aber Evagrius.290 Mommsen nimmt daher an, Victor habe selbst eine Epitome von Prosper geschaffen – ähnlich wie Prosper von Hieronymus –, in die er sowohl Material eingefügt habe als auch Material verändert oder weggelassen habe.291 Ein Schreiber (Kompilator) habe dann beim Kopieren der Chroniken die ergänzte Epitome von Prosper, die Victor erstellt hatte, durch den Originaltext von Prosper, der ihm zur Verfügung gestanden habe, ersetzt.292 Aufgrund der Verbreitung der Chronik Prospers erscheine dies, so Cardelle de Hartmann, jedenfalls nicht undenkbar.293 Victor von Tunnuna könne sich an der genannten Stelle tatsächlich konkret auf Material aus De uiris illustribus von Hieronymus (zu Didymus; vgl. Hieronymus, De uiris illustribus 109) und von Gennadius (zu Evagrius; vgl. Gennadius, De uiris illustribus 11) beziehen.294 Dafür spreche auch die Formulierung von Chronicon 170, Annahme von einer Handschrift, „en el que figurarían el epítome de Jerónimo hecho por Próspero, la continuación de Próspero y la de Víctor, todo atribuido a Víctor“. 288 Vgl. Mommsen, „Praefatio“, 179–180. 289 Victor von Tunnuna, Chronicon 170 (54,978–980 Cardelle de Hartmann): […] Euagri […] ac Didimi […] quorum laudes supra […] pertulimus […]. 290 Hieronymus, Chronicon ad a. 372 (47,13–14 Helm): Didymus Alexandrinus multa de nostro dogmate per notarios commentatur. Vgl. Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 1146 (459 Mommsen). Placanica weist darauf hin, dass Didymus auch bei Prosper nicht erwähnt werde, vgl. Placanica, „Introduzione“, XIV, damit bezieht er sich wohl auf die Fortsetzung Prospers, nicht auf dessen eigene Epitome. 291 Vgl. Mommsen, „Praefatio“, 180; vgl. auch Placanica, „Introduzione“, XIII–XIV. Die Existenz einer Prosper-Überarbeitung „von Anfang an“ nehmen auch Schanz/Hosius/Krüger, Geschichte der römischen Literatur 4,2, 113 an. 292 Vgl. Mommsen, „Praefatio“, 180. 293 Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 104*. Die genannte Stelle in Victors Chronik ist auch für Placanica, „Introduzione“, XIV, das entscheidende Zeugnis dafür, dass Victors Chronik ursprünglich eine längere Fassung hatte, basierend auf einer Epitome der Chronik Prospers mit Ergänzungen durch andere Quellen. Der vordere Teil sei durch einen „accidente della tradizione“ verloren gegangen. Insofern „non resta dunque che accogliere la notizia di Isidoro, il quale peraltro conobbe e usò con larghezza nei suoi scritti la cronaca di Vittore“. 294 Vgl. Cardelle de Hartmann. „Introducción“, 104*.
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quorum laudes supra illustrium uirorum ex autoritate pertulimus („deren Lob wir oben ausgeführt haben aus der Autorität von berühmten Männern“295) – sie könne auf eine Quelle über solche uiri illustri hinweisen. Allerdings deutet sonst nichts in der Chronik darauf hin, dass Victor von Tunnuna Hieronymus’ oder Gennadius’ De uiris illustribus benützt hat.296 Cardelle de Hartmann argumentiert zudem, dass die Hypothese Mommsens, dass Victor von Tunnuna eine Prosper-Epitome angefertigt habe, auch wenn eine solche heute nicht bekannt sei, durch die Entdeckung von Steven Muhlberger ein gewisses Stück an Plausibilität gewonnen habe: Muhlberger hat durch einen Vergleich der entsprechenden Passagen bei Prosper und am Anfang der Chronik Victors nachgewiesen, dass Victor von Tunnuna für die Zeit von 444–455 die Chronik Prospers als Quelle benutzte.297 Damit hat er gleichzeitig gezeigt, dass es keine (verlorengegangene) Ausgabe der Chronik Prospers von 443 gab, wie es noch Mommsen annahm.298 Der eigene Bericht von Victor ab dem Jahr 444 hängt, so Muhlberger, mit dem Zweck der Chronik Victors (Verteidigung der Drei Kapitel; für diese Jahre insbesondere eine eigene Deutung des Konzils von Chalcedon 451) zusammen, dem der Text Prospers nicht entsprochen habe.299
295 Alternative Übersetzungsmöglichkeiten wären: „deren Lob als [das] berühmter Männer wir oben aus Autorität ausgeführt haben“ oder „deren Lob wir über das berühmter Männer hinaus oben aus Autorität ausgeführt haben“. 296 Denkbar wäre auch ein Bezug auf die wichtigste Quelle von Victor von Tunnuna bis 518, die Historia ecclesiastica des Theodoros Anagnostes. Dies erscheint jedoch eher unwahrscheinlich: Didymus und Evagrius kommen nach dem Zeugnis der Epitome zwar in dessen Historia tripartita vor, aber wir wissen erstens nichts über deren Benutzung durch Victor, da sie frühere Jahre behandelt, und zweitens entsprechen die Stellen auch nicht der o. g. Aussage (quorum laudes supra illustrium uirorum ex autoritate pertulimus). Vgl. Theodoros Anagnostes, Historia tripartita, E148 (Didymos), E174, E249, E266, E300 (Evagrius). 297 Vgl. Muhlberger, „Prosper’s Epitoma chronicon“, 240–244, bes. 241–243; vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 105* (Anm. 204). Der Vergleich muss hier nicht noch einmal im Einzelnen nachgezeichnet werden. Dass Victor für die Jahre 444–455 die Chronik Prospers als Quelle benutzt hat, bemerkte übrigens schon Papencordt, Geschichte, 361–364, worauf Placanica, „Introduzione“, XIII, hinweist. Muhlberger, „Prosper’s Epitoma Chronicon“, erwähnt Papencordts Überlegungen nicht. Zu einem Vergleich vom Anfang der Chronik Victors mit dem entsprechenden Text bei Prosper und zum inhaltlichen Fokus bei Victor s. u. Kap. 5.1. 298 Vgl. Mommsen, „Praefatio“, 179–180. Die Chronik des Prosper Tiro von Aquitanien (ca. 390–nach 455) entstand in mehreren Überarbeitungsstufen während eine längeren Zeitraumes. Drei eindeutige Überarbeitungsstufen stammen aus den Jahren 433, 445 und 455, eine in das Jahr 451 zu datierende vierte Version ist sehr wahrscheinlich. Vgl. zu Prosper und seiner Chronik jetzt die „Einleitung“ in Becker/Kötter, Prosper Tiro, Chronik, 3–60; vgl. auch Muhlberger, The Fifth-Century Chroniclers, 48–135. 299 Vgl. Muhlberger, „Prosper’s Epitoma chronicon“, 243–244; vgl. auch Placanica, „Introduzione“, XIII–XIV: „Si può dedurre che Vittore rimanegiasse l’Epitome prosperiana, anche mediante il ricorso ad altre fonti, sino al 455, facendo seguire ad essa la propria continuazione, que doveva fornire la ‚chiave‘ per la lettura delle controversie anteriori“.
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Damit zeigt sich jedenfalls, dass die Chronik Victors nicht einfach an die Chronik Prospers anschließt, wie vom vorliegenden Präskript behauptet, sondern dass Victor Prospers Text in der Fassung bis 455 vorliegen hatte und mit dieser Fassung gearbeitet hat. Dies kann als Hinweis darauf gesehen werden, dass er insgesamt frühere Teile der Chronik Prospers benutzt und möglicherweise auch eine Epitome erstellt hat. Freilich ist dies kein zwingender Schluss: Es ist dennoch ebenso möglich, dass Victor von Tunnuna aufgrund seines eigenen Fokus seine Chronik auch ohne vorherige eigene Epitome ab dem Jahr 444 auf diese Weise entweder an Prosper angeschlossen bzw. dessen Chronik fortgeschrieben hat, oder dass er sie eigenständig und erst im Jahr 444 beginnend konzipiert hat. Wenn Victor von Tunnuna selbst das Präskript der Chronik vorangestellt hat, entspräche das einer Darstellung, die sich trotz der sich überschneidenden Jahre als eigenständiger Anschluss an Prosper verstehen würde: The originality of Victor’s ecclesiastical history from 444 is sufficient to explain his statement that he wrote independently from that year. Victor was taking responsibility for an account that he had revised and supplemented to reflect his own judgements on the past.300
Das macht eine weitere Vermutung Cardelle de Hartmanns unwahrscheinlich, wenn auch nicht undenkbar: Cardelle de Hartmann überlegt, dass das Präskript sich vielleicht schon im Text von Victors Chronik selbst befand, aber nach dem Jahr 455, in dem die Chronik von Prosper endet; der (erste) Kompilator habe es dann lediglich an eine andere Stelle geschoben.301 Dies hält auch Placanica für möglich, der zudem auf den Beginn mit igitur in Chronicon 1 (3,3 Cardelle de Hartmann) hinweist, was einen besseren Ort im Anschluss an den Text des Präskriptes nach dem Jahr 455 habe.302 Das igitur ist aber genauso gut nach dem jetzigen Ort des Präskriptes denkbar, um im Anschluss daran, den Text der Chronik Victors mit der Chronik Prospers verknüpfend, deren Fortführung zu signalisieren; es könnte damit jedenfalls auf den Verfasser des Präskriptes zurückgehen, der, wie oben bereits dargelegt, nicht Victor selbst sein muss.303 Es ist zudem auch denkbar, dass in der Zusammenstellung der ersten kleinen Sammlung ein anderer einleitender Satz, der von Victor selbst stammte, durch das Präskript ersetzt wurde. Wenn das Präskript von einem Kompilator stammt, könnte es dieser trotz der von den Jahren her weitergehenden (parallel verlaufenden) Chronik Prospers dem ihm vorliegenden Text der Chronik Victors vorangestellt haben mit dem (übergeordneten) Ziel der Zusammenstellung einer Sammlung. Die doppelt vorhandenen Jahre hätten für diesen Kompilator dann offenbar keine Rolle gespielt.
300 301 302 303
Muhlberger, „Prosper’s Epitoma Chronicon“, 244. Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 106*. Vgl. Placanica, „Note“, 63 (ad praescriptio; ad a. 444). S. o. Kap. 3.4.3.
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Als zweiten Einwand gegen die Annahme Reydellets304 führt Cardelle de Hartmann an, dass es keine Spuren einer Handschrift gibt, wie sie Reydellet annimmt, also einer Handschrift, in der mehrere Chroniken Victor von Tunnuna zugeschrieben werden. Dafür sieht sie, wie oben gesehen, in den Präskripten zu den Chroniken von Eusebius/ Hieronymus, von Prosper, von Victor von Tunnuna und von Johannes von Biclaro in U Hinweise auf den von Mommsen genannten Kompilator.305 Der in diesen Präskripten erscheinende Kompilator habe aber nun nicht nur eine Sammlung von Chroniken zusammengestellt, sondern er habe auch auf folgende Weise in die Texte der Chroniken eingegriffen306: Er habe die Hieronymus-Epitome von Victor von Tunnuna durch eine Epitome ersetzt, die so gut wie alle historischen Notizen der Chronik von Hieronymus aufgenommen habe.307 Dann habe er die Prosper-Epitome von Victor durch Prospers bis 455 reichenden Gesamttext ersetzt. Daran fügte er die Chronik von Victor ab dem Jahr an, ab dem dessen eigene Notizen besonders großes Gewicht erlangt hätten, nämlich ab 444.308 Die Zeit von 444–455 sei nun doppelt erschienen. Dies habe dann nicht nur ein Präskript, sondern auch eine chronologische Präzisierung notwendig gemacht. Diese finde sich zwar nicht im Complutensis, dafür aber in P-E und in P-S und damit im Codex Oxomensis: A XIIX cos. Theodosii Iunioris Victor epispcopus Tunnunensis ecclesiae Africae historiam prosequitur ubi Prosper reliquit.309 304 Verwechslung von Prosper und Victor durch Isidor; ursprünglich keine Universalchronik Victors; s. o. S. 144. 305 Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 104*–105*; zum Kompilator Mommsens s. o. S. 145– 146. 306 Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 105*–106*. 307 Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 105* für eine Beschreibung der Epitome von Eusebius/ Hieronymus im Codex Uniuersitatis Complutensis. 308 Ähnlich wie Cardelle de Hartmann, die sich nicht auf ihn bezieht, aber mit anderer Spitze, schreibt schon Papencordt, Geschichte, 363 aufgrund der Benutzung der Chronik Prospers durch Victor für die Jahre 444–455 das Präskript der Chronik (bei Papencordt, Geschichte, 360, allerdings als A XVIII consulatu Theodosii junioris Victor episcopus Tunnunensis ecclesiae Africae historiam prosequitur, ubi Prosper reliquit notiert, was der Fassung des Codex Perezianus Escorialensis – P-E [s. o. S. 124] entspricht, vgl. Mommsen, „Praefatio“, 179) einem Abschreiber zu. Dieser habe Prospers Chronik „nur in der bis zum Jahr 444 reichenden Ausgabe oder in einer verstümmelten Handschrift“ besessen, und dann „als Fortsetzung Victors Darstellung der späteren Zeiten“ hinzugefügt. Aus dieser Handschrift stammten dann alle erhaltenen Handschriften von Victors Chronik, der Teil von Victors Chronik bis zum Jahr 444 sei so verlorengegangen (vgl. Papencordt, Geschichte, 363–364). „Dies ist umso leichter anzunehmen, da für die von Prosper selbst behandelte Zeit dessen Arbeit dem Abendlande wichtiger erscheinen musste, während für die spätere Zeit auch eine auf Afrika besonders berechnete Chronik immer besser als gar keine war“ (ebd., 364). Papencordt äußert sich nur indirekt zu der von ihm benutzten Ausgabe, wahrscheinlich handelt es sich um die von Thomas Roncalli von 1787 (vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 49*–50*). 309 Codex Oxomensis – O, einer der codices deperditi, auf die Pérez noch zurückgreifen konnte; zitiert nach P-E und P-S bei Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 106*; s. o. S. 140. Vgl. auch Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 20*–21*, 105*–106*. Eine andere Art chronologischer Präzisierung findet sich allerdings im Complutensis: Die Chronik Prospers wird dort mit einer chronologischen Schlussbemerkung abgeschlossen, welche die Jahre ab Adam usque ad consulatum Valentiniani VIII berechnet, also bis zu dem Jahr, bis zu dem die Chronik Prospers in diesem Codex
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Freilich ist auch hier eine schlichtere Lösung denkbar, dass nämlich die Chronik Victors von Anfang an nur ab dem Jahr 444 vorlag. Der Kompilator hätte dann nicht selbst entschieden, ab wann der Text Victors sein „zentrales Gewicht“ gehabt hätte und den ursprünglichen Text gekürzt, sondern einfach den ihm vorliegenden Text benutzt. Eine Präzisierung hinsichtlich des konkreten Konsulats wie im Codex Oxomensis ist auch so denkbar, wenn die Doppelung mit der Chronik Prospers auffiel.310 Rodrigo Furtado hat, wie oben dargelegt, die Spuren einer Sammlung von Texten im Codex Uniuersitatis Complutensis (U), des Liber chronicorum, herausgearbeitet, zu dem auch die Chroniken des Victor von Tunnuna, des Johannes von Biclaro, des Prosper und des Eusebius/Hieronymus gehören.311 Er sieht den Zeitpunkt der Entstehung dieser Sammlung bzw. der kleineren Sammlung der genannten Chroniken als den Zeitpunkt an, zu dem die erste Hälfte von Victors bis dahin vollständiger Chronik durch die Texte von Eusebius/Hieronymus und Prosper ersetzt wurde.312 Isidor hingegen habe Victors ganzen Text noch gekannt, daher sei das Model für alle jetzt vorliegenden oder rekonstruierbaren Handschriften – bzw. für den Teil, der die Abfolge der Chroniken von Eusebius/Hieronymus, Prosper, Victor und Johannes enthält – erst nach der Ankunft der Chroniken von Johannes und Victor (letztere noch in Form einer Universalchronik) in Sevilla entstanden.313 In den nun genannten Überlegungen vermischen sich zwei Fragestellungen: Die Frage nach den Präskripten und damit nach einer frühen Sammlung von Chroniken sowie die Frage nach dem ursprünglichen Umfang der Chronik. Eine frühe Sammlung von Chroniken und deren Zusammenstellung mit den Präskripten impliziert nicht notwendigerweise eine ursprüngliche Universalchronik Victors, die ein Kompilator gekürzt hat. Die Chronik Victors kann ursprünglich mit dem Jahr begonnen haben, mit dem sie jetzt beginnt, und trotzdem durch die Präskripte mit den anderen Chroniken verbunden worden sein – so wie auch die Chronik des Johannes von Biclaro nach der Chronik Victors beginnt, ohne ursprüngliche voranstehende Universalchronik, und dennoch ein Präskript hat.
fortgeführt wird (vgl. Codex Uniuersitatis Complutensis, fol. 17r; der Schlussteil von U ist ediert von Mommsen als Continuatio Codicis Alcobaciensis in den Chronica minora 1, 487). Zum Schluss der Chroniken in U s. u. Kap. 3.6.8–3.6.9. 310 Eine solche spätere chronologische Präzisierung bezeugt ja auch der zweite Teil des oben zitierten Präskriptes aus dem Codex Soriensis (Abhinc, id est a XVIII Theodosii iunioris consulatu, Victor Tunnunensis [mut. in Tunnensis] ecclesiae Africanae episcopus texit historiam.); s. o. S. 131. 311 Vgl. Furtado, „A Collection of Chronicles“; s. o. Kap. 3.4.3. 312 Furtado, „A Collection of Chronicles“, 251. Zur späteren Präzisierung hinsichtlich der kleineren Sammlung vgl. Furtado, „Reassessing Spanish Chronicle Writing“, 179–180. 313 Vgl. Furtado, „Reassessing Spanish Chronicle-Writing“, 178 (mit Anm. 44).
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3.5.4 Das Zeugnis des Johannes von Biclaro, des Isidor und die Verweise auf Didymus und Evagrius in Chronicon 170 – Versuch einer Neubewertung Betrachtet man nun die bei Johannes von Biclaro vorangestellte praefatio, wird deutlich, dass schon hier die Chronik Victors in die Reihe Eusebius, Hieronymus und Prosper gestellt ist – es wird zudem suggeriert, dass alle zusammen die historiam omnium gentium „gewoben“ haben bis zur Zeit des Johannes von Biclaro.314 Es geht hier offenbar nicht um einzelne vollständige Darstellungen, und es deutet auch nichts darauf hin, dass hier die Chronik Victors als eigenständige Universalchronik (oder vollständige Epitome) im Blick ist. Sie steht vielmehr als ein Glied in der Reihe derer, die insgesamt die „Geschichte aller Völker“ zusammengefügt haben. Oben wurde herausgearbeitet, dass die praefatio von Johannes von Biclaro selbst stammt oder sehr früh ist315 – sie ist damit ein frühes Zeugnis, das gegen eine ursprüngliche Universalchronik Victors spricht. Die Benutzung Prospers für die ersten Jahre ab 444 der Chronik durch Victor von Tunnuna ist zwar ein möglicher Hinweis auf eine ursprünglich eigene Epitome, die Prosper als Quelle benutzte, hat dies aber ebenfalls nicht zwingend zur Folge. Entscheidend für die Beantwortung der Frage, ob die Chronik des Victor von Tunnuna ursprünglich eine Universalchronik war oder nicht, ist letztlich, wie man das Zeugnis Isidors bewertet und wie man die in der Chronik vorkommenden Verweise auf Didymus und Evagrius versteht. Das Zeugnis aus Isidors Chronik316 lässt sich am einfachsten mit Codoñer Merino so erklären, dass hier die Chronik des Victor von Tunnuna als eine der vielen Fortsetzungen (post hos alii atque alii) der Chronik von Eusebius/Hieronymus präsentiert wird: Die Aussage Victor Tonnonensis […] recensitis praedictorum historiis gesta sequentium aetatum usque ad consulatum Iustini iunioris expleuit sagt eben aus, dass die histo riae der vorher Genannten schon erzählt sind – im Satz zuvor war davon die Rede, dass Eusebius und Hieronymus chronicorum canonum multiplicem ediderunt historiam regnis simul ac temporibus ordinatam. Auf diese, also auf Eusebius und Hieronymus, beziehen sich dann die historiae praedictorum. Recensitis praedictorum historiis kann also in diesem Zusammenhang schlicht die Ordnung der Geschichte im Sinne von „der Reihe nach erzählen“ durch Eusebius und Hieronymus und deren Nachfolger (post hos alii atque alii) meinen. Auch im Satz zuvor war ja bezüglich Eusebius und Hieronymus 314 Vgl. Johannes von Biclaro, Chronicon, praefatio (59,1–12 Cardelle de Hartmann): Post Eusebium Cesariensis ecclesie episcopum, Iheronimum toto orbe notum presbyterum, nec non et Prosperum uirum religiosum atque Victorem Tunnunensis ecclesie Affricane episcopum, qui hystoriam omnium pene gentium summa breuitate et diligentia contexere uisi sunt, et usque ad nostram etatem congeriem perduxerunt annorum […], nos ergo […] que temporibus nostris acta sunt […] studuimus […] transmittere. Zur Übersetzung s. o. S. 133 (Anm. 220). 315 S. o. S. 134. 316 S. o. Kap. 3.5.1.
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von der durch die Reiche und Zeiten geordneten Geschichte die Rede. Nach den der Reihe nach erzählten historiae der zuvor Genannten ergänzt nun Victor von Tunnuna die Ereignisse der folgenden Zeitalter. Dies entspräche der o. g. Deutung der praefatio bei Johannes von Biclaro. Dass in Isidors Chronik eine eigene Epitome von Victor gemeint ist, die alles der praedicti noch einmal in einer eigenen Fassung durchnimmt, wäre die kompliziertere Lösung. Die Angabe in Isidors De uiris illustribus bezeugt zwar eine Chronik a principio mundi. Es stellt sich aber die Frage, ob dieses Zeugnis für eine Universalchronik so stark zu gewichten ist, stärker etwa als die in der praefatio des Johannes von Biclaro bezeugte Reihe von Chroniken von Eusebius bis Victor.317 Auch ist denkbar, dass Isidor die Angabe auf den Schluss der Chronik Victors (Chronicon 175) bezieht, ohne dass ihm eine Universalchronik vorlag.318 Nicht zuletzt hat die Angabe bei Isidor zur Chronik Victors keinen Rückhalt in der handschriftlichen Überlieferung oder in anderen Zeugnissen. Die oben genannten Theorien darüber, wie aus einer ursprünglichen Universalchronik (oder der Epitome einer solchen) die jetzt vorliegende Fassung der Chronik geworden sein könnte, greifen zwar Hinweise aus den Texten auf, die untersuchten Textbefunde widersprechen aber an keiner Stelle einer ursprünglichen Fassung der Chronik Victors ab 444. Diese ist daher in diesem Zusammenhang die einfachere Erklärung.319 Rätselhaft bleibt damit v. a. die Formulierung in Chronicon 170 (quorum laudes supra illustrium uirorum ex autoritate pertulimus).320 Wenn sich diese Aussage auf Material aus 317 Die Angaben zu Werken in Isidors De uiris illustribus sind nicht immer ganz präzise, wie etwa die Angaben zu Fulgentius von Ruspe zeigen (De uiris illustribus 14). Isidor von Sevilla schreibt zudem über Johannes von Biclaro (De uiris illustribus 31 [152,13–16 Codoñer Merino]): Addidit in libro chronicorum ab anno primo Iustini iunioris principatus usque in annum octauum Mauricii principis Romanorum et quartum Recharedi regis annum, historico compositoque sermone ualde utilem historiam. / „Er fügte zum Buch der Chroniken vom ersten Jahr der Kaisertums Justins des Jüngeren bis ins achte Jahr des Kaisers der Römer Mauritius und das vierte Jahr des Königs Rekkared, mit einer geschichtlichen und geordneten Ausdrucksweise eine sehr nützliche Geschichte an.“ Dies kann man zumindest als Hinweis darauf verstehen, dass Isidor eine Sammlung von Chroniken (liber chronicorum) voraussetzt (von der dann die Chronik Victors ein Teil wäre), an die Johannes von Biclaro anschließt. 318 S. o. Kap. 3.5.2. 319 Den möglichen Einwand, dass auch die Chronik des Eusebius/Hieronymus in der in der ersten Sammlung überlieferten Fassung nicht a principio mundi beginne (vgl. Furtado, „Reassessing Spanish Chronicle-Writing“, 178 [Anm. 44] in Bezug auf die Fassungen in den Codices Uniuersitatis Complutensis, Alcobaciensis und Toletanus), was als Hinweis darauf gesehen werden könnte, dass Isidor eben die Chronik Victors meinte und nicht etwa eine Sammlung beginnend mit Eusebius/ Hieronymus, ist durch Furtado, „La ‚crónica‘“ selbst entkräftet worden, der gezeigt hat, dass die jetzt in U überlieferte abgeschnittene Fassung der Chronik des Eusebius/Hieronymus nicht die ursprüngliche ist, s. o. S. 128 (Anm. 188). 320 Dass die Interpretation von Chronicon 170 schwierig ist, zeigt auch die Übersetzung von John R. C. Martyn (Übers. 166 Martyn), der hier eine kreative Lösung bietet, die neue Personen ins Spiel bringt: „Justinian sent into exile the bishop of Constantinople, Eutychius, who condemned the Three Chapters, supported by the deacons of the hermit Evagrius and the monks of Didymus and of the confessor of Alexandria, whose praises I sang above, with the authority of famous men, and
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Hieronymus’ oder Gennadius’ De uiris illustribus beziehen würde, wäre dies die einzige Stelle, in der Victor von Tunnuna seine Quelle benennt – es wäre überhaupt die einzige Stelle, in der, abgesehen vom Präskript, der Autor in der 1. Person Plural schreibt. Zudem ist eine Benutzung von Hieronymus’ oder Gennadius’ De uiris illustribus, wie oben bereits erwähnt, an keiner anderen Stelle der Chronik erkennbar. Dass Didymus und Evagrius hier überhaupt erwähnt werden, ist leicht erklärbar: Evagrius und Didymus wurden auf einer Synode in Konstantinopel 553, kurz vor dem ökumenischen Konzil, zusammen mit Origenes verurteilt.321 Von dieser Synode schreibt Victor zwar nichts. Die Verurteilung wurde jedoch schon bald in engem Zusammenhang zum Konzil selbst gesehen,322 und so könnte man zunächst auch den Hinweis bei Victor verstehen: Eutychius wäre als Teilnehmer bzw. Vorsitzender des Konzils dann einer der damnatores nicht nur der Drei Kapitel, sondern auch von Didymus und Evagrius gewesen. So sieht etwa Dossey hier eine Verteidigung von Didymus und Evagrius, was eine positivere Haltung gegenüber den Origenisten als bei Facundus von Hermiane und Liberatus von Karthago ausdrücke.323 Auffällig ist allerdings, dass Origenes hier nicht namentlich erwähnt wird. Richard Price geht schlicht davon aus, dass Victor die Anathematismen von 553 nicht auf Origenes bezogen verstanden hat.324 Diekamp hingegen führt die Erwähnung von Eva grius und Didymus auf die Kritik an der Verdammung bereits Verstorbener durch die Verteidiger der Drei Kapitel zurück – deshalb habe Victor Origenes nicht erwähnt, da dieser ja schon zu Lebzeiten verurteilt gewesen sei: Daß er Origenes auch in diesem Zusammenhange nicht erwähnt, obwohl die Verdammung des Evagrios und Didymos von der des Origenes begleitet gewesen sein wird, hat wohl seinen Grund darin, daß er das Anathem gegen Evagrios und Didymos, nicht jedoch das gegen Origenes, für ebenso ungerecht hielt, wie die Verurtheilung der drei Capitel. Origenes als ein zu seinen Lebzeiten Excommunicirter durfte nach Victors Meinung auch nach seinem Tode vom Banne getroffen werden. Da der Chronist darauf ausgeht, die Thä-
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in his place he appointed John, a similar bishop with the same error.“ Theoretisch ist zwar eine Auflösung der Genitive (diaconi und monachi) als Nominative Plural denkbar, aber das „supported“ taucht im lateinischen Text überhaupt nicht auf, und es stellt sich die Frage, wer etwa die Mönche des Didymus sein sollen, welche Justinian unterstützten (der zuvor die Verurteilung der Origenisten vorangetrieben hatte). Zum Text von Chronicon 170 im Detail s. u. Kap. 5.7.3.7, bes. in den Exkursen (mit Belegen). Vgl. Diekamp, Die origenistischen Streitigkeiten; Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 319; Uthe mann, „Kaiser Justinian“, 324–325; Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 422–430; die Anathematismen gegen die Origenisten in ACO 4,1 (248–249 Straub); s. auch o. S. 90–91. Vgl. etwa Kyrill von Skythopolis, Vita Sabae 90; die Verbindung von Origenes bzw. Origenisten, Evagrius und Didymus im Kontext des Konzils von 553 auch bei Evagrius, Historia ecclesiastica 4,38, vgl. auch 4,39. Vgl. Dossey, „Exgesis and Dissent“, 263 (Anm. 86). Vgl. Price, The Acts of Constantinople 553 2, 280 (Anm. 49).
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tigkeit des Concils bezw. die des Eutychios herabzusetzen, so schweigt er über Origenes’ Anathematisirung.325
Gerade die Ablehnung der Verurteilung Verstorbener spielt jedoch in der Chronik des Victor von Tunnuna in der Darstellung bezüglich der Konflikte um die Drei Kapitel überhaupt keine Rolle. Es ist daher fraglich, ob Victor von Tunnuna an dieser Stelle bezogen auf Evagrius und Didymus sehr implizit darauf rekurriert. M. E. gibt es für die Nicht-Erwähnung des Origenes noch eine andere Lösung. Hierzu sind die Formulierungen aus Chronicon 170 noch einmal genauer zu betrachten: Iustinianus Euticium Constantinopolitanum episcopum damnatorem trium capitulorum et Euagri heremite diaconi ac Didimi monachi et confessoris Alexandrini, quorum laudes supra illustrium uirorum ex autoritate pertulimus, exilio dirigit.326
Evagrius wird als „Eremit“ und „Diakon“ bezeichnet, Didymus als monachus und confessor Alexandrinus. Oben wurde schon erwähnt, dass die Formulierung illustrium uirorum ex autoritate pertulimus auf eine Quelle De uiris illustribus, d. h. auf die entsprechenden Schriften des Hieronymus und Gennadius, verweisen könnte.327 Auffällig ist nun aber, dass weder Didymus bei Hieronymus als monachus oder confessor Alexandrinus noch Evagrius bei Gennadius als diaconus oder heremita bezeichnet werden. Evagrius als Eremit oder Diakon zu bezeichnen, ist allerdings, selbst wenn es wörtlich nicht aus Hieronymus’ De uiris illustribus übernommen worden sein kann, nicht ungewöhnlich: Es entspricht dem, was dort dargestellt ist bzw. was man über Evagrius wissen kann.328 Auch die Bezeichnung von Didymus als monachus ist in diesem Sinne erklärbar.329 Didymus als Alexandrinus zu benennen, würde De uiris illustribus 109 ent325 Diekamp, Die origenistischen Streitigkeiten, 81. Vgl. auch Placania, „Note“, 132, in Bezug auf Noris, Dissertatio historica, 662 (in der mir zugänglichen Ausgabe S. 66). Vgl. Price, The Acts of Constantinople 553 1, 280, zur Problematik des Beispiels „Origenes“ für eine posthume Verurteilung auf dem 2. Konzil von Konstantinopel (vgl. Sessio 5, 87): „Origen was not a good example of someone who died in good standing and was condemned only posthumously since it was widely believed in the sixth century that he had died either excommunicate or even as an apostate.“ 326 Victor von Tunnuna, Chronicon 170 (54,976–980 Cardelle de Hartmann): „Justinian schickte Eutychius, den Bischof von Konstantinopel, einen Verurteiler der Drei Kapitel und von Evagrius dem Eremiten, Diakon, und von Didymus dem Mönch und des alexandrinischen Bekenners, deren Lob wir oben ausgeführt haben aus der Autorität von berühmten Männern, ins Exil.“ 327 Vgl. Hieronymus, De uiris illustribus 109 (Didymus); Gennadius, De uiris illustribus 11 (Evagrius); s. o. S. 145. 328 Evagrius wird als Diakon bezeichnet etwa bei Palladius, Historia lausiaca 38, dort wird auch sein Leben als Eremit beschrieben. Als Vitae patrum bezeichnete Schriften waren weit verbreitet, daher ist ein Wissen um Evagrius als Eremit und Diakon für einen in Konstantinopel schreibenden westlichen Autor des sechsten Jahrhunderts durchaus denkbar; vgl. Wellhausen, Die lateinische Übersetzung, 210–213. Auch Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E198 erwähnt etwa solche Schriften als Παραδείσια (72,11 Hansen). 329 Vgl. etwa Palladius, Historia lausiaca 4. Der Beiname „der Blinde“ ist erst seit Mitte des sechsten Jahrhunderts bezeugt, vgl. Kramer, „Didymus von Alexandrien“, 742.
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sprechen.330 Ungewöhnlich wäre aber, ihn confessor zu nennen. Dass er Bekenner unter einer Christenverfolgung war, kann hiermit nicht gemeint sein.331 Man könnte daran denken, was über ihn und andere in De uiris illustribus 120 berichtet wird: Sie antworten dem häretischen Bischof Eunomius.332 Von Leiden, die er in diesem Zuge erlitt, wird aber nichts berichtet. Eine andere Möglichkeit liegt zumindest näher: Origenes fehlt, wie gesagt, in der Aufzählung – genau er könnte aber hier mit den Worten confessor Alexandrinus gemeint sein. Dann wäre die Trias der in Konstantinopel neben den Drei Kapiteln als verurteilt Erwähnten vollständig. Ihn als Alexandrinus zu bezeichnen entspricht seiner Herkunft. Die Bezeichnung confessor Alexandrinus für ihn ist freilich ungewöhnlich.333 Sie entspricht aber sachlich den Berichten, die über sein Leben erhalten sind: So wird in De uiris illustribus 54 – mit dem Verweis auf das sechste Buch der Historia ecclesiastica des Eusebius – von der Grausamkeit der Verfolgung unter Decius berichtet, unter der auch Origenes zu leiden hatte. Die Schilderungen in der Historia ecclesiastica sind entsprechend drastisch.334 Zudem wird schon am Anfang der Beschreibung in De uiris illustribus erwähnt, dass der Besitz von Origenes’ Familie ob confessionem Christi konfisziert wurde.335 Anders als sein Vater erleidet Origenes selbst aber nicht das Martyrium. Origenes aufgrund dieser Berichte über sein Leben als confessor zu bezeichnen, ist also nicht undenkbar.336 Ein weiterer Hinweis im Text kann diese These noch stützen: Evagrius und Didymus sind durch das ac eng verbunden, ihre jeweiligen näheren Bezeichnungen als Appositionen beigefügt (Euagri heremite diaconi ac Didimi monachi). Der „alexandrinische Bekenner“ hingegen ist – wie Evagrius und Didymus nach den Drei Kapiteln – durch et in den Satz eingefügt und damit von Didymus und Evagrius abgesetzt.337 Die Aufzählung des Satzes hat somit als einzelne Glieder die Drei Kapitel, Didymus und Evagrius (als Paar), sowie den alexandrinischen Bekenner. Das confessoris Alexandrini auf Didymus zu beziehen, erscheint auch auf dieser Ebene weniger wahrscheinlich.
330 Vgl. Hieronymus, De uiris illustribus 109 (50,1 Richardson). 331 Didymus lebte von 313–398, also nach der letzten großen Christenverfolgung unter Diokletian und Galerius; vgl. Kramer, „Didymus von Alexandrien“, 741. 332 Auch werden in De uiris illustribus 109 zwei Bücher des Didymus Contra Arianos erwähnt. 333 Eine Recherche mit den üblichen Suchwerkzeugen (TLG, Library of Latin Texts, Patrologia Latina Database) hat keine weiteren Belege oder auch nur ähnliche wörtliche Zusammenstellungen ergeben. 334 Vgl. v. a. Eusebius von Caesarea, Historia ecclesiastica 6,39,5; vgl. auch den lateinischen Text von Rufinus. 335 Hieronymus, De uiris illustribus 54 (32,12 Richardson). 336 Auch die Übersetzung von Martyn sieht in der Person des „confessor of Alexandria“ jemand anderen als Didymus, auch wenn der confessor dabei anonym bleibt, s. o. S. 151–152 (Anm. 320). 337 Zu ac/atque als Ausdruck der Verbindung von zwei zusammengehörigen Begriffen vgl. Ruben bauer/Hofmann, Lateinische Grammatik, 258–259.
Der ursprüngliche Umfang der Chronik 1: Universalchronik oder Anschluss an Prosper?
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Möglicherweise hat also Victor von Tunnuna in Konstantinopel von der Verurteilung der Origenisten Didymus und Evagrius neben der Verurteilung des Origenes erfahren und diese Information über diese Trias nach dem Konzil in seine Chronik eingefügt – in Bezug auf Eutychius, vielleicht, um ihn, unter dessen Vorsitz das Konzil ja stattgefunden hatte, noch mehr als unrechtmäßigen Verurteiler zu diskreditieren.338 Dass die Formulierung confessoris Alexandrini dabei auf Origenes verweist, wäre zwar ungewöhnlich, könnte aber mit dem, was über sein Leben bekannt ist, erklärt werden.339 Warum der Name des Origenes nicht genannt wird, bleibt unklar – jedoch werden auch zuvor in der Chronik weder Origenes noch Origenisten mit dieser Bezeichnung erwähnt, auch wenn es der Sache nach um den Origenistenstreit geht.340 Ebenfalls möglich ist, dass der Name später entfallen ist bzw. die Bezeichnung geändert wurde, v. a. wenn man eine weitere Überlegung zu Chronicon 170 einbezieht: Es bleibt hier nämlich zunächst das Problem, dass auf Didymus, Evagrius und den confessor Alexandrinus als von den supra gelobten verwiesen wird. Wie oben schon bemerkt, ist der Halbsatz (quorum laudes supra illustrium uirorum ex autoritate pertulimus) im Gesamtzusammenhang der Chronik ungewöhnlich, an der Stelle in Chronicon 170 wirkt er sperrig. So ist es nicht verwunderlich, dass ihn P-S (zusammen mit der Angabe zu den Drei Kapiteln, Evagrius, Didymus und dem Bekenner) nicht überliefert.341 Dass hier tatsächlich auf eine Quelle De uiris illustribus hingewiesen sein kann, wurde oben schon benannt.342 Wenn man supra nicht im Sinne von „oben im selben Werk“ sondern im Sinne von „darüber hinaus“ versteht,343 muss supra nicht auf dasselbe Werk, sondern kann einfach auf eine zusätzliche Information verweisen, die in einem anderen Werk zu finden ist. Genau dies könnte hier gemeint sein: Wir haben schon 338 Im Zusammenhang mit dem Bericht über Justinians Absetzung des Eutychius und seine Hinwendung zum Aphthartodoketismus bzw. ein entsprechendes Edikt kommt die Trias Origenes, Didymus und Evagrius auch bei Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 4,39 (190,14–16 Bidez/ Parmentier) vor – Justinian habe nach der Absetzung des Eustochius (von Jerusalem) Origenes, Didymus und Evagrius anathematisiert (ἐπεὶ Ὠριγένην καὶ Δίδυμον καὶ Εὐάγριον ἀνατεθεμάτικε μετὰ τὴν Εὐστοχίου καθαίρεσιν) und danach das Edikt über den Aphthartodoketismus verfasst; die Trias in diesem Zusammenhang auch bei Eustratius, Vita Eutychii (33,978–980 Laga), wo deren Lehren als die der Verirrung des Justinian zugrundeliegenden Lehren genannt sind. S. dazu auch u. Kap. 5.7.3.7. Die Absetzung des Eustochius wird in der Chronik des Victor von Tunnuna in Chronicon 168, also kurz vor der hier diskutierten Stelle, erwähnt. Das entspricht jedenfalls der bei Evagrius genannten Abfolge der Ereignisse. 339 Damit wäre auf Origenes ohne negative Konnotation verwiesen. Facundus von Hermiane zeigt in Pro defensione trium capitulorum hingegen eine negative Sicht auf Origenes. Vgl. auch Liberatus von Karthago, Breuiarium 23 (140,11–12 Schwartz), wo bezüglich Origenes zwar vermerkt wird, dass er „als Toter verurteilt“ wird, dies aber eingeschränkt wird, denn er wurde „zuvor schon verurteilt, als er noch lebte“ (Origenes damnatus est mortuus, qui uiuens olim fuerat ante damnatus). 340 S. u. S. 431 (Anm. 967). 341 Vgl. die (im Detail unterschiedlichen) Angaben zu Victor von Tunnuna, Chronicon 170 (54, 977– 980 Cardelle de Hartmann; 205,28–30 Mommsen; jeweils apparatus ad locum). 342 S. o. S. 145. 343 Zum Bedeutungsspektrum vgl. Georges, Handwörterbuch, s. v. „supra“.
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Der Text der Chronik und seine Geschichte
gesehen, dass die Chronik des Victor von Tunnuna bald bearbeitet und auch Textteile, u. a. Randglossen, hinzugefügt wurden.344 Auch die schon erwähnten Consularia Caesaraugustana wurden an einigen Stellen wohl (von einem Redaktor) in den Text der Chronik eingeschrieben, möglicherweise, weil er eine Lücke in der Konsulliste der Chronik annahm.345 Es ist denkbar, dass eine solche Bearbeitung (Hinzufügung) auch in Chronicon 170 vorgenommen wurde. Der Halbsatz quorum laudes supra illustrium uirorum ex autoritate pertulimus könnte so ursprünglich eine (Rand-) Glosse gewesen sein. Vielleicht fiel einem frühen Abschreiber (möglicherweise sogar dem o. g. Kompilator der frühen Sammlung von Chroniken, denn es gibt kein Zeugnis dafür, dass der Satz nicht in beiden Überlieferungszweigen vorhanden ist) angesichts der genannten Didymus und Evagrius (und dem Bekenner, möglicherweise Origenes) auf, dass diese ihm aus einem anderen Werk, nämlich De uiris illustribus, bekannt waren und er notierte dies am Rand. Dass De uiris illustribus in Spanien am Anfang des sechsten Jahrhunderts verbreitet und gut bekannt war, zeigen die Fortsetzungen des Isidor von Sevilla sowie des Ildefonsus von Toledo. Ein Bezug auf dieses Werk durch einen Schreiber in Spanien ist also auch von daher denkbar. Ob die Randglosse dann im Einzelnen denselben Text hatte wie der jetzige Halbsatz, kann nicht mehr nachvollzogen werden – es ist gut möglich, dass derjenige, der sie in den Text einfügte, die Angabe noch einmal veränderte. Aus den vorliegenden Hinweisen auf eine ursprüngliche Universalchronik Victors zu schließen, bleibt schwierig. Die Präskripte sind kein Beweis dafür. Das Zeugnis aus De uiris illustribus des Isidor darf nicht überbewertet werden. Die Angaben bei Johannes von Biclaro und in der Chronik des Isidor lassen sich plausibel anders, als Hinweis auf eine frühe Reihe von Chronikfortsetzungen, deuten. Das einzige gewichtige Argument für eine ursprüngliche Universalchronik im Text, der Hinweis auf die supra genannten Personen in Chronicon 170, kann ebenfalls anders interpretiert werden. Die handschriftliche Überlieferung ist zudem ein gewichtiges Argumente gegen eine ursprüngliche Universalchronik. Somit ist davon auszugehen, dass die Chronik des Victor von Tunnuna beginnend mit dem Jahr 444 konzipiert wurde. Ob damit wirklich von einer „Fortsetzung“ der Chronik Prospers die Rede sein muss, sei vorerst dahingestellt. Diese Fortsetzung oder der Anschluss ist jedenfalls nicht nahtlos, wie der Rückgriff auf die Chronik Prospers in den Anfangsjahren zeigt, aber etwa auch die fehlende Zählung der Jahre nach der Passion wie bei Prosper bei Victor von Tunnuna.346 Es gibt jedenfalls keinen belastbaren Niederschlag eines ursprünglich längeren Textes der Chronik des Victor von Tunnuna, weder in Form einer eigenständigen Universalchronik noch in Form einer eigenen Epitome. Die Version der Chronik ab dem Jahr 444 als 344 S. auch o. S. 110 zur Annahme der Zusätze in Chronicon 126 und 159 durch Placanica. 345 Vgl. inbesondere Victor von Tunnuna, Chronicon 14–15 (7,83–94 Cardelle de Hartmann); 109a–110 (35,610–611 Cardelle de Hartmann); vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 107*, 116*–117*. 346 S. dazu u. S. 180.
Der ursprüngliche Umfang der Chronik 2: Die Chronik und ihr Schluss
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ihre ursprüngliche Version anzunehmen ist die einfachere Lösung und entspricht auch besser der Intention und dem historischen Ort der Chronik.347 Für den ursprünglichen Umfang der Chronik ist neben der Frage ihres Beginns auch die Frage nach ihrem Schluss relevant. Diese Frage ist Gegenstand des folgenden Kapitels. 3.6 Der ursprüngliche Umfang der Chronik 2: Die Chronik und ihr Schluss (Chronicon 175) Neben dem Anfang der Chronik ist auch ihr Schluss für die Frage nach ihrer ursprünglichen Gestalt von Bedeutung: Der Schlussabschnitt der Chronik (Chronicon 175) hebt sich formal vom Rest der Chronik, wie oben schon angesprochen,348 ab. Die Chronik Victors endet, nach der Notiz über den Herrschaftswechsel durch Justin II. cum tranquillitate populi maxima349, mit einem vom übrigen Text und dessen Zählung der Jahre deutlich unterschiedenen Schlussparagraphen, der in diesem Kapitel unter formalen und inhaltlichen Gesichtspunkten genauer in den Blick genommen werden soll – über die Frage, ob er für eine relativ frühe oder späte Datierung der Chronik in Anspruch genommen werden kann, hinaus, nämlich unter der Fragestellung, ob er ursprünglich zur Chronik gehörte oder nicht. 3.6.1 Der Schlussabschnitt Chronicon 175 – erste Beobachtungen Der Schlussparagraph berechnet in einer zusammenfassenden Chronologie die Jahre von Adam bis Justin II.: Colliguntur omnes anni ab Adam primo homine usque ad Natiuitatem Domini nostri Iesu Christi secundum carnem VMCXCIX, a Natiuitate uero Domini nostri Iesu Christi secundum carnem que facta est XLIII Augusti Octauiani Cesaris imperii anno usque in annum Iustini primum principis Romanorum, qui Iustiniano imperio successit, anni DLXVII. Fiunt simul ab Adam usque in annum primum memorati principis Romanorum anni VM DCCLXVI.350
347 Auch Cardelle de Hartmann hat in einem späteren Beitrag die Chronik des Victor als geplante Fortsetzung bzw. geplanten Anschluss an Prosper gesehen; vgl. Cardelle de Hartmann, „Der mozarabische Blick“, 44. 348 S. o. Kap. 3.2. 349 Victor von Tunnuna, Chronicon 174 (55,993–994 Cardelle de Hartmann); dazu s. u. Kap. 5.8. 350 Victor von Tunnuna, Chronicon 175 (55,996–1003 Cardelle de Hartmann): „Man rechnet zusammen alle Jahre von Adam, dem ersten Menschen, bis zur Geburt unseres Herrn Jesus Christus nach dem Fleisch 5199, von der Geburt aber unseres Herrn Jesus Christus nach dem Fleisch, die geschah im 43. Jahr der Herrschaft des Caesar Augustus Oktavian, bis zum ersten Jahr von Justin,
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Der Text der Chronik und seine Geschichte
Unabhängig von der bisherigen Zählung nach Konsulats- bzw. kaiserlichen Regierungsjahren351 werden hier also die Berechnungen zur Zahl der Jahre von Adam bis zur Geburt Christi (5199 Jahre) und von der Geburt Christi bis zum ersten Jahr der Regierungszeit von Justin (567 Jahre) zu einer Gesamtsumme der Jahre von Adam bis Justin II. aufgerechnet (5766 Jahre). Die Berechnung stimmt dabei zunächst mit den Berechnungen überein, die sich bei Prosper (an verschiedenen Stellen seiner Chronik) finden: Bei Prosper sind es von Abraham bis zur Geburt Christi 2015, von der Flut bis Abraham 942, von Adam bis zur Flut 2242 Jahre, was eine Gesamtsumme von 5199 Jahren von Adam bis zur Geburt Christi ergibt, welcher die bei Victor von Tunnuna angegebene Summe der Jahre für diese Zeitspanne entspricht.352 Die Berechnungen von Prosper gehen ihrerseits zurück auf Hieronymus.353 Victor von Tunnuna rechnet also zu den 5199 Jahren von Adam bis Christi Geburt von Prosper bzw. Hieronymus die genannten 567 Jahre dazu und kommt auf 5766 als die Gesamtsumme der Jahre ab der Erschaffung der Welt. Die Zählung in diesem Schlussparagraphen weicht insgesamt formal, aber auch hinsichtlich ihrer berechneten Zahlen (567 Jahre seit der Geburt Christi) von der Zählung in der übrigen Chronik ab. Die formale Abweichung besteht nicht allein darin, dass es sich eben um eine zusammenfassende Berechnung der bisher vergangenen Jahre handelt und nicht um die Datierung eines Ereignisses bzw. um einen Teil der fortlaufenden Chronik, sondern auch darin, dass es zwei Bezugsgrößen gibt, die in der Chronik in der vorliegenden Form zuvor nicht benutzt wurden, nämlich Adam und die Geburt Jesu Christi, „unseres Herrn“. Zudem stellt sich, da Victor von Tunnuna sonst keine Gesamtsumme der Jahre berechnet, die Frage, woher die Zahl der 567 Jahre seit der Geburt Christi stammt bzw. auf welcher Grundlage sie berechnet wird. Von unserer heutigen Zeitrechnung354 weicht sie um zwei Jahre ab.
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dem Prinzeps der Römer, der Justinian in der Herrschaft folgte, 567 Jahre. Es ergeben sich also gleichsam von Adam bis in das erste Jahr des genannten Prinzeps der Römer 5766 Jahre.“ Vgl. Placanica, „Introduzione“, XXIX. Vgl. etwa Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 361 (408 Mommsen): Colliguntur autem omnes ab Abram usque ad natiuitatem Christi anni I̅ I̅ XV; und 1318 (474 Mommsen): A diluuio autem usque ad Abraham sunt anni DCCCCXLII, ab Adam uero usque ad diluuium an. ĪĪCCXLII. Vgl. die Berechnungen bei Placanica, „Note“, 133 (ad epilogus), zu seinen Überlegungen weiter s. u. S. 180–181; vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 109*. Vgl. Eusebius/Hieronymus, Chronicon, praefatio (15,2–5 Helm): A natiuitate Abraham usque ad totius orbis diluuium inuenies retrorsum anno DCCCCXLII, item a diluuio usque ad Adam annos ĪĪCCXLII; Chronicon (169,14–15 Helm): Colliguntur omnes ab Abraham usque ad natiuitatem Christi ann. I̅ I̅ XV. Das entspricht den im Schluss der Chronik (250,1–26 Helm) angegebenen Zahlen (dort allerdings bezogen nicht auf die Geburt, sondern auf das öffentliche Wirken Jesu). Vgl. auch Mommsen, „Praefatio“, 181. Nach heutiger Zeitrechnung regierte Justin II. ab dem Jahr 565 nach Christus. Zur Problematik hinsichtlich der Erwartung einer nach heutigen Maßstäben „richtigen“ Zahl aus den Angaben der Chronik s. u. S. 182–183.
Der ursprüngliche Umfang der Chronik 2: Die Chronik und ihr Schluss
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Adam, der erste Mensch, erscheint in Chronicon 175 zunächst als Anfangspunkt der Geschichte: Von ihm geht die Berechnung der Jahre aus. So rechnet etwa auch immer wieder Prosper, dessen Epitoma chronicon ja tatsächlich mit Adam beginnt.355 Die Geburt Christi wird nun in Chronicon 175 zwar mit dem „43. Jahr der Herrschaft von Caesar Augustus Oktavian“356 selbst in Bezug auf einen Herrscher datiert – eine grundsätzliche formale Entsprechung zu den sonstigen absoluten Datierungen der Chronik ( Jahre der Konsuln, Jahre der Regierungszeit von Justinian357). Die Gesamtberechnungen der Jahre bis zum letzten Jahr der Chronik sind aber eben (zweifach) auf die Geburt Christi bezogen: Gezählt oder gerechnet werden die Jahre bis zu Christi Geburt und die Jahre seit ihr. Auch wenn im abschließenden Satz von Chronicon 175 dann noch die Gesamtzahl der Jahre von Adam bis zum ersten Jahr der Herrschaft Justins II. angegeben wird, erscheint die Geburt Christi damit in diesem Schlussparagraphen als zweifacher chronologischer Marker, gleichsam als „Mitte der Zeit“. Zwischenmarker wie die Geburt Abrahams oder die Flut, zu denen einzelne Zwischensummen aufgerechnet werden und damit bestimmte Perioden gezählt werden, fehlen. Dies ist ein Unterschied zu den Chroniken von Prosper und Eusebius/Hieronymus: Bei Prosper erfolgt etwa die Gesamtberechnung von Adam bis zu den Konsuln Theodosius (Theodosius II.) und Maximus in Epitoma chronicon 1312–1318 unter Einbeziehung solcher weiterer Zwischenmarker wie Abraham, der Flut und dem Bau des ersten Tempels. Ähnlich rechnet auch Eusebius/Hieronymus Zwischensummen von Adam bis zur Flut, von der Flut bis Abraham usw.358 Solche Zwischenmarker, die bestimmte Perioden abschließen, finden sich auch schon in frühen Texten, die eine Gesamtsumme der Jahre der Welt berechnen.359 Maria Becker und Jan-Markus Kötter sehen die Aufrechnung von Zwischensummen in der Chronik Prospers verbunden mit dem Ziel, eine Verbindung der jüngeren
355 Vgl. Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 1; 13; 385; 386; 1318. Adam ist auch der Ausgangspunkt für die Berechnungen bei Eusebius/Hieronymus, vgl. etwa Eusebius/Hieronymus, Chronicon (250,23–24 Helm), s. auch o. Anm. 6. 356 Die Zahl XLIIII bei Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 358 (407 Mommsen) ist vermutlich ein Fehler in der Überlieferung. Von anderen bei Prosper angegeben Zahlen her kommt man auf das 43. Jahr der Regierung des Augustus, vgl. die Ausführungen bei Placanica, „Note“, 133 (ad epilogus). Bei Hieronymus wird die Geburt Christi in der Einleitung zur Chronik in das 42. Jahr der Regierung des Augustus datiert, vgl. Hieronymus, Chronicon, praefatio (10,5 Helm). Die Angabe in Chronicon, a. 1 a. Chr. (255,9–10 Helm, mit apparatus ad locum) ist unklar: Die Angabe zur Geburt Christi bei Helm ist genau zwischen die Jahre 42 und 43 notiert; gemeint ist wohl das Jahr 42, denn im Apparat werden als Abweichungen (vgl. Helms „Verzeichnis der Handschriften“, XLVII) Handschriften mit den Datierungen der Jahre XLI und XLIII angegeben. Das 42. Jahr der Regierung des Augustus wird als Datum der Geburt Christi u. a. auch genannt bei Eusebius, Historia ecclesiastica 1,5,2; Orosius, Historiae aduersum paganos 1,1,6; 7,2,14; Johannes Malalas, Chronographia 10,1. 357 S. u. Kap. 4.1.1. 358 Vgl. Eusebius/Hieronymus, Chronicon (250,1–25 Helm). 359 Vgl. etwa Theophilus von Antiochien, Ad Autolycum 3,28 (ohne Bezug auf Christus).
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Teile der Chronik zu den Geschehnissen, von denen das Alte Testament und die ältere Profangeschichte berichten, zu schaffen, und damit den Versuch Prospers „eine Einheit der gesamten Heilsgeschichte“ zu verbürgen: „Diese Funktion übernimmt die in c. 1312–1318 vorliegende Aufzählung wichtiger alttestamentlicher und profangeschichtlicher Ankerpunkte, die chronologisch aufeinander bezogen und damit auch in chronologischen Bezug zu Prospers eigener Gegenwart gebracht werden.“360 In der Chronik des Victor von Tunnuna ist eine solche Verbindung im Vergleich zu Prosper zwar deutlich schwächer ausgeprägt, nicht nur dadurch, dass eine solche Zählung nur am Schluss der Chronik erfolgt, sondern auch dadurch, dass Chronicon 175 allein von Adam bis zur Geburt Christi und von der Geburt Christi bis Justin II. zählt, aber keine Zwischensummen berechnet. Dennoch fügt sich durch den Schlussparagraphen auch die Geschichte, von der in der Chronik Victors berichtet wird, in die gesamten Jahre der Geschichte seit ihres Beginns und in eine Geschichte, die in der Geburt Christi ihre Mitte hat, ein. Ob damit, wie von Becker und Kötter für Prosper postuliert, eine Art „Heilsgeschichte“ impliziert ist, sei dahingestellt – im Vordergrund steht bei Victor an dieser Stelle wohl eher die Berechnung der Jahre, welche durch „Adam“ und (zweifach) durch die „Geburt Jesu Christi“ Fixpunkte erhält, die der Einteilung der Geschichte in Perioden und damit auch der Orientierung in ihrem Gesamtzusammenhang dienen. 3.6.2 Die Angabe der Jahre a natiuitate Domini nostri Iesu Christi secundum carnem – eine Besonderheit bei Victor von Tunnuna Auffällig ist nun der zweifache Bezug auf die Geburt Christi in Chronicon 175 vor allem in einer Hinsicht: Die Geburt Christi schließt, wie gesehen, eine Periode ab und lässt eine andere Periode beginnen (ad Natiuitatem Domini nostri Iesu Christi secundum carnem – a Natiuitate uero Domini nostri Iesu Christi secundum carnem). Fragt man danach, ob dieser zweifache Bezug auf die Geburt Christi und die darauf bezogene Rechnung von Jahren bzw. Jahressummen auch in anderen Chroniken oder Geschichtswerken eine Rolle spielt, lässt sich zunächst bei einem Blick in die Chronik Prospers, die ja ähnliche Gesamtberechnungen wie Victors Chronicon 175 aufweist, feststellen, dass gerade dieser zweifache Bezug auf die Geburt Christi dort fehlt. Bei Prosper liegt lediglich die Zählung ad natiuitatem vor, und zwar nur an einer Stelle: Prosper zählt die Jahre bis zur Geburt Christi nur in dem direkten Abschnitt zu Christi Geburt, und zwar von Abraham aus (Colliguntur omnes ab Abram usque ad natiuitatem Christi anni I̅ I̅ XV).361 Diese Aufrechnung der Jahre von Abraham bis zur Geburt Jesu gibt es bereits
360 Becker/Kötter, „Kommentar“, 262. 361 Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 361 (408 Mommsen).
Der ursprüngliche Umfang der Chronik 2: Die Chronik und ihr Schluss
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bei Eusebius/Hieronymus bei der entsprechenden Eintragung (zur Geburt Jesu).362 Im weiteren Abschnitt, in dem Prosper nach Christus die Gesamtzahl der Jahre aufrechnet, zählt er dann entsprechend seiner vorherigen fortlaufenden Zählung die Jahre von der Passion bis zur Gegenwart (Konsuln Theodosius [Theodosius II.] und Maximus).363 Eusebius/Hieronymus zählt in einer abschließenden zusammenfassenden Schlussberechnung die Jahre seit dem öffentlichen Auftreten Christi (A XV Tiberii anno et praedicatione Domini nostri Iesu Christi).364 Obwohl sich also sowohl bei Prosper als auch bei Eusebius/Hieronymus eine Aufrechnung von Jahren seit Christus findet, haben diese Zählungen jeweils einen anderen spezifischen Ausgangspunkt. Eine Zählung der Jahre a natiuitate Domini oder (inhaltlich äquivalent) ab incarnatione findet sich gerade nicht. Auch wenn man, werden die Jahre bis zur Geburt Christi aufsummiert, schließen könnte, damit sei eine Periode seit der Geburt Christi mitgedacht, spiegelt sich diese Periode eben nicht in den Formulierungen der Texte. Es werden andere Ereignisse (passio, praedicatio Christi) als Zwischenmarker gewählt. Zu fragen ist daher, warum bei Victor von Tunnuna bei der Summierung der Jahre die Geburt Christi als zweifacher chronologischer Zwischenmarker zu finden ist – insbesondere aber die Periode a natiuitate Domini.
362 Vgl. Eusebius/Hieronymus, Chronicon (169,13–14 Helm). 363 Vgl. Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 1312–1318, hier 1312 (474 Mommsen), ein Abschnitt innerhalb der Gesamtberechnung der Jahre von Adam: Colliguntur omnes anni usque in consulatum Theodosii XIIII et Maximi a XV Tiberii anno et passione domini anni CCCCVI. Prosper setzt an dieser Stelle den Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu (vgl. Lk 3,1) in dasselbe Jahr wie die passio domini. Die Gesamtberechnung in Epitoma chronicon 1312–1318 wird durch den Codex Uniuersitatis Complutensis nicht bezeugt, jedoch findet sich im Schluss der Chronik Prospers in diesem Codex (= Continuatio codicis Alcobaciensis [487,6–7 Mommsen]) eine entsprechende Berechnung, in der a praedicatione domini gezählt wird. In Epitoma chronicon 378–388 hingegen wird die Passion Christi drei Jahre später als der Beginn seines öffentlichen Wirkens datiert. Hier werden zunächst zusammenfassend die Jahre von Adam bis zum 15. Jahr der Regierung des Tiberius gezählt (Epitoma chronicon 386), dann wird die Passion Christi in das 18. Jahr des Tiberius datiert (Epitoma chronicon 388). Mit Epitoma Chronicon 390 beginnt dann die Zählung der Jahre nach der Passion (Incipit adnotatio consulum a passione domini nostri Iesu Christi cum historia [410 Mommsen]). In den unterschiedlichen Angaben zum Verhältnis von Passion und öffentlichem Wirken Jesu spiegelt sich die unterschiedlich beantwortete Frage nach der Dauer des öffentlichen Wirkens Jesu, vgl. Strobel, Ursprung und Geschichte, 100–104. Neugebauer, „On the ‚Spanish Era‘“, 375 sieht in der Zählung der Jahre nach der Passion eine Zählung auf der Basis eines Osterzyklus („To count the years of an Easter cycle from the Passion makes good sense, and is the norm also adopted by Prosper of Aquitane in the ‚Chronicon‘“). Zur Diskussion um einen Osterzyklus bei Prosper vgl. auch Strobel, Ursprung und Geschichte, 275–280. Zur Zählung a passione s. weiter u. Kap. 3.6.4. 364 Eusebius/Hieronymus, Chronicon (250,4–5 Helm; vgl. 250 die gesamte Schlussberechnung). Vgl. dazu auch die Einleitung des Eusebius, Chronicon, praefatio (10,5–7 Helm). Die sich aus den Angaben bei Eusebius/Hieronymus ergebende Summe der Gesamtzahl der Jahre von Adam bis zur Geburt Christi entspricht den bereits genannten 5199 Jahren. Vgl. den Eintrag bei der Geburt Jesu (250,14–15 Helm): 2015 Jahre von Abraham bis zur Geburt Jesu; die Summe mit den etwa im Schlussabschnitt angegebenen Zahlen von der Flut bis Abraham (942) und von Adam bis zur Flut (2242) ergibt 5199 Jahre.
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Der Text der Chronik und seine Geschichte
3.6.3 Geburt oder Passion Christi als Endpunkt einer Berechnung von Jahren: Die Angaben ad natiuitatem bzw. ad passionem Zunächst ist aber noch einmal festzuhalten, dass eine Berechnung der Jahre bis zur Geburt Christi (ad natiuitatem) in (im weiteren Sinne) chronographischen oder historiographischen Texten insgesamt zwar nicht häufig, aber auch nicht ungewöhnlich ist. Neben den Chroniken von Eusebius/Hieronymus und Prosper findet sich, an diese anschließend, eine solche Aufrechnung etwa bei Orosius, Historiae aduersum paganos,365 sowie in den Chronica Gallica a. 511.366 Auch bei der Berechnung der Jahrwochen bei der Auslegung von Daniel wird bis zur Geburt Jesu gerechnet.367 Ebenso rechnen oder zählen dann spätere Texte wie De comprobatione sextae aetatis (686)368 des Julian von Toledo (ca. 642–690)369. Seltener ist das mögliche Äquivalent, die Aufrech-
365 Vgl. Orosius, Historiae aduersum paganos 1,1,6, wo von Ninus oder Abraham bis zur Geburt Christi ebenfalls 2015 Jahre gezählt werden. Orosius periodisiert die Geschichte sonst nach den vier Weltaltern im Rückgriff auf die vier Weltreiche Daniels, vgl. Van Nuffelen, Orosius and the Rhetoric, 45–62 (Kapitel 2) sowie 147–153. 366 Chronica Gallica a. 511 276 (638 Mommsen): Ab Abraham ergo usque ad natiuitatem Christi anni I̅ I̅ XV. Dies entspricht der bereits mehrfach genannten Summe (vgl. bei Hieronymus und Prosper). Chronica Gallica a. 511 293 (639 Mommsen) bietet eine Berechnung Ab Adam uero usque ad praedicationem domini. Ein weiterer Beleg für eine Aufrechnung ad natiuitatem ist Ps-Cyprian, De pascha computus 18 (266,3–4 Hartel), wo allerdings die Jahre vom Exodus bis zur Geburt Christi gezählt werden, vgl. dann auch De pascha computus 22 (268,17–18 Hartel), wo weiter zur Passion aufgerechnet wird. 367 Vgl. exemplarisch Quodvultdeus, Liber de promissionibus et praedictionibus Dei 2,35,79, der sich hier auf die Auslegung von Daniel durch Hieronymus bezieht (In Danielem 9), der wiederum selbst verschiedene andere Ansätze referiert; vgl. Braun, „Introduction“, 61. 368 Vgl. Julian von Toledo, De comprobatione sextae aetatis 3: Hier berechnet Julian von Toledo die Jahre ad natiuitatem vom Beginn der Welt im Zusammenhang mit der Berechnung der Dauer der verschiedenen aetates. Vom Beginn der Welt ad tempus natiuitatis Christi zählt er 5325 Jahre (De comprobatione sextae aetatis 3,10,34 [211,104–107 Hillgarth]). Bei De comprobatione sextae aetatis handelt es sich um eine Schrift aduersus Iudaeos, die im dritten Buch in einem Exkurs zeigt, dass man sich nun im sechsten, im messianischen Zeitalter der Welt befinde; vgl. Campos Ruíz, „El ‚De comprobatione‘“, 247; Stancati, Julian of Toledo, 126–127. Hillgarth, „Introduction“, XX, bestimmt De comprobatione als „treatise on Biblical chronology“. Die Datierung der Schrift in das Jahr 686 ergibt sich aus De comprobatione sextae aetatis 3,10,34 (211,112–114 Hillgarth): Nunc autem acclamatur eram esse DCCXXIIII. Detractis igitur XXX et VIII annis […] residui sunt anni DCLXXXVI; vgl. Stancati, Julian of Toledo, 123. Die vergangene Zeit bis heute wird von Julian von Toledo als 6011 Jahre bestimmt, vgl. De comprobatione sextae aetatis 3,10,35 _ (212,124–129 Hillgarth): Ab initio mundi […] usque in praesentem diem […] computati sub uno VIXI. Damit entsprechen 1000 Jahre in De comprobatione nicht genau einer aetas (vgl. zur Dauer der aetates 1–5 De comprobatione sextae aetatis 3,10,27–33). Die verbleibende Zeit des sechsten Zeitalters bis zum Ende der Zeiten kenne man nicht, vgl. De comprobatione sextae aetatis 3,10,34. Hier bezieht Julian sich auf Isidor von Sevilla, Etymologiae 5,39,42 (211,115–117 Hillgarth; vgl. apparatus ad locum); vgl. auch Isidor von Sevilla, Chronica 418. Zu den Quellen Julians insgesamt vgl. Campos Ruíz, „El ‚De Comprobatione‘“, 252– 258. Zu den Berechnungen bei Julian von Toledo vgl. auch Landes, „Lest the Millenium“, 171–174; Gil, „Judíos y cristianos“, 79/87–88/96. 369 Zum spanischen Bischof Julian von Toledo vgl. kurz Alonso-Núñez, „Julianus v. Toledo“. Weiter zu Julian von Toledo s. u. S. 172–174.
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nung der Jahre ad incarnationem.370 Eine Aufrechnung der Jahre bis zur Geburt Christi kommt auch in griechischen Texten vor.371 Schließt in diesen Berechnungen also die Geburt Christi eine Periode ab,372 gibt es auch historiographische Texte, die die Passion als Grundlage für eine entsprechende Periodisierung nehmen, d. h. ebenfalls ein Datum der Heilsgeschichte, aber ein anderes. Diese Periodisierung ad passionem findet sich bei Gregor von Tours in den Historiarum libri X, wo dann auch weiter a passione gezählt wird.373 Zum Abschluss der Historiarum libri X zählt Gregor die Jahre dann noch mit Bezug auf die Auferstehung, also mit einem weiteren heilsgeschichtlichen Datum.374 Dies zeigt auch, dass verschiedene Begrifflichkeiten bzw. Periodisierungen in Bezug auf Christus nebeneinander gebraucht werden.
370 Eine Suche in der Library of Latin Texts ergab für chronographische Texte nur Belege bei Ps-Julian von Toldeo, Ordo annorum mundi, recensiones 1–5,10. Bei Julian von Toledo, De comprobatione sextae aetatis und Ps-Julian von Toldeo, Ordo annorum mundi findet sich auch die Angabe ad Christum in Verbindung mit einer Jahressumme ab origine mundi oder ab Adam. Die Patrologia Latina Database ergab für die Berechnung von Jahren ad natiuitatem zusätzlich Belege in späteren Texten wie dem anonymen Chronicon antiquissimum ex palatinis membranis eductum (abgedruckt in PL 94). 371 Vgl. Johannes Malalas, Chronographia 10,2 (173,14–16 Thurn; Übers. 239 Thurn/Meier): ὡς συνάγεσθαι ἀπὸ Ἀδὰμ τοῦ πρωτοπλάστου ἕως τῆς κατὰ σάρκα γεννήσεως τοῦ κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ καὶ τοῦ μβʹ ἔτους τῆς βασιλείας τοῦ αὐτοῦ Αὐγούστου Καίσαρος ἔτη ͵εϡξζʹ. / „[…] damit errechnen sich von Adam, dem ersten geschaffenen Menschen, bis zur Geburt im Fleisch unseres Herrn Jesus Christus bzw. zum 42. Jahr der Kaiserherrschaft eben dieses Augustus Caesar 5967 Jahre“. Zu den Zahlen bei Malalas und zu seiner Absicht, mit einem neuen chronologischen System (wahrscheinlich syrischen Ursprungs) die Ansicht, um 500 n. Chr. werde das siebte Jahrtausend anbrechen, zu widerlegen, vgl. Meier, Das andere Zeitalter, 444–460, hier 452: „Malalas versuchte mit seinem Modell ganz offensichtlich, seinen Zeitgenossen die seit den Ereignissen um 500 und den damals jäh enttäuschten Naherwartungen um sich greifende Unsicherheit und Furcht zu nehmen. Mit einem Ende der Welt war seiner Überzeugung nach in absehbarer Zeit nicht zu rechnen.“ Meier (ebd., 460) sieht in den Berechnungen bei Johannes Malalas und anderen – auch Dionysius Exiguus, s. dazu u. Kap. 3.6.6 – insgesamt „Zeugnisse für chronologische Unsicherheiten im 6. Jahrhundert“, insbesondere das Ostreich betreffend. Vgl. auch den Laterculus imperatorum Romanorum Malalianus 3 (427,3–17 Mommsen) zur Berechnung von 6000 Jahren ab Adam usque ad domini nostri Iesu Christi secundum carnem natiuitatem et passionem crucis et adsumtionis eius in caelis ad patrem. Bei dem Laterculus handelt es sich um eine kurze Schrift vom Ende des siebten Jahrhunderts, die, entstanden in Anlehnung an die Chronographia des Johannes Malalas (ca. 490–ca. 565; vgl. Thurn, „Einleitung“, 1*–2*), die Bedeutung der Geburt Christi für die Chronologie thematisiert, vgl. Meier, Das andere Zeitalter, 448. 372 Implizit ist sie damit freilich gleichzeitig der Beginn einer neuen Periode; s. auch u. S. 167–168. 373 Vgl. Gregor von Tours, Historiarum libri X 1,23 (19,1 Krusch/Levison): A captiuitate uero Hierusolimae et desolationem templi usque ad passionem domini nostri Iesu Christi, id est usque Tiberii septimo decimo anno, subpotantur anni 668. Vgl. Historiarum libri X 4,51 (190,3–5 Krusch/Levison): A transmigratione igitur usque ad passionem Domini anni 668. A passione Domini usque ad transitum sancti Martini anni 412. Auch deutlich spätere Texte bieten diese Periodisierung, so etwa die Historia Brittonum 1,3. 374 Vgl. Gregor von Tours, Historiarum libri X 10,31 (537,4–5 Krusch/Levinson): Ab hoc maris transitu usque ad resurrectionem dominicam anni MDXXXVIII. A resurrectione dominica ad transitum sancti Martini anni CCCCXII.
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3.6.4 Die Passion als Ausgangspunkt von Berechnungen: Die Zählung der Jahre a passione Bereits in der Chronik Prospers kommt, wie schon gesehen, dann auch die Passion als Ausgangspunkt der Berechnung einer Periode oder Summe von Jahren vor, und sie datiert auch einzelne Jahre nach ihr.375 Ebenso bietet die Chronik des Sulpicius Severus (Anfang 5. Jahrhundert) an einer Stelle eine zwar nicht wörtlich, aber inhaltlich entsprechende Berechnung der Jahre seit dem Tod Christi am Kreuz.376 Eine solche Berechnung der Jahre a passione in historiographischen bzw. chronographischen Texten hängt zunächst einerseits zusammen mit der Verortung des Todes Jesu Christi und der jeweiligen eigenen Zeit innerhalb der angenommenen traditionellen Vorstellung von 6000 Jahren als Dauer der Welt.377 Damit steht sie gleichzeitig im Zusammenhang mit der Erwartung der Wiederkunft Christi und der Frage, wann diese geschehen wird.378 Im Hintergrund steht aber auch die Vorstellung von der Einteilung der Weltgeschichte in aetates.379 Ein weiterer Kontext, in dem die Berechnung a passione verwendet wurde, ist der der Osterfestberechnungen. Victorius von Aqui-
375 Kötter, „Einleitung“, widmet sich in dem Kapitel zu Prospers chronologischem Rahmen (S. 9–12) mehr der Frage nach der Konsuldatierung und ihrer Herkunft sowie der Frage nach der Genauigkeit der Chronologie Prospers. Dass Prosper nach der Passionsära zählt, wird lediglich konstatiert, aber leider nicht näher untersucht (vgl. auch Becker/Kötter, „Kommentar“, 262). Ähnlich bei Muhlberger, The Fifth-Century Chroniclers, 63–70. 376 Vgl. Sulpicius Severus, Chronicorum libri II 2,5 (82,15–18 Halm): Hoc regnante, anno regni eius octauo et decimo, Dominus crucifixus est Fufio Gemino et Rubellio Gemino consulibus: a quo tempore usque in Stiliconem consulem sunt anni CCCLXXII. Auch in einem Fragment des Secundus von Trient, (wahrscheinlich) einer supputatio zu seiner Historiola, zu datieren auf das Jahr 580, werden die Jahre ad passionem und passo Christo gezählt (242 Van Hoof/Van Nuffelen; Übers. 242 Van Hoof/ Van Nuffelen): A principio usque ad passionem Domini sunt anni V milia CCXXVIIII. Passo Christo usque in presente anno sunt DLIIII. / „From the beginning until the Passion of the Lord, there are 5229 years. From the Passion of Christ until the present year, there are 554 years.“ Vgl. dazu die Einleitung und den Kommentar bei Van Hoof/Van Nuffelen, „Secundus of Trent, History“ in The Fragmentary Latin Histories, 232–238, 243–245. 377 Vgl. bspw. Barnabasbrief 15,3–4; Irenäus von Lyon, Aduersus haereses 5,28,3; Hippolyt, In Danielem 4,23; Laktanz, Diuinae institutiones 7,14; Tyconius, Liber regularum 5,3,1; vgl. auch bei Secundus von Trient. Die Annahme der 6000 Jahre Weltdauer orientiert sich grundsätzlich an der Schöpfungswoche unter Rückgriff auf Ps 90,4. Vgl. insgesamt Schwarte, Die Vorgeschichte; vgl. auch Landes, „Lest the Millennium“. In Bezug auf die Frage nach der Verortung des Todesjahres Jesu innerhalb der angenommenen 6000 Jahre der Weltgeschichte vgl. auch Strobel, Ursprung und Geschichte, 395–412. 378 Vgl. Becker/Kötter, „Kommentar“, 261, in Bezug auf Burgess/Kulikowski, Mosacis of Time, 114–116 (dort zum 6000-Jahre-Schema im Zusammenhang mit der Frage nach der consummatio mundi). 379 Mit der aetates-Lehre wird die Weltgeschichte in verschiedene Perioden unterteilt, die je nach Autor unterschiedlich bestimmt werden und deren Dauer auch unterschiedlich sein kann. Auf ihren Hintergrund und ihre Rezeption kann hier nicht näher eingegangen werden; s. dazu kurz u. S. 167–168 zu Augustinus. Vgl. dazu etwa neben Schwarte, Die Vorgeschichte auch Schmidt, „Aetates mundi“; Archambault, „The Ages of Man“; Kötting/Geerlings, „Aetas“.
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tanien etwa zählt in seiner Ostertafel von 457 nach den Jahren der Passion. Auch er ist damit allerdings nicht der erste.380 Hervorgehoben als Referenzdatum bei der Zählung der Jahre der Welt ist die passio Christi schon in der chiliastischen Chronographie des Quintus Iulius Hilarianus, De cursu temporum. Diese nordafrikanische Schrift, die sich auf 397 datieren lässt, berechnet insgesamt die Jahre von der Erschaffung der Welt bzw. von Adam bis zur Vollendung der Welt. Dabei ist die Passion Christi ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Zwischenmarker in den Berechnungen – allerdings mit dem Fokus darauf, wie viele Jahre noch bis zur Vollendung der Welt fehlen. So rechnet Quintus Iulius Hilarianus, in seinen Ausführungen zur Zeit Jesu Christi kommend, zunächst ad passionem und gibt an, wie viele Jahre von dort bis zur Vollendung der Welt fehlen.381 Die Passion ist hier der Punkt im Lauf der Zeiten, an dem zum ersten Mal vorgerechnet wird auf die 6000 Jahre der Dauer der Welt. Sie hat theologisch ein besonderes Gewicht, weil erst mit ihr die Scheidung der Menschen in Gläubige und Ungläubige erfolgen kann, was dann wiederum erst die Verheißung über das Ergehen der Gläubigen am Ende der Zeiten ermöglicht.382 Nach der Berechnung ad passionem folgt die Zählung der Jahre a passione domini bis zum Heute, um dann zu bestimmen, wie viele Jahre jetzt (vom Heute aus) noch bis zu den 6000 Jahren fehlen.383 De cursu temporum zeigt damit exemplarisch, dass die passio Christi schon früher als bei Prosper als (theologisch bedeut-
380 So angegeben bei Maier, Die christliche Zeitrechnung, 33. Vgl. den Text bei Krusch, Die Entstehung, 27–52. Die Osterfestberechnungen spielen für die Entstehung der christlichen Chronologie eine entscheidende Rolle. Vgl. die entsprechende Einschätzung bei Meier, Das andere Zeitalter, 462– 463, mit Bezug auf Strobel, Ursprung und Geschichte, insb. auf dessen „Zwischenfazit“ S. 353: „So ist es nämlich ein unbestreitbares Faktum, daß aus allen Formen frühchristlicher Osterberechnung das Bemühen spricht, die eigene österliche Feier in Kontinuität zum historischen Urdatum des Heilsgeschehens um Christus zu begehen.“ S. auch o. S. 161 (Anm. 363); s. u. Kap. 3.6.6. 381 Q. Iulius Hilarianus, De cursu temporum 16 (205,10–15 Guillaumin/Übers. 216 Conduché): Ex istius namque consulatu annuos iam consules requirentes, inuenimus usque ad passionem domini nostri Iesu Christi, usque ad annum XVI. Imperii Tiberii Caesaris, CLXXVIIII annos esse completes. Ac hoc per fabrica mundi usque ad passionem Christi saluatoris nostri anni sunt V̅ DXXX. Proinde ad conclusionem V̅ I̅ annorum debentur anni CCCCLXX. / „Depuis son consulat, en cherchant désormais les consuls de chaque année, nous trouvons que jusqu’à la passion de notre seigneur Jésus Christ, jusqu’à la seizième année du règne de Tibère César, 179 ans sont passés; et pour cette raison de la création du monde jusqu’à la passion du Christ notre sauveur, il y a 5530 ans. Par suite, pour l’accomplissement de six mille ans, il manque 470 ans.“ Dies ist zugleich eine weitere Variante der Datierung der Passion Christi – hier in das 16. Jahr der Tiberius. 382 Vgl. Q. Iulius Hilarianus, De cursu temporum 16 (206,1–2 Guillaumin/Übers. 216 Conduché): […] a passione domini Christi, ex quo tempore in se fide credentibus resurrectionem pollicitus est dei filius […] / „[…] à partir de la passion du Seigneur le Christ (lorsque le Fils de Dieu promit la résurrection à ses fidèles croyants) […]“. 383 Q. Iulius Hilarianus, De cursu temporum 17 (206,6–8 Guillaumin/Übers. 216 Conduché): De CCCC uero et LXX annis a passione domini, in consulatu Caesarii et Attici, die VII. Kalendas Aprilis, anni transierunt CCCLXVIIII. Restant itaque anni CI ut consummentur anni V̅ I̅ . / „Or, sur les quatrecent soixante-dix ans en partant de la passion du Seigneur, à l’époque du consulat de Césarius et d’Atticus, le 25 mars, 369 ans sont passés.“
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sames) Referenzdatum für Berechnungen von Jahressummen in chronographischen Texten benutzt wurde und eben auch schon a passione gezählt wurde.384 Freilich ist der explizite Fokus auf die Jahre, die noch bis zur Vollendung der 6000 Jahre fehlen, ein anderer als bei Prosper, der einzelne Ereignisse auf ein bestimmtes Jahr nach der Passion datiert und diese dann zu einer Gesamtsumme aufrechnet.385 Die Frage nach der Verortung Jesu Christi bzw. seiner Heilstaten und der eigenen Zeit im Zusammenhang mit der Erwartung einer 6000-jährigen Dauer der Welt spiegelt sich aber noch in den Gesamtsummen, die bei Prosper, Victor von Tunnuna und anderen jeweils angegeben werden, welche sich aus der Datierung der Geburt Jesu auf das Jahr 5199 (oder 5200)386 seit der Schöpfung ergeben.387 Neben der Zählung a passione findet sich mit der Zählung bzw. Datierung der Jahre nach der Himmelfahrt („Himmelfahrtsära“388) bei Johannes Malalas und im Chronicon Paschale eine weitere Zählung von Jahren mit heilsgeschichtlichem (Ausgangs-) Bezugsdatum.389
384 Die Expositio a mundi inchoatione (ca. 470), ein De cursu temporum ergänzender bzw. dessen Berechnungen verbessernder chronographischer Kommentar, zählt hingegen nur die Jahre ab Adam usque ad passionem domini (254 Marquis). Vgl. insgesamt zu diesen beiden Texten die Recherches augustiniennes et patristiques 37 (2013), als „Le De cursu temporum d’Hilarianus et sa refutation (CPL 2280 et 2281). Une querelle chronologique à la fin de l’Antiquité“ herausgegeben von Cécile Conduché u. a. De cursu temporum und Expositio a mundi inchoatione sind beide – wie die Chronik Victors von Tunnuna – im Codex Uniuersitatis Complutensis (U) überliefert, ebenso wie die o. g. Chronica Gallica a. 511 (die nur dort überliefert ist, vgl. Burgess, „The Gallic Chronicle of 511“, 91), innerhalb des zweiten Teils des von Furtado (s. o. Kap. 3.4.3) angenommenen (großen) Liber chronicorum; vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 32*; Mommsen „Subsidia critica“, 169. 385 Die Zählung der Jahre a passione bei Prosper als „innovation“ hervorzuheben, wie es Muhlberger, The Fifth-Century Chroniclers, 64 tut, ist somit nicht ganz passend, auch wenn er zu Recht betont, dass Prospers Werk unabhängig von Hilarianus und Sulpicius Severus ist (vgl. ebd., Anm. 35). Eine Zählung a passione findet sich ferner etwas später beispielsweise in der wahrscheinlich aus Spanien stammenden, von Mommsen als Additamentum 1 zum Chronographus anni 354 herausgegebenen Computatio a. 452 (153 Mommsen), die ab Adam usque in passionem und dann de passione domini usque ad consulatum Mamertini et Neuittuale zählt; vgl. dazu Schmidt, „Aetates mundi“, 308. Vgl. auch Liber de Genealogiis Patriarcharum (5./6. Jahrhundert, vgl. Strobel, Ursprung und Geschichte, 103 [mit Anm. 18]) (PL 59, 544D–545A Migne): Et a passione Domini usque ad annum uigesimum quartum regis Geiserici anni sunt quadringenti XXXIIII. 386 Rechnet man 5199 Jahre seit der Schöpfung bis zur Geburt kann die Geburt Christi auch als im Jahr 5200 geschehen verstanden werden; daher die Angabe von 5200 Jahren als Jahr der Geburt Christi bei Eusebius/Hieronymus in der Sekundärliteratur, vgl. etwa Strobel, Ursprung und Geschichte, 407; Wallraff, „Von der antiken Historie“, 9; zum Problem der Rechnung vgl. Landes, „Lest the Millennium“, 196–197 (Anm. 226). 387 Vgl. Strobel, Ursprung und Geschichte, 407–409. 388 Koep, „Chronologie“, 59. 389 Vgl. Johannes Malalas, Chronographia 10,15.24.45; Chronicon Paschale 325; 330.
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3.6.5 Die Geburt Christi als Ausgangspunkt von Berechnungen: Die Zählung der Jahre a natiuitate Eine Zählung der Jahre a passione ist also in verschiedenen historiographischen bzw. chronographischen Kontexten zwar nicht häufig, aber auch nicht unüblich. Ungewöhnlich ist allerdings die Zählung der Jahre bzw. die Aufrechnung zu einer Jahressumme a natiuitate Domini im letzten Drittel des sechsten Jahrhunderts. Eine Suche nach a natiuitate in der Library of Latin Texts für Autoren der Jahre 200–735 n. Chr. zeigt Victor von Tunnuna als einzigen Historiographen, bei dem diese Wortverbindung im Zusammenhang mit der entsprechenden Zählung der Jahre vorkommt. Das Ergebnis der Suche in den Scriptores der MGH und in der Patrologia Latina Database entspricht dem und weist, wenn die Geburt Christi als Referenzpunkt in der Geschichte für eine Periodisierung gebraucht wird, auf Texte, die deutlich nach der Chronik Victors von Tunnuna entstanden sind.390 Eine Ausnahme ist die Chronik des Johannes von Biclaro: Der von Mommsen herausgegebene Text hat in seinem Schlussteil die Angabe porro a natiuitate domini nostri Iesu Christi usque in annum VIII Muricii principis Roma norum anni DXCII.391 Man könnte einwenden, dass etwa auch Augustinus ab der Geburt Christi rechnet, wenn er in De ciuitate Dei den Verlauf der Weltgeschichte in aetates einteilt und dabei Christi Geburt als den Beginn des sechsten Zeitalters bestimmt.392 Christi Geburt ist 390 In den Additamenta zur Chronik Bedas wird im Generationum regnorumque laterculus Bedanus cum continuatione Carolingica altera 105 eine Berechnung a natiuitate domini nostri Iesu Christi usque ad Tiberium aufgeführt (351 Mommsen); in der Historia Brittonum (158,18–20 Mommsen) findet sich die Angabe a natiuitate domini usque ad aduentum Patricii ad Scottos CCCCV anni sunt. Das oben Gesagte gilt auch für die Formulierung ab aduentu domini; zur Formulierung ab incarnatione s. weiter u. in diesem Kapitel. 391 Johannes von Biclaro, Chronicon (220,10–11 Mommsen): „Fernerhin sind es von der Geburt unseres Herrn Jesus Christus bis in das 8. Jahr von Mauritius, dem Prinzeps der Römer, 592 Jahre.“ Dazu s. u. Kap. 3.6.9. 392 Vgl. Augustinus, De ciuitate Dei 22,30 (865,130–136 Dombart/Kalb; Übers. 835 Thimme): Hinc iam, sicut Matthaeus euangelista determinat, tres aetates usque ad Christi subsequuntur aduentum, quae singulae denis et quaternis generationibus explicantur: ab Abraham usque ad Dauid una, altera inde usque ad transmigrationem in Babyloniam, tertia inde usque ad Christi carnalem natiuitatem. Fiunt itaque omnes quinque. Sexta nunc agitur nullo generationum numero metienda. / „Darauf folgen die vom Evangelisten Matthäus angesetzten drei Weltalter bis zur Ankunft Christi, deren jedes vierzehn Geschlechter in sich begreift, das eine von Abraham bis David, das andere von da bis zur babylonischen Gefangenschaft, das dritte von da bis zur Geburt Christi im Fleisch. Bis dahin also im ganzen fünf. Das sechste dauert noch an und ist nach keiner Zahl von Geschlechtern bemessen.“ Zu den Weltzeitaltern bei Augustinus vgl. auch De ciuitate Dei 16,24; De Genesi contra Manichaeos 1,23,35–41, wo Augustinus die Weltzeitalter (gefasst als Tage der Welt) mit den Altern des Menschen verknüpft. Das sechste Zeitalter (1,23,40) beginnt dort mit dem öffentlichen Wirken Jesu: ex praedicatione Euangelii per Dominum nostrum Iesum Christum (108,1–2 Weber). Augustinus gilt als derjenige, der „establishes the ‚Six Ages‘ as the principle historical vision for the Latin church“ (Landes, „Lest the Millennium“, 159). Die Vorstellung der aetates wurde im Anschluss an Augustinus und dann an Isidor von Sevilla und Beda Venerabilis im Mittelalter vielfältig rezipiert, vgl.
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hier zwar neben anderen Punkten der Geschichte (Flut, Abraham u. a.) ein Marker, ein Punkt des Übergangs zwischen zwei Zeitaltern. Jahreszahlen oder Jahressummen, die die eigene Zeit weiter innerhalb des jeweiligen Zeitalters verorten würden, werden allerdings nicht explizit angegeben.393 Augustinus hat an einer genaueren Verortung der Gegenwart in der Geschichte und damit an einer Datierung des Heute über die Angabe des Zeitalters hinaus hier eben gerade kein Interesse („Das sechste [Zeitalter] dauert noch an und ist nach keiner Zahl von Geschlechtern bemessen.“). Es geht hier nicht um eine Aufrechnung der Jahre von einem Punkt bis heute, sondern um den Übergang von einem Zeitalter in das nächste bzw. um die generelle Frage, in welchem Zeitalter man sich befindet und darum, ob das Ende der Welt bzw. die Wiederkunft Christi nahe ist.394 Auch findet sich die wörtliche Entsprechung „seit der Geburt“ Christi oder eine äquivalente Formulierung hier eben gerade nicht. Das fünfte Zeitalter geht „bis zur Geburt Christi im Fleisch“. Eine entsprechende Formulierung für das sechste Zeitalter seit der Geburt Christi wird an dieser Stelle von Augustinus jedoch nicht gebraucht.395 Als erster, der – lange vor einer Benutzung im historiographischen Kontext zur Datierung von Ereignissen wie später Beda Venerabilis396 – Jahre ab incarnatione berechnet hat, wird normalerweise Dionysius Exiguus genannt.397 Die Formulierung ab incarnatione entspricht zwar nicht wörtlich, aber inhaltlich der Formulierung bei Victor von Tunnuna. Dionysius Exiguus hat in seiner Ostertafel (525) eine solche Berechnung
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Schmidt, „Aetates mundi“. Isidor von Sevilla führt die Einteilung der Geschichte in aetates mit deren Angabe in seiner Chronik (Fassung von 626) in einer historiographischen Schrift durch. Vgl. auch seinen Überblick über die aetates in Etymologiae 5,38,5; vgl. Schmidt, „Aetates Mundi“, 290–291, in Bezug u. a. auf Heussi, Altertum, Mittelalter, 7. Sowohl bei Isidor als auch bei Beda Venerabilis (De ratione temporum) findet sich dann im Gegenüber zu Augustinus die genau Berechnung der einzelnen Zeitalter, vgl. Schmidt, „Aetates Mundi“, 293. S. auch o. S. 164 (Anm. 379). Wenn man davon ausgeht, dass eine aetas 1000 Jahre dauert, sind implizit aber 5000 Jahre bis zur Geburt Christi gedacht, vgl. Strobel, Ursprung und Geschichte, 409 (mit Anm. 5). Vgl. Landes, „Lest the Millennium“, 159: „Thus, although he [= Augustinus] rejected any effort to read the sixth age in terms of an eschatological development and refused to define the ages chronologically, he nevertheless placed the present in a Sixth Age which had begun with Christ.“ Vgl. Schmidt, „Aetates Mundi“, 294. Vgl. auch Augustinus, De ciuitate Dei 18,54, wo sich Augustinus in Auseinandersetzung mit Tyconius mit der bisherigen Dauer der christlichen Religion auseinandersetzt und ihren Anfang in der Auferstehung bzw. in der Ausgießung des Heiligen Geistes sieht. Diese wird allerdings mit der Angabe von Konsuln datiert. Eine solche Weiterführung der Dauer einer aetas findet sich allerdings in Augustinus, De diuersis quaestionibus octoginta tribus 58 (395–397; 106,50–51 Mutzenbecher), jedoch ebenfalls ohne darüber hinausgehende Berechnungen: Sexta ab aduentu domini usque ad finem saeculi speranda est. Schwarte, Die Vorgeschichte, 278–279 weist zudem hin auf Augustinus, Sermo 259,9 (393), wo die sechste aetas (hier als sechster Tag) ebenfalls ab aduentu ergo Domini periodisiert werde. S. u. S. 175–176. Vgl. bspw. von den Brincken, Historische Chronologie, 82; Maier, Die christliche Zeitrechnung, 33; vgl. dazu auch McCarthy, „The Emergence“, 32. Zu Dionysius vgl. exemplarisch Richter, „Dionysius Exiguus“; Peitz, Dionysius Exiguus; dazu die kritische Rezension von Schäferdiek, ZKG 74 (1963), 353–368; Meier, Das andere Zeitalter, 462–465, dort besonders auch zu den östlichen Einflüssen auf Dionysius.
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vorgelegt mit der Begründung, er habe nicht mehr (wie Cyrill, an den er anknüpft) die Zählung nach Diokletian verwenden wollen.398 Dionysius berechnet damit in seiner Ostertafel keine Perioden, sondern bestimmte Daten. Die genauen Ursprünge seiner Berechnungen sind umstritten, wahrscheinlich ist, wie Alden A. Mosshammer gezeigt hat, letztlich eine Herkunft aus der griechisch-byzantinischen Chronographie ( Julius Africanus’ Chronographiae [ca. 222]), vermittelt über alexandrinische Tradition.399 Dionysius beginnt seine Zählung in seinem Osterzyklus mit dem Jahr 532 ab incarnatione.400 Indem er ab incarnatione rechnet, ersetzt er die Berechnungen ab dem Regierungsantritt eines Herrschers. So gesehen ist diese Zählung der Jahre seit der Geburt Christi „weniger strukturell als im Hinblick auf die Orientierungsperson eine Innovation“.401 Der Computus paschalis von [Ps-]Cassiodor aus dem Jahr 562 gibt im Anschluss an die Ausführungen von Dionysius, dessen Osterzyklus er benutzt,402 Hinweise, wie das
398 Vgl. Dionysius Exiguus, Libellus de cyclo magno paschae DCCCII annorum, prologus (64,8–14 Krusch/Übers. McCarthy, „The Emergence“, 36): Quia uero sanctus Cyrillus primum cyclum ab anno Diocletiani CLIII coepit et ultimum in CCXLVII terminauit, nos a CCXLVIII anno eiusdem tyranni potius quam principis inchoantes, noluimus circulis nostris memoriam impii et persecutoris innectere, sed magis elegimus ab incarnatione domini nostri Iesu Christi annorum tempora praenotare; quatinus exordium spei nostrae notius nobis existeret et causa reparationis humanae, id est, passio redemptoris nostri, euidentius eluceret. / „Because the blessed Cyril began his first cycle in the 153rd year of Diocletian and ended his last cycle in the 274th year of Diocletian, we have to start in the 248th year of this man who was a tyrant rather than an emperor. However, we did not want to preserve the memory of an impious persecutor of Christians in our cycles, but chose rather to mark the times with years from the incarnation of our Lord Jesus Christ, so that the commencement of our hope will appear more familiar to us and the origin of the redemption of mankind, that is the Passion of our Redeemer, will shine in a more glorious way.“ 399 Vgl. die Darstellung der Versuche des Herkunftsnachweises in der Forschungsgeschichte bei Mosshammer, The Easter Computus, 339–356. Vgl. zusammenfassend Mosshammer, The Easter Computus, 437: „He [Dionysius] simply transmitted to the west a well-established tradition of the Alexandrinian church. […] Dionysius adopted his era of the Incarnation from the Alexandrians with their 19-year Paschal cycle. It was the Cristian era of Julius Africanus, adopted by Anatolius of Laodicea, and transmitted along with the 19-year-cycle to Athanasius, Andreas, Theophilus, Panodorus, and the Armenian church, as well as to Dionysius Exiguus.“ 400 Vgl. Dionysius Exiguus, Libellus de cyclo magno paschae DCCCII annorum (70,9 Krusch). Seinem Zyklus hat er den letzten Zyklus des Cyrill vorangestellt, vgl. Krusch, Die Entstehung, 59. 401 Meier, Das andere Zeitalter, 463. 402 Vgl. Lehmann, „Cassiodorstudien“, 47. Zum Computus paschalis a. 562 insgesamt vgl. Lehmann, „Cassiodorstudien“, 47–55 (hier, 52–55, auch die Edition): Die Schrift ist in den Handschriften stets zusammen mit dem 2. Buch der Institutiones des Cassiodor sowie zwei weiteren Schriften überliefert. Diese Sammlung könne um das Jahr 562 entstanden sein. Es sei nicht auszuschließen, dass die Schrift, die an Dionysius anschließt, von Cassiodor selbst stamme, da Cassiodor die Werke von Dionysius zur Verfügung gehabt habe. Möglicherweise sei die in der genannten Sammlung vorliegende Bearbeitung des zweiten Buches der Institutiones und die Zusammenstellung mit dem Computus (oder der Computus selbst) auch die Arbeit eines Schülers von Cassiodor. Jedenfalls weisen die Texte auf ihre Entstehung im Kontext des Klosters Viviarium hin. Die Einschätzung von Poole, „The Earliest Use“, 58, Cassiodor habe in Institutiones 1,25,2 (bei Poole als „XV“ zitiert) den Mönchen empfohlen, den Osterzyklus des Dionysius zu studieren, obwohl es keine Hinweise
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Jahr ab incarnatione zu berechnen ist: Si nosse uis, quotus annus est ab incarnatione Domini nostri Jesu Christi, computa [hier folgt eine Berechnung, die in das Jahr 562 führt]. Isti anni sunt ab incarnatione Christi.403 Der Computus, fast zeitgleich wie die Chronik des Victor von Tunnuna verfasst, ist damit ein früher Beleg für die Berechnung von Jahren ab incarnatione im Anschluss an Dionysius. Abgesehen von dem Computus, also im Kontext von Osterberechnungen, findet sich dann im chronographischen bzw. historiographischen Kontext eine Summierung der Jahre ab incarnatione in Texten, die deutlich nach der Chronik des Victor von Tunnuna datiert werden. Einige der früheren dieser Texte weisen nach Spanien: So zählt bereits der anonyme, von den Handschriften Julian von Toledo zugeschriebene kleine Computus Ordo annorum mundi in seinen recensiones 3–5 die Jahre ab der Inkarnation Christi bis zur Gegenwart:404 Ab incarnatione autem domini nostri Ihesu Christi usque ad presentem Quintiliani principis annum, qui est era LXXIIII, sunt anni DCXXXVI.405 Ab incarnatione autem domini nostri Ihesu Christi usque in presentem primum gloriosi Vuambani principis annum, quod est era DCCX, anni DCLXXII.406 Ab incarnatione autem domini nostri Ihesu Christi usque ad primum gloriosi Bambani princeps annum fuere anno sexcenti septuaginta duo.407
Diese Berechnung ist jeweils ein Zwischenschritt innerhalb der gesamten Zählung der Jahre der Welt in verschiedenen chronologischen Abschnitten, die mit dem Abschnitt von Adam bis zur Flut beginnt und mit einer Summierung der Jahre vom Beginn der Welt bis zur Gegenwart (recensiones 3 und 4) bzw. einer mahnenden Erinnerung da
gebe, dass er ihn selbst benutzt habe, beruht auf einer Verwechslung des Osterzyklus des Dionysius Exiguus mit dem Pinax Mundi des Dionysius Periegetes (Anf. 2. Jahrhundert), von dem an dieser Stelle die Rede ist. 403 [Ps-]Cassiodor, Computus paschalis a. 562 (52,3–7 Lehmann): „Wen du wissen willst, das wievielte Jahr es ist seit der Inkarnation unseres Herrn Jesus Christus, rechne […] Diese Jahre sind es seit der Inkarnation Christi.“ Vgl. [Ps-]Cassiodor, Computus paschalis a. 562 (52,14.19.24 Lehmann) für weitere Anweisungen zur Berechnung ab incarnatione. 404 Die Recensio 3 von Ordo annorum mundi wird auf 636 datiert, die Recensiones 4 und 5 auf 672, vgl. Martín-Iglesias, „Introducción“, 257–260. Zur Verfasserfrage sowie zur Datierung und zur Verortung der Schrift vgl. Martín-Iglesias, „Introducción“, bes. 237–245. 405 Ps-Julian von Toledo, Ordo annorum mundi, Recensio tertia 13 (695,30–32 Martín-Iglesias): „Von der Inkarnation jedoch unseres Herrn Jesus Christus bis zum gegenwärtigen ersten Jahr des Prinzeps Quintilian, welches [das Jahr der] Ära 74 ist, sind es 636 Jahre.“ 406 Ps-Julian von Toledo, Ordo annorum mundi, Recensio quarta breuior 13 (698,30–32 Martín-Iglesias): „Von der Inkarnation jedoch unseres Herrn Jesus Christus bis zum gegenwärtigen ersten Jahr des ruhmvollen Prinzeps Wamba, welches [das Jahr der] Ära 710 ist, sind es 672 Jahre.“ 407 Ps-Julian von Toledo, Ordo annorum mundi, Recensio quarta longior (= recensio 5) 13 (700,31–33 Martín-Iglesias): „Von der Inkarnation jedoch unseres Herrn Jesus Christus bis zum ersten Jahr des ruhmvollen Prinzeps Wamba waren es 672 Jahre.“
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ran, dass niemand wisse, wieviel Zeit bis zum Ende der Welt übrig bleibe (recensio 5), schließt. Auch wenn über den Autor und über die erste Version des Ordo annorum mundi kaum sichere Aussagen getroffen werden können, weisen die genannten Rezensionen durch ihre Verwendung der Spanischen Ära und den Bezug auf den westgotischen princeps (König) Wamba auf Spanien hin. Der Ordo annorum mundi ist auch im Codex Perezianus Segobrigensis (P-S) auf den fol. 244r–245r in einer charakteristischen Mischform überliefert. José Carlos Martín- Iglesias hält den Text aus P–S, weil er in dieser Form der Version aus dem Liber chronicorum des Pelayo de Oviedo (ca. 1115/1142) entspreche, für eine Abschrift aus einer Handschrift von Pelayo.408 Allerdings ist der Text in P–S mit dem Zusatz ex codice Gotthico soriensi versehen, er stammt damit also nach dem Zeugnis von Juan Bautista Pérez aus dem Codex Soriensis. Ihm fehlt auch ein für Pelayo de Oviedos Liber charakteristischer Zusatz.409 Francisco Bautista zeigt insgesamt in seiner oben bereits genannten Untersuchung auch,410 dass die dem Soriensis zugrundeliegende Sammlung – anders als von Martín-Iglesias noch angenommen – überhaupt eine der grundlegenden Quellen für das historiographische Werk des Bischofs von Oviedo ist.411 Bautista sieht in der in P-S bzw. im Soriensis überlieferten Fassung des Ordo annorum mundi (Mischform) so die originale Version der Fassung des Ordo von 672 (also der recensiones 4 und 5).412 Diese Fassung des Ordo annorum mundi weist damit nicht nur auf eine relativ frühe Verwendung einer Zählung der Jahre ab incarnatione, sondern darüber hinaus auch auf zumindest einen der beiden Überlieferungsstränge der Chronik des Victor von Tunnuna hin.413
408 Vgl. Martín-Iglesias, „Introducción“, 270 (Anm. 87). Zu Pelayo de Oviedo vgl. kurz Alonso-Núñez, „Pelayo v. Oviedo“; vgl. Bautista, „Páez de Castro“, 44–45. 409 Vgl. Bautista, „Páez de Castro“, 44–45 (mit Anm. 116). Martín-Iglesias, „Introducción“, 270 (Anm. 87) bemerkt zwar die o. g. Bemerkung ex codice […], wertet sie aber nicht für die Überlieferungsgeschichte des Ordo annorum mundi aus, wie Bautista, „Páez de Castro“, 44–45 (mit Anm. 116) bemerkt: „La incorrecta identificación de este testimonio, no usado por Martín en su edición critica, condiciona su estudio de la tradición de la recensión del Ordo annorum mundi fechada en el primer año de Wamba. […] el original de la version de 672 corresponde al texto transmitido por el manuscrito ‚soriense‘“. 410 S. o. S. 136. 411 Vgl. Bautista, „Páez de Castro“, 44–45. Pelayo de Oviedo bezeugt auch für andere Texte wie die Historiae des Isidor von Sevilla die Tradition des Soriensis, vgl. Bautista, „Páez de Castro“, 52. 412 Vgl. Bautista, „Páez de Castro“, 44. Vgl. aber auch Martín-Iglesias, „Introducción“, 272: Hier weist Martín-Iglesias auf die Möglichkeit hin, dass Pelayo von Oviedo, wenn er seine Fassung nicht aus verschiedenen Versionen zusammengestellt habe, eine Version des Ordo aus der Zeit Wambas gekannt haben könnte, die gleichzeitig die millenaristische Zählung der recensio 3 enthalten habe. Dies aber könnte, berücksichtigt man die Annahme von Bautista, die Version aus dem Soriensis gewesen sein. 413 Wenn die nach dem Zeugnis von Pérez im Soriensis überlieferte Version des Ordo tatsächlich die Orginalversion von 672 ist, deutet dies gleichzeitig darauf hin, dass sich die beiden Überlieferungsstränge der Chronik Victors vor 672 getrennt haben, da der Complutensis weder den Ordo noch die Historia Wambae des Julian von Toledo, die wahrscheinlich von Anfang an zusammen überlie-
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Auch der spanische Bischof Julian von Toledo selbst zählt in seiner Schrift De comprobatione sextae aetatis (686) nicht nur die fünfte aetas bis zur Geburt Christi,414 sondern er führt das sechste Zeitalter weiter a tempore natiuitatis Christi: Sexta aetas. Octauianus Caesar regnauit ann. LVI. Huius quadragesimo primo anno, iuxta quod Tertullianus, Hieronymusque testantur, Christus Dei Filius de Maria semper uirgine nasci tur, et Tiberii imperatoris tempore crucifigitur, qui et ipse Tiberius regnauit ann. XXIII. Ab initio itaque mundi usque ad tempus natiuitatis Christi […] eueniunt anni V̅ CCCXXV. Iam uero residuus annorum numerus a tempore natiuitatis Christi usque in praesens, in promptu est unicuique, et scire si uolet, et supputare si placet, assumptis uidelicet annis secundum eram ab ipsa Domini incarnatione. Era enim inuenta est ante XXX et VIII annos quam Christus nasceretur. Nunc autem acclamatur eram esse DCCXXIIII. Detractis igitur XXX et VIII annis, ex quo era inuenta est, usque ad natiuitatem Christi, residui sunt anni DCLXXXVI.415
Die Berechnungen von Julian von Toledo stehen im Kontext seines Durchgangs durch die sechs aetates, mit dem er an Augustinus und Isidor von Sevilla anknüpft.416 Julian fert wurden, enthält. Es gibt auch ein indirektes Zeugnis für die im Soriensis überlieferte Version von Ordo annorum mundi in der Chronica Muzarabica (vgl. die Marginalie zu Chronica Muzarabica 29 [342 Gil; vgl. auch den apparatus ad locum]). Dies ist einer der Hinweise darauf, dass der Autor der Chronica Muzarabica eine dem Soriensis ähnliche Sammlung kannte und benutzte. Vgl. Bautista, „Sobre los primeros textos“, 70–71, s. o. S. 138 (Anm. 251). 414 S. o. Kap. 3.6.3. 415 Julian von Toledo, De comprobatione sextae aetatis 3,10,34 (211,100–114 Hillgarth): „Das sechste Zeitalter. Caesar Oktavian regierte 56 Jahre. In dessen 41. Jahr wurde, nach dem, was Tertullian und Hieronymus bezeugen, Christus, der Sohn Gottes, aus Maria, der immerwährenden Jungfrau, geboren, und er wurde gekreuzigt zur Zeit des Kaisers Tiberius, welcher, derselbe Tiberius, 23 Jahre regierte. Daher kommen heraus vom Anfang der Welt bis zur Zeit der Geburt Christi 5325 Jahre. Schon aber ist die übrige Zahl der Jahre von der Zeit der Geburt Christi bis in die Gegenwart offenkundig für jeden Einzelnen, sowohl wenn er es wissen will, als auch wenn es ihm gefällt, zu rechnen, nachdem natürlich hinzugenommen worden sind die Jahre nach der Ära von der Inkarnation des Herrn selbst. Die Ära nämlich wird gefunden 38 Jahre ehe Christus geboren wurde. Jetzt aber wird ausgerufen, dass die Ära 724 ist. Nachdem also die 38 Jahre abgezogen wurden, von wo die Ära gefunden wird, bis zur Geburt Christi, bleiben 686 Jahre übrig.“ An einer anderen Stelle rekurriert Julian auch noch auf die (traditionellen) 5200 Jahre als Zeitspanne von der Erschaffung der Welt bis zur Geburt Christi. Diese Zahl kannte er also, er deutet aber an dieser Stelle zugleich an, dass zu dieser Zahl noch weitere Jahre hinzukommen, vgl. Julian von Toledo, De comprobatione sextae aetatis 3,8,15 (200,12–17 Hillgarth): Etenim si quaeramus annos a principio mundi usque ad natiuitatem Christi secundum codices Septuaginta translatorum, subsequentibus etiam quibusdam historiis gentium, reperiuntur ab Adam usque ad Christum anni V̅ CC et quidquid aliud superest secundum quosdam historicos, qui annorum mundi seriem conscripserunt. / „Und wenn wir nämlich erforschen die Jahre seit dem Anfang der Welt bis zur Geburt Christi nach den Handschriften der Siebzig Abschreiber [= der Septuaginta], und wenn wir dabei auch gewissen Geschichtsschreibungen der Völker folgen, werden ermittelt von Adam bis Christus 5200 Jahre und was auch immer anderes darüber hinaus geht gemäß gewissen Historikern, die eine Abfolge der Jahre der Welt aufgezeichnet haben.“ 416 Julian von Toledo will in De comprobatione nicht nur zeigen, dass man sich nun im sechsten Zeitalter der Welt befindet, sondern er will insbesondere gegenüber der jüdischen Vorstellung, die den Messias für das Jahr 6000 erwartete, zeigen, dass die 6000 Jahre seit der Entstehung der Welt be-
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von Toledo datiert in der zitierten Passage zunächst die Geburt und die Kreuzigung Christi wie Isidor von Sevilla nach den Regierungsjahren des Oktavian und des Tiberius.417 Anders als bei Isidor von Sevilla finden sich aber anschließend keine weiteren Angaben zur Datierung einzelner Ereignisse nach den Regierungsjahren weltlicher Herrscher.418 Vielmehr folgen weitergehende Berechnungen, zu denen die Berechnung der Jahre a tempore natiuitatis Christi bis heute gehört. Die Jahre werden gezählt ab initio mundi bis zur Geburt Christi, und dann weiter bis zum praesens nach den Jahren der era und nach den Jahren a tempore natiuitatis Christi. Das praesens bzw. nunc wird hier also zweifach in einem bestimmten Jahr verortet und damit datiert. Besonders deutlich wird dies in der Formulierung Nunc autem acclamatur eram esse DCCXXXVI, der Angabe in der Spanischen Ära.419 Diese wird dann wieder umgerechnet in die Angabe der Jahre vom Heute bis zur Geburt Christi – Julian von Toledo rechnet also bei der auf die allgemeine Aussage, die Jahre seit der „Zeit der Geburt Christi bis in die Gegenwart“ seien offenkundig, folgenden konkreten Berechnung die Jahre vom Heute ad natiuitatem Christi zurück. Diese konkrete Berechnung steht aber dennoch unter der vorherigen Prämisse, es gehe nun um eine Weiterberechnung der Zahl der Jahre a tempore natuitatis Christi usque in praesens. Julian von Toledo geht damit an dieser Stelle also sowohl über Augustinus als auch über Isidor von Sevilla hinaus: Augustinus hatte, wie gesehen, an einer konkreten Verortung des Heute im Zusammenhang mit den sechs Weltzeitaltern kein Interesse.420 Bei Isidor von Sevilla findet sich keine Aufrechnung der Jahre seit der Inkarnation oder Geburt Christi und auch keine Angabe zu einer solchen Zeitspanne: Er beschreibt zwar das fünfte Zeitalter bis zur Inkarnation Jesu Christi, das sechste aber lediglich als „das sechste, das jetzt erlebt wird“.421 Christi Geburt wird zwar für das sechste Zeitalter angegeben, in der Beschreibung bzw. in der Auflistung der Jahre des sechsten Zeitalters rechnet Isidor aber nach den römischen Kaisern.422 Eine Aufrechnung der Jahre
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reits vergangen sind: „Christ, he said, had been born in 5325 AM, and therefore the year 6000 had passed – without incident – over a decade earlier“ (Landes, „Lest the Millenium“, 172, in Bezug auf die hier und im Folgenden zitierten Passagen). Deshalb rechnet Julian auch zu den bei Isidor von Sevilla zu findenden Zahlen 130 Jahre dazu, indem er in der zweiten aetas im Stammbaum Sems zwischen Arfaxat und Sala Cainan mit 130 Jahren ergänzt (vgl. De comprobatione 3,10,28 mit Isidor von Sevilla, Etymologiae 5,39,5–7). Mit der traditionellen Zahl 5199/5200 als Summe der Jahre vom Beginn der Welt bis zur Geburt Christi wären die 6000 Jahre mit dem „Heute“ Julians noch nicht erreicht gewesen. Allerdings bleibt genau besehen eine Diskrepanz zwischen 5200 Jahre plus 130 Jahre gegenüber den o. g. 5325 Jahren. Vgl. zum sechsten Zeitalter bei Julian im Verhältnis zu den „jüdischen“ Berechnungen auch Gil, „Judíos y cristianos“, 79/87–88/96. Vgl. Isidor von Sevilla, Etymologiae 5,39,26. Mit Ausnahme der Angabe zu Erwig im folgenden Kapitel, s. im Folgenden. Zur Spanischen Ära s. u. S. 188–189 (Anm. 483). S. o. S. 167–168. Isidor von Sevilla, Etymologiae 5,38,5: sexta, quae nunc agitur (s. p.,11 Lindsay; Übers. 199 Möller). Vgl. Isidor von Sevilla, Etymologiae 5,39,26–42; vgl. Möller, „Die Enzyklopädie“, 201 (Anm. 3).
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nach Christi Geburt gibt es nicht, und damit auch keine daran anschließende Verortung des Heute wie bei Julian von Toledo. Das Interesse an einer Verortung des Heute in einem bestimmten Jahr nach der Inkarnation und insofern an einer dementsprechenden Datierung wird auch noch einmal im folgenden Abschnitt aus Julians De comprobatione deutlich, der sich kurz hinter der eben zitierten Passage findet: Ab initio enim mundi usque ad Christum computandos esse diximus annos V̅ CCCXXV, quibus si addantur anni ab incarnatione Domini DCLXXXVI usque in praesentem diem, id est, quando serenissimus Eruigius princeps sextum imperii sui uidetur habere annum, computati sub uno V̅ I̅ XI anni efficiuntur.423
Auch hier steht die Inkarnation des Herrn als Anfangspunkt einer Periode (ab incarnatione Domini […] usque in praesentem diem), die letztlich auf die Gesamtzahl der Jahre seit Beginn der Welt zielt. Zugleich aber wird der dies praesens mit dem sechsten Jahr der Herrschaft des Erwig datiert – und mit der Formulierung id est wird die Zahl der Jahre seit der Geburt Christi bis zum Heute (686) mit diesem Jahr gleichgesetzt. Das Heute wird also in einem bestimmten Jahr verortet, das einerseits das Jahr eines Herrschers, andererseits aber auch ein bestimmtes Jahr nach Christi Geburt ist. Gleichzeitig ist dieser Abschnitt ein Hinweis darauf, dass die Termini natiuitas und incarnatio nebeneinander, gleichsam synonym, gebraucht werden konnten: Neben der Zählung der Jahre ab initio mundi rekurriert Julian von Toledo eben auf die Jahre ab incarnatione Domini, wo er kurz zuvor (im oben zitierten De comprobatione 3,10,34) dieselbe Summe der Jahre a tempore natiuitatis Christi angegeben hatte. Ein ähnliches Muster – die Verbindung der Datierung nach einem Regierungsjahr mit der Zählung der Jahre a natiuitate, und damit eine wörtliche Übereinstimmung mit der Angabe bei Victor von Tunnuna – findet sich in der Chronik des Johannes von Biclaro, der, wie oben gesehen, angibt porro a natiuitate domini nostri Iesu Christi usque in annum VIII Mauricii principis Romanorum anni DXCII.424 Neben den Chroniken des Victor von Tunnuna und des Johannes von Biclaro bieten noch weitere frühe Texte aus dem Codex Uniuersitatis Complutensis, die auf Spanien als Entstehungsort weisen, eine Zählung bzw. Aufrechnung der Jahre a natiuitate, nämlich die Adbreuiatio omnium temporum425 und die Adbreuiatio ebdomadarum Danie423 Julian von Toledo, De comprobatione sextae aetatis 3,10,35 (212,124–129 Hillgarth): „Wir haben gesagt, dass man nämlich vom Anfang der Welt bis Christus 5325 Jahre zählen muss, durch die, wenn hinzugerechnet werden 686 Jahre von der Inkarnation des Herrn bis zum gegenwärtigen Tag, das heißt, als der durchlauchtigstes Prinzeps Erwig das sechste Jahr seiner Herrschaft zu haben scheint, die zusammengerechneten Jahre insgesamt 6011 ergeben.“ 424 Johannes von Biclaro, Chronicon (220,10–11 Mommsen), s. o. S. 167. Zur Diskussion um den Schluss der Chronik des Johannes von Biclaro s. u. Kap. 3.6.9. 425 Adbreuiatio omnium temporum, Codex Uniuersitatis Complutensis, fol. 41v: A natiuitate Christi usque nunc, id est, usque ad eram DC, anni DLXII. Fiunt simul ab Adam usque in Eram presentem
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lis LXX426. Auf deren Ähnlichkeit mit Ordo annorum mundi weist Martín-Iglesias hin: „Estamos, en definitiva, ante un cómputo de los años del mundo semejante a OAM, pero con sus propias particularidades.“427 Stehen die Berechnungen der Jahre ab incarnatione bzw. a natiuitate bei Victor von Tunnuna, Johannes von Biclaro, dem Ordo annorum mundi und Julian von Toledo (in unterschiedlicher Weise) einer Periodisierung der Weltgeschichte im Sinne von aetates nahe, zielen sie dennoch zugleich neben einer Summierung der Jahre seit der Erschaffung der Welt auf die Verortung der jeweiligen Gegenwart innerhalb dieser Welt- oder auch Heilsgeschichte und damit auf eine Datierung. Mit der Ausnahme von Victor von Tunnuna weisen die Texte auf Spanien als Ort einer relativ frühen Benutzung der Periode a natiuitate bzw. ab incarnatione in Verbindung mit konkreten Zahlen und dem genannten Interesse an einer konkreten Verortung des Heute.428 Die hier aufgeführten Texte bieten damit möglicherweise so etwas wie eine Zwischenform zwischen einer reinen Periodisierung und der Angabe einer Datierung nach den Jahren des Herrn, wie sie dann in Beda Venerabilis’ Historia ecclesiastica gentis Anglorum429 zu finden ist: Hier wird die Angabe ab incarnatione nicht mehr für eine Periode oder für die Berechnung einer Summe der Jahre seit der Menschwerdung Christi gebraucht, überhaupt wird auch keine Berechnung von aetates vorgenommen, sondern die Angabe ab incarnatione dient einer Datierung wie in Geschichtswerken zuvor etwa die Angabe von Regierungsjahren eines Herrschers. Anders gesagt: Beda Venerabilis gibt in seiner Historia ecclesiastica ein bestimmtes Jahr nach der Inkarnation als Datum
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anni V̅ DCCLXII. Vgl. Mommsen, „Subsidia critica“, 171, der die Adbreuiatio damit auf 562 datiert; Furtado, „A Collection of Chronicles“, 235–236, 251, mit dem Hinweis auf die darin schon benützte Spanische Ära und einer Datierung kurz vor 568. Die Adbreuiatio sei als einer der letzten Teile zum zweiten Teil des o. g. (großen) Liber chronicorum hinzugekommen. Adbreuiatio ebdomadarum Danielis LXX, Codex Uniuersitatis Complutensis, fol. 42r: A natiuitate usque ad Constantinum anni CCCCXII. Vgl. Furtado, „A Collection of Chronicles“, 236. Unter CPL 2265 sind als Chronicon a. 562 die Adbreuiatio omnium temporum, die Adbreuiatio ebdomadarum Danielis LXX und die Anni sacerdotum Hebraeorum (vgl. Codex Uniuersitatis Complutensis, fol. 42ra–b) subsumiert, vgl. auch so herausgegeben bei Flórez, España Sagrada 6, 343–345. Martín-Iglesias, „Introducción“, 247–250 (Zitat 250). Auch die fast wörtliche Übereinstimmung mit der Chronik des Eusebius/Hieronymus sei kein Zufall. Martín-Iglesias äußert sich hier leider nicht weiter zur möglichen Bedeutung der Ähnlichkeiten zum Ordo annorum für die Überlieferungsgeschichte. Dazu s. auch u. S. 178–180. Für diese Schrift werden mehrere Redaktionsstufen angenommen, als offizielles Datum der Veröffentlichung gilt das Jahr 731 (vgl. Historia ecclesiastica gentis Anglorum 5,23,7), vgl. Lapidge, „Introduction“, 54; Becker, „Beda Venerabilis II.“.
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für verschiedene Ereignisse an.430 Damit gilt Beda als erster, der eine solche Datierung nach der Inkarnation in einem historiographischen Werk vorgenommen hat.431 Setzte sich damit im lateinischen Westen die Berechnung der Jahre bzw. eine Datierung nach den Jahren seit der Geburt Christi zögerlich durch, fand sie im griechischen Osten kaum Verbreitung.432 Es gibt keinen Hinweis darauf, dass Victor von Tunnuna diese Zählung etwa aus Konstantinopel mitgebracht hat. 430 Vgl. z. B. Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica gentis Anglorum 1,3,1 (124,12–14 Lapidge/Übers. 125 Monat/Robin): Hoc autem bellum quarto imperii sui anno compleuit, qui est annus ab incarnatione Domini quadragesimus sextus. / „Il acheva cette guerre lors de la quatrième année de son règne, c’est-à-dire l’an 46 de l’incarnation du Seigneur“; 2,9,4 (334,1–3 Lapidge/Übers. 335 Monat/Robin): Ordinatus est autem Paulinus episcopus a Iusto archiepiscopo sub die XII kalendarum Augusta rum anno ab incarnatione Domini DCXXV. / „Paulinus, donc, fut ordonné évêque par l’archevêque Justus, le douzième jour des calendes d’août, la 625e année de l’incarnation du Seigneur“; u. ö. Vgl. auch Beda Venerabilis, Vita beatorum abbatum Benedicti, Ceolfridi, Eosterwini, Sigfridi et Hwaetberti. Vgl. auch die bei Beda überlieferte Computatio ab anonymo (PL 94, 655A Migne), die die Zählung nach den „Jahren des Herrn“ als üblich voraussetzt, dies allerdings in einer Gesamtaufrechnung der Jahre: Sunt anni ab origine mundi, sicut in Orosio legitur, usque ad natiuitatem Christi, quinque millia centum nonaginta nouem. Ab orbe condito usque ad urbem conditam, anni sunt quatuor millia quatuor centum quadraginta septem. Ab urbe condita usque ad natiuitatem Christi, anni sunt septigenti quinquaginta duo; sicque fiunt anni quinque millia centum nonaginta nouem. Exinde anni Domini supputantur. / „Es sind seit dem Beginn der Welt, wie man bei Orosius liest, bis zur Geburt Christi 5199 Jahre. Seit dem gegründeten Erdkreis bis zur gegründeten Stadt sind es 4447 Jahre. Seit der gegründeten Stadt bis zur Geburt Christi sind es 752 Jahre; und so ergeben sich 5199 Jahre. Von da an werden die Jahre des Herrn gezählt.“ 431 Vgl. Poole, „The Earliest Use“, 62; Becker, „Beda Venerabilis II.“, 1777: „Hervorzuheben ist ferner die nach Dionysius Exiguus’ ‚Liber de paschate‘ erfolgte Angabe der Jahreszahlen nach der chr. Zeitrechnung, der er schon durch die Einführung in seine chronolog. Schriften zum endgültigen Durchbruch verholfen hatte“; von den Brincken, Historische Chronologie, 82: „Erst Beda Venerabilis […] hat die neue Jahreskennzeichnung wirklich popularisiert. […] in der Kirchengeschichte Englands führte er die Inkarnationsära ein.“ Zuvor habe Beda auch in der Fortsetzung der Ostertafeln des Dionysius Exiguus nach Inkarnationsjahren gezählt (vgl. De temporum ratione [725]), insbesondere Kapitel 47 in direktem Bezug auf Dionysius Exiguus). Die „neue Datierweise“ sei von Augustin von Canterbury von Rom nach England mitgebracht worden, wo sie zunächst in Urkunden Verwendung gefunden hätte. Vgl. in Bezug auf Victor von Tunnuna Mosshammer, The Easter Computus, 31, der „the interval from the Incarnation“ bei Victor vom „system for historical chronology“ bei Beda abgrenzt. 432 Vgl. Meier, Das andere Zeitalter, 466; Koep, „Chronologie“, 59, in Bezug auf Gardthausen, Griechische Paläaographie 2, 450–453. Im Chronicon Paschale findet sich im Abschnitt 616 (Olympiade 349) an einer einzigen Stelle die Angabe nach Jahren nach Christi Geburt, nämlich zur Datierung des Konsulats des Heraclius, allerdings im weiteren Kontext von Osterberechnungen (710,5–6 Dindorf; Übers. 162 Whitby/Whitby): Ἀπὸ τῆς γεννήσεως τοῦ δεσπότου Χριστοῦ ἕως ταύτης τῆς ὑπατείας ἐπληρώθησαν ἔτη χιθʹ καὶ ἤρξαντο τὰ χκʹ. / „From the birth of the Lord Christ up till this consulship, 619 years have been completed and 620 have begun.“ Whitby/Whitby deuten in ihrem Kommentar an, dass diese Stelle nicht unproblematisch ist (163, apparatus ad locum): „The reason for this further chronological computation is unclear. The calculation in 609 had already served to verify the author’s chronology for the start of Heraclius’ reign, and this notice merely adds further confirmation that the author had counted the appropriate number of years since the birth of Christ and the Crucifixion.“ Die Annahme, dass diese Angabe einfach eine Variation in den vielfältigen Datierungsformen des Autors des Chronicon ist (vgl. Whitby/Whitby, „Introduction“, xxiii), ist daher vielleicht zu einfach, was hier aber nicht näher verfolgt werden kann.
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Mit diesen Hinweisen auf die Herkunft und Entwicklung der Periodisierung und Berechnung a natiuitate ist die Frage, warum Victor von Tunnuna als nordafrikanischer Autor im Jahr 565 (oder kurz darauf) eine Summierung der Jahre a natiuitate vornimmt – d. h. auch, woher er diese Art der Berechnung übernimmt –, noch nicht beantwortet. Sie sei an dieser Stelle erst einmal zurückgestellt. 3.6.6 567 Jahre a natiuitate als Rückgriff auf den Osterzyklus des Dionysius Exiguus, und woher kommt die Zahl 567? An dieser Stelle sei noch einmal daran erinnert, dass eine weitere Frage bezüglich Chronicon 175 offen geblieben ist, nämlich die Frage, wie die im Schluss genannte konkrete Summe der Jahre, also die Zahl 567, zustande kommt (a Natiuitate uero Domini nostri Iesu Christi secundum carnem […] usque in annum Iustini primum principis Romanorum […] anni DLXVII). Beide Fragen zusammen, also die der Berechnung a natiuitate und die der konkreten Zahl 567, wollte Mommsen lösen, indem er annahm, dass Victor von Tunnuna bei der Angabe zu den Jahren seit Christi Geburt nicht – wie sonst mit seiner Chronik und auch mit den Zahlen im Schlussparagraphen – Prosper, sondern dem laterculus des Dionysius Exiguus folgte. Dionysius Exiguus zählt in seinem Osterzyklus nämlich nicht nur grundsätzlich die Jahre ab incarnatione, sondern er gibt u. a. auch die jeweilige Indiktion an. Das 567. Jahr domini nostri Iesu Christi, d. h. seit der Geburt Christi, ist bei Dionysius das Jahr der 15. Indiktion. Damit entsprechen seine Angaben aber denen gegen Ende der Chronik des Victor von Tunnuna: Diese datiert wenige Abschnitte vor der Nennung der 567 Jahre seit der Geburt Christi den Tod Justinians nämlich in ihrer einzigen derartigen Angabe in die 15. Indiktion: Quadragesimo imperii sui anno Iustinianus uite suscepit finem indictione XV.433 Bereits Reginald L. Poole lehnt diese These Mommsens mit dem Hinweis auf die unterschiedliche Terminologie („Geburt“ bei Victor von Tunnuna; „Inkarnation“ bei Dionysius Exiguus) ab.434 Poole führt die Berechnung Victors auf die Chronik von Eu-
433 Victor von Tunnuna, Chronicon 172 (54,986–987 Cardelle de Hartmann): „Im vierzigsten Jahr seiner Regierung empfing Justinian das Ende seines Lebens in der 15. Indiktion.“ Vgl. Mommsen, „Victoris episcopi Tonnennensis chronica“, 181: „At in computandis annis a Christo nato Victor non Prosperum secutus est […], sed cum scribit a nativitate Christi ad annum Iustini primum annos numerari 567 […], aperte ad Dionysianum laterculum sese applicuit, annum ni fallor indictionis XV et Iustiniani quem ait quadragesimum Iustinique primum statuens eundem esse aera Christianae DLXVII.“ Vgl. Dionysius Exiguus, Libellus de cyclo magno paschae DCCCII annorum (71,25 Krusch). Zur Angabe nach der Indiktion s. auch u. S. 202–203. 434 Vgl. Poole, „The Earliest Use II“, 211: „Had it been derived from Dionysius, we should have expected the writer to speak not of the Nativity but of the Incarnation, for the terms are not synonymous.“
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sebius/Hieronymus zurück: In dieser Chronik entspreche das Jahr der Geburt Christi dem Jahr 2 v. Chr. nach unserer Rechnung, was mit den 567 Jahre zum (nach unserer heutigen Zeitrechnung korrekten) Jahr 565 für den Herrschaftswechsel von Justinian zu Justin II. führe. Es könne zudem nicht gesagt werden, dass sich bei Victor von Tunnuna insgesamt die Vorstellung einer Ära finde. Die Schlussnotiz der Chronik und ihr sonstiges chronologisches Schema „appear to be drawn from independent sources, and the note is merely a chronological statement of a type of which there are numerous examples.“435 Poole weist übrigens in diesem Zusammenhang ebenfalls auf die frühe Benutzung der Berechnung der Jahre seit Christi Geburt in Spanien hin: Obwohl die Historia ecclesiastica des Beda Venerabilis das erste Geschichtswerk sei, in dem die Inkarnationsära verwendet wurde, sei sie möglicherweise schon in Spanien im Jahr 672 in Gebrauch gewesen. Als Beleg dafür nennt Poole eine bei Bruno Krusch zitierte Quelle436 – Krusch weist in dem bei Poole genannten Beitrag auf eine Handschrift aus Madrid als ältestes Beispiel für die Jahresberechnung nach Inkarnationsjahren hin, und damit auf einen uns schon bekannten Text: Diese Handschrift überliefere einen Ordo annorum mundi breuiter collectus a b. Iuliano Pomerio Toletanae sedis archiepiscopo, der zähle Ab incarnatione domini nostri Iesu Christi usque in praesentem primum gloriosi principis Bambani annum qui est era 740 sunt anni 672.437 Dieser Text entspricht im Wesentlichen der entsprechenden Passage in der bereits oben genannten 5. Rezension von Ordo annorum mundi des Ps-Julian von Toledo.438 Diese 5. Rezension wurde oben schon einmal genannt als (früher, aber nach der Chronik Victors zu datierender) Beleg für eine Berechnung von Jahren ab incarnatione. Bei der von Krusch genannten und von Georg Heinrich Pertz beschriebenen Handschrift handelt es sich nicht um eine der von Martín-Iglesias in seiner Ausgabe von Ordo annorum kollationierten Handschriften,439 sondern, dem bei Pertz als Incipit der Handschrift angegebenen Text zufolge, um die Version von Ordo
435 Poole, „The Earliest Use II“, 211. 436 Poole, „The Earliest Use“, 62 (mit Anm. 23), mit Hinweis auf Krusch, „Die Einführung des griechischen Paschalritus“, 121. 437 Vgl. Krusch, „Die Einführung des griechischen Paschalritus“, 121. Es handelt sich um die Handschrift Madrid, Königliche Bibliothek T 10 in der Beschreibung von Georg Heinrich Pertz, „Handschriftenverzeichnis VII. Spanien, 1. Königliche Bibliothek zu Madrid“, 798–800, hier 799. 438 Ps-Julian von Toldeo, Ordo annorum mundi, recensio 5,13 (700,31–33 Martín-Iglesias): Ab incarnatione autem domini nostri Ihesu Christi usque ad primum gloriosi Bambani principis annum fuere anni sexcenti septuaginta duo. 439 Martín-Iglesias gibt in seiner „Introducción“, 251–252 die von ihm kollationierten Codices an, zwei davon sind aus der Bibliothek der königlichen Akademie von Madrid: Madrid, Biblioteca de la Real Academia de la Historia, 2, fol. 4va–vb (M); Madrid, Biblioteca de la Real Academia de la Historia, 78, fol. 208r–v (R). Die fünfte Rezension von Ordo annorum mundi überliefert von diesen beiden Handschriften nur die Handschrift M. Die bei Krusch angeführten Varianten sind aber jedenfalls nach der Edition von Martín-Iglesias nicht in dieser Handschrift M zu finden (vgl. Ordo annorum mundi, Recensio quarta longior 13 [700,31–33 Martín Iglesias (apparatus ad locum)]).
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annorum aus dem oben bereits genannten Liber chronicorum des Pelayo de Oviedo.440 Dessen Text wurde von Martín-Iglesias nicht in der eigentlichen Ausgabe kollationiert, aber an separater Stelle (als Teil der indirekten Tradition) abgedruckt.441 Der von Martín-Iglesias abgedruckte Text entspricht dem bei Krusch bzw. Pertz genannten Text bis auf kleinere Varianten;442 insbesondere hat er die von Krusch als zu korrigierend angemahnte Zahl der Jahre nach der Ära 710.443 Es gibt jedoch auch vom Liber chronicorum des Pelayo de Oviedo mehrere Rezensionen, und Martín-Iglesias hat in dem bei ihm angegebenen Text mehrere Handschriften kollationiert und einige fehlerhafte Passagen korrigiert.444 Da Pertz nicht die foliae angibt, auf welcher der Ordo annorum in der von ihm gesehenen Handschrift notiert ist, kann aufgrund seiner Angaben nicht geschlossen werden, um welche der bei Martín-Iglesias angegebenen Handschriften aus Madrid es sich handelt (oder ob es sich sogar um eine weitere Handschrift handelt). Auch der bei Krusch und Pertz genannte Text, auf den Poole aufmerksam macht, weist aber jedenfalls, wie die oben genannten frühen Texte, die eine Berechnung ab incarnatione oder a natuitate domini vornehmen, nach Spanien.445 Charles W. Jones plädiert für eine frühe Benutzung der dionysischen Ostertafeln in Spanien (aufgrund der dortigen Benutzung der Inkarnationsära).446 Wie Poole nimmt er aber an, dass die Berechnung des Victor von Tunnuna nicht auf Dionysius Exiguus
440 Vgl. Pertz, „Handschriftenverzeichnis VII. Spanien, 1. Königliche Bibliothek zu Madrid“, 798, der den Anfang der Handschrift angibt mit „Pelagius Ovitensis ecclesiae episcopus fuit consecratus sub era 1036. 4. Kal. Ian.“ S. auch o. S. 171. 441 Vgl. Martín-Iglesias, „Introducción“, 271–272, insgesamt zum Liber chronicorum des Pelayo de Oviedo vgl. 269–272. 442 Pelayo de Oviedo, Liber Chronicorum, Ordo annorum mundi 15 (Text nach Martín-Iglesias, „Introducción“, 271): Ab incarnacionem domini nostri Ihu Xpi usque in presentem primum gloriosi Bambani principis annum, qui est era DCCX, sunt anno DCLXXII. 443 Vgl. Krusch, „Die Einführung des griechischen Paschalritus“, 121: „Die Era muss in 710 gebessert werden; die Jahre Christi dagegen sind richtig angegeben, denn Wamba gelangte in der That 672 auf den Thron.“ 444 Vgl. Martín-Iglesias, „Introducción“, 270–271. Die bei Martín-Iglesias angegebenen kollationierten Handschriften für den Liber chronicorum des Pelayo de Oviedo sind Madrid, Biblioteca Nacional, 1358 (12. Jahrhundert); Madrid, Biblioteca Nacional, 1513 (Anfang 13. Jahrhundert) und Madrid, Biblioteca Nacional, 2805 (12. Jahrhundert, vielleicht eine Abschrift von Ms. Madrid, Biblioteca Nacional, 1358). 445 Auch Krusch, „Die Einführung des griechischen Paschalritus“, 121 verweist übrigens neben dem eben genannten Textstück auf die oben (s. o. S. 172–173) diskutierte Schrift von Julian von Toledo, De comprobatione sextae aetatis 3 als frühen Beleg für die Rechnung nach Jahren nach der Inkarnation in Spanien: Hier zeige sich, „dass man um diese Zeit [= gegen Ende des siebten Jahrhunderts] mit der Rechnung nach Incarnationsjahren in Spanien schon vollkommen vertraut war“. 446 Vgl. Jones, „The Victorian and Dionysiac Paschal Tables“, 419, mit Verweis auf den Brief des Mönchs Leo (hg. von Bruno Krusch, Der 84jährige Ostercyclus, 298–302, vgl. ebd., 98), der Dionysius wörtlich zitiert, ohne ihn namentlich zu erwähnen. Krusch, „Die Einführung des griechischen Paschalritus“, 120 schließt hingegen aus demselben Text, da er Dionysius eben nicht namentlich erwähnt, darauf, dass „dessen Ostertafel in der ersten Hälfte des 7. Jahrh. in Spanien so gut wie unbekannt gewesen zu sein scheint“.
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zurückgehe, weil es keinen Hinweis darauf gebe „that the Dionysiac era was used for historical purposes before the close of the seventh century“. An Pooles Argumentation kritisiert er dessen Annahme des Rückgriffs auf zwei verschiedene Quellen für die Berechnungen: „Poole’s argument that Victor used one calculation in one place and changed to another calculation in another appears unsound, and there is not much to be said for the fact that ‚incarnation‘ and ‚nativity‘ are not synonymous.“447 Tatsächlich wird aber bei Victor von Tunnuna nicht einfach a natiuitate gerechnet, sondern a Natiuitate uero Domini nostri Iesu Christi secundum carnem, womit das „Fleisch“ zumindest aufgegriffen ist. Zudem können, wie bei Julian von Toledo gesehen, die Periodisierungen bzw. Datierungen a tempore natiuitatis und ab incarnatione in derselben Schrift kurz nacheinander stehen, um ein und denselben Sachverhalt aufzuzeigen. Es scheint also für die Berechnung der Jahre nach Christi Geburt nicht notwendig zu sein, scharf zwischen beiden Begrifflichkeiten zu unterscheiden, und so sind die unterschiedlichen Begriffe kein zwingender Beleg dafür, dass Victor von Tunnuna nicht auf Dionysius Exiguus zurückgegriffen hat. Die Beiträge von Poole und Jones aufgreifend setzt sich Antonio Placanica mit der o. g. These Mommsens auseinander und lehnt die Annahme einer Benutzung der Dionysischen Zählung durch Victor von Tunnuna ab. Er widmet sich in seiner Argumentation allerdings hauptsächlich der Zahl 567, weniger der Periode a natiuitate. Diese Zahl bereitet Placanica zufolge Schwierigkeiten: Da Victor von Tunnuna vorher die Gesamtzahl der Jahre an keiner Stelle seiner Chronik in einer solchen oder ähnlichen Weise zusammenfassend berechnet hat und auch die Zählung der Jahre nach der Passion Prospers nicht übernimmt, ist unklar, wie die Zahl 567 als Summe der Jahre nach Christi Geburt zustande kommt.448 Placanica will daher zeigen, dass Victor von Tunnuna auch mit den Zahlen aus Prospers Chronik auf die Zahl 567 kommen konnte.449 Die Berechnungen, die er dazu vornimmt, sind jedoch wenig hilfreich: Nachdem er die Berechnung für die sich entsprechenden Jahre der Welt von Adam bis zur Geburt Christi bei Prosper und Victor aufgeführt hat, geht Placanica weiter zum Jahr 5634 seit der Schöpfung, das für Prosper das 406. Jahr seit der Passion des Herrn und damit das 435. Jahr nach der Geburt Christi sei. Die Konsuln, die für dieses Jahr notiert seien, seien die unseres Jahres 433 n. Chr.450 Subtrahiere man nun die jeweiligen Jahre seit Adam, also die 5199 Jahre (Adam – Geburt Jesu) Prospers von den 5766 Jahren (Adam – Herrschaft Justins II.) Victors, blieben 567 Jahre seit Christi Geburt. Allerdings ist diese Rechnung kein Beweis dafür, dass Victor auch für die 567 Jahre Prospers Zahlen zugrunde gelegt hat: Victor von Tunnuna bietet ja gerade dieselbe Zahl 5199 und zählt dann dazu 567, um auf die Gesamtsumme der Jahre als 5766 zu 447 448 449 450
Jones, „The Victorian and Dionysiac Paschal Tables“, 416. S. auch o. S. 177. Vgl. Placanica, „Note“, 133 (ad epilogus). S. u. S. 181–182 (mit Anm. 455).
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kommen. Dass die Subtraktion der 5199 Jahre Prospers von 5766 Jahren Victors 567 ergibt, überrascht dann natürlich nicht, da Victor von Tunnuna ja die 567 Jahre selbst zu diesen 5199 Jahren addiert hat. Auch die Einbeziehung weiterer Zahlen aus der Chronik Prospers ändert nichts daran, dass die Herkunft der Zahl 567 nicht daraus belegt werden kann: Placanica weist als umgekehrte Rechnung darauf hin, dass das Jahr 406 nach der Passion, welches dem Jahr 435 nach der Geburt Christi entspricht, bei Prosper das Jahr 5634 nach Adam ist,451 was eine Differenz von 132 Jahren zur Gesamtsumme der Jahre bei Victor von Tunnuna (5766) bedeutet. Dem entspreche die Differenz von 435 zu 567 Jahren (in den Chroniken jeweils seit der Geburt Jesu). Placanica stellt also richtig fest, dass die Differenz in der jeweiligen Gesamtsumme der Jahre in den beiden Chroniken (5634 bei Prosper, 5766 Jahre bei Victor von Tunnuna) der Differenz zwischen den jeweiligen Jahren nach der Geburt Jesu entspricht (435 bei Prosper, 567 bei Victor von Tunnuna). Dies überrascht jedoch wiederum nicht, weil der Unterschied zwischen beiden Rechnungen darin liegt, ob die Jahre von Adam bis zur Geburt Christi (5199) Jahre mitgezählt werden oder nicht. Damit ist aber natürlich die Frage danach, wie Victor auf die 567 Jahre kommt, noch nicht geklärt: Die Gleichung funktioniert mit jeder beliebigen Zahl, die man zu den 5199 Jahren addiert – die Differenz dieser Zahl zu 435 und die Differenz der 5199 plus dieser Zahl zu 5634 (= 5199 + 435) entsprechen sich immer.452 Es lässt sich damit also keineswegs zeigen, dass Victor auch für die 567 Jahre „ha composto i suoi calcoli seguendo la base cronologica che gli proveneva dalla Epitome prosperiana di cui fu riebaloratore e continuatore.“453 Die Summierung der Jahre bis zur Geburt Christi entspricht, wie gesehen, den Zahlen bei Prosper und Eusebius/Hieronymus, auf eine bestimmte Zahl der Jahre seit der Geburt Christi bei Victor lässt sich aus ihren Rechnungen allerdings nicht schließen. Gesagt werden kann nur, dass die angegebenen Jahre nach Christi Geburt in den Chroniken jeweils korrekt zur angegebenen Gesamtzahl der Jahre seit Adam führen und diese damit in ihren Berechnungen in sich jeweils kohärent sind. Im Anschluss an Placanica lehnt auch Carmen Cardelle de Hartmann Mommsens Annahme, dass Victor von Tunnuna die Zählung in Chronicon 175 von Dionysius aufgegriffen hat, ab, stellt dann aber ebenso vor allem die Frage nach dem Zustandekommen der Zahl 567 als Gesamtsumme der Jahre nach der Geburt Christi.454 Auch sie weist auf Prosper hin, die erste wichtige Quelle Victors, deren Zahlen Victor im Schlussparagraphen zum Teil übernimmt, die aber eben um zwei Jahre von unserer heutigen 451 Vgl. Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 1312; 1318. D. h. eben auch: 5199 plus 435 Jahre. Zur Berechnung der Differenz zwischen Geburts- und Todesjahr Jesu vgl. Placanica, „Note“, 133 (ad epilogus). 452 Anders gesagt: Für x kann man in der Rechnung (5199 + x) – 5634 = x – 435 jede beliebige Zahl einsetzen. Sie bedeutet damit letztlich nur: x = x. Man kann damit nicht die Zahl 567 mit der Berechnung Prospers verbinden. 453 Vgl. Placanica, „Note“, 133 (ad epilogus). 454 Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 109*–110*.
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Zählung abweicht – das Geburtsjahr Christi ist das Jahr 2 n. Chr. unserer Zählung.455 Weil Victor von Tunnuna den Tod Justinians in das Jahr 566 (nach unserer Zeitrechnung) datiere, könne man im Anschluss an die Abweichung um zwei Jahre bei Prosper als Gesamtsumme der Jahre seit der Geburt Christi bei Victor 568 Jahre erwarten.456 Vielleicht liege hier schlicht ein Rechenfehler Victors vor. Ein Grund dafür könnten die fehlenden Jahre bei der Angabe der Konsuln sein.457 Denkbar sei auch, dass der zusammenfassende Schlussparagraph später durch eine andere Person verändert worden sei, die das genaue Todesdatum Justinians kannte, welches nach der Zählung Prospers im Jahr 567 läge (565 n. Chr. nach heutiger Zeitrechnung).458 Hierzu ließe sich freilich fragen, warum diese Person nur hier eingriff und nicht etwa auch die Regierungsdauer von Justinian änderte.459 Vor allem aber ist es überhaupt nicht möglich, aus der Chronik Victors selbst irgendeine bestimmte Zahl der Jahre seit der Geburt Christi für den Schlussparagraphen zu erwarten: Die Berechnung des Todesjahres Justinians auf das Jahr 566 n. Chr., von dem aus Cardelle de Hartmann eine Berechnung des Gesamtsumme auf 568 Jahre erwartet, ist eine von unserer heutigen Zeitrechnung aus vorgenommene Berechnung aufgrund des Vergleichs der Angaben Prospers mit unseren heutigen Jahreszahlen. Victor von Tunnuna zählt die Jahre zuvor aber nie nach diesem auf Christus bezogenen System, sei es nach der Geburt oder nach der Passion Christi. Justinians Tod datiert er nicht auf das Jahr 566, sondern auf das 40. Jahr von dessen Regierung.460 Dass dies dem (falschen) Jahr 566 entspricht, ist eine Umrechnung aus heutiger Sicht. Prosper zählt in seiner Chronik die Jahre nach der Passion chronologisch durch. Von dieser Zählung aus gibt er an manchen Stellen eine Gesamtsumme (der Jahre seit der Erschaffung der Welt, der Jahre seit der Passion) an.461 Diese Gesamtsumme lässt sich aufgrund seiner Angaben umrechnen in die Jahre nach der Geburt Christi. Bei Victor von Tunnuna finden sich, wie gesehen, solche Angaben aber eben gerade nicht. Es lässt sich also aus dem Text der Chronik nicht schließen, welches Jahr seit der Passion oder seit der Geburt Christi Victor von Tunnuna mit seinen Angaben meint – weil er so eben nicht rechnet. Übrigens hilft hier auch ein Durchzählen der in der Chronik angegebenen 455 Dazu vgl. Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 1311 in Verbindung mit 1318, vgl. 390 (Beginn der Zählung nach Konsuln im 1. Jahr nach der Passion) sowie die Angaben zu Augustus und Tiberius (Epitoma chronicon 329 und 388); vgl. Epitoma chronicon 1311 (die dort genannten Konsuln sind in unserer Zählung der Jahre in das Jahr 433 zu datieren). Vgl. insgesamt dazu Placanica, „Note“, 133 (ad epilogus). Vgl. auch schon den Hinweis bei Poole, „The Earliest Use II“, 211, zu Eusebius/Hieronymus (s. o. S. 177–178). 456 Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 109*–110*. 457 Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 107*. Zu den fehlenden Jahren bei der Angabe der Konsuln s. u. S. 203. 458 Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 110*. 459 Zur unpräzisen Angabe in Victor von Tunnuna, Chronicon 172 s. u. S. 201. 460 Vgl. Chronicon 172 (s. o. S. 177). 461 S. o. S. 159–160, 165.
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Jahre nicht weiter. Zählt man die durch die Konsuln angegebenen Jahre bei Victor von Tunnuna im Anschluss an die bei Prosper angegebenen Jahre nach der Passion oder an die im Codex Uniuersitatis Complutensis angegebene Summe der Jahre seit der Erschaffung der Welt (5654 [487,19 Mommsen]) weiter, kommt man auch nicht auf die Zahl 567 bzw. 5766.462 Aus der Chronik des Victor von Tunnuna oder aus Chronicon 175 im Vergleich zu Prosper überhaupt eine fixe Zahl der Jahre seit der Geburt Christi (oder entsprechend seit der Erschaffung der Welt) abzuleiten oder zu erwarten, ist schlicht nicht möglich. 3.6.7 567 Jahre a natiuitate – Chronicon 175 als mögliche spätere Hinzufügung zur Chronik Die bisherigen Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die Verwendung einer Zählung (Berechnung) der Jahre a natiuitate in der Chronik des Victor von Tunnuna um das Jahr 565 ist erstens ein früher Beleg für eine solche Verwendung. Andere Belege im Anschluss an Dionysius Exiguus weisen auf eine frühe regionale Verbreitung dieser Zählung (oder Periodisierung) in Spanien hin. Zweitens lässt sich die Zahl von 567 Jahren nicht – wie bisher immer wieder versucht – aus der Chronik des Victor von Tunnuna selbst erklären und auch nicht aus einem Vergleich mit der Chronik Prospers. Sie ist unabhängig von der vorherigen Zählung der Jahre. Auffällig ist zudem, dass sowohl bei Victor von Tunnuna als auch bei Dionysius Exiguus die 15. Indiktion mit dem Jahr 567 nach Christi Geburt gleichgesetzt wird. Bei Cardelle de Hartmann und bei Placanica steht die Besonderheit des Schlussparagraphen – wie eben gesehen – nur hinsichtlich der Summe der Jahre zur Debatte, insbesondere hinsichtlich der Frage, wie diese Summe (567 Jahre nach der Geburt Christi bzw. entsprechend 5766 Jahre seit Adam) zustande kommt. Die Form des Schlusses und der Bezug der Zählung (ad natiuitatem – a natiuitate) spielen in ihren Überlegungen keine Rolle. Es sind, wie gesehen, jedoch auch diese Unterschiede, die im Vergleich zum übrigen Text der Chronik – der keinerlei Zwischenberechnungen enthält wie andere Chroniken – auffallen. Durch seine besonderen formalen Merkmale erscheint der Schluss als absichtsvoll gestaltet. Ihn als „plötzlich“ zu deuten, wie es Placanica tut,463 ist insofern unbefriedigend. Sowohl angesichts der genannten Abweichungen in der Art der Zählung als auch angesichts der im sonstigen Text der Chronik nicht vorkommenden ganzen Form des
462 Zusammengezählt ergibt sich hier die Zahl 531 nach der Passion, die dann nach Prospers Zählung 560 nach der Geburt Christi wäre, nach unserer Zählung 558. Jedoch fehlen ja einige Konsulnjahre. Eine solche Zählung macht daher schon wegen der Lücken keinen Sinn. 463 S. o. S. 106.
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Schlusses mit seinen Berechnungen, die freilich aus anderen Chroniken bekannt ist,464 im Zusammenhang mit der Beobachtung, dass eine frühe Berechnung von Jahren a natiuitate – abgesehen von Cassiodors Osterberechnungen465 – auf Spanien weist, jedoch eher auf eine etwas spätere Zeit als 565, könnte man einen Schritt weitergehen als es bisher getan wurde und an eine spätere Einfügung des Schlussparagraphen denken. Für die Präskripte der Chroniken des Victor von Tunnuna und des Johannes von Biclaro wurde herausgearbeitet, dass diese wahrscheinlich von einem Kompilator oder Redaktor stammen, der eine erste kleine Sammlung von Chroniken zusammengestellt hat.466 Angesichts der genannten Punkte ist in Erwägung zu ziehen, ob ebenfalls ein Kompilator – möglicherweise derselbe – nicht auch den Schlussparagraphen in die Chronik des Victor von Tunnuna eingefügt und diese damit an die zuvor in die Kompilation eingefügten Chroniken von Eusebius/Hieronymus und Prosper und deren zusammenfassende Berechnungen angepasst hat. Eine solche Möglichkeit diskutieren allerdings weder Mommsen oder Placanica noch Cardelle de Hartmann. Eine spätere Abfassung von Chronicon 175 könnte aber gleichzeitig eine Erklärung sein für die ungewöhnliche, für relativ frühe Texte nach Spanien weisende Zählung der Jahre nach der Geburt Christi und ist daher hier in Erwägung zu ziehen. Zuerst ist dazu festzuhalten, dass die handschriftliche Überlieferung für die Chronik des Victor von Tunnuna keine Hinweise auf eine Sekundarität des Schlusses gibt.467 Dies entspricht allerdings dem oben herausgearbeiteten handschriftlichen Befund für die Präskripte, die dennoch als wenig später als der Text der Chronik, entstanden im Zuge der Zusammenstellung einer ersten kleinen Sammlung von Chroniken, gedeutet wurden. Analog zu den Präskripten erscheint es daher sinnvoll, die Schlüsse der anderen Chroniken der Chronik-Sammlung zu betrachten. 3.6.8 Der Schluss der Chronik des Prosper Tiro von Aquitanien im Codex Uniuersitatis Complutensis und im Codex Soriensis Einen ersten Hinweis für die Deutung des Schlussparagraphen bei Victor von Tunnuna gibt der Schluss der Chronik Prospers in den Handschriften U und So: Normalerweise schließt die Chronik Prospers – anders als die Chronik des Eusebius/
464 465 466 467
S. o. S. 159–160. S. o. Kap. 3.6.5. S. o. Kap. 3.4.3. Der Schluss ist im Complutensis enthalten (fol. 23r); für den Soriensis gibt es keine Hinweise auf eine Abweichung, weder in P-S (S. 32/Foto Nr. 28) noch im Codex Kopenhagen, Arnamagnæan ske Institut, Københavns Universitet, AM 833 4° (fol. 130v). In AM 833 fehlt im Haupttext vielmehr der letzte Satz des in U notierten Schlusses (Fiunt simul …), der am Rand als im v. c. = vetustissimus codex = Codex Soriensis vorhanden notiert wird.
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Hieronymus (vgl. 250,1–26 Helm)468 – nicht mit einer chronologischen Zusammenfassung ab.469 Es ist jedoch auffällig, dass genau in den Handschriften, die für die beiden Überlieferungsstränge der Chronik des Victor von Tunnuna stehen, in der Chronik Prospers ebenfalls eine chronologische Zusammenfassung am Schluss steht. Bautista weist darauf im Zusammenhang der Darlegung der Verwandtschaft der beiden Zweige der Überlieferung hin: „*So presenta las mismas variantes que M [= U] y ofrece igual continuación del texto de Próspero hasta el ano 455, con idéntico resumen cronológica final.“470 Pérez transkribierte neben Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 1351–1353 (vgl. 479–480 Mommsen) eine ähnliche chronologische Zusammenfassung wie sie in U vorliegt (fol. 17r–17v; vgl. 487,1–19 Mommsen) mit dem Hinweis „in manuscripto gotthico soriensi“, also aus dem Soriensis stammend.471 Die chronologische Zusammenfassung am Schluss der Chronik des Prosper in diesen Handschriften hat zwar andere Zwischenschritte als die Zusammenfassung in Chronicon 175 und zählt von heute zurück (und nicht von Adam bis heute wie in Chronicon 175), weist aber trotzdem ähnliche formale Merkmale auf: Zunächst wird darin ab urbe condita ad extremum huius operis gerechnet, wozu mehrere Zwischenschritte aufgeführt werden, dann beginnt die eigentliche Zusammenfassung mit Colliguntur omnes anni (so auch der Beginn in Chronicon 175), die allerdings usque in consulatum Valentiniani VIII Augusti a XV Tiberii anno et praedicatione domini nostri Iesu Christi gezählt werden. Von dort aus wird heruntergerechnet, indem die Jahre der einzelnen zeitlichen Abschnitte (Perioden) angegeben werden. Diese Zählung bzw. Rechnung schließt nach der Zusammenfassung der Jahre von der Flut bis Abraham und von Adam bis zur Flut mit einer Gesamtaufrechnung, die wieder an die Formulierung bei Victor von Tunnuna erinnert: Fiunt ab Adam usque ad consulatum Valentiniani VIII omnes anni V̅ DCLIIII. Dieser Text aus dem Codex Uniuersitatis Complutensis wird in der Ausgabe von Mommsen mit einem weiteren Codex als Continuatio Codicis Alcobaciensis kollationiert (487 Mommsen) und als ein afrikanischer Zusatz verstanden.472 Dass die Chronik Prospers analog zur Chronik des Eusebius/Hieronymus in den beiden Überlieferungszweigen der Chronik des Victor von Tunnuna mit einer chronologischen Zusammenfassung abschließt, was sonst nicht der Fall ist, könnte aber auch ein erster Hinweis darauf sein, dass sich analog zu den Präskripten auch darin die oben herausgearbeitete erste Sammlung (der kleine Liber chronicorum) zeigt. Auffällig ist nämlich 468 Vgl. auch im Complutensis (fol. 14v.) und laut P-S, fol. 117r im Soriensis, vgl. Bautista, „Páez de Castro“, 39. S. auch o. S. 161. 469 Die Chronik Prospers hat – je nach Redaktionsstufe – verschiedene Schlüsse. 470 Bautista, „Páez de Castro“, 42. 471 Vgl. Bautista, „Páez de Castro“, 40, 42 (Anm. 109), laut P-S, fol. 117v–118r im Soriensis. 472 Vgl. Mommsen, „Additamenta I. Additamenta Africana (praefatio)“, 486; im Complutensis fol. 17r–17v. Auch Furtado, „Reassessing Spanish Chronicle Writing“, 177 sieht hier ein afrikanisches Modell mit einer Ausgabe der Chronik Prospers aus dem Jahr 455 im Hintergrund.
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zudem, dass der Schluss dieses Prosper-Zusatzes mit dem 3. Konsulat des Aëtius und dem Konsulat des Symmachus beginnt und dann statt des („normalen“) ausführlichen Textes Prospers bis zur Schlussberechnung nur sehr kurze Eintragungen (zumeist zu den Konsuln der entsprechenden Jahre) bietet. Damit reduziert sich die Doppelung der Chronik Victors mit der Chronik Prospers für den Anfang insofern, als zwar die gleichen Jahre bis 455 abgehandelt, aber nicht mehr dieselben Geschehnisse ausführlich dargestellt werden. Es ist auch von daher denkbar, dass der Kompilator der bereits diskutierten Sammlung von Chroniken, dem die Doppelung des Anfangs der Chronik Victors zum Schluss der Chronik Prospers auffiel, den Text Prospers für die Jahre 446 bis 455 gekürzt und mit der chronologischen Zusammenfassung versehen hat. 3.6.9 Der Schluss der Chronik des Johannes von Biclaro Schauen wir nun auf den Schluss der Chronik des Johannes von Biclaro, die als letzter Teil zur genannten ersten (kleinen) Sammlung von Chroniken gehört. Ihr Schlussabschnitt ist im Gegensatz zum Schlussabschnitt bei Victor von Tunnuna in seiner Echtheit umstritten bzw. seine Echtheit wird in unterschiedlicher Form mehrheitlich abgelehnt, was dem handschriftlichen Befund entspricht: Der Schluss der Chronik des Johannes von Biclaro ist nur im Codex Uniuersitatis Complutensis überliefert.473 Der Schlussabschnitt der Chronik des Johannes von Biclaro lässt sich aufgrund von zwei verschiedenen Gesamtaufrechnungen der Jahre in zwei Teile gliedern. Insbesondere der erste Teil ähnelt, wie bereits angesprochen, dem Schlussabschnitt aus der Chronik des Victor von Tunnuna: Er rechnet ebenso die Jahre a natiuitate domini nostri Iesu Christi auf, was eingebettet wird in eine Zählung der Jahre in verschiedenen Abschnitten ab Adam, u. a. auch von Abraham ad Natiuitatem Domini nostri. Bis zur Geburt Jesu Christi entsprechen die angegeben Zahlen den Zahlen bei Prosper,474 und ebenso, im Anschluss daran, der bei Victor von Tunnuna angegebenen Gesamtzahl der Jahre von Adam bis zur Geburt Jesu Christi. Am Ende der Berechnungen steht – entsprechend dem Schema bei Victor von Tunnuna – eine Gesamtaufrechnung der Jahre ab Adam bis zum Jahr des (nach dem Text der Chronik) derzeitigen princeps Romano rum. Die Ähnlichkeiten zu den Formulierungen im Schlussabschnitt der Chronik des Victor von Tunnuna sind gerade auch hinsichtlich seiner zuvor herausgearbeiteten Besonderheiten frappierend. Abweichend sind im Wesentlichen nur die Zwischenabschnitte – Flut und Abraham sind zusätzlich eingefügt – und die Angaben zu den
473 Codex Uniuersitatis Complutensis, fol 25v. Zur Frage der handschriftlichen Überlieferung s. weiter u. S. 191. 474 Und damit denen aus der Chronik des Eusebius/Hieronymus.
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späteren Jahren (unterstrichen sind im Folgenden die mit Victor von Tunnuna übereinstimmenden oder sehr ähnlichen Formulierungen)475: Colliguntur omnes anni ab Adam usque ad diluuium anni II̅ CCXLII. A diluuio usque ad Abraham anni DCCCCXLII. Ab Abraham uero usque ad natiuitatem domini nostri Iesu Christi secundum carnem anni II̅ XV. Fiunt simul anni V̅ CXCVIIII. Porro a natiuitate domini nostri Iesu Christi usque in annum VIII Mauricii principis Romanorum anni DXCII. Fiunt simul omnes anni ab Adam usque in annum VIII Mauricii principis Romanorum, qui est IIII Reccaredi Gothorum regis, anni V̅ DCCXCI.476
Dieser Text wurde von Mommsen – anders als von Cardelle de Hartmann477 – in seiner Ausgabe der Chronik des Johannes von Biclaro als Schlussabschnitt der Chronik ediert.478 Leider nennt Mommsen nicht explizit die Gründe, warum er sich trotz des handschriftlichen Belegs nur im Complutensis dafür entscheidet, dass dieser erste Teil des Schlussabschnittes von Johannes von Biclaro selbst stammt. Der Text im Codex Uniuersitatis Complutensis geht mit einem zweiten Teil weiter: Dieser zählt bis zu dem Jahr, in dem Isidor seine Chronik verfasst hat bzw. usque his temporibus, in quo est era DCCLXXX, woraus dann wiederum eine Gesamtzahl der Jahre seit Adam aufgerechnet wird. Daran schließen sich eine unvollständige Berechnung bis zum Ende des sechsten Zeitalters sowie ein Incipit für die folgende breuiatio cronice von Eusebius/Hieronymus an: Usque DCLIIII uero eram, in qua beatus Isidorus cronicam suam condidit, id est quinto Eraclii imperatoris anno et quarto Sisebuti regis Gothorum fiunt omnes ab initio anni V̅ DCCCXV. Deinde ergo usque his temporibus, in quo est era DCCLXXX, creuerunt anni CXXVI, qui additi ad superiorem summam faciunt omnes annos ab Adam usque in presentem eram, qui est DCCLXXX, V̅ DCCCCXLI. Posthac quippe supersunt usque ad finem sexte huius etatis uel
475 Díaz y Díaz, „La transmisión textual“, 63 (Anm. 16) sieht, ohne die wörtlichen Übereinstimmungen in diesem Teil des Schlusses wirklich zu gewichten, in der Weise der Berechnung hingegen einen wesentlichen Unterschied zur Chronik des Victor von Tunnuna: „Anoto que el métdodo de cómputo es diferente del que cierra la Historia de Víctor de Tunnuna.“ Allerdings hat er hier v. a. den zweiten Teil des Schlusses im Blick. 476 Johannes von Biclaro, Chronicon (220,4–13 Mommsen): „Man rechnet zusammen alle Jahre von Adam bis zur Flut, 2242 Jahre. Von der Flut bis Abraham 942 Jahre. Von Abraham aber bis zur Geburt unseres Herrn Jesus Christus nach dem Fleisch 2015 Jahre. Das sind gleichsam 5199 Jahre. Fernerhin sind es von der Geburt unseres Herrn Jesus Christus bis in das 8. Jahr von Mauritius, dem Prinzeps der Römer, 592 Jahre. Es ergeben sich also gleichsam als alle Jahre von Adam bis in das 8. Jahr von Mauritius, dem Prinzeps der Römer, das ist das 4. Jahr von Rekkared, dem König der Gothen, 5791 Jahre.“ Die Zahlen weichen im bei Cardelle de Hartmann in ihrer Einleitung abgedruckten Text ab, da sie den Text von U zum Teil korrigiert hat, vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 133*. 477 Zur Bestreitung der Echtheit des gesamten Schlusses durch Cardelle de Hartmann s. u. S. 190–191. 478 Vgl. auch Mommsen, „Praefatio ad Iohannis Abbatis Biclarensis“, 208: „Computatio sine dubio Biclarensis ipsius […] et altera, quae est librariorum […]“.
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introitu septime etatis, in qua dominus in maiestate prestolatur aduentus anni … Item incipit breuiatio cronice Eusebii Iheronimi.479
Isidor von Sevilla und seine Chronik480 werden hier ebenso erwähnt wie die Spanische Ära, mit der dieser Epilog auf das Jahr 780 (d. h. 742 n. Chr.) datiert wird. Aufgrund dieser Datierung lässt Mommsen in seiner Ausgabe diesen von ihm als zweiten Teil des Epilogs aufgefassten Abschnitt als sekundär weg, ebenso wie eine im Codex Uniuersitatis Complutensis belegte Präzisierung direkt nach der Erwähnung des 4. Jahres von Rekkared im ersten Teil des Schlussabschnittes, die die Jahreszahl in der Spanischen Ära angibt (in quo est era DCXXX et a principio). Er begründet dies damit (220,13 Mommsen [apparatus ad locum]), diese „non sunt Iohannis, sed librarii eius“, führt dies aber nicht näher aus. Leuchtet die Annahme einer späteren Einfügung dieser abschließenden Zählung nicht nur aufgrund des Bezugs auf Isidor, sondern natürlich v. a. aufgrund der Weiterführung der Zählung der Jahre bis in das Jahr 742 n. Chr.481 unmittelbar ein, ist sie für die genannte Präzisierung zum 4. Jahr von Rekkared mit Hilfe der Spanischen Ära im ersten Teil des Schlussabschnittes zwar nicht zwingend: Frühe Belege einer Zählung nach der Ära sind nicht auszuschließen.482 Jedoch gilt normalerweise Isidor von Sevilla als erster, der im historiographischen Kontext nach ihr zählt.483 Zudem entspricht die
479 Vgl. Johannes von Biclaro, Chronicon (Text nach Mommsen „Subsidia critica“, 169, einschließlich des Incipit zur Chronik [Epitome] von Eusebius/Hieronymus; vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 133* [mit Anm. 266 zu den im Gegenüber zu U korrigierten Zahlen; vgl. dazu auch Díaz y Díaz, „La transmisión textual“, 6 (Anm. 13)]): „Bis Ära 654 aber, in der der selige Isidor seine Chronik verfasste, das heißt im fünften Jahr des Kaisers Heraclius und im vierten Jahr von Sisebuth, dem König der Gothen, ergeben alle Jahre seit dem Anfang 5815. Darauf also bis in diesen Zeiten, worin ist (das Jahr der) Ära 780, haben sie 126 Jahre unterschieden, die, hinzugefügt zur oben genannten Summe, ergeben alle Jahre von Adam bis zur gegenwärtigen Ära, die ist 780, 5941. Nachher freilich sind übrig bis zum Ende des sechsten Zeitalters oder bis zum Eingang des siebten Zeitalters, in dem erwartet wird der Herr in seiner Majestät hinsichtlich seiner Ankunft … Jahre. Desgleichen beginnt die Kurzfassung der Chronik von Eusebius/Hieronymus.“ Die Bewertung der Leerstelle bezüglich der Jahre bis zur Wiederkunft des Herrn ist umstritten. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 133* sieht die Möglichkeit, dass mit der Leerstelle eine Absicht vorliegt; Díaz y Díaz, „La transmisión textual“, 69 (mit Anm. 42), geht davon aus, dass ein Kopist, der bemerkte, dass die Berechnung falsch war, die Zahl ausließ. Mommsen, „Subsidia critica“, 169, bemerkt nur: „Numerus non enuntiatur.“ 480 Die entsprechende Angabe in der Chronik des Isidor von Sevilla lautet Fiunt igitur ab exordio mundi usque in eram praesentem, hoc est in anno quinto imperatoris Eraclii et quarto religiosissimi principis Sisebuti, anni V̅ DCCCXIII (Chronica 1 417 [204–206 Martín]). Sie findet sich in der ersten Redaktion der Chronik, die auf das Jahr 615/616 datiert werden kann, vgl. Martín, „Introduction générale“, 119*. 481 Also weit nach der vermuteten Fertigstellung der Chronik des Johannes von Biclaro (602). 482 S. o. S. 174–175; jedoch sind diese Texte kaum untersucht. 483 Die sog. Spanische Ära ([a]era) weicht um 38 Jahre von der Zeitrechnung nach Christus ab. D. h. das hier bei Johannes von Biclaro angegebene Jahr 780 nach der era ist das Jahr 742 nach Christi Geburt, das Jahr 630 nach der Spanischen Ära das Jahr 592 nach Christi Geburt. Die Herkunft der Spanischen Ära ist schwierig zu bestimmen. Möglicherweise geht sie auf einen Osterzyklus zu-
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Formulierung der Angabe nach der Spanischen Ära der im zweiten Teil des Schlusses (in quo est era), ist also leicht als Angleichung zu erklären. Die von Mommsen eingeführte Zweiteilung des Schlusses wurde von Julio Campos Ruíz in seiner Ausgabe der Chronik des Johannes von Biclaro aufgenommen. Er hat auch dessen ersten Teil als Text der Chronik herausgegeben.484 Widersprochen hat ihr Manuel C. Díaz y Díaz – er plädiert mit folgenden Argumenten für einen einheitlichen Charakter des Epilogs, der insgesamt eine spätere Hinzufügung sei: In beiden Teilen des Schlusses – jedoch nur an dieser Stelle der Chronik – finde sich die Formulierung in quo est era, obwohl Johannes von Biclaro sonst nie nach der Spanischen Ära zähle. Das am Ende der Chronik angegebene Jahr, also das vierte Jahr der Regierung von Rekkared,485 werde in Mommsens erstem Teil als das Jahr 630 (Spanische Ära, d. h. 592 n. Chr.) angegeben, also mit einer Abweichung von zwei Jah-
rück, vgl. Neugebauer, „On the ‚Spanish Era‘“; Mommsen, „Aera“, 273; beide in Bezug auf Heller, „Über den Ursprung der sogenannten Spanischen Ära“. Umstritten ist, ob die Belege bei Hydatius (ca. 470; vgl. Muhlberger, The Fifth-Century Chroniclers, 193), insbesondere Chronicon 42 und 214, als erste literarische Belege für sie gelten können, oder ob sie spätere Einfügungen sind. Für eine Authentizität der Angaben bei Hydatius argumentieren bspw. Cardelle de Hartmann, Philologische Studien, 43–46, und Burgess, The Chronicle of Hydatius, 33–35; dagegen Neugebauer, „On the ‚Spanish Era‘“, 376. Sicher ist, dass Isidor von Sevilla nach der Spanischen Ära gezählt hat, so etwa im o. g. Abschnitt aus der Chronik, durchgehend dann in den Historiae Gothorum, Wandalorum, et Sueborum (vgl. Cardelle der Hartmann, Philologische Studien, 43 [Anm. 146]). Vgl. auch Isidor von Sevilla, Etymologiae 5,36,4 (s. p.,24–27 Lindsay/Übers. 197 Möller), wo die aera auf Augustus zurückgeführt wird: Aera singulorum annorum est constituta a Caesare Augusto, quando primum censu exagitato Romanum orbem descripsit. Dicta autem aera ex eo, quod omnis orbis aes reddere professus est reipublicae. / „Eine Ära aus einzelnen Jahren wurde von Caesar Augustus festgesetzt, als er zum ersten Mal einen Zensus ausführen und den römischen Erdkreis aufschreiben ließ. Ära ist es aber genannt worden, weil jedermann auf dem Erdkreis versprochen hat, eine Münze (aes, Gen. aeris) der res publica zu geben.“ Eine Datierung nach der Spanischen Ära findet sich allerdings bereits auf der Synode von Tarragona (516): Concilium Tarraconense (269,2–3 Martínez Díez/Rodríguez): Concilium Terraconense decem episcoporum habitum aera DLIIII; vgl. Peitz, Dionysius Exiguus, 23. Es gibt auch relativ frühe epigraphische Belege, die aera im modernen Sinn einer Zeitspanne gebrauchen, aber nicht notwendigerweise mit der Spanischen Ära in Verbindung zu bringen sind, vgl. Neugebauer, „On the ‚Spanish Era‘“, 374; als „Rechnung nach spanischer Aera“ gedeutet von Peitz, Dionysius Exiguus, 23. Vgl. auch Meier, Das andere Zeitalter, 463–464 (Anm. 178), der auf die Nähe der Zeitrechnung nach der Spanischen Ära zu der nach Christi Geburt verweist und darin so etwas wie „ein Modell“ für Dionysius sieht. Inwiefern Dionysius Exiguus dann von der Spanischen Ära Gebrauch machte und ob er sie in die (von ihm erarbeitete?) Hispana genannte Kanonessammlung einfügte, womit er ihre Verbreitung in Spanien gefördert hätte, ist jedoch umstritten. Dafür argumentiert eben Meier, Das andere Zeitalter, 463–464 (Anm. 178) in Bezug auf Peitz, Dionysius Exiguus, 22–23 und 252–256, der davon ausgeht, Dionysius habe die Spanische Ära aus der Chronik des Hydatius übernommen; kritisch dagegen Schäferdiek, „Rezension zu Peitz, Dionysius Exiguus“, bes. 366–367. Die Diskussion kann hier nicht im Einzelnen nachgezeichnet werden. 484 Vgl. Campos Ruíz, „Introducción“, 53, vgl. den Text auf S. 100. 485 Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 134*, schreibt bei der Darstellung der Argumentation von Díaz y Díaz „el tercer año de Recaredo se data al principio como era 530“. Hierbei dürfte es sich um einen Druckfehler handeln, da Cardelle de Hartmann den Text des Schlusses (ebd., 133*) mit qui est IIIIus annus Recaredi Gothorum regis angibt.
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re zum tatsächlichen Zeitpunkt (590 n. Chr. nach unserer heutigen Rechnung486), und die gesamte Berechnung im zweiten Teil des Epilogs basiere auf dieser Zahl.487 Auch der Anschluss mit uero (Usque DCLIIII uero eram) weise auf eine Zusammengehörigkeit beider Teile hin. Zudem erscheine der Titel princeps im sonstigen Text der Chronik äußerst selten.488 Infolge dieser Argumentation lehnt Díaz y Díaz überhaupt die Zuschreibung des Schlusses an Johannes von Biclaro selbst ab und weist ihn insgesamt einer Rezension der Chronik aus dem Jahr 742 zu, die dem Codex Alcobaciensis zugrunde liege und jetzt im Complutensis überliefert sei.489 Diesen Argumenten folgt Cardelle de Hartmann und fügt noch hinzu, dass sich im Codex Uniuersitatis Complutensis (fol. 39v) zur Chronica Gallica ad a. 511 ein sehr ähnlicher Schlussteil finde.490 Dieser zeige sowohl Parallelen in den Formulierungen als auch eine Nähe in der Datierung des Heute (742 n. Chr./780 nach der Spanischen Ära in der Chronik des Johannes von Biclaro, 771 nach der Spanischen Ära = 733 n. Chr. in der Chronica Gallica ad a. 511). Das führt Cardelle de Hartmann zu der Annahme, dass beide chronologische Schlusspassagen von derselben Person stammen, nämlich von der Person, die sie in eine Handschrift einfügte, in die dann auch etwas später, in der Mitte des achten Jahrhunderts, von einer anderen Person die Chronica Muzarabica (754) eingefügt wurde, also in die Handschrift, von der der Codex Uniuersitatis Complutensis abstammt. Dass dabei nicht dieselbe Person die Chronica Muzarabica von 754 und die Ausgabe der Chronik des Johannes von Biclaro von 742 (mit der chronologischen Zusammenfassung am Schluss) verfasst hat, nimmt bereits Díaz y Díaz an: „Sobre 754, en Toledo, un clérigo compuso la Crónica mozárabe, que añadió a un manuscrito en que se transmitía la colección de crónicas, con la de Juan de Bíclaro en la recensión del 742.“491 Ein Codex mit der Ausgabe der Chronik des Johannes von Biclaro von 602, also ohne chronologische Zusammenfassung, sei hingegen vom Autor der Chronica Byzantia-Arabica ad a. 741 benutzt worden, in dem Zweig der Überlieferung 486 Es ist unklar, warum Cardelle de Hartmann dann, obwohl sie im Anschluss an Díaz y Díaz selbst auf das Jahr 590 hinweist („Introducción“, 134*), trotzdem in den Marginalien zu Johannes von Biclaro, Chronicon 91–93 die Jahreszahl „589“ (81 Cardelle de Hartmann) notiert. Vgl. Díaz y Díaz, „La transmisión textual“, 5. 487 Bzw. auf diesem „Fehler“: „Todo el cálculo de los años posteriores está hecho sobre este error“ (Díaz y Díaz, „La transmisión textual“, 63). 488 Vgl. Díaz y Díaz, „La transmisión textual“, 6–7. 489 Vgl. Díaz y Díaz, „La transmisión textual“, 68–69. 490 Chronica Gallica a. 511, Codex Uniuersitatis Complutensis, fol. 39v (Text bei Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 134*; die ähnlichen Formulierungen sind unterstrichen): Ab hoc consule qui uult per indictiones computet uel per eram. Ab era usque in nostris temporibus in quo est era DCCLXXI creuerunt anni CCXXIIII. Fiunt ab initio VDCCCCXXXI. / „Von diesem Konsul [im Satz zuvor sind genannt Felix und Secundinus] zählt wer will nach den Indiktionen oder nach der Ära. Von der Ära bis in unseren Zeiten, wo die Ära 771 ist, haben sie unterschieden 224 Jahre. Es ergeben sich also vom Anfang 5431 [ Jahre].“ 491 Díaz y Díaz, „La transmisión textual“, 70. Der Codex Alcobaciensis sei eine sehr nahe Kopie dieser historiographischen Sammlung.
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also, den der Codex Soriensis repräsentiert.492 Denn nach dem Zeugnis von Pérez habe es am Schluss der Chronik des Johannes von Biclaro im Soriensis keine chronologische Zusammenfassung gegeben.493 Wie oben schon gesagt, ist der Schluss der Chronik des Johannes von Biclaro nämlich nur in einem Zweig der Überlieferung belegt: Anders als bei Victor von Tunnuna deutet hier die handschriftliche Überlieferung tatsächlich auf die Sekundarität des Schlusses hin. Pérez notiert in P-S am Ende der Chronik des Johannes von Biclaro: „Aquí había en el otro exemplar 8 o diez ringlones más, abaxo (non legitur) fol. 319 mas no en el gótico de Soria.“494 Das genannte Zeugnis von Pérez besagt, dass der chronologische Schlussparagraph wohl in der Abschrift des Florianus de Ocampo (Oc)495 vorhanden war, nicht aber in der Abschrift des Johannes Páez de Castro (= der Basistext von P-S) und auch nicht im Codex Soriensis. Auch im Codex aus Kopenhagen (AM 833 4°) findet sich kein Hinweis auf eine andere Lesart im Soriensis.496 Die gesamte chronologische Zusammenfassung am Schluss ist also diesem Zeugnis zufolge nur in dem Zweig der Tradition überliefert, zu dem der Codex Alcobaciensis und der Codex Uniuersitatis Complutensis gehören, nicht in dem Zweig, zu dem der Codex Soriensis gehört (und der im Anschluss an die Chronik des Johannes von Biclaro die Chronica Byzantia-Arabica überliefert).497 Deshalb ediert Cardelle de Hartmann sie auch nicht in ihrer Ausgabe als Text der Chronik des Johannes von Biclaro.498
492 Vgl. Díaz y Díaz, „La transmisión textual“, 66–68, 73; vgl. auch Cardelle de Hartmann, „The Textual Transmission“, 28. 493 Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 134*; vgl. auch Cardelle de Hartmann, „The Textual Transmission“, 28. Zur Textüberlieferung der Chronica Muzarabica a. 754 vgl. ebd. passim. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 134*–135* (mit Anm. 272) weist zudem auf einen weiteren ähnlichen Schlussteil in der kurzen Version der Chronik des Isidor von Sevilla in einer Handschrift aus El Escorial (T II 24) hin (abgedruckt bei den „Additamenta ad Chronica minora“ bei Mommsen, Chronica minora 2, 506), der ebenfalls nach der Spanischen Ära zählt und die Formulierung creuerunt anni verwendet: „Quizá son las tres notas indicios de las actividades de un escriba con interés por la cronografia, activo no sabemos dónde a mediados del s. VIII.“ 494 Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 134* (Anm. 269), dort das Zitat aus dem Codex Perezianus Segobrigensis (P-S), fol. 32v. In der erhaltenen Fotografie von P-S ist dieser Satz deutlich kleiner geschrieben als der Text der Chronik und sehr schlecht lesbar. Bautista, „Páez de Castro“, 32 (Anm. 87), liest den Text folgendermaßen: „Aqui havia en el otro exemplar 8 o diez renglones, mas abaxo los ponemos al fin de este libro, fol. 319; mas no en el gotthico de Soria“. Vgl. auch Díaz y Díaz, „La transmisión textual“, 76, für die Lesart von P-S am Schluss der Chronik: […] non esse superbos. FINIS. 495 Wenn man „el otro exemplar“ auf diesen Codex bezieht, was insofern Sinn macht, als Pérez die Varianten aus Oc mit „alias“ bezeichnet (vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 25*). 496 Allerdings auch nicht auf eine andere Lesart in Oc oder einer anderen Handschrift; vgl. Codex Kopenhagen, Arnamagnæanske Institut, Københavns Universitet, AM 833 4°, fol. 134v–135r. Vgl. Bautista, „Páez de Castro“, 32. 497 Vgl. auch Díaz y Díaz, „La transmisión textual“, 61–62, der hierin das stärkste Argument gegen die Authentizität des Schlussabschnittes sieht. 498 Bei der Betrachtung des Schlusses der Chronik des Johannes von Biclaro fällt noch ein weiterer Punkt auf: Eigentlich läuft die Chronik auf die Geschehnisse in Chronicon 91 (3. Konzil von To-
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3.6.10 Die Schlussparagraphen bei Victor von Tunnuna und bei Johannes von Biclaro – Versuch einer Neubewertung Die Schlussparagraphen beider Chroniken, der Chronik des Johannes von Biclaro und der Chronik des Victor von Tunnuna, sind trotz dieses handschriftlichen Befundes in einer Zusammensicht noch einmal neu zu betrachten. Aufgrund der späten handschriftlichen Überlieferung werden sich hier keine zwingenden Schlüsse ergeben. Es sollen hier aber noch einmal die Hinweise zur Deutung der Schlüsse benannt und gewichtet werden. Zunächst ist festzuhalten, dass die o. g. Argumentation von Cardelle de Hartmann bezüglich der Ähnlichkeit der Schlüsse in der Chronik des Johannes von Biclaro, der Chronica Gallica und einer Variante in Isidors Chronik nur für den zweiten Teil des Schlusses bei Johannes von Biclaro gilt. Mag daraus für diesen zweiten Teil derselbe Schreiber abzuleiten sein, gilt dies deshalb noch nicht für den ersten Teil des Schlusses. Dessen deutliche Übereinstimmung mit dem Schlussteil der Chronik des Victor von Tunnuna wurde oben aufgezeigt. Für Díaz y Díaz ist die Parallelität der Schlussabschnitte der beiden Chroniken kein hinreichender Grund, den Schluss der Chronik des Johannes von Biclaro als ursprünglich aufzufassen.499 Dem ist insofern zuzustimmen, als eben v. a. aufgrund dieser Übereinstimmung im ersten Teil vielmehr davon auszugehen ist, dass der Schluss der Chronik des Johannes von Biclaro eben doch aus zwei Teilen besteht. Diese stammen nicht vom selben Verfasser und sind in zwei Schritten zum eigentlichen Text der Chronik hinzugekommen.
ledo mit dessen „katholischem“ Glaubensbekenntnis) hinaus und findet hier nicht nur inhaltlich, sondern auch formal ein Ende, wenn es heißt (82,383–388 Cardelle de Hartmann): A uicesimo ergo imperii Constantini principis anno, quo tempore heresis Arriana initium sumpsit, usque in octauum annum Mauricii principis Romanorum, qui est Recaredi IV regni annus, anni sunt CCLXXX, quibus ecclesia catholica huius heresis infestatione laborauit sed fauente Domino uicit, quoniam fundata est supra petram. / „Vom zwanzigsten Jahr der Regierung des Prinzeps Konstantin also, als die arianische Häresie ihren Anfang nahm, bis in das achte Jahr des Prinzeps der Römer Mauritius, welches das 4. Jahr der Regierung des Rekkared ist, sind es 280 Jahre, in denen die katholische Kirche sich gegen die Anfeindung dieser Häresie bemühte, aber siegte, weil Gott sie begünstigte, da sie ja gegründet ist auf den Stein.“ Dies ist die erste (und mit Ausnahme des genannten Schlusses einzige) chronologische Zusammenfassung in der Chronik, danach folgen noch zwei kurze Notizen (Chronicon 92 [die Perser bekehren sich zum Christentum] und 93 [Bestrafung eines Rebellen durch Rekkared]). Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 130*, sieht „una resolución final de los problemas planteados con el triunfo de la ortodoxia sobre la herejía en el concilio de Toledo, y del poder central sobre los intentos de rebelión, con Recaredo como triunfante figura central.“ Hierzu würden, so Cardelle de Hartmann, die Schlussworte docuit famulos dominis non esse superbos (Chronicon 93 [83,404–405 Cardelle de Hartmann]) dann passen. Vgl. noch etwas zugespitzter auf ein sinnvolles Ende in Chronicon 91 Cardelle de Hartmann, „Historie und Chronografie“, 118–119. Die zwei letzten Paragraphen sind genau genommen für die genannte „resolución final“ überflüssig. Man könnte daher überlegen, ob der eigentliche Schluss der Chronik in den genannten Zeilen in Chronicon 91 zu suchen ist. Dies kann an dieser Stelle leider nicht weiter verfolgt werden. 499 Vgl. Díaz y Díaz, „La transmisión textual“, 51.
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Die Argumente von Díaz y Díaz in Bezug auf die Einheitlichkeit des Schlusses der Chronik von Johannes von Biclaro sind nämlich keineswegs zwingend. Neben der deutlichen Parallelität – hier ist v. a. noch einmal die doch insgesamt seltene Formulierung a natiuitate domini nostri hervorzuheben – (nur) im ersten Teil zum Schlussabschnitt der Chronik des Victor von Tunnuna kann seinen Argumenten Folgendes entgegengehalten werden: Die Formulierung in quo est era, die in beiden Teilen vorkommt, kann, wie von Mommsen angenommen, durchaus eine spätere Einfügung durch den Verfasser des zweiten Teils sein, der hier dann eine Anpassung vorgenommen hätte. Díaz y Díaz bietet keine Argumente, die dem widersprechen könnten. Der Anschluss des zweiten Teils mit uero kann ebenso dem Bemühen seines Verfassers um einen einheitlich wirkenden Gesamtschluss geschuldet sein. Auch eine Entsprechung der Zahlen des zweiten Teils zu denen des ersten verwundert nicht, wenn man einen Schreiber annimmt, der den zweiten Teil als Fortsetzung des ersten schrieb. Weitere Beobachtungen sprechen zudem für einen Bezug des ersten Teils des Schlusses der Chronik des Johannes von Biclaro zum Schluss der Chronik des Victor von Tunnuna: Will man die Zahlen, die von unserer heutigen Zählung um zwei Jahre abweichen, als Argument heranziehen, ist zu bedenken, dass dieselbe Abweichung in der Chronik des Victor von Tunnuna zu finden ist. Die Zählung bei Johannes von Biclaro könnte also ebenso eine Anpassung an diese Zählung sein. Dasselbe gilt für die Titulierung von Mauritius als princeps Romanorum. Dass dieser Titel in der Chronik des Johannes von Biclaro sonst so gut wie nicht vorkommt, ist in der Tat auffällig – aber auffällig ist ebenso, dass gerade auch im Schlussabschnitt der Chronik des Victor von Tunnuna usque in annum […] principis Romanorum gerechnet wird und der Titel princeps Romanorum hier überhaupt das einzige Mal bei Victor verwendet wird.500 Auch diese wörtliche Übereinstimmung zur Formulierung in der Chronik des Johannes von Biclaro spricht vor allem für einen Bezug der beiden Schlüsse (erster Teil bei Johannes, Chronicon 175 bei Victor) zueinander.501 Anstatt hier eine Einheitlichkeit des Schlusses der Chronik des Johannes von Biclaro zu postulieren, erscheint es aufgrund der genannten Hinweise sinnvoller, Mommsen in der Annahme von zwei Schlussteilen der Chronik des Johannes von Biclaro zu folgen. Der zweite Teil (beginnend mit Usque DCLIIII uero eram) weist aufgrund der Datierung his temporibus in das Jahr 780 nach der spanischen Ära, d. h. 742 n. Chr.,502 500 Bei Herrscherwechseln wird sonst der Titel weggelassen und lediglich Romanorum notiert, vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 8; 18; 41; 68; 101; 111. Sonst werden zwar Kaiser auch als princeps bezeichnet (etwa Leo in Chronicon 23 oder Justinian in Chronicon 42), aber nicht in Verbindung mit Romanorum. 501 In Chronicon 91, also kurz vor dem Schlussteil, wird allerdings Mauritius ebenfalls bereits als princeps tituliert (82,385 Cardelle de Hartmann), zuvor im selben Abschnitt jedoch noch als imperator (81,348 Cardelle de Hartmann). 502 Zur Entstehung von chronographischen Notizen in dieser Zeit (s. auch oben zu den Chronica Gallica) im Kontext von chiliastischen Hoffnungen unter den Mozarabern und zum Bedürfnis nach
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zudem nennt er die Chronik des Isidor von Sevilla, beides schließt eine Entstehung mit dem Text der Chronik des Johannes von Biclaro (592/602) aus. Da davon auszugehen ist dass sich die Überlieferung vor dem Jahr 741 in zwei Zweige getrennt hat, ist der zweite Teil des Schlusses wohl von vornherein nur im Überlieferungszweig des Codex Uniuersitatis Complutensis enthalten gewesen. Mit diesem zweiten Teil kam die Ergänzung der Zählung nach der Ära im ersten Teil dazu, wahrscheinlich spätestens im Complutensis aus einer Randnotiz in den Text.503 Die Entstehung des ersten Teils des Schlusses der Chronik des Johannes von Biclaro ist aufgrund der deutlichen Übereinstimmungen gemeinsam oder in der Nähe der Entstehung des Schlusses der Chronik des Victor von Tunnuna zu suchen, mindestens aber als abhängig von ihm zu betrachten. Dies würde auf eine Ursprünglichkeit oder auf eine frühe Hinzufügung beider mit Colliguntur beginnenden Schlussteile hindeuten – also entweder darauf, dass Johannes von Biclaro selbst diesen ersten Teil in Anlehnung an den Schlussteil der Chronik des Victor von Tunnuna an seine Chronik angefügt hat, oder aber, und dafür spricht nun v. a. die Angabe a natiuitate, zu der oben herausgearbeitet wurde, dass sie auf eine etwas spätere Zeit hinweist und auf einen spanischen Kontext, auf eine frühe Hinzufügung der Schlussteile beider Chroniken analog zur Hinzufügung der oben diskutierten Präskripte,504 in Anlehnung an den o. g. Schluss bei Prosper und bei Eusebius/Hieronymus, den anderen beiden Texten aus der ersten kleinen Sammlung.505 Offen bleibt damit zunächst die Frage, wie sich die Tatsache, dass der gesamte Schluss der Chronik des Johannes von Biclaro nur in einem Teil der Überlieferungstradition bezeugt ist, zu dieser These verhält. Der Soriensis ist nicht die einzige Handschrift, in der der Schussteil der Chronik des Johannes von Biclaro fehlt. Auch in Pa-orig (= Pa bei Cardelle de Hartmann: Apoklarer chronographischer Ordnung vgl. die kurze Bemerkung bei Cardelle de Hartmann, „Der mozarabische Blick“, 61–62. 503 Dafür spricht auch, wenn es mit dem Schluss der Chronik entstanden ist, das Incipit zur Epitome des Eusebius/Hieronymus (Item incipit breuiatio cronice Eusebii Iheronimi [s. o. S. 187–188]), welches eindeutig auf den Überlieferungsstrang des Complutensis hinweist, da darin auf die Chronik des Johannes von Biclaro anders als im Soriensis eben dieser Text folgt. Die Frage, warum ein Kompilator überhaupt den zweiten Schlussteil anfügte, kann hier nicht weiter geklärt werden. Hierzu wäre eine weitere Untersuchung der Zusammenstellung des Complutensis sinnvoll. Möglicherweise geschah dies, wenn das Incipit zur Chronik des Eusebius/Hieronymus gleichzeitig eingefügt wurde, im Zuge der Zusammenstellung des von Furtado herausgearbeiteten (großen) Liber chronicorum. 504 S. o. Kap. 3.4.3; vgl. die Formulierung von Díaz y Díaz, „La transmisión textual“, 60, zu den Präskripten: „Hay que deducir ciertamente que se trata de un clisé multiplicado por el copista de alguno de los códices intermedios entre estos autores y nosotros.“ Ein ebensolches „clisé multiplicado“ könnte angesichts ihrer Übereinstimmung für die Schlüsse der Chroniken vorliegen. 505 Auch in der Chronik des Johannes von Biclaro kommen ja solche Berechnungen zuvor nicht vor, mit Ausnahme der o. g. Passage in Chronicon 91 (s. o. S. 191–192 [Anm. 498]), in der Mauritius auch als princeps bezeichnet und die fast wörtlich im ersten Schlussteil aufgegriffen wird. Das kann auch auf eine spätere Hinzufügung deuten, die etwas vereinheitlichen will, auch wenn das kein zwingender Schluss ist.
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graph von Páez de Castro) ist er, anders als im Complutensis, nicht bezeugt, obwohl beide demselben Überlieferungsstrang angehören. Dazu schreibt Bautista: Cabría pensar, entonces, que este epílogo se hubiese insertado originalmente como una nota marginal al final de la crónica de Juan: tal nota se habria preservado, incorporada en el texto, en la rama correspondiente a M [= U], mientras que se habría perdido en la representada por Pa-orig.506
Für den Soriensis ist aber dasselbe Szenario vorstellbar: Wenn darin die chronologische Zusammenfassung als Randnotiz an den Text der Chronik angefügt worden war, ist es durchaus möglich, dass sie, als sich die Überlieferung in die zwei Hauptstränge teilte und im Soriensis die Chronica Byzantia-Arabica an die Chronik des Johannes von Biclaro angefügt wurde, in diesem Überlieferungsstrang verlorenging. Die Chronica Byzantia-Arabica wurde als Fortsetzung der Chronik des Johannes von Biclaro verfasst und schließt mit dem Tod Rekkareds an sie an.507 Für sie ist kein Präskript überliefert.508 Es ist damit denkbar, dass sie tatsächlich als direkter Anschluss an die Chronik des Johannes von Biclaro konzipiert wurde und der Schluss der Chronik des Johannes von Biclaro in diesem Prozess wegfiel. Umgekehrt ist dann auch denkbar, dass die chronologischen Zusammenfassungen am Ende der Chroniken von Johannes von Biclaro und von Victor von Tunnuna (und von Prosper?509) bei der Zusammenfügung der ersten kleinen Sammlung der Chroniken hinzukamen, in Angleichung an den Schluss bei Eusebius/Hieronymus. Damit aber würde der Schluss der Chronik des Victor von Tunnuna nicht von Victor von Tunnuna selbst stammen. Dass beide Schlüsse gleichzeitig hinzukamen, ist zwar nicht zwingend: Johannes von Biclaro könnte seinen Schluss an den der Chronik Victors angepasst haben. Die starke Übereinstimmung der Texte in Verbindung mit der auf Spanien weisenden Verwendung von a natiuitate lässt dies aber vermuten und somit auf eine etwas spätere Hinzufügung zum Text der Chronik schließen. Da auch die Präskripte etwas später hinzukamen, ist an denselben Kompilator zu denken, der die Chroniken von Eusebius/Hieronymus, Prosper, Victor und Johannes als
506 Bautista, „Páez de Castro“, 32: Pa-orig sei hier, übereinstimmend mit So, näher am Archetyp als der Complutensis. 507 Vgl. Bautista, „Páez de Castro“, 66; Furtado, „Reassessing Spanish Chronicle Writing“, 179. Vgl. Chronica Byzantia-Arabica 1 (309,1 Gil): Reccaredus moritur anno regni XV expleto. 508 Vgl. Mommsen, „Additamenta IV.V, Praefatio“, 324; vgl. auch Codex Kopenhagen, Arnamagnæanske Institut, Københavns Universitet, AM 833 4°, fol. 176r. 509 Der Schluss der Chronik Prospers wurde offensichtlich auch in den beiden Überlieferungszweigen der Chroniksammlung angepasst, s. o. Kap. 3.6.8; es ist gut möglich, dass dies ebenfalls im Zuge der Zusammenstellung dieser ersten Sammlung geschah. Ebenso möglich ist aber auch, dass er schon früher zu dieser Prosper-Version gehörte und die Anpassung der Chroniken von Victor und Johannes an Eusebius/Hieronymus und an Prosper erfolgte.
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Sammlung gestaltete, 602 oder kurz danach.510 Die handschriftliche Überlieferung dürfte in diesem Fall weniger stark zu gewichten sein als die in großen Teilen wörtliche Übereinstimmung der Texte in den beiden Chroniken von Victor und Johannes. Der ursprüngliche Text der Chronik Victors von Tunnuna hätte dann einfach mit einem Herrschaftswechsel cum tranquillitate populi maxima geendet.511 Dass die Schlüsse bei Victor und bei Johannes beide eine Differenz von zwei Jahren zu unserer heutigen Zeitrechnung haben, ist dann kein Zufall mehr: Bei Johannes von Biclaro werden in der Chronik 25 Jahre gezählt. Rechnet man diese Zahl zu den 567 Jahren aus der Angabe bei Victor von Tunnuna, Chronicon 175 dazu, kommt man auf 592 Jahre – genau diese Zahl wird bei Johannes von Biclaro im ersten Teil des Schlusses angegeben. Man kann also die Zahl 592 aus der bei Victor von Tunnuna angegebenen Zahl 567 in Verbindung mit den Jahresangaben bei Johannes erklären. Es bleibt die Frage nach der Herkunft der 567 Jahre bei Victor von Tunnuna. Hierzu könnte in anderer Hinsicht der Laterculus des Dionysius Exiguus herangezogen worden sein: Wie von Mommsen vermutet ist es denkbar, dass derjenige, der den Schluss an die Chronik des Victor von Tunnuna anfügte, die Datierung des Todes von Justinian in der 15. Indiktion aus Chronicon 172 aufgrund einer Benutzung des Laterculus des Dionysius Exiguus im Schluss der Chronik in das Jahr 567 nach Christi Geburt setzte.512 Die Zahl 567 könnte so als Umrechnung auf Grundlage des Osterzyklus des Dionysius erklärt werden, aber nicht aus der Chronik des Victor von Tunnuna selbst und ebenso wenig aus einem Vergleich mit Prosper. Sowohl am Anfang und am Schluss der Chronik sind also etwas spätere Hinzufügungen zum Text der Chronik anzunehmen, Präskript und Schlussparagraph, mit der die
510 Dies könnte freilich auch Johannes von Biclaro selbst oder eine Person aus seinem Umfeld sein, s. o. S. 135. Sollte der ursprüngliche Schluss der Chronik des Johannes von Biclaro aber doch in Chronicon 91 liegen (s. o. S. 191–192 [Anm. 498]), wäre zumindest an die Redaktion von 602 zu denken. Mit der Annahme eines (frühen) sekundären Schlusses läge dann auch Poole, der den Schluss der Chronik des Victor von Tunnuna ja auf eine andere Quelle zurückführen wollte (s. o. S. 178), nicht ganz falsch. 511 Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 108*, die betont, dass dieser Herrschaftswechsel von Victor als Ende der Chronik gewählt worden sein kann. Zum besonderen Charakter der Einführung Justins II. in Chronicon 174 s. u. Kap. 5.8. Dass eine spätantike Chronik keinen dezidierten Schluss, sondern ein offenes Ende hat, ist nicht ungewöhnlich; vgl. auch Burgess/Kulikowski, Mosaics of Time, 28. Dies ist dann auch der Grund für die vielfältigen Fortsetzungen der Chroniken, vgl. Cardelle de Hartmann, „Historie und Chronographie“, 123. Cardelle de Hartmann deutet den Umstand, dass die Chroniken keinen richtigen Schluss haben, auch theologisch: „Erst die Parusie wird die Geschichte zum Abschluss bringen und ihr Sinn geben können“ (ebd., 117–118). Als Chroniken mit überlegtem Abschluss weist sie allerdings auf die Chroniken von Johannes von Biclaro und Cassiodor hin (ebd., 118–119). 512 Zu dieser ungewöhnlichen Datierung des Todes Justinians selbst s. u. S. 201–202. Es besteht auch die Möglichkeit, dass Victor von Tunnuna die Datierung in die 15. Indiktion aus einer Quelle in Konstantinopel bekannt war, vgl. ebf. u. S. 202.
Der ursprüngliche Umfang der Chronik 2: Die Chronik und ihr Schluss
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Chronik in eine erste kleine Sammlung von Chroniken eingefügt wurde. Dadurch entstand ein größerer Textcorpus von Chroniken bzw. chronographischen Texten, von dessen Geschichte die Chronik des Victor von Tunnuna ein Teil wurde. Ihr Text wurde fast von Anfang an mit anderen Texten verbunden und innerhalb dieser Überlieferungsgeschichte weitergegeben. Eine eingehendere Untersuchung der Handschriften, v. a. des zur Verfügung stehenden Codex Uniuersitatis Complutensis zur Erhellung der Geschichte der folgenden Sammlungen ist ein Desiderat. Die vorliegende Arbeit aber widmet sich der Chronik des Victor von Tunnuna, und so wird nun der Frage nachgegangen, welche Geschichte insbesondere des Drei-Kapitel-Streites, in dessen Kontext der historische Ort der Chronik zu suchen ist, die Chronik erzählt.
4. Zum Gerüst der erzählten Geschichte In den nun folgenden Kapiteln kommt die zweite Geschichte der Chronik des Victor von Tunnuna in den Blick: Die Geschichte, die die Chronik erzählt. Diese Geschichte ist, wie oben schon erläutert, eine Geschichte des Drei-Kapitel-Streites in einem bestimmten Kontext, Nordafrika. Diese erzählte Geschichte steht in der Chronik in einem formalen Rahmen, der hier als ihr „Gerüst“ bezeichnet wird. Einerseits gehört dazu die Chronologie der Chronik, d. h. die Zählung der Jahre und die Datierungen innerhalb der Jahre in der Chronik (Kap. 4.1). Andererseits sind es die in der Chronik angeführten Abfolgen der Herrscher, d. h. der römischen Kaiser und der vanda lischen Könige sowie die Abfolgen der Patriarchen und Bischöfe, die der Chronik eine nachvollziehbare Struktur geben (Kap. 4.2). In dieses Gerüst der Chronik wird ihre erzählte Geschichte eingeschrieben. Dieses Gerüst wird daher im folgenden Kapitel 4 untersucht, ehe sich Kapitel 5 der erzählten Geschichte selbst widmet. 4.1 Die Chronologie der Chronik Eine Chronik ist nicht nur Chronologie – dennoch sind Chroniken dadurch charakterisiert, dass die in ihnen erzählte Geschichte in ein chronologisches „Gerüst“ eingeschrieben ist: In eine bestimmte Art der Zählung der Jahre. In der Chronik des Victor von Tunnuna finden sich außerdem innerhalb dieses Gerüstes weitere chronologische Elemente, nämlich Datierungen innerhalb der angegebenen Jahre. Diese beiden Aspekte sollen im Folgenden untersucht werden.
Die Chronologie der Chronik
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4.1.1 Die Zählung der Jahre Grundsätzlich folgt die Chronik des Victor von Tunnuna1 wie die Chronik des Prosper Tiro von Aquitanien einer Chronologie von Konsulaten.2 Das bedeutet, dass am Anfang eines neuen Jahres jeweils in einem Ablativus temporis die Konsuln genannt sind.3 Diese Form der Chronologie ist die für die Chronik grundlegende. Für die Jahre 444–457 und 501–563 verwendet Victor die westliche Form der Konsulzählung, für die Jahre 458–500 die östliche, wobei es jeweils Ausnahmen gibt.4 Wahrscheinlich greift Victor von Tunnuna hier auf Konsullisten zurück, die sich allerdings nicht näher bestimmen lassen.5 Die Zählung der Jahre nach der Passion Christi, die Prosper nach dem Tod Jesu zusammen mit der Chronologie der Konsulate bietet, findet sich bei Victor von Tunnuna nicht.6 Victor schreibt seine Chronik in einer Zeit, in der die Institution „Konsulat“ verschwindet: Das Konsulat des Basilius im Jahr 541 (vgl. Chronicon 128) war das letzte reguläre Konsulat.7 Victor von Tunnuna versucht zunächst, das System der Zählung nach Konsulaten dennoch aufrechtzuerhalten, indem er die Jahre nach dem Konsulat von Basilius zählt (bis 23 Jahre danach). Dann geht er dazu über, ab dem 38. Jahr der Regierung Justi-
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Der Schlussparagraph Chronicon 175 ist in diesem Kapitel ausgenommen, zu ihm s. ausführlich o. Kap. 3.6. Vgl. dazu die Konsulliste von Mommsen („Index V. Consules“, 497–551 [531–548 für die Jahre 444– 566]). Vgl. z. B. Victor von Tunnuna, Chronicon 3 (3,7–9 Cardelle de Hartmann): Callipio et Ardabure consulibus, Eutices […] paruit. / „Als Callipius und Ardabur Konsuln waren, erschien Eutyches […].“ Vgl. Placanica, „Introduzione“, XXVIII in Bezug auf Mommsen, „Praefatio“, 180. Die bei Mommsen genannten Ausnahmen sind Chronicon 23; 28; 29; Placanica nennt darüber hinaus Chronicon 109a und 118. Mit westlicher bzw. östlicher Form ist die jeweils unterschiedliche Reihenfolge in der namentlichen Nennung der Konsuln gemeint; vgl. die entsprechenden Angaben in dem genannten „Index V. Consules“ bei Mommsen. S. o. Kap. 3.3. Zur hohen Bedeutung der Zählung nach Konsuln für die Rezeption von Prospers Chronik im Westen vgl. Kötter, „Einleitung“, 16; vgl. zu diesem System der Jahreszählung auch Burgess/Kulikowski, Mosaics of Time, 133–137. Vgl. Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 390–391 (410 Mommsen): Incipit adnotatio consulum a passione domini nostri Iesu Christi cum historia. / I. Fufio Gemino et Rubellio Gemino consulibus. / „Es beginnt die Aufzeichnung der Konsuln mit der Geschichte von der Passion unseres Herrn Jesus Christus. / 1. Jahr. Als Fufius Geminus und Rubellius Geminus Konsuln waren.“ Vgl. Noethlichs, „Iustinianus (Kaiser)“, 174; Meier, „Das Ende des Konsulats“, 250: In der Zeit danach erscheint der Kaiser – etwa im Jahr 566 Justin II. – im ersten Jahr seiner Regierung als Konsul. Die Gründe für das Ende des Konsulats sind umstritten, auffällig ist jedenfalls, dass das Jahr 541/542 in eine Zeit des Umbruchs fällt, in der christliche Symbolik in vielen Lebensbereichen altrömische Traditionen zurückdrängt; vgl. dazu Meier, „Das Ende des Konsulats“, hier 271: „Im Römischen Reich, wie wir es seit den frühen 40er Jahren des 6. Jahrhunderts greifen können, gab es für diese Institution keinen Raum mehr.“
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nians die Jahre der Herrschaft von Kaiser Justinian zu zählen (vgl. Chronicon 167).8 Das System der Zählung nach den Regierungsjahren des Kaisers findet sich dann auch bei Johannes von Biclaro.9 Der Tod des Justinian wird bei Victor von Tunnuna zusätzlich nach der Indiktion angegeben.10 Dass Datierungen hinfort zuerst nach dem Regierungsjahr des jeweiligen Kaisers vorzunehmen seien, hatte Justinian 537 für schriftliche Dokumente (Verträge und Denkschriften: in documentis bzw. griech. ΕΝ ΤΟΙΣ ΣΥΜΒΟΛΑΙΟΙΣ ΚΑΙ ΥΠΟΜΝΗΜΑΣΙ)11 selbst verfügt. Er verfolgte damit wohl das Ziel einer Stabilisierung gegenüber solchen sich durch die unterschiedlichen Datierungen auch in der Chronik des Victor von Tunnuna zeigenden chronologischen Unsicherheiten.12 Präzisierend wird in Novelle 47,1 bestimmt, dass neben dieser Angabe der Name des jeweiligen Konsuls einzufügen sei, dann die Indiktion, der Monat und der Tag.13 Den Beginn des Regierungsjahres präzisierte Justinian dann auf den 1. April.14 Es kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob Victor von Tunnuna vor dem Hinter-
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Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 109*. Zur Zählung nach Konsulaten von Anfang des überlieferten Textes an vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 1 (3,3 Cardelle de Hartmann): Igitur Theodosio XVIII et Albino consulibus. Zur Zählung der Jahre nach dem Konsulat des Basilius vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 128–166. Zur Zählung nach den Jahren der Herrschaft von Justinian vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 167–172. Bei Johannes von Biclaro vgl. etwa Chronicon 7 (61,43 Cardelle de Hartmann): Anno III Iustini imperatoris […]. Ab Chronicon 11 zählt Johannes von Biclaro dann doppelt, nach den (oströmischen) Kaiserjahren und nach den Regierungsjahren der westgotischen Könige. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 172; s. o. S. 177. S. auch weiter u. S. 202. So im Titel von Nouellae Iustiniani 47 (283,3–4 bzw. 4–5 Schöll/Kroll). Vgl. dann auch Nouellae Iustiniani 47,1, praefatio (284,8–13 Schöll/Kroll): […] hoc modo incipere in documentis [griech. τῶν συμβολαίων]: Imperii illius sacratissimi Augusti et imperatoris anno toto. […] Sic enim per omnia tempus seruabitur (οὕτω γὰρ ἄν διὰ πάντων ὁ χρόνος τηροῖτο). Vgl. Meier, Das andere Zeitalter, 182. Fichtenau, „‚Politische‘ Datierungen“, 203, sieht in den Datierungen nach dem Kaiser v. a. monarchische Propaganda, vgl. ebd., 204: „Die Datierung nach dem Kaiser verkündete dessen absolute Herrschaft über das Reich.“ Burgess/Kulikowski, Mosaics of Time, 137 führen den Gebrauch von Regierungsjahren in Chroniken aus dem vierten/fünften Jahrhundert anders auf die Chronici canones von Eusebius/Hieronymus zurück. Nouellae Iustiniani 47,1, praefatio (284,9–15 Schöll/Kroll): Βασιλείας τοῦδε τοῦ θειοτάτου Αὐγούστου αὐτοκράτορος ἔτους τοσοῦδε, καὶ μετ’ ἐκεῖνα ἐπιφέρειν τὴν τοῦ ὑπάτου προσηγορίαν τοῦ κατ’ ἐκεῖνου τὸ ἔτος ὄντος, καὶ τρίτην τὴν ἐπινέμησιν, παρεπομένου τοῦ μηνὸς καὶ τῆς ἡμέρας. / Imperii illius sacratissimi Augusti et imperatoris anno toto, et post illa inferre consulis appellationem qui illo anno est, et tertio loco indictionem, mensem et diem. Die Datierungen der Novellen selbst entsprechen diesem Schema allerdings oft nicht, v. a. die Indiktionsjahrdatierung fehlt häufig, vgl. Harweg, Zeit, 156– 159. Die Novelle weist jedenfalls darauf hin, dass die Datierung nach Konsuln beibehalten werden sollte, vgl. Meier, „Das Ende des Konsulats“, 251–252. Nouellae Iustiniani 47,1,1 (284,35–285,4 Schöll/Kroll): Palam namque est quia nunc quidem annum undecimum nostri scribunt imperii, incohante uero Aprile mense et prima die (ἀρχομένου δὲ τοῦ Ἀπριλλίου μηνὸς κατὰ τὴν πρώτην ἡμέραν), in qua nos deus Romanorum superposuit rebus, duodecimum annum scribent. Vgl. Placanica, „Introduzione“, XXIX (mit Anm. 1). Diese Angabe gleicht übrigens der bei Victor von Tunnuna, Chronicon 99 genannten (im Rahmen des römischen Kalenders ungewöhnlichen) Angabe zum 5. April, s. u. Kap. 4.1.2.2.
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grund dieser Novelle, die eben Bestimmungen für documenta oder συμβόλαια enthält,15 zur Zählweise nach den Jahren des Kaisers wechselt, wenngleich es plausibel erscheint, zumal – wie sich weiter unten zeigen wird – anzunehmen ist, dass Victor von Tunnuna mit der Zählung nach den Kaiserjahren die Jahre wie von Justinian angeordnet mit dem 1. April beginnen lässt. Warum Victor genau im genannten Jahr, also dem 38. Jahr der Regierung Justinians, seine Zählweise wechselt, kann nicht geklärt werden.16 Chronologische Schwierigkeiten bereiten die Angaben Victors von Tunnuna zu Justinian und dessen Todesjahr: Victor zählt die Jahre 37–40 der Regierungszeit des Kaisers17 und notiert den Tod Justinians für dessen 40. Regierungsjahr.18 Dies entspricht den vorherigen Angaben der Chronik: Zählt man die einzelnen Jahresabschnitte der Chronik für die Regierungszeit Justinians nach, kommt man auf die von Victor genannten 40 Jahre.19 Je nach Zählung – also ob man das Kalenderjahr seines Regierungsantritts zu seiner Herrschaft oder zu der seines Vorgängers rechnet – starb Justinian aber im 38. oder im 39. Jahr seiner Regierung. Die meisten der sonst bekannten Quellen geben eine Dauer von 38 Jahren, 7 Monaten und 13 Tagen für die Regierungszeit Justinians an.20 Die Schwierigkeiten in und mit der Chronologie Victors veranlassten Theodor Mommsen dazu, anzunehmen, dass ein (Kalender-) Jahr zwei Mal gezählt wurde, nämlich das 23. Jahr nach dem Konsulat des Basilius und das 37. der Regierung Justinians.21 Antonio Placanica hingegen geht davon aus, dass Victor nach dem Wechsel in der Zählung (von konsularisch zu kaiserlich) die Jahre mit dem 1. April beginnen lässt, also mit dem von Justinian angeordneten Datum als Beginn des Regierungsjahres, so dass er einmal das Jahr 563 als 23. Jahr nach dem Konsulat von Basilius zählt und einmal das Jahr 563/564 als 37. Jahr der Herrschaft Justinians.22 Carmen Cardelle de Hartmann
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Fichtenau, „‚Politische‘ Datierungen“, 205, weist darauf hin, dass auch die päpstliche Kanzlei seit 547 (Zeit des Aufenthaltes von Papst Vigilius in Konstantinopel) nach Kaiserjahren datierte. 16 Vgl. Harweg, Zeit, 161. 17 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 167; 169; 170; 172. 18 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 172 (54,986 Cardelle de Hartmann): Quadragesimo imperii sui anno; s. o. S. 177. Vgl. Chronicon 111 (36,612–613 Cardelle de Hartmann): Romanorum LII Iustinianus regnat annis XXXIX mensibus VII. / „Der 52. Kaiser der Römer, Justinian, regierte 39 Jahre und 7 Monate.“ 19 Umgerechnet auf die heutige Zeitrechnung kommt man damit für den Tod Justinians auf das Jahr 566/567; vgl. bei Cardelle de Hartmann die Marginalie zu Chronicon 172; vgl. auch in der Ausgabe von Mommsen, 206 („567?“). 20 Johannes Malalas, Chronographia 18,1 (354,5 Thurn); Theophanes, Chronographia a. m. 6057 (241,3–4 de Boor), oder wie etwa Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 4,41 (192,3–3 Bidez/ Parmentier) gerundet auf 38 Jahre und 8 Monate. Vgl. Placanica, „Note“, 107 (ad a. 527,2); vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 109*. Vgl. auch Mommsen, „Das Römisch-Germanische Herrscherjahr“, 60. 21 „Consularisch wie kaiserlich“, Mommsen, „Das Römisch-Germanische Herrscherjahr“, 60 (Anm. 2). Vgl. Mommsen, „Praefatio“, 180. 22 Vgl. Placanica, „Introduzione“, XXVIII–XXIX.
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Zum Gerüst der erzählten Geschichte
schließt sich dem an23: Auf dieser Basis, wenn man die Jahre also von April aus zählt, kommt man mit der Angabe von Chronicon 111 (39 Jahre und 7 Monate Regierungszeit Justinians) für den Tod von Justinian zwar auf ein falsches Jahr (nach unserer Zeitrechnung auf 566 statt auf das tatsächliche Todesjahr 565), aber auf den richtigen Monat (November).24 Dieser Fehler ist jedenfalls leichter zu erklären als einer, der Monate und Jahre umfasst. Die Annahme von Placanica erscheint somit plausibel. Woher der Fehler in der Angabe der Regierungszeit kommt, bleibt freilich unklar.25 Die oben bereits genannte Datierung des Todes Justinians nach der Indiktion (Chronicon 172) ist die einzige Datierung nach dieser Form in der Chronik. Die Zählung nach Indiktionen26 war v. a. im Osten des Reiches verbreitet und setzte sich dort im sechsten Jahrhundert zunehmend „als zentrales Datierungselement“ durch.27 Die Datierung des Todes Justinians nach der Indiktion ist selten: Ohne die Angabe der Indiktion findet sich die Datierung des Todes Justinians etwa bei Marius von Avenches, Chronica a. 566; Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 4,41; Johannes von Ephesus, Historia ecclesiastica 3,5,13. Theophanes, Chronographia a. m. 6057, nennt (korrekt) die 14. Indiktion; Chronicon paschale 566 gibt nach der Nennung der 14. Indiktion als Datum des Todes Justinians die 15. Indiktion an. Die Angabe bei Johannes von Biclaro, Chronicon 1 entspricht der Angabe Victors von Tunnuna. Oben wurde vermutet, dass durch die Angabe der Indiktion ein Zusammenhang zum Osterzyklus des Dionysius Exiguus bestehen könnte28 – wenn man aber davon ausgeht, dass die Angabe von Victor von Tunnuna selbst stammt und nicht von demjenigen, der den Schluss der Chronik angefügt hat, ist auch denkbar, dass Victor von Tunnuna die Information zum Tod Justinians in der 15. Indiktion in Konstantinopel erhielt, da das Chronicon paschale von
Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 109*; vgl. auch die Marginalien zu Chronicon 165 und 166. Dass die Chronik Victors von Tunnuna in den letzten Abschnitten (unabhängig vom Schlussparagraphen) am Ende also nur ein Jahr von unserer Zeitrechnung abweicht (anders als Prosper, der zwei Jahre abweicht), ist wohl ein durch die Hinzufügung von einem Jahr zur Regierungszeit Justinians bedingter Zufall, vgl. Placanica, „Note“, 133 (ad epilogus). 25 Cardelle de Hartmann versucht, die Frage nach dem Warum dieser Zählung zu lösen, indem sie den Fehler in der Berechnung des Todesjahres bzw. der Regierungsdauer Justinians auf das von ihr vermutete Alter Victors bei der Abfassung seiner Chronik zurückführt – genauer gesagt, auf altersbedingte Gedächtnisprobleme, vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 108* (vgl. auch ebd., 102*): „Podemos muy bien conjeturar que Víctor escribió su crónica unos años después del último año narrado y que su equivocación en la datación de la muerte del emperador se debe a un fallo en la memoria a corto plazo de un hombre ya anciano“. Sie betont allerdings: „Nos movemos en el terreno de la conjetura“. 26 Bei den Indiktionen handelt es sich um fünfzehnjährige Steuerzyklen (seit Diokletian bzw. dem frühen vierten Jahrhundert), innerhalb derer die einzelnen Jahre durchgezählt wurden (15. Indiktion = letztes Jahr eines Indiktionsintervalls), und die bald für Datierungen verwendet wurden; der erste Beleg in einem Gesetz in Codex Theodosianus 12,12,2. Vgl. Meier, Das andere Zeitalter, 474, vgl. ebd., Anm. 231 zu Angaben zur Diskussion um den Ursprung der Indiktionen. 27 Meier, Das andere Zeitalter, 465. 28 S. o. Kap. 3.6.6. 23 24
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dort stammt. Möglicherweise zeigt sich in Chronicon 172 auch in der Kombination der Datierung nach Herrscherjahren und Indiktion der Einfluss der o. g. Novelle 47.29 Anzumerken ist an dieser Stelle noch, dass sich (aus heutiger Sicht) in der Chronologie der Chronik zahlreiche Datierungsfehler bzw. Ungenauigkeiten finden. Es fehlen bspw. einige Jahre bei der Angabe der Konsuln ( Jahre 452; 472; 478; 481; 493; 503; 526).30 Uneinheitlich bzw. nicht korrekt sind auch Victors Angaben bezüglich der Regierungszeit der vandalischen Könige (insbesondere von Geiserich) und der Dauer der Vandalenherrschaft.31 4.1.2 Datierungen innerhalb der Jahre Zur Chronologie der Chronik gehören auch Angaben zur Datierung innerhalb eines Jahres. Diese Angaben sind in der Chronik des Victor von Tunnuna selten. Sie deshalb als eigenes „Gerüst“ für den Text der Chronik zu bezeichnen, wäre verfehlt. Sie präzisieren aber das eben dargestellte Gerüst der Jahreszählung. Einerseits soll sich in den gebotenen Daten sicher die über die einzelnen Jahre hinausgehende Kenntnis der Chronologie zeigen: Bestimmte Ereignisse werden genau innerhalb eines Jahres veror-
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Inwiefern die genannte Novelle freilich für die Durchsetzung der Zählung nach Indiktionen bedeutsam ist, ist nicht unumstritten. Fichtenau, „‚Politische Datierungen‘“, 197–198 (Anm. 59), spricht von einem „Mitschleppen der Indiktion bzw. der Postkonsulatsjahre“ durch die Novelle; Harweg, Zeit, 157, weist darauf hin, dass es Indiktionsjahrangaben in Datierungen in Novellen bereits vor Nouellae 47 gegeben habe; Steinacher, Die Vandalen, 124, betont, dass der 15-jährige Zyklus der Indiktionszählung „von Justinian 537 in seiner Novelle zwingend festgelegt“ wurde. Meier, Das andere Zeitalter, 474, sieht die Novelle innerhalb einer Entwicklung: „Demgegenüber hatten die Indiktionen schon in den Jahren zuvor merklich an Bedeutung für die Chronologie gewonnen und mußten nunmehr noch deutlicher in den Vordergrund treten.“ Er setzt diese Entwicklung dann in Zusammenhang mit seiner These der Krisen/Katastrophen im Reich und den damaligen Entwicklungen als Antworten auf die deshalb herrschenden Unsicherheiten: „Möglicherweise reflektiert die Abwendung von dem Versuch, zu absoluten Fixdaten zu gelangen, und ihr Ersatz durch die frei im zeitlichen Kontinuum schwebenden Indiktionen ein verbreitetes Bewußtsein des Verlorenseins innerhalb einer in keine Richtung mehr kalkulierbaren Weltzeit, die ihr Telos verloren hatte.“ Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 107*. Vgl. Placanica, „Introduzione“, XXX–XXXI; vgl. auch insgesamt die Angaben in den „Note“ von Placanica bei den entsprechenden Jahren. Im Einzelnen s. dazu u. Kap. 5.5. Zum Teil verwirrend sind die von Mommsen, Placanica und Cardelle de Hartmann jeweils als Marginalien eingefügten, allerdings nicht näher explizierten Jahreszahlen in der Chronik. Sie gehen wohl zunächst – rückwärts gezählt – von der Schlussberechnung (Chronicon 175) aus und werden dann der Berechnung nach dem Konsulat des Basilius angepasst (das Jahr 563 ist zwei Mal vermerkt: 563 für Chronicon 165; 563/64 für Chronicon 167). Damit wird der Tod Justinians analog zur Zählung Victors etwa für das Jahr 566/7 angegeben, was für heutige Leserinnen und Leser zwar eine Orientierungshilfe darstellt, absolut (nach heutiger Berechnung) aber nicht korrekt ist. Die Randzählung berücksichtigt auch nicht die Datierungsfehler in der Chronik. Dies muss bei der Lektüre der Chronik bedacht werden.
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tet. Da diese genauen Datierungen aber innerhalb der Chronik nur vereinzelt zu finden sind, ist andererseits zu fragen, ob sie, wenn sie verwendet werden, darüber hinaus eine besondere Funktion einnehmen. Nach einem kurzen Überblick zu den Tagesdatierungen in der Chronik werden diese hier daher dahingehend untersucht. 4.1.2.1 Tagesdatierungen in der Chronik: Ein kurzer Überblick Die erste Tagesdatierung in der Chronik betrifft die Versammlung des Konzils von Chalcedon, die auf den 8. Tag vor den Kalenden des Oktober datiert wird (VIII kalendas octobris […] sinodus generalis Calcidona colligitur).32 Eine weitere Datierung wenig später ist die Übernahme der Herrschaft durch den weströmischen Kaiser Flavius Libius Severus als Nachfolger von Maiorianus an den Nonen des Juli (07. Juli).33 Die weiteren Datierungen in der Chronik beziehen sich durchgehend auf Todestage: Die Ermordung des Proterius geschieht VI kalendarum aprilium VI feria ultime ieiuniorum ebdomade, die qua noster Saluator et Dominus a Iudaeis est cruxifixus.34 Hier wird das genaue Datum noch näher spezifiziert, einerseits als Wochentag und andererseits religiös: Der Wochentag ist der Freitag, und zwar der Freitag der letzten Woche des Fastens, also Karfreitag. Von Laetus, dem Bischof von Nepte, wird berichtet, er wurde VIII kalendarum octobrium die Märtyrer (gloriose martirio coronatur).35 Im selben Satz wird gleich im Anschluss notiert, dass Eugenius, der Bischof der Kirche von Karthago, nach den schrecklichen Exilen (in) der Wüste mit vielen Leiden und Strafen berühmt wurde.36 Dies kann sich also auf dasselbe Datum beziehen, auch wenn dies kein zwingender Schluss ist.37 Datiert werden ferner der Tod von Timotheus, Bischof von Konstantinopel, auf den 5. April38 sowie der Tod des Reparatus von Karthago die
Victor von Tunnuna, Chronicon 10 (5,55–6,58 Cardelle de Hartmann). Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 27 (10,147–148 Cardelle de Hartmann): Maiorianus Rome occidit et Seuerus imperium nonis Iuliis sumit. / „Maiorianus starb in Rom und Severus übernahm die Herrschaft an den Nonen des Juli.“ Dieses Datum stimmt wahrscheinlich nicht, vgl. Placanica, „Note“, 75 (ad a. 458); Henning, Periclitans res publica, 40–41. 34 Victor von Tunnuna, Chronicon 19 (8,113–115 Cardelle de Hartmann): „[…] am 6. Tag vor den Kalenden des April [= 27. März], am Freitag der letzten Woche des Fastens, am Tag an dem unser Retter und Herr von den Juden gekreuzigt wurde“. Die Chronik fährt erläuternd mit einem weiteren Datum fort (8,116–9,117 Cardelle de Hartmann): Tunc enim Pascha dominicum quarto est kalendarum aprilium celebratum. / „Damals nämlich wurde der Ostersonntag gefeiert am vierten Tag vor den Kalenden des April [= 29. März].“ 35 Victor von Tunnuna, Chronicon 50 (16,251–252 Cardelle de Hartmann). Zum Tod des Laetus als „guter Tod“ s. u. Kap. 5.5.2. 36 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 50 (16,252–254 Cardelle de Hartmann): et Eugenius episcopus Cartaginensis ecclesie post dira heremi exilia plurimis afflictionibus penisque clarus habetur. 37 Das clarus habetur kann sich auch ausschließlich auf das den Satz eröffnende nicht spezifische tunc beziehen. 38 Victor von Tunnuna, Chronicon 99 (32,544 Cardelle de Hartmann): quinta die aprilis mensis. 32 33
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VII idus ianuarias39. Theodor von Cebarsussa stirbt eo mense et die quo Iustinianus moritur40. Eine Ausnahme ist die Angabe zum Tod des Johannes (Troglita) und des Stotzas: Es wird notiert, dass sie sterben am Tag des Herrn, an dem sie gekämpft hatten: Qui confestim alter utro utrique gladio occiderunt et dominico die quo pugna facta est moriuntur.41 Hier wird also der Wochentag, Sonntag, nicht aber das genaue Datum genannt. Dass damit eine Aussage über eine Präzisierung hinaus getroffen werden soll, ist nicht ersichtlich.42 Auffällig ist die Angabe dennoch, weil sie sich in anderen Quellen nicht findet.43 4.1.2.2 Der Tod des Timotheus von Konstantinopel am 5. April (Chronicon 99) Formal auffällig ist die Datierung des Todes von Timotheus, Bischof von Konstantinopel, quinta die aprilis mensis (Chronicon 99). Auch diese Datierung ist wohl schlicht eine Präzisierung. Victor von Tunnuna benutzt hier allerdings ausnahmsweise ein anderes kalendarisches Schema als das traditionelle römische.44 Normalerweise wird angenommen, dass die Datierungsform nach dem numerischen Monatstag im Westen erst seit dem Frühmittelalter auftritt; die Chronik Victors dürfte also eines der frühen (lateinischen) literarischen Zeugnisse dafür sein.45 Aufgrund der Tatsache, dass Victor
39 40 41 42 43
44 45
Victor von Tunnuna, Chronicon 165 (53,956–957 Cardelle de Hartmann). Victor von Tunnuna, Chronicon 173 (54,989–990 Cardelle de Hartmann). Zur Datierung des Todes Justinians in der 15. Indiktion s. o. S. 202. Victor von Tunnuna, Chronicon 134 (45,799–800 Cardelle de Hartmann): „Die töteten sich beide sogleich gegenseitig mit dem Schwert, und sie starben an dem Sonntag, an dem der Kampf gemacht wurde.“ Sie wird daher in diesem Kapitel nicht separat untersucht; vgl. zu Chronicon 134 aber u. in Kap. 5.6.6. Vgl. Marcellinus Comes, Chronicon a. 545,2; Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 2,24,10–11; Coripp, Iohannis 4,168–221. Auch die Darstellung der Todesumstände weicht in diesen Quellen von Victor von Tunnuna ab: Johannes tötet erst Stotzas, wird dann aber kurz darauf selbst von Feinden bzw. von einem Bewaffneten aus Stotzas Anhängern getötet. Der hier gemeinte Kampf zwischen Johannes Troglita und dem Anführer der Aufständischen Stotzas fand im August oder September 545 statt; vgl. Placanica, „Note“, 121–122 (ad a. 545). Vgl. Placanica, „Note“, 103 (ad a. 517,2). Vgl. Rüpke, „Kalender“; ähnlich von den Brincken, Historische Chronologie, 53; Placanica, „Note“, 103 (ad a. 517,2) weist als weitere Beispiele hin auf Cassiodor-Epiphanius, Histora ecclesiastica tripartita 3,12,10 (155,37 Jacob/Hanslik): […] uicesima secunda mensis Mai […]; sowie ACO 4,1 (27,20–23 Straub): Et primo die instantis Maii mensis […]. Es gibt auch relativ frühe epigraphische Belege, vgl. Ferrua, „Il giorno del mese“, in Auseinandersetzung mit den Belegen bei Diehl, Inscriptiones Latinae Christianae veteres 3. Indices, 310. In Africa fänden sich Inschriften mit solchen Datierungen allerdings erst seit dem Ende des sechsten Jahrhunderts, vgl. Ferrua, „Il giorno del mese“, 66 (Anm. 11). Ferrua (66) verweist auf die erstmalige Benutzung dieses von ihm „modern“ genannten Stiles im Liber pontificalis bei Gregor dem Großen und seinem Nachfolger Sabinianus (Liber pontificalis 66,5 und 67,1); danach würde der moderne Stil sich mit dem römischen abwechseln: „E questa sembra indicare esattamente l’evoluzione storica della data del mese per tutto l’Occidente latino“. Besonders früh zeige sich der „moderne Stil“ in Sizilien (vgl. 71–72). Ferrua kommt
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von Tunnuna seine Chronik in Konstantinopel schrieb, sind östliche Einflüsse denkbar: In Chroniken aus dem Osten findet sich diese Datierung zu dieser Zeit schon. So datiert die Chronik des Johannes Malalas46 an verschiedenen Stellen nach numerischen Monatstagen.47 Auch später im Chronicon paschale (ca. 630) finden sich wiederholt Angaben nach diesem Schema – seltener vor Justinian, häufiger nach Justinian, so etwa auch zum Tod Justinians.48 Die o. g. Nouella 47, die allerdings selbst nach dem römischen Schema datiert wird,49 setzt den Beginn des Kaiserjahres auf den „ersten Tag des Monats April“,50 den Tag, den die beiden genannten griechischen Chroniken als Tag des Regierungsantritts Justinians angeben. Ist die Angabe „der erste Tag des Monats April“ in der Novelle selbst keine Datumsangabe im eigentlichen Sinn – auch die Kalenden des April sind ja dennoch einfach der erste Tage des Monats April –, wird sie aber in den Chroniken so gebraucht. Die Datierung in Chronicon 99 ist die einzige in der Chronik nach dem Schema der numerischen Monatstage. Unklar bleibt, warum Victor an dieser Stelle diese Datierungsform wählt und auf welcher Grundlage er das konkrete Datum nennt. Die Epitome des Theodoros Anagnostes etwa gibt für den Tod des Timotheus keine genauere Datierung an.51 Der fünfte April lässt sich auch nicht schlüssig auf ein anderes Ereignis beziehen, das an diesem Datum stattfand.52 zu dem Schluss, dass es seit dem fünften Jahrhundert die Tendenz gegeben habe, das traditionelle System der Kalenden, Nonen und Iden zu vereinfachen (74) – „ma la causa ultima del cambiamento verificatosi in Sicilia e poi altrove ci sfugge“ (75). 46 Zu datieren in das sechste Jahrhundert, der zweite Teil, der wohl mit dem Tod Justinians endete, konzentriert sich auf Konstantinopel; vgl. Thurn, „Einleitung“, 2*– 3*; vgl. Thurn/Meier, Johannes Malalas, Weltchronik, 535. 47 Vgl. bspw. Johannes Malalas, Chronographia 10,1.14 (verschiedene numerische Monatsdatierungen zu Passion und Auferstehung Christi); 13,2 (Beginn der Herrschaft des Julian Apostata); 17,1 (Regierungsantritt von Justin I.); 18,1 (Regierungsantritt Justinians [354,5–6 Thurn; Übers. 439 Thurn/Meier]): ἐν μηνὶ ξανθικῷ τουτέστι ἀπριλλίῳ πρώτῃ ἰνδικτιῶνι πέμπτῃ / „im Monat Xanthikos-April, am ersten, in der fünften Indiktion“. 48 Vgl. Chronicon paschale 566 (688,1 Dindorf; Übers. 137 Whitby/Whitby): τῇ ιδʹ τοῦ νοεμβρίου μηνὸς / „on the 14th of the month November“. Vgl. bspw. auch Chronicon paschale 360 (hier umgerechnet aus dem römischen System); 527 (Regierungsantritt Justinians am 1. April [617,14–15 Dindorf; Übers. 108 Whitby/Whitby]: τουτέστιν ἀπὸ μηνὸς ξανθικοῦ, κατὰ Ῥωμαίους ἀπριλίου αʹ. Ἰνδ. εʹ. / „that is from the month Xanthicus, April 1st according to the Romans, indiction 5“); vgl. auch Chronicon paschale 562; 582; 602 u. ö. 49 Vgl. Nouellae Iustiniani 47, epilogus (285,34–36 Schöll/Kroll; Übers. Harweg, Zeit, 155): Dat. Prid. K. Sept. imp. Dn. Iustiniani pp. Aug. anno XI. post cons. Belisarii v. c. anno II. / „Gegeben am Tag vor den Kalenden des September ‚in Konstantinopel‘ im 11. Jahre der Herrschaft unseres Herrn Justinian, für immer Augustus, im 2. Jahr nach dem Konsulat Belisars, des erlauchten Mannes“. Zur (hier zitierten) lateinischen Datierung im griechischen Text vgl. Harweg, Zeit, 153, 155. Im lateinischen Text ist darüber hinaus die Indiktion angegeben. 50 Vgl. Nouellae Iustiniani 47,1,1 (284,35–285,4 Schöll/Kroll; s. o. S. 200 [Anm. 14]). 51 Vgl. Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E523 (151,19 Hansen): Τιμόθεος ὁ ἐπίσκοπος ἐτελεύτησεν. Die Angabe zum 5. April könnte freilich auch aus der ursprünglichen Fassung der Historia ecclesiastica stammen. 52 Auch dann nicht, wenn man ihn auf die römische Datierung (= dies nonis aprilis) umrechnet.
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4.1.2.3 Der Tod des Reparatus (Chronicon 165) Ähnliches gilt für den Tod des Reparatus von Karthago am VII idus ianuarias (= 8. Januar).53 Es ist keine weitere Quelle für seinen Tod am 7. Tag vor den Iden des Januar bekannt, ebenso wenig verweist dieses Datum auf ein Ereignis, das im Zusammenhang mit dem Tod des Reparatus von Bedeutung sein könnte.54 Hier ist eher an den Beleg der genauen Kenntnis der Umstände des Todes des Reparatus durch Victor von Tunnuna zu denken. 4.1.2.4 Der Tod des Theodor von Cebarsussa (Chronicon 173) Mit dem Tod des Theodor von Cebarsussa eo mense et die quo Iustinianus moritur wird der Tod eines weiteren Nordafrikaners, der wie Reparatus und mit Victor von Tunnuna bis zuletzt an der Verteidigung der Drei Kapitel festgehalten hat, genau datiert – jedenfalls auf den ersten Blick. Tatsächlich fehlt aber in der Chronik die entsprechende Datierung des Todes Justinians, für den nur Jahr und Indiktion, nicht aber Monat und Tag genannt werden.55 Möglicherweise ist dies ein Hinweis darauf, dass für den Chronisten weniger das konkrete Datum als der Bezug zum Tod Justinians entscheidend ist – gleichzeitig mit Justinian stirbt der neben Victor von Tunnuna letzte namentlich genannte Verteidiger der Drei Kapitel. Wie dies im Rahmen der Geschichte der Verteidigung der Drei Kapitel, die Victor von Tunnuna erzählt, gedeutet werden kann, wird weiter unten aufgegriffen werden.56 4.1.2.5 Der Tod des Laetus von Nepte (Chronicon 50) Genau angegeben wird auch das Datum des Märtyrertodes des Laetus, Bischof von Nepte, also eines weiteren Nordafrikaners (Chronicon 50: VIII kalendarum octobrium
53 54
55 56
S. o. S. 204–205. Vgl. Placanica, „Note“, 130 (ad a. 563,1): „La notizia non risulta da altra fonte a me nota“. Es findet sich bspw. kein Eintrag für dieses Datum im Kalender von Karthago; das Martyrologium Hieronymianum gedenkt am 7. Tag vor den Iden des Januar Lukian von Antiochien, der an diesem Tag im Jahr 312 als Märtyrer starb. An eine Verbindung des Todes des Reparatus zu dem des Lukian zu denken, ist aber zu konstruiert. Auch die Suche nach dem Datum 7. Tag vor den Iden des Januar mit den Tools Patrologia Latina Database und Library of Latin Texts erbrachte kein Ergebnis. Die Notiz zum Tod des Reparatus ist aber für die Chronik des Victor von Tunnuna in anderer Hinsicht interessant, s. dazu u. S. 455–459. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 172; s. o. S. 202. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 173; s. u. Kap. 5.7.3.7.
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die), eines Märtyrers aus der Zeit der Vandalenherrschaft.57 Diese Datierung ist in zweifacher Hinsicht auffällig: Einerseits weicht diese Datierung jedenfalls auf den ersten Blick von den Angaben zum Tod des Laetus bei Victor von Vita ab.58 In dessen Historia persecutionis wird der Tod des Laetus – des, so Christian Courtois, einzigen namentlich genannten Märtyrers unter den nordafrikanischen Bischöfen unter den Vandalen59 – im Vorfeld der auf den 1. Februar 484 einberufenen Konferenz von Karthago genannt. Hunerich veranlasst ihn, um andere abzuschrecken.60 Kurt Vössing nennt die Angabe bei Victor von Tunnuna daher schlicht falsch.61 Allerdings ist die Information bei Victor von Vita nicht ganz eindeutig: Es wird geschildert, dass Hunerich vor der Konferenz u. a. Laetus zur Hinrichtung auswählte, den er dann „nach langer, in einem schmutzigen Verlies verbrachter Haft“ verbrennen ließ.62 Die genaue Zeit der Haft ist dabei nicht genannt – es kann sich dabei durchaus um einen längeren Zeitraum handeln (diuturnos), der eine Datierung des Todes im September – auch noch unter Hunerich – möglich erscheinen lässt.63 Die Datierung des Todes von Laetus ist aber andererseits auch deshalb auffällig, weil sie der Tagesdatierung des Beginns des Konzils von Chalcedon in der Chronik entspricht (Chronicon 10; s. o. S. 204) – einer von nur zwei Angaben in der Chronik zu einem Tagesdatum, die nicht auf einen Tod bezogen sind.64 Diese Datierung der Eröffnung des Konzils von Chalcedon auf den 8. Tag vor den Kalenden des Oktober ist selbst ungewöhnlich: Das Konzil wurde nach den Akten am 8. Tag vor den Iden des Oktober, also am 08.10.451 eröffnet.65 Warum Victor von Tunnuna hier anders datiert,
57
Weiter zum Tod des Laetus als Märtyrer im Rahmen der Chronik des Victor von Tunnuna s. u. Kap. 5.5.2. 58 Zur Identifizierung des Laetus bei Victor von Vita mit Laetus von Nepte s. u. S. 324–325. 59 Vgl. Courtois, Les Vandales, 298: „parmi eux, nous ne connaissons qu’un seul martyr, Laetus de Nepta“. In der Historia persecutionis wird Laetus allerdings nicht als Märtyrer bezeichnet, s. dazu u. S. 325. 60 Vgl. dazu aber Vössing, „Kommentar“, 177 (Anm. 213): „Die genauen Hintergründe sind unklar. Daß Laetus willkürlich ausgewählt wurde, um ein Exempel zu statuieren, erscheint angesichts des Fehlens sonstiger Belege für Hinrichtungen von Bischöfen unwahrscheinlich.“ 61 Vgl. Victor von Vita, Historia persecutionis 2,52. Vgl. Vössing, „Kommentar“, 177 (Anm. 212). 62 Vgl. Victor von Vita, Historia persecutionis 2,52 (44,23 Petschenig; Übers. 97 Vössing): post diuturnos carceris squalores. 63 Vgl. auch Vössing selbst, der zum Tod des Laetus schreibt („Kommentar“, 177 [Anm. 211]): „Hinrichtungen sind aber in diesem Zusammenhang, wie das Folgende zeigt, nur in einem Fall bezeugt, und dies erst Monate später“. So setzt auch das Martyrologium Romanum (nicht das Martyrologium Hieronymianum, so Placanica, „Note“, 84 [ad a. 479,1]) den Gedenktag des Laetus auf den 8. Tag vor den Iden des September (= 6. September; vgl. AASS Propylaeum decembris [382 Delehaye u. a.]). Vgl. auch Vössing, „Kommentar“, 177 (Anm. 212); Lancel, „Notes complémentaires“, 308 (Anm. 222). 64 Die andere Angabe bezieht sich auf die o. g. Übernahme der Herrschaft durch Flavius Libius Severus (Chronicon 27) und ist wohl als Präzisierung zu verstehen. 65 Vgl. ACO 2,1,1 (55,2–3 Schwartz), lateinisch ACO 2,3,1 (27,5–6 Schwartz); Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 5,3,3; vgl. Placanica, „Note“, 69 (ad a. 451).
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kann nicht rekonstruiert werden – es ist nicht auszuschließen, dass hier schlicht ein (Schreib-)Fehler vorliegt.66 Dennoch ist zu überlegen, ob zu dieser Tagesdatierung mehr zu sagen ist, als dass Victor von Tunnuna hier eben einfach falsch datiere.67 Dass der 8. Tag vor den Kalenden des Oktober, also der 24. September, um die herbstliche Tag- und Nachtgleiche liegt, ist bemerkenswert, kann aber Zufall sein. Dass sich aber die Tagesdatierungen des Konzils von Chalcedon und des Todes des Laetus entsprechen, wäre, wenn es ein bloßer Zufall wäre, ein äußerst auffallender: Durch diese Datierung werden der Tod des Laetus, eines „katholischen“, nizänischen Märtyrers aus der Byzacena,68 und das Konzil von Chalcedon auf subtile Weise verbunden. Laetus von Nepte steht in seinem Tod (implizit) in der Tradition von Chalcedon. Später in der Chronik kommt Laetus eine wichtige Rolle zu: In Chronicon 118 wird berichtet, dass Laetus von Nepte Kaiser Justinian erscheint und dieser daraufhin Belisar mit einem Heer nach Africa schickt, um gegen die Vandalen zu kämpfen. Es wird später gezeigt werden, wie dies im Rahmen der erzählten Geschichte der Chronik zu deuten ist.69 An dieser Stelle genügt die Feststellung, dass Laetus von Nepte und das Konzil von Chalcedon in der Chronik durch die gemeinsame Tagesdatierung verknüpft sind. 4.1.2.6 Der Tod des Proterius (Chronicon 19) Ein weiteres Tagesdatum in der Chronik lässt die Deutung einer prochalcedonensischen Zuspitzung zu: Die Datierung der Ermordung des Proterius auf den 6. Tag vor den Kalenden des April, näher qualifiziert als Karfreitag (Chronicon 19: VI kalendarum aprilium VI feria ultime ieiuniorum ebdomade, die qua noster Saluator et Dominus a Iudae is est cruxifixus).70 In der Epitome des Theodoros Anagnostes, die ebenfalls von der Ermordung des Proterius berichtet, fehlt diese Datierung.71 In der Collectio Auellana wird die Ermordung des Proterius auf den Gründonnerstag datiert.72
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Beide Angaben beziehen sich immerhin auf denselben Wochentag, Montag (vgl. Bär, Chronologie und Kalender). Vgl. Vössing, „Kommentar“, 177 (Anm. 212). Vgl. Vössing, „Kommentar“, 177 (Anm. 212). S. u. Kap. 5.5.6 und 5.7.1.3. S. o. S. 204. Vgl. Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E368–370 (103,22–104,22 Hansen). So die Gesta de nomine Acaci 4 = Collectio Auellana 99,14 (445,11–14 Guenther): ante triduum paschae, quo cena domini celebratur […] Proterius […] supra dicto die in baptisterio occiditur […]. So auch bei Liberatus von Karthago, Breuiarium 15 (124,8–10 Schwartz): et ante triduum paschae, quo cena domini celebratur, […] eadem die in baptisterio occiditur […]. Der davon ebenso berichtende Brief chalcedontreuer Bischöfe aus Ägypten nennt uneindeutig die Osterzeit, vgl. Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 2,8 (58,28 Bidez/Parmentier; Übers. 245 Hübner): ἦν γὰρ τοῦ σωτηρίου πάσχα πανήγυρις / „es war nämlich die Feier des heilbringenden Osterfestes“; vgl. lat.
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Gereon Siebigs geht davon aus, dass Theodoros Anagnostes ursprünglich auch den Karfreitag angab, da „alle Quellen, die dieses Datum haben, […] ihn direkt oder indirekt benutzt“ haben73: Victor von Tunnuna biete „direkt das Original“, also die ursprüngliche Version des Theodoros Anagnostes. Indirekt sei die Überlieferung der ursprünglichen Version des Theodoros Anagnostes bei Theophanes.74 Dessen Chronik nennt als Datum ἐν τῇ πρώτῃ τῆς πασχαλίας ἡμέρᾳ,75 also den ersten Tag der Oster feierlichkeiten. Abgesehen davon, dass die Chronik des Theophanes deutlich später, am Anfang des neunten Jahrhunderts geschrieben wurde, ist diese Angabe nicht eindeutig. Versteht man die Osterfeierlichkeiten im Sinne eines Triduum sacrum, das mit dem Karfreitag begann, kann mit der genannten Formulierung zwar der Karfreitag gemeint sein.76 Jedoch kann das Triduum sacrum später, indem man den Vorabend zum darauffolgenden Tag zählt, auch als am Gründonnerstagabend mit der Feier der Einsetzung des Abendmahls beginnend verstanden werden.77 Auch gibt es liturgische Quellen, die den Gründonnerstag unabhängig von einem Triduum als Beginn des Osterfestes bezeichnen.78 Die Formulierung „am ersten Tag der Osterfeierlichkeiten“ ist also prinzipiell offen für eine Deutung hinsichtlich des Gründonnerstags und nicht eindeutig auf den Karfreitag bezogen.
ACO 2,5, Collectio Sangermanensis 1,7 (14,15 Schwartz): cum esset salutaris paschae festiuitas; vgl. ACO 2,5, Collectio Sangermanensis 1,8 (19,35–36 Schwartz): commiserunt enim homicidium tempore sancto paschae. 73 Siebigs, Kaiser Leo I., 816. 74 Siebigs, Kaiser Leo I., 816. 75 Theophanes, Chronographia a. m. 5950 (110,35 de Boor). Siebigs, Kaiser Leo I., 816, nennt zudem Georgios Kedrenos (ca. 11. Jahrhundert) als vom ursprünglichen Text bei Theodoros Anagnostes abhängig. 76 So in der genannten Stelle in den Gesta de nomine Acaci 4 (445,11–12 Günther; vgl. auch die in Anm. 72 genannte Stelle bei Liberatus von Karthago, Breuiarium 15), die den Tod des Proterius ausdrücklich vor das Triduum paschale auf den Tag, an dem das Herrenmahl gefeiert wurde, datieren: ante triduum paschae, quo coena Domini celebratur. Zu einem solchen Verständnis des Triduum sacrum vgl. bspw. auch Augustinus, Epistula 55,14,24 (195,13–14 Goldbacher; Übers. Studer, „Zum Triduum Sacrum“, 277): Attende igitur sacratissimum triduum crucifixi, sepulti, suscitati. / „Beachte darum gut die heiligen drei Tage des gekreuzigten, begrabenen und auferweckten Herrn.“ – Hier allerdings nicht als pascha bezeichnet, vgl. Auf der Maur, Feiern im Rhythmus der Zeit 1, 77, und ohne Bezug auf liturgische Vollzüge, vgl. Studer, „Zum Triduum Sacrum“, 277. 77 Vgl. Bieritz, „Das Kirchenjahr“, 375. Seit wann der Gründonnerstagabend (im Westen) in das Triduum paschale einbezogen wurde, ist unklar, vgl. Marsili, „Il ‚Triduo sacro‘“, 21–24; vgl. für den Osten knapp Taft, „In the Bridgegroom’s Absence“, 72. Ein eigener Ritus nur des Triduum sacrum entwickelte sich im Osten nicht, vgl. Auf der Maur, Feiern im Rhythmus der Zeit 1, 77; Buchinger, „Was There Ever a Liturgical Triduum“, 63. 78 Vgl. bspw. Missale Gothicum 28 (Missa in caena domini): hodierna die inchoandae paschae (55,31–32 Mohlberg); vgl. Gy, „Semaine sainte“, 15. Daher ist auch eine Bestreitung der „liturgical distinction of a Triduum within the larger concept of Holy Week“ (Buchinger, „Was There Ever a Liturgical Triduum“, 266) für die Frage, ob der Gründonnerstag schon zu den „Osterfeierlichkeiten“ dazugehörig gedacht werden kann, weniger von Belang.
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Victor und Theophanes könnten sich also beide auf den Karfreitag beziehen, und damit könnten sie Angabe auch von Theodoros Anagnostes übernommen haben.79 Allerdings könnte Theophanes auch den Gründonnerstag meinen. Zudem fehlt die Angabe zum genauen Tag eben in der Epitome des Theodoros Anagnostes, und die Formulierungen bei Victor und Theophanes unterscheiden sich erheblich. Bei Theophanes ist die Angabe zur Datierung knapp und uneindeutig. Bei Victor ist die Formu lierung hinsichtlich des Karfreitags hingegen unmissverständlich und ausführlich angegeben, sowohl nach der Kalenden-Zählung80 als auch mit dem Wochentag „Freitag“ der letzten Woche der Fastenzeit als auch mit der näheren Charakterisierung des Tages (die qua noster Saluator et Dominus a Iudaeis est cruxifixus81). Überhaupt ist diese Angabe der Tagesdatierung für die Chronik Victors auffällig ausführlich. Normalerweise kürzt Victor von Tunnuna bei der Benutzung von Theodoros Anagnostes dessen Angaben (soweit nachvollziehbar) deutlich.82 Selbst wenn Victor also die Angabe des Karfreitags doch grundsätzlich von Theodor übernommen haben sollte, liegt es nahe, dass die ausführliche Akzentsetzung entweder von ihm selbst stammt oder dass er sie mit einer bestimmten Intention so ausführlich belassen hat. Die Ermordung des Proterius steht zunächst im Kontrast zur Heiligkeit des Karfreitags.83 Gerade als Lichtgestalt aber zwischen Dioskur und Timotheus II. Ailurus, als
79
Der Karfreitag – bei Siebigs angegeben als 29. März, was von der Osterberechnung für das Jahr 457 (31. März) her korrekt ist, allerdings nicht der Angabe bei Victor von Tunnuna entspricht, da der 6. Tag vor den Kalenden des April der 27. März ist – kann so auch das tatsächlich richtige Datum sein; eine Entscheidung „ist freilich endgültig nicht möglich“ (Siebigs, Kaiser Leo I., 817); für den Karfreitag spricht auch, dass im Zusammenhang dieses Ereignisses in den Quellen von Taufen die Rede ist und Karfreitag in Alexandria Tauftermin war – „allerdings lassen die Quellen nicht erkennen, ob Proterius bei der Taufe selbst, d. h. am Freitag, umkam oder während der Taufvorbereitung“ (ebd.). Hübner, Evagrius Scholasticus 1, 240 (Anm. 212) gibt den „Gründonnerstag des Jahres 457“ an, ohne weiteres Datum. Blaudeau, Alexandrie et Constantinople, 151 (mit Anm. 261), datiert auf den 28. März 457 als Gründonnerstag; so auch bei Schwartz, Publizistische Sammlungen, 173. Brennecke, „Chalkedonense“, 28–29, datiert den Tod des Proterius auf den 28. März 458 und führt u. a. Victor von Tunnuna als Angabe für das Datum an, äußert sich aber nicht zum Tag innerhalb der Karwoche (Gründonnerstag oder Karfreitag). Mit Fragezeichen ebenfalls ohne weitere Angabe zum Tag innerhalb der Karwoche datiert Grillmeier, Jesus der Christus 2,1, 125 auf den „29. (28.?) März 457“. Welcher Märztag hier (nach heutiger Berechnung) letztlich gemeint ist – möglicherweise liegt ja in der Chronik des Victor von Tunnuna ein Fehler bei der Angabe der Kalenden vor, was bei Ziffernangaben nicht unwahrscheinlich ist – ist allerdings für die Diskussion um Gründonnerstag oder Karfreitag weniger von Belang. 80 Dies wird noch unterstrichen durch die weitere Angabe des Ostertages (Victor von Tunnuna, Chronicon 19 [8,116–9,117 Cardelle de Hartmann]): Tunc enim Pascha dominicum quarto est kalendarum aprilium celebratum (s. o. S. 204 [Anm. 34]). 81 S. o. S. 204. 82 S. o. Kap. 3.3. 83 Vgl. expliziter bei Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 2,8 (58,27 Bidez/Parmentier; Übers. 245 Hübner): οὔτε τὸ σέβας αἰδεσθέντες τοῦ τόπου οὔτε τὸν καιρόν / „die [= die Proterius töten] weder die Heiligkeit des Ortes scheuten noch den Zeitpunkt“. Der Ort der Tötung wird bei Victor von Tunnuna gar nicht erwähnt.
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Zum Gerüst der erzählten Geschichte
die Victor von Tunnuna ihn zeichnet, stirbt Proterius als sinodi calcidonensis decretorum custos (vgl. Chronicon 19) am selben Tag wie noster Saluator et Dominus – eine deutliche Referenz, die die Bedeutung seins Todes hervorhebt.84 Andersherum betrachtet tötet Timotheus Ailurus, Calcidonensis sinodi obtrectator (vgl. Chronicon 49), Proterius am selben Tag, an dem die Iudaei Christus gekreuzigt haben – ein deutlicher Hinweis auf die Wertung des Timotheus85 und der Ablehnung Chalcedons. Auch an weiteren Stellen danach erwähnt die Chronik, dass Timotheus Ailurus interfector bzw. peremptor des Proterius ist.86 Zudem wird berichtet, dass Petrus von Alexandria den Namen des Proterius aus den Diptychen tilgt (vgl. Chronicon 53). Auch dies zeigt seine Bedeutung: Er war vielleicht nicht mehr dem Range, so doch sicher dem allgemeinen Ansehen seines Thrones nach der zweitwichtigste Amtsträger der damalige [sic!] Christenheit. […] ein Thronwechsel in Alexandria [tangierte] immer auch die Religionspolitik des gesamten Ostreiches […]. 457 war dies umso mehr der Fall, als der Tod des Proterius das Konzil von Chalkedon, die dadurch eingeleitete religionspolitische Wende und den wiedergewonnenen kaiserlichen Einfluss auf die Kirchenpolitik in Frage stellte.87
Diese Bedeutung des Proterius gerade als custos der Beschlüsse Chalcedons wird in der Chronik des Victor von Tunnuna durch die ausführliche Angabe zu Proterius’ Tod am Karfreitag, die seiner Tötung auch im Gegenüber zur sonstigen Datierung auf den Gründonnerstag eine deutliche Nuance gibt, unterstrichen. Durch die Parallelisierung des Todes des Proterius mit dem Tod Christi wird die Unrechtmäßigkeit seiner Tötung und damit gleichzeitig die Rechtmäßigkeit seiner Position als Verteidiger von Chalcedon betont. Gleichzeitig stehen die Gegner Chalcedons damit auf der Seite derer, die Christus getötet haben. Für die meisten der (insgesamt wenigen) Tagesdatierungen in der Chronik des Victor von Tunnuna lässt sich also keine weitere Funktion neben einer Präzisierung bzw. einer Demonstration der genauen Kenntnisse des Chronisten feststellen. Die Datierungen der Tode des Laetus und des Proterius lassen aber eine darüber hinausgehende Deutung im Sinne einer prochalcedonensischen Zuspitzung zu. Es wird sich zeigen, wie dies im Gesamtduktus der Chronik einzuordnen ist.
So auch Blaudeau, Alexandrie et Constantinople, 151 (Anm. 261): Die Datierung auf den Karfreitag (welche von Theodoros Anagnostes stamme), geschehe „évidemment avec le souci de faire référence au Christ“. 85 Freilich auch „der Juden“, was in Chronicon 19 aber nicht der Fokus ist. 86 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 23; 46; 49. 87 Siebigs, Kaiser Leo I., 274–275. Zu Proterius vgl. insgesamt auch Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 2,8 (58,18–59,10 Bidez/Parmentier); Ps-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica 4,2 (Übers. 24–25 Ahrens/Krüger). 84
Angaben zu Personensukzessionen in der Chronik als chronologische Stränge
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4.2 Angaben zu Personensukzessionen in der Chronik als chronologische Stränge Neben der grundsätzlichen Zählung der Jahre nach den Konsulaten, der Jahre nach dem Konsulat des Basilius und der Jahre der Kaiserherrschaft Justinians gibt es zwei weitere chronologische Stränge, die als Grundgerüst die Chronik durchziehen. Sie konstituieren die Geschichte, die die Chronik Victors erzählt, als Geschichte des (römischen) Staates und der Kirche, indem sie die Regierungsjahre der Kaiser und den Wechsel in deren Herrschaft – zum Teil auch die jeweiligen Ehefrauen – sowie die Abfolge der Patriarchen nennen. Die Patriarchen sind anders als die Kaiser ohne die Dauer des jeweiligen Episkopats genannt; indem aber regelmäßig der Wechsel im Amt notiert wird, wird auch deren Abfolge zu einem chronologischen Strang der Chronik. Dem Kontext der Chronik entsprechend gibt es zu den beiden Hauptsträngen jeweils einen nordafrikanischen Nebenstrang, in dem die Abfolge der Könige der Vandalen und die der Bischöfe von Karthago notiert sind. Das hierdurch – neben der Zählung der Jahre – entstehende Grundgerüst der Chronik soll im Folgenden kurz dargestellt werden, um auf das inhaltliche Panorama der Chronik hinzuführen, das mit der Angabe zu diesen Personen eng verknüpft ist. 4.2.1 Kaiser Die Chronik des Victor von Tunnuna notiert die und berichtet von der Herrschaft der römischen West- und Ostkaiser seit Theodosius bis Justin II. – entsprechend der von ihr behandelten Jahre. Die Chronik unterscheidet hier zwar nicht grundsätzlich, jedoch werden nur die Kaiser des Ostens dezidiert als „[Kaiser] der Römer“ bezeichnet und durchgezählt.88 Dies entspricht der historischen Entwicklung (Ende des weströmischen Kaisertums mit dem Tod des Julius Nepos 475/480) und der Bedeutung der Kaiser des Ostens für die Konflikte um die Rezeption Chalcedons bzw. im Drei88
Vgl. zu den (Ost-) Kaisern nach Theodosius, dessen Herrschaftsübernahme nicht Teil der Chronik ist, Victor von Tunnuna, Chronicon 8 (5,49–50 Cardelle der Hartmann): Romanorum XLVII Martianus regnauit annis V mensibus VI; 18 (8,108 Cardelle de Hartmann): Romanorum XLVIII Leo regnat annis XVI; 41 (13,204–205 Cardelle de Hartmann): Romanorum XLIX Zenon regna uit annis XVII; 68 (21,346 Cardelle de Hartmann): Romanorum L Anastasius regnat annis XXVII; 101 (33,553–554 Cardelle de Hartmann): Romanorum LI Iustinus regnat annis VIII mensibus VIIII; 111 (36,612–613 Cardelle de Hartmann): Romanorum LII Iustinianus regnat annis XXXIX mensibus VII. Bei dem (West-) Kaiser Maiorianus heißt es bspw. hingegen (Chronicon 20 [9,122–123 Cardelle de Hartmann]): Maiorianus Rome imperium sumit. Die Kaiser werden bei dieser Durchzählung ohne Titulatur aufgeführt. Insgesamt werden die Kaiser in der Chronik als princeps, Augustus und imperator bezeichnet. Justinian wird besonders häufig als princeps, Anastasius besonders häufig als imperator bezeichnet, jedoch werden auch sie mit den anderen Titeln belegt, so dass sich insgesamt kein Muster der Bezeichnung für einzelne Kaiser erkennen lässt.
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Zum Gerüst der erzählten Geschichte
Kapitel-Streit.89 Eine Ausnahme bildet neben der kurzen Herrschaft Leos II. die Herrschaftsübernahme Justins II.: Bei ihm, mit dem die Chronik ihren Schluss findet, wird die Reihe der Kaiser nicht weitergezählt, und er wird zu Beginn seiner Herrschaft nicht als „[Kaiser/Prinzeps] der Römer“ bezeichnet.90 Die in der Chronik aufgeführten Kaiser sind (in der dort notierten Reihenfolge)91: Theodosius II. (408–450)92; Marcian (450–457)93; Valentinian III. (424–455)94; (Petronius) Maximus (455)95; Avitus (455–456)96; Leo I. (457–474)97; Maiorianus (457– 461)98; (Libius) Severus (461–465)99; Anthemius (467–472)100; Olybrius (472)101; 89
Placanica, „Introduzione“, XVII geht hier so weit, zu folgern, Victor „segue un’ideologia imperiale di carattere sostanzialmente tradizionale, la Romana respublica viene a identificarsi con l’Impero bizantino.“ Vgl. auch Placanica, „Note“, 68 (ad a. 450,3): Dass Victor Valentinian III. und die weiteren Westkaiser nicht in der Reihe der römischen Kaiser mitzähle, zeige, dass Victor von Tunnuna die römische Republik mit der pars Orientis indentifiziere. Allerdings ist zu bedenken, dass im die Chronik betreffenden Zeitraum die Ostkaiser mit Ausnahme von Marcian im Gegenüber zu Valentinian III. jeweils die Anciennität innehatten, nach der die Kaiserreihung erfolgte. Für diesen Hinweis danke ich Bruno Bleckmann. 90 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 174 (55,992–994 Cardelle de Hartmann): Iustinus iunior […] cum tranquillitate populi maxima imperii sumit sceptra. Dass die Zahl der Jahre seiner Herrschaft hier nicht genannt wird, versteht sich aus der Abfassungszeit der Chronik. Dass bei ihm aber nicht weitergezählt wird in der Reihenfolge der römischen Kaiser, ist ein weiterer Hinweis darauf, dass die Chronik eben nicht nur „irgendwo“ und „plötzlich“ endet, sondern dass mit Chronicon 174 ein Schlusspunkt gesetzt ist. 91 Im Folgenden sind nicht die als reine Konsulatsjahre (Datierungen) erscheinenden Nennungen der Kaiser angegeben. 92 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 4; 6; vgl. 1 (Konsulat). Angegeben sind hier und im Folgenden jeweils die Jahre der Herrschaft, nicht die Lebensdaten. Zu den Kaisern vgl. als kurzen Überblick über ihre Herrschaft grundsätzlich jeweils die entsprechenden Seiten bei Demandt, Geschichte der Spätantike, zu Theodosius vgl. ebd., 133–142. Zur ausführlicheren Darstellung und Einordnung der in diesem ganzen Kapitel genannten Personen vgl. die entsprechenden weiteren Kapitel dieser Arbeit; dort auch ggf. Verweise auf weitere Literatur; s. auch o. in Kap. 2. 93 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 8; 10; 17. Vgl. Demandt, Geschichte der Spätantike, 152–153. 94 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 13; 14. Vgl. Demandt, Geschichte der Spätantike, 123, 128–129. 95 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 14; 15. Vgl. Demandt, Geschichte der Spätantike, 142–143; Henning, Periclitans res publica, 20–21, 28–32. 96 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 15; 16. Victor von Tunnuna nennt ihn in Chronicon 15 aber nur Herrscher über Gallien (8,100–101 Cardelle de Hartmann): Auitus uir tocius simplicitatis in Gallias imperium sumit. Placanica ändert den Text von U daher zu in Galliis (6 Placanica). Vgl. Demandt, Geschichte der Spätantike, 142–143; Henning, Periclitans res publica, 32–36. 97 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 17; 18; 20; 25; 30; 33; 35; 36; 37; 40. Vgl. Demandt, Geschichte der Spätantike, 154–157. 98 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 20; 27; vgl. Demandt, Geschichte der Spätantike, 144; Henning, Periclitans res publica, 36–40. 99 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 27; vgl. Demandt, Geschichte der Spätantike, 144–145; Henning, Periclitans res publica, 40–41. 100 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 32; 33; 39; vgl. Demandt, Geschichte der Spätantike, 145–146; Henning, Periclitans res publica, 42–46. 101 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 39: Er wurde durch den magister militum Ricimer zum Gegenkaiser gemacht, so auch dargestellt bei Victor von Tunnuna; vgl. Demandt, Geschichte der Spätantike, 146; Henning, Periclitans res publica, 47–50.
Angaben zu Personensukzessionen in der Chronik als chronologische Stränge
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( Julius) Nepos (474–475/480)102; Leo II. (474)103; Zeno (474–491)104; Anastasius I. (491–518)105; Justin I. (518–527)106; Justinian I. (527–565)107; Justin II. (565–578)108. Die Reihe der Kaiser ist also mit Ausnahme des westlichen Kaisers Glycerius (473– 474)109 für den von der Chronik abgehandelten Zeitraum vollständig. Der weitere Verlauf der Herrschaften im Westen nach dem Tod des Julius Nepos fehlt. Auffällig ist in diesem Zusammenhang die Angabe in Chronicon 39, wo Herculanus Orestis filius als Usurpator genannt ist, auf den dann nach dessen Tod Julius Nepos folgt.110 Mit dem „Sohn des Orestes“ müsste eigentlich Romulus Augustulus gemeint sein, der jedoch auf Julius Nepos folgte bzw. von seinem Vater Orestes 475 nach einer Revolte zum Augustus erhoben wurde, während Julius Nepos bis zu seinem Tod im Jahr 480 den Anspruch auf den Thron weiter aufrecht erhielt.111 Die Angabe ist daher in zweifacher Hinsicht unklar: Einmal bezüglich des Namens Herculanus und einmal bezüglich der Chronologie. Man könnte überlegen, ob Romulus’ Name ursprünglich Herculanus war, den er mit der Thronerhebung änderte.112 Jedoch bleibt dies Spekulation, da weitere Quellen fehlen.
102 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 39; vgl. Demandt, Geschichte der Spätantike, 147; Henning, Periclitans res publica, 51–55. 103 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 40; 42; vgl. Demandt, Geschichte der Spätantike, 157; Henning, Periclitans res publica, 205 (Anm. 91). Er wird bei der Durchzählung der „[Kaiser/Prinzipes] der Römer“ in der Chronik nicht mitgezählt. 104 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 41; 42; 44; 47; 50; 53; 54; 57; 67; vgl. 104. Vgl. Demandt, Geschichte der Spätantike, 157–160. 105 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 67; 68; 70; 71; 74; 75; 81; 83; 85; 87; 90; 91; 94; 95; 98; 99; 100; vgl. 92; 104. Vgl. Demandt, Geschichte der Spätantike, 160–164. 106 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 101; 102; 103; 104; 105; 108; 109; 110. Vgl. Demandt, Geschichte der Spätantike, 164–166. 107 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 101; 102; 103; 107; 109 (vor seiner Kaiserherrschaft); 111; 112; 117; 118; 120; 124; 132; 136; 137; 139; 143; 147; 159; 166; Datierungen ab 167 (s. o. Kap. 4.4.1); 169; 170; 172; vgl. 173. Vgl. Demandt, Geschichte der Spätantike, 166–180. 108 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 174. 109 Vgl. Demandt, Geschichte der Spätantike, 146–147; Henning, Periclitans res publica 50–51. Möglicherweise nennt Victor ihn deshalb nicht, weil er vom Kaiser des Ostens, Leo, nicht anerkannt wurde, vgl. Placanica, „Note“, 80 (ad a. 473,6). 110 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 39 (13,298–299 Cardelle de Hartmann): Et post certos dies Herculanus Orestis filius arripiens imperium cum patre suo occiditur et eius regum Nepos assumit. / „Und nach einigen Tagen wurde Herculanus, der Sohn des Orestes, zusammen mit seinem Vater getötet, als er die Herrschaft an sich reißen wollte, und Nepos nahm dessen Königsherrschaft an sich.“ 111 Vgl. Placanica, „Note“, 81 (ad a. 473,5); Henning, Periclitans res publica, 54–56. 112 Diese Möglichkeit nennt Nathan, „The Last Emperor“, 270 (Anm. 270) – ein mit der Thronbesteigung neu angenommener Name sei nicht ungewöhnlich. Nathan nennt zudem noch eine zweite Möglichkeit, die aber nicht belegbar sei: Herculanus könnte der jüngere Bruder von Romulus gewesen sein. „It was entirely normal throughout the whole of Antiquity for an Emperor to name all of his sons Caesar or Augustus. Perhaps Herculanus’ status was simply eclipsed by time and obscurity.“
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Zum Gerüst der erzählten Geschichte
Für die Zeit von Kaiser Zeno werden zudem als Usurpatoren genannt der tirannus Basiliscus (475–476)113 und der tirannus Leontius (484–488)114, für die Zeit von Ana stasius Athenodorus und Longinus (492–497)115. Einige der Kaiser spielen in der Chronik nur eine geringe Rolle: Es wird kurz über die Umstände der Herrschaftsübernahme bzw. des Endes der Herrschaft berichtet oder es wird überhaupt nur der Name genannt bzw. dieser erscheint in den Jahreszählungen, wenn der Augustus gleichzeitig Konsul war. Dies gilt für die Westkaiser Avitus, Maiorianus, (Libius) Severus, Anthemius, Olybrius, Herculanus und ( Julius) Nepos.116 Auch Leo II. erscheint der kurzen Dauer seiner Herrschaft als Kaiser entsprechend nur knapp.117 Die Intrigen um die Westkaiser Valentinian III. und (Petronius) Maximus werden in Verbindung mit Geiserichs Überfall auf Rom ausführlicher geschildert (vgl. Chronicon 13–15). Sie zeigen, wie noch zu sehen sein wird, im Detail Unterschiede zur entsprechenden Darstellung bei Prosper, sind aber für die Darstellung des DreiKapitel-Streites und seiner Vorgeschichte in der Chronik nicht von Belang.118 4.2.2 … und (ihre) Frauen Auch hier zunächst einige grundsätzliche Beobachtungen: Als Akteurinnen in der Geschichte kommen Frauen in der Chronik des Victor von Tunnuna selten vor. Wenn überhaupt, werden sie meistens als Ehefrauen oder seltener als Töchter oder Mütter eines Mannes, in der Regel eines Kaisers, erwähnt.119 In dieser Rolle sind Frauen zunächst vor allem solche, an denen gehandelt wird – und dementsprechend bleiben sie namenlos: So notiert die Chronik Victors von Tunnuna, dass Maximus die Witwe Valentinians, die Augusta, ohne angemessene Trauerzeit heiratet; nachdem Maximus von Geiserich besiegt worden ist, führt er sie und Valentinians Töchter aus Rom weg.120 Weiter berichtet die Chronik, dass Geiserich eine dieser Töchter Hunerich in
Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 43; 45; 47; 48. Vgl. Demandt, Geschichte der Spätantike, 200. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 55; 61. Vgl. Demandt, Geschichte der Spätantike, 200. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 72. Vgl. Demandt, Geschichte der Spätantike, 160. Von den Wirren um Olybrius, Anthemius, Herculanus und Julius Nepos allerdings wird in Chronicon 39 etwas ausführlicher berichtet. Vgl. dazu auch die Anmerkungen bei Placanica, „Note“, 80–81 (ad a. 473,6–7). 117 Zur Frage seiner tatsächlichen Regierungszeit vgl. Placanica, „Note“, 79–80 (ad a. 473,1): Victor von Tunnuna gibt in Chronicon 37 2 Jahre an; Johannes Malalas, Chronographia 14,47 1 Jahr und 23 Tage; Placanica nimmt daher an, Victor von Tunnuna habe hier aufgerundet. 118 S. u. Kap. 5.1.2. 119 Da insgesamt wenige Frauen in der Chronik notiert sind, seien hier alle kurz aufgeführt, auch wenn sie nicht alle Frauen eines Kaisers sind. 120 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 14 und 15. 113 114 115 116
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die Ehe gibt.121 Sie wird später noch einmal als Mutter Hilderichs erwähnt.122 Namenlos bleibt auch die Frau des Basiliscus, die mit diesem von Zeno ins Exil geschickt wird.123 Namentlich genannt wird hingegen Amalafrida, die Witwe Thrasamunds, die flieht und dann in Haft stirbt.124 Ariadne (ca. 450–515), die Frau von Kaiser Zeno, Augusta, ist die erste (politisch) handelnde Frau in der Chronik, die nach der Darstellung der Chronik sogar nach Zenos Tod Anastasius zu dessen Nachfolger bestimmt.125 Mit ihrem Namen erwähnt wird auch Lupicina (gest. vor 527), die Frau des nächsten Kaisers, Justin I., über die zudem informiert wird, sie sei später von den Bewohnern Konstantinopels „Euphemia“ gerufen worden.126 Innerhalb der insgesamt zurückhaltenden Darstellung der (kaiserlichen) Frauen sticht heraus, was die Chronik über Theodora, die Gattin Justinians, berichtet. Theodora kommt in der Chronik eine eigene pointierte Rolle zu: Sie wird nicht nur mehrfach als aktiv handelnde Herrscherin dargestellt, sondern ihr Handeln ist auch innerhalb des Drei-Kapitel-Streites von entscheidender Bedeutung.127 Theodora ist damit die einzige Augusta und überhaupt die Frau, der als einziger in der Chronik eine größere Rolle zukommt. Abschließend erwähnt wird als Frau Justins I. Sophia, die gleichzeitig als Nichte von Kaiserin Theodora bezeichnet wird.128
121 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 28 (11,153–154 Cardelle de Hartmann): Huic Hugnerico Gensericus Valentiniani filiam quam ex Roma captiuam abduxerat in coniugio tradidit. Andere Quellen nennen ihren Namen, Eudocia; vgl. bspw. Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E393; Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 1,5,6; Johannes Malalas, Chronographia 14,26; Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 2,7. Vgl. Placanica, „Note“, 77 (ad a. 464), dort auch zur umstrittenen genauen Datierung der Eheschließung. Zur schon vor Geiserichs Plünderung Roms beste henden Verlobung der Eudocia mit Hunerich vgl. knapp Meier/Strothmann, „Eudokia 2“. 122 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 106. 123 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 47. Die Frau des Basiliscus erwähnt auch namenlos Johannes Malalas, Chronographia 15,5; ihren Namen Zenonis nennt Marcellinus Comes, Chronicon a. 476,1. Vgl. Placanica, „Note“, 83 (ad a. 476). 124 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 106; s. u. S. 337. 125 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 42; 44; 67; 97. Zu Ariadne vgl. als Überblick Martindale, PLRE 2, 140–141 (s. v. „Aelia Ariadne“). 126 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 101; s. u. S. 346–347. Vgl. zu ihr auch Martindale, PLRE 2, 423 (s. v. „Lupicina quae et Euphemia 5“). 127 Zu Theodora und ihrem Handeln in der Chronik vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 111; 113; 121; 125; 130; 140. 128 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 174 (55,994–995 Cardelle de Hartmann): Huius coniux Sophia Theodore Auguste neptis asseritur. / „Seine [= Justins] Ehefrau Sophia wird als Nichte von Augusta Theodora gezählt.“
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Zum Gerüst der erzählten Geschichte
4.2.3 Die Herrschaft der Vandalen in Africa Entsprechend der nordafrikanischen Herkunft des Victor von Tunnuna bzw. entsprechend des Kontextes der Chronik werden neben den „Kaisern der Römer“ und ihren Frauen auch die vandalischen Herrscher und (mit Ausnahme von Gelimer) die Anzahl ihrer Regierungsjahre genannt129: Geiserich (428–477)130; Hunerich (477–484)131; Gunthamund (484–496)132; Thrasamund (496–523)133; Hilderich (523–530)134; Gelimer (530–533)135. Nach dem Sieg des Belisar über Gelimer (vgl. Chronicon 118) sind Aufstände bzw. Tyrannenherrschaft in Africa unter Stotzas (536/537)136 und Guntharith (Gun tharis; 545–546)137 notiert. Damit ist auch die Reihe der vandalischen Herrscher – und späteren Aufständischen – vollständig. Die in der Chronik angegebenen Regierungszeiten entsprechen ungefähr den Angaben im Laterculus Regum Vandalorum.138 Grundsätzlich wird für die vandalische Herrschaft neutrales Vokabular gebraucht: regnum, rex, regnare.139 Formal entsprechend der Angaben zu den römischen Kaisern sind (mit Ausnahme von Gelimer) auch die Regierungsjahre der vandalischen Könige angegeben, z. T. in Bezug auf das Todesjahr.140 Vokabular und Angaben zu den Regie-
129 Zu den Daten ihrer Herrschaft vgl. den Überblick bei Steinacher, Die Vandalen, 240; zu Stotzas und Guntharith vgl. ebd., 316–328. Vgl. auch Placancia, „Introduzione“, XXX zur Diskussion des Verhältnisses der Jahresdatierungen bei Victor von Tunnuna zur heutigen Datierung in Bezug auf Courtois, Les Vandales, 409. 130 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 14; 15; 28; vgl. 106 (retrospektive Nennung). 131 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 28; 30; 50; 51; vgl. 106, 118 und 173 (retrospektive Nennung). Auch Hunerichs Frau wird genannt, s. o. Kap. 4.2.2. 132 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 52; 78. 133 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 78; 106. Thrasamunds Frau Amalafrida wird in Chronicon 106 namentlich genannt, s. o. Kap. 4.2.2. 134 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 106; 115; 118. 135 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 115; 117; 118. In Chronicon 118 sind mit Gunthimer und Gebamundus auch zwei Brüder Gelimers genannt. 136 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 129; 131; 134. 137 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 136. 138 Zu den Abweichungen im Einzelnen s. u. Kap. 5.5 bei den jeweiligen Königen. Zu dieser (afrikanischen) Fortsetzung der Chronik Prospers s. auch kurz o. S. 116. 139 Geiserich (vgl. Chronicon 14; 15; 28), Hunerich (vgl. Chronicon 30; 50; 118; 173), Gunthamund (vgl. Chronicon 78) und Thrasamund (vgl. Chronicon 106) werden als rex Vuandalorum bezeichnet; Gelimer wird schlicht als rex bezeichnet (vgl. Chronicon 118). Zu regnum und regnare vgl. die folgende Anmerkung. 140 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 28 (11,149–152 Cardelle de Hartmann): Gensericus Vuandalorum rex […] moritur regni sui anno XI [sic]. / „Geiserich, der König der Vandalen […], starb im 11. Jahr seiner Regierung.“; Chronicon 28, vgl. auch 51 (11,152–153; 16,255–258 Cardelle de Hartmann): Ugnericus filius eius regnat annis VII mensibus V.; Ugnericus […] VIII regni sui anno […] misere uitam finiuit. / „Hunerich, sein Sohn, regierte für 7 Jahre und 5 Monate.“; „Hunerich beendete […] im 8. Jahr seiner Regierung […] unglücklich das Leben.“; Chronicon 52 (16,259 Cardelle de Hartmann): Cui succedit Guntamundus, regnat annis XII / „Ihm folgte Gunthamund, er regierte 12 Jahre“; Chronicon 78 (24,399 Cardelle de Hartmann): Trasamundus regnat annis XXVII mensibus IIII / „,Thrasamund regierte für 27 Jahre und 4 Monate“; Chronicon 106 (34,584–586 Cardelle
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rungsjahren weisen darauf hin, dass die vandalische Herrschaft grundsätzlich als rechtmäßig anerkannt wird.141 Auch dass Gelimer auch nach der Darstellung der Chronik die Macht unrechtmäßig ergriff und als einziger der Vandalenherrscher als tirannus bezeichnet wird, deutet darauf hin.142 4.2.4 Patriarchen und Päpste Ähnlich wie bei den Kaisern werden auch bestimmte Bischöfe in der Chronik regelmäßig notiert, nämlich die Inhaber der Bischofssitze der fünf großen Städte Rom, Konstantinopel, Antiochien, Alexandria und Jerusalem, d. h. die sogenannten Patriarchen143 und der Wechsel im jeweiligen Patriarchat.144 Der Titel des Patriarchen hatte sich, beginnend im fünften Jahrhundert, im sechsten Jahrhundert für die Bischöfe der genannten Städte (sog. Pentarchie) eingebürgert, was etwa seine entsprechende Verwendung durch Kaiser Justinian in der praefatio der Novelle 109 und in Novelle 123,3145 zeigt. Die besondere Bedeutung dieser Bischofssitze für die Gesamtkirche und deren Leitung hatten die Konzilien von Nizäa 325 (canon 6 [Hervorhebung von Rom, Alexandria und Antiochien]), Konstantinopel 381 (canon 3: Primat des Bischofs von Konstantinopel im Osten) und Chalcedon 451 (v. a. sog. canon 28: zweiter Rang Konstantinopels nach Rom unter Bestätigung von canon 3 aus Konstantinopel) bestätigt.
141 142
143 144 145
de Hartmann): Hilderix […] regnauit annis VII mensibus tribus. / „Hilderich […] regierte 7 Jahre und drei Monate.“ Vgl. so auch Conant, Staying Roman, 312, der schließt: „Victor […] accepted the fundamental legitimacy of Vandal rule as such.“ S. auch u. S. 357–358 zum Terminus für die Rückeroberung durch Belisar capit. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 115 (37,635–637 Cardelle de Hartmann): Geilimer […] regnum cum tirannide sumit, et Cartaginem ingressus Hildericum regno priuat / „Gelimer [übernahm] die Herrschaft mit Gewaltherrschaft. Er zog in Karthago ein und beraubte Hilderich der Königsherrschaft“; vgl. auch Chronicon 117 (38,647 Cardelle de Hartmann): Geilimer tirannus; 118 (38,660–661 Cardelle de Hartmann): [Belisar] Gellimer tirannum capit. In Chronicon 118 wird er allerdings auch als rex bezeichnet, s. o. Anm. 139. Placanica, „Note“, 109 (ad a. 531; dort auch zu weiteren Quellen) sieht in der Darstellung des Gelimer als Tyrann in Bezug auf Courtois, Les Vandales, 269 (Anm. 2) allerdings v. a. kaiserliche Propaganda, was sich insbesondere bei Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 1,16,13 zeige: Dort wird ein Brief von Justinian zitiert, in dem dieser versichert, er wolle keinen Krieg mit den Vandalen führen, sondern nur den Tyrannen Gelimer stürzen, sich also für sein Eingreifen in Africa rechtfertigt. Zum „Tyrannen“ Gelimer vgl. auch Steinacher, Die Vandalen, 292–293, bes. auch 434 (Anm. 220). Diese kurze Definition genügt an dieser Stelle; vgl. als Überblick Gahbauer, „Patriarchat I.“, 85–88; Ohme, „Pentarchie“; Ritter, „Patriarch/Patriarchat I.“; Flusin, „Bischöfe und Patriarchen“, 521–522, 544–578 (zum Osten). Die Daten im Folgenden betreffen die Amtszeit, vgl. dazu jeweils die Listen mit den entsprechenden Einträgen bei Grumel, La Chronologie, 430 (Rom), 435 (Konstantinopel), 446–447 (Antiochien), 443–444 (Alexandria), 451 ( Jerusalem). Dort allerdings als archiepiscopi et patriarchae, vgl. Nouellae Iustiniani 123,3 (597,11 [Latein] bzw. 12 Schöll/Kroll [Griechisch]).
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Die eben genannte Reihenfolge Rom, Konstantinopel, Antiochien, Alexandria und Jerusalem entspricht dem Rang der Patriarchate, der sich daraus ergibt. Die in der Chronik genannte Reihenfolge ist allerdings Rom, Alexandria, Antiochien, Jerusalem und Konstantinopel.146 Die Chronik notiert die Patriarchate damit nach der in Rom und im ganzen Westen übliche Reihenfolge.147 Obwohl die Chronik des Victor von Tunnuna die Inhaber dieser Episkopate regelmäßig anführt, kommt der Begriff „Patriarch“ (patriarcha) in der Chronik selbst nicht vor. Die betreffenden Bischöfe werden normalerweise schlicht als episcopus (bzw. als in ein episcopatum folgend) bezeichnet.148 Diese Bezeichnung wird auch für die Inhaber anderer Bischofssitze verwendet, so etwa auch für Ibas von Edessa, Theodor von Mopsuestia und Theodoret von Kyrrhos.149 Auch wenn allgemein von Bischöfen die Rede ist, werden sie episcopi genannt.150 Zwar sind sie also von der Bezeichnung her nicht zu unterscheiden, aber die Bischöfe der genannten Städte sind trotz des fehlenden Titels patriarcha schon allein deshalb hervorgehoben, weil eben der Wechsel in diesen Bischofssitzen regelmäßig genannt wird. Konkrete Ausnahmen von der Bezeichnung als episcopus sind die Bezeichnung des Agapitus als „Erzbischof “ (archiepiscopus)151 sowie die Bezeichnung Leos und Vigilius’ als papa152. Felix von Rom wird drei Mal als presul ecclesie Romane aufgeführt,153 der römische Bischofssitz an zwei Stellen als sedes apostolica.154 Pontifices werden einmal genannt Acacius von Konstantinopel, Petrus Mongus und Petrus Fullo,155 zudem einmal
146 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 4; 10; 108; 147; vgl. 69 (ohne Konstantinopel); 104 (Alexandria, Antiochien, Jerusalem). 147 Rom hatte den canon 28 des Konzils von Chalcedon nicht bestätigt und hielt bis zum 4. Laterankonzil 1215 am zweiten Rang Alexandrias fest; vgl. insgesamt Placanica, „Note“, 65 (ad a. 447), hier auch zu weiterer Literatur zur Frage der Patriarchate; zur Ablehnung Roms auf dem Konzil von Chalcedon (vgl. Actio 16,45) und darüber hinaus vgl. auch Price/Gaddis, The Acts of the Council of Chalcedon 3, 69–72. Eine Bemerkung von Liberatus von Karthago, Breuiarium 13 (123,17–18 Schwartz) zur Stellung Konstantinopels nach Chalcedon zeigt, dass die Pentarchie i. S. Chalcedons de facto aber auch im Westen akzeptiert wurde: Et licet sedes apostolica nunc usque contradicat, quod a synodo firmatum est, imperatoris patrocinio permanet quoad modo. / „Und wenn auch der apostolische Stuhl bis jetzt dem widerspricht, was von der Synode bekräftigt wurde, bleibt es durch den Schutz des Kaisers bis eben jetzt bestehen.“ Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 5,3,28 (145,212 Clément/Vander Plaetse) kritisiert, dass sich (der in Chalcedon anwesende) Anatolius von Konstantinopel den priorem […] locum („den vorderen Rang“) vor Antiochien angeeignet habe. 148 Vgl. z. B. Victor von Tunnuna, Chronicon 3; 4; 16; 34; 38 u. ö. 149 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 130. Andere Beispiele sind Frontinus von Salona (Chronicon 148; 164); Datius von Mailand (Chronicon 150). 150 Vgl. bspw. Victor von Tunnuna, Chronicon 10; 57; 120. 151 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 125 und 128. 152 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 5; 15; 130. 153 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 56; 58; 59. 154 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 4; 130. 155 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 104.
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zusammengefasst die Bischöfe Africas156. Als archiepiscopus wird zudem Reparatus von Karthago bezeichnet.157 Daneben findet sich aber auch die allgemeine Bezeichnung als antistes, besonders wenn mehrere (namentlich nicht genannte) Bischöfe zusammen gemeint sind.158 Zum Teil werden (über Felix von Rom hinaus) Bischöfe auch als presul/presules der jeweiligen Bischofssitze aufgeführt.159 V. a. im nordafrikanischen Kontext werden Bischöfe allgemein auch als sacerdotes bezeichnet.160 Grundsätzlich gilt, dass insbesondere für die Patriarchen zur Zeit des Zeno und des Anastasius, aber auch darüber hinaus, regelmäßig die Haltung gegenüber dem Konzil von Chalcedon notiert wird. Die dadurch vorgenommene Bewertung der Patriarchen, aber auch anderer Bischöfe, geschieht vor allem durch deren Bezeichnung als defensor und custos Chalcedons oder als obtrectator, inimicus, damnator, impugnator oder incubator ecclesie.161 Im Folgenden seien die in der Chronik genannten Bischöfe der Pentarchie aufgelistet162: – Als Bischof von Rom sind genannt: Leo I. (der Große) (440–461)163; Hilarius (461–468)164; Simplicius (468–483)165; Felix III. (II.) (483–492)166; Gelasius I.
156 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 157. 157 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 143; 145; 149; 165. S. dazu weiter u. S. 419–420 (Anm. 906). 158 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 4 (Bezeichnung für die auf der 2. Synode von Ephesus verurteilten Bischöfe); 10 (Rückbezug auf diese verurteilten Bischöfe); 19 (nur für Proterius); 22 (nur für Leo den Großen); 104 (für die östlichen und westlichen Bischöfe zusammen); 137 (für alle Bischöfe); 141 (allgemein die afrikanischen Bischöfe); 145 (für die Bischöfe des Konzils der Byzacena). 159 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 4; 10 (jeweils für die Patriarchen der Pentarchie); 33 (allgemeiner Bezug auf verschiedene Bischöfe); 81 (Flavian von Antiochien und Philoxenus von Mabbug); 147 (zusammenfassend für die auf dem 2. Konzil von Konstantinopel anwesenden Patriarchen); vgl. 9; 11; 49; 77; 119; 133 (jeweils praesulatus). 160 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 30; 50; 106; 149; 152; vgl. auch 76; 89. 161 Vgl. etwa Victor von Tunnuna, Chronicon 23 (9,132–10,37 Cardelle de Hartmann: Timotheus Salafatiarius als synodi Calcidonensis defensor); 63 (20,318–322 Cardelle de Hartmann: Euphemius als sinodi Calcidonensis decretorum custos); 19 (8,109–9,119 Cardelle de Hartmann: Timotheus Ailurus als Calcidonensis synodi obtrectator); 59 (19,298–304 Cardelle de Hartmann: Acacius von Konstantinopel, Petrus von Alexandria und Petrus von Antiochien als Calcidonensis synodi inimici); 58 (18,294–297 Cardelle de Hartmann: Acacius von Konstantinopel wird gewarnt, sich a damnatorum sinodi Calcidonensis communione zu enthalten); 124 (40,687–704 Cardelle de Hartmann: Severus von Antiochien und Julian von Halicarnassus als apostolice fidei et Calcidonensis sinodi impugnatores); 21 (9,124–125 Cardelle de Hartmann: Timotheus [Ailurus] von Alexandria als ecclesie incubator). S. dazu weiter u. bei der Behandlung der jeweiligen Abschnitte der Chronik. 162 Zu allgemeinen Hinweisen mit Quellen (Parallelstellen) vgl. insgesamt den Kommentar von Placanica, „Note“. In den folgenden Kapiteln dieser Arbeit wird v. a. in den Blick genommen, was hinsichtlich der Rezeption Chalcedons und hinsichtlich des Drei-Kapitel-Streites wichtig ist. 163 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 3; 4; 5; 10; 15; 22; 34. 164 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 34; 38. 165 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 38. 166 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 38; 56; 58; 59; 69.
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(492–496)167; Anastasius II. (496–498)168; Symmachus (498–514)169 und dessen Gegenpapst Laurentius (501–505)170; Hormisdas (514–523)171; Johannes I. (523– 526)172; Felix IV. (III.) (526–530)173; Bonifatius II. (530–532)174; Johannes II. (533– 535)175; Agapitus I. (535–536)176; Silverius (536–537)177; Vigilius (537–555)178; Pelagius I. (556–561)179; Johannes III. (seit 561 [bis 574])180. Als Bischof von Konstantinopel sind genannt: Flavian (446–449)181; Anatolius (449–458)182; Gennadius I. (458–471)183; Acacius (472–489)184; Flavitas (489– 490)185; Euphemius (490–496)186; Macedonius II. (496–511)187; Timotheus I. (511–518)188; Johannes II. Kappadokes (518–520)189; Epiphanius (520–535)190; Anthimus I. (535–536)191; Menas (536–552)192; Eutychius (552–565)193; Johannes III. Scholasticus (seit 565 [bis 577])194.
Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 69. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 69; 76. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 76; 108. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 76. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 108; 122. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 122. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 122. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 122. Der Gegenpapst Dioskur (530) (vgl. Grumel, La Chronologie, 430) ist nicht genannt. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 122. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 122; 125; 128. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 128; 130; vgl. 147 (rückbezogene Nennung). Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 130; 132; 141; 147; 157. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 159; 167. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 167. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 3; 4; 9. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 9; 38. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 38. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 54; 57; 58; 59; 62; 63. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 63. Bei Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E440 (122,20 Hansen) ist der Name mit Φραυίτας angegeben, was Mommsen (191,13 Mommsen) aus Theophanes, Chronographia a. m. 5981 in seinen Text der Chronik des Victor übernimmt (vgl. apparatus ad locum). Vgl. auch die Anmerkungen im textkritischen Apparat bei Cardelle de Hartmann ad locum (20 Cardelle de Hartmann). Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 63; 67; 70; 74; 97. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 74; 75; 83. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 83; 99. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 99; 108; vgl. 121 (rückblickend). Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 108; 121. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 121; 125; 130. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 125; 147. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 147; 169; 170. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 170.
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Als Bischof von Antiochien sind genannt: Johannes I. (428–441/442)195; Domnus (441/442–450)196; Maximus (451–455)197; Alexander198; Martyrius (458– 459)199; Julianus (471–475)200; Petrus Fullo201; Stephanus (477–479)202; Calandio (479–484)203 und Johannes II. Codonatus (476–477)204; Petrus205; Palladius
195 196 197 198
Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 1. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 1; 4. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 10; 29. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 29; 38. Ein Alexander war nicht zu dieser Zeit, sondern von 414–424 Bischof der Kirche von Antiochien. Victor von Tunnuna nennt vor Martyrius dafür aber nicht die Bischöfe Basilius (457–458) und Acacius (458–459). Placanica, „Note“, 77 (ad a. 465,1) schlägt daher vor, dass vielleicht Alexander für Basilius stehe und verweist dafür auf einen Vorschlag Mommsens im apparatus ad locum (187 Mommsen), der dort aber nur die falsche Reihenfolge bemerkt und keine Änderung am Text vorschlägt („immo Maximo successit, non Alexander, sed Basilius“). Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 38; vgl. 49 (retrospektive Nennung). Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 38; 49. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 49; 54; 57; 59; 62; vgl. 104 (retrospektive Nennung). Bei Victor von Tunnuna wird nur eine Amtszeit genannt, die Angaben bei Victor von Tunnuna entsprechen den Jahren 477–488. Petrus Fullo war allerdings drei Mal Bischof von Antiochien (471; ca. 476– 477; 485–488); vgl. Suchla, „Petrus Fullo“, 1171. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 62. Zur Diskussion um die mögliche Existenz von zwei Bischöfen mit diesem Namen vgl. Placanica, „Note“, 88–89 (ad a. 488,3). Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 62; 65; 68; 69. Die bei Victor von Tunnuna angegebenen Jahre weichen von der o. g. Zeitspanne seiner Amtszeit ab, die letzte Erwähnung in Chronicon 69 betrifft (nach der Zählung von Cardelle de Hartmann) das Jahr 492. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 62: Dort wird die Information gegeben, dass Calandio von Acacius von Konstantinopel, Johannes hingegen von den orientales episcopi ordiniert worden sei (19,314 Cardelle de Hartmann). Johannes Codonatus war nur sehr kurze Zeit, etwa drei Monate, nach dem zweiten Episkopat des Petrus Fullo Bischof von Antiochien, d. h. aber eigentlich vor dem Episkopat des Stephanus; vgl. Theophanes, Chronographia a. m. 5969; vgl. Placanica, „Note“, 89 (ad a. 488,3), dort auch zu weiteren Quellen zu Johannes. Sein Beiname wird in U als Campaneum angegeben (vgl. 19 Cardelle de Hartmann, apparatus ad locum), was aber sonst nicht belegt ist. Der Namen Κωδωνάτος ist für die Epitome der Kirchengeschichte des Theodoros Anagnostes (E421) bezeugt durch Theophanes, Chronographia a. m. 5973 (128,25 de Boor); vgl. Schwartz, Publizistische Sammlungen, 192. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 62; 68. Petrus wird als hereticus bezeichnet und als Nachfolger des Johannes Codonatus dargestellt (20,16–17 Cardelle de Hartmann), qui Calendione sinodi Calcidonensis defensore superstite fuerat ab hereticis Zenonis temporibus principis ordinatus („der, obwohl Calandio, Verteidiger der Synode von Chalcedon, noch lebte, von den Häretikern zu den Zeiten des Prinzeps Zeno ordiniert worden war“ [21,350–352 Cardelle de Hartmann]). Tatsächlich folgte auf die Amtszeit von Calandio ein drittes Episkopat des Petrus Fullo (vgl. Grumel, La Chronologie, 447, 485–489), worauf an dieser Stelle Placanica, „Note“, 89 (ad a. 488,3) dezidiert hinweist, als ob hier Petrus Fullo gemeint sein könnte. Dies ist vom Text der Chronik her allerdings insofern ausgeschlossen, als ja im ersten Teil von Chronicon 62 bereits vom Tod des Petrus Fullo „unter Verdammung“ berichtet wurde (Petrus Antiochenus episcopus sub damnatione moritur [19,311–312 Cardelle de Hartmann]). Mommsen, „Praefatio“, 182, führt diesen Petrus hereticus daher in seiner Patriarchenliste auch separat auf.
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Zum Gerüst der erzählten Geschichte
(490–498)206; Flavian II. (498–512)207; Severus (512–518; gest. 538)208; Paulus II. (519–521)209; Eufrasius (521–526)210; Euphemius211; Domninus (545–559)212; Anasta sius (seit 559 [bis 570])213. Als Bischof von Alexandria sind genannt: Dioskur (444–451; gest. 454)214; Proterius (451–457)215; Timotheus II. Ailurus (457–460)216; Timotheus III. Salophaciolus [Salafatiarius] (460–475)217; Timotheus II. Ailurus (475–477)218; Timotheus III. Salophaciolus [Salafatiarius] (477–482)219; Johannes Tabennesiota (482)220; Petrus III. Mongus (482–489)221; Athanasius II. Keletes (489–496)222; Johannes Mula (496–505)223; Johannes Niceta (505–516)224; Dioskur II. (516–517)225; Timo-
206 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 68; 69; 77. 207 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 77; 81; 85. 208 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 85; 90; 93; 98; 104; 108; 124; 130. Der Wechsel von Flavian zu Severus wird bereits in Chronicon 85, d. h. im Zusammenhang mit Ereignissen des Jahres 504, erwähnt. Ebenso wird er schon in Chronicon 90 als Bischof erwähnt, also früher als 512. 209 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 108; 127. 210 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 127. 211 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 138. Mit Euphimius ist wohl Ephraim gemeint (527–545); vgl. Mommsen, „Praefatio“, 182; Placanica, „Note“, 122 (ad a. 548,3). 212 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 138; 147; 154. 213 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 154. 214 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 4; 10; 11; vgl. 19; 22; 53; 123; 128 (ab Chronicon 19 bezogen auf den Fehler des Dioskur, d. h. seine Lehre). 215 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 11; 19; vgl. 23; 46; 49; 53 (bezogen auf seinen Mörder Timotheus Ailurus bzw. die Tilgung seines Namens aus den Diptychen). 216 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 19; 21; 23. 217 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 23; 46; vgl. 53 (Rückbezug auf dieses Episkopat). 218 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 46; 49; 53 (bezogen auf seinen Namen in den Diptychen). 219 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 49; 53. 220 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 53; 71. Johannes Tabennesiota meint hier Johannes Talaia, s. u. S. 269. 221 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 53; 54; 56; 57; 59; 64; vgl. 104 (retrospektiver Verweis). Auf das bei Grumel, La Chronologie, 443 angegebene erste, sehr kurze Episkopat des Petrus (Ende Juli bis Anfang September 477) bezieht sich die Bemerkung bei Victor von Tunnuna, Chronicon 53 (17,265–267 Cardelle de Hartmann): Petrus, qui superstite Timotheo Salafaciario episcopo ab hereticis fuerat ordenatus / „Petrus, der, während der Bischof Timotheus Salafatiarius noch lebte, von den Häretikern ordiniert worden war“. Vgl. Placanica, „Note“, 85–86 (ad a. 480). Der Beiname „Mongus“ wird in der Chronik nicht erwähnt. 222 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 64; 69; 73. Der Beiname kommt in der Chronik nicht vor. 223 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 73. Die Angabe „nach wenigen Tagen“ (post paucos dies [23,374 Cardelle de Hartmann]) bezieht sich nicht auf den Tod des Johannes Mula nach wenigen Tagen im Amt, sondern auf die Nachfolge durch Johannes Niceta wenige Tage nach dessen Tod; vgl. Placanica, „Note“, 92 (ad a. 495,2). 224 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 73; 77; 99. 225 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 99; 104; vgl. 123 (als Rückbezug).
Angaben zu Personensukzessionen in der Chronik als chronologische Stränge
–
225
theus IV. (517–535)226; Theodosius (535–566)227 und Gaianus (535)228; Paulus Prestor (537–540)229; Zoilus (540–541)230; Apollinarius (seit 551 [bis 570])231. Als Bischof von Jerusalem sind genannt: Juvenal (422–458)232; Anastasius I. (458– 478)233; Martyrius (478–486)234; Sallustius (486–494)235; Elias I. (494–516)236; Johannes III. (516–524)237; Petrus (524–552)238; Macarius II. (552)239; Eustochius (552–563/564)240; Macarius II. (seit 563/564 [bis ca. 575])241.
Allgemein lässt sich zu den Bischöfen bzw. Patriarchen von Rom, Konstantinopel, Antiochien, Alexandria und Jerusalem in der Chronik des Victor von Tunnuna sagen: Die Namen der genannten Patriarchen sind im Wesentlichen vollständig.242 Es fehlen243 nur vereinzelt Bischöfe, v. a. bei Parallelstrukturen aufgrund von Spaltungen. Für einige Bischöfe bzw. Patriarchen wird nur der Name genannt bzw. ihre Einsetzung als Bischof und/oder das Ende ihres Episkopats.244 Dazu gehören auch bedeutende Päpste wie Gelasius und Hormisdas. Diese Bischöfe spielen in der Chronik als Akteure im Streit um Chalcedon bzw. um die Drei Kapitel keine weitere Rolle, auch wenn zum Teil kürzere zusätzliche Informationen über sie vermerkt werden wie ihre kirchenpolitische Haltung bzw. Einschätzung oder der Umstand ihrer Einsetzung bzw. Ab226 227 228 229 230 231 232 233 234 235 236 237 238 239 240 241 242 243 244
Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 104; 108; 123. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 123; 126; 128; 130; vgl. 124 (Theodosianer). Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 123; 126; 128; vgl. 124 (Gaianiten). Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 128. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 128; 144; 147 (Rückbezug). Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 144; 147. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 4; 10; 22; 29. Der miaphysitische Gegenpatriarch zu Juvenal, Theodosius (451–457 [vgl. Grumel, La Chronologie, 451]), wird in der Chronik nicht genannt. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 29; 38. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 38; 49. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 49; 69; 77. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 77; 90. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 90; 104; 108; 119. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 119; 133. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 133; 146; vgl. 147 (Rückbezug nach der Absetzung). Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 146; 147; 168. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 168. Vgl. auch die Liste der Bischöfe bei Victor von Tunnuna bei Mommsen, „Praefatio“, 182. Bei Rom fehlt dort allerdings ein Eintrag zu Johannes III. (vgl. Chronicon 167). Vgl. die genannten Listen bei Grumel, La Chronologie (s. o. Anm. 144). Dies betrifft folgende Bischöfe: Für Rom Hilarius; Simplicius; Gelasius; Anastasius II.; Symmachus und Laurentius (mit der Information, dass er durch eine Synode in Rom wieder abgesetzt wurde, vgl. Chronicon 76); Hormisdas; Johannes I.; Felix IV. (III.); Bonifatius II.; Johannes II.; Jo hannes III. Für Konstantinopel Gennadius I.; Flavitas/Fravitas; Epiphanius; Menas; Johannes III. Scholasticus. Für Antiochien: Johannes I.; Alexander; Martyrius; Julianus; Stephanus; Johannes Codonatus; Petrus (hereticus [s. o. S. 223 (Anm. 205)]); Palladius; Paulus II.; Eufrasius; Euphe mius; Anastasius. Für Alexandria: Johannes Mula; Dioskur II.; Paulus Prestor; Zoilus. Für Jerusalem: Anastasius I.; Martyrius; Elias I.; Petrus; Macarius (Benennung seiner Einsetzung, Absetzung und Wiedereinsetzung).
226
Zum Gerüst der erzählten Geschichte
setzung.245 Neben den Bischöfen, für die nur die Einsetzung und das Ende des Amtes notiert wird, gibt es Bischöfe, die für die beiden großen Konzilien in Chalcedon und Konstantinopel im Verbund mit den anderen Patriarchen als anwesend notiert werden, ohne dass ihnen darüber hinaus in der Chronik eine bestimmte Rolle zukäme.246 Insgesamt gilt v. a. für die Patriarchen von Jerusalem, dass sie in der Chronik trotz ihrer durchgehenden Nennung kaum als handelnde Personen auftreten.247 Den Päpsten kommt zwar zum Teil eine wichtige Rolle zu, aber v. a. an bestimmten Punkten der Chronik, nämlich am Anfang, als die Chronik Prospers als Quelle benutzt wird, und nach bzw. mit Beginn des eigentlichen Drei-Kapitel-Streites (Chronicon 130). Mehr Aufmerksamkeit liegt über weite Strecken insbesondere auf den Patriarchen von Alexandria und Konstantinopel, aber auch von Antiochien.248 Es gibt in der Chronik immer wieder summarische Bemerkungen, in denen mehrere Bischöfe notiert sind – diese fassen entweder mehrere hintereinander folgende Bischöfe eines Bischofssitzes249 oder mehrere parallele Episkopate der verschiedenen Städte in einer Notiz zusammen250. Damit wird dann jeweils eine größere Zahl von 245 Vgl. etwa Victor von Tunnuna, Chronicon 62 (Petrus von Antiochien als hereticus; vgl. auch 68); 170 (54,981 Cardelle de Hartmann): Johannes von Konstantinopel wird gemacht zum Bischof eiusdem erroris / „von demselben Fehler“ (wie Eutychius). Die Amtseinsetzung zu Lebzeiten des Vorgängers wird erwähnt für Palladius von Antiochien (Chronicon 69: Calendione superstite [22,3358 Cardelle de Hartmann]); die Absetzung des Elias von Jerusalem, der als Verteidiger Chalcedons bezeichnet wird, wird relativ ausführlich geschildert (Chronicon 90); die Amtseinsetzung von Paulus Prestor durch Verteidiger Chalcedons wird genannt (Chronicon 128); genannt wird auch der Grund für die Absetzung des Zoilus, der die Drei Kapitel nicht verurteilen wollte (Chronicon 144). 246 Dies gilt für Maximus von Antiochien und Anatolius von Konstantinopel (Chalcedon, vgl. Chronicon 10); sowie für Domninus von Antiochien, Appollinarius von Alexandria und Eustochius von Jerusalem (Konstantinopel, vgl. Chronicon 147). 247 Der einzige, dem hier eine größere Rolle zukommt, ist Juvenal; s. u. Kap. 5.1. 248 Insofern ist Placanica zuzustimmen, wenn er schreibt („Introduzione“, XVII): „Hanno speciale rilievo le vicissitudini dei patriarcati allesandrino e costantinopolitano […], mentre Roma, pur serbando il suo primate nell’ordine tradizionale delle sedi patriarcali, ha uno spazio del tutto inadeguato rispetto alla funzione esercitata dalla Sede apostolica tra il concilio di Calcedonie e il secondo di Constantinopoli.“ Dass es sich um eine „inadäquate“ Darstellung der Päpste handelt, lässt sich freilich nur sagen, wenn man für sie eine bestimmte Rolle erwartet. 249 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 122 (39,675–678 Cardelle de Hartmann): Iohanne v. c. consule, Romane ecclesie post Ormisdam Iohannes, post Iohannem Felix, post Felicem Bonifatius, post Bonifa tium alius Iohannes, et post Iohannem Agapitus episcopus ordinatur. / „Als der uir clarissimus Johannes Konsul war, wurde für die römische Kirche nach Hormisdas Johannes, nach Johannes Felix, nach Felix Bonifatius, nach Bonifatius ein anderer Johannes, und nach Johannes Agapitus zum Bischof ordiniert.“ In dieser Notiz werden die Jahre 523–535 zusammengefasst; vgl. Grumel, La Chronologie, 430. 250 Vgl. etwa Victor von Tunnuna, Chronicon 38 (13,189–195 Cardelle de Hartmann): Romane ecclesie episcopus post Ylarium Simplicius ordinatur et post Simplicium Felix. Constantinopolitane ecclesie Gennadius Anatholio succedit in episcopatum et Gennadio Acatius. Antiochene ecclesie post Alexandrum Marturius et post Marturium Iulianus ordinatur episcopus. Iherosolimitane uero ecclesie Marturius post Anastasium episcopum aderat. / „Für die Kirche von Rom wurde nach Hilarius Simplicius als Bischof ordiniert, und nach Simplicius Felix. Für die Kirche von Konstantinopel folgte Gennadius auf Anatolius in das Bischofsamt, und auf Gennadius Acacius. Für die Kirche von Antiochia wurde
Angaben zu Personensukzessionen in der Chronik als chronologische Stränge
227
Jahren mit einer Notiz abgehandelt, ohne dass deshalb die übrige abgehandelte (parallele) Geschichte ebenso komprimiert würde. Es spielt dann nur die Geschichte der so zusammengefassten Episkopate für die jeweilige nähere Zeit keine Rolle mehr. Zum Teil wird auch zwischen Beginn und Ende eines Episkopats kurz notiert, dass jemand das betreffende Episkopat innehat.251 Gerade durch diese Angaben zu Beginn und Ende der Episkopate und durch die summarischen Bemerkungen wird deutlich, dass die Abfolge der Bischöfe ein weiteres chronologisches Grundgerüst ist, das die Chronik durchzieht, wenn auch ohne die Angabe der Amtsjahre wie bei den Kaisern und chronologisch nicht immer „korrekt“, d. h. mit der tatsächlichen Amtszeit bzw. mit der parallel erzählten Zeit übereinstimmend.252 4.2.5 Bischöfe von Karthago Auch die Bischöfe von Karthago253 und deren Wechsel werden – wieder entsprechend dem nordafrikanischen Fokus der Chronik – in ähnlicher Weise wie die Patriarchen der Pentarchie angegeben.254 Genannt werden Capreolus (429/430–ca. 435)255, Quodvultdeus (seit ca. 439 [oder 437])256, Deogratias (454–456/457)257, Eugenius
251
252 253
254 255 256 257
nach Alexander Martyrius, und nach Martyrius Julianus als Bischof ordiniert. Für die Kirche von Jerusalem aber war Martyrius nach Anastasius Bischof.“ In dieser Notiz, die nicht den Patriarchen von Alexandria erwähnt, sind die Jahre von 458 (Beginn des Episkopats des Gennadius) bis 483 (Beginn des Episkopats von Felix) abgedeckt. Vgl. ähnliche summarische Bemerkungen in Chronicon 29; 49; 69; 77; 104; 108, vgl. auch 119 (Karthago und Jerusalem, s. u. Anm. 263). Die konkret genannten Patriarchate (Städte) variieren jeweils. Vgl. etwa zu Athanasius II. Keletes von Alexandria, der zudem in der Nachfolge des Petrus Mongus als Häretiker bezeichnet wird: Alexandrine uero Athanasius preerat hereticus (Victor von Tunnuna, Chronicon 69 [22,356–357 Cardelle de Hartmann]). Der Beginn seines Amtes wird in Chronicon 64 genannt, das Ende aufgrund seines Todes in Chronicon 73. Vgl. eine solche „Zwischennotiz“ auch bei Johannes Niceta (Chronicon 77); Timotheus IV. von Alexandria (Chronicon 108); Sallustius (Chronicon 69); Johannes III. von Jerusalem (Chronicon 104 und 108). Vgl. bspw. schon die o. g. summarischen Bemerkungen; auch Angaben für einzelne Episkopate stimmen (nach heutiger Rechnung) oft nicht. Zur Vorrangstellung des Bischofs von Karthago im nordafrikanischen Kontext s. o. S. 42–43. Der Bischof von Karthago wurde nie als „Patriarch“ bezeichnet, vgl. Adamiak, Carthage, 45. Allerdings scheinen die homöischen Vandalen ihrem Bischof in Karthago diesen Titel beigelegt zu haben, vgl. Victor von Vita, Historia persecutionis 2,14 (Patriarch Iucundus) und 2,54. Victor von Vita berichtet, dass dieser Titel von den „Katholiken“ als „hochmütig und unerlaubt angemaßt[]“ empfunden wurde (superbe et illicite sibi nomen usurpatum [45,11 Petschenig; Übers. 97 Vössing]). Zu den jeweiligen Daten in der untenstehenden Auflistung vgl. Maier, L’Épiscopat, 95, sowie Audollent, Carthage romaine, 827. Die Bischöfe anderer Städte bzw. Provinzen Africas werden in der Chronik nicht regelmäßig aufgeführt; zu ihnen s. im Einzelnen im jeweiligen Kapitel. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 26. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 26. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 26. Nach Deogratias war der Bischofssitz 24 Jahre vakant.
228
Zum Gerüst der erzählten Geschichte
(480/481–505 [?]; verbannt unter Thrasamund 496)258, Bonifatius (ca. 523–535)259, Reparatus (535–552; gest. 563)260 und Primosus (552–nach 566/567)261. Auch hier ist die Liste der Bischöfe somit vollständig, und die Angaben gleichen zumindest teilweise formal den Angaben zu den Bischöfen der Pentarchie: Es finden sich wie bei den Patriarchen summarische Bemerkungen, die mehrere Jahre in einer Notiz abhandeln,262 und in Chronicon 119 wird der Wechsel im Episkopat Karthagos in einer Notiz mit dem Wechsel im Episkopat Jerusalems genannt, also in den Wechsel der anderen Patriarchen eingereiht263. Auch wenn Chronicon 119 das einzige Beispiel für eine solche Einreihung ist, ähnelt doch die Notierung der Bischöfe Karthagos in der Chronik insgesamt der der Patriarchen. Anzumerken ist darüber hinaus noch, dass allgemein für die Bezeichnung von Bischöfen besonders in Africa in der Chronik auch der Begriff sacerdotes gebraucht wird: So ist von sacerdotes catholici im Zusammenhang mit den Exilierungen Hunerichs bzw. der Rückkehr der Exilierten unter Hilderich die Rede (vgl. Chronicon 30; 50; 106).264 Sacerdotes als Angehörige eines concilium der Proconsularis werden genannt in Chronicon 149 und 152.265
258 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 26; 50; 86. Nach Eugenius war der Bischofssitz erneut vakant (18 Jahre). Vgl. auch Steinacher, Die Vandalen, 283. 259 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 106; 119. 260 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 119; 143; 145; 165; vgl. 149 (Rufinus und Vivus als obtrectatores des Reparatus). In Chronicon 143; 145; 149 und 165 wird Reparatus als archiepiscopus (Erzbischof) bezeichnet. Zu diesem Titel s. u. S. 419–420 (Anm. 906). 261 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 145; 149; 152; 155. 262 Vgl. v. a. Victor von Tunnuna, Chronicon 26 (10,142–144 Cardelle de Hartmann): Viuiano u. c. […] consulibus Cartaginiensis ecclesie post Capreolum Quoduultdeus et post Quoduultdeus atque Deogratias Eugenius episcopus ordinatur. / „Als der uir clarissimus Vivianus […] Konsuln waren, wurde für die Kirche von Karthago nach Capreolus Quodvultdeus und nach Quodvultdeus und Deogratias Eugenius zum Bischof der Kirche von Karthago ordiniert.“ Hiermit werden in der Notiz zu einem Jahr ungefähr 45 Jahre abgehandelt. 263 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 119 (38,663–666 Cardelle de Hartmann): Belesario uice consule, Reparatus Cartaginensis ecclesie episcopatum post Bonifacium suscipit, Iherosolimitane uero ecclesie presulatu Petrus Iohanni mortuo succedit. / „Als Belisar zum zweiten Mal Konsul war, empfing Reparatus das Bischofsamt der Kirche von Karthago nach Bonifatius, für den Vorsitz der Kirche von Jerusalem aber folgte Petrus, nachdem Johannes gestorben war.“ 264 Tilley, „The Collapse“, 6 (mit Anm. 9) verweist auf Victor von Tunnuna, Chronicon 30 als Beleg dafür, dass das Wort sacerdos in Nordafrika bis weit in die byzantinische Zeit nur für Bischöfe gebraucht wurde. Dafür, dass hier Bischöfe gemeint sind, spricht jedenfalls auch die Angabe in Chronicon 50, wo notiert wird, dass neben den sacerdotes auch die cuncti ordinis clerici exiliert wurden: Dass zwischen beiden unterschieden und die sacerdotes zuerst genannt sind, legt eine Deutung der sacerdotes (nur) als Bischöfe nahe. Dasselbe gilt bspw. für die Parallelisierung von den episcopi aus Numidien mit den sacerdotes aus der Proconsularis in Chronicon 152, auch dort scheinen die beiden Begriffe dasselbe, eben Bischöfe, zu bezeichnen. 265 Dazu s. u. Kap. 5.7.3.4. Die Bezeichnung sacerdotes wird darüber hinaus in der Chronik noch gebraucht für die christlichen Amtsträger, die durch ihre Gebete dem Perserkönig Kavvades helfen, ein Kastell einzunehmen (vgl. Chronicon 89); in der entsprechenden Stelle bei Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E512 (146,25–147,15 Hansen) ist ein explizit genannter Protagonist
Angaben zu Personensukzessionen in der Chronik als chronologische Stränge
229
Es wurde schon oft bemerkt, dass kirchenpolitische bzw. kirchengeschichtliche Ereignisse in der Chronik Victors von Tunnuna einen besonders großen Raum einnehmen: […] Victor de Tonnenna […] nous a laissé une Chronique singulièrement curieuse, dans les portions qui se rapportent au VI siècle, par le ton passionné du récit et la preoccupation presque exclusive des événements de l’histoire religieuse.266 Das Kirchliche ist in dieser Chronik viel stärker berücksichtigt als das Weltliche, besonders von 456 an.267
Neben den in der Chronik dargestellten Ereignissen zeigt sich dies auch an der aufgezeigten regelmäßigen Nennung der Bischöfe der Pentarchie und Karthagos und an der (fast lückenlosen) Vollständigkeit ihrer Auflistung, die neben den Kaisern den zweiten chronologischen Strang der Chronik ergibt. Längst nicht alle Bischöfe aber nehmen eine aktive Rolle in der Darstellung der Chronik ein – und verschiedenen Bischofssitzen kommt für verschiedene Zeiten eine unterschiedliche Rolle zu. Dies hängt einerseits mit den von Victor von Tunnuna benutzten Quellen zusammen, andererseits aber auch mit der Geschichte, welche die Chronik mit einer bestimmten Intention bzw. von einem bestimmten historischen Ort aus erzählt. Dieser Geschichte dient das hier dargestellte Gerüst als Grundlage, sozusagen als äußerer Rahmen, und sie füllt es inhaltlich. Wie sie dies tut, wird im folgenden Kapitel 5 untersucht werden.
der Christen der ἐπίσκοπος, so dass auch bei Victor von Tunnuna entsprechend Bischöfe gemeint sein können. Eine „bischöfliche Versammlung“, die den Gegenpapst Laurentius absetzt, wird in Chronicon 76 erwähnt (24,391–393 Cardelle de Hartmann): Laurencius […] a cetu est sacerdotali proiectus / „Laurentius […] wurde von einer bischöflichen Versammlung fortgejagt“. 266 Diehl, L’Afrique byzantine 2, 432. 267 Schanz/Hosius/Krüger, Geschichte der römischen Literatur 4,2, 113. Vgl. auch Placanica, „Introduzione“, XX: Victor von Tunnuna habe besonderes Interesse an kirchlichen Ereignissen, mit einem besonderen Augenmerk auf den Orient und – im Vergleich zu den anderen Patriarchaten – auf die Zentralität Konstantinopels (dazu kurz s. o. S. 122–123).
5. Die erzählte Geschichte der Chronik In den folgenden Kapiteln wird nun die erzählte Geschichte (d. h. die oben postulierte zweite Geschichte) der Chronik in den Blick genommen: Welche Geschichte erzählt die Chronik des Victor von Tunnuna – insbesondere welche Geschichte des Drei-Kapitel-Streites? Dabei wird, wie oben dargelegt, davon ausgegangen, dass eine Chronik tatsächlich eine eigene Geschichte erzählt und damit mehr ist als eine bloße chronologische Aneinanderreihung von Fakten oder eine dürre Aufzählung. Die Chronologie ist in der Chronik des Victor von Tunnuna zunächst das Gerüst, das die erzählte Geschichte zusammenhält und gleichzeitig inhaltlich durch sie gefüllt wird. Inwiefern diese Annahme einer erzählten Geschichte auf die Chronik des Victor von Tunnuna zutrifft und was die erzählte Geschichte zugleich über den Ort/Kontext der Chronik und auch die Intention, mit der sie verfasst wurde, verraten kann, dem wird in diesem großen Kapitel 5 nachgegangen. Dabei werde ich im Wesentlichen chronologisch vorgehen, d. h. der durch die Chronik vorgegebenen chronologischen Struktur folgen. Das heißt, dass sich die Abschnitte in diesem Kapitel an den „Kaisern der Römer“ orientieren – deren Herrschaftszeiten strukturieren die Chronik durch die jeweils gleiche Einführung und die formal gleiche Angabe der Jahre der Herrschaft. Die nordafrikanische Geschichte, die die Chronik erzählt, ist dabei in die erzählte Geschichte des Römischen Reiches und der kirchlichen Strukturen eingewoben, lässt sich aber zumindest für die Zeit unter der Vandalenherrschaft als eigener Erzählfaden verfolgen, daher wird diese Geschichte in einem gesonderten Kapitel (Kap. 5.5) behandelt. Als Überblick über die abgehandelten Einträge der Chronik wird an den Anfang jedes Kapitels jeweils eine kurze tabellarische Übersicht eingefügt. Am Ende der „erzählten Geschichte“ kommt mit der Epistula fidei catholicae ein letztes Zeugnis des Widerstandes gegen die Verurteilung der Drei Kapitel in Africa in den Blick (Kap. 5.9). 5.1 Der Auftakt der Chronik: Rund um die Synode von Chalcedon – eine Geschichte ausgehend von Prospers Epitoma chronicon Die Frage, ob die Chronik des Victor von Tunnuna einmal eine Universalchronik war oder nicht, wurde oben bereits in Verbindung mit dem Präskript der Chronik aus-
Der Auftakt der Chronik: Rund um die Synode von Chalcedo
231
führlich diskutiert.1 Das Präskript präsentiert die Chronik als Fortsetzung der Chronik Prospers: Huc usque Prosper uir religiosus ordinem precedentium digessit annorum cui et nos ista subiecimus.2 Die Chronik Victors wird damit angeschlossen an eine ordo, die Prosper „bis hierher“ geführt hat, wobei der Fokus des Präskriptes der Gattung Chronik entsprechend auf der Chronologie liegt: auf der Zählung der Jahre (digessimus) im Anschluss an die Chronik Prospers. Was in der Chronik folgt, ist freilich mehr als das – einerseits folgt eben nicht nur eine simple Zählung der Jahre, und andererseits schließt die Chronik Victors ja eben gerade nicht einfach an die Chronik Prospers an, sondern verarbeitet sie als Quelle.3 Diese Benutzung der Chronik des Prosper Tiro von Aquitanien durch Victor von Tunnuna für die Jahre 444–455 zeigt sich grundsätzlich besonders in der Darstellung der politischen Geschichte: Alle politischen Ereignisse der Jahre 444–455, die in der Chronik Victors erwähnt sind, kommen auch bei Prosper vor.4 Zudem sind die Ausführungen zur politischen Geschichte in diesem ersten Teil der Chronik im Verhältnis zu späteren Einträgen relativ ausführlich. Auch dies weist auf ihre Quelle hin.5 Hier soll nun der jetzt vorliegende und oben als ursprünglich angenommene Anfang der Chronik in inhaltlicher Hinsicht in den Blick genommen werden: Gerade im Vergleich mit der Chronik Prospers zeigen sich für die Jahre 444–455 (Chronicon 1–15) von Anfang an eigene Akzente, die zur Geschichte des Drei-Kapitel-Streites, wie sie die Chronik erzählt, hinführen. Dass Victor von Tunnuna nicht einfach an das Jahr 455 und damit an die ihm offensichtlich vorliegende Version der Chronik Prospers anknüpft, ist auffällig und nicht nur relevant für die Frage nach der ursprünglichen Gestalt der Chronik Victors, sondern auch für die Frage nach deren inhaltlichem Fokus mit einer bestimmten Intention und einem bestimmten historischen Ort im Drei- Kapitel-Streit. Dieser Fokus soll im Folgenden v. a. im Vergleich mit der Darstellung Prospers herausgearbeitet werden. Die Abschnitte der Chronik, die die Jahre 444–455 umfassen und deren Hauptquelle also die Chronik Prospers ist, beinhalten folgende Ereignisse:
1 2 3
4 5
S. o. Kap. 3.5. Victor von Tunnuna, Chronicon (3,1–2 Cardelle de Hartmann): „Bis hierher hat der Mönch Prosper die Ordnung der vorangehenden Jahre der Reihe nach eingetragen, dem lassen auch wir diese Dinge folgen.“ S. o. S. 143. Auch die Historia ecclesiastica des Theodoros Anagnostes wurde bereits am Anfang der Chronik als Quelle benutzt; Hansen weist in seiner Ausgabe auf die Benutzung von Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E344–347 in Chronicon 3–4 hin; allerdings war die Historia möglicherweise bereits für Chronicon 1 eine Quelle; s. u. S. 232–233. Ausnahme ist die Erwähnung der Amtsübernahme des Avitus für das Jahr 455 (Chronicon 15) – dieses Ereignis gehört freilich schon in die Zeit nach dem Ende der Chronik Prospers. Vgl. Muhlberger, „Prosper’s Epitoma Chronicon“, 241. Zur ausführlichen Darstellung und Begründung der Annahme, dass Victor von Tunnuna die Chronik Prospers als Quelle benutzt vgl. insgesamt ebd., 240–244, bes. 241–243; s. dazu auch kurz o. Kap. 3.3 sowie S. 146.
232
Die erzählte Geschichte der Chronik
Chronicon
Jahr6
Ereignis/Inhalt
1
444
Domnus als Bischof von Antiochia.
2
446
Das (dritte) Konsulat des Aëtius und das des Symmachus.
3
447
Die „Häresie“ des Eutyches, seine Verurteilung in Konstantinopel und deren Bestätigung durch den römischen Bischof Leo.
4
448
Die 2. Synode von Ephesus („Räubersynode“).
5
449
Hunnenkönig Attila bedroht Italien.
6
450
Tod von Kaiser Theodosius II.
7
450
Marcian wird als Kaiser eingesetzt.
8
450
Marcian kündigt das Konzil von Chalcedon an.
9
450
Anatolius als Bischof von Konstantinopel.
10
451
Das Konzil von Chalcedon.
11
453
Proterius als Bischof von Alexandria nach der Exilierung des Dioskur.
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Der Tod des Attila und die Schwächung der Hunnen.
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Tötung des Patriziers Aëtius durch den Augustus Valentinian.
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Intrigen gegen Valentinian und dessen Tötung; Übernahme der Herrschaft durch Maximus; die Ankunft Geiserichs in Rom steht bevor.
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Die Plünderung Roms durch Geiserich; Avitus als Herrscher über Gallien.
5.1.1 Akzente des Victor von Tunnuna im Vergleich zu Prosper Tiro von Aquitanien – erste Beobachtungen Die Chronik beginnt mit dem Jahr 444 nach unserer Zeitrechnung. Dieses Jahr ist das Todesjahr des Kyrill von Alexandria, was allerdings – wie in der Chronik Prospers – nicht erwähnt wird.7 Das erste Ereignis, das Victor nach der Angabe der Konsuln notiert, ist vielmehr, dass Domnus nach Johannes Bischof der Kirche von Antiochien wird.8 Schon mit diesem ersten Eintrag wird ein Akzent gesetzt: Prosper nennt dieses Ereignis nicht. In der Epitome des Theodoros Anagnostes wird die Wahl des Domnus zum Bischof hingegen genannt, anders als bei Victor von Tunnuna noch weiter 6 7 8
In dieser und in den in den weiteren Kapiteln folgenden chronologischen Tabellen dieser Art sind die Angaben zu den Jahren aus der Ausgabe Cardelle de Hartmanns übernommen. Bei Prosper wird Kyrill nur in seiner Opposition zu Nestorius erwähnt (vgl. Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 1297). Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 1 (3,3–5 Cardelle de Hartmann): Antiochene ecclesie episcopatum post Iohannem Domnus suscepit. / „Nach Johannes empfing Domnus das Bischofsamt der Kirche von Antiochien.“
Der Auftakt der Chronik: Rund um die Synode von Chalcedo
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präzisiert durch die Information, Domnus habe an den König geschrieben wegen der „Rechtgläubigkeit der Zeugen für Theodor von Mopsuestia“.9 Facundus von Hermiane erwähnt bezüglich Domnus, er sei die erste Person, welche offen die Lehre des Eutyches angegriffen habe.10 Nach Liberatus von Karthago verurteilte Domnus in einem Streit von Presbytern und Diakonen aus Edessa zusammen mit Ibas von Edessa einige dieser Presbyter und Diakone und hob das Urteil des Ibas gegen sie nicht auf.11 Domnus selbst wurde in Ephesus 449 verurteilt.12 Damit wird die Chronik mit der Einsetzung eines Bischofs eröffnet, der als rechtgläubig im Sinne des späteren Konzils von Chalcedon erscheint, und der zudem selbst zugunsten einzelner der Drei Kapitel handelt. Dies kann als Subtext i. S. des Fokus der Chronik auf die Verteidigung der Drei Kapitel gedeutet werden – allerdings finden sich diese Hinweise im Text selbst nicht. Die Chronik von Victor von Tunnuna erwähnt überhaupt keine weiteren Ereignisse, die Domnus betreffen.13 5.1.2 Politische Notizen der Jahre 444–455 Nach dieser ersten Akzentsetzung in der Chronik des Victor von Tunnuna zeigt ein Vergleich mit den parallelen Einträgen aus der Chronik Prospers grundsätzlich, wie oben schon angeführt, dass es v. a. bezüglich politischer Notizen für die Jahre 444–455 9
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Vgl. Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E341 (97,8 Hansen): ὃς καὶ ἕγραψε βασιλεῖ ὀρθοδοξίαν μαρτυρῶν Θεοδώρῳ Μομψουεστίας. Damit folgt Victor hier wahrscheinlich eher Theodoros Anagnostes als Prosper. Somit erscheint auch Placanicas Überlegung (vgl. „Note“, 53 [ad a. 444]), dass sich die fehlende Notiz zum Tod Kyrills im ursprünglich vorher stehenden Teil der Chronik Victors befand, weniger wahrscheinlich, selbst wenn man noch von einer Universalchronik ausgehen will: Theodoros Anagnostes erwähnt den Tod von Kyrills in dem auf den Bericht über die Amtsübernahme des Domnus folgenden Abschnitt (Historia ecclesiastica E341–E342). Wenn Victor mit der Angabe der Wahl des Domnus zum Bischof in diesem Abschnitt aber eher Theodoros als Prosper folgt, wäre es naheliegender, eine Notiz zum Tod Kyrills an derselben Stelle wie bei Theodoros zu erwarten. Bei Placanica, „Note“, 53 (ad a. 444) auch die Hinweise auf die weiteren Quellen in diesem Abschnitt. Vgl. Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 8,5,1–5 (Brief des Domnus an Kaiser Theodosius wegen Eutyches); 12,5,18. Vgl. Liberatus von Karthago, Breuiarium 10 (113,15–25 Schwartz); vgl. Heil, „Liberatus von Karthago“, 57. Vgl. Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 437. Dies wird von Victor von Tunnuna nicht berichtet, vgl. Chronicon 4. Vgl. Placanica, „Note“, 63 (ad a. 444): „Non senza motivo Vittore […] segnala l’elezione di Domno: egli fu infatti il primo ad attacare apertamente le dottrine di Eutiche“. Placanica weist ebd. auch darauf hin, dass Domnus eigentlich 441–442 Bischof wurde. Victor von Tunnuna erwähnt später (Chronicon 130) eine Synode in Antiochien unter Johannes, die Theodor von Mopsuestia gelobt habe. Damit bezieht er sich auf eine Synode aus dem Jahr 438 (s. u. S. 386; Prosper erwähnt diese Synode nicht). Dies kann als ein weiterer Hinweis darauf gesehen werden, dass aus Sicht des Victor von Tunnuna die Streitigkeiten, die zum späteren Drei-Kapitel-Streit führen, in diesen Jahren um 440 beginnen, was auch inhaltlich einen Beginn der Chronik zu dieser Zeit nahelegen würde.
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Die erzählte Geschichte der Chronik
inhaltliche und wörtliche Übereinstimmungen zwischen Prospers und Victors Chronik gibt. Ähnlich geschilderte Ereignisse sind etwa der Tod Attilas und dessen Folgen (vgl. Chronicon 12 und Epitoma chronicon 1370). Auch in Chronicon 13 und 14 (Aëtius und Valentinian) finden sich Belege für die Übereinstimmung von Prosper (vgl. Epitoma chronicon 1373 und 1375) und Victor, die Muhlberger als „clear verbal echoes of Prosper“ bei Victor aufgezeigt hat.14 Freilich gibt es in denselben Einträgen dennoch Unterschiede im Detail: So ist die Darstellung der Tötung des Aëtius bei Victor (Chronicon 13; vgl. Epitoma chronicon 1373) deutlich kürzer, es fehlt im Gegenüber zu Prosper etwa die Erwähnung einer angestrebten familiären Verbindung zwischen dem Augustus Valentinian und dem patricius Aëtius.15 Als Anstifter für die Feindseligkeiten zwischen Valentinian und Aëtius wird bei Prosper der kaiserliche praepositus, der Eunuch Heraclius genannt; dieser (oder ein anderer Intrigant) spielt bei den Schilderungen in der Chronik des Victor von Tunnuna zunächst keine Rolle.16 Ist es bei Prosper Valentinian, der Aëtius eigenhändig tötet,17 wird bei Victor von Tunnuna die Tötung – nach einer vorherigen gewaltsamen Intervention durch den Kaiser – den Schwertern der Umstehenden zugeschrieben.18 In Chronicon 14 erwähnt Victor dann Heraclius mit dem Patrizier Maximus19 als an der 14 15
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Vgl. Muhlberger, „Prosper’s Epitoma chronicon“, 241–242: Vergleich von Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 1361; 1367; 1373; 1375 und Victor von Tunnuna, Chronicon 5; 6; 7; 13; 14. Aëtius war erfolgreicher Heermeister und wurde von Kaiser Valentinian III. und dessen Umfeld als Bedrohung wahrgenommen. Er versuchte nach Prosper, seinen Sohn mit der Tochter von Valentinian, Placidia, zu verheiraten. Vgl. Becker/Kötter, „Kommentar“, 321–322; vgl. Steinacher, Die Vandalen, 192–193. Vgl. Becker/Kötter, „Kommentar“, 323–324: Prosper folge mit der Beschuldigung eines kaiserlichen Beraters einem „Grundmuster antiker Polemik“, hier allerdings in abgeschwächter Form. Victor übernimmt dieses Muster an dieser Stelle jedenfalls nicht. Zu den Varianten in Prospers Text vgl. Becker/Kötter, „Kommentar“, 320–321, 324–325. Prosper (Epitoma chronicon 1373) bietet zunächst als einziger die Information, dass auch der Präfekt Boethius getötet wurde (vgl. ebd., 325), was Victor von Tunnuna aufnimmt (Chronicon 13). Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 1373 (483,12–14 Mommsen; Übers. 135–137 Kötter: Aetius […] imperatoris manu et circumstantium gladiis intra palatii penetralia crudeliter confectus est / „Aëtius [wurde] durch des Kaisers Hand und durch die Schwerter der Umherstehenden in den Gemächern des Palastes grausam umgebracht.“ Zur Sicht auf Aëtius als letztem „Römer und Retter des weströmischen Kaisertums“ vgl. Steinacher, Die Vandalen, 196, in Bezug auf Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 1,4,28; vgl. auch Marcellinus Comes, Chronicon ad a. 454,2 (86,9–10 Mommsen; Übers. 22 Croke): Cum ipso Hesperium cecidit regnum. / „And with him fell the Western Kingdom“. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 13 (7,79–81 Cardelle de Hartmann): Aetius patricius Valentiniani Augusti manu intra palatium primo percussus circumstancium gladiis crudeli morte extinguitur. / „Der Patrizier Aëtius wurde durch die Hand des Augustus Valentinian im Palast zuerst geschlagen und dann durch die Schwerter der Umstehenden durch einen grausamen Tod ausgelöscht.“ Auf die Erwähnung der direkten Beteiligung des Kaisers an der Tötung des Aëtius in weiteren Quellen weisen Becker/Kötter, „Kommentar“, 325 (mit Anm. 2) hin. Vgl. etwa Marcellinus Comes, Chronicon a. 454,2; Hydatius, Chronicon 160 u. ö. Vgl. auch Placanica, „Note“, 71–72 (ad a. 454). Vgl. zu seiner möglichen Beteiligung an der Tötung Valentinians und zu seiner anschließenden Heirat mit dessen Witwe kurz Becker/Kötter, „Kommentar“, 327.
Der Auftakt der Chronik: Rund um die Synode von Chalcedo
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Tötung des Valentinian beteiligt, Prosper (Epitoma chronicon 1375) hingegen notiert die Tötung des Heraclius kurz nach der Tötung Valentinians.20 Maximus wird kurzzeitig Nachfolger Valentinians und heiratet dessen Witwe (Licinia Eudoxia, weder bei Victor noch bei Prosper namentlich genannt). Die negative Beurteilung dieser Ehe, zu der Maximus die Witwe ohne die angemessene Trauerzeit gezwungen hatte,21 ist bei Victor von Tunnuna deutlicher als bei Prosper: Sie wird direkt im Anschluss an die Aussage, hier erscheine das Schlechte, das bisher verborgen war, genannt.22 Auf die Angabe zu der Ehe folgt die Darstellung der Fortführung dieser Schlechtigkeiten mit „noch schlechteren Dingen“,23 nämlich der Erlaubnis an die Römer, bei der Ankunft Geiserichs in Rom24 zu fliehen und Maximus’ eigenem Fluchtplan. Diese „schlech-
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Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 14 (7,83–85 Cardelle de Hartmann): Valentinianus imperator Rome campo Martio dolis Maximi patritii et Eraclii prepositi perimitur. / „Kaiser Valentinianus wurde auf dem Marsfeld durch die Täuschungen des patricius Maximus und des praepositus Heraclius getötet.“ Vgl. Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 1375 (484,6–7 Mommsen/Übers. 137 Kötter): Heraclio simul, ut erat proximus, interempto. / „Gleichzeitig wurde Heraclius beseitigt, weil er ihm am nächsten stand.“ Placanica, „Note“, 72 (ad a. 455) nimmt an, dass Victor von Tunnuna Prosper hier missverstanden habe und deshalb Heraclius an der Tötung Valentinians beteiligt sehe. Placanica sieht insgesamt in der Notiz zu Valentinians Tod bei Victor eine größere Nähe zu Marcellinus Comes, Chronicon a. 455,1 als zu Prosper, wobei eine Benutzung dieser Chronik durch Victor aber unwahrscheinlich sei. S. dazu auch u. S. 309–310. Die Trauerzeit betrug eigentlich ein Jahr, vgl. Placanica, „Note“, 73 (ad a. 455); vgl. Codex Iustinanus 5,9,2. Bei Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 1375 (484,16 Mommsen/Übers. 137 Kötter) wird die Ehe des Maximus mit der Witwe Valentinians als incontinentia („Unmäßigkeit“) bezeichnet. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 14 (7,87–89 Cardelle de Hartmann): […] malum quod latebat apparuit. […] Sed his malis peiora succedunt. / „Hier erschien daher das Schlechte, das verborgen war. […] Aber auf diese schlechten Dinge folgten noch schlechtere.“ S. auch u. Kap. 5.4.1 und 5.7.2.5 zu Chronicon 68 und 130. Das malum quod latebat apparuit kann sich gleichzeitig auf die zuvor genannten doli von Maximus und Heraclius und die darauf folgende Übernahme der Herrschaft durch Maximus beziehen. Die unrechtmäßige, durch Täuschungen erworbene Herrschaft zeigt sich auch in der unrechtmäßigen Heirat. Zu Geiserich s. o. Kap. 2.2.2.1, s. auch u. Kap. 5.5.1. Vössing, Das Königreich, 56, sieht in der Besetzung des Kaiserthrones durch Maximus den entscheidenden Impuls für die Plünderung Roms durch Geiserich, als Rache für die Ermordung Valentinians, dessen Vertragspartner und gleichzeitig zukünftigen Schwiegervater seines Sohnes, dem Valentinians Tochter Eudocia versprochen worden war. Zu den Gründen für den „sacco di Roma“ vgl. zusammenfassend insb. Vössing, Das Königreich, 55–60, hier 58: Geiserich wollte „sicherstellen, dass die Nachfolgefrage im Westreich offen blieb, dass zumindest nichts ohne ihn entschieden werden konnte, und bezeichnenderweise gab er die Kaiserwitwe und ihre jüngere Tochter Placidia nicht eher frei, als bis er die ältere (Eudocia) mit seinem Sohn vermählt und auch die jüngere einem ihm genehmen Ehemann gegeben hattte.“ Zudem habe die Beraubung darauf gezielt, „das Westreich durch systematische Ausplünderung von der Möglichkeit abzuschneiden, in der üblichen Weise Foederaten-Soldaten zu verpflichten und einzusetzen […]. Mit den Schätzen sollte also auch die politisch-militärische Initiative von Rom nach Karthago wechseln.“ Vgl. zu den Gründen auch Steinacher, Die Vandalen, 200–203, der neben einer Beeinflussung des Westens durch Geiserich sowohl eine Demonstration der maritimen Vorherrschaft der Vandalen sieht als auch das Prestige und den finanziellen Wert der Beute für die Vandalen betont.
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Die erzählte Geschichte der Chronik
teren Dinge“ enden mit Maximus’ Tod. Der Zusammenhang zwischen der Ehe, dem Verhalten bei der Ankunft Geiserichs und dem Tod des Maximus ist bei Prosper weniger pointiert dargestellt.25 Dies rückt Maximus bei Victor zunächst in ein schlechteres Licht. Dafür wird jedoch bei Prosper explizit erwähnt, dass Maximus kein Begräbnis erhielt.26 Das Bild des Maximus ist damit letztlich bei beiden Chronisten negativ gezeichnet.27 Insgesamt betreffen die genannten Unterschiede zwischen beiden Chroniken also tatsächlich Details bei einer grundsätzlich ähnlichen Darstellung der politischen Ereignisse. 5.1.3 Die Darstellung des Konzils von Chalcedon und seiner Vorgeschichte Anders verhält es sich mit der jeweiligen Darstellung des Konzils von Chalcedon und dessen Vorgeschichte bzw. Begleitumstände, also bei der Schilderung der Ereignisse, die man als „kirchlich“ oder als „kirchenpolitisch“ bezeichnen kann. Hier weichen die Chroniken von Victor und Prosper zum Teil entscheidend voneinander ab. In dieser unterschiedlichen Darstellung wird der eigene Fokus der Chronik des Victor von Tunnuna im Gegenüber zu ihrer Quelle von Anfang an deutlich: „Since it was impossible for him to adopt Prosper’s stance, Victor found it necessary to construct his own history of the rise and fall of Eutyches“.28 „Prosper’s stance“ bedeutet insbesondere eine bewundernde Haltung gegenüber Papst Leo I. (440–461 im Amt). So lässt sich mit Jan-Markus Kötter die Notwendigkeit eines eigenen Berichtes für Victor von Tunnuna zusammenfassend zurückführen auf die unterschiedlichen Ansichten bezüglich der Vorgänge rund um die Synode von Chalcedon: Während Prosper die Abwehr des Eutychianismus gänzlich Papst Leo, nicht aber der
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Vgl. Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 1375 (484,16–18 Mommsen/Übers. 137 Kötter): Sed hac incontinentia non diu potitus est. Nam post alterum mensem nuntiato ex Africa Gisirici regis aduentu […]. / „Aber solche Unmäßigkeit genoss er nicht lange Zeit. Denn zwei Monate später wurde König Geiserichs Anmarsch aus Africa gemeldet […].“ Darauf folgt die Darstellung der Flucht der Menschen aus Rom und der Erlaubnis des Kaisers dazu sowie die Schilderung seines Todes. Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 1375 (484,22 Mommsen): sepultura quoque caruit. Vgl. Becker/Kötter, „Kommentar“, 328: „Der Hinweis auf die mangelnde Bestattung des Kaisers rundet das Bild der Chronik von Maximus ab, der den Angehörigen seines Vorgängers zuvor ebenfalls eine adäquate Trauer um den Verstorbenen verwehrt hatte.“ Bei Prosper und bei Victor fehlt die sonst zum Teil vorkommenden Notiz, dass Licinia Eudoxia nach der Zwangsverheiratung mit Maximus Geiserich dazu überredet habe, Rom anzugreifen; vgl. etwa Marcellinus Comes, Chronicon a. 455,5; Hydatius, Chronicon 167; Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 1,4,36–39; Johannes Malalas, Chronographia 14,26; Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 2,7; vgl. Placanica, „Note“, 73 (ad a. 455). Muhlberger, „Prosper’s Epitoma Chronicon“, 243–244.
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Synode zuschreibt, war die Autorität der Synode für Victor im Streit um die „drei Kapitel“ unter Kaiser Justinian von höchster Bedeutung.29
Was für die Chronik des Victor von Tunnuna der Eutychianismus ist, wird bereits im dritten Abschnitt der Chronik relativ ausführlich dargestellt. Dort wird die von Eutyches, „Presbyter und Archimandrit eines gewissen konstantinopolitanischen Klosters“ geschaffene „Häresie“,30 zunächst kurz beschrieben und dann noch einmal negativ benannt als das, was Eutyches auf einer Synode, die in Konstantinopel zusammengekommen war, nicht bekennen wollte: Hic etenim Dominum nostrum Ihesum Christum sic asserebat natum ex Maria semper uirgine matre, ut nichil in eo confiteretur humane nature. […] dum nollet Christum in duabus confiteri naturis post natiuitatem ex uirgine et nobis secundum carnem consubstancialem esse […].31
Die Lehre des Eutyches ist eine der wenigen theologischen Positionen, die in der Chronik zumindest ansatzweise genauer angegeben werden.32 Victor von Tunnuna stellt sie als Leugnung der menschlichen Natur Christi und damit seiner fleischlichen Konsubstantilität mit dem Menschen dar. Dies entspricht grundsätzlich der Aussage über die haeresis und impietas33 des Eutyches bei Prosper, allerdings wird dort ein anderes Vokabular benutzt.34 Die insgesamt dennoch knappe Darstellung dessen, was Eutyches theologisch vertrat, ist in der Chronik damit grundsätzlich korrekt: Eutyches 29 30
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Kötter, „Einleitung“, 9. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 3 (3,7–9 Cardelle de Hartmann): Eutices presbyter et archimandrita cuiusdam monasterii Constantinopolitani paruit qui sui nominis heresim condidit. / „Es erschien Eutyches, Presbyter und Archimandrit eines gewissen konstantinopolitanischen Klosters, der eine Häresie seines Namens begründete.“ Victor von Tunnuna, Chronicon 3 (3,16 Cardelle de Hartmann): „Dieser nämlich behauptete, dass unser Herr Jesus Christus so aus der immerwährenden Jungfrau Maria als Mutter geboren wurde, dass er nicht zugestand, das in ihm etwas von menschlicher Natur sei. […] weil er nicht bekennen wollte, dass Christus nach der Geburt aus der Jungfrau in zwei Naturen, und dass er mit uns nach dem Fleisch konsubstantiell sei […].“ Vgl daneben auch Chronicon 123–124 zu den „Theodosianern“ und „Gaianiten“. Vgl. Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 1358 (480,1.6 Mommsen). Vgl. Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 1358 (480,3–6 Mommsen; Übers. 127 Kötter): […] praedicans Iesum Christum dominum nostrum beatae Mariae uirginis filium nihil maternae habuisse substantiae, sed sub specie hominis in eo uerbi dei fuisse naturam. / „Er lehrte, dass Jesus Christus, unser Herr, der seligen Jungfrau Marien Sohn, nichts von der mütterlichen Substanz besessen habe, sondern in der Gestalt eines Menschen allein die Natur des Logos in ihm gewesen sei.“ Eutyches wird zudem als auctor der Häresie bezeichnet. Becker/Kötter, „Kommentar“, 302 sehen darin die Darstellung eines „heilsgeschichtlich stabil[en]“ rechten Glaubens, im Gegensatz zu den „Irrlehren“, die sich dadurch auszeichnen, dass sie einen Anfang in der Geschichte haben und damit „weder die Einsetzung durch Christus noch überzeitliche Geltung für sich beanspruchen können“. Bei Prosper findet sich Ähnliches bezüglich Priscillian (Epitoma chronicon 1171: heresim nominis sui condit [460 Mommsen]); vgl. auch zu Pelagius (Epitoma chronicon 1252) und Nestorius (Epitoma chronicon 1297). Das condidit bei Victor von Tunnuna (s. o. Anm. 30) drückt ebenfalls diese Sicht auf die Häresie als etwas Neues, sich auf nichts vorheriges Begründendes aus (s. auch
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Die erzählte Geschichte der Chronik
hatte sich gegen die Zweinaturenlehre gewandt – auch nach der Inkarnation sei die Menschheit Christi von seiner Gottheit aufgesogen, Christus sei daher nicht wesens eins mit den Menschen.35 Die Verurteilung des Eutyches geschieht bei Prosper durch Flavian,36 Victor von Tunnuna hingegen erwähnt die (endemische) Synode in Konstantinopel 448, die unter Flavians Vorsitz stattfand und auf der Eutyches tatsächlich verurteilt wurde.37 Günther Christian Hansen sieht Chronicon 3–4 als Fragment 1 (F1) von Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica: Victor von Tunnuna habe die Zusätze im Gegenüber zu Prosper aus der Historia ecclesiastica des Theodoros Anagnostes übernommen (vgl. Historia ecclesiastica E344–347 [97,19–98,32 Hansen; vgl. apparatus ad locum]). Die Lehre des Eutyches wird allerdings zumindest in der Epitome des Theodoros nicht näher ausgeführt, es wird nur gesagt τὰ Ἀπολιναρίου φρονῶν („er hatte die Dinge des Apollinarius im Sinn“).38 Der bei Hansen (98,6–8 Hansen) durch das Druckbild als
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u. Kap. 5.7.3.7 zur noua superstitio). Mit der Benennung dessen, was Eutyches nicht bekannte, ist (implizit) gleichzeitig positiv die aus der Sicht Victors „orthodoxe“ Lehre dargestellt. Vgl. Becker/Kötter, „Kommentar“, 302; vgl. auch Grillmeier, Jesus der Christus 1, 731–733; Price, The Acts of Chalcedon 1, 25–20; bei Grillmeier und Price v. a. auch zur o. g. Synode. Vgl. Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon a. 1358 (480,6–7 Mommsen; Übers. 127 Kötter): Ob quam impietatem a Flauiano eiusdem urbis episcopo, quia corrigi noluit, condemnatus est. / „Wegen dieser Gottlosigkeit wurde er von Flavian, dem Bischof der Stadt, verurteilt, weil er sich nicht berichtigen lassen wollte.“ Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 3 (3,12–17 Cardelle de Hartmann): Qui sinodali inuitatus colloquio Constantinopolim congregato, cui sanctus prefuit Flauianus eiusdem urbis episcopus […] damnationem cum proprio errore suscepit. / „Er wurde von einer synodalen Versammlung eingeladen, die nach Konstantinopel zusammengekommen war, welcher der heilige Flavian, Bischof derselben Stadt, vorstand […], er empfing die Verurteilung zusammen mit seinem eigenen Fehler“. Eusebius von Dorylaeum, der eine wichtige Rolle bei der Erhebung der Anklage gegen Eutyches spielte, wird erst in Chronicon 10 als einer der in Chalcedon rehabilitierten Bischöfe erwähnt. Die Akten der Synode in Konstantinopel von 448 sind überliefert in der Actio prima der Akten des Konzils von Chalcedon (= ACO 2,1,1 [100,1–147,31 Schwartz]); ebenfalls herausgegeben und kommentiert von Schwartz, Der Prozess des Eutyches. Die Synode wird auch erwähnt bei Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E344, s. zum Folgenden. Vgl. insgesamt zu den für diesen Abschnitt genannten Quellen die Auflistungen bei Placanica, „Note“, 64–65 (ad a. 447). Auch bei Liberatus von Karthago, Breuiarium 3 wird die Häresie des Eutyches auf Apollinarius zurückgeführt, vgl. auch Drecoll, „Kommentierende Analyse“, 26–27. Vgl. auch die allgemeine Angabe in der Verurteilung auf der Synode in Konstantinopel gegen Eutyches (ACO 2,1,1 [145,10–12 Schwartz; Übers. 1,225 Price/Gaddis]): Διὰ πάντων πεφώραται Εὐτυχὴς ὁ πάλαι πρεσβύτερος καὶ ἀρχιμανδρίτης ἔκ τε τῶν ἤδη πεπραγμένων καὶ τῶν οἰκείων αὐτοῦ νῦν καταθέσεων τὴν Οὐαλεντίνου καὶ Ἀπολιναρίου κακοδοξίαν νοσῶν. / „Eutyches, formerly presbyter and archimandrite, is revealed in every way, by both his past actions and his present testimony, to be riddled with the heresies of Valentinus and Apollinarius“. Das von Flavian auf der Synode vorgetragene Bekenntnis hingegen gibt genauer an (ACO 2,1,1 [114,8–10 Schwartz; Übers. 1,186–187 Price/Gaddis]; lat. ACO 2,3,1 [93,28–94,2 Schwartz]): Καὶ γὰρ ἐκ φύσεων ὁμολογοῦμεν τὸν Χριστὸν εἶναι μετὰ τὰν ἐνανθρώπησιν, ἐν μιᾶι ὑποστάσει καὶ ἑνὶ προσώπωι ἕνα Χριστόν, ἕνα υἱόν, ἕνα κύριον ὁμολογοῦντες. / „For we confess that Christ is from two natures after the incarnation, as we confess in one hypostasis and one person one Christ, one Son“. / Etenim ex duabus naturis confitemur Christum esse post incarnationem, in una subsistentia et in una persona unum Christum, unum dominum, unum filium confitentes.
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Zusatz für die Chronik Victors aus Theodoros Anagnostes gekennzeichnete Satz über das, was Eutyches auf der Synode in Konstantinopel nicht bekennen wollte (dum nollet Christum in duabus confiteri naturis post natiuitatem ex uirgine et nobis secundum carnem consubstantialem esse), taucht in den entsprechenden Abschnitten der Epitome nicht auf, wirkt dafür aber wie eine Antwort auf die bei Liberatus von Karthago, Breuiarium 13 (115,13–14 Schwartz) von Florentius an Eutyches gestellte Frage ut confiteretur dominum nostrum Iesum Christum consubstantialem nobis secundum carnem in duarum naturarum unitione. In den in Chalcedon verlesenen Akten der Synode von Konstantinopel stellt diese Frage der Bischof Eusebius (ACO 2,3,1 [123,14–15 Schwartz; vgl. griech. ACO 2,1,1, 140,23–24 Schwartz]): Confiteris duas naturas, domne archimandrita, post incarnationem et consubstantialem nobis esse Christum dicis secundum carnem aut non? Damit stehen hier neben einem Rückgriff auf Theodoros Anagnostes, der sich zumindest an dem in der Epitome überlieferten Text nicht zeigt, die Möglichkeiten eines direkten Rückgriffs auf die Akten von Chalcedon oder eines indirekten Zugriffs vermittelt durch das Breuiarium im Raum – wenn man die letzte Möglichkeit nicht insgesamt ausschließen will.39 Auch der Bischof von Rom spielt bei Victor von Tunnuna im Kontext der Abwehr der Lehre des Eutyches durchaus eine Rolle: Wie Prosper erwähnt auch Victor von Tunnuna nach der knappen Darstellung der Lehre des Eutyches zunächst die Rolle Leos im Gegenüber zu ihm. So weist Victor darauf hin, dass Leo die erste Verurteilung des Eutyches bestätigt hat.40 Wie bei Prosper widersprechen auch bei Victor von Tunnuna die Gesandten des Apostolischen Stuhls den Verurteilungen auf der 2. Sy
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Vgl. das den Akten der Synode beigegebene Begleitschreiben Flavians an Leo von Rom, das Eutyches als Verleugner der ersten Formel (zwei Naturen nach der Inkarnation) darstellt (ACO 2,1,1 [36,6–37,26 Schwartz]); vgl. Grillmeier, Jesus der Christus 1, 733. S. auch o. Kap. 3.3; zur Benutzung der Akten des Konzils von Chalcedon durch das Breuiarium in diesem Abschnitt vgl. Wallraff, „Das Konzil von Chalkedon“, 64–66. Eine weitere Beobachtung, die auf diese beiden Möglichkeiten hinweist, ist, dass anders als bei Prosper zwar auch bei Theodoros Anagnostes Eutyches als „Archimandrit“ bezeichnet wird, dass dies allerdings ebenso bei Liberatus von Karthago, Breuiarium 13 sowie in den in Chalcedon zitierten Akten der Synode von Konstantinopel (vgl. etwa Actio 1,489–490) der Fall ist. Darauf, dass Victor von Tunnuna diese Geschehnisse im Gegensatz zu Prosper ein Jahr zu früh berichtet, weist Placanica, „Note“, 63–64 (ad a. 447) hin. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 3 (3,16–18 Cardelle de Hartmann): damnationem […], quam sanctus Leo Romanus antistes apostolica auctoritate firmauit. / „die Verurteilung […], die der heilige Leo, der römische Bischof, mit apostolischer Vollmacht bestätigte.“ Vgl. Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E345. Mit der Bestätigung der Verurteilung des Eutyches durch Leo wird der Tomus Leonis ad Flauianum gemeint sein (vgl. ACO 2,2,1 [24,15–33,10 Schwartz]; griechisch ACO 2,1,1 [10,19–20,5 Schwartz]); vgl. Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E345 (98 Hansen, apparatus ad locum). Prosper erwähnt die vorherige Unterstützung Flavians durch Leo auffälligerweise nicht – dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass durch das Schweigen darüber verschleiert werden sollte, dass das Ergebnis der 2. Synode von Ephesus eine deutliche Niederlage für Rom war, so Becker/Kötter, „Kommentar“, 303. Vgl. zu Leo und dem Tomus Leonis auch Grillmeier, Jesus der Christus 1, 734–750.
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Die erzählte Geschichte der Chronik
node von Ephesus.41 Und auch über den Konflikt mit Eutyches hinaus wird am Anfang der Chronik zum Teil die positive Rolle des Bischofs von Rom hervorgehoben. So berichtet Victor von Tunnuna in Chronicon 5 wie Prosper in Epitoma chronicon 1367, dass Papst Leo sich an einer Gesandtschaft, die das Gespräch mit dem in Italien einfallenden Attila sucht, beteiligt, welcher sich daraufhin zurückzieht. Sowohl bei Prosper als auch bei Victor erscheint die Beteiligung Leos an dieser Gesandtschaft entscheidend dafür, dass Attila Italien verlässt.42 Victor ist zudem der einzige Chronist aus dem sechsten Jahrhundert, der (Prosper folgend) die Fürsprache Papst Leos bei Geiserich erwähnt, die zum Verzicht Geiserichs „auf Feuer, Folter und Schwert“ beim Angriff auf Rom führt.43 Bei Prosper ist im Gegensatz zu Victor dabei allerdings zusätzlich die Rolle Gottes hervorgehoben, wodurch die Verbindung des römischen Bischofs zu Gott betont wird.44 Der die Chronik Prospers abschließende Osterterminstreit (Epitoma chronicon 1376) ist bei Victor von Tunnuna nicht erwähnt. Prosper fokussiert damit
Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 4 (4,29–30 Cardelle de Hartmann): […] contradicentibus etiam legatis sedis apostolice […]. / „[…] obwohl die Gesandten des Apostolischen Stuhls widersprachen […]“. Vgl. Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 1358 (480,14–15 Mommsen/ Übers. 127 Kötter): […] reclamantibus eis qui uice sancti papae Leonis intereant […]. / „[…] obwohl diejenigen, die an Stelle des heiligen Papstes Leo teilnahmen, widersprachen […].“ Damit ist bei Prosper im Gegenüber zu Victor allerdings der Papst durch die Nennung seines Namens hervorgehoben. 42 Tatsächlich spielten bei diesem Rückzug wohl auch andere Gründe wie Seuchen, die Attilas Heer bedrohten, eine Rolle, vgl. Becker/Kötter, „Kommentar“, 314. Die deutliche Kritik an Aëtius und an der Reichsregierung, die bei Prosper an dieser Stelle erkennbar ist, findet sich bei Victor von Tunnuna nicht, vgl. Becker/Kötter, „Kommentar“, 312–313. Zur Rolle Leos vgl. auch kurz Stei nacher, Die Vandalen, 197–198; Henning, Periclitans res publica, 26 (mit Anm. 26). 43 Victor von Tunnuna, Chronicon 15 (8,98–99 Cardelle de Hartmann): Ut autem ab incendio, tormentis et gladio abstineret, pape Leonis intercessio facit. / „Dass er jedoch auf Feuer, Folter und Schwert verzichtete, machte die Fürsprache von Papst Leo.“ Vgl. Muhlberger, „Prosper’s Epitoma chronicon“, 241. 44 Vgl. Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 1375 (484,25–28 Mommsen/Übers. 139 Kötter): Occurrente sibi extra portas sancto Leone episcopo, cuius supplicatio ita cum deo agente leniuit, ut, cum omnia potestati ipsius essent tradita, ab igni tamen et caede atque suppliciis abstineretur. / „Außerhalb der Tore trat ihm der heilige Bischof Leo entgegen, dessen Fürbitte duch Gottes Wirken Geiserich insoweit besänftigte, dass er sich immerhin von Brandschatzung, von Mord und auch von Foltern abhalten ließ, wenn alle Dinge seiner eigenen Gewalt ausgeliefert würden.“ Vgl. Becker/ Kötter, „Kommentar“, 329: „Indem Leo also den Vandalenkönig milde stimmt, erweist sich der Papst, wie bei der Italieninvasion Attilas 452, als eigentlicher Beschützer der Stadt Rom.“ Muhlberger, The Fifth-Century Chroniclers, 127–135, hier 130, betont, dass die Chronik Prospers auch „the progress of God’s work in the world“ darstelle, indem Prosper Papst Leo als einen Mann voller Gnade zeichne. Allerdings belegt Muhlberger seine Aussagen hauptsächlich mit anderen Schriften Prospers wie De uocatione omnium gentium. Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E366 folgt mit der Angabe zu einem Gemetzel an vielen Römern bei der Ankunft Geiserichs in Rom (103,9–10 Hansen: πολλὰ μὲν πλήθη Ῥωμαίων κατέσφαξεν) einer anderen Tradition als Victor und Prosper, vgl. Placanica, „Note“, 73 (ad a. 455). Trotz ihrer Symbolkraft spielt die Eroberung Roms durch Geiserich in der Chronik des Victor von Tunnuna im Folgenden keine Rolle mehr. 41
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gerade am Ende der Chronik noch einmal die Rolle von Papst Leo.45 Insgesamt kommt aber auch Leo in der Chronik des Victor von Tunnuna durchaus eine wichtige und positive Rolle zu. Dennoch ist der o. g. Beobachtung Kötters zuzustimmen, dass bei Victor von Tunnuna im Vergleich zu Prosper mehr noch – und damit ja auch von Anfang an – die Rolle der Synode46 in den theologischen Streitigkeiten hervorgehoben wird, v. a. die Rolle der Synode von Chalcedon selbst. Ein erster Hinweis darauf ist schon, dass die erste Verurteilung des Eutyches bei Prosper durch den Bischof von Konstantinopel, Flavian, erfolgt, bei Victor von Tunnuna hingegen betont wird, dass die Verurteilung auf einer Synode (der Flavian vorstand) geschah.47 Auch in den Schilderungen zu Marcian und der Ankündigung des Konzils von Chalcedon48 ist dieser Akzent der Chronik Victors greifbar. Zunächst ist festzuhalten, dass, als nach der bei Victor und Prosper ähnlich beschriebenen Rolle und Beseitigung des praepositus Chrysaphius49 Marcian Kaiser wird, dies bei Victor mit der Zustimmung tocius rei publice erfolgt,50 bei Prosper mit der Zustimmung totius exercitus.51 Damit verschweigen sowohl Prosper als auch Victor die Heirat mit Pulcheria, der Schwester des Theodosius, als Grundlage für Marcians Legitimation als Kaiser.52
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Vgl. Becker/Kötter, „Kommentar“, 329–331. An dieser Stelle sei auch noch einmal darauf hingewiesen, dass mit U und So beide Überlieferungszweige der Chronik des Victor von Tunnuna den ausführlichen Schluss der Chronik des Prosper (von 455) nicht bieten, sondern stattdessen einen reduzierten Text, der sich fast ausschließlich auf die Zählung der Jahre nach den Konsuln beschränkt und dann mit einer zusammenfassenden Schlussberechnung endet. In den Handschriften der Chronik Victors ist also die textliche Doppelung zur Chronik Prospers stark reduziert. S. o. Kap. 3.6.8. 46 Zu den Begrifflichkeiten Synode/Konzil (sinodus/concilium) in der Chronik s. auch u. S. 417 (Anm. 894). 47 Vgl. Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 1358 (480,6–7 Mommsen/Übers. 127 Kötter; s. o. S. 238 [Anm. 36]); vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 3 (3,12–17 Cardelle de Hartmann; s. o. S. 238 [Anm. 37]). Vgl. auch Liberatus von Karthago, Breuiarium 11 (die Verurteilung dort auch formuliert als Verurteilung durch die Synode). 48 S. auch o. S. 55. 49 Vgl. dazu Becker/Kötter, „Kommentar“, 305: Hier zeige sich „ein gängiger Zug spätantiker Kaiserkritik […], in der Herrscher nicht direkt kritisiert werden, sondern über die Personen ihrer Berater“. S. auch o. S. 235 (Anm. 20) zu Heraclius. Der Eunuch Chrysaphius war praepositus sacri cubiculi unter Theodosius II. und galt als Unterstützer des Eutyches, was ja auch Victor von Tunnuna als Grund für seine Ermordung angibt (Chronicon 7 [5,46–47 Cardelle de Hartmann]: amicitiis Euticetis male usus occiditur); vgl. Leppin, „Chrysaphios“. Dazu s. auch u. S. 254. 50 Victor von Tunnuna, Chronicon 7 (5,47 Cardelle de Hartmann). 51 Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 1361 (481 Mommsen). 52 Prosper wendet sich ab hier insgesamt ab von einer dynastischen Orientierung, vgl. Becker/Kötter, „Kommentar“, 306. Placanica, „Note“, 67 (ad a. 450,2), führt die Angabe zur „Zustimmung der ganzen Republik“ „forse“ auf die bei Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E355 erwähnte Preisung von Marcian und Pulcheria durch κλῆρος ἅπας καὶ μοναχοὶ καὶ λαϊκοί zurück; dieses Ereignis findet aber nach der Ausrufung Marcians zum Kaiser statt, vgl. Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E354.
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Prosper bestimmt nun die positive Rolle Marcians dadurch, dass seine Edikte – und zwar bevor das Konzil von Chalcedon stattfindet – die Synode von Ephesus verdammen, wobei er darin der auctoritas des römischen Stuhls folgt, als „Mann, [der] auch der Kirche eng verbunden“ war.53 Seine Legitimität zeigt sich also in seinem kirchlichorthodoxen Handeln, das an den Papst gebunden ist.54 Das Konzil von Chalcedon wird nach Prosper mit dem Ziel einberufen, „damit sowohl die Vergebung die auf den rechten Weg Gebrachten versöhne als auch die Starrsinnigen zusammen mit der Häresie vertrieben würden.“55 Damit wird dem Konzil die Behandlung disziplinarischer Fragen zugestanden, wohingegen die dogmatischen Fragen schon durch das zuvor erfolgte Handeln von Kaiser und Papst geklärt scheinen.56 Bei Victor von Tunnuna kündigt Marcian das Konzil von Chalcedon an, weil er Frieden für die Kirchen sucht.57 Er tritt also als Kaiser in Erscheinung, der aktiv, aber unabhängig von Rom, kirchenpolitisch zum Wohl der Kirche agiert.58 Von einer vorherigen Verurteilung der ephesinischen Synode durch den Kaiser oder von einem dahingehenden Einfluss des Papstes berichtet Victor – den tatsächlichen Abläufen (nach den Akten des Konzils) entsprechend – hingegen nicht. Die Verurteilungen, auch die der Synode von Ephesus, schreibt er (mit passivischen Formulierungen) dem Konzil
Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 1361–1362 (481 Mommsen/Übers. 129 Kötter): Vir […] etiam ecclesiae pernecessarius. Huius edictis apostolicae sedis auctoritatem secutis synodus Ephesena damnatur […]. / „Ein […] Mann […] auch der Kirche eng verbunden. Durch dessen Edikte wird die Synode von Ephesus verdammt, wobei der Gewichtigkeit des apostolischen Stuhles gefolgt wird […].“ 54 Vgl. Becker/Kötter, „Kommentar“, 306–308: Tatsächlich erkannte Marcian die Beschlüsse der 2. Synode von Ephesus erst nicht mehr an, nachdem das Konzil von Chalcedon entsprechend entschieden hatte. 55 Vgl. Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 1362 (481 Mommsen/Übers. 129 Kötter): […] et apud Chalcedonam celebrari concilium episcopale decernitur, ut et correctis uenia mederetur et pertinaces cum heresi depellerentur. 56 Vgl. Becker/Kötter, „Kommentar“, 308. 57 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 8 (5,50–52 Cardelle de Hartmann): Qui in ipsa regni sui exordia ecclesiarum paci prospiciens Calcidonia fieri sinodum imperiali auctoritate denunciat. / „Er sorgte gerade am Anfang seiner Regierung für Frieden der Kirchen und kündigte mit kaiserlicher Autorität an, dass eine Synode in Chalcedon stattfinden werde.“ Dass der Kaiser für den Frieden der Kirche zu sorgen hat ist einerseits ein charakteristisches Konzept der Reichsideologie, vgl. bspw. den Brief von Marcian an Leo (Epistula 73); Leo I., Epistula 36; 94,1 u. ö.; vgl. auch zu weiteren Belegen Placanica, „Note“, 68 (ad a. 450,3.). Andererseits wird die Förderung des kirchlichen Friedens auch dem Papst, den anderen Bischöfen (vgl. bspw. Leo I., Epistula 10,9; 13,1; 23,2; 78; u. ö.) oder dem Konzil zugeschrieben (Leo I., Epistula 93,1; so auch bei Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 2,6,5); vgl. auch zu weiteren Belegen Placanica, „Note“, 68 (ad a. 450,3). 58 Placanica, „Note“, 69 (ad a. 450,3) weist darauf hin, dass besonders seit Gelasius auctoritas etwas sei, das dem sacerdotium zukomme – damit könnte die Aussage, dass Marcian hier imperiali auctoritate agiert, ein Hinweis auf seine im priesterlichen Sinn ausgeübte kaiserliche Macht sein, die damit positiv gesehen würde. 53
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selbst zu.59 Somit übernimmt er auch die sich in den Schilderungen Prospers spiegelnde ambivalente päpstliche Sicht auf das Konzil von Chalcedon nicht.60 Auch bezüglich der Rolle Marcians ist neben dem Vergleich zu Prosper noch einmal ein kurzer Blick auf die Epitome der Historia ecclesiastica des Theodoros Anagnostes erhellend: Dort erscheint Marcian als einer, der sich durch die Teilnahme am Konzil von Chalcedon als zweiter Konstantin erweisen will und daher das Konzil von Nizäa nach Chalcedon verlegt, um sich selbst eine Teilnahme zu ermöglichen.61 Beides erwähnt Victor von Tunnuna nicht. Sollte er auch für das Konzil von Chalcedon neben Prosper Theodoros Anagnostes als Quelle vorliegen gehabt haben (und sollte die Epitome hier dem usprünglichen Text der Kirchengeschichte ähneln), würde im Vergleich zu ihr umso deutlicher, dass für Victor weniger der Blick auf den Kaiser und dessen Selbstverständnis als vielmehr das Ziel des Friedens für die Kirchen interessant ist. Auf dem Konzil selbst kommt dem Kaiser in der Chronik (Chronicon 10) dann auch keine Rolle mehr zu.62 Zu Marcians Tod gibt es in der Chronik Victors von Tunnuna dann lediglich eine kurze Notiz,63 er spielt also für eine genauere Einschätzung oder Wertung der Regierung Marcians keine Rolle.
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S. u. S. 248. Vgl. Becker/Kötter, „Kommentar“, 308–309, der darauf hinweist, dass die Schilderungen Prospers dem Ansinnen des Papstes entsprochen hätten: Der Papst habe kein weiteres Konzil gewollt, sondern die Änderung der Beschlüsse von 449 allein durch sein Urteil als päpstliches Urteil, durchgesetzt mit Hilfe des Kaisers, angestrebt. Prospers Bericht „spiegelt somit Leos ursprünglich sehr ambivalente Position zur Synode, die er nicht gewollt und der er wegen ihrer hierarchischen Regelungen anfangs sogar seine Zustimmung verweigert hatte.“ Die Differenzen betrafen allerdings v. a. canon 28 zur Frage des Rangs von Konstantinopel. Vgl. dazu auch Leo I., Epistula 104. Vgl. auch Fraisse-Coué, „Von Ephesus nach Chalcedon“, 80; dies., „Die zunehmende Entfremdung“, 161–165. Tatsächlich stimmte der Papst erst 453 den Beschlüssen von Chalcedon förmlich zu, vgl. Leo I., Epistula 114 (ACO 2,4 [70,19–71,22 Schwartz]). Vgl. Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E360 (101,18–21, hier 20–21 Hansen): θέλων δι’ ἑαυτοῦ παρεῖναι ἐν τῇ συνόδῳ κατὰ μίμησιν Κωνσταντίνου τοῦ θείου. / „Er wollte selbst teilnehmen an der Synode in Nachahmung des göttlichen Konstantin.“ Die entsprechenden Briefe Marcians an das Konzil (Epistulae 14 und 16 in ACO 2,1,1 [28,12–29,3; 30,4–35 Schwartz], lat. ACO 2,3,1 [22,3–22; 22,27–24,23 Schwartz]) rekurrieren nicht auf diese Mimesis. Vgl. aber die Einschätzung von Price/ Gaddis, The Acts of Chalcedon 1, 42: „Marcian himself, accompanied by Pulcheria, arrived to address the council in person during the sixth session – a weight of imperial presence far beyond what had been felt at either of the Ephesian councils, and perhaps not matched since Constantine and Nicaea.“ Um zu entscheiden, ob Theodoros Anagnostes hier einen positiven Vergleich ziehen oder eine Anmaßung ausdrücken will, müsste freilich das Bild der Kaiser in der Historia ecclesiastica untersucht werden. Zum anberaumten Ortswechsel des Konzils von Nizäa nach Konstantinopel in letzter Minute vgl. auch Price/Gaddis, The Acts of Chalcedon 1, 91–92; Lange, Mia energeia, 119. Marcian nahm (zusammen mit Pulcheria) an der sechsten Sitzung des Konzils teil und ergriff dort auch mehrfach das Wort. Victor von Tunnuna nennt ja aber sowieso keine Details zu einzelnen Sitzungen, sondern gibt die Ergebnisse des Konzils summarisch wieder (s. dazu im Folgenden). Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 17 (8,105–107 Cardelle de Hartmann): Martianus imperator Constantinopoli moritur et pro eo Leo imperator efficitur. / „Kaiser Marcian starb in Konstantinopel, und für ihn wurde Leo zum Kaiser gemacht.“
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Ein grundsätzlicher Unterschied in den Angaben Victors und Prospers zum Konzil von Chalcedon ist neben der Bedeutung, die jeweils dem Papst und dem Kaiser in dessen Kontext beigemessen wird, auch dessen Datierung. Bei Victor von Tunnuna wird das Konzil in das Jahr des Konsulats des Augustus Marcian datiert, womit der westliche Konsul Adelfius – anders als beim entsprechenden Eintrag von Prosper – nicht genannt wird, obwohl Victor in diesem Abschnitt seiner Chronik nach den westlichen Konsuln zählt.64 Diese Datierung nach dem Konsulat des Marcian findet sich ebenfalls bei Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 5,3,3. Auch in den Akten des Konzils wird nur Marcian genannt65 – ein weiterer Hinweis auf eine mögliche Kenntnis und Benutzung der Akten des Konzils durch Victor von Tunnuna, wenn auch erneut ein vager.66 Bei Prosper wird für dasselbe Jahr die Invasion der Hunnen nach Gallien geschildert. Das Konzil von Chalcedon wird nach seiner Ankündigung (Epitoma chronicon 1362) bei ihm erst wieder in Epitoma chronicon 1369 erwähnt, datiert in das Jahr 426 nach der Passion, das Jahr der Konsuln Opilio und Vincomalus.67 Das ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass Prosper die Invasionen Galliens und Italiens durch Attila zusammenhängend darstellen wollte – gleichzeitig zeigt sich im Vorrang der Kriegszüge gegenüber dem Konzil wohl auch die kritische „Distanz der zeitgenössischen römischen Kirche zum Konzil von Chalcedon“.68 Angemerkt sei an dieser Stelle noch, dass der „Friede“ der Kirche nicht nur für Victor von Tunnuna in Bezug auf das Konzil von Chalcedon und seine positive Wertung wichtig ist, sondern auch für andere Verteidiger der Drei Kapitel: Das Konzil begann in ihrer Darstellung im Frieden und wurde im Frieden beendet, in Einmütigkeit, in völligem Konsens aller Teilnehmenden. Ferrandus von Karthago verknüpft dabei den Frieden, der auf dem Konzil von Chalcedon herrschte und diesem auch folgte, direkt mit der Anwesenheit des Kaisers, Marcian, die bei Victor von Tunnuna für das Konzil selbst ja keine weitere Rolle spielt.69 Auch Facundus von Hermiane betont neben der 64 65 66 67
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Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 10 und Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 1363. Vgl. ACO 2,1,1 (55,2–3 Schwartz), lat. ACO 2,3,1 (27,5–6 Schwartz). Vgl. dazu auch Placanica, „Note“, 69 (ad a. 451). Vgl. o. Kap. 3.3 zu weiteren Hinweisen. D. h. nach unserer Zeitrechnung in das Jahr 453 – wie schon erwähnt ist die Chronik Prospers unserer Zeitrechnung grundsätzlich um zwei Jahre voraus. Die Formulierung synodus Chalcedonensis peracta (482,1 Mommsen) lässt durch die Vorzeitigkeit zwar letztlich offen, ob das Konzil wirklich in das genannte Jahr datiert wird – allein durch den Eintrag zu eben diesem Jahr wird dies jedoch nahegelegt. Vgl. Becker/Kötter, „Kommentar“, 315–316, hier 315. Vgl. Ferrandus von Karthago, Epistula 6,5 (PL 67, 924C–925A; Übers. 1,116 Price): Merito tunc praesente Marciano imperatore religioso, sacerdotes omnes qui concilium pacis mentibus pacificis inchoatum definitionibus ecclesiasticae pacis conuenientibus finierunt, in pace fraterna redierunt ad suarum plebium loca. / „All the priests who at that time in the merited presence of the religious emperor Marcian terminated a council of peace initiated by minds set on peace with corresponding decrees of ecclesiastical peace returned in brotherly peace to the places of their congregations“. Vgl. dazu Sieben, Konzilsidee, 288–289.
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Definition des Glaubens das Ziel des Friedens und der Einheit der Kirche für das Konzil von Chalcedon.70 Er hebt im Zusammenhang mit dem Konzil auch die Rolle von Papst Leo hervor.71 Die Notiz über das Konzil von Chalcedon beginnt Victor von Tunnuna nach dessen genauerer Datierung auf den 8. Tag vor den Kalenden des Oktober72 und der Auflistung der anwesenden Patriarchen (Leo von Rom, Dioskur von Alexandria, Maximus von Antiochien, Juvenal von Jerusalem und Anatolius von Konstantinopel) mit der schlichten Feststellung, dass sich 630 Bischöfe in Chalcedon versammelt hätten.73 Dann stellt er die Ergebnisse des Konzils dar. Zunächst ging es Victor zufolge in Chalcedon neben der „Zurückweisung“ der 2. Synode von Ephesus um Urteile gegenüber Personen, die gefällt oder aufgehoben wurden74:
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Vgl. Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 2,6,5. Vgl. etwa Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 2,6,23 (69,178–179 Clément/ Vander Plaetse; Übers. 351–353 Fraïsse-Bétoulières): cum magna et uniuersali synodo Chalcedonensi idem gloriosissimus auctor atque defensor eius Leo damnetur. / „qu’avec le grand et universel synod de Chalcédoine on condamme aussi Léon, son garant et son très glorieux défenseur.“ Vgl. Bruns, „Zwischen Rom und Byzanz“, 163 (mit Anm. 72); vgl. Eno, „Doctrinal Authority“, 110. S. o. Kap. 4.1.5. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 10 (5,55–6,59 Cardelle de Hartmann): Consulatu Marciani Augusti, VIII kalendas octobris, Leone Romano, Dioscoro Alexandrino, Maximo Antiocheno, Iuuenale Ihersolimitano et Anatholio Constantinopolitano presulibus, sinodus generalis Calcidona colligitur episcoporum DCXXX. / „Als der Augustus Marcian Konsul war, wurde am 8. Tag vor den Kalenden des Oktober, als Leo von Rom, Dioskur von Alexandria, Maximus von Antiochien, Juvenal von Jerusalem und Anatolius von Konstantinopel Bischöfe waren, eine Generalsynode in Chalcedon von 630 Bischöfen versammelt“. Mit den Zahlen DXX (P-S ex So) und DCXXX (U und P’) der teilnehmenden Bischöfe bieten die Handschriften der Chronik Victors die beiden wichtigsten Traditionen für die Teilnehmerzahl des Konzils. Diese Traditionen müssen hier nicht im Einzelnen dargestellt werden, vgl. dazu Placanica, „Note“, 69 (ad a. 451). Die Zahl 630 ist jedenfalls die am häufigsten bezeugte, 520 ist die lectio difficilior, weshalb sich Placanica auch für die DXX entscheidet. Er beruft sich dabei auf Hansens Ausgabe der Historia ecclesiastica des Theodoros Anagnostes, der jedoch DCXXX angibt, allerdings im apparatus ad locum meint, DXX sei „vielleicht richtig“ (Historia ecclesiastica F3 [101,5 Hansen]). Dies erinnert an das bei Prosper summarisch genannte Ziel des Konzils, nämlich disziplinarische Maßnahmen gegen Einzelne zu beschließen; s. o. S. 242.
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Ubi Ephesena secunda nec dicenda sinodus abdicatur, Eutices75 cum Dioscoro patrono suo76 Alexandrino episcopo atque Nestorio77 condempnatur antistitesque catholici iniuste dampnati ab eodem Dioscoro in sinodo prefata Ephesena secunda soluuntur.78
Dass Eutyches und Dioskur verdammt wurden, nennt ebenso Prosper als konkretes Ergebnis des Konzils.79 Als weiteres Ergebnis des Konzils wird aber bei Victor von Tunnuna über Prosper hinaus80 festgehalten, dass der „Glaube der heiligen Väter, die in Nizäa, Konstantinopel und auf der ersten [Synode] von Ephesus in heiligen Synoden 75
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Zur Verurteilung von Eutyches auf dem Konzil von Chalcedon vgl. ACO 2,1,2 (93,28–29; 129,14 Schwartz); lat. ACO 2,3,2 (105,23–24; 137,13 Schwartz); vgl. Placanica, „Note“, 70 (ad a. 451). Gegen Eutyches richtet sich also insbesondere der Tomus Leonis ad Flauianum, der auf dem Konzil verlesen (vgl. Actio 2), vom Konzil angenommen (vgl. Actio 4) und im Chalcedonense rezipiert wurde (vgl. Actio 5); vgl. Böhm, „Die Definition des Glaubens“, 103–107; vgl. Uthemann, „Zur Rezeption des Tomus Leonis“, 6–12. Zur Verurteilung des Dioskur (nach 444 Nachfolger des Kyrill als Bischof von Alexandria) auf dem Konzil von Chalcedon vgl. Price/Gaddis, The Acts of the Council of Chalcedon 2, 30–35; Maraval, „Das Konzil von Chalkedon“, 92–98. Es war schon auf dem Konzil umstritten, ob Dioskur wegen seiner (eutychianischen) Lehre verurteilt werden sollte (so der Vorwurf in ACO 2,3,2 [56,13–16 Schwartz]) oder aus disziplinarischen Gründen (so etwa Anatolius, gegen die Verurteilung aufgrund seiner Lehre in ACO 2,1,2 [124,17–19 Schwartz]). Zu den spezifischen Vorwürfen gehörten etwa die unrechtmäßige Verurteilung von Flavian in Ephesus und die Wiederaufnahme der Gemeinschaft (Kommunion) mit Eutyches (vgl. ACO 2,1,2 [27,39–28,17 Schwartz]; ACO 2,3,2 [48,17–23; 56,24–26; 61,27–62,4; 64,23–27 Schwartz]). Vorgeworfen wurde ihm auch immer wieder, dass er drei Mal die Vorladung zum Konzil ignorierte (so auch in der genannten Aussage von Anatolius). Die Verurteilung des Dioskur in den griechischen Akten in ACO 2,1,2 (28,21–34,11; 41,33–42,34 Schwartz), ausführlicher in der lateinischen Version in ACO 2,3,2 (45,19–71,29; 83,9– 86,25 Schwartz). Vgl. die Auflistung der Quellen bei Placanica, „Note“, 70 (ad a. 451). Zur Verurteilung des Nestorius vgl. ACO 2,1,2 (129,10 Schwartz); lat. ACO 2,3,2 (137,9 Schwartz). Victor von Tunnuna, Chronicon 10 (6,59–63 Cardelle de Hartmann): „Wo die zweite Synode von Ephesus, die nicht als Synode zu bezeichnende, zurückgewiesen wurde, Eutyches mit seinem Patron Dioskur, dem Bischof von Alexandria, und Nestorius verurteilt wurde, und die katholischen Bischöfe, die von demselben Dioskur in der zuvor genannten zweiten Synode von Ephesus verurteilt wurden, freigesprochen wurden.“ Zur Bezeichnung des zweiten Konzils als nec dicenda sinodus s. auch o. S. 117. Zum Freispruch der in Ephesus verurteilten Bischöfe vgl. ACO 2,1,1 (195,12–16 Schwartz), lat. ACO 2,3,1 (258,15–19 Schwartz): Flavian und Eusebius wurden unrechtmäßig verurteilt; ACO 2,1,3 (7,7–11,18 Schwartz), lat. ACO 2,3,3 (10,28–15,23 Schwartz): Rehabiliterung von Theodoret von Kyrrhos, Sophronius von Constantia, Johannes von Germanicia, Amphilochius von Side; ACO 2,1,3 (11,19–42,18 Schwartz), lat. ACO 2,3,3 (15,25–52,16 Schwartz): Ibas von Edessa. Vgl. auch Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 1369 (482,2–3 Mommsen; Übers. 133 Kötter): Omnes autem, qui se ab eis retraxerunt, in communionem recepti. / „Alle aber, die sich von ihnen [= Eutyches und Dioskur] zurückzogen, wurden wieder in die Gemeinschaft aufgenommen.“ Vgl. Becker/Kötter, „Kommentar“, 316; vgl. auch Placanica, „Note“, 70 (ad a. 451). S. auch u. Kap. 5.7.2.3 zu Chronicon 130 und der Darstellung der Verbindung der Drei Kapitel zum Konzil von Chalcedon. Vgl. Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 1369 (482,1–2 Mommsen; Übers. 133 Kötter): Synodos Chalcedonensis peracta Eutyche Dioscoroque damnatis. / „Die Synode von Chalcedon wurde beendet, Eutyches und Dioskor wurden verdammt.“ Auch bei Thedoros von Anagnostes findet sich eine solche Angabe für das Ergebnis des Konzils von Chalcedon nicht.
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zusammengekommen waren, entfaltet wurde“.81 Hier wird das Konzil von Chalcedon rückbezogen auf die vorherigen sogenannten „ökumenischen“ Konzile. Dabei wird das Konzil von Chalcedon nicht nur formal, sondern auch inhaltlich in die Reihe der „heiligen Synoden“ gestellt, als die die Synoden von Nizäa, Konstantinopel und die erste Synode von Ephesus hier bezeichnet werden82: Der Glaube der heiligen Väter, die in den vorherigen Synoden zusammengekommen waren, wurde in Chalcedon „entfaltet“. Explanatur weist auf eine enge Verbindung mit dem, was es bereits zuvor gab, hin. Was entfaltet wird (die fides der Väter) ist also einerseits stark auf das Vorherige bezogen, andererseits aber durch diese Erklärung bzw. Entfaltung selbst weiterentwickelt i. S. einer Verdeutlichung dessen, was damit gemeint ist (nicht i. S. einer [neuen] Hinzufügung).83 In der Darstellung der Chronik werden also die vorherigen Konzilien durch Chalcedon nicht nur inhaltlich theologisch bestätigt, sondern auch – in dieser orthodoxen Tradition stehend – durch die chalcedonensischen „Erklärungen“ in diesem Sinne weitergeführt.84 81 82
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Victor von Tunnuna, Chronicon 10 (6,63–65 Cardelle de Hartmann): Fidesque sanctorum patrum qui in Nicena, Constantinopolitana et Ephesena prima conuenerunt sanctis sinodis explanatur. Victor von Tunnuna zählt hier die Konzilien nach östlicher Weise auf, vgl. Placanica, „Note“, 70 (ad a. 451). Das Konzil von Konstantinopel 381 wurde v. a. von Rom zunächst nicht als ökumenisch anerkannt; seine Rezeption als ökumenisches Konzil setzte erst mit Chalcedon ein. Dort wurden nur die Konzilien von Nizäa und Ephesus (431) als ökumenisch bezeichnet, vgl. ACO 2,1,2 (94,9; 105,40 Schwartz). Die Glaubensformel Konstantinopels wurde aber als Norm akzeptiert, was schließlich auch zur Anerkennung des Konzils von Konstantinopel als ökumenische Synode (auch) im Westen führte, eine Entwicklung, die letztlich erst mit Gregor der Große, Registrum epistularum 1,24, der dort die vier Konzilien wie die vier Bücher des heiligen Evangeliums anerkennt, abgeschlossen ist; vgl. Ritter, Das Konzil von Konstantinopel, 209–220, v. a. 214–216. Placanica, „Note“, 70 (ad a. 451) sieht eine definitive Anerkennung allerdings schon bei Papst Vigilius, vgl. etwa Collectio Auellana 92,2 (Vigilius an Justinian [249,1–3 Günther]) u. ö. Im Osten wurde das Konzil von Konstantinopel jedenfalls schon früher in die Reihe der vier Synode gestellt: Als „vier heilige Synoden“ werden die Konzilien von Nizäa, Konstantinopel, Ephesus (431) und Chalcedon in den Novellen Justinians bezeichnet, und ihre canones (regulae) werden „wie Gesetze“ anerkannt; die Lehren der vier Synoden werden zudem wie die Heilige Schrift angenommen: Nouellae Iustiniani 131,1 (654,25–655,8 Schöll/Kroll): Sancimus igitur uicem legum obtinere sanctas ecclesiasticas regulas, quae a sanctis quattuor conciliis (griech. ὑπὸ τῶν ἁγίων τεσσάρων συνόδων) expositae sunt aut firmatae. [Darauf folgt die Aufzählung der genannten Konzilien.] Praedictarum enim quattuor synodorum dogmata sicut sanctas scripturas accipimus et regulas sicut leges seruamus (griech. καὶ τὰ δόγματα καθάπερ τὰς θείας γραφὰς δεχόμεθα καὶ τοὺς κανόνας ὡς νόμους φυλάττομεν). Vgl. Ritter, Das Konzil von Konstantinopel, 216 (mit Anm. 4). Placanica, „Note“, 71 (ad a. 451) versteht explanatur dogmatisch-ekklesiologisch pointiert als „indicativo del concetto di evoluzione omogenea nel dogma, proprio della tradizione cattolica“, mit dem Hinweis auf σαφηνίζειν/explanare in ACO 2,1,1 (91,30 Schwartz); 2,1,3 (111,14; 112,30; 113,13 Schwartz); lat. ACO 2,3,1 (68,5 Schwartz), 2,3,3 (115,24; 117,25; 118,19 Schwartz); 4,1 (9,35–37; 209,30– 32 Schwartz); Justinian, Schreiben gegen die Drei Capitel 61 (64,4–8 Schwartz); Codex Iustinianus 1,1,7,11. Vgl. aber neutraler die Bedeutung von explanare in TLL, s. v. „explano“, insb. I.2: proferre, manifestare; vgl. auch Georges, Handwörterbuch, s. v. „explano“, mit der (übertragenen) Grundbedeutung: „verdeutlichen, deutlich entwickeln, erläutern, erklären, aufklären, über etw. Aufklärung geben“. Man könnte hier in Anlehnung an einen Begriff von Hermann Josef Sieben von einem vertikalen Konsens sprechen, in den Chalcedon gestellt wird und der mit diesem Konzil gleichzeitig fort-
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Neben der Übereinstimmung mit den vorherigen Konzilien betont die Chronik des Victor von Tunnuna bei der Darstellung des Konzils von Chalcedon auch die handelnde Rolle der Synode selbst, welche die Beschlüsse trifft und vor allem durch ihre Unterschrift bestätigt: Die Verurteilungen, die auf dem Konzil von Chalcedon vorgenommen werden, sind zwar passivisch formuliert ([…] ubi […] abdicatur, […] condempnatur […] soluuntur, […] explanatur)85. Anschließend erscheint aber deutlich die Synode – als Genitivus subiectivus zu den subscriptiones – als die, die die Beschlüsse unterschreibt, somit letztlich festlegt und damit quasi als Handelnde auftritt: His itaque definitis et subscriptionibus tocius sinodi roboratis […].86 Hier handeln also nicht Einzelne etwa durch ihre Unterschriften, sondern die Synode als ganze. Zur abschließenden Festlegung der Entscheidungen des Konzils wird in Chronicon 10 der Begriff definire verwendet. Dieses Verb ist Terminus technicus für die Festlegung von Entscheidungen durch Konzilien (Konzilsdekrete) und Erlasse von Kaisern. Ist er im strengeren, übertragenen speziellen Sinn ein Begriff aus der Gerichtssprache i. S. eines letztgültigen Urteilsspruchs (sententia definitiua)87, bezieht er sich im weiteren Sinn im philosophischen Kontext auf die Dinge, „quae argumentando vel docendo statuuntur“, also sententia oder regula.88 Im Sinn von institutio bezeichnet er zudem die Kundgabe des Willens eines Machtträgers, so definiert der Kaiser, so definieren die Bischöfe für sich und als auf Synoden versammelte.89 Pointiert als abschließendes
gesetzt wird; vgl. z. B. Sieben, Die Konzilsidee, 119. Hier verweist Sieben auf einen Brief Leos, der bezüglich des Konzils von Chalcedon auf einen vertikalen und einen horizontalen Konsens verweise: Das Konzil „wurde von allen Provinzen des römischen Erdkreises unter Zustimmung der ganzen Welt gefeiert (horizontaler consensus) und ist von den Dekreten des hochheiligen Nicaenischen Konzils (Inbegriff der Tradition) ununterschieden (vertikaler consensus)“. Vgl. Leo I., Epistula 164,3 (= Collectio Grimanica, Epistula 103; ACO 2,4 [111,24–26 Schwartz]): Quae [= das Konzil von Chalcedon] ab uniuersis Romani orbis prouinciis cum totius mundi est celebrata consensu et a sacratissimi concilii Nicaeni est indiuisa decretis. Bei Sieben ist dieser Konsens freilich das konstitutive Kriterium für die katholische Wahrheit und wird auch mit dem Papstamt eng verknüpft, welchem die Verkündigung des vertikalen Konsens der Kirche zukomme (vgl. ebd., 139–140). Darum geht es bei Victor von Tunnuna hier nicht, dennoch kann der Begriff „vertikaler Konsens“ die hier gemeinte Art der Übereinstimmung – als Konsens durch die Zeiten, als diachroner Konsens (vgl. ebd., 307 [Anm. 5]) – ausdrücken. 85 Victor von Tunnuna, Chronicon 10 (6,59–65 Cardelle de Hartmann). 86 Victor von Tunnuna, Chronicon 10 (6,66–67 Cardelle de Hartmann): „Nachdem diese Dinge festgelegt und durch die Unterschriften der ganzen Synode bekräftigt worden waren […]“. Die Unterschriften vgl. ACO 2,1,2 (141–155 Schwartz); lat. ACO 2,3,2 (157–175 Schwartz); vgl. Placanica, „Note“, 71 (ad a. 451). 87 Vgl. TLL, s. v. „definitio I. B.2“. 88 TLL, s. v. „definitio II.A.3“. In diesem Sinn wurde er früh auch im christlichen Kontext verwendet zur Bezeichnung etwa der Meinung von Philosophen, vgl. etwa Tertullian, De anima 16: definitio zur Bezeichnung der Lehre des Plato; vgl. Sieben, Die Konzilsidee, 127 (Anm. 77). 89 Vgl. Sieben, Die Konzilsidee, 126–128, bes. Anm. 76–78; zu Kaisererlassen vgl. bspw. Codex Theodosianus 1,6,2 (Sacrae definitionis ius [39 Mommsen/Meyer]); 1,10,7 (legis nostra definitiones [46 Mommsen/Meyer]); 3,10,1 (praesentis legis definitione prohibemus [147,6 Mommsen/Meyer]) u. ö. Zu Bischöfen vgl. bspw. Codex Theodosianus 1,27 (De episcopali definitione [62 Mommsen/
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Urteil der Orthodoxie versteht Facundus von Hermiane die „Definition“ des Konzils im Kontext seiner Verteidigung der Drei Kapitel: Et ideo non idem modus esse debet atque ordo quaerendi, post definitionem concilii totius Ecclesiae consensione firmati, qui fuit ante definitionem. Tunc enim ratio poscebat ut si orthodoxa probaretur illa epistula, suscipienda iudicaretur a synodo; nunc autem ratio poscit ut, si suscepta probetur a synodo, iudicetur orthodoxa.90
Ist etwas (hier konkret bezogen auf den Brief des Ibas von Edessa) von einer Synode per definitio angenommen, worin sich der Konsens der ganzen Kirche zeigt, muss es auch später wieder, wenn sich die Annahme durch die Synode beweisen lässt, als orthodox angesehen werden.91 Definire wird also an anderer Stelle im Kontext des DreiKapitel-Streites als Terminus für die endgültige Festlegung eines Sachverhaltes durch ein Konzil gebraucht. Die Annahme, dass die definitio so auch bei Victor von Tunnuna zu verstehen ist, wird unterstützt durch seine Formulierung am Ende von Chronicon 10 (6,69–71 Cardelle de Hartmann): dass omnia que ad statum ecclesie pertinent disposita sunt ratumque terminum susceperunt.92 Das Konzil selbst bekräftigt in der Darstellung des Victor von Tunnuna also mit den Unterschriften, was zuvor endgültig beschlossen wurde: Es hält als sinodus generalis der 630 Bischöfe die Entscheidung und damit den (synchronen) Konsens der Kirche fest, der sich, wie oben gesehen, in Übereinstimmung mit dem auf den Konzilien von Nizäa und Konstantinopel sowie auf dem 1. Konzil von Ephesus Dargelegten befindet. Damit steht das Konzil eben zugleich im diachronen Konsens zu diesen Konzilien und führt deren fides weiter. Gerade darin aber liegt seine Autorität. Bei Prosper wird als (passivisch formuliertes) Ergebnis des Konzils von Chalcedon zunächst die Vollstreckung der zuvor als Ziel genannten disziplinarischen Maßnahmen genannt: Synodos Chalcedonensis peracta Eutyche Dioscoroque damnatis. Omnes autem, qui se ab eis retraxerunt, in communionem recepti.93 Neben diesen disziplinarischen
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Meyer]); zu Bischöfen versammelt auf Synoden bzw. zu Synoden vgl. bspw. Coelestin I., Epistula 14,8 (Ut autem noueritis sub qua definitione litteras miserimus [PL 50, 497C Migne]). Vgl. auch die genannten Anmerkungen bei Sieben zu weiteren Belegen; vgl. Placanica, „Note“, 71 (ad a. 451). Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 5,5,5 (157,32–37 Clément/Vander Plae tse; Übers. Sieben, Die Konzilsidee, 297): „Deswegen kann die Art und Weise der Untersuchung nach der Definition eines durch die Zustimmung der gesamten Kirche bekräftigten Konzils nicht mehr die gleiche wie vorher sein. Vorher verlangte die Vernunft, daß der fragliche Brief vom Konzil als anzunehmender beurteilt wird, wenn er sich als orthodox beweisen läßt; jetzt dagegen verlangt die Vernunft, daß (dieser Brief) als orthodox beurteilt wird, wenn er als von der Synode angenommener bewiesen wird.“ Vgl. Sieben, Die Konzilsidee, 296–297. Vgl. auch Bruns, „Zwischen Rom und Byzanz“, 167. S. zu diesem Abschluss von Chronicon 10 weiter u. S. 250–252. Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 1369 (482 Mommsen/Übers. 133 Kötter): „Die Synode von Chalcedon wurde beendet, Eutyches und Dioskor wurden verdammt. Alle aber, die sich von ihnen zurückzogen, wurden wieder in die Gemeinschaft aufgenommen.“ S. auch o. S. 246 (Anm. 78).
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Maßnahmen nennt Prosper nun aber auch ein inhaltlich-theologisches Ergebnis des Konzils: „Allgemein bestätigt wurde der Glaube von der Fleischwerdung des Wortes“. Diesen Glauben „von der Fleischwerdung des Wortes“ bezieht Prosper direkt anschließend auf den Papst – der ja schon zuvor (Epitoma chronicon 1362) als die führende Kraft bei der Klärung der dogmatischen Fragen geschildert worden war: Es ist nämlich der Glaube, der „gemäß der Lehre der Evangelien und der Apostel durch den heiligen Papst Leo verkündigt wurde.“94 Das Konzil bestätigt also den Glauben, den Papst Leo (zuvor schon) verkündigt hat, also das, was dieser theologisch lehrt. Hinter den dogmatischen Beschlüssen des Konzils steht damit letztlich – auf der Grundlage der neutestamentlichen Lehre – Papst Leo. Ein Handeln des Kaisers etwa spielt hier gar keine Rolle mehr.95 Auch gibt es keine Einreihung des Konzils von Chalcedon in die anderen Konzilien oder gar eine positive theologische Bezugnahme darauf. Steven Muhlberger fasst diesen Unterschied zwischen Prosper und Victor v. a. in Bezug auf die Rolle des Papstes pointiert zusammen: „Prosper de-emphasized the council that Victor valued so highly, by presenting it as simply a confirmation of Leo’s earlier declaration of doctrine.“96 Nach der Nennung der Beschlüsse des Konzils97 beendet Victor von Tunnuna seinen Bericht über das Konzil (wie bereits erwähnt) mit dem Fazit omnia que ad statum ecclesie pertinent disposita sunt ratumque terminum susceperunt.98 Mit Chalcedon ist alles, was zum status der Kirche gehört, endgültig festgelegt.99
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Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 1369 (482 Mommsen/Übers. 133 Kötter): Confirmata uniuersaliter fide, quae de incarnatione uerbi secundum euangelicam et apostolicam doctrinam per sanctam papam Leonem praedicabatur. / „Allgemein bestätigt wurde der Glaube von der Fleischwerdung des Wortes, der gemäß der Lehre der Evangelien und der Apostel durch den heiligen Papst Leo verkündigt wurde.“ Vgl. auch Muhlberger, „Prosper’s Epitoma Chronicon“, 243. S. hingegen o. S. 242–244 vor der Einberufung des Konzils. Muhlberger, „Prosper’s Epitoma chronicon“, 243. Zur Wiedereinsetzung von Eusebius von Dorylaeum, Theodoret von Kyrrhos und Ibas von Edessa sowie zur Exkommunikation der Anhänger des Dioskur s. u. S. 255. Victor von Tunnuna, Chronicon 10 (6,69–71 Cardelle de Hartmann): „Es wurden alle Dinge, die zum Bestand der Kirche gehören, geordnet, und empfingen das rechtskräftige Ende.“ Vgl. auch die Übersetzung von Martyn (Übers. 134 Martyn): „All things were arranged concerning the status of the Church, and received a settled ending.“ Die genaue Übersetzung von status in diesem Zusammenhang ist nicht ganz einfach. Gemeint ist wahrscheinlich alles, was zur Kirche und dem kirchlichen Leben dazugehört i. S. ihres „Gesamtzustandes“, vgl. Georges, Handwörterbuch, s. v. „status“ II,1: „Stand“, „Zustand“, „Verfassung“, „Umstände“, „Beschaffenheit“. Placanica (Übers. 7 Placania), übersetzt daher: „Così, tutto ciò atteneva alla vita della Chiesa si trovò disposto e debitamente determinato“. Weniger definitiv erscheint das Fazit bspw. der Epitome von Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E360 (101,22–24 Hansen) zum Konzil von Chalcedon: ἐν ᾗ πολλὰ καὶ ἀναγκαῖα διετυπώθησαν δόγματά τε καὶ πράγματα, ὧν ἡ γνῶσις καὶ ἡ ὠφέλεια πολυμερὴς οὖσα διὰ τῆς τῶν πεπραγμένων δηλοῦται ἀναγνώσεως. /„In ihr [der Kirche Sankt Euphemia] bildeten sie viele und notwendige Lehren und Handlungen aus, von denen die Kenntnis und der Nutzen, der mehrteilig ist, durch das Vorlesen der abgehandelten Dinge bekannt gemacht wird.“ S. auch o. S. 249 zu definire. Seit 452 galten die Beschlüsse Chalcedons auch als Reichsgesetz (vgl. ACO 2,2,2 [21,29–22,27 Schwartz; lat.]; 2,1,3 [120,14–121,190 Schwartz; griech.]) und es war verboten, sie zu diskutieren; vgl. Brennecke, „Chalkedonense“, 27.
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Mit dieser Bilanz zum Konzil bewegt Victor von Tunnuna sich im Rahmen dessen, was auch andere Verteidiger der Drei Kapitel vertraten.100 Antonio Placanica sieht hier eine offizielle Sprache der Orthodoxie, die auf ein von Leo I. etabliertes Prinzip101 verweise, das sich bei diesem in Epistula 164,1 zeige: nihilque prorsus de bene compositis retractetur.102 Dieses Prinzip sei unaufgebbare Forderung in der Polemik zur Verteidigung der Drei Kapitel gewesen, was sich etwa bei Ferrandus von Karthago (Epistula 6,10) und Facundus von Hermiane (Pro defensione trium capitulorum 2,5,4; 6,5) zeige.103 Ferrandus von Karthago nennt in seiner Epistula 6,10 an Pelagius und Anatolius zum Abschluss zusammenfassend drei Regeln, die zu beachten seien. Die erste davon spricht die Frage nach der Revidierbarkeit von Konzilien an: Ut concilii Chalcedonensis uel similium nulla retractatio placeat; sed quae semel statuta sunt, intermerata seruentur.104 Was auf Konzilien beschlossen wurde, ist nicht revidierbar, sondern muss immer befolgt werden. Der Akzent liegt bei Ferrandus auch an anderen Stellen dieses Briefes auf der Betonung dieses Respektes vor der Tradition.105 Facundus von Hermiane beruft sich in Pro defensione trium capitulorum 2,5,4 wörtlich auf Papst Leo selbst als den, der auf dem Konzil von Chalcedon gesagt habe, dass alle Dinge festgesetzt seien, um zu bestätigen, dass nichts zu ihrer Vollkommenheit
100 Vgl. bspw. den ähnlichen Verweis auf die perfectio und die plenitudo des Konzils von Chalcedon bei Facundus von Hermiane, z. B. in Pro defensione trium capitulorum 2,5,10 (hier 63,67 Clément/ Vander Plaetse). S. auch o. S. 73–75; s. auch im Folgenden. 101 Vgl. Placanica, „Note“, 71 (ad a. 451): „Vittore conclude quindi il presente capitolo, intessuto di frasi tratte dal linguaggio ufficiale dell’ortodossia, con un giudizio che richiama implicitamente il principio stabilito da Leone Magno“. 102 Leo I., Epistula 164,1 (ACO 2,4 [110,33 Schwartz]): „und es soll hinfort nichts von den Dingen, die auf gute Weise abgefasst worden sind, überarbeitet werden“. 103 Vgl. auch Victor von Tunnuna, Chronicon 33; s. dazu u. S. 262 (Anm. 154). 104 Ferrandus von Karthago, Epistula 6,10 (PL 67, 927D Migne; Übers. 1,120 Price): „that no revision of the Council of Chalcedon or of similar councils is to be approved, but what has once been decreed is to be kept intact“. Die beiden weiteren Regeln stehen ebenso im Zusammenhang mit den Geschehnissen im Drei-Kapitel-Streit (PL 67, 927D–928A Migne; Übers. 1,120–121 Price): Ut pro mortuis fratribus nulla generentur inter uiuos scandala. Ut nullus libro suo per subscriptiones plurimorum dare uelit auctoritatem, quam solis canonicis libris Ecclesia catholica detulit. / „that no occasions of offence are to be created among the living over brethren who are deceased; and that no one is to wish through numerous subscriptions to claim for his own book an authority that the catholic church has attributed only to the canonical books.“ Die zweite Regel betrifft also die Kritik an der Verurteilung bereits Verstorbener; die dritte Regel lehnt ab, dass der Kaiser Religionsedikte mit bischöflichen Subskriptionen (außerhalb von Synoden) erlässt. Vgl. Sieben, Die Konzilsidee, 289–290. 105 Oder, um es mit Sieben, Die Konzilsidee, 285 zu formulieren, „auf der Respektierung […] des vertikalen Konsenses der Kirche“. Ein weiterer Anklang an dieses Prinzip ist Ferrandus von Karthago, Epistula 6,5 (PL 67, 925AB Migne; Übers. 1,117 Price): Nemo culpare festinet bene deposita, nemo recta corrigere. / „May no one be eager to criticize what was successfully resolved; may no one be eager to set right what was right already.“ Vgl. dazu Sieben, Die Konzilsidee, 289. Vgl. zu Ferrandus von Karthago und seiner Epistula 6 insgesamt Sieben, Die Konzilsidee, 283–291; s. auch o. Anm. 100.
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hinzugefügt werden könne.106 In Pro defensione trium capitulorum 2,6,6–7 zitiert Facundus von Hermiane zudem den o. g. Brief Leos I. (Epistula 164)107 und bezieht sich zuvor in 2,6,5 darauf, dass neben den fidei definitiones conciliorum („den Glaubensbeschlüssen der Konzilien“, d. h. den dogmatischen Entscheidungen) alle Dinge, die auf dem Konzil von Chalcedon pro pacis et unitatis obseruantia […] modeste ibi fuerint ac bene composita108 Autorität hätten und nicht zu bezweifeln seien. Insofern ist eine Kontinuität der Aussagen der beiden Verteidiger der Drei Kapitel zu den Aussagen Leos I. durchaus erkennbar. Victor von Tunnuna stellt nun allerdings, wie gesehen, in seinem Abschnitt zum Konzil von Chalcedon gerade das Handeln des Konzils selbst in den Vordergrund und nicht das Agieren des Papstes. Er bezieht sich in seinem Fazit zum Konzil auch nicht auf eine päpstliche Aussage. Sein Fazit steht in inhaltlicher Nähe zur Betonung der Nichtrevidierbarkeit bzw. des Charakters der Endgültigkeit von Konzilsbeschlüssen, die sich bei Facundus und Ferrandus zeigt. Diese beziehen sich, wie gesehen, wenigstens zum Teil auf Aussagen Leos. Insofern ist der o. g. Aussage Placanicas, dass sich bei Victor von Tunnuna implizit das bei Leo vorkommende „Prinzip“109 der Nicht-Überarbeitung von Konzilsbeschlüssen zeigt, nicht grundsätzlich zu widersprechen. Für die Frage nach den Akzenten am Anfang der Chronik gerade im Gegenüber zu Prosper ist aber insbesondere wichtig, dass Victors Fazit zum Konzil von Chalcedon in einer Linie mit anderen Verteidigern der Drei Kapitel steht.
106 Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 2,5,4 (61,20–23 Clément/Vander Plaet se; Übers. 329 Fraïsse-Bétoulières): Beatus autem Leo […] sic ibi esse dicit omnia definita, ut nihil eorum perfectioni adici posse confirmet. / „Or le bienheureux Léon […] dit qu’au synode tout a été défini at affirme qu’on ne peut rien ajouter à cette perfection.“ Facundus von Hermiane zitiert dann im Folgenden (Pro defensione trium capitulorum 2,5,5–7 [62,29–48 Clément/Vander Plaetse]) einen Brief von Papst Leo an Kaiser Leo (Epistula 162 = 72 Silva-Tarouca [PL 54, 1144B–1145A Migne; 165–168 Silva-Tarouca), der dessen Standhaftigkeit in dieser Haltung zeigen soll (prudenter ac fortiter eorum insidiis restitit / „il s’opposa avec prudence et courage, à leurs embûches“ [61,28 Clément/Vander Plaetse; Übers. 331 Fraïsse-Bétoulières]). Vgl. zur „Konzilsidee“ bei Facundus von Hermiane auch Sieben, Die Konzilsidee, 291–300. 107 Zu weiteren Briefen Leos, die im 2. und im 12. Buch von Pro defensione trium capitulorum zitiert werden vgl. Sieben, Die Konzilsidee, 292 (mit Anm. 91 und 92). Auch bei diesen Zitaten steht die Nichtrevidierbarkeit des Konzils in Vordergrund. 108 Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 2,6,5 (65,37–38 Clément/Vander Plaet se; Übers. 341 Fraïsse-Bétoulières): „[ce qui] a été organisé judicieusement et avec mesure pour l’observance de la paix et de l’unité“. Zum Frieden als Kennzeichen des Konzils von Chalcedon bzw. als Grund für dessen positive Wertung bei Ferrandus von Karthago vgl. Sieben, Die Konzilsidee, 288–289; s. auch o. S. 244. 109 So auch Sieben, Die Konzilsidee, 289; vgl. ebd. 115–120, der hier (118) auch von „Konzilsaxiom“ spricht. Ob man tatsächlich von dem „Leoninische[n] Prinzip“ sprechen muss, kann hier nicht weiter untersucht werden. Entscheidend ist an dieser Stelle die Rezeption durch die Verteidiger der Drei Kapitel.
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5.1.4 Die Frage der Drei Kapitel als Fokus der Chronik des Victor von Tunnuna von Anfang an Neben der grundsätzlichen Betonung der Rolle der Synode (und damit einhergehend der Abschwächung der Rolle des Papstes und ansatzweise des Kaisers) im Vergleich zu Prosper ist also allein schon mit der Bilanz zum Konzil von Chalcedon, die in einer erkennbar gleichen Argumentationslinie mit anderen Verteidigern der Drei Kapitel steht, in Chronicon 10 der Fokus der Chronik greifbar, der im weiteren Verlauf eine entscheidende Rolle spielen wird: Die Frage der Drei Kapitel. Dieser Fokus klingt auch an anderen Stellen in Chronicon 1–15 an. Neben dem Subtext von Chronicon 1110 zeigt er sich auch an anderen Stellen der Darstellung der Jahre 444–455: Als Ergebnis des zweiten Konzils von Ephesus („Räubersynode“ von 449) hält Prosper neben dem „Freispruch des Eutyches das Urteil der Verdammung gegen Flavian, den Bischof von Konstantinopel“ durch Dioskur fest.111 Bei Victor von Tunnuna hingegen ist die Angabe der Verurteilung durch Dioskur112 ausgeweitet: et eius obtrectatores duarum in Christo naturarum doctores Flauianum Constantinopolitanum, Eusebium Durelei, Theodoretum Cyri, et Ibam Edessenum antistites ceterosque alios impia auctoritate […] condempnauit.113 Diese Angabe findet sich auch in der Epitome der Kirchengeschichte des Theodoros Ana gnostes, die zusätzlich die Verurteilung eines Andreas erwähnt.114 Möglicherweise hat Victor die über Prosper hinausgehenden Informationen also von Theodoros.115 Jedenfalls aber rücken, indem Victor von Tunnuna nun die Verurteilung von Theodoret von Kyrrhos und Ibas von Edessa auf dem zweiten Konzil von Ephesus notiert, einerseits
110 S. o. Kap. 5.1.1. 111 Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 1358 (480,12–13 Mommsen/Übers. 127 Kötter): […] Dioscorus Alexandrinus […] absoluto Eutyche in Flauianum episcopum Constantinopolitanum damnationis sententiam tulit. 112 Zur von Kaiser Theodosius II. übertragenen leitenden Rolle Dioskurs auf dem Konzil vgl. Placanica, „Note“, 65 (ad a. 448); vgl. die auf dem Konzil von Chalcedon zitierte entsprechende Mitteilung an Dioskur in ACO 2,1,1 (74,9–28 Schwartz); lat. ACO 2,3,1 (49,8–25 Schwartz). Vgl. dazu auch kurz Fraisse-Coué, „Von Ephesus nach Chalcedon“, 54 (mit Anm. 198). 113 Victor von Tunnuna, Chronicon 4 (4,26–30 Cardelle de Hartmann): „und er verurteilte dessen Widersacher, die Lehrer der zwei Naturen in Christus, die Bischöfe Flavian von Konstantinopel, Eusebius von Dorylaeum, Theodoret von Kyrrhos und Ibas von Edessa sowie weitere andere mit frevelhafter Vollmacht […].“ 114 Vgl. Theodoros Anagnostes, Historia eccleasiastica E347. Wer dieser Andreas ist, ist unsicher, vgl. Hansen im apparatus ad locum (98–99 Hansen). Zur Absetzung Theodorets von Khyrros vgl. die Akten der ephesinischen Synode vom Jahre 449 (syrisch und deutsch; 84–113 Flemming/Übers. Hoffmann); zur Absetzung des Ibas von Edessa vgl. Akten der ephesinischen Synode vom Jahre 449 (12–69 Flemming/Übers. Hoffmann). S. auch o. S. 68. 115 In den auf dem Konzil von Chalcedon verlesenen Akten werden nur Flavian und Eusebius von Do rylaeum als Verurteilte erwähnt, vgl. ACO 2,1,1 (191,8–194,38 Schwartz); lat. ACO 2,3,1 (239,6–252,19 Schwartz), vgl. Placanica, „Note“, 66 (ad a. 448), dort auch zur Formulierung ceterosque alios. Zur dennoch bestehenden Möglichkeit einer direkten Kenntnis der Synodalakten Chalcedons durch Victor von Tunnuna s. o. Kap. 3.3.
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Die erzählte Geschichte der Chronik
die Drei Kapitel (jedenfalls zum Teil) schon am Anfang der Chronik in den Fokus. Andererseits wird damit die Unrechtmäßigkeit dieses Konzils aus der Sicht Victors unterstrichen116: Die Versammlung selbst wird zwar zunächst schlicht als generalis sinodus secunda congregatur in Epheso bezeichnet.117 Ihre negative Einschätzung wird aber nicht nur deutlich, indem dargestellt wird, dass Dioskur den Vorsitz – mit kaiserlicher Unterstützung – an sich reisst und Eutyches freispricht, sondern eben v. a. auch durch die Verurteilung von Theodoret von Kyrrhos, Ibas von Edessa und anderen, die eben impia auctoritate contradicentibus etiam legatis sedis apostolice verurteilt werden.118 Zur Synode von Ephesus (449) sei darüber hinaus noch kurz angemerkt, dass mit ihrer Darstellung in der Chronik auch die Reihe der Ostkaiser, die eine aktive Rolle in den theologischen Streitigkeiten einnehmen, beginnt: In Chronicon 4 wird Theodosius II. als patronus der Synode eingeführt, und Dioskur erlangt „mit kaiserlicher Begünstigung“ deren Vorsitz.119 In der Epitome der Kirchengeschichte des Theodoros Anagnostes wird Theodosius durch Chrysaphius und andere Anhänger des Eutyches zur Einberufung der Synode überredet.120 Diese Information gibt es bei Victor von Tununa nicht. So ist der Kaiser bei Victor von Tunnuna zwar als patronus selbst in die Geschehnisse der Synode verwickelt, jedoch nicht – jedenfalls nicht offensichtlich – mit den Anhängern des Eutyches verbunden. Zu Theodosius wird im Folgenden auch
116 Gemeinsam ist Prosper und Victor beim Bericht über die 2. Synode von Ephesus neben der Betonung des Widerspruchs der Gesandten des Bischofs von Rom (s. o. S. 240 [Anm. 41]) die Gewalt, mit der Dioskur die Zustimmung zu seinen Beschlüssen erzwang. Vgl. Becker/Kötter, „Kommentar“, 304; Placanica, „Note“, 66 (ad a. 448). Den Tod Flavians (Sanctus uero Flauianus […] glorioso ad Christum fine transiuit [481,31–32 Mommsen]) erwähnt Victor von Tunnuna anders als Prosper nicht. 117 Victor von Tunnuna, Chronicon 4 (4,22–23 Cardelle de Hartmann). Vgl. aber die Bezeichnung als secunda nec dicenda sinodus in Chronicon 10 (6,59–60 Cardelle de Hartmann). 118 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 4. Das (grammatikalische) Subjekt ist hier zunächst allerdings Dioskur und nicht die Synode selbst, die aber dann im Anschluss von Dioskur mit Gewalt zur Unterstützung gezwungen wird (4,30–32 Cardelle de Hartmann): totamque sinodum sibi fauere monachorum seditione militarique uiolentia inclinauit / „und er [Dioskur] zwang die ganze Synode durch einen Aufstand von Mönchen und mit militärischer Gewalt, ihn zu unterstützen“. 119 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 4 (3,19–4,25): Pro quo imperatore Theodosio patrocinante […] generalis sinodus secunda congregatur in Epheso, in qua Dioscorus Alexandrinus episcopus sibi principatum usurpans imperiali fauore […]. / „Dafür versammelte sich unter der Schirmherrschaft von Kaiser Theodosius […] eine zweite allgemeine Synode in Ephesus, auf der Dioskur, der Bischof von Alexandria, mit kaiserlicher Begünstigung den Vorsitz an sich riss […]“. Zur Einberufung des Konzils durch den Kaiser vgl. ACO 2,1,1 (77,14–15 Schwartz); lat. ACO 2,3,1 (52,15–16 Schwartz). Zu der in Chalcedon 451 zitierten Übertragung des Vorsitzes an Dioskur s. o. Anm. 112. Zu Theodosius II. vgl. exemplarisch Millar, A Greek Roman Empire; sowie den von Kelly herausgegebenen Sammelband Theodosius II. 120 Vgl. Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E346 (98,23–24 Hansen): Χρυσάφιος καὶ οἱ περὶ Νόμον τὸν ὕπατον ἐκθύμως τῷ Εὐτυχεῖ προσκείμενοι πείθουσι Θεοδόσιον κελεῦσαι σύνοδον. / „Chrysaphius und die, die bezüglich dem höchsten Gesetz übermütig dem Eutyches anhingen, überredeten Theodosius, eine Synode zu befehlen.“
Der Auftakt der Chronik: Rund um die Synode von Chalcedo
255
nichts weiter notiert, und er bzw. sein Handeln werden auch nicht weiter bewertet.121 Der Fokus liegt bei Victor von Tunnuna auf Dioskur als Urheber der Verurteilungen.122 Auch Theodosius’ kurz darauf folgender Tod wird neutral geschildert.123 Den Fokus auf die Drei Kapitel zeigt im Folgenden noch ein weiteres Ergebnis des Konzils von Chalcedon, das Victor von Tunnuna – anders als Prosper oder Theodoros Anagnostes – festhält: Eusebio Durilei, Theodoreto Cyri et Iba Edesseno episcopis propriis restitutis ecclesiis […].124 Entsprechend der Rücknahme der Beschlüsse des zweiten Konzils von Ephesus wird also auch hier durch die explizite Erwähnung von Theodoret von Kyrrhos und Ibas von Edessa deutlich gemacht, dass in Chalcedon auch Vertreter der Drei Kapitel rehabilitiert wurden.125 Umgekehrt ergeht es Dioskur, der auf dem Konzil von Chalcedon verurteilt wird.126 Seine Verurteilung auch der genannten Vertreter der Drei Kapitel führt zu seiner eigenen Verurteilung. Er ist damit der Erste in einer Reihe von Gegnern der Drei Kapitel (und Chalcedons), deren Ablehnung der Drei Kapitel negative Folgen (für sich selbst) nach sich zieht.127
121 Vgl. auch Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 1358, wo ebenfalls Theodosius II. die 2. Synode von Ephesus einberuft. Er erfährt dort zwar keine direkte negative Beurteilung, jedoch wird von Gewalt gegen die Gesandten des Papstes berichtet, die nur deshalb dem Freispruch des Eutyches und der Verurteilung des Flavian von Konstantinopel zugestimmt hätten (s. o. Anm. 116). Becker/Kötter, „Kommentar“, 304 deuten dies als „kaiserliche[…] Einmischung“, und zwar für eine bestimmte, von Prosper als häretisch wahrgenommene Theologie, weshalb sich Prosper dagegen wende. Dies sei dann auch der Grund dafür, dass Prosper im Anschluss „von seiner positiven Haltung gegenüber der theodosianischen Dynastie abrücken sollte“. Wenn man die bei Victor von Tunnuna als von Dioskur initiiert dargestellte militärische Gewalt gegen die Synode in diesem Sinne deutet, lässt sich auch bei Victor eine implizite Kritik am Kaiser erkennen, hatte dieser doch die Schirmherrschaft über die Synode inne. 122 S. o. S. 253–254. 123 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 6 (5,44–45 Cardelle de Hartmann): Theodosius imperator anno uite sue LXII Constantinopoli moritur. / „Kaiser Theodosius starb im 62. Jahr seines Lebens in Konstantinopel.“ 124 Victor von Tunnuna, Chronicon 10 (6,67–68 Cardelle de Hartmann): „Nachdem Eusebius von Dorylaeum, Theodoret von Kyrrhos und Ibas von Edessa wieder in ihren eigenen Kirchen eingesetzt worden waren […].“ 125 In den Konzilsakten vgl. zu Eusebius von Dorylaeum ACO 2,1,1 (77,38–78,4 Schwartz); lat. ACO 2,3,2 (4,8–13 Schwartz); zu Theodoret von Kyrrhos vgl. ACO 2,1,3 (10,1–11,7 Schwartz); lat. ACO 2,3,3 (14,4–15,12 Schwartz); zu Ibas von Edessa vgl. ACO 2,1,3 (39,23–42,18 Schwartz); lat. ACO 2,3,3 (48,24–52,16 Schwartz); vgl. auch den Bezug darauf bei Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 5,1,2. In Chronicon 130 erwähnt Victor von Tunnuna anders als in der Notiz zum Konzil selbst, dass Theodor von Mopsuestia in den gesta von Chalcedon gelobt worden sei; s. u. Kap. 5.7.2.3. 126 S. o. S. 246. 127 Und als Verurteiler der Drei Kapitel so auch der erste in einer negativen Traditionskette, die sich in der Chronik fortsetzt. In Epistula fidei catholicae 59 (s. u. Kap. 5.9) ist Dioskur in Chalcedon der letzte in einer Reihe von Häretikern, die von den vier Konzilien in Nizäa (Arius), Konstantinopel (Macedonius) und Ephesus (Nestorius) verturteilt werden.
256
Die erzählte Geschichte der Chronik
5.1.5 Zusammenfassende Bemerkungen Blickt man noch einmal zusammenfassend auf den Anfang der Chronik des Victor von Tunnuna, sind es v. a. zwei Hauptpunkte, die deren Eigenheit bereits am Anfang v. a. im Gegenüber zur Chronik Prospers zeigen: Einerseits die grundsätzliche Betonung der Rolle der Synode (des Konzils – und nicht des Papstes) sowie die klare und eine (Lehr-) Entwicklung abschließende Einordnung des Konzils von Chalcedon in die Reihe der vier „heiligen Synoden“, andererseits der Fokus auf die Drei Kapitel, deren Geschichte und Verteidigung schon anklingt. Beide Punkte hängen insofern zusammen, als auch andere Verteidiger der Drei Kapitel die Rolle der Konzilien und besonders des Konzils von Chalcedon hervorheben und letzteres entsprechend einordnen. Damit zeigen sich bereits in der die Prospers Chronik rezipierenden Darstellung der Jahre 444–455 Akzente Victors, die im weiteren Verlauf der Chronik wichtig sein werden.128 Der vorliegende Anfang der Chronik ist damit ein Auftakt, der der weiteren Akzentuierung der Schilderung der Ereignisse trotz des Rückgriffs auf eine spezifische Quelle entspricht. Um noch einmal auf die Frage nach einer ursprünglichen Universalchronik zurückzukommen: Der Beginn der Chronik im Jahr 444 liegt also tatsächlich da, wo Victors „noticias adquieren el peso central“.129 Gerade deshalb kann die Chronik aber auch aus inhaltlichen Gründen von Anfang an mit diesem Jahr begonnen haben. Victors Interesse liegt in diesen Jahren ab 444: Am Anfang der Chronik in der Konstruktion einer eigenen Geschichte des Konzils von Chalcedon, dessen unmittelbarer Vorgeschichte und Ergebnis, dabei aber nicht fokussiert auf den damit zusammenhängenden dogmatischen Diskurs, sondern auf die Rolle und die Einordnung des Konzils und einzelner Akteure. Damit zeigt sich bereits hier, dass die Bezeichnung der Chronik Victors als „Fortsetzung“ oder „Anschluss“ an Prosper wohl zu kurz greift: Die Chronik Victors schreibt die Chronik des Prosper zwar in gewisser Weise fort, weil sie chronologisch an sie anschließt, ihr Interesse liegt aber offensichtlich in dem genannten eigenen inhaltlichen Schwerpunkt, mit dem so von Anfang an ein eigenes Ziel verfolgt wird. Dieses geht über eine bloße „Fortsetzung“ um der Vervollständigung der geschichtlichen Darstellung willen hinaus.
128 Die grundsätzliche Hervorhebung der Autorität des Konzils hängt möglicherweise auch mit der negativen Sicht des Victor von Tunnuna auf die Päpste seiner Zeit zusammen, die für ihn die chalcedonensische Orthodoxie betrogen hatten; vgl. knapp Muhlberger, „Prosper’s Epitoma chronicon“, 243; s. u. in Kap. 5.7.2 und 5.7.3 zu Vigilius. 129 Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 105*; s. o. S. 148.
Der Beginn der Rezeption Chalcedons unter Leo I. (Chronicon 16–40)
257
5.2 Der Beginn der Rezeption Chalcedons unter Leo I. (Chronicon 16–40) Die Zeit unter Kaiser Leo I. lässt sich als nächster Abschnitt der Chronik zusammenfassen (Chronicon 16–40).130 Die Chronik Prospers wird nun nicht mehr als Quelle benutzt. In diesem Abschnitt werden die ersten Jahre nach der Synode von Chalcedon behandelt und damit der Beginn ihrer Rezeption. Er ist von vielen kürzeren Notizen geprägt, die Abfolgen bei Bischöfen und Caesaren, Angaben zur Regierungsdauer oder Konsulaten, aber auch Palastintrigen bzw. Usurpationen enthalten.131 Diese Notizen sind i. W. schlicht gehalten und lassen keine Bewertung einzelner Personen wie Kaiser oder Papst durch Victor von Tunnuna bzw. eine Positionierung ihnen gegenüber erkennen.132 Der Abschnitt ist so insgesamt, nach der relativ ausführlichen Eröffnung der Chronik im Anschluss an Prosper, als Überleitung mit wenigen eingestreuten Schlaglichtern zu sehen, als Überleitung nämlich zu den Konflikten unter den folgenden Kaisern Zeno und Anastasius, die dann auf den eigentlichen Drei-Kapitel-Streit und damit auf die spezifische Intention der Chronik hinführen. Gleichzeitig sind gerade in diesem Abschnitt mit den Verfolgungen unter Hunerich nordafrikanische Ereignisse platziert, die für die Deutung der Chronik bestimmend sind. Auch hier sei zunächst ein Überblick über die von der Chronik erwähnten Ereignisse in tabellarischer Form gegeben. Die Ereignisse, die insbesondere Nordafrika betreffen, sind in der Tabelle in [Klammern] gesetzt: Zu ihnen lässt sich ein eigener Erzählstrang herausarbeiten, der in Kapitel 5.5 behandelt wird.
130 Zu Leo II. s. kurz u. S. 266 (Anm. 169). 131 Die kürzeren Notizen in diesem Sinne sind Chronicon 16; 17; 18; 20; 24; 25, 27; 29; 32; 34; 35; 36; 37; 38; 39; 40. 132 Dies gilt etwa auch für den Aufstand des (patricius) Ricimer gegenüber Avitus (Chronicon 16). Victor von Tunnuna berichtet dazu, dass Ricimer Avitus aus Rücksichtnahme zum Bischof von Placencia machte. Tatsächlich wurde Ricimer wohl erst im Jahr 457 patricius. Avitus erscheint hier bei Victor als harmlos, für die Herrschaft eher nicht geeignet (vgl. Chronicon 15 [8,100 Cardelle de Hartmann]: uir tocius simplicitatis). Vgl. dazu und zu weiteren Quellen für Ricimer und Avitus Placanica, „Note“, 74 (ad a. 456): Victor habe die Notiz aus den Consularia Italica; zur Problematik dieser Annahme s. o. S. 113–114. Ricimer wird neben der Nennung seines Konsulats in Chronicon 22 noch einmal in Chronicon 39 erwähnt im Zusammenhang mit seiner factio, die beim Aufstand gegen Anthemius beteiligt ist. Zu Ricimer vgl. kurz Lütkenhaus, „Ricimer“; Henning, Periclitans res publica, 45–46, 258–257; insgesamt Anders, Flavius Ricimer; vgl. auch zu Avitus und Ricimer Vössing, Das Königreich, 59–60.
258
Die erzählte Geschichte der Chronik
Chronicon
Jahr133
Ereignis/Inhalt
16
456
Usurpation des Ricimer gegenüber Avitus; Avitus als Bischof von Placencia.
17
457
Tod von Marcian; Kaiser Leo I.
18
457
Angabe der Regierungszeit Leos I.
19
457
Aufruhr durch Timotheus Ailurus und Ermordung des Proterius. Timotheus Ailurus wird Bischof von Alexandria.
20
458
Maiorianus als Herrscher in Rom.
21
458
Verfolgungen der Anhänger Chalcedons duch Timotheus Ailurus.
22
459
Leo I. von Rom schreibt an Juvenal von Jerusalem gegen Eutyches und Dioskur.
23
460
Leo I. entfernt Timotheus Ailurus als Bischof von Alexandria und macht Timotheus Salafatiarius, einen Verteidiger Chalcedons, zum Bischof.
24
461
Die Konsuln Dagalyfus und Severinus.
25
462
Die Konsuln Leo I. und Severus.
[26
463
Die Abfolge der Bischöfe Karthagos (Capreolus, Quodvultdeus, Deogratias und Eugenius).]
27
463
Tod des Maiorinus, Herrschaft des Severus.
[28
464
Der Tod Geiserichs und die Herrschaftsübernahme durch Hunerich sowie die Heirat Hunerichs mit einer Tochter Valentinians.]
29
465
Alexander als Bischof von Antiochien, Anastasius als Bischof von Jerusalem.
[30
466
Verfolgungen und Exilierungen der Katholiken unter Hunerich.]
31
467
Ein Zeichen in einer Wolke im Himmel.
32
467
Anthemius als Herrscher in Rom.
33
469
Bericht über die Enzyklika Leos I.; die Bischöfe sichern Leo zu, dass die Beschlüsse Chalcedons Bestand haben.
34
469
Hilarus wird nach Leo Bischof der Kirche von Rom.
35
470
Patricius, der Sohn des Aspar, wird Caesar.
36
471
Aspar und seine Söhne Patricius und Ardaburius werden in Konstantinopel auf kaiserlichen Befehl hin getötet.
37
473
Leo I. macht seinen Enkel Leo zum Caesar.134
133 Die Jahreszahlen sind übernommen aus der Edition von Cardelle de Hartmann. 134 In der Chronik wird nicht erwähnt, dass Leo II. noch zu Lebzeiten Leos I. zum Augustus und somit zum Mitkaiser wurde.
Der Beginn der Rezeption Chalcedons unter Leo I. (Chronicon 16–40)
259
Chronicon
Jahr133
Ereignis/Inhalt
38
473
Bischofsabfolgen in Rom, Konstantinopel, Antiochien und Jerusalem.
39
473
Usurpation des Olybrius und Flucht des Anthemius; weiterer Aufstand durch Herculanus, nach dessen Tod Übernahme seiner Königsherrschaft durch Nepos.
40
474
Tod von Leo I. in Konstantinopel.
Entsprechend der Deutung dieses Abschnittes im Rahmen der Gesamtchronik als Überleitung zu den nachfolgenden Kaisern wird die Herrschaft Leos I. – nach der kurzen Notiz zu Marcians Tod und Leos Amtsübernahme (Chronion 17) – wenig pointiert bezüglich seiner Haltung zu Chalcedon geschildert: Für Leo finden sich zunächst mehrere Notizen zu seiner Regierungsdauer sowie zu seinen Konsulaten (Chronicon 18; 20; 25; 30). Ferner werden Bestimmungen bzw. die Tötung von Caesaren durch Leo I. angegeben, die aber nicht mit religionspolitischen Aktivitäten in Verbindung gebracht werden (Chronicon 35 [Patricius als Caesar]; 36 [Tötung des Aspar, des Patricius und des Ardabur]135; 37 [Leo, der Enkel Leos I. als Caesar136]).137 Der Beginn der Rezeption Chalcedons ist in diesem Abschnitt zunächst mit dem Namen Timotheus Ailurus verbunden, der dezidiert als Chalcedon-Gegner geschildert wird138: Er gelangt als Calcidonensis synodi obtrectator auf den Bischofsstuhl von Alexandria.139 Die Rezeption Chalcedons wird durch den Fokus auf den ChalcedonGegner Timotheus Ailurus so zunächst v. a. als negative Rezeption dargestellt, die gleichzeitig in die Gesamtsituation in Alexandria und Ägypten eingebettet wird: Der erste Abschnitt über Timotheus Ailurus wird mit der Einschätzung Alexandria et Egiptus errore Dioscori languens decreta Calcidonensis sinodi non recepit eröffnet.140 Mit dieser Eröffnung führt Victor von Tunnuna dann auf Timotheus Ailurus selbst hin, der gemäß der Chronik zunächst einen Aufruhr entfacht, woraufhin Anhänger des Dioskur dessen Nachfolger Proterius, im Gegensatz zu Timotheus Ailurus custos der Beschlüsse Chalcedons, ermorden. Wie oben bereits herausgearbeitet, bekommt diese 135 Vgl. dazu kurz Demandt, Geschichte der Spätantike, 155–157. 136 Vgl. Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E398 (111,13–14 Hansen); von den Geschehnissen um Aspar und seine Söhne berichtet Theodoros nicht. 137 Vgl. auch Placanica, „Note“, 79 (ad a. 470; 471; 473). In Chronicon 23 und 33 werden dann allerdings religionspolitische Aktivitäten Leos beschrieben, s. dazu im Folgenden. 138 Timotheus Ailurus war von 457–460 und von 475–477 Patriarch von Alexandria; vgl. als Überblick Hoffmann, „Timotheos II. Ailuros“; Fraisse-Coué, „Die zunehmende Entfremdung“, 168–174; vgl. auch insgesamt in Verbindung mit der Rezeption Chalcedons durch Leo von Rom Grillmeier, Jesus der Christus 2,1, 131–266. 139 Victor von Tunnuna, Chronicon 19 (9,118–119 Cardelle de Hartmann). 140 Victor von Tunnuna, Chronicon 19 (8,109–110 Cardelle de Hartmann): „Alexandria und Ägypten waren kraftlos durch den Irrtum des Dioskur und empfingen die Beschlüsse der Synode von Chalcedon nicht.“
260
Die erzählte Geschichte der Chronik
Ermordung durch ihre Datierung auf den Karfreitag ein besonders großes Gewicht, und damit auch Proterius’ Rolle als Verteidiger Chalcedons.141 Die positive Aufnahme Chalcedons kann sich nach dem Tod des Proterius in Alexandria nicht durchsetzen: Ermöglicht durch seine Ermordung gelangt Timotheus Ailurus auf den Bischofssitz von Alexandria.142 Sein Amt ist in der Chronik dadurch, dass die Ermordung von Proterius als Voraussetzung dafür geschildert wird, betont in schlechtes Licht gerückt.143 Timotheus ist sowohl obtrectator Chalcedons144 als auch incubator145 der Kirche Alexan drias und verfolgt als solcher die Verteidiger Chalcedons.146 Bei den Streitigkeiten um Timotheus Ailurus spielt in der Chronik der Bischof von Rom so gut wie keine Rolle: Victor von Tunnuna gibt zwar an, dass Papst Leo an Juvenal von Jerusalem einen Brief „gegen den Fehler des Eutyches und des Dioskur“ schickt,147 darin ist aber allerhöchstens im Ansatz eine „Offensive des Papstes gegen die
141 S. o. Kap. 4.1.2.6. 142 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 19 (8,110–9,119 Cardelle de Hartmann): Proterium antistitem Dioscori successorem et sinodi Calcidonensis decretorum custodem populus Dioscoritanus seditione facta Thimotheo auctore cognomento Illuro interfecit VI kalendarum aprilium VI feria ultime ieiuniorum ebdomade, die qua noster Saluator et Dominus a Iudeis est crucifixus. […] Proterio itaque interempto Thimotheus prefatus cognomento Illurus Calcidonensis synodi obtrectator eius episcopatum ecclesi amque peruadit. / „Nachdem durch Timotheus mit dem Beinamen Ailurus ein Aufruhr entfacht worden war, tötete eine Schar von Anhängern des Dioskur den Bischof Proterius, den Nachfolger des Dioskur und Wächter der Beschlüsse der Synode von Chalcedon am 6. Tag vor den Kalenden des April, am Freitag der letzten Woche der Fastenzeit, am Tag, an dem unser Retter und Herr von den Juden gekreuzigt wurde. […] Nachdem also Proterius getötet worden war, drang der zuvor genannte Timotheus mit dem Beinamen Ailurus, Widersacher der Synode von Chalcedon, in dessen Bischofsamt und Kirche ein.“ 143 Nach anderen Quellen wird Timotheus Ailurus vor der Ermordung des Proterius zum Bischof ordiniert, vgl. Liberatus von Karthago, Breuiarium 15; Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E370; Gesta de nomine Acaci 14; Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 2,8; vgl. Placanica, „Note“, 75 (ad a. 457,2), dort auch weitere Quellen. 144 Für eine Übersicht über die weiteren obtretcatores Chalcedons und der Drei Kapitel s. u. S. 412 (Anm. 861). 145 Auch so werden weitere Bischöfe in der Chronik bezeichnet, zunächst der Chalcedon-Gegner Petrus von Alexandria (Chronicon 64), später als Gegner der Drei Kapitel Primosus (Chronicon 152; 155) und Petrus von Salona (Chronicon 164), der Frontinianus, einen Verteidiger der Drei Kapitel, ersetzt; s. u. zur jeweiligen Stelle. 146 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 21 (9,124–125 Cardelle de Hartmann): Thimotheus Alexandrine ecclesie incubator defensores sinodi Calcidonensis insequitur. / „Timotheus, unrechtmäßiger Besitzer der Kirche von Alexandria, verfolgte die Verteidiger der Synode von Chalcedon.“ Allgemeiner ist dies formuliert bei Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E370 (104,22 Hansen): καὶ εὐθὺς θορύβων καὶ ταραχῶν τὴν ἐκκλησίαν ἐπλήρωσεν. / „Und bald erfüllte er [Timotheus] die Kirche mit Tumulten und Erregungen.“ 147 Victor von Tunnuna, Chronicon 22 (9,129–131 Cardelle de Hartmann): Iuuenalis Iherosolimorum episcopus litteris Leonis Romani antistitis aduersum errorem Euticis Dioscorique armatur. / „Juvenal, der Bischof der Jerusalemer, wurde mit einem Brief von Leo, dem römischen Bischof, gegen den Fehler des Eutyches und des Dioskur bewaffnet.“
Der Beginn der Rezeption Chalcedons unter Leo I. (Chronicon 16–40)
261
alexandrinischen Monophysiten“ zu erkennen.148 Timotheus Ailurus wird in diesem Zusammenhang auch gar nicht selbst genannt.149 Hingegen werden zwei religionspolitische Aktivitäten des Kaisers im Folgenden von Victor von Tunnuna benannt: Zunächst wird auf seinen Befehl Timotheus Ailurus aus seinem Amt entfernt und exiliert; wenig später wird mit Timotheus Salafatiarius (Salophaciolus) ein Verteidiger Chalcedons als Bischof von Alexandria eingesetzt.150 Hier erscheint der Kaiser also als im Sinne Chalcedons Handelnder.151 Als weitere religionspolitische Aktivität Leos I. wird dann in Chronicon 33 beschrieben, dass der Kaiser aufgrund von Bitten der Ägypter eine Synode einberufen wollte, die über Chalcedon urteilen sollte; auf einen Brief, in dem er um die Meinung der
148 So nennt Fraisse-Coué, „Die zunehmende Entfremdung“, 168 die Aktionen des Papstes: V. a. setzte er sich eben in mehreren Briefen an den Kaiser und andere Bischöfe für Chalcedon und gegen Timotheus Ailurus ein; vgl. ebd., 168–169 mit den entsprechenden Briefen. Der o. g. Brief an Juvenal ist wohl Epistula 90 in ACO 2,4 (97,31–98,25 Schwartz; vom 1. September 547) an Juvenal und vier weitere Bischöfe, vgl. Placanica, „Note“, 75 (ad a. 459); Fraisse-Coué, „Die zunehmende Entfremdung“, 169 (mit Anm. 143). Vgl. auch die breite Darstellung und Diskussion der Reaktion Leos auf Chalcedon und seine Rezeption der Synode bei Grillmeier, Jesus der Christus 2,1, 131–220 bzw. 266. Auch Anatolius von Konstantinopel spielte – anders als bei Victor von Tunnuna, wo nur seine Amtseinsetzung (Chronicon 9) und die Bestimmung seines Nachfolgers (Chronicon 38) erwähnt werden – in den Diskussionen eine größere Rolle. 149 Vgl. Placanica, „Note“, 75 (ad a. 460). 150 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 23 (9,132–10,137 Cardelle de Hartmann): Timotheus episcopus, interfector Proterii episcopi, Leonis principis precepto uix a cede Alexandrine ecclesie raptus Cersona exilio religatur, et post menses V eidem Alexandrine ecclesie alius pro eo Timotheus cognomento Salafatiarius synodi Calcidonensis defensor episcopus ordinatur. / „Bischof Timotheus, der Mörder des Bischofs Proterius, wurde auf Befehl von Prinzeps Leo eilig aus dem Bischofssitz der alexandrinischen Kirchen entfernt und im Exil in Cersona festgehalten, und nach 5 Monaten wurde für dieselbe Kirche von Alexandria ein anderer für ihn zum Bischof ordiniert, Timotheus mit dem Beinamen Salafatiarius, Verteidiger der Synode von Chalcedon.“ Vgl. auch Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E379; Liberatus von Karthago, Breuiarium 16; Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 2,11. Vgl. Placanica, „Note“, 75–76 (ad a. 460). Terminus ante quem für die Einsetzung des Timotheus Salafatiarius ist der 18. August 460, da auf diesen Tag ein Brief des Papstes an Timotheus als Bischof datiert ist (Collectio Auellana 53). 151 Der Zusammenhang mit der Korrespondenz des Papstes fehlt, wie bereits angemerkt, bei Victor von Tunnuna, vgl. Placanica, „Note“, 75 (ad a. 460); Fraisse-Coué, „Die zunehmende Entfremdung“, 170–173; zur Verbannung des Timotheus Ailurus vgl. auch Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E300, vgl. E379; Ps-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica 4,9; Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 2,11; Liberatus von Karthago, Breuiarium 16.
262
Die erzählte Geschichte der Chronik
Bischöfe bat,152 hätten diese aber geantwortet,153 dass die Beschlüsse von Chalcedon für immer bleiben würden.154 Die in Leos Brief ebenfalls gestellte Frage nach der Gültigkeit der Ordination des Timotheus Ailurus155 wird in der Chronik Victors hingegen nicht erwähnt – er war ja nach der Chronik auch bereits abgesetzt worden. Die Bitten der Ägypter werden von Victor von Tunnuna als Versuch der retractatio der Beschlüsse Chalcedons interpretiert.156 Auch hier wird die bereits in Chronicon 19 angesprochene negative Rezeption Chalcedons in (Alexandria und) Ägypten deutlich.
152 Der Brief Leos in ACO 2,5 (11,5–34 Schwartz); griech. Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 2,9. Vgl. auch Gesta de nomine Acaci 16 (445,18–446,5 Günther). Vgl. auch Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E372 (105,8–9 Hansen): Λέων ὁ βασιλεὺς ὁ μετὰ θάνατον Μαρκιανοῦ χρηστῶς καὶ ἀσφαλῶς βουλευσάμενος τὰς ἐγκυκλίους ἐπιστολὰς πρὸς τοὺς κατὰ τόπον ἐπισκόπους ἔγραψε. / „Kaiser Leo, der nach dem Tod des Marcian rechtschaffen und zuverlässig [sein] wollte, schrieb Rundbriefe an die Bischöfe bezüglich des Themas“ [vgl. E371]. Vgl. Placanica, „Note“, 78–79 (ad a. 468); vgl. Brennecke, „Chalkedonense“, 32 (Anm. 44), der darauf hinweist, dass die „Gültigkeit synodaler Entscheidungen […] nach altkirchlicher Auffassung selbstverständlich nicht durch Meinungsumfragen […] bestätigt oder verworfen werden“ konnte. 153 Vgl. Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E373 (105,16 Hansen): Die Bischöfe schrieben an Leo, „dass die Synode in Chalcedon tatsächlich den wahren Glauben festsetzte“ (ἡ μὲν σύνοδος ἡ ἐν Χαλκηδόνι τὴν ἀληθῆ πίστιν ἐκύρωσε); vgl. u. a. Marcellinus Comes, Chronicon a. 458; Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 12,3,18–19 (vgl. auch 12,3,21 [386,186 Clément/ Vander Plaetse] die Bezeichnung Leos in diesem Zusammenhang als religiosissimus imperator – so dezidiert positiv ist die Beurteilung bei Victor von Tunnuna nicht); Pelagius Diaconus, In defensione trium capitulorum 6 (62,5–18 Devreesse); vgl. Placanica, „Note“, 79 (ad a. 468). 154 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 33 (12,168–176 Cardelle de Hartmann): Leo Augustus, supplicationibus Egiptorum permotus ut sinodus fieret que de gestis sinodi Calcidonensis iudicium ferret, ad cognoscendam singulorum fidem ecclesiarum presulibus unoquoque semotim scripsit et a singulis epistolas tanquam ex una collatione consonas suscepit, id fieri nullatenus posse, sed magis ac magis in sua perpetuitate sinodi gesta Calcidonensis manere. Extant que inciclia Greco eloquio vocitantur. / „Augustus Leo schrieb, weil er bewegt war durch die Bitten der Ägypter, dass eine Synode geschehe, die über die Beschlüsse der Synode von Chalcedon ein Urteil bringe, den Vorstehern der Kirchen, jedem einzelnen besonders, um den Glauben der einzelnen zu erfahren; und er empfing übereinstimmende Briefe von den einzelnen, wie aus einer einzigen Beratung, dass das keineswegs geschehen könne, sondern dass die Beschlüsse der Synode von Chalcedon immer mehr in ihrer Ewigkeit Bestand haben würden. Es sind noch die vorhanden, die auf Griechisch ‚Enzyklia‘ genannt werden.“ Codex enzyclius heißt die in diesem Zusammenhang überlieferte Sammlung von Briefen und Berichten der Antworten an Kaiser Leo, vgl. Maraval, „Die Rezeption“, 126–127; Lange, Mia energeia, 176–177; Hübner, Evagrius Scholasticus, 246–247 (Anm. 217); Brennecke, „Chalkedonense“, 30–32; Brennecke, „Das akakianische Schisma“, 76–77; vgl. insgesamt ausführlich zu Diskussion und Analyse des Codex enzyclius Grillmeier, Jesus der Christus 2,1, 221–266. Vgl. Liberatus von Karthago, Breuiarium 15 (124,33–34 Schwartz): Et hae epistolae uel relationes episcoporum omnium in uno codicis corpore uocantur enzycliae. Vgl. auch Theodoros Anagnoses, Historia ecclesiastica E373; Evagrius Scholas ticus, Historia ecclesiastica 2,10; Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 2,5,11; Pelagius Diaconus, In defensione trium capitulorum 6. Vgl. die unvollständig erhaltene Sammlung in ACO 2,5 (9–98 Schwartz = Collectio Sangermanensis 1,5–48); vgl. Placanica, „Note“, 79 (ad a. 468). 155 Vgl. Brennecke, „Chalkedonense“, 30. 156 Vgl. Placanica, „Note“, 78 (ad. a. 468): „in accordo con le fonti migliori“, vgl. ACO 2,5 (11,35–17,20 Schwartz: die preces Aegyptiorum orthodoxodum an Kaiser Leo; 21,24–22,21 Schwartz: der Brief der Gesandten des Timotheus Ailurus an Kaiser Leo); Leo I., Epistula 156,3–4 an Kaiser Leo (PL 54, 1129C–1131A Migne); Gesta de nomine Acaci 15 (445,17–18 Günther): haeretici supplicarunt peten-
Der Beginn der Rezeption Chalcedons unter Leo I. (Chronicon 16–40)
263
Bezüglich der politischen Herrscher beginnt diese negative Rezeption mit Leo I. und dem Codex enzyclius.157 In den Notizen des Victor von Tunnuna steht dabei allerdings nicht das kaiserliche Handeln, sondern die ewige Gültigkeit der Beschlüsse von Chalcedon im Vordergrund, hinter der alle angeschriebenen Bischöfe (bis auf die Ägypter also) stehen, also die Einheit bezüglich der dauerhaften Gültigkeit der Beschlüsse Chalcedons.158 In anderen Quellen wurde Leos Handeln zunehmend so gedeutet, dass er sich hier für eine Bestätigung Chalcedons einsetzte.159 Eine dahingehende Deutung findet sich zwar explizit in der Chronik Victors nicht, aber Leos Umgang mit den Bitten der Ägypter wird auch nicht negativ gesehen, zumal die Chalcedonfreundlich ausfallen. So wird auch von Leos Tod neutral berichtet.160 In die Zeit der Herrschaft Leos fällt nach Chronicon 31 das Erscheinen eines Zeichens am Himmel: Signum in celo ex nube uelut contum apparuit per dies X.161 Möglich ist hier auch die Lesart per dies XL.162 Mit der Bezeichnung der Erscheinung als signum zusammen mit der biblisch bedeutsamen Zahl 40 liegt eine Deutung als göttliches
157 158
159
160 161 162
tes, ut Chalcedonensis synodus aboleretur; vgl. Liberatus von Karthago, Breuiarium 15 (124,14–30 Schwartz); vgl. auch Ps-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica 4,5 (27,9–23 Ahrens/Krüger; vgl. dazu den Kommentar auf den S. 314–315). Vgl. Grillmeier, Jesus der Christus 2,1, 265–266. Zu dieser Sicht auf Chalcedon bei den Verteidigern der Drei Kapitel s. auch schon o. Kap. 5.1.3, bes. S. 251–252. Auch dass die Debatte um die Ordination des Timotheus Ailurus bei Victor von Tunnuna in diesem Zusammenhang gerade nicht erwähnt wird (s. o. S. 262), zeigt, dass anderes im Fokus steht – eben das Konzil. Auf die Wichtigkeit der Unveränderlichkeit der Konzilsentscheidungen im Streit um Chalcedon, insbesondere für die Unterstützer der Drei Kapitel, weist auch Placanica, „Note“, 78–79 (ad a. 468) im Kommentar zu dieser Stelle hin. Vgl. Placanica, „Note“, 78 (ad a. 468); mit Verweis auf ACO 2,5 (10,21–29 Schwartz); Marcellinus Comes, Chronica a. 458; Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 12,3,17 (hier 385,149–150 Clément/Vander Plaetse; Übers. 185 Fraïsse-Bétoulières): Hoc et ipse fecit quod imperatorem decuit Christianum. / „Léon fit lui aussi ce qui convenait à un empereur chrétien“; vgl. auch Pelagius Diaconus, In defensione trium capitulorum 6 (61,17–62,5 Devreesse). Vgl. auch o. Anm. 152 die Notiz zu Leos Bemühen um Rechtschaffenheit und Zuverlässigkeit bei Theodoros Anagnostes. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 40 (13,201–202 Cardelle de Hartmann): Leo maior Augustus Constantinopolim moritus. / „Augustus Leo der Ältere starb in Konstantinopel.“ Vgl. zu kirchenpolitischen Aktivitäten in seinen letzten Jahren knapp Maraval, „Die Rezeption“, 128. Victor von Tunnuna, Chronicon 31 (11,165–166 Cardelle de Hartmann): „Ein Zeichen erschien im Himmel aus einer Wolke wie ein Wurfspeer für 10 Tage.“ Mommsen (187,21 Mommsen, vgl. apparatus ad locum) und Placanica (10, vgl. apparatus ad locum) entscheiden sich für die Variante dies XL, die auch in den Handschriften bezeugt ist. Bei Mommsen ist allerdings XL als Variante des Codex Uniuersitatis Complutensis angegeben, bei Placanica X. Bei Cardelle de Hartmann findet sich keine Bemerkung im Apparat, daher handelt es sich in ihrer Edition um den Text des Complutensis (vgl. „Introducción“, 143*–144*); vgl. Codex Uniuersitatis Complutensis, fol. 18r. Theophanes, Chronographia a. m. 5958 (115,1–2 de Boor) gibt in seiner parallelen Notiz für die Dauer der Erscheinung 40 Tage an (bei ihm wird die Erscheinung als σάλπιγξ [Kriegstrompete] bezeichnet). Vgl. auch Placanica, „Note“, 78 (ad a. 467,1) zu weiteren Parallelen in syrischer Literatur. Placanica nimmt an, dass Theophanes und Victor von Tunnuna die Notiz aus der Historia ecclesiastica des Theodoros Anagnostes übernommen haben; die Epitome bezeugt diese Notiz allerdings nicht.
264
Die erzählte Geschichte der Chronik
Zeichen nahe.163 Der textkritische Befund lässt aber keine Entscheidung darüber zu, welches die ursprüngliche Lesart ist.164 Auch gibt es anschließend in der Chronik keine Notiz, welche sich mit dieser Nachricht unmittelbar verbinden ließe. Sie hat für den weiteren Verlauf der Geschichte bei Victor von Tunnuna keine Bedeutung und ist auch nicht mit anderen Notizen – etwa durch Wortverbindungen – verknüpft. Sie lässt sich also kaum weitergehend deuten, auch wenn sie allein schon deshalb auffällig bleibt, weil sie im Kontext der Chronik eine der wenigen Nachrichten ist, die sich überhaupt so, als göttliches Zeichen eben, deuten lassen. Die Chronik berichtet sonst kaum von als übernatürlich erscheinenden Phänomenen.165 Die Notiz ist so insgesamt vermutlich schlicht als vom Chronisten als nennenswert eingeschätzte Merkwürdigkeit, möglicherweise aus seiner Quelle, zu sehen. Auf die nach der Darstellung der Chronik insgesamt unspektakuläre Herrschaft Leos I., die ihn vorsichtig als Chalcedon-Anhänger zeichnet und die negative Rezeption Chalcedons in Alexandria und Ägypten betont, sowie auf die ganz kurze Herrschaft Leos II.166 folgt die Herrschaft von Kaiser Zeno. Mit ihm beginnt die Reihe der ausführlicher dargestellten Kaiser „der Römer“ – und die Reihe der Ereignisse, die näher auf den Drei-Kapitel-Streit hinführt. 5.3 Damnatores et defensores sinodi Calcidonensis 1: Die Herrschaft Zenos (Chronicon 41–67) In der Chronik Victors werden v. a. zwei Kaiser als Chalcedon-Gegner dargestellt: Zeno und Anastasius. Obwohl eine solche Darstellung von Zeno und Anastasius für einen Anhänger Chalcedons selbstverständlich nicht ungewöhnlich ist,167 bietet die Chronik Victors dabei doch immer wieder eigene Akzente, die die negative Rezeption Chalcedons durch diese Kaiser in besonderer Weise betonen und diese bei der Schil-
163 So stellt Heinzelmann, „Die Funktion des Wunders“, 31, für die Bibelübersetzung des Hieronymus fest: „Tatsächlich ist danach signum, gefolgt von virtutes, der wichtigste Begriff für göttliche Manifestationen in beiden Testamenten; in diesen erscheint signum, meist in Pluralform, häufig in Verbindung mit Begriffen der traditionellen paganen Terminologie wie prodigium […].“ 164 Auch wenn per dies X aufgrund der Parallele bei Theophanes und der biblischen Anklänge der Zahl 40 als lectio difficilior verstanden werden kann, ist ebenso gut eine versehentliche Auslassung des L durch einen Schreiber möglich. 165 Vgl. Kap. 5.4.8. 166 S. u. S. 266 (Anm. 169). 167 Vgl. zur Rezeption von Zeno und Anastasius in prochalcedonensischen Quellen Kötter, Zwischen Kaisern, 268–270, hier 270: „Es ist somit zu vermuten, dass die oftmals kritisierten Kaiser Zenon und Anastasios kein grundsätzlich anderes Verhalten an den Tag legten als ihr Nachfolger Justin. Der Unterschied zwischen ihnen bestand in der dogmatischen Positionierung, die im Ergebnis dazu führte, dass in der nachträglichen Bewertung der Zeit Zenon und Anastasios als Ketzer galten, während Justin als Retter eines wahren Glaubens gepriesen werde konnte.“
Damnatores et defensores sinodi Calcidonensis 1: Die Herrschaft Zenos (Chronicon 41–67)
265
derung ihrer Herrschaft im Gegenüber zu anderen Aspekten ihrer Herrschaft in den Vordergrund rücken. Dies soll im Folgenden herausgearbeitet werden. Die etwa siebzehnjährige Herrschaft Zenos (474–491) ist die Klammer um die Abschnitte Chronicon 41–67. In diesem Abschnitt der Chronik nehmen die Konflikte im Osten, auch aufgrund der hauptsächlichen (erkennbaren) Quelle, der Historia eccle siastica des Theodoros Anagnostes, einen besonders großen Raum ein. Die Rolle des Bischofs von Rom beim akakianischen Schisma etwa wird hingegen nicht ausführlich behandelt. Ein kurzer Abschnitt zur Situation in Africa (Chronicon 50–52) findet sich ebenfalls in diesem Teil der Chronik. Auch an dieser Stelle wird zunächst ein Überblick über die von der Chronik erwähnten Ereignisse in tabellarischer Form gegeben, die nordafrikanischen Ereignisse sind wie im Kapitel zuvor in [Klammern] gesetzt, sie werden in Kapitel 5.5 behandelt. Chronicon
Jahr168
Ereignis/Inhalt
41
474
Krönung des Zeno als 49. Kaiser der Römer.
42
475
Versuch des Zeno, seinen Sohn, den Augustus Leo zu töten; Tötung eines anderen auf Veranlassung seiner Frau Ariadne.
43
475
Der Tyrann Basiliscus.
44
475
Flucht von Ariadne und Zeno nach Isaurien.
45
475
Befehl der Verurteilung Chalcedons durch Basiliscus.
46
475
Rückkehr des Timotheus Ailurus aus dem Exil; Flucht des Timotheus Salafatiarius.
47
476
Rückkehr des Zeno nach Konstantinopel; Exil und Tod des Basiliscus.
48
476
Konsul Armatus.
49
477
Tod des Timotheus Ailurus; Timotheus Salafatiarius wieder Bischof von Alexandria. Bischofsabfolge in Jerusalem und Antiochen.
[50
479
Weitere Verfolgungen und Exilierungen unter Hunerich; die Bekenner mit den abgeschnittenen Zungen; Laetus von Nepte; Eugenius von Karthago.]
[51
479
Der unglückliche Tod des Hunerich.]
[52
479
Gunthamunds Regierung mit Rückholung der Exilierten.]
53
480
Konflikte in der Kirche von Alexandria nach dem Tod des Timotheus Salafatiarius unter dessen Nachfolger Johannes von Tabennisis und Petrus (Mongus).
168 Die Jahresangaben folgen der Ausgabe von Cardelle de Hartmann.
266
Die erzählte Geschichte der Chronik
Chronicon
Jahr168
Ereignis/Inhalt
54
482
Kaiser Zeno und das Henotikon, durch das er sich mit Acacius von Konstantinopel, Petrus von Alexandria und Petrus von Antiochien vom katholischen Glauben entfernt.
55
483
Tyrannenherrschaft des Leontius in Isaurien, gefördert durch den Patrizier Illus.
56
484
Schriftliche Warnung des Felix von Rom an Mönche und Kleriker im Osten vor der Gemeinschaft mit Petrus Mongus.
57
485
Absage der östlichen Bischöfe an Chalcedon vor dem Hintergrund des Henotikon durch den consensus mit Petrus von Alexandria, Petrus von Antiochien und Acacius von Konstantinopel.
58
486
Schriftliche Warnung des Felix von Rom an Acacius von Konstantinopel vor der Gemeinschaft mit den Gegnern Chalcedons.
59
487
Verurteilung von Acacius von Konstantinopel, Petrus von Alexandria und Petrus von Antiochien durch Felix von Rom und eine Synode in Italien.
60
488
Auffindung des Körpers des heiligen Apostels Barnabas in Zypern.
61
488
Tod des Tyrannen Leontius und des Illus.
62
488
Tod des Petrus von Antiochien; Tötung seines Nachfolgers Stephanus durch Acacius von Konstantinopel und Ordination des Calandio. Gleichzeitig Weihe des Johannes Codonatus zum Bischof von Antiochien; dessen Nachfolger Petrus.
63
489
Tod des Acacius von Konstantinopel; Nachfolger Flavitas und der Chalcedon-Anhänger Euphemius.
64
490
Tod des Petrus von Alexandria; Nachfolger Athanasius.
65
490
Überführung der Überreste des Bischofs Eustachius nach Antiochien durch Calandio von Antiochien.
66
490
Wundersame Taten von Eremiten in der Wüste.
67
491
Tod des Kaisers Zeno und dessen Nachfolger Anastasius.
5.3.1 Der Beginn der Herrschaft Zenos bis zu seiner Rückkehr aus Isaurien Dass die Herrschaft Zenos von Anfang an nicht unter guten Vorzeichen steht, zeigt schon ihr Beginn – formal contra consuetudinem169, und mit dem Versuch der Ermor169 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 41 (13,203–204 Cardelle de Hartmann): Zenon a Leone Augusto filio in Septimo contra consuetudinem coronatur. / „Zeno wurde vom Augustus Leo, seinem Sohn, in Septimus entgegen dem Brauch gekrönt.“ Diese Bemerkung findet sich etwa nicht bei Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E400 oder Johannes Malalas, Chronographia 14,47.
Damnatores et defensores sinodi Calcidonensis 1: Die Herrschaft Zenos (Chronicon 41–67)
267
dung seines Sohnes Leos, „um zu seiner Herrschaft zu gelangen“. Dabei kommt auch seine Frau Ariadne (ca. 450–515) ins Spiel,170 die die erste (politisch) handelnde Frau ist, die in der Chronik dargestellt wird: Von ihr wird zunächst berichtet, dass sie, als Zeno versucht, seinen Sohn Leo zu töten, stattdessen einen anderen, ihm ähnlich sehenden Jungen tötet und Leo zu einem Kleriker in Konstantinopel macht.171 Anschließend werden Zenos Flucht mit Ariadne nach Isaurien (Chronicon 44; aufgrund der Tyrannei des Basiliscus [vgl. Chronicon 43])172 und seine Rückkehr nach Konstantinopel mit der Niederschlagung der Herrschaft des Basiliscus notiert (Chronicon 47).173
170 171
172
173
Allerdings betont die Epitome des Theodoros, dass Leo „seinen eigenen Vater“ (τὸν ἴδιον πατέρα [112,12 Hansen]) krönt. Der Hebdomon am siebten Meilenstein vor Konstantinopel war ein Vorort Konstantinopels. Bei Theodoros Anagnostes (Historia ecclesiastica E400) wird Zeno im Hippodrom gekrönt. Vgl. Placanica, „Note“, 81–82 (ad a. 474); dort auch zur Frage nach dem genauen Datum der Krönung. Zu Leo II. wurde zuvor erwähnt, dass er von Leo I. zum Caesar gemacht wurde (Chronicon 37), und dass er in dem Jahr, in dem Leo I. starb, Augustus geworden war (Chronicon 40). Er wird in der Chronik nicht als „Kaiser der Römer“ gezählt. Vgl. zur ihr bereits Victor von Tunnuna, Chronicon 37 (hier 12,185 Cardelle de Hartmann), wo die Chronik Leo angesichts seiner Erhebung zum Caesar bereits als Zenonis uxoris filie sue filium erwähnt („den Sohn seiner Tochter, der Frau des Zeno“). Victor von Tunnuna, Chronicon 42 (14,206–212 Cardelle de Hartmann): Zeno imperator querens Leonem Augustum proprium filium occidere et eius imperium peruadere, alium pro eo eius uxor Arriagne Augusta similem puerum ad mortem obtulit et Leondem eundem Augustum occulte totondit eumque clericum unius ecclesie Constantinopolitane fecit. Qui Leo usque ad Iustiniani tempora principis uixit. / „Als Kaiser Zeno suchte, den Augustus Leo, seinen eigenen Sohn, zu töten und zu seiner Herrschaft zu gelangen, brachte seine Frau, die Augusta Ariadne, einen anderen, einen ähnlichen Jungen, an seiner statt zu Tode und scherte denselben Augustus Leo heimlich und machte ihn zum Kleriker einer Kirche von Konstantinopel. Dieser Leo lebte bis zu den Zeiten von Prinzeps Justinian.“ Diese Episode, „evidentemente denigratoria“, ist sonst nicht belegt, vielleicht hat sie ihren Ursprung in den Ereignissen um Basiliscus den Jüngeren, der zum Caesar gemacht worden war und dann (bei Theophanes mit Hilfe von Ariadne) dem Tod entkam und Bischof von Cyzicus wurde, als Zeno sich dessen Vaters entledigte, Placanica, „Note“, 82 (ad a. 475,1); vgl. z. B. Johannes Malalas, Chronographia 15,7; Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,24; Theophanes, Chronographia, a. m. 5969; zur Diskussion der Stelle bei Victor von Tunnuna vgl. auch insgesamt Croke, „Basiliscus“. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 44 (14,215–217 Cardelle de Hartmann): Zenon Augustus in Isauriam unde exortus fuerat fugit et eum Arriagne Augusta sub yemis discrimine nauali itinere subsecuta. / „Augustus Zeno floh nach Isaurien, wo er geboren worden war, und die Augusta Ariadne folgte ihm unter der Gefahr des Winters auf dem Seeweg.“ Von einer Flucht nach Isaurien mit Ariadne berichtet auch Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E401. „Orthodoxe“ Quellen wie Theodoros und Victor von Tunnuna sehen in Basiliscus einen Usurpator (vgl. Chronicon 43 [14,213–214 Cardelle de Hartmann]: Basiliscus […] imperium cum tirannide Constantinopoli sumit. / „Basiliscus ergriff […] die Herrschaft in Konstantinopel mit Gewaltherrschaft.“); miaphysitische Quellen zeigen zum Teil deutliche Sympathie für ihn; vgl. Brennecke, „Chalkedonense“, 34 (Anm. 59). Vgl. Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E413–E414, mit zusätzlicher Information zu den Umständen, etwa auch zur Frau des Basiliscus. Vgl. auch Brennecke, „Chalkedonense“, 37–39. Zum Exil und zum Tod des Basiliscus (bei Victor von Tunnuna, Chronicon 47 [815,229–230 Cardelle de Hartmann] als finemque uite inibi misere facit [„und er beendete daselbst (= in Sasemis in Kappadokien) auf elende Weise das Leben“] beschrieben) gibt es verschiedene Versionen, vgl. die Hinweise bei Placanica, „Note“, 83 (ad a. 476); zu Victors Version vgl. Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E414.
268
Die erzählte Geschichte der Chronik
Zu Basiliscus wird zuvor noch angegeben, dass er per Gesetz die Verurteilung des Konzils von Chalcedon und die Annahme des 2. Konzils von Ephesus befohlen hätte.174 Die in diesem sogenannten Enkyklion wichtige Bezugsgröße Nizäa wird in Chronicon 45 nicht genannt.175 Auch vom folgenden Antienkyklion und von der Rolle des Acacius von Konstantinopel als Gegner des Basiliscus dabei berichtet Victor von Tunnuna nicht.176 Er erwähnt hingegen noch, dass – als Basiliscus also an der Macht war – Timotheus Ailurus aus dem Exil zurückgekehrt und Timotheus Salafatiarius (Salophaciolus), der Verteidiger Chalcedons, geflohen sei.177 Zenos darauf folgende Rückkehr aus dem Exil und die Wiedergewinnung seiner Herrschaft (Chronicon 47) lassen ihn also trotz des unguten Beginns seiner Herrschaft zunächst – zumindest implizit – immerhin als Kaiser erscheinen, der im Gegensatz der chalcedonfeindliche Politik des Tyrannen steht, den er ins Exil schickt.178 174 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 45 (14,218–220 Cardelle de Hartmann): Basiliscus tirannus lege data Calcidonensem sinodum damnari et Ephesinam secundam precepit absolui ac suscipi. / „Der Tyrann Basiliscus befahl durch einen Gesetzeserlass, dass die chalcedonensische Synode verurteilt und die zweite ephesinische freigesprochen und angenommen werde.“ Vgl. auch Theodoros Ana gnostes, Historia ecclesiastica E407; Liberatus von Karthago, Breuiarium 16 (125,8–10 Schwartz). Von einer Verbindung des Basiliscus zum Nestorianismus (ohne Bezug auf Chalcedon) ist die Rede bei Marcellinus Comes, Chronicon a. 476,1. Der Text des Enkyklion des Basiliscus, in dem das Konzil von Chalcedon verurteilt wurde, ist herausgegeben von Schwartz, Codex Vaticanus gr. 1431, 49–51. Vgl. Placanica, „Note“, 82–83 (ad a. 475,4); vgl. auch Brennecke, „Chalkedonense“, 34–35. 175 Vgl. Maraval, „Die Rezeption“, 129. 176 Vgl. dazu Brennecke, „Chalkedonense“, 36–37. S. auch o. S. 56 (Anm. 186). 177 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 46. Victor nimmt dabei auch noch einmal Bezug auf die Ermordung des Proterius durch Timotheus Ailurus (Proterii succesor pariter et peremptor [14,221–222 Cardelle de Hartmann]). Direkt als Akt des Basilicus nennt die Wiedereinsetzung des Timotheus Ailurus Liberatus von Karthago, Breuiarium 16 (125,10–12 Schwartz); vgl. auch Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E405 und E409. Vgl. Placanica, „Note“, 83 (ad a. 475,4). Die Verbindlichkeit der Beschlüsse der 2. Synode von Ephesus 449 wurde auf einer Synode in Ephesus, die Timotheus Ailurus einberufen hatte, festgestellt; vgl. Brennecke, „Chalkedonense“, 35 (mit Anm. 64); vgl. auch Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,5 (Auszug des Briefes der Synode an Basiliscus). Davon berichtet Victor von Tunnuna aber nichts. 178 Deutlicher wird dies bei Liberatus von Karthago, Breuiarium 16 (125,13–14 Schwartz) durch die Deutung des Todes des Timotheus Ailurus, die bei Victor von Tunnuna fehlt: Postquam ergo imperator Zenon reuersus est ad imperium, Timotheus Elurus metuens zelum quo habebat circa Calchedonense concilium, optauit sibimet mortem. / „Nachdem also Kaiser Zeno zur Herrschaft zurückgekehrt war, fürchtete Timotheos Ailurus den Eifer, in dem dieser hinsichtlich des Konzil von Chalcedon glühte, und wünschte sich den Tod“. Die Übersetzung hier aus Bleckmann, „Tendenziöse Historiographie“, 176 (vgl. dort [Anm. 44] auch zur intransitiven Übersetzung von habere); vgl. ebd., 175–176, wo Bleckmann die Version des Liberatus als „tendenziöse Weiterbildung“ derjenigen des Ps-Zacharias Rhetor herausarbeitet (vgl. Ps-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica 5). Bei Victor von Tunnuna wird der Tod des Timotheus Ailurus schlicht notiert und nicht mit Zeno in Verbindung gebracht, allerdings wird noch einmal auf die Tötung des Proterius Bezug genommen, und es wird auch wieder die Haltung der beiden alexandrinischen Bischöfe zu Chalcedon vermerkt (Chronicon 49 [15,234–238 Cardelle de Hartmann]): Thimotheus Illurus, Calcidonensis sinodi obtrectator et Proterii episcopi interfector, moritur et Alexandrine ecclesie presulatum alius Timotheus cognomente Salafatiarius, Calcidonensis sinodi defensor, resumit. / „Timotheus Ailurus, Widersacher der Synode von Chalcedon und Mörder von Bischof Proterius, starb, und der andere Timotheus,
Damnatores et defensores sinodi Calcidonensis 1: Die Herrschaft Zenos (Chronicon 41–67)
269
5.3.2 Zeno in der communio mit den Gegnern Chalcedons Obwohl sich sagen lässt, dass mit Zenos Rückkehr im Jahr 476 zunächst eine „Phase chalkedontreuer Politik“ mit Acacius von Konstantinopel als wichtigem Protagonisten beginnt,179 stellt die Chronik des Victor von Tunnuna Zeno zum ersten Mal explizit als kirchenpolitisch agierenden Herrscher als Unterstützer der Gegner Chalcedons dar180: Zeno gibt dem nun in der Chronik zum ersten Mal erwähnten Petrus (Mongus), der zu Lebzeiten des Timotheus Salafatiarius (Salophaciolus) ab hereticis fuerat ordinatus181, den Befehl, den Bischof von Alexandria Johannes Tabennesiota (= Johannes Talaia182), synodi Calcidonensis defensor183 und Nachfolger des Timotheus Salafatiarius, aus seinem Amt zu entfernen.184 Daraufhin wird Petrus Mongus Bischof von Alexandria. Als Verteidiger Chalcedons erscheint Johannes Talaia hier als Gegenspieler zu Petrus Mongus
179
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mit dem Beinamen Salafatiarius, Verteidiger der Synode von Chalcedon, bekam wieder den Vorsitz über die alexandrinische Kirche.“ Die Nachricht ist Teil einer Notiz über Bischofsfolgen in Alexandria, Jerusalem und Antiochien. Von einer zwischenzeitlichen Einsetzung des Petrus Mongus als Bischof von Alexandria durch eine Gruppe in der alexandrinischen Kirche (vgl. Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E416; Ps-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica 5,5; Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,11; Liberatus von Karthago, Breuiarium 16) berichtet Victor von Tunnuna hier (noch) nicht (vgl. aber später in Chronicon 53; s. im Folgenden); vgl. auch Placanica, „Note“, 83 (ad a. 477,1). Vgl. Brennecke, „Chalkedonense“, 38–40, das Zitat 38–39; Maraval, „Die Rezeption“, 131–132. Vgl. in diesem Sinn zu Zeno auch explizit Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,8 (108,9–11 Bidez/Parmentier; Übers. 353 Hübner): Καὶ νόμον ὁ Ζήνων τίθησιν ἀναιροῦντα τὰ ἐπὶ τοῖς ἐγκυκλίοις συντεθειμένα Βασιλίσκῳ τῷ τυράννῳ· / „Zeno erließ ein Gesetz, das alles aufhob, was der Usurpator Basiliscus in den Enzyklien festgesetzt hatte“. Vgl. zu Aktivitäten im prochalcedonensischen Sinn auch Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E415; E418; E421. Die Rückkehr des Timotheus Salafatiarius auf den Bischofssitz von Alexandria wird bei Victor von Tunnuna zwar notiert (Chronicon 49; s. die vorige Anm.), jedoch nicht mit der Herrschaft Zenos in Verbindung gebracht. Die prochalcedonensische Kirchenpolitik Zenos und die entsprechenden Äußerungen in prochalcedonensischen Quellen finden auch im Breuiarium des Liberatus von Karthago keinen Niederschlag; vgl. Brennecke, „Das akakianische Schisma“, 91. Vgl. neben Liberatus von Karthago, Breuiarium 16 auch Breuiarium 17 (126,16–17 Schwartz): haeretici […] Petrum latenter instituerant / „die Häretiker hatten […] Petrus heimlich eingesetzt“. Vgl. auch Gesta de nomine Acaci 18. Vgl. Placanica, „Note“, 85 (ad a. 480); vgl. etwa auch Liberatus von Karthago, Breuiarium 16 (125,25–26 Schwartz): Iohannes ex oeconomo presbyter factus Tabennisiotis cognomento Talaia / „Johannes von Tabennisis, vom Verwalter zum Presbyter gemacht, mit dem Beinamen Talaia“. Vgl. auch Kosiński, The Emperor Zeno, 128 (Anm. 22). Vgl. sein Lob bei Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E417 (115,29–116,1 Hansen): τῶν δογμάτων τῆς ἀληθείας ὑπέρμαχος / „ein Verteidiger der Lehren der Wahrheit“. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 53 (17,263–268 Cardelle de Hartmann): Alexandrine ecclesie Iohannes Tabennesiota […], synodi Calcidonensis defensor, episcopus ordinatur. Quem Zenonis precepto principis Petrus, qui superstite Timotheo Salafaciario episcopo ab hereticis ordinatus, eiciens Alexandrinam ecclesiam peruadit. / „Johannes Tabennesiota […], Verteidiger der Synode von Chalcedon, wurde für die alexandrinische Kirche zum Bischof ordiniert. Den warf Petrus, der zu Lebzeiten von Timotheus Salafatiarius von den Häretikern zum Bischof ordiniert worden war, auf Befehl des Prinzeps Zeno hinaus und drang in die alexandrinische Kirche ein.“
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und zum Kaiser, der als Urheber des Befehls als Chalcedon-Gegner gezeichnet oder vielmehr sogar in die Nähe von Häretikern gerückt wird, indem er mit dem von Häretikern eingesetzten Petrus kollaboriert. Dass dies nicht die einzig mögliche Deutung des Johannes Talaia und seiner Absetzung ist, zeigt etwa die Version des Evagrius Scholasticus: Bei ihm steht die Absetzung in einem anderen Kontext, der nicht unmittelbar mit Johannes’ Haltung zu Chalcedon verbunden wird. Nach Evagrius’ Historia ecclesiastica 3,12 hatte Johannes dem Kaiser versprochen, nicht das Bischofsamt in Alexandria anzustreben, erlangte dies dann aber doch durch Bestechung nach dem Tod des Timotheus, worauf der Kaiser befahl, ihn zu verjagen.185 Die Absetzung des Johannes Talaia führt dann in der Chronik Victors zu weiteren antichalcedonensischen Maßnahmen, nicht nur zur öffentlichen Verurteilung Chalcedons durch Petrus „unter der Gunst des Kaisers Zeno“, sondern auch zur Tilgung der Namen der Chalcedon-Anhänger Proterius und Timotheus Salafatiarius (Salophaciolus) aus den Dyptichen sowie zur Einfügung der Namen von Dioskur und Timotheus Ailurus sowie zur Entfernung des Leichnams von Timotheus Salafatiarius aus der Kirche, in der er bestattet worden war.186 Nicht nur die alexandrinische Kirche erscheint hier also in der Person des Petrus Mongus als chalcedonfeindlich, sondern auch der Kaiser selbst. Diese Haltung und die entsprechende Aktivität des Kaisers spitzen sich mit der Verfassung des Henotikon zu:
185 Vgl. zu dieser Tradition auch Placania, „Note“, 85 (ad a. 480). Wieder anders ist die Darstellung bei Liberatus von Karthago, Breuiarium 17: Dort wird Acacius nicht über die Ordination des Johannes informiert und erscheint deshalb gekränkt, woraufhin er die Absetzung des Johannes bei Zeno anstrebt (126,13–127,16 Schwartz); vgl. Brennecke, „Das akakianische Schisma“, 92. Vgl. auch Brennecke, „Chalkedonense“, 41–42, der den politischen Konflikt „zwischen dem chalkedonensischen alexandrinischen Patriarchen und dem bisher ebenfalls strikt antimonophysitischen und chalkedontreuen Kaiser“ herausarbeitet. Acacius kommt bei Victor von Tunnuna nach der Notiz zu seiner Einsetzung (Chronicon 38) erst in Chronicon 54 in den Blick. 186 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 53 (17,268–273 Cardelle de Hartmann): Qui confestim fauore Zenonis principis sinodum Calcidonensem de pulpito coram populis damnat, Proterii et Salafaciarii nomina de dipticis ecclesiasticis tollit et Dioscori atque Timothei Elluri, qui Proterium interfecit, scribit corpusque prefati Timothei Salafatiarii de ecclesia eiciens in loco deserto fori ciuitatem proecit. / „Der [= Petrus Mongus] verurteilte sofort unter der Gunst des Prinzeps Zeno vom Ambo öffentlich die chalcedonensische Synode, er tilgte die Namen von Proterius und Salafatiarius aus den kirchlichen Dyptichen und schrieb die von Dioskur und Timotheus Ailurus, der Proterius getötet hatte, ein, und er warf den Leichnam des zuvor genannten Timotheus Salafatiarius aus der Kirche hinaus und warf ihn weg an einen verlassenen Ort außerhalb der Stadt.“ Der Hinweis auf die Gunst des Kaisers fehlt sowohl bei Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E425 als auch bei Liberatus von Karthago, Breuiarium 17 (130,4–8 Schwartz); vgl. auch Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,16.
Damnatores et defensores sinodi Calcidonensis 1: Die Herrschaft Zenos (Chronicon 41–67)
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Zenon imperator, Euticiani poculo erroris sopitus,187 Acatium Constantinopolitanum episcopum dampnatoribus sinodi Calcidonensis Petro Alexandrino et Petro Antiocheno episcopis per enoticum a se prolatum socians, eorum communione polluitur et cum eis a catholica fide recedit.188
Das Handeln des Kaisers wird hier zunächst auf eine (falsche) theologische Motivation zurückgeführt, denn er war „eingelullt durch den Zaubertrank des eutychianischen Fehlers“. Die Herausgabe des Henotikon wird also – obwohl es selbst eine Verurteilung von Eutyches (und Nestorius) enthält189 – mit dem „Fehler des Eutyches“ (vgl. Chronicon 3)190 verknüpft, der am Anfang der Chronik den Auftakt zu der Entwicklung darstellte, die zur Verurteilung von Theodoret, Ibas und anderen auf der 2. Synode von Ephesus führte. Das Henotikon steht damit in dieser Tradition. Das daraus Folgende ist dreifach bestimmt: Durch sein Henotikon vereinigt Zeno191 erstens Acacius von Konstantinopel mit Petrus von Alexandria (= Petrus Mongus) und Petrus von Antiochien,192 die damnatores von Chalcedon sind. Zeno wird zweitens durch deren Gemeinschaft verunreinigt und entfernt sich dann drittens mit ihnen vom „katholischen“ Glauben.193 Der Bezug auf Eutyches wird hier zwar zum ersten Mal für Zeno ins Spiel gebracht, trotzdem steht seine Entfernung vom „katholischen“ Glauben in Kontinuität
187 Dieser Ausdruck ist ungewöhnlich; die Formulierung findet sich in (lateinischen) spätantiken Texten (nach der Library of Latin Texts und der Patrologia Latina Database) sonst nicht. Placanica, „Note“, 86 (ad a. 482) verweist auf das Vorkommen derselben „Metapher“ bei Augustinus, De ciuitate Dei 1,32 und in Kyrill von Skythopolis, Vita Sabae 38; an beiden Stellen sind die konkreten Formulierungen allerdings deutlich anders. 188 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 54 (17,274–279 Cardelle de Hartmann): „Kaiser Zeno war eingelullt durch den Zaubertrank des eutychianischen Fehlers, und er vereinigte Bischof Acacius von Konstantinopel mit den Verurteilern der Synode von Chalcedon, den Bischöfen Petrus von Alexandria und Petrus von Antiochien, durch das Henotikon, das von ihm selbst herausgegeben wurde, und er wurde durch ihre Gemeinschaft verunreinigt und entfernte sich mit ihnen vom katholischen Glauben.“ Zum Henotikon s. auch o. S. 56–57. 189 Vgl. Zeno, Henotikon (53,27–28 Schwartz); vgl. Brennecke, „Chalkedonense“, 45. 190 Vom Fehler des Eutyches ist auch noch in Victor von Tunnuna, Chronicon 22 und 123 die Rede, in Chronicon 22 genauer als „Fehler des Eutyches und des Dioskur“ (error[] Euticis Dioscorique [9,131 Cardelle de Hartmann]) bezeichnet; vgl. auch Chronicon 19 nur „Fehler des Dioskur“ (vgl. 8,109 Cardelle de Hartmann). 191 Das Henotikon war tatsächlich nur durch die Autorität des Kaisers legitimiert, nicht durch eine Synode. Vgl. Brennecke, „Chalkedonense“, 43. Dass Acacius von Konstantinopel das Henotikon formulierte, wird bei Victor von Tunnuna nicht erwähnt, es wird nur auf den Kaiser zurückgeführt. 192 D. h. Petrus Fullo (vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 49), der freilich zur Zeit der Herausgabe des Henotikon 482 verbannt und erst wieder von 484 oder 485 bis 488 Patriarch von Antiochien war. Er unterschrieb bei seiner Rückkehr in sein Amt das Henotikon; vgl. Brennecke, „Chalkedonense“, 48–49; vgl. Suchla, „Petrus Fullo“, 1171. 193 Vgl. Brennecke, „Chalkedonense“, 42
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Die erzählte Geschichte der Chronik
zu seiner vorherigen Unterstützung der Gegner Chalcedons und ist in der Darstellung der Chronik kein Bruch, keine Wende.194 Zeno hat hier auch nach der Chronik Victors Interesse an einer kirchlichen Einheit,195 an der communio, aber eben nicht an der in der Tradition Chalcedons und damit dem „katholischen“ Glauben stehenden – daher wird er durch die communio, die er wählt, verunreinigt.196 Entscheidend für diese Verunreinigung ist die communio, die durch das Henotikon entsteht, nicht das Henotikon an sich. Auch wenn er schon vorher als Unterstützer der Chalcedon-Gegner präsentiert wurde, entfernt Zeno sich erst durch diese communio dezidiert cum eis vom „katholischen“ Glauben. Diese communio weitet sich im Folgenden aus: Weitere östliche Bischöfe sagen sich durch dieselbe Gemeinschaft, die durch das Henotikon Zenos hergestellt wird, von Chalcedon los – und sind durch diese Gemeinschaft beschmutzt (polluti197).198 Die Zustimmung zum Heno194 Vgl. Brennecke, „Chalkedonense“, 40: Das Henotikon gelte normalerweise als „Wende der Kirchenpolitik Zenons hin zu einer Begünstigung des Monophysitismus“; vgl. dagegen ebd., 50 zum Ergebnis seiner Untersuchung: „Kaiser Zenon und der Konstantinopeler Patriarch Akakios haben von Anfang an und ohne irgendeinen Bruch konsequent an einer theologischen Auffassung und entsprechenden Politik festgehalten, die für sie eindeutig chalkedonensisch war, und die als eine die umstrittenen theologischen Aussagen von Chalkedon umgehende Interpretation im Sinne Kyrills und der Unionsformel von 433 angesehen werden muß.“ Bei Victor von Tunnuna wird diese Kontinuität freilich zu einer antichalcedonensischen Kontinuität. 195 Zur angestrebten Einheit im Henotikon selbst vgl. v. a. Zeno, Henotikon (bes. 53,9–13 Schwartz). Das Henotikon zielte zunächst konkret auf die Einheit in Ägypten (s. o. S. 56). Petrus Mongus musste es unterschreiben, um (anstatt des Johannes Talaia) Bischof von Alexandria werden zu können. Für Zeno und Acacius war damit wohl das Wesentliche von Chalcedon bewahrt und gleichzeitig eine Spaltung in Ägypten verhindert, vgl. Brennecke, „Chalkedonense“, 42–44; Kötter, Zwischen Kaisern, 257. 196 Die communio der Kirchen sowie die Verunreinigung durch die communio mit Gegnern Chalcedons spielt in der Chronik Victors noch an weiteren Stellen eine Rolle, s. dazu bes. in Kap. 5.7.3. Auch Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E429 (118,29–30 Hansen; aus Theophanes) betont bezüglich des Henotikon die Gemeinschaft mit Petrus Mongus, zu der Zeno die östlichen Bischöfe durch den Willen des Acacius durch die Unterschrift unter das Henotikon zwingt: Ὁ δὲ Ζήνων τῇ βουλῇ Ἀκακίου τοὺς κατὰ τὴν ἑῴαν ἐπισκόπους ἐβιάζετο ὑπογράψαι τῷ ἑνωτικῷ καὶ κοινωνῆσαι Πέτρῳ τῷ Μογγῷ. / „Zeno aber zwang durch den Willen des Acacius die Bischöfe aus dem Osten, das Henotikon zu unterschreiben und Gemeinschaft zu haben mit Petrus Mongus.“ Bei Theodoros ist damit Acacius von Konstantinopel der Urheber der (antichalcedonensischen) Gemeinschaft mit Petrus Mongus, wohingegen Zeno als Akteur von dessen Willen erscheint. Bei Victor von Tunnuna hingegen ist das Subjekt der (durch den eutychianischen Fehler quasi vergiftete) Kaiser. 197 Dazu s. weiter u. in Kap. 5.7.3. 198 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 57 (18,287–291 Cardelle de Hartmann): Orientales episcopi preter paucos per enoticum Zenonis communione atque consensu polluti Petri Alexandrini, Petri Antiocheni et Acacii Constantinopolitani episcoporum sinodo Calcidonensi renuntiant. / „Die östlichen Bischöfe sagten sich bis auf wenige, mittels des Henotikon von Zeno durch die Gemeinschaft und die Übereinstimmung der Bischöfe Petrus von Alexandria, Petrus von Antiochien und Acacius von Konstantinopel beschmutzt, von der chalcedonensischen Synode los.“ Vgl. auch Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E430 (118,31–32 Hansen), wo die Furcht als Motivation der östlichen Bischöfe herausgestellt wird: Πολλοὶ τῶν ἐπισκόπων ἀνατολῆς φόβῳ Ζήνωνος καὶ Ἀκακίου τῷ Μογγῷ ἐκοινώνησαν, πολλοὶ δὲ μέχρι θανάτου ὑπὲρ τῆς ἀληθείας διηγωνίσαντο. / „Viele von den Bischöfen
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tikon wird also zunächst nicht mit der Absage an die Gemeinschaft mit Rom (im Sinne des folgenden acacianischen Schismas)199 in Verbindung gebracht, sondern als Absage an das Konzil von Chalcedon gedeutet.200 In der Chronik zeigt sich also eine dezidiert antichalcedonensische Rezeption des Henotikon.201 Dessen Annahme steht der durch Chalcedon gegebenen communio im „katholischen“ Glauben entgegen. Dass die communio mit den Gegnern Chalcedons die entscheidende Größe in der Beurteilung der Ereignisse ist und nicht das Henotikon an sich, zeigt sich auch in der Beschreibung der Briefe des Bischofs von Rom im Kontext des beginnenden acacianischen Schismas: Zunächst notiert Victor von Tunnuna die briefliche Initiative des Felix von Rom an östliche Mönche und Kleriker, mit der er diese ermahnt habe, „dass sie Petrus, den alexandrinischen Bischof, Widersacher der Synode von Chalcedon, des Ostens begaben sich in die Gemeinschaft mit Mongus aus Furcht vor Zeno und Acacius, viele aber kämpften wegen der Wahrheit bis zum Tod.“ Vgl. auch Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 12,4,1 (390,2–5 Clément/Vander Plaetse; Übers. 199 Fraïsse-Bétoulières), der durch das Henotikon die unitas durch eine confusio in Gefahr gebracht sieht: Quis […] nec intellexit quod non confusio faciat unitatem? / „Qui n’a pas compris que la confusion ne fait pas l’unité?“. 199 Zu einem Konflikt mit Rom dann v. a. Victor von Tunnuna, Chronicon 56, 58–59; s. weiter u. in diesem Kapitel. 200 Tatsächlich verurteilte das Henotikon selbst Chalcedon ja keineswegs, und es hob auch nicht die Beschlüsse des Konzils auf; vgl. Brennecke, „Chalkedonense“, 46, der die theologische Aussage folgendermaßen zusammenfasst: „Dogmatisch gesehen ist so das Henotikon so als eine deutlich kyrillische, gegen den Tomus des Papstes Leo gerichtete und philosophisches Vokabular möglichst vermeidende Interpretation des Chalkedonense anzusehen, die nun in der Tat das theologische Gewicht des Chalkedonense antiochenisch und proalexandrinisch verschob. Als antichalkedonensisch oder gar monophysitisch dagegen wird man es nicht interpretieren dürfen.“ Vgl. auch Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,17.20.22. Auch bei Facundus von Hermiane, Contra Mocianum 11–13 (403,97–404,120 Clément/Vander Plaetse; Übers. 239–241 Fraïsse-Bétoulières) wird zunächst die Gemeinschaft mit den Gegnern Chalcedons und nicht das Henotikon selbst kritisiert: Dort wird über Acacius gesagt, dass er, indem er die Gemeinschaft mit den Feinden Chalcedons erlaubt habe, es gewagt habe, etwas gegen die Autorität des Konzils zu unternehmen, das Edikt Zenos erfolgt erst postea, allerdings a minoribus ad maiora prosiliens („passant de choses mineures à des choses plus graves“). Bei Facundus von Hermiane führt die Gemeinschaft des Zeno mit Acacius dann quasi direkt zum vierzig Jahre andauernden (acacianischen) Schisma: „Zeno […] praedicto Acacio communicabat […] omnis Oriens, praeter admodum paucos qui in illa multitudine occulti latebant, a communione sedis apostolicae remotus per quadraginta ferme annos […] permansit. / „Zénon […] restat en communion avec Acace […] tout l’Orient, à l’éxception d’un petit nombre d’hommes qui se tenaient cachés dans cette multitude, resta pendant bien quarante ans à l’écart de la communion avec le Siége apostolique“. Bei Liberatus von Karthago, Breuiarium 17 (131,10–20 Schwartz) ist v. a. die communio des Acacius mit Petrus Mongus, der sich nicht öffentlich zum Konzil von Chalcedon bekennt, Ursache für das Schisma: Acacius […] perseuerat neque recedens a communione Petri neque suadens ei confiteri palam suscipere Chalcedonense concilium et tomum papae Leonis. […] His ergo prouenientibus et Acacio permanente in Petri communione separauit se quidem sedes apostolica et Constantinopolitana. / „Acacius blieb standhaft, indem er weder zurückwich aus der Gemeinschaft mit Petrus noch indem er ihn überzeugte, öffentlich zu bekennen, dass er anerkenne das Konzil von Chalcedon und den Tomus Leonis. […] Als also diese Dinge vonstattengingen und Acacius in der Gemeinschaft mit Petrus blieb, trennten sich der apostolische Stuhl und der von Konstantinopel.“ Vgl. auch Brennecke, „Das akakianische Schisma“, 94. 201 Vgl. Brennecke, „Chalkedonense“, 49 (mit Hinweis auf Victors Chronik in Anm. 125).
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Die erzählte Geschichte der Chronik
und die mit ihm in Gemeinschaft Stehenden wie Häretiker meiden sollten“.202 Das Henotikon wird hierbei nicht erwähnt, es geht auch hier letztlich um eine communio, um die communio mit Petrus Mongus und seinen Anhängern als obtrectatores Chalcedons. Diese soll vermieden werden – die Chronik Victors formuliert anders als Theodoros Anagnostes’ Epitome etwa nicht, dass Petrus „hinausgeworfen“ werden solle.203 Das zentrale Interesse ist auch hier eben die communio, die es zu vermeiden gilt.204 Dasselbe gilt für die zweite Nachricht über einen ermahnenden Brief des Felix von Rom: Er habe Acacius ermahnt ut a damnatorum sinodi Calcidonensis communione atque societate abstineat.205 Es geht auch bezüglich Acacius selbst nach Victor von Tunnuna also nicht um eine inhaltlich gefüllte theologische Lehre, die zu verwerfen wäre, oder um das Henotikon, sondern um die communio mit den damnatores von Chalcedon, deren Vermeidung der Bischof von Rom vom Patriarchen von Konstantinopel fordert.206 Diese damnatores sind hier allgemein genannt; bei Liberatus von Karthago
202 Victor von Tunnuna, Chronicon 56 (18,284–286 Cardelle de Hartmann): ut Petrum Alexandrinum episcopum Calcidonensis sinodi obtrectatorem et eius communicatores tanquam hereticos uitent. 203 Vgl. Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E431 (119,15–19 Hansen): Felix habe an den Kaiser und an Acacius geschrieben, dass sie Petrus Mongus wie einen Häretiker hinauswerfen sollten (βασιλεῖ δὲ καὶ Ἀκακίῳ ἔγραψεν ἐκβαλεῖν τὸν Μογγὸν ὡς αἱρετικόν). Zudem findet sich dort die zusätzliche Information, Felix habe an die Alexandriner geschrieben, dass sie an den rechten Lehren festhalten sollten (γράψας Ἀλεξανδρεῦσι καὶ τοῖς ἕω ὀρθῶν δογμάτων ἀντέχεσθαι), auch habe er bezüglich der „Arianer“ in Africa geschrieben. Zur möglichen Identifizierung der bei Victor und bei Theodoros genannten Briefe vgl. Placanica, „Note“, 87 (ad a. 484). 204 Dieser Gedanke spielt auch für den unmittelbaren Kontext der Chronik des Victor von Tunnuna eine entscheidende Rolle, s. u. in Kap. 5.7.3 sowie 7. Das „Hinauswerfen“ bei Theodoros Anagnostes impliziert zwar ebenso ein Ende einer kirchlichen Gemeinschaft, formuliert diesen Gedanken einer communio aber nicht so dezidiert. Auch scheint die Blickrichtung eine andere zu sein: Hinausgeworfen wird Petrus als Häretiker, die Warnung vor der communio ergeht an die, die jetzt noch nicht zu den Häretikern gehören. 205 Victor von Tunnuna, Chronicon 58 (18,296–297 Cardelle de Hartmann): „sich der Gemeinschaft und der Verbindung mit den Verurteilern der Synode von Chalcedon zu enthalten“. Die Gesandten, die von Acacius inhaftiert werden (legatos eius in custodie mancipat [18,297 Cardelle de Hartmann]), sind Vitalis und Misenus, vgl. zu ihnen ausführlicher Liberatus von Karthago, Breuiarium 17 (130,31–131,1 Schwartz); Liber pontificalis 50,2–4 (252,4–14 Duchesne); vgl. dazu auch Felix III. (II.) von Rom, Epistula 6 (Thiel) = Collectio Veronensis 5 (6,21–7,2 Schwartz); vgl. auch Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,18 (117,1–10, hier 5 Bidez/Parmentier; Übers. 373 Hübner): hier schreibt Felix an Acacius „wegen seiner Gemeinschaft mit Petrus“ (τῆς πρὸς Πέτρον ἕνεκα κοινωνίας); vgl. auch Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E432–433; vgl. Placanica, „Note“, 87 (ad a. 486). Nach Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,20–21 (hier 119,2–3.16 Bidez/Parmentier; Übers. 377 und 379 Hübner) versagten Misenus und Vitalis, indem sie „Gemeinschaft mit den Häretikern gehabt hatten“ (τοὺς περὶ Μισῖνον καὶ Βιτάλιον κοινωνήσαντας τοῖς αἱρετικοῖς), und sie wurden „aus der reinen Gemeinschaft ausgeschlossen“ (τῆς ἀχράντου κοινωνίας ἐχωρίσθησαν). Auch für die römischen Gesandten spielt also hier die Frage nach der communio, in die sie sich begeben, eine entscheidende Rolle. Vgl. auch Gesta de nomine Acaci 27–28 (451,11–452,1 Guenther). 206 Freilich können Personen auch als identity marker für eine bestimmte theologische Position stehen – diese besteht aber in der Chronik an dieser Stelle nicht aus mehr als aus der Zustimmung oder Ablehnung bezüglich des Konzils von Chalcedon.
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etwa ist es hingegen konkret Petrus Mongus, von dessen Gemeinschaft Acacius sich enthalten soll.207 Wie Acacius auf die päpstliche Mahnung reagiert, überliefert die Chronik nicht direkt, jedoch berichtet sie im darauffolgenden Abschnitt von dessen Verurteilung zusammen mit Petrus von Alexandria und Petrus von Antiochien, den Calcidonensis synodi inimici, durch den Bischof von Rom und durch eine italienischen Synode.208 Mönche übermitteln diese Verurteilung an Acacius.209 Ein Schisma zwischen Rom und Konstantinopel erwähnt die Chronik des Victor von Tunnuna hier zwar nicht explizit,210 dass aber ein solches (wohl selbstverständlich) mitgemeint ist, zeigt die spätere Formulierung zur (Wieder-) Vereinigung der östlichen und westlichen Kirchen in Chronicon 104.211 207 Liberatus von Karthago, Breuiarium 17 (130,29–34 Schwartz) vermerkt einen dezidierten Ungehorsam des Acacius gegenüber dem Bischof von Rom, weshalb dann die Mönche Vitalis und Misenus gesandt werden; dies ist bei Victor von Tunnuna nicht erwähnt. Die Stoßrichtung der Frage der communio findet sich bei Liberatus von Karthago allerdings auch, vgl. auch Breuiarium 17 (131,18–19 Schwartz): Acacio permanente in Petri communione; vgl. Brennecke, „Das akakianische Schisma“, 83–84, 94. 208 Zur Verurteilung des Acacius vgl. auch Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E434 (120,21–22 Hansen); Liberatus von Karthago, Breuiarium 17 (131,8–14 Schwartz); Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,18–21. Eine Verurteilung von Petrus Mongus und Petrus Fullo findet sich weder in den offiziellen Synodenbeschlüssen (vgl. Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,21) noch in den an Acacius übermittelten Verurteilungen (Felix III. [II.] von Rom, Epistulae 6–7 [Thiel] [= Collectio Veronensis 5; Collectio Berolinensis 26]); sie wird auch in den genannten Stellen bei Theodoros Anagnostes und Liberatus von Karthago nicht erwähnt. Die römische Kirche war mit ihnen bereits nicht mehr in Gemeinschaft; vgl. insgesamt dazu mit Auflistung der Quellen Placanica, „Note“, 87 (ad a. 487). Dass Acacius nach Rom geladen worden war und aufgrund seines Nicht-Erscheinens von Felix verurteilt wurde, wird in der Chronik nicht thematisiert; vgl. Kötter, Zwischen Kaisern, 154–155; vgl. Felix III. (II.) von Rom, Epistula 6 (Thiel) (= Collectio Veronensis 5 [7,7–9 Schwartz]). 209 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 59 (19,298–304 Cardelle de Hartmann): Acatius Constantinopolitanus, Petrus Alexandrinus et Petrus Antiochenus episcopi, Calcidonensis synodi inimici, a Felice ecclesie Romane presule et sinodo Italie facta dampnantur, et ipsa damnatio Acatio, Constantinopolim legatis missis, per monacos monasteriorum Aquimitensium, Basiani atque Dii ingeritur. / „Die Bischöfe Acacius von Konstantinopel, Petrus von Alexandria und Petrus von Antiochien, Feinde der Synode von Chalcedon, wurden von Felix, dem Vorsitzenden der römischen Kirchen, und einer Synode, die in Italien abgehalten worden war, verurteilt, und dieselbe Verurteilung wurde über Acacius von den Mönchen der Klöster von Aquemetensis, Basianus und Dius durch nach Konstantinopel geschickte Gesandte verhängt.“ Zur möglichen lokativen Deutung von Italie vgl. Placanica, „Note“, 88 (ad a. 487). Zu den Mönchen bzw. Klöstern vgl. auch Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E434; Liberatus von Karthago, Breuiarium 17 (131,14–17 Schwartz); Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,18. Victor von Tunnuna vermischt hier offenbar unterschiedliche Traditionen bezüglich der Klöster, vgl. Placanica, „Note“, 88 (ad a. 487). 210 Vgl. hingegen die klare Formulierung bei Liberatus von Karthago, Breuiarium 17 (131,18–20 Schwartz; zur Übersetzung s. o. Anm. 200): His ergo prouenientibus et Acacio permanente in Petri communione separauit se quidem sedes apostolica et Constantinopolitana. 211 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 104 (34,570–574 Cardelle de Hartmann): Iustinus imperator orientales […] occidentalibus antistibus sub digna satisfactione coniugit / „Kaiser Justin vereinigte die östlichen […] mit den westlichen Bischöfen unter würdiger Genugtuung.“ S. zu dieser Stelle auch u. S. 347–348.
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Die erzählte Geschichte der Chronik
Der Erzählfaden mit den Ereignissen um Acacius wird nach Chronicon 59 mit Chronicon 62 fortgesetzt, wo von der weiteren Bischofsfolge in Antiochien berichtet wird: Schlicht wird zunächst vom Tod des Petrus von Antiochien berichtet, dessen Nachfolger Stephanus von Acacius bzw. seinen Helfershelfern getötet wird, um Calandio zum Bischof zu machen. Die „östlichen Bischöfe“ weihen jedoch Codonatus zum Bischof von Antiochien, dem ein hereticus Petrus folgt.212 Die Notiz ist „molto confusa“213, eigentlich war ja Stephanus bereits nach der zweiten Amtszeit des Petrus Fullo Bischof, vor dessen dritter Amtszeit, und somit vor seinem Tod. Dasselbe gilt für Calandio214 und Johannes Codonatus215. Unklar ist auch, ob mit Petrus hereticus entgegen dem Text der Chronik Petrus Fullo gemeint ist oder ein anderer Petrus.216 Aus den Angaben von Victor von Tunnuna ergibt sich jedenfalls, dass der Konflikt im Osten weitergeht, und insbesondere Acacius erscheint dadurch, dass ihm sogar die Tötung des Stephanus zugeschrieben wird, in einem schlechten Licht.217
212 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 62 (19,311–20,317 Cardelle de Hartmann): Petrus Antiochenus episcopus sub damnatione moritur et in eius loco Stephanus ordinatur, quem Acatius Constantinopolitanus per suos satellites necat et in eius loco Calendionem ordinat. Orientales autem episcopi tanquam nescientes Iohannem cognomento Codonatum eidem Antiochene ecclesie consecrant episcopum, cui Petrus succedit hereticus. / „Petrus, der Bischof von Antiochien, starb unter Verurteilung, und an dessen Stelle wurde Stephanus ordiniert. Diesen tötete Acacius von Konstantinopel durch seine Helfershelfer und ordinierte an seiner Stelle Calandio. Die östlichen Bischöfe jedoch, als ob sie es nicht wüssten, weihten Johannes mit dem Beinamen Codonatus zum Bischof für dieselbe antiochenische Kirche. Diesem folgte der Häretiker Petrus.“ 213 Placanica, „Note“, 88 (ad a. 488,3). 214 Calandio wird in Chronicon 68 dann, obwohl er ja nach Chronicon 62 von Acacius eingesetzt wurde, als defensor von Chalcedon bezeichnet (vgl. 21,350–351 Cardelle de Hartmann). Die Ordination durch Acacius, den Bischof von Konstantinopel, entspricht nicht den kirchlichen canones, vgl. Simplicius, Epistula 15,3; 17,1 (Thiel) (= Collectio Auellana, Epistula 66,4–5; 67,2–4); vgl. Placanica, „Note“, 89 (ad a. 488,3). Dass Calandio sich zusammen mit Illus gegen Zenos Henotikon wandte (vgl. Kötter, Zwischen Kaisern, 256), wird in der Chronik nicht erwähnt – bezüglich Illus wird nur dessen Unterstützung für eine tyrannis des Leontius in Isaurien (Chronicon 55) sowie beider mors turpissima (Chronicon 61 [vgl. 19,310 Cardelle de Hartmann]) notiert (bei Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E437–438 wird die Opposition gegenüber Zeno hingegen direkt vermerkt). Vgl. zu weiteren Quellen zu Illus und Leontius Placanica, „Note“, 86 (ad a. 483) und 88 (ad a. 488,1). Calandio bzw. seine weitere unrechtmäßige Nachfolge wird noch einmal erwähnt in Chronicon 69. Chronicon 65 (20,328–331 Cardelle de Hartmann) berichtet von der Überführung der reliquiae des Eustachius, der als prodecessor des Calandio und als confessor bezeichnet wird, von Philippopolis in Makedonien nach Antiochien. Die Notiz stammt aus Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica: In E435 wird zusätzlich berichtet, Calandio habe Zeno darum gebeten, und es wird darauf hingewiesen, dass Eustachius dorthin verbannt und dort getötet worden sei. Zur (zu späten, da Calandio tatsächlich bis 484 Bischof war) Datierung in der Chronik Victors vgl. Placanica, „Note“, 90 (ad a. 490,2). 215 Zu dessen Namen s. o. S. 223 (Anm. 204). 216 S. o. S. 223 (Anm. 205). 217 Vgl. Placanica, „Note“, 89 (ad a. 488,3): Die Tötung des Stephanus durch Acacius werde nur von Victor von Tunnuna berichtet, der dadurch die negative Rolle des Acacius betone. Vgl. anders etwa bei Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,10 (Tötung durch die Antiochener).
Damnatores et defensores sinodi Calcidonensis 1: Die Herrschaft Zenos (Chronicon 41–67)
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Von Acacius’ Tod berichtet die Chronik dennoch neutral – bemerkt wird immerhin, dass er „unter Verurteilung“ starb. Ihm folgt nach einem kurzen Zwischenspiel durch Flavitas mit Euphemius ein Calcidonensis decretorum custos.218 Sodann wird die Bischofsabfolge in Alexandria notiert, wo auf Petrus (Mongus) Athanasius folgt, der mit dem Episkopat zugleich auch denselben Fehler wie Petrus aufnimmt219 – die Bischofsabfolge in Alexandria erscheint also weiterhin als eine von Häretikern (vgl. Chroni con 53; vgl. auch später Chronicon 69) bzw. incubatores, Gegnern von Chalcedon.220 In diesem Abschnitt, nach der von Victor von Tunnuna dargestellten Absage Zenos an den „katholischen“ Glauben bzw. Chalcedon (s. o. zu Chronicon 54 und 57), berich tet die Chronik nur mehr von kirchlichen Belangen, neben den Nachrichten über die Korrespondenz des Felix v. a. in Form der Bischofsabfolgen, und zwar bezogen auf den Osten (Alexandria und Antiochien). Die komplizierten Details und Verhältnisse dieser Abfolgen gibt die Chronik nicht immer chronologisch korrekt wieder. Theologische Inhalte über die Haltung zu Chalcedon hinaus, politische Fragen o. ä. spielen in diesem Abschnitt keine Rolle. So werden auch die Aktivitäten des Felix von Rom als prochalcedonensische Maßnahmen gedeutet, bzw. als Maßnahme zur Aufrecht-
218 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 63 (20,318–322 Cardelle de Hartmann): Acatius Constantinopolitanus episcopus sub damnatione moritur et pro eo Flauitas episcopus ordinatur, cui tercio promotionis sue mense mortuo Euphimius sinodi Calcidonensis decretorum custos in episcopatum succedit. / „Acacius, der konstantinopolitanische Bischof, starb unter Verurteilung, und für ihn wurde Flavitas als Bischof ordiniert, dem, nachdem er im dritten Monat seiner Erhebung gestorben war, Euphemius, Wächter der Beschlüsse der Synode von Chalcedon, in das Bischofsamt folgte.“ Zum Tod des Acacius vgl. auch die schlichten Bemerkungen bei Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E440 (122,19–20 Hansen; dort ohne Hinweis auf die bestehende Verurteilung); Liberatus von Karthago, Breuiarium 18 (132,4–6 Schwartz); Ps-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica 6,4; Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,23. Die Nachfolge des Flavitas wird ebenso ohne weitere Bemerkung zu dessen Haltung zu Chalcedon überliefert bei Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E440 (122,21–24 Hansen); bei Ps-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica 6,4 wird Flavitas als demütig und gläubig beschrieben; bei Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,23 findet sich ein Hinweis auf ein Synodalschreiben des Flavitas an Petrus von Antiochien (welches bei Ps-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica 6,5 überliefert ist). Liberatus von Karthago, Breuiarium 18 (132,6–9 Schwartz) weist hingegen darauf hin, dass Flavitas an Felix von Rom geschrieben habe, weil er nicht ohne den römischen Bischof habe eingesetzt werden wollen (qui non consensit sine Romano episcopo inthronizari). Er erscheint dort als östlicher Bischof also jedenfalls nicht in einem Gegenüber zum Westen. Vgl. zu den Quellen auch Placanica, „Note“, 89 (ad a. 489). 219 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 64 (20,323–325 Cardelle de Hartmann): Petrus Alexandrine incubator ecclesie sub damnatione moritur, cuius episcopatum simul et errorem suscepit Athanasius. / „Petrus, der unrechtmäßige Besitzer der alexandrinischen Kirche, starb unter Verurteilung. Sein Bischofsamt zusammen mit seinem Fehler übernahm Athanasius.“ Ohne weitere Ausführungen berichten vom Tod des Petrus Mongus Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E443; Liberatus von Karthago, Breuiarium 18 (132,9–11 Schwartz); Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,23. Ps-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica 6,4 bezeichnet ihn im Zusammenhang mit seinem Tod als gläubigen Mann; vgl. auch Placanica, „Note“, 89 (ad a. 490,1), dort auch zu weiteren Quellen. 220 Dass Athanasius ebenfalls Chalcedon-Gegner ist, schreiben auch Liberatus von Karthago, Breuiarium 18 und Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,23.
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Die erzählte Geschichte der Chronik
erhaltung einer reinen221 chalcedonensischen communio, die (im Osten) ja durch die Vereinigung von Acacius mit Petrus Mongus und Petrus Fullo durch das von Zeno herausgegebene Henotikon beschmutzt ist. Bezüglich der Politik Zenos hält Brennecke fest222: Es zeige sich insgesamt, dass Zeno und Acacius „von Anfang an und ohne irgendeinen Bruch konsequent an einer theologischen Auffassung und entsprechenden Politik festgehalten [haben], die für sie eindeutig chalkedonensisch war“.223 Bei Victor von Tunnuna wird diese Kontinuität geradezu umgedreht und zu einer antichalcedonensischen Kontinuität, in die Zeno durch die Tradition des Eutyches und dann durch seinen eigenen Text gerät, indem er durch ihn Gemeinschaft hat mit den Patriarchen Petrus von Alexandria, Petrus von Antiochien und Acacius von Konstantinopel, was seiner Absage vom „katholischen“ Glauben entspricht. In diesem Sinn greift die Chronik auch an späterer Stelle die Herrschaft Zenos auf, wenn sie über Justin I. schreibt: rediuiuaque facit sinodi Calcedonensis decreta, Zenonis et Anastasii principum temporibus abdicata.224 5.3.3 Sonstige Nachrichten bis zu Zenos Tod In die Zeit unter dem chalcedonfeindlichen Herrscher Zeno fallen zwei für die Chronik des Victor von Tunnuna ungewöhnliche Nachrichten: In Chronicon 60 wird über die Auffindung des Körpers des heiligen Barnabas in Zypern und des von ihm geschriebenen Matthäusevangeliums berichtet.225 Barnabas ist damit neben Antonius226 der einzige konkrete (bereits verstorbene) Heilige, der in der Chronik genannt wird.227 Victor von Tunnuna greift hier wohl auf Theodoros Anagnostes zurück (vgl. Theodo221 Vgl. die wiederholte negative Aussage in Victor von Tunnuna, Chronicon 54 (eorum communione polluitur [17,278 Cardelle de Hartmann]) und 57 (orientales episcopi […] communione atque consensu polluti [18,287–289 Cardelle de Hartmann]). 222 Brennecke, „Chalkedonense“, 50. 223 Anders etwa Maraval, „Die Rezeption“, 133, der dem Henotikon einen „antichalcedonische[n] Duktus“ bescheinigt; vgl. auch ebd., 134 (Anm. 75, in Bezug auf Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 12,4): „Dem Kaiser ging es im letzten nicht mehr um die Wahrheit des Chalcedonense“. 224 Victor von Tunnuna, Chronicon 104 (34,574–576 Cardelle de Hartmann): „Und er [= Justin I.] machte die Dekrete von Chalcedon wieder lebendig, die man in den Zeiten der Prinzipes Zeno und Anastasius verworfen hatte.“ 225 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 60 (19,305–308 Cardelle de Hartmann): Corpus sancti Barnabe apostoli in Cipro et euangelium secundum Matheum eius manu scriptum ipso eodem reuelante inuentum est. / „Der Körper des heiligen Apostels Barnabas wurde in Zypern gefunden, und das Evangelium nach Matthäus, das von seiner Hand geschrieben wurde, als eben der es dort offenbarte.“ 226 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 163; s. u. S. 454. 227 Das Lemma sanctus wird zudem für Flavian von Konstantinopel und Leo von Rom verwendet (Chronicon 3); zudem wird es gebraucht für die heiligen Väter und die heiligen Synoden (Chronicon 10; 112; 113); für die heilige Trinität (Chronicon 80); für den heiligen Geist (Chronicon 82); für die heiligen Evangelien (Chronicon 87); innerhalb der Namensbezeichnung einer Kirche (Chroni-
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ros Anagnostes, Historia ecclesiastica E436), der diese Nachricht darüber hinaus mit dem Anspruch Zyperns auf Autokephalie gegenüber Antiochien verbindet und über die Aufbewahrung des Evangeliums im Palast durch Zeno berichtet.228 Diese weiterführenden Informationen bzw. Deutungen fehlen bei Victor von Tunnuna. Die zweite für die Chronik ungewöhnliche Nachricht ist die über das wundersame Wirken einiger Eremiten: Hoc tempore heremite Annianus super Eufratem fluuium oratione podagros curat, Auxencius demones fugat, Daniel et Anastasius, Vindimiolus, Manasse, Seuerus et ceteri alii per diuersa heremi loca uirtutibus uariis atque prescientia claruerunt.229
Mehrere der hier genannten Eremiten (Annianus, Anastasius und Manasse) sind ansonsten unbekannt.230 Mindestens zwei von ihnen, die Styliten Auxentius und Daniel, sind allerdings mit der Erinnerung an Chalcedon und einer positiven Haltung gegenüber dem Konzil verbunden.231 Möglicherweise liegt darin die Motivation zu dieser Notiz, gerade auch vor dem Hintergrund der Verwendung von clarare/clarus haberi
con 94); in einer brieflichen Anrede (Chronicon 130). Das Lemma beatus wird in der Chronik gar nicht verwendet. 228 Vgl. auch Placanica, „Note“, 88 (ad a. 488,1). 229 Victor von Tunnuna, Chronicon 66 (20,332–21,336 Cardelle de Hartmann): „Zu dieser Zeit heilte der Eremit Annianus beim Fluss Euphrat durch Gebet Gichtkranke, Auxentius schlug Dämonen in die Flucht, Daniel und Anastasius, Vindimiolus, Mannasse, Severus und einige andere an verschiedenen Wüstenorten wurden durch verschiedene Tugenden und durch Vorauswissen berühmt.“ Zur Bedeutung von praescientia in diesem Sinn vgl. TLL, s. v. „praescientia“. Zu uirtutes als Terminus für Wundertaten i. S. von Tugendverdiensten von Heiligen vgl. Heinzelmann, „Die Funktion des Wunders“, 31–32, 56 u. ö. 230 Bei Vindimiolus könnte es sich um „Bendinianus“ (Βενδιμιανός, Βενδιανός), einen Schüler von Auxentius, handeln. Vgl. dazu Placanica, „Note“, 90 (ad a. 490,3). 231 Für Auxentius und Daniel und deren Verhältnis zum Konzil von Chalcedon vgl. v. a. deren Viten (hg. von Clugnet, „Vie de Saint Auxence“; hg. von Delehaye, „Vita S. Danielis stylitae“). Siebigs, Kaiser Leo I., 178–179 weist allerdings darauf hin, dass die Haltung des Auxentius nicht von vornherein chalcedonfreundlich gewesen sein muss, sondern dass er sich darin vielmehr dem Druck von Kaiser Leo I. fügte. Das ändert nichts daran, dass er hier in Chronicon 66 als Chalcedon-Anhänger rezipiert werden kann. Daniel wird auch bei Theodoros Anagnostes an verschiedenen Stellen erwähnt (Historia ecclesiastica E385; E407; E408), nach seiner Vita (Vita sancti Danielis stylitae 71; 73) tritt er v. a. im Zusammenhang mit dem Aufstand des Basiliscus für das Konzil von Chalcedon ein; vgl. Placanica, „Note“, 90 (ad a. 490,3). Severus wird erwähnt bei Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica fr. 37. Die Notiz erscheint nicht in der Epitome der Historia ecclesiastica, sondern ist im Gerontikon des Codex Athous Iviron 497, fol. 25r (vgl. 124,20–125,14 Hansen) enthalten (mit dem direkten Hinweis auf die Herkunft aus Theodoros Anagnostes’ Text). Es ist also nicht auszuschließen, dass auch die anderen Eremiten in der ursprünglichen Fassung der Historia ecclesiastica erwähnt waren. Grundsätzlich zu einer Inanspruchnahme eines Heiligen für eine bestimmte theologische bzw. kirchenpolitische Position am Beispiel des Simeon Stylites vgl. Brennecke, „Wie man einen Heiligen politisch instrumentalisiert“.
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Die erzählte Geschichte der Chronik
an weiteren Stellen der Chronik232: Die Eremiten erhellen die sonst als dunkel geschilderte Zeit. Trotz seiner Darstellung als Gegner Chalcedons wird Zenos Tod in der Chronik neutral geschildert: Zenon imperator constantinopoli moritur anis uite sue XLII.233 Daran anschließend stehen in Chronicon 67 dann Ariadnes Aktivitäten um Zenos Nachfolge und der Auftakt zu dieser Nachfolge mit Anastasius im Vordergrund.234 Zusammenfassend ist über die Darstellung von Zeno und seiner Herrschaft in der Chronik zu sagen: Obwohl Zeno zunächst über den Chalcedon-Gegner Basiliscus siegt, erscheint er in der Chronik bald dezidiert als Herrscher, der die ChalcedonGegner begünstigt (Chronicon 53) und dann durch sein Henotikon selbst in deren Gemeinschaft gerät. Er ist dann kein „katholischer“ Kaiser mehr. Das Henotikon ist dabei kein Bruch, sondern setzt die schon davor begonnene Linie seiner Politik fort, die auf seine (negative) Haltung gegenüber Chalcedon zugespitzt wird. Nach Zenos Abfall vom „katholischen“ Glauben bzw. seines „Rausfalls“ aus der reinen Gemeinschaft, die durch das Bekenntnis zu Chalcedon konstituiert ist, durch seine Gemeinschaft mit Chalcedon-Gegnern, haben auch andere Notizen in der Chronik die Frage der communio und die Frage der jeweiligen Position gegenüber Chalcedon im Blick. Die Geschichte, die Victor von Tunnuna in diesem Abschnitt der Chronik erzählt, ist so nicht nur die Geschichte einer Regentschaft eines Kaisers, der vom „katholischen“ Glauben abgefallen ist, sondern auch eine Geschichte der „reinen“ communio der Chalcedon-Anhänger, die hier aber gestört und insbesondere im Osten zu einer „beschmutzten“ Gemeinschaft geworden ist. Einzelne bleiben aber Befürworter Chalcedons.235 5.4 Damnatores et defensores sinodi Calcidonensis 2: Die Herrschaft des Anastasius (Chronicon 67–100) Zeno fällt als Kaiser aus der Gemeinschaft der „Katholiken“ heraus und steht dafür in der communio der Gegner Chalcedons. Sein Nachfolger Anastasius nun wird in der Chronik dezidiert zum Chalcedon-Gegner, der von Anfang seiner Herrschaft an durch 232 S. u. S. 329–330 (Eugenius von Karthago), 335 (Fulgentius von Ruspe), 407–408 (Ferrandus von Karthago), 416 (Facundus von Hermiane). 233 Victor von Tunnuna, Chronicon 67 (21,337–338 Cardelle de Hartmann): „Kaiser Zeno starb in Konstantinopel im 42. Jahr seines Lebens.“ Ebenso schlicht bei Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E446; vgl. hingegen etwa Evagrius Scholasticus 3,29, der zusätzlich notiert, dass Zeno „kinderlos an Epilepsie starb“ (ἄπαιδος τελευτήσαντος ἐπιληψίας νόσῳ [125,6–7 Bidez/Parmentier; Übers. 393 Hübner]); zu weiteren Quellen vgl. Placanica, „Note“, 90 (ad a. 491,1). 234 S. u. S. 283–284. 235 Vgl. etwa Euphemius in Chronicon 64.
Damnatores et defensores sinodi Calcidonensis 2: Die Herrschaft des Anastasius
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perfidia charakterisiert ist. Er unterstützt die Gegner Chalcedons in vielfältiger Weise, besonders durch seine Begünstigung des Severus von Antiochien. Die Zeit seiner Herrschaft ist auch deshalb durch verschiedene düster bzw. wundersam anmutende Ereignisse gekennzeichnet, die im Zusammenhang mit oder sogar als Folgen dieser antichalcedonensischen Haltung des Kaisers präsentiert werden. Auch in diesem Abschnitt der Chronik greift Victor von Tunnuna v. a. auf Theodoros Anagnostes’ Historia ecclesiastica als Quelle zurück, sein eigener Fokus auf die Frage nach der Haltung für oder wider Chalcedon wird aber, soweit sich dies im Vergleich mit der überlieferten Epitome erschließen lässt, auch hier deutlich. Die Zeit unter Anastasius erscheint als ein weiterer Zeitabschnitt, in dem sich die Verteidiger Chalcedons den Gegnern der Synode gegenübersehen, die jetzt mit dem Kaiser durchgängig einen mächtigen Fürsprecher und sogar Protagonisten haben. Auch hier sei zunächst ein Überblick über die Ereignisse gegeben, die die Chronik des Victor von Tunnuna für die Zeit des Anastasius (Chronicon 67–100 = die Jahre 491–518 n. Chr.) notiert: Chronicon
Jahr236
Ereignis/Inhalt
67
491
Tod des Zeno und Bestimmung des Anastasius zum Kaiser durch Ariadne. Anastasius wird ein schriftliches Versprechen abgenommen, nichts gegen den apostolischen Glauben und gegen Chalcedon zu unternehmen.
68
491
Angabe der Regierungsdauer des Anastasius; Rücknahme seines schriftlichen Versprechens und Maßnahmen gegen die Anhänger Chalcedons.
69
492
Bischofsnachfolgen in Rom, Alexandria, Antiochien und Jerusalem.
70
492
Bestätigung Chalcedons durch eine von Euphemius von Konstantinopel einberufene Synode.
71
494
Johannes von Alexandria und Anastasius.
72
495
Der isaurische Krieg.
73
495
Bischofsnachfolgen in Alexandria.
74
496
Bestätigung des Henotikon durch Anastasius; Absetzung und Exilierung des Euphemius von Konstantinopel.
75
497
Verurteilung der Anhänger Chalcedons und der Anhänger des Nestorius und des Eutyches durch Macedonius von Konstantinopel.
76
497
Bischofsnachfolge und Spaltung in Rom.
77
497
Bischofsnachfolgen in Antiochien, Alexandria und Jerusalem.
236 Die Jahresangaben folgen der Ausgabe von Cardelle de Hartmann. Zu den auch hier in [Klammern] gesetzten Ereignissen in Nordafrika s. u. Kap. 5.5.
282
Die erzählte Geschichte der Chronik
Chronicon
Jahr236
Ereignis/Inhalt
[78
497
Der Tod des Gunthamund; erneute Exilierungen unter Thrasamund.]
[79
497
Fulgentius von Ruspe.]
80
498
Der „Arianer“ Olimpius lästert der Trinität.
81
499
Anathema gegen den Tomus Leonis und Chalcedon sowie gegen die Drei Kapitel und andere Theologen durch eine Synode in Konstantinopel auf Initiative von Kaiser Anastasius.
82
500
Die Beinahe-Taufe durch den „Arianer“ Barbas.
83
501
Maßnahmen des Kaisers Anastasius gegen den Chalcedon-Befürworter Macedonius von Konstantinopel; dessen Nachfolger Timotheus.
84
502
Ein großes Erdbeben.
85
504
Rückzug des Flavian von Antiochien; dessen Nachfolger Severus, ein Feind Chalcedons.
[86
505
Der Tod des Eugenius von Karthago. Rückzug der Bischöfe Julianus Bostrenus und Johannes Paltensis.]
87
506
Tadelung und Berichtigung des Evangeliums auf Befehl von Kaiser Anastasius.
88
507
Unreine Geister in Alexandria und in ganz Ägypten aufgrund der Verwerfung Chalcedons.
89
508
Der Perserkönig Caudes nimmt das Kastell Zundaber ein.
90
509
Exilierung des Chalcedon-Anhängers Elias von Jerusalem durch Anastasius und Einsetzung des Chalcedon-Feindes Johannes.
91
510
Auflehnung des comes Vitalian gegen Anastasius aufgrund seiner religionspolitischen, antichalcedonensischen Maßnahmen.
92
511
Der Aufstand des Vitalian 1: Sieg des Vitalian über Hypatius, den Enkel des Anastasius.
93
512
Alamundarus, der König der Sarrazenen, lässt sich taufen und überwindet die theopaschitischen Bischöfe.
94
513
Der Staurotheis-Aufstand.
95
514
Der Aufstand des Vitalian 2: Vitalian vor Konstantinopel; Forderungen an Anastasius.
96
515
Hunnen in Armenien, Kappadokien, Galatien und Pontus.
97
515
Tod des Euphemius von Konstantinopel und der Ariadne.
98
516
Ein Brief prochalcedonensischer Archimandriten und Mönche an Anastasius.
99
517
Bischofsnachfolgen in Alexandria und in Konstantinopel; Eingriff des Anastasius.
100
518
Schändlicher Tod des Anastasius.
Damnatores et defensores sinodi Calcidonensis 2: Die Herrschaft des Anastasius
283
5.4.1 Der Beginn der Herrschaft des Anastasius Wurde der Tod Zenos in Chronicon 67 neutral geschildert, auch wenn er insgesamt als Chalcedon-Gegner erschien, steht sein Nachfolger Anastasius von Anfang an in schlechtem Licht – als dezidierter Chalcedon-Gegner und gekennzeichnet von perfidia.237 Diese negative Darstellung des Anastasius als Bekämpfer Chalcedons zieht sich durch die Darstellung seiner gesamten Herrschaftszeit, in der immer wieder entsprechende Aktionen geschildert werden, bis zur Darstellung seines Todes. Auf der anderen Seite werden Verteidiger Chalcedons bzw. Anhänger eines chalcedontreuen Glaubens immer wieder in ein positives Licht gerückt. Bevor Anastasius als fünfzigster Kaiser der Römer bezeichnet und damit in diese Reihe der römischen (östlichen) Kaiser eingereiht wird (Chronicon 68), erfährt man zunächst über ihn, dass Ariadne ihn, „von den illyrischen Silentiariern“,238 zum Kaiser bestimmte. Sein Vater wird als Dirracenus bezeichnet,239 seine Mutter als arriana.240 Er ist damit zwar durch den Vorschlag der Ariadne formal dynastisch anerkannt,241 steht aber von vornherein in einer negativen Glaubenstradition, eben nicht in der fides, sondern in der perfidia: Sein „Glaube, ja vielmehr der Unglaube“ ist selbst fern seiner Heimat bekannt.242 Über die näheren Umstände der Bestellung zum Kaiser bzw. der
237 S. dazu im Folgenden. 238 Vgl. auch Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,29 (vgl. Übers. 393 Hübner, apparatus ad locum [Anm. 406]): Die Silentiarier mussten am Hof für Ruhe sorgen. 239 Vgl. zu dieser Herkunft auch Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E446; Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,29 (125,24–25 Bidez/Parmentier; Übers. 393 Hübner): Das Heimatland des Anastasius als „Epidamnus, das heute Dyrrachium heißt“ (πατρίδα τὴν Ἐπίδαμνον ἔχων, Δυρράχιον νῦν προσηγόρευται). Vgl. auch Johannes Malalas, Chronographia 16,1. 240 Zu zwei Episoden mit einem „Arianer“ als Protagonisten während der Herrschaft des Anastasius (Chronicon 80; 82) s. u. Kap. 5.4.8. 241 Vgl. Meier, Anastasios I., 74. 242 Victor von Tunnuna, Chronicon 67 (21,338–341 Cardelle de Hartmann): Ariagne Augusta Zenonis relicta Anastasium silentiarium Illiricianum patre Dirraceno matre arriana imperatorem designat. Anastasii autem fide immo perfidia procul iam patrie nota […]. / „Die Augusta Ariadne, Zenos Witwe, bestimmte Anastasius von den illyrischen Silentiariern, der einen Vater aus Dyrrachium und eine arianische Mutter hatte, zum Kaiser. Weil jedoch fern der Heimat der Glaube, ja vielmehr der Unglaube des Anastasius schon bekannt war […].“ Nach Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E448 (126,18–20 Hansen) war Anastasius’ Mutter Manichäerin, Arianer der mütterliche Onkel, womit er von Manichäern und Arianern beeinflusst war (Μανιχαῖοι καὶ Ἀρειανοὶ ἒχαιρον Ἀναστασίῳ). Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,32 erwähnt, dass Anastasius bei vielen als Manichäer im Ruf stand, weshalb Euphemius von ihm ein Bekenntnis zum reinen Glauben abverlangt habe. Vgl. Hübner, Evagrius Scholasticus, Kirchengeschichte, 404 (Anm. 423 [= apparatus ad locum]): „Monophysiten wurden auch als Manichäer bezeichnet; möglicherweise ist dadurch die Bezeichnung des Anastasius als eines Manichäers entstanden.“ Placanica, „Note“, 91 (ad a. 491) spricht mit Verweis auf Duchesne, L’Eglise, 20, von einer Verwechslung im Eifer des Gefechtes: „La passione induceva sovente a confondere le dottrine monofisita, eutichiana e manichea“. Zur Herkunft des Anastasius vgl. auch Capizzi, L’imperatore Anastasio, 17–30.
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Die erzählte Geschichte der Chronik
Krönung schreibt die Chronik hingegen nichts.243 Ebenso fehlt die (Anastasius’ Herrschaft weiter legitimierende) Information, dass Ariadne und Anastasius kurz nach der Kaiserkrönung heiraten.244 Die perfidia der „Arianer“ selbst ist in der Chronik bereits durch die Schilderung der Verfolgungen unter den von „arianischer“ Raserei erregten Vandalenherrschern Hunerich und Thrasamund bekannt.245 Wenn nach Chronicon 51 Hunerich ut Arrius pater eius misere („wie sein Vater Arius unglücklich“ [16,257–258 Cardelle de Hartmann]) sein Leben beendet, lässt sich sogar sagen, dass Anastasius durch seine Herkunft von einer mater arriana nach der Darstellung der Chronik zur selben (Gesinnungs-) Familie wie der Vandalenkönig gehört, der als schlimmer Verfolger der „Katholiken“ bzw. überhaupt der Christen geschildert wird – er ist vom selben Schlag und steht in dieser Kontinuität.246 Euphemius, der Bischof von Konstantinopel (489–495; gest. 515),247 sinodi Calcidonensus decretorum custos,248 lässt Anastasius daher aufgrund seiner bekannten perfidia schriftlich versprechen, „nichts Böses gegen den apostolischen Glauben und die Syno de von Chalcedon zu unternehmen“.249 Dieses Versprechen bricht Anastasius jedoch schon bald darauf, nachdem er Kaiser geworden ist: 243 Die genaue Rolle Ariadnes dabei ist nicht unumstritten, vgl. Meier, Anastasios I., 72–74; vgl. dazu auch Haarer, Anastasius I, 1–5. 244 Ariadne wird dann aber in der Notiz zu ihrem Tod als Augusta bezeichnet (Chronicon 97 [32,535 Cardelle de Hartmann]; s. u. S. 300). Zur Absicherung des Anastasius durch diese Heirat vgl. Meier, Anastasios I., 74. Von der Heirat berichten Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,29; Johannes Malalas, Chronographia 16,1 und Johannes Zonaras, Epitome historiarum 14,3,10. 245 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 30; 50; 51; 78; s. u. Kap. 5.5.2 und 5.5.4. Sie ist freilich auch darüber hinaus und grundsätzlich ein gängiger Topos. 246 Durch das Stichwort perfidia ist Anastasius zudem noch mit Theodosius verknüpft, der zur Zeit Justinians als Gegner Chalcedons auftritt (vgl. Chronicon 123; 124; 126; s. u. Kap. 5.7.1.5). 247 Zu Euphemius vgl. Meier, Anastasios I., 87–90; Grillmeier, Jesus der Christus 2,1, 299–301; Haarer, Anastasius I, 126–127, 136–139. 248 Victor von Tunnuna, Chronicon 63 (20,321 Cardelle de Hartmann): „Wächter der Beschlüsse der Synode von Chalcedon“. 249 Victor von Tunnuna, Chronicon 67 (21,341–344 Cardelle de Hartmann): Coactus est, Euphimio Constantinopolitano episcopo insistente, scripto promitttere, nichil sinistrum contra apostolicam fidem et sinodum Calcidonensem agere. / „Er [= Anastasius] wurde er gezwungen, indem Euphemius, der Bischof von Konstantinopel, darauf beharrte, schriftlich zu versprechen, nichts Böses gegen den apostolischen Glauben und die Synode von Chalcedon zu unternehmen.“ Der „apostolische Glaube“ und Chalcedon sind hier parallelisiert – sie entsprechen sich; s. z. B. auch u. S. 416–418 zu Chronicon 142. Vgl. auch Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E446, wo diese Maßnahme Euphemius von Ariadne zugestanden wird, nachdem sie ihn zwingt, zuzustimmen, dass Anastasius Kaiser wird. Von einer Krönung des Anastasius durch Euphemius, wie sie [Constantin Porphyrogenitus,] De cerimoniis 1,92 beschreibt, ist bei Victor von Tunnuna nicht die Rede; vgl. dazu Meier, Anastasios I., 70–75 (zur Darstellung der Einsetzung in De cerimoniis 1,92 vgl. insgesamt ebd., 66–75). Schwingt in dieser Darstellung die Nuance einer Krönung durch Gott selbst mit, steht Anastasius bei Victor eben von vorherein in einer Tradition der perfidia. Noch deutlicher, jedoch zunächst nicht mit „arianischer“ Herkunft verbunden bei Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E446 (125,26–27 Hansen): περὶ οὗ ἀντέστη Εὐφήμιος ὁ ἐπίσκοπος αἱρετικὸν
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Qui imperium sumens uiolenter cirographum suum ab Euphimio episcopo recolligit et aduersus sinodi Calcidonensis defensores episcopos attrociter seuit.250
Bei Anastasius verschärft sich also die antichalcedonensische Haltung, die Victor von Tunnuna bereits Zeno bescheinigte: Es geht bei ihm nicht mehr nur um die gefährdete Gemeinschaft der Kirchen im „katholischen“ Glauben, sondern Anastasius verfolgt nach der Darstellung der Chronik aktiv die Bischöfe, die Verteidiger der Synode von Chalcedon sind. Konkret wird gleich im Anschluss in derselben Notiz berichtet, dass Calandio, Nachfolger des Petrus Fullo als Patriarch von Antiochien und Verteidiger der Drei Kapitel, „von den schlechten Dingen zu den noch schlechteren Dingen geführt“ und für ihn Palladius ordiniert wird.251 καλῶν καὶ τῶν Χριστιανῶν ἀνάξιον. / „Ihm [= Anastasius] widersetzte sich der Bischof Euphemius und nannte ihn einen Häretiker und der Christen unwürdig.“ Vgl. auch Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E441, wo Euphemius Anastasius mit den Lehren des Eutyches in Verbindung bringt; vgl. Maraval, „Die Rezeption“, 137 (Anm. 83). Ganz anders hingegen wird Anastasius präsentiert bei Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,30 (125,32–126,4 Bidez/Parmentier; Übers. 293–295 Hübner): Οὗτος ὁ Ἀναστάσιος, εἰρηναῖός τις ὤν, οὐδὲν καινουργεῖσθαι παντελῶς ἠβούλετο, διαφερόντως περὶ τὴν ἐκκλησιαστικὴν κατάστασιν. Καὶ διὰ παντὸς ᾔει τρόπου τάς τε ἁγιωτάτας ἐκκλησίας ἀταράχους μεῖναι ἅπαν τε τὸ ὑπήκοον βαθείας γαλήνης ἀπολαύειν, πάσης ἔριδος καὶ φιλονεικίας ἐκ τῶν ἐκκλησιαστικῶν τε καὶ πολιτικῶν πραγμάτων ἐκποδὼν γενομένων. / „Dieser Anastasius, der ein friedfertiger Mensch war, wollte überhaupt keine Neuerungen, vor allem nicht in der Verfassung der Kirche. Er bemühte sich auf alle Art und Weise darum, daß die heiligsten Kirchen ungestört bleiben und alle Untertanen tiefen Frieden genießen konnten, während aller Streit und alle Zwietracht aus den kirchlichen und staatlichen Angelegenheiten ausgeschlossen waren.“ Vgl. dazu Kötter, Zwischen Kaisern, 262 (mit Anm. 856); Whitby, „The Church Historians“, 485–486. Zu von Anastasius angeregten Neuerungen während seiner Herrschaft bei Victor von Tunnuna s. u. S. 306–314 zu Chronicon 94. 250 Victor von Tunnuna, Chronicon 68 (21,346–349 Cardelle de Hartmann): „Als er die Herrschaft an sich nahm, nahm er sein eigenhändig geschriebenes Schriftstück vom Bischof Euphemius mit Gewalt wieder an sich und wütete erbarmungslos gegen die Bischöfe, die Verteidiger der Synode von Chalcedon waren.“ Bei Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,32, verlangt Anastasius das Schriftstück seines Glaubensbekenntnisses erst zurück, als Macedonius Bischof von Konstantinopel ist; die Rückforderung des erzwungenen Bekenntnisses zu Chalcedon durch den Kaiser wird auch erwähnt bei Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E447; vgl. Placanica, „Note“, 91 (ad a. 491,2). 251 Die betreffende Notiz im Zusammenhang mit der Nachfolge des Petrus Fullo ist allerdings nicht ganz eindeutig (Victor von Tunnuna, Chronicon 68 [21,349–354 Cardelle de Hartmann]): Inter que mortuo Petro Antiocheno episcopo, qui Calendione sinodi Calcidonensis defensore superstite fuerat ab hereticis Zenonis temporibus principis ordinatus, sententiam mutat in peius, ut Calendio quidem de malis ad peiora ducatur et pro eo Palladius ordinetur. Wahrscheinlich muss man wie Placanica den Einschub sententiam mutat in peius auf Anastasius beziehen; so übersetzt Placanica hier folgendermaßen (Übers. 23 Placanica): „Frattanto essendo morto Pietro vescovo di Antiochia, che era stato ordinato dagli eretici al tempo dell’Imperatore Zenone, vivente ancora Calendione, fautore della sinodo di Calcedonia, Anastasio aggrava le sue disposizioni, sì che Calendione è ridotto da una situazione compromessa ad altra peggiore, e viene insediato al su posto Palladio.“ D. h. also: „Inzwischen – nachdem der Bischof Petrus von Antiochien gestorben war, der, obwohl Calandio, Verteidiger der Synode von Chalcedon, noch lebte, von den Häretikern zu den Zeiten des Prinzeps Zeno ordiniert worden war – änderte er [= Anastasius] seine Gesinnung zum Schlechteren, so
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5.4.2 Anastasius und Euphemius von Konstantinopel Diesem als anticalcedonensisch gezeichneten Beginn von Anastasius’ Herrschaft entsprechen die folgenden Einträge zu ihm, die ihn insbesondere immer wieder im Gegenüber zu Euphemius von Konstantinopel zeigen: Weil Euphemius die calliditas, die Verschlagenheit, des Kaiser voraussieht, beruft er eine Synode ein, welche die Beschlüsse von Chalcedon bestätigt.252 Sodann lehnt Anastasius die Rückgabe des Bischofssitzes an Johannes von Alexandria (= Johannes Talaia) pro antiqua amicicia ab, und zwar pro defensione Calcidonesis [sic!] sinodi (Chronicon 71 [hier 22,367–369 Cardelle de Hartmann]). Dass Johannes Talaia Verteidiger Chalcedons ist, wiegt also schwerer als die „alte Freundschaft“. Anastasius steht auch hier in der antichalcedonensischen Tradition seines Vorgängers Zeno, der ja den Befehl zur Entfernung des Johannes von Talaia von dessen Bischofssitz gegeben hatte.253 Schließlich ruft Anastasius selbst eine Synode „von Häretikern“ ein – diese steht damit einerseits im Gegensatz zur Synode des Euphemius, andererseits aber bestätigt
dass Calandio gewiss von den schlechten Dingen zu den noch Schlechteren geführt wurde, und für ihn wurde Palladius ordiniert.“ So verstanden auch bei Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica fr. 38 (125,18 Hansen). Eine ähnliche Formulierung zu den mala findet sich in Chronicon 14, wo von Valentinians Ermordung sowie dem Überfall Geiserichs auf Rom berichtet wird: Hic itaque malum quod latebat apparuit. […] Sed his malis peiora succedunt (7,86–89 Cardelle de Hartmann); s. o. S. 235. S. auch u. Kap. 5.7.2.5 zu Chronicon 130. 252 Victor von Tunnuna, Chronicon 70 (22,360–362 Cardelle de Hartmann): Euphimius Constantinopolitanus episcopus Anastasii imperatoris calliditate preuisa sinodum congregat, Calcidonensis sinodi decreta confirmat. / „Euphemius, der Bischof von Konstantinopel, versammelte, weil er die Verschlagenheit des Kaisers Anastasius vorausgesehen hatte, eine Synode, und sie bestätigte die Beschlüsse von Chalcedon.“ Vgl. Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E451 (aus Theophanes), wo der Hinweis auf die Verschlagenheit des Anastasius als Grund, die Synode einzuberufen, allerdings fehlt; vgl. Placanica, „Note“, 9 (ad a. 492,2); Grillmeier, Jesus der Christus 2,1, 300 (mit Anm. 99). Voraus geht dieser Notiz eine kurze zusammenfassende Sammelangabe zu den Nachfolgen in den Patriarchaten, wobei der Umstand, dass Palladius Bischof von Antiochien wird, obwohl Calandio noch lebt, erneut erwähnt wird (Chronicon 69 [22,355–359 Cardelle de Hartmann]): Anastasio et Rufo consulibus, Romane ecclesie Felici succedit Gelasius, et Gelasio Anastasius. Alexandrine uero Athanasius preerat hereticus, Antiochene etiam ecclesie Palladius Calendione superstite factus et Iherosolimorum Salustius. / „Als Anastasius und Rufus Konsuln waren, folgte für die römische Kirche Gelasius auf Felix, und auf Gelasius Anastasius. Der alexandrinischen Kirche aber stand der Häretiker Athanasius vor, für die antiochenische Kirche wurde sogar Palladius, obwohl Calandio noch lebte, [zum Bischof] gemacht, und für die Kirche von Jerusalem Salustius.“ Zu Athanasius als hereticus vgl. schon Chronicon 64 (s. o. S. 277 [mit Anm. 219]); als haereticus wird er auch bezeichnet bei Liberatus von Karthago, Breuiarium 18 (132,20 Schwartz). Seine Nachfolge durch Johannes Mula und dann Johannes Niceta wird in Chronicon 73 notiert; s. dazu auch o. S. 224. 253 S. o. S. 270 zu Chronicon 53. Vgl. auch Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E452 (aus Theophanes). Schwartz, Publizistische Sammlungen, 273, betont die positive Hervorhebung des Johannes bei Victor (und bei Theodoros): „Die Geschichte wird ja nur erzählt, um Anastasius als ein undankbares Scheusal hinzustellen, während der ‚Tabennesiote‘ im Licht reinster Unschuld erstrahlt.“ Vgl. auch Placanica, „Note“, 91–92 (ad a. 494) zum in Chronicon 71 erwähnten Aufenthalt des Johannes Talaia in Rom.
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sich mit ihrer Einberufung auch das, was Euphemius von Anfang an befürchtete, dass nämlich Anastasius aufgrund seiner perfidia gegen Chalcedon und den apostolischen Glauben agieren würde. Auf dieser Synode bestätigt Anastasius das Henotikon, setzt Euphemius von Konstantinopel, der hier explizit als Verteidiger der Synode von Chalcedon bezeichnet wird, ab und schickt ihn nach Euchaita ins Exil.254 Die Absetzung des Euphemius steht damit bei Victor von Tunnuna nur im Zusammenhang mit der religiösen bzw. kirchenpolitischen Haltung des Bischofs. Der Vorwurf der Zusammenarbeit mit isaurischen Verschwörern, wie er sich bei Theodoros Anagnostes findet, also ein politischer Hintergrund der Absetzung,255 wird bei Victor von Tunnuna nicht erwähnt.256 Anastasius wird auch mit der Einberufung und Durchführung dieser Synode in unrechtmäßiger, antichalcedonensischer Tradition stehend gezeichnet: Indem er das Henotikon bestätigt, knüpft er an Zeno an, der bereits ebenso – zumindest implizit – der Kollaboration mit Häretikern bezichtigt wurde (vgl. Chronicon 53). Das Henotikon wird in der Chronik des Victor allerdings nur an dieser Stelle im Zusammenhang mit Anastasius erwähnt – es spielt also für dessen Darstellung keine größere Rolle mehr, obwohl es, wie Brennecke betont, unter Anastasius „zur Grundlage einer tatsächlichen antichalkedonensischen und den Monophysiten entgegenkommenden 254 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 74 (23,376–380 Cardelle de Hartmann): Anastasius imperator, hereticorum sinodum faciens, enoticum Zenonis confirmat et Euphimium episcopum Constantinopolitanum Calcidonensis sinodi defensorem deponit. Quem Euchaida exilium mittens, pro eo Macedonium facit. / „Kaiser Anastasius bestätigte, indem er eine Synode von Häretikern machte, das Henoti kon Zenos und setzte Euphemius, den Bischof von Konstantinopel, Verteidiger der Synode von Chalcedon, ab. Er schickte ihn nach Euchaita ins Exil, für ihn machte er Macedonius [zum Bischof].“ Vgl. zur Absetzung des Euphemius auch Meier, Anastasios I., 88–90; kurz auch Maraval, „Die Rezeption“, 139; Schwartz, Publizistische Sammlungen“, 222 (mit Anm. 1). Euchaita ist nach der Chronik Victors außerdem noch der Exilsort von Reparatus von Karthago, vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 165; s. dazu u. S. 421. Die Stadt lag in der Provinz Helenopontos zwischen Apameia und Konstantinopel und war in der Spätantike ein Exilsort für mehrere Kleriker, vgl. Thurn/Meier, Johannes Malalas, 392 (Anm. 32); vgl. auch die Datenbank Clerical Exile, die für „Euchaita“ 7 Treffer liefert (https://www.clericalexile.org/results?keyword=Euchaita [letzter Zugriff 07.01.2021]). Euphemius stirbt nach Victor von Tunnuna, Chronicon 97 einige Jahre später in Ankyra; s. u. S. 300. 255 Vgl. Schwartz, Publizistische Sammlungen, 222; Meier, Anastasios I., 89. Vgl. zu Angriffen auf Euphemius auch Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E453 und E454. 256 Vgl. zu diesem Vorwurf Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E449; E455; vgl. auch den Anklang daran bei Marcellinus Comes, Chronicon a. 495 (94,27–28 Mommsen): falso ab Anastasio principe accusatus. Nur ganz knapp zur Entfernung des Ephemius aus dem Amt Liberatus von Karthago, Breuiarium 18 (132,7–9 Schwartz). Bei Johannes Malalas, Chronographia 16,11 wird Euphemius ins Exil geschickt, weil er Nestorianer sei. Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,23 erwähnt nur, dass er abgesetzt wurde. Bei Ps-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica 7,1 wird Euphemius als chalcedontreuer, mit Felix von Rom gemeinsame Sache machender Häretiker dargestellt; die Stellen bei Placanica, „Note“, 92 (ad a. 496). Tatsächlich war das Verhältnis von Euphe mius zu Rom konflikthaft, weil Euphemius Acacius nicht aus den Diptychen streichen wollte, vgl. Grillmeier, Jesus der Christus 2,1, 300–301, so dargestellt bei Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E442. Zum isaurischen Krieg bei Victor von Tunnuna vgl. Chronicon 72, ohne Bezug auf andere Ereignisse.
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Theologie und Kirchenpolitik wurde […] – und zwar in monophysitischer Bearbeitung“.257 So wird auch etwa in der Chronik Victors, anders als in der Epitome der Historia ecclesiastica des Theodoros Anagnostes, Macedonius nicht von Anastasius gezwungen, das Henotikon zu unterzeichnen.258 5.4.3 Weitere antichalcedonensische Maßnahmen des Anastasius Auch nachdem Euphemius beseitigt ist, wird in der Darstellung der Chronik die anti chalcedonensische Religionspolitik des Anastasius fortgesetzt: Zunächst ist es Mace donius, von Anastasius zum Nachfolger des Euphemius gemacht,259 der durch eine Synode diejenigen verdammt, die die Beschlüsse Chalcedons annehmen und die die Sache des Nestorius und des Eutyches verteidigen.260 Die Verteidiger Chalcedons sind damit aus der Sicht des Macedonius (und der einberufenen Synode) ebenso Häretiker wie die, die in Chalcedon verurteilt wurden. Damit parallelisieren bei Victor von Tunnuna an dieser Stelle Macedonius und seine Synode als Gegner Chalcedons die
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Brennecke, „Chalkedonense“, 50. Vgl. Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E456, vgl. E487. S. o. Anm. 254. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 75 (23,384–386 Cardelle de Hartmann): Macedonius Constantinopolitanus episcopus sinodo facta condemnat eos qui Calcidonensis decreta sinodi suscipiunt et eos qui Nestorii et Euticis defendunt. / „Macedonius, der kostantinopolitanische Bischof, verurteilte, nachdem eine Synode abgehalten worden war, die, die die Beschlüsse der Synode von Chalcedon annahmen und die, die [die Dinge von] Nestorius und Eutyches verteidigten.“ Deutlich wohlwollender gegenüber Macedonius ist Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E459 (aus Theophanes [129,16–18 Hansen]): συνεβούλευσε τῷ βασιλεῖ τοὺς ἐνδημοῦντας ἐπισκόπους συνελθεῖν καὶ τὰ ἐν Χαλκηδόνι καλῶς δογματισθέντα ἐγγράφως βεβαιῶσαι· / „Er [= Macedonius] riet dem König, dass die beheimateten Bischöfe zusammenkommen und die in Chalcedon gut gelehrten Dingen schriftlich bestätigen.“ Hansen (apparatus ad locum) bezeichnet den Zusammenhang der Angaben von Victor und Theodoros als „unklar“. Placanica, „Note“, 92–93 (ad a. 497,1) stellt hier unter Bezug auf das Synodicon Vetus 110, das zusätzlich erwähnt, dass Macedonius das Henotikon Zenos aus Angst vor Anastasius schweigend übergangen habe, folgenden Zusammenhang her: Victor habe gelesen, dass Macedonius sowohl die Verurteilung des Eutyches und des Nestorius bestätigt als auch das Henotikon verschwiegen habe – „il cronista dovette intendere tale comportamento – alla luce delle proprie convenzioni – come aperta condanna del Calcedonense“. Daher habe er die Synode so dargestellt. Weil es keine weitere Information darüber gibt, welchen Text Victor hier tatsächlich als Quelle zu Verfügung hatte, bleibt diese Vermutung aber spekulativ. Vgl. auch Grillmeier, Jesus der Christus 2,1, 303, zu dieser Stelle bei Victor von Tunnuna: „Die angebliche Verfluchung Chalcedons kann um diese Zeit noch als die übliche monophysitische Interpretation“ eines Teils des Henotikons verstanden werden. Meier, Anastasios I., 254, sieht die Möglichkeit, dass die Synode der „Wiederherstellung eines oberflächlichen Konsenses in Konstantinopel“ dienen sollte. Letztlich passt die Notiz Victors aber einfach in seine Geschichte der Ablehnung Chalcedons unter Anastasius, eine (Re-)Konstruktion dessen, was er möglicherweise bei anderen falsch verstanden hat, trägt kaum etwas darüber hinaus aus.
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Verteidiger Chalcedons mit zwei (sich ausschließenden, als extrem geltenden) theologischen Positionen, mit den Anhängern des Nestorius und des Eutyches.261 Die antichalcedonensischen Maßnahmen des Anastasius beziehen sich dann auch auf die Drei Kapitel, die in diesem Zusammenhang zum ersten Mal seit der Notiz zum Konzil von Chalcedon (vgl. Chronicon 10) erwähnt werden: Kurz nach der eben genannten Synode versammelt Anastasius wieder selbst eine Synode in Konstantinopel unter dem Vorsitz des Flavian II. von Antiochien (498–512) und des Philoxenus von Mabbug (Hierapolis), auf der durch die Überredung des Kaisers neben Diodorus von Tharsus und anderen, die mit ihrer theologischen Position zitiert werden (qui in Christo duas predicabant naturas duasque formas et qui non confiterentur unum de Trinitate crucifixum)262, auch die Drei Kapitel, die Synode von Chalcedon und Leo mit dem Tomus Leonis verurteilt werden. Die Drei Kapitel sind hier formal allerdings noch nicht als solche bezeichnet, sondern werden als die betreffende Personen mit konkretem Name – Theodor von Mospuestia, Theodoret von Kyrrhos und Ibas von Edessa – ge-
261 In den auf Chronicon 75 folgenden Abschnitten geht es einerseits um Geschehnisse in Africa (Chronicon 77 und 78; s. u. Kap. 5.5.4), andererseits werden die Bischofsabfolgen in Antiochien, Ale xandria und Jerusalem (Chronicon 77) sowie in Rom (Chronicon 76) notiert. Victor berichtet in Chronicon 76 (hier 24,390–391 Cardelle de Hartmann) von der Einsetzung zweier Bischöfe – „[auf Anastasius folgte] Symmachus, und von der anderen Seite wurde Laurentius ordiniert“ (Simmacus, et ex alia parte Laurencius ordinatur) –, erwähnt hier also das laurentianische Schisma, ordnet es aber nicht in die Streitigkeiten um die Rezeption Chalcedons – oder konkreter: um das Henotikon, also auch mit Bezug auf die Frage nach einem Ausgleich zwischen Rom und Konstantinopel – ein, sondern verbindet es v. a. mit dem Umstand, dass Laurentius nicht Bischof der Stadt Nuceria habe sein wollen (dum Nocerie ciuitati episcopus nollet esse contemptus [24,391–392 Cardelle de Hartmann]). Vgl. dazu Grillmeier, Jesus der Christus 2,1, 349; Sotinel, „Rom und Italien“, 311–317; vgl. auch weitere Hinweise bei Placanica, „Note“, 93 (ad a. 497,2). Placanica weist ebd. auch darauf hin, dass Victor von Tunnuna anders als Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastia E461 in diesem Zusammenhang die Rolle des Senators Faustus, der sich für Laurentius einsetzte, nicht erwähnt; vgl. zum Schisma auch Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E462. Die im Gegenüber zur Epitome der Historia ecclesiastica deutlich kürzere Version der Ereignisse führt Placanica auch hier auf die „brevitas imposta dal genere“ (= Chronik) zurück. Wie aber auch an anderen Stellen der Chronik deutlich wird, interessiert sich Victor von Tunnuna offenbar insgesamt weniger für die Bischöfe von Rom, trotz Ausnahmen wie den Stellen, an denen er Prosper rezipiert, oder denen, die den Bischof von Rom im Drei-Kapitel-Streit betreffen. Die Kürze der Abhandlung des laurentianischen Schismas ist wohl eher auf diesen Umstand zurückzuführen als grundsätzlich auf die breuitas einer Chronik. 262 Zu den formae als Begriff für die beiden Naturen Christi vgl. Phil 2,6–7 – die zwei Formen betonen insbesondere die „Spaltung oder Verteilung der Eigenschaften“ (Grillmeier, Jesus der Christus 2,1, 306). Der Tomus Leonis nimmt diese Begrifflichkeit auf, vgl. Leo I., Tomus ad Flauianum 24,4 (Agit enim utraque forma cum alterius communione, quod proprium est; Verbo scilicet operante quod Verbi est, et carne exsequente quod carnis est. / „Denn jede der beiden Formen tut in Gemeinschaft mit der andern, was ihr eigen ist, indem das Wort [Gottes] wirkt, was des Wortes ist, und das Fleisch verrichtet, was des Fleisches ist.“ [PL 54, 767A Migne; Übers. Wenzlowski/Arndt, s. p.]). Vgl. Placanica, „Note“, 96 (ad a. 499). Die Formel „dass einer von der Trinität gekreuzigt wurde“ richtete sich vor allem gegen eine Unterscheidung der zwei Naturen, aus der eine Zuordnung des Leidens nur zur menschlichen Naturs folgen konnte. S. auch weiter u. Kap. 5.4.9.
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nannt.263 Wahrscheinlich bezieht Victor von Tunnuna sich hier auf eine Synode, die erst im Jahr 507264 stattfand, denn Philoxenus von Mabbug hielt sich 499 noch nicht in Konstantinopel auf.265 Zudem ist es möglich, dass hier verschiedene Ereignisse zusammengeworfen werden: Einerseits eben die Synode in Konstantinopel im Jahr 507, andererseits die Verdammung des Diodorus durch Flavian von Antiochien (ca. 509– 511).266 Die Absage an die Formel „dass einer aus der Trinität gekreuzigt wurde“ findet sich in diesem Zusammenhang nur bei Victor von Tunnuna. Die Formel könnte hier als Anspielung auf das Henotikon gedeutet werden, allerdings wird dieses hier nicht explizit genannt.267 Diejenigen, die sich nicht zu dieser Formel bekennen, werden jeden263 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 81 (25,411–420 Cardelle de Hartmann): Anastasius imperator Flauiano Antiocheno et Filoxino Iheropolitano presulibus Constantinopolim sinodum congregat et Diodorum Tarsensem, Theodorum Mopsuestenum cum scriptis, Theodoretum Cyri, Ibam Edesenum, Andream, Eutherium, Quirum et lohannem, episcopos ceteros alios qui in Christo duas predicabant naturas duasque formas et qui non confiterentur unum de Trinitate crucifixum una cum Leone Romano episcopo et eius tomo atque Calcidonensi sinodo inferre anathemam persuasit. / „Kaiser Anastasius versammelte unter dem Vorsitz von Flavian von Antiochien und Philoxenus von Hierapolis eine Synode in Konstantinopel und überredete [sie], Diodorus von Tarsus, Theodor von Mopsuestia mit seinen Schriften, Theodoret von Kyrrhos, Ibas von Edessa, Andreas, Eutherius, Quirus und Johannes [= Andreas von Samosata, Eutherios von Tyana, Kyros (von Hieropolis, vgl. Grillmeier, Jesus der Christus 2,1, 307 [Anm. 126]) und Johannes von Aigai; vgl. Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica fr. 54 (135 Hansen, apparatus ad locum); vgl. Grillmeier, Jesus der Christus 2,1, 306], und einigen anderen Bischöfen, die predigten, dass in Christus zwei Naturen und zwei Formen seien und die nicht bekennen wollten, dass einer von der Trinität gekreuzigt wurde, zugleich mit Leo, dem Bischof von Rom, und seinem Tomus und mit der chalcedonensischen Synode, das Anathema zuzufügen.“ 264 D. h. nicht 499 nach unserer Zeitrechnung wie bei Victor von Tunnuna. Die bei Victor von Tunnuna genannten Namen (ohne Quirus) sowie Nestorius werden zudem für die Synode von 507 auch bezeugt in einem Glaubensbekenntnis des Philoxenus bei Ps-Zacharias-Rhetor, Historia ecclesiastica 7,8 (vgl. ebd. 9,21 [Brief des Anthimus an Severus von Antiochien]). Dort werden v. a. die Namen/Personen selbst betont, auch in ihrer Verbindung zu Chalcedon, aber Chalcedon selbst wird nicht verurteilt, vgl. Meier, Anastasios I., 255; vgl. auch Grillmeier, Jesus der Christus 2,1, 306; Maraval, „Die Rezeption“, 141. Vgl. auch Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,31, wo den genannten Personen durch Philoxenus Nestorianismus vorgeworfen wird. Vgl. auch Placanica, „Note“, 95–96 (ad a. 499). Kyros (Quirus) und Johannes werden auch erwähnt und mit Nestorius in Verbindung gebracht bei Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 3,2,20; vgl. 5,1,17 (aus Justinians nicht erhaltenem Edikt gegen die Drei Kapitel). 265 Vgl. Meier, Anastasios I., 255. Zur Synode vgl. auch Grillmeier, Jesus der Christus 2,1, 305–306. 266 So Abramowski, „La prétendue condamnation“, 64–65; vgl. Placanica, „Note“, 95 (ad a. 499). Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E472 (aus Theophanes) berichtet von einer von Flavian (der von Anastasius gezwungen worden sei, das Henotikon zu unterschreiben) einberufenen Synode in Antiochien, die die Beschlüsse von Nizäa, Konstantinopel und Ephesus bestätigt, die Synode von Chalcedon aber verschwiegen habe. In diesem Zusammenhang seien capitula von Diodorus und von Theodor von Mopsuestia verurteilt worden. Philoxenus habe zudem den Tomus Leonis und Chalcedon verurteilt. Diese Notiz steht im Rahmen des Konfliktes zwischen Flavian und Philoxenus. 267 Vgl. Placanica, „Note“, 96 (ad a. 499). Vgl. Zeno, Henotikon (54,8–9 Schwartz): ἔμεινεν γὰρ ἡ τριὰς τριὰς καὶ σαρκωθέντος τοῦ ἑνὸς τῆς τρίαδος θεοῦ λόγου. / „Es blieben nämlich die Drei drei, auch als der eine aus der Trinität, Gott Logos, Fleisch wurde.“ (Übers. in Anlehnung an 365 Hübner). Die Formel unus de trinitate pro nobis crucifixus spielt auch bei Facundus von Hermiane (Pro defen-
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falls zusammen mit den Drei Kapiteln und anderen von Anastasius verurteilt, wobei aus der Notiz nicht deutlich wird, ob die genannten Positionen nur den „anderen Bischöfen“ oder auch den namentlich genannten zugeschrieben werden. Deutlich ist die Betonung des Anastasius als Chalcedon-Gegner auch in den folgenden kurzen Notizen. Sie sagen wenig über die Begleitumstände der jeweiligen Ereignisse aus, rücken aber das chalcedonfeindliche Handeln des Kaisers in den Fokus: Anastasius schickt Macedonius von Konstantinopel mit anderen Klerikern ins Exil, weil dieser die Beschlüsse Chalcedons nicht verdammen will. Die Notiz dazu bei Victor von Tunnuna ist – im Gegensatz zu anderen Quellen – nur kurz, aber deutlich: Anastasius imperator Macedonium […] cum quibusdam clericis nolentem sinodi Calcidonensis decreta damnare ab ecclesia rapit et in exilium mittit.268 Die näheren Umstände der Absetzung, auch die vorherige Hinwendung des Macedonius zur Verteidigung Chalcedons (Chronicon 75), der ja zuvor noch als Chalcedon-Gegner dargestellt worden war, spielen in der Chronik hingegen keine Rolle.269 Eine Verbindung mit dem sione trium capitulorum 1) eine wichtige Rolle, vgl. Bruns, „Zwischen Rom und Byzanz“, 173–175. In einem Brief aus dem Jahr 519 von Germanus, Johannes, Dioskur und Blandus an Hormisdas (Collectio Auellana 217,8–9 [hier 678,22–27 Günther]) wird die Formel unum de trinitate crucifixum als über die vier Synoden und über die Briefe des Papstes Leos hinausgehend angesehen (extra synodos quattuor, extra epistolas papae Leonis), daher wird der Papst in dem Brief gebeten, diese Neuigkeit nicht schriftlich zu bestätigen (ut nulla nouitas a sede apostolica scribatur). Zur Einschätzung von Neuigkeiten in der Chronik s. u. bspw. in Kap. 5.4.9 und 5.7.3.7. 268 Victor von Tunnuna, Chronicon 83 (26,429–432 Cardelle de Hartmann): „Kaiser Anastasius raubte aus der Kirche Macedonius […] mit gewissen Klerikern, weil er die Beschlüsse der Synode von Chalcedon nicht verdammen wollte, und er schickte [sie] ins Exil“. Vgl. Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E492 (hier 139,25–26 Hansen): ὁ Μακεδόνιος […] νυκτὸς αὐτὸν μετὰ βίας ἐπὶ τὴν Χαλκηδόνα ἐξέπεμψεν. / „Macedonius […] wurde bei Nacht mit Gewalt wegen der chalcedonensischen Synode vertrieben.“ Als Intrige von Philoxenus und Dioskur ist die Absetzung dargestellt bei Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,31. 269 Anders bei Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E477; vgl. auch Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E474, wonach Macedonius zudem eine weitere ökumenische Synode einberufen wollte, der der Bischof von Rom vorstehen sollte, was Macedonius die Gegnerschaft des Kaisers eingebracht habe. Macedonius wird bei Theodoros als mutiger Bekenner bis in den Tod gefeiert, vgl. etwa auch Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E515; vgl. Gleede, „Liberatus’ Polemik“, 102; Whitby, „The Church Historians“, 470; s. auch u. S. 301 (Anm. 319) zur Rolle der Ariadne (vgl. Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E489). Mit „Intrigencharakter“ als Intrige des Anastasius (Meier, Anastasios I., 414 [Anm. 83]) wird die Absetzung des Macedonius dargestellt auch bei Marcellinus Comes, Chronicon a. 511. Vgl. ausführlich, aber mit negativer Sicht auf Macedonius auch bei Ps-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica 7,(7–)8; vgl. dazu Meier, Anastasios I., 264–265. Vgl. insgesamt und zu den Begleitumständen der Absetzung des Macedonius, die in einen Machtkampf zwischen Kaiser und Patriarch münden, Meier, Anastasios I., 260–266. Bei Victor von Tunnuna wirkt die Absetzung aufgrund der nicht dargestellten vorherigen Entwicklungen sehr plötzlich. Bei Liberatus von Karthago, Breuiarium 19 (133,8–13 Schwartz) wird die Absetzung des Macedonius mit der Verfälschung der (Botschaft der) Evangelien begründet (tamquam euangelia falsasset) und der Änderung des Apostelwortes 1 Tim 3,16. Severus von Antiochien habe Macedonius daher als Nestorianer beschuldigt und hinausgeworfen. Die sonstigen Ereignisse von 511 spielen bei Liberatus wie bei Victor von Tunnuna keine Rolle; vgl. insgesamt Gleede, „Liberatus’ Polemik“, 102–104 (zu der Angabe einer Verfälschung bzw. Verbesserung des Evangeliums
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ersten Staurotheis-Aufstand fehlt ebenso.270 Zudem wird die Absetzung des Macedonius einige Jahre vorverlegt.271 Die Aktion des Anastasius ist insofern erfolgreich, als Macedonius’ Nachfolger Timotheus dann wieder die communio mit den Verurteilern Chalcedons aufnimmt.272 5.4.4 Anastasius und Severus von Antiochien In Antiochien macht Anastasius, von dem sich Flavian schließlich lossagt (Anastasium imperatorem deserit),273 den Chalcedon-Feind Severus (Calcidonensis sinodi inimicum) zu dessen Nachfolger.274 Damit verschafft er275 der Kirche des Ostens scandala mag-
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in der Chronik Victors von Tunnuna s. u. Kap. 5.4.5). Eine kurze Notiz zu Macedonius findet sich auch bei Johannes Malalas, Chronographia 16,11, wo Macedonius als Nestorianer abgesetzt wird (vgl. die Anschuldigung bei Liberatus von Karthago). Vgl. auch Grillmeier, Jesus der Christus 2,1, 309–315 zum sog. Typus des Anastasius (ein Gutachten zur Interpretation des Henotikon, das den Tomus Leonis und diejenigen, die nach der Einigung von zwei Naturen reden, verurteilt) und zur Rolle des Severus von Antiochien bei der Absetzung des Macedonius; vgl. auch Maraval, „Die Rezeption“, 141–142. Vgl. Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 270–271; Meier, Anastasios I., 262–263; vgl. Theodoros Ana gnostes, Historia ecclesiastica E483; vgl. E484–E486. Zum Staurotheis-Aufstand s. u. Kap. 5.4.5. Vgl. Placanica, „Note“, 97 (ad a. 501). Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 83 (26,433–434 Cardelle de Hartmann): qui [= Timotheus] continuo damnatores sinodi Calcidonensis in communione suscepit. / „der sogleich die Verurteiler der Synode von Chalcedon in Gemeinschaft empfing“. In diesem Abschnitt der Chronik kommt die communio wörtlich nur hier und in Chronicon 90 vor, wo sich Elias von Jerusalem weigert, Severus von Antiochien in der communio zu emfangen; s. u. Anm. 44. Zur Kategorie der communio bei Victor von Tunnuna s. besonders u. Kap. 5.7.3. Tatsächlich war Flavian von Antiochien zuvor in den Konflikten immer wieder der chalcedonfeindlichen Seite entgegengekommen; er hatte insgesamt aber versucht, vermittelnd zu wirken, ohne Chalcedon offen abzulehnen. Vgl. Maraval, „Die Rezeption“, 142–143; zum Konflikt zwischen Philoxenus und Flavian vgl. Grillmeier, Jesus der Christus 2,1, 306–309, 316–317; zu Flavians Absetzung vgl. auch Meier, Anastasios I., 267; Kötter, Zwischen Kaisern, 126–127, 235. Flavians Exil in Petra nennt die Chronik Victors nicht; vgl. Marcellinus Comes, Chronicon a. 512,9; Johannes Mala las, Chronographia 16,11. Bei Marcellinus Comes wird Flavian an der genannten Stelle als confessor Christi bezeichnet (98,18 Mommsen). Auch hier berichten andere – ob pro- oder antichalcedonensische – Quellen mehr zu den Begleitumständen als Victor von Tunnuna, vgl. Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,31–32; Ps-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica 7,10. Vgl. Placanica, „Note“, 97–98 (ad a. 504). Bei Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E498 (aus Theophanes) ist es der Kaiser selbst, der Flavian als Bischof entfernt und Severus, den „Feind der Wahrheit“ (τῆς ἀληθείας ἐχθρὸν [142,16 Hansen]) einsetzt. Vgl. dazu auch Schwartz, Publizistische Sammlungen, 247. Severus von Antiochien wird an dieser Stelle in der Chronik zum ersten Mal genannt. Vgl. zu Severus’ Werdegang Grillmeier, Jesus der Christus 2,1, 309–311. Das Subjekt des Satzes ecclesie orientis scandala magna ministrat (Chronicon 85 [27,442–443 Cardelle de Hartmann]) ist nicht ganz eindeutig: Es könnte Anastasius sein, der im (Halb-)Satz zuvor Subjekt war, wahrscheinlicher ist aber, dass Severus hier als Subjekt gemeint ist, der im (Halb-) Satz zuvor Akkusativobjekt war, aber ja als Patriarch für das ministrare in der Kirche des Ostens zuständig ist. In der Darstellung Geschichte durch die Chronik verschafft allerdings auch der Kaiser
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na.276 Worin die scandala magna des Severus von Antiochien im Einzelnen bestehen, wird in der Chronik allerdings nicht deutlich, jedenfalls nicht in der Zeit des Anastasius – es wird zwar mehrfach betont, dass Severus „Feind Chalcedons“ oder auch „des apostolischen Glaubens“ ist, es wird aber so gut wie nicht ausgeführt, was dies inhaltlich bezüglich seiner Aussagen oder auch bezüglich seiner Handlungen bedeutet.277 Erst später unter Justinian wird im Zusammenhang mit Severus’ Exilierung durch den Kaiser auch kurz auf die inhaltliche Position des Severus eingegangen (Chronicon 124).278 Durch die Benennung des Severus als Chalcedon-Gegner wird also einerseits dieser selbst von Anfang an pauschal negativ charakterisiert, wie andere Gegner der Synode zuvor auch. V. a. werden aber durch seine Bezeichnung als „Feind Chalcedons“ auch die chalcedon-feindlichen Motive des ihn einsetzenden Kaisers Anastasius deutlich. Diese zeigen sich auch, wenn der Kaiser für Severus in kirchliche Angelegenheiten eingreift und damit seine Handlungen als Handlungen eines Chalcedon-Feindes dargestellt werden – etwa, wenn Anastasius Elias von Jerusalem, einem „Verteidiger der selbst den östlichen Kirchen scandala magna – und indem der Kaiser hinter der Einsetzung des Severus steckt, ist er letztendlich auch dann für die scandala mitverantwortlich, wenn das Subjekt des ministrat Severus ist. 276 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 85 (27,438–443 Cardelle de Hartmann): Flauianus Antiochenus episcopus sera penitentia Anastasium imperatorem deserit et in possessione Platani uocabulo relicto trono suo recedit. Huic Anastasius imperator Seuerum Calcidonensis sinodi inimicum subrogat, ecclesie orientis scandala magna ministrat. / „Bischof Flavian von Antiochien verließ mit später Reue Kaiser Anastasius und zog sich zurück auf seinen Besitz mit dem Namen Platanus, nachdem er seinen Thron verlassen hatte. An dessen Stelle ließ Kaiser Anastasius Severus, einen Feind der Synode von Chalcedon, wählen. Er bereitete der Kirche des Ostens große Ärgernisse.“ Bei Victor von Tunnuna ist damit die Bezeichnung des Severus als „offenkundiger Feind der Wahrheit“, die bei Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E498 (142,16 Hansen [aus Theophanes]) zu finden ist (Σευῆρον τὸν προφανῆ τῆς ἀληθείας ἐχθρὸν), konkretisiert: Der „Feind der Wahrheit“ ist hier der „Feind der Synode von Chalcedon“. In der Chronik des Marcellinus Comes (a. 519) wird Severus in diesem Zusammenhang als Eutychetis perfidiae cultor bezeichnet (98,24 Mommsen). Bei Liberatus von Karthago, Breuiarium 19 (133,25–26 Schwartz) ist es Severus selbst, der Flavian vom Bischofssitz entfernt, vgl. zur entsprechenden Darstellung des Severus bei Liberatus Gleede, „Liberatus’ Polemik“, 100–102. Severus wurde im November 512 zum Bischof von Antiochien geweiht, vgl. Meier, „Der Aufstand“, 186 (mit Anm. 138); Placanica, „Note“, 98 (ad a. 504). Vgl. ausführlicher zu Severus auch Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,33; weitere Quellen bei Placanica, „Note“, 98 (ad a. 504). Zu Severus von Antiochien und den Konflikten um ihn vgl. neben Grillmeier, Jesus der Christus 2,1, 309–315 u.ö; ders., Jesus der Christus 2,2, 20–185; vgl. als Überblick auch Maraval, „Die Rezeption“, 140–146. 277 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 90 (Severus als apostolice fidei inimicus [vgl. 29,480 Cardelle de Hartmann]); 98 (Hinweis auf die impietates Seueri Antiocheni [32,540 Cardelle de Hartmann]); 104 (Severus als princeps heresis [104,569 Cardelle de Hartmann]); 108 (Severus als Calcidonensis sinodi obtrectator [35,600 Cardelle de Hartmann]). Eine Ausnahme ist Chronicon 93, wo eine direkte Verbindung von Severus zu den theopaschitischen Bischöfen hergestellt wird; s. dazu u. S. 304–305. 278 S. u. Kap. 5.7.1.5. In Chronicon 130 wird Severus dann als einer der Adressaten des von Antoni na erzwungenen Briefes des Vigilius, in dem die Drei Kapitel verurteilt werden, genannt; s. u. Kap. 5.7.2.4.
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Synode von Chalcedon“, befiehlt, mit Severus von Antiochien, dem „Feind des apostolischen Glaubens“, Gemeinschaft zu haben. Elias jedoch weigert sich; nachdem er ins Exil geschickt wird, handelt sein Nachfolger Johannes nach der Darstellung der Chronik sofort entsprechend diesem Befehl des Kaisers und verdammt zudem Chalcedon.279 In der Epitome des Theodoros Anagnostes tut Johannes nach seiner Ordination beides nicht, obwohl er dies zunächst verspricht.280 Damit wird also Johannes bei Victor von Tunnuna einerseits deutlich negativer dargestellt, andererseits werden mit der wörtlichen Durchführung des zuvor genannten Befehls des Kaisers eben dieser Befehl und damit auch der Befehlende in den Fokus gerückt: Es ist der Kaiser, der hier Bischöfe seine Befehle ausführen lässt und der sie dahingehend beeinflusst, dass sie Chalcedon verdammen.281 Der befehlende Kaiser greift also in kirchliche Angelegenheiten ein mit dem Ziel der Verdammung Chalcedons.282 Von Johannes hingegen wird in der Chronik später nichts Negatives mehr berichtet, und er erscheint auch nicht weiter als Feind Chalcedons.283
279 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 90 (29,478–485 Cardelle de Hartmann): Helyas episcopus Iherosolimitanus sinodi Calcidonensis defensor, nolens Seuerum Antiochenum apostolice fidei inimicum in communione precipiente Anastasio imperatore suscipere, exilio Parasenensi castello traditur et pro eo Iohannes crucis custos episcopus ordinatur, qui confestim et Seuerum Antiochenum in communionem suscepit et sinodum Calcidonensem damnauit. / „Elias, der Bischof von Jerusalem, ein Verteidiger der Synode von Chalcedon, wurde ins Exil in das Kastell von Parasenensis geschickt, weil er Severus von Antiochien, den Feind des apostolischen Glaubens, nicht in Gemeinschaft empfangen wollte, obwohl Kaiser Anastasius es befahl, und für ihn wurde Johannes, der Wächter des Kreuzes, als Bischof ordiniert, der sofort sowohl Severus von Antiochien in Gemeinschaft empfing als auch die chalcedonensische Synode verdammte.“ Bei Marcellinus Comes, Chronicon a. 516,2 und Kyrill von Skythopolis, Vita Sabae 60 ist der Exilsort des Elias in Aila (Eilat). Bei Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 4,37 wird Johannes nicht als Nachfolger des Elias genannt. Bei Ps-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica 7,12 stimmt Elias Severus (und Philoxenus) zu, wird aber trotzdem vertrieben. Vgl. zu den verschiedenen Angaben Placanica, „Note“, 99–100 (ad a. 509). Zu Elias und Johannes vgl. auch Kötter, Zwischen Kaisern, 239–242. 280 Vgl. Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E517a (aus Theophanes [149,16–17 Hansen]): συνθέμενος ποιεῖν ὅσα θέλωσιν· χειροτονηθεὶς δὲ οὐδέτερον ἐποίησεν. / „Er stimmte zu, zu tun, was sie wollten; nachdem er aber ordiniert worden war, tat er keines von beiden.“ So auch bei Kyrill von Skythopolis, Vita Sabae 56. 281 Vgl. hingegen Hansen zu Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica fr. 72 (149 Hansen, apparatus ad locum): Der Widerspruch des Textes der Chronik zu Kyrill und Theodoros hinsichtlich der Position des Johannes „erklärt sich durch Oberflächlichkeit Victors“. 282 Will man die scandala magna aus Chronicon 85 auf Anastasius beziehen und nicht auf Severus von Antiochien (s. o. Anm. 275), wäre diese Beeinflussung der Bischöfe ein Beispiel dafür. 283 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 108, wo schlicht notiert wird, dass er das Bischofsamt von Jerusalem innehat; 119: Tod des Johannes und Nachfolge durch Petrus.
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5.4.5 Die „Verbesserung“ des Evangeliums Eine Notiz, die in der Epitome des Theodoros Anagnostes fehlt,284 schreibt Anastasius in diesem Kontext die „Verbesserung“ des Evangeliums zu: Constantinopolim iubente Anastasio imperatore sancta euangelia tanquam ab idiotis euangelistis composita reprehenduntur atque emendantur.285 Die Notiz erinnert an die bereits genannte Begründung der Absetzung des Macedonius bei Liberatus von Karthago, Breuiarium 19: Hoc tempore Macedonius Constantinopolitanus episcopus ab imperatore Anastasio dicitur expulsus, tamquam euangelia falsasset et maxime illud apostoli dictum […].286 Benjamin Gleede hat gezeigt, dass die bei Liberatus Macedonius zugeschriebene Änderung des Textes von 1 Tim 3,16 „die dominante Lesung der antiochenischen Kommentartradition darstellt“,287 u. a. auch bei Theodoret von Kyrrhos.288 Es sei daher möglich, dass hinter der Notiz bei Liberatus ein Disput zwischen Severus von Antiochien und Macedonius stehe, in dem es um eine dyophysitische Passage bei antiochenischen Autoren gegangen sei. Während diesem Disput habe Severus Macedonius (und seiner antiochenischen Quelle) vorgeworfen, den Bibeltext verfälscht zu haben.289 Damit ist freilich zunächst noch nichts über Chronicon 87 gesagt. Bei Victor und Liberatus wird jeweils einer anderen Person eine Verfälschung des Evangeliums vorgeworfen, und zwar sogar Gegenspielern (Anastasius bzw. Macedonius). Immerhin stehen aber beide „Verfälschungen“ zeitlich eng beieinander, nämlich im Kontext der 284 Auch bei Theophanes fehlt sie, dennoch hat Hansen sie in seine Edition eingefügt: „Lo Hansen la inserisce tuttavia dubbiosamente nela sua edizione come fr. 61“, Placanica, „Note“, 98 (ad a. 506). 285 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 87 (27,449–451 Cardelle de Hartmann): „In Konstantinopel wurden auf Befehl des Kaisers Anastasius die heiligen Evangelien getadelt, als ob sie von den Evangelisten als Ungebildeten verfasst worden seien, und sie wurden berichtigt.“ Diese Notiz wurde insbesondere im 18. Jahrhundert hinsichtlich der Frage nach einem Betrug der Kirche durch die Verfälschung des Evangeliums breit diskutiert, vgl. Placanica, „Note“, 98–99 (ad a. 506); dort auch zum Hinweis in der folgenden Anmerkung. Schwartz, Publizistische Sammlungen, 243–244 (Anm. 3) nennt sie „Unsinn“. Isidor (Chronica 2, 389b [187 Martín]) übernimmt die Notiz und setzt die Verben reprehendere und emendare mit Anastasius als Subjekt ins Aktiv. 286 Liberatus von Karthago, Breuiarium 19 (133,8–13 Schwartz): „Man sagt, dass zu dieser Zeit Macedonius, der Bischof von Konstantinopel, von Kaiser Anastasius hinausgeworfen wurde, weil er angeblich die Evangelien verfälscht hatte und am meisten den Spruch des Apostels […].“ Vgl. schon Bentley, Remarks upon a Late Discours, 112–120, der versucht, die beiden Passagen zusammen zu deuten: Victor berichte hier von einer Emendation der Kopien derselben Evangelien, die Macedonius (nach Liberatus) verfälscht habe, durch Anastasius. S. auch o. S. 119 (Anm. 146). 287 Gleede, „Liberatus’ Polemik“, 103. Vgl. ebd., 102 auch zur konkreten Textänderung, die aber für die Notiz bei Victor von Tunnuna keine Rolle spielt. 288 Vgl. etwa Theodoret von Kyrrhos, In epistulam primam ad Timotheum (PG 82, 809D Migne); vgl. dazu auch Blaudeau, „Notes“, 304–307 (Anm. 2). Blaudeau erwähnt das Vorkommen der Notiz bei Victor von Tunnuna, geht aber nicht weiter auf das Verhältnis zur Darstellung bei Liberatus von Karthago ein. 289 Vgl. Gleede, „Liberatus’ Polemik“, 104, die dahingehende (aber ablehnend formulierte) Vermutung von Schwartz, Publizistische Sammlungen, 243–244 (Anm. 3) aufgreifend.
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Herrschaft des Anastasius. Zudem sind sie sich in der Rede von einem Eingriff in den Text des Evangeliums ähnlich – und gerade darin singulär. Hier von einer „Parallele“290 zwischen den Texten von Victor und Liberatus (in einem inhaltlichen Sinn) zu sprechen, erscheint daher angemessen. Konkretere Annahmen darüber hinaus bleiben aber Spekulation: Eine wörtliche Entsprechung ist (bis auf den Plural euangelia) nicht zu erkennen, somit ist die Stelle etwa auch nicht geeignet, eine direkte Abhängigkeit Victors von Liberatus i. S. der Benutzung des Breuiarium als Quelle zu postulieren. Eine Benutzung derselben Quelle durch Liberatus und Victor wäre eine weitere denkbare Möglichkeit, lässt sich jedoch letzlich nicht belegen.291 Da der ursprüngliche vollständige Text der Historia ecclesias tica des Theodoros Anagnostes nicht bekannt ist, könnte die Notiz auch von ihm stammen.292 Ungelöst bleibt in jedem Fall die Frage, wie die Notizen bei Victor von Tunnuna und Liberatus von Karthago zusammenhängen. Dass Victor von Tunnuna die Fälschung des Evangeliums nicht Macedonius, sondern Anastasius zuschreibt, ist immerhin im Rahmen der Chronik plausibel: Macedonius wird bei Victor von Tunnuna ja letztlich als Chalcedon-Treuer abgesetzt (zuvor in Chronicon 83). So wie das Ereignis bei Victor notiert ist, lässt es daher Anastasius über die Ablehnung Chalcedons hinaus in einem schlechten Licht erscheinen: Sogar in das Evangelium wird auf sein Betreiben hin eingegriffen – ein weiterer Ausdruck seiner perfidia.293 5.4.6 Anastasius und Vitalian Ein weiteres wichtiges Ereignis während der Herrschaft des Anastasius, von dem die Chronik des Victor von Tunnuna berichtet, ist der Aufstand unter dem comes foederatorum Vitalian.294 Die Chronik des Victor von Tunnuna nennt für diesen Aufstand
290 Gleede, „Liberatus’ Polemik“, 103. 291 S. auch u. Kap. 5.7.1.5. 292 So legt es die Edition von Hansen nahe, Chronicon 87 ist dort als fr. 61 angegeben (142,2–3 Hansen). Hansen begründet diese Entscheidung („Einleitung“, XXI) damit, dass Victor die Informationen zu den Regierungszeiten Zenos und Anastasius’ „fast ausschließlich“ aus Theodoros Anagnostes übernommen habe (s. dazu aber o. Anm. 284 die Bemerkung von Placanica). 293 S. o. Kap. 5.4.1. S. auch u. Kap. 5.7.2.4 zu Chronicon 130 und zur Frage, ob dort eine Abhängigkeit des Victor von Tunnuna von Liberatus von Karthago vorliegen könnte. 294 Vgl. dazu insgesamt Schwartz, Publizistische Sammlungen, 249–252; Haarer, Anastasius I, 167–172; Meier, Anastasios I., 295–311; Kötter, Zwischen Kaisern, 131–133 (v. a. zur Beziehung Rom – Konstantinopel). Zu Vitalian vgl. auch Meier, „Der Aufstand“, 203–209. Meier, Anastasios I., 295–296 betont, dass einige Fragen bezügliche des Aufstandes – „von der exakten Datierung der Ereignisse über deren konkreten Hergang bis hin zu den Motiven des Insurgenten und der Bedeutung seiner Rebellion für die Innen-, Außen- und Religionspolitik des Oströmischen Reiches“ – noch nicht abschließend geklärt sind.
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„gegen die Herrschaft des Anastasius“, in dem sich tatsächlich kirchlich-religiöse und politische Ambitionen des Vitalian mischen,295 eine dezidiert religiöse Motivation, die vierfach ausgeführt wird: Vitalianus comes Patricioli filius, fidei catholice subuersionem et sinodi Calcidonensis damnationem remotionesque orthodoxorum episcoporum atque successiones hereticorum cognoscens, uirorum fortium ualidam manum congregat et Anastasii imperio rebellat.296
Vitalian stellt sich hier also gegen einen Kaiser, der als verantwortlich gezeichnet wird sowohl für einen Eingriff in die inhaltlichen Belange der Kirche, nämlich in den Umsturz des „katholischen Glaubens“ und die Verdammung Chalcedons, als auch für einen Eingriff in die bischöfliche Sukzession, die nun eine Sukzession der Häretiker im Gegensatz zu einer rechtgläubigen Sukzession ist.297 Diese vierfache religiöse Motivation und der dadurch implizierte vierfache Vorwurf an Anastasius ist in der Epitome der Kirchengeschichte des Theodoros Anagnostes deutlich weniger ausgestaltet: Dort wird Vitalian von den „Orthodoxen“298 herbeigerufen κατὰ Ἀναστασίου τοῦ δυσσεβοῦς.299 Bei Johannes Malalas werden die verbannten Bischöfe lediglich als „Scheingrund“ genannt, den Vitalian nennt, eine religiöse Motivation spielt dort überhaupt keine Rolle.300 Schon an diesen differenten Beispielen
295 So betont bei Meier, Anastasios I., 295, 310 u. ö. 296 Victor von Tunnuna, Chronicon 91 (29,486–491 Cardelle de Hartmann): „Der comes Vitalian, der Sohn des Patriciolus, erkannte den Umsturz des katholischen Glaubens und die Verurteilung der Synode von Chalcedon und die Beseitigungen der rechtgläubigen Bischöfe und die Nachfolgen der Häretiker, und er versammelte eine kräftige Schar starker Männer, und er lehnte sich gegen die Herrschaft des Anastasius auf.“ Zum Titel bzw. Amt des Vitalian vgl. Placanica, „Note“, 100 (ad a. 510); Meier, „Der Aufstand“, 203. 297 Zu Vitalians eigener „orthodoxer“ Motivation vgl. auch Marcellinus Comes, Chronicon a. 514,1 (Einsatz des Vitalian für Macedonius); Liberatus von Karthago, Breuiarium 19 (Vitalian als uir religiosus et orthodoxus [vgl 133,30 Schwartz]); vgl. auch Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E503 (aus Theophanes [143,25 Hansen]), wo Vitalian zwar nicht selbst als orthodox bezeichnet, aber von den „Orthodoxen“ herbeigerufen wird (ὀρθόδοξοι παρεκάλουν). Vgl. Meier, „Der Aufstand“, 203–204, 208–210, zur persönlichen religiösen Überzeugung des Vitalian und seiner möglichen Verwandtschaft zu den beiden Anhängern Chalcedons Flavian von Antiochien (s. o. S. 292–293), dessen Taufpate er nach Ps-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica 8,2 war, sowie zu Macedonius, dessen Neffe er nach Michael der Syrer, Chronicon 9,9 gewesen sein soll. Die „Nachfolge[] der Häretiker“ entspricht auch der von Anastasius einberufenen „Synode von Häretikern“ (Chronicon 74); s. o. S. 287 (Anm. 254). Zur historiographischen Darstellung der apostolischen Nachfolge in der Kirche in Abgrenzung zur Häresie vgl. auch Eusebius von Caesarea, Historia ecclesiastica 1,1; vgl. dazu Brennecke, „Das Programm“, 85. 298 S. Anm. 297. 299 Vgl. Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E503 (143,25 Hansen): „gegen Anastasius den Unfrommen“. 300 Johannes Malalas, Chronographia 16,16 (329,11–12 Thurn; Übers. 417 Thurn/Meier): Ἐπὶ δὲ τῆς αὐτοῦ βασιλείας ἐτυράννησε Βιταλιανὸς ὁ Θρᾷξ διὰ πρόφασίν τινα, φησίν, λέγων, ὅτι· ‘διὰ τοὺς ἐξορισθέντας ἐπισκόπους.’ / „Während seiner Regierung warf sich aber Vitalianos der Thraker als Gegenkaiser auf; als Grund wies er die verbannten Bischöfe vor.“ Πρόφασις meint v. a. den vor-
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wird deutlich, dass auch die Darstellung dieser Erhebung bei Victor von Tunnuna v. a. in der Linie der Präsentation des Anastasius als Chalcedon-Gegner steht. Zum Aufstand des Vitalian selbst berichtet Victor von Tunnuna dann weiter von dessen Sieg gegen Hypatius und seine „65.000 Männer aus dem römischen Heer“301 sowie – nach der Notiz zum Staurotheis-Aufstand – vom Einsatz des comes Vitalian für die Verteidiger von Chalcedon bei Anastasius: Vitalian fordert, dass der Kaiser den exilierten Verteidigern Chalcedons wieder ihre Bischofssitze zurückgeben302 und dass Anastasius die Einheit der Ostkirchen mit der römischen Kirche wiederherstellen soll.303 Da-
geschobenen, angeblichen Grund, den Scheingrund, vgl. Menge, Großwörterbuch, s. v. πρόφασις. Rein politische Ziele nennt Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,43 (145,1–16 Bidez/Parmentier; Übers. 439 Hübner): Τυραννεῖ τὸν Ἀναστάσιον Βιταλιανὸς Θρᾷξ γένος […], οὐδὲν ἕτερον ταῖς φαντασίαις ἔχων ἢ καὶ τὴν πόλιν αὐτὴν ἐξελεῖν καὶ τῆς βασιλείας κρατῆσαι. / „Gegen Anastasius erhob sich der Thraker Vitalian […] und hatte nichts anderes im Sinn, als die Stadt selbst zu erobern und sich der Herrschaft zu bemächtigen.“ Vgl. auch Ps-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica 7,13, wo ebenso keine religiöse oder dogmatische Motivation erwähnt wird und Vitalian als „Warlord“ dargestellt wird; vgl. zu diesem Begriff für Vitalian Meier, „Der Aufstand“, 207–208 (mit Anm. 271). Vgl. auch Meier, Anastasios I., 309, der kritisch darauf hinweist, dass „ein großer Teil der Forschung“ Vitalians Vorgehen im Sinne der Angabe bei Malalas interpretiert habe, vgl. die entsprechenden zahlreichen Verweise ebd., 425 (Anm. 136), bspw. zu Haacke, „Die kaiserliche Politik“, 134–135; Grillmeier, Jesus der Christus 2,1, 352; Haarer, Anastasius, 165–166, 179; tendenziell auch bei Menze, Justinian, 21 (mit Anm. 29). Die angegebenen Quellen bei Placanica, „Note“, 100 (ad a. 510). 301 Victor von Tunnuna, Chronicon 92 (30,496–500 Cardelle de Hartmann): Vitalianus comes Ipatium, nepotem Anastasii principis, magistrum Romane milicie, congressione facta sexaginta et quinque milibus uiris ex milicia Romana peremptis uiuum capit et uinculis ereis uinctum in custodia cauee ferree trudit et postea distrahit. / „Der comes Vitalian fing Hypatius, den Enkel des Prinzeps Anastasius, den römischen magister militiae, nachdem ein Angriff gemacht worden war und 65.000 Männer aus dem römischen Heer getötet worden waren, lebend, und in bronzene Ketten gefesselt warf er ihn in die Haft eines eisernen Käfigs und verkaufte ihn gegen Lösegeld.“ Vgl. zu dieser Übersetzung von distraho Placanica, „Note“, 100 (ad a. 511). Die Zahlung von Lösegeld für Hypatius entspricht Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,43 und Marcellinus Comes, Chronicon a. 515,3–4. 302 Bei Theodoros Anagnostes, Historia eccelesiastica E509 werden diesbezüglich namentlich Macedonius und Flavian genannt. 303 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 95 (32,526–531 Cardelle de Hartmann): Vitalianus comes cum manu ualida barbarorum Constantinopolim ueniens in Sostene sedit. Qui non aliter postulatus pacem Anastasio imperatori promittit, nisi prius defensores sinodi Calcedonensis relegatos exilio sedibus propriis reddat et Romane ecclesie cunctas orientis ecclesias uniat. / „Der comes Vitalian kam nach Konstantinopel mit einer starken Schar von Barbaren und ließ sich in Sostenis nieder. Er versprach Kaiser Anastasius Frieden, wobei er forderte, dass dies nur sein könnte, wenn er vorher den Verteidigern der Synode von Chalcedon, die ins Exil geschickt wurden, ihre eigenen Bischofssitze zurückgebe und alle Kirchen des Ostens mit der römischen Kirche vereine.“ Zur Niederlassung in Sostenis vgl. auch Marcellinus Comes, Chronicon a. 515,2; Johannes Malalas, Chronographia 16,16; vgl. Placanica, „Note“, 102 (ad a. 514). Zum weiteren Schicksal des Vitalian unter Justin I. vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 105; 107; s. u. S. 349, 354. Zu Vitalians Ausrufung als Kaiser beim Staurotheis-Aufstand in anderen Quellen s. u. Kap. 5.4.9.
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mit setzt sich gerade dieser „Rebell“304 – mit einem Heer von Barbaren305 – nicht nur für Chalcedon, sondern auch für die Wiederherstellung der orthodoxen Sukzession ein, entgegen der vom Kaiser initiierten Sukzession von Häretikern.306 Mit diesen Notizen zu Vitalian und seinem Aufstand fehlt – wie beim StaurotheisAufstand307 – in der Chronik Victors vieles, was in anderen Quellen berichtet wird: Neben einzelnen Details zu den Ereignissen beim Aufstand selbst308 fehlt die Forderung des Vitalian nach einer Synode, die in Herakleia stattfinden und die auch bei Victor von Tunnuna genannten Forderungen umsetzen sollte.309 Insbesondere spielen auch die verschiedenen Kontakte nach Rom bei Victor von Tunnuna keine Rolle. Weder wird der Kontakt des Vitalian nach Rom erwähnt noch der Streit zwischen Papst und Kaiser inklusive der mehrfachen Korrespondenz.310 Es geht nur um das Gegenüber von Vitalian als Chalcedon-Verteidiger zu Anastasius als Chalcedon-Gegner, auch wenn hier keiner von beiden mit einem entsprechenden Begriff wie defensor, obtrectator o. ä. belegt wird. So findet der Aufstand auch nicht eigentlich ein Ende, der Erzählfaden zu Anastasius und Vitalian hört mit den oben genannten Forderungen des Vitalian auf (Chronicon 95); vom letztlichen Scheitern der Erhebung berichtet die Chronik nicht.311
304 Als „Tyrann“ bzw. als Aufrührer cum tirannide wird Vitalian hingegen nicht bezeichnet, dies hat bei Victor von Tunnuna eine negative Konnotation, vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 43; 45 (Basiliscus); 61 (Leontius); 114 (Hypatius); 115; 117; 118 (Gelimer); 129; 134 (Stotzas); 136 (Guntharith). 305 Vgl. auch u. S. 304–305 zur barbara propositio des Alamundarus gegenüber den Bischöfen des Severus von Antiochien. 306 Im nächsten Eintrag der Chronik, Victor von Tunnuna, Chronicon 96 (32,532–533 Cardelle de Hartmann) findet sich eine kurze Notiz zum Hunneneinfall in Armenien, Kappadokien, Galatien und Pontus: Ugni per Armeniam, Cappadociam et Galatiam Pontumque atrociter uexauere. / „Die Hunnen suchten auf entsetzliche Weise Armenien, Kappadokien, Galatien und Pontus heim.“ Vgl. Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E514 (aus Theophanes), der zusätzlich erwähnt, dass vor diesem Einfall Macedonius von Euchaita nach Gangra flüchtete. Zu weiteren Quellen für den Einfall der Hunnen vgl. Placanica, „Note“, 102 (ad a. 515,1). 307 Dazu s. u. Kap. 5.4.9. 308 Vgl. etwa die ausführlichen Schilderungen der Kämpfe bei Johannes Malalas, Chronographia 16,16, wo auch von einer zweiten (See-) Schlacht bei Konstantinopel berichtet wird; vgl. auch Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,43; vgl. etwa auch Marcellinus Comes, Chronicon a. 514,2–3. Vgl. Meier, Anastasios I., bes. 298–300, 304–308. Viele der bei Meier genannten Details stammen aus der Historia chronica des Johannes von Antiochien. 309 Vgl. Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E509; E511 (aus Theophanes). Die Synode wurde nie offiziell eröffnet, vgl. Meier, Anastasios I., 303. 310 Dem entspricht, dass die Bischöfe von Rom zu dieser Zeit, Symmachus (Chronicon 76; vgl. 108) und Hormisdas (Chronicon 108; vgl. 122), in der Chronik lediglich namentlich erwähnt werden. Zur Synode von Herakleia und zur Korrespondenz zwischen Kaiser und Papst vgl. Schwartz, Publizistische Sammlungen, 252–254; Haacke, „Die kaiserliche Politik“, 135–136 (mit Anm. 46); Grillmeier, Jesus der Christus 2,1, 351–354; Meier, Anastasios I., 300–304; Kötter, Zwischen Kaisern, 131–133, der Vitalians Aufstand als „unverhoffte Unterstützung“ für Rom bezeichnet (131). 311 Möglicherweise wird das Ende des Aufstandes eben gerade deshalb nicht erwähnt, weil an diesem Ende die Niederlage Vitalians steht. Johannes Malalas, Chronographia 16,16 (332,85 Thurn; Übers. 420 Thurn/Meier) drückt dieses Scheitern als Sieg von Christus und Kaiser hingegen so aus: καὶ
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5.4.7 Anastasius als Chalcedon-Gegner bis kurz vor seinem Tod Zwei weitere kürzere Notizen stehen in der Chronik in dieser Linie der Darstellung des Anastasius als Chalcedon-Gegner: Chronicon 98 erwähnt einen Brief von Wüstenmönchen und Archimandriten an Kaiser Anastasius pro statu Calcidonensis sinodi et aduersum impietates Seueri Antiocheni episcopi, wobei allerdings nichts von der Reak tion des Kaisers berichtet wird.312 Nach Chronicon 99 zwingt Anastasius den Nachfolger des Timotheus von Konstantinopel, Johannes, dazu, vor seiner Ordination die Synode von Chalcedon zu verdammen.313 Diese Notiz rückt Anastasius kurz vor seinem Tod (vgl. Chronicon 100)314 noch einmal besonders als Chalcedon-Gegner ins Licht.315 Im Umfeld der eben angeführten Notizen kurz vor dem Tod des Anastasius berichtet die Chronik nun auch vom Tod Ariadnes, zusammen in einer Notiz mit dem Tod des Euphemius, und zwar ohne polemischen Unterton, was von ihrem Einsatz für Anastasius her nicht überraschend wäre: Ihr Tod wird als „Hinübergehen aus diesem Leben“ beschrieben: Eo tempore Euphimius Constantinopolitanus episcopus apud Anchiram Galacie et Arriagne Augusta in regia urbe de hac uita transiere.316 Diese Beschreibung ihres Todes erinnert mit der Formulierung transiere an andere Tode, die in der Chronik als „gute Tode“ verstanden werden,317 auch wenn an dieser Stelle ein direkter Bezug auf (das Ziel bei) „Gott“ fehlt. Möglicherweise ist dieser positiv beschriebene Tod schlicht auf den gemeinsamen Zeitpunkt mit Euphemius’ Tod zurückzuführen, der ja zuvor in der Chronik mehrfach als Verteidiger Chalcedons geschildert wurde.318 Nicht ganz auszuschließen ist aber auch, dass sich in dieser Angabe zum Tod Ariadnes eine positive Sicht auf die Augusta spiegelt, die sich bei Theodoros Anagnostes zeigt,
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ἐνίκησεν ὁ σωτὴρ Χριστὸς καὶ ἡ τοῦ βασιλέως τύχη. / „Und es hatten Christus der Heiland und die Tyche des Kaisers gesiegt“. Victor von Tunnuna, Chronicon 98 (32,537–540, hier 539–540 Cardelle de Hartmann): „für den Bestand der chalcedonensischen Synode und gegen die Unfrömmigkeiten des Bischofs Severus von Antiochien“. Deutlicher ist die procalchedonensische Haltung der schreibenden Mönche im Gegenüber zum Kaiser ausgemalt bei Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E520 (aus Theophanes): Sie werden bspw. als „vom göttlichen Eifer bewegt“ beschrieben (θείῳ ζήλῳ κινούμενοι [150,16 Hansen]). Der bei Victor von Tunnuna genannte Brief ist als Brief des Theodosius und des Sabas überliefert bei Kyrill von Skythopolis, Vita Sabae 57; vgl. Placanica, „Note“, 103 (ad a. 516). Victor von Tunnuna, Chronicon 99 (hier 33,546–547 Cardelle de Hartmann): Hunc Anastasius ante ordinationem suam, ut sinodum Calcidonensem predampnaret, coegit. / „Diesen [= Johannes] zwang Anastasius vor seiner Ordination, die Synode von Chalcedon schon im Voraus zu verdammen.“ S. u. Kap. 5.4.10. Vgl. Meier, Anastasios I., 319: Die von Anastasius geforderte Verdammung Chalcedons sei unwahrscheinlich, „da Anastasios zu keinem Zeitpunkt dazu bereit war, so weit zu gehen“. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 97 (32,534–536 Cardelle de Hartmann): „Zu dieser Zeit gingen aus diesem Leben hinüber Euphemius, der Bischof von Konstantinopel, bei Ankyra in Galatien und die Augusta Ariadne in der Königsstadt.“ S. bspw. u. S. 456 zu Chronicon 165 (Tod des Reparatus von Karthago). S. o. S. 284–285. Placanica, „Note“, 102 (ad a. 515,2) weist darauf hin, dass andere Quellen über den Tod des Euphemius fehlen.
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wenn die Epitome Ariadnes Widerspruch gegenüber dem Kaiser im Staurotheis-Aufstand darstellt.319 Dies ist freilich bei Victor von Tunnuna selbst nicht erwähnt.320 5.4.8 Die perfidia der Zeit unter Anastasius Ergänzend zur perfidia des Anastasius wird für die Zeit seiner Herrschaft von einigen Ereignissen berichtet, die diese perfidia zu illustrieren scheinen, auch wenn sie in der Chronik nicht direkt mit Anastasius selbst in Verbindung gebracht werden. Diese Ereignisse, die aus der Historia ecclesiastica des Theodoros Anagnostes übernommen sind, tragen dazu bei, dass der antichalcedonensische – und unfromme – Charakter der Zeit unter Anastasius betont wird.321 Zunächst wird in Chronicon 80 berichtet, dass Olimpius, ein gewisser „Arianer“, sein Leben durch von einem Engel abgeschossene Pfeile unfromm und ungeheuerlich (impie simulque prodigiose) beendet habe, weil er der heiligen Trinität gelästert habe.322
319 Vgl. Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E508 (145,18–19 Hansen; aus Theophanes): Ariad ne wirft Anastasius vor, er sei „schuldig an den vielen Schlechtigkeiten für die Christen“ (πολλῶν κακῶν αἴτιον Χριστιανοῖς); s. auch u. S. 313 (Anm. 387). Vgl. Meier, Anastasios I., 266 (mit 415 [Anm. 110]), der zudem als weiteren Konflikt von Ariadne mit dem Kaiser auf Theodoros Ana gnostes, Historia ecclesiastica E489 (vgl. Theophanes, Chronographia a. m. 6004; zum Konflikt um Macedonius) hinweist. S. o. S. 291 (Anm. 269). Bei Kyrill von Skythopolis, Vita Sabae 53 wird Ariadne als der Kirchenpolitik des Anastasius folgend dargestellt. 320 Ohne explizite (erkennbare) Bewertung ihres Lebens wird Ariadnes Tod aufgeführt bei Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E520 (aus Theophanes, Chronographia a. m. 6008); vgl. auch Marcellinus Comes, Chronicon a. 515,6; Ps-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica 7,13; vgl. Placanica, „Note“, 102 (ad a. 515,2). 321 Vgl. Whitby, „The Church Historians“, 470, der bezogen auf die Episode mit Olimpius (s. u.) in den bei Theodorus berichteten „anti Arian miracles“ eine Verstärkung der „particular tirade against Anastasius“ sieht. 322 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 80 (25,405–410 Cardelle de Hartmann): Olimpius quidam arrianus in balneis, que Eleniane apud regiam urbem uocantur, sanctam et consubstancialem Trinitatem blasphemans tribus igneis siclis angelo ministrante inuisibiliter in piscine frigide aque perfusus uitam impie simulque prodigiose finiuit. / „Olimpius, ein gewisser Arianer, war in den Bädern, die Elenia nae genannt werden bei der Königsstadt, und weil er der heiligen und konsubstantialen Trinität lästerte, beendete er, als er im Wasserbecken mit kaltem Wasser übergossen war, durch drei feurige Pfeile, unter der unsichtbaren Mitwirkung eines Engels, sein Leben unfromm und gleichzeitig ungeheuerlich.“ Die Episode stammt, wie gesagt, aus Theodoros Anagnostes. Der Text bei Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica fr. 52a ([131,9–133,32 Hansen] = Johannes von Damaskus, De imaginibus oratio 3) ist deutlich länger, Victor von Tunnuna verzichtet insbesondere auf die Beschreibung der Geschehnisse um das Bildnis dieses Ereignisses, welches im Bad zu sehen war; vgl. Placanica, „Note“, 94 (ad a. 498); Whitby, „The Church Historians“, 470 (mit Anm. 47). Das ganze Ereignis wird bei Theodoros Anagnostes als θαῦμα φοβερὸν καὶ ἐξαίσιον (131,11 Hansen; „furchtsames und außergewöhnliches Wunder“) qualifiziert; der Tod des Olimpius selbst wird aber nicht als impie simulque prodigiose gewertet wie bei Victor von Tunnuna (vgl. 132,20–21 Hansen: καὶ οὕτως νεκρωθεὶς ἀπέδωκε τὸ πνεῦμα). In Historia ecclesiastica E465 ist vom Sterben ἐλεεινῷ θανάτῳ (131,25 Hansen: „durch kläglichen Tod“) die Rede. Die Notiz in der Chronik des Victor von
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In Chronicon 82 spricht der „arianische“ Bischof Barbas bei der Taufe gegen die Regel: baptizat te Barbas in nomine Patris per Filium in Spirito Sancto.323 Daraufhin verschwindet plötzlich das Taufwasser und das Wassergefäß zerbricht. Hierdurch läuft dann der Täufling zur „katholischen“ Kirche und empfängt die regelkonforme Taufe.324 In der Epitome der Kirchengeschichte des Theodoros Anagnostes, wo allerdings Barbas der Täufling ist, der von einem „arianischen“ Bischof Deuterius in Konstantinopel getauft werden soll, wird das Geschehene als Wunder (τὸ θαῦμα)325 bezeichnet. Diese Bezeichnung fehlt in der Chronik, dafür wird bei Victor von Tunnuna durch das Geschehen aber nicht nur die falsche Taufe verhindert, sondern der Täufling sucht auch noch die „katholische“ Kirche auf und empfängt die korrekte Taufe, was bei Theodoros Anagnostes fehlt. Die Darstellung in der Chronik Victors betont den formalen Gegensatz contra regulam und regulariter, was sich hier offenbar auf die gültige Taufformel bezieht. Gleichzeitig wird damit eine deutliche Spitze gegen die „Arianer“ gesetzt: Deren Taufe geschieht eben contra regulam.326 Beide Episoden zu den „Arianern“ werfen nicht nur ein Licht auf die Zeiten unter Anastasius, sondern auch auf Anastasius selbst, wurde doch zuvor auf seine eigene Abstammung von einer „arianischen“ Mutter (Chronicon 67) rekurriert, die seiner perfidia zugrunde liege. Zudem wird Anastasius in der Chronik selbst wörtlich mit der subuersio der fides catholica in Verbindung gebracht.327 Die in Chronicon 80 und 82 geschilderten Folgen der jeweiligen Haltung bzw. Handlung (der Tod impie simulque prodigiose bzw. das Zerbrechen des Taufgefäßes) sind mindestens unheilvolle Zeichen. Unklar
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Tunnuna steht gleichzeitig in einer Reihe von schändlichen Toden, die unrechtmäßig Glaubende – Chalcedon-Gegner und Gegner der Drei Kapitel – treffen. S. dazu u. bes. Kap. 5.7.3. Eine sehr ähnliche als „arianisch“ gekennzeichnete Bekenntnisformel findet sich im Zusammenhang mit dem eine Wiedertaufe ersetzenden Ritus bei der Konversion, der von Leovigild eingeführt wurde, bei Johannes von Biclaro, Chronicon 57 (72,216–217 Cardelle de Hartmann): gloriam Patri per Filium in Spiritu Sancto dare. Vgl. Placanica, „Note“, 96 (ad a. 500). Es handelt sich hierbei um die traditionelle präpositionale Form der sogenannten kleinen Doxologie im Gottesdienst, die so in der homöischen Kirche gesprochen wurde, vgl. Heil, Avitus von Vienne, 91. Dass es sich dabei um eine besondere und explizite homöische Taufformel handelte, ist allerdings unwahrscheinlich, vgl. Heil, Avitus von Vienne, 107–108 (mit Anm. 188). Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 82 (26,421–428 Cardelle de Hartmann): Barbas quidam arriani erroris episcopus dum presumit contra regulam supra baptizandum dicere: „baptizat te Barbas in nomine Patris per Filium in Spiritu Sancto“ protinus aqua ex qua futurus erat baptizare hominem nusquam comparuit, uas uero ipsum in quo aqua erat confractum est. Quod considerans qui baptizandus erat protinus ad catholicam currit et baptismum regulariter suscipit. / „Während Barbas, ein gewisser Bischof des arianischen Fehlers, wagte, gegen die Regel über den zu Taufenden zu sagen ‚Barbas tauft dich im Namen des Vaters durch den Sohn im Heiligen Geist‘, verschwand sofort das Wasser, aus dem er im Begriff war, den Menschen zu taufen; das Gefäß selbst aber, in dem das Wasser war, zerbrach. Als dies der Täufling in Augenschein nahm, lief er sofort zur katholischen [Kirche] und empfing die Taufe regelkonform.“ Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica Ε475 (136,8–12 [hier 12] Hansen). S. u. Kap. 5.5 zur Gegenüberstellung von „Arianern“ und „Katholiken“ während der Herrschaft der Vandalen in Africa. Vgl. zum Abschnitt insgesamt auch Placanica, „Note“, 96–97 (ad a. 500). S. o. Kap. 5.4.6 zu Chronicon 91.
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ist, ob sie als göttliche Urteile bzw. Strafen oder Strafwunder zu verstehen sind.328 In Chronicon 80 ermöglicht die Engelsfigur, ein göttliches oder zumindest nichtmenschliches Wesen, eine solche Deutung, in Chronicon 82 legt sie sich implizit nahe, wird hier doch das Verschwinden des Taufwassers und das Zerbrechen des Gefäßes als Folge eines falschen religiösen Vorhabens – oder als (wundersame) Verhinderung einer falschen religiösen Handlung („arianische“ Taufe) – geschildert. Eine weitere Episode, die nun allerdings dezidiert die Verdammung Chalcedons verurteilt, wird in Chronicon 88 erzählt: Inmundi spiritus befallen alle in Alexandria und ganz Ägypten und lassen sie wie Hunde bellen. Daraufhin erscheint ein Engel in der Gestalt eines Menschen, der sagt, dies sei geschehen, weil sie die Synode von Chalcedon anathematisiert hätten, und der warnt, so etwas nicht wieder zu tun.329 Damit wird dieses Ereignis als Strafe für die Verdammung Chalcedons gedeutet,330 und es wird wie die zuvor genannten Ereignisse zu einer Art Strafwunder – und gleichzeitig zu einer
328 Die Funktion von Wundern in der spätantiken und frühmittelalterlichen Historiographie kann hier nicht nachgezeichnet werden, vgl. dazu exemplarisch Heinzelmann, „Die Funktion des Wunders“. Heinzelmann untersucht insbesondere auch das Verhältnis von Heiligen zu Wundern bzw. die Funktion von deren Wundertätigkeit, was in der Chronik des Victor von Tunnuna keine Rolle spielt. Für die Chroniken zur Zeit Victors stellt er entsprechend fest (ebd., 46): „Die zahlreichen Chroniken dieser Periode verweisen in der Tradition der Hieronymianischen Chronik auf einzelne Prodigien und heben nur in seltenen Fällen die Wundertätigkeit einiger weniger Heiliger zu ihren Lebzeiten hervor“. Victor von Tunnuna (ebd., 46 [Anm. 101]) führe „eine Reihe exzentrischer Wunder- und Prodigiengeschichten an, die sich durchgehend gegen Arianer richten, ohne Rückgriff auf Wunder toter Heiliger“. Zu Wundern in Geschichtsschreibungen vgl. auch Cracco Ruggini, „The Ecclesiastical Histories“. S. auch u. Kap. 5.7.2.6 zum Terminus prodigiose. 329 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 88 (28,455–466 Cardelle de Hartmann): Populos Alexandrinos et tocius Egipti omnes simul, pusillos et magnos, liberos ac seuos, clericos atque monachos, preter peregrinos inmundi spiritus occupant, et humana locutione priuati latrare cunctis diebus ac noctibus ut canes ceperunt, ita ut uinculis ferreis uincti ad ecclesias postea, ut sanitatem perciperent, traherentur. Comedebant enim suas manus simulque brachia pariter omnes. His euenientibus angelus in uiri specie quibusdam ex populo apparuit, dicens hoc eis pro eo quod anathema sinodo Calcidonensi dederint euenisse, comminatus deinceps nichil eos tale aliquid presumere. / „Unreine Geister besetzten die alexandrinische Bevölkerung und zugleich alle von ganz Ägypten, die Kleinen und die Großen, die Freien und die Sklaven, die Kleriker und die Mönche, außer den Fremden, und sie fingen an, weil sie der menschlichen Sprache beraubt waren, Tag und Nacht wie Hunde zu bellen, so, dass sie, gefesselt mit eisernen Ketten, danach zu den Kirchen gebracht wurden, um gesund zu werden. Sie aßen nämlich alle ihre Hände gleichwie auch ebenso die Arme. Als dies geschah, erschien manchen aus dem Volk ein Engel in der Gestalt eines Mannes und sagte, dies sei ihnen dafür geschehen, weil sie die Synode von Chalcedon anathematisiert hätten, und er drohte hierauf, dass sie so etwas nicht wieder wagen sollten.“ 330 Vgl. auch Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E516 (148,28–149,10 Hansen). Vgl. Whitby, „The Church Historians“, 470; vgl. Placanica, „Note“, 99 (ad a. 507): Die „orthodoxe“ Version von Victor von Tunnuna finde sich in miaphysitischem Sinn bei Ps-Zacharias Rhetor, Histora eccle siastica 7,14, der berichtet, beim Fest zur Aufrichtung des Kreuzes in Jerusalem seien Dämonen u. a. in Menschen aus Ägypten und Alexandria gefahren, welche dann gegen das Kreuz gebellt hätten. Gedeutet wird das Ereignis als Hinweis auf den Streit im Glauben, zur Erkenntnis der Prüfung im Glauben und zu deren Bestehen. Dazu, dass die Bellenden gefesselt in Kirchen gebracht werden, vermerkt Placanica, „Note“, 99 (ad a. 507): „il particolare manca nei testi paralleli“.
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Bestätigung des Konzils. Dieser klare Fokus auf die Frage der Haltung zu Chalcedon zeigt sich auch im Vergleich zur entsprechenden Passage in der Epitome der Historia ecclesiastica des Theodoros Anagnostes, wo weitere Deutungsversuche genannt werden, die Victor von Tunnuna nicht bietet, etwas dass die Alexandriner und Ägypter daran gehindert werden sollten, nach Jerusalem zum Fest der Kreuzaufrichtung zu gehen.331 Die nächste Notiz der Chronik berichtet in einem legendären, fabelhaften Abschnitt332 über Caudes, den König der Perser: Dieser nahm das Kastell Zundaber, welches voller Schätze war, aber welches zuvor niemand betreten konnte wegen der Dämonen, mit den Gebeten der christlichen Bischöfe (Christianorum sacerdotum orationibus) ein, und er nahm alle Schätze daraus mit.333 Ihm gelingt also als nichtrömischem Herrscher durch christliche Hilfe, was zuvor nicht gelang. Kurz darauf wird von einem weiteren nichtrömischen König berichtet: Der von den Verteidigern Chalcedons getaufte König der Sarrazenen Alamundarus überwindet barbara […] propositione die theopaschitischen Bischöfe, die von Severus von Antiochien zu ihm geschickt wurden, mirabiliter334 und offenbart so den unsterblichen 331 Vgl. Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E516 (149,7–10 Hansen). Vgl. die Angaben zum Fest der Kreuzaufrichtung in Jerusalem bei Ps-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica 7,14 (s. die vorherige Anm.). Vgl. Placanica, „Note“, 99 (ad a. 507). 332 Vgl. Placanica, „Introduzione“, XVI; Placanica, „Note“, 99 (ad a. 508): „tra il miraculoso e il fiabesco“. 333 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 89 (28,470–475 Cardelle de Hartmann): Caudes rex Persarum Zundaber castellum, plurimis thesauris ab initio sue conditionis plenum et demonum legionibus mancipatum custodiaque munitum, ubi nullus unquam ingredi potuit, Christianorum sacerdotum orationibus capit et ingressus uniuersos ex eo thesauros tulit. / „Caudes, der König der Perser, nahm das Kastell Zundaber, das von Beginn seiner Erschaffung voll mit vielen Schätzen war und Legionen von Dämonen überlassen und geschützt durch Bewachung war, wo keiner jemals eintreten konnte, durch Gebete der christlichen Bischöfe ein, und, als er es betrat, trug er alle Schätze aus ihm weg.“ Protagonist ist der persische König Kawad I. (488–496; 499–531), vgl. Placanica, „Note“, 99 (ad a. 508). Bei Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E512 (146,25–147,13 Hansen) ist die Episode etwas ausführlicher geschildert, v. a. hinsichtlich der vorherigen Versuche, das Kastell einzunehmen, und der genaueren Umstände von dessen Einnahme durch die Christen. Kawad spielt später auch für die Außenpolitik Justins eine Rolle, was aber bei Victor von Tunnuna nicht erwähnt wird, vgl. Rosen, „Iustinus I“, 771–772; selbiges gilt für Alamundarus (s. im folgenden Absatz). 334 Als mirabiliter werden nur wenige in der Chronik berichtete Ereignisse qualifiziert. Neben der Überwindung der theopaschitischen Bischöfe durch Alamundarus werden zwei militärische Siege mirabiliter errungen: Erstens der Sieg von Belisar in der dritten persischen Schlacht (Victor von Tunnuna, Chronicon 116 [37,644–646 Cardelle de Hartmann]: Belesarius magister Romane milicie duobus superatus preliis tertium mirabiliter Persicum prelium superauit. / „Belisar, der römische magister militiae, wurde in zwei Kämpfen besiegt, und er überwand wundersam eine dritte persische Schlacht.“), und zweitens der Sieg des Eunuchen Narsis über die Goten (Victor von Tunnuna, Chronicon 151 [50,897–899 Cardelle de Hartmann]: Narsis eunuchus ex preposito patricius, Tutilanem Gothorum regem prelio apud Italiam mirabiliter superat ac perimit et omnes eius diuitas tollit. / „Der Eunuch Narsis, ehemaliger Vorsteher, Patrizier, überwand wundersam Totila, den König der Goten, in einem Kampf bei Italien und tötete ihn und nahm alle seine Reichtümer mit.“). Die Qualifizierung dieses Sieges als „wundersam“ fehlt bei Johannes Malalas, Chronographia 18,116 (415,7–11 Thurn) ebenso wie bei Theophanes, Chronographia a. m. 6044 (228,21 de Boor). Zu Chronicon 116 s. auch kurz u. S. 357 (mit Anm. 598).
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Gott.335 Die richtige Taufe durch die Verteidiger von Chalcedon befähigt den offensichtlich (theologisch) ungebildeten nichtrömischen König336 Alamundarus also wunderbarerweise dazu, in der Diskussion mit Bischöfen, also mit theologisch gebildeten kirchlichen Amtsträgern, zu bestehen. Diese sind zweifach disqualifiziert: Sie sind „Theopaschiten“337, und sie sind von Severus geschickt – also von dem Feind Chalcedons, der von Anastasius eingesetzt worden war (vgl. Chronicon 85). Gleichzeitig ist durch ihre Niederlage gegen Alamundarus aber auch Severus disqualifiziert, dessen Briefe den Gesandten bei der Argumentation offenbar keine Hilfe sind, und implizit trifft diese Disqualifikation dann auch den Kaiser selbst, der ja Severus zum Bischof gemacht hatte (Chronicon 85). Zugespitzt lässt sich sagen: Der neugetaufte nichtrömische Herrscher Alamundarus kontrastiert den christlichen Kaiser Anastasius. Das „Wunder“ geschieht im Sinne der Chalcedon-Anhänger. In der Version der Epitome des Theodoros Anagnostes (Historia ecclesiastica E513 [147,16–25 Hansen]) ist es Gott selbst, der die Taufe des Alamundarus veranlasst, um dem Kontakt mit den Bischöfen des Severus zuvorzukommen.338 Dies fehlt bei Victor von Tunnuna. In der Kirchengeschichte wird zudem die antimiaphysitische Argumentation des Alamundarus selbst inhaltlich dargestellt. Bei Victor von Tunnuna genügt die Zusammenfassung durch das barbara mirabiliter propositone concludens, das die genaue Argumentation offen lässt. Wichtig ist das „dass“ der Überwindung der theopaschitischen Bischöfe durch den von Chalcedon-Anhängern Getauften. Beide Passagen über die nichtrömischen Herrscher Alamundarus und Caudes zeigen damit, was eine christliche, rechtgläubige Herrschaft vermag – im Gegenüber zur Herrschaft des Anastasius.
335 Victor von Tunnuna, Chronicon 93 (30,502–506 Cardelle de Hartmann): Alamundarus Sarracenorum rex a defensoribus sinodi Calcidonensis babtizatus Theopascitas episcopos a Seuero Antiocheno episcopo ad se cum litteris missos barbara mirabiliter propositione concludens atque superans Deum immortalem ostendit. / „Alamundarus, der König der Sarrazenen, wurde getauft von den Verteidigern von Chalcedon, und er engte mit barbarischer Darlegung wundersam die theopaschitischen Bischöfe, die von Bischof Severus von Antiochien mit einem Brief zu ihm geschickt worden waren, ein und überwand sie, und er offenbarte den unsterblichen Gott.“ Die genaue Identität des Alamundarus ist unklar, er ist jedenfalls nicht der bekannte Christenverfolger Al-Mundir III., was zum Teil behauptet wurde, vgl. Placanica, „Note“, 101 (ad a. 512); Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E513 (147 Hansen, apparatus ad locum). Vgl. auch Placanica, „Introduzione“, XVIII: Diese Episode „riporta ai prediletti temi di storia ecclesiastica e all’intenzione anti-monofisita che informa tutta l’opera“. Placanica sieht in dieser und in der Episode mit Caudes/Kawad eine teilweise Öffnung der Chronik Victors i. S. einer Weltchronik. 336 Bei Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E513 (vgl. 147,20 Hansen) als φύλαρχος bezeichnet, also als „Herrscher eines Stammes“ oder „Scheich“. 337 Dies ist das einzige Mal, dass in der Chronik die „Theopaschiten“ als solche bezeichnet werden; vgl. aber u. Kap. 5.4.9 zu Chronicon 94. S. auch o. S. 58. 338 Vgl. Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E513 (147,17–18 Hansen): θεὸς δὲ προφθάσας ὑπὸ τῶν δεχομένων τὴν σύνοδον τὸν ἄνδρα βαπτισθῆναι πεποίηκεν. / „Gott aber, der [dem – nämlich dass die Bischöfe des Severus zu ihm kommen und mit ihm sprechen] zuvor kam, machte, dass der Mann von denen, die die Synode akzeptieren, getauft wurde.“ Vgl. auch Whitby, „The Church Historians“, 470 zur Darstellung bei Theodoros Anagnostes.
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5.4.9 Der Staurotheis-Aufstand Die Theopaschiten spielen, ohne als solche explizit genannt zu sein, in einer weiteren Episode der Chronik eine Rolle, nämlich bei der Darstellung des Staurotheis-Aufstandes, der bei Victor von Tunnuna erneut mit einer Art Strafwunder in Form eines Naturphänomens verbunden wird und sich damit in die eben dargestellte Linie der mit Anastasius und seinem Handeln bzw. seiner antichalcedonensischen Haltung verbundenen wundersamen Notizen einfügt: Auf den Befehl von Kaiser Anastasius fügen der Präfekt Plato und Marinus zum Trishagion die Formel o staurotis di emas („er wurde für uns gekreuzigt“) hinzu. Während sie dies auf dem Weg zur größeren Kirche psalmieren, geschieht ein Ascheregen: „Die Wolken ließen plötzlich Asche über sie statt Regen, und sie bedeckten die ganze Stadt und Provinz. Für diese Neuigkeit wiederfuhren der Stadt viele schlechte Dinge, und viele wurden auf böse Weise getötet.“ Daraufhin geschieht noch ein Aufstand der Grünen und der Blauen339 gegen den Kaiser, der zu einem Feuer in der Stadt führt.340 Dieser am Schluss von Chronicon 94 beschriebene sogenannte Staurotheis-Aufstand341 „markiert für Konstantinopel den Kulminationspunkt der anhaltenden Tu339 Zu den Zirkusparteien der Grünen und Blauen vgl. insgesamt Cameron, Circus Factions. 340 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 94 (31,507–520 Cardelle der Hartmann): Anastasii imperatoris precepto, Plato ciuitatis prefectus et Marinus pulpitum ecclesie Sancti Theodori ascendentes et ymno quem greci „trisagion“ dicunt, „o staurotis di emas“, nouiter apponentes, dum per forum Constantini id psallentes ad maiorem ecclesiam pergunt, nubes ex inprouiso cinerem super eos pro pluuia emiserunt totamque ciuitatem atque prouinciam contexerunt. Pro qua nouitate Constantinopolitane multa mala obuenerunt ciuitati multique male sunt interempti. Prasinorum siquidem simulque et uenetorum turbe aduersum Anastasium imperatorem unite inter mille iniurias atque mala incendium in urbem miserunt combustaque est ciuitas „apo tis calcis“ quod uocant usque ad Constantini forum supra longitudinem platee columnarum XCIV. / „Auf Befehl der Kaisers Anastasius bestiegen Plato, der Präfekt der Stadt, und Marinus den Ambo der Kirche des Heiligen Theodor und zu der Hymne, die die Griechen ‚Trisagion‘ nennen, fügten sie neu hinzu: ‚o staurotis di emas‘ [‚er wurde für uns gekreuzigt‘]. Während sie, dies psalmierend, durch das konstantinische Forum zur größeren Kirche vordrangen, ließen die Wolken plötzlich Asche über sie statt Regen, und sie bedeckten die ganze Stadt und Provinz. Für diese Neuerung wiederfuhren Konstantinopel viele schlechte Dinge, und viele kamen auf schlimme Weise um. Die gegen Kaiser Anastasius vereinten Scharen der Grünen und zugleich auch der Blauen nämlich legten unter tausend Gewalttätigkeiten und schlechten Dingen ein Feuer in der Stadt, und die Stadt wurde verbrannt von dem ab, was man ‚apo tis calcis‘ (‚von der Bronzestatue‘) nennt, bis zum konstantinischen Forum über die Länge einer Straße von 94 Säulen.“ 341 Der Aufstand fand im Jahr 512 statt, es gab jedoch schon in den Jahren 510/511 diesbezügliche Tumulte, die letztlich zur Absetzung des Macedonius führten; vgl. Meier, Anastasios I., 262–263; s. o. S. 291–292. Zum Teil wurde Chronicon 94 als Darstellung eines Aufstandes der Grünen unter dem bereits genannten Platon, als „Steinwurf-Aufstand“, aufgefasst (Martindale, PLRE 2, 891–892 [s. v. „Plato 3“]), was aber unwahrscheinlich ist, schon allein weil Victor von Tunnuna ja von Grünen und Blauen und einem Zusammenschluss beider Gruppen berichtet; vgl. Meier, „Der Aufstand“, 188–189 (Anm. 143); vgl. ebd., 178 (Anm. 100): Die Zirkusgruppen waren hier nicht der Ursprung der Unruhen, sondern sie schlossen sich dem Widerstand erst nach deren Beginn an. Vgl. auch Cameron, Circus Factions, 132, 292–293.
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multe um die Religions- und Kirchenpolitik des Anastasios […] Die Zuspitzung der Situation […] findet in diesem Ereignis ihren dramatischen Höhepunkt.“342 Der Aufstand entstand – wie von der Chronik dargestellt – im Zusammenhang mit oder vielmehr aufgrund der Hinzufügung des theopaschitischen Zusatzes „er wurde für uns gekreuzigt“ (ὁ σταυρωθεὶς δι‘ ἡμᾶς)343 zum Trishagion (einem Gebetsruf innerhalb der byzantinischen Liturgie).344 Bei der Hinzufügung dieser Formel zum Trishagion war v. a. das unterschiedliche Verständnis des Trishagion selbst ein Problem: Im Westen sowie in Konstantinopel und in Jerusalem wurde es trinitarisch verstanden, in Syrien christologisch, bezogen auf Christus als den Sohn.345 Als der Patriarch von Antiochien Petrus Fullo346 dem Trishagion die Staurotheis-Fomel hinzufügte, tat er dies also in einem Kontext, der das Trishagion v. a. christologisch interpretierte.347 Der Hinzufügung setzten Chalcedon-Anhänger ihren Widerstand entgegen, weil sie aufgrund ihres trinitarischen Verständnisses des Trishagion den Zusatz i. S. einer Leidensfähigkeit der ersten Person der Trinität (der göttlichen Natur) deuteten (Theopaschismus) und dies als miaphysitisch ablehnten.348 Das Trishagion wurde in den Auseinandersetzungen zwischen Anhängern und Gegnern Chalcedons so zu einem „Schlüsseltext“.349 Unter dem Einfluss des Severus von Antiochien wurde der Zusatz ab 510/511 auch von Mönchen in Konstantinopel eingeführt.350
342 Meier, Anastasios I., 271. 343 Zur Vorgeschichte der Formel bis 518/519 vgl. Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 333–359, bes. 334– 336. 344 Die Erwähnung des Trishagion im Liber Heraclidis des Nestorius (gest. 451) (Liber Heraclidis 2,2 [Übers. 318–319 Nau]) gilt normalerweise als die erste Erwähnung des liturgischen Hymnus, so etwa Louth, „Trishagion“, 122; Meier, „Der Aufstand“, 159 (Anm. 7). Die entsprechende Passage ist allerdings eine Interpolation, vgl. Abramowski, Untersuchungen zum Liber Heraclidis, 130, die eine Abfassung ca. 451–470 annimmt. Das Trishagion begegnet bereits in den Akten des Konzils von Chalcedon als Teil der Akklamation der Orientalen, vgl. ACO 2,1,1 (195,30 Schwartz); lat. ACO 2,3,1 (259,1–2 Schwartz): Sanctus deus, sanctus fortis, sanctus inmortalis, miserere nobis. Vgl. auch Placanica, „Note“, 101 (ad a. 513); Meier, „Der Aufstand“, 159 (Anm. 7). 345 Vgl. Louth, „Trishagion“, 122–123; vgl. zu den unterschiedlichen Verständnissen auch Menze, Justinian, 165–175, bes. 167–169. 346 Vgl. Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E427. 347 Vgl. Kötter, Zwischen Kaisern, 54 (Anm. 132), der festhält, dass es schwierig ist, die frühe dogmatische Position des Petrus Fullo genau zu identifizieren. Vgl. Louth, „Trishagion“, 123: Durch den Zusatz sollte das Leiden der zweiten Person der Trinität, des Sohnes, im Fleisch betont werden; Meier, „Der Aufstand“, 159 (Anm. 7): Petrus habe damit die christologische Interpretation des Trishagion verdeutlichen wollen; Ritter, „Theopaschitischer Streit“, 334: Petrus habe damit die „Überlegenheit des Göttlichen im Fleischgewordenen“ ausdrücken wollen; vgl. hingegen Bruns, „Petrus der Walker“, 573, der Petrus vorwirft, er habe den Zusatz „in theopaschitischer Manier aber nicht auf den inkarnierten Logos, sondern die ganze Trinität“ bezogen. 348 Vgl. Meier, „Der Aufstand“, 159 (Anm. 7); Placanica, „Note“, 101 (ad a. 513); Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 268–271. 349 Meier, Anastasios I., 262. 350 S. o. Anm. 341.
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Die Passage bei Victor von Tunnuna berichtet von der offiziellen Einführung in Konstantinopel im November 512 und dem daraus entstehenden Tumult bzw. Aufstand. Zu diesen Ereignissen, die sich über mehrere Tage erstreckten, gibt es verschiedene andere Berichte. Als wichtigste Quelle gilt die Chronik des Marcellinus Comes, der wohl als Augenzeuge351 über den Aufstand schreibt (Chronicon a. 512,2–7 [97,28– 98,12 Mommsen]). Es ist nicht notwendig, hier noch einmal eine Rekonstruktion der Ereignisse im Einzelnen vorzunehmen,352 wichtig ist der Fokus der Chronik Victors, der sich freilich auch im Vergleich zu den anderen Quellen ergibt.353 Grundsätzlich ist festzuhalten, dass Victor von Tunnuna das meiste, das über die Zusammenhänge des Aufstandes aus anderen Quellen bekannt ist, nicht berichtet. So bietet etwa gerade auch die Epitome der Kirchengeschichte des Theodoros Anagnostes weitaus mehr Informationen als die Chronik Victors. Dies dürfte auch auf die breuitas der Chronik zurückzuführen sein; jedoch nicht notwendigerweise und ausschließlich – auch die Chronik des Marcellinus Comes bietet deutlich mehr Details. Im Vergleich zu den anderen Quellen fehlen – neben den im Einzelnen genannten Orten und genauen Tagen – bei Victor von Tunnuna beispielsweise die den Befehl des Kaisers aufnehmende schriftliche Verlautbarung des Timotheus von Konstantinopel;354 die Agitationen von Mönchen und die Reaktionen des Volkes;355 die Ausrufung Vitalians als Alleinherrscher;356 die Flucht des Anastasius und seine Beschimpfung durch Ariadne;357 Details des Aufstandes wie das Feuer in den Häusern von Marinus und Pompeius;358
351 Vgl. Croke, Marcellinus Comes, 111; ders., „Commentary“, 115 (ad a. 512,2). 352 Vgl. dazu ausführlich unter Berücksichtigung der verschiedenen Traditionen Meier, „Der Aufstand“, v. a. 161–182, dort auch ein detaillierter Vergleich der einzelnen auch hier aufgeführten Quellen. Vgl. auch Schwartz, Publizistische Sammlungen, 247–248. 353 Neben der Chronik des Marcellinus Comes sind dies v. a. Theodoros Anagnostes, Historia ecclesias tica E508 (aus Theophanes); Johannes Malalas, Chronographia 16,19; Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,44 (der diesen Aufstand mit der Absetzung des Macedonius verbindet; bei Meier, „Der Aufstand“ im Rahmen der Malalas-Tradition abgehandelt); vgl. auch Ps-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica 7,9; Kyrill von Skythopolis, Vita Sabae 54 (145,15–18; 147,2–6 Schwartz); vgl. Placanica, „Note“, 101 (ad a. 513). 354 Vgl. Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E508. 355 Diese sind in den verschiedenen Quellen unterschiedlich dargestellt, vgl. gegen das Trishagion (und mit dem Lob durch das Volk) bei Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E508; auf der Seite des Anastasius bei Marcellinus Comes, Chronicon a. 512,4 (98,1–2 Mommsen); vgl. auch den Lynchmord an einem Mönch aus dem Osten bei Johannes Malalas, Chronographia 16,19; vgl. Eva grius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,44. 356 Vgl. Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E508 (145,16–17 Hansen); vgl. zu diesem Detail, das auch in einer von zwei Traditionslinien der Malalas-Überlieferung zu finden ist, Meier, „Der Aufstand“, 167–168, 204–205; bei Malalas findet sich zudem die Ausrufung des Areobindus zum Kaiser (Chronographia 16,19), ebenso bei Marcellinus Comes, Chronicon a. 512,4. 357 Vgl. Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E508 (145,17–19 Hansen). 358 Vgl. Marcellinus Comes, Chronicon a. 512,5; Johannes Malalas, Chronographia 16,19.
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das Einlenken bzw. die Demutsgeste des Anastasius im Hippodrom359 und die auf das Ende des Aufstandes folgenden Verhaftungen und (Todes-) Strafen.360 Insgesamt ist es für die Chronik des Victor von Tunnuna offenbar weniger wichtig, detaillierte Einzelheiten zum Aufstand zu berichten. Ihr Fokus ist innerhalb ihrer Darstellung der Zeit unter Anastasius dessen Präsentation als von perfidia gekennzeichneter Chalcedon-Gegner, dessen antichalcedonensische Haltung und Taten Folgen haben. Darauf weisen auch die Elemente hin, die sie zum Staurotheis-Aufstand bietet: Die Ergänzung des Trishagion durch die Staurotheis-Formel wird bei Victor von Tunnuna zunächst – wie bei Marcellinus Comes – durch Plato und Marinus361 vollzogen bzw. verkündet, aber aufgrund von dessen Befehl letztlich auf Anastasius selbst zurückgeführt.362 Damit wird zwar Kritik am Kaiser deutlich, diese ist aber – etwa im Gegensatz zur Epitome der Historia ecclesiastica des Theodoros Anagnostes – abgeschwächt. Es ist auffällig, dass es in den Texten von Victor von Tunnuna und Marcellinus Comes Gemeinsamkeiten gibt, die die Epitome der Kirchengeschichte des Theodoros Anagnostes nicht bietet: Die Variante der Verkündigung des verbindlichen Zusatzes durch Plato und Marinus taucht nur bei Victor von Tunnuna und Marcellinus Comes auf – in der Epitome der Kirchengeschichte des Theodoros Anagnostes ist nur der Kaiser selbst als Befehlender genannt.363 Die Epitome bietet dafür die Variante mit der dem Befehl des Kaisers folgenden schriftlichen Verlautbarung des Timotheus,364 was wiederum bei Victor von Tunnuna (und Marcellinus Comes) fehlt. Eine weitere inhaltliche Parallele ist die Erwähnung des Constantin-Forums bei Marcellinus Comes (97,35 Mommsen) und bei Victor von Tunnuna (31,519–520 Cardelle de Hartmann).365
359 Ein Einlenken des Kaisers – zum Schein – bei Marcellinus Comes, Chronicon a. 512,6–7; mit Demutsgeste (ohne Krone) Johannes Malalas, Chronographia 16,19; vgl. Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,44. Im Anschluss (Chronicon a. 512,8) berichtet Marcellinus Comes noch von einer Synode in Sidon, die wohl vor dem Staurotheis-Aufstand zu datieren ist; vgl. Grillmeier, Jesus der Christus 2,1, 316–317. 360 Vgl. Johannes Malalas, Chronographia 16,19. Bei Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,44 ändert das Volk am Schluss der Episode seine Meinung und verspricht, ruhig zu bleiben. 361 Zu Marinus vgl. auch Ps-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica 7,9, wo er als (Be-)Lehrer des Anastasius über den theopaschitischen Zusatz dargestellt wird, den er aus Antiochien mitbrachte. 362 Vgl. Marcellinus Comes, Chronicon a.512,2; ohne die Nennung von Plato und Marinus direkt auf den Kaiser zurückgeführt bei Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E508; Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,44; Johannes Malalas, Chronographia 16,19; Plato und Marinus werden bei Malalas allerdings kurz darauf erwähnt im Kontext des Aufstandes selbst, nur Marinus wird erwähnt bei Evagrius Scholasticus. Vgl. zu Marinus und Plato Meier, „Der Aufstand“, 182–188, 188–190. 363 Meier, „Der Aufstand“, 160, weist darauf hin, dass die Darstellung, dass die Weisung zur Hinzufügung der Formel vom Kaiser ausging, auch die „unmittelbar politischen Implikationen der Ereignisse“ zeigt; sie dürften nicht als rein kirchenpolitisch aufgefasst werden. 364 Auf dieses commonitorium des Timotheus weisen in ihrer Darstellung hin Schwartz, Publizistische Sammlungen, 248 und Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 271 (jeweils ohne genaue Quellenangabe). 365 Vgl. auch den Hinweis bei Meier, „Der Aufstand“, 163–164 auf die symbolische Bedeutung dieses Ortes aufgrund des Bezugs zum ersten christlichen, orthodoxen Kaiser.
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Trotz dieser inhaltlichen Parallelen, die sich in durchaus ähnlichen Formulierungen zeigen,366 sind die Wendungen in beiden Chroniken im Detail aber zu unterschiedlich und zu unspezifisch, um etwa eine Kenntnis der Chronik des Marcellinus durch Victor von Tunnuna zu postulieren. Weil aber Marcellinus seine Chronik ebenfalls als lateinischer, chalcedontreuer Autor in Konstantinopel schrieb – einige Jahre vor Victor von Tunnuna – ist eine solche Kenntnis auch nicht völlig auszuschließen.367 Die Anklänge sind hier jedenfalls kaum weniger vage als die Anklänge des Textes der Chronik an Contra Mocianum des Facundus von Hermiane.368 Um hier genauere Aussagen treffen zu können, wäre allerdings auch die Kenntnis der ursprünglichen Kirchengeschichte des Theodoros Anagnostes nötig – das, was Victor von Tunnuna über die Epitome hi naus bietet, könnte ursprünglich zu ihr gehört haben. Auffällig bleiben die Gemeinsamkeiten beider Chroniken im Gegenüber zu der Epitome des Theodoros Anagnostes an dieser Stelle jedenfalls. Singulär ist nun das, was in der Chronik des Victor von Tunnuna auf die Einführung und das Psalmieren des o staurotis di emas folgt: Ex inprouiso fällt ein Ascheregen aus den Wolken herab, und die Asche bedeckt die ganze Stadt und die ganze Region. Marcellinus Comes und Theodoros Anagnostes berichten, dass der Aufstand von 512 während der jährlichen Gedächtnisfeier des Ascheregens des Jahres 473 stattfand.369 Was dort also die Gedächtnisfeier des Ascheregens ist, wird in der Chronik Victors zum Naturereignis selbst. Antonio Placanica sieht in dem Bericht über den Ascheregen daher v. a. einen „schweren Fehler“ des Chronisten, der hier zwei Ereignisse zusammenwerfe.370
366 Z. B. Victor von Tunnuna: Anastasii imperatoris precepto; Marcellinus Comes: iubente Anastasio Caesare; Victor von Tunnuna: Plato ciuitatis prefectus et Marinus pulpitum ecclesie; Marcellinus Comes: per Marinum perque Platonem in ecclesiae pulpit. 367 Einen Zusammenhang zwischen Marcellinus Comes, Theodoros Anagnostes und Victor von Tunnuna für den Staurotheis-Aufstand deutet auch das Schaubild bei Meier, „Der Aufstand“, 180 an. Zu Marcellinus und seiner Chronik insgesamt vgl. Croke, Count Marcellinus, bes. 20–35. Der aus Illyrien stammende Marcellinus hielt sich etwa ab dem Jahr 500 in Konstantinopel auf; die erste Edition seiner Chronik ging bis zum Jahr 518; später setzte er sie bis zum Jahr 534 fort. In den 520er Jahren stand er im Dienst Justinians. Zur lateinsprachigen Community in Konstantinopel im sechsten Jahrhundert vgl. Croke, Count Marcellinus, 86–93. 368 S. o. Kap. 3.3. 369 Vgl. die Nennung der Feier bei Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E508 (144,26–27 Hansen): κατὰ τὴν ἡμέραν τῆς λιτῆς γινομένης ἐν τῷ τρικόγχῳ διὰ τὴν κόνιν / „zur Zeit des Tages, als das Gebet geschah in der dreischiffigen Kirche wegen der Asche“; Marcellinus Comes, Chronicon a. 512,3 (97,33–34 Mommsen): in quo die memoria cineris dudum totam Europam tegentis apud Byzantios celebratur / „an welchem Tag die Erinnerung der Asche, die vorher ganz Europa bedeckte, bei den Byzantinern gefeiert wurde“. Theodoros Anagnostes berichtet vom Ascheregen selbst für das Jahr 473 (vgl. Historia ecclesiastica E398). Vgl. zur Gedächtnisfeier auch Meier, „Der Aufstand“, 162. 370 Vgl. Placanica, „Note“, 102 (ad a. 513): „Vittore erra qui gravemente“; zur Verwechslung vgl. auch Croke, „Two Early Byzantine Earthquakes“, 143 (Anm. 93); Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica fr. 65 (145 Hansen, apparatus ad locum). Auch bei seiner frühen Erwähnung im Liber Hera clidis des Nestorius ist das Trishagion übrigens mit einem Naturphänomen verbunden: Dort wird
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Insgesamt wird in der Chronik des Victor von Tunnuna nicht häufig von Naturereignissen berichtet. Accanto alle vicende miracolose, un luogo particolare nelle contemporanee opere storiografiche è assegnato ai fenomeni naturali […]. Anche in ciò Vittore si rivela piuttosto sobrio: quando li inserisce nella serie degli avvenimenti, sembra farlo allo scopo di porre in relazione con le vicende ecclesiastiche i „segni“ della Provvidenza divina.371
Wenn die Chronik Victors von solchen Naturereignissen berichtet, erscheinen sie in den allermeisten Fällen als Folgen von Verfehlungen – besonders als Folgen einer antichalcedonensischen Haltung, und in diesem Sinne als eine Art Strafe. Allerdings werden diese Ereignisse nicht explizit mit Gott in Verbindung gebracht.372 Insofern ist zu fragen, ob es sich hier tatsächlich um „Zeichen göttlicher Providenz“ (so die Deutung Placanicas) handelt. Es liegt hier zwar nahe, an so etwas wie die Vorstellung eines Eingreifens Gottes gegen das Vertreten einer nicht erwünschten (theologischen) Haltung (auch i. S. eines Strafwunders373) oder auch, andersherum gedacht, für die richtige (theologische) Ansicht zu denken. Dies wird aber nirgends explizit gesagt, sondern bleibt der Interpretation der Lesenden überlassen. „Gott“ tritt an diesen Stellen der Chronik nicht als handelndes Subjekt in der Geschichte auf. Betrachtet man die ganze Chronik, sind es überhaupt verhältnismäßig wenige Stellen, die von solchen „Strafen“ oder Konsequenzen/Folgen berichten.374 Im Kontext der Herrschaft des Anastasius treten sie allerdings relativ häufig auf: Neben den bereits genannten wundersamen Ereignissen (vgl. Chronicon 80; 82; 88), die nicht eigentlich Naturphänomene betreffen, aber als „ungeheuerliche“ Ereignisse, die auf eine bestrafungswürdige Handlung oder Haltung folgen, oder sogar als Strafwunder gedeutet werden können, ist v. a. an die Darstellung von Anastasius’ Tod selbst zu denken, der
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berichtet, dass es in Konstantinopel so lange immer wieder Erdbeben gab, bis Gott eine Gebetsformel offenbarte, nämlich das Trishagion, mit dem er angerufen werden wollte (vgl. Liber Heraclidis 2,2 [Übers. 318–319 Nau]); vgl. zur Datierung der Erdbeben Croke, „Two Byzantine Earthquakes“, 126–131. Placanica, „Introduzione“, XVI. Dass Berichte über (unerklärliche) Naturereignisse ansonsten durchaus ein wichtiger Bestandteil von Chroniken waren betont bspw. auch Croke, „Chronicles, Annals“, 308: „The meticulous recording of natural prodigies was important in a document such as a chronicle, which represented man’s relationship to God and the role of God’s providence in human history.“ Neben den im Folgenden genannten Ereignissen aus der Zeit der Herrschaft des Anastasius vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 130 (Pestepidemie nach dem eigentlichen Beginn des DreiKapitel-Streites); Chronicon 147 (Erdbeben nach dem 2. Konzil von Konstantinopel). Vgl. auch Chronicon 31 (ein signum im Himmel) und nicht als Naturereignis, aber auch i. S. der Folge einer Verfehlung Chronicon 131 (die Sünden Afrikas, auf welche eine Niederlage des römischen Heers zurückgeführt wird). S. dazu jeweils in den entsprechenden Kapiteln. S. auch o. S. 303 (mit Anm. 328). S. o. Anm. 371.
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durch einen Blitz geschieht (Chronicon 100).375 Zudem wird während der Herrschaft der Anastasius von einem gewaltigen Erdbeben berichtet, welches sich im Jahr des Konsul Abienus des Jüngeren ereignet habe.376 Dieses erscheint zwar nicht direkt als Folge eines anderen Ereignisses. Wird aber berücksichtig, dass in den Abschnitten zuvor (Chronicon 81; 83) sowie danach (Chronicon 85) verschiedene Aktionen des Anastasius gegen Chalcedon notiert sind,377 kann das Erdbeben in diesem Kontext als implizite Folge dieser Aktionen oder als Strafe dafür gedeutet werden. Damit lässt sich auch dieses Naturereignis plausibel in die anderen Ereignisse einreihen, die mit der ablehnenden Haltung des Anastasius und anderer zur Zeit seiner Herrschaft gegenüber Chalcedon verbunden werden können. In jedem Fall ist das Erdbeben, wie Placanica zu Recht bemerkt, durch die Wortwahl mit der Darstellung des Todes des Anastasius verknüpft.378 An diese Überlegungen anschließend ist davon auszugehen, dass auch der Bericht über den Ascheregen in Chronicon 94 mehr als nur ein Fehler des Chronisten ist: Der Ascheregen steht in der Linie der Naturererignisse – interpretierbar als Strafen (oder Strafwunder) –, die Anastasius und andere zur Zeit seiner Herrschaft als ChalcedonGegner treffen.379 Der Ascheregen, der als plötzliches, unvermutetes Naturphänomen auftritt, erscheint in der Darstellung der Chronik vor allem als unmittelbare Folge der Handlung des Kaisers selbst, die hier im Befehl der offiziellen Hinzufügung der Formel o staurotis di emas zum Trishagion besteht. Der Gedanke, dass der Ascheregen damit auch eine göttliche Strafe ist, liegt so zwar nicht fern, insbesondere ist hier aber eine deutliche Spitze gegen Anastasius gesetzt. Ohne Belang für die Chronik ist das hinter der Formel o staurotis di emas stehende theologische Problem selbst.380 Die Hinzufügung wird so auch nicht (explizit) mit der Ablehnung Chalcedons in Verbindung gebracht. Als vorläufiges Fazit wird vielmehr genannt: Pro qua nouitate Constantinopolitane multa mala obuenerunt ciuitati multique 375 S. dazu u. Kap. 5.4.10. 376 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 84 (26,435–437 Cardelle de Hartmann): Abienno iunore consule, ingens terremotus com coruscationibus et tonitruis magnis atque grandine et tocius celi et terre commotione factus est. / „Als Abienus der Jüngere Konsul war, geschah ein gewaltiges Erdbeben, mit Blitzen und großen Donnern und Hagel, und mit einer Bewegung des ganzen Himmels und der Erde.“ 377 S. o. Kap. 5.4.3 und 5.4.4. 378 Vgl. Placanica, „Introduzione“, XVI (Anm. 5): „Non si può tuttavia escludere che, inserito nel regno di Anastasio, quello che Vittore dipinge come un vero e proprio cataclisma prefiguri, con le coruscationes et tonitrui magni, la condanna divina contro il sovrano, di cui saranno ancora strumento tonitruorum terror e coruscationis iaculum.“ 379 Dass sich Naturereignisse und übernatürliche Ereignisse i. S. von Folgen von Vergehen oder einer Art Strafwunder unter Anastasius häufen, entspricht der Beobachtung von Cracco Ruggini, „The Ecclesiastical Histories“, 111, zu Wundern in den spätantiken Kirchengeschichten: „On the whole, however, miracles tend to concentrate under the reign of very pious emperors or of very impous ones (with a reversed significance, underlining their ominous lack of charismata).“ 380 S. o. S. 306–307.
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male sunt interempti.381 Es ist also v. a. die Neuigkeit der Hinzufügung,382 die hier kritisiert wird, und die sogleich weitere Schlechtigkeiten und den folgenden Aufstand nach sich zieht. Anders als bei Theodoros Anagnostes und Marcellinus Comes geht es nicht explizit um die Frage der Rechtgläubigkeit.383 Vielmehr ist ein Argument angedeutet, dass im Drei-Kapitel-Streit eine Rolle spielte: Kein Einzelner darf etwas Neues, also etwas über das hinaus, was in der Heiligen Schrift und in den Konzilien enthalten ist, für die Kirche festsetzen.384 Genau das geschieht aber an dieser Stelle durch den Befehl des Anastasius nach dem Verständnis der Chronik offenbar.385 Einige Zeit nachdem der Kaiser selbst seine Gesinnung zum Schlechteren geändert hat,386 erfährt Konstantiopel selbst nun durch sein Handeln konkrete Schlechtigkeiten (multa mala).387 Dem entsprechen die schlechten Tode der Vielen (multique male sunt interempti).388 Auch hier wird als Urheber der „Schlechtigkeiten“ nicht direkt ein göttliches Subjekt angeführt; eine solche Deutung durch den Leser oder die Leserin der Chronik liegt freilich im Kontext des oben Dargelegten nicht fern. Für den Aufstand schildert die Chronik des Victor von Tunnuna dann gemeinsame Aktionen der Grünen und Blauen gegen Anastasius. Dies ist aufgrund der sonstigen Feindschaft zwischen den Zirkusgruppen ungewöhnlich und findet sich in anderen 381 Victor von Tunnuna, Chronicon 94 (31,514–515 Cardelle de Hartmann). 382 Vgl. auch schon die Bezeichnung der Hinzufügung kurz zuvor als nouiter apponentes (31,510 Cardelle de Hartmann). Vgl. demgegenüber auch noch einmal die Versicherung des Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,30, Anastasius habe „überhaupt keine Neuerungen“ gewollt (s. o. S. 284–285 [Anm. 249]). 383 Bei Marcellinus Comes, Chronicon a. 512,2 (97,30 Mommsen) wird Marinus und Plato der Gesang der Orthodoxen entgegengesetzt (multi orthodoxorum pristina uoce psallentes); a. 512,3 (97,32; 97,33–35 Mommsen) werden die „Katholiken“ für ihren einzigen Glauben getötet (catholici pro fide unica perculsi sunt), und die Orthodoxen kommen im Constantinsforum zusammen (orthodoxorum agmina […] in foro Constantini undique confluunt); a. 512,6 (98,8 Mommsen) wird dem Zusatz „die Hymne der Dreieinigkeit nach der katholischen Sitte“ (hymnum trinitatis iuxta morem catholicum) gegenübergestellt. Hier ist also der Unterschied zwischen den „Katholiken“ und denen, die dem Trishagion die Staurotheis-Formel hinzugefügt haben, deutlich expliziert. Vgl. auch bei Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E508 der Ruf des Volkes angesichts der Mönche, die etwas anderes (also nicht den Zusatz) psalmieren (145,15 Hansen): „καλῶς ἦλθον οἱ ὀρθόδοξοι.“ / „Vortrefflich, die Rechtgläubigen sind gekommen!“ 384 S. o. Kap. 2.3.3. 385 Vgl. auch u. Kap. 5.7.2.1 und 5.7.3.7 zu Victor von Tunnuna, Chronicon 113 und 169. 386 S. o. zu Chronicon 68. 387 Bei Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E508 (145,18–19 Hansen) wirft Ariadne Anastasius vor, er sei „schuldig an den vielen Schlechtigkeiten für die Christen“ (πολλῶν κακῶν αἴτιον Χριστιανοῖς). Hier wird also Ariadne als dem Kaiser widersprechend dargestellt – sie spricht in der Kirchengeschichte das als Vorwurf aus, was in der Chronik des Victor von Tunnuna als Bericht dargestellt ist; s. auch o. S. 301 (Anm. 319). 388 Placanica übersetzt male mit „di morte violenta“ (Übers. 31 Placanica), was sachlich in diesem Zusammenhang sicher korrekt ist. Gleichzeitig ist mit dem Tod male aber der Horizont der anderen schändlichen oder schlechten Tode in der Chronik eröffnet, die an mehreren Stellen in der Chronik auf ein schlechtes Leben – insbesondere in antichalcedonensischer Haltung – folgen, nicht zuletzt bei Anastasius selbst (Chronicon 100; s. u. Kap. 5.4.10).
314
Die erzählte Geschichte der Chronik
Quellen nicht.389 Die Episode endet mit den Brandlegungen in Konstantinopel durch die Grünen und Blauen. Weitere Handlungen des Kaisers werden nicht berichtet, weder eine Beruhigung des Streites noch Strafen für die Aufständischen. Damit bleibt im Fokus, was pro qua nouitate geschieht. 5.4.10 Der Tod des Anastasius als Fazit seiner Herrschaft Anastasius’ Leben, das bis zuletzt von seiner antichalcedonensischen Haltung geprägt ist,390 entspricht sein schändlicher Tod: Anastasius wird durch einen Blitz getötet und mit Schande und ohne die normalen Exequien zum Grab geführt, also ohne die ihm normalerweise zustehende kirchliche Begräbnisfeier – nicht einmal im Tod ist Anastasius also mit der Kirche versöhnt: Anastasius imperator intra palacium suum tonitruorum terrore fugatus et coruscationis iaculo percussus in cubiculo quo absconsus fuerat moritur et cum ignominia absque consuetis exequiis ad tumulum ducitur anno uite sue LXXXVIII.391
Der Tod des Anastasius wird so bei Victor von Tunnuna zum deutlichen Fazit seiner Herrschaft, während der er sich durchgehend als gegen die Verteidiger der Synode von Chalcedon Handelnder und selbst als Feind Chalcedons gezeigt hatte.392 Auch ihn 389 Vgl. Meier, „Der Aufstand“, 178 (mit Anm. 100). Damit ist auch bei Victor von Tunnuna der Aufstand jedenfalls nicht nur als rein kirchenpolitisches Geschehen geschildert. Vgl. auch Meier, „Der Aufstand“, 202, der die „genuin politischen Aspekte[]“ des Aufstandes betont. Ein gemeinsames Vorgehen von Grünen und Blauen gibt es dann im Nika-Aufstand unter Justinian, vgl. Cameron, Circus Factions, 278–279, wovon Victor von Tunnuna allerdings nicht berichtet (s. u. S. 372–373). 390 Auch später in der Chronik wird so auf die Herrschaft des Anastasius rekurriert, vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 104 (34,575–576 Cardelle de Hartmann; s. o. S. 278): […] sinodi Calcedonensis decreta, Zenonis et Anastasii principum temporibus abdicata. 391 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 100 (548–552 Cardelle de Hartmann): „Kaiser Anastasius wurde durch die Angst vor dem Donnern innerhalb seines Palastes in die Flucht getrieben und durch einen Blitzschlag niedergeworfen, und er starb in dem Zimmer, in dem er versteckt war, und er wurde mit Schande und ohne die gewöhnlichen Exequien zum Grab geführt im 88. Jahr seines Lebens.“ Letzteres wird in anderen Quellen nicht erwähnt, vgl. Placanica, „Note“, 103 (ad a. 518,1). Dass einem Kaiser eine gewöhnliche Bestattung verweigert bzw. dass er schandhaft bestattet wird, berichtet allerdings etwa auch Eutropius für Vitellius und Domitian (Breuiarium ab urbe condita 7,18,5; 7,23,6; vgl. auch Epitome de Caesaribus 11,13). Der Tod des Anastasius steht in einer Reihe von schändlichen Toden innerhalb der Chronik, s. weiter u. zu Hunerich, Olimpius und Theodora, vgl. auch Vigilius. Einen Tod percussus wird zudem später in der Chronik (Chronicon 150) für Datius von Mailand nach seiner Zustimmung zur Verurteilung der Drei Kapitel notiert. Zu percussus vgl. auch Chronicon 130 (dort zur Bezeichnung einer Pestepidemie). Vgl. auch den Tod des Firmus und des Primasius in Chronicon 145. 392 Den Tod des Anastasius durch Blitz geben sonst nur Johannes Malalas, Chronographia 16,22 (335,64–66 Thurn) und Kyrill von Skythopolis, Vita Sabae 60 (162,4–10 Schwartz) an; Kyrill ist hier etwas ausführlicher als Malalas und der Chronik des Victor ähnlicher. Bei Theodoros Ana gnostes, Historia ecclesiastica E524 (151,24–25 Hansen) ist der Tod des Anastasius mit Lebens- und
Damnatores et defensores sinodi Calcidonensis 2: Die Herrschaft des Anastasius
315
selbst trifft nun eine Strafe (oder ein [göttliches?] Strafwunder), wie sie seine Herrschaft zuvor schon hervorgerufen hatte: Die Natur zeigt sich in Aufruhr […]. Der Herrscher hat gefehlt, sein Tod stellt nicht den würdigen Abschluss eines ehrenvollen Lebens dar, sondern verweist allseits sichtbar auf seine Untaten und Sünden – jetzt folgt Gottes Strafe. Dieser Eindruck wird noch zusätzlich dadurch verstärkt, dass der Kaiser durch das Gewitter furchtbar erschreckt worden sein soll, also nicht im Frieden, sondern – wie ein Tyrann – voller Angst starb.393
Gleichzeitig ist mit Donner und Blitz eine apokalyptische Motivik angedeutet.394 Der Schwerpunkt in der Darstellung der Herrschaft des Anastasius liegt in der Chronik des Victor von Tunnuna in den kirchenpolitischen Aktivitäten des Kaisers als Chalcedon-Gegner, und zwar von Anfang an.395 Die Darstellung des Todes des Ana stasius führt diese Charakterisierung seines Lebens zu einem konsequenten, dem entsprechenden Ende.
Regierungsdauer schlicht notiert, allerdings als „plötzlich“ (ἄφνω); so auch bei Marcellinus Comes, Chronicon a. 518,3; neutral auch bei Ps-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica 7,14; ebenso bei Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,44 (dies entspricht Evagrius’ sonstiger Haltung gegenüber Anastasius, den er trotz seiner eigenen chalcedonensischen Orientierung insgesamt positiv darstellt; vgl. Whitby, „Evagrius on Patriarchs“, 337 [mit Anm. 38]; Meier, Anastasios I., 86–87). Die Version des Theodoros Anagnostes könnte freilich ursprünglich ausführlicher gewesen sein. Zu Ernest Steins Mutmaßung über eine gemeinsame chronistische Quelle angesichts der hier vorliegenden Gemeinsamkeiten von Victor von Tunnuna, Kyrill von Skythopolis und Johannes Mala las s. o. S. 113. Zu den hier angegebenen und weiteren Quellen vgl. die Auflistung bei Placanica, „Note“, 103 (ad a. 518). 393 Meier, Anastasios I., 53. 394 Vgl. Meier, Anastasios I., 54–56, 320–321, der v. a. auch auf die eschatologischen bzw. apokalyptischen Konnotationen bei Johannes Malalas hinweist, wo zuvor (Chronographia 16,20) Anastasius sein Tod im Traum angekündigt wird. Die Darstellung des Geschehens in Chronicon 100 ist zudem durch die Erwähnung von coruscatio und von tonitrus mit dem Erdbeben in Chronicon 84 verknüpft. 395 Haarer, Anastasius I, 263 fasst daher die Darstellung bei Victor von Tunnuna zusammen: „His chronicle is weighted towards doctrinal affairs, to the detriment of the emperor’s character.“ Es geht aber insgesamt weniger um seinen Charakter als vielmehr um seine religionspolitischen oder dogmatischen Einstellungen/Haltungen, die in die enstprechenden Aktivtitäten münden. Da rauf, dass die negative Darstellung des Anastasius in prochalcedonensischen Quellen auch damit zusammenhängt, dass er am Ende auf der dogmatisch unterlegenen Seite stand, macht Kötter, Zwischen Kaisern, 268–270 aufmerksam; s. auch o. S. 264 (Anm. 167). Neutraler ist das Bild des Anastasius bei Liberatus von Karthago: Er bleibt dort eher eine blasse Gestalt und erscheint „nicht als ein Kaiser, der seine eigene Politik verfolgt oder bestimmte dogmatische Vorstellungen fördert, sondern als jemand, der zweifelhaften Gestalten traut und daher bisweilen eine falsche Politik wählt“; so Leppin, „Das Bild der Kaiser“, 158–159, hier 159. So gut wie keine Rolle spielt Anastasius bei Facundus von Hermiane, die einzige Erwähnung findet sich bezüglich der Dauer des acacianischen Schismas in Contra Mocianum 13; vgl. Leppin, „Das Bild der Kaiser“, 158 (Anm. 66).
316
Die erzählte Geschichte der Chronik
5.5 Dazwischen erzählt: Die Geschichte Nordafrikas unter den Vandalen Wie oben dargestellt, bildet neben den Kaisern und den Patriarchen die Abfolge der Herrscher (Könige) der Vandalen und die der Bischöfe von Karthago – entsprechend der nordafrikanischen Herkunft des Victor von Tunnuna – jeweils einen chronologischen Nebenstrang in der Chronik.396 Sind die beiden chronologischen Stränge der Kaiser und der Patriarchen durch das Handeln der einzelnen Personen immer wieder eng aufeinander bezogen und verknüpft, stehen die Notizen zu Geschehnissen in Africa in den meisten Fällen unverbunden daneben. Dadurch wird die Geschichte Nordafrikas unter den Vandalen397 bis zu deren Ende (und darüber hinaus) zu einem eigenen Erzählfaden innerhalb der Geschichte, die die Chronik erzählt, und zwar zu einem Erzählfaden, der „nebenher“ oder „dazwischen“ erzählt wird: Die Geschichte Nordafrikas ist (meistens in kleineren Blöcken) in die Geschichte des Römischen Reiches eingeflochten, gleichzeitig aber nicht deckungsgleich mit ihr. Diesem nordafrikanischen (Erzähl-)Faden soll in diesem Kapitel nachgegangen werden, nicht nur, weil sich dies bei einem nordafrikanischen Autor anbietet, sondern v. a., weil die Geschichte Nordafrikas unter den Vandalen, wie sich später zeigen wird, für die Darstellung des Drei-Kapitel-Streites in der Chronik eine eigene Rolle spielt. Die erste Erwähnung des Königs der Vandalen, Geiserich, der an dieser Stelle auch so bezeichnet wird,398 betrifft die Plünderung Roms durch die Vandalen.399 Weitere Ereignisse aus bzw. in Africa selbst während bzw. unter vandalischer Herrschaft seien hier zunächst für einen Überblick aufgelistet: Chronicon
Jahr400
Ereignis/Inhalt
26
463
Die Abfolge der Bischöfe Karthagos (Capreolus, Quodvultdeus, Deogratias und Eugenius).
28
464
Der Tod Geiserichs und die Herrschaftsübernahme durch Hunerich sowie die Heirat Hunerichs mit einer Tochter Valentinians.
30
466
Verfolgungen und Exilierungen der Katholiken unter Hunerich.
50
479
Weitere Verfolgungen und Exilierungen unter Hunerich; die Bekenner mit den abgeschnittenen Zungen; Laetus von Nepte; Eugenius von Karthago.
396 S. o. Kap. 4.2. 397 S. zu einer einführenden Darstellung auch o. Kap. 2.2.2. 398 Anders als in der entsprechenden Notiz bei Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 1375, wo er nur als rex tituliert ist. Als rex Vandalorum wird Geiserich bei Prosper nur in Epitoma chronicon 1327 bezeichnet. Dort geht es um Unterdrückungen des „katholischen“ Glaubens unter ihm. 399 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 14–15; s. dazu o. Kap. 5.1.2 und 5.1.3. 400 Wie in den Tabellen zuvor nach der Datierung in der Ausgabe Cardelle de Hartmanns.
Dazwischen erzählt: Die Geschichte Nordafrikas unter den Vandalen
317
Chronicon
Jahr400
Ereignis/Inhalt
51
479
Der unglückliche Tod des Hunerich.
52
479
Gunthamunds Regierung mit Rückholung der Exilierten.
78
497
Der Tod des Gunthamund; erneute Exilierungen unter Thrasamund.
79
497
Fulgentius von Ruspe.
86
505
Der Tod des Eugenius von Karthago.
106
523
Der Tod des Thrasamund; die Rückkehr von Exilierten und die Öffnung der Kirchen unter Hilderich; Bonifatius als Bischof von Karthago.
115
531
Die Übernahme der Herrschaft durch Gelimer.
117
533
Die Gewaltherrschaft Gelimers.
118
534
Die Einnahme Africas durch Belisar und das Ende der Herrschaft des Gelimer.
119
535
Reparatus folgt auf Bonifatius als Bischof von Karthago.
129
541
Der Aufstand unter Stotzas.
131
543
Der Sieg des Stotzas gegen das römische Heer unter Solomon.
134
545
Das Ende des Stotzas.
136
546
Der Aufstand unter Guntharith und dessen Ende.
Damit ist zunächst ist festzuhalten, dass ein großer Teil der Informationen, welche die Chronik über die Zeit Africas unter der Vandalenherrschaft bietet, die oben schon aufgeführte Abfolge der Herrscher bzw. Bischöfe und grundsätzliche Angaben zu den Verfolgungen und Exilierungen der „Katholiken“ betrifft.401 Eine Ausnahme bildet die Herrschaft des Hunerich, welche die Chronik etwas ausführlicher darstellt. Aus der Tabelle wird zudem ersichtlich, dass die Notizen zur Geschichte Africas unter den Vandalen nicht rein punktuell in die Chronik eingefügt wurden, sondern dass es, wie eben schon erwähnt, kleinere Blöcke gibt, die entweder für ein Jahr mehrere Informationen bieten oder mehrere kurz hintereinander folgende Jahre behandeln. Dass Könige der Vandalen und die karthagischen Bischöfe dabei vollständig genannt sind, wurde oben schon herausgearbeitet. Diesen Beobachtungen trägt das oben genannte Bild vom „Faden“, der in die Geschichte der „Kaiser [Prinzipes] der Römer“ und der „Patriarchen“, die der Chronik als Grundgerüst zugrunde liegt, eingefädelt wird und dem nachgegangen werden kann, Rechnung.
401 Zur Unklarheit über die Quellen des Victor von Tunnuna für diese Zeit s. o. Kap. 3.3.
318
Die erzählte Geschichte der Chronik
Was die Herrschaft der Vandalen in der Darstellung der Chronik des Victor von Tunnuna nun ausmacht, welche Geschichte die Chronik also davon in diesem (Erzähl-)Faden erzählt, soll im Folgenden näher beleuchtet werden. 5.5.1 Nordafrika unter Geiserich: multarum prouinciarum clades et christiani apud Affricam populi spolia atque neces Nach der Plünderung Roms durch Geiserich, die für die Darstellung der Geschichte Africas unter den Vandalen jedoch im Folgenden keine Rolle mehr spielt, ist die erste Notiz zu Geschehnissen in Nordafrika die Zusammenfassung zur Abfolge der Bischöfe von Karthago von Capreolus bis Eugenius.402 Einzelheiten wie die über zwanzigjährige Vakanz des Bischofsstuhls von Karthago vor Eugenius werden nicht genannt.403 Die Abfolge wird entsprechend der Abfolge der anderen Bischofssitze als nahtlos dargestellt. Als nächstes Ereignis wird Geiserichs Tod (aus heutiger Sicht fehlerhaft) für das Jahr 464 ( Jahr der Konsuln Olybrius und Rusticus),404 in das elfte – bzw. wahrscheinlicher vierzigste – Jahr405 seiner Regierung, datiert, post multarum prouinciarum clades et christiani apud Affricam populi spolia atque neces.406 Damit wird also die Situation in
402 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 26 (10,141–143 Cardelle de Hartmann): Cartaginensis ecclesie post Capreolum Quoduultdeus et post Quoduultdeus atque Deogratis Eugenius episcopus ordinatur. / „Für die Kirche von Karthago wurde nach Capreolus Quodvultdeus und nach Quodvultdeus und Deogratias Eugenius zum Bischof ordiniert.“ 403 S. o. S. 36. 404 Tatsächlich lebte er bis 477, s. o. S. 32. 405 Cardelle de Hartmann übernimmt hier mit XI den Text von P-E cum Isidoro (apparatus ad locum); die Zahl XL bietet P-S, wofür sich Placanica (10 Placanica) entscheidet. Der Codex Uniuersitatis Complutensis hat die Zahl X. Die Zahl XI ist zwar die schwierigere Lesart, abgesehen davon erscheint aber die Argumentation von Placanica plausibel, der die Zahl XL bei Isidor von Sevilla, Historia Wandalorum 74 (294,3 Rodríguez Alonso) auf Victor von Tunnuna zurückführt. Die Zahl 40 ist zudem zumindest nahe an der sonst überlieferten Zahl für die Regierungsdauer Geiserichs von 37 Jahren und 3 Monaten; vgl. Victor von Vita, Historia persecutionis 1,51; Laterculus regum Vandalorum et Alanorum, Augiensis A3; 39 Jahre gibt Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 1,7,30 an. Vgl. Placanica, „Note“, 77 (ad a. 464), in Bezug auf Courtois, Les Vandales, 408; vgl. auch Placanica, „Introduzione“, XXX. 406 Victor von Tunnuna, Chronicon 28 (11,150–151 Cardelle de Hartmann): „nach den Verlusten vieler Provinzen und den Plünderungen und gewaltsamen Toden im christlichen Volk in Africa“. Zur Frage nach einem möglichen Bezug auf Victor von Vita, Historia persecutionis 3,59 s. o. Kap. 3.3. Victor von Vita stellt im ersten Buch seiner Historia persecutionis (Zeit der Herrschaft Geiserichs) die Situation der „katholischen“ Christen Africas drastisch dar – und so wird sie von Victor von Tunnuna an dieser Stelle erinnert. Vgl. dazu auch Courtois, Les Vandales, 185–197, 289–293; Vössing, „Einleitung“, 23–26; Vössing, Das Königreich, 93–96; Steinacher, Die Vandalen, bes. 114–116, 127–132. V. a. Vössing und Steinacher weisen darauf hin, dass die Situation der „Katholiken“ unter Geiserich freilich nicht grundsätzlich und überall dem bei Victor von Vita Geschilderten entsprach und differenziert zu betrachten ist.
Dazwischen erzählt: Die Geschichte Nordafrikas unter den Vandalen
319
Africa mehrfach charakterisiert: Einerseits ist sie gekennzeichnet durch einen politischen Verlust (prouinciarum clades), andererseits durch persönliche Verluste bis hin zum Verlust des Lebens bei den afrikanischen „Christen“. Unklar ist, ob mit dem Rekurs auf die christiani apud Affricam Geiserich und die Vandalen im Gegenüber dazu als „Nicht-Christen“ diffamiert werden sollen.407 Deutlich wird aber, dass die Situation in Nordafrika bereits unter Geiserich auch als schwerer religiöser Konflikt mit weitreichenden Konsequenzen bewertet wird. 5.5.2 Nordafrika unter Hunerich: furor arrianus und confessores ac martyres Noch offensichtlicher wird dies dann unter Hunerich: Nachdem kurz (wie eben auch bei den vandalischen Herrschern üblich) seine Regierungszeit notiert wird408 sowie seine Heirat mit der ihm von Geiserich übergebenen Tochter Valentinians,409 werden die Verfolgungen unter Hunerich geschildert. In einem ersten Eintrag wird zusammenfassend von der Verfolgung der „Katholiken“ berichtet, die sich in der Enteignung der Kirchen410 und der Exilierung der „katholischen“ Bischöfe411 äußert: Hugnericus Vuandalorum rex Arriano suscitatus furore catholicos per Affricam plus patre prosequitur, christianorum ecclesias tollit et catholicos sacerdotes exilio mittit.412 407 S. dazu aber u. Kap. 5.5.2. 408 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 28 (11,152–153 Cardelle de Hartmann): regnat annis VII mensibus V / „er regierte 7 Jahre und 5 Monate“. Entsprechend wird der Tod Hunerichs in seinem 8. Regierungsjahr in Chronicon 51 notiert. Bei Victor von Vita, Historia persecutionis 3,71 und im Laterculus regum Vandalorum et Alanorum, Augiensis A4 werden Hunerich 7 Jahre und 10 Monate Regierungszeit zugeschrieben; vgl. Placanica, „Note“, 77 (ad a. 464). 409 Die Geiserich nach der Darstellung der Chronik aus Rom mitgenommen hatte, vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 15. Gemeint ist die Tochter Valentinians III. und seiner Gattin Eudoxia, Eudo cia, mit der Hunerich bereits während seiner Zeit in Ravenna (442–445/446) verlobt worden war; s. o. S. 235 (Anm. 24). 410 Zur Schließung der „katholischen“ Kirchen und zum Verbot des Gottesdienstes unter Hunerich vgl. Victor von Vita, Historia persecutionis, 2,38–39; 3,2–14 (entsprechende Erlasse Hunerichs); Laterculus regum Vandalorum et Alanorum, Augiensis A5; vgl. auch Courtois, Les Vandales, 226 (Anm. 5), 297; s. auch o. Kap. 2.2.2.2, auch zu den Exilierungen und Verfolgungen unter Hunerich. 411 Zur Frage der Bedeutung von sacerdos in diesem Zusammenhang s. o. S. 228 (Anm. 264). 412 Victor von Tunnuna, Chronicon 30 (11,158–161 Cardelle de Hartmann): „Hunerich, der König der Vandalen, verfolgte, durch arianische Raserei erregt, die Katholiken in Africa mehr als sein Vater, er nahm die Kirchen der Christen weg und schickte die katholischen Bischöfe ins Exil.“ Zu den Verfolgungen unter Hunerich vgl. insgesamt Victor von Vita, Historia persecutionis 2–3, zum Beginn der Verfolgungen nach einer anfänglichen Milde ebd., 2,17. Dort (30,12–14 Petschenig; Übers. 75 Vössing) wird mit ähnlichen Worten (im Folgenden unterstrichen) für den Beginn der Verfolgungen unter Hunerich berichtet: uniuersa tela furoris in persecutionem ecclesiae catholicae […] conuertit / „richtete er […] alle Waffen seiner Wut auf die Verfolgung der katholischen Kirche“. Hier findet sich also – anders als an anderen Stellen, für die ein direkter Rückgriff auf die Historia persecutionis durch Victor von Tunnuna vermutet wurde (s. o. Kap. 3.3) – in beiden Texten eine durchaus ähnliche Wortwahl im selben Kontext. Über eine direkte Benutzung der Historia durch
320
Die erzählte Geschichte der Chronik
Was die Chronik Victors von Tunnuna damit nicht erwähnt, ist die zunächst durchaus ausgleichende Religionspolitik Hunerichs, der etwa die Wahl des Eugenius zum Bischof von Karthago zulässt. Auch das Religionsgespräch von 484 und der Liber fidei catholicae werden nicht genannt.413 Zurückgeführt werden die Maßnahmen Hunerichs v. a. auf seinen „arianischen“ Glauben, der hier als „arianische Raserei“ erscheint und den „Katholiken“ bzw. überhaupt den „Christen“ gegenübergestellt wird, ähnlich wie in der Notiz zu Geiserich in Chronicon 28. Damit liegt hier die Implikation, dass Hunerich und seine Anhänger nicht als „Christen“ verstanden werden sollen, nahe. Der Konflikt zwischen Nordafrikanern und Vandalen erscheint so als Konflikt zwischen „Katholiken“ und „Arianern“ bzw. zwischen „Christen“ und (implizit) „Nicht-Christen“ hier hauptsächlich als ein religiöser Konflikt.414 Die Charakterisierung als „Arianer“ dient in der Chronik an verschiedenen Stellen zur Disqualifizierung einer Person. Mit Thrasamund wird nicht nur ein weiterer vandalischer Herrscher so bezeichnet, der ähnlich arriana insania plenus Maßnahmen wie Hunerich ergreift,415 sondern es wird auch, wie oben bereits gesehen, ein Kaiser in die Nähe von „Arianern“ gestellt, nämlich der als Chalcedon-Gegner gezeichnete Ana stasius: Er wird nicht nur als von einer „arianischen“ Mutter abstammend geschildert, sondern in seine Herrschaft fallen auch zwei Episoden mit „Arianern“ als Protagonisten, die einerseits ein negatives Licht auf seine Herrschaftszeit werfen, andererseits aber auch diese seiner eigenen perfidia zugrundliegende Abstammung illustrieren.416 Einerseits sind „Arianer“ also die vandalischen Herrscher, die durch „Raserei“ oder „Tollheit“ gekennzeichneten Unterdrücker der „Katholiken“ und überhaupt der Christen in Africa, andererseits erscheinen sie als Chiffre für perfidia und in diesem Kontext weitergedacht auch für eine antichalcedonensische Haltung. Beide Bedeutungen von „Arianer“ sind in der Chronik greifbar, durch dieselbe Bezeichnung aber verknüpft und damit gleichzeitig füreinander durchlässig. Beide, sowohl die Vandalenherrscher als (zum Teil) auch Chalcedon-Gegner sind „Arianer“ und stehen als solche in derselben Tradition.
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Victor von Tunnuna lässt sich allerdings auch hier höchstens spekulieren, für einen Nachweis sind die Ähnlichkeiten nach wie vor zu gering und zu vage. Vgl. Courtois, Les Vandales, 293–299; Vössing, Das Königreich, 120–124; Steinacher, Die Vandalen, 246–258; vgl. auch Placanica, „Note“, 77 (ad a. 466). S. o. S. 37. Und damit nicht als ethnischer. Vgl. insgesamt die Konflikte im Vandalenreich vorrangig so, als religiöse Konflikte deutend Whelan, Being Christian, zusammenfassend 234–235 (s. auch o. S. 36 [Anm. 68]). Zur wahrscheinlich grundsätzlichen Anerkennung der vandalischen Herrschaft in Nordafrika, die sich auch in der Chronik Victors von Tunnuna zeigt, s. o. S. 218–219. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 78 (hier 24,399–400 Cardelle de Hartmann): „voll von arianischer Tollheit“. S. zu Thrasamund weiter u. Kap. 5.5.4. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 67; 80; 82; s. o. Kap. 5.4.1 und 5.4.8.
Dazwischen erzählt: Die Geschichte Nordafrikas unter den Vandalen
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Mit der Kennzeichnung der Vandalenkönige als „Arianer“ greift die Chronik des Victor von Tunnuna zudem auf einen Topos zurück, der schon in der Zeit unter den Vandalen selbst in Nordafrika zur Diffamierung der Homöer bzw. als gegen sie gerichtete Polemik genutzt wurde, und mit dem gleichzeitig die „Katholiken“ Nordafrikas ebenso wie die „Arianer“ in die entsprechende Tradition und Geschichte eingeschrieben wurden.417 Ausführlicher berichtet die Chronik dann etwas später von weiteren, intensiveren und diesmal konkreter genannten Maßnahmen Hunerichs. Chronicon 50 ist der längste Abschnitt über die Zeit unter den Vandalen in Africa und insbesondere das Schicksal der „Katholiken“: Hugnericus Vuandalorum rex persecutioni per totam Affricam nimis insistens, Tubunnis, Macri et Nippis aliis que heremi partibus catholicos iam non solum sacerdotes et cuncti ordinis clericos sed et monachos atque laycos quatuor circiter milia exiliis durioribus relegat et confessores ac martyres facit, confessoribusque linguas abscidit. Quos confessores, quod linguis abscisis perfecte finem adusque locuti sunt, urbs regia attestatur ubi eorum corpora iacent. Tunc Letus Neptensis ciuitatis episcopus gloriose martirio coronatur VIII kalendarum octobrium die et Eugenius episcopus Cartaginensis ecclesie post dira heremi exilia plurimis afflictionibus penisque clarus habetur.418
Dieser Abschnitt geht über eine summarische Bemerkung zu den Verfolgungen wie in Chronicon 30 hinaus, weil hier konkrete Ereignisse wie das Martyrium des Laetus von Nepte genannt werden. Gleichzeitig fasst Victor von Tunnuna – wie an mehreren anderen Stellen in der Chronik – auch hier wieder mehrere Jahre zusammen. Damit vermischt er verschiedene Phasen der Maßnahmen gegen die „Katholiken“, d. h. v. a. die Maßnahmen und Ereignisse vor und nach dem Religionsgespräch von 484 (das
417 Das zeigt etwa schon die Historia persecutionis des Victor von Vita; vgl. dazu das 4. Kapitel bei Whelan, Being Christian, besonders 109–130, hier 111: „As these Nicene clerics [etwa Vigilius von Thapsus] portrayed it, Vandal Africa was a new episode in the grand narrative of the Arian controversy, from which the Catholic Church’s heroes would again emerge triumphant.“ 418 Victor von Tunnuna, Chronicon 50 (16,242–254 Cardelle de Hartmann): „Hunerich, der König der Vandalen, nahm eine Verfolgung in ganz Africa mit Eifer auf über die Maßen, und er verbannte nach Tubunae, Macri und Nippis und in andere Teile der Wüste die Katholiken, aber nicht nur die Bischöfe und die Kleriker jeglicher Ordnung, sondern auch Mönche und Laien, ungefähr 4.000, mit sehr harten Exilen, und er machte Bekenner und Märtyrer, und er schnitt Bekennern die Zungen ab. Von diesen Bekennern bezeugt die Königsstadt, wo ihre Körper liegen, dass sie, obwohl die Zungen abgeschnitten worden waren, bis zum Ende vollkommen sprachen. Damals wurde Laetus, der Bischof der Stadt Nepte, ruhmreich zum Märtyrer gekrönt am 8. Tag vor den Kalenden des Oktober, und Eugenius, der Bischof der Kirche von Karthago, galt als berühmt nach den schrecklichen Exilen der Wüste mit vielen Leiden und Strafen.“ Zur möglichen Identifizierung der genannten Ortschaften mit den heutigen Orten Tobna, Henchir Remada und Ngaous vgl. Placanica, „Note“, 84 (ad a. 479,1); vgl. auch Steinacher, Die Vandalen, 249; vgl. zu den Orten auch knapp Courtois, Les Vandales, 329.
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er, wie gesagt, nicht erwähnt).419 Die Verfolgungen Hunerichs werden an dieser Stelle im Vergleich mit Chronicon 30 als intensiver beschrieben: persecutioni per totam Affricam nimis insistens […] exiliis durioribus relegat.420 Die Verfolgungen bedeuten konkret die Exilierung von Bischöfen und anderen Mitgliedern des Klerus, jedoch auch von Mönchen und Laien.421 Die in Chronicon 50 genannte Zahl von „etwa 4.000“ ähnelt, wie oben gesehen, der bei Victor von Vita, Historia persecutionis 2,26 angegebenen Zahl von quattuor milia DCCCCLXVI (33,22 Petschenig).422 Durch seine Maßnahmen „macht“ Hunerich „Bekenner und Märtyrer“ (confessores ac martyres)423. Diese confessores ac martyres unter den „Katholiken“ werden im Folgenden näher expliziert: Dass in Chronicon 50 gerade hinsichtlich drei spezifischer Personen bzw. Personengruppen Genaueres genannt wird, ist besonders wichtig für das, was in der Chronik später bezüglich der Geschichte des Drei-Kapitel-Streites im nordafrikanischen Kontext dargestellt wird. Drei bedeutsame Figuren der Geschichte der „katholischen“ Afrikaner unter der vandalischen Herrschaft, nämlich drei confessores ac martyres, werden hier erwähnt: Die Bekenner, deren Zungen von Hunerich abgeschnitten wurden und die dennoch auf wundersame Weise vollkommen sprechen konnten, Laetus, der Bischof von Nepte, der zum Märtyrer gemacht wurde und der Bischof von Karthago Eugenius. Alle genannten Figuren sind aus verschiedenen Kapiteln der Historia persecutionis des Victor von Vita bekannt. Alle genannten Figuren gehören in der Historia persecu tionis zu den Bekennern und Märtyrern während der Herrschaft Hunerichs. In Historia 419 Vgl. Steinacher, Laterculus, [52]; ders., Die Vandalen, 424 (Anm. 45); vgl. auch Vössing, Das Königreich, 122–123. 420 Tatsächlich waren Hunerichs Maßnahmen v. a. auf die Proconsularis konzentriert, vgl. Steinacher, Die Vandalen, 249–250; vgl. auch Vössing, Das Königreich, 77–78, 124. S. auch kurz o. S. 33 (Anm. 52) zum Problem der sortes Vandalorum. 421 Victor von Vita, Historia persecutionis 2,26 (33,21–22 Petschenig; Übers. 79 Vössing) gibt an, Hunerich episcopos, presbyteros, diaconos et alia ecclesiae membra […] ad exilium heremi destinauit („als er Bischöfe, Priester, Diakone und andere Mitglieder der Kirche […] zur Verbannung in der Wüste verurteilte“). Er nennt also an dieser Stelle nicht explizit Laien, jedoch wird aus seinem weiteren Bericht deutlich, dass er ebenso eine Verbannung von Angehörigen der jeweiligen familia, auch von Kindern und Müttern, voraussetzt, vgl. etwa Victor von Vita, Historia persecutionis 2,29–30; vgl. dazu Steinacher, Die Vandalen, 250. Auch die alia membra können zudem Laien sein. Vgl. zu den Exilierungen in die Wüste unter Hunerich Victor von Vita, Historia persecutionis 2,26–37; vgl. zu weiteren Exilierungen auch ebd., 3,20; zur späteren Exilierung der Kleriker Karthagos vgl. ebd., 3,34–38. Vgl. auch Marcellinus Comes, Chronicon a. 484,2; Passio septem monachorum 4; vgl. auch Courtois, Les Vandales, 297 (Anm. 10); Placanica, „Note“, 84 (ad a. 479,1); s. auch o. S. 37–38. 422 Dies sagt aber nichts über eine direkte Abhängigkeit an dieser Stelle aus, s. o. Kap. 3.3. Marcellinus Comes, Chronicon a. 484,2 (92,34–93,1 Mommsen) spricht von plus quam trecentis triginta quattuor orthodoxorum episcopis / „mehr als 343 Bischöfen der Orthodoxen“. 423 Zwischen martyres und confessores wurde bereits seit den Christenverfolgungen im Römischen Reich unterschieden (Ansätze dazu sind schon früher zu finden): Als martyres galten die, die aufgrund ihres Glaubenszeugnisses den Tod erlitten; confessores, Bekenner, waren die, die zwar ihren Glauben bekannt und deshalb gelitten hatten, dabei aber nicht deshalb gestorben waren; vgl. knapp Frend, „Confessor“, 446–447.
Dazwischen erzählt: Die Geschichte Nordafrikas unter den Vandalen
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persecutionis 3,19–30 wird die Episode der Bekenner aus Tipasa, denen Hunerich die Zungen abschneiden lässt, erzählt: Nachdem die meisten Bürger der Stadt wegen des neu eingesetzten „arianischen“ Bischofs nach Spanien fliehen, feiern die wenigen zurückgebliebenen „Katholiken“ dennoch ihren Gottesdienst. Daraufhin werden ihnen die Zunge und die rechte Hand abgeschnitten. Durch den Heiligen Geist (spiritu sancto praestante [87,12 Petschenig]) reden sie weiter wie bisher (loquuti sunt et loquuntur, quomodo antea loquebantur [87,13–14 Petschenig]), was damit als gottgewirktes Wunder gedeutet wird.424 Victor von Tunnuna berichtet nichts von der Erzählung, in die das Abschneiden der Zungen in der Historia persecutionis eingebunden ist: Er nennt den Fakt, dass Hunerich425 die Zungen abschnitt und dass die confessores bis zu ihrem Tod vollkommen sprachen (perfecte finem adusque locuti sunt). Die Geschichte der Bekenner mit den abgeschnittenen Zungen wird in mehreren anderen Quellen mit Variationen erzählt, was ihre Bekanntheit und Bedeutung zeigt.426 Nicht mehr feststellen lässt sich allerdings, ob Victor von Tunnuna mit seiner Erwähnung dieser Bekenner auf eine in Nordafrika bewahrte Erinnerung zurückgreift oder auf den Ruf, den die Bekenner sicherlich in Konstantinopel hatten427 – nicht nur Victor von Vita schreibt, dass einer dieser Bekenner, der Subdiakon Reparatus, in Konstantinopel lebte und im Kaiserpalast bekannt war und verehrt wurde (Historia persecutionis 2,30), sondern Victor von Tunnuna weist selbst auf das Zeugnis ihrer Geschichte in der „Königsstadt“428 hin (urbs regia attestatur), wo die Bekenner ihm zufolge auch begraben sind. Davon berichtet die Historia persecutionis nicht – schon allein deshalb, weil seit den erzählten Geschehnissen nicht allzu viel Zeit vergangen ist, wie an der Angabe über den noch lebenden Subdiakon Reparatus zu erkennen ist. Auch die anderen Quellen erwähnen keinen Begräbnisort. Für die Chronik des Victor von Tunnuna ist diese Angabe aber hinsichtlich ihrer Darstellung des Drei-Kapitel-Streites von besonderem Interesse, wie sich später zeigen wird.429
424 Vgl. auch Vössing, „Einleitung“, 21, der darauf hinweist, dass in der Antike die Zunge als Voraussetzung für jedes Sprechen angesehen worden sei. Dass die Bekenner nach deren Herausschneiden noch sprechen konnten, habe also als Wunder erscheinen müssen. 425 Und nicht ein comes wie in Victor von Vita, Historia persecutionis 3,30. 426 Vgl. Aeneus Gazaeus, Theophrastus (PG 85,1000–1001 Migne); Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 1,8,4; Marcellinus Comes, Chronicon ad a. 484,2; Codex Iustinianus 1,27,1,4; Gregor der Große, Dialogi 3,32; vgl. Placanica, „Note“, 84 (ad a. 479,1), dort auch zu weiteren, von den genannten abhängigen Quellen. 427 Vgl. Lancel, „Notes complémentaires“, 323 (Anm. 427); Placanica, „Note“, 84 (ad a. 479,1), der auch für die Historiziät des Ereignisses argumentiert; Vössing, „Kommentar“, 187 (Anm. 303): „Auch andere der in Tipasa Verfolgten übersiedelten (nach Hunerichs Tod) nach Konstantinopel; ihr Schicksal und daß sie dort trotz herausgeschnittener Zunge sprechen konnten […], machte sie berühmt, wie eine Vielzahl (z. T. variierender und ausschmückender) weiterer Zeugnisse zeigt“. 428 Zum nicht unüblichen Gebrauch dieser Bezeichnung für Konstantinopel vgl. Placanica, „Note“, 84 (ad a. 479,1). 429 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 173; s. u. Kap. 5.7.3.7.
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Die Bekenner mit den abgeschnittenen Zungen gehören als confessores übrigens zu dem Teil der „Bekenner und Märtyrer“, dem in der Historia persecutionis die gewichtigere Rolle zukommt: Die confessores sind im Gegenüber zu den Märtyrern deutlich in der Mehrzahl. Wohl auch wegen der Angst der Vandalen vor der mobilisierenden Wirkung von Martyrien auf die „Katholiken“ waren Hinrichtungen unter den Vandalen offenbar weniger häufig als Victor von Vita es glaubhaft machen möchte.430 Dennoch wurden die nizänischen Christen aufgrund ihres Glaubens bedrängt und verfolgt, und je mehr sie bedrängt wurden, so die Darstellung Victors von Vita, desto stärker wurden sie.431 Insofern lässt sich bei Victor von Vita insbesondere eine Theologie des Bekennertums finden – in Kontinuität zu und gleichzeitig in einem Wechselspiel mit einer Theologie des Martyriums.432 Das Schicksal der zweiten in der Reihe der confessores ac martyres erwähnten Personen, der martyres, wird bei Victor von Tunnuna konkretisiert am Schicksal des Laetus von Nepte. Ein Laetus wird erwähnt bei Victor von Vita, Historia persecutionis 2,52: Kurz vor dem von Hunerich auf den 1. Februar 484 festgesetzten Beginn des Streitgespräches zwischen „Katholiken“ und „Arianern“ wird Laetus, der zum dafür zusammengekommenen Kreis von Bischöfen bzw. gelehrten Männern gehört, zur Abschreckung der anderen verhaftet und nach längerer Haftzeit verbrannt.433 Der Laetus aus der Historia persecutionis wird normalerweise mit dem in Notitia prouinciarum, Nomina episcoporum prouinciae Byzacenae 14 (124,14 Petschenig) gelisteten Bischof Laetus von Nepte (Laetus Neptitanus) und daher mit dem in der Chronik des Victor von Tunnuna
430 Vgl. Shanzer, „Intentions and Audiences“, 281–286, 289; vgl. auch Vössing, „Einleitung“, 23; vgl. Victor von Vita, Historia persecutionis 1,44.47. Vgl. auch Historia persecutionis 1,30 (13,21–22 Petschenig; Übers. 51 Vössing) selbst zur Situation unter Geiserich: Sed etiam martyria quam plurima esse probantur, confessorum autem ingens et plurima multitudo. / „Aber auch sehr viele Martyrien sind bezeugt, an Bekennern jedoch gab es eine ungeheuer große Menge“. Vgl. auch Howe, Vandalen, 287–301 zu den „Bekennerzeugnisse[n]“ der Historia persecutionis. 431 Vgl. etwa Victor von Vita, Historia persecutionis 1,47; 2,9. 432 Vgl. Shanzer, „Intentions and Audiences“, 288–289, hier 289: „By arrogating scripts that had earlier on pertained to martyrdoms during the pagan persecutions of Christians, Victor lends antiquity and dignity to the terrors of his times. Ultimately he was working towards a new theology of confessorhood with his own violent, sensational, and emotive literature.“ Zum Wechselspiel zwischen Martyrium und Bekennertum vgl. ebd., 282–283; vgl. etwa Victor von Vita, Historia persecutionis 1,30; 3,22 (s. u. Anm. 41). Ein solches Wechselspiel deutet auch Laktanz, De mortibus persecutorum 1,1 an, wo die gloriosa confessio das Verdienst der Märtyrer ist, durch welches sie sich die sempiterna corona erwerben (171,8–9 Brandt/Laubmann); s. auch u. Anm. 439. 433 Vgl. Victor von Vita, Historia persecutionis 2,52 (44,21–24 Petschenig; Übers. 95–97 Vössing): Nam unum e ipso choro doctorum, nomine Laetum, strenuum atque doctissimum uirum, post diuturnos carceris squalores incendio concremauit, aestimans tali exemplo timorem incutiens reliquos elisurum. / „Einen nämlich aus jenem Kreis von Gelehrten, er hieß Laetus, einen unbeugsamen und hochgebildeten Mann, ließ er nach langer, in einem schmutzigen Verlies verbrachter Haft im Feuer verbrennen, weil er glaubte, die übrigen unschädlich machen zu können, wenn er sie durch ein solches Beispiel in Furcht versetzte.“
Dazwischen erzählt: Die Geschichte Nordafrikas unter den Vandalen
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genannten Bischof identifiziert.434 Der Beobachtung Danuta Shanzers, dass Laetus bei Victor von Vita nicht eigentlich den Märtyrertod erleide,435 ist insofern zuzustimmen, als Laetus dort nicht explizit als „Märtyrer“ bezeichnet wird, obwohl an anderen Stellen der Historia persecutionis durchaus auch wörtlich von Märtyrern und Martyrien die Rede ist.436 Aufgrund seines gewaltsamen Todes als nizänischer Bischof im Kontext der Zusammenkunft zum Glaubensgespräch mit Hunerich liegt ein Verständnis seines Todes als Martyrium allerdings nicht fern – und versteht man seinen Tod aufgrund dieser Umstände als Martyrium, ist Laetus in der Historia persecutionis der einzige namentlich genannte Märtyrer unter den Bischöfen Nordafrikas während der vandalischen Herrschaft.437 Als Märtyrer wird er jedenfalls auch von Victor von Tunnuna rezipiert,438 der ihn nicht nur als ein Beispiel der confessores ac martyres nennt, sondern über seinen Tod schreibt: Letus Neptensis ciuitatis episcopus gloriose martirio coronatur VIII kalendarum octobrium die.439 Laetus ist in der Chronik des Victor von Tunnuna die einzige Person, die explizit ein „Martyrium“ erleidet – und der erste mit einem Tod, den man in einem religiösen Sinn als „gut“ bezeichnen kann.440 Von den näheren Um-
434 Zur Notitia prouinciarum s. kurz o. S. 37 (Anm. 79), 85; zur Frage nach der Identität der „Laeti“ vgl. kurz auch Howe, Vandalen, 87 (Anm. 97), 91–92 (Anm. 109). 435 Vgl. Shanzer, „Intentions and Audiences“, 284: „factors other than Nicene faith may have been at issue at this apparent judicial execution“. 436 Vgl. Victor von Vita, Historia persecutionis 1,30; 2,29.34; 3,22.23.26.27.28.41. Die meisten Nennungen von martyr oder martyrium betreffen summarische Bemerkungen oder namentlich unbekannte Personen, nur zwei Märtyrer sind als solche bezeichnet und dazuhin namentlich genannt: Dionysia (Historia persecutionis 3,22) und Victorianus (Historia persecutionis 3,27). Allerdings erleiden nicht einmal alle von denen, die als Märtyrer bezeichnet werden, wirklich den Märtyrertod, so stirbt etwa Dionysia nicht; vgl. Shanzer, „Intentions and Audiences“, 283–284. 437 Vgl. Courtois, Les Vandales, 298; von einem Martyrium sprechen auch Placanica, „Note“, 84 (ad a. 479,1) und Vössing, „Kommentar“, 177 (Anm. 211); s. auch o. Kap. 4.1.2.5. 438 Vgl. auch Shanzer, „Intentions and Audiences“, 284. 439 Victor von Tunnuna, Chronicon 50 (16,250–252 Cardelle de Hartmann; s. o. S. 321 [mit Anm. 418]). Der Ausdruck martyrio coronari ist häufig, vgl. TLL, s. v. „corono“; TLL, s. v. „martyrium“; vgl. bspw. bei Victor von Vita, Historia persecutionis 3,41; vgl. 2,30. Vgl. auch Laktanz, De mortibus persecutorum 1,1 (171,8–9 Brandt/Laubmann; Übers. 91 Städele) über die Brüder, qui gloriosa confessione sempiternam sibi coronam pro fidei meritis quaesierunt. / „die sich durch ihr glorreiches Bekenntnis die ewige Krone für ihre Verdienste um den Glauben erworben haben“. Vgl. auch Prosper Tiro von Aquitanien, Epitoma chronicon 852 (Cornelius von Rom); 864 (Cyprian); 1007 (Basilius von Amasia Pontus; jeweils unter Christenverfolgungen). Vgl. Placanica, „Note“, 84 (ad a. 479,1). 440 Zu weiteren solchen „guten“ Toden innerhalb der Chronik v. a. von Verteidigern der Drei Kapitel (allerdings nicht als Märtyrer) s. u. in Kap. 5.7.3, bes. Kap. 5.7.3.7. Zur positiven Sicht auf den Märtyrertod vgl. etwa schon Tertullian, De resurrectione 43,4 (der, der das Martyrium erleidet, kommt sofort ins Paradies). Vgl. auch die Hinweise auf die hohe Bedeutung der Märtyrer besonders für die nordafrikanischen Kirchen in der Darstellung zum Märtyrerkult in Nordafrika bis zum fünften Jahrhundert bei Patout Burns/Jensen, Christianity, 519–551; vgl. auch Frend, „From Donatist Opposition“, 259–260; grundsätzlich auch Frend, Martyrdom and Persecution; vgl. auch Shanzer, „Intentions and Audiences“, die ebd., 285 (mit Anm. 106) hinsichtlich der Erzählungen der Bekenner und Märtyrer bei Victor von Vita in Bezug auf Moorhead, Victor of Vita, XIII–XV, die Kontinuität zu den Christenverfolgungen hervorhebt: „Continuities thus can be observed between the Afri-
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ständen seines Todes schreibt die Chronik des Victor von Tunnuna aber (wie bei den Bekennern mit den abgeschnittenen Zungen) nichts. Victor von Vita setzt, wie gesehen, den Tod des Laetus in den Kontext der Konferenz von Karthago 484, die am 1. Februar begann – allerdings ist das genaue Datum unklar, weil der Tod ja nach langer Haft erfolgte. Bei Victor von Tunnuna wird der Tod des Laetus nun exakt datiert, und zwar auf den 8. Tag vor den Kalenden des Oktober (d. h. auf den 24. September). Oben wurde schon einmal die Frage gestellt, ob diese Datierung über die Frage nach dem korrekten Datum für den Tod des Laetus hinaus eine Bedeutung innerhalb der Chronik haben könnte;441 diese Diskussion sei hier noch einmal kurz aufgegriffen: Victor von Tunnuna gibt nicht viele exakte Datierungen innerhalb der jeweiligen Jahre an. Bis auf zwei Datierungen beziehen sich diese Datierungen auf Todestage:442 Eine dieser Ausnahmen betrifft das Konzil von Chalcedon, das genau, aber anders als in den Akten des Konzils, datiert wird auf den 8. Tage vor den Kalenden des Oktober443 – also genau auf denselben Tag des Jahres wie der Tod des Laetus von Nepte. Sein als Martyrium verstandener Tod, d. h. sein Tod für den richtigen, „katholischen“, Glauben und das Konzil von Chalcedon, das Konzil, an dem sich in der Chronik immer wieder die Frage nach der „Katholizität“, d. h. nach der Rechtgläubigkeit, der fides catholica, und damit auch nach der richtigen communio entscheidet, werden so subtil verknüpft.444 Laetus ist damit nicht nur einer der „Katholiken“, auf die ja auch in Chronicon 50 selbst rekurriert wird, im Gegenüber zu den „Arianern“ unter Hunerich, sondern er steht als solcher in Verbindung mit Chalcedon, und zwar gerade als einer derer, die unter den „Katholiken“ Nordafrikas als confessores ac martyres hervorgehoben sind. Denkt man dies weiter, stehen auch die auf Chalcedon bezogenen „Katholiken“ nach ihm, und das heißt für die Chronik des Victor von Tunnuna: die Verteidiger der Drei Kapitel, in seiner Tradition.445 Darauf kann auch hinweisen, dass Nepte, der Bischofssitz des Laetus, im Süden der Byzacena liegt.446 Auch wenn dies zunächst Zu-
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can Church under the Vandals and the African Church of the Great Persecution and the Donatist controversy with regard to scripts of martyrdom.“ Vgl. auch ebd., 283, 289. S. auch o. S. 37–38. S. o. Kap. 4.1.2.5. S. insgesamt Kap. 4.1.2. zu den Datierungen im Einzelnen. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 10 (5,55 Cardelle de Hartmann): VIII kalendas octobris. Vgl. auch exemplarisch die Bezeichnung Justins I. als catholicus, sinodi Calcidonensis amator simulque defensor (Victor von Tunnuna, Chronicon 101 [33,554–555 Cardelle de Hartmann]; s. u. S. 345 [Anm. 541]) oder später das Verständnis der Verurteilung der Drei Kapitel „in der öffentlichen Ächtung des katholischen und apostolischen Glaubens und des Konzils von Chalcedon“ (Victor von Tunnuna, Chronicon 142 [46,829–830 Cardelle de Hartmann]: Tria sepe fata capitula in proscriptione fidei catholice et apostolice Calcidonensisque concilii fuisse damnata.). Insofern lässt sich durchaus sagen, dass die „Katholiken“ Nordafrikas und damit auch die confessores ac martyres der Vandalenzeit in der Chronik eben in ihrer Eigenschaft als catholici immer auch positiv auf das Konzil von Chalcedon zu beziehen sind. Dazu s. auch weiter u. insgesamt Kap. 5.7.3. S. o. S. 324 die Angabe in der Notitia prouinciarum; vgl. außerdem Vössing, „Kommentar“, 177 (Anm. 212).
Dazwischen erzählt: Die Geschichte Nordafrikas unter den Vandalen
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fall sein kann, verknüpft diese Lokalisierung Laetus doch auf subtile Weise mit der später hervorgehobenen byzacenischen Gruppe in der Chronik – wohl um Victor von Tunnuna selbst –, die länger als alle anderen an der Verteidigung der Drei Kapitel festhält. Zugespitzt formuliert: Die späteren Verteidiger der Drei Kapitel stehen schon durch ihre Herkunft in einer Kontinuität zu Laetus und seinem Martyrium, seinem Festhalten am „katholischen“ Glauben bis in den Tod.447 Die letzte in Chronicon 50 erwähnte Person ist Eugenius, der Bischof der Kirche von Karthago. Über ihn wird berichtet, dass er „als berühmt galt nach den schrecklichen Exilen der Wüste mit vielen Leiden und Strafen“ (post dira heremi exilia plurimis afflictionibus penisque clarus habetur).448 Auch von Eugenius wird in der Historia persecutionis des Victor von Vita berichtet:449 Er ist nach 24-jähriger Unterbrechung aufgrund des Verbotes unter Geiserich der erste neugewählte Bischof in Karthago (480/81–505450).451 Nach der Darstellung der Historia persecutionis muss er bald nach seiner Einsetzung Anfeindungen durch die „arianischen“ Bischöfe erdulden.452 484 legt Eugenius mit anderen „katholischen“ Bischöfen bei dem schon genannten Religionsgespräch mit den Vandalen ein längeres Glaubensbekenntnis der „Katholiken“ vor, den Liber fidei catholicae.453 Nach dem Religionsgespräch wird Eugenius exiliert 447 Wie bereits gesehen, bekommt Laetus von Nepte in der Chronik später eine weitere wichtige Rolle im Zusammenhang mit der „Rückeroberung“ Nordafrikas durch Justinian (vgl. Chronicon 118); dazu weiter s. u. Kap. 5.5.6 und 5.7.1.3. 448 Victor von Tunnuna, Chronicon 50 (16,253–254 Cardelle de Hartmann). 449 Für einen Überblick zu Eugenius vgl. Mandouze, Prosopographie, 362–365 (s. v. „Eugenius 2“). 450 Auf das Todesjahr 505 wird aus Victor von Tunnuna, Chronicon 86 geschlossen – Modéran, „La chronologie“, 154–155 datiert den Tod des Eugenius aufgrund von Victors genereller chronologischer Unzuverlässigkeit in Verbindung mit der Datierung der anderen in Chronicon 86 genannten Ereignisse (Exilierung von Julian von Bostrenus und Johannes von Palta) in das Jahr 512. Modéran (ebd., 154) konstatiert dabei „une connaissance assez confuse de la vie d’Eugène chez Victor de Tunnuna“ – eine genaue Kenntnis seines Lebens in einem chronologisch korrekten Sinn ist aber gar nicht das hauptsächliche Interesse der Chronik des Victor von Tunnuna an Eugenius. Vgl. auch Placanica, „Note“, 98 (ad a. 505,2). 451 Vgl. Victor von Vita, Historia persecutionis 2,2–7, wo die Geschehnisse um seine Einsetzung berichtet werden; dort (2,6–7) wird er auch ausführlich positiv beschrieben, als uir sanctus deoque acceptus (vgl. 26,4–5 Petschenig), der barmherzig gute Werke tut. Es ist wahrscheinlich, dass Eugenius (ein griechischer, in Africa seltener Name) aus dem Osten kam und in Karthago zunächst nicht bekannt war, vgl. Courtois, Victor de Vita, 21–22; vgl. auch Vössing, „Kommentar“, 168 (Anm. 124). 452 Vgl. Victor von Vita, Historia persecutionis 2,8. 453 Vgl. Victor von Vita, Historia persecutionis 2,56–101. Der Liber fidei catholicae ist ein selbständiges Werk innerhalb der Historia persecutionis, das nicht von Victor von Vita verfasst wurde (vgl. Vössing, „Einleitung“, 16). Victor von Vita schreibt das Werk einem Kollektiv zu (z. B. Victor von Vita, Historia persecutionis 2,55 [46,4–5 Petschenig; Übers. 99 Vössing]: Quod ante nostri praeuidentes libellum de fide conscripserant / „Die Unsrigen hatten dies vorausgesehen und deshalb ein Schriftstück über ihr Glaubensbekenntnis […] abgefaßt“). Aufgrund der Angabe bei Gennadius, De uiris illustribus 98 (conposuit librum fidei […] et per collegas confessionis suae porrexit [95,27–29 Richardson] / „er [Eugenius] stellte ein Buch des Glaubens zusammen […] und reichte es dar durch die Amtsgenossen seines Bekenntnisses“) wird zum Teil Eugenius selbst als Verfasser oder Redaktor des Liber angesehen, so etwa von Frank, „Eugenius Bf. von Karthago“. Die Angabe bei Victor von
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(wie alle anderen „katholischen“ Bischöfe auch). Im Exil in der Wüste unter der Bewachung des „Arianers“ Antonius erkrankt er, wird aber schließlich gesund454 – dies ist die letzte Information über ihn in der Historia persecutionis. Von seinem weiteren Schicksal und seinem Tod berichtet sie nicht. Die Notitia prouinciarum, Pronconsularis 1 nennt seinen Exilsort (117,1 Petschenig) (Turris) Tamalleni. Dass er unter Gunthamund aus dem Exil zurückkehren konnte, berichtet der Laterculus Regum Vandalorum et Alanorum, Augiensis A8. Gregor von Tours schreibt, dass Eugenius im Exil bei Alby in Südgallien starb, weshalb häufig seine erneute Exilierung unter Thrasamund angenommen wird455: Tunc […] apud Albiginsem Galliarum urbem exilio depotatus est; ubi et finem uitae praesentis fecit.456 Als Bischof von Karthago kommt Eugenius in der Historia persecutionis insgesamt eine hervorgehobene Stellung zu.457 Er wird dort nicht nur etwa als „heiliger Mann“ (uir sanctus) bezeichnet, als „gottgefällig“ (deo acceptus), „ehrwürdig und hochverehrt“ (uenerabilis et reuerendus)458 und „selig“ (beatus)459, sondern er wird auch als Wundertäter beschrieben (2,47–51: Heilung des blinden Felix). Zudem wird er dezi-
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Vita selbst deutet aber nicht darauf hin, vgl. Vössing, „Kommentar“ 179–180 (Anm. 226). Vgl. auch Lancel, „I. Introduction“, 64–67, der den Liber fidei catholicae als Sammlung antihomöischer Argumentationen charakterisiert, die auf frühere Sammlungen zurückgehe. Zum Liber fidei catho licae vgl. auch Heil, Avitus von Vienne, 251–255. Von der kontroversen Korrespondenz zwischen Eugenius und Hunerich im Vorfeld des Religionsgesprächs berichtet Victor von Vita, Historia persecutionis 2,38–44. Bei Victor von Tunnuna wird der Liber fidei catholicae (wie ja auch das Religionsgespräch) nicht erwähnt. Neben den in der Historia persecutionis genannten Briefen bzw. Eingaben von Eugenius an Hunerich (Historia persecutionis 2,41–42; vgl. dazu Vössing, „Kommentar“, 175 [Anm. 188]) bezeugt Gregor von Tours (Historiarum libri X 2,3) einen Brief des Eugenius an die Gemeinde von Karthago pro custodiendam fidem catholicam (41,3 Krusch/Levison; der Brief 41,4–42,2 Krusch/Levison); Briefe des Eugenius erwähnt auch Gennadius, De uiris illustribus 98. Vgl. Victor von Vita, Historia persecutionis 3,34.43–44; wahrscheinlich vor dem 2. Juli 484, Mandouze, Prosopographie, 364 (s. v. „Eugenius 2“); vgl. Vössing, „Einleitung“, 29 mit ders., „Kommentar“, 189 (Anm. 313), 191 (Anm. 337). Vgl. Mandouze, Prosopographie, 365 (s. v. „Eugenius 2“). Gregor von Tours, Historiarum libri X 2,3 (44,15–16 Krusch/Levison). In Albi entwickelte sich ein Kult um Eugenius, vgl. Cain, „Miracles, Martyrs“, 426–427, mit weiteren Bemerkungen zur Dehnbarkeit des Begriffs „Märtyrer“ – Gregor von Tours bezeichnet Eugenius als Märtyrer in seinen Miracula 1,57 (77,17 Krusch): persecutionis martyr Eugenius. Zum Teil wurde auch überlegt, ob die Historia persecutionis Eugenius von Karthago gewidmet ist bzw. ob der Prolog, dessen angesprochener Adressat namenlos bleibt (vgl. v. a. prologus, 2–3), an ihn gerichtet ist,; dafür argumentieren etwa Lancel, „I. Introduction“, 15–16; vgl. Howe, Vandalen, 32–33 (mit Darstellung der Forschungsdiskussion); dagegen etwa Vössing, „Einleitung“, 15. Dies muss hier nicht näher vertieft werden, in der Annahme spiegelt sich jedenfalls die Verehrung des Eugenius, die in der Historia persecutionis in seinen Charakterisierungen deutlich wird. Davor, die Bedeutung des Eugenius für die nordafrikanische „katholische“ Kirche aufgrund der Darstellung in der Historia persecutionis zu hoch anzusetzen, warnt Whelan, Being Christian, 48–50. Vgl. Victor von Vita, Historia persecutionis 2,6 (26,4–11 Petschenig). Vgl. Victor von Vita, Historia persecutionis 2,43.54 (41,3; 45,17 Petschenig). Vössing, „Kommentar“, 157 (Anm. 31) betont, dass Eugenius bei Victor von Vita dieses Attribut als lebende Person erhalte: Ihm werde „dadurch gewissermaßen vorab ein gelungenes christliches Leben attestiert“.
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diert als confessor bezeichnet und insofern auch als ein solcher dargestellt, als berichtet wird, wie sein Bewacher, der „Arianer“ Antonius, den sterbenskranken Bischof töten will, er aber durch Christi Gnade doch noch einmal gesund wird.460 Eugenius wird also wie die anderen Bekenner in die Theologie und Tradition der confessores gestellt. Victor von Tunnuna erwähnt vor Chronicon 50 die Wahl des Eugenius zum Bischof in einer Notiz für das Jahr 463 nach unserer Zeitrechnung in Chronicon 26.461 In Chronicon 50 rekurriert Victor von Tunnuna, wie gesehen, mit einer allgemeinen Bemerkung auf das in Historia persecutionis 3,43–44 dargestellte leidvolle Exil des Eugenius in der Wüste (post dira heremi exilia plurimis afflictionibus penisque), sowie darauf, dass er danach „als berühmt galt“ (clarus habetur). Diese Formulierung zeigt, dass Eugenius auch bei Victor von Tunnuna als herausragende Persönlichkeit angesehen wird: Clarus habetur „è formula comunissima sin da Girolamo e Prospero per designare l’ἀκμή degli uomini illustri“.462 Die Formel clarus habetur dient Hieronymus und Prosper dazu, die Existenz berühmter Persönlichkeiten, insbesondere des kirchlichen und kulturellen Lebens, zu vermerken: Schriftsteller, Philosophen, Priester und Bischöfe, deren Leben und Wirken als chronologische Marker fungieren können, in der Regel werden auch Angaben zum Ort des Wirkens gemacht […]. Zur näheren Charakterisierung der Leistung genügt dann die Apposition des „Berufes“ […].463
Clarus habetur spielt zudem mit einer Lichtmetaphorik, die Eugenius als Lichtgestalt für die „Katholiken“ Nordafrikas in der dunklen Zeit unter der Vandalenherrschaft Hunerichs erinnert.464 Eine solche Lichtmetaphorik wird in der Chronik bezüglich der Geschichte Nordafrikas noch weiter eine Rolle spielen.465 Anders als die Historia persecutionis berichtet die Chronik des Victor von Tunnuna später von Eugenius’ Tod – und zwar, ohne den Ort oder genauere Umstände zu
460 Vgl. Victor von Vita, Historia persecutionis 3,44 (94,2 Petschenig): seruus et confessor fidelis; vgl. insgesamt ebd., 43–44. Confessor wird Eugenius auch bei Gennadius, De uiris illustribus 98 (95,22–23 Richardson) genannt. 461 S. o. S. 318. Da es sich um eine der summarischen Bemerkungen zu der Abfolge von Bischöfen in der Chronik handelt, ist Victors Notiz hier nicht einfach falsch, wie etwa Modéran, „La chronologie“, 154 angibt („Victor se trompe une première fois à propos de l’évêque de Carthage en plaçant son élection en 463“), sondern die Platzierung der Notiz ist eher im Sinne der Bemerkung von Placanica, „Note“, 76 (ad a. 463,1) zu sehen: „È evidente che Vittore riunisce le notizie sotto un anno scelto arbitrariamente […]. Spesso, quando coniunge varii eventi in un solo capitolo, l’autore si dimostra più negligente de solito nella cronologia.“ 462 Placanica, „Note“, 85 (ad a. 479,1). 463 Becker/Kötter, „Kommentar“, 153. Prosper benützt auch oft die Form claruit, vgl. Placanica, „Note“, 85 (ad a. 479,1). Zu claruit/clarus haberi bei Prosper vgl. Epitoma chronicon 131; 191; 192; 197; 513; 1175; 1201, vgl. 1337 und 1220. 464 Vgl. dazu auch die Erzählung der Heilung des blinden Felix durch Eugenius von Karthago bei Victor von Vita, Historia persecutionis 2,47–51, die ebenfalls mit Lichtmetaphorik spielt. 465 S. u. S. 335 (Fulgentius von Ruspe), 407 (Ferrandus von Karthago), 415–417 (Facundus von Hermiane).
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nennen, von seinem Tod als confessor: Eugenius Cartaginensis episcopus confessor moritur.466 D. h. er bleibt bis zu seinem Tod einer der confessores ac martyres, die Hunerich „gemacht“ hat. Er stirbt zwar keinen Märtyrertod, steht aber als Bekenner seines „katholischen“ Glauben bis zu seinem Ende in der genannten Tradition. In der Chronik des Victor von Tunnuna wird auch diese Vorstellung im Zusammenhang mit einem Verteidiger der Drei Kapitel an späterer Stelle aufgegriffen.467 Victor von Tunnuna bewahrt also in Chronicon 50 in einem Abschnitt seiner Chronik die Erinnerung an drei spezifische und wichtige Figuren aus der Zeit unter dem regnum der Vandalen, an die Bekenner mit den abgeschnittenen Zungen, an Laetus von Nepte und an Eugenius von Karthago, alle subsumiert unter die Bezeichnung confessores ac martyres. Später in der Chronik wird die Erinnerung an genau diese drei Personen bzw. Personengruppen im Kontext des Drei-Kapitel-Streites wieder aufgegriffen. Zudem werden die Verteidiger der Drei Kapitel später auch ganz grundsätzlich als „Katholiken“ in die Kontinuität zu diesen confessores ac martyres gestellt.468 So wie die Bezeichnung als „Arianer“ verschiedene Gruppen bzw. Personen in einer bestimmten Kategorie vereint und diese so miteinander verbindet, verbindet schon allein die Bezeichnung als „Katholiken“ die Märtyrer und Bekenner der Vandalenzeit und die Verteidiger der Drei Kapitel miteinander.469 Zunächst wird in der Chronik aber die Erzählung der Geschichte Nordafrikas unter den Vandalen mit dem Tod Hunerichs fortgesetzt. Hunerichs in Chronicon 30 und 50 geschilderten Taten entspricht sein in der Chronik notierter schändlicher Tod (der für dasselbe Jahr wie Chronicon 50 verzeichnet ist): Hic itaque Ugnericus inter innumerabiles suarum impietatum strages, quas in catholicis exercebat, VIII regni sui anno interioribus cunctis effusis ut Arrius pater eius misere uita finiuit.470
Zunächst wird hier also noch einmal auf die „unzähligen Gemetzel seiner Gottlosigkeiten“ gegenüber den „Katholiken“ rekurriert. Hunerich steht mit seiner impietas einmal mehr als „Arianer“ diesen „Katholiken“ gegenüber.471 Wurde Hunerich zuvor bereits als von furor Arrianus erregt beschrieben, der so die „Katholiken“ – oder sogar (als Nichtchrist) die Christen – verfolgt (vgl. Chronicon 30 und 50), stirbt er nun
466 Victor von Tunnuna, Chronicon 86 (27,445–446 Cardelle de Hartmann). Zur Datierung des Todes des Eugenius in das Jahr 505 aufgrund dieser Notiz s. o. S. 327 (Anm. 450). 467 S. u. Kap. 5.7.3.7 zu Victor von Tunnuna, Chronicon 165. 468 S. dazu u. Kap. 5.7.3 zur Präsentation der Verteidiger der Drei Kapitel als „Katholiken“. 469 Dies wird in Kap. 5.7.3 wieder aufgegriffen. 470 Victor von Tunnuna, Chronicon 51 (16,255–258 Cardelle de Hartmann): „Dieser Hunerich beendete daher während der unzähligen Gemetzel seiner Gottlosigkeiten, die er unter den Katholiken anrichtete, im 8. Jahr seiner Regierung, nachdem alle Eingeweide herausgeströmt waren, wie sein Vater Arius unglücklich das Leben.“ Zum achten Jahr der Regierung vgl. auch Chronicon 28 (s. o. S. 319 [Anm. 408]). 471 S. o. zur Darstellung des Konfliktes in Africa als eines religiösen Konfliktes bei Victor von Tunnuna.
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konsequenterweise misere, und das wie sein Vater Arius.472 Indem Arius als sein Vater bezeichnet wird, wird zunächst die direkte und enge Verbindung Hunerichs zum Urheber des „Arianismus“, der ja in der Chronik immer wieder dem „katholischen“ Glauben gegenüber gestellt wird, betont. Ein Tod wie Arius bedeutet bei Victor von Tunnuna konkret ein „Herausströmen der Eingeweide“. Damit folgt Victor von Tunnuna einer Tradition, die über Gelasius von Caesarea und Rufinus von Aquileia bis Socrates Scholasticus vermittelt wurde473: Nach Athanasius von Alexandria, De morte Arii, geschieht der Tod des Arius, als dieser zu einem Gespräch mit Konstantin in Konstantinopel weilt, und nachdem der Bischof Alexander für das Ende des Arius gebetet hat. Der Tod wird als plötzlich geschildert, nachdem Arius sich auf die latrina begeben hat, πρηνὴς γενόμενος ἐλάκησε μέσος („vornüber gestürzt, mittig entzwei gebrochen“ [De morte Arii 3 (PG 25, 688C Migne)]). Ein plötzlicher und schändlicher Tod also,474 aber anders als der bei Victor von Tunnuna für Hunerich geschilderte Tod. Socrates Scholasticus berichtet grundsätzlich dasselbe vom Tod des Arius, sein Bericht ist aber mit einigen Details angereichert. Gerade die Hinzufügungen ähneln dem bei Victor von Tunnuna Geschilderten (interioribus cunctis effusis) – die Version in der Chronik wirkt wie eine Zusammenfassung des in Socrates’ Historia ecclesiastica Beschriebenen: αἵματός τε πλῆθος ἐπηκολούθει καὶ τὰ λεπτὰ τῶν ἐντέρων συνέτρεχεν ἅμα αὐτῷ σπληνί τε καὶ ἥπατι, καὶ αὐτίκα οὖν ἐτεθνήκει.475 Das kurz vor dem Tod Geschehene – σύν τε τῷ φόβῳ τῆς γαστρὸς ἐπηκολούθησε χαύνωσις476 – übersetzt die Historia tripartita des Cassiodor-Epiphanus aus Socrates’ Kirchengeschichte mit et cum formidine secuta est uentris effusio.477 Bei der Übersetzung des darauffolgenden Abschnittes (vgl. das Zitat aus Socrates Scholasticus, Historia ecclesiastica 1,38,8) wird diese effusio noch einmal aufgegriffen: 472 In Chronicon 67 wird Kaiser Anastasius eine mater arriana zugesprochen – in der Darstellung der Chronik besteht also quasi eine (auf die Gesinnung bezogene) verwandtschaftliche Beziehung zwischen dem Vandalenkönig Hunerich, dem Verfolger der „Katholiken“ und Christen, und dem späteren römischen Kaiser, dem Gegner Chalcedons; s. auch o. Kap. 5.4.1. 473 Vgl. Socrates Scholasticus, Historia ecclesiastica 1,38,1 (Übers. 254–255 Périchon/Maraval, apparatus ad locum [Anm. 1]); Wallraff/Stutz/Marinides, „Introduction“, XX; vgl. Gelasius von Caesarea, Historia ecclesiastica F22b (202–210 Wallraff/Stutz/Marinides; vgl. Rufinus von Aquileia, Historia ecclesiastica 10,13–14). Vgl. zu den in diesem Abschnitt untersuchten Quellen auch Placanica, „Note“, 85 (ad a. 479,2). 474 Vgl. die Angabe bei Athanasius von Alexandria, De morte Arii 4 (PG 25, 688D Migne): Τὸ μὲν οὖν τέλος τοῦ Ἀρείου τοιοῦτον γέγονε· καὶ οἱ περὶ Εὐσέβιον μεγάλως αἰσχυνθέντες ἔθαψαν τὸν συνωμότην ἑαυτῶν. / „Ein solches war also das Ende des Arius. Und die Anhänger des Eusebius waren überaus beschämt und begruben ihren Eidgenossen.“ 475 Socrates Scholasticus, Historia ecclesiastica 1,38,8 (89,17–19 Hansen; Übers. 257 Périchon/Maraval): „un flot de sang suivat et l’intestin grêle s’y mêlait en même temps que la rate et le foie eux-mêmes, et aussitôt donc il mourrait“. 476 Socrates Scholasticus, Historia ecclesiastica 1,38,7 (89,13 Hansen; Übers. 257 Périchon/Maraval): „et avec la frayeur survenait un relâchement de son ventre“. 477 Cassiodor-Epiphanus, Historia tripartita 3,10,9 (151,46–47 Jacob/Hanslik): „und mit Grausen folgte das Herausströmen des Bauches [= aus dem Bauch]“.
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Quo facto defectus eum quidam cum effusione corripuit, et una cum stercoribus meatus quoque prolapsus est. Tunc ergo concidit, et sanguinis multitudo cum subtilibus intestinis subsequenter effluxit, decurrebantque pariter cum splene etiam interna iecoris. Et ita factum est, ut repente sequeretur et mors.478
Eine Zusammenfassung der verschiedenen genannten Organe zu interiores cuncti in Verbindung mit der Wortwahl effusis liegt für eine zusammenfassende Notiz zum Tod des Arius, wenn man die Version des Socrates Scholasticus dazu kennt, also nicht fern. Es soll hier nicht postuliert werden, dass Victor von Tunnuna auf die Historia ecclesia stica des Socrates Scholasticus selbst zurückgegriffen hat – im Kontext der von Victor von Tunnuna auch sonst benutzten Quellen ist eine Kenntnis der Historia tripartita des Theodoros Anagnostes denkbar, die das entsprechende Kapitel aus Socrates Scholasticus, Historia ecclesiastica wohl enthielt. Es erscheint angesichts seiner Kenntnis der Historia ecclesiastica des Theodoros Anagnostes jedenfalls nicht unmöglich, dass Victor von Tunnuna seine Information über den Tod des Arius daraus gewonnen hat. Denkbar ist aber auch, dass die Kenntnis über seinen Tod allgemein verbreitet war.479 Dass Victor von Tunnuna Hunerich überhaupt einen schändlichen Tod zuspricht, entspricht dem, was auch andere Quellen von seinem Tod bezeugen. Bei Victor von Vita stirbt Hunerich putrefactus et ebulliens uermibus.480 Von einem Tod Hunerichs durch Würmer berichten auch die Passio septem monachorum 2,2, und der Laterculus
478 Cassiodor-Epiphanus, Historia tripartita 3,10,10 (151,49–54 Jacob/Hanslik): „Nachdem das gemacht worden war, ergriff ihn ein gewisses Schwinden der Kräfte, und zusammen mit dem Kot glitt auch eine Strömung hinab. Dann brach er zusammen, und eine Menge an Blut floss mit dem Dünndarm nacheinander heraus, und es rannen herab zugleich mit der Milz auch die inneren Dinge der Leber. Und so wurde es gemacht, dass plötzlich auch der Tod folgte.“ 479 Vgl. Hansen, „Einleitung“, XIII. Die Epitome der Historia tripartita (E50) hat diese Version des Todes des Arius nicht, sie rekurriert nur allgemein auf seinen Tod als göttliche Strafe. Der Text der Historia tripartita von Cassiodor-Epiphanus sagt an dieser Stelle nichts über die konkrete Version der Historia tripartita des Theodoros Anagnostes aus, da für Historia tripartita 3,10 Cassiodor-Epiphanus nicht auf Theodoros Anagnostes zurückgreift (vgl. Hanslik, „Prolegomena“, IX). Der Text aus Cassiodor-Epiphanus kann aber eben Hinweise für eine mögliche lateinische Übersetzung bzw. Wortwahl für eine Zusammenfassung wie bei Victor von Tunnuna geben. Theoretisch wäre zudem auch ein Rückgriff auf die genannten weiteren Quellen in der Tradition zwischen Athanasius und Socrates, also auf Rufinus von Aquileia und Gelasius von Caesarea, möglich. Auch Gregor von Tours, Historiarum libri X 2,23 berichtet später übrigens von einem ungewöhnlichen und grausamen Tod des Arius; vgl. Steinacher, „Von Würmern“, 160. 480 Victor von Vita, Historia persecutionis 3,71 (107,10–11 Petschenig; Übers. 151 Vössing): Nam putrefactus et ebulliens uermibus non corpus, sed partes corporis eius uidentur esse sepultae. / „Er verfaulte nämlich, und Würmer brachen wimmelnd aus ihm hervor, so daß nicht sein Körper, sondern nur Stücke davon begraben wurden.“ Innerhalb der Historia persecutionis wird dieses Schlusskapitel (3,71), obwohl es von allen Handschriften bezeugt ist, v. a. aus inhaltlichen Gründen oft als sekundär angesehen. Für eine Darstellung der Diskussion vgl. Howe, Vandalen, 33–34 (mit Anm. 23); für die Sekundarität vgl. etwa Vössing, „Kommentar“, 197 (Anm. 398); zurückhaltender Victor von Vita, Historia persecutionis 3,71 (212 Lancel, apparatus ad locum [Anm. 549]).
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Regum Vandalorum et Alanorum, Augiensis A6.481 Dieser Bericht über den Tod Hunerichs steht in der Tradition des Motivs eines schändlichen Todes, insbesondere in Form einer Wurmkrankheit, als Strafe für eine frevelhafte Tat oder überhaupt für (auch „heidnische“) (Religions-)Verfolger.482 Victor von Tunnuna knüpft mit seiner Version des Todes Hunerichs also an diese beiden unterschiedlichen Traditionen an: Hunerich steht mit seinem Tod in der Chronik nicht nur in Kontinuität zu anderen („heidnischen“) Religionsverfolgern, sondern er steht auch von der Zeugung bzw. Abstammung her (Arius als sein Vater) bis zu seinem Tod (wie Arius) in Kontinuität zu diesem Gegner der „Katholiken“ – und damit letztlich auch Chalcedons. Sein Tod ist zudem der erste in einer Reihe schändlicher Tode, die in der Chronik „Arianer“, Chalcedon-Gegner und Verurteiler der Drei Kapitel treffen.483 5.5.3 Nordafrika unter Gunthamund: Ein knappes Zwischenspiel Nach der Notiz zum Tode Hunerichs wird die Regierungszeit des Gunthamund knapp abgehandelt: Erwähnt wird, dass er „die Unsrigen“, d. h. die „Katholiken“, sofort, also zu Beginn seiner zwölfjährigen Regierungszeit aus dem Exil zurückholt484; die nächste Information zu ihm ist dann schon die schlichte Mitteilung seines Todes485. Guntha-
481 Vgl. Placanica, „Note“, 85 (ad a. 479,2); Steinacher, „Von Würmern“, 159–160; ders., Die Vandalen, 258. 482 Dieses Motiv taucht zum ersten Mal bei Herodot auf; vgl. auch 2 Makk 9,9 (Antiochus IV. Epiphanes); Apg 12,23 (Herodes Agrippa); Laktanz, De mortibus persecutorum 33; 35 (Galerius); vgl. zur Motivgeschichte den Beitrag von Steinacher, „Von Würmern“; zusammengefasst auch knapp bei Steinacher, Die Vandalen, 258. Vgl. auch Placanica, „Note“, 85 (ad a. 479,2): Von miaphysitischen Quellen wird auch für Nestorius ein solcher schändlicher Tod berichtet, vgl. etwa Ps-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica 3,1. Nach Gregor von Tours, Historiarum libri X 2,3 stirbt Hunerich, nachdem er von einem Dämon besessen und dadurch verrückt wird, indem er sich mit seinen eigenen Zähnen zerfleischt (45,5–8 Krusch/Levison). Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 1,8,5 berichtet schlicht vom Tod des Hunerich aufgrund von Krankheit (ἐτελεύτησε νόσῳ [346,3–4 Haury/Wirth]). 483 S. o. S. 314 (Anm. 391). Die Darstellung zum Tod Hunerichs aus der Chronik des Victor von Tunnuna wird übernommen von Isidor von Sevilla, Historia Wandalorum 79. 484 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 52 (16,259–260 Cardelle de Hartmann): Cui succedit Guntamundus, regnat annis XII, qui nostros protinus de exilio reuocauit. / „Ihm [= Hunerich] folgte Gun thamund, er regierte 12 Jahre; dieser rief alsbald die Unsrigen aus dem Exil zurück.“ Im Laterculus Regum Vandalorum et Alanorum, Augiensis A7 werden Gunthamund 11 Jahre, 9 Monate und 11 Tage Regierungszeit zugeschrieben; in dessen recensio Hispana H7 11 Jahre und 8 Monate. 485 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 78 (24,398 Cardelle de Hartmann): Gunttamundo Vuandalorum rege Carthagine mortuo / „nachdem Gunthamund, der König der Vandalen, in Karthago gestorben war“.
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mund ist damit, auch wenn von ihm nur kurz berichtet wird, jedenfalls in der Chronik ein Gegenpol zu Hunerich.486 5.5.4 Nordafrika unter Thrasamund: arriana insania und zwei Lichtblicke Auf Gunthamund folgt Thrasamund als König: Unter ihm verschlimmert sich nicht nur die Verfolgung der „Katholiken“ wieder, sondern er selbst wird wie Hunerich dezidiert als Verfolger der „Katholiken“ aus religiöser Motivation dargestellt, angetrieben von arriana insania:487 Trasamundus regnat annis XXVII mensibus IIII, et hic arriana insania plenus catholicos insectatur, catholicorum ecclesias claudit et Sardinia exilio ex omni Affricana ecclesia CXX episcopos mittit.488
Als konkrete Maßnahmen Thrasamunds werden die Schließung der „katholischen“ Kirchen489 und die Exilierung von 120 afrikanischen Bischöfen nach Sardinien genannt.490 Trotz einer grundsätzlich als ruhig zu bewertenden Regierungszeit Thrasamunds, der versuchte, positive Anreize für ein Bekenntnis zum homöischen Glauben
486 Es wurde darüber debattiert, ob die Information bezüglich der sofortigen Rückholung der „Katholiken“ aus dem Exil korrekt ist, weil der Laterculus Regum Vandalorum et Alanorum, Augiensis A8–A9 pro-„katholische“ Maßnahmen Gunthamunds erst für sein drittes Regierungsjahr bezeugt; vgl. dazu Courtois, Les Vandales, 300; Placanica, „Note“, 85 (ad a. 479,2). Für die Darstellung in der Chronik des Victor von Tunnuna spielt dies weiter keine Rolle; es dürfte damit jedenfalls auch der Gegensatz von Hunerich zu Gunthamund betont sein. Zu Gunthamund s. auch o. Kap. 2.2.2.3. 487 S. o. Kap. 5.5.2 zu Hunerich, bei dem der furor arrianus den Verfolgungen zugrunde gelegt wurde (vgl. Chronicon 30). Zur Synonymität von furor und insania, vgl. TLL, s. v. „furor 1“. 488 Victor von Tunnuna, Chronicon 78 (24,399–402 Cardelle de Hartmann): „Thrasamund regierte für 27 Jahre und 4 Monate, und dieser verfolgte die Katholiken voll von arianischer Tollheit, er schloss die Kirchen der Katholiken und schickte 120 Bischöfe aus der ganzen afrikanischen Kirche ins Exil nach Sardinien.“ Im Laterculus Regum Vandalorum et Alanorum, Augiensis A12 werden für Thrasamund 26 Jahre, 8 Monate und 4 Tage Regierungszeit notiert; vgl. Laterculus Regum Vandalorum et Alanorum, recensio Hispana 12 26 Jahre und 9 Monate. 489 Placanica, „Note“, 93–94 (ad a. 497,4) weist darauf hin, dass Victor von Tunnuna die einzige Quelle für diese Maßnahme Thrasamunds sei. Courtois, Les Vandales, 302 greift die Information für seine Darstellung der Herrschaft Thrasamunds auf: Die Schließung der Kirchen habe nicht vor 502 stattgefunden. 490 Die Exilierung von Fulgentius und anderen Bischöfen nach Sardinien wird genannt in der Vita Fulgentii 17,40, ebd. 18,41 wird die Zahl der exilierten Bischöfe mit „sechzig freilich und noch mehr“ (sexaginta quippe et amplius [199,7 Isola]) angegeben. Die Zahl 120 hat, in der deutlichen Aufnahme des Textes von Victor von Tunnuna, ebenso Isidor von Sevilla, Chronica 1 390; vgl. Isidor von Sevilla, Historia Wandalorum 81; vgl. in der Rezeption Isidors die Continuatio Hauniensis Prosperi 21; vgl. Placanica, „Note“, 94 (ad a. 497,4) zur Diskussion um diese Zahl. 120 Bischöfe waren nicht alle Bischöfe Africas, vgl. Courtois, Les Vandales, 303 (Anm. 6). Dass Papst Symmachus die auf Sardinien exilierten Bischöfe mit Kleidung und Geld versorgte berichtet der Liber pontificalis 53,11.
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zu setzen,491 steht dieser in der Darstellung der Chronik also in derselben Tradition wie Hunerich und führt auch dieselben Maßnahmen durch (vgl. Chronicon 30: Wegnahme der Kirchen; Exilierung der Bischöfe). In dieser für die „Katholiken“ Africas wieder als bedrückend gezeichneten Zeit der Verfolgung unter einem „Arianer“ erscheint – wie bereits unter Hunerich – erneut eine Lichtgestalt: Eo tempore Fulgencius Ruspensis ciuitatis episcopus in nostro dogmate claruit.492 Die Bedeutung des Fulgentius von Ruspe für die nordafrikanische „katholische“ Kirche zur Zeit der Vandalenherrschaft wurde oben schon umrissen.493 Chronicon 79 ist die einzige Erwähnung des Fulgentius innerhalb der Chronik des Victor von Tunnuna. Ereignisse aus seinem Leben, etwa sein Exil oder auch seine Kontakte zu Thrasamund, werden nicht erwähnt. Dennoch wird seine Bedeutung auch in der Chronik des Victor von Tunnuna offensichtlich: Wie zuvor Eugenius (vgl. Chronicon 50: clarus habetur) sticht nun Fulgentius von Ruspe hervor, allerdings nicht durch seine Leiden in der Verfolgung, sondern, indem er sich „in unserer Lehre“ hervortut.494 Auch hier wird also – wie zuvor bei Eugenius – auf eine Lichtmetaphorik zurückgegriffen, und zwar in zweifacher Hinsicht: Fulgentius glänzt nicht nur „in unserer Lehre“, er ist schon aufgrund seines Namens ein „Glänzender“ (fulgeo).495
491 S. o. Kap. 2.2.2.4. 492 Victor von Tunnuna, Chronicon 79 (24,403–404 Cardelle de Hartmann): „Zu dieser Zeit glänzte Fulgentius, Bischof der Stadt Ruspe, in unserer Lehre.“ 493 S. o. S. 40; dort auch zu grundlegender Literatur. 494 Dass Fulgentius sich in der Lehre hervortut bzw. darin glänzt, entspricht nicht nur seinen oben bereits genannten Schriften (s. o. S. 40 [Anm. 94]), sondern auch einer Formulierung in der Vita Fulgentii, prologus 2 (157,40–41 Isola; Übers. vgl. 50 Kozelka): Sicut ergo clara est eius doctrina, sic clarior fiet etiam uita. / „Wenn also seine Lehre glänzend ist, so soll seine Vita noch glänzender sein.“ Kozelka übersetzt statt „glänzend“ jeweils „berühmt“. 495 Martyn (Übers. 146 Martyn, apparatus ad locum [Anm. 57]), bemerkt zu Recht: „The claruit plays on his name, Fulgentius, both words full of light.“ Auch die Vita Fulgentii spielt bei der Beschreibung von Fulgentius und seinen Taten bzw. seiner Lehre mit Lichtmetaphern, vgl. Vita Fulgentii 6,17 (172,7–8 Isola; Übers. 56 Kozelka): beati Fulgentii nomen in illis regionibus clarum fieri sentiens / „Er fühlte, daß der Name des Fulgentius in jenen Gegenden noch zu Berühmtheit gelangen werde“; 23,50 (210,14 Isola; Übers. 101 Kozelka): praesentiae suae luce refecit splendidam / „seine Anwesenheit verlieh […] einen besondern Glanz“. Vgl. auch mit anderer Wortwahl Vita Fulgentii, prologus 2 (156,30–31 Isola; Übers. 50 Kozelka): Ecce, fulget beati Fulgentii doctrina quoniam leguntur ab omnibus libri eius. / „Siehe, die reine Lehre des seligen Fulgentius strahlt in hellem Glanz; denn seine Bücher werden von allen gelesen.“ In der Chronik wird diese Lichtmetaphorik außer bei Eugenius und Fulgentius noch im Zusammenhang mit zwei weiteren nordafrikanischen Theologen angewandt, und zwar Verteidigern der Drei Kapitel: Ferrandus von Karthago (Chronicon 135: clarus habetur) und Facundus von Hermiane (Chronicon 142: refulsere). Zudem wird an einer weiteren Stelle von Eremiten berichtet, die Wunder tun und uirtutibus uariis atque prescientia claruerunt / „durch verschiedene Tugenden und durch Vorherwissen berühmt wurden“ (Chronicon 66 [21,335– 336 Cardelle de Hartmann]) s. auch o. S. 279–280, 329. Mindestens zwei von ihnen, Auxentius und Daniel, sind mit der Erinnerung an das Konzil von Chalcedon verknüpft. Ein Märtyrer- oder Heiligenkult um Eugenius oder Fulgentius, wie ihn etwa Vita Fulgentii 65 andeutet (vgl. Modéran,
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Das Possessivpronomen noster wird in der Chronik selten verwendet. Sieben Mal ist es (in bekenntnisartigen Sätzen) bezogen etwa auf unseren Herrn Jesus Christus o. ä.496 In Chronicon 52 bezeichnet es die Afrikaner, die Gunthamund aus dem Exil zurückrief (qui nostros protinus de exilio reuocauit).497 Dem entspricht die Verwendung von noster in Chronicon 79: „Unsere“ Lehre ist so zunächst im Kontext der Vandalenherrschaft die Lehre der „Katholiken“ im Gegenüber zur Lehre der „Arianer“. Es ist damit vorrangig das „unser“ einer religiösen Gruppe und nicht einer ethnischen498 – ohne dass die Lehre jedoch an dieser Stelle näher expliziert würde. Gleichzeitig hat dieses „unser“ eine zweite Ebene: Es ist offen für die Gegenwart des Autors der Chronik. Auch er, der davon berichtet, gehört als Autor der Chronik (mit anderen) zu dem hinter dem noster stehenden „wir“.499 Durch das Possessivpronomen noster beansprucht Victor von Tunnuna also erstens die Zeit unter den Vandalen mit den Exilierungen als seine eigene Vergangenheit bzw. als die Vergangenheit der Gruppe, der er angehört – einer Gruppe von nordafrikanischen Verteidigern der Drei Kapitel.500 Diese steht damit auch in religiöser Hinsicht in Kontinuität zu den „Katholiken“, deren Gegenüber damals die „Arianer“ waren.501 Zweitens reklamiert er damit auch Fulgentius von Ruspe und v. a. seine Lehre für diese Gruppe – möglicherweise auch in Abgrenzung zu anderen „jetzt“, zur Zeit der Verfassung der Chronik, nicht nur zu den „Arianern“ der Vandalenzeit. Zugespitzt formuliert: Das hinter dem noster stehende „Wir“ steht durch die
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„Afrika und die Verfolgung“, 287), ist in der Chronik nicht erkennbar. Zu claruit/clarus habetur s. weiter u. S. 407–408, vgl. 416–417. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 3; 19; 130 (3 Mal); 175 (2 Mal). Victor von Tunnuna, Chronicon 52 (16,259–260 Cardelle de Hartmann); s. o. S. 333 (Anm. 484). S. auch o. S. 320. Dass Victor von Tunnuna sonst mit Ausnahme der wahrscheinlich sekundären Formulierungen in Chronicon 1 und 170 grundsätzlich in der 3. Person Singular von sich schreibt (vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 153; 156; 169), spricht nicht dagegen. S. auch u. Kap. 5.7.3.5. Vgl. auch Tilley, „The Collapse“, 16 (u. a. in Bezug auf Markus, „Religious Dissent“), die darauf aufmerksam macht, dass die Verurteilung der Drei Kapitel für die Nordafrikaner auch ein Betrug am Konzil von Nizäa gewesen sei „whose doctrines differentiated them from Arians“; vgl. auch Adamiak, Carthage, 81, in Bezug auf Ferrandus von Karthago, Epistula 6,7 (PL 67, 926A Migne; Übers. 1,118 Price): Habeo dicere: si retractentur Chalcedonensis decreta concilii, de Nicaena synodo cogitemus, ne simile periculum patiatur. / „I have to say: if the decrees of the Council of Chalcedon are to be revised, let us take thought for the Synod of Nicaea, lest it incur the same danger.“ Modéran, „L’Afrique reconquise“, 63–64 betont, dass einige der späteren Verteidiger der Drei Kapitel bereits am Kampf gegen die vandalischen „Arianer“ beteiligt waren – etwas später geborene wie Primasius von Hadrumetum, Facundus von Hermiane oder auch Victor von Tunnuna „n’étaient peut-être encore à l’époque de Thrasamund que des étudiants, mais ils avaient assurément partagé la même expérience du pouvoir arien“. Die oben postulierte Kontinuität (noster) war insofern durch Personen wie Pontianus von Thenae, Ferrandus von Karthago, Firmus (Primas in Numidien) oder Boethius (Primas der Byzacena) also tatsächlich gegeben.
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gemeinsame Vergangenheit in der legitimen Nachfolge der exilierten und bedrängten „Katholiken“ und in der Tradition der Lehre des Fulgentius von Ruspe.502 Dass die Formulierung in nostro dogmate claruit jedenfalls auch in diesem Sinn – den Autor der Chronik und seine Gruppe in das „Wir“ konkret einschließend – rezipiert wurde, zeigt die Chronik des Johannes von Biclaro. Dort findet sich ein nur leicht abgeändertes Zitat der Formulierung in nostro dogmate claruit, die dort neu kontextualisiert ist. Johannes von Biclaro schreibt über Bischof Masona von Mérida: Mausona Emeritensis ecclesie episcopus in nostro dogmate clarus habetur.503 Hier geht es wie bei Victor von Tunnuna um eine „Wir-Gruppe“ von „Katholiken“, allerdings – der Situation des Johannes von Biclaro entsprechend – gegenüber der homöischen Religionspolitik Leovigilds. Dieser „Wir-Gruppe“ der „Katholiken“ werden hier Johannes von Biclaro und Masona von Mérida durch das noster eindeutig zugeordnet.504 Nach der kurzen Notiz zum Tod des Eugenius als confessor505 ist die letzte Nachricht aus der Zeit unter Thrasamund die von seinem Tod, von dem neutral berichtet wird. Zusätzlich werden das weitere Schicksal und der Tod seiner Frau Amalafrida im Zusammenhang mit ihrem Widerstand gegen seinen Nachfolger Hilderich beschrieben.506
502 Vgl. Dossey, „Exegesis and Dissent“, hier zusammenfassend 266, die die Rolle von Theologen wie Fulgentius unter den Vandalen betont, die auch im Drei-Kapitel-Streit zur Behauptung gegenüber Justinian geführt habe: „In the absence of state mechanisms to unify Catholic belief and the cessation of regular North African councils, doctors like Fulgentius of Ruspe had assumed a prominence that they were reluctant to yield to Justinian.“ Vgl. auch Sotinel, „Le rôle des expertises“, 247–249, die die Bedeutung des Status als confessor für nordafrikanische Exilierte wie Fulgentius von Ruspe für deren Autorität als Theologen hervorhebt. 503 Johannes von Biclaro, Chronicon 30 (65,11–112 Cardelle de Hartmann). Auch bei Johannes von Bi claro findet sich die Formulierung clarus habetur an mehreren Stellen (allerdings nicht die Formulierung claruit), vgl. Johannes von Biclaro, Chronicon 18; 22; 51; 55; 70; 77; vgl. Placanica, „Note“, 85 (ad a. 479,1); Koch, Ethnische Identität, 236 (Anm. 89). 504 Vgl. Koch, Ethnische Identität, 236. Bei Isidor von Sevilla steht an der entsprechenden Stelle zu Fulgentius, bei der er auf die Chronik Victors von Tunnuna als Quelle zurückgreift, übrigens eine andere Formulierung, die zwar die entsprechende Information bietet, aber das noster gerade weglässt. Vgl. Isidor von Sevilla, Chronica 1 391 (188 Martín): Fulgentius quoque in confessione fidei et scientia floruit. Isidor von Sevilla, Chronica 2 391 (189 Martín): Fulgentius episcopus fide et scientia claruit. Die Notiz steht bei Isidor wie bei Victor direkt im Anschluss an die Notiz zu Thrasamund und der Schließung der Kirchen bzw. der Exilierung der Bischöfe, die ein Zitat aus Victor von Tunnuna, Chronicon 78 ist. 505 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 86; s. o. S. 329–330. 506 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 106 (34,581–584 Cardelle de Hartmann): Trasamundus Vuandalorum rex Carthagine moritur. Cuius uxor Amalafrida fugiens ad barbaros congressione facta Capsa iuxta heremum capitur et custodia priuata moritur. / „Thrasamund, König der Vandalen, starb in Karthago. Seine Frau Amalafrida floh zu den Barbaren, aber nachdem es einen Kampf gegeben hatte, wurde sie in Capsa in der Nähe der Wüste gefangen und starb in Privathaft.“ Die Notiz bezieht sich auf den Widerstand Amalafridas gegen Hilderich zusammen mit gotischer Unterstützung. Vgl. auch Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 1,9,4–5; vgl. Placanica, „Note“, 105 (ad a. 523,1); Vössing, Das Königreich, 128 (mit 181 [Anm. 54]); Steinacher, Die Vandalen, 237, 290, vgl. auch 266 zu Capsa als Verbannungsort unter Geiserich. Zu Amalafrida s. auch kurz o. S. 39. Zur
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5.5.5 Nordafrika unter Hilderich: Rücknahme der Maßnahmen Thrasamunds und ein neuer Bischof Auch für Hilderich wird, wie für die Vandalenkönige üblich, zunächst die Regierungszeit genannt – und dessen Abstammung, womit gleichzeitig auf die Plünderung Roms durch Geiserich507 rekurriert wird.508 Anschließend wird beschrieben, dass er – obwohl durch einen Treueeid gegenüber Thrasamund gebunden – einen Weg findet, dessen Maßnahmen wieder rückgängig zu machen, d. h. konkret die „katholischen“ Bischöfe aus dem Exil zurückzuholen und die „katholischen“ Kirchen wieder zu öffnen: Hic ergo sacaramento a decessore suo Trasamundo obstrictus, ne catholicis in regno suo aut ecclesias aperiret aut priuilegia restitueret, priusquam regnare, ne sacramenti terminus preter iret, precepit et sacerdotes catholicos ab exilio redire et ecclesias aperire.509
Inwieweit hier von einer „Restitution“ der „katholischen“ Kirche zu sprechen ist, ist umstritten510 – Hilderich wird jedenfalls, ähnlich wie Gunthamund nach Hunerich, hier als Gegenpol zu Thrasamund dargestellt, der den „Katholiken“ wieder ein kirchliches Leben mit Versammlungsort511 und Bischof ermöglicht. Die Vandalenherrschaft wird also auch hier v. a. unter dem Gesichtspunkt der religiösen bzw. kirchenpolitischen Implikationen betrachtet. Die Herrschaft Hilderichs, der den „Katholiken“ entgegenkommt und in dieser Hinsicht als guter König dargestellt wird, entspricht übrigens der gleichzeitigen Herrschaft Justins, des „Liebhabers und Verteidigers Chalcedons“ (vgl.
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Frage der Privathaft in der Spätantike vgl. Hillner, Prison, 172–176; vgl. dazu auch bereits Placanica, „Note“, 105–106 (ad a. 523,1). Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 15. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 106 (34,584–586 Cardelle de Hartmann): Hilderix, qui ex Valentiniani imperatoris filia a Giserico captiuata et Ugnerico iuncta natus est, regnauit annis VII mensibus tribus. / „Hilderich, der von der Tochter des Kaisers Valentinian, die von Geiserich gefangen und mit Hunerich verheiratet worden war, geboren wurde, regierte 7 Jahre und drei Monate.“ Im Later culus Regum Vandalorum et Alanorum, Augiensis A15 wird eine Regierungszeit von 8 Jahren und 9 Tagen angegeben; vgl. Laterculus Regum Vandalorum et Alanorum, recensio Hispana H15 7 Jahre und 9 Tage. Zur hier verwendeten Form des Namens Gisericus vgl. Placanica, „Note“, 106 (ad a. 523,1). Sie findet sich bei Prosper Tiro von Aquitanien als Gisiricus, vgl. zum ersten Mal in Epitoma chronicon 1327 (475 Mommsen). Victor von Tunnuna, Chronicon 106 (34,586–590 Cardelle de Hartmann): „Dieser [Hilderich] – gefesselt nämlich durch den Treueeid von seinem Vorgänger Thrasamund, dass er den Katholiken in seinem Reich weder die Kirchen öffne noch die Privilegien wiederherstelle – befahl, bevor er regierte, damit er nicht die Grenzen des Treueeids überschreite, sowohl, dass die katholischen Bischöfe aus dem Exil zurückkehren sollten, als auch, dass sie die Kirchen wieder öffnen sollten“. Dass Hilderich vor Beginn seiner Herrschaft einen solchen Befehl hätte erteilen können, wird von Duchesne, L’Église, 634 (Anm. 2) noch bestritten; anders etwa Courtois, Les Vandales, 268 und Steinacher, Die Vandalen, 289–290. Zur Bedeutung von sacerdos als Bischof s. o. S. 228 (Anm. 264). S. o. Kap. 2.2.2.5. Vgl. auch Laterculus Regum Vandalorum et Alanorum, Augiensis A16 (358,17–18 Becker): [Hilderich] omnibus catholicis libertate restituit. Vgl. Vössing, Das Königreich, 181 (Anm. 58), der vermutet, dass die von den „Arianern“ nicht benötigten Kirchen den „Katholiken“ überlassen worden sein könnten.
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Chronicon 101)512. Die orthodoxen „Katholiken“ erleben in diesen Jahren in der Darstellung der Chronik also zweifach eine ruhige Zeit, sowohl als afrikanische „Katholiken“ als auch als Anhänger Chalcedons. Bedeutsam für die afrikanische Kirche ist die den Bericht zur Übernahme der Herrschaft durch Hilderich abschließende Notiz: Mit Bonifatius wird nach fast zwanzigjähriger Vakanz ein neuer Bischof von Karthago geweiht – Bonifacium in dogmatibus diuinis satis strenuum ad postulationem tocius urbis Carthaginensis episcopum consecrauit.513 Bonifatius wird hier zwar immerhin als „tüchtig genug in den göttlichen Lehren“ charakterisiert, im Vergleich zu den zuvor als hervorstechend genannten Bischöfen Eugenius und Fulgentius erscheint diese Charakterisierung aber zurückhaltender. Sie schließt eher die positive Sicht auf Hilderich ab, da er das Subjekt des Satzes bleibt. Zu den vorher genannten Maßnahmen kommt diese noch hinzu. Zurückhaltend ist überhaupt die ganze Darstellung der Chronik bezüglich Bonifatius. Neben der Notiz zu Reparatus als seinem Nachfolger514 findet sich keine weitere Nachricht über sein Wirken.515 Auch das Konzil von Karthago 525, das unter seinem Vorsitz stattfand, wird in der Chronik nicht erwähnt.516 Dies ist insofern beachtlich,517 als in der Chronik ja grundsätzlich kirchenpolitische Ereignisse einen großen Raum einnehmen. Die auf dem Konzil (bekannten) verhandelten Probleme würden allerdings für die in der Chronik erzählte Geschichte der Rezeption Chalcedons bis hin zum Drei-KapitelStreit wenig austragen.518 Möglich ist auch, dass Victor von Tunnuna schlicht nichts 512 S. u. Kap. 5.6. 513 Victor von Tunnuna, Chronicon 106 (34,591–593 Cardelle de Hartmann): „Er [= Hilderich] weihte Bonifatius, der tüchtig genug in den göttlichen Lehren war, in Bezug auf die Forderung der ganzen Stadt zum Bischof der Kirche von Karthago“. Im Laterculus Regum Vandalorum et Alanorum, Augiensis A16 (358,14–17 Becker) wird der Befehl Hilderichs zur Bischofsweihe in der Agileus-Kirche genannt: Qui in exordio regni sui Bonifatium episcopum apud Carthaginem in ecclesia sancti Agilei ordinari praecepit. / „Dieser befahl am Anfang seiner Königherrschaft, dass Bonifatius als Bischof in Karthago in der Kirche des heiligen Agileus ordiniert werde.“ Vgl. auch Vita Fulgentii 25,55. Zur Kirche vgl. Steinacher, Die Vandalen, 276; vgl. auch Placanica, „Note“; 106 (ad a. 523,2); s. auch o. S. 41–42. 514 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 119 (38,663–664 Cardelle de Hartmann): Reparatus Cartaginensis ecclesie episcopatum post Bonifacium suscipit. 515 Blass bleibt Bonifatius auch in der Vita Fulgentii 27,61 (vgl. 221,85 Isola), wo Fulgentius gerade im Gegenüber zu Bonifatius als summus praeclarusque doctor gezeichnet wird. Auch in Vita Fulgentii 26,55, wo die Wiederkehr des Fulgentius nach Karthago beschrieben wird und die große Freude der Bewohner Karthagos darüber, wird Bonifatius nur am Rande erwähnt, zu seiner Weihe (vgl. Vita Fulgentii 25,55) wird nicht einmal sein Name genannt. 516 Ebenso wenig werden weitere Regionalkonzilien erwähnt, die vor dem Konzil von 525 stattgefunden hatten, und auch nicht das Konzil von 535. 517 Vgl. auch Placanica, „Introduzione“, XVII. 518 Auch wenn das Konzil immerhin auf das Nicaenum rekurriert, jedoch (in den erhaltenen Akten) eben nicht auf das Konzil von Chalcedon, vgl. Concilium Carthaginense a. 525 (262,307–263,361 Munier). Whelan, Being Christian, 135–136 (hier 135), weist darauf hin, dass dieser Bezug auf Nizäa eben auch als Selbstaussage verstanden werden kann: Sie, die jetzige Kirche der „Katholiken“ Africas steht in der Tradition zur damaligen Kirche im Gegenüber zu den „Arianern“. Der Rückgriff auf
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über das Konzil wusste.519 Letztlich bleibt aber die Frage, warum Victor von Tunnuna das Konzil nicht erwähnt, nur Spekulation. 5.5.6 Gelimer und das Ende der Herrschaft der Vandalen Die Herrschaft Hilderichs endet durch die Übernahme der Herrschaft durch Gelimer cum tirannide.520 Dessen gewaltsame Herrschaft,521 für die allerdings nicht explizit Maßnahmen gegen „Katholiken“ erwähnt werden,522 endet dann selbst bereits kurz darauf. Die Chronik erwähnt noch spätere „Ausläufer“ der Zeit unter den Vandalen,
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die historischen Ressourcen vergangener Konflikte diene jetzt zur Etablierung der Legitimität der eigenen Kirche. Auch wenn sich darüber streiten lässt, ob die Formulierung „historical resources and heresiological tools that earlier conflicts provided“ (136) für einen allgemein anerkannten Bekenntnistext wirklich zutreffend ist, wird jedenfalls deutlich, dass damit auf eine bedeutsame Tradition zurückgegriffen und die eigene (jetzige) Kirche darin eingeschrieben wird; s. auch o. die Beobachtungen zu Fulgentius und noster. Zu den (aus den erhaltenen Akten bekannten) Themen des Konzils von Karthago und zum Konzil insgesamt s. o. S. 41–42. Möglicherweise hängt dies auch mit Victors pro-byzacenischer Haltung (oder engen Verbindung mit oder sogar Herkunft aus der Byzacena?; s. o. Kap. 3.1.1) zusammen, denn auf dem Konzil waren nur wenig Bischöfe aus der Byzacena anwesend, wohl wegen der oben erwähnten Streitigkeiten um das Recht zur Ordination im Kloster des Petrus. Auch der Primas der Byzacena, Liberatus, hatte seine Teilnahme deshalb verweigert. Vgl. Concilium Carthaginense a. 525 (260,229–235 Munier); vgl. Kaiser, Authentizität, 99 (mit Anm. 244). Vielleicht hat Victor das Konzil daher auch bewusst nicht erwähnt. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 115 (37,635–639 Cardelle de Hartmann): Geilimer apud Affricam regnum cum tirannide sumit, et Cartaginem ingressus Hildericum regno priuat et cum filiis custodie mancipat, atque Oamer Asdingum multosque nobilium perimit. / „Gelimer übernahm in Africa die Königsherrschaft mit Gewalt. Er zog in Karthago ein und beraubte Hilderich der Königsherrschaft und gab ihn mit seinen Söhnen in Haft, und er tötete den Hasdingen Hoamer und viele aus dem Adel.“ Zu den Geschehnissen vgl. auch die Darstellungen von Johannes Malalas, Chronographia 18,57; sowie Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 1,9,8–9, der auch (1,9,5) von einer Freundschaft zwischen Justinian und Hilderich berichtet. Vgl. zu den Quellen Placanica, „Note“, 109 (ad a. 531). Zur Deutung von tirannus als Hinweis auf die grundsätzliche Anerkennung der Vandalenherrschaft s. o. S. 218–219. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 117 (38,647–649 Cardelle de Hartmann): Geilimer tirannus multos nobilium Africe prouincie crudeliter extinguit multorumque substancias per Bonifatium tollit. / „Der Tyrann Gelimer löschte viele aus dem Adel der afrikanischen Provinz grausam aus und nahm durch Bonifatius das Vermögen vieler weg.“ Es ist v. a. umstritten, wer genau die hier genannten nobiles sind, vielleicht Mitglieder des Königshauses (so Courtois, Les Vandales, 235 [mit Anm. 3]) oder Berater des Königs, vgl. Placanica, „Note“, 110 (ad a. 533). Weiteres über Gelimer, wie etwa über seine Kontakte mit Justinian, ist aus der Chronik nicht zu erfahren. S. dazu auch o. S. 43–44. Zu dem hier genannten Bonifatius vgl. Vössing, Das Vandalenreich, 102–103 (Anm. 88). Allerdings auch keine Maßnahmen für die „Katholiken“; vgl. Adamiak, Carthage, 20: „There is no proof that Gelimer worsened the situation of the Catholics in any way. However, he might have been seen as the champion of the Arian faith, as opposed to Hilderic, who had been born of a Catholic mother and was well disposed to the Catholic bishops.“
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die aufständischen Stotzas523 und Guntharith (Guntharis).524 Damit ist die Reihe der rechtmäßigen (als rex regierender) und unrechtmäßigen (cum tirannide regierender) Vandalenherrscher am Ende. Die Darstellung der eigentlichen Herrschaft der Vandalen beschließt die Chronik aber zuvor mit einem relativ ausführlichen Bericht über deren Beendigung durch den von Justinian gesandten Belisar. Dieser Bericht ist v. a. hinsichtlich der Motivation Justinians zu dieser Mission außergewöhnlich und verbindet sie mit einer spezifischen nordafrikanischen Tradition, die auch in der Chronik selbst schon begegnete: Durch die uisitatio des Laetus, Bischof von Nepte, wird Justinian dazu gebracht, ein Heer nach Africa gegen die Vandalen zu schicken: Iustinianus imperator uisitatione Leti episcopi, ab Hunerico Vuandalorum rege martyre facto, exercitum in Affricam Belesario magistro militum duce contra Vuandalos mittit.525
523 Dies muss hier nicht im Einzelnen dargestellt werden (vgl. die jeweiligen Bemerkungen von Placanica, „Note“, 117 [ad a. 541,2], 120 [ad a. 543], 121–122 [ad a. 545]) und sei hier kurz zusammengefasst: Nach der Übernahme der Königsherrschaft cum tirannide (Chronicon 129 [41,731 Cardelle de Hartmann]) siegt Stotzas in Cillium gegen das römische Heer unter Solomon (Chronicon 131), letztlich wird er aber durch Johannes, den römischen dux militiae getötet, wobei Johannes ebenfalls durch das Schwert der Stotzas umkommt (Chronicon 134). Auffällig sind v. a. zwei Hinweise: Der Sieg über das römische Heer (Chronicon 131) wird den „Sünden Africas“ zugeschrieben (peccatis africe Romane rei publice milicia superatur [44,783–784 Cardelle de Hartmann]). Placanica, „Note“, 120 (ad a. 543) sieht darin eine „interpretazione religiosa degli eventi storici“, unter Verweis auf ähnliche religiöse Deutungen historischer Ereignisse wie bspw. in Victor von Vita, Historia persecutionis 3,70; bezogen auf Africa bei Coripp, Iohannis, 6,548–550. Die Stelle bleibt aber unklar, da aus der Chronik nicht ersichtlich ist, was genau die „Sünden Africas“ sind und warum ausgerechnet dieser Kampf religiös gedeutet werden sollte. Sieht man allerdings den Aufstand selbst vor einem religiösen Hintergrund (s. o. S. 52), ist eine andere Deutung zumindest nicht undenkbar: Der Ausdruck peccata Afrorum kommt in drei antidonatistischen Schriften Augustins als Argument bzw. Vorwurf der Donatisten vor (Epistula 53,6; Contra epistulam Parmeniani 2,22,42; Contra Cresconium 2,37,46). Vielleicht waren die „Sünden Africas“ in ähnlicher Weise ein Vorwurf der Gegenseite, also der Aufständischen, der hier dann aufgegriffen würde. Victor von Tunnuna scheint hier zudem mehrere Ereignisse zu vermischen; vgl. Placanica, „Note“, 120 (ad a. 543). Zur zweiten Auffälligkeit, der Nennung des Sonntags (dies dominicus) als Tag des Kampfes zwischen Johannes und Stotzas (Chronicon 134) s. o. S. 205. 524 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 136 (45,805–809 Cardelle de Hartmann): Guntharith magister militum Ariobindam patricium principemque Romane apud Affricam milicie, eo tempore ab imperatore missum, Carthagine intra palatium nocte perimit et regnum cum tirannide assumit. Hunc Cartaginis dux Artabanus XXXVI regni sui die prandentem interfecit. / „Der magister militum Guntharith tötete in der Nacht in Karthago im Palast den Patrizier und Prinzeps des römischen Militärs in Africa, Areobindus, der zu dieser Zeit vom Kaiser gesandt war, und übernahm mit Gewalt die Herrschaft. Diesen tötete der dux von Karthago Artabanus am 36. Tag seiner Herrschaft, als er frühstückte.“ S. auch o. S. 52; s. auch u. S. 422. Die Angabe zum „36. Tag seiner Herrschaft“ stimmt überein mit Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 2,28,41. 525 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 118 (38,650–653 Cardelle de Hartmann): „Kaiser Justinian schickte aufgrund einer Heimsuchung des Bischofs Laetus, der von Hunerich, dem König der Vandalen, zum Märtyrer gemacht worden war, ein Heer nach Africa gegen die Vandalen mit dem magister militum Belisar als dux.“
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Die uisitatio des Laetus liegt also als Motivation dem Eingreifen Justinians und damit letztlich dem Ende der Vandalenherrschaft zugrunde. Wie Belisar dann die Vandalenherrschaft konkret beendet, wird direkt im Anschluss an diese Nachricht berichtet.526 Laetus wurde in der Chronik bei den Verfolgungen des Hunerich erwähnt (vgl. Chronicon 50). Er wurde dort als einzige Person in der Chronik überhaupt als Märtyrer beschrieben (martirio coronatur) und wird hier noch einmal explizit so bezeichnet (ab Hunerico Vuandalorum martyre facto). Das in Chronicon 50 genannte Datum seines Martyriums wurde als Anspielung auf das Konzil von Chalcedon gedeutet.527 Eine uisi tatio528 dieses konkreten und bekannten „katholischen“ Märtyrers aus der Verfolgung unter Hunerich motiviert nun also Justinian, Belisar zum Eingreifen nach Africa zu schicken. Dem Sieg über die Vandalen liegt in der Darstellung Victors damit letztlich nicht eine Überlegung des Kaisers zugrunde, sondern eben diese Erscheinung des Afri kaners Laetus, des Märtyrers „katholischen“ Glaubens. Damit wird eine Linie zu den Verfolgungen unter Hunerich gezogen und zu den confessores ac martyres, die er „gemacht“ hat: Das Geschehen steht in einer spezifischen nordafrikanischen Tradition. V. a. aufgrund der ähnlichen Darstellung bei Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 1,10,18–20, wo allerdings ein namenloser Bischof aus dem Osten dem Kaiser von seinem Traum berichtet, in dem Gott selbst Justinian für dessen Eingriff in Africa Unterstützung zugesichert habe,529 wurde diese Episode auch im Kontext der Chronik als „kaiserliche Propaganda“ gesehen, welche die religiöse Motivation des Kaisers habe hervorheben wollen.530 Dies berücksichtigt allerdings die nordafrikanische Zuspitzung der Episode, die bei Victor von Tunnuna gerade im Vergleich mit Prokopios von Caesarea vorgenommen wird, zu wenig. Es ist eben eine konkrete Person aus der nordafrikanischen Gruppe der („katholischen“) Bekenner und Märtyrer, die an entscheidender Stelle in der Geschichte auftritt und eine Wende für die „Katholiken“ Nordafrikas einleitet, auch wenn sich nach den Einträgen der Chronik die Kirche seit Hilderich nicht mehr in einer akuten Verfolgungssituation befindet. Herrscher sind ja aber nach wie vor die mehrfach als „Arianer“ gezeichneten Vandalen531 – diese Herrschaft wird nun, angestoßen durch diesen nordafrikanischen, aus der Byzacena stammenden, Märtyrer Laetus beendet.532 Das bei Prokopios deutlich werdende Motiv
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Dazu weiter s. u. Anm. 533. S. o. Kap. 4.1.2.5. Zur Vorstellung einer uisitatio s. u. S. 358–359 (bes. Anm. 604). Vgl. Placanica, „Note“, 110 (ad a. 534,1); s. u. Kap. 5.7.1.3, auch zu weiteren Quellen, die Ähnliches berichten. 530 Vgl. Placanica, „Introduzione“, XVI. 531 Diese (religiöse) Einschätzung der Vandalen ist in der Chronik ja auch unabhängig von einer grundsätzlichen Anerkennung ihrer (Königs-)Herrschaft. 532 Auch Justinian wurde kurz zuvor (Chronicon 112) als Kaiser in der Tradition der vier „heiligen Synoden“ präsentiert; von daher steht auch er selbst hier mindestens implizit den „Arianern“ als „katholisch“ gegenüber; s. u. Kap. 5.7.1.2.
Dazwischen erzählt: Die Geschichte Nordafrikas unter den Vandalen
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einer religiösen Motivation Justinians wird bei Victor von Tunnuna zwar aufgegriffen, aber eben spezifisch umgedeutet. Wie Belisar als Gesandter Justinians dann die Vandalenherrschaft konkret beendet, wird, wie gesagt, im Folgenden geschildert.533 Der Bericht ist im Kontext der Chronik relativ ausführlich, wenn er auch insgesamt trotzdem nur wenige Einzelheiten erwähnt.534 Der Sieg Belisars erscheint dabei trotz der eben herausgearbeiteten Deutung der Motivation Justinians und der Implikation für die nordafrikanischen Christen v. a. als politischer Sieg eines Heerführers über einen Tyrannenherrscher bis zum Triumphzug durch Konstantinopel.535 Die Herrschaft der Vandalen in Africa ist damit zu Ende, auch wenn es noch „Ausläufer“ gibt. Als erste positive Auswirkung des Endes der Vandalenherrschaft kann dann die folgende Notiz verstanden werden (Chronicon 119), in der von einer völlig unspektakulären Neubesetzung des Bischofsstuhls von Karthago berichtet wird: Reparatus folgt auf Bonifatius als Bischof von Karthago.536 Die Herrschaft der Vandalen zeigt sich in der Chronik des Victor von Tunnuna also tatsächlich deutlich als eigener, von seinen anderen Quellen unabhängiger Erzählstrang. Die vandalischen Könige sind „Arianer“, die gewaltsam gegen die „Katholiken“ vorgehen. Der Konflikt in Nordafrika wird somit nicht als ethnischer, sondern als religiöser Konflikt dargestellt. Die konkrete Position der „Arianer“ wird jedoch nicht inhaltlich bestimmt, sondern eben als Gegensatz zu den „Katholiken“. An anderen Stellen in der Chronik wird allerdings ersichtlich, dass die „arianische“ Position als eine antichalcedonensische verstanden wird (Anastasius). Damit wird in zweifacher Hinsicht auf 533 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 118 (38,653–662 Cardelle de Hartmann): Quos idem Belesarius prelio superans, Gunthimer et Gebamundum Asdingos regis fratres perimit ipsoque Gehlimer rege in fugam conuerso, Africam capit nonagesimo et septimo Vuandalorum ingressionis anno. In ipso etiam Belesarii ingressu, priusquam congressio fieret, Gellimer tirannus Hildericum regem cum quibusdam generis eius affinibus occidit. Belesarius magister militum ac patricius Gellimer tirannum capit et eum cum diuitiis ex rapinis Affrice conquisitis Constantinopolim Iustiniano imperatori abducit. / „Derselbe Belisar überwand sie [= die Vandalen] im Kampf, er tötete die Hasdingen Gunthimer und Gebamundus, die Brüder des Königs, und nachdem der König Gelimer selbst in die Flucht getrieben worden war, nahm er Africa ein im 97. Jahr des Einfalls der Vandalen. Beim Einfall Belisars selbst zudem, bevor das Aufeinandertreffen geschah, tötete der Tyrann Gelimer den König Hilderich mit einigen Verwandten seines Geschlechts. Der magister militum und Patrizier Belisar fing den Tyrannen Gelimer und führte ihn mit den aus Raubzügen in Africa zusammengerafften Reichtümern nach Konstantinopel zu Kaiser Justinian.“ Die 97 Jahre stimmen mit den bei Victor von Tunnuna im Einzelnen angegebenen Regierungszeiten überein, wenn man für Gelimer eine Regierungszeit von ca. drei Jahren annimmt, vgl. Placanica, „Introduzione“, XXX–XXXI. 534 Vgl. die entsprechenden Hinweise auf weitere Quellen bei Placanica, „Note“, 111–112 (ad a. 534,2–3). 535 Die Wortwahl in Chronicon 118 deutet darauf hin, dass die Ankunft der Byzantiner nicht nur positiv gesehen wurde; s. u. S. 357–358. 536 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 119 (38,663–664 Cardelle de Hartmann): Reparatus Cartaginensis ecclesie episcopatum post Bonifacium suscipit. / „Reparatus empfing das Bischofsamt der Kirche von Karthago nach Bonifatius“.
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Die erzählte Geschichte der Chronik
einen bekannten Topos zurückgegriffen. In der Geschichte unter den Vandalen gibt es „katholische“ Lichtgestalten. In deren Geschichte schreibt Victor von Tunnuna sich und seine Gruppe auf subtile Weise ein. Ganz am Ende der Geschichte der Vandalenherrschaft wird die Erinnerung an eine dieser prominenten „katholischen“ Figuren der Geschichte, einen der confessores ac martyres, bereits aufgegriffen. Der nordafrikanische Erzählfaden ist mit dem Ende der Vandalenherrschaft zwar ebenso erst einmal am Ende. Später aber wird die Zeit unter den Vandalen im Zusammenhang des für Victor von Tunnuna gegenwärtigen Konfliktes, des Drei-Kapitel-Streites in Nordafrika, noch einmal aufgegriffen und mit diesem verknüpft werden. 5.6 Sinodi Calcidonensis amator simulque defensor: Die Zeit unter Justin I. (Chronicon 101–110) Die vergleichsweise kurze Regierungszeit Justins I. (518–527) ist in der Chronik in wenigen Abschnitten dargestellt (Chronicon 101–110). Justin erscheint darin konträr zu seinen beiden Vorgängern, den Chalcedon-Feinden Zeno und Anastasius. Von Anfang seiner Herrschaft an kommt mit der Darstellung der Karriere Justinians bereits sein Nachfolger in den Blick. Die Zeit unter Justin I. stellt sich in einem Überblick wie folgt dar: Chronicon
Jahr537
Ereignis/Inhalt
101
518
Justin als 51. Kaiser der Römer; Justins Neffe Justinian538 als candidatus.
102
519
Der Aufstand unter dem praepositus Amantius.
103
520
Johannes als Bischof von Heraklien; Justinian als magister militum.
104
521
Bischofsnachfolgen in Alexandria, Antiochien und Jerusalem; Justin einigt die östlichen und westlichen Kirchen.
105
522
Rückkehr des Vitalian nach Konstantinopel.
[106
523
Die Herrschaft Hilderichs in Africa.539]
107
523
Der Tod des Vitalian.
108
524
Bischofsnachfolgen in Rom, Alexandria, Antiochien, Jerusalem und Konstantinopel.
109
525
Justin macht Justinian zum Caesar.
110
527
Tod Justins I.
537 Nach der Datierung in der Ausgabe Cardelle de Hartmanns. 538 Zu Justinian im Einzelnen s. u. Kap. 5.7. 539 Zu den Ereignissen in Africa s. o. Kap. 5.5.
Sinodi Calcidonensis amator simulque defensor: Die Zeit unter Justin I.
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Die Regierungszeit Justins I.540 ist im Gegensatz zu der des Anastasius kurz, und so kommt ihm auch in der Chronik des Victor von Tunnuna keine bedeutende Rolle zu – aber dennoch eine prägnante: Von Anfang an steht Justin I. im Gegensatz zu Anastasius. Er wird eingeführt als catholicus, sinodi Calcidonensis amator simulque defensor.541 Damit steht er in Kontinuität zu denen, die sein Vorgänger verfolgte (vgl. Chronicon 68), und als catholicus im Gegensatz zur dessen („arianischer“) perfidia. Die Bezeichnung als amator Chalcedons ist in der Chronik singulär. Justin wird damit entsprechend der Einteilung der Protagonisten der Geschichte in Gegner und Verteidiger Chalcedons an anderen Stellen in der Chronik eingeführt. Er ist nicht (allgemein) ein τῆς δὲ ὀρθῆς πίστεως ἔμπυρος ζηλωτής wie in der Epitome der Kirchengeschichte des Theodoros Anagnostes,542 sondern diese Rechtgläubigkeit wird konkret auf das Konzil von Chalcedon bezogen. Catholicus ist er als sinodi Calcidonensis amator simulque defensor. Victor von Tunnuna konzentriert sich hier einmal mehr auf die religiöse bzw. religionspolitische Position des Kaisers; die politischen Umstände bei seiner Einführung spielen – abgesehen von der Angabe seiner Regierungszeit wie bei den anderen „Kai-
540 Zu Justin und seiner Herrschaft vgl. exemplarisch Stein, Histoire du Bas-Empire 2, 219–273; Vasiliev, Justin the First; Rosen, „Iustinus I“; Kötter, Zwischen Kaisern, 270–273; s. auch o. S. 57–59; s. auch u. Kap. 5.7.1.1 zu seinem Verhältnis zu Justinian. 541 Victor von Tunnuna, Chronicon 101 (33,554–555 Cardelle de Hartmann): „katholisch, Liebhaber und zugleich Verteidiger der Synode von Chalcedon“. Zudem wird er als Illiricanus bezeichnet. 542 Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E524 (151,27 Hansen): „ein brennender Anhänger des rechten Glaubens“. Bei Liberatus von Karthago, Breuiarium 19 wird Justin im Zusammenhang der Absetzung des Julian von Halicarnassus als pius imperator, als „frommer Kaiser“ (vgl. 134,2 Schwartz), bezeichnet. Leppin, „Das Bild der Kaiser“, 159, weist allerdings darauf hin, dass dies nicht überbewertet werden dürfe, da er ja Onkel des regierenden Kaisers sei; möglicherweise sei sogar die Bezeichnung des Vitalian als uir religiosus et orthodoxus (s. o. S. 297 [Anm. 297]) eine Kritik an Justin, der ihn ja später ausschalte. Allerdings wird davon bei Liberatus nicht berichtet. Kritisch gegen eine prochalcedonensische Haltung Justins vor 518 äußert sich Menze, Justinian, 18–22. Von anfänglichen prochalcedonensischen religionspolitischen Maßnahmen berichtet Kyrill von Skythopolis, Vita Sabae 60 (162,10–13 Schwartz): Justin habe die Synode von Chalcedon wieder in die Diptychen aufgenommen. Die Herrschaft des einfältigen Justin als Vorgeschichte zu Justinian erzählt Prokopios von Caesarea, Anekdota 6,26; s. dazu u. S. 355 (Anm. 587).
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Die erzählte Geschichte der Chronik
sern der Römer“543 – keine Rolle.544 So erwähnt Victor von Tunnuna zunächst etwa auch nicht, dass die Thronerhebung Justins durchaus nicht unumstritten war.545 Justins Chalcedon-Treue entspricht, dass seine Frau in Chronicon 101 eingeführt wird als Lupicina […] quam Constantinopolitani Euphimiam postea uocauerunt.546 Der Name Euphemia war mit dem Konzil von Chalcedon verbunden, denn das Konzil war in der Basilika der Heiligen Euphemia abgehalten worden.547 Es ist daher jedenfalls denkbar, dass die Umbenennung Lupicinas in Euphemia auf die Chalcedon-Treue des Kaisers oder des Kaiserpaares hinweist bzw. damit zusammenhing.548 In Chronicon 101 zumindest entspricht der Name Euphemia der zuvor genannten Chalcedon-Treue Justins, und auch im Rahmen der Chronik insgesamt ist eine solche religiöse Konnotation des Namens Euphemia plausibel.549 Dass der Namenswechsel aufgrund einer zweifelhaften Vergangenheit Lupicinas als Prostituierte erfolgte und weil der Name
543 Zur Angabe der Regierungszeit, die mit 8 Jahren und 9 Monaten kürzer als in anderen Quellen angegeben wird, vgl. Placanica, „Note“, 104 (ad a. 518,2); dort auch eine Auflistung der auch hier genannten Quellen zu Justin und dem Anfang seiner Herrschaft. 544 Marcellinus Comes, Chronicon a. 519,1–2 erwähnt die religiös-kirchliche Position Justins zu Anfang hingegen wiederum gar nicht direkt; seine Darstellung zeigt Justin dann aber nach einer äußerst knappen Einführung als Verteidiger gegen eine miapysitische Verschwörung gegen ihn; vgl. Croke, „Commentary“, 121–122; s. u. Anm. 551. Vgl. auch Johannes Malalas, Chronographia 17,2 ( Justin als Analphabet); Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 4,2 ( Justin erlangt die Herrschaft durch Bestechung); Ps-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica 8,1. Ps-Zacharias Rhetor schreibt Justin hier zwar ein schönes Aussehen zu, bezeichnet ihn aber als „nicht gelehrt“ (140,3 Ahrens/Krüger), zudem als „Gesinnungsgenosse der Bewohner von Rom“ (140,34–35 Ahrens/Krüger). 545 Vgl. dann aber zu Chronicon 102. Vgl. Croke, „Commentary“, 121 (ad a. 519,2); Vasiliev, Justin the First, 68–82, der sich in seiner Darstellung v. a. auf [Constantin Porphyrogenitus,] De cerimoniis 1,93 bezieht. Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 4,1 (hier 153,12 Bidez/Parmentier; Übers. 455 Hübner) erwähnt die Erlangung der Alleinherrschaft des Justin „wider aller Erwarten“ (πάσης ὑπέρτερον ἐλπίδος), da es viele weitere geeignete Verwandte gegeben hätte. Vgl. dazu auch Croke, „Justinian under Justin“, 16. 546 Victor von Tunnuna, Chronicon 101 (33,555–557 Cardelle de Hartmann): „Lupicina […], die die Konstantinopolitaner später Euphemia riefen“. So auch bei Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E524 (151,28–29 Hansen), die „Konstantinopolitaner“ hier als οἱ δημόται bezeichnet. Cameron, Circus Factions, 145–146 bezieht diese Information auf die Zirkusparteien, kritisch dazu Placanica, „Note“, 104 (ad a. 518,2). Vgl. auch Theophanes, Chronographia a. m. 6011. 547 Zum Konzilsort vgl. ACO 2,1,1 (55,5–6 Schwartz). 548 Vgl. Placanica, „Note“, 103 (ad a. 518,2): „Tale nome dovette esserle attribuito dal popolo per l’ortodossia calcedonense di Giustino: la memoria di sant’Eufemia era infatti legata al ricordo di quel concilio“. In diesem Sinn auch Leppin, Justinian, 48 (mit 360, Anm. 53), der v. a. auch deshalb Menzes Kritik an der Chalcedon-Treue Justins von Anfang an (s. o. Anm. 542) ablehnt; vgl. auch ebd., 54 (mit 360, Anm. 67; dort positiver zu Menze). Kritisch zur anti-miaphysitischen Deutung des Namens Euphemia Cameron, Circus Factions, 145–146, auch mit dem Hinweis auf die erst später einsetzende Verehrung der Heiligen Euphemia als Patronin des Konzils. Dies ist allerdings kein Argument dagegen, dass der Name Euphemia mit dem Konzilsort und insofern mit dem Konzil selbst verbunden wurde. Rosen, „Iustinus I“, 766 weist darauf hin, dass auch die Schwester Leos I. Euphemia geheißen hatte. 549 S. u. zu Victor von Tunnuna, Chronicon 145. In Chronicon 101 wird am Ende auch Justinian als nepos des Justin eingeführt, dazu s. u. Kap. 5.7.1.1.
Sinodi Calcidonensis amator simulque defensor: Die Zeit unter Justin I.
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Lupicina lächerlich klang, wie Prokopios schreibt, ist bei Victor von Tunnuna jedenfalls nicht im Blick.550 Nach zwei kürzeren Notizen – bezüglich der gegen Justin gerichteten Verschwörung unter dem praepositus Amantius und deren Zerschlagung,551 sowie bezüglich Johannes von Heraklia und Justinian als magister militum552 – berichtet Victor von Tunnuna in direktem Anschluss an eine Notiz über die Patriarchen von Alexandria, Antiochia und Jerusalem von der Beendigung des acacianischen Schismas, die er auf den Kaiser selbst zurückführt: Alexandrine ecclesie Dioscoro episcopo mortuo Timotheus succedit,553 Antiochene uero ecclesie Seuerus princeps heresis554 fuit, et Iherosolimitane ecclesie Iohannes.555 Iustinus imperator orientales – propter prauos pontifices, Acatium quondam Constantinopolitanum, Petrum Alexandrinum et Petrum Antiochenum episcopos, pristino errore implicitos –
550 So dargestellt bei Prokopios von Caesarea, Anekdota 6,17 in Verbindung mit 9,47–49; rezipiert in diesem Sinne etwa von Benjamin, „Euphemia 3“, 1167: „Sie war von barbarischer Abkunft und ursprünglich Sklavin. Als solche kaufte sie, die damals Lupicina hieß, Iustin und machte sie zu seiner Beischläferin […]. Als sie mit ihrem Gatten 518 den kaiserlichen Thron bestieg, legte sie den nun freilich höchst unpassenden Namen ab und wurde vom Volk als E[uphemia] begrüßt“. 551 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 102. Victor von Tunnuna notiert dafür nur die Namen des Amantius und des cubicularius Andreas, nicht aber des Theokrit, den Amantius eigentlich zum Kaiser machen wollte; deshalb soll bei Victor von Tunnuna dann ja auch Amantius selbst zum Kaiser ausgerufen werden. Vgl. dazu Placanica, „Note“, 104 (ad a. 519): „Vittore ha male compreso la sua fonte“. Bei Victor von Tunnuna ist Justin schon Kaiser, als der Versuch, einen anderen zum Kaiser zu machen, angezettelt wird; die seditio ist aber im Kontext der o. g. Streitigkeiten um die Nachfolge des Anastasius zu sehen; vgl. Vasiliev, Justin the First, 81–82; Rosen, „Iustinus I“, 766. Von dieser Verschwörung berichten auch Marcellinus Comes, Chronicon a. 519,2; Evagrius Scholasti cus, Historia ecclesiastica 4,2; Johannes Malalas, Chronographia 17,2 und andere; vgl. zu weiteren Quellen Placanica, „Note“, 104 (ad a. 519); s. auch o. Anm. 544. Vgl. auch Meier, Das andere Zeitalter, 185–186, der die Bedeutung der Zerschlagung der Verschwörung (insbesondere der Beseitigung des Amantius) auch für die Interessen Justinians hervorhebt (was bei Victor von Tunnuna keine Rolle spielt). Vgl. auch kurz Maraval, „Die Rezeption“, 146–147. 552 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 103 (33,563–565 Cardelle de Hartmann): Iohannes qui ante Iustinum ad imperium erat electus Eraclia Tracie episcopus ordinatur. / „Johannes, der vor Justin zur Amtsgewalt gewählt worden war, wurde zum Bischof von Heraklia in Thrakien ordiniert.“ Diese Information zu Johannes findet sich in [Constantin Porphyrogenitus,] De cerimoniis 1,93, er wird dort als τριβοῦνος bezeichnet (vgl. 427,15 Leich/Reiske/Niebuhr); vgl. auch Martindale, PLRE 2, 609 (s. v. „Ioannes 65“); vgl. Placanica, „Note“, 104 (ad a. 520,19). Zur Erwähnung von Justinian in Chronicon 103 s. u. Kap. 5.7.1.1. 553 Bei Liberatus von Karthago, Breuiarium 19 (134,7–8 Schwartz) wird erwähnt, dass Severus (und Julianus von Halicarnassus) von Timotheus gratissime empfangen werden. Eine positive Rezeption des Severus durch Timotheus auch bei Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 4,4. 554 S. auch u. Kap. 5.7.1.5 zu Chronicon 124. Zu Severus s. auch noch einmal u. S. 350. 555 Johannes hatte schon zuvor Chalcedon verdammt, vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 99. Die drei hier genannten Patriarchen stehen also insgesamt nach wie vor in der successio haereticorum.
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Die erzählte Geschichte der Chronik
occidentalibus antistibus sub digna satisfactione coniugit, rediuiuaque facit sinodi Calcedonensis decreta, Zenonis et Anastasii principum temporibus abdicata.556
Das acacianische Schisma als Konflikt zwischen Konstantinopel und Rom, zwischen Kaiser und Bischof von Rom, spielt als solches in der Chronik zuvor kaum eine Rolle. Der Anfang des Konflikts mit den drei auch hier genannten Bischöfen bereits unter Zeno war als Konflikt um das Konzil von Chalcedon und dessen Rezeption v. a. im Osten, auch durch das Henotikon, dargestellt worden.557 Dem entspricht die Darstellung der Vereinigung von Ost- und Westkirche hier als Wiederbelebung der Beschlüsse von Chalcedon im Gegenüber zum alten Fehler der Bischöfe von Konstantinopel, Alexandria und Antiochia. Weder der Bischof von Rom noch der Bischof von Konstantinopel spielt bei der Aufhebung des Schismas in der Chronik eine Rolle; auch die Kontakte Justins zum Bischof von Rom werden nicht erwähnt.558 Das Schisma ist eine Trennung der Bischöfe des Ostens und des Westens, nicht aber explizit der Kirche Roms von der Kirche des Ostens wie etwa bei Facundus von Hermiane,559 auch wenn freilich eine Trennung der Bischöfe eine Trennung der Kirchen impliziert. Die Aufhebung des Schismas und die ihr entsprechende Wiederbelebung der Beschlüsse Chalcedons wird – in positivem Sinne – einzig auf das Handeln des Kaisers zurückgeführt, dessen Gegensatz zu Zeno und Anastasius hier deutlich hervorgehoben wird: Justin macht das lebendig, das unter ihnen verworfen worden war.560 556 Victor von Tunnuna, Chronicon 104 (34,570–576): „In der Kirche von Alexandria folgte, nachdem der Bischof Dioskur gestorben war, Timotheus; in der Kirche von Antiochien aber war Severus der Prinzeps der Häresie, und in der Kirche von Jerusalem Johannes. Kaiser Justin vereinigte die östlichen, die wegen den verkehrten Bischöfen, Acacius, einst von Konstantinopel, Petrus von Alexandria und Petrus von Antiochien, im früheren Fehler verwickelt waren, mit den westlichen Bischöfen unter würdiger Genugtuung, und er machte die Dekrete der Synode von Chalcedon wieder lebendig, die man in den Zeiten der Prinzipes Zeno und Anastasius verworfen hatte.“ 557 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 54; 57; vgl. 56; 58–59. S. o. Kap. 5.3.2. 558 S. o. S. 56–58; vgl. exemplarisch zum Ende des acacianischen Schismas noch einmal Kötter, Zwischen Kaisern, 141–144. Hormisdas, der seit 514 Bischof von Rom war, wird erst in Chronicon 108 (entspricht dem Jahr 524 nach unserer Zeitrechnung) erwähnt. Zur Korrespondenz zwischen Hormisdas und Justin (und Justinian und anderen) vgl. auch Croke, „Justinian under Justin“, bes. 27–33, 27–29; Leppin, Justinian, 60–73, bes. 60–63. 559 Vgl. Facundus von Hermiane, Contra Mocianum 19 (405,162–166 Clément/Vander Plaetse; Übers. 245 Fraïsse-Bétoulières), der ähnlich wie Victor von Tunnuna auf eine „legitime Genugtuung/Satisfaktion“ (hier sub debita satisfactione, bei Victor sub digna satisfactione) verweist: Sed nec Romana ecclesia reconciliare debuit Orientis Ecclesias, et eas in communione sub debita satisfactione recipere, sed Ecclesiae potius Orientis, quae zizania tolerauerant, Romanam Ecclesiam reconciliare debuerunt a tritica separatam. / „Et l’Église de Rome n’aurait pas dû non plus se réconcilier les Églises de l’Orient et les recevoir en communion après une légitime satisfaction, mais celles-ci [hier fehlt der Halbsatz: „welche das Unkraut erduldet hatten“] auraient dû plutôt se réconcilier l’Église de Rome séparée du bon grain.“ Vgl. auch Placanica, „Note“, 105 (ad a. 521). 560 Vgl. hingegen die Einschätzung zum Ende des acacianischen Schismas aufgrund der Zugeständnisse an Rom, u. a. die Streichung der Namen des Zeno und des Anastasius aus den Diptychen (vgl. Collectio Auellana 167,11), bei Schwartz, Publizistische Sammlungen, 261: „Es schien, als habe
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In einer weiteren kurzen Passage wird der dankbare Empfang des Vitalian, der zuvor ja als Verteidiger Chalcedons präsentiert worden war,561 durch Justin dargestellt, der ihn zum Heermeister (magister militum) macht und ihm sogar ein Konsulat geben lässt.562 Das sacramento suscepto deutet an, dass Vitalian eingebunden werden soll, um Justin nicht zu gefährden.563 Eine tatsächliche Aussöhnung des Kaisers mit Vitalian ist sein Empfang durch Justin aber bei Victor von Tunnuna schon deshalb nicht, weil der Erzählfaden zu Vitalian zuvor das Scheitern des Staurotheis-Aufstandes verschwieg, eine Aussöhnung also vom Text der Chronik her gar nicht nötig ist. Justin handelt mit dem Empfang des Vitalian vielmehr nach der Darstellung der Chronik v. a. im Chalcedon-treuen Sinn (und erneut im positiven Gegensatz zu Anastasius)564 – Vitalians Beseitigung wird dann später Justinian zugeschoben.565 Entsprechend dieser Treue zu Chalcedon und entsprechend dem zuvor schon genannten Gegensatz zu Anastasius wird nun auch in einer Notiz zu den Nachfolgen der Bischöfe bzw. zu den Bischöfen von Rom (Hormisdas für Symmachus), Alexandria (Timotheus), Antiochien (Paulus für Severus), Jerusalem ( Johannes) und Konstan-
561 562
563 564 565
das Kaisertum vor dem Papst kapituliert“. Davon ist bei Victor von Tunnuna nichts zu erkennen. Rosen, „Iustinus I“, 769 sieht diesen Akt, den er auf den Kaiser selbst zurückführt, als deutlichen „Bruch mit den Vorgängern“. Dies entspricht eher der Sicht des Victor von Tunnuna. S. o. Kap. 5.4.6. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 105 (34,577–580 Cardelle de Hartmann): Vitalianus sacramento suscepto Constantinopolim redit, quem Iustinus Augustus grate suscipiens magistrum militum facit et consulatum dari permittit. / „Vitalian kehrte, nachdem ein Treueeid aufgenommen worden war, nach Konstantinopel zurück. Augustus Justin empfing ihn dankbar und machte ihn zum magister militum und erlaubte, dass ihm das Konsulat gegeben werde.“ Marcellinus Comes, Chronica a. 519,3 (101,23–24 Mommsen; Übers. 41 Croke) berichtet, Vitalian sei zurückgerufen Iustini principis pietate ad rem publicam („by the emperor Justin’s dutifulness to the empire“); dies ähnelt dem Empfang grate, vgl. Croke, „Commentary“, 122 (ad a. 519,3): „Perhaps a guarantee of Vitalian’s support had helped Justin’s election“. Johannes Malalas, Chronographia 17,5 (338,30 Thurn; Übers. 425 Thurn/Meier) berichtet, Justin habe Vitalian „auf seine Seite“ gebracht (προτρέψατο); das griechische προτρέπω drückt medial jedoch eher aus, dass Justin sich Vitalian zuwandte, ihm also positiv begegnete (vgl. Menge, Großwörterbuch, s. v. „προτρέπω“), ähnlich wie es die Chronik Victors darstellt. Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 4,3 stellt den Empfang des Vitalian durch Justin als eine List dar: Justin habe eine Freundschaft vorgetäuscht, um Vitalian Herr zu werden. Neu traler bei Ps-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica 8,2; mit der Absetzung des Severus verbunden bei Theophanes, Chronographia, a. m. 6011. Prokopios von Caesarea, Anekdota 6,27 stellt Justin in diesem Zusammenhang als Kaiser dar, der sich nicht an seine Eide hält. Das Ereignis selbst fand eigentlich früher statt, kurz nachdem Justin Kaiser geworden war; vgl. Placanica, „Note“, 105 (ad a. 522); dort auch die Angabe der hier genannten Quellen sowie zur Übersetzung von consulatum dari permittit. Zum Konsulat für Vitalian vgl. auch Johannes Malalas, Chronographia 17,8. Zu Vitalians Einbeziehung durch Justin zur Sicherung der eigenen Macht vgl. auch Schwartz, Publizistische Sammlungen, 259; Kötter, Zwischen Kaisern, 271 (mit Anm. 890); vgl. auch Leppin, Justinian, 48. Vgl. Leppin, Justinian, 54. Ps-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica 8,2 berichtet sogar von einem gegenseitigen Schwur in der Kirche der Euphemia in Chalcedon. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 107; s. dazu u. S. 354–355. Zum Staurotheis-Aufstand s. o. Kap. 5.4.9.
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Die erzählte Geschichte der Chronik
tinopel (Epiphanius für Johannes) die Entfernung des Severus, des princeps heresis, der von Anastasius unterstützt worden war, aus seinem Amt auf Justin zurückgeführt: Antiochene ecclesie Seuerus Calcidonensis sinodi obtrectator, cum a Iustino imperatore quereretur ad penas, fugit et in eius loco substituitur Paulus.566 Victor von Tunnuna führt hier wie an anderen Stellen keine Einzelheiten auf – bspw. das bei Ps-Zacharias Rhetor und Evagrius Scholasticus genannte Abschneiden der Zunge des Severus567 –, auch Vitalian spielt bei der Absetzung anders als etwa bei Liberatus von Karthago keine Rolle.568 Justin handelt in der Chronik selbständig im Sinne der Verteidigung Chalcedons. Seinen Neffen Justinian macht Justin, von den Senatoren gedrängt, nach der Darstellung des Victor von Tunnuna inuitus zum Caesar.569 Dass die Erhebung Justinians zum Mitregenten durch Justin „unwillig“ erfolgt, findet sich in anderen Quellen nicht.570 Überhaupt ist umstritten, was mit Caesar hier genau gemeint ist: Wahrscheinlich ist schlicht die Erhebung zum Caesar im Jahr 525 von der späteren, im Jahr 527 erfolgten Erhebung zum Augustus zu unterscheiden.571 Bei Victor von Tunnuna findet sich die 566 Victor von Tunnuna, Chronicon 108 (35,599–602 Cardelle de Hartmann): „In der antiochenischen Kirche floh Severus, Widersacher der Synode von Chalcedon, als er von Kaiser Justin gesucht wurde zu Strafen, und an seine Stelle wurde Paulus gesetzt.“ 567 Vgl. Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 4,4 (dort mit dem Vermerk zu zwei Versionen dieser Episode: das Abschneiden der Zunge sei auf Justin oder auf Vitalian zurückzuführen); Ps-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica 8,1. 568 Vgl. Liberatus von Karthago, Breuiarium 19 (bes. 133,29–134,7 Schwartz). Zu Paulus wird dort vermerkt, er sei orthodoxus suscipiens Calchedonensem synodum. Auch bei Johannes Malalas, Chronographia 17,6 (338,34 Thurn) wird die Flucht des Severus nach Ägypten mit Vitalian in Verbindung gebracht: Severus fürchtete Vitalian (φοβηθεὶς Βιταλιανὸν). 569 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 109 (35,607–609 Cardelle de Hartmann): Iustinus Augustus Iustinianum nepotem suum ad senatorum supplicationem inuitus Caesarem facit. / „Augustus Justin machte seinen Neffen Justinian auf Drängen der Senatoren unwillig zum Caesar.“ 570 Vgl. Marcellinus Comes, Chronicon a. 527 (102,26–27 Mommsen; Übers. 43 Croke), wo gesagt wird, Justinian sei von Justin Nobilissimum designatum participum quoque regni sui successoremque / „made […] a partner in the empire and his successor […] designated ‚Most Noble‘ by Justin“. Die „Unwilligkeit“ Justins kann als eine Form der recusatio imperii gedeutet werden. Für diesen Hinweis danke ich Bruno Bleckmann. Die Nachricht von Justinian als Mitkaiser Justins etwa auch bei Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 4,9 (dort wird allerdings nur von vier Monaten gemeinsamer Herrschaft berichtet); Chronicon paschale a. 527; Ps-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica 9,1; Theophanes, Chronographia a. m. 6019. Aus Angst vor Justinian als Usurpator wird dieser zum Mitregenten gemacht bei Prokopios von Caesarea, Anekdota 9,52–53. Bei Kyrill von Skythopolis, Vita Sabae 68 (170,5–11 Schwartz) wird die Zustimmung des Senates zum Willen des Epiphanius von Konstantinopel, Justinian zum Mitregenten zu machen, weil Justin alt und krank war, erwähnt. Ein „Unwille“ des Justin findet sich aber auch dort nicht. Vgl. auch insgesamt Placanica, „Note“, 107 (ad a. 525a.). 571 So ausführlich dargelegt bei Croke, „Justinian under Justin“, 43–52, bes. 44–46 mit Bezug v. a. auf [Constanin Porphyrogenitus,] De cerimoniis 1,94. Auch Leppin, Justinian, 89 bezeichnet Justinian im Zusammenhang mit diesem Akt dezidiert als Nachfolger, „noch nicht“ als „Mitherrscher“; die Erhebung zum Augustus sieht er als von der Erhebung zum Caesar unterschiedenen Akt (leider ohne nähere Ausführungen). Placanica, „Note“, 107 (ad a. 525) geht hingegen davon aus, dass der Begriff Caesar bei Victor von Tunnuna falsch ist, da Justinian eigentlich Augustus geworden sei; vgl. auch Rosen, „Iustinus I“, 777; Noethlichs, „Iustinianus (Kaiser)“, 675.
Damnatores et defensores trium capitulorum: Die Geschichte des Drei-Kapitel-Streites
351
Bezeichnung des Justinian als Augustus dann auch tatsächlich erst in Chronicon 112 (36,614 Cardelle de Hartmann). Justins relativ kurzer (und unspektakulärer, aber eben dezidiert als Chalcedonfreundlich gekennzeichneten) Herrschaft entspricht die knappe Nachricht von seinem Tod: Mabortio consule, Iustinus imperator moritur.572 Zu Justins Herrschaft urteilt zusammenfassend Jan-Markus Kötter: Als er merkte, dass auch Chalkedon an der Herstellung der Einheit scheitern würde, versuchte er, wieder von strikt chalkedonischen Positionen abzurücken. Das Dogma stand im Dienst des Kaisers, nicht umgekehrt. Das Gleich galt für die Hierarchie.573
In der Darstellung des Victor von Tunnuna steht freilich der Kaiser im Dienst des Dogmas, und zwar im Gegensatz zu seinen Vorgängern im Dienst der Verteidigung Chalcedons, des „katholischen“ Glaubens: Die relativ freundliche Präsentation erfolgt v. a. anhand seiner prochalcedonensischen Maßnahmen.574 5.7 Damnatores et defensores trium capitulorum: Die Geschichte des Drei-Kapitel-Streites In der Zeit unter Kaiser Justinian beginnt der eigentliche Drei-Kapitel-Streit und damit der Konflikt, der der Chronik zugrunde liegt. War zuvor die Darstellung der Geschichte bestimmt von der Frage, wie die jeweiligen Protagonisten zu Chalcedon stehen – als Verteidiger oder als Gegner –, geht es nun um die Frage nach dem Verhältnis zu Chalcedon in einem zugespitzten Sinn: Um die Frage nach dem Verhältnis zu den Drei Kapiteln. Konkret beginnt der Streit um die Drei Kapitel in der Chronik nicht mit dem Beginn der Herrschaft Justinians, sondern in Chronicon 130. Zunächst soll daher seine unmittelbare Vorgeschichte, wie sie die Chronik erzählt, dargestellt werden: Der Beginn der Herrschaft Justinians I. mit Abschnitten aus Chronicon 101–129. In zwei
572 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 110 (35,611 Cardelle de Hartmann): „Als Mabortius Konsul war, starb der Kaiser Justin.“ Ähnlich nüchtern bei Marcellinus Comes, Chronicon a. 527; Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 4,9; Kyrill von Skythopolis, Vita Sabae 68; Theophanes, Chronographia a. m. 6019; Ps-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica 9,1. Von einem Geschwür am Fuß (einer alten Verletzung aus einem Kampf) ist als Todesursache die Rede bei Johannes Malalas, Chronographia 17,23; vgl. auch das Chronicon paschale a. 527. Ähnlich nennt Prokopios von Caesarea, Anekdota 9,54 eine nicht näher bestimmte Krankheit als Todesursache. 573 Kötter, Zwischen Kaisern, 273. 574 Damit gilt auch für Victor von Tunnuna, was Kötter, Zwischen Kaisern, 273 weiter schreibt, auch wenn Victor am Ende gerade nicht die siegreiche Richtung vertritt: „Nur weil sich seine Maßnahmen in Übereinstimmung mit der letztlich siegreichen Richtung befanden, fällt das Urteil der von dieser siegreichen Richtung dominierten Quellen über ihn milder aus. […] Der rechte Glaube blieb für die kirchlichen Zeitgenossen letztlich die maßgebliche Legitimation.“
352
Die erzählte Geschichte der Chronik
weiteren Kapiteln werden die Rollen Theodoras und Vigilius’ in den Blick genommen sowie der eigentlich Drei-Kapitel-Streit nach Chronicon 130. 5.7.1 Der Beginn der Herrschaft Justinians I. (Chronicon 101–129) Mit dem Beginn der Herrschaft von Justinian I. (527; vgl. Chronicon 111)575 rückt also der Beginn des eigentlichen Drei-Kapitel-Streits näher. Justinian erscheint in den Anfangsjahren seiner Regierung aber insgesamt als chalcedonfreundlicher Herrscher, der auch gegen Gegner Chalcedons vorgeht. Auch hier seien für einen Überblick zunächst die Ereignisse aufgelistet, die in der Chronik bezüglich der Herrschaft Justinians von seinem Aufstieg zum Kaiser über den Beginn seiner Kaiserherrschaft bis kurz vor dem eigentlichen Beginn des Drei-KapitelStreites erwähnt werden. Chronicon
Jahr576
Ereignis/Inhalt
101578
518
Justinian, der Neffe Justins I., als candidatus.
103
520
Justinian als magister militum.
107
523
Tod des Vitalian.
109
525
Justinian als Caesar.
111
527
Justinian als Kaiser der Römer und seine Frau Theodora.
112
528
Befehl des Kaisers zum Vortrag der vier heiligen Synoden während der Messe.
[113
529
Theodora erlässt ein theopaschitisches Gesetz.]
114
530
Aufstand des Hypatius in Konstantinopel.
[115
531
Die Übernahme der Herrschaft durch Gelimer.]
[116
532
Sieg des Belisar in einer Schlacht gegen die Perser.]
[117
533
Die Gewaltherrschaft Gelimers.]
(ohne direkte Nennung Justinians)577
575 Zu ihm s. auch o. Kap. 2.3.2–2.3.5. 576 Nach der Datierung in der Ausgabe Cardelle de Hartmanns. 577 Die in [Klammern] gesetzten Ereignisse werden in anderen Kapiteln abgehandelt, da sie sich nicht schwerpunktmäßig mit Justinians Herrschaft befassen bzw. anderen Erzählsträngen zuzuordnen sind (Kap. 5.5 [Africa]; Kap. 5.7.2 [Theodora und der Beginn des Drei-Kapitel-Streits]). 578 Zu Chronicon 101–110 s. auch o. Kap. 5.6.
Damnatores et defensores trium capitulorum: Die Geschichte des Drei-Kapitel-Streites
353
Chronicon
Jahr576
Ereignis/Inhalt
118
534
Traumvision Justinians; daraufhin schickt er Belisar nach Africa gegen die Vandalen.
[119
535
120
536
[121
537
Theodoras Partei verhilft Anthimus zum Bischofsamt von Konstantinopel.]
[122
538
Bischofsnachfolgen in Rom.]
124
539
[125
540
Agapitus schließt Theodora aus der communio aus.]
127
540
Bischofsabfolge in Antiochien.
128
541
Bischofsabfolgen [in Rom] und Alexandria.
[129
541
Der Aufstand unter Stotzas.]
(ohne direkte Nennung Justinians)577
Reparatus folgt auf Bonifatius als Bischof von Karthago.] Bücher De incarnatione dominica Justinians.
Exilierung von Severus von Antiochien und Julian von Halicarnassus durch Justinian; Theodosianer und Gaianiten.
Vgl. 123 und 126: Schisma in Alexandria durch Theodosius und Gaianus; deren Exilierung.
5.7.1.1 Justinians Aufstieg zum Kaiser Bezüglich Justinian finden sich bei Victor von Tunnuna zunächst Nachrichten aus der Zeit vor Justinians Herrschaft als Kaiser: Diese nennen v. a. verschiedene Ämter Justinians und damit eine konventionelle Karriere,579 die der spätere Kaiser durchlief. So wird Justinian gleich zu Beginn der Herrschaft Justins eingeführt als dessen Neffe, der „den Kriegsdienst eines candidatus verrichtete“.580 Die nächste Notiz, die ihn erwähnt,
579 Vgl. Croke, „Justinian under Justin“, 22–26. 580 Victor von Tunnuna, Chronicon 101 (33,557–558 Cardelle de Hartmann): cui nepos Iustinianus uoca bulo fuit candidati milicia functus. Darüber hinaus gibt Victor von Tunnuna keine Information zur Herkunft Justinians (anders als etwa Johannes Malalas, Chronographia 18,1). Vgl. zur Person des Justinian vor 527 Noethlichs, „Iustinianus (Kaiser)“, 673–675; Leppin, Justinian, 29–42; zu den Anfängen Justinians unter Justin vgl. auch insgesamt Croke, „Justinian under Justin“. Zu Justinians Amt des candidatus (= persönliche permanente Leibwache des Kaisers) vgl. ebd., 21–22; vgl. Leppin, Justinian, 44, 74. Außer in der Chronik wird Justinian das Amt des candidatus zugeschrieben in De cerimoniis 1,93. Umstritten ist, ob Justinian (gebürtig als Petrus Sabbatius) von Justin adoptiert wurde; dafür, v. a. aufgrund der Annahme des Namens „Justinian“ bspw. Croke, „Justinian under
354
Die erzählte Geschichte der Chronik
berichtet, dass er magister militum ordinarius wird.581 Als patricius582 hat Justinian nach der Darstellung der Chronik bei der Tötung Vitalians – seines starken Konkurrenten um den Kaiserthron – seine Finger im Spiel.583 Die tatsächlichen Umstände der Tötung sind unklar.584 Sie (vermittelt durch seine factio) quasi Justinian zuzuschreiben, kann als Spitze gegen den späteren Kaiser aufgefasst werden,585 zumal Vitalian im Kontext der
581
582 583
584
585
Justin“, 20–21; Leppin, Justinian, 42; vorsichtig dagegen Noethlichs, „Iustinianus (Kaiser)“, 674– 675; „ungeklärt“ nach Meier, Das andere Zeitalter, 187. Bei Victor von Tunnuna wird Justinian vor seiner Erhebung als Kaiser als nepos Justins bezeichnet (Chronicon 101; 103; 109); die Beziehung wird nicht weiter beschrieben. Victor von Tunnuna, Chronicon 103 (33,565–566 Cardelle de Hartmann): Iustinianus nepos Iustini Augusti ex candidato magister militum ordinarius constituitur. / „Justinian, der Neffe von Augustus Justin, wurde bestellt aus dem Rang eines candidatus als ordentlicher magister militum.“ Als στρατηλάτης (Fehldherr) wird Justinian außerdem bei Johannes Zonaras, Epitome historiarum 14,5 (267,11–12; 269,13–15 Dindorf) bezeichnet. Vgl. zu Justinians Stellung als magister militum auch Croke, „Justinian under Justin“, 25–26, 33–34 (mit Anm. 118); Placanica, „Note“, 104 (ad a. 520,2); Leppin, Justinian, 74. Im Jahr 521 ist Justinian das erste Mal Konsul; vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 104; vgl. die ausführliche Beschreibung bei Marcellinus Comes, Chronicon a. 521 zur Feier des Amtsantrittes. Zur Frage nach den Ämtern vgl. auch Noethlichs, „Iustinianus (Kaiser)“, 674. Die Angabe bei Victor von Tunnuna ist die früheste Angabe dieses Titels für Justinian in den Quellen; Justinian wurde wahrscheinlich 523/524 patricius, vgl. Croke, „Justinian under Justin“, 40–41 (mit Anm. 148). Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 107 (35,594–595 Cardelle de Hartmann): Vitalianus Constantinopolim intra palatium loco quod „Delfacam“ greco uocabulo dicunt Iustinianii patricii factione dicitur interfectus fuit. / „Man sagt, dass Vitalian in Konstantinopel im Palast an einem Ort, den sie mit einem griechischen Wort ‚Delfacam‘ nennen, von der Partei des Patriziers Justinian getötet wurde.“ Zu Vitalian s. o. Kap. 5.4.6 sowie Kap. 5.6, bes. S. 349. Auch bei Theodora wird meistens ihre factio und nicht sie selbst als Handelnde genannt, s. u. S. 369–370 (mit Anm. 665). Die Ermordung des Vitalian geschah jedenfalls früher, im Jahr 520 (bei Victor von Tunnuna nach heutiger Zählung im Jahr 523); vgl. Meier, Das andere Zeitalter, 187; Croke, „Justinian under Justin“, 33–34. Eine Beteiligung Justinians erwähnen neben Victor von Tunnuna Prokopios von Caesarea, Anekdota 6,28 (dabei ist Croke, „Justinian under Justin“, 34, zuzustimmen: „it suited his design“) und Johannes Zonaras, Epitome historiarum 14,5 (der hier allerdings mehrere Versionen verbindet, vgl. Placanica, „Note“, 106 [ad a. 523,2]). Marcellinus Comes, Chronicon a. 520 erwähnt überhaupt keinen Verantwortlichen; ähnlich Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 4,3, der aber Justins Handeln gegenüber Vitalian zuvor als intrigant beschreibt; beide erwähnen auch die Tötung im Palast (also in der Nähe zum Kaiser). Auch Ps-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica 8,2 äußert sich nicht direkt. Johannes Malalas, Chronographia 17,8 verbindet die Tötung mit einem Aufstand Vitalians (gegen den Justin also vorgeht); dies hält Croke, „Justinian under Justin“, 34–35 für eine plausible Version. Zur Einschätzung der Beteiligung Justinians vgl. exemplarisch Leppin, Justinian, 74: „Mehr als ein Gerücht ist das nicht.“ Vgl. hingegen Vasiliev, Justin the First, 113: „The conclusion that Justinian premeditated and participated in Vitalian’s murder is inescapable.“ Ähnlich, aber zurückhaltender formuliert bei Meier, Das andere Zeitalter, 187: „Daß Justinian dabei seine Hände im Spiel gehabt haben dürfte, wird man den entsprechenden Quellen […] angesichts der aktuellen machtpolitischen Konstellationen glauben dürfen.“ Zu weiteren Quellen vgl. Placanica, „Note“, 106 (ad a. 523,3); Meier, Das andere Zeitalter, 187 (Anm. 401). Vgl. Croke, „Justinian under Justin“, 34: Victor könne dies nur so schreiben, weil er nach Justinian schreibe: „Some decades later, safely beyond the end of Justinian’s reign, Victor of Tunnuna attributed Vitalian’s murder to the ‚factio‘ of Justinian. He stops short of blaming Justinian directly.“
Damnatores et defensores trium capitulorum: Die Geschichte des Drei-Kapitel-Streites
355
Chronik gegenüber Anastasius als Verteidiger Chalcedons aufgetreten war. Schließlich wird Justinian gegen den Willen von Justin von diesem zum Caesar gemacht.586 Justinian ist also in der Chronik Victors von Tunnuna von Beginn der Herrschaft Justins an (mit-) genannt. Dennoch wird Justins Herrschaft nicht als von seinem Neffen bestimmt gezeichnet. Bis auf die Tötung Valentinians – und diese nur indirekt – wird Justinian selbst noch kein Handeln zugeschrieben. Durch die verschiedenen Ämter wird allerdings sein Aufstieg zur Macht in die Erzählung zu Justin eingeflochten. Insofern ist bei Victor von Tunnuna die Herrschaft Justins zwar nicht nur, aber doch auch eine Art Vorbereitung für die lange Herrschaft Justinians.587 5.7.1.2 Justinian als Kaiser in der Tradition Chalcedons Die Kaiserherrschaft Justinians beginnt mit der bei Victor von Tunnuna üblichen Einführung: Romanorum LII Iustinianus regnat annis XXXIX mensibus VII. Ergänzt wird diese Einführung sofort mit der Nennung seiner Frau: Huic erat uxor uocabulo Theodora.588 Im Gegensatz v. a. zu Anastasius und Justin wird Justinian damit neutral als Kaiser eingeführt, weder als catholicus noch als von perfidia gekennzeichnet. Dasselbe gilt für seine Frau, die hier nur namentlich genannt wird.589 Die erste Aktion Justinians als Kaiser in der Chronik ist, dass er die östlichen Kirchen die vier heiligen Synoden (Nizäa, Konstantinopel, Ephesus, Chalcedon) und das
586 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 109 (35,607–609 Cardelle de Hartmann; s. o. S. 350–351). 587 Inwiefern die Herrschaft Justins tatsächlich durch Justinian bestimmt war, ist auch in der einschlägigen Forschung zu Justin bzw. Justinian nach wie vor umstritten – vgl. allein den Titel von Ale xander A. Vasilievs Monographie zu Justin, Justin the First. An Introduction to the Epoch of Justinian the Great oder auch die Überschrift zum Kapitel zu Justins Herrschaft bei Stein, Histoire du BasEmpire 2, 219: „De la mort d’Anastase Ier à l’avènement de Justinien Ier (518–527)“. Meier, Das andere Zeitalter, 124, nennt Justinian bspw. einen „spiritus rector“, der die Regierung Justins „aus dem Hintergrund beeinflußte und lenkte“, als Quelle hierfür nennt er v. a. die ausführliche Korrespondenz Justinians mit dem Bischof von Rom. Kritisch gegenüber einer Präsentation Justins als Marionette Justinians, die v. a. auf Prokopios’ Anekdota zurückzuführen sei, ist hingegen etwa Croke, „Justinian under Justin“, 14–16. Für weiterführende Hinweise vgl. die bei Meier, Das andere Zeitalter, 124 (Anm. 129) genannten Belege. 588 Victor von Tunnuna, Chronicon 111 (36,612–613 Cardelle de Hartmann): „Justinian, der 52. [Kaiser] der Römer, regierte 39 Jahre und 7 Monate. Er hatte eine Frau mit dem Namen Theodora.“ Zur Angabe der Regierungszeit Justinians s. o. S. 201–202. 589 Zu Theodora in der Chronik s. ausführlich u. Kap. 5.7.2; s. auch o. bes. S. 61–62.
356
Die erzählte Geschichte der Chronik
Bekenntnis der 150 Väter590 während der Messe öffentlich vortragen lässt.591 Das Gedenken an die Konzilien wurde wohl schon unter Justin I. in die Liturgie in Konstantinopel eingeführt und von Justinian nur bestätigt592 – dennoch akzentuiert Victor von Tunnuna hier den innovativen Charakter dieser Maßnahme (suscipiunt).593 Justinian steht bei Victor von Tunnuna damit also am Beginn seiner Herrschaft als Kaiser in der Tradition der Konzilien, die bereits am Anfang der Chronik als heilige Synoden bezeichnet wurden – und damit gleichzeitig in der Tradition Chalcedons.594 Der Kaiser und seine Herrschaft werden so als „katholisch“, d. h. als orthodox charakterisiert. Weitere Aktionen Justinians werden für den Beginn seiner Herrschaft nicht genannt.595 Dafür wird gleich im nächsten Abschnitt Chronicon 113 der Augusta Theodo-
590 D. h. das Bekenntnis, das auf dem Konzil von Chalcedon als Glaubensbekenntnis von Konstantinopel verlesen wurde, vgl. ACO 2,1,2 (128,1–14 Schwartz [= Actio 5,33; vgl. Actio 2,14]). Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E501 erwähnt die Einführung der Verlesung des Symbols der 318 Väter (= Nizäa) in Konstantinopel durch Timotheus; vgl. Placanica, „Note“, 108 (ad a. 528), der die beiden Bekenntnisse nicht zu unterscheiden scheint, wenn auch seine Angabe diesbezüglich nicht ganz klar ist; anders etwa in den Akten Chalcedons – das Bekenntnis der 318 Väter steht vor dem der 150 Väter in ACO 2,1,2 (127,9–19 Schwartz [= Actio 5,32; vgl. Actio 2,11]), beide sind damit unterschieden. 591 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 112 (36,114–618 Cardelle de Hartmann): Orientales ecclesie eiusdem principis iussione sanctas quatuor sinodos, Nicenam, Constantinopolitanam, Ephesenam primam et Calcidonensem, atque sanctorum CL patrum fidem presentibus sacrificiis publica uoce suscipiunt recitari. / „Die östlichen Kirchen begannen auf Befehl desselben Prinzeps, die vier heiligen Synoden, die nizänische, die von Konstantinopel, die erste von Ephesus und die chalcedonensische und auch den Glauben der heiligen 150 Väter während der Messe öffentlich vortragen zu lassen.“ Die Lesung der vier Konzilien wird auch als Maßnahme Justinians genannt bei Evagrius Scholasticus, Historia ecclestiastica 4,11. Weil sie dort aber nach der Verurteilung des Severus und des Anthimus (536; vgl. Nouellae Iustiniani 42) genannt wird, geht Placanica, „Note“, 108 (ad a. 528) davon aus, dass sich diese Angabe nicht auf dasselbe Gesetz wie bei Victor von Tunnuna bezieht, sondern eher auf Nouellae Iustiniani 131,1 (545). Es kann sich bei Evagrius aber auch schlicht um eine Art summarische Bemerkung handeln, zudem wurde auch auf der Synode von 536, auf der Severus und Anthimus verurteilt wurden, auf die vier ersten Konzilien rekurriert (ACO 3 [119,26–123,15 Schwartz]); es ist auch möglich, dass die Angabe bei Evagrius sich darauf bezieht. 592 Vgl. Codex Iustinianus 1,1,7,21 (vgl. ebd., 1,1,7,11). Zur Verlesung seit Justin vgl. ACO 3 (63,25–36; 76,4–12 Schwartz); vgl. auch Johannes Malalas, Chronographia 17,6 (dort aber nur als Andenken an Chalcedon erwähnt); ACO 4,1 (29,13–15 Straub [= Actio 2,11]) zur Bestätigung unter Justinian, dort aufgeführt zur Betonung, dass der Kaiser gegenüber allen vier Konzilien treu und somit orthodox sei; vgl. auch die Bemerkung von Price, The Acts of Constantinople 553 1, 216 (Anm. 23): „Chalcedon was restored to the diptychs at the very start of the reign of Justin I, which Justinian treats here as part of his own.“ Vgl. insgesamt Placanica, „Note“, 107–108 (ad a. 528). 593 Vgl. Placanica, „Note“, 107–108 (ad a. 528). 594 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 10 (6,63–65 Cardelle de Hartmann): Das Konzil von Chalcedon als das Konzil, auf dem „der Glaube der heiligen Väter, die in Nizäa, Konstantinopel und auf der ersten von Ephesus in heiligen Synoden zusammengekommen waren, entfaltet wurde“ (fides[…] sanctorum patrum qui in Nicena, Constantinopolitana et Ephesena prima conuenerunt sanctis sinodis explanatur). Vgl. im Gegensatz dazu auch Chronicon 113; s. dazu im Folgenden. 595 Zu denken wäre etwa an den bei Maraval, „Die Religionspolitik“, 426–432 so genannten „Kampf gegen religiöse Dissidenten“ („Heiden“, „Juden und Samariter“, „Häretiker“); vgl. zu entsprechenden Maßnahmen auch Meier, Das andere Zeitalter, 198–215; Leppin, Justinian, 92–106.
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ra, Justinians Frau, die Einführung eines (neuen) religionspolitischen Gesetzes durch Zwang zugeschrieben, das über die Lehre der vier heiligen Synoden hinausgeht. Damit steht Theodora von Anfang an im Gegensatz zu Justinian und zu diesen Synoden.596 Die nächsten Notizen in der Chronik beziehen sich – ohne die Nennung Justinians (abgesehen vom Konsulat) oder Theodoras – auf Geschehnisse im Reich bzw. an dessen Grenzen und in Konstantinopel: auf den Nika-Aufstand (Chronicon 114),597 den (ersten) persischen Krieg (Chronicon 116)598 und Geschehnisse in Africa (Chronicon 115; 117 [Gelimer]).599 Bedeutende Ereignisse während der Herrschaft Justinians werden also kurz abgehandelt, ohne auf die Beteiligung Justinians (oder Theodoras) dabei einzugehen. 5.7.1.3 Justinian und der nordafrikanische Märtyrer Laetus von Nepte (Chronicon 118) Auf Geschehnisse in Africa rekurriert auch Chronicon 118: Dort wird, wie oben bereits gesehen, die Rückeroberung Africas durch Belisar geschildert.600 Die vorherige Schilderung des Zustandekommens dieser Rückeroberung (die hier nicht als solche bezeichnet ist)601 bzw. ihrer kaiserlichen Motivation ist eine der wichtigen Stellen für
596 S. dazu u. Kap. 5.7.2.1. 597 Die Zerschlagung des Aufstandes wird anders als in anderen Quellen nicht mit dem Namen Justinian verbunden; s. weiter u. S. 372–373. 598 Für die Perserkriege wird ein „wundersamer“ Sieg des Belisar bei einer dritten persischen Schlacht erwähnt (Victor von Tunnuna, Chronicon 116 [37,646 Cardelle de Hartmann]): tertium mirabiliter Persicum prelium superauit); s. o. S. 304 (Anm. 334). Vgl. dazu Placania, „Note“, 109–110 (ad a. 532): Wahrscheinlich bezieht sich Victor von Tunnuna hier auf den ersten persischen Krieg. Vgl. als Überblick zum ersten Perserkrieg auch Meier, Das andere Zeitalter, 191–198. Die Perserkriege spielen sonst in der Chronik keine Rolle. 599 S. dazu o. Kap. 5.5.6. 600 S. o. Kap. 5.5.6 zur Deutung innerhalb des „afrikanischen“ Erzählfadens innerhalb der Chronik. 601 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 118 (38,654–656 Cardelle de Hartmann): Belisarius […] Africam capit / „Belisar […] nahm Africa ein“. Anders als Marcellinus Comes oder Marius von Avenches spricht Victor hier von capere, nicht von restituere oder recipere. Diese Terminologie weist auf eine grundsätzlich Akzeptanz der vandalischen Herrschaft hin, auch wenn die Vandalen zuvor mehrfach als Verfolger (aufgrund der religiösen Differenzen) dargestellt wurden, vgl. Conant, Staying Roman, 312; vgl. ebd., 316: „Victor of Tonnena’s discussion of the invasion in terms of capture raises the important question of how succesful Justinian was in terms of legitimating the Byzantine occupation to a Romano-African audience“. Dafür, dass die Ankunft der Byzantiner hier nicht nur positiv gesehen wird, spricht auch die sehr ähnliche Wortwahl für das jeweilige Betreten Africas (also durch die Vandalen und durch Belisar) in Chronicon 118, also im selben Abschnitt der Chronik, wobei die ingressio für die Vandalen sogar grundsätzlich neutraler ist als das bei Belisar gebrauchte ingressus (vgl. 38,657–658 Cardelle de Hartmann; vgl. Georges, Handwörterbuch, s. v. „ingressio“; s. v. „ingressus“), wenn auch beide Begriffe synonym gebraucht werden können, vgl. die Beispiele im TLL, s. v. „ingressio 1.a.α“ für die ingressio von Feinden. Dennoch steht in der Chronik Victors mit der Erscheinung des Laetus, der Justinian zum Eingreifen in Nordafrika
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das Verständnis der Chronik und ihres Ortes in einem nordafrikanischen Kontext. Bedeutsam ist sie auch hinsichtlich der Verbindung einer spezifischen nordafrikanischen Tradition mit dem Handeln des Kaisers. Die Notiz wurde von Antonio Placanica im Sinne einer religiösen kaiserlichen Propaganda gedeutet,602 sie sei daher hier noch einmal mit diesem Fokus auf Justinian aufgegriffen: Justinian erfährt nach Chronicon 118 eine uisitatio von Laetus, dem Märtyrer aus der Zeit Hunerichs,603 sieht ihn also in einer Art (Traum-)Vision,604 und schickt daraufhin ein Heer nach Africa gegen die Vandalen unter der Führung von Belisar.605 Ähnlich wird in mehreren anderen Quellen von der Motivation Justinians zum Eingreifen in Nordafrika berichtet: Bei Prokopios von Caesarea ist es, wie schon erwähnt, ein nicht näher bezeichneter Bischof aus dem Osten, der Justinian von einem Traum erzählt, in dem Gott das Zögern des Kaisers bezüglich eines Eingreifens in Libyen kritisiert und seine Hilfe dafür zugesichert habe, woraufhin Justinian den militärischen Eingriff vorbereitet.606 Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 4,16 weist auf die Erzählung dieses Traumgesichtes bei Prokopios hin, dieses erscheint bei Evagrius allerdings Justinian selbst.607 Bei Kyrill von Skythopolis, Vita Sabae 72 ist es Sabas, der Justinian im persönlichen Gespräch zu seiner Unternehmung in Africa inspiriert.608 In der Notiz bei Victor von Tunnuna erfährt Justinian selbst die uisitatio, zudem fehlt ein expliziter Bezug auf einen göttlichen Ursprung. Dafür ist es der bekannte und
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motiviert, der Eingriff in Africa grundsätzlich unter positivem Vorzeichen, v. a. was die religiösen Implikationen angeht. S. o. S. 342 (mit Anm. 530). Vgl. dazu schon Victor von Tunnuna, Chronicon 50; s. o. Kap. 5.5.2. Placanica, „Note“, 110 (ad a. 534,1), spricht von einer „visione sopranaturale“ mit Bezug auf Blaise, Dictionnaire latin-français, s. v. „uisitatio 1.“: „apparition“. Vielleicht ist an eine uisitatio in der Art eines nächtlichen Traumes gedacht, wie sie bei Augustinus vorkommt, wo die göttliche Vorsehung dadurch agiert, vgl. Augustinus, Adnotationes in Iob 33 (581,13–15 Zycha): Semel enim loquitur dominus: quasi uocationem omnium iustorum semel fecit dominus et temporaliter circa singulos hoc agit diuina prouidentia. Per somnium aut in uisitatione nocturna: aut in ignorantia aut in tribulatione. / „Einmal nämlich spricht der Herr: Einmal hat der Herr gleichsam die Berufung aller Gerechten gemacht, und zeitlich in Bezug auf Einzelne handelt dadurch die göttliche Vorhersehung. Durch den Schlaf oder die nächtliche Heimsuchung: Sowohl in der Unkenntnis als auch in der Not.“ Eine göttliche uisitatio im Schlaf mit einer Botschaft und einem Auftrag zum Handeln erfährt etwa auch der blinde Felix in Karthago bei Victor von Vita, Historia persecutionis 2,47–51. Vgl. auch den entsprechenden Begriff bei Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 1,10,19 (358,23 Haury/Wirth) und Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 4,16 (166,4 Bidez/Parmentier): ὄναρ. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 118 (38,650–653 Cardelle de Hartmann; s. o. S. 341 [Anm. 525]): Iustinianus imperator uisitatione Leti episcopi, ab Hunerico Vuandalorum rege martyre facto, exercitum in Affricam Belesario magistro militum duce contra Vuandalos mittit. Vgl. Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 1,10,18–20. S. o. Kap. 5.5.6. Es gibt noch weitere ähnliche Erzählungen: Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 1,21,17–25 (nacherzählt ebenfalls bei Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 4,16) berichtet zudem von der Erscheinung Cyprians in einem Traumgesicht, der sich den Libyern (in Karthago) als Rächer für die vandalische Okkupation einer „katholischen“ Kirche ankündigt. Vgl. Adamiak, Carthage, 54.
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konkret genannte Laetus, der Justinian „besucht“: Ein nordafrikanischer Märtyrer, der einzige namentlich genannte Märtyrer unter den nordafrikanischen Bischöfen aus der Zeit unter den Vandalen.609 Der Gedanke an ein göttliches Eingreifen in Form einer göttlichen Sendung dieses Märtyrers aus der Vandalenzeit liegt somit zwar nahe, er ist hier allerdings eben gerade nicht explizit ausformuliert.610 Justinian wird jedenfalls durch diese uisitatio dazu motiviert, die Vandalenherrschaft in Africa zu beenden. Placanica hat die Version Victors daher als „un motivo della propaganda imperiale […] nell’interpretatio Africana“611 gesehen, welche mit afrikanischem Lokalkolorit die religiöse Motivation des Kaisers hervorheben solle.612 Im Sinne der gesamten Chronik ist aber Chronicon 118 weniger im Sinne kaiserlicher Propaganda, sondern mehr im Sinne einer nordafrikanischen Perspektive zu lesen: Wie oben dargestellt, liegen nicht kaiserliche Überlegungen dem letztlich siegreichen militärischen Eingreifen in Africa zugrunde,613 sondern die uisitatio eines Märtyrers, eines Mannes wahren – „katholischen“ – Glaubens, nordafrikanischer Herkunft und eng mit dem Konzil von Chalcedon verbunden. Die bei Prokopios – wo ja direkt auf eine göttliche Botschaft rekurriert wird – und auch in den Gesetzen Justinians614 durchaus offensichtlich als religiös dargestellte Motivation von Justinians Entschluss, in Africa einzugreifen, bekommt bei Victor von Tunnuna so eine deutliche nordafrikanische Konnotation in der Tradition einer ganz bestimmten Vergangenheit. Es ist der nordafrikanische, nach der Chronik am Jahrestag des Konzils von Chalcedon gestorbene Märtyrer, der den Kaiser zum Handeln bewegt. Auch wenn die politische Herrschaft der Vandalen grundsätzlich anerkannt wurde – die Verfolgung der „Katholiken“ wur-
609 S. auch o. S. 324–326, auch zur Diskussion, ob es sich beim Tod des Laetus wirklich um ein Martyrium handelt. 610 Visitatio kann auch „Heimsuchung“ i. S. von „Strafe“ bedeuten, vgl. Georges, Handwörterbuch, s. v. „visitatio“. Im biblischen Kontext vgl. etwa Jes 10,3 u. ö. in prophetischen Texten als eschatologischer „Tag der Heimsuchung und des Unheils“. Diese Konnotation legt sich bei Victor von Tunnuna aber schon von der Darstellung Justinians zuvor her nicht nahe. 611 Placanica, „Introduzione“, XVI. 612 Vgl. Placania, „Note“, 110 (ad a. 534,1). Vgl. auch Merrils/Miles, The Vandals, 237, in Bezug auf die Stellen bei Prokopios und Victor von Tunnuna: „The conquest of Africa was cast as a crusade to unite the orthodox Romano-Africans with their church, while restoring the lands of the old western Roman Empire. Justinian’s was a divine mission to save the orthodox Romano-Africans from their savage persecution by the heterodox Arian Vandals. Indeed, it did not take long before a story began to circulate that Justinian himself had been persuaded to undertake the conquest after the African bishop Laetus of Nepta, who had been martyred by Huneric, had appeared to him in a dream.“ Auch Adamiak, Carthage, 54, sieht bei Victor von Tunnuna, Prokopios von Caesarea und Kyrill von Skythopolis eine religiöse Deutung der Motivation des Kaisers aufgrund des Risikos des Unternehmens: „The decision to launch the expedition was so daring that it must have been widely perceived that some supernatural intervention had convinced the emperor to proceed.“ 613 Vgl. dazu die folgenden Schilderungen in Chronicon 118, die u. a. die Ermordung Hilderichs durch Gelimer, dessen Gefangennahme durch Belisar und seine Verschleppung nach Konstantinopel erwähnen. 614 S. o. S. 45–46.
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de in der Chronik deutlich gemacht und diese wird nun durch sein Eingreifen, das Eingreifen eines „Katholiken“ eben, mit der Herrschaft der „Arianer“ beendet.615 5.7.1.4 Justinian und die Bischöfe von Illyrien (Chronicon 120) Die nächsten Notizen zu Justinian betreffen religions- bzw. kirchenpolitische Maßnahmen des Kaisers: Zunächst berichtet die Chronik, Justinian habe Bücher De incarnatione dominica veröffentlicht und die Bischöfe von Illyrien dazu gezwungen, diese zu unterschreiben.616 Welche Bücher hier gemeint sind, ist unklar. Die Notiz wurde in den Kontext des theopaschitischen Streites eingeordnet, innerhalb dessen Johannes Malalas, Chronographia 18,78 (vgl. Chronicon paschale a. 533) ein entsprechendes Edikt nennt, das als Codex Iustinianus 1,1,6 (533) identifiziert wurde.617 Placanica hat jedoch darauf hingewiesen, dass anders als in Chronicon 113 (Theodoras theopaschitisches Gesetz) und in Codex Iustinianus 1,1,6 in Chronicon 120 die entsprechende Terminologie fehlt; außerdem sei fraglich, ob mit libri wirklich ein (kurzes) Edikt gemeint sein könne.618 Zudem wird in Chronicon 113 der theopaschitische Streit bereits mit Theodora, nicht aber mit Justinian verbunden.619 Es ist das erste Mal in der Chronik, dass die Herrschaft Justinians mit einem negativ präsentierten Zwang (coegit)620 verbunden wird. Nimmt man den Hinweis auf Bücher De incarnatione im Zusammenhang mit dem Drei-Kapitel-Streit, für den später, nach dem eigentlichen Beginn des Streites (Chronicon 130), noch von anderen Zwangsmaß-
615 Auch wenn die o. g. Beobachtung zu Africam capit bleibt, die aber v. a. für die politische Einordnung wichtig ist. Freilich lässt sich Justinian andersherum gesehen durch Laetus zum Eingreifen motivieren – denkbar ist also die Deutung der Notiz als kaiserliche Propaganda in dem Sinne, dass hier der Kaiser die nordafrikanische Tradition zu seinen Gunsten nutzt, oder dass Victor von Tunnuna seinen nordafrikanischen Glaubensgenossen das Eingreifen des Kaisers als besonders positiv präsentieren will. Vom Gesamtduktus der Chronik her scheint dies aber weniger wahrscheinlich. Der Fokus liegt wohl weniger auf einer Aussage bezüglich des Kaisers und mehr auf der nordafrikanischen Perspektive i. S. einer Inanspruchnahme dieses wichtigen Ereignisses für die „Katholiken“ Nordafrikas. 616 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 120 (39,667–669 Cardelle de Hartmann): Iustinianus imperator libros de incarnatione dominica edidit et Hilliricianos episcopos ad subscribendum coegit. / „Im zweiten Jahr nach dem Konsulat von Belisar veröffentlichte Kaiser Justinian Bücher ‚Über die Inkarnation des Herrn‘ und zwang die Bischöfe von Illyrien zu unterschreiben.“ 617 Vgl. Granič, „Die Gründung“, 137. Die Verknüpfung von Chronicon 121 mit dem theopaschitischen Streit wurde übernommen bspw. von Stein, Histoire du Bas-Empire 2, 380 (mit Anm. 2), der ebd., 379 auch auf die genannten Stellen im Codex Iustinianus und bei Johannes Malalas hinweist. Vgl. insgesamt Placanica, „Note“, 112 (ad a. 536). 618 Vgl. Placanica, „Note“, 112 (ad a. 536), auch das erst 551 erschienene Edikt Confessio rectae fidei könne hier nicht gemeint sein. 619 S. u. Kap. 5.7.2.1. 620 Anders als noch der „Befehl“ in Chronicon 112 (iussio); s. o. S. 356.
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nahmen des Kaisers berichtet wird,621 auf, eröffnet sich eine weitere Möglichkeit für die Deutung der Bücher De incarnatione: Eduard Schwartz hat im Zusammenhang mit seiner Ausgabe von Justinians Schreiben gegen die Drei Capitel622 herausgearbeitet, dass dieses Schreiben, gerichtet wahrscheinlich an eine illyrische Synode, vier weitere Schreiben voraussetzt: Neben dem oben als zweites Edikt bezeichneten Traktat (= das nicht erhaltene erste Edikt gegen die Drei Kapitel = 1. vorausgesetztes Schreiben)623 die Weigerung von Bischöfen einer Provinz, diesen Traktat zu unterzeichnen (= 2. vorausgesetztes Schreiben) und ein Antwortschreiben des Kaisers darauf, welches insbesondere Angriffe auf Theodor von Mopsuestia enthielt (= 3. vorausgesetztes Schreiben), sowie ein weiteres Antwortschreiben der Bischöfe (= 4. vorausgesetztes Schreiben).624 Theodor von Mopsuestia hat nun aber Bücher De incarnatione veröffentlicht, die offensichtlich auch dezidiert im Drei-Kapitel-Streit eine Rolle spielten – sie werden mehrfach von Facundus von Hermiane in seiner Schrift Pro defensione trium capitulorum zitiert – und auch Justinian bekannt waren.625 Auch wenn sich dies aufgrund der nur sehr kurzen Notiz bei Victor von Tunnuna nicht beweisen lassen wird, steht somit doch zumindest die Möglichkeit offen, dass die in Chronicon 120 so genannten Bücher De incarnatione Justinians sich in irgendeiner Weise auf Theodor von Mopsuestia beziehen und somit im Zusammenhang mit dem Drei-Kapitel-Streit stehen. Möglicherweise, aber das bleibt letztlich Spekulation, sind sie sogar das bei Schwartz genannte Antwortschreiben des Kaisers an die sich der Unterschrift unter das erste Edikt gegen die Drei Kapitel verweigernden Bischöfe.626 Die sehr frühe Datierung bei
Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 132 und 137; s. dazu u. Kap. 5.7.3.1. S. o. S. 70 (Anm. 274). S. o. Kap. 2.3.2. Vgl. Schwartz, „Bemerkungen“, 114–115. Vgl. den Bezug auf die Ablehnung der Verurteilung Theodors in Justinian, Schreiben gegen die Drei Capitel (69,9–11 Schwartz [vgl. 62,1; 67,14 Schwartz]; Übers. Jansen, Theodor von Mopsuestia, 72 [Anm. 307]): Ὁπότε τοίνυν Θεόδωρος καὶ αἱρεσιάρχης γέγονε καὶ ἀναριθμήτους βλασφημίας ἐν τοῖς οἰκείοις βιβλίοις ἐξήμεσεν, οὐδεμίαν ἔχετε δικαίαν ἀφορμὴν πρὸς τὸ παραιτήσασθαι τὸν κατ’ αὐτοῦ ἀναθεματισμόν. / „Weil nun Theodor sowohl Häresiarch war als auch unzählige Gottlosigkeiten in seinen eigenen Büchern ausgespien hat, habt ihr keinen rechten Grund für die Ablehnung seiner Verurteilung.“ S. auch u. zu Chronicon 139. 625 Die Schrift Theodors wurde aus Fragmenten rekonstruiert von Jansen, Theodor von Mopsuestia, 233–260; vgl. dort die Fragmenta latina aus der Schrift des Facundus. Zu Kaiser Justinian und der Schrift vgl. ebd., 70–74. Vgl. jetzt auch die Ausgabe und Übersetzung der syrischen Fragmente von Abramowski, in Neue Christologische Untersuchungen, 37–85 („Fragmente aus der Handschrift add. 12156 des Britischen Museums“). 626 Bei Liberatus von Karthago, Breuiarium 24 (140,33–34) ist in Bezug auf das nicht erhaltene erste Edikt Justinians gegen die Drei Kapitel (vgl. Blaudeau, „Notes“, 346 [Anm. 3]) auch vom liber des Kaisers zur Verurteilung der Drei Kapitel die Rede, zu dem er überredet wird: […] ut dictaret librum in damnatione trium capitulorum, quo libro eius edito et toto mundo manifestato […] / „[…] ein Buch zu diktieren zur Verurteilung der Drei Kapitel, nachdem sein Buch herausgegeben worden und der ganzen Welt gezeigt worden war […]“. Eine solche Wortwahl (liber, edare) in Bezug auf ein offizielles kaiserliches Schreiben (vgl. die Übers. 347 Cassingena-Trévedy/Blaudeau mit „écrit“) scheint also in diesem Zusammenhang nicht ungewöhnlich zu sein. 621 622 623 624
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Victor von Tunnuna – vor dem eigentlichen Beginn des Drei-Kapitel-Streites in der Chronik (vgl. Chronicon 130 und 132) – würde dem freilich entgegenstehen. Der Text Justinians müsste ja nach dem ersten Edikt/Traktat gegen die Drei Kapitel, das auf 543–545 datiert wird,627 verfasst worden sein. Allerdings entspricht die Angabe eines Jahres bzw. die Chronologie bei Victor auch sonst oft nicht mit anderen bekannten Quellen überein – und der Beginn des Drei-Kapitel-Streites wird in der Chronik, wie später zu sehen sein wird, gerade nicht mit Justinian verbunden.628 Dass also diese vage Nachricht über diese Korrespondenz Justinians an dieser Stelle stehen könnte, ist nicht von vornherein auszuschließen. Die Notiz ist jedenfalls die erste von drei Nachrichten über Illyrien unter Justinian – die weiteren Nachrichten stehen dann deutlich im Zusammenhang mit dem Drei-Kapitel-Streit.629 Zumindest die erste der beiden weiteren Nachrichten kann ein zusätzlicher Hinweis sein für einen Zusammenhang von Chronicon 120 mit den illyrischen Reaktionen im Drei-Kapitel-Streit: In Chronicon 139, nach dem Beginn des Drei-Kapitel-Streites nach der Darstellung der Chronik, ist von einer illyrischen Synode die Rede, die zur Verteidigung der Drei Kapitel an Justinian schreibt und den Bischof der Stadt Prima Iustiniana, Benenatus,630 verurteilt.631 Dieser Abschnitt bezieht sich wohl auf dasjenige Schreiben einer illyrischen Synode, das Justinians Schreiben gegen die Drei Capitel unmittelbar vorausgeht.632 Dass Victor von Tunnuna (als einzige bekannte Quelle) explizit dieses Schreiben nennt, macht einen vorherigen Bezug auf ein vorangehendes Schreiben in diesem Konflikt (= die libri aus Chronicon 120) zumindest wahrscheinlicher.633 5.7.1.5 Justinian und Severus von Antiochien sowie Konflikte in Alexandria Bezüglich Justinian ist in der Chronik als nächstes zu erfahren, dass er als princeps den princeps heresis Severus von Antiochien zusammen mit Julian von Halicarnassus, apos 627 S. o. S. 66 (Anm. 249). 628 S. u. Kap. 5.7.2.3–5.7.2.5. 629 In Chronicon 139 wird von einer illyrischen Synode berichtet, die die Drei Kapitel vor dem Kaiser verteidigt habe; in Chronicon 160 fallen die illyrischen Bischöfe bis auf wenige Ausnahmen von der Verteidigung der Drei Kapitel ab. Zum (Erz-)Bischofssitz Illyrien unter Justinian vgl. die Anmerkungen von Placanica, „Note“, 112 (ad a. 536); vgl. zu Prima Iustiniana auch Markus, „Carthage“, 289–292; vgl. auch Placanica, „Note“, 123 (ad a. 549), dort auch weitere Hinweise zu Literatur. 630 Zu ihm s. weiter u. S. 312. 631 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 139 (46,815–818 Cardelle de Hartmann): Hilliriciana sinodus in defensione trium capitulorum Iustiniano Augusto scribit et Benenatum Prime Iustiniane ciuitatis episcopum obtrectatorem eorumdem trium capitulorum condemnat. / „Eine illyrische Synode schrieb zur Verteidigung der Drei Kapitel an Kaiser Justinian und verurteilte Benenatus, Bischof der Stadt Prima Iustiniana, Widersacher derselben Drei Kapitel.“ 632 Vgl. Schwartz, „Bemerkungen“, 115, dort auch Belege aus Justinians Schrift, die hier nicht nachgezeichnet werden müssen. 633 S. weiter u. S. 453–454 zu Chronicon 160.
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tolice fidei et Calcidonensis sinodi impugnatores, ins Exil nach Alexandria schickt.634 Severus wurde schon zuvor in der Chronik als princeps heresis bezeichnet und als der Erzfeind Chalcedons schlechthin dargestellt, der schließlich unter Justin geflohen war.635 Julian von Halicarnassus kommt nur an dieser Stelle in der Chronik vor. Er befand sich eigentlich wie Severus von Antiochien nach 518 in Ägypten im Exil. Dort war es zu einer heftigen Kontroverse zwischen Severus und Julian über die Frage der Unverderbtheit bzw. Unvergänglichkeit des Leibes Christi gekommen, worauf es offenbar ein Schisma zwischen den Anhängern der beiden gegeben hatte.636 Dass Victor von Tunnuna das Exil von Julian und Severus gerade an dieser Stelle nennt, kann damit zusammenhängen, dass Severus nach seiner Rückkehr nach Konstantinopel (534), die Victor von Tunnuna nicht erwähnt, im Jahr 536 erneut verurteilt wurde und wieder nach Alexandria floh.637 Die auf die Notiz zur Exilierung durch Justinian unmittelbar folgende Erwähnung ihrer Kontroverse ist nur sehr knapp, ausführlicher geht es dann um die daraus letztlich folgenden Gruppen der Theodosianer und Gaianiten. Deren Beschreibung sticht innerhalb der Chronik heraus, weil relativ ausführlich die theologische Position der verschiedenen miaphysitischen Gruppen, der inimici Christi, die auf Severus und Julian zurückgeführt werden, in Alexandria, Ägypten und Libyen dar-
634 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 124 (40,687–691 [vgl. dann weiter zu Severus und Julian ebd., 691–704] Cardelle de Hartmann): Seuerus Antiochenus heresis princeps a quo Seueriani uocantur et Iulianus Halicarnasensis episcopi, apostolice fidei et Calcidonensis sinodi impugnatores, exilio Alexandria Iustiniani principis iussione mittuntur. / „Die Bischöfe Severus von Antiochien, der Prinzeps der Häresie, nach dem die Severianer benannt sind, und Julian von Halicarnassus, Bekämpfer des apostolischen Glaubens und der Synode von Chalcedon, wurden ins Exil nach Alexandria geschickt auf Befehl von Prinzeps Justinian.“ 635 Vgl. bspw. Victor von Tunnuna, Chronicon 104; die Flucht in Chronicon 108. 636 Vgl. Liberatus von Karthago, Breuiarium 19 (134,4–22 Schwartz), vgl. dort die Frage des Disputs als quid oporteret dicere corpus domini nostri Iesu Christi, corruptibile an incorruptibile (134,11–12 Schwartz). Severus sah den Leib Christi als corruptibilis, Julian als incorruptibilis an. Über die Trennung schreibt Liberatus von Karthago, Breuiarium 19 (134,16–18 Schwartz): Qui uenientes in multitudinem ciuitatis ecclesiam illam diuiserunt et alios quidem fecerunt corrupticolas appellari, uerum incorruptibilitatis assertores phantasiastas. / „Als sie in die Menge der Stadt kamen, teilten sie jene Kirche, und sie machten nämlich, dass die einen ‚Verderblichler‘ genannt werden, die Verteidiger der Unverderblichkeit aber ‚Phantasten‘“. Vgl. auch Theophanes, Chronographia a. m. 6011 (165,9– 12 de Boor); vgl. aber auch a. m. 6033 (222,9–13 de Boor) – diese spätere erneute Nennung des Konfliktes ist für Placanica, „Note“, 113 (ad a. 539) ein Beleg dafür, dass er während der Herrschaft Justinians länger andauerte, vgl. auch ebd. zu weiteren Quellen. Vgl. zur Darstellung der Lehre des Julian von Halicarnassus im Gegenüber zu Severus von Antiochien Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 83–116. 637 Vgl. Placanica, „Note“, 114 (ad a. 539). Zur Verurteilung des Severus unter Justinian vgl. Nouellae Iustiniani 41,1, mit einer Betonung der vier heiligen Synoden in der praefatio. Mit der Novelle wurde die Verurteilung einer Synode in Konstantinopel im Jahr 536 gesetzlich bestätigt; vgl. Meier, Das andere Zeitalter, 221 (Anm. 604); s. auch o. S. 63–64, vgl. auch 57; zur bei Victor von Tunnuna nicht erwähnten Synode s. auch kurz u. S. 377.
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gelegt werden und hierbei auch – ausnahmsweise innerhalb der Chronik – mit Schriftzitaten argumentiert wird.638 Hierzu daher wenige Anmerkungen: Die prochalcedonensische Darstellung in der Chronik geschieht, wie nun schon mehrfach gesehen, grundsätzlich – und auch in Chronicon 124 – durch die Einteilung der Protagonisten der Geschichte in Gegner und Verteidiger Chalcedons. Eine theologische Argumentation im engeren Sinn, die etwa auch mit Schriftzitaten arbeiten würde, gibt es nicht, was selbst bei der Gattung „Chronik“ nicht von vornherein ausgeschlossen ist, wie allerdings v. a. spätere (mittelalterliche) Chroniken zeigen. So weist der „Index Locorum S. Scripturae“639 für die Chronik Victors tatsächlich lediglich 12 Schriftstellen aus, die alle in Chronicon 124 vorkommen.640 Nur hier werden Schriftzitate explizit in einer Art theologischen Argumentation verwendet. Dem Glauben der Tritheiten, einer Abspaltung der Theodosianer, werden Schriftzitate entgegengesetzt (quod scriptum est): audi Israel Dominus Deus tuus Deus unus est (Dtn 6,4; vgl. Mk 12,29),641 nullus Deus nisi unus (1 Kor 8,4) und ego sum Deus et non est alius preter me (vgl. Dtn 4,35; 32,39; 1 Chron 17,20; Jes 45,18; 45,22; 46,9; Tobias 13,4; Judith 9,19; Mk 12,32). Die Zusammenstellung dieser Schriftzitate
638 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 124 (40,691–704 Cardelle de Hartmann): Ubi aduersus sequaces Calcidonensis sinodi scribentes ex duabus unam in Christo naturam esse dixerunt, quam dudum Seuerus corruptam et Iulianus astruit incorruptam. Alexandria, Egiptus et Libia in utrisque est Christi inimicis diuisa. Theodosiani enim Seuerum et Gaianite Iulianum secuti sunt, sed a Theodosianis alie due hereses exierunt, una agnoitarum et altera tritheytarum. Agnoyte siquidem peruersitati, a qua exierunt, id adiciunt quod Christi diuinitas ignoret futura que sunt scripta de die et hora nouissima. Triteyte uero, sicut tres personas in Trinitate, ita quoque tres astruunt deos esse, contra illud quod scriptum est: „audi Israel Dominus Deus tuus Deus unus est“ et rursum „nullus Deus nisi unus“ et „ego sum Deus et non est alius preter me“. / „Dort schrieben sie gegen die Anhänger der Synode von Chalcedon und sagten, dass aus zwei in Christus eine Natur sei, die früher Severus als verdorben und Julian als unverdorben behauptete. Alexandria, Ägypten und Libyen wurden geteilt in beide Feinde Christi. Die Theodosianer nämlich folgten Severus, und die Gaianiten Julian, aber von den Theodosianern gingen zwei weitere Häresien aus, eine die der Agnoeten, und die andere die der Tritheiten. Die Agnoeten nämlich fügten der Verkehrtheit, aus der sie kamen, das hinzu, dass die Göttlichkeit Christi nicht kenne die zukünftigen Dinge, die geschrieben sind über den jüngsten Tag und die jüngste Stunde. Die Tritheiten aber behaupten, dass, wie es drei Personen in der Trinität seien, so seien es auch drei Götter, entgegen dem, was geschrieben steht: ‚Höre Israel, der Herr dein Gott ist ein einziger Gott‘, und wiederum ‚Es ist kein Gott außer der eine‘ und ‚Ich bin Gott und es ist kein anderer außer mir‘.“ Zu den Agnoeten vgl. die Bemerkung bei Leppin, Justinian, 242, mit weiteren Hinweisen in Anm. 117. 639 S. 151 in der Ausgabe von Cardelle de Hartmann. 640 Kein wörtliches Zitat in Chronicon 124, aber eine deutliche Anspielung auf Mk 13,32, ist zudem quod Christi diuinitas ignoret futura que sunt scripta de die et hora nouissima. 641 Der LXX-Text von Dtn 6,4 entspräche der Formulierung Deus noster. Vgl. auch Placania, „Note“, 114 (ad a. 539) zu weiteren Belegen dieser Formulierung, neben Hormisdas und Dioscorus Diaconus verweist er auf Ferrandus von Karthago, Epistula 4,1 (PL 67, 909A Migne; in einer Argumentation gegen „Arianer“). Das Zitat erscheint so auch in weiteren nordafrikanischen Quellen, etwa bei Fulgentius von Ruspe (Epistula 8,3) und bei Augustinus (Contra Maximinum 2,10,1; vgl. 2,23,1).
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gegen falsche Lehren ist nicht ungewöhnlich, sind es doch zentrale Aussagen, die die Einheit Gottes belegen sollen.642 Warum Victor von Tunnuna aber gerade an dieser Stelle ausnahmsweise eine ausführlichere (biblisch-theologische) Argumentation bietet, kann nur vermutet werden. Chronicon 124 steht insgesamt im Kontext mehrerer relativ ausführlicher Notizen zu Spaltungen in Alexandria: Chronicon 123 berichtet zuvor von der Wahl des Theodosius und des Gaianus an einem Tag und der darauf folgenden Spaltung der Kirche in Theodosianer und Gaianiten,643 die beide Chalcedon nicht annehmen und sich die Fehler des Eutyches und des Dioskur644 zu eigen machen.645 Chronicon 126 erwähnt die Exilierung von Theodosius646 und Gaianus, wobei dann Theodosius aber dennoch in Konstantinopel sein Unwesen treibt und die Theodosianer und Gaianiten weiterbestehen können.647 Es ist insgesamt auffällig, dass diese Episode aus Alexandria so ausführlich 642 Vgl. die Zusammenstellung etwa auch bei Fulgentius von Ruspe, Epistula 8,3 (ohne 1 Kor 8,4) und Augustinus, Contra Maximinum 2,10,1; 2,23,1 (jeweils zwei der drei hier bei Victor von Tunnuna angegebenen Zitate). 643 Die Wortwahl ist dieselbe wie in Chronicon 124: Alexandria in utrisque est Christi inimicis diuisa (39,682–683 Cardelle de Hartmann). 644 Vgl. dazu auch Victor von Tunnuna, Chronicon 3 und 19. 645 Vgl. dazu v. a. Liberatus von Karthago, Breuiarium 20; vgl. auch die Darstellung bei Theophanes, Chronographia a. m. 6033 (s. o. Anm. 636), der auch die Trennung unter den Bischöfen Theodosius und Gaianus erwähnt. Im Gegenüber zu Liberatus von Karthago ist die Reihenfolge bei Victor von Tunnuna umgekehrt: Erst die Spaltung in Gaianiten und Theodosianer, dann die Erwähnung des Julian von Halicarnassus. Vgl. Placanica, „Note“, 113 (ad a. 538,2) zu diesen und weiteren Quellen. 646 Vgl. dazu auch Liberatus von Karthago, Breuiarium 20. Liberatus berichtet auch von der Begünstigung des Theodosius durch Kaiserin Theodora; Theodosius sei ein Jahr und 4 Monate im Episkopat gewesen, Gaianus sei exiliert worden. Vgl. zu weiteren Quellen Placanica, „Note“, 115–116 (ad a. 540,2). 647 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 126 (hier 41,712–717 Cardelle de Hartmann): Sed Theodosius Constantinopolim Sucas relegatus totum pene palatium et maximam regie urbis partem sua perfidia maculauit. Que occasio cunctis pene heresibus licentiam tribuit, ita ut non solum Theodosianite sed et Gaianite monasteria atque oratoria apud urbem regiam construxissent. / „Aber Theodosius, verbannt nach Sucas [Stadtteil von Konstantinopel], besudelte fast den ganzen Palast und den größten Teil der Königsstadt mit seinem Unglauben. Diese Gelegenheit schenkte fast allen Häresien die Freiheit, so dass nicht nur die Theodosianer, sondern auch die Gaianiten Klöster und Bethäuser bei der Königsstadt erbauten.“ Durch das Stichwort perfidia ist Theodosius auch mit Anastasius verknüpft; s. o. Kap. 5.4.1 und 5.4.8. In Chronicon 128 (41,724–729 Cardelle de Hartmann) wird dann die Nachfolge des Theodosius und des Gaianus beschrieben: Alexandrine uero ecclesie Theodosio atque Gaiano exulatis Paulus Prestor pro eis Tabennensiotarum monachorum a defensoribus sinodi Calcidonensis ordinatur episcopus. Qui Dioscori heretici prodecessoris sui depositionem celebrans Palestino concilio deponitur et pro eo Zoilis ordinatur episcopus. / „Für die alexandrinische Kirche aber wurde, nachdem Theodosius und Gaianus verbannt worden waren, für sie Paulus Prestor von den Mönchen von Tabennisis von den Verteidigern der Synode von Chalcedon als Bischof ordiniert. Dieser wurde, weil er das Totengedächtnis seines Vorgängers, des häretischen Dioskur, feierte, von einem palästinischen Konzil abgesetzt, und für ihn wurde Zoilus als Bischof ordiniert.“ Zu dieser Deutung von depositio vgl. die Übersetzung von Placanica (Übers. 45 Placanica): „costui celebra la commemorazione del suo antecessore, l’eretico Dioscoro“; vgl. auch TLL, s. v. „dēpositio, -ōnis f. 2.b“; vgl. Placanica, „Note“, 116–117 (ad a. 541,1). Zuvor wurde in Chronicon 127 der Nachfolger von Paulus in Antiochien genannt, Eufrasius; vgl. dazu auch Placanica, „Note“, 166 (ad a. 540,3).
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Die erzählte Geschichte der Chronik
erzählt wird, obwohl die genannten Gruppen und Geschehnisse in Alexandria im weiteren Verlauf der Chronik keine Rolle mehr spielen.648 Vielleicht hatte Victor von Tunnuna hier eine (jetzt unbekannte) Quelle zur Verfügung, was auch die außergewöhnliche Verwendung von Schriftzitaten erklären könnte. Ein Hinweis darauf ist auch, dass für Liberatus von Karthago ebenfalls gerade für die inhaltlich Ähnliches bietenden Kapitel 19 und 20 seines Breuiarium eine solche (unbekannte) alexandrinische schriftliche Quelle angenommen wird.649 Dass die Theodosianer und Gaianiten in Chronicon 124 so ausführlich dargestellt werden, charakterisiert jedenfalls ihre „Väter“ Julian und Severus deutlich als Häretiker. Im Zusammenhang mit der Darstellung Justinians und des Anfangs seiner Herrschaft im Gesamtkontext der Chronik ist nun aber noch einmal auf den Beginn von Chronicon 124 zurückzukommen, auf die Exilierung des Julian und des Severus durch den Kaiser: Beide, Julian und Severus, werde in Chronicon 124 als apostolice fidei et Calcidonensis sinodi impugnatores bezeichnet. Damit werden einerseits erneut der „apostolische Glauben“ und das Konzil von Chalcedon parallelisiert – sie entsprechen sich –,650 andererseits wird (wie bei seiner Bezeichnung als princeps heresis) das, was über Severus zuvor schon einmal gesagt wurde, noch einmal aufgegriffen.651 Die Bezeichnung von Personen als impugnatores erscheint hier in der Chronik zum ersten und einzigen Mal,652 sie ist im Kontext des Drei-Kapitel-Streites allerdings nicht ungewöhnlich: So bezeichnet Facundus von Hermiane gleich ganz am Anfang von Pro defensione trium capitulorum die Gegner der Drei Kapitel als sancti concilii Chalcedonen-
648 Daher kann und muss an dieser Stelle auch nicht ausführlicher auf die einzelnen genannten Gruppen und die Streitigkeiten eingegangen werden. Durch die in Chronion 124 aufgeführten Teilungen stehen auch sie jedenfalls von vornherein im Gegenüber zur communio catholica. 649 Vgl. Gleede, „Liberatus’ Polemik“, 97–98. Gleede bemerkt dort in ähnlicher Weise, dass es auffällig sei, dass Liberatus so ausführlich auf die Situation in Alexandria eingehe, ohne dass dies für seine Darstellung eigentlich zentral wäre, was neben redaktionellen Bemerkungen (vgl. die Beispiele ebd., 98) ein starkes Argument für eine solche Quelle sei. Auch diese Beobachtung ist ein Hinweis darauf, dass das Verhältnis der Chronik des Victor von Tunnuna zum Breuiarium des Liberatus von Karthago noch einmal genauer untersucht werden könnte. Auch abgesehen von der Frage zum Verhältnis zu Liberatus von Karthago lässt sich vermuten, dass Victor von Tunnuna bei seinem eigenen Aufenthalt in Alexandria von diesen speziellen Ereignissen dort erfuhr, vielleicht sogar dort die genannte mögliche Quelle zur Verfügung hatte. Immerhin berichtet er ja später von zweiwöchigen Diskussionen im Prätorium in Alexandria, an denen er beteiligt war (Chronicon 156) – dass es dabei um Fragen ging, die mit dem Drei-Kapitel-Streit und daher auch mit der Rezeption Chalcedons zu tun hatten, liegt schon wegen der Exilierung des Victor von Tunnuna aufgrund seiner Verteidigung der Drei Kapitel nahe. S. dazu weiter u. Kap. 5.7.3.5. 650 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 67: Anastasius muss versprechen, nichts gegen den apostolischen Glauben und gegen Chalcedon zu unternehmen, s. o. Kap. 5.4.1. Vgl. auch die Parallelisierung in Chronicon 142, die dann noch auf die Drei Kapitel bezogen wird, s. u. S. 416–418. 651 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 90: Severus als inimicus apostolice fidei; s. o. S. 293–294. 652 Das Verb impugnare wird noch in Chronicon 145 verwendet für die Verfolgungen durch den byzacenischen Bischof Primasius; s. u. S. 425–426.
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sis impugnatores eius Acephali.653 Julian und Severus werden hier also in aller Deutlichkeit als Gegner Chalcedons präsentiert.654 Justinian, der eigentliche princeps, steht an dieser Stelle damit jedenfalls nicht nur dem princeps heresis gegenüber, sondern indem er die Bekämpfer von Chalcedon und des apostolischen Glaubens ins Exil schickt, steht er gleichzeitig für Chalcedon und diesen Glauben ein. Damit und auch konkret mit der Exilierung des Severus steht er am Anfang seiner Herrschaft gleichzeitig in der Nachfolge des chalcedontreuen Kaisers Justin.655 Dies ist die letzte Aktion Justinians, die vor dem Beginn des eigentlichen Drei-Kapitel-Streites in der Chronik berichtet wird. Bis hierhin erscheint der Kaiser durchaus als Chalcedon-freundlicher Herrscher, der nicht nur in der Tradition der vier heiligen Synoden steht, sondern sogar den zuvor mehrfach als „Erzfeind“ Chalcedons gezeichneten Severus ins Exil schickt. Letztlich nicht ganz zu klären bleibt in diesem Zusammenhang die Stellung und Aussage von Chronicon 120; auffällig ist die wiederholte Nennung von Nachrichten aus dem alexandrinischen Kontext. Chronicon 130 (im zweiten Jahr nach dem Konsulat des Basilius, d. h. im Jahr 542 nach unserer Zeitrechnung) setzt dann in der Chronik den Auftakt für den Drei-Kapitel- Streit im engeren Sinn. Dieser Auftakt wird aber, wie schon angedeutet, nicht mit Justinian verbunden, sondern mit Theodora und dem Bischof von Rom. Dieser Geschichte soll im folgenden Kapitel nachgegangen werden. 5.7.2 Die Kaiserin und der Papst: Theodora, Vigilius und der Beginn des Drei-Kapitel-Streites (Chronicon 111–130/140) Wurde Kaiser Justinian in der Chronik am Anfang seiner Herrschaft als Chalcedonfreundlicher Herrscher präsentiert, gilt für seine Frau Theodora656 genau das Gegenteil: Sie sticht in der Chronik durch ihre aktive Rolle nicht nur innerhalb der sonst zurückhaltenden Darstellung der (kaiserlichen) Frauen heraus, sondern diese Rolle ist auch im Hinblick auf den Drei-Kapitel-Streit pointiert dargestellt. Sie erscheint konsequent als Feindin Chalcedons, und ihr Handeln ist für den Drei-Kapitel-Streit von entscheidender Bedeutung. Ihr „kongenialer“ Handlungspartner wird dabei gerade 653 Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum, praefatio 1 (3,1–2 Clément/Vander Plaet se); vgl. auch ebd. 3,6,12; vgl. auch Facundus von Hermiane, Contra Mocianum 22 (vgl. auch 24). Als impugnatores Ecclesiae werden die Gegner der Drei Kapitel bezeichnet in Contra Mocianum 5 und 6 (402,42–43.53–54 Clément/Vander Plaetse). 654 Im Rahmen des Gedankens der communio, der an anderen Stellen in der Chronik deutlich wird, stehen sie als Gegner des „apostolischen Glaubens“ zudem außerhalb der Apostolizität der Kirche und nicht mit ihr in Gemeinschaft. 655 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 108. 656 Zu ihr s. auch o. S. 61–62 (mit einführenden Literaturangaben).
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Die erzählte Geschichte der Chronik
am Beginn des Drei-Kapitel-Streites der Bischof von Rom, Vigilius. Dieser Beginn soll nun wie die Darstellung Theodoras insgesamt in der Chronik in den Blick genommen werden. Dazu an dieser Stelle zunächst ein Überblick zu Theodora in der Chronik, aus dem die relative Häufigkeit ihrer Nennung schon hervorgeht: Chronicon
Jahr657
Notizen zu Theodora und ihrer Herrschaft sowie zu Vigilius
111
527
Einführung Theodoras als Frau Justinians.
113
529
Theodora erlässt ein theopaschitisches Gesetz.
114
530
Aufstand des Hypatius in Konstantinopel (ohne explizite Nennung Theodoras).
121
537
Theodoras Partei verhilft Anthimus zum Bischofsamt von Konstantinopel.
125
540
Agapitus schließt Theodora aus der communio aus.
128
541
Bischofsabfolgen in Rom von Hormisdas bis Vigilius und in Alexan dria.658
130
542
Theodora und Vigilius und der Beginn des Drei-Kapitel-Streits.
140
549
Der Tod Theodoras.
5.7.2.1 Der Anfang Theodoras als Augusta Theodora wird in Chronicon 111 zunächst schlicht eingeführt als Frau Justinians: Huic erat uxor uocabulo Theodora.659 Wird Justinian gleich mit der ersten inhaltlichen Notiz zu seiner Herrschaft in der Tradition der „vier heiligen Synoden“ stehend präsentiert – seine erste Handlung als Kaiser bestand ja darin, die vier heiligen Synoden in der Messe öffentlich vortragen zu lassen –,660 steht seine Frau von Anfang an im Gegensatz dazu: Die erste Notiz, die sie als handelnde Kaisern erwähnt, beschuldigt Theodora, genauer gesagt ihre Partei (factio), mit der Durchsetzung einer Lehre, die gerade über die bisherigen vier heiligen Synoden hinausgeht: Theodore Auguste factio unum de Trinitate passum non asserens secundum quid, sed absolute suscipiendum, cunctis generali lege imponit, et a clericis atque monachis subscriptiones uiolenter
657 Nach der Datierung in der Ausgabe Cardelle de Hartmanns. 658 S. auch o. S. 365 (Anm. 647); s. u. S. 379–380 (Anm. 715). 659 Victor von Tunnuna, Chronicon 111 (36,613 Cardelle de Hartmann): „Er [= Justinian] hatte eine Frau namens Theodora.“ 660 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 112; s. o. Kap. 5.7.1.2.
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exegit. Qua de causa plurimi se ab ecclesia subtraxerunt et monachi a propriis monasteriis recesserunt, asserentes sufficere sibi fidem eorum qui in prefatas sanctas IV sinodos conuenerunt.661
Theodora mischt sich (mit ihrer Partei) also einerseits grundsätzlich in kirchenpolitische Angelegenheiten ein, indem sie „allen“ ein „allgemeines Gesetz“ religiösen Inhalts „auferlegt“ und dabei sogar mit Gewalt662 die entsprechenden Unterschriften erzwingt. Andererseits führt sie etwas Neues ein – das wird auch daran deutlich, dass ihre Gegenüber, also die sich weigern, zu unterschreiben, was sie verlangt, sich auf die ausreichende fides derer, die in den „vier heiligen Synode“ zusammengekommen sind, beziehen. Einmal mehr findet sich hier also in der Chronik ein Hinweis auf die hinreichende und bleibende Gültigkeit der Beschlüsse nicht nur Chalcedons, sondern auch der Synoden von Nizäa, Konstantinopel und Ephesus.663 Etwas Neues darüber hinaus ist nicht notwendig. Theodora steht hingegen deutlich nicht in dieser Tradition. Explizit als Chalcedongegnerin erscheint Theodora damit hier zwar (noch) nicht. Dass die von ihrer Partei eingeführte Neuerung aber eben über die vier heiligen Synoden hinausgeht (oder dies jedenfalls von den sich dagegenstellenden Klerikern und Mönchen so gesehen wird), deutet jedoch das an, was später offensichtlich werden wird.664 Dass genau genommen nicht Theodora selbst für das Gesetz verantwortlich gemacht wird, sondern nach der Darstellung der Chronik ihre Partei dahinter steht, soll wohl eine direkte Beschuldigung der Kaiserin vermeiden.665 Dennoch wird sie mit der in 661 Victor von Tunnuna, Chronicon 113 (36,619–626 Cardelle de Hartmann): „Die Partei der Augusta Theodora erlegte allen durch ein allgemeines Gesetz auf, dass einer aus der Trinität gelitten habe, indem sie nicht vertrat, dies sei gemäß etwas, sondern es sei absolut aufzunehmen, und sie verlangte mit Gewalt die Unterschriften der Kleriker und Mönche. Daher entfernten sich viele von der Kirche, und die Mönche zogen sich in ihre eigenen Klöster zurück, und sie vertraten, dass der Glaube derer, die in den vorher genannten heiligen vier Synoden zusammengekommen waren, ihnen genug sei.“ John R. C. Martyn übersetzt den absoluten Gebrauch von ecclesia in diesem Abschnitt (qua de causa plurimi se ab ecclesia subtraxerunt [36,623 Cardelle de Hartmann]) mit „for which reason a great many priests withdrew from the Church“ (Übers. 153 Martyn). Auch wenn die Formulierung absolut erscheint, ist wohl nicht allgemein „die Kirche“ gemeint, sondern die jeweiligen Ortskirchen, die vom Gesetz der Kaiserin betroffen sind. So übersetzt auch Placania: „Per questa ragione moltissimi abbandonarono le proprie chiese“ (Übers. 39 Placanica). 662 Von einer Handlung uiolenter wird in der Chronik sonst nur bezüglich Anastasius berichtet (Chronicon 68). 663 Vgl. dazu ausdrücklich Victor von Tunnuna, Chronicon 10; zur Unveränderlichkeit speziell Chalcedons vgl. auch Chronicon 33; s. o. S. 262 (Anm. 154). 664 S. o. S. 61–62 zur Frage nach dem tatsächlichen Gegensatz zwischen Justinian und Theodora in kirchenpolitischen Angelegenheiten, besonders in der Haltung gegenüber Chalcedon. Meier, Das andere Zeitalter, 220, sieht Chronicon 113 als Beleg dafür an, dass „die theopaschitische Formel […] als monophysitisch“ galt. Für die Chronik steht aber eben die durch die Kaiserin eingeführte Neuerung gegenüber den vier heiligen Synoden im Vordergrund, eine anti-miaphysitische Argumentation im engeren Sinn ist an dieser Stelle nicht erkennbar, außer wenn man davon ausginge, dass mit der factio der Theodora per se eine miaphysitische Gruppe gemeint sein müsste. 665 Auch an zwei der weiteren Stellen, an denen Theodora nach der Darstellung der Chronik aktiv in die Religionspolitik eingreift, schreibt die Chronik die Initiative der factio der Kaiserin zu (vgl.
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Chronicon 113 geschilderten Aktion letztlich selbst gleich bei ihrer zweiten Erwähnung in der Chronik konkret in einen Gegensatz zu ihrem Mann Justinian gestellt, der ja zu Anfang für die vier heiligen Synoden handelte. Konkret betrifft die in Chronicon 113 genannte Neuerung die sogenannte theopaschitische Formel, hier als unus de trinitate passus formuliert. Genannt ist in Chronicon 113 zudem ein bestimmtes Verständnis der Formel, die nämlich aufzunehmen gewesen sei non […] secundum quid, sed absolute.666 Die theopaschitische Formel war in der Chronik bereits zuvor im Kontext der Herrschaft des Anastasius Thema gewesen und als Neuerung kritisiert bzw. mit den Chalcedon-Gegnern in Verbindung gebracht worden.667 Auch unter Justinian war die Formel ein Streitpunkt, v. a. im Gegenüber von Kaiser, der sich für den entsprechenden Zusatz zum Chalcedonense einsetzte, und den Bischöfen von Rom, besonders Hormisdas, der dem ablehnend gegenüberstand. 533 wurde der theopaschitische Zusatz offiziell eingeführt.668 Das in Chronicon 113 genannte Gesetz (lex generalis) wurde mit zwei Texten identifiziert: Zum einen mit dem Glaubensbekenntnis Justinians in Codex Iustinianus 1,1,5 (ca. 527),669 das die theopaschitische Formel in Bezug auf die Inkarnation aufnahm,670
Victor von Tunnuna, Chronicon 121; 130). Noethlichs, „Iustinianus (Kaiser)“, 679 sieht diese Zuschreibung als Erklärungsversuch im Kontext der Frage danach, „wieso es möglich war, daß von [Iustinianus] abgelehnte Glaubensrichtungen bei Theodora ein offenes Ohr und oft aktive Unterstützung […] finden konnten“. Insofern wäre die Zuschreibung der Initiative an Theodoras „Partei“ eben ein Erklärungsversuch für ihr Handeln, der sie zudem nicht direkt angreifen würde. Es ist nicht notwendig, hier konkret an die Zirkuspartei der Blauen zu denken, die Theodora nach Prokopios von Caesarea, Anekdota 10,16–18 unterstützte. Auch bspw. bei Johannes von Biclaro, Chronicon 5; 23; 54 wird das (negative) Handeln einer Herrscherin auf deren factio zurückgeführt. Vgl. Placanica, „Note“, 80–81 (ad a. 473,6); dort auch zu weiteren Belegen für das Handeln einer factio in diesem Sinn. 666 Hier wird dies übersetzt mit „nicht […] gemäß etwas […], sondern […] absolut“ (s. o. Anm. 661; vgl. Übers. 39 Placanica: „un’interpretazione non condizionata, ma in senso assoluto“). Kritisiert wird damit wohl, dass der Formel kein Zusatz wie secundum carnem beigefügt sei, mit dem der Bezug des Leidens auf das Fleisch bzw. auf die menschliche Natur (und nicht auf die göttliche Natur) deutlich wäre. In diesem Sinne hatten andere Verteidiger der Drei Kapitel keine Schwierigkeit mit der theopaschitischen Formel, vgl. bspw. Ferrandus von Karthago, Epistula 3,11; Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 1,3; Liberatus von Karthago, Breuiarium 19 (132,24–31 Schwartz); vgl. Placanica, „Note“, 108 (ad a. 529), dort auch weitere Belege. 667 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 81 (zur Formel unum de trinitate crucifixum, die als über die vier Synoden und über die Briefe des Papstes Leos hinausgehend angesehen wurde); 93 (Überwindung der theopaschistischen Bischöfe durch Alamundarus); 94 (neue Ergänzung zum Trishagion). 668 S. o. S. 59. 669 Zu diesem Glaubensbekenntnis s. auch o. S. 60. 670 Vgl. Codex Iustinianus 1,1,5,2 (10,14–15 Krüger; Übers. nach s. p. Haller): ἔμεινε γὰρ τριὰς καὶ σαρκωθέντος τοῦ ἑνὸς τῆς τριάδος θεοῦ λόγου / „Denn die Dreieinigkeit blieb auch bestehen, nachdem Einer aus derselben, der Logos Gottes, Fleisch geworden war.“ Zuvor nimmt Codex Iustinianus 1,1,5,1 auf das Leiden des Sohnes Gottes im Fleisch Bezug, was dann durch diesen Satz auf die ganze Dreieinigkeit bezogen werden kann. Auf dieses Glaubensbekenntnis beziehen Chronicon 113 etwa Haacke, „Die kaiserliche Politik“, 157 (Anm. 59); Meier, Das andere Zeitalter, 218.
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zum anderen mit Codex Iustinianus 1,1,6 (533), mit dem der theopaschitische Zusatz später671 offiziell durchgesetzt wurde.672 Von der Chronologie her liegt es näher, in dem Gesetz aus Chronicon 113 das Glaubensbekenntnis Justinians vom Beginn seiner Herrschaft zu sehen. Inhaltlich ist die theopaschitische Formel aber weder in Codex Iustinianus 1,1,5 noch in Codex Iustinianus 1,1,6 (wo zum Teil der Text von 1,1,5 wörtlich übernommen wird) einfach absolut gesetzt, sondern mit der Fleischwerdung verbunden. Es lässt sich daher nicht zweifelsfrei entscheiden, welches konkrete Gesetz in Chronicon 113 gemeint ist. Im Kontext der Darstellung von Justinian und Theodora innerhalb der Chronik und im Kontext der Rezeption Chalcedons bzw. des Drei-Kapitel-Streits kommt es letztlich wohl darauf an, dass das Gesetz, das die Neuerung gegenüber den vier heiligen Synoden erzwingt, gerade nicht vom Kaiser, sondern von Theodora bzw. ihrer Partei initiiert wurde – und dass es noch Kleriker und Mönche gibt, die sich dem entgegenstellen. Dadurch wird Theodora bereits am Anfang der Regierung Justinians zu dessen Gegenspielerin und vor allem zu einer mit Gewalt agierenden Gegnerin derer, die die vier heiligen Synoden verteidigen.673 Justinian hingegen ist zu dieser Zeit eben der, der die vier heiligen Synoden unterstützt (vgl. Chronicon 112).674 Die gegensätzliche Darstellung von Justinian und Theodora und ihren Initiativen in Chronicon 112 und 113 spricht übrigens auch gegen die denkbare Annahme, dass in der Chronik Victors von Tunnuna Justinian grundsätzlich mitgemeint sei, wenn Theodoras Aktionen geschildert werden, dass also die (negative) Darstellung Theodoras auf eine (negative) Bewertung Justinians und seiner Herrschaft schließen lasse. Auch wenn Theodora und Justinian als Kaiserpaar in ihren Handlungen nicht völlig
671 In Verbindung mit Codex Iustinianus 1,1,7 und 1,1,8; vgl. Meier, Das andere Zeitalter, 217 (mit Anm. 581). 672 So Placanica, „Note“, 108–109 (ad a. 529), der den in Chronicon 113 genannten Widerstand auf die Opposition der akoimetischen Mönche bezieht. Vgl. zu diesem Widerstand Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 281; dargestellt etwa bei Liberatus von Karthago, Breuiarium 19 (134,23–31 Schwartz), der dem Widerstand der Akoimeten eher ablehnend gegenübersteht. In den Kontext der Jahre 532/533 wird Chronicon 113 auch eingeordnet von Leppin, Justinian, 96, der in der Notiz nicht nur eine anti-miaphysitische Tendenz erkennt (s. auch o. Anm. 664), sondern auch eine Klage des Chronisten: „Mancherorts scheint die Aufregung über Justinians Zurückhaltung gegenüber den Miaphysiten groß gewesen zu sein. Ein westlicher, nicht besonders genau informierter, aber leicht erregbarer Chronist klagte sogar über eine Verfolgung strenger Chalkedonier.“ 673 Diese Pointe von Chronicon 113 wird meistens nicht gesehen, die Frage der Darstellung der Initiierung wird nicht gestellt. Im Vordergrund steht meistens die Frage, welches Gesetz hier konkret gemeint sein könnte, vgl. exemplarisch dazu Meier, Das andere Zeitalter, 218, der sich hier folgendermaßen auf Chronicon 113 bezieht: „Schriftliche Stellungnahmen zu seiner [ Justinians] professio fidei waren jedenfalls […] ausdrücklich erwünscht und gingen offenbar auch ein, freilich nicht immer im Sinne des Kaisers, wie der Polemik Victors von Tunnuna immerhin noch zu entnehmen ist.“ 674 Dass der Beginn von Justinians Herrschaft auch anders dargestellt werden konnte zeigt Prokopios von Caesarea, Anekdota 11,1–2, wo Justinian vorgeworfen wird, zu viele politische Neuerungen einzuführen.
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zu trennen sind,675 ist der Gegensatz gerade in diesen beiden aufeinanderfolgenden Abschnitten der Chronik doch so deutlich, dass es wenig wahrscheinlich scheint, dass Justinian mit Chronicon 113 durch die Darstellung seiner Frau indirekt kritisiert werden soll. Wenn man die negative Darstellung Theodoras auf das Kaiserpaar deuten will, ist eher zu vermuten, dass Kritik vom Kaiser abgewendet werden soll.676 Das eigenständige Handeln als Herrscherin – bei Victor von Tunnuna abgeschwächt durch die Nennung der factio Theodoras – entspricht dabei durchaus Theodoras Darstellung in anderen Quellen, auch und gerade im Hinblick auf religiöse Angelegenheiten bzw. religionspolitische Maßnahmen.677 Dies gilt besonders im Zusammenhang mit dem Nika-Aufstand, der in der Ausrufung von Hypatius, dem Neffen des Anastasius,678 und Pompeius zu Kaisern durch die Aufständischen gipfelte. Seine (äußerst blutige) Niederschlagung durch Belisar, die besonders für die Festigung der Herrschaft Justinians im Inneren von großer Bedeutung war,679 wird bei Victor von Tunnuna im folgenden Abschnitt Chronicon 114 allerdings weder mit Justinian noch mit Theodora namentlich verbunden – die Formulierungen zur Niederschlagung sind passivisch, weder Theodora noch Justinian werden genannt.680 Offenbar liegt eine Verbindung
675 Dies wurde auch von Geschichtsschreibern im Mittelalter immer wieder hervorgehoben: So schreibt etwa Johannes Zonaras, Epitome historiarum 14,6,1 (270,7–9 Dindorf) im 12. Jahrhundert davon, „daß die Herrschaft Justinians keine Monarchie, sondern die Macht zweigeteilt gewesen sei“ (Irmscher, „Theodora I., Ksn.“, 631): ἄρξαντος δὲ Ἰουστινιανοῦ οὐκ εἰς μοναρχίαν ἡ βασιλεία κατέστη, ἀλλ’ εἰς διπλοῦν τὸ κράτος μεμέριστο. 676 Dies entspräche der Deutung der negativen Darstellung Theodoras bei Liberatus von Karthago durch Leppin, „Das Bild der Kaiser“, 162: „Der Kaiser wird gewissermaßen aus der Schusslinie genommen.“ Für die Fehler Justinians (und nur bei diesem Kaiser) „trägt auch eine schlechte Augusta Verantwortung, obgleich kaiserliche Frauen sonst in der Darstellung kaum eine Rolle spielen.“ Ähnlich auch Meier, „Das Breviarium“, 137: „Justinian hingegen wird so aus allen Widrigkeiten herausgehalten“. Die Rolle Theodoras wäre ein weiterer Hinweis darauf, dass sich eine gründlichere vergleichende Untersuchung von Breuiarium und Chronik lohnen könnte. 677 Vgl. etwa Prokopios von Caesarea, De bello Persico 1,24,33–38 (Theodoras Rede beim Nika-Aufstand [129,22–130,16 Haury/Wirth); Ps-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica 9,14 (Nika-Aufstand); Theophanes, Chronographia a. m. 6039 (225,12–28 de Boor [Versöhnung von Vigilius und Menas aufgrund des Eingreifens Theodoras]). 678 S. o. S. 298. 679 Vgl. Meier, „Die Inszenierung“, 299–300; ders., Das andere Zeitalter, 101. 680 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 114 (37,630–634 Cardelle de Hartmann): Epatius Anastasii principis nepos tirannidem Constantinopoli assumens, multis hominum milibus in circensi spectaculo militari gladio cesis, capitur et nocte cum Pompeio occiditur atque in Reuma iactatur. / „Hypatius, der Enkel von Prinzeps Anastasius, nahm eine Gewaltherrschaft in Konstantinopel auf; nachdem viele Tausend Menschen im Zirkusschauspiel durch das kriegerische Schwert gefallen waren, wurde er gefangen und in der Nacht mit Pompeius getötet und in die Strömung geworfen.“ Vgl. mit Bezug auf die Initiative des Kaisers, den Aufstand niederzuschlagen etwa Marcellinus Comes, Chronicon a. 532; Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 4,13 (Tötung des Hypatius und der anderen Aufständischen auf Befehl Justinians); knapp bei Marius von Avenches, Chronicon a. 532. Eine ausführliche Darstellung des Aufstandes und seiner Niederschlagung bei Prokopios von Caesarea, De bello Persico 1,24 (dort auch die o. Anm. 677 genannte Rede Theodoras); Johannes Malalas, Chronographia 18,71; Theophanes, Chronographia a. m. 6024; Chronicon paschale a. 532 (so die Zäh-
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dieses Ereignisses mit Theodora oder Justinian nicht im Interesse der Chronik – dem entspricht, dass für deren Herrschaft, mehr noch als bei den anderen Kaisern, fast ausschließlich Aktionen genannt werden, die in einem kirchlichen bzw. kirchenpolitischen Zusammenhang stehen. 5.7.2.2 Theodora und der Konflikt um Anthimus, Bischof von Konstantinopel Während in der Chronik dann verschiedene Ereignisse geschildert werden, die v. a. Africa betreffen, etwa die „Rückeroberung“ Africas durch Belisar (Chronicon 118), wird Theodora erst in Chronicon 121 wieder genannt. Dort geht es um einen weiteren Eingriff der Kaiserin in die Kirchenpolitik. Theodora bzw. genauer wieder: ihre Partei verhilft Anthimus dazu, Bischof von Konstantinopel zu werden: Anthemus episcopus Euticianista Trapezotensis factione Theodore Auguste Constantinopolitanam peruadit ecclesiam.681 Peruado hat zwar nicht notwendigerweise eine negative Konnotation, an dieser Stelle ist allerdings schon aufgrund der Präsentation von Anthimus als „Eutychianist“682 davon auszugehen, dass an eine solche zu denken ist. Anthimus ist als peruasor ein „in fremdes Eigentum Eindringende[r]“.683 Mit dieser Wortwahl wird auch sein Transfer von einem Bischofssitz auf den anderen kritisiert, auch dadurch dringt er „in fremdes Eigentum“ ein.684 Mit Theodora wird die Einsetzung des Anthimus auf den Bischofsstuhl von Konstantinopel auch bei Liberatus von Karthago in Verbindung gebracht, der, wie bereits angesprochen, wie Victor von Tunnuna ein negatives Bild der Kaiserin zeichnet.685 Bei Liberatus sind die Rückführung der Versetzung des Anthimus auf die Initiative Theo-
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lung bei Dindorf; a. 530 in der Übersetzung von Whitby/Whitby); vgl. auch Placanica, „Note“, 109 (ad a. 530). Auf den Aufstand selbst muss hier nicht im Einzelnen eingegangen werden, als Überblick dazu vgl. Cameron, Circus Factions, 278–280; Leppin, Justinian, 142–148; vgl. ebd., 372–373 (Anm. 158) die Hinweise auf die grundlegenden Arbeiten von Greatrex, „The Nika Riot“; Meier, „Die Inszenierung“. Mit Reuma („Strömung“) ist der Bosporus gemeint, vgl. Janin, Constantinople byzantine, 1. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 121 (39,670–674 Cardelle de Hartmann): Epiphanio episcopo Constantinopolitane ecclesie mortuo, qui Iohanni successerat, Anthemus episcopus Euticianista Trapezo tensis factione Theodore Auguste Constantinopolitanam peruadit ecclesiam. / „Nachdem Epiphanius, Bischof der Kirche Konstantinopels, gestorben war, der auf Johannes gefolgt war, drang Anthimus, Bischof von Trapezunt und Anhänger des Eutyches, durch die Partei der Augusta Theodora in die Kirche von Konstantinopel ein.“ Zu Anthimus vgl. knapp Savvidis, „Anthimos, Ptr. von Konstantinopel ab 535“. S. insgesamt zur Affäre um Anthimus auch o. S. 63–64, dort auch weitere Literatur. Eutychianistas werden u. a. auch genannt bei Ferrandus von Karthago, Epistula 3 (PL 67, 905A Mi gne); vgl. Placanica, „Note“, 113 (ad a. 537). Vgl. Georges, Handwörterbuch, s. v. „pervāsor, ōris“. Nach Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 285, ist „eine solche Versetzung […] zwar unkanonisch, aber durch viele Präzedenzfälle legitimiert“. Vgl. auch Schwartz, Kyrillos von Skythopolis, 397. S. o. Anm. 676.
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doras und die Darstellung des Anthimus als Chalcedon-Gegner jedoch ganz direkt formuliert: Ea tempestate mortuo Epiphanio Constantinopolitano episcopo Theodora augusta Anthimum transtulit in eandem sedem, qui fuit episcopus ciuitatis Trapezunti regionis Ponti, latenter Calchedonensem synodum non suscipientem.686
Andere Quellen erwähnen die Beteiligung Theodoras nicht: Bei Marcellinus Comes etwa nimmt Anthimus (selbst) das Episkopat von Konstantinopel contra canones ein, auch gibt es keinen Bezug auf eine antichalcedonensische Lehre, die er vertreten würde.687 Beide Verteidiger der Drei Kapitel, Liberatus und Victor, setzen also einen spezifischen Akzent, der bei Victor allerdings im Gegenüber zu Liberatus etwas weniger direkt ist: Die Augusta Theodora bzw. ihre Partei bringt mit Anthimus einen Chalcedon-Gegner auf den Bischofssitz in Konstantinopel.688 Bei Victor von Tunnuna ist er genauer qualifiziert als Anhänger des Eutyches, welcher zuvor in Chalcedon verurteilt wurde (vgl. Chronicon 10) und gegen dessen „Fehler“ in der Chronik wiederholt polemisiert wird.689 Indem Theodora ihm in Gestalt ihrer factio zum Bischofsstuhl verhilft, wird auch sie damit (zunächst implizit) als Chalcedon-Gegnerin gekennzeichnet.690 Der Konflikt um Anthimus spitzt sich im Folgenden zu. Dass Anthimus ein Chalcedon-Gegner ist, wird im nächsten Eintrag der Chronik, der Theodora erwähnt, ex-
686 Liberatus von Karthago, Breuiarium 19 (134,31–33 Schwartz): „Zu dieser Zeit, nachdem Epiphanius, der Bischof von Konstantinopel gestorben war, versetzte die Kaiserin Theodora Anthimus auf denselben Bischofssitz, der der Bischof der Stadt Trapezunt der Region Pontus war, und der heimlich die Synode von Chalcedon nicht annahm.“ 687 Vgl. Marcellinus Comes, Chronicon a. 535,4 (104,21–22 Mommsen; Übers. 45 Croke): Cuius episcopatum contra canones Anthimus Trapezuntena ecclesia relicta inuadit. / „Anthimus left the church of Trebizond and, against ecclesiastical regulations, usurped Epiphanius’ see.“ Die Notiz kritisiert also v. a. formal seinen Transfer von einem Bischofssitz auf den anderen. Vgl. auch Theophanes, Chronographia a. m. 6029 (217,1–4, hier 3 de Boor), wo Anthimus als αἱρετικός bezeichnet wird, allerdings ohne genauere Ausführung dazu. Eine positive Sicht auf Anthimus gerade als Chalcedon-Gegner (ebenfalls ohne Bezug auf eine Einsetzung durch Theodora) bei Ps-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica 9,19. Vgl. Placanica, „Note“, 113 (ad a. 537). 688 Anthimus war zumindest am Anfang seiner Amtszeit allerdings gerade kein Chalcedon-Gegner. Schon Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 285 weist darauf hin, dass Anthimus noch „532 an dem ‚Religionsgespräch‘ als Vertreter der chalkedonischen Orthodoxie […] teilgenommen und […] sich vor der Ordination und in seinen synodicae zur Rechtgläubigkeit der vier Synoden“ bekannt habe. Die Ernennung durch Theodora sei aber als „Vermutung nicht unberechtigt“. Vgl. zum Bekenntnis zu den vier Synoden ACO 3 (Collectio Sabbaitica 11 [31,20–22 Schwartz]). Vgl. zu Anthimus als Chalcedon-Anhänger auch Leppin, Justinian, 183–184. Zur dogmatischen Position des Anthimus vgl. auch Uthemann, „Kaiser Justinian“, 291–293. 689 Der „Fehler des Eutyches“ ist seit Chronicon 3 bekannt. Als Anhänger des Eutyches wird Anthimus übrigens auch von Papst Agapitus in einem Brief an Petrus von Konstantinopel beschrieben, vgl. ACO 3 (Collectio Sabbaitica 5,71 [152,27–28 Schwartz]); vgl. Leppin, Justinian, 185; vgl. Speigl, „Die Synode von 536“, 112–113. 690 Generell kritisiert wird die Bestimmung von Staatsämtern und kirchlichen Ämtern durch Theodora bei Prokopios von Caesarea, Anekdota 17,27; vgl. Placanica, „Note“, 113 (ad a. 537).
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plizit gemacht. Dort wird geschildert, dass der Bischof von Rom Agapitus691 aufgrund von Anthimus’ Einsetzung als Bischof von Konstantinopel selbst nach Konstantinopel kommt und folgende Maßnahmen ergreift: Agapitus arciepiscopus Romanus Constantinopolim uenit et Antemum, Constantinopolitane ecclesie peruersorem, Calcidonensis sinodi inimicum, deponit, Theodoram Augustam eius patronam communione priuat et Moenam protinus Constantinopolitane ecclesie episcopum facit.692
In diesem Abschnitt wird also nicht nur die Reise des Agapitus nach Konstantinopel direkt mit dem Ziel der Absetzung des Anthimus verknüpft,693 sondern die Vorwürfe gegen Anthimus werden in der Fortführung von Chronicon 121 noch einmal expliziert und gesteigert: Anthimus ist nun nicht mehr peruasor, sondern peruersor der Kirche von Konstantinopel und inimicus der Synode von Chalcedon. Die formale Unkorrektheit der Übernahme des Bischofsamtes durch Anthimus klingt damit zwar hier wieder an, deutlich betont ist aber der inhaltliche oder dogmatische Aspekt: Als Feind Chalcedons ist Anthimus Verderber der Kirche von Konstantinopel. Als solcher wird er von Agapitus – der damit andererseits als orthodox, treu gegenüber der fides catholica gezeichnet wird694 – abgesetzt.695 Andere Quellen, die von Anthimus’ Absetzung be-
691 Die Bischöfe Roms von Hormisdas bis Agapitus wurden zuvor in einer summarischen Notiz abgehandelt, vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 122 (39,675–678 Cardelle de Hartmann): Romane ecclesie post Ormisdam Iohannes, post Iohannem Felix, post Felicem Bonifatius, post Bonifatium alius Iohannes, et post Iohannem Agapitus episcopus ordinatur. / „Für die römische Kirche wurde nach Hormisdas Johannes, nach Johannes Felix, nach Felix Bonifatius, nach Bonifatius ein anderer Johannes, und nach Johannes Agapitus zum Bischof ordiniert.“ S. auch o. S. 226 (mit Anm. 249). 692 Victor von Tunnuna, Chronicon 125 (40,705–41,710 Cardelle de Hartmann): „Agapitus, der römische Erzbischof, kam nach Konstantinopel und setzte Anthimus, den Verderber der konstantinopolitanischen Kirche, Feind der Synode von Chalcedon, ab, und er entzog Kaiserin Theodora, dessen Beschützerin, die Gemeinschaft, und er machte sogleich Menas zum Bischof der konstantinopolitanischen Kirche.“ 693 Tatsächlich sollte sich Agapitus im Rahmen einer Gesandschaft auf Befehl von Theodahat, dem König der Goten in Italien, in Konstantinopel wohl dafür einsetzen, dass der Kaiser sein Heer aus Sizilien abziehe, vgl. so bei Liberatus von Karthago, Breuiarium 21 (135,30–136,6 Schwartz); vgl. auch Cassiodor, Variae 11,13; vgl. Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 286. Zunächst ohne Bezug auf den Konflikt um Anthimus wird die Reise des Agapitus nach Konstantinopel auch erwähnt bei Marcellinus Comes, Chronicon a. 535,2. Von der Initiative von Mönchen aus Konstantinopel, die bald nach seiner Wahl gegen Anthimus vorgingen und sowohl kanonistisch als auch mit dem Vorwurf der mangelnden Orthodoxie gegen ihn argumentierten (vgl. ACO 3 [Collectio Sabbaitica 5,59 (131,9–134,11 Schwartz)]; vgl. Leppin, Justinian, 184 [mit 378 (Anm. 126)]), berichtet Victor von Tunnuna nichts. Vgl. zu den genannten Quellen insgesamt auch die Auflistung bei Placanica, „Note“, 115 (ad a. 540,1). 694 Zur Bezeichnung des Agapitus als archiepiscopus (eine Ausnahme in der Chronik) s. o. S. 220. 695 Agapitus beruft sich im oben bereits genannten Brief (s. o. Anm. 689) an Petrus von Jerusalem sowohl auf den formalen als auch auf den inhaltlichen Aspekt der Wahl des Anthimus; er bezieht sich in diesem Brief auf die gläubigen Kaiser, mit deren Hilfe er die Hybris des Bischofssitzes von Konstantinopel wieder zurechtgerückt habe (ACO 3 [152,34–153,2 Schwartz]); vgl. dazu Speigl, „Die Synode von 536“, 112–113.
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richten, wie die Chronik des Marcellinus Comes696 und (weniger deutlich) auch das Breuiarium des Liberatus von Karthago697, heben hingegen den formalen Aspekt seiner unkorrekten Amtsübernahme hervor.698 Ein Handeln des Kaisers im Hinblick auf Anthimus wird bei Victor von Tunnuna überhaupt nicht erwähnt – weder als Zustimmung noch als Ablehnung der Aktionen Theodoras oder des Agapitus.699 Kaiserin Theodora ist patrona dieses „Verderbers“ (peruersor), des inimicus Chalcedons. Damit steht sie selbst dieser Qualifizierung des Anthimus, wenn sie hier auch noch nicht selbst als eine Feindin Chalcedons bezeichnet wird, sehr nahe. Die Chronik berichtet, dass Agapitus ihr daher die communio entzieht. Der Entzug der communio bedeutet zunächst konkret die Aufkündigung der (Abendmahls-) Gemeinschaft
696 Die Absetzung des Anthimus erfolgt bei Marcellinus Comes, Chronicon a. 536,10 aufgrund dessen unrechtmäßiger Einnahme des Bischofsstuhls, vgl. Croke, „Commentary“, 130: Marcellinus Comes „makes no suggestion of Anthimus’ monophysism, his connections with Severus and his promotion by Theodora“. 697 Liberatus von Karthago, Breuiarium 21 (136,6–12 Schwartz) schildert den Konflikt zwischen Agapitus und Anthimus etwas ausführlicher; der Papst fordert zwar, Anthimus solle sich libello probaret orthodoxum, ut ad cathedram suam reuerteretur (136,7–8 Schwartz [„er solle sich durch ein Büchlein als rechtgläubig erweisen, damit er zu seinem Bischofssitz zurückkehre“]), auch hier steht aber der formale Aspekt der Amtsübernahme letztlich im Vordergrund (inpossibile esse aiebat translaticium hominem in illa sede permanere [136,8–9 Schwartz] / „er [Agapitus] sagte aber, dass es unmöglich sei, dass er als translazierter Mensch auf jenem Bischofssitz bleibe“); vgl. anders Leppin, Justinian, 186, der in der Schilderung des Liberatus kein „kanonistisches Problem“ erkennt. Liberatus zufolge bittet dann nicht nur das Kaiserpaar Agapitus gemeinsam, dass er Anthimus in die communio aufnehme, sondern Liberatus berichtet auch dezidiert von Maßnahmen der Kaiserin, die durch Bestechung und Drohung versucht habe, Agapitus zur communio mit Anthimus zu bewegen. Der Papst jedoch sei standhaft gegenüber der Kaiserin geblieben. 698 Auch Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 286–287 führt aus, dass Agapitus Anthimus deshalb exkommunizierte, weil er unkanonisch Bischof geworden war, und „nicht weil er Ketzer sei, das mußte bewiesen werden“ – er habe sich ja zuvor noch zu Chalcedon und zum Bischof von Rom bekannt (s. o. S. 373–374; vgl. zu letzterem ACO 3 [179,13–14 Schwartz]); vgl. auch Schwartz, Kyrillos von Skythopolis, 296–297. Von einer Synode zur Absetzung des Anthimus schreibt (ohne den eigentlichen Grund für die Absetzung zu nennen) Johannes Malalas, Chronographia 18,83; vgl. Theophanes, Chronographia a. m. 6029, wo die Anthimus verurteilende Synode die ist, auf der auch Severus, Julian von Halicarnassus und die anderen Theopaschiten abgesetzt werden; zu dieser Synode s. auch kurz o. S. 363 (Anm. 637). Als Triumph des Papstes über den Kaiser wird die Absetzung des Häretikers Anthimus geschildert im Liber Pontificalis 59,5; vgl. dazu Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 289–290, der in der Hinnahme der Aktionen des Agapitus durch Justinian ein Schlupfloch für den Kaiser sieht, der damit der „unangenehmen Aufgabe“ enthoben gewesen sei, „den Machinationen seiner ihm überlegenen Gemahlin direkt und von sich aus Halt zu geben“, dabei also ein Bild von Justinian als eines Ehemannes zeichnet, der den Intrigen der Theodora kaum etwas entgegensetzen kann oder will. Vgl. andererseits die Agapitus-feindliche Darstellung bei Ps-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica 9,19. S. auch o. S. 63–64. 699 Ein dezidierter „Bruch mit den Monophysiten“ Justinians (s. o. S. 63) ist damit hier in der Chronik nicht erkennbar – es ist eben der Bischof von Rom, der die Verurteilung des Anthimus vornimmt. Vgl. die tatsächliche Verurteilung des Anthimus durch Justinian in Nouellae Iustiniani 42 (s. auch o. S. 356 [Anm. 591]), die sich für die Verurteilung sowohl auf die unkanonische Amtsübernahme als auch auf die falsche Lehre des Anthimus beruft (vgl. v. a. Nouellae Iustiniani 42,1; vgl. Placanica, „Note“, 115 [ad a. 540,1]).
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zwischen (Orts-) Kirchen, dann aber auch die Aufkündigung der Gemeinschaft für Einzelne i. S. einer Exkommunikation: Agapitus schließt Theodora hier aus der kirchlichen Gemeinschaft mit ihm und damit mit der Kirche Roms aus.700 Nach der Darstellung der Chronik behandelt der Bischof von Rom die Kaiserin quasi als Häretikerin – das entspricht sowohl ihrer Rolle als patrona des peruersor als auch ihrer weiteren Darstellung in der Chronik. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass dieser Ausschluss Theodoras aus der communio tatsächlich geschah.701 Chronicon 125 endet mit der Erwähnung, dass Agapitus Menas zum Bischof von Konstantinopel macht.702 Die den Konflikt um Anthimus abschließende Synode in Konstantinopel 536 (mit dessen offizieller Verurteilung) erwähnt die Chronik hingegen nicht.703 5.7.2.3 Chronicon 130 als Kulminationspunkt und als Zäsur: Theodora und Vigilius, Bischof von Rom Die Präsentation Theodoras als Chalcedon-Gegnerin findet ihren Höhepunkt in Chronicon 130. Dieser Abschnitt der Chronik sticht in mehrerer Hinsicht hervor: Es ist nicht nur formal der erste Eintrag post consulatum Basilii,704 es ist auch der längste Eintrag der Chronik zu einem Jahr; er zitiert als einziger Eintrag der Chronik einen ganzen Brief; und er ist v. a. der Abschnitt der Chronik, mit dem der Drei-Kapitel-Streit nach ihrer Darstellung konkret erst beginnt – als horum exordia malorum („Beginn dieser
700 Die Aufkündigung der kirchlichen communio berührt die communio im engeren Sinne, die Abendmahlsgemeinschaft, ist aber nicht von vornherein mit dieser identisch. Vgl. TLL, s. v. „communio B. speciatim“, wo unterschieden wird zwischen der generellen Verbindung etwa zwischen Kirchen und dem engeren Sinn (2) „eucharistia, christianorum mensa dominica“. Dass das Verhältnis dieser beiden Ebenen nicht immer klar ist, verdeutlicht etwa die Aussage von Ensslin, „Papst Agapet I.“, 462, der bezüglich Theodora in Chronicon 125 von ihrem Ausschluss „von der Kommunion“ spricht. Placanica hingegen übersetzt diese Stelle: „Agapito […] scomunica l’Imperatrice Teodora“ (Übers. 43 Placanica). Vgl. auch die in dieselbe Richtung gehende, aber letztlich für beide Deutungen offen bleibende Übersetzung von Martyn (Übers. 156 Martyn): „He deprived the Empress Theodora, his patron, of communion“. Zur Bedeutung der communio mit Gegnern bzw. Anhängern Chalcedons s. bereits o. Kap. 5.3.2 (Zeno). Eine bestehende bzw. entzogene/aufgekündigte communio ist in der Chronik des Victor von Tunnuna noch an weiteren Stellen von Bedeutung, vgl. bes. den Exkurs in Kap. 5.7.3.4. 701 Vgl. nur den o. g. Brief des Agapitus an Petrus von Jerusalem (s. o. Anm. 689), in dem Agapitus das Kaiserpaar als gläubig kennzeichnet; vgl. Ensslin, „Papst Agapet I.“, 462; vgl. Placanica, „Note“, 115 (ad a. 540,1). Placanica weist ebd. auch hin auf eine (spätere) Verurteilung Theodoras durch Vigilius, von der Gregor der Große, Epistulae 2,49 berichtet. Anders geht Evans, The Empress Theodora, 82, von einer wahrscheinlichen tatsächlichen Exkommunikation Theodoras durch Agapitus aus. 702 Vgl. auch Marcellinus Comes, Chronicon a. 536,10; Liberatus von Karthago, Breuiarium 21 (136,12– 14 Schwartz); vgl. Placanica, „Note“, 115 (ad a. 540,1). 703 Zur Synode s. o. S. 63–64. 704 S. o. Kap. 4.1.1.
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Schlechtigkeiten“).705 In Chronicon 130 werden die tria capitula zudem nicht nur zum ersten Mal als solche bezeichnet und (relativ) ausführlich erklärt,706 sondern auch ihre Verurteilung unter dieser Bezeichnung tria capitula ist zum ersten Mal ein Thema. Zudem wird die Haltung diesen tria capitula gegenüber zum ersten Mal direkt und explizit mit der Haltung gegenüber Chalcedon verbunden.707 Chronicon 130 ist für die Chronik des Victor von Tunnuna eine Schlüsselstelle. Die Schilderung der dort beschriebenen Ereignisse beginnt so: Theodore factione Auguste, que occulta esse sinodi Calcidonensis nunquam destitit inimica, ex quo regnare cepit, proscriptionum insidie preparantur. Siluerius Romanus episcopus exilio mittitur et pro eo Vigilius ordinatur. A quo Theodora memorata Augusta priusquam ordinaretur occulto cirographo elicuit, ut papa effectus in proscriptione sinodi Calcidonensis tria capitula condennaret, id est: epistolam Ibe Edeseni episcopi ad Marim Persam, que iuditio sinodi Calcidonensis approbata et orthodoxa iudicata est et gestis sinodalibus sociata, Theodorum dein Mopsuestenum episcopum sinodaliter similiter gestis apud Antiochiam sub Iohanne episcopo eiusdem ecclesie et Calcidona laudatum, et Theodoreti Ciri episcopi dicta in eodem Theodoreto sinodi Calcidonensis uocibus collaudata.708
Zunächst einmal wird hier also – wiederum nicht durch Thedora selbst, sondern durch ihre factio – ein Hinterhalt, eine heimtückische Täuschung vorbereitet. Begründet
705 Victor von Tunnuna, Chronicon 130 (43,771 Cardelle de Hartmann). 706 Von dort an, also einige Abschnitte vor dem Eintrag zum 2. Konzil von Konstantinopel (Chronicon 147), werden die Drei Kapitel bzw. die Position ihnen gegenüber (v. a. defendere vs. damnare) dann immer wieder erwähnt (vgl. etwa Chronicon 132; 137; 139 u. ö.). 707 Auch in Chronicon 81 war eine Verurteilung der Drei Kapitel schon einmal mit der Verurteilung Chalcedons in Verbindung gebracht worden, allerdings weniger explizit als in Chronicon 130: Die Chronik berichtet dort, dass Anastasius eine Synode in Konstantinopel sowohl zur Verurteilung von Theodor von Mopsuestia und seinen Schriften, von Theodoret von Kyrrhos und von Ibas von Edessa als auch zur Verurteilung der Synode von Chalcedon überredet habe (s. o. S. 289–291). Jedoch werden die Drei Kapitel dort nicht mit diesem Begriff bezeichnet, und neben ihnen werden auch andere verurteilt – schlussendlich eben auch die Synode von Chalcedon. Die Verurteilung Chalcedons und die Verurteilung der Drei Kapitel werden dort noch nicht wie in Chronicon 130 quasi gleichgesetzt. 708 Victor von Tunnuna, Chronicon 130 (42,732–746 Cardelle de Hartmann): „Durch die Partei der Augusta Theodora, die nie gelassen hatte, eine verborgene Feindin der Synode von Chalcedon zu sein, seit sie anfing, zu regieren, wurde ein Hinterhalt von Proskriptionen vorbereitet. Silverius, der römische Bischof, wurde ins Exil geschickt und für ihn wurde Vigilius ordiniert. Von dem lockte die genannte Kaiserin Theodora, bevor er ordiniert wurde, durch ein heimliches eigenhändiges Schreiben hervor, dass er, zum Papst gemacht, in einer Proskription der Synode von Chalcedon die Drei Kapitel verurteilen würde, das heißt: den Brief des Ibas, Bischof von Edessa, an den Perser Mari, der durch das Urteil der Synode von Chalcedon gebilligt und als orthodox beurteilt und den Akten der Synode beigefügt wurde; dann Theodor, Bischof von Mopsuestia, gleichsam synodal gelobt von den Akten in Antiochien unter dem Bischof derselben Kirche, Johannes, und in Chalcedon; und die Äußerungen Theodorets, des Bischofs von Khyrros, zusammen gelobt mit demselben Theodoret durch die Stimmen der Synode von Chalcedon.“
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wird dies damit, dass Theodora – und zwar nun sie selbst, nicht ihre factio709 – immer710 im Verborgenen eine Feindin Chalcedons gewesen sei. Anders als zuvor wird Theodora hier also nicht mehr nur (implizit) als Feindin Chalcedons dargestellt, sondern ganz explizit als eine solche benannt – und zwar als einzige politische Figur innerhalb der Chronik (wiederholt dann in Chronicon 140711). Theodora steht als inimica Chalcedons insbesondere in einer Reihe mit Severus von Antiochien.712 Die Benennung entspricht allerdings auch ihrer vorherigen Darstellung gerade als patrona des Anthimus, der selbst als inimicus Chalcedons bezeichnet wurde.713 Die heimliche (occulta), aber durch die konkrete Benennung in der Chronik offensichtliche Chalcedon-Feindlichkeit führt nun zu einer von Theodora selbst (nicht von ihrer factio) und heimlich durchgeführten Aktion (occulto cirographo elicuit), womit deren besondere Heimtücke noch unterstrichen wird. Für diese Aktion fungiert für Theodora nach der Darstellung der Chronik Vigi lius714 als „Mitspieler“, der nach der Exilierung von Silverius Bischof von Rom wird, also während Silverius noch lebt.715 Damit ist sein Amt schon von vornherein in Frage 709 Vielleicht übersetzt Placanica (Übers. 45 Placanica) die Angabe zu Theodora (Theodore factione Auguste) hier deshalb gleich mit „ad opera dell’Imperatrice Teodora“, und zwar im Gegensatz zu Chronicon 113, wo die factio Theodoras mit „il partito di Teodora Augusta“ übersetzt wurde (Übers. 39 Placanica). Mit dieser Übersetzung geht in Chronicon 130 aber gerade der Übergang von der factio auf das eigenständige Handeln Theodoras verloren. Vgl. auch Martyn (Übers. 157 Martyn [Chronicon 130]): „through the support of the Empress Theodora“ im Gegenüber zu Chronicon 113 (Übers. 153 Martyn): „through the supporters of the Empress Theodora“. 710 Die Chalcedonfeindlichkeit Theodoras zeigt sich in der Chronik ja tatsächlich (implizit) von Anfang an, s. o. Kap. 5.7.2.1 zu Victor von Tunnuna, Chronicon 113. 711 S. u. Kap. 5.7.2.6. 712 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 85; 90 (dort aber als inimicus apostolicae fidei [vgl. 29,480 Cardelle de Hartmann]); vgl. auch Chronicon 59 (Acacius von Konstantinopel, Petrus von Alexandria und Petrus von Antiochien als Calcidonensis synodi inimici [19,300 Cardelle de Hartmann]). Konkret als damnator der Drei Kapitel wird später Eutychius von Konstantinopel bezeichnet (vgl. Chronicon 170). 713 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 125; s. o. S. 375. 714 Zu Vigilius s. auch o. S. 65, 73, 83–92. 715 Silverius war 536 nach dem Tod des Agapitus Bischof von Rom geworden, vgl. Chronicon 128; vgl. auch Marcellinus Comes, Chronicon a. 536,5; Liberatus von Karthago, Breuiarium 22 (136,18–19 Schwartz); vgl. Placanica, „Note“, 116 (ad a. 541,1). Die Exilierung des Silverius wird bei Victor von Tunnuna genannt, ohne auf weitere Umstände einzugehen. Nach Liber pontificalis 60,6–9 bittet Theodora Silverius zunächst um eine Wiedereinsetzung des Anthimus, was jener ablehnt. Theodora fordert daraufhin Belisar, der sich in Rom aufhält, dazu auf, Silverius abzusetzen. Silverius wird in den Pincis-Palast gelockt und schließlich gefangen genommen und von Vigilius exiliert. Bei der Festnahme spielt auch Antonina, die Frau des Belisar, eine intrigierende Rolle – sie wirft Silverius Hochverrat vor: Er habe vorgehabt, Belisar und seine Truppen an die Ostgoten auszuliefern (vgl. Liber pontificalis 60,8). Ähnlich wird auch bei Liberatus von Karthago, Breuiarium 22 (136,18–137,25 Schwartz) die Absetzung des Silverius als Intrige von Theodora, Belisar und Antonina und dann auch Vigilius dargestellt, ebenfalls mit dem Vorwurf des Hochverrates an Silverius. Vgl. dazu auch Meier, Das andere Zeitalter, 276–278 (bes. auch Anm. 229), der der entsprechenden „politische[n] Interpretation der Absetzung des Silverius […] eine gewisse Wahrscheinlichkeit gegenüber einer personalisierenden Deutung, die sich vornehmlich auf unsicher und widersprüchlich bezeugte
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gestellt.716 Von ihm „lockt“ Theodora durch ein selbst verfasstes Schreiben „hervor“ (elicuit),717 dass er verspricht, dass er, wenn er Papst wird, mit einer „Proskription der Synode von Chalcedon“ die Drei Kapitel verurteilen wird. Proskriptionen sind wörtlich schlicht allgemeine Bekanntmachungen; seit Cornelius Sulla (geb. 138 v. Chr.) insbesondere aber öffentlich erklärte Ächtungen.718 Diese negative Konnotation einer öffentlichen schriftlichen Ächtung dürfte (aufgrund der Hofintrigen stützt“ (ebd., 277–278), einräumt. Eine „blatant intervention by civil authorities in the internal affairs of the Church“ (Adamiak, Carthage, 104) ist, wenn der Vorwurf des Hochverrates zutrifft, in der Absetzung des Silverius jedenfalls nicht zu sehen. Den Hochverrat des Silverius erwähnt auch Prokopios von Caesarea, De bello Gothico 1,25,13 in seiner knappen Notiz; in Anekdota 1,14; 1,27 notiert er die Beteiligung Theodoras und Antoninas an dessen Absetzung. Vgl. auch Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 305–306, der die Angaben bei Prokopios von Caesarea allein als „zuverlässig“ für die Geschehnisse um Silverius einstuft (Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 305 [Anm. 2]). Knapp erwähnt die Absetzung des Silverius durch Belisar aufgrund seiner guten Kontakte zu Theodahats Nachfolger Vittigis Marcellinus Comes, Chronicon a. 537,1; vgl. Gleede, „Liberatus’ Polemik“, 106. Gleede, „Liberatus’ Polemik“, 107 weist zunächst darauf hin, dass sowohl bei Prokopios als auch bei Victor von Tunnuna, Liberatus von Karthago und im Liber pontificalis eine Verschwörung, an der Theodora und Antonina beteiligt sind, eine entscheidende Rolle bei der Absetzung des Silverius spielt; er kommt letztlich aber zu dem Schluss (ebd., 111), dass es sich dabei, insbesondere hinsichtlich der Rolle Theodoras, um ein Gerücht handele, und dass den Nachrichten besonders in Prokopios’ Anekdota diesbezüglich kein Glauben zu schenken sei. Auf die durch die Angaben in den verschiedenen Quellen entstehenden chronologischen Probleme bezüglich der Absetzung des Silverius und seiner Nachfolge durch Vigilius macht Placanica, „Note“, 117 (ad a. 542,1) aufmerksam. Darauf muss an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. 716 Eine solche Übernahme eines kirchlichen Amtes zu Lebzeiten des Vorgängers wird in der Chronik an mehreren Stellen kritisch vermerkt, v. a. wenn der bisherige Amtsinhaber aus Sicht des Chronisten zu Unrecht abgesetzt wird, was insbesondere bei Verteidigern Chalcedons (Chronicon 69) und der Drei Kapitel (Chronicon 145) der Fall ist. 717 Wer hier Autor des occultum chirographum ist, ist vom Text her nicht eindeutig: A quo Theodora memorata Augusta priusquam ordinaretur occulto cirographo elicuit, ut papa effectus […] condennaret könnte sich auf ein heimliches Schreiben der Theodora beziehen, durch das sie von Vigilius das Versprechen zur Verurteilung hervorlockt, es könnte aber auch gemeint sein, dass sie hervorlockt, dass Vigilius durch ein Schreiben das Folgende (die Verurteilung) verspricht. Placanica entscheidet sich für die zweite Möglichkeit (Übers. 54 Placanica): „[…] Vigilio, dal quale la predetta Imperatrice Teodora aveva estorto un impegno segreto, scritto di propria mano. Con esso, Vigilio si obbligava, quando fosse divenuto Papa, a condannare […].“ Die in dieser Arbeit vorgenommene Übersetzung lässt, der lateinischen Vorlage entsprechend, beiden Möglichkeiten offen. Letztlich kommt es freilich an dieser Stelle v. a. auf die gemeinsame Intrige von Vigilius und Theodora an, wer tatsächlich das Schreiben verfasst hat, scheint weniger erheblich. 718 „Die öffentlich. Erklärung der Ächtung in Form von Tafeln, die die Namen polit. und persönlicher Gegner des bzw. der Machthaber in Bürgerkriegszeiten trugen“ – unter Sulla hatten die Proskriptionen massive Verfolgungen nach sich gezogen (de Libero, „Proskriptionen“). Vgl. auch TLL, s. v. „proscriptio“; Georges, Handwörterbuch, s. v. „proscriptio“; s. v. „proscribo“. Vgl. auch Victor von Tunnuna, Chronicon 142 (46,829–830 Cardelle de Hartmann), wo über Pro defensione trium capitulorum des Facundus von Hermiane gesagt wird, dieser habe damit dargelegt, tria sepe fata capitula in proscriptione fidei catholice et apostolice Calcidonensisque concilii fuisse damnata („dass die oft genannten Drei Kapitel in der Ächtung des katholischen und apostolischen Glaubens und des Konzils von Chalcedon verurteilt worden seien“). Proscriptio kommt als Terminus bei Facundus von Hermiane allerdings nicht vor; der Ausdruck fehlt auch in der Darstellung des Liberatus von
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Beifügung „der Synode von Chalcedon“ im Zusammenhang mit dem folgenden condennaret, was eine schlichte Bekanntmachung ausschließt) sachlich dem Gebrauch von proscriptio in Chronicon 130 entsprechen.719 Eine offensichtliche Bezugnahme auf die Proskriptionen Sullas ist hier nicht erkennbar, auch wenn ein impliziter Anklang daran (der jedenfalls von LeserInnen der Chronik in der Spätantike erkannt wurde) nicht völlig auszuschließen ist.720 Die hier beschriebene „kirchenpolitische Affäre“ ist insgesamt schwierig einzuschätzen.721 Auch verschiedene andere Texte, zumeist von Verteidigern der Drei Kapitel, berichten von heimlichen Aktionen des Vigilius: Pelagius schreibt, dass Vigilius eigenhändig heimlich die Lehren des Leo anathematisiert und ihn so verdammt habe.722 Dass Vigilius vor seiner Einsetzung als Bischof von Rom ein Versprechen oder einen Eid gegeben habe, wird in mehreren Quellen erwähnt: Facundus von Hermiane bezieht sich in Contra Mocianum wiederholt darauf, dass Vigilius bereits vor dem Iudi catum versprochen hatte, die Drei Kapitel zu verurteilen.723 Dieses Versprechen des Karthago (Breuiarium 22) zur Verurteilung der Drei Kapitel und Chalcedon durch Vigilius auf Anstiftung Theodoras hin. 719 Sowohl bei Placanica als auch bei Martyn variiert die Übersetzung von proscriptio an den beiden Stellen in Chronicon 130: proscriptione insidie preparantur übersetzt Placanica (Übers. 45 Placanica) mit „si apprestano coperti disegni di proscrizioni“; in proscriptione sinodi Calcidonensis tria capitula condennaret übersetzt er mit „a condannare tre capitoli, abolendo così il concilio di Calcedonia“, die zweite Stelle löst er also verbal auf. Ähnlich verfährt Martyn (Übers. 157 Martyn), der die erste Stelle mit „deceitful confiscations were prepared“, die zweite Stelle mit „that the Pope would condem the Three Chapters, the outcome of the records of the Chalcedonian Synod“ (die Übersetzung dieser zweiten Stelle durch Martyn ist insgesamt unklar, Martyn scheint hier die prosciptio als „Bekanntmachung“ i. S. der Akten Chalcedons zu verstehen). Die verbale Auflösung Placanicas entspricht sachlich der genannten Interpretation von proscriptio, umgeht aber die Lösung der Frage danach, was mit dem Nomen selbst eigentlich genau gemeint ist. 720 Vgl. Eckert, Lucius Cornelius Sulla, 172–173, die darauf aufmerksam macht, dass sich noch spätantike christliche Autoren auf das kulturelle Trauma der Proskriptionen Sullas bezogen, vgl. Augus tinus, De ciuitate Dei 3,27–29; Orosius, Historiae aduersus paganos 5,22,11–13; vgl. auch Eckert, „Remembering Cultural Trauma“, bes. 217–273. 721 Meier, Das andere Zeitalter, 276. 722 Pelagius Diaconus, In defensione trium capitulorum 5 (53,26–28 Devreesse): quem [= Leo] Vigilius, tacito nomine, anathematizando secretius manu propria dogmata ipsius, condemnauit. Vgl. Placanica, „Note“, 118 (ad a. 542,1); Placanica, „De epistola Vigilio supposita“, 29 (mit Anm. 11). Devreesse bezieht im apparatus ad locum zur genannten stelle (Anm. 1) die Angabe des Pelagius allerdings nicht auf das in Chronicon 130 Geschilderte und die entsprechenden Gerüchte, sondern auf das zweite Constitutum des Vigilius. 723 Vgl. Facundus von Hermiane, Contra Mocianum 31 (408,269–273 Clément/Vander Plaetse; Übers. 253 Solignac): Sed quoniam occulta eius ante iudicium pollicitatio tenebatur, in qua se spopondit eadem capitula damnaturum, ut se quasi per ignorantiam posset abluere, probationem […] me facere non permisit. / „Mais, parce que restait cachée la promesse faite avant le jugement par laquelle il s’était engagé à condamner ces chapitres et pour se disculper sous prétexte d’ignorance, le juge [Vigile] refusa de permettre la demonstration que j’avais offerte […].“ Vgl. Contra Mocianum 45 (411,389– 392 Clément/Vander Plaetse; Übers. 261 Solignac): Nos contra respondemus quod ultro per ambitionem pollicitatione facta peccauerit, nec ulla sustinuerit tormenta, quibus cessisse credatur. / „Nous, nous répondons qu’au contraire il a péché par ambition démesurée en raison des promesses reçues,
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Vigilius ist bei Facundus allerdings nicht mit einer Aktion Theodoras verbunden. Wem Vigilius konkret etwas verspricht, wird dort nicht gesagt. Dass auch bei Facundus von Hermiane Gerüchte über einen heimlichen Eid des Vigilius zu finden sind, weist jedenfalls auch auf eine feindliche Einstellung gegenüber Vigilius in einem bestimmten nordafrikanischen Milieu hin.724 Konkret Versprechungen des Vigilius gegenüber Theodora vor seiner Einsetzung als Bischof von Rom erwähnen neben Victor von Tunnuna sowohl Liberatus von Karthago als auch der Liber pontificalis: Wie oben schon erwähnt, findet sich in beiden Quellen die Darstellung der Absetzung des Silverius und der Einsetzung des Vigilius als Intrige, bei der vor allem Theodora die treibende Kraft ist.725 Während es im Liber pontificalis Theodora aber v. a. um die Wiedereinsetzung des Anthimus geht, die ihr Vigilius dann verspricht,726 berichtet das Breuiarium ähnlich wie die Chronik Victors davon, dass Theodora sich von Vigilius heimlich ein Versprechen zu einer Verurteilung geben lässt und ihm dafür im Gegenzug das Papstamt verspricht. Was genau verurteilt werden soll, ist aber jeweils verschieden: Im Breuiarium soll Vigilius die Synode [von Chalcedon] abschaffen und zur Bestätigung von deren Glauben an Theodosius, Anthimus und Severus schreiben, d. h. also exkommunizierte miaphysitische Bischöfe wieder in die kirchliche Gemeinschaft aufnehmen.727 Zusätzlich besticht Theodora Vigilius mit Geld.728
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et qu’il n’a pas non plus subi des tortures auxquelles il aurait cédé.“ Vgl. auch Contra Mocianum 38 (409,325–328 Clément/Vander Plaetse; Übers. 257 Solignac): Ob hoc etiam de ipsius episcopi Romani chirographis, uel prius ambitionis impulsu, cum fieri arderet episcopus, uel postea uenalitate parti alteri factis, necessarium duximus non tacere, ne auctoritate nominis eius praeiudicium fides uera sufferet. / „Pour cette raison aussi nous avons estimé qu’il était nécessaire de ne pas garder le silence sur les signatures de l’évêque de Rome – données d’abord par ambition au temps où il désirait être évêque, puis par vénalité devant la partie adverse, afin que la vraie foi ne subisse pas préjudice en raison d l’autorité de son nom.“ Vgl. Gleede, „Liberatus’ Polemik“, 109–110. S. o. Anm. 715. Die Darstellung weicht damit inhaltlich deutlich von Victor von Tunnuna und Liberatus von Karthago ab; die Parallelität besteht eben darin, dass Vigilius vor seiner Amtsübernahme Theodora gegenüber Versprechungen macht. Placanica, „Note“, 518 (ad a. 542,1) sieht in der Darstellung des Liber pontificalis ein Echo des Geredes bezüglich der Versprechungen des Vigilius, das unter den Verteidigern der Drei Kapitel kursierte. Vgl. Gleede, „Liberatus’ Polemik“, 105. Zum „Dreiergestirn“ Theodosius (von Alexandria), Anthimus und Severus im Verhältnis zu Theodora vgl. auch ebd., 106 (mit Anm. 55); Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 363–365; vgl. auch Placanica, „Note“, 119 (ad a. 442,1). Ps-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica 9,19–26 überliefert deren Briefwechsel, in dem sie sich gegenseitig die Gemeinschaft versichern; vgl. auch Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 4,11. Theodosius war von 535 bis 537 Patriarch von Antiochien; seine und die Einsetzung des Gaianus bedeuten nach der Chronik die Teilung Alexandrias in die inimici Christi, vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 123 (39,682–683 Cardelle de Hartmann); zur Absetzung vgl. Chronicon 128; s. o. S. 63–64 und Kap. 5.7.1.5. Vgl. Liberatus von Karthago, Breuiarium 22 (136,19–23 Schwartz): Augusta uero uocans Vigilium Agapiti diaconum profiteri sibi secreto ab eo flagitauit ut si papa fieret, tolleret [et] synodum et scriberet Theodosio Anthimo et Seuero et per epistolam suam eorum firmaret fidem, promittens dare ei praecep-
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Bei Liberatus fehlt damit das, worauf es bei Victor von Tunnuna gerade im Gesamtrahmen der Chronik ankommt: Der Bezug auf die Drei Kapitel. Diese werden bei Liberatus zunächst überhaupt nicht erwähnt; der Drei-Kapitel-Streit ist hier (noch) nicht konkret im Blick.729 Dass die Kaiserin dem Papst ein Versprechen zur Verurteilung der Drei Kapitel „entlockt“ und damit den Drei-Kapitel-Streit erst anzettelt, ist singulär in der Chronik des Victor von Tunnuna. Die historische Realität der in Chronicon 130 (und zum Teil in den anderen Quellen) beschriebenen Ereignisse wurde zu Recht in mehrerer Hinsicht bezweifelt: Grundsätzlich ist zunächst die direkte, massive Beteiligung Theodoras an der Einsetzung des Vigilius aufgrund ihrer persönlichen Interessen zumindest fragwürdig.730 Zweitens erscheint das Versprechen des Vigilius, das er Theodora in Chronicon 130 in Bezug auf die Verurteilung der Drei Kapitel gibt, als anachronistisch. Schwartz bezeichnet den „unmögliche[n] Anachronismus“ daher nicht nur als „Gerede“, sondern auch als „krassen Unsinn“.731 Die Verurteilung der Drei Kapitel erscheint ja „erst sieben bis acht Jahre später auf der kirchenpolitischen Tagesordnung“.732 Zudem ist es auch deshalb unwahrscheinlich, dass Vigilius vor seinem Pontifikat ein Versprechen zur Verurtei-
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tum ad Bilisarium ut papa ordinaretur, et dari centenaria VII. / „Die Augusta aber rief Vigilius, den Diakon von Agapitus, zu ihr zu kommen und forderte im Geheimen von ihm, dass er, wenn er Papst werde, die Synode abschaffe und dass er an Theodosius, Anthimus und Severus schreibe und durch seinen Brief ihren Glauben bestätige, und sie versprach ihm, Belisar den Befehl zu geben, dass er als Papst ordiniert werde, und dass ihm gegeben würden 7 Zentenarien.“ Leider geht Blaudeau, „Notes“, 325–333 in den Anmerkungen zu Breuiarium 22 kaum auf das Verhältnis zu Victor von Tunnuna, Chronicon 130 ein. Dennoch fällt auch an dieser Stelle die (inhaltliche, über die zu anderen Quellen hinausgehende) Ähnlichkeit zwischen Breuiarium und Chronik auf. S. weiter u. Kap. 5.7.2.4 zum später zitierten Schreiben des Vigilius selbst. Dies gilt insbesondere in Verbindung mit der Absetzung des Silverius durch die Intrige unter Beteiligung Theodoras, Belisars und Antoninas (die allerdings in der Chronik Victors keine Rolle spielt). Vgl. etwa Gleede, „Liberatus’ Polemik“, 111: Man kann der „Behauptung, Theodora hätte bereits bei der Einsetzung des Vigilius massiv ihre Hand im Spiel gehabt, keinen Glauben schenken“. Vorsichtiger Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 305, der Antonina als die „Hauptschuldige“ sieht, aber nicht ausschließen will, „daß sie in diesem Falle ein Werkzeug der kaiserlichen Freundin war“. Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 305–306 (Anm. 2) urteilt zudem: „Für das, was Theodora tatsächlich nach 531 fertigbrachte […], brauchte sie den Papst in Rom nicht“. Vorsichtig für ein aktives Eingreifen Theodoras argumentiert Garland, Byzantine Empresses, 36–37. S. auch o. S. 379–380 (Anm. 715). Die aktive Rolle Theodoras betont hingegen noch Stein, Histoire du Bas-Empire 2, 386–387. Vgl. auch Evans, The Empress Theodora, 90–92, die für die Geschehnisse um seine Einsetzung von einer Allianz zwischen Vigilius und der Kaiserin spricht. Vgl. Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 305–306 (Anm. 2): „Das Gerede, Vigilius habe im geheimen eidlich versprochen, die drei Kapitel zu verfluchen, und sei dafür Papst geworden, muß schon gleich nach dem Iudicatum aufgekommen sein, da Facundus […] es schon kennt.“ Auch Meier, Das andere Zeitalter, 277 (Anm. 229) betont die Verbindung zu den Drei Kapiteln als „anachronistisch[…]“; vgl. ebenso Sotinel, „Vigilio“, 522. Gleede, „Liberatus’ Polemik“, 108. Gegen die Überbetonung eines Anachronismus wendet sich in Bezug auf Chronicon 81 hingegen Placanica, „Note“, 118 (ad a. 542,1) – die Monophysiten hätten ja schon längst die Verurteilung der Drei Kapitel gefordert.
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lung der Drei Kapitel gegeben hat, weil er tatsächlich noch lange auf der Seite der Verteidiger der Drei Kapitel stand und seine spätere Zustimmung zu ihrer Verurteilung auch aufgrund des massiven Drucks durch Kaiser Justinian zustande kam.733 So sieht auch Facundus von Hermiane Vigilius jedenfalls in dem früher als Contra Mocianum zu datierenden Pro defensione trium capitulorum (noch) relativ positiv.734 Drittens ist es überhaupt unwahrscheinlich, dass der Beginn des Drei-Kapitel-Streites tatsächlich mit Theodora zusammenhängt.735 Betrachtet man Chronicon 130 aber nun nicht unter der Frage, ob bzw. inwiefern hier die historische Realität abgebildet ist,736 sondern welche Bedeutung Chronicon 130 im Gesamtgefüge der Chronik hat – d. h. auch in ihrer Geschichte des Drei-Kapitel-Streites –, lässt sich zu diesem Abschnitt der Chronik mehr sagen, als dass es sich bei dem dort Dargestellten um einen Anachronismus oder „krassen Unsinn“ handelt: Der Beginn des Drei-Kapitel-Streites wird v. a. Kaiserin Theodora zugeschrieben, einer Frau, die auch zuvor schon als Feindin Chalcedons gezeichnet wurde. Dies wird nun ganz deutlich und explizit gemacht. Ihr Mitspieler ist der Bischof von Rom, der damit ebenfalls diskreditiert ist, und dessen spätere Exkommunikation durch die afri
733 S. o. Kap. 2.3.5. Vigilius unterzeichnete auch noch 540 mit einem Brief an Justinian (Collectio Auel lana 92) den Erlass gegen die Miaphysiten aus dem Jahr 536 (Synode von Konstantinopel mit der Verurteilung des Severus und des Anthimus); der Brief beinhaltet auch eine Verurteilung von Theodosius von Alexandria; vgl. Maraval, „Die Religionspolitik“, 443; Gleede, „Liberatus’ Polemik“, 108 (mit Anm. 66). Noethlichs, „Iustinianus (Kaiser)“, 693 spricht für diesen Brief von einer „Politik des Ausweichens“ durch Vigilius, der seine Versprechungen gegenüber Theodora nicht eingehalten habe (s. auch u. S. 388 [Anm. 751]). 734 Zur Haltung von Facundus von Hermiane gegenüber Vigilius vgl. etwa Pro defensione trium capitulorum 2,6,1 (64,113 Clément/Vander Plaetse): beati Vigilii praesulis; 2,6,12 (66,97 Clément/Vander Plaetse): sanctus Vigilius; 4,3,6 (122,49 Clément/Vander Plaetse): prim[os] inter primos christianos sacerdo[s]. Vgl. Sotinel, „Vigilio“, 514: „Non solo V[igilius], durante il suo pontificato, affermò costantemente la sua posizione di defensore di Calcedonia, ma i sostenetori dei Tre Capitoli, nel 545, contavano ancora su di lui per difendere le loro convinzioni“. Vgl. Modéran, „L’Afrique recon quise“, 46–47, 74–75; Leppin, Justinian, 216; Gleede, „Liberatus’ Polemik“, 108–110. Gleede legt hier (bes. 109–110) auch dar, wie die Gerüchte um die Versprechungen des Vigilius zustande gekommen sein können: Es gibt zwei weitere Hinweise auf geheime Versprechen des Vigilius, einmal die (möglicherweise unechten) beiden Briefe des Vigilius vom Juni 547 an Theodora und Justinian mit der Verpflichtung zur Verurteilung der Drei Kapitel, die auf dem Konzil 553 verlesen wurden (s. o. S. 73, 90; s. u. S. 403), zweitens seinen Eid gegenüber Justinian, bei Rücknahme des Iudicatum trotzdem auf die Durchsetzung der Verurteilung der Drei Kapitel hinzuwirken (s. o. S. 84). „Die Gerüchte über diesen Eid“ (ebd., 110) hätten zu den Fälschungen bezüglich der Versprechungen des Vigilius zur Verurteilung der Drei Kapitel vor seinem Pontifikat geführt (hier auch bezogen auf den Brief des Vigilius, dazu s. u. Kap. 5.7.2.4). 735 Vgl. Placanica, „Note“, 117–118 (ad a. 542,1), mit dem Verweis auf die weiteren Quellen für den Beginn des Drei-Kapitel-Streits, die „non attribuiscono a Teodora l’iniziativa contro questi ultimi [= die Drei Kapitel]“. Vgl. auch Sotinel, „Vigilio“, 514: „La condanna dei Tre capitoli è interamente frutto dell’iniziativa di Giustiniano“. S. u. Kap. 5.7.3.1 zu Chronicon 132. 736 Diese Frage wird ja normalerweise gestellt, vgl. etwa Placanica, „Note“, 118 (ad a. 542,2), wenn er schreibt: „Forse è più verisimile la versione di Vittore, che situa tutto dopo l’elezione di Silverio: ma sembra fittizio il collegamento con i Tre Capitoli.“
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kanischen Bischöfe damit schon gerechtfertigt ist.737 Einerseits lässt sich hierin, v. a. im Zusammenhang mit der negativen Darstellung Theodoras auch in den anderen Quellen,738 der „luogo commune della letteratura ecclesiastica sulla natura inevitabile femminile dell’eresia“739 sehen.740 Im Blick auf Vigilius sieht Sotinel in den Berichten über Theodora und Vigilius741 daher „un’analisi retrospettiva per comprendere come un vesvoco di Roma abbia potuto cadere nell’eresia“,742 also eine Art entschuldigende Erklärung für das Handeln des Papstes, das nur durch die Intrige der weiblichen Herrscherin zustande gekommen sei. Andererseits ist es ja aber der Bischof von Rom, der zwar von der Kaiserin „gelockt“743 wird, sich aber offenbar ohne größeren Widerstand auf die Zusage ihr gegenüber einlässt. Theodora steckt zwar mit ihrer factio hinter dem heimlichen Plan, weltliche Macht und geistliche Macht arbeiten dann aber ohne weiteres Zögern des Papstes zusammen gegen die Drei Kapitel und damit gegen Chalcedon.744 Hatte der Vorvorgänger von Vigilius, Agapitus, Theodora noch von der communio ausgeschlossen, agieren nun die Kaiserin und der Bischof von Rom zusammen im Geheimen. D. h. aber auch: Offensichtlich ohne den Kaiser, der ja zumindest vor Chronicon 130 als Chalcedon-treu gezeichnet wird.745
737 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 141; s. u. Kap. 5.7.3.2. 738 S. bspw. o. S. 61–62 (mit Anm. 220). 739 Sotinel, „Vigilio“, 514. Bei Victor von Tunnuna gibt es allerdings keine sexuelle Konnotation (s. aber u. Anm. 743), die in Berichten über die Nähe von Frauen zu Häresie oft eine Rolle spielt, so ja bspw. auch in der Darstellung Theodoras durch Prokop. Vgl. etwa Beck, Kaiserin Theodora, 89–98 zur Darstellung von Theodoras Jugend durch Prokop; vgl. auch ebd., 83–88 zu Antonina. Zu Antonina in der Chronik des Victor von Tunnuna s. u. S. 388–389. 740 In terminologischer Hinsicht ist allerdings zu beachten, dass Theodora in der Chronik „nur“ inimica Chalcedons und nicht „Häretikerin“ genannt wird, was noch darüber hinausgeht. Als Anhänger einer haeresis bzw. als haereticus werden in der Chronik des Victor von Tunnuna nur kirchliche Amtsträger bezeichnet, nicht weltliche Herrscher; vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 10; 53; 56; 62; 68; 69; 104; 124; 126; 128; 148. Als Kaiser wird nur Anastasius wörtlich mit haeretici in Verbindung gebracht, vgl. Chronicon 74 (23,376–377 Cardelle de Hartmann): Anastasius imperator, hereticorum synodum faciens […]. / „Kaiser Anastasius, der eine Synode von Häretikern machte […].“ Freilich wird gerade Severus, der wie Theodora inimicus Chalcedons ist, auch als princeps heresis bezeichnet (vgl. Chronicon 104). 741 Vgl. auch Sotinel, „Vigilio“, 513–515 zur Darstellung der Intrigen um Theodora und Vigilius in den oben behandelten Quellen im Einzelnen. 742 Sotinel, „Vigilio“, 514. 743 In diesem elicuit könnte einzig eine sexuelle Konnotation erahnt werden; vgl. das Bedeutungsspektrum nach Georges, Handwörterbuch, s. v. „elicio“. 744 Vgl. auch Gleede, „Liberatus’ Polemik“, 110 zum Vigiliusbild in Contra Mocianum und bei Liberatus von Karthago: „Vigilius ist der höchst ehrgeizige, aber charakterschwache Realpolitiker, der zur Realisierung persönlicher Ziele oder aus Nachgiebigkeit geheime Verpflichtungen gegenüber den Machthabern eingeht, deren Tragweite ihm erst zu spät bewusst wird.“ Hier zeige sich „eine lautstarke Minderheit“ in der Byzacena gegenüber einer papsttreuen Mehrheit, die „mit allen Mitteln für das Festhalten an der Verurteilung [des Papstes] von 550 mobil machen musste“ (ebd., 111). 745 Erst in Chronicon 132 veranlasst er eine Verurteilung der Drei Kapitel, wobei ihm auch dort nicht die ganze Schuld an der Verurteilung zugesprochen; s. o. Kap. 5.7.1.1 und u. Kap. 5.7.3.1. Zu Theo
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Entscheidend für den Charakter von Chronicon 130 als Schlüsselstelle ist nun aber nicht nur die Rolle, die Theodora hier zugeschrieben wird oder die Darstellung des Vigilius. Entscheidend ist vor allem auch, dass in Chronicon 130 die tria capitula nicht nur als solche zum ersten Mal in der Chronik benannt sind, sondern dass sie auch das erste Mal als solche verurteilt werden sollen: Der eigentliche Drei-Kapitel-Streit beginnt. Zusätzlich wird deutlich formuliert, was die Verurteilung der Drei Kapitel bedeutet – nämlich nichts anderes als die Verurteilung und Ächtung (proscriptio) Chalcedons. Dies wird nicht nur durch die Information über Vigilius’ Versprechen verdeutlicht (ut papa effectus in proscriptione sinodi Calcidonensis tria capitula condennaret), sondern auch durch die folgende Erklärung zu den Drei Kapiteln (id est). Diese hebt besonders deren in Chalcedon festgestellte Orthodoxie hervor. Die Verknüpfung der Verurteilung der Drei Kapitel mit der Verurteilung Chalcedons entspricht dabei wiederum der Initiative der Verurteilung ersterer durch die inimica Chalcedons: Id est: epistolam Ibe Edeseni episcopi ad Marim Persam, que iuditio sinodi Calcidonensis approbata et orthodoxa iudicata est et gestis sinodalibus sociata, Theodorum dein Mopsuestenum episcopum sinodaliter similiter gestis apud Antiochiam sub Iohanne episcopo eiusdem ecclesie et Calcidona laudatum, et Theodoreti Ciri episcopi dicta in eodem Theodoreto sinodi Calcidonensis uocibus collaudata.746
doras Auschluss von der communio durch Agapitus vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 125, s. auch o. S. 377. 746 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 130 (42,739–746 Cardelle de Hartmann; zur Übersetzung s. o. S. 378 (Anm. 708). Victor von Tunnuna selbst vermerkt in Chronicon 10, also in seiner Notiz zum Konzil von Chalcedon, nur die dortige Restitution der „katholischen“ Bischöfe, die zuvor von Dioskur in Ephesus verurteilt worden waren – dazu gehören aber bei ihm von den Drei Kapiteln nur Theodoret von Kyrrhos und Ibas von Edessa. Theodor von Mopsuestia wird in Chronicon 10 nicht erwähnt. Die Trias der Namen kommt sonst nur in Chronicon 81 (Synode in Konstantinopel unter Kaiser Anastasius vor). Der Brief des Ibas war ja nicht eigentlich Gegenstand des Konzils gewesen, nur seine Person (s. o. S. 68) – von den Verteidigern der Drei Kapitel wurde es aber so dargestellt, dass auch der Brief dort als orthodox beschlossen wurde, vgl. Liberatus von Karthago, Breuiarium 24 (140,26–27 Schwartz); vgl. insgesamt Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 5; vgl. Placanica, „Note“, 118 (ad a. 442,1); zur Rezeption des Briefes auf dem Konzil von 553 s. kurz o. S. 88. Auch bezüglich Theodor von Mopsuestia war in Chalcedon nichts beschlossen worden, er wurde allerdings im Brief des Ibas gelobt; s. o. S. 68. Die Angabe zu der Synode in Antiochien bezieht sich auf eine Synode aus dem Jahr 438; vgl. dazu und zu den folgenden Quellen Placanica, „Note“, 118 (ad a. 542,1). Diese Synode und ihr Lob des Theodor von Mopsuestia werden auch von anderen Verteidigern der Drei Kapitel betont, vgl. Liberatus von Karthago, Breuiarium 10 (112,20–23 Schwartz): tunc Iohannes Antiochenus synodo congregata tres pro Theodoro Mompsuesteno dictauit epistolas […], laudans in eis Theodorum et eius exponens sapientiam. / „Daraufhin, nachdem die Synode versammelt worden war, diktierte Johannes von Antiochien drei Briefe für Theodor von Mopsuestia […], in ihnen lobte er Theodor und legte dessen Weisheit dar.“ Vgl. auch Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 2,1,8; 3,1,6; 7,7,11; 8,1,2–7 (mit Zitat von Johannes von Antiochien, Epistula 6 an Proclus zur Verteidigung des Theodor); Pelagius Diaconus, In defensione trium capitulorum 3 (15,17–24 Devreesse; vgl. 15,28–17,26 der Brief von Johannes von Antiochien an Proclus). Zur Synode vgl. auch Devreesse, „Le début de la querelle“, 557–562. Das Lob Theodors durch Chalcedon erwähnt auch die Epistula fidei catholicae 32; vgl. auch Pelagius
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Mit der Aussage, dass die Verurteilung der Drei Kapitel einer Verurteilung Chalcedons gleichkommt, greift die Chronik Victors von Tunnuna ein Argument auf, dass unter den Verteidigern der Drei Kapitel Nordafrikas üblich war747 – und stellt es im Folgenden historiographisch dar: Die bisherige Einteilung der Akteure innerhalb der Chronik in Feinde und Verteidiger – oder sogar Liebhaber – Chalcedons geht nun über in die Einteilung der Akteure in Gegner und Verteidiger der Drei Kapitel. Wer orthodox, „katholisch“ ist, ist nun nicht mehr (explizit) Verteidiger Chalcedons, sondern Verteidiger der Drei Kapitel.748 Entsprechend wird nach Chronicon 130 das Konzil von Chalcedon überhaupt nur noch zwei Mal erwähnt: Einmal in Chronicon 140, wo Theodora erneut als Calcidonensis sinodi inimica bezeichnet wird (46,819 Cardelle de Hartmann), ein zweites Mal in Chronicon 142, wo die Verurteilung der Drei Kapitel noch einmal mit der Ächtung Chalcedons gleichgesetzt wird.749 Die Protagonisten der Geschichte werden nun aber an der Haltung zu den Drei Kapiteln, nicht mehr an der Haltung zu Chalcedon gemessen. Die Verknüpfung der Drei Kapitel mit Chalcedon erfolgt dabei in Chronicon 130 nicht aufgrund einer theologischen Argumentation, die inhaltlich auf die Beschlüsse Chalcedons und das Verhältnis der Drei Kapitel dazu Bezug nimmt. Zugespitzt formuliert: Es geht – wie immer wieder auch zuvor – nicht um eine inhaltliche Rechtgläubigkeit, die näher dargestellt würde, sondern um eine formale. Orthodox ist, was iuditio sinodi Calcidonensis approbata et orthodoxa iudicata est, was Calcidona laudatum, was sinodi
Diaconus, In defensione trium capitulorum 3 (22,24–31 Devreesse); Liberatus von Karthago, Breuiarium 24 (140,18–19 Schwartz) präzisiert diese Information: synodus Calchedonensis […] laudes eius susceperit in Ibae epistola / „die Synode von Chalcedon […] nahm sein Lob auf im Brief des Ibas“. 747 Vgl. besonders die sehr ähnlichen Formulierungen bezüglich der Orthodoxie der Drei Kapitel aufgrund ihrer durch Chalcedon anerkannten Rechtgläubigkeit bei Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum, praefatio 1 (s. o. S. 72 [mit Anm. 285); Facundus von Hermiane, Contra Mocianum 5 (401,35–402,43 Clément/Vander Plaetse; Übers. 235 Solignac): Gaudeo tamen quod eum nuntiastis aperte iam confiteri quia Theodorum Mopsuestenum episcopum in Ecclesiae pace defunctum, eiusque doctrinam, cuius laudes in Chalcedonensi concilio recitatae sunt nemine refragante, sed et epistulam Ibae antistitis Edesseni, quae ibi est orthodoxa iudicata et Theodoreti episcopi Cyrri scripta, qui assertor illic inuentus est epistulae dogmaticae papae Leonis, in ipsius concilii Chalcedonensis praeiudicium damnauerunt impugnatores ecclesiae. / „Je suis content cependant de ce que vous m’apprenez: Mocianus confesse ouvertemente que Théodore de Mopsueste, mort dans la paix d’Église, et sa doctrine, dont les louanges ont été publiées au concile de Chalcédoine, mais aussi la lettre d’Ibas évêque d’Édesse, qui y fuit déclarée orthodoxe, ainsi que les écrits de Théodoret évêque de Cyr, qui s’y est fait le défenseur de la lettre dogmatique du pape Léon, ont été condamnés par les adversaires de l’Église, au préjudice du concile de Chalcédoine.“ Vgl. Placanica, „Note“, 118 (ad a. 542,1). S. auch o. Kap. 2.3.3. Wie gesehen betont auch Justinian immer wieder, dass er mit der Verurteilung der Drei Kapitel nicht das Konzil von Chalcedon angreifen wolle; s. bspw. o. S. 69–70. 748 Was freilich immer die Treue zu Chalcedon mit einschließt, nur wird dies eben nicht mehr explizit gesagt. 749 In Chronicon 145 wird zudem der Ort Chalcedon als Sterbeort des Verecundus genannt, s. u. S. 428–429.
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Calcidonensis uocibus collaudata.750 Dieser formale Bezug auf Chalcedon ist damit für die Verteidigung der Drei Kapitel als entscheidende theologische Grundlage gesetzt. Vigilius hat nach Chronicon 130 Theodora das Versprechen gegeben, als Papst die Drei Kapitel zu verurteilen. Ob er dieses Versprechen aber nun einhält, ist vom folgenden Text der Chronik her unklar.751 Berichtet wird als nächstes, dass Vigilius, als er Papst wurde,752 von Antonina, der Frau Belisars, gezwungen wurde, ut Theodosio Alexandrino, Anthimo Constantinopolitano et Seuero Antiocheno, iam pridem ab apostolica sede damnatis, tamquam catholicis scriberet, et ita de fide quemadmodum et illi sentiret.753
Wie bei Liberatus von Karthago kommt hier also auch bei Victor von Tunnuna mit Antonina eine zweite Frau ins Spiel, die in der Chronik als patricia Belesarii patricii uxor genauer charakterisiert ist.754 Wie bei Liberatus von Karthago schreibt Vigilius letztlich auf Initiative dieser Frau hin einen Brief.755 Anders als es das zuvor an Theodo750 Möglicherweise spiegelt sich in einer solchen formalen Präsentation dessen, was als orthodox verstanden wird, auch die von Bischof Pontianus erwähnte Unkenntnis der Nordafrikaner über die dicta der Drei Kapitel, s. o. S. 77. 751 Daher kann auch Meier, Das andere Zeitalter, 277 (Anm. 229), in Bezug auf Victor von Tunnuna, Chronicon 130 und Liberatus von Karthago, Breuiarium 22 schreiben: Als Vigilius Papst wurde, hielt er „keine seiner angeblichen Zusagen gegenüber Theodora ein“ (vgl. so auch Noethlichs, „Iustinianus [Kaiser], 693). Allerdings gilt für das Breuiarium, dass Vigilius das Versprechen gegenüber Theodora letztlich ja gerade doch einlöst (137,25–26 Schwartz): Vigilius autem […] inplens professionem suam quam augustae fecerat, talem scripsit epistolam. / „Vigilius jedoch […] erfüllte sein Gelübde, das er der Augusta gemacht hatte, und er schrieb einen solchen Brief.“ Vgl. anders der Liber pontificalis 61,3.5, wo berichtet wird, dass Vigilius das Versprechen, Anthimus wieder als Pa triarchen einzusetzen, nicht einhält. 752 Vigilius war tatsächlich Papst von 537–555, s. auch kurz o. S. 379–380 (Anm. 715) zu den chronologischen Problemen des Abschnittes. Zur Amtsübernahme des Vigilius vgl. auch Liber pontificalis 61,1; Marcellinus Comes, Chronicon a. 537,1 (beide erwähnen die Ordination des Vigilius durch Belisar); vgl. auch Prokopios von Caesarea, De bello Gothico 1,25,13; Liberatus von Karthago, Breuia rium 22 (Befehl von Theodora an Belisar zur Ordination). Vgl. die Stellen bei Placanica, „Note“, 117 (ad a. 542,1); vgl. auch Sotinel, „Vigilio“, 514. 753 Victor von Tunnuna, Chronicon 130 (42,748–751 Cardelle de Hartmann): „dass er an Theodosius von Alexandria, an Anthimus von Konstantinopel und an Severus von Antiochien, die schon zuvor vom apostolischen Stuhl verurteilt worden waren, gleichwie an Katholiken schreibe, und so über den Glauben die gleiche Meinung habe wie auch jene“. 754 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 130 (42,747 Cardelle de Hartmann). Vgl. die Bezeichnung bei Liberatus von Karthago, Breuiarium 22 als eius [= von Belisar] coniux (136,32; vgl. 137,25 Schwartz) und als patricia (vgl. 136,36 Schwartz). Die Schilderungen des Prokopios zu Theodoras und zu Antoninas Vorleben (Anekdota 9; 1,11–14) weisen Parallelen auf und enthalten „stark topische Züge gängiger Diskriminierung“ (Noethlichs, „Iustinianus [Kaiser]“, 677). Implizit zeigt sich also wohl auch bei Antonina die topische weibliche Nähe zur Häresie (s. o. Anm. 739), auch wenn weder bezüglich Theodora noch bezüglich Antonina das „skandalöse Vorleben“ (Noethlichs, „Iustinianus [Kaiser]), 677) durch Victor von Tunnuna thematisiert wird. 755 Vgl. Liberatus von Karthago, Breuiarium 22 (137,25 Schwartz): per Antoninam Bilisarii coniugem. Antonina ist bei Liberatus damit Theodoras direkte Komplizin, die das der Kaiserin gegenüber gemachte Versprechen einholt.
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ra gerichtete Versprechen des Vigilius erwarten lassen würde, schreibt Vigilius seinen Brief aber nun nicht bezüglich der Drei Kapitel: Er schreibt – wie bei Liberatus von Karthago, wo er dies Theodora auch so versprochen hatte756 – an die (miaphysitischen, abgesetzten) Bischöfe Theodosius, Anthimus und Severus tamquam catholicis […], damit er de fide quemadmodum et illi sentiret. Das Ziel des Briefes ist also, was bei Liberatus von Karthago als eorum fidem firmaret formuliert ist757: Vigilius soll die abgesetzten Bischöfe als „Katholiken“ behandeln, d. h. mit ihnen in Gemeinschaft treten und ihren Glauben bestätigen, was ihre Wiedereinsetzung impliziert. 5.7.2.4 Der Brief des Vigilius Ob und inwiefern Vigilius mit seinem Brief in der Chronik sein Versprechen gegenüber Theodora einlöst, wird nicht direkt gesagt. Vom Erzählduktus her wirkt es zwar so, als handele es sich beim Folgenden um die Einlösung dieses Versprechens.758 Der dann wiedergegebene Brief erwähnt aber weder Chalcedon noch die Drei Kapitel, sondern ist tatsächlich im Wesentlichen eine Bestätigung der Gemeinschaft des Bischofs von Rom mit den angeschriebenen Patriarchen und damit eine Bestätigung des Glaubens der Miaphysiten.759 Im Brief folgt nach der Anrede an die Dominis et in Christi Dei Saluatoris nostri karitate coniunctis fratribus („Herren und die in der Liebe Christi, unseres Gottes und Retters, verbundenen Brüder“) Theodosius, Anthimus und Severus diese Bestätigung des Glaubens bzw. die Betonung der gegenseitigen Gemeinschaft und Einmütigkeit: Mehrfach werden die drei Patriarchen als „Brüder“ (fratres) bezeichnet bzw. es wird auf ihre „Brüderlichkeit“ (fraternitas) rekurriert, mehrfach wird auf die gegenseitige Verbindung in Christus verwiesen (Dominis et in Christi Dei Saluatoris nostri karitate coniunctis fratribus [s. o.; die Anrede]; salutans ergo gratia qua nos in Deo nostro Christo Domino Saluatore coniungimur [„ich grüße euch also in der Gnade, durch die wir in unserem Gott, in Christus, dem Herrn und Retter, verbunden sind“]; orate pro mei domini mei fratres in Christi Dei nostri Saluatoris karitate conexi [„betet für mich, meine
756 S. o. S. 382. 757 Vgl. Liberatus von Karthago, Breuiarium 22 (136,31 Schwartz). 758 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 130 (42,738.747 Cardelle de Hartmann): Vigilius verspricht, die Drei Kapitel zu verurteilen ut papa effectus; Antonina zwingt ihn zum Schreiben des Briefes an Theodosius, Anthimus und Severus papa effectus. 759 Gleede, „Liberatus’ Polemik“, 108, sieht den Brief daher ganz „unabhängig“ vom vorherigen Eid des Vigilius gegenüber Theodora. Der Brief bei Victor von Tunnuna, Chronicon 130 (42,752–43,771 Cardelle de Hartmann; die folgenden Zitate beziehen sich alle auf diesen Abschnitt); vgl. das Zitat des Briefes auch bei Liberatus von Karthago, Breuiarium 22 (137,27–138,5 Schwartz). Der Brief stammt nicht aus der päpstlichen Kanzlei; zur Frage der Echtheit des Briefes und zum Verhältnis der beiden Versionen bzw. zu einzelnen Varianten im Text s. o. Kap. 3.3.
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Herren und in der Liebe Christi unseres Gottes und Retters verbundene Brüder“]). Vigilius bestätigt zudem, dass er denselben Glauben wie die drei Patriarchen hatte und jetzt noch hat (eam fidem quam tenetis Deo iuuante et tenuisse me et tenere significo), beruft sich dabei auf das, was gepredigt und gelesen wird (scientes illud inter nos quod predicamus et legimus, quia anima una et cor nobis sit unum in Deo [„jenes untereinander wissend, was wir predigen und lesen, dass wir eine Seele und ein Herz haben sollen in Gott“])760. Am Ende des Briefes drängt Vigilius auf Geheimhaltung.761 Betrachtet man nun noch einmal die beiden Kontexte, in denen der Brief bei Liberatus und bei Victor eingebettet ist, fällt auf: Vigilius erfüllt bei Victor mit dem Brief das Versprechen, das er tatsächlich bei Liberatus Theodora gegeben hatte (bei Liberatus erfüllt er das Versprechen ebenso). Dafür schreibt Vigilius nach der Darstellung des Liberatus nach dem eigentlichen Ende des Briefes ein Glaubensbekenntnis, das man zumindest teilweise mit Vigilius’ Versprechen der proscriptio Chalcedons und der Verurteilung der Drei Kapitel bei Victor von Tunnuna zusammendenken kann: Bei Liberatus von Karthago folgt auf die subscriptio nämlich noch eine schriftliche Niederlegung der fides des Vigilius.762 Ganz am Ende dieses Bekenntnisses verdammt Vigilius neben Paulus von Samosata und Diodor (von Tharsus) sowohl Theodor (von Mopsuestia) als auch Theodoret (von Kyrrhos).763 Damit klingt in diesem Zusatz die Verurteilung der Drei Kapitel immerhin an.764 Der Brief des Ibas von Edessa wird allerdings nicht erwähnt; die Drei Kapitel werden hier auch nicht als solche bezeichnet. Auch antwortet Vigilius mit seinem Schreiben zwar auf die Forderung der Kaiserin, die Synode abzuschaffen (tolleret [et] synodum)765, und theologisch entspricht sein Glaubensbekenntnis auch dieser Forderung, trotzdem wird das Konzil selbst in der
760 Vgl. Apg 4,32. 761 Victor von Tunnuna, Chronicon 130 (43,766–769 Cardelle de Hartmann): Oportet ergo ut hec que uobis scribo nullus agnoscat, sed magis tanquam suspectum me sapientia uestra ante alios estimet se habere, ut facilius possit Deus que cepit operari perficere. / „Es ist also nötig, dass niemand wahrnimmt, was ich euch schreibe, sondern vielmehr als ob ich verdächtig bin soll sich eure Weisheit vor anderen erachten, sich zu verhalten, so dass Gott leichter, was er angefangen hat zu wirken, vollenden kann.“ 762 Vgl. Liberatus von Karthago, Breuiarium 22 (138,6–7 Schwartz [das Bekenntnis dann 138,8–18 Schwartz]): Sub hac epistola fidem suam Vigilius scripsit, in qua duas in Christo damnauit naturas et resoluens tomum papae Leonis sic dixit. / „Unter diesen Brief schrieb Vigilius seinen Glauben, in dem er zwei Naturen in Christus verdammte, und den tomus des Papstes Leo auflösend sagte er so.“ 763 Vgl. Liberatus von Karthago, Breuiarium 22 (138,16–18 Schwartz): Anathematizamus igitur Paulum Samosatenum Diodorum Theodorum et Theodoritum et omnes qui eorum statuta coluerunt uel colunt. / „Wir verdammen also Paul von Samosata, Diodor, Theodor und Theodoret und alle, die deren Bestimmungen in Ehren gehalten haben oder in Ehren halten.“ 764 Vgl. Gleede, „Liberatus’ Polemik“, 108. 765 Liberatus von Karthago, Breuiarium 22 (136,20 Schwartz).
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niedergelegten fides nicht erwähnt. Die Verknüpfung der Verurteilung der Drei Kapitel mit der Verurteilung Chalcedons ist also ebenfalls höchstens implizit mitgedacht.766 Die Geschichte um den Vigilius-Brief ist bei Liberatus von Karthago innerhalb des Breuiariums im Gegensatz zur Chronik Victors kohärent dargestellt und hat keinen Bruch.767 Auch wenn dies eine Entscheidung gegen die lectio difficilior ist, ist daher wohl davon auszugehen, dass es sich bei der Version des Liberatus um die ursprüngliche handelt768 und Victor von Tunnuna seine Version der Ereignisse aufgrund der Intention seiner Darstellung niedergeschrieben hat: Das heimliche Versprechen einer Verurteilung der Drei Kapitel durch Vigilius gegenüber Theodora ist, wie gesehen, bei ihm singulär, passt aber, gerade zusammen mit der Betonung der damit verbundenen Verurteilung Chalcedons, zum Gesamtduktus der Chronik. Entsprechende Gerüchte eines Eides des Vigilius kannte Victor von Tunnuna möglicherweise aus Facundus von Hermianes’ Contra Mocianum769 – mit seiner Darstellung in Chronicon 130 hätte er ihnen dann einen historischen Ort gegeben. Stellt man diesen Duktus der Chronik selbst in den Vordergrund, stellt sich die Frage, ob Victor von Tunnuna mit seiner Darstellung in Chronicon 130 etwa auf Ambivalenzen, die ja auch durch die Darstellung des Liberatus gegeben sind (oder auf eine andere Quelle, aus der der Brief übernommen wurde, zurückgehen könnten), reagieren wollte, nicht mehr.770 Ebenso wenig steht dann die Frage im Mittelpunkt, welche Ver-
766 Dem entspricht, dass bei Liberatus von Karthago die Drei Kapitel und deren Verurteilung erst in Breuiarium 24 zur Sprache kommen – nachdem der Verurteilung der Toten die Tür geöffnet wurde (s. o. S. 74–75 [Anm. 302]). Urheber dieses „Skandals“ sind für Liberatus dezidiert Pelagius und Theodor Askidas bzw. deren Konflikt (141,7–9 Schwartz): Illud liquere omnibus credo per Pelagium diaconum et Theodorum Caesareae Cappadociae episcopum hoc scandalum in ecclesiam fuisse ingressum. / „Ich glaube, dass das nun allen klar ist, dass dieser Skandal durch den Diakon Pelagius und durch Theodor von Caesarea-Kappadokien [= Askidas] in die Kirche eingetreten ist.“ Theodor Askidas wird in der Chronik des Victor von Tunnuna überhaupt nicht erwähnt, bei Facundus von Hermiane fast gar nicht; vgl. dazu Gleede, „Liberatus’ Polemik“, 125–126 (Anm. 137). 767 Anders als bei Victor von Tunnuna, wo eben der Brief und das vorherige Versprechen des Vigilius an Theodora schwieriger zusammenzudenken sind. 768 So auch Gleede, „Liberatus’ Polemik“, 108. Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 305–306 (Anm. 2) entscheidet sich hingegen für die chronologische lectio difficilior als die ursprüngliche Version der Geschichte: Aufgrund des Anachronismus bezüglich der Drei Kapitel sei die Version des Liberatus, dass Theodora von Vigilius ein Schreiben an die monophysitischen Patriarchen gefordert habe, an die Stelle der Version mit den Drei Kapiteln getreten, die bei Victor von Tunnuna zu finden ist. 769 S. o. S. 381–382. 770 Gleede, „Liberatus’ Polemik“, 108, sieht in der Version des Victor von Tunnuna eine Reaktion auf die Tatsache, dass Vigilius noch 540 der Verurteilung von Severus, Anthimus und Theodosius zugestimmt und sich stets zu Chalcedon bekannt hatte, also auf die Ambivalenzen, die mit der Darstellung der Geschichte im Breuiarium gegeben sind: „Diese Schwierigkeit scheint Victor von Tunnuna gefühlt zu haben, nach dem sich der Eid des Vigilius bereits auf die erst sieben bis acht Jahre später auf der kirchenpolitischen Tagesordnung erscheinende Verurteilung der drei Kapitel beziehen soll, die briefliche Solidaritätsbekundung hingegen unabhängig davon, erst nach seinem Amtsantritt durch Antonina erwirkt wird. Liberatus dürfte also die ursprünglichere Version bie-
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sion historisch wahrscheinlicher ist. Wichtig ist vielmehr, dass die Version des Victor von Tunnuna sich in den Rahmen seiner Geschichte des Drei-Kapitel-Streites nicht nur einfügt, sondern dafür offenbar eine zentrale Bedeutung hat. Unklar bleibt, auch wenn man von einer Ursprünglichkeit der Erzählung um den Brief bei Liberatus ausgeht, der konkrete Zusammenhang zwischen beiden Versionen: Auch wenn es so wirkt, als ob Victor von Tunnuna die Geschichte, die Liberatus berichtet, inhaltlich kannte und für seine Zwecke änderte,771 bleibt letztlich offen, ob Victor und Liberatus beide auf eine dritte Quelle zurückgegriffen haben – möglicherweise auch nur auf den in ihrem Umfeld kursierenden pseudepigraphen Brief selbst – und die dort gefundenen oder auch andere mündliche Informationen unabhängig voneinander in ihren Texten verarbeitet haben oder ob Victor von Tunnuna den Brief und dessen Vorgeschichte aus Liberatus von Karthagos Breuiarium kannte und zu seiner Geschichte umarbeitete. Insgesamt überwiegen die Argumente gegen eine direkte Übernahme des Briefes durch Victor von Liberatus, auch wenn diese nicht auszuschließen ist.772 Ein Bruch in der Darstellung bei Victor von Tunnuna bleibt zunächst, dass der Brief und das vorher von Vigilius an Theodora gegebene Versprechen sich in Chronicon 130 nicht entsprechen. Blickt man aber noch einmal auf die gesamte Darstellung der Chronik, ist implizit immerhin doch eine Entsprechung erkennbar: Anthimus, Theodosius und Severus sind vorher in der Chronik klar als Gegner Chalcedons gekennzeichnet. Werden sie nun von Vigilius wieder als „Brüder“ desselben Glaubens behandelt, und tritt er mit ihnen insofern wieder in Gemeinschaft, kommt das einem Verrat an Chalcedon gleich. Dass Vigilius aber gerade die Verurteilung der Drei Kapitel vorher konkret verspricht, bleibt freilich ein deutlicher Akzent Victors.773 Diskreditiert werden mit der Darstellung in Chronicon 130 letztlich beide, Theodora und Vigilius, und drittens auch Antonina: Theodora, die kaiserliche Chalcedon-Gegnerin,774 lockt das Versprechen von Vigilius hervor, aber Vigilius ist der, der sich als Bischof von Rom leichtfertig auf das Versprechen einlässt, damit zusammen mit Theodora den eigentlichen Drei-Kapitel-Streit initiiert und dann mit seinem Brief – i. S. anderer Aussagen der Chronik775 – die Gemeinschaft der Kirche beschmutzt – obwohl er
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ten, in der die Verurteilung der drei Kapitel ja in den bei Victor nicht mitgeteilten angehängten Anathema nur angedeutet, jedoch nicht in der aus der Kontroverse der 540er Jahre bekannten Form durchgeführt ist.“ Victor von Tunnuna hätte dann die „Vorgeschichte“ des Briefes verändert, evtl. auch mit den bei ihm nicht benannten Zusätzen unter den Subskriptionen (fides des Vigilius) vor Auge. Diese hätte er dann in der „Vorgeschichte“ als Verurteilung der Drei Kapitel verarbeitet. S. o. S. 119–120. Vgl. dazu auch u. Kap. 5.7.3.1 zu Chronicon 132. Und eben nicht der Kaiser. Durch die communio mit den Chalcedon-Gegner, indem er an sie wie an Katholiken schreibt, vgl. auch Chronicon 157.
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ja tatsächlich noch längere Zeit auf der Seite der Verteidiger der Drei Kapitel stand. So sagen der Brief und seine Kontextualisierung in der Chronik des Victor von Tunnuna weniger über die tatsächlichen historischen Abläufe des Drei-Kapitel-Streites als mehr über die Sicht des Victor von Tunnuna – und der Gruppe der Verteidiger der Drei Kapitel um ihn – vor allem auf den Bischof von Rom und seine Kooperation mit der chalcedonfeindlichen Kaiserin.776 5.7.2.5 Der Anfang des Drei-Kapitel-Streites: Die „Anfänge der Schlechtigkeiten“ Das Zitat des Briefes von Vigilius schließt Victor von Tunnuna mit einer Bemerkung, die zugleich Fazit und Ausblick ist: Horum exordia malorum generalis orbis terrarum mortalitas sequitur et inguinum percussione melior pars populorum uoratur.777 Auch wenn nicht völlig klar ist, wie Versprechen und Brief zusammenzudenken sind, ist aus Sicht 776 Zur Gruppe der Verteidiger der Drei Kapitel um Victor von Tunnuna s. u. Kap. 5.7.3, bes. 5.7.3.5 und 5.7.3.7. 777 Victor von Tunnuna, Chronicon 130 (43,771–772 Cardelle de Hartmann): „Den Anfängen dieser Schlechtigkeiten folgte eine Sterblichkeit der Länder des ganzen Erdkreises, und der bessere Teil der Völker wurde weggerafft durch das Schlagen der Leisten.“ Ich entscheide mich hier für die Konjektur uoratur und folge damit Canisius und allen anderen Herausgebern inklusive Placanica (vgl. 46 Placanica) bis auf Scaliger (der die Variante necatur vorschlägt; vgl. insgesamt den apparatus ad locum bei Cardelle de Hartmann). Die Lesart der Handschriften ist uocatur, was an dieser Stelle tatsächlich keinen Sinn ergibt. Cardelle de Hartmann schlägt anders als die anderen Herausgeber die Konjektur uexatur („wurde erschüttert“) vor. Ihre Argumentation (vgl. „Notas críticas“, 88–89 [Anm. 18]) dazu überzeugt aber nicht: Sie bezweifelt den Sinn von uoratur, weil es nicht ersichtlich sei, warum ausgerechnet die Besten sterben sollten – „ofrece mejor sentido la afirmación de que la mejor parte de los pubelos (para Víctor los pueblos cristianos) fue azotada por la peste“. Es mag besser zum „Schlagen“ (percussio) passen, dass dadurch eine „Erschütterung“ (uexari) erfolgt, allerdings lassen sich mehrere Argumente gegen diese Konjektur anbringen: Erstens ist ein Schreibfehler von uoratur zu uocatur leichter zu erklären als von uexatur. Zweitens lässt sich inhaltlich fragen, ob es wirklich einen entscheidenden Unterschied zwischen uexatur und uoratur gibt – in Bezug auf eine tödliche Pest könnte ja das uexatur genau in einem letalen Sinn verstanden werden. Dass etwas dagegen sprechen soll, dass „der bessere Teil der Völker“ hinweggerafft wird, müsste besser erklärt werden können. Drittens, und dies ist der wichtigste Punkt, berichten andere Quellen ja gerade von diesem Hinwegraffen durch das hier erwähnte Ereignis, das sich auf eine große Pestepidemie bezieht (s. u. S. 394). Besonders auffällig ist, dass Prokopios von Caesarea in Anekdota 18,44 (119,14–16 Haury/Wirth) eine sehr ähnliche Formulierung wie Victor von Tunnuna bietet und ebenso wie dieser vom „Hinwegraffen“ der besseren Hälfte der Menschheit schreibt, was deutlich zeigt, dass die entsprechende lateinische Terminologie und damit die Lesart uoratur nicht abwegig ist: ἐπιγενόμενος δὲ καὶ ὁ λοιμὸς, οὗ πρόσθεν ἐμνήσθην, τὴν ἡμίσειαν μάλιστα τῶν περιγινομένων ἀνθρώπων ἀπήνεγκε μοῖραν. / „Nachdem aber auch die Pest aufgekommen war, an die ich zuvor erinnert habe, raffte sie die bessere Hälfte der übrig gebliebenen Menschen als gebührenden Anteil weg.“ Da die anderen Quellen (s. u. Anm. 779) diese Formulierung von der „besseren Hälfte“ der Menschheit nicht bieten, wäre sogar die Frage denkbar, ob Victor von Tunnuna Prokopios’ Anekdota nicht doch kannte – letztlich ist der Hinweis aber zu vage für eine solche Annahme, zumal die Formulierungen sonst verschieden sind (s. auch o. S. 113 [Anm. 119]).
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der Chronik hier jedenfalls ein Anfang gesetzt – ein Anfang in Bezug auf das, was in der Chronik folgt, den Streit um die Drei Kapitel. Diesem Anfang der „Schlechtigkeiten“778 folgt nichts Gutes, sondern eine Katastrophe: Konkret wird hier auf eine Pestepidemie angespielt, die 541 in Ägypten begann und spätestens 542 Konstantinopel erreichte.779 Eine verheerende, tatsächlich weite Teile der bekannten Erde umfassende und den Menschen damals wohl höchst unverständliche780 Naturkatastrophe in Form einer tödlichen Krankheit781 wird hier also als Folge der heimlichen Intrigen um Vigilius und Theodora, als Folge der grundsätzlichen Verurteilung der Drei-Kapitel und der geheimen Absage an Chalcedon, und damit des Beginns des Drei-Kapitel-Streites dargestellt. Als Folge des Beginns dieser „Schlechtigkeiten“ ist sie so auch der Marker einer Zäsur.782 Bereits zuvor in der Chronik wurde v. a. im Kontext der Herrschaft des ChalcedonGegners Anastasius von mehreren (Natur-) Ereignissen berichtet, die als eine Art Strafwunder gedeutet werden können, auch wenn sie nicht explizit auf ein Handeln Gottes Bezug nehmen.783 Dies ist auch hier der Fall, wobei die Folgen mit dem „Hinwegraffen“ der halben Menschheit an dieser Stelle deutlich drastischer sind: Auch hier wird die tödliche Krankheit zwar nicht direkt als Strafe Gottes dargestellt, erscheint aber als Folge gleichsam häretischer, die communio der Kirchen beschmutzenden Handlungen. Darin dann eine Art göttliche Strafe zu sehen liegt, selbst wenn das die Strafe schickende Subjekt (Gott) nicht direkt benannt wird, gerade im Kontext dieser Pestepidemie nahe.784 Im Kontext von Theodora entspricht dem auch, wie gleich zu 778 Im Liber pontificalis 61,3 (quia male agit cum seruis tuis Romanis et cum ipsa plebe sua [297,2 Duchesne]) und 4 (Male fecisti Romanis [297,13 Mommsen]) wird erwähnt, dass Vigilius den Römern Schlechtes getan hat – hier allerdings aus dem Mund des Volkes im Zusammenhang mit Vigilius’ Verlassen der Stadt; vgl. Sotinel, „Vigilio“, 519. Für Chronicon 130 ist aber nicht anzunehmen, dass sich die exordia malorum nur auf das Papstamt des Vigilius beziehen, sondern eben auf den eigentlichen Drei-Kapitel- Streit, der hier seinen Anfang nimmt. 779 Zu dieser tödlichen Pest, die drastische Züge einer Epidemie annahm, vgl. auch Johannes Malalas, Chronographia 18,92.127; Marcellinus Comes, Chronicon a. 543,2; ausführlicher bei Evagrius Scholas ticus, Historia ecclesiastica 4,29; Prokopios von Caesarea, De bello Persico 2,22–23; Anekdota 4,1; vgl. auch den Bericht des Johannes von Ephesus in der Chronik von Zuqnîn. Vgl. Meier, Das andere Zeitalter, 321–340, 373–387; ders., „Die sogenannte Justinianische Pest“; ders., „Pestschilderungen“; Stein, Histoire du Bas-Empire 2, 756–760, 841; Placanica, „Note“, 120 (ad a. 542,2), jeweils auch mit weiteren Quellen; knapp auch Cardelle de Hartmann, „Notas críticas“, 89 (Anm. 18). 780 Vgl. dazu v. a. den Bericht bei Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 4,29. 781 Vgl. v. a. die Darlegung von Meier, Das andere Zeitalter, bes. 324–331. 782 Damit zeigt sich gleichzeitig auch bei Victor auf Tunnuna ein Blick auf diese Pest, den Meier, „Die sogenannte Justinianische Pest“, 107 für die unterschiedlichen Quellen zusammenfassend so benennt: „Sie markiert dabei eine deutliche Zäsur nicht nur für die Herrschaft Justinians“. 783 S. o. bes. Kap. 5.4.8. 784 Explizit wird die Pestepidemie auf Gott zurückgeführt bei Prokopios von Caesarea, De bello Persico, vgl. etwa 2,22,2 (249,17–20 Haury/Wirth; Übers. 355 Veh): τούτῳ μέντοι τῷ κακῷ πρόφασίν τινα ἢ λόγῳ εἰπεῖν ἢ διανοίᾳ λογίσασθαι μηχανή τις οὐδεμία ἐστὶ, πλήν γε δὴ ὅσα ἐς τὸν θεὸν ἀναφέρεσθαι. / „Für dieses Unglück jedoch kann man einen Grund weder nennen noch ausdenken, außer man sucht ihn bei Gott.“ Fatalistisch wird dies ausgedrückt bei Evagrius Scholasticus, Historia ecclesia
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sehen sein wird, die Notiz zu ihrem Tod.785 Eine Besserung derer, die damit letztlich mindestens implizit auch in der Chronik des Victor von Tunnuna als Verursacher der Pest beschuldigt werden786 i. S. einer Buße, um solche Folgen für die Zukunft abzuwenden, hat die Chronik hingegen nicht im Blick.787 Damit zeigt sich an dieser Stelle der Chronik auch ein spezifischer Umgang mit Naturkatastrophen, die kausal gedeutet in die Geschichte des Drei-Kapitel-Streites eingeflochten werden, wobei im Vordergrund nicht deren Bewältigung oder eine Art „Kaiser-Theodizee“ steht: Die Naturereignisse folgen auf Ereignisse im Kontext des Drei-Kapitel-Streites, werden also letztlich mit diesem bzw. mit einer Verurteilung der Drei Kapitel kausal zusammengestellt. Dies kann eine Drohung sein an die Gegner der Drei Kapitel – oder ein Beweis für die, die sie weiterhin verteidigen, dass sie auf der richtigen Seite stehen.788 Angemerkt sei noch, dass die Formulierung dieser Zäsur in der Chronik als „Anfänge dieser Schlechtigkeiten“ durch die Wortwahl Verknüpfungen mit anderen Aussagen in der Chronik, die das Konzil von Chalcedon betreffen, zeigt: Sorgt Marcian, der Kaiser, der das Konzil von Chalcedon einberief, damit „von den Anfängen seiner
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787 788
stica 4,29 (179,12–14 Bidez/Parmentier; Übers. 513 Hübner): Καὶ τὰ ἑξῆς δὲ ἄδηλα, ἐκεῖσε ἰόντα οὗ ὁ θεὸς εὐδοκήσει, ὁ καὶ τὰς αἰτίας ἐξεπιστάμενος καὶ ποῖ φέρονται. / „Was noch kommen wird, ist ungewiß, es wird so weitergehen, wie es Gott gefällt, der die Ursachen kennt und das Ziel.“ Vgl. auch Johannes von Ephesus in der Chronik von Zuqnîn, der die Pest v. a. als Strafe für die Sünden der Menschen versteht (vgl. Übers. 98 Witakowski); vgl. dazu Meier, Das andere Zeitalter, 334–336; ders., „Pestschilderungen“, 199. Meier betont auch die mentalitätengeschichtlichen Auswirkungen des Erdbebens, vgl. etwa Das andere Zeitalter, 335: Es sei anzunehmen, „dass sich Weltangst, konkreter werdende Endzeiterwartungen und Furcht vor direkter göttlicher Bestrafung einzelner zu einer beträchtlichen Unsicherheit gesteigert haben, die nicht ohne gravierende mentalitätengeschichtliche Folgen geblieben sein kann“. Betrachtet man die Darstellung bei Victor von Tunnuna unter diesem Aspekt, kann sie auch als einer der Versuche verstanden werden, für das katastrophale Geschehen der Pest eine Erklärung zu finden. S. u. Kap. 5.4.2.6. Auch auf das Konzil von 553 folgt mit einem Erdbeben ein solches Naturereignis; s. u. Kap. 5.7.3.3 zu Chronicon 147. Vgl. Meier, Das andere Zeitalter, 337, 339 (vgl. auch 591–593), der darauf hinweist, dass die Deutung der Pest dahingehend, dass diese als Strafe Gottes auch im Hinblick auf den Kaiser dessen (göttliche) Legitimation in Frage stellte, naheliegend war. Eine Rückführung von Naturkatastrophen auf einen schlechten Herrscher in diesem Sinn sei seit der Antike oft bezeugt (vgl. dazu auch Sonnabend, „Hybris und Katastrophe“, der dies für Xerxes, Nero und Justinian aufzeigt; vgl. auch Sonnabend, Naturkatastrophen, 148–153). Justinian selbst antworte bspw. mit Nouellae Iustiniani 77 auf solcherart Kritik, indem er die Verantwortung für die Pest (zudem für Hungersnot und Erdbeben) dort blasphemischen Umtrieben zuschreibe. Bei Victor von Tunnuna ist die Pest freilich im Folgenden kein Thema mehr, diese konkrete Spur (Verbindung der Pest mit der Infragestellung der kaiserlichen Legitimation) wird in der Chronik also nicht weiter verfolgt. Hinsichtlich der Kaiserin steht nicht ihre Verantwortlichkeit für die Pest im Vordergrund, auch wenn die Kritik an ihr durch diese drastische Folge des „Beginns der Schlechtigkeiten“ freilich noch verstärkt wird. Von Verhaltensänderungen der Menschen allgemein i. S. einer Buße aufgrund der Pest berichtet Prokopios von Caesarea, De bello Persico 2,23,13–16; vgl. auch Johannes von Ephesus in der Chronik von Zuqnîn (Übers. 94 Witakowski); vgl. Meier, Das andere Zeitalter, 375. S. u. dazu im Schlusskapitel 6.
396
Die erzählte Geschichte der Chronik
Herrschaft für Frieden der Kirchen“789, stehen diesem Frieden von Anfang an790 hier die auf Kaiserin und Papst zurückzuführenden „Anfänge der Schlechtigkeiten“ gegenüber, ein Hinweis auch darauf, dass der mit Chalcedon geschlossene Friede nun erst einmal vorbei ist. Auch den in Chalcedon „endgültig“ festgestellten Beschlüssen791 stehen die exordia malorum gegenüber.792 Als Kaiserin wird Theodora damit zu einer Art Anti-Marcian – Justinian agiert dann zwar später auch gegen die Drei Kapitel, aber Theodora setzt zusammen mit Vigilius den ersten konkreten Schritt und ist eben verantwortlich für die „Anfänge der Schlechtigkeiten“. 5.7.2.6 Der Tod der Theodora Der negativen Darstellung Theodoras entspricht wenig später in der Chronik ihr ungeheuerlicher Tod: Theodora Augusta Calcidonensis sinodi inimica canceris plaga corpore toto perfusa uitam prodigiose finiuit.793 Theodora bleibt bis zum Tod „Feindin Chalcedons“ – und dieser Tod hat eine bestimmte Konnotation. Während Prokopios von Caesarea schlicht den Tod Theodoras an einer Krankheit bezeugt,794 beendet Theodora nach Victor von Tunnuna ihr Leben prodigiose, und damit nicht anders als der oben 789 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 8 (5,50–52 Cardelle de Hartmann): Qui in ipsa regni sui exordia ecclesiarum paci prospiciens Calcidonia fieri sinodum imperiali auctoritate denunciat. / „Er sorgte von den selben Anfängen seiner Regierung für Frieden der Kirchen und kündigte mit kaiserlicher Autorität an, dass eine Synode in Chalcedon stattfinden werde.“ 790 S. auch o. Kap. 5.1.3, bes. S. 242–243 zum Frieden der Kirchen als Aufgabe sowohl für den Kaiser als auch für den Papst. 791 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 10 (6,69–71 Cardelle de Hartmann): Omnia que ad statum ecclesie pertinent disposita sunt ratumque terminum susceperunt. / „Es wurden alle Dinge, die zum Bestand der Kirche gehören, geordnet, und empfingen das rechtskräftige Ende.“ 792 Eine ähnliche Formulierung zu den mala findet sich außerdem in Chronicon 14, wo von Valentinians Ermordung sowie dem Überfall Geiserichs auf Rom berichtet wird: Hic itaque malum quod latebat apparuit. […] Sed his malis peiora succedunt (7,86–89 Cardelle de Hartmann). Vgl. auch Chronicon 68 (21,352–353 Cardelle de Hartmann): [Anastasius] sententiam mutat in peius, ut Calendio quidem de malis ad peiora ducatur. S. o. S. 235, 285. 793 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 140 (46,819–820 Cardelle de Hartmann): „Die Augusta Theodora, Feindin der Synode von Chalcedon, beendete das Leben auf ungeheuerliche Art, nachdem die Krankheit des Krebses sich im ganzen Körper ausgebreitet hatte.“ 794 Prokopios von Caesarea, De bello Gothico 3,30,4 (426,21–22 Haury/Wirth): ἡ δὲ βασιλὶς Θεοδώρα νοσήσασα ἐξ ἀνθρώπων ἠφάνιστο. / „Die Kaiserin Theodora aber war krank und verschwand von den Menschen.“ Die Anekdota des Prokopios erwähnen den Tod Theodoras nur beiläufig, vgl. etwa Anekdota 5,23. Vgl. auch die knappen Notizen zum Tod Theodoras bei Johannes Malalas, Chronographia 18,104; Theophanes, Chronographia a. m. 6040 (dort stirbt Theodora εὐσεβῶς [226,9 de Boor]); Agnellus, Liber pontificalis ecclesiae Ravennatis 62. Vgl. Placanica, „Note“, 123 (ad a. 549,2), dort auch zur unterschiedlichen Datierung in den Quellen; zum Tod vgl. auch Leppin, Justinian, 288; Meier, Das andere Zeitalter, 404 (Anm. 310), der in Bezug auf Prokopios von Caesarea von einer Darstellung „en passant“ schreibt, die Krankheit sei eine „natürliche Erklärung“ des Todes. Zu Spekulationen um die genaue Todesursache von Theodora vgl. bspw. Evans, The Empress Theodora, 103–104.
Damnatores et defensores trium capitulorum: Die Geschichte des Drei-Kapitel-Streites
397
unter Anastasius genannte „Arianer“ Olimpius, dessen Tod prodigiose geschah, weil er der heiligen Trinität gelästert hatte.795 Wie dort lässt auch hier das Adverb prodigiose an ein unheilvolles Zeichen göttlichen Ursprungs, und in diesem Sinn an eine göttliche Bestrafung denken.796 Jedenfalls hat die Initiierung des Drei-Kapitel-Streites nicht nur eine gravierende Folge für den ganzen Erdkreis, sondern die Herrschaft Theodoras als Feindin Chalcedons hat auch eine unmittelbare „ungeheuerliche“ und unheilvolle Folge für die Kaiserin selbst797 – eine deutliche Kritik an ihr, und zwar noch in ihrem Tod nicht grundsätzlich, sondern konkret als Feindin Chalcedons. Theodoras Tod steht zudem in einer Reihe von schändlichen Toden für Chalcedon-Gegner oder Verurteiler der Drei Kapitel in der Chronik.798 Die Herrschaft der Feindin Chalcedons ist mit dem Tode Theodoras jedenfalls beendet. Eröffnet aber ist der Drei-Kapitel-Streit im eigentlichen Sinn – er bestimmt nun die weiteren Nachrichten in der Chronik. Zugrunde liegen ihm, und das zeigt besonders Chronicon 130, das Handeln der Kaiserin und des Papstes. Auch der Kaiser selbst agiert zwar im Folgenden gegen die Drei Kapitel,799 der Fokus der Chronik liegt dann aber auf einem anderen konkreten Konflikt, der mit dem Kaiser nur mittelbar zu tun hat: Der Kontext Africa rückt nun in den Mittelpunkt der erzählten Geschichte der Chronik. 5.7.3 Der Drei-Kapitel-Streit: Eine nordafrikanische Geschichte zwischen defensores und praeuaricatores Nach dem Auftakt zum Drei Kapitel Streit durch die geheime Abmachung zwischen Theodora und Vigilius in Chronicon 130 gehen die verschiedenen Erzählfäden der Chronik mehr und mehr zusammen: Es gibt nur noch wenige Nachrichten, die nichts mit dem Drei-Kapitel-Streit zu tun haben. Dies gilt auch für Nachrichten, in denen der Kaiser, Justinian, eine Rolle spielt. Der Schwerpunkt der Notizen nach Chronicon 130 795 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 80; s. o. Kap. 5.4.8. 796 Vgl. TLL, s. v. „prodigiosus, adv. prodigiose“: „strictius, i. q. ita, ut signum divinum fiat“. Vgl. auch Heinzelmann, „Die Funktion des Wunders“, 25–32. Vgl. auch kurz und grundsätzlich Distelrath, „Prodigium“; vgl. dazu auch Placanica, „Note“, 123 (ad a. 549,2). Zumindest implizit ist damit auch hier einmal mehr an eine Anspielung auf ein konkretes Wirken Gottes in der Geschichte zu denken. 797 Meier, Das andere Zeitalter, 336, weist auf die verschiedenen Möglichkeiten der Deutung der Pest von 541/542 in den Quellen hin, als „Individualstrafe“ oder als „Kollektivstrafe“, wobei die erste Deutung „gefährliche Spielräume für massive Kaiserkritik“ geboten habe; s. auch schon o. Anm. 786. Auch wenn bei Victor von Tunnuna nicht die Pest selbst die Strafe für die Kaiserin ist, lässt sich in ihrem Tod, der doch auch durch eine Krankheit hervorgerufen wird, eben durchaus eine Strafe für ihr vorheriges Handeln als Feindin Chalcedons sehen. 798 Vgl. die Reihe von Anastasius über Hunerich und Olimpius bis zu Theodora, vgl. dann auch Vigilius, Datius von Mailand, Firmus und Primasius. 799 Zur Frage, ob er nach der Chronik dahingehend von Theodora beeinflusst wurde, s. kurz u. Anm. 804.
398
Die erzählte Geschichte der Chronik
liegt freilich auf Nachrichten, die die Kirche(n) betreffen. Zudem spitzt sich der Fokus mehr und mehr regional zu und richtet sich auf Nordafrika: Die Geschichte des DreiKapitel-Streites ist bei Victor von Tunnuna v. a. eine Geschichte der Kirchen Nordafrikas und ihres Widerstandes im Drei-Kapitel-Streit. Auch für andere Akteure wie etwa den Bischof von Mailand wird zum Teil noch ihre Haltung gegenüber den Drei Kapiteln notiert, sonstige Nachrichten gibt es nur punktuell. Ein erster Überblick zeigt diesen Fokus:800 Chronicon
Jahr801
Der Drei-Kapitel-Streit
Sonstiges802
Ereignis/Inhalt bezogen Ereignisse ohne (direkauf Africa ten) Bezug zu Africa 132
544
Vigilius wird von Justinian zur Verurteilung der Drei Kapitel nach Konstantinopel gerufen.
133
544
135
546
137
548
138
548
139
549
Widerstand gegen die Verurteilung der Drei Kapitel in Illyrien.
140
549
Der Tod Theodoras.
141
550
Verurteilung des Vigilius durch eine afrikanische Synode.
142
550
Facundus von Hermiane und seine Bücher.
Macarius als Bischof von Jerusalem. Ferrandus von Karthago. Justinian zwingt alle Bischöfe, die Drei Kapitel zu verurteilen. Domninus als Bischof von Antiochien.
800 Daher können hier die nordafrikanischen Ereignisse auch nicht wie zuvor (Kap. 5.5) in einem separaten Kapitel behandelt werden. 801 Nach der Datierung in der Ausgabe Cardelle de Hartmanns. 802 Die Ereignisse, die oben als „Ausläufer“ der Vandalenherrschaft verstanden wurden (Aufstände unter Stotzas und Guntharith), werden hier nicht noch einmal aufgeführt.
Damnatores et defensores trium capitulorum: Die Geschichte des Drei-Kapitel-Streites
Chronicon
Jahr801
Der Drei-Kapitel-Streit
399
Sonstiges802
Ereignis/Inhalt bezogen Ereignisse ohne (direkauf Africa ten) Bezug zu Africa 143
551
144
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145
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552
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554
149
554
150
554
151
554
152
555
Der Kaiser ruft afrikanische Bischöfe nach Konstantinopel. Ersatz des Appollinarius von Alexandria durch Zoilus aufgrund seiner Weigerung zur Verurteilung der Drei Kapitel. Die Bischöfe in der Proconsularis, in Numidia und in der Byzacena und die Drei Kapitel. Eustochius als Bischof von Jerusalem. Das 2. Konzil von Konstantinopel und der Widerspruch aus Africa. Exil des Frontin[ian]us von Salona aufgrund seiner Haltung gegenüber den Drei Kapiteln. Die Bischöfe aus der Proconsularis werden durch die Gemeinschaft mit Primosus verunreinigt. Tod des Datius von Mailand am selben Tag wie seine Verurteilung der Drei Kapitel. Narses siegt gegen Totila, den König der Goten. Die Bischöfe aus Numidia werden durch Primosus verunreinigt und zu praeuaricatores.
400 Chronicon
Die erzählte Geschichte der Chronik
Jahr801
Der Drei-Kapitel-Streit
Sonstiges802
Ereignis/Inhalt bezogen Ereignisse ohne (direkauf Africa ten) Bezug zu Africa 153
555
Das Exil des Victor von Tunnuna und des Theodor von Cebarsussa.
154
555
155
556
Die gewalttätige Amtsführung des Primosus von Karthago.
156
556
Das weitere Schicksal des Victor von Tunnuna und des Theodor von Cebarsussa.
157
557
Der Tod des Vigilius unter Exkommunikation der Bischöfe Africas.
158
557
Der Tod des Felix Gillitanus.
159
558
Pelagius wird als Verurteiler der Drei Kapitel Bischof von Rom.
160
559
Abfall der Bischöfe Illyriens von der Verteidigung der Drei Kapitel.
161
559
Die Hunnen in Armenien.
162
560
Belisar siegt gegen die Bulgaren.
163
561
Überführung des Leichnams des Antonius nach Alexandria.
164
562
Anastasius als Bischof von Antiochien.
Das weitere Schicksal des Frontin[ian]us von Salona.
Damnatores et defensores trium capitulorum: Die Geschichte des Drei-Kapitel-Streites
Chronicon
Jahr801
Der Drei-Kapitel-Streit
401
Sonstiges802
Ereignis/Inhalt bezogen Ereignisse ohne (direkauf Africa ten) Bezug zu Africa 165
563
Der Tod des Reparatus von Karthago.
166
563
167
563/564
168
563/564
169
564/565
170
565/566
171
565/566
172
566/567
Der Tod Justinians.
173
566/567
Der Tod des Theodor von Cebarsussa.
174
566/567
Die Übernahme der Herrschaft durch Justin II.803
Justinian empfängt Gesandte des Volkes der Abarer. Johannes wird Bischof von Rom als Nachfolger des Pelagius. Macarius erneut als Bischof von Jerusalem. Victor von Tunnuna, Theodor von Cebarsussa und andere afrikanische Bischöfe in Konstantinopel bei Kaiser Justinian. Das Exil des Eutychius von Konstantinopel. Aufruhr durch die „Grünen“ in Konstantinopel.
5.7.3.1 Justinian als Akteur gegen die Drei Kapitel (Chronicon 132–137) Mit Chronicon 130 (im zweiten Jahr nach dem Konsulat des Basilius, d. h. im Jahr 542 nach unserer Zeitrechnung) beginnt, wie nun gesehen, in der Darstellung der Chro-
803 Dazu s. Kap. 5.8.
402
Die erzählte Geschichte der Chronik
nik der Drei-Kapitel-Streit im engeren Sinne. Dieser Beginn wird nicht mit Justinian verbunden, sondern mit Theodora, die den Bischof von Rom Vigilius dazu bringt, zu versprechen, die Drei Kapitel schriftlich zu verurteilen, was für Victor einer Ächtung Chalcedons gleichkommt (vgl. Kap. 5.7.2). Der Kaiser folgt nun aber der Kaiserin und agiert selbst gegen die Drei Kapitel – und zwar wie Theodora mittels des Bischofs von Rom804: Nach der dazwischen geschobenen ersten Nachricht über den Aufstand des Stotzas805 wird in Chronicon 132 für das Jahr 544 nach unserer Zeitrechnung notiert, dass Justinian nun selbst den Bischof von Rom, Vigilius, dazu gedrängt habe, nach Konstantinopel zu kommen und die Drei Kapitel zu verurteilen: Iustinianus imperator, Accephalorum subreptionibus instigatus, Vigilium Romanorum episcopum subtiliter compellit ut ad urbem regiam properaret et sub specie congregationis eorum qui ab ecclesie sunt societate diuisi tria capitula condempnaret.806
Vigilius soll nun nach Chronicon 132 die Drei Kapitel unter einem bestimmten „Anschein“ verurteilen (sub specie congregationis eorum qui ab ecclesie sunt societate diuisi), d. h. er soll vorschieben, dass sein Ziel die Vereinigung mit den von der Gemeinschaft der Kirche Getrennten ist, wobei das eigentliche Ziel nach der Darstellung der Chronik freilich die Verurteilung der Drei Kapitel bleibt. Diesem „Anschein“ enstpricht inhaltlich das in Chronicon 130 Geschilderte: Dort wird der zitierte Vigilius-Brief, der Theodosius, Anthimus und Severus wieder als „Katholiken“ anerkennt (das bedeutet eine Vereinigung mit denen, die von der Gemeinschaft der Kirche getrennt sind), als Erfüllung des Versprechens gegenüber Theodora, die Drei Kapitel zu verurteilen, dargestellt.807 Dass Vigilius die Verurteilung wirklich durchführt, ist auch in Chronicon 132
804 Eine direkte Beeinflussung Justinians durch Theodora wird allerdings in der Chronik nicht erwähnt. Zum direkten antichalcedonensischen Einfluss einer Kaiserin auf den Kaiser vgl. die singuläre Nachricht von Verina und deren Einfluss auf Kaiser Leo bei Pelagius Diaconus, In defensione trium capitulorum 6 (61,2–22 Devreesse), wo von Verina gesagt wird, sie habe die Revidierung der Konzilsbeschlüsse für nötig befunden (debere causas, quae apud Calchedonam finite fuerant, retractari [61,17–18 Devreesse]). Vielleicht wollte Paulus Diaconus „mit seinem Hinweis auf Verina und Leo eine verdeckte Anspielung auf Theodora und Justinian […] machen […], indem er ein historisches Exempel für den ‚unguten‘, letztlich aber erfolglosen Einfluss einer Kaiserin auf einen ‚guten‘ Kaiser konstruierte“ (Siebigs, Kaiser Leo I., 318 [Anm. 173]). 805 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 131. 806 Victor von Tunnuna, Chronicon 132 (44,786–791 Cardelle de Hartmann): „Kaiser Justinian nötigte, angestachelt durch den Betrug der Akephalen, Vigilius, den Bischof der Römer, auf scharfsinnige Weise, zur Königsstadt zu eilen und die Drei Kapitel zu verurteilen unter dem Anschein der Vereinigung derer, die von der Gemeinschaft der Kirche abgetrennt sind.“ 807 Dass hier das eine (die Vereinigung mit den von der Gemeinschaft der Kirche Getrennten) mit dem anderen (die Verurteilung der Drei Kapitel) anders als in Chronicon 130 in ein direktes Verhältnis gesetzt wird, als Teil eines Plans, einen bestimmten Anschein zu erwecken, ist ein Hinweis darauf, dass das in Chronicon 130 Geschilderte eben in diesem Verhältnis gesehen werden konnte und nicht notwendigerweise als verschiedene Sachverhalte.
Damnatores et defensores trium capitulorum: Die Geschichte des Drei-Kapitel-Streites
403
nicht vermerkt. In Chronicon 141 wird diese Verurteilung dann jedoch vorausgesetzt, ohne dass die Haltung des Bischofs von Rom zwischendurch noch einmal aufgegriffen würde.808 Von der Darstellung der Chronik her hat Vigilius aber sowieso das Versprechen zur Verurteilung der Drei Kapitel Theodora gegenüber längst gegeben, und ebenso befindet er sich durch seinen Brief an Theodosius, Anthimus und Severus schon längst in schlechter societas.809 So lässt sich sagen, dass Vigilius nach Darstellung der Chronik die in Chronicon 132 genannte Forderung Justinians bereits erfüllt hat. Tatsächlich kam Vigilius erst im Januar 547 nach Konstantinopel und verurteilte die Drei Kapitel erstmals öffentlich im April 548 durch sein (nur in Auszügen erhaltenes) Iudicatum.810 Es ist einerseits denkbar, dass Chronicon 132 darauf anspielt. Andererseits könnten sich hier aber auch die beiden (im Wesentlichen identischen) Briefe spiegeln (zu datieren auf 547), die beim Konzil von Konstantinopel 553 als geheime Briefe des Vigilius an Justinian und an Theodora, geschrieben vor dem Iudicatum, zitiert werden. Diese Briefe verurteilten die Drei Kapitel schon vor dem Konzil.811 Wichtiger als die Frage, welche konkrete Aktion des Vigilius hier gemeint sein könnte, ist aber im Kontext der Chronik, dass Justinian nun zum ersten Mal in der Chronik selbst als Gegner der Drei Kapitel in den Blick gerät.812 Zunächst ist dazu zu bemerken, dass Justinian nach Chronicon 132 nicht völlig eigenständig handelt, son-
808 Zu Chronicon 141 s. u. Kap. 5.7.3.2. 809 Ein Unterschied zwischen societas und communio ist in der Chronik höchstens ansatzweise erkennbar: Societas wird in der Chronik noch in Chronicon 58 verwendet, und zwar parallel zu communio, wenn berichtet wird, dass Acacius von Konstantinopel in einem Brief von Felix von Rom ermahnt wurde, sich der Gemeinschaft mit den Gegnern Chalcedons zu enthalten (a damnatorum sinodi Calcidonensis communione atque societate abstineat [18,296–297 Cardelle de Hartmann]). Communio und societas erscheinen hier parallel. Wenn es sich hier nicht schlicht um eine pleonastische Formulierung handelt, v. a., da aus Chronicon 58 (und 132) nicht deutlich wird, worin der Unterschied genau besteht, könnte als Unterscheidung zwischen den Begriffen höchstens angenommen werden, dass communio deutlicher die Konnotation der kirchlichen (Abendmahls-) Gemeinschaft hat, wohingegen societas v. a. allgemein eine (gesellschaftliche) Verbindung meint, vgl. Georges, Handwörterbuch, s. v. „societas“; s. auch u. den Exkurs in Kap. 5.7.3.4 u. a. zu communio. 810 S. o. S. 83–84. 811 Vgl. ACO 4,1 (Actio 7,6–7 [187,21–188,21 Straub]); vgl. auch Price, The Acts of Constantinople 553 1, 46, 79–81 mit den entsprechenden Anmerkungen. Ob die Briefe tatsächlich von Vigilius stammen, ist umstritten; s. dazu auch o. S. 73, 384 (Anm. 734). 812 Möglicherweise abgesehen von Chronicon 120, wo die genaue Bedeutung aber unklar ist; s. o. Kap. 5.7.1.4.
404
Die erzählte Geschichte der Chronik
dern Accephalorum subreptionibus instigatus. Er wurde also selbst durch andere, nämlich die Akephalen,813 angestachelt.814 Victor von Tunnuna könnte mit diesem Hinweis auf das Betreiben der Akephalen die Aufmerksamkeit von Justinian weglenken, um ihn als Kaiser nicht direkt anzugreifen.815 Möglich ist auch, dass er kein Interesse daran hat, den Kaiser zu beschuldigen, weil er eher ein positives Kaiserbild zeichnen möchte.816 Dennoch bleibt der Kaiser hier implizit ein aktiv Handelnder – er lässt sich mindestens durch die Akephalen anstacheln; als starker orthodoxer Herrscher, der den „katholischen“ Glauben verteidigt, erscheint er hier in keinem Fall. Insofern enthält Chronicon 132 trotz des Hinweises auf die Akephalen eine deutliche Spitze gegen den Kaiser. In jedem Fall wird er als gegen die Drei Kapitel in den Streit eingreifende Person geschildert. Dass trotz der Erwähnung des Betreibens der Akephalen in der Darstellung von Chronicon 132 Kritik am Kaiser enthalten ist, zeigt auch ein Blick auf eine ähnliche Formulierung bei Facundus von Hermiane: Bei Facundus von Hermiane, der bei der Schilderung des Kaisers im Drei-Kapitel-Streit besonders das Agieren von Hintermännern im Umfeld Justinians betont,817 findet sich in Pro defensione trium capitulorum,
813 Die Akephalen kommen nur an dieser Stelle in der Chronik vor. Eigentlich handelt es sich bei ihnen um eine Gruppierung der Miaphysiten, die sich von Petrus Mongus trennte, als dieser das Henotikon unterschrieb; vgl. insgesamt die Angaben der Quellen bei Placanica, „Note“, 121 (ad a. 544,1), dort auch zu weiteren Quellen: Vgl. Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 3,16; PsZacharias Rhetor, Historia ecclesiastica 5,9; 6,1. Im Kontext des Drei-Kapitel-Streites erklärt Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 1,5,6 (29,33–39, hier 37–39 Clément/Vander Plaetse; Übers. 225 Fraïsse-Bétoulières) ihren Namen damit, dass sie sich nicht auf das wahre Haupt der „katholischen“ Kirche, sondern auf Eutyches beziehen: tamquam sine capite remanentes, Acephali uocantur a Graecis, quos significantius nos Semieutychianos possumus appellare. / „ils demeurent sans tête et sont appelés acéphales par les Grecs, mais nous pouvons les appeler de façon plus expressive semi-eutychiens“. Der Begriff wird bei Facundus aber auch benutzt, um sich allgemein auf Miaphysiten zu beziehen, vgl. etwa Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 1,5,33; 10,1,18; v. a. 12,4,1–3, wo behauptet wird, Zeno hätte durch das Henotikon die Akephalen aufgefordert, wieder zur Kirche zurückzukehren. Auch bei Liberatus von Karthago, Breuiarium werden die Accephali an mehreren Stellen erwähnt, parallelisiert mit den Anhängern des Eutyches etwa in Breuiarium 3. In Breuiarium 24 tritt Theodor Askidas – der bei Victor von Tunnuna keine Rolle spielt – als ihr Kollaborateur auf, der mit Unterstützung von Theodora dem Kaiser rät, zur Versöhnung mit den Akephalen die Drei Kapitel (genauer: Theodor von Mopsuestia und den Brief des Ibas von Edessa) zu verurteilen, damit auch die Akephalen die Synode von Chalcedon annehmen – auch hier sind wohl allgemein „Antichalkedonier“ (Gleede, „Liberatus’ Polemik“, 128) gemeint. In diesem Sinn dürfte auch in Chronicon 132 der Begriff Accephali verwendet sein. Darauf weist auch hin, dass die mit den Accephali hier verbundene subreptio im Kontext des Drei-KapitelStreites etwa von Facundus von Hermiane öfter allgemeiner mit haeretici verbunden wird (vgl. Pro defensione trium capitulorum 2,1,2; 3,5,13; 4,3,6; 5,5,20). Zur subreptio bei Facundus vgl. auch Speigl, „Das Ringen des Facundus von Hermiane“, 53. 814 Theodora handelte in Chronicon 130 hingegen zumindest im zweiten Schritt (nach der Vorbereitung der „Falle“ durch ihre factio) selbst. 815 S. o. S. 369–370 (Anm. 665) zu factio Theodoras. 816 S. o. Kap. 2.3.4 zur Sicht von Facundus von Hermiane und Liberatus von Karthago auf Justinian. 817 S. dazu o. S. 81–82.
Damnatores et defensores trium capitulorum: Die Geschichte des Drei-Kapitel-Streites
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praefatio ein ähnlicher Bezug auf die subreptiones Accephalorum, die zur Zerstörung des Konzils von Chalcedon hinterlistig einige (andere [per quosdam]) benutzt haben (Cum in praeiudicium sancti concilii Chalcedonensis impugnatores eius Acephali per quosdam subriperent).818 Bei Victor von Tunnuna sind es aber nun nicht quidam, welche die Accephali hinterhältig benutzen, vielmehr wird der Kaiser selbst direkt und namentlich von ihnen subreptionibus angestachelt.819 Die Kritik am Kaiser ist somit im Gegenüber zu dieser Stelle aus Pro defensione trium capitulorum, die sich mit einer sonst ähnlichen Formulierung über die Nennung von quidam auf das kaiserliche Handeln bezieht, bei Victor von Tunnuna offensichtlicher. Es stecken wie bei Facundus Accephali hinter einer Aktion gegen die Drei Kapitel, diese agieren aber in der Chronik direkt in Bezug auf den Kaiser und nicht über den Umweg von Hintermännern (quidam). Unabhängig von der Frage nach den „Hintermännern“ wurde eine weitere Formulierung aus Chronicon 132 als eine deutliche Beschuldigung des Kaisers gedeutet, nämlich die Formulierung subtiliter compellit: Placanica sieht darin einen schweren Vorwurf an Justinian, der hier mit der subtilitas des Merkmals eines Häretikers bezichtigt werde.820 Placanica verweist dabei auf einen Beitrag von Charles Pietri. Dessen Belege für den Zusammenhang zwischen subtilitas und Häresie beziehen sich allerdings auf eine scharfsinnige Argumentation im Gegenüber zur schlichten Einfachheit der Orthodoxen, nicht auf ein generelles und grundsätzliches Merkmal von Häretikern.821 Die Formulierung in der Chronik Victors weist aber nicht auf einen solchen Gegensatz hin.822 Allein aus dem Gebrauch von subtiliter kann daher nicht geschlossen werden, dass Justinian in Chronicon 132 als Häretiker präsentiert werden soll.823
818 Vgl. Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum, praefatio (3,1–2 Clément/Vander Plaetse; Übers. 141 Fraïsse-Bétoulières): „Pour nuire au saint synode de Chalcédoine, ses adversiares acéphales s’employaient sournoisement de quelques individus […]“). Damit spielt Facundus auf das erste Edikt Justinians gegen die Drei Kapitel an, gegen das er sich wendet (140 FraïsseBétoulières [apparatus ad locum, Anm. 1]). S. auch o. Kap. 3.3. 819 Abgesehen davon, dass bei Victor von Tunnuna das Handeln des Kaisers in Bezug auf Vigilius das Ziel der subreptiones Accephali ist, nicht sein Edikt gegen die Drei Kapitel. 820 Vgl. Placanica, „Note“, 121 (ad a. 544,1): „causa di eresia e nota distintivo dell’eretico“. 821 Vgl. Pietri, „L’hérésie“, (870–)871, 883–884. Im Codex Iustinianus 6,49,7 wird bspw. der zu große Scharfsinn von Juristen (nimia subtilitas [vgl. 249 Krüger]) kritisiert; vgl. Leppin, Justinian, 116 (mit Anm. 91); auch andere als Häretiker kann also dieser Vorwurf treffen. 822 Man könnte an einen impliziten Gegensatz zu Vigilius denken, allerdings hat dieser ja nach der Darstellung der Chronik die Drei Kapitel schon längst (heimlich) verurteilt (Chronicon 130), ein vermuteter Gegensatz von orthodoxem Papst zu häretischem Kaiser macht also an dieser Stelle keinen Sinn. 823 Auch die Belege für subtilitas bei Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum (3,4,62; 3,4,10; 7,1,1; 8,2,2; 8,2,8; 8,5,15; 9,2,4; 9,2,14; 9,3,4; 9,4,10; 10,6,2; 10,6,3; 10,7,14; 10,7,23) sind im Wesentlichen i. S. einer (durchaus positiv gesehenen) Scharfsinnigkeit zu verstehen, z. T. durch den Heiligen Geist vermittelt. In Pro defensione trium capitulorum 11,3,10 (340,75–77 Clément/Vander Plaetse) befürchtet die subtilis interrogatio die aufgedeckten Tricks der Häretiker, freut sich aber über die simplicitas der Katholiken, jedoch wird hier nicht den Häretikern selbst die subtilitas zu-
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Placanica weist für seine Argumentation noch auf eine weitere mögliche Anspielung der Formulierung subtiliter compellit hin: Sie spiele auf die Forma ante synodum Justinians an,824 in der der Kaiser über die Präsentation der Sache der Drei Kapitel gegenüber Vigilius schreibt: Et Vigilio […] cum ad regiam urbem peruenisset, de praedictis tribus impiis capitulis subtiliter omnibus manifestatis [et] interrogauimus eum, quid de hac causa sapit.825 Wenn Victor diesen Abschnitt aus der Forma ante synodum präsent gehabt habe, „il mutamento semantico cui l’avverbio viene sottoposto nel nuovo contesto colpisce ferocemente l’Imperatore teologo.“826 D. h. dann wohl: Die „scharfsinnige“ Darlegung der Sache an Vigilius, der dann (aus Sicht der Forma eben aufgrund einer scharfsinnigen, detaillierten Argumentation) der Verurteilung der Drei Kapitel zustimmt, würde durch die Aufnahme durch Victor von Tunnuna in Chronicon 132 zum mit Scharfsinn oder mit Bestimmtheit827 ausgeführten kaiserlichen Drängen zur Verurteilung unter einem Vorwand, mit einem vorgeschobenen Ziel. Dies würde gleichzeitig den Kaiser beschuldigen (als „Bedränger“) und den römischen Bischof entlasten – oder ihn jedenfalls als Opfer dieses kaiserlichen scharfsinnigen Drängens darstellen. Dass Victor von Tunnuna diese Formulierung der Forma ante Synodum kannte und hier präsent hatte, ist möglich – immerhin ist der Kontext ähnlich, wenn auch nicht völlig identisch –, vom Text her freilich nicht zwingend. Neben dem Adverb subtiliter finden sich als wörtliche Enstprechungen nur die urbs regia sowie die tria capitula. Insgesamt bleiben die Argumente dafür, dass durch Formulierung subtiliter compellit auf Justinian dezidiert als einen Häretiker angespielt werden soll, eher schwach. Dennoch zeigt sich in Chronicon 132 Kritik am kaiserlichen Handeln: Neben dem Umstand, dass Justinian sich durch die Accephali überreden lässt, führt eben das subtiliter compellit ja offenbar tatsächlich zur Verurteilung der Drei Kapitel durch Vigilius. Dass hier Kritik am Kaiser mitschwingt, zeigt auch nochmals ein Vergleich mit Facundus von Hermiane, der bezüglich des Kommens des Vigilius nach Konstantinopel deutlich zurückhaltender schreibt: adductus est Romanus episcopus.828 Das Subjekt, bei
geschrieben. Auch hier ist also keine Grundsätzlichkeit in Bezug auf die Verbindung von subtilitas mit Häretikern oder Häresie erkennbar. 824 Der Brief Justinians an das Konzil von Konstantinopel 553, mit dessen Verlesung das Konzil eröffnet wurde (= ACO 4,1 [8,13–14,28 Straub]); vgl. zur Einführung kurz Price, The Acts of Constantinople 553 1, 183. 825 Justinian, Forma ante synodum 10 (ACO 4,1 [11,10–12 Straub; Übers. 1,193 Price]): „When Vigilius […] came to the imperial city, everything was shown to him in detail about the aforesaid impious Three Chapters, and we asked him his opinion in this case.“ 826 Placanica, „Note“, 121 (ad a. 544,1). 827 Vgl. auch das in Georges, Handwörterbuch, s. v. „subtilitas II“ (übertragener Sinn) aufgezeigte Bedeutungsspektrum: „Feinheit im Denken u. Handeln, die Gründlichkeit, Genauigkeit, der Scharfsinn, die Bestimmtheit, die Schärfe im Ausdruck“; aber auch „die Schlichtheit des Ausdrucks, die natürliche Einfachheit, Naivetät“. 828 Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum, praefatio 2 (3,11–12 Clément/Vander Plaetse; Übers. 141 Fraïsse-Bétoulières [vgl. 140–141 (Anm. 4)]): „on amena l’évêque de Rome“.
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Victor von Tunnuna eben Justinian, wird ebenso verschwiegen wie der „scharfsinnige Zwang“, der Vigilius nach Konstantinopel treibt.829 Auch wenn nach der Darstellung der Chronik Justinian erst an zweiter Stelle, nach dem, was Theodora vorbereitet hat, in den Drei-Kapitel-Streit eingreift, sind nun mit Chronicon 132 beide, Theodora und Justinian, zusammen mit dem Bischof von Rom Vigilius nicht nur in den Drei-Kapitel-Streit involviert, sondern es ist auch klar, auf welcher Seite sie stehen. Die folgenden Nachrichten, in denen Kaiser Justinian erwähnt wird, zeigen ihn dann entsprechend (fast) ausschließlich als Akteur im Drei-KapitelStreit. Andere Schauplätze spielen keine Rolle mehr.830 Kurz nach der Eröffnung des Drei-Kapitel-Streites in Chronicon 130 und 132831 sticht aber nach der Chronik zunächst eine weitere wichtige nordafrikanische Persönlichkeit heraus: Ferrandus Cartaginis ecclesie diaconus clarus habetur.832 Mit Ferrandus von Karthago (gest. 546/547)833 wird hier – nach Eugenius von Karthago und Fulgentius von Ruspe834 – ein weiterer nordafrikanischer Theologe durch die Formulierung clarus habetur (claruit) charakterisiert bzw. qualifiziert. Über Schriften oder weitere Taten des Ferrandus wird nichts notiert.835 Das clarus habetur reicht aus, um Ferrandus hervorzuheben: Ferrandus wird dadurch einerseits mit Eugenius, dem Bekenner, und Fulgentius, dem glänzenden Lehrer, beide aus der Zeit unter der Vandalenherrschaft,
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Vgl. auch Facundus von Hermiane, Contra Mocianum 43 (410,369 Clément/Vander Plaetse; Übers. 259 Solignac): ueniens in regiam ciuitatem / „arrivant [=Vigilius] dans la cité imperiale“. Von einem gegenüber Vigilius ausgeübten Zwang bezüglich seiner Verurteilung der Drei Kapitel, allerdings passivisch formuliert, berichtet auch der Brief an die fränkischen Gesandten (Epistula legatariis [19,24–27 Schwartz; Übers. 1,166 Price]): […] tamen coepit iterum saepe dictus beatissimus papa Vigilius ad hoc compelli, ut absolute ipsa capitula sine synodi Calchidonensis mentione damnaret. / „ […] yet the oft-mentioned most blessed Pope Vigilius began again to be driven to this – to issue an unqualified condemnation of the chapters without any mention of the Synod of Chalcedon.“ Vgl. auch ebd. (19,11–12 Schwartz; Übers. 1,165 Price) zu seiner Ankunft in Konstantinopel: prope uiolenter deductus / „when he was brought almost violently“. Angemerkt sei auch noch einmal, dass Theodora nach der Chronik weniger offensichtlich vorging: Sie lockte von Vigilius das Versprechen zur Verurteilung der Drei Kapitel hervor (elicuit; vgl. Chronicon 130). Ausnahmen sind Victor von Tunnuna, Chronicon 136 (zum Aufstand in Africa unter Guntharith; s. o. S. 340–341 [mit Anm. 524]) und 166 (Empfang der Gesandten der Awaren durch Justinian [hier vermischt Victor von Tunnuna wahrscheinlich mehrere Ereignisse; vgl. hierzu und zu weiteren Quellen Placanica, „Note“, 130 (ad a. 563,2); vgl. auch Pohl, Die Awaren, 46]). Nach der kurzen Notiz zur Einsetzung des Macarius als Bischof von Jerusalem, vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 133, und der zweiten Notiz zu Stotzas, vgl. Chronicon 134 (s. o. S. 340). Victor von Tunnuna, Chronicon 135 (45,803–804 Cardelle de Hartmann): „Ferrandus von Karthago, Diakon der Kirche von Karthago, galt als berühmt.“ Zu Ferrandus von Karthago s. auch o. S. 75–77. S. o. zu Chronicon 50 und 79. Möglicherweise hängt seine Erwähnung an dieser Stelle mit der Abfassung seiner Epistula 6 über die Drei Kapitel (in Reaktion auf Justinians erstes Edikt) zusammen, die ca. für das Jahr 545 anzunehmen ist; vgl. Placanica, „Note“, 122 (ad a. 546,1).
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verbunden.836 Andererseits steht er durch diese Formulierung selbst in einem besonderen „Licht“ und ist hervorgehoben – im Kontrast auch zu der von Intrigen zwischen Kaiser, Kaiserin und Papst und einer schweren Naturkatastrophe gekennzeichneten Zeit der „Anfänge der Schlechtigkeiten“. Diese Lichtmetaphorik wird an späterer Stelle im Drei-Kapitel-Streit noch einmal aufgegriffen werden.837 Trotz dieser nordafrikanischen Lichtgestalt spitzt sich die Situation im Drei-KapitelStreit im Folgenden weiter zu. Nachdem Justinian Vigilius zur Verurteilung der Drei Kapitel nach Konstantinopel gerufen hat, geht er nun einen Schritt weiter: Iustinianus imperator per diuersas prouinicias in regni sui finibus constitutas instantissime scribit et antistites cunctos prefata tria capitula damnare compellit.838
Wozu zuvor (nur) Vigilius genötigt wurde (compellit), dazu zwingt (compellit) Justinian nun alle Bischöfe (und zwar ohne Antrieb durch Accephali oder andere Hintermänner): Zur Verurteilung der Drei Kapitel. Wenn sich Chronicon 137 auf eines der bekannten Schreiben Justinians im Drei-Kapitel-Streit bezieht, gibt es im Grunde zwei Möglichkeiten dafür, welches Schreiben hier gemeint ist: Entweder das (nicht erhaltene) erste Edikt Justinians gegen die Drei Kapitel (ca. 544)839 oder seine Confessio rectae fidei ( Juli 551)840. Die Formulierung in Chronicon 137 lässt keinen eindeutigen Schluss auf eines der Schreiben zu.841 Für die Confessio rectae fidei spricht v. a. die Datierung der Notiz in der Chronik: Diese würde die Confessio dann ebenso um drei Jahre verschieben (548 statt 551 nach unserer Zeitrechnung) wie die Datierung der Ankunft des Vigilius in Konstantinopel (vgl. Chronicon 132: 544 statt 547 nach unserer Zeitrechnung).842 Zudem wird Vigilius tatsächlich nach dem ersten Edikt Justinians gegen die Drei Kapitel nach Konstantinopel gerufen (wovon in Chronicon 132 berichtet wurde). In Chronicon 137 müsste dann also, eine Chronologie, die diese Reihenfolge einhält, vorausgesetzt, ein späteres Edikt Justinians gemeint sein, eben die Confessio rectae fidei (das erste Edikt Justinians wäre dann in der Chronik nicht erwähnt).
836 Zugespitzt könnte man sagen: Ferrandus hat nun dieselbe Bedeutung wie in der Zeit unter den Vandalen Eugenius und Fulgentius. 837 S. dazu weiter u. S. 415–418 zu Facundus von Hermiane. 838 Victor von Tunnuna, Chronicon 137 (45,810–46,812 Cardelle de Hartmann): „Kaiser Justinian schrieb mit äußerster Dringlichkeit an die verschiedenen, in den Grenzen seines Reiches errichteten Provinzen, und nötigte alle Bischöfe, die vorher genannten Drei Kapitel zu verurteilen.“ 839 S. o. Kap. 2.3.2. 840 Ediert als „Iustinians Edict über den rechten Glauben“ von Schwartz, Drei dogmatische Schriften, 72–111; s. o. S. 84–85. 841 Vgl. auch Price, The Acts of the Council of Constantinople 553 1, 128, der auf die sehr ähnliche Struktur beider Edikte hinweist. Vgl. jedoch Pewesin, Imperium, 139–141, der die inhaltlichen Unterschiede betont. 842 Vgl. Placanica, „Note“, 122 (ad a. 548,1).
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Nähme man hingegen an, dass sich Chronicon 137 auf das erste Edikt Justinians beziehe, würden immerhin die nachfolgenden Notizen von der Reihenfolge her den (aus heutiger Sicht) tatsächlichen Ablauf der Geschehnisse erzählen: Zunächst werden im Anschluss Proteste aus Illyrien und Africa notiert, die gegen das Iudicatum des Vigilius gerichtet sein könnten,843 und nach weiteren Nachrichten, die hauptsächlich Africa betreffen, folgt der Bericht über das Konzil von Konstantinopel (Chronicon 147).844 Eine Nachricht über die Confessio rectae fidei wäre nach dem Protest gegen das Iudicatum zu erwarten, nicht aber vorher.845 Somit müsste hier das erste Edikt Justinians gemeint sein. Problematisch ist an diesen beiden Argumentationen, dass sie sich letztlich auf Datierungen bzw. die Chronologie der Ereignisse stützen – Datierungen in der Chronik, ob absolut oder relativ, sind aber, wie nun schon mehrfach gesehen, kaum als Basis für eine Argumentation geeignet. Es gibt aber noch weitere Hinweise darauf, welcher Text in Chronicon 137 mit dem Schreiben des Kaisers gemeint sein könnte. Auf einen Bezug auf das erste Edikt Justinians deutet v. a. ein bereits oben als Hinweis für die Benutzung von Facundus’ Pro defensione trium capitulorum durch Victor von Tunnuna herangezogener Anklang an Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 2,3,17 hin:846 Facundus von Hermiane schreibt dort mit einer zum Teil ähnlichen Wortwahl wie Victor von Tunnuna (im Folgenden unterstrichen) von Bischöfen, die zur Unterschrift unter ein Edikt gezwungen werden: alieno decreto subscribere compelluntur episcopi, quod per diuersas circumlatum prouincias omnium sacerdotum uideretur subscriptione firmari.847 Facundus von Hermiane, der sich mit seiner Schrift ja überhaupt v. a. gegen das erste Edikt Justinians gegen die Drei Kapitel wendet,848 bezieht sich auch an dieser Stelle konkret darauf, wobei die Formulierung decretum alienum wohl auf eine zweite, zur Unterschrift vorgelegte Version rekurriert.849 Wenn Victor von Tunnuna Facundus’ Schrift kannte,
843 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 139 und 141; diesem Verständnis der Notizen wird hier allerdings nicht gefolgt, s. u. Kap. 5.7.3.2. 844 Vgl. Placanica, „Note“, 122 (ad a. 548,1). 845 Wenn sich Chronicon 137 auf das erste Edikt Justinians gegen die Drei Kapitel bezieht, wird auf die Confessio rectae fidei in der Chronik gar kein Bezug genommen. 846 S. o. Kap. 3.3. 847 Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 2,3,17 (53,118–120 Clément/Vander Plaetse: Übers. 301 Fraïsse-Bétoulières): „des évêques […] sont contraints de souscrire à un décret différent, qui, porté à travers diverses provinces, semblerait avoir reçu confirmation de tous les évêques“. Den Bezug auf diese Stelle bei Facundus von Hermiane durch Victor von Tunnuna betont v. a. Placanica, „Note“, 122 (ad a. 548,1). Auch Modéran, „L’Afrique reconquise“, 43 (mit Anm. 16) bezieht Chronicon 137 auf das erste Edikt Justinians mit dem Verweis auf Facundus von Hermianes Pro defensione capitulorum, allerdings auf Pro defensione trium capitulorum 2,3,19. 848 Auf Pro defensione trium capitulorum antwortet Justinian wiederum mit seiner Confessio rectae fidei; s. o. S. 85. 849 Vgl. Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 2,3,11–13; Fraïsse-Bétoulières, „Introduction“, 96 (mit Anm. 1), 102. Es wird diskutiert, ob Facundus sich in Pro defensione noch auf eine weitere Schrift, den sog. Libell der Akephalen, bezieht; vgl. zur Darstellung der Diskussion
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wovon auszugehen ist, ist nicht auszuschließen, dass er die Notiz in Chronicon 137 in Anlehnung an Pro defensione trium capitulorum 2,3,17 und damit in Bezug auf das erste Edikt Justinians formuliert hat, auch wenn der Anklang insgesamt vage ist, worauf Carmen Cardelle de Hartmann zu Recht hinweist.850 Um dem Problem zu begegnen, dass das erste Edikt Justinians in diesem Fall nach dem Iudicatum genannt würde – obwohl auf dieses freilich in der Chronik (wenn überhaupt) nur implizit verwiesen wird851 – überlegt Placanica, ob die betreffenden Abschnitte Chronicon 132 und 137 sich während der Überlieferungsgeschichte verschoben haben könnten. Dies sei v. a. aufgrund der Ähnlichkeit der Angabe des Konsulatsjahres möglich.852 In der Tat würden sich, wenn die beiden Abschnitte ursprünglich an der jeweils anderen Stelle gestanden wären, die genannten chronologischen Probleme auflösen.853 Andere Probleme, wie die fehlende Erwähnung der Confessio rectae fidei, blieben aber bestehen. Von der Darstellung der Chronik her ist die Notiz zu Vigilius in Chronicon 132 durchaus sinnvoll: Nachdem Theodora Vigilius bereits angestiftet hat (Chronicon 130), wird er dann auch – aber erst nachgeordnet – von Justinian selbst bedrängt. Im Gesamtduktus der Chronik ist Vigilius damit als erster Bischof im Drei-Kapitel-Streit ein Verurteiler der Drei Kapitel. Die anderen Bischöfe folgen danach (Chronicon 137), zunächst mit Ausnahme der Bischöfe in Illyrien (Chronicon 139) und in Africa (Chronicon 141). Der Bischof von Rom steht als kirchlicher Vertreter an der (chronologischen) Spitze der Verurteiler der Drei Kapitel, neben Kaiserin und (nachgeordnet) Kaiser. Dass die afrikanischen Bischöfe ihn später aus der kirchlichen Gemeinschaft ausschließen, ist damit längst gerechtfertigt.854 Ob Victor von Tunnuna hier keine anderen Nachrichten zur Verfügung hatte oder ob er seine Informationen bewusst auf diese Weise präsentiert, ist letztlich nicht mehr nachvollziehbar. Im Duktus der Chronik ist die jetzige Darstellung und Reihenfolge jedenfalls plausibel. Welches Edikt Justinians in Chronicon 137 genau gemeint ist – und ob überhaupt eines der beiden genannten Edikte gemeint ist – lässt sich ebenfalls nicht mehr zweifelsfrei feststellen. Für die Geschichte, welche die Chronik erzählt, ist beides aber insofern unerheblich, als es für diese Geschichte offenbar mehr als auf eine (heu-
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Jansen, Theodor von Mopsuestia, 72–73; vgl. auch Fraïsse-Bétoulières, „Introduction“, 99–102, die eine unterschiedliche Wortwahl für den Bezug auf die beiden Schriften herausarbeitet, wobei subscriptio aber auf das Edikt Justinians zu beziehen sei. Da die oben zitierte Stelle sich damit in jedem Fall auf das Edikt Justinians bezieht, ist es nicht nötig, hier näher auf diese Hypothese einzugehen. Vgl. Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 113* (Anm. 222). S. o. S. 403. Vgl. Placanica, „Note“, 122 (ad a. 548,1). Davon unberührt wäre freilich das Problem der möglicherweise ebenfalls bereits auf den Drei- Kapitel-Streit bezogenen Notiz in Chronicon 120. Zum Ausschluss der Vigilius aus der der catholica communio vgl. Chronicon 141.
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tigem Verständnis entsprechende) historische Genauigkeit chronologischer oder inhaltlicher Art darauf ankommt, darzustellen, dass Justinian nach Vigilius „alle Bischöfe“ zur Verurteilung der Drei Kapitel zwingt und die Bischöfe von Illyrien und Africa dieser Verurteilung, wie im Folgenden zu sehen sein wird, dennoch widerstehen. Statt vom „Fehler des Chronisten“, von einer Ungenauigkeit o. ä. zu sprechen, erscheint es auch hier angemessener, die Geschichte in den Blick zu nehmen, wie sie hier durch die Anordnung der Informationen und durch deren Präsentation erzählt wird – und das ist die eben beschriebene Geschichte, die auf die Reaktionen der Bischöfe in Illyrien und in Africa hinführt. Darauf, dass die Chronik hier ihre eigene Geschichte des Drei-Kapitel-Streites schreibt, weist auch eine weitere Formulierung in Chronicon 137: Placanica erkennt, wie oben bereits dargestellt,855 in Chronicon 137 noch einen zweiten Anklang an einen Wortlaut bei Facundus von Hermiane, nämlich an Contra Mocianum 13. Dort schreibt Facundus von Hermiane in Bezug auf das Henotikon Zenos bzw. auf die Gemeinschaft mit Acacius von Konstantinopel und andere Gegner von Chalcedon, Zeno omnes Ecclesias in sui regni finibus constitutas idem facere compellebat.856 Die wörtliche Übereinstimmung zu Chronicon 137857 ist zwar insgesamt knapp, fällt aber dennoch auf – wenn Victor von Tunna Contra Mocianum kannte, ist es nicht undenkbar, dass er diese Formulierung übernommen und damit eine Neukontextualisierung vorgenommen hat, welche die Schwere des Handelns Justinians betonen soll, der jetzt wie Zeno damals die Gemeinschaft der Kirche als Gemeinschaft in der Treue zu Chalcedon, die ja auch schon mit Chronicon 132 in Frage gestellt wurde, aufs Spiel setzt.858 5.7.3.2 Zwischen Widerstand und Abfall: Bischöfe in Illyrien und in Africa (Chronicon 138–145) Nach einer weiteren kurzen Notiz zu einem Wechsel im Episkopat von Antiochien859 folgt die schon erwähnte zweite Notiz zur Situation in Illyrien860: Eine illyrische Synode hält (offenbar trotz des Zwangs für alle Bischöfe zur Verurteilung) gegenüber dem Kaiser an der Verteidigung der Drei Kapitel fest und verurteilt den Bischof der Stadt
855 S. o. Kap. 3.3. 856 Facundus von Hermiane, Contra Mocianum 13 (404,114–115 Clément/Vander Plaetse; Übers. 241 Solignac): „contraignait à faire de même les évêques soumis à son empire“. 857 D. h. die unterstrichenen Wörter im Zitat, wobei die genaue Wortstellung sowie die genaue Form von compellere abweichen. 858 Vgl. Placanica, „Introduzione“, XXVI: Victor „sembra implicitamente accostare il decreto recente all’improvvida misura che, più di mezzo secolo inanzi, aveva introdotto discordia e scisma fra le Chiese“. S. auch o. Kap. 5.3.2. 859 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 138: Domninus folgt auf Euphemius. 860 S. o. S. 362; vgl. insgesamt Kap. 5.7.1.4.
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Die erzählte Geschichte der Chronik
Prima Iustiniana, Benenatus,861 als obtrectator der Drei Kapitel.862 Ihr in Chronicon 139 genanntes Schreiben an den Kaiser wird meistens als mehr oder weniger direkte Reaktion auf das Iudicatum des Vigilius gedeeutet.863 Wie oben bereits dargelegt, ist es auch denkbar, die schriftliche Äußerung als eine Reaktion auf ein Schreiben Justinians aufzufassen, auf das der Kaiser wiederum mit seinem Schreiben gegen die Drei Capitel antwortet.864 Auch wenn der illyrische Protest wohl nach dem Iudicatum zu datieren ist,865 kann ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Iudicatum und dem illyrischen Schreiben aus Chronicon 139 nicht belegt werden: Innerhalb der Chronik ist die Notiz einerseits im Zusammenhang der anderen Nachrichten über das Illyricum zu sehen (Chronicon 120 und 160). Andererseits steht sie eben gerade nicht in Verbindung mit Notizen zu Vigilius,866 sondern folgt fast unmittelbar auf die Nachricht in Chronicon 137, dass Justinian an verschiedene Provinzen schreibt und die Bischöfe zwingt, die Drei Kapitel zu verurteilen.867 Liest man die Nachrichten der Chronik so nacheinan-
861 In der Chronik ist Benenatus der einzige, der dezidiert als obtrectator der Drei Kapitel bezeichnet wird, zuvor waren einzelne Bischöfe v. a. mehrfach als obtrectatores Chalcedons bezeichnet worden, vgl. etwa Timotheus Ailurus (Chronicon 19), Petrus von Alexandria (Chronicon 56); Severus von Antiochien (Chronicon 108) u. ö. Später werden Rufinus und Vivus als obtrectatores des Reparatus präsentiert, s. u. zu Chronicon 149. Nach den Akten des Konzils von 553 nimmt Benenatus am Konzil nicht teil (ACO 4,1 [30,8 Straub]). Die illyrischen Bischöfe, die nicht zum Konzil kommen wollen, stellen ihn trotz der Nachricht bei Victor von Tunnuna als denjenigen dar, dessen Autorität allein sie unterstellt sind; vom Konzil selbst wird Benenatus als diesem zustimmend beschrieben, vgl. ACO 4,1 (31,1–4 Straub). Vgl. dazu die Anmerkung von Price, The Acts of the Council of Con stantinople 553 1, 206 (Anm. 1). Vgl. auch Placanica, „Note“, 123 (ad a. 549,1). 862 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 139 (46,815–818 Cardelle de Hartmann; s. o. S. 362 [Anm. 631]): Hilliriciana sinodus in defensione trium capitulorum Iustiniano Augusto scribit et Benenatum Prime Iustiniane ciuitatis episcopum obtrectatorem eorumdem trium capitulorum condemnat. 863 So etwa bei Marschall, Karthago und Rom, 212, der Chronicon 139 direkt auf das Iudicatum bezieht: „Die Bischöfe Illyriens enthoben den Metropoliten von Justiniana prima seines Amtes, weil dieser sie veranlassen wollte, dem ‚Iudicatum‘ zuzustimmen.“ So auch bei Bruns, „Zwischen Rom und Byzanz“, 155; Sotinel, „Das Dilemma des Westens“, 466; Meier, Das andere Zeitalter, 283 (Anm. 260); vgl. auch Price, The Acts of Constantinople 553 1, 47: „When in 549 Bishop Benenatus of Justiniana Prima, the capital of the Dacian diocese, recommended the Iudicatum to the bishops of his region, they promptly deposed him.“ 864 D. h. der vierte der dem Schreiben gegen die Drei Capitel vorausgehenden Texte; vgl. auch Placanica, „Note“, 123 (ad a. 549,1). 865 Vgl. Schwartz, „Bemerkungen“, 115. 866 Von Protesten aus Illyrien im Zusammenhang mit Vigilius und seiner Verurteilung der Drei Kapitel berichten hingegen Facundus von Hermiane, Contra Mocianum 50 sowie die Epistula legatariis (19,23–24 Schwartz), dort aber ohne Bezug auf ein Schreiben an den Kaiser. Placanica, „Note“, 122–123 (ad a. 549,1), sieht diese Stellen als Beleg für eine Datierung der o. g. Proteste nach dem Iudicatum. Beide Proteste sind aber eben aufgrund der verschiedenen Adressaten und Anlässe (Kaiser/Papst) zu trennen, obwohl sie zeitlich sicher nicht eng auseinanderliegen, was auch die Anordnung von Chronicon 141 mit den entsprechenden Protesten gegen den Papst in Africa kurz nach Chronicon 139 zeigt. 867 Von daher ist ein Bezug auf das erste Edikt Justinians gegen die Drei Kapitel in Chronicon 137 tatsächlich plausibel. Damit würde das illyrische Schreiben dem aber nicht mehr vorausgehen – es ist also auch möglich, dass es sich Chronicon 132 auf keines der vier Schreiben in diesem Kon-
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der, lässt sich Chronicon 139 vielmehr so verstehen, dass die illyrische Synode diesem Zwang des Kaisers entgegentritt.868 Unter Aussonderung des obtrectator Benenatus behält sie gleichzeitig ihre Gemeinschaft – gerade als Synode – in der Verteidigung der Drei Kapitel.869 Nachdem nun nach der Chronik alle Bischöfe zur Verurteilung der Drei Kapitel gezwungen worden sind und die illyrische Synode sich dagegen gewehrt hat, folgen in der Chronik bis zur Nachricht über das Konzil von Konstantinopel 553 (vgl. Chronicon 147) mehrere Einträge, die die Situation in Africa bzw. die nordafrikanischen Bischöfe in ihrem Verhältnis zu Kaiser und Papst in den Blick nehmen. Nicht nur die illyrische Synode, sondern auch die afrikanischen Bischöfe widerstehen zunächst der Verurteilung der Drei Kapitel und setzen sich gegen Justinian und Vigilius, die nach Theodoras Tod870 zunächst verbliebenen Hauptgegner der Drei Kapitel in der Darstellung der Chronik, gegen Kaiser und Bischof von Rom,871 zur Wehr872: Affricani antistites Vigilium Romanum episcopum damnatorem trium capitulorum sinodaliter a catholica communione reseruato ei penitentie loco secludunt et pro defensione memoratorum trium capitulorum litteras satis idoneas Iustiniano principi per Olimpium magistrianum mittunt.873
Der zweifache Widerstand der afrikanischen Bischöfe – offenbar zur ersten gesamtafrikanischen Synode seit 535 zusammengekommen874 – ist gegenüber dem der illy-
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flikt bezieht, oder dass die entsprechende Korrespondenz sich hier spiegelt, ohne historisch exakt nachvollziehbare Details zu bezeugen. Unklar bliebe damit aber wieder die Einordnung von Chronicon 120. Ein Antwortschreiben im o. g. Briefwechsel schließt das nicht aus. Vgl. auch Markus, „Carthage“, 291, der darauf hinweist, dass andererseits Justinian nun – trotz des besonderen Status, den er Prima Iustiniana zugestanden hatte – nur noch auf Benenatus zählen konnte. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 140. Vgl. auch Modéran, „L’Afrique reconquise“, 48, der im Jahr 548 (dem Chronicon 137 entspricht) den Beginn der dritten Etappe in der ersten Phase der Krise der Drei Kapitel sieht, „durant laquelle les Africains, confrontés désormais à deux textes de condamnation, l’un impérial et l’autre pontifical, adoptèrent des positions de plus en plus radicales“. Das spiegelt sich auch ohne die explizite Erwähnung dieser „zwei Texte“ (= Iudicatum und erstes Edikt Justinians gegen die Drei Kapitel) in der Chronik des Victor von Tunnuna. Weitere Debatten aus Africa, wie sie sich etwa im Brief des Pontianus am Justinian zeigen (s. o. S. 77), sind in der Chronik abgesehen von der Nennung des Ferrandus von Karthago nicht erwähnt; vgl. zu dieser ersten Zeit der Debatten um die Verteidigung der Drei Kapitel in Nordafrika Modéran, „L’Afrique reconquise“, 44–47. Victor von Tunnuna, Chronicon 141 (46,821–826 Cardelle de Hartmann): „Die afrikanischen Bischöfe sonderten Vigilius, den Bischof von Rom, den Verurteiler der Drei Kapitel, durch eine Synode von der katholischen Gemeinschaft ab, nachdem sie ihm einen Platz zur Reue vorbehalten hatten, und sie schickten zur Verteidigung der erwähnten Drei Kapitel einen völlig würdigen Brief an den Prinzeps Justinian durch den magistrianus Olimpius.“ Vgl. Modéran, „L’Afrique reconquise“, 49. Im Kontext der Auseinandersetzung mit der in Chronicon 141 genannten Synode entstand wohl Facundus’ Contra Mocianum, vgl. Chrysos, „Zur Datie-
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rischen Synode gesteigert: Auch sie schreiben als Synode dem Kaiser bezüglich der Verteidigung der Drei Kapitel,875 „exkommunizieren“ (secludunt a catholica communione) jedoch nicht einen Bischof aus ihren eigenen Reihen, sondern den Bischof von Rom, Vigilius, als damnator trium capitulorum.876 Dass der Papst also die Drei Kapitel verurteilt hat, wird hier nun ganz explizit vorausgesetzt, entsprechend dem vorher in der Chronik zu ihm Geschilderten, ohne dass aber das Iudicatum selbst als solches genannt wurde. Der Widerstand gegen die Verurteilung der Drei Kapitel durch den Bischof von Rom und der Widerstand gegen den Kaiser rücken jetzt in Chronicon 141 jedenfalls unmittelbar zusammen.877 Werner Marschall sieht in dem in der Chronik geschilderten Vorgehen der afrikanischen Synode v. a. ein Vorgehen „gegen die kaiserliche Kirchenpolitik […] und nicht gegen den Papst als solchen“, gegen den Papst nur insofern, als er „ein solches kaiserliches Handeln unterstützte und förderte“878. Dass ihr Widerstand, der auch im Kontext der Reaktionen des gesamten Westens zu sehen sei,879 verhältnismäßig scharf war, führt er auf das starke Engagement und die Führungsposition der Nordafrikaner in diesem Widerstand zurück.880 Der These Marschalls entspricht, dass vom Text der Chronik her die Initiative zur Verurteilung der Drei Kapitel tatsächlich jeweils von rung und Tendenz“, 321–322. Möglicherweise nahm Facundus von Hermiane auch selbst an der Synode teil, vgl. Pewesin, Imperium, 132–133 in Bezug auf Facundus’ Treffen mit Mocianum in Karthago nach Contra Mocianum 6; vgl. Jansen, Theodor von Mopsuestia, 86. 875 Conant, Staying Roman, 320 nimmt an, es handele sich bei dem hier genannten Schreiben um die zweite Edition von Pro defensione trium capitulorum des Facundus von Hermiane; allerdings wird ja diese Schrift separat in Chronicon 142 erwähnt, worauf Conant auch selbst (ebd., 320 [Anm. 61]) hinweist. Cameron, „Byzantine Africa“, 47, sieht in dem Schreiben hingegen eine Rechtfertigung der Exkommunikation des Vigilius: „They had sent a letter to Justinian informing him of their precipitate action and justifying it [= die Exkommunikation], and not suprisingly the emperor at once summoned their leaders to explain themselves.“ Die von Conant in Erwägung gezogene Möglichkeit der Deutung des Schreibens erscheint immerhin aufgrund des Titels Pro defensione trium capitulorum, auf den die Formulierung in Chronicon 141 hindeuten kann, durchaus denkbar. Für die Annahme Camerons hingehen muss man mit ihr davon ausgehen, der Ruf der afrikanischen Bischöfe pro fidei causa nach Konstantinopel durch Justinian (Chronicon 143) hänge in diesem Sinn mit Chronicon 141 zusammen. 876 Vgl. auch später den Bezug darauf bei der Notiz zu Vigilius’ Tod in Victor von Tunnuna, Chronicon 157; s. u. Kap. 5.7.3.6. Von der Vermeidung der communio der Afrikaner und anderer „avec ceux qui, dans un édit manifeste et promulgué, n’ont pas craint d’attaquer le concil de Chalcédoine“ ([communionem] eorum qui manifesto promulgatoque decreto reueriti non sunt impugnare Chalcedonense concilium) spricht Facundus von Hermiane, Contra Mocianum 2 (401,15–17 Clément/Vander Plaetse; Übers. 233 Solignac); vgl. auch Contra Mocianum 22; 24; 50. Vgl. Placanica, „Note“, 123 (ad a. 550). 877 Vgl. auch Modéran, „L’Afrique reconquise“, 49, der das doppelte Ziel der Synode herausstellt: „Victor de Tunnuna met bien en valeur sa double finalité, répondre fermement au pape et à l’empereur“. 878 Marschall, Karthago und Rom, 213. 879 Vgl. bspw. auch die Epistula legatariis (19,23–24 Schwartz) zum Widerstand nicht nur in Africa, sondern auch in Illyrien und Dalmatien; s. auch o. Anm. 866. 880 Vgl. Marschall, Karthago und Rom, 213–214.
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der Kaiserin bzw. vom Kaiser (bzw. der jeweiligen dahinterstehenden Gruppierung) ausgeht, die Vigilius anstiften. Trotzdem bezeichnet ihn die Chronik aber nun gerade selbst als damnator trium capitulorum. Zuvor wurde deutlich gesagt, was die Verurteilung der Drei Kapitel bedeutet, nämlich dasselbe wie die Verurteilung Chalcedons. Dass die afrikanischen Bischöfe Vigilius daher die communio catholica881 aufkündigen, ist im Kontext der Darstellung der Chronik nur konsequent.882 Immerhin belassen die Afrikaner dem Bischof von Rom einen „Platz zur Reue“ – den er nach der Chronik allerdings nicht in Anspruch nimmt.883 Vielleicht ist dieser „Platz zur Reue“, der ihm eingeräumt wird, tatsächlich ein Hinweis darauf, dass man um die schwierige Situation des Papstes im Jahr 548 wusste884 – in der Chronik wird diese Situation über die genannten Initiativen Theodoras und Justinians hinaus allerdings nicht weiter ausgemalt. Nachdem sich die afrikanische Synode also gegen Papst und Kaiser gestellt hat, folgt in der Chronik das, was Yves Modéran das zweite von „deux événements majeurs en 550“885 nennt, nämlich die Veröffentlichung von Facundus von Hermianes Pro defensione trium capitulorum: Eo tempo duodecim libri Facundi Hermianensis ecclesie episcopi refulsere, quibus euidentissime declarauit tria sepe fata capitula in proscriptione fidei catholice et apostolice Calcidonensisque concilii fuisse damnata.886
881 Vgl. exemplarisch o. S. 326–327 (mit Anm. 444) zur Bedeutung von catholicus in der Chronik. 882 Eine damnatio ist damit allerdings nicht notwendigerweise impliziert; vgl. Pewesin, Imperium, 135– 136, der zwischen Verdammung und Aufkündigung der communio unterscheidet unter Verweis auf Facundus von Hermiane, Contra Mocianum 48, wo vom Anathema eines Sorcius gegen die, die sich gegen Chalcedon und gegen den Brief des Ibas stellen, die Rede ist, das die afrikanischen Konzilien hingegen nie ausgesprochen hätten. Für die illyrische Synode notiert Victor von Tunnuna, Chronicon 139 zudem dezidiert, dass sie Benenatus condemnat (s. o. zu Chronicon 139). Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 314 (Anm. 1) identifiziert den in Contra Mocianum genannten Sorcius übrigens mit Primasius. Sorcius wird allerdings noch in Contra Mocianum 47 als wichtigster Vertreter der Gegner der Drei Kapitel vorgestellt, was zwar auf einen Meinungsumschwung wie bei Primasius hinweist, gleichzeitig aber nach Placanica, „Note“, 125 (ad a. 552,2) in Bezug auf Stein, Histoire du Bas-Empire 2, 679–680 (Anm. 4) gegen eine Identifzierung von Sorcius mit Primasius spricht, da dieser zur Zeit der Abfassung von Contra Mocianum (ca. 553) noch Verteidiger der Drei Kapitel gewesen sei. Stein vermutet ebd. in den in Epistula fidei catholicae 31 und 39 zusammen mit den necrodioctae genannten porcianistae (vgl. 426,264; 428,333 Clément/Vander Plaetse) die Anhänger des Sorcius. Solignac versucht in den Anmerkungen zur Stelle (Übers. 302–303 Solignac, apparatus ad locum [Anm. 2]), diese Gruppe von porcio/portio abzuleiten, „celui qui répartit les portions“, dieser Terminus passe gut zu den Verurteilern „qui répartissent abusivement les destinées éternelles des morts“ (303). Zu Primasius s. weiter u. S. 424–427. 883 S. u. Kap. 5.7.3.6 zu Chronicon 157. 884 Vgl. Modéran, „L’Afrique reconquise“, 48–49; zur Situation des Vigilius in diesen Jahren s. auch o. Kap. 3.2.5. 885 Modéran, „L’Afrique reconquise“, 48. 886 Victor von Tunnuna, Chronicon 142 (46,827–830 Cardelle de Hartmann): „Zu dieser Zeit erstrahlten die zwölf Bücher von Facundus, Bischof der Kirche von Hermiane, durch die er äußerst deutlich darlegte, dass die oft genannten Drei Kapitel unter Ächtung des katholischen und apostolischen Glaubens und des Konzils von Chalcedon verurteilt worden seien.“
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In dieser Zeit also – in der die Verurteilung der Drei Kapitel sowohl durch den Kaiser als auch durch den Bischof von Rom deutlich ist – „erstrahlen“ die zwölf Bücher des Facundus von Hermiane.887 Facundus von Hermiane, gilt, wie oben schon dargelegt, als die Stimme des Westens und als Anführer der Verteidiger der Drei Kapitel, und das besonders aufgrund der hier von Victor von Tunnuna als „zwölf Bücher“888 bezeichneten Schrift Pro defensione trium capitulorum. Facundus ist damit nach Eugenius von Karthago, Fulgentius von Ruspe und Ferrandus von Karthago der vierte bedeutende nordafrikanische Theologe, dessen Wirken mit einer Lichtmetapher beschrieben wird.889 Das Wort, das an dieser Stelle benutzt wird (refulgere), unterscheidet sich von den zuvor gebrauchten Begrifflichkeiten (clarus haberi bzw. clarari). Einerseits aber entsprechen sich die Bedeutungen („hell aufleuchten“, „hell sein“, „glänzen“).890 Andererseits wird damit Facundus geradezu als Nachfolger des Fulgentius selbst stilisiert: „Glänzte“ Fulgentius (durch claruit und durch seinen Namen „Fulgentius“) quasi doppelt in nostro dogmate,891 ist Facundus durch das refulsere deutlich gerade mit ihm in besonderer Weise verknüpft. War Fulgentius in Chronicon 79 allgemein ein Glänzender in „unserer Lehre“ (dogma noster), ist diese Lehre in Bezug auf Facundus von Hermiane, der aktuellen Situation entsprechend, genauer ausgeführt und auf die Verurteilung der Drei Kapitel bezogen. Dass darüber hinaus alle diese wichtigen Theologen aus Nordafrika, sowohl aus der Zeit unter den Vandalen als auch aus dem Drei-Kapitel-Streit mit diesen Formulierungen, die sich einer Lichtmetapher bedienen, beschrieben werden, ist bemerkenswert.892 Einerseits sind diese Theologen damit eben in der Chronik untereinander verbunden:
887 Zur Diskussion um die Datierung von Pro defensione trium capitulorum s. o. S. 74 (Anm. 299). 888 Dass P-E von VII Büchern schreibt (vgl. 46,827 Cardelle de Hartmann, apparatus ad locum), wurde zum Anlass genommen, anzunehmen, die Schrift sei in zwei größeren Teilen veröffentlicht worden, vgl. dazu Clément/Vander Plaetse, „Einleitung“, VII–VIII; vgl. Placanica, „Note“, 123 (ad a. 550,2). 889 Facundus von Hermiane greift bspw. in Pro defensione trium capitulorum 6,5,32–33 (hier 188,239–241 Clément/Vander Plaetse; Übers. 387 Fraïsse-Bétoulières) selbst auf eine Lichtmetapher zurück, wenn er die Väter als Lichter der Kirche, aufgestellt durch Gott, bezeichnet und beschreibt, allerdings mit anderer Wortwahl (luminaria/illuminare): quos tamquam luminaria Deus in Ecclesia sua constituit, ut eorum desuper illuminemur excellenti scientia atque doctrina / „[die Väter] que Dieu a établis dans son église comme des luminaires pour que nous soyons illuminés d’en haut par leur science et leur doctrine“. Vgl. dazu auch Eno, „Doctrinal Authority“, 103: „The good Christian is content with the authority of the Fathers. They are the lights of the Church.“ Konkret hebt Facundus dann Papst Leo hervor (Pro defensione trium capitulorum 12,2,13 [378,104 Clément/Vander Plaetse; Übers. 167 Fraïsse-Bétoulières]): sic luce ueritatis irradiat / „brille ainsi de la lumière de la vérité“. Vgl. eine Lichtmetaphorik auch bei Ferrandus von Karthago, Epistula 6,9 (PL 67, 927C Migne; Übers. 1,120 Price): Lex enim patris fulget […] in canonicis libris. / „For the law of the Father […] shines forth in the canonical books“. 890 Vgl. Georges, Handwörterbuch, s. v. „clareo“; s. v. „refulgeo“. 891 S. o. S. 335–336 zu Chronicon 79. 892 Mit Ausnahme der in Chronicon 66 genannten Eremiten, die ebenfalls claruerunt (s. o. S. 279–280), wird in der Chronik an keiner weiteren Stelle eine solche Begrifflichkeit benutzt.
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Wie die „Katholiken“ Eugenius von Karthago, der confessor, und Fulgentius von Ruspe während der harten Verfolgungen unter den Vandalen, so glänzen nun Ferrandus von Karthago und Facundus von Hermiane, die Verteidiger der Drei Kapitel, in ihrer eigenen dunklen Zeit, die geprägt ist von der Verurteilung der Drei Kapitel und damit vom Abfall vom „katholischen“ Glauben und von Chalcedon, was ja Chronicon 142 selbst erneut unmissverständlich klarstellt. Auch beide Zeiten, die Zeit unter den Vandalen und die Zeit des Drei-Kapitel-Streites, sind also subtil miteinander verbunden. Inhaltlich wird in Chronicon 142 noch einmal die Bedeutung der Verurteilung der Drei Kapitel hervorgehoben. Setzt man Facundus von Hermiane wie eben beschrieben in Kontinuität zu Fulgentius von Ruspe, wird damit also auch das (aktuell bedrohte) dogma noster expliziert: Die Verurteilung der Drei Kapitel bedeutet, so legt es nach der Chronik Facundus von Hermiane dar, nichts anderes als die proscriptio893 des „katholischen und apostolischen Glaubens und des Konzils von Chalcedon“. Dass die Verurteilung der Drei Kapitel der Verurteilung Chalcedons entspricht, macht tatsächlich Facundus von Hermiane selbst bereits in der praefatio zu Pro defensione capitulorum deutlich.894 Der Bezug auf den „katholischen“ oder den apostolischen Glauben und dessen Gleichsetzung mit dem Konzil von Chalcedon findet sich, wie nun schon mehrfach gesehen, zuvor aber auch an mehreren Stellen der Chronik selbst, in positiver wie in negativer Hinsicht.895 Durch die hier genannte Entsprechung (Verurteilung der Drei Kapitel = Verurteilung des „katholischen“ und apostolischen Glaubens und des Konzils von Chalcedon)896 werden die Verurteiler der Drei Kapitel im Kontext der Chronik nun in eine Reihe gestellt mit den zuvor in der Chronik hervorgehobenen Gegnern Chalcedons wie Anastasius, Zeno, Timotheus Ailurus und Severus von Antiochien. Eine Verurteilung der Drei Kapitel bei gleichzeitiger Bestätigung Chalcedons (wie Vigilius es mit dem Iudicatum versuchte) ist aus dieser Sicht keine Option.
893 S. auch o. bes. S. 380–381. 894 Vgl. Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum, praefatio 1 (s. o. S. 72 [Anm. 285]). Auffälligerweise benützt Victor von Tunnuna in Chronicon 142 ausnahmsweise das Wort concilium für das Konzil von Chalcedon, sonst spricht er stets von sinodus. Bei Facundus von Hermiane hingegen sind sowohl concilium als auch sinodus gebraucht. Die Benutzung von concilium an dieser Stelle kann daher ein weiterer (wenn auch vager) Hinweis darauf sein, dass Victor von Tunnuna Pro defensione trium capitulorum tatsächlich kannte, zumal gerade in der praefatio 1 (3,1 Clément/ Vander Plaetse), die, wie bereits gesagt, ebenso programmatisch wie Chronicon 142 die Verurteilung der Drei Kapitel mit dem praeiudicium sancti concilii Chalcedonensis gleichsetzt, eben dieser Begriff (concilium) gebraucht wird. Concilium bezeichnet bei Victor von Tunnuna sonst, mit Ausnahme von Chronicon 128 (pälastinensisches Konzil) ein Bischofskollegium einer Provinz, s. u. S. 419 (Anm. 905). 895 Vgl. etwa schon Victor von Tunnuna, Chronicon 10; vgl. Chronicon 54; 67; 90; 91; 124; s. im Einzelnen zu den Abschnitten der Chronik o. in den jeweiligen Kapiteln. Chronicon 142 ist dann übrigens die letzte Stelle der Chronik, in der das Konzil von Chalcedon wörtlich erwähnt wird – im Folgenden geht es nur noch um die Drei Kapitel ohne (direkten) Bezug zu Chalcedon. 896 Vgl. auch schon Victor von Tunnuna, Chronicon 130.
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Auffällig ist zudem, dass die Formulierung in Chronicon 142 (tria capitula in proscriptione Calcidonensisque concilii fuisse damnata) zum Teil wörtlich an das Versprechen des Vigilius in Chronicon 130 erinnert, ut […] in proscriptione sinodi Calcidonensis tria capitula condennaret.897 Beides Mal wird eine proscriptio Chalcedons festgestellt; und dieser Terminus kommt nur an diesen beiden Stellen der Chronik vor. Facundus argumentiert der Chronik zufolge euidentissime. Die Exkommunikation des Bischofs von Rom durch die afrikanische Synode (Chronicon 141) erscheint damit einmal mehr, und nun sogar mit der „Rückendeckung“ des Facundus von Hermiane, konsequent – und positiv formuliert gesehen als Entscheidung, die dem „katholischen“ und apostolischen Glauben entspricht.898 Nachdem der Bischof von Rom von der nordafrikanischen Synode exkommuniziert ist, kommt nun das Handeln des Kaisers gegenüber den Nordafrikanern in den Blick. Justinian lädt einige afrikanische Bischöfe pro fidei causa nach Konstantinopel: Reparatus archiepiscopus Cartaginis ecclesie, Firmus Numidarum episcoporum primatus, et Primasius ac Verecundus concilii Biza[n]ceni episcopi pro fidei causa ad urbem regiam eiusdem precepto principis euocantur.899
Diese Einbestellung kann man innerhalb der Darstellung der Chronik als Antwort Justinians auf das an ihn gerichtete Schreiben, von dem ja kurz zuvor in Chronicon 141 berichtet wurde, lesen. Dann wäre die causa fidei die defensio der Drei Kapitel. Im Brief italienischer Kleriker an die fränkischen Gesandten (Epistula legatariis [vor 551]) wird berichtet, dass Bischöfe aus Africa und Illyrien durch den Kaiser nach Konstantinopel gerufen worden seien, der damit dem Wunsch des Papstes nach einer erneuten Diskussion der Frage der Drei Kapitel (im Kontext der Ablehnung des Iudicatum)900 entsprochen habe; einige Afrikaner seien auch gekommen.901 Dass die Notiz bei Victor
897 Victor von Tunnuna, Chronicon 130 (42,738–739 Cardelle de Hartmann); s. o. Kap. 5.7.2.3. 898 In Facundus von Hermianes Pro defensione trium capitulorum selbst ist die Sicht auf Vigilius hingegen noch relativ positiv, s. o. S. 384 (Anm. 734). Die durch Chronicon 142 implizierte Kritik am päpstlichen Handeln ist also stärker als die Kritik, die in Pro defensione trium capitulorum selbst deutlich wird. 899 Victor von Tunnuna, Chronicon 143 (47,831–835 Cardelle de Hartmann): „Reparatus, der Erzbischof der Kirche von Karthago, Firmus, der Primas der numidischen Bischöfe und Primasius und Verecundus, Bischöfe des byzacenischen Konzils, wurden aufgrund des Glaubens in die Königsstadt gerufen auf den Befehl desselben Prinzeps.“ Zu den afrikanischen Bischöfen im Einzelnen s. weiter u. in diesem Kapitel. 900 Vgl. Price, The Acts of the Council of Constantinople 553 1, 166 (Anm. 15–16); vgl. Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 313. 901 Vgl. Epistula legatariis (20,1–6 Schwartz; Übers. 1,166 Price): Missi sunt ergo a clementissimo principe ad Africam et Illyricum, ut uenire episcopi debuissent. Sed de Illyrico uenire uoluit; de Africa uero iam cum aliqui proximare ciuitato regiae dicerentur, dixit papa Vigilius principi ut si ei non sufficeret illud quod ante decreuerat, redderet et tamquam de nouo causa cum his qui uenire nuntiati sunt, tractaretur. / „In consequence envoys were sent by the most clement prince to Africa and Illyricum to get the bishops to come. No one agreed to come from Illyricum; but since some from Africa
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von Tunnuna tatsächlich ihren Hintergrund in diesem Ruf nach Konstantinopel durch Justinian hat, ist wahrscheinlich.902 Allerdings berichtet die Chronik nichts von einem Zusammenhang mit der Situation des Papstes in Konstantinopel bzw. mit dem Iudicatum, was man freilich nach ihrem Bericht über die Exkommunikation des Vigilius als konsequent in Bezug auf den Erzählduktus auffassen kann. Das in der Chronik geschilderte Geschehen betrifft die afrikanischen Bischöfe aus der Proconsularis (Reparatus),903 Numidien (Firmus904) und der Byzacena (Primasius und Verecundus905),906 hier
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were reported to be already drawing near to the imperial city, Pope Vigilius said to the prince that, if he [ Justinian] was not satisfied with what he [Vigilius] had already decreed, he should return it, and the matter should be discussed de novo with these bishops who were said to be on their way.“ Daraufhin habe Vigilius bei einem Treffen die erlassene Verordnung (= das Iudicatum) öffentlich wieder zurückgenommen. Vgl. Modéran, „L’Afrique reconquise“, 50–51. Von seiner Einsetzung als Bischof von Karthago wurde in Chronicon 119 berichtet, jedoch nicht von seiner Funktion im Zusammenhang mit dem Konzil von Karthago 525. Firmus von Tipasa, vgl. Placanica, „Note“, 124 (ad a. 551,1). Er nahm am Konzil von Karthago 525 (vgl. Concilium Carthaginense a. 525, subscriptio 5. [271 Munier]) teil, ebenso am Konzil von Konstantinopel 553, wo seine Anwesenheit für verschiedene Sitzungen vermerkt ist. Primasius von Hadrumetum und Verecundus von Iunci (Iunca) kamen wohl anstelle des Primas der Byzacena Boethius, weil der zu dieser Zeit schon sehr betagt war, s. u. in diesem Kapitel zu Chronicon 145; vgl. Modéran, „L’Afrique reconquise“, 50, 64; Conant, Staying Roman, 322; auf sein hohes Alter weist Facundus von Hermiane, Contra Mocianum 49 hin. Verecundus und Primasius sind die „main extant examples of North African exegesis from the Byzantine period“ (Dossey, „Exegesis and Dissent“, 252). Primasius verfasste einen Kommentar zur Offenbarung des Johannes, Verecundus u. a. einen Kommentar zum Hohenlied, aber auch poetische Werke. Vgl. zur Deutung ihrer Schriften in Bezug auf den Drei-Kapitel-Streit Dossey, „Exegesis and Dissent“, 256–261; vgl. zu den Werken auch Modéran, „L’Afrique reconquise“, 40–41 (Anm. 8). Ihre Bezeichnung als concilii Biza[n]ceni episcopi in Chronicon 143 weist nicht auf ein Konzil hin, dass sie gesandt hätte, sondern auf ein Verständnis von concilium als „Bischofskollegium einer Provinz“ oder „Kirchenprovinz“ i. S. des von Kaiser, Authentizität, 88–90 und 117–118 Dargelegten; vgl. auch Placanica, „Note“, 124 (ad a. 551,1), der concilium als „circoscrizione ecclesiastica“, also als „kirchlichen Bezirk“ versteht. Dafür spricht auch, dass concilium für ein auch sonst bekanntes Konzil in der Chronik nur in Chronicon 128 und 142 verwendet wird, an den anderen Stellen, an denen concilium vorkommt (vgl. Chronicon 145; 149; 152), ist concilium ebenfalls i. S. eines Bischofskollegiums zu deuten. Vgl. bspw. auch eine Verwendung von concilium in diesem Sinn bei Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 10,2,7 (302,63–66 Clément/Vander Plaetse) und bei Liberatus von Karthago, Breuiarium 4 und 5 (102,30; 104,6–7 Schwartz); vgl. die Hinweise bei Placanica, „Note“, 124 (ad a. 551,1); Kaiser, Authentizität, 89; mit jeweils weiteren Belegen. Adamiak, Carthage, 47–48 betont die wichtige Rolle der Regionalkonzilien für die nordafrikanische Kirche und sieht in dieser Wichtigkeit den Grund dafür, dass die Bischöfe sich als Bischöfe eines bestimmten concilium bezeichnet hätten, verweist hierbei allerdings nicht auf die Stellen bei Victor von Tunnuna: „The tendency of the African bishops to act in concert with their peers, and to regard their gatherings as the proper place to adjudicate on any differences between them, is very clear. Therefore, it was more than merely a matter of form when they continually styled themselves as the bishops ‚of the council of Byzacena‘, ‚of the council of Numidia‘ or ‚of the council of the Proconsularis province‘“. Vgl. weiter zu diesen Bischöfen Chronicon 145. Zum ersten Mal taucht hier der Titel archiepiscopus für den Bischof von Karthago auf (vgl. Placanica, „Note“, 124 [ad a. 551,1]; Kaiser, Authentizität, 109), der außer für Agapitus von Rom (Chronicon 125; 128) in der Chronik überhaupt nur für Reparatus verwendet wird (vgl. neben Chronicon 143 Chronicon 145; 149; 165). Dies ist auffällig, dennoch
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entsprechend dem üblichen Rang der (ersten drei) Kirchenprovinzen aufgeführt,907 in ihrem Verhältnis zum Kaiser, der sie zur Besprechung der causa fidei ruft, aber nicht in ihrem Verhältnis zum Papst, und auch nicht betreffend der Frage nach der communio mit ihm.908 Eine grundsätzliche Kritik am kaiserlichen Eingreifen in die causa fidei wird an dieser Stelle ebenfalls nicht deutlich. Liest man Chronicon 143 als Fortsetzung von Chronicon 141, geht es hier weiterhin um die Frage der Verteidigung der Drei Kapitel als Gegenstand einer Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Nordafrikanern. Nach der knappen Notiz über die Absetzung des Zoilus, Bischof von Alexandria durch Apollinarius, weil er die Drei Kapitel nicht verdammen wollte,909 einem Blick also über die Geschehnisse die nordafrikanischen Bischöfe betreffend hinaus, kommt der Drei-Kapitel-Streit hinsichtlich dieser Bischöfe und damit für Africa selbst an einen entscheidenden Punkt: In Chronicon 145 wird ausführlich über das weitere Schicksal der zuvor genannten Bischöfe Reparatus, Firmus, Primasius und Verecundus berichtet. Hier sei zunächst angemerkt, dass auch die Epistula legatariis summarisch vom weiteren Schicksal der afrikanischen Bischöfe, die nach Konstantinopel gerufen wurden, berichtet:
sollte diese Bezeichnung für den Bischof von Karthago wohl nicht überbewertet werden. Erstens ist, wie oben bereits dargestellt (s. o. S. 48–50) nicht von einem Rangstreit zwischen den Kirchenprovinzen auszugehen, der sich in diesem Titel für den Bischof von Karthago gezeigt hätte. Zweitens war der Titel archiepiscopus in der Zeit Justinians rechtlich noch nicht klar definiert; vgl. Markus, „Carthage“, 278 („In Justinian’s time archiepiscopus was a title which, jurisdictionally, still retained a wide margin of uncertainty.“), 289. In Codex Iustinianus 1,4,29, v. a. 11–12 fehlt der „Erzbischof “ in der Hierarchie, lediglich Patriarchen, Metropoliten und Bischöfe sind erwähnt. Der Titel „Erzbischof “ (archiepiscopus) war seit dem vierten Jahrhundert zwar für die größeren Bischofssitze wie Rom und Alexandria in Gebrauch und im sechsten Jahrhundert erhielten die Inhaber der Patriarchensitze diesen Titel, allerdings neben anderen bedeutenden Bischöfen – archiepiscopus und patriarcha waren nicht synonym. Karthago wurde nie Patriarchat, aber Nouellae Iustiniani 37 verlieh dem Bischof von Karthago die Metropolitenwürde, wobei er allerdings bereits vorher als Metropolit bezeichnet wurde; s. o. S. 48; vgl. auch Markus, „Carthage“, 280. Es ist denkbar, dass sich der Bischof von Karthago aus Anlass der Verleihung (oder Bestätigung) der Metropolitenwürde den Titel archiepiscopus beilegte, vgl. Kaiser, Authentizität, 109. Auch Liberatus von Karthago bezeichnet an einer Stelle den Bischof von Karthago als Erzbischof, nämlich Bischof Capreolus im Zusammenhang mit dem Konzil von Ephesus (Breuiarium 4 [103,7–8 Schwartz]). Dass gerade Reparatus in der Chronik als „Erzbischof “ bezeichnet wird, kann in ihrem Kontext auch mit seiner hervorgehobenen Rolle in der Verteidigung der Drei Kapitel zusammenhängen. Diese würde dann dadurch noch betont. 907 S. o. S. 49. 908 Vgl. aber o. S. 414 (Anm. 875) die Anmerkung Camerons. 909 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 144. Von einer Absetzung durch den Kaiser berichtet Liberatus von Karthago, Breuiarium 23 (139,32–33 Schwartz), jedoch ohne Angabe des Grundes. Nach Facundus von Hermiane, Pro defensione capitulorum 4,4,8 schrieb Zoilus an den sich noch in Sizilien befindlichen Papst, er sei zur Bestätigung des kaiserlichen Ediktes (= das erste Edikt Justinians gegen die Drei Kapitel) gezwungen worden; vgl. zu Apollinarius und Zoilus auch die Darlegung von Placanica, „Note“, 124 (ad a. 551,2).
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Cum Afri episcopi, de quibus supra dictum est, in ciuitatem regiam peruenissent, coeperunt eis nunc blandimentis, nunc terroribus extorquere, ut praeberent in capitulorum damnatione consensum.910
Durch Schmeicheleien und mit Gewalt, Schrecken, wird nun also in Konstantinopel auf diese Bischöfe eingewirkt, damit sie der Verurteilung der Drei Kapitel zustimmen. Was der Brief hier summarisch berichtet, wird in der Chronik des Victor von Tunnuna hinsichtlich der einzelnen Bischöfe genauer aufgeführt, in der der Angabe von Chronicon 143 entsprechenden Reihenfolge, zunächst also zu Reparatus, dann zu Firmus, und schließlich zu Primasius und Verecundus. Drei von ihnen bleiben (zunächst) standhaft gegenüber der Verurteilung der Drei Kapitel und sind verschiedenen Repressionen ausgesetzt:911 Reparatus archiepiscopus, plurimis calumniis impetitus, pro eo quod damnationi trium memoratorum capitulorum assensum non prebuit, officio sumtibusque priuatus Eucayda exilio religatur et Primosus diaconus apocrisarius eius, postquam damnauit que sunt sinodaliter atque uniuersaliter defensata, eo superstite contra uota cleri simulque et populi episcopus Cartaginensis ecclesie ordinatur.912
Reparatus bleibt standhaft und stimmt der Verurteilung der Drei Kapitel nicht zu, wofür er ins Exil nach Euchaita913 geschickt wird. Um was es bei den Verleumdungen ging, durch die er „angegriffen“ wurde, berichtet wieder genauer die Epistula legatariis: Sed cum nullatenus eis extorquire potuissent, concinnata est causa sancto Reparato episcopo Carthaginiensi, ex anno Areobindam magistrum militum a Guntharit tyranno in Africa fecisset occidi, et sub hoc colore in exilio deportatus est.914
910 Epistula legatariis (20,19–22 Schwartz; Übers. 1,166 Price): „When the African bishops mentioned above reached the imperial city, they began to press them, now by blandishments and now by threats, to give their assent to the condemnation of the chapters.“ In der Chronik ist zunächst nur aus Chronicon 145 in Verbindung mit Chronicon 143 deutlich, dass es hier um Ereignisse geht, denen sich die Bischöfe in Konstantinopel stellen müssen; in Chronicon 145 wird kein Ort genannt, allerdings legen die Exilsorte Euchaita (Reparatus) und Chalcedon (Verecundus) Geschehnisse in Konstantinopel nahe. 911 Vgl. Conant, Staying Roman, 322: „Their punishments varied in proportion to their importance“. 912 Victor von Tunnuna, Chronicon 145 (47,840–847 Cardelle de Hartmann): „Erzbischof Reparatus, angegriffen von vielen Verleumdungen, weil er nicht die Zustimmung gab zu der Verurteilung der erwähnten Drei Kapitel, wurde seines Amtes und seiner Mittel beraubt und im Exil in Euchaita festgehalten, und der Diakon Primosus, sein Apokrisiar, wurde, nachdem er die Dinge verurteilte, die synodal und allgemeingültig verteidigt worden waren, obwohl dieser noch lebte, gegen die Voten des Klerus und auch des Volkes zum Bischof der Kirche von Karthago ordiniert.“ 913 Heute Beyözü (Türkei), vgl. https://www.clericalexile.org/exile/118 (letzter Zugriff 07.01.2021). Nach Victor von Tunnuna, Chronicon 74 ist dies auch der Exilsort des Euphemius von Konstantinopel. 914 Epistula legatariis (20,22–26 Schwartz; Übers. 1,167 Price): „But when this pressure failed utterly, a charge was concocted against the holy Reparatus bishop of Carthage that six years before he had
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Zum Exil führt also nach dem Brief der Vorwurf, Reparatus habe bei der Rebellion durch Guntharith diesen dazu angestiftet, den magister militum Areobindus zu töten915 – bei Victor von Tunnuna hingegen wird als Exilsgrund konkret nur die Standhaftigkeit in der Sache der Drei Kapitel angegeben (wegen der er Verleumdungen ausgesetzt gewesen sei). Jedenfalls greift hier wohl die kaiserliche Gewalt ein und ergreift erste Maßnahmen gegen die Verteidiger der Drei Kapitel, auch wenn dies von der Chronik so (als kaiserliche Gewalt) nicht benannt wird. Für Reparatus wird der Diakon Primosus als Bischof eingesetzt, sein Apokrisiar.916 Hervorgehoben wird sowohl die bereits zuvor in der Chronik thematisierte formale Unrechtmäßigkeit seiner Einsetzung zu Lebzeiten des rechtmäßigen Bischofs (eo superstite)917 als auch deren inhaltliche Voraussetzung: postquam damnauit que sunt sinodaliter atque uniuersaliter defensata. D. h. Primosus stimmt der Verurteilung der Drei Kapitel zu, die hier nicht nur als sinodaliter (vgl. Chronicon 141) sondern auch als uniuersaliter verteidigt benannt werden.918 Dass seine Einsetzung so auf Widerstand stößt, ist konsequent: Der Widerstand betrifft sowohl den Klerus als auch die Laien (contra uota cleri simulque et populi […] ordinatur). Offenbar setzt hier der Kaiser – auch wenn dies nicht direkt gesagt wird – einen ihm passenden Kandidaten ein.919 Dies deutet auch die entsprechende Angabe in der Epistula legatariis an, wo Primosus nicht mit Namen genannt wird, aber ebenfalls die Unrechtmäßigkeit der Vorgänge hervorgehoben und dazu noch von Gewalttätigkeiten und Toten bei der Bischofseinsetzung berichtet wird.920 Die Einsetzung des Primosus rief also wohl heftige Reaktionen und induced the usurper Guntarith to have the magister militum Areobindus murdered; and on this pretext he was deported into exile.“ 915 Vgl. Modéran, „L’Afrique reconquise“, 51; Placanica, „Note“, 124 (ad a. 552,1). Von dieser Affäre berichtet auch Prokopios von Caesarea, De bello Vandalico 2,26,23–31, allerdings stiftet Reparatus dort Guntharit nicht an, sondern liefert diesem Areobindus auf dessen Befehl hin aus. Adamiak, Carthage, 34 sieht in der Aktion eher einen Versuch, Areobindus vor dem Tod zu bewahren. Zum Aufstand unter Guntharith s. auch o. S. 341 (mit Anm. 524) zu Chronicon 136 ohne Bezug auf Reparatus. 916 Es ist unklar, ob dieses Amt in Bezug auf den Bischof von Karthago so zu verstehen ist wie der römische Apokrisiar, also als ständiger Gesandter in Konstantinopel, vgl. Adamiak, Carthage, 73. 917 Die Rechtmäßigkeit ist freilich zunächst aus Sicht des Victor von Tunnuna gegeben, da er Reparatus als Verteidiger der Drei Kapitel auf der „katholischen“ Seite sieht. S. auch u. in Chronicon 152 und 155 zu Primosus als incubator – und eben nicht als archiepiscopus; vgl. Adamiak, Carthage, 74. 918 Vgl. Modéran, „L’Afrique reconquise“, 53, der dazu konkret meint: Primosus „avait approuvé l’édit impérial“. Das erzählt freilich die Chronik so nicht. An anderer Stelle (ebd., 73) sieht Modéran die Gemeinschaft der proconsularischen Bischöfe mit Primosus (vgl. Chronicon 149; s. u. Kap. 5.7.3.4) im Kontext der Akzeptanz der päpstlichen Entscheidungen. 919 Vgl. Adamiak, Carthage, 73; den imperialen Einsatz betont besonders Diehl, L’Afrique byzantine, 441. 920 Vgl. Epistula legatariis (21,9–13 Schwartz; Übers. 1,167 Price): Mittunt etiam ad Carthaginem et [ad] alium in loco sancti Reparati episcopi contra omnes regulas et contra omnia statuta patrum Mileuitanorum episcopum ordinari fecerunt, quod cum nimia effusione sanguinis et interitu multorum innocentum hominum fecisse dicuntur. / „They even sent to Carthage and got a substitute to be ordained bishop in place of the holy bishop Reparatus against all the canons and against all the decrees of the fathers
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Gegenreaktionen hervor.921 In der Chronik Victors kommt es aber offenbar insbesondere darauf an, dass der Verteidiger der Drei Kapitel durch einen ersetzt wird, der sich von den synodalen und sogar universalen Beschlüssen der Kirche verabschiedet, ja diese verdammt.922 Nach Reparatus wird von Firmus berichtet. Auch in Bezug auf ihn ist die Frage nach der Haltung gegenüber den Drei Kapiteln entscheidend – anders als Reparatus fällt er aber von der Verteidigung der Drei Kapitel ab: Firmus concilii Numidie primatus donis principis corruptus damnationi eorumdem capitulorum assensum prebuit, sed ad propria remeans in naui morte turpissima interiit.923
Firmus wird also nicht durch Zwang zur Verurteilung der Drei Kapitel gebracht, sondern durch kaiserliche Geschenke erfolgreich dazu verführt. Auch der Brief der italienischen Kleriker nannte als eine Maßnahme gegenüber den afrikanischen Bischöfen
of Milevis; and this they are reported to have done with great shedding of blood and the death of many innocent men.“ Vgl. dazu Adamiak, Carthage, 73: Primosus habe offenbar militärische Unterstützung gebraucht. 921 Vgl. auch Modéran, „Die Kirchen“, 756: „Als Justinian zu harten Maßnahmen griff und im Jahr 551 Bischof Reparatus von Karthago absetzte und Primosus an seiner Statt einsetzte, widersetzten sich in Karthago die Gläubigen im Verein mit den Klerikern der Stadt. […] Selbst wenn es die Quellenlage nicht erlaubt, das ganze Ausmaß des afrikanischen Widerstandes zu bestimmen, so muß dieser doch massiv und ausgedehnt gewesen sein.“ Vorsichtiger formuliert es Adamiak, Carthage, 73–74, der bemerkt, dass die Hinweise in der Epistula legatariis und bei Victor von Tunnuna „the only reference we have to popular opinion in the Three Chapters dispute“ seien (so auch bereits Modéran, „L’Afrique reconquise“, 80–81). Der Protest habe sich aber wahrscheinlich eher gegen die Exilierung des bisherigen und die aufgezwungene Einsetzung eines neuen Bischofs als gegen bestimmte theologische Aussagen gerichtet. Auf die Schwierigkeit, die Reaktionen aus dem Volk einzuschätzen, weist schon Cameron, „Byzantine Africa“, 50 hin; vgl. auch dazu Modéran, „L’Afrique reconquise“, 80–81, der nicht von einem besonders großen Widerstand im Volk gegen die Verurteilung der Drei Kapitel ausgeht. Dass die brutalen Gegenreaktionen, so Modéran, „L’Afrique reconquise“, 53, ein Klima der Angst in Africa erzeugten, erscheint jedenfalls plausibel, auch wenn es aus der Chronik selbst nicht unmittelbar ersichtlich ist. Modéran verweist ebd. etwa auf den Anfang von Facundus von Hermianes Contra Mocianum, wo Facundus schreibt, er wolle seine Brüder (die Adressaten) nicht mit dem Namen nennen, weil er die Schikanen der Verfolger fürchte (Contra Mocianum 1 [401,2–5 Clément/Vander Plaetse; Übers. 233 Solignac]): Sed metuens ne tamquam latebrarum nostrarum conscii, persecutorum quos fugimus incideritis in calumnias, nominare uos nolui. / „Mais, de crainte que, mis au courant de notre refuge, vous ne soyez exposés aux calomnies des persécuteurs que nous fuyons, je n’ai pas voulu vous nommer.“ 922 Modéran, „L’Afrique recoquise“, 51, sieht in der weiteren Verteidigung der Drei Kapitel durch Reparatus, Verecundus und Primasius auch eine Solidarisierung mit Vigilius, der sich nun wieder zum Widerstand entschlossen hätte. Für die Chronik ist das allerdings kein Thema – Vigilius bleibt ja nach ihrer Darstellung bis zu seinem Tod von der communio der afrikanischen Kirche ausgeschlossen (vgl. Chronicon 157). 923 Victor von Tunnuna, Chronicon 145 (47,847–850 Cardelle de Hartmann): „Firmus, der Primas des numidischen Konzils, verführt durch die Geschenke des Prinzeps, gab der Verurteilung derselben Kapitel die Zustimmung, aber als er in seine Heimat zurückkehrte, starb er auf dem Schiff einen überaus schändlichen Tod.“
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blandimenta,924 was solchen Geschenken entsprechen könnte. Konkret wirft den Verurteilern der Drei Kapitel eine Verführung durch Geschenke auch die Epistula fidei catholicae vor.925 Dass die Geschenke hier explizit Geschenke „des Kaisers“ sind, ist der einzige direkte Hinweis auf kaiserliches Handeln in diesem Abschnitt. Offenbar soll, wie oben schon angedeutet, nicht das kaiserliche Handeln im Vordergrund stehen. Darauf weist auch das hin, was in der Notiz zu Firmus wie eine Folge seiner Verurteilung der Drei Kapitel geschildert ist: Sein schändlicher Tod (morte turpissima interiit). Da Firmus in den Anwesenheitslisten des Konzils von Konstantinopel 553 aufgeführt ist, ist hier nicht von einer „korrekten“ Chronologie auszugehen.926 Aber für Victor von Tunnuna war wohl – wie an anderer Stelle – dies wichtig: Dass die Verurteilung der Drei Kapitel den schändlichen Tod als Folge hat. Firmus steht damit in einer Reihe mit Chalcedon-Gegnern (meistens „Arianer“) und weiteren Gegnern der Drei Kapitel, die nach der Darstellung der Chronik ebenfalls einen schändlichen Tod erleiden.927 Sein Abfall von der Verteidigung der Drei Kapitel inklusive dessen Folge steht hier im Vordergrund, nicht eine Kritik am Handeln des Kaisers. Damit ist auch nicht notwendigerweise davon auszugehen, dass Victor von Tunnuna sich aus Vorsicht einer solchen Kritik enthält – sein Interesse liegt offensichtlich in einer anderen Frage, in der Frage nach dem Schicksal der Verurteiler bzw. Verteidiger Chalcedons und der Drei Kapitel.928 Der dritte der nach Konstantinopel gekommenen Nordafrikaner, Primasius, widersteht nach der Darstellung der Chronik offenbar zunächst der Verurteilung der Drei Kapitel und wird in Klosterhaft genommen: Primasius quoque Aquimetensi[s] monasterio religatus.929 Tatsächlich hängt seine Klosterhaft wohl damit zusammen, dass 924 S. o. S. 421. 925 Vgl. Epistula fidei catholicae 25 (424,203 Clément/Vander Plaetse; Übers. 299 Solignac): modo muneris corrupti / „tantôt corrompus par des présents“. Vgl. Placanica, „Note“, 125 (ad a. 552,2); vgl. ders., „Introduzione“, XXVI: Dies sei ein Beleg für die Benutzung der Chronik durch den Autor der Epistula. Dort werde allgemein gesagt, was in der Chronik konkret bezogen auf eine Person berichtet werde; s. dazu weiter u. Kap 5.9. Dona des Kaisers werden in der Chronik sonst nur für die Gesandten der Awaren erwähnt, vgl. Chronicon 166 (53,959–961 Cardelle de Hartmann): Eo anno Iustinianus princeps legatos gentis Abarorum primus primo suscepit et cum donis maximis remeare unde uenerant facit. / „In diesem Jahr empfing Prinzeps Justinian als erster zuerst die Gesandten des Volkes der Awaren, und er bewirkte, dass sie mit überaus großen Geschenken dahin zurückkehrten, wo sie herkamen.“ S. u. S. 454. 926 Vgl. die Anwesenheitslisten der Sitzungen 1–4 und 8; vgl. ACO 4,1 (4,22; 21,18; 33,22; 40,18; 204,19 Straub); vgl. Placanica, „Note“, 125 (ad a. 552,2). Firmus’ Unterschrift fehlt allerdings in der Unterschriftenliste des Konzils, vgl. Price, The Acts of Constantinople 553 2, 294–295. 927 S. an den entsprechenden Stellen zu Hunerich (Chronicon 51), Olimpius (Chronicon 80), Anasta sius (Chronicon 100), und Theodora (Chronicon 140); s. weiter in diesem Kapitel zu Primasius, vgl. auch den Tod von Datius von Mailand (Chronicon 150) und von Vigilius (Chronicon 157). Zum Gegensatz zu „guten“ Toden in der Chronik s. u. bes. Kap. 5.7.3.7. 928 Dies wird im Schluss der Arbeit Kap. 7. noch einmal aufgegriffen. 929 Victor von Tunnuna, Chronicon 145 (47,850–851 Cardelle de Hartmann): „Primasius wurde auch in einem Kloster in Aquimetensis festgehalten“. Das Kloster wird bereits erwähnt in Chronicon 59.
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er und Verecundus die päpstliche Verurteilung des Theodor Askidas und des Menas unterzeichneten, was in der Chronik aber nicht erwähnt wird.930 Primasius folgte auch danach zunächst weiter Vigilius: Er ist einer der Unterzeichner unter das erste Constitutum des Papstes und weigerte sich, zum Konzil 553 zu kommen, wenn der Papst nicht komme.931 Nach der Darstellung der Chronik macht Primasius jedoch mit der Aussicht auf den Vorsitz unter den Bischöfen der Byzacena eine Kehrtwende932: Sed Boetio primate Biza[n]ceni concilii morte preuento, ut ei succederet, memorate damnationi protinus assensit reuersusque ad sua, que prius defendebat, ualidissimis persecutionibus impu gnauit, fidelibusque calunnias generando, eorumque substantias auferendo.933
Modéran datiert Primasius’ Umschwenken „par faiblesse morale“ auf das Jahr 554 und verbindet es damit mit dem zweiten Constitutum des Papstes (Februar 554), dem Primasius gefolgt sei.934 In der Chronik ist sein Umschwenken freilich vor das 2. Konzil von Konstantinopel eingeordnet – Placanica ist aber darin zuzustimmen, dass Chronicon 145 „più che una precisa cronologia, sembra proporre ‚l’interpretazione etica degli eventi stessi‘, quasi suggerendo un implicito confronto fra i personaggi che introduce“.935 D. h. aber auch: Mehr als die Frage nach der konkreten Chronologie ist auch an dieser Stelle die Darstellung der Chronik interessant: Welche Geschichte erzählt sie
930 Vgl. Vigilius, Epistula 2 (14,11 Schwartz). Vgl. Modéran, „L’Afrique reconquise“, 51; Adamiak, Car thage, 72. Dass Victor von Tunnuna anders etwa als Liberatus von Karthago Theodor Askidas überhaupt nicht erwähnt (s. auch o. S. 391 [Anm. 766]), ist ein weiterer Hinweis darauf, dass sein Fokus ein anderer als das Verhalten des Kaisers und dessen Berater im Drei-Kapitel-Streit ist. 931 Vgl. Vigilius, Constitutum de tribus capitulis 311 (319,10–13 Günther). In den Akten des Konzils ist vermerkt (ACO 4,1 [29,32–33 Straub; Übers. 1,216 Price]): Ille autem dixit: Papa non praesente non uenio. / „But he said, ‚If the pope is not present, I shall not come‘“. Modéran, „L’Afrique reconquise“, 51, sieht in Bezug auf Chronicon 145 überhaupt eine Solidarisierung der afrikanischen Bischöfe (mit Ausnahme von Firmus) mit Vigilius („tous se solidarisèrent cependant avec Vigile, qui avait choisi désormais de résister“). Dies entspricht vor dem Hintergrund von Chronicon 141 freilich nicht der Darstellung der Chronik. 932 Dass sich das bei Victor von Tunnuna geschilderte Umschwenken des Primasius auf dessen Unterzeichnung des ersten Constitutum bezieht, ist eher nicht anzunehmen. Das Constitutum beinhaltet ja keine direkte Verurteilung der Drei Kapitel, auch wenn es nicht sehr klar in seiner Gesamtaussage und Intention erscheint; vgl. den inhaltlichen Überblick bei Price, The Acts of Constantinople 553 2, 141–144; zum Text s. auch o. S. 89. 933 Victor von Tunnuna, Chronicon 145 (47,851–48,856 Cardelle de Hartmann): „Aber nachdem Boethius, Primas des byzacenischen Konzils, durch den Tod verhindert worden war, stimmte er sofort, um ihm zu folgen, der erwähnten Verurteilung zu und kehrte zu seinem Sitz zurück. Was er vorher verteidigt hatte, bekämpfte er durch stärkste Verfolgungen, sowohl indem er Schikanen für die Gläubigen erzeugte als auch indem er ihre Habseligkeiten wegnahm.“ Auch hier ist concilium i. S. des Bischofskollegiums zu verstehen, auch wenn Modéran, „Die Kirchen“, 756, in Bezug auf Chronicon 145 auf eine byzacenische Lokalsynode im Jahr 554 verweist. 934 Modéran, „L’Afrique reconquise“, 54–55, hier 55, vgl. 73; vgl. auch Conant, Staying Roman, 322; Adamiak, Carthage, 76. Ähnlich auch Placanica, „Note“, 125 (ad a. 552,2). 935 Placanica, „Note“, 125 (ad a. 552,2); vgl. auch Modéran, „L’Afrique reconquise“, 42–43 (Anm. 12). Dies wurde bereits bei den Angaben zu Firmus deutlich, s. o. S. 423–424.
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vom Umschwenken des Primasius? Primasius und sein Handeln werden in der Chronik jedenfalls nicht mit dem Bischof von Rom in Verbindung gebracht.936 Von Verfolgungen der Verteidiger der Drei Kapitel in Nordafrika berichten auch andere Quellen – Primasius’ Rolle dabei wird aber nicht erwähnt.937 Schon dies deutet darauf hin, dass die Darstellung des Primasius in der Chronik besonders negativ ist.938 Im Kontext der Chronik fallen zudem vier Verknüpfungen auf: Über Primasius wird gesagt, dass er durch seine Kehrtwende ualidissimis persecutionibus impugnauit, fidelibusque calunnias generando, eorumque substantias auferendo. Außer Primasius wird in der Chronik nur noch Hunerich direkt mit einer Verfolgung (persecutio) in Verbindung gebracht.939 Severus von Antiochien und Julian von Halicarnassus werden als impugnatores bezeichnet.940 Calumnia sind das, was Reparatus für das Festhalten an der Verteidigung der Drei Kapitel erleiden muss (zuvor in Chronicon 145). Wie Gelimer nimmt Primasius die Besitztümer der Gläubigen weg.941 Über die Wortwahl in Chronicon 145 wird Primasius also mit diesen Erzgegnern Chalcedons, mit den beiden Vandalenkönigen und mit dem, was Reparatus von Gegnern der Drei Kapitel erleiden muss, verbunden. In dieser Tradition steht Primasius hier, nachdem er übergelaufen ist zu den Gegnern der Drei Kapitel: Eine deutliche Ablehnung von bzw. Kritik am nun an die Macht gekommenen Bischof der Byzacena. Letztlich hat Primasius aber mit diesen Maßnahmen keinen Erfolg: Sed in quibus peccauit laetari non potuit, siquidem, postquam a catholicis sui concilii antistibus pro suis preuaricationibus condemnatus, infelici morte extinguitur, que conquisierat fraude, fideliter a iudicibus auferentur.942
Wie zuvor Firmus stirbt nun auch Primasius einen schändlichen, hier als „unglücklich“ bezeichneten Tod (infelici morte). Dieser wird nun sprachlich noch direkter als der Tod des Firmus mit seiner Verurteilung der Drei Kapitel und den ihm zugeschriebe-
936 Auch dies ist nach Chronicon 141 zunächst konsequent. 937 Vgl. Facundus von Hermiane, Contra Mocianum 1; Epistula fidei catholicae 19, dort eine ähnliche Wortwahl wie in Chronicon 160 (persecutiones führen zum consentire); Epistula legatariis (24,26–28 Schwartz); vgl. Placanica, „Note“, 125 (ad a. 552,2). 938 Vgl. Placanica, „Note“, 125 (ad a. 552,2) unter Hinweis auf Morcelli, Africa Christiana 3, 318. 939 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 50 (s. o. Kap. 5.5.2). Die Verfolgungen der illyrischen Bischöfe, von denen in Chronicon 160 berichtet wird, sind ohne konkreten Urheber notiert. 940 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 124: impugnatores des apostolischen Glaubens und der Synode von Chalcedon; s. o. Kap. 5.7.1.5. 941 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 117 (38,648–649 Cardelle de Hartmann): multorumque substancias […] tollit; s. o. S. 340 (Anm. 521). 942 Victor von Tunnuna, Chronicon 145 (48,856–860 Cardelle de Hartmann): „Aber worin er sündigte, darin konnte er sich nicht freuen, weil er ja, nachdem er von den katholischen Bischöfen seines Konzils für seine Pflichtverletzungen verurteilt wurde, durch einen unglücklichen Tod ausgelöscht wurde; was er betrügerisch erlangt hatte, wurde treu von den Richtern weggenommen.“
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nen Verfolgungen in einen kausalen Zusammenhang zusammengebracht: Er sündigt, und sein Tod erscheint gleichsam als Folge davon. Chronicon 145 ist in der Chronik bis auf das schwierig zu deutende Chronicon 131, wo die Sünden Africas erwähnt werden, auf welche eine Niederlage des römischen Heers zurückgeführt wird,943 die einzige Stelle, an der das Lemma peccare verwendet wird. Primasius sündigt durch die zuvor aufgeführten Taten, d. h. durch die Verfolgungen der Gläubigen sowohl mittels der calumnia als auch in materieller Hinsicht. Indem Primasius von einem Verteidiger zu einem Gegner der Drei Kapitel geworden ist, handelt er gegen die, welche Victor von Tunnuna ja bereits zuvor immer wieder als die wahre, die „katholische“ Kirche oder Gemeinschaft herausgestellt hat, und dies ist seine Sünde. In dieser kann er sich aber nicht freuen, denn sein Tun hat Folgen: Zunächst wird Primasius von den „katholischen Bischöfen seines Konzils“944 für seine praeuaricationes945 verurteilt. Die als „katholisch“ bezeichnete Kirche wendet sich also in Gestalt der Bischöfe selbst gegen ihn, der damit offenbar eben nicht mehr als „katholisch“ angesehen wird.946 Das, was er materiell an sich genommen hat, wird (ihm) wieder weggenommen.947 Vor allem aber hat er schließlich von seinen Sünden nichts, weil er den genannten „unglücklichen“ Tod stirbt. Damit steht auch der Tod des Primasius in einer Reihe mit den schändlichen Tode der anderen religiösen Gegner bzw. Häretiker (oder der diesen nahestehenden).948 Primasius ist also insgesamt noch negativer als Firmus gezeichnet.949 Er wird von seinem eigenen Bischofskollegium ausgeschlossen: Hier zeigt sich offensichtlich min943 S. o. S. 341 (Anm. 523). 944 Auch hier findet sich wieder die Bedeutung von concilium als „Bischofskollegium“. 945 Auch dies ist ein auffälliger und starker Begriff, der in der Chronik nur im Zusammenhang mit den „übergelaufenen“ Gegnern der Drei Kapitel verwendet wird; s. dazu weiter u. den Exkurs in Kap. 5.7.3.4. 946 Vgl. Modéran, „L’Afrique reconquise“, 56. 947 Modéran, „L’Afrique reconquise“, 56 sieht hier zwei Vorgänge, einen religiösen (Ausschluss durch das Bischofskollegium) und einen zivilen, nämlich eine zivile Verurteilung wegen Machtmissbrauchs, die „Richter“ würden sich hier auf den Provinzgouverneur beziehen. Vgl. auch Adamiak, Carthage, 77. Der Text der Chronik deutet eher darauf hin, dass diese richterliche Wegnahme dessen, was Primasius an sich genommen hatte, erst nach seinem Tod geschah. Die genauen Vorgänge sind jedoch nicht rekonstruierbar. 948 Auch hier erscheint nicht „Gott“ oder eine göttliche Kraft o. ä. als (expliziter) Verursacher dieses Todes – es wäre ja denkbar, Primasius’ Tod als Strafe Gottes für die Abweichung von der „katholischen“ fides zu verstehen; im Text selbst gibt es darauf aber keinen Hinweis. 949 Dies gilt übrigens auch für die Epistula fidei catholicae: Dort (Epistula fidei catholicae 7 [420,57 Clément/Vander Plaetse]) wird Primasius als erster Gelehrter der Accephali (praecipui doctoris acephalorum) bezeichnet. Dies ist einer der Hinweise darauf, dass die Chronik und die Epistula aus einem sehr ähnlichen Milieu stammen, dazu s. weiter u. Kap. 5.9. Die Epistula legatariis hingegen bezeichnet Primasius und Verecundus (ohne sie namentlich zu nennen) im Zusammenhang mit den blandimenta und terrores, die sie in Konstantinopel zunächst erleiden mussten, als qui inter ipsos et sanctitate uitae et diuinarum scripturarum scientia sunt ornati / „pre-eminent among them for holiness of life and knowledge of the divine scriptures“ (20,27–28 Schwartz; Übers. 1,167 Price). Letzteres entspricht ihrer exegetischen Tätigkeit; s. o. S. 419 (Anm. 905).
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destens ein Konflikt zwischen Verteidigern der Drei Kapiteln in der Byzacena und ihrem neuen Primas – und vielleicht sogar darüber hinaus.950 Chronicon 145 ist damit in der Chronik die erste Notiz, die einen solchen Konflikt zwischen bleibenden Verteidigern der Drei Kapitel und „übergelaufenen“ Gegnern in Africa zeigt – im Folgenden wird dieser Konflikt genauer zu fassen sein und sein Zusammenhang mit dem Kontext der Chronik und ihrer Intention deutlicher werden. Nach Reparatus, Firmus und Primasius wird in Chronicon 145 zuletzt noch vom Schicksal des Verecundus951 berichtet: Verecundus uero ecclesie Iuncensis episcopus, in defensione memoratorum perdurans capitulorum, Calcidonia, ubi refugium fecerat, in diuersorio gloriose martyris952 Euphimie de hac uita migrauit ad Deum.953
Verecundus bleibt also wie Reparatus – und anders eben als Firmus, aber v. a. auch anders als der neue Primas seines concilium, der Byzacena, Primasius – Verteidiger der Drei Kapitel. Er muss sich deshalb verstecken: Wie bei Primasius hängt wohl auch Verecundus’ Suche nach einem klösterlichen bzw. kirchlichen Versteck tatsächlich mit seiner Unterzeichnung der päpstlichen Verurteilung des Theodor Askidas und des Menas zusammen.954 In der Chronik ist wie schon bei Primasius auch bei Verecundus aber die Treue zu Vigilius kein Thema. Hier wird Verecundus’ Verstecken ausschließlich mit seinem Festhalten an der Verteidigung der Drei Kapitel verbunden. Die Wortwahl in der Chronik für die Konsequenz am Festhalten an der Verteidigung der Drei Kapitel ist für Primasius und für Verecundus jeweils verschieden: Während die Formulierung monasterio religatus für Primasius (vor seinem Umschwenken) an eine Klosterhaft denken lässt, wird für Verecundus notiert: refugium fecerat. Dass Verecundus refugium sucht, ist innerhalb von Chronicon 145 dann eine Gegenbewegung zu den persecutiones, die zuvor Primasius zugeschrieben wurden. Insofern wird Verecundus innerhalb von Chronicon 145 zu dessen Gegenbild. Dies wird durch zwei weitere Hinweise in Chronicon 145 unterstützt: Verecundus hatte in Chalcedon Zuflucht gesucht und starb dort in diuersorio gloriose martyris Euphimie. Er hatte sich also in der Basilika der Heiligen Euphemia versteckt. In dieser
950 Vgl. Modéran, „L’Afrique reconquise“, 56, 75; Adamiak, Carthage, 77. 951 S. o. S. 419; zu Verecundus vgl. als Überblick auch Bianco, „Verecundus de Iunca“. 952 Diese Lesart ist eine Konjektur, vgl. dazu Placanica, „Note“, 126 (ad a. 552,2); vgl. die Varianten im apparatus ad locum bei Cardelle de Hartmann. 953 Victor von Tunnuna, Chronicon 145 (48,860–863 Cardelle de Hartmann): „Verecundus aber, Bischof der Kirche von Iunci, hielt in der Verteidigung der bekannten Kapitel aus und wanderte in Chalcedon, wo er Zuflucht genommen hatte in der Herberge der ruhmreichen Märtyrerin Euphemia, aus diesem Leben zu Gott.“ 954 S. o. S. 424–425.
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Basilika war das Konzil von Chalcedon955 abgehalten worden.956 Als berühmtes Heiligtum hatte sie das Asylrecht gehabt; Vigilius etwa hatte sich am 23.12.551 mit Datius von Mailand und anderen Klerikern vor Justinian in sie geflüchtet.957 Der Tod des Vere cundus wird damit nicht nur mit der „ruhmvollen Märtyrerin“ Euphemia verknüpft, sondern auch mit dem Konzil von Chalcedon.958 Auch damit steht Verecundus eben im Gegensatz zu Primasius, der ja gegen die fideles vorging und von der „katholischen“ Gemeinschaft ausgeschlossen wurde.959 Als Resultat, und das ist ein weiterer Gegensatz zu Primasius (aber auch zu Firmus und allen anderen, die einen schändlichen Tod sterben), stirbt Verecundus einen guten Tod: de hac uita migrauit ad Deum.960 Sein Tod wird damit zwar nicht als Märtyrertod bezeichnet, hat aber so über die wörtliche Verknüpfung mit der Märtyrerin Euphemia hinaus eine Konnotation in diese Richtung – Verecundus wandert mit dem Tod (direkt, wie ein Märtyrer) zu Gott.961 Er steht damit in einer positiven Reihe: In einer Reihe mit denjenigen, die einen guten Tod sterben, einen Tod als Märtyrer wie Laetus oder als confessor wie Eugenius. Verecundus steht also nicht nur von seiner Gesinnung her im Gegensatz zu den Feinden Chalcedons, sondern auch vom Ort seines Todes und von dessen Art bzw. Bewertung her. Dass dies in Chronicon 145 ein konkre-
955 In Chronicon 145 findet sich hiermit die letzte wörtliche Erwähnung von „Chalcedon“, auch wenn hier freilich (zunächst) der Ort, nicht das Konzil gemeint ist. 956 S. auch o. Kap. 5.6 zu Lupicina. 957 Davon berichtet Victor von Tunnuna allerdings nicht. Vgl. Placanica, „Note“, 125 (ad a. 552,2); vgl. Schneider, „Sankt Euphemia“, 291–302; Maraval, „Die Religionspolitik“, 452; Vigilius, Epistula 1 (1,13–15; 4,10–12 Schwartz). Zum Konzilsort vgl. ACO 2,1,1 (55,5–6 Schwartz). Diuersorium = deuer sorium, vgl. TLL, s. v. „deversorium“, bezeichnet eine Herberge oder einen Schlupfwinkel: „locus devertendi vel deversandi, hospitium, habitatio“; damit ist an dieser Stelle wohl eine der Kirche zugehörige Unterkunft gemeint. 958 So auch Adamiak, Carthage, 72: Der Todesort des Verecundus sei „a symbolic place, that made of him a martyr to the Chalcedonian cause“. 959 Die Epistula legatariis berichtet anders als die Chronik von der Flucht sowohl des Primasius als auch des Verecundus (ohne deren Namen zu nennen) in die Sankt-Euphemia-Kirche: alii duo […] ad sanctam Eufimiam Calchidonam fugierunt / „two others […] fled to St Euphemia’s at Chalcedon“ (20,26–29 Schwartz; Übers. 1,167 Price). Auch dies weist darauf hin, dass Verecundus in der Chronik in diese Kontinuität gesetzt werden soll – und Primasius gerade nicht. 960 Die Epistula legatariis bezeugt eine schwere Krankheit von Primasius und Verecundus (20,24–21,2 Schwartz, Übers. 1,167 Price): et ibi usque hodie sub tanta necessitate iacent, ut cum infirmitate corporis laborantes nec medicum inuenire mereantur, pericula immense sustineant. / „and there to this day are lying sick in such straits that they are in real danger, because, despite suffering from bodily infirmity, they cannot find a doctor“. Vgl. Placanica, „Note“, 125 (ad a. 552,2). 961 Eine ähnliche Formulierung findet sich später in Chronicon 158 zu Felix Gillitanus; s. u. Kap. 5.7.3.6. Vgl. zudem auch hier ähnlich in der Epistula fidei catholicae 26 (425,217–219 Clément/Vander Plaet se; Übers. 299 Solignac): omnium pontificum, qui […] ac deinceps ad nostra usque tempora in una eademque defensione atque communione perdurantes, Catolici ex hac uita emigrarunt. / „de tous les pontifes qui […] et ensuite jusqu’à nos temps ont persévéré cette vie dans la foi catholique“. Vgl. Placanica, „Note“, 125 (ad a. 552,2); ders. „Introduzione“, XXVI. S. dazu weiter u. Kap. 5.9.
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ter Gegensatz zu Primasius ist, kann auf einen Konflikt in Nordafrika, oder genauer: in der Byzacena hindeuten.962 Insgesamt steht in Chronicon 145 das Verhältnis der einzelnen, namentlich genannten Bischöfe aus Nordafrika zu den Drei Kapiteln und ihr damit zusammenhängendes weiteres Schicksal im Vordergrund. Die Darstellung deutet auf Konflikte um die Drei Kapitel in Nordafrika selbst. Es fällt auf, dass das, was in Chronicon 145 konkret für Reparatus, Firmus, Primasius und Verecundus beschrieben wird, wie wie eine detaillierte Fassung dessen wirkt, was Liberatus von Karthago ganz am Ende seines Breuiarium so zusammenfasst: Cetera uero quae subsequenter in episcopis et catholica ecclesia ab eodem principe facta sunt, quomodo consentientes episcopi in trium damnatione capitulorum muneribus ditabantur uel non consentientes depositi exilium missi sunt uel aliqui fuga latitantes in angustiis felicem exitum susceperunt, quoniam nota sunt omnibus, puto a me nunc silenda.963
Liberatus bezieht sich hier also auf Bestechungen durch Geschenke, auf Exilierungen derer, die der Verurteilung der Drei Kapitel nicht zustimmen und auf den glücklichen Tod derer, die sich deshalb auf einer Flucht versteckt hielten – von alldem berichtet Victor von Tunnuna konkret auf die oben genannten Personen bezogen.964 Dass diese Dinge „allen bekannt sind“, wie Liberatus meint, ist daher vielleicht nicht nur einfach eine Ausrede, wie Mischa Meier suggeriert, wenn er über diesen Absatz schreibt: „An den bekannten Tatsachen ändern konnte der Autor also nichts; aber er war immerhin in der Lage, sie derart beiläufig herunterzuspielen, dass sie in seinen Augen keiner weiteren Kommentierung mehr bedurften.“965 Die Angaben in Chronicon 145 deuten vielmehr darauf hin, dass die Geschehnisse, die Liberatus allgemein beschreibt, in Africa tatsächlich genauer bekannt gewesen sein können, was sich dann in der Chronik spiegeln würde. Letztlich erscheinen sogar zwei weitere Möglichkeiten denkbar, nämlich erstens dass Liberatus die Chronik des Victor von Tunnuna doch kannte und mit seinem Verweis darauf anspielt, oder zweitens dass Victor von Tunnuna die Dinge, die „allen bekannt sind“, aus einer (mündlichen?) Quelle, die auch Liberatus kann-
962 Zur weiteren Verteidigung der Drei Kapitel in der Byzacena s. weiter u. z. B. S. 446–447, 470. 963 Liberatus von Karthago, Breuiarium 24 (141,3–7 Schwartz): „Die übrigen Dinge aber, die in der Folge unter den Bischöfen und in der katholischen Kirche von demselben Kaiser gemacht worden sind, auf welche Weise die der Verdammung der Drei Kapitel zustimmenden Bischöfe mit Geschenken bereichert wurden oder die nicht zustimmenden abgesetzt und ins Exil geschickt wurden oder andere, sich in Nöten auf der Flucht versteckend, einen glücklichen Tod empfingen – weil diese Dinge ja allen bekannt sind, meine ich, können sie von mir nun verschwiegen werden.“ 964 Deutlicher bzw. konkreter als bei Victor von Tunnuna ist bei Liberatus der Hinweis, dass die „übrigen Dinge“ ab eodem principe facta sunt. Der Bezug auf kaiserliches Handeln ist bei Victor von Tunnuna so direkt, wie gesehen, nur hinsichtlich der Geschenke an Firmus gegeben. 965 Meier, „Das Breuiarium“, 135.
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te, hier für die Nachwelt festhält.966 Diese beiden Möglichkeiten bleiben aber letztlich Spekulation. 5.7.3.3 Das 2. Konzil von Konstantinopel 553 (Chronicon 147) Nach einer erneuten Nachricht über den Wechsel im Episkopat in Jerusalem967 folgt nun, nachdem sich die Situation der Verteidiger der Drei Kapitel nach der Schilderung der Chronik bereits zugespitzt hat, die Nachricht über die offizielle Verurteilung der Drei Kapitel auf dem 2. Konzil von Konstantinopel (553): Constantinopolim sinodus Iustiniani principis precepto colligitur, cui presules sedium aderant. Vigilius Romanus episcopus superstite Siluerio ordinatus, Appollinarius Alexandrinus Zoylo uiuente promotes, Anthiochenus Domninus, Eustochius Machario remote Iherosolimitano episcopus factus, et Eutices Constantinopolitanus, qui Mene fuerat subrogatus ibi tria sepe fata capitula cum defendentibus ea damnationi subiciunt, sibique ipsis penitencie regressum penaliter intercludunt, tali se anathemate perpetuo obstringentes, si aliquando absoluere temptauerint que damnationis sententie subdiderunt.968
966 S. auch o. Kap. 3.3 zur Frage der Benutzung von Liberatus’ Breuiarium durch Victor von Tunnuna. Vgl. auch die Bemerkung zum Tod des Vigilius in Liberatus von Karthago, Breuiarium 22 (138,21–22 Schwartz), wo auch von einer allgemeinen Bekanntheit einer Information ausgegangen wird, nämlich dass „allen bekannt ist“ (notum est omnibus), wie Vigilius, von der „Häresie“ geschwächt, d. h. aufgrund des Abfalls von Chalcedon (zuvor findet sich das Zitat des langen Vigilius-Briefes [vgl. Chronicon 130]), und nicht gekrönt starb (adflictus […] nec coronatus). Die Notiz zum Tod des Vigilius in der Chronik (Chronicon 157) gibt allerdings keine näheren Auskünfte über die Umstände des Todes. 967 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 146: Eustochius als Bischof von Jerusalem für Macarius; die Einsetzung von Macarius als Bischof (vgl. Chronicon 133) und seine Absetzung stehen im Zusammenhang mit dem Origenistenstreit, was in der Chronik aber keine Rolle spielt, vgl. Placanica, „Note“, 126 (ad a. 552,3); vgl. auch Maraval, „Die Religionspolitik“, 446. Dass Macarius wieder ins Amt eingesetzt wird, berichtet Chronicon 168 (hier 53,965–966 Cardelle de Hartmann), wo auch noch einmal darauf hingewiesen wird, dass Eustochius fuerat Macario superstite ordinatus / „ordiniert worden war, als Macarius noch lebte“. Bei Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 4,39 wird die Absetzung des Eustochius chronologisch direkt vor die Verdammung des Origenes, Didymus und Evagrius durch Justinian gesetzt (vgl. Chronicon 170). 968 Victor von Tunnuna, Chronicon 147 (48,866–876 Cardelle de Hartmann): „In Konstantinopel wurde eine Synode versammelt auf Befehl von Prinzeps Justinian, bei der anwesend waren die Vorsitzenden der Bischofssitze: Vigilius, der Bischof von Rom, der ordiniert wurde, als Silverius noch lebte, Appollinarius von Alexandria, eingesetzt als Zoilus noch lebte, Domninus von Antiochien, Eustochius, der zum Bischof gemacht wurde, nachdem Macarius als Bischof von Jerusalem entfernt worden war, und Eutychius von Konstantinopel, der für Menas nachgewählt wurde. Dort unterwarfen sie die Drei oft genannten Kapitel mit ihren Verteidigern dieser Verurteilung, und für sich selbst schlossen sie eine Rückkehr aus Reue unter Strafen aus und verpflichteten sich einem solchen dauerhaften Anathema, wenn sie einst versuchen sollten, zu lösen, was sie unter die Strafe der Verwerfung stellten.“
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Zunächst ist festzuhalten, dass die Einberufung des 2. Konzils von Konstantinopel auf Befehl des Kaisers in Chronicon 147 neutral geschildert wird (Constantinopolim sinodus Iustiniani principis precepto colligitur). Eine weitere Rolle über die Einberufung hinaus kommt dem Kaiser auf dem bzw. für das Konzil (sinodus) nicht zu.969 Die damnatio der Drei Kapitel, entsprechend dem Fokus der Chronik die einzige Entscheidung des Konzils, die sie notiert,970 besorgen nach Chronicon 147 die mit Namen genannten teilnehmenen Patriarchen. Diese sind hier nach der sonst in der Chronik üblichen (westlichen) Reihenfolge der fünf Patriarchate aufgelistet.971 Drei der genannten Bischöfe sind nach der Chronik schon von vornherein aus formalen Gründen diskreditiert: Sowohl bei Vigilius als auch bei Appollinarius von Alexandria und Eustochius von Jerusalem wird die Amtsübernahme zu Lebzeiten des Vorgängers bzw. nach dessen Absetzung notiert. Durch diese Unrechtmäßigkeit erscheint die Autorität des Konzils insgesamt von vornherein herabgesetzt und seine Legitimität in Frage gestellt.972 Weitere Teilnehmer des Konzils werden nicht genannt, auch nicht die (wenigen) Teilnehmenden aus Africa.973 Auffällig ist, dass Vigilius als Teilnehmer des Konzils vermerkt wird: Tatsächlich nahm er ja am Konzil von 553 gerade nicht teil,974 allerdings wurde das Problem seiner Haltung zu den Drei Kapiteln in seiner Abwesenheit intensiv diskutiert, bis dahin, dass sein Name als dem Christlichen „fremd“ bezeichnet wurde.975 Vigilius wird in der Chronik nun dennoch als erster derer genannt, die nicht nur die Drei Kapitel, sondern auch ihre Verteidiger der damnatio unterwerfen.976 Diese Angabe reiht sich damit in die Darstellung des Vigilius als erstem kirchlichen bzw. bischöflichen Verurteiler der Drei Kapitel ein (vgl. Chronicon 130). Zudem stellt Vigilius sich hier offensichtlich endgültig auf die Seite der Verurteiler der Drei Kapitel: Die, die die Drei Kapitel verurteilen, tun
969 Die passivische Formulierung der Versammlung ist typisch für die Einberufung von Synoden in der Chronik, vgl. Chronicon 4 (congregatur) zu Ephesus und 10 (colligitur) zu Chalcedon. Justinian nahm tatsächlich an den Sitzungen des Konzils nicht teil, ließ aber die erste Sitzung des Konzils mit der Verlesung seiner Forma ante synodum beginnen, mit der er seine Vorgaben verdeutlichte, die auf dem Konzil zu befolgen seien; s. o. S. 406 (Anm. 824). Der Kaiser spielt an dieser Stelle jedenfalls bis auf die Einberufung des Konzils keine Rolle. 970 Vgl. auch o. Kap. 2.3.5 zu den Inhalten und Entscheidungen des Konzils. 971 D. h. nicht in der Reihenfolge der Akten des Konzils, vgl. etwa zu Actio 1 ACO 4,1 (3,4–10 Straub): Rom, Konstantinopel, Alexandria, Antiochien, Jerusalem. S. auch o. S. 220. 972 Vgl. Placanica, „Note“, 126 (ad a. 553,1). Allerdings sind auch hier fast alle der zu Lebzeiten des Vorgängers eingesetzten Bischöfe in der Chronik (mehr oder weniger) deutlich als ChalcedonGegner bzw. Verurteiler der Drei Kapitel gekennzeichnet worden, mit Ausnahme von Eustochius, dessen Vorgänger jedoch nach Chronicon 146 hinausgeworfen wurde. 973 Zur kleinen Anzahl von afrikanischen Teilnehmenden auf dem Konzil s. o. S. 86. 974 Vgl. ACO 4,1 (18,15–19,6; 24,31–257,5; 184,5–185,42; 202,3–11; 208,18–30 Straub); vgl. Placanica, „Note“, 126 (ad a. 553,1). 975 S. o. S. 90. 976 Zur Verhandlung der Frage der Drei Kapitel auf dem Konzil und zu deren formaler Verurteilung in den canones 12–14 s. o. S. 90–91.
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dies nach Chronicon 147, indem sie „eine Rückkehr [von diesem Beschluss] aus Reue unter Strafen“ ausschließen (sibique ipsis penitencie regressum penaliter intercludunt) – damit versperrt Vigilius sich selbst den Weg der Reue, der ihm von den afrikanischen Bischöfen zuvor bei seinem Ausschluss aus der catholica communio ja gerade zugestanden worden war (reseruato ei penitencie loco [Chronicon 141]). Er schließt sich so selbst endgültig aus dieser communio aus.977 Gleichzeitig aber ist grundsätzlich das, was mit dem Konzil von Chalcedon endgültig beschlossen schien,978 quasi umgekehrt und mit einem „dauerhaften Anathema“ belegt. Das 2. Konzil von Konstantinopel wird hier zwar nicht direkt als dem Konzil von Chalcedon entgegenstehend bezeichnet, durch die vorherige mehrfache Betonung, dass die Verurteilung der Drei Kapitel mit der Verurteilung Chalcedons gleichzusetzen ist, ist aber klar, dass hier – gemäß dem Duktus der Chronik – mit den Drei Kapiteln auch das Konzil von Chalcedon von allen fünf Patriarchen, allen voran Vigilius, dauerhaft verurteilt wird. Der römische Diakon Rusticus979 und Felix Gillensis (= Felix Gillitanus)980 widersprechen den Dekreten des Konzils und werden exiliert:
977 Deshalb ist in der Angabe zur Anwesenheit von Vigilius auf dem Konzil wohl auch mehr als ein Fehler zu sehen; einen solchen vermutet etwa Placanica, „Note“, 126 (ad a. 553,1), der zugleich auf „il medesimo errore“ in weiteren Quellen hinweist, u. a. in Eustratius, Vita Eutychii 4,29. Vgl. auch Placanica, „Introduzione“, XXIII, wo Placanica Victor von Tunnuna aufgrund der Erwähnung des Vigilius „inammissibile inesattezza“ vorwirft und daraus schließt, dass Victor die Akten des 2. Konzils von Konstantinopel nicht benutzt habe. Placanica, „Note“, 126 (ad a. 553,1) bemerkt auch, dass sich die Klausel zum Ausschluss der „Rückkehr aus Reue unter Strafen“ nicht in den Akten des Konzils finden lasse. 978 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 10 (6,69–71 Cardelle de Hartmann): omnia que ad statum ecclesie pertinent disposita sunt ratumque terminum susceperunt. / „Es wurden alle Dinge, die zum Bestand der Kirche gehören, geordnet, und empfingen das rechtskräftige Ende.“ 979 Rusticus war nicht nur Diakon des römischen Klerus, sondern auch ein Neffe des Vigilius. Er hatte ihn 546 nach Konstantinopel begleitet, sich dann aber nach dessen Rückkehr nach Rom 548 gegen ihn und das Iudicatum gewandt, vgl. Bruns, „Zwischen Rom und Byzanz“, 155; s. auch o. S. 84 (Anm. 348); vgl. kurz auch Letsch-Brunner, „Rusticus“. 980 Vgl. auch Victor von Tunnuna, Chronicon 158; s. u. Kap. 5.7.3.6. Zur Diskussion um die Lokalisierung der Apposition Gillensis vgl. Modéran, „L’Afrique reconquise“, 48 (Anm. 35): Vielleicht ist mit der Angabe Gillitanus/Gillensis das Kloster von Cillium in der Byzacena gemeint, oder sie bezieht sich auf die Stadt Gilli in der Proconsularis. In einem Prolog zu einer Fortsetzung des dionysischen Osterzyklus wird diese Fortsetzung einem Felix Gillitanus (dort allerdings geschrieben als Cyrillitani, Chyllitani, Ghyllitani [207–208 Krusch]: in einer Handschrift als Gillitanus [Poole, „The Earliest Use II“, 213 (mit Anm. 17)]) zugeschrieben; vgl. Poole, „The Earliest Use“, 61; ders., „The Earliest Use II“, 212–213; Jones, „The Victorian“, 416. Hierbei handelt es sich aufgrund der deutlich späteren Entstehung dieser Fortsetzung (617) um eine pseuepigraphe Zuschreibung oder um einen Namensvetter, vgl. Placanica, „Note“, 127 (ad a. 553,1). Der Prolog könnte auch ein früherer separater Text sein, der der Fortsetzung erst später angefügt wurde; vgl. die Hinweise bei Mosshammer, The Easter Computus, 349 in Bezug auf Jones, Bedae Opera de temporibus, 73–74.
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Quorum decretis Rusticus Romane ecclesie diaconus et Felix Gillensis monasterii prouincie Affricane egumenus contradicentes scripto Tebaida in exilium cum suis sociis transmittuntur.981
Vigilius hatte nach einem auf dem Konzil zitierten Brief an die römischen Diakone Rusticus und Sebastianus dieselben schon 550 aufgrund ihres Widerstandes gegen das Iudicatum abgesetzt; im gleichen Brief wurde auch Felix Gillitanus verurteilt.982 Dieser war in Konstantinopel offenbar mit Facundus von Hermiane bekannt gewesen und hatte ihm über die Freundschaft von Mocianus mit Theodor Askidas berichtet.983 Normalerweise wird aufgrund der Angabe bei Victor von Tunnuna angenommen, Rusticus und Felix seien zunächst in Konstantinopel geblieben und dann, eben nach dem Konzil, auf kaiserlichen Befehl hin exiliert worden.984 Die Chronik selbst berichtet aber auch hier nichts von einem Zusammenhang mit einem kaiserlichen Befehl, wie zuvor steht vielmehr im Vordergrund, dass Rusticus und Felix den Dekreten des Konzils, die sich nach der Darstellung der Chronik ja allein auf die Verurteilung der Drei Kapitel beziehen, widersprechen985 und dafür mit ihren „Genossen“986 ins Exil geschickt werden. Wie schon auf den Auftakt des Drei-Kapitel-Streites in Chronicon 130 folgt nun auch auf die offizielle Verurteilung der Drei Kapitel durch das Konzil bzw. die anwesenden Patriarchen eine Naturkatastrophe: His ita gestis terremotus urbem regiam a fundamentis concutiens edificia plurima porticusque deiecit et basilicis consistentibus altaria pene cuncta prostrauit.987 Wahrscheinlich bezieht sich diese Angabe auf ein Erdbeben
981 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 147 (49,877–880 Cardelle de Hartmann): „Rusticus, Diakon der Kirche von Rom, und Felix, Abt des Klosters Gillensis aus der Provinz Africa, widersprachen deren Dekreten schriftlich und wurden mit ihren Genossen nach Tebaida ins Exil überführt.“ Egumenus/hegumenus wird nach dem TLL außer bei Victor von Tunnuna nur noch bei Liberatus von Karthago (an verschiedenen Stellen) in seinem Breuiarium benutzt, vgl. TLL, s. v. „hegumenus“; vgl. Placanica, „Note“, 127 (ad a. 553,1); die Library of Latin Texts gibt zudem Belege an für die Chronographia tripartita des Anastasius Bibliothecarius (9. Jahrhundert). 982 Der Brief (550) in ACO 4,1 (= Actio 7,8 [188,23–194,36 Straub]). 983 Vgl. Facundus von Hermiane, Contra Mocianum 6; vgl. Placanica, „Note“, 126 (ad a. 553,1). 984 Vgl. Placanica, „Note“, 126–127 (ad a. 553,1); vgl. u. a. auch Schwartz, „Praefatio“, VIIII; LetschBrunner, „Rusticus“. Im Exil habe Rusticus dann seine Contra Acephalos disputatio verfasst; zur Angabe des Aufenthalts in Thebaida vgl. auch Rusticus Diaconus, Contra Acephalos disputatio, prafeatio (PL 67, 1170B Migne). Später kehrte Rusticus nach Konstantinopel zurück, wo er sich im Akoimetenkloster der Revision und der Übersetzung der Akten der Konzile von Ephesus und Chalcedon widmete. 985 Auf welche Schrift(en) sich scripto beziehen könnte, ist unklar; vgl. Placanica, „Note“, 127 (ad a. 553,1). 986 Modéran, „L’Afrique reconquise“, 55 (Anm. 60) spricht von „autres rebelles“. 987 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 147 (49,880–883 Cardelle de Hartmann): „Nach diesen Geschehnissen also erschütterte ein Erdbeben die Königsstadt von den Fundamenten und riss viele Gebäude und Hallen ein und warf fast alle Altäre ein, während die Basiliken stehen blieben.“
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in Konstantinopel im Jahr 554.988 In der Darstellung der Chronik zeigt es aber die Unrechtmäßigkeit der Konzilsbeschlüsse an, d. h. der endgültigen Verurteilung der Drei Kapitel – wie bereits der Ausbruch der Pest auf den „Anfang der Schlechtigkeiten“, die erste Intrige um die Drei Kapitel durch Vigilius und Theodora, folgte. Auch hier fehlt, wie sonst in der Chronik, ein direkter Hinweis auf einen denkbaren göttlichen Ursprung des Naturereignisses – dass vor allem die Altäre der Kirchen einstürzen, lässt sich aber als Hinweis darauf deuten, dass mit den Folgen des Konzils das Innerste des „katholischen“ Glaubens umgestürzt ist.989 5.7.3.4 Nach dem 2. Konzil von Konstantinopel: Der Abfall von der Verteidigung der Drei Kapitel preter paucissimos in Africa und darüber hinaus (Chronicon 148–152) Offiziell ist die Frage der Drei Kapitel nach dem Konzil von Konstantinopel endgültig entschieden. Die Chronik aber erzählt die Geschichte des Drei-Kapitel-Streites weiter als Geschichte der Gegner und der Verteidiger der Drei Kapitel. Letztere haben jedoch keine Zukunft: Verfolgt man die Notizen der Chronik vom Konzil 553 bis zu ihrem Schluss, lässt sich beobachten, dass die Gruppe der Verteidiger der Drei Kapitel immer kleiner wird, sei es durch Exilierungen, durch Überlaufen zu den Gegnern der Drei Kapitel oder durch den Tod. Am Ende der Chronik bleibt fast niemand mehr übrig. Die Chronik des Victor von Tunnuna erzählt so die Geschichte des Drei-Kapitel- Streites nach dem Konzil von 553 insbesondere als Geschichte der Gruppe ihrer Verteidiger, die immer kleiner wird – und in der es dennoch solche gibt, die bis zum Ende standhaft bleiben. Der Blick konzentriert sich dabei noch mehr auf Nordafrika. Zunächst beginnen die Notizen nach Chronicon 147 aber mit einer Nachricht über einen Verteidiger der Drei Kapitel, der nicht aus Nordafrika stammt: Der Bischof Frontinus (Frontinianus)990 wird nach Konstantinopel gerufen und wegen seiner Ver-
988 Vgl. auch Johannes Malalas, Chronographia 18,118 (416,16–24 Thurn); vgl. Placanica, „Note“, 127 (ad a. 553,2); Meier, Das andere Zeitalter, 667 (mit Anm. 101); dort jeweils auch zu weiteren Quellen. Zu diesem Erdbeben, das wohl aus einer mehrwöchigen Serie von Beben bestand, vgl. auch Meier, „Die Erdbeben“. 989 So sieht auch Placanica, „Note“, 127 (ad a. 553,2) besonders im Einsturz der Altäre, der in den anderen Quellen zu diesem Erdbeben nicht erwähnt wird, „quasi un ‚segno‘ sfavorevole alle decisioni del concilio“. Er vermutet hier ein mögliches „fraintendimento non del tutto innocente“ bezüglich des Berichtes des Johannes Malalas, Chronographia 18,124 über den Einsturz der Kuppel der Hagia Sophia, die nach dem Erdbeben von 557 wieder neu errichtet werden sollte. S. auch o. zum Ascheregen in Chronicon 94 und zur Pest in Chronicon 130. 990 So in Chronicon 164. Von Frontinianistas berichtet noch Anfang des siebten Jahrhunderts Gregor der Große, Registrum epistularum 10,15 (2,843,37 Norberg) in einem Brief an den Bischof Maximus von Salona. Dies deutet auf ein lokales Schisma hin. Vgl. Placanica, „Note“, 127 (ad a. 554,1); Soti-
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teidigung der Drei Kapitel exiliert, und für ihn wird ab hereticis Petrus zum Bischof von Salona (Dalmatien) ordiniert.991 Nach dieser kurzen Nachricht steht wieder die Situation in Africa im Fokus: Nach dem Bericht über das Schicksal bzw. die Haltung der einzelnen Bischöfe aus Proconsularis, Numidia und Byzacena in Chronicon 145 fallen nun nach der Darstellung der Chronik nicht mehr nur die zuvor genannten einzelnen Bischöfe, sondern gesamte Kirchenprovinzen in Africa von der Verteidigung der Drei Kapitel ab. Als erstes betrifft dies die Proconsularis: Proconsularis concilii Affricane prouincie sacerdotes, Rufini et Viui episcoporum, Reparati archi episcopi obtrectatorum, arte delusi, tanquam defensoribus fidei occurrunt et Primosi preuaricatoris Cartaginis ecclesie communione preter paucissimos polluuntur.992
Zwei Bischöfe der Proconsularis, Rufinus und Vivus, treten hier also als Widersacher, als obtrectatores, des Reparatus auf, der ja zuvor als Verteidiger der Drei Kapitel ins Exil geschickt und durch Primosus ersetzt worden war (vgl. Chronicon 145). Sie können die Bischöfe993 der Proconsularis offenbar kunstvoll täuschen (arte delusi),994 so dass sie ihnen wie „Verteidigern des Glaubens“ entgegenlaufen. Als obtrectatores des Reparatus können sie freilich keine Verteidiger der wahren („katholischen“) fides sein, die ja den Verteidigern der Drei Kapitel vorbehalten ist. Von der Verteidigung der Drei Kapitel bleibt daher in der Proconsularis auch nicht mehr viel übrig: preter paucissimos werden die Bischöfe durch die Gemeinschaft (communio) mit dem praeuaricator Primosus beschmutzt (polluuntur). Damit ist die dem Rang nach erste Kirchenprovinz in Afri-
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nel, „Das Dilemma des Westens“, 469; dies., „The Three Chapters“, 116 (Anm. 125); Markus/dies., „Epilogue“, 267. Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 148 (49,884–888 Cardelle de Hartmann): Frontinus episcopus ad urbem regiam euocatus pro defensione eorumdem capitulorum Antinoensi prime Thebaide ciuitatis exilio deputatur et pro eo ab hereticis Petrus Salonensi ecclesie ordinatur. / „Bischof Frontinus wurde zur Königsstadt herausgerufen und für die Verteidigung derselben Drei Kapitel ins Exil nach Antinoensis, der ersten Stadt von Thebaida, gewiesen; und für ihn wurde von den Häretikern Petrus für die Kirche von Salona ordiniert.“ Diese Ordination ab hereticis steht damit in einer Reihe mit den Ordinationen von Petrus von Alexandria (Chronicon 53) und Petrus von Antiochien (Chronicon 68). Victor von Tunnuna, Chronicon 149 (49,884–888 Cardelle de Hartmann): „Die Bischöfe des Konzils der afrikanischen Provinz Proconsularis, durch die Kunst der Bischöfe Rufinus und Vivus, Widersacher des Erzbischofs Reparatus, getäuscht, liefen [ihnen] entgegen wie Verteidigern des Glaubens, und sie wurden bis auf äußerst wenige durch die Gemeinschaft mit Primosus, Scheinbischof der Kirche von Karthago, verunreinigt.“ Zur Deutung von concilium als Bischofskollegium s. o. S. 419 (Anm. 905). Placanica, „Note“, 127 (ad a. 554,2) geht hier hingegen von einem tatsächlich versammelten Konzil aus; so auch Champetier, „Les conciles africaines“, 108. Modéran, „L’Afrique reconquise“, 73, deutet die Aktion von Vivus und Rufinus als „un appel à respecter la décision du pape“; die Entscheidung des concilium daher als Entscheidung, wieder dem Papst zu folgen.
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ca insgesamt von der Verteidigung der Drei Kapitel abgefallen und folgt darin ihrem neuen Primas gegen Reparatus.995 Praeuaricatio, communio, polluere – drei zentrale Begriffe für die Darstellung des Drei-Kapitel-Streites bei Victor von Tunnuna (Exkurs) Mit praeuaricatio, communio und polluere begegnen in Chronicon 149 drei Begriffe, die für die Chronik insgesamt und besonders für die Darstellung des Drei-Kapitel-Streites von Bedeutung sind. Daher ist es sinnvoll, an dieser Stelle deren Sinngehalt nachzugehen: Die Lemmata praeuaricor/praeuaricatio/praeuaricator werden in der Chronik nur mit Gegnern der Drei Kapiteln in Verbindung gebracht, und zwar mit solchen, die von ihrer vorherigen Haltung als Verteidiger der Drei Kapitel abgefallen sind. Primosus ist der erste, der in der Chronik (also in Chronicon 149) direkt als praeuaricator bezeichnet wird. Zuvor wurde aber bereits Primasius, nachdem er der Verurteilung der Drei Kapitel zugestimmt hatte, von den „katholischen“ Bischöfen seines Konzils verurteilt pro suis […] preuaricationibus.996 Durch die Gemeinschaft mit ihm werden dann später weitere zu praeuaricatores gemacht (vgl. Chronicon 152).997 Über Vigilius wird gesagt: praeuaricatus est.998 Sein Nachfolger Pelagius wird von den praeuaricatores zum Bischof von Rom ordiniert, nachdem er das verurteilte, was er zuvor verteidigt hatte (d. h. die Drei Kapitel).999
995 Darauf, dass in der Proconsularis schon zuvor mehrere Bischöfe zu Primosus übergelaufen waren (und sich so dem kaiserlichen Druck gebeugt hatten), weist nach Modéran, „L’Afrique reconquise“, 75 (mit Anm. 145) möglicherweise die Aussage des Sextilianus von Tunis auf dem Konzil von Konstantinopel hin, der angibt, er sei agens uicem Primosi archiepiscopi Iustiniane Carthaginis totiusque concilii prouinciae Proconsularis / „representing Primosus archbishop of Justinian Car thage and the whole council of the province of Proconsularis“ (ACO 4,1 [222,32–34 Straub; Übers. 2,129 Price]), was die anderen Vetreter aus Africa nicht tun, vgl. etwa Pompeianus von Victoriana aus der Byzacena in derselben Sitzung (Actio 8), der nichts über sein Bischofskollegium sagt: Pompeianus misericordia dei episcopus sanctae ecclesiae catholicae ciuitatis Victorianae prouinciae Byzacenae / „Pompeianus by the mercy of God bishop of the holy catholic church of the city of Victoriana in the province of Byzacena“ (ACO 4,1, 225,6–7 Straub; Übers. 2,132 Price). Price, The Acts of the Council of Constantinople 553 2, 129 (Anm. 103) sieht hingegen in der Angabe von Sextilianus eine Falschaussage: „In fact, as is clear from Victor of Tunnuna’s chronicle (ann. 552–4), Primosus was isolated, with little support in his province, until the collapse of African opposition after the council.“ 996 Victor von Tunnuna, Chronicon 145 (48,858 Cardelle de Hartmann); s. o. S. 426 (Anm. 942). 997 S. u. weiter unten in diesem Kapitel. 998 Victor von Tunnuna, Chronicon 157 (51,925 Cardelle de Hartmann); s. u. Kap. 5.7.3.6. 999 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 159 (52,930–934 Cardelle de Hartmann): Pelagius […] Romane ecclesie episcopus a preuaricatoribus ordinatur. S. u. Kap. 5.7.3.6.
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Ein praeuaricator ist zunächst ein „Pflichtverletzer, der Übertreter seiner Pflichten, bes. v. Anwalt, Ankläger, der es zugleich mit der Gegenpartei hält“1000, also eine Bezeichnung aus dem forensischen Kontext.1001 Es steht aber auch für den, „qui a parte sua deficit“1002 und kann so im christlichen Kontext sowohl für Apostaten und Häretiker als auch für den Teufel oder sich auflehnende Engel gebraucht werden. In der Vulgata begegnet praeuaricare auch als Gegenbegriff zu sanctificare, etwa in Dtn 32,51, wo das hebräische מעל1003 so übersetzt wird. Damit hat praeuaricare auch eine religiöse Konnotation: Das Verhältnis zu Gott wird unterbrochen, und zwar über den forensischen Sinn etwa i. S. einer formalen Gesetzesübertretung hinaus. Augustinus verwendet vor dem Hintergrund von Röm 4,14; 5,14 und Gal 3,19 praeuaricatio insbesondere im Zusammenhang mit der Beziehung des Menschen zum Gesetz Gottes (der Mensch unter dem Gesetz) und im Kontext der Ursünde Adams und ihrer Konsequenzen.1004 Insofern tritt hier trotz des Gebrauchs von praeuaricatio im theologischen Zusammenhang der juristische Konnex nicht ganz in den Hintergrund. Ein direkter biblisch-theologischer Zusammenhang fehlt bei Victor von Tunnuna. In der Chronik sind, wie gesagt, solche praeuaricatores, die von der „richtigen“ Seite (d. h. konkret von der Verteidigung der Drei Kapitel) abfallen und danach andere durch die Gemeinschaft mit sich (auf die Gegenseite) ziehen, die dann wieder selbst zu praeuaricatores werden. Das rückt den Gebrauch von praeuaricator in der Chronik des Victor von Tunnuna in die Nähe des o. g. Gebrauchs für Häretiker und Apostaten, im Sinne von Personen, die von der Kirche oder vom „richtigen Glauben“ abgefallen sind.1005 Die praeuaricatio zieht bei Victor von Tunnuna andere mit hinein1006 und hat Auswirkungen auf die kirchliche communio, die ja auf die fides catholica bezogen ist – v. a. insofern hat der Begriff dann auch eine deutliche religiöse bzw. theologische Konnotation, aber nicht in Bezug auf Gott, sondern in Bezug auf die kirchliche Gemeinschaft.1007 Hinzu kommt eine formal-ekklesiologische Ebene: Der praeuaricator hat zwar das jeweilige Bischofsamte inne, ist aber als Abgefallener nur noch scheinbar ein 1000 Georges, Handwörterbuch, s. v. „praevaricator“. 1001 Vgl. auch TLL, s. v. „praevaricator I“. 1002 TLL, s. v. „praevaricator II.A.1“, hier auch zum Folgenden und zu Belegstellen. 1003 Zur Bedeutung „treulos handeln“, bzw. „sich an Jahve versündigen durch Versagen des Vertrauens und Gehorsams“ vgl. Gesenius, Handwörterbuch, s. v. „“מעל. 1004 Vgl. Dupont und van Egmond, „Praeuaricatio“, 888–890. 1005 So übersetzt Placanica die eben genannte Angabe zu Vigilius postquam praeucaricatus est mit „dopo avere abbandonato la retta dottrina“ (Übers. 57 Placanica). 1006 Dass die prauearicatio sozusagen Kreise zieht und andere in sie hineingezogen werden, wird im religiösen Sinn deutlich bei Augustinus, für den der Teufel der erste praeuaricator ist, derjenige, der „persuaded the first humans to commit their deed of p.[raeuaricatio]“ (Dupont und van Egmond, „Praeuaricatio“, 890); vgl. Contra Iulianum 3,56 (PL 44, 1032A–B Migne); 3,63 (PL 44, 1035A Mi gne); vgl. auch Epistula 217,9 (410,3 Goldbacher). 1007 Vgl. aber das Verständnis von praeuaricator in der Epistula fidei catholicae 42 (429,360–361 Clément/Vander Plaetse), wo die praeuaricatio direkt mit der Beziehung zu Gott in Verbindung gebracht wird: praeuaricatoribus, pactumque Dei uiolantibus sacerdotibus / „den Scheinbischöfen, und
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wirklicher Bischof. Analog zu einem „Scheinanwalt“ kann ein Bischof, der zu einem praeuaricator wird, als „Scheinbischof “ bezeichnet werden. Dies ist in Chronicon 149 der konkrete Vorwurf an Primosus. Dass die praeuaricatio „ansteckend“ ist, wird in Chronicon 149 dadurch ausgedrückt, dass die Bischöfe der Proconsularis durch die Gemeinschaft (communio) mit dem praeuaricator Primosus selbst „beschmutzt“ oder „verunreinigt“ werden (polluuntur). Auch diese Vorstellung ist in der Chronik an mehreren Stellen zu finden: Polluti sind Kaiser Zeno und östliche Bischöfe durch die communio mit den Chalcedon-Gegnern Petrus von Alexandria, Petrus von Antiochien und Acacius von Konstantinopel (vgl. Chronicon 54 und 57).1008 Polluti sind nicht nur die Bischöfe der Proconsularis durch die Gemeinschaft mit dem praeuaricator Primosus, auch die Bischöfe des numidischen Konzils werden durch diese Gemeinschaft schließlich zu praeuaricatores.1009 Es ist also letztlich die communio mit Gegnern Chalcedons oder mit Gegnern der Drei Kapitel, die „verunreinigt“. Communio kommt in der Chronik neben den genannten Stellen zu polluere (vgl. Chronicon 54; 57; 149; 152) auch in Chronicon 58 (Felix von Rom ermahnt Acacius, sich der communio mit den Verdammern Chalcedons zu enthalten), 83 (Timotheus von Konstantinopel empfängt die Verdammer Chalcedons in communio), 90 (Elias wird, weil er Severus von Antiochien nicht in communio empfangen will, exiliert; sein Nachfolger Johannes empfängt Severus in communio und verdammt Chalcedon), 125 (Theodora wird von Agapitus der communio beraubt) und 141 (Ausschluss des Vigilius aus der catholica communio durch die afrikanischen Bischöfe) vor. In Chronicon 56 mahnt Felix von Rom die Mönche und Kleriker im Osten, die Chalcedon-Widersacher Pe trus von Alexandria und seine communicatores zu meiden. Die communio ist in der Chronik damit zunächst einmal die konkrete Gemeinschaft zwischen einzelnen Kirchen oder Bischöfen (seltener mit anderen Einzelpersonen wie Theodora). Sie wird (auch über die polluere-Stellen hinaus) insbesondere dann erwähnt, wenn jemand eine unerwünschte (= antichalcedonensische) Gemeinschaft eingeht bzw. davor gewarnt werden soll. Dabei ist, wie oben gesehen bei der Aufkündigung dieser communio zwar die communio im engeren Sinne, als Abendmahls-
den Bischöfen, die den Vertrag mit Gott verletzt haben“. Solignac übersetzt hier mit „prévaricateurs“ (Übers. 309 Solignac). 1008 S. o. Kap. 5.3.2. 1009 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 152 (50,900–904 Cardelle de Hartmann): Concilii Numidie episcopi […] Primosi eiusdem ecclesie incubatoris communione polluti preuaricatoresque effecti ad propria redeunt. / „Die Bischöfe des numidischen Konzils […] wurden verunreinigt durch die Gemeinschaft mit demselben Primosus, dem unrechtmäßigen Besitzer der Kirche, und sie wurden zu Scheinbischöfen gemacht und kehrten zu ihren Bischofssitzen zurück.“.
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gemeinschaft, berührt, aber beide sind nicht von vornherein identisch. Ein explizites Verständnis von communio als communio sanctorum ist zunächst nicht erkennbar.1010 Die Frage nach der communio war bereits zu einem früheren Zeitpunkt1011 im DreiKapitel-Streit ein Thema. Das zeigt sich bei Facundus von Hermiane, wenn er gleich am Anfang von Contra Mocianum Mocianus zwei Hauptvorwürfe macht, einerseits, dass er die Dekrete Chalcedons in Frage stelle, andererseits palam[…] iactare quod episcopi Africani aliarumque prouinciarum indigne statuerint uitare communionem eorum qui manifesto promulgatoque decreto reuertiri non sunt impugnare Chalcedonense concilium.1012 Hier ist also v. a. die konkrete Gemeinschaft verschiedener Personen(-gruppen) im Blick: Für Mocianus selbst war offenbar die Aufkündigung der Gemeinschaft mit den Chalcedon-Gegnern durch die Verteidiger der Drei Kapitel ein zentrales Problem.1013 Diese Frage nach der communio wird dann von Facundus selbst in Contra Mocianum immer wieder aufgegriffen.1014 Die Aussage, jemand werde durch die communio verunreinigt (polluere) geht allerdings über die Vorstellung von communio i. S. einer konkreten Kirchengemeinschaft hinaus: polluere hat auch eine religiöse Dimension und ist i. S. der Entheiligung von
1010 S. auch o. S. 375–377 zu Chronicon 125. Vgl. zu communio auch Lamirande, „Ecclesia“, 707: Bei Augustinus bedeute communio sowohl Einheit der Kirche als auch „les rapports établis entre les Eglise [sic!] locales, notamment avec les Eglises apostoliques, ou entre l’Orient et l’Occident“. Im ekklesiologischen Sinn werde der Begriff communio bei Augustinus v. a. in den antidonatistischen Schriften gebraucht; „le mot est alors souvent employé avec l’idée d’inclusion ou d’exclusion“ (Lamirande, „Communio sanctorum“, 1082). 1011 S. o. S. 74 (Anm. 299) zur (jedoch umstrittenen) Datierung von Contra Mocianum. 1012 Facundus von Hermiane, Contra Mocianum 2 (401,14–17 Clément/Vander Plaetse; Übers. 233 Solignac): „de pretender ouvertement que les évêques d’Afrique et d’autres provinces ont décidé à tort d’éviter la communion avec ceux qui, dans un édit manifeste et promulgué, n’ont pas craint d’attaquer le concile de Chalcédoine“. 1013 Vgl. auch Facundus von Hermiane, Contra Mocianum 6 (402,53–54 Clément/Vander Plaetse): Mocianus behaupte, die communio mit den impugnatores Ecclesiae müsse ertragen werden. 1014 Vgl. etwa Facundus von Hermiane, Contra Mocianum 21; 37; 42; 43; 47; 50. Facundus wendet sich dabei besonders gegen die communio mit den praeuaricatores; die Anhänger der Drei Kapitel stehen hingegen in der communio der Väter. Die Frage nach der communio spielt auch in Pro defensione trium capitulorum eine Rolle, und zwar auch unabhängig von der Frage nach der pollutio. Ein ausführlicher Vergleich zwischen den früheren Schriften des Facundus von Hermiane und der späteren Chronik sowie der Epistula fidei catholicae bezüglich des communio-Gedankens wäre wünschenswert; s. dazu zumindest die Bemerkungen u. in Kap. 5.9. Die Formulierung communione polluo/polluitur findet sich in ähnlichem Sinn auch schon in der Chronik des Hieronymus (Chronicon a. 362 [242,22–23 Helm]), wo über Paulinus von Antiochia gesagt wird: se numquam haereticorum communione polluerat / „er hatte sich niemals durch die Gemeinschaft mit den Häretikern [= „Arianern“] beschmutzt“; vgl. Schlange-Schöningen, Hieronymus, 127–128. Placanica, „Note“, 86 (ad a. 482) spricht von einer „espressione comune“, bezieht sich aber nur auf Gelasius I., Tomus de anathematis uinculo (15,19–20 Schwartz). Eine Suche der Verbindung in der Library of Latin Texts und in der Patrologia Latina Database ergab keine Vielzahl an Treffern, auffällig erscheint auch von dieser Suche her eher das relativ häufige Vorkommen bei Victor von Tunnuna und in der Epistula fidei catholicae.
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Dingen ein Gegenbegriff zu Reinheit und Heiligkeit.1015 Die Frage nach der Reinheit hatte ja gerade die nordafrikanische Kirche schon in früheren Konflikten beschäftigt1016 – möglicherweise spiegelt sich in der Vorstellung der „Beschmutzung“ durch die Gemeinschaft mit den Gegnern der Drei Kapitel und damit Chalcedons und des „katholischen“, apostolischen Glaubens, was ja andererseits die Vorstellung einer bestehenden reinen, unbeschmutzten Kirche impliziert, ein spezifisch nordafrikanisches Erbe. Die Vorstellung einer „Beschmutzung“ durch die Gemeinschaft mit Gegnern Chalcedons kommt jedenfalls auch bei anderen Verteidigern der Drei Kapitel zum Ausdruck, sowohl bei Facundus von Hermiane1017 als auch in der Epistula fidei catholicae. Neben der Thematisierung der Gemeinschaft mit Häretikern, die wiederum nur Häretiker hervorbringen kann, ohne den wörtlichen Bezug zu polluere,1018 bezieht sich nun die Epistula fidei catholicae an einer Stelle ganz dezidiert auf frühere Konflikte und zitiert einen längeren Abschnitt aus einem Brief Cyprians bezüglich des haereticus Novatian im Gegenüber zu Cornelius,1019 um zu zeigen, dass im damaligen wie im jetzigen Konflikt (also im Drei-Kapitel-Streit) die, die durch eine malorum communione polluti sind, zu Recht unter Schuld und Strafe stehen.1020 Dass die Vorstellung von einer Be-
1015 Vgl. Georges, Handwörterbuch, s. v. „polluo“: im übertragenen Sinn „verletzen, entehren, entheiligen“; vgl. TLL, s. v. „polluo II.c“: „apud Christianos -untur homines eorumve mentes, corpora sim. falsis sacris vel dogmatibus“. Vgl. etwa auch bei Victor von Vita, Historia persecutionis 3,48: Die gewaltvolle Wiedertaufe der „katholischen“ Christen durch „Arianer“ als pollutionis sacrilegium (96,2 Petschenig). 1016 S. auch o. S. 28–29. 1017 Vgl. Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 5,3,28 (Anatolius von Konstantinopel, Maximus von Antiochien und Juvenal von Jerusalem als polluti durch die Lehre und die communio mit den Eutychianisten [145,211–215 Clément/Vander Plaetse]); Contra Mocianum 65 (Mocianus gewinnt temporalis utilitatis cupidos, uel indoctos et improuidos zu einer communio polluta [vgl. 416,563–565 Clément/Vander Plaetse]). 1018 Vgl. bspw. die Darstellung der communio der Häretiker in Epistula fidei catholicae 52 (432,441–446 Clément/Vander Plaetse; Übers. 315 Solignac): Si enim haeresem fecerunt, sicut docuimus, hi quibus communicatis damnando uiuos et mortuos, si ab haereticis exierunt faciendo quod Acephali uoluerunt, haeretici profecto utrisque admissis remanserunt. Quomodo ergo qui haereticis communicant haeresis crimine teneri negabuntur? Aut qua fronte Catholicae communicare sibi uidentur? / „Si en effet ils ont fait hérésie en acceptant de communier avec les condamnateurs des vivants et des morts, s’ils sont issus des hérétiques en faisant ce que les acéphales ont voulu, assurément ils sont restés hérétiques en suivant les uns et les autres. Comment donc niera-t-on qu’ils sont hérétiques ceux qui sont en communion avec les hérétiques? Avec quelle effronterie oseront-ils se dire en communion avec l’èglise catholique?“. Vgl. auch Epistula fidei catholicae 51; 58. Zur Betonung der Wichtigkeit des Todes in der communio der „katholischen“ Kirche in der Epistula s. u. Kap. 5.9. 1019 Cyprian von Karthago, Epistula 69 ad Magnum 5–9; vgl. den apparatus ad locum zu Epistula fidei catholicae 44–48 (429,376–431,418 Clément/Vander Plaetse). Der Konflikt zwischen Novatian und Cyprian entstand in der Folge der Christenverfolgungen unter Decius bezüglich der lapsi, insbesondere der libellatici. Für einen Überblick vgl. Alexander, „Novatian/Novatianer“; vgl. insgesamt die Untersuchung von Hirschmann, Die Kirche der Reinen; dort jeweils auch zu weiterer Literatur. 1020 Vgl. Epistula fidei catholicae 49 (431,420–422 Clément/Vander Plaetse; Übers. 313 Solignac): Ecce enim omnes omnino pari reatu, perique poena constrictos docet, quotquot fuerint malorum communione polluti. / „Voici ce qu’il [= Cyprian] enseigne: tous sans exception sont frappés d’une même faute,
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schmutzung durch die Gemeinschaft mit „Bösen“, „Schlechten“ also in der Epistula fidei catholicae mit einem vergangenen Konflikt mit hoher Bedeutung in Nordafrika verbunden wird, bei dem es gerade um die kirchliche Gemeinschaft (und die Frage nach deren Reinheit) ging, zeigt, dass es zumindest nicht abwegig ist, einen solchen Bezug auf frühere, die kirchliche Gemeinschaft betreffende Konflikte auch für die Vorstellung der communio in Verbindung mit polluere in der Chronik des Victor von Tunnuna zu vermuten. Dieser Bezug hätte dann allerdings eher den Charakter eines allgemeinen Hintergrundes, denn explizit wird in der Chronik anders als in der Epistula fidei catholicae nicht auf solche früheren Konflikte verwiesen. Wenn es nun einerseits die gibt, die durch eine malorum communione polluti sind, lässt sich annehmen, dass es im Umkehrschluss auch die anderen gibt, die einer reinen, jedenfalls nicht beschmutzten communio angehören. Für die Epistula fidei catholicae und dann wohl auch für die Chronik sind dies die Verteidiger der Drei Kapitel: Die, die mit den Verurteilern der Drei Kapitel keine Gemeinschaft eingehen, gehören zu einer nicht beschmutzten, nämlich zu einer reinen, oder, mit den Worten der Chronik, zur catholica communio (vgl. Chronicon 141). Die (wahre) „katholische“ Gemeinschaft oder Kirche ist und bleibt dann die Gruppe derer, die in der Verteidigung der Drei Kapitel ausharren.1021 Auch dieser Gedanke der bleibenden communio derer, die in der Verteidigung ausharren, ist in der Epistula fidei catholicae erkennbar – ganz an ihrem Ende wird der Leser gewarnt: Si praeuaricatorum communione pollutus non es, ora Deum, ut perseueres.1022 Am Ende geht es also positiv formuliert einerseits um die Aufrechterhaltung der communio, die nicht durch die praeuaricatores verdorben ist. Und, dies kommt dann noch hinzu, es geht andererseits um deren Wiederherstellung und das von dieser communio in der ueritas catholica abhängige endgültige Schicksal des Einzelnen: Si uero aut ignoranter aut uiolenter lapsus es, reparare ad Catholicam ueritatem recurrendo festina, Communionem eius resumendo. Omnibus siquidem poenitentibus promissa est uenia […], sic a Domino Deo pactum eis conseruantibus, et fidei Catholicae fundamenta custodien-
enserrés dans un même châtiment, ceux qui ont été souillés par une communion impure.“ Damit wird freilich gerade für die, die eine Kirche der Reinen (vgl. Eusebius von Caesarea, Historia ecclesiastica 6,43,1) sein wollten, eine pollutio postuliert. Durch die Übersetzung von malorum mit dem Adjektiv impure wird bei Solignac der personale Charakter der communio – es geht eben gerade um eine communio mit jemandem (den „Bösen“, „Schlechten“), durch die andere beschmutzt werden, verschleiert. S. auch oben S. 81 (Anm. 334) zum Rückgriff auf den donatistischen Streit bei Ho möern und Nizänern. 1021 Dazu s. weiter u. in diesem Kapitel und Kap. 6. 1022 Epistula fidei catholicae 59 (433,506–507 Clément/Vander Plaetse; Übers. 319 Solignac): „Et si tu n’es pas souillé par la communion avec les prévaricateurs, prie Dieu pour persévérer“.
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tibus, nouitatesque profanas deuitantibus, aeternum et sine fine reseruatum est praemium gloriosum.1023
Dies spielt in Chronicon 149 noch keine Rolle, wird aber später in der Chronik wichtig werden.1024 Zusammenfassend lässt sich an dieser Stelle zunächst festhalten: Das Umschwenken der Bischöfe der Proconsularis hin zu Primosus, was sich historisch gesehen als (Re-) Orientierung der Bischöfe in Richtung Papst deuten lässt,1025 ist über die Wortwahl in Chronicon 149 in einen weiteren Kontext gestellt, der diesem Ereignis eine Bedeutung gibt, die über das unmittelbar dargestellte Geschehen hinaus geht: Es geht um einen Konflikt, bei dem die Reinheit der kirchlichen communio berührt ist. Dieser Konflikt ist nicht nur ein formaler i. S. der Frage danach, wer (noch) zu dieser communio gehört, sondern er betrifft das Sein der Kirche als catholica communio. Nur wenige sind nicht „beschmutzt“ – die catholica communio wird kleiner, und das, obwohl die afrikanischen Bischöfe ja kurz zuvor noch gemeinsam (sinodaliter) Vigilius von eben dieser communio ausgeschlossen hatten (Chronicon 141). Konkret fallen nun nicht mehr nur einzelne Bischöfe ab, sondern ganze Bischofskollegien, als erstes das der dem Rang nach ersten Kirchenprovinz Africas. Damit ziehen nach der Darstellung der Chronik die zuvor in Chronicon 145 geschilderten Ereignisse, aber auch die offiziellen Ergebnisse des Konzils von Konstantinopel erste Kreise. Wie sich dieser Konflikt fortsetzt, stellt die Chronik im Folgenden dar. *** Die nächste Nachricht in der Chronik betrifft den Bischof von Mailand: Datius kommt nach Konstantinopel und stirbt am selben Tag, „erschlagen“ (percussus) an dem er der Verurteilung der Drei Kapitel zustimmt.1026 Placanica übersetzt percussus mit „di morte
1023 Vgl. Epistula fidei catholicae 59 (433,508–517 Clément/Vander Plaetse; Übers. 319 Solignac): „Si par contre, soit par ignorance soit par contrainte, tu es tombé, hâte-toi de te relever en revenant à l’unité catholique et en reprenant la communion avec elle. A toux ceux qui font pénitence en effet, est promis le pardon. […] de même à ceux qui observent le pacte qui unit au Seigneur notre Dieu, qui gardent les fondements de la foi catholique et s’écartent des nouveautés profanes, est résérveée une récompense glorieuse, éternelle et sans fin.“ Für die anderen, die sich in die communio der praeuaricatores begeben haben, ist also noch eine Rückkehr möglich. Eine solche Rückkehr und damit die Wiederherstellung einer catholica communio wirkt sich auf das ewige Schicksal des Einzelnen aus. Die hier im Vergleich zur Chronik sehr ähnliche Wortwahl ist einmal mehr auffällig – ein weiterer Hinweis darauf, dass die Epistula und die Chronik einem ähnlichen Milieu entstammen; s. weiter u. Kap. 5.9. 1024 Vgl. etwa u. zu Chronicon 147; vgl. auch Chronicon 165. 1025 S. o. S. 422 (Anm. 918). 1026 Victor von Tunnuna, Chronicon 150 (49,894–896 Cardelle de Hartmann): Datius Mediolanensis episcopus Constantinopolim uenit et damnationi eorumdem trium capitulorum consentiens eo die percussus
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improvvisa“ (Übers. 55 Placanica). Aufgrund der Grundbedeutungen von percutio ist aber von einem gewaltsamen Tod auszugehen, der hier gemeint ist.1027 Damit reiht sich Datius’ Tod in die gewaltsamen und schändlichen („schlechten“) Tode der Verurteiler der Drei Kapitel (und der Chalcedon-Gegner) in der Darstellung der Chronik ein – zumal er ja genau an dem Tag (eo die) diesen Tod stirbt, an dem er der Verurteilung zustimmt.1028 Die Chronologie ist hier ein weiteres Mal verschoben: Tatsächlich starb Datius bereits im Jahr 552, also vor dem Konzil von Konstantinopel. Die Datierung auf das Jahr 554 (nach unserer Zeitrechnung) enstpricht allerdings der Verschiebung der Chronologie der Chronik um zwei Jahre etwa auch für Chronicon 151 (Sieg des Narses über Totila) und für Chronicon 157 (Tod des Vigilius).1029 Datius hatte bereits 537/538 Mailand verlassen und sich nach einem Treffen mit Belisar in Rom nach Konstantinopel begeben.1030 Nachdem er Vigilius in Sizilien getroffen hatte,1031 kehrte er nach Konstantinopel zurück und folgte dem Papst in seinem Widerstand gegen Justinian bis dahin, dass er ihn in seine Zuflucht in die Basilika St. Euphemia begleitete.1032 Und tatsächlich war Datius damit nicht nur unter den ersten, die sich für die Drei Kapitel aussprachen,1033 sondern er rückte auch später nicht davon ab – anders als bei Victor von Tunnuna dargestellt ist davon auszugehen, dass er sich nie der Verurteilung der Drei Kapitel anschloss: „until his death in 552 [he] was to be the pope’s weightiest and most outspoken ally in Constantinople in defending the Three Chapters“.1034 Möglicherweise notierte Victor von Tunnuna hier das, was er gerüchteweise über Datius gehört hatte1035 – innerhalb seiner Chronik kann er damit
occubuit. / „Datius, der Bischof von Mailand, kam nach Konstantinopel, und weil er der Verurteilung derselben Drei Kapitel zustimmte, starb er, erschlagen, am selben Tag.“ 1027 Vgl. Georges, Handwörterbuch, s. v. „percutio“: „durch u. durch stoßen, durchstoßen, durchbohren, durchstechen“, „heftig erschütternd schlagen, stoßen, hauen, werfen, schießen, treffen“. Vgl. auch die anderen Tode percussus in der Chronik (Chronicon 13 [Aetius]; 100 [Anastasius]; 134 [Stotzas und Johannes]). 1028 S. o. S. 424 (mit Anm. 927). 1029 Vgl. Stein, Histoire du Bas-Empire 2, 653–654 (Anm. 3); Placanica, „Note“, 128 (ad a. 554,3). 1030 Vgl. zum Folgenden Placanica, „Note“, 128 (ad a. 554,3). Vgl. Prokopios von Caesarea, De bello Gothico 2,7,35; die Epistula legatariis (24,8–15 Schwartz) berichtet von einem längeren Aufenthalt – fünfzehn bis sechzehn Jahre – des Datius in Konstantinopel. Vgl. auch Sotinel, „The Three Chapters“, 88–89. 1031 Vgl. Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 4,3,4. 1032 Vgl. Epistula legatariis (21,23–24; 22,1–4 Schwartz); Vigilius, Epistula 2 (14,8 Schwartz); Vigilius, Epistula 1 (10,7–9 Schwartz). 1033 Vgl. Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 4,3,4; Contra Mocianum 44. 1034 Price, The Acts of Constantinople 553 1, 45. Vgl. auch Sotinel, „Das Dilemma des Westens“, 466–467: Datius habe sich nach der Epistula legatariis „als Garant des katholischen Glaubens und als Verteidiger der Orthodoxie“ gesehen. Auch sein Nachfolger Vitalis hielt wahrscheinlich an der Verteidigung der Drei Kapitel fest, vgl. Sotinel, „The Three Chapters“, 92–93. 1035 Vgl. Placanica, „Note“, 128 (ad a. 554,3): Dies könnten Gerüchte gewesen sein wie die, auf die die Epistula legatariis hinweise (22,31–23,2 Schwartz; Übers. 1,168–169 Price): Missi sunt etiam aliqui
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jedenfalls zeigen, wie die Verteidiger der Drei Kapitel weiterhin weniger werden, und vor allem, wie ein weiterer schändlicher Tod die Gegner der Drei Kapitel und damit des „katholischen“ Glaubens trifft. Nach der Notiz zum Tod des Datius folgt mit der Nachricht über den Sieg des Eunuchen Narses über Totila, den König der Goten, zunächst eine der wenigen Nachrichten in diesem Abschnitt der Chronik über Geschehnisse am Rande des Römischen Reiches und über den Drei-Kapitel-Streit hinaus.1036 Dieser gerät aber gleich in der nächsten Notiz wieder in den Fokus. Nach der „Beschmutzung“ der Bischöfe der Proconsularis durch die Gemeinschaft mit dem praeuaricator Primosus geschieht dasselbe mit den Bischöfen aus Numidien: Concilii Numidie episcopi ad instar proconsularium sacerdotum collecti Cartaginem ueniunt et Primosi eiusdem ecclesie incubatoris communione pollute preuaricatoresque effecti ad propria redeunt.1037
Wie oben schon angemerkt1038 begegnen nun also auch in Chronicon 152 die bereits mehrfach in der Chronik im Kontext des Drei-Kapitel-Streites aufgetretenen Begriffe (praeuaricatio bzw. praeuaricatores, communio und polluere). Primosus wird hier zudem nun als incubator ecclesie bezeichnet. Ein incubator ist ein „unrechtmäßiger Besitzer“1039 – ein ähnlicher Vorwurf wie praeuaricator und ein weiterer deutlicher Angriff auf Primosus.1040 Diesem folgen nun also nicht mehr nur die Bischöfe seiner eigenen in prouincias Italiae, ut si possent mentiendo aliqua de nomine ipsorum, hoc beatissimi papae et sancti episcopi Datii, odia eis in illis partibus faciant. / „Some have even been sent to the provinces of Italy to spread lies in their name, that is, of the blessed pope and the holy bishop Datius, and thereby stir up, if they can, odium against them“. 1036 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 151 (50,897–899 Cardelle de Hartmann): Narsis eunuchus ex preposito patricius, Tutilanem Gothorum regem prelio apud Italiam mirabiliter superat ac perimit et omnes eius diuitas tollit. / „Der Eunuch Narses, ehemaliger Aufseher und Patrizier, überwand wundersam Totila, den König der Goten, in einem Kampf bei Italien und tötete ihn und nahm alle seine Reichtümer mit.“ Die Qualifizierung des Sieges als „wundersam“ fehlt bei Johannes Mala las, Chronographia 18,116 (415,7–11 Thurn) ebenso wie bei Theophanes, Chronographia a. m. 6044 (228,21 de Boor); zu diesen und zu weiteren Quellen zu diesem Ereignis vgl. Placanica, „Note“, 128 (ad a. 554,4). 1037 Victor von Tunnuna, Chronicon 152 (50,900–904 Cardelle de Hartmann): „Die Bischöfe des numidischen Konzils kamen, gleichwie die Bischöfe der Proconsularis, gesammelt nach Karthago, und nachdem sie verunreinigt wurden durch die Gemeinschaft mit demselben Primosus, dem unrechtmäßigen Besitzer der Kirche, und zu Scheinbischöfen gemacht wurden, kehrten sie zu ihren Bischofssitzen zurück.“ 1038 S. den Exkurs in diesem Kapitel. 1039 Vgl. Georges, Handwörterbuch, s. v. „incubator“; i. S. auch eines Tyrannen, eines, der unrechtmäßig Besitz und Macht ergreift, vgl. TLL, s. v. „incubator“. In der Chronik werden so neben Primosus (vgl. auch Chronicon 155) die Chalcedon-Gegner Timotheus Ailurus (Chronicon 21), Petrus von Alexandria (Chronicon 64) sowie Petrus von Salona (Chronicon 164), der den Verteidiger der Drei Kapitel Frontinianus ersetzte, bezeichnet. 1040 Vgl. Adamiak, Carthage, 79 zur Umstrittenheit des Primosus in Bezug auf Chronicon 152: „We may wonder if it was really necessary for the bishops of Numidia to travel to Carthage to confirm that
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Kirchenprovinz, der Proconsularis, sondern jetzt auch die Bischöfe Numidiens.1041 Durch die communio mit ihm werden nun sie zu praeuaricatores gemacht, was Primosus’ eigener Bezeichnung als praeuaricator in Chronicon 149 entspricht. Auch die Kirche Numidiens besteht nunmehr aus beschmutzten Scheinbischöfen und ist dadurch letztlich selbst „beschmutzt“, was gleichzeitig bedeutet, dass Numidien nicht mehr in der catholica communio steht.1042 Die pollutio durch die communio mit den praeuaricatores zieht also weiter Kreise: Der Abfall von dem, was die Chronik als „katholischen“ Glauben darstellt, geht weiter und betrifft jetzt zwei von drei erwähnten afrikanischen Kirchenprovinzen. Allein die Byzacena scheint noch nicht betroffen.1043 Modéran sieht die Nachrichten über das Ende des Widerstandes in der Proconsularis und in Numidia im Kontext der Ausübung kaiserlicher Macht zur Sicherung der Beschlüsse des Konzils von Konstantinopel. Justinian habe sich dafür die Unterstützung der Bischöfe gesucht: „En soulignat le rôle de Primosus et de Primasius, Victor montre bien que Justinien se fondait désormais, pour faire respecter les décisions du concile, sur les primats ralliés, qu’appuyait l’administration impériale“.1044 Was historisch denkbar erscheint, spielt aber erneut für die Darstellung in der Chronik des Victor von Tunnuna überhaupt keine Rolle: Auf den Kaiser wird in Chronicon 149 und 152 nicht einmal implizit angespielt, im Blick sind die Auswirkungen des Drei-KapitelStreites auf die kirchliche communio, besonders in Africa. 5.7.3.5 Das Schicksal des Victor von Tunnuna (Chronicon 153–156) Von den afrikanischen Kirchenprovinzen ist nur die Byzacena in der Verteidigung der Drei Kapitel standhaft geblieben. Bis auf wenige sind überhaupt die meisten Bischöfe von der Vereidigung der Drei Kapitel abgefallen – preter paucissimos (vgl. Chroni-
they were in communion with the new bishop of the city. Such an exhibition of unity suggests rather that Primosus, having been faced with staunch opposition, was in serious need of some unambiguous public gestures of acceptance. He was not, however, to be offered any from Byzacena – the heart of tricapitoline reaction“. 1041 Wer nach dem Tod des Firmus (vgl. Chronicon 145) diesem als Primas in Numidien selbst folgte, darüber gibt die Chronik keine Auskunft. 1042 Von einem weiter bestehenden Widerstand in Numidien ist anders als bezüglich der Proconsularis keine Rede. 1043 Vgl. Modéran, „L’Afrique reconquise“, 55: „En Proconsulaire et en Numidie […] aucune trace de résistance n’est attestée après 554–555“ – mit Ausnahme der Schriften des Liberatus von Karthago (vgl. ebd., 56) und von denen, die wie Felix Gillitanus und Reparatus im Osten exiliert waren; vgl. auch ebd., 57–58. Vgl. auch Vössing, „Africa zwischen Vandalen“, 216. Dass auch Liberatus von Karthago exiliert war, wird heute eher bezweifelt, vgl. Meier, „Das Breuiarium“, 132. 1044 Modéran, „L’Afrique reconquise“, 55; vgl. auch ebd., 73. S. aber auch o. S. 422 (Anm. 918) zu Modéran, „L’Afrique reconquise“, 73, wo er bezüglich Chronicon 149 auf die Akzeptanz der päpstlichen Entscheidungen durch die „übergelaufenen“ Nordafrikaner hinweist.
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con 149). In den weiteren Notizen bis kurz vor ihrem Schluss verfolgt die Chronik nun das Schicksal dieser wenigen im sich weiter zuspitzenden Konflikt um die Drei Kapitel. Einer dieser wenigen ist der Autor der Chronik selbst: In die Darstellung des DreiKapitel-Streites wird nun die Erzählung über das Schicksal des Victor von Tunnuna, den „Autor dieses Werkes“, eingeflochten. Berichtet wird von verschiedenen Gefängnisaufenthalten und gegen ihn angewandte Gewalt: Victor Tunnensis ecclesie episcopus huius auctor operis, post custodias simulque et plagas quas in insulis est Valericis perpessus nec non etiam in monasterio de Mandracum primo, ac secundo exilio Aegimuritanae insule, tertio Alexandriam una cum Theodoro Cebarsusitanee ecclesie episcopo, pro prefatorum trium capitulorum defensione exilio mittitur et carceri[s] castelli Diocleciani post pretorianum carcerem truditur.1045
Der „Autor dieses Werkes“ präsentiert hier also (in der 3. Person Singular) sein eigenes Schicksal, das er zum Teil mit dem byzacenischen Bischof Theodor von Cebarsussa1046 aufgrund der Verteidigung der Drei Kapitel erleiden musste. Was er genau in welcher Reihenfolge erlebt hat, ist, wie oben diskutiert, im Einzelnen schwierig zu rekonstruieren.1047 Konkret erlebt Victor von Tunnuna jedenfalls nach seinen Angaben verschiedene Gefängnisstrafen mit Gewalterfahrungen und Exil (unter weiterer Bewachung).1048 Damit erleiden Victor von Tunnuna und Theodor von Cebarsussa als Verteidiger der Drei Kapitel ein ähnliches Schicksal wie zuvor Reparatus und Vere cundus (vgl. Chronicon 145) – und bleiben jedenfalls als solche Verteidiger, so lässt sich folgern, standhaft in der catholica communio. Wahrscheinlich sind in Chronicon 153, wie schon gesehen, Ereignisse verschiedener Jahre zusammengefasst. Das entspräche auch der Vorgehensweise der Chronik an anderen Stellen. Folgt man den bisherigen Informationen der Chronik über die, die noch an der Verteidigung der Drei Kapitel festhalten, könnte Victor von Tunnuna entweder zu den paucissimi der Proconsularis gehören oder zu denen aus der Byzacena, die bisher offenbar an der Verteidigung der Drei Kapitel festhalten (vgl. Chronicon 145).1049 Auffällig ist an dieser Stelle, dass für die Exilierung bzw. die (Haft-) Strafen keine kaiserliche Beteiligung oder Urheberschaft notiert ist, obwohl Exilierungen durchaus
1045 Victor von Tunnuna, Chronicon 153 (50,905–912 Cardelle de Hartmann): „Victor, Bischof der Kirche von Tunnuna, Urheber dieses Werkes, wurde nach der Haft und den Schlägen, die er auf den [balearischen Inseln] erduldete, gewiss auch im Kloster Mandracum im ersten, und im zweiten Exil der Insel Aegimuritana, im dritten Exil für die Verteidigung der zuvor genannten Drei Kapitel zusammen mit Theodor, dem Bischof von Cebarsussa, nach Alexandria geschickt, und er wurde gestoßen in den Kerker der Burg von Diokletian nach dem Gefängnis des Prätoriums.“ 1046 S. o. Kap. 3.1. 1047 S. o. S. 99–105. 1048 Das truditur weist nach Hillner, Prison, 246 darauf hin, dass Victor von Tunnuna das Bild eines „underground confinement“ und damit eines besonders schlimmen Haftortes erzeugen wollte. 1049 S. o. Kap. 3.1.1 zur Diskussion der Herkunft des Victor von Tunnuna.
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Sache der kaiserlichen Gewalt waren.1050 Auch hier deutet sich also an, dass, wie zuvor, ein anderer Konflikt im Vordergrund steht als einer mit dem Kaiser, nämlich ein Konflikt in Africa selbst1051: Mit Mandracum und Aegimuritana liegen zwei der genannten Orte der (Kloster-) Haft bei Karthago.1052 Berücksichtigt man die äußerst negative Darstellung des Primosus in der Chronik, der anders als Reparatus nicht archiepiscopus,1053 sondern „Scheinbischof “ der Kirche von Karthago ist, ist es nicht abwegig, das Schicksal des Victor von Tunnuna zumindest für die Orte Mandracum und Aegimuritana mit dessen Aktionen zu verbinden, zumal es kurz darauf1054 in der Chronik heißt: Primosus Cartaginis incubator ecclesie sibi nolentes assensum prebere nunc fustibus nunc custo dibus nunc quoque exiliis affligit.1055
Primosus, hier wie in Chronicon 152 wieder als incubator ecclesie bezeichnet, reagiert auf die, die ihm nicht zustimmen wollen fast wörtlich genau mit dem, was kurz zuvor als das Erleben des Victor von Tunnuna geschildert wurde: fustibus (= Schläge),1056 custodibus, exiliis.1057 Es liegt nahe, hier an einen Zusammenhang zu denken, auch wenn dieser in der Chronik nur implizit hergestellt wird: Primosus könnte derjenige sein, gegenüber dem Victor von Tunnuna zusammen mit Theodor von Cebarsussa standhaft in der Verteidigung der Drei Kapitel bleibt, und der dann der Urheber der genannten Strafen auch ihnen gegenüber wäre.1058
1050 S. dann auch Victor von Tunnuna, Chronicon 169. Auch Hillner, Prison, 319–320 sieht die Exilierungen und (Haft-) Strafen Victors im Kontext der vom Kaiser betriebenen Maßnahmen: „Under Justinian, episodes of the infliction of monastic confinement to coerce correct religious behaviour intensified and also became more proactively pursued by the emperor himself. […] Further African bishops were interned in the city’s monasteries during this time, and some, who had previously been banished to Egypt were also transferred closer to Constantinople, and possiby to monasteries. The frequency at which this happened suggests that the emperor strategically hoped to be able to influence their views in this way.“ Vgl. dann auch Modéran, „L’Afrique reconquise“, 55 (mit Anm. 59) zu Chronicon 155; s. im Folgenden. 1051 Vgl. auch Modéran, „L’Afrique reconquise“, 56; vgl. ebd., 57 (Anm. 66): Die ersten Strafen „toutes situés à proximité de l’Afrique, montrent bien qu’il [Victor von Tunnuna] avait jusque-là toujours défendu les Trois Chapitres en Afrique même.“ 1052 S. o. S. 100. 1053 Vgl. auch Adamiak, Carthage, 74. 1054 Dazwischen, in Chronicon 154, findet sich noch die kurze Notiz zur Übernahme des Episkopats in Antiochien durch Anastasius nach Domninus. 1055 Victor von Tunnuna, Chronicon 155 (51,915–918 Cardelle de Hartmann): „Primosus, unrechtmäßiger Besitzer der Kirche von Karthago, drückte die nieder, die ihm nicht zustimmen wollten, bald mit Knüppeln, bald mit Gefängnisstrafen, bald auch mit Exilen.“ 1056 Vgl. die von Victor von Tunnuna nach Chronicon 153 erlittenen plagae. Von Stockschlägen (fustes) als Strafe gegenüber den „Katholiken“ berichtet übrigens auch die Historia persecutionis des Victor von Vita an einigen Stellen (1,33; 2,45; 2,54; 3,21; 3,22; 3,25; 3,33; 3,40). 1057 Diese Beobachtung auch bei Placanica, „Note“, 129 (ad a. 556,1). 1058 Dies v. a. dann, wenn man nicht davon ausgeht, dass die Angabe zum ersten Ort der Strafen sich auf die Balearen bezieht – Chronicon 153 muss sich dann auch nicht auf weit auseinander liegende Jahre beziehen; s. o. S. 104.
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Gefängnis- und Exilstrafen waren, wie gerade angerissen, eigentlich Sache der kaiserlichen Rechtssprechung1059 – wie in Chronicon 153 wird aber auch in Chronicon 155 nicht nur nicht auf den Kaiser angespielt, sondern Primosus wird ja sogar dezidiert als handelndes Subjekt präsentiert. Modéran sieht in dieser Zuschreibung an Primosus die „collusion des deux pouvoirs“ (also der kirchlichen und der kaiserlichen), „mise en valeur par Victor“.1060 Damit könnte die Angabe in Chronicon 155 also als Kritik an der Kollaboration der afrikanischen Bischöfe (bzw. konkret des Primosus) mit dem Kaiser verstanden werden. Da aber der Kaiser in diesen Abschnitten der Chronik überhaupt nicht erwähnt wird, sondern nur die Situation in Africa in Bezug auf Primosus im Blick ist, ist diese Deutung zu modifizieren: Kritisiert wird nicht grundsätzlich eine Kollaboration des Primosus mit dem Kaiser, sondern kritisiert wird Primosus als von der Verteidigung der Drei Kapitel Abgefallener. Er ist praeuaricator, incubator, durch seine communio sind die Bischöfe von Numidien und Proconcuslaris beschmutzt, er hat die sich auf Chalcedon berufende catholica communio verlassen – und als einem solchen werden ihm auch die Exile und die Gefängnisstrafen zugeschoben. Auch wenn er formal nicht für diese Strafen das ausübende Organ ist, soll er in der Chronik offenbar dafür verantwortlich gemacht werden. Wie diese Verantwortung zustande kommt (also wohl durch die Kollaboration mit der kaiserlichen Gewalt), interessiert nicht. Primosus steht als von der Verteidigung der Drei Kapitel Abgefallener in einem Konflikt mit denen, die an dieser Verteidigung weiterhin festhalten. Von seinem eigenen Schicksal berichtet Victor von Tunnuna weiter, dass er und Theodor wieder aus dem carcer hinausgeworfen und dann nach zweiwöchigen disputationes in pretorio in das Kloster von Tabennisis bei Alexandria geschickt wurden.1061 Während also Primosus sich (weiter) gegen die Verteidiger der Drei Kapitel in Africa wendet, befindet sich Victor von Tunnuna zusammen mit Theodor von Cebarsussa in Klosterhaft in Ägypten. Was sich genau hinter den disputationes im Prätorium verbirgt, ist unklar. Leider wird darüber keine nähere Auskunft gegeben – vom Kontext der Chronik liegt es nahe, an Gespräch über die Sache der Drei Kapitel zu denken oder möglicherweise auch
1059 Vgl. Placanica, „Note“, 129 (ad a. 556,1); Modéran, „L’Afrique reconquise“, 55 (Anm. 59). 1060 Modéran, „L’Afrique reconquise“, 55 (mit Anm. 59). 1061 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 156 (51,919–924 Cardelle de Hartmann): Victor et Theodorus antefati episcopi Affricani de carcere eiciuntur et post disputationes in pretorio continuas dierum XV ad aliam custodiam monasterii Tabennensiotarum quod est apud Canopum XII milia procul ab urbe Alexandrina mittuntur. / „Victor und Theodor, die zuvor genannten afrikanischen Bischöfe, wurden aus dem Kerker hinausgeworfen und nach fortlaufenden Disputationen von 15 Tagen im Präto rium in eine andere Haft des Klosters von Tabennisis, was bei Canopus, 12 Meilen entfernt von der Stadt Alexandria, liegt, geschickt.“ Zum Kloster s. o. S. 105.
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allgemeiner über die Frage der Rezeption und Gültigkeit Chalcedons,1062 aber letztlich bleibt dies eine Vermutung und ist ebensowenig sicher aus dem Text zu schließen wie die Beantwortung der Frage, wer außer Victor und Theodor noch an den disputationes beteiligt gewesen sein könnte. Auch in Chronicon 156 spielt jedenfalls der Kaiser für die Exilierung keine Rolle – die Formulierungen eiciuntur und mittuntur sind unpersönlich, von weiteren Beteiligten ist nicht die Rede. 5.7.3.6 Vigilius vs. Felix: Ein „guter“ und ein „schlechter“ Tod und die Sukzession in Rom (Chronicon 157–159) Im 17. Jahr nach dem Konsulat des Basilius stirbt Vigilius von Rom. Obwohl nun nach der Darstellung der Chronik sowohl die Bischöfe der Proconsularis als auch der Numidia zu Primosus und der Verurteilung der Drei Kapitel übergelaufen sind, schreibt Victor von Tunnuna darüber: Vigilius Romanus episcopus postquam preuaricatus est sub excomunicatione tocius Affricane ecclesie pontificum in insula Sicilia moritur.1063 Obwohl also Victor von Tunnuna in Chronicon 145, 149 und 152 schon von den von der Verteidigung der Drei Kapitel abgefallenen nordafrikanischen Bischöfen berichtet, betont er hier die bestehende Exkommunikation tocius Affricane ecclesie. Vigilius hat seinen ihm vorbehaltenen „Platz zur Reue“ (vgl. Chronicon 141) nicht wahrgenommen (entsprechend auch Chronicon 147). Durch die Aussage praeuaricatus est wird er nun zudem in eine Reihe gestellt mit den praeuaricatores, also v. a. mit Primasius und Primosus,1064 was auch der Darstellung des Vigilius in der Chronik zuvor entspricht.1065 Auch bei Liberatus von Karthago findet sich eine Notiz zum Tod des Vigilius. Er schreibt davon direkt nach dem Zitat des o. g. heimlichen Briefes und dessen Subskriptionen1066: Ab ipsa haeresi adflictus Vigilius nec coronatus qualem uitae suscepit terminum,
1062 In diesem Zuge könnte Victor von Tunnuna auch die Informationen über die in Chronicon 124 und 126 auffallend ausführlich behandelten Ereignisse um die in Alexandria exilierten Severus von Antiochien und Julian von Halicarnassus erhalten haben, s. o. S. 366. 1063 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 157 (51,924–927 Cardelle de Hartmann): „Vigilius, römischer Bischof, starb auf der Insel Sizilien, nachdem er zum Scheinbischof geworden war, unter der Exkommunikation der Bischöfe der ganzen Kirche von Africa.“ Den Tod des Vigilius in Sizilien bezeugt der Liber pontificalis 61,9 (299,11–12 Duchesne); vgl. Placanica, „Note“, 129 (ad a. 557,1). 1064 Vgl. auch die Aussage zu seinem Nachfolger Pelagius in Chronicon 159, der a praeuaricatoribus (52,934 Cardelle der Hartmann) zum Bischof von Rom gemacht wird; s. dazu weiter u. in diesem Kapitel. 1065 Zudem entspricht die Aussage der Bezeichnung des Vigilius in der Epistula fidei catholicae 7 und ist so ein weiterer Hinweis auf das ähnliche Milieu, in dem die Chronik und die Epistula entstanden sind. Vgl. Epistula fidei catholicae 7 (420,55–56 Clément/Vander Plaetse): Vigilii atque Pelagii Romanorum praeuaricatorum. 1066 S. o. Kap. 5.7.2.4.
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notum est omnibus.1067 Victor von Tunnuna berichtet zwar nicht wörtlich von einem Tod des Vigilius adflictus nec coronatus, die von ihm genannten Umstände (in Sizilien, unter Exkommunikation, als preuaricator) entsprechen dem jedoch inhaltlich. Dass Liberatus schreibt, es sei „allen bekannt“, dass Vigilius adflictus nec coronatus gestorben sei, und dass Victor von Tunnuna inhaltlich einen solchen Tod beschreibt, deutet wie an anderer Stelle1068 wenn nicht auf eine literarische Abhängigkeit zumindest auf ein allgemeines „Wissen“ (oder Gerede) bezüglich der Geschehnisse um Vigilius gerade in Nordafrika hin, auf das Liberatus allgemein und Victor konkret verweist. Auch an dieser Stelle haben Victor von Tunnuna und Liberatus von Karthago jedenfalls beide ähnliches Wissen bewahrt. Ein konkret „schändlicher“ Tod wird in Chronicon 157 für Vigilius zwar nicht geschildert, und Vigilius steht mit seinem Tod damit auch nicht direkt in der bereits genannten Reihe der schändlichen Tode. Dennoch kann sein Tod – auch vor dem Hintergrund der Aussage bei Liberatus von Karthago – gerade als Exkommunizierter in diesem Kontext der schändlichen Tode gesehen werden. Im Kontrast dazu wird gleich darauffolgend der Tod des Felix Gillitanus geschildert. Er steht als Verteidiger der Drei Kapitel (vgl. Chronicon 147) in einer zweiten Reihe von Toden, die mit dem „guten“ Tod des Verecundus von Iunci1069 ihren Anfang genommen hatte: Eo tempore Felix egumenus monasterii Gillitani exilio apud Sinopem de hac uita migrauit ad Dominum.1070
Felix wandert mit seinem Tod ad Dominum wie Verecundus ad Deum. In diesem Sinn sterben beide einen guten Tod. Als (nordafrikanische) Verteidiger der Drei Kapitel stehen sie also gerade mit ihrem Tod und dem, was darauf folgt, nämlich das ewige Leben bei Gott, im Gegensatz zu denen, die von der Verteidigung der Drei Kapitel abgefallen sind.1071 Gleichzeitig stehen sie (implizit) in der Reihe der Märtyrer und Bekenner, die mit ihrem Tod direkt zu Gott kommen. Damit wird also für Felix und Vere cundus positiv ein Tod dieser Art beansprucht. Diese positive Reihe wird auch nach Felix noch weitergeführt.1072
1067 Liberatus von Karthago, Breuiarium 22 (138,21–22 Schwartz): „Es ist allen bekannt, dass Vigilius als von dieser Häresie Geschädigter und nicht als Gekrönter das gleichwie beschaffene Ende des Lebens empfing.“ 1068 S. o. Kap. 3.3, 5.7.2.3 und 5.7.3.2 zu Chronicon 145. 1069 S. o. Kap. 5.7.3.2 zu Victor von Tunnuna, Chronicon 145. 1070 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 158 (51,928–929 Cardelle de Hartmann): „Zu dieser Zeit wanderte Felix, Abt des Klosters Gillitanus, im Exil in Sinope aus diesem Leben zum Herrn.“ 1071 Vgl. v. a. die in Chronicon 145 geschilderten Tode des Firmus (mors turpissima) und des Primasius (mors infelix), vgl. aber auch den Tod des Vigilius (sub excommunicatione) in Chronicon 157. 1072 S. weiter u. zu Chronicon 165 (Reparatus von Karthago) und 173 (Theodor von Cebarsussa).
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Nach den beiden einander kontrastierenden Toden des Vigilius und des Felix Gilli tanus berichtet die nächste Notiz der Chronik von der Übernahme des römischen Episkopats durch Pelagius: Pelagius Romanus archidiaconus trium prefatorum defensor capitulorum Iustiniani principis persuasione de exilio rediit et condemnans ea que dudum constantissime defendebat Romane ecclesie episcopus a preuaricatoribus ordinatur.1073
Chronicon 159 ist die erste Erwähnung von Justinian nach dem Konzil von Konstantinopel (Chronicon 147): Nachdem Vigilius gestorben ist, kehrt Pelagius vermittels der Überredung Justinians aus dem Exil zurück und wird Bischof von Rom. Pelagius war zuvor bereits zehn Jahre römischer Apokrisiar in Konstantinopel gewesen und von daher dem Kaiser gut bekannt.1074 Dessen Unterstützung des Pelagius als Nachfolger des Vigilius diente auch der Sicherung der „weitere[n] Gefügigkeit des Papstums“.1075 Dies gelang, weil Pelagius von einem Verteidiger1076 zu einem Verurteiler der Drei Kapitel wurde.1077 In der Darstellung der Chronik ist das Geschehen eine gemeinsame Sache von kaiserlicher und kirchlicher Autorität, die aber vor allem in eine (offene) Kritik an letzterer mündet: Justinian überredet Pelagius zwar zurückzukommen, als praeuaricatores werden aber die bezeichnet, die den nun von der Verteidigung der Drei Kapitel abgefallenen Pelagius ordinieren.1078 Auch Pelagius steht also, indem er von den praeuaricatores ordiniert wird, in der Tradition der „Scheinbischöfe“ und setzt diese Tradition im Anschluss an Vigilius, quasi als negative Amts-Sukzession in Rom, fort.1079 In Chronicon 167 wird vom Tod des Pelagius und seinem Nachfolger Johannes berichtet. In der handschriftlichen Überlieferung gibt es dabei eine Lücke; stimmt man wie Cardelle de Hartmann der Konjektur Placanicas zu, wird hier aber weder auf den Drei-Kapitel-Streit Bezug genommen noch ein schändlicher Tod geschildert, noch lässt sich eine andere Kritik an Pelagius erkennen.1080 Überhaupt macht die Chronik 1073 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 159 (52,930–934 Cardelle de Hartmann): „Pelagius, der römische Erzdiakon, Verteidiger der zuvor genannten Drei Kapitel, kehrte aufgrund der Überredung durch Kaiser Justinian aus dem Exil zurück und wurde, weil er die Dinge, die er vorher äußerst standhaft verteidigt hatte, verurteilte, von den Scheinbischöfen zum Bischof der Kirche von Rom ordiniert.“ Pelagius wurde am 16. April 556 zum Bischof von Rom ordiniert; Victor von Tunnuna hat also auch hier die Differenz von zwei Jahren im Vergleich zu unserer heutigen Chronologie, vgl. Placanica, „Note“, 129 (ad a. 558). Zu Chronicon 159 s. auch o. S. 109–110 bezüglich der Frage der Datierung der Chronik. 1074 S. auch o. S. 66–67 zur Rolle des Pelagius in den origenistischen Streitigkeiten. 1075 Meier, Das andere Zeitalter, 284. Vgl. auch Adamiak, Carthage, 76. 1076 Erhalten ist Pelagius’ Schrift In defensione trium capitulorum; s. o. S. 89, 92–93. 1077 Die genauen Gründe dafür werden nicht genannt; s. o. S. 93 (Anm. 403). 1078 Vgl. auch Meier, Das andere Zeitalter, 284 (Anm. 265), der von einer „bissige[n] Notiz“ spricht. 1079 Vgl. auch die Epistula fidei catholicae 7, wo Vigilius und Pelagius als praeuaricatores Romani bezeichnet werden; s. o. Anm. 1065. 1080 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 167 (53,962–964 Cardelle de Hartmann): Pelagius Romanus episcopus ‹moritur, Iohannes episcopus› ordinatur. Prefuit annis XI. / „Pelagius, der römische Bischof
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abgesehen von Chronicon 159 keine weiteren Angaben zu Pelagius1081 – damit weicht sie hier von der Darstellung im Breuiarium des Liberatus von Karthago ab: Darin wird ausführlicher ein deutlich negatives Pelagiusbild gezeichnet – insbesondere in Bezug auf seine Aktionen als Apokrisiar, also bevor er Papst wurde –, und Pelagius wird sogar zusammen mit Theodor Askidas der Beginn des Drei-Kapitel-Streites zugeschrieben.1082 Bei Victor von Tunnuna wird Pelagius zwar vom Verteidiger zum Verurteiler der Drei Kapitel, und er wird von den praeuaricatores ordiniert, die Urheber der exordia horum malorum sind jedoch Theodora und Vigilius.1083 5.7.3.7 Das Schicksal der letzten Verteidiger der Drei Kapitel (Chronicon 160–173) Die mit Theodora und Vigilius begonnenen mala ziehen nun noch weiter Kreise: Nachdem in Chronicon 139 noch über den Widerstand der illyrischen Bischöfe gegen die Verurteilung der Drei Kapitel berichtet wurde, fallen auch sie nun von der vorherigen fides ab: Illiriciani episcopi, preter parua monasteria paruosque fideles, persecutiones passi consentiunt pristinam fidem in irritum deducentes.1084 Wie schon gesehen, ist dies die dritte und letzte Notiz über Geschehnisse des Drei-Kapitel-Streites in Illyrien.1085 Nach den afrikanischen Kirchenprovinzen Numidia und Proconsularis, nach den Päpsten und nach dem Bischof von Mailand sind damit auch diese bisherigen Ver-
‹starb, Johannes wurde als Bischof [der Kirche von Rom]› ordiniert. Er stand [ihr] 11 Jahre vor.“ Zur vorgenommenen Konjektur vgl. ausführlich Placanica, „Note“, 131 (ad a. 563/64,1). Dafür, dass hier im ursprünglichen Text auf Johannes Bezug genommen wird, spricht v. a., dass Johannes von Biclaro in seiner Chronik (Chronicon 29) die Bischofsliste Roms mit Benedictus nach Johannes fortsetzt. Placanica hält zudem die Zählung der Jahre des Episkopats (Prefuit annis XI.) im Gegensatz zu Cardelle de Hartmann für eine spätere Einfügung; s. o. S. 110. Vgl. auch Cardelle de Hartmann, „Notas críticas“, 90 (Anm. 24). Chronicon 167 ist auch die erste Notiz in der Chronik, in der nach dem Regierungsjahr Justinians gezählt wird; s. o. S. 199–200. 1081 Auch nicht etwa zu den Geschehnissen in Italien, die ja bis zum Schisma zwischen Rom und Mailand/Aquileia führten, vgl. dazu als Überblick Sotinel, „Das Dilemma des Westens“, 475–479; dies., „The Three Chapters“. 1082 Vgl. Liberatus von Karthago, Breuiarium 24 (141,7–9 Schwartz): lllud liquere omnibus credo per Pelagium diaconum et Theodorum Cesareae Cappadociae episcopum hoc scandalum in ecclesiam fuisse ingressum. / „Ich glaube, dass dies allen klar ist, dass dieser Skandal durch den Diakon Pelagius und Theodor von Caesarea-Kappadokien [= Theodor Askidas] in die Kirche eingetreten ist“. Vgl. auch Breuiarium 22 und 23. Zum negativen Pelagiusbild bei Liberatus vgl. Gleede, „Liberatus’ Polemik“, 112–129, bes. 112–117. Eine Opposition gegen Pelagius bezeugen auch der Liber pontificalis und die erhaltene Korrespondenz des Pelagius, vgl. Sotinel, „The Three Chapters“, 94–100. 1083 S. o. Kap. 5.7.2.5. 1084 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 160 (52,936–939 Cardelle de Hartmann): „Die illyrischen Bischöfe einigten sich, außer wenigen Klöstern und wenigen Gläubigen, nachdem sie Verfolgungen erlitten hatten und erklärten den ehemaligen Glauben für ungültig.“ 1085 S. o. Kap. 5.7.1.4.
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Die erzählte Geschichte der Chronik
teidiger der Drei Kapitel abgefallen.1086 Damit sind auch sie keine Anhänger der fides catholica mehr – wie in Africa bis auf wenige Ausnahmen. Dies wird hier auf Verfolgungen zurückgeführt (persecutiones passi), ist also ein Umschwenken unter Zwang.1087 In den nächsten Notizen der Chronik nach Chronicon 160 folgen einige Nachrichten über politische Ereignisse, die keine Verbindung zum Drei-Kapitel-Streit, sondern v. a. die gentes an den Grenzen des Reiches im Blick haben: Der Einfall der Hunnen in Armenien (Chronicon 161)1088 sowie der Sieg des Belisar über die Bulgaren bei Konstantinopel (Chronicon 162)1089; zudem etwas später der Empfang der Awaren durch Justinian cum donis maximis (Chronicon 166)1090 und ein Aufruhr durch die „Grünen“ in Konstantinopel (Chronicon 171)1091. Eine weitere Nachricht in diesem Abschnitt der Chronik, die nicht den Drei- Kapitel-Streit berührt, ist die Nachricht über die Auffindung und die folgende Überführung des Leichnams des heiligen Antonius nach Alexandria.1092 Chronicon 163 ist zugleich eine der sehr raren Notizen zu Heiligen in der Chronik.1093 Placanica hält es für möglich, dass Victor von Tunnuna Augenzeuge des Geschilderten während seine Aufenthaltes in Alexandria war.1094 Warum die Chronik in diesem Abschnitt noch einmal mehrere Ereignisse notiert, die nicht mit dem Drei-Kapitel-Streit zusammenhängen, bleibt unklar. Nach Chronicon 130 gibt es ja sonst fast keine über diesen Konflikt hinausgehenden Notizen mehr
1086 Prokopios von Caesarea, De bello Gothico 4,25,13 berichtet von Streitigkeiten unter Christen in der illyrischen Stadt Ulpiana, die kaiserliche Truppen schlichten mussten. Diese Streitgkeiten beziehen sich wohl auch auf die Drei Kapitel, vgl. Stein, Histoire du Bas-Empire 2, 534, 678; vgl. insgesamt Placanica, „Note“, 130 (ad a. 559,1). Vgl. dann die Epistula ad Sapaudum des Pelagius von Rom (558/559), wo Pelagius schreibt, dass in Illyrien keiner gefunden werden könne, welcher der deutlich gemachten Wahrheit widerstehe (in quibus [= Illyrien] ne unus quidem, qui dilucidate ueritati resistat, poterit inuenieri [443,24–25 Gundlach]), welcher also die Drei Kapitel nicht verurteile – was allerdings wohl eine Übertreibung ist, vgl. Wood, „The Franks“, 229. 1087 Anders als das consentire zur Verurteilung der Drei Kapitel etwa durch Datius von Mailand, was ja dann auch zu einem plötzlichen Tod führte (vgl. Chronicon 150). 1088 Johannes Malalas, Chronographia 18,70 berichtet von einem solchen Einfall für das Jahr 531, für das bei Victor von Tunnuna angegebene Jahr ist die Notiz ohne Parallele in anderen Quellen, vgl. Placanica, „Note“, 130 (ad a. 559,2). 1089 Zur Parallele bei Johannes Malalas, Chronographia 18,129 vgl. Placanica, „Note“, 130 (ad a. 560). 1090 S. o. S. 424 (Anm. 925). 1091 Vgl. zu Parallelen Placanica, „Note“, 132 (ad a. 565/566,2). 1092 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 163 (52,947–950 Cardelle de Hartmann): Corpus sancti Antonii heremite repertum cum maximo honore Alexandriam perducitur et in basilica sancti Iohannis Baptiste honorifice collocatur. / „Der Leichnam des heiligen Eremiten Antonius wurde aufgefunden und mit größter Ehre nach Alexandria überführt und in der Basilika des Heiligen Johannes des Täufers ehrenvoll aufgestellt.“ Nach Athanasius, Vita Antonii 92 hatten zwei von Antonius’ Freunden auf seinen Wunsch hin seinen Leichnam versteckt; vgl. Placanica, „Note“, 130 (ad a. 561). 1093 S. o. S. 278 zu Chronicon 60. 1094 Vgl. Placanica, „Note“, 130 (ad a. 561).
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(mit Ausnahme von Wechseln in Episkopaten1095 und Chronicon 151 [Sieg des Narses gegen Totila]). Letztlich bleibt die Chronik aber mit den geschilderten Ereignissen grundsätzlich im Rahmen dessen, was sie auch an anderen Stellen berichtet hat. Zeitlich rückt das Ende der Chronik näher – d. h., dass es für diese Jahre tatsächlich denkbar ist, dass Victor von Tunnuna hier zum Teil selbst Augenzeuge war, wie Placanica es für die Auffindung des Corpus des Antonius und dessen Überführung nach Alexandria annimmt. Möglich ist dies auch für den Aufruhr in Konstantinopel (Chronicon 171). Denkbar sind gerade für diese Zeit auch mündliche Informationen, die Victor von Tunnuna in Konstantinopel zugetragen wurden. Ob bzw. warum die Ereignisse aber von Victor von Tunnuna als „wichtig“ angesehen wurden, oder ob damit möglicherweise eine sonst als „einseitig“ erscheinende Chronik aufgewertet werden sollte, darüber kann nur spekuliert werden. Trotz dieser Nachrichten kommen auch in den letzten Notizen der Chronik insbesondere die Verteidiger und Gegner der Drei Kapitel in den Blick: Zunächst wird vom weiteren Schicksal des Frontinianus berichtet, der zuvor wegen der Verteidigung der Drei Kapitel exiliert worden war,1096 und von dessen Nachfolgern im Episkopat von Salona. Frontinianus’ direkter Nachfolger Petrus wird wie zuvor Primosus als incubator ecclesiae bezeichnet; auf ihn folgt Proclinus.1097 Da neben dem Zeugnis Gregors des Großen für die Frontinianistas1098 die Chronik des Victor von Tunnuna die einzige Quelle für Frontinianus ist, kann darüber hinaus über ihn und seine Anhänger nichts gesagt werden.1099 In den weiteren Nachrichten berichtet die Chronik besonders von den letzten Verteidigern der Drei Kapitel aus Africa. Nach dem Abfall der Proconsularis und Numidiens und nach dem Tod des Felix Gillitanus stirbt nun der nächste Verteidiger der Drei Kapitel:
1095 Weitere Nachrichten in diesem Abschnitt, die jedenfalls keine direkte Verbindung zum Drei-Kapitel-Streit haben, sind die Notiz über die Nachfolge des Pelagius durch Johannes (Chronicon 167; s. o. S. 452–453 [Anm. 1080]) und die Wiedereinsetzung des Macarius für Eustochius in Jerusalem (Chronicon 168; s. o. S. 431 [Anm. 967]). Beide Nachrichten setzen die Abfolge in den Episkopaten fort. 1096 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 148. 1097 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 164 (53,951–954 Cardelle de Hartmann): Frontinianus Salonensis episcopus de exilio Anthinoensi Anquira Galatie transmutatur. Petrus eius incubator ecclesie moritur et pro eo Proclinus substituitur. / „Frontinianus, der Bischof von Salona, wurde aus dem Exil von Antinoensis nach Anquira in Galatien überführt. Petrus, der unrechtmäßige Besitzer seiner Kirche, starb, und Proclinus wurde an seine Stelle gesetzt.“ 1098 S. o. S. 435–436 (Anm. 990). 1099 Die Chronik des Victor von Tunnuna ist zudem die einzige Quelle für Proclinus. Zu Petrus existieren einige Inschriften, vgl. Bratož, „Die kirchliche Organisation“, 242; vgl. auch Stein, Histoire du Bas-Empire 2, 678 (mit Anm. 1); Placanica, „Note“, 130 (ad a. 562,2).
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Die erzählte Geschichte der Chronik
Reparatus archiepiscopus Carthaginensis ecclesie exilio apud Euchaydam gloriosa confessione transit ad dominum die VII idus ianuarias.1100
Zunächst wird durch die taggenaue Datierung des Todes – eine von wenigen solchen Datierungen innerhalb der Chronik – die genaue Kenntnis des Chronisten über den Tod und seine Umstände unterstrichen.1101 Auch Reparatus hält nun bis zu seinem Tod an der Verteidigung der Drei Kapitel fest und geht – wie zuvor Felix und Verecundus – mit seinem Tod (direkt) zum Herrn. Sein Tod steht also zunächst in einer Reihe mit den „guten“ Toden anderer Verteidiger der Drei Kapitel und im Gegensatz zu den schändlichen Toden ihrer Verurteiler oder praeuaricatores und der Gegner Chalcedons. Er bleibt, obwohl ja formal abgesetzt, nach Darstellung der Chronik zudem bis zu seinem Tod archiepiscopus. Auch in dieser Bezeichnung zeigt sich seine hervorgehobene Rolle als bleibender Verteidiger der Drei Kapitel bis in den Tod in in der Chronik. Die Notiz zu Reparatus’ Tod ist aber auch darüber hinaus mit dem bisher in der Chronik Berichteten verknüpft und kann als eine der Schlüsselstellen für das Selbstverständnis der wenigen noch vorhandenen Verteidiger der Drei Kapitel aus Africa aufgefasst werden – zumal sie nur in der Chronik vorkommt1102: Reparatus geht nicht nur direkt zum Herrn wie ein Märtyrer, sondern Reparatus stirbt im Exil gloriosa confessione. Dies ist einerseits ganz konkret zu verstehen: Reparatus hält an seinem Bekenntnis und damit konkret an der Verteidigung der Drei Kapitel fest. Gleichzeitig wird damit aber impliziert, dass Reparatus als confessor stirbt. Ein Tod als confessor entspricht ebenso konkret den Umständen seines Todes im Exil, denn sein Exil bedeutet ja das Leiden für das, was in der Chronik zuvor als wahre fides catholica hervorgehoben wurde. Zudem wird mit der Darstellung des Todes von Reparatus als Tod eines confessor aber ein weiterer bedeutender Kontext eröffnet: Die Chronik berichtete zuvor (vgl. Chronicon 50) von den „katholischen“ Märtyrern und confessores unter Hunerich.1103 Auch dort war das Leiden für den „katholischen“ Glauben mit Exilen verbunden. Konkret wurden dort als confessores die Bekenner mit den abgeschnittenen Zungen bezeichnet, Eugenius von Karthago wurde als Bekenner dargestellt. Später ist er die
1100 Victor von Tunnuna, Chronicon 165 (53,955–958 Cardelle de Hartmann): „Reparatus, der Erzbischof der Kirche von Karthago, ging im Exil in Euchaita mit ruhmvollem Bekenntnis hinüber zum Herrn am 7. Tag vor den Iden des Januar.“ 1101 S. o. Kap. 4.1.2.3. Das Datum kann keinem anderen Ereignis, das für die Chronik bedeutsam sein könnte, zugeordnet werden. 1102 Vgl. Placanica, „Note“, 130 (ad a. 563,1). 1103 Als confessor wird in der Chronik zudem auch Bischof Eustachius von Antiochien bezeichnet, dessen Gebeine nach Antiochien überführt werden (Chronicon 65 [20,329 Cardelle de Hartmann]); vgl. Theodoros Anagnostes, Historia ecclesiastica E435 (121,13–18 Hansen), dort aber ohne die entsprechende Bezeichnung für Eustachius. S. zudem weiter u. zu Chronicon 170.
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einzige Person in der Chronik, die (wörtlich) einen Tod als confessor stirbt (vgl. Chronicon 86). Durch seinen Tod gloriosa confessione setzt Victor von Tunnuna Reparatus von Karthago nun in genau diese Kontinuität. Sein Tod ist durch die confessio gloriosa wörtlich mit der Erinnerung an den confessor unter den Vandalen, Bischof Eugenius, verbunden. Damit wird Reparatus hier eine hohe Bedeutung zugeschrieben, die in Kontinuität zu dem steht, was die Erinnerung an Eugenius von Karthago in der Chronik und darüber hinaus ausmacht.1104 Reparatus bleibt so zudem bis in den Tod Eugenius’ rechtmäßiger Nachfolger als Bischof von Karthago, nämlich in der communio ca tholica stehend, und er wird eben nicht zum praeuaricator oder incubator wie Primosus. Ist aber Reparatus in diesem Sinne der „katholische“ Bischof, sind ja auch seine Anhänger weiterhin die, die als „katholisch“ zu verstehen sind. Damit steht nicht nur Reparatus in einer Kontinuität zu Eugenius, sondern auch seine bleibenden Anhänger, die Verteidiger der Drei Kapitel, stehen in einer spezifischen Kontinuität – in der Kontinuität zu den verfolgten „Katholiken“ aus der Vandalenzeit. Sie sind eingereiht in eine nordafrikanische Geschichte in der Tradition des „Blutes der Märtyrer“1105, oder vielmehr in der Tradition der confessores.1106 Sie sind es, die trotz ihrer Bedrängnisse am „katholischen“ Glauben festhalten und somit das Erbe der confessores aus der Zeit unter den Vandalen beanspruchen können.1107 1104 Dazu s. o. in Kap. 5.5.2 zu Chronicon 50. 1105 Vgl. Modéran, „L’Afrique reconquise“, 63 in Bezug auf die Geltung der Konzilstexte in Nordafrika; „Le respect à la lettre des textes conciliaires avait acquis ici une valeur encore plus sacrée qu’ailleurs: le sang des martyrs d’Hunéric les rendait absolument intouchables“. So auch bei Modéran, „Die Kirchen“, 758–759. Modéran, „L’Afrique reconquise“, 81, setzt dies fort bezogen auf das Verhalten der Nordafrikaner im Drei-Kapitel-Streit gegenüber dem Kaiser: Dieses wirke wie eine Konsequenz der Erschütterungen der Zeit der Vandalen, hänge aber gleichzeitig mit der langen darüber hinaus gehenden Tradition der kirchlichen Unabhängigkeit in Africa zusammen: „Tous surtout se sentaient les héritiers des martyrs d’Hunéric, et avaient la conviction d’avoir derrière eux une historie incomparable, qui donnait à leur parole une légitimité religieuse que personne ne pouvait leur disputer“. Eine Kaiserkritik wird in der Chronik des Victor von Tunnuna in Bezug auf den Drei-Kapitel-Streit aber weniger deutlich. 1106 S. auch o. S. 324 zum Wechselspiel von „Bekenner“ und „Märtyrer“ in der Historia persecutionis des Victor von Vita. 1107 Die umgekehrte Folgerung, d. h. dass die Verurteiler der Drei Kapitel in die Kontinuität zu den „arianischen“ Vandalen gesetzt werden (als Vorwurf an Mocianus, aber mit deutlicher diesbezüglicher Kritik am Kaiser), findet sich bei Facundus von Hermiane, Contra Mocianum 64 (415,547–556 Clément/Vander Plaetse; Übers. 271–273 Solignac): Sed illa gehennae est uia, quam pro uoluntate Constantii apud Ariminum et Seleuciam Isauriae ingressa est temporibus Sirmiensis multitudo quam et iste secutus est, qui Vandalis regnantibus Arianus fuit; deinde imperio succedente Romano, cum tempore uersus est ut Catholicus uideretur; nunc etiam de palatio praeiudiciis Catholicae religionis exortis eadem sequitur, quoniam sicut uidetis actionem illi consiliarii praestiterunt, qua non contentus, adhuc ambire non cessat ex aliorum quoque perditione aliquid sublimius adipisci. / „Mais le chemin qui conduit à la géhenne, c’est celui dans lequel, par la volonté de Constance, à Rimini et à Seleucie d’Isaurie, et au temps de Sirmium, sont entrés une multitude d’évêques. Mocianus s’est associé à eux, lui qui fut arien sous le règne des Vandales et ensuite, sous l’empire romain qui lui a succédé, changea d’avis avec le temps au point de paraître catholique. Maintenant encore, après les attaques venu du Palais contre la religion chrétienne, il suit ces mêmes chemins parce que ses conseillers lui ont prescript
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Dieses Erbe bedeutet, auch wenn die Gruppe der Verteidiger der Drei Kapitel in der Realität immer kleiner wird, für die bleibenden Verteidiger zumindest die Aussicht auf einen guten Tod i. S. eines transire ad dominum – ein Trost in einem religiösen Sinn, der über die von der Chronik abgehandelte Zeit hinausgeht und insofern tatsächlich in eine (persönliche) gute Zukunft weist.1108 Wie eine theologische Durchführung dieses hinter Chronicon 165 stehenden Gedankens oder wie ein theologischer Kommentar dazu wirkt Epistula fidei catholicae 591109: Et si praeuaricatorum communione pollutus non es, ora Deum ut perseueres. Si uero aut ignoranter aut violenter lapsus, reparare ad Catholicam ueritatem recurrendo festina, communionem eius resumendo. […] sic a Domino Deo pactum eis conseruantibus et fidei Catholicae fundamenta custodientibus, nouitatesque profanes deuitantibus, aeternum et sine fine reseruatum est praemium gloriosum.1110
Was Victor von Tunnuna historisch beschreibt, wird hier den Adressaten der Epistula fidei catholica tröstlich in Aussicht gestellt: Die in der catholica communio – und das heißt: in der Verteidigung der Drei Kapitel – Ausharrenden erhalten schließlich eine ewige und ruhmreiche Belohnung. Sie sind am Ende der Zeiten die „Gewinner“, auch wenn es jetzt nicht so aussieht. Indem Victor von Tunnuna gegen Ende der Chronik die Verteidiger der Drei Kapitel in die Tradition dieses „Blutes der Märtyrer“, in diese spezifische nordafrikanische Geschichte, stellt, schreibt er also nicht nur die Bekennertheologie des Victor von Vita für seine Zeit fort. Nach der Darstellung der Chronik haben sich Reparatus, aber auch Verecundus von Iunci und Felix Gillitanus die Reinheit bewahrt und, obwohl sie nicht (wörtlich) als Märtyrer gestorben sind, das praemium gloriosum i. S. des migrare oder transire ad dominum erlangt, weil sie – wie Bekenner – am „katholischen“ Glauben festgehalten haben und keine praeuaricatores sind. Auf dieselbe Zukunft können die Leserinnen und Leser der Chronik hoffen, wenn sie wie die genannten Personen an
d’intenter une action; non content de cela, il ne cesse d’ambitioner même par la perdition des autres une position plus élevée.“ Vgl. Whelan, Being Christian, 220–221: „Justinian and the condemnation of the Three Chapters are bundled up with Constantius II, Sirmium, Rimini and Seleucia, and the Vandal persecution as way stations on the same road to hell […] The history and associations of Arianism remained available for African Christians as rhetorical weapons to discredit opponents in Byzantine Africa.“ Eine so deutliche negative Parallelisierung findet sich bei Victor von Tunnuna nicht. 1108 Dazu s. weiter u. zu Chronicon 173. 1109 Vgl. auch Placanica, „Introduzione“, XXVI–XXVII; s. dazu u. Kap. 5.9; s. auch o. S. 442–443. 1110 Epistula fidei catholicae 59 (433,506–434,517 Clément/Vander Plaetse; Übers. 319 Solignac): „Et si tu n’es pas souillé par la communion avec les prévaricateurs, prie Dieu pour persévérer; si par contre, soit par ignorance soit par contrainte, tu es tombé, hâte-toi de te relever en revenant à l’unité catholique et en reprenant la communion avec elle. […] de même à ceux qui observent le pacte qui unit au Seigneur notre Dieu, qui gardent les fondements de la foi catholique et s’écartent des nouveautés profanes, est résérveée une récompense glorieuse, éternelle et sans fin.“
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der Verteidigung der Drei Kapitel festhalten und damit ggf. selbst Bekenner sind. Die Epistula fidei catholicae stellt dies in der eben zitierten Stelle denen, die in der Verteidigung der Drei Kapitel und damit in der catholica communio und in der fides catholica bleiben, ganz konkret und wörtlich in Aussicht, in der Chronik wird dies historisch anhand von Einzelschicksalen dargestellt. Auch nach dem Tod des Reparatus bleiben weitere Nordafrikaner standhaft in der Verteidigung der Drei Kapitel, unter ihnen Victor von Tunnuna und Theodor von Cebarsussa. Die Chronik berichtet von ihrem weiteren Schicksal – sie werden imperiali precepto nach Kontstantinopel zu einer Art Religionsgespräch in Anwesenheit des Kaisers bzw. mit dem Bischof Eutychius von Konstantinopel gerufen. Dies ist das erste Mal seit Chronicon 159, dass der Kaiser im Zusammenhang mit dem Drei-Kapitel-Streit erwähnt wird: Musicus, Brumasius, Donatus et Crisonius episcopi de Affrica et Victor ac Theodorus episcopi similiter ex Egipto ad urbem regiam imperiali precepto euocantur. Qui, dum eidem Iustiniano principi presentes presenti et post ea Euticio regie urbis episcopo altercanti noue superstitioni resistunt, ab inuicem segregati per monasteria eiusdem urbis custodie mittuntur.1111
Neben Victor von Tunnuna und Theodor von Cebarsussa, von denen ja schon bekannt ist, dass sie sich in Ägypten befinden (vgl. Chronicon 156) werden vier weitere namentlich genannte episcopi de Affrica vom Kaiser nach Konstantinopel beordert. Musicus, Brumasius, Donatus und Crisonius sind in keiner anderen bekannten Quelle erwähnt.1112 Durch die Nennung der wenigen konkreten Namen wird möglicherweise angedeutet, dass die Gruppe, die offenbar weiter an der Verteidigung der Drei Kapitel festhält und zu der dann auch Victor und Theodor gehören, klein ist.1113 Diese Gruppe diskutiert mit Justinian und mit Eutychius von Konstantinopel und wird danach, als sie widerstehen (resistunt), voneinander getrennt1114 in Klosterhaft geschickt. Diese
1111 Victor von Tunnuna, Chronicon 169 (53,968–54,975 Cardelle de Hartmann); zur Übersetzung vgl. die folgende Diskussion. 1112 Vgl. Placanica, „Note“, 131 (ad a. 564/65). 1113 Vgl. auch die Aussage von Pelagius I. in seiner Epistula ad Sapaudum (444,20–22 Gundlach), dass 600 Bischöfe in ganz Africa und ganz Illyrien, von den Tausenden im Osten ganz zu schweigen, der „katholischen“ Kirche in dieser Frage [= der Frage der Drei Kapitel] übereinstimmen, außer vielleicht drei oder vier aus diesen Provinzen, die auf der Flucht seien (cum in tota Affrica, tota etiam Illirico, ut de milibus orientalium episcoporum taceam, sexcenteni episcopi sint, qui uno ore unoque spiritu catholicam in hac causa sequantur aecclesiam, tribus forte uel quatuor ex eisdem prouinciis fugientibus). Gregor der Große, Registrum epistularum 1,43, kann allerdings als Hinweis auf ein Schisma (aufgrund der Sache der Drei Kapitel) in Illyrien bis in die 590er Jahre gesehen werden, vgl. Markus/ Sotinel, „Epilogue“, 266–267 (mit Anm. 5). Vgl. auch Conant, Staying Roman, 323: „The dissenting bishops form only a small fraction of the literally hundreds of bishops throughout late antique North Africa“. 1114 Dass sie ab inuicem segregati sind, impliziert auch, dass, obwohl ihre communio nicht „beschmutzt“ ist, diese communio nun nicht mehr konkret möglich ist.
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Informationen aus dem ersten und dem dritten Teil des Abschnittes sind klar – die Übersetzung bereitet hier keine Schwierigkeiten: Die Bischöfe Musicus, Brumasius, Donatus und Crisonius wurden aus Africa und die Bischöfe Victor und Theodor wurden ebenso aus Ägypten auf kaiserlichen Befehl in die Königsstadt gerufen. Diese […] wurden voneinander getrennt und als Verhaftete in Klöster derselben Stadt geschickt.
Unklar ist aber, welches Geschehen dazwischen konkret beschrieben wird. Dabei gibt es zwei Probleme: Aufgrund der nicht eindeutigen Bezüge ist erstens besonders die Übersetzung des zweiten Teils von Chronicon 169 schwierig (dum eidem Iustiniano principi presentes presenti et post ea Euticio regie urbis episcopo altercanti noue superstitioni resistunt). Placanica bezieht in seiner Übersetzung (Übers. 59 Placanica) das resistere auf die noua superstitio, der die afrikanischen Bischöfe zunächst gegenüber Justinian und dann gegenüber Eutychius widerstehen, was dann der Grund ist für weitere Exile: E poiché, presentatisi dapprima al cospetto dell’Imperatore Giustiniano, e poi in una disputa con Eutichio, vescovo della capitale, si oppongono alla falsa dottrina recentemente diffusa, vengono separati […] e inviati in prigiona […].1115
Die Vorstellung ist hier, dass sowohl vor dem Kaiser als auch mit dem Bischof über die noua superstitio diskutiert wurde, also vor weltlicher und kirchlicher Macht. Das zweite Problem ist dann, dass unklar ist, was unter noua superstitio zu verstehen ist – ist damit die Ablehnung der Drei Kapitel gemeint, oder wurde in diesem Gespräch bzw. in diesen Gesprächen etwas anderes verhandelt? Chronicon 169 zum Ersten: Die noua superstitio (Exkurs) In der Sekundärliteratur wird – ohne die Übersetzung des Textes zu problematisieren oder offenzulegen – Chronicon 169 normalerweise als Beleg für ein letztes Gespräch der widerständigen Afrikaner über die Drei Kapitel in Konstantinopel herangezogen.1116 1115 Unklar ist in dieser Übersetzung jedoch der genaue Bezug von altercanti – die afrikanischen Bischöfe erscheinen jedenfalls implizit als Subjekt dazu („in una disputa con“). Ähnlich in der Übersetzung von Martyn (Übers. 165–166 Martyn): „And while they were present in the presence of the same Emperor Justinian, and afterwards, while the bishop of the Royal City, Eutychius, argued with them, they resisted the new heresy, and they were segregated […].“ 1116 So etwa bei Modéran, „L’Afrique reconquise“, 59 (konkret sieht Modéran eine Weigerung der Anerkennung der Beschlüsse des Konzils von 553); Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 101*; Adamiak, Carthage, 79 („Once again, they repudiated ‚the new superstitions‘, that is, the condemnation of the Three Chapters“); vgl. auch Cameron, „Byzantine Africa“, 48: „Despite his heavy-handed methods, Justinian therefore was unable to impose the degree of assent that he would have liked. The African resistance did not blow over. Victor of Tonnena, whose chronicle is our main source for many of these events, was as staunch as ever when he wrote it in 565/66, after years of exile and
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Tatsächlich ist von den Drei Kapiteln an dieser Stelle der Chronik jedoch – anders als an den zahlreichen anderen Stellen, wo es offensichtlich um die Drei Kapitel geht – nicht die Rede. Die Abhandlung der Frage der Drei Kapitel unter dieser Überschrift ist daher zumindest auffällig, einerseits als noua superstitio im Jahr 564/565, also gut eine Dekade nach deren offizieller Verurteilung auf dem Konzil von 553, und andererseits aufgrund der ungewöhnlichen Wortwahl (superstitio). Zunächst ist festzuhalten, dass noua nicht „neu“ i. S. „seit einer ganz kurzen Zeit existierend“ bedeuten muss, und somit ist es denkbar, dass mit noua „neu“ im Sinne von „beschlossen nach dem Konzil von Chalcedon“ bzw. „im Gegensatz zum alten Glauben der Kirche“ gemeint ist.1117 Im Kontext des Drei-Kapitel-Streits werden in diesem Sinn verstandene nouitates etwa an mehreren Stellen bei Facundus von Hermiane nicht nur abgelehnt, sondern auch mit Blasphemie und Häresie verbunden.1118 Noch deutlicher bezieht die Epistula fidei catholicae nouitates ganz konkret auf die Geschehnisse um die Drei Kapitel, wenn sie von deren Verurteilern als den istae nouitiae pestes spricht,1119 die einen nouum[…] errorem einführen.1120 Die hingegen, die in der Verteidigung der Drei Kapitel bleiben, sind die nouitates[…] profanas deuitantibus.1121 Bei Victor von Tunnuna selbst findet sich an einer weiteren Stelle wörtlich die Kritik an der Hinzufügung einer nouitas in einem ähnlichen Sinn, d. h. an eine bestehende
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personal suffering, and early in the very year 565, that saw the deposition of the patriarch of Con stantinople, Eutychius, and Justinian’s own death, a group of African bishops stood firm before the emperor and patriarch“. Vgl. auch Conant, Staying Roman, 323: Victor von Tunnuna, Theodor und die anderen Bischöfe „were summoned to Constantinople where they debated the condemnation of the Three Chapters with the Patriarch Eutychius before being confined to separate monasteries throughout the imperial capital“. Vgl. auch Price, „The Second Council“, 130 zur Funktion von Konzilien: „But we shall misunderstand the ethos and functioning of councils if we forget that their perceived function was not to advance theology but to protect the Church against novel teaching that distorted the meaning of the creeds. Doctrinal conservatism was not a mere rhetorical claim but a serious commitment“, im Gegensatz zur Häresie, die innovativen Charakter hatte (vgl. ebd., 129). Die Beschlüsse von Chalcedon waren tatsächlich Reichsgesetz und es war verboten worden, sie öffentlich zu diskutieren (s. o. S. 56, 250 [Anm. 99]), so rezipiert auch in Codex Iustinianus 1,1,4–5 (mit Ergänzung durch ein Glaubensbekenntnis Justinians); s. o. S. 70 (Anm. 272). Vgl. bspw. Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum 1,4,35; 3,3,31; 4,2,46; 4,3,5; 7,3,1; 8,2,10; 9,5,6; 12,3,10. Vgl. auch Bruns, „Zwischen Rom und Byzanz“, 165–166 zur nouitas bei Facundus von Hermiane. Gegen die Annahme von nouitates wendet sich auch die Epistula legatariis (24,4–6 Schwartz; Übers. 1,169 Price): admonendo ut episcopi illarum partium beatissimo papae et sancto Datio episcopo epistolas dirigant contestantes ne nouitates aliquias recipere patiantur / „urging the bishops of those parts to send letters to the most blessed pope and the holy bishop Datius, declaring that they shold refuse to accept any novelties“. Epistula fidei catholicae 19 (423,156 Clément/Vander Plaetse; Übers. 295 Solignac): „ces pestes d’une doctrine nouvelle“. Epistula fidei catholicae 25 (424,207–208 Clément/Vander Plaetse; Übers. 299 Solignac): nouumque errorem per damnationem uiuorum et mortuorum condendo / „ils ont crée une erreur nouvelle en condamnant les vivants et les morts“. Epistula fidei catholicae 59 (434,516 Clément/Vander Plaetse; Übers. 319 Solignac): „qui […] s’écartent des nouveautés profanes“.
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(Glaubens-) Formel, nämlich im Zusammenhang mit dem Stauroteis-Aufstand.1122 Der Kritik an solchen nouitates enstpricht auch die Formulierung der Chronik zum Konzil von Chalcedon, dass nämlich dort omnia que ad statum ecclesie pertinent disposita sunt ratumque terminum susceperunt.1123 Auch wenn freilich, wie nun schon mehrfach betont, insgesamt deutlich ist, dass die Verurteilung der Drei Kapitel als Ablehnung Chalcedons verstanden wird, fehlt in der Chronik aber eine wörtliche Verbindung der Verurteilung der Drei Kapitel mit einer nouitas oder mit noua. Der Begriff superstitio findet sich an keiner weiteren Stelle in der Chronik, d. h. auch nicht als Begriff für die Ablehnung der Drei Kapitel oder im Zusammenhang mit obtrectatores von Chalcedon oder Anhängern des Konzils von Konstantinopel 553.1124 Auch bei anderen Verteidigern der Drei Kapitel (Facundus von Hermiane, Ferrandus von Karthago) kommt der Begriff nicht vor. Es ist daher zu überlegen, ob die noua superstitio sich auf etwas anderes als auf die Verurteilung der Drei Kapitel beziehen kann. Mehrere Quellen berichten, dass Justinian gegen Ende seiner Herrschaft ein Edikt erlassen habe, mit dem er den sogenannten „Aphthartodoketismus“1125 habe durchsetzen wollen, dem er in seinen letzten Jahren angehangen sei.1126 Deshalb habe er auch Eutychius von Konstantinopel, der sich der Anerkennung dieser Lehre wider1122 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 94; vgl. auch Chronicon 113; vgl. auch Chronicon 3 zur „Häresie“ des Eutyches, die dieser begründete (condidit); s. o. S. 237. 1123 Victor von Tunnuna, Chronicon 10 (6,69–71 Cardelle de Hartmann; s. o. S. 250 [mit Anm. 98]). 1124 Er findet sich nur an einer Stelle als textkritische Variante, und zwar in den Marginalien in P-S aus dem Codex Soriensis (= P-S ex So) als Variante für subreptio in Bezug auf die Akephalen (vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 132 [44,787 Cardelle de Hartmann], apparatus ad locum). 1125 Der sogenannte Aphthartodoketismus geht letztlich auf Julian von Halicarnassus und seine Lehre zurück, mit der er im Grunde die Unvergänglichkeit des Leibes Christi vertrat; vgl. Noethlichs, „Iustinianus (Kaiser)“, 700; Kannengiesser/Stein, „Iulianus VI ( Julianos von Halikarnassos)“, 505–508, dort auch zu weiterer Literatur. Es ist nicht notwendig, hier differenziert auf die Inhalte dieser Position einzugehen. 1126 Vgl. Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 4,39 (190,16–24 Bidez/Parmentier; Übers. 541 Hübner): τὸ καλούμενον πρὸς Ῥωμαίων ἴδικτον γράφει, ἐν ᾧ ἄφθαρτον τὸ σῶμα τοῦ Κυρίου κέκληκε καὶ τῶν φυσικῶν καὶ ἀδιαβλήτων παθῶν ἀνεπίδεκτον, οὕτω λέγων τὸν Κύριον πρὸ τοῦ πάθους φαγεῖν ὥσπερ μετὰ τὴν ἀνάστασιν ἔφαγε, μηδεμίαν τροπὴν ἢ ἀλλοίωσιν ἐξ αὐτῆς τῆς ἐν μήτρᾳ διαπλάσεως μηδὲ ἐν τοῖς ἑκουσίοις καὶ φυσικοῖς πάθεσι, μηδὲ μετὰ τὴν ἀνάστασιν τοῦ παναγίου σώματος αὐτοῦ δεξαμένου· οἷς συναινεῖν τοὺς ἑκασταχῆ ἱερέας κατηνάγκαζε. / „[ Justinian schrieb], was die Römer ein ‚Edikt‘ nennen, in dem er den Leib des Herrn aphtharton (unverweslich) nannte und unempfänglich für natürliche und sündelose Affekte und so sagte, daß der Herr vor seinem Leiden ebenso gegessen habe, und daß sein hochheiliger Leib seit seiner Ausformung im Mutterleib keine Verwandlung oder Veränderung erfahren habe, weder in den willentlichen und natürlichen Affekten noch nach der Auferstehung; er zwang alle Bischöfe allerorts, dem zuzustimmen.“ Vgl. auch Theophanes, Chronographia, a. m. 6057. Michael der Syrer, Chronik 9,34 (Übers. 2,272 Chabot) berichtet, wie es dazu kam: „Un évêque stupide, de la ville de Joppé en Palestine, s’attacha à lui et pervertit son esprit par l’hérésie des Phantasiastes. Il se mit à dire que le corps de Notre-Seigneur n’était pas passible et corruptible. Il écrivit de nombreux livres qu’il envoya aux patriarches et aux évêques, en tous lieux, et les pressa de recevoir cette doctrine.“ Vgl. Meier, Das andere Zeitalter, 289 (Anm. 297) zu weiteren Quellen; vgl. auch Hübner, Evagrius Scholasticus, 540 (Anm. 616); Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 490–491.
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setzt habe, abgesetzt.1127 Das genannte Edikt selbst ist nicht erhalten.1128 Wie die entsprechenden Berichte genau zu deuten sind, ist daher umstritten.1129 Ungeklärt ist auch die Frage, warum Justinian sich überhaupt dem Aphthartodoketismus hätte zuwenden sollen und wie er diese „Lehre“ verstand.1130 Meistens wird eine Erklärung damit versucht, dass Justinian hier durch theologische Zugeständnisse zum letzten Mal versucht habe, politisch zu einem Ausgleich mit den Miaphysiten zu gelangen.1131 Auch wenn Meier davon ausgeht, dass es „keinen Zweifel daran“ gibt, „daß Justinian tatsächlich versucht hat, den Aphthartodoketismus – wiederum mit dem an alle Bischöfe gerichteten Befehl zur Unterschrift – zum allgemeinen Dogma zu erheben“, gesteht er selbst zu, dass „die Vorgänge […] im einzelnen nicht exakt zu rekonstruieren“1132 sind und die Episode rätselhaft bleibe.1133 Als unwahrscheinlich gilt aber zumindest, dass Justinian am Ende seines Lebens dezidiert von den Beschlüssen Chalcedons abrücken wollte.1134 Wie auch immer die Aktivitäten Justinians genau zu deuten sind, die Berichte über eine Hinwendung zum Aphthartodoketismus und zu einem entsprechenden Edikt liegen jedenfalls vor. Liest man nun Chronicon 169 vor diesem Hintergrund, liegt es nicht fern, bei der noua superstitio im Anschluss an Meier und Noethlichs an Justinians Annäherung an den Aphthartodoketismus in seinen letzten Lebensjahren zu denken,1135
1127 Vgl. dazu insgesamt Eustratius, Vita Eutychii (31,912–40,1201 Laga; zum Widerstand und zur Exilierung des Eutychius vgl. v. a. 34,1013–41,1201 Laga; zum Gang ins Exil 40,1202–41,1229 Laga). 1128 Vgl. Meier, Das andere Zeitalter, 291. 1129 Vgl. zurückhaltend gegenüber einer Hinwendung Justinians zu einem „Aphthartodoketismus“ v. a. Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 489–495; zum (damaligen) Stand der Diskussion vgl. ebd., 489–490 (bes. Anm. 583), 492–495 zu den grundlegenden Beiträgen von Van den Ven, „L’accession“ und Carcione, „L’aftartodocetismo“; vgl. Meier, Das andere Zeitalter, 289–290 (Anm. 298); vgl. auch insgesamt Uthemann, „Kaiser Justinian“, 327–330; Adshead, „Justinian and Aphthartodocetism“ (Uthemann und Adshead jedoch ohne Bezug auf Victor von Tunnuna; Grillmeier, ebd. 491 [mit Anm. 595] nur mit Bezug auf Victor von Tunnuna, Chronicon 170 [Exil des Eutychius]). 1130 Vgl. Uthemann, „Kaiser Justinian“, 328–329. 1131 Vgl. bspw. Gray, „Justinian“, 479; Maraval, „Die Religionspolitik“, 458–459; Noethlichs, „Iustinianus (Kaiser)“, 700; vgl. Meier, Das andere Zeitalter, 290 (Anm. 301) zu weiteren Belegen. 1132 Meier, Das andere Zeitalter, 291. 1133 Vgl. auch Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 494–495; Maraval, „Die Religionspolitik“, 468–459; Uthemann, „Kaiser Justinian“, 328–329. Deshalb wohl sieht Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 277 Justinians letzte „Unbegreiflichkeiten […] als Symptom senilen Verfalls“. 1134 Vgl. Schwartz, „Zur Kirchenpolitik Justinians“, 277; Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 495; Maraval, „Die Religionspolitik“, 459–560; Uthemann, „Kaiser Justinian“, 329–330; Meier, Das andere Zeitalter, 291. Uthemann und Meier verweisen hierzu u. a. auf ein Edikt Justinians von 562, das nach Johannes Malalas, Chronographia 18,142 ein Bekenntnis zur Zweinaturenlehre Chalcedons enthält. In den Anmerkungen zur Übersetzung der Chronographia (Übers. 531 Thurn/Meier [Anm. 795]) wird diese Angabe allerdings auf eine Synode in Konstantinopel im Jahr 559 bezogen. Diese Diskussion kann hier nicht vertieft werden. 1135 Vgl. Meier, Das andere Zeitalter, 289–290; Noethlichs, „Iustinianus (Kaiser)“, 700. Auch bei Leppin, Justinian, 332–333 (mit 399 [Anm. 65]) wird die Angabe bei Victor von Tunnuna auf Justinians Hinwendung zum Aphthartodoketismus bezogen. Ebd., 331 bezieht er das Gespräch allerdings noch auf die Frage der Drei Kapitel.
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auch aufgrund der Verbindung dieser noua superstitio mit einem Streitgespräch, an dem auch Eutychius beteiligt ist. Von der Chronik selbst her legt sich ein solcher Bezug jedoch nicht wirklich nahe: Der als Begründer der Lehre des Aphthartodoketismus geltende Julian von Halicarnassus wird zwar in der Chronik Victors erwähnt als apostolice fidei et Calcidonensis sinodi impugnator[…]1136, also dezidiert als Feind Chalcedons abgelehnt. Chronicon 169 greift darauf jedoch überhaupt nicht zurück, was ein Hinweis auf die fehlende Verbindung zum Aphthartodoketismus an dieser Stelle sein kann (wenn dies auch nicht zwingend ist). Ist mit noua superstitio der Aphthartodoketismus gemeint, stellt sich vor allem aber die Frage, warum ausgerechnet diese wenigen afrikanischen Bischöfe mit den (aufgrund einer anderen Frage, nämlich der der Drei Kapitel) exilierten Victor und Theodor dafür nach Konstantinopel gerufen werden.1137 Zudem ist bei dem Streitgespräch, folgt man der Übersetzung Placanicas, Eutychius nicht nur beteiligt, sondern das Streitgespräch ist ein solches mit Eutychius („e poi in una disputa con Eutichio, vescovo della capitale, si oppongono alla falsa dottrina recentemente diffusa“).1138 Eutychius war ja aber selbst Gegner des Aphthartodoketismus und wurde von Justinian im Jahr 565 möglicherweise deshalb exiliert. Dass nun wiederum die Verteidiger der Drei Kapitel mit Eutychius über den Aphthartodoketismus uneinig sind und mit ihm darüber diskutieren, weil sie – oder Eutychius – ihn verteidigen würden, ist unwahrscheinlich. Die Frage, was mit noua superstitio gemeint ist, bleibt also zunklar und muss zunächst zurückgestellt werden – inhaltlich ist sowohl ein Bezug auf die Verurteilung der Drei Kapitel als auch auf den sogenannten Aphthartodoketimus denkbar, aber beides ist nicht unproblematisch. Chronicon 169 zum Zweiten: Wer diskutiert mit wem über was? (Exkurs) Es ist daher zunächst noch einmal die Übersetzung von Chronicon 169 in den Blick zu nehmen. Oben wurde festgestellt, dass besonders die Übersetzung des zweiten Teils (dum eidem Iustiniano principi presentes presenti et post ea Euticio regie urbis episcopo altercanti noue superstitioni resistunt) schwierig ist. Nach der Übersetzung von Placanica
1136 Victor von Tunnuna, Chronicon 124 (40,698–690 Cardelle de Hartmann). 1137 Immerhin wird vermerkt, dass Victor und Theodor aus Ägypten kamen, was auch mit Julian von Halicarnassus und seinen Anhängern verbunden wird (vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 124). Victor von Tunnuna hatte ja gerade zu den Ereignissen in Alexandria möglicherweise auch eine Quelle zur Verfügung (s. o. S. 366), und er war an einer zweiwöchigen Disputation in Alexandria beteiligt (vgl. Chronicon 156) – dass er also mehr über Julian von Halicarnassus und dessen Theologie bzw. über die Rezeption Chalcedons in Ägypten wusste, ist nicht auszuschließen. 1138 Zu Übersetzung Placanicas s. o. S. 460.
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ist dieser Satz so zu verstehen, dass die afrikanischen Bischöfe der noua superstitio zunächst gegenüber Justinian widerstehen und dann gegenüber Eutychius.1139 Es sind jedoch auch Alternativübersetzungen denkbar, welche die Trennung des Gespräches der Afrikaner mit Kaiser Justinian von einem Gespräch über die noua superstitio ermöglichen würden. Dazu gibt es drei Möglichkeiten: Die erste Variante sieht in altercanti einen Dativ, parallel zu presenti und damit durch et verbunden sowie zugehörig zu Iustiniano und Objekt von resistunt; altercari wird dabei mit noue superstitioni verbunden1140: „Diese, während sie widerstanden als Anwesende Prinzeps Justinian, der anwesend war und danach mit Eutychius, dem Bischof der Königsstadt, über einen neuen Aberglauben stritt, wurden voneinander getrennt […]“. In dieser Version widerstehen also die afrikanischen Bischöfe dem Kaiser, der zunächst mit ihnen streitet (ohne dass das Thema des Streites genannt würde) und danach mit Eutychius, und zwar mit diesem über die noua superstitio. Diese könnte dann auf den Aphthartodoketismus bezogen werden, ohne dass dabei die Frage entstünde, was die Verteidiger der Drei Kapitel dazu überhaupt zu sagen hätten. Ungewöhnlich erscheint hier allerdings der Bezug von resistunt auf das relativ weit entfernte Iustiniano. Inhaltlich dieser Variante entsprechend, aber grammatikalisch anders gedeutet, könnte auch zweitens der ganze Satzteil presenti et post ea Euticio regie urbis episcopo altercanti noue superstitioni ein (doppelter) Ablativus absolutus sein, was dann mit „anwesend war auch Eutychius, Bischof der Königsstadt, und stritt danach über einen neuen Aberglauben“ zu übersetzen wäre. Damit wären es auch hier zwei unterschiedliche Diskussionsgänge des Kaisers, einmal mit den Bischöfen aus Africa, einmal mit Eutychius, die inhaltlich keinen Zusammenhang haben müssten.1141 Die Satzstellung wäre freilich auch hier problematisch. Die dritte Übersetzungsvariante verbindet presentes und resistunt durch das et, bezieht presenti auf Iustiniano und sieht nur in Euticio altercanti einen Ablativus absolutus, wobei das Objekt zu resistunt noue superstitioni ist: „Diese, nachdem sie erschienen 1139 „E poiché, presentatisi dapprima al cospetto dell’Imperatore Giustiniano, e poi in una disputa con Eutichio, vescovo della capitale, si oppongono alla falsa dottrina recentemente diffusa, vengono separati […] e inviati in prigiona […].“ (Übers. 59 Placanica); s. o. S. 460. 1140 Vgl. TLL, s. v. „altercor alterco III/structurae“: Hier wird diese Stelle der Chronik einmal durch ein „?“ als unklar ausgewiesen, einmal als Beleg für altercor mit Dativ genannt, leider ohne das Bezugswort zu nennen. Dies deutet auf die Möglichkeit hin, dass die Stelle verdorben ist und ursprünglich eine nouae superstitionis im Genitiv oder eine noua superstitioni im Ablativ gemeint war – im folgenden wird aber dennoch versucht, aus dem vorliegenden Text eine Lösung zu erarbeiten. 1141 Diese Deutung bietet zudem die Möglichkeit, in dem Satzteil presenti […] superstitioni eine in den Text geratene Glosse zu sehen. Dafür würde insbesondere die auffällige Nebeneinanderstellung presentes presenti sprechen. Das PPA altercanti als Ablativ aufzulösen, ist grammatikalisch zwar nicht korrekt, aber als irrtümliche Analogiebildung zu praesenti plausibilisierbar, zumal sich im handschriftlichen Befund auch andere Stellen für ein unübliches –i statt –e im Ablativ finden lassen, so Chronicon 5 (4,38 Cardelle de Hartmann [apparatus ad locum]): duci in U und P-S ante corr.; 115a (= Consularia Caesaraugustana; 37,642 Cardelle de Hartmann): nomini; 152 (50,903 Cardelle de Hartmann [apparatus ad locum]): communioni in P-S.
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waren vor dem anwesenden Prinzeps Justinian und danach einem neuen Aberglauben widerstanden, als Eutychius, der Bischof der Königsstadt, (darüber) stritt, wurden voneinander getrennt […].“ In dieser Deutung wären die afrikanischen Bischöfe also zunächst vor Justinian präsent – mutmaßlich (wie in den zuvor genannten Lösungen) wegen der Frage, die sie auch sonst betrifft, also in der Frage der Drei Kapitel – und dann würden sie mit Eutychius zusammen gegenüber Justinian der noua superstitio widerstehen. Auch in dieser Variante könnte diese dann auf den Aphthartodoketismus bezogen werden, ohne dass die Frage im Raum stünde, warum die Verteidiger der Drei Kapitel wegen dieser Frage zum Kaiser hätten gerufen werden sollen. Sie wäre dann erst in einem zweiten Schritt, möglicherweise aus der Situation heraus, verhandelt worden. Grammatikalisch ist diese Übersetzungsvariante, indem sie das resistunt weiterhin auf die noua superstitio bezieht, schlüssiger, wenn auch durch die Parallelisierung von presentes und resistunt nicht völlig unproblematisch. Fraglich bleibt auch der Bezug von altercanti, der in der Übersetzung ergänzt wurde („darüber“). Inhaltlich erscheint es möglich, dass die Afrikaner, Victor von Tunnuna eingeschlossen, mit Eutychius in der Frage der noua superstitio, wenn damit der Aphthartodoketismus gemeint ist, übereinstimmen, auch wenn dies insofern nicht völlig unproblematisch wäre, als Victor von Tunnuna sich gleich in der nächsten Notiz, die Eutychius’ Exilierung erwähnt, mit dessen Bezeichnung als damnator trium capitulorum explizit gegen ihn wendet.1142 Zusammenfassend ist zu Chronicon 169 sagen: Grammatikalisch am einfachsten ist die Übersetzung Placanicas, die das resistunt auf die direkt davorstehende noua superstitio bezieht. Damit würde eine Verbindung von noua superstitio mit der Verurteilung der Drei Kapitel suggeriert – was möglich, aber ungewöhnlich wäre –, wenn man nicht annehmen will, dass die Verteidiger der Drei Kapitel für eine völlig andere Frage (d. h. den sog. Aphthartodoketismus) nach Konstantinopel gerufen wurden (oder zumindest dann dort darüber diskutierten). Die anderen hier genannten Übersetzungsvarianten sind grammatikalisch zwar möglich, aber problematischer. Inhaltlich lassen sie dafür die Vorstellung zu, dass es zwei Gespräche über zwei verschiedene Inhalte gab, und dass damit die noua superstitio nicht auf die Verurteilung der Drei Kapitel, sondern auf etwas anderes (d. h. möglicherweise den Aphthartodoketismus) zu beziehen wäre. Diese Deutungsvarianten würden inhaltlich zur Exilierung des Eutychius durch den Kaiser passen, die im nächsten Abschnitt (Chronicon 170) geschildert ist – auch wenn dort die noua superstitio freilich überhaupt nicht mehr aufgegriffen wird. Die Abwägung der genannten Argumente führt insgesamt nicht zu einer klaren Lösung. Betont man die Entwicklung Justinians in Richtung des Aphthartodoketismus, legt sich eine Deutung von Chronicon 169 und insbesondere der noua superstitio vor diesem Hintergrund zwar nahe, die Anwesenheit der afrikanischen Bischöfe muss dann aber sinnvoll erklärt werden können. Im Blick auf die herbeigerufenen Bischöfe
1142 Victor von Tunnuna, Chronicon 170 (54,976–981 Cardelle de Hartmann).
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ist eher an ein Gespräch über die Frage der Drei Kapitel zu denken – damit wäre hier entweder die Verurteilung der Drei Kapitel als noua superstitio bezeichnet,1143 oder es ist eben tatsächlich an zwei unterschiedliche Gesprächsinhalte zu denken, was durch die genannten Übersetzungsvarianten, auch wenn sie grammatikalisch schwieriger sind, möglich wäre. Insgesamt bleibt die Stelle uneindeutig. Aus inhaltlichen Gründen legt sich für die Übersetzung aber insgesamt eine der Varianten mit den zwei Gesprächsinhalten nahe (Drei Kapitel und noua superstitio); die o. g. zweite Variante hat dabei den Vorteil, dass sie durch das Verständnis der ganzen Formulierung presenti […] noua superstitioni als Einschub (Ablativus absolutus) die sperrige Doppelung von presentes/ presenti relativ einfach auflösen kann. Daher habe ich mich in der Übersetzung für die zweite eigene Übersetzungsvariante entschieden. *** In der auf Chronicon 170 folgenden Notiz wird nun noch einmal das Schicksal des Eutychius aufgegriffen. Nachdem die afrikanischen Bischöfe wieder in custodia von Klöstern sind, wofür gerade nicht Justinian als Urheber genannt wird,1144 wird beschrieben, dass Justinian gegenüber Eutychius eingreift und ihn ins Exil schickt: Iustinianus Euticium Constantinopolitanum episcopum damnatorem trium capitulorum et Euagri heremite diaconi ac Didimi monachi et confessoris Alexandrini, quorum laudes supra illustrium uirorum ex autoritate pertulimus, exilio dirigit et pro eo Iohannem eiusdem erroris consimilem episcopum facit.1145
Was in Chronicon 170 geschildert wird steht, indem es chronologisch daran anschließt, gleichsam in der Folge der zuvor geführten Gespräche. Das Exil des Eutychius ist, wie oben schon erwähnt, nach der Darstellung des Eustratius in der Vita Eutychii Folge von Eutychius’ Ablehnung des Aphthartodoketismus bzw. seiner Weigerung, das entsprechende Edikt Justinians zu unterschreiben.1146 Dem würde, wenn man von einem Bezug der noua superstitio auf den Aphthartodoketismus ausgeht, die chronologische Darstellung hier entsprechen. Es ist jedoch umstritten, ob eine solche Ablehnung
1143 Über die die afrikanischen Bischöfe dann mit dem Kaiser und dem Bischof diskutiert hätten wie in der Übersetzung von Placanica. 1144 Auch hier findet sich damit keine offensichtliche Kritik am Kaiser, der wohl die custodia anordnete; s. o. S. 447–448; vgl. auch Hillner, Prison, 320: „The emperor strategically hoped to be able to influence their views in this way [= hinsichtlich der Verurteilung der Drei Kapitel]“. 1145 Victor von Tunnuna, Chronicon 170 (54,976–981 Cardelle de Hartmann): „Justinian schickte Eutychius, den Bischof von Konstantinopel, einen Verurteiler der Drei Kapitel und von Evagrius dem Eremiten, Diakon, und von Didymus dem Mönch und des alexandrinischen Bekenners, deren Lob wir oben ausgeführt haben aus der Autorität von berühmten Männern, ins Exil, und für ihn machte er den hinsichtlich desselben Fehlers gleichen Johannes zum Bischof.“ 1146 S. o. S. 462–463.
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des Aphthartodoketismus durch Eutychius der wirkliche Grund für seine Exilierung war.1147 Auch die Chronik Victors erwähnt diesen Grund jedenfalls nicht explizit – Justinian schickt Eutychius ins Exil als damnator trium capitulorum et Euagri heremite diaconi ac Didimi monachi et confessoris Alexandrini. Diese Zuschreibung entspricht Eutychius’ Anwesenheit auf dem Konzil von 553, wo er als einer der Bischöfe dargestellt wird, die die Drei Kapitel verurteilen (vgl. Chronicon 147). Dort wird allerdings zur Verurteilung von Evagrius und Didymus (und Origenes1148) nichts notiert.1149 Es ist vom Text der Chronik her unklar, ob die Qualifikation des Eutychius als damnator trium capitulorum etc. hier kausal zu verstehen ist. Dass Eutychius deshalb ins Exil geschickt wird, wird durch die Formulierung in Chronicon 170 aber zumindest suggeriert – eine noua superstitio wird als Grund jedenfalls nicht genannt. Allerdings sagt die Exilierung und ihre Begründung in der Chronik kaum etwas über die Haltung Justinians gegenüber den Drei Kapiteln aus, da dieser gleich darauf Iohannem eiusdem erroris consimiliem epsicopum facit.1150 Damit ist für die Verteidiger der Drei Kapitel letztlich nichts gewonnen. Die Darstellung des Handelns Justinians ist aber gleichwohl – auch nach dem Konzil von 553 und den Verhaftungen der Afrikaner – nicht eindeutig negativ. Der „Fehler“ erscheint letztlich auch hier als einer des Bischofs und damit der Kirche. Dieser Sicht auf Justinian am Ende seines Lebens enstpricht – nach der Erwähnung eines von den „Grünen“ angezettelten Bürgerkrieges (Chronicon 171)1151 – die knappe Notiz zu Justinians Tod: Quadragesimo imperii sui anno Iustinianus uite suscepit finem indictione XV.1152 1147 Hierzu wird v. a. auf Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 4,38 verwiesen, der keinen Zusammenhang zwischen der Absetzung des Eutychius und dem Edikt Justinians herstellt, von dem er erst nach der Absetzung berichtet; vgl. auch Theophanes, Chronographia, a. m. 6057. Vgl. Grill meier, Jesus der Christus 2,2, 493; Maraval, „Die Religionspolitik“, 459; Uthemann, „Kaiser Justinian“, 328. Vgl. auch Van den Ven, „L’accession de Jean le Scholastique“, bes. 343–344, der eine andere Chronologie annimmt, weshalb Eutychius nicht wegen eines solchen Edikts abgesetzt worden sein könne. Für einen Zusammenhang mit dem angenommenen Aphthartodoketismus-Edikt Justinians votieren Stein, Histoire du Bas-Empire 2, 687; Cameron, „Eustratius’ Life“, 233–235; Meier, Das andere Zeitalter, 291 (mit Anm. 310); Leppin, Justinian, 333. 1148 Zu dieser Hypothese für Chronicon 170 s. o. S. 153–156. 1149 S. o. Kap. 5.7.3.3 zur Darstellung des Konzils. 1150 Zu Johannes ( Johannes III. Scholasticus) vgl. auch Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 4,38 (vgl. Übers. 539 Hübner [mit Anm. 614]); Theophanes, Chronographia a. m. 6057 (240,28–30 de Boor); vgl. insgesamt zu Chronicon 170 die Hinweise bei Placanica, „Note“, 132 (ad a. 565/66). 1151 S. o. S. 454. 1152 Victor von Tunnuna, Chronicon 172 (54,986–987 Cardelle de Hartmann): „Im vierzigsten Jahr seiner Regierung empfing Justinian das Ende seines Lebens in der 15. Indiktion.“ Deutlich negativ wird der Tod des Justinian hingegen bspw. bei Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 5,1 geschildert (195,4–7 Bidez/Parmentier; Übers. 551 Hübner): Οὕτω μὲν δὴ Ἰουστινιανὸς ἁπαξάπαντα ταράχου καὶ θορύβων πληρώσας καὶ τἀπίχειρα τούτων πρὸς τῷ τέρματι τοῦ βίου κομισάμενος, ἐς τὰ κατώτατα μετεχώρησε δικαιωτήρια. / „So ging Justinian, nachdem er überall für Verwirrung und
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Mit seinem Tod ist nach der Darstellung der Chronik der Drei-Kapitel-Streit vorbei: Am selben Tag wie Justinian1153 stirbt Theodor von Cebarsussa, der zusammen mit Victor von Tunnuna einer der letzten „Verteidiger der Drei Kapitel“ gewesen war: Theodorus Cebarsussitanus episcopus defensor trium capitulorum exilio apud urbem regia eo mense et die quo Iustinianus moritur et iuxta confessores quibus Ugnericus Vuandalorum rex linguas absciderat sepelitur.1154
Theodor von Cebarsussa stirbt also als Verteidiger der Drei Kapitel – auch er ist bis zum Tod standhaft geblieben. Für seinen Tod ist zwar nicht wie bei Reparatus, Felix Gillitanus und Verecundus von Iunci angegeben, dass er damit „zu Gott geht“, sein Tod wird aber über andere Verknüpfungen in die nun schon mehrfach genannte Reihe der „guten Tode“ der Verteidiger der Drei Kapitel gestellt: Erstens stirbt er „im Exil“. Da runter wird die „Klosterhaft“ (vgl. Chronicon 169) hier subsumiert – und damit stirbt er am selben Ort wie Reparatus und Felix.1155 Zweitens wird aber sein Begräbnisort noch genauer spezifiziert: „Er wurde beerdigt neben den Bekennern, denen Hunerich, der König der Vandalen, die Zungen abgeschnitten hatte.“ Brian Croke deutet diese Angabe sozialgeschichtlich als Zeugnis für den Zusammenhalt unter den Afrikanern als nationale Gruppe in Konstantinopel: Like others, the Africans tended to live together and be buried together. For example, when Bishop Theodorus died in 565, he was buried alongside other victims of Huneric’s persecution who had passed away in the city long ago.1156
Im Rahmen der Geschichte, die die Chronik erzählt, hat die Angabe des Begräbnisortes Theodors aber darüber hinausgehende Implikationen: Hier, kurz vor Schluss der Chronik, nachdem Justinian, der Kaiser, unter dessen Regentschaft der Drei-KapitelStreit stattgefunden hat, gestorben ist, kurz vor der Übernahme der Herrschaft Justins „mit der größten Ruhe des Volkes“ (Chronicon 174)1157, wird noch einmal anlässlich des letzten berichteten Todes eines Verteidigers der Drei Kapitel die Erinnerung an die Zeit unter der Vandalenherrschaft wachgerufen. Von den Bekennern mit den abgeschnittenen Zungen berichtete Victor von Tunnuna selbst zuvor in seiner Chronik
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Unruhe gesorgt und den Lohn dafür am Ende seines Lebens erhalten hatte, zu den untersten Straforten hinab.“ Zur Datierung des Todes Justinians s. o. S. 202–203. Der genaue Todestag Justinians wurde zuvor freilich gar nicht angegeben. Victor von Tunnuna, Chronicon 173 (54,988–990 Cardelle de Hartmann): „Theodor, Bischof von Cebarsussa, Verteidiger der Drei Kapitel, starb im Exil in der Königsstadt in dem Monat und an dem Tag, an dem Justinian starb, und er wurde beerdigt neben den Bekennern, denen Hunerich, der König der Vandalen, die Zungen abgeschnitten hatte.“ Wörtlich bei Reparatus von Karthago (Chronicon 165) und bei Felix Gillitanus (Chronicon 158); vgl. aber auch sinngemäß, als Geflohener (ubi refugium fecerat), bei Verecundus von Iunci (Chronicon 145); s. jeweils o. zu den angegebenen Stellen. Croke, „Justinian’s Constantinople“, 75. Vgl. fast wörtlich gleich auch Croke, Count Marcellinus, 87. S. u. Kap. 5.8.
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Die erzählte Geschichte der Chronik
(vgl. Chronicon 50). Sie sind eines der konkreten Beispiele für die „katholischen“ confessores ac martyres, die Hunerich „machte“. Neben Eugenius sind sie überhaupt diejenigen aus der Zeit unter den Vandalen, die in der Chronik als confessores bezeichnet werden. Sie haben aber, wie gesehen, nicht nur in der Chronik als solche eine hohe Bedeutung, sondern auch darüber hinaus, was ihre Erwähnung in mehreren anderen Quellen zeigt.1158 Modéran sieht die Verbindung, die hier geschaffen wird, v. a. als Erinnerung an die Verfolgung unter den Vandalen und an deren Urheber, und insofern v. a. als Kritik an Justinian, der hier mit dem Vandalenkönig Hunerich verglichen werde:1159 „Certes, personne ne semble être allé jusqu’à comparer explicitement Justinien à un roi vandale, mais l’idée n’en semble pas très éloignée chez Victor de Tunnuna“, wenn er von diesem Begräbnisort des Theodor von Cebarsussa schreibe.1160 Auch wenn hier ein subtiler Seitenhieb auf den Kaiser am Ende der Chronik nicht auszuschließen ist, steht doch seit dem Beginn des Drei-Kapitel-Streites, der ja dezidiert mit der Kaiserin verbunden wurde, die Kritik am Kaiser in der Chronik nicht im Vordergrund.1161 Zeno und Anastasius wurden (freilich auch aufgrund der benutzten Quelle, der Historia ecclesiastica des Theodoros Anagnostes) weit negativer und dezidierter als Chalcedon-Gegner gezeichnet als Justinian. Dies kann mit der aktuellen Situation und einer Zurückhaltung vor Kritik am Kaiser zusammenhängen. Aus dem, was die Chronik berichtet, und zwar vor allem aus den in diesem Kapitel behandelten Abschnitten Chronicon 132–173, lässt sich aber schlicht auch auf ein anderes Interesse schließen: Es zeigt sich ein Konflikt weniger zwischen den Verteidigern der Drei Kapitel und dem Kaiser als vielmehr ein hauptsächlich innerafrikanischer Konflikt zwischen denen, die an der Verteidigung der Drei Kapitel festhalten, offenbar v. a. aus der Byzacena und den anderen, den praeuaricatores mitsamt denen, die durch deren communio polluti sind.1162 V. a. Primosus sticht hier als afrikanischer praeuaricator hervor. Innerhalb dieses Konfliktes schreibt Victor von Tunnuna offensichtlich als am Konflikt als einer der letzten Verteidiger der Drei Kapitel Beteiligter seine Chronik, und in diesem Kontext ist dann auch die Angabe zum Begräbnisort des Theodor von Cebar sussa zu sehen: Nicht Justinian wird in eine (negative) Kontinuität zu Hunerich gesetzt, sondern Theodor von Cebarsussa, einer der letzten Verteidiger der Drei Kapitel, 1158 S. o. S. 323 (Anm. 426). 1159 Auch Adamiak, Carthage, 84 sieht die Angabe in Chronicon 173 als „sign of the sense of connection between the Vandal persecutions and those of Justinian“. 1160 Modéran, „L’Afrique reconquise“, 65. 1161 Zu bedenken ist auch, dass Justinian ja in Chronicon 118 gerade als der geschildert wurde, der – angeregt durch den unter Hunerich zum Märtyerer gewordenen Laetus – militärisch gegen die Vandalen eingreift. Auch dies spricht eher gegen eine Parallelisierung von Justinian mit Hunerich. Insgesamt wird, wie nun mehrfach gesehen, Justinian kaum grundsätzlich negativ dargestellt. 1162 S. weiter u. das Schlusskapitel 6.
Damnatores et defensores trium capitulorum: Die Geschichte des Drei-Kapitel-Streites
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in die positive Kontinuität dieser bedeutenden Gruppe von confessores aus der Vandalenzeit. Theodor von Cebarsussa wird als legitimer Nachfolger der confessores, also des „katholischen“ Widerstandes unter den Vandalen präsentiert. Für die Gruppe derer, die noch an der Verteidigung der Drei Kapitel festhalten, heißt dies, dass sie ebenso in dieser Kontinuität stehen. Sie sind die wahren Erben derer, die als „Katholiken“ unter den Vandalen zu Märtyrern und Bekennern wurden. Sie sind die Erben dieser nordafrikanischen Tradition. Gleichzeitig weist auch dieser Begräbnisort wie die „guten“ Tode zuvor in die Zukunft: Einerseits in die persönliche Zukunft der Verstorbenen, führt doch ein Tod als Bekenner sofort zum Herrn. Darüber hinaus bezeugt ja die Chronik selbst, dass die Erinnerung an die Bekenner in Konstantinopel bewahrt wurde.1163 Möglicherweise ist hier also eine Hoffnung ausgedrückt, dass es Theodor von Cebarsussa – und den wenigen verbleibenden Verteidigern der Drei Kapitel, zu denen ja auch Victor von Tunnuna selbst gehört – ebenso ergehen wird: Ihre Erinnerung wird bewahrt werden. Dies würde dann nicht nur der Begräbnisort neben den Bekennern gewährleisten. Indem Victor von Tunnuna gerade eine Chronik schreibt, wird mit der ja ebenso die Erinnerung an die Verteidiger der Drei Kapitel, die Bekenner, die die wahren Nachfolger der Bekenner aus der Vandalenzeit sind, und die Victor namentlich würdigt, für die Zukunft erhalten. Mit diesem Tod – oder vielmehr mit beiden Toden, mit dem Tod Theodors und mit dem Tod Justinians – endet der Drei-Kapitel-Streit. Die Gruppe der Verteidiger der Drei Kapitel, die es um Victor von Tunnuna jetzt noch geben muss, ist offensichtlich klein.1164 Dies entspricht dem, was auch sonst über die Verteidiger der Drei Kapitel bekannt ist: Der nordafrikanische Widerstand war zu dieser Zeit gebrochen.1165 Mit der Übernahme der Herrschaft durch Justin II. ändern sich die Zeiten endgültig. Als letztes Zeugnis für den Widerstand gegen die Verurteilung der Drei Kapitel in Africa gilt über die Chronik hinaus nur mehr die Epistula fidei catholicae. Auch wenn mögliche Antworten in diesem Kapitel schon anklangen, bleibt damit zunächst die Frage nach dem konkreten Ort und der möglichen Intention der Chronik
1163 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 50 (16,249–250 Cardelle de Hartmann; s. o. S. 321 [Anm. 418]): urbs regia attestatur ubi eorum corpora iacent. 1164 Und wohl auch durch die „Vereinzelung“ in der Klosterhaft geschwächt (vgl. Chronicon 169). S. auch o. S. 459 (Anm. 1113) die Bemerkung von Conant zur kleinen Anzahl von in der Verteidigung der Drei Kapitel bleibenden Bischöfe in Nordafrika. 1165 Vgl. auch Modéran, „L’Afrique reconquise“, 79, der über Facundus von Hermiane für das Jahr 568 (allerdings im Zuge der problematischen Zuschreibung der Epistula fidei an ihn) schreibt, in diesem Moment sei er „de plus en plus seul“ gewesen. Vgl. ebd., 78: „Plus aucune trace de cette résistance [gegen die Verurteilung der Drei Kapitel] n’est cependant reconnaisable après 569“. Zum Ende des Widerstandes in Africa mit Darstellung der Epistula fidei als letztem Zeugnis für den Widerstand vgl. auch Pewesin, Imperium, 142–149; s. dazu weiter u. Kap. 5.9. Auch Gregor der Große verfasste noch Briefe bezüglich der Drei Kapitel, die aber nicht an Afrikaner gerichtet waren, vgl. Conant, Staying Roman, 324 (mit Anm. 78). Weiter zu Africa und zum „Ausgleich“ Ende der 560er s. u. S. 476.
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des Victor von Tunnuna, die er offenbar zumindest erst fertigstellte, als der Konflikt um die Drei Kapitel größtenteils schon Vergangenheit war.1166 Diese Frage wird im Schlusskapitel 6. noch einmal aufgegriffen werden. 5.8 Ein ruhiges Ende: Justin II. und Sophia (Chronicon 174) Am Ende der erzählten Geschichte der Chronik steht, vor dem chronologischen Schlussparagraphen,1167 nach den Toden von Justinian und von Theodor von Cebarsussa, dem Verteidiger der Drei Kapitel, die Herrschaftsübernahme durch Justin II. und seine Frau Sophia: Iustinus iunior, Vigilantie sororis Iustiniani Augusti filius, patre Dulcidio natus, cum tranquillitate populi maxima imperii sumit sceptra. Huius coniux Sophia Theodore Auguste neptis asseritur.1168
Von den zuvor geschilderten Konflikten ist hier nichts mehr wahrnehmbar. Sie scheinen am Ende zu sein: Justin übernimmt die Herrschaft „mit der größten Ruhe des Volkes“. Damit ist ein Zustand erreicht, der einerseits im Kontrast steht zu den als konfliktreich geschilderten Zeiten zuvor, und der andererseits an den Anfang der Chronik weist: Dort war die Rede von der pax ecclesiarum, die Marcian durch die Einberufung des Konzils von Chalcedon fördern wollte.1169 Diese pax Chalcedons zerbrach jedoch bald und führte zu den Konflikten zwischen den obtrectatores und defensores Chalcedons und der Drei Kapitel. Am Ende der Chronik ist diese pax zwar nicht wörtlich 1166 Nach Modéran, „L’Afrique reconquise“, 78–81 hängt das Ende des Widerstandes gegen die Verurteilung der Drei Kapitel vor allem mit der Bedrohung durch die Mauren zusammen (was in der Chronik des Victor von Tunnuna kein Thema ist); vgl. die pointierte Zusammenfassung von Dossey, „Exegesis and Dissent“, 261: „According to Modéran, what turned the tide against continuing the schism [in Africa] was the wars with the Libyans in the 550s, which made most Latin North Africans inclined to favor an emperor who was protecting them. […] In Modéran’s eyes, the Three Chapters controversy, despite all the fuss and many hundreds of pages of polemic, had no lasting impact other than encouraging an already existing trend of regionalization in the North African church“. Dossey stellt dann im Folgenden (ebd., 261–263) Cassiodor als Erbe des nordafrikanischen Widerstandes vor. 1167 S. dazu ausführlich o. Kap. 3.6. 1168 Victor von Tunnuna, Chronicon 174 (55,992–995 Cardelle de Hartmann): „Justin der Jüngere, Sohn der Vigilantia, der Schwester des Augustus Justinian, vom Vater Dulcidius geboren, nahm das Szepter der Herrschaft mit der größten Ruhe des Volkes. Seine Ehefrau Sophia wird als Nichte von Augusta Theodora gezählt.“ Zu Vigilantia und Dulcidius vgl. die Hinweise bei Placanica, „Note“, 132 (ad a. 566/67,3). Über Sophia berichtet die Chronik weiter nichts. Theodora bleibt damit die Kaiserin und überhaupt die Frau, der als einziger in der Chronik eine größere Rolle zukommt. Johannes von Ephesus, Historia ecclesiastica 3,2,10 berichtet, dass Sophia bis drei Jahre vor ihrem Herrschaftsantritt Miapyhsitin war. Vgl. Placanica, „Note“, 133 (ad a. 566/67,3). Zu Sophia vgl. zudem Cameron, „The Empress Sophia“; Garland, Byzantine Empresses, 40–57. 1169 Vgl. Victor von Tunnuna, Chronicon 8; s. o. S. 242.
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wiederhergestellt, wörtlich ist ja die Rede von einer tranquilitas populi maxima. Inhaltlich aber ist dieser Horizont der Restitution Chalcedons eröffnet – und die tranquilitas populi maxima wurde genau so verstanden. Dies zeigt im Anschluss an die Chronik Victors der Anfang der Chronik des Johannes von Biclaro, der den Beginn der Herrschaft Justins noch einmal aufgreift und als erste Maßnahmen Justins genau dies, die Wiederherstellung der Beschlüsse Chalcedons, nennt: Qui Iustinus anno primo regni sui ea, que contra sinodum Calcidonensem fuerant comentata, destruxit, simbolumque sanctorum CL patrum Constantinopolim congregatorum et in sinodo Calcidonense laudabiliter receptum in omni catholica ecclesia a populo concinendum intromisit, priusquam dominica dicatur oratio.1170
Versteht man die tranquilitas populi maxima in diesem Sinn,1171 ist mit Chronicon 174 eine Inclusio zu Chronicon 8 und dem Konzil von Chalcedon (vgl. Chronicon 10) gesetzt.1172 Diese Beobachtung spricht zusammen mit der Tatsache, dass bei Justin anders als bei den anderen (Ost-) Kaisern nicht das übliche Schema der Einführung verwendet wird (Bezeichnung als Romanorum1173 und fortlaufende Zählung der Kaiser),1174 zunächst dafür, dass der Schluss der Chronik hier bewusst gesetzt ist und die Chronik nicht einfach „irgendwo“ endet, sondern eben mit einem Herrschaftswechsel, der Ruhe im Sinne Chalcedons verspricht.1175 Gleichzeitig kann der Hinweis auf die 1170 Johannes von Biclaro, Chronicon 2 (59,16–22 Cardelle de Hartmann): „Dieser Justin zerstörte im ersten Jahr seiner Regierung die Dinge, die gegen die Synode von Chalcedon verfasst worden waren, und er führte ein, dass das Bekenntnis der 150 in Konstantinopel versammelten Väter, das auch in der Synode von Chalcedon ruhmvoll aufgenommen wurde, in der ganzen katholischen Kirche vom Volk gemeinsam zu rezitieren sei, bevor das Vaterunser gesprochen wird.“ Mit der Aufnahme des Bekenntnisses der 150 Väter (Nicaeno-Constantinopolitanum) in die Liturgie nimmt Justin hier eine Maßnahme wieder auf, die nach der Darstellung der Chronik Victors bereits Justinian eingeführt hatte (s. o. Kap. 5.7.1.2 zu Chronicon 112). 1171 Vgl. auch Ferrandus von Karthago in seiner Epistula 6, nach dem die tranquilitas ecclesiae darin besteht, dass das bewahrt wird, was die Kirche (bereits) lehrt (PL 67, 928A Migne; Übers. 1,121 Price): Illud quoque tranquillitati Ecclesiarum proficere poterit, si nullus uelit praescribere quid sequitur Ecclesia, sed tenere quod Ecclesia docet. / „This also will contribute to the tranquility of the churches, if everyone seeks not to lay down what the church should follow, but to hold what the church teaches“. 1172 Auch am Ende der Chronik des Johannes von Biclaro steht übrigens noch einmal die Bestätigung Chalcedons: Rekkared wird als Erneuerer nicht nur der Beschlüsse Nizäas in der Nachfolge Konstantins, sondern auch der Beschlüsse Chalcedons in der Nachfolge Marcians gezeichnet; vgl. Johannes von Biclaro, Chronicon 91 (hier 81,360–82,366 Cardelle de Hartmann). Die weiteren Abschnitte Chronicon 92 und 93 greifen die pax für die Kirche unter dem orthodoxen Herrscher Rekkared noch einmal auf. Auch hier findet sich also eine Inclusio zum Beginn der Chronik (und zwar unabhängig davon, welchen ursprünglichen Schluss man für die Chronik des Johannes von Biclaro annimmt; zu einer kurzen Diskussion dieser Frage s. o. S. 191–192 [Anm. 498]). 1173 Diese Bezeichnung für Justin findet sich allerdings im Schlussparagraphen Chronicon 175. 1174 S. o. Kap. 4.2.1. 1175 S. dazu bereits o. S. 214 (Anm. 90).
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tranquilitas aber auch bedeuten, dass diese tranquilitas unter der Herrschaft Justinians (noch) nicht gegeben war – wenn auch in den Abschnitten der Chronik zuvor kaum direkte Kritik am Kaiser erkennbar ist, könnte diese Angabe als eine solche, quasi rückwirkende, Kritik aufgefasst werden. Tatsächlich stehen hinter der Angabe in Chronicon 174 jedenfalls konkrete Maßnahmen Justins: Nicht nur Johannes von Biclaro berichtet davon, dass Justin que contra sinodum Calcidonensem fuerant comentata, destruxit und dass er verfügte, dass im sonntäglichen Gottesdienst das Nicaeno-Constantinopolitanum gemeinsam zu rezitieren sei. Tatsächlich erwähnen mehrere Quellen (religionspolitische) Maßnahmen für den Anfang von Justins Herrschaft. Dabei wird jedoch nicht deutlich, was er konkret anordnete. Venantius Fortunatus etwa hebt die Chalcedon-Treue Justins hervor und weist auf die Rückkehr von exilierten Bischöfen hin.1176 Auch Evagrius Scholasticus erwähnt religionspolitische Maßnahmen, welche die Rückkehr von exilierten Bischöfen umfassen.1177 Von Gesprächen über die Dauer von einem Jahr zwischen Anhängern und Gegnern Chalcedons auf Veranlassung des Kaisers berichtet Michael Syrus.1178 Diese Angaben in den Quellen werden sehr unterschiedlich gedeutet: Während etwa Charles Diehl in Bezug auf die Angabe bei Evagrius allgemein von einem Edikt Justins II. „en proclamant la pacification religieuse“ spricht,1179 bezieht Adelheid Hübner diese Angabe konkret auf das „Aphthartodoketismus-Edikt Justinians“, das Jus-
1176 Vgl. Venantius Fortunatus, Ad Iustinum et Sophiam Augustos (275–278, hier 276,23–26.39–42 Leo; Übers. 303,23–26.39–42 Fels): ecclesiae turbata fides solidata refulget / et redit ad priscum lex ueneranda locum. / reddite uota deo, quoniam noua purpura quidquid / concilium statuit Calchedonense tenet. / […] exilio positi patres pro nomine Christi / tunc rediere sibi, cum diadema tibi. / carcere laxati, residentes sede priore / esse ferunt unum te generale bonum. / „Wieder erstarkt, erglänzt der erschütterte Glaube der Kirche / und das erhabne Gesetz steht auf dem früheren Platz. / Dankbar erweist euch Gott, weil der neue Purpur, was immer / das Chalzedon-Konzil festlegte, hält und bewahrt! […] Damals fanden die Väter, verbannt im Namen von Christus, / zu sich selber zurück, als du die Krone erhieltst. / Aus dem Gefängnis befreit, und sitzend auf früherem Stuhle, / künden sie, daß du allein dienst dem gemeinsamen Wohl.“ Das hier zitierte Gedicht wird zum Teil auch Radegunde zugeschrieben; vgl. Heil/Drecoll, „Anti-Arianismus und mehr“, 12 (zum Gedicht vgl. insgesamt ebd., 12–16). 1177 Vgl. Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 5,1 (195,15–19 Bidez/Parmentier; Übers. 551 Hübner): πρώτην δὲ ποιεῖται κέλευσιν τοὺς ἁπανταχῆ συνειλεγμένους ἱερέας ἀφεῖσαν πρὸς τοὺς οἰκείους θρόνους, ἐφ’ ᾧ τὰ εἰωθότα θρησκεύειν μηδενὸς περὶ τὴν πίστιν καινουργουμένου. Καὶ τοῦτο μὲν ἀξιόλογον αὐτῷ ἐπράχθη. / „Als erstes erließ er den Befehl, die überall gefangengehaltenen Bischöfe zu ihren Bischofssitzen zu entlassen unter der Bedingung, daß sie die gewohnten Gottesdienste versähen und niemand Neuerungen in Bezug auf den Glauben einführe. Diese seine Tat war anerkennenswert.“ Scharf kritisiert wird von Evagrius aber (ebd.) Justins ausschweifende Lebensweise. 1178 Vgl. Michael Syrus, Chronica 10,1 (Übers. 283b–284b Chabot). Vgl. auch Johannes von Ephesus, Historia ecclesiastica 3,1 (Übers. 93 Schönfelder): Der Kaiser habe zu Anfang seiner Regierung versucht, „die Vereinigung herzustellen, und [war] bis zu seinem sechsten Regierungsjahre nachgiebig und friedlich […] gegen die ganze Parthei der Gläubigen“. 1179 Diehl, L’Afrique byzantine 2, 448.
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tin II. damit für nichtig erklärt habe1180. Aus dem Gedicht des Venantius Fortunatus schließt Klaus Rosen, dass Justin II. sich versöhnlich gezeigt habe und „monophysitische Bischöfe zurückkehren“ ließ; er betont insgesamt Justins den „Monophysiten“ gegenüber entgegenkommende Politik, wozu er auch auf ein Edikt Justins aus dem Jahr 567 hinweist, dass die Verurteilung u. a. der Drei Kapitel enthält.1181 Dieses Edikt ist bei Michael Syrus überliefert1182 – Alois Grillmeier wiederum sieht darin lediglich einen Entwurf.1183 Insgesamt betont Grillmeier in Bezug auf Johannes von Biclaro und Michael Syrus, dass Justin um die kirchliche Einheit bemüht gewesen sei und versucht habe, „sich sowohl mit den ‚Monophysiten‘ wie mit den Chalcedoniern gut zu stellen“.1184 Zur o. g. Bemerkung des Johannes von Biclaro (que contra sinodum Calcidonensem fuerant comentata, destruxit) konstatiert Averil Cameron: „Whatever it means, it indicates a very early action against monophysites“.1185 Das Gedicht des Venantius Fortunatus bezieht Cameron auf „the demonstration of catholic faith given by Justin“, welche „consisted in his decree about the creed“, nämlich die bei Johannes von Biclaro erwähnte Einführung des Glaubensbekenntnisses in die Liturgie.1186 Cameron betont dann aber auch Justins anfängliche Bemühungen um eine Versöhnung sowohl der westlichen als auch der östlichen Bischöfe nach Justinians letztem „Fehltritt in die Häresie“, also seiner (angenommenen) Zuwendung zum Aphthartodoketismus.1187 Ernest Stein geht unter Verweis auf Ad Iustinum et Sophiam Augustos (276,39–46 Leo) sowie auf Johannes von Biclaro, Chronicon 2 davon aus, dass die Aufhebung der Exile die Verteidiger der Drei Kapitel betraf (also nicht – wie bei Rosen – die der Monopysiten).1188
1180 Hübner, Evagrius Scholasticus, 550 (Anm. 623). 1181 Rosen, „Iustinus II (Kaiser)“, 786. 1182 Vgl. Michael Syrus, Chronica 10,2 (Übers. 289a–290a Chabot). Bei Michael Syrus, Chronica 10,4–5 und bei Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica 5,4 ist ein weiteres Edikt Justins aus dem Jahr 571 überliefert, dass sich mit dem Ziel der Einheit der Kirche an die Miaphysiten richtet. Vgl. Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 508–511; Rosen, „Iustinus II (Kaiser)“, 787–788; vgl. auch Cameron, „The Early Religious Policies“, 62–65. 1183 Vgl. Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 505 (Anm. 24), unter Verweis auf Allen, Evagrius Scholasticus, 212; vgl. insgesamt zu diesem Edikt Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 505–507. 1184 Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 503; insgesamt zu Justin und seinen religionspolitischen Maßnahmen vgl. ebd., 502–511. 1185 Cameron, „The Early Religious Policies“, 54. 1186 Cameron, „The Early Religious Policies“, 58; vgl. auch ebd., 54–55 (hier 55): Dieses Edikt stehe auch im Hintergrund von Coripps Lobgesang auf Justin, in den er im vierten Buch die Paraphrase eines Bekenntnisses eingefügt habe (In laudem Iustini Augusti minoris 4,290–311) mit dem Ziel „to compliment the emperor’s recent decree ordering the inclusion of the creed in the liturgy“. Vgl. dazu auch Grillmeier, Jesus der Christus 2,2, 504. 1187 Vgl. Cameron, „The Early Religious Policies“, 62: „It is probable enough that Justin’s first aim was in fact to restore unity after Justinian’s final lapse into heresy, but he would only be likely to achieve it through compromise and apparent inconsistencies, as different interests came to the fore.“ 1188 Vgl. Stein, Histoire du Bas-Empire 2, 681 (Anm. 1). So auch Cardelle de Hartmann, „Introducción“, 101* zum Exil des Victor: „con toda seguridad [ Justin II.] levantaría esta pena“ (s. o. S. 107 [Anm. 81]); ebenso Adamiak, Carthage, 79–80: „Victor of Tunnuna tells us nothing of the fate of
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Deutlich wird damit insgesamt ein sehr diverses Bild der Interpretation der wenigen vorliegenden Quellen zur frühen Religionspolitik Justins II. Verschiedene Fragen bleiben offen: Kam Justin eher den Miaphysiten entgegen und hob er deren Exilierungen auf, oder verhielt er sich dezidiert chalcedonfreundlich und suchte Versöhnung mit den letzten Verteidigern der Drei Kapitel? Wollte er sich eher in einem allgemeineren Sinn als orthodoxer „Katholik“ zeigen und insgesamt eine ausgleichende Versöhnung für die Kirchen suchen, ohne eine Seite zu bevorzugen? Inwiefern grenzte er sich durch seine Maßnahmen von Justinians (möglichem) Aphthartodoketismus ab? Es würde sich lohnen, die hier angeführten Spuren weiter zu verfolgen, was aber Gegenstand einer eigenen Untersuchung wäre. Insgesamt lässt sich wohl zumindest Robert A. Markus und Claire Sotinel zustimmen, die allgemein formulieren, dass Justin II. „adopted toleration towards dissent“.1189 Darauf jedenfalls deuten auch die Bemerkungen bei Victor von Tunnuna und bei Johannes von Biclaro, die diese Maßnahmen (implizit bei Victor von Tunnuna, explizit bei Johannes von Biclaro) im Sinne einer chalcedonfreundlichen Religionspolitik darstellen. Die in Chronicon 174 genannte „Ruhe des Volkes“ entspricht so dem, was normalerweise in Bezug auf das Verhältnis zwischen Kaiser und Volk in den späten 560er Jahren, gerade auch in Africa, angenommen wird: Kaiser Justinian zwang nach und nach die Provinzen zur Aufgabe ihrer feindlichen Einstellung, so daß Papst Pelagius vor 560 mit vollem Recht schreiben konnte, daß Afrika ebenso wie das Illyricum und der Osten „die Drei Kapitel mit dem Bann belegt“ habe. Die Unterwerfung blieb dauerhaft, dies um so mehr, als nach 565 die Nachfolger Justinians von weiteren dogmatischen Eingriffen Abstand nahmen. Es stellte sich eine Art von Ausgleich zwischen der Afrikanischen Kirche und dem Kaiser ein.1190
Der Drei-Kapitel-Streit war zur Zeit der Herrschaftsübernahme Justins grundsätzlich auch in Africa bereits Geschichte. Das zeigt die Chronik des Victor von Tunnuna nicht nur mit dem Hinweis auf die „größte Ruhe des Volkes“, sondern dies ergibt sich besonders daraus, dass nach ihr die Gruppe der verbleibenden Verteidiger der Drei Kapitel sehr klein geworden war. Dennoch gibt es auch nach der Chronik noch ein letztes Zeugnis für die Verteidigung der Drei Kapitel in Nordafrika: Die Epistula fidei catholicae. Dieser soll im folgenden Kapitel ein Ausblick gewidmet werden.
the others, but we may assume that after 565, they were allowed to return to Africa under the terms of the general pacification granted by Justin II in the first year of his reign“. 1189 Markus/Sotinel, „Epilogue“, 269. 1190 Modéran, „Die Kirchen und die byzantinische Rückeroberung“, 757, mit Verweis auf Pelagius I., Epistula ad Sapaudum (443–444 Gundlach). Das ausgewiesene Zitat ist dort wörtlich so nicht zu finden (nur sinngemäß, s. o. S. 459 [Anm. 1113]), wird aber bereits von Diehl, L’Afrique byzantine 2, 448, genannt.
Ein Ausblick: Die Epistula fidei catholicae als letztes Zeugnis des Widerstandes
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5.9 Ein Ausblick: Die Epistula fidei catholicae als letztes Zeugnis des Widerstandes gegen die Verurteilung der Drei Kapitel in Africa Wie in Kapitel 5.7 an mehreren Stellen dargelegt, gibt es signifikante Ähnlichkeiten zwischen der Epistula fidei catholicae und der Chronik des Victor von Tunnuna, sowohl auf einer inhaltlichen Ebene als auch auf der Ebene der konkreten Wortwahl. Die oben notierten Beobachtungen legen es nahe, die Epistula und ihr Verhältnis zur Chronik des Victor von Tunnuna noch einmal gesondert in den Blick zu nehmen. Dies soll hier in einem Ausblick geschehen.1191 Bezüglich der Epistula fidei catholicae sind grundsätzlich zwei Fragen nicht abschließend geklärt: ihre genaue Datierung und v. a. ihre Autorschaft. Aus beidem folgt dann die dritte Frage, nämlich ihr Verhältnis zur Chronik des Victor von Tunnuna. Die Epistula fidei catholicae gilt normalerweise als letztes Zeugnis für den afrikanischen Widerstand gegen die Verurteilung der Drei Kapitel – so verstehen sie etwa Ernest Stein1192 und Yves Modéran1193. Beide sehen Facundus von Hermiane als ihren Autor an.1194 Meistens wird die Schrift aufgrund der Angaben in Epistula fidei catholicae 2–3 auf 568/569 datiert.1195 Facundus von Hermiane hätte damit eine Spätschrift „in völliger Isolation“1196 verfasst. Nach Petrus und Hieronymus Ballerini, die in den Anmerkungen zum 113. Brief von Papst Leo I. in Bezug auf dessen Überlieferung im Codex Vaticanus latinus 1321 einen italienischen Verfasser der Epistula vermuten,1197 zweifeln Johannes Maria Clément und Roland Vander Plaetse in ihrer Einleitung zu ihrer Ausgabe der Werke des nordafrikanischen Theologen wieder an der Autorschaft des Facundus von Hermiane. Besonders führen sie an, dass die Handschriftentradition die Epistula nicht Facundus von HerDies beinhaltet keinen Anspruch auf eine erschöpfende Untersuchung der Epistula fidei catholicae. Vgl. Stein, Histoire du Bas-Empire 2, 682. Vgl. Modéran, „L’Afrique reconquise“, 57, vgl. 41–42 (Anm. 9). Vgl. so auch Pewesin, Imperium, 147; Chrysos, „Zur Datierung und Tendenz“, 322–323; Cameron, „Byzantine Africa“, 47 (Anm. 165); Eno, „Doctrinal Authority“, 110; Bruns, „Zwischen Rom und Byzanz“, 160; Lassère, Africa, quasi Roma, 722, 727; Jansen, Theodor von Mopsuestia, 86; Gleede, „Liberatus’ Polemik“, 109 (Anm. 69); Conant, Staying Roman, 323–324. 1195 Dort wird das Konzil von Chalcedon auf „vor ungefähr 120 Jahren“ datiert (Epistula fidei catholicae 2 [419,13–14 Clément/Vander Plaetse]: ante centum et uiginti fere annos); zudem bezieht sich Epistula fidei catholicae 3 wohl folgendermaßen auf das Konzil von Konstantinopel 553 (419,25–28 Clément/ Vander Plaetse; Übers. 287 Solignac): quod isti ante quindecim aut sedecim annos […] cognouerunt / „ce que les condamnateurs ont compris voici quinze ou seize années“. Zu dieser Datierung vgl. Stein, Histoire du Bas-Empire 2, 682; Pewesin, Imperium, 147; Clément/Vander Plaetse, „Einleitung“, XIII, Placanica, „Introduzione“, XXVI; Modéran, „L’Afrique reconquise“, 57; Jansen, Theodor von Mopsuestia, 86; Gleede, „Liberatus’ Polemik“, 109 (Anm. 69); Conant, Staying Roman, 323–324. Etwas später datiert Chrysos, „Zur Datierung und Tendenz“, 322 (Anm. 3): „um das Jahr 570“. 1196 Pewesin, Imperium, 147; vgl. auch Modéran, „L’Afrique reconquise“, 57; Conant, Staying Roman, 323–324: „unbending to the end […] the last we hear from any African on the subject“. 1197 Vgl. Petrus und Hieronymus Ballerini, „Balleriniorum Annotationes“ (PL 54, 1438 C–D Migne); vgl. Clément/Vander Plaetse, „Einleitung“, XVII. 1191 1192 1193 1194
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miane zuschreibe; diese Zuschreibung gehe vielmehr auf die Editio princeps der Epis tula von Luc d’Achery (21723) zurück.1198 Zudem weisen Clément und Vander Plaetse auf Untersuchungen zum in der Epistula fidei catholicae 13 zitierten Glaubensbekenntnis hin, dessen Herkunft zwar unklar, dessen Grundform allerdings das Romanum sei, und über dessen Kenntnis durch Facundus von Hermiane gerätselt worden sei.1199 Eine diese Beobachtungen unterstützende Untersuchung des Stils sei wünschenswert. Die von Clément und Vander Plaetse gegebenen Hinweise wurden dann von Aimé Solignac in seinem Vorwort zur Übersetzung in den SC 499 weiter untersucht mit dem Ergebnis: „L’Epistula n’est pas de Facundus“.1200 Solignac argumentiert mit vier Punkten gegen die Autorschaft des Facundus von Hermiane: – Erstens spreche die Handschriftentradition dagegen.1201 Erst seit dem 15. Jahrhundert ist die Epistula mit Facundus von Hermianes Pro defensione trium capitulorum und Contra Mocianum zusammen überliefert, allerdings im Gegensatz zu diesen beiden Schriften des Facundus ohne Autorenangabe. Die älteste bekannte Handschrift, Laon, Bibliothèque Municipale 113, aus dem neunten Jahrhundert, überliefert die Epistula zusammen mit ganz verschiedenen anderen (nordafrikanischen)1202 Schriften anonym.1203 In einer weiteren frühen Handschrift (Verona, Bibl. Cap. LVIII [56], 10. Jahrhundert) ist die Epistula ebenfalls anonym mit den Akten von Chalcedon überliefert (uersio antiqua correcta). – Zweitens spreche die Gattung gegen Facundus von Hermiane als Autor: Die Epistula sei anders als Pro defensione trium capitulorum und Contra Mocianum nicht das Werk eines Theologen oder gut informierten Historikers, sonden „un écrit polémique destiné à ruiner l’influence des adversaires“. Theologische Inhalte interessierten den Verfasser weniger, sondern „les comportements et les incohérences des contradicteurs“.1204 – Drittens sei die Argumentation eine ganz andere: Besonders hebt Solignac hervor, dass der Verfasser der Epistula sich auf einen Brief von Cyprian von Karthago bezieht und ihn in einem längeren Abschnitt zitiert (vgl. Epistula fidei catholicae 44–48), sich in Pro defensione trium capitulorum 11,6,5–6 und Contra Mocianum 1198 Vgl. d’Archery, Spicilegium siue Collectio Veterum aliquot Scriptorum 3, 307–312, die Verfasserangabe Facundus von Hermiane in der Überschrift (307). Vgl. Clément/Vander Plaetse, „Einleitung“, XV– XVI. 1199 Vgl. Clément/Vander Plaetse, „Einleitung“, XVI–XVIII. 1200 Solignac, „Introduction“, 277–282 (hier 277). Das Glaubensbekenntnis nimmt Solignac von seiner Untersuchung aus, da es zur Frage nach dem Autor der Epistula nichts beitrage. 1201 Vgl. zu diesem Punkt insgesamt Solignac, „Introduction“, 278–279. S. auch o. zu den Bemerkungen von Clément und Vander Plaetse. 1202 Vgl. Modéran, „L’Afrique reconquise“, 41 (Anm. 9). 1203 Vgl. Clément/Vander Plaetse, „Einleitung“, XV; Solignac, „Introduction“, 278. Morin, „Un traité priscillianiste“, 151–152, hat die Handschrift beschrieben; die Epistula befindet sich nach Morin an viertletzter Stelle auf den fol. 51–58 (Solignac, „Introduction“, 278 [Anm. 1], nennt die fol. 55–58). 1204 Solignac, „Introduction“, 279.
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51–57 aber von Cyprians Ansicht über die Ungültigkeit der Taufe bei den Häretikern abgrenze. Außerdem stelle Facundus nicht den Wert der religiösen Handlungen seiner Gegner in Frage.1205 Viertens weiche der Stil der Epistula vom Stil des Facundus ab. Der Autor der Epistula schreibe oft besonders ironisch; sein Stil weise zudem eigentümliche Besonderheiten auf wie etwa die Benutzung eines Verbs in der Vergangenheit, im Präsens und manchmal auch im Futur in einem Satz.1206 Es gebe auch keine detaillierte Argumentation wie bei Facundus, und die Sprache des Verfassers erscheine gegenüber Facundus banal.1207
Solignac schließt daher, dass der Verfasser der Epistula die Schriften des Facundus zwar gekannt habe, dass aber v. a. die Erwähnung von Vigilius und Pelagius als Verurteiler auf eine andere Zeit und einen anderen Ort hinweise. Aufgrund der o. g. Angabe, dass seit Chalcedon 120 Jahre vergangen seien, datiert er die Epistula etwas später als die meisten anderen auf „écrite vers 571“.1208 Die Angabe zu den 15 bis 16 Jahren beziehe sich auf die Bestätigung der Verurteilungen von 553 durch Vigilius und Pelagius in den Jahren 554–556, was dann in die Jahre 571–572 führe. Weil der Verfasser Contra Auxentium des Hilarius von Poitiers zitiert (vgl. Epistula fidei catholicae 52–53), sei die Redaktion der Epistula in der Region von Mailand oder Aquileia zu suchen,1209 „au moment où les èglises de cette contrée, qui n’ont pas accepté le concile de 553, affirment leur indépendance à la fois vis-à-vis de l’empire byzantin et des papes de Romes“.1210 Modéran setzt sich in seinem Beitrag „L’Afrique reconquise“ leider nur kurz mit den Argumenten Solignacs auseinander.1211 V. a. sieht Modéran keinen Grund, an der Her-
1205 Vgl. Solignac, „Introduction“, 279–280; dort auch zu weiteren Punkten bezüglich der anderen Argumente. Für den hier genannten Unterpunkt (keine Infragestellung des Wertes der religiösen Handlungen der Gegner) bezieht Solignac sich auf Contra Mocianum 26–28, wo Facundus Soli gnac zufolge angebe, „qu’il n’a pas rompu la communion avec eux à cause de la condamnation des Trois Chapitres, mais à cause de l’anathème porté contre eux“. Dies bleibt aber unklar: Facundus bezieht sich in Contra Mocianum 26–28 (vgl. 29) darauf, dass die Verurteilung des Theodor von Mopsuestia nicht der Grund für seine Aufkündigung der communio sei, sondern der Versuch, den Brief des Ibas als nestorianisch zu beweisen und damit das Konzil von Chalcedon zu verwerfen. 1206 Vgl. etwa Epistula fidei catholicae 4 (419,31–35 Clément/Vander Plaetse): damnauerunt uel damnant […] nec damnauerunt nec damnant […] uere fuit et est eritque Catholica Ecclesia; 8 (420,68–69 Clément/Vander Plaetse): quae eam uindicauit et uindicat, rectamque esse dixit, et dicit; u. ö. 1207 Vgl. Solignac, „Introduction“, 280. 1208 Solignac, „Introduction“, 281. 1209 Vgl. die ähnliche These der Gebrüder Ballerini zur Herkunft des Autors, s. o. Anm. 1197. 1210 Solignac, „Introduction“, 281. Vgl. ebd., 282: Damit sei auch das Leben des Facundus neu zu denken – „on perd sa trace après la rédaction du Contra Mocianum“, er sei wahrscheinlich im Jahr 553 oder wenig später gestorben. 1211 Vgl. zum folgenden Absatz Modéran, „L’Afrique reconquise“, 41–42 (Anm. 9) – die Publikation Solignacs war erst kurz vor dem Druck von Modérans Beitrag erschienen.
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kunft der Epistula fidei aus Africa zu zweifeln, weil der Codex Laon, Bibliothèque Municipale, 113 eine Sammlung afrikanischer Texte sei.1212 Eine Herkunft der Epistula aus Italien sei daher mit der Argumentation Solignacs nicht zu belegen. Die stilistischen Unterschiede ließen zwar an der Verfasserschaft des Facundus zweifeln, es fehle aber eine Liste von Ähnlichkeiten, die nicht zu übergehen seien. V. a. aber berücksichtige Solignac nicht „une évolution de la pensée et une dégradation du style chez un écrivain depuis longtemps persécuté, isolé et aigri comme l’était Facundus vers 570, plus de 15 ans après ses œuvres majeures“.1213 Es seien weitere Untersuchungen notwendig; es gebe keinen Grund, eine definitive Entscheidung gegen die Herkunft der Epistula aus Nordafrika zu treffen. Die von Clément und Vander Plaetse sowie von Solignac untersuchte Handschriftentradition spricht tatsächlich dagegen, dass Facundus von Hermiane der Verfasser der Epistula fidei catholicae ist. Modéran wiederum ist darin zuzustimmen, dass die Handschriftentradition gegen einen italienischen Verfasser der Epistula spricht. Die Argumentation Solignacs hinsichtlich der argumentativen Vorgehensweise in der Epistula und hinsichtlich ihres Stils im Vergleich mit Facundus ist sehr knapp und in manchen Punkten unklar. Hier wäre – und darin ist Modéran zuzustimmen – eine detaillierte Untersuchung ein Desiderat. Im obigen Kapitel 5.7.3 wurde aber mehrfach festgestellt, dass die Chronik des Victor von Tunnuna und die Epistula fidei catholicae an manchen Stellen eine große Ähnlichkeit aufweisen bzw. sich inhaltlich und zum Teil wörtlich entsprechen. Die oben bereits aufgeführten Beobachtungen seien hier noch einmal (im Wesentlichen in chronologischer Reihenfolge) zusammengestellt:1214 – Das negative Bild des Primasius (vgl. Epistula fidei catholica 7 und Victor von Tunnuna, Chronicon 145). – Vigilius und Pelagius als praeuaricatores Romani (vgl. Epistula fidei catholicae 7 und Victor von Tunnuna, Chronicon 157 und 159).1215 – Die Verbindung von persecutiones und consentire in Bezug auf die Drei Kapitel und ihre Verurteilung (Epistula fidei catholicae 19 und Victor von Tunnuna, Chronicon 160). – Die Verführung zur Zustimmung zur Verurteilung der Drei Kapitel durch Geschenke (Epistula fidei catholicae 25 und Victor von Tunnuna, Chronicon 145).1216 – Der Bezug auf alle, die Catolici ex hac uita emigrarunt in Epistula fidei catholicae 26 (425,218–219 Clément/Vander Plaetse) und die Formulierungen zum Tod des
1212 Vgl. dazu Dolbeau/Étaix, „Le ‚jour des torches‘“, bes. 246–251. 1213 Modéran, „L’Afrique reconquise“, 42 (Anm. 9). 1214 Zu ausführlicheren Belegen s. o. zu den jeweiligen Stellen. 1215 Zu praeuaricatores vgl. auch Epistula fidei catholicae 42 und 59 (dort auf Gruppen, nicht auf bestimmte Einzelpersonen bezogen). 1216 Vgl. auch Liberatus von Karthago, Breuiarium 24; s. o. S. 430–431.
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Verecundus von Iunci und des Felix Gillitanus (Victor von Tunnuna, Chronicon 145 und 157: de hac uita migrauit ad Deum / ad Dominum).1217 Die hohe Bedeutung der (catholica) communio und die Gefahr ihrer „Beschmutzung“ bzw. deren tatsächliche „Beschmutzung“ (polluo/polluor) (z. B. Epistula fidei catholicae 26; 36; 49; 51; 52; 58; 59; Victor von Tunnuna, Chronicon 53; 54; 55; 57; 151; 152; 153). Epistula fidei catholicae 59 als theologische Weiterführung oder als theologischer Kommentar insbesondere von Chronicon 165.1218
Diese Beobachtungen zu ähnlichen Gedanken und ähnlicher oder gleicher Wortwahl in Bezug auf dasselbe Thema erheben weder den Anspruch auf Vollständigkeit, noch sind sie ein letztgültiger Beweis für einen (direkten) Zusammenhang zwischen der Chronik und der Epistula fidei catholicae. Sie sind aber mindestens ein wichtiger Hinweis darauf, dass, wenn die Epistula später zu datieren ist als die Chronik, nicht auszuschließen ist, dass der Verfasser der Epistula fidei catholicae die Chronik des Victor von Tunnuna kannte – oder zumindest darauf, dass beide Schriften einem ähnlichen Milieu entstammen. Dies wäre dann nicht nur ein Milieu, in dem noch relativ spät die Drei Kapitel verteidigt wurden und in dem die wahre catholica communio offenbar nach wie als bedroht angesehen wurde, sondern auch ein Milieu, das in Nordafrika zu suchen wäre: Besonders der Bezug auf Primasius (vgl. Epistula fidei catholicae 7) würde in einer Schrift aus Italien kaum Sinn machen. Der Bezug auf Hilarius von Poitiers hingegen, den Solignac v. a. als Beleg für die italienische Herkunft der Epistula aufführt, sollte nicht überbewertet werden, zumal sich der Verfasser der Epistula ja kurz vorher und kurz nachher ebenso auf die nordafrikanischen Theologen Cyprian (in Bezug auf den Konflikt mit Novatian; vgl. Epistula fidei catholicae 44–49)1219 und Augustinus (gegen die Donatisten; vgl. Epistula fidei catholicae 54–58) bezieht.1220 Hilarius wird ja 1217 Vgl. auch Chronicon 165 zum Tod des Reparatus: transit ad dominum. 1218 Als weitere Ähnlichkeiten können genannt werden: die mögliche Bezeichnung der Verurteilung der Drei Kapitel als noua superstitio in Chronicon 169 und der Bezug auf diese Verurteilung mit nouitiae pestes, nouus error bzw. den nouitates profanas deuitantes in Epistula fidei catholicae 19; 25; 59; der Bezug auf die Beschlüsse Chalcedons in Epistula fidei catholicae 35 (definita consistit causa [427,293 Clément/Vander Plaetse]) und in Victor von Tunnuna, Chronicon 10 (his itaque definitis [6,66 Cardelle de Hartmann]); die mehrfache Betonung in der Epistula, dass in Chalcedon Nestorius, Eutyches und Dioskur verurteilt wurden (Epistula fidei catholicae 29; 34; 35; 38), diese werden auch (allein) bei Victor von Tunnuna, Chronicon 10 namentlich als in Chalcedon Verurteilte erwähnt. 1219 Dass sich Facundus von Hermiane gegen eine bestimmte Position von Cyprian stellt (s. o. S. 478– 479), worauf Solignac hinweist, spricht ja nicht grundsätzlich gegen die Verwendung von Argumenten Cyprians in einem nordafrikanischen Kontext, zumal er hier dezidiert als Märtyrer vorgestellt wird (vgl. Epistula fidei catholicae 43). 1220 Auch lässt sich überhaupt die Diskussion des Problems der Taufe (vgl. etwa Epistula fidei catholicae 1–2, 11–12 u. ö.: Sind die Gegner der Drei Kapitel im selben Symbol getauft wie die Verteidiger?) hinsichtlich eines nordafrikanischen Kontextes der Epistula deuten.
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gerade als confessor unter den „Arianern“ hervorgehoben (Epistula fidei catholicae 52 [432,450–453 Clément/Vander Plaetse]), was wiederum ebenfalls in einen nordafrikanischen Kontext passen würde. Außerdem zitiert auch Facundus von Hermiane Schriften von Hilarius (De synodis und De trinitate) in Pro defensione trium capitulorum.1221 Und auch Ferrandus von Karthago bezieht sich in seiner Epistula 6 auf Hilarius und zitiert aus Ad Constantium 2.1222 Die Vermutung, dass die Epistula fidei catholicae aus dem gleichen Milieu oder Kontext stammt wie die Chronik des Victor von Tunnuna, bedeutet dann: Beide Texte sind ein Zeugnis für einen späten Widerstand gegen die Verurteilung der Drei Kapitel in Nordafrika. Dann aber ist die Epistula fidei catholicae eher auf das Ende der 560er Jahre (568/569, möglicherweise auch noch etwas früher, falls die angegeben Jahre nur gerundet sind) zu datieren als auf den Anfang der 570er Jahre, weil – auch nach dem Zeugnis der Chronik – anzunehmen ist, dass die Gruppe der verbleibenden Verteidiger der Drei Kapitel in Nordafrika immer kleiner wurde. Offenbar war aber für die Verfasser beider Schriften – trotz der („Beruhigungs“-) Maßnahmen Justins, auf die Victor von Tunnuna ja selbst anspielt1223 – die Frage der communio mit den Gegnern der Drei Kapitel, insbesondere den praeuaricatores, noch aktuell (vgl. Epistula fidei ca tholicae 59). In „völliger Isolation“1224 stehen sie damit nicht – sie beziehen sich auf eine communio, auch wenn sie sehr klein ist. Dass der Verfasser der Epistula fidei catholicae – v. a. aufgrund der Handschriftentradition wohl nicht Facundus von Hermiane – die Chronik des Victor von Tunnuna kannte, hat schon Placanica vermutet: „La comparazione chiarisce infatti che quanto Vittore qualifica un fatto o un comportamento determinato, diviene nel contesto dell’Epistola un giudizio generale.“1225 Dies entspricht nach Placanica v. a. dem Verhältnis zwischen Epistula fidei catholicae 25 und Victor von Tunnuna, Chronicon 145; es entspricht aber auch den oben dargelegten Beobachtungen etwa zu Chronicon 165 und Epistula fidei catholicae 59.1226 Placancia sieht in einer Rezeption der Chronik in diesem nordafrikanischen Kontext die Realisierung ihrer Intention:
1221 Vgl. den „Index Scriptorum“ in der Ausgabe von Clément und Vander Plaetse, 456. 1222 Vgl. Ferrandus von Karthago, Epistula 6,2 (PL 67, 922D Migne); vgl. Price, The Acts of Constantinople 553, 113 (Anm. 20). Adamiak, Carthage, 84 nennt Hilarius deshalb sogar einen der Favoriten der Nordafrikaner bei der Suche nach argumentativer Unterstützer in den Werken „of ancient churchmen“, sei er doch die Personifizierung nizänischer Opposition und „the champion of Church independence against Constantius II“. Zur Einschätzung des Hilarius von Poitiers als „Verteidiger der abendländischen Kirche gegen den Arianismus“ seit dem Ende des vierten Jahrhunderts, „wodurch er besonders im 6. Jh. in den von homöischen Germanen beherrschten Ländern eine aktuelle Bedeutung für die theologische Auseinandersetzung und die Ausbildung einer orthodoxen Volksfrömmigkeit erhielt“ vgl. zudem knapp Brennecke, „Hilarius von Poitiers“, 320. 1223 S. o. Kap. 5.8. 1224 S. o. S. 477. 1225 Placanica, „Introduzione“, XXVI–XXVII. 1226 S. o. S. 458.
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È possibile che l’opera di Vittore, composta pro defensione Trium Capitulorum, trovasse difusione fra gli oppositori africani: se l’ipotesi è vera, si realizzò in certa misura l’intento perseguìto dall’autore, quello di provvedere una base storica e, a suo modo, „documentaria“ alla polemica per i Tre Capitoli, che egli riteneva essere polemica in difesa di Calcedonia.1227
Mit den Worten si praeuaricatorum communione pollutus non es, ora Deum, ut perseueres und dem Versprechen für das aeternum et sine fine […] praemium gloriosum1228 beim Ausharren im „katholischen“ Glauben richtet sich die Epistula fidei catholicae an ihrem Ende an diejenigen, die weiterhin in Africa an der Verteidigung der Drei Kapitel festhalten. Gehören beide Schriften in dasselbe Milieu, schreibt Victor von Tunnuna diesen verbliebenen Verteidigern der Drei Kapitel ihre Geschichte. Doch warum sollte er dies in dieser späten Zeit des Drei-Kapitel-Streites tun? Als „polemica per i Tre Capitoli“? Im abschließenden Kapitel soll noch einmal auch vor dem Hintergrund dieser Frage danach gefragt werden, welche Geschichte(n), insbesondere des Drei-Kapitel-Streites, die Chronik des Victor von Tunnuna erzählt und was daher über ihren konkreten historischen Ort in Africa und ihre Intention gesagt werden kann, auch im Hinblick auf diese von Placanica postulierte „polemica per i Tre Capitoli“.
1227 Placanica, „Introduzione“, XXVII. 1228 Epistula fidei catholicae 59 (433,506–517 Clément/Vander Plaetse; Übers. 319 Solignac): „Et si tu n’es pas souillé par la communion avec les prévaricateurs, prie Dieu pour persévérer; […] une récompense glorieuse, éternelle et sans fin“.
6. Eine Chronik und ihre Geschichte(n) Die Chronik des Victor von Tunnuna Each example of a chronicle is therefore a mosaic, and every entry is a single coloured tessera of marble. Each tessera has limited individual meaning. It may be attractive or appealing for its colour or texture in its own context, or in relation to the tesserae around it, but it only takes on greater importance when seen from a distance and viewed with all the other tesserae that make up the design of the entire mosaic.1
Die Chronik des Victor von Tunnuna ist ein Mosaikstein in einer Traditionsgeschichte. Diese beginnt nach der Fertigstellung der Chronik durch die Zusammenstellung mit der Chronik des Johannes von Biclaro und verläuft später, wahrscheinlich ab dem achten Jahrhundert, in verschiedenen Überlieferungssträngen. Diese Textgeschichte der Chronik des Victor von Tunnuna wurde in Kapitel 3 dieser Arbeit untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass und wie sie v. a. an den Rändern der Chronik (Anfang und Ende) mit der Geschichte anderer Texte, insbesondere der Chroniken des Johannes von Biclaro, des Eusebius/Hieronymus und des Prosper Tiro von Aquitanien, verknüpft ist. Durch ihre Einschreibung in verschiedene Manuskripttraditionen wird die Chronik dabei für verschiedene weitere Narrative in Anspruch genommen. Mit der Geschichte weiterer Texte ist die Chronik des Victor von Tunnuna auch durch den Rückgriff auf ihre Quellen verbunden, besonders mit der Historia ecclesiastica des Theodoros Anagnostes und mit der Chronik des Prosper Tiro von Aquitanien. Die Art der Abhängigkeit von anderen Vorgänger-Texten kann meistens nicht sicher bestimmt werden, auch wenn Ähnlichkeiten aufgezeigt werden konnten, die auf Verbindungen zu weiteren Quellen wie das Breuiarium des Liberatus von Karthago schließen lassen. Nach der Darstellung des „Gerüstes“ der erzählten Geschichte der Chronik (Kapitel 4) wurden in Kapitel 5 unter der Überschrift „Die erzählte Geschichte der Chronik“ die einzelnen Mosaikstücke der Chronik des Victor von Tunnuna genau nachgezeichnet, untersucht, auseinander genommen, zu Mosaikstücken anderer Geschichtswerke
1 Burgess/Kulikowski, Mosaics of Time, 33.
Welche Geschichte erzählt die Chronik des Victor von Tunnuna?
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in Beziehung gesetzt. Die einzelnen Teile wurden gedeutet, und es konnten immer wieder Verbindungen zu den näheren und zu den weiter entfernten Stücken innerhalb der Chronik selbst gezogen werden. So wurde bereits deutlich, dass die Chronik mehr ist als eine Sammlung parataktisch aneinandergereihter Fakten. Immer wieder zeigte sich, dass sich aus den einzelnen Fakten – den Notizen der Chronik – eine Erzählung rekonstruieren lässt. Eine solche Rekonstruktion war in der Einleitung als Aufgabe der Leserin beschrieben worden. Dieses Narrativ soll nun noch einmal zusammenfassend in den Blick genommen werden, und damit das Mosaik, dass sich aus den einzelnen Einträgen der Chronik ergibt. Bezüglich der in der Einleitung herausgearbeiteten Fragestellungen der Arbeit geht es also um die Beantwortung folgender Fragen: Welche Geschichte (vom Drei-Kapitel-Streit und darüber hinaus) erzählt die Chronik des Victor von Tunnuna? Was folgt daraus für ihren (genaueren) historischen Ort, und was sagt die Verortung über ihre Intention? Mit der Frage nach Verortung und Intention geht die Frage einher, ob die Chronik nach wie vor als (antikaiserliche) Streitschrift mit polemischer Intention im Drei-Kapitel-Streit zu bestimmen ist. Welche Geschichte (vom Drei-Kapitel-Streit und darüber hinaus) erzählt die Chronik des Victor von Tunnuna? Grundsätzlich ist zunächst festzuhalten, dass die Geschichte, die die Chronik erzählt, anhand einer ihr inhärenten Struktur aufgebaut wird, die hier eben als „Gerüst“ der Geschichte bezeichnet wurde. Damit sind nicht nur die Zählungen der Jahre gemeint (vgl. Kap. 4.1), sondern vor allem die Nachfolgen der Patriarchen und der Bischöfe von Karthago sowie die Nachfolgen der „Kaiser (Prinzipes) der Römer“ (vgl. Kap. 4.2). Diese halten die Chronik über die Jahreszählungen hinaus wie durch ein Gerüst zusammen. Die Erzählfäden, die sich daraus ergeben, sind die Grundlage der Erzählung, die darin eingewoben wird. Allerdings sind diese „Strukturgeber“ nicht zwingend entscheidende Handlungsträger in der Chronik. Dies gilt insbesondere für einige Päpste, die, obwohl grundsätzlich auch für die in der Chronik erzählten Geschehnisse bedeutend, zum Teil nur mit dem Namen genannt werden (Gelasius, Hormisdas). Innerhalb dieses Gerüstes spielen zum Teil auch die Datierungen, die innerhalb einzelner Jahre angegeben werden, eine Rolle. Solche Datumsangaben gibt es in der Chronik nicht viele; manche sollen wohl einfach eine genaue Kenntnis des Chronisten zeigen, andere aber lassen sich mit der prochalcedonensischen Sicht der Chronik verbinden (Tod des Proterius, Tod des Laetus von Nepte in Verbindung mit der Datierung des Konzils von Chalcedon in der Chronik [vgl. Kap. 4.1.2]). Auf Grundlage ihres Gerüstes erzählt die Chronik zunächst die Ereignisse rund um das Konzil von Chalcedon, indem sie die Chronik des Prosper Tiro von Aquitanien als Quelle benutzt. Sie setzt dabei aber eigene Akzente, so dass bereits am Anfang der
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Eine Chronik und ihre Geschichte(n)
Chronik vor allem die Bedeutung des Konzils von Chalcedon und seiner Beschlüsse deutlich wird, gleichzeitig aber schon die Frage der Drei Kapitel in den Blick gerät. Die Rolle des Papstes ist im Gegenüber zur Chronik des Prosper hingegen abgeschwächt. Durch die stets positive Bezugnahme auf das Konzil von Chalcedon wird von Anfang an eines der einschlägigen Argumente der Verteidiger der Drei Kapitel aufgenommen – die Beschlüsse des Konzils sind zu akzeptieren und dürfen nicht in Zweifel gezogen werden. Auch wird durch den Bezug auf die vier „heiligen“ Konzilien insgesamt (vgl. bereits Chronicon 10) deutlich, dass der Autorität aller ökumenischen Konzilien eine hohe Bedeutung beigemessen wird. In der auf den Anfang der Chronik folgenden Geschichte von der Rezeption Chalcedons unter den Kaisern Zeno, Anastasius und Justin I. werden diese klar als Gegner (Zeno, Anastasius) bzw. als Verteidiger ( Justin I.) des Konzils dargestellt. Für die Zeiten ihrer Herrschaft werden entsprechende Ereignisse berichtet bzw. den Kaisern entsprechende Entscheidungen und Agitationen zugeschrieben, auch im Zusammenspiel mit (östlichen) Bischöfen. Unter Zeno erscheint die kirchliche communio zum ersten Mal nach Chalcedon dezidiert als bedroht, als beschmutzt – allerdings nur im Osten. Dennoch gibt es gerade unter den Bischöfen immer wieder Verteidiger Chalcedons; unter Zeno sticht Felix von Rom als Bewahrer der catholica communio heraus. In diesen Abschnitten bis 518 greift die Chronik v. a. auf die Historia ecclesiastica des Theodoros Anagnostes als Quelle zurück, setzt aber, soweit sich dies im Vergleich mit der Epitome erkennen lässt, immer wieder eigene Akzente. Besonders während der Herrschaft des Anastasius finden sich aufgrund dieser Quelle Episoden, die „Arianer“ als Protagonisten haben. Dazwischen ist mit der Geschichte Nordafrikas unter der Herrschaft der Vandalen ein eigener Erzählfaden eingeflochten. Auch hier werden „Katholiken“ von „Arianern“ abgegrenzt. Unter den „Katholiken“ unter den Vandalen gibt es confessores ac martyres, von denen drei gesondert präsentiert werden, die Bekenner mit den abgeschnittenen Zungen, Laetus von Nepte und Eugenius von Karthago. Durch die Begrifflichkeiten „Arianer“ und „Katholiken“ findet in diesen Abschnitten der Chronik ein doppelter Rückgriff auf einen bewährten polemischen Topos statt: Einerseits durch die Gegenüberstellung von „Katholiken“ und „Arianern“ in Nordafrika während der Vandalenherrschaft, andererseits durch die Gegenüberstellung von „Katholiken“ als Chalcedon-Anhänger und „Arianern“ als Chalcedon-Gegner. Das zeigt sich etwa in der Beschreibung von Justin I. (catholicus und Liebhaber Chalcedons) und Anastasius („arianische“ Mutter und von perfidia gekennzeichnet). „Arianer“ sind hier also einerseits die vandalischen Homöer, andererseits können es aber auch grundsätzlich die Gegner Chalcedons sein. Die Verteidiger Chalcedons hingegen sind die „Katholiken“ und stehen als solche in der Kontinuität derer, die sich bereits in vorherigen Streitigkeiten im Kampf gegen die „Arianer“ bewährt haben. Ab der Herrschaft Justinians, besonders aber nach Chronicon 130, fokussiert sich die Chronik mehr und mehr auf kirchengeschichtliche Ereignisse im engeren Sinn – und
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zwar auf den Konflikt um die Drei Kapitel. Obwohl die Chronik also insbesondere von den Geschehnissen in einem theologischen Streit, dem Drei-Kapitel-Streit berichtet, findet in ihren Einträgen kaum eine Auseinandersetzung mit theologischen Inhalten statt.2 Der Streit erscheint vor allem als Konflikt in Bezug auf seine Protagonisten und die Frage, ob diese noch zur communio catholica gehören. Der konkrete Bezugspunkt ändert sich im Verlauf der Chronik: Sind die Protagonisten der Geschichte zunächst in Gegner und Verteidiger Chalcedons eingeteilt, findet sich nach dem Auftakt zum eigentlichen Drei-Kapitel-Streit (Chronicon 130) – der mit Kaiserin Theodora und Papst Vigilius, nicht jedoch mit dem Kaiser ( Justinian) verbunden wird – nur mehr deren Einteilung in Gegner und Verteidiger der Drei Kapitel. Die Gegner der Drei Kapitel sind die praeuaricatores und die incubatores, welche die wahre „katholische“ Gemeinschaft beschmutzen. Im Umkehrschluss gilt es offenbar deren Reinheit – obwohl dieser Terminus in der Chronik nicht benutzt wird – zu bewahren. Dabei fokussiert sich die Chronik auch mehr und mehr auf den nordafrikanischen Raum und die dortigen kirchlichen Konflikte. Die Geschichte der Rezeption Chalcedons wird nach Chronicon 130 so zu einer Geschichte, die diese Rezeption konkret als Frage der Haltung zu den Drei Kapiteln versteht. Letztlich weisen die geschilderten Ereignisse auf Konflikte darum hin, wer v.a von den nordafrikanischen Bischöfen (noch) zur catholica communio gehört und wer nicht (mehr) und so ein „Scheinbischof “ geworden ist. Neben der Zuweisung Einzelner zu den praeuaricatores oder den defensores sind es auch Naturereignisse, die an entscheidenden Stellen in der Chronik auf bestimmte Handlungen oder Entscheidungen folgen und dadurch deren Legitimität in Frage stellen (vgl. bezüglich des Drei-Kapitel-Streites Chronicon 130 und 147). In diesem Fokus auf den Drei-Kapitel-Streit und Nordafrika, besonders nach dem 2. Konzil von Konstantinopel (Chronicon 147, vgl. aber bereits Chronicon 145), zeigt sich also primär ein innerafrikanischer Konflikt: Die Angaben in der Chronik – die Einteilung in Verteidiger und (übergelaufene) Gegner der Drei Kapitel, die sich um die Frage der communio dreht – deuten auf einen Konflikt hin, der wohl sein Zentrum in der Byzacena hatte. Numidien und die Proconsularis hatten sich nach und nach von der Verteidigung der Drei Kapitel abgewandt, nur die Byzacena verblieb offenbar darin standhaft. Die meisten, die sich nach der Chronik (bis zum Schluss) für die Drei Kapitel einsetzen, stammen aus dem Gebiet der Byzacena, etwa Facundus von Hermiane,3 Verecundus von Iunci und Theodor von Cebarsussa (vgl. auch Laetus von Nepte).4 Ein weiterer Hinweis auf Widerstand in der Byzacena ist, dass die Bischöfe der Byza-
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Auch die Vorstellung von „Gott“ als einem in der Geschichte handelnden Gott bzw. als einer hinter bestimmten Ereignissen stehenden Macht spielt für die Darstellung in der Chronik höchstens eine sehr untergeordnete Rolle (vgl. etwa die Hinweise zu Chronicon 82 oder 147). 3 Stein, Histoire du Bas-Empire 2, 679, verweist auf die Byzacena als „la province d’Afrique la plus intransigeante“, was besonders durch Facundus von Hermiane illustriert werde. 4 Vgl. auch Modéran, „L’Afrique reconquise“, 75.
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Eine Chronik und ihre Geschichte(n)
cena den übergelaufenen Primasius, der die Befürworter der Drei Kapitel unterdrückt, verurteilen (Chronicon 145).5 Für die Proconsularis und für Numidien (Chronicon 149; 152) wird berichtet, dass sie von der Verteidigung der Drei Kapitel abfallen – für die Byzacena gerade nicht. Deutlich wird auch ein Konflikt um Primosus, den Bischof der Proconsularis, der als „Scheinbischof “ wohl für die Strafen, die Victor von Tunnuna selbst erleiden musste, verantwortlich gemacht wird. Victor von Tunnuna stellt in seiner Chronik dar, wie die Gruppe der Verteidiger der Drei Kapitel nach und nach kleiner wird. Einerseits werden die Verteidiger der Drei Kapitel zu deren Gegnern (Chronicon 145 u. ö.), andererseits sterben sie den guten Tod (vgl. z. B. Verecundus von Iunci, Reparatus von Karthago und Theodor von Cebarsussa). Am Ende der Chronik, als Justin II. sein Amt „mit der Ruhe des Volkes“ übernimmt, ist von dem Konflikt jedoch nicht mehr viel übrig. Dies entspricht dem, was auch sonst über die historische Situation in Nordafrika bekannt ist. Es ist ja tatsächlich anzunehmen, dass die Gruppe derer, die die Drei Kapitel zu dieser Zeit im nordafrikanischen Kontext noch verteidigten, sehr klein war. Der Autor der Chronik selbst hält nun mit wenigen an der Verteidigung der Drei Kapitel fest, bis zum „guten“ Tod. Durch das, was zuvor in der Chronik dargestellt wurde, können diese wenigen sich nun einerseits auf die Anhänger Chalcedons zurückführen und sind damit auf der richtigen Seite, d. h. innerhalb der catholica communio. Andererseits stehen sie in direkter Kontinuität zu den Bekennern, den confessores des „katholischen“ Glaubens zur Zeit der Vandalen, was etwa durch die Tode von Reparatus und Theodor von Cebarsussa suggeriert wird, für die eine Verbindung zu wichtigen Figuren aus der Zeit unter den Vandalen – mit dem confessor Eugenius von Karthago und mit den Bekennern mit den abgeschnittenen Zungen – suggeriert wird. Eine solche Verbindung gibt es auch abgesehen von Toden: Sowohl in der Zeit unter den Vandalen als auch im Drei-Kapitel-Streit gibt es nordafrikanische Bischöfe bzw. Theologen, die in den jeweils dunklen Zeiten „leuchten“ (claruit/clarus habetur/refulgere): Eugenius, Fulgentius von Ruspe, Ferrandus von Karthago und Facundus von Hermiane. Auch der einzigen Person in der Chronik, für die wörtlich ein Martyrium bezeugt wird, Laetus von Nepte, der zudem für das Ende der Vandalenherrschaft eine entscheidende Rolle spielt, kommt nicht nur als Märtyrer, sondern auch durch seine Verknüpfung mit dem Konzil von Chalcedon eine hohe Bedeutung zu. Die Chronik des Victor von Tunnuna erzählt so die Geschichte der Verteidiger der Drei Kapitel in Weiterführung der Geschichte der „katholischen“ Bekenner unter den
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Im Widerstand besonders aus der Bzycana kann man an sich schon ein Erbe aus der Zeit unter den Vandalen sehen – so wurden dort trotz Verbotes nizänische Bischöfe geweiht, vgl. Modéran, „La chronologie“, 151: Das Verbot zur Weihe von Bischöfen „fut finalment bravée par les évêques de Byzacène qui procédèrent à une série de consécrations“. Vgl. Whelan, Being Christian, 160 (zu Fulgentius von Ruspe): Seine Bestellung zum Bischof sei „one of many carried out by the primate of Byzacena in contravention of a kingdomwide ban“.
Welche Geschichte erzählt die Chronik des Victor von Tunnuna?
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Vandalen.6 Indem die Erinnerung an die Märtyrer und Bekenner unter den Vandalen gerade dann wachgerufen wird, als die Geschichte des Widerstandes gegen die Verurteilung der Drei Kapitel erzählt wird, stellt Victor von Tunnuna die Verteidiger der Drei Kapitel genau in diese spezifisch nordafrikanische Kontinuität. Diese Kontinuität weist aber gleichzeitig in die Zukunft: Die Chronik des Victor von Tunnuna sichert durch die guten Tode, anknüpfend an die Bekenner der Vandalenzeit, den nordafrikanischen Verteidigern der Drei Kapitel persönliches zukünftiges Heil, ewiges, sofortiges Sein bei Gott zu. Ihre Zukunft – und damit ist ja auch die Zukunft des Autors selbst im Blick, der offenbar bis zum Schluss an der Verteidigung der Drei Kapitel festhält – ist der Tod gloriosa confessione, auch und gerade im Gegensatz zu den schändlichen Toden der Gegner der Drei Kapitel. Zugespitzt formuliert lässt sich sagen: Die Chronik des Victor von Tunnuna schreibt, obwohl die Hinweise auf eine von Gott bestimmte Geschichte spärlich sind, in diesem Sinn eine Heilsgeschichte, zumindest für eine bestimmte Gruppe, die sich letztlich allein als in der communio catholica bleibend versteht, einer communio, die sich durch ihre Verteidigung der Drei Kapitel im Bekenntnis zu Chalcedon und in der fides catholica gegründet sieht. Diese Heilsgeschichte betrifft dann aber auch wieder diese Gemeinschaft selbst, denn durch die guten Tode wird denen, die in der Gemeinschaft geblieben sind, gleichzeitig der Raum einer Heilsgemeinschaft bei Gott eröffnet: der ewigen communio derer, die mit dem Tod ad deum gewandert sind. Auch über die Frage nach dem Heil hinaus weist die von der Chronik erzählte Geschichte in die Zukunft: Indem die Geschichte der Gruppe der letzten Verteidiger der Drei Kapitel in Nordafrika gerade innerhalb einer Chronik erzählt wird, wird sichergestellt, dass und wie diese Version des Drei-Kapitel-Streites, und damit auch dass und wie die Verteidiger der Drei Kapitel auch in Zukunft Teil der Erinnerung bleiben. Sie werden nicht vergessen werden. Auch dies kann als Zusicherung an diese Wenigen verstanden werden: Sie werden erinnert werden wie die Bekenner unter den Vandalen, mit ihrem Tod endet die Erinnerung an die „richtige Geschichte“ nicht. Sie haben einen guten Platz in der Geschichte; ihr Bekenntnis wird bewahrt. Hier wird eine eigene nordafrikanische – vielleicht sogar byzacenische – Erinnerung geschaffen: Die verbleibenden Verteidiger der Drei Kapitel werden durch das Festhalten ihrer Geschichte
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Solch eine Kontinuität gibt es bereits in der Historia persecutionis des Victor von Vita, die einerseits die Märtyrer und Bekenner während der Verfolgungen durch die Vandalen in eine Kontinuität zu den Verfolgten in den großen Christenverfolgungen setzt, andererseits aber auch die „Katholiken“ im Gegenüber zu den „Arianern“ in Kontinuität setzt zu den bisherigen „Katholiken“ in den „arianischen“ Streitigkeiten; s. o. bspw. S. 325 (Anm. 440). Auch bei Facundus von Hermiane findet sich in Bezug auf Mocianus eine ähnliche Argumentation sozusagen in die umgekehrte Richtung (als negative Kontinuität): Mocianus sei erst den „Arianern“ gefolgt, dann sei er, als die Herrschaft der Vandalen vorüber war, „katholisch“ geworden, und durch seine Verurteilung der Drei Kapitel dann wieder „Arianer“; vgl. Facundus von Hermiane, Contra Mocianum 64; vgl. Whelan, Being Christian, 220–221.
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in der Chronik eben gerade als die legitimen Nachfolger der Bekenner und Märtyrer der Zeit unter den Vandalen erinnert, und somit als solche, die bis zu ihrem Ende am wahren – chalcedonensischen, „katholischen“ – Glauben festhalten.7 Die, die von der Verteidigung der Drei Kapitel abfallen, sind damit gerade nicht die Nachfolger dieser nordafrikanischen Bekenner und Märtyrer. Die Chronik ist in diesem Sinn einerseits Erinnerungshilfe, was auch ihrer gattungsgemäßen Funktion entspricht.8 Andererseits verspricht sie den wenigen, die in der Verteidigung der Drei Kapitel ausharren, Hoffnung für die Zukunft, sowohl in persönlicher Hinsicht als auch i. S. der späteren Erinnerung durch andere – ihr Tod löscht diese Erinnerung in der genannten Kontinuität nicht aus.9
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Vgl. Modéran, „L’Afrique reconquise“, 81, der die Heftigkeit des Widerstandes gegen die Verurteilung der Drei Kapitel grundsätzlich auf die Erinnerung an die Märtyrer unter Hunerich zurückführt: „Tous surtout se sentaient les héritiers des martyrs d’Hunéric, et avaient la conviction d’avoir derrière eux une histoire incomparable, qui donnait à leur parole une légitimité religieuse que personne ne pouvait leur disputer. […] Ces Africains, héritiers, certes, d’une tradition ancienne d’indépendance ecclésiale, étaient dans les années 540 habités par une mémoire de la persecution qui vivifiait cette tradition, et lui donnait une jeunesse et une force sans equivalent ailleurs dans l’Empire“. Vgl. Burgess und Kulikowski, Mosaics of Time, 25: „Given their lack of extensive rhetorical interpretation or analysis, a major function of chronicles and consularia was therefore to serve as aidesmémoires, offering a guide to the absolute and relative chronologies of the important events of the past, details of which educated readers would already know. […] The purpose of the chronicle was to organize those memories and put everything in its proper chronological relationship to every thing else“. So gilt das, was Graumann, „Orthodoxy“, 236 (vgl. auch 222 [mit Anm. 6]) über die Rekonstruktion von Vergangenheit auf Konzilien schreibt, auch für die Rekonstruktion von (einer) Geschichte durch die Chronik des Victor von Tunnuna: „For the theologians in the sixth century the preponderance in the uneasy balance between history and truth lay with the stability of truth to which history had to conform. Where this presupposition was shared […], a set of methodological considerations and interpretative techniques was then available that enabled a suitable (re-) construction of the past“. Die Chronik erzählt ihre Geschichte so, dass die Erinnerung an die Vergangenheit im Sinne der Deutung der Gegenwart konstruiert wird. Ähnliches hält Whelan, Being Christian, 22 für den Umgang mit der Geschichte durch die „Katholiken“ im Nordafrika unter vandalischer Herrschaft fest: „To establish the crucial link between their contemporary opponents and the Arians of the past, Nicene authors imaginatively rewrote fourth-century ecclesiastical history. They reworked what they saw as an authoritative past to match the needs of the present. By portraying the ecclesiastical politics of Vandal Africa as a reenactment of earlier Catholic-Arian conflicts, Nicene clerics made their church into the descendant of a triumphant Catholic institution; that of the Homoians, the ongoing embodiment of the Arian sect.“ Dasselbe macht Victor von Tunnuna in seiner Chronik mit den Verteidigern der Drei Kapitel, indem er sie als die Vertreter der wahren catholica communio zeichnet.
Was bedeutet dies für den historischen Ort der Chronik und für ihre Intention?
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Was bedeutet dies für den historischen Ort der Chronik und für die ihr zugrundeliegende Intention? Es ist davon auszugehen, dass der genauere historische Ort der Chronik selbst in dem nun genannten innerafrikanischen Konflikt zu suchen ist: in einem Konflikt, in dem die afrikanische Kirche in wenige Verteidiger und viele (aus der Sicht des Victor von Tunnuna „übergelaufene“) Gegner der Drei Kapitel zerfiel. Die Notizen bei Victor von Tunnuna, besonders diejenigen, die sich auf die Jahre nach dem Konzil von Konstantinopel 553 beziehen und die Situation in Nordafrika im Blick haben, zeigen, wie oben ausführlich dargestellt, einen Konflikt zwischen den (bleibenden) defensores und den praeuaricatores oder incubatores ecclesiae, die von der Verteidigung der Drei Kapitel abgefallen sind. Yves Modéran deutet die Angaben in der Chronik zu der konfliktreichen Situation in Afrika daher als „un schisme africain, organisé à partir de 554, mais minoritaire et centré sur la Byzacène“.10 Die Chronik des Victor von Tunnuna zeigt, indem sie v. a. bei den Jahren um bzw. nach 553 die jeweilige Zugehörigkeit zur catholica communio betont bzw. darstellt, inwiefern diese verunreinigt ist, und indem sie bleibende Verteidiger der Drei Kapitel und „Überläufer“ benennt, dieses lokale Schisma.11 Auch der Kontext der Epistula fidei catholicae ist wohl hier zu suchen.12 Dass die bleibenden Verteidiger insbesondere aus der Byzacena stammen, wurde oben schon hervorgehoben. Da Victor von Tunnuna selbst in dem Konflikt agiert und zu den bleibenden Verteidigern der Drei Kapitel gehört, ist es denkbar, dass auch er aus der Byzacena stammt.
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Modéran, „L’Afrique reconquise“, 56, vgl. 43, 54–57, 75 („un schisme qui se prolongea ici encore und bonne dizaine d’années“). Die Geschehnisse um Primosus zeigen aber, dass es auch in den anderen Provinzen (zunächst) noch Konflikte gab. 11 Adamiak, Carthage, 164 sieht kein Schisma in Nordafrika. Gleede, „Liberatus’ Polemik“, 111, vermeidet die Rede von einem Schisma in Nordafrika, bezieht aber den Widerstand von Facundus von Hermiane, Victor von Tunnuna und Liberatus von Karthago wie Modéran auf die Byzacena: „Die uns erhaltenen Zeugnisse, also Facundus, Victor und Liberatus, repräsentieren vielmehr eine lautstarke Minderheit, die – konzentriert auf die Byzacena – gegen die papsttreue Mehrheit mit allen Mitteln für das Festhalten an der Verurteilung von 550 mobil machen musste. Erklärtes Feindbild dieser Partei sind neben den bereits eingangs erwähnten praevaricatores Romani Viglius [sic!] und Pelagius dementsprechend auch die ‚Renegaten‘ der nordafrikanischen Mehrheit, allen voran Primasius von Hadrumetum, seit 544 Bischof der Byzacena und Weggefährte des Vigilius während der schweren Jahre 551–553“. Auch Meier, „Das Brevarium“, 138 weist für das Breuiarium auf einen innerafrikanischen Konflikt hin, er spricht von einem „Einblick in die innere Zerrissenheit des Klerus im postvandalischen Afrika“, womit hier konkret aber wohl die Frage nach der Akzeptanz der „Spielregeln der Kirchenpolitik“ (Meier, „Das Breviarium“, 147) gemeint ist, für die Liberatus als „historisch legitimierte Handlungsweisen des Kaisers in Konstantinopel“ habe werben wollen. Liberatus’ Schrift sieht Meier somit wohl gerade nicht als spätes Zeugnis für ein Festhalten am aktiven Widerstand gegen die Verurteilung der Drei Kapitel in Africa, auch wenn die Verurteilung der Drei Kapitel grundsätzlich auch im Breuiarium abgelehnt wird. 12 Vgl. Modéran, „L’Afrique reconquise“, 57; vgl. auch den Hinweis von Clément/Vander Plaetse, „Einleitung“, XVII, auf die Gebrüder Ballerini, die in ihren „Annotationes ad Epistolam CXIII“, 1438D auf das Schisma hinweisen, das in der Epistula deutlich werde.
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Wenn sie nicht zur Gegenseite übergelaufen sind, sterben nach der Darstellung der Chronik die verbliebenen Vertreter der Verteidiger der Drei Kapitel nach und nach. Spätestens mit dem Tod von Theodor von Cebarsussa ist die Gruppe, zu der auch Victor von Tunnuna gehört, offenbar sehr klein – und mit Justin II. kehrt endgültig Ruhe ein. Oben wurde bereits erwähnt, dass Antonio Placanica bezüglich der Epistula fidei catholicae schreibt, in ihr deute sich an, dass Victors Schrift, „composta pro defensione Trium Capitulorum“, Verbreitung im nordafrikanischen Widerstand gefunden hätte. Damit hätte sich in gewissem Sinn die Intention ihres Autors realisiert, nämlich „quello di provvedere una base storica e, a suo modo, ‚documentaria‘ alla polemica per i Tre Capitoli, che egli riteneva essere polemica in difesa di Calcedonia.“13 Dass in der Chronik die Verteidigung der Drei Kapitel tatsächlich die Verteidigung Chalcedons „beerbt“, wurde nun schon mehrfach betont. Nimmt man aber ernst, dass am Ende auch nach der Chronik des Victor von Tunnuna vom Widerstand in Nordafrika wenig – und damit wohl höchstens noch eine kleinere Gruppe – übrig ist, ist die Annahme Placanicas, die Chronik sei eine (antikaiserliche) Streitschrift, die eine historische Basis für eine Polemik für die Drei Kapitel liefern sollte, in Frage zu stellen. Wer sollte den Kaiser nun noch überzeugen? Und wozu sollte der dann regierende und „Ruhe“ bringende Justin überzeugt werden? Wer von den von der Verteidigung der Drei Kapitel Abgefallenen sollte überhaupt noch überzeugt werden, mit wem sollte gestritten werden? Die Erzählung der Chronik ist daher besser als eine (polemische) Schrift gegen jemanden als Schrift für eine Gruppe zu lesen: Für die übrig gebliebenen Verteidiger der Drei Kapitel nämlich um den Autor der Chronik selbst. Den Verteidigern der Drei Kapitel werden „gute“ Tode zugeschrieben im Gegensatz zu den schlechten Toden für Chalcedon-Gegner und für Gegner der Drei Kapitel. Diese „guten“ Tode stellen den einzelnen (und damit letztlich auch ihrer communio) das (ewige) Heil in der Nachfolge der confessores unter den Vandalen in Aussicht – und durch die Chronik selbst wird ihnen gleichzeitig eine bestimmte Erinnerung für die Zukunft geschaffen. Die Chronik ist damit weniger eine „base storica“ für die weitergehende Verteidigung der Drei Kapitel als vielmehr für die Versicherung an die wenigen, auf dem richtigen Weg geblieben zu sein, der letztlich sogar direkt zu Gott führt – auch wenn jetzt alles dagegen spricht. Die Chronik ist eine historische Legitimierung ihrer Position und Stärkung ihrer Identität im Blick auf die eigene Zukunft. Gleichzeitig ist die Chronik als Chronik „base storica“ dafür, wie der Streit um die Drei Kapitel und seine Protagonisten zukünftig erinnern werden sollen. Die übrig gebliebenen Verteidiger der Drei Kapitel, die allein in der Nachfolge Chalcedons stehen, beanspruchen nicht nur die Nachfolge der confessores aus der Van-
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Placanica, „Introduzione“, XXVII.
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dalenzeit, sondern sie beanspruchen auch deren in Nordafrika so bedeutsame Vergangenheit als die eigene Vergangenheit, da sie zur selben Gruppe gehören, zur wahren communio catholica. Ein Beispiel dafür ist die Verwendung des Possessivpronomens noster in Bezug auf Fulgentius von Ruspe und seine Lehre, wodurch Victor von Tunnuna diese Lehre für sich und seine Gruppe und damit als eigene Tradition reklamiert (Chronicon 79). Dass die Lehre dabei nicht genauer expliziert wird, spielt offenbar für diesen Anspruch keine Rolle. Auch für diesen Anspruch ist die Chronik tatsächlich „base storica“. Dies wiederum ist möglich, weil der Gegensatz der Nordafrikaner zu den Vandalen in der Chronik nicht als ethnischer, sondern als religiöser Gegensatz (zwischen „Katholiken“ und „Arianern“) gezeichnet wird, so wie auch der in der Chronik gegenwärtige Konflikt ein religiöser Konflikt ist. Die Chronik steht also auch hier in einer spezifisch nordafrikanischen Tradition.14 Der Fokus auf die Frage der wahren communio catholica in Nordafrika kann auch erklären, warum der Kaiser gerade dann, wenn es um die entscheidenden Ereignisse im Drei-Kapitel-Streit in Nordafrika und damit im Milieu des Autors der Chronik geht, nicht eindeutig negativ im Fokus ist: Auch wenn nach wie vor die Möglichkeit bliebe, dass er nicht angegriffen werden sollte, ist hinsichtlich der Darstellung der Chronik die schlüssigere Lösung, dass, weil es eben um einen innerafrikanischen kirchlich-religiösen Konflikt geht, seine explizite Bewertung i. S. einer besonders negativen oder positiven Darstellung schlicht nicht im Interesse der Chronik liegt. Die Darstellung Justinians bleibt letzlich ambivalent. Er wird zwar an mehreren Stellen in Verbindung mit dem Drei-Kapitel-Streit und den Gegnern der Drei Kapitel gebracht (vgl. Chronicon 159; 170), und eindeutig positiv erscheint dann erst wieder Justin I. Andererseits aber werden auch prochalcedonensische Maßnahmen Justinians erwähnt (vgl. etwa Chronicon 112), und vor allem kommt an mehreren Stellen, wo eine Bezugnahme auf den Kaiser und sein Handeln erwartet werden könnte, ein solches höchstens implizit
14 Whelan, Being Christian, 119 macht in Bezug auf Sizgorich, Violence and Belief darauf aufmerksam, dass auch nizänische Autoren im vandalischen Africa die zeitgenössischen Konflikte durch den Rückgriff auf die Geschichte der arianischen Streitigkeiten beschrieben (s. auch o. Anm. 6). Die spätantike christliche Identität sei um eine zentrale Erzählung gebildet worden: Die Verfolgungen und ihre Märtyrer. „Contemporary events in the Christian empire, however divorced from those past incidents, were understood as new episodes in this unfolding narrative. Individual actors received a variety of well-worn costumes: true Christian or false believer, brave martyr or lapsed temporizer, pious emperor or pagan persecutor.“ Die Chronik des Victor von Tunnuna partizipiert durch die Verknüpfungen der Verteidiger der Drei Kapitel mit den confessores aus der Zeit unter den Vandalen an diesem Narrativ. Eine biblisch-typologische Deutung (vgl. Whelan, Being Christian, 120) fehlt allerdings in ihr; auch werden bei der Darstellung des Drei-Kapitel-Streites selbst die Verurteiler zwar als praeuaricatores und incubatores diskreditiert, aber nicht dezidiert „Arianer“ genannt. Dies geschieht nur zuvor bei den Gegnern Chalcedons. Der Konflikt um die Drei-Kapitel ist deutlich als innerkirchlicher Konflikt um die eine communio gekennzeichnet, das ist bezüglich der „Arianer“ nicht der Fall.
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vor.15 Es geht besonders im Abschnitt ab Chronicon 130 nicht vorrangig um kaiserliche Agitationen,16 sondern eben um die Frage, wer in Nordafrika eigentlich noch zur „katholischen“ communio gehört. Zudem stellt sich auch die Frage, warum noch eine antikaiserliche Streitschrift nötig gewesen sein sollte, wenn doch mit Justin II. Ruhe eingekehrt ist.17 Zu erinnern ist auch noch einmal daran, dass der Beginn des Drei-Kapitel-Streites auf die Augusta Theodora und den Bischof von Rom, Vigilius, zurückgeführt wird. Viel mehr als der Kaiser Justinian wird also der Papst zur Zeit des Drei-Kapitel-Streites negativ gezeichnet, obwohl er ja tatsächlich noch lange Zeit die Drei Kapitel verteidigte. Damit bildet die Chronik des Victor von Tunnuna den Umstand ab, dass es aufgrund des Drei-Kapitel-Streites nicht nur einen innerafrikanischen kirchlichen Konflikt gab, sondern dass der Drei-Kapitel-Streit sich auch auf das Verhältnis der afrikanischen Kirche (oder zumindest von Teilen von ihr) zu Rom ausgewirkte (vgl. bspw. auch Chronicon 141).18 Zugespitzt formuliert: Wenn selbst Rom nicht mehr die Drei Kapitel verteidigt, dann ist für Victor von Tunnuna die nordafrikanische Kirche die einzig wahre, da nur sie noch Chalcedon treu ist. Da der Vigilius nachfolgende Pelagius in der Chronik aber keine entscheidende Rolle mehr spielt, ist für die Spätphase des Drei-Kapitel-Streites und den entsprechenden Konflikt in Nordafrika davon auszugehen, dass das Verhältnis zum Bischof von Rom hier ebenso wenig wie das Verhältnis zum Kaiser im Fokus steht.19
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Dass eine solche Bezugnahme erwartet wurde, zeigen beispielsweise die Versuche, verschiedene Abschnitte der Chronik mit bestimmten kaiserlichen Edikten oder Handlungen in Verbindung zu bringen, auch wenn die Chronik selbst dies nicht tut. Freilich gehen die Entscheidungen des Kaisers (Chronicon 132 und 137; 147) dem innerafrikanischen Konflikt voraus. Auch für das Breuiarium des Liberatus von Karthago wurde debattiert, ob es sich um eine antikaiserliche Schrift handele, s. o. S. 13–14. Meier, „Das Breviarium“,147, lehnt es ab, das Breuiarium als „Protestschrift gegen den Kaiser“ zu sehen. Bezüglich dieser Frage lässt sich die Chronik allerdings nicht mit dem Breuiarium vergleichen, da dafür eine ganze andere Situation angenommen werden kann als für die Abfassung der Chronik, vgl. Meier, „Das Breviarium“, 143, der in Bezug auf das Breuiarium herausgearbeitet hat: „In einer kirchenpolitisch hochbrisanten Situation, in welcher der afrikanische Klerus sich mehrheitlich und dezidiert gegen kaiserliche Interventionen in Glaubensfragen verwahrte – man denke nur an die bissigen Äußerungen eines Facundus von Hermiane –, präsentiert Liberatus ebensolche Eingriffe als schlichte Selbstverständlichkeit“. Sein Ziel ist also, seinen Landsleuten das kaiserliche Eingreifen plausibel zu machen. Das Verhältnis der afrikanischen Kirche zum Bischof von Rom war grundsätzlich nicht ohne Widersprüchlichkeiten, wenn auch dessen Vorrangstellung grundsätzlich anerkannt wurde. Die Zeit unter den Vandalen hatte eher zu einer Annäherung an den Bischof von Rom geführt. Vgl. Modéran, „L’Afrique reconquise“, 73–75. Insofern ist Claire Sotinel zuzustimmen, wenn sie schreibt („Das Dilemma das Westens“, 469), dass die Gemeinschaft mit Konstantinopel und Rom nicht (mehr) von der Haltung gegenüber den Drei Kapiteln betroffen war – die Annahme, dass es in Nordafrika schon bald nach dem Konzil von 553 keine „Auseinandersetzungen mehr [gab], die sich an der Haltung zu den Drei Kapiteln entzündeten“, ist vor dem Hintergrund der Chronik des Victor von Tunnuna aber abzulehnen.
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In den späten Jahren des Drei-Kapitel-Streites ging es in Nordafrika offenbar – einmal mehr – um die Frage nach der wahren catholica communio und der Frage ihrer pollutio.20 Die Chronik des Victor von Tunnuna ist eine Schrift für eine bestimmte Gruppe, die sich als Hüterin dieser communio verstand, und keine Schrift gegen eine bestimmte Gruppe oder Person. Es geht hier weniger um „dissent“ als vielmehr um die Treue zu einer als „katholisch“ verstandenen fides und – aufgrund der Gattung Chronik – um deren Erinnerung.21 Für die genauere Datierung der Chronik könnte dies bedeuten, dass ihr Autor Victor von Tunnuna sie bald nach dem letzten von ihr berichteten Ereignis fertiggestellt hat. Die Zusätze, die auf das Jahr 575 weisen, wären dann eher Johannes von Biclaro zuzuschreiben als dem Autor der Chronik selbst. Wenn die Gruppe der Verteidiger der Drei Kapitel sowieso schon klein war, wäre, je mehr Jahre nach der Herrschaftsübernahme durch Justin II. vergangen wären, immer fraglicher, warum ihre Geschichte noch festgehalten werden sollte. Bis auf die Epistula fidei catholicae ist nichts Weiteres über diesen Konflikt und sein Milieu bekannt – eine weitergehende Untersuchung der Epistula und ihrer Beziehung zur Chronik des Victor von Tunnuna wäre in jedem Fall ein Desiderat. Den Widerstand gegen die Verurteilung der Drei Kapitel hat der weitere Verlauf der Geschichte überholt – tatsächlich blieb von der Gruppe der bleibenden Verteidiger der Drei Kapitel in Nordafrika bald kaum mehr als ein kleiner Rest übrig. Aber die in der Verteidigung der Drei Kapitel Verbliebenen sind durch die Überlieferung der Chronik tatsächlich bis heute erinnert. Insofern wurde die Chronik einer ihrer Intentionen gerecht. Die Chronik des Victor von Tunnuna aber wurde nicht nur weiter überliefert, sondern auch durch die Chroniken, mit denen sie überliefert wurde, fortgeschrieben, beginnend mit der Chronik des Johannes von Biclaro: Wie dadurch gleichzeitig ihre Geschichte des unbedingten Festhaltens am Konzil von Chalcedon und, dies fortführend, an der Verteidigung der Drei Kapitel, weiter erzählt wurde, wäre eine Frage, die im Anschluss an diese Arbeit zu beantworten wäre. Eine dahingehende Untersuchung der Chronik des Johannes von Biclaro wäre wünschenswert – gleiches gilt für eine Untersuchung des oben mit Rodrigo Furtado angenommenen Liber chronicorum und dessen Einbettung in die entsprechenden Handschriften. So könnten einerseits weitere Erkenntnisse über die Geschichte des Textes der Chronik gewonnen werden, und andererseits könnte gezeigt werden, wie die Geschichte der Chronik des Victor von Tunnuna in anderen Chroniken bzw. in Sammlungen von Chroniken rezipiert wur20 21
Die Chronik erwähnt dies nicht wörtlich, aber ein Umkehrschluss auf die Forderung einer reinen Kirche liegt nahe. S. o. S. 80 (Anm. 330) zu Markus, „Religious Dissent“, 146. Die Beharrlichkeit bezüglich der Verteidigung der Drei Kapitel in der Chronik des Victor von Tunnuna liegt aber eben überhaupt weniger in einem solchen grundsätzlichen nordafrikanischen „dissent“ gegenüber der politischen Herrschaft begründet als vielmehr in einem Konflikt von zwei ursprünglich zusammengehörenden Parteien – Verteidigern und ehemaligen Verteidigern der Drei Kapitel.
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de und wie dadurch wiederum neue Erzählungen geschaffen wurden – Erzählungen im Sinne eines Mosaiks, das sich aus einzelnen Steinchen zusammenfügt, wie in der Chronik des Victor von Tunnuna selbst.
7. Victor von Tunnuna, Chronicon Übersetzung Abschnitt/ Übersetzung2 Jahr1 Praefatio
Bis hierher hat der Mönch Prosper die Ordnung der vorangehenden Jahre der Reihe nach eingetragen, dem lassen auch wir diese Dinge folgen.
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Nun, als Theodosius zum 18. Mal und Albinus Konsuln waren, empfing Domnus nach Johannes das Bischofsamt der Kirche von Antiochien.
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3. [Konsulat] des Aëtius und das des Symmachus.
3 447
Als Callipius und Ardabur Konsuln waren, erschien Eutyches, Presbyter und Archimandrit eines gewissen konstantinopolitanischen Klosters, der eine Häresie seines Namens begründete. Dieser nämlich behauptete, dass unser Herr Jesus Christus so aus der immerwährenden Jungfrau Maria als Mutter geboren wurde, dass er nicht zugestand, das in ihm etwas von menschlicher Natur sei. Er wurde von einer synodalen Versammlung eingeladen, die nach Konstantinopel zusammengekommen war, welcher der heilige Flavian, Bischof derselben Stadt, vorstand, und weil er ja nicht bekennen wollte, dass Christus nach der Geburt aus der Jungfrau in zwei Naturen, und dass er mit uns nach dem Fleisch konsubstantiell sei, empfing er die Verurteilung zusammen mit seinem eigenen Fehler, die der heilige Leo, der römische Bischof, mit apostolischer Vollmacht bestätigte.
1 2
Diese Angaben folgen der Ausgabe von Carmen Cardelle de Hartmann. Textgrundlage der Übersetzung ist die Ausgabe von Cardelle de Hartmann (CChr.SL 173A).
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Victor von Tunnuna, Chronicon
Abschnitt/ Übersetzung2 Jahr1 4 448
Dafür versammelte sich unter der Schirmherrschaft von Kaiser Theodosius unter den Vorsitzenden der Bischofssitze Leo von Rom, Dioskur von Alexandria, Domnus von Antiochien, Juvenal von Jerusalem und Flavian von Konstantinopel, als Postumianus und Zeno Konsuln waren, eine zweite allgemeine Synode in Ephesus, auf der Dioskur, der Bischof von Alexandria, mit kaiserlicher Begünstigung den Vorsitz an sich riss und denselben Eutyches nach der rechtmäßigen Verurteilung freisprach, und auf der er dessen Widersacher, die Lehrer der zwei Naturen in Christus, die Bischöfe Flavian von Konstantinopel, Eusebius von Dorylaeum, Theodoret von Kyrrhos und Ibas von Edessa sowie weitere andere mit frevelhafter Vollmacht verurteilte, obwohl sogar die Gesandten des apostolischen Stuhls widersprachen, und auf der er die ganze Synode durch einen Aufstand von Mönchen und mit militärischer Gewalt zwang, ihn zu unterstützen.
5 449
Als Austurius und Protogenes Konsuln waren, erhielt Attila, der König der Hunnen, nachdem er überwunden worden war im Kampf durch die duces des Augustus3 Valentinian und floh, wieder Männer und drang weiter auf unerträgliche Weise nach Italien fort. Seine Schlechtigkeiten betäubte die römische Republik durch einen Friedensvertrag. Dieser Attila hörte, nachdem er eine Gesandtschaft von Papst Leo empfangen hatte, nicht nur mit der Verwüstung der Republik auf, sondern er zog sich auch über die Donau zurück, nachdem der Frieden gewährt worden war.
6 450
Als Valentinianus zum 7. Mal Konsul und als Albinus Konsul war, starb der Kaiser Theodosius im 62. Jahr seines Lebens in Konstantinopel.
7
Der praepositus des Kaisers Chrysaphius machte sich die Freundschaft mit Eutyches zum Verderben und wurde getötet, und Marcian wurde mit der Zustimmung der ganzen Republik zum Kaiser gemacht.
8
Marcian, 47. Kaiser der Römer, regierte 5 Jahre und 6 Monate. Er sorgte gerade am Anfang seiner Regierung für Frieden der Kirchen und kündigte mit kaiserlicher Autorität an, dass eine Synode in Chalcedon stattfinden werde.
9
Nach Flavian empfing Anatolius den Vorsitz der konstantinopolitanischen Kirche.
3
Lateinische Rangnamen und Dienstbezeichnungen werden nur zum Teil ins Deutsche übertragen; sie sind dann aber durch die aus dem Lateinischen übernommenen Lehnwörter erkennbar wie bspw. bei patricius/Patrizier, consul/Konsul, princeps/Prinzeps.
Übersetzung
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Abschnitt/ Übersetzung2 Jahr1 10 451
Als der Augustus Marcian Konsul war, wurde am 8. Tag vor den Kalenden des Oktober, als Leo von Rom, Dioskur von Alexandria, Maximus von Antiochien, Juvenal von Jerusalem und Anatolius von Konstantinopel Bischöfe waren, eine Generalsynode in Chalcedon von 630 Bischöfen versammelt, wo die zweite Synode von Ephesus, die nicht als Synode zu bezeichnende, zurückgewiesen wurde, Eutyches mit seinem Patron Dioskur, dem Bischof von Alexandria, und Nestorius verurteilt wurde, und die katholischen Bischöfe, die von demselben Dioskur in der zuvor genannten zweiten Synode von Ephesus verurteilt wurden, freigesprochen wurden, und der Glaube der heiligen Väter, die in Nizäa, Konstantinopel und auf der ersten [Synode] von Ephesus in heiligen Synoden zusammengekommen waren, entfaltet wurde. Nachdem diese Dinge festgelegt und durch die Unterschriften der ganzen Synode bekräftigt worden waren, nachdem Eusebius von Dorylaeum, Theodoret von Kyrrhos und Ibas von Edessa wieder als Bischöfe in ihren eigenen Kirchen eingesetzt worden waren, nachdem die hinausgeworfen worden waren, die an ihrer Stelle der Häretiker Dioskur ersetzt hatte, wurden alle Dinge, die zum Bestand der Kirche gehören, geordnet und empfingen das rechtskräftige Ende.
11 453
Als Opilio und Vincomalus Konsuln waren, empfing Proterius den Vorsitz der Kirche von Alexandria, nachdem Dioskur ins Exil nach Gangra geschickt worden war.
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Zu dieser Zeit starb Attila. Während seine Söhne um dessen Reich kämpften, wurden die Hunnen zerrüttet, und daraufhin wurden sie vermindert.
13 454
Als Aëtius und Studius Konsuln waren, wurde der Patrizier Aëtius durch die Hand des Augustus Valentinian im Palast zuerst geschlagen und dann durch die Schwerter der Umstehenden durch einen grausamen Tod ausgelöscht, und der Präfekt Boethius wurde ebenso getötet.
14 455
Als Valentinian zum 8. Mal Konsul war und als Anthemius Konsul war, wurde der Kaiser Valentinianus in Rom auf dem Marsfeld durch die Täuschungen des Patriziers Maximus und des praepositus Heraclius getötet, und derselbe Maximus nahm aus seinem Konsul- und Patrizieramt die Herrschaft für 77 Tage an sich. Hier erschien daher das Schlechte, das verborgen war. Alsbald nahm er die zurückgelassene Augusta Valentinians, indem er ihr nicht erlaubte, den Tod des Mannes zu betrauern, in der Ehe an sich. Aber auf diese schlechten Dinge folgten noch schlechtere. Indem er die Ankunft von Geiserich, dem König der Vandalen, fürchtete und allen, die es wollten, die Erlaubnis gab, die Stadt zu verlassen, wurde er, bevor er die Flucht, die er beabsichtigte, aufnehmen konnte, getötet und in Einzelteile zerschnitten in den Fluss Tiber geworfen.
500
Victor von Tunnuna, Chronicon
Abschnitt/ Übersetzung2 Jahr1 15
[Als die vorhergenannten Aëtius und Studius Konsuln waren,] Am dritten Tag nachdem Maximus getötet wurde, zog Geiserich, der König der Vandalen, in die römische Stadt ein, und über 14 Tage hinweg beraubte er sie aller Reichtümer, und hierauf nahm er mit sich mit die Töchter und die Frau Valentinians und viele Tausende von Kriegsgefangenen. Dass er jedoch auf Feuer, Folter und Schwert verzichtete, machte die Fürsprache von Papst Leo. Und ebenso nahm am 75. Tag dieser Gefangenschaft Avitus, ein Mann von ganzer Einfachheit, die Herrschaft über Gallien an sich.
16 456
Als Johannes und Varanes Konsuln waren, überwand der Patrizier Rikimer den Avitus, und weil er auf seine Unschuld Rücksicht nahm, machte er ihn zum Bischof für die Stadt Placencia.
17 457
Als Konstantin und Rufus Konsuln waren, starb Kaiser Marcian in Konstantinopel, und für ihn wurde Leo zum Kaiser gemacht.
18
Leo, der 48. Kaiser der Römer, regierte 16 Jahre.
19
Alexandria und Ägypten waren kraftlos durch den Irrtum des Dioskur und empfingen die Beschlüsse der Synode von Chalcedon nicht. Nachdem durch Timotheus mit dem Beinamen Ailurus ein Aufruhr entfacht worden war, tötete eine Schar von Anhängern des Dioskur den Bischof Proterius, den Nachfolger des Dioskur und Wächter der Beschlüsse der Synode von Chalcedon am 6. Tag vor den Kalenden des April, am Freitag der letzten Woche der Fastenzeit, am Tag, an dem unser Retter und Herr von den Juden gekreuzigt wurde. Damals nämlich wurde der Ostersonntag gefeiert am vierten Tag vor den Kalenden des April. Nachdem also Proterius getötet worden war, drang der zuvor genannte Timotheus mit dem Beinamen Ailurus, Widersacher der Synode von Chalcedon, in dessen Bischofsamt und Kirche ein.
20 458
Als Kaiser Leo Konsul war, übernahm Maiorianus die Herrschaft über Rom.
21
Timotheus, unrechtmäßiger Besitzer der Kirche von Alexandria, verfolgte die Verteidiger der Synode von Chalcedon.
22 459
Als Patricius und Rikimer Konsuln waren, wurde Juvenal, der Bischof der Jerusalemer, mit einem Brief von Leo, dem römischen Bischof, gegen den Fehler des Eutyches und des Dioskur bewaffnet.
23 460
Als Magnus und Apollonius Konsuln waren, wurde Bischof Timotheus, der Mörder des Bischofs Proterius, auf Befehl von Prinzeps Leo eilig aus dem Bischofssitz der alexandrinischen Kirche entfernt und im Exil in Cersona festgehalten, und nach 5 Monaten wurde für dieselbe Kirche von Alexandria ein anderer für ihn zum Bischof ordiniert, Timotheus mit dem Beinamen Salafatiarius, Verteidiger der Synode von Chalcedon.
24 461
[Als Konsuln waren] Dagalayfus und Severinus.
Übersetzung
501
Abschnitt/ Übersetzung2 Jahr1 25 462
[Als] zum zweiten Mal Kaiser Leo [und Severus] [Konsuln waren].
26 463
Als der uir clarissimus Vivianus [und Basilius] Konsuln waren, wurde für die Kirche von Karthago nach Capreolus Quodvultdeus und nach Quodvultdeus und Deogratias Eugenius zum Bischof ordiniert.
27
Maiorinus kam in Rom um, und Severus übernahm die Herrschaft an den Nonen des Juli.
28 464
Als Olybrius und Rusticus Konsuln waren, starb Geiserich, der König der Vandalen, im 11. Jahr seiner Regierung nach den Verlusten vieler Provinzen und Erbeutungen und gewaltsamen Toden im christlichen Volk in Africa. Nach ihm regierte Hunerich, sein Sohn, für 7 Jahre und 5 Monate. Diesem Hunerich übergab Geiserich die Tochter des Valentinian, die er aus Rom als Gefangene weggeführt hatte, in die Ehe.
29 465
Als Hermia und Basiliscus Konsuln waren, empfing Alexander das Episkopat der Kirche von Antiochien nach Maximus, der Kirche von Jerusalem stand aber nach Juvenal Anastasius vor.
30 466
Als zum 3. Mal der Augustus Leo Konsul war, verfolgte Hunerich, der König der Vandalen, durch arianische Raserei erregt, die Katholiken in Africa mehr als sein Vater, er nahm die Kirchen der Christen weg und schickte die katholischen Bischöfe ins Exil.
31
Als Puseus und Johannes Konsuln waren, erschien ein Zeichen im Himmel aus einer Wolke wie ein Wurfspeer für 10 Tage.
32
Anthemius übernahm die Herrschaft über Rom.
33 469 [sic]4
Als Leo zum 4. Mal und Anthemius zum zweiten Mal Konsul war, schrieb der Augustus Leo, weil er bewegt war durch die Bitten der Ägypter, dass eine Synode geschehe, die über die Beschlüsse der Synode von Chalcedon ein Urteil bringe, den Vorstehern der Kirchen, jedem einzelnen besonders, um den Glauben der einzelnen zu erfahren; und er empfing übereinstimmende Briefe von den einzelnen, wie aus einer einzigen Beratung, dass das keineswegs geschehen könne, sondern dass die Beschlüsse der Synode von Chalcedon immer mehr in ihrer Ewigkeit Bestand haben würden. Es sind noch die vorhanden, die auf Griechisch „Enzyklia“ genannt werden.
34 469
Als Zeno und Martianus Konsuln waren, übernahm Hilarus das Bischofsamt der römischen Kirche nach Leo.
35 470
Als Johannes und Severus Konsuln waren, machte Kaiser Leo Patricius, den Sohn von Aspar, zum Caesar.
4
Es ist unklar, warum dieses Jahr in der Ausgabe von Cardelle de Hartmann doppelt gezählt wird, bei Placanica ist diese Notiz der Chronik als Jahr 468 gezählt (vgl. Placanica, „Note“, 78–79).
502
Victor von Tunnuna, Chronicon
Abschnitt/ Übersetzung2 Jahr1 36 471
Als Kaiser Leo zum 5. Mal und Probinus Konsuln waren, wurden Aspar und zwei seiner Söhne, der Caesar Patricius und Ardaburius, in Konstantinopel auf den Befehl von Kaiser Leo getötet.
37 473
Als Leo zum 6. Mal und Probinus Konsuln waren, machte Kaiser Leo seinen Enkel Leo, den Sohn seiner Tochter, der Frau des Zeno, zum Caesar, und er regierte 2 Jahre.
38
Für die Kirche von Rom wurde nach Hilarius Simplicius als Bischof ordiniert, und nach Simplicius Felix. Für die Kirche von Konstantinopel folgte Gennadius auf Anatolius in das Bischofsamt, und auf Gennadius Acacius. Für die Kirche von Antiochia wurde nach Alexander Martyrius, und nach Martyrius Julianus als Bischof ordiniert. Für die Kirche von Jerusalem aber war Martyrius nach Anastasius Bischof.
39
Zur Zeit dieser Konsuln kam Olybrius nach Rom, und übernahm, obwohl Anthemius regierte, durch die Partei des Patriziers Rikimer die Herrschaft. Nachdem dieser anerkannt worden war, floh Anthemius und wurde getötet. Und nach einigen Tagen wurde Herculanus, der Sohn des Orestes, zusammen mit seinem Vater getötet, als er die Herrschaft an sich reißen wollte, und Nepos nahm dessen Königsherrschaft an sich.
40 474
Als Leo der Jüngere neuer Augustus und Konsul war, starb der Augustus Leo der Ältere in Konstantinopel.
41
Zeno wurde vom Augustus Leo, seinem Sohn, in Septimus entgegen dem Brauch gekrönt. Zeno, der 49. Kaiser der Römer, regierte 17 Jahre.
42 475
Nach dem Konsulat von Augustus Leo dem Jüngeren, brachte, als Kaiser Zeno suchte, den Augustus Leo, seinen eigenen Sohn, zu töten und zu seiner Herrschaft zu gelangen, seine Frau, die Augusta Ariadne, einen anderen, einen ähnlichen Jungen, an seiner statt zu Tode und scherte denselben Augustus Leo heimlich und machte ihn zum Kleriker einer Kirche von Konstantinopel. Dieser Leo lebte bis zu den Zeiten von Prinzeps Justinian.
43
Während desselben Konsulats ergriff Basiliscus mit seinem Sohn Marcus die Herrschaft in Konstantinopel mit Gewaltherrschaft.
44
Augustus Zeno floh nach Isaurien, wo er geboren worden war, und die Augusta Ariadne folgte ihm unter der Gefahr des Winters auf dem Seeweg.
45
Während dieser Konsuln befahl der Tyrann Basiliscus durch einen Gesetzeserlass, dass die chalcedonensische Synode verurteilt und die zweite ephesinische freigesprochen und angenommen werde.
46
Der Bischof Timotheus mit dem Beinamen Ailurus, der Nachfolger des Proterius und zugleich der Mörder, kehrte aus dem Exil in Cersona zurück und, nachdem der andere Bischof Timotheus mit dem Beinamen Salafatiarius, der Verteidiger der Synode von Chalcedon, geflohen war, drang er wiederum in die alexandrinische Kirche ein.
Übersetzung
503
Abschnitt/ Übersetzung2 Jahr1 47 476
Als der Tyrann Basiliscus und Armatus Konsuln waren, kehrte der Augustus Zeno im 20. Monat, nachdem er sich mit einem Heer vereinigt hatte, von Isaurien nach Konstantinopel zurück und nahm die Herrschaft wieder an sich und schickte Basiliscus mit den Söhnen und der Frau ins Exil nach Sasemis in Kappadokien und beendete daselbst auf elende Weise das Leben.
48
Unterdessen, weil kein Konsul dazukam und der Tyrann Basiliscus vom Konsulat zurücktrat, blieb Armatus im gegenwärtigen Jahr Konsul.
49 477
Nach dem Konsulat des uir clarissimus Armatus starb Timotheus Ailurus, Widersacher der Synode von Chalcedon und Mörder von Bischof Proterius, und der andere Timotheus, mit dem Beinamen Salafatiarius, Verteidiger der Synode von Chalcedon, bekam wieder den Vorsitz über die alexandrinische Kirche. Für die Kirche von Jerusalem folgte nun auf Martyrius Salustius als Bischof. Für die von Antiochien aber wurde Petrus mit dem Beinamen Fullo nach Julianus, der auf Martyrius gefolgt war, zum Bischof ordiniert.
50 479
Als Zeno Augustus und Konsul war, nahm Hunerich, der König der Vandalen, eine Verfolgung in ganz Africa mit Eifer auf über die Maßen, und er verbannte nach Tubunae, Macri und Nippis und in andere Teile der Wüste die Katholiken, aber nicht nur die Bischöfe und die Kleriker jeglicher Ordnung, sondern auch Mönche und Laien, ungefähr 4.000, mit sehr harten Exilen, und er machte Bekenner und Märtyrer, und er schnitt Bekennern die Zungen ab. Von diesen Bekennern bezeugt die Königsstadt, wo ihre Körper liegen, dass sie, obwohl die Zungen abgeschnitten worden waren, bis zum Ende vollkommen sprachen. Damals wurde Laetus, der Bischof der Stadt Nepte, ruhmreich zum Märtyrer gekrönt am 8. Tag vor den Kalenden des Oktober, und Eugenius, der Bischof der Kirche von Karthago, galt als berühmt nach den schrecklichen Exilen der Wüste mit vielen Leiden und Strafen.
51
Dieser Hunerich beendete daher während der unzähligen Gemetzel seiner Gottlosigkeiten, die er unter den Katholiken anrichtete, im 8. Jahr seiner Regierung, nachdem alle Eingeweide herausgeströmt waren, wie sein Vater Arius unglücklich das Leben.
52
Ihm folgte Gunthamund, er regierte 12 Jahre; dieser rief alsbald die Unsrigen aus dem Exil zurück.
504
Victor von Tunnuna, Chronicon
Abschnitt/ Übersetzung2 Jahr1 53 480
Nach dem 3. Konsulat von Zeno starb Timotheus mit dem Beinamen Salafa tiarius, Verteidiger der Synode von Chalcedon, und für ihn wurde für die alexandrinische Kirche Johannes Tabennesiota, Presbyter und Verwalter, Verteidiger der Synode von Chalcedon, zum Bischof ordiniert. Den warf Petrus, der zu Lebzeiten von Timotheus Salafatiarius von den Häretikern zum Bischof ordiniert worden war, auf Befehl des Prinzeps Zeno hinaus, und er drang in die alexandrinische Kirche ein. Der [= Petrus Mongus] verurteilte sofort unter der Gunst des Prinzeps Zeno vom Ambo öffentlich die chalcedonensische Synode, er tilgte die Namen von Proterius und Salafatiarius aus den kirchlichen Dyptichen und schrieb die von Dioskur und Timotheus Ailurus, der Proterius getötet hatte, ein, und er warf den Leichnam des zuvor genannten Timotheus Salafatiarius aus der Kirche hinaus und warf ihn weg an einen verlassenen Ort außerhalb der Stadt.
54 482
Als der uir clarissimus Tricundius Konsul war, war Kaiser Zeno eingelullt durch den Zaubertrank des eutychianischen Fehlers, und er vereinigte Bischof Acacius von Konstantinopel mit den Verurteilern der Synode von Chalcedon, den Bischöfen Petrus von Alexandria und Petrus von Antiochien, durch das Henotikon, das von ihm selbst herausgegeben wurde, und er wurde durch ihre Gemeinschaft verunreinigt und entfernte sich mit ihnen vom katholischen Glauben.
55 483
Nach dem Konsulat des uir clarissimus Tricundius nahm der Tyrann Leontius die Herrschaft in Isaurien mit Gewalt, durch die Partei des Patriziers Illus, an sich.
56 484
Als der uir clarissimus Theodoret Konsul war, schrieb Felix, der Vorsteher der römischen Kirche, den Mönchen und Klerikern, die sich im Osten, Ägypten und Bithynien aufhielten, dass sie Petrus, den alexandrinischen Bischof, Widersacher der Synode von Chalcedon, und die mit ihm in Gemeinschaft Stehenden wie Häretiker meiden sollten.
57 485
Nach dem Konsulat des uir clarissimus Theodoret sagten sich die östlichen Bischöfe bis auf wenige, mittels des Henotikon von Zeno durch die Gemeinschaft und die Übereinstimmung der Bischöfe Petrus von Alexandria, Petrus von Antiochien und Acacius von Konstantinopel beschmutzt, von der chalce donensischen Synode los.
58 486
Als der uir clarissimus Longinus Konsul war, wurde Acacius, der Bischof von Konstantinopel, durch einen Brief von Felix, dem Vorsitzenden der römischen Kirche, ermahnt, sich der Gemeinschaft und der Verbindung mit den Verurteilern der Synode von Chalcedon zu enthalten. Daraufhin übergab er dessen Gesandte in Haft.
Übersetzung
505
Abschnitt/ Übersetzung2 Jahr1 59 487
Nach dem Konsulat des uir clarissimus Longinus wurden die Bischöfe Acacius von Konstantinopel, Petrus von Alexandria und Petrus von Antiochien, Feinde der Synode von Chalcedon, von Felix, dem Vorsitzenden der römischen Kirche, und einer Synode, die in Italien abgehalten worden war, verurteilt, und dieselbe Verurteilung wurde über Acacius von den Mönchen der Klöster von Aquemetensis, Basianus und Dius durch nach Konstantinopel geschickte Gesandte verhängt.
60 488
Nach dem 2. Konsulat des uir clarissimus Longinus wurde der Körper des heiligen Apostels Barnabas in Zypern gefunden, und das Evangelium nach Matthäus, das von seiner Hand geschrieben wurde, als eben der es dort offenbarte.
61
Der Tyrann Leontius und der Patrizier Illus starben, gefangen, durch einen überaus hässlichen Tod durch den Verrat des Kastells.
62
Petrus, der Bischof von Antiochien starb unter Verurteilung, und an dessen Stelle wurde Stephanus ordiniert. Diesen tötete Acacius von Konstantinopel durch seine Helfershelfer und ordinierte an seiner Stelle Calandio. Die östlichen Bischöfe jedoch, als ob sie es nicht wüssten, weihten Johannes mit dem Beinamen Codonatus zum Bischof für dieselbe antiochenische Kirche. Diesem folgte der Häretiker Petrus.
63 489
Als der uir clarissimus Eusebius Konsul war, starb Acacius, der konstantinopolitanische Bischof, unter Verurteilung, und für ihn wurde Flavitas als Bischof ordiniert, dem, nachdem er im dritten Monat seiner Erhebung gestorben war, Euphemius, Wächter der Beschlüsse der Synode von Chalcedon, in das Bischofsamt folgte.
64 490
Nach dem Konsulat des uir clarissimus Longinus starb Petrus, der unrechtmä ßige Besitzer der alexandrinischen Kirche, unter Verurteilung. Sein Bischofsamt zusammen mit seinem Fehler übernahm Athanasius.
65
Calandio, der Bischof von Antiochien, nahm die Überreste seines Vorgängers Eustachius, des Bischofs und Bekenners aus Philippopolis in Mazedonien, an sich und führte sie mit höchster Ehre nach Antiochien.
66
Zu dieser Zeit heilte der Eremit Annianus beim Fluss Euphrat durch Gebet Gichtkranke, Auxentius schlug Dämonen in die Flucht, Daniel und Anastasius, Vindimiolus, Mannasse, Severus und einige andere an verschiedenen Wüsten orten wurden durch verschiedene Tugenden und durch Vorauswissen berühmt.
506
Victor von Tunnuna, Chronicon
Abschnitt/ Übersetzung2 Jahr1 67 491
Als der uir clarissimus Olybrius Konsul war, starb der Kaiser Zeno in Konstantinopel im 42. Jahr seines Lebens. Die Augusta Ariadne, Zenos Witwe, bestimmte Anastasius von den illyrischen Silentiariern, der einen Vater aus Dyrrachium und eine arianische Mutter hatte, zum Kaiser. Weil jedoch fern der Heimat der Glaube, ja vielmehr der Unglaube des Anastasius schon bekannt war, wurde er gezwungen, indem Euphemius, der Bischof von Konstantinopel, darauf beharrte, schriftlich zu versprechen, nichts Böses gegen den apostolischen Glauben und die Synode von Chalcedon zu unternehmen. Der Bischof Euphemius empfing das eigenhändig geschriebene Schriftstück und legte es im Archiv der Kirche ab.
68
Anastasius, der 50. Kaiser der Römer, regierte 27 Jahre. Als er die Herrschaft an sich nahm, nahm er sein eigenhändig geschriebenes Schriftstück vom Bischof Euphemius mit Gewalt wieder an sich und wütete erbarmungslos gegen die Bischöfe, die Verteidiger der Synode von Chalcedon waren. Inzwischen – nachdem der Bischof Petrus von Antiochien gestorben war, der, obwohl Calandio, Verteidiger der Synode von Chalcedon, noch lebte, von den Häretikern zu den Zeiten des Prinzeps Zeno ordiniert worden war – änderte er seine Gesinnung zum Schlechteren, so dass Calandio gewiss von den schlechten Dingen zu den noch Schlechteren geführt wurde, und für ihn wurde Palladius ordiniert.
69 492
Als Anastasius und Rufus Konsuln waren, folgte für die römische Kirche Gelasius auf Felix, und auf Gelasius Anastasius. Der alexandrinischen Kirche aber stand der Häretiker Athanasius vor, für die antiochenische Kirche wurde sogar Palladius, obwohl Calandio noch lebte, [zum Bischof] gemacht, und für die Kirche von Jerusalem Salustius.
70
Euphemius, der Bischof von Konstantinopel, versammelte, weil er die Verschlagenheit des Kaisers Anastasius vorausgesehen hatte, eine Synode, und sie bestätigte die Beschlüsse von Chalcedon.
71 494
Als Asterius und Praesidius Konsuln waren, kam Johannes, der alexandrinische Bischof, von der römischen Kirche und bat den Kaiser Anastasius flehentlich, dass er ihm seinen Thron für die alte Freundschaft wiedergebe. Aber dies erreichte er nicht infolge der Verteidigung der chalcedonensischen Synode; er kehrte heimlich nach Rom zurück, woher er gekommen war.
72 495
Als der uir clarissimus Viator Konsul war, entzündete sich der isaurische Krieg. Die Tyrannen Athenodorus und Longinus wurden getötet.
73
Nachdem Athanasius von Alexandria gestorben war, folgte Johannes mit dem Beinamen Mula nach. Als er starb, folgte ihm nach wenigen Tagen ein anderer Johannes mit dem Beinamen Niceta als Bischof nach.
74 496
Als der uir clarissimus Paulus Konsul war, bestätigte der Kaiser Anastasius, indem er eine Synode von Häretikern machte, das Henotikon Zenos und setzte Euphemius, den Bischof von Konstantinopel, Verteidiger der Synode von Chalcedon, ab. Er schickte ihn nach Euchaita ins Exil, für ihn machte er Macedonius [zum Bischof].
Übersetzung
507
Abschnitt/ Übersetzung2 Jahr1 75 497
Als Augustus Anastasius zum 2. Mal Konsul war, verurteilte Macedonius, der konstantinopolitanische Bischof, nachdem eine Synode abgehalten worden war, die, die die Beschlüsse der Synode von Chalcedon annahmen und die, die [die Dinge von] Nestorius und Eutyches verteidigten.
76
Nachdem Anastasius, der römische Bischof, gestorben war, folgte Symmachus, und von der anderen Seite wurde Laurentius ordiniert, der, weil er nicht zufrieden sein wollte als Bischof der Stadt Nuceria, von einer bischöflichen Versammlung fortgejagt wurde, nachdem eine Synode in Rom abgehalten worden war.
77
Palladius von Antiochien starb, und für ihn wurde Flavian als Bischof ordiniert, der alexandrinischen Kirche saß noch Johannes mit dem Beinamen Niceta vor. In Jerusalem aber nahm nach Sallustius Elias den Vorsitz an.
78
Nachdem Gunthamund, der König der Vandalen, in Karthago gestorben war, regierte Thrasamund für 27 Jahre und 4 Monate, und dieser verfolgte die Katholiken voll von arianischer Tollheit, er schloss die Kirchen der Katholiken und schickte 120 Bischöfe aus der ganzen afrikanischen Kirche ins Exil nach Sardinien.
79
Zu dieser Zeit glänzte Fulgentius, Bischof der Stadt Ruspe, in unserer Lehre.
80 498
Als Johannes Scita und Paulus Konsuln waren, war Olimpius, ein gewisser Arianer, in den Bädern, die Elenianae bei der Königsstadt genannt, und weil er der heiligen und konsubstantialen Trinität lästerte, beendete er, als er im Wasserbecken mit kaltem Wasser übergossen war, durch drei feurige Pfeile, unter der unsichtbaren Mitwirkung eines Engels, sein Leben unfromm und gleichzeitig ungeheuerlich.
81 499
Als der uir clarissimus Gibbus Konsul war, versammelte Kaiser Anastasius unter dem Vorsitz von Flavian von Antiochien und Philoxenus von Hierapolis eine Synode in Konstantinopel und überredete [sie], Diodorus von Tarsus, Theodor von Mopsuestia mit seinen Schriften, Theodoret von Kyrrhos, Ibas von Edessa, Andreas, Eutherius, Quirus und Johannes, und einigen anderen Bischöfen, die predigten, dass in Christus zwei Naturen und zwei Formen seien und die nicht bekennen wollten, dass einer von der Trinität gekreuzigt wurde, zugleich mit Leo, dem Bischof von Rom, und seinem Tomus und mit der chalcedonensischen Synode, das Anathema zuzufügen.
82 500
Als Patricius und Hypatius Konsuln waren, verschwand, während Barbas, ein gewisser Bischof des arianischen Fehlers, es wagte, gegen die Regel über den zu Taufenden zu sagen „Barbas tauft dich im Namen des Vaters durch den Sohn im Heiligen Geist“, sofort das Wasser, aus dem er im Begriff war, den Menschen zu taufen; das Gefäß selbst aber, in dem das Wasser war, wurde zerbrochen. Als dies der Täufling in Augenschein nahm, lief er sofort zur katholischen [Kirche] und empfing die Taufe regelkonform.
508
Victor von Tunnuna, Chronicon
Abschnitt/ Übersetzung2 Jahr1 83 501
Als Abienus und Pompeius Konsuln war, raubte Kaiser Anastasius aus der Kirche Macedonius, den Bischof von Konstantinopel mit gewissen Klerikern, weil er die Beschlüsse der Synode von Chalcedon nicht verdammen wollte, und er schickte [sie] ins Exil und machte für ihn den Presbyter Timotheus zum Bischof, der sogleich die Verurteiler von Chalcedon in Gemeinschaft empfing.
84 502
Als Abienus der Jüngere Konsul war, geschah ein gewaltiges Erdbeben, mit Blitzen und großen Donnern und Hagel, und mit einer Bewegung des ganzen Himmels und der Erde.
85 504
Als der uir clarissimus Cethegus Konsul war, verließ Bischof Flavian von Antiochien mit später Reue Kaiser Anastasius und zog sich zurück auf seinen Besitz mit dem Namen Platanus, nachdem er seinen Thron verlassen hatte. An dessen Stelle ließ Kaiser Anastasius Severus, einen Feind der Synode von Chalcedon, wählen. Er bereitete der Kirche des Ostens große Ärgernisse.
86 505
Als der uir clarissimus Theodor Konsul war, starb Bischof Eugenius von Karthago als Bekenner. Die Bischöfe Julianus Bostrenus und Johannes Paltensis zogen sich von ihren eigenen Kirchen aus freien Stücken zurück, und andere wurden für sie gewählt.
87 506
Als der uir clarissimus Messala Konsul war, wurden in Konstantinopel auf Befehl des Kaisers Anastasius die heiligen Evangelien getadelt, als ob sie von den Evangelisten als Ungebildeten verfasst worden seien, und sie wurden berichtigt.
88 507
Als Venantius und Celer Konsuln waren, besetzten unreine Geister die alexan drinische Bevölkerung und zugleich alle von ganz Ägypten, die Kleinen und die Großen, die Freien und die Sklaven, die Kleriker und die Mönche, außer den Fremden, und sie fingen an, weil sie der menschlichen Sprache beraubt waren, Tag und Nacht wie Hunde zu bellen, so, dass sie, gefesselt mit eisernen Ketten, danach zu den Kirchen gebracht wurden, um gesund zu werden. Sie aßen nämlich alle ihre Hände gleichwie auch ebenso die Arme. Als dies geschah, erschien manchen aus dem Volk ein Engel in der Gestalt eines Mannes und sagte, dies sei ihnen dafür geschehen, weil sie die Synode von Chalcedon anathematisiert hätten, und er drohte hierauf, dass sie so etwas nicht wieder wagen sollten.
89 508
Als der uir clarissimus Venantius der Jüngere Konsul war, nahm Caudes, der König der Perser, das Kastell Zundaber, das von Beginn seiner Erschaffung voll mit vielen Schätzen war und Legionen von Dämonen überlassen und geschützt durch Bewachung war, wo keiner jemals eintreten konnte, durch Gebete der christlichen Bischöfe ein, und, als er es betrat, trug er alle Schätze aus ihm weg.
90 509
Als der uir clarissimus Inportunus der Jüngere Konsul war, wurde Elias, der Bischof von Jerusalem, ein Verteidiger der Synode von Chalcedon, ins Exil in das Kastell von Parasenensis geschickt, weil er Severus von Antiochien, den Feind des apostolischen Glaubens, nicht in Gemeinschaft empfangen wollte, obwohl Kaiser Anastasius es befahl, und für ihn wurde Johannes, der Wächter des Kreuzes, als Bischof ordiniert, der sofort sowohl Severus von Antiochien in Gemeinschaft empfing als auch die chalcedonensische Synode verdammte.
Übersetzung
509
Abschnitt/ Übersetzung2 Jahr1 91 510
Als der uir clarissimus Boetius Konsul war, erkannte der comes Vitalian, der Sohn des Patriciolus, den Umsturz des katholischen Glaubens und die Verurteilung der Synode von Chalcedon und die Beseitigungen der rechtgläubigen Bischöfe und die Nachfolgen der Häretiker, und er versammelte eine kräftige Schar starker Männer, und er lehnte sich gegen die Herrschaft des Anastasius auf.
92 511
Als der uir clarissimus Felix Konsul war, fing der comes Vitalian Hypatius, den Enkel des Prinzeps Anastasius, den römischen magister militiae, nachdem ein Angriff gemacht worden war und 65.000 Männer aus dem römischen Heer getötet worden waren, lebend, und in bronzene Ketten gefesselt warf er ihn in die Haft eines eisernen Käfigs und verkaufte ihn gegen Lösegeld.
93 512
Als Paulus und Muschianus Konsuln waren, wurde Alamundarus, der König der Sarrazenen, getauft von den Verteidigern von Chalcedon, und er engte mit barbarischer Darlegung wundersam die theopaschitischen Bischöfe, die von Bischof Severus von Antiochien mit einem Brief zu ihm geschickt worden waren, ein und überwand sie, und er offenbarte den unsterblichen Gott.
94 513
Als der uir clarissimus Probus Konsul war, bestiegen auf Befehl der Kaisers Anastasius Plato, der Präfekt der Stadt, und Marinus den Ambo der Kirche des Heiligen Theodor und zu der Hymne, die die Griechen „Trisagion“ nennen, fügten sie neu hinzu: „o staurotis di emas“ [„er wurde für uns gekreuzigt“]. Während sie, dies psalmierend, durch das konstantinische Forum zur größeren Kirche vordrangen, ließen die Wolken plötzlich Asche über sie statt Regen, und sie bedeckten die ganze Stadt und Provinz. Für diese Neuerung wiederfuhren Konstantinopel viele schlechte Dinge, und viele kamen auf schlimme Weise um. Die gegen Kaiser Anastasius vereinten Scharen der Grünen und zugleich auch der Blauen nämlich legten unter tausend Gewalttätigkeiten und schlechten Dingen ein Feuer in der Stadt, und die Stadt wurde verbrannt von dem ab, was man „apo tis calcis“ [„von der Bronzestatue“] nennt, bis zum konstantinischen Forum über die Länge einer Straße von 94 Säulen.
95 514
Als der uir clarissimus Senator Konsul war, kam der comes Vitalian nach Konstantinopel mit einer starken Schar von Barbaren und ließ sich in Sostenis nieder. Er versprach Kaiser Anastasius Frieden, wobei er forderte, dass dies nur sein könnte, wenn er vorher den Verteidigern der Synode von Chalcedon, die ins Exil geschickt wurden, ihre eigenen Bischofssitze zurückgebe und alle Kirchen des Ostens mit der römischen Kirche vereine.
96 515
Als der uir clarissimus Florentius Konsul war, suchten die Hunnen auf entsetzliche Weise Armenien, Kappadokien, Galatien und Pontus heim.
97
Zu dieser Zeit gingen aus diesem Leben hinüber Euphemius, der Bischof von Konstantinopel, bei Ankyra in Galatien und die Augusta Ariadne in der Königsstadt.
98 516
Als der uir clarissimus Petrus Konsul war, schrieben sämtliche Archimandriten und Wüstenmönche jenseits von Palästina und des Flusses Jordan an Kaiser Anastasius für den Bestand der chalcedonensischen Synode und gegen die Unfrömmigkeiten des Bischofs Severus von Antiochien.
510
Victor von Tunnuna, Chronicon
Abschnitt/ Übersetzung2 Jahr1 99 517
Als der uir clarissimus Agapitus Konsul war, starb Bischof Johannes von Alexandria und für ihn wurde Dioskur ordiniert. Timotheus, der Bischof von Konstantinopel, Widersacher der Synode von Chalcedon, starb am 5. April, und er übergab seinem eigenen Synkellos und Presbyter Johannes Kappadokes das Bischofsamt. Diesen zwang Anastasius vor seiner Ordination, die Synode von Chalcedon schon im Voraus zu verdammen.
100 518
Als Agapitus zum zweiten Mal und als Magnus Konsuln waren, wurde Kaiser Anastasius durch die Angst vor dem Donnern innerhalb seines Palastes in die Flucht getrieben und durch einen Blitzschlag niedergeworfen, und er starb in dem Zimmer, in dem er versteckt war, und er wurde mit Schande und ohne die gewöhnlichen Exequien zum Grab geführt im 88. Jahr seines Lebens.
101
Justin, der 51. Kaiser der Römer, regierte 8 Jahre und 9 Monate; er war aus Illyrien, katholisch, Liebhaber und zugleich Verteidiger der Synode von Chalcedon. Seine Frau wurde mit Namen Lupicina genannt, die die Konstantinopolitaner später Euphemia riefen. Er hatte einen Neffen mit dem Namen Justinian, der den Kriegsdienst eines candidatus verrichtete.
102 519
Als der Augustus Justin und Heraclius Konsuln waren, erregte der praepositus Amantius Meutereien im Volk und wurde als ein anderer Kaiser gefordert. Er wurde auf Befehl von Prinzeps Justin zusammen mit dem Kammerdiener Andreas getötet und in die Strömung [des Bosporus] geworfen.
103 520
Als der uir clarissimus Rustitio Konsul war, wurde Johannes, der vor Justin zur Amtsgewalt gewählt worden war, zum Bischof von Heraklia in Thrakien ordiniert, und Justinian, der Neffe von Augustus Justin, wurde bestellt aus dem Rang eines candidatus als ordentlicher magister militum.
104 521
Als Valerius und Justinian Konsuln waren, folgte in der Kirche von Alexandria, nachdem der Bischof Dioskur gestorben war, Timotheus; in der Kirche von Antiochien aber war Severus der Prinzeps der Häresie, und in der Kirche von Jerusalem Johannes. Kaiser Justin vereinigte die östlichen, die wegen den verkehrten Bischöfen, Acacius, einst von Konstantinopel, Petrus von Alexandria und Petrus von Antiochien, im früheren Fehler verwickelt waren, mit den westlichen Bischöfen unter würdiger Genugtuung, und er machte die Dekrete der Synode von Chalcedon wieder lebendig, die man in den Zeiten der Prinzipes Zeno und Anastasius verworfen hatte.
105 522
Als Symmachus und Boetius Konsuln waren, kehrte Vitalian, nachdem ein Treueeid aufgenommen worden war, nach Konstantinopel zurück. Augustus Justin empfing ihn dankbar und machte ihn zum magister militum und erlaubte, dass ihm das Konsulat gegeben werde.
Übersetzung
511
Abschnitt/ Übersetzung2 Jahr1 106 523
Als der uir clarissimus Maximus Konsul war, starb Thrasamund, König der Vandalen, in Karthago. Seine Frau Amalafrida floh zu den Barbaren, aber nachdem es einen Kampf gegeben hatte, wurde sie in der Nähe der Wüste von Capsa gefangen und starb in Privathaft. Hilderich, der von der Tochter des Kaisers Valentinian, die von Geiserich gefangen und mit Hunerich verheiratet worden war, geboren wurde, regierte 7 Jahre und drei Monate. Dieser – gefesselt nämlich durch den Treueeid von seinem Vorgänger Thrasamund, dass er den Katholiken in seinem Reich weder die Kirchen öffne noch die Privilegien wiederherstelle – befahl, bevor er regierte, damit er nicht die Grenzen des Treueeids überschreite, sowohl, dass die katholischen Bischöfe aus dem Exil zurückkehren sollten, als auch, dass sie die Kirchen wieder öffnen sollten, und er weihte Bonifatius, der tüchtig genug in den göttlichen Lehren war, in Bezug auf die Forderung der ganzen Stadt zum Bischof der Kirche von Karthago.
107
Man sagt, dass Vitalian in Konstantinopel im Palast an einem Ort, den sie mit einem griechischen Wort „Delfacam“ nennen, von der Partei des Patriziers Justinian getötet wurde.
108 524
Als Kaiser Justin zum 2. Mal und Apion Konsuln waren, folgte in der römischen Kirche Hormisdas, nachdem Symmachus gestorben war, im Bischofsamt. Der alexandrinischen Kirche stand noch Timotheus vor. In der antiochenischen Kirche floh Severus, Widersacher der Synode von Chalcedon, als er von Kaiser Justin gesucht wurde zu Strafen, und an seine Stelle wurde Paulus gesetzt. Der Kirche Jerusalems stand Johannes vor. In der konstantinopolitanischen Kirche aber folgte Epiphanius auf Johannes.
109 525
Nach dem 2. Konsulat von Justin und von Apion machte der Augustus Justin seinen Neffen Justinian auf Drängen der Senatoren unwillig zum Caesar.
110 527
Als Mabortius Konsul war, starb der Kaiser Justin.
111
Justinian, der 52. Kaiser der Römer, regierte 39 Jahre und 7 Monate. Er hatte eine Frau namens Theodora.
112 528
Als der Augustus Justinian Konsul war, begannen die östlichen Kirchen auf Befehl desselben Prinzeps, die vier heiligen Synoden, die nizänische, die von Konstantinopel, die erste von Ephesus und die chalcedonensische und auch den Glauben der heiligen 150 Väter während der Messe öffentlich vortragen zu lassen.
113 529
Als der uir clarissimus Decius Konsul war, erlegte die Partei der Augusta Theodora allen durch ein allgemeines Gesetz auf, dass einer aus der Trinität gelitten habe, indem sie nicht vertrat, dies sei gemäß etwas, sondern es sei absolut aufzunehmen, und sie verlangte mit Gewalt die Unterschriften der Kleriker und Mönche. Daher entfernten sich viele von der Kirche, und die Mönche zogen sich in ihre eigenen Klöster zurück, und sie vertraten, dass der Glaube derer, die in den vorher genannten heiligen vier Synoden zusammengekommen waren, ihnen genug sei.
512
Victor von Tunnuna, Chronicon
Abschnitt/ Übersetzung2 Jahr1 114 530
Als Lampadius und Orestes Konsuln waren, nahm Hypatius, der Enkel von Prinzeps Anastasius, eine Gewaltherrschaft in Konstantinopel auf; nachdem viele Tausend Menschen im Zirkusschauspiel durch das kriegerische Schwert gefallen waren, wurde er gefangen und in der Nacht mit Pompeius getötet und in die Strömung geworfen.
115 531
Nach dem 2. Konsulat von Lampadus und Orestes übernahm Gelimer in Africa die Königsherrschaft mit Gewalt. Er zog in Karthago ein und beraubte Hilderich der Königsherrschaft und gab ihn mit seinen Söhnen in Haft, und er tötete den Hasdingen Hoamer und viele aus dem Adel.
116 532
Nach dem Konsulat von Lampadius und Orestes, im 3. Jahr, wurde Belisar, der römische magister militiae, in zwei Schlachten besiegt und überwand wundersam die dritte persische Schlacht.
117 533
Als der Augustus Justinian zum 3. Mal Konsul war, löschte der Tyrann Gelimer viele aus dem Adel der afrikanischen Provinz grausam aus und nahm durch Bonifatius das Vermögen vieler weg.
118 534
Als der Augustus Justinian zum 4. Mal Konsul war, schickte Kaiser Justinian aufgrund einer Heimsuchung des Bischofs Laetus, der von Hunerich, dem König der Vandalen, zum Märtyrer gemacht worden war, ein Heer nach Africa gegen die Vandalen mit dem magister militum Belisar als dux. Derselbe Belisar überwand sie im Kampf, er tötete die Hasdingen Gunthimer und Gebamundus, die Brüder des Königs, und nachdem der König Gelimer selbst in die Flucht getrieben worden war, nahm er Africa ein im 97. Jahr des Einfalls der Vandalen. Beim Einfall Belisars selbst zudem, bevor das Aufeinandertreffen geschah, tötete der Tyrann Gelimer den König Hilderich mit einigen Verwandten seines Geschlechts. Der magister militum und Patrizier Belisar fing den Tyrannen Gelimer und führte ihn mit den aus Raubzügen in Africa zusammengerafften Reichtümern nach Konstantinopel zu Kaiser Justinian.
119 535
Als Belisar zum zweiten Mal Konsul war, empfing Reparatus das Bischofsamt der Kirche von Karthago nach Bonifatius; für den Vorsitz der Kirche von Jerusalem aber folgte Petrus, nachdem Johannes gestorben war.
120 536
Im 2. Jahr nach dem Konsulat von Belisar veröffentlichte Kaiser Justinian Bücher „Über die Inkarnation des Herrn“ und zwang die Bischöfe von Illyrien zu unterschreiben.
121 537
Im 3. Jahr nach dem Konsulat des uir clarissimus Belisar, nachdem Epiphanius, Bischof der Kirche von Konstantinopel, gestorben war, der auf Johannes gefolgt war, drang Anthimus, Bischof von Trapezunt und Anhänger des Eutyches, durch die Partei der Augusta Theodora in die Kirche von Konstantinopel ein.
122 538
Als der uir clarissimus Johannes Konsul war, wurde für die römische Kirche nach Hormisdas Johannes, nach Johannes Felix, nach Felix Bonifatius, nach Bonifatius ein anderer Johannes, und nach Johannes Agapitus zum Bischof ordiniert.
Übersetzung
513
Abschnitt/ Übersetzung2 Jahr1 123
Für die alexandrinische Kirche wurden, nachdem Timotheus gestorben war, der Dioskur dem Jüngeren gefolgt war, durch die Wahl des fehlgeleiteten Volkes an einem Tag zwei Bischöfe ordiniert, Theodosius nämlich und Gaianus. Nachdem diese ordiniert worden waren, war Alexandria aufgeteilt in zwei einzelne Feinde Christi. Von Theodosius nämlich die, die Theodosianer und von Gaianus die, die Gaianiten genannt werden wollten, gleichwohl sie auf gleiche Weise die chalcedonenesische Synode nicht annahmen und die Fehler des Eutyches und des Dioskur zu ihren eigenen machten.
124 539
Als der uir clarissimus Apion Konsul war, wurden die Bischöfe Severus von Antiochien, der Prinzeps der Häresie, nach dem die Severianer benannt sind, und Julian von Halicarnassus, Bekämpfer des apostolischen Glaubens und der Synode von Chalcedon, ins Exil nach Alexandria geschickt auf Befehl von Prinzeps Justinian. Dort schrieben sie gegen die Anhänger der Synode von Chalcedon und sagten, dass aus zwei in Christus eine Natur sei, die früher Severus als verdorben und Julian als unverdorben behauptete. Alexandria, Ägypten und Libyen wurden geteilt in beide Feinde Christi. Die Theodosianer nämlich folgten Severus, und die Gaianiten Julian, aber von den Theodosianern gingen zwei weitere Häresien aus, eine die der Agnoeten, und die andere die der Tritheiten. Die Agnoeten nämlich fügten der Verkehrtheit, aus der sie kamen, das hinzu, dass die Göttlichkeit Christi nicht kenne die zukünftigen Dinge, die geschrieben sind über den jüngsten Tag und die jüngste Stunde. Die Tritheiten aber behaupten, dass, wie es drei Personen in der Trinität seien, so seien es auch drei Götter, entgegen dem, was geschrieben steht: „Höre Israel, der Herr dein Gott ist ein einziger Gott“, und wiederum „Es ist kein Gott außer der eine“ und „Ich bin Gott und es ist kein anderer außer mir“.
125 540
Als der uir clarissimus Justin Konsul war, kam Agapitus, der römische Erzbischof, nach Konstantinopel und setzte Anthimus, den Verderber der konstantinopolitanischen Kirche, Feind der Synode von Chalcedon, ab, und er entzog Kaiserin Theodora, dessen Beschützerin, die Gemeinschaft, und er machte sogleich Menas zum Bischof der konstantinopolitanischen Kirche.
126
Die alexandrinischen Bischöfe Theodosius und Gaianus wurden, verurteilt zusammen mit ihrem Fehler, ins Exil gebracht. Aber Theodosius, verbannt nach Sucas, besudelte fast den ganzen Palast und den größten Teil der Königsstadt mit seinem Unglauben. Diese Gelegenheit schenkte fast allen Häresien die Freiheit, so dass nicht nur die Theodosianer, sondern auch die Gaianiten Klöster und Bethäuser bei der Königsstadt erbauten. Der vorher genannte Häretiker Theodosius lebte nämlich bis zum ersten Konsulat von Augustus Justin dem Jüngeren.
127
In diesem Jahr, während Paulus, der antiochenische Bischof, noch lebte, wurde Eufrasius nachgewählt.
514
Victor von Tunnuna, Chronicon
Abschnitt/ Übersetzung2 Jahr1 128 541
Als der uir clarissimus Basilius Konsul war, wurde Silverius, nachdem Agapitus, der Erzbischof von Rom, in Konstantinopel gestorben war, für ihn als Bischof ordiniert; für die alexandrinische Kirche aber wurde, nachdem Theodosius und Gaianus verbannt worden waren, für sie Paulus Prestor von den Mönchen von Tabennisis von den Verteidigern der Synode von Chalcedon als Bischof ordiniert. Dieser, weil er das Totengedächtnis seines Vorgängers, des häretischen Dioskur, feierte, wurde von einem palästinischen Konzil abgesetzt, und für ihn wurde Zoilus als Bischof ordiniert.
129
In dem zuvor genannten Konsulat übernahm Stotzas die Königsherrschaft in Africa in den Wüstengegenden mit Gewalt.
130
Im 2. Jahr nach dem Konsulat des uir clarissimus Basilius wurde durch die Partei der Augusta Theodora, die nie gelassen hatte, eine verborgene Feindin der Synode von Chalcedon zu sein, seit sie anfing, zu regieren, ein Hinterhalt von Proskriptionen vorbereitet. Silverius, der römische Bischof, wurde ins Exil geschickt und für ihn wurde Vigilius ordiniert. Von dem lockte die genannte Kaiserin Theodora, bevor er ordiniert wurde, durch ein heimliches eigenhändiges Schreiben hervor, dass er, zum Papst gemacht, in einer Proskription der Synode von Chalcedon die Drei Kapitel verurteilen würde, das heißt: den Brief des Ibas, Bischof von Edessa, an den Perser Mari, der durch das Urteil der Synode von Chalcedon gebilligt und als orthodox beurteilt und den Akten der Synode beigefügt wurde; dann Theodor, Bischof von Mopsuestia, gleichsam synodal gelobt von den Akten in Antiochien unter dem Bischof derselben Kirche, Johannes, und in Chalcedon; und die Äußerungen Theodorets, des Bischofs von Khyrros, zusammen gelobt mit demselben Theodoret durch die Stimmen der Synode von Chalcedon. Dieser Vigilius wurde daher, als er Papst gemacht wurde, von der Patrizierin Antonina, der Frau des Patriziers Belisar, gezwungen, dass er an Theodosius von Alexandria, an Anthimus von Konstantinopel und an Severus von Antiochien, die schon zuvor vom apostolischen Stuhl verurteilt worden waren, gleichwie an Katholiken schreibe, und so über den Glauben die gleiche Meinung habe wie auch jene. Der Inhalt dieses seines Briefes zeigt sich folgendermaßen: „Bischof Vigilius an die Herren und die in der Liebe Christi, unseres Gottes und Retters, verbundenen Brüder, die Bischöfe Theodosius, Anthimus und Severus. Ich weiß ja, dass zu Eurer Heiligkeit vorher das Bekenntnis5 meines Glaubens durch den helfenden Gott gekommen ist, aber weil eben die ruhmreiche Herrin und meine Tochter, die überaus christliche Patrizierin Antonina gemacht hat, dass mein Verlangen angefüllt werde, dass ich die vorliegende Schrift Eurer Brüderlichkeit zusende, grüße ich also in der Gnade, durch die wir in unserem Gott, in Christus, dem Herrn und Retter, verbunden sind, und ich zeige an, dass ich den Glauben, den ihr habt, durch den helfenden Gott sowohl gehabt
5
Zu dieser Übersetzung von credulitas vgl. TLL, s. v. „credulitas 2“.
Übersetzung
515
Abschnitt/ Übersetzung2 Jahr1 130
habe als auch habe, jenes untereinander wissend, was wir predigen und lesen, dass wir eine Seele und ein Herz haben sollen in Gott. Ich habe mich beeilt, die Freude meines Fortschritts, der auch eurer ist, euch durch den helfenden Gott mitzuteilen, aus meinem Geist , dass eure Brüderlichkeit gerne gutheißt, was sie wünscht. Es ist also nötig, dass niemand wahrnimmt, was ich euch schreibe, sondern vielmehr als ob ich verdächtig bin soll sich eure Weisheit vor anderen erachten, sich zu verhalten, so dass Gott leichter, was er angefangen hat zu wirken, vollenden kann.“ Und die Subskriptio: „Betet für mich, meine Herren und in der Liebe Christi unseres Gottes und Retters verbundene Brüder.“ Den Anfängen dieser Schlechtigkeiten folgte eine Sterblichkeit der Länder des ganzen Erdkreises, und der bessere Teil der Völker wurde weggerafft durch das Schlagen der Leisten.
131 543
Im 3. Jahr nach dem Konsulat des uir clarissimus Basilius trat der Tyrann Stotzas, nachdem er eine Masse aus Volksstämmen vereinigt hatte, in Cillium Solomon, dem magister militiae und Patrizier von Africa und anderen duces des römischen Heers entgegen, wo, nachdem es einen Kampf gegeben hatte, das Heer der römischen Republik aufgrund der Sünden Africas überwunden wurde. Solomon, ein tüchtiger Mann in beiden Ämtern, starb im Kampf.
132 544
Im 4. Jahr nach dem Konsulat des uir clarissimus Basilius nötigte Kaiser Justinian, angestachelt durch den Betrug der Akephalen, Vigilius, den Bischof der Römer, auf scharfsinnige Weise, zur Königsstadt zu eilen und die Drei Kapitel zu verurteilen unter dem Anschein der Vereinigung derer, die von der Gemeinschaft der Kirche abgetrennt sind.
133
Den Vorsitz der Kirche von Jerusalem nahm nach Petrus Macarius an.
134 545
Im 5. Jahr nach dem Konsulat des uir clarissimus Basilius, nachdem es durch den Tyrannen Stotzas in Africa in Portus Tacea einen Kampf gegeben hatte, wurde er geschlagen durch den Speer des Johannes, des dux des römischen Militärs, und gleichzeitig auch Johannes durch Stotzas. Diese töteten sich beide sogleich gegenseitig mit dem Schwert, und sie starben an dem Sonntag, an dem das Gefecht stattfand.
135 546
Im 6. Jahr nach dem Konsulat des uir clarissimus Basilius galt Ferrandus, Diakon der Kirche von Karthago, als berühmt.
136
Der magister militum Guntharith tötete in der Nacht in Karthago im Palast den Patrizier und Prinzeps des römischen Militärs in Africa, Areobindus, der zu dieser Zeit vom Kaiser gesandt war, und übernahm mit Gewalt die Herrschaft. Diesen tötete der dux von Karthago Artabanus am 36. Tag seiner Herrschaft, als er frühstückte.
137 548
Im 8. Jahr nach dem Konsulat des uir clarissimus Basilius schrieb Kaiser Justinian mit äußerster Dringlichkeit an die verschiedenen, in den Grenzen seines Reiches errichteten Provinzen, und nötigte alle Bischöfe, die vorher genannten Drei Kapitel zu verurteilen.
516
Victor von Tunnuna, Chronicon
Abschnitt/ Übersetzung2 Jahr1 138
Domninus folgte auf Euphemius, Bischof von Antiochien.
139 549
Im 9. Jahr nach dem Konsulat des uir clarissimus Basilius schrieb eine illyrische Synode zur Verteidigung der Drei Kapitel an den Augustus Justinian und verurteilte Benenatus, den Bischof der Stadt Prima Iustiniana, Widersacher derselben Drei Kapitel.
140
Die Augusta Theodora, Feindin der Synode von Chalcedon, beendete das Leben auf ungeheuerliche Art, nachdem die Krankheit des Krebses sich im ganzen Körper ausgebreitet hatte.
141 550
Im 10. Jahr nach dem Konsulat des uir clarissimus Basilius sonderten die afrika nischen Bischöfe Vigilius, den Bischof von Rom, den Verurteiler der Drei Kapitel, durch eine Synode von der katholischen Gemeinschaft ab, nachdem sie ihm einen Platz zur Reue vorbehalten hatten, und sie schickten zur Verteidigung der erwähnten Drei Kapitel einen völlig würdigen Brief an den Prinzeps Justinian durch den magistrianus Olimpius.
142
Zu dieser Zeit erstrahlten die zwölf Bücher von Facundus, Bischof der Kirche von Hermiane, durch die er äußerst deutlich darlegte, dass die oft genannten Drei Kapitel unter Ächtung des katholischen und apostolischen Glaubens und des Konzils von Chalcedon verurteilt worden seien.
143 551
Im 11. Jahr nach dem Konsulat des uir clarissimus Basilius wurden Reparatus, der Erzbischof der Kirche von Karthago, Firmus, der Primas der numidischen Bischöfe und Primasius und Verecundus, Bischöfe des byzacenischen Konzils, aufgrund des Glaubens in die Königsstadt gerufen auf den Befehl desselben Prinzeps.
144
Appollinarius wurde für Zoilus, der die erwähnten Drei Kapitel nicht verdammen wollte, als Bischof der Kirche von Alexandria nachgewählt.
145 552
Im 12. Jahr nach dem Konsulat des uir clarissimus Basilius wurde der Erzbischof Reparatus, angegriffen von vielen Verleumdungen, weil er nicht die Zustimmung gab zu der Verurteilung der erwähnten Drei Kapitel, seines Amtes und seiner Mittel beraubt und im Exil in Euchaita festgehalten, und der Diakon Primosus, sein Apokrisiar, wurde, nachdem er die Dinge verurteilte, die synodal und allgemeingültig verteidigt worden waren, obwohl dieser noch lebte, gegen die Voten des Klerus und auch des Volkes zum Bischof der Kirche von Karthago ordiniert. Firmus, der Primas des numidischen Konzils, verführt durch die Geschenke des Prinzeps, gab der Verurteilung derselben Kapitel die Zustimmung, aber als er in seine Heimat zurückkehrte, starb er auf dem Schiff einen überaus schändlichen Tod. Primasius wurde auch in einem Kloster in Aquimetensis festgehalten, aber nachdem Boethius, Primas des byzacenischen Konzils, durch den
Übersetzung
517
Abschnitt/ Übersetzung2 Jahr1 145 552
Tod verhindert worden war, stimmte er sofort, um ihm zu folgen, der erwähnten Verurteilung zu und kehrte zu seinem Sitz zurück. Was er vorher verteidigt hatte, bekämpfte er durch stärkste Verfolgungen, sowohl indem er Schikanen für die Gläubigen erzeugte als auch indem er ihre Habseligkeiten wegnahm. Aber worin er sündigte, darin konnte er sich nicht freuen, weil er ja, nachdem er von den katholischen Bischöfen seines Konzils für seine Pflichtverletzungen verurteilt wurde, durch einen unglücklichen Tod ausgelöscht wurde; was er betrügerisch erlangt hatte, wurde treu von den Richtern weggenommen. Verecundus aber, Bischof der Kirche von Iunci, hielt in der Verteidigung der bekannten Kapitel aus und wanderte in Chalcedon, wo er Zuflucht genommen hatte in der Herberge der ruhmreichen Märtyrerin Euphemia, aus diesem Leben zu Gott.
146
Macarius, Bischof von Jerusalem, wurde hinausgeworfen, und während er noch lebte, wurde Eustochius ordiniert.
147 553
Im 13. Jahr nach dem Konsulat des uir clarissimus Basilius wurde in Konstan tinopel eine Synode versammelt auf Befehl von Prinzeps Justinian, bei der anwesend waren die Vorsitzenden der Bischofssitze: Vigilius, der Bischof von Rom, der ordiniert wurde, als Silverius noch lebte, Appollinarius von Alexandria, eingesetzt als Zoilus noch lebte, Domninus von Antiochien, Eustochius, der zum Bischof gemacht wurde, nachdem Macarius als Bischof von Jerusalem entfernt worden war, und Eutychius von Konstantinopel, der für Menas nachgewählt wurde. Dort unterwarfen sie die Drei oft genannten Kapitel mit ihren Verteidigern dieser6 Verurteilung, und für sich selbst schlossen sie eine Rückkehr aus Reue unter Strafen aus und verpflichteten sich einem solchen dauerhaften Anathema, wenn sie einst versuchen sollten, zu lösen, was sie unter die Strafe der Verwerfung stellten. Rusticus, Diakon der Kirche von Rom, und Felix, Abt des Klosters Gillensis aus der Provinz Africa, widersprachen deren Dekreten schriftlich und wurden mit ihren Genossen nach Tebaida ins Exil überführt. Nach diesen Geschehnissen also erschütterte ein Erdbeben die Königsstadt von den Fundamenten und riss viele Gebäude und Hallen ein und warf fast alle Altäre ein, während die Basiliken stehen blieben.
148 554
Im 14. Jahr nach dem Konsulat des uir clarissimus Basilius wurde Bischof Frontinus zur Königsstadt herausgerufen und für die Verteidigung derselben Drei Kapitel ins Exil nach Antinoensis, der ersten Stadt von Thebaida, gewiesen; und für ihn wurde von den Häretikern Petrus für die Kirche von Salona ordiniert.
149
Die Bischöfe des Konzils der afrikanischen Provinz Proconsularis, durch die Kunst der Bischöfe Rufinus und Vivus, Widersacher des Erzbischofs Reparatus, getäuscht, liefen ihnen entgegen wie Verteidigern des Glaubens, und sie wurden bis auf äußerst wenige durch die Gemeinschaft mit Primosus, Scheinbischof der Kirche von Karthago, verunreinigt.
6
Es ist möglich, dass im Text der Chronik ursprünglich statt ea eadem stand, da nicht ersichtlich ist, worauf ea sich beziehen soll.
518
Victor von Tunnuna, Chronicon
Abschnitt/ Übersetzung2 Jahr1 150
Datius, der Bischof von Mailand, kam nach Konstantinopel, und weil er der Verurteilung derselben Drei Kapitel zustimmte, starb er, erschlagen, am selben Tag.
151
Der Eunuch Narses, ehemaliger Aufseher und Patrizier, überwand wundersam Totila, den König der Goten, in einem Kampf bei Italien und tötete ihn und nahm alle seine Reichtümer mit.
152 555
Im 15. Jahr nach dem Konsulat des uir clarissimus Basilius kamen die Bischöfe des numidischen Konzils, gleichwie die Bischöfe der Proconsularis, gesammelt nach Karthago, und nachdem sie verunreinigt wurden durch die Gemeinschaft mit demselben Primosus, dem unrechtmäßigen Besitzer der Kirche, und zu Scheinbischöfen gemacht wurden, kehrten sie zu ihren Bischofssitzen zurück.
153
Victor, Bischof der Kirche von Tunnuna, Urheber dieses Werkes, wurde nach der Haft und den Schlägen, die er auf den [balearischen Inseln]7 erduldete, gewiss auch im Kloster Mandracum im ersten, und im zweiten Exil der Insel Aegimuritana, im dritten Exil für die Verteidigung der zuvor genannten Drei Kapitel zusammen mit Theodor, dem Bischof von Cebarsussa, nach Alexandria geschickt, und er wurde gestoßen in den Kerker der Burg von Diokletian nach dem Gefängnis des Prätoriums.
154
Damals folgte Anastasius Domninus als Bischof von Antiochien.
155 556
Im 16. Jahr nach dem Konsulat des uir clarissimus Basilius drückte Primosus, unrechtmäßiger Besitzer der Kirche von Karthago, die nieder, die ihm nicht zustimmen wollten, bald mit Knüppeln, bald mit Gefängnisstrafen, bald auch mit Exilen.
156
Victor und Theodor, die zuvor genannten afrikanischen Bischöfe, wurden aus dem Kerker hinausgeworfen und nach fortlaufenden Disputationen von 15 Tagen im Prätorium in eine andere Haft des Klosters von Tabennisis, was bei Canopus, 12 Meilen entfernt von der Stadt Alexandria, liegt, geschickt.
157 557
Im 17. Jahr nach dem Konsulat des uir clarissimus Basilius starb Vigilius, römischer Bischof, auf der Insel Sizilien, nachdem er zum Scheinbischof geworden war, unter der Exkommunikation der Bischöfe der ganzen Kirche von Africa.
158
Zu dieser Zeit wanderte Felix, Abt des Klosters Gillitanus, im Exil in Sinope aus diesem Leben zum Herrn.
159 558
Im 18. Jahr nach dem Konsulat des uir clarissimus Basilius kehrte Pelagius, der römische Erzdiakon, Verteidiger der zuvor genannten Drei Kapitel, aufgrund der Überredung durch Prinzeps Justinian aus dem Exil zurück und wurde, weil er die Dinge, die er vorher äußerst standhaft verteidigt hatte, verurteilte, von den Scheinbischöfen als Bischof der Kirche von Rom ordiniert. Er stand ihr 5 Jahre vor.
7
Die Übersetzung folgt hier der Einfachheit halber der Konjektur Cardelle de Hartmanns; zur Diskussion der Stelle s. o. Kap. 3.1.2.
Übersetzung
519
Abschnitt/ Übersetzung2 Jahr1 160 559
Im 19. Jahr nach dem Konsulat des uir clarissimus Basilius einigten sich die illyrischen Bischöfe, außer wenigen Klöstern und wenigen Gläubigen, nachdem sie Verfolgungen erlitten hatten, und erklärten den ehemaligen Glauben für ungültig.
161
Zu dieser Zeit plagten die Hunnen Armenien aufs stärkste.
162 560
Im 20. Jahr nach dem Konsulat des uir clarissimus Basilius fielen die Bulgaren in Tracia ein, und sie gelangten bis nach Sucas in Konstantinopel: Sie fingen den Patrizier Sergius, der zuvor dux des afrikanischen Heeres gewesen war und verkauften ihn zugleich. Aber nachdem sie durch die Waffen des Patriziers Belisar stark bezwungen und zugleich in die Flucht geschlagen worden waren, überquerten sie die Donau.
163 561
Im 21. Jahr nach dem Konsulat des uir clarissimus Basilius wurde der Leichnam des heiligen Eremiten Antonius aufgefunden und mit größter Ehre nach Alexandria überführt und in der Basilika des Heiligen Johannes des Täufers ehrenvoll aufgestellt.
164 562
Im 22. Jahr nach dem Konsulat des uir clarissimus Basilius wurde Frontinianus, der Bischof von Salona, aus dem Exil von Antinoensis nach Anquira in Galatien überführt. Petrus, der unrechtmäßige Besitzer seiner Kirche, starb, und Proclinus wurde an seine Stelle gesetzt.
165 563
Im 23. Jahr nach dem Konsulat des uir clarissimus Basilius ging Reparatus, der Erzbischof der Kirche von Karthago, im Exil in Euchaita mit ruhmvollem Bekenntnis hinüber zum Herrn am 7. Tag vor den Iden des Januar.
166
In diesem Jahr empfing Prinzeps Justinian als erster zuerst die Gesandten des Volkes der Awaren, und er bewirkte, dass sie mit überaus großen Geschenken dahin zurückkehrten, wo sie herkamen.
167 563/4
Im 27. Jahr der Regierung des zuvor genannten Kaisers Justinian Pelagius, der römische Bischof, ordiniert. Er stand [ihr] 11 Jahre vor.
168
Eustochius, der Jerusalemer Bischof, der ordiniert worden war, als Macarius noch lebte, wurde entfernt, und wiederum wurde Macarius eingesetzt.
169 564/5
Im 28. Jahr der Regierung desselben wurden die Bischöfe Musicus, Brumasius, Donatus und Crisonius aus Africa und die Bischöfe Victor und Theodor ebenso aus Ägypten auf kaiserlichen Befehl in die Königsstadt gerufen. Diese wurden, während sie als Anwesende Prinzeps Justinian widerstanden – anwesend war auch Eutychius, Bischof der Königsstadt, und stritt danach über einen neuen Aberglauben –, voneinander getrennt und als Verhaftete in Klöster derselben Stadt geschickt.9
8 9
Diese mögliche Ergänzung zur Konjektur Cardelle de Hartmanns greift die Formulierung in Chronicon 159 auf. Zur Diskussion dieser Übersetzung s. o. die Exkurse in Kap. 5.7.3.7.
520
Victor von Tunnuna, Chronicon
Abschnitt/ Übersetzung2 Jahr1 170 565/6
Im 39. Jahr seiner Regierung schickte Justinian Eutychius, den Bischof von Konstantinopel, einen Verurteiler der Drei Kapitel und von Evagrius dem Eremiten, Diakon, und von Didymus dem Mönch und des alexandrinischen Bekenners, deren Lob wir oben ausgeführt haben aus der Autorität von berühmten Männern, ins Exil, und für ihn machte er den hinsichtlich desselben Fehlers gleichen Johannes zum Bischof.
171
In diesem Jahr machten die Grünen in der Königsstadt einen Bürgerkrieg und warfen viele Männer der Republik in andauerndem Kampf mit dem Schwert nieder, aber viele besonders Wilde von ihnen wurden danach vom Präfekt Julianus ausgelöscht.
172 566/7
Im vierzigsten Jahr seiner Regierung empfing Justinian das Ende seines Lebens in der 15. Indiktion.
173
Theodor, Bischof von Cebarsussa, Verteidiger der Drei Kapitel, starb im Exil in der Königsstadt in dem Monat und an dem Tag, an dem Justinian starb, und er wurde beerdigt neben den Bekennern, denen Hunerich, der König der Vandalen, die Zungen abgeschnitten hatte.
174
Justin der Jüngere, Sohn der Vigilantia, der Schwester des Augustus Justinian, vom Vater Dulcidius geboren, nahm das Szepter der Herrschaft mit der größten Ruhe des Volkes. Seine Ehefrau Sophia wird als Nichte von Augusta Theodora gezählt.
175
Man rechnet zusammen alle Jahre von Adam, dem ersten Menschen, bis zur Geburt unseres Herrn Jesus Christus nach dem Fleisch 5199, von der Geburt aber unseres Herrn Jesus Christus nach dem Fleisch, die geschah im 43. Jahr der Herrschaft des Caesar Augustus Oktavian, bis zum ersten Jahr von Justin, dem Prinzeps der Römer, der Justinian in der Herrschaft folgte, 567 Jahre. Es ergeben sich also gleichsam von Adam bis in das erste Jahr des genannten Prinzeps der Römer 5766 Jahre.
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Register Die Angaben in den Übersichtstabellen zu Beginn der Unterkapitel von Kapitel 5. sowie die Angaben aus Kapitel 7. (Übersetzung der Chronik des Victor von Tunnuna) wurden nicht in das Register übernommen. Stellenregister Allgemeine Verweise auf Quellen wurden – mit Ausnahme von allgemeinen Verweisen auf die Chronik des Victor von Tunnuna – in das Stellenregister übernommen, außer es finden sich auf derselben Seite konkrete Stellenangaben aus dieser Quelle. Biblische Schriften Altes Testament Deuteronomium 4,35: 364 6,4: 364 32,39: 364 35,51: 438 1. Chronik 17,20: 364 Psalmen 90,4: 164 Jesaja 10,3: 359 45,18: 364 45,22: 364 46,9: 364 Apokryphen Judith 9,19: 364
Tobias 13,4: 364 2. Makkabäer 9,9: 333 Neues Testament Markus 12,29: 364 12,32: 364 Lukas 3,1: 161 Apostelgeschichte 4,32: 390 12,23: 333 Römer 4,14: 438 5,14: 438 1. Korinther 8,4: 364 f. Galater 3,19: 438 Philipper 2,6–7: 289
558 1. Timotheus 3,16: 291, 295
Antike bis mittelalterliche Quellen Acta Conciliorum Oecumenicorum (ACO) Nicaenum I canon 6: 219 Constantinopolitanum I canon 3: 219 Ephesenum ACO 1,2 Collectio Veronensis 5: 274 18 (Capreolus von Karthago, Epistula ad sanctam synodum): 79 25: 48 ACO 1,3 Collectio Casinensis 25: 48 Chalcedonense ACO 2,1,1: 114, 208, 238 f., 243 f., 246 f., 253–255, 307, 346, 429 Actio prima: 238 Actio prima 489–490: 239 ACO 2,1,2: 55, 106, 246, 248 Actio secunda: 246 Actio secunda 11: 356 Actio secunda 14: 356 Actio quarta: 246 Actio quinta: 246 Actio quinta 32: 356 Actio quinta 33: 356 ACO 2,1,3: 34, 68, 246 f., 250, 255 ACO 2,2,1: 239 ACO 2,2,2: 56, 250 ACO 2,3,1: 208, 238 f., 244, 246 f., 253 f., 307 ACO 2,3,2: 246, 248, 255 ACO 2,3,3: 68, 246 f., 255 Actio decima/undecima 161–163: 68 Actio sexta decima/septima decima 45: 220 ACO 2,4: 243, 248, 261 Collectio Grimanica Epistula 103: 248 ACO 2,5: 262 f.
Register
Collectio Sangermanensis 1,5–48: 262 1,7: 210 1,8: 210 6: 262 Constantinopolitanum II ACO 4,1: 68, 83 f., 86–88, 91 f., 97, 152, 205, 247, 406, 412, 424 f., 432, 434, 437 Actio prima: 432 Actio prima 7,15: 88 Actio secunda 5: 87 Actio secunda 8–11: 87 Actio secunda 11: 356 Actio quarta: 88 Actio quarta 83: 88 Actio quinta 2: 88 Actio quinta 93: 88 Actio sexta: 88 Actio sexta 30: 88 Actio septima 4: 90 Actio septima 4,2: 89 Actio septima 7,6–7: 403 Actio septima 16,3: 90 Actio septima 17: 90 Actio octaua: 90, 437 Actio octaua 4,27: 90 Actio octaua 5,14: 91 canones 1–14: 91 ACO 4,2: 62, 92 Constantinopolitanum III ACO 3: 64, 356, 375 f. Collectio Sabbaitica contra Acephalos et Origenistas destinata 5,27: 57 5,28–31: 57 5,59: 375 5,62: 63 6: 66 11: 374, 377 ACO ser. 2 2,1: 64 Adbreuiatio ebdomadarum Danielis LXX Codex Uniuersitatis Complutensis, fol. 42r: 175 Adbreuiatio omnium temporum: 175 Codex Uniuersitatis Complutensis, fol. 41v: 174
Stellenregister
Aeneus Gazaeus Theophrastus: 323 Agnellus Liber pontificalis ecclesiae Ravennatis 62: 396 Akten der ephesinischen Synode vom Jahre 449: 253 Anastasius I. Epistula Hormisdae Papae 5: 57 Typus: 292 Anastasius Bibliothecarius Chronographia tripartita: 434 Anni sacerdotum Hebreorum: 128, 175 Athanasius von Alexandria De morte Arii 3: 331 4: 331 Vita Antonii 92: 454 Augustinus Adnotationes in Iob 33: 358 Contra Cresconium 2,37,46: 341 Contra epistulam Parmeniani 2,22,42: 341 Contra Iulianum 3,56: 438 3,63: 438 Contra Maximinum 2,10,1: 364 f. 1,23,1: 364 f. De ciuitate Dei 1,32: 271 3,27–29: 381 16,24: 167 18,54: 168 22,30: 167 De diuersis quaestionibus octoginta tribus 58: 168 De Genesi contra Manichaeos 1,23,35–41: 167 1,23,40: 167 Epistulae 53,6: 341 55,14,14: 210
217,9: 438 Sermones 259,9: 168 Barnabasbrief 15,3–4: 164 Basiliscus Antienkyklion: 56, 268 Enkyklion: 56, 268 Beda Venerabilis Historia Brittonum: 167 Historia ecclesiastica gentis Anglorum: 178 1,3,1: 176 2,9,4: 176 5,23,7: 175 Liber de ratione temporum: 18, 168 47: 176 Vita beatorum abbatum Benedicti, Ceolfridi, Eosterwini, Sigfridi et Hwaetberti: 176 Breuiarium Hipponense: 27 Brief des Mönchs Leo: 179 Capreolus von Karthago Epistula ad sanctam synodum: 79 Cassiodor Chronica: 18, 196 Institutiones 1,17,2: 19 2: 169 Variae 11,13: 375 Cassiodor/Epiphanius Scholasticus Historia ecclesiastica tripartita: 16 3,10: 332 3,10,9: 331 3,10,10: 332 3,12,10: 205 Ps-Cassiodor Computus paschalis a. 562: 169 f. Chronica Byzantia-Arabica ad a. 741: 135–139, 190 f. 1: 195 Chronica Gallica a. 452: 18 Chronica Gallica a. 511: 166, 192 f. 276: 162 293: 162
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560
Register
Codex Uniuersitatis Complutensis, fol. 39v: 190 Chronica Muzarabica a. 754: 129, 137–141, 190 f. 29: 172 Chronicon a. 562: 175 Chronicon antiquissimum ex palatinis membrans eductum: 163 Chronicon paschale 325: 166 330: 166 360: 206 527: 350 f. 532: 372 533: 360 562: 206 566: 202, 206 582: 206 602: 206 616 (Olympiade 349): 176 Olympiade 333: 84 Chronographus anni 354, Additamentum 1: 166 Cicero Brutus 15: 19 Codex enzyclius: 262 f. Codex Iustinianus 1,1,4–5: 70, 461 1,1,5: 370 f. 1,1,5,1: 370 1,1,5,2: 59, 370 1,1,6: 59, 62, 360, 371 1,1,6–7: 62 1,1,6,6: 59 1,1,7: 59, 371 1,1,7,11: 69, 247 1,1,7,21: 356 1,1,8: 59, 62, 371 1,1,11,8: 69 1,3,44: 69 1,4,29,11–12: 420 1,5,8,9: 70 1,27,1,1–6: 45 1,27,1,4: 323 1,27,1,12: 44 1,27,2: 47
5,9,2: 235 6,49,7: 405 9,47,26: 100 Codex Theodosianus 1,1–13: 48 1,6,2: 248 1,10,7: 248 1,27: 248 3,10,1: 247 12,12,2: 202 Codices Codex Alcobaciensis (A): 134, 139 f., 151, 190 f. Codex Archivo Catedralico de Palencia 37 fol. 297v–298: 136 Codex Athous Iviron 479 Gerontikon fol. 25r: 279 Codex Besançon, Bibliothèque Munici pale 128: 137 Codex El Escorial T II 24: 191 Codex Kopenhagen, Arnamagnæanske Institut, Københavns Universitet AM 833 4° fol. 120r: 133, 136 fol. 130v: 133, 184 fol. 134v–135r: 191 fol. 176r: 195 Codex Laon, Bibliothèque Municipale 113: 96, 478 f. Codex London, British Library Egerton 1934: 140 Codex Madrid, Biblioteca de la Real Academia de la Historia 2 fol. 4va–vb: 178 Codex Madrid, Biblioteca de la Real Academia de la Historia 78 fol. 208r–v: 178 Codex Madrid, Biblioteca de la Real Academia de la Historia 81: 140 Codex Madrid, Biblioteca General de la Universidad Complutense, Fondo Histórico 134 (= Codex Uniuersitatis Complutensis [U]): 97 f., 124, 129, 133– 138, 140–142, 148, 151, 161, 166, 171, 183, 187 f., 190 f., 194 f., 197, 223, 241, 318, 465
Stellenregister
fol. 2r: 128 fol. 2v: 128 fol. 2v–14v: 139 fol. 2v–25v: 128 fol. 4v: 128 fol. 12v: 131 fol. 14v: 130, 185 fol. 14v–17v: 139 fol. 17r: 149 fol. 17r–v: 185 fol. 17v: 130 fol. 17v–23r: 139 fol. 18r: 263 fol. 23r: 130, 132, 184 fol. 23r–25v: 139 fol. 25v: 186 fol. 25v–42r: 128 fol. 39v: 190 fol. 41v: 174 fol. 42r: 128, 175 Codex Madrid, Biblioteca Nacional 1358: 179 Codex Madrid, Biblioteca Nacional 1513: 179 Codex Madrid, Biblioteca Nacional 2805: 179 Codex Madrid, „Königliche Bibliothek T 10“: 178 Codex Muzarabicus: 140 Codex Ocampianus (Apographus Floriani de Ocampo [Oc]): 132 f., 136, 191 Codex Oxomensis: 132, 139 f., 148 f. Codex Paezianus (Apographus Johannis Páez de Castro [Pa]): 136, 140, 191, 194 f. Annotationes marginales Pereziani in Pa (Pa-P): 136 Annotationes marginales Zuritanenses in Pa (Pa-Z): 136 Codex Paris, Bibliothèque de l’Arsenal 982: 140 Codex Parisinus Latinus 4860 fol. 49v: 116 Codex Perezianus Escorialensis (P-E): 97, 124, 132, 134, 141 f., 148, 318, 416 Annotationes marginales: 97 Codex Perezianus Matritensis (P-F): 142
561
Codex Perezianus Segobrigensis (P-S), Segobrigensis Capituli cathedralis, I [arm. G, est. I]: 97, 124, 132–134, 136, 141 f., 148, 155, 318, 465 fol. 32v: 191 fol. 117v–118r: 185 fol. 244r–245r: 171 S. 32/Foto Nr. 28: 184 Codex Soriensis (So): 124 f., 128, 131–138, 149, 171 f., 184 f., 191, 194 f., 241 Annotationes marginales in P-S ex codice Soriense (P-S ex So): 97, 462 Codex Toletanus (T): 139 f., 151 Codex Vaticanus graecus 1431 Nr. 75: 38 Codex Vaticanus latinus 1321: 477 Codex Vaticanus latinus 3833: 126 Codex Verona, Bibl. Cap. LVIII (56): 478 Codex Vulcanianus Leidensis, Bibliothek der Reichsuniversität Leiden, Vulc. 20 IIa (Vu): 141 Coelestin I. Epistulae 14,8: 249 Collectio Auellana 53: 261 59: 58 66,4–5: 276 67,2–4: 276 83: 83, 89 83,11–18: 86 83,20–22: 86 84: 62 84,7–21: 62 85,1: 46 85,1–6: 47 85,3: 51 87: 48 87,4: 48 92: 384 92,2: 247 99,14: 209 f. 116a: 58 116b: 58 138: 57 141: 58 146: 58
562
Register
148–157: 58 160: 57 167,11: 348 187–191: 59 216,5: 59 217,8–9: 291 235: 59 236: 59 237: 59 Appendix 4: 58 Collectio Berolinensis 26: 275 Computatio ab anonymo: 176 Computatio a. 452: 166 Concilium Carthaginense a. 525: 39, 42 f., 49, 77, 339 f. subscriptio: 42, 96, 98 5: 419 Concilium Tarraconense: 189 Constantin Porphyrogenitus s. De cerimoniis aulae Byzantinae Consularia Caesaraugustana: 125, 134 f., 137 f., 141 f., 156, 465 Consularia Constantinopolitana: 114 Consularia Italica: 113 f., 257 Continuatio Codicis Alcobaciensis: 149, 161, 183, 185 Continuatio Hauniensis Prosperi 21: 334 Coripp In laudem Iustini Augusti minoris 4,290–311: 475 Iohannis 2,235: 32 3,68: 53 3,195–196: 53 3,198–264: 43 4,168–221: 205 6,548–550: 341 Corpus Inscriptionum Latinarum 8,1 n. 125552a: 97 Cyprian von Karthago De unitate 1: 28 Epistulae 26: 28 41–43: 28
57: 28 69 (ad Magnum),5–9: 441 Ps-Cyprian von Karthago De pascha computus 18: 162 22: 162 [Constantin Porphyrogenitus,] De cerimoniis aulae Byzantinae 1,92: 284 1,93: 346 f., 353 1,94: 350 Dionysius Exiguus Libellus de cyclo magno paschae DCCCII annorum (Liber de paschate): 169, 176 f., 196, 202, 433 prologus: 169 Dionysius Periegetes Pinax Mundi: 170 Epistula fidei catholicae: 74, 93, 125, 230, 440, 471, 476, 491 f., 495 1–2: 481 2: 477 2–3: 477 3: 477 7: 427, 450, 452, 480 f. 11–12: 481 13: 478 19: 426, 461, 480 f. 25: 424, 461, 480–482 25–26: 118 26: 429, 480 f. 29: 481 31: 415 32: 387 34: 481 35: 481 36: 481 38: 481 39: 415 42: 438, 480 43: 481 44–48: 441, 478 44–49: 481 49: 441, 481 51: 441, 481
Stellenregister
52: 441, 481 f. 54–58: 481 58: 441, 481 59: 118, 255, 442 f., 458, 461, 480–483 Epistula legatariis (Brief italienischer Kleriker an die fränkischen Gesandten): 73, 85 f., 407, 412, 414, 418, 421–423, 426, 429, 444, 461 Eunomius von Cyzicus Historia ecclesiastica: 16 Eusebius von Caesarea Historia ecclesiastica: 16 1,1: 297 1,5,2: 159 6: 154 6,39: 154 6,43,1: 442 Eusebius/Hieronymus Breuiatio chronice: 187 f., 194 Chronicon: 17 f., 128–131, 134 f., 137 f., 144, 148–151, 158 f., 161 f., 166, 175, 177, 181, 184–186, 194 f., 200, 303, 484 praefatio: 19, 158 f., 161 a. 1 a.Chr.: 159 a. 362: 440 a. 362,2: 131 a. 372: 145 Eustratius Vita Eutychii: 155, 463, 467 4,29: 433 Eutropius Breuiarium ab urbe condita 7,18,5: 314 7,23,6: 314 Epitome de Caesaribus 11,13: 314 Evagrius Scholasticus Historia ecclesiastica: 16, 22 2,7: 217, 236 2,8: 209, 211 f., 260 2,9: 262 2,10: 262 2,11: 261 3,4 (= Enkyklion): 56 3,4–5: 56 3,5: 268 3,7 (= Antienkyklion): 56
563
3,8: 269 3,10: 276 3,11: 269 3,12: 270 3,14: 38 3,16: 270, 404 3,17: 273 3,18: 274 f. 3,18–21: 275 3,20: 273 3,20–21: 274 3,21: 275 3,22: 273 3,23: 277, 287 3,24: 267 3,29: 280, 283 f. 3,30: 285, 313 3,31: 290 f. 3,31–32: 292 3,32: 283, 285 3,33: 293 3,43: 298 f. 3,44: 308 f., 315 4,1: 346 4,2: 346 f. 4,3: 349, 354 4,4: 347, 350 4,9: 350 f. 4,10: 62 4,11: 63, 356, 382 4,13: 372 4,16: 358 4,29: 394 f. 4,37: 294 4,38: 67, 152, 468 4,39: 152, 155, 431, 462 4,41: 201 f. 5,1: 468, 474 5,4: 475 Expositio a mundi inchoatione: 166 Facundus von Hermiane Liber contra Mocianum Scholasticum: 74, 310, 384 f., 391, 413, 478 1: 423, 426 2: 414, 440 4: 479
564 5: 117, 367, 386 f. 6: 367, 414, 434, 440 7: 80 11–13: 273 13: 117 f., 315, 411 17: 80 19: 118, 348 21: 440 22: 367, 414 24: 367, 414 25–33: 73 26–28: 479 29: 479 31: 381 37: 440 38: 382 42: 440 43: 407, 440 44: 444 45: 381 47: 415, 440 48: 415 49: 419 50: 412, 414, 440 51–57: 479 64: 457, 489 65: 441 Pro defensione trium capitulorum: 85, 99, 155, 380, 414 f., 418, 440, 482 praefatio: 74, 117, 405 praefatio 1: 72, 74, 367, 387, 417 praefatio 2: 406 praefatio 2–3: 73 1: 291 1–2: 74 1,1,1: 82 1,1,3: 82 1,1,13: 82 1,2,1: 82 1,2,4: 67 1,3: 370 1,4,35: 461 1,4,38: 74 1,5,6: 404 1,5,33: 404 2: 252 2,1,2: 117, 404
Register
2,1,3–4: 82 2,1,8: 386 2,3,11–13: 409 2,3,12–13: 69 2,3,17: 117, 409 f. 2,3,19: 84, 409 2,3,22: 82 2,5,4: 251 f. 2,5,5–7: 252 2,5,10: 251 2,5,11: 262 2,6,1: 384 2,6,5: 242, 245, 252 2,6,6–7: 252 2,6,7: 76 2,6,12: 284 2,6,23: 245 3–9: 74 3,1,6: 386 3,2,20: 290 3,3,31: 461 3,4,10: 405 3,4,62: 405 3,5,13: 117, 404 3,6,12: 367 4,2,46: 461 4,3,4: 444 4,3,5: 73, 461 4,3,6: 117, 384, 404 4,3,6–7: 76 4,3,9: 76 4,4,2–3: 72 4,4,8: 420 4,4,18: 82 5,1,2: 255 5,3,3: 208, 244 5,3,28: 220, 441 5,3,33: 117 5,3,34: 74 5,5: 75 5,5,5: 249 5,5,20: 117, 404 6,1,1: 117 6,3,2–17: 68 6,5: 251 6,5,32–33: 416 7,1,1: 405
Stellenregister
7,3,1: 461 7,7,11: 386 8,1,2–7: 386 8,2,2: 405 8,2,8: 405 8,2,10: 461 8,5,1–5: 233 8,5,15: 405 9,2,4: 405 9,2,14: 405 9,3,4: 405 9,4,10: 405 9,5,6: 461 9,5,42: 74 10–11: 74 10,1,18: 404 10,2,7: 419 10,6,2: 405 10,6,3: 405 10,7,14: 405 10,7,23: 405 11,3,10: 405 11,6,5–6: 478 12: 252 12,2,13: 416 12,3,3: 75 12,3,10: 461 12,3,14–37: 75 12,3,17: 263 12,3,18–19: 262 12,4: 278 12,4,1: 273 12,4,1–3: 404 12,4,16: 82 12,5,25: 82 12,5,27: 82 Felix III. (II.) von Rom Epistulae 6 (Thiel) (Collectio Veronensis 5): 274 f. 6,1: 115 7 (Thiel) (Collectio Berolinensis 26): 275 Ferrandus von Karthago Epistulae 3: 373 3,11: 370 4 (Epistula ad Eugippium): 47 4,1: 364
565
4A (Fragmentum): 47 6 (Ad Pelagium et Anatolium diaconos urbis Romae): 75 f., 473, 482 6,2: 76 6,3: 76 6,5: 244, 251 6,7: 51, 76, 336 6,9: 76, 416 6,10: 76, 251 7,17: 77 13: 51 Flavius Josephus Contra Apionem 1,257: 30 Florentinus In laudem regis (= Anthologia latina 371): 39 Fulgentius von Ruspe Ad Thrasamundum: 40 Contra sermonem Fastidiosi Ariani: 40 Dicta regis Thrasamundi et contra ea responsiones: 37, 40 Epistulae 8,3: 364 f. 14: 51 Psalmus abecedarius: 40 Ps-Fulgentius von Ruspe De trinitate: 80 Gaius Iulius Caesar De bello Gallico 7,71: 30 7,77: 30 Gelasius I. Tomus de anathematis uinculo: 440 Gelasius von Caesarea Historia ecclesiastica F22b: 331 Generationum regnorumque laterculus Bedanus cum continuatione Carolingica altera 105: 167 Gennadius von Marseille De uiris illustribus: 146, 152, 156 11: 145, 153 98: 327, 329 Georgios Kedrenos Historiarum compendium: 210
566 Gesta de nomine Acaci 4: 209 f. 14: 260 15: 262 16: 262 18: 269 27–28: 274 Gregor der Große Dialogi 3,32: 323 Registrum epistularum 1,24: 247 1,43: 459 2,49: 377 4,35: 108 8,14: 108 10,15: 435 12,3: 108 12,8: 108 12,9: 108 Gregor von Tours Historiarum libri X 1,23: 163 2,2: 30 2,3: 328, 333 2,23: 332 4,51: 163 10,31: 163 Hieronymus Contra Luciferum 18: 28 De uiris illustribus: 146, 152, 156 54: 154 109: 145, 153 120: 154 In Danielem 9: 162 Hilarius von Poitiers Ad Constantium 2: 482 Contra Auxentium: 479 De synodis: 482 De trinitate: 482 Hippolyt In Danielem 4,23: 164
Register
Hydatius von Chaves Chronicon: 15, 17 f., 139 42: 189 90: 30 160: 234 167: 236 214: 189 Ibas von Edessa Epistula ad Marim Persam: 66–69, 72, 75, 85, 88–92, 249, 386 f., 390, 404, 415, 479 Ildefonsus von Toledo De uiris illustribus: 156 Irenäus von Lyon Aduersus haereses 5,28,3: 164 Isidor von Sevilla Chronica: 18, 125, 128, 137 f., 144, 150, 156, 168, 187, 191 f., 194 Chronica 1 390: 334 391: 337 417: 188 418: 162 Chronica 1/2 1: 97 f., 129, 143, 151 Chronica 2 391: 337 De uiris illustribus: 97, 125, 144, 156 14: 151 15: 96 25: 96, 98, 106, 108, 129, 143, 151 31: 127, 151 Etymologiae: 125 5,28: 18 5,29,5–7: 173 5,29,26: 173 5,29,26–42: 173 5,36,4: 189 5,38,5: 168, 173 5,39,42: 162 Historia Gothorum Wandalorum Sueborum: 125, 127, 134–138, 171 74: 318 81: 334
Stellenregister
Johannes Malalas Chronographia 10,1: 159, 206 10,2: 163 10,14: 206 10,15: 166 10,24: 166 10,45: 166 13,2: 206 14,26: 217, 236 14,47: 216, 266 15,5: 217 15,7: 267 16,1: 283 f. 16,11: 287, 292 16,16: 297–299 16,19: 308 f. 16,20: 315 16,22: 113, 314 17,1: 206 17,2: 346 f. 17,5: 349 17,6: 350, 356 17,8: 354 17,23: 351 18,1: 201, 353 18,57: 340 18,70: 454 18,71: 372 18,78: 360 18,83: 376 18,92: 394 18,97: 73 18,98: 73 18,104: 396 18,116: 304, 345 18,118: 435 18,124: 435 18,127: 394 18,129: 454 18,142: 463 Johannes von Antiochien (Bischof) Epistulae 6: 386 Johannes von Antiochien (Historiker) Historia chronica: 299
567
Johannes von Biclaro Chronicon: 18, 125, 128–131, 134–139, 141, 148 f., 156, 175, 184, 186, 189, 191, 194 f., 484, 495 praescriptio: 132 f. praefatio: 98, 150 f. 1: 127, 202 2: 473–475 5: 370 7: 200 11: 200 18: 337 22: 337 23: 370 26: 127 29: 453 30: 337 51: 337 54: 370 55: 337 57: 302 63: 126 f. 70: 337 77: 337 81: 126 f. 91: 126, 191–195, 473 91–93: 190 92: 192, 472 93: 192, 473 a. 590? (Mommsen): 167, 174, 187 subscriptio codicis Matritensis: 188 Johannes von Damaskus De imaginibus oratio 3: 112, 301 Johannes von Ephesus Chronik von Zuqnîn: 394 f. Historia ecclesiastica 1,42: 63 f. 3,1: 474 3,2,10: 472 3,5,13: 203 Mönchsgeschichte 48: 64 Johannes von Nikiou Chronicon 88,62: 38
568 Johannes Zonaras Epitome historiarum 14,3,10: 284 14,5: 354 14,6,1: 372 Jordanes Historia gothorum 167: 29 Julian von Toledo De comprobatione sextae aetatis: 163 3: 162, 179 3,8,15: 172 3,10,27–33: 162 3,10,28: 173 3,10,34: 162, 172 3,10,35: 162, 174 Historia Wambae: 171 Ps-Julian von Toledo Ordo annorum mundi: 172, 175, 179 Recensiones 1–5,10: 163 Recensio 3: 170 f. 13: 170 Recensio 4: 170 Recensio quarta breuior: 170 Recensio quarta longior: 170 f. 13: 178 Recensio 5: 170 f. 13: 178 Junillus Africanus Instituta regularia diuina: 77 f. Justin II. Nouellae 4: 49 Justinian I. Confessio rectae fidei: 84 f., 88–91, 360, 408–410 Epistula dogmatica ad Zoilum: 64 Forma ante synodum: 432 10: 406 Schreiben an die alexandrinischen Mönche (Contra Monophysitas): 64 Schreiben gegen die Drei Capitel: 362, 412 1: 70 2: 69 14: 69 54: 71, 361 61: 247
Register
63: 69 70: 361 79: 361 Kalender von Karthago: 207 Kardinal Deusdedit Collection canonum 4,277: 126 Kathargische Chronik von 525: 129 Kyrill von Skythopolis Vita Sabae 38: 271 53: 301 54: 308 57: 300 60: 57, 113, 294, 314, 345 65: 294 68: 350 f. 72: 358 85: 66 90: 152 Laktanz De mortibus persecutorum 1,1: 324 f. 33: 333 35: 333 Diuinae institutiones 7,14: 164 Laterculus imperatorum Romanorum Malalianus 3: 163 Laterculus Regum Vandalorum et Alanorum: 125, 218 Augiensis: 116 A3: 318 A4: 319 A5: 319 A6: 333 A7: 333 A8: 328 A8–A9: 39, 334 A12: 334 A15: 338 A16: 41, 338 f. Recensio Hispana H7: 333
Stellenregister
H12: 224 H15: 338 Leo I. (Kaiser) Epistula ad Anatolium episcopum Constantinopolitanum: 262 Leo I. der Große Tomus ad Flauianum: 55 f., 58, 64, 72, 239, 246, 273, 289 f., 292, 387, 390 24,2: 289 Epistulae 10,9: 242 13,1: 242 23,2: 242 78: 242 90: 261 93,1: 242 94,1: 115, 242 104: 243 113: 477 114: 243 150: 115 156,3–4: 262 162 (= 72 Silva Tarouca): 252 164: 252 164,1: 251 164,3: 248 170: 115 Libellus Hormisdae: 58 Liber chronicorum: 128 f., 135, 137 f., 149, 166, 175, 185, 194, 495 Liber de Genealogiis Patriarcharum: 166 Liber fidei catholicae: 37, 320, 327 Liber pontificalis: 382 50,2–4: 274 53,11: 332 59,5: 376 60,6–9: 379 60,8: 379 61,1: 388 61,3: 388, 394 61,4: 394 61,5: 388 61,9: 92, 450 62,1: 93 66,5: 205 67,1: 205
569
Liberatus von Karthago Breuiarium causae Nestorianorum et Eutychianorum: 13 f., 22, 118, 122, 296, 315, 372, 385, 392, 425, 434, 484, 491, 494 prooemium: 77, 83 1: 105 3: 238, 241, 404 4: 419 f. 5: 419 10: 233, 386 12: 105, 114 13: 220, 239 15: 209 f., 260, 262 f., 268 16: 261, 269 17: 38, 269 f., 273–275 18: 119, 277, 286 f. 19: 119, 291, 293, 295, 297, 345, 347, 350, 363, 366, 370 f., 374 20: 365 f. 21: 375–377 22: 120 f., 379, 381–383, 388–390, 431, 451, 453 23: 64, 66, 155, 420, 453 24: 66 f., 74, 82, 119, 361, 386 f., 390, 404, 430, 453, 480 Marcellinus Comes Chronicon: 17 f., 22, 357 a. 454,2: 234 a. 455,1: 235 a. 455,5: 236 a. 458: 262 f. a. 476,1: 217 a. 484,2: 322 f. a. 495: 287 a. 511: 291 a. 512,2: 309, 313 a. 512,2–7: 308 a. 512,3: 310, 313 a. 512,4: 308 a. 512,5: 308 a. 512,6–7: 309 a. 512,8: 309 a. 512,9: 292 a. 514,1: 297 a. 514,2–3: 299 a. 515,2: 298
570 a. 515,3–4: 298 a. 515,6: 301 a. 516,2: 294 a. 518,3: 315 a. 519: 293 a. 519,1–2: 346 a. 519,2: 347 a. 519,3: 349 a. 520: 354 a. 521: 354 a. 527: 350 f. a. 532: 372 a. 534: 45 a. 535,2: 375 a. 535,4: 374 a. 536,5: 379 a. 536,10: 376 f. a. 537,1: 380, 388 a. 543,2: 394 a. 545,2: 205 a. 546: 73 a. 547,6: 52 Marcian Constitutio ad synodum Chalcedonensem: 56 Epistulae 73: 242 Epistularum collectio M 14 (ACO 2,1,1): 243 Epistularum collectio M 16 (ACO 2,1,1): 243 Marius von Avenches Chronica: 18, 357 a. 532: 372 a. 566: 202 Martyrologium Hieronymianum: 207 f. Martyrologium Romanum: 208 Michael Syrus Chronica 9,9: 297 9,34: 462 10,1: 474 10,2: 475 10,4–5: 475 Missale Gothicum 28 (Missa in caena domini): 210 Narrationis ordo de prauitate Dioscori Appendix 2,14: 115
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Nestorius Liber Heraclidis 2,2: 307, 311 Notitia prouinciarum et ciuitatum Africae: 37 Nominae episcoporum prouiniciae Byzacenae 14: 324 Nominae episcoporum prouiniciae Proconsularis 1: 328 Nominae episcoporum prouiniciae Proconsularis 21: 96 Nouellae Iustiniani 6, praefatio: 59 30,11,2: 45 36: 44 37: 44, 47–49, 420 37,1: 47 37,5–9: 47 37,9: 48 41,11: 363 41,11, praefatio: 363 42: 63 f., 356, 376 42,1: 376 47: 200, 203 47,1: 200 47,1, praefatio: 200 47,1,1: 200, 206 47, epilogus: 206 77: 395 78,4: 44 109, praefatio: 219 123,2: 219 123,21: 102 131,1: 69, 247, 356 Appendix 7: 92 Iussio Iustiniani imperatoris pro priuilegio concilii Byzaceni (541): 47, 49 f. Iussio Iustiniani imperatoris pro priuilegio concilii Byzaceni (542): 49 Orosius Historiae aduersum paganos: 176 1,1,6: 159, 162 3,16,9: 30 5,14,4: 30 5,16,3: 30 5,20,9: 30
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5,22,11–13: 381 7,32,11: 30 Palladius Historia lausiaca 38: 153 Passio septem monachorum 2,2: 332 Paulus Diaconus Historia romana 16,7: 41 Pelagius I. von Rom (Pelagius Diaconus) Epistula ad Sapaudum: 454, 459, 476 Epistulae 10: 90 In defensione trium capitulorum: 89, 452 2: 92 3: 386 f. 5: 381 6: 262 f., 402 Pelayo de Oviedo Liber chronicorum: 171, 179 Liber chronicorum, Ordo annorum mundi 15: 179 Philostorgius Historia ecclesiastica: 16 Pontianus von Thenae Epistula ad Iustinianum Imperatorem: 77 Possidius Vita Augustini 28: 30 Prokopios von Caesarea Anekdota: 61, 355 1,11–14: 388 1,14: 380 1,27: 380 4,1: 394 5,23: 396 6,17: 347 6,26: 345 6,27: 349 6,28: 354 9: 388 9,47–49: 347 9,52–53: 350 9,54: 351 10,16–18: 370
11,1–2: 371 17,27: 374 18,1–9: 53 18,6: 30 18,44: 113, 393 De aedificiis 6: 45 6,5: 45 De bellis 8,17,20–22: 53 De bello Gothico (De bellis 5–7) 1,25,13: 380, 388 2,7,35: 444 3,15,9: 73 3,30,4: 396 4,25,13: 454 De bello Persico (De bellis 1–2) 1,24: 372 1,24,33–38: 62, 372 2,22–23: 394 2,22,2: 39 2,23,13–16: 395 De bello Vandalico (De bellis 3–4) 1,3,16–22: 29 1,3,22–26: 29 1,4,12–14: 31 1,4,28: 234 1,4,36–39: 236 1,5,6: 217 1,5,18: 30 1,7,26: 32 1,7,30: 318 1,8,4: 323 1,8,5: 32, 333 1,8,8: 39 1,8,9: 40 1,8,11–12: 39 1,9,2–3: 43 1,9,4–5: 337 1,9,5–6: 43 1,9,8–9: 43, 340 1,9,14–19: 43 1,9,19: 43 1,10,18–20: 45, 342, 358 1,10,18–21: 43 1,10,19: 358 1,11: 44
571
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1,11,18–21: 43 1,12,2: 45 1,12,2–3: 44 1,16,13: 219 1,21,17–25: 358 1,21,18–25: 45 2,8,9–11: 52 2,11,15–26: 52 2,12: 52 2,14–15: 52 2,14,11–16: 52 2,16,1: 52 2,19–24: 52 2,23,18–25: 79 2,24,10–11: 205 2,25–28: 52 2,26,23–28: 79 2,26,23–31: 422 2,26,31: 79 2,28,41: 341 2,28,50–52: 53 Prosper Tiro von Aquitanien De uocatione omnium gentium: 240 Epitoma Chronicon: 15, 17–19, 21, 111, 122, 125 f., 128–131, 134, 137 f., 142–150, 156, 162, 164, 166, 183 f., 186, 194–196, 202, 216, 218, 226, 230 f., 233, 252, 255–257, 484 f. 1: 159 13: 159 131: 329 191: 329 192: 329 197: 329 329: 182 358: 159 361: 158, 160 378–388: 161 385: 159 386: 159, 161 388: 161, 182 390: 161, 182 390–391: 199 513: 329 852: 325 864: 325 1007: 325 1146: 145
1171: 237 1175: 329 1201: 329 1220: 329 1252: 237 1295: 30 1297: 232, 237 1311: 182 1312: 161, 181 1312–1318: 159–161 1318: 159, 181 f. 1321: 30 1327: 32, 316, 338 1329: 32 1337: 329 1339: 30 1347: 31 1351–1353: 185 1358: 114, 237 f., 240 f., 253, 255 1361: 234, 241 1361–1362: 242 1362: 242, 244, 250 1363: 244 1367: 234, 240 1369: 244, 246, 249 f. 1370: 234 1373: 234 1375: 234–236, 240, 316 1376: 240 Quintus Iulius Hilarianus De cursu temporum: 166 16: 165 17: 165 Quodvultdeus Liber de promissionibus et praedictionibus Dei 2,35,79: 162 Registri ecclesiae Carthaginensis excerpta 127: 49 Rufinus von Aquileia Historia ecclesiastica: 16 10,13–14: 331 Rusticus Diaconus Contra Acephalos disputatio: 105 praefatio: 434
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Salvian von Marseille De gubernatione Dei 7,46: 34 Secundus von Trient Historiola supputatio: 164 Sextus Julius Africanus Chronographiae: 169 Simplicius Epistulae 15,3 (Thiel) (= Collectio Auellana 66,4–5): 276 17,1 (Thiel) (= Collectio Auellana 67,2–4): 276 Socrates Scholasticus Historia ecclesiastica: 16, 111 1,38,1: 331 1,38,7: 331 1,38,8: 331 Sozomenus Historia ecclesiastica: 16, 111 Sulpicius Severus Chronicorum libri II 2,5: 164 Symbolum Chalcedonense: 38, 51, 55 f., 58, 63 f., 70, 83, 246, 278 Symbolum Nicaeno-Constantinopolitanum: 55, 473 f. Symbolum Nicaenum: 55, 339 Symbolum Romanum: 478 Symmachus Epistula ad Anastasium Imperatorem (Epistula 10 [Thiel]): 57 Synodicon Vetus 110: 288 Tacitus Annales 13,43: 103 14,37: 30 Tertullian Apologeticum: 17 De anima 16: 248 De resurrectione 43,4: 325 Theodor von Mopsuestia De incarnatione: 361
573
Theodoret von Kyrrhos Historia ecclesiastica: 16, 111 2,24–25: 68 5,42: 68 In epistulam primam ad Timotheum: 295 Theodoros Anagnostes Historia ecclesiastica: 21, 24, 111, 113, 122 f., 146, 211 f., 246, 263, 281, 332, 470, 484, 486 E198: 153 E300: 261 E341: 233 E341–342: 233 E344: 238 E344–347: 231, 238 E345: 239 E346: 254, 279 E347: 253 E354: 241 E355: 241 E360: 243, 250 E366: 240 E368–370: 209 E370: 260 E371: 262 E372: 262 E373: 262 E379: 261 E385: 279 E393: 217 E398: 259, 310 E400: 266 f. E401: 267 E405: 267 E407: 268, 279 E408: 279 E409: 268 E413–414: 267 E414: 267 E415: 267 E416: 269 E417: 269 E418: 269 E421: 223, 269 E425: 270 E427: 307 E429: 272 E430: 272
574 E431: 274 E432–433: 274 E434: 275 E435: 276, 456 E437–438: 276 E440: 222, 277 E441: 285 E442: 287 E443: 277 E446: 280, 283 f. E447: 285 E448: 283 E449: 287 E451: 286 E452: 286 E453: 287 E454: 287 E455: 287 E456: 288 E459: 288 E461: 289 E462: 289 E465: 301 E472: 290 E474: 291 E475: 302 E477: 291 E483: 292 E484–486: 292 E487: 288 E489: 291, 301 E492: 291 E498: 292 f. E501: 356 E503: 297 E508: 301, 308–310, 313 E509: 298 f. E511: 299 E512: 228, 304 E513: 112, 305 E514: 299 E515: 291 E516: 303 f. E517a: 294 E520: 300 f. E523: 206
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E524: 112, 314, 345 f. F1: 112, 238 F1–77: 112 F3: 245 F37: 279 F38: 286 F52a: 112, 301 F54: 290 F61: 296 F65: 310 F72: 294 F77: 112 Historia tripartita E50: 332 E148: 146 E174: 146 E249: 146 E266: 146 E300: 146 Theophanes Chronographia: 113, 211, 264, 272 a.m. 5950: 210 a.m. 5958: 263 a.m. 5969: 223, 267 a.m. 5973: 223 a m. 5976: 38 a.m. 5981: 222 a.m. 5984: 112 a.m. 6004: 301 a.m. 6008: 301 a.m. 6011: 346, 349, 363 a.m. 6019: 350 f. a.m. 6024: 372 a.m. 6029: 374, 376 a.m. 6033: 363, 365 a.m. 6039: 62, 73, 372 a.m. 6040: 396 a.m. 6044: 304, 445 a.m. 6057: 201 f., 462, 468 Theophil von Antiochien Ad Autolycum: 17 3,28: 159 Trishagion: 307–311 Tyconius Liber regularum 5,3,1: 164
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Valerius Maximus Facta et dicta memorabilia 9,2,3: 30 Venantius Fortunatus Ad Iustinum et Sophiam Augustos: 474 f. Victor von Cartenna De paenitentia: 106 Victor von Tunnuna Chronicon praescriptio: 95, 130, 143, 231 1: 108, 147, 200, 214, 223, 232, 336 1–15: 231, 253 3: 112, 199, 220–222, 237–239, 241, 271, 278, 336, 365, 374, 462 3–4: 231, 238 4: 114, 214, 220–225, 233, 240, 253 f., 432 4a: 142 5: 220 f., 234, 240, 464 6: 214, 234, 254 7: 234, 241 8: 115, 193, 213 f., 242, 396, 472 f. 9: 221 f., 261 10: 117, 204, 214, 220 f., 223–226, 238, 244 f., 247–250, 253 f., 278, 326, 356, 369, 374, 385 f., 396, 432 f., 462, 473, 481, 486 11: 221, 224 12: 234 13: 214, 234, 444 13–15: 216 14: 116, 214, 216, 218, 234 f., 286, 396 14–15: 156, 316 15: 214, 216, 218, 220 f., 231, 257, 319, 338 16: 214, 220, 257 16–40: 257 17: 214, 243, 257, 259 18: 193, 213 f., 257, 259 19: 115, 204, 209, 211 f., 221, 224, 259 f., 271, 336, 365, 412 20: 213 f., 257, 259 21: 221, 224, 260, 445 22: 115, 221, 224 f., 257, 260, 271 23: 193, 199, 212, 221, 224, 259, 261 24: 257 25: 214, 257, 259 26: 36, 227 f., 318, 329 27: 204, 208, 214, 257 28: 116, 199, 217 f., 318–320, 330
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29: 223, 225, 227, 257 30: 116, 214, 218, 221, 228, 259, 284, 319 f., 322, 330, 334 f. 31: 263, 311 32: 214, 257 33: 214, 221, 251, 259, 261 f., 369 34: 220 f., 257 35: 214, 257, 259 36: 214, 257, 259 37: 214, 216, 257, 259, 267 38: 220–223, 225 f., 257, 261, 270 39: 214–216, 257 40: 214 f., 257, 263, 267 41: 193, 213, 215, 266 41–67: 264 f. 42: 193, 215, 217, 267 43: 216, 267, 299 44: 215, 217, 267 45: 216, 268, 299 46: 212, 224, 268 47: 215–217, 267 f. 48: 216 49: 212, 221–225, 227, 268 f., 271 50: 37, 101, 116, 204, 207, 215, 218, 221, 228, 284, 320, 322, 325, 327, 329 f., 335, 342, 358, 426, 470 f. 50–52: 265 51: 218, 284, 319, 330, 424 52: 218, 333, 336 53: 115, 212, 215, 224, 270, 277, 280, 287, 385, 436, 481 54: 215, 222–224, 270 f., 277 f., 417, 439, 481 55: 216, 276, 481 56: 220 f., 224, 272, 274, 385, 412, 439 57: 118, 215, 220, 222–224, 272, 277, 439, 481 58: 115, 220–222, 274, 403, 439 58–59: 273 59: 220–224, 275 f., 379, 424 60: 278 61: 216, 276, 299 62: 222 f., 226, 276, 385 63: 221 f., 277, 284 64: 224, 227, 260, 277, 280, 286, 445 65: 223, 276, 456 66: 279, 335, 416 67: 215, 217, 222, 280, 283 f., 302, 320, 331, 366, 417
576
Register
67–100: 280 f. 68: 193, 213, 215, 223 f., 226, 276, 283, 285, 345, 369, 385, 396, 436 69: 220–227, 276 f., 286, 380, 385 70: 112, 215, 222, 286 71: 215, 224, 286 72: 216, 287 73: 224, 227, 286 74: 215, 222, 287, 297, 385, 421 75: 215, 222, 288 f., 291 76: 221 f., 225, 229, 289, 299 77: 221, 224 f., 227, 289 78: 102, 218, 284, 320, 333 f., 337 79: 335 f., 416, 493 80: 112, 278, 283, 301–303, 311, 320, 397, 424 81: 215, 221, 224, 290, 312, 370, 379, 383, 386 82: 112, 278, 283, 302 f., 311, 320, 487 83: 215, 222, 291 f., 296, 312, 439 84: 312, 315 85: 215, 224, 292–294, 305, 312, 379 86: 228, 327, 330, 337, 457 87: 119, 215, 278, 295 f. 88: 303, 311 89: 221, 228, 304 90: 215, 224–226, 292–294, 366, 379, 417, 439 91: 215, 297, 417 92: 215, 298 93: 112, 224, 305, 370 94: 215, 279, 306, 312 f., 370, 462 95: 215, 298 f. 96: 299 97: 217, 222, 284, 287, 300 98: 215, 224, 300 99: 200, 204–206, 215, 222, 224, 300, 347 100: 113, 215, 300, 312–315, 424, 444 100–101: 112 101: 113, 193, 213, 215, 217, 326, 339, 345 f., 353 101–110: 344 101–129: 351 f., 354 102: 215, 346 f. 103: 215, 347, 354 104: 118, 215, 220 f., 223–225, 227, 275, 278, 314, 348, 354, 363, 385 105: 298, 349 106: 41, 217 f., 221, 228, 337–339 107: 215, 298, 349, 354
108: 220, 222, 224 f., 227, 294, 299, 348, 350, 363, 367, 412 109: 215, 350, 354 f. 109a: 199 110: 215, 351 111: 193, 201 f., 213, 215, 217, 352, 355, 368 111–130/140: 367 112: 215, 278, 342, 351, 356, 360, 368, 371, 493 113: 62, 217, 278, 356, 360, 369–372, 379, 462 114: 299, 357, 372 115: 218 f., 299, 340, 357 115a: 465 116: 304, 357 117: 215, 218 f., 299, 340, 357, 426 118: 43, 199, 209, 215, 218 f., 299, 341, 343, 357–359, 373, 470 119: 221, 225, 227 f., 294, 336, 343, 419 120: 215, 220, 360–362, 367, 403, 410, 412 f. 121: 62, 217, 222, 360, 370, 373, 375 122: 222, 226, 299, 375 123: 224 f., 271, 284, 365, 382 124: 117, 215, 221, 224 f., 284, 363–366, 385, 417, 426, 450, 464 125: 217, 220, 222, 375, 377, 379, 386, 419, 439 126: 109, 225, 284, 365, 385, 450 127: 224, 365 128: 199 f., 222, 224–226, 365, 379, 382, 385, 417, 419 128–166: 200 129: 218, 299, 341 130: 113, 117, 119–121, 217, 220, 222, 224–226, 233, 246, 254, 279, 293, 296, 311, 313, 336, 351 f., 360, 362, 367, 370, 377–379, 381, 383 f., 386–394, 397, 401 f., 404, 407, 410, 417 f., 431 f., 434, 454, 486 f., 494 131: 218, 311, 341, 402, 427 132: 117, 215, 222, 360, 362, 379, 385, 402–408, 410–412, 462, 494 132–137: 401 132–173: 470 133: 221, 225, 407, 431 134: 205, 218, 299, 341, 407, 444 135: 335, 407 136: 215, 218, 299, 341, 407, 422 137: 117 f., 215, 221, 360, 379, 408–413, 494 138: 224, 411 138–145: 411
Stellenregister
139: 84, 215, 362, 379, 409 f., 412 f., 415, 453 140: 217, 379, 387, 396, 424 141: 74, 84, 95, 221 f., 385, 403, 409 f., 412–414, 418, 420, 422, 425 f., 433, 439, 442 f., 450, 494 142: 117, 326, 335, 366, 380, 387, 414 f., 417–419 143: 215, 221, 228, 414, 418–421 144: 225 f., 420 145: 50, 102 f., 105, 118, 221, 228, 313, 346, 366, 380, 419, 421, 423–430, 436 f., 443, 446 f., 450 f., 469, 480–482, 487 f. 145–150: 437 146: 225, 431 f. 147: 115, 215, 220–222, 224–226, 311, 378, 409, 413, 431–435, 443, 450–452, 468, 487, 494 148: 220, 385, 436, 455 148–152: 425 149: 99, 221, 228, 412, 419, 436 f., 439, 443, 446 f., 450, 488 150: 220, 314, 424, 443, 454 151: 304, 444 f., 455, 481 152: 50, 118, 221, 228, 260, 419, 422, 437, 439, 445, 448, 450, 465, 481, 488 153: 95–97, 99, 101–104, 122, 336, 447–449, 481 153–156: 446 154: 224, 448 155: 102, 104, 228, 260, 422, 445, 448 f. 156: 95 f., 101, 105, 122, 336, 366, 449 f., 459, 464 157: 221 f., 392, 414, 423 f., 431, 437, 450 f., 480 f. 157–159: 450 158: 429, 433, 451, 469 159: 110, 215, 222, 437, 452 f., 459, 480, 493 160: 362, 412, 426, 453 f., 480 160–162: 454 163: 278, 454 164: 220, 260, 435, 445, 455 165: 201, 203, 205, 207, 221, 228, 287, 419, 443, 456, 458, 469, 481 f. 166: 201, 215, 407, 454 167: 110, 200 f., 203, 215, 222, 225, 452 f., 455 167–172: 200 168: 155, 225, 431, 455 169: 95, 105 f., 122, 201, 215, 222, 336, 449, 459 f., 463 f., 466, 469, 471, 481 170: 145, 150–153, 155 f., 201, 215, 222, 226, 336, 379, 431, 463, 466–468, 493 171: 454 f., 468
577
172: 177, 182, 196, 200–203, 207, 215, 468 173: 205, 207, 215 f., 323, 469 174: 157, 196, 214 f., 217, 469, 472–474, 476 174–175: 108 f. 175: 95, 108, 144, 151, 157, 159 f., 177, 182, 185, 193, 199, 203, 473 Victor von Vita Historia persecutionis Africanae prouinciae: 321, 326, 458, 489 1: 318 1,1: 30 1,2: 30 1,3–8: 30 1,13: 31, 101 1,15–16: 32 1,24: 33 1,27: 33 1,29: 33 1,30: 324 f. 1,30–38: 32 1,33: 448 1,39: 33 1,44: 324 1,47: 324 1,51: 33, 318 2–3: 319 2,2: 36 2,2–7: 327 2,6: 328 2,6–7: 36, 327 2,8: 327 2,8–9: 37 2,9: 324 2,12–16: 37 2,14: 227 2,17: 116, 319 2,24–25: 37 2,26: 101, 116, 322 2,26–28: 32 2,26–37: 37, 322 2,29: 325 2,29–30: 322 2,30: 101, 323, 325 2,34: 325 2,38–39: 319 2,39: 37 2,43: 328
578 2,45: 448 2,47–51: 328 f., 358 2,52: 208, 324 2,54: 227, 328, 448 2,55: 327 2,56–101: 37, 327 3,2: 37 3,2–14: 319 3,3–14: 37 3,5: 34 3,15–60: 38 3,17–20: 37 3,19–30: 323 3,20: 116 3,21: 448 3,22: 324 f., 448 3,23: 325 3,25: 448 3,26: 325 3,27: 325 3,28: 325 3,30: 323 3,33: 448 3,34: 102, 328 3,40: 448 3,41: 325 3,43–44: 328 f. 3,44: 329 3,48: 441 3,59: 116, 318 3,70: 341 3,71: 319, 332 Vigilius von Rom Constitutum de tribus capitulis: 74, 86, 89 f. 305–306: 89 307–314: 89 311: 425 Constitutum II: 92, 381 Epistulae: 67 1: 83, 85, 88, 429, 444 2: 83, 85, 425, 444 3: 85 Epistula ad Eutychium: 86 Epistula 2 ad Eutychium: 92 Epistula ad Rusticum et Sebastianum: 84 Epistula ad Valentinianum de Tomis: 84
Register
Iudicatum: 74, 83 f., 92, 384, 403, 409 f., 412– 414, 417–419, 433 f. Vita Fulgentii: 39, 75 prologus 2: 335 6,17: 335 13: 40 13,32: 40 14: 40 17,40: 334 18,41: 334 20,44: 40 20,45: 40 21,49: 40 23,50: 335 25,54: 40 25,55: 41, 339 26,55: 339 27,61: 339 29,66: 77 65: 335 Vita sancti Danielis stylitae 71: 279 73: 279 (Ps-)Zacharias Rhetor Historia ecclesiastica: 16, 113 2,1: 287 3,1: 333 4,2: 212 4,5: 263 4,9: 261 5: 268 5,5: 269 5,7: 38 5,8: 38 5,9: 404 6,1: 404 6,4: 277 6,5: 277 7,(7–)8: 291 7,8: 290 7,9: 308 f. 7,10: 292 7,12: 294 7,13: 298, 301 7,14: 303 f., 315 8,1: 346, 350 8,2: 297, 349, 354
Personenregister
8,4: 61 8,5: 61 9,1: 350 f. 9,14: 62, 372 9,15: 61 9,19: 63, 374, 376 9,19–26: 382 9,21: 290 Zeno Henotikon: 38 f., 54, 56 f., 63, 117, 270–274, 276, 278, 287–290, 292, 404, 411
579
Frühneuzeitliche Quellen Abraham Ortelius Thesaurus geographicus fol. ccv: 96 Johannes Trithemius Liber de scriptoribus ecclesiasticis fol. 36r: 96 Johannes Vasaeus Chronici rerum memorabilium Hispaniae 1: 141 fol. 10v: 139
Personenregister Autoren wurden in das Personenregister aufgenommen, wenn sich an der betreffenden Stelle kein eindeutiger Verweis auf eine bestimmte Quelle findet bzw. wenn auf sie als historische Personen rekurriert wird. Die für Datierungen verwendeten Personenangaben wurden in der Regel nicht in das Register aufgenommen. A Acacius von Antiochien 223 Acacius von Konstantinopel 38, 54, 56, 118, 220–223, 226, 268–278, 287, 347, 379, 403, 411, 439 Aëtius 234, 240, 444 Agapitus von Rom 48, 63 f., 220, 222, 226, 374–377, 379, 382 f., 385 f., 419, 439 Agrippinus von Karthago 27 Alamundarus 112, 299, 304 f., 370 Alexander von Antiochien 223, 225–227 Alexander von Konstantinopel 331 Al-Mundir III. 305 Amalafrida 39, 217 f., 337 Amantius 347 Amphilochius von Side 256 Anastasius (Eremit) 279 Anastasius von Antiochien 224 f. Anastasius I. (Kaiser) 20, 54, 56 f., 111–113, 213, 215–217, 221, 257, 264, 278, 280 f., 283–302, 306–315, 320, 331, 343–345, 347–350, 355, 365 f., 369 f., 372, 378, 385 f., 394, 396 f., 417, 424, 444, 470, 486 Anastasius I. von Jerusalem 225–227
Anastasius II. von Rom 57, 222, 225, 286, 289 Anatolius (Diakon) 75 Anatolius von Konstantinopel 222, 226, 245, 261, 441 Anatolius von Laodicea 169 Andreas 253 Andreas (cubicularius) 347 Andreas von Samosata 290 Annianus (Eremit) 279 Antalas 43 Anthemius 214, 216, 257 Anthimus I. von Konstantinopel 63 f., 222, 356, 373–376, 379, 382 f., 388 f., 391 f., 402 f. Antiochus IV. Epiphanes 333 Antonina 120 f., 379 f., 383, 388 f., 391 f. Antonius (Asket) 454 f. Antonius („Arianer“) 328 f. Apollinaris von Laodicea 60, 238 Ap(p)ollinarius von Alexandria 65, 225 f., 420, 431 f. Ardabur 259 Areobindus 52, 341, 421 f. Ariadne 217, 267, 280, 283 f., 291, 300 f., 308, 311
580
Register
Arius 255, 284, 330–333 Artabanes 52, 341 Aspar 259 Athanasius (Prätorianerpräfekt) 52 Athanasius II. Keletes von Alexandria 224, 227, 277, 286 Athenodorus 216 Attila 234, 240, 244 Augustin von Canterbury 176 Augustinus von Hippo 28, 172 f., 440, 481 Augustus Oktavian 109, 157, 159, 172 f., 182, 189 Auxentius (Stylit) 279, 333 Avitus 214, 216, 231, 257 B Barbas 302 Basiliscus 56, 216 f., 267–269, 279 f., 299 Basilius von Amasia Pontus 325 Basilius von Antiochien 223 Beda Venerabilis 125 Belisar 43 f., 52, 116, 121, 206, 209, 218 f., 304, 341–343, 357–359, 372 f., 379 f., 383, 388, 444, 454 Bendinianus 279 Benedictus I. von Rom 453 Benenatus 362, 412 f., 415 Boethius (Präfekt) 234 Boethius (Primas der Byzacena) 102, 336, 419, 425 Bonifatius 340 Bonifatius (comes) 29 Bonifatius von Karthago 41 f., 228, 339, 343 Bonifatius II. von Rom 222, 225 f., 375 Brumasius 105, 459 f. C Caecilianus von Karthago 27 f. Calandio 223, 276, 285 f., 396 Capreolus von Karthago 48, 227 f., 318, 420 Cassiodor 169, 184 Chrysaphius 241, 254 Coelestin 71 Constantius II. 458 Cornelius Sulla 380 f. Cornelius von Rom 325, 441 Cresconius Tennonensis 96 f., 99 Crisonius 105, 459 f.
Cyprian von Karthago 27–29, 45, 49, 325, 358, 441, 478 f., 481 D Daniel (Stylit) 279, 333 Datius von Mailand 220, 314, 397, 424, 429, 443–445, 454, 461 Decius 28, 154, 441 Deogratias von Karthago 33, 227 f., 318 Didymus 145 f., 150–156, 431, 467 f. Diodor von Tarsus 68, 289 f., 390 Diokletian 27 f., 79, 154, 169, 202 Dionysia 325 Dionysius Exiguus 163, 168 f., 177, 179–181, 189 Dioskur (Gegenpapst) 222, 364 Dioskur von Alexandria 211, 224, 245 f., 249, 253–255, 259 f., 270 f., 291, 365 Dioskur II. von Alexandria 224 f., 291, 347 Domitian 314 Domninus von Antiochien 224, 226, 411, 431 Domnus von Antiochien 108, 223, 232 f. Donatus (Bischof aus Africa) 105, 459 f. Donatus von Karthago 28 Dulcidius 472 E Elias I. von Jerusalem 225 f., 292–294, 439 Ephraim (Euphemius) von Antiochien 224 f., 411 Epiphanius von Konstantinopel 222, 225, 350, 373 f. Erwig 173 f. Eudocia 36, 41, 217, 235, 319 (Licinia) Eudoxia 36, 235 f., 319 Eufrasius von Antiochien 224 f., 365 Eugenius von Karthago 36, 39 f., 204, 227 f., 318, 320–322, 327–330, 335, 337, 339, 407 f., 416 f., 429, 456 f., 470, 486, 488 Eunomius 154 Euphemius von Konstantinopel 221 f., 277 f., 283–288, 300, 421 Eusebius von Caesarea 16, 19, 133, 143, 150 Eusebius von Dorylaeum 238 f., 246, 253, 255 Eusebius von Nikomedia 331 Eustachius von Antiochien 276, 456 Eustochius von Jerusalem 155, 225 f., 431 f., 455 Eutherios von Tyana 290
Personenregister
Eutyches 38, 60, 71, 87, 233, 236–241, 246, 249, 253 f., 260, 271, 278, 285, 288 f., 293, 365, 373 f., 402, 462 Eutychius von Konstantinopel 86, 91, 106, 151–153, 155, 222, 226, 379, 431, 459–468 Evagrius Ponticus 145 f., 150–156, 431, 467 f. F Facundus von Hermiane 60, 69, 73–77, 79–83, 118 f., 122, 152, 335 f., 383, 414–418, 434, 462, 471, 477–482, 487 f., 491, 494 Faustus 289 Felix 329, 358 Felix Gillitanus 84, 429, 433 f., 446, 450–452, 455 f., 458, 469 Felix III. (II.) von Rom 56, 115, 220 f., 226, 273–275, 277, 286 f., 403, 439, 486 Felix IV. (III.) von Rom 222, 225 f., 375 Ferrandus von Karthago 75 f., 79–81, 122, 252, 335 f., 407 f., 413, 416 f., 462, 481, 488 Firmus 29 Firmus von Tipasa 314, 336, 397, 418–421, 423–426, 428–430, 446, 451 Flavian von Konstantinopel 222, 238 f., 241, 246, 253–255, 278 Flavian II. von Antiochien 221, 224, 289 f., 292 f., 297 f. Flavitas (Fravitas) von Konstantinopel 222, 225, 277 Florentius 239 Frontinus (Frontinianus) von Salona 220, 260, 435 f., 445, 455 Fulgentius von Ruspe 37, 40 f., 75, 77, 79, 151, 334–337, 339 f., 407 f., 416 f., 488, 493 G Gaianus 225, 365 Galerius 154, 333 Gebamundus 218, 343 Geiserich 29–32, 36 f., 41, 116, 166, 203, 216–218, 235 f., 240, 286, 316, 318–320, 324, 327, 337 f., 396 Gelasius I. von Rom 57, 77, 221, 225, 242, 286, 485 Gelimer 43 f., 218 f., 299, 340, 343, 359, 426 Gennadius I. von Konstantinopel 222, 225–227
581
Gento 39 Germanus 52 Gildo 29 Glycerius 215 Gregor der Große 108, 126, 205, 471 Gunderich 29 Gunthamund 39, 218, 328, 333 f., 336, 338 Guntharis (Guntharit) 52, 218, 299, 341, 407, 421 f. Gunthimer 218, 343 H Heraclianus 29 Heraclius (Eunuch) 234 f. Heraclius (Flavius Heraclius) 176, 188 Herculanus 215 f. Herodes Agrippa 333 Herodot 333 Hieronymus 19, 130, 143, 150, 172, 329 Hilarius von Poitiers 481 Hilarius von Rom 221, 225 f. Hilderich 37, 40 f., 43, 46, 217–219, 228, 337–340, 343, 359 Hippolyt von Rom 17 Hoamer 43, 340 Honorius 29 Hormisdas 57–59, 222, 225 f., 299, 348 f., 364, 375, 485 Hunerich 34, 36 f., 39, 41, 46, 101, 116, 208, 216–218, 228, 257, 284, 314, 316, 319–326, 328–335, 341 f., 358 f., 397, 424, 426, 456 f., 469 f., 491 Hypatius 298 f., 372 I Ibas von Edessa 61, 67–69, 71, 92, 220, 233, 246, 253–255, 289 f., 378 Illus 276 Isidor von Sevilla 107, 110, 125, 127, 129 f., 141 f., 145, 148 f., 151, 172 f., 188 Iucundus 227 J Johannes (dux militiae) 341, 444 Johannes Malalas 113 Johannes Mula 224 f., 286 Johannes Niceta 224, 227, 286
582
Register
Johannes Talaia (Tabennesiota) 224, 269 f., 272, 286 Johannes Troglita 52 f., 79, 205 Johannes Vasaeus 125 Johannes von Aigai 290 Johannes von Biclaro 107, 110, 126 f., 130–132, 135, 151, 187–189, 190, 194, 196 Johannes von Germanicia 246 Johannes von Heraklia 347 Johannes von Palta 327 Johannes I. von Antiochien 223, 225, 232 f., 378, 386 Johannes I. von Rom 222, 225 f., 375 Johannes II. Codonatus 223, 225, 276 Johannes II. Kappadokes 58, 222, 300, 350, 373 Johannes II. von Rom 59, 62, 222, 225 f. Johannes III. Scholasticus 222, 225 f., 467 f. Johannes III. von Jerusalem 225, 227 f., 294, 347, 349, 439 Johannes III. von Rom 110, 152, 222, 225, 375, 452 f., 455 Juan Bautista Pérez 124, 171 Julian Apostata 206 Julian von Bostrenus 327 Julian von Halicarnassus 117, 221, 345, 347, 362–367, 376, 426, 450, 462, 464 Julian von Toledo 170, 180 Julianus von Antiochien 223, 225–227 Julius Nepos 213, 215 f. Junillus Africanus 78, 81 Justin I. 41, 43, 54, 56–60, 112, 206, 213, 215, 217, 264, 275, 278, 298, 304, 326, 338, 344–351, 353–356, 363, 367, 486, 493 Justin II. 26, 53, 99, 106–109, 127, 143, 151, 157–160, 177 f., 180, 196, 199 f., 213–215, 469, 471–476, 482, 488, 492, 494 f. Justinian I. 13 f., 26, 43–49, 51–54, 58–66, 69–75, 77, 81–87, 89 f., 92 f., 96, 100, 102, 105 f., 108 f., 111, 117, 119, 127, 151–153, 155, 157, 159, 177 f., 182, 193, 196, 200–203, 206 f., 209, 213, 215, 217, 219, 237, 293, 310, 327, 340–363, 366–373, 376, 384, 387, 394–397, 401–415, 418–420, 423 f., 429, 431 f., 444, 446, 448, 452–454, 458–476, 486 f., 493 f. Juvenal von Jerusalem 115, 225 f., 245, 260, 441
K Kavvades I. (Kawad; Caudes) 228, 304 f. Konstantin der Große 29, 192, 243, 331 Kyrill von Alexandria 38, 55 f., 58, 64, 68, 71 f., 77, 90 f., 169, 232, 246, 272 Kyrill von Skythopolis 113 Kyros von Hieropolis 290 L Laetus von Nepte 204, 207–209, 212, 321 f., 324–327, 330, 341 f., 357–360, 429, 470, 485–488 Laurentius (Gegenpapst) 222, 225, 229, 289 Leo I. (der Große) von Rom 55, 71, 220 f., 236, 239–241, 243, 245, 250–252, 260, 278, 289–291, 381, 416 Leo I. (Kaiser) 56, 193, 213–215, 257–259, 261–264, 267, 279, 346, 402 Leo II. (Kaiser) 214–216, 258 f., 264, 266 f. Leontius 216, 276, 299 Leontius von Byzanz 71 Leovigild 302, 337 Liberatus (Primas der Byzacena) 42, 340 Liberatus von Karthago 79, 82 f., 93, 118–120, 122, 152, 446, 491 Longinus 216 Lukian von Antiochien 207 Lupicina (= Euphemia) 217, 346 f. M Macarius II. von Jerusalem 225, 407, 431, 455 Macedonius 255 Macedonius II. von Konstantinopel 111, 222, 285, 287 f., 291 f., 295–299, 306 Maiorianus 204, 213 f., 216 Maiorinus (Gegenbischof) 28 Manasse (Eremit) 279 Marcellinus Comes 310 Marcian 55 f., 70, 115, 213 f., 241–245, 259, 262, 395, 472 f. Marinus 306, 308–310, 313 Martyrius von Antiochien 223, 225–227 Martyrius von Jerusalem 20, 225–227 Masona von Mérida 337 Mauritius 126, 151, 167, 174, 187, 192–194 Maximus (Petronius Maximus) 116, 159, 161, 214, 216, 234–236
Personenregister
Maximus von Antiochien 223, 226, 245, 441 Maximus von Salona 435 Menas von Konstantinopel 63, 72 f., 86, 222, 225, 372, 375, 377, 425, 428, 431 Misenus 274 f. Mocianus Scholasticus 80, 387, 434, 440, 457, 489 Musicus 105, 459 f. Muzonius 28 N Narsis 304, 444, 455 Nero 395 Nestorius 38, 60, 71, 87, 90 f., 118, 232, 237, 246, 288–290, 333 Novatian 441, 481 O Olimpius 112, 301, 314, 397, 424 Olimpius (magistrianus) 413 Olybrius 214, 216 Optatus Tonnonensis 96–99, 101 f. Orestes 215 Origenes 66 f., 81, 91, 152–156, 431, 468 P Palladius von Antiochien 223, 225 f., 285 f. Patricius 259 Paulinus von Antiochien 440 Paulus Prestor 225 f., 365 Paulus von Nisibis 78 Paulus von Samosata 390 Paulus von Tabennisis 64 Paulus II. von Antiochien 224 f., 349 f. Pelagius 237 Pelagius I. von Rom (Pelagius Diaconus) 65 f., 69, 75, 90, 92 f., 110, 126, 222, 381, 391, 437, 450, 452 f., 455, 476, 479 f., 491, 494 Pelayo de Oviedo 171 Petrus Fullo von Antiochien 220 f., 223, 271 f., 275–278, 285, 307, 347, 379, 412, 436, 439 Petrus hereticus von Antiochien 223, 225 f., 276 Petrus von Jerusalem 225, 228, 294 Petrus von Salona 260, 436, 445, 455
583
Petrus III. Mongus von Alexandria 56, 212, 220 f., 224, 227, 260, 269–275, 277 f., 347, 379, 404, 436, 439, 445 Philoxenus von Mabbug (Hierapolis) 221, 289–293 Photis 121 Placidia 234 f. Plato 306, 309 f., 313 Pompeianus von Victoriana 86, 437 Pompeius 308, 372 Pontianus von Thenae 77 f., 336, 388 Primasius von Hadrumetum 73, 77 f., 81, 86, 89, 98, 102, 105, 314, 336, 366, 397, 415, 418–421, 423–430, 437, 446, 450 f., 480 f., 488, 491 Primosus von Karthago 99 f., 102–105, 228, 260, 421–423, 436 f., 439, 443, 445 f., 448–450, 455, 457, 470, 488, 491 Priscillian 237 Proclinus von Salona 455 Prokopios von Caesarea 385 Prosper Tiro von Aquitanien 130 f., 133, 143, 145, 148, 150, 177, 180 Proterius von Alexandria 204, 209–212, 221, 224, 259–261, 268, 270, 485 Publius Suillius Rufus 103 Pulcheria 55, 241, 243 Q Quintilian 170 Quodvultdeus von Karthago 79, 227 f., 318 R Rabbula von Edessa 67 f. Radegunde 474 Reginus 77 Rekkared 126, 137, 151, 187–189, 192, 195, 473 Reparatus (Subdiakon) 323 Reparatus von Karthago 47 f., 86, 99, 204, 207, 221, 228, 287, 339, 343, 418–423, 426, 428, 430, 436 f., 446–448, 451, 456–459, 469, 481, 488 Restitutus von Karthago 27 f. Ricimer 214, 257 Romulus Augustulus 215 Rufinus 228, 412, 436 Rusticus Diaconus 84 f., 433 f.
584
Register
S Sabas 358 Sabinianus 205 Sal(l)ustius von Jerusalem 225, 227, 286 Sebastianus 84 f., 434 Septimius Severus 27 Sergius 52 Severus (Eremit) 279 Severus (Flavius Libius Severus) 204, 208, 214, 216 Severus von Antiochien 57, 63 f., 117, 221, 224, 281, 291–295, 299 f., 304 f., 307, 347, 349 f., 356, 362–364, 366 f., 376, 379, 382 f., 385, 388 f., 391 f., 402 f., 412, 417, 426, 439, 450 Sextilianus von Tunis 97, 437 Sextus Julius Africanus 17, 169 Sigisvult 29 Silverius von Rom 62, 65, 120, 222, 378–380, 382–384, 431 Simeon Stylites 279 Simplicius von Rom 221, 225 f. Sisebuth 137, 187 f. Solomon 44, 52, 341 Sophia 217, 472 Sophronius von Constantia 246 Sorcius 415 Stephanus (Diakon) 72 f. Stephanus von Antiochien 223, 225, 276 Stotzas 52, 205, 218, 299, 341, 402, 407, 444 Sunthila 137 Symmachus von Rom 57, 222, 225, 289, 299, 334, 349 T Tertullian 24, 172 Theodahat 63, 375, 380 Theoderich der Große 39 Theodor Askidas 66 f., 69, 74, 83 f., 88, 391, 404, 425, 428, 434, 453 Theodor von Cebarsussa 96, 98–100, 104– 107, 205, 207, 447–451, 459, 464, 469–472, 487 f., 492 Theodor von Mopsuestia 61, 66–69, 72, 78, 81, 88–91, 220, 233, 255, 289 f., 361, 378, 386 f., 390, 404, 479 Theodora 52, 61–64, 73, 90, 121, 217, 314, 352, 354 f., 357, 360, 365, 367–369, 371–392, 394,
396 f., 402–404, 407, 410, 413, 415, 424, 435, 439, 453, 472, 487, 494 Theodoret von Kyrrhos 61, 67–69, 71 f., 88– 91, 220, 246, 253–255, 289 f., 378, 386 f., 390 Theodoros Anagnostes 111, 210 Theodosius von Jerusalem (Gegenpatriarch) 225 Theodosius I. von Alexandria 63 f., 225, 284, 365, 382–384, 388 f., 391 f., 402 f. Theodosius II. 108, 111, 131, 148 f., 159 f., 213 f., 233, 241, 253 f. Theokrit 347 Thrasamund 37, 39–41, 101 f., 217 f., 228, 284, 320, 328, 334 f., 337 f. Tiberius 161, 163, 172 f., 182, 185 Timotheus I. von Konstantinopel 204–206, 222, 292, 300, 308 f., 439 Timotheus II. Ailurus 56, 111, 211, 221, 224, 259–263, 268, 270, 412, 417, 445 Timotheus III. Salophaciolus (Salafatiarius) 221, 224, 261, 268–270 Timotheus IV. von Alexandria 225, 227, 347, 349 Totila 304, 444 f., 455 Tyconius 168 V Valentinian III. 31, 36, 41, 116, 148, 185, 214, 216 f., 234 f., 286, 319, 338, 396 Valentinus 238 Valerian 28 Verecundus von Iunci 73, 418–421, 423, 425, 427–430, 447, 451, 456, 458, 469, 481, 487 f. Verina 402 Victor (Primas von Numidien) 108 Victor von Tunnuna 22, 95–110, 112 f., 115–120, 122 f., 130–133, 143, 145–153, 155, 167, 176 f., 195 f., 202, 210, 336, 340, 360, 446–450, 452, 459–461, 464, 466, 469–472, 475, 488 f., 491 f., 495 Victorianus 325 Victorius von Aquitanien 164 Vigilantia 472 Vigilius von Rom 65 f., 73, 83–93, 115, 117, 119–122, 201, 220, 222, 247, 293, 314, 352, 367 f., 372, 377–386, 388–394, 396 f., 402 f., 405–408, 410–415, 418 f., 423–425, 428 f.,
Personenregister
431–435, 437–439, 443 f., 450–453, 479 f., 487, 491, 494 Vigilius von Thapsus 79, 321 Vindimiolus 279 Vitalian 59, 296–299, 308, 345, 349 f., 354 f. Vitalis 274 f. Vitalis von Mailand 444 Vitellius 314 Vittigis 380 Vivus 228, 412, 436 W Wamba 170 f., 178
585
X Xerxes 395 Z Zeno 20, 31, 38, 56, 82, 112, 118, 213, 215–217, 221, 223, 257, 264–273, 276–278, 280, 283, 285–287, 296, 314, 344, 348, 402, 411, 417, 439, 470, 486 Zenonis 217 Zoilus von Alexandria 64 f., 225 f., 365, 420, 431
Eine Chronik ist mehr als eine parataktische Aneinanderreihung von Fakten. Sie erzählt auch eine Geschichte. Dies zeigt exemplarisch die Untersuchung der bisher wenig beachteten spätantiken Chronik des nordafrikanischen Bischofs Victor von Tunnuna (ca. 565). Er berichtet für die Jahre nach dem Konzil von Chalcedon (451) und dem 2. Konzil von Konstantinopel (553) mit einem regionalen Schwerpunkt auf Nordafrika von den Geschehnissen rund um den sogenannten Drei-Kapitel-Streit. Eine Analyse der Auswahl und Gestaltung der Einzelbeiträge in der Chronik verdeutlicht, inwiefern Victor von Tunnuna mit der Geschichte der Gruppe der wenigen verbleibenden Verteidiger der Drei Kapitel die Geschichte der Märtyrer und Bekenner unter den Vandalen fortschreibt und sie als Vergangenheit seiner eigenen Gruppe in Anspruch nimmt. Die Analyse erwächst aus der Untersuchung und Neubewertung der Geschichte des Chroniktextes, die vor allem den spanischen Überlieferungskontext in den Blick nimmt.
www.steiner-verlag.de Franz Steiner Verlag
ISBN 978-3-515-13380-7
9 783515 133807