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German Pages 448 [423] Year 2014
AUSGEWÄHLTE QUELLEN ZUR GESCHICHTE DES MITTELALTERS FREIHERR-VOM–STEIN-GEDÄCHTNISAUSGABE
Begründet von Rudolf Buchner und fortgeführt von Franz-Josef Schmale und Hans-Werner Goetz
Band 48
MAGISTRI VINCENTII CHRONICA POLONORUM
Edidit, interpretabatur et praefatione notisque instruxit Eduard Mühle
DIE CHRONIK DER POLEN DES MAGISTERS VINCENTIUS
Übersetzt, eingeleitet und herausgegeben von Eduard Mühle
Eine Publikation in Kooperation mit dem Deutschen Historischen Institut in Warschau.
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.d-nb.de abrufbar
Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. © 2014 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Redaktion: Daphne Schadewaldt, Wiesbaden Satz: Janß GmbH, Pfungstadt Einbandgestaltung: Neil McBeath, Stuttgart Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-534-24775-2
Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-72555-7 eBook (epub): 978-3-534-72556-4
INHALT Vorwort des Reihenherausgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Autor . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Herkunft und Ausbildung . . . . . . . 2. Kirchliches und weltliches Wirken . . . 3. Nachleben im kirchlichen Kult . . . . . II. Das Werk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der politische Kontext . . . . . . . . . 2. Abfassungszeit . . . . . . . . . . . . . . 3. Inhalt und Anliegen . . . . . . . . . . . 4. Stilistische und sprachliche Gestaltung 5. Rezeption und Wirkungsgeschichte . . III. Textüberlieferung und Texteditionen . . . IV. Einrichtung der Ausgabe . . . . . . . . . . V. Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . VI. Quellen- und Literaturverzeichnis . . . .
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13 13 14 22 30 33 33 39 43 53 62 68 73 75 77
Die Chronik der Polen, Text und Übersetzung Vorrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erstes Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweites Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . Drittes Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . Viertes Buch . . . . . . . . . . . . . . . . .
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. 87 . 88 . 92 . 130 . 226 . 298
Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 Geographisches Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421
VORWORT DES REIHENHERAUSGEBERS Vorwort des Reihenherausgebers
Als Rudolf Buchner die Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe vor fast sechs Jahrzehnten begründet hat, lag der Akzent (wie schon bei der Gründung der MGH 1819) bewusst auf einer Quellensammlung zur deutschen Geschichte. Das Programm der zweisprachigen Reihe mit Quellentexten und deutscher Übersetzung hat sich in der Folgezeit glänzend bewährt, die Bände sind zu einem unverzichtbaren Bestandteil der Bibliotheken und der mediävistischen Arbeit geworden. Hingegen entspricht die Engführung auf die deutsche Geschichte im Zuge zunehmender Europäisierung und Globalisierung schon längst weder mehr der mediävistischen Arbeitsweise noch dem universitären Seminarbetrieb. Tatsächlich wurde sie in der Reihe selbst schon längst stillschweigend aufgegeben, eigentlich sogar von Anfang an, weil bereits der zuerst erschienene, von Buchner sogar selbst herausgegebene Band mit den Historien Gregors von Tours von 1955 einem Autor gewidmet war, den man kaum mehr (oder schon), nicht einmal im rein geographischen Sinn, als „deutsch“ bezeichnen kann, und Gleiches gilt für den zweiten Band der Quellen zur karolingischen Geschichte, der dem Westfränkischen Reich gewidmet ist, und weitere Bände. In die Bände zur Geschichte der Germanen wurden alle relevanten Nachrichten unabhängig vom Raum oder vom Bezug zur (späteren) deutschen Geschichte aufgenommen. Von den jüngeren Bänden sind die Adalbertviten einem Slawenmissionar gewidmet, der Fürstenspiegelband enthält aus dem frühen Mittelalter ausschließlich westfränkische Werke und schließt aus dem Hochmittelalter solche aus England, Frankreich und Italien ein; der Band mit Mirakelberichten enthält unter anderem Mirakel oder Viten aus Venedig, Neapel und Portugal, der Band über spätmittelalterliches Reisen wertet auch Berichte aus Savoyen, Italien, Portugal und Ungarn aus. Mit dem vorliegenden Band wird nun eine der wichtigsten polnischen Quellen des Hochmittelalters in die Reihe aufgenommen und einem deutschen Publikum erstmals mit deutscher Übersetzung des gesamten Textes vorgelegt. Verlag und Herausgeber möchten das zum Anlass nehmen, eine längst überfällige und kaum mehr praktizierte Einengung der Reihe auf die deutsche Geschichte auch offiziell zu beenden und der Reihe einen im Wortlaut nur leicht, in der Konsequenz aber entscheidend veränderten Titel zu geben. Die Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe heißt von diesem Band an „Ausgewählte Quellen zur Geschichte des Mittelalters“. Wir sind sicher, damit auf breite Zustimmung zu stoßen und das Programm der
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Vorwort des Reihenherausgebers
Reihe einer gebührenden und zeitgemäßen Ausweitung zu öffnen. Einige bereits genehmigte und in Arbeit befindliche Bände werden diesen Rahmen in der näheren Zukunft weiter ausfüllen. Das erweiterte Reihenprogramm mit der hier vorgelegten Chronik des Magisters Vincentius (in der polnischen Tradition auch Vinzenz Kadłubek) beginnen zu lassen, ist ein glücklicher Zufall. Der Band ist einem hochinteressanten Autor gewidmet, der von den üblichen Bahnen mittelalterlicher Chronistik vielfach abweicht und die polnische Geschichte nicht nur an Mythen und Weltgeschichte anschließt und ihren Fortgang erzählt, sondern beständig kommentiert und mit Gleichnissen, Einschüben, Zitaten und Dialogen spickt, die das Werk zu einer Art historiographischem Fürstenspiegel machen und die Tendenz ebenso wie die politischen und ethischen Anschauungen seines Autors erkennen lassen. Dem Band ist mit der Hoffnung des Herausgebers daher eine breite Rezeption zu wünschen. Hans-Werner Goetz
VORBEMERKUNG Vorbemerkung
Als Charles Homer Haskins 1927 seine berühmte Studie über die ,Renaissance des 12. Jahrhunderts‘ publizierte, streifte er – fast möchte man sagen: naturgemäß – die östliche Hälfte des europäischen Kontinents nur am Rande. Immerhin waren ihm die im 12. Jahrhundert entstandenen ,nationalen‘ Geschichtswerke der Böhmen, Ungarn und der Rus’, die Chronik des Cosmas von Prag, die Stephansviten und die Nestorchronik, nicht unbekannt.1 Doch der einzige wirkliche Vertreter einer ,Renaissance des 12. Jahrhunderts‘ im östlichen Europa, der Magister Vincentius, war ihm keinerlei Erwähnung wert. Das war und ist bis heute in hohem Maß bezeichnend für eine außerhalb Polens kaum erfolgte Rezeption eines mittelalterlichen Gelehrten 2, dessen „Chronik der Polen“ als ein herausragendes Beispiel für ebenjenen von Haskins beschriebenen geistigen Aufbruch angesehen werden kann. 3 In Polen selbst gilt die Chronica Polonorum des Vincentius, dem die spätere Tradition den Beinamen „Kadłubek“ verliehen hat, als ein zentrales Denkmal der ,Nationalkultur‘, das über Jahrhunderte das historische und literarische Bewusstsein der Polen mitgeprägt hat.4 Wenn dieses Werk hier nun erstmals in deutscher Übersetzung vorgelegt wird, so verbindet sich damit die Hoffnung, dass dies die Rezeption des Textes außerhalb Polens in ähnlicher Weise befördern möge, wie seinerzeit die erste moderne polnische Übersetzung die polnische wissenschaftliche und populäre Befassung mit dem in einem ziemlich komplizierten Latein verfassten Text angeregt hat. 1
Charles Homer Haskins, The Renaissance of the Twelfth Century, Cambridge Mass. 1927, S. 265. 2 Vgl. jedoch die Berücksichtigung in den beiden einzigen bis heute vorliegenden westsprachlichen ,Quellenkunden‘ zum polnischen Mittelalter von Heinrich Zeissberg, Die polnische Geschichtsschreibung des Mittelalters, Leipzig 1873, S. 48 –78 und Pierre David, Les sources de l’histoire de Pologne à l’époque des Piasts, Paris 1934, S. 59 –72 sowie bei Wilhelm Wattenbach, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter bis zur Mitte des dreizehnten Jahrhunderts. Zweiter Band, Berlin 1894, S. 358 und Kersken, Geschichtsschreibung (1995), S. 499 –505. 3 Plezia, Kronika Kadłubka na tle renesansu XII w. (1962); Brygida Kürbisówna, Polska wersja humanizmu sredniowiecznego u progu XIII w. Mistrz Wincenty Kadłubek, in: Sztuka i ideologia XIII wieku, hrsg. von Piotr Skubiszewski, Wrocław 1974, S. 9 –24. 4 Vgl. Kürbis S. III.
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Vorbemerkung
Erste Vorarbeiten zur vorliegenden Ausgabe wurden 2006 bis 2008 an der Universität Münster aufgenommen, wo Barbara Allamoda und Jakob Smigla-Zywocki wertvolle Zuarbeiten geleistet haben. In den Jahren 2008 bis 2013 konnte das Vorhaben als ein Teilprojekt in dem von mir am Deutschen Historischen Institut in Warschau befristet etablierten Forschungsschwerpunkt „Piastische Herrschaft im europäischen Kontext“ fortgesetzt werden. In Warschau haben Marta Tycner, Saskia Herklotz und Piotr Okninski die Arbeit mit bibliographischen Recherchen, Exzerpten, Kollationierungen und Vorarbeiten für die Register unterstützt. Ein erfreulich reibungsloser, von Kornelia Hubrich-Mühle perfekt organisierter Übergang von der Warschauer Institutsleitung zum Münsteraner Vorlesungsbetrieb – aber auch das sanfte Drängen Daniel Zimmermanns von der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, für deren sorgsames Lektorat zu danken ist – ermöglichte schließlich den zügigen Abschluss des Projektes, bei dem Matthias Hanusch letzte Hilfen bei Korrekturen und Registererstellung leistete. Das Ergebnis konnte im Wintersemester 2013 / 14 in einer Seminarveranstaltung einer kritischen studentischen Evaluierung und Diskussion unterzogen werden. Für die dabei artikulierten Beobachtungen und Hinweise sei den Teilnehmern an dieser Stelle ausdrücklich gedankt. Ein besonderer Dank gebührt Hans-Werner Goetz, der das Vorhaben von Anfang an lebhaft unterstützt, es ohne Zögern in die von ihm herausgegebene Reihe aufgenommen und den Text mit erfahrenem Blick sorgfältig und kritisch durchgesehen hat. Dem Deutschen Historischen Institut in Warschau danke ich schließlich für den gewährten Druckkostenzuschuss und die hervorragenden Warschauer Arbeitsbedingungen, die diese Publikation entscheidend gefördert haben.
EINLEITUNG I. Der Autor I. Einleitung Der Autor
Anders als im Fall der zwischen 1113 und 1117 verfassten Cronicae et gesta ducum sive principum Polonorum ist der Autor der Chronica Polonorum kein Anonymus geblieben. Er nannte sich in seinem Werk glücklicherweise selbst beim Namen: „Vidit enim Vincentius qui scripsit hec.“5 Der Titel der ältesten überlieferten Abschrift seiner im Original nicht erhaltenen Chronik ergänzte den Namen um den Zusatz „Bischof von Krakau“.6 Es spricht einiges dafür, dass diese spätere Verknüpfung nicht unbegründet erfolgte und es sich beim Verfasser der Chronica Polonorum tatsächlich um den in den Jahren 1208 –1218 amtierenden Krakauer Bischof Vincentius gehandelt hat. Von diesem sind aus annalistischen Aufzeichnungen das Jahr seiner Bischofserhebung, seines Rücktritts und Rückzugs in ein Kloster sowie seines Todes, schließlich der Ort seiner Beisetzung sicher belegt.7 Darüber hinaus begegnet Vincentius in einigen zeitgenössischen Urkunden als „Cracouiensis episcopus“, „Cracouiensis ecclesie humilis minister“ bzw. „Cracowiensis Ecclesie minister indignus“.8 Ein „Vincentius magister“ taucht zudem bereits 1189 in einer Urkunde Herzog Kasimirs II., des Ge5 Buch IV, 17, 13; dass sich Vincentius hier als Autor selber nannte, wurde schon in der ältesten erhaltenen Handschrift hervorgehoben, in der es an der entsprechenden Stelle am Rand heißt: „Hic nominat se ipsum Vincencius confectorem operis huius“; ÖNB Cod. 480, f. 221v. 6 Vgl. unten S. 88. 7 Die Annalen des Krakauer Domkapitels berichten zum Jahr 1208 „Wincencius canonice electus a papa Innocencio confirmatus et per Henricum archiepiscopum in episcopum Cracouiensem consecratus est“; zum Jahr 1218 „Wincencius episcopus Cracouiensis cedit“ und zum Jahr 1223 „Wincencius episcopus Cracouiensis obiit et in Morimundo quiescit“. Im Krakauer Domkalender wurde die letzte Notiz später (vielleicht von Długosz) dahingehend ergänzt, dass es sich um das kleinpolnische Jedrzejów handelte; Annales Cracovienses, S. 70 –72, 130, 239 –240; in den Heilig-Kreuz-Annalen heißt es zum Jahr 1206 „Sulco episcopus Cracoviensis obiit cui Vincencius successit“, zum Jahr 1218 „Vincencius cedit ad ordinem Cicerciensem in Morimundo et vixit annis quinque“ und zum Jahr 1223 schließlich „Vincencius episcopus obiit et in Morimundo quiescit“; Annales s. Crucis, S. 31–32. 8 KDM I, Nr. 9; KDKK Nr. 9, KDM II, Nr. 380, 383 und 384.
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Einleitung
rechten, auf.9 Offenbar der gleiche „magister Vincentius“ begegnet 1206 in einer Urkunde Leszeks des Weißen, wobei er zusätzlich als Propst von Sandomir („Sudomirensis prepositum“) bezeichnet wird.10 Da Papst Innozenz III. 1208 einen „magistrum Vincentium Sudomirensis Ecclesie diocesis Cracouiensis prepositum“ als neuen Krakauer Bischof bestätigte, können der Magister Vincentius von 1189 / 1206 und der Bischof Vincentius als ein und dieselbe Person betrachtet werden.11 Die erkennbare inhaltlichkonzeptionelle Nähe der Chronica Polonorum zum Krakauer Herzog Kasimir II. lässt es wiederum mehr als wahrscheinlich erscheinen, dass der 1189 in einer Urkunde dieses Herzogs als Zeuge genannte Magister Vincentius mit jenem Vincentius identisch war, der sich mit diesem Namen als Verfasser der Chronica Polonorum auswies. So haben es auch bereits die mittelalterlichen Abschriften gesehen, jedenfalls beschließt die älteste erhaltene Handschrift den Chroniktext mit der Bemerkung: „finit cronica sive originale regum et principum Polonie edita per magistrum Vincencium Cracouiensem episcopum.“12
1. Herkunft und Ausbildung Über den so als Magister, Propst und Bischof fassbaren Chronisten wissen die zeitgenössischen Quellen ansonsten nur wenig mehr zu berichten. Jüngere Quellen, vor allem der Bischofskatalog des Jan Długosz, haben die dürren Fakten später um manches Detail erweitert; doch lässt sich kaum sagen, was davon auf andernorts nicht überlieferte Tatsachen, was auf spätere Ausschmückungen und Erfindungen zurückgeht.13 So bleibt die Forschung bei der Rekonstruktion des Lebenslaufs des Chronisten auf indirekte Schlussfolgerungen und Spekulationen verwiesen. Die Versuche, sein Geburtsjahr zu bestimmen, stützen sich auf eine Kombination von drei Beobachtungen. Erstens fand der Name Vincentius im piastischen Polen erst seit der zweiten Hälfte der 1140er Jahre Verbreitung, nachdem am 6. Juni 1145 feierlich die Reliquien des hl. Vincentius aus 9
KDKK Nr. 4. KDM I, Nr. 4. 11 KDKK Nr. 7. 12 ÖNB Cod. 489, f. 227v. 13 Zu den ,Erfindungen‘ des Długosz zwecks Erstellung modellhafter Bischofsbiographien vgl. Urszula Borkowska, Models of Bishops in the 15th century Vitae Episcoporum Poloniae by John Długosz, in: Miscellanea Historiae Ecclesiasticae 8 (1987), S. 148 –158, bes. 148 –151; vgl. auch Drelicharz, Pamieh i tradycja (2008), S. 175 –184. 10
I. Der Autor
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Magdeburg nach Breslau überführt worden waren.14 Zweitens könnte Vincentius, wie bestimmte Stellen seiner Chronik anzudeuten scheinen, als Knabe oder junger Mann Zeuge von Gesprächen zwischen dem 1166 gestorbenen Krakauer Bischof Matthäus und dem wenige Jahre später verstorbenen Gnesener Erzbischof Johannes gewesen sein.15 Drittens wird angenommen, dass eine Person, die 1189 „magister“ genannt wird, nicht mehr jung gewesen bzw. kaum nach 1160 zur Welt gekommen sein kann. Gelegentlich wird zudem auf einen Zeugen namens Vincentius verwiesen, der in einer Urkunde von 1167 (oder 1168) begegnet und der – weil Zeuge – zu diesem Zeitpunkt volljährig, also mindestens zwölf Jahre alt gewesen sein muss16; doch ist zweifelhaft, ob dieser Vincentius („Stephanus et filii eius Stephanus et Vincentius“17) mit dem Chronisten tatsächlich identisch war. Auf der Basis dieser vagen Hinweise lässt sich kaum mehr sagen, als dass der Chronist Vincentius mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zwischen 1150 und 1160 geboren wurde. In den Akten seiner 1764 abgeschlossenen Seligsprechung wird das Geburtsjahr mit 1160 / 61 angegeben.18 Auch bezüglich des Geburtsortes geben historische Überlieferung wie moderne Forschung keine sichere Auskunft. Nach den in den 1430er bis 1450er Jahren redigierten Krakauer Bischofskatalogen wurde Vincentius in Kargów bei Stopnica (ca. 20 km östlich von Busko-Zdrój) geboren19, während Jan Długosz in seinem 1451 verfassten Bischofskatalog als Geburtsort Karwów bei Opatów (ca. 20 km nordwestlich von Sandomir) angab. 20 Der Autorität Długoszs folgte die jüngere historische Überlieferung ebenso wie ein großer Teil der Forschung. Der Herausgeber der aktuellen kritischen Edition allerdings ging von einem Abschreibfehler Długoszs aus, hielt die Lesart der geringfügig älteren Redaktionen der Krakauer Bischofskataloge für zutreffender und führte zudem als einen weiteren Beleg für Kargów eine Urkunde von 1228 an 21, in der ein Sulisław von Kargów begegnet, den er mit dem 1212 bezeugten gleichnamigen Neffen des Vincentius identifi-
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Annales Magdeburgenses (MGH SS 16), S. 187. Grodecki, Mistrz Wincenty (1923), S. 39; Kürbis S. XV–XVI. 16 Kürbis S. XI–XV. 17 Der Text der Urkunde bei Lis, Spory (2013), S. 227–228; Kozłowska-Budkowa, Repertorjum (2006), S. 128 –129 hält die Urkunde im Übrigen für eine vor 1245 fabrizierte Fälschung. 18 „Beatum igitur Vincentium natum fuisse Scriptores referunt circa Annum Christi Millesimum Centesimum et sexagesimum …“; zitiert nach Kiełtyka, Błogosławiony Wincenty (1962), S. 164. 19 Catalogi episcoporum, S. 58, 90, 111. 20 Catalogi episcoporum, S. 162. 21 KDM II, Nr. 395. 15
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Einleitung
zierte. 22 Für Karwów sind hingegen wiederholt Argumente aus der Stiftungstätigkeit des Vincentius abgeleitet worden. 23 Diese betraf die Dörfer Czerników / Okalina, Gojców und Niekisałka, die alle in der Umgebung von Karwów lagen und von Vincentius aus seinem Vatererbe den Klöstern Sulejów und Koprzywnica übertragen wurden. 24 Teile seines eigenen bzw. des Besitzes seiner Familie lagen mithin im Sandomirer Land, ihr Kern vielleicht um Karwów (siehe Karte S. 37). Die Dörfer Okalina und Gojców wurden 1470 vom Kloster Sulejów wieder veräußert, und zwar ausgerechnet an Jan Długosz, der sie für das Sandomirer Kollegiatstift erwarb. Der spätmittelalterliche Geschichtsschreiber mag auf diese Weise vielleicht Einblick in die älteren Stiftungsurkunden und damit nähere Kenntnis von den seinerzeitigen Schenkungen des Vincentius erhalten haben. Möglicherweise hat er auf dieser Grundlage bewusst das Kargów der älteren Bischofskataloge in das ihm richtiger erscheinende – und vielleicht tatsächlich richtigere – Karwów ,verbessert‘. 25 Allerdings bieten selbst einzelne Handschriften des Długosz-Katalogs statt Karwów auch die Variante Kargów26 , so dass angesichts der Nähe der beiden Namen wohl auch Abschreibfehler zur Konfusion beigetragen haben, die sich heute kaum noch sicher auflösen lässt. Sicher nicht gefolgt werden kann der Information, die Długosz zur Familienherkunft des Vincentius bietet. Das Geschlecht der Rózice, als deren Spross er den Chronisten sah („de domo et familia Rose“)27, war in der Gegend der „villa Carwow prope Opathow“ erst nach der Mitte des 15. Jahrhunderts begütert. 28 Długosz wollte mit dieser Ergänzung, der auch die jüngere Wislica-Redaktion des Bischofskataloges folgte29, offenbar dem Verdacht einer niedrigen Herkunft des Vincentius entgegenwirken.30 Eine solche schien dessen Beiname „Kadłubek“ zu suggerieren, was möglicherweise die Verfasser der älteren Bischofskataloge dazu veran-
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KDM I, Nr. 9; Plezia, Nazwa osobowa Kadłubka (1957); ders., Mistrz Wincenty (1991 [2001]), S. 299; für Kargów sprechen sich auch aus Grodecki, Mistrz Wincenty (1923), S. 38; Kürbis S. XLV–XLVI; Szymanski, Wincenty (1999), S. 609. 23 Kiełtyka, Błogosławiony Wincenty (1962), S. 158 –160; Lis, Spory (2013), S. 43 –51. 24 Vgl. unten S. 28. 25 Lis, Spory (2013), S. 51, 167–168. 26 Grodecki, Mistrz Wincenty (1923), S. 38. 27 Catalogi episcoporum, S. 162. 28 Bronisław Nowak, Ród Pojarów w Małopolsce w sredniowieczu [Das Geschlecht der Pojarów in Kleinpolen im Mittelalter], Kraków 2009, S. 517–519. 29 „Vincentius Kadlubkonis, de familia Rosae …“, Catalogi episcoporum, S. 288. 30 Vgl. Kürbis S. VIII–IX.
I. Der Autor
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lasste, die adlige Herkunft des Vincentius in Zweifel zu ziehen („de eius nobilitate dubitetur“).31 Die ältesten Versionen des Beinamens sind aus Handschriften des 15. Jahrhunderts überliefert, dürften aber älteren Ursprungs sein. 32 Schon die Großpolnische Chronik und die Chronik des Dzierzwa (deren älteste Handschriften allerdings ebenfalls erst aus dem 15. Jahrhundert stammen) haben die Selbstaussage des Chronisten im 14. Jahrhundert entsprechend ergänzt: „[…] quem vidit Vincencius Kadlubonis […], qui scribsit hec.“33 Es ist nicht eindeutig geklärt, worauf der seither in unterschiedlichen Schreibungen überlieferte Beiname zurückging. Er mag auf den Namen des Vaters (Vincentius, Sohn des Kadłub) verwiesen haben, also als Patronym verwendet worden sein. So jedenfalls verstand ihn Długosz, der von „Vincentius Cadlvbkonis“ bzw. „Vincentius Kadlub(k)onis“ schrieb. „Kadłubek“ könnte aber auch von einem Spitznamen herrühren („kadłub“ = Rumpf, Stumpf; „dłubah“ = ausbohren, herumstochern, popeln), den der Vater erhalten haben könnte und der anschließend im Diminutiv (Kadłubek = Rümpfchen, kleiner Stumpf) auf den Sohn übergegangen oder dem Sohn gleich zugeschrieben worden sein könnte.34 Schließlich könnte ihm auch ein Ortsname zugrunde gelegen haben, der später als Patronym oder Spitzname missverstanden wurde. Die Deutung des Beinamens im Sinne eines eher gewöhnlichen, volksnahen Patronyms oder eines wenig schmeichelhaften Spitznamens hatte augenscheinlich zur Folge, dass die älteren Bischofskataloge Vincentius eine Abkunft aus einer Großenfamilie absprechen wollten. Dem ist gelegentlich ein Teil der Forschung gefolgt und hat in ihm eher den Sohn einer kleinen Ritter- bzw. Ministerialenfamilie gesehen. 35 Doch geht die Forschung heute mehrheitlich davon aus, dass Vincentius aus einer der zu seiner Zeit führenden kleinpolnischen Großenfamilien stammte. Dafür sprechen in der Tat seine Stiftungsaktivitäten 36 , sein Bischofsamt, das vor
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Catalogi episcoporum, S. 58, 90, 111. Ausführlich zum Beinamen Plezia, Nazwa osobowa Kadłubka (1957). 33 Chronica Poloniae Maioris, S. 64 mit Varianten „Ladlibonis“, „Ladlybonis“, „Ladkibonis“; Chronica Dzirsvae, S. 70. 34 Bei der 1633 vorgenommenen Exhumierung seines Leichnams wurde allerdings keine körperliche Anomalie beobachtet; vgl. Kiełtyka, Błogosławiony Wincenty (1962), S. 164. 35 Aleksander Gieysztor, in: Studia Yródłoznawcze 5 (1960), S. 201 [= Rezension zu Plezia, Nazwa osobowa Kadłubka (1957)]; Szymanski, Czy kanoniczna elekcja (1991), S. 619; ders., Wincenty (1999), S. 609; Błazej Sliwinski, W sprawie pochodzenia Mistrza Wincentego [Zur Frage der Herkunft des Magisters Vincentius], in: Studia Yródłoznawcze 24 (1979), S. 167–171, bes. S. 171. 36 So schon Zeissberg, Vincentius (1870), S. 20. 32
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Einleitung
ihm nur Vertreter der Großen bekleidet haben 37, sowie seine Gelehrsamkeit bzw. die finanziellen Mittel, die er für deren Erwerb zweifellos hatte aufbringen müssen. Uneinig ist sich die Forschung nur darüber, welchem Adelsgeschlecht er denn zugeschrieben werden soll.38 Zur Diskussion gestellt worden sind die Rózyce39, die Lubowlitów-Ogniwów40 , die Lis41, die Nagodzice42 oder die Łabedy 43. Die Kontroverse hierüber entbehrt freilich insofern einer Grundlage, als sich die fraglichen Adelsgeschlechter erst seit dem 13. Jahrhundert als solche zu formieren begannen und für die Zeit des Vincentius kaum mehr als ein retrospektives Konstrukt der polnischen Forschung darstellen, für die die Frage nach den Ursprüngen des Adels stets von besonderer Bedeutung war.44 Erwägenswert erscheinen allerdings Überlegungen, die Vincentius mit der Familie des 1151 / 53 gestorbenen Großen Piotr Włostowic in Verbindung bringen, ebenjenes herausragenden piastischen Amtsträgers, der 1145
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Plezia, Pierworodny syn (1999), S. 15; ders., Mistrz Wincenty (1999 [2001]), S. 298. 38 Vgl. Lis, Wokół pochodzenia (2005), S. 22–24; ders., Spory (2013), S. 52– 63. 39 Die These des Jan Długosz will Lis, Spory (2013), S. 59 nicht gänzlich ausschließen, wobei er sich auf ein steinernes Grabmal stützt, das einst im Kloster Jedrzejów Vincentius mit Inful und dem heraldischen Zeichen einer Rose dargestellt habe und in die Zeit um 1280 zu datieren sei; vgl. auch Kiełtyka, Błogosławiony Wincenty (1962), S. 168 –169. 40 Franciszek Piekosinski, Rycerstwo polskie wieków srednich [Die polnische Ritterschaft im Mittelalter], Bd. 3, Kraków 1902, S. CXII, S. 454 – 455, 576; Stanisław Ketrzynski, Kadłubek Wincenty, in: Wielka encyklopedia ilustrowana, Bd. 33, Warszawa 1903, S. 334 –337. 41 Władysław Semkowicz, Ród Awdanców w wiekach srednich [Das Geschlecht der Awdancen im Mittelalter], in: Roczniki Poznanskiego Towarzystwa Przyjaciół Nauk 45 (1919), S. 161–314, hier S. 209 –210; ders., Nieznane nadania na rzecz opactwa jedrzejowskiego z XII wieku [Unbekannte Schenkungen zugunsten der Abtei Jedrzejów aus dem 12. Jahrhundert], in: Kwartalnik Historyczny 24 (1910), 1–2, S. 66 –97, hier S. 81– 82; Kürbis S. XII–XIV. 42 Lech Koscielak, Glosa do zyciorysu i mentalnosci kronikarskiej biskupa krakowskiego z przydomkiem Kadłubek [Eine Bemerkung zum Lebensweg und zur chronikalischen Mentalität des Krakauer Bischofs mit dem Beinamen Kadłubek], in: Novum 23 (1981), 4, S. 163 –166. 43 Borawska, Mistrz Wincenty (1977), S. 356; Janusz Bieniak, Głos w dyskusji [Diskussionsbeitrag], in: Studia Yródłoznawcze 20 (1976), S. 123 –124; Maciejewski, Episkopat (2003), S. 49. 44 Vgl. Eduard Mühle, Genese und frühe Entwicklung des Adels in polnischer Sicht, in: Studien zum Adel im mittelalterlichen Polen, hrsg. von Eduard Mühle, Wiesbaden 2012, S. 1–12.
I. Der Autor
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die Reliquien des hl. Vincentius aus Magdeburg in das von ihm gestiftete Breslauer Benediktinerkloster überführen ließ.45 Piotrs Bruder trug den gleichen Namen wie – schenken wir Długosz Glauben – der Vater des Vincentius: Bogusław. Nach einer von Vincentius als Bischof am 24. Mai 1212 ausgestellten Urkunde hieß so auch einer seiner Neffen („… fi liis fratris nostri scilicet Boguzlauo et Sulizlauo“).46 Der Name mag also Bestandteil der Familientradition gewesen sein und die Verbindung zu Piotr Włostowic bzw. mit dem von ihm begründeten Breslauer Vincentius-Kult die Taufe des Vincentius auf ebendiesen in Polen neuen Namen nahegelegt haben. Auch andere Indizien – u. a. der nahe Karwów gelegene Ort „Włostów“, eine besondere Aufmerksamkeit der Chronica Polonorum für die Włostowicen (Piotr Włostowic, seine Söhne Wszebór und Swietosław sowie sein Schwiegersohn Jaxa) und Schlesien – könnten vielleicht die interessante These untermauern.47 Doch bleibt sie letztlich Spekulation und nicht belegbar. So lässt sich verlässlich nur sagen, dass Vincentius mit großer Wahrscheinlichkeit einer hochgestellten Familie entstammte, die ihrem – wohl früh für eine geistliche Laufbahn bestimmten – Spross alle Voraussetzungen für eine erfolgreiche Karriere zu bieten vermochte. Die Familie wird ihre Verbindungen genutzt haben, um dem Sohn eine entsprechende Schulbildung zu ermöglichen. Er selbst scheint in seiner Chronik anzudeuten, dass er vor 1166 Augenzeuge von Gesprächen zwischen dem Krakauer Bischof Matthäus und dem Gnesener Erzbischof Johannes war.48 Dieser Hinweis muss keineswegs bloße Rhetorik gewesen sein, könnte vielmehr dafür sprechen, dass der Knabe oder Jugendliche in den 1160er Jahren an der Krakauer Domschule lernte bzw. im Umfeld des Krakauer Bischofs erzogen wurde. Als Bischof Matthäus 1166 starb, könnte er dort unter der Obhut von dessen Nachfolger, Gedko, die Ausbildung fortgesetzt haben. Vincentius scheint mit Bischof Gedko jedenfalls eine besondere Beziehung verbunden zu haben, lobt er diesen in seiner Chronik doch als eloquenten 45 Vgl. Eduard Mühle, Zu den Anfängen des mittelalterlichen Adels in Polen. Das Beispiel des Piotr Włostowic, in: „Köztes-Europa“ vonzásában. Ünnepi tanulmányok Font Marta tiszteletére, hrsg. von Daniel Bagi u. a., Pécs 2012, 357–374. 46 KDM I, Nr. 9. 47 Bieniak, Mistrz Wincenty w zyciu (2001), S. 31–32, der seine ältere These (vgl. Anm. 43) entsprechend modifizierte und den späteren Geschlechternamen der Łabedy nicht mehr mit den Włostowicen in Zusammenhang bringt; Artur Lis, Mistrz Wincenty z rodu Łabedziów? [Magister Vincentius vom Geschlecht der Łabedy?], in: Człowiek – społeczenstwo – wiara. Studia interdyscyplinarne, hrsg. von Bartłomej Stawiarski, Wrocław 2008, S. 81–102; ders., Spory (2013), S. 63 – 81. 48 S. unten Buch I, 1, 2.
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und leidenschaftlichen Anwalt der politischen Gegner Mieszkos III. bzw. der Anhänger Herzog Kasimirs II. in besonders hohen Tönen.49 Ob sich an den Besuch der heimischen Domschule ein Studienaufenthalt im Ausland angeschlossen hat, kann nicht mit Sicherheit entschieden werden. Der Titel „magister“, mit dem Vincentius 1189 in Erscheinung trat, belegt jedenfalls allein noch nicht, dass er über einen damals nur in Frankreich oder Italien zu erwerbenden akademisch-wissenschaftlichen Abschluss verfügte.50 Denn als wissenschaftlicher Titel kam die Bezeichnung „magister“ erst im Laufe der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts in Umlauf, bezeichnete ansonsten aber einfach den Lehrer, vor allem den Scholastiker bzw. Leiter einer Dom- oder Kollegiatschule. 51 Der Scholastiker Vincentius muss also nicht unbedingt im Ausland studiert haben. Tatsächlich ist gelegentlich die Ansicht vertreten worden, dass der Chronist im Grunde über eine provinzielle, einheimische Bildung, die höchstens das Trivium umfasst haben könne, nicht hinausgelangt sei.52 Für andere lässt seine Chronik wiederum einen Grad an Bildung erkennen, der die Möglichkeiten der damaligen polnischen Bildungsstrukturen bei weitem überstiegen haben muss.53 Die Antworten auf die Frage, ob Vincentius im Ausland studiert hat, und wenn ja, wo und was, hängen mithin in hohem Maße von der Einschätzung des intellektuellen Niveaus bzw. der literarischen Qualität seines Werkes ab, auf die weiter unten noch einzugehen sein wird. Die überwiegende Mehrzahl der Forscher geht freilich davon aus, dass Vincentius tatsächlich zu weiteren Studien ins Ausland gegangen ist. Uneins ist man sich allerdings darüber, wo er studierte.54 Dass er in Chartres 49
S. unten Buch IV, 2, 24; IV, 16, 16. So mit Bestimmtheit Grodecki, Mistrz Wincenty (1923), S. 39 und Balzer, Studyum 1 (1934), S. 52. 51 Vgl. Johannes Fried, Die Entstehung des Juristenstandes im 12. Jahrhundert. Zur sozialen Stellung und politischen Bedeutung gelehrter Juristen in Bologna und Modena, Köln-Wien 1974, S. 10: „Äußerste Vorsicht muss bei der Deutung von ,magister‘ bei Klerikern walten. […]. Von der ,magister‘-Bezeichnung voreilig auf ein Studium an einer Hochschule zu schließen, ist in jedem Fall verkehrt“; Rainer Maria Herkenrath, Studien zum Magistertitel in der frühen Stauferzeit, in: Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 88 (1980), S. 3 –35; Manfred Groten, Der Magistertitel und seine Verbreitung im deutschen Reich des 12. Jahrhunderts, in: Historisches Jahrbuch 113 (1993), S. 21– 40. 52 Sułowski, Elementy filozofii XII wieku (1976), S. 21; vgl. auch Borawska, Mistrz Wincenty (1977), S. 342, 348, 366. 53 Vgl. Plezia, Mistrz Wincenty (1991 [2001]), S. 299 –300. 54 Die unterschiedlichen Positionen resümieren Kiełtyka, Błogosławiony Wincenty (1962), S. 169 –172; Lis, Spory (2013), S. 83 –102. 50
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oder Paris lediglich das Trivium einer Kathedralschule absolvierte55, ist wenig wahrscheinlich, da er diese Ausbildungsstufe auch in Krakau durchlaufen konnte bzw. wohl tatsächlich durchlaufen hat. Naheliegender ist, dass er eine der Universitäten in Paris oder Bologna besucht hat. Gelegentlich wird auch nicht ausgeschlossen, dass er an beiden Orten Vorlesungen gehört hat.56 Die Anhänger eines Studienaufenthalts in Bologna heben dabei die in der Chronica Polonorum artikulierte gute Kenntnis des römischen und kanonischen Rechtes hervor, die Vincentius am ehesten in der italienischen Wiege der Legisten erworben haben könne. Zudem wird auf eine kurze Beschreibung Polens in den Otia imperialia des Gervasius von Tilbury verwiesen, bei der sich dieser nach eigenen Worten auf einen polnischen Gewährsmann stützte.57 Da Gervasius in Bologna nicht nur Recht studierte, sondern dort um 1183 auch selbst Vorlesungen gehalten haben soll und die fragliche Stelle seines Traktates auffällige Ähnlichkeiten zu entsprechenden Passagen der Chronica Polonorum aufweist58 , ist die Vermutung geäußert worden, dass es sich bei dem polnischen Gewährsmann, den Gervasius in Bologna getroffen haben könnte, um niemanden anderen als Vincentius gehandelt habe.59 Für Paris als Studienort ist hingegen die auffällige Präsenz antiker Autoren in der Chronica Polonorum ins Feld geführt worden, die im Kontext der ,Renaissance des 12. Jahrhunderts‘ vor 55
So Sułowski, Elementy filozofii XII wieku (1976), S. 21. Für Letzeres haben sich eher populärwissenschaftliche Darstellungen wie Stabinska, Mistrz Wincenty (1973), S. 21–30 oder Klemens Swizek, Błogosławiony Wincenty Kadłubek. Zycie – kult – modlitwy [Der selige Vincentius Kadłubek. Leben – Kult – Gebete], Jedrzejów2 1999, S. 17–19 ausgesprochen, wenngleich auch Plezia S. VII und ders., Mistrz Wincenty (1999 [2001]), S. 300 nicht ausschließen wollte, dass Vincentius – so wie nachweislich sein Nachfolger im Bischofsamt, Iwo Odrowbz – auch an beiden Universitäten studiert haben könnte. 57 Gervase of Tilbury, Otia imperialia, S. 244. 58 Vgl. unten Buch I, 7, 5. 59 Stanisław Ketrzynski, Ze studyów nad Gerwazym z Tilbury (Mistrz Wincenty i Gerwazy. – Provinciale Gervasianum) [Aus den Studien über Gervasius von Tilbury. (Magister Vincentius und Gervasius)] in: Rozprawy Akademii Umiejetnosci. Wydział Historyczno-Filozoficzny, Serya II, 21 (1903), S. 152–189, bes. S. 167, 173; Jerzy Strzelczyk, Ut ab ipsis indigenis accepi. Zur Frage nach dem polnischen Gewährsmann des Gervasius von Tilbury, in: Kloster und Bildung im Mittelalter, hrsg. von Nathalie Kruppa / Jürgen Wilke, Göttingen 2006, S. 385 –399, der die von Ketrzynski begründete Ansicht weiter fundiert und (S. 396) als eine „Hypothese mit einem relativ hohen Wahrscheinlichkeitsgrad“ bezeichnet; ähnlich bereits auch Grodecki, Mistrz Wincenty (1923), S. 40 – 41, der allerdings – anders als Ketrzynski – davon ausging, dass Vincentius in Bologna nicht Recht, sondern Artes studiert und dort den Titel eines „magister artium“ erworben habe. 56
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allem in Paris, Orléans und Chartres gelesen worden seien. Auch soll die spezifische Misch-Rezeption sowohl antiker Autoren als auch des römischen und kanonischen Rechts bzw. die Auseinandersetzung mit ganz verschiedenen Wissensbereichen – Literatur, Philosophie, Recht – eher für das Pariser Studium Generale sprechen.60
2. Kirchliches und weltliches Wirken Wie lange oder wie oft sich Vincentius in Italien oder Frankreich aufgehalten hat, sollte er dort tatsächlich studiert haben, bleibt unklar. Im Jahr 1180 hat er wahrscheinlich in Łeczyca an einer Synode teilgenommen61, während er 1184 in Krakau Augenzeuge der Überführung der Florians-Reliquien gewesen zu sein scheint.62 Er könnte sich mithin entweder vor 1180 oder zwischen 1180 und 1184 und / oder zwischen 1184 und 1189 zumindest zeitweise im Ausland aufgehalten haben. Er könnte in den 1180er Jahren aber ebenso gut auch als Domschullehrer („magister“) in Krakau gewirkt und seine in der Chronica Polonorum demonstrierte, über das Curriculum einer polnischen Domschule hinausgehende Gelehrsamkeit und Belesenheit aus der Krakauer Kathedralbibliothek63 und – was römisches und kanonisches Recht angeht – aus dem Umgang mit italienischen Domkapitularen geschöpft haben, die damals augenscheinlich im Umfeld Bischof Gedkos tätig waren.64 Auch einige Anhänger eines Auslandsstudiums nehmen im Übrigen an, dass Vincentius seit 1183 die Krakauer Domschule geleitet hat.65 60 Balzer, Studyum 1 (1934), S. 160, passim; Pauli, Randbemerkungen (1959), S. 404 – 405; Vetulani, Prawo kanoniczne (1976); Kürbis S. XXIII. 61 Vgl. unten Buch IV, 9. 62 Vgl. unten Buch IV, 19, 18. 63 Eine Vorstellung von den möglichen Buchbeständen dieser Bibliothek zur Zeit des Vincentius bieten zwei Bibliotheksinventare, die in das frühe 12. und frühe 13. Jahrhundert datiert werden (editiert in: Spisy dawne skarbca); vgl. auch Zofia Budkowa, Ksiegozbiór polskiego uczonego z XII / XIII wieku [Die Büchersammlung eines polnischen Gelehrten aus dem 12. / 13. Jahrhundert], in: Studia Yródłoznawcze 1 (1957), S. 109 –118; Marian Plezia, Ksiegozbiór katedry krakowskiej wedle inwentarza z r. 1100 [Die Büchersammlung der Krakauer Kathedrale nach einem Inventar aus dem Jahr 1110], in: Silva rerum SN 1 (1981), S. 16 –29; Constant Mews, Manuscripts in Polish libraries copied before 1200 and the expansion of Latin Christendom in the eleventh and twelfth centuries, in: Scriptorium. Revue internationale des études relatives aux manuscrits 56 (2002), S. 80 –118. 64 Maciejewski, Episkopat (2003), S. 230 –23; Kürbis S. XVIII. 65 Grodecki, Mistrz Wincenty (1923), S. 42, 45; Kürbis S. XXIV; vgl. auch Kałuza, Kadłubka historia mówiona (2006), S. 103 –104.
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Als schriftgelehrter Mann, Kenner der Rechte und guter Rhetoriker dürfte er in dieser Zeit zudem in der noch wenig formalisierten herzoglichen Kanzlei tätig gewesen sein. Dafür spricht seine intime Kenntnis der Krakauer politischen Verhältnisse der 1180er / 1190er Jahre sowie die große Nähe zu Herzog Kasimir II., die in seiner Chronik zum Ausdruck kommt. Ein weiteres Indiz dafür, dass Vincentius zumindest zeitweise auch die Funktion eines Hofkaplans ausgeübt haben mag, scheint jene Urkunde Kasimirs II. vom 12. April 1189 für das Krakauer Domkapitel zu bieten, in der Vincentius als „magister“ begegnet. Ihr Stil und ihre Rechtsterminologie weisen gewisse Parallelen zum Duktus der Chronica Polonorum auf, so dass vielleicht mit Recht vermutet worden ist, dass sie von Vincentius selbst diktiert worden bzw. er an ihrer Ausfertigung beteiligt gewesen sein könnte.66 Nicht gänzlich auszuschließen ist allerdings, dass er – sollte es sich bei der fraglichen Urkunde um eine Empfängerausstellung gehandelt haben – an dem Vorgang auch als Mitglied des Krakauer Domkapitels beteiligt gewesen sein kann. Dessen ungeachtet erscheint es mehr als wahrscheinlich, dass Vincentius bis zum Tod Herzog Kasimirs II. (1194) in der einen oder anderen Form auch an dessen Hof tätig war.67 Eindeutige Belege lassen sich dafür – über Vincentius eigene Andeutungen in seiner Chronik hinaus – jedoch nicht beibringen. Nicht vor dem ersten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts tritt Vincentius erneut in sicheren Quellenbelegen hervor. Im Jahr 1206 ist er als Propst des Sandomirer Kollegiatstifts zur hl. Jungfrau Maria bezeugt.68 Wann er dieses Amt übernommen hat, ob bereits zum Zeitpunkt der Stiftsgründung im Jahr 1191 durch Herzog Kasimir oder erst nach dessen Tod 1194 oder noch später, vielleicht nachdem der langjährige Gegner Kasimirs, Mieszko III., 1196 –1198 erneut den Krakauer Senioratsthron bestiegen hatte, wissen wir nicht. Durch das neue Amt ist Vincentius dem Krakauer Milieu keineswegs entfremdet worden, war das Sandomirer Stift doch zugleich Sitz einiger Mitglieder des Krakauer Domkapitels. Zudem konnte es, wie eine Urkunde von 1238 belegt, auch als zusätzliche Pfründe an Personen verliehen werden, die zugleich als „iuris professores“ an der Krakauer Kathedralschule 66 So schon Zeissberg, Vincentius (1870), S. 25 –29; vgl auch KozłowskaBudkowa, Repertorjum (2006), Nr. 118, S. 177–178; Kürbis S. XIX, XXIV; Lis, Spory (2013), S. 158 –159; Karol Maleczynski, Zarys dyplomatyki polskiej wieków srednich [Abriss der polnischen Diplomatik des Mittelalters], Wrocław 1951, S. 91 hielt die im Original im Archiv des Krakauer Domkapitels erhaltene Urkunde gar für einen Autographen des Vincentius. 67 Grodecki, Mistrz Wincenty (1923), S. 44; Balzer, Studyum 1 (1934), S. 55, 65; Plezia, Mistrz Wincenty (1991 [2001]), S. 301. 68 KDM I, Nr. 4.
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tätig waren.69 Das könnte so auch bereits zu Vincentius’ Zeiten der Fall gewesen sein, so dass er den Krakauer Entwicklungen und dem zunächst von der Witwe Kasimirs, später von dessen Sohn Leszek geführten herzoglichen Hof unmittelbar vor Ort verbunden geblieben sein mochte. Die nach dem Tod Kasimirs II. einsetzenden politischen Auseinandersetzungen, in deren Verlauf der Senior der Piasten, Mieszko III., zweimal kurzfristig die Herrschaft in Krakau übernahm (1196 –1198 und 1201–1202), werden in der Chronica Polonorum jedenfalls aus so unmittelbarem Erleben geschildert, dass kaum vorstellbar ist, dass sie der Chronist nur aus der Ferne beobachtet hätte. Dass Vincentius auch als Sandomirer Propst dem herzoglichen Hof und dem Krakauer politisch-kirchlichen Milieu eng verbunden blieb, belegt eindrucksvoll seine Erhebung zum Bischof von Krakau. Bischof Pełka, dessen Einsatz für Kasimir II. und dessen Sohn Leszek in der Chronica Polonorum eingehend gewürdigt wird70 , verstarb am 11. September 1207. Ein Teil des Krakauer Domkapitels sprach sich daraufhin, wie eine Bulle Papst Innozenz’ III. vom 28. März 1208 berichtet, für Gedko aus, der über zwanzig Jahre als Propst des Kapitels gewirkt hatte, in Krakau entsprechend gut vernetzt war und erst im Jahr zuvor den Płocker Bischofsstuhl bestiegen hatte.71 Ein anderer Teil des Kapitels wählte allerdings einmütig den Sandomirer Propst Vincentius („vero dilectum filium magistrum Vincentium […] unanimiter elegerunt“). Papst Innozenz hielt beide Kandidaten grundsätzlich für geeignet („utraque persona idonea censeretur“), legte aber augenscheinlich Wert darauf, den Vorgang zur Durchsetzung einer zentralen Forderung der Kirchenreform zu nutzen, die bis dahin im piastischen Polen auf taube Ohren gestoßen war: die freie kanonische Bischofswahl.72 Noch ein gutes Jahr zuvor, Anfang Januar 1207, hatte Innozenz auf 69
KDM I, Nr. 23. S. unten Buch IV, 16; 18; 21. 71 Marek Szymaniak, Biskup Płocki Gedko (1206 –1223). Działalnosh koscielnopolityczna na tle procesu emancypacji Koscioła polskiego spod władzy ksibzecej [Der Płocker Bischof Gedko (1206 –1223). Kirchlich-politisches Wirken vor dem Hintergrund der Emanzipation der polnischen Kirche von der herzoglichen Macht], Torun 2007, bes. S. 129 –147, 265 –272. 72 Zur Durchsetzung dieses Privilegs im piastischen Polen vgl. Szymanski, Czy kanoniczna elekcja (1991); Maciejewski, Episkopat (2003), S. 48 –50; Winfried Irgang, „Libertas ecclesiae“ und landesherrliche Gewalt – Vergleich zwischen dem Reich und Polen, in: Das Reich und Polen. Parallelen, Interaktionen und Formen der Akkulturation im hohen und späten Mittelalter, hrsg. von Thomas Wünsch / Alexander Paschowsky, Sigmaringen 2003, S. 93 –118, hier S. 105; die gelegentlich vertretene Ansicht, die erste freie kanonische Wahl eines Bischofs sei 1201 in Breslau erfolgt (Cyprian), hat Maciejewski, Episkopat (2003), S. 46 – 48 überzeugend widerlegt. 70
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Anregung des Gnesener Erzbischofs die polnischen Herzöge streng ermahnt, sich künftig nicht mehr in die Besetzung der Bischofsämter einzumischen, in dieser Frage vielmehr die „libertas ecclesiastica“ anzuerkennen und die Bischöfe fortan ausschließlich von Klerikern wählen zu lassen.73 Nun, ein Jahr später, der spontanen Postulation eines Teils des Krakauer Domkapitels stattzugeben, hätte bedeutet, eine große Chance zu verpassen, dieser zentralen kirchenpolitischen Forderung erstmals auch in Polen zum Durchbruch zu verhelfen. Gegen den Płocker Bischof sprach aus Sicht des Papstes zudem der kirchliche Rechtsbrauch, an die Spitze einer Diözese nach Möglichkeit einen Mann aus dem eigenen Sprengel zu stellen, statt ihr aus einer anderen Diözese einen dort bereits gebundenen Bischof zuzuteilen. Überdies wurde ihm Vincentius als ein – wohl aufgrund seiner Gelehrsamkeit – viel gerühmter Mann präsentiert („virum utique multimoda laude preclarum“). Und so entschied der Papst, dem zwischenzeitlich offenbar signalisiert worden war, dass sich im Fall einer Ablehnung Gedkos die Mehrzahl seiner Fürsprecher der Wahl des Konkurrenten anschließen würde, schließlich im März 1208, die Postulation nicht zuzulassen und den am Ende von der Mehrheit der Domkapitulare kanonisch gewählten Vincentius zu bestätigen („… postulationem prefatam non duximus admittendem, et sic intelligentes electionem predictam a pluribus de persona idonea canonice celebratam, ipsam de consilio fratrum nostrorum curauimus confirmare“).74 Über die Amtsführung des in der zweiten Jahreshälfte 1208 vom Gnesener Erzbischof Heinrich Kietlicz geweihten75 neuen Bischofs ist so gut wie nichts bekannt. In der Forschung ist die Kontroverse um seine Wahl auch dahingehend gedeutet worden, dass in ihr ein Ringen zwischen anti-gregorianischen Traditionalisten und den von Erzbischof Kietlicz angeführten polnischen Kirchenreformern zum Ausdruck gekommen sei. Dabei wird Gedko als Vertreter der Traditionalisten, Vincentius als Anhänger der Reformer gesehen.76 Wahrscheinlich hat der engagierte Erzbischof in Vincentius tatsächlich einen Mitstreiter für die Kirchenreform gewonnen, 73
KDW I, Nr. 41. KDKK Nr. 7; eine deutsche Übersetzung der Bulle bei Zeissberg, Vincentius (1870), S. 31–32. 75 KDM I, Nr. 9 – eine Urkunde des Vincentius vom 24. Mai 1212, die in das vierte Jahr seines Pontifikats datiert ist. 76 So Grodecki, Mistrz Wincenty (1923), S. 48, 49, 51; vgl. Lis, Spory (2013), S. 125 –131; Bronisław Włodarski, Polityczna rola biskupów krakowskich w XIII wieku [Die politische Rolle der Krakauer Bischöfe im 13. Jahrhundert], in: Nasza Przeszłosh 27 (1967), S. 29 – 62, hier S. 33 hat in der Konfrontation eher einen Konflikt rivalisierender Gruppen kleinpolnischer Großer gesehen. 74
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die damals auch vom Krakauer Herzog Leszek unterstützt wurde, der sie als Hebel gegen seinen großpolnischen Konkurrenten Władysław Dünnbein einsetzte, der wiederum ein vehementer Gegner der Reform bzw. des Gnesener Erzbischofs war. Sein Einsatz für die Kirchenreform wird Leszek gleichwohl nicht davon abgehalten haben, entgegen der päpstlichen Mahnung in seinem Sinn entscheidenden Einfluss auf die Bischofswahl zu nehmen, so dass der Erfolg ,seines Mannes‘, als der Vincentius damals zweifellos galt, sicher auch dem Eingreifen des Krakauer Herzogs zu verdanken war.77 Dass Vincentius als Bischof kaum Spuren hinterlassen hat, könnte bedeuten, dass er sich im Kirchenkampf oder bei der Durchsetzung herzoglicher Interessen eher zurückgehalten hat, nicht radikal, sondern eher ruhig und kompromissbereit aufgetreten ist.78 Selbstverständlich musste er als Oberhaupt der nach dem Gnesener Erzbistum wichtigsten Diözese des Piastenreiches aktiven Anteil am kirchlichen und politischen Leben nehmen. So war er auf den Fürstentreffen von Borzykowo (Juli 1210)79, Mstów (März 1212)80 , Mbkolno (Mai 1212)81, Sieradz (Juni 1213)82 und Wolborz (1215)83 zugegen, nahm 1215 am Laterankonzil in Rom teil84 und dürfte auch an den Synoden von Witów (1216), Chalno und Kamien bei Kalisz (1217) beteiligt gewesen sein.85 Dabei trat er dem Rang eines Bischofs entsprechend mit beträchtlichem Gefolge auf und wusste als der nach dem Erzbischof zweithöchste polnische Kirchenhierarch zweifellos standesge-
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Die Forschung ist sich darüber einig, dass die piastischen Herzöge auch nach dem Durchbruch zur freien kanonischen Bischofswahl in der Praxis noch längere Zeit maßgeblichen Einfluss auf die Besetzung der Bischofsstühle ausübten, jedenfalls kamen zunächst durchweg Kandidaten der Herzöge zum Zuge, zumal die Domkapitel überall personell eng mit den Herzogskanzleien verknüpft blieben; vgl. Mühle, Die Piasten (2011), S. 77. 78 Deptuła, Nad zagadkb mistrza Kadłubka (1976), S. 369. 79 KDW I, Nr. 66. 80 SUB I, Nr. 133. 81 KDM I, Nr. 9. 82 CDP III, 7. 83 KDW I, Nr. 85 und 102; SUB I, Nr. 145; KDKK Nr. 10. 84 Stanisław Ketrzynski, Wiadomosh o udziale Polski w IV Soborze Lateranenskim [Eine Nachricht über die Teilnahme Polens am IV. Laterankonzil], in: Przeglbd Historyczny 3 (1906), S. 139 –142; Wojciech Baran-Kozłowski, Skład polskiej delegacji na obrady Soboru Lateranskiego IV [Die Zusammensetzung der polnischen Delegation in den Beratungen des IV. Laterankonzils], in: Kwartalnik Historyczny 110 (2003), S. 15 –20. 85 Lis, Spory (2013), S. 133.
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mäß zu repräsentieren.86 Doch wird ihn seine Intellektualität und Frömmigkeit, wie sie uns in seiner Chronik entgegentritt, wohl eher davon abgehalten haben, auf solchen Zusammenkünften mit lautem politischen Gepolter hervorzutreten oder sich bei anderen Gelegenheiten in den Vordergrund zu drängen.87 Bezeichnenderweise sind für die zehn Jahre seines Pontifikats – anders als im Fall seiner beiden Vorgänger – für ihn keinerlei politische Handlungen bezeugt, sondern nur einige unspektakuläre Vorgänge, in denen Vincentius als Aussteller von Urkunden und Stifter begegnet. Von den sechs überlieferten Urkunden, die er als Bischof ausgestellt hat, gilt das auf den 15. August 1214 datierte Diplom für den Orden der Wächter vom Heiligen Grab in Miechów als Empfängerausfertigung.88 In den übrigen fünf Urkunden, von denen eine nur als Transsumpt Bolesławs des Schamhaften bekannt ist89, erkennen manche hingegen den typischen „vincentianischen Geist“90, ein spezifisches Diktat, das sich durch ein entwickeltes Formular, eine ausgesuchte Rhetorik und eine römisch-rechtliche Terminologie auszeichnete. Sie scheinen im Übrigen zu belegen, dass sich Vincentius um eine gewisse Optimierung der bischöflichen Urkundenausstellung bemühte, ohne dabei jedoch bereits eine regelrechte Kanzlei zu etablieren.91 Inhaltlich betreffen fünf seiner sechs bischöflichen Urkunden Schenkungen an Ordensgemeinschaften.92 Die bereits erwähnte Urkunde für 86
Eine von Vincentius auf dem Fürstentreffen von Mbkolno am 24. Mai 1212 ausgestellte Urkunde (KDM I, Nr. 9) führt in einer ungewöhnlich langen Zeugenliste eine beachtliche Zahl von Angehörigen seines Gefolges auf: „Raduanus, Zelanto, Mardnus, Balduinus, Michael, Heljas, capellanj curje nostre; […] Laurentjus kamerarjus noster, […], Veneck iudex noster, Paulus agazo noster, Secech tribunus noster, Conradus, Stanizlaus, milites nostrj, Mirozlaus, Voyzlaus, armigeri nostri“. Da Vincentius nicht seinen ganzen Hof auf die Reise in das über 300 km entfernte großpolnische Mbkolno mitgenommen haben wird und auch nicht alle, die ihn begleitet haben, als Zeugen herangezogen worden sein dürften, haben die genannten geistlichen und weltlichen Amtsträger nur einen Teil seines bischöfl ich Hofstaates ausgemacht. 87 Grodecki, Mistrz Wincenty (1923), S. 56 charakterisierte ihn als einen „Mann, der weniger zur Tat neigte, der eher ein in sich gekehrtes Leben führte und dem die Energie abging zu handeln“. 88 KDM II, Nr. 383; vgl. Mieszkowski, Studia nad dokumentami (1974), S. 15, 107. 89 KDM I, 93: 21. März 1277; die ursprüngliche Vincentius-Urkunde wird in das Jahr 1212 datiert; vgl. Lis, Spory (2013), S. 240 –244. 90 Kürbis S. XL. 91 Mieszkowski, Studia nad dokumentami (1974), S. 94; Lis, Spory (2013), S. 173. 92 In einer Urkunde von 1213 (KDKK Nr. 9) entschied Vincentius gemeinsam mit seinem Domkapitel über die Patronatsrechte zweier Präbenden der Kirche von Kije.
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Miechów bestätigte 1214 die Übertragung des Zehnten von einem Dorf namens Swinarowo an die Ritter vom hl. Grab, wobei Vincentius im Konsens mit seinem Kapitel agierte, es sich also wohl nicht um eine Stiftung aus seinem eigenen Patrimonialbesitz handelte. In zwei anderen Fällen wird 1208 und 1212 eine ältere Schenkung des Vincentius an das Zisterzienserkloster Sulejów bestätigt93, die erstmals in einer Bestätigungsurkunde Herzog Leszeks aus dem Jahr 1206 bezeugt ist.94 Der mithin gleich dreimal bestätigte Schenkungsakt betraf die Dörfer Czerników / Okalina und Gojców, die Vincentius aus seinem Patrimonialbesitz dem von Kasimir II. um 1176 / 77 gestifteten Zisterzienserkloster Sulejów übertragen hatte. Die Schenkung wurde seinerzeit mit der Auflage verknüpft, dass die Mönche für das Seelenheil („pro remedio animarum“) des Krakauer Herzogs Kasimir und seiner Gattin Helena sowie von Vincentius’ Eltern beten mögen. Ihre dritte, 1212 von Vincentius selbst ausgestellte Bestätigung wurde um einen Passus ergänzt, demzufolge zwei seiner Neffen, Bogusław und Sulisław, bezüglich der fraglichen Dörfer auf ihr familiäres Rückkaufrecht verzichteten. Ein weiteres Dorf aus seinem Besitz, Niekisałka, übertrug Vincentius im gleichen Jahr dem 1185 ebenfalls von Kasimir II. gestifteten Zisterzienserkloster Koprzywnica.95 Jan Długosz ergänzte diese Information später um den Hinweis, dass Vincentius auch die Hälfte des Dorfes Karwów den Zisterziensern von Koprzywnica vermachte, dessen andere Hälfte bei dieser Gelegenheit aber seinen Neffen vorbehielt.96 Im Jahr 1210 weihte er die neue Klosterkirche in Jedrzejów und nutzte den Anlass, um ältere Schenkungen seiner Vorgänger Maurus, Radost und Gedko zu bestätigen. Diese hatten seinerzeit dem ältesten, schon in den 1140er Jahren gegründeten polnischen Zisterzienserkloster die Zehnten von einer Reihe von Dörfern übertragen, denen Vincentius bei dieser Gelegenheit seinerseits die Zehnten von drei eigenen Dörfern – Wilczyce, Niegosławice und Zdanowice – hinzufügte.97 Nach Auskunft des Krakauer Domkalenders
93 Monumenta Poloniae Palaeographica, hrsg. von Stanisław Krzyzanowski, Kraków 1910, Nr. 39; vgl. Mieszkowski, Studia nad dokumentami (1974), S. 105 und Lis, Spory (2013), S. 164; KDM I, Nr. 9 (24. Mai 1212). 94 KDM I, Nr. 4, deren Diktat Vincentius selbst zugesprochen wird; vgl. Lis, Spory (2013), S. 163. 95 KDM I, 93. 96 Długossii Liber beneficiorum, S. 383. 97 KDM II, Nr. 380; nach Mieszkowski, Studia nad dokumentami (1974), S. 105 – 106 handelt es sich um eine Fälschung des ausgehenden 13. Jahrhunderts, wobei die in ihr enthaltene Information über die Schenkung des Vincentius allerdings als authentisch angesehen werden könne.
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verlieh er schließlich auch dem Krakauer Domkapitel Zehntabgaben, und zwar jene des Dorfes Czchów.98 Vincentius hat mit seinen Stiftungen also nicht ausschließlich die Zisterzienser bedacht.99 Dennoch scheint er gerade für diesen Reformorden eine besondere Vorliebe entwickelt zu haben. Ob diese allerdings so weit ging, dass er als Bischof andere Ordensgemeinschaften darüber erkennbar vernachlässigte, wie 1218 eine Klage des Generalabts der Prämonstratenser zu suggerieren scheint100 , mag eher bezweifelt werden. Gleichwohl hat sich Vincentius am Ende mit päpstlicher Zustimmung in ein Zisterzienserkloster zurückgezogen. Über die Gründe und Motive, die ihn zwischen Sommer 1217 und Frühjahr 1218 zur Aufgabe seines Bischofsamtes veranlasst haben, ist in der Forschung viel spekuliert worden.101 In Vorschlag gebracht wurden gesundheitliche bzw. Altersgründe (die einen der wenigen kanonisch zulässigen Gründe für eine regelgerechte Amtsaufgabe darstellten), die Opposition innerkirchlicher, mit seiner Amtsführung unzufriedener Gegner, Intrigen eines ambitionierten Nachfolgers, herzoglicher Druck bzw. die im Laufe des Jahres 1217 zu Ungunsten des Reformlagers von Erz-
98
Annales Cracovienses, S. 130; vgl. auch Marek Daniel Kowalski, Biskup Wincenty Kadłubek wobec Krakowskiej kapituły katedralnej (w sprawie donacji dziesiecin Czchowskich) [Der Bischof Vincentius Kadłubek und das Krakauer Domkapitel (zur Frage der Schenkung des Zehnten von Czchów)], in: Błogosławiony Wincenty Kadłubek (2008), S. 55 – 64. 99 Jan Długosz berichtet in seinem Bischofskatalog, dass die Krakauer Kathedrale dank Schenkungen des Vincentius mit teuren Wachskerzen eine dauerhafte Altarbeleuchtung bzw. ein „ewiges Licht“ unterhalten konnte, Catalogi episcoporum, S. 164. 100 Gervasius gratulierte dem Nachfolger von Vincentius in einem Brief zu dessen Bischofswahl und drückte dabei seine Hoffnung aus, „quod pauperes fratres nostros benigniori affectione debeatis complecti, quam vester fuerit antecessor [sc. Vincentius], qui licet fuerit pluribus commendandus, non tamen erga nostros, in quantum potuit per exteriora perpendi, nam quam debuit non habuit charitatem“, zitiert nach Stanisław Kutrzeba, List generała Premonstratensów Gerwazego do Iwona Odrowbza z r. 1218 [Ein Brief des Prämonstratenser-Generals Gervasius an Iwo Odrowbz aus dem Jahr 1218], in: Kwartalnik Historyczny 16 (1902), S. 587– 588, hier S. 588. 101 Vgl. Stanisław Bełch, Dlaczego Kadłubek zrezygnował z biskupstwa (zamiast recenzji) [Warum ist Kadłubek vom Bischofsamt zurückgetreten (anstelle einer Rezension)], in: ders.: Prace historyczne, Bd. 1, London 1965, S. 137–147; Zofia Kozłowska-Budkowa, Rezygnacje biskupów krakowskich Wincentego i Iwona. Na marginesie artykułu [Der Rücktritt der Krakauer Bischöfe Vincentius und Iwo. Bemerkungen zu dem Aufsatz: Dlaczego Kadłubek zrezygnował z biskupstwa], in: Nasza Przeszłosh 33 (1970), S. 35 – 44; Lis, Spory (2013), S. 134 –146.
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Einleitung
bischof Heinrich Kietlicz gewendete politische Lage, schließlich individuelle geistlich-spirituelle Motive.102 Sein Nachfolger, Iwo Odrowbz, wurde zwischen dem 15. August und 28. September 1218 geweiht. Ob Vincentius bereits zu diesem Zeitpunkt oder überhaupt das Mönchsgelübde abgelegt hat – vielleicht lebte er nur als Gast in Jedrzejów –, darüber ist ebenso wenig bekannt wie über seinen klösterlichen Alltag. Dass er 1223 „in medio chori monasterii“ beigesetzt wurde103, spricht, wenn auch nicht unbedingt dafür, dass er tatsächlich das Mönchsgewand angelegt hatte104, so doch dafür, dass die Mönche von Jedrzejów ihm an seinem Lebensende hohe Wertschätzung entgegenbrachten.
3. Nachleben im kirchlichen Kult Die Vincentius-Memoria der Grauen Mönche blieb gleichwohl zisterziensisch-nüchtern. Man verlor bald selbst die Erinnerung an den genauen Todestag aus dem Blick. Das Jedrzejower Totenbuch, so wie es aus dem 17. Jahrhundert überliefert ist, enthält jedenfalls keinen Eintrag zu Vincentius.105 Szymon Starowolski, der 1642 eine Vita des Vincentius publizierte, will zwar in einem älteren Exemplar des Totenbuchs den 4. April als Todesdatum verzeichnet gesehen haben, doch notierte der Krakauer Domkalender im 13. Jahrhundert den 8. März als Todestag.106 Diesem Datum schloss sich auch die frühneuzeitliche Tradition mehrheitlich an. Dass die Zisterzienser schon im ausgehenden 13. Jahrhundert einen regelrechten Vincentius-Kult zu etablieren begonnen hätten, erscheint vor diesem Hintergrund eher fraglich.107 Wahrscheinlich wird sich ein solcher, angestoßen von der 102
Zeissberg, Vincentius (1870), S. 63 vermutete, dass Vincentius nicht nur von der allgemeinen zeitgenössischen Begeisterung für den Zisterzienserorden, sondern auch von spektakulären Vorbildern beeinflusst worden sein könnte, wie der 1209 gegen das päpstliche Votum erfolgten Resignation des Bischofs von Halberstadt, Konrad von Krosigk, und dessen Rückzug in das Zisterzienserkloster Sittichenbach. Kürbis S. LIII verweist zusätzlich auf das Beispiel Alain de Lille, der sich für seine letzten Lebensjahre nach Citeaux zurückzog. 103 Catalogi episcoporum, S. 58. 104 Als man 1633 sein Grab öffnete, konnten an seinem Leichnam keine Überreste des zisterziensischen Habits entdeckt werden; allerdings fand man ein Pallium. 105 Kürbis S. LVI. 106 Annales Cracovienses, S. 130. 107 Als Belege dafür werden ein steinernes, mit einer Vincentius-Skulptur geschmücktes Grabmal aus der Zeit um 1280 sowie ein Altarbild aus der Zeit um 1380 angeführt, das Vincentius mit einer Heiligen-Aureole dargestellt haben soll; Lis, Zapach róyy (2009), S. 350.
I. Der Autor
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großen Popularität des Vincentius als Autor der Chronica Polonorum in den 1430er bis 1480er Jahren, erst nach der Mitte des 15. Jahrhunderts entwickelt haben. In einem 1609 gedruckten Katalog der Krakauer Heiligen und Seligen wird er bereits als Seliger bezeichnet.108 Wohl um den jungen Kult weiter zu befördern, erfolgte am 26. April 1633 eine Exhumierung und Untersuchung der Gebeine des ehemaligen Krakauer Bischofs, die vier Monate später, am 19. August, feierlich zu Reliquien erhoben und in ein marmornes Wandgrab überführt wurden. Im November 1634 richtete der polnische Episkopat dann vor dem Hintergrund einer zwischenzeitlich erfolgten Reform des Kanonisierungsverfahrens eine offizielle Bitte um Seligsprechung an Papst Urban VIII. Das Anliegen wurde 1642 mit der erwähnten Vita Vincentii aus der Feder des Krakauer Domherrn und Barockschriftstellers Szymon Starowolski109, 1649 durch ein Schreiben des polnischen Königs Jan Kasimir an den Papst und 1650 durch eine förmliche Anhörung von Zeugen vorangetrieben, die das hohe Alter des Vincentius-Kultes und die Heiligkeit des Verehrten bestätigen sollten. Doch blieb der Vorstoß in Rom zunächst erfolglos. 1680 unternahmen die polnischen Bischöfe einen weiteren, von König Jan III. Sobieski unterstützten Anlauf, woraufhin ein regelrechtes Beatifikationsverfahren eingeleitet wurde. Dieses zog sich jedoch weiter in die Länge, da es schwerfiel, aus den verfügbaren Dokumenten – nicht zuletzt der Chronica Polonorum – überzeugende ,Beweise‘ für ein entsprechend heiligmäßiges Leben des Vincentius abzuleiten. Da letztlich nur die Intensität des lokalen Kultes in und um Jedrzejów den Ausschlag zu geben vermochte, dieser aber erst um die Mitte des 18. Jahrhunderts als ein entsprechend langjähriger Brauch erwiesen werden konnte, erfolgte die Seligsprechung durch Papst Klemens XIII. schließlich erst im Februar 1764.110
108
Katalog Swietych i Błogosławionych, obojej płci Meczenników i Wyznawców, Panien i Pan, Miasta Krakowa, wyjety z historib z katalogów Swietych Patronów Polskich [Katalog der Heiligen und Seligen, der Märtyrer und Bekenner beiden Geschlechts, der Herren und Damen der Stadt Krakau, mit ihrer Geschichte entnommen den Katalogen der heiligen polnischen Patrone], in: Maciej Ubiszewski, Zywot Błogosławionego Swbtosława z Sławkowa, Mansyonarza Koscioła Farskiego Nays. Panny Maryey w Rynku Krakowskim [Vita des seligen Swbtosław von Sławków, Mansionar der Marien-Pfarrkirche auf dem Krakauer Ringplatz], Kraków 1609, zitiert nach Lis, Zapach róyy (2009), S. 351. 109 Vita et miracula servi Dei Vincentii Cadlubkonis Simone Starovolscio scriptore, Cracoviae 1642. 110 Die Entwicklung des Kultes und der Beatifikationsprozesse ausführlich erörtert bei Klemens Swizek, Rozwój kultu błog. Mistrza Wincentego Kadłubka (1226 –1976) [Die Entwicklung des Kultes des seligen Magisters Vincentius
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Einleitung
Die Teilungen Polens seit 1772, ein schwerer Brand im Kloster Jedrzejów im Jahr 1800 und dessen Aufhebung 1819 waren einer allgemeineren Verbreitung des Vincentius-Kultes nicht förderlich. Es blieb bei einer lokalen Verehrung in den Diözesen Kielce, Sandomir und Krakau, die sich u. a. in der Errichtung einer Vincentius-Kapelle auf dem Krakauer Ringplatz (1778), in einigen Vincentius-Patrozinien für kleinpolnische Kirchengemeinden und künstlerischen Darstellungen niederschlug.111 Zu besonderen Anlässen wie dem 1923 begangenen 700. Todestag konnte der Kult gleichwohl bis zu 150 000 Menschen nach Jedrzejów führen.112 Dass Vincentius als Kirchengestalt selbst in der Volksrepublik Polen präsent blieb, führen Bemühungen vor Augen, die die polnischen Zisterzienser (die 1945 nach Jedrzejów zurückkehren konnten) und der polnische Episkopat in den 1960er Jahren unternahmen, um Vincentius in Rom heiligsprechen zu lassen. Sie blieben letztlich erfolglos und wurden, nachdem die für Kanonisationsfragen zuständige Kongregation den zu diesem Zweck verfassten
Kadłubek], in: Wiey 20 (1977), 10 (234), S. 61– 69; Stefan Ryłko, Droga do beatyfikacji i starania o kanonizacje Wincentego Kadłubka [Der Weg zur Seligsprechung und die Bemühungen um eine Heiligsprechung des Vincentius Kadłubek], in: Mistrz Wincenty Kadłubek. Człowiek (2001), S. 79 – 84; Grzegorz Rys, Starania arcybiskupa krakowskiego Karola Wojtyła o kanonizacje błogosławionego Wincentego Kadłubka [Die Bemühungen des Krakauer Erzbischofs Karol Wojtyła um die Heiligsprechung des seligen Vincentius Kadłubek], in: Błogosławiony Wincenty (2008), S. 311–316; Maciej Zdanek, Kult Wincentego Kadłubka w swietle procesu kanonicznego super cultu immemorabili seu casu excepto z lat 1687–1691 [Der Kult des Vincentius Kadłubek im Licht des kanonische Prozesses super cultu immemorabili seu casu excepto aus den Jahren 1687–1691], in: ebd., S. 273 –300; Lis, Zapach rózy (2009), Lis, Spory (2013), S. 174 –200. 111 Jan Samek, Błogosławiony Wincenty Kadłubek w sztuce (rozeznanie problemu) [Der selige Vincentius Kadłubek in der Kunst (Erkundung des Problems)], in: Mistrz Wincenty Kadłubek. Człowiek (2001), S. 93 –101; Aleksy Chalcarz, Opactwo cystersów w Jedrzejowie osrodkiem kultu błogosławionego Wincentego Kadłubka [Die Zisterzienserabtei Jedrzejów als Zentrum des Kultes des seligen Vincentius Kadłubek], in: ebd., S. 103 –108; Dariusz Dbbrowski, Malarskie wyobrazenia Wincentego Kadłubka autorstwa Aleksandra Lessera (1814 –1884) [Darstellungen des Vincentius Kadłubek in Gemälden von Aleksander Lesser], in: Nasza Przeszłosh 2001, S. 601– 617; Krzysztof J. Czyzewski / Marek Walczak, Ikonografia błogosławionego Wincentego Kadłubka [Die Ikonographie des seligen Vincentius Kadłubek], in: Błogosławiony Wincenty (2008), S. 215 –272; Jacek Urban, Kult błogosławionego Wincentego Kadłubka w katedrze na Wawelu [Der Kult des seligen Vincentius Kadłubek in der Kathedrale auf dem Wawel], in: ebd., S. 301– 309. 112 Lis, Zapach rózy (2009), S. 354.
II. Das Werk
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Schriftsatz113 1971 für unzureichend erachtet und das Verfahren daraufhin nicht fortgeführt hatte, nicht weiter verfolgt.114
II. Das Werk 1. Der politische Kontext II. Das Werk
Die Chronica Polonorum entstand in einer Zeit politischer Unruhen, in der die Einheit des „regnum Poloniae“ in heftigen inneren Fehden zerbrach und an die Stelle einer gemeinschaftlichen piastischen Patrimonialherrschaft souveräne Territorialherrschaften traten. Gleichzeitig verfolgten kirchliche und weltliche Große zunehmend selbstbewusst eigene Ziele und leiteten mit ihren Emanzipationsbestrebungen einen gesellschaftlichen Umbruch ein, der mit einem wirtschaftlichen Aufbruch einherging. Beides sollte das Land im Verlauf des 13. Jahrhunderts grundlegend verändern. Am Ende des 12. Jahrhunderts lag Polen gleichwohl noch an der wirtschaftlichen und politischen Peripherie Europas. Es war nur dünn besiedelt, zählte kaum mehr als 6 –8 Einwohner pro km 2 und besaß nur wenige Städte, von denen lediglich Krakau, Posen, Breslau, Sandomir und Płock auf einige Tausend Einwohner kamen.115 Überregional spielte das Piastenreich keine große politische Rolle, hatte vielmehr Mühe, sich gegen die mächtigeren Nachbarn – Brandenburg, Böhmen, Ungarn, die Rus’ – zu behaupten und der ständigen Übergriffe der Pruzzen, Jadwinger und Polovcer zu erwehren. Doch weit mehr als alle äußeren Gefährdungen und inneren gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aufbrüche erschütterten
113 Cracovien. seu Kielcen. Canonizationis Beati Vincentii Kadłubek episcopi Cracovienis et monachi professi S. Ordinis Ciserciensis in Monasterio Andreoviensi († 1223) Positio super vita et virtutibus es officio concinnate [Sacra Congregatio pro Causis Sanctorum, Officium Historicum, Bd. 15], Rom 1971. 114 Neuerdings haben – u. a. im Kontext des 800. Jahrestages von Vincentius’ Bischofsweihe – Jedrzejower Zisterzienser und Lubliner Geistliche eine Wiederaufnahme des Kanonisationsverfahrens ins Gespräch gebracht; vgl. Henryk Misztal, Mozliwosci kanonizacji błogosławionego Wincentego Kadłubka w swietle obowibzujbcej procedury [Möglichkeiten der Heiligsprechung des seligen Vincentius Kadłubek im Licht des vorgeschriebenen Verfahrens], in: Błogosławiony Wincenty (2008), S. 317–362; vgl. auch Lis, Zapach rózy (2009), S. 355 –356; ders., Spory (2013), S. 215 –227. 115 Henryk Samsonowicz, Sytuacja polityczna Polski w czasach Wincentego [Die politische Situation Polens in den Zeiten des Vincentius], in: Onus Athlanteum (2009), S. 29 –38, hier S. 32–33.
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Einleitung
das Land die innerdynastischen Kämpfe der Piasten um das Krakauer Seniorat und die damit verbundene großfürstliche Vorherrschaft. Das Problem der Sicherstellung einer möglichst friedlichen und effektiven Herrschaftsnachfolge hatte die Piasten von Anfang an begleitet. In den 1130er Jahren war es angesichts von fünf zwischen 1105 und 1138 geborenen Herzogssöhnen und eines alternden Herzogs, der einst selbst einen langjährigen Bruderkampf um die Vorherrschaft geführt hatte, besonders akut geworden. Vor diesem Hintergrund griffen Herzog Bolesław III. und seine weltlichen und geistlichen Großen zu einer Lösung, auf die zuvor auch schon die böhmischen Premysliden und rus’ischen Rjurikiden gesetzt hatten: die sogenannte „Senioratsordnung“. Diese knüpfte an das archaische Prinzip der Vorherrschaft des Alters an, verband das für Großfamilien typische Gewohnheitsrecht aber mit einem neuen Element, nämlich einer verbindlichen Definition des Verhältnisses zwischen „Senior“ und „Junioren“.116 Nach der Senioratsordnung sollte dem ältesten männlichen Vertreter der Piasten – dem „maior natu“, wie Vincentius formulierte117 – jeweils die großfürstliche Oberherrschaft („principatus“) zufallen. Diese war territorial an das ostgroßpolnische und kleinpolnische Kerngebiet mit den Hauptorten Gnesen und Krakau und damit an die in materieller wie ideellsymbolischer Hinsicht bedeutsamsten Landesteile gebunden, später aber nur noch an Krakau und sein kleinpolnisches Umfeld geknüpft. Funktional umfasste die Oberherrschaft die Sorge um die politische Einheit des Gesamtreiches („regnum Poloniae“) und die Wahrnehmung der damit verbundenen zentralen Aufgaben (oberste Rechtsprechung, Kriegführung, Pflege der Außenbeziehungen, Investitur der [Erz-]Bischöfe und Einsetzung der wichtigsten weltlichen Amtsträger). Die Junioren wurden zwar der Oberherrschaft des Seniors, des alleinigen Monarchen, unterstellt, doch erhielten sie, sobald sie volljährig waren, in Gestalt klar umrissener, eigener Teilgebiete zugleich eine verlässliche politische und materielle Teilhabe an der Herrschaft. Darüber hinaus wurde ihnen die verbindliche Perspektive eröffnet, beim Tode des Seniors in einem geregelten Verfahren, 116
Die nachfolgende Darstellung nach Mühle, Die Piasten, S. 39 – 42; vgl. auch Jerzy Wyrozumski, Kraków i Małopolska w czasach Mistrza Wincentego Kadłubka [Krakau und Kleinpolen in den Zeiten des Magisters Vincentius Kadłubek], in: Mistrz Wincenty Kadłubek. Człowiek (2001), S. 13 –19; Marek K. Baranski, Dynastia Piastów w Polsce [Die Dynastie der Piasten in Polen], Warszawa 2005, S. 284 –295; Stanislaw Szczur, Sredniowiecze [Mittelalter], Kraków2 2007, S. 131–148, 257–262; Tomasz Ginter, Działalnosh fundacyjna ksiecia Mieszka III Starego [Die Stiftungstätigkeit Herzog Mieszkos III., des Alten], Kraków 2008, S. 17–37; Józef Dobosz, Kazimierz II Sprawiedliwy [Kasimir II., der Gerechte], Poznan 2011, 69 –159. 117 Vgl. unten Buch III, 26, 19; III, 30, 22; IV, 9, 7.
Die Piasten im 12. bis frühen 13. Jahrhundert Bolesław III. Schiefmund 1085/86 –1138 Władysław II. d. Vertriebene 1105–1159
Bolesław IV. Kraushaar 1121/22–1173
Mieszko IV. d. Alte 1122/25 –1202
Heinrich 1130 –1166
Kasimir II. d. Gerechte 1138 –1194
Odon 1145 –1194
Bolesław d. Lange 1127–1201
Bolesław 1159 –1195
Mieszko 1160/65 –1193
Władysław III. Dünnbein 1161/66 –1231
Mieszko I Humpelbein 1146 –1211 Leszek d. Weiße 1186/87–1127
Jarosław 1143/60–1201
II. Das Werk
Leszek 1160 –1186
Heinrich I. d. Bärtige 1168 –1238
Konrad I. v. Masowien 1187/88 –1247
Kasimir 1178/79 –1229/30 35
36
Einleitung
nämlich gemäß der Reihenfolge ihres Alters, eines Tages selber in die großfürstliche Oberherrschaft aufzurücken. Auf diese Weise sollte sichergestellt werden, dass das Reich beim Tod des Herrschers nicht mehr wie bisher entweder willkürlich als Ganzes einem vom Vorgänger designierten Nachfolger übertragen oder unter alle nach traditionellem Erbrecht legitime Anwärter aufgeteilt wurde – wobei die anschließende Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der politischen Einheit in beiden Fällen jedes Mal der Macht des Stärkeren überlassen blieb. Vielmehr sollten die widerstreitenden Interessen fortan so ausgeglichen werden, dass die Erbfolge weder die Idee des gemeinschaftlichen Patrimoniums in Frage stellte noch die vom Senior aufrechtzuerhaltende politische Einheit des Reiches gefährdete. Diese mit dem Tod Bolesławs III. 1138 in Kraft getretene Senioratsordnung hat tatsächlich eine gute Weile funktioniert. Zwar kam es schon in den 1140er Jahren zu neuerlichen innerdynastischen Auseinandersetzungen, zu Kompetenz- und Territorialkonflikten, doch wurde damit das Prinzip des Seniorats nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Funktion und Stellung des Seniors blieben – selbst wenn dieser wie im Fall Władysławs II., des ersten Nachfolgers Bolesławs III., von oppositionellen Kräften vertrieben wurde – strukturell unangefochten. So trat 1146 an Stelle des an den Kaiserhof geflohenen Władysław (des „Vertriebenen“) der zweitälteste Bolesław-Sohn, Bolesław IV., in das Seniorat ein, während seine jüngeren Brüder – Mieszko III., Heinrich (bis 1166) und Kasimir II. (seit 1166) – die ihnen übertragenen Provinzen auch weiterhin unter der Kontrolle ihres ältesten Bruders als nichterbliche Unter-Herzogtümer bzw. Versorgungsgebiete verwalteten. Daran änderte sich auch nichts, als 1173 beim Tod Bolesławs IV. das Seniorat mit dem unbestrittenen Senioratssitz Krakau an Mieszko III. überging. Von den fünf Söhnen Bolesławs III. lebte zu diesem Zeitpunkt neben dem neuen Senior nur noch einer. Es war dieser jüngste Sohn, Kasimir II., der seit 1166 / 67 mit den Gebieten von Wislica und Sandomir versorgt war, der die Senioratsordnung erstmals nachhaltig in Frage stellte. Denn Mieszko bzw. die von seinen in Krakau installierten großpolnischen Amtsträgern implementierten Maßnahmen118 erregten bei der kleinpolnischen 118
Diese werden mitunter auch als ihrer Zeit vorauseilende Reformen gedeutet, mit denen Mieszko III. ein neues, durch jüngere Entwicklungen im Reich inspiriertes Modell von Landesherrschaft habe einführen wollen; vgl. Sławomir Gawlas, Die Territorialisierung des Deutschen Reiches und die teilfürstliche Zersplitterung Polens zur Zeit des hohen Mittelalters, in: Quaestiones Medii Aevi Novae 1 (1996), S. 25 – 42; ders., Das Problem der Fürstenmacht zur Zeit von Vincentius Kadłubek, in: Macht und Spiegel der Macht. Herrschaft in Europa im 12. und 13. Jahrhundert vor dem Hintergrund der Chronistik, hrsg. von Norbert Kersken / Grischa Vercamer, Wiesbaden 2013, S. 273 –308.
II. Das Werk
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Polen um 1186
Elite Widerstand und provozierten 1177 einen Aufruhr, in deren Verlauf Mieszkos Leute vertrieben wurden (Mieszko selbst residierte in Großpolen) und der Krakauer Senioratsthron Kasimir angeboten wurde. Dieser ließ sich auf den Coup gegen den älteren Bruder ein und übernahm in Krakau als neuer ,Senior‘ die Herrschaft. Der ,Systembruch‘ dieses ,Staatsstreichs‘ bestand dabei nicht in der Verdrängung des herrschenden Seniors, gegen dessen unbefriedigende Politik vorzugehen sich die von dem Krakauer Bischof Gedko und dem Pfalzgrafen Stefan angeführten kleinpolnischen Großen durchaus legitimiert sahen, sondern in der Übergehung des nächstältesten lebenden männlichen Vertreters der Dynastie. Denn unter den Söhnen der inzwischen verstorbenen älteren Brüder war zumindest der älteste Sohn Władysławs II. –
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Einleitung
Bolesław der Lange – älter als Kasimir II., womit er nach der Senioratsordnung vor diesem Anspruch auf die Oberherrschaft hatte. Bolesław der Lange war zu diesem Zeitpunkt in seinem Teilgebiet Schlesien allerdings in eigene Bruderkämpfe verstrickt. Er musste die Revolte seiner jüngeren Brüder Mieszko I. Humpelbein und Konrad abwehren, denen zudem sein eigener Sohn Jarosław zur Seite stand. Eine Beschwichtigung gelang ihm letztlich nur, indem er den unzufriedenen Junioren aus seinem schlesischen Herrschaftsbereich jeweils eigene Teilgebiete einräumte. So erhielt Mieszko Ratibor, Konrad Glogau und Jarosław Oppeln. Nach Jarosławs Tod (1201) schloss Mieszko dessen Gebiet seinem Teilgebiet an und begründete damit dauerhaft das Herzogtum Oppeln-Ratibor, während Konrads Glogauer Teilgebiet zunächst eine vorübergehende Erscheinung blieb. Unterdessen vertrieb der älteste Sohn Mieszkos III., Odon, den Vater 1177–1179 aus seiner großpolnischen Herrschaft, so dass dieser Zuflucht an auswärtigen Höfen suchen musste. Mit Hilfe seines Schwiegersohnes, des westpommerschen Herzogs Bogislaw I., konnte er jedoch bereits 1181 nach Großpolen zurückkehren, wo ihm der Sohn den östlichen Landesteil mit dem Zentrum Gnesen überlassen musste. In Krakau begnügte sich der Usurpator Kasimir derweil nicht damit, dass eine 1180 in Łeczyca zusammengetretene Landesversammlung seine Oberherrschaft förmlich sanktionierte. Er strebte vielmehr danach, die Krakauer Oberherrschaft an seine engere Familie bzw. Nachkommen zu binden. Auf diese Weise sollte die Senioratsordnung dauerhaft durch eine Primogenitur ersetzt werden, das Großfürstentum nach seinem Tod also als erbliche Herrschaft an seinen erstgeborenen Sohn fallen. Der legitime Senior, Mieszko III., gab sich mit dem Verlust Krakaus freilich nicht zufrieden. Als Anfang der 1190er Jahre Kasimirs auswärtige Politik in der benachbarten Rus’ und gegenüber Ungarn bei der kleinpolnischen Elite Unzufriedenheit erregte, ergriff der großpolnische Herzog die Gelegenheit und entriss dem gerade auf einem Feldzug weilenden Bruder 1191 Krakau. Allerdings konnte der umgehend heimeilende Kasimir Stadt und Elite rasch zurückgewinnen, doch verstarb er schon wenige Jahre später (1194) so plötzlich, dass sogleich Gerüchte aufkamen, er sei vergiftet worden. Mieszko III. zog daraufhin erneut gegen Krakau, wurde aber von den dortigen Großen zurückgeschlagen, die sich in der Zwischenzeit hinter Kasimirs Sohn Leszek gestellt hatten. Da dieser noch minderjährig war, wurde in seinem Namen eine Regentschaft eingerichtet, in die sich Kasimirs Witwe Helena, der Pfalzgraf Mikołaj und der Krakauer Bischof Pełka teilten. Doch gab Mieszko weiterhin so lange nicht auf, bis er 1196 oder 1197 / 98 einen Kompromiss erreichte, bei dem ihm Helena und die Krakauer Großen vertraglich die Oberherrschaft unter der Bedingung überließen, dass er diese an Leszek übergeben werde, sobald dieser volljährig
II. Das Werk
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sei, bzw. dass Krakau nach seinem eigenen Tod als erbliches Fürstentum an die Kasimir-Linie fallen werde. Als Mieszko III. 1202 starb, zeigte sich jedoch, dass die Krakauer Großen ihr eigenes Spiel spielten und auf die Verständigung zwischen Mieszko und Leszek offenbar nur aus taktischen Gründen eingegangen waren. Denn sie akzeptierten die für Leszek vereinbarten Erbrechte nun ihrerseits nicht mehr, drängten stattdessen auf eine Wahl des neuen Krakauer Herzogs, die es ihnen ermöglichte, dem Thronkandidaten ihre eigenen Bedingungen zu diktieren. Vor allem der Führer der Krakauer politischen Elite, Mikołaj, fürchtete offenbar um seinen Einfluss, wenn Leszek, inzwischen Teilfürst von Sandomir, den Krakauer Thron übernehmen und von dort seine Gefolgsleute mitbringen würde. Folglich lautete eine der Forderungen der Krakauer Großen, dass Leszek als Senior seinen Pfalzgrafen, Goworek, fallen lassen sollte. Leszek verzichtete daraufhin lieber auf den Krakauer Thron als auf seinen Getreuen, woraufhin die Krakauer Großen den Krakauer Thron Władysław Dünnbein, dem ältesten Sohn Mieszkos III. aus dessen zweiter Ehe, anboten. Zweifellos werden die Krakauer Großen auch diesem ihre Bedingungen diktiert haben. Aufgrund der Spärlichkeit der überlieferten Quellen lässt sich nicht feststellen, wie lange Władysław in Krakau herrschte, ob er sich lediglich einige Monate oder knapp fünf Jahre dort halten konnte. Nach 1202 oder 1206 gelangte jedenfalls erneut der Sohn Kasimirs II., Leszek der Weiße, auf den Krakauer Thron, von dem er dann nur noch einmal kurzfristig – 1210 –1211 von Mieszko I. Humpelbein – vertrieben wurde. Als er 1227 starb, war die Senioratsordnung schließlich endgültig ausgehebelt, war das einheitliche patrimoniale Reich der Piasten in fünf souveräne, gleichrangige Herzogtümer – Schlesien, Oppeln-Ratibor, Großpolen, Masowien und Kleinpolen – aufgeteilt, hatte Krakau seinen, die Oberherrschaft über die übrigen Landesteile implizierenden Rang als Senioratssitz eingebüßt.
2. Abfassungszeit Wann und wo genau die in diesem politischen Kontext entstandene Chronica Polonorum zu Pergament gebracht worden ist, darüber gehen die Ansichten auseinander.119 Einhellig ausgeschlossen werden in der neueren Forschung die Jahre, in denen Vincentius als Bischof keine Zeit für die auf-
119
Das hat so schon Zeissberg, Vincentius (1870), S. 81 konstatiert; die seither vertretenen Positionen aufgelistet bei Lis, Spory (2013), S. 110 –121.
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Einleitung
wändige Arbeit an einer Chronik gefunden haben dürfte.120 Gleichfalls seit langem verworfen ist die ältere Vorstellung Joachim Lelewels und Józef Maksymilian Ossolinkis, dass Vincentius lediglich Buch IV verfasst habe, die Bücher I–III aber von dem bereits 1166 gestorbenen Bischof Matthäus stammen.121 Schon Heinrich Zeissberg verwarf diese These mit dem Argument, dass die Chronik ein „Werk des Vincentius aus einem Gusse in Styl und Lebensanschauung“ und „die Anlage des vierten Buches […] jener der drei ersten Bücher so ähnlich [sei], dass es nicht schwer fiele, dasselbe auch jetzt noch zu dialogisieren“.122 Als Abfassungszeit stehen mithin der Zeitraum vor seiner Wahl zum Bischof (1207) oder die Zeit seines Aufenthalts im Kloster (1218 –1223) zur Diskussion. Mitunter wird auch vermutet, dass das Werk in zwei deutlich getrennten Etappen entstanden sei bzw. zwischen dem Abschluss der Bücher I–III und der Abfassung von Buch IV eine Unterbrechung eingetreten sei. Dabei sind die Ansichten darüber geteilt, ob der zweite Anlauf noch vor der Bischofswahl oder erst nach 1218 im Kloster Jedrzejów erfolgte. Die Anhänger einer frühen Abfassungszeit gehen davon aus, dass die Chronik ein Auftragswerk Herzog Kasimirs II. gewesen sei. Als Belege dafür dienen Bemerkungen im Prolog zum Gesamtwerk („strennuissimus principum“)123 sowie im Prolog zu Buch IV („preses epulantium“)124, überdies eine Wendung, in der Vincentius sich direkt an Herzog Kasimir II. zu wenden scheint („uides, igitur, Kazimire“)125 und die nicht nach einer rhetorischen, erst nach dem Tod des Herzogs verwendeten Figur aussehe. Für den delikaten geschichtspolitischen Auftrag, mit Hilfe einer Chronik seine usurpierte Senioratsherrschaft legitimieren zu lassen, habe der Herzog zweifellos auf einen erfahrenen Mann zurückgegriffen. Daher könne Vincentius erst als reifer Mann das Werk begonnen haben. Da Kasimir II. zudem wohl nicht gleich in den ersten Jahren seiner Herrschaft an einen solchen Auftrag gedacht haben dürfte, soll er den Auftrag dazu erst um 1190 erteilt haben.126 Im Übrigen würden die Lebendigkeit und Frische, in der das vierte Buch die Ereignisse der Jahre 1177 bis 1202 beschreibe, die 120
Anders mit Rückgriff auf ältere Autoren wie Długosz, Maciej von Miechów und Maciej Stryjkowski noch Gutschmid, Über die Fragmente (1856 / 57), S. 207, der annahm, dass Vincentius die Chronik 1214 –1215 als Bischof geschrieben habe. 121 Lelewel, Uwagi nad Mateuszem (1811), S. 23; Vincent Kadłubek, ein historisch-kritischer Beytrag (1822), S. 18 –19. 122 Zeissberg, Vincentius (1870), S. 79 – 80. 123 Vgl. unten Prolog 4, 1. 124 Vgl. unten Buch IV, 1, 1. 125 Vgl. unten Buch IV, 12, 11. 126 Kürbis S. XXX.
II. Das Werk
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Möglichkeit ausschließen, dass er es erst Jahre später in der Abgeschiedenheit des Kloster Jedrzejów geschrieben habe.127 Obwohl die Schilderung der Ereignisse im Jahr 1202 abbreche, enthalte Buch IV (24, 19) Hinweise darauf, dass Vincentius noch um bzw. nach 1205 an dem Werk gearbeitet habe. Doch dürfte er es in dem Moment – vielleicht recht abrupt – zur Seite gelegt haben, in dem er zum Bischof gewählt wurde; der letzte Satz des Werkes trage deutliche Züge einer Unabgeschlossenheit.128 Die Anhänger einer späten Abfassungszeit haben dagegen betont, dass die Chronica Polonorum (z. B. mit dem Hinweis auf „so oft kaum überstandene Schiffbrüche“129) eine besondere altersweise Bescheidenheit bzw. die Erfahrungen und Enttäuschungen eines langen Lebens widerspiegele, weshalb sie nur von einem Mann in hohem Alter verfasst worden sein könne. Zudem lasse das Werk eine gedankliche und stilistische Nähe zum geistigen Milieu der Zisterzienser (Schriften und Viten Bernhards von Clairvaux) erkennen, auf das Vincentius am ehesten in der Klosterbibliothek von Jedrzejów Zugriff gehabt haben könne.130 Schließlich verrate Buch IV eine Kenntnis der Verhältnisse im benachbarten Fürstentum Hali0 während des zweiten Jahrzehnts des 13. Jahrhunderts und lasse auch mit seiner politisch-ideologischen Tendenz erkennen, dass die Chronik insgesamt erst nach 1218 geschrieben worden sei.131 Eine weitere These vertritt neuerdings die Ansicht, dass Vincentius an dem Werk nicht nur sehr lange gearbeitet, sondern im Verlauf des Schreibprozesses auch eine wesentliche Umarbeitung bereits fertiggestellter älterer Textteile vorgenommen habe. Erst die überarbeitete Fassung habe die Person Herzog Kasimirs II. in den Vordergrund gerückt, während zuvor dessen älterer Bruder und Konkurrent Mieszko III. im Mittelpunkt der Erzählung gestanden habe. Daher könne Kasimir auch nicht als Initiator
127
Kürbis S. LII. Plezia, Tradycja rekopismienna (1976), 378; Plezia, Mistrz Wincenty (1991 [2001]), S. 304 –305. 129 Vgl. unten Prolog 1, 1. 130 Borawska, Mistrz Wincenty (1977), S. 359 –365. 131 Zeissberg, Vincentius (1870), S. 83 – 87; Hofman-Dadejowa, Studya (1924), S. 24, 48 – 49; Jan Powierski, Czas napisania kroniki przez mistrza Wincentego [Die Zeit der Abfassung der Chronik durch Magister Vincentius], in: Krzyzowcy, kronikarze, dyplomaci, hrsg. von Błazej Sliwinski, Gdansk-Koszalin 1997, S. 147–208, hier S. 208 nimmt an, dass nicht der Tod, sondern eine Krankheit Vincentius die Feder aus der Hand genommen habe. Möglicherweise habe er das Werk auch abschließen können, dann wären die letzten Abschnitte der Chronik kurz nach seinem Tod verloren gegangen bzw. nach Abschluss der Nachfolgeregelung zwischen Leszek dem Weißen und Władysław Dünnbein vernichtet worden. 128
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Einleitung
der Chronik angesehen werden, obgleich er später das Protektorat über den entstehenden Text übernommen haben dürfte (weshalb er im Prolog als „der tüchtigste der Fürsten“ bezeichnet werde). Der ursprüngliche Anstoß zur Abfassung des Werkes sei vielmehr von Bischof Matthäus ausgegangen, dem zu Beginn von Buch IV genannten „Vorsteher des Gastmahls“. Ihm habe Vincentius, wie er an der gleichen Stelle selber andeutet, als ein „das Tintenfass mit dem Federkiel“ tragender, „die rauchende Lampe“ reinigender „Diener“ zur Seite gestanden, weshalb es naheliege, dass er in dessen Umfeld bereits in den 1160er Jahren begonnen habe, Material für das spätere Werk zu sammeln. Dessen einzelne Teile müsse er zunächst nicht notwendig in chronologischer Reihenfolge verfasst haben, sondern könne sie zu unterschiedlichen Zeiten auf einzelnen Blättern notiert haben, die er später zu einem chronologischen Text anordnete. Dabei habe Vincentius sicher zuerst mit der Beschreibung der Ereignisse der 1160er und 1170er Jahre begonnen, und zwar unabhängig davon, wer als Senior in Krakau herrschte. In der heute vorliegenden Form sei die Chronik dann erst während der Herrschaftszeit Kasimirs II. und Leszeks entstanden, wobei der Autor seinen Text an die veränderten politischen Verhältnisse angepasst habe, d. h. auf die politische Linie Kasimirs eingeschwenkt sei, aus deren Perspektive heraus er in den Büchern I–III anschließend auch die legendäre Vorgeschichte Polens sowie die ältere Geschichte der Piasten dargestellt habe.132 Die Vagheit aller vorgebrachten Argumente macht deutlich, dass die Frage, wann genau die Chronica Polonorum verfasst wurde, nicht abschließend beantwortet werden kann. Ob sie in einem längeren Kompilationsprozess entstand, der konzeptionelle Änderungen einschloss, oder in einer eher kurzen, konzentrierten Schreibphase, vielleicht aber auch in mehreren, von Unterbrechungen getrennten Etappen, bleibt letztlich offen. Fest steht nur, dass sie als ein Werk des ausgehenden 12. bzw. beginnenden 13. Jahrhunderts betrachtet werden kann.
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Bieniak, Mistrz Wincenty (1997); ders. Mistrz Wincenty w zyciu (2001), bes. S. 33 –38; ders., Jak Wincenty rozumiał (2009), bes. S. 42– 44, die These zurückgewiesen u. a. von Edward Skibinski, Mieszko czy Kazimierz? W sprawie sporu o inspiratora Mistrza Wincentego [Mieszko oder Kasimir? Zur Frage des Streits über den Inspirator des Magisters Vincentius], in: „Nihil superfluum esse“. Prace z dziejów sredniowiecza ofiarowane Profesor Jadwidze Krzyzaniakowej, hrsg. von Jerzy Strzelczyk / Józef Dobosz, Poznan 2000, S. 167–174; ders., Walka o władze w kronice Mistrza Wincentego. Mieszko Stary i Kazimierz Sprawiedliwy [Der Kampf um die Chronik des Magisters Vincentius. Mieszko der Alte und Kasimir der Gerechte], in: Onus Athlanteum (2009), S. 47–56.
II. Das Werk
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3. Inhalt und Anliegen Wie die meisten mittelalterlichen historiographischen Werke wird die Chronica Polonorum mit einem Prolog eröffnet133, der das zentrale Anliegen des Chronisten gleich zu Beginn auf den Punkt bringt. Das Werk soll „der Beratung des heiligen Senats beistehen“ und „goldene Säulen des Vaterlandes, […] wahre Bilder der Väter aus dem Schoß des Vergessens […] herausschneiden“, um „in der königlichen Burg Lampen göttlichen Lichts aufzuhängen“ und „die großväterlichen Verdienste reichlich darzulegen“. Dass sich der Chronist als dieser Aufgabe kaum gewachsen ausgibt, entspricht ebenso der üblichen Bescheidenheitstopik wie seine an den Leser gerichtete Bitte, dies gebührend in Rechnung zu stellen und nicht allzu kritisch mit ihm zu sein.134 Schließlich habe er die Aufgabe, gleichsam „die Last des Atlas“ (onus Athlanteum), nur auf Geheiß des „tüchtigste[n] der Fürsten“ auf sich, die „Schulter eines Zwerges“ (humeris Pygmei), genommen. Auf den Prolog folgen vier Bücher, von denen die ersten drei in Form eines Dialoges abgefasst sind. Die Partner dieses Dialoges führt Vincentius zu Beginn von Buch I selber ein, wobei er mit der Benennung ihres zentralen Gesprächsthemas gleich noch einmal das inhaltliche Anliegen seiner Chronik hervorhebt: „Es diskutierten nämlich Johannes und Matthäus […] über den Ursprung, den Fortschritt und die Vollendung“ des Gemeinwesens der Polen, eines Gemeinwesens, dem – wie der Chronist an gleicher Stelle beklagt – die Tugend abhanden gekommen sei. Prolog und Dialogeinführung machen das Anliegen des Werkes mithin hinreichend deutlich: Erzählt und erörtert werden soll die Geschichte der von den Piasten als den rechtmäßigen bzw. erblichen Fürsten („principes succedanei“) angeführten 133 Witold Wojtowicz, Niektóre aspekty retoryczne „Prologu“ „Kroniki“ Mistrza Wincentego [Einige rhetorische Aspekte des „Prologs“ der „Chronik“ des Magisters Vincentius], in: Teatr wymowy. Formy i przemiany retoryki uzytkowej, hrsg. von Jolanta Sztachelska u. a., Białystok 2004, S. 41–51; Juliusz Domanski, Prolog Kroniki polskiej Mistrza Wincentego zwanego Kadłubkiem. Próba enarracji [Der Prolog der polnischen Chronik des Magisters Vincentius genannt Kadłubek. Versuch einer Auslegung], in: Przeglbd Tomistyczny 12 (2006), S. 9 – 60; Jakub Z. Lichanski, Miedzy tradycjb a nowoczesnoscib: prologi do kronik Anonima zw. Gallem oraz Mistrza Wincentego. Analiza retoryczna [Zwischen Tradition und Modernität: die Prologe zu den Chroniken des Anonymus genannt Gallus und des Magisters Vincentius. Rhetorische Analyse], in: Onus Athlanteum (2009), S. 361– 377, bes. S. 371–375. 134 Zur Topik des Prologs und der Chronik insgesamt vgl. Kazimierz Liman, Topika w Kronice polskiej Wincentego Kadłubka [Die Topik in der polnischen Chronik des Vincentius Kadłubek], in: Studia Yródłoznawcze 20 (1976), S. 95 –105.
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Einleitung
politischen Gemeinschaft der Polen, deren Verfassung und Tugend zugleich den Gegenstand einer besonderen politisch-moralischen Sorge bilden. Diesem Anliegen bleibt der Chronist auch in Buch IV treu, das er im Gegensatz zu den Büchern I–III als fortlaufende auktoriale Erzählung gestaltet hat. Unabhängig von ihrer Form ergeben die vier unterschiedlich umfangreichen Bücher135 zusammen eine durchgängige chronologische Erzählung, die in der Antike einsetzt und bis in das Jahr 1202 führt. Dabei wird auch für die jüngeren historischen Ereignisse auf jede exakte Datierung und konkrete Jahresangabe verzichtet. Buch I erzählt die sagenhafte Vor- und Frühgeschichte der Polen, die bei Gallus Anonymus noch allein auf die Legende von Popiel und Piast beschränkt war. Vincentius erweitert diese großpolnische Sage um neue Geschichten, die zum größeren Teil seiner eigenen Erfindungsgabe zuzuschreiben, zu einem Teil aber auch auf ältere, in Kleinpolen und Krakau mündlich überlieferte Erzählungen zurückgegangen sein dürften.136 Die neun neuen Erzählmotive, mit denen die vorchristliche Zeit in der Chronica Polonorum gegenüber Gallus Anonymus
135 Buch I macht etwa 12 %, Buch II 31 %, Buch III 22 % und Buch IV 35 % des Gesamtumfangs aus. 136 Zur Bedeutung mündlicher Traditionen für die Chronica Polonorum vgl. Edward Skibinski, Elementy historii oralnej w kronikach Galla Anonima i Wincentego Kadłubka [Elemente der oralen Geschichte in den Chroniken des Gallus Anonymus und Vincentius Kadłubek], in: Kultura pismienna sredniowiecza i czasów nowozytnych. Problemy i konteksty badawcze, hrsg. von Piotr Dymmel, Barbara Trelinska, Lublin 1998, S. 63 –72; Piotr Dymmel, Traces of Oral Tradition in the Oldest Polish Historiography: Gallus Anonymus and Wincenty Kadlubek, in: The Development of Literate Mentalities in East Central Europe, hrsg. von Anna Adamska, Marco Mostert, Turnhout 2004, S. 343 –363, bes. 357–362. Jacek Banaszkiewicz, Polskie dzieje bajeczne Mistrza Wincentego Kadłubka [Die polnische legendäre Geschichte des Magisters Vincentius Kadłubek], Wrocław 1998 verortet die von Vincentius in Buch I verarbeiteten mündlichen Traditionen im größeren Kontext indoeuropäischer Mythen und Erzählmuster; dagegen sieht Czesław Deptuła, Archanioł i smok. Z zagadnien legendy miejsca i mitu poczbtku w Polsce sredniowiecznej [Erzengel und Drache. Zur Frage der Legende vom Ort und Mythos des Anfangs im mittelalterlichen Polen], Lublin 2003 die Inspirationsquellen eher in christlich-biblischen Motiven; vgl. auch Paweł Zmudzki, Spór o analize strukturalnb podan i mitów dotyczbcych ,Poczbtku’ Polski (na marginesie ksibzek Jacka Banaszkiewicza i Czesława Deptuły) [Der Streit um eine Strukturanalyse der Erzählungen und Mythen zu den ,Anfängen‘ Polens (Randbemerkungen zu den Büchern von Jacek Banaszkiewicz und Czesław Deptuła)], in: Przeglbd Historyczny 93 (2002), S. 451– 471.
II. Das Werk
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zusätzlich ausgefüllt wird137, führen die Anfänge der polnischen Geschichte weit in die Antike zurück. Sie erzählen (1.) von der Macht und Größe einer „vor langer Zeit“ bestehenden polnischen Herrschaft, die sich selbst mit Dakern (Dänen), Galliern (Kelten) und Römern messen konnte und weite Teile Osteuropas umfasste; (2.) von Gracchus (Krak), dem ersten gewählten Herrscher, dessen Gesetzgebung das „Recht“ und damit das Gemeinwesen der Polen begründete138 , (3.) von einem feuerspeienden Drachen, der im Krakauer Wawel-Felsen hauste und dessen Beseitigung die Gründung der Stadt Krakau zur Folge hatte139; (4.) von der Herrscherin Wanda, die 137 Allgemein dazu Henryk Łowmianski, Wbtki literackie i tradycja historyczna w Kronice Kadłubka (I ksiega) [Literarische Motive und historische Traditionen in der Chronik des Kadłubek (Buch I)], in: Studia Yródłoznawcze 20 (1976), S. 22–27; Edward Skibinski, Mit a ideologia na przykładzie podan małopolskich zawartych w I ksiedze Kroniki Polskiej Wincentego Kadłubka [Mythos und Ideologie am Beispiel der kleinpolnischen Erzählungen in Buch I der Polnischen Chronik des Vincentius Kadłubek], in: Sprawozdania Poznanskiego Towarzystwa Przyjaciół Nauk, Wydział Nauk o Sztuce 103 za rok 1985, Poznan 1986, S. 5 –7; Kałuza, Kadłubka historia mówiona (2006), S. 86 –96. 138 Jerzy Mankowski, Krak, uczen Sokratesa (glosa do Kadłubka „Chronica Polonorum“ I, 5,3) [Krak, ein Schüler des Sokrates (eine Bemerkung zur „Chronica Polonorum“ des Kadłubek)], in: Inspiracje platonskie literatury staropolskiej. Materiały z konferencji zorganizowanej przez Zespół Badan Literackich nad Historib Kultury Epok Dawnych, hrsg. Alina Nowicka-Jezowa / Paweł Stepien, Warszawa 2000, S. 147–150; Piotr Boron, Intronizacje władców słowianskich – mozliwosci badan interdyscyplinarnych [Die Inthronisierung slawischer Herrscher – Möglichkeiten interdisziplinärer Forschungen], in: Mundus hominis – cywilizacja, kultura, natura. Wokół interdyscyplinarnosci badan historycznych, hrsg. von Stanisław Rosik u. a., Wrocław 2006, S. 475 – 485; Idzi Panih, Krak w polskiej i czeskiej tradycji wczesnosredniowiecznej [Krak in der polnischen und tschechischen frühmittelalterlichen Tradition], in: Pismiennictwo Czech i Polski w sredniowieczu i we wczesnej epoce nowozytnej, hrsg. von Antoni Barciak / Wojciech Iwanczak, Katowice 2006, S. 48 – 62. 139 Vgl. Plezia, Legenda o smoku (1971 [2001]); Brygida Kürbis, Holophagus. O smoku wawelskim i innych smokach [Holophagus. Über den Waweldrachen und andere Drachen], in: Ars Historica. Prace z dziejów powszechnych i Polski, hrsg. von Marian Biskup u. a., Poznan 1976, S. 163 –178; Juan Alvarez-Pedrosa, Krakow’s Foundation Myth: An Indo-european theme through the eyes of medieval erudition, in: The Journal of Indo-European Studies 37 (2009), S. 164 –177; Marcin H. Łapski, Smok smokowi nierówny – czyli rzecz o pochodzeniu istot smoczych w „Kronice Polskiej“ mistrza Wincentego zwanego Kadłubkiem [Drache ist nicht gleich Drache – oder die Sache mit der Herkunft der Drachenwesen in der „Polnischen Chronik“ des Magisters Vincentius genannt Kadłubek], in: Roczniki Humanistyczne 58 (2010), 2, S. 5 –11; Zenon Kałuza, „Holophagus“ z Kroniki Kadłubka [Der „Holophagus“ aus der Chronik des Kadłubek], in: Przeglbd Tomistyczny 16 (2010), S. 255 –289.
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mit ihrer Schönheit einen feindlichen alemannischen (deutschen) Tyrannen besiegte und nach der die Weichsel und die Polen ihre Zweitnamen „Wandalus“ bzw. „Wandalen“ erhielten140; (5.) vom Kampf der „Lechiten“ bzw. Polen gegen Alexander den Großen141; (6.) von dem Goldschmied Lestek, dessen List den Sieg über Alexander ermöglichte und der zum Lohn dafür als Herrscher eingesetzt wurde142; (7.) von einem zweiten Herrscher namens Lestek, der nach einer Phase innerer Unruhen an die Herrschaft gelangte,
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Vgl. Marian Plezia, Wanda. Geneza imienia – geneza legendy [Wanda. Genese des Namens – Genese der Legende], in: Prace Komisji Filologii Klasycznej PAU 23 (1995), S. 7–21; Jerzy Strzelczyk, Zum Beginn der Überlieferung einer wandalischen Herkunft der Polen, in: Studien zur Archäologie des Ostseeraumes. Von der Eisenzeit zum Mittelalter. Festschrift für Michael Müller-Wille, hrsg. von Anke Wesse, Neumünster 1998, S. 409 – 417; Edward Skibinski, Wanda i Lubusza. Mit i motyw – kilka uwag o budowie opowiadan w tekstach kronik sredniowieczych [Wanda und Libusa. Mythos und Motiv – einige Bemerkungen zum Bau der Erzählungen in den Texten mittelalterlicher Chroniken], in: Formula, archetyp, konwencja w yródle historycznym, hrsg. von Artur Górak / Krzysztof Skupinski, Lublin u. a. 2006, S. 31–39; Marta Smolen, Wanda i Lubusza. Rzbdy kobiet i pierwsze wojny w kronikach Wincentego Kadłubka i Kosmasa – literacki stereotyp opisu [Wanda und Libusa. Frauenherrschaft und erste Kriege in den Chroniken des Vincentius Kadłubek und Cosmas], in: Teka Historyka. Materiały Studenckiego Koła Naukowego Historyków Uniwersytetu Warszawskiego 30 / 31, 2007, S. 207–216; Przemysław Wiszewski, Poszukiwana – poszukiwany, czyli Wanda i Leszek albo kto został przebrany? O intergralnosci narracji dziejopisarskiej i wielosci uprawnionych interpretacji na przykładzie Kroniki Mistrza Wincentego [Die Gesuchte – der Gesuchte, oder Wanda und Leszek oder wer wurde auserwählt? Über die Integralität der Narration von Geschichtsschreibern und die Vielfalt der angewandten Interpretationen am Beispiel der Chronik des Magisters Vincentius], in: Historia narrat. Studia mediewistyczne ofiarowane Profesorowi Jackowi Banaszkiewiczowi, hrsg. von Andrzej Pleszczynski u. a., Warszawa 2012, S. 145 –158. 141 Vgl. Marek Cetwinski, Aleksander Macedonski i Slbsk w ,Kronice’ Wincentego Kadłubka [Alexander der Makedonier und Schlesien in der ,Chronik‘ des Vincentius Kadłubek], in: Tradycje kultury antycznej na Slbsku. Praca zbiorowa, hrsg. von Joanna Rostropowicz, Opole 1997, S. 195 –203; ders., Imperium Lechitów. Polityczna doktryna czy opowiesh ku pokrzepieniu serc? [Das Imperium der Lechiten. Politische Doktrin oder Erzählung zur Erquickung der Herzen?], in: Europa Srodkowa i Wschodnia w polityce Piastów, hrsg. von Krystyna Zielinska-Melkowska, Torun 1997, S. 243 –248. 142 Vgl. Jacek Banaszkiewicz, Podanie o Lestku I Złotniku. Mistrza Wincentego „Kronika polska“ I, 9, 11 [Die Geschichte über Leszek den Goldschmied. Buch I, 9, 11 der „Polnischen Chronik“ des Magisters Vincentius], in: Studia Yródłoznawcze 30 (1987), S. 39 –50.
II. Das Werk
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indem er ein Wettrennen gewann143; (8.) vom Sohn dieses zweiten Lestek, Lestek III., der über „Geten und Parther“ und die „Regionen jenseits der Parther“ herrschte, Julius Caesar besiegte und dessen Schwester Julia zur Frau nahm; schließlich (9.) von Pompilius, den Lestek III. als den ältesten seiner 20 Söhne „nach dem Recht der Primogenitur zum König über alle“ einsetzte und der „nicht nur die Monarchie der Slavia, sondern auch die Reiche der Nachbarn“ befehligte. Mit der Geschichte über dessen Sohn Pompilius II. schließt Vincentius gegen Ende von Buch I an die großpolnische Popiel-Sage an, die er gegenüber Gallus Anonymus, der sie nur in wenigen Zeilen ansprach144, allerdings erheblich ausbaut. Besonders ausführlich schildert Vincentius, wie sich Pompilius / Popiel angestachelt von seiner Ehefrau durch heimtückischen Mord seiner Konkurrenten entledigte, unter seiner Herrschaft „der ganze Ruhm der Polen zusammenbrach“ und der schamlose Herrscher schließlich sein schändliches Ende fand. Buch II beginnt nach einem kurzen Wortwechsel, der wie ein weiterer, kleinerer Prolog erscheint, mit der aus Gallus Anonymus bekannten Piastenlegende, die die göttliche Berufung des Piastengeschlechts, indem sie sie vier Generationen vor dem seit 963 historisch bezeugten Mieszko I. ansetzt, ins 9. Jahrhundert datiert. Mit der Bekehrung Mieszkos I. und seines Landes tritt Buch II in die historische Zeit ein und schildert für die nachfolgenden rund 150 Jahre die herausragenden Taten der sich ablösenden piastischen Herrscher bis in die erste Hälfte der Herrschaft Bolesławs III. hinein, d. h. bis ca. 1112 / 1113. Dabei folgt Vincentius im Kern dem Faktengerüst der 80 bis 100 Jahre älteren Cronicae et gesta ducum sive principum Polonorum, der gegenüber er nur an einigen wenigen Stellen eine abweichende Deutung bietet. Die gewichtigeren Abweichungen betreffen insbesondere die Ereignisse um Kasimir I. den Erneuerer, vor allem aber den Tod des hl. Stanisław, von dem die Chronica Polonorum eine gänzliche andere Version bietet.145 Wie schon bei Gallus Anonymus 143 Vgl. Stanisław Witkowski, Podstep Leszka z kolcami u Kadłubka i jego yródło [Die List des Leszek mit den Eisenstacheln bei Kadłubek und ihre Quelle], in: Ksiega pamibtkowa ku czci Oswalda Balzera, Lwów 1925, S. 677– 690; Marek Cetwinski, Equus maculis, czyli jak czytah Kadłubka? [Equus maculis, oder wie soll man Kadłubek lesen?], in: Mundus hominis – cywilizacja, kultura, natura. Wokół interdyscyplinarnosci badan historycznych, hrsg. von Stanisław Rosik u. a., Wrocław 2006, S. 487– 493. 144 Galli Anonymi cronicae I,1 und I, 3. 145 Diese wurde zu einer entscheidenden Grundlage für den im 13. Jahrhundert etablierten Stanisław-Kult; vgl. Alicja Karłowska-Kamzowa, Meczenstwo sw. Stanisława w relacji Wincentego Kadłubka. Próba interpretacji symbolicznej [Das
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nimmt auch bei Vincentius der Konflikt zwischen Władysław Herman und seinen Söhnen, Zbigniew und Bolesław III., bzw. zwischen den beiden Letzteren besonders breiten Raum ein, wobei Vincentius die entscheidende, von der Forschung in das Jahr 1112 / 1113 datierte Auseinandersetzung zwischen den Brüdern in ein fiktives Gerichtsverfahren münden lässt, mit dessen Urteilsspruch Buch II endet. Buch III greift in seiner Schilderung der Kämpfe Bolesławs III. gegen die Pomoranen und Kaiser Heinrich V. gegenüber Buch II zeitlich zunächst wieder etwas zurück und setzt noch einmal im ersten Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts ein, führt dann aber die Erzählung (ab der um 1120 anzusetzenden Entführung des rus’ischen Fürsten Wolodar durch Piotr Włostowic) auf der Grundlage unbekannter schriftlicher Vorlagen und / oder nur mündlicher Überlieferungen über das aus Gallus Bekannte hinaus. Geschildert wird in erster Linie die zweite Hälfte der Herrschaft Bolesławs III., dessen Tod (1138) und die damit in Kraft tretende Nachfolgeregelung bzw. Senioratsordnung. Knapper werden demgegenüber die Senioratsherrschaft Władysławs II. (ab 1138), die zu seiner Vertreibung (1146) führenden Auseinandersetzungen mit den jüngeren Brüdern Bolesław IV. und Mieszko III., die anschließende Senioratsherrschaft Bolesławs IV. und dessen Konflikt mit den Söhnen Władysławs II. behandelt. Der Tod des zweiten Seniors im Jahr 1173 bildet den Schlusspunkt von Buch III, das zugleich mit einer Metapher endet, die nach allgemeiner Deutung für den Tod der beiden Dialogpartner der Bücher I–III steht. Bischof Matthäus von Krakau war in der Tat bereits 1166, der Gnesener Erzbischof Johannes kurze Zeit später, in jedem Fall vor 1177 gestorben. Vincentius hat den Dialog dieser beiden „berühmten Männer“146 so angelegt, dass Matthäus in einzelnen Episoden die Geschichte der Polen darlegt, Johannes diese Ausführungen aber mit Parallelen aus der antiken
Martyrium des hl. Stanisław im Bericht des Vincentius Kadłubek. Versuch einer symbolischen Interpretation], in: Studia Yródłoznawcze 20 (1976), S. 76 – 84; Marian Plezia, Dookoła sprawy swietego Stanisława [Zur Frage des heiligen Stanisław], in: Analekta Cracoviensia 1979, 11, S. 330 –353; Edward Skibinski, Biskup i monarcha [Der Bischof und der Monarch], in: Docendo Discimus. Studia historyczne ofiarowane Profesorowi Zbigniewowi Wielgoszowi w siedemdziesibtb rocznice urodzin, hrsg. von Krzysztof Kaczmarek / Jarosław Nikodem, Poznan 2000, S. 99 –109; Ludwik Jurek, Incendium rei publice. Lista zarzutów króla Bolesława wobec biskupa Stanisława w kronice Wincentego Kadłubka [Incendium rei publice. Die Liste der Vorwürfe König Bolesławs gegenüber Bischof Stanisław in der Chronik des Vincentius Kadłubek], in: Teka Historyka. Materiały Studenckiego Koła Naukowego Historyków Uniwersytetu Warszawskiego 36 –37 (2009), S. 193 –202. 146 Vgl. unten Buch I, 1, 2.
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Geschichte sowie mit einschlägigen philosophisch-moralischen oder juristischen Reflexionen kommentiert.147 Insofern enthalten die Bücher I–III weit mehr als eine Darstellung polnischer Geschichte von ihren sagenhaften Ursprüngen bis 1173. Sie bieten vielmehr zusätzlich zahlreiche Geschichten und Anekdoten nichtpolnischer Herkunft, die Vincentius aus der Bibel sowie – direkt oder indirekt148 – aus antiken Geschichtswerken, Traktaten und Dichtungen geschöpft hat. Da beide Dialogpartner um die Mitte der 1170er Jahre bereits tot waren, musste Vincentius die Dialogform für die Fortsetzung seiner Chronik zwangsläufig aufgeben. So hat er Buch IV, das als das längste der vier Bücher den kürzesten Berichtszeitraum, knapp 30 Jahre, behandelt, in eine fortlaufende Narration gekleidet, aus der anfangs die zuvor verwendete Dialogform freilich noch erkennbar hervorscheint.149 Buch IV schildert eingehend die erste Senioratsherrschaft Mieszkos III. (1173 –1177), die anschließende, im ,Staatsstreich’ erlangte Krakauer Herrschaft Kasimirs II. (1174 –1194), dessen und seiner Witwe Bemühungen, dem Sohn Leszek die Nachfolge zu sichern, die Verwicklungen und Interessen der Krakauer Großen, die letzten Herrschaftsjahre Mieszkos III. und dessen nochmalige Rückkehr auf den Krakauer Senioratsthron und schließlich die Lösung der Nachfolgefrage nach dessen Tod im Jahr 1202, mit der Buch IV abbricht. Als aufmerksamer Zeitgenosse, Angehöriger der kleinpolnischen Elite und herausgehobener Amtsträger konnte sich Vincentius bei seiner Darstellung der Entwicklungen der Jahre 1173 bis 1202 auf eigene Beobachtungen und unmittelbare Einblicke stützen. Dadurch sind die Ausführungen in Buch IV deutlich detaillierter, genauer und zuverlässiger ausgefallen als in den Büchern I–III, wenngleich auch in Buch IV noch vieles durch eine überbordende Rhetorik verschleiert bleibt. Vincentius hat diese Rhetorik nicht zuletzt dazu genutzt, seinen eigenen Standpunkt in vielen Fällen zu tarnen und allzu offene, ungeschützte Äußerungen zu vermeiden, die ihm herzoglichen oder sonstigen Unmut hätten 147 Dazu ausführlicher Marian Plezia, Dialog w Kronice Kadłubka [Der Dialog in der Chronik des Kadłubek], in: Pamietnik Literacki 51 (1960), 4, S. 275 –286; ders., Mistrz Wincenty (1991 [2001]), S. 314, der die Ansicht vertritt, dass Vincentius möglicherweise dialogisierte hagiographische Schriften, insbesondere der Dialog der Martinsvita des Sulpicius Severus als Vorbild gedient haben könnten; Kałuza / Calma, O filozoficznych lekturach (2009), S. 239 und Kałuza, Kadłubka historia mówiona (2006), S. 66 –77 verweisen hingegen auf den ersten, dialogisierten Teil des Timaios (in der lateinischen Übersetzung des Calcidius) als mögliches Vorbild. 148 Vgl. unten S. 55 –57. 149 Vgl. unten Anm. 432.
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eintragen können. Er zog es vor, seine eigenen politischen und moralischen Ansichten den Dialogpartnern der Bücher I–III in den Mund zu legen, sie von verschiedenen Rednern vortragen zu lassen, in Exempla, Fabeln und Symbole zu kleiden oder in Sprichwörtern und Sentenzen zu verstecken. Die Bewertung und Deutung des so meist nur auf indirekte Weise Dargebotenen überließ er der Intelligenz seiner gebildeten Leser, die den realen Kern der Geschichten, ihre Subtexte und Anspielungen zweifellos verstanden und auf ihre Gegenwart zu beziehen wussten. Die entsprechenden Dechiffrierungsbemühungen haben sicher auch eine Art intellektuelle Unterhaltung („otium“) des Lesers – oder Zuhörers – dargestellt, worin Vincentius zweifellos einen gewollten Effekt seines Werkes gesehen hat.150 Auch mit seinen übrigen Intentionen hat der Chronist bei aller rhetorischen Verhüllung letztlich nicht hinter dem Berg gehalten. Er hat seine Chronik bewusst als eine ,historische Abhandlung‘ über die Geschichte der Polen geschrieben.151 Diese sollte dem Leser im Sinne der zeitgenössischen gesta eine gezielte Auswahl denkwürdiger und nachahmenswerter Taten der Vorväter vor Augen führen und damit sowohl die Handlungen der aktuellen Herrscher legitimieren als auch das Gemeinschaftsbewusstsein der politischen Elite stärken. Doch schrieb er nicht nur als ein ,Historiker‘, der mit historischen Einsichten ,Geschichtspolitik‘ betreiben wollte. Dazu hat er seine Schilderung der historischen Geschehnisse zu oft anderen, nämlich moralischen Zielen angepasst. So formte er seinen Stoff zugleich als Moralist und Didaktiker, der das öffentliche Leben und die Sitten seines Landes mit ethischen Werten, rechtlichen Normen und christlichen Idealen zu erfüllen suchte. Auch in diesem Sinn konfrontierte er den Her150
Dass Vincentius sein Werk bewusst auch mit Blick auf „die Kommunikationsmöglichkeiten von Theaterszenen“ gestaltet habe und sein Werk wichtige Voraussetzungen für eine Vermittlung in Theaterszenen erfülle, meint Piotr Bering, Co Kadłubek mógł wiedzieh o teatrze? [Was konnte Kadłubek über das Theater wissen?], in: Onus Athlanteum (2009), S. 378 –383, bes. S. 382–383; vgl. auch Juliusz Domanski, Theatrales sollemnitates. Uwagi o elementach dramatycznosci i teatralnosci Kroniki polskiej Wincentego Kadłubka [Bemerkungen zu Elementen der Dramatik und Theatralität der polnischen Chronik des Vincentius Kadłubek], in: Rzeczy minionych pamieh. Studia dedykowane Profesorowi Tadeuszowi Ulewiczowi w 90. rocznice urodzin, hrsg. von Andrzej Borowski u. a., Kraków 2007, S. 133 –144. 151 Ausführlich zu Vincentius als ,Historiker‘ Kürbis[ówna], Czy mistrz Wincenty (1967); dies., Jak mistrz Wincenty pojmował historie Polski [Wie Magister Vincentius die Geschichte Polens verstand], in: Studia Yródłoznawcze 20 (1976), S. 64 –70; dies., Historia (1994); dies., Jak mistrz Wincenty pisał historie Polski [Wie Magister Vincentius die Geschichte Polens beschrieb], in: Mistrz Wincenty Kadłubek. Człowiek (2001), S. 59 –78.
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zog mit den Kriterien einer idealen Herrschaft, bot mithin auch eine Art Fürstenspiegel.152 Zugleich hielt er seine Landsleute zur Vaterlandsliebe und Sorge um das öffentliche Wohl an.153 Beide zusammen – Herrscher und politische Elite – suchte er an Recht und Tugenden zu binden, ohne die aus seiner Sicht das Gemeinwesen, die „patria“ oder „res publica“ bzw. das „regnum Poloniae“, nicht gedeihen konnte.154 Vincentius’ Absicht zielte 152
Vgl. Mieczysław Markowski, Die Schilderung des Guten und Bösen in der Chronica des Vincent Kadłubek, in: Die Mächte des Guten und Bösen. Vorstellungen im XII. und XIII. Jahrhundert über ihr Wirken in der Heilsgeschichte, hrsg. von Albert Zimmermann, Berlin 1977, S. 271–285; Jerzy B. Korolec, Ideał władcy w „Kronice“ Mistrza Wincentego. Rola cnót moralnych w legitymizacji władcy [Das Herrscherideal in der „Chronik“ des Magisters Vincentius. Die Rolle der moralischen Tugenden bei der Legitimierung des Herrschers], in: Pogranicza i konteksty literatury polskiego sredniowiecza, hrsg. Teresa Michałowska, Wrocław 1989, S. 71– 87; Robert Bubczyk, Kazimierz Sprawiedliwy – władca idealny mistrza Wincentego (Chronica Polonorum, Lib 4) [Kasimir der Gerechte – der ideale Herrscher des Magisters Vincentius], in: Kwartalnik Historyczny 116 (2009), S. 31–53; Józef Dobosz, Kazimierz Sprawiedliwy w opinii mistrza Wincentego [Kasimir der Gerechte in der Meinung des Magisters Vincentius], in: Czechy – Polska – Wielkopolska. Studia z dziejów sredniowiecza ofiarowane Profesorowi Bronisławowi Nowackiemu, hrsg. von Zbyszko Górczak / Jacek Jaskulski, Poznan 2009, S. 53 – 68; Grischa Vercamer, Vorstellung von Herrschaft bei Magister Vincentius von Krakau (um 1150 –1223), in: Macht und Spiegel der Macht. Herrschaft in Europa im 12. und 13. Jahrhundert vor dem Hintergrund der Chronistik, hrsg. von Norbert Kersken / Grischa Vercamer, Wiesbaden 2013, S. 309 –339. 153 Bereits als Ausdruck eines „nationalen Bewusstseins“ deuten die Chronik in diesem Zusammenhang Kazimierz Tymieniecki, Pierwsze wskrzeszenie panstwa polskiego a ideologia sredniowieczna [Die erste Wiederbelebung des polnischen Staates und die mittelalterliche Ideologie], in: Ksibzka zbiorowa ku uczeniu pierwszej rocznicy istnienia Uniwersytetu Poznanskiego, Poznan 1920, S. 23 –36, bes. S. 25, 30; Kürbis, Czy mistrz Wincenty (1967), S. 174 und Ewa Mbdrowska, Polska jako patrimonium, regnum i res publica w Kronice Mistrza Wincentego [Polen als patrimonium, regnum und res publica in der Chronik des Magisters Vincentius], in: Od liryki do retoryki. W kregu słowa, literatury i kultury. Prace ofiarowane Jadwidze i Edmundowi Kotarskim, hrsg. von Irena Kadulska u. a., Gdansk 2004, S. 41– 46, hier S. 43; vgl. auch Kersken, Geschichtsschreibung (1995), S. 565, der von einer „um volksgeschichtliche Elemente erweiterte[n] Dynastiegeschichte“ spricht. 154 Vgl. Ambrozy Bogucki, Terminologia polityczna w Kronice mistrza Wincentego [Die politische Terminologie in der Chronik des Magisters Vincentius], in: Studia Yródłoznawcze 20 (1976), S. 56 – 63; Przemysław Wiszewski, Polska w kronice Mistrza Wincentego. Ze studiów nad terminologib dzieła i hierarchiami wartosci w Polsce pełnego sredniowiecza [Polen in der Chronik des Magisters Vincentius. Studien über die Terminologie des Werkes und die Wertehierarchie im Polen des hohen Mittelalters], in: Onus Athlanteum (2009), S. 75 –90.
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also nicht zuletzt darauf ab, zu erziehen und zu bilden, woraus mitunter gefolgert worden ist, dass seine Chronik von vornherein als ein für den Schulbedarf verfasstes Lehrbuch konzipiert worden sei.155 Allerdings dürfte die Chronica Polonorum für eine Verwendung im Trivium einer Domschule wohl doch zu komplex und schwer gewesen sein. Der Chronist selber hatte schließlich nur eine kleine, hochgebildete Leserschaft vor Augen, für die er als Schriftsteller nicht zuletzt auch bewusst ein kunstvolles literarisches Werk verfasste, dessen inhaltliche, intentionale und stilistische Vielschichtigkeit sich kaum auf einen einfachen Nenner bringen lässt.156 155 Tadeusz Wojciechowski, O rocznikach polskich X–XV w. [Über die polnischen Annalen des 10.–15. Jahrhunderts], in: Pamietnik Akademii Umiejetnosci w Krakowie 4 (1880), S. 168 –169, dem zufolge dies am besten die Eigenheiten und Merkwürdigkeiten des Chroniktextes erklären würde, „der in erster Linie als ein von einem Lehrer für seine Schüler verfasstes Buch und nicht als ein Geschichtswerk“ zu betrachten sei, in dem „der historische Gegenstand vollkommen den schulischen Erfordernissen, und zwar hauptsächlich der Ethik, Grammatik und Rhetorik unterworfen“ worden sei; vgl. auch Grodecki, Mistrz Wincenty (1923), S. 45. 156 Die in der polnischen Forschung immer wieder aufkommende Debatte, ob Vincentius eher als Historiker, politischer Propagandist, religiös-kirchlicher oder weltlicher Moralist, als Didaktiker oder Enzyklopädist anzusehen sei, erscheint von daher müßig; er war sicher alles in einem und vielleicht noch mehr; zu Letzterem vgl. Witold Wojtowicz, Memoria und Mnemotechnik in der Chronica Polonorum vom Bischof Vincentius (ca. 1150 –1223), in: Culture of Memory in East Central Europe in the Late Middle Ages and the Early Modern Period, hrsg. von Rafał Wójcik, Poznan 2008, S. 129 –137; ders., Memoria i uczta. Kilka uwag o załozeniach ideowych kroniki Mistrza Wincentego [Memoria und Gastmahl. Einige Bemerkungen über die ideellen Grundlagen der Chronik des Magisters Vincentius], in: Onus Athlanteum (2009), S. 337–347; ders., Ateny i pamieh. Kilka uwag o załozeniach ideowych „Kroniki“ Mistrza Wincentego [Athene und Memoria. Einige Bemerkungen über die ideellen Grundlagen der „Chronik“ des Magisters Vincentius], in: Narracja, historia, fikcja. Dawne kultury w historiografii i literaturze, hrsg. von Łukasz Grützmacher, Warszawa 2009, S. 87–99, der die Chronik neuerdings als ein spezifisches Zeugnis des Totengedenkens deutet. Dazu verweist er auf das am Übergang von Buch III zu Buch IV prominent in Erscheinung tretende Motiv des Gastmahls, das gleichzeitig als Totenmahl zu verstehen sei und in dem die gemeinschaftsbildende Dimension der Memoria zum Ausdruck komme. Durch die von Vincentius konstruierte Geschichte bzw. die durch seine Erzählung ermöglichte Erinnerung und Nachahmung der Verstorbenen werde eine Bindung zwischen diesen und den Lebenden hergestellt, so dass die Chronik metaphorisch als ein liber memorialis angesehen werden könne, in dem sich liturgische und historische Memoria verknüpfen.
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4. Stilistische und sprachliche Gestaltung Während das Spätmittelalter Vincentius angesichts solcher Vielschichtigkeit noch als „rhetor mirificus“157 oder „sublimis et disertus“158 rühmte, mehrten sich in der Neuzeit die Klagen über ebendiese „erhabene und redegewandte“ Rhetorik. Schon Maciej von Miechów (1457–1523) nannte die Chronica Polonorum kompliziert und schwer verständlich („nodose et involute“).159 Der Herausgeber der ersten Druckfassung rügte 1612 ihr Latein160 , das auch Józef Maksymilian Ossolinski als „verwildert“ und „barbarisch“ bezeichnete161 und viele nach ihm als so schwülstig und aufgeblasen empfanden, dass es den Text an vielen Stellen auf den ersten Blick kaum verständlich erscheinen lasse.162 Dass der Text so schwer verständlich ist, liegt allerdings nicht etwa an einer sprachlichen Unbeholfenheit oder gar Unzulänglichkeit des Verfassers. Im Gegenteil: Vincentius schrieb nicht nur ein korrektes Latein, sondern beherrschte es geradezu „meisterhaft“.163 Er verfügte über einen Wortschatz, der mit knapp 6000 Vokabeln (in einem mit ca. 42 500 lexikalischen Einheiten nicht übermäßig langen Text) fast muttersprachliches Niveau erreichte.164 Dass er sich im Latein überaus sicher fühlte, belegen seine zahlreichen Neologismen, verblüffenden Wortspiele, geschickten Alliterationen, innovativen Flexionen und überraschenden Synonyme. Sie kennzeichnen neben einer „unbändigen Syntax“165, einer prunkhaften Metaphorik, einer Vorliebe für tier- und naturkundliche Symbole, für seltene Ausdrücke und gelehrte Zitate sowie einer feinen Ironie den Stil und die Sprache der Chronica Polonorum. Dieser Stil war keine verschrobene Eigentümlichkeit des polnischen Chronisten, sondern entsprach einer zeitgenössischen Mode, für die das 157
Universitätsbibliothek Breslau R 290, f. 95v. Catalogi episcoporum, S. 91. 159 Maciej von Miechów, Chronica Polonorum, Kraków 1521 [Nachdruck Kraków 1986], S. CXVIII. 160 Historia Polonica Vincentii (1612), [S. 18]: „Latinitas non probatur inquis? Sane & mihi … sed quid vis? Vitium Kadlubkonis non est, aetatis est.“ 161 Vincent Kadłubek, ein historisch-kritischer Beytrag (1822), S. 21 und 66; ähnlich Gutschmid, Über die Fragmente (1856 –57), S. 208. 162 Zeissberg, Vincentius (1870), S. 175; Perlbach, Ex Magistri Vincentii (1893), S. 473; Bielowski S. 210 –215; Plezia, Kadłubek na tle renesansu XII w. (1962), S. 989 bezeichnete die die Chronik daher als einen „Schrecken der Mediävisten“. 163 Balzer, Studyum 2 (1935), S. 234 –235; ähnlich Plezia, Retoryka mistrza Wincentego (1976), S. 89; Chmielewska, Wincenty Kadłubek (2000), S. 95. 164 Plezia, Kronika Kadłubka na tle renesansu XII w. (1962), S. 988; ausführlicher zur Sprache Pawłowski, Zu Sprache und Stil (2013). 165 Pawłowski, Zu Sprache und Stil (2013), S. 14. 158
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Werk Alain de Lilles (1128–1202) ein französisches Parallelbeispiel darstellt und literaturtheoretische Schriften im Hochmittelalter die Bezeichnung „schwerer Schmuck“ (ornatus difficilis / gravis) entwickelt haben.166 Wie dieser Stil funktionierte, hat Albericus von Monte Cassino (ca. 1030 – 1098 / 99) schon in den 1080er und 1090er Jahren an konkreten Beispielen anschaulich vor Augen geführt. Gemäß seinem Breviarium de dictamine sollte ein einfacher Fragesatz wie „Hast du gegessen?“ („comedisti an non?“) in die gewundene Formulierung „Hat dein Steuereinnehmer heute schon die tägliche Steuer erhoben?“ („Percipitne die hodierna debitum cottidianum tuus exactor?“) gekleidet, aus dem klaren Rat „Verkehre nicht mit Schätzern“ („ne habites cum garrulis“) die verklausulierte Empfehlung gemacht werden: „Nimm nicht Schwalben ins Haus auf, so meint Pythagoras“ („Ne habeas hirundines domi, ut ait Pitagoras“).167 Galfred von Vinsauf, der englische Rhetoriker und Altersgenosse des Vincentius, benannte sieben Arten, einen ,schweren Schmuck‘ zu kreieren: „Primum est ponere significans pro significato; secundum, ponere materiam pro materiato; tertium, ponere causam pro causato; quartum, proprietatem pro subjecto; quintum, ponere continens pro contento; sextum, ponere partem pro toto, vel totum pro parte; septimum, ponere consequens pro antecedenti.“168 Angestrebt war mithin eine Redeweise, die ihre eigentliche Aussage hinter dem Uneigentlichen oder Gegenteil bzw. einer Hülle von Zeichen, Symbolen und Allegorien versteckte und selbst über ganze Absätze und Erzählmotive hinweg ihre ,Wahrheiten‘ hinter einem Mantel von Erdachtem und Fiktivem verhüllte. Ernst Robert Curtius nannte das einen „Manierismus“, der „die Dinge nicht normal, sondern anormal sagen“ wollte, „das Künst-
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Vgl. Michałowska, Literatura polskiego sredniowiecza (2008), S. 15 – 85. Alberico di Montecassino, Breviarium de dictamine, hrsg. von Filippo Bognini, Firenze 2008, die zitierten Beispiele (neben zahlreichen weiteren) S. 47–56, bes. S. 47 und 51. 168 Geoffrey of Vinsauf, Documentum de modo et arte dictandi et versificandi, II, 3, 4, in: Edmond Faral, Les arts poétiques du XIIe et du XIIIe siècle. Recherche sur la technique littéraire du Moyen âge, Paris 1924, 265 –320, hier S. 285; Roger P. Parr gibt in seiner englischen Ausgabe des Textes (Documentum de modo et arte dictandi et versificandi / Instruction in the method and art of speaking and versifying, Milwaukee 1968, S. 60 – 61) folgende Übersetzung: „There are seven ways which ornamented difficulties are developed. The first way is to posit a sign for the thing signified; the second is to substitute matter for the thing made; the third is to substitude the cause for the thing caused; the fourth is to substitute the property for the subject; the fifth is to substitute the container for the thing contained; the sixth is to substitude the part for the whole, or the whole for the part; and the seventh is to substitute the consequent for the antecedent.“ 167
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liche und Verkünstelte vor dem Natürlichen“ bevorzugte und zu „überraschen, in Erstaunen [zu] setzen, [zu] blenden“ beabsichtigte.169 Vincentius hat sich meisterlich solcher Blendung bedient, ja kann geradezu als ein Musterbeispiel für die Anwendung des ,schweren Schmucks‘ und der (als „integumentum“ oder „involucrum“ bezeichneten) verhüllenden Redeweise angesehen werden.170 Zu diesem Stil gehörte auch ein ostentativer Rückbezug auf die Antike, dessen Funktion darin bestand, dem Leser einerseits die Gelehrsamkeit des Autors, andererseits die Geschichte Polens als integralen Bestandteil der Weltgeschichte vor Augen zu führen. Diese bewusste ,Antikisierung‘ kommt nicht nur in den zahlreichen aus der Antike geschöpften Anekdoten, Geschichten und Sentenzen zum Ausdruck, die in die Erzählung eingebunden sind, sondern auch in der Sprache selbst. So bedient sich Vincentius einer differenzierten spätrömischen Begrifflichkeit sowie Gräzisismen auch da, wo er nicht antike, sondern zeitgenössische polnische Verhältnisse beschreibt. Das piastische Reich wird so zu einer „res publica“ oder „patria“, seine führende Elite zu „senatores“, die sich in einem „sacer senatus“ oder „consistorium“ beraten; die einzelnen Landesteile werden als „provinciae“, deren führende Amtsträger als „praesides“, Heeresabteilungen als „legiones“ oder „cohortes“, Kirchenführer als „praesules“, „antistites“ und „archipontifices“ bezeichnet. Slawische Namen werden romanisiert oder erhalten griechische Suffi xe, so dass aus dem polnischen Krak Graccus, aus Popiel Pompilius, aus Sieciech Cethegus oder aus Jaxa Aiax wird und die Leute des Mieszko als Mesconnides begegnen. Gelegentlich wird auch ein slawischer Name ganz in griechischer Übersetzung geboten (Bogislaw – Theodoxos). Dass sich Vincentius griechischer Worte oder Teilelemente bediente, hat mitunter die Vermutung nahegelegt, dass er
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Ernst Robert Curtius, Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, Bern 2 1954, S. 286. 170 Vgl. Leon Kotynski, Rytmika „Kroniki“ Wincentego Kadłubka [Die Rhythmik der „Chronik“ des Vincentius Kadłubek], in: Eos 49 (1957 / 58), 2, S. 161–176; Plezia, Die Polenchronik (1973); ders., Retoryka mistrza Wincentego (1976); Pawłowski, Zu Sprache und Stil (2013), bes. S. 15 –16; zum Stilmittel „integumentum“ vgl. Hennig Brinkmann, Verhüllung („Integumentum“) als literarische Darstellungsform im Mittelalter, in: Der Begriff der Repraesentatio im Mittelalter. Stellvertretung, Symbol, Zeichen, Bild, hrsg. von Albert Zimmermann, BerlinNew York 1971, S. 314 –339, bes. S. 320 –321, 325 –326; Teresa Michałowska, Integumentum (W kregu sredniowiecznej terminologii literackiej) [Integumentum (Im Kreis der mittelalterlichen literarischen Terminologie)], in: Studia neolatina. Rozprawy i szkice dedykowane profesor Marii Cytowskiej, hrsg. von Mieczysław Major / Barbara Milewska-Waybinska, Warszawa 2003, S. 129 –136.
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Griechisch beherrschte.171 Allerdings hat er seine Gräzisismen recht frei und oft in einer Weise verwendet, die dem Griechischen selbst fremd war, so dass wohl zu Recht darauf hingewiesen worden ist, dass seine „ganzen vermeintlichen Griechischkenntnisse einfach nur ein schmückendes Beiwerk [waren], das die Gelehrsamkeit des Autors bezeugen soll[te]“, aus dem aber nicht geschlossen werden kann, dass er Griechisch konnte.172 Als ein weiteres charakteristisches Stilmittel des Vincentius fällt seine Vorliebe für gelehrte Zitate und Entlehnungen auf. Die Frage, welche Formulierungen der Chronica Polonorum als wörtliche Zitate oder sinngemäße Entlehnungen angesehen werden können bzw. welchen – von Vincentius selbst nur in wenigen Ausnahmefällen genannten – Werken und Autoren diese zu verdanken sind, hat die Forschung seit dem 19. Jahrhundert besonders intensiv bewegt. Im Ergebnis ist nicht nur eine umfangreiche Forschungsliteratur zu dieser Frage vorgelegt, sondern auch eine (vermeintlich) „gewaltige Literatur“ ermittelt worden, „die den gelehrten Hintergrund der Chronik des Vincentius“ gebildet haben soll.173 Im Detail fallen die Einschätzungen dabei durchaus unterschiedlich aus, so dass keineswegs vollständige Einigkeit darüber besteht, aus wie vielen bzw. welchen Werken Vincentius wie intensiv geschöpft hat, welche Autoren er wie genau kannte und wie oft er sie an welchen Stellen seines Werkes direkt oder indirekt zitiert. Neben der Bibel, auf die der Chronist als Geistlicher naheliegenderweise häufig Bezug nimmt174, hat die Forschung nicht weniger als 36 Werke von 20 antiken nichtchristlichen Historikern, Philosophen und Dichtern identifiziert, aus denen in der Chronica Polonorum – je nachdem, ob wir Hein171
Oswald Balzer, Lingua Graecae quam notitiam Vincentius Kadłubkonis prodat, in: Eos 32 (1929), S. 745 –762; ders., Slady znajomosci jezyka greckiego u Kadłubka, oraz: Do jakich wpływów odniesh znajomosh jezyka greckiego u Kadłubka [Spuren der Kenntnis der griechischen Sprache bei Kadłubek, oder: Welchen Einflüssen ist die Kenntnis der griechischen Sprache bei Kadłubek zuzuschreiben?], in: Sprawozdania Towarzystwa Naukowego we Lwowie 8 (1929), S. 22–26, 28 –33; ders., Studyum 2 (1935), S. 176 –202; Hammer, Remarks (1943 / 44), S. 539; vgl. auch Kürbis S. CIII-CV. 172 Das Zitat bei Plezia, Pierworodny syn (1999), S. 19. 173 Die Zitate bei Chmielewska, Wincenty Kadłubek (2000), S. 79. 174 Vgl. die tabellarische Aufl istung bei Chmielewska, Rola wbtków (2003), S. 240 –241, die (je nach Forscher) 68 –98 Bezugnahmen auf das Alte Testament und 16 –51 Bezugnahmen auf das Neue Testament ausweist; für unzureichend erforscht hält die biblischen Elemente der Chronica Polonorum Krzysztof Ozóg, Die biblische Kultur der polnischen Geschichtsschreiber im Mittelalter. Ein Forschungsproblem, in: Die Geschichtsschreibung in Mitteleuropa. Projekte und Forschungsprobleme, hrsg. von Jarosław Wenta, Torun 1999, S. 229 –247, hier S. 236 –237.
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rich Zeissberg, August Bielowski, Oswald Balzer, Brygida Kürbis, Marian Plezia oder Katarzyna Chmilewska folgen – zwischen 128 und 166 Mal direkt oder indirekt zitiert wird.175 Neuerdings wird zusätzlich auch auf sokratisch-platonische Texte, insbesondere den Timaios in der lateinischen Übersetzung des Calcidius, oder lateinische Aristoteles-Texte verwiesen, die Vincentius ebenfalls als Inspirationsquellen bzw. Vorlagen gedient haben sollen.176 Die zahlenmäßige Differenz bei den ermittelten Zitaten ergibt sich zum Teil aus einer mit der Zeit immer genaueren Kenntnis des Chroniktextes und seiner Quellen, geht aber zu einem Teil wohl auch auf eine gewisse Tendenz der polnischen Forschung zurück, Vincentius durch den Nachweis möglichst vieler gelehrter Zitate als besonders gebildet erscheinen zu lassen. Bei genauerer Betrachtung der reklamierten Zitate und Entlehnungen zeigt sich, dass manche lediglich in einer Übereinstimmung von wenigen Worten bestehen bzw. nur bei einem großzügigen Analogie-Verständnis als sinngemäße Übernahmen angesehen werden können. Zudem begegnen – legt man die Zahlen von Katarzyna Chmielewska zugrunde177 – fast zwei Drittel der Werke, die Vincentius vermeintlich als Vorlagen gedient haben, lediglich ein oder zwei Mal (in 16 von 39 Fällen ein einziges
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Vgl. die tabellarischen Aufstellungen bei Chmielewska, Rola wbtków (2003), S. 242–244. 176 Zur Plato-Rezeption Zenon Kałuza, Greckie interludia w trzeciej ksiedze „Kroniki“ Kadłubka [Griechische Zwischenspiele im dritten Buch der „Chronik“ des Kadłubek], in: Z dziejów filozoficznej refleksji nad człowiekiem. Ksiega pamibtkowa ku czci Profesora Jana Czerkawskiego (1939 –2007), hrsg. von Piotr Gutowski / Przemysław Gut, Lublin 2007, S. 89 –132; ders., Kadłubka historia mówiona (2006), bes. S. 98 –99; ders. / Calma, O fi lozoficznych lekturach (2009), S. 239 –241. Zur Aristoteles-Rezeption Marian Plezia, Najstarsze echo lektury Arystotelesa w pismiennictwie polskim [Das älteste Echo einer Aristoteles-Lektüre im polnischen Schrifttum], in: Meander 47 (1992), S. 329 –331; Zenon Kałuza, Sapientis Verbum. Alcune reminiscene filosofico-letterarie nella „Chronica Polonorum“ di Vincenzo Kadłubek, in: Archivio Storico Italiano 164 (2006), 1, S. 3 –35; ders. / Calma, O filozoficznych lekturach (2009), S. 241–245; Plezia, Kronika Kadłubka na tle renesansu XII w. (1962), S. 987 betonte noch, dass sich in der Chronica Polonorum „keinerlei Spuren einer Aristoteles-Lektüre“ fänden. 177 Chmielewska, Rola wbtków (2003), 229 –238; dies., Synkretyzm w Kronice błogosławionego Wincentego Kadłubka [Synkretismus in der Chronik des seligen Vincentius Kadłubek], in: Zeszyty Historyczne Akademii im. Jana Długosza w Czestochowie 9 (2006), S. 337–343; dies., Recepcja rzymskiej literatury antycznej w Kronice polskiej Mistrza Wincentego [Die Rezeption der antiken römischen Literatur in der polnischen Chronik des Magisters Vincentius], in: Onus Athlanteum (2009), S. 215 –230 sowie Pawłowski, Retoryka starozytna (2003).
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Mal, in sechs Fällen zweimal). Sechs Werke (drei von Cicero, je eines von Juvenal, Macrobius und Ovid) begegnen dreimal und fünf (die Metamorphosen und die Ars amandi von Ovid, die Ars Poetica von Horaz, die Satirae des Persius und Quintilians Institutio oratoria) viermal. Daneben sind lediglich vier Werke ermittelt worden, aus denen fünfmal (Pharsalia des Lucan), sechsmal (Vergils Aeneis178) bzw. achtmal (Res gestae Alexandri Magni des Iulius Valerius sowie die Commentarii in somnium Scipionis des Macrobius179) zitiert wird. Wirklich intensiv ausgeschöpft hat Vincentius dem gegenüber lediglich zwei antike Werke: Senecas Epistuale morales ad Lucilium, aus denen bis zu 14 Mal zitiert wird und die Epitoma Historiarum Phillippicarum Pompei Trogi des Justin, aus denen bis zu 64 Zitate bzw. Entlehnungen begegnen.180 Man wird mithin davon ausgehen können, dass Vincentius von den fraglichen 39 antiken Vorlagen nur einen kleinen Teil tatsächlich unmittelbar im Original gelesen haben wird. Den größeren Teil der von der Forschung ermittelten Zitate und Entlehnungen dürfte er eher zeitgenössischen Florilegien entnommen oder seinen memorierten Schullektüren verdankt haben.181 Ein erheblicher Teil der Zitate aus antiken Werken begegnet in Gestalt von Versen. Diese werden teils wörtlich, teils verkürzt oder paraphrasiert, zumeist in kurzen Fragmenten vor allem Horaz, Vergil und Ovid, daneben vereinzelt auch Juvenal, Lucanus, Persius, Stacius, Publilius Syrus, 178 Katarzyna Chmielewska, Recepcja Wergiliusza w Polsce na przykładzie Kroniki polskiej mistrza Wincentego zwanego Kadłubkiem [Die Rezeption Vergils in Polen am Beispiel der polnischen Chronik des Magisters Vincentius genannt Kadłubek], in: Zeszyty Historyczne Wyzszej Szkoły Pedagogicznej w Czestochowie 2003 / 7, S. 25 –29. 179 Brygida Kürbisówna, Motywy makrobianskie w Kronice Mistrza Wincentego a szkoła Chartres [Makrobianische Motive in der Chronik des Magisters Vincentius und die Schule von Chartres], in: Studia Yródłoznawcze 17 (1972), S. 67–79. 180 Gutschmid, Über die Fragmente (1856 / 57); Ignacy Lewandowski, Mistrz Wincenty a Justyn – epitomator Pompejusza Troga [Magister Vincentius und Justin – der Epitomator des Pompeius Trogus], in: Studia Yródłoznawcze 20 (1976), S. 28 –34; ders., Recepcja rzymskich kompendiów historycznych w dawnej Polsce (do połowy XVIII wieku) [Die Rezeption römischer Geschichtsbücher im alten Polen (bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts)], Poznan 1976, S. 57– 66. 181 Vgl. Plezia, Pierworodny syn (1999), S. 16 –18 und Borawska, Mistrz Wincenty (1977), S. 348, die des Vincentius direkte Kenntnis antiker Autoren deutlich relativieren und seinen spezifischen Umgang mit den fraglichen Stellen als Beleg dafür ansehen, dass es sich eher um zufällige Entlehnungen aus zweiter Hand denn um bewusste Aneignungen aus konkreten Texten (Borawska) bzw. eher um eine „freie Reproduktion aus dem Gedächtnis als […] ein fleißiges Exzerpieren aus Büchern“ gehandelt habe (Plezia).
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vielleicht auch Claudianus und Terencius entnommen.182 Auch hier verfährt Vincentius mit seinen Vorlagen häufig recht frei, verändert nicht selten ihren Sinnzusammenhang und ergänzt die zitierten Teile um eigene Verse. Tatsächlich bietet die Chronica Polonorum eine große Zahl von Einzelversen, (elegischen) Distichen, kleineren Gedichten bis hin zu einer mehrseitigen Versdichtung, die ganz offenbar von Vincentius selbst stammen.183 Sowohl die eigenen wie die entlehnten Verse hatten überwiegend ausschmückende Funktion. Sie sollten dem Werk einen besonderen literarisch-kunstvollen Charakter verleihen und den Autor als Meister des Wortes und der Dichtkunst erweisen. Doch konnten insbesondere die längeren Dichtungen in ihrem ornatus diffi cilis verschlüsselt („sub integumento“) auch heikle politische Inhalte vermitteln. So lässt sich der 58 Verse lange Dialog zwischen dem Frohsinn und der Trauer in Buch IV nicht nur als ein metaphorisches Klagelied auf den Tod Kasimirs lesen, sondern auch als eine gedankliche Auseinandersetzung mit zwei konträren Ordnungsvorstellungen, die in Gestalt des „alten“, von Mieszko III. repräsentierten, und des „neuen“, von Kasimir II. verkörperten „Rechts“ aufeinanderprallten und die Zeitgenossen vor die Wahl stellten, sich politisch für eine der beiden Seiten zu entscheiden. Auch der Chronist entschied sich – zugunsten Kasimirs und des neuen, die alte Senioratsordnung aushebelnden Rechts. Doch konnte er diese politische Stellungnahme auch in diesem Fall einmal mehr mit Hilfe seiner kunstvollen Rhetorik verschleiern.184 Nur selten hat sich der geistliche Chronist auf die Kirchenväter bezogen. Es finden sich lediglich sechs Bezugnahmen auf Ambrosius, Hieronymus, Isidor von Sevilla und Athanasius (jeweils einmal) bzw. Augustinus (zweimal). Die Entlehnungen stehen dabei keineswegs im Kontext theologischer Ausführungen, sondern werden primär zur Bekräftigung anekdotischer oder didaktisch-philosophischer Aussagen eingefügt.185 In ähnlicher Weise haben auch Vincentius’ vielfache Bezugnahmen auf das römische und 182 Zeissberg, Vincentius (1870), S. 131–135; Plezia, Wiersze w kronice Kadłubka (1993); Pawlowski, Retoryka starozytna (2003), S. 74 –75. 183 Teresa Michałowska, Wiersze w Kronice polskiej Mistrza Wincentego [Verse in der polnischen Chronik des Magisters Vincentius], in: dies., Sredniowiecze, Warszawa 1996, S. 138 –144, hier S. 138 zählt ungefähr 40 Gedichte bzw. Gedichtfragmente unterschiedlicher Länge, die Vincentius selbst zuzuschreiben sind. 184 Vgl. Michałowska, Literatura polskiego sredniowiecza (2008), S. 112–135. 185 Chmielewska, Rola wbtków (2003), S. 50 –56; Piotr Szczur, Wbtki patrystyczne w „Kronice polskiej“ mistrza Wincentego zwanego Kadłubkiem [Patristische Motive in der „polnischen Chronik“ des Magisters Vincentius genannt Kadłubek], in: Studia Sandomierskie 13 (2006), 3, S. 5 –22.
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kanonische Recht nicht einem genuin juristischen Anliegen gedient.186 Denn unabhängig davon, ob die – je nach Forschermeinung wiederum unterschiedlich zahl- und umfangreichen187 – wörtlichen Zitate, sinngemäßen Entlehnungen oder terminologischen Repliken aus dem Corpus Iuris Civilis und dem Decretum Gratiani lediglich eine oberflächliche Rechtskenntnis188 oder „in vollem Glanze die mächtige Gelehrsamkeit Kadłubeks“189 belegen, sie wurden in erster Linie als literarisches Stilmittel eingesetzt. Sie sollten dem Text eine weitere besondere rhetorische Note verleihen und dem Leser zugleich einmal mehr die Gelehrsamkeit seines Verfassers vor Augen führen.190 So hat Vincentius seinen Rechtsvorlagen denn auch zumeist „nur die rhetorische Färbung, nicht den Inhalt des Erzählten“ entnommen.191 Ob er sich dabei auf sein ausgezeichnetes Gedächtnis verlassen konnte, das ganze Partien des Codex Iustiniani, der Digesten und Institutionen sowie des Decretum Gratiani in wörtlichen Zitaten parat hielt, oder auf Handschriften zurückgreifen musste, die er vielleicht selber von seinem Auslandsstudium mit nach Polen gebracht hatte, ist in der Forschung umstritten und kaum eindeutig zu entscheiden.192 186
Zur Frage, welche Aufschlüsse diese Rechtskenntnisse über die tatsächliche Rechtspraxis im piastischen Polen des 12. Jahrhunderts erlauben, vgl. Witold Maisel, Prawo karne w Kronice Wincentego Kadłubka [Strafrecht in der Chronik des Vincentius Kadłubek], in: Studia Yródłoznawcze 20 (1976), S. 71–75. 187 Vgl. Zeissberg, Vincentius (1870), S. 96 –111; Balzer, Studyum 1 (1934), S. 465 – 500, bes. S. 492 (zählt 119 Zitate / Entlehnungen aus dem CIC); Seckel, Vincentius (1959), S. 384 –395 (zählt 113 Zitate / Entlehnungen aus dem CIC); Pauli, Randbemerkungen (1959), S. 409 – 431; Janusz Sondel, W sprawie prawa rzymskiego w Kronice Polskiej Mistrza Wincentego zwanego Kadłubkiem [Zur Frage des römischen Rechts in der Polnischen Chronik des Magisters Vincentius genannt Kadłubek], in: Kwartalnik Historyczny 85 (1978), 1, S. 95 –105; Borawska, Mistrz Wincenty (1977), S. 351 (verweist auf 200 Zitate / Entlehnungen aus dem CIC und 37 Zitate / Entlehnungen aus dem Decretum Gratiani); Lis, Spory (2013), S. 105 –107 (zählt 60 Zitate / Entlehnungen aus dem CIC und 20 Zitate / Entlehnungen aus dem Decretum Gratiani). 188 So Seckel, Vincentius (1959), S. 384. 189 So Pauli, Randbemerkungen (1959), S. 407. 190 Dass sich darin die Intention des Chronisten nicht erschöpft, er sich vielmehr – wenn auch erfolglos – bemüht habe, mit seinem Werk dem römischen Recht in Polen den Weg zu bahnen, meint dagegen Vetulani, Prawo kanoniczne (1976), S. 44 – 45. 191 Das Zitat bei Seckel, Vincentius (1959), S. 382; ähnlich auch Zeissberg, Vincentius (1870), S. 96. 192 Eine Benutzung von Handschriften nehmen an Seckel, Vincentius (1959), S. 383; Vetulani, Prawo kanoniczne (1976), S. 41– 42; Janusz Sondel, Wincenty zw. Kadłubkiem jako apologeta prawa rzymskiego [Vincentius genannt Kadłubek als Apologet des römischen Rechts], in: Onus Athlanteum (2009), S. 91–109, bes. S. 100; von einer Rezeption überwiegend aus dem Gedächtnis gehen aus Balzer, Studyum
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Auffällig selten, wenn überhaupt begegnen in der Chronica Polonorum Bezugnahmen auf zeitgenössische Autoren bzw. originäre Texte des 11.– 12. Jahrhunderts. Zwar hat die Forschung immer wieder einmal auf Parallelen zu zeitgenössischen Werken bzw. auf Analogien zu Zeitgenossen des Vincentius verwiesen, sei es auf Geoffrey von Monmouth193, Johannes von Salisbury194, Alain de Lille195, Bernhard von Clairvaux196 oder Saxo Grammaticus197. Doch ist bislang keine merkliche Zahl tatsächlicher Zitate oder sicherer Entlehnungen ermittelt bzw. ein fühlbarer inhaltlicher Niederschlag nachgewiesen worden, der dafür spräche, dass sich die Chronica Polonorum in größerem Maße an konkreten Parallelwerken der ,Renaissance des 12. Jahrhunderts‘ orientiert hätte.198
1 (1934), S. 493; Pauli, Randbemerkungen (1959), S. 407; Plezia, Pierworodny syn (1999), S. 18. 193 Hammer, Remarks (1943 / 44), bes. S. 544 –545 war überzeugt, dass Vincentius in Paris die Historia regum Britanniae des Geoffrey von Monmouth gelesen und zahlreiche Erzählmotive Geoffreys in Buch I seiner Chronik „adaptiert, transformiert und erweitert“ hat. 194 Balzer, Studyum 1 (1934), S. 164, 307, 324, 344; Plezia, Kronika Kadłubka na tle renesansu XII w. (1962), S. 984, 991; Obertynski, Kadłubkowe „inter infulas“ (1972), S. 136 –137; Robert Bubczyk, Wpływ pisarstwa Jana z Salisbury na kronike Wincentego na przykładzie wybranych fragmentów utworu (literacki „portret“ Kazimierza Sprawiedliwego) [Der Einfluss der Werke Johannes von Salisburys auf die Chronik des Vincentius am Beispiel ausgewählter Fragmente des Werkes (ein literarisches „Porträt“ Kasimirs des Gerechten], in: Onus Athlanteum (2009), S. 450 – 458. 195 Kürbis S. XCIX. 196 Borawska, Mistrz Wincenty (1977), S. 359 –365. 197 Stella Maria Szacherska, Mistrz Wincenty a Saxo Gramatyk [Magister Vincentius und Saxo Grammaticus], in: Studia Yródłoznawcze 20 (1976), S. 46 –55. 198 Allerdings bietet sich hier durchaus noch ein Feld für weiter gehende komparatistische Forschungen, die sich nicht bloß an Wortsimilien orientieren, sondern nach tatsächlichen strukturellen und inhaltlichen Parallelen fragen; neuere Ansätze dazu – mit negativem Ergebnis bezüglich Parallelen zu Johannes von Salisbury und Bernhard von Clairvaux – bei Zenon Kałuza / Dragos Calma, Wokół Wilhelma z Chonches i Bernharda z Clairvaux. O trudnych do ustalenia zwibzkach Kroniki Wincentynskiej z pisarstwem XII-wiecznym [Zu Wilhelm von Conches und Bernhard von Clairvaux. Über die schwer feststellbaren Verbindungen der VincentiusChronik mit Schriftstellern des 12. Jahrhunderts], in: Cistercium Mater Nostra. Tradycja – historia – kultura 2 (2008), 2, S. 75 –99; Zenon Kałuza, Zwibzki kroniki Wincentego z kulturb umysłowb XII wieku [Verbindungen der Chronik des Vincentius mit der geistigen Kultur des 12. Jahrhunderts], unveröffentlichtes AufsatzManuskript 2012.
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5. Rezeption und Wirkungsgeschichte Erste Spuren einer innerpolnischen Rezeption der Chronica Polonorum begegnen in den frühen 1240er Jahren. Zu diesem Zeitpunkt verfasste der Dominikaner Vincentius von Kielce eine Vita minor sancti Stanislai, die sich bei der Beschreibung des im Jahr 1079 ausgetragenen Konflikts zwischen dem Krakauer Bischof Stanisław und Herzog Bolesław II. auf die Chronik des Vincentius stützte.199 Ähnliches gilt für die entsprechenden, ins dritte Viertel des 13. Jahrhunderts datierten Einträge in den Annalen des Krakauer Domkapitels. 200 In beiden Fällen könnten die Autoren auf ein Exemplar der Chronica Polonorum zurückgegriffen haben, dass sich damals vielleicht im Archiv des Krakauer Herzogs Bolesław des Schamhaften befand. Auf ein solches ,Archivexemplar‘, bei dem es sich möglicherweise um das Original gehandelt hat, nimmt im Mai 1252 eine Bulle Papst Innozenz’ III. Bezug. Sie kam mit dem päpstlichen Legaten Jakob von Velletri nach Polen, der bestimmte Fragen der damals anstehenden Kanonisierung des hl. Stanisław klären sollte. Zu diesem Zweck sollte sich der Legat, wie es in der Urkunde heißt, auch mit einer Chronik vertraut machen, die ein einschlägiges Kapitel über Stanisław enthielt und ihm aus dem herzoglichen Archiv zugänglich gemacht wurde. 201 Bei diesem Werk kann es sich, so die allgemeine Ansicht, nur um die Chronica Polonorum gehandelt haben. 202 Im Kontext der Kanonisierung des hl. Stanisław muss eine Abschrift der Chronik auch nach Posen gelangt sein, wo sie in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts Eingang in eine dem Posener Kanoniker Mikołaj von Rogalin zugeschriebene, heute nicht mehr erhaltene Sammelhandschrift gefunden hat. 203 Wie umfangreiche, wörtliche oder überarbeitete Auszüge aus der Chronica Polonorum in der im ersten Viertel des 14. Jahrhunderts 199
Vita S. Stanislai Episcopi Cracoviensis (Vita Minor). Annales Cracovienses, S. 51. 201 KDKK Nr. 33: „[…] librum chronicorum quoad capitulum pertinens ad negotium memoratum […] ducis Polonie editum […] considera diligenter.“ Eine Neuedition der Bulle bietet Roman Zawadzki, Innocentego pp. IV bulla kanonizacyjna swietego Stanisława oraz bulla delegacyjna dla Jakuba z Velletri [Die Bulle Papst Alexanders IV. zur Kanonisierung des heiligen Stanisław oder die DelegationsBulle für Jakob von Velletri], in: Analecta Cracoviensia 11 (1979), S. 23 – 45, hier 42 und 44. 202 Plezia, Tradycja rekopismienna (1976), S. 378 –379. 203 Hofman-Dadejowa, Studya (1924), S. 391; vgl. auch Plezia, Tradycja rekopismienna (1976), S. 379, 384; vgl. auch Marian Plezia, Kodeks Mikołaja z Rogalina plebana z Sielec [Der Codex des Mikołaj von Rogalin aus der Pfarrei von Sielce], in: Studia Zródłoznawcze 36 (1997), S. 85 – 88; Drelicharz, Pamieh i tradycja (2008), S. 148 –155. 200
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im franziskanischen Milieu verfassten Chronik des Dzierzwa 204, in der um 1300 von schlesischen Zisterziensern zusammengestellten Schlesisch-Polnischen Chronik 205 und der zwischen Ende des 13. und Ende des 14. Jahrhunderts entstandenen Großpolnischen Chronik 206 belegen, war das Werk des Vincentius spätestens seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert in ganz Polen bekannt. Dass es bereits zu diesem Zeitpunkt auch im Schulunterricht verwendet wurde, kann nicht ausgeschlossen werden, erscheint aber weniger wahrscheinlich. 207 Als Lehrmittel gewann die Chronica Polonorum erst im 15. Jahrhundert, nachdem die Wiederbelebung der Krakauer Universität (um 1400) und das Vordringen des Frühhumanismus dafür die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen hatten, größere Verbreitung. Seit den 1430er Jahren wurde sie als Geschichts- und Rhetorik-Lehrbuch entsprechend oft kopiert und zudem mit einem ausführlichen Kommentar des Krakauer Universitätslehrers Jan von Dbbrówka (1400 –1472) versehen. 208 Von der Krakauer Universität aus gelangte der Chroniktext auch in das Lehrprogramm einiger, vor allem kleinpolnischer Kathedral-, Kollegiats- und Pfarrschulen. 209 Auch dort wurde das Werk „vel ob hystorie meritum, vel elegantiam scripcionis“ gelesen. 210 Doch trat neben das allgemeine Lob bereits in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts auch erste Kritik. Jan Długosz zufolge wurde die Chronica Polonorum zwar „von vielen Polen gerne gelesen […], zumal sie auch durch Schönheit des Stils und Kraft des Ausdrucks in nicht gewöhnlicher Weise anzieht“, doch würde sie auch „von vielen wegen ihres Wortschwalls und darum getadelt […], weil sie mehr Sorge für fremde als 204 Chronica Dzirsvae; Drelicharz, Pamieh i tradycja (2008), S. 156 –159; Mrozowicz, Z problematyki (2009), S. 327–328. 205 Chronica Polonorum / Kronika polska; Mrozowicz, Z problematyki (2009), S. 328 –336. 206 Chronica Poloniae Maioris. 207 Kürbis S. VII verweist auf die zahlreichen Marginalien, die sich in der ältesten erhaltenen Handschrift (Codex Eugenianus) fi nden und vielleicht für eine Verwendung der Handschrift in der Posener Domschule sprechen könnten. 208 Zwiercan, Komentarz (1969), S. 85 –113; der Kommentar ediert in Ioannes de Dbbrówka: Commentum. 209 Zwiercan, Komentarz (1969), S. 165 –169; Marian Zwiercan, Renesans Kroniki Polskiej Mistrza Wincentego w XV wieku [Die Renaissance der Polnischen Chronik des Magisters Vincentius im 15. Jahrhundert], in: Błogosławiony Wincenty (2008), S. 131–139, bes. S. 137. 210 So hieß es in einer biographischen Notiz über Vincentius, die sich am Schluss einer Abschrift findet, die 1457–1459 in der Kollegiatschule von Opatów entstand und dem dortigen Lehrer zugeschrieben wird; Jagiellonen-Bibliothek Nr. 2196, f. 661; Zwiercan, Komentarz (1969), S. 166.
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einheimische Erzählungen“ trage. 211 Andere wie Gregor von Sanok (1406 – 1477) stießen sich bereits an den „Fabeln“, „Ungeheuerlichkeiten“ und „Ammenmärchen“, die Vincentius über die Urgeschichte der Polen vorgebracht habe. 212 Nach einer Curricularreform verschwand sein Werk seit den 1480er Jahren denn auch aus dem Lehrplan der Krakauer Universität und verlor – nach dem Ausbleiben weiterer Abschriften zu urteilen – rasch an Popularität. Daran änderte 1612 auch die erste gedruckte Ausgabe wenig, die erst hundert Jahre später einen unveränderten Nachdruck erfuhr. Während sich in Polen die Erinnerung an Vincentius und sein Werk im Kontext der Bestrebungen um seine Seligsprechung zunächst eher auf eine religiöse Ebene verlagerte213, ließ das neue Interesse der Aufklärung an der Geschichte der Slawen die Chronica Polonorum im 18. Jahrhundert erstmals in den Blick nichtpolnischer Altertumsforscher und Universalhistoriker geraten. Allerdings stellte auch deren rationalerer Blick die Erzählungen des Vincentius zunehmend in Frage. So bemerkte August Ludwig Schlözer in den 1760er Jahren, dass die Chronica Polonorum die Anfänge des polnischen Volkes mit vielen lächerlichen Geschichten in Verbindung gebracht habe214, während František Palacký Vincentius 1836 zu jenem „fade[n] Kleeblatt historischer Romanschreiber“ zählte, das gewisse Zeitgenossen damals „aus falschem Nationalismus für die Geschichte zu retten sich bemüh[t]en“, was dem böhmischen Historiker als „wahrlich ein unerfreuliches Zeichen [sein]er Zeit“ erschien. 215 Gegen solche Kritik, die Alfred von Gutschmid in den 1850er Jahren noch weiter zuspitzte216 , erhob die zu Beginn des 19. Jahrhunderts entstehende 211
Deutsch zitiert nach Zeissberg, Vincentius (1870), S. 200. Die von Filippo Callimachus Buonaccorsi (1437–1497) überlieferte Einschätzung des Lemberger Erzbischofs zitiert nach Zeissberg, Vincentius (1870), S. 197–198. Auf weitere frühe kritische Stimmen, so von Peter von Bnin (1430 –1494) und Maciej Drzewicki (1467–1535) verweist Drelicharz, Pamieh i tradycja (2008), S. 141, 184 –190. 213 Vgl. oben S. 31. 214 Wywód historyczno-krytyczny przez Imci Pana Schlözera profesora historii w Petersburgu w niemieckim jezyku napisany […] [Eine historisch-kritische Darlegung von Herrn Schlözer, Professor der Geschichte in St. Petersburg, in deutscher Sprache verfasst], Warszawa 1779, S. 18, zitiert nach Łukasz Kurdybacha, Die wissenschaftliche Zusammenarbeit Schlözers mit Polen, in: Lomonosow – Schlözer – Pallas. Deutsch-russische Wissenschaftsbeziehungen im 18. Jahrhundert, hrsg. von Eduard Winter, Berlin 1962, S. 198 –214, hier S. 208. 215 Franz Palacky, Geschichte von Böhmen größtentheils nach Urkunden und Handschriften. Erster Band 1: Die Urgeschichte und die Zeit der Herzöge in Böhmen bis zum Jahre 1197, Prag 1836, S. 155. 216 Gutschmid, Über die Fragmente (1856 / 57), S. 208 –209; ders., Kritik der polnischen Urgeschichte (1857), S. 305 –308. 212
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polnische Geschichtsschreibung naturgemäß Einwände. Joachim Lelewel bezeichnete die Kritik Schlözers nicht nur als eine boshafte Herabwürdigung und Verleumdung eines „ehrwürdige[n] Geschichtsschreiber[s]“, sondern sah in ihr mehr noch eine Schmähung der ganzen polnischen Nation. 217 Diese schöpfte in ihrem Kampf um ,Wiedergeburt‘ bzw. Rückgewinnung einer unabhängigen Staatlichkeit in der Tat aus einer romantischen Rückbesinnung auch auf die von Vincentius entworfenen Vergangenheitsbilder. 218 Und so lagen den zwischen 1824 und 1872 gleich mehrfach unternommenen Versuchen, die Chronik in einer kritischen Ausgabe zugänglich zu machen, zweifellos auch nationalpatriotische Motive zugrunde. Die bestehenden Vorbehalte gegen Text und Autor konnten mit den Editionen und den ersten, sie begleitenden kritischen Studien 219 freilich nicht ausgeräumt werden. Heinrich Zeissberg, der 1870 die erste umfassende Studie eines Nichtpolen über die Chronik und ihren Autor vorlegte, gestand dieser zwar zu, dass sie unter Berücksichtigung von Ort und Zeit ihrer Entstehung „hohes geleistet“ habe, betonte aber, dass sie nicht in der Lage gewesen sei, „der Form den Preis der Schönheit, dem Inhalte auch nur den Werth zuzugestehen, auf welchen die Leistungen anderer Völker in jener Zeit billigen Anspruch erheben“. Ge-
217 Joachim Lelewel, Wzmianka o najdawniejszych dziejopisach polskich a szczególnie Kadłubka przeciw Szlecerowi [Eine Notiz über die ältesten polnischen Geschichtsschreiber, insbesondere Kadłubek, gegen Schlözer], Warszawa 1809, zitiert nach Vincent Kadłubek, ein historisch-kritischer Beytrag (1822), S. 384 und 402. 218 Vgl. Lelewel, Uwagi nad Mateuszem (1811); Józef Maksymylian Ossolinski, Wincenty Kadłubek (Cadłubco), in: ders.: Wiadomosci Historyczno-krytyczne do Dziejów Literatury Polskiej o Pisarzach Polskich […], Kraków 1819, S. 372– 625 [Lwów 21852; deutsche Ausgabe 1822 unter dem Titel: Vincent Kadłubek, ein historisch-kritischer Beytrag zur slavischen Literatur]; Jan Nepomuk Janowski, Investigentur omnes sententiae et loci Juris Romani, quotquot in Cadlubcone occurant et indicentur fontes eorum, Varsovie 1827; Tadeusz Czacki, Rozbiór dziejów narodu polskiego Marcina Galla i Wincentego Kadłubka [Eine Analyse der Geschichte der polnischen Nation von Martin Gall und Vincentius Kadłubek], in: Dzieła Tadeusza Czackiego zebrane i wydane przez hr. Edwarda Raczynskiego, Bd. 3, Posen 1845, S. 352–364. 219 August Bielowski, Wstep krytyczny do dziejów Polski [Kritische Einleitung zur Geschichte Polens], Lwów 1850, S. 110 –157; ders., Mistrz Wincenty i jego kronika polska [Magister Vincentius und seine polnische Chronik], in: Biblioteka Ossolinskich. Poczet Nowy 2 (1863), S. 351– 432; ders., Kronika Mistrza Wincentego [Die Chronik des Magisters Vincentius], in: MPH 2, Lwów 1872, S. 193 –248; Aleksander Przeydziecki, Rekopis Eugenjuszowski kroniki Kadłubka [Die Eugenianus-Handschrift der Chronik des Kadłubek], in: Biblioteka Warszawska 12 (1852), S. 324 –336.
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prägt von einer „herrschenden Unklarheit über die Grenze von Dichtung und Wahrheit“ sei das Werk nur zu „verschrobenen Ergebnissen“ gelangt und als Chronik „völlig misslungen“. 220 Aus einem solchen Urteil sprach bereits der Geist des historistischen Positivismus, der mittelalterliche Texte allein danach beurteilte, welchen faktographischen Beitrag sie zur Darstellung der ,wirklichen Vergangenheit‘ zu leisten vermochten. Dieser Zugang und damit eine entsprechend negative Bewertung der Chronica Polonorum setzten sich im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert auch im geteilten Polen durch. Besonders wirkmächtig ist in diesem Sinn die scharfe Kritik des Lemberger Historikers Tadeusz Wojciechowski geworden. Er sprach der Chronica Polonorum jeden Quellenwert ab, da Vincentius keine einzige nüchtern mitgeteilte Nachricht über die vaterländische Geschichte biete, stattdessen aber hervorragend allerlei Geschichten erfunden habe, schlimmer noch, ihm an Dutzenden Beispielen nachgewiesen werden könne, „dass er bewusst und vorsätzlich gelogen hat“. 221 Dieses Bild von Vincentius als Fabeldichter und Lügner, der sein Unwissen überdies mit einer aufgeblasenen und verschrobenen, pseudowissenschaftlichen Phraseologie zu bemänteln versucht habe, hat sich bis weit ins 20. Jahrhundert hinein gehalten. 222 Zwar belebten die 1918 und 1923 begangenen 700-Jahr-Feiern in der Zweiten Polnischen Republik das Interesse am ersten polnischen Chronisten und seinem Werk 223, doch blieb die mediävistische Forschung unter 220
Zeissberg, Vincentius (1870), S. 4, 194, 199, 205; dass der Wiener Historiker und Bibliothekar (S. 170) die „Beschränktheit der Bildung“, die er Vincentius zuschrieb, „seiner Nation überhaupt zum Vorwurf“ machte und ihr den „unbefangeneren freieren Standpunkte des deutschen Volkes“ entgegenstellte, zeigt, dass sich auch ein der polnischen Geschichte an sich sehr aufgeschlossener Mann damals nicht dem allgemeinen antislawischen Diskurs der deutschsprachigen Gesellschaft entziehen konnte. 221 Tadeusz Wojciechowski, Szkice historyczne jedenastego wieku [Historische Skizzen zum 11. Jahrhundert], Kraków 1904, zitiert nach der Ausgabe Poznan 2004, S. 173. 222 Als ein später Vertreter dieser Richtung ist der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erfolgreichste Autor populärwissenschaftlicher Darstellungen zur polnischen Geschichte, Paweł Jasienica, anzusehen, in dessen seit 1964 in unzähligen Auflagen verbreiteten Abhandlung über die Chronisten Thietmar von Merseburg, Gallus Anonymus und Vincentius es zu letzterem u. a. heißt: „Die Natur stattet ihn mit dem Seelchen eines Romanschreibers aus, dem formale Effekte und Spielereien als der Nabel der Welt erschienen“; Paweł Jasienica, Trzej kronikarze [Drei Chronisten], Warszawa 2008, S. 325. 223 In diesem Zusammenhang entstand die gewichtige Studie des Krakauer Mediävisten Roman Grodecki, Mistrz Wincenty (1923).
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dem Eindruck des strengen Urteils Wojciechowskis zunächst weiterhin überwiegend zurückhaltend. So wurden auch die tiefschürfenden Studien, die der 1933 verstorbene Lemberger Rechtshistoriker Oswald Balzer seit 1923 an der Chronica Polonorum vornahm und die bis heute einen der gewichtigsten Beiträge der polnischen Vincentius-Forschung darstellen, nicht primär aus einem Interesse an der Chronik und ihrem Autor begonnen. Sie stellten vielmehr ein Nebenprodukt von Forschungen über die Statuten Kasimirs des Großen bzw. die Verbreitung des römischen Rechts im mittelalterlichen Polen dar. 224 Erst seit den 1950er Jahren wandelte sich das Urteil über die Chronica Polonorum allmählich zum Positiven, wenngleich Marian Plezia noch 1991 konstatierte, dass die Chronik – auch aufgrund ihres schweren Lateins – in hohem Maße eine terra incognita geblieben sei. 225 Immerhin intensivierte sich die Forschung in den 1970er Jahren ganz erheblich, so dass geradezu von einer „Vincentius-Renaissance“ gesprochen wurde. 226 Zu dieser trugen nicht zuletzt die 1973 begangene 750. Wiederkehr des Todestages des Chronisten 227 und die 1974 erschienene erste moderne polnische Übersetzung seiner Chronik 228 bei. Seither hat sich das Interesse der polnischen Mediävistik an Text und Autor weiter verstärkt. Wurden zwischen 1946 und 1972 im Durchschnitt jährlich vier, zwischen 1973 und 1984 bereits 9,5 wissenschaftliche Beiträge über die Chronica Polonorum und ihren Autor vorgelegt, so waren es zwischen 1993 und 2008 224
Balzer, Studyum 1 und 2 (1934 und 1935); das Werk blieb unvollendet und wurde erst posthum veröffentlicht; wie Zygmunt Wojciechowski, Dzieło o zwibzkach Polski z Francjb – Oswald Balzer o mistrzu Wincentym [Ein Werk über die Verbindungen Polens mit Frankreich – Oswald Balzer über den Magister Vincentius], in: Roczniki Historyczne 11 (1936), S. 121–144, hier S. 142 zu Recht feststellte, rehabilitierte Balzer die Chronica Polonorum „nicht nur als eine Fundgrube für den Kulturhistoriker, sondern auch als ein historisches Werk“. Vgl. auch die umfangreiche Inhaltsangabe bzw. Besprechung des Balzer’schen Werkes bei Pauli, Randbemerkungen (1959), bes. S. 398 – 404. 225 Plezia, Mistrz Wincenty (1991 [2001]), S. 292. 226 Zdzisław Szpakowski, Wincenty Kadłubek – historyk i humanista. Kontrowersji o „plemie Kadłubka“ stan aktualny [Vincentius Kadłubek – Historiker und Humanist. Der aktuelle Stand der Kontroversen über den „Stamm des Kadłubek“], in: Wiey 10 (1977), 10 (234), S. 49 – 60, hier S. 50. 227 Er veranlasste die Posener Gesellschaft der Freunde der Wissenschaft zu einer aktuellen Bestandsaufnahme der Vincentius-Forschung, deren Beiträge unter dem Titel „Mistrz Wincenty Kadłubek – pierwszy uczony polski – w 750-lecie smierci“ [Magister Vincentius Kadłubek – der erste polnische Gelehrte – im 750. Todesjahr], in: Studia Yródłoznawcze 20 (1976), S. 3 –140 erschienen. 228 Mistrza Wincentego Kronika Polska (1974).
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Einleitung
schon 16,5 und allein 2009 – nach dem 2008 begangenen 800. Jahrestag der Bischofsweihe des Vincentius – nicht weniger als 55. 229 Dank der seit 1996 vorliegenden umfassend eingeleiteten und kommentierten, seither in zahlreichen Auflagen erschienenen Neuübersetzung von Brygida Kürbis ist die Chronica Polonorum heute nicht nur in der polnischen Forschung sehr präsent, sondern auch bei einem breiteren polnischen Publikum bekannt.
III. Textüberlieferung und Texteditionen III. Textüberlieferung und Texteditionen
Das Original der Chronica Polonorum ist nicht erhalten geblieben und offenbar schon im Mittelalter verloren gegangen. Die beiden ältesten bekannten Abschriften des vollständigen Textes stammen aus dem 14. Jahrhundert. Die ältere von ihnen findet sich neben 17 anderen antiken und mittelalterlichen Werken in einer Pergamenthandschrift, die zu Beginn des 18. Jahrhunderts von Prinz Eugen von Savoyen erworben wurde (daher als „Codex Eugenianus“ bezeichnet wird) und nach dessen Tod in die Kaiserliche Hofbibliothek zu Wien gelangte. 230 Der in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts in Posen entstandenen Handschrift lag – direkt oder indirekt – eine ähnliche, heute verlorene Posener Sammelhandschrift aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts zugrunde. 231 Die zweite, in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts datierte Abschrift ist 1944 bei der Niederschlagung des Warschauer Aufstandes verbrannt. Sie befand sich neben einem mittelalterlichen Formelbuch in einer Pergamenthandschrift, die einst dem Grafen Ewaryst Andrzej Kuropatnicki gehörte (daher „Codex Kuropatnicki“ genannt wurde) und zu Beginn des 19. Jahrhunderts in den Besitz der Warschauer Gesellschaft der Freunde der Wissenschaft gelangte. Nach der Niederschlagung des November-Aufstandes wurde sie 1831 nach St. Petersburg verlagert, von dort nach 1921 zurückgeführt und bis 1944 in der Nationalbibliothek Warschau aufbewahrt. 232 229 Vgl. Kollinger, Vincentiana (2009); zwischen 1985 und 1992 und 2010 –2013 waren es im Durchschnitt jeweils gut vier Arbeiten. 230 ÖNB Cod. 480, f. 187r–227v; Beschreibung bei Hofman-Dadejowa, Studya (1924), S. 379 –397; Wiesiołowski, Kolekcje (1967), S. 59 – 63; Plezia, Zawartosh kodeksu tzw. Eugeniuszowskiego (1976). Prinz Eugen erwarb den Codex von Gottfried Wilhelm Leibniz, der ihn seinerseits entweder direkt in Polen, wo er sich 1669 zeitweilig aufhielt, oder aus Schweden erworben hatte, wohin der Codex als Beutegut während des polnisch-schwedischen Krieges (1655 –1660) gelangt sein mochte. 231 Vgl. oben S. 62. 232 Beschreibung bei Hofman-Dadejowa, Studya (1924), S. 373 –376; Wiesiołowski, Kolekcje (1967), S. 63 – 64.
III. Textüberlieferung und Texteditionen
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Die weitaus größte Zahl der bekannten Abschriften der Chronica Polonorum stammt aus dem 15. Jahrhundert. Die älteste Abschrift dieser Gruppe findet sich in einem Codex, der ins Jahr 1434 datiert und dem Krakauer Universitätslehrer Jan von Dbbrówka zugeschrieben wird. 233 Dbbrówka kopierte den Chroniktext teils selbst, teils mit Hilfe von Kopisten aus einer heute unbekannten Vorlage, wobei er die Dialoge der Bücher I–III zu einem Briefwechsel umgestaltete (oder diese Form aus der Vorlage übernahm). Anschließend ergänzte er den Chroniktext auf den extra breiten Rändern seiner Abschrift bzw., wo erforderlich, auf zusätzlichen Blättern um ausführliche eigene Kommentare. Diese umfassten neben interpretierenden, auf die Großpolnische Chronik und andere historiographische Quellen gestützten Erläuterungen zu einzelnen Geschichten der Chronica Polonorum auch bereits zahlreiche Hinweise auf die von Vincentius verwendeten Quellen. Dbbrówkas Kommentar blieb in seinem eigenen Autographen unabgeschlossen und ungeordnet. Seine endgültige Form nahm er offenbar erst im Zuge von Dbbrówkas Universitätsvorlesungen oder in jenen weiteren Abschriften an, die er seinen Kopisten in die Feder diktierte. 234 Wie viele Abschriften auf diese Weise in den 1430er Jahren in Krakau entstanden sind, lässt sich nicht mehr feststellen; bis heute erhalten geblieben sind vier von ihnen, die alle in die Jahre 1435 / 36 datiert werden. 235 Auf ihrer Grundlage sowie der anderer, heute unbekannter Abschriften wurden Kommentar und Chroniktext in der Folge mehrfach weiter kopiert. Bis 1462 entstanden auf diese Weise allein in Krakau zwölf236 , 233
Nationalbibliothek Warschau Nr. 3002 III, f. 39r–265r; Beschreibung bei Zwiercan, Komentarz (1969), S. 12–20; die Handschrift ist als Digitalisat vollständig einsehbar unter http: / / www.polona.pl / item / 264647 (14. 10. 2013). 234 Zu Dbbrówka und seinem Autographen vgl. Zwiercan, Komentarz (1969), S. 104 –108; Marian Zwiercan / Michał Rzepiela, Wstep [Einleitung], in: Ioannes de Dbbrówka, Commentum in Chronicam Polonorum (2008), S. VII–XIV. 235 Es handelt sich um folgende Handschriften: Jagiellonen-Bibliothek Krakau Nr. 2574, f. 1– 452; Czartoryski-Bibliothek Krakau Nr. 1312, f. 3 –337; Nationalbibliothek Warschau Nr. 12 529 II (früher: Baw. 35, Hist. 32) und BOZ 73 (früher: BOZ cim. 73); Beschreibung der Handschriften bei Zwiercan, Komentarz (1969), S. 22–30. 236 Es handelt sich um folgende Handschriften: Nationalbibliothek Warschau Nr. 12 523 II [früher: Baw. 29, Hist. 31] (1450), 3376 II (1456); Czartoryski-Bibliothek Krakau Nr. 1315, f. 1–224 (1449 –1451), 1317, f. 5 –558 (1446), 1318, f. 1– 620 (1450); Akademiebibliothek Kórnik / Posen Nr. 183 (1455); Jagiellonen-Bibliothek Krakau Nr. 2569 (vor 1462), 2570, f. 1–718 (vor 1455), 2572, f. 1–781 (1451), 2573, f. 409 – 664 (1469 –1471); Bibliothek des Krakauer Domkapitels Nr. 218, f. 1v–204r (1446), Universitätsbibliothek Breslau Nr. R 290, f. 2r–95v (um 1441); Beschreibungen bei Zwiercan, Komentarz (1969), S. 30 –32, 35 – 40, 48 – 63, 65 – 67, 73 –99.
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Einleitung
bis 1481 in Lublin 237, Łowicz238 , Opatów239, Sandomierz240 sowie an vier unbekannten Orten 241 acht weitere, heute bekannte Abschriften der Chronica Polonorum. Insgesamt enthalten 25 der überlieferten Chronikfassungen zusätzlich den vollständigen oder auszugsweisen Kommentar des Jan von Dbbrówka. Lediglich eine der in Polen entstandenen Abschriften des 15. Jahrhunderts enthält keinen Dbbrówka-Kommentar242; eine weitere kommentarlose Abschrift, die sich in einem Codex findet, der einst dem Wiener Bischof Johannes Faber (1471–1541) gehörte, ist um 1480 nachweislich außerhalb Polens entstanden. 243 Eine dritte wurde schließlich im 17. Jahrhundert zu Papier gebracht. 244 Zu den insgesamt 29 vollständig erhaltenen Abschriften kommen schließlich zwei mehr oder weniger umfangreiche Exzerpte des Chroniktextes, die sich in Sammelhandschriften des zweiten Viertels des 15. Jahrhunderts finden 245, sowie eine Zusammenstellung von rund 120 Sentenzen, die ein anonymer Autor im oberschlesischen Zisterzienserkloster Ruda in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts für ein Florilegium aus der Chronik extrahiert hat. 246 237 Czartoryski-Bibliothek Krakau Nr. 1313, f. 1– 495 (1481); Beschreibung bei Zwiercan, Komentarz (1969), S. 70 –72. 238 Czartoryski-Bibliothek Krakau Nr. 1316, f. 1–552 (1467); Beschreibung bei Zwiercan, Komentarz (1969), S. 40 – 42. 239 Jagiellonen-Bibliothek Krakau Nr. 2196, f. 7– 622 (1451–1459); Beschreibung bei Zwiercan, Komentarz (1969), S. 63 – 65. 240 Bibliothek des Domkapitels Krakau Nr. 221, f. 84r–271v (1471); Beschreibung bei Zwiercan, Komentarz (1969), S. 42– 45. 241 Jagiellonen-Bibliothek Krakau Nr. 2571, f. 3 – 609 (um 1440) und Przyb. 149 / 53, f. 1r–213v (vor 1477), Beschreibung bei Zwiercan, Komentarz (1969), S. 45 – 48 und 68 – 69; Schlesische Bibliothek Kattowitz Nr. R 142 III (um 1440), Beschreibung bei Zwiercan, Komentarz (1969), S. 32–33; Klosterbibliothek Jasna Góra / Czestochowa Nr. II, 26, f. 95r–260v (um 1442), Beschreibung bei Zwiercan, Komentarz (1969), S. 32–35. 242 Jagiellonen-Bibliothek Krakau Nr. 228, f. 157r–231r (vor 1437 in Mogilna); Beschreibung in: Catalogus codicum manuscriptorum medii aevi Latinorum qui in Bibliotheca Jagellonica Cracoviae asservantur. Volumen I: Numerus continens indi ab 8 usque ad 331, hrsg. von Zofia Włodel u. a., Wrocław u. a. 1980, 276 –280. 243 ÖNB Cod. 3416; Beschreibung bei Hofman-Dadejowa, Studya (1924), S. 376 – 378; Wiesiołowski, Kolekcje (1967), S. 64. 244 Nationalbibliothek Warschau Nr. 12 528 II (früher: Baw. 34, Hist. 30). 245 Ossolinski-Bibliothek Breslau Nr. 156 / III, Beschreibung bei Wojciech Ketrzynski, Katalog rekopisów Zakładu Narodowego im. Ossolinskich [Handschriftenkatalog des Ossolinski-National-Instituts], Bd. 1, Lwów 1881, S. 287–294; Jagiellonen-Bibliothek Krakau Nr. 5230. 246 Universitätsbibliothek Breslau Nr. I O 16, f. 189v–196v; die Sentenzen ediert bei Joanna Madej, „Auctoritates Coronice Polonorum“. O nietypowym wykor-
III. Textüberlieferung und Texteditionen
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Die überlieferten Abschriften bieten keinen einheitlichen Text der Chronica Polonorum, weichen vielmehr an vielen Stellen in so komplexer Weise voneinander ab, dass es der Forschung bislang nicht gelungen ist, die Abhängigkeitsverhältnisse zwischen den einzelnen Texten eindeutig aufzuklären oder ein klares Filiationsschema der Handschriften aufzustellen. Die uneinheitliche – mitunter stark fehler- und lückenhafte – Textgestalt der einzelnen Abschriften hat die Rekonstruktion eines dem verlorenen Original am nächsten kommenden Textes erheblich erschwert. Der entsprechend langwierige Forschungsprozess mündete erst 1994 in die heute gültige kritische Ausgabe. Ihr sind nicht weniger als sieben ältere Textausgaben vorausgegangen. 247 Die älteste wurde bereits 1612 von Jan Szczesny Herburt, einem Amateur-Verleger und Publizisten, im galizischen Dobromil veröffentlicht. Sie stützte sich auf eine heute unbekannte Handschrift des 15. Jahrhunderts, die Teile des Dbbrówka-Kommentars enthalten haben muss. Im Jahr 1712 wurde sie in Leipzig von Freiherr Heinrich von Huyssen, einem Berater Peters des Großen, als Anhang einer Ausgabe der Annales seu cronicae incliti regni Poloniae des Jan Długosz nachgedruckt. 1824 legte der Amateur-Historiker, Verleger und Übersetzer historischer Werke Hipolit Kownacki eine dritte Ausgabe vor, für die er fünf damals in Warschau verfügbare Handschriften heranzog, deren Text er aber in erster Linie auf den Codex Kuropatnicki stützte. Eine allein auf den Codex Eugenianus gestützte Ausgabe wurde 1862 von Graf Alexander Przeydziecki publiziert, der diese Handschrift einige Jahre zuvor auf einer seiner Bibliotheksreisen für die Vincentius-Forschung in Wien entdeckt hatte. Seiner Ausgabe wurde in einem gesonderten Band eine erste vollständige polnische Übersetzung zur Seite gestellt. Bereits zwei Jahre später erschien eine weitere, von dem Krakauer Gymnasialprofessor Adolf Antoni Klemens Mułkowski verantwortete Ausgabe. Sie stützte sich vor allem auf acht seinerzeit in der Krakauer Jagiellonen-Bibliothek, in der Mułkowski auch als Bibliothekar tätig war, vorhandene Handschriften des 15. Jahrhunderts. Parallel zu Przeydziecki und Mułkowski hatte seit den 1850er Jahren auch der Jurist August Bielowski eine Ausgabe der Chronica Polonorum vorbereitet. Sie erschien 1872 im zweiten Band der von ihm initiierten Monumenta Poloniae Historica. Der autodidaktische Philologe war der erste, der alle seinerzeit verfügbaren (30) vollständigen Abschriften und die beiden Exzerpte in Augenschein nahm, wenngleich er seine Edition in erster Linie zystaniu „Kroniki“ mistrza Wincentego zwanego Kadłubkiem [Über eine ungewöhnliche Nutzung der „Chronik“ des Magisters Vincentius genannt Kadłubek], in: Causa creandi. O pragmatyce yródła historycznego, hrsg. von Stanisław Rosik / Przemysław Wiszewski, Wrocław 2005, S. 195 –209, hier S. 203 –208. 247 Zu den bibliographischen Angaben s. Quellen- und Literaturverzeichnis.
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Einleitung
auf den Codex Kuropatnicki und alternativ den Codex Eugenianus stützte. Sie blieb für über hundert Jahre die beste und vollständigste Ausgabe. Ihr entnahm auch Max Perlbach 1893 jene Auszüge der Chronica Polonorum, die er in Band 29 der MGH-Scriptores zusammenstellte. Perlbach war der erste wissenschaftlich geschulte Fachmann, der sich editorisch mit dem Chroniktext befasste, auch wenn er die Bielowski-Edition lediglich mit dem ihm zugänglichen Codex Eugenianus und der Breslauer RhedigerHandschrift abgleichen konnte. In der polnischen Forschung setzten zwar bald nach der Jahrhundertwende Vorarbeiten für eine neue, erstmals professionell erarbeitete, wissenschaftlich-kritische Edition ein 248 , doch dauerte es nach Perlbach noch einmal gut hundert Jahre, ehe der Krakauer Altphilologe und Mediävist Marian Plezia nach jahrzehntelanger Vorbereitung fast 80-jährig kurz vor seinem Tod die heute gültige Ausgabe publizieren konnte. 249 Der von Plezia gebotenen Textgestalt liegt eine skrupulöse Analyse sämtlicher nach 1945 verfügbaren (29)250 Handschriften sowie der beiden Exzerpte zugrunde. Zudem wurden jüngere Abschriften aus den älteren gedruckten Ausgaben und Aufzeichnungen sowie Abschriften der Editoren des 19. Jahrhunderts herangezogen, auch umfassend die von Vincentius direkt oder indirekt verarbeiteten antiken und mittelalterlichen Vorlagen, schließlich die aus seinem Text schöpfende mittelalterliche polnische historiographische Überlieferung ausgewertet. Im Ergebnis liegt eine solide Ausgabe vor, deren Textgestalt und kritischer Apparat – auch wenn manche kleinere Fehler begegnen und die eine oder andere Rekonstruktion und Emendation auf Kritik stößt – seither die maßgebliche Grundlage für die Auseinandersetzung mit dem Chroniktext darstellt.
248 Hofman-Dadejowa, Studya (1924) [die Studie entstand bereits vor 1914]; Balzer, Studyum 1 und 2 (1934 und 1935); später: Plezia, Podstawy do nowego wydania (1958); Plezia, Tradycja (1976). 249 Magistri Vincentii (1994); schon Grodecki, Mistrz Wincenty (1923), S. 31. hoffte, dass die vorliegenden, schlechten Ausgaben bald von einer neuen Edition abgelöst würden; ähnlich Hofman-Dadejowa, Studya (1924), S. 367. 250 Von den 30 von Bielowski S. 198 –217 aufgeführten vollständigen Abschriften sind zwei 1944 verbrannt: neben dem Codex Kuropatnicki (Nr. I bei Bielowski) auch eine Papierhandschrift des 15. Jahrhunderts (Nr. VIIb bei Bielowski); dass es heute dennoch 29 Abschriften gibt, ist dem Umstand zu verdanken, dass die in der Klosterbibliothek von Jasna Góra aufbewahrte Handschrift (vgl. Anm. 241) erst nach 1945 bekannt wurde.
IV. Einrichtung der Ausgabe
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IV. Einrichtung der Ausgabe IV. Einrichtung der Ausgabe
Die hier gebotene Ausgabe des lateinischen Textes stellt keine eigenständige kritische Edition dar, sondern folgt der Edition Marian Plezias. 251 Allerdings wurde zur Klärung von Zweifelsfällen sowohl auf die ältere Edition August Bielowskis als auch auf einzelne Handschriften zurückgegriffen. 252 Auf abweichende Lesarten, die sich daraus gegenüber der PleziaEdition für einzelne Stellen ergaben, wird in den Anmerkungen verwiesen. Beibehalten wird die 1864 von Adolf Antoni Klemens Mułkowski eingeführte Kapiteleinteilung (Zählung in eckigen Klammern) und die von Marian Plezia zusätzlich vorgenommene Untergliederung in nummerierte Absätze; Letztere werden in runden Klammern angegeben. 253 In die Orthographie der Plezia-Ausgabe wurde (von kommentierten alternativen Lesarten abgesehen) nicht eingegriffen. 254 Gelegentliche Abweichungen wurden gegenüber Plezias Absatzeinteilung und Interpunktion vorgenommen, ohne dass dies an den entsprechenden Stellen jeweils explizit vermerkt wird. Ebenso sind die in den Text eingestreuten Reden und Wortbeiträge – mit Ausnahme der Dialogpartien der beiden Dialogpartner – anders als bei Plezia auch im lateinischen Text in einfache Anführungszeichen gesetzt. Die Kommentierung beschränkt sich neben Hinweisen auf abweichende Lesarten im Wesentlichen auf den Nachweis der in der Forschung seit dem 19. Jahrhundert diskutierten potentiellen Vorlagen und Entlehnungen. Dazu wurden die bislang zur Diskussion gestellten tatsächlichen oder vermeintlichen Zitate und Entlehnungen aus antiken und mittelalterlichen Texten durchgehend überprüft (und im Ergebnis manche von ihnen ver251
Ich danke Prof. Dr. Jerzy Wyrozumski (Krakau) und der Polska Akademia Umiejetnosci (Polnische Akademie der Gelehrsamkeit) in Krakau für die freundlich erteilte Genehmigung zur Verwendung der Plezia-Edition für diese Ausgabe. 252 Eingesehen werden konnten folgende Handschriften: Czartoryski-Bibliothek Krakau Nr. 1312, 1313, 1315 –1316; Jagiellonen-Bibliothek Krakau Nr. 228, 2196, 2569, 2570 –2574; ÖNB Wien Cod. 480, Cod. 3416; Universitätsbibliothek Breslau Nr. R 290; Nationalbibliothek Warschau, 3002 III. 253 Bei Plezia wird nicht immer klar, wo bei dieser Zählung innerhalb einer Zeile der Übergang von einem ,Paragraphen‘ zum anderen genau ansetzt; zudem ist seine Untergliederung inhaltlich nicht immer nachvollziehbar; da sie in der Forschung aber die gültige Zitationsgrundlage darstellt, wird sie hier dessen ungeachtet beibehalten. 254 Plezia hat eine konsequent vereinheitlichte Orthographie und Interpunktion angewandt, für die er sich an originalen polnischen Schriftzeugnissen des 12.– 13. Jahrhunderts orientierte; er betont aber, dass es sich dabei um eine „fiktive“ Setzung handelt, da weder die ursprüngliche Orthographie des Vincentius bekannt sei noch diese einheitlich gewesen sein wird; Plezia S. XXVI–XXIX.
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Einleitung
worfen bzw. korrigiert). Da in der einschlägigen Forschung bei der Zitation der fraglichen Vorlagen infolge der Verwendung unterschiedlicher Ausgaben gelegentlich abweichende Kapitel- und Absatznachweise begegnen, werden die Ausgaben, die unserer Überprüfung zugrunde gelegt wurden (im Unterschied zur sonstigen Gepflogenheit der Reihe) im Quellenverzeichnis nachgewiesen. Wörtliche Übereinstimmungen mit zitierten Vorlagen werden im lateinischen Text kursiv gesetzt; da, wo innerhalb eines Zitates bei Vincentius kleinere Abweichungen gegenüber dem zitierten Auszug begegnen, werden die in der Chronica Polonorum abweichenden Worte in den Anmerkungen in einem Klammerzusatz den in der Vorlage verwendeten Worten gegenübergestellt. Darüber hinaus beschränkt sich der Anmerkungsapparat auf Hinweise, die zum unmittelbaren Verständnis der betreffenden Stelle unerlässlich erschienen. Auf eingehendere Sachkommentare sowie kritische Erläuterungen wurde dem Usus der Reihe entsprechend verzichtet; hier mag die Einleitung eine gewisse ersatzweise Hilfestellung bieten, während der Leser für Erläuterungen zu Personen und Orten auf die Register verwiesen sei. Einige das Verständnis fördernde Erläuterungen werden allerdings da und dort in eckigen Klammern in den deutschen Text eingefügt. Dies betrifft nicht nur rein sprachliche, im Zuge der Übersetzung als notwendig empfundene Ergänzungen, sondern auch vorsichtige inhaltliche Zusätze. Diese sollen insbesondere bei den Namen eine leichtere bzw. eindeutige Identifizierung ermöglichen, gelegentlich aber auch – wenn ein von Vincentius beschriebenes Ereignis aus anderen Quellen zeitlich sicher eingeordnet werden kann – chronologische Anhaltspunkte bieten. Bei der Übersetzung handelt es sich um die Übersetzung, besser die Interpretation eines Historikers. Sie richtet sich nicht an romanistisch-mittellateinisch geschulte Spezialisten, die den Text aus ihrer philologischen Perspektive wahrscheinlich in ein anderes Deutsch übertragen hätten. Unsere Übersetzung versteht sich vielmehr als der Versuch, einen polnischen, lateinisch verfassten Text des ausgehenden 12. oder beginnenden 13. Jahrhunderts als historische Quelle zu deuten und als solche – vor allem interessierten Studierenden – zugänglich zu machen. In diesem Sinn bemüht sich die deutsche Wiedergabe nach dem Motto „so wörtlich wie möglich, so frei wie nötig“ um einen Mittelweg zwischen einer ,zielsprachenorientierten‘ und einer ,ursprungssprachlich orientierten‘ Übertragung des Originals. Denn diese soll sowohl dem heutigen Leser möglichst eingängig und verständlich sein als auch so viel wie möglich von den Eigenheiten des Originals bewahren. Daher konnten die langen, verschachtelten Satzkonstruktionen, die blumige Rhetorik, die umständlichen Umschreibungen und prätentiösen Bilder des Originals nicht gänzlich zugunsten eines Textes ,aufgelöst‘ und ,geglättet‘ werden, der heutigem Stilgefühl näherstehen
V. Abkürzungsverzeichnis
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würde. 255 Die Chronik des Vincentius soll in ihrer deutschen Übertragung schließlich nicht anders – ,besser‘ oder ,moderner‘ – erscheinen, als sie tatsächlich ist. Dass nicht wenige Passagen des Textes auch anders übersetzt werden können, hier mithin nur ein mögliches Deutungsangebot unterbreitet wird, ist angesichts der oft sehr umständlichen, manchmal auch nur schwer verständlichen, in ihrer Mehrdeutigkeit und rhetorischen Finesse mitunter kaum übersetzbaren Formulierungen des Originals und seiner vielfach anachronistischen Terminologie unvermeidlich. Vor diesem Hintergrund waren die vorliegenden vollständigen polnischen Übersetzungen von 1862, 1974 und 1992 sowie die verschiedenen Fragmente deutscher, französischer, englischer und russischer Übertragungen einzelner ausgewählter Kapitel eine große Hilfe. Doch versteht sich, dass die hier – erstmals vollständig – vorgelegte deutsche Fassung Wort für Wort eine eigenständige Übertragung darstellt, deren Abweichungen gegenüber anderen Übersetzungsvorschlägen nur in besonders erläuterungsbedürftigen Ausnahmefällen in den Anmerkungen ausdrücklich vermerkt werden.
V. Abkürzungsverzeichnis V. Abkürzungsverzeichnis
Bielowski
Magistri Vincentii Chronicon Polonorum / Mistrza Wincentego Kronika polska, hrsg. von August Bielowski, in: MPH 2, Lwów 1872 [Nachdruck Warszawa 1961], S. 191– 453. CDP III Codex diplomaticus Poloniae, Bd. 3, hrsg. von Julian Bartoszewicz / Leon Rzyszczewski / Antoni Muczkowski, Warszawa 1858. KDKK Kodeks dyplomatyczny katedry krakowskiej sw. Wacława. Czesh pierwsza obejmujbca rzeczy od roku 1166 do roku 1366 [Urkundenbuch der Krakauer Kathedrale des hl. Wenzel. Erster Teil umfassend die Dinge vom Jahr 1166 bis zum Jahr 1306], hrsg. von Franiciszek Piekosinski, Kraków 1874. KDM I + II Kodeks dyplomatyczny Małopolski [Kleinpolnisches Urkundenbuch], [Bd. 1:] 1178 –1386, hrsg. von Franciszek Piekosinski, Kraków 1876; [Bd. 2:] 1153 –1333, hrsg. von Franciszek Piekosinski, Kraków 1886. KDW I Kodeks dyplomatyczny Wielkopolski. Tom I: zawiera dokumenty nr 1– 616 z lat 984 –1287 [Großpolnisches Urkundenbuch. Band I: enthält die Urkunden Nr. 1– 616 aus den Jahren 984 –1287], hrsg. von [Ignacy Zakrzewski], Poznan 1877. 255 Vgl. jedoch die deutlich ,freiere‘ und ,glattere‘ Übersetzung der Abschnitte II, 16, III, 10 –11, IV,1, IV,5 – 6 von Christiane Reitz in: Polnisches Mittelalter. Ein literarisches Lesebuch, hrsg. von Antonina Jelicz, Frankfurt a. M. 1987, S. 67– 81.
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MGH SS MPH MPH NS ÖNB PL Plezia
PSRL 2 SUB I
Einleitung Mistrz Wincenty (tzw. Kadłubek). Kronika Polska [Magister Vincentius (gen. Kadłubek). Die polnische Chronik], [neu] übersetzt und hrsg. von Brygida Kürbis, Wrocław u. a. 1992 [2. Aufl. 1996; 3. Aufl. 2003; 4. Aufl. 2008 – zitiert nach der 2. Aufl.]. Monumenta Germaniae Historica. Scriptores Monumenta Poloniae Historica Monumenta Poloniae Historica. Nova series Österreichische Nationalbibliothek Migne, Patrologiae cursus completus, series Latina Magistri Vincentii dicti Kadłubek Chronica Polonorum / Mistrza Wincentego zwanego Kadłubkiem Kronika polska, hrsg. von Marian Plezia, Kraków 1994 [MPH NS 11]. Ipat’evskaja letopis’ [Hypatius-Chronik], in: Polnoe sobranie russkich letopisej, Moskva 21962. Schlesisches Urkundenbuch, Bd. 1: 971–1230, hrsg. von Heinrich Appelt, Wien / Köln / Graz 1971.
Bibelstellen Gn Ex Lv Nm Dt Ri 1 Sm 2 Sm 1 Kg 2 Kg 1 Chr 2 Chr Tob 1 Makk 2 Makk Ps Ib Spr Prd Hl Weish Js Jr Ez Mt Lk
Genesis Exodus Leviticus Numeri Deuteronomium Richter 1 Samuel 2 Samuel 1 Könige 2 Könige 1 Chronik 2 Chronik Tobit 1 Makkabäer 2 Makkabäer Psalmen Ijob (Hiob) Sprüche Prediger (Kohelet) Hohelied Weisheit Jesaja Jeremia Ezechiel Matthäusevangelium Lukasevangelium
VI. Quellen- und Literaturverzeichnis Jo Apg Röm 1 Kor 2 Kor Gal Phil Hebr Jak 2 Petr 1 Jo Apk
77
Johannesevangelium Apostelgeschichte Römerbrief 1 Korintherbrief 2 Korintherbrief Galaterbrief Philipperbrief Hebräerbrief Jakobusbrief 2. Petrusbrief 1. Johannesbrief Apokalypse
VI. Quellen- und Literaturverzeichnis Editionen VI. Quellen- und Literaturverzeichnis
Historia Polonica Vincentii Kadlubkonis episcopi Cracoviensis, hrsg. von Jan Szczesny Herburt, Dobromili, in officina Ioannis Szeliga, Anno Domini 1612. Vincentii Kadłubkonis Historia Polonica cum commentario anonymi, in: Ioannis Dlugossi seu Longini canonci quondam Cracoviensis, Historiae Polonicae liber XIII et ultimus, hrsg. von Heinrich von Huyssen, Leipzig 1712, Sp. 599 – 826. Res gestae principium et regum Poloniae per Vincentium (Kadłubkonem) saeculo XII et XIII enarratae, quibus accedit Chronicon Polonorum per Dzierswam, saeculi XIII scriptorem, compositum, hrsg. von Hipolit Kownacki [= Tymoteusz Hipolit Symforian], Varsaviae in Tipographia Congregationis Scholarum Piarum 1824. Magistri Vincentii episcopi Cracoviensis Chronica Polonorum sive originale regum et principum Poloniae, quae e Codice vetustissimo Eugeniano Bibliothecae Caesareae Vindobonensis accuratissime rescripta praevia, de ipso Codice dissertatione, hrsg. von Alexander e comitibis Przeydziecki, Cracoviae 1862. Magistri Vincentii qui Kadłubek vocari solet De origine et rebus gestis Polonorum: libri quattuor, hrsg. von Adolf Antoni Klemens Mułkowski, Krakau 1864. Magistri Vincentii Chronicon Polonorum / Mistrza Wincentego Kronika polska, hrsg. von August Bielowski, in: MPH 2, Lwów 1872 [Nachdruck Warszawa 1961], S. 191– 453. Ex Magistri Vincentii Chronica Polonorum, hrsg. von Max Perlbach, in: MGH SS 29 (1893), S. 471–500 [= Kapitel (teilweise in Ausschnitten) II, 10, 12, 14, 18, 22, 24, 26, 28, 32; III, 2, 4, 6, 8, 10, 14, 20, 28, 30; IV, 2, 7–9, 12, 16, 19, 21, 23]. Magistri Vincentii dicti Kadłubek Chronica Polonorum / Mistrza Wincentego zwanego Kadłubkiem Kronika polska, hrsg. von Marian Plezia, Kraków 1994 [MPH NS 11].
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Einleitung
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VI. Quellen- und Literaturverzeichnis
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Einleitung
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Nachfolgend werden nur die in der Einleitung und im Kommentar mehrfach zitierten Werke aufgeführt; nur einmal zitierte Titel werden an der entsprechenden Stelle in der Fußnote vollständig nachgewiesen. Eine umfassende Bibliographie zu Vincentius und seinem Werk bietet Kollinger, Vincentiana (2009), S. 476 –527.
VI. Quellen- und Literaturverzeichnis
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Einleitung
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VI. Quellen- und Literaturverzeichnis
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Einleitung
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DIE CHRONIK DER POLEN, TEXT UND ÜBERSETZUNG
INCIPIT PROLOGVS 앚SVP[ER] CRONICAM POLONORVM VINCENCII CRACOVIEN[SIS] EP[ISPCOP]I앚1 Prologvs
[1] (1) Tres tribus ex causis theatrales oderunt sollempnitates; primi nomen Codrus, secundi Alcibiades, tertii Diogenes. Codrus quia pauper et pannosus habitu 2, secundus quia specie preinsignis, tertius quia et morum uenustate conspicuus et animi erat grauitate fecundus. Primus ne ridiculam per se pauperiem omnium exponeret ridiculo; secundus ne fascinni reciperet in se periculum; tertius ne castissimam prudentie maiestatem scurrili prostitueret incestui. (2) Maluit enim Codrus aliorum sibi subtrahere spectacula, quam de se aliis despicabile prebere spectaculum, quia nullum est inter purpuras et pannositatem sodalitii fedus. Elegit etiam Alcibiades potius domi delitescere inglorius, quam forme dispendio de forma gloriari, quia nihil tam naturaliter est conspicuum, quod lippientis oculis non uideatur inuidie. Rursus censuit Diogenes uulgi consortia dedignari prudentiam, quia satius est solitudine uenerari quam familiaritate contempni. [2] (1) Et huius quidem pagelle rudis macies, ieiuna ruditas ab Alcibiadis est curiositate secura; superstitiosus enim est fascinni timor nec habet deformis, quid de forme existimatione perdat. Set nec Diogenis nos licet diuina urget sententia, quibus nec stillantis guttulam gratiole prudentia indulsit. Codri dumtaxat, Codri territamur imagine, cum publicis assidentium exposita insidiis nostra tenuitas nec etiam pannosum, quo pudori consuleret, habeat amiculum. (2) Non enim adolescentularum inter Musas collasciuire choris, set sacri senatus assistere tenemur suggestui; non umbratiles palustrium harundines, set aureas patrie columpnas, non puppas fictiles, set ueras patrum effigies de sinu obliuionis, de ebore antiquissimo
1 앚…앚 ergänzt aus ÖNB Cod. 480, f. 187r (Codex Eugenianus); ob das Werk im nicht erhaltenen Original einen Titel trug und wenn ja welchen, ist nicht zu klären. Die in einigen Abschriften angebrachten Überschriften werden mit der Zeit immer ausführlicher und müssen als spätere Zusätze der Abschreiber zur Orientierung des Lesers betrachtet werden. 2 Vgl. Juvenal, Satirae III, 208 –210.
ES BEGINNT DIE VORREDE ZUR CHRONIK DER POLEN DES BISCHOFS VINCENTIUS VON KRAKAU1 Vorrede
[1] (1) Drei [Männer] hassten aus dreierlei Gründen theatralische Feierlichkeiten; der Name des ersten war Codrus, des zweiten Alcibiades, des dritten Diogenes. Codrus, da er seiner äußeren Erscheinung nach arm und zerlumpt war2; der zweite, da er durch Schönheit besonders ausgezeichnet war; der dritte, da er sowohl durch die Anmut seines Benehmens ins Auge stach als auch an Geistesstärke reich war. Der erste, um seine an sich schon lächerliche Armut nicht dem Gelächter der Allgemeinheit auszusetzen; der zweite, um nicht die Gefahr der Betörung auf sich zu ziehen; der dritte, um die züchtigste Würde der Klugheit nicht der possenhaften Unzucht preiszugeben. (2) Denn Codrus wollte sich lieber den Anblicken der anderen entziehen, als ihnen verächtlich von sich ein Schauspiel bieten, gibt es zwischen Purpur und Lumpen doch kein Freundschaftsbündnis. Auch Alcibiades zog es vor, sich ruhmlos zuhause zu verbergen, anstatt sich bei Verlust der Wohlgestalt seiner Wohlgestalt zu rühmen; denn nichts ist von Natur aus so ausgezeichnet, dass es nicht aus den Triefaugen der Missgunst betrachtet werden kann. Diogenes wiederum schätzte die Klugheit, die gewöhnlichen Gesellschaften des Pöbels zu meiden, da es ziemlicher ist, in Einsamkeit verehrt als im vertrauten Umgang verachtet zu werden. [2] (1) Nun aber sind die Blättchen dieses [Schreibers] zwar von kunstloser Dürre und ihre nüchterne Unwissenheit ist vor dem Vorwitz des Alcibiades sicher; denn abergläubisch ist die Furcht vor Betörung und es gilt keineswegs als unschön, was nach öffentlicher Meinung seine Schönheit verliert. Und auch Diogenes quält uns nicht mit seinem wenn auch göttlichen Urteil, hat uns die Klugheit doch nicht einmal ein winziges Tröpfchen ihrer Huld gewährt. Nur des Codrus, des Codrus Bild schreckt uns, weil unsere Schlichtheit der Öffentlichkeit und den Nachstellungen der Beistehenden ausgesetzt wird, sie aber nicht einmal ein zerlumptes Mäntelchen hat, mit dem der Scham abgeholfen werden könnte. (2) Denn nicht unter den Musen sollen wir in den Chören der Jungfrauen umherhüpfen, sondern der Beratung des heiligen Senats beistehen; nicht schattiges Sumpfrohr, sondern goldene Säulen des Vaterlandes, nicht tönerne Puppen, sondern wahre Bilder der Väter aus dem Schoß des Vergessens, aus ältestem Elfenbein herausschneiden; ja gewiss werden wir [nicht] abgehalten, Lam-
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Prologvs
iubemur excidere; immo diuine lampades lucis in arce regia arcemur appendere et bellicis inter hec insudare tumultibus. [3] (1) Set aliud est quod incircumspectione precipiti, quod ostentationis libidine, quod questus esurie presumitur et aliud quod imperatrix obsequele necessitas infligit.3 Non enim ea me scribendi cathetes4 exagitat, non ea gloriole instimulat ambitio, non lucelli rabies inflammat, ut post totiens expertas pelagi delicias, post totiens uix enatata laborum naufragia rursus in eisdem delecter Syrtibus naufragari. Non nisi namque asini palato pro lactucis sapit carduus nec nisi prorsus insipiens suauitate capitur insipida. [4] (1) Set iniusta est iuste preceptionis declinatio. Intellexit nimirum strennuissimus principum omnimode strennuitatis experimenta, omnimoda honestatis insignia ex maiorum exemplaribus uelut ex quibusdam speculis resultare. Certius siquidem iter carpitur duce preuio, luce preambula et uenustior est effigies morum, quam uenustas prefigurat exemplaris. (2) Auitarum itaque uirtutum posteris dilargiens participium, calamo fragili, axi harundineo, humeris Pygmei onus inposuit Athlanteum, non alia forte persuasus ratione, nisi quod auri rutilantia, quod gemmarum nitor artificis ruditate non uilescit, sicut et sidera teterrimis Ethiopum demonstrata digitis non furuescunt, nec subtilis esse artificis, si ferrum purgatur a rubigine, si aurum eliquatur a scoria. (3) Quia igitur stultum est luctari cum onere, quod declinari non potest,5 enitar pro uiribus, dummodo me talium consequatur comitiua, qui huius auspiciis itineris dulci corculo confaueant, qui et casum in precipiti et lapsum non mirentur in lubrico, quorum aggratulatione socia nec onus sit oneri nec dispendium uideatur dispendio. In uia enim iocunda societas est uie uehiculum.6 (4) Illud denique aput omnes precor esse inpetratum, ne omnibus passim de nobis detur iudicium, set eis dumtaxat quos ingenii elegantia uel urbanitatis commendat claritudo, ne cui nos prius liceat despicere quam perdiligentissime dispexisse. Non enim sapit gingiber nisi masticatum nec est aliquid quod in transitu delectet, set est inciuile re inperspecta de re iudicare.7 Qui ergo parce laudat, parcius uituperet.8 3 Vgl. Decretum Gratiani 2. Teil, C. II, q. VII, c. 54: „Sed aliud est, quod ex praesumptione assumitur temeritatis, aliud, quod ex necessitate geritur caritatis.“ 4 Vgl. Juvenal, Satirae VII, 52 (scribendi cacoethes). 5 Vgl. [Pseudo-]Seneca, De moribus 39: „… stultum est timere quod vitare non possis.“ 6 Vgl. Publilii Syri sententiae 104. 7 Vgl. CIC Dig 1, 3, 24. 8 Vgl. [Pseudo-]Seneca, De formula honestae vitae 2, 8: „Lauda parce, vitupera parcius.“
Vorrede
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pen göttlichen Lichts in der königlichen Burg aufzuhängen und zwischen ihnen durch kriegerische Tumulte ins Schwitzen zu geraten. [3] (1) Aber das eine ist, was man sich in überstürzter Unvorsicht, was aus Prahlsucht, was aus Gewinnsucht anmaßt, ein anderes, was die Gebieterin des Gehorsams als Notwendigkeit aufträgt.3 Denn nicht die Schreibsucht4 hat mich aufgehetzt, nicht die Ruhmsucht angestachelt, nicht die Gewinnsucht entflammt, damit ich nach so oft erfahrenen Vergnügungen des Meeres, nach so oft kaum überstandenen Schiffbrüchen Gefallen daran fi nde, in ebendiesen Syrten von neuem Schiffbruch zu erleiden. Denn wem, wenn nicht dem Gaumen des Esels, schmeckt anstelle des Lattich die wilde Distel, wer, wenn nicht ein völliger Tor, hält Ungenießbares für eine Annehmlichkeit. [4] (1) Doch ist die Ablehnung eines gerechten Befehls unrecht. Der tüchtigste der Fürsten [Kasimir II.] hat nämlich verstanden, dass jegliche Proben der Tüchtigkeit, jedwede Zeichen der Ehre aus den Beispielen der Vorfahren wie aus Spiegeln zurückspringen. Denn durch den vorausgehenden Führer wird der Weg wie durch ein vorausleuchtendes Licht zuverlässiger markiert und anmutiger ist ein Bildnis der Sitten, das von der Anmut des Vorbilds hervorgehoben wird. (2) Daher hat er der zerbrechlichen Schreibfeder, einem aus Schilfrohr bestehenden Wagen, der Schulter eines Zwerges die Last des Atlas aufgebürdet, der Nachwelt die großväterlichen Verdienste reichlich darzulegen – vielleicht aus keinem anderen Grund als der Überzeugung, dass der Goldschein des Goldes, der Glanz der Edelsteine durch die Unwissenheit des Kunsthandwerkers nicht wertlos werden, so wie auch die Sterne nicht dunkel werden, wenn die hässlichen Finger der Äthiopier nach ihnen zeigen; und es bedarf nicht des subtilen Kunsthandwerkers, um das Eisen vom Rost zu reinigen, das Gold von der Schlacke zu befreien. (3) Da es also töricht ist, mit einer Bürde zu ringen, die sich nicht abweisen lässt5, werde ich mich nach Kräften bemühen, möge mich nur eine Gefolgschaft begleiten, die die Aussichten dieses Weges mit geneigtem Sinn begünstigt, die sich nicht über ein Straucheln in steiler Höhe, einen Fehltritt auf schlüpfriger Stelle wundert und durch deren verbündete Freudenbezeugung die Bürde nicht als Bürde, die Beschwerlichkeit nicht als Beschwerlichkeit erscheint. Unterwegs ist eine frohe Gesellschaft das beste Fahrzeug.6 (4) Schließlich bitte ich alle darum, nicht jedem fortwährend über uns ein Urteil zu gestatten, sondern nur denjenigen, die der Kunstsinn der Begabung und der Ruhm der Bildung [dazu] empfehlen. Niemandem möge gestattet sein, uns zu verachten, der [uns] nicht sehr sorgfältig geprüft hat. Denn den Ingwer schmeckt man nur, wenn er gekaut wird; auch gibt es nichts, was im Vorbeigehen schmeckt, vielmehr ist es ungebührlich, eine Sache zu beurteilen, die man nicht durchschaut hat.7 Wer also sparsam lobt, der möge noch sparsamer tadeln.8
INCIPIT CRONICA POLONORVM [LIBER PRIMVS]9 Liber primvs
[1] (1) Fuit, fuit quondam in hac re publica uirtus!10 quam uelut quedam celi luminaria, non scripture quidem membranulis, set clarissimis gestorum radiis patres conscripti illustrauere. Non enim plebei aborigines, non uendicarie illi principate sunt potestates, set principes succedanei. Quorum serenitas licet nube ignorantie obducta uideatur, mira tamen rutilantia rutilat, que tot seculorum tempestatibus extingui non potuit. (2) Memini siquidem collocutionis mutue uirorum illustrium, quorum tanto felicior est recordatio, quanto celebrior uiget auctoritas. Disputabant namque Johannes et Matheus, ambo grandeui, ambo sententiis graues, de huius rei publice origine, progressu et consummatione, (3) cum Johannes: Queso, inquit, mi Mathee, sub quonam conceptam estimabimus nostrarum constitutionum infantiam? Nos enim hodierni sumus, nec ulla hesternitatis est in nobis cana scientia.11 [2] (1) MATHEUS: Scis quia in antiquis est sapientia et in multo tempore prudentia,12 me uero in hac parte infantulum fateor, ut etiam utrum huius instantis simplex aliqua precesserit portiuncula, prorsus non nouerim. Quod tamen perueridica maiorum narratione condidici, non silebo. (2) Narrabat itaque grandis natu13 quidam infinitissime numerositatis manum quondam hic uiguisse, aput quos tanti regni inmensitas uix unius meruit iugeris estimatione censeri. Adeo illos non dominandi ambitus, non habendi urgebat libido, set adulte robur animositatis exercebat, ut preter magnanimitatem nihil magnum estimarent, ut suarum accessiones uirtutum nullis usquam terminis limitarent. Nec enim essent uirtutes, si ullis dignarentur limitum ergastulis includi. (3) Hii etiam transfinitimorum fines sue titulis uictorie asculpserunt; non solum enim cismaritimas undique nationes, set etiam Danomarchicas insulas sue coniecerant dicioni. Quarum non inua9 Die Überschrift findet sich nur in ÖNB Cod. 480, f. 187r (Codex Eugenianus) und (ohne „Polonorum“) in ÖNB Cod. 3416, f. 43r (Codex des Johannes Faber); „liber primus“ von Plezia nach Bielowski ergänzt. 10 Cicero, In Catilinam I, 1, 3; dort zusätzlich mit einem „ista“; ohne dasselbe und wörtlich wie bei Vincentius findet sich das Zitat auch in Ottonis Frisingensis Gesta Frederici, II, 32. 11 Vgl. Ib 8, 8 –9. 12 Ib 12, 12. 13 Timaeus. A Calcidio translatus, 21a / S. 12, Z. 14 (itaque = ergo).
ES BEGINNT DIE CHRONIK DER POLEN [ERSTES BUCH]9 Erstes Buch
[1] (1) Es gab sie einst, es gab in diesem Gemeinwesen die Tugend10 , als die Senatoren zwar nicht durch das Schreiben von Urkunden, aber wie gewisse Gestirne des Himmels durch die hellsten Strahlen ihrer Taten leuchteten. Denn nicht das gemeine Urvolk, auch nicht jene, die sich Herrschaft anmaßten, waren die Machthaber, sondern erbliche Fürsten. Deren Hoheit, obschon von der Wolke der Unkenntnis verhüllt, schimmerte durch einen wunderbaren rötlichen Glanz, der durch die Stürme so vieler Jahrhunderte nicht ausgelöscht werden konnte, wie Gold. (2) Denn ich erinnere mich eines Wechselgesprächs berühmter Männer, deren Erinnerung desto ergiebiger ist, je glänzender ihr Ansehen in Blüte steht. Es diskutierten nämlich Johannes und Matthäus, beide hochbetagt, beide gedankenschwer, über den Ursprung, den Fortschritt und die Vollendung dieses Gemeinwesens; (3) und so sprach Johannes: „Ich frage mich, Matthäus, zu welchem [Zeitpunkt] werden wir den Kindheitsanfang unserer Verfassung bestimmen [können]? Wir sind ja von heute und haben kein graues Wissen vom Gestern in uns.“11 [2] (1) M a t t h ä u s : Du weißt, bei Greisen ist Weisheit und Einsicht bei hohem Alter.12 Ich aber bin in dieser Hinsicht, ich gestehe es, ein Kind, so dass ich weder vom Bevorstehenden noch Vergangenen schlicht auch nur die kleinsten Teilchen kenne. Doch will ich nicht verschweigen, was ich durch wahrhafteste Erzählung der Vorfahren gelernt habe. (2) Und so erzählte der besagte alte Mann13, dass hier vor langer Zeit eine an Menschenzahl sehr große Macht in Ansehen gestanden habe, bei der die unermessliche Größe eines so großen Königreiches im Wert kaum wie ein einziger Morgen Land geschätzt zu werden verdiente. Nicht so sehr der Ehrgeiz zu herrschen, nicht die Begierde zu besitzen, drängte jene, sondern die erstarkte Kraft ihrer Tapferkeit trieb sie an, so dass sie neben der Großmut nichts für wichtig hielten und den Zuwächsen ihrer Tugenden nirgendwo irgendwelche Grenzen setzten. Denn es wären nicht Tugenden gewesen, wenn sie irgendjemand für würdig erachtet hätte, durch die Zuchthäuser der Grenzen eingeschlossen zu werden. (3) Auch Gebiete jenseits der äußersten Grenzen meißelten sie der Tafel ihrer Siege ein; denn nicht allein die Völker überall diesseits des Meeres, sondern auch die dänischen Inseln hatten sie ihrer Herrschaft unterworfen. Zuerst schlugen sie deren nicht schwache Legionen in Seeschlachten in die Flucht, alsdann, nachdem sie
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Liber primvs
lidas legiones prius naualibus fudere preliis, deinde intimis insularum precordiis infusi omnium sibi clientelam subiciunt, rege quoque ipsorum Canuto in uincula coniecto.14 (4) Quibus duorum data est optio: uel uectigales perpetuo recognoscant pensiones, uel eum mulieribus indifferentes habitu comas muliebriter enutriant, argumentum scilicet inbecillitatis feminee. Illi dum altercantur de altero, utrumque suscipere coguntur. (5) JOHANNES: Minor tamen erat obsequele recognitio quam ignominie cauterium, prudentius enim fame consulitur, quam parcitur diuitiis; diuitie siquidem infamia possesse nomen diuitiarum demerentur. Huius uero Canuti nepos auitam ulcisci uolens iniuriam in suos transtulit ultionem, quam ab hoste extorquere non potuit. (6) Quia enim Daci prius cum Polonis deinde cum Bastariis male pugnauerant, ad ultionem segniciei capturi sompnum capita loco pedum ponere iussu regis coacti sunt et ministeria uxoribus, que uiris ante fieri solebant, facere, donec ignominiam bello acceptam delerent.15 [3] (1) MATHEVS: Fama etiam est Gallos pene totius orbis tunc regna occupasse, quorum multa milia multis hec manus strauere conflictibus, reliquos diu afflictos ad sodalitii fedus compulere, ut si quid eis aut sorte aut uirtute aput exteros accessisset, equa utrisque obtingeret portio. Gallis igitur cessit uniuersa Grecia, istorum uero hinc usque Parthiam, istinc usque Bulgariam, illinc usque Carinthiam creuit accessio. Vbi post multos cum Romanis conflictus, post multa bellorum discrimina, urbes occupant, prefectos constituunt, quendam nomine Graccum principem creant. (2) Set tandem illius gentis luxu segniter dissoluti, mulierum paulatim emolliti lasciuia, primores quidem ueneno extinguuntur, ceteri iugo indigenarum substernuntur, sicque omnium armis inuicti paucorum segnicie uincuntur. [4] (1) JOHANNES: Nihil hic fictum nihil simulatum, set quidquid asseris, uerum16 asseri ex antiqua presumitur historia. Galli enim, ut ait Trogus, cum eos patria non caperet, trecenta milia ad sedes nouas querendas uelut uer sacrum17 miserunt. Ex eis portio in Italia consedit que Romam
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Als literarische Replik des in Timaeus. A Calcidio translatus, 24e, S. 16, Z. 20 – S. 17, Z. 2 beschriebenen Sieges der Athener über Atlantis deutet diese Stelle Kałuza, Kadłubka historia mówiona (2006), S. 71. 15 Iustini Epitoma XXXII, 3, 16. 16 Cicero, Laelius de amicitia VIII, 26. 17 Kürbis S. 11 übersetzt den Terminus in seiner ursprünglichen Bedeutung als „Frühlingsopfer“ (= die den Göttern geopferten erstgeborenen Kinder und Tiere); der Terminus bezeichnete später aber die Aussendung von Kolonisten.
Erstes Buch
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sich ins innerste Herz der Inseln ergossen hatten, unterwarfen sie sich alles als Klientel und legten ihren König, Knut, in Fesseln.14 (4) Zwei Optionen gaben sie ihnen: Entweder sie anerkennten ewige Abgabenzahlungen oder sie würden in gleicher Kleidung und Haartracht wie ihre Frauen weibisch aufgezogen, als Beweis nämlich für ihre weibliche Kriegsuntüchtigkeit. Und während sie über die Alternative stritten, wurden sie gezwungen, beides auf sich zu nehmen. (5) J o h a n n e s : Wenigstens war die Anerkennung der Willfährigkeit ein kleineres Übel als das Brandmal der Schande; es ist nämlich klüger, sich um den guten Ruf zu sorgen als seine Reichtümer zu schonen; denn Reichtümer, die man in Schande besitzt, verdienen [nicht] die Bezeichnung Reichtümer. Der Enkel dieses Knut aber, der die vom Großvater ererbte Kränkung rächen wollte, übertrug die Vergeltung, die er beim Feind nicht erreichen konnte, auf die seinen. (6) Denn weil die Daker [Dänen] zuerst mit den Polen, dann mit den Bastarnen schlecht gekämpft hatten, wurden sie zur Strafe für ihre Trägheit durch Befehl ihres Königs dazu genötigt, zum Schlafen ihre Häupter an die Stelle der Füße zu legen und die Ämter, die zuvor die Männer auszuüben pflegten, den Ehefrauen zu überlassen, bis sie die im Krieg empfangene Schmach ausgelöscht hatten.15 [3] (1) M a t t h ä u s : Auch geht das Gerücht, dass die Gallier damals die Königreiche fast des ganzen Erdkreises an sich gerissen hätten. Von ihnen hat in vielen Kämpfen diese [unsere] bewaffnete Mannschaft viele Tausende zu Boden gestreckt. Die unglücklichen Übrigen hat sie auf Dauer zu einem Freundschaftsbund gezwungen, nach dem das, was von ihnen, sei es durch Schicksal, sei es durch Verdienst, bei den Fremden erobert würde, zu gleichen Teilen beiden zufallen sollte. Den Galliern überließ sie [die Schar der Polen] folglich ganz Griechenland, selbst aber entschied sie sich für den Zuwachs von da bis zu den Parthern, von dort bis Bulgarien und von dort wiederum bis Karantanien. Dort erobern sie [die Polen] nach vielen Kämpfen mit den Römern, nach vielen kriegerischen Entscheidungen die Städte, setzen Statthalter ein und wählen einen gewissen Fürsten mit Namen Graccus. (2) Schließlich aber werden sie durch den Überfluss jenes Volkes und die Geilheit der Weiber allmählich geschwächt, ihre Großen jedenfalls durch Gift ausgelöscht und die Übrigen dem Joch der Einheimischen unterworfen und so alle, die durch die Waffen nicht besiegt wurden, durch die Trägheit weniger überwunden. [4] (1) J o h a n n e s : Nichts ist hier erdichtet, nichts vorgegeben, sondern was du behauptest, ist als Wahrheit anzusehen16; es wird durch die alte Geschichte bestätigt. Die Gallier nämlich sandten, wie Trogus sagt, als sie das Vaterland nicht [mehr alle] aufnehmen konnte, 300 000 wie Kolonisten17 aus,
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Liber primvs
captam incendit, alia per strages barbarorum penetrans in Pannonia consedit. Ibi uictis Pannoniis cum finitimis multa bella gesserunt.18 (2) Verisimile igitur ac certo certius est cum hac eos gente concertasse. Non enim sine collisione conquiescunt e continuo fluctus oppositi, nec diu uicinari sustinent leo cum tigride. Quippe: non bene torrentes ripa uoluuntur eadem, quos rapit opposito turbine uis eadem.
[5] (1) MATHEVS: Extunc nonnulli dominatiuam ligurire ceperunt portiunculam. Vnde ex Carinthia rediens Graccus, ut erat sententioso sermonum beatus agmine, omnes in contionem uocat, omnium in se ora conuertit, omnium uenatur fauorem, omnium conciliat obsequia. (2) Ait ridiculum esse pecus mutilum, hominem acephalum. Idem esse corpus exanime, sine luce lampadem, mundum sine sole, quod sine rege imperium. Anima siquidem animositatis industriam, lux rerum circumspectionem, sol denique radios munificentiarum beneficos ad omnes docet expandi. Quibus uelut quibusdam gemmis regii diadema capitis quam decentissime decusatur, ut in fronte magnanimitas, in occipite circumspectio, in lateribus altrinsecus large serenitatis carbunculus prefulgeat. Se non regem set regni socium pollicetur, si se deligant, non sibi set toti natum se credere mundo.19
(3) Proinde rex ab omnibus consalutatur, iura instituit, leges promulgat. Sic ergo nostri iuris ciuilis nata est conceptio seu concepta natiuitas. Nam ante hunc seruituti ancillari libertas et equitas pedissequari iussa est iniurie, eratque iustitia que plurimum prodesset ei qui plurimum posset. Licet autem iustitie rigor non tunc statim ceperit imperare, extunc tamen uiolentie desiit subesse potestati et dicta est iustitia que plurimum prodest ei qui minimum potest. 20 (4) Igitur Polonia florentissimis per Graccum aucta successibus, statuit eius prolem regni successione dignissimam, nisi alterum filiorum eius fratricidii fedasset piaculum.
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Iustini Epitoma XXIV, 4, 2– 6 (Romam = urbem Romanam, penetrans = penetravit, multa = varia). 19 Lucani Pharsalia II, 383 (non = nec / natum = genitum). 20 Vgl. Glose Magistri Willelmi, S. 58 (prodesset = prodest, posset = potest).
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sich neue Wohnsitze zu suchen. Von diesen ließ sich ein Teil in Italien nieder, der Rom einnahm und niederbrannte; ein anderer [Teil] drang die Barbaren vollständig vernichtend in Pannonien ein und ließ sich dort nieder. Dort führten sie, nachdem sie die Pannonier besiegt hatten, mit den Grenznachbarn viele Kriege.18 (2) Daher ist es wahrscheinlich, ja gewisser als gewiss, dass sie [die Polen] mit diesem Volk gekämpft haben. Denn nicht ohne Zusammenstoß kommen Wellen zur Ruhe, die beständig gegeneinanderstehen, wie auch Löwe und Tiger die Nachbarschaft nicht lange aushalten. Wahrlich: Nicht gut fließen Ströme im gleichen Bett, denen ein entgegengesetzter Wirbel die Kraft raubt.
[5] (1) M a t t h ä u s : Seit dieser Zeit begann es einigen, nach einem Stückchen Herrschaft zu gelüsten. Daher rief der aus Karantanien zurückkehrende Graccus, da er die Gabe flüssiger Rede besaß, alle zu einer Versammlung zusammen, zieht aller Augen auf sich, erhascht aller Gunst und gewinnt die Gefolgschaft aller. (2) Lächerlich ist, so sagt er, ein verstümmeltes Tier, ein kopfloser Mensch. Dasselbe, was ein seelenloser Körper, eine Lampe ohne Licht, die Welt ohne Sonne, das ist ein Reich ohne König. Denn die Seele lehrt den Eifer der Tapferkeit, das Licht die umsichtige Erwägung der Dinge, die Sonne schließlich die wohltätigen Strahlen der Freigebigkeiten überallhin auszubreiten. Durch diese wird die Krone des königlichen Hauptes wie durch gewisse Edelsteine am geschmackvollsten geschmückt, damit an der Stirn die Seelengröße, am Hinterkopf die Umsicht, auf je einer Seite der Rubin der Lauterkeit in großem Maße hervorleuchte. Er verspricht, wenn sie ihn wählen, dann nicht als König, sondern als Teilhaber der Herrschaft, [denn] nicht für sich selbst, sondern für die ganze Welt glaubt er geboren zu sein.19
(3) Daraufhin wird er von allen als König laut begrüßt, setzt Recht, verkündet Gesetze. So also wurde der Inbegriff unseres Zivilrechts geboren und [dessen] Wesen gefasst. Denn vor dem hatte die Freiheit der Knechtschaft und die Billigkeit dem Unrecht zu dienen und es galt als Recht, was dem am meisten nützte, der am stärksten war. Wenngleich die Strenge der Gerechtigkeit damals nicht sogleich zu herrschen begann, so hörte sie dennoch von da an auf, der willkürlichen Gewalt zu unterliegen, und es wurde das Gerechtigkeit genannt, was dem am meisten nützt, der am schwächsten war. 20 (4) Daher hätte das von Graccus durch blühendste Erfolge vergrößerte Polen [gewiss] den würdigsten Nachkommen in der Nachfolge seiner Herrschaft angenommen, wenn den anderen seiner Söhne nicht das Verbrechen des Brudermordes entehrt hätte.
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Erat enim in cuiusdam speculi anfractibus monstrum atrocitatis inmanissime, quod quidam olophagum dici putant. 21 Huius uoracitati singulis eptadibus secundum dierum subputationem certus armentorum numerus debebatur, que nisi accole quasi quasdam uictimas obtulissent, humanis totidem capitibus a monstro plecterentur. 22 (5) Quam Graccus non ferens perniciem, ut erat clementior filius erga patriam quam pater erga filios, clam filiis accitis digerit propositum, pandit consilium. ,Inimica, inquit, sunt ignauia uirtuti, canitiei deliramentum, iuuentuti segnities. Non enim est uirtus que ignaua est, non canities que delira, non iuuentus que segnis. Immo fingenda est, etiam ubi nulla est exercende animositatis occasio. (6) Porro sponte se ingerentem gloriam quis umquam declinauerit nisi prorsus inglorius? at uero defensa uel conseruata ciuium salus eternales transcendit triumphos. Nec enim proprie indulgendum est saluti, quotiens de communi agitur discrimine. Vos itaque, uos, o mea precordia, quorum utrumque nostris educauimus uirtutibus, uos in monstri necem armari conuenit, uos in eius congressum preponi addecet non exponi, utpote nostre uite dimidium, quibus huius regni debetur successio.‘ (7) Ad hec illi: ,Immo priuignali, pater, odio uideremur toxicati, si tante nobis munus glorie inuidisses; penes te sit iubendi auctoritas, in nobis est obsequendi necessitas.‘23 Sepe igitur apertam uirorum audaciam, sepius nudos nequiquam experti uirium conatus, industrie tandem niti coguntur suffragio. Coria enim armentorum accenso plena sulphure loco solito pro armentis collocantur; que dum auidissime glutit olophagus, exalantibus intro flammis suffocatur. (8) Moxque minor tam uictorie quam regni non quasi consortem set emulum fratrem occupat ac trucidat. Cuius funus cocodrillinis prosequitur lacrimis, a monstro mentitur occisum; a patre tamen gratulanter quasi uictor excipitur. Sepe namque meror funeris gaudio uincitur uictorie. Sic iunior Graccus paterno succedit imperio, heres nepharius, set diutius fratricidio fuit sordidus quam imperio insignis. Nam paulo post dolo deprehenso piaculi deputatur supplicio, exilii perpetuitate dampnatus. 21 Plezia, Legenda o smoku (1971 [2001]), S. 254 –256 vermutet, dass Vincentius die nachfolgende Drachenlegende nach einer ähnlichen Drachenfabel gestaltet habe, die in orientalischen Versionen des Alexanderromans kursierte, von denen im 11.–12. Jahrhundert in Sizilien oder Spanien eine lateinische Übersetzung erstellt worden sei, die Vincentius während seines Studiums in Italien oder Frankreich kennengelernt haben könnte. 22 Vielleicht hatte Vincentius hier die Geschichte von Minotaurus vor Augen, dem regelmäßig sieben Jünglinge und Jungfrauen geopfert werden mussten; dass er die Geschichte (wohl aus Ovidi Metamorphoses 8, 159 ff.) kannte, verrät sein expliziter Hinweis auf das Daidalos-Labyrinth in Buch II, 17, 2. 23 Vgl. Decretum Gratiani 1. Teil, D. XXI, c. III, III: „In maioribus siquidem est regendi et iubendi potestas, in minoribus obsequendi necessistas.“
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Es lebte nämlich in den Windungen einer gewissen Höhle ein Ungeheuer von entsetzlichster Schrecklichkeit, das – wie einige meinen – einst Holophagus genannt wurde. 21 Der Gefräßigkeit desselben wurde jede Woche nach Berechnung der Tage eine bestimmte Anzahl von Rindern geschuldet; hätten diese die Einwohner nicht gleichsam wie Opfertiere dargebracht, wären sie von dem Ungeheuer an ebenso vielen menschlichen Häuptern gestraft worden. 22 (5) Das Unheil nicht ertragend entwirft Graccus, der ein rücksichtsvollerer Sohn gegenüber dem Vaterland als Vater gegenüber den Söhnen war, zusammen mit den herbeigerufenen Söhnen heimlich einen Plan und gibt seinen Entschluss kund: ,Feindlich sind der Tapferkeit die Feigheit, dem Alter die Albernheit, der Jugend die Trägheit. Denn es gibt keine Tapferkeit, die feige ist, kein Alter, das albern, keine Jugend, die träge ist. Ja man muss, wo sie fehlt, die Gelegenheit, den Ehrgeiz zu üben, geradezu erfinden. (6) Und wer würde aus eigenem Antrieb je ablehnen, sich Ruhm zu erwerben, außer ein gänzlich Unrühmlicher? Und in der Tat schreitet er durch die Verteidigung und Bewahrung des Wohls der Mitbürger hinüber zu ewigen Triumphzügen. Denn nicht dem eigenen Wohl gilt es sich hinzugeben, wenn aus Gefahr für die Öffentlichkeit gehandelt werden muss. Euch, euch, mein Herz, die wir euch beide nach unseren Tugenden erzogen haben, an euch ist es, sich zum Tod des Ungeheuers zu rüsten; euch ziemt es, den Kampf gegen dasselbe nicht auszusetzen, sondern vorzuziehen, seid ihr doch die Hälfte unseres Lebens, denen die Nachfolge in diesem Königreich gebührt.‘ (7) Darauf jene: ,Ja gewiss, durch stiefväterlichen Hass wären wir, Vater, vergiftet erschienen, wenn du uns einen so großen Ehrendienst geneidet hättest; in deiner Hand sei die Macht zu befehlen, in unserer die Notwendigkeit zu gehorchen.‘23 Nachdem sie also oft die ungeschützte Kühnheit der Männer, öfters noch ungeschützte Angriffsversuche vergeblich erprobt hatten, wurden sie schließlich gedrängt, Hilfe in einer List zu suchen. Anstelle der Rinder wurden nämlich an gewohntem Ort Häute von Rindern aufgestellt, die mit brennendem Schwefel gefüllt waren. Und als der Holophagus sie sehr gierig verschlingt, erstickt er durch die in ihm auflodernden Flammen. (8) Kurz darauf überfällt der Jüngere den Bruder, als wäre er nicht ein Gefährte im Sieg und im Königreich, sondern ein Feind, und ermordet ihn. Dessen Begräbnis begleitet er mit Krokodilstränen und lügt, er sei vom Ungeheuer getötet worden. Vom Vater aber wird er mit Glückwünschen als Sieger empfangen. Denn oft wird die Trauer um einen Todesfall durch die Freude über einen Sieg überwunden. So folgt denn der jüngere Graccus, der verruchte Erbe, in der väterlichen Herrschaft nach. Doch er war längere Zeit durch den Brudermord beschmutzt als durch die Herrschaft ausgezeichnet. Denn wenig später, nachdem der Betrug entdeckt worden war, wurde er zur Strafe der Gewalttat zu ewiger Verbannung verurteilt.
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[6] (1) JOHANNES: Nec enim lex iustior ulla est quam necis artifi ces arte perire sua.24
Set tam degenerem non sperabam surculum de tam generosa uitis propagine. Sepe tamen uua detumescit in acinum, sepe oleum uertitur in amurcam, sepe aurum degenerat in scoriam. (2) Quid igitur miri, si tristes habet exitus tristis ambitio? Que quanto est felicior, tanto miserior, quanto florentissimis uberior successibus, tanto atrocioribus proximior insidiis, quanto imperiosius aliis imperare studet, tanto subiectius aliorum seruituti addicitur. Ambitionis enim est omnes omnium ambire angulos, omnium auriculas lambere, ad omnium scabellum prosterni, donec quod appetit, utcumque assequatur. (3) Sunt autem quatuor cupiditatis filie: opum ingluuies, honorum ambitio, inanis glorie captatio, libidinis prurigo. Inter has natione celestis superbit ambitio ideoque humilium dedignata tuguria superborum et sublimium colla propria uirtute calcauit. (4) Que quantas habeat in se delicias, prunis subaccensis, mucrone superappenso Dionysius familiari suo quam familiarissime demonstrauit. 25 Set numquidnam inmortalia Gracci beneficia sic emori debuerant, ut nullum tanti patris supersit insigne? [7] (1) MATHEVS: Immo in scopulo olophagi mox fundata est urbs insignis a nomine Gracci dicta Graccouia, ut eterna Graccus uiueret memoria. Nec prius ab exequialibus cessatum est obsequiis, quam urbis consummatione clauderentur. Quam quidam a crocitatione coruorum, qui eo ad cadauer monstri confluxerant, Craccouiam dixerunt. (2) Tantus autem amor demortui principis senatum, proceres, uulgus omne deuinxerat, ut unicam eius uirgunculam, cuius nomen Vanda, patris imperio subrogarent. Que tam elegantia forme quam omnimoda gratiarum uenustate omnibus adeo prestabat, ut non largam set prodigam in eius dotibus naturam estimares. Nam et prudentum consultissimi eius astupebant consiliis et hostium atrocissimi ad eius mansuescebant aspectum. (3) Vnde quidam Lemannorum 26 tyrannus, dum proposito huius gentis populande grassaretur, dum quasi uacans rapere molitur imperium, inaudita quadam uirtute prius uincitur
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Ovidi Ars amatoria I, 655 – 656 (iustior = aequior). Vgl. Macrobii Commentarii I, 10, 16. 26 „Lemanni“ dürfte auf „Alemani“ zurückgehen und hier wie im Weiteren als Synonym für „Deutsche“ zu verstehen sein. 25
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[6] (1) J o h a n n e s : Denn nichts ist gerechter, als dass der Meister des Mordes durch eigene Kunst stirbt. 24
Aber ich habe von einem so edlen Weinstock nicht einen so entarteten Spross erwartet. Doch oft schrumpft die Weintraube zur Weinbeere, oft wird Öl in Ölschaum verwandelt, oft degeneriert Gold zu Schlacke. (2) Ist es also verwunderlich, wenn trauriger Ehrgeiz ein trauriges Ende findet? Je glücklicher dieser ist, desto elender ist er, je reicher an blütenreichen Erfolgen, desto näher ist er schrecklicheren Angriffen, je herrischer er andere zu beherrschen strebt, desto mehr wird er der Knechtschaft anderer preisgegeben. Denn das Wesen des Ehrgeizes ist es, alle nur möglichen Winkel aufzusuchen, alle Ohrläppchen zu lecken, sich vor jedem Schemel niederzuwerfen, bis er erreicht, wonach er strebt. (3) Die Begierde aber hat vier Töchter: die Gier nach Reichtümern, die Sucht nach Ämtern, den Griff nach eitlem Ruhm, den Trieb der Geilheit. Unter dieser himmlischen Sippschaft ist der Ehrgeiz übermütig, weshalb er, die Hütten der Schwachen verschmähend, die Häupter der Hochmütigen und Erhabenen durch die eigene Tugend mit Füßen tritt. (4) Welche große Wollust er in sich trägt, hat Dionysius seinen vertrautesten Freunden durch die unter ihm glühenden Kohlen und das über ihm hängende Schwert demonstriert. 25 Aber warum mussten denn die unsterblichen guten Taten des Graccus so rasch dahinsterben, dass von einem solchen Vater kein Wahrzeichen übrig geblieben ist? [7] (1) M a t t h ä u s : Nein, auf dem Felsen des Holophagus wurde bald darauf eine denkwürdige Stadt begründet und nach dem Namen des Graccus Graccovia [Krakau] genannt, damit Graccus durch ewiges Gedenken lebe. Und nicht eher wurde das Leichenbegängnis beendet, als die Stadt vollendet war. Diese nannten einige nach dem Krächzen der Raben, die bei ihr am Kadaver des Ungeheuers zusammenströmten, Craccovia. (2) So groß aber war die Liebe des Senats, der Vornehmen und des ganzen Volkes zu dem verstorbenen Fürsten, dass sie an dessen Stelle in die Herrschaft über das Vaterland sein einziges Töchterchen, dessen Name Wanda war, wählten. Diese übertraf alle anderen sowohl mit ihrer Schönheit wie mit dem vollkommenen Liebreiz ihrer Anmut so sehr, dass man meinen konnte, die Natur habe in ihr die Talente nicht freigebig, sondern verschwenderisch [vergeben]. Denn auch die Klügsten erstaunten über ihre reiflich überlegten Ratschläge und die schrecklichsten Feinde wurden bei ihrem Anblick zahm. (3) Als daher ein gewisser Tyrann der Deutschen 26 mit dem Vorsatz wütete, dieses Volk zu plündern, so als könnte er eine quasi vakante Herrschaft an sich reißen, wurde er eher durch eine unerhörte Wunderkraft als
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quam armis. Omnis enim exercitus eius mox ut reginam ex aduerso uidit, uelut quodam solis radio repente percellitur. Omnes uelut quodam iussu numinis animos hostiles exuti a prelio diuertunt, asserunt sacrilegium a se declinari non prelium, non hominem se uereri, set transhumanam in homine reuereri maiestatem. (4) Quorum rex, incertum est amoris an indignationis an utriusque saucius languore, ait: ,Vanda mari, Vanda terre, aeri Vanda imperet,
diis inmortalibus Vanda pro suis uictimet! Et ego pro uobis omnibus, proceres, sollempnem inferis hostiam deuoueo, ut tam uestra quam uestrarum successionum perpetuitas sub femineo consenescat imperio.‘ Dixit et exerto incumbens mucroni expirat 27 uitaque cum gemitu fugit indignata sub auras. 28
(5) Ab hac Wandalum flumen dicitur nomen sortitum, quod eius regni centrum extiterit; hinc omnes sunt Wandali dicti 29; qui eius subfuere imperiis. Que quia omnium spreuerat connubia immo quia connubio pretulerat celibatum, sine successore decessit diuque post ipsam sine rege claudicauit imperium.30 [8] (1) JOHANNES: Assyriorum regina Samiramis inmaturo filio regnum credere non audens, se filium simulat sexumque mentita regno uiri Ethiopiam adicit, Indis bellum infert, quo preter illam et Alexandrum Magnum nemo umquam intrauit.31 (2) Multe quoque alie non modo feminas set etiam uiros 32 uirtutibus antecessere. Ideoque non tam in femina uirilem admiror industriam, quam in uiris fidei spectate constantiam. Licet namque bonis uideatur moribus dissonum feminam principibus imperare, pietati tamen accedentius uisum est et paternis prolem iuuari meritis et mortuorum aput posteros non mori beneficia. (3) Cuius uirtutis species etiam Siculis exhibita est tyrannis; Anaxilaus enim rex Sicilie decedens paruulorum tutelam probatissime fidei seruo Micalo committit. Tantusque regis amor aput omnes fuit, ut parere seruo quam deserere regis filios
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Vgl. Ovidi Metamorphoses IV, 162–163. Vergilius, Aeneis 11, 831 und XII, 952 (auras = umbras). 29 Vgl. Gervase of Tilbury, Otia imperialia II, 7 (S. 244): „… Pollonia, sic dicta in eorum ydiomate, quasi Campania; que a Wandalo flumine suo terra dicitur, ut ab ipsis indigenis accepi, Wandalorum.“ 30 Vgl. Iustini Epitoma VI, 2, 5. 31 Iustini Epitoma I, 2, 9 –10. 32 Iustini Epitoma I, 2, 6. 28
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durch die Waffen besiegt. Denn sein ganzes Heer wurde, sobald es die Königin erblickte, wie durch einen Sonnenstrahl plötzlich zu Boden geschlagen. Gleichsam wie auf Befehl einer göttlichen Macht wurden alle ihrer feindlichen Gesinnung beraubt, ließen vom Kampf ab und behaupteten, nicht einem Kampf, sondern einem Sakrileg auszuweichen, indem sie nicht vor einem Menschen Ehrfurcht hätten, sondern in diesem Menschen eine übermenschliche Majestät fürchteten. (4) Ihr König aber, man weiß nicht, ob aus Liebe, aus Unmut oder beidem, sprach, von Erschöpfung verstimmt, ,Wanda möge über das Meer, Wanda über die Erde, Wanda über die Lüfte gebieten,
sie möge den unsterblichen Göttern zugunsten ihrer Leute opfern! Ich aber, ihr Vornehmen, opfere mich für euch alle als feierliches Opfertier den Göttern der Unterwelt, damit sowohl euer als auch eurer Nachkommenschaft Fortleben unter weiblicher Herrschaft alt werden möge.‘ Sprach’s, stürzte sich ins gezückte Schwert und starb27 und das Leben entschwand, aufstöhnend, voll Unmut in die Lüfte. 28
(5) Von dieser [Wanda], so heißt es, habe der Fluss Wandalus [Weichsel] seinen Namen erhalten, der zum Mittelpunkt des Königreiches wurde. Daher wurden alle, die ihren Befehlen unterstanden, Wandalen genannt. 29 Diese [Wanda] aber starb, da sie jeglichen Beischlaf verschmäht, ja die Ehelosigkeit der Ehe vorgezogen hatte, ohne Nachkommen, so dass nach ihr die Herrschaft ohne König längere Zeit auf schwachen Füßen stand.30 [8] (1) J o h a n n e s : Die Königin der Assyrer, Semiramis, die ihrem unreifen Sohn das Königreich nicht anzuvertrauen wagt, gibt sich selbst für den Sohn aus und fügt, männliches Geschlecht vortäuschend, dem Königreich Äthiopien hinzu, beginnt einen Krieg mit den Indern, bei denen außer ihr und Alexander dem Großen niemand jemals eingedrungen ist. 31 (2) Auch viele andere [Frauen] waren nicht nur Frauen, sondern auch Männern 32 in ihrer Tüchtigkeit überlegen. Und daher bewundere ich in der Frau nicht so sehr ihre männliche Energie, als in den Männern die Beständigkeit bewährter Treue. Denn obschon es mit den guten Sitten nicht im Einklang zu stehen scheint, dass eine Frau über Fürsten herrscht, scheint es doch dem Pflichtgefühl zuzukommen, dass sowohl das Kind durch die väterlichen Verdienste unterstützt wird als auch die Verdienste der Toten bei den Nachkommen nicht sterben. (3) Den Anschein einer solchen Tugend haben sogar die Tyrannen Siziliens geboten; denn Anaxilaus, der König Siziliens, vertraute, als er starb, die Vormundschaft über seine sehr kleinen Kinder dem in seiner Treue sehr erprobten Sklaven Micalus an. So groß war bei
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mallent, sueque obliti dignitatis regni per seruum administrari dignitatem principes paterentur.33 (4) Quid autem? In huiuscemodi nostri tempusculi tempestate fides non parit fidem, set si concipit prius abortit quam pariat, prius exspirat partus quam spirare incipiat. Sic ad pia fidei ubera genimina pendent uiperarum34, catuli sugunt perfidie, a quibus non modo amici, set et domini plus dolo coluntur quam fide; negotiatio autem est non amicitia que ad commoditates accedit. 35 [9] (1) MATHEVS: Huius quoque rei publice administratio humilibus nonnumquam et incertis cessit personis, nulla prorsus uel uulgi uel procerum sugillante inuidia, utpote quorum gloriosis etiam hodie gloriari delectet insignibus. (2) Nam cum famosus ille Alexander, cuius nuper meministi, uectigales ab eis exigere pensiones temptaret, aiunt legatis: ,Legati tantum estis, an alias regii census questores?‘ Qui respondent: ,Et legati sumus et questores.‘ Ad hec illi: ,Prius ergo, inquiunt, intemerata est legatis exhibenda religio, ut magnifice susceptos magnificis ueneremur donariis. Questoribus deinde questus exsoluatur censualis, debetur enim cesari, quod cesaris est 36 , ne lese criminemur maiestatis.‘ (3) Legatorum itaque precipui prius uiui exossantur, deinde cutes eorum corporibus exute partim auro partim alga farcinantur uilissima, humanaque pelle set inhumane uestitum metallum cum hac remittitur epistola: (4) ,Regi regum Alexandro imperatrix Polonia. Male aliis imperat, qui sibimet imperare non didicit. Neque enim gloria dignus est triumphali, de quo pompa cupiditatum triumphat. Tue siquidem sitis nullum est refrigerium, nullum temperamentum. Immo quia nusquam est tue cupiditatis modus, ubique tua mendicat paupertatis tenuitas. Licet tamen insatiabilem tue uoracitatis abyssum mundus satiare non possit, tuorum saltem utcunque refocillauimus esuriem. Nec te lateat locum apud nos non esse loculis, ideo 앚in앚37 presentiarum exeniola fidelissimis tuorum capsidibus sunt commissa. Polonos autem animi uirtute, corporis duritia non opibus censeri38 , non esse igitur ipsis, unde tanti regis, ne tante dicatur be-
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Iustini Epitoma IV, 2, 4 –5. Lk 3, 7. Senecae Ad Lucilium IX, 10 (commoditates = commodum). Vgl. Mt 22, 21. 앚…앚 Ergänzung von Plezia. Iustini Epitoma IX, 2, 9.
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allen die Liebe zum König, dass sie lieber einem Sklaven gehorchen als die Söhne des Königs im Stich lassen wollten. Und ihre Würde vergessend nahmen es die Anführer hin, dass das königliche Amt von einem Sklaven verwaltet wurde.33 (4) Was weiter? In unserer derart kurzlebigen, stürmischen Zeit erzeugt Treue nicht Treue, vielmehr wird sie, wo sie empfangen wird, eher abgetrieben als geboren, eher haucht das Ungeborene den Atem aus, als dass es zu atmen beginnt. So hängt an den liebevollen Mutterbrüsten der Treue die Brut der Giftschlangen34, saugen die Welpen der Untreue, von denen nicht nur die Freunde, sondern auch die Herren öfter mit Arglist als mit Treue verehrt werden. Nicht Freundschaft, sondern Geschäftemacherei ist es, die auf ihren Vorteil ausgeht. 35 [9] (1) M a t t h ä u s : Auch die Leitung dieses [unseres] Gemeinwesens fiel gelegentlich niedrigeren und unsicheren Personen zu, aber weder vom Volk noch von den Vornehmen wurden sie in Missgunst verhöhnt, ja noch heute sind sie stolz auf ihre ruhmvollen Ehrenzeichen. (2) Als etwa jener berühmte Alexander, an den du vor kurzem erinnert hast, von ihnen Steuerzahlungen einzutreiben versuchte, sprachen sie zu [seinen] Gesandten: ,Seid ihr nur Gesandte oder etwa auch Quästoren der königlichen Steuer?‘ Sie antworten: ,Wir sind sowohl Gesandte als auch Quästoren.‘ Darauf sagen jene: ,Also ist den Gesandten zunächst ehrliche Ehrfurcht zu erweisen und so wollen wir die Gäste mit prächtigen Geschenken prächtig ehren. Dann muss den Quästoren der Steuergewinn bezahlt werden, damit wir nicht wegen Majestätsbeleidigung verklagt werden – denn was des Kaisers ist, gebührt dem Kaiser.‘36 (3) Daher nahmen sie dem Anführer der Gesandten zunächst bei lebendigem Leibe die Knochen heraus, dann wurden die von ihren Körpern abgerissenen Häute teilweise mit Geld teilweise mit wertlosestem Meergras ausgestopft und diese Schätze in menschlicher Haut, aber unmenschlichem Gewand mit folgendem Brief zurückgesandt: (4) ,Dem König der Könige, Alexander, die königliche Herrscherin Polen. Schlecht befiehlt anderen, wer sich selbst zu befehlen nicht gelernt hat. Denn des Siegesruhmes ist der nicht würdig, über den die Hoffart der Begierden triumphiert. Denn deine Begierde findet keine Ruhe, kein Maß. Ja, weil deine Sucht nirgends eine Grenze hat, bettelt die Armseligkeit deiner Armut überall. Auch wenn die Welt den unersättlichen Höllenschlund deiner Gefräßigkeit nicht stillen kann, haben wir wenigstens vielleicht den Hunger der deinen getröstet. Es möge dir nicht verborgen sein, dass es bei uns keine Geldbeutel gibt; deshalb sind den 37 Jagdtaschen deiner Treuesten heute [diese] kleinen Gastgeschenke anvertraut worden. Die Polen nämlich sind nach der Tugend ihrer Gesinnung, der Härte ihres Körpers, nicht nach ihren Reichtümern zu schätzen.38 Es ist also nicht an ihnen, die rasende
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lue, rabidissima expleri possit ingluuies; habundare tamen eos strennue iuuentutis thesauris non dubites, quibus tua non sopiri quidem set tecum prorsus extingui possit auiditas.‘ (5) ,Ocius, inquit Alexander, ocius ad nos usque pertrahantur tanti commentores flagitii, exquisitissimis ocius plectantur suppliciis. Immo stirpitus eos eradicari conuenit, stirpitus ne aliis ausum pariat temeritatis inpunitas.‘ Quotquot igitur ad propulsandas proficiscuntur iniurias, prelio commisso aut cadunt aut occidunt. Inter quos regum quidam uinculis mancipantur. Hiis auditis Alexander: ,Multum, inquit, sibi adicit uirtus lacessita.39 (6) Nunc tandem dignum est, ut mee indignationis uirga uisitentur.‘ Perinfinitis itaque hostium copiis undiqueuersum Poloniam irrumpentibus ipse preambula Pannoniorum obsequela per posticum ingreditur Morauie, alas exercituum expandit, uictoriosisque Cracouie ac Silencii subactis prouinciis perpetui operis menia solo prosternit, redigit in fauillam, sulco discissas urbes iubet sale conspergi. (7) Hinc dum ulteriores aggreditur prouincias, omnium armis inuictus, simplicis astu homuncioli conficitur. Omnibus enim de salute desperantibus, quidam aurificii arte preditus galearum et clipeorum formas ex quouis ligno seu subere precipit effingi, quarum quasdam litargiro, felle alias superlinit. Litargirea enim argentea, felle uero tincta uidentur aurea 40 , easque ex opposito solis, quo magis resplendeant, in celso montis erigit cacumine. (8) Quibus argiraspide inuictus Alexandri exercitus uisis41, acies ordinatissimas eminere suspicantur. Itaque precipites a castris euolant, passim discurrunt, hostes hincinde queritant, quos putant diffugio dilapsos. Illas namque armorum umbras ille ingenii artifex dudum flammis iniecerat, ne ullum doli deprehendi posset uestigium. Iusseratque non paruam robustorum manum in insidiis delitescere. Proinde prima discurrentium portio incaute in insidias incidit, occupatur, prosternitur. (9) Occisorumque armis uictores indusiantur, se argiraspidarum socios simulant et quotquot
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Senecae Ad Lucilium XIII, 2. Aristoteles, De sophisticis elenchis S. 5, Z. 13 –14. Vgl. Iustini Epitoma XIV, 2, 6.
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Völlerei eines so großen Königs, um nicht zu sagen, eines so großen Untiers, zu befriedigen. Du mögest aber nicht daran zweifeln, dass sie die Schätze einer entschlossenen Jugend im Überfluss haben, durch die deine Gier gewiss betäubt, wenn nicht zusammen mit dir vernichtet werden könnte.‘ (5) ,Schnell – sagt Alexander – schnell mögen die Urheber einer so großen Schandtat zu uns herangeschleppt werden; sie mögen mit den ausgesuchtesten Torturen rasch bestraft werden. Ja, es schickt sich, sie mit Stumpf und Stiel zu vertilgen, mit Stumpf und Stiel, damit die Straflosigkeit dieser Vermessenheit nicht andere zu einem [ähnlichen] Wagnis anstiftet.‘ Wie viele auch immer daher loszogen, die Beleidigungen zurückzuweisen, sie starben oder gingen zugrunde, sobald sie die Schlacht eröffneten. Die Könige unter ihnen wurden in Fesseln gefangen gehalten. Als Alexander davon hörte, sagte er: ,Sehr vermehrt sich die [zum Kampf] herausgeforderte Tapferkeit.39 (6) Nun ziemt es sich endlich, dass sie von der Peitsche meines Zornes aufgesucht wird.‘ Als daher die ungezählten Truppen der Feinde nach allen Seiten in Polen einfielen, breitete er, nachdem er selber mit der vorhergehenden Willfährigkeit der Pannonier durch die Hintertür Mähren betreten hatte, die Flügel seiner Truppen aus und unterwarf siegreich die Provinzen Krakau und Schlesien, riss die Mauern der ewigen Befestigungswerke zu Boden, verwandelte sie in Asche und befahl, die zerstörten Städte mit Salz zu bestreuen. (7) Als er durch keine Waffen besiegt weitere Provinzen angriff, wurde er durch die Hinterlist eines kleinen Männleins niedergeworfen. Als nämlich alle [bereits] an der Rettung verzweifelten, ordnete ein gewisser mit der Goldschmiedekunst begabter [Mann] an, die Formen von Helmen und Schilden aus beliebigem Holz oder aus Rinde nachzubilden. Von ihnen überstrich er die einen mit Silberglätte, die anderen mit Galle. Die mit Silberglätte gefärbten erschienen wie aus Silber, die mit Galle wie aus Gold40 und er stellte sie auf dem hohen Gipfel des Berges auf, wo sie im Gegenlicht der Sonne besser zurückstrahlten. (8) Als sie von den Argyraspiden [Silberschildträgern], den unbesiegten Truppen des Alexander, erblickt werden41, vermuten diese, dass [dort] die geordnetsten Schlachtreihen emporragen. Daher stürzen sie kopfüber aus ihren Lagern, laufen in alle Richtungen auseinander und suchen da und dort die Feinde, von denen sie glauben, dass sie sich in der Flucht zerstreut hätten. Aber der Urheber der List hatte jene Waffenattrappen längst den Flammen übergeben, damit keine Spur des Betruges entdeckt werde. Und er befahl, dass sich eine nicht kleine Schar kräftiger [Männer] in Hinterhalten verbergen möge. Also gerät ein erster Teil der Umherlaufenden unbekümmert in die Hinterhalte, wird ergriffen und niedergestreckt. (9) Die Sieger aber werfen sich die Tuniken der Getöteten über und geben vor, Kameraden der Argyraspiden
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ex argiraspidis eis iunguntur, in ore gladii absorbentur, ne unus quidem ex eis remansit. Cuius fiducia successus sub argiraspidarum simulatione Alexandri castra ingrediuntur insignia preferentes uictorie. (10) Credunt Alexandrite suos de hostibus triumphasse, eminus presalutant uenientes, aggratulantur, affauent quasi sociorum triumpho. Igitur inermes a Polonis obruuntur et inprouidi, inter prelium argiraspidica Lechite signa proclamant, nuntiatur regi non hostium impetus set inter suos seditionis tumultus. (11) Quem cum increbrescere uideret non sedari, hostiles turmas coadunat, suis se credens argiraspidis ferre subsidium. Set in seditionem uersi plures mutuis quam hostilibus concidere uulneribus. Vix tandem dolo deprehenso cum perpaucis Alexander euasit inglorius. Sic cessauit exactor, quieuit tributum. [10] (1) JOHANNES: Rem miram set fidei plenam!42 Est enim liber epistolarum Alexandri CCtas pene continens epistolas, in quarum una scribit Aristotili in hunc modum:43 ,Ne de nostro statu te semper sollicitum dubia suspendat hesitatio, noueris nos aput Lechitas peramplissime prosperari. Est autem urbs famosa Lechitarum, septemtrionali Pannonie lateri coniunctissima, quam Caraucas44 dicunt, plus uiris quam opibus, plus arte quam situ munitissima; de hac et contiguis pro uoto triumphauimus.‘ In ea uero quam scribit Aristotiles sic habetur: (2) ,Fama est de Caraucis Lechitarum te cum tuis triumphasse; set huiusmodi gloria triumphi tuis utinam titulis numquam accessisset. Ex quo enim tributum ignominie tuorum infusum est intestinis, ex quo Lechiticos expertus es argiraspidas, tui rutilantia solis aput multos deferbuit; immo tui uisum est imperii nutasse diadema.‘ (3) Quod, ut uere uerum fatear, de quibusnam hoc diceret, nisi tue narrationis beneficio usque hodie non intellexeram. Set stupenda prorsus uirorum audacia! nam etsi lacessitus, non adeo tamen lesus fuit Alexander Corinthiorum iniuria. Cui dum alie ciuitates aperirent aditum, prima Corinthus clausit ab eo portas. Cui scripsit Alexander: Si sapitis, ualebitis,
42 Timaeus. A Calcidio translatus 20d / S. 12, Z. 8: „… miram quidem sed plenam fidei ueritatisque rem …“ 43 Obwohl Iuli Valeri Res Gestae Alexandri einen apokryphen Briefwechsel zwischen Alexander und Aristoteles überliefert, ist der nachfolgende Brief eine Erfindung des Chronisten. 44 Das als Krakau deutbare Caraucas in der ältesten Handschrift (E); in anderen Handschriften: Carant(h)as [so in der Edition Bielowskis], Carant(h)es, Carancas, Carenthes, Carentas; schon in einer Papierhandschrift des 17. Jahrhunderts fi ndet sich über „Carantes“ die Erklärung „Gracoviensem“.
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zu sein. Und wie viele der Argyraspiden auch immer mit ihnen zusammenkommen, sie werden von der Mündung des Schwertes verschlungen und nicht einer von ihnen ist übrig geblieben. Mit dem Selbstvertrauen dieses Erfolges betreten sie, sich als Argyraspiden ausgebend und die Zeichen des Sieges vorantragend, Alexanders Lager. (10) Die Alexandriner glauben, dass die ihrigen über die Feinde triumphiert hätten, begrüßen aus der Ferne die Ankommenden, beglückwünschen sie und applaudieren gleichsam dem Triumph der [eigenen] Kameraden. So werden sie unbewaffnet und ahnungslos von den Polen vernichtet und da die Lechiten [Polen] während der Schlacht den Schlachtruf der Argyraspiden rufen, wird dem König nicht von einem feindlichen Überfall, sondern von Aufstandsunruhen in den eigenen Reihen berichtet. (11) Als dieser sah, dass sich [die Lage] nicht beruhigte, sondern verschärfte, sammelt er die feindlichen Scharen, die er für die eigenen Argyraspiden hielt, damit sie Hilfe bringen. Aber zum Aufruhr gewendet kommen [von Alexanders Leuten] mehr durch gegenseitige als durch feindliche Verletzungen um. Erst als er schließlich die List erkannte, entkam Alexander mit sehr wenigen Leuten ruhmlos. So ließ der Eintreiber ab, um den Tribut wurde es still. [10] (1) J o h a n n e s : Eine erstaunliche, aber glaubwürdige Geschichte.42 Denn es gibt eine Briefsammlung von Alexander, in der ungefähr 200 Briefe enthalten sind. In einem von ihnen schreibt Alexander an Aristoteles in folgender Weise:43 ,Damit dich, der du fortwährend um meine Lage besorgt bist, das Stocken [meiner Mitteilungen] nicht beunruhigt, mögest du wissen, dass uns bei den Lechiten [alles] auf das Beste geglückt ist. Denn es gibt eine berühmte Stadt der Lechiten, die nördlich von Pannonien liegt, die sie Caraucas [Krakau]44 nennen. Sie ist eher [reich] an Männern denn an Reichtümern, mehr durch Geschicklichkeit als durch ihre Lage sehr geschützt. Über sie und die benachbarten [Orte] haben wir nach Wunsch einen großen Triumph gefeiert.‘ In dem aber, was Aristoteles schreibt, ist Folgendes enthalten: (2) ,Es geht das Gerücht, dass du mit den deinen über das Carauca der Lechiten triumphiert hast. Doch wäre der Ruhm eines derartigen Sieges doch niemals zu deinem Ehrennamen hinzugekommen! Denn seitdem der schändliche Tribut in die Eingeweide der deinen gegossen worden ist, seitdem du die Lechiten als Argyraspiden erfahren hast, ist der Glanz deiner Sonne bei vielen verglüht, ja scheint die Krone deiner Herrschaft zu wackeln.‘ (3) Um ehrlich zu sein, wäre nicht die Wohltat deiner Erzählung, ich wüsste bis heute nicht, von wem hier erzählt würde. Aber wie erstaunlich ist auch die Verwegenheit [dieser] Männer. Denn obschon herausgefordert, war Alexander doch [selbst] durch die Beleidigung der Korinther nicht so gekränkt worden. [Denn] während andere Städte ihm den Zutritt öffneten,
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sin autem, non. Illi autem sagminum non inspecta reuerentia nuntios eius cruci affi xerunt.45 (4) Nec uero minus uiri tam subtile mirandum artificium, quo tam aduertens ingeniorum artifex potuit circumscribi. Non nimis enim dissimiliter Darii copias idem Alexander elusit, quibus dum suos longe uideret dispares, iussit alligari ramos caudis et cornibus bouum, ut etiam silue ipsum comitari uiderentur.46 [11] (1) MATHEUS: Ideo ille tam saluberrime magister artis patrie quam saluauerat princeps constituitur. Nec multo post uirtutum coadiutus meritis regie dignitatis celsitudine insignitur, dictusque Lestco id est astutus, quia astu plures hostium confecerit quam uiribus. [12] (1) JOHANNES: Nemo fontium scaturigines in imo stupet, nemo cedros in conuallibus admiratur. Set nec ego admiratione dignam duco in humili uirtutem. Omnium enim est nutrix uirtutum humilitas, set eas in humilibus sepius reprimi solere 앚uideo앚47 quam repremiari. Quippe: quid uirtus humilis? Sol apud antipodes; rutilare tamen non desinit aput eos, quos animi generositas lippire non sustinet. (2) Vnde etiam Sostenes licet ignobilis dux factus est Macedonum; hic enim Gallos exultantes uictoria compescuit, hic Macedoniam ab eorum populatione defendit. Ob que beneficia multis nobilibus regnum Macedonie affectantibus ignobilis ipse preponitur. Qui cum rex ab exercitu appellaretur, ipse milites non in nomen regis set in nomen ducis iurare compellit48 , quo in facto inuidiam potentie declinauit, non apicem dignitatis depressit. [13] (1) MATHEUS: Fuit et alius post hunc eiusdem nominis princeps, set alio pacto Lestco nuncupatus. Orbata namque rege Polonia, dum de regis successione contenderent, seditionis pene obruitur tempestate, singulis primorum tyrannidem occupare ambientibus. Diuque non sine periculo ea conflictatione agitati, eligendi tandem censuram principis priuatorum
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Iuli Valeri Res Gestae Alexandri I, 35 (cruci affi xerunt = crucibus adfi xere); zum Begriff „sagmen“ CIC Dig 1, 8, 1, 8: „Sakrosankt kommt von sagmina, den heiligen Gräsern; diese sagmina sind bestimmte Kräuter, welche die Gesandten Roms bei sich zu führen pflegten, damit niemand sie verletzte.“ 46 Vgl. Iuli Valeri Res Gestae Alexandri II, 13. 47 앚…앚 Ergänzung von Plezia. 48 Iustini Epitoma XXIV, 5, 12–14 (appellaretur = appellatus; compellit = conpulit).
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schloss erst Korinth vor ihm die Tore. Diesem schrieb Alexander: ,Wenn ihr vernünftig seid, werdet ihr wohlauf sein, andernfalls nicht.‘ Jene aber erwiesen den heiligen Gräsern keine Achtung und kreuzigten seine Gesandten.45 (4) Aber nicht weniger bewundernswert ist die scharfsinnige List [jenes] Mannes, durch den ein solcher Meister jeglicher Kunstgriffe getäuscht werden konnte. Denn kaum anders hat derselbe Alexander die Truppen des Darius [III.] verhöhnt, als er sah, dass diese den seinen weit überlegen waren; er befahl, Äste an die Schwänze und Hörner der Rinder zu binden, damit es so aussähe, als würden ihn selbst die Wälder begleiten.46 [11] (1) M a t t h ä u s : Daher wurde jener Meister der so äußerst nützlichen Kunst zum Führer des Vaterlandes erhoben, das er gerettet hatte. Wenig später wurde er dank der Verdienste seiner Tugenden mit der Hoheit der königlichen Würde versehen und Lestek genannt, d. h. der Listige; denn mehr mit List als mit Stärke hat er die Feinde besiegt. [12] (1) J o h a n n e s : Niemand bestaunt die Sprudelwasser der Quellen im Innern [der Erde], niemand bewundert die Zedern in den Tälern. Und auch ich meine, dass die Tugend bei einem bescheidenen [Menschen] nicht der Bewunderung wert ist. Denn die Erzieherin aller Tugenden ist die Demut, aber ich sehe 47, dass sie bei bescheidenen [Menschen] öfter zurückgedrängt als belohnt zu werden pflegt. Wahrlich: Was ist Tugend bei einem bescheidenen [Menschen]? Eine Sonne vor den Antipoden; [diese] hört aber bei jenen nicht auf, wie Gold zu funkeln, die die Hochherzigkeit der Gesinnung nicht von der Verblendung abhält. (2) Daher wurde auch Sosthenes, obwohl er von niederer Herkunft war, zum Führer der Makedonier gemacht. Dieser hat die Gallier, die durch ihren Sieg maßlos geworden waren, gebändigt, hat Makedonien vor der Plünderung durch sie bewahrt. Wegen dieser Wohltaten wurde selbst ein niedrig Geborener, obgleich viele Adlige nach der Herrschaft über Makedonien strebten, an die Spitze gestellt. Dieser drängte, als er von den Truppen König genannt wurde, selbst die Krieger, [ihm] nicht als König, sondern als Heerführer zu schwören.48 Dadurch hat er den Hass vor der Macht vermieden, aber nicht die hohe Würde des Amtes erniedrigt. [13] (1) M a t t h ä u s : Nach diesem [Lestek] gab es noch einen anderen Fürsten gleichen Namens, der aber aus anderem Beschluss Lestek genannt wurde. Denn Polen, des Königs beraubt, wurde, während man sich um die Nachfolge des Königs bemühte, beinahe durch den Sturm des Aufruhrs vernichtet, da einzelne angesehenste Männer danach trachteten, sich einer tyrannischen Herrschaft zu bemächtigen. Und da sie durch diesen Zwist nicht ohne Gefahr längere Zeit beunruhigt wurden, übertrugen sie die
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deferunt arbitrio, utpote quorum insuspecta uideretur simplicitas et a quibus longe relegata esset omnis ambitio. (2) Seque iure iurando utrique obstringunt: eligentes quidem, ne fauore personali declinent, ne deuio emolumenti exorbitent, ne atrocioris metu potentie distorqueantur ab eo quod publicis perspexerint commodis expedire, reliqui uero, ne cui ab eligentium liceat arbitrio discedere. (3) Et quoniam non facile se offert discordantium uotorum concordia, multis quidem deliberatum, set perpauculis 앚est앚49 responsum. Vitis, inquiunt, propagatissima petulantibus et maculosis equorum calcibus exteritur: uitis hoc regnum est, equi effrenes uestra elatio, in qua quot affectionum sunt contrarietates tot macule. Eligatur ergo stadium, figatur meta et cuius equus maculis distinctior primus omnium metam contigerit, regem eum debere censeri. (4) Conueniunt singuli, affauent uniuersi, stat fi xa omnium sententia, set executio procrastinatur sententie. Videre uideor horum studia, illorum sollertiam, preexercitamina currentium, uota diuersorum. Porro expertissime agilitatis plerisque fidentibus, quidam occulta ingenii nititur uersutia, artis ope fretus Vulcanie. Omnem namque stadii planitiem ferreis conserit oxigonis, modica intercapedinis semita cautis annotationibus distincta, ut dum alios claui oxigonorum a cursu prepedirent, ipse per semitam expeditior cursus brauio potiretur. (5) Set dolus arsque doli uincitur arte dolo. Duo enim fortuna tenues condicione humillimi iuuenes de pedum celeritate altercantur, certa pignoris quantitate se obligant, ut uictus celeriorem nunquam nisi regis nomine audeat salutare. Cumque inuicem colludio iocarentur, decet, inquiunt, ut pro nostre corona uictorie in campo regii certaminis decertemus. (6) Hic in primo consistunt et subsident inpetu, aculeis ossetenus plantas confi xi. Qui post longam oxigonorum admirationem astum coniciunt, dolum semite deprehendunt, quam eisdem conserunt insidiis, omni prorsus dissimulata notitia. Et quia, ut assolet, insperate
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앚…앚 Ergänzung von Plezia.
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Wahl des Fürsten schließlich dem Urteil der einfachen Leute, nämlich solchen, deren Einfachheit unzweifelhaft erschien und denen jegliche Ambition weit fernlag. (2) Und beide verpflichteten sich eidlich: die Wähler, dass sie nicht jemanden durch persönliche Begünstigung bevorzugen, nicht um des [eigenen] Vorteils willen vom rechten Weg abweichen, nicht aus Furcht vor einer härteren Macht von dem weggezerrt werden, was sie als öffentliches Wohl erkennen; die anderen aber, dass es keinem erlaubt sei, vom Urteil der Wähler abzugehen. (3) Und weil sich die Eintracht widerstreitender Wünsche nicht leicht einstellt, stellte man zwar viele Überlegungen an, doch fand man49 nur eine sehr kurze Antwort: Ein ausgedehnter Weinstock, sagen sie, wird durch die beschmutzten und zügellosen Hufe der Pferde zertreten: Dieser Weinstock ist das Königreich, die ungezügelten Pferde euer Übermut, in dem so viele Schandflecken sind wie gegensätzliche Bestrebungen. Es möge folglich eine Rennbahn ausgewählt und ein Ziel festgelegt werden; und wessen scheckiges Pferd von allen als erstes das Ziel erreicht, den soll man zum König erheben. (4) Alle kommen zusammen, alle stimmen zu, der Beschluss aller steht fest, doch die Ausführung des Beschlusses wird aufgeschoben. Mir scheint, als sähe ich den Eifer dieser, die Schlauheit jener, die Vorübungen der Läufer, die Gelübde der verschiedenen [Teilnehmer]. Und während die meisten äußerst erfahren ihrer Schnelligkeit vertrauen, verlässt sich einer auf die verborgene List eines Einfalls und vertraut auf die Hilfe der Kunst des Vulcanus. Denn er besät die ganze Fläche der Rennbahn mit spitzwinkligen Dreiecken aus Eisen, wobei er durch vorsichtige Hinweise einen schmalen freien Pfad markiert, damit, während die anderen durch die Nägel der spitzwinkligen Dreiecke vom Lauf abgehalten werden, er selbst über den Pfad ungehinderter den Siegpreis des Laufes erlangen könnte. (5) Doch werden Betrug und Kunst der Täuschung durch die Kunst der Täuschung gewöhnlich besiegt. Denn zwei der Herkunft nach einfache, im Stand niedrigste junge Männer stritten um die Schnelligkeit der Füße. Sie verpfl ichten sich bei einer bestimmten Pfandsumme, dass der Unterlegene den Schnelleren niemals anders als mit dem Namen eines Königs begrüßen wolle. Und als sie in geheimem Einverständnis wechselweise scherzten, sprachen sie: ,Es ziemt sich, dass wir für die Krone unseres Sieges auf dem Feld des königlichen Wettkampfs bis zur Entscheidung kämpfen mögen.‘ (6) Da bleiben sie im ersten Ansturm stehen und setzen sich nieder, die Fußsohlen von den Stacheln bis auf die Knochen durchbohrt. Als sie nach langem Staunen die Finte der spitzwinkeligen Dreiecke erkennen, entdecken sie [auch] den Betrug mit dem Pfad, den sie mit den gleichen Hinterhalten besäen, alles Wissen gleichsam verbergend. Und weil, wie üblich, oft die Gelegenheit das
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appetitum rei sepe suggerit occasio, uterque ambitum concipit, uterque suam secum uersat industriam. (7) Adest dies edicti, considet sacri senatus reuerentia, astat spectata procerum uenustas, iuuenum arridet uernantia. Inter ceteros immo pre ceteris ille doli magister semite fidi subsidio, set et cursorum alter spe non citerior qui omnem equi calcem ferreo muniuerat subtemine. Nam reliquus non longe a turba non solum exceptus, set etiam auersus tacita meditatur suspiria. (8) Primo itaque et iterato et tertio dato signo omnes ex directo prosiliunt, ille transuerso rapitur cursu non sine quodam uulgi ridiculo. Cumque omnes oxigonorum inuoluuntur periculis, ille longi anfractus emenso circuitu, mete tandem accelerat, quam socius eius ante ipsum occupat et rex omine infaustissimo salutatur. (9) Lesa enim uniuersitas ut equi uidit ferramina, eum dixit esse doli auctorem et quia dolus nulli patrocinatur, ultimis affectus suppliciis membratim discerpitur; ille uero uulgo ridiculus iudicio magistratus regnum adipiscitur. [14] (1) JOHANNES: Si latet, ars prodest, confert deprensa pudorem 50; Alter honoris onus fert sepius, alter honorem.
Set o regem transfelicem, qui dum creatur momento fit perpetuus, perpetuo momentaneus! O magne uigilantie principem, cuius oculus sompnum in principatu non uidit!51 Sed malim certe ut ridiculo sim serius quam serio ridiculus. Non sine cachinno quidem hinnitu tamen equi regnum Darius acquirit.52 (2) Stratonis quoque licet a multis derisa profuit subtilitas. Serui namque Tyriorum factiose conspirant, dominos cum liberis omnes occidunt, lares dominorum occupant, regem inter se creare intendunt, eum scilicet qui solem orientem primus uidisset. (3) Vnus ex seruis domino suo iam seni et filio eius paruulo pepercerat, a quo seruus informatus, cum omnes in campum unum processissent, ceteris orientem spectantibus, solus
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Ovidi Ars amatoria II, 313. Vgl. Macrobii Saturnalia II, 3, 6 (principatu = consulatu); Ciceronis Epistularum ad familiares VII, 30, 1. 52 Vgl. Iustini Epitoma I, 10, 6 – 8. 51
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Verlangen nach Besitz weckt, steigt in beiden der Ehrgeiz auf, bewegt jeder von ihnen seinen Eifer hin und her. (7) Es kommt der angesagte Tag, der ehrwürdige Senat nimmt Platz, die geschätzte Anmut der Vornehmen steht da, es lächelt die Frühlingsblüte der jungen Männer. Unter den Übrigen, eigentlich vor den Übrigen vertraut jener Meister der Täuschung auf die Hilfe des Pfades, aber auch ein zweiter Wettläufer steht in der Hoffnung nicht zurück, da er die Hufe des Pferdes durch einen eisernen Umschlag geschützt hat. Ein weiterer [Läufer], der unweit der Menge nicht nur herausgenommen, sondern auch abgewandt steht, denkt mit leisen Seufzern nach. (8) Und nachdem das erste, das zweite und dritte Zeichen gegeben ist, stürmen alle in gerader Richtung los, jener [aber] schlägt nicht ohne Gelächter der Menge eine Querbahn ein. Und während alle von den Gefahren der spitzwinkeligen Dreiecke eingehüllt werden, durchmisst er die langen Biegungen und eilt schließlich dem Ziel entgegen. Dieses [aber] erreicht sein Gefährte vor ihm, der [daraufhin] mit dem unheilvollsten Vorzeichen als König begrüßt wird. (9) Denn als die beleidigte Menge die Eisenbeschläge des Pferdes sah, gab er zu, dass er der Urheber der Täuschung sei. Und da niemand Täuschung verteidigt, wurde ihm die äußerste Strafe der Vierteilung zuteil. Jener [andere] aber, der von der Menge belächelt worden war, erlangte durch das Urteil des Magistrats das Königreich. [14] (1) J o h a n n e s : Ein Kunstgriff nutzt nur, wenn er verborgen bleibt, entdeckt bringt er Schande50; Ein anderer trägt die Last der Ehre, ein anderer öfters die Ehre selbst davon.
Oh, du König eines flüchtigen Glücks, der, während er gewählt wird, im Augenblick verewigt wird, doch auf ewig augenblicklich bleibt! Oh, du überaus wachsamer Fürst, dessen Auge in der Herrschaft keinen Schlaf gesehen hat!51 Wahrlich, ich wollte gewiss lieber aus einem Lächerlichen zu einem Ernsthaften anstatt aus einem Ernsthaften zu einem Lächerlichen werden. Darius [I.] jedenfalls gewinnt die Königsherrschaft nicht ohne lautes Gelächter durch das Wiehern eines Pferdes. 52 (2) Auch der Scharfsinn des Strato, obwohl von vielen verlacht, war nützlich. Denn die Sklaven der Tyrier verschwören sich verräterisch, töten sämtliche Herren mit ihren Kindern, besetzen die Häuser ihrer Herren und beabsichtigen, unter sich einen König zu wählen, und zwar denjenigen, der die Sonne im Osten als Erster sehen würde. (3) Einer der Sklaven hatte seinen Herrn, der bereits ein Greis war, und dessen kleinen Sohn verschont; von diesem belehrt, schaut er, als alle auf einem Feld zusammengekommen waren und alle übri-
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occidentem intuetur. Aliis ridiculum, nonnullis uideri furor solis ortum in occidente querere. Vbi autem primo diescere cepit, hic primus fulgorem solis in summo ciuitatis fastigio ostendit. (4) Tunc intellectum est quantum ingenua seruilibus ingenia prestarent. Itaque dominum eius Stratonem regem creant: post quem ad filium, deinde ad nepotes eius regnum deuoluitur.53 Adeo sub quodam simplicitatis palliolo elegit delitescere prudentia, cum semper sit inimica uirtuti ostentatio. [15] (1) MATHEVS: Huic uero tantum animositatis exercende fuit studium, ut plerisque hostium robustissimis singulares indixerit conflictus, a quibus non solum uitam set et regna et fortunas extorsit. Cui dum hostis deerat extraneus, suos aut contra se aut ininuicem dimicaturos premiis inuitabat. Tantaque fuit illi prodigalitas in omnes, ut sibi mallet ex uirtute nasci egestatem, quam ex tenacitate abundantiam, ut se prius egere pateretur, quam egenis denegare subsidia, uel bene merentibus non dependere stipendia. (2) Nec defuit illi soror honestatis, amica prudentie sobrietas; huius enim mense huius conuiuiis hec habita est circumspectio, ut nec ultra quam natura iussit, nec citra quam honestas imperauit, aut exigi liceret aut inpendi; sollertior illi cura plus animi placere dotibus quam corporis. In quo illud inter ceteras uirtutes enituit humilitatis insigne. Quotiens namque regalibus eum insigniri regia, ut assolet, poposcisset dignitas, originarie non immemor condicionis in habitu sordido prius orchestram conscendit, regalium ornatum scabello pedum supprimens, subinde regiis decussatus insignibus scabello insedit, illis extreme paupertatis panniculis in supremo orchestre suggestu reuerentissime collocatis. [16] (1) JOHANNES: Ex hoc sane perdocuit regem plus humilitate decorum quam purpura conspicuum, immo nec hominem censeri nedum principem, quem a beluis non secernit humilitas. Vnde Grecis diu fuit sollempne, ut qua hora sufficiebatur imperator, in exciso locaretur mauseolo, priusquam in imperiali trono consedisset. (2) Cuidam etiam regum inter epulas astans crebro suggerebat paruulus: ,Sire, tu moras‘, quod interpreta-
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Die ganze Geschichte von den Sklaven der Tyrier teils wörtlich aus Iustini Epitoma XVIII, 3, 7–16.
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gen nach Osten blickten, als einziger nach Westen. Den einen erschien es lächerlich, den anderen verrückt, den Sonnenaufgang im Westen zu suchen. Sobald es aber begann, Tag zu werden, zeigte dieser als Erster auf einen Sonnenglanz am höchsten Giebel der Stadt. (4) Da verstand man, wie sehr die frei geborene Klugheit jene der Sklaven übertraf. So wählen sie Strato, seinen Herren, zum König. Nach ihm kam das Königreich an seinen Sohn, alsdann an den Enkel.53 So sehr zieht es die Klugheit vor, sich hinter dem Mäntelchen einer gewissen Einfachheit zu verstecken, weil protzige Zurschaustellung für die Tugend stets verhängnisvoll ist. [15] (1) M a t t h ä u s : Dieser [Lestek II.] aber hatte eine so große Lust, seine Tapferkeit unaufhörlich zu erproben, dass er sehr viele und stärkste Feinde zu Einzelkämpfen herausforderte und ihnen nicht nur das Leben, sondern auch ihre Königreiche und Besitztümer entriss. Und als ihm ein äußerer Feind fehlte, ermunterte er die eigenen [Leute] mit Belohnungen, entweder gegen ihn oder untereinander zu kämpfen. So groß war seine Verschwendungssucht allen gegenüber, dass er lieber aus Tugend in bittere Armut fallen als aus Geiz in Überfluss, eher selber Mangel erdulden als Bedürftigen Hilfe verweigern oder jenen, die gut Sold verdienten, keine Stipendien zahlen wollte. (2) Es fehlte ihm auch nicht die Besonnenheit, die Schwester der Ehrbarkeit und Freundin der Klugheit; denn an seiner Tafel, bei seinen Gastmählern wurde umsichtig darauf geachtet, dass weder mehr, als die Natur erforderte, verlangt, noch mehr, als die Ehrbarkeit befahl, ausgeteilt wurde; klüger war seine Sorge, mehr durch die Gaben des Geistes als des Körpers zu gefallen. In dieser Hinsicht leuchtete unter den übrigen Tugenden ein Zeichen der Demut [besonders] hervor. Denn immer, wenn es die königliche Würde verlangte, ihn, wie es sich gehört, mit den königlichen Insignien zu bezeichnen, bestieg er seinen ursprünglichen Stand nicht vergessend den Thron zunächst in einem schäbigen Gewand und drückte das königliche Ornat in die Fußbank. Daraufhin ließ er sich angetan mit den königlichen Insignien auf der Fußbank nieder, während er jene Lumpen der äußersten Armut mit größter Achtung auf die höchste Stufe des Thrones legte. [16] (1) J o h a n n e s : Damit hat er fürwahr bewiesen, dass ein König mehr durch Demut geschmückt wird als durch Purpur ins Auge sticht, ja dass man jemanden, den die Demut nicht von den Tieren unterscheidet, nicht als einen Menschen, geschweige denn als einen Fürsten ansehen kann. Daher war es bei den Griechen üblich, dass der Kaiser, in der Stunde, in der er gewählt wurde, bevor er sich auf dem kaiserlichen Thron niederließ, in ein steinernes Mausoleum gelegt wurde. (2) Auch flüsterte ein Kind, das zwischen den Speisen stand, ihm immer wieder zu: ,Sire, tu moras‘, was
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tur: domine tu morieris54; quasi utrique diceretur: principem te elegent, noli extolli set esto quasi unus ex ipsis; memento quia cinis es et in cinerem reuerteris.55 Sic te stare putes, si stans cecidisse uereris, Si re uirtutes, si res uirtute mereris.
[17] (1) MATHEVS: Huius item filius non tam patris imperio quam paternis multa adiecit uirtutibus. Qui Iulium Cesarem tribus fudit preliis, qui Crassum aput Parthos cum omnibus deleuit copiis, cuius ori aurum infundens: ,Aurum, inquit, sitisti, aurum bibe!‘56 Nam et Gethis et Parthis ac transparthanis regionibus imperauit. (2) Huic tandem Iulius iure affinitatis gaudet federari, sororem nomine Iuliam eius matrimonio sociat eique iure dotis a fratre Bauaria, donatione uero propter nuptias a uiro Surbiensis contradita est prouincia. Hec geminas fundauit urbes, quarum unam a nomine fratris Iulius, que nunc Lubus, aliam a proprio uocabulo Iulin iussit appellari, que nunc Lublin nuncupatur. (3) Quia enim Iulius hoc ex facto senatus in se conflauerat inuidiam, qui quasi hostis non quasi ciuis Romani propagationem artaret imperii, hostium illectus amplexibus et quos magis decuisset seruire, docuisset imperare, ea que nomine dotis contulerat, a sorore nititur extorquere. Qua ex causa soror eius passa est repudium, paruulo filio cui nomen Pompilius aput uirtim relicto. (4) Pelex autem eius, que presentem etiam emulata fuit reginam, loco regine succedit. Hec odio emule ab amoris auspicio quo regem deuinxerat, predictarum nomina urbium transmutauit. Ex hac et aliis thoris minus legitimis XX perhibetur filios suscepisse, quibus totidem principatus assignauit, quibusdam ducatus, aliis comitias seu marchias, nonnullis regna distribuens. Pompilium uero iure primogeniture regem omnium statuit. (5) Cuius nutu non Slauie dumtaxat monarchia, set etiam finitimorum gubernata sunt imperia. In cuius deuotissimis obsequiis fratrum turba pio uisa est contendisse certamine, quem tanta reuerentia, tanta coluere dulcedine,
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Ruthardus abbas Ebersbacensis Arnoldum archiepiscopum Moguntium, in: Monumenta Moguntina, hrsg. von Philpp Jaffé, Berlin 1866, Nr. 56, S. 405 – 407, hier S. 405. 55 Gn 3, 19 (cinis = pulvis). 56 Vgl. Iuli Flori Epitomae III, 11, 1–2.
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bedeutet: Oh Herr, du wirst sterben54, so als würde jenem gesagt werden: Sie haben dich zum Fürsten gewählt, begehre nicht, herausgehoben zu werden, sondern sei einer von ihnen selbst; gedenke, dass du Asche bist und zur Asche zurückkehren wirst.55 So meinst du zu stehen, wenn du stehend fürchtest gefallen zu sein, falls du die Tugenden durch Tat, die Taten in Tugend verdienst.
[17] (1) M a t t h ä u s : Ebenso hat sein Sohn [Lestek III.] nicht so sehr dem Reich des Vaters als den väterlichen Tugenden vieles hinzugefügt. Er hat Julius Caesar in drei Schlachten in die Flucht geschlagen, Crassus bei den Parthern mit all seinen Truppen vernichtet und ihm Gold in den Mund gegossen, wobei er sprach: ,Dir hat nach Gold gedürstet, trinke Gold!‘56 Dann hat er sowohl über die Geten und Parther als auch die Regionen jenseits der Parther geherrscht. (2) Schließlich findet Julius [Caesar] Gefallen, sich diesem durch das Recht der Verschwägerung zu verbinden, und verheiratet seine Schwester Julia mit ihm, der als Mitgift ihres Bruders Bayern, als Morgengabe ihres Ehemanns aber die sorbische Provinz übertragen wurde. Sie gründete zwei Städte und befahl, die eine nach dem Namen des Bruders, Julius, heute Lebus, die andere nach ihrem eigenen Namen Iulin, heute Lublin genannt, zu benennen. (3) Aber weil Julius [Caesar] durch diesen Umstand die Empörung des Senates auf sich gezogen hatte, als hätte er von den Umarmungen der Feinde verführt die Ausdehnung des Römischen Reiches wie ein Feind, nicht wie ein [römischer] Bürger geschmälert und jenen, denen mehr gebührt zu dienen, zu herrschen gelehrt, bemüht er sich, das, was er als Mitgift dargebracht hat, der Schwester [wieder] zu entreißen. Aus diesem Grund musste seine Schwester die Verstoßung hinnehmen, während ihr kleiner Sohn, der den Namen Pompilius [Popiel] trug, beim Ehemann zurückgelassen wurde. (4) Den Platz der Königin aber nahm seine Konkubine ein, die [bereits] eine Nebenbuhlerin war, als die Königin noch anwesend war. Diese änderte aus Hass auf die Konkurrentin und als Zeichen der Liebe, mit der sie den König an sich gebunden hatte, die Namen der vorgenannten Städte. Aus diesem und aus weniger legitimen Schößen wurden, so wird erzählt, zwanzig Söhne empfangen, denen [Lestek III.] ebenso viele Würden zuwies, indem er diesen Herzogtümer, anderen Grafschaften oder Marken, einigen Königsherrschaften zuteilte. Pompilius aber setzte er nach dem Recht der Primogenitur zum König über alle ein. (5) Sein Befehl lenkte nicht nur die Monarchie der Slavia, sondern auch die Reiche der Nachbarn. Die Schar seiner Brüder beeilte sich, in einem frommen Wettstreit der ehrfürchtigsten Gefolgschaftsbezeugungen zu wetteifern, und brachte ihm so große Achtung und Güte entgegen, dass sie, durch keine Ablehnung, keine
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ut etiam paruulum eius filium paterni nominis Pompilium regem suffecerint, nulla prorsus detrectatione, nullo liuoris zelo distorti. [18] (1) JOHANNES: Rara auis in terris 57 fratrum concordia, Fenix, rarior, ut socia nauiget aula rate.
Ex lacu enim euaporans inuidie horrende tempestatis naufragium regni socios inuoluit. Set beata, set plus quam fraterna societas, aput quam plus pietatis ualet religio, quam ambitus principandi persuadeat. (2) Cuius felicitatis gloria super omnes enituit proles Erotimi. Hic siquidem Erotimus cum rex esset Arabum, septingentos filios, dictu pene incredibile, ex pelicibus susceperat. Quorum fiducia exsanguibus 앚uiribus앚 finitimorum magnum nomen comparauit, immo inuictissimos regum insigni felicitate perdomuit.58 Quorum utinam successibus nostri consenuissent Pompilide! [19] (1) MATHEVS: Eloquar an sileam?59 Pudor est aperire pudorem. Postulat in facie menda colore tegi. 60
Nam quali dignum putes memoria ignobile generis dehonestamentum, enorme pudoris prodigium? Ille siquidem ille meritorum regratiator beneficus, ille, inquam, regum eximius minor Pompilius, cuiusdam uenefice debriatus illecebris, odiis gratiam, atnicitias insidiis, cruore pietatem colere, fidem perfidia, tyrannide obsequia recompensans. (2) Cui mulier procacissima huiuscemodi sepius subplantabat uerborum flosculos: ,Non est tranquillitati plurimum confidendum, quia intensior solis serenitas in nimbos sepe deferuescit repentinos. Nec nimis tibi aggratulari conuenit, quasi iam portum securitatis teneas, qui necdum fluctuum accessiones61 attigeris. Non uides prominentes undique scopulos tuis comminari periculis? (3) Beatum quidem te facit regni sublimitas, securum pollicetur tui sanguinis murus inexpugnabilis! Dura loquar, set uera tamen:
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Juvenal, Satirae VI, 165. Die Geschichte von Herotimus nach Iustini Epitoma XXXIX, 5, 6; hieraus auch mit Bielowski 앚…앚 ergänzt. 59 Vergilius, Aeneis III, 39. 60 Vgl. Ovidi Ars amatoria III, 261. 61 Kann auch mit „den Fieberanfällen politischer Unruhen“ übersetzt werden. 58
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Eifersucht des Neides verzerrt, auch seinen kleinen Sohn mit dem väterlichen Namen Pompilius [II.] zum König nachwählten. [18] (1) J o h a n n e s : Ein seltener Vogel auf Erden 57, gleich dem Phönix, ist Eintracht unter Brüdern, seltener noch geschieht es, dass man bei Hofe auf einträchtigem Kahne dahinfährt.
Denn aus dem Sumpf des Neides erhebt sich das Unglück eines schrecklichen Unwetters und umschlingt die Gefährten des Königreiches. Aber glücklich, aber weitaus brüderlicher ist eine Gesellschaft, in der die Ehrfurcht der Liebe mehr gilt, als die Herrschsucht bewegt. (2) Mit dem Ruhm eines solchen Glücks überstrahlten die Nachkommen des Erotimus alle. Dieser Erotimus nämlich empfing, als er König der Araber war, von seinen Konkubinen, was kaum zu glauben ist, siebenhundert Söhne. Mit deren Mut ließ er die Männer der Nachbarn bleich werden und erwarb sich einen großen Namen, ja er bezwang die unbesiegbarsten der Könige in denkwürdigem Glück.58 Wenn doch [auch] unsere Pompiliden in derartigen Erfolgen alt geworden wären! [19] (1) M a t t h ä u s : Sag ich’s nun oder schweig ich?59 Eine Schmach ist es, Schande zu offenbaren. Makel im Gesicht soll man mit Farbe bedecken. 60
Welches Andenken aber, glaubst du, verdient die niederträchtige Entehrung einer Familie, die ungeheure Scheußlichkeit einer unheilvollen Tat? Jener nämlich, jener wohltätige Belohner der Wohltaten, jener, sage ich, außerordentliche König, Pompilius der Jüngere, berauscht von den Verführungskünsten einer Giftmörderin vergilt Liebenswürdigkeit mit Hass, Freundschaft mit Tücke, Liebe mit Mord, Treue mit Treulosigkeit, Gefolgschaft mit Tyrannei. (2) Diesem hat seine äußerst unverschämte Ehefrau öfters derart blumige Worte eingepflanzt: ,Man darf dem Frieden nicht allzu viel vertrauen, weil die starke Heiterkeit der Sonne oft in unerwartete Unwetter umschlägt. Du sollst dich auch nicht zu sehr beglückwünschen, als seiest du schon im Hafen der Sicherheit, der du noch nicht den aufgetürmten Wogen61 begegnet bist. Siehst du nicht, dass dich die überall herausragenden Klippen mit Gefahr bedrohen? (3) Die Erhabenheit des Königreiches macht dich gewiss zu einem glücklichen [König], Sicherheit [aber] verspricht [nur] die unbezwingbare Mauer deiner Blutsverwandtschaft. Hart spreche ich, aber
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nec beatum dico nec securum; nulla enim est beatitudo, que suis languet uiribus, nulla securitas, que suarum partium laborat sectione. (4) Porro quot patruos habes, tot huius regni minuta, tot quietis insidias. Dicunt enim decoratissimas orationes, uolunt autem contraria.62 Nam sub rosa spine pungitiuum, sub graminis uernantia coluber delitescit. Patrones se asserunt non patruos, nec patronos tantum, set etiam patres. (5) Sentisne hec atque animo illabuntur tuo?63 Putas illos nuda nuncupatione delectari? Patruelitas certe nepotibus, pupillis patronatus, filiationi paternitas poscit imperare; hec illorum imperium non uocali superficie significant, set rerum priuilegiis ostendunt. Nec ut illis imperes te regem creauere, set ut interim quasi pendente imperio quiuis illorum oportunitatem imperandi nanciscatur. (6) Sepe namque pro tempore qualesquales inseruntur stipites, ut surculus inseratur utilior. Nec uero regis te dignantur nomine, set aut ludum te dicunt fortune aut sui cuiusdam figmenti creaturam. Adde quam crebro auitas tibi exprobrent uirtutes, ut hostibus expositum ocius extinguant, non ut uirtutibus exerceant. (7) Postremo puer es nec te quicquam nisi ludere oportet. Illi tamen quibusdam nugis uelut seriorum te occupant consiliis, non ut prudentiorem reddant consulendo, set ut occasiones contra te aucupentur cauillando, aut ut saltem tue uota iuuentutis retardent; senes prorsus ridiculi, qui ut ipsi iuuenescant, adolescentes tamen querunt decrepitos. (8) Elige igitur, seruus esse malis an liber, tuus esse uelis an alienus, semel beatus an semper miser! Scindi certe conuenit uenam sanguinis prouidentiore sanitatis consilio. Non enim libera est uitis propagatio, nisi etiam ueri rescindantur palmites, nisi false omnino amputentur propagines.‘ (9) Hiis et similibus ille persuasus, eadem iubente magistra, se in lectum languoris ficto conicit, amicos quasi consolandi gratia seu consulendi necessitate iubet acciri. Quibus et causam et diem sui obitus quasi diuinitus reuelatam secretius insinuat, singulis quasi singulare secretum instillans:
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Aristoteles, De sophisticis elenchis S. 29, Z. 2– 6. Boethius, De consolatione I, 4, 1.
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gleichwohl wahr und nenne dich weder einen glücklichen noch sicheren [König]. Denn es gibt kein Glück, wo die eigenen Kräfte matt werden, keine Sicherheit, wo die eigenen Landstriche durch Teilung in Gefahr sind. (4) Ferner, so viele Onkel du hast, so viele Verkleinerungen deiner Herrschaft, so viele Anschläge auf den Frieden. Sie halten die schmuckreichsten Reden, wollen aber das Gegenteil.62 Denn unter der Rose stechen die Dornen, unter dem leuchtenden Gras versteckt sich die Schlange. Sie behaupten, dass sie Beschützer, nicht Onkel seien, ja nicht allein Beschützer, sondern auch Väter. (5) Merkst du das nicht, gehen [diese Dinge] nicht in deinen Verstand ein?63 Glaubst du, dass jene an bloßen Namen Gefallen finden? Das Onkelsein verlangt mit Gewissheit, über die Neffen zu herrschen, wie die Vormundschaft über die Unmündigen, die Vaterschaft über die Kinder. Diese ihre Herrschaft zeigen sie nicht [nur] durch eine tönende Oberfläche an, sondern bekunden sie [auch] durch herrschaftliche Verordnungen. Nicht damit du ihnen gebietest, haben sie dich zum König gewählt, sondern damit ein jeder von ihnen, solange die Herrschaft gleichsam in der Schwebe ist, die Gelegenheit zu herrschen erlangt. (6) Denn oft werden zu Zeiten Zweige eingepflanzt, damit ein nützlicherer Setzling eingefügt werde. Aber auch des Königstitels halten sie dich nicht für würdig, sondern nennen dich teils ein Spiel des Schicksals, teils ein Geschöpf irgendeines Hirngespinstes. Nimm hinzu, wie häufig sie dir die ererbten Tugenden vorhalten, nicht um [dich] in den Tugenden zu üben, sondern dich dem Feind auszusetzen und früher auszulöschen. (7) Schließlich bist du ein Knabe und sollst nichts anderes tun als spielen. Jene jedoch beschäftigen dich mit irgendwelchen Lappalien, als wären es wichtige Beratungen, aber nicht um dich durch das Beraten klüger zu machen, sondern weil sie auf günstige Gelegenheiten lauern, sich über dich lustig zu machen oder um wenigstens deine jugendlichen Wünsche aufzuhalten. Oh ganz und gar lächerliche Alte, die, um selbst jünger zu erscheinen, senile Jugendliche suchen! (8) Wähle also, ob du es vorziehst, ein Sklave oder ein Freier zu sein, ob du dein eigener Herr oder ein Fremder sein willst, einmal ein Glücklicher oder für immer ein Unglücklicher! Ganz bestimmt empfiehlt es sich, zum vorsichtigeren Schutz der Gesundheit Blut aus der Ader zu lassen. Denn es gibt kein freies Wachstum eines Weinstocks, wenn nicht die richtigen Rebzweige abgerissen, sondern die falschen Ableger ganz abgeschnitten werden.‘ (9) Durch diese und ähnliche [Ausführungen] überzeugt, wirft sich jener [Pompilius II.] auf Geheiß ebendieser Lehrmeisterin ins Bett einer vermeintlichen Krankheit und befiehlt, die Freunde herbeizurufen, scheinbar um des Tröstens willen oder aus der Notwendigkeit einer Beratung. Ihnen offenbart er im Geheimen sowohl die Ursache als auch den Zeitpunkt seines Todes, als wären sie [ihm] durch göttliche Fügung offenbart worden;
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,De regni successore constituere uos conuenit, me mea fata uocant, cui satis fuerit remedii, ut sicut uestro regnaui munere, sic uestro uidear immortalis beneficio. (10) Mori namque omnino mihi non uideor, si uestra erga me uiderim studia, si meas uobiscum concelebrauerim exequias. Nam quid ab eo sperauerim, qui quod mortuo debet, uiuenti negauerit?‘ (11) Audires hinc ueras hinc fictas lamentationum uoces, hinc suspiria inde singultus, hinc planctus lugubres inde horribiles ululatus. Hinc tunsio pectorum inde palmarum sonat complosio, hinc torrentes manant lacrimarum inde uix semitincte madent palpebre. Lacerant crinem uirgines, matrone uultum, habitum annose. (12) Auget omnium lamenta regine simulatricis eiulatus, que nunc uirum nunc singulos procerum luctuose amplexata nescio qua dulci amaritudine an amara dixerim dulcedine demulcet, ut iam non simulatis set lacrimosissimis omnes concuciantur singultibus, adeo ut ad lamentabiles illius modulationes fama sit imagines ereas fuisse lamentatas et ad lacrimas eius statuas lacrimis manasse. (13) Post funebres itaque superstitiones, quas etiam hodie in funeribus exercet gentilitas, lautissimis epularum excipiuntur deliciis, quos mero aliquantisper a merore solutos rex ut sese uisant postulat, ut uicaria poculorum adhortatione coram ipso blande consolentur. (14) Ait ex iocunda ipsorum consessione sui languoris nasci remedium sueque uite extrema gaudio potius finiri quam luctu occupari. ,Quid autem, o regina, quid mestis mades fletibus? Quid merore consumeris? Viduitatem times? Hiis certe uiuis ianuam uiduitatis non es ingressura. Immo in tot mei sanguinis superstitibus me semper puta superstitem. (15) Nunc patrum precipuos, amicissimorum intimos exoratos esse uelim, quorum uelut siderum radiis nouissimis recreor obtutibus, ut aput ipsos in te nostri uiuat recordatio, utpote quam nostre salutis reliquum, nostre anime nouerint esse dimidium.‘ (16) Iurant illi se uiuos prius uelle sepeliri quam eius in se mori beneficia. ,Surrigatur ergo, inquit rex, poculum, surrigar et ego, ut omnes consaluere
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jedem Einzelnen flößt er sozusagen ein einzigartiges Geheimnis ein: ,Euch steht es an, die Nachfolge in der Herrschaft festzusetzen. Mich ruft mein Schicksal, [aber] mir wird es eine große Beruhigung sein, wenn ich, so wie ich durch eure Gnade geherrscht habe, auch durch eure Wohltat unsterblich erscheinen würde. (10) Denn ich scheine nicht ganz zu sterben, wenn ich um mich herum eure Zuneigung sehe, wenn ich mein Begräbnis mit euch zusammen gefeiert habe. Denn was hätte ich von dem zu erhoffen, der dem Lebenden verwehrt, was er dem Toten schuldet?‘ (11) Da hört man das eine Mal ehrliche, das andere Mal geheuchelte Stimmen des Wehklagens, hier Seufzer, da Schluchzen, hier Trauerweinen, da schreckliches Geheul. Hier erklingt das Schlagen der Brüste, dort das Zusammenschlagen der Handflächen, hier fließen Ströme von Tränen, dort sind die Augenlider kaum halb benetzt. Die Jungfrauen zerfetzen das Haar, die Ehefrauen das Gesicht, die Hochbejahrten die Kleidung. (12) Das allgemeine Gejammer wird durch das laute Klagen der heuchlerischen Königin noch gesteigert, die bald ihren Mann, bald einzelne Vornehme jammervoll umarmend – ich weiß nicht, ob durch süße Bitterkeit oder, wie ich sagen würde, bittere Süßigkeit – umschmeichelt, so dass alle nicht mehr von einem vorgetäuschten, sondern von einem überaus tränenreichen Schluchzen so sehr erfasst werden, dass bei ihren Trauergesängen, wie man sagt, eherne Bildnisse in Wehklagen ausbrachen und zu ihren Tränen [auch] Statuen Tränen vergossen. (13) Nach den abergläubischen Begräbnissitten, die das Heidentum auch heute [noch] bei Begräbnissen ausübt, wurden sie mit den vornehmsten Gastmahl-Vergnügungen empfangen. Als sie durch den Wein einigermaßen von der Trübsal befreit sind, fordert der König sie auf, ihn aufzusuchen, damit sie sich durch gegenseitige Ermahnung der Trinkbecher vor ihm selbst freundlich Trost zusprechen. (14) Er sagt, dass seiner Krankheit durch ihre heitere Versammlung Linderung erwachse und das Ende seines Lebens lieber durch Freude begrenzt als von Jammergeschrei erfasst werden solle. ,Was aber, oh Königin, triefst du von traurigen Tränenströmen? Was wirst du von Trübsal verzehrt? Du fürchtest den Witwenstand? Solange diese sicher leben, wirst du die Tür zum Witwenstand [noch] nicht betreten haben. Im Gegenteil, solange so viele meiner Blutsverwandten am Leben sind, glaube, dass ich stets gegenwärtig bin. (15) Jetzt möchte ich die wichtigsten der Väter, die nächsten der engsten Freunde, von deren Blicken ich wie durch die jüngsten Strahlen der Sterne erfrischt werde, zu mir bitten, damit bei ihnen in deiner Person unser Andenken lebe, denn sie wissen, dass du der Rest unseres Heils, die Hälfte unserer Seele bist.‘ (16) Jene schwören, dass sie lieber lebendig begraben sein wollen als seine Wohltaten in ihnen sterben zu lassen. ,Es möge also – spricht der König – ein Becher erhoben werden und auch ich soll emporgerichtet
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iubeam, ut ualedictiuo inuicem federemur osculo, ut ex hoc diuino nectare me presorbillante singuli delibent.‘ (17) Erat autem aureum poculum regine ingenio artificiosissime elaboratum, in quo quamlibet exiguus liquor ad summum inundabat et cum uix esset crater medius et semidimidius, liquore sursum uelut uaporaliter suspenso plenus uidebatur. Idem oris seu narium spiritu afflatus leuiore descendebat, sicut in bullientibus ignea uirtute contingit, donec certo fundo certa quantitate consedisset. Illud uirtutis calopazio dicitur inesse. (18) Huic tam insigni poculo potus letifer eiusdem arte pincerne conditus infunditur, quod qui post regem bibiturus erat, ori regis applicare iubetur, ne quid sinistri suspicari possit quasi rege pregustante; epotari namque credebatur non solo anhelitu decrescere quidquid arte exundauerat. (19) Quidquid uero potionis uere ac pestifere erat infusum, rege exosculato epotare iussus est qui regi poculum applicuerat. Sic elusos sic intoxicatos secedere rogat, ex amica eorum collocutione insperatam sibi asserens quietem sompni subrepere. (20) Ebrii creduntur uiri, quos ueneni uirus aut titubare cogit aut humi prosternit, quorum uitam citra eiusdem noctis conticinium dolor extorsit. Quorum funeribus etiam sepulturam ille tyrannorum atrocissimus denegauit, probans celesti extinctos ultione, qui amicum qui nepotem qui regem hesternis exequiis sepelire uiuum intenderint eamque sub pretextu religionis impietatem statuarum planctu uel fletu, repentino maleficorum interitu, desperate salutis gratia multisque aliis argumentis detectam. (21) At uero hiis occidentibus patrie sideribus etiam omne decus occidit et omnis Polonorum gloria collapsa in fauillam extabuit. Illud namque, illud mundi opprobrium, illa uirtutum pestis, ille omnium spurcissimus illius scortorum impudentissime gremio infusus, luxu et ignauia totus dissoluitur, nihil omnino beatius estimans quam uoluptatibus effluere. Eratque illi hec
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werden, damit ich veranlasse, alle zu begrüßen, damit wir uns durch einen Abschiedskuss wechselseitig verbünden und jeder Einzelne von diesem göttlichen Nektar, nachdem ich vorgeschlürft habe, kosten möge.‘ (17) Der goldene Becher aber war nach einem Einfall der Königin äußerst geschickt gefertigt worden. Eine winzige Menge Flüssigkeit stieg in ihm bis nach oben. Und obwohl sich im Becher kaum die Hälfte, ja [nur] ein Viertel befand, erschien er durch eine gleichsam wie Dampf nach oben schwebende Flüssigkeit wie voll. Dieselbe sank durch einen Hauch des Mundes oder der Nase leicht angepustet [wieder] herab, so wie dies mit heiß brodelndem [Wasser] geschieht, bis es sich endlich in einer bestimmten Menge auf den sicheren Gefäßboden abgesetzt hat. Man sagt, dass jene Eigenschaft dem Stein calciparius innewohnte. (18) In den so präparierten Becher wird durch die Kunst desselben Mundschenks [der Königin] heimlich ein todbringender Trunk eingegossen. Wer nach dem König trinken sollte, wurde geheißen, diesen [Becher] an den Mund des Königs zu führen, wobei er nichts Unheilverkündendes argwöhnen konnte, da der König scheinbar vorher kostete. Daher glaubte er, dass dieser alles, was durch die Kunstfertigkeit reichlich vorhanden war, ausgetrunken und nicht lediglich durch den Atem vermindert hatte. (19) Sooft aber des wahren und Verderben bringenden Getränks eingeschenkt ward, wurde derjenige, der dem König den Becher zuführte, geheißen, [ihn], nachdem er den König geküsst hatte, auszutrinken. Die so Getäuschten wie Vergifteten bittet er [der König] wegzugehen, indem er versichert, dass sich durch die angenehme Unterredung bei ihm eine unerwartete Schläfrigkeit eingeschlichen habe. (20) Die Männer, die das Zaubermittel des Giftes sowohl schwankend machte als auch zu Boden warf, wurden für betrunken gehalten. Der Schmerz entriss ihnen das Leben [noch] vor der ersten Hälfte der gleichen Nacht. Ihren Leichen aber verweigerte jener schrecklichste der Tyrannen das Begräbnis, indem er bewies, dass die, die bei den gestrigen Begräbnisfeiern einen Freund, Neffen, ja König lebendig zu begraben vorgehabt hätten, durch die Rache des Himmels ausgelöscht worden seien und ihre unter dem Vorwand der Verehrung [betriebene] Ruchlosigkeit durch das Trauern und Weinen der Statuen, durch den plötzlichen, der Hoffnung auf Rettung entbehrenden Tod der Verbrecher sowie dank vieler anderer Beweise enthüllt worden sei. (21) Nachdem aber diese Sterne des Vaterlandes zugrunde gegangen waren, verschwand auch alles Ansehen und der ganze Ruhm der Polen brach zusammen und löste sich in Asche auf. Denn jener Schandfleck der Welt, jene Seuche der Tugenden, jener Obszönste von allen, der sich im Schoß der Huren auf das Schamloseste ausbreitete, wurde von Verschwendung und Trägheit völlig verzehrt und erachtete nichts heiliger als den Überfluss an Vergnügungen. Und jener pflegte diesen Sinnspruch beson-
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sententia celeberrima: ,ungamur unguentis optimis, repleamur uino, carpamus florem ne marcescat.‘64 (22) Hic primus in fuga postremus in prelio semper fuit, in periculis timidissimus, sicubi metus abfuisset infl atus65; in uirtutum uero acies hostis audacissimus, quas nunquam oppugnare destitit, in omnibus flagitiorum armis exercitatissimus, nullos prorsus non expertus conatus, quos uirtuti nosset contrarios. (23) Choros celebrius femineos quam cetus coluit uiriles. Igitur ob huiuscemodi meritorum insignia peste inaudita elanguit. Ex cadauerum namque corruptela, que inhumata iusserat abici, mures insolite quantitatis ebulliere, qui eum trans stagna, trans paludes, trans flumina, trans igneos etiam rogos tamdiu sunt insectati, donec cum uxore ac duobus filiis turri eminentissime inclusos morsibus amarissimis absumsere.66 [20] (1) JOHANNES: Sic Abderite propter ranarum ac murium multitudinem patriam liquere 67, sic Philistei propter extalium corrosionem cum anis et muribus aureis archam filiis Israel remiserunt.68 (2) Huic ergo pro singulari flagitio singulare inflictum est supplicium. Sic unde semper beatus esse uoluit, semel factum est ut semper esset miser; hoc enim feminea peroratum est prudentia. Hic fructus uiros sequitur uxorios, hec messis creberrime innascitur crebris mulierum contuberniis. (3) Quod in libro legit experientie uir muliere corruptior Sardanapallus. Hunc namque Arbactus prefectus eius inter scortorum greges cum in muliebri habitu et pensa uirginibus uidisset dispensantem: ,Indignum est, inquit, uiros ei parere, qui se feminam malit esse quam uirum.‘69 (4) Ergo a suis ei bellum infertur, qui uictus extructa pyra et se et diuitias suas in incendium mittit, hoc solo imitatus uirum. Arbactus uero imperio potitur, laude potius quam uituperio dignior, qui non principandi appetiit potestatem, set miserabilem patrie ruinam miserantibus humeris potentius suffulsit.
64 65 66
Vgl. Weish 2, 7– 8. Iustini Epitoma II, 10, 23 (abfuisset = abesset). Zur Geschichte vom Ende des Pompilius / Popiel vgl. Galli Anonymi cronicae
I, 3. 67 68 69
Nach Iustini Epitoma XV, 2, 1 (Abderite = Autariatas). Vgl. 1 Sm 6, 4. Iustini Epitoma I, 3, 1–3.
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ders häufig: ,Mögen wir mit dem besten Salböl benetzt, mit Wein angefüllt werden und die Blume pflücken, damit sie nicht welke.‘64 (22) Er war stets der Erste auf der Flucht, der Letzte im Kampf, in der Gefahr der Furchtsamste, aufgeblasen, wenn es irgendwo einmal keine Gefahr gab65; in den Kampfreihen des Feindes der Tugenden, die er nie zu bekämpfen aufgehört hat, aber [war er] der Kühnste, in allen Waffen der Schandtaten der Geübteste, der geradezu nichts unerprobt ließ, von dem er wusste, dass es den Tugenden entgegengesetzt war. (23) Weibliche Scharen pflegte er häufiger zu besuchen als männliche Zusammenkünfte. Wegen derartiger Verdienste verendete er durch eine auffallende, noch nie da gewesene Seuche. Denn aus den geschändeten Leichen, die er unbegraben hatte wegwerfen lassen, krochen Mäuse in ungeheurer Zahl, die ihn so lange über Gewässer, Seen, Sümpfe, Flüsse, auch über heiße Scheiterhaufen verfolgten, bis sie ihn mit Ehefrau und zwei Söhnen eingeschlossen in einem sehr hohen Turm mit den widerlichsten Bissen vernichteten. 66 [20] (1) J o h a n n e s : So haben auch die Abderiten wegen einer Unmenge von Fröschen und Mäusen das Vaterland verlassen67 und die Philister den Söhnen Israels wegen der Geschwüre am After eine Bundeslade mit goldenen Aftern und Mäusen zurückgeschickt.68 (2) Diesem wurde also für sein einzigartiges Vergehen eine einzigartige Strafe zuteil. Auf diese Weise bewirkte [das], wodurch er für immer glücklich sein wollte, dass er für immer unglücklich ward. Das also wird durch weibliche Klugheit erreicht. Ein solcher Gewinn begleitet unterwürfige Ehemänner, eine solche Ernte folgt sehr oft aus einer zu engen Kameradschaft mit Frauen. (3) Das hat am eigenen Leibe [auch] Sardanapal erfahren, ein durch seine Ehefrau [noch] verdorbenerer Mann. Als diesen nämlich sein Statthalter Arbactus unter Scharen von Huren in weiblicher Kleidung erblickte, als er den jungen Mädchen das Garn zuteilte, sprach er [zu ihm]: ,Es ist unwürdig, dass Männer dem gehorchen, der lieber ein Weib sein möchte als ein Mann.‘69 (4) Folglich wurde ihm von den seinen der Krieg erklärt; als er besiegt war, wurde ein Scheiterhaufen aufgeschichtet und er übergab sich und seine Reichtümer dem Feuer, damit einen Mann lediglich nachahmend. Arbactus aber bemächtigte sich der Herrschaft und verdiente eher Lob als Tadel, da ihm nicht nach der Herrschaftsmacht gelüstete, sondern er mit seinen mitfühlenden Schultern kräftiger den beklagenswerten Niedergang des Vaterlandes aufzuhalten versuchte.
LIBER SECVNDVS Liber secvndvs
[1] (1) MATHEVS: Set sinuosis longius euagari non conuenit anfractibus, ut propositi ut suscepti cursus itineris debito carpatur conpendio. Nemo tamen id nostre inputauerit ostentationi, quod quedam ex aliorum historiis principali quo앚que앚70 inseruntur seriei, que ex industria iubemur non preterire. Tum quia similia gaudent similibus 71, tum quia idemptitas mater est satietatis72, ut etiam non omnino desit in quo sese lector exerceat. (2) Nam quis uuas quis ficus semite altrinsecus appensas, immo sua se sponte palato ingerentes, prorsus intactas pretereat? Addecet ergo talium hilarescere gustu non onere sarcinari. Libet autem ut ex integro tui uasculo promptuarii anime sitienti aliquid iocundius propinetur. [2] (1) JOHANNES: Immo pronus regratiandi prosternor obsequio, quod mee tenuitatis acetosam non fastidis acredinem. Et mihi quidem non esset pigrum, quod posteris foret necessarium73, nisi detrectans emulatio meo quidem ori quoddam obiceret silentii repagulum. Dicitur enim: haut facile deprehenditur mentiens in hiis que nemo nouit, nec facile falsitatem uitare potest, qui de ignotis multa presumit. (2) Procul uero, procul absistat a uero falsi assertio, ne modicum fermenti totam massam corrumpat.74 Quippe: Verus homo falsus fieri per falsa meretur, Sic homo fit pictus, non homo sic fit homo.
[3] (1) MATHEVS: Radice itaque Pompilii stirpitus excisa, noua principum iniciatur successio. Quorum celsitudo tanto porrectior tanto creuit sublimior, quanto stirpes creditur fuisse depressior. Humillimi namque 70
앚…앚 Ergänzung von Plezia. Macrobii Saturnalia VII, 7, 12. 72 „Satietatis“ gegenüber „societas“ bei Plezia und Bielowski emendiert nach Kałuza, Kadłubka historia mówiona (2006), S. 78 – 81, 105 –111, der darauf hinweist, dass die Formel „identitas mater est satietatis“ im 12. Jahrhundert wiederholt, u. a. bei Peter Abelard und Alain de Lille, begegnet und wohl auf Cicero, De inventione I, 76 („similitudo mater est satietatis“) zurückgeht. 73 Phil 3, 1. 74 1 Kor 5,6 (fermenti = fermentum, corrumpat = corrumpit). 71
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[1] (1) M a t t h ä u s : Aber es schickt sich nicht, längere Zeit in kurvenreichen Umwegen fortzuwandern, wenn für den vorgesehenen, den eingeschlagenen Weg eine gehörige Abkürzung genutzt werden kann. Niemand freilich wird es uns als protzige Zurschaustellung anlasten, wenn der Haupterzählung auch70 gewisse [Nachrichten] aus Geschichtswerken anderer [Autoren] eingefügt werden, die wir nicht absichtlich übergehen sollten; zum einen, weil sich Ähnlichkeiten über Ähnlichkeiten freuen71, zum anderen, weil Eintönigkeit die Mutter des Überdrusses ist72 und auch, damit nicht gänzlich fehle, woran sich der Leser üben möge. (2) Denn wer würde an den Trauben, wer an den Feigen ganz unversucht vorübergehen, die an den Seiten des Weges herabhängen, ja sich von selbst dem Gaumen darbieten? Es ziemt sich also, sich des Geschmacks solcher [Früchte] zu erfreuen und sich nicht mit [ihrer] Last zu bepacken. Auch ist es erfreulich, wenn der dürstenden Seele aus dem frischen Gefäß deiner Speisekammer ein angenehmerer Trank verabreicht wird. [2] (1) J o h a n n e s : Gewiss, ich falle in dankbarer Ergebenheit zu [deinen] Füßen, weil dich die säuerliche Schärfe meiner Schlichtheit nicht ekelt. Auch mich würde wirklich nicht langweilen [zu erzählen], was der Nachwelt Not täte73, wenn der lästernde Eifer meinem Mund nicht einen Riegel des Schweigens vorgeschoben hätte. Es heißt doch: Es ist nicht gerade leicht, einen Lügner in Dingen zu ertappen, die niemand kennt; und der kann nicht leicht die Falschheit meiden, der sich über Unbekanntes viele [Ansichten] anmaßt. (2) Weit aber, weit möge sich die Falschbehauptung von der Wahrheit entfernen, auf dass nicht ein wenig Sauerteig den ganzen Teig verderbe.74 Denn: Ein aufrichtiger Mensch, der täuscht, verdient es, als ein falscher bezeichnet zu werden, ein so gezeichneter Mensch wird nicht [länger] Mensch sein.
[3] (1) M a t t h ä u s : Als daher das Geschlecht des Pompilius von Grund auf vernichtet war, wurde eine neue Nachfolge der Fürsten eingerichtet. Deren Erhabenheit war umso beachtlicher, wuchs umso mehr in die Höhe, je niedriger sie der Abstammung nach gewesen sein sollen. Denn es kleidet
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agricole filius Zemouit nomine strennuitatem induit, adolescit industria, uirtutibus parentatur. Qui suis non suorum suffultus meritis, prius magister creatur militum, tandem regia fungitur maiestate, quod de ipso ab ipsius pene infantie crepundiis asserunt presagitum. (2) Fuit enim quidam pauperculus Chosistconis filius, cui nomen Past, cuius coniugi nomen Repice75; ambo natura infimi, rebus exigui, estimatione nulli, set purioris uite studio sublimes estuque misericordie adeo feruentissimi, ut eorum substantiola in se plerumque nulla hospitalitatis nonnumquam augeretur inpendio. Quis non miretur, quis non stupeat uel augmento quid minui uel diminutione augeri? Idem enim est uel candore nigrescere uel nigredine candidari. Rem tamen exilem, rem pene nullam larga crescere fecit dapsilitas. (3) A ianua namque Pompilii duo pulsi hospites horum subingredi non dedignantur tuguria. Quos domestici affectuose amplexos discumbere iubent; a quibus extreme uenia paupertatis postulata, obsoniolum et braxati modicillum liquoris apponunt, orant ne quid, ne quantum, ne a quibus, set qualiter et quo exhibeatur affectu considerent.76 (4) ,Velle, inquiunt, nobis adiacet, posse non subpetit77; hec pro initianda paruuli cesarie, pro delibandis tonsure primitiis de spicis cadentibus compilata uestris utinam desideriis accesserint; quibus etsi dulcis desit sapor, saporosa tamen affectionis non deest dulcedo.‘ (5) Ad hec illi: ,Affectus uester operi uestro nomen inponit 78 , quia quantum quis intendit, tantum facit, nec potest esse insipidum, quod sale caritatis conditur, quod fauo cordis instillatur.‘ Quid gratum, quid dulce, pium quid? grata uoluntas. Nam paleas operis aurea mens operit.
(6) Quibus considentibus augeri epule, liquor excrescere, adeo ut undique mutuata uasorum capacitas non sufficeret receptui. Que ne inminui quidem potuere longissimis quamplurium conuiuarum haustibus, quos eo cum proceribus, cum rege Pompilio iusserant hospites corrogari. Sub tanta igitur tantorum frequentia Zemouit ab hospitibus tonsoratur et futuri regis festiuitas miraculi consecratur presagio.
75 Zur nachfolgenden Geschichte über Past und Repice vgl. Galli Anonymi cronicae I, 2, aber auch die Geschichte von Philemon und Baucis in Ovidi Metamorphoses 8, 628 – 690. 76 Vgl. Senecae Ad Lucilium LXXXI, 6. 77 Vgl. Röm 7, 18. 78 Ambrosii De officiis I, 30 (147) (inponit = imponit).
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sich der Sohn eines völlig unbedeutenden Bauern namens Ziemowit in Tüchtigkeit, wächst im Eifer heran, zeichnet sich durch Tugenden aus. Er wurde durch seine eigenen, nicht der seinen Verdienste erhoben, zuerst zum Heerführer erwählt, dann mit der königlichen Würde bekleidet, was ihm – wie behauptet wird – schon fast von Kindesbeinen an prophezeit worden war. (2) Es lebte nämlich ein sehr armer Sohn des Chosistco namens Past, dessen Ehefrau Repice hieß.75 Beide waren von niedrigster Geburt, arm, ohne Ansehen, aber erhaben durch ihr Streben nach einem ehrlicheren Leben und so glühend von der Leidenschaft der Barmherzigkeit erfüllt, dass ihre kleine, an sich zumeist nichtige Habe mitunter durch den Aufwand der Gastfreundschaft vermehrt wurde. Wer würde sich nicht wundern, wer nicht staunen, wenn etwas durch Zuwachs verringert, durch Verringerung vermehrt wird? Dasselbe nämlich ist, Weißes zu schwärzen, Schwarzes zu weißen. Aber Freigebigkeit ließ eine magere Habe, eine fast nichtige Habe zu einer reichlichen anwachsen. (3) Zwei Fremde nämlich, die von der Tür des Pompilius abgewiesen worden waren, verschmähen es nicht, in die Hütte dieser [Armen] einzutreten. Die Hausleute umarmen sie herzlich und bitten sie, sich an den Tisch zu setzen. Sie tragen, nachdem sie für ihre äußerste Armut um Nachsicht gebeten haben, eine kleine Zukost und etwas Bier auf und bitten, sie mögen nicht darauf achten, was, wie viel und von wem, sondern in welcher Weise und mit welcher Zuneigung ihnen dargeboten werde.76 (4) ,Den Willen – sagen sie – haben wir, doch reicht unser Vermögen nicht aus.77 Mögen die für die erste Haarschur unseres Knaben, für die Erstlingsgaben dieser Weihe gesammelten Ährenreste eurem Verlangen genügen; mag ihnen auch der Geschmack der Süße fehlen, so fehlt [ihnen] doch nicht die süßere Annehmlichkeit der Zuneigung.‘ (5) Darauf jene: ,Eure Zuneigung verleiht eurem Werk die Würde78; denn wie viel jemand beabsichtigt [zu geben], so viel vollbringt er auch; und es kann nicht ungenießbar sein, was mit dem Salz der Nächstenliebe gewürzt wird, was durch den Honig des Herzen eingeflößt wird.‘ Was ist angenehm, was süß, fromm gar? Die gute Absicht! Denn ein goldener Wille bedeckt die Spreu eines Werkes.
(6) Als sich diese niederließen, begannen sich die Speisen zu vermehren, wuchs das Bier so stark an, dass das Fassungsvermögen der von überall her ausgeliehenen Gefäße nicht ausreichte, es aufzunehmen. Jedenfalls konnte es auch durch die längsten Schlucke der zahlreichen Gäste nicht geschmälert werden, die sich daselbst zusammen mit den Vornehmen und dem König Pompilius zu versammeln die Fremden veranlasst hatten. Unter so großem Andrang so vieler [Gäste] wurde also bei Ziemowit von den Fremden die Haarschur vorgenommen und der Festtag des künftigen Königs durch das Vorzeichen eines Wunders geweiht.
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(7) Qui uelut deinter mortuos cineres glorie scintillam non solum suscitauit, set inmortales Polonie titulos zodiacteis pene signis inseruit. Hic enim non modo eas que Pompiliana desciuerant ignauia nationes reuocauit, set et alias aliis intactas regiones suo coniecit imperio. Quibus decanos, quinquagenarios 79, centuriones, collegiatos, tribunos, ciliarchos, magistros militum, urbium prefectos, primipilarios, presides omnesque omnino potestates instituit. [4] (1) JOHANNES: Non est minimum in humanis rebus minima 앚non앚80 negligere. Sepe namque de agrestium frutectulis cedrina surgit proceritas, sepius margarite inter harenarum delitescunt minutias, sub cinere maxime uirtus uiget scintillarum. Generosa quoque magnanimitas nec turritas semper urbes inhabitat nec pauperum prorsus aspernatur tuguria. Nobilitatur enim spe palmes, palmite uitis, nobilitat fontem fonte redempta sitis.
(2) Nam ut nota de Dauid, de Saule, de Ieroboam seruo Salomonis aliisque perpluribus exempla preteream, Gordius conductis arans bobus omnium genere auium circumuolatur, querit augurem. Cui uirgo eximie pulchritudinis, que illi casu occurrit, regnum portendi respondit polliceturque se tam matrimonii quam spei sociam. Inter Frigas oritur seditio. Docent oracula rege discordiis opus esse. Rursus de persona regis querentibus, regem iubentur obseruare, quem primum in templum Iouis euntem in plaustro reperissent. Obuiat illis Gordius statimque eum regem consalutant. Ille plaustrum, quo aduectus erat, templo consecrauit.81 [5] (1) MATHEVS: De hocne antiqua cecinere oracula, si quis Gordii iugum soluisset, eum tota Asia regnaturum? JOHANNES: Vtique. Capta enim urbe magnus Alexander et iugum plaustri requisiuit et capita loramentorum scissis nodis inuenit.82 Agathocles quoque patre figulo natus, forma tamen et corporis pulchritudine egregius 83, regi Siculorum Dionysio succedit. (2) Rex item Asie Aristonicus de cithariste filia susceptus84, etiam Romanos prelio fudit. Ad quid uero interest, ut quis Abdatomio exprobrauerit, quod operam locare ad puteos exhaurien-
79 80 81 82 83 84
Ex 18, 21. 앚…앚 Ergänzung von Plezia. Iustini Epitoma XI, 7, 5 –13. Iustini Epitoma XI, 7, 15 –16. Iustini Epitoma XXII, 1, 2–3. Iustini Epitoma XXXVI, 4, 6.
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(7) Dieser aber entfachte nicht nur in toten Aschen einen Funken des Ruhmes, sondern fügte die unsterblichen Ehrenzeichen Polens beinahe in die Sternbilder ein. Denn er rief nicht nur jene Völker zurück, die durch die Trägheit des Pompilius [von Polen] abgefallen waren, sondern unterwarf auch andere, von anderen unberührte Regionen seiner Herrschaft. Bei diesen setzte er Zehnt-, Fünfzig-79, Hundertschaftsführer, Kollegiaten, Tribune, Tausendschaftsführer, Heerführer, Burgvorsteher, Scharführer, Vorsteher und überhaupt alle Amtsgewalten ein. [4] (1) J o h a n n e s : Es ist nicht das Geringste, in menschlichen Angelegenheiten das Geringfügigste [nicht]80 zu ignorieren. Denn oft erhebt sich aus den kleinen Sträuchern der Landleute ein hoher Zedernwuchs, öfter verbergen sich unter den Körnern des Sandes Perlen, erstarkt unter der Asche die Kraft der Funken. Auch der edle Großmut bewohnt nicht immer [nur] die turmbewehrten Städte und verschmäht keineswegs die Hütten der Armen. Denn die Rebe wird durch Hoffnung, der Weinstock durch die Rebe veredelt, eine Quelle veredelt der durch die Quelle gelöschte Durst.
(2) Da ich die bekannten Beispiele von David, von Jerobeam, dem Diener des Salomon, und von vielen anderen übergehe, [mag ich erzählen, wie] Gordios, als er mit gemieteten Ochsen pflügte und von allen möglichen Vögeln umflattert wurde, einen Seher befragte. Ihm entgegnete ein Mädchen von außerordentlicher Schönheit, das ihm zufällig begegnete, dass ihm die Königsherrschaft prophezeit sei; und sie verspricht ihm, seine Gefährtin in der Ehe wie in der Hoffnung zu sein. Bei den Phrygern erhebt sich [unterdessen] ein Aufruhr. Die Orakel lehren, dass die Zerstrittenen einen König brauchen. Als sie also nach der Person des Königs fragen, wird ihnen geheißen, jenen als König anzusehen, den sie als Ersten auf einem Wagen in den Tempel des Jupiter einfahren sehen. Ihnen begegnet Gordios und sofort begrüßen sie ihn als König. Jener weihte den Wagen, mit dem er herangefahren war, dem Tempel.81 [5] (1) M a t t h ä u s : Haben von ihm nicht die alten Orakel verkündet, dass, wer das Joch des Gordios löst, die Herrschaft über ganz Asien gewinnt? J o h a n n e s : Auf jeden Fall. Denn Alexander der Große hat, nachdem er die Stadt erobert hatte, sowohl das Joch des Wagens untersucht als auch die Enden der Riemen entdeckt, indem er den Knoten durchschlug.82 Auch Agathocles, der Sohn eines Töpfers, den gleichwohl seine schöne Gestalt wie die Trefflichkeit seines Körpers auszeichneten83, folgte dem König der Sizilianer Dionysius nach. (2) Ebenso schlug Aristonicus, der König von Asien, den die Tochter eines Zitherspielers geboren hatte84, im Kampf sogar die Römer in die Flucht. Und warum sollte jemand dem Abdatomius Vorwürfe machen, dass er es gewohnt war, Mühe auf das Entleeren der Brun-
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dos ortosque irrigandos consueuerit? Hic tamen insignis fuit pre ceteris, rex Sidonie ab Alexandro constitutus multis spretis nobilibus, ne generis id non dantis beneficium putaretur.85 (3) Idem Alexander ex gregario milite uirtutis causa Ptolomeum prouexerat 86 , qui post eum Egyptum, Africam, Asiam Libyeque partem obtinuit. Romani denique tales reges habuerunt, quorum nominibus erubescant, aut pastores Aboriginum, aut aruspices Sabinorum, aut exules Corinthiorum, aut seruos uernasque Tuscorum 87, aut lupe nutricios. (4) Frustra igitur nostri degeneres de alti generis umbra gloriantur, frustra de gigante natus nanulus de gigantea superbit quantitate. De roseto siquidem et rosa nascitur et spine pungitiuum. Ignoras eiusdem esse uitis uinum et acinum? Nescis eiusdem uene aurum et scoriam? Paleam constat in grano contineri et granum in palea. (5) Immo tales esse debere principes, qui cum paupertate nouerint habere commercium 88 , quia difficile est eum reuereri uirtutes, qui semper prospera usus est fortuna.89 Vnde cuidam a sapiente dictum est: semper te puta miserum, quia numquam fuisti miser.90 [6] (1) MATHEVS: Errare penitus eos fateor, qui aureum nobilitatis tronum in lumbis figunt non in pectore. Cur? Nam nobilis est, uirtus quem sua nobilitat.91
Set cursu nuperrimo quendam offendi scrupulum, a quo tuo munere oro expediri. Nam ut ex ipso gentilitatis ritu presumitur, si superstitiosa sunt tonsure libamina, cur superiore miraculo uidentur consecrata? (2) Cur fidelibus non solum non sunt inhibita, set celeberrima hodie deuotione sollempnia? Quod si seria, si ullius est misterii talium instructio, cur ab eis qui se in cunabulis prudentie asserunt natos, chachinno ridiculi excipitur? [7] (1) JOHANNES: Temerarium est de incertis temerarium precipitare sententiam, unde tui prudentes, si prudentes essent, discere potius didicissent incognita quam deridere ignorata. Nec enim de ea loquor cuius initium
85 86 87 88 89 90 91
Iustini Epitoma XI, 10, 9 (putaretur = putarent). Iustini Epitoma XIII, 4, 16. Iustini Epitoma XXXVIII, 6, 7 (habuerunt = habuerint). Senecae Ad Lucilium XVIII, 12. Rhetorica ad Herennium IV, 24 (eum = primum, prospera = secunda, est = sit). Senecae De providentia IV, 3. Vgl. Senecae Ad Lucilium XLIV, 5.
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nen und Bewässern der Gärten zu verwenden? Er wurde dennoch vor den Übrigen ausgezeichnet [und] von Alexander zum König von Sidon bestimmt, während viele edlere [Männer] übergangen wurden, damit nicht angenommen wurde, diese Auszeichnung rühre von der Herkunft und nicht vom Verleihenden her.85 (3) Der gleiche Alexander hatte den Ptolemaios aus der Schar der Krieger wegen seiner Tapferkeit hervorgehoben86 , der nach ihm Ägypten, Afrika, Asien und einen Teil Libyens besetzt hielt. Schließlich hatten die Römer [nur] solche Könige, bei deren Nennung sie [schon] erröten müssten: [Es waren] entweder Viehhüter der Aboriginer, Opferbeschauer der Sabiner, Vertriebene der Korinther, Diener und Hausklaven der Etrusker87 oder Zöglinge einer Wölfin. (4) Vergeblich rühmen sich also unsere entarteten Zeitgenossen des Schattenbildes einer hohen Herkunft. Vergeblich prahlt der von einem Riesen abstammende Zwerg mit der Größe des Riesen. Denn aus der Rosenhecke wachsen sowohl die Rose als auch der stechende Dorn. Ist dir nicht bekannt, dass von ein und derselben Rebe der Wein und der Essig sind? Weißt du nicht, dass aus ein und derselben Ader Gold und Schlacke kommen? Bekanntlich ist im Korn Spreu, in der Spreu Korn enthalten. (5) Umso mehr bedarf es solcher Fürsten, die die Armut kennen gelernt haben88 , da es jenem schwer fällt, die Tugenden zu achten, der stets nur im Glück gelebt hat.89 Daher sprach ein weiser Mann: Halte dich stets für unglücklich, weil du niemals unglücklich gewesen bist.90 [6] (1) M a t t h ä u s : Ich bekenne, dass jene gänzlich irren, die den goldenen Thron des Adels in den Lenden und nicht im Herzen befestigen. Warum? Nun, edel ist, wen seine eigene Tugend adelt.91
Aber im soeben Erzählten bin ich auf einen gewissen Zweifel gestoßen, von dem ich durch deine Gnade befreit zu werden bitte. Denn wenn die Opfergaben der Haarschur, wie aus ebendiesem heidnischen Brauch gemutmaßt wird, Aberglauben sind, warum werden sie als durch ein höheres Wunder geheiligt angesehen? (2) Warum sind sie den Gläubigen nicht nur nicht untersagt, sondern werden [noch] heute mit festlichster Hingabe gefeiert? Und wenn es etwas Ernsthaftes ist, wenn die Unterweisung solcher [Bräuche die] irgendeines Geheimnisses ist, warum wird es von jenen, die für sich beanspruchen, in den Wiegen der Weisheit geboren zu sein, mit schallendem Gelächter aufgenommen? [7] (1) J o h a n n e s : Unbesonnen ist es, über unsichere [Dinge] eine unbedachte Meinung vorzutragen, weshalb deine Weisen, wenn sie weise gewesen wären, lieber gelernt hätten, das Unbekannte zu studieren, als das, was sie
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a Nazareis imitatur ecclesia, quam tondele rationem paucos ignorare puto. Set si causam institutionis noueris, nec superstitiosam nec ridiculam nostri tondelam ritus agnosces. (2) Instituta est ergo huiuscemodi forma et forme sollempnitas, ut per eam robur haberet adoptio, ex qua propagatur quedam legalis cognatio, sicut ex baptismo uel confi rmatione spiritualis. Sunt autem adoptionis due species: arrogatio scilicet et simplex adoptio. Arrogantur qui sui iuris sunt, simpliciter adoptari dicuntur filii familias qui in sacris parentum sunt. (3) Et primus quidem adoptandi modus fiebat principali rescripto, secundus uero imperio magistratus.92 Nunc etiam non expetito principali oraculo, celebratur aput nostros adoptio, dummodo legitima non defuerint testium instrumenta. Huius autem cognationis adoptiue, que per artificium iuris ciuilis est introducta, tanta est religio, ut nec matrimonii pretextu possit uiolari. (4) Sicut namque spirituales filii sic adoptiui non possunt iungi naturalibus, nisi altero eorum emancipato. Vnde Nicolaus: inter fratres et filios spirituales non potest esse legale coniugium, quandoquidem nec inter eos, quos adoptio iungit, matrimonia contrahi leges permittunt.93 (5) Hinc in Digestis, titulo de ritu nuptiarum: per adoptionem quesita fraternitas eo usque inpedit nuptias, donec maneat adoptio. Ideoque quam pater meus adoptauit et emancipauit, potero uxorem ducere.94 Similiter in Institutis, titulo de nuptiis: si qua per adoptionem soror tibi esse ceperit, quamdiu quidem constat adoptio, sane inter eam et te nuptie consistere non possunt. Cum uero per emancipationem dissoluta sit adoptio, potes eam uxorem ducere.95 (6) Quid? si in neptem uel in filiam aliquam adoptauero, potero emancipatam ducere? Minime, ut habetur eodem titulo eiusdem libri: Itaque eam, que tibi per adoptionem filia esse ceperit aut neptis, non poteris uxorem ducere, quamuis eam emancipaueris.96 (7) In hac uero tonsione sollepmni ambe plerumque species adoptionis concurrunt. Nam qui tondetur, incipit esse tondentis nepos per simplicem adoptionem, mater uero eius fit soror adoptiua eiusdem per arrogationem. Non erit ergo celebre hoc adoptionis genus quod tam legitima et causa pre-
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CIC Inst 1, 11, 1; vgl. auch CIC Dig 1, 7, 1–2 und CIC Cod 5, 27, 7, 1. Decretum Gratiani 2. Teil, C. XXX, q. III, c. I. 94 CIC Dig 23, 2, 17 (Inpedit = impedit, maneat = manet); Decretum Gratiani 2. Teil, C. XXX, q. III., c. VI. 95 CIC Inst 1, 10, 2. 96 CIC Inst 1, 10, 1. 93
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nicht genau kennen, zu verlachen. Denn ich spreche nicht von der Haarschur, die die Kirche seit den Nazarenern nachahmt und deren Grund, wie ich glaube, wenige nicht kennen. Sobald du aber die Ursache der Einrichtung des Brauches kennen gelernt hast, wirst du zugeben, dass unsere Sitte der Haarschur weder Aberglaube noch lächerlich ist. (2) Eine derartige Form und ihr feierlicher Charakter wurden eingerichtet, damit durch sie die Adoption, aus der eine gewisse rechtmäßige Verwandtschaft erwächst, so wie aus der Taufe oder Firmung eine geistliche, Gültigkeit hat. Es gibt aber zwei Arten der Adoption: die feierliche Annahme an Kindes statt und die einfache Adoption. An Kindes statt angenommen werden jene, die bereits mündig sind; als einfach adoptiert gelten Familiensöhne, die noch unter der Obhut der Eltern sind. (3) Die erste Art der Adoption wurde einst durch kaiserliches Reskript vollzogen, die zweite aber durch einen Gerichtsakt des Magistrats.92 Jetzt wird bei den unsrigen die Adoption gefeiert, auch ohne dass ein Fürstenspruch gefordert würde, sofern nur die rechtlichen Mittel der Zeugen nicht fehlen. Diese Adoptiv-Verwandtschaft, die durch den Kunstgriff des Zivilrechts eingeführt wurde, ist so heilig, dass sie auch nicht unter dem Vorwand der Ehe verletzt werden kann. (4) Denn wie die geistlichen Söhne können auch die adoptierten [Söhne] nicht mit leiblichen [Kindern] verbunden werden, außer einer von ihnen wurde aus der väterlichen Gewalt entlassen. Daher [sagt] Nikolaus: Unter Brüdern und geistlichen Söhnen kann keine rechtliche Verbindung bestehen, denn die Gesetze erlauben es nicht, zwischen denen, die eine Adoption verbindet, Ehen zu schließen.93 (5) Daher [heißt es] in den Digesten, unter dem Titel ,Vom Brauch der Ehe‘: Ein durch Adoption entstandenes geschwisterliches Verhältnis hindert die Ehe, so lange die Adoption besteht. Und daher kann ich jene [Frau], die mein Vater adoptiert und aus seiner Gewalt entlassen hat, zur Frau nehmen.94 Ähnlich [heißt es] in den Institutionen im Kapitel über die Ehe: Wenn eine [Frau] durch Adoption deine Schwester geworden ist, kann zwar, solange die Adoption besteht, zwischen dir und ihr keine rechtmäßige Ehe bestehen. Wenn die Adoption jedoch durch Entlassung aus der Gewalt beendet ist, kannst du sie zur Frau nehmen.95 (6) Und wenn ich [selber] eine [Frau] als Enkelin oder Tochter annehme, würde ich sie als aus der Gewalt entlassene heiraten können? Keineswegs, da es im gleichen Titel ebendieses Buches heißt: Deshalb kannst du die, die durch Adoption deine Tochter oder Enkeltochter geworden ist, nicht zur Frau nehmen, auch wenn du sie aus der Gewalt entlassen hast.96 (7) Bei der feierlichen Haarschur kommen aber zumeist beide Arten der Adoption zusammen. Denn der, dem die Haare geschnitten werden, beginnt durch einfache Adoption ein Verwandter des Haarschneidenden zu sein, während seine Mutter durch Annahme an Kindes statt zu dessen [des Haarschneidenden] Adoptivschwester wird. Soll diese Art von Adoption folglich nicht feierlich sein, der sowohl ein rechtmäßiger Grund als auch Vernunft
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cedit et ratio? (8) Ideone dignum detestatione putabimus, quod ritum et concepit et peperit gentilitas? Talium uero sunt emptio, locatio, mancipiorum obligatio, et alii bone fidei contractus. Nam quod in quinto Codicis latam de adoptione et arrogatione sanctionem resecari iubet imperator nec ulterius esse ferendas, pro illis dictum est qui suos manseres adoptant et libidinem illicitam quodam legis palliant colore; quod intelliges, si illum locum diligentius excusseris.97 (9) Caueamus autem mouere talia, quia ipsi talibus utimur. Irreligiosum enim est ea non uenerari que ratio instituit, que deuota maiorum ueneratur religio. [8] (1) MATHEVS: Iam uelut quodam hesitationis soluto compede, celeriuscule solito cursitare libet, quos et gressus rapit liberior et uia deiectat expeditior. Zemouito itaque filius eius Lestco quartus, Lestconi uero filius eius Zemomisl succedit. Quorum utrumque animi generositas, robur corporis, felices ad omnia successus adeo reddidere insignes, ut omnium pene regum uirtutes suis antecesserint uirtutibus. (2) De Zemomisl autem famosus ille cecus Mesco gignitur98 , cecus septennio educatur, qui anni exitu septimi diuinitus illustratur uisuque recepto etatem uicit industria. Set tantisper lumine cassus, ratione cecutire uisus est, quod septem pelicum scortis, quas coniuges nuncupabat, nocturnas uariare uices consueuerat. (3) Hiis tandem repudiatis, de Bohemia quandam Dambroucam99 nomine matrimonio copulat. Cuius felici consortio glacies infidelitatis dissoluitur et nostrorum labrusca gentilium in uere uitis palmitem transmigrat. (4) Huic enim catholice fidei amantissime non prius nubere collibuit, quam uniuersum Polonie regnum cum ipso rege100 Christiane professionis suscepit 97
Vgl. CIC Cod 5, 27, 7, 3. Die genealogische Abfolge von Ziemowit zu Mieszko nach Galli Anonymi cronicae I, 3 – 4. 99 Dambrouca / Dobruca / Dubrawca (modern: Dbbrówka) begegnet in allen mittelalterlichen polnischen Quellen; die von Thietmar von Merseburg IV, 55 (MGH SS NS 9) überlieferte Namenform Dobrawa, für die der sächsische Chronist eine plausible Übersetzung bot („Dobrawa enim Sclavonice dicebatur, quod Teutonico sermone Bona interpretatur“), war hingegen in Polen offenbar nicht bekannt. 100 Mieszko wird auch von Widukind von Corvey (MGH SS rer. Germ. in usum scholarum 60, I, 66 / S. 141) und Ibrahim ibn Jakub (Arabische Berichte von Gesandten an germanische Fürstenhöfe aus dem 9. und 10. Jahrhundert, hrsg. von Georg Jacob, Berlin-Leipzig 1927, S. 11) als „König“ („rex“ bzw. „malik“) bezeichnet, auch wenn er kein zum König gekrönter Herrscher war und daher in den meisten zeitgenössischen und zeitnahen lateinischen Quellen „dux“ genannt wird. Vincentius verwendet auch im Weiteren, d. h. nicht nur für die legendäre polnische Frühzeit, zumeist den Titel „rex“ zur Bezeichnung der piastischen (wie auch anderer ungekrönter ostmitteleuropäischer) Herrscher; die Übersetzung folgt dieser Terminologie und übersetzt „rex“ auch da mit „König“, wo der entsprechende Herrscher nicht gekrönt 98
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vorauseilen? (8) Werden wir den Brauch für verachtenswert halten, [nur] weil ihn das Heidentum erdacht und hervorgebracht hat? So beschaffen sind auch Kauf, Verpachtung, die Verpfändung von Sklaven und andere in gutem Glauben geschlossene Verträge. Denn dass Kaiser [Justinian] im fünften [Buch] des Codex anordnet, die Vorschrift betreffend Adoption und Annahme an Kindes statt zu streichen, auf dass sie künftig nicht beachtet werde, geschah zugunsten jener, die ihre Bastarde adoptieren und ihre unerlaubte Begierde mit irgendeinem Anstrich des Rechts beschönigen [wollen]; du wirst das verstehen, wenn du jene Stelle genau untersuchen wirst.97 (9) Mögen wir uns jedoch hüten, an solche [Dinge] zu rühren, weil wir uns selber solcher [Dinge] bedienen. Ist es doch gottlos, das nicht zu verehren, was die Vernunft verordnet, was der fromme Kult der Vorfahren verehrt. [8] (1) M a t t h ä u s : Schon können wir von der Fußfessel des Stockens befreit ein wenig schneller voranstürmen, reißt uns ein freierer Schritt fort, erfreut uns ein gebahnterer Weg. Dem Ziemowit folgte also sein Sohn Lestek IV., dem Lestek dessen Sohn Ziemomysł nach. Beider Edelmut, Körperkraft und im Ganzen glückliche Erfolge zeichneten sie dermaßen aus, dass sie mit ihren Tugenden die Tugenden fast aller Könige übertrafen. (2) Von Ziemomysł aber wurde jener berühmte Mieszko, der Blinde, gezeugt98 , der sieben Jahre lang blind erzogen, am Ende des siebten Jahres durch göttliche Fügung erleuchtet wurde und, nachdem er das Augenlicht zurückerlangt hatte, das Alter durch Tatkraft besiegte. Aber solange er des Augenlichtes beraubt war, war er auch blind an Vernunft, da er die Nächte mit sieben Huren, die er Gattinnen nannte, zu verbringen pflegte. (3) Als er diese schließlich verschmäht, heiratet er eine gewisse [Frau] aus Böhmen namens Dobrawa99. Durch ihre glückliche Ehe wird das Eis des Unglaubens aufgelöst, siedelt die wilde Rebe unserer heidnischen Stämme in den Weinstock der wahren Rebe über. (4) Denn dieser [Dobrawa], die den katholischen Glauben über alles liebte, gefiel es, sich nicht eher zu vermählen, als nicht das ganze Reich Polen mit seinem König100 das Zeichen des
war und eigentlich als „Herzog“, „Fürst“ oder „Großfürst“ bezeichnet werden müsste. Dementsprechend wird auch „regnum“ in der Regel mit „Königreich“ übersetzt, auch wenn „Herrschaft“, „Herrschaftsbildung“, „Herrschaftsbereich“, „Herzogtum“ u. ä. historisch korrekter wäre, denn Polen war vor 1320 lediglich in den Jahren 1025 –1031 und 1076 –1079 Königreich, Böhmen vor 1198 nur in den Jahren 1085 –1092 und 1158 –1174; lediglich Ungarn war seit dem Jahr 1000 durchgehend Königreich. Zur Problematik vgl. Was war das frühpiastische regnum – oder gab es im frühen Mittelalter Staaten?, in: 3. Joachim-Lelewel-Gespräch des Deutschen Historischen Instituts in Warschau, hrsg. von Eduard Mühle, http: / / www. perspectivia.net / content / publikationen / lelewel-gespraeche / 2-2010 (18. 1. 2014).
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caracterem. Didicerat namque quod dispar cultus unum erat impeditiuorum matrimonii. Primus itaque Polonorum rex Mesco gratiam baptismi suscepit.101 [9] (1) JOHANNES: Omnium omnino hic primus regum ac serenissimus, per quem huic patrie noui iubar sideris est infusum; per quem tante fons gratie ad nostri usque luti alueos manauit, cuius gesta non tam in cortice sunt dulcia quam fecundo interius ueneranda misterio. Illius nimirum cecitas nostra nimirum fuit priuatio, quos ueri luminis orbauerat carentia. (2) Nam quid illius pueritie septennium quam nostre insipientie, nostri erroris uniuersitatem estimabis? Septenarius enim ob multas causas uniuersitati deseruit. Vnde: non dico tibi dimittendum septies set septuagies septies102, hoc est uniuersam transgressionem. Similiter: lauare septies103, hoc est uniuersaliter de uniuersis, et mundaberis. Et in Thobia: ego sum Raphael de septem spiritibus unus104, id est de uniuersitate angelorum. (3) Ille igitur septem annis infantie, nos uniuerso nostre obstinationis tempore caligauimus. Illi anni fine septimi uisus restituitur, nobis, in quos fines seculorum deuenerunt105, septiformis gratie lux oritur. Ille septem pelicibus detinetur, nos generalibus septem uitiis maritamur; unice tandem ille copulatur et nos uniter unius id est ecclesie amplexibus federamur. (4) Dictus uero est ,Mesca‘ id est ,turbatio‘, quia ceco nascente parentes turbati sunt, uel ,mistice‘ quia ab ipso initiata uidentur belli spiritualis aput nos seminaria. Per ipsum enim inseminatum est bellum bonum, ut rumperetur pax mala; aut ut forte ait euangelium: non omnes corde in cithara resonant nec quotquot in misticis ponuntur, misticum habent intellectum.106 [10] (1) MATHEVS: Porro de tam generoso stipite surculus uegetatior, palma erumpit fecundior, Mesconides Boleslaus. Qui adhuc tenellas fidei primitias, adhuc in cunis uagientem ecclesiam tam tenero amplexu, tam adulta fouit teneritudine, ut geminam metropolim instituerit107, ut debitas
101 Die Geschichte von der Blindheit Mieszkos, seiner Ehe mit Dobrawa und der Taufe nach Galli Anonymi cronicae I, 4 –5. 102 Mt 18, 22. 103 2 Kg 5, 10. 104 Vgl. Tob 12, 15. 105 1 Kor 10, 11. 106 Der Satz findet sich in keinem der vier Evangelien; vgl. Quintilianus, De instituione oratoria VII, 9, 2: „… verba […] quaedam diversos intellectus habent.“
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christlichen Glaubens empfangen hatte. Sie hatte nämlich gelernt, dass ein verschiedener Glaube ein Ehehindernis ist. Und so empfing der erste König der Polen, Mieszko, die Gnade der Taufe.101 [9] (1) J o h a n n e s : Er war überhaupt der erste und erlauchteste aller Könige; durch ihn verbreitete sich in diesem Vaterland der Glanz des neuen Sterns, durch ihn floss die Quelle einer so großen Gnade bis in die Höhlungen unseres Sumpfes. Seine Taten sind nicht so sehr an der Oberfläche süß als im Innern durch ein fruchtbares Geheimnis verehrungswürdig. Freilich war seine Blindheit zweifellos unser Verlust, waren wir doch des wahren Lichtes beraubt. (2) Denn wofür, wenn nicht für die Gesamtheit unseres Unverstands, unseres Irrtums, hältst du die sieben Jahre seiner Kindheit? Denn die Siebenzahl dient aus vielen Gründen der Gesamtheit. Deshalb: Ich sage dir, nicht sieben Mal, sondern siebzig Mal sieben Mal102, das heißt bei allen Verstößen, sollst du vergeben. Ähnlich: Wasche dich sieben Mal103, das heißt allgemein von allem, und du wirst gereinigt sein. Und bei Tobias [steht]: Ich bin Raphael, einer der sieben Erzengel104, das heißt aus der Gesamtheit der Engel. (3) Also waren er und wir alle während der sieben Jahre seiner Kindheit in das Dunkel unseres Starrsinns gehüllt. Jenem wird am Ende des siebten Jahres das Sehvermögen zurückgegeben, uns, auf die das Ende der Welt gekommen ist105, geht in siebenfacher Form das Licht der Gnade auf. Jener wird von sieben Geliebten festgehalten, wir werden mit den sieben Todsünden vermählt. Jener verbindet sich schließlich mit der Einen und wir schließen uns zu einem Bündnis in den Umarmungen der Einen, das heißt der Kirche, zusammen. (4) Genannt aber wurde er ,Mieszka‘, das heißt ,Betretenheit‘, weil die Eltern angesichts des blind geborenen [Sohnes] betreten waren; oder ,geheimnisvoll‘, denn seit ihm begann bei uns die Saat des geistigen Kampfes aufzugehen. Denn er entfesselte den guten Krieg, um mit dem schlechten Frieden zu brechen. Oder vielleicht, wie das Evangelium sagt: Nicht alle Saiten der Zither hallen wider und nicht alles, was man unter die Geheimnisse steckt, hat einen geheimen Sinn.106 [10] (1) M a t t h ä u s Dann spross aus einem so edlen Stamm ein noch üppigerer Setzling, ein fruchtbarerer Zweig, der Sohn des Mieszko, Bolesław [I.]. Er hat die noch so zarten Erstlingsfrüchte des Glaubens, die noch in der Wiege quäkende Kirche mit so zarter Umarmung, mit so reifer Zartheit gefördert, indem er zwei Erzbistümer begründete107, für beide 107
Vgl. Galli Anonymi cronicae I, 11, der von „duos metropolitanos cum suis suffraganeis“ spricht; von einem zweiten polnischen Erzbistum, das zur Zeit des Bolesław (neben dem im Jahr 1000 errichteten Erzbistum von Gnesen) errichtet worden wäre, ist sonst nichts bekannt.
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suffraganeorum dioceses utrique deputauerit, ipsarum quoque diocesum distinctiones certis limitibus insculpsit. (2) Nihil enim est quod lumine clariore prefulgeat quam recta fides in principe, nihil est quod ita nequeat occasui subiacere quam uera religio.108 Vnde ad cumulum religionis patrem sanctitatis ac patronum beatum Adalbertum, infinitis Bohemorum iniuriis actum, deuotissime suscipit, reuerenter exhibet, omni studio ueneratur. (3) Quem sanctus ad plurima paucis informat: ,Digna, inquit, uox est maiestate regnantis, legibus alligatum principem se profiteri. Adeo de auctoritate iuris principum pendet auctoritas.109 Ius uero diuinum humano preiudicat. Lex namque Domini irreprehensibilis, lex inmaculata, conuertens animas.110 Omnium ergo, fili, que agis, e diuine speculo iustitie formam mutuare. Nam re uera omni maius est imperio legibus ecclesie omnem submittere principatum.‘111 (4) Tam fidelem eruditionis formulam non infidelis ille auditor cordis sacrario inpingit, tam se quam suos religionis scabello substernens, omnium de se a uiris religiosis, non ab assentatoribus, exigens censuram. Et ne ullius posset incircumspectionis argui, ne ullum in eo locum ulla inueniret leuitas, altis prudentum gaudebat occupari consiliis. Duodecim namque delegerat summi consilii uiros quorum sacra iugiter sugebat ubera, de quorum pectoribus uelut quibusdam diuinis fontibus omnimoda uirtutum eliciebat rudimenta. (5) Hic delinquentium culpas et districte nouerat percellere et pie resecare, nam neque sine ultione fuit pius nec sine pietate districtus. Adeo ex iustitia et mansuetudine quasi electri purioris, cuiusdam temperamenti rutilabat in ipso serenitas, ut nec rigor esset rigidus nec mansuetudo dissoluta. (6) Tanta illi aliene calamitatis fuit compassio, ut prius alienis quam propriis occurreret incommodis et in causis oppressorum non iudicem se gessit set patronum. Si quid tamen seuerius iusta in aliquem exegisset sententia, modicille precis interuentus expiabat. Nonnumquam etiam sue delinitus coniugis amplexibus mansuescebat.112 (7) Quid plura? Nihil illi defuit quod nature amicum, quod uirtuti consonum, quod honestati fuisset consentaneum. Ideoque imperator Otto Rufus desiderio experiendi ea, que fama de Boleslao diffuderat, Poloniam
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CIC Cod 1, 1, 8, 2. CIC Cod 1, 14, 4. Ps 19 (18), 8 (animas = animam). CIC Cod 1, 14, 4. Vgl. Galli Anonymi cronicae I, 13.
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Weihbischöfe die pflichtmäßigen Diözesen bestimmte und auch die Abgrenzungen ihrer Diözesen durch klare Linien umriss. (2) Denn es gibt nichts, das mit hellerem Licht vorausleuchten mag als der rechte Glaube eines Fürsten; es gibt nichts, das so vom Untergang bedroht ist wie die wahre Religion.108 Deswegen nimmt er die Krönung des Glaubens, den Vater und Patron der Frömmigkeit, den durch sehr große Beleidigungen der Böhmen vertriebenen heiligen Adalbert mit größter Ehrerbietung auf. (3) Der Heilige unterweist ihn mit nur wenigen [Ausführungen] in sehr vielen [Dingen]: ,Der Majestät eines Herrschers – sagt er – ziemt folgendes Wort: Ich bekenne öffentlich, dass der Fürst durch Gesetze gebunden ist. Insofern hängt das Ansehen der Fürsten von der Geltung des Rechtes ab.109 Das göttliche Recht aber greift dem menschlichen vor. Das Gesetz des Herrn nämlich ist vollkommen, es ist ein unbeflecktes Recht, das die Seelen erquickt.110 Bei allem, was du tust, mein Sohn, leite die Norm folglich aus dem Spiegel der göttlichen Gerechtigkeit ab. Denn in einer richtigen Herrschaft ist es wichtiger als alles [andere], die gesamte Fürstenherrschaft durch Gesetze dem Befehl der Kirche zu unterstellen.‘111 (4) Jener treue Zuhörer birgt die so gläubige Norm der Gelehrsamkeit in der Schatzkammer seines Herzens, unterstellt sowohl sich selber als auch die seinen dem Thronschemel der Religion und erwägt bei allen ihn betreffenden Angelegenheiten das Urteil der frommen Männer und nicht [jenes] der Liebediener. Und damit niemand ihn der Unachtsamkeit zeihen konnte, damit bei ihm an keiner Stelle irgendein Leichtsinn Zugang fand, freute er sich, die teuren Ratschläge der Weisen anzunehmen. Er hatte nämlich zwölf Männer in den höchsten Rat gewählt, an deren heiligen Brüsten er beständig saugte, aus deren Herzen er wie aus göttlichen Quellen jegliche Proben der Tugenden herauslockte. (5) Er konnte schuldige Verbrecher sowohl hart bestrafen als auch gütig aufhalten, denn er war weder gütig ohne rächende Bestrafung noch streng ohne Güte. So sehr funkelte in ihm die Heiterkeit einer gewissen Mischung von Gerechtigkeit und Milde, sozusagen eines reineren Bernsteins, dass die Strenge nicht unbeugsam, die Milde nicht schwach war. (6) Er empfand so großes Mitleid mit fremdem Unglück, dass er eher fremde als eigene Unannehmlichkeiten auf sich nahm und sich in Streitsachen Unterdrückter nicht als Richter, sondern als Schutzherr erwies. Wenn er aber gegen irgendjemanden etwas Strengeres forderte, als ein gerechtes Urteil [verlangte], besänftigte [ihn] eine angemessene Fürsprache. Bisweilen wurde er auch zahm, indem er durch die Umarmungen seiner Gattin besänftigt wurde.112 (7) Was weiter? Ihm fehlte nichts [von dem], was die Natur erfreut, mit der Tugend harmoniert, mit der Ehre vereinbar ist. Daher zog Kaiser Otto [III.] der Rote [im Frühjahr 1000] im Verlangen, selbst zu erfahren, was der Ruhm über Bolesław verbreitet, nach Polen, weil er angeblich dem heiligen
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ingreditur, quasi beato martiri Adalberto uotiuam exhibiturus reuerentiam. (8) Qui omnibus diligenter circumspectis: ,Frustra, inquit, frustratorios de hoc uiro suspicabar diuulgari rumusculos, frustra famam loquacitatis criminabar! Quam nunc potius mutam dixerim et elinguem, inuidam ac tenacem, que plura, que maiora sepelit silentio, quam tuba ueritatis preconetur. (9) Vnde hunc nostri amicissimum imperii non in partem uocari sollicitudinis, set plenitudine addecet potestatis113 gloriari, utpote in quo ipsa potestatum celsitudo gloriatur, non tam excelsis honorum gradibus quam illius excellentia sublimis.‘ Imperiale itaque sibi diadema detrahens, capiti Boleslai non sine reuerentia inponit, illius e conuerso galimate suum caput conuenustans. (10) Et licet argenteas officinas, auream supellectilem, officiosissimos etiam officialium ornatus, licet omnia duceret admiranda, ipsius tamen uirtutes non satis potuit admirari, quas uelut in quendam spere glomicellum in hunc solum et uidit et inuidit congestas.114 [11] (1) JOHANNES: Nunc tandem uiri bona laudasti! Omnia enim que pretio nitent alieno aliena sunt, omnia fortune bona sunt non nostra. Meas tantum putauerim gemmas que in pectoris nascuntur armario. Vnde quidam ad philosophum ingressus, fuliginose situm mansiuncule, supellectilis ariditatem, ipsum uero habitu pannosum, uultu squalidum, macie uide horribilem, nasum in rugas contrahit, omnia illi inproperat, de omnibus illum obiurgat. (2) Cui sapiens: ,In aliena, inquit, mansitatione me hodie occupatum inuenisti; meam crastino, si libet, contemplare, lautissimo exhibendus apparatu.‘ Ac ille: ,Actum puta!‘ Die uero condicto introducit illum philosophus in edem quandam, in qua forte tunc quorundam prediuitum sodalitium erat futurum. (3) ,Sic, inquit, habito, hic nostre splendor supellectilis, non ille squalor hesternus. Locat illum sella eminentiore amictu exornans purpureo (uernula enim uasa, uestimenta a domino domus corrogauerat), apponit illi discum argenteum uacuum et alterum cicutis partim integris partim concisis refertum, dicens: ,Vescere, sodes!‘115 (4) Respondet ille: ,Quonam uescar? hoc inane, illud horribile.‘ Cui philosophus: ,Tam plene, tam sapide sunt prudentibus diuitum delicie!‘ Offert illi duo pocula,
113 Zu den Begriffen „pars sollicitudinis“ (im kanonischen Sinn = die Pfl ichten eines Bischofs) und „plenitudo potestatis“ vgl. Bernhard von Clairvaux an Papst Eugen III. (Migne PL 185, Sp. 273). 114 Vgl. Galli Anonymi cronicae I, 6. 115 Horatii Epistulae I, 7, 15.
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Märtyrer Adalbert die gelobte Ehrerbietung erweisen wollte. (8) Nachdem er alles sorgfältig betrachtet hatte, sprach er: ,Irrtümlich argwöhnte ich, dass über diesen Mann falsche Gerüchte verbreitet würden. Irrtümlich verleumdete ich [seinen] Ruhm als Geschwätz, das ich jetzt eher stumm und sprachlos, neidisch und geizig nennen würde, da es mehr [Dinge], die wichtiger sind, mit Schweigen begräbt als mit der Trompete der Wahrheit verkündet. (9) Daher soll dieser beste Freund unseres Reiches nicht [nur] zur Teilhabe an [unserer] Sorge berufen sein, sondern es ziemt sich, dass er sich der vollen Macht113 rühme. Denn in ihm wird die Hoheit der Herrschaftsgewalten selbst gerühmt, die nicht so sehr durch die erhabenen Rangstufen der Ämter als durch seine Vorzüglichkeit erhöht wird.‘ Und so nahm er sich das kaiserliche Diadem ab und setzte es nicht ohne Ehrerbietung auf das Haupt des Bolesław; im Gegenzug schmückte er sein eigenes Haupt mit dessen Helm. (10) Und obschon er die silbernen Geräte, das goldene Geschirr, auch die überaus gefälligen Prachtgewänder der Amtsträger, obschon er [dies] alles bewundernswert fand, konnte er [Bolesławs] persönliche Tugenden doch nicht genug bewundern, die in ihm, wie er mit Neid sah, wie in einer Kugel zusammengeballt waren.114 [11] (1) J o h a n n e s : Jetzt hast du endlich die Vorzüge des Mannes gerühmt! Denn alle [Dinge], die durch fremden Lohn glänzen, sind fremde, sie alle sind Güter des Glücks, nicht unsere [eigenen Güter]. Für meine eigenen Edelsteine würde ich nur diejenigen halten, die in der Rüstkammer des Herzens entstehen. Daher sieht jemand, der zu einem Philosophen kommt, der in einem verrußten Zimmer liegt, ärmlichen Hausrat, ihn selbst aber im Lumpengewand, mit schmutzigem Gesicht, in schrecklicher Magerkeit, rümpft die Nase und wirft ihm all das vor, tadelt ihn für all das. (2) Diesem [entgegnet] der Weise: ,Heute hast du mich – sagt er – in einer fremden Wohnung beschäftigt angetroffen; meine [eigene], exquisite Pracht darbietende [Wohnung] kannst du, wenn es beliebt, morgen anschauen.‘ Und jener: ,So sei es!‘ Am verabredeten Tag führt der Philosoph jenen in einen gewissen Tempel, in dem damals zufällig eine Gesellschaft sehr reicher [Männer] zusammenkommen sollte. (3) ,Hier – sagt er – wohne ich, hier ist der Glanz unseres Hausrats, [und] nicht jener gestrige Schmutz.‘ Er setzt ihn auf einen erhöhten Stuhl, schmückt ihn mit einem purpurnen Gewand (Haussklaven, Geschirr, Kleidung hatte er vom Hausherrn erbeten); er stellt ihm eine leere silberne Schüssel hin und eine zweite, die teilweise mit ganzem, teilweise mit geschnittenem Schierling gefüllt war, und sprach: ,Esse, wenn du Lust hast!‘115 (4) Jener erwidert: ,Wie soll ich denn essen? Diese [Schüssel] ist leer, jene ungenießbar.‘ Daraufhin der Philosoph: ,So üppig, so schmackhaft sind den Weisen die Gelüste der Reichen.‘ Er reicht ihm zwei Kelche, einen goldenen, einen irdenen, Gallensaft im goldenen,
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unum aureum alterum fictile, fel in aureo, nectar in fictili. ,Hoc, inquit, est quod in diuitis fulgore admiraris, illud in pauperis squalore fastidis. Estima quid eligendum putes: in auri superbia fellis acrimoniam, an fauum in Samiis nectareum.‘ (5) Demum iubet ex industria sellam, in qua ille insidebat, clam succidi; a qua lapsus de laterum queritur lesione. Tum nonnullis cachinno diffluentibus, ait prudens: ,Nihil hic noui. Talis enim est natura sublimium, ut quo fuerint celsiora eo magis ad ruinam prona. Familiare autem est sublimibus familiares habere infestos et ideo collaterales illis esse debere laterum molestias.‘ (6) Omnibus denique detractis induuiis, ab aula eicitur, affititur contumeliis, flagris conciditur. Aperitur illi omnia aliena esse preter duo: animum et tempus, quorum possessionem natura nobis delegauit.116 (7) Docet alienis uti posse, abuti non debere iocundioresque in paupertatis diuersorio quam in domibus regum esse delicias. Iocunda enim res est leta paupertas, set paupertas non est si leta est.117 ,Qui ergo, inquit, nostram domum intrauerit, nos potius miretur quam nostram supellectilem.‘118 [12] (1) MATHEUS: Vereor autem ne Boleslai facta uerbis assequi non possim, quibus et elinguis fit disertior et laudatissimorum eloquentia obmutescit.119 Huius namque uniuersa supellex aut in animi dotibus uiguit, aut in armorum strennuitate resplenduit. Quibus Selenciam, Pomoraniam, Prusiam, Rusiam, Morauiam, Bohemiam sue subiciens dicioni, suis posteris reliquit uectigales, urbem Pragensem secundariam sui sedem regni constituens. (2) Hunos seu Vngaros, Crauacios et Mardos gentem ualidam120 suo mancipauit imperio. Immo et Saxones indomitos adeo perdomuit, ut in Sale flumine columpnam fi xerit ferream, quasi quibusdam gadibus sui fines imperii ab occidente disterminans. (3) Nam ab oriente in aureis Kieuie ualuis metarum alteram inpegit, ubi mucronis ictu creberrimo, urbe capta, uelut quoddam bonee signum in aurea ciuitatis porta excidit. Vbi quendam sui sanguinis regem creat, ipso Ruthenorum rege non prelio quidem set
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Senecae Ad Lucilium I, 3. Senecae Ad Lucilium II, 5 – 6. 118 Senecae Ad Lucilium V, 6. 119 Die nachfolgende Beschreibung der Taten Bolesławs knüpft an Galli Anonymi cronicae I, 6 und 10 an. 120 Iustini Epitoma XLI, 5, 9. 117
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Nektar im irdenen. ,Dieser – so sagt er – ist das, was du als Glanz des Reichen bewunderst, jener, [was] du als Schmutz des Armen verachtest. Urteile, was du wählen sollst: die bittere Galle in der Überheblichkeit des Goldes oder den süßen Honig im Samos-Topf.‘ (5) Dann ließ er absichtlich den Stuhl, auf dem jener saß, heimlich ansägen, so dass er sich, nachdem er von ihm heruntergefallen war, über die verletzten Körperseiten beklagte. Als daraufhin einige in schallendes Gelächter ausbrachen, sagte der Weise: ,Das ist nichts Neues. So ist doch die Natur aller in die Höhe strebenden Dinge: Je höher sie emporragen, desto mehr neigen sie zum Einsturz. Den Erhöhten ist auch vertraut, dass sie [oft] feindselige Vertraute haben und sie daher durch die Genossen an ihrer Seite [mitunter] über [verletzte] Körperseiten klagen müssen.‘ (6) Schließlich wird er aller Kleider beraubt aus der Halle geworfen, mit Beleidigungen überschüttet und mit Peitschen zu Boden geschlagen. Ihm wird offenbart, dass alle [Dinge] fremde [Dinge] sind, abgesehen von zwei [Dingen]: der Seele und der Zeit, deren Besitz uns die Natur anvertraut hat.116 (7) Das lehrt ihn, dass man fremdes Eigentum benutzen kann, aber nicht missbrauchen darf; und dass die Vergnügungen in einem ärmlichen Quartier angenehmer sind als in den Gemächern der Könige. Denn eine fröhliche Armut ist eine angenehme Sache, doch ist es nicht Armut, wenn sie fröhlich ist.117 ,Wer also – sagt er [der Philosoph] – unser Haus betreten hat, bewundere lieber uns als unseren Hausrat.‘118 [12] (1) M a t t h ä u s : Ich fürchte aber, dass ich die Taten des Bolesław mit Worten nicht zu fassen vermag, durch die sowohl der Stumme redegewandter wird als auch die Redegewandtheit der Höchstgelobten verstummt.119 Denn sein ganzes Rüstzeug erblühte entweder in den Gaben seines Verstandes oder erstrahlte in der Tüchtigkeit seiner Waffen. Durch sie unterwirft er seiner Herrschaft Schlesien, Pommern, das Pruzzenland, die Rus’, Mähren und Böhmen, hinterlässt [sie] seinen Nachkommen [als] Abgabenpflichtige, erhebt [1003] die Stadt Prag zum zweiten Sitz seines Königreiches. (2) Die Hunnen oder Ungarn, die Kroaten und Marden, ein starkes Volk120 , macht er seinem Befehl dienstbar. Ja selbst die unbändigen Sachsen bezwang er derart, dass er in den Fluss Saale eine eiserne Säule einrammte, sozusagen um das Gebiet seines Reiches gegen Westen durch irgendwelche Grenzen abzustecken. (3) Denn gegen Osten hat er in das goldene Tor von Kiev eine zweite Grenzmarkierung eingeschlagen, wo er, nachdem er die Stadt [1018] eingenommen hatte, mit der Spitze seines Schwertes mehrmals auf das goldene Stadttor einschlug, wie zum Zeichen der Inbesitznahme. Dort macht er einen seiner Verwandten [Svjatopolk Vladimirovi0] zum König, während der König der Ruthenen [Rus’] selbst [Jaroslav Vladimirovi0] nicht in irgendeinem Kampf besiegt, sondern allein durch die
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solo ignauie metu profligato. (4) Nam cum illi Boleslaus inminere nuntiatur, ut erat nugis piscationum intentissimus, hamum cum regno abicit dicens: ,Eius hamo sumus intercepti, qui siluros prendere non didicit.‘ Quo uix dicto in fugam tremebundus conuertitur, fuga tutior quam belli congressu felicior. (5) Boleslao siquidem post felicem de hostibus triumphum remeante ac toto pene illius exercitu defluxo, iste fugitiuus tam uiris quam uiribus collectis, a tergo subrepit, ratus aut incautum insidiis inuoluere, aut prouidum obruere multitudine. (6) Quibus eminus ille uisis ait: ,Istos ipsos, o socii, puluis pecorum calcibus excussus exuit a castris.121 Isti muculentissimi desides ante casum occidunt, ante inpetum succumbunt. Arcendi tamen sunt uolatiles muscarum aculei, quia etiam contra ignauos molesta est torpedo, turpis est ignauia. (7) Nec uos moueant inexercitate plebis centuplati exercitus, quia in paucioribus uia liberior et circumspectior est strennuitas. Nec multo est gloriosior uincens multitudo quam uicta paucitas. Igitur quia cum sarcinis facile nemo enatat, abici conuenit prede occupamina. Iocundius enim est uictorie gloriari titulis quam predociniis inpregnari.‘ (8) Ad hec illi: ,Animo, inquiunt, desideranti mora est ipsa celeritas! Cui ergo uacat hostilium capita computet legionum, nostri enses interim capitum supputent minutias.‘ Confertissimas itaque penetrant acies, ferrea ferro demetunt papauera. Nec satiata est insatiabilis leonum rabies, donec extrema rotata sunt cadauera, donec Bug flumen cruoris concretum est coagulo. (9) Non angusto rursus decurso tempore, Boleslaus Rusiam Ruthenus Poloniam hostiliter ingredi gestiunt et interiectu cuiusdam fluminis122, qui regna limitabat, castra ex opposito metantur. Tum barbarus ille non tam dispecta quam despecta Polonorum paucitate suorumque numerositate recensita, quodam ex앚tollentie fastu super se rapitur, neminem pre se hominem ducit et inanis captiosus gloriole glorioso mandat Boleslao: (10) ,Aper seclusus est ab indagine, sus in uolutabro deprehensa nostris cassibus inuo-
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Vgl. Senecae Ad Lucilium XIII, 8. Mit Bielowski aus „flumiins“ bei Plezia verbessert.
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Angst der Feigheit überwältigt wurde. (4) Denn als ihm gemeldet wurde, dass Bolesław drohend vor ihm stehe, wirft er, weil er gerade überaus eifrig den Albernheiten des Fischfangs nachging, die Angel zusammen mit dem Königreich fort und spricht: ,Wir sind an der Angel eines [Mannes] gefangen, der nicht gelernt hat, die Welse zu fassen.‘ Kaum hatte er dies gesagt, schlug er zitternd die Flucht ein – eher Sicherheit in der Flucht als Erfolg im Zusammenstoß des Krieges suchend. (5) Als Boleslaw nach erfolgreichem Triumph über die Feinde zurückkehrt und fast das ganze Heer jenes [rus’ischen Fürsten] auseinanderfiel, sammelt dieser auf der Flucht sowohl [seine] Männer als auch Kräfte, schleicht sich hinterrücks an und meint, entweder den sorglosen [Bolesław] in Hinterhalte zu locken oder den vorausschauenden durch die [schiere] Menge zu vernichten. (6) Als jener sie aus der Ferne erblickt, sagt er: ,Die da, meine Kameraden, hat der von den Hufen der Tiere aufgewirbelte Staub aus den Lagern getrieben.121 Diese faulen Oberschleimer fallen [schon] vor dem Untergang, erliegen [schon] vor dem Angriff. Aber die fliegenden Stachel der Mücken müssen abgewehrt werden, denn auch gegen Feiglinge ist Trägheit unangenehm, Bequemlichkeit verwerfl ich. (7) Möge euch das ungeübte Heer des hundertfachen Pöbels nicht beeindrucken, weil die kleinere Schar einen freieren Weg und umsichtigere Tüchtigkeit hat. Eine siegende Masse bedeckt sich nicht mit viel größerem Ruhm als eine besiegte kleine Schar. Und weil mit Lasten niemand leicht ans Ufer schwimmt, muss die [uns] beschwerende Beute abgeworfen werden. Denn es ist angenehmer, sich mit den Ehrenzeichen des Sieges zu rühmen als sich mit Erbeutetem zu beschweren.‘ (8) Darauf entgegnen jene: ,Für einen drängenden Geist ist selbst Eile eine Verzögerung! Wer also Zeit hat, möge die Häupter der feindlichen Legionen zählen, unsere Schwerter mögen unterdessen die Dezimierung der Häupter berechnen.‘ Und so dringen sie in die dichtesten Kampfreihen ein, mähen mit dem Schwert die eisernen Mohnköpfe ab. Und die Wut der unersättlichen Löwen war nicht eher gestillt, bis die Leichen im Kreis wirbelten, bis der Fluss Bug durch das geronnene Blut erstarrte. (9) Es verging nicht viel Zeit, da dürstet es Bolesław erneut, in die Rus’, den Ruthenen [aber] nach Polen feindlich einzufallen. Man schlägt gegenüber die Lager auf, [nur] durch einen Fluss122 getrennt, der die Königreiche abgrenzte. Darauf wird jener Barbar [Jaroslav Vladimirovi0], der die kleine Schar der Polen weniger unterschätzte als verachtete und die Zahl der seinen überschätzte, durch den Hochmut der Überheblichkeit fortgerissen; er erkennt niemanden über sich als Menschen an und lässt Bolesław im Trugschluss des kleinen nichtigen Ruhmes prahlerisch ausrichten: (10) ,Der Eber ist durch Aufspüren eingeschlossen, das Schwein in der Schweinesuhle in die Enge getrieben und in unsere Netze gehüllt. Es muss die Übun-
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luitur, quam necesse est nostrorum exercitamina catulorum experiri et luctuosum de se prebere spectaculum.‘ (11) Cui ille: ,Vir uanus, inquit, in superbiam erigitur et quasi pullum onagri se liberum natum putat.123 Me aprum, me suem uocat, nec fallitur: hic namque singularis ferus ipsum forsitan depascet. Sus ista robustorum fecundissima diuino utinam opitulamine sic illos canes exerceat, ut illorum sanguine debrietur. Set armis dimicandum puto, non uerbis!‘124 (12) Interea utriusque partis clientuli se mutuis prouocant contumeliis, uicariis lacessunt iniuriis. Tum Polonorum latrunculi castra hostium irrumpunt, quorum quosdam obruunt, quosdam diffugio inpellunt. Qua re cognita Boleslaus acies ordinat, castra mouet, classicum iubet instrepi clangorem, hostes insectatur, de omnibus triumphat. Nam et rex cum primis procerum capti canum instar copule innexi protrahuntur, non iniuria, utpote quos suus princeps catulos nuncuparat, Quod tamen uictor egregius egre tulit. ,Miserum, inquit, est miseris insultare, quia nihil tibi de alio fortuna permittit, quod alii de te permittere non possit.‘ [13] (1) JOHANNES: Exitus iactantie casus est, finis humilitatis in gloria. Nihil enim displicentius, nihil Deo infestius quam ceruicosus arrogantie tumor, qui multos subuertit, qui nonnullos uertit in beluas. Item fastus Darii copias nimbis obruit et grandine. (2) Nam Alexandro bellum contra Darium gestiente, mittit ei Darius tria munuscula: pilam qua ludunt pueri, scuticam qua corripiuntur et aureos cum hac epistola: (3) ,Darius, rex regum et consanguineus deorum, Alexandro famulo suo salutem. Puer es adhuc, reuertere ad parentes tuos, qui famuli mei sunt. Pilam misi tibi ut ludas, cum adhuc puer sis; scuticam quia adhuc correctione indiges; aureos quia scio te indigere. Et ego si uellem totam terram, que usque ad pedes tuos est, possem talibus consternere. Et cum puer sis, non est tecum armis confligendum.‘125 (4) Ad hec Alexander: ,Regi regum et consanguineo deorum Dario Alexander. Munera que misisti longe aliter interpretor. Pile rotunditas spondet mihi orbis imperium; in scutica uincula quibus te cum
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Ib 11, 12 (quasi = tamquam). Vgl. Iuli Valeri Res Gestae Alexandri I, 41. Vgl. Iuli Valeri Res Gestae Alexandri I, 36.
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gen unserer Welpen erfahren und ein jammervolles Schauspiel darbieten.‘ (11) Dazu sagt jener: ,Der Mann versteigt sich vergeblich in Überheblichkeit und glaubt, dass er als Fohlen eines wilden Esels frei geboren sei.123 Er nennt mich Wildschwein, nennt mich Schwein – und er täuscht sich nicht [einmal], denn der einzigartige Wilde wird ihn vielleicht fressen. Dieses Schwein, das fruchtbarste der starken [Tiere], möge mit göttlicher Hilfe jene Hunde so quälen, dass es von ihrem Blut berauscht wird. Doch mit dem Heer, meine ich, nicht mit Worten soll gekämpft werden!‘124 (12) Unterdessen provozieren sich die Diener beider Parteien wechselseitig mit Beschimpfungen, reizen sich mit gegenseitigen Beleidigungen. Dann fallen die Söldner der Polen in die Lager der Feinde ein, von denen sie die einen vernichten, die anderen in die Flucht schlagen. Sobald Bolesław dies erfährt, ordnet er die Schlachtreihen, setzt die Lager in Bewegung, befiehlt das Kampfsignal ertönen zu lassen, verfolgt die Feinde und triumphiert über alle. Denn der König und die ersten der Vornehmen werden wie ein Rudel gefangener Hunde herausgezogen, nicht zu Unrecht, hatte sie doch ihr Fürst [selbst] Welpen genannt. Der ausgezeichnete Sieger aber ertrug dies [nur] mit Mühe. ,Unglückliche zu verspotten – sagt er – ist eine elende Sache, weil das Schicksal dir nicht erlaubt, anderen anzutun, was andere dir nicht antun dürfen.‘ [13] (1) J o h a n n e s : Das Ende der Prahlerei ist der Sturz, der Enderfolg der Demut der Ruhm. Denn es gibt nichts, das mehr Missfallen erregt, nichts, das Gott feindlicher ist als die Geschwulst der halsstarrigen Überheblichkeit, die [schon] viele gestürzt und manche in Untiere verwandelt hat. Ebenso hat der Hochmut des Darius [seine] Truppen mit Unwettern und Hagel überschüttet. (2) Denn als Alexander auf einen Krieg gegen Darius drängte, schickte Darius diesem drei kleine Geschenke: einen Ball, mit dem die Jungen spielen, einen Riemen, mit dem man züchtigt, und Goldstücke zusammen mit folgendem Brief: (3) ,Darius, der König der Könige und ein Verwandter der Götter, grüßt seinen Diener Alexander. Du bist noch ein Knabe, kehre zu deinen Eltern zurück, die meine Diener sind. Ich schicke dir einen Ball, damit du spielen mögest, da du noch ein Knabe bist; einen Riemen, da du noch der Züchtigung bedarfst; goldene Münzen, da ich weiß, dass du sie brauchst. Und ich könnte, wenn ich wollte, die ganze, bis zu deinen Füßen reichende Erde mit solchen [Münzen] bedecken. Und da du ein Knabe bist, soll man mit dir nicht mit Waffen kämpfen.‘125 (4) Darauf Alexander: ,[Ein Gruß] dem König der Könige und Verwandten der Götter, Darius. Die Geschenke, die du geschickt hast, lege ich ganz anders aus. Die runde Form des Balls verspricht mir die Herrschaft über den Erdball; den Riemen deute ich als Fesseln, mit denen ich dich zusammen mit den deinigen fesseln werde; in den goldenen Münzen [sehe ich],
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tuis uinciam intelligo; in aureis quod omnis tuarum mihi debetur opum possessio. (5) Et oportet te armis pugnare non uerbis.‘126 Cumque congregasset Darius infinitos exercitus, facta est tanta grando cum nimbis in exercitu Darii, quod putares deum contra illum confl igere. Qui curru desiliens, cui cum uxore et liberis insidebat, uix beneficio noctis euasit, uxorem uero et liberos eius cum perpluribus cepit Alexander. (6) Quos in regali habuit honorificentia, mortuos autem, qui audacter pugnauerant, magnifice sepeliuit.127 Sic namque sapiens uincit ut nemo uictorem sentiat. Sic Philippus inter tacitam letitiam et dolorem hostium temperauit, ut neque aput suos uictor exultasse, neque aput uictos insultasse uideretur.128 [14] (1) MATHEVS: Tam secundis uero Boleslai successibus filius eius Mesco secundus non tam secundo successit auspicio.129 Quia enim paterna uoluit esse contentus gloria, quam ne attingere quidem nedum transcendere quis poterat, nec ciuibus tam gloriosus nec hostibus adeo uisus est terribilis. (2) Nam si qua cum quibuspiam gessit prelia, necessitatis ea fuisse constat non uirtutis, coacta non uoluntaria. Non quia nulla illi strennuitas, set quia diligentior conseruandi ratio quam acquirendi inerat libido. (3) Satis enim absurdum putabat, cum in habendo certus modus haberi debeat, acquisitioni tamen modum non ponere. Tametsi quod nullius in bonis est occupanti concedatur 130 , ab omni tamen aliena est iure alieni occupatio. Hic igitur ex imperiali Ottonis tertii sorore insignem genuit Kazimirum, de quo diuerso modo series texitur historie.131 (4) Dicunt enim quidam quod post Mesconis decessum uxor eius fi lio adhuc inmaturo regnum credere non ausa, regni suscepit gubernacula. Que quia equo uiolentior est uisa132, immo quia patrie indigetibus quantumlibet primis quoslibet inquilinos et suorum lixas Teutarum preponere cepit, a ciuibus profligata in exilio consenuit, paruulo Kazimiro sub fideli procerum tutela reseruato.133 Qui dum in uirile pene robur euaserat134, inmerita 126
Vgl. Iuli Valeri Res Gestae Alexandri I, 38. Vgl. Iuli Valeri Res Gestae Alexandri I, 41. 128 Iustini Epitoma IX, 4, 3. 129 Ein weiteres Beispiel für die Wortspiele des Vincentius, der hier geschickt mit den verschiedenen Bedeutungen von „secundus“ spielt. 130 CIC Inst 2, 1, 12 (concedatur = conceditur); vgl. auch CIC Dig 41, 1, 3. 131 Vgl. Galli Anonymi cronicae I, 17. 132 Ovidi Metamorphoses III, 253. 133 Auch in Galli Anonymi cronicae I, 18, auf die sich Vincentius hier stützt, wird Kasimir zum Zeitpunkt des Todes seines Vaters (10. Mai 1034) als „puer parvulus“ bezeichnet, tatsächlich war er jedoch bereits im 18. Lebensjahr; seine Mutter Richeza starb am 21. März 1063 als Nonne im Hauskloster ihrer Familie in Brauweiler. 134 Vgl. Boetius, De consolatione I, 2, 2 (virile = virilis, euaserat = evaseras). 127
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dass der ganze Besitz deines Vermögens mir zusteht. (5) Und es ziemt sich, dass du mit Waffen und nicht mit Worten kämpfst.‘126 Und nachdem Darius sehr große Heerscharen zusammengezogen hatte, ergoss sich ein so starker Hagel mit Unwettern über das Heer des Darius, dass du geglaubt hättest, Gott [selbst] kämpft gegen ihn. Nachdem er vom Wagen, auf dem er mit Frau und Kindern saß, herabgesprungen war, entkam er mit Mühe im Schutz der Nacht. Seine Frau und Kinder aber nahm Alexander mit sehr vielen [weiteren Persern] gefangen. (6) Er zollte ihnen königliche Ehrerbietung, die Toten aber, die tapfer gekämpft hatten, setzte er prächtig bei.127 Denn ein Weiser siegt so, dass niemand den Sieger spürt. So hat [auch] Philipp [II. von Makedonien] die richtige Mischung zwischen der [eigenen] heimlichen Freude und dem Schmerz der Feinde gefunden, so dass er weder bei den seinen als Sieger noch bei den Besiegten als spöttischer Frohlocker angesehen wurde.128 [14] (1) M a t t h ä u s : Dem durch Erfolge so begünstigten Bolesław folgte sein Sohn Mieszko der Zweite nach, freilich unter nicht so günstigem Vorzeichen.129 Denn da er sich mit dem väterlichen Ruhm, den niemand zu erreichen, geschweige denn zu übertreffen vermochte, zufrieden geben wollte, erschien er weder den Bürgern besonders ruhmreich noch den Feinden übermäßig Furcht einflößend. (2) Und wenn er mit irgendjemandem Gefechte austrug, geschah dies mit Sicherheit aus Notwendigkeit und nicht aus Heldenmut, erzwungenermaßen und nicht freiwillig; [aber] nicht weil es ihm an Tüchtigkeit mangelte, sondern weil ihn eher die umsichtige Vernunft des Bewahrens als die Eroberungssucht erfüllte. (3) Denn er hielt es für recht unsinnig, dass im Besitz ein verlässliches Maß gehalten, dem Erwerb aber keine Grenze gesetzt werden soll. Auch wenn dies einem Besatzer bei Gebieten, die keinem gehören, erlaubt sein mag130 , so ist die fremde Besatzung eines fremden [Gebietes] doch gegen alles Recht. Dieser [Mieszko II.] zeugte mit der kaiserlichen Schwester [recte: Nichte] Ottos III. [Richeza] den denkwürdigen Kasimir [I.], über den auf verschiedene Weise eine Reihe von Geschichten gesponnen wird.131 (4) Die einen nämlich erzählen, dass nach dem Tod Mieszkos dessen Gattin die Steuerruder des Königreiches übernahm, da sie nicht wagte, das Königreich dem noch unmündigen Sohn anzuvertrauen. Weil sie als allzu gewaltsam angesehen wurde132, ja begann, den Eingeborenen des Vaterlandes, so vornehm sie auch waren, irgendwelche Einwanderer und Aufwärter ihrer Teutonen vorzuziehen, wurde sie, von den Bürgern gestürzt, im Exil alt, während der sehr kleine Kasimir unter der treuen Obhut der Vornehmen unversehrt blieb.133 Als dieser fast die männliche Stärke erlangt hatte134, traf ihn unverdient die Strafe der Enterbung. Die Vornehmen näm-
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exheredationis pena multatur. Timentes enim proceres ne maternas in eis persequatur iniurias, ipsum quoque non dispari ratione propulsant.135 (5) Aliis aliter uisum est.136 Dicunt enim huius matrem paruuli in ipso partu expirasse, ipsum uero inter ipsa crepundia, alterum Herculem, nouercales expertum delicias. Pater enim, ut assolet nunc pueri exosculans oscillum, nunc tenerum demulcens pectusculum, crebris anhelabat flammis, tacitis scinditur suspiriis, lacrimosis effluit imbribus, mortue licet uxoris cineres uiuos gestat in pectore. (6) Vultus enim filii speculum est matris sue. Quod nouerce aduertens uersutia dolos uersat, instruit insidias, paruo necem intentat, ne pelex in se mortua in prole uideatur superstes, ne non sua soboles regni tandem successione potiatur. Secreto itaque quendam asecretem lenocinatiuis circumscribit sermunculis, sponsionum circumuenit blanditiis, aureis persuadet donatiuis, ut puerum morti exponat. (7) Efficacissima enim est beniuolentiarum conciliatrix pecunia, nec est quod non peroret, qui auro allegatiuas et ponderat et inaurat sententias. Vir tamen tam Deo quam prudentia perplenus, ut illum a morte redimat, in eius mortem uerbotenus consentit. Quem sub occisionis simulatione tollens cuidam cenobio committit alendum. (8) Post modicillum uero tempusculi decedit pater, proscribitur nouerca, regnum destituitur, patria desolatur, seditionantur ciues, crassantur hostes: urbes, municipia domesticis exuta presidiis ab extraneis occupantur. Dissipatione dissipatur terra, direptione predatur. (9) Ceterum ille fidelis non immemor depositi quibusdam huius rei publice amicissimis de puero suggerit. ,In quo unicum tante desolationis solatium, singulare tante cladis remedium diuino ait prouisum munere, non sua seruatum industria.‘ (10) Erat autem robustorum collecta manus, que unius tantum oppidi tuta presidio contra omnium assultus hostium iam non regnum set exiles regni reliquias defensabat. Horum igitur studio patrie restituitur Kazimirus, patriam hostibus eripit, uendicarias ab undique potestates eradicat, a singulis circumquaque prouinciis principes abigit abortiuos et debitas renouat obsequelas.137
135 Vgl. Galli Anonymi cronicae I, 18; Kasimir wurde unter unklaren Umständen zu einem unbestimmten Zeitpunkt zwischen 1034 und 1040 aus seiner Herrschaft vertrieben. 136 Die hier folgende alternative Version der Geschichte ist fiktiv; sie scheint gewisse jüngere Nachrichten, die über den Enkel Kasimirs, Zbigniew, kursierten, auf diesen übertragen zu haben. Allerdings berichtet die aus den 1070er Jahren stammende Brauweiler Klosterchronik von einer Geliebten Mieszkos und dessen Scheidung von Richeza; Brunwilarensis monasterii fundatio, hrsg. von Rudolf Köpke, in: MGH SS 11, Hannover 1854 [21994], S. 394 – 408, hier S. 403: „Eodem tempore [1031] Richeza regina, facto inter se et regem coniugem suum divortio, per odium et instigationem cuiusdam suae pellicis.“ 137 Vgl. Galli Anonymi cronicae I, 19.
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lich fürchteten, dass er an ihnen die der Mutter zugefügten Kränkungen rächen werde, und vertrieben auch ihn auf ähnliche Weise.135 (5) Von anderen wird dies anders gesehen.136 Sie erzählen nämlich, dass die Mutter dieses Kindes bei dessen Geburt gestorben sei, dieses selbst aber, wie ein zweiter Herkules, beim eigenen Spiel stiefmütterliche Wonnen erfuhr. Der Vater nämlich, wie er so mal des Knaben Mündchen schmuste, mal das zarte Brüstchen streichelte, keuchte oft mit heißem Atem, wurde von schweigenden Seufzern zerrissen, in Tränenströmen aufgelöst, obwohl er die Asche der verstorbenen Gattin lebendig im Herzen trägt. (6) Das Gesicht des Sohnes nämlich ist ein Spiegel seiner Mutter. Als die Verschlagenheit der Stiefmutter dies bemerkt, ersinnt sie Täuschungen, veranlasst Hinterhalte, sucht dem Kleinen den Tod zu bringen, damit die an sich tote Nebenbuhlerin nicht in [ihrem] Kind gegenwärtig erscheine, damit am Ende ihr eigener Spross die Nachfolge im Königreich erlange. Heimlich umgarnt sie irgendeinen Gefolgsmann mit verführerischem Geschwätz, bedrängt [ihn] mit den Schmeicheleien der Versprechungen, überredet [ihn] mit goldenen Geschenken, auf dass er den Knaben dem Tod aussetze. (7) Denn die wirksamste Fürsprecherin für Gefälligkeiten ist das Geld; und es gibt nichts, was der nicht erbitten könnte, der seine beschwörenden Worte mit Geld gewichtet und vergoldet. Der sowohl von Gott als auch von Weisheit überaus erfüllte Mann aber stimmt, um jenen vor dem Tod zu retten, dessen Tod [bloß] den Worten nach zu. Er bringt ihn unter Vortäuschung des Mordes fort und vertraut ihn zur Erziehung irgendeinem Kloster an. (8) Nach nur sehr kurzer Zeit aber stirbt der Vater, wird die Stiefmutter geächtet; [daraufhin] wird das Königreich im Stich gelassen, das Vaterland verwüstet, die Bürger werden zum Aufruhr verleitet, die Feinde wüten; die von den einheimischen Vorstehern aufgegebenen Städte und Burgen werden von Fremden besetzt. Das Land löst sich in Zersplitterung auf, fällt der Plünderung anheim. (9) Indessen erzählt jener treue [Mann], der den ihm anvertrauten [Kasimir] nicht vergessen hatte, einigen besonders treuen Anhängern dieses Gemeinwesens von dem Knaben. ,Er, der nicht durch eigene Rührigkeit, sondern göttliche Gnade errettet wurde, – sagt er – ist die alleinige Rettung in solcher Verwüstung, das einzige Heilmittel in solcher Katastrophe.‘ (10) Es war auch eine Schar starker [Männer] zusammengekommen, die durch den Stützpunkt nur einer Stadt geschützt schon nicht mehr das Königreich [selbst], sondern [nur noch] die mageren Überreste des Königreiches gegen alle Angriffe der Feinde verteidigte. Sobald Kasimir dem Vaterland durch ihren Eifer zurückgegeben ist, befreit er das Vaterland von den Feinden, beseitigt überall die selbsternannten Gewalten, vertreibt ringsumher aus den einzelnen Provinzen die unzeitigen Fürsten und erneuert die gebührenden Abhängigkeitsverhältnisse.137
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(11) Cumque omnes gratulantissimi ad illius numen concurrerent, cum omnes eius adorarent maiestatem, sola Mazouiorum prouincia non solum illi non affauet, set atrocissime bellum infl igit. Quam quidam de sordido quidem famulitii genere, auo originario, set uir et facundus et strennuus, nomine Maslaus, principandi ambitione occupauerat. (12) Hic XX exercitatissimorum cuspidarios contra Kazimirum armat exercitus, exceptis sagittariis, balistis, bipennatibus, spatariis, immo infinitissimis tam peditum copiis quam equitum, qui eo spe questus illecti confluxerant, fortunam secuti non hominem. (13) Quibus omnino confectis non minores uirorum rursus uires instaurat, quatuor Maritimorum acies, totidem Gethicas, nec non Dacorum ac Ruthenorum larga asciscens suffragia, quos nulla occasio, nulla remoratur difficultas, non ut amico morem gerant, set ut hosticam odii rabiem, ut antiquam inuidie sitim cruore Polonorum expleant. (14) Set quoniam a uoto procul sepe hominum uota recedunt, nec semper feriet, quodcunque minabitur arcus 138 ,
res illorum in contrarium atque sperauerant relabitur. Omnes enim uelut leuem stuppe fauillam noster uentilat unicornus, omnes Kazimirus turbine occisionis quasi procella fulguris inuoluit.139 (15) Ambitionis autem ille princeps ad Gethas transfugit, ubi celsiore gradu dignitatis sublimatur. Gethe namque suorum non pauca cede saucii, omnes in illum causas conferunt, omnem in eo necem ulciscuntur. Quem post multa demum supplicia eminentissimo affigunt patibulo, dicentes: ,Alta petiisti, alta tene – ne scilicet affectate fastigium celsitudinis uel morienti defuerit.‘ [15] (1) JOHANNES: Sic, hercle, uerus hic Hercules Alcide uirtutibus nullo fuit inferior. Nam de illo etsi multa uera, plura tamen fabulosa docentur narratione, huic uero uiuaces meritorum suffragantur tituli. In quem nouerce ac Medee truculentia colubrum iniecit inuidie, anguem ambitionis concitauit, fel draconum exspuit, uirus euomuit uipereum. (2) Quem tot monstrorum generibus prostituit, quot in eius regno scandala peperit, quot hostium periculis exposuit. Nam quid eo monstro putes motistruosius,
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Horatius, Ars poetica 350. Vgl. Galli Anonymi cronicae I, 20 –21.
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(11) Und während alle auf sein Zeichen hin mit größter Freude zusammenkamen, alle seiner Hoheit huldigten, hat allein die Provinz der Masowier jenem nicht nur nicht die Ehre erwiesen, sondern ihn auf das Rücksichtsloseste mit Krieg überzogen. Diese [Provinz] hatte in seiner Herrschsucht ein gewisser redegewandter und tüchtiger Mann namens Masław, dessen Großvater aus irgendeinem schäbigen Dienergeschlecht stammte, besetzt. (12) Dieser [Masław] rüstet gegen Kasimir ein Heer von 20 Einheiten der geübtesten [Männer], mit erlesenen Bogenschützen, Armbrustschützen, Streitaxtkämpfern, Schwertkämpfern, ja mit ungezählten Fußtruppen und Reitern, die von ihm mit der Aussicht auf Gewinn gelockt zusammengeströmt waren, nicht um dem Mann, sondern um dem Glück zu folgen. (13) Als diese ganz geschwächt sind, stellt er erneut nicht geringere Mengen an Soldaten auf: vier Schlachtreihen der Pommern, ebenso viele Gethen [Pruzzen], und natürlich zieht er die Unterstützung der Daker [Dänen] und Ruthenen heran, die kein Grund, keine Schwierigkeit aufhält, nicht um einem Freund zu Willen zu sein, sondern um die feindliche Wut des Hasses, den alten Durst der Feindschaft mit dem Blut der Polen zu stillen. (14) Aber weil die Wünsche der Menschen oft weit vom Gelobten entfernt sind und der Bogen nicht immer dorthin trifft, wohin er zielt,138
nahm deren Unternehmen einen anderen Verlauf, als sie erwartet hatten. Denn sie alle hat unser Einhorn wie leichte Asche in die Luft gewirbelt, sie alle hat Kasimir wie der Sturm des Blitzes in den Wirbel des Todes eingehüllt.139 (15) Jener Fürst des Ehrgeizes aber floh zu den Pruzzen, wo er zu einem höheren Würdengrad erhoben wurde. Denn die Pruzzen, von denen nicht wenige in dem Gemetzel verwundet wurden, schieben alle Schuld auf ihn, rächen sich an ihm für den ganzen Mord. Erst nach vielen Folterqualen hängen sie ihn an einen sehr hohen Galgen und sprechen: ,Du hast nach der Höhe gestrebt, behalte die Höhe – auf dass selbst dem Sterbenden die hohe Würde der erstrebten Höhe nicht fehle.‘ [15] (1) J o h a n n e s : Zum Herkules, so stand dieser wahre Herkules [Kasimir I.] dem Alkide [dem antiken Herkules] an Tugenden in nichts nach! Wenn auch viele wahre [Dinge] über ihn [umlaufen], werden durch die Erzählung dennoch eher Märchen verbreitet. Für ihn sprechen aber die dauerhaften Ehrenzeichen seiner Verdienste. Die Grimmigkeit der Stiefmutter und der Medea flößte ihm die Schlange des Hasses ein, wiegelte den Drachen des Ehrgeizes auf, spie Drachengalle, erbrach Viperngift. (2) Sie setzte ihn so vielen Arten von Ungeheuern aus, und so viel Anstoß sie in seinem Königreich erregte, so große Gefahren von Seiten der Feinde beschwor sie herauf. Denn was würdest du für ungeheuerlicher halten als
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quod cum natura sit inuictum, fit capite amputato non solum corniger, set petulans cornupeta? Quid ea tetrius belua, que cum non possit alienum, propria cauda proprium caput excerebrat? Asperius nihil est humili, cum surgit in altum140 , cum premit indigno libera colla pede.
(3) Vnde Scithis pecuniarum interuentu regem ex seruo creaturis, regina ipsorum Thamiris matronarum primas ad se corrogat, cum quibus sue uiduitatis querulose defletis angustiis, non tam suam quam illarum sibi molestam ait depressionem, non tam sue deiectionis ledi periculo, quam seruili elatione perurgeri. (4) Petit non ut suarum adeo miseriarum quam sui, quam liberorum, quam sue illas misereat libertatis. Inter quas etatis quedam grandeue: ,In re, inquit, per se lacrimosa consilio opus est non lacrimis, quia nec flammis flamma extinguitur, nec merore meror exuitur.‘ (5) Iubet ergo abiectos ancillarum filios purpureis adornari paludametis et currum quo reges uectari consueuerant conscendere, faleratissimis alios asturconibus insidere; adulescentes uero ingenuos ac diuine forme uirgines sordidis loramentis instar bouum currui connecti. Reginam quoque cum paruulo filio et se ipsas, funereis deformate induuiis, ad eundem currum eodem pacto applicant. (6) Sicque uerberunculis ad trahendum eas urgentibus in contionem procedunt, ubi coram magistratu prouolute eos qui ad hoc enormitatis eas impulerunt, insimulantur, non iniuriarum set lese maiestatis iudicium petunt. Nec uero suam set sacri senatus set totius rei publice hanc esse querelam, non singularem unius lesionem, set commune uniuersitatis incommodum. Non leuem sane, non breuem, set mortalem immo inmortalem huius uulneris langorem. (7) Cuius auctores non seruos set ipsos seruorum dominos et arguunt et conuincunt, qui suam et suorum generositatem non modo uenalem seruis exponunt, set ipso uenalitatis ueneno ipsam libertatem extinguunt. Turpe uiris non esse uiros, seruos trabeari. Turpe teri luteo candida colla iugo.
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Claudianus, In Eutropium I, 181.
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dieses Ungeheuer, das, wenn man ihm den Kopf abschlägt, von Natur aus unbesiegbar, nicht nur Hörner bekommt, sondern mit dem Horn frech stößt? Was ist abstoßender als dieses Untier, das, weil es das fremde [Haupt] nicht [enthirnen] kann, mit dem eigenen Schwanz das eigene Haupt enthirnt? Nichts ist misslicher, als wenn ein Niedrigstehender in die Höhe strebend140 mit unwürdigem Fuß auf freie Nacken tritt.
(3) Als daher die mit Geld bestochenen Skythen einen Sklaven zum König erheben wollen, bittet deren Königin Thamiris die vornehmsten der Ehefrauen zu sich, und nachdem sie mit ihnen die Nöte ihres Witwenstandes klagend beweint hat, sagt sie, dass sie nicht so sehr ihre eigene als deren Niedergedrücktheit peinige, dass sie nicht durch die Gefahr der eigenen Demütigung gekränkt, sondern durch die Wahl eines jungen Sklaven überaus gequält werde. (4) Sie bittet, dass man sich nicht so sehr ihrer eigenen als der Nöte ihrer Kinder, eher jener als ihrer Freiheit erbarmen möge. Unter ihnen sagt eine gewisse Greisin: ,In der an sich schon betrüblichen Lage bedarf es nicht der Tränen, sondern eines Rates, denn ein Feuer wird nicht mit Flammen gelöscht, noch die Trauer durch Trauer abgelegt.‘ (5) Sie ordnet also an, dass sich die verachteten Söhne der Sklavinnen mit purpurnen Mänteln versehen und den Streitwagen besteigen, mit dem die Könige zu fahren pflegen, andere sich mit asturischem Zaumzeug [auf den Pferden] niederlassen, die frei geborenen Jünglinge und unvergleichlich schönen Jungfrauen aber mit schmutzigen Riemen wie Ochsen an den Wagen gebunden werden. Auch die Königin mit ihrem kleinen Sohn und sich selbst binden sie, entstellt durch Trauerkleider, wie besprochen an ebendiesen Wagen. (6) Und so kommen sie, mit Peitschen zum Ziehen gezwungen, auf den Versammlungsplatz, wo sie vor dem Magistrat niederfallen und jene, die sie zu dieser Ungeheuerlichkeit veranlasst haben, beschuldigen; sie fordern nicht ein Urteil wegen der [erfahrenen] Misshandlungen, sondern wegen Majestätsbeleidigung. Aber diese Klage bezieht sich [eigentlich] nicht so sehr auf sie als vielmehr den heiligen Senat, das ganze Gemeinwesen, nicht auf die Beleidigung einer einzelnen Person, sondern auf einen Schaden für die Allgemeinheit. Die durch diese Verletzung bewirkte Krankheit ist in der Tat weder kurz noch unbedeutend, sondern tödlich, ja mehr als tödlich. (7) Als deren Urheber beschuldigen und überführen sie nicht die Sklaven, sondern die Herren der Sklaven selber, die ihre und der ihren edle Abkunft nicht etwa bloß den Sklaven verkaufen, sondern durch das eigene Gift der Käuflichkeit die eigene Freiheit auslöschen. Schimpflich ist es, wenn Männer keine Männer sind, Sklaven in die Trabea [die Toga hochgestellter Personen] gekleidet werden. Schimpflich ist es, wenn saubere Hälse durch ein schmutziges Joch bedrückt werden.
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(8) Tota igitur mouetur et constrepit contio, ut seruus ille non iam regno set ultimo expetatur supplicio. Regine autem filius licet pene infantulus rex constituitur. Extunc sollempne fuit aput Scithas feminas contionibus acciri. (9) Rege quoque Macedonum procul agente, inquilinus eius Ippander, sordidissimi cerdonis filius, arcem occupat, regia sese iubet nuncupatione uenerari. Cuius in fauorem ut populus esset propensior, censuales relaxat pensiones, amputat tributa, omne exactionis onus ait se rege sopitum. (10) Nec defuit illi credule multitudinis simplicitas. Ad eius itaque confavoraneos rex primo cum hac mittit sententia: ,Ficus in radice auulse, aureis licet funiculis carientissimo appendantur stipiti, florere possunt an non?‘ Secundo cum hac: ,Sicci a fonte riuuli, bibulo licet pleni sabulo, inundabunt alueis an non?‘ Tertio cum hac: ,Ad singulos oscinum hiatus, pullus hians hirundinis a murilego educabitur an non?‘ (11) Nouissime humanam sine capite mittit effigiem, ex auro et gemmis artificiosissime expolitam et asini caput coronatum cum hoc scripto: ,Hec imago uestra est generositas, gemmis uirtutum distincta; caput hoc rex uester est, asinus enim insessor seruus coronatus. Si hec ergo membra huic capiti bene conueniunt, bene uobis de rege uestro conueniat; sin aliter, sit aliter.‘ (12) His itaque persuasi regem regno conciliant. Qui Ippandrum in eadem arce cathenis uinctum fame extinxit; nature arguens desertorem naturalibus non indigere amminiculis. Cui lapidem pro cibo iniciens minister aiebat: ,Ne pete quos natura negat transscendere fi nes!‘
Item cinerem pro potu inspergens: ,Ne pete quod iusto pondere non trutines!‘
Naturam transcendisti, nullum tibi cum natura commercium. [16] (1) MATHEVS: Nec uero minus inaudita post obitum Kazimiri seruorum pestis ebuliit. Quam ne narrationis ordo a ueri discrepet ordine,
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(8) Und so gerät die ganze Versammlung in Erregung und tönt laut, dass jener Sklave nicht nur die Königsherrschaft verliere, sondern [für ihn] unbedingt die Todesstrafe gefordert werde. Der Sohn der Königin aber, obwohl fast [noch] ein Kleinkind, wird als König eingesetzt. Seither ist es bei den Skythen Sitte gewesen, [auch] Frauen an den Volksversammlungen zu beteiligen. (9) Als der König der Makedonier weit entfernt [von der Heimat] agiert, besetzt sein Hausgenosse Ippander, der Sohn eines überaus schmutzigen Gerbers, seine Burg und befiehlt, dass man ihn mit dem königlichen Namen verehre. Damit ihm das Volk zugeneigter sei, erleichtert er die Abgaben, schafft die Steuern ab [und] versichert, dass unter seiner Herrschaft die Last jeglicher Eintreibung beseitigt wird. (10) Und es fehlte nicht an der Naivität der leichtgläubigen Masse. Und so schickt der König an seine Günstlinge zuerst mit folgendem Wortlaut: ,Können Feigenbäume, die von der Wurzel abgerissen sind, auch wenn sie mit goldenen Schnüren an den morschen Stamm gebunden sind, blühen oder nicht?‘ Das zweite Mal mit folgender [Frage]: ,Werden kleine Bäche, die eine trockene Quelle haben, auch wenn sie voll nassen Sandes sind, die Täler überschwemmen oder nicht?‘ Das dritte Mal mit folgender [Frage]: ,Wird ein Schwalbenküken, das bei jedem Schnabelöffnen der Weissagevögel den Schnabel aufmacht, von der Katze aufgezogen oder nicht?‘ (11) Zuletzt schickt er ein mit Gold und Edelsteinen auf das Kunstvollste glänzendes menschliches Bildnis ohne Kopf und den gekrönten Kopf eines Esels mit folgendem Schriftstück: ,Dies ist ein Symbol eurer edlen Abkunft, verziert mit den Kleinodien der Tugenden; dieser Kopf ist euer König, denn der Esel ist ein Wegelagerer, ein gekrönter Sklave. Wenn also diese Körperteile gut mit diesem Kopf zusammengehen, möge es euch mit eurem König gut ergehen; wenn aber nicht, dann wird es anders sein.‘ (12) Und so setzen sie durch diese Worte überzeugt den König [wieder] in die Königsherrschaft ein. Dieser vernichtet den in der gleichen Burg in Ketten gelegten Ippander durch Hunger und zeigt [damit], dass, wer der Natur untreu wird, nicht den Beistand der Natur benötigt. Ein Diener, der jenem [Ippander] einen Stein anstatt Essen hinwarf, sagte: ,Versuche nicht, die von der Natur gesetzten Grenzen zu überschreiten!‘
Ebenso [sagte er], indem er [ihm] Asche statt eines Getränks einschenkte: ,Verlange nicht, was du nicht mit rechtem Maß abgewogen hast!‘
Du hast wider die Natur gehandelt, [daher] mögest du keinen Umgang mit der Natur haben. [16] (1) M a t t h ä u s : Ein nicht minder unerhörtes Unheil [von Seiten] der Sklaven brach nach dem Tod Kasimirs [I.] aus. Wir werden es, damit
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nos in debito loco attingemus. Igitur Kazimiro filius eius Boleslaus secundus succedit. Cui largitatis cognomen anthonomasica priuilegiatum est excellentia. Qui sine liberalitate nullam estimabat hominis libertatem, liberalem autem egere non posse, nisi cum dandi non subpetit occasio. (2) ,Sic inquiebat: largitas petitionibus et uelocior et tardior. Velocior ne sit petitionum tarda prestolatrix. Prius enim dari conuenit quam peti, ne cuiusquam petitione nostra nobis exprobretur tenacitas, ne gratie beneficium sine gratia inpendatur. Nec enim gratis obtinuit, quod quis precario inpetrauit.141 (3) Tardior esse debet ne celerius auolet, secius euanescat. Quia id celeritatis illi non congruit, ut quam lentissimas etiam petitiones effugiat, immo nunc illas occupet, nunc ab illis gaudeat occupari.‘ (4) Hic dum die quadam uectigales iubet dispensari thesauros, dum prestantissima queque munificentissime dispergit, quidam nunc exilem sue tenacitatem fortune, nunc regie splendorem opulentie coniectans, gemebundis infremit suspiriis, tacitis inmurmurat labellulis: ,Non locus hic loculis, non uenter ydropicus arce te premit, immo nitet tua copia cordis in arce. Sola beans alios soli mihi gratia solis alget, hiemps Geminos sole tenente tenet. Solus ego sub sole tuo solatia ueris demerui, solum demeruisse pudet.‘
(5) Rex proinde causa suspiriorum intellecta, sinuosissime amictum clamidis sibi detrahit, quod illius humeris inferens: Tolle, inquit, auri quantum libet tuisque uiribus metalli quantitatem conpensa! Malumus enim te tuam inualitudinem causari, quam nostre liberalitatis uideri angustias. (6) Tum ille sinum uestis turgentissime insarcinans psallebat: ,Nemo stupet, si stuppa perit leuitate fauille. Semina non pereunt tua, que metit iste uel ille. Semine dapsilitas largo pluit aurea fame. Falx in messe sonat, plus das mihi, plus metis a me.
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Vgl. Senecae De beneficiis II, 1, 1– 4.
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die Ordnung der Erzählung nicht von der Ordnung der Wirklichkeit abweiche, noch an der richtigen Stelle berühren. Dem Kasimir folgte also sein Sohn Bolesław II. nach. Ihm wurde als Umschreibung seiner großen Persönlichkeit der Beiname ,der Freigebige‘ verliehen. Er meinte, dass ohne Großmut die Freiheit des Menschen nichts sei, es dem Großmütigen aber an nichts mangeln könne, es sei denn, dass ihm die Gelegenheit zu geben fehle. (2) ,Auf diese Weise – sagte er – ist die Freigebigkeit sowohl schneller als auch langsamer als die Bitten: Schneller, um nicht träge auf die Bitten zu warten. Denn es ziemt sich zu geben, ehe man gebeten wird, damit uns die Bitte irgendeiner [Person] nicht als Geiz vorgehalten, damit die Wohltat der Gabe nicht ohne Gnade gewährt wird. Denn man bekommt nicht [wirklich] geschenkt, was man bittweise erlangt.141 (3) Langsamer muss sie sein, damit sie nicht zu schnell verfliegt oder gar verschwindet. Eine solche Schnelligkeit, die sich selbst den langsamsten Bitten entzieht, ist ihrer unwürdig, vielmehr möge sie jene bald [ihrerseits] in Beschlag nehmen, bald Gefallen daran finden, von jenen in Beschlag genommen zu werden.‘ (4) Als dieser eines Tages anordnet, die Steuereinnahmen auszuteilen, während er selber vorzüglichste Schätze überaus mildtätig verteilt, spekuliert irgendein [Armer] bald über die magere Kärglichkeit seines Vermögens, bald über den Glanz des königlichen Reichtums, brummt mit schweren Seufzern, murmelt mit lautlosen Lippen: ,Die [als einzige] die anderen beglückt, mir [allein] wird die Gunst der Sonne nicht zuteil, der kalte Winter hält mich, während die Sonne die Zwillinge regiert, fest. Ich allein unter deiner Sonne habe den Trost des Frühlings nicht verdient, und nur ich schäme mich, ihn nicht verdient zu haben.‘
(5) Der König erfasst den Grund der Seufzer, nimmt seinen faltenreichen Staatsmantel ab und wirft ihn jenem auf die Schultern. ,Nimm – sagt er – an Gold, so viel du willst, und gleiche mit deinem Gewicht die Menge des Erzes aus. Denn wir wollen lieber, dass du deine eigene Schwäche beklagst, als dass du unserer Freigebigkeit Engherzigkeit vorwirfst.‘ (6) Während jener den Schoß des Gewandes prall vollpackte, sang er: ,Keiner wundert sich, wenn Stroh so licht wie Asche vergeht; deine Samen vergehen nicht, die der oder jener erntet. Die goldene Fülle des Ruhms ergießt sich in üppiger Saat; die Sichel tönt bei der Ernte; je mehr du mir gibst, desto mehr erntest du von mir.
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Liber secvndvs 앚Non locus hic loculis, non uenter ydropicus arce Te premit, immo nitet tua copia cordis in arce.앚142 Omnia large tuo fauus inbuet ora sapore Nec sine me laus tanta meo morietur in ore.‘143
Hec dum sui oblitus canit, dum aureum pondus attollere conatur, pondere oppressus expirat.144 [17] (1) JOHANNES: Nescio quem blande flos rerum spirat odorem. Si possis, recte, si non, quocumque modo rem.145
Ab insano autem non dissidet, qui pecuniam uite prefert, non uitam pecunie. Quod uecordie genus quendam adeo deuinxerat, ut dum ambiguis in mari iactatur fluctibus, dum alii metu naufragii pretiosissima etiam supellectile nauem exonerant, se suis ille alligatum sarcinis in preceps mitti iubet, potiorem astruens in morte opulentiam quam in uita egestatem. (2) Nec uero absimilis opum incubus habendi auidissimus aput regem Arabum erat, in quem innumeras opum facultates regis munificentia congessit, Ethnam tamen cupiditatis non extinxit. Nam hic thesaurariam introductus penum dum inestimabiles inibi gemmas conspicatur, uelut inprouiso traiectus fulmine totus diriguit morboque creditus languere repentino efferri iubetur. (3) Eius ingens hominis erat gemitus: ,Ha, gemmas, ha, gemmas!‘ Causa denique langoris conperta, gemmarum exquisitissimas rex illi offert. Quas ne cui preter ipsum possidere liceat, glutire nititur et meatu spiritus precluso suffocatur. (4) Non sic ille, non sic, qui ut curarum nutrices semel amputaret, suas opes in unam massam conflat, in profluentem precipitat; ,pessuni, inquiens, ite pessime diuitie, perdam uos, ne perdar a uobis146; leuior enim est rerum quam temporis iactura.‘
142 앚…앚 von Plezia ohne erkennbaren Grund als zu streichende Worte markiert, obwohl in den Handschriften enthalten; vgl. Codex Eugenianus, ÖNB Cod. 480, f. 197v. 143 Die Übersetzung der beiden vorangehenden Verse stammen von Christiane Reitz aus: Polnisches Mittelalter. Ein literarisches Lesebuch, hrsg. von Antonina Jelicz, Frankfurt a. M. 1987, S. 67– 68. 144 Zur Geschichte des armen Mannes vgl. Galli Anonymi cronicae I, 26, der ihn als Kleriker beschreibt. 145 Horatii Epistulae I, 1, 66. 146 Vgl. Hieronymi Adversus Jovinianum II, 9 (PL 23, Sp. 312): „Abite, inquit, pessum male cupiditates: ego vos mergam, ne ipse mergar a vobis.“ Dieses Zitat so wörtlich auch bei Ioannis Saresberiensis Policraticus VII, 13 (S. 151, Z. 5 – 6).
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Hier ist kein Raum für Geldschatullen, dich sorgen keine allzu vollgepfropften Schatztruhen, nein, es strahlt die Fülle deiner Barmherzigkeit im Schloss.142 Die Honigwabe fülle reichlich alle Münder mit deinem Geschmack, und bis ich nicht gestorben bin, wird auch dein Lob aus meinem Munde nicht sterben.‘143
Dies sang er selbstvergessen vor sich hin, und als er die goldene Last zu heben versuchte, hauchte er von der Last erdrückt sein Leben aus.144 [17] (1) J o h a n n e s : Ich weiß nicht, einen nicht fassbaren, herrlichen Duft verbreitet die Blume der Reichtümer. Wenn du kannst, [erwerbe dein] Vermögen ehrlich, wenn nicht, mit allen Mitteln.145
Von einem Geisteskranken ist aber der nicht fern, der das Geld dem Leben vorzieht, nicht das Leben dem Geld. Diese Art des Wahnsinns hatte einen bestimmten [Menschen] so sehr gefesselt, dass er, als er durch die aufgebrachten Meereswogen umhergeworfen wird und die anderen das Schiff am Rande des Untergangs selbst um den wertvollsten Hausrat erleichtern, befiehlt, ihn an seine Habe zu binden und kopfüber ins [Meer] zu werfen, wobei er behauptet, dass Reichtum im Tod vorzüglicher als Armut im Leben sei. (2) Aber einen nicht unähnlichen, überaus gierigen, auf Reichtümern ruhenden Besessenen gab es beim König der Araber. Ihm hat die Freigebigkeit des Königs ungezählte Reichtümer aufgebürdet, doch hat sie den Ätna der Begierden nicht zum Erlöschen gebracht. Denn als dieser in die Schatzkammer geführt wurde und darin die unschätzbaren Kleinodien sah, erstarrte er wie unversehens vom Blitz getroffen völlig; man glaubte, er sei durch eine plötzliche Krankheit geschwächt worden, und befahl, [ihn] hinauszutragen. (3) Gewaltig war das Wehklagen dieses Menschen. ,Ach, [diese] Edelsteine, ach [diese] Edelsteine!‘ Als die Ursache der Krankheit schließlich erkannt wird, bietet ihm der König die vorzüglichsten Edelsteine an. Damit niemand außer ihm sie besitzen möge, bemüht er sich, [sie] zu verschlingen und erstickt an dem versperrten [Atem-]Ausgang. (4) Nicht so, nicht auf diese Weise [handelt] jener, der, um ein für allemal die Ernährerinnen der Sorgen loszuwerden, seine Reichtümer zu einem Haufen sammelt, in einen Fluss wirft [und] spricht: ,Geht zugrunde, ihr übelsten Reichtümer, ich werde euch verderben, damit ich nicht von euch verdorben werde146; denn der Verlust von Besitztümern ist leichter als [jener] der Zeit.‘
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Liber secvndvs Dampna mouent rerum, plus ledunt dampna dierum. Quisque potest rebus succurrere, nemo diebus.
[18] (1) MATHEVS: Adeo perfunctoria uisa est Boleslao opum gloria, ut nihil in illis iocundum putauerit preter dandi facultatem. Quarum potissimam ait custodelam saccum pertusum omnique omnino indignum principatu, qui se rerum sacciperium esse malit quam principem. (2) Vnde Rusie partibus imperiose peragratis, opibus illorum capi dedignatur, solo uictorie triumpho contentus, donec auitarum limites bonearum in ualuis Kiieuense reformaret. Vbi omni sopita rebellione, quendam sui suffraganeum imperii regem instituit. (3) Qui ut coram suis appareret gloriosior, regi supplicat Boleslao, ut eum sui dignatione occursus amplectatur, auri talenta secundum numerum passuum recepturus. Indignatur a se peti Boleslaus quod regie celsitudini non competat, absurdumque uideri maiestatem ad questus inclinari, absurdius esse gratiam uenalitate censeri. (4) Precibus tamen uictus non pretio, factum ire spondet, gratie augmentum uenienti exhibet. Quale putas? Regis barbam uenientis apprehendit, quam diuellicans creberrime concutit. ,Hoc, inquit, est hoc tremendum caput quod uos, o Rutheni, contremescere conuenit.‘ Item itemque uehementius concutiens ait: ,Hic uir hic est nostro quem nos dignamur honore!‘147
Aspicis quantum gratie in Boleslai conspectu auri gratia meruerit. (5) Vngariam hinc adire parat; qui primos illi aditus armis obstruere contendunt, set corpora illorum plus inpedimento fuere ingressuris quara arma. Nara cruentus ianitor ensis ianuas introitus et aperiendo clausit et claudendo aperuit. Trunci enim obices cadauerum gladio prostrati etiam uias fecerunt inuias, ut non sine difficultate transmeandi patuerit facultas. (6) Videns autem rex Vngarie Salomon tam sibi quam suis prelii inminere discrimen, prelium deprecatur, pacis offert conciliamina centum milia
147 Vergilius, Aeneis VI, 791 und I, 335 (dignamur = dignor); zur Begegnung Bolesławs II. mit Izjaslav Jaroslavi0 in Kiev vgl. Galli Anonymi cronicae I, 23.
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Es schmerzt der Verlust der Besitztümer, mehr noch aber schmerzt der Verlust der Tage. Jeder kann [verlorenen] Besitztümern abhelfen, niemand [verlorenen] Tagen.
[18] (1) M a t t h ä u s : Der Ruhm der Reichtümer erschien Bolesław so oberflächlich, dass er an ihnen abgesehen von der Möglichkeit des Beschenkens nichts angenehm fand. Er sagte, das beste Versteck für sie sei ein durchlöcherter Sack und dass jeder, der lieber ein Geldbeutel als ein Fürst sein will, der Fürstenherrschaft gänzlich unwürdig sei. (2) Daher verschmähte er es, als er Gebiete der Rus’ gebieterisch durchstreifte, sich ihrer Reichtümer zu bedienen, gab sich allein mit dem Triumph des Sieges zufrieden, solange nur die Grenzen der großväterlichen Besitzungen im [goldenen] Tor von Kiev erneuert würden. Nachdem er dort jeglichen Aufruhr beigelegt hatte, setzte er [1069 / 1077] einen Anhänger seiner Herrschaft [Izjaslav Jaroslavi0] zum König ein. (3) Dieser bittet, damit er vor den seinen noch ruhmreicher erscheine, König Bolesław demütig, er möge sich herablassen, [ihm] entgegenzukommen und [ihn] zu umarmen, wobei er für jeden Schritt ein Goldstück erhalten würde. Bolesław empört sich, dass von ihm etwas verlangt werde, was königlicher Erhabenheit nicht entspreche; es erscheint ihm unsinnig, dass sich eine Hoheit durch solchen Gewinn ins Wanken bringen lassen sollte, noch unsinniger, dass die Gnade durch Käuflichkeit erworben werden soll. (4) Er erliegt immerhin den Bitten, nicht [aber] dem Geld, verspricht, tatsächlich zu kommen, und gewährt dem sich [ihm] Nähernden eine Erhöhung [seiner] Ehre. Was denkst du, welche? Er ergreift den Bart des sich nähernden Königs, den er, [den Bart] zerrend, mehrmals schüttelt. Er spricht: ,Dies hier ist ein furchtbarer Kopf, der euch, oh Ruthenen, erzittern lassen sollte.‘ Nochmals und nochmals gewaltsamer zerrend sagt er: ,Der hier ist ein Mann, den wir unserer Ehre für würdig halten.‘147
Du siehst, welches Ansehen in den Augen Bolesławs die Gunst des Goldes hatte. (5) Daraufhin bereitet er sich vor, gegen die Ungarn zu ziehen. Diese bemühen sich, ihm den Zugang zunächst mit Waffen zu versperren, doch waren ihre Leichen den Einfallenden ein größeres Hindernis als [ihre] Waffen. Denn der blutige Torhüter des Schwertes schloss die Zugänge des Eintritts sowohl durch Öffnen, wie er sie durch Einschließen öffnete. Denn die durch das Schwert niedergestreckten, verstümmelten Massen der Leichen machten sogar die Wege unwegsam, so dass der Übertritt nicht ohne Schwierigkeit möglich war. (6) Und als der König von Ungarn, Salomon, sieht, dass ihm und den seinen die Gefahr einer Schlacht droht, entzieht er sich der Schlacht [und] bietet für den Frieden hunderttausend Talente.
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talentorum. Cui Boleslaus: ,Polonos, inquit, habere aurum non delectat, set habentibus aurum imperare148 , (7) turpiusque esse pretio uinci quam prelio succumbere, nec regibus conuenire institoria taxare commercia, quibus armis opus est non opibus.‘ Victus itaque Salomon tam regno quam opibus excessit. Cuius in locum alumpnus Polonie Wladislaus munere Boleslai sufficitur.149 (8) Accidit interea instructissimas Austrensium et Bohemorum acies in campestribus Polonie castra metari. Quos noster inpiger a tergo percipiens omnem redeundi adimit facultatem. Cumque incautos occupare potuisset, ,absit, ait, ne nostre titulus uictorie quodam latrocinio insidiarum furnescat.‘ (9) Sese presto nuntiat, non inprouidos esse iubet, crastino secum cominus conflicturos. At uero ille Bohemicus leo mox a leonis feritate desciscens, uulpina induitur astutia. ,Indignum est, inquit, ut tanti regis ad tam exiguos inclinetur dignatio. Quin potius in suorum tranquillitate castrorum crastinum a Bohemicis prestolari non dedignetur obsequium.‘ (10) Noctis igitur clipeo protecti fugam ineunt pro prelio. Quos trans Morauie fines insectatus aper dente consequitur fulmineo, non etati parcens, non generi, non condicioni, omnes aut morti mancipat aut uinculis.150 (11) Rursus Pomoranorum abigeis, e confinio pene Polonie predam ac manubias agentibus, preceps aduolat Boleslaus, predones spatiosi fluminis interiectu iam securos conspicatur et rapidissimo inhesitanter insiliens torrenti: ,Amor, inquit, catulorum feras uenabulis inpingit!‘151 Exclamant singuli: ,Occupet extremum scabies, mihi turpe relinqui!‘152
Multi ergo armorum pressi mole fluctibus inuoluuntur, perpauci cum rege uix enatant et licet inermes de armata hostium multitudine triumphant.153 (12) Fuit autem hic belli gerendi tam studiosus, ut rarus in aula continuus in castris, rarus in patria, semper aput hostes deguerit. Que res rei publice quantum attulit commodi, tantum ingessit discriminis, quantumcunque in se honesti habuit exercitaminis, tantum fede peperit insolencie. (13) Rege
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Vgl. Cicero, Cato maior de senectute XVI, 56 (habentibus = habere). Zu der Vertreibung Salomons durch Bolesław und der Einsetzung Ladislaus’ vgl. Galli Anonymi cronicae I, 27. 150 Zum Zusammenstoß Bolesławs II. mit Vratislav II. vgl. Galli Anonymi cronicae I, 24. 151 Senecae Ad Lucilium LXXIV, 21 (uenabulis = venabula). 152 Horatius, Ars poetica 417. 153 Zu diesem Kampf mit den Pomoranen vgl. Galli Anonymi cronicae I, 25. 149
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Jenem antwortet Bolesław: ,Die Polen beglückt es nicht, Gold zu besitzen, aber jenen zu befehlen, die Gold besitzen148 , (7) und es ist schimpflicher, dem Geld zu erliegen als im Kampf besiegt zu werden; und Königen ziemt es nicht, sich auf Handelsgeschäfte einzulassen, benötigen sie doch Waffen und nicht Reichtümer.‘ Und so gab der besiegte Salomon sowohl das Königreich als auch seine Besitztümer auf. An seine Stelle wurde durch die Gnade Bolesławs Ladislaus, ein Zögling Polens, nachgewählt.149 (8) Unterdessen geschah es, dass die sehr gut ausgerüsteten Schlachtreihen der Mährer und Böhmen auf den Feldern Polens [ihre] Lager aufschlugen. Unser unverdrossener [Bolesław] fasst sie [gleichwohl] im Rücken und nimmt [ihnen] jede Möglichkeit des Rückzugs. Und nachdem er die unvorsichtigen [Feinde] packen konnte, sagt er: ,Gott verhüte, dass der Ehrenname unseres Sieges als ein Raubzug der Hinterhalte besudelt werde.‘ (9) Er meldet, dass er bereit sei, [und] veranlasst, dass sie nicht unvorbereitet seien, morgen mit ihm persönlich zusammenzutreffen. Und in der Tat lässt der böhmische Löwe [Vratislav II.] darauf von der Rohheit des Löwen ab, nimmt die Verschlagenheit der Füchsin an und spricht: ,Unwürdig ist es, dass sich die Würde eines so großen Königs zu so kleinen [Gegnern] herablässt. Er möge lieber in der Ruhe seines Lagers bis morgen warten und die Huldigung der Böhmen nicht verschmähen.‘ (10) Im Schutz der Nacht wählen sie jedoch die Flucht statt den Kampf. Der drängende Eber [Bolesław] verfolgt sie mit [seinem] mörderischen Zahn über die Grenzen Mährens, gewährt keinem Alter, keinem Geschlecht, keinem Stand Schonung, übergibt alle entweder dem Tod oder den Ketten.150 (11) Als die pommerschen Viehdiebe wiederum Plünderung und Raub betreiben, eilt Bolesław rasch beinahe vom anderen Ende Polens herbei; er erblickt die Räuber, die durch einen breiten Fluss schon in Sicherheit scheinen, springt ohne Zögern schnellstens in den Strom und ruft: ,Die Liebe zu den Jungtieren wirft die wilden Tiere den Jagdspießen vor!‘151 Einzelne rufen: ,den Letzten hole die Krätze, mir bleibt, Schlechtes zurückzulassen!‘152
Viele werden daher durch das Gewicht der Waffen belastet von den Wogen verschlungen, [nur] sehr wenige schwimmen zusammen mit dem König an Land und triumphieren, obgleich ohne Rüstungen, über eine große Menge von Feinden.153 (12) Dieser [Bolesław II.] war mit dem Kriegführen so beschäftigt, dass er selten in [seiner] Pfalz, ständig in den Lagern, selten im Vaterland, stets vor den Feinden war. Dieser Umstand hat, so viel Nutzen er dem Gemeinwesen auch brachte, viel Unsicherheit heraufgeführt; so viel Gelegenheit zu ehrenhafter Übung er gab, so viel ekligen Dünkel brachte er hervor. (13)
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siquidem perdiutissime nunc Ruthenicis nunc pene transparthanis inmorante regionibus, uxores et filias dominorum serui ad sua uota inflectunt, quasdam expectatione maritorum fessas, alias desperatione deceptas, ui nonnullas ad seruiles amplexus pertractas. (14) Dominicos occupant lares, firmant municipia, dominos non solum arcent reuersuros, set et reuersis bellum infligunt. Quos pro singulari temeritate singularibus domini perdidere suppliciis. Set et femine que ultro seruis consenserunt, penas iusse sunt pendere non inmeritas, atrocissimum et unicum ause facinus, nulli prorsus flagitio conferendum. [19] (1) JOHANNES: Scithe XV annis in Asia morati, uix uxorum fl agitatione reuocantur, nuntiantibus ni redeant, sobolem a finitimis quesituras, sicut quandoque fecerunt Amazones.154 Idem tertia expeditione Asiana cum annis octo a coniugibus 앚a앚fuissent155, seruili bello domi propulsantur. (2) Nam coniuges eorum longa prestolatione fesse, seruis pecorariis nubunt, qui reuersos post uictoriam dominos quasi alienos prohibent, set supplicia crucibus luunt. Mulieres quoque male sibi conscie, quedam ferro quedam suspendio uitam finiunt,156 ut hos uel illas nec pena dissimiles, nec disparis fecerit sceleris inmanitas. Quos mechia necat, facinus quos inquinat equat.157
(3) Quosdam uero tante animositatis intueor, ut non minus turpe putauerint uiros constantia destitui quam feminas pudicitie pati dispendia. Vnde Spartani cum in obsidione hostium annis X dampna paterentur et fecunditatem uxorum uiris absentibus nullam esse, iuuenes remittunt eisque omnium feminarum permittunt promiscuos concubitus, ne res publica presidii successione orbaretur. (4) Ex his nati ob notam materni pudoris Parthene uocantur.158 Tanti aput istos odium hostile, tanti amor patrie, tanti fuit iuris iurandi religio. Execratione namque sese obstrinxerant nolle reuerti, donec urbem hostium expugnassent.159 Set pietas istorum inpia et
154
Iustini Epitoma II, 3, 16 (in Asia morati = Asiae inmorati; sobolem = subo-
lem). 155 156 157 158 159
앚…앚 Ergänzung von Plezia. Iustini Epitoma II, 5, 1–7 (luunt = luerunt). Lucani Pharsalia V, 290. Iustini Epitoma III, 4, 3 –7 (Parthene uocantur = Parteniae vocati). Iustini Epitoma III, 4, 1 (obstrinxerant = obstrinxerint; reuerti = reversuros).
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Denn während der König sehr lange bald bei den Ruthenen, bald fast jenseits der Polovcer verweilt, beugen die Diener die Ehefrauen und Töchter der Herren ihren Wünschen, die einen des Wartens auf ihre Männer müde, die anderen enttäuscht von der Hoffnungslosigkeit, manche durch die Macht der Umarmung zu den Dienern hingezogen. (14) Diese nehmen die herrschaftlichen Wohnungen ein, befestigen die Burgstädte, hindern die Herren nicht nur an der Rückkehr, sondern überziehen die Rückkehrer mit Krieg. Diese außergewöhnliche Vermessenheit vergelten ihnen die Herren mit außergewöhnlichen Qualen. Aber auch die Frauen, die den Dienern freiwillig zu Willen waren, erleiden auf Befehl nicht unverdiente Strafen, wagten sie doch eine abscheuliche und unerhörte, keinem Verbrechen vergleichbare Tat. [19] (1) J o h a n n e s : Als sich die Skythen fünfzehn Jahre in Asien aufhielten, werden sie mit Mühe durch die dringenden Bitten der Ehefrauen zurückgerufen, die verkünden, dass sie, falls sie nicht zurückkehren, [ihren] Nachwuchs von den Nachbarn erbitten werden, so wie dies einst die Amazonen taten.154 Ebenso wurden sie, als sie im dritten asiatischen Krieg acht Jahre nicht155 bei ihren Gattinnen waren, zu Hause durch einen Sklavenkrieg verjagt. (2) Denn ihre Gattinnen, ermüdet durch das lange Warten, vermählen sich mit den Viehhirten, die die nach dem Sieg zurückgekehrten Herren wie Fremde abwehren, [dafür] aber mit der Strafe der Kreuzigung büßen. Auch die Ehefrauen beenden mit schlechtem Gewissen ihr Leben, die einen durch das Schwert, die anderen durch den Strick156 , so dass diese wie jene nicht nur die gleiche Strafe traf, sondern auch die Ungeheuerlichkeit des Frevels gleichmachte. Die der Ehebruch tötet, macht die Freveltat gleich.157
(3) Doch denke ich, dass manche eine so große Wut hatten, dass sie es für genauso verwerflich hielten, dass die Männer ihre Standhaftigkeit aufgaben wie die Frauen den Verlust ihrer Sittsamkeit hinnahmen. Daher schicken die Spartaner, als sie während der Belagerung der Feinde zehn Jahre lang Verluste erlitten und sahen, dass die Frauen aufgrund der Abwesenheit der Männer keine Kinder mehr gebaren, die jungen Männer zurück und erlauben ihnen, mit allen Frauen ohne Unterschied zu schlafen, damit das Gemeinwesen nicht des Schutzes durch die Nachkommenschaft beraubt werde. (4) Die so gezeugten Kinder nannte man zum Zeichen der mütterlichen Scham Partheni.158 So groß war bei ihnen der Hass auf die Feinde, so groß die Liebe zum Vaterland, so stark die Ehrfurcht vor dem Eid! Denn sie hatten sich per Schwur verpflichtet, nicht eher zurückzukehren, bis sie die Stadt der Feinde bezwungen hätten.159 Doch war ihre Gewissenhaftigkeit ein frevelhafter und unheiliger Glaube, weil nichts
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irreligiosa fuit religio, quia nihil temerius, nihil sordidius, quam iura matrimonii non modo non coli set confundi. Hec speciem pietas impietatis habet.
Igitur hic et uirtus quedam fuit et simia non defuit uirtutis. [20] (1) MATHEVS: Extunc in oleastrum oliua et fauus uersus est in absintium. Intermisso namque uirtutum studio Boleslaus bellum in suos ab hostibus transtulit; fingit illos non iniurias in plebe ulcisci, set regiam in rege persequi maiestatem. Nam plebe remota rex quid erit? Ait non placere sibi uiros uxorios, quibus plus causa placeat feminea, quam principis obsequela. Queritur se non tam aput hostes ab ipsis desertum, quam hostibus ultro expositum. (2) Proinde precipuos capitis accersit et quos aperte non potest, insidiis aggreditur. Mulieres quoque, quibus mariti pepercerant, tanta insectatus est inhumanitate, ut ad earum ubera catulos applicare non horruerit infantulis abiectis, quibus etiam hostis pepercisset.160 Astruebat enim extirpari oportere scortorum scandala non foueri. (3) Quem sacerrimus Cracouiensium pontifex Stanislaus cum ab hac truculentia reuocare non posset, prius illi regni cominatur excidium, tandem anathematis gladium intentat. At ille ut erat in arcum uersus prauum161, inmaniore induitur uesania, quia lignorum tortuosa facilius frangi possunt quam dirigi. (4) Itaque prope aram, inter infulas162, non ordinis, non loci, non temporis inspecta reuerentia, corripi iubet antistitem. Ad quem satellites atrocissimi quotiens irruere temptant, totiens compuncti, totiens prostrati mansuescunt. Quos tyrannus indignatissime obiurgans, ipse manus inicit sacrilegas, ipse sponsum e gremio sponse, pastorem ab ouili abstrahit, ipse patrem inter filie amplexus et filium in maternis pene uisceribus obtruncat. (5) O luctuosum, o transfunebre funeris spectaculum! Sanctum prophanus, pium sceleratus, presulem sacrilegus, cruentissimus innoxium membratim discerpit, singulos artus perminutissime dissecans, quasi a sin-
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Vgl. Iustini Epitoma XXVI, 2, 3. Ps 78 (77), 57. 162 Mit Obertynski, Kadłubkowe „inter infulas“ (1972) hier nicht als die pontifikale bischöfliche Mitra, sondern als das Messgewand bzw. die Kasel zu verstehen, womit im weiteren metonymischen Sinn „während des liturgischen Gottesdienstes“ gemeint ist. 161
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schrecklicher, nichts schäbiger ist, als die Eherechte zu entehren und in Unordnung zu bringen. Diese Gewissenhaftigkeit hat die Gestalt der Gottlosigkeit.
Folglich gab es da sowohl eine gewisse Tugend als auch eine Veräffung der Tugend. [20] (1) M a t t h ä u s : Von da ab wurde der Olivenbaum in einen wilden Ölbaum, der Honig in Wermut verwandelt. Denn Bolesław [II.] gab seinen Eifer für die Tugenden auf und übertrug den Krieg von den Feinden auf die seinen. Er gibt vor, dass jene nicht die Gesetzesverstöße im Volk bestrafen, sondern in Person des Königs die königliche Hoheit verfolgen. Was aber wird aus einem König, wenn sich das Volk von ihm entfernt? Er sagt, dass ihm verheiratete Männer nicht gefallen, denen die weiblichen Angelegenheiten mehr gefielen als der Gehorsam gegenüber dem Fürsten. Er beklagt nicht so sehr, dass er von jenen vor den Feinden im Stich gelassen, als vielmehr [von ihnen] freiwillig den Feinden ausgesetzt worden sei. (2) Daher verlangt er für die Rädelsführer die Todesstrafe und diejenigen, die er offen nicht [verfolgen] kann, greift er durch Intrigen an. Auch die Frauen, die die Ehemänner verschont hatten, verfolgte er mit einer so großen Unmenschlichkeit, dass er nicht davor zurückschreckte, ihren Brüsten Welpen anzulegen, nachdem die Säuglinge verstoßen worden waren, die sogar der Feind verschont hätte.160 Er behauptete nämlich, dass die Anstößigkeiten der Huren gänzlich ausgemerzt und nicht begünstigt werden müssen. (3) Als der allerheiligste Bischof der Krakauer, Stanisław, ihn von dieser Grausamkeit nicht abbringen konnte, drohte er ihm zunächst mit dem Untergang des Königreiches, schließlich zog er gegen ihn das Schwert des Kirchenbanns. Jener aber, da er auf der Bahn des Bösen war161, wird von einer noch entsetzlicheren Raserei erfasst, denn die Äste der Bäume können leichter gebrochen als gelenkt werden. (4) Daher befiehlt er, ohne Ehrfurcht vor dem Amt, noch vor dem Ort, noch dem Zeitpunkt, den Bischof mitten zwischen den Messgewändern162 nahe am Altar zu ergreifen. So oft sich die Spießgesellen auf das Furchtbarste auf ihn zu stürzen versuchen, so oft werden sie von Gewissensbissen erfasst, so oft werden sie auf den Knien zahm. Der Tyrann tadelt sie äußerst empört, hebt selbst die frevelhaften Hände, zerrt den Bräutigam aus dem Schoß der Braut, den Hirten aus dem Stall [und] enthauptet den Vater [1079] eigenhändig inmitten der Umarmungen der Tochter und den Sohn beinahe in den mütterlichen Eingeweiden. (5) Oh welch jammervolles, todbringendes Schauspiel eines Untergangs! Der ruchlose, frevelhafte, gottlose, blutgierige [Bolesław] reißt den heiligen, frommen, unschuldigen Bischof in Stücke, spaltet die einzelnen Glieder in kleinste Teile, so als hätte er von jedem einzelnen Körperteil eine Strafe
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gulis membrorum partibus pena exigi debuisset. Totus autem stupore, totus quadam horripilatione dirigui, ut uix mente concipere, nedum lingua, nedum calamo possim exprimere hec in sancto Saluatoris magnalia. Succumbit enim dicendis intellectus, intellectui sermo et rem ut est uerba non explicant. (6) E quatuor namque mundi partibus quatuor aduolare uise sunt aquile, que sublimius locum passionis circinando, uultures aliosque sanguipetas alites a contactu martiris abigerent. Cuius in custodele reuerentia peruigiles, diem nocti et noctem diei continuant. Noctem appellem an diem? Diem potius dixerim quam noctem. Hec enim altera nox est, de qua scriptum est: Et nox ut dies illuminabitur.163 (7) Mire siquidem rutilantie tot in singulis locis diuine fulserunt lampades, quot sacri corporis dispersa sunt minuta, ut ipsum celum suum ornatum, suam terre gloriam uideatur inuidisse, quam quorundam decore siderum et quibusdam putares solis radiis distinctam. (8) Hac uero miraculi alacritate animati ac uero zelo deuotionis quidam patrum accensi, sparsas membrorum minutias colligere gestiunt, pedetentim accedunt, corpus integerrimum, etiam sine cicatricum notamine reperiunt, tollunt, absportant, aput minorem sancti Michaelis basilicam diuinis conditum aromatibus recondunt. Vnde usque ad translationis diem, cuius causam ipse non ignoras, iugis dictarum splendor lampadum non discessit. (9) Quo facto truculentissimus ille exterritus, non minus patrie quam patribus inuisus, in Vngariam secedit. Quem non malitie conscientia facit humilem, set sceleris audacia reddit contumacem. Rege namque Vngarie Wladislao, cuius nuperrime memini, deuotam illi exhibente reuerentiam, immo pedestri ueneratione occurrente, Boleslaus tanto supra se fastu rapitur, ut digno illum osculo dignari contempserit. (10) ,Ille, inquit, nostrarum opus manuum est; non autem competit opifici, ut suam colat aut ueneretur creaturam, nec decet ut uir fortis uel exulatu miserior uel casu uideatur deiectior.‘ Quod licet egre dissimulat tamen Wladislaus, ne fortune uideatur fuisse socius non amicus. Vereri se ait, ne sibi quis nimis uere improperet, quod quidam uerba tractant amicitie non opera, quod occasiones querit qui uult discedere ab amico.164 Perimpium enim est eum in aduersis obiurgari, quem in prosperitate colueris, quia prosperitas amicos comparat,
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Vgl. Ps 138 (139), 12. Spr 18, 1 (discedere = recedere).
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eingefordert. Ich aber erstarre ganz und gar in Staunen und Schrecken und kann die an [diesem] Heiligen [vollbrachten] Wundertaten des Erlösers kaum im Geist erfassen, geschweige denn mit der Sprache oder Feder ausdrücken. Denn vor dem, was man erfährt, versagt der Verstand; dem Verstand fehlen Sprache und Worte, um den Vorfall zu erklären. (6) Man sah nämlich aus den vier Himmelsrichtungen vier Adler herbeifliegen, die hoch oben den Ort des Leidens umkreisend die Geier und andere Aasvögel von einer Berührung des Märtyrers abhielten. Stets sehr aufmerksam bewachen sie ihn Tag und Nacht. Soll ich es Nacht oder Tag nennen? Ich würde es eher Tag als Nacht nennen, steht doch von der zweiten Nacht geschrieben: Und die Nacht wird erleuchtet werden wie der Tag.163 (7) Tatsächlich leuchteten an den einzelnen Stellen, an denen die Einzelteile des heiligen Körpers zerstreut wurden, wunderbar wie Gold so viele göttliche Lichter, dass selbst der Himmel neidisch auf diesen Schmuck, diesen Ruhm der Erde zu sein schien, von der du geglaubt hättest, sie sei durch den Schmuck gewisser Sterne sowie durch gewisse Sonnenstrahlen verziert worden. (8) Einige durch diese Erregung des Wunders ermutigte und im Eifer der Frömmigkeit angefeuerte Väter wollen die zerstreuten Körperteile einsammeln, treten Schritt für Schritt heran [und] finden einen unversehrten Körper vor, der nicht einmal ein Zeichen von Narben trug; sie heben ihn auf, tragen ihn fort [und] bewahren ihn eingehüllt in göttliche Wohlgerüche in der kleineren Kirche des heiligen Michael auf. Daher hielt der Glanz der besagten Lichter bis zum Tag [seiner] Überführung, dessen Grund du selbst kennst, beständig an. (9) Durch dieses Ereignis in Schrecken versetzt, verschwindet der im Vaterland nicht weniger als bei den Vätern verhasste Finsterling nach Ungarn. [Dort] macht ihn ein schlechtes Gewissen nicht [etwa] demütig, sondern gesellt sich zur Kühnheit des Frevels [noch] Trotz. Denn als ihm der König von Ungarn, Ladislaus, den ich kürzlich erwähnte, ehrfürchtige Ehrerbietung bezeigt, ja in Verehrung zu Fuß entgegentritt, wird Bolesław von seinem Hochmut derart ergriffen, dass er es abwies, jenen mit dem angemessenen Begrüßungskuss zu würdigen. (10) ,Jener ist – sprach er – das Werk unserer Hände. Aber es ziemt sich nicht für einen Schöpfer, sein [eigenes] Geschöpf zu verehren oder anzubeten; es gehört sich auch nicht, dass ein starker Mann, sei es in der Verbannung als unglücklich, sei es wegen [seines] Falls als gedemütigt angesehen wird.‘ Ladislaus ignoriert dies jedoch, wenn auch mit Mühe, damit es nicht scheine, er sei [nur] ein Genosse im Glück und kein Freund gewesen. Er sagt, dass er sich fürchtet, dass ihn jemand mit gutem Recht beschuldigen möge, sie seien nur den Worten, nicht den Taten nach Freunde, dass, wer sich von einem Freund trennt, [nur eigene] Gelüste suche.164 Überaus frevelhaft ist es nämlich, jemanden im Leid zu tadeln, den du im Erfolg verehrt hast, da der Erfolg
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necessitas examinat. (11) Itaque arrogantie supercilium non solum patienter tolerat, set perbenigne amplectitur, officiosissime exhibet, omni studet illi placere obsequela.165 Omnem siquidem sacrilegii suspicionem ille astutissimus a se adeo extenuauerat, ut non modo non sacrilegus, set sacerrimus sacrilegiorum ultor aput nonnullos censeretur. (12) Nam quod mulieres ingenue seruili prostitute sunt incestui, quod genialis tam spurce inquinata est religio, quod factio seruorum in dominos conspirata, quod tot capita suppliciis exposita, quod regis denique coniuratum est excidium, in sanctum refundit antistitem; astruit illum proditionis originem, totius mali radicem, hec, ait, omnia ex illa exitiali uena manasse. Flagitiosissimus in utroque, qui cuius uitam sustulit, cum animam auferre non possit, famam contendit incrustare et quem rebus non potest, uerbis persequitur. (13) Potificem illum non pontificem, pistorem uocat non pastorem, pressulem a pressura non presulem, opiscopum ab opibus non episcopum, e speculatore spiculatorem fuisse, et quod pudor dici erubescit, e rerum scrutatore renum scortatorem166; ideoque illum aliorum libidini frena laxasse, quia sociis eiusdem criminis accusator deest. (14) Quid plura? omnem illius disciplinam omnium fuisse disciplinam. ,Quid ergo, inquit, admissum, si regni dedecus, si patrie prodigium, si religionis submotum est scandalum, si publicum rei publice extinctum est incendium?‘ (15) Hiis licet figmentis aput ignaros aliquantisper derogatum sit martiri, non tamen sanctitatis abrogari potuit auctoritas. Sub nube namque sol plerumque delitescit, nube nunquam extinguitur. Non multo uero post inaudito correptus langore Boleslaus mortem sibi consciuit, set et unicus eius filius Mesco in primo pubertatis fiore ueneno emarcuit.167 Sic tota Boleslai domus sancto penas Stanislao exsoluit. Quia sicut nullum bonum irremuneratum, sic nullum malum impunitum. [21] (1) JOHANNES: Prudentis est rerum exitus metiri, quia cuius finis bontis ipsum quoque bonum. Nihil enim prodest in panpinos germinare surculum, nisi prosit botros palmitis maturitate decerpi. Hic enim homo ab
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Zur Begegnung Bolesławs mit Ladislaus vgl. Galli Anonymi cronicae I, 28. Die hier von Vincentius mit großem Sprachwitz konstruierten Wortspiele (potifex – pontifi x, pistor – pastor, pressul – presul, opiscopus – episcopus, speculator – spiculator, rerum scrutatore – renum scortatorum) können im Deutschen nicht adäquat wiedergegeben werden. 167 Vgl. Galli Anonymi cronicae I, 29, der aber nichts von einem Giftanschlag berichtet; in den Annalen des Krakauer Domkapitels (Annales Cracoviensies S. 52– 53) wird der Tod Bolesławs II. zum Jahr 1082 („Bolezlaus rex obiit“), der seines Sohnes zum Jahr 1089 („Mesko regis Bolezlai filius obiit“) notiert. 166
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Freunde macht, die Not sie auf den Prüfstein stellt. (11) Daher erträgt er [Ladislaus] den Stolz des Hochmuts nicht nur geduldig, sondern umarmt ihn [Bolesław] überaus freundlich, erweist auf das Eifrigste [seinen] Gehorsam und sucht jenem in allem zu gefallen.165 Der überaus Verschlagene hatte offensichtlich jeden Verdacht eines Gottesfrevels so [geschickt] von sich gewiesen, dass ihn manche nicht nur nicht als Gottesfrevler, sondern [im Gegenteil] als ehrfürchtigsten Rächer der Gottesfrevel ansahen. (12) Denn dass die frei geborenen Frauen der Unzucht mit den Sklaven preisgegeben wurden, dass die Würde der Ehe so obszön befleckt wurde, dass sich eine Rotte von Sklaven gegen die Herren erhob, dass so viele Häupter Qualen ausgesetzt wurden, dass man sich schließlich zum Untergang des Königs verschwor, [all das] zahlte er dem heiligen Bischof heim; er behauptet, dass jener der Urheber des Verrates, die Wurzel allen Übels sei. Dies alles, so sagt er, habe sich aus jener Ader träufelnd verbreitet. Doppelt niederträchtig ist der, der jemandem das Leben genommen hat und sich bemüht, weil er [ihm] die Seele nicht rauben kann, den guten Ruf zu nehmen, und den, den er mit Taten nicht [mehr zu verfolgen] vermag, mit Worten verfolgt. (13) Er nennt ihn einen Säufer, nicht einen Pontifex, einen Bäcker, nicht einen Hirten, einen Unterdrücker, nicht einen hohen Geistlichen, einen Sammler von Reichtümern, nicht einen Bischof, machte aus einem Wächter einen Spion und – was zu sagen man vor Scham errötet – aus einem Erforscher der [heiligen] Angelegenheiten einen Weiberheld der Lenden166; so habe jener [auch] den Begierden der anderen die Zügel gelockert, weil bei Genossen des gleichen Verbrechens ein Ankläger fehlt. (14) Was weiter? Das ganze Benehmen jenes [Bolesław] war allen eine Lehre. ,Was also – sagt er – ist [meine] Schuld, wenn die Schmach des Königreiches, wenn das Ungeheuer des Vaterlandes, die Beseitigung der Religion ein Ärgernis ist, wenn das öffentliche Feuer des Gemeinwesens ausgelöscht wird?‘ (15) Mag dem Märtyrer durch diese Lügen bei unwissenden [Menschen] eine Zeitlang auch etwas abgesprochen worden sein, so konnte das Ansehen [seines] heiligen Wesens doch nicht zunichte gemacht werden. Zumeist nämlich versteckt sich die Sonne hinter der Wolke, doch wird sie niemals durch die Wolke ausgelöscht. Wenig später aber beging Bolesław, von einer unbekannten Krankheit ergriffen, Selbstmord, und auch sein einziger Sohn, Mieszko, schwand in der ersten Blüte der Jugend durch Gift dahin.167 So büßte das ganze Bolesław’sche Haus dem heiligen Stanisław, weil so wie keine gute Tat ohne Belohnung, auch keine böse Tat ungestraft bleibt. [21] (1) J o h a n n e s : Klug ist es, die Dinge von ihrem Ende her zu beurteilen, weil, was ein gutes Ende findet, auch selbst gut ist. Es würde doch nichts nützen, den Spross unter dem Weinlaub sprießen zu lassen, wenn es nicht nützlich wäre, im hohen Alter der Rebe die Weintrauben zu ernten.
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initio pretiosum iecisse uisus et uirtutis fundamentum, set terra sabulosa dehiscente, opus omne hoc in abyssum corruit, illud in auras euanuit. (2) Nam quod strennuitatis in illo fuit, profundo flagitiorum inuoluitur, quod liberalitatis erat, uento ambitionis exsufflatur; ambitiosos enim liberales esse oportet. Cumque sapiens in principio sermonis accusator sit sui ipsius168 , cum bonarum sit mentium ibi culpam agnoscere, ubi culpa non est, in isto abyssus abyssum inuocat in uoce cataractarum suarum.169 Qui cor suum declinauit in uerba malitie ad excusandas excusationes in peccatis.170 Iustum enim est, ut qui in sordibus est, sordescat171 adhuc.172 (3) Set utinam a Saule saltem didicisset, ad citare sonum remediari etiam mencipites.173 Illius utinam corde dulcedinem cordis auriculis attentius attigisset: Beati quorum remisse sunt iniquitates! Dixi confitebor et tu remisisti.174 Dic tu, homo, iniquitates tuas, ut iustifi ceris.175 Vis abolere nephas, aperi scelus, indice culpe176 , Exuit a culpa lacrimosa professio culpe. Culpa sepulta reum prodit, rea prodita soluit, Clausa cutis uirus nutrit, aperta fugat.
[22] (1) MATHEVS: Proxime autem regnauit frater Boleslai iunior, Kazimirides Wladislaus, non minus strennuitate militie illustris, quam religionis deuotione insignis. Cui de humana nihil estimatum est felicitate defuisse, hoc excepto quod uxore sterili diu sollicitum prolis legitime anxiabat carentia. (2) Qua ex re mestissimus cum ab homine consolari non posset, diuino tandem releuatur solatio. Quasi enim celesti eruditus oraculo, Francone antistite suggerente, auream instituit effigiem, quam cum regie celsitudinis donatiuis beato Egidio in Prouincia delegauit, 앚ut eius intercessione prolem mereatur suscipere앚177; propositum delegantis hac exponente epistola: (3) ,Patrum reuerendissimis, beati Egidii abbati cum eiusdem uniuersitate cenobii, Wladislaus Dei gratia rex Polonorum et coniunx regia Judith filialis reuerentie deuotionem. Et si ulla esse possit, perfecta esse non potest 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177
Vgl. Spr 18, 17. Ps 42 (41), 8 (inuocat = vocat; suarum = tuarum). Vgl. Ps. 141 (140), 4. Mit Bielowski aus „sordesat“ bei Plezia verbessert. Apk 22,11. Vgl. 1 Sm 16, 16 –23. Ps. 32 (31), 5 (remisisti = dimisisti). Js 43, 26. „Culpe“ nach Bielowski gegenüber „†sculpe†“ bei Plezia. 앚…앚 nach Bielowski aus dem heute verlorenen Codex Kuropatnicki ergänzt.
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Es schien, als hätte dieser Mensch [Bolesław II.] anfangs ein wertvolles Fundament der Tugend gelegt, doch durch die sich öffnende sandige Erde ist das ganze Werk teils in den Abgrund gestürzt, teils in die Lüfte entschwunden. (2) Denn was jener an Tüchtigkeit besaß, wird von der Tiefe der Schandtaten fortgewälzt, was an Freigebigkeit, durch den Wind des Ehrgeizes weggeblasen; ehrgeizigen [Menschen] nämlich ziemt es, freigebig zu sein. Und obwohl der Weise am Anfang einer Rede sein eigener Ankläger sein mag168 , obwohl es zu guten Charakteren gehört, dort eine Schuld anzuerkennen, wo es keine Schuld gibt, ruft in diesem [Bolesław] der Abgrund im Lärm seiner Wasserfälle den Abgrund an.169 Dieser wandte sein Herz Worten der Bosheit [und] in seinen Sünden entschuldigenden Ausflüchten zu.170 Denn richtig steht [geschrieben], dass, wer unrein ist, der sei [auch] fernerhin172 unrein171. (3) Aber wenn er doch wenigstens von Saul gelernt hätte, dass durch den Klang der Zither selbst Irre geheilt werden.173 Hätten doch die Ohrläppchen seines Herzens die Süße von dessen Saite aufmerksamer wahrgenommen! Gesegnet [sind die], deren Sünden vergeben sind! Ich habe das Sündenbekenntnis gesprochen und du hast mir vergeben.174 Bekenne, Mensch, deine Sünden, auf dass du gerechtfertigt werden mögest.175 Willst du die Frevel vertilgen, offenbare das Vergehen, bekenne öffentlich die Untaten,176 es befreit von der Schuld ein tränenreiches Bekenntnis der Schuld. Die verborgene Schuld gibt den Schuldiger preis, eine preisgegebene erlöst, eine geschlossene Haut nährt das Gift, eine geöffnete lässt es entweichen.
[22] (1) M a t t h ä u s : Als nächster aber herrschte der jüngere Bruder Bolesławs, der Sohn Kasimirs [I.], Władysław [Herman]. Er war nicht weniger durch kriegerische Tüchtigkeit berühmt als durch religiöse Hingabe ausgezeichnet. Es schien, als würde ihm zum menschlichen Glück nichts fehlen, außer dass er, da seine Frau lange unfruchtbar war, fürchtete, eines rechtmäßigen Nachkommen zu entbehren. (2) Da der dadurch überaus Betrübte keinen menschlichen Trost finden konnte, wurde er schließlich durch göttlichen Trost aufgerichtet. Denn von Bischof Franko wie durch ein himmlisches Orakel angeregt, ließ er eine goldene Gestalt fertigen, die er zusammen mit königlichen Geldgeschenken dem heiligen Ägidius in die Provence schickte, damit er durch dessen Fürsprache einen Nachkommen erhalte177; das Anliegen der Bitte legte er in folgendem Brief dar: (3) ,Dem ehrwürdigsten der Väter, dem Abt des heiligen Ägidius, und dem gesamten Kloster [St. Gilles entbieten] Władysław von Gottes Gnaden König der Polen und [seine] Gattin, Königin Judith, die Hingabe der kindlichen Ehrerbietung. Auch wenn es menschliches Glück geben mag, perfekt
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humana felicitas. Nemo enim tam felix est, qui non cum aliqua sue felicitatis parte rixetur.178 (4) Et nos quidem de nostri generositate sanguinis, de corporis aut animi elegantia, de dignitatis celsitudine, de fame gloria, de omnimoda omnium copia gloriari non oportet, non expedit enim.179 Set illud nos humillime illacrimari conuenit, quod inter florentissimos rerum successus quidam nobis meroris datus est stimulus, qui nos colaphizet180 , (5) sobolis infecunda sterilitatis, que non solum paternum tollit solatium, set et graue quoddam ingerit orbitatis obprobrium. Proinde coram uobis, patres sanctissimi, nostra prosternitur deuotio, ut hoc sterilitatis infortunium uestrorum meritorum tollat interuentus. Non enim est inpossibile aput Deum ullum uerbum.‘181 (6) Tanta itaque utriusque regum coniugum deuotione intellecta, sacer ille conuentus triduanum orationibus continuat ieiunium, cum hac psalmodia et precum instantiore uigilantia: Spes utriusque spei, sapor et fatius esuriei, Crescit sepe tuo nectare nostra sitis. Nux nuce nostra caret cedrusque uirentior aret, Flos alit examen, flos sine flore tamen. Annue, cur heres? tribulis datus est rubus heres, Corna parit cornus, cur sine stirpe sumus? Annue, ne soboles, ne desit mascula proles! Vota precesque notes, annue, namque potes!
Necdum uero cenobitarum expleta fuit oratio, cum regina de conceptu iocundatur, nondum legati redeunt et regine fecunditas predicatur.182 (7) Oritur itaque sidus rutilantissimum, aurea exsculpitur columpna, tertius nascitur Boleslaus. Cuius ex partu langore suscepto, mater fatis est intercepta; fuitque gaudium merore temperatum et meror gaudio dulcoratus. In quo pater didicisse potuit, coniunx se esse maluerit an pater. (8) Set ne diu illi molesta esset coniugalis uiduitas, regis Vngarie Salomonis relicte, tertii Henrici imperatoris sorori coniugatur, de qua tres tantum filias suscepit.183 Et licet iam grandeuus, torpere tamen noluit ignauia, set cum
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Boethius, De consolatione II, 4, 12. 2 Kor 12, 1. 180 2 Kor 12, 7. 181 Lk 1, 37; vgl. Galli Anonymi cronicae I, 30, der einen ähnlichen, fiktiven Brief bietet. 182 Vgl. Galli Anonymi cronicae I, 31, der inhaltlich das gleiche erzählt und ebenfalls den fiktiven Wortlaut eines Gebetes (vier leonische Hexameter) bietet. 179
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kann es nicht sein. Denn niemand ist so glücklich, dass er nicht mit irgendeinem Teil seines Glückes hadert.178 (4) Auch wir müssen uns gewiss nicht der Ehrwürdigkeit unseres Geschlechts, der Feinheit des Körpers und der Seele, der Höhe der Würde, der Ehre des Ruhmes, aller möglichen Güter rühmen, denn es nützt nichts.179 Aber es ziemt uns, demütigst zu beweinen, dass uns bei allen blühendsten Erfolgen ein gewisser Stachel der Betrübtheit drückt, der uns quält,180 (5) [nämlich] das gänzliche Ausbleiben eines Nachkommen, das nicht allein jeglichen väterlichen Trost fortnimmt, sondern [uns] auch die schwere Schmach der Kinderlosigkeit zufügt. Daher werfen wir uns, ihr heiligsten Väter, mit unserer Bitte vor euch nieder, dass die Fürsprache eurer Verdienste dieses Unglück der Unfruchtbarkeit beseitigen möge. Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich.‘181 (6) Als jene heilige Klostergemeinschaft die so große Frömmigkeit der beiden königlichen Eheleute erkannte, betet und fastet sie drei Tage hindurch und singt mit eindringlichem Eifer folgende Psalm- und Gebetworte: Für beider Hoffnung die Hoffnung, der Geschmack und Honig dem Hungernden, durch deinen Nektar wächst oft unser Durst. Unser Nussbaum hat keine Nuss mehr und die grünere Zeder vertrocknet. Eine Blume nährt den Schwarm, jedoch eine Blume ohne Blüte. Gestehe zu, warum stockst du? Den Brombeerstacheln ist ein Erbe gegeben, die Kornelkirschen zeugen Kornelkirschen, warum sind wir ohne Nachkommenschaft? Gestehe zu, damit der Sprössling, damit der männliche Nachkomme nicht fehle! Erhöre Wunsch und Bitte, gestehe zu, denn du hast die Macht!
Das Gebet der Klostergemeinschaft war noch nicht zu Ende gesprochen, da freut sich die Königin [bereits] über die Empfängnis; die Gesandten waren noch nicht zurückgekehrt, da wird die Schwangerschaft der Königin [schon] verkündet.182 (7) Und so geht ein strahlender Stern auf, wird eine goldene Säule aufgerichtet, wird der dritte Bolesław geboren. Seine Mutter, die durch die Geburt erkrankte, [aber] starb [am 25. Dezember 1086]. Und so war die Freude mit Trauer gemischt, die Trauer durch Freude versüßt. So konnte der Vater lernen, ob er lieber ein Ehemann oder Vater sein wollte. (8) Doch damit ihm der Witwerstand nicht auf Dauer lästig sei, geht er [1088] die Ehe mit der Witwe des Königs von Ungarn, Salomon, der Schwester Kaiser Heinrichs III. [recte: IV., Judith Maria,] ein. Von ihr empfängt er nur die drei Töchter [NN, Agnes und Adelheid].183 Und obschon bereits hoch-
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Die falsche Ordnungszahl zu Kaiser Heinrich schon bei Galli Anonymi cronicae II, 1, an den Vincentius auch hier anknüpft.
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hostium undique rebellionibus militarem crebrius exercitabat industriam. (9) Et cum plerique consulerant parcendum esse etati, respondebat: ,Animus mihi de senectute controuersiam facit, hanc ait esse fl orem suum.184 Nam cum detrimenta sentiam in corpore, in animo non sentio; aurum antiquitate probari, uirtutes augeri senio non minui, omnium rerum exercitamina uirtutis esse non etatis.‘185 (10) Robusta igitur manu maritimas occupat prouincias, quibus ut rebellandi amputaret facultatem, tutissima illorum municipia concremari iubet, prefectis ibi propriis constitutis. Set quia ceruix indomita, dorsum petulans iugum detrectat, onus non sustinet, omnes Polonorum prefectos Pomorani hos excutiunt, illos interimunt. (11) Qua ex re animosior Wladislaus seueriore dignos animaduersione reuisit, quorum populosiores sinus depopulatus cum infinitis captiuorum milibus, cum prestantissima eorum supellectile reuertitur. Cumque in portu pene securitatis uictores sibi blandiuntur, inprouise Pomoranorum prosiliunt insidie, initur prelium luctuoso utrimque dispendio. (12) Cedes hora diei tertia initiatur, uix noctis dirimitur caligine. Poloni tamen hostium dilapsis reliquiis, campum uictorie Drecim tenuerunt. Quos illic diutius immorari uetuit Dominice imminens Resurrectionis religio, licet quadragesimalium tempus feriarum minus religiose coluerint. Vnde aliquantisper Poloni felicibus caruere successibus, ut etiam numina contra ipsos uisa sunt dimicare. (13) Cum enim urbem Nakel obsidione cinxissent, quedam elusiones phantastice nocturne, quedam umbre uniuersos adeo territabant exercitus, ut hostium agitari uiderentur assultibus. Ideo armati a castris eminus excubantes, umbras hostium sepe insectantur non hostes, ictus inanes uentis incutiunt stridentibus; sic incassum labor inpensus est et inpensa.186 (14) Quod facti non ebetes tantum animos hostium exacuit, set domesticos in Wladislaum erexit carduos et femoris eius ensem in ipsum exseruit. Erat enim illi naturalis quidem set illegitimus filius, nam ex scorto susceptus, qui ob materni notam pudoris uel ut nouercales declinaret insidias, in latebris exilii perdiutissime delituit, qua ex causa Sbigneuus est nuncupatus. (15) Hic Achitophel187 consilio ducis uidelicet Bohemie Brentislai in paternum subornatur excidium. Vltro licet se ipsam omnibus insuadeat
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Senecae Ad Lucilium XXVI, 2 (hanc = hunc). Vgl. Cicero, Cato maior de senectute III, 9 und VI, 17. Zu Bolesławs Kampf mit den Pomoranen vgl. Galli Anonymi cronicae II, 1–3. Vgl. 2 Sm 15 –17.
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betagt, wollte er doch nicht in Trägheit erstarren, sondern übte in den zahlreichen Aufständen der Feinde überall seinen kriegerischen Eifer. (9) Und als viele [ihm] rieten, auf [sein] Alter Rücksicht zu nehmen, antwortete er: ,Mein Verstand liegt mit dem Alter im Streit, er ist – sagt er – in seiner Blüte.184 Denn obwohl ich die Wehwehchen im Körper spüre, merke ich [sie doch] nicht im Verstand. Gold wird nach seiner Altehrwürdigkeit geschätzt, durch hohes Alter werden die Tugenden vermehrt, nicht vermindert, Übung ist aller Dinge Tugend, nicht das Alter.‘185 (10) Also besetzt er mit starker Hand die Seeprovinzen, befiehlt, deren stark befestigte Burgstädte niederzubrennen, um ihnen die Gelegenheit eines [weiteren] Aufstandes abzuschneiden, und setzt dort eigene Statthalter ein. Aber weil der ungezähmte Nacken die Last nicht aushält, der ungeduldige Rücken das Joch verschmäht, werden alle Statthalter der Polen von den Pomoranen teils vertrieben, teils getötet. (11) Der dadurch sehr erboste Władysław sucht [die pomoranischen] Würdenträger mit einer noch strengeren Strafe erneut auf und kehrt, nachdem ihre dicht bevölkerten Winkel verwüstet waren, mit unzähligen Kriegsgefangenen, mit ihrem vorzüglichsten Hausrat zurück. Und während man sich, fast im Hafen der Sicherheit, angesichts der Siege schmeichelt, stürmen die Pomoranen unerwartet aus Hinterhalten hervor, beginnt eine Schlacht mit für beide Seiten bedauernswerten Verlusten. (12) Das Gemetzel beginnt in der dritten Stunde des Tages, wird durch die Finsternis der Nacht kaum unterbrochen. Als sich die Reste der Feinde zerstreuten, erlangten die Polen bei Drecim jedoch das Feld des Sieges. Das bevorstehende Fest der Auferstehung des Herrn erlaubte ihnen aber nicht, dort länger zu verweilen, auch wenn sie die vierzigtägige Fastenzeit weniger fromm begingen. Daher entbehrten die Polen eine Zeitlang glückliche Erfolge, so als schienen selbst die Götter gegen sie zu kämpfen. (13) Als sie nämlich die Stadt Nakel belagerten, schreckten das Heer in der Nacht gewisse phantastische Trugbilder, irgendwelche Schatten so sehr, als würden sie durch Angriffe der Feinde beunruhigt. Und so verfolgen die fern vom Lager Wache haltenden Bewaffneten wiederholt Scheinfeinde und nicht die Feinde, schlagen leere Stöße in den pfeifenden Wind; so sind Mühe und Opfer vergebens aufgewandt.186 (14) Dadurch wurden nicht so sehr die stumpfen Herzen der Feinde geschärft als gegen Władysław die heimischen Wilddisteln aufgerichtet und gegen diesen das Schwert seiner [eigenen] Lende gezückt. Er hatte nämlich einen leiblichen, gleichwohl illegitimen Sohn, denn er wurde von einer Dirne empfangen. Dieser verbarg sich, sei es zum Zeichen der mütterlichen Scham, sei es, um sich den stiefmütterlichen Nachstellungen zu entziehen, sehr lange in den Schlupfwinkeln der Verbannung, aus welchem Grund er Zbigniew genannt wurde. (15) Dieser Achitophel187 wurde, und zwar durch den Rat des Herzogs der Böhmen, Bretislav [II.], angestiftet, den Vater zu
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ambitio, auget illi fiduciam pater decrepitus, frater inmaturus, ut regni rapiat gubernacula. Affluunt flagitii fomites, sceleris incentiua, transfuge atrocissimi, quorum quosdam leuitas, quosdam inuidia Cethegi, alios truculentia fecerat extorres. (16) Iste siquidem Cethegus cum Polonice princeps esset militie, non satis equilibriter pensa reipublice dispensabat. Qui non quid rectum, non quid uirtus postulauerit, set quid iusserit pecunia, non quantum quis meruerit, set quantum dare potuisset, inspexit.188 Plures ergo huius odio quam exulis amore ultroneum elegerunt exilium. Et prius Silenciane preses prouincie, cui nomen Magno, huiuscemodi conuenitur pitacio: (17) ,Nimis crudelis, nimis miser est, quem non solum depresse set et amisse libertatis non miseret. Nec filius est, qui materni calamitates doloris sine dolore dissimulat. Neminem siquidem latet, quod monstrum, que belua omnem patrie sinum occupauerit, quam laceros ungues intimis omnium inpegerit precordiis, uultur edacissimus, solus matris non ut materna sugens ubera, e quibus cum lac emungere non potest, elicit sanguinem, qui ceteros uelut abortiuos aut procul omnino abigit, aut fastuoso supprimit potentatu. (18) Quid quod apex omnis, quid quod decus omne sub illo prostat et in questu pro meretrice sedet?189
Quis enim expediuit psitaco suum chere?190 Quis omnes docuit magistratus arismeticas conari rationes? Magister artis ingeniique largitor 191 Cethegus. Qui fasces, qui dignitatum gradus, qui graduum omnes minutias in artem redegit calculandi, qui tanti molem imperii in trutina uenalitatis appendit. (19) Proinde maturius tante pesti, tante cladi occurrendum. Cui enim ferenda est publica pernicies, publice honestatis obprobrium? At uero nutrix deliramenti etas est decrepita et ad omnia inbecillis infantie teneritudo. Ideoque nec regi nec regine infantulo id oneris competere, cum neuter consilio, neuter uiribus uel sit uel uideatur idoneus. Nec enim annosa truncus effluens carie in fabrice columpnam erigitur, nec lentisci uirgulto ruina macerie suffulcitur. (20) Talem igitur et explorari et implorari studio-
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Vgl. CIC Cod, 1, 3, 31 (meruerit = mereatur). Ovidi Ex Ponto II, 3, 20. Persius, Satirae, Prolog 8. Persius, Satirae, Prolog 10.
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stürzen. Obwohl sich der Ehrgeiz selbst allen von sich aus empfiehlt, fördern [auch] der altersschwache Vater [und] der unreife Bruder [Bolesław III.] die Zuversicht [Zbigniews], jenem die Ruder der Herrschaft zu entreißen. Das Verbrechen erhält weitere Nahrung, der Frevel [weitere] Anregungen, [nämlich] abscheulichste Überläufer, deren Überlaufen teils durch Leichtsinn, teils durch den Hass auf [Władysławs Pfalzgraf] Sieciech, bei manchen [auch] durch die Griesgrämigkeit [des Herzogs] verursacht war. (16) Dieser Sieciech nämlich verteilte, als er oberster Heerführer Polens war, die Ämter des Gemeinwesens nicht sehr ausgewogen. Er schaute nicht darauf, was richtig ist, was die Tugend verlangt, sondern [darauf], was das Geld vermag, nicht [darauf], was jemand verdient hat, sondern [darauf], wie viel jemand geben konnte.188 Sehr viele wählten folglich eher aus Hass auf ihn, denn aus Liebe zum verbannten [Zbigniew] das freiwillige Exil. Und zuerst wenden sie sich mit folgendem Brief an den Vorsteher der schlesischen Provinz, dessen Name Magnus [war]: (17) ,Überaus grausam, überaus elend ist, wer nicht bedauert, dass die Freiheit nicht nur unterdrückt, sondern eingebüßt wird. Und der ist kein Sohn, der die Unbill des mütterlichen Kummers ohne Schmerz verhehlt. Niemandem ist ja verborgen, welches Ungeheuer, welches Untier den ganzen Schoß des Vaterlandes besetzt hat, wie er, der gefräßigste Geier, die reißenden Krallen allen ins innerste Herz hineinschlägt. Einsam saugt er die Brüste der Mutter, nicht wie mütterliche, da er aus ihnen keine Milch herausschummeln kann, [sondern] Blut herauslockt. Andere Missgeburten jagt er entweder in die weite Ferne oder unterdrückt er mit hochmütiger Gewalt. (18) Was soll man dazu sagen, dass unter ihm alle Zierde, alle Würde öffentlich preisgegeben wird und er für Gewinn untätig wie eine Hure dasitzt?189
Wer verhalf dem Papagei zu seinem ,Sei gegrüßt‘?190 Wer lehrte alle Beamten, arithmetische Berechnungen anzuwenden? Der Meister der List und Tücke, der Bestecher191 Sieciech, der die hohen Ehrenstellen, der die Würdenränge, der sämtliche kleinen Ämter der Rechenkunst zuführte, der das Gewicht einer so großen Herrschaft in die Waagschale der Käuflichkeit warf. (19) Einem so großen Verbrechen, einem so großen Unglück muss also rechtzeitig vorgebeugt werden. Denn wer kann das öffentliche Verderben, die Schmach der öffentlichen Ehre ertragen? Das hohe Alter aber ist die Amme der Albernheit und die Zartheit des Kindesalters in allem machtlos. Daher ist weder der König noch das Kind der Königin dieser Last gewachsen, da sie weder dem Verstand noch den Kräften nach dafür geeignet sind oder erscheinen. Man stellt in einem Bau ja keinen hochbejahrten, verfaulten Stamm als Stützpfeiler auf, noch stützt man eine einstürzende Mauer durch einen Mastixstrauch. (20) Es muss also eifrigst ein solcher er-
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sissime conuenit, talem uotis omnium expetendum, in quo et rebus afflictis esset solatium et nutantis firmamentum glorie solidetur. Cuius tam pereximie felicitatis superexcellentem, Magne, te auctorem existima, si confauoraneum animum ad nos inclinaueris, si regis primogenitum Sbigneuum in id propositi continueris. Quem si perfecte nosse uelis, fidelissimum nature ac uirtutis consule testimonium, que in illo dulci altercatione contendunt, ut incertum sit, natura uirtutem an uirtus naturam antecellat.‘ (21) Itaque Magnus diu secum deliberat, demura contribulibus deliberatum inmurmurat et insuadet consilium. Quod cuncti incunctanter amplectuntur et Wratislauie principem Sbigneuum constituunt. Quia uero id sine patris conniuentia presumptum est, non moueri pater non potuit, regina et Cethego flammas indignationis exaggerantibus. Ideo sui coequiuocum nominis regem Vngarie, Morauie ac Bohemorum principem nec non alias tibianeorum copias in Silencios contrahit. (22) Quibus unde inminebat excidium, inde acumulatior creuit gloria. Constantissime namque illorum resistente constantia, seu urgente potius instantia, fedus coactus est pacisci cum filio, quod in ipso concordie uestibulo, in ipso pene pacis primordio prorsus expirauit. Nam ut filialem pater erga se experiretur animum, extreme ualitudinis langorem simulat, filium quasi quoddam fati solatium acciri iubet. (23) Verum ille uera cordis non dissimulata letitia, morbum incessu uultuque fatetur. Quippe: Qualis uultus erit, talia corda gerit.
Cum enim humanum sit et aliene calamitati compati, nullum in isto intellectum est uel fictum compassionis indicium. Immo in tympanis, tibiis, symphonistarum choris et diuersis histrionum prestigiis, merentem aulam pompatice ingreditur, ut ipse arrogantie fastus de ipso preconari uideatur: Filius ante diem patrios suspirat in annos.192
(24) Agnoscit quidem pater egregii affectum filii, sed paterne ignoscit et omnes inprudentie arguit, qui super tam prudenti facto durius opinati sunt. Ait illum ex industria in rebus iocundissimis non iniocundum patri attu-
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Ovidi Metamorphoses I, 148 (suspirat = inquirit).
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mittelt und flehentlich gerufen werden, der den Wünschen aller entspricht, der ein Trost in Unglücksfällen wäre und die Stütze des schwankenden Ruhmes befestigte. Du könntest dich, Magnus, als den vorzüglichsten Urheber eines ganz außergewöhnlichen Erfolgs ansehen, wenn du uns deine wohlwollende Gesinnung zuwenden würdest, wenn du den erstgeborenen [Sohn] des Königs, Zbigniew, für diesen Plan gewinnen würdest. Wenn du ihn vollkommen kennen lernen willst, befrage das treueste Zeugnis der Natur und der Tugend, die sich in ihm in angenehmem Wechsel messen, so dass unklar ist, ob die Natur die Tugend oder die Tugend die Natur übertrifft.‘ (21) Magnus denkt also bei sich lange nach, endlich flüstert er den Gaugenossen das Erwogene zu und schlägt einen Rat vor. Diesen nehmen alle unverzüglich an und setzen Zbigniew zum Fürsten von Breslau ein. Weil man sich dies jedoch ohne die Zustimmung des Vaters anmaßte, konnte der Vater nicht [stärker] gereizt werden, schürten die Königin und Sieciech die Flammen der Empörung [noch mehr]. Daher zieht er [Władysław Herman] seinen Namensvetter, den Fürsten von Ungarn [Ladislaus und den Herzog von] Mähren und Böhmen [Bretislav II.] sowie weitere Hilfstruppen gegen die Schlesier zusammen. (22) Wo ihnen der Untergang drohte, da wuchs [ihr] Ruhm noch reichlicher. Und infolge der sehr großen Standhaftigkeit jener bzw. eher durch das Drängen [dieser] wurde [der Vater] gezwungen, mit dem Sohn ein Bündnis zu schließen, das schon in der Vorhalle der Eintracht, ja gleich zu Beginn des Friedens wieder erlosch. Denn der Vater täuscht, um die Gesinnung des Sohnes ihm gegenüber zu prüfen, eine schwere Krankheit vor und befiehlt, den Sohn herbeizurufen, gleichsam als Trost im Angesicht des Todes. (23) Jener aber offenbart, [seinen] Herzensjubel nicht verhehlend, durch [seinen] Eintritt und Gesichtsausdruck [seine eigene] wahre Krankheit. Denn: So wie sich das Gesicht zeigt, so verhält sich das Herz.
Obwohl es nämlich menschlich ist, auch mit fremdem Unglück mitzufühlen, ließ er [Zbigniew] nicht einmal ein vorgetäuschtes Zeichen des Mitgefühls erkennen. Im Gegenteil, er zieht mit Pauken und Trompeten, Chören von Musikern und verschiedenen Darbietungen der Gaukler prunkvoll in die trauernde Halle ein, so dass der Stolz [seines] Hochmuts selbst zu verkünden scheint: Frühe schmachtet der Sohn nach der Todesstunde des Vaters.192
(24) Zwar erkennt der Vater die Regung des vortrefflichen Sohns, doch verzeiht er väterlich und beschuldigt die anderen, die [den Sohn] wegen einer so klug eingefädelten Handlung als gefühllos angesehen haben, der Unwissenheit. Er sagt, jener habe mit den sehr scherzhaften, erheiternden
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lisse solatium. Nec enim flamma flammis extinguitur, nec merore meror exuitur, presertim cum hilaritate medentis eger nonnumquam hilarescat. Vt autem illius tumorem superbie, si omnino explodere non posset, aliquatenus subneruaret, fiduciales illi alas amputat, robustissima illius caute soluit presidia. (25) Nam primos Silenciorum, quos uiribus ab illo sequestrare non potuit, arte subducit. Vnde grassantius in patris iniuriam consurgit. Wratislauia enim transfugio excedens, Crusuiciam se recepit, septem Crusuiciensium acies instruit, Pomoranorum non parua uenatur et inpetrat subsidia. Cum patre congreditur, dimicat, succumbit et carceris ergastulo mancipatur. Hic tanta hostium prosternitur infinitas, ut urbis proastia, campestrium amplitudo, lacuum impleta sit profunditas, adeo ut omnem inibi natatilis esum longi successione temporis nonnulii horruerint.193 [23] (1) JOHANNES: Difficile est ut bono peragantur exitu, que malo sunt inchoata principio194; uix enim quod ab initio non ualet, tractu temporis conualescit195, etsi nonnumquam in bonos usus uersum desinat esse uitiosum. Nam que salicto planta inseritur, salicti sapit radicem. (2) Vnde iste nescio quid inolite in se circumferens originis, non modo disciplina proteruior, set paterna fit correptione arrogantior. Est autem arrogantia quedam superbie species, qua quis neminem pre se ducit hominem. Hinc omnis arrogans odiosus, que pestis sacrilega nonnullos peperit parricidas. Qui quibus hostes pepercerant, patribus non pepercere. (3) Nonne enim Bactrianorum regem Eucratidem filius iam regni socius non solum occidit, set et non dissimulato parricidio, uelut hostem non patrem occidisset, per sanguinem eius currum egit et corpus abici insepultum iussit?196 Nonne rex Segobriorum Nannides patrem in aula obtruncat, cuius etiam sanguinem lingere non horruit, quasi nouo letus experimento probans non minus esse dulcem pergustu paternum cruorem quam aspectu? (4) Iste, ne solus uideretur flagitio suspectus, adolescentes ingenuos muneribus inuitat et in patrum occisionem informat. Non inpune tamen, nam
193 Zu Zbigniew und seinem Konflikt mit dem Vater vgl. Galli Anonymi cronicae II, 4 –5. 194 Decretum Gratiani 2. Teil, C. I., q. I, c. XXV. 195 CIC Dig 50, 17, 29 (conualescit = convalescere). 196 Iustini Epitoma XLI, 6, 5 (occidisset = interfecisset).
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Dingen dem Vater absichtlich Trost spenden wollen. Denn weder werde das Feuer mit Flammen gelöscht, noch die Trauer durch Trauer beseitigt, zumal sich der Kranke bisweilen an der Fröhlichkeit des Arztes erfreut. Um aber die Geschwulst seiner [Zbigniews] Überheblichkeit, wenn er sie [schon] nicht gänzlich forttreiben konnte, [wenigstens] bis zu einem gewissen Grade zu entkräften, schneidet er ihm die Flügel der Zuversicht ab, löst vorsichtig seine [Zbigniews] stärksten Hilfstruppen auf. (25) Denn er entzieht ihm die Vornehmsten der Schlesier, die er von ihm gewaltsam nicht trennen konnte, durch eine List. Daher erhebt er [Zbigniew] sich noch wütender gegen die Unbill des Vater, flieht aus Breslau, nimmt Kruschwitz zurück, stellt sieben Schlachtreihen der Kruschwitzer auf, lauert auf eine nicht geringe Unterstützung seitens der Pomoranen und erhält sie. Als er mit dem Vater zusammenstößt, kämpft er um die Entscheidung, unterliegt und wird in den Kerker geworfen. Dabei wurden so unzählig viele Feinde niedergemacht, dass die Vorburgsiedlungen, die Weite der Felder, die Tiefe der Seen so sehr [von Leichen] angefüllt waren, dass manche noch lange Zeit danach vor jedem Verzehr des darin Schwimmenden erschauderten.193 [23] (1) J o h a n n e s : Es kann doch nicht das gut enden, was schlecht begann.194 Denn was am Anfang nicht stark ist, wird [auch] im Zug der Zeit kaum stark werden195, es sei denn, dass es bisweilen, im Gebrauch zum Guten gewendet, aufhört, fehlerhaft zu sein. Denn eine unter Weidengebüsch ausgesäte Pflanze schmeckt nach der Wurzel des Weidengebüschs. (2) Daher wurde dieser [Zbigniew], den ich weiß nicht was in seinem Innern von Anbeginn umtrieb, nicht so sehr durch die Zucht dreister als durch die väterliche Zurechtweisung hochmütiger. Der Hochmut aber ist eine gewisse Art von Überheblichkeit, die niemanden außer sich selbst als Menschen ansieht. Daher ist jeder Hochmütige verhasst, während das frevelhafte Verbrechen manche Vatermörder hervorbringt. [Und] die, die [selbst] die Feinde geschont hatten, gewähren den Vätern [ihrerseits] keine Schonung. (3) Hat den König der Baktrianer, Eucratides, etwa nicht der [eigene] Sohn, als er schon Mitkönig war, getötet? Er hat den Mord auch nicht verhehlt und seinen Wagen, so als hätte er einen Feind und nicht den Vater getötet, durch [dessen] Blut getrieben und befohlen, den Leichnam unbestattet fortzuwerfen.196 [Und] hat etwa nicht der König der Segobrier, Nannides, den [eigenen] Vater in der Halle enthauptet, der sich auch nicht gescheut hat, dessen Blut zu schlecken, als wolle er durch [diese] ungewohnte Todesprobe beweisen, dass das väterliche Blut im Geschmack nicht weniger süß ist als im Anblick? (4) Damit er nicht allein als Tatverdächtiger erschien, lockt er die frei geborenen Jünglinge mit Geschenken zu sich und unterweist sie im Mord an den Vätern. Aber nicht ungestraft, denn als der Sohn dieses Vatermör-
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cum huius filius parricide, adhuc patre incolumi, ad regnum suspiraret et procerum precipuos studiosius inclinaret, respondent facturos dum paternam non deserat prudentiam. (5) Quibus ille: ,Quenam est illa?‘ ,Modicisper, inquiunt, prestolare.‘ Appelli iubent duos greges, balantum unum, alterum caprarum et seorsum arietem et hircum. ,Vtrius, inquiunt, gregum ducem eligis?‘ At ille: ,Balantum.‘ ,Vter grex potior?‘ Respondet: ,Balantum.‘ Et illi: ,Inscrutabilis est tui patris industria et non poteris ad eam. (6) Ille namque cum sciret similitudinem amicissimam esse nature, non prius nos dilexit, quam illi etiam essemus parricidio conformes et sic nos capris conformat parricidii olacitas. Quibus ergo placere uelis, similem te fieri oportet.‘ (7) Proinde cursu citatissimo patrem adit, pugione confodit, regnum petit. Set proprio iudicio a regno arcetur. Aiunt enim: ,Quia dux balantum elegisti esse, quia potiorem iudicasti hirco arietem, recte quidem, set cur tam repente ex ariete factus es hircus? Quere igitur fetas que hircina olacitate capiantur. Nos deinceps nec esse capras petulantes nec hirco subesse delectat.‘ (8) Is eorum exitus qui sanctissima patrum numina ea colunt reuerentia. Taceo de illo qui etsi non occiderit, quia tamen per eum non stetit, quominus occideret, crinibus e mulo fugiente abstractus miserabiliter in ilice pendens parricidii penas excepit.197 (9) Mallei quoque Carthaginiensis principis filium pretereo Cartallonem, qui ad patrem exulantem ornatus purpura et infulis fastuose uenit. Quem pater, quia coram exulibus se habitu felicitatis iactauerat, cum ornatu suo in altissimam crucem in ciuitatis conspectu configi iussit, statuens exemplum ne quis patriis miseriis posthac illudat.198 Qua ex re liquido perspicis, cuius gratie sit aput alios arrogantie fastus, quem tanto pater dignum censuit piaculo. At tamen huius excessit medicina modum, nec enim debuit ipso grauior uulnere fuisse uulneris curatio.199 [24] (1) MATHEVS: Quanto autem ipse in patrem atrocior, tanto in illum pater fuit pietate propensior. Quem non solum carceri set paterne potestati emancipat, coheredem instituit, certam illi ab herede legitimo
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Vgl. 2 Sm 18, 9. Iustini Epitoma XVIII, 7, 7–15 (civitatis = urbis; configi = suffigi). Iustini Epitoma XII, 9, 13 (fuisse = fuit).
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ders, während der Vater noch am Leben ist, an die Macht strebt und sich sehr eifrig die wichtigsten Vornehmen geneigt macht, antworten [diese], dass sie [dies] dulden werden, solange ihn nicht die väterliche Klugheit verlassen möge. (5) Ihnen [antwortet] jener: ,Welche [Klugheit] ist denn das?‘ [Darauf] sagen sie: ,Warte einen kleinen Moment.‘ Sie befehlen, dass zwei Herden herangetrieben werden, eine [Herde] Schafe, eine andere [Herde] Ziegen und abgesondert ein Schafbock und ein Ziegenbock. ,Welche der beiden – fragen sie – wählst du zum Führer der Herden?‘ Jener darauf: ,[Den] der Schafe.‘ ,Welche Herde ist kräftiger?‘ Antwortet er: ,[Die Herde] der Schafe.‘ Darauf jene: ,Lehrreicher ist der Eifer deines Vaters und du kannst nicht an ihn [heranreichen]. (6) Denn dieser hat uns, weil er wusste, dass die Ähnlichkeit die größte Freundin der Natur ist, nicht eher geachtet, als auch wir ihm durch einen Vatermord angepasst waren und der Geruch des Vatermordes uns auf diese Weise zu Ziegen macht. Denen du also gefallen willst, [denen] musst du dich gleich machen.‘ (7) Also eilt er sehr schnell zum Vater, ersticht [ihn] mit dem Dolch, fordert die Königsherrschaft. Doch wird er durch das eigene Urteil von der Herrschaft abgehalten. Denn sie sagen: ,Weil du der Führer der Schafe sein wolltest, weil du den Schafbock für stärker als den Ziegenbock gehalten hast, nun gut, aber warum hast du aus dem Schafbock so schnell einen Ziegenbock gemacht? Suche also nach Schafen, die vom Geruch des Ziegenbocks eingenommen werden mögen. Uns begeistert es weder übermütige Ziegen zu sein noch einem Ziegenbock zu unterstehen.‘ (8) Dies ist das Ende jener, die die ehrwürdigsten Winke der Väter mit solcher Ehrerbietung pflegen. Ich schweige von dem, der zwar nicht getötet haben mag, weil es doch nicht an ihm lag, dass er nicht tötete, der aber an den Haaren vom fliehenden Maultier gezogen elendig in einer Steineiche hängend die Strafen für den [beabsichtigen] Vatermord empfing.197 (9) Ich übergehe auch den Karthalo, den Sohn des Malchus, des Fürsten von Karthago, der zu [seinem] verbannten Vater im albernen Schmuck von Purpurkleid und Kopfbinde kam. Ihn ließ der Vater, weil er sich vor den Verbannten im Aufzug des Glücks gebrüstet hatte, mit seinem Gewand unter den Augen der [ganzen] Stadt ans höchste Kreuz schlagen, ein Exempel statuierend, auf dass niemand in Zukunft väterliche Leiden verspotten möge.198 Daraus erkennst du klar, welchen Dank der Stolz des Hochmuts, den der Vater einer solchen Strafe für würdig befunden hat, bei anderen erfuhr. Doch überschritt seine Medizin das Maß, denn die Heilung der Wunde musste nicht schlimmer als die Wunde [selber] sein.199 [24] (1) M a t t h ä u s : Je rücksichtsloser dieser [Zbigniew] aber gegen den Vater war, desto wohlgesonnener war der Vater ihm gegenüber. Er entlässt ihn nicht nur aus dem Kerker, sondern auch aus der väterlichen Gewalt,
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regni portionem disterminat. 200 Igitur Boleslaus licet adolescentulus maternis illum uirtutibus anticipat, grauissima morum uenustate antecellit, ut etas ulterior in mente adolescentis non in mento suam admiretur caniciem, ut uiros consulares canis albicantibus respersos uerticem ad eius consilia putares infantissimos. (2) Quot quantum aput prudentes glorie tantum illi aput mores inprobos peperit inuidie, quia uirtus sese diligit aspernaturque contraria. 201 Cethegus namque certis instructus pronosticis sue in illo declinationem uersutie luxisse fertur. Ecce hic positus est in ruinam multorum et tuam ipsius, Cethege, animam pertransibit gladius. 202 (3) Itaque factionem contrahit, seditionis elicit scintillam, odii flammas conflat, inter patrem et filios discordie fouet incentiua. Que Boleslaus non tantum sedat, set et sementiuam malorum eradicat originem. Cethego enim proscriptioni exposito, partes regni dissidentes conciliat et quas seditionis occasione occupauerat prouincias patri restituit, non minus in paternam pius religionem quam in patrie commoda propensus. 203 (4) Tantum enim uirtuti, tantum paterne deuotioni dependit, ut in aurea lamina nomen patris insculpi iusserit, quam aurea catena a collo in pectus dependere iussit, ut quasi patre semper presente, filialis iugum discipline, paterne memoriam reuerentie, fugam uitiorum, uirtutum custodelam ubique secum circumferret, lamina crebro suggerente: Sic loquere, tamquam pater semper audiat, sic age, tamquam pater semper uideat. Turpe siquidem est sub patris conspectu aut agi turpia aut dici scurrilia. (5) Tanta itaque se illi ueneratione astrinxit, ut non patrem coli set numen crederes adorari. Quod pietatis illi non defuit etiam patre fatis intercepto, quem, ut aiunt, in ueste atra integro luxit quinquennio. Et quoniam uirtus est habitus mentis bene constitute 204, habitus uero qualitas est difficile mobilis, quidquid filiationis patri debuerat, licet spurium in fratrem transtulit, ut non minus deuota sinceritate custodiret fraterne intemeritatis archanum, licet illum suo nosset insidiari calcaneo. 205 (6) Nam ut e multis pauca perstringam, immo ut ex paucis multa coniectes, robustum Pomorani iuxta oppidum
200 Zur Begnadigung Zbigniews und der Herrschaftsteilung unter den Söhnen Władysławs vgl. Galli Anonymi cronicae II, 7– 8. 201 Vgl. Cicero, Laelius de amicitia XIII (47); zur Schilderung des jungen Bolesław vgl. Galli Anonymi cronicae II, 9, 11–13. 202 Lk 2, 34 –35 (pertransibit = pertransiet). 203 Zum Aufruhr des Sieciech und dessen Vertreibung vgl. Galli Anonymi cronicae II, 16. 204 Alain de Lille, De virtutibus I, 1 (S. 47 / Z. 24 –25). 205 Vgl. Gen 3, 15 (insidiari = insidiaberis).
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setzt ihn zum Miterben ein, grenzt ihm vom legitimen Erben [Bolesław III.] einen gewissen Anteil am Königreich ab. 200 Bolesław freilich, wenngleich noch ein Jüngling, übertrifft jenen mit den mütterlichen Tugenden, überragt [ihn] mit der würdigsten Anmut der Sitten, so dass die Älteren nicht am Kinn, sondern im Geist des Jünglings das graue Haar bewundern; du würdest die Männer des Rates, denen das graue Haar den Kopf weiß macht, angesichts seiner klugen Entschlüsse für sich bekleckernde Säuglinge halten. (2) Und so viel Ruhm er bei den Klugen gewann, so viel Hass [gewann er] bei den Ruchlosen, weil die Tugend sich achtet und das Gegenteil verschmäht. 201 Und Sieciech soll, ausgestattet mit einer gewissen Vorahnung, in jenem den Niedergang seiner [eigenen] Verschlagenheit beklagt haben. Siehe, dieser ist zum Verderben vieler aufgestellt, deine eigene Seele aber, Sieciech, wird das Schwert durchbohren. 202 (3) Daher zieht er [, Sieciech, seine] Partei zusammen, entfacht den Funken des Aufruhrs, entzündet die Flammen des Hasses, befördert zwischen Vater und Söhnen den Ausbruch der Zwietracht. Diese legt Bolesław nicht nur bei, sondern reißt die Ursprungssaat der Übel aus. Denn nachdem Sieciech der Ächtung preisgegeben worden war, vereinigt er die entzweiten Teile des Königreiches und gibt dem Vater die Provinzen zurück, die er [Sieciech] während des Aufruhrs besetzt hatte; und er ehrt den Vater ebenso pflichtbewusst, wie er sich für das Wohl des Vaterlandes einsetzt. 203 (4) Er [Bolesław III.] zollte der Tugend, der Hingabe an den Vater so große [Achtung], dass er befahl, den Namen des Vaters in ein goldenes Plättchen einzugravieren, das er an einer goldenen Halskette über dem Herzen zu tragen wünschte, damit der Vater sozusagen stets anwesend sei, und das er als ein Joch der Sohneszucht, eine Mahnung an die dem Vater zu erweisende Ehrerbietung, einen Schild gegen die Laster, eine Wache der Tugenden überall mit sich herumtrug. Das Plättchen sollte [ihm] immer wieder sagen: Sprich stets so, als würde es der Vater hören, handele so, als würde es der Vater sehen. Denn schändlich ist es, unter den Augen des Vaters sowohl schändliche [Dinge] zu treiben als auch possenhafte [Worte] zu sprechen. (5) So band er sich an ihn mit einer so großen Verehrung, dass du geglaubt hättest, er würde nicht den Vater, sondern eine göttliche Macht verehren. Diese Liebe fehlte ihm auch nicht, als der Vater gestorben war, um den er, wie man sagt, im schwarzen Gewand ganze fünf Jahre lang trauerte. Und weil die Tugend eine Haltung eines gut geordneten Verstandes204, die Haltung aber eine schwer zu ändernde Eigenschaft ist, übertrug er, was auch immer er als Sohn dem Vater geschuldet hatte, auf den wenn auch unehelichen Bruder [Zbigniew], so dass er mit nicht geringerer ehrfürchtiger Aufrichtigkeit das Geheimnis der brüderlichen Schändlichkeit bewachte, wenngleich er wusste, dass dieser ihm in der Ferse lauerte. 205 (6) Damit ich aber von vielen [Beispielen] nur einige wenige kurz erwähne,
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Santok exstruxerant municipium, quod Santocensium inminebat excidio. Quod cum expugnare contendit Sbigneuus, ignominiose abigitur. Boleslaus uero non solum illud solo adequat, set Medirecze et alias eorum urbes euincit. Rursus Sbigneuo muliebriter illacrimante, Parthi Polonie fi nes populantur, quos trans flumina tandem consequitur Boleslaus et hostes passim fundens suos ense redimit et predones in prede predam conuertit. 206 (7) Que adolescentis tyrocinia cis annos aucta pubertatis animo Sbigneui fomitem inicere inuidie. Vnde fraternis corrogatus interesse ac preesse nuptiis207, que putas sponsalia, que sodalitia, quos denique paranimphos architriclinari studuit? Bohemicam suscitat rabiem, instruit ut Boleslao connubialibus feriante cerimoniis, regnum eius grassantius depredentur.208 (8) Set nouus illos sponsus uino cruoris inebriat. Qui ut acrius hostilem compescat audaciam, tres delectorum turmas in Morauiam destinat. Hii dum infinitas predociniorum agunt manubias, ducem Morauie Swentopelcum a tergo conspicantur. Nec liquido claret, utrumne tigridem orbatio catulorum stimulantius urgeat, an leones prede auiditas urgentius instimulet. (9) Lugendus tamen utrimque conflictus uix multo utrorumque scinditur discrimine. Hic militie princeps Selislaus manu mutilatur, pro qua ob uirtutis insigne auream illi Boleslaus restituit, quod emulorum liuor et maxime fratris non fraterna mordacitas in ridiculi parabolam peruertit. 209 [25] (1) JOHANNES: Nihil adeo bene uel fit uel dicitur, quod non possit deprauari. Nam quid in lingua luscinie? amenitas; quid in lingua serpentum? sibilus; quid in lingua canum? latratus. Vnde cum dictum est sapienti: Male de te loquuntur homines; male, inquit, set mali. Rursus: male de te loquuntur homines, et ille: ,non quod debent faciunt, set quod solent.‘210 (2) Gloriosum uero est uiro forti corpore mancum, uirtute uideri ambimanum. Quod illum uere uirum non latuit, qui multis in prelio fusis ab hoste
206 Zu Zbigniews und Bolesławs Kampf gegen die Pomoranen vgl. Galli Anonymi cronicae II, 17, zur Eroberung von Meseritz ebd. II, 14. 207 Zur Vermählung Bolesławs vgl. Galli Anonymi cronicae II, 23. 208 Zu Zbigniews Reaktion und dem Überfall der Böhmen vgl. Galli Anonymi cronicae II, 23. 209 Zu Bolesławs Feldzug gegen Mähren und Zelisław vgl. Galli Anonymi cronicae II, 25. 210 [Pseudo-]Seneca, De moribus 40 – 41.
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ja du aus den wenigen viele [weitere] ableiten mögest, [erzähle ich dir, wie] die Pomoranen nahe der Burgstadt Zantoch eine stark befestigte Burg errichtet hatten, die den Leuten von Zantoch mit Zerstörung drohte. Als sie Zbigniew zu erobern versucht, wird er schmachvoll fortgetrieben. Bolesław aber macht sie nicht nur dem Erdboden gleich, sondern besiegt auch Meseritz und ihre anderen Städte vollständig. Als Zbigniew wiederum weibisch in Tränen ausbricht, als die Polovcer die Grenzregionen Polens plündern, verfolgt Bolesław diese schließlich über die Flüsse, schlägt die Feinde nach allen Seiten in die Flucht, befreit die seinen mit dem Schwert und verwandelt die Räuber durch Beutemachen in Beute. 206 (7) Diese ersten Kriegstaten des noch nicht erwachsenen Jünglings entfachen in der Seele Zbigniews den Zündstoff des Neides. Daher, als er eingeladen wurde, [zu Beginn des Jahres 1103] der Hochzeit des Bruders [mit Zbyslava] beizuwohnen und vorzustehen 207, was meinst du, welche Hochzeitsgeschenke [zusammenzustellen], welche Hochzeitsgesellschaft [einzuladen], wen schließlich mit der Aufgabe der Brautführer zu betrauen er bemüht war? Er facht die Wut der Böhmen an [und] veranlasst, dass sie, während Bolesław mit den Hochzeitsfeierlichkeiten beschäftigt ist, sein Königreich hart zu Werke gehend plündern. 208 (8) Der frisch Vermählte aber macht jene mit dem Wein des Blutes betrunken. Um die feindliche Kühnheit energischer zu unterdrücken, schickt er drei Einheiten erlesener [Krieger] nach Mähren. Während diese sehr viel Beute machen, erblicken sie im Rücken den Herzog von Mähren, Svatopluk [II.]. Und es ist nicht ganz klar, ob der Tiger angesichts des Raubs seiner Jungen nicht heftiger angreift oder die Löwen nicht von der Gier nach Beute drängender angestachelt werden. (9) Der Zusammenstoß ist für beide Seiten gleichwohl traurig und wird erst mit viel Gefahr für beide Seiten unterbrochen. Hier wurde der Heerführer Zelisław an der Hand verstümmelt, für die ihm Bolesław als Zeichen der Tapferkeit eine goldene [Hand] zurückgab, was der Neid der Rivalen und die unbrüderliche Bissigkeit des Bruders in eine lächerliche Redensart umgedreht haben. 209 [25] (1) J o h a n n e s : Nichts wird weder so gut getan noch gesagt, dass es nicht verzerrt werden könnte. Denn was liegt in der Sprache der Nachtigall? Vergnügen. Was in der Sprache der Schlangen? Zischen. Was in der Sprache der Hunde? Bellen. Daher spricht der Weise, als man ihm sagt: Die Menschen sprechen schlecht über dich, schlecht, aber die Schlechten. [Und als man ihm] wiederum [sagt]: Die Menschen sprechen schlecht über dich, [spricht] jener: ,Sie tun nicht das, was sie tun sollen, sondern was sie gewohnt sind.‘210 (2) Ruhmvoll aber ist es für einen in der Körperkraft behinderten Mann, durch [seine] Tapferkeit als beidhändig zu erscheinen. Das verbarg jener Mann wahrlich nicht, der im Kampf viele in die Flucht geschlagen hat, schließlich [aber], wie von den Mitgefährten bejammert
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tandem gressu subneruatur, a consociis deplangitur. Quorum ille planctum ridiculo excipit, iocundum sibi gratulans accessisse hac in re commercium, ut singuli passus uirtutum sint monimenta non claudicandi obprobrium. 211 (3) ,Suam alii undelibet mendicent gloriam, ego meam corporis cicatricibus insculpsi. Quidam enim, inquit, etsi claudicare uideantur, non claudicant, set uel uirtutes computant uel earum incrementa meditantur.‘ [26] (1) MATHEVS: Tanta uero Boleslai undique fama percrebruit, ut omnes illius animositatem hostes obstupescerent: Martis alumpnus212, tigridis filius, leonis rabies, draco fl ammiuomus 213, ictus fulminis, seu quouis alio feritatis uocabulo a diuersis nuncuparetur. Tantus enim illi animus, tantus belligerandi amor inerat, ut grauiorem putauerit otii torpedinem quam morbi langorem. (2) Nec minus illum domestice fratris exercuere insidie quam hostis extraneus. Qui tum fraterne uirtutis odio tum insuspecto nocendi desiderio amorem simulat, fidei constantiam paciscitur; iuris iurandi execratione se inuicem obstringunt, neutrum sine altero de pace uel hostilitate cum quibuscumquepiam decernere, utrumque alteri salubritate consilii, amminiculorum promptitudine quam fidelissime subpetere. (3) Quorum animo illud inprimis unanimiter insedit, ut maritimas occupent prouincias, ut Pomoranorum retundatur inprobitas. Itaque locum, tempus, modum contrahendi, ordinandi et educendi cohortes eligunt. Quod in ipso pene deliberandi auspicio proditionis ille princeps Pomoranis fertur prodidisse. Nam nec sponsionem condicti prestitit, nec suam aut suorum copiam collibito exhibuit, immo fratris promptissimos tam amicos quam obsequiales oculta persuasione a proposito distorsit. 214 (4) Interea Pomoranorum latrunculi Polonie conterminia manu ualida insiliunt, flammas iniciunt, predas abigunt. Igitur Boleslaus nihil tale suspicatus, instupidus tamen, cum paucis aduolat, hostes aggreditur. Quantus furor, quanta temeritas! Octoginta dumtaxat uiri cum tribus milibus committunt. (5) Set quid hii sunt inter tantos? Non frustra tamen spicarum gelimis exiguus licet igniculus inuoluitur. Ceduntur quidem et cedi malunt quam cedere Boleslaide, set hostium strages decuplatur. Nec cessat leo rabi-
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Vgl. Cicero, De oratore II, 249. Bei Galli Anonymi cronicae II, 3, 11, 13, 17 und 18 „puer Martis / Martialis“. 213 Galli Anonymi cronicae II, 39 und III, 3. 214 Zum Vertragsschluss mit Zbigniew und dessen Verrat vgl. Galli Anonymi cronicae II, 32. 212
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wurde, vom Feind im Schritt gelähmt wurde. Deren Klage nimmt er mit einem Lachen auf, gratuliert sich fröhlich, dass er aus diesem Umstand den Gewinn gezogen hat, dass jeder Schritt ein Wahrzeichen [seiner] Verdienste und kein Vorwurf gegenüber einem Hinkenden ist. 211 (3) ,Andere – sagt er – mögen ihren Ruhm woher auch immer erbetteln, ich habe meinen durch Körpernarben eingeprägt. Gewisse [Männer] nämlich, wenngleich sie zu hinken scheinen, hinken nicht, sondern zählen entweder ihre Verdienste oder denken über deren Vermehrung nach.‘ [26] (1) M a t t h ä u s : Dem Bolesław aber eilte überall ein solcher Ruhm voraus, dass alle Feinde vor seiner Leidenschaftlichkeit erstarrten: Von vielen wurde er ein Schützling des Mars212, ein Tigersohn, ein wütender Löwe, ein flammenspeiender Drache213, ein Donnerschlag oder nach irgendeinem anderen Wort der Wildheit genannt. Er besaß einen solchen Mut, eine solche Kampfeslust, dass er die Trägheit der Muße für schlimmer hielt als das Leiden einer Krankheit. (2) Und die einheimischen [Übergriffe] des Bruders hielten ihn nicht weniger auf Trab als die Überfälle des äußeren Feindes. Jener täuscht bald im Hass auf den tugendhaften Bruder, bald im furchtlosen Wunsch, [ihm] zu schaden, Liebe vor [und] verpfl ichtet sich zu beständiger Treue; sie binden sich wechselseitig durch das Ablegen eines Eides, dass keiner ohne den anderen mit irgendjemandem etwas über Frieden oder Feindschaft beschließen und jeder dem anderen mit dem gesunden Rat und der bereitwilligen Treue engster Freunde zu Gebote stehen wird. (3) Vor allem beschließen sie einmütig, dass sie die Seeprovinzen [Pommern] besetzen, um die Frechheit der Pomoranen im Zaum zu halten. Daher wählen sie Ort, Zeit und Verfahren, die Truppen auszuheben, zu ordnen und herauszuführen, was jener Anführer des Verrates schon gleich zu Beginn der Beratung den Pomoranen verraten haben soll. Denn er hielt nicht nur das verabredete Gelöbnis nicht, sondern stellte auch seine bzw. der seinen Truppe nicht bereit, ja brachte die bereitwilligsten Freunde wie Gefolgsleute des Bruders durch heimliche Überredung von [ihrem] Plan ab. 214 (4) Unterdessen fallen die Wegelagerer der Pomoranen mit einem starken Heer in die Grenzgebiete Polens ein, entzünden die Flammen, führen Beute fort. Bolesław, der mit derartigem nicht gerechnet hatte, aber nicht überrascht war, eilt mit einigen wenigen [Kriegern] herbei [und] greift die Feinde an. Welches Rasen, welche Verwegenheit! Nur achtzig Männer messen sich mit dreitausend. (5) Aber was sollen diese unter so vielen [ausrichten]? Doch wird die winzige, wenn auch glühende Ährengarbe nicht vergeblich eingehüllt. Zwar fallen die Männer des Bolesław und wollen [auch] lieber untergehen als zurückweichen, doch der Tod der Feinde wird verzehnfacht. Und der wilde Löwe hört so lange nicht auf, durch die Kampf-
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dus turmas transgirare, cuneos proscindere, donec genitalibus fusis eius asturco procubuit. Tum demum plures pedestri prosternens conflictu a campo certaminis non declinauit, set uirtute indefessa fit hostibus hostis infestior. 215 (6) Nec uero sacri comes palatii Scarbimirus instat segnius, tanto atrocior quanto cruentior: erat enim dextro lumine orbatus. Sui quoque uictores per omnia hostes cedunt et sternunt. Quorum quidam non uicti set uincendo fatigati inter stratorum cateruas hostium obdormiscunt. 216 [27] (1) JOHANNES: Quod amore patrie suscipitur, amor est non furor, uirtus est non temeritas: fortis enim est ut mors dilectio. 217 Que quanto est meticulosior tanto audacior. Nihil namque audacius in arma ciues prouocat quam ciuilis timor discriminis. Hoc est quod Solon Athenienses exhortans ait: ,Non minus timidos uos esse uelim quam audaces; quia timor circumspectionem suggerit et circumspectio parit confidentiam et confidentia gignit audaciam, qua homo sepe se ipso fit animosior.‘ (2) Quid igitur Machabeum cum octingentis uiris contra XXII milia Bachidis inpulit 218 , ut sui oblitus suorum potius meminerit quam uite? Amor patrie. Quid sescentos Spartanorum in castra Xersis animauit, ut quingenta hostium milia non horruerint?219 Amor patrie. Quid quod Saulides in iugeris dimidii perexiguo spatiolo uiginti uiris cesis tot Philisteorum legiones solo comite armigero et inpedit et confudit?220 (3) Aut unde tantum animi Eleazaro, ut salubrius cedentibus aliis suffossi ruina elephantis obteri elegerit?221 Vnde compluribus tanta moriendi uoluntas? Nam ut alios sine inuidia preteream, superexcellentem audi Codri uirtutem. (4) Dorenses contra Athenienses preliaturi oraculum consulunt. Quibus respondetur 앚superiores fore앚222, ni hostium occidissent regem. Quo cognito rex Atheniensium Codrus permutat habitum, pannosus castra hostium ingreditur, militem ex industria falce uulnerat et a uulnerato occiditur. Hostes corpore cognito sine prelio discedunt. 223 Sic uirtus regis proprie discrimine mortis patrie salutem mercatur. Non est ergo alienum a uirtute priuato incomodo publica finire. 215
Zum Kampf Bolesławs mit den Pomoranen vgl. Galli Anonymi cronicae II,
33. 216 217 218 219 220 221 222 223
Iustini Epitoma II, 11, 18. Hl 8, 6. 1 Makk 9, 4 und 6. Vgl. Iustini Epitoma II, 11, 15. Vgl. 1 Sm 1, 14, 13 –14. Vgl. 1 Makk 6, 43 – 46. 앚…앚 Ergänzung von Plezia. Iustini Epitoma II, 6, 16 –20 (uulnerat = convulneraverat).
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reihen zu wirbeln, die Schlachtkeile zu zerreißen, bis sein Ross mit zerrissenen Schamteilen zusammenbricht. Schließlich auch im Fußkampf viele niederstreckend räumt er nicht das Kampffeld, sondern ist den Feinden in unermüdlicher Tapferkeit ein noch gefährlicherer Feind. 215 (6) Aber auch der Pfalzgraf Skarbimir drängt nicht weniger untätig, je härter, desto blutiger: denn er wurde auf der rechten Seite des Augenlichts beraubt. Auch ihre [sie begleitenden] Sieger schlagen die Feinde auf allen Seiten und werfen sie zu Boden. Einige von ihnen schlafen, nicht besiegt, aber durch das Siegen ermüdet, zwischen den Haufen der niedergestreckten Feinde ein. 216 [27] (1) J o h a n n e s : Weil [dies] aus Liebe zum Vaterland geschieht, ist [diese] Liebe keine Raserei, Tapferkeit keine Frechheit, denn Liebe ist stark wie der Tod. 217 Und je furchtsamer, desto kühner. Denn nichts ruft Bürger mehr zu den Waffen als die Besorgnis einer öffentlichen Gefahr. So sprach [daher] Solon, als er die Athener aufmunterte: ,Ich möchte, dass ihr nicht weniger furchtsam als kühn seid, denn die Furcht macht umsichtig und die Umsicht erzeugt Selbstvertrauen und das Selbstvertrauen bringt Kühnheit hervor, durch die ein Mensch oft mutiger über sich selbst hinauswächst.‘ (2) Was also hat Makkabäus ermutigt, mit [nur] 800 Mann gegen die 22 000 [Mann] des Bakchides218 seiner zu vergessen und lieber an seine [Landsleute] als an das [eigene] Leben zu denken? Die Liebe zum Vaterland. Was hat die 600 Spartaner gegen die Lager des Xerxes ermutigt, so dass sie sich vor 500 000 Feinden nicht fürchteten?219 Die Liebe zum Vaterland. Was [war es], das [Jonathan] den Sohn des Saulus, nachdem zwanzig [seiner] Männer niedergehauen worden waren, [ermöglichte], auf dem winzigen Raum eines halben Morgen Landes allein von einem Waffenträger begleitet so viele Legionen der Philister festzuhalten und zu verwirren?220 (3) Oder woher [nahm] Eleazar so viel Mut, dass er es, während die anderen heil davonkamen, vorzog, durch den Sturz des von unten durchbohrten Elefanten zerquetscht zu werden?221 Woher [nehmen] so viele die Entschlossenheit, [lieber] zu sterben? Mag ich auch andere ohne Missgunst übergehen, höre [wenigstens] von der vorzüglichsten Tapferkeit des Codrus. (4) Als die Dorer gegen die Athener kämpfen wollen, befragen sie das Orakel. Ihnen wird geantwortet, dass sie mächtiger sein werden 222, wenn sie den König der Feinde nicht töten. Als Codrus, der König der Athener, das erfährt, wechselt er das Gewand, betritt in Lumpen gehüllt das Lager der Feinde, verletzt absichtlich einen Krieger mit einer Sichel und wird von dem Verwundeten getötet. Als die Feinde die Leiche erkennen, ziehen sie kampflos ab. 223 Auf diese Weise erkauft die Tapferkeit des Königs mit der Entscheidung für den eigenen Tod das Heil des Vaterlands. Es ist der Tapferkeit also nicht fremd, öffentliches Unglück bei eigenem Schaden abzuwenden.
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[28] (1) MATHEVS: Rumore tandem prelii diffusius perstrepente, fit ad principem suorum undique concursus. Nec desunt qui proteruum, qui incircumspectum ac precipitem dicant, quod inconsulto animi calore tanto sese periculo ingesserit. Nec decere ducem examinis uspiam euolare sine examine. Aliis egregie animose actum uideri, celotenus efferendum. Aiunt cotem esse debere principem, qui suos exacuat non obtundat. (2) Et inter hostium cadauera equi cadauer inspectantes: ,Ecce, inquiunt, ecce ille Alexandri Bucephalus 224, quem rex Indorum Porus occidit, quem deinter hostes per caudam ad suos Alexander pertraxit.‘ Set et comiti Scarbimiro effossi luminis a patre Alexandri mutuantur solacium, qualiter Philippo Motanam urbem oppugnante, sagitta de muris iacta regis dextrum oculum effoderit, quo uulnere nec segnior in bellum nec iracundior in hostes, nec moderatus tantum set etiam mitis aduersus uictos fuit. 225 (3) Boleslaus uero torrentis instar spumantiore impetu rapitur, fit obice torrentior, fit correptione animosior. Cumque ultum ire auidius parat, Sbigneui rursus acciti dolo Bohemici pre foribus nuntiantur. Vtrum ergo eligendum? Vetus insectandus hostis an nouo occurrendum? At hoc tutius, illud honestius. Neutrum tamen negligit fidelis Machabeorum imitator. 226 Nam et quos in Pomoraniam destinat, de Pomoranis uictoriam referunt et ipse de Bohemicorum milibus triumphat. 227 (4) Sic et iniuriam propulsat et patriam conseruat. Est autem oppidum Cozli finibus conterminum Bohemie, quod non ab hoste set presidum incuria igne neglecto concrematur. Veretur Boleslaus ne ab hostibus muniendum occupetur, illo itaque ocius accelerat, fratris ope subsidiari postulat, cunctanti scribit: (5) ,Nimis delicatus est qui honorem appetit sine onere, nam etsi honesta sit, certe onusta principandi sollertia. Et nos quidem eiusdem horti pariter capimus delicias, set modo dispari hortum excolimus, cum ratio exigat, ut quem utilitas delectat, difficultas non terreat. (6) Decebat enim in publicis administrationibus, in rei publice patrociniis eum precipue principari, qui primogeniture preeminet principatu. Quodsi laboris sarcinam declinare potius eligis, meorum saltem ac meis confaue laboribus, quos omnium commodis intel-
224 225 226 227
34.
Iuli Valeri Res Gestae Alexandri III, 3 (Bucephalus = Bucephala). Iustini Epitoma VII, 6, 15 –16 (in = adversus, set = verum, fuit = fuerit). Galli Anonymi cronicae II, 34. Zum Triumph über Böhmen und Pomoranen vgl. Galli Anonymi cronicae II,
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[28] (1) M a t t h ä u s : Als sich schließlich die Nachricht über die Schlacht weiter verbreitet, kommen beim Herzog seine [Leute] von überall her zusammen. Doch fehlen auch jene nicht, die sagen, er sei keck, unvorsichtig und voreilig gewesen, weil er sich mit unbedachtem, hitzigem Gemüt einer solchen Gefahr ausgesetzt habe. Es ziert den Führer einer Schar nicht, ohne seine Schar irgendwohin zu eilen. Anderen erscheint die Tat mutig und beeindruckend, in den Himmel emporhebend. Sie sagen, ein Fürst muss ein Schleifstein sein, der die seinen schärft und nicht abstumpft. (2) Und als sie zwischen den Leichen der Feinde die Leiche des Pferdes beschauten, sagten sie: ,Seht, seht es ist der Bucefal 224 Alexanders [des Großen], den Porsus, der König der Inder, zu Boden geschlagen hat, den Alexander am Schwanz aus den Reihen der Feinde zu den seinen herausgeschleppt hat.‘ Dem Pfalzgrafen Skarbimir, dem ein Auge ausgestochen wurde, aber spenden wiederum [die Geschichten] von Alexanders Vater Trost, da, als Philipp die Stadt Metona belagerte, ein von den Mauern abgeschossener Pfeil das rechte Auge des Königs ausstach; durch diese Verletzung war er im Kampf gegenüber den Feinden weder träger noch zorniger, gegenüber den Besiegten nicht nur maßvoller, sondern auch milder. 225 (3) Bolesław [III.] aber wird, dem schäumenden Strudel eines Bergbachs gleich, mit [jedem] Hindernis reißender, mit [jeder] Züchtigung mutiger. Und während er im Zorn begierig Vergeltung vorbereitet, wird gemeldet, dass die erneut durch eine List Zbigniews herbeigerufenen Böhmen vor den Toren stehen. Welches der beiden [Übel] soll man nun wählen? Den alten drängenden Feind oder den neu einfallenden? Dieses ist sicherer, jenes ehrenvoller. Schließlich ignoriert der treue Nachahmer der Makkabäer keines von beiden. 226 Denn jene, die er nach Pommern schickt, tragen über die Pomoranen den Sieg davon, während er selbst über die Krieger der Böhmen triumphiert. 227 (4) Auf diese Weise wehrt er die Beleidigung ebenso ab wie er das Vaterland rettet. In den Grenzgebieten zu Böhmen liegt aber die Burg Cosel, die nicht von den Feinden, sondern durch die Nachlässigkeit der Besatzung, die ein Feuer ignorierte, niedergebrannt wurde. Da Bolesław fürchtet, dass [dieser] Stützpunkt von den Feinden besetzt wird, eilt er früher herbei, bittet den Bruder um Beistand und schreibt dem Zögernden: (5) ,Zu verwöhnt ist, wer Ehre ohne Mühe zu erlangen sucht, denn die Praxis des Herrschens, mag sie auch ehrenhaft sein, ist gewiss mühevoll. Wir ernten zwar aus demselben Garten die Leckerbissen in gleicher Weise, bestellen den Garten aber in unterschiedlicher Weise, während die Vernunft fordert, dass, wer den Nutzen hat, auch die Mühen nicht scheuen möge. (6) Für den, der durch die Vorherrschaft der Erstgeburt besonders hervorragt, ziemte es sich also, bei der Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten, beim Schutz des Gemeinwesens besonders zu herrschen. Wenn du aber wählst, die Last der Mühe zu meiden, sei wenigstens meinen und
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lexeris accommodos. Penes te itaque iubendi auctoritas, penes me sit obsequendi promptitudo. Turpe enim est luctari cum onere, quod semel susceperis.‘228 (7) Ad hec ille sinistimus interpres stomachanter consternatur. Legatos uinculis conicit, occasiones contra se queri queritur, Pomoranos, Bohemos et Lemannorum duces in fratrem suscitat, ut illum a regno exterminet. Horret hiis auditis Boleslaus et hesitat, quos prius expectet, aut quos prius inpetat hostes. 229
Non inprudenter tamen prudentum secutus consilia, Bohemicos sibi conciliat, fedus ferit, fratri simul et dolos et uires amputat. (8) Verum ille ritu Parthico plus quam Parthus fugam eligit pro conflictu et Marii exemplo in Mazouie carectis delitescit. 230 Quem Boleslaus omnibus eius municipiis interceptis urgentissime insectatur, donec humillime prouolutus uix optimatum tandem inpetrat interuentu, ut miles saltem fratris non regni coheres estimetur. Illud quoque satisdatione pollicetur, ne quas Boleslao suspectas munitiones aut nouas erigat aut dirutas resarciat. 231 (9) Set nec tunc inolite fomes perfidie in illo sopiri potuit nedum extingui. 232 Non enim est facile a consuetudine reuocari, cum sit consuetudo altera natura. 233 Itaque sub amoris pretextu tendit laqueos, fodit pedicas, torquet pendilia, casses iacit, hanios inescat, amenta toxicat et omne dolositatis artificium experitur. Nouissime fellis acerbitatem, uirus euomit pestiferum. (10) Nam Boleslao in maritima profecturo, cooperator ille diligens qua consueuit opera fratrem coadiuuat – inpietas enim sacrilega sacramentum fide, naturam priuat pietate – fratri suorum subtrahit adminiculum 234, hostium subsidio se ipsum inpendit. Qui ut dolum tegeret mutat arma, gregarium militem simulat, castra fratris ingreditur, quibus noctu exploratis cum hostibus impetum facit. (11) Erat interea Boleslaus extra castra, suorum diligenter explorans excubias. A tergo igitur hostes occupat, quibus fusis magister doli casu deiecta casside deprehenditur, capitur, coram ma228 Senecae Ad Lucilium XXII, 7: „turpe est cedere oneri; luctare cum officio, quod semel recepisti.“ 229 Der Zug Bolesławs nach Cosel, dessen (anders formulierter) fiktiver Brief an Zbigniew und dessen feindselige Reaktion auch bei Galli Anonymi cronicae II, 36. 230 Zum Vertrag mit Böhmen und der Flucht Zbigniews vgl. Galli Anonymi cronicae II, 37. 231 Zur Aussöhnung Bolesławs mit Zbigniew vgl. Galli Anonymi cronicae II, 38. 232 Zur erneuten Untreue Zbigniews vgl. Galli Anonymi cronicae II, 39, der aber die nachfolgende ausführliche Geschichte des Verrats nicht hat. 233 Vgl. Cicero, De finibus bonorum V, 74; Macrobii Saturnalia VII, 9, 7. 234 Nach Bielowski anstelle des unverständlichen „umminiculum“ bei Plezia.
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der meinen Mühen zugeneigt, die, wie du einsehen wirst, dem Nutzen aller dienen. Gebiete du also über die Macht des Befehlens, an mir sei die Bereitschaft zu gehorchen. Denn schimpflich ist es, mit einer Bürde zu ringen, die du einmal auf dich genommen hast.‘228 (7) Darauf wird jener widerwärtige Wortverdreher bis ins Mark erschreckt. Er wirft die Boten in Ketten, klagt, dass sie Gelegenheiten gesucht hätten [gegen ihn vorzugehen, und] hetzt die Pomoranen, Böhmen und die Herzöge der Deutschen gegen den Bruder auf, damit er aus der Königsherrschaft vertrieben werde. Bolesław erschaudert, als er dies hört, und zögert, welche Feinde soll er zuerst erwarten, welche zuerst angreifen. 229
Schließlich folgt er nicht unklug den Ratschlägen kluger [Männer], macht sich die Böhmen geneigt, schließt ein Bündnis [und] nimmt dem Bruder gleichermaßen die üblen Vorsätze wie die Kräfte. (8) Jener aber wählt nach Art des Polovcers, ja schlimmer als ein Polovcer, anstelle des Kampfes die Flucht und versteckt sich nach dem Vorbild des Marius im Schilf Masowiens. 230 Bolesław jagt ihn, nachdem er [ihm] alle seine Burgen abgenommen hat, so lange verbissen nach, bis er sich [ihm] demütigst zu Füßen wirft, wobei er schließlich nur mit Mühe durch Fürsprache der Großen erreicht, dass er, [wenn] nicht als Miterbe des Königreiches, wenigstens als Ritter des Bruders anerkannt wird. Als Bürgschaft verspricht er zudem, dass er Befestigungswerke, die Bolesław verdächtig erscheinen, weder neu errichten noch zerstörte wiederherstellen werde. 231 (9) Doch konnte er auch jetzt in ihm den Zündstoff der eingewurzelten Treulosigkeit nicht beruhigen, geschweige denn auslöschen. 232 Denn es ist nicht leicht, von einer Gewohnheit zu lassen, da die Gewohnheit eine zweite Natur ist. 233 Daher spannt er unter dem Vorwand der Liebe Fallstricke, gräbt Fußfallen, dreht Schlingen, wirft Netze aus, legt Köder, vergiftet die Wurfriemen und erprobt alle Künste der Hinterlist. Zuletzt speit er Galle und Verderben bringendes Gift. (10) Während sich also Bolesław nach Pommern aufmacht, steht jener eifrige Mitarbeiter dem Bruder in seiner gewohnten Weise zur Seite – denn die gottlose Ruchlosigkeit befreit den Treueid von der Treue, die Natur vom Gehorsam; er entzieht dem Bruder die Unterstützung234 der seinen [und] bietet sich selbst als ein Rückhalt der Feinde an. Um den Betrug zu verbergen, wechselt er die Waffen, täuscht einen einfachen Krieger vor [und] betritt das Lager des Bruders, das er, nachdem er es nachts ausgekundschaftet hat, zusammen mit den Feinden überfällt. (11) Unterdessen war Bolesław außerhalb des Lagers, um sorgfältig seine Wachtposten zu kontrollieren. Folglich greift er die Feinde von hinten an; als diese in die Flucht geschlagen sind, wird der Meister der Täuschung, da ihm zufällig
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gistratu maiestatis insimulatur: ,ciuium castris cum hoste inpegisti.‘ At ille: ,Non infitior me cum hostibus, immo ante hostes ingressum, quia impetum facturos precurrere intendi.‘ (12) Cumque rei et facti atrocitatem tota stupet contio, quidam principis dignitate satrapa proximus exorditur: Eloquar an sileam?235 dolor est siluisse dolorem, Vulnus enim geminat uulnere spina latens.
Set etsi omnis lingua sileat, sua tamen hominis de homine non silent studia. Hic siquidem non incallidus homo, quo dolum tegat, habitum dissimulat, regni ambitione se raptim ad hostes recipit, hostibus in excidium patrie subornatis, castra ciuium noctu irrumpit, ut regni extincto lumine et tyrannidem occupet et tyrannidem exerceat. (13) Porro sub habitu ficto cum hostibus Sbigneuum castra ciuilia ingressum, conuenit mihi cum aduersario. Quo animo id fecerit, induxeritne illos, feceritne cum illis impetum: id in controuersia uerti uidetur. 236 Et primo huius naturam hominis ante oculos ponendum, secundo que illi discipline fuerint studia contemplari libet, tertio que in ciues uel erga hostes affectio demonstrandum. Hiis enim digestis nec parua quidem dubitatio remorari potest condemnationem. 237 (14) Huius itaque naturam nullum haber cum uirtute consortium liquido constabit, si eius origo examinatius attenditur. Non enim facile planta conualescit, cuius radicem uermis in ipso plantationis exordio cauteriat. Immo qui salici surculus inseritur, salicti sequitur saporem et ex Pegaso conceptus burdunculus matris asinariam exprimit ruditatem, non Pegasi prosapiam. Nam quid adulterine palmes propaginis propinare potest nisi acerbissimum labrusce stuporem? pestilens enim est succus radicis pestifere. (15) Fama est leenam quandoque conmisceri cum pardo, unde linciam nasci dicunt. Qua deprehensa leo in inuidiam eius cum lupa conmiscetur; hinc nascitur leoxippus, qui uulgo lupus rabidus dicitur. Quem
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Vgl. Anm. 59. Rhetorica ad Herennium I, 17 (adversario = adversariis); vgl. auch Cicero, De inventione I, 31. 237 Rhetorica ad Herennium I, 26 (condemnationem = damnationem). 236
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der Helm vom Kopf fiel, ertappt, gefangen genommen [und] vor dem Magistrat der Majestäts[beleidigung] angeklagt. ,Du hast gemeinsam mit dem Feind die Feldlager [unserer] Bürger überfallen.‘ Darauf jener: ,Ich bestreite nicht, dass ich mit den Feinden, ja vor den Feinden eingedrungen bin, denn ich wollte den Eindringlingen zuvorkommen.‘ (12) Als die ganze Versammlung über die Schrecklichkeit der Tat erstaunt, hebt ein gewisser, dem Fürsten an Würde nächststehender Vornehmer an: ,Sag ich’s nun oder schweig ich?235 Es schmerzt, den Schmerz zu verschweigen; der Schmerz der Wunde verdoppelt sich, wenn in der Wunde ein Dorn steckt.
Möge er [selbst] auch gänzlich schweigen, so verraten doch die eigenen Bestrebungen den Mann. Dieser ist ja offensichtlich kein ungewiefter Mann, wenn er eine Täuschung verbirgt, das Aussehen verstellt, sich im Streben nach der Königsherrschaft in aller Eile den Feinden verpflichtet, sich den Feinden zum Verderben des Vaterlandes unterwirft [und] nachts in das Lager der Landsleute einfällt, um, sobald das Licht des Königreiches ausgelöscht ist, sowohl eine tyrannische Herrschaft aufzurichten als auch auszuüben. (13) Ich stimme mit dem Widersacher überein, dass Zbigniew in falschem Gewand zusammen mit den Feinden in das Lager der Landsleute eingefallen ist. In welcher Absicht er dies tat, ob er jene verleiten wollte oder mit ihnen zusammen den Angriff unternommen hat, das scheint der Kontroverse zu unterliegen. 236 So muss erstens der Charakter dieses Mannes vor Augen geführt werden, zweitens genau betrachtet werden, welchen Eifer er für Zucht und Ordnung besessen, [und] drittens, welche Zuneigung er gegenüber den Landsleuten bzw. gegenüber den Feinden bewiesen hat. Sobald diese [Fragen] der Reihe nach geklärt sind, bleibt gewiss nicht der kleinste Zweifel, der eine Verurteilung aufhalten kann. 237 (14) Dass sein Wesen nichts mit Tugend gemein hat, wird nämlich klar feststehen, wenn seine Herkunft genauer geprüft und beachtet wird. Denn eine Pflanze, deren Wurzel gleich zu Beginn der Pflanzung ein Wurm befällt, wird nicht leicht gesund. Ja wer der Weide einen jungen Zweig einpflanzt, erhält Weidengeruch und ein von Pegasus gezeugter kleiner Maulesel stellt [nur] die eselhafte Rohheit der Mutter dar und nicht das Geschlecht des Pegasus. Denn was kann eine Rebe unechten Geschlechts zum Besten geben, wenn nicht die bitterste Gefühllosigkeit einer Wildrebe. Denn ungesund ist der Saft der Verderben bringenden Wurzel. (15) Es heißt, dass sich die Löwin mitunter mit dem Panther paart, wodurch, wie man sagt, ein Luchs geboren wird. Der Löwe, der sie dabei ertappt, paart sich aus Eifersucht mit der Wölfin; hieraus wird ein Leoxippus geboren, der für gewöhnlich rasender Wolf genannt wird. Welchen Spross der
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ergo aut iacere aut concipere sementem uirtutis potest scorti seminarium? (16) Set garula ocellorum lasciuia nonnihil suspicionis affert et ipsa blesantis lingue teneritudo nescio que tenero subplantat uerba palato. 238 Sic dulces sic mellificant fel dulce Sirenes, pixide uipereum uirus, in ore fauum.
Est enim eadem istius natura que basilisci, que cicute, que olophagi, que cerastis. Nam et basiliscus serenitate uisus enecat et extinguit. Cicuta quo dulcior, eo nocendi efficacior. Olophagus nunquam crudelior, quam cum simplicitate blanditur columbina. Cerastes uero quandarn in cornibus putans maiestatem regem sese gerit reptilium. (17) Horum non natura set deliramenta nature, set uirus atrocissimum huic perditissimo tam pertinaciter inhesere, ut ea nec relinquere uelit nec possit. Quarum testimonia rerum ex anteactis huius luce clarius enitescunt. Que quasi uobis non incognita pretereo, quia in re per se perspicua tempus terere nihil agentis est. (18) Accedit ad hec egregiorum educatrix disciplina, cuius perfectionem nunc aput Teutates nunc aput Bohemorum perfectissimos continuis sudoribus uix tandem hic est assecutus. Quem latet ambitio, fastus cursusque furoris Teutonici?239 gerit hunc intus hic atque foris.
Aut quis ignorat, que Pragane sit ethice preceptio? Sis blandus, filii, pariter et insidiosus 240 ,
quia nihil facilius quam sub medicine specie animam egrotantis excludere. (19) Gratiam finge in odio, non odium in gratia, quia tuta frequensque uia est per amici fallere nomen. 241
Vtilitate cole amicitiam non fide, quia quod est sine suco radix, quod sine fructu folium, hoc sine utilitate amicitia. Plura semper promittas quam prestare uelis, quia multa promissio paucos obligat, multos exhilarat. Hinc est quod in isto: Non fructus florem sequitur non germen aristam. Ponderis in trutina pondere cuncta carent.
238 239 240 241
Persius, Satirae I, 35. Lucani Pharsalia I, 255 –256 (cursusque = cursumque). Iustini Epitoma IX, 8, 8. Ovidi Ars amatoria I, 585.
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Tugend also kann die Saat einer Hure aussäen oder empfangen? (16) Doch die geschwätzige Ausgelassenheit der Äuglein und die lispelnde Zartheit der Sprache geben Anlass zu manchem Verdacht. Und mit zartem Mund pflanzt er dem Unwissenden Worte ein. 238 So süße [Worte], auf diese Weise versüßen die Sirenen den Gallensaft, im Kästchen das Gift der Schlangen, im Mund den Honig.
Denn sein Charakter ist der gleiche wie jener des Basilisken, des Schierlings, des Holophagus, der Hornschlange. Denn der heiter anzusehende Basilisk quält zu Tode und vernichtet; der Schierling ist umso schädlicher, je süßer er ist. Der Holophagus ist nie grausamer, als wenn er mit taubenartiger Unschuld schmeichelt. Die mit ihren Hörnern erhaben wirkende Hornschlange aber verhält sich wie der König der Reptilien. (17) Nicht deren Wesen, sondern die Possen der Natur haben diesem überaus ruchlosen [Zbigniew] das schreckliche Gift so beharrlich eingeflößt, dass er es weder lassen wollte noch konnte. Die Beweise dafür leuchten aus seinen früheren Taten deutlich hervor. Da sie euch nicht unbekannt sind, übergehe ich sie, denn auf eine an sich eindeutige Sache Zeit zu verwenden, ist unnütz. (18) Hinzukommt die Erzieherin ,Zucht und Ordnung‘ der Auserlesenen, deren Vollendung er mit Mühe bald bei den Deutschen, bald bei den vollkommensten der Böhmen durch ständiges Schwitzen erlangte. Wer kennt nicht den Ehrgeiz, den Hochmut und [stolzen] Schritt der teutonischen Raserei 239, die sowohl nach innen als außen Krieg führt?
Oder wer weiß nicht, was die Morallehre der Prager ist? Mögest du, mein Sohn, ebenso schmeichlerisch wie hinterhältig sein 240 ,
denn nichts ist leichter, als unter dem Anschein eines Heilmittels die Seele eines Kranken zu entkräften. (19) Täusche Gunst im Hass, nicht Hass in der Gunst vor, denn es ist ein gefahrloser und häufiger Weg, durch den Namen eines Freundes zu täuschen. 241
Pflege die Freundschaft zum Nutzen, nicht zur Treue, denn was eine Wurzel ohne Saft, ein Baumblatt ohne Frucht, das ist eine Freundschaft ohne Nutzen. Verspreche stets mehr, als du halten willst, denn ein großes Versprechen verpflichtet [dich] wenigen, erfreut [aber] viele. Daher stimmt, was in dieser [Redensart] enthalten ist: Der Blüte folgt keine Frucht, keine Ähre dem Saatkorn, dem Gewicht auf der Waage fehlt jedes Gewicht.
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Si ergo uicinus diues cupiditates irritat, si delicatus socius paulatim eneruat et emollit 242, si a conuictu mores formantur, cui mirum uideatur hunc talem talia presumpsisse?243 (20) At uero acrius illum arguit acrius exercita in patriam atrocitas, cui tametsi aut occasio aut facultas quandoque defuerit nocendi, certe animus nunquam defuit. Cuius rei argumento sunt non tam uincula quam carceris ergastulum, cruentissima temeritas, factio sacrilega in paternam totiens reuerentiam conspirata. Nec enim ipsi nescitis, quam non modo ciuilis set et fraterni sitientissimus sanguinis semper extiterit. (21) Nam quid totiens etiam hostium in nos experte uires, quid affinitates, quid sodalitia, quid tam uersuta totiens uersata cum hostibus loquuntur ingenia? Non singulare cuiusquam set publicum rei publice discrimen, cui cum imperare homo ingeniosus non possit, perdere contendit. Quid denique huius facti, (22) de quo nunc agitur, circumstantiis expressius? Scis quem pileolo pileat iste dolum.
Hostes antecedit, arma ingerit, set mutata. Scis cur antecedit? Vi si uincat, animasse se hostes glorietur, si uincatur, nuntii iacitet cautelam. Rursus cur arma ingerit? ut uincat; cur mutata? ut si uincatur delitescat, ut quorsumlibet fati uergat alea, utrolibet cadente non desit alterum: aut uincendi fiducia, aut mentiendi industria. (23) Estne igitur, quo ille uel tenuiter tam nudum facinus operiat, ullius ratiuncule panniculus? Virtutem allegabis? at in illo nec simia fingi potest uirtutis. Dotes nature? at illa huic non modo non amica set infesta. Quid ergo? fraterna, inquis, religio, ciuium amplexus, patrie salus, publice denique honestatis iustitia quem adeo desperatum modicum labi, nedum in tam horrendum flagitii piaculum ruere patiantur? At horum hic omnium semper hostis fuit atrocissimus. (24) Ad naturalem itaque huius perniciem si oculus rationis reflectitur, si olacissimam huius morum corruptelam, cuius fetore omnis aër inficitur,
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Senecae Ad Lucilium VII, 7. Galli Anonymi cronicae III, Epistola.
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Wenn also ein reicher Nachbar die Begierden weckt, wenn ein genusssüchtiger Gefährte allmählich schwach und weich macht 242, wenn die Sitten durch geselligen Umgang verformt werden, wen wundert es, dass sich ausgerechnet dieser [Zbigniew] solche [Taten] anmaßt?243 (20) Noch deutlicher aber überführt ihn die so erbittert gegen das Vaterland ausgeübte Unbarmherzigkeit. Mag ihm mitunter zum Schaden auch die Gelegenheit oder die Möglichkeit gefehlt haben, so fehlte [ihm] gewiss nie die Absicht [dazu]. Ein Beweis seiner Schuld sind nicht so sehr die Ketten als vielmehr das Zuchthaus des Kerkers, die blutigste Verwegenheit [und] die so oft gegen die väterliche Würde begangene frevelhafte Übeltat der Verschwörung. Denn ihr wisst doch selber, wie er im übermäßigen Durst nicht nur nach dem Blut der Landsleute, sondern auch des Bruders immer [wieder] hervorgebrochen ist. (21) Und was erzählen sogar die so oft gegen uns gerichteten Kräfte der Feinde, was die verwandtschaftlichen Beziehungen, was die Kameradschaften, was die so oft mit den Feinden hin und her gewendeten so schlauen Scharfsinnigkeiten? Er ist nicht eine Gefahr für einen Einzelnen, sondern eine öffentliche für das Gemeinwesen, das der tückische Mann, weil er ihm nicht befehlen kann, zu verderben sucht. Mit einem Wort, (22) was folgt aus den hier dargelegten Umständen dieser Tat überaus deutlich? Du weißt, welche List er unter der Kapuze tarnt.
Er eilt den Feinden voraus, führt Waffen herbei, aber verkleidet. Du weißt, warum er ihnen vorauseilt? Weil er sich, wenn er siegt, rühmt, die Feinde ermuntert zu haben, wenn er besiegt wird, sich der Umsicht des Boten brüstet. Weiter, warum führt er Waffen herbei? Um zu siegen. Warum verkleidet? Um sich, wenn er besiegt wird, zu verstecken, damit, wohin auch immer sich das Schicksal neigen möge, auf welche Seite der Würfel auch fällt, ihm eines von beidem nicht fehle: die Zuversicht des Sieges und der Eifer des Belügens. (23) Gibt es also noch irgendeinen Fetzen eines Argumentes, mit dem jener, und sei es noch so schwach, die so entblößte Tat verhehlen möge? Du machst Tapferkeit geltend? Doch in ihm konnte nicht einmal ein Affe Tapferkeit vortäuschen. Die Veranlagung der Natur? Diese war ihm freilich nicht nur nicht gewogen, sondern bedrohlich. Was also – sagst du – sind die brüderliche Ehrfurcht, die Verehrung der Bürger, das Wohl des Vaterlandes, schließlich die Gerechtigkeit der öffentlichen Ehre, dass er sie in solche Verzweiflung stürzt, ja dass sie zulassen, ihn für [sein] Vergehen in eine solch schreckliche Strafe zu stürzen. Er ist doch stets der schrecklichste Feind aller dieser [Werte] gewesen. (24) Wenn man also das Auge der Vernunft auf seine eingeborene Verderbnis richtet, wenn die Nasen eures Urteils die riechende Fäulnis seiner Sitten, deren Gestank die ganze Luft vergiftet, nicht verhehlen, wenn die abscheu-
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uestre discretionis nares non dissimulant, si atrocior malignandi pertinacia, que isti nunquam defuit, in lance appenditur examinis, si omne circumstantiarum pondus illum obruit nec omnino excogitari pro illo possit uel emendicatum patrocinii suffragium, non est qui neget locum maleficii fuisse. Immo quia multiplex funiculus difficile rumpitur 244, quia multiplici monstrum hoc et uincitur catena et uincitur, non uideo quod ingenium, quis Protheus uel calculum dampnationis transfiguret, uel nodum supplicii dissoluat. (25) Nam si ab humanitate derelictus homo245 letam, quod absit, referat sententiam, nulla res unquam aut huic mederi poterit incomodo, aut erratum corrigere. Nec enim post incendii fauillam succurritur incendio, nec post naufragium naufragio consulitur, presertim cum uoluntario ac deliberato facinori nulla sit uspiam expectatio uenie. Inprudentie uero seu necessitudini etiam iustam deprecationem esse paratam 246; lex enim iubet: remissionem uenie crimina nisi semel commissa non habere. 247 (26) Vix hic uerba finierat, cum omnis pene contio cuspides in Sbigneuum attollit. Exclamant non modo illum configi, set morsibus debere amarissimis discerpi. Quorum uix tandem sedato tumultu, iuris non inperitus quidam: ,Periniquum, inquit, est, ut multa sententiam anticipet; nos uero in quemquam sententiam ferre non possumus, nisi aut conuictum aut sponte confessum. 248 (27) Vnde imperator Constantinus: Iudex, ait, criminosum discutiens non ante sententiam proferat, quam aut reum se ipse confiteatur, aut per innocentes testes conuincatur. 249 Audistis autem in ipsa litis contestatione reum excepisse: Fateor, inquit, me cum hostibus immo ante hostes castra ingressum; nec inpetum feci set inpetum facturos prenuntiare contendi. Exceptioni autem, si rationis robore nitatur, audientie copiam negari iure non oportet. Ratio igitur exigit, ut qui excipit, constructiuas exceptionis rationes non sileat.‘ (28) Sbigneuus: ,Rem, patres conscripti, spectandum est non hominem, quia facti causas ponderari conuenit, non hominis uentilari naturam. Principali etenim edicto in comunem profectus hostem casu illabor potentissimis hostium insidiis. Consisto: declinandi nulla facultas, uestigia nulla retrorsum, uires experiri uetat uirium disparitas. (29) Nam quid posse pu-
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Prd 4, 12 (multiplex = triplex). Rhetorica ad Herennium IV, 12 (derelictus = derelictos, homo = homines). Rhetorica ad Herennium II, 49 (nulla = nullam). CIC Cod 1, 4, 3, 4 (habere = habeant). Decretum Gratiani 2. Teil, C. II, q. I, c. I. Decretum Gratiani 2. Teil, C. II, q. I, c. II.
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liche Beharrlichkeit des boshaften Handelns, die ihm nie fehlte, in die Waagschale gelegt wird, wenn ihn das ganze Gewicht der Umstände erdrückt und ganz und gar nichts zu seinen Gunsten erfunden werden kann, selbst wenn die Verteidigung ein günstiges Urteil erbettelt, dann gibt es niemanden, der leugnet, dass hier ein Verbrechen stattfand. Weil das mehrfach geknüpfte Seil schwer zu zerreißen ist 244, weil dieses Scheusal sowohl in Ketten gebunden als auch besiegt ist, sehe ich nicht, welcher Scharfsinn, welcher Protheus das Urteil abändern oder den Knoten der Bestrafung auflösen mag. (25) Denn wenn ein von jeglicher Menschlichkeit verlassener Mann 245, was Gott verhüte, ein mildes Urteil erhielte, dann könnte nichts diesen Schaden jemals wiedergutmachen oder die Verirrung beseitigen. Einem Brand wird ja auch nicht [erst] im Angesicht der Brandasche abgeholfen und den Schiffbruch fürchtet man nicht [erst] nach dem Untergang, zumal da ein vorsätzliches und bewusstes Verbrechen nirgendwo auf Nachsicht hoffen darf. Bei einer aus Unwissenheit oder auch in einer Notlage [vollbrachten Tat] aber ist die Bitte um Gnade gerechtfertigt und zulässig. 246 Denn das Gesetz gebietet: Für Straftaten gibt es keine Nachsicht der Vergebung, es sei denn, sie sind [nur] einmal begangen worden.‘247 (26) Kaum hatte dieser [seine] Worte beendet, da richtet fast die ganze Versammlung die Speere gegen Zbigniew auf. Man ruft, dass jener nicht nur durchbohrt, sondern durch die schärfsten Bisse zerrissen werden soll. Als ihr Aufruhr schließlich mit Mühe beschwichtigt war, spricht ein gewisser, im Recht erfahrener [Mann]: ,Es ist sehr ungerecht, wenn die Strafe das Urteil vorwegnimmt. Wir können aber gegen niemanden ein Urteil fällen, wenn er nicht überführt wurde oder von selbst gestanden hat. 248 (27) Daher sagt Kaiser Konstantin: Ein Richter, der eine Strafsache erörtert, möge das Urteil nicht eher fällen, als der Angeklagte selbst gesteht oder durch ehrliche Zeugen überführt wird. 249 Ihr habt ja gehört, was der Angeklagte schon bei Aufnahme des Prozesses eingewandt hat: Ich gebe zu – sagt er –, dass ich zusammen mit den Feinden, ja vor den Feinden das Lager betreten habe; aber ich habe keinen Überfall verübt, sondern wollte melden, dass ein Überfall stattfinden wird. Einem Einspruch aber, der auf die Kraft der Vernunft gestützt wird, darf die Möglichkeit der Anhörung rechtens nicht verwehrt werden. Folglich fordert die Vernunft, dass, wer Einspruch erhebt, die einzelnen Beweise des Einspruchs nicht verschweigt.‘ (28) [Daraufhin] Zbigniew: ,Hoher Senat, nicht der Mann, sondern die Sache ist zu betrachten, denn es ziemt sich, die Gründe für die Tat abzuwägen, nicht den Charakter des Mannes zu untersuchen. Während ich nämlich auf fürstlichen Befehl hin gegen den gemeinsamen Feind zog, gerate ich zufällig in mächtige Hinterhalte der Feinde. Ich bleibe stehen, es gibt keine Möglichkeit, sich abzuwenden oder auszuweichen, das Ungleichgewicht der Streitkräfte verbietet es, die Kräfte zu erproben. (29) Denn was,
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tes acinum torcularis prelo subinpressum? Quid ergo? Noctis ac industrie mox instructus oraculo, arma muto, collegam illorum simulo, in uos inpetum facturos presentio et sensim erepens ab hostibus, ut rem ciuibus detegam, hostes euestigio subsequentes anteuolo. Arma inminere clamito, set in ipsis castrorum initiis hinc ab hostibus istinc a ciuibus quasi hostis occupor. (30) Ciuem autem ad ciues licere confugere, ciuile oportere non celare discrimen, quis infitiari audeat? Set malignandi non intercessisse animum primo demonstrari conuenit, deinde non aliud quam fecimus iure fieri debuisse, supremo in quibus pars aduersa sue robur allegationis edificat et extruit, nihil subesse roboris euidentissime declarabo. (31) Non est ratio que nos in uos et in nostre reipublice perniciem inducere potuerit; uipereum enim non humanum est maternam aluum concutere. Nam nec ea, de qua magis uidetur quam aduersarius allegat, ambitus causa stare potest. Nam si est, immo quia est ambitio uehemens honorum appetitus, quod quis ambit necessario appetit, si appetit desiderio amplectitur. Quo ergo pacto quis prudens eius rei suspiret interitum, quam summi uoto desiderii fore mallet perpetuam? (32) Cuncta enim que uel modica fauoris hominem suauitate alliciunt, pertenerrimo fouentur amplexu, tum uero ea permaxime collactea, quorum dulcedine natura nos concepit, peperit, aluit, fouit, educauit. Si enim a nido hirundo murilegum, si fucum ab alueo fauigena uermiculus, si a formicinio denique arcet formica incendium, quo animo filius aut materno gremio flammas iniciet, aut in sacerrima patrum precordia cruentos hostium gladios exacuet? (33) Non est certe humanum id feritatis homini quamlibet atrocissimo inputare, est enim homo animal mansuetum natura. 250 Si ergo pollicitus sum me ostensurum non interuenisse rationem, qua inducti 251 rei publice machinaremur exitium et si ambitonem, quam illi precipuam in nos causam conferunt, set et ipsam rerum et humanitatis naturam animum malignandi pati non potuisse docui, non est dubium quin confiteantur maleficio locum non fuisse. 252
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Aristoteles, Topica V, 1 (S. 86, Z. 6) (homo = hominis), vgl. auch ebd. V, 2 (S. 90, Z. 20 –21). 251 Rhetorica ad Herennium II, 30 (inducti = inductus). 252 Rhetorica ad Herennium I, 16 (confiteanatur = confiteatur, maleficio = maleficii).
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glaubst du, vermag eine in die Kelterpresse gepresste Weinbeere? Was also [tun]? Da belehrt mich die Eingebung der Nacht und des Eifers, ich wechsele die Waffen, ich täusche einen ihrer Amtsgenossen vor, ich ahne, dass sie gegen euch einen Überfall planen, schleiche kaum merklich den Feinden davon und eile, um das Vorhaben den Landsleuten zu enthüllen, den auf [meiner] Spur unmittelbar nachfolgenden Feinden voraus. Ich schreie laut, dass Waffen drohen, werde aber gleich am Eingang des Lagers hier von den Feinden, da von den Landsleuten wie ein Feind angegriffen. (30) Wer aber will bestreiten, dass ein Landsmann bei [seinen] Landsleuten Zuflucht suchen darf, dass die Bürger[pflicht] fordert, ein [drohendes] Unglück nicht zu verschweigen? Dass hier keine Absicht vorlag zu schaden, wird zuerst zu beweisen sein, alsdann, dass wir nichts anderes getan haben, als was nach dem Recht zu tun war; schließlich werde ich beweisen, dass das, worauf die Gegenseite die Kraft ihrer Anschuldigung stützt und hoch auftürmt, keine Beweiskraft hat. (31) Es gibt ja kein Motiv, das uns verleiten könnte, gegen euch und zum Untergang unseres Gemeinwesens [vorzugehen]; denn es ist nicht menschlich, sondern [ein Wesenszug] der Schlangen, den Mutterleib zu erschüttern. Und auch der Ehrgeiz, der stärker zu sein scheint, als der Widersacher behauptet, kann als Grund nicht bestehen. Denn wenn, oder vielmehr weil der Ehrgeiz ein heftiges Verlangen nach Ehren ist, so wird der, den er umtreibt, zwangsläufig nach ihm streben, wer nach ihm strebt, vom Verlangen erfasst. Wieso also soll, wer klug ist, den Untergang seiner Sache ersehnen, die er im Verlangen größter Sehnsucht lieber ewig währen sieht. (32) Alle [Dinge] nämlich, die einen Menschen – und sei es mit noch so bescheidener Süße der Gefälligkeit – anlocken, wiegt er zärtlichst in den Armen, am meisten aber [die Dinge, die er] durch die Milchschwester [aufgenommen hat], deren Wesen uns mit Süßigkeit erfasst, gewonnen, gefördert, begünstigt, erzogen hat. Wenn die Schwalbe den Kater vom Nest, wenn die Honigbiene die Drohne vom Bienenstock, wenn schließlich die Ameise Feuer vom Ameisenbau abwehrt, in welcher Absicht soll ein Sohn die Flammen gegen den Mutterschoß entzündet oder die grausamen Schwerter der Feinde gegen die heiligsten Herzen der Väter geschärft haben? (33) Es ist gewiss nicht menschlich, einem noch so schrecklichen Menschen eine solche Wildheit anzulasten, ist der Mensch doch von Natur aus ein zahmes Wesen. 250 Wenn ich also versprach, dass ich keinen erwiesenen Grund hatte, der uns veranlasst haben könnte251, den Untergang des Gemeinwesens herbeizuführen, und wenn ich dargelegt habe, dass der Ehrgeiz, den jene als den wichtigsten Grund gegen uns anführen, sowie die Natur der Dinge und die Menschlichkeit selbst eine schädliche Gesinnung nicht zulassen konnten, dann besteht kein Zweifel, dass man einsehen muss, dass hier kein Verbrechen stattgefunden hat. 252
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(34) Nec uero aliud quam 앚quod앚253 gessimus aut fieri decuit aut fieri oportuit. Nam quid decentius quam quod pietati accedentius? quid accedentius pietati quam quod omnium necesario salus postulabat? Aut certe dissimulari debuit prescitus hostium incursus aut detegi. Si dissimulari, habitum non iniuria transfigurandum duxi, ne ab hostibus index deprehenderer. Si detegi, quam officiosissime hostes antecurri, ne insuspicatus hostis irremediabilem uulneris iacturam infligeret; preuisa enim iacula minus feriunt. (35) Neque enim negligenter ferre potui non tam uicini quam domestici parietis incendium; negligere namque, cum possis perturbare peruersos, non aliud est quam fouere. 254 Cum quibus quia uiribus nequeo, arte confligo; quippe: … dolus an uirtus, quis in hoste requirat?255
Nihil enim est rationi familiarius, nihil iuri magis consentaneum quam uim ui repellere 256 ac insidias insidiis eludere, quia tam leges diuine quam humane bonum dolum admittunt. (36) Set illud nos in suspicionem trahere uidetur, quod pene una cum hoste castra ingredimur. Set neminem iudicari conuenit suspicionis arbitrio, nam hoc partim inprudentie partim inpotentie conuenit inputari. Inprudentie nam ab hostibus intercepti cursu citatiore preuertere nequiuimus. Lege uero cautum est: negotium gerentes alienum, non interueniente speciali pacto, casum fortuitum prestare non conpelluntur. 257 (37) Nam quod astruere conantur nostram naturam non habere cum uirtute consortium, proposito non attinet nec enim de natura nobis controuersia fuit, set de facti qualitate. Socii tamen Lycofrontis modo sofistico ad ea non incallide relabuntur, circa que idonei uideantur argumentorum. Set aspicis ipsos ipsorum gladio incumbere. Nam si adinsertionum inspicitur natura, cuncta generositatem surculi secuntur, non siluestrem trunci aut radicis propaginem. (38) Cumque non habeant quid in medium proferant, conspicuas nature dotes, has causant, illas brutorum 앚modo앚258 brutescere iubent et quorum in se fortasse uirus gerunt, in alios transfundunt. Audet, proh dolor, effrons inprudentia, inpudentis lingue procacitas limpidissimum honestatis fontem illambere.
253 254 255 256 257 258
앚…앚 Ergänzung von Plezia. Decretum Gratiani 1. Teil, D. LXXXIII, c. III (namque = quippe, non = nihil). Vergilius, Aeneis II, 390. CIC Dig 4, 2, 12, 1. CIC Cod 2, 18, 22 (conpelluntur = compelluntur). 앚…앚 Ergänzung von Plezia.
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(34) Es durfte und musste aber auch nicht anders gehandelt werden, als wie253 wir gehandelt haben. Denn was ist schicklicher als das, was der Pflichttreue angemessen ist? Was ist der Pflichttreue angemessener als das, was das Wohl aller notwendig erfordert? Gewiss musste der vorausgeahnte Überfall der Feinde entweder verheimlicht oder aufgedeckt werden. Um ihn zu verheimlichen, hielt ich es für rechtens, die Kleidung zu wechseln, um nicht von den Feinden als Verräter ertappt zu werden. Um ihn aufzudecken, eilte ich den Feinden überaus pflichtbewusst voraus, damit der unvermutete Feind keinen unheilbaren Schaden anrichtete; denn vorausgesehene Wurfspieße töten weniger. (35) Ich konnte doch das Feuer weder im nachbarlichen noch im eigenen Haus ignorieren; denn zu unterlassen, die Schurken zu verwirren, wenn du es kannst, bedeutet nichts anderes als [sie] zu begünstigen. 254 Weil ich es mit diesen Kräften nicht kann, kämpfe ich mit List; denn: … ob List oder Mut, wen kümmert’s am Feinde?255
Nichts ist dem Verstand vertrauter, nichts dem Recht angemessener, als Gewalt mit Gewalt abzuwehren 256 und Überfälle mit Hinterhalten zu täuschen, denn sowohl die göttlichen als auch die menschlichen Gesetze erlauben die gut gemeinte Täuschung. (36) Allerdings scheint uns der Umstand, dass wir fast gleichzeitig mit dem Feind das Lager betreten haben, [besonders] verdächtig zu machen. Aber niemand möge aus der Willkür eines Verdachts heraus urteilen, denn das muss teils [meiner] Unachtsamkeit, teils [meinem] Unvermögen zugeschrieben werden. Der Unachtsamkeit, weil wir von den Feinden abgefangen [ihnen] nicht mit schnellerem Schritt zuvorkommen konnten. Das Gesetz aber sieht vor: Wer ein fremdes Geschäft betreibt, wird, sofern keine besondere Abmachung dagegen steht, nicht gezwungen, bei Unglücksfällen zu haften. 257 (37) Dass sie versuchen zu beweisen, dass unsere Natur mit Tugend nichts gemein hat, tut nichts zur Sache, denn der Rechtsstreit betrifft nicht unsere Natur, sondern die Beschaffenheit der Tat. Die Gefährten des Lycofron aber verfallen in [ihrer] sophistischen Art nicht unklug auf solche [Argumente], die [ihnen] als passende Beweise erscheinen mögen. Du siehst aber, dass sie sich selbst ins eigene Schwert stürzen. Denn betrachtet man das Wesen des Veredelns, [so zeigt sich, dass] alle die edle Art des Setzlings im Auge haben, nicht den Wildableger des Stammes oder der Wurzel. (38) Und wenn sie nichts haben, dass sie öffentlich vorzeigen können, dann geben sie bei diesen die eigentümlichen Gaben der Natur als Grund an, lassen jene nach Art 258 der Wilden verwildern und das Gift, das diese vielleicht in sich tragen, übertragen sie auf die anderen. Es erkühnt sich, oh weh, verwegen die Unwissenheit, die Frechheit der schamlosen Zunge in die reinste Quelle der Ehrbarkeit hineinzulecken.
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Liber secvndvs Quem latet imperio, fama, uirtutis odore, flore Lemanniadas moribus antefore? Quos animi probitas probat, auget? nonne Pragitas? cui primis meritis par gloria? nonne Pragitis? Virtutumque sitis cui soli? sola Pragitis.
Talium ergo magistra disciplina tam fructus florem sequitur quam germen aristam; ponderis in trutina singula pondus habent.
(39) Ceterum quod paterne nobis seueritatis uincula obiectant et carceres, candentis flos opinionis nec leditur nec marcescit. Nam si iudex seuerior citra sententiam quempiam coerceat, infamiam ex hiis non irrogat. Paterna quomodo correptio infamem constituet? Audi legem: infamie detrimentum minime tibi affertur ob id solum, quod in carcerem coniectus es uel uincula tibi iussu legitimi iudicis iniecta sunt. 259 (40) Rursus: cum non causa cognita dictum est: „sicophantis“, set ad postulatum patroni interlocutione iudicis responsum sit, nequaquam hoc infamiam irrogat. 260 Amplius: nullam extimationis infamiam auunculus tuus pertimescat, ictibus fustium subiectus, ob crimen habita questione, si sententia non precessit ignominie maculam irrogans. 261 (41) Iam uero cetera silentio dignius quam responsione confutantur. Miramur tamen tantum aduersariis indulgeri, ut non iudiciarie statim seueritati subiaceant, qui plus iurgiis deberi putant quam iuri, plus falsis conuiciorum argutiis quam uero arguere contendunt. Nam si quis, inquit lex, adeo procax fuerit, ut non ratione set probris putet esse certandum, opinionis sue inminutionem patietur. Nec enim, ait, coniuentia commendanda est, ut quisquam negotio derelicto in aduersarii sui contumeliam aut palam pergat aut subdole 262; quod si fecerit, duas auri libras publicis rationibus prestabit. (42) Luce igitur clarius per locum a maiori liquet et causam et locum maleficii defuisse, nec ipsam rerum aut hominum naturam consentire maleficio potuisse. Illud quoque demonstratum est, quod non aliud aut pietas postulare aut ratio potuit exigere, 앚quam앚263 quod caute dissimulatum,
259 260 261 262 263
CIC Cod 2, 11, 1 (affertur = adfertur). CIC Cod 2, 11, 17. CIC Cod 2, 11, 14. CIC Cod 2, 6, 6, 1. 앚…앚 Ergänzung von Plezia.
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Wem ist verborgen, dass durch Herrschaft, Ruhm, den Geruch der Tapferkeit, die Blüte der Sitten die Deutschen vorausgehen? Wer schätzt, fördert diese Tüchtigkeit des Mutes – etwa nicht die Prager? Wer hat nach den höchsten Verdiensten den Ruhm – etwa nicht die Prager? Und wen dürstet nach Tugend? Allein die Prager.
Von solcher Art also war die Lehrmeisterin ,Zucht und Ordnung‘. Der Blüte folgt die Frucht so wie die Ähre dem Saatkorn; jedes Gewicht hat in der Waagschale ein [eigenes] Gewicht.
(39) Wenn sie uns im Übrigen die väterlichen Fesseln der Strenge und die Kerker entgegenhalten, wird die Blüte [unseres] glänzenden Rufes [dadurch] weder verletzt noch welk. Denn wenn ein strengerer Richter jemanden vor dem Urteil straft, legt er [ihm] damit keine Schande auf. Wie sollte [also] die väterliche Züchtigung einen schlechten Ruf begründen? Höre auf das Gesetz: Es wird nicht der Schaden einer geringsten Rufschädigung auf dich fallen, nur weil du in den Kerker geworfen wurdest oder dir auf Geheiß eines rechtmäßigen Richters Ketten angelegt wurden. 259 (40) Und weiter: Wenn ohne Untersuchung des Falls gesagt wird: Ränkeschmied, aber auf Einspruch des Anwalts auf den Antrag ein Bescheid des Richters ergeht, dann legt dies in keiner Weise Schande auf. 260 Mehr noch: Dein Onkel möge keinerlei Schädigung des guten Rufes fürchten, wenn er den Schlägen der Knüppel ausgeliefert und wegen eines Verbrechens verhört wird, wenn nicht ein Urteil vorausgeht, das den Makel der Brandmarkung [auf ihn] wirft. 261 (41) Was die übrigen [Vorwürfe] betrifft, so ist es angebrachter, sie [eher] durch Schweigen als durch eine Antwort zum Schweigen zu bringen. Wir wundern uns nur, dass den Widersachern nachgegeben wird, dass nicht die sogleich gerichtlicher Strenge unterliegen, die glauben, sich mehr mit Zankereien als mit dem Recht [befassen] zu müssen, die sich mehr um die falschen Spitzfindigkeiten der Vorwürfe bemühen als [darum,] die Wahrheit aufzudecken. Denn wer – sagt das Gesetz – derart unverschämt sein sollte, dass er glaubt, nicht mit Vernunft, sondern mit Beschimpfungen streiten zu müssen, wird eine Beeinträchtigung seines guten Rufes erleiden. Die Nachsicht aber – sagt es – darf nicht so weit gehen, dass jemand, nachdem ein Fall aufgegeben wurde, die Kränkung seines Widersachers öffentlich oder hinterrücks fortsetzt 262; wenn er dies tut, soll er zwei Pfund Gold in die öffentlichen Kassen zahlen. (42) Bei Licht besehen ist also durch die gewichtigeren Argumente klar erwiesen, dass hier weder ein Grund noch Argument für ein Verbrechen vorlagen, und selbst die Natur der Dinge und der Menschen ein Verbrechen nicht zulassen konnten. Auch das wurde bewiesen, dass etwas anderes weder die Pflichttreue fordern noch die Vernunft verlangen konnte; was263
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officiose detectum, non negligenter accuratum. Set et inprudentie casum non obesse debere allegatum est, immo suo aduersarius ense confossus expirauit. Nec paterna nos diffamat correptio264 et omnes omnino partis aduerse palee in auras exsufflate ac triplex ille funiculus non ebete rationum conscissus nouacula in stuppe fauillam 265 euanuit. (43) Si ergo pro nobis pietas, ratio et iura confligunt, si aduersarios ob contumelie probra et infamie lex arguit et ad multe penam exigit, non uideo quod ingenium, quis Protheus uel nostre calculum absolutionis transfiguret uel nodum supplicii amputet illis aut dissoluat. Commisereri tamen conuenit, quia nihil aliud tam peculiare est imperialis maiestatis quam humanitas, per quam solam Dei seruatur imitatio. 266 Igitur: sit piger ad penas princeps, ad premia uelox 267, quo plus iustitie plus pietatis habens.‘
(44) Quid ergo, mi Johannes, absoluendum censes an non? Nam ut ergo conicio: Quidlibet incerti certum fit in ore diserti.
[29] (1) JOHANNES: Nescis quod mors et uita in manibus lingue?268 Nec ignoras aut geminum Hermetis colubrum aut sompniferum Mercurii caduceum. Nam qui ambigua causarum facta dirimunt, lapsa erigunt, fatigata reparant, non minus prouident humano generi, quam si preliis ac uulneribus patriam parentesque saluarent. 269 Vnde Imperator: ,Restituende, inquit, sunt clarissimis eloquentie luminibus LX auri libre, nam omnibus redditur, quod pro uoto omnium primatibus indulgetur.‘270 (2) Quis autem ego? aut quando in bicipiti saltem somniaui Parnaso271 ullam iuris scintillulam, ut iudicialem a me calculum exigere debeas, cum ipsis iudicibus magis quam partibus terribile sit iudicium, si litigatores quidem sub hominibus, ipsi autem Deo inspectore adhibito causas perferunt trutinandas, scituri quod non magis alios iudicant quam ipsi iudicantur. 272 (3) Facile tamen ex utrimque allegatis diffinitiua elicitur sententia, si ex 264 265 266 267 268 269 270 271 272
Vgl. CIC Cod 2, 11, 13. Js 1, 31. CIC Cod 5, 16, 27, 1 (imperialis maiestatis = imperiali maiestati). Ovidi Ex Ponto I, 2, 121. Spr 18, 21 (manibus = manu). CIC Cod 2, 7, 14 (ac = atque). CIC Cod 2, 7, 25 (omnibus = universis). Persius, Satirae Prolog 2. CIC Cod 3, 1, 14, 2 (sit = est).
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vorsichtig verheimlicht wurde, wurde pflichtbewusst aufgedeckt [und] nicht unachtsam sorgfältig erledigt. Auch wurde geltend gemacht, dass auch ein Fall von Unachtsamkeit nicht schaden muss, ja der mit seinem eigenen Schwert geschlagene Widersacher den Geist aufgab. Die väterliche Züchtigung stellt uns nicht bloß264 und alle Spreu der gegnerischen Seite flattert gänzlich in die Lüfte, jenes dreifach geknüpfte Seil aber, das durch das scharfe Messer der Argumente nicht zerschnitten wurde, hat sich in Werg265 aufgelöst. (43) Wenn zu unseren Gunsten also die Pflichttreue, die Vernunft und das Recht eintreten, wenn das Gesetz die Widersacher der Schandtaten der Beleidigung und Verleumdung überführt und für sie Bestrafung fordert, sehe ich nicht, welcher Scharfsinn, welcher Protheus unseren Freispruch abändern oder jenen den Knoten der Bestrafung wegschneidet oder auflöst. Es ziemt sich jedoch, Mitleid zu haben, da nichts der herrscherlichen Würde so eigentümlich ist wie die Menschlichkeit, durch die allein wir Gott nachzueifern vermögen. 266 Daher: Ein Fürst sei träge beim Strafen, schnell beim Belohnen 267, je mehr Gerechtigkeit, desto mehr Liebe hat er.‘
(44) Was also meinst du, mein Johannes, soll er freigesprochen werden oder nicht? Denn ich meine: Jedwedes Unsichere wird im Munde eines Redegewandten sicher.
[29] (1) J o h a n n e s : Weißt du nicht, dass in der Macht der Rede sowohl der Tod als auch das Leben liegen. 268 Du kennst doch die Doppelschlange des Hermes und den betörenden Heroldstab des Merkur. Denn die, die die unklaren Tatsachen der Rechtsfälle auflösen, die die Gestrauchelten aufrichten, die Bedrängten wieder aufbauen, sorgen für das Menschengeschlecht nicht weniger, als wenn sie mit Schlachten und Verwundungen das Vaterland und die Eltern erretteten. 269 Daher sagt der Kaiser: ,Den strahlendsten Leuchten der Beredsamkeit sollen 60 Goldpfund zugesprochen werden, denn es zahlt sich für alle aus, wenn nach dem Urteil aller den Besten etwas gewährt wird.‘270 (2) Wer aber bin ich oder wann habe ich mindestens wie vom doppelgipfeligen Parnass271 von irgendeinem Fünkchen des Rechts[wissens] geträumt, dass du von mir ein juristisches Urteil zu fordern meinst, wo das Urteil für die Richter selber viel Angst einflößender als für die Streitparteien ist. Denn die Prozessführenden behandeln die zu untersuchenden Rechtsfälle zwar unter den Menschen, stehen aber selber unter der Aufsicht Gottes und wissen, dass sie nicht so sehr andere richten als selber gerichtet werden. 272 (3) Aus den von beiden Seiten geltend gemachten [Argumenten] ergibt sich jedoch leicht ein eindeutiger Urteilsspruch, sofern von beiden Seiten
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utroque latere nihil ex contingentibus fuerit omissum. 273 Constat quidem neminem condempnari posse suspicionis arbitrio nisi ualida sit nec elidi possit; constat casum inpreuisum prestari non debere. Nam tutoribus seu curatoribus casus fortuitos, aduersus quos caueri non potuit, inputari non oportet. 274 Nec esse infamem ob carcerem et uincula, seu ob patris molestiam. Ea enim que pater testamento filios increpans scripsit, infames quidem filios iure non faciunt, set aput bonos et graues opinionem eius, qui patri displicuit, onerant. 275 (4) Lex tamen quedam de re militari hanc litem decidit: miles, inquit, etiam sine licentia magistratus uincens, etiamsi bene fecerit, puniendus est, presertim cum iste dolum et culpam prestare non possit. Quia a procuratore dolum et omnem culpam prestari debere iuris declarat auctoritas. 276 (5) Minime igitur quis miretur, si torrens Sbigneui succumbit facundia, cui iudicii tristitia cum pene interminatione occurrit. Quia medicus non semper sanabit nec orator semper persuadebit, set si nihil ex contingentibus obmiserit, sufficiens dicetur habere propositum. 277 Hec autem dixerim sine melioris preiudicio sententie. [30] (1) MATHEVS: Sane hoc ipsum censure magistratui placuisse, ipsa rei euidentia et iudicati executio demonstrat. Nam ciuium ille hostis atrocissimus, ciuis reipublice inutilis Tiresiana plectitur sententia, perpetuo proscribitur exilio. 278 Non enim heres esse debuit filius ancille cum filio libere. 279 (2) Quia sic filii quoque Galaad, quos ex legitima susceperat, dixerunt ad Iepte: ,Heres in domo patris nostri non eris, quia ex adulterina natus es‘280 – et eiecerunt eum, licet meritorum excellentia polleret. [31] (1) JOHANNES: Minus legitima propagatio huic minime obesse potuit, si alias ad melioris uite frugem accomodatiore opera studuisset, ut idem Iepte ob insignioris gratie studia iudex esse meruit in Israel. Iero quoque ex ancilla natus quasi dehonestamentum generis a patre exponitur, 273
Aristoteles, Topica I, 3 (S. 8, Z. 1–2): „… si ex contingentibus nichil omiserit“; ebenso auch Ioannis Saresberiensis Policraticus III, 29. 274 CIC Cod 5, 38, 4 (inputari = Imputari, oportet = oportere). 275 CIC Cod 2, 11, 13. 276 CIC Cod 4, 35, 13 (prestari debere = praestandum esse, declarat auctoritas = auctoritate declaratur). 277 Vgl. Anm. 273. 278 Mit der Anspielung auf den von Hera geblendeten Seher Teiresias verweist Vincentius hier auf die Blendung des Zbigniew; zu dessen Ende vgl. auch Galli Anonymi cronicae III, 25, der dieses nur in vagen Andeutungen als ein Vergehen Bolesławs III. beschreibt. 279 Gal 4, 30 (esse debuit = erit). 280 Ri 11, 2 (eris = poteris).
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nichts Relevantes unerwähnt gelassen wurde. 273 Jedenfalls steht fest, dass niemand aufgrund eines willkürlichen Verdachts verurteilt werden kann, außer dieser ist sehr stark und kann nicht zerstreut werden; es steht fest, dass man bei einem unvorhergesehenen Ereignis nicht haften muss. Denn es geht nicht an, den Beschützern oder Verwaltern zufällige Unglücksfälle, gegen die man keine Vorsorge treffen kann, zur Last zu legen. 274 Es folgt auch keine Schande aus Kerkerhaft und Ketten oder aus dem Ärger des Vaters. Zwar beschädigen die [Punkte], die der Vater im Testament, die Söhne scheltend, bestimmt hat, die Ehre der Söhne de jure nicht, doch belasten sie den guten Ruf desjenigen, der dem Vater nicht behagte, vor den Vornehmen und Großen. 275 (4) Ein gewisses Militärgesetz aber hat eine solche Streitsache [so] entschieden: Ein Krieger – sagt es – soll, auch wenn er siegt, aber ohne Genehmigung des Magistrates [gehandelt hat], selbst wenn es gut gemeint war, bestraft werden, besonders wenn er Vorsatz und Schuld nicht abweisen kann. Denn die Autorität des Gesetzes erklärt, dass Vorsatz und sämtliche Schuld von einem Anwalt ausgeräumt werden müssen. 276 (5) Man darf sich also nicht wundern, wenn die mitreißende Beredsamkeit des Zbigniew unterliegt und ihm der finstere Ernst des Urteils mit einer Strafandrohung entgegentritt. Weil der Arzt nicht immer heilt und auch der Redner nicht immer überzeugt; aber wenn er nichts Relevantes weggelassen hat, wird [von ihm wenigstens] gesagt werden, dass er im Stande war, einen Plan zu haben. 277 Dies aber hätte ich gesagt, ohne einen günstigeren Urteilsspruch vorwegzunehmen. [30] (1) M a t t h ä u s : Wie die Offensichtlichkeit der Sache und die Vollstreckung des Urteils zeigen, gefiel dem Magistrat in der Tat ebendiese richterliche Erkenntnis. Denn jener abscheulichste Feind der Landsleute, [dieser] für das Gemeinwesen nutzlose Bürger, wird mit einem Teresianischen Urteil bestraft [und] öffentlich durch ewige Verbannung geächtet. 278 Denn der Sohn der Sklavin soll nicht erben mit dem Sohn der Freien. 279 (2) So sprachen auch die Söhne des Gilead, die er von einer rechtmäßigen [Ehefrau] empfangen hatte, zu Jephthah: ,Du wirst im Hause unseres Vaters kein Erbe sein, weil du von einer Ehebrecherin geboren wurdest‘280 – und sie verstießen ihn, obwohl er sich durch die Vorzüglichkeit [seiner] Verdienste auszeichnete. [31] (1) J o h a n n e s : Die weniger rechtmäßige Herkunft hätte diesem weniger geschadet, hätte er sich bei anderen Gelegenheiten mit Fleiß darum bemüht, ein besseres Leben zu führen, so wie sich der besagte Jephthah durch eine vorzüglichere Güte die Fertigkeiten verdiente, Richter in Israel zu sein. Auch Hieronymus, der von einer Sklavin geboren wurde, wird von [seinem] Vater als eine Schande [seines] Geschlechts ausgesetzt; doch haben
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set humane opis egentum apes congesto circa iacentem melle multis diebus aluerunt. (2) Cui aruspices regnum portendi canebant; ideoque pater paruulum recolligit et spe regni instituit. 281 Huic adolescenti primo tirocinio aquila in clipeo, noctua in hasta consedit; quorum altero regia celsitudo, reliquo generis humilitas figurata est. 282 Sbigneuo igitur non tam natalium suspicio quam flagitiorum obfuere piacula. Nec enim foueri debet in plantario carduus nedum aspis in gremio.
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Iustini Epitoma XXIII, 4, 6 –10 (exponitur = expositus, aluerunt = aluere, primo triocinio = prima bella). 282 Bielowski und Kürbis lassen hier – anders als Plezia und die älteste Handschrift – Kapitel 31 enden und trennen die beiden nachfolgenden Sätze als Resümee des Matthäus als Kapitel 32 ab.
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Bienen viele Tage lang den menschlicher Hilfe Beraubten ernährt, indem sie um den machtlos Daliegenden Honig zusammentrugen. (2) Wahrsager prophezeiten ihm die Königsherrschaft. Daher holte der Vater den Knaben zurück und erzog [ihn] in Erwartung des Königreichs. 281 Diesem Jüngling setzte sich bei einem ersten Kampf ein Adler auf den Schild, eine Eule auf die Lanze; der eine von ihnen stellte die königliche Erhabenheit, die andere die Bescheidenheit der Herkunft dar. 282 Zbigniew ist also nicht so sehr über den Ruch [seiner] Geburt als vielmehr über die Verbrechen seiner Schandtaten gestürzt. Denn man soll die Wilddistel nicht in der Plantage pflegen, geschweige denn die Natter im Schoß.
LIBER TERTIVS Liber tertivs
[1] (1) JOHANNES: Quia uero nemo nisi sapiens sibi displicere potest 283, cum et simie sua non informis uideatur deformitas, uereor ne plus iusto nobismet placere studeamus; timeo ne nimis inuicem assentemur. Ne dum inepte nobis arridemus, ineptior in nos displicendi subsannet occasio. (2) Etenim adulatione fatuitas, contradictione fouetur prudentia. Amica tamen et discreta sit increpatio, que nunc errata pie corrigat, nunc increpanter ignoscat, non preceps oblatret ut inpudica mordacitas, que nodum querat in scirpo et fissuram in integro. Quin potius tam sue quam nostre humanitatis meminerint nihilque in humana esse circumspectione perfectum. (3) Vnde quotiens Zeusis prestantissimam hominis uoluit exprimere naturam, tot semicirculis inclusit, quot defectibus laborare illam intellexit. Qui semicirculorum causam interrogatus respondit: Quia in homine ipsa inperfectione nihil est perfectius. (4) Calistenes quoque querente discipulo, quanto tempore perfectionem discipline assequi posset, dat illi in dexteram mirtheum uirgultum et in sinistram laminam uitream, que semper ipse in quendam typum gestare consueuerat et ait: ,Cum hec lamina scopulis alisa confrustari non poterit, cum hoc mirtheum sua proceritate aplanon attigerit, tum demum perfectionem spera; interim perfectus eris, si te hic perfectum esse non posse cognoueris.‘ [2] (1) MATHEVS: Assentior. Nam in meis exiguis licet uiribus aliorum uires experior, qui sub hiis, quas perferre cogor clitellulis et sudore totus effluo et anhelus pene succumbo, 앚laborauerint.앚284 Nostri tamen dimidiatrix oneris tua societas sudorem siccat, robur suggerit ac transmeandi auget fiduciam. (2) Igitur peste seditionis excussa hoste patrie profligato, serenissimum Boleslai sidus rutilantiores uirtutum radios expandit. Peramplissimis enim Pomoranorum municipiis hiis adactis illis ultro sese dedentibus,
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Vgl. Senecae Ad Lucilium IX, 22. 앚…앚 Ergänzung von Plezia.
DRITTES BUCH Drittes Buch
[1] (1) J o h a n n e s : Weil aber niemand außer dem Weisen sich selber zu missfallen vermag283, ja selbst dem Affen seine Hässlichkeit nicht hässlich erscheint, habe ich Sorge, dass wir uns selber mehr, als recht ist, zu gefallen bemühen. Ich fürchte, dass wir uns wechselseitig allzu sehr beipflichten, dass uns, solange wir uns dumm zulächeln, die dümmere Möglichkeit des Missfallens verhöhnt. (2) Denn durch Schmeichelei wird die Einfalt, durch Widerspruch die Klugheit gefördert. Tadel soll freundlich und besonnen sein, hier liebevoll Fehler korrigieren, da tadelnd Nachsicht üben, nicht überstürzt kritisieren wie die schamlose Bissigkeit, die den Riss im Unversehrten und Fehler sucht, wo keine sind. Vielmehr sollen sie sowohl ihrer eigenen als auch unserer Menschlichkeit gedenken und dass die menschliche Umsicht nicht vollkommen sein kann. (3) Daher umschloss Zeuxis, wann immer er den außergewöhnlichen Charakter eines Menschen veranschaulichen wollte, [diesen] mit so vielen Halbkreisen, wie er ihn an Mängeln leiden sah. Nach dem Grund der Halbkreise befragt, antwortete er: Weil in einem Menschen nichts vollkommener ist als seine Unvollkommenheit. (4) Auch Kallisthenes gab, als er von einem Schüler gefragt wurde, nach wie langer Zeit er Vollkommenheit in der Wissenschaft erreichen könne, diesem in die rechte Hand einen Myrtenzweig und in die linke eine Glasscheibe, die er sich selber als ein gewisses Symbol stets zu tragen angewöhnt hatte, und sagte: ,Sobald diese Scheibe an die Felsen geworfen nicht mehr zerbricht, sobald diese Myrte in ihrer Höhe das Himmelsgewölbe erreicht, erst dann erwarte Vollkommenheit; bis dahin wirst du vollkommen sein, wenn du erkennst, dass du auf Erden nicht vollkommen sein kannst.‘ [2] (1) M a t t h ä u s : Ich stimme zu. Denn mit meinen freilich geringen Kräften erprobe ich die Kräfte anderer und breche unter den [Lasten]284, die ich den Packeseln aufzubürden gezwungen werde, ganz in Schweiß aus und keuchend beinahe zusammen. Deine Gesellschaft jedoch ist eine Halbiererin unserer Last, trocknet den Schweiß, gibt Kraft und erhöht die Zuversicht, den Weg weiterzugehen. (2) Als folglich die Seuche des Aufstandes abgeschüttelt und der Feind des Vaterlandes [Zbigniew] niedergeschlagen war, breitete der erlauchteste Stern Bolesławs [III.] noch hellere Strahlen der Tugend aus. Denn von den bedeutendsten Städten der Pomoranen wurden die einen erobert, die anderen ergaben sich freiwillig, während sich die Einwohner von Alba [Weißenburg / Białogard] bemühen, Wider-
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Albenses resistere contendunt. Quos urbi famosissime, que est Pomoranie centrum, inclusos obsidione cingit et obsessis duo scuta ostentans, unum album alterum rubeum: ,Vtrum, inquit, eligitis?‘ At illi: ,Album, quia hoc in se pacis blanditur candorem, illud terribilem cruoris minatur asperginem.‘ (3) Quibus ille: ,Sane! Si ergo Albani uultis esse, Alba deditione candidetur; sin autem, nouum illi nomen inscribat cruor, ut non Alba set Cruenta nuncupetur.‘ Pertinaciore illi respondent contumacia: ,Immo et Alba uocetur et Cruenta, ut albam predicet nostre successus uictorie, cruentam uero tuorum preconetur occisio.‘ (4) Ad hec Boleslaus: ,Pape, proceres, audent isti plagioxippi 285 etiam probris contendere! Rideo quod talpa lyncem, quod limax tigridem, quod aquilam in conflictum prouocat scarabeus. Set armis uiri, non uerbis, opere, opere opus est non querela!‘ Proinde ante omnes euolat, uallum aggeris inpetu transsilit precipiti. Inauditam audi uiri audaciam! Non hostium multitudo, non tantus armorum fragor, non uis telorum terret 286 illum, non saxorum moles obterit, primus ualuarum posticum perfringit, primus urbem ingreditur; tot milium cohortes has cedit, illas cessim diffugere cogit. (5) Omnes denique uelut cuiusdam maiestatis terrore perculsi armis abiectis proni procidunt, non sibi set paruulis ignosci postulant, illorum non suam necem deprecantur, aiunt sese crucibus magis quam uenia dignissimos. Cumque nec etati esse indulgendum nec sexui precipuorum iuberet sententia, indulgentissima tamen principis clementia omnibus parcit, omnibus ignoscit. (6) Iustiorem enim censuit piam humanitatis indulgentiam quam districtam iustitie ultionem. Que res non modicum illi etiam aput hostes fauorem peperit; sua etenim sponte tam Cholbergensium quam alie Maritimorum prouincie et cuncti prouinciarum presides non ceruicose ut quondam set obnixis occurrunt ceruicibus et illius sese obsequele humillime substernunt. [3] (1) JOHANNES: Nemo tamen misericors nisi iustus, nemo iustus nisi misericors. Nam iustitia sine misericordia crudelitas est et misericordia sine iustitia fatuitas.
285 286
Rhetorica ad Herennium IV, 42 (isti plagioxippi = Plagioxiphus iste). Iustini Epitoma XII, 9, 8 (armorum fragor = lacessentium clamor).
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stand zu leisten. Er [Bolesław] umzingelt die in der belagerten, überaus berühmten Stadt, die den Mittelpunkt Pommerns bildet, Eingeschlossenen und zeigt den Belagerten zwei Schilde, einen weißen und einen roten, und spricht: ,Welchen wählt ihr?‘ Und jene: ,Den weißen, weil dieser den Glanz des Friedens anlockt, jener [aber] schreckliches Blutvergießen androht.‘ (3) Jener zu ihnen: ,Fürwahr! Wenn ihr also Bewohner von Alba sein wollt, möge Alba durch Unterwerfung weiß erglänzen; wenn aber nicht, dann soll ein Blutbad ihr einen neuen Namen einschreiben, auf dass [eure Stadt] nicht die Weiße, sondern die Blutige genannt werde.‘ Jene [aber] antworten mit noch beharrlicherer Widerspenstigkeit: ,Gewiss doch, möge sie die Weiße und die Blutige heißen, auf dass sie als die Weiße den Erfolg unseres Sieges verkünde, als die Blutige aber den Tod der deinen bekanntmache.‘ (4) Daraufhin Bolesław: ,Potztausend, meine Herren, diese Schufte285 wagen es sogar, sich mit Beschimpfungen zu messen. Ich muss lachen, dass der Maulwurf den Luchs, die Wegschnecke den Tiger, der Käfer den Adler zum Kampf herausfordert. Doch mögen, Männer, die Waffen, nicht Worte, möge die Tat, nicht die Klage sprechen!‘ Also eilt er allen voran und überspringt in halsbrecherischem Ansturm die Palisade der Wallanlage. Vernimm die unerhörte Kühnheit dieses Mannes! Weder schreckt ihn die Vielzahl der Feinde noch das so große Getöse der Waffen 286 , noch die Macht der Wurfgeschosse, noch zerquetscht ihn die Masse der Steine. Als Erster durchbricht er das Tor des Walles, als Erster dringt er in die Stadt ein. (5) Von so vielen Tausend Kämpfern haut er diese nieder, jene zwingt er zurückzuweichen. Schließlich fallen alle, gleichsam durch das Schreckbild einer solchen Größe entmutigt und nachdem die Waffen niedergeworfen waren, vornüber gebeugt zu Boden und bitten, nicht ihnen, aber den kleinen Kindern zu verzeihen, nicht deren, sondern ihren Tod erflehen sie und sie sagen, dass sie weit eher als die Gnade die Kreuzigung mehr als verdient hätten. (6) Und obwohl der Beschluss der Großen verlangte, dass weder auf das Alter noch das Geschlecht Rücksicht genommen werden sollte, gewährte die gnädigste Güte des Fürsten allen Schonung, verzieh allen. Denn er hielt die gütige Nachsicht der Milde für richtiger als die strenge Vergeltung der Gerechtigkeit. Diese Tat verschaffte ihm bei den Feinden sogar nicht geringe Gewogenheit. Denn aus eigenem Antrieb beugen sich sowohl die Bewohner von Kolberg als auch [die] der anderen pomoranischen Provinzen und alle Provinzvorsteher unterwerfen sich ihm nicht halsstarrig wie einst, sondern mit geneigten Nacken in demütigster Willfährigkeit. [3] (1) J o h a n n e s : Niemand aber ist barmherzig außer dem Gerechten, niemand ist gerecht außer dem Barmherzigen. Denn Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit ist Grausamkeit und Barmherzigkeit ohne Gerechtigkeit ist Dummheit.
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Liber tertivs Mitibus est mitis capreis leo, tigribus asper.
Set permira huius leonis animositas, qui leones ipsos non modo in capreas, set in meticulosos uertit lepusculos. (2) Non secus ac Alexander qui Ambrorum et Sicambrorum LXXX milia peditum et LX milia equitum confecit, qui urbis murum primus conscendit et uacuam estimans solus insilit, hostibus ambitur, solus contra tot milia preliatur, dictu horribile, ut solus tot legionum turmas ceciderit et fugarit. Hic ubi se obrui multitudine uidet, trunco prope murum stanti se applicat. Cuius suppodio annixus, tamdiu turmas irruentes sustinuit, donec periculo cognito amici ad eum desiliunt, tandem muris deiectis omnis exercitus subuenit. (3) Tunc sagitta sub mamma traiectus, cum sanguinis fluxu deficeret, genu flexo tamdiu preliatus est, donec uulneris auctorem occidit et quanto uincendis asperior, tanto uictis fuit clementior. 287 [4] (1) MATHEVS: Imperator interea quartus Henricus Vngariam ingreditur288 , cuius copiis rex Vngarie Colomannus se longe uidens disparem, Boleslai poscit suffulciri subsidio, huiuscemodi delegata epistola: ,Inuictissimo Polonorum ac Maritimorum monarche Boleslao Colomannus Vngarorum rex quidquid amicissimorum intimo ratio suadet. Honestas postulat, ut comuni comuniter occurratur incendio nam tua res agitur, paries dum proximus ardet, 앚et neglecta solent incedia sumere uires앚289
(2) Non enim ob aliud Lemannorum locuste ad nos usque irrepsere, quam ut nostris, quod absit, depastis uineis uestris facilius insiliant oliuetis. Quia ergo res experta experimentis non indiget, non in uobis amicitiam set amicitie uires in hostibus nos conuenit experiri. Etenim nocte scintillat, nocte radiat uerus amicitie carbunculus.‘ (3) Tum Boleslaus: ,In mentem, inquit, ueniunt illi 290 familiares Pythagore, qui moriendi pro inuicem pio contendere certamine. Quorum dum neuter sibi parcit, pro altero parcitur
287
Iustini Epitoma XII, 9, 3 –12. Galli Anonymi cronicae II, 45 (ingreditur = introivit); schon Gallus Anonymus hat Heinrich die falsche Ordnungszahl zugeordnet; Heinrich V. zog im September 1108 nach Ungarn. 289 Horatii Epistulae I, 18, 84 – 85; 앚…앚 nach Bielowski ergänzt; bei Horaz „viris“ statt „vires“. 290 Das zweite „illi“ bei Plezia hier nach dem Codex des Jan von Dbbrówka (Nationalbibliothek Warschau Nr. 3002 III, f. 131v) gestrichen. 288
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Den sanften Rehen gegenüber ist der Löwe sanft, den Tigern gegenüber streng.
Aber überaus erstaunlich ist die Kühnheit dieses Löwen [Bolesławs III.], der selbst Löwen nicht so sehr in Rehe als in furchtsame Häschen verwandelte. (2) Er ist wie Alexander, der 80 000 Fußsoldaten und 60 000 Reiter der Ambrer und Sigambrer tötete, der als Erster die Mauer der Stadt erklomm und sie leer wähnend allein hineinsprang und von den Feinden umkreist allein gegen so viele Tausend kämpfte; kaum zu glauben, dass er allein die Scharen so vieler Legionen niedergehauen und in die Flucht geschlagen hat. Als dieser sieht, dass er von der Menge erdrückt zu werden droht, lehnt er sich an einen Balken, der in der Nähe der Mauer stand. Durch dessen Halt gestützt hielt er so lange gegen die anstürmenden Scharen stand, bis die Freunde die Gefahr erkannten und ihm zur Seite sprangen; schließlich kam, nachdem die Mauern niedergeworfen waren, das ganze Heer zu Hilfe. (3) Damals wurde er von einem Pfeil unter der Brust durchbohrt und kämpfte, während der Blutfluss schwächer wurde, mit gebeugtem Knie so lange, bis er den Urheber seiner Verwundung getötet hatte; und umso strenger er gegenüber den zu Besiegenden war, desto barmherziger war er gegenüber den Besiegten. 287 [4] (1) M a t t h ä u s : Unterdessen drang Kaiser Heinrich IV. [recte: V.] in Ungarn ein. 288 Als der König von Ungarn, Koloman, sah, dass er dessen Truppen weit unterlegen war, verlangte er von Bolesław die Hilfe der Unterstützung; folgender Brief wurde übersandt: ,Koloman, der König der Ungarn, [entbietet] Bolesław, dem unbesiegbarsten Herrscher der Polen und Pomoranen, was immer der Verstand dem innigsten der Freunde zurät. Der Anstand erfordert es, dass dem gemeinsamen Feuer gemeinsam begegnet werden möge, denn es geht um deine Sache, wenn die Wand des Nachbarn brennt. Und vernachlässigte Brände pflegen [größere] Kräfte zu entwickeln. 289
(2) Denn aus keinem anderen Grund kriechen die Heuschrecken der Deutschen bis zu uns heran als dem, leichter in eure Olivenhaine hineinzuspringen, sobald sie unsere Weinberge, was Gott verhüten möge, abgeweidet haben. Weil eine durch Erfahrungen erprobte Sache mithin keine [weiteren Proben] erfordert, ziemt es sich, dass wir die Freundschaft nicht gegen euch, sondern die Kräfte der Freundschaft gegen die Feinde erproben. Denn in der Nacht funkelt, in der Nacht strahlt der wahre Rubin der Freundschaft.‘ (3) Darauf antwortet Bolesław: ,Mir kommen jene290 Vertrauten des Pythagoras in den Sinn, die bestrebt waren, im pflichtbewussten Kampf füreinander zu sterben. Da sich keiner von ihnen für den
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utrique.‘291 Pragitarum igitur urbes aggreditur, prosternit, populatur, quorum adminiculis292 et studio prelia intellexit in Vngaros conflata. Sic ab amico in sese hostem distorquet, uias occupat, redeuntes prestolatur, intrepide confligit, uictoriose triumphat. (4) Porro liuor inuidie tantam Boleslai gloriam, tanti splendorem triumphi non ferens, discoloribus famam decolorat plumis, falsis inebriat rumusculis. Que per maritima triuiatim dissultans, Polonos mentitur cecidisse et hostium uinculis Boleslaum coniectum. Huius figmenti et auctor et magister fuit Gneuomir, cui plurimum facundie nihil inerat fidei. (5) Cuius uite Boleslaus in Albensium occidione pepercit, quem de sacro fonte suscepit, honoribus extulit, suffulsit opibus, Maritime presidem constituit. Iste, inquam, huius commenti dolo Pomoranis defectionem persuasit et presides Boleslai ab omnibus presidiis ac municipiis excussit. [5] (1) JOHANNES: Vere sapientis uerbum: positis iuxta se contrariis et maiora et minora esse perspicua. 293 Quantum enim distat ortus ab occidente, quantum lux a tenebris, tantum ille a familiaribus Pythagore. (2) Nam ut infidelitatis notam in huiusmodi homine nemo notauerit, cum talium fides sit ipsa perfidia, saltem ingratitudinis debuit periculum horruisse, quia ingratitudine nihil ingratius, que etiam emancipatos remancipat294, potuit paterne traditionis meminisse, accepti beneficii non esse immemorem. [6] (1) MATHEVS: Meminit quidem, set sero, set coactus. Peramplissimis enim rursus instauratis copiis, Boleslaus non circa inutiles predociniorum occupatur sarcinunculas, set inaccessibiles Maritimorum urbes has occupat, illas euertit. Plurimum tamen dispendii circa Velen oppidum inpendit, in quo ille Gneuomir, quia de uenia desperauerat, pius ceteris restitit. (2) Cumque illi spes indulgentie, si dedere sese uelit, promittitur: ,Maior est, inquit, iniquitas mea, quam ut ueniam mereri possim 295, et satius esse mortis iugum quam seruitutis, gloriosiusque uitam exponi uulneribus
291 292 293 294 295
Vgl. Cicero, Tusculanae disputationes V, 22, 63. Vgl. Anm. 234. Aristoteles, De sophisticis elenchis S. 33, Z. 17–19 (positis = appositis). Vgl. CIC Cod 8, 49. Gen. 4, 13 (mereri possim = merear).
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anderen schont, werden beide verschont.‘291 Daher greift er die Städte der Prager [Böhmen] an, wirft [sie] nieder und plündert [sie], da er bemerkte, dass durch ihre Hilfsmittel 292 und ihren Eifer Krieger gegen die Ungarn versammelt wurden. So zieht er den Feind vom Freund auf sich, besetzt die Wege, erwartet die Zurückkehrenden, kämpft unerschrocken, triumphiert siegreich. (4) Aber der Neid der Missgunst erträgt den so großen Ruhm des Bolesław, den Glanz eines solchen Triumphes nicht, entstellt seinen Ruhm mit grauen Federn. Er macht mit falschem Gerede betrunken, das sich in Pommern in alle Ecken verbreitet und fälschlich behauptet, die Polen seien geschlagen und Bolesław in die Gefangenschaft der Feinde geworfen worden. Der Urheber und Meister dieser Lüge war Gniewomir, dessen überaus großer Beredsamkeit nichts Wahrhaftes innewohnte. (5) Bolesław hatte sein Leben bei der Niedermetzelung der Bewohner von Alba verschont, ihn aus der heiligen Quelle [der Taufe] gehoben, ihn in Ehren erhöht, mit Truppen gestärkt und als Vorsteher der Provinz Pommern eingesetzt. Dieser hat, sage ich, die Pomoranen mit Arglist zum Abfall überredet und Bolesławs Amtsträger aus allen befestigten Orten und Burgstädten vertrieben. [5] (1) J o h a n n e s : Ein Wort wahrer Weisheit: Werden die Gegensätze nebeneinander gestellt, so wird sowohl das Bedeutendere als auch das Unbedeutendere offenbar. 293 Denn so sehr sich der Osten vom Westen, so sehr sich das Licht von der Finsternis unterscheidet, so sehr [unterscheidet sich] jener von den Vertrauten des Pythagoras. (2) Auch wenn niemand ein Zeichen der Untreue in einem solchen Menschen bemerkt hätte, weil die Treue eines solchen [Menschen] eben die Untreue ist, musste man doch zumindest die Gefahr der Undankbarkeit fürchten, weil nichts undankbarer ist als die Undankbarkeit, die sogar Freigelassene erneut unterwirft. 294 Er mochte an die väterliche Unterwerfung gedacht haben, doch hätte er die empfangenen Wohltaten nicht vergessen sollen. [6] (1) M a t t h ä u s : Er erinnerte sich [an sie], aber zu spät, aber gezwungenermaßen. Denn nachdem Bolesław erneut überaus zahlreiche Truppen aufgestellt hat, hält er sich nicht mit den unnützen Habseligkeiten der Beutemacher auf, sondern besetzt oder zerstört die unzugänglichen Städte der Pomoranen. Die größte Mühe jedoch musste er bei der Burgstadt Wielen aufwenden, wo jener Gniewomir, weil er die Hoffnung auf Gnade aufgegeben hatte, mehr als andere [Pomoranen] Widerstand leistete. (2) Und als ihm Hoffnung auf Gnade versprochen wurde, wenn er sich ergeben wollte, sagte er: ,Meine Missetat ist größer, als dass ich Gnade verdienen könnte295 und ziemlicher ist das Joch des Todes als [jenes] der Sklaverei und
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quam dedi suppliciis.‘ Quanto ergo pertinacius obsistit, tanto crudeliores in se animos ac uires prouocat, tanto crebrioribus illiditur assultibus. Qui tandem inprobe deditioni subactus, fuste capitalem excipit sententiam, alii omnes in ore gladii absorbentur. [7] (1) JOHANNES: Laudo animositatem, truculentiam non laudo, nisi forte zelo iustitie factum sit, non odii animo uel typo superbie. Non est peccatum ex officio hominem occidere 296 nec est reus homicidii miles, qui potestati obediens hominem occidit. Laudatur Finees qui cum Madianitide confodit Hebreum 297 et Mathathias idolatram 298 et Moyses cum Leuitis per medium castrorum transiens manus consecrabat in sanguine propinquorum, quando propter uitulum cesa sunt XX tria milia. 299 (2) Immo quandoque peccatum uidetur non occidere, ut quia Saul uictis Philisteis Agag regi eorum pepercerat, ait Dominus ad Samuelem: ,Penitet me fecisse Saul regem.‘300 Set forte in Saule non tam indulgentia Domino displicuit, quam preceptionis dominice transgressio. Vnde a Samuele illi dictum est: ,Peccasti. Nescis quod genus ariolandi est nolle obedire?‘301 Verum non hec nobis ad consequentiam trahendum, quia priuilegia paucorum comunem legem non faciunt.302 [8] (1) MATHEVS: Sic nimirum domus Domini zelus, aureo inscribendos calamo, Symonem et Alexandrum Plocensium antistites armauerat, qui utrosque hostes peruigili sollertia studiosissime ab arce Dominica arcere satagebant. Sicut enim nec minimus loci uel temporis punctus ab inuisibilium tutus est insidiis, sic Mazouiensibus uisibilium nunquam defuit hostium incursus, nunc Prussis nunc Pomoranis nunc utrisque, hinc aperte illinc subdole irrepentibus. (2) Quod non modicum illis non modo animositatis, set et industrie suggerit promptitudinem; usus enim reddit magistrum et ferrum non tam ebes quam etiam scabrosum sine assiduitate exercendi efficitur; ideoque Mazouiam et consiliis esse strennuam et uernantissima militie florere maiestate. Inter quos Alexandrum summa dignum admiratione duco, qui tam diuersis ac summis rebus simul suf296 Decretum Gratiani 2. Teil, C. XXIII, q. V, c. VIII: Überschrift = „Ex officio non est peccatum hominem occidere.“ 297 Vgl. Nm 25, 6 – 8. 298 Vgl. 1 Makk 2, 24. 299 Vgl. Ex 32, 27–29. 300 Vgl. 1 Sm 15, 11. 301 Vgl. 1 Sm 15, 22–23. 302 Vgl. Decretum Gratiani 2. Teil, C. XXV, q. I, c. XVI, II., § 3: „Privilegia singulorum non possunt legem facere communem.“
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rühmlicher [ist es], das Leben Verletzungen auszusetzen als es dem Flehen [um Gnade] auszuliefern.‘ Je hartnäckiger er sich mithin widersetzte, desto grausamere Absichten und Kräfte forderte er gegen sich heraus, mit desto häufigeren Angriffen wurde er gejagt. Als er schließlich der schändlichen Ergebung unterworfen worden war, empfing er die Todesstrafe durch den Stock; alle anderen wurden vom Schlund des Schwertes verschlungen. [7] (1) J o h a n n e s : Ich lobe die Tapferkeit, [doch] die Rohheit lobe ich nicht, es sei denn, etwas wird im starken Eifer um der Gerechtigkeit willen getan, nicht aus dem Geist des Hasses oder in stolzem Hochmut. Es ist keine Sünde, einen Menschen aus Pflichterfüllung zu töten 296 , und ein Krieger, der der Macht gehorchend einen Menschen tötet, ist nicht des Mordes schuldig. Es wird Pinchas bewundert, der den Israeliten mit der Midianiterin 297 und Mattatias, der den Götzendiener erstach 298; und Moses weihte, als er mit den Leviten durch die Mitte der Lager schritt, seine Hände im Blut der Nächsten, da wegen des [Goldenen] Kalbes 23 000 [Menschen] getötet wurden. 299 (2) Ja, manchmal erscheint es geradezu als Sünde, nicht zu töten, so sprach der Herr zu Samuel, als Saul die Philister besiegt und ihren König Agag verschont hatte: ,Es reut mich, den Saul zum König gemacht zu haben.‘300 Doch missfiel dem Herrn in Saul wohl nicht so sehr die Nachsicht als vielmehr die Überschreitung des göttlichen Gebots. Daher sagte Samuel zu ihm: ,Du hast gesündigt. Weißt du nicht, dass nicht zu gehorchen eine Art Opferbeschau [Götzendienst] ist.‘301 Doch ist daraus für uns keine Konsequenz abzuleiten, weil die Vorrechte von wenigen kein allgemeines Recht setzen.302 [8] (1) M a t t h ä u s : So ist es ohne Zweifel der mit goldener Feder einzuschreibende Eifer um das Haus des Herrn, der die Płocker Bischöfe Simon und Alexander ausgerüstet hatte, die sich bemühten, mit größtem Eifer und stets wachsamer Umsicht die einen und anderen Feinde von der Burg des Herrn fernzuhalten. Denn so, wie auch der kleinste Teil eines Ortes oder der Zeit vor den Überfällen der unsichtbaren [Feinde] nicht sicher ist, so fehlte es [auch] den Masowiern nie an Anschlägen der sichtbaren Feinde, mal durch die Pruzzen, mal die Pomoranen, mal durch andere, wobei die einen offen, andere hinterlistig eindringen. (2) Dies verleiht ihnen nicht nur nicht wenig Kühnheit, sondern auch bereitwilligen Eifer; Übung nämlich macht den Meister und das Schwert wird nicht nur stumpf, sondern auch schartig, wenn es nicht beständig benutzt wird. Daher [meine ich], dass Masowien sowohl in seinen Ratschlüssen tüchtig ist als auch durch den jugendlichsten Glanz seiner Ritterschaft erblüht. Ich meine, dass unter ihnen Alexander, der sich gleichzeitig den unterschiedlichsten wie schwierigsten Aufgaben gewachsen zeigte, die größte Bewunderung ver-
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ficere potuerit. (3) Nam nostri ecce gigantes gemunt sub aqua et qui habitant cum eis.303 Res mira: idem agnus et leo, idem lupus et dux gregis, idem presul et miles, simul armatus et deuotus, ut inter iuges armorum excubias nihil quod suum est deuotionis neglexerit, Ambrosiane non immemor sententie: arma episcopi lacrime sunt et orationes.304 (4) Magnus in preliis Alexander, in diuinis maior obsequiis. Nam ut extructas ab eo basilicas cuiuslibet inuidia silentio sepeliat, sub modio tamen abscondi lucerna non potest, nedum ciuitas supra montem sita. 305 Indeuotus enim quo pacto estimabitur, qui tam conspicuum Beate Virginis templum a primis initiat fundamentis et consumat, cum pater Salomonis, ne Domini templum edificet, a Domino prohibetur, cui dictum est a Domino: non edificabis mihi templum, quod uir sanguinum es.306 (5) Res ergo ipsa declarat, quam dilecta fuerint illi tabernacula Domini uirtutum.307 Ipsa operis elegantia, forme festiuitas dulcissimo illum cordis palato indesinenter ostendit masticasse: ,Domine, dilexi decorem domus tue‘ 308 , quam non tantum intrinsecus ac spiritualibus locupletauit studiis, set etiam armis communiuit materialibus, necessariis undique septam presidiis, ut lectulum Salomonis et LX ex fortissimis filiorum Israel309 intrinsecus et CCC ex electissimis loricatorum extrinsecus custodirent, ut uere dici possit: pulcra es et decora, filia Ierusalem, terribilis ut castrorum acies ordinata. 310 (6) Contigit autem Boleslao et uniuersa fere militia procul agentibus, cruentissime predationis inpetu Mazouiam Pomoranos irrumpere. Qui tota pene populata prouincia, luctuosas fastidiunt sarcinas, lamentabiles abigunt manubias. Concurrunt Mazouiensium perpauculi, consecuntur: stat hostis harena maris numerosior, nam congressum paucitas non presumit, multitudo contempnit. Istis temerarium, illis uidetur inglorium; cumque isti fugam, recessum illi meditantur. (7) Adest uenerabilis antistes Symon institis ac infulis pontificalium insignitus, non tam luctu quam precum et suffragiorum deuotione miserabile spectaculum prosequitur. Qui eminus exclamat: ,In uno tantum, filioli, spes est uincendi; non in multis est uictoria, nec mortis metuendum est discrimen, maxime cum pro salute
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Ib 26, 5 (aqua = aquis). Vgl. Decretum Gratiani 2. Teil, C. XXIII, q. VIII, c. III: „… dolor, fletus, orationes lacrimae fuerunt mihi arma aduersus milites.“ 305 Vgl. Mt 5, 14 –15. 306 1 Chr 28, 3 (sanguinum = sanguinem). 307 Ps 84 (83), 2. 308 Ps 26 (25), 8. 309 Hl 3, 7. 310 Hl 6, 3. 304
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dient. (3) Denn eben unsere Recken und die, die mit ihnen wohnen, seufzen unter den Wassern.303 Es ist ein wunderlich Ding: Derselbe ist Schaf und Löwe, derselbe ist Wolf und Führer der Herde, derselbe ist Bischof und Ritter, zugleich bewaffnet und fromm, so dass er während der ständigen bewaffneten Wachen nichts von seinen frommen Pflichten vernachlässigte, getreu dem Satz des Ambrosius: Die Waffen eines Bischofs sind Tränen und Gebete.304 (4) Groß war Alexander in den Schlachten, größer in den göttlichen Diensten. Denn auch wenn der Neid von wem auch immer die von ihm errichteten Basiliken im Schweigen begraben mag, kann das Licht doch nicht unter den Scheffel gestellt werden, geschweige denn eine auf dem Berg gelegene Stadt!305 Denn wieso sollte einer für ungehorsam gehalten werden, der [in Płock] eine so prächtige Kirche der heiligen Jungfrau von den ersten Fundamenten an beginnt und [1144] vollendet, wenn dem Vater des Salomon vom Herrn verboten wurde, dem Herrn einen Tempel zu erbauen, da ihm vom Herrn gesagt wurde: Du wirst mir keinen Tempel erbauen, weil du ein Mann der Morde bist.306 (5) Die Sache selbst also bezeugt, wie teuer ihm [Alexander] die Tabernakel des Herrn der Heerscharen waren. 307 Die Feinheit des Werkes selbst, die Festlichkeit der Form zeigte, dass er im süßesten Gaumen seines Herzens dieses unaufhörlich kaute: ,O Herr, ich liebe den Schmuck deines Hauses.‘308 Er bereicherte es nicht nur im Innern durch geistliche Studien, sondern befestigte es auch stark durch weltliche Waffen, indem er es mit den nötigen Schutztruppen umgab, damit das Bett des Salomon sowohl im Innern durch 60 der tapfersten Söhne Israels309, als auch nach außen durch 300 der auserlesensten Panzerreiter geschützt werde, so dass man wahrlich sagen kann: Herrlich und geschmückt bist du, Tochter Jerusalem, furchterregend wie die geordneten Schlachtenreihen der Krieger. 310 (6) Es geschah also, dass die Pomoranen, während Bolesław und sein gesamtes Heer in der Ferne wild umhertrieben, in einem überaus blutigen Angriff Masowien überfielen. Nachdem sie beinahe die gesamte Provinz verwüstet haben, verschmähen sie die kläglichen Bündel, führen [aber andere] beklagenswerte Beute fort. Es kommen einige wenige Masowier zusammen und verfolgen sie; [doch] der Feind steht zahlreicher als der Meeressand. Die Minderheit wagt den Kampf nicht, die Mehrheit verachtet [ihn]. Den einen erscheint er tollkühn, den anderen unrühmlich; die einen denken an Flucht, die anderen an Rückzug. (7) Da erscheint der ehrwürdige Bischof Simon, kenntlich gemacht durch seine bischöfliche Binde und Mitra; er begleitet das beklagenswerte Schauspiel weniger mit Jammergeschrei als mit der Hingabe der Gebete und Fürsprachen. Aus der Ferne ruft er aus: ,Nur in einem, meine Söhnchen, ruht die Hoffnung auf den Sieg; nicht von vielen hängt Viktoria ab! Die Gefahr des Todes sollt ihr nicht
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agitur proximorum. Quia mors corporis hominem non extinguit, set ad premium uirtutis admittit.‘ (8) Quo dicto suos pugne, sese orationi committit nec cessat, donec omnis illa predonum numerositas succubuit, paucis admodum fuga elapsis. Sic omni suorum excussa preda, sic hostibus prostratis, letus cum suis refert tropheum. Immo post triduum uel amplius, infelicis immo felicis belli reliquias cecorum instar palpitanter errasse, quos a feminis asserunt et conprehensos et in uincula coniectos. 311 [9] (1) JOHANNES: Magnus quidem Alexander, set maior, ut uideo, Symon Alexandro, qui patriarche ac legislatoris in se uirtutem expressit. Nec enim nescis Moyse orante Amalechitas confectos, qui cum lassas manus demitteret, conualescebat Amalech et cum erectas sustineret, uincebat Israel.312 Nec ignoras quod Abraham Loth cum animalibus et omni possessione hostibus interemptis eripuit.313 (2) Quibus ex factis intelligis non minimum prodesse aut merita prelatorum aut proximorum suffragia; quorum exemplaribus instruimur, quid Deo quis nostrum debeat, quid sibi, quid proximo. [10] (1) MATHEVS: Valde peccamus, si aliorum bene gesta non laudamus, set nihil mercedis agimus, si ea, in quantum possumus, non imitamur. Nam cui non inuidus uidear, si auream huius regie columpnam, si patrum reuerentissimum, ex tuis antecessoribus quendam, mutis labiis suppressero? (2) Erat enim eiusdem sancte Gnezdnensis ecclesie, cui tu presides, archipontifex Martinus, cuius nutu, cuius arbitrio totus huius rei publice cardo uertebatur. Cui percrebro Pomorani iuges tendere insidias, nunc toxicatis poculis nunc iugulo seu quauis nece clandestina, tum quod eis ritum inhibet idolatrie, tum quia decimas et primitias ab eis exigebat, tum ut eo sublato regni simul et consilii caput amputent. (3) Cumque diu dolosa nequitii effudissent machinamina – cuncta enim uir prudens industria declinabat – diuinis tandem intentum obsequiis in Spicimiriensi oratorio conprehendere gestiunt.
311
Die Schilderung des im Jahr 1109 erfolgten Überfalls der Pomoranen und ihrer Abwehr folgt im Kern Galli Anonymi cronicae II, 49. 312 Vgl. Ex 17, 11. 313 Vgl. Gn 14, 16.
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fürchten, besonders wenn er für das Heil der Nächsten erbracht wird. Denn der Tod des Körpers löscht den Menschen nicht aus, sondern gewährt ihm Zutritt zum Lohn der Tugend.‘ (8) Nach diesen Worten vertraut er die seinen dem Kampf, sich selbst dem Gebet an und lässt nicht ab, bis jene ganze Menge der Räuber unterliegt und nur wenige [von ihnen] durch Flucht entkommen. Nachdem auf diese Weise alle Beute der seinen zurückgewonnen und die Feinde niedergestreckt waren, trägt er mit den seinen froh den Sieg nach Hause. Ja, die von dem unglücklichen, eigentlich glücklichen Kampf Übriggebliebenen irrten noch drei oder mehr Tage zitternd wie Blinde umher; sie wurden, wie es heißt, von Frauen gefasst und in Fesseln gelegt.311 [9] (1) J o h a n n e s : Wahrhaftig groß [war] Alexander, aber noch größer als Alexander [war], wie ich sehe, Simon, der in seiner Person die Tugenden sowohl des Patriarchen als auch des Gesetzgebers verband. Denn du weißt, so lange Moses betete, wurden die Amalekiter in Schach gehalten, sobald er [aber] die müden Hände senkte, erholte sich Amalek, und solange er [Moses] sie erhoben hielt, siegte Israel. 312 Und dir ist nicht unbekannt, dass Abraham, nachdem er die Feinde getötet hatte, Lot zusammen mit den Tieren und seinem ganzen Besitz gerettet hat.313 (2) Aus diesen Ereignissen erkennst du, dass sowohl die Verdienste der geistlichen Würdenträger als auch die Fürbitten der engsten Freunde nicht wenig nützlich sind; durch ihre Beispiele werden wir belehrt, dass jeder von uns Gott schuldet, was er sich und dem Nächsten [schuldet]. [10] (1) M a t t h ä u s : Wir sündigen schwer, wenn wir die guten Taten anderer nicht loben; aber wir erlangen [auch] keinen Lohn, wenn wir diese nicht so gut wir können nachahmen. Wem würde ich nicht als eifersüchtig erscheinen, wenn ich die goldene Säule dieses Königreiches, wenn ich den ehrwürdigsten Vater, einen deiner Vorgänger, mit Schweigen übergehen würde? (2) War es doch Martin, der Erzbischof der gleichen heiligen Kirche von Gnesen, der du [, Johannes, jetzt] vorstehst, dessen Wink, dessen Urteil den Angelpunkt dieses Gemeinwesens bildete. Die Pomoranen verübten sehr oft Anschläge auf ihn; mal vergifteten sie seine Trinkbecher, mal suchten sie ihn zu erdrosseln oder sonst wie heimlich zu töten, zum einen, weil er ihnen den Götzendienst untersagte, zum anderen, weil er von ihnen Zehnt- und Erstlingsabgaben forderte, dann auch, um mit seinem Tod zugleich das Haupt des Königreiches wie des Rates abzuschlagen. (3) Und da sie schon lange ihre verschlagenen Machenschaften betrieben, der kluge Mann aber allen mit Erfolg entging, suchten sie ihn schließlich zu ergreifen, als er [einmal] in der Kapelle von Spicymierz einen Gottesdienst abhielt.
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(4) Clamor attollitur, hostium impetus in ipsis nuntiatur proastiis. Quid ergo? Fugiendum? at stridens mucro coruscat in ianuis. Rebellandum? at nulla facultas, nullum adminiculum 314 uiribus tremulis, uiribus inbecillibus. Supplicandum? set quando cruentos luporum rictus agni balatus placauerit? Verum ut erat sursum contemplatione porrectus, sic et corpore in altum attollitur. Cuiusdam enim scale beneficio conscendens inter laquearia delitescit. Sic senio uires, pedibus timor addidit alas.315
(5) Illi cateruatim irrumpunt, sacris non parcunt, sancta diripiunt, quendam diocetem qui stupore totus diriguerat, prostratum secus aram conspicantur, archipresulem rati conprehendunt, non sine tripudio absportant. Nec modo illum decimis ac primitiis abrenuntiare iubent, set omnibus catholice fidei deierare muneribus. Numerositatem insuper metalli appendere et pacis perpetuitatem artatur polliceri. (6) Cuius cum uita huiusmodi taxatur commercio, nihil horum annuit. Erat enim uir Deo plenus, fiduciam habens in Domino, non tam de propriis presumens meritis, quam de antistitis suffragiis, cuius uirtutes diligentem discipulum latere non poterant. Presul autem lacrimarum torrente pronus inmergitur et sanctuarium prophanatum et sancta manu contrectari sacrilega luctuose deplangit. Qui aram deuotissime amplexus, precum deuotioni triduanam continuat inediam. (7) Necdum e sanctuario pater uenerabilis gressum dimouerat, cum qui soluit compeditos, Dominus ultionum, libere egit. 316 Quadam enim repentina tam ipsi quam coniuges et paruuli eorum correpti sunt uesania, ut sese inuicem nunc ferro nunc saxis aut stipite appeterent et suorum carissimos non modo ut incognitos, set ut hostes a suis domiciliis persequenter expulsarent. Qui dum alios contingere nequeunt, proprios artus aut unguibus dissecant aut dentibus dimordicant; qua peste non sine prodigioso rugitu, non sine horrenda iactatione plerique illorum expirant. (8) Tamque diu uexati sunt, donec supplicii causa intellecta et sancta sanctorum cum omni supellectile pontifici remittuntur et quantam a diocete poposcerant pecunie quantitatem uiolate mulctam inmunitatis pollicentur. Set catholice fidei caracterem reuerentius profitentur et ecclesiasticis sese muneribus obstringunt.317
314
Vgl. Anm. 234. Vergilius, Aeneis VIII, 224. 316 Vgl. Ps 94 (93), 1 und Ps 146 (145), 7. 317 Die Schilderung der Ereignisse von Spicymierz knüpft an Galli Anonymi cronicae II, 43 an. 315
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(4) Es erhebt sich ein Geschrei, in den Vorstädten wird der Angriff der Feinde gemeldet. Was tun? Fliehen? Doch das gezückte Schwert blitzt an der Tür. Kämpfen? Dazu fehlt die Möglichkeit, die zitternden Kräfte, die schwächlichen Männer bieten keine Hilfe. 314 Um Gnade bitten? Aber wie soll das Blöken eines Lammes die blutgierigen Mäuler der Wölfe zähmen? So wie er durch das Gebet im Geist aufgerichtet wurde, wird er auch im Körper in die Höhe gehoben. Denn dank einer Leiter klettert er nach oben und versteckt sich zwischen dem Gebälk. So gab die Furcht dem Alter Kräfte und den Beinen Flügel. 315
(5) Jene [Pomoranen] brechen als Haufen ein, schonen nicht den heiligen Ort, plündern die Heiligtümer und erblicken einen Geistlichen, der vor Schreck völlig erstarrt am Altar ausgestreckt dalag. Sie halten ihn für den Erzbischof, ergreifen ihn und schleppen ihn nicht ohne Jubel fort. Sie verlangen, dass er nicht nur auf die Zehnt- und Erstlingsabgaben verzichte, sondern auch allen Ämtern des katholischen Glaubens abschwöre. Darüber hinaus wird er gedrängt, eine Menge Gold abzuführen und ewigen Frieden zu versprechen. (6) Und obgleich auf diese Weise sein Leben zum Tausch stand, stimmte er keiner dieser [Forderungen] zu. Er war nämlich ein gottesfürchtiger Mann, der auf den Herrn vertraute, nicht so sehr wegen seiner eigenen Verdienste als aufgrund der Fürbitten des Bischofs, dessen Tugenden ihm als eifrigem Schüler nicht hatten verborgen bleiben können. Der Erzbischof aber wird in Ströme von Tränen getaucht und beweint, dass das Heiligtum entweiht und die heiligen Gegenstände von frevelhafter Hand berührt wurden. Er umarmt den Altar in tiefstem Gebet und fastet drei Tage lang. (7) Der ehrwürdige Vater hatte noch keinen Schritt aus dem Heiligtum getan, als der, der die Gefesselten erlöst, der Herr der Vergeltung, ihn befreit.316 Denn sowohl sie [die Angreifer] selbst als auch ihre Ehefrauen und Kinder werden von einer plötzlichen Raserei erfasst, so dass sie sich gegenseitig mal mit dem Schwert, mal mit Steinen oder einem Knüppel angreifen und die Liebsten der ihren nicht nur wie Unbekannte, sondern wie Feinde aus ihren Wohnungen vertreiben. Und als sie andere nicht mehr ergreifen können, zerfleischen sie ihre eigenen Glieder mit den Nägeln oder zerbeißen sie. Durch diese Seuche kommen die meisten von ihnen nicht ohne schauriges Gebrüll, nicht ohne schreckliches Schütteln ums Leben. (8) Die Qualen aber währen so lange, bis sie die Ursache der Strafe erkennen und die Heiligtümer mit allem Gerät dem Erzbischof zurückgeschickt werden und sie als Strafe für die Verletzung der Immunität die gleiche Summe Geldes versprechen, die sie von dem Geistlichen gefordert hatten. [Seither] bekennen sie respektvoller das Zeichen des katholischen Glaubens und verpflichten sich zu den kirchlichen Abgaben. 317
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[11] (1) JOHANNES: Archam pene federis et raptam ab allophylis et superna quoque restitutam ultione rettulisti.318 Longe tamen hic alius pontifex ab illo Hely319, qui cadens e sella fractis ceruicibus extinctus est.320 Nec uituperandum puto, quod quasi meticulosus, quasi mercennarius non quasi pastor, uidens lupos sese subtraxerit. 321 Inmundum enim est animal, quod tametsi ruminat, fissam tamen ungulam non habet, que est discretio sanctorum animalium322, nam pedes eorum pedes recti, planta pedis planta uituli.323 (2) Pugillatorie siquidem peritis non magis inpetendi quam cedendi utilis est industria. Quod in se Dominus predocuit, in quem dum Iudei tollerent lapides ipse transiens per medium illorum ibat. 324 Aut quis certe mortis metu non trepidet, cum ipsa uita usque ad mortem et paueat et tedeat? Eoque cautius uite prouidendum, quo uberior ex aliquo fructus decerpitur. Vt quid enim sterilis ficulnea terram occupet?325 Hoc est quod Apostolus optat anathema fieri a Cristo pro fratribus, obmisit enim melius ut fratribus expedientius prouideret.326 (3) Et licet platanis muricam uidear inserere, dicam tamen, nec enim flosculus rara insculptus teredine auri rutilantie disconuenit. Erant enim in eadem naui philosophus et scurra.327 Oboritur tempestas, omnes ceca inuoluuntur caligine, fit fragor, clamor attollitur, strident fluctus, rugiunt procelle, nauis nunc abysso fit proxima, in preceps dehiscentibus undis, nunc celsis uicinior nubibus, seuo raptante turbine. (4) Quid hic putas cuilibet animo fuisse, ipso etiam nauclero de salute desperante? Ducit alta philosophus in altum suspiria, mortis, ut crebro consueuerat, crebrius meditatur angustias, trepidat ne post exitum uitam degat confragosam. Nec enim corporis mortem ueritus est, quam esse uite ianuam censebat. Scurra inter hec non modo metum dissimulat, set quiddam leticie ne uecordie dicam, et hystrionico membrorum gestu et fracte modulamine uocis depromit et cachinno concutitur, oloris exemplo misera inuitans miserioris uite solatia. (5) Quid plura? Omnis tandem cessat quassatio, redit aura clementior. Aggratulantibus aliis inuicem, scurra uirum contumeliis lacessit. ,Heus, o tu, inquit, larua philosophi, qui habitum audes presumere sapientum, qui nec umbram geris prudentie! Sapiens enim est, ut sapientibus placet, in quem nullus cadit affec318 319 320 321 322 323 324 325 326 327
Vgl. 1 Sm 4, 11 und 7, 1–2. „Hely“ aus Codex Eugenianus ergänzt. 1 Sm 4, 18 (extinctus = mortuus). Vgl. Jo 10, 12. Vgl. Lv 3, 2–3. Ez 1, 7. Vgl. Jo 8, 59. Vgl. Lk 13, 7. Vgl. Röm 9, 3. Zur nachfolgenden Geschichte vgl. Augustini De civitate Dei IX, 4.
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[11] (1) J o h a n n e s : Du hast berichtet, wie die Bundeslade beinahe von Heiden geraubt, aber auch durch höhere Vergeltung wieder zurückgegeben worden ist. 318 Doch weit ist dieser andere Erzbischof [Martin] von jenem Eli319 entfernt, der sich vom Stuhl fallend das Genick brach und starb. 320 Und dennoch halte ich es nicht für tadelnswert, dass er, als er die Wölfe sah, sich furchtsam und wie ein Mietling und nicht wie ein Hirte unterworfen hat.321 Unrein ist doch ein Tier, das, wenngleich es wiederkäut, keine geteilte Hufe hat (was die Unterscheidung der Opfertiere ist)322, denn deren Beine sind gerade Beine [und] der Huf des Beines ist wie der Huf des Kalbes. 323 (2) Den im Kampf Erfahrenen ist die Klugheit beim Angriff offensichtlich nicht von größerem Nutzen als beim Rückzug. Das hat der Herr durch sein eigenes Beispiel gelehrt, der, als die Juden Steine gegen ihn erhoben, durch ihre Mitte schritt. 324 Wer würde im sicheren Angesicht des Todes nicht vor Angst zittern, wenn selbst das Leben sich bis zum Tod fürchtet und Ekel [vor ihm] empfindet? Man soll das Leben umso vorsichtiger hüten, je ergiebiger die Frucht ist, die aus ihm gezogen wird. Denn wozu soll ein unfruchtbarer Feigenbaum Boden einnehmen?325 Das ist es, was der Apostel wünscht: von Christus für die Brüder verbannt zu werden, denn er hat auf seinen Vorteil verzichtet, um besser für die Brüder zu sorgen.326 (3) Und auch wenn ich die Schnecke zwischen die Platanen zu mischen scheine, sage ich doch: Auch ein von einem seltenen Wurm angenagtes Blümchen beißt sich nicht mit dem Glanz des Goldes. Es befanden sich auf dem gleichen Schiff ein Philosoph und ein Narr. 327 Da kommt ein Sturm auf, alle werden von dunkler Finsternis eingehüllt, es gibt ein Krachen, Geschrei erhebt sich, die Wogen zischen, die Winde brausen, das Schiff verschwindet bald im Abgrund der Wogenberge, bald wird es in wütendem Wirbel bis an die Wolken gehoben. (4) Was glaubst du, in welcher Verfassung die beiden waren, als selbst der Schiffsherr an der Rettung zweifelte? Der Philosoph schickt tiefe Seufzer zum Himmel und bedenkt, wie er es gewohnt war, einmal mehr die Nöte des Todes; er zittert davor, nach dem Tod ein beschwerliches Leben zu fristen, denn er fürchtete nicht den Tod des Körpers, da er ihn für das Tor zum Leben hielt. Der Narr verbirgt unterdessen nicht nur seine Angst, sondern äußert durch Hampeln und Johlen sogar so etwas wie Freude, um nicht zu sagen Wahnsinn. Er wird von Gelächter geschüttelt und nach dem Vorbild des Schwans sucht er trüben Trost für ein noch trüberes Leben. (5) Was weiter? Schließlich hört das ganze Geschüttel auf, kehrt ein sanfterer Wind zurück. Während die anderen sich gegenseitig beglückwünschen, fordert der Narr den Mann mit Beleidigungen heraus: ,He, du Maske eines Philosophen – ruft er –, was wagst du die Pose des Weisen einzunehmen, wenn du nicht einmal einen Schatten von Klugheit hast. Denn weise ist, wie die Weisen sagen, der, den
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tus, ergo nec tristitia nec metus. At in te cor exangue figit meror, pauor occupat! A me igitur, a me prudente disce prudentiam, in quem, ut uidisti, mediis in periculis nulla cecidit mentis trepidatio.‘ (6) Cui philosophus: ,Dudum, inquit, tua tecum scurrilitatis inuoluit naufragium, dudum inmanissime stoliditatis cetus te cum tuis absorbuit. Nihil ergo perditus timere potuit pro perditis, nihil scurra uereri debuit pro uita scurre. Pauendum fuit philosopho pro uita philosophi;‘ fortius igitur pontifici pro uita pontificis. [12] (1) MATHEVS: Gratulor inpendio, quia non est penes te mutui redibitio minor aut tardior comodato. Set pusillum, queso, supereroga et runcinum, quod meum retrogressum compedit et impedit progressum, uel dissolue uel rumpe. Ecce enim a diocete questionibus exigebatur metallum et alia cum iuris iurandi religione. Id si coactus prestitisset, teneretur an non? Et sponsio suppliciis extorta obligat an non? [13] (1) JOHANNES: Ho, ho, non ridere non possum! Sub sarcina gemis et uepres ultro ingrederis! Verumtamen in malis promissis rescinde fidem, in turpi uoto muta decretum.328 Iniqua est promissio que scelere adimpletur. Ad omnem ergo sponsionem, quam uel scelus uel etiam scandalum concomitatur, omnino non teneor. Sponsio uero pecuniaria obligat, nisi iustus metus intercesserit. Iustus autem metus non est, ubi mortis metus non est, uel crociatus corporis, uel id quod pro hiis habetur. De quo habetur: quod metus causa fit, ratum non habetur.329 (2) Vnde Treuerensis et eius prepositus a predonibus capti, dare coguntur et iurare ne repetant. Cumque repetere trepidant metu periurii, absoluit eos apostolicus et mandat, ut predones persequantur et ecclesie bona repetant.330 (3) Est autem, ubi nec iusto metus pretextu rescindi potest obligatio; puta Christiane fidem religionis cum quisquam etiam coactus susceperit, tenere tenetur, quamuis nemo sit cogendus 328
Decretum Gratiani 2. Teil, C. XXII, q. IV, c. V. CIC Dig 4, 2, 1 (fit = gestum erit; habetur = habebo). 330 Ein Überfall von Straßenräubern auf den Trierer Erzbischof ist in der Trierer Historiographie für die Zeit vor dem beginnenden 13. Jahrhundert nicht belegt; allerdings könnte Vincentius hier an eine Erzählung über einen der häufiger vorgekommenen Übergriffe von Adligen auf das Erzstift angeknüpft haben; so wurde zwischen 1212 und 1214 der Trierer Erzbischof Theoderich vom Grafen von Nassau gefangen genommen (MGH SS 24, S. 398); 1122 exkommunizierte Erzbischof Bruno den Grafen Wilhelm von Luxemburg wegen gewaltsamer Übergriffe auf Kirchengut und der Gefangennahme eines Klerikers (Johann Nikolaus von Hontheim, Historia Trevirensis Diplomatica et Pragmatica, Bd. 1, Trier 1750, Nr. 335, S. 506) und um 1060 wurde der Trierer Erzbischof Eberhard im Verlauf einer Fehde vom Luxemburger Grafen Konrad I. gefangenen genommen und misshandelt (Gesta Treverorum, MGH SS 8, S. 182); für die Hinweise danke ich Dr. Jörg Müller, Trier. 329
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kein Gefühl ankommt, also weder Trauer noch Angst. Dein blutleeres Herz aber ist voll von Trauer und von der Angst besetzt! Von mir also, von mir, einem Klugen, den, wie du gesehen hast, inmitten der Gefahr keinerlei Bangen des Geistes befallen hat, lerne die Klugheit.‘ (6) Darauf sprach der Philosoph: ,Schon lange hat deine Narretei dich Schiffbruch erleiden lassen, schon lange hat deine unmäßige Dummheit dich und das deine verschlungen. Weil ein Verlorener aber nichts mehr zu verlieren hat, muss der Narr für das Leben des Narren nichts mehr fürchten. Aber der Philosoph muss für das Leben des Philosophen fürchten‘; umso mehr also ein Erzbischof für das Leben eines Erzbischofs. [12] (1) M a t t h ä u s : Ich gratuliere [dir] zu [diesen] Unkosten [dem Redeaufwand], denn es liegt nicht in deiner Hand, weniger zu geben oder die Rückgabe des Darlehns zu verzögern. Aber zahle, ich bitte [dich], [wenigstens] ein bisschen und löse das Dickicht auf oder zerschlage es, das mich abhält zurückzuschreiten und hindert voranzugehen. Also, hier [meine] Frage: Von dem Geistlichen wurden doch unter heiligem Eid Gold und andere Sachen eingefordert. Wenn er ihn [den Eid] nun unter Zwang abgelegt hat, war er bindend oder nicht? Und bindet ein Gelöbnis, das durch Folter erpresst wurde, oder nicht? [13] (1) J o h a n n e s : Ha, ha! Ich muss lachen! Du stöhnst unter der Last und begibst dich von selbst in das Dornengestrüpp. Aber ja, faulen Versprechen entziehe deine Treue, bei einem verwerfl ichen Gelöbnis ändere deinen Beschluss.328 Ein Versprechen, das durch ein Verbrechen erfüllt wird, ist unbillig. Also bin ich nicht verpfl ichtet, mich an ein Versprechen zu halten, das von einem Verbrechen oder auch [nur] einem Ärgernis begleitet wird. Ein Geldversprechen aber verpflichtet, wenn nicht eine berechtigte Furcht dazwischentritt. Aber es handelt sich da nicht um eine berechtigte Furcht, wo keine Furcht vor dem Tod oder einer Körperverletzung oder etwas, was dafür gehalten wird, besteht. In dieser [Rechtssache] gilt: Was aus Angst begangen wird, hat keine Rechtskraft.329 (2) Daher, als der [Erzbischof] von Trier und sein Probst von Räubern entführt wurden, zwang man sie, [ein Lösegeld] zu geben und zu schwören, es nicht zurückzufordern. Und als sie sich aus Angst, Meineid zu begehen, scheuten, es zurückzufordern, entband sie der Papst und verfügte, dass die Räuber verfolgt und die Kirchengüter zurückgefordert werden.330 (3) Es gibt aber [auch den Fall], bei dem auch unter dem Vorwand einer berechtigten Furcht eine Verpflichtung nicht aufgehoben werden kann: Wenn zum Beispiel jemand den Glauben der christlichen Religion selbst unter Zwang angenommen hat, ist er verpfl ichtet [ihn] beizubehalten, auch wenn niemand zu etwas genötigt werden soll, zu dem er rechts-
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ad id, ad quod inutiliter cogitur, quamuis coacta seruitia Dominus aspernetur, quamuis non sit beneficium, quod ingeritur recusanti, nec sacrificium quod exprimitur inuito. 331 Sepe tamen inuitis beneficia prestantur.332 [14] (1) MATHEVS: Non iniuste igitur Boleslai seueritas in sacrilegos idolatras incanduit, non iniuste ultionem adiecit ultioni. Vix enim illa sacrilegii ultrix pestis quieuerat, cum nec sacre fidei reuerentiam nec pollicitis ullam tenuere fidem. Non timent inpudici apostate salutem fugere nec abhorrent canes persordidi ad uomitum reuerti.333 (2) Omne itaque suorum undique robur contrahit, omnes omnium exacuit uires Boleslaus et ponderat. Surgunt castra contra Maritimam et diuinam agi causam non humanam primipilarius334 antecurrens predocuit. Est enim beati Viti Crusuicie basilica, in cutus pinnaculo quidam inestimabilis et habitus et forme uisus est adolescens, cuius inedicibilis, ut aiunt, splendor, non modo urbem set urbis quoque proastia illustrabat. Hic eo desiliens cum aureo pilo turmas eminus antecedit, non paucis claram numinis uirtutem cernentibus et rei tante misterium tacita ueneratione stupentibus, donec ad urbem Nakel pilum, quod gestabat, quasi uibrans disparuit. (3) Hac ergo animatus fiducia Boleslaus obsidionibus urbem includit, fundibulis circumuolat, tormentis concutit, arietibus pulsat, assultibus inpetit, nihil roboris non attemptat, nihil ingenii inexpertum relinquit. Vident suos urbani numero rarescere, sentiunt sese uiribus destitui. Qui dum uirtute nequeunt, dolo niti contendunt: treugas deliberandi orant et inpetrant, suis interea intimant insidias parent, incautos occupent, uincula presto habeant, quibus quos uelint uinciant. (4) Cumque sit post laborem requies gratissima, omnes pene quieti Boleslaide indulgent, quam et laborum suadent dispendia et presens beati Laurentii iubet ueneratio. Inprouisa ergo de ueprium densetis peditum prosiliunt agmina. Cauerant enim, ne strepitu calcis aut hinnitu caballorum proderentur insidie et ut omni spe
331 Zu diesem Anschnitt vgl. Decretum Gratiani 1. Teil, D. XLV, c. V und 2. Teil, C. XXIII, q. VI, c. IV. 332 Vgl. Senecae De beneficiis V, 20, 1. 333 Vgl. 2 Petr 2, 22. 334 Kürbis S. 132 übersetzt „primipilarius“ hier mit Bischof.
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widrig gezwungen worden ist, auch wenn der Herr erzwungene Dienstpflichten verschmäht, auch wenn keine Wohltat ist, was gegen Widerstand aufgedrängt wird, kein Opfer, was gegen den Willen abgepresst wird. 331 Allerdings werden häufig [solche] Wohltaten gegenüber Unwilligen erbracht.332 [14] (1) M a t t h ä u s : Nicht zu Unrecht also entzündete sich die Strenge Bolesławs [III.] gegen die gottlosen Götzendiener, nicht zu Unrecht antwortete er auf Vergeltung mit Vergeltung. Denn kaum war jene Seuche, die Rächerin der Gottlosigkeit, zur Ruhe gekommen, achteten sie weder den heiligen Glauben noch hielten sie sich an ihre Versprechungen. Die schamlosen Abtrünnigen fürchten weder, dem Heil zu entgehen, noch schrecken die schäbigen Hunde davor zurück, zu ihrem Erbrochenen zurückzukehren.333 (2) Daher zieht Bolesław von überall her sein ganzes Heer zusammen, macht alle Kräfte scharf und wägt sie ab. Die Streitkräfte ziehen gegen Pommern, und der vorauseilende Anführer334 verkündet, dass nicht der Menschen, sondern Gottes Wille geschehe. Es gibt nämlich in Kruschwitz eine Kirche des heiligen Veit, auf deren Giebel ein Jüngling von unglaublicher Haltung und Schönheit zu sehen war, dessen unaussprechlicher Glanz, wie man sagt, nicht nur die Burg, sondern auch das Suburbium erhellte. Dieser [Jüngling] eilt, von diesem [Giebel] herabsteigend den Scharen mit einem goldenen Wurfspieß voran und nicht wenige erkennen die erlauchte Wundermacht des Göttlichen, staunen mit schweigsamer Ehrfurcht über ein so mächtiges Symbol, bis der Wurfspieß, den er trug, gleichsam zitternd gegen die Burg Nakel entschwand. (3) Durch dieses Schutzabkommen also ermutigt schließt Bolesław die Burg [Nakel] durch Belagerungswerke ein, umstellt sie mit Schleudern, erschüttert sie mit Geschossen, stößt mit Rammböcken, stürmt an, lässt keine Kräfte unversucht, keinen Einfall unerprobt. Als die Burgleute sehen, dass die Zahl der ihren schrumpft, fühlen sie, dass sie die Kräfte im Stich lassen. [Und] weil sie sich nicht [mehr] auf [ihre] Tatkraft stützen können, versuchen sie es mit einer List: Sie bitten, einen Waffenstillstand zu erwägen, und erlangen die Zustimmung; ihren eigenen [Leuten] bringen sie unterdessen bei, wie sie Hinterhalte vorbereiten, Unvorsichtige ergreifen, Stricke bei sich haben, mit denen sie diese fesseln wollen. (4) Und weil nach einer Anstrengung Erholung überaus erwünscht ist, geben sich fast alle Männer Bolesławs der Ruhe hin, wie sie sowohl der Aufwand der Mühen nahelegt als auch das gerade [am 10. August 1109] anstehende Fest des heiligen Laurentius gebietet. Unversehens stürzen also Scharen von Fußsoldaten aus dem dichten Dornengestrüpp hervor. Denn sie hatten dafür Sorge getragen, dass sie den Überfall weder durch einen Lärm der Füße noch ein Wiehern der Gäule verrieten. Und da alle Hoffnung auf Flucht abgeschnit-
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fuge amputata, non minus pro salute quam pro uictoria pugnarent. (5) Quorum numerositas trans numerum locustarum omne planum operit, inpetere tamen trepidant, precautas enim intelligunt excubiis insidias. Proinde consertim preporrectis undique cuspidibus, uelut in quodam circo prelium prestolantes consistunt. (6) Tum Boleslaus uultu serenissimo, mente tranquilla: ,Capreas, inquit, proceres, uideo nostris non inuisas leunculis! Nam quis molestos estimet aquilis murilegos, tigribus cornupetas? Si quid tamen uirium habent, nota uobis est illorum ignauia, nostri uirtute primipilarii et hodierni gloria martiris omne illud colliquescit, cum causa iustior et animet exanimes et meticulosissimis pariat audaciam.‘ (7) Quo dicto hinc ipse assilit, inde militie princeps irruit Scarbimirus; auget leonibus famem animositas, fames animositatem irritat. Damis uero terror metum incutit, metus terrorem centuplat et utrumque plus altero plus exanimat, plus eneruat. Dedignatur leonum generositas gregis inbecillis sanguinem lingere, sola cadauerum strage delectatur, turpe putant Lechite, hostium occidione intermissa, spoliis occupari sacrilegis. (8) Quid ergo? linguis omnium loquar nec tante cedis modum uerbis assequar, quia numerum occisorum non aliter scire potes, quam si harenas maris uel celi stellas miseris in calculum. Super quo, si uacat, algoristas consule siue abacistas, quos calculandi agitat sollertia. Huius rei fidem etiam hodie astruunt aggeres instar montium ex inhumatis ossibus coaceruati. Multa insuper milia suis uincti loramentis in Polonie colonias transuecti. Extunc igitur et Nakel et alie quamplures illorum urbes huic regno accessere. 335 [15] (1) JOHANNES: Rex Ammonitarum Thimotheus contra Machabeos conflicturus, acies ordinat, cum iuuenes permiri et uultus et splendoris unus a dextris Iude alter apparet a sinistris et tres istis non dissimiles flammas iaciunt in castra Thimothei. Quibus uisis exterritus, terga uertit non sine suorum periculo, quorum XX milia, dum fugere gestiunt, succumbunt.336 (2) Quem ergo aut illum Boleslai precursorem, aut hos Macha-
335
Die Schilderung der Eroberung von Nakel knüpft an Galli Anonymi cronicae III, 1 an. 336 Vgl. 2 Makk 10, 24 –31.
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ten war, kämpften sie nicht weniger für ihr Heil wie für den Sieg. (5) Eine Menge von ihnen, größer als ein Schwarm Heuschrecken bedeckt die ganze Ebene, doch sie scheuen sich anzugreifen, denn sie merken, dass die Wachen sehr auf Überfälle achtgeben. Also bleiben sie mit nach allen Seiten erhobenen Speeren stehen, als würden sie einen Kampf in irgendeinem Zirkus erwarten. (6) Darauf sprach Bolesław mit sehr ernster Miene, [aber] ruhigem Verstand: ,Ich sehe, meine Vornehmen, dass die Rehe unseren Junglöwen nicht verhasst sind. Denn wer wird Katzen für eine Belästigung der Adler, Hornvieh [für eine Belästigung] der Tiger halten. Sollten sie aber noch über Kräfte verfügen, so kennt ihr doch ihre Feigheit; durch die Tapferkeit unseres Anführers und den Ruhm des heutigen Märtyrers [des hl. Laurentius] wird sie [die feindliche Schar] ganz zerfließen, weil die gerechtere Sache sowohl Tote belebt als auch den Vorsichtigen Wagemut verleiht.‘ (7) Nach diesen Worten stürmt er selber von dieser Seite heran, der Heerführer Skarbimir stürzt von der anderen Seite hinzu; die Wut steigert den Hunger der Löwen, der Hunger reizt die Wut. Den Rehen aber jagt der Schrecken Angst ein, die Angst verhundertfacht den Schrecken und beides [zusammen] entmutigt und entkräftet mehr als [nur] eines von beidem. Der Edelmut der Löwen [aber] verschmäht es, das Blut der mutlosen Herde zu lecken, er wird allein durch die Leichenhaufen beglückt, halten es die Lechiten [doch] für schimpflich, die Niedermetzelung der Feinde zu unterbrechen, um sich frevelhafter Beute zu bemächtigen. (8) Doch was? Selbst wenn ich in allen Sprachen sprechen würde, könnte ich das Ausmaß eines solchen Gemetzels in Worten nicht fassen, da die Zahl der Getöteten nur begriffen werden könnte, wenn man den Sand des Meeres oder die Sterne des Himmels als Rechensteine nutzte. Dazu befrage, wenn du Zeit hast, die Rechenkünstler oder Meister des Rechentischs, die das Rechnen routiniert betreiben. Die Glaubwürdigkeit dieser Geschichte bestätigen noch heute hügelartige Aufschüttungen, die aus den unbegrabenen Knochen [der Getöteten] angehäuft wurden. Darüber hinaus wurden viele Tausende in ihren eigenen Riemen gefesselt in die Kolonien nach Polen hinübergeführt. Seit dieser Zeit traten sowohl Nakel als auch viele andere Burgen jener [Pomoranen] zum Herrschaftsbereich [des Bolesław] hinzu. 335 [15] (1) J o h a n n e s : Timotheos, der König der Ammoniter, ordnet, als er gegen die Makkabäer kämpfen soll, die Schlachtreihen, als [zwei] Jünglinge von ungeheurer Schönheit und Ausstrahlung erscheinen, der eine von der rechten, der andere von der linken Seite, und drei [andere], ihnen nicht unähnliche [Jünglinge] werfen Feuer in die Heerlager des Timotheos. Als diese [das] sehr erschrocken sehen, fl iehen sie nicht ohne Gefahr für sich selbst; 20 000 von ihnen unterliegen, während sie fl iehen wollen.336 (2) Für wen [anderen] soll man also jenen [Jüngling] halten, der dem Bolesław vor-
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bei iuuenes estimare potes, nisi summe, nisi superexcellentis omnipotentie ministros? Adeo illi suorum cura est, ut pro illis uisibiliter nonnumquam celestibus pugnet uirtutibus. A Domino fit hoc et est mirabile in oculis nostris.337 [16] (1) MATHEVS: Ego uero non tam hec miror, quod non aliena sunt iustis iustorum consortia et angelice uite hominibus etiam uisibilia non desunt angelorum adminicula 338 , set peruehementissime stupeo, in fanis etiam idolatrie huiuscemodi prodigia obtingere. Brennus etenim dux Gallorum uicta Macedonia, templa spolians Apollinis: ,Locupletes, inquit, deos largiri hominibus oportere; eos nullis opibus indigere, qui eas omnibus largiri solent.‘ Templum itaque Delphis, quod erat in Parnaso, assilit et habebat lecta peditum LXV milia, Delphi non nisi quatuor milia. (2) Repente omnes templorum antistites et ipse uates cum insignibus et infulis in primam pugnantium aciem procurrunt, aduenisse deum clamant eumque se uidisse. Cuius dum opem inplorant, iuuenem insignis pulcritudinis et duas comites uirgines armatas ex propinquis Diane et Minerue edibus occurrere conspicantur. (3) Mox terre motu portio montis abrupta Gallorum strauit exercitum, confertissimi cunei uulneribus dissipantur. Insequitur tempestas que grandine et frigore saucios absumit. Dux ipse Brennus dolorem uulnerum non ferens, pugione uitam finiuit. Quis ergo talia non miretur in talibus nec stupeat?339 [17] (1) JOHANNES: Stupere te non stupeo, quia demonum astutia ne cogitari quidem, nedum eloqui sine quadam stuporis horripilatione 앚non앚340 potest. Set mirari te miror, cum noueris principes tenebrarum et in angelos lucis transfiguratos341 et lucis opera persepe mentitos, ut in aureis poculis insuspectius misceant aconita. (2) Numne magi pharaonis342, num Simon magus343 a mente excidit? Quid illi qui dixerunt: ,Venimus nostrum tibi, Antoni, prebere fulgorem!‘ Quid ille qui diuinam mentitus maiestatem: ,Quid uis, inquit, a me tibi dari, Antoni?‘344 Innumerabilis est exemplorum
337 338 339 340 341 342 343 344
Ps 118 (117) 23 (fit hoc = factum est istud). Vgl. Anm. 234. Die Geschichte von Brennus nach Iustini Epitoma XXIV, 6 – 8. 앚…앚 Ergänzung von Plezia. Vgl. 1 Kor 11, 14. Vgl. Ex 7, 11–12. Apg 8, 9. Vita Antonii XX / Sp. 144.
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anging, oder diese Jünglinge der Makkabäer, wenn nicht für Diener der höchsten, der vorzüglichsten Allmacht? So sehr sorgt sich diese um die ihren, dass sie bisweilen sichtbar mit himmlischen Kräften für diese kämpft. Das wird vom Herrn bewirkt und ist in unseren Augen ein Wunder.337 [16] (1) M a t t h ä u s : Ich aber wundere mich keineswegs darüber, dass den Gerechten der Beistand der Gerechten nicht fremd ist und Menschen mit einem engelhaften Leben auch die Hilfe338 der Engel nicht fehlt. Aber ich staune doch über die Maßen, dass [ihnen] sogar in den heiligen Bezirken des Götzendienstes derartige Wunderzeichen zuteil werden. Denn als Brennus, der Führer der Gallier, nach seinem Sieg über Makedonien die Tempel des Apollo plünderte, sprach er: ,Es gehört sich, dass die wohlhabenden Götter die Menschen reichlich beschenken, bedürfen sie doch nicht der Schätze, die sie gewöhnlich allen großzügig zuwenden.‘ Daher stürmte er gegen den Tempel von Delphi, der auf dem Parnass lag, wobei er 65 000 Fußsoldaten hatte, Delphi kaum 4000. (2) Plötzlich stürzen alle Tempelpriester und selbst die Seherin mit ihren Insignien und Stirnbinden in die erste Reihe der Kämpfenden und rufen, dass Gott erschienen sei und sie ihn sähen. Als sie seine Hilfe erflehen, erblicken sie einen Jüngling von auffallender Schönheit und zwei [ihn] begleitende bewaffnete Jungfrauen, die [ihnen] aus den nahe gelegenen Tempeln der Diana und Minerva entgegenlaufen. (3) Bald darauf streckt ein durch ein Erdbeben abgebrochener Teil des Berges das Heer der Gallier nieder, wird die überaus dicht gedrängte, keilförmige Schlachtordnung durch die Verletzungen zerstreut. Es folgt ein Sturm, der die Verwundeten im Hagel und Frost dahinrafft. Herzog Brennus setzt, den Schmerz der Wunden nicht ertragend, seinem Leben mit dem Dolch selber ein Ende. Wer also würde sich über solche [Ereignisse] nicht wundern, nicht angesichts solcher [Geschehnisse] erstaunen?339 [17] (1) J o h a n n e s : Dein Staunen erstaunt mich nicht, denn die Verschlagenheit der Teufel ist wirklich nicht begreifbar und kaum 340 kann man von ihr sprechen, ohne dass sich einem aus Verblüffung die Haare sträuben. Mich wundert aber deine Verwunderung, weißt du [doch], dass sich die Fürsten der Finsternis sowohl in Engel des Lichts verwandeln 341 als auch häufig Werke des Lichts vorspiegeln, um in die goldenen Becher [umso] unverdächtiger den Eisenhut zu mischen. (2) Sind uns denn die Zauberer des Pharao342 und Simon der Magier343 entfallen? Was ist mit jenen, die sagen: ,Wir sind gekommen, Antonius, um dir unseren Glanz darzubringen.‘ Was ist mit dem, der göttliche Würde vorspiegelnd sagte: ,Was soll ich dir von mir geben, Antonius?‘344 Zahllos ist die Menge der Beispiele. Aber wir soll-
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copia. Set summopere nobis prouidendum est, ne uel laberintum Dedali texere, uel turrim arguamur exstruere giganteam. Quin immo iter diligentius carpe institutum. [18] (1) MATHEVS: Vt libet. Adhuc igitur uulnerum non detumuerat liuor, nondum siccate cruoris erant aspergines, cum furoris impetus Lemannici Polonie limitibus irrepsisse nuntiatur. Tum Boleslaus: ,Hoc, inquit, uiri, plus uirium, plus animi nobis adicit, quam incutiat terroris. Nam si meticulosi sunt, meticulosum quis metuat? Si animosi, exanimis est, quem animosus non animat. (2) Quippe uirtus uirtutem suscitat et animositas animositatem exercet. Stature sunt gigantee? Quid enim? stat carectum humile, cacuminatas uero pinus ipsa deicit proceritas; plus enim habent ponderis ad ruinam, que ceteris sunt altiora. Multitudinis sunt infinite? certe non indebiles sunt, qui multitudine armantur; de se namque parum confidit, qui multorum eget consortio. (3) Esto tamen, ferrei sint roboris! Gratulor, asperam enim non lenem esse conuenit cotem uirtutis. Nonne in uobis noui? noui utique in uobis robusti silicem pectoris, quod quanto crebrius ferro incutitur, crebrius scintillat. Quid enim aliud loquerentur tot preliorum retro transacta insignia, tot uestra insculpti manu tot uictoriarum tituli, quid huius tam recentis gloria triumphi? Quid denique tam gloriosa nostrorum cruditas uulnerum? Aureis nos, aureis in hostes non tam urgent stimulis, quam griphontei ad uolandum alis attollunt! (4) Cruentis enim leonum rictibus minus audacter occurritur, cum perexigua reptilium natura et lesione ferocior et uulnere sepe fit audacior. Set modestius, uiri, modestius! frenis, ut uideo, magis opus est quam calcaribus! Militaris ante omnia uos in omnibus non tam strennuitatis meminisse conuenit quam discipline!‘ Omnes etenim adeo belli feruorem anhelabant, ut nec uulnusculum ex conflictu nec angustiolam ex uulneribus passi uiderentur. (5) Iam uero imperator Henricus suscepte non inmemor iniurie, Bythomiense municipium multis conatibus attemptauerat, quod quoniam et uiris tutum et situ uidit pene inaccessibile, circa urbem Glogou copias explicat, ciues inprouisis obsidionibus cingit, et quasi quibusdam torcularibus inclu-
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ten uns sehr vorsehen, dass wir nicht beschuldigt werden, ein DaidalosLabyrinth oder einen gigantischen Turm [zu Babel] zu errichten. Umso gewissenhafter beschreite also den eingeschlagenen Weg. [18] (1) M a t t h ä u s : Wie es beliebt. Noch war der blaue Fleck der Wunden nicht abgeschwollen, noch waren die Blutstropfen nicht getrocknet, da wird gemeldet, dass die Deutschen in wütendem Angriff in die Gebiete Polens eindringen. Darauf spricht Bolesław: ,Das gibt uns, Männer, eher Kräfte, eher Mut, als dass es uns Schrecken einjagt. Denn wenn sie [auch] Furcht einflößend sind, wer würde den Furchteinflößenden fürchten. Wenn sie mutig sind, ist der vor Schreck betäubt, den der Mutige nicht ermutigt. (2) Denn Tapferkeit richtet die Tapferkeit auf und der Mut übt den Mut. Sind sie von gigantischer Gestalt? Was also? Das niedrige Riedgras steht, aber die Wipfel der Fichte werden durch ihre hohe Gestalt selber umgestürzt, neigen sie doch umso mehr zum Einsturz, je mehr sie andere überragen. Sind sie eine unzählige Menge? Bestimmt sind die nicht stark, die durch Vielzahl bewaffnet sind; denn zu wenig vertraut in sich, wer der Gemeinschaft der vielen bedarf. (3) Was soll’s, mögen sie von eiserner Kraft sein. Ich begrüße es, denn rau, nicht sanft muss der Schleifstein der Tapferkeit sein. Kenne ich euch nicht? Jedenfalls kenne ich den Feuerstein eures starken Herzens, der je häufiger er mit dem Eisen geschlagen wird, desto häufiger Funken sprüht. Was anderes erzählen denn so viele früher errungene Kampfesabzeichen, so viele von eurer Hand eingeschriebene Siegestitel? Was soll der große Ruhm dieses jüngsten Triumphes? Was schließlich der so ruhmvolle Überfluss unserer Wunden? Nicht mit goldenen Anreizen drängen sie uns gegen die Feinde, sondern richten uns mit den Flügeln der Greife zum Fliegen auf! (4) Den blutigen Rachen der Löwen sollte man freilich weniger waghalsig entgegenlaufen, weil das Verhalten der kleinsten Kriechtiere häufig durch eine absichtliche Verletzung sowohl wilder als durch eine Wunde auch mutiger wird. Aber Besonnenheit, Männer, Besonnenheit! Wie ich sehe, bedarf es mehr der Zügel als der Sporen! Vor allem geziemt euch, bei allem nicht so sehr die kriegerische Tüchtigkeit als die Disziplin nicht zu vergessen.‘ Denn alle atmeten so sehr die Leidenschaft des Krieges, dass weder auf die aus dem Kampf davongetragenen Wunden noch auf die Bedrängnis der Verletzungen geachtet wurde. (5) Schon aber hatte Kaiser Heinrich [V.], der die erlittene Beleidigung nicht vergaß, [1109] mit viel Aufwand die Burg Beuthen angegriffen, und da er sah, dass sie mit Besatzungen gesichert und durch ihre Lage beinahe uneinnehmbar war, breitet er seine Truppen um die Stadt Glogau aus, umzingelt die Bürger mit plötzlichen Belagerungswerken, kesselt sie wie in Kelterpressen ein, erzwingt Geiseln und setzt den Tag der Unterwerfung
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dit, obsides extorquet, deditionis diem constituit. (6) Suas interim illi Boleslao et exponunt et deplangunt angustias, obsides prestitos non tam dedendi animo quam differendi remedio. Quibus rescribit Boleslaus: ,Fuco nihil ignauius, nihil mitius uermiculo fauigena; uterque tamen, iste ab alueo, ille a fucinio arcet uespadios. 345 Potius itaque obsidibus quam libertate carendum. Tutius enim est paucorum saluti non parcere, quam pusillanimitatis ignauia plurimos in discrimen adducere.‘ (7) Huius mandati Glogouienses informantur fiducia, uires colligunt, urbem hii muniunt, ruinas illi resarciunt, set et cesaris castra inde ciues, illinc Boleslaus continuis sollicitant incursibus. Nam qui castrorum inuigilant excubiis, qui Polonie sinus explorant, qui Boleslaidis undelibet tendunt insidias, qui predocinio gaudent occupari, seu qui uite uspiam uenantur stipendia, omnes uel uinculis coniecti Boleslao exhibentur, uel mortis multantur dispendio. (8) At cesar fragoso urbem turbine inuoluit, molibus tormentorum circumtonat, nimbis telorum obruere contendit, saxea tempestate grandinat, fulminibus ingeniorum coruscat. Que illi aut industrie studio declinant, aut in cesaris dampna retorquent. (9) O uere uiriles, o ferreos animos! O transmire uiros constantie, quos nec auri splendor demulcet, nec imperatorie numen inclinat maiestatis! Non hostium illos terret impetus, non laborum frangit asperitas, non ipsa paruulorum pietas emollit. (10) Quia enim patres obliti filiorum acerrime rebellant, nunc machinis eorum paruuli alligantur et saxis ac spiculis parentum exponuntur, nunc omni tormentorum genere paterno sub aspectu territantur, set in cassum. Stat enim inconcusso fixa robore patrum sententia tutius esse patres prole defungi, quam patria ciues exui et honestius libertati quam liberis consulitur. (11) Frustratis igitur uiribus, arte, minis, in diuinam Silencii346 prouinciam signa surgunt bellica, set omine infaustissimo et alite sinistimo. Illa enim, illa Silenciadum strennuitas, que clarissimis ubique triumphis enituit, quod Magno quondam Alexandro tributum soluit347, idem et Lemanno. Qui egre ferentes tantum hostem sue incubare prouincie, orant Boleslaum 345
Eine Vogelart, eine Art Specht; Balzer, Studyum 2 (1935), S. 349 übersetzt den Begriff mit „Hummel“. 346 Hier und im Weiteren als verderbte Schreibung des Landesnamens „Silesia“ gedeutet; anders Zbigniew Kadłubek, Integumentum I „Swieta kraina milczenia“ mistrza Wincentego [Integumentum I „Das heilige Land des Schweigens“ des Magisters Vincentius], Referat wygłoszony na XIII spotkanich mediewistycznych „Silesia“ (19 X 2005), http: / / www.mediewistyka.pl / content / view / 81 / 41 / (10. 11. 2013), der „Silencii“ als metaphorische Bezeichnung versteht und wörtlich mit „des Schweigens“ übersetzt. 347 Vgl. oben Buch I, 9.
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fest. (6) Unterdessen schildern und beklagen jene [Glogauer] dem Bolesław ihre Nöte, [wobei sie erklären,] die Geiseln nicht gestellt zu haben, um sich zu unterwerfen, sondern um Zeit zu gewinnen. Ihnen schreibt Bolesław zurück: ,Es gibt nichts Trägeres als die Drohne, nichts Sanfteres als das Honig gebende Bienchen. Beide aber wehren die Spechte ab; die eine vom Bienenstock, das andere vom Nest. 345 Daher mag man lieber die Geiseln als die Freiheit verlieren. Denn es ist sicherer, keine Rücksicht auf das Heil einiger weniger zu nehmen, als die Mehrheit aus kleinmütiger Feigheit in Gefahr zu bringen.‘ (7) Mit der Zuversicht dieses Befehls ausgestattet sammeln die Glogauer ihre Kräfte, befestigen die einen die Stadt, reparieren die anderen die Breschen. Aber auch die Truppen des Kaisers werden auf der einen Seite von den Bürgern, auf der anderen von Bolesław mit ständigen Angriffen herausgefordert. Denn die, die die Wachen der Heerlager auskundschaften, die die Winkel Polens erkunden, die den Männern Bolesławs überall Hinterhalte stellen, die sich freuen, Beute zu machen, oder die irgendwo dem Sold nachjagen – sie alle werden entweder Bolesław in Fesseln gebunden ausgeliefert oder mit dem Tod bestraft. (8) Der Kaiser wiederum hüllt die Stadt in einen tosenden Wirbelsturm, umdonnert [sie] mit den Steinbrocken der Schleudern, sucht [sie] mit Wolken von Pfeilen zu erdrücken, überschüttet [sie] mit einer Flut von Steinen, wirbelt mit den Blitzen der Geschütze umher. Diese wenden jene mit Eifer und Energie ab oder schleudern sie zum Schaden des Kaisers zurück. (9) Oh, welch’ wahrhaft männliche, wahrhaft eiserne Herzen! Oh, welche Männer von erstaunlicher Standhaftigkeit, die weder der Glanz des Goldes verführt noch der Wille der kaiserlichen Majestät ins Wanken bringt! Nicht der Angriff der Feinde schreckt sie, nicht die Härte der Leiden zerbricht sie und selbst die Liebe zu ihren Kindern erweicht sie nicht. (10) Denn weil sich die Väter ohne Rücksicht auf ihre Kinder leidenschaftlich auflehnen, werden die Kinder nun an die Maschinen gebunden und den Steinen und Pfeilen der Väter ausgesetzt; dann werden sie unter dem Anblick der Väter mit jeder Art Folter erschreckt, doch vergeblich. Der mit unerschütterlicher Kraft gefasste Entschluss der Väter nämlich steht: Besser die Väter verlieren den Nachwuchs, als dass die Bürger des Vaterlandes beraubt werden, und ehrenhafter ist es, sich um die Freiheit als um die Kinder zu sorgen. (11) Da mithin alle Anstrengungen, Kunstgriffe und Drohungen [der Deutschen] zu nichts führten, erheben sie die Kriegszeichen gegen die unvergleichliche Provinz der Schlesier346 , jedoch unter äußerst unglücklichem Vorzeichen und schlechtem Omen. Denn jene, jene Tapferkeit der Schlesier, die überall mit den prächtigsten Triumphen erstrahlte, [zahlt] den Deutschen an Tribut, was sie einst Alexander dem Großen entrichtet hat.347 Da sie ungern einen solchen Feind auf ihrer Provinz liegen sehen,
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ne prelium differat, quia mora trahit in se periculum et satius esse semel cadere quam semper pendere 348; agat intrepide, modum aiunt indubitate reperisse uictorie. Mandat igitur imperatori Boleslaus: (12) ,Rex paratus ad prelium et differens sue testis est ignauie. Tributum exigis – exigebat enim – cruentum in crastino tributum prestolare, nam quid a quo exigere debeas, nostro cras munere condisces!‘ Vt ergo primum dies illuxit, precurrunt hincinde uelites, ut numero sic animositate dispares, ex aduerso acies consistunt et quantum Lemanno 앚animos앚349 auget numerositas, tantum Polonos animosior acuit audacia. (13) Interea Silenciorum non pauca manus a tergo prosiliunt, non paucos ex hostibus in se conuertunt, fugam ex industria simulant, a turmis illos eliciunt, longius prouocant, in prouocatos reflectunt et obliquato cuspidum uibramine prepropere cunctas illorum lanceas simul repellunt et feriunt. Quibus prostratis aduolant alii illorum subsidio et occidunt; rursus alii, item itemque alii, donec omnis pene extremorum exercitus in eos conuertuntur. (14) Vnde non tam medie quam prime acies, que cum tumultus causam ignorant, suos fugere, non persequi autumant et fere diffugio dilabuntur; quos hinc pudor inde Polonus consistere inpellit. Vt ergo erant prime Pragitarum falanges, primo congressu succumbunt, deinde ille gigantee Lemannorum legiones hee a Boleslao ille a Silencianis sternuntur. Alii cursu dubio inter pugnantium acies incerti, quid agant, quibus ferant auxilium, cateruatim hac illac raptantur. (15) Nonnulli toxicatis Plaucorum sagittis depereunt, quibus primipilarie imperatoris cohortes in pedestre coguntur descendere certamen, caballis in ipso ictu uirtute toxici cadentibus. Sic Dominus gloriose magnificatus est, equum et ascensorem proiecit in mare. 350 Exiles tamen et confractas eorum reliquias mesta recollegit Lemannia 351, qui uitam cesaris pro munere et fugam coluere pro triumpho. 352 (16) Superest argumento loci appellatio, ad quem tanta canum confluxerat numerositas, qui tanto cadauerum esu in quandam feritatem prorupere limphaticam, ut nullus illo pateret commeatus, ideoque Caninum Campestre locus ille nuncupatur.
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Senecae Ad Lucilium XXII, 3. 앚…앚 Ergänzung von Plezia. 350 Ex 15, 21 (proiecit = deiecit). 351 „Lemannia“ dürfte (analog zu „Lemanni“ = „Alemani“) auf Alemania zurückgehen und hier als Synonym für das Deutsche Reich zu verstehen sein. 352 Die Schilderung der Auseinandersetzung mit Kaiser Heinrich V. knüpft an Galli Anonymi cronicae III, 3 –15 an. 349
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bitten sie [die Schlesier] Bolesław, den Kampf nicht zu vertagen, weil Aufschub Gefahr nach sich zieht und es besser ist, einmal zu fallen, als stets [in Unsicherheit] zu schweben. 348 Wenn er unerschrocken handelt, sei dies, sagen sie, eine sichere Art, den Sieg zu erlangen. (12) Bolesław teilt also dem Kaiser [Folgendes] mit: ,Der König ist zur Schlacht bereit und, solltest du sie verschieben, Zeuge deiner Feigheit. Du forderst Tribut? (er verlangte ihn nämlich), [so] erwarte morgen eine blutige Abgabe, denn was du davon einfordern musst, erfahre morgen durch unser Geschenk!‘ Und als der Morgen dämmerte, laufen Leichtbewaffnete, die sich nach Zahl und Tapferkeit unterschieden, nach allen Seiten voraus; auf der Gegenseite stellen sich die Kampfreihen auf und so, wie dem Deutschen [Heinrich V.] die Zahl [seiner Truppen den Mut]349 steigert, so macht die Polen die Kühnheit mutiger. (13) Unterdessen stürzen nicht wenige Scharen von Schlesiern von hinten hervor; ziehen zahlreiche Feinde auf sich, täuschen eifrig eine Flucht vor, locken jene aus den Schlachtreihen heraus, reizen sie längere Zeit, wenden sich [dann] gegen die Herausgelockten und stoßen mit dem Schwung ihrer Speere hastig alle ihre Lanzen fort und töten [sie]. Den Niedergeworfenen eilen andere von jenen zur Hilfe, aber [auch diese] fallen; und wiederum andere ebenso, und ebenso andere, bis fast alle Mannschaften der äußersten [Kampfreihen] gegen sie gewendet werden. (14) Daher glauben nicht so sehr die mittleren als die vorderen Kampfreihen [der Deutschen], die die Ursache des Tumultes nicht kennen, dass die ihren nicht [die Feinde] verfolgen, sondern fliehen und lösen sich im Auseinanderstieben beinahe auf. [Allerdings] veranlasst sie einerseits das Schamgefühl, andererseits der Pole [Bolesław] haltzumachen. Und da die Schlachtreihen der Prager [Böhmen] die ersten waren, unterliegen sie im ersten Angriff, alsdann werden jene gigantischen Legionen der Deutschen hier von Bolesław, da von den Schlesiern niedergeworfen. Andere, die mit zögerndem Schritt zwischen die Reihe der Kämpfenden laufen, unschlüssig, was zu tun, wem Hilfe zu bringen, werden dort von ihr scharenweise fortgeschleppt. (15) Einige kommen durch die vergifteten Pfeile der Polovcer um, durch die die vorderen Reihen des Kaisers gezwungen werden, zum Fußkampf abzusteigen, da [auch] die Pferde durch die Wirkung ebendieses Giftes fallen. So wurde der Herr ruhmreich gepriesen, [denn] er warf Ross und Reiter ins Meer. 350 Die traurige Alemania 351 aber sammelte die mageren und zerschlagenen Reste der ihren, die sich das Leben des Kaisers als Gnade und die Flucht als Triumph anrechneten.352 (16) Als Beleg [dafür] ist der Name des Ortes übrig geblieben, an dem eine solche Menge von Hunden zusammengeströmt war, die durch einen solchen Verzehr von Kadavern in eine besinnungslose Rohheit ausbrach, dass keiner bereit war, da entlangzugehen; deswegen wird jener Ort Hundsfeld genannt.
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[19] (1) JOHANNES: Sic ex Ambrorum et Sicambrorum illa cede, cuius non longe ante memini353, omnes etiam permansuete bestie humanum sanguinem sitire didicerant, ut non modo latratiles, quorum natura sua sponte fera est, set et cati soricibus obmissis in homines ultro procurrerent. (2) Ex eodem quoque eorundem cruore fama est, ad talparum quantitatem formicas ebulisse, que domiciliorum penetralibus infuse, non minorem illis cladem inflixere quam Alexander. Quorum uix tandem pauci herbe cuiusdam beneficio seruantur, que Alexandro per sompnum contra toxicatas Ambigeri sagittas fuerat monstrata; hanc illis Alexander contra formicas ostendit. 354 [20] (1) MATHEVS: Porro ducem Bohemie Z(wentopelcum) indilato impetu a regno exterminat, quem quondam a suis propulsatum humanissimo Boleslaus excepit amplexu, piis ablactauit uberibus, quem prius Olomuncensem principem, deinde Pragitis ducem constituit. Tantas autem 앚ille앚355 uices tanti beneficii redibuit, ut cum in se maleficio diffideret, imperatoriam in Boleslaum hostilitatem exaspera앚re앚t.356 Set sue fructum perfidie non infideliter demessuit, quidam enim de suis de consueta illum obiurgans perfidia, pugione transfigit.357 (2) Cuius in locum dux Buriuoy munere Boleslai sufficitur, quem suorum quoque prodidit inuidia, immo fraterna perdidit ambitio. Ideoque rursus in Bohemiam regreditur Boleslaus, cruentum fratricidam 358 expulsat et minorem eius fratrem principatu insignit. 359 Quod illi aput Lemannos plurimum conflauit inuidie, quod imperatoriam sibi uendicaret quasi maiestatem, cum in regnis contiguis arbitratu proprio quos mallet deiceret potenter, quos mallet potenter sublimaret. (3) Et iam pene cuncta finitimorum regna suo coniecerat imperio, iam enim transfinitimos uel gratie serenitate uel quadam stuporis reuerentia deuinxerat, ut qua uix Boleslai nomen attigisset, numen eius coleretur. Non deerant tamen quorundam garula suspiria, tacite loquacitatis singultus, plerisque iugum subactionis detrectantibus. (4) Quorum precipuus, ut erat fortune inpatientissimus aliene, Rusie princeps Wladarides conuenit singu353
Vgl. oben Buch III, 3. Vgl. Iustini Epitoma XII, 10, 2–3. 355 앚…앚 Ergänzung von Plezia. 356 앚…앚 Ergänzung von Plezia. 357 Vgl. Galli Anonymi chronicae III, 16; nach Cosmae Pragensis Chronica III, 27 wurde er am 21. September 1109 vor Glogau mit einem Wurfspieß getötet. 358 Da Vladislav I. den Bruder Borivoj im Januar 1110 Kaiser Heinrich V. auslieferte, der ihn sieben Jahre gefangen hielt, handelte es sich tatsächlich nicht um einen „Brudermord“. 359 Vgl. Galli Anonymi cronicae III, 20. 354
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[19] (1) J o h a n n e s : So hatten aus dem Gemetzel der Ambri und Sigambri, an das ich vor kurzem erinnerte353, auch alle völlig zahm gewordenen Tiere gelernt, nach menschlichem Blut zu dürsten, so dass nicht nur die Kläffer, deren Natur ihre Wildheit ist, sondern auch die Katzen die Spitzmäuse vergaßen und spontan Menschen anfielen. (2) Es geht auch das Gerücht, dass aus ebenderen Blut Ameisen heraussprudelten, so groß wie Maulwürfe, die sich in das Innere der Wohnungen ergossen und jenen ein nicht geringeres Unglück bereiteten als Alexander. Von ihnen wurden schließlich einige wenige dank eines gewissen Krautes gerettet, das dem Alexander im Traum [als Mittel] gegen die vergifteten Pfeile der Ambri gezeigt worden war; dieses [Kraut] gegen die Ameisen zeigte ihnen Alexander.354 [20] (1) M a t t h ä u s : Dann vertreibt Bolesław [III.] mit einem zügigen Überfall Svatopluk, den Herzog von Böhmen, aus der Herrschaft; er hatte ihn einst, als er von den seinen vertrieben wurde, überaus gütig aufgenommen, von den liebevollen Mutterbrüsten entwöhnt und zuerst zum Fürsten von Olmütz, dann [im Mai 1107] zum Herzog von Prag eingesetzt. Er [Svatopluk]355 aber hat die Wechsel einer so großen Gefälligkeit dadurch entgolten, dass er, weil er sich selbst die Übeltat nicht zutraute, die Feindschaft des Kaisers gegen Bolesław entfachte. 356 Doch die Frucht seiner Untreue hat er getreulich geerntet, denn einer der seinen, der ihn für die begangene Untreue bestrafen wollte, durchbohrte ihn mit einem Dolch. 357 (2) An seiner Stelle wurde durch die Gnade Bolesławs Borivoj [II.] nachgewählt, den die Missgunst der seinen ebenfalls verriet, ja [den] der Ehrgeiz des Bruders [Vladislav I.] zugrunde richtete. Daher kehrt Bolesław erneut nach Böhmen zurück, vertreibt den Brudermörder358 und setzt seinen jüngeren Bruder [Sob1slav I.] in der Fürstenherrschaft ein.359 Das hat ihm bei den Deutschen viel Zorn eingetragen, weil er sich, indem er in den benachbarten Königreichen aus eigener Willkür, die einen, die er nicht mochte, erfolgreich stürzte, die einen, die er vorzog, erfolgreich erhob, quasi die kaiserliche Würde anmaßte. (3) Und schon hatte er beinahe alle benachbarten Königreiche seiner Herrschaft unterworfen, schon auch die weiteren Nachbarn sowohl durch das Wohlwollen seiner Gunst als auch eine gewisse Ehrfurcht des Staunens verpflichtet, so dass es kaum einen Ort gab, den Bolesławs Name nicht erreicht hätte, an dem er nicht wie eine göttliche Macht verehrt worden wäre. Es fehlten aber nicht die plappernden Seufzer gewisser [Leute], die Klagen des heimlichen Geschwätzes, da sich viele dem Joch der Unterwerfung entziehen wollten. (4) Deren Rädelsführer, der Fürst der Rus’, Volodar [Rostislavi0], der angesichts fremden Glücks besonders ungeduldig war, tritt mit Einzelnen in Verbindung, wiegelt alle gemeinsam auf, gebietet
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los, sollicitat uniuersos, omnes iubet sue ingenuitatis meminisse, docet quam sit infame tituli genus seruitutis cauterium. Adicit minus miserum esse nasci seruum quam effici360 , cum sit illud inclementia nature, istud naufragium ignauie, cui perfacile quis innatat, set non sine difficultate emergit; multoque honestius esse mortis compendium quam confragose uite dispendia. (5) Eligant ergo, restem debere rumpi an iugulum? Ex occupationibus itaque Boleslai tempus defectionis paulatim aucupantur, omnes unanimiter ab illo desciscunt, omnes in illum conspirant, omnes quasi commune incendium Boleslai gloriam extinctum iri sacramento 앚se앚361 astringunt. Set flabris concitari flamma inmensior didicit non sopiri. Tam inuicti siquidem columpna roboris tantis licet inpacta undique fragoribus, ne concuti quidem potuit nedum euelli. (6) Senatum tamen consulit, uiribusne huic malo potius occurendum, an alias ingenii quadam industria et a quo prius ordiendum. Cunctisque quid opus facto uideretur, tacite percunctantibus, quidam alti sanguinis princeps et principi dignitate proximus, uir magnanimitatis generose, tam strennuus manu quam pectore industrius, ecce ille fame celeberrime Petrus Vlostides, hesitationis nodum non rumpit, non scindit, set salubriter dissoluit. (7) ,Non insipienter, inquit, a sapiente dictum est, sapientiam clamitare in plateis.362 Facillimum enim est hominem uiam nosse prudentie, si se ipsum homo ante cognouerit. En quidem in homine duo sunt: anima et corpus. Ad quid anima? industrie saniori. Ad quid corpus? uirtutum uehiculo. Tolle alterutrum, hominem interimis. (8) Quemlibet ergo uel solo uirium conatu, uel ingeniosa dumtaxat sine uiribus nitentem uersutia, non modo mancum set omnino nullum existimo. Non enim ala sine altera sufficit in uolatu, non rota sine reliqua utilis est in biga. Nec uero stante stipite in ramusculis decet occupari, quod quanto facile tanto minus conducibile, immo ad radicem ponenda est securis363: ab ipso seditionis capite initiandum. (9) Siccato enim fonte riuuli facilius euanescunt. Ipsum ergo, ipsum Wladaridam ante omnes appetendum et licet inaccessibilis nostri uideatur
360 361 362 363
Vgl. CIC Inst 1, 3, 4. 앚…앚 Ergänzung von Plezia. Vgl. Spr 1, 20 –21. Vgl. Mt 3, 10.
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allen, sich ihrer edlen Abstammung zu erinnern, und lehrt [sie], welche Art von Schande das Brenneisen der Knechtschaft sei. Er fügt hinzu, dass es weniger elend sei, als Sklave geboren zu werden als [zu einem Sklaven] gemacht zu werden 360 , da jenes die Ungnade der Natur, dieses ein Schiffbruch der Feigheit sei, in den man sehr leicht hineingerate, aus dem man aber nicht ohne Schwierigkeit wieder auftauche; und es sei der Gewinn des Todes weitaus ehrenvoller als das Übel eines beschwerlichen Lebens. (5) Sie mögen also wählen, ob der Strick oder die Kehle durchgeschnitten werden soll. Daher lauern sie, während Bolesław beschäftigt war, bald auf den Zeitpunkt der Empörung, fallen alle einmütig von ihm ab, verschwören sich 361 alle gegen ihn und alle verpflichten sich durch einen Eid, den Ruhm des Bolesław wie einen öffentlichen Brand auslöschen zu gehen. Doch durch wehende Winde wird die Flamme, wie man weiß, nur größer und nicht erstickt. Und tatsächlich konnte die Säule unbesiegbarer Stärke, so sehr sie auch von allen Seiten mit großem Krachen gestoßen wurde, wirklich nicht erschüttert, geschweige denn herausgerissen werden. (6) [Bolesław] aber fragt den Senat, ob diesem Übel eher mit Gewalt begegnet werden soll oder besser mit irgendeinem listigen Einfall und wer zuerst das Wort ergreifen möchte. Und während alle im Stillen eifrig überlegten, welchen Kunstgriff man anwenden könnte, wird der Knoten des Zauderns von einem gewissen Anführer von hohem Geblüt, der dem Herzog der Würde nach am nächsten stand, einem Mann von edler Hochherzigkeit, so tüchtig mit der Hand wie eifrig im Herzen, von ebenjenem im Ruhm gefeierten Petrus Vlostides weder durchgehauen noch zerrissen, sondern vorteilhaft aufgelöst. (7) ,Nicht unklug – sagt er – sprach der Weise, dass die Weisheit auf den Plätzen laut ruft.362 Denn für den Menschen ist es am leichtesten, den Weg der Klugheit zu erkennen, wenn sich der Mensch zuvor selbst erkannt hat. Da sind im Menschen wenigstens zwei [Teile]: die Seele und der Körper. Wozu die Seele? Für eine vernünftigere Weisheit! Und wozu der Körper? Als Vehikel der Tapferkeit! Nimmst du egal welchen [Teil] weg, tötest du den Menschen. (8) Wer immer sich also entweder allein auf die Macht der Körperkräfte oder [nur auf] die geistreiche Schläue ohne Kräfte stützt, den halte ich nicht nur für einen Krüppel, sondern für einen gänzlichen Niemand. Denn zum Fliegen reicht nicht ein Flügel ohne den zweiten aus und bei einem Zweigespann ist ein Rad ohne das andere nicht nützlich. Solange aber der Baumstamm steht, schickt es sich nicht, sich mit den Ästen zu beschäftigen, was gleichermaßen leicht wie wenig zuträglich ist. Vielmehr ist das Beil an die Wurzel zu legen 363: Mit dem Haupt des Aufstandes selbst ist zu beginnen. (9) Wird nämlich die Quelle ausgetrocknet, verschwinden die Bäche bereitwilliger. Er selbst, Volodar selbst ist vor allen [anderen] zu fassen. Und wenn auch die Schwierigkeit unseres Plans unüberwindlich erscheint, weil das Brüllen
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consilii difficultas, leonum rugitu constrepente in ianuis – multi enim nostrorum erant iam illius corrupti donariis – sperandus tamen est salutaris exitus etiam in difficillimis. Non solum enim semitam, non solum uiam uirtus inuenit in inuio, set et regia strata ubique animositati substernitur. Malo igitur successum nobis deesse quam experimenta uirtutis, etenim uirtute uel etiam ultro in mortem profi cisci preclarum.‘364 (10) Proinde pauca suorum, delectorum tamen assumpta manu, Rusiam ingreditur, titulum transfuge simulat, principis truculentiam se ferre non posse ait, iniuriis actum queritur; dulciores asserit uiro forti exilii angustias, quam domesticas delicias. Aggratulatur Wladarides tanti sibi uiri accessisse uires, gratulantur et sui quasi diuinitus misso tanto comilitonis sodalicio; actum dicunt de Boleslao, actum de Lechitis. (11) Et quoniam gloria principum est celare uerbum365, nulli suorum Petrus rem detegit ante rem. Quibus exilii causas percrebro querentibus: ,non est, inquit, partus uitalis nec utile consilium, si ante diem prodeat in lucem. Non bene non tute teneris auis euolat alis, Icareum per me cur iteretur iter?‘
(12) Simul itaque et propositum aperit et ingreditur institutum. Extemplo inter epulas occupat Laodarium, crinibus abstrahit a mensa, humi prosternit, prostratum uincit, uinctum aquila gallinacium absportat, non sine multa pullorum cede, umbras urticeti pro maternis alis pluribus amplexis.366 Principali tamen decusatum ornatu, preinsigne prestimonii munus Boleslao presentat. (13) Sic seditionis caput amputat, sic sue salutis dispendio367 patrie salutem mercatur, sic omne Boleslai regnum tranquillitati conciliat. Cui Boleslaus in senatus facie festiuo regratiandi assurgit amplexu, offert iugiter omnia omnino recusanti, etiam prestantiorum potissima, tum quia magnanimitas quantumlibet magnis capi dedignatur, tum ne commercium quesisse uideretur non uirtutem.
364
Rhetorica ad Herennium III, 9 (virtute = virtuti, ultro = ultra). Vgl. Spr 25, 2. 366 Die Ipat’evskaja letopis’, Sp. 286 [= PSRL 2] notiert die Entführung für das Jahr 1122. 367 Kürbis S. 146 übersetzt mit „unter Gefahr des eigenen Lebens“, übergeht damit aber die erkennbaren moralischen Bedenken des Chronisten über den aus christlicher Sicht verwerfl ichen Hinterhalt des Petrus, der nach anderen Quellen auch die Ableistung einer hohen Kirchenbuße zur Folge hatte; auch die anschließende, in der Argumentation des Johannes ausgeführte Rechtfertigung zeigt, dass das Vorgehen des Petrus für den Chronisten nicht unproblematisch war. 365
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der Löwen in den Türen dröhnt – denn viele der unseren sind durch seine Geschenke bereits bestochen worden –, bleibt selbst unter den schwierigsten [Umständen] doch die Hoffnung auf einen heilsamen Ausgang. Denn der Mut findet im Unwegsamen nicht nur einen Seitenweg, nicht nur eine Straße, sondern legt der Kühnheit überall auch königliche Pflaster aus. Ich ziehe es also vor, dass uns eher der Erfolg abgehe als die Erprobung [unserer] Tapferkeit; denn für die Tapferkeit ist es etwas Herrliches, auch über den Tod hinauszureichen.‘364 (10) Darauf stellt [Petrus] eine kleine, aber erlesene Schar der seinen zusammen und zieht in die Rus’, wobei er vorgibt, ein Überläufer zu sein: er sagt, dass er die Rohheit [seines] Fürsten nicht ertragen könne, klagt, dass er Misshandlungen erlitten habe; er behauptet, dass für einen tapferen Mann die Beschwernisse der Verbannung süßer seien als die heimatlichen Annehmlichkeiten. Volodar begrüßt, dass ihm die Kräfte eines solchen Mannes zuwachsen; auch seine [Leute] begrüßen, dass [ihnen] wie durch göttliche Fügung eine solche Kriegskameradschaft geschickt worden ist. Um Bolesław ist es, sagen sie, geschehen, um die Lechiten ist es geschehen. (11) Und weil es zum Ruhm der Anführer gehört, eine Sache zu verbergen 365, enthüllt Petrus keinem der seinen vorzeitig den Plan. Als diese immer öfter nach den Gründen der Verbannung fragen, sagt er: ,Weder ist ein Ungeborener lebendig noch ein Plan von Nutzen, wenn er vor dem Tag ans Licht tritt. Weder gut noch sicher fl iegt der Vogel mit jungen Flügeln, warum sollte ich den Weg des Ikarus wiederholen?‘
(12) Daher tut er gleichzeitig [seinen] Vorsatz kund und tritt in [sein] Vorhaben ein. Sogleich ergreift er bei einem Gastmahl den Volodar, zieht ihn an den Haaren vom Tisch, wirft [ihn] auf den Boden, fesselt den Niedergestreckten und schafft den Gefesselten wie der Adler den Hahn fort, nicht ohne ein großes Gemetzel unter den Hühnern anzurichten, von denen mehr die Schatten der Brennnesseln [suchten], als die mütterlichen Flügel umarmten. 366 Den in ein fürstliches Gewand gekleideten [Gefangenen] aber überreicht er dem Bolesław als ein außerordentliches Geschenk. (13) So schlägt er den Kopf des Aufruhrs ab, so erkauft er die Rettung des Vaterlandes mit dem Verlust seines [eigenen] Seelenheils367, so verschafft er dem Königreich des Bolesław vollständige Ruhe. Bolesław, der sich vor dem Senat erhebt, dankt ihm mit einer fröhlichen Umarmung und bietet [ihm Belohnungen]; er [jedoch] lehnt alle, selbst die vorzüglichsten Würden, sogleich vollständig ab, zum einen weil die Großmut verschmäht, von [Geschenken], seien sie auch noch so groß, eingenommen zu werden, zum anderen damit es nicht erscheine, er würde nach Gewinn und nicht nach der Tugend streben.
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[21] (1) JOHANNES: Nouerat, ut uideo, uir prudens in dandis accipiendisque muneribus etsi desit comercium, umbram tamen comercii non deesse. Virtus autem uenalitate censeri non potest; quod si posset, non haberet emptorem, quia ut scientie sic uirtutis nulla est estimatio. 368 Ideo promptum non est huius uirtuti similem assignare. (2) Legisse me tamen memini, cum Babylonii a Dario descissent nec esset spes recuperandi, Zophirus se uerberibus afficit, nasum, aures, labia sibi precidit, Dario solo consilium pandit. Transfuge titulo Babyloniam adit, de Darii crudelitate fingit querelas, iubet illos ex domesticis exemplum capere, quid sit hostibus cauendum. Nota eius nobilitas et uirtus, dux constituitur, multa in paucis prelia secunda facit, Persis ultro cedentibus. Tandem et uniuersum sibi creditum exercitum et urbem Dario tradit. 369 (3) Set est hoc simile permultum dissimile; nam in Zophiro simulatio fallacie, in Petro simulatio fuit cautele. At illa prohibetur, ista permittitur; illa enim de dolo malo nata, ista de bono dolo profecta, quem crebro audis admitti. Cum enim iustus bellum susceperit, utrum aperte pugnet an ex insidiis, nihil ad iustitiam interest.370 In Petro ergo adeps et nucleus, in Zophiro cortex fuit et palea uirtutis. [22] (1) MATHEVS: Vtinam Boleslao Zophiri nota fuisset astutia! Et nota quidem fuit set sero. Satius tamen sero discitur prudentia quam nunquam. Nam huius Wladaridis filius in se parcus, in patrem prodigus, omnes priuate supellectilis ac fisci thesauros in eius redemptionem appendit, preponderare docens religionem pietati, pietatem diuitiis.371 Set paterno peramplissime saucius diu uulnere, cum aperta non posset remediari ultione in hoste dispari, doloris in remedia dolum comminiscitur. (2) Quendam siquidem Pannoniorum, tam sanguine quam dignitate insignem, promissis attemptat, muneribus allicit, auro persuadet, non absimilis transfugii fictionem subornat. Hic non tam ueras quam uerisimiles sui causam exulatus non incallide componit, hanc ait inter precipuas, quod semper huius rei publice amantissimus et coadiutor extiterit, quod sue machinamenta gentis
368 369 370
Vgl. Senecae Ad Lucilium XXVII, 8. Iustini Epitoma I, 10, 15 –22. Decretum Gratiani 2. Teil, C. XXIII, q. II, c. II (enim = autem, iustus = ius-
tum). 371 Über den Freikauf des Volodar berichtet bereits zeitgenössisch Herbord in seiner Vita Ottos von Bamberg. Vincentius rückt hier die Auslösung des bereits 1124 gestorbenen Volodar in einen unmittelbaren Zusammenhang mit erheblich späteren Ereignissen, da Vladimirko erst in den Jahren 1133 –1135 militärisch gegen Bolesław vorging.
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[21] (1) J o h a n n e s : Der kluge Mann hatte gewusst, dass im Geben und Nehmen von Geschenken, auch wenn kein Feilschen darin sein mag, doch [immer] ein Schatten des Schacherns ist. Tugend aber kann nicht durch Käuflichkeit taxiert werden; denn wenn das ginge, gäbe es keinen Käufer, weil es weder für Wissen noch Tugend einen Preis gibt. 368 Daher ist es nicht leicht, der Tugend dieses [Mannes] ein Gleiches zuzuschreiben. (2) Ich erinnere mich jedoch, gelesen zu haben, dass, als die Babylonier von Darius abgefallen waren und keine Hoffnung bestand, sie zurückzugewinnen, Zopyros sich mit Hieben versehen, sich die Nase, die Ohren und die Lippen abgehauen und allein dem Darios [sein] Vorhaben eröffnet hat. Als vermeintlicher Überläufer tritt er auf die Seite Babylons über, erfindet Beschwerden über die Grausamkeit des Darios, mahnt, dass sie sich an den Nachbarn ein Beispiel nehmen, vor dem sich die Feinde in Acht nehmen mögen. Seine edle Abkunft und Tapferkeit sind bekannt; er wird zum Anführer bestimmt, schlägt in kurzer Zeit viele glückliche Schlachten, so dass die Perser freiwillig zurückweichen. Schließlich übergibt er sowohl das ganze ihm anvertraute Heer als auch die Stadt dem Darios. 369 (3) Doch ist in diesem Vergleich viel Ungleiches, denn bei Zopyros ist die Vortäuschung Betrug, bei Petrus eine Vorsichtsmaßnahme gewesen. Und jene ist verboten, diese erlaubt, denn jene entsprang übler List, diese einem guten Vorsatz, was, wie du immer wieder hörst, erlaubt ist. Denn wenn ein Gerechter einen Krieg aufgenommen hat, ob er nun offen oder aus Hinterhalten kämpft, nimmt die Gerechtigkeit keinen Schaden.370 Bei Petrus [sehen wir] also das Mark und den Kern, bei Zopyros die Hülle und Spreu der Tugend. [22] (1) M a t t h ä u s : Oh, wäre Bolesław doch die Verschlagenheit des Zopyros bekannt gewesen! Leider hat er sie zu spät erfahren. Aber besser man lernt die Klugheit zu spät als nie. Denn der Sohn dieses Volodar, [Vladimirko,] der sich selbst gegenüber knickerig, dem Vater gegenüber verschwenderisch war, bietet alle Schätze des privaten Hausrats wie der Staatskasse zu dessen Freikauf auf, womit er zeigt, dass der Glaube mehr wiegt als die Liebe, die Liebe mehr als die Reichtümer.371 Lange war er durch die väterliche Wunde zutiefst verletzt, [und] da er sie durch offene Rache gegen den ungleichen Feind nicht heilen konnte, denkt er sich als Heilmittel gegen den Schmerz eine List aus. (2) Denn er lockt einen sowohl nach Geblüt wie Würde ausgezeichneten Pannonier [Ungarn] mit Versprechungen, verführt [ihn] mit Geschenken, überredet [ihn] mit Gold [und] rüstet ihn heimlich als Überläufer aus. Dieser denkt sich klug nicht so sehr wahre als wahrscheinliche Gründe für seine Verbannung aus. Unter den wichtigsten [Gründen] nennt er diesen, dass er stets als glühender Anhänger und Mitstreiter des Gemeinwesens aufgetreten sei, dass er sich entweder bemüht habe, die Intrigen seines Volkes abzuschwächen, oder dargetan habe, dass
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uel extenuare studuerit uel declinari docuerit. (3) Adicit emulos calumpniandi studio contra se intendisse et falsis ac hostilibus instrumentis super crimine maiestatis in se latam capitis sententiam. Malle se malum declinare inmeritum, quam innoxium caput indebite noxe submittere. Astruit Pannoniam Polonorum sese dicioni subacturum. Igitur non ut transfugam set quasi ciuem patrie genuinum excipit Boleslaus, gloriosa Vislicziensium urbe urbis prefectum constituit. (4) Non siccis oculis, corde amarissimo uix paucula nedum singula uix esingultire queo. Me miserum! pecuale tigridi cruentissime, lupo caularum presidium committitur! Principis etenim nactus absentiam, Laodaridem clam accit, accelerare iubet, ne mora in se trahat periculum372; hostes itaque pre foribus inminere preconatur, principali edicto imperat, qui extra oppidum delituerit, reum esse maiestatis, omni supellectile fisco accessura. Tuendam esse omnibus et urbis et populi salutem. Proinde inclusas muris legiones cruentis leonum rictibus infundit, teterrimis predonum uotis deuouet. In quorum cruore quam inhumane debriata sit inpia barbaries, piget meminisse.373 (5) Extemplo Laodarides tot animarum tanto sanguine plus irritata quam satiata rabie reuertitur. Illum autem proditionis patrem, perditionis filium, alumpnum perfidie primo quidem excellentissimis munerum ueneratur presentiis, quadam gratiarum pompa inebriat, uernantissimis collasciuit amplexibus ac precelse dignitatis apice sublimat. (6) Ceterum proditore nihil in sinistrum suspicante, ut inprouisum iaculum grauius feriat, ut celsior gradus celsius precipitet, eodem pene momenti puncto et extollit et deicit ac deiectum orbat lumine, lingua capulat, genitalia eneruat; ,absit, inquiens, ne de radice colubri, ne de prodigio perfidie pestilentius prodigium propagetur.‘ [23] (1) JOHANNES: Sponsor fidelis, repremiator circumspectus, qui et amico morem gessit et fidem redemit pollicitis nec proditorie messis frugem neglexit. Nec enim decet proditores titulo proditionali esse conspicuos,
372
Vgl. CIC Dig 39, 1, 5, 12. Die Annales Cracovienses (MPH 5, S. 57) notieren das Blutbad unter dem 9. Februar 1135 („Wizlicia cede destruitur“). 373
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sie abgewendet werden müssen. (3) Er fügt hinzu, dass [seine] Rivalen eifrig Verleumdungen gegen ihn gerichtet und mit falschen und feindlichen Hilfsmitteln bewirkt hätten, dass er wegen Hochverrats zum Tode verurteilt worden sei. Er will lieber das unverdiente Übel abwenden als das unschuldige Haupt einer unverschuldeten Strafe aussetzen. Er behauptet, sich [und] Pannonien [Ungarn] der Herrschaft der Polen unterwerfen zu wollen. Und so nimmt Bolesław ihn nicht wie einen Überläufer, sondern wie einen angeborenen Bürger des Vaterlandes auf und setzt ihn als Burgvorsteher in der ruhmreichen Stadt Wislica ein. (4) Nicht mit trockenen Augen, mit bitterstem Herzen kann ich kaum wenige [Worte], geschweige denn die Einzelheiten herausschluchzen. Oh, ich Unglücklicher! Das Vieh wird dem blutgierigsten Tiger, der Schutz des Schafstalls dem Wolf anvertraut! Denn während Herzog [Bolesław] zufällig abwesend ist, ruft er [der Überläufer] heimlich Volodar herbei, mahnt, dass er sich beeile, damit ihm keine Gefahr durch Verzögerung drohe. 372 Er gibt bekannt, dass die Feinde drohend vor den Toren stehen, befiehlt mit herzoglichem Erlass, dass, wer sich außerhalb der Stadt verstecke, des Hochverrats schuldig sei und alle [seine] Habe der Staatskasse zufließen werde. Das Wohl sowohl der Stadt als auch des Volkes müsse von allen beschützt werden. Daraufhin flößt er die in den Mauern eingeschlossenen Scharen den blutgierigen Rachen der Löwen ein, opfert sie den schändlichsten Wünschen der Räuber. Es verdrießt, daran zu erinnern, wie unmenschlich sich die gottlosen Barbaren an ihrem Blut berauschten.373 (5) Volodar, dessen Wut durch so viel Blut so vieler Seelen eher angeregt als gestillt worden war, kehrt sogleich zurück. Jenen aber, den Vater des Verrats, den Sohn der Hölle, den Zögling der Treulosigkeit, ehrt er zuerst mit den vorzüglichsten Geschenken, macht ihn durch einen gewissen Prunk der Danksagungen trunken, zieht ihn in innigsten Umarmungen an sich und erhebt ihn zum höchsten Gipfel der Würde. (6) Als der Verräter aber nichts Unheilverkündendes argwöhnte, [etwa] dass [ihn] ein unvorhergesehener Wurfspieß ernster treffen [oder] er von höherer Stellung tiefer stürzen könnte, in beinahe ebendieser Minute des Augenblicks hebt [Volodar ihn] ebenso empor, wie er [ihn] stürzt. Und dem Gestürzten raubt er das Augenlicht, schneidet ihm die Zunge ab, verstümmelt [seine] Genitalien und spricht: ,Gott verhüte, dass aus der Wurzel der Schlange, dass aus dem Ungeheuer der Treulosigkeit ein noch unheilvolleres Ungeheuer hervorgehe.‘ [23] (1) J o h a n n e s : Ein verlässlicher Bürge, umsichtiger Vergelter, der sowohl dem Freund zu Willen war als auch die Treue mit Versprechungen erkaufte, aber die Erntefrucht des Verrates nicht vernachlässigte. Denn es gehört sich nicht, dass sich Verräter mit dem Ruhm eines Verrats hervor-
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quos tristissimum est ac periniquum premio perfidie prosperari. Vnde Alexander eos, qui Darium in eius gratiam occiderant, extremis iussit interire suppliciis. A cognatis enim suis prius aureis uincitur compedibus 374, qui ut Alexandro placeant, Darium uita priuant, quibus Darius et regna dederat et uitam.375 (2) Set et Antigonus eiusdem Alexandri argyraspidis perfidie munus e uestigio rependit, qui cum sui ducis Eumenis contempnunt imperia, ab Antigono superantur. Nec solum gloriam tot bellorum cum coniugibus et liberis, set et premia longe parte militie perdiderunt. Que ut saltem perfidia repararent, ducem uinctum Antigono exponunt, pacta omni suorum restitutione. (3) Hic protensa cum catena manu: ,Cernitis, inquit, milites, ornamenta ducis uestri, que mihi non hostium quisquam inposuit, uos me ex uictore uictum, ex imperatore fecistis captiuum. Dii periuriorum uindices dent uobis tales exitus, quales uos uestris ducibus dedistis, deuorent uos arma uestra, quibus plures uestros quam hostium duces absumpsistis! Set miseros non decent conuicia‘ – uinctusque cepit ad Antigoni castra precedere. (4) Quem Antigonus illesum custodibus assignat, transactioni suam fidem non amputat.376 Omnibus quidem omnia restituit, set cum restitutis illos orbis domitores suis sub hasta distribuit, perfidie cauterio frontibus inpresso. Cuius quis aput prudentes fuerit exitus, ex hiis uides, quamuis hec lucifuga inter uolucrum reges sub luce uolitet plausu discolore quam nonnulli hodie non modo non reprimunt, set uirtute profligata premiis inuitant. (5) Quia uero manibus occisorum uisus est parentasse, quod de atrocissimo Polonorum occisore sumpsit supplicium, potuit Laodarides iram Boleslai aliquantum demulsisse. Omnis enim animositas, licet inexorabilis, ad multam uindicem mansuescit. [24] (1) MATHEVS: Immo ut erat iniuriarum indignantissimus, indilatas Laodaride penas intorsit. Qui non arte, non dolo, set iusto fulminis impetu, apro frendentius, ad ipsum usque hostem Rusiam penetrat. Verum
374 375 376
Iustini Epitoma XI, 15, 1. Vgl. Iustini Epitoma XII, 5, 10 –11. Die Geschichte von Antigonus nach Iustini Epitoma XIV, 3 – 4.
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tun, und es wäre sehr traurig und überaus ungerecht, wenn sie für ihre Treulosigkeit [auch noch] eine Belohnung erhielten. Daher befahl Alexander diejenigen, die ihm zuliebe den Darios getötet hatten, mit der äußersten Strafe des Todes zu belegen. Denn von seinen eigenen Verwandten wird [Darios] zunächst mit goldenen Fußfesseln gefesselt.374 [Dann] rauben die, denen Darios sowohl Herrschaften wie Leben gegeben hatte, um Alexander zu gefallen, Darios das Leben.375 (2) Aber auch Antigonus vergalt das Geschenk des Verrates den Agyraspiden ebendieses Alexanders auf der Stelle; sie werden von Antigonus, als sie die Befehle seines Heerführers Eumenis verachten, besiegt. [So] büßten sie mitsamt ihren Frauen und Kindern nicht nur den Ruhm so vieler Kriege, sondern auch die durch langen Kriegsdienst erworbenen Belohnungen ein. Um ihr Heil mit Hilfe der Treulosigkeit wiederherzustellen, liefern sie dem Antigonus gegen das Versprechen, dass er ihnen alles zurückerstatte, [ihren] gefesselten Heerführer aus. (3) Dieser spricht mit an der Kette ausgestreckter Hand: ,Ihr erkennt, Soldaten, den Schmuck eures Heerführers, den mir nicht irgendein Feind angelegt hat! Ihr habt mich von einem Sieger zu einem Besiegten, von einem Befehlshaber zu einem Gefangenen gemacht! Mögen euch die Götter, die Rächer der Meineidigen, ein solches Ende gewähren, welches ihr euren Heerführern gewährt, mögen euch eure Waffen verschlingen, mit denen ihr mehr eigene als Heerführer der Feinde verzehrt habt! Doch die Unglücklichen kleiden Vorwürfe nicht.‘ – Und der Gefesselte schritt auf das Lager des Antigonus zu. (4) Antigonus, der der Abmachung seine Treue nicht entzieht, übergibt ihn unverletzt den Wachen.376 Er gibt zwar allen alles zurück, doch wird [ihren] Stirnen, als er jene Bezwinger der Welt mit dem Zurückgegebenen öffentlich an seine [Leute] verteilt, das Brandmal der Treulosigkeit aufgedrückt. Hieraus ersiehst du, welches Ende [der Verrat] bei den Klugen nimmt, auch wenn dieser Nachtschwärmer unter den Königen der Vögel im Licht mit ungleichem Beifall umherfliegt, wehren ihn manche heute keineswegs ab, sondern laden [ihn] mit Belohnungen und Vergewaltigung der Tugend [geradezu] ein. (5) Weil aber durch die Hände der Mörder offenkundig das Totenopfer erbracht worden ist, das vom schrecklichsten Mörder der Polen als Strafe empfangen wurde, könnte Volodar den Zorn des Bolesław [eigentlich] ein gutes Stück beruhigt haben. Denn jede Wut, sei sie noch so unerbittlich, wird durch einen großen Rächer besänftigt. [24] (1) M a t t h ä u s : Da [Bolesław III.] angesichts der Beleidigungen allerdings zutiefst empört war, setzte er Volodar unverzüglich einer Bestrafung aus. Er dringt – nicht mit Tücke und List, sondern mit dem ehrlichen Angriff [s]einer unwiderstehlichen Kraft, mehr mit den Zähnen knirschend als ein Eber – gegen den Feind bis in die Rus’ vor. Jener [Volodar]
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ille male sibi conscius, quadam repente metamorfosi in capream sese transfigurat, lustra nemorum insilit, inter saltus et lucos ferarum delitescit. (2) Quo non reperto Boleslaide truculentius cruentantur, amarius inter desertos greges deseuiunt, quam leones quam tigrides partu orbate. Non enim ipsis gregum ducibus, non fetis indulgent nec fetui, adeo totius in gregis non tam cruore quam in strage gloriantur. Non urbibus, non burgis, non municipiis, non pagis parcitur, nec etas ulli patrocinatur aut sexus infirmior. (3) Nullum dignitatis sublimitas, nullum sanguis generosior a calice sanguinis redimit. Obnixe supplicat superba auri rutilantia, frustra preces accumulat pretexta, purpura seu stragula, antecellit calcepasius carbunculum, carbunculus topasium. Topasius lacrimis inundans: ,Quid tu, inquit, miser onichine, quid tu miser amethiste gemis inter gemmas? Vides quibus, quantis non parcitur?‘ Qui sibi non parcit, mihi uel tibi quomodo parcet?
(4) Adeo uindex gladius hec ore patulo absorbet, illa uoragine flammarum infauillat. Nam torrenti, dum in cursu est, frustra plumas obicis et furenti gladio frastra supplicatur. Sic ultione centuplata Laodarides et infidelis ille Pannonius doli ac perfidie non inmeritas Boleslao penas pendere. [25] (1) JOHANNES: Caueat ergo uir prudens omni credere spiritui, nam utrumque uitium est: et omni credere et nulli. Set alterum tutius, reliquum honestius.377 Etenim credulitas incircumspectionem, incircumspectio negligentiam, negligentia parit ignauiam; ignauia proximo gradu consanguinea fatuitatis est, que soror est feditatum, mater discriminum. (2) Vnde quibusdam prudentum docentibus nihil sciri preter hoc ipsum nihil sciri, adiecit Theofrastus nihil debere credi preter hoc ipsum nihil debere credi. Quod circumspectius corrigens Eudemius: Non nihil, inquit, set pene nulli debere credi, preter si quis hoc ipsum dicat pene nulli debere credi. Esse tamen ubi nec semper nihil nec semper nulli.
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Vgl. Senecae Ad Lucilium III, 4 (nam = enim; omni = omnibus).
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aber verwandelt sich des Unheils bewusst in einer schlagartigen Metamorphose in ein Reh, springt in die Wildnis der Wälder hinein und verbirgt sich in den Schluchten und Hainen unter den wilden Tieren. (2) Als die Männer des Bolesław ihn nicht finden, richten sie ein umso grausameres Blutbad an, wüten schärfer unter der verlassenen Herde als Löwen, als Tiger, denen man die Kleinen geraubt hat. Denn sie nehmen weder auf die Hirten der Herden selbst noch auf die Schwangeren und die Nachkommenschaft Rücksicht, so sehr suchen sie den Ruhm weniger im Blutvergießen als in der völligen Vernichtung der Herde. Sie schonen weder Städte noch Burgen, weder städtische noch ländliche Bezirke; weder schützen Alter noch das schwächere Geschlecht. (3) Niemand wird durch die Vorzüglichkeit seiner Würde [oder] das edlere Geblüt vom Kelch des Blutes erlöst. Standhaft fleht der hochmütige Glanz des Goldes, vergeblich häuft die purpurverbrämte Toga, das Purpurgewand oder der [edle] Teppich Bitten an, übertrifft der Opal den Rubin, der Rubin den Topas. Der in Tränen ausbrechende Topas ruft: ,Was jammerst du, du elender Onyx, was, du elender Amethyst, unter den Edelsteinen? Du siehst doch, wer, welch große [Personen] nicht geschont werden.‘ Wer sich selbst nicht verschont, wie sollte der mich oder dich verschonen?
(4) So verschlingt das rächende Schwert die einen mit weit geöffneter Mündung, äschert die anderen im Schlund der Flammen ein. Denn einem Sturzbach, der in vollem Fluss ist, wirfst du vergeblich Federn entgegen und ein rasendes Schwert wird vergeblich angefleht. So erfahren Volodar und jener treulose Pannonier durch die hundertfache Rache Bolesławs die verdiente Strafe für ihren Betrug und ihre Treulosigkeit. [25] (1) J o h a n n e s : Ein kluger Mann möge sich also hüten, jeder Eingebung Glauben zu schenken, denn das eine wie das andere – jedem wie keinem zu glauben – ist ein Fehler. Doch ist das eine gefahrloser, das andere anständiger. 377 Aber Leichtgläubigkeit erzeugt Unvorsichtigkeit, Unvorsichtigkeit Nachlässigkeit, Nachlässigkeit Trägheit; die Trägheit [aber] ist die engste Verwandte der Dummheit, die die Schwester der Scheußlichkeiten [und] Mutter der Gefahren ist. (2) Daher fügt Theophrast den Lehren der Weisen, dass wir nichts wissen als ebendas, dass wir nichts wissen, hinzu, dass wir nichts glauben sollen als ebendas, dass wir nichts glauben sollen. Vorsichtiger drückt dies Eudemius aus, der sagt: Nicht nichts, sondern fast niemandem soll geglaubt werden, außer jemand sagt ebendies: Fast niemandem soll geglaubt werden. Doch kommt es vor, dass [man] nicht immer nichts und nicht immer niemandem [Glauben schenken soll].
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[26] (1) MATHEVS: Omnium inuictissimus fuit Boleslaus, quem cum arma uincere non potuerint, sola semel uicit credulitas. Quendam enim stirpis regie, a rege Pannoniorum adactum exilio, solito Boleslaus excipit et exhibet affectu ac non modo patrie set et regno restituere parat. Quo intellecto Pannonii dolum credulum circumscribunt, rege siquidem subornante. (2) Primatum primi ex parte senatus ac uniuersi magistratus legatorum uices gerunt. Primo asserunt omne regnum deuotis gratiarum obsequiis ad scabellum Boleslai prouolui, quod serenissimum ipsorum lumen, quod unicum Pannonie remedium tam sereno amplexu collegerit.378 Secundo uultu deiecto, pronis ceruicibus querelas callidissima commentas astutia deplangunt et inexorabiles odii causas in regem conferunt. Tertio subsidiari orant, ut regem propulsent, exulem restituant. (3) Nec multo laborandum subsidio, suas illis copias instituto pene subpetere, utramque tamen maiestatem, et Boleslai et exulis, flagrantissime suspirari ut hec examen colligat, abarceat illa uespadium. (4) Hiis ergo princeps persuasus, cum paucioribus proposito Pannoniam ingreditur. Occurrunt illis Pannoniorum caterue, multa successiue accrescunt milia, omnes exulem regis nomine consalutant, omnes paulatim in transpostremas acies relabuntur. Rem tacite Boleslaus coniectat, Wisseborium accersit, qui princeps erat militie. ,Suspicaris, inquit, Wisseborii, quod suspicor?‘ (5) Qui respondit: ,Quidnam suspicer?‘ ,Cernis, ait, omnes pene in caudam relabi, quorum causa hic agitur?‘ At ille: ,Cur metum aut insidias illorum aut utrumque dissimulem?‘ Cui Boleslaus: ,Quid ergo? non est mora libera nobis!379 Turpe uiris non esse uiros!
Qui preuenit in tempore, preualet in causa. 380 Ictu qui preuenit ictum, uictoriam anticipat.‘ (6) Et ille: ,Pernota nobis huius alee condicio: dampno negligitur iactus anterior.‘ Tum uero quidam alti uir consilii:
378
Boris war von Koloman I. als Sohn aus dessen zweiter Ehe mit der Tochter des Kiever Großfürsten Vladimir Monomach, Eufemia, von der er sich 1113 trennte, nicht anerkannt worden und nach Polen geflohen. 379 Ovidi Metamorphoses II, 143. 380 CIC Cod 8, 17, 2: „… praevalet iure, qui praevenit tempore.“
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[26] (1) M a t t h ä u s : Der von allen Unbesiegbarste ist Bolesław [III.] gewesen, den [nur] einmal, als man ihn mit der Waffe nicht zu besiegen vermochte, allein die Leichtgläubigkeit besiegte. Denn einmal nimmt Bolesław einen aus königlichem Geschlecht, der vom König der Pannonier [Koloman I. von Ungarn] vertrieben wurde, nach der Gewohnheit auf, zeigt ihm seine Liebe und schickt sich an, [ihn] nicht nur dem Vaterland, sondern auch der Königsherrschaft zurückzugeben. Als die Pannonier [Ungarn] von diesem Vorhaben erfahren, übervorteilen sie von ihrem König [Bela II.] offenbar angestiftet den Leichtgläubigen [Bolesław]. (2) Die vornehmsten Großen [der Ungarn] übernehmen im Namen des Senats und des gesamten Magistrats die Aufgabe der Gesandten. Erstens versichern sie, dass sie [ihr] ganzes Königreich in der demütigen Unterwürfigkeit der Dankesschulden dem Schemel Bolesławs zu Füßen legen, weil er ihr erlauchtestes Licht, weil er die einzige Zuflucht Pannoniens [Boris, den Sohn Kolomans I.] mit so huldreicher Liebe aufgenommen habe.378 Zweitens tragen sie klagend mit gesenktem Blick und gebeugtem Nacken in der gewieftesten Verschlagenheit erdichtete Beschwerden vor und geben ihrem König [Bela II.] die Schuld für den unversöhnlichen Hass. Drittens erbitten sie Unterstützung, damit sie den König vertreiben und den Verbannten wieder einsetzen mögen. Sie müssen sich nicht groß um Hilfe bemühen, ihre eigenen Truppen reichen für ihr Vorhaben fast aus. (3) Dennoch bitten sie sowohl die eine wie die andere Hoheit, sowohl Bolesław als auch den Vertriebenen [Boris], mit dem leidenschaftlichsten Seufzen, dass dieser den Schwarm einsammeln, jener den Wespenfresser verjagen möge. (4) Der durch diese [Worte] überredete Herzog fällt mit nur wenigen [Männern] vorsätzlich in Pannonien ein. Scharen von Pannoniern laufen ihnen entgegen, wachsen allmählich zu vielen Tausenden an; alle begrüßen den Vertriebenen [Boris] als König, alle fallen nach und nach in die hintersten Schlachtreihen zurück. Da Bolesław insgeheim den Braten riecht, holt er Wszebór herbei, der [sein] Heerführer war, und spricht: ,Vermutest du, Wszebór, auch, was ich vermute?‘ (5) Dieser antwortet: ,Was sollte ich denn vermuten?‘ ,Siehst du [nicht] – sagt er –, fast alle haben sich in den hinteren Teil zurückfallen lassen; was ist die Ursache dafür?‘ Und jener: ,Warum soll ich ihre Angst oder Intrigen oder beides verhehlen?‘ Dazu Bolesław: ,Was also [tun]? Wir dürfen nicht zögern 379, schimpflich ist es, wenn Männer keine Männer sind!
Wer zeitlich zuvorkommt, setzt sich in der Sache durch 380 , wer dem Schlag mit einem Schlag zuvorkommt, nimmt den Sieg vorweg.‘ (6) Und jener: ,Wir kennen nur zu gut die Bedingung dieses Spiels: Schaden vermeidet [der Speer], der zuerst geworfen wird.‘ Damals aber [sprach] ein gewisser Mann von großer Klugheit:
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Liber tertivs ,Tam subito subitos non conpetit esse peritos, difficiles aditus quisque subit subitus.
Furentis enim est suum in se telum conuertere. Set est opere pretium, ne unde lac speraueris, tuis unguibus sanguinem ultro emulgeas, ne dubium adhuc amicum hostem indubitatum reddideris.‘ (7) Dum hec inuicem altercantur, innumeras eminus cum rege turmas conspicantur. Aiunt Pannonii regi nouo adminicula 381 suorum accedere multorumque multa ueneratione regiam debere coli maiestatem. Quid plura? Concurrunt acies et pila minantia pilis. 382
(8) Geminus Boleslaidas hostis urget, hic a tergo, ille a sincipite. ,Eia, uiri! clamat Boleslaus, ut bene pugnetur, bene pugnans effi cit hostis!‘383
Vnus quandoque fugauit mille et duo decem milia!384 Et exerto mucrone, quem Gruem uocant: ,Didicit, inquit, Grus noster ampliora cruoris flumina e ferreis elicere scapulis et siccare!‘ Igitur non egidas multitia, non callum toracas, non loricas trilix, non calebs defendit galeas, nullum ingenii robur, nullum roboris ingenium. (9) Instar fauille cuncta uentilat, quorumlibet quantalibet corpora, dictu mirabile, quotquot uno pertingit uibramine, non scindit set transuolat, adeo ut quosdam illesos putares, donec aut suo pondere aut aliorum inpulsu in diuersa scissim dilabuntur. Audires cesorum capita nescio quid horrendum rotatim circinando balbutire, horreres capitibus trunca multorum cadauera preconcepto inpetu concurrere, uideres non paucos loripedes, mancos, semitomos plus uulnerum intendere angustie quam prelio. (10) Nec uero minus acriter instat animosus ille Wisseborius, qui suos non minus uiribus, non minus manu animat quam uerbis. ,Virilius, inquit, commilitones, uirilius! dies hec in splendoribus exorta glorie, in gloria fulget semper educate uirtutis, serenior est meridie nec scit occasum. (11) Arta-
381 382 383 384
Vgl. Anm. 234. Lucani Pharsalia I, 7. Ovidi Ex Ponto II, 3, 53. Vgl. Dt 32, 30.
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,Es ist nicht klug, Erstrebtes sofort zu verlangen, und wer schnell an [etwas] herangeht, hat schweren Zugang.
Denn toll ist, wer die Waffe gegen sich selbst wendet. Aber es lohnt die Mühe [des Nachdenkens], ob du nicht mit deinen Krallen freiwillig Blut saugst, wo du Milch erwartest, ob du nicht einen bis dahin unsicheren Freund zu einem unzweifelhaften Feind gemacht hast.‘ (7) Während sie in [diesem] Wortwechsel stritten, erblicken sie in der Ferne unzählige Heerscharen mit dem König. Da sagen die Pannonier, dass dem neuen König ihre [Leute] zu Hilfe381 kommen und dass es sich gehöre, dass die königliche Hoheit von vielen mit großer Ehrerbietung geehrt werde. Was weiter? Die Schlachtreihen laufen zusammen und die Wurfspieße drohen den Wurfspießen. 382
(8) Der Feind bedrängt die Männer Bolesławs doppelt, der eine von hinten, der andere von vorn. ,Ei, Männer – ruft Bolesław –, dass gut gekämpft wird, bewirkt ein gut kämpfender Feind!‘383
Zuweilen hat einer Tausend, [haben] zwei Zehntausende verjagt.384 Und als er das Schwert ergreift, das sie Kranich nennen, sagt er: ,Unser Kranich hat gelernt, noch größere Blutströme aus den eisernen Schultern herauszulocken und auszusaugen.‘ Also schützt das fein gewebte Gewand nicht vor Unwetter, die harte Haut nicht die Brustkörbe, der dreifache Draht nicht die Kettenhemden, der Stahl nicht die Helme, [hilft] weder starker Scharfsinn noch scharfsinnige Stärke. (9) Wie Asche wirbelt er alle umher [und] wie viele auch immer er von ihren so vielen Körpern mit [nur] einem Hieb erreicht, er zerspaltet sie, kaum zu glauben, nicht, sondern durchfliegt sie, so dass du sie für unverletzt gehalten hättest, bis sie entweder durch ihr eigenes Gewicht oder einen Stoß der anderen in zwei Hälften zerfallen. Du hättest die sich im Kreise drehenden Köpfe der Niedergehauenen hören sollen, die ich weiß nicht was Schreckliches stammelten; du wärest erschaudert, dass die enthaupteten Körper vieler mit dem einmal aufgenommenen Schwung [noch weiter] umherliefen; du hättest gesehen, dass sich nicht wenige Humpelnde, Verstümmelte, Zerteilte mehr mit der Not ihrer Verletzungen als mit dem Kampf beschäftigten. (10) Doch nicht weniger heftig setzt [ihnen] jener mutige Wszebór zu, der seine [Männer] nicht weniger mit Taten, nicht weniger mit bewaffneter Hand als mit Worten ermutigt: ,Mannhafter, Kameraden, mannhafter! Dieser Tag, der im Glanz des Ruhmes aufgegangen ist, erstrahlt für immer im Ruhm der züchtigen Tugend, heiterer ist er am Mittag und er kennt keinen Untergang. (11) Werden wir in die Enge getrieben? Die Tapferkeit
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mur? uirtus utique in arto uires colligit, in arto explicat, in arto experitur. Premimur? palme stipes eo surgit procerior, quo sub grauiori mole radix gemit depressior. Concutimur? sic augetur constantia; exploratum enim est columpnas concussione stabiliri et paleas a grano secerni. Atterimur? acruminum est hec natura, ut integra minus oxedinis habeant, crebrius attrita sentiri acriora. (12) Set cur nam fugitur? Fallor, uiri! non fugitur, set hostis insectatur. Orsum omnes, orsum! Vincimus, college, non uincimur! Fugiebat enim quidam non paruus quidem aut honoribus aut genere, set animo degener, cuius nomen uerbo Demosthenes, opere Tersites. Per hunc, proh dolor, filii Effrem intendentes arcum, mittentes sagittas conuersi sunt in die belli.385 (13) Cuius ignauia, cuius fuga non tam uictoriam uictorioso ademit Boleslao, quam titulum uictorie nube quadam obduxit aut, ut uerius dicam, solem sole illustrauit.‘ Nam ad hunc usque diem inestimabilis Boleslai uirtus tametsi crebrius audita fuit, non tamen adeo credita Pannoniis. (14) Cuius dum asturco labore ignoro an uulnere succumbit, pedestri non segnior conflictu dimicat et prosternit. Quem nonnulli hostium quasi fulminis impetum studio declinant. Tandem non uictus set uincendo fatigatus, tot milibus cesis e prelio diuertit. Quem originarius quidam suo equifero subpeditans: ,Memento mei, inquit, domine, dum ueneris in regnum tuum.‘386 (15) Sileat ergo Pannonia, sue fraudis eam pudeat meminisse! Nec uicta nomen uictricis iactitet, ne ignominioso frustra glorietur triumpho, quem tot suorum cruore milium cernit purpurari, quem tot capitum dispendio mercatur.387 Miserum enim est circumscriptionis solatium, quod pluris emeris, minoris emisse mentiri, aut quod pretio plus appenderis, inutile fuisse estimare. Satius existimo sepius circumscribi quam semel mentiri. (16) At uero non indignis illum fuge principem donariis dignatur Boleslaus. Nec enim aut irrepremiatam dissimulare uirtutem, aut inpunitam uoluit negligere ignauiam. Tribus illum donat muneribus: colo, fuso et leporum pellicia. Colus feminam, pensum uersutum, lepus meticulosum significat. Quibus ille intellectis, in oratorio proprio campane loramento
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Ps 78 (77), 9 (arcum, mittentes sagittas = et mittentes arcus). Lk 23, 42. 387 Tatsächlich hat Bolesław III. im Juli 1132 im nordöstlichen Ungarn am Fluss Sajó eine bittere Niederlage hinnehmen müssen. 386
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sammelt in der Enge jedenfalls Kräfte, entfaltet sich in der Enge, wird in der Enge erprobt. Werden wir bedrängt? Der Stamm der Palme erhebt sich umso höher, je schwerer die tiefer gelegene Wurzel unter der Last ächzt. Werden wir erschüttert? So wird [nur unsere] Standhaftigkeit vergrößert. Denn es ist erwiesen, dass Säulen durch Erschütterung standfester werden und die Spreu vom Korn getrennt wird. Werden wir zermürbt? Es ist die Natur der Trauben, dass die unversehrten weniger Säure haben, die zerstampften aber häufiger bitterer schmecken. (12) Aber warum fliehen wir? Ich täusche mich, Männer! Wir fliehen nicht, sondern der Feind bedrängt [uns]. Angefangen, ihr alle, angefangen! Wir siegen, Kameraden, werden nicht besiegt! Es floh aber ein nach Würden und Herkunft nicht unbedeutender, der Gesinnung nach jedoch unedler [Mann], dessen Name dem Wort nach Demosthenes, der Tat nach Tersites war. Durch ihn, oh weh, wurden die Söhne Ephraims, die den Bogen spannten und Pfeile aussandten, am Tag der Schlacht umgedreht. 385 (13) Durch seine Feigheit, seine Flucht hat er dem siegreichen Bolesław nicht so sehr den Sieg geraubt als den Ruhm des Sieges mit einer gewissen Wolke verhüllt oder, um es richtiger zu sagen, die Sonne mit der Sonne erhellt.‘ Obgleich die Pannonier bis zu diesem Tag oft von der unvergleichlichen Tapferkeit Bolesławs gehört hatten, schenkten sie ihr doch nicht viel Glauben. (14) Als sein [Bolesławs] Pferd, ich weiß nicht, ob der Anstrengung oder einer Verletzung erlag, kämpft er im Fußkampf unermüdlicher weiter und streckt [den Feind] nieder. Einige Feinde weichen ihm eifrig wie einem Blitzschlag aus. Schließlich wendet er sich, nicht besiegt, aber durch das Siegen erschöpft, nachdem so viele Krieger getötet wurden, vom Schlachtfeld ab. Da spricht ein Unfreier, der ihm sein wildes Pferd anbietet: ,Gedenke meiner, oh Herr, wenn du in dein Reich [zurück]kommst.‘386 (15) Pannonien also möge schweigen [und] mit Scham seines Betruges gedenken! Und besiegt möge es sich nicht als siegreich rühmen, nicht vergeblich mit einem schändlichen Triumph brüsten, den es durch den Tod so vieler Tausender seiner [Leute] als einen purpurrot gefärbten erkennt, den es mit dem Verlust so vieler Häupter erkauft. 387 Denn armselig ist ein Trost aus Täuschung, [nämlich] vorzuspiegeln, weniger gekauft zu haben, als du gekauft hast, oder zu meinen, was du als Preis ausgehängt hast, sei ungültig gewesen. Ich halte es für besser, öfter [von anderen] übervorteilt zu werden, als einmal [andere] zu belügen. (16) Jenen Anführer der Flucht aber würdigt Bolesław mit angemessenen Geschenken. Denn er wollte weder die Tapferkeit unbelohnt lassen noch die Feigheit straflos übergehen. Er beschenkt ihn mit dreierlei Geschenken: einem Spinnrocken, einer Spindel und einem Hasenfell. Der Spinnrocken bezeichnet das Weib, das gesponnene Garn den Verschlagenen, der Hase den Furchtsamen. Als jener diese [Zeichen] verstand, erhängte er sich in
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suspensus, miserum permisere spiritum exalat. Et sic in colo patibulum, in penso laqueum, in lepore fugam spiritus intelligo. Illum autem, illum originarium ob liberalitatis insigne seruituti emancipat, emancipatum locupletat, locupletatum equestrium pretexta nobilitat. (17) Nihil itaque Boleslao uel industrie defuit aut uirtutis, si modo credulitati parcius laxasset habenas, cui quandoque prudentum aditus due reserant hostiarie: innocentia et confidentia. Quia enim purior conscientie radius nihil intro de se suspicit, nihil extra de alio suspicatur. Et animus generosior res etiam inpossibiles ad possibilem reducit facultatem. Vnde nihil timens, omnia presumens subrepit credulitas. Quia innocens omni credit uerbo set honesto. (18) Nec enim de ea loquor credulitatis specie, quam delatio parturit, lactat assentatio; hec siquidem humano capiti ceruicem pingit equinam388
et asininas excrescere iubet auriculas. Que pestis licet regia, licet omni compta uenustate, si quando ad huius fores principis tussitauit, mox procul absistere iussa est, perturpi confusa repudio. Ad summam itaque de summo Boleslao id accipe: Alter Alexander, alter Cato, Tullius alter, Non minor Alcida, set achillior hic uir Achille.
(19) Qui dum fatale munus a se iam exigi sentiret, testamentales mandat conscribi codicillos389, in quibus et auitarum uices uirtutum et regni successionem quattuor legat filiis, certos tetrarchiarum limites disterminans, eatenus ut penes maiorem natu et Cracouiensis prouincie principatus et auctoritas resideret principandi. De quo si quid humanitus obtigisset, semper etatis maioritas et primogeniture ratio litem successionis decideret. (20) Suggeritur ei de quinto filio adhuc infantulo, cur illius non meminerit, cur nulla illum legationis portione subscripserit? Quibus ille: ,Immo, inquit, longius prememini et legaui.‘ Stupentibus illis, quenam quinta esse posset
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Horatius, Ars poetica 1 (pingit = pictor). Zu diesem Rechtsterminus vgl. CIC Inst 2, 25 („De codicillis“).
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seiner eigenen Kirche am Glockenseil und hauchte sehr elendig seinen elenden Geist aus. Und so deute ich den Spinnrocken als den Galgen, das Garn als den Strick, den Hasen als das Entweichen des Geistes. Jenen aber, jenen Unfreien befreit er [Bolesław] zum Zeichen [seiner] Freigebigkeit aus der Knechtschaft, stattet ihn als Freigelassenen mit Reichtümern aus und erhebt den so Bereicherten in den Ritterstand. (17) So fehlte es Bolesław [III.] also weder an Energie noch an Tapferkeit, hätte er nur die Zügel der Leichtgläubigkeit sparsamer gelockert; dieser eröffnen zuweilen zwei Türwächter den Zugang zu klugen [Menschen]: die Unschuld und das Vertrauen. Denn der reinere Strahl des Gewissens beargwöhnt nach innen nicht sich selbst [und] verdächtigt nach außen nicht den anderen. Und eine edlere Gesinnung führt auch unmögliche Dinge auf ein mögliches Mittel zurück. So schleicht sich eine Leichtgläubigkeit ein, die sich vor nichts fürchtet, alles annimmt. Weil der Unschuldige jedem Wort glaubt, aber dem ehrlichen. (18) Denn ich spreche nicht von jener Art Leichtgläubigkeit, die Denunziation erzeugt, Schmeichelei nährt, weil diese einem menschlichen Kopf einen Pferdehals hinzumalt 388
und Eselsohren wachsen lässt. Diese Seuche, sei sie [auch] eine königliche, sei sie [auch] mit allem Liebreiz geschmückt, wurde, sobald sie sich vor den Türen dieses Fürsten [auch] nur räusperte, sogleich geheißen, sich weit zu entfernen, und durch [diese] schmählichste Zurückweisung beschämt. Zum Schluss höre daher vom trefflichsten Bolesław dies: Ein zweiter Alexander, ein zweiter Cato, ein zweiter Tulius, nicht geringer als Alcides, eher ein Achilles war dieser Mann.
(19) Als er fühlte, dass der Abgabetermin von ihm bereits die Obliegenheit einforderte, erteilt er den Auftrag, Urkunden mit letztwilligen Verfügungen 389 auszustellen, in denen er [seinen] vier Söhnen [Władysław II., Bolesław IV., Mieszko III. und Heinrich von Sandomir] sowohl die Wechsel der angestammten Tugenden als auch die Nachfolge im Königreich vererbt, indem er für die Tetrarchie feste Grenzen bestimmt, dergestalt dass in den Händen des Ältesten sowohl die Herrschaft über die Provinz Krakau als auch die Oberherrschaft verbleiben sollte. Und wenn diesen das treffen sollte, was menschlich ist, sollte immer das Alter und die Berücksichtigung des Erstgeborenen den Streit um die Nachfolge entscheiden. (20) Man erinnert ihn an den fünften Sohn [Kasimir II.], der noch ein kleines Kind war; warum habe er seiner nicht gedacht, warum ihm keinen Erbanteil verschrieben? Ihnen antwortet er: ,Ja gewiss, durchaus habe ich [seiner] gedacht und [ihm etwas] vermacht.‘ Als jene sich wunderten, welcher fünfte Teil unter den vieren dies [denn] sein könnte, fügte jemand, ich weiß nicht, ob scherzend oder ernst, hinzu: ,Seht ihr nicht, dass man für vier Tetrar-
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inter quartas, quidam, nescio ioculariter an serio, subintulit: ,Non cernitis quattuor tetrarchis quadrigam tetrarchie fabricatam? Sic isti paruulo quinte in quadriga rote legatur successio.‘ (21) Cumque de inofficioso pater testamento arguitur, ait: ,In pupilla oculi uideo quattuor ex hac lacrima manare flumina et fluctibus collidi oppositis. Quorum quedam in ipsa sui uehementissima inundatione repente siccantur. Continuo ex aurea situla fons aromatum erumpens eorundem alueos fluminum gemmis prestantibus ad summum inundat. Cesset ergo inofficiosi querela390 , equum enim est partes pupillares tutoribus debere mandari non pupillis. (22) Iam uero iam ingredi iubeor, quo nemo sine saluberrimo accingitur uiatico.‘ Salutari ergo sumpto antidoto, felicem functus est diem princeps felicissimus, pater felicior. De quo incertum est, pacis serenitate prosperior, an belli fuerit gloriosior triumphis. (23) Succedit autem patri Wladislaus, tam primogeniture priuilegiis insignis quam regni successione sublimis, set ambitiosus altero, reliquo fastuosus. Qui eo tristius imperauit, quo iocundius uxoriis indulsit amplexibus. Non enim facile de uxore triumphatur, que semel triumphasse permittitur; nec enim ulcisse contenta est uictricis animositas, nisi queque inuictissimorum colla suis subpeditet imperiis. (24) Vocat igitur uirum semiprincipem, immo semiuirum, qui quarta unius iugeris contentus portiuncula, tot plus quam principes muliebriter sustineat. Quia uero sine difficultate perorat, qui imperat, promptissime uiri animum inclinat. Itaque princeps in se humanissimus uxoris atrocitate ab humanitate desciscit. (25) Nam fraterna exutus pietate, hostiles animos induit et fraterculos adhuc inpuberes, cruentissima rabie insectatur eorumque urbibus occupatis, ipsos exheredare instituit. Qui prona supplicatione prostrati, numen mulieris inexorabile placare student et plus lacrimis quam lingue beneficio perorare contendunt. Set Herebi citius milies mansuefeceris inferias, quam femineam semel exoraueris truculentiam. [27] (1) JOHANNES: Cuidam sapienti nuntiatur filius natus. ,Gratum, inquit, munus ac beneficium nature, set caueri iubeo ne umquam lac sugat
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Vgl. CIC Dig 5, 2, 25 (cesset = cessare, querela = querellam).
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chen einen Tetrarchenwagen für vier Pferde angefertigt hat? So vermacht er diesem Kleinen das fünfte Rad am Wagen.‘ (21) Und als der Vater eines pflichtwidrigen Testaments beschuldigt wird, sagt er: ,In der Pupille des Auges sehe ich aus der einen Träne vier Ströme fl ießen und mit [ihren] gegeneinander schlagenden Wellen zusammenstoßen; manche von ihnen werden selbst in der stärksten Überschwemmung plötzlich trocken gelegt. [Aber] eine ununterbrochen aus einem goldenen Eimer hervorbrechende wohlriechende Quelle überflutet die Betten dieser [vier] Ströme bis zum höchsten [Rand] mit den vorzüglichsten Edelsteinen. Also möge die Klage über die Pflichtwidrigkeit [des Testamentes] aufhören 390 , denn es ist eine gerechte [Sache], die Anteile der Unmündigen den Vormündern und nicht den Unmündigen anzuvertrauen. (22) Schon aber, schon werde ich veranlasst, [den Weg] zu betreten, für den sich niemand ohne das heilsamste Reisegeld rüstet.‘ Nachdem er also die erlösende Wegzehrung [d. h. die Sterbekommunion] eingenommen hatte, beendete der glücklichste Fürst, noch glücklichere Vater seinen glücklichen Tag. Es ist nicht sicher, ob er erfolgreicher im Schönwetter des Friedens oder glorreicher in den Triumphen des Krieges gewesen ist. (23) Dem Vater aber folgt Władysław [II.] nach, der sowohl durch das Vorrecht der Erstgeburt als auch die Nachfolge im Königreich deutlich erhöht war, andererseits aber [auch] ehrgeizig und überdies hochmütig war. Er herrschte umso trostloser, je fröhlicher er sich den Umarmungen seiner Ehefrau [Agnes von Babenberg] hingab. Denn es ist nicht leicht, über eine Ehefrau zu triumphieren, der man einmal zu triumphieren gestattet hat. Der Ehrgeiz der rächenden Siegerin gibt sich nämlich erst zufrieden, wenn er die Hälse der Unbesiegbarsten seinen Befehlen unterworfen hat. (24) Sie nennt [ihren] Mann also einen Halbfürsten, ja einen halben Mann, der sich mit dem Viertel-Stückchen eines Morgen Landes zufrieden gibt [und der] so viele Fürsten [neben sich] weibisch erträgt. Weil aber, wer herrscht, ohne Schwierigkeiten zu Ende redet, beugt sich der Verstand des Mannes bereitwillig. Daher büßt der an sich sehr menschliche Fürst durch die Schrecklichkeit seiner Ehefrau seine Menschlichkeit ein. (25) Der Bruderliebe entkleidet legt er feindliche Gesinnungen an und verfolgt die noch unmündigen kleinen Brüder mit der blutigsten Wut, besetzt ihre Städte und beabsichtigt, sie zu enterben. Diese bemühen sich, niedergebeugt auf Knien mit demütigster Bitte das Begehren der unerbittlichen Frau zu besänftigen, und mehr mit Tränen als durch die Gnade der Sprache beeilen sie sich, [ihre Bitten] vorzutragen. Aber du besänftigst eher tausendmal die Totenopfer des Erebos, als dass du einmal die weibliche Wildheit erweichst. [27] (1) J o h a n n e s : Einem Weisen wird verkündet, dass [ihm] ein Sohn geboren wurde. ,Das ist – sagt er – ein willkommenes Geschenk, eine Gnade
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nisi ab uberibus atrocissime beluarum.‘ Dicunt ei: ,Querendane est lupa?‘ Ait: ,Minime.‘ ,Numquid leena?‘ ,Non.‘ ,Tigris?‘ ,Absit.‘ ,Olophagus?‘ ,Nequaquam.‘ (2) ,Quod ergo animantium omnium est atrocissimum?‘ Respondit: ,Quod omnium est mansuetissimum‘, feminam significans. Est enim omnis mansuetudo feminea omni seueritate truculentior, omni truculentia seuerior. [28] (1) MATHEVS: O infausta belli condicio! Quem paterna colunt reuerentia, hostem sustinent, a quo patrocinium sperari debuit, prelium infligitur. 391 Verumtamen ex ipso uulnere nata est uulneris curatio. Ob inportabile namque mulieris eiusdem iugum, ob inexorabiles odii causas archipontifex Iacobus cum procerum precipuis ad pupillos392 defecerunt, qui sub principe militie, cuius non longe prememini, Wseborio sepius non inprospere contra Wladislaum conflixerunt. (2) Horum freti confidentia iam non lacrimis indulgent pupilli, set armorum studiis animosius insistunt. Est enim omnium artium ubique magistra, est rudium semper eruditiua necessitas. Proinde suorum aliquantisper minus fidens Wladislaus exterorum turmas contrahit; quos illi manu perpaucula fudere, ut fama sit eorum cruore flumen Pilcie, iuxta quod conflictum est, ripas altius inundasse.393 (3) Rursus ergo numerosiores, immo innumeras barbarorum legiones prece quasdam elicit, quasdam pretio conciliat, nonnullas potestatiuo cogit imperatu, omnes in fraternum crassari iubet excidium. Quid faciat agnus anniculus, rabidis undique luporum circumseptus excubiis? Nam quod fuge consilium, quod consilii beneficium, quod beneficii tandem remedium, ubi tanti undique stuporis atrocitas? (4) Et iam quidem omnibus pene dirutis aut presidiatis illorum municipiis, iam quasi uoti compos, circa Posnaniensium urbem, que sola restabat eorum presidio, tam suas quam tibianeorum congesserat copias, iam obsidionum omne ingenium, omne robur explicuerat per gyrum, tanto securior quanto milite copiosior. Delituerant interea pupilli ex industria cum paucis quidem set armorum exercitatissimis, urbis secretius deliberantes subsi-
391 Zu den ersten kriegerischen Auseinandersetzungen Władysławs II. mit seinen jüngeren Stiefbrüdern kam es bereits im Jahr 1142. 392 Anders als Vincentius hier darstellt, waren zumindest Bolesław IV. und Mieszko III. zu Beginn der 1140er Jahre keine minderjährigen Waisen mehr, sondern bereits um die zwanzig Jahre alt. 393 Die Ipat’evskaja letopis’ [= PSRL 2] berichtet zum Jahr 1142, dass Władysław II. Hilfstruppen vom Kiever Fürsten Vsevolod Olegovi0 erhielt (Sp. 313), und zum Jahr 1145, dass er den Brüdern kampflos vier Burgen abgenommen habe (Sp. 318).
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der Natur, aber ich verlange, dass dafür gesorgt wird, dass er niemals andere Milch saugt als von den Brüsten der wildesten Tiere.‘ Sie fragen [ihn]: ,Soll ein Wolf gesucht werden?‘ Sagt er: ,Mindestens.‘ [Sie:] ,Vielleicht eine Löwin?‘ [Er:] ,Nein.‘ [Sie:] ,Einen Tiger?‘ [Er:] ,Auf keinen Fall!‘ [Sie:] ,Einen Holophagus?‘ [Er:] ,Niemals.‘ (2) [Sie:] ,Welches ist also von allen Tieren das wildeste?‘ [Darauf] antwortet er: ,Das, welches von allen das zahmste ist‘, und weist auf eine Frau. Denn alle weibliche Sanftmut ist mit all [ihrer] Strenge härter, mit all [ihrer] Härte strenger. [28] (1) M a t t h ä u s : Oh unheilvoller Zustand des Krieges! Den, den sie mit väterlicher Ehrfurcht verehren, erhalten sie zum Feind; der, von dem Schutz zu erwarten gewesen wäre, entfesselt den Kampf.391 Aber gerade aus der Wunde wird die Heilung der Wunde geboren. Denn infolge des unerträglichen Jochs ebendieses Weibes, infolge [ihres] unerbittlichen Hasses wechselten der Erzbischof Jakob mit den vornehmsten Großen auf die Seite der Waisenknaben 392, die unter dem vorhin erwähnten Heerführer Wszebór immer öfter nicht ohne Erfolg gegen Władysław kämpften. (2) Im Vertrauen auf deren Verwegenheit geben sie sich schon nicht mehr den Tränen hin, sondern greifen mutiger zu den Waffen. Denn die Not ist überall die Lehrmeisterin der Künste, stets die Erzieherin der Ungebildeten. Daher zieht Władysław, der seinen eigenen Truppen eine Zeitlang weniger Zutrauen entgegenbringt, auswärtige Kriegshaufen zusammen. Diese haben jene [aber] mit einer nur sehr kleinen Schar zerstreut, so dass von ihrem Blut – wie es heißt – der Fluss Pilica, an dem das Treffen stattfand, bis zu den Hochufern überschwemmt wurde. 393 (3) Also ruft er erneut zahlreichere, ja unzählige Legionen von Ausländern herbei. Die einen gewinnt er durch Bitten, die anderen durch Bezahlung, einige zwingt er mit herrscherlichem Befehl, allen befiehlt er, sich zur Vernichtung der Brüder zusammenzutun. Was soll ein junges Lamm tun, das von allen Seiten von den wütenden Wächtern der Wölfe umstellt ist? Denn was nutzt ein Fluchtplan, was die Wohltat eines Rates, was schließlich das Mittel der Wohltat, wo ringsum eine solche abscheuliche Dummheit herrscht? (4) Und als sie [die Leute Władysławs] schon beinahe alle ihre [der Juniorfürsten] Burgen zerstört und besetzt hatten, als ginge sein [Władysławs] Wunsch in Erfüllung, versammelte er [im Frühjahr 1146] um die Stadt Posen herum, die allein als ihr [der Juniorfürsten] Stützpunkt übrig geblieben war, sowohl seine eigenen als auch die Truppen der Ausländer. Schon entfaltete er alle Belagerungskünste, alle Kraft der Gehirnwindungen [und] wurde umso sicherer, je größer sein Heer wurde. Unterdessen hatten sich die Waisenknaben absichtlich mit nur wenigen, aber an den Waffen überaus geübten [Männern] versteckt und berieten heimlich, der Stadt Hilfe zu
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dium. (5) Inter quos Mesco ut erat animo promotior et sermone torrentior: ,Satius, inquit, uiri, satius rebus quam uerbis rerum angustie consulitur! Nam et securi uia secura est in inuio et strata publica in dumetis. Nonne planum est falcis iter in carecto? nec strictus erit ensi cursus in districto. Quis inbelle scarabeorum uulgus, quis salaces locustas horruerit? Libeat, queso, tam fortune munus quam uirtutis robur experiri!‘ (6) Hiis dictis paulatim in hostem procedunt, sensim subrepunt, excubias hostium procul a castris occupant, in uincula coniciunt, secreta castrorum fateri iubent; agnoscunt nil suspicari et inter epulas lasciua securitate torpere. Set et ciues eminentissime scuto e muris exerto, euidens oportunitatis argumentum suggerebant. (7) Adhuc ergo erant esce eorum in ore ipsorum et ira Dei ascendit super eos 394: epulantibus insiliunt, incautos obruunt, stupidos obtruncant. Erumpunt ualuis patulis urbani, euolant urbe presidiani, cateruas hostium hincinde uentilant, tardiusculos premunt, spiculantur fugientes et quasi leones inter caprearum greges passim debriantur. (8) Ceterum eis qui fuga uisi sunt prosperari, longe miserior occurrit calamitas. Nam cui forsitan gladii seueritas pepercisset, inundans undarum impetus non pepercit; nec enim pauciores torrens profluentis fluctibus inuoluit, quam fulmen ensis absorbuit, adeo ut pleraque illius reptilia fluminis cruore cadauerum asserantur suffocata. Nec absimiliter in hoc prelio Wladislao successit quam naufrago institori, qui uix nudus emersit naufragio. 395 (9) Munitissime tamen presidiatis urbibus, imperatoriam adit serenitatem 396 , cuius erat sorore uxorius, a quo subsidiari supplicat et que emendicare nequit, emercari studet suffragia. 397 Cracouiam interim uastis obsidionibus uallant non iam pupilli, set principum strennuissimi, Boleslaus et Mesco, illamque illam tigridem, que urbis defensabat presidia, in deditionem accedere iubent. Que urbe uix tandem et opibus excussa, uirum sequi conpellitur, qui tamen in exilii calamitatibus contabuit.
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Ps 78 (77), 30 –31 (super = in). Wohl auch eine Anspielung auf die während des Überfalls auf Posen erfolgte Exkommunizierung Władysławs durch den Gnesener Erzbischof. 396 Vermutlich ironisch gemeint, da Konrad III. nur König war. 397 Dass Władysław bei Konrad um Unterstützung nachsuchte, und zwar auf dem Hoftag zu Kaina Ende März 1146, belegen die Annales Palidenses (MGH SS 16, S. 82) und Annales Magdeburgenses (MGH SS 16, S. 187). 395
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bringen. (5) Unter ihnen sprach Mieszko [III.], der im Geist vorwärtsdrängender und in der Rede mitreißender war: ,Besser, Männer, besser ist es, der Not mit Taten als mit Worten abzuhelfen! Denn für die Axt gibt es auch im Unwegsamen einen sicheren Weg und [auch] im Gestrüpp eine öffentliche Straße. Ist der Weg der Sichel im Riedgras nicht flach, wird der Pfad des Schwertes durch das Gelände um die Stadt herum nicht kurz sein? Wer würde sich vor der unbewaffneten Menge der Käfer, wer vor den geilen Heuschrecken fürchten? Lasst uns, ich bitte [euch], sowohl die Gnade des Schicksals als auch die Stärke der Tapferkeit erproben!‘ (6) Nach diesen Worten rücken sie nach und nach gegen den Feind vor, schleichen sich kaum merklich heran, greifen weit vor den Lagern die Wachen der Feinde an, legen sie in Fesseln und veranlassen sie, die Geheimnisse der Lager preiszugeben. Sie erkennen, dass nichts zu argwöhnen ist und [die Feinde] beim Speisen in leichtsinniger Sorglosigkeit erschlafft sind. Aber auch die Bürger [der Stadt] zeigen sich auf den Mauern mit hoch erhobenem Schild und geben ganz offensichtlich das Zeichen, dass die Gelegenheit günstig ist. (7) Noch war die Speise in ihrem Mund, da entflammte Gottes Zorn wider sie.394 Sie stürzen sich auf die Speisenden, vernichten die Unvorsichtigen, enthaupten die Verwirrten. Durch die geöffneten Tore brechen die Burgleute hervor, aus der Stadt fliegen die Besatzer heraus, von allen Seiten zerstreuen sie die Haufen der Feinde, drängen die Zaudernden, halten Ausschau nach Flüchtenden und wüten wie Löwen in der Ziegenherde in alle Richtungen. (8) Aber die, die sich durch Flucht zu retten versuchen, trifft ein noch schlimmeres Unglück. Denn der, der sich vor der Strenge des Schwertes zufällig rettete, wurde vom heftigen Ansturm der Wellen nicht verschont; denn nicht weniger [Feinde] wurden vom Strudel der überschäumenden Wellen eingehüllt als vom Donnerschlag des Schwertes verschlungen, [und zwar] so sehr, dass – wie behauptet wird – sehr viele Reptilien in jenem Fluss am Blut der Leichen erstickten. In dieser Schlacht erging es Władysław wie einem schiffbrüchigen Kaufmann, der aus dem Schiffsuntergang kaum nackt [wieder] aufgetaucht ist. 395 (9) Sobald er aber die Städte mit Besatzungen stark befestigt hat, tritt er an die kaiserliche Hoheit heran 396 , dessen [Stief-]Schwester [Agnes] seine Ehefrau war, und bittet ihn um Unterstützung, und als er dies nicht erbetteln kann, bemüht er sich, Hilfe zu erkaufen.397 Unterdessen bedrängen Bolesław [IV.] und Mieszko [III.], schon nicht mehr als Waisenknaben, sondern sehr tatkräftige Fürsten, Krakau mit einer gewaltigen Belagerung und zwingen jene besagte Tigerin [Agnes], die die Burg verteidigte, zur Unterwerfung. Als sie schließlich mit Mühe und [ihrer] Reichtümer beraubt die Stadt verließ, wurde sie gezwungen, ihrem Mann zu folgen, der sich im Unglück der Verbannung vor Ärger verzehrte.
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[29] (1) JOHANNES: Est quoddam uolucrum genus, quas nonnulli uranites, alii seponas uocant. Earum est ea natura ut omnium oscinum, etiam sue nature, nisi tempore conceptus dedignentur consortia et quot pullos quelibet educatura est, tot nidos in diuersarum cedrorum cacuminibus edificat et in singulis singula oua ponit. (2) Vnde sepona quasi seorsum ponens dicitur; alias uolucres ad cubandum cogit sicut cuculus currucam. Porro pulli simul nascuntur et euolant, immo stupendum, peruicacitatis uolatu montium et arborum superant suprema et celsis emensis nubibus, quia in humili aspernantur quiescere, sub ipsius etheris puritate, alto nature consilio soporantur, unde uranites id est celestes dicuntur; uranos enim Grece398 , celum Latine. (3) Sepe uento prohibente ad ima descendere non possunt et sic instar fulicarum in aëre fame depereunt. Sic sua istum sepona, id est uxor, transfigurauit, qui dum cedros occupare studuit alienas, in auras uranitis euanuit. Qui turbine ambitionis obstante ad se redire non potuit et sic fame, id est concupiscentia alienorum interiit. (4) Sepe siquidem proprii carentia appetitum 399 gignit alieni. Vnde lucra sectantes accessoria, non modo sua set et se ipsos nonnulli perdidere, illius transmarini uulturis exemplo, qui dum umbram prede captat in gurgite, aspergine gurgitis madefactus, simul preda excutitur et uita. (5) Hoc est quod filiis Israel precipitur, quod si quandoque regem sibi creant, non alienigenam set contribulem400 , qui operum pondera non multiplicaret, qui terminos terre proprie uel aliene non mutaret, non enim procul est ut leges transcendat, qui metas terrarum transmutat. Longe itaque satius est malle defungi proprio, quam insidiari alieno. [30] (1) MATHEVS: Huius religionem sententie pene superstitiose coluit frater et successor Wladislai Boleslaus; nam etsi familiare sit Ade filiis lucra sectari, consultius tamen sibi iste consuluit cupiditatum causas amputare, quam occasiones ambitus aucupari. Igitur sue dignitatis primitias erga fratres plus quam fraterno consecrat affectu, non ea tantum deferens, que ratio successionis postulasset, set inpertinentes quoque prouincias sacra indultione collargiens, Mesconi uidelicet et Henrico. (2) Nam Kazimirum utpote 398 Der Codex Eugenianus (ÖNB Cod. 480, f. 212v) gibt das griechische Wort in lateinischen Buchstaben wieder, so dass vermutet werden darf, dass es auch im Original nicht in griechischen Buchstaben geschrieben war; wenn Kürbis S. 166 „Uranos“ in ihrer Übersetzung dennoch in griechischen Buchstaben druckt, so gibt sie damit der von einem Teil der polnischen Forschung vertretenen, aber höchstwahrscheinlich unzutreffenden Vermutung Ausdruck, Vincentius habe Griechisch gekonnt. 399 Nach Bielowski; bei Plezia „carentiam appetitus“. 400 Vgl. Dt 17, 14 –15.
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[29] (1) J o h a n n e s : Es gibt eine gewisse Vogelart, die manche Uranidae, andere Seponae nennen. Ihre Natur ist es, die Gesellschaft aller [anderen] Vögel, selbst ihrer eigenen Gattung, außer zur Paarungszeit zu meiden. In den Wipfeln verschiedenartiger Zedern baut [dieser Vogel] so viele Nester, wie viele Küken aufzuziehen sind, und in jedes einzelne legt er ein einzelnes Ei. (2) Daher wird er Sepona, sozusagen der „getrennt legende“ genannt; wie der Kuckuck die Grasmücke nötigt er andere Vögel zum Brüten. Danach schlüpfen die Küken gleichzeitig aus und fliegen davon, ja welch Wunder, überwinden in beharrlichem Flug die höchsten Berge und Bäume und sobald sie über die höchsten Wolken gelangen, rasten sie in deren reinem Äther, was sie in der niedrigen [Wolke] verschmähen. Daher werden sie Uranidae, das heißt die Himmlischen, genannt; denn [Himmel bedeutet] auf Griechisch 398 Uranos, auf Latein caelum. (3) Wenn der Wind sie hindert, können sie oft nicht in die Tiefe hinabsteigen und kommen auf diese Weise wie ein Blässhuhn in der Luft vor Hunger um. So hat seine Sepona, das ist die Ehefrau, diesen [Władysław] verwandelt, der in den Lüften des Himmels verschwand, als er die fremden Zedern zu besetzen versuchte. (4) Denn oft erzeugt der Mangel an eigenen [Gütern] das Verlangen 399 nach fremden. Daher haben manche, die zusätzlichen Gewinnen nachjagen, nicht nur ihre [Güter], sondern auch sich selbst zugrunde gerichtet, wie das Beispiel jenes Geiers von jenseits des Meeres [zeigt], der, als er in einem Strudel den Schatten einer Beute ergreift, vom Wasser des Strudels durchnässt Beute und Leben zugleich verliert. (5) Das ist es, weshalb den Söhnen Israels geheißen wird, dass sie sich, wenn sie einen König wählen, nicht einen fremden, sondern einen aus eigenem Stamm [wählen sollen]400 , der die Lasten der Verteidigungswerke nicht vervielfacht, der die Grenzen des eigenen oder fremden Landes nicht verändert. Denn nicht fern davon, die Gesetze zu überschreiten, ist, wer die Grenzen der Länder verändert. Daher ist es weit besser, sich mit dem Eigenen begnügen zu wollen, als dem Fremden nachzustellen. [30] (1) M a t t h ä u s : Den Glauben an diesen Gedanken hat der Bruder und Nachfolger Władysławs, Bolesław [IV.], fast abergläubisch gepflegt. Denn obgleich es den Söhnen Adams geläufig sein mag, Gewinnen nachzujagen, war dieser doch mehr darauf bedacht, bei sich die Ursachen der Begierden abzuschneiden, als die günstigen Gelegenheiten des Ehrgeizes zu ergreifen. Daher heiligt er die Erstlingsgaben seines Amts gegenüber den Brüdern mit mehr als brüderlicher Liebe, indem er [ihnen] nicht bloß [das] überträgt, was das Prinzip der Nachfolge verlangte, sondern aus ehrwürdiger Gnade auch nicht dazugehörige Provinzen großzügig verschenkt, nämlich an Mieszko [III.] und Heinrich [von Sandomir]. (2) Den
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adolescentulum401 quasi filium familias in sacris suis aliquantisper exhibuit, non ut illi gratiam participii prorsus inuideret, set ne tenellum uitis palmitem sine paxili adminiculo402 uento leuitatis exponeret. Nemo enim ex insipientibus sibi est relinquendus, quia quod est flamme oleum, hoc adolescenti libertas. Vnde quidam: ,Byssinas, inquit, infantie fascias natura detexuit, aureas adolescentie cathenas prudentia fabricauit.‘ (3) At uero Wladislaus sui non inmemor, cum sufficientem sese ulciscendi non haberet facultatem, regem Pragitarum utcumque sibi conciliat. Cuius ope Rufi flammas draconis contra Boleslaum sollicitat, causam affinitatis pro se, cogentissimam sanguinis rationem pro uxore ac liberis aput imperatorie culmen maiestatis allegat, presertim cum in ipso sit asilum refugii, portus naufragantium, desolationis solatium, unicum desperationis remedium, totius denique calamitatis subsidium. (4) Proinde non tam allegationibus persuasus quam inportunis illius precibus illectus, imperator Boleslaum crebris legatorum interpellationibus fatigat, ut fratrem non regno set patrimonii consortio restituat. Qui quanto pertinacius monitis parere detrectat, tanto acrius animositatem in se imperatoris exasperat, quia nec inpune contra stimulum calcitratur, nec secure contra torrentis impetum nauigatur. (5) Igitur omne imperii robur in unum uirum coniurat, manus omnium contra Boleslaum, manus Boleslai contra omnes. Bicorne illi diadema proponitur, aut regno cedat aut campestrem belli conflictum non declinet. Set utrumque uir industrius de die in diem procrastinans, sine bello confligit, sine prelio triumphat. Amputat enim ac intercludit omnia undiqueuersum pabulaminum subsidia, unde in castris hostium paulatim increbrescente rerum inedia, illud inuictissimarum robur legionum, ille famosissimorum falanges famis peste contabuerunt. (6) Non parui denique temporis interiectu, exule ultimum functo diem, non minis institit imperator set precibus, non armis instat set gratia, ut sicut in fratre delinquente districtus extitit, sic in reliquiis eius non inpius appareat, ut saltem ipsius orphanorum ipsum misereatur. Non enim equum
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Kasimir II. war beim Herrschaftsantritt Bolesławs IV. als Krakauer Senior (1146) erst acht Jahre alt. 402 Vgl. Anm. 234.
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Jüngling401 Kasimir aber unterhielt er eine Zeitlang wie einen Sohn in seiner eigenen ehrwürdigen Hausgemeinschaft, nicht weil er ihm die Gunst der Teilhabe nicht gegönnt hätte, sondern um den zarten Rebzweig nicht ohne Stützpfahl402 dem Wind der Leichtfertigkeit auszusetzen. Denn kein Unverständiger sollte sich selber überlassen bleiben, weil die Freiheit für den Jüngling das ist, was das Öl für die Flamme. Daher hat irgendjemand [auch] gesagt: ,Die Natur hat für die Säuglinge Leinenwindeln gewebt [und] die Erfahrung für die Jugend Ketten aus Gold geschmiedet.‘ (3) Władysław aber, der sich nicht vergaß, macht sich, da er kein ausreichendes Mittel der Rache besaß, wie auch immer den König der Prager [Herzog Vladislav II.] geneigt. Mit dessen Beistand wiegelt er die Flammen des roten Drachen [Friedrich I. Barbarossa] gegen Bolesław auf, wobei er vor dem Gipfel der kaiserlichen Majestät für sich die Verwandtschaft, für [seine] Ehefrau und Kinder das zwingende Prinzip des Blutes geltend macht, zumal da er [Friedrich I.] ein Zufluchtsort in der Zuflucht sei, ein Hafen für Schiffbrüchige, ein Trost in der Einöde, das einzige Heilmittel in der Verzweiflung, überhaupt die Rettung im ganzen Unglück. (4) Darauf bedrängt der Kaiser, der weniger von [Władysławs] Argumenten überzeugt als von dessen ungestümen Bitten erweicht wurde, Bolesław durch die wiederholten Klagen seiner Gesandten, er möge den Bruder nicht im Königreich, aber [doch] in der Teilhabe am väterlichen Erbe wieder einsetzen. Je beharrlicher sich dieser weigert, den Ermahnungen Folge zu leisten, desto stärker zieht er die Wut des Kaisers auf sich, weil weder das Löcken wider den Stachel ungestraft bleibt noch sicher gegen den Strom gesegelt werden kann. (5) Also verschwört er [Friedrich I.] die ganze Macht des Kaiserreichs gegen einen Mann, [so dass] die Faust aller gegen Bolesław, die Faust Bolesławs gegen alle [steht]. Ihm wird die Wahl gelassen, entweder auf das Königreich zu verzichten oder den Kampf einer offenen Feldschlacht nicht zu meiden. Doch der beharrliche Mann verschiebt beides von einem Tag zum anderen und kämpft ohne Krieg, siegt ohne Kampf. Denn er schneidet überall sämtliche Nahrungslieferungen ab und unterbindet sie, so dass sich im Lager der Feinde allmählich der Hunger ausbreitet und jene Macht der unbesiegbaren Legionen, jene Schlachtreihen der berüchtigtsten [Kämpfer] durch die Seuche des Hungers [im August 1157] dahingerafft wurden. (6) Als der Vertriebene [Władysław II.] schließlich [1159] nach längerer Zeit seinen letzten Tag beschlossen hatte, drängte der Kaiser nicht mit Drohungen, sondern mit Bitten, besteht nicht mit Waffen, sondern mit [seinem] Ansehen darauf, dass sich [Bolesław IV.], so streng er auch gegenüber dem sich vergehenden Bruder aufgetreten sei, den Hinterbliebenen gegenüber nicht unbarmherzig zeigen und wenigstens seiner Waisen erbarmen möge. Es ist nämlich nicht gerecht, dass die Bitterkeit der väterlichen Traube das Zahn-
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est paterne acerbitatem uue gingiuas filiorum obstupescere.403 (7) Quia uero natura pietatis est imperatrix et pietas gratie collactanea, Boleslaus qui ab imperatore uinci non potuit, nature non dedignatur obedire imperio et gratuito amplexu fraternos ab exilio excipit – quorum nomina: adultioris Boleslaus, iunioris Mesco Loripes, minimi Conradus 404 – eosque sacra Silencii donat prouincia, tam ob gratie insigne quam ob orbitatis solatium; (8) nam tertium, nomine Conradum, cuidam cenobio coniecerat, nescio propria professio uel paterna deuotio.405 Quia uero quasdam illius prouincie urbes ad habundantiorem cautelam donationi exceperat, multorum ea res malorum peperit occasionem et fouit incentiuum. (9) Pene siquidem in ipso ingressus uestibulo non donationis, non beneficii titulo, set heredibus utpote legitimis successione legitima dictam sibi accessisse prouinciam asserunt Wladislaide. Immo ad similitudinem subliminio reuersorum, iure postliminii 406 restitutionem petunt. Submouetur illorum intentio transactionis exceptione. ,Renuntiastis, inquit princeps, hac in parte iuri uestro, cum sit iuris exploratissimi omnibus licere, 앚his앚407 que pro se introducta sunt, renuntiare.‘408 (10) Probationem illi exceptionis non exigunt, set replicant: ,Renuntiasse nos fatemur, set exspoliatos, set coactos. Ideoque ius restitutionis nobis conpetit‘, qua pendente nolunt pendere, set exspoliatorum iure poscunt restitui409, ne quod ius non patitur, inuiti agere cogantur.410 Vrgentioribus interea occupato principe, occupant illi municipia, arte muniunt, roborant presidiis. (11) Quod pius princeps equanimiter tulit, asserens nihil honoribus, nihil utilitati rei publice hac in re detractum, si que sunt aliena reddantur. ,Nam frondium, inquit, robur est gloria stipitis et robur stipitis gloria frondium.‘ Set non desunt artifices, quorum ingenio, quorum arte lux in fumum degenerat, sol furuescit in tenebras. Hii percrebro candentes admouent suggestionum prunas. (12)411 ,Non uides, inquiunt, primitiua nepotum auspicia? iam nunc in te patrisare gestiunt! Nam quid de radice paliuri nisi spinacius, quando sine aculeis nascitur hericius? Cognati saporis esse cons403
Vgl. Jr 31, 29. Nach Bielowski; bei Plezia „Mesco, minimi Conradus Loripes“. 405 Decretum Gratiani 2. Teil, C. XX, q. I, c. III: „Monachum aut paterna deuotio, aut propria professio facit.“ 406 Vgl. CIC Dig 49, 15, 5, 1: „postliminii ius“; vgl. auch CIC Cod 8, 50 (51) („De postliminio et de redemptis ab hostibus“). 407 앚…앚 Ergänzung von Plezia. 408 Vgl. CIC Cod 1, 3, 50. 409 Vgl. Decretum Gratiani 2. Teil, C. II, q. II, c. I–II. 410 Vgl. CIC Cod 3, 7, 1: „Invitus agere vel accusare nemo cogitur.“ 411 Die bei Plezia fehlende Paragraphenzahl „12“ hier ergänzt. 404
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fleisch der Söhne erstarren lässt.403 (7) Weil aber die Natur die Befehlshaberin der Liebe und die Liebe die Milchschwester der Gnade ist, verschmäht es Bolesław, der vom Kaiser nicht besiegt werden konnte, nicht, dem Befehl der Natur und der Gnade der Liebe zu gehorchen und nimmt die Neffen [1163] aus der Verbannung auf. Ihre Namen [waren]: des erwachsenen – Bolesław [der Lange], des jüngeren – Mieszko [I.] Humpelbein, des kleinsten – Konrad.404 Und er gibt ihnen die ehrwürdige Provinz Schlesien, zum einen als Zeichen der Gnade, zum anderen als Trost für den Verlust der Eltern. (8) Den dritten aber, Konrad, hatte es in irgendein Kloster verschlagen, ich weiß nicht, ob aus eigener Berufung oder aufgrund eines väterlichen Gelübdes.405 Weil aber [Bolesław IV.] einige Burgstädte dieser Provinz zur größeren Vorsicht aus der Schenkung ausgenommen hatte, gab dieses Vorgehen Gelegenheit zu vielen Übeln und begünstigte die Entfachung [von Streit]. (9) Denn kaum war er in seinen eigenen Vorhof eingetreten, behaupten die Söhne des Władysław, dass sie die besagte Provinz nicht als Geschenk, nicht zu Lehen, sondern als rechtmäßige Erben, nämlich in rechtmäßiger Nachfolge erworben hätten. Ja sie verlangen, sich Rückkehrern gleichstellend, die Wiedereinsetzung in ihr Heimkehrerrecht.406 Ihre Klage wird mit dem Einspruch des Vergleichs abgewiesen: ,Ihr habt – sagt der Fürst – in dieser Beziehung auf euer Recht verzichtet, weil es das unbestrittenste Recht ist, dass jeder auf die [Rechte]407 verzichten kann, die für ihn eingeführt worden sind.‘408 (10) Den Beweis [dieses] Einspruchs prüfen jene nicht, sondern erwidern: ,Wir geben zu, verzichtet zu haben, aber [als] Beraubte, [als] Genötigte. Daher gilt für uns das Restitutionsrecht‘; so lange dieses schwebe, wollen sie nicht [in der Luft] hängen, sondern fordern, im Recht der Beraubten restituiert zu werden409, damit sie nicht gezwungen würden, wider Willen zu tun410, was das Recht nicht zulasse. [Und] während der Fürst mit dringenderen Angelegenheit beschäftigt ist, besetzen sie die [fraglichen] Burgstädte, befestigten sie kunstvoll und verstärken sie mit Besatzungen. (11) Der gütige Herzog hat es ruhig ertragen, wobei er behauptete, dass dem Gemeinwesen dadurch nichts an Ehren, kein Nutzen entzogen würde, wenn fremde [Güter] zurückgegeben würden. ,Denn die Kraft der Blätter – sagt er – ist der Ruhm des Baumstammes und die Kraft des Baumstammes der Ruhm der Blätter.‘ Es fehlen aber nicht die Meister, durch deren Einfälle, durch deren Listen sich das Licht in Rauch verwandelt, die Sonne in Finsternis hüllt. Sie bringen immer wieder die glühenden, heißen Kohlen der Einflüsterungen herbei. (12)411 Sie sagen: ,Siehst du nicht die ersten Erfolge der Neffen, sie wollen dir gegenüber jetzt schon den Vater spielen! Denn was [entspringt] der Wurzel des Judendorns anderes als ein Dorn, wann wird ein Igel ohne Stacheln geboren? Das Wolfsherz und der Sud aus Wolfsherz sind bekanntlich von verwandtem Geschmack.‘ Jener aber wird durch diese [Einflüsterungen] freilich nicht beeinflusst, denn er hätte nie
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tat lupinum cor et lupini cordis brodium.‘ Quibus ille non mouetur quidem, nec enim sue plantationis surculos eradicare studuisset, set ut consulentibus morem gerere uideretur, motum animi simulat nec qualia potest, set qualia cogitur illis prelia infligit. (13) Quouis autem animo gesta fuerint, non uulgaria credas Wladislaidas taxasse comercia, qui totiens tot principum conatus non solum exsufflauere, set in paruo, probato tamen militie glomicello de tot exercitatissimorum milibus persepenumero triumpharunt. Sic leonum catuli tigridum ferocitatem nunnumquam exanimant. (14) Precipuum uero industrie studium in populandis Getharum prouinciis Boleslaus inpendit, quos non tam personis quam animabus constat esse infestos. Quorum quibusdam uix tandem post multa bellorum discrimina subactis, hoc edictum iussit promulgari, ut qui Christiane caracterem religionis elegisset, absolutissima donatus libertate, nullum in personis, nullum in fortuna pateretur dispendium; qui autem sacrilegum gentilitatis ritum deserere neglexisset, ultimo capitis infortunio indilate plecteretur. (15) Set ad modicum parens uapor412 illorum fuit religio, tanto uidelicet breuior quanto coactior. Mox enim salax illa ranunculorum lubricitas in apostasie resilit gurgitem, inolitis idolatrie sordibus obscenius inmergitur. Quod scelus quanto segnius, quanto interpolatius propulsatum est, tanto grauiori Poloniam adegit discrimini. (16) Sufficere siquidem sibi arbitratus est Boleslaus, si quod principis est dependatur principi, licet quod Dei est denegetur Deo.413 Nec enim ulla exigitur apostatici ultio piaculi, dummodo salua sit tributalium reuerentia pensionum. Set qui salutis fidem, qui salutare fidei rescindere fedus non horruit, coacte seruitutis pactum qua, obsecro, deuotione custodiet? (17) Omnis enim seruitus in sacco miserabilior est, in purpura miserior. Non solum tributa non dependunt, set contingentia queque occupant, occupata diripiunt, direpta luporum instar absportant. Vnde factum est, ut quem zelus Dei molliter torpentem non mouit, durior saltem tribulationis ictus stertentem excitaret. Itaque in globum coacta exercitatissimorum numerositate, Gethicas parat irrumpere prouincias, nulla prorsus arte munitas, set nature situ inaccessibiles. (18) Est autem lucus in ipso transmeatus uestibulo, densetis undique consertus raspalibus, in quo limosi abyssus bituminis sub quadam grami-
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Jak 4, 14. Vgl. Mt 22, 21.
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danach gestrebt, die Zweige seiner Pflanzung völlig zu vertilgen. Damit es aber erschiene, als würde er den Ratgebern folgen, täuscht er Erregung vor [und] beschwört – nicht gewollt, sondern gezwungen – Kämpfe herauf. (13) In welchem Geist auch immer diese geführt wurden, denke nicht, dass die Söhne Władysławs sich auf gewöhnliche Händel eingelassen hätten. Sie haben so oft nicht nur die Mühen so vieler Fürsten zunichte gemacht, sondern auch mit nur kleinem, aber erprobtem Ritterhaufen gar sehr oft über viele Tausende der geübtesten [Krieger] triumphiert. So nehmen die Welpen der Löwen zuweilen der Wut der Tiger den Atem. [14] Bolesław jedoch verwendet außerordentlichen Eifer darauf, die Provinz der Gethen [Pruzzen] zu plündern, die bekanntlich weniger eine Gefahr für die Person als für die Seele darstellen. Nachdem er einige von ihnen schließlich nach vielen Kriegsgefahren mit Mühe unterworfen hatte, befahl er, folgendes Edikt bekannt zu geben: Wer das Zeichen des christlichen Glauben annimmt, dem wird die vollständige Freiheit geschenkt, der wird weder Schaden an [seiner] Person noch an [seinem] Vermögen erleiden; wer es aber versäumt, den gottesfrevlerischen Brauch des Heidentums aufzugeben, der wird unverzüglich mit dem Tod bestraft. (15) Ihr Glaube aber war so nichtig wie Rauch412, nämlich je erzwungener, desto kurzlebiger. Denn bald springt jene geile Schamlosigkeit der Frösche in den Abgrund der Abtrünnigkeit zurück, versinken sie [umso] unzüchtiger in den eingewurzelten Sünden der Götzendienerschaft. Je träger, je zögerlicher dieser Frevel abgewehrt wurde, desto größere Gefahr hat er Polen gebracht. (16) Bolesław ging offensichtlich davon aus, dass es genüge, wenn dem Fürsten bezahlt werde, was des Fürsten ist, auch wenn Gott verweigert werde, was Gottes ist.413 Es wird nämlich keine Strafe für die Sünde des Abfalls eingefordert, sofern nur die Ehrfurcht vor den Tributabgaben erhalten bleibt. Aber wer sich nicht fürchtete, den Glauben an das Heil, den heilsamen Bund des Glaubens zu brechen, wird der – ich bitte dich – den erzwungenen Vertrag der Knechtschaft wie ein Gelübde beachten? (17) Jede Knechtschaft ist doch [schon] im groben Gewand recht beklagenswert, im Purpurkleid [aber noch] elender. [So] zahlen sie nicht nur die Abgaben nicht, sondern besetzen benachbarte [Gebiete], plündern sie [und] schaffen das Geplünderte wie Wölfe fort. So kam es, dass, wenn schon nicht der Eifer Gottes diesen Gelähmten auf sanfte Weise bewegt hat, [so doch] wenigstens der Hieb des Kummers den Schnarchenden aufgeschreckt hat. Sobald er also eine große Zahl von geübtesten [Kriegern] zu einer Schar zusammengezogen hat, rüstet er sich, in die Provinzen der Gethen [Pruzzen] einzufallen, die überhaupt nicht künstlich befestigt, sondern durch ihre natürliche Lage unzugänglich waren. (18) Gleich am Eingang aber befindet sich eine zu durchschreitende Lichtung, die ringsum von dichten Büschen umschlossen wird, auf der sich
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nis uernantia delitescit.414 Asserunt exploratores ac duces exercituum transeundi lucum, exploratissimum reperisse conpendium. Erant siquidem et hostium corrupti donatiuis et amicorum insidiis subinstructi. (19) Hac omnium electissimorum prime certatim ruunt acies per angustum semite limitem, cum ex insidiis altrinsecus hostes ebulliunt, nec amentatis, ut alias assolent, iaculantur spiculis, set quasi cuiusdam torcularis inpressos prelo cominus confodiunt, ipsis ultro in cuspides more aprorum, hiis ulciscendi animo illis succurrendi studio ruentibus. (20) Maiorque numerositas proprii mole inpetus occidit, quam occisione corruit. Nonnullos armorum pressos pondere dehiscentis abyssi profundum absorbuit. Quidam ramalium nexibus ac ueprium intercepti obtruncantur, omnes repentine caligo noctis inuoluit. Sic arte proditoria ceciderunt arma bellica, sic bello inbecilli uirtus inclitorum emarcuit. (21) Quorum nomina, personas, generositatem, prosapiam, dignitates, strennuitatem, industriam, fortunas nec superficietenus quidem cursu attingere, nedum disserendo exequi omnis dissertissimorum sufficeret facundia, quos lamentationum uarietates, a diuersis diuerso modo deplorate, usque hodie lugubriter deplangunt.415 (22) Extunc tam in semet quam in filiis bellici Boleslaum deseruere successus. Quorum natu maior, paterni dumtaxat heres nominis, obitum patris obitu suo antecessit. Iunior uero, cuius nomen Lestco, Mazouiensem et Cuiauiensem prouincias huius legati testamento hereditat: (23) ,Lestco, filius meus, Mazouie simul et Cuiauie unicus in solidum heres esto.416 Frater meus Kazimirus pupillares interea uices non tutorio procuret officio, set paterno foueat amplexu.417 De Lestcone si quid humanitus obtigerit418 , idem frater meus Kazimirus earundem prouinciarum unicus in solidum heres esto.‘ (24) Iam siquidem emancipatus Kazimirus fratris demortui Henrici non absimili testamento principatui successerat.419 Decessit autem Boleslaus etate matura, non deuexa et appositus est ad numerum patrum suorum.420
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Vgl. Saxonis Gesta Danorum XIV, S. 883 – 884. Wie die Annales Cracovienses (MPH 5, S. 62) berichten, erfolgte der erfolglose Feldzug gegen die Pruzzen im Jahr 1166 und hatte u. a., was Vincentius übergeht, den Tod von Herzog Heinrich von Sandomir zur Folge („dux Hinricus interfectus est cum exercitu suo in bello in Prussia“). 416 Vgl. CIC Dig 28, 5, 1, 3. 417 Vgl. CIC Cod 5, 28, 5 und 6. 418 CIC Dig 34, 4, 30, 4. 419 In einer Urkunde des Krakauer Domkapitels vom 31. Dezember 1166 (KDKK 1) heißt es: „Regnante in polonia serenissimo duce Bolezlao, Mysicone, Casimiro. Quartus eorum frater dux Henricus sine herede defunctus est. Cuius terre portio in tres partes diuisa est.“ 415
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unter dem Grün des Rasens ein Abgrund von schlammigem Erdpech verbirgt.414 Die Kundschafter und Heerführer behaupten, sie hätten zur Durchquerung der Lichtung eine Abkürzung ausfindig gemacht. Sie waren offensichtlich sowohl durch Geldgeschenke der Feinde bestochen als auch über die Anschläge auf die Freunde unterrichtet worden. (19) Die ersten Reihen der erlesensten [Krieger] brechen sich wetteifernd durch die Enge des Pfades Bahn, als von beiden Seiten die Feinde aus den Hinterhalten hervorsprudeln [und sie], nicht wie sie es sonst [zu tun] pflegen, mit den geschleuderten Spitzen [ihrer] Wurfspieße, sondern – wie in einer Kelterpresse eingequetscht – im Kampf Mann gegen Mann durchbohren; die einen stürzen sich aus freien Stücken nach Sitte der Eber gegen die Spieße, die anderen mit dem Mut des Rächers, jene mit dem Eifer eines zu Hilfe Eilenden. (20) Und die größere Zahl kommt durch den Druck des eigenen Ansturms um und fällt nicht durch Mord. Manche Bedrängte hat durch das Gewicht der Waffen die Tiefe des sich öffnenden Abgrunds verschlungen. Einige werden durch die Schlingen der Zweige und Dornenbüsche abgefangen und enthauptet, alle hüllt plötzlich das Dunkel der Nacht ein. So vernichteten [die Pruzzen] mit der List des Verrats die kriegerischen Waffen, so schwand in einem ohnmächtigen Krieg die Tapferkeit der erlauchten [Krieger] dahin. (21) Ihre Namen, Gestalten, Ehrwürdigkeit, Abkunft, Würden, Tüchtigkeit, Klugheit, Geschicke sind nicht einmal oberflächlich in Worte zu fassen, noch reicht dazu die Beredsamkeit noch so beredsamer Ausführungen aus; bis heute werden sie traurig von zahllosen Wehklagen, von verschiedenen [Menschen] auf unterschiedliche Art beweint.415 (22) Seit dieser Zeit haben die Kriegserfolge sowohl Bolesław [IV.] selbst als auch seine Söhne verlassen. Der älteste von ihnen, der natürliche Erbe des väterlichen Namens [Bolesław], ging mit seinem Tod [1172] dem Tod des Vaters voran. Der jüngere aber, dessen Name Leszek [war], erbt durch die Verfügung dieses Vermächtnisses die Provinzen Masowien und Kujawien: (23) ,Leszek, mein Sohn, sei der alleinige Erbe Masowiens und Kujawiens.416 Mein Bruder Kasimir [II.] möge unterdessen die Geschicke des Waisenknaben nicht [nur] als Vormund verwalten, sondern mit väterlicher Liebe befördern.417 Sollte Leszek des Menschen Schicksal ereilen418 , sei derselbe, mein Bruder Kasimir, der alleinige Erbe ebendieser Provinzen.‘ (24) Weil er schon volljährig war, war Kasimir dem verstorbenen Bruder Heinrich [von Sandomir] durch ein ähnliches Testament [1166] in der Herrschaft nachgefolgt.419 Bolesław [IV.] aber starb [1173] in reifem, nicht dem Ende zugeneigten Alter und wurde in der Reihe seiner Väter beigesetzt.420
420
1 Makk 2, 69 (appositus = adpositus, patrum suorum = patres suos).
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[31] (1) JOHANNES: Par erat non absimilem nos tibi debere conuiuii apparatum et aliquo appetitus fomentario etiam inconditi saporem obsonii palato persuadere.421 Set et te sompnus urget et nos nostre dormitionis hora premit. (2) Immo tantus in me sompni sopor irruit, ut citra gratiarum actionem lingue officium amputetur. Ideoque, quod superest, erratorum uenia, ineptiarum indultione a conuiuis expetita, obdormiscamus in Domino.
421
Nach Teresa Michałowska, Mistrz Wincenty zwany Kadłubkiem: Kronika Polska [Magister Vincentius genannt Kadłubek: Polnische Chronik], in: dies., Sredniowiecze, Warszawa 1996, S. 129 –138, hier S. 135 hat Vincentius das Motiv des Gastmahls im Sinne eines intellektuellen Gelehrtengesprächs dem Policraticus des Johannes von Salisbury entnommen.
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[31] (1) J o h a n n e s : Es war angemessen, dass wir dir ein ähnlich prachtvolles Gastmahl bereitet und den Gaumen durch einen gewissen Reiz des Verlangens auch vom Geschmack einer schlichten Speise zu überzeugen [versucht haben].421 Aber auch dich bedrängt der Schlaf und uns drängt die Stunde unseres Todes. (2) Ja es bricht eine solche Müdigkeit über mich herein, dass [mir] nach den Danksagungen der Dienst der Zunge abgeschnitten wird. Schlafen wir also, was bleibt [uns] übrig, von den Teilnehmern des Gastmahls Nachsicht für die Fehler, Gnade für die Dummheiten erflehend im Herrn ein.
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[1] (1) Aderat autem quidam uernaculus, atramentarium gestans cum calamo ac fumantem demungens faculam. Hic uniuersas conuiuii pensiones fidelissime conpendio cautionis annotabat. Cuius subputatione sollertius dispecta, preses epulantium422 ait: (2) ,Euge frugi, euge uernacule423, qui tam cautionandi calles industria, ut nihil de commisso tue dispensationi stipendio aut deperire sinas aut in sinum obliuionis relabi permittas! Res ad presens postulat et ratio exigit, rationalitatis424 officio te debere insigniri. (3) Esto deinceps unicus ac singularis huius rei publice rationalis; quidquid igitur instantis propositi personis, dignitatibus, officiis, negotiis estimaueris concedere425, tuo munere dispensetur, tuis cautionibus annotetur.‘ Totus diriguit ille clientulus tanta rerum perculsus maiestate; inparemque sese obtestans causas undique subterfugii aucupatur. (4) Qui uix tandem imperio maiestatis efractus: ,Artor, inquit, nimis nec ulla mihi est hac in re desperatio displicendi: nam hinc ueritas odium parit 426 , inde indignatio minatur supplicium. Nam quis horrentes, queso, tribulos nudo pede inpingere non horruit? (5) Quodsi aliquid aut fauore aut metu ex contingentibus furtim suppressero, fraudati census427 non effugio cauterium. Set longe aliud messoris est munus, aliud officium agricole. Spinetis occupetur agricola, nostri sudoris est spicas licet sparsas unam in messem colligere.‘ [2] (1) Defuncto itaque Boleslao succedit frater eius tertius Mesco, qui sicut erat natu fratri proximus sic non interpolata regni successione continuus. Astupebant illi contingentes prouincie, affauebat undique remotis-
422 Während ein Teil der Forschung hinter diesem Ausdruck Herzog Kasimir II. als Auftraggeber der Chronik sieht (Plezia, Mistrz Wincenty (1991[2001], S. 302; Plezia S. X; Kürbis S. XXIX–XXXI), hat Bieniak, Mistrz Wincenty (1997), S. 34 – 35; ders., Mistrz Wincenty w zyciu (2001), S. 32–33 argumentiert, dass hier eher der Krakauer Bischof Matthäus gemeint sei, da Vincentius den Ausdruck „epulantia“ als Synonym für „Dialog / Gespräch“ verwendet habe, in dem die Bücher I–III gehalten sind und in dem Matthäus als einer der Gesprächspartner auftritt; „preses epulantium“ möchte Bieniak daher auch nicht mit „Herr des Gastmahls“, sondern mit „der führende Gesprächspartner“ übersetzen. 423 Vgl. Mt 25, 21. 424 Vgl. CIC Cod 10, 19, 6: „rationalis“. 425 Nach Bielowski anstelle von „conducere“ bei Plezia.
VIERTES BUCH Viertes Buch
[1] Es war auch ein gewisser Diener dabei, der das Tintenfass mit dem Federkiel trug und die rauchende Lampe reinigte. Dieser verzeichnete alle Ausgaben des Gastmahls auf das Sorgfältigste in einem Register. Der Vorsteher des Gastmahls [Kasimir II.]422, der routiniert die Berechnung prüfte, sprach: (2) ,Schön, schön, braver Diener!423 Du verstehst es, mit Eifer so zu rechnen, dass du weder zulässt, dass etwas von dem deiner Verwaltung anvertrauten Geld verloren geht, noch erlaubst, dass etwas in den Winkel der Vergessenheit gerät. Für den Augenblick erfordert es die Sache, gebietet es die Vernunft, dich mit dem Amt des Rechnungsführers424 auszuzeichnen. (3) Mögest du von nun an der einzige und alleinige Rechnungsführer dieses Gemeinwesens sein. Was immer du also hinsichtlich der Ämter, Würden, Dienste und Geschäfte zuzugestehen für erforderlich erachtest425, soll durch dein Amt bezahlt und in deine Register eingetragen werden.‘ Jener Diener war durch eine so große Würde der Aufgaben bestürzt und erstarrte völlig; er flehte, dass er den Aufgaben nicht gewachsen sei, und haschte überall nach Ausflüchten. (4) Schließlich wurde er durch den Befehl der Majestät ganz zermürbt und sprach: ,Ich werde allzu sehr in die Enge getrieben und habe doch nicht die Hoffnung, in dieser Aufgabe kein Missfallen zu erregen. Denn hier zieht die Wahrheit den Hass auf sich426 , da droht Zorn durch Strafe. Denn wer, so frage ich, fürchtet sich nicht, mit nacktem Fuß in stachliges Dornengestrüpp zu treten? (5) Wenn ich aber irgendetwas, sei es aus Begünstigung oder aus Furcht, von dem Zufließenden heimlich unterdrücke, werde ich dem Brenneisen des Steuerbetruges427 nicht entkommen. Aber etwas anderes ist der Dienst des Schnitters, etwas anderes das Amt des Landmannes. Der Landmann ist mit den Dornenhecken beschäftigt, unseres Schweißes bedarf es, die zerstreuten Ähren zu einer Ernte zusammenzusammeln.‘ [2] (1) Und nachdem Bolesław [IV.] gestorben war, folgte ihm sein Bruder, der dritte Mieszko [der Alte], da er dem Bruder der Geburt nach der nächste war, ohne Unterbrechung in der Herrschaft nach. Diesen bestaunten die angrenzenden Provinzen; von allen Seiten begünstigte [ihn] die
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Cicero, Lealius de amicitia XXIV, 89; Terentius, Andria 68. Vgl. CIC Cod 9, 41, 1.
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simorum principum sublimitas, assurgebat omnis dignitatum gloria, arridebat omnis fortune elegantia. (2) Numquam illi aut uotorum successus aut bellorum defuere triumphi 앚nisi tempore Kazimiri et filiorum eius앚.428 In omnibus par beatissimis, si qua tamen dici potest caducorum beatitudo, super omnia beatorum uota transcenderat in utroque sexu numerose prolis prestantia. (3) Erat mascula quidem prole omnibus terribilis, feminea quoque cunctis gratiosus, utrorumlibet affinitatibus quamplures mundi partes deuinxerat. Dux Bohemorum Sobeslaus gener eius. Dux Saxonie Bernhardus gener eius. Dux Fredericus Lothoringie, imperatoris nepos, gener eius. Dux Boguslaus Maritime gener eius. Ducis eiusdem filius gener eius. (4) Marchio Dedonides gener eius. Dux Galicie socer filii. Dux Pomoranie socer alterius. Dux Rugiane socer tertii. Nam quidam fi liorum eius inconiugati decesserunt. Sunt autem nomina filiorum eius: Odo, Stephanus, Boleslaus, Mesco, Wladislaus; quorum duos, Odonem uidelicet et Stephanum, ex filia regis Vngarorum, reliquos ex filia regis Ruthenorum suscepit. (5) Quid amplius? Nihil prorsus illi uisum est humane felicitatis ad cumulum defuisse, quamuis nemo tam sit felix, qui non cum aliqua sue felicitatis parte rixetur.429 Accessit ad hec, immo super hec, tante celsitudinis apex, summa regum exequans fastigia. Set summum sepe infortunium summa parit prosperitas. Presertim tamen omnis gloria quo sublimior hoc est ad lapsum procliuior. (6) Iste siquidem tot prerogatiuarum fretus pruilegio, cuiusdam, proh dolor, securitatis insolentia in quendam incircumspectionis torporem prolabitur, cum nulla sit in summo tranquillitas, quodsi ulla est, breuiuscula est, que ipsa sui serenitate proximum prenuntiat tempestatis naufragium. (7) Surrexere siquidem uiri Belial 430 , uiri pestilentes, persequentes pietatem, subuertentes iudicium, nihil equum iudicantes nisi quod inpium, nihil pium consulentes nisi quod iniquum. Audi consilium: Non est, inquiunt,
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앚…앚 = Ergänzung aus Codex Eugenianus. Vgl. Anm. 178. 2 Chr 13, 7.
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Erhabenheit der entferntesten Fürsten, erwuchs [ihm] jeglicher Ruhm der Würden, lachte die ganze Anmut des Glücks. (2) Niemals fehlte es ihm weder an der Erfüllung seiner Wünsche noch an Kriegstriumphen, außer zur Zeit des Kasimir [II.] und seiner Söhne.428 In allen Dingen gleichermaßen der Glücklichste – wenn man angesichts der Vergänglichkeiten von Glückseligkeit sprechen kann – übertraf er alle Wünsche der Glücklichen durch die Vorzüglichkeit einer zahlreichen Nachkommenschaft beiderlei Geschlechts. (3) Durch die männliche Nachkommenschaft flößte er zwar allen Angst ein, durch die weibliche aber war er bei allen beliebt und mit Ehebündnissen beiderlei Art hat er mehrere Teile der Welt verbunden. Der böhmische Herzog Sobeslav [II.] war sein Schwiegersohn. Der sächsische Herzog Bernhard [III.] war sein Schwiegersohn. Der Herzog Friedrich [Ferri I.] von Lothringen, ein Neffe des Kaisers [Friedrich I. Barbarossa], war sein Schwiegersohn. Der Herzog Bogislaw [I.] von Pommern war sein Schwiegersohn. Der Sohn dieses Herzogs [Ratibor] war sein Schwiegersohn. (4) Der Markgraf [der Lausitz, Konrad II.], Sohn des Dedo, war sein Schwiegersohn. Der Herzog von Hali0 [Jaroslav Osmomysl’] war der Schwiegervater seines Sohnes [Odo]. Der Herzog von Pommern [Bogislaw von Schlawe-Stolp] war der Schwiegervater des zweiten [Sohnes Bolesław]. Der Herzog von Rügen [Jaromar I.] war der Schwiegervater des dritten [Sohnes Władysław Ellenlang]. Einige seiner Söhne aber starben unverheiratet. Die Namen seiner Söhne aber lauten: Odo, Stefan, Bolesław, Mieszko, Władysław. Zwei von ihnen, nämlich Odo und Stefan, hatte [Elisabeth] eine Tochter des Königs der Ungarn [Almos oder Stefan II.], die Übrigen [Eudoxia] eine Tochter des Königs der Ruthenen [Izjaslav Mstislavi0] geboren. (5) Was weiter? Es schien, als fehlte ihm geradezu nichts zur Krönung des menschlichen Glücks, wenn auch niemand so glücklich sein mag, dass er nicht mit irgendeinem Teil seines Glückes hadert.429 Zu diesem, ja über dieses hinaus kam die hohe Würde einer so großen Erhabenheit, die [ihn] den höchsten Würden der Könige gleichstellte. Aber oft erzeugt der größte Erfolg das größte Unglück. Zumal doch aller Ruhm, je erhabener er ist, umso leichter zum Fall führt. (6) Denn dieser [Mieszko] verfiel, o weh, im Vertrauen auf das Privileg so vieler Vorrechte durch den Übermut der Sorglosigkeit in eine Lähmung der Unvorsichtigkeit. Denn auf dem Gipfel gibt es keine Ruhe und wenn es sie gibt, dann ist es eine sehr kurze, die selbst mit ihrer Heiterkeit das nahe Unglück des Sturmes ankündigt. (7) Es stiegen nämlich Männer des Belial430 empor, unheilvolle Männer, die die Rechtschaffenheit verfolgten, das Gericht untergruben, die nichts gnädig beurteilten, es sei denn, es war frevelhaft; die nichts als rechtschaffen anrieten, es sei denn, es war ungerecht. Höre [ihren] Rat: Es gibt keinen Fürsten, so sagt man, der furchtsam ist; ferner: Wer ist furchtsamer als der,
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princeps qui meticulosus est; porro quis eo meticulosior, qui etiam timet, ne timeatur? Si ergo imperare uis, timeri te oportet non timere. (8) Rursus: Deuote coli principes conuenit, non fastuose contempni. Vbi autem est deuotio ibi reuerentia, ubi reuerentia ibi timor, est enim reuerentia cum pauore mixta dilectio; ergo timore sublato nullus deuotioni, nullus reuerentie locus relinquitur. (9) Quapropter ne populus insolescat, instanter causas insolentie amputandum. Ideoque in fortunis eos mulctari oportet, non rerum luxu dissolui; est namque nouerca reuerentie, mater contemptus rerum lasciuia. (10) O prudens prudentum consultatio! Nec enim absimili persuasus consilio, Salomonis filius Israhelitarum consultationi respondit: ,Minimus digitus meus grossior est dorso patris mei; pater meus cecidit uos uirgis, ego cedam uos scorpionibus.‘431 Quo terrore scisse sunt a tribu Iuda et Beniamin X tribus et creauerunt sibi regem seruum eius Ieroboam. (11) Cognitis ergo consiliis, consequens est ut cognoscas eorundem iudicia.432 Vrsum in nemore occidisti? o quam piaculare flagitium perpetrasti! Sacram enim indaginis inmunitatem perfregisti ac principis deductum temerarie uendicasti. Non irrationabiliter allegas, ab eadem fera mellifices tuos demembratos, quosdam penitus extinctos, absorbta mellificia, greges armentorum interemptos. (12) Set ponatur omnem omnino, eadem spirante bestia, hominum securitatem expirasse. Sunt quidem hec ultione digna, set non sine potestatis auctoritate a te ulciscenda; non enim nescimus, quid in propriarum ultores iniuriarum iura censeant. (13) Contempta itaque iuris dignitas iudiciarie indignationem seueritatis habet ultricem nec dispari passu instantis atrocitas sceleris ambulat cum crimine lese maiestatis. Non est igitur quod LXX mulctam talentorum in hoc casu remoretur, cum omnium similium in eo quod similia idem sit iudicium.433 (14) Alius aduenam seu peregrinum obsequio suscepit. Trahitur in ius, plagii accersitur. ,Hic aduena seruus est aut ingenuus? Si liber est, qua fronte liberum caput seruituti mancipasti? Nec enim infitiari potes, quod tui luce clarius conuincit calliditas ingenii. Reum te euidentissime declarat ipsa rei euidentia. (15) Si seruus est, alienum possides mancipium, nec iusto
431
Vgl. 1 Kg 12, 10 –11. Die Unstimmigkeit in der Personenzahl deutet an, dass der Übergang von der in den Büchern 1–3 verwendeten Dialogform zur reinen Erzählform dem Chronisten offenbar nicht auf Anhieb vollständig gelang. Das hat auch spätere Kopisten verwirrt; so führt der Codex des Johannes Faber die Dialogform mit Angabe der Namen der Dialogpartner bis weit in Buch IV hinein fort, ÖNB Cod. 3416, f. 185r ff. 433 Vgl. CIC Cod 1, 14, 12. 432
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der sogar fürchtet, dass er gefürchtet wird? Wenn du also herrschen willst, dann darfst du nicht fürchten, dass du gefürchtet wirst. (8) Wiederum: Es ziemt sich, dass der Fürst ergeben verehrt, nicht kalt missachtet wird. Denn wo Ergebenheit ist, da ist Ehrfurcht, wo Ehrfurcht ist, da ist Furcht; die Ehrfurcht nämlich ist aus Angst und Liebe gemischt; wenn also die Furcht weggenommen wird, gibt es keine Ehrfurcht, bleibt kein Platz für Ergebenheit. (9) Damit das Volk nicht überheblich wird, sind daher die Ursachen des Übermuts unbedingt zu entfernen. Und deshalb müssen sie in [ihrem] Vermögen gezüchtigt werden, damit sie nicht durch den Überfluss an Besitz unbändig werden. Denn der Übermut ist die Stiefmutter der Ehrfurcht [und] die Mutter der Missachtung der Herrschaft. (10) Oh, kluger der klugen Ratschläge! Denn durch einen ähnlichen Rat überzeugt, entgegnete der Sohn des Salomon [Rechabeam] auf die Anfrage der Israeliten: ,Mein kleinster Finger ist dicker als das Rückgrat meines Vaters. Mein Vater schlug euch mit Ruten, ich werde euch mit Skorpionen schlagen.‘431 Durch diesen Schrecken spalteten sich vom Haus Juda und Benjamin zehn Stämme ab und erwählten sich Jerobeam, seinen Diener, zum König. (11) Nachdem ihr also solche Ratschläge kennen gelernt habt, ist es folgerichtig, dass du [auch] deren Gerichtsurteile kennen lernst.432 Du hast den Bären im Wald getötet? Oh, welch’ Sühne heischendes Verbrechen hast du begangen! Du hast das heilige Jagdprivileg gewaltsam verletzt und verwegen ein Vergnügen des Fürsten beansprucht. Du bringst nicht unberechtigt vor, dass dieses wilde Tier deine Bienenstöcke zerpflückt, einige völlig zerstört, den Honig aufgesaugt und die Tierscharen getötet hat. (12) Nehmen wir auch an, dass die Sicherheit der Menschen gänzlich erloschen war, solange diese Bestie lebte. [Diese Umstände] sind zwar der Vergeltung würdig, aber diese hätte nicht von dir aus ohne Billigung der Obrigkeit ausgeübt werden dürfen. Denn wir wissen nur zu gut, wie die Gerichte die Rächer eigener Gesetzesverstöße beurteilen. (13) Und so hat die Missachtung der Autorität des Gerichtes gerichtlich den rächenden Zorn der Strenge [zur Folge] und die Härte des drohenden Frevels geht nicht ungleichen Schrittes einher mit dem Verbrechen der Majestätsbeleidigung. Es gibt folglich keinen Grund, dass er [der Schuldige] in diesem Fall eine Strafe von 70 Mark verzögere, weil bei allem ähnlichen, deshalb weil es ähnlich ist, dasselbe Urteil ergeht.433 (14) Ein anderer nahm einen Ankömmling oder Fremden in [seinen] Dienst. Er wurde vor Gericht gezogen und der Verknechtung eines Freien angeklagt. ,Ist dieser Ankömmling ein Unfreier oder ein frei Geborener? Wenn er frei ist, mit welcher frechen Stirn hast du eine freie Person in Knechtschaft gefesselt? Denn du kannst nicht leugnen, was im Licht hell die Verschlagenheit deines Charakters beweist. Die Offensichtlichkeit der Tat selbst zeigt dich überaus offensichtlich als Schuldigen. (15) Wenn er ein
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titulo nec bona fide, cum neutrum probare possis. Eas namque instrumentorum seu attestationum rationes quas affers, nostri disciplina temporis non patitur. Igitur plagii conuictus nomine pene LXX compone.‘434 Amplius: Iudeum scolares casu percusserant, eidem pene ab eisdem iudicibus tamquam sacrilegi addicuntur.435 ,Vicinum pecus penes te professus es: abigeatus conuinceris, infer fisco LXX!‘436 (16) Set humanissime tecum agitur, si numerata pecunia possis absolui, cum ad pondus fisci exploratissimo debeas iure in metallum purius condempnari.437 Estimat ille minus onerosum numerata exonerari quantitate, quam instantissime prouisam offert, numerat, gratiam abolitionis postulat. (17) Inspicit thesaurista, considerat apocrisarius, consternatur, exclamat: ,Pape, unde tam repente nobis tam nouus histrio? Ridiculo nos prostituit nebulo prorsus ridiculus, qui squamis ac paleis eris cuiusdam abiectissimi nos circumuenire contendit!‘ Quibus ille: ,Nonne currentis monete mulctam debeo?‘ Dicunt ei: ,Sane, utique numisma principis numera, non paleam.‘ (18) At ille: ,Trapezetarum est ea culpa, non mea.‘ Aiunt illi: ,Caue ne stultiloquio profundius inpingas! Trapezetas nec nominaueris, ne falsitate numismatis temet ipsum condempnes! Quia bestia que montem tetigerit, grandinabitur.‘438 Quibus ille: ,Infi xus sum in limo profundi et non est substantia.439 Obsecro tamen, quid me iubetis facere?‘ (19) Suffocant eum: ,Redde quod debes!‘440 Respondet: ,Quidnam reddam? Numeratam debeo, numeratam contempnitis.‘ Habebant autem solidos aliquot ex argenti uena puriore, nuperrimi numismatis et recenter eorum arte fabrefacti. Illud uerum et unicum instantis esse temporis numisma et asserunt et exigunt. ,Eam uero, qua te absolui estimas, exauctoratam esse monetam et iam pridem abiectam non dubites.‘ (20) Non deest illis malitie societatis callide subornata. Iurant omnes, immo peierant, eo numismate non modo reorum quosdam absolutos, set plurima militum depensa stipendia. Quid tandem? Tortoribus mancipatur, 434 435
Vgl. CIC Cod 9, 20, 7 und 15; CIC Dig 48, 51, 1. Vgl. CIC Cod 9, 29 („De crimine sacrilegii“); CIC Dig 48, 13; CIC Cod 12, 37,
13. 436
Vgl. CIC Cod 9, 37 („De poenis“) und CIC Dig 47, 14, 1, 1. Kürbis S. 181 übersetzt „metallum“ mit Verweis auf eine entsprechende Regel des römischen Rechts (CIC Dig 47, 14, 1) sowie ähnliche Formulierungen antiker Autoren als „Bergwerk“, lässt dabei aber das Adjektiv „purius“ außer Acht, das m. E. eine Übersetzung im Sinne von „während du [eigentlich] zur Verschickung in ein Bergwerk zur Edelmetallgewinnung für den Staatsschatz verurteilt werden müsstest“ nicht zulässt. 438 Vgl. Ex 19, 13; Hebr 12, 20. 439 Ps 69 (68), 3 (limo = limum). 440 Mt 18, 28. 437
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Unfreier ist, dann hast du einen fremden Abhängigen in deinem Besitz, weder mit einem Rechtstitel noch guten Glaubens, weil du keines von beidem beweisen kannst. Denn die Argumente der Hilfsmittel und Zeugnisse, die du anführst, sind in der Rechtslehre unserer Zeit nicht zugelassen. Folglich [bist du] der Verknechtung eines Freien überführt [und] zahle nach dem Rechtsbegriff der Strafe 70 [Mark].‘434 Und weiter: Scholaren hatten zufällig einen Juden verletzt und wurden von den gleichen Richtern wie Tempelräuber der gleichen Strafe überlassen.435 ,Du hast zugegeben, dass das benachbarte Vieh bei dir ist: Du wirst des Viehdiebstahl überführt, in die Staatskasse 70 [Mark]!‘436 (16) Gleichwohl handelt man mit dir sehr menschlich, wenn du dich mit abgezähltem Geld ablösen kannst, während du [eigentlich] dazu verurteilt werden müsstest, zur Masse des Staatsschatzes nach dem überaus erprobten Recht in reinem Gold beizutragen.437 Jener beurteilt es als weniger beschwerlich, durch eine abgezählte Menge [Geldes] befreit zu werden, so dass er unverzüglich Vorkehrung trifft, abzählt und die Gnade der Ablösung erbittet. (17) Der Schatzmeister prüft [das Geld] genau, sein Stellvertreter betrachtet es eingehend und empört ruft er aus: ,Potztausend, woher kommt uns denn so plötzlich ein solch neuer Scharlatan? Dieser durchaus lächerliche Aufschneider gibt uns der Lächerlichkeit preis und beeilt sich, uns mit Schuppen und Spreu eines äußerst minderwertigen Geldes zu täuschen.‘ Jener zu ihnen: ,Muss ich denn nicht in der gültigen Münze die Strafe bezahlen?‘ [Darauf] sagen sie ihm: ,Allerdings, auf jeden Fall zahle die Münze des Fürsten und keine Spreu.‘ (18) Dagegen jener: ,Das ist die Schuld der Geldwechsler, nicht meine.‘ Jene sagen: ,Gib acht, dass du dich durch törichtes Gerede nicht noch tiefer verstrickst. Die Geldwechsler sollst du nicht anklagen, sonst ist zu fürchten, dass du selbst der Münzfälschung beschuldigt wirst. Denn das Tier, das den Berg berührt, wird gesteinigt.‘438 Jener zu diesen: ,Ich bin in tiefem Schlamm stecken geblieben und habe keine Zuversicht.439 Aber ich beschwöre [euch], was befehlt ihr mir zu tun?‘ (19) Sie schnüren ihm die Kehle zu: ,Bezahle, was du schuldest!‘440 Er antwortet: ,Aber was soll ich bezahlen? Ich schulde eine abgezählte Summe, [aber] ihr verachtet das Abgezählte.‘ Sie hatten aber einige Silbermünzen aus einer reineren Ader, die vor kurzem geprägt und in ihrer Kunst eben erst verfertigt worden waren. Sie behaupten, dies sei gegenwärtig die wahre und einzige Münze und fordern [diese]. ,Die aber, mit der du dich ablösen zu können glaubst, ist eine aus dem Verkehr gezogene und, wie du nicht bezweifeln kannst, längst ungültige Münze.‘ (20) Es fehlte jenen nicht die Arglist einer bestellten gewieften Kumpanei. Alle schwören, ja üben vielmehr Meineid, dass sich mit dieser Münze nicht bloß Angeklagte abgelöst hätten, sondern [auch] sehr viel Sold für die Krieger gezahlt worden sei. Was dann? Er wurde der Gewalt der Folter-
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catenis constringitur, ergastulo includitur, quidquid est in personis, quidquid in fortunis aut prediis, fisco deputatur. (21) Qui ad ultimam assis exenteratus unciolam, immo ad extremum unciole minutum, questionibus districtissime perurgetur, se esse soluendo confiteri. Fama est etiam emeritos sacri altaris ministros inter istorum fascias pedagogorum et inter ipsa crepundia expirasse. (22) Isti sunt tui iudices, isti tui consules, Cracouia! De hiis dictum puta: ,Consilium in suadela iniqui est toxicum in pixide medicantis. Iudicium in lingua impii est gladius in manu furiosi.‘ Multa preterea silentio pretereo, quia non tam uera quam ab emulis conficta existimo. (23) Nec enim supra principes prudentia preditus princeps hec aut ignorare aut dissimulare potuisset, sciens quod latentes proreta scopulos periculose ignorat, prominentes uero periculosius dissimulat. (24) Enimuero tam crassa et supina ignorantia in uirum tam probate circumspectionis cadere quomodo potuit, presertim cum opressorum undique lacrimosior eiulatus querulosis perstrepet uagitibus, sanctissimo Cracouiensium antistite, cuius nomen aureo insculpendum est calamo, Getcone, tuba exhortationis iugiter preconante ac maleficos crebrius a maleficii pertinacia dehortante. (25) Nec enim negligere aut silentio sepelire pius pastor quiuit tam erumpnosam sue cladem gregis absque sue salutis dispendio. Hic matronam ex industria quandam, habitu lugubri, uultu mestiore, presidis441 consistorio eminus assistere iubet. Quam preses prouincie propius accedere iubet, ut quod sibi actionis competere putat, intrepide proponat. (26) Que accedens et pro matronali reuerentia conquiniscens, ait: ,Habebam, ego ancilla tua, domine, gregem tonsarum non mediocrem; huic pascendo meus filius mercennarios conduxit; quorum negligentia grex totus luporum seuis morsibus occubuit.‘ Ait preses: ,Quisnam est filius tuus?‘ Qui respondit: ,Ego seruus tuus sum, filius ancille tue.‘ ,Qui sunt mercennarii?‘ Respondent: ,Presto sumus, audientie copiam expetimus.‘ (27) Tum preses: ,Quantum libet.‘ Et illi: ,Gregem, inquiunt, sub nostra fuisse custodela non infitiamur, set per nos deperisse non iniuria diffitemur. Huius namque matrone priuignus, quem frustra filium uocat, uenandi auidis-
441 Kürbis S. 183 sieht hinter dem hier und im Folgenden genannten „preses provinciae“ Herzog Mieszko III., den Vincentius bewusst nicht mit Namen habe nennen wollen; dagegen argumentiert Bieniak, Mistrz Wincenty (1997), S. 36 –37, dass es sich um den Krakauer Statthalter Mieszkos III., Henryk Kietlicz, gehandelt haben müsse, den jüngere schlesische Quellen in diesem Zusammenhang als „dictus preses des Kettelicz“ (Chronica principum Poloniae / MPH 3, S. 480) und „presidem ac prefectum Cracovie Ketelicz“ (Chronica Polonorum / MPH 3, S. 638) bezeichnen.
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knechte übergeben, in Ketten gelegt, im Zuchthaus eingeschlossen und alles, was er an Unfreien, an Gütern und Vieh besaß, dem Staatsschatz zugewiesen. (21) Dieser wurde wie ein Aas bis auf die letzte Unze ausgenommen, ja bis zum Ende einer Unze zur Ader gelassen und durch sehr scharfe Fragen so hart bedrängt, dass er [schließlich] zugestand zu bezahlen. Es geht das Gerücht, dass zwischen den Wickeln dieser Pädagogen und in diesen Ränken auch verdiente Diener des heiligen Altars ihren Geist aushauchten. (22) Dies sind, Krakau, deine Richter, deine Konsuln! Zu ihnen bedenke den Ausspruch: ,Der Ratschlag eines Widersachers ist Gift in der Büchse des Arztes. Das Urteil auf der Zunge des Gottlosen ist wie ein Schwert in der Hand eines Wahnsinnigen.‘ Viele Dinge übergehe ich mit Schweigen, weil ich sie nicht für wahr, sondern von Rivalen erdichtet halte. (23) Denn kein Fürst, der durch Klugheit über [andere] Fürsten hinausgehoben ist, könnte dies weder nicht wissen noch übersehen, da er weiß, dass es gefährlich ist, wenn der am Bug das Meer beobachtende Bootsmann die verborgenen Felsen nicht kennt, und noch gefährlicher, wenn er die [aus dem Wasser] aufragenden ignoriert. (24) Ja wahrhaftig, wie konnte ein in umsichtiger Erwägung so bewährter Mann einer so groben und lässigen Unkenntnis zum Opfer fallen, zumal da von allen Seiten ein tränenreiches Heulen und klagendes Geschrei der Unterdrückten ertönte und der ehrwürdigste Krakauer Bischof, Gedko, dessen Name mit goldener Feder eingemeißelt werden sollte, beständig mit der Trompete der Ermahnung öffentlich die Stimme erhoben und den Verbrechern immer wieder beharrlich von der Übeltat abgeraten hat. (25) Denn der fromme Hirte konnte einem so jammervollen Unglück seiner Herde nicht ohne Verlust seines Heils gleichgültig zusehen oder es im Schweigen begraben. Dieser befiehlt mit Bedacht einer gewissen Frau im Trauergewand und sehr traurigen Antlitz, in [gebührendem] Abstand vor den Thron des Vorstehers441 zu treten. Der Vorsteher der Provinz befiehlt ihr, näher heranzukommen, damit sie furchtlos darlege, was sie meint, dass ihr im Rechtsstreit zustehe. (26) Diese trat heran, verneigte sich mit Ehrerbietung nach Frauenart und sprach: ,Ich, deine Dienerin, oh Herr, hatte eine nicht geringe Schafherde. Um sie zu hüten, warb mein Sohn Lohnarbeiter an. Durch deren Nachlässigkeit starb die ganze Herde durch die wilden Bisse der Wölfe.‘ Darauf sprach der Vorsteher: ,Wer ist denn dein Sohn?‘ Jener antwortete: ,Ich bin es, dein Sklave, der Sohn deiner Dienerin.‘ ,[Und] wer sind die Lohnarbeiter?‘ Diese antworten: ,Wir sind anwesend und fordern die Möglichkeit der Anhörung.‘ (27) Darauf der Vorsteher: ,So viel ist erlaubt.‘ Und jene sprachen: ,Wir bestreiten nicht, dass die Herde unter unserer Aufsicht stand, aber wir stellen in Abrede, dass sie durch unsere Schuld zugrunde gegangen ist. Denn der Stiefsohn dieser Frau, den sie unrechtmäßig Sohn
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simus, canes non tam atroces quam rabidos ubique secum circumducit, quorum rabies non solum a nobis set a uiris illustribus creberrime illi est exprobrata. (28) Istorum canum turba gregem secus uiam pascentem insilit, lacerat, nobis nequicquam uociferantibus, sternit et interimit. At contra iuuenis lupos asserit esse in causa.‘ ,Casu, inquit, conspicor lupos gregi cominus inminentes, canes copulis denodari iubeo, lupos cum canibus per opaca nemorum una uobiscum insector. Reuersa interim pars luporum gregem desertum fundit et exanimat. Vestre igitur id esse negligentie, qui gregem deseruistis, non mee culpe, qui lupos abegi, omnibus est perspicuum.‘ (29) Ad hec preses: ,Vtriusque quidem partis uerisimillima sunt narrata, set neutra decisiuam sententie rationem seu rationis robur allegat, neutra enim testibus aut aliis munitur adminiculis.442 Viderentur quidem mercennarii innoxii, quia nemo cogitur prestare casum fortuitum, nisi aliquid specialius conuenerit. Set quia culpam seu dolum prestare non possunt nec exceptioni443, quam de canibus proponunt, fidem afferunt, estimationi gregis quis neget obnoxios? (30) Videtur uobis iusta sententia, proceres?‘ Respondent: ,Quid aliud sententiari possit, non uidemus.‘ At ille: ,Immo diuersum quidem ratio iuris imperat. Nam quod istis probandum erat, ex aduersarii confessione liquido constat. Rabidos namque a se foueri canes diffiteri nequit, cum id sit omnibus euidentissimum. Set et sua iussione secus gregem denodatos non infitiatur in iure. Quid aliud, queso, cruenta latrantum faceret atrocitas inter balatus innocentulos, cum sit omnis rabies innocentie inimica? (31) Cum itaque tam ualida sit presumptio, ut nec probatione contrarii nec alia presumptione possit elidi, standum est presumptioni. Nec enim eius fabelle, quam de lupis inepte allegat, nec exilem proponere ualet assertiunculam. Proinde qui dampni occasionem dedit, dampnum nouerce seu matri resarciat, eius exemplo cuius bos cornupeta siue caballus calcitrosior quempiam dampnificet.444 Placet hec sententia?‘ Acclamant omnes: ,Placet!‘
442 443 444
Nach Bielowski anstatt „amminiculus“ bei Plezia. Vgl. CIC Cod 2, 18, 22; 2, 28, 36; 4, 35, 19. Vgl. Ex 21, 28 –29; CIC Dig 9, 1, 1, 4 (cornupeta = cornu petere).
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nennt, führte, da er die Jagd überaus liebte, überall abscheuliche und wütende Hunde mit sich, deren Wut ihm nicht allein von uns, sondern auch von vornehmen Männern oft wiederholt vorgehalten worden ist. (28) Die Meute dieser Hunde springt in die nahe am Weg weidende Herde hinein, zerfleischt sie, wirft sie nieder und tötet sie, während wir vergeblich geschrien haben. Dagegen behauptet der Jüngling, die Wölfe seien die Ursache.‘ ,Zufällig sehe ich – sagt [der Sohn] – die die Herde unmittelbar bedrohenden Wölfe, weshalb ich die Hunde von den Leinen loszubinden befahl und die Wölfe mit den Hunden mit euch durch das Waldesdunkel verfolgte. Unterdessen kehrte ein Teil der Wölfe zurück und warf die verlassene Herde nieder und tötete sie. Dass es folglich eure Nachlässigkeit war, da ihr die Herde verlassen habt, und nicht meine Schuld, da ich die Wölfe verjagte, ist allen einleuchtend.‘ (29) Dazu der Vorsteher: ,Beide Ansichten sind zwar als äußerst wahrscheinlich dargestellt worden, aber keine von beiden führt ein entscheidendes Argument für ein Urteil oder die Kraft eines Beweises an, denn keine von beiden wird durch Zeugen oder andere Stützen442 bekräftigt. Die Lohnarbeiter jedenfalls werden als unschuldig angesehen, weil niemand gezwungen wird, für ein zufälliges Unglück einzustehen, es sei denn, er hat etwas ganz besonders vereinbart. Aber weil sie weder für Schuld oder Arglist haften können, noch für die Einrede443, die sie von den Hunden anführen, einen Beweis beibringen, wer verneint da, dass sie eine Buße für die Herde schuldig sind. (30) Erscheint euch, ihr Vornehmen, das Urteil gerecht?‘ Sie antworten: ,Wir sehen nicht, wie man etwas anderes urteilen könnte.‘ Und jener: ,Ja gewiss, die Rechtslehre gebietet wohl das Gegenteil. Denn das, was von diesen [Lohnarbeitern] zu beweisen war, geht aus dem klaren Geständnis des Gegners sicher hervor. Denn dass er die rasenden Hunde zu hegen hatte, kann er nicht in Abrede stellen, weil dies allen mehr als augenscheinlich ist. Auch dass sie [die Hunde] durch seinen Befehl nahe der Herde von den Leinen gelassen wurden, kann rechtens nicht geleugnet werden. Was anderes, so frage ich, macht die blutige Wildheit der Bellenden unter den blökenden Unschuldslämmern, wo doch jede Wut der Feind der Unschuld ist. (31) Weil daher die Vermutung so stark ist, dass sie weder durch den Beweis des Gegenteils noch durch eine andere Vermutung zerschlagen werden kann, kann man sich auf sie stützen. Denn auch seine alberne Fabel, die er von den Wölfen anführt, kann er nicht als den geringsten Beweis vorlegen. Wer deshalb Gelegenheit zum Schaden gibt, der ersetzt den Schaden der Stiefmutter oder Mutter auch wieder, [denn] nach seinem Beispiel kann sein mit den Hörnern stoßendes Rind oder sein altes, gern nach hinten ausschlagendes Pferd eine beliebige Rechtschaffene schädigen.444 Gefällt dieses Urteil?‘ Alle stimmen laut zu: ,Es gefällt!‘
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[3] (1) Tum demum Deo plenus antistes, pleniore nacta dicendi oportunitate, ait: ,Diuinum admodum, preses gloriose, sententiasti oraculum, diuinam constitutionis promulgasti sententiam. Eatenus tamen tuas habere robur constitutiones noueris, si tuis ipse constitutionibus ulla contrarietate non deroges. (2) Audi, obsecro, quorsum respiciat, quam ipse tulisti sententiam, tuum de te patienter excipe iudicium. Hec matrona Cracouiensis est prouincia, tu, nisi dissimulare uelis, eius fi lius. Grex tonsarum est populus prouincie; huic pascendo non pastores set hostes instituisti, qui ea que sua sunt querunt, non que gregis. (3) Vnde merito non iam filius set priuignus appellaris; priuignali enim hostilitate induitur, quem calamitatis materne non miseret. Tu canes rabidos, id est officiales truculentissimos, non in copula districtionis circumducis, set nodis discipline tua solutis iussione passim undique sinis debachari. (4) Hii atrocitate cruenta, morsibus uirulentis, in gregem penitus confractum incessanter deseuiunt, nec aliud sitire uidentur, quam ut lacero gregis iugulo, gregis cruore debrientur. Tuam igitur in te premisisti sententiam, quia in quo alium iudicas, te ipsum condempnas. Vnde uerendum nobis est districtioris iudicii examen districtius. (5) Nam sanctus Dauid non opprimi set numerari iusserat populum, diuine tamen offensam indignationis incurrit.445 Quam nihilominus cuiusdam contritiuncule momento prorsus expiauit. Dic ergo, filii, dic una cum Dauid: Ego peccaui, ego inique egi.446 Dic iniquitates tuas ut iustificeris. Alioquin dum securis ponetur ad radicem447, absportabere, quod absit, sicut gallus gallinaceus.‘448 (6) Set silici frustra inseritur oliue surculus nec eget sal infatuatum imbre prudentie. Maiores namque odii causas in presulem preses conflat, asserens talia non zelo pietatis de se prolata, set inuidie typo de principe oblatrata. Nec enim dolore caret seu prurigine quantumlibet leuissimus apostematum contactus. (7) Vnde tam de presule quam de aliis ultum ire parat, quasi de principe durius aliquid fuissent opinati et presuli quidem occultius proscriptionis meditatur exilium, aliis uero finitiuum capitis infortunium aut cuiuslibet mutilationis dispendium. (8) Set frustra iacitur rete ante ocu-
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Vgl. 2 Sm 24, 1–9. 2 Sm 24, 17. Vgl. Lk 3, 9. Vgl. Js 22, 17 (abstortabere = asportatur, gallinaceus = gallinacius).
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[3] (1) Damals endlich sprach der gotterfüllte Bischof [Gedko], da er zufällig zahlreichere günstige Gelegenheit zur Rede erlangte: ,Vorsteher, du hast ruhmvoll einen äußerst weisen Götterspruch gefällt und hast das göttliche Urteil des Gesetzes öffentlich verkündet. Aber wisse, dass deine Gesetze nur so weit Festigkeit haben, wie du selbst deine Gesetze nicht durch Widerspruch aufhebst. (2) Höre, ich flehe dich an, worauf mag sich beziehen, was du selbst als Urteil gefällt hast? Nimm dein Urteil selber geduldig auf dich! Diese Frau ist das Krakauer Land [und] du, wenn du dich nicht verstellen willst, [bist] ihr Sohn. Die Schafherde ist das Volk des Landes; diesem hast du nicht Hirten zur Weide, sondern Feinde eingesetzt, die nach dem streben, was das ihre ist, und nicht [nach dem], was der Herde [dient]. (3) Daher wirst du mit Recht schon nicht mehr Sohn, sondern Stiefsohn genannt; denn in die Feindseligkeit eines Stiefsohnes wird verwickelt, wen mütterliches Unglück nicht erbarmt. Du führst wütende Hunde, das heißt überaus grimmige Amtsträger, nicht am Band der Strenge umher, sondern lässt sie durch deinen Befehl von den Fesseln der Disziplin gelöst überall nach allen Richtungen wüten. (4) Diese wüten mit blutiger Wildheit, mit giftigen Bissen unermüdlich tief in die zunichte gemachte Herde hinein und scheinen nach nichts anderem zu dürsten als durch die zerfetzte Kehle der Herde, durch das Blut der Herde berauscht zu werden. Du hast folglich dein eigenes Urteil vorausgeschickt, denn so, wie du einen anderen richtest, so fällst du das Urteil über dich selbst. Daher müssen wir bei einem strengeren Urteil [auch] eine strengere Prüfung fürchten. (5) Der heilige David befahl schließlich nicht, das Volk zu unterdrücken, sondern es zu zählen; dennoch geriet er in die Ungnade des göttlichen Zornes445, die er durch die Kraft der Reue gleichwohl ganz und gar sühnte. Sprich also, mein Sohn, sprich mit David: Ich habe gesündigt, ich habe ungerecht gehandelt.446 Sprich deine Ungerechtigkeiten aus, damit du gerechtfertigt werden mögest. Andernfalls wird die Axt an die Wurzel gelegt447 und du wirst, was Gott behüte, wie der Haushahn fortgeschafft.‘448 (6) Doch vergeblich wird der Olivenzweig dem Stein eingefügt und der schale Witz bedarf nicht des Regens der Klugheit. Denn der Vorsteher schürt gegen den Bischof größere Anlässe des Hasses und behauptet, dass solches von ihm [dem Bischof] nicht aus Frömmigkeitseifer vorgetragen, sondern aus Abneigung dem Fürsten gegenüber scheltend vorgeworfen worden sei. Denn auch die noch so kleinste Berührung eines Geschwürs ist nicht frei von Schmerz oder Juckreiz. (7) Daher schickt er sich an, sowohl gegenüber dem Bischof wie den anderen [Großen] eine finstere Miene aufzusetzen, als hätten sie sich irgendwie überaus hart über den Fürsten geäußert, jedenfalls bereitet er die Verbannung des Bischofs durch heimliche Ächtung vor, den anderen aber [droht er] ein endgültiges Unglück oder eines jeden Ende durch Abhacken des Kopfes [an]. (8) Doch vergeblich
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los pennatorum.449 Nam antistes omni sapientie probatus industria, et ipse illorum declinat machinamenta et alios industrie declinare docet. Nec minus paterne ammonitionis instat proposito, non animo nocendi, ut illi autumant, set studio corrigendi. Nulla enim est apud perfectos in malo mutui redibitio. [4] (1) Set ad uocem sapienter incantantis aspis obsurdescit et ad tonantis minas celi, quasi contra celum pugnaturus, in setas hericius exhorrescit. Immo tamquam in proprii iugulum capitis coniurassent, tamquam ultro in principis factionarentur excidium, pressuras iniuriis augent et iniurias pressuris accumulant, que res inexorabiles odii causas in principem congessit. (2) Nam deliramentum capitis membra sepe luunt membrorumque lapsus in capite nonnumquam redundat. Quasi enim consentire uidetur, qui cum prohibere possit, non prohibet.450 Proinde primi prouincialium et consulares uiri secreta secum deliberatione disceptant. (3) ,Turpe, inquiunt, est factiosos uideri, set turpius ignauos existere. Indignum est ingenuitatem ancillari, longe indignius reginam prouinciarum inter scorta prostitui. (4) Durum quidem tot calamitatibus premi, set durius in tanti maiestatem principis inpingere. Estne igitur ullum uspiam remedium rebus confractis, ampullis uitreis inter malleum constitutis et incudem?‘ [5] (1) Tum quidam uirorum illustrium preinsignis: ,Est, inquit, non procul hinc oliua quedam generosioris inter ligna fructifera propaginis, frondibus amenissimis propagatior, uirore perpetuo semper festiuior, olei non tam stillans irriguum, quam spatiosis undique balsami profluentibus inundans, cuius odor omnibus est notissimus, cunctis tamen incognitus, omnibus domesticus, cunctis peregrinus, fructus elegantior omni gemmarum prestantia. (2) Nec enim latere uos arbitror, que aut quante sint Kazimiri uirtutes, que fama uirtutum omni pigmentaria suauitate redolens, omnem odoraminum fragrantiam transcendens. Nam in extrinsecis
449 450
Spr 1, 17. CIC Dig 9, 4, 3 (prohibit = prohibuit).
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wird das Netz vor den Augen der Gefiederten ausgeworfen.449 Denn der durch die Klugheit jedweder Weisheit bewährte Bischof selbst wendet die Intrigen jener ab und lehrt die anderen mit Beharrlichkeit, ihnen auszuweichen. Nicht weniger drängte er durch Bekanntmachung der väterlichen Ermahnung, nicht um die Seelen zu schädigen, wie jene meinen, sondern um sie mit Eifer zu verbessern. Denn vollkommene [Menschen] vergelten Böses nicht mit Bösem. [4] (1) Aber gegenüber der Stimme des diplomatisch Beschwörungsformeln singenden [Bischofs] bleibt die Natter taub und der Igel sträubt sich gegen die donnernden Drohungen des Himmels mit seinen Stacheln, als wolle er gegen den Himmel kämpfen. Mehr noch, so als hätten sie [die Amtsträger des Herzogs] sich gegen die Kehle des eigenen Hauptes verschworen, als hätten sie überdies Parteiungen zum Untergang des Fürsten gebildet, vergrößern sie die Bedrückungen durch Ungerechtigkeiten und vermehren die Ungerechtigkeiten durch Bedrückungen, welche Tatsache dem Fürsten unversöhnliche Gründe des Hasses aufgebürdet hat. (2) Denn für die Possen des Hauptes büßen oft die Glieder und der Irrtum der Glieder ergießt sich bisweilen reichlich auf das Haupt. Wer nämlich nicht verhindert, obwohl er verhindern kann, wird [als jemand] angesehen, der [allem] zustimmt.450 Daher debattieren die ersten Männer der Provinzen und die Konsuln unter sich in geheimer Beratung. ,Verwerflich ist es – sagen sie –, als Intriganten angesehen zu werden, noch verwerfl icher aber, als Feiglinge zu erscheinen. (3) Unwürdig ist es, einen Freigeborenen zu verknechten, weit unwürdiger, die Königin der Provinzen [Krakau] bei den Huren auf den Strich gehen zu lassen. Hart ist es, durch so viele Unglücksfälle bedrückt zu werden, aber härter, die Hand gegen die Majestät eines so großen Fürsten zu erheben. Gibt es also für die zertrümmerten Dinge, für die zwischen Hammer und Amboss aufgestellten Glasfläschchen nicht irgendwo irgendein Heilmittel?‘ [5] (1) Damals sprach einer der vornehmen Männer, ein besonders ausgezeichneter: ,Nicht weit von hier steht ein Ölbaum mit sehr anmutigem, ausladendem Laubwerk, der unter den Fruchtbäumen von edlerem Wesen und in seiner beständigen Lebenskraft stets heiterer ist; sein Öl rinnt nicht tropfenweise, sondern strömt in breiten Balsamströmen nach allen Seiten hin aus; sein Duft ist allen überaus bekannt, dennoch von niemandem anerkannt; er ist allen vertraut, dennoch allen ein Fremder; [seine] Früchte sind von allen Knospen durch ihre Vorzüglichkeit die schmackhaftesten. (2) Ich glaube auch nicht, dass euch entgeht, welche und wie große Tugenden Kasimir [II.] besitzt, wie der Ruhm seiner Tugenden mit ganzer Lieblichkeit einen Duft verbreitet, der jeden Wohlgeruch wohlriechender Spezereien
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ipsius corporis dotibus occupari non conuenit, que ipsa sui uenustate intuentium obtutus, quasi quibusdam solis radiis, perstringunt. (3) Supergenerosissima enim 앚illi앚451 tam forme quam lineamentorum elegantia, mediocriter staturam transcendens mediocrium ipsa stature proceritas. Blandus illi aspectus, quadam tamen reuerentie maiestate conspicuus, pudicus semper sermo, quadam tamen acrimonie uenustate conditus. (4) Cui uero tam inscrutabile pectoris armarium, tam prestantissimos cordis thesauros, tam inestimabilem animi supellectilem aut natura fundauit aut gratia stabiliuit? Incertum est, utrum in illo natura gratiam uincat, an gratia naturam. Adeo sororia inuicem altercatione colludunt, ut utraque uincere studeat alteram, neutra tamen alteri munus inuideat uictorie. (5) Nam politicis illum uirtutibus natura stagnauit, purgatoriis uero gratie diligentia expoliuit. Quidquid enim ad naturalem seu politicam iustitiam, temperantiam, fortitudinem prudentiamue452 spectare dinoscitur, et uerbo preceptionis aperit et operis exemplo demonstrat. (6) Nemo siquidem unicuique quod suum fidelius dispensare nouit453, nec enim in aliquo umquam infallibilius uiguit aut equitatis uirtus aut iudicationum454 ratio. Nam quod querelantium strepitu nonnumquam offenditur, quod causidicorum inportunitates egre fert, duo sunt in causa: odium scilicet calumpnie et amor concordie. (7) Vnde multis ob calumpniam sepe inpressum est in fronte cauterium, multi naso, lingua nonnulli capulati, ad insigne uidelicet confusionis perpetue. E contra concordes gratie amplexu ad pacis perpetuitatem inuitat, quorum alterum opus est iustitia, reliquum uis est temperantie. (8) Est enim iustitia calumpniarum ultrix, est temperantia concordiarum imperatrix, que quanti sit penes hunc, eius probat modestia, astruit mansuetudo, docet humilitas. Qui sue interdum quasi oblitus dignitatis, minimorum sese ingerit et contemperat consortio, non leuitatis prurigine, set beneficio uirtutis. Liberalitatis tamen studio limites temperantie penitus excedit. (9) Cui ab infantia modum non posuit: nec enim ut plerisque moris est, aut inhiat acquirendis aut incubat acquisitis, set instar
451
앚…앚 Ergänzung von Plezia. Vgl. den Tugendkatalog bei Macrobii Commentarii I, 8, 5 – 8; Ioannis Saresberiensis Policraticus I, 3 (politica iusticia). 453 Vgl. CIC Inst 1, 1, 3; CIC Dig 1, 1, 10. 454 Mit Bielowski nach dem Codex Eugenianus; bei Plezia „indicationum“. 452
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übertrifft. Doch es ziemt sich nicht, sich allein mit den äußeren Gaben des Körpers zu befassen, die schon mit ihrer Anmut, gleichsam wie die Strahlen der Sonne, den Blick der Betrachter fesseln. (3) Über die Maßen edel sind sowohl seine451 Wohlgestalt als auch die Feinheit seiner Gesichtszüge, wobei der hohe Wuchs seiner Gestalt die Gestalt der Mittelmäßigen nur mäßig übersteigt. Er hat einen einnehmenden Blick, zeichnet sich aber durch eine gewisse Würde der Achtung und eine stets zurückhaltende Redeweise aus, die gleichwohl mit einer gewissen Schärfe feinen Witzes gewürzt ist. (4) Wem aber haben sowohl die Natur als auch die Gnade schon eine so unerforschliche Rüstkammer des Herzens, so vortreffl iche Schätze des Verstandes, einen so unschätzbaren Vorrat an Mut verliehen und fortwährend gesichert? Es ist ungewiss, was von beidem in ihm – die Natur die Gnade, oder die Gnade die Natur – übertrifft. So sehr sie untereinander schwesterlich im Duell zusammenstoßen, wobei jede die andere zu besiegen versucht, neidet doch keine der anderen das Geschenk des Sieges. (5) Die Natur hat jenen nämlich mit politischen Tugenden angefüllt, die Umsicht der Gnade [ihn] mit Sittlichkeit verfeinert. Denn was auch immer die natürliche oder politische Gerechtigkeit, Mäßigung, Tapferkeit und Klugheit452 betrifft, so tut er [diese] ebenso mit dem Wort der Unterweisung kund, wie er sie durch das Beispiel der Tat bezeugt. (6) Niemand versteht offensichtlich zuverlässiger jedem das zuzuteilen, was ihm zusteht453, und in keinem anderen standen sowohl die Tugend der Gerechtigkeit als auch die Vernunft des Urteils454 jemals unfehlbarer in voller Kraft und Blüte. Denn dass er bisweilen durch das Getöse der sich Streitenden vor den Kopf gestoßen wird, dass er die Rücksichtslosigkeiten der Anwälte nur mit Mühe erträgt, hat zwei Ursachen: nämlich die Abneigung gegenüber Verleumdung und die Liebe zur Eintracht. (7) Daher ist vielen wegen Verleumdung oft ein Brandmal auf die Stirn gedrückt, viele sind zum Zeichen der ewigen Schmach an der Nase, manche an der Zunge beschnitten worden. Die Einträchtigen hingegen lädt er mit einer Umarmung der Gnade zur Fortdauer des Friedens ein. (8) Das eine ist das Werk der Gerechtigkeit, das andere die Wirkung der Mäßigung. Die Gerechtigkeit nämlich ist die Rächerin der Verleumdungen, die Mäßigung die Herrin der Einträchtigen und in welchem Maße er dieses [beides] besitzt, beweist seine Bescheidenheit, belegt [seine] Milde, lehrt [seine] Demut. Zuweilen setzt er sich herab und mischt sich, als würde er seine Würde vergessen, unter die Gemeinschaft der geringsten [Menschen], nicht durch die Geilheit des Leichtsinns, sondern das Verdienst der Tugend. Mit dem Eifer seiner Freigebigkeit aber überschreitet er weit die Grenze der Zurückhaltung. (9) Darin konnte er von Kindheit an nicht Maß halten, nicht indem er wie die meisten nach Gewinn schnappt oder auf dem Errungenen hockt, sondern es dem Fluss Tagus gleichtut, der
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Tagi fluminis quo largius defluit, eo uberius aureis harenis inundat.455 Est enim auro prestantior liberalitatis largitio. (10) Iam uero dotes fortitudinis eius libet attingere. Iugis illi laborum exercitatio, raro nisi seriis nunquam nisi honestis intenta. Est enim uita strennuorum semper actuosa, est ignauie torpor ipsa quiete tediosus. Cui quotiens extrinsece desunt bellorum occupationes, uenandi exercetur studiis. Quia non paruum est uirtutis seminarium otii declinatio, nec minima seriorum exercitamina uir fortis interdum elicit ex ludicris. (11) An ignoratis regem Epiri Mitridatem, cuius futuram celsitudinem etiam celestia signa predixerant? Nam et eo quo genitus est anno et eo quo regnare cepit, stella cometes per utrumque tempus illuxit LX diebus, ut celum omne fl agrare uideretur. Que in ortu seu occasu quatuor horas consumebat, per quod probatur sextam celi partem magnitudine occupasse. (12) Puer insidiis tutorum ueneno appetitur; ille sepius bibit antidota, ut nec uolens quidem senex ueneno mori potuerit. Timens deinde ne quod ueneno inimici non poterant, ferro peragerent, uenandi studium elegit, quo VII annis neque urbis neque ruris tecto usus est, set per siluas diuersis montibus regionum pernoctabat, ignaris omnibus quibus in locis mansitaret. (13) Quibus rebus et insidias uitauit et corpus ad omnem uirtutis patientiam durauit. Hic de augendo deinde regno cogitauit. Itaque Scithas inuictos perdomuit, qui Sopiriona, ducem Magni Alexandri cum XXX milibus deleuerunt, qui Cyrum regem Persarum cum CC milibus trucidauerunt, qui Philippum regem Macedonum ceperunt. Pontum quoque et Capadociam occupat, inde Asia explorata Bithyniam transcendens oportuna queque uictorie sue meditatur.456 (14) Quia uero uirum fortem non tam robur corporis quam animi comendat integritas, non minus pectoris monstra quam nemorum bestias studet Kazimirus domuisse. Cuius quanta sit magnanimitas, quanta constantia, que animositas, que in ipso etiam animositatis torrente patientia, non est promptum expedire. (15) Audire uultis ridiculum non ridiculum,
455
Vgl. Boethius, De consolatione III, 10, 7. Die Geschichte von Mithridates mit kleineren Auslassungen und Umstellungen großenteils wörtlich nach Iustini Epitoma XXXVII, 2, 1- 3, 5. 456
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je breiter er wird, umso ergiebiger von goldenem Sand überfl ießt.455 Denn die Großzügigkeit des Edelmutes ist vorzüglicher als Gold. (10) Nun aber will ich die trefflichen Eigenschaften seiner Tüchtigkeit erwähnen. Eine [beständige] Übung ist ihm das Joch angestrengter Tätigkeiten, die selten nicht als ernsthafte, immer als ehrenhafte verfolgt werden. Denn das Leben der Tatkräftigen ist stets sehr bewegt, [während] die Regungslosigkeit der Trägheit durch [ihre] Untätigkeit selbst widerlich ist. Sooft ihm die äußeren Beschäftigungen der Kriege fehlen, übt er sich durch die Fertigkeiten der Jagd, weil die Vermeidung der Faulheit keine unbedeutende Pflanzschule der Tugend ist und ein entschlossener Mann bisweilen [auch] der Kurzweil nicht die geringste Einübung ernsthafter [Dinge] abgewinnt. (11) Oder kennt ihr etwa nicht Mithridates, den König von Epirus, dessen zukünftige Erhabenheit himmlische Zeichen prophezeit hatten? Denn sowohl im Jahr, da er geboren wurde, als auch [im Jahr], in dem er die Herrschaft ergriff, begann ein Komet Tag und Nacht 40 Tage lang zu leuchten, so dass der ganze Himmel zu glühen schien. Dieser [Komet] verbrauchte im Auf- und Untergang vier Stunden, was beweist, dass er mit seiner Größe den sechsten Teil des Himmels eingenommen hat. (12) Als Junge wurde er [Mithridates] durch Giftanschläge seiner Erzieher bedroht; er trank so oft Gegenmittel, dass er selbst als alter Mann, auch wenn er es gewollt hätte, durch Gift nicht sterben konnte. Weil er daraufhin fürchtete, dass die Feinde, was sie mit Gift nicht auszuführen vermochten, mit dem Schwert vollbringen würden, wählte er die Beschäftigung der Jagd und benutzte sieben Jahre lang weder das Dach einer Stadt noch eines Landgutes, sondern verbrachte die Nächte in Wäldern und verschiedenen Bergregionen, so dass niemand wusste, an welchen Orten er sich aufhielt. (13) Durch diese Umstände ging er den Anschlägen aus dem Weg und härtete seinen Körper zur vollständigen Unempfindlichkeit der Tapferkeit ab; daraufhin sann er auf die Vergrößerung seines Reiches. Daher unterwarf er die unbesiegten Skythen, die Sopyrion, den Heerführer Alexanders des Großen, mit 30 000 [Soldaten] vernichtet haben, die Kyros, den König der Perser, mit 200 000 [Soldaten] niedergemetzelt haben, die Philipp, den König der Makedonen, gefangen genommen haben. Er besetzte auch Pontus und Kappadokien und bedachte, nachdem er Asien erkundet hatte und während er durch Bithynien zog, die günstigen Gelegenheiten seines Sieges.456 (14) Weil einen starken Mann aber nicht so sehr die Stärke des Körpers als die Lauterkeit der Seele auszeichnet, ist Kasimir eifrig bemüht, die Ungeheuer des Herzens nicht weniger als die wilden Tiere der Wälder zu bändigen. Wie groß seine Hochherzigkeit, seine Charakterfestigkeit sind, welche Kühnheit, welche in dieser Kühnheit enthaltene Geduld [ihn auszeichnen], ist nicht leicht darzulegen. (15) Wollt ihr etwas Lustiges hören, das nicht lächerlich, sondern ein Zeichen seiner Geduld ist? Ein gewisser
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set patientie insigne? Quidam ad alee duellum457 hunc principem sollicitat; congrediuntur, confligunt, iacet in medio pignus uictorie, argenti quantitas inmensa. Vacillat aliquantisper belli fatum et fluctuat in talorum ambiguo; pauet ille, suspirat ac trepidat, totus inter spem ac timorem stupidus, totus exanimis. Finitiuus tandem iactus fatum duelli dirimit et calculum uictorie principi sententiat. (16) Tum lusor, quadam doloris correptus uesania, pugnum exerit, contorquet summo uibramine, maxille principis incutit et noctis beneficio de manibus circumstantium elapsus, in fugam conuertitur. Qui uix tandem repertus consistorio presentatur et a cunctis reus utpote maiestatis carptim demembrandus appetitur. (17) Quo de se nihil nisi crudele mortis ludibrium prestolante, ait princeps: Ne moueatur, proceres, uestra grauitas, quia leuitatis est causis ex leuibus indignari. Digna enim non est eius indignatio, cuius animus intra se tranquillior causas indignandi non ponderat, immo iniquum est examen, cuius trutina iactatur in turbine. (18) Quid, queso, quid indignatione dignum pauper Johannes admisit? Hoc enim erat nomen eius. Quid si cecum fortune causatur iudicium? Nonne ceca est, que in causa non dispari causam pauperis supprimit et potentis potentiam extollit? Iniqua in utroque, crudelis in paupere, adulatrix in potente. (19) Non iniuria ergo ultionem iniurie, quam a fortuna extorquere non potuit, a filio fortune, ut potuit, exegit. Quin, ut uerius loquar, lucrum lucro addidit et fortunam in me uicit munere. Illa nummos, quibus habundabam, contulit, ille aureum prudentie gestamen, quo princeps carere non debuit, fabricauit, quia meminisse me docuit periculosum esse principi ludibriis intendere, periculosius etiam in minimis lubrico fortune submitti. Prudentia458 enim principandum est principibus non fortuna. (20) Grates ergo ingentes Johanni, cuius gratia nihil amodo leuitati, nihil casibus ultro fortuitis de me ulterius permitto. Sic iniuriator ille principis amplexibus excipitur et principalibus quam largissime donariis effertur. O mira in uiro forti tam patientie constantia quam prudentie industria! Qui accepte probra iniurie non solum equanimiter fert, set gratanter ignoscit, non inprudenter excusat, gratia rependit, muneribus repremiat. (21) Set
457 Anders als Ioannis Saresberiensis Policraticus I, 5 verwirft Vincentius das Würfelspiel nicht unbesehen als eines Fürsten unwürdig. 458 In einigen Handschriften, darunter dem Codex Eugenianus, „providentia“.
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Mann fordert diesen Fürsten zu einem Würfelduell457 heraus; sie kommen zusammen, geraten aneinander, in der Mitte liegt das Pfand des Sieges – eine ungeheure Menge Silber. Das Kriegsglück schwankt in der Unentschlossenheit der Würfel eine Zeitlang hin und her; jener hat Angst, seufzt und zittert, ist zwischen Hoffnung und Furcht ganz wirr, ganz atemlos. Endlich löst der letzte Wurf das Los des Duells und bringt dem Fürsten den Siegeswürfel. (16) Daraufhin erhebt der Spieler von der Wut des Schmerzes gepackt die Faust, schlägt sie mit voller Wucht gegen das Kinn des Fürsten und wendet sich, indem er mit Hilfe der Nacht den Händen der Umherstehenden entwischt, zur Flucht. Sobald er mit Mühe aufgegriffen ist, wird er dem Rat übergeben und alle fordern, dass er wegen Majestätsbeleidigung in Stücke zerteilt werde. (17) Während er nichts als den Spott eines grausamen Todes erwartet, spricht der Fürst: Meine vornehmen Herren, möge euch nicht eure Strenge erregen, weil es leichtfertig ist, sich aus geringen Ursachen zu empören. Dessen Zorn nämlich ist unangemessen, dessen Geist nicht in sich die Gründe des Zorns ruhiger abwägt. Vielmehr ist [dessen] Prüfung inkorrekt, dessen Waage im Sturm hin und her geworfen wird. (18) Was, so frage ich, was, das des Zornes würdig wäre, hat der arme Johannes verbrochen? – Dies nämlich war sein Name. – Dass er das blinde Urteil des Schicksals beschuldigt? Ist [das Schicksal] nicht blind, das in gleicher Lage das Los des Armen niederdrückt und die Macht des Mächtigen emporhebt? Es ist beiden gegenüber ungerecht, grausam gegenüber dem Armen, schmeichlerisch gegenüber dem Mächtigen. (19) Nicht zu Unrecht also hat er die Vergeltung der Ungerechtigkeit, die er vom Schicksal nicht erzwingen konnte, dem Sohn des Glückes selbst, soweit er konnte, abverlangt. Ja er hat, wenn ich ehrlich bin, dem Gewinn [noch] einen Gewinn hinzugefügt und das Glück in mir [noch] mit einer Gabe übertroffen. Jenes [das Schicksal] hat mir Geld gegeben, das ich reichlich habe, jener [aber] den goldenen Schmuck der Klugheit und das, was ein Fürst nicht entbehren darf, verfertigt, weil er mich gelehrt hat zu bedenken, dass es für einen Fürsten gefährlich ist, sich auf Spielereien zu verlegen, gefährlicher aber noch, sich bei den kleinsten Dingen dem flüchtigen Glück zu unterwerfen. Fürsten müssen nämlich mit Umsicht458 und nicht mit Glück herrschen. (20) Dem Johannes gebührt folglich großer Dank; dank seiner Gunst werde ich meinerseits in Zukunft nichts mehr der Leichtfertigkeit, nichts mehr den willkürlichen Zufällen überlassen. So wurde jener Gewalttäter in den Umarmungen des Fürsten aufgefangen und mit fürstlichen Gaben wahrlich großzügig entlassen. Oh [welche] wunderbare Charakterfestigkeit der Geduld, [welcher] Eifer der Klugheit bei einem so tapferen Mann! Dieser erträgt nicht nur gleichmütig die schändlichen Handlungen der Ungerechtigkeit, sondern verzeiht gern, entschuldigt verständig, vergilt mit Gnade, beschwichtigt mit Ge-
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unde hoc? Omnes omnium uirtutum filie, omnis earum familia, quidquid officii, quidquid operis exerceant, ad prudentie refertur iudicium. Verbi gratia: Gestat Patientia, que est filia Fortitudinis, tres in eadem sarcina massas: massam langoris, massam laboris, massam contumeliarum seu iniuriarum. (22) Quam uidens Prudentia: Quid fers, inquit, filia? Ad quam illa gemens sub onere: Accelera, mater, exonera! Turgentem ad te sarcinam tua soror Fortitudo perferri iussit. Cui Prudentia: Nosco mee sororis delicias, consueta nosco munuscula, sibi nos ancillari iubet. Tibi tamen, o Patientia, compatimur, sustine modicillum, faciam quod hortatur. (23) Rudes itaque massas mittit in caminum desideriorum, conflat, excoquit, examinat et in laminas producens ductiles, miro artificio aureos effingit ornatus. Sic Prudentie magisterio ex abiecta infortuniorum materia fabrefiunt uirtutum insignia. (24) Claret hoc in filio prudentie, de quo mihi sermo est, qui cum sit princeps consilii, strennuus, prouidus, cautus, circumspectus, cum undique prudentie fulciatur industria459, inter simpliciores tamen simplicissimus uideri studet, tum ut arrogantie periculum declinet, tum ne humilitatis deserat uestigia, tum ut de simplicitatis palea uberius eliciat grana sapientie. (25) Prudens enim uirtutis fructum in conscientia metit, minus perfectus in ostentatione.460 Vnde Hieronymus461 prudentia nihil simplicius, simplicitate nihil prudentius. Nam quis nesciat commessationum assiduitatem esse uirtutibus inimicam? Nec enim siccaria nomen et speciem liberalitatis mentita, uirtutes inuitat, inebriat, intoxicat. (26) Ex industria tamen sub quodam simplicitatis umbraculo conuiuiorum celebritates non solum non declinat, set celeberrimos ac prodigos crebrius instaurat apparatus, causas ob multas. Quarum prima est, ut quid sibi uirtutis desit, ex infatuatis aliorum sensibus condiscat; est enim prudentia experimentum fatuitatis, sicut fatuitas cos est uirtutis. (27) Stulto siquidem in stultitia deprehenso, sapiens sapientior erit. Secunda causa est, ut aliorum de se agnoscat iudicia; Liber enim dicitur Bachus et liberam de omnibus promulgat sententiam. (28) Tertio ut secretius contra se fabricata machina-
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Vgl. die Definition von „prudentia“ bei Macrobii Commentarii I, 8, 7. Macrobii Commentarii II, 10, 2. 461 Nach Bielowski, bei Plezia „huius“; Bielowski ging davon aus, dass der im Original als Abkürzung „Hm“ geschriebene Name von den Kopisten fälschlich mit „huius“ aufgelöst worden sei; dass hier ursprünglich tatsächlich Hieronymus gemeint gewesen sein dürfte, legt das anschließende Zitat aus dessen Hoseas-Kommentar II, 76 nahe. 460
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schenken. (21) Doch was folgt daraus? Alle Töchter sämtlicher Tugenden, ihr gesamter Hausverband, welches Amt, welche Funktion auch immer sie ausüben, sind auf das Urteil der Klugheit verwiesen. Um ein Beispiel anzuführen: Die Geduld, die eine Tochter der Tapferkeit ist, trägt in ein und demselben Gepäck drei Klumpen: den Klumpen der Trägheit, den Klumpen der Mühe, den Klumpen der Kränkungen oder Ungerechtigkeiten. (22) Als dies die Klugheit sieht, fragt sie: Was trägst du, Tochter? Darauf [antwortet] jene unter der Last stöhnend: Komm schnell, Mutter, entlaste mich! Deine Schwester, die Tapferkeit, hat mir befohlen, dir diese schwere Last zu bringen. Die Klugheit [antwortet] jener: Ich kenne die Spielereien meiner Schwester, ich kenne [ihre] üblichen kleinen Geschenke; sie verlangt, dass wir ihr dienen. Dennoch haben wir mit dir, Geduld, Mitleid, halte noch etwas aus, ich tue, was sie angemahnt hat. (23) Daraufhin wirft sie die rohen Klumpen in den Ofen der Sehnsüchte, facht [das Feuer] an, kocht [sie] aus, prüft und formt [sie] zu geschmeidigen Klingen, die sie mit erstaunlicher Geschicklichkeit mit goldenem Schmuck verziert. So schmieden sie durch die Lehre der Klugheit aus dem minderwertigen Material der Unglücke die Insignien der Tugenden. (24) Dies erhellt das Beispiel des Sohnes der Klugheit [Kasimir], von dem meine Rede ist, deutlich. Obgleich er als der Erste des Rates energisch, vorausschauend, vorsichtig und umsichtig ist, obwohl er von allen Seiten durch den Eifer der Klugheit gestützt wird459, bemüht er sich dennoch, unter den Einfachen als der Einfachste zu erscheinen, um der Gefahr der Überheblichkeit zu entgehen, die Bahn der Bescheidenheit nicht zu verlassen, der Spreu der Einfalt umso reichlicher Körner der Weisheit abzugewinnen. (25) Denn der Kluge misst die Frucht der Tugend am guten Gewissen, der weniger Vollkommene an der protzigen Zurschaustellung.460 Deshalb [sagt] Hieronymus:461 Nichts ist einfacher als die Klugheit, nichts klüger als die Einfachheit. Denn wer weiß nicht, dass die beharrliche Völlerei die Feindin der Tugenden ist. Denn die Becheruntersetzer geben sich fälschlich als Namen und Gestalt der Freigebigkeit aus, [und die Völlerei] lädt die Tugenden ein, macht sie betrunken und vergiftet sie. (26) Aber [Kasimir] meidet mit Eifer unter dem Deckmantel der Einfachheit nicht nur der Gastmähler Feierlichkeiten nicht, sondern entfaltet [noch] üppiger festliche und verschwenderische Pracht [und dies] aus verschiedenen Gründen. Deren erster ist, dass er aus den verwirrten Gedanken der anderen erkennt, was ihm selbst an Tugend fehlt; denn die Klugheit ist die Probe der Einfalt, so wie die Einfalt der Schleifstein der Tugend ist. (27) Wo der Dumme in [seiner] Dummheit ertappt wird, wird der Weise weiser. Der zweite Grund ist, dass er die Meinung der anderen über sich erfährt; denn Bacchus wird auch der Freie genannt, fördert er [doch] aus allen eine offene Meinung zutage. (28) Drittens, dass er den Betrunkenen
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menta, que a sobriis elicere nequit, ab ebriis extorqueat; furtim enim ebrietas animi sacrarium irrepit, ut patentius reseret sobrietatis archanum.462 (29) Quarto nemo prudens nectar infundit uasi rimoso, quod totum effluit; ideoque uir sapiens opere pretium habet eorum non inprudenter experiri prudentiam, quibus prudentiora consiliorum archana conmittat: infusus namque liquor sine difficultate rimas inuenit in fictili. (30) Postremo diligi mauult pius princeps quam timeri: amore siquidem regem suum examen apum sequitur non timore. Gratia igitur conciliande gratie, que communis est apud omnes conuiuandi ratio, conuiuiorum honestati pro tempore indulget, eatenus tamen ut nihil ebrietati de se licere permittat, utpote quem semper comes indiuidua non deserat animi sobrietas. (31) Scitis quo pacto? stipatur interim literatissimorum lateribus altrinsecus, quorum tam sobrietas quam scientia paucis est incognita. Cum hiis nunc sanctorum exempla patrum, nunc uirorum gesta illustrium uicaria relatione retractat, interdum organicis precinens aut succinens concentibus celestis meditatur armonie dulcedinem, theologicis nonnumquam exercetur inquisitionibus, utramque partem questionis utrimque argutissimis urgens rationibus, rerum subtilium indagator sagacissimus. (32) Si ergo, quisquis es, delator inuide, temulentum asseris Kazimirum temulentorum consortio, cur prudentem non arguis iugi prudentum exercitio? Habes, liuor edax, quo doleas, etsi reperire nequeas quod carpas! Numquam enim hec oliua sine fructu fuit, quem uel foueret gratia uel carperet inuidia. (33) Proinde sub huius umbra nos auram quietis captare conuenit, ut eius oleo nostri tumor doloris salubriter fomentatus detumescat. Alioquin illa filii Gedeonis nos arguet parabola, qua docetur qualiter ligna regem creatura ficum, uitem, oliuam ut eis imperarent, hortata sunt; quibus abnuentibus carduum elegerunt, a quo ignis egressus omnia pene absumpsit.‘463 [6] (1) Hiis itaque omnes persuasi, tum Kazimiri fauore, tum adipiscende studio libertatis, Kazimirum suspirant, conueniunt, orant, sollicitant, ut si
462
Vgl. Facetus 66: „Si secretarum seriem vis noscere rerum, / ebrius, insipiens, pueri dicunt tibi verum.“ 463 Vgl. Ri 9, 8 –15.
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heimlich gegen ihn geschmiedete Intrigen entwindet, die er Nüchternen nicht entlocken kann. Denn unbemerkt schleicht sich der Rausch in das Heiligtum des Geistes, um das Geheimnis der Nüchternheit freier preiszugeben.462 (29) Viertens gießt kein kluger [Mann] Nektar in ein zersprungenes Gefäß, da es alles herausströmen lässt. Deshalb nimmt ein weiser Mann die Mühe in Kauf, nicht unklug die Klugheit jener zu prüfen, denen er die klügeren Geheimnisse [seiner] Ratschlüsse anvertraut. Denn ohne Schwierigkeit findet die in ein Tongefäß geschüttete Flüssigkeit die Risse in ihm. (30) Schließlich zieht ein frommer Fürst es vor, [eher] geachtet als gefürchtet zu werden; denn [auch] die Schar der Mauersegler folgt ihrem König aus Liebe, nicht aus Furcht. Folglich widmet er sich, um Gunst zu gewinnen, was für alle gemeinhin ein Grund für gemeinsames Speisen ist, zuzeiten der Ehre seiner Tischgenossen, jedoch nur so weit, dass er der Trunkenheit nichts von sich preiszugeben erlaubt, da ihn die Nüchternheit des Geistes als untrennbarer Begleiter nie verlässt. (31) Ihr wisst, wie er bisweilen von allen Seiten her von den Flanken der gebildetsten [Männer] umgeben wird, deren Nüchternheit und Wissen nur wenigen unbekannt ist. Mit diesen geht er in gegenseitigem Vortrag bald die Beispiele der heiligen Kirchenväter, bald die Taten berühmter Männer durch, bisweilen meditiert er, indem er auf Blasinstrumenten spielt oder in Chorgesängen singt, über die Süße der himmlischen Harmonie; manchmal übt er sich in theologischen Untersuchungen, wobei er beide Seiten einer Frage dialektisch mit den scharfsinnigsten Argumenten traktiert und der klügste Erforscher der subtilsten Dinge ist. (32) Wenn du, wer immer du bist, eifersüchtiger Ankläger, also behauptest, Kasimir sei in Gesellschaft Betrunkener ebenfalls betrunken, warum beschuldigst du den klugen [Fürsten] nicht, dass er sich beständig [im Umgang] der Klugen geistig übt? Da hast du, gefräßiger Neid, etwas, was du leidest, wenngleich du nicht finden kannst, was du verspottest. Denn noch nie ist dieser Ölbaum ohne eine Frucht gewesen, die sowohl die Gnade begünstigt als auch der Neid verspottet hätte. (33) Daher schickt es sich, dass wir unter seinem Schatten den Atem der Ruhe schöpfen, damit die Geschwulst unserer Leidenschaft durch sein Öl heilsam verbunden abschwelle. Andernfalls wird uns jenes Gleichnis vom Sohn Gideons entlarven, das darlegt, wie die Bäume, die sich einen König wählen wollten, den Feigenbaum, den Weinstock und den Ölbaum ermunterten, ihnen zu befehlen; nachdem diese abgelehnt hatten, erwählten sie die wilde Distel, aus der ein Feuer hervorstieg, das beinahe alle [Bäume] verzehrte.‘463 [6] (1) Da dadurch alle überzeugt wurden, zum einen aus Anerkennung gegenüber Kasimir, zum anderen aus dem eifrigem Streben nach Freiheit, holen sie tief Atem, kommen überein, bitten und ermuntern Kasimir, er
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regni dignitate non capitur, misericordie supplicatione inflectatur, si regnare non appetit, misereri non contemnat. (2) Ad quos ille: ,Antiqua, inquit, immo antiquata penes nos non est huius temptationis cauillatio. Nec enim tam repente a nostra464 potuit excidisse memoria, qualiter primi principum Ajax uidelicet et famosus ille Suentoslaus, cuius gloriosa hodie uiget posteritas et cuncti pene proceres, me licet renitentem ad idem regni pertrahebant fastigium, ut propulsato piissimo principe fratre meo Boleslao, infausta uendicatione securius imperarem. (3) Set malui fraterne pietatis amplexus omni preferre imperio, nam qui fratrem odit sui homicida est.465 Quia qui fraternum in se cor amputat, propriis semetipsum precordiis exenterat. Quoniam igitur tunc puro innocentie fonte laui pedes meos, quomodo in sanguine rursus fraterno inquinabo illos?466 (4) O quam egregii ad principandum gradus, in me homicidium, in fratre fratricidium, in fratricidio parricidii temeritas! Quo namque pacto in eius exterminium consurgam, qui me plus quam paterna fouerit temeritudine, quem plus quam filiali deuotione semper coluerim? Periniquum prorsus est iniquis prosperari commerciis.‘ (5) Instant illi: ,Sane, inquiunt, princeps serenissime, Boleslai parcendum erat pietati, quia tunc nulla honestas cause intercesit, solo factionis inpetu contra illum perstrepente. Nunc alia ratio pactum reformat 467, cum omnes extrema urget necessitas. Quibus nisi tua succurrat miseratio, nisi tam obstrangulate rei publice relaxetur per te spiraculum, suffocari necesse est, cum nulla sit aliorsum transmigrandi facultas.‘ (6) Vix igitur tam creberrimis instantium inportunitatibus, quam amicissimorum inpulsus consiliis, Cracouiam cum perpaucis adit, cauens ne uiolenta magis ipsius occupatio uideatur, quam ultronea ciuium electio.468 Occurrunt illi alacritate inedicibili exercitus numerosi, cateruatim undique turbe profluunt, exultant, gratulantur, saluatorem proclamant aduenisse. (7) Omnis illum etas amplectitur, omnis adorat condicio, dignitas omnis ueneratur, ualue quoque ciuitatis licet inuictissimis instructe presidiis, ultro patefiunt, ultro ab arce
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Mit Bielowski anstatt „uestra“ bei Plezia. 1 Jo 3, 15 (sui = suum). 466 Hl 5, 3. 467 CIC Cod 2, 4, 13, 2. 468 Die als adventus regni vollzogene Einnahme Krakaus erfolgte, wie die Annales Cracoviensis (MPH 5, S. 64) berichten, im Jahr 1177: „Kazimirus Cracoviam optinendam intrat.“ 465
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möge, wenn nicht von der Würde der Herrschaft ergriffen, so [doch] durch das inständige Bitten des Erbarmens bewegt werden; sollte er nicht zu herrschen wünschen, so möge er sich [doch wenigstens] nicht geringschätzig darüber hinwegsetzen, Mitleid zu haben. (2) Jener sprach zu ihnen: ,Alt, ja altbacken ist für uns das leere Gerede dieser Versuchung. Denn wir464 können nicht so plötzlich vergessen, wie die ersten der Anführer, nämlich Jaxa und der berühmte Swietosław, dessen prahlerische Nachkommenschaft heute in Blüte steht, und beinahe alle Vornehmen mich, obwohl ich mich widersetzte, in ebendiese Würde des Königreichs [der Krakauer Oberherrschaft] hineinzuzerren versuchten, damit ich, nachdem ich meinen Bruder, den frommsten Fürsten Bolesław [IV.], vertrieben hätte, durch eine [solche] unheilvolle Vertreibung umso unbekümmerter herrschen würde. (3) Doch ich zog die Umarmungen der brüderlichen Liebe aller Herrschaft vor, denn wer den Bruder hasst, ist sein eigener Mörder.465 Und wer aus sich das brüderliche Gefühl herausschneidet, nimmt sich selbst das Herz heraus. Da ich also damals meine Füße in der reinen Quelle der Unschuld gewaschen habe, wie sollte ich diese jetzt im Blut des Bruders [Mieszkos III.] besudeln.466 (4) Oh, wie außerordentlich [hoch] sind die Stufen zur Oberherrschaft, in mir [beginge ich] Mord, im Bruder Brudermord, mit dem Brudermord die Vermessenheit des Vatermordes. Denn wie sollte ich mich zur Vertreibung dessen erheben, der mich mit mehr als väterlicher Unbesonnenheit verwöhnt hat, den ich stets mit mehr als kindlicher Ehrerbietung verehrt habe? Es ist durchaus ein sehr großes Unrecht, seiner Sache mit unbilligen Händeln zum Erfolg zu verhelfen.‘ (5) Jene [aber] drängen und sprechen: ,Fürwahr, erlauchtester Fürst, damals musstest du Bolesław aus Liebe schonen, weil kein ehrbarer Grund vorlag, sondern nur das Geschrei einer Partei gegen ihn erhoben wurde. Jetzt stellt ein anderer Grund die Abmachung in ein neues Licht467, denn alle bedrängt die äußerste Not. Wenn dein Mitleid diesen nicht zur Hilfe eilt, wenn du dem in solchem Maße strangulierten Gemeinwesen nicht die erlösende Luft gibst, muss es ersticken, weil keine Möglichkeit besteht, anderswohin überzusiedeln.‘ (6) Mit Mühe wurde er damals also durch die wiederholten inständigen Bitten der Drängenden wie auch die Überlegungen der engsten Freunde veranlasst, mit nur sehr wenigen [Leuten] nach Krakau zu ziehen, wobei er Sorge trug, nicht den Anschein zu erwecken, dieses mit Gewalt, sondern durch die freie Wahl der Bürger zu besetzen.468 Mit unaussprechlicher Freude laufen ihm große Scharen entgegen, kommen sie von allen Seiten scharenweise zu einer Menschenmenge zusammen, jubeln, grüßen und rufen laut, der Retter ist gekommen. (7) Er wird von Menschen jeden Alters umringt, jeder Stand bewundert [ihn], jedes Amt verehrt [ihn], selbst die Tore der Stadt, obwohl mit den unbesiegbarsten Schutzmitteln versehen, öffnen sich von selbst; von selbst springen jene von
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desiliunt, quos Mesco urbis presidio prefecerat, cunctique prona ceruice scabello Kazimiri aduoluuntur. Omnium itaque concurrunt uota, omnium coniurant studia, princeps ab omnibus adoratur. [7] (1) Hiis inperterritus Mesco, summe magnanimitatis princeps, suorum consilia, fidem, animos et robur explorat, set sero, quia diu neglecto langori non facile succurritur, nec est in maris fundo consultatio naufragii. Eodem namque momento, quo iuris iurandi religione illi sese obstrinxerant, pro eo constantissime morituros, et fidei obliuiscuntur et principis. Set et carissimi eius, tantorum prorsus beneficiorum inmemores, ab eo dilabuntur. (2) Inter quos dux Odo eius primogenitus, hostis atrocissimus, proprii radicem stipitis eradicare contendit, in proprium uerticem flammas congerit, in patris excidium pertinacissimus. Non ut quendam Bactrianensem, quod absit, imitetur parricidam, set ut nouerce filios, quibus pater post se successionem spoponderat, a regno arceret. (3) Regem siquidem Bactrianorum Eucratidem, cuius supra meminimus469, filius iam regni socius a patre factus, ambitu interfecit, qui quasi hostem non patrem occidisset, per sanguinem eius currum egit et corpus inhumatum abici iussit, set non sine ultione. (4) Huius enim parricide unicus filius paruulus aui a morte anxiatur, anxius ignaris custodibus nemus ingreditur, dolorem anxietatis morsibus ferarum optat finire. Qui diebus aliquot per lustra uagabundus, fungis ac radicibus latranti stomacho succurrit. (5) Nouissime cuiusdam gustu radicis pestifere in langorem prosternitur, quo fatigatus quasi animam exalaturus oscitare cepit. Oscitantis ori serpens illabitur, cognata forsitan sue pestilentie radice illectus. Hic intro reptans herbas crudas et indigestas ad os stomachi reuocat et ad uomitum inpellit. (6) Pater interea uenatibus indulgens, diutissime quesitum ac desperatum sic uomitantem inuenit. Qui cum rugitu super adolescentulum prouoluitur, lacrimis effluit, ad os moribundi
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Vgl. oben Buch II, 23.
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der Festung herab, die Mieszko als Schutztruppe der Burg eingesetzt hatte, alle drängen mit geneigtem Nacken an Kasimirs Fußschemel heran. Und so finden die Wünsche aller zusammen, verbrüdern sich die Interessen aller eidlich und der Fürst wird von allen verehrt. [7] (1) Der davon nicht abgeschreckte Mieszko, ein Fürst größter Großmut, erkundet die Ratschlüsse, die Treue, die Gemüter und die Stärke der seinen, aber zu spät; denn einer lange ignorierten Krankheit ist nicht leicht Abhilfe zu schaffen, wie es auch keinen Sinn macht, auf dem Grund des Meeres über den Schiffbruch nachzusinnen. Denn im gleichen Augenblick, da sie sich mit heiligem Rechtseid verpflichtet hatten, für ihn jederzeit zu sterben, vergaßen sie sowohl den Treueid als auch den Fürsten. Aber auch seine teuersten [Anhänger] vergessen die vielen [ihnen erteilten] Vergünstigungen gänzlich und fallen von ihm ab. (2) Unter diesen war sein Erstgeborener, Herzog Odon, der rücksichtsloseste Feind, der sich beeilte, die Wurzel des eigenen Stammes auszureißen; er bringt die Flammen über das eigene Haupt und dringt mit größter Hartnäckigkeit auf den Untergang des Vaters. Nicht um, Gott behüte, einen gewissen Vatermörder, den Baktrianer, nachzuahmen, sondern um die Söhne [Bolesław, Mieszko und Władysław Dünnbein] der Stiefmutter [Eudoxia], denen der Vater seine Nachfolge versprochen hatte, von der Herrschaft abzuhalten. (3) Denn den oben erwähnten469 König der Baktrier, Eucratides, tötete der Sohn, den der Vater schon zum Mitherrscher gemacht hatte, aus Ehrgeiz; als hätte er einen Feind und nicht den Vater niedergehauen, trieb er den Streitwagen durch dessen Blut und befahl, den Leichnam unbegraben wegzuwerfen; doch [dies blieb] nicht ohne Vergeltung. (4) Denn der einzige Sohn dieses Vatermörders, der sich als Kind vor dem Tod des Großvaters ängstigte, ging [eines Tages] ohne Wissen seiner Aufpasser ängstlich in den Wald hinein, weil er dem Schmerz der Ängstlichkeit durch die Bisse der wilden Tiere ein Ende bereiten wollte. Als er so etliche Tage durch die Wildnis streifte, kam er dem knurrenden Magen mit Pilzen und Wurzeln zur Hilfe. (5) Endlich wurde er durch den verderblichen Geschmack einer gewissen Wurzel in krankhafter Entkräftung niedergestreckt, durch die er bis zur Erschöpfung gequält so zu gähnen begann, als müsse er seine Seele aushauchen. In den gähnenden Mund schlängelt sich, vielleicht durch die ihr verwandte giftige Wurzel angelockt, eine Schlange hinein. Indem sie hineinkriecht bringt sie die rohen und unverdauten Pflanzen zur Magenöffnung zurück und veranlasst sie zum Erbrechen. (6) Der Vater, der unterdessen der Jagd frönt, findet überaus reichen Erwerb und auf diese Weise ohne Hoffnung den Erbrechenden. Mit einem Brüllen stürzt er sich über den Jüngling, bricht in Tränen aus, legt seinen Mund auf den Mund des Sterbenden und bedrängt den Keuchenden
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os applicat et hiantem osculis fatigat. (7) Illico serpens osculantis labio morsum inpingit, quo lesus pater ac territus repente resilit et serpentem uix cum parte labii abstrahit et obterit, paruulum semianimem ad suos reportat et in breui redditur sospitati adolescens, omni ueneno euomito. Patrem uero ex uulnere serpentis infusum uirus in uesaniam uertit. (8) Qua obscenissime agitatus, cum alios appetere non posset, linguam, labia mordicatim sibi detruncans absorbet, sic propria membra dimordicans uix tandem expirat. Agnoscisne hic diuinitatem ultricem? nam adolescentis pietatem idem serpens medendo remunerat et parricidii nephas parricidam occidendo ulciscitur. Quorum ex altero pensandum, quantum gratie mereatur filialis deuotio, ex reliquo autem quantum supplicii timere debeat contempta parentum religio. (9) Igitur Mesco non tam fraternis eicitur armis quam suorum perfidia. Qui pene ab omnibus desertus patrie simul excedit et regno, finitimo cum tribus filiis contentus oppidulo. Circumsiliunt illum undique infortuniorum agmina. (10) Nam gener eius Sobeslaus principum strenuissimus, a regno Bohemorum profligatur, alter gener, dux Saxonum ac Bauarie, ab hostibus circumquaque inpetitur. Immo a quibuscumque solatium sperare debuerat, propriis adeo necessitatibus urgentur, ut nec modicillum subsidii polliceri possint. Omnes quoque Maritimorum presides non modo obsequele renuntiant, set hostilitatis in illum arma capessunt; omnes Kazimiri gaudent subesse imperio. [8] (1) Cui dum omnium urbes prouinciarum ac municipia sine bello gratulanter patefiunt, Silenciana uisa est rebellare prouincia, cuius principatum Mesco Wladislaides fratre abacto, duce Boleslao, rapuerat. Hanc non minimis extortam conatibus, Boleslao Kazimirus restituit. (2) Set et fratris eius strennuitatem, eiusdem uidelicet Mesconis, quorundam largitione oppidorum obstrinxit. Fratrem quoque ipsorum Conradum Glogouiensis marchie principem creat, Odonem uero Poznaniensi principatu insignit, Lestconi autem prouincias paterno relictas testamento confi rmat. Presidi
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mit Küssen. (7) Da bringt jene Schlange der Lippe des Küssenden einen Biss bei, durch den der Vater verletzt wird und plötzlich erschrocken zurückspringt. Mit Mühe reißt er die Schlange mit einem Teil der Lippe weg und zertritt sie. Das im Sterben liegende Kind trägt er zu den seinen und in Kürze kehrt der Jüngling, indem er alles Gift erbricht, zur Gesundheit zurück. Den Vater aber stürzt das sich aus dem Biss der Schlange ergießende Gift in den Wahnsinn. (8) Durch dieses überaus scheußlich erregt, vermochte er nicht, zu den anderen aufzuschließen, verschluckt seine durch die Bisse abgetrennte Zunge und Lippen und haucht schließlich die eigenen Glieder abbeißend mit Mühe sein Leben aus. Erkennst du hier die göttliche Vergeltung? Denn dieselbe Schlange belohnt die Frömmigkeit des Jünglings durch Heilung und rächt das Verbrechen des Vatermordes durch den Tod des Vatermörders. Aus dem einen von beidem kann man ersehen, wie viel Gnade die kindliche Hingabe verdient, aus dem anderen aber, wie viel Strafe fürchten muss, wer die Ehrfurcht gegenüber den Eltern verachtet. (9) Daher wird Mieszko nicht so sehr durch die brüderlichen Waffen als durch die Treulosigkeit seiner [Anhänger] vertrieben. Beinahe von allen im Stich gelassen verlässt er sowohl das Vaterland [sein Teilfürstentum Großpolen] als auch das Königreich [die Krakauer Oberherrschaft] und gibt sich zusammen mit seinen drei Söhnen [aus der zweiten Ehe] mit einer Grenzburg zufrieden. Von allen Seiten umringen ihn haufenweise Unglücke. (10) Sein Schwiegersohn Sobeslav [II.], einer der tatkräftigsten Fürsten, wird aus der Herrschaft über die Böhmen gestürzt und ein anderer Schwiegersohn, der Herzog von Sachsen und Bayern [Bernhard III.], wird ringsum von Feinden angegriffen. Sogar jene, von denen er Beistand erhoffen musste, wurden durch eigene Nöte so weit in die Enge getrieben, dass sie nicht im Stande waren, die geringste Hilfe zu versprechen. Auch alle Anführer der Pommern kündigen nicht nur ihre Willfährigkeit auf, sondern erheben gegen ihn feindselig die Waffen. Alle freuen sich, der Herrschaft Kasimirs zu unterstehen. [8] (1) Während sich ihm die Städte und Burgen aller Provinzen ohne Krieg freudig öffneten, wollte die schlesische Provinz rebellieren. Hier hatte der Sohn Władysławs [II.], Mieszko [I., Humpelbein], den Bruder, Herzog Bolesław [den Langen] vertrieben und ihm gewaltsam die Herrschaft entrissen. Diese entrissene [Herrschaft] hat Kasimir unter nicht geringen Anstrengungen Bolesław [dem Langen] zurückgegeben. (2) Die Unternehmungslust des Bruders aber, nämlich jenes Mieszko, hat er durch die Schenkung einiger Burgen im Zaum gehalten. Und dessen [zweiten] Bruder, Konrad, erhob er zum Fürsten der Mark Glogau, Odon aber zeichnete er durch das Posener Fürstentum aus, dem Leszek [, dem Sohn Bolesławs IV.,] jedoch bestätigte er die Provinzen, die ihm gemäß dem
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earundem, omnibus predito uirtutibus, principi Syroni eius curam committit, eiusdem Syronis nepote Samborio Gdanensi marchia instituto. (3) Quendam quoque, cui nomen Boguslaus siue Theodoxus470 , Maritimis ducem instituit. Nam Gnezdnensem munitionem, que est omnium apud Lechitas metropolis471, cum suffraganeis undique municipiis proprii principatus corpori connectit. (4) Set et Rusie nonnullas iubet accedere prouincias: Premisliensem cum oppidis contingentibus, Wladimiriensem cum ducatus integritate, Bresce cum omni suorum incolatu, Drogicim cum suorum uniuersitate. (5) Sic itaque Kazimirus fit monarchus Lechie. Sic quatuor fratrum, id est Wladislai, Boleslai, Mesconis, Henrici, quatuor principatus in solum Kazimirum confluxerunt, sicut pater longe predixerat472, de quatuor loquens fluminibus, per que quatuor monarchas figurauit, per alueos quatuor principatus, Kazimirum per auream situlam, uirtutes eius per fontem aromatum significans. (6) Igitur seruitutis loramenta dirumpit, exactoria iuga dissipat, tributa dissoluit, uectigalia relaxat, onus non tam alleuiat quam penitus exonerat, angarias ac perangarias expirare iubet. [9] (1) Fuit autem huic genti ex antiquo persollempne et quasi consuetudinis auctoritate approbatum, ut quisque potentum quorsumlibet pompatice uergens, pauperum non tantum paleam, fenum, stipulam, set annonam, horreis ac tuguriis perfractis, potestatiue diriperent, nec tam depascendam quam caballis proculcandam profunderent. (2) Erat aliud non absimili temeritate antiquatum, quotiens potenti aliquid uel exilis legatiuncule instanter esset ad quemlibet perferendum, iussi sunt satellites ueredis pauperum insilire et unius hore momento infinitissima stadiorum milia cursu citatissimo transuolare. Que res multis multo fuit periculo, quorumdam caballis irremediabiliter eneruatis, quorundam penitus extinctis, nonnullis, cum probati essent, irreuocabiliter abductis. (3) Vnde latrociniorum, nonnumquam homicidiorum obrepsit occasio non modica. Fuit preter hec a principibus pertinaciter usurpatum, ut bona decentium pontificum quasi quodam predocinio diriperent, aut principali fisco inferrent, quia quod diuini iuris est, nullius in bonis est 473, quod autem nullius in bonis est, occu-
470 Diese richtige Übersetzung des slavischen „Boguslaus“ ins Griechische im Codex Eugenianus, in anderen Handschriften: „Teodorus“. 471 Im doppelten Sinn von Hauptort und Kirchenmetropole, da Gnesen Sitz des polnischen Erzbistums war. 472 Vgl. oben Buch III, 26. 473 CIC Dig 1, 8, 1.
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väterlichen Testament überlassen worden waren. Die Sorge über ihn übertrug er dem mit allen Vorzügen ausgestatteten Anführer dieser [Provinzen], dem Großen Zyro, während er den Neffen ebendieses Zyros, Sambor, in der Mark Danzig einsetzte. (3) Auch setzte er einen gewissen [Mann], dessen Name Bogislaw oder Theodoxus470 war, zum Fürsten der Pommern ein. Die Burg Gnesen, die für alle Lechiten die Metropole 471 ist, schloss er mit den umliegenden Bischofsstädten [Posen, Płock, Włocławek und Lebus] dem Bestand des eigenen Fürstentums an. (4) Er befahl auch, einige Provinzen der Rus’ zu übernehmen: Przemysl mit den zugehörigen Burgen, Vladimir mit dem ganzen Herzogtum, Brest mit allen seinen Einwohnern, Drohiczyn mit seiner ganzen Bevölkerung. (5) Und so wurde Kasimir der Alleinherrscher Lechiens [Polens]. Auf diese Weise flossen die vier Fürstentümer der Brüder, die da sind Władysław [II.], Bolesław [IV.], Mieszko [III.] und Heinrich, in Kasimir allein zusammen, so wie es der Vater lange vorausgesagt hatte472, als er von vier Flüssen sprach, wobei er mit diesen die vier Herrscher, mit den Flussbetten die vier Fürstentümer meinte, Kasimir [aber] als einen goldenen Eimer und dessen Tugenden als eine Quelle der Wohlgerüche bezeichnete. (6) Er [Kasimir] zerreißt also die Riemen der Knechtschaft, zertrümmert das Joch der Steuern, lockert die Abgaben, erleichtert die Zölle, mildert nicht so sehr die Lasten als er sie überhaupt aufhebt und die Frondienste und Dienstleistungen erlöschen zu lassen befiehlt. [9] (1) Dieses Volk besaß aber den uralten und durch die Autorität der Gewohnheit gewissermaßen gutgeheißenen Brauch, dass jeder Große, wohin auch immer er mit seiner Gefolgschaft zog, nicht nur Spreu, Heu und Stroh der armen Leute, sondern [deren] Getreide mit Gewalt plünderte, indem sie die Scheunen und Hütten zerschmetterten und [es] den Gäulen nicht nur zur Nahrung, sondern auch zum Zertreten rücksichtslos preisgaben. (2) Es gab auch eine andere, uralte, dieser Willkür nicht unähnliche Sitte: Sooft ein Großer irgendjemandem etwas, und sei es die geringste Botschaft, dringend zu bringen hatte, wurden die Gefolgsleute beauftragt, auf die Pferde der armen Leute zu springen und innerhalb einer einzigen Stunde im schnellsten Ritt über unendlich viele Tausend Stadien hinwegzufliegen. Dieser Umstand bereitete vielen [armen Leuten] großes Elend, weil die Gäule der einen unheilbar ermatteten, die der anderen beinahe starben, einige [Gäule aber], da sie als erprobt befunden wurden, unwiderruflich weggeführt wurden. (3) Daher schlich sich die nicht geringe Gelegenheit zu Räubereien, bisweilen zu Morden ein. Überdies wurde von den Fürsten hartnäckig [das Recht] beansprucht, dass sie die Güter verstorbener Bischöfe gleichsam wie Räuber plünderten und der fürstlichen Kasse hinzufügten, weil, was göttlichen Rechtes sei, niemandem gehöre473, aber
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panti conceditur.474 Set Deus non irridetur475 nec irrideri debet ullius fantasie ridiculo. (4) Igitur ne talia de cetero fiant, iubet equitatis princeps sub anathematis interminatione inhiberi. Assunt sacris institis infulati octo sacri antistites: Sdislaus Gnezdnensis archipontifex, Getco Cracouiensis, Ziroslaus Wratislauiensis, Cherubin Poznaniensis, Lupus Plocensis, Onolphus Cuiauiensis, Conradus Pomoraniensis, Gaudentius Lubucensis. Est autem octonarius primus solidorum numerorum inter pares476 et numerus beatitudinum, quod signat solidas esse debere constitutiones et beatos fore ipsarum cultores. (5) Omnes itaque una uoce pronuntiant: Qui pauperum annonam aut ui aut quolibet ingenio acceperit aut accipi iusserit anathema sit. Qui legationis cuiuslibet occasione angariauerit aut argariar iusserit quadrupedem, anathema sit excepto uno casu quando uidelicet hostes alicui prouincie inminere nuntiantur. Nulla enim est iniuria, si tunc utcunque saluti patrie consulitur. (6) Rursus: Qui demortui bona presulis inuaserit aut inuadi iusserit siue princeps ille fuerit siue quelibet illustris persona seu quius officialium sine omni exceptione anathema sit.477 Set et qui spoliatum susceperit pontificium sine sublatorum integra restitutione aut certa restitutionis sponsione tamquam sacrilgegus eidem consentaneus eiusdem innodetur anathematis participio.478 (7) Approbant uniuersi et cunctis gratissimas asserunt tam sacrarum prohibitionum sanctiones. Quibus intemerata ex eo accedit perhennitas, quod apostolico tertii Alexandri priuilegio roborantur, diuino cuius oraculo principatus Kazimiri confirmatur, ne paterna illi uoluntas ullum pariat preiudicium qua cautum fuerat, ut penes maiorem natu principandi 474
CIC Dig 41, 1, 3: „Quod enim nullius est, id ratione naturali occupanti conceditur.“ 475 Vgl. Gal 6, 7. 476 Vgl. Macrobii Commentarii I, 5, 11 und II, 2, 12. 477 Vgl. Decretum Gratiani 2. Teil, C. XII, q. II, c. 46 – 47. 478 Plezia setzt den Text von „Qui pauperum …“ bis „… inminere nunitiantur“ und von „Qui demortui …“ bis „… anathematis participio“ in Großbuchstaben. Doch ist unklar, ob Vincentius hier – wie Plezia damit nahelegt – tatsächlich den Wortlaut des entsprechenden Dekretes wiedergibt (von dem unsicher ist, ob es überhaupt existiert hat) oder nur eine Zusammenfassung mit eigenen Worten bietet; daher erfolgt die Wiedergabe hier in Normaltext. Von den Beschlüssen der 1180 abgehaltenen Landesversammlung (Synode?) von Łeczyca, auf die Vincentius hier Bezug nahm, ist nur eine zum 28. März 1181 ausgefertigte Bulle Papst Alexanders III. erhalten, die dem Chronisten, wie dieser sogleich bemerkt, bekannt war und die seine Angaben allgemein bestätigt. Da der Bulle eine Supplik zugrunde gelegen haben muss, ist mitunter vermutet worden, dass Vincentius der Verfasser dieser Supplik gewesen sein könnte; andererseits ist nachgewiesen worden, dass Vincentius den In-
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was niemandem gehöre, in Besitz zu nehmen erlaubt sei.474 Doch Gott soll weder verspottet475 noch durch den Scherz irgendeines Einfalls verhöhnt werden. (4) Damit solches in Zukunft nicht geschehe, befiehlt der Fürst der Rechtschaffenheit, [dies] unter Androhung des Bannfluchs zu verbieten. [Dabei] sind acht heilige Bischöfe, [ausgestattet] mit den heiligen Bändern der Infula, anwesend: Zdzisław, der Erzbischof von Gnesen, Gedko von Krakau, Zyrosław von Breslau, Cherubin von Posen, Lupus von Płock, Onolphus von Kujawien, Konrad von Pommern und Gaudentius von Lebus. Die Acht ist aber die erste der starken Zahlen unter den Geraden476 und die Zahl der Glückseligkeiten, was zeigt, dass die Verordnungen dauerhaft zu sein bestimmt sind und jene, die sie achten, gesegnet sein werden. (5) Alle verkündigen daher mit einer Stimme: Wer sich Getreide armer Leute entweder mit Gewalt oder durch irgendeine List aneignet oder anzueignen befiehlt, wird exkommuniziert. Wer anlässlich irgendeiner Gesandtschaft einen Vierbeiner zu Spanndiensten zwingt oder zu zwingen befiehlt, wird exkommuniziert, außer in einem Fall, dann nämlich, wenn Feinde gemeldet werden, die einer Provinz drohen. Denn es ist kein Unrecht, wenn hier wie auch immer für das Heil des Vaterlandes gesorgt wird. (6) Und weiter: Wer die Güter eines verstorbenen Bischofs an sich reißt oder anzueignen befiehlt, mag jener auch ein Fürst oder irgendeine bedeutende Person oder ein beliebiger Amtsträger sein, wird ohne jede Ausnahme exkommuniziert.477 Aber auch der, der geraubte bischöfliche Wertgegenstände ohne eine vollständige Wiederherstellung des Weggenommenen oder eine sichere Restitutionszusage übernimmt, der soll als Genosse des Kirchenräubers des gleichen Bannes teilhaftig werden.478 (7) Alle heißen die so heiligen Verbote gut und versichern allen, dass sie äußerst erwünscht seien. Diesen [Verboten] kommt unangetastete Beständigkeit zu, weil sie durch eine apostolische Urkunde Alexanders des Dritten bekräftigt worden sind. Durch dessen heiligen Spruch wurde die Herrschaft Kasimirs [II.] bestätigt, so dass ihm der väterliche Wille, durch den dafür Sorge getragen worden war, dass die Herrschaftsmacht in den Händen des Erstgeborenen verblieb, damit der Grundsatz der Primogenihalt der Beschlüsse in seinem Chroniktext gegenüber der päpstlichen Bestätigung in einigen Punkten in einem noch kirchenfreundlicheren Sinn abgeändert hat; vgl. Kozłowska-Budkowa, Repertorjum (2006), Nr. 96, S. 159 –160; Lis, Spory (2013), S. 156; der Text der Papstbulle bei Aleksander Gieysztor, Nad statutem łeczyckim 1180 r.: odnaleziony oryginał bulli Aleksandra III z 1181 r. [Über das Statut von Łeczyca aus dem Jahr 1180: das wiedergefundene Original der Bulle Alexanders III. aus dem Jahr 1181], in: Ksiega pamibtkowa 150-lecia Archiwum Głównego Akt Dawnych w Warszawie, Warszawa 1958, S. 181–207, hier S. 206 –207.
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resideret auctoritas, ut in principatu litem successionis ratio primogeniture dirimeret.479 [10] (1) Frater interea fratrem obnixa supplicatione fatigat, non interpollata precum instantia sollicitat, ponit illi ante oculos tremule senectutis defectus, luctuosum nurus eiulatum, funebria nepotum lamenta, crebros nepotum singultus, quibus melius esset occisis gladio quam interemptis fame, quam cuiusdam ergastuli angustiis indusis. (2) Satiusque, ait, finitiuo semel intercipi articulo quam guttatim infortuniis distillare. Meminisse illum rogat, qua teneritudinis dulcedine aput ipsos eius fota sit adolescentia, quo studio, quo amplexu educata iuuentus, quo demum fauore, qua sollertia quibus, nisi dissimulare uelit, eorum beneficiis non solum patrimonii primitias, set et principandi fuerit assecutus auspicia, quam filiales quoque, quam deuote, quam intimis erga ipsos semper feruentes precordiis eius affectiones extiterint. (3) ,Vbinam, inquit, illa tam gratuita sponsionum ubertas, ubi tam intemerabilis illa fidei perhennitas? (4) Si ulla igitur adhuc superest tante stilla dulcedinis, si uiuit ulla tot gratiarum scintillula, summo nobis erit beneficio patrie restitutio. Minus enim miserum est domestico teri iugo quam exilii calamitatibus tabescere. Imperandi siquidem onus et regie celsitudo maiestatis uiris decrepitis, uiris inbecillibus non conuenit. Nam nec lentisci uirgultum nec stipitis annositas carientis molibus congruit fulciendis. (5) Immo prouidentius agi cum hac re publica non potuit, cui non peregrinus, non barbarus, non predonum quispiam insultat, set princeps imperat legitimus. Cuius incunctanter imperium factio proditionalis naturalium odio principum hostibus prostituere intendebat, eodem forsitan proditionis ingenio contra te intentatura. (6) Tutius ergo est et magis honestati consentaneum, te tuorum fulciri nepotum obsequiis, quam stipari proditorum insidiis, alioquin illud uerendum est sapientis: Ve soli! quia si ceciderit, non habebit subleuatorem.‘480 [11] (1) Ad hec Kazimirus: ,Ingratitudo, inquit, est accepti dissimulatio beneficii, cuius comites sunt repremiationis odium et arrogantie superci-
479 Die Bulle Papst Alexanders III. vom 28. März 1181 (vgl. Anm. 478) enthält keinen Hinweis auf einen solchen, gleichfalls in Łeczyca gefassten Beschluss über eine förmliche Aufhebung der 1138 in Kraft getretenen Senioratsordnung; doch könnte ein solcher, wenn er denn tatsächlich schon bei dieser Gelegenheit gefasst worden sein sollte, in einer gesonderten Bulle bestätigt worden sein. 480 Vgl. Prd 4, 10.
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tur den Streit um die Nachfolge in der Oberherrschaft beendete, keinen Schaden zufüge.479 [10] (1) Unterdessen bedrängt der Bruder [Mieszko III.] den Bruder [Kasmir II.] mit beharrlichem Flehen, reizt ihn mit der ununterbrochenen Zudringlichkeit seiner Bitten. Er führt ihm zitternd die Hinfälligkeit des Greisenalters vor Augen, das bedauernswerte Heulen der Schwägerin [Eudoxia], die Totenklagen der Neffen, das wiederholte Schluchzen der Enkel, für die es besser wäre, durch das Schwert getötet zu werden, als durch Hunger umzukommen und in die engen Räume irgendeines Kerkers eingeschlossen zu werden. (2) Und besser, sagt er, wäre es, einstmals in einem vorherbestimmten Moment getötet zu werden, als durch Unglücke [das Leben] tropfenweise auszuträufeln. Er bittet ihn, sich zu erinnern, mit welcher Güte der Zartheit er in seiner Jugend bei ihnen verwöhnt, mit welcher Zuneigung, welcher Verehrung er als junger Mann erzogen worden ist, durch welche Gunst endlich, welche Vorsicht, durch welche ihrer Wohltaten – wenn er es nicht verhehlen wolle – er [1166 / 67 in Wislica und Sandomir] nicht nur die Erstlingsgaben des väterlichen Erbes, sondern auch die feierlichen Würden der Herrschaft erlangt hat; und auch wie kindlich, wie ehrfürchtig, wie aus dem innersten Herzen kommend seine Zuneigungen ihnen gegenüber stets waren. (3) ,Wo ist – fragt er – jene so uneigennützige Fülle der Versprechen, wo jene so lautere Fortdauer des Vertrauens? (4) Wenn also noch irgendein Tropfen jener großen Güte übrig geblieben ist, wenn noch irgendein Fünkchen Dankbarkeit lebt, wäre für uns die Wiedereinsetzung im Vaterland die größte Wohltat. Denn es ist weniger quälend, vom heimatlichen Joch zerrieben zu werden, als durch die Unglücksfälle des Exils dahinzusiechen. Aber die Last des Herrschens und die Hoheit der königlichen Würde gebühren nicht altersschwachen Männern, kraftlosen Männern. Denn weder das Strauchwerk des Mastixbaumes noch das hohe Alter eines morschen Balkens eignen sich zur Befestigung von Bauwerken. (5) Ja, nichts Umsichtigeres konnte mit diesem Gemeinwesen, das kein Fremder, kein Barbar, noch irgendein Räuber beleidigt, geschehen, als dass ein legitimer Fürst herrscht. Dessen Herrschaft suchte eine verräterische Partei in ihrem Hass auf die natürlichen Führer den Feinden preiszugeben und vielleicht wird sie dieselbe Idee des Verrats [auch] gegen dich richten. (6) Gefahrloser und der Ehrbarkeit angemessener ist es also, wenn du durch die Gefolgschaft deiner Verwandten unterstützt als von den Intrigen der Verräter umgeben wirst; im Übrigen ist jenes [Wort] eines Weisen zu achten: Wehe dem Einsamen, der, wenn er fällt, niemanden hat, der ihm aufhilft.‘480 [11] (1) Darauf Kasimir: ,Undankbarkeit ist die Verleugnung einer empfangenen Wohltat, ihre Begleiter sind der Widerwille vor Entgeltung und
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lium, quorum societas aut societatis contagium nunquam nobis animo fuit. Immo fateor et semper fateri uelim, fratris ac nurus me inmortalibus obnoxium beneficiis. Nec iniusta est eorum postulatio, que non nisi debitam patrimonii restitutionem continet. (2) Nam principatum repetendi forsitan nullum illi ius competit: quia priuilegium meretur amittere, qui permissa sibi abutitur potestate481, si tamen pertinaciter abusum fuisse constiterit. Expedit enim rei publice, ne quis re sua male utatur.482 Quid autem ab efficacissima hereditatis petitione illum retardare uideatur, prorsus non uideo.‘ (3) Suboritur exinde murmur et increbrescit seditionis tumultus inter proceres. Aiunt enim: ,En quod uerebamur, accidit! Raro coruum coruus exoculat, raro frater fratrem stirpitus exterminat. Nostrum hic agitur discrimen483, nostrum euidentissime periculum: huius enim restitutio nostrum est exterminium. (4) Quia non differet, cum tempus acceperit, atrocissimarum iniuriarum exercere ultionem, immo truculentissimam ultionis tyrannidem. Geminus profecto nobis hostis inminet: Mesco propter suas, Kazimirus propter fratris iniurias. Quid ergo? eodem certe sarculo amputari conuenit eiusdem surculos propaginis. (5) Frustra enim extirpatur carduus socia interius manente radice.‘ Intellecto autem Kazimirus tam discriminose seditionis exitum ad se deuolui, asserit non animo restituendi fratrem hec a se dicta, set studio experiendi animos ipsorum acceptissimamque sibi esse eorum erga se constantiam. [12] (1) At uero Mesco ad imperatoria conuertitur suffragia, querulose coram imperatoris Frederici senatu deplangit, 앚se앚484 hoc nullo actore nullo iudice, nullis attestationibus aut instrumentorum adminiculis485, non citatum, non conuictum, non confessum exui primogeniture priuilegio, principatus destitui prerogatiua, patrimonii denique possessione per uim excuti et arceri. (2) Cui non iuris allegatio, non dicendi acrimonia, non amicorum interuentus, non precum instantia, non sponsionum fides patrocinari potuit, Kazimiri licet absentis uirtutibus in contrarium allegantibus. Nam nec
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Decretum Gratiani 2. Teil, C. XI, q. III, c. LXIII. CIC Inst 1, 8, 2. 483 Thomas N. Bisson, The Crisis of the Twelfth Century. Power, Lordship, and the Origins of European Government, Princeton-Oxford 2009, S. 576 übersetzt „discrimen“ hier mit „Krise“ und führt den ganzen Abschnitt und seinen weiteren Kontext als ein Musterbeispiel für seine These an, dass die auf Gewalt gestützte Herrschaft in Europa im 12. Jahrhundert allgemein in eine strukturelle Krise geriet. 484 앚…앚 Ergänzung von Plezia. 485 Vgl. Anm. 234. 482
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der Stolz der Anmaßung; eine Kumpanei mit ihnen oder [auch nur] eine Berührung mit solcher Kumpanei war niemals unsere Absicht. Ja, ich gebe zu und will es immer zugeben, dass ich dem Bruder und der Schwägerin durch unsterbliche Wohltaten verpfl ichtet bin. Auch ist ihre Forderung nicht unberechtigt, wenn sie sich allein auf die schuldige Restituierung des väterlichen Erbes [in Großpolen] beschränkt. (2) Aber das Recht, die [Krakauer] Oberherrschaft zurückzufordern, steht ihm wohl kaum zu; denn dieses Vorrecht verdient zu verlieren, wer sich Machtmissbrauch erlaubt.481 Und wenn feststeht, dass hartnäckiger Missbrauch herrschte? Denn es ist für das Gemeinwesen besser, dass niemand seine Herrschaft missbraucht.482 Was ihn aber von einer mehr als wirksamen Einforderung seines Erbes [in Großpolen] abhalten könnte, sehe ich überhaupt nicht.‘ (3) Da entsteht unter den Vornehmen langsam ein Gemurmel, breitet sich der Lärm eines Aufruhrs aus. Sie sagen: ,Siehe, was wir fürchteten, ist geschehen! Selten hackt eine Krähe der anderen ein Auge aus, selten löscht ein Bruder einen Bruder mit der Wurzel aus. Dies fügt uns Schaden483 zu, bringt uns ganz offensichtlich Gefahr; denn seine Rückkehr bedeutet unsere Vertreibung. (4) Denn er wird, wenn der Zeitpunkt kommt, nicht versäumen, Vergeltung für die schrecklichsten Beleidigungen zu üben, ja die wildeste Tyrannei der Rache [ausüben]. Es droht uns in der Tat ein doppelter Feind: Mieszko wegen seiner eigenen, Kasimir wegen der Rachegefühle seines Bruders. Was also tun? Gewiss soll man mit der gleichen Jäthacke die Schösslinge des gleichen Setzlings abhauen. (5) Denn vergeblich wird die wilde Distel getilgt, wenn im Innern die Wurzel erhalten bleibt.‘ Als Kasimir aber verstand, dass sich der so gefährliche Aufruhr am Ende gegen ihn wenden könnte, versichert er, dass er das nicht in der Absicht gesagt habe, den Bruder wieder einzusetzen, sondern im Bestreben, ihre Gesinnung zu prüfen, und dass ihm ihre Standhaftigkeit ihm gegenüber überaus willkommen sei. [12] (1) Mieszko aber wendet sich kaiserlicher Hilfe zu, klagt wimmernd vor dem Senat Kaiser Friedrichs, dass484 er ohne Kläger, ohne Richter, ohne Bezeugungen oder die Hilfen485 der Beweismittel, ohne vor Gericht gestellt, ohne einer Schuld überführt worden zu sein, ohne gestanden zu haben des Privilegs der Primogenitur beraubt worden sei, das Vorrecht der Oberherrschaft verloren habe und schließlich aus dem Besitz des väterlichen Erbes mit Gewalt vertrieben und [von ihm] ferngehalten worden sei. (2) Aber weder die Geltendmachung des Rechts, noch die Schärfe des Gesagten, die Fürsprache der Freunde, die Beharrlichkeit der Bitten, die Glaubwürdigkeit der Bürgschaften konnten ihn beschützen, weil die Tugenden Kasimirs, auch wenn er nicht anwesend war, für das Gegenteil sprachen. So fällte die kaiserliche Hoheit das Urteil, dass den Polen nicht
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Polonis eligendi principem posse adimi potestatem (quia nihil interest, inutilem habeant an nullum), neque Kazimirum sola uirtutum inuidia debere defungi principatu, imperatorius apex sententiat. Sic Mesco unde sperauerat solatium, rettulit infortunium. (3) Qui nondum sui penitus oblitus, etsi minus honestum, salutare tamen repperit consilium. Cuidam enim suorum, quondam questori per Maritimam uectigalium, filiam matrimonio copulat, cuius ope non obsequelam quidem set amicitiam ac fauorem Maritimorum assequitur. Horum fiducia cum aliquantulis armatorum noctu subrepit metropolim, diluculo circumsilit, expugnat, uictor ingreditur.486 (4) Qua presidiata, omnes patrimoniales quam breuiuscule munitiones eadem pene facultate qua perdiderat recuperat, fratre, ut aiunt, occultiorem illi recuperandi oportunitatem suggerente. Quia uero minorum successu spes maiorum sepe concipitur, subprurit illi animus principatum repetendi. Diuque inter ipsos nunc uerbis nunc armis altercatum, set Mesco longe uiribus inferior plus ingenio, plus arte contendit. (5) Nam quotiens intensius arma uidet inminere, iurat patrimonium sibi sufficere, deierat principatum; cum autem arcus belli remittitur, ait coacta iuramenta robur non habere. (6) Interdum illa nititur industria, de qua in libystica legitur Demosthenis: lupi cum pastoribus de inimicitiis iurgantur, ad quos pastores: cur nobis molesti estis? Dicunt lupi: quia cum inimicis nostris fedus pepigistis. Si ergo de pacis perpetuitate nobiscum pacisci uultis, hostes nostros, id est canes abigite. Similiter cum canibus paciscuntur, ut ab eorum hostibus, scilicet a pastoribus, abscedant, pacem cum ipsis habituri. Quo facto in strage gregis liberius debachantur.487 (7) Ait itaque Mesco ad fratrem: ,Nescis Wladislaidem Boleslaum hostem nobis communem? Hic namque nostram Lemannis renundare gestit libertatem, quatenus aliorum tributis suam aliquantisper aput illos alleuiet seruitutem. Hic semper nostro insidiatur calcaneo, tum ut paternarum a nobis iniuriarum exigat ultionem, tum ut nobis radicitus euulsis, uacantem, quod absit, solus occupet principatum. (8) Hinc est quod cautius inter nos
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Wie die Annales Poloniae Maioris (MPH 6, S. 24) berichten, im Jahr 1181: „Item M centesimo LXXXI [Mesco] rehabet Gneznam.“ 487 Der Hinweis auf die Libyschen Fabeln des Demosthenes und die Geschichte von den Wölfen vielleicht nach Isidori Etymologiarum I, 40, 2 und 7, der Aesopische und Libysche Fabeln unterscheidet, wobei in letzteren Menschen mit wilden Tieren reden („Libysticae autem, dum hominum cum bestiis, aut bestiarum cum hominibus fingitur vocis esse conmercium“).
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die Macht genommen werden könne, einen Fürsten zu wählen (da es nicht wichtig sei, ob sie einen untauglichen oder gar keinen haben), und Kasimir nicht allein durch den Neid auf seine Tugenden die Oberherrschaft verlieren dürfe. Auf diese Weise brachte Mieszko, von wo er Beistand erhofft hatte, Ungemach zurück. (3) Dieser fand, an sich selbst noch nicht völlig verzweifelt, ein wenn auch wenig ehrenhaftes, so doch rettendes Heilmittel. Denn einem der seinen, einem ehemaligen Steuereintreiber entlang des Meeres [Bogislaw I. von Pommern], gibt er eine Tochter [Anastasia] in die Ehe. Mit dessen Hilfe erreicht er zwar nicht die Abhängigkeit, aber doch die Freundschaft und Gunst der Küstenbewohner. Auf sie vertrauend schleicht er sich mit einer ziemlich kleinen [Schar] Bewaffneter nachts in die [großpolnische] Hauptstadt [Gnesen], umringt [sie] in der Dämmerung, bezwingt und betritt [sie] als Sieger.486 (4) Nachdem er dort Besatzungen eingesetzt hat, gewinnt er in sehr kurzer Zeit alle väterlichen Burgen durch nahezu die gleiche Geschicklichkeit zurück, durch die er [sie zuvor] verloren hatte; dabei soll ihm der Bruder [Kasimir II.], wie man sagt, heimlich die Gelegenheit zur Rückeroberung gegeben haben. Weil aber durch den Erfolg in kleinen [Dingen] oft die Hoffnung [auf Erfolg] in großen [Dingen] entsteht, juckte ihn der Wille sehr, die Oberherrschaft zurückzuverlangen. Und eine längere Zeit streiten sie untereinander bald mit Worten, bald mit Waffen. Mieszko aber, der weitaus schwächere der Männer, behauptet sich mehr durch Tücke, mehr durch List. (5) Denn sooft er sieht, dass [ihm] die stärkeren Waffen drohen, schwört er, sich mit dem väterlichen Erbe zu begnügen, und leistet einen heiligen Eid auf die Oberherrschaft. Sobald aber der Kriegsbogen wieder beiseite gelegt wird, sagt er, dass erzwungene Schwüre keine Rechtsgültigkeit haben. (6) Bisweilen stützt er sich auf jene weise Lehre, von der in den Libyschen Fabeln des Demosthenes zu lesen ist: Als sich einmal die Wölfe mit ihren Hirten in Feindseligkeiten entzweiten, sprachen die Hirten zu ihnen: Warum seid ihr uns gram? Da sprachen die Wölfe: Weil ihr mit unseren Feinden ein Bündnis geschlossen habt. Wenn ihr mit uns also einen dauerhaften Frieden schließen wollt, dann jagt unsere Feinde, d. h. die Hunde, fort. In gleicher Weise vereinbaren sie mit den Hunden, dass sie sich von ihren Feinden, nämlich den Hirten, entfernen mögen, und sie werden Frieden mit ihnen halten. Sobald dies geschehen war, tobten sie sich ganz ungeniert in einem Gemetzel an der Herde aus.487 (7) Und so sprach Mieszko zu seinem Bruder: ,Weißt du nicht, dass Bolesław [der Lange], der Sohn Władysławs [II. des Vertriebenen], unser gemeinsamer Feind ist? Denn er will unsere Freiheit an die Deutschen verkaufen, um durch den Tribut anderer seine Knechtschaft bei ihnen eine Zeitlang zu mildern. Er tritt uns stets in die Ferse, einmal da er von uns Vergeltung für die dem Vater zugefügten Beleidigungen fordert, dann da-
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aut seminat discordias, aut seminatarum fouet incentiuum. Hunc igitur si deseris, cedo querele ac omni primogeniture iuri omnino renuntio.‘ Quem dum Kazimiri repudiat credulitas, astus Mesconis mox in amicitiarum sibi iura conpaginat; huius consilio filium gratie reformat, Lemannorum principes ac proceres precipuos rursus circumuolat, per quos ab imperatore uenia contra Kazimirum inpetrata, plurimos sibi conciliat et in fratris corrogat excidium. (9) Quorum primi dum in eminentiore cuiusdam aule suggestu de Kazimiri exterminio deliberant et coniurant, omnem illis consultandi seu nocendi facultatem repentinus amputat interitus: aula namque licet roboris perpetui, nulla ui, nullo turbine inpacta, set occulto numinis iudicio repente conuulsa, pene omnes obterit, quosdam exanimat.488 (10) Sic inimicorum eius animositas emarcuit, nec mirum, cum eius innocentiam eodem fere miraculo Dominus clarescere uoluerit, quo Matris partum dedicauit. Romani siquidem ad propagandam sue glorie perpetuitatem, quoddam templum in honorem Apollinis extruxerant, non minus admirabile artificio quam robore. De quo consulentibus oraculum, quam diu permanere seu stare debeat, respondetur: donec uirgo pariat. (11) Qui hoc arbitrantes in perpetuum obtingere non posse, utpote de natura inpossibile, uocant illud templum Apollinis eternum. Set eo momento quo Beata Virgo peperit, eternitatis illa fabrica ultro collapsa est et redacta in cinerem. Vides igitur, Kazimire, quid Creatori, quid eius Matri debeas, qui te non tam defensare quam irradiare tanto dignati sint miraculo. [13] (1) Non minus tamen inuicti robur culminis subneruare nititur insidians emulatio. Eiusdem namque arte ingenii fidelissimorum illi latera subducuntur, quo Boleslaus paulo ante desciuerat, ex alieno enim infortunio emuli eius proprie fortune aucupantur auspicia. (2) Eger siquidem immo egrotatiuus erat Mazouie princeps Lestco, set probata suorum strennuitate robustissimus, Quibus, ut estimant, subductis modicillum roboris super-
488 Vincentius scheint hier auf den Zusammensturz jenes Erfurter Hauses Bezug zu nehmen, in dem König Heinrich VI. 1183 seine Großen versammelt hatte, um sie auf einen Feldzug gegen die Polen einzuschwören; dazu die Annales Aquenses (MGH SS 24, S. 38): „Regi Henrico iuratur expeditio contra Polones; et apud Ersfordiam habito colloquio et congregatione celebrata, domo dissoluta viri nobiles in latrina plurimi submersi sunt.“
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mit er, sobald er uns völlig vernichtet hat, die vakante Oberherrschaft, was Gott verhüten möge, allein in Besitz nehme. (8) Dieser ist es auch, der zwischen uns mit Bedacht sowohl Zwietracht sät als auch die Glut des Gesäten entfacht. Wenn du ihn also im Stich lässt, lasse ich von der Klage ab und verzichte vollständig auf jedes Recht der Primogenitur.‘ Sobald das Zutrauen Kasimirs diesen [Bolesław] verstößt, verleibt sich die Hinterlist Mieszkos bald alle Rechte der Freundschaftsbünde [Bolesławs] ein. Dank seines Ratschlages setzte er seinen Sohn [Odon] wieder ein, umfliegt von neuem die Fürsten und wichtigsten Großen der Deutschen, durch die vom Kaiser die Erlaubnis erlangt wird, gegen Kasimir [vorzugehen]. Viele [von ihnen] gewinnt er für sich und versammelt sie zum Untergang des Bruders. (9) Während die ersten von ihnen auf der erhöhten Tribüne eines gewissen Saales über die Vertreibung Kasimirs beraten und sich verschwören, schneidet ihnen ein Unglück unerwartet alle Möglichkeit der Beratung und des Unheilanrichtens ab. Denn der Saal, obwohl er von dauerhafter Stärke war, wurde plötzlich, von keiner [äußeren] Gewalt, keinem Sturm gestoßen, vielmehr durch den geheimen Ratschluss des göttlichen Willens niedergerissen; er zerquetschte beinahe alle, tötete einige.488 (10) So schwand die Wut seiner Feinde dahin, was nicht verwundert, da der Herr fast durch das gleiche Wunder seine Unschuld hervorleuchten lassen wollte, durch das er Maria das ungeborene Kind angezeigt hat. Denn die Römer hatten zur dauerhaften Verbreitung ihres Ruhmes einen Tempel zu Ehren Apollos errichtet, der nicht weniger durch Kunstfertigkeit als Stärke bewundernswert war. Als sie über diesen ein Orakel erbaten, wie lange er zu bestehen oder dazustehen bestimmt sei, wurde ihnen geantwortet: bis eine Jungfrau gebären werde. (11) Da sie überzeugt waren, dass dies auf Dauer nicht eintreten könne, da es von Natur aus unmöglich sei, nannten sie jenen Tempel des Apollo unvergänglich. Doch in dem Moment, in dem die heilige Jungfrau gebar, stürzte jener Bau der Unvergänglichkeit von selbst in sich zusammen und verwandelte sich in Asche. Siehst du, Kasimir, was du dem Schöpfer, was du seiner Mutter schuldest, die dich für würdig erachten, dich nicht nur zu beschützen, sondern auch durch ein so großes Wunder erstrahlen zu lassen. [13] (1) Trotzdem strebt der heimtückische Neid weiter danach, die Kraft der unbesiegten Herrschergewalt zu lähmen. Denn durch denselben Kunstgriff der List, durch den kurz zuvor Bolesław abtrünnig geworden war, wurden die treuesten Vertrauten zum Abfall gebracht, denn angesichts fremden Unglücks lauern die Rivalen auf die Weihen des eigenen Glücks. (2) Da war nämlich der kranke, genauer kränkelnde Fürst von Masowien, Leszek, der aber durch die erprobte Tüchtigkeit der seinen überaus stark war. Sobald diese abtrünnig würden, so meinen sie, würde Kasimir nur
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esse Kazimiro. Aiunt ergo inter ipsum et fratrem intemeratissimum federis pignus reperisse: unicam dumtaxat fratri non abnuat Campestrium prouinciolam, que Lestcone decedente agnationis ratione illi competeret, Lestconis enim erat. (3) Cuius langorem non principatus deinceps deceat, set miserioris qualecunque uite solatium. Hoc pacto uniuerse iurant finem controuersie. Ceterum Kazimirus deliberatoriis responsum iudiciis suspendit. (4) Interim illi procuratorem Lestconis ac militie principem, cuius prouidentia totus illius regebatur principatus, secreta collocutione conueniunt, rem quasi ratam a Kazimiro haberi detegunt, mentiuntur Kazimirum egrotantis nepotis possessione federa fratris mercari. (5) ,Delibera, inquiunt, quid eligas? Nam si consentis, quod absit, condicione pupilli seu adulti contra ius deteriore facta, te ipsum ipso iure a tutela seu cura submoues489; sin renuis, inextricabili hostilitatis laberinto te aput Kazimirum inuoluis. Nam Mesco tam iniqua horret taxare comercia, cuius, si sapis patrocinio tutus eris de utroque.‘ (6) Igitur Lestco suasu curatoris cum uniuersitate sui potentatus in patrocinia Mesconis transmigrat et Mesconidem, permire tam industrie quam elegantie iuuenem, Mesconem sui successorem principatus testamento instituit. Set iuuenis quasi expectationis uictus tedio et suimet inpatiens, principem se mox gerere cepit. (7) Quod Lestco licet eger egre ferens ad Kazimiri pedes penitentia reductus pronus aduoluitur. ,Peccaui, inquiens, pater, in celum et coram te nec sum dignus uocari filius tuus. Fac me sicut unum ex mercenariis tuis.‘490 Quem princeps humanissimus cum lacrimis exosculans, excessum defectionis ignoscit. (8) Nam et mulier, ut ait lex, breui reuersa non creditur diuertisse.491 Tum Lestco paterni religionem testamenti pia ueneratione confirmans, proprie quoque testationis robur adicit, qua Kazimirum ex integro sibi successurum pronuntiat, quod supreme uoluntatis arbitrio die supremo conclusit. (9) Vnde nimirum priore testamento seu codicillo nihil egisse uisus est, quia prius legatum uirtute posterioris expirat; nec enim creditur consensus nisi duret consensus.
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Vgl. CIC Dig 26, 10, 3, 5. Lk 15, 18 –19 (nec = non; ex = de). Vgl. CIC Dig 50, 17, 48.
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[noch] eine ganz bescheidene Stärke verbleiben. Also sagen sie, dass sie ein gänzlich unverfälschtes Pfand für ein Bündnis zwischen ihnen und dem Bruder gefunden hätten, er möge nur dem Bruder nicht die einzige kleine Provinz der Feldbewohner [Kujawien] verweigern, die ihm, sobald Leszek gestorben wäre, aufgrund seiner Verwandtschaft zustehe, denn sie war Leszeks [Provinz]. (3) Die Herrschaft mag seine Krankheit nicht weiter zieren, doch ein gewisser Trost für ein unglückliches Leben sein. Sie schwören, durch eine solche Abmachung dem ganzen Streit ein Ende zu bereiten. Kasimir aber lässt die Antwort in der Schwebe, da er sein Urteil reiflich überlegen will. (4) Jene kommen unterdessen beim Statthalter und Heerführer Leszeks, durch dessen Umsicht jene ganze Herrschaft gelenkt wurde, zu einer geheimen Besprechung zusammen. Sie stellen die Sache so dar, als sei sie von Kasimir bereits genehmigt worden, und behaupten fälschlich, dass Kasimir den Besitz des kränkelnden Neffen durch Bündnisse mit dem Bruder erhandeln wolle. (5) ,Bedenke reiflich – sagen sie –, was du wählst. Denn wenn du zustimmst, was Gott verhüten möge, dann wird die Lage [deines] Mündels unrechtmäßig verschlechtert und du entledigst dich selbst durch dasselbe Recht der Vormundschaft und Sorge [über ihn].489 Wenn du aber ablehnst, dann verwickelst du dich vor Kasimir in ein unentwirrbares Labyrinth von Feindseligkeiten. Mieszko aber fürchtet so ungerechte Händel anzurühren; unter seinem Schutz wirst du, wenn du klug bist, vor beidem sicher sein.‘ (6) Leszek siedelt also auf den Rat seines Statthalters hin mit der Gesamtheit seiner Großen in die Schutzherrschaft des Mieszko über und setzt Mieszkos Sohn Mieszko, einen durch Eifer und Anstand ausgezeichneten jungen Mann, testamentarisch zu seinem Erben in der Herrschaft ein. Der Jüngling aber, vom Überdruss des Wartens und seiner Ungeduld übermannt, begann bald wie der Fürst aufzutreten. (7) Leszek, der das, wenngleich er krank war, [nur] schwer ertrug, warf sich von Reue zurückgeführt und gebeugt Kasimir zu Füßen. ,Ich habe, Vater, gegen den Himmel und gegen dich gesündigt und bin nicht würdig, dein Sohn genannt zu werden. Behandele mich wie einen deiner Tagelöhner.‘490 Diesen mit Tränen küssend verzeiht der edelste Fürst den Frevel des Abfalls. (8) Und auch seine Ehefrau, die bald zurückkehrte, wurde, wie es das Recht will, nicht als geschieden angesehen.491 Daraufhin fügt Leszek, die Verpflichtung des väterlichen Testamentes durch fromme Verehrung bestärkend, auch die Kraft der persönlichen Zeugenaussage hinzu, durch die er Kasimir als seinen rechtmäßigen Nachfolger verkündet; und mit dieser höchsten Entscheidung seines Willens beschloss er seinen letzten Tag. (9) Durch das frühere Testament ist aber deshalb für nichts Sorge getragen worden, weil ein früheres Vermächtnis durch die Kraft eines späteren vergeht. Ein Beschluss gilt nämlich dann nicht, wenn ein Beschluss nicht fortbesteht.
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[14] (1) Sic fratrum non sopita, set aliquantisper interpolata discordia, hostem nature asserens otii torporem, ad exteriora sese explicat uirtus Kazimiri, patrie dedignata limitari ergastulo. Qui Rusiam ingressus, primam Brestensium urbem aggreditur, tam uiris quam arte ac loci situ munitissimam obsidionum앚que앚492 undique artat angustiis. (2) Quam sororis sue primogenito a fratribus per errorem eiecto, restituere instituit, matre ob clandestinas odii causas filium non esse mentiente, set prolis desperatione suppositum.493 Que res etsi ueritati preiudicium non pariat, aput plurimos tamen eius opinionem grauare uisa est. (3) Vnde ciues indignum asserentes, quendam spurium principibus debere principari, acerrime rebellant. Set et exercituum duces plurimum in illo scandalizantur. Cuius occasione seditionis fremitus constrepit et in sacri palatii principem, summe uirtutis uirum Nicolaum attollitur. (4) Indignantur enim eius uesania non consilio tanti maiestatem principis in id insipientie desipuisse, ut manseris cuiusdam causam contra filios, non nepotes, elegerit assumere, ut uilis lucelli tantam Lechitarum gloriam tam discriminosis, tam sordidis prostituerit commerciis. (5) Nec desunt qui pertinacissime astruant, illum cum hostibus de prodendo exercitu pepigisse. Ac uero uir fortis ac industrius quedam illorum dicta prudenter extenuat, quedam equanimius tolerat, nonnulla dissimulat, ne seditionarius magis uideatur quam communis coadiutor propositi. (6) Aduolat interea quidam uelitum, qui non pauca hostium agmina non prenuntiat quidem, set cominus inminere indice demonstrat. Adest namque dux Belsie Vseulodus cum principibus Laodimiriensium, cum Galiciensium precipuis, cum electis tibianeorum turmis, cum Parthorum milibus urbis subsidio. (7) Videre uideor prominentium nemus lancearum, illa barbarica peltarum insignia, illam armorum rutilantiam, ordinatissimas agminum acies adeoque modestos, adeo tranquillos acierum processus, ut inmobiliter moueri uideantur, quatinus castris obsidentium sensim irrumpant, aut instructiore prelii disciplina gloriam uictorie nanciscantur. (8) Quorum
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앚…앚 Ergänzung von Plezia. Vincentius vermischt hier den erstgeborenen Sohn Agnieszkas, Roman, mit ihrem Stiefsohn, Svjatoslav Mstislavi0, den Kasimir 1182 tatsächlich als Ersten in Brest einsetzte; erst nachdem Svjatoslav 1183 (?) vergiftet worden war, wurde Roman von Kasimir zum Fürsten von Brest bestimmt; vgl. unten S. 348. 493
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[14] (1) Als die Zwietracht der Brüder auf diese Weise nicht beigelegt, aber doch eine Zeitlang unterbrochen wird, verschmäht es die Tatkraft Kasimirs, der die Erstarrung der Muße für einen Feind der Natur hielt, im Kerker des Vaterlandes eingeschlossen zu werden, und wendet sich gegen auswärtige [Feinde]. Er fällt in die Rus’ ein, greift als erste Stadt Brest an, das sowohl durch Männer als auch Kunstfertigkeit und die Lage des Ortes stark gesichert war, und492 treibt es von allen Seiten in die Enge der Belagerung. (2) Diese [Stadt] beabsichtigt er, dem Erstgeborenen seiner Schwester [Roman], der von den Brüdern irrtümlich vertrieben worden war, zurückzugeben. Die Mutter [Agnieszka] hatte aus verborgenen Gründen der Abneigung fälschlich behauptet, dass er nicht ihr Sohn, ihr vielmehr, als die Hoffnung auf einen Nachkommen schwand, untergeschoben worden sei.493 Diese Angelegenheit hat, auch wenn das vorgefasste Urteil nicht der Wahrheit entspricht, seinen guten Ruf dennoch bei sehr vielen belastet. (3) So begehren die Bürger, die es für unwürdig halten, dass ein unehelicher unter den Fürsten herrschen soll, heftig auf. Aber auch die Heerführer lehnten sich sehr stark gegen ihn auf. Anlässlich dieses Aufruhrs erhebt sich ein lautes Gebrüll und richtet sich auch gegen den ersten Mann am heiligen [Krakauer] Hof, Nikolaus, einen Mann höchster Tugend. (4) Denn sie empörten sich, dass die Würde eines so großen Fürsten durch seinen unbesonnenen Wahnsinn in so törichter Dummheit behandelt wurde, dass er es vorzog, sich die Sache eines Bastards gegen die [legitimen] Söhne, nicht gegen [weitere] Verwandte, zu eigen zu machen, und den so großen Ruhm der Lechiten wegen eines billigen Gewinns so gefährlichen, so schäbigen Händeln preisgegeben hat. (5) Es fehlt nicht an jenen, die hartnäckig behaupten, dass er sich mit den Feinden verabredet habe, das Heer zu verraten. Aber als ein entschlossener und kluger Mann schwächt er die einen ihrer Behauptungen erfahren ab, die anderen erträgt er gleichmütig, manche ignoriert er, damit es nicht aussieht, als sei er eher ein Aufrührer als ein Helfer des gemeinsamen Vorhabens. (6) Unterdessen eilt einer der Leichtbewaffneten herbei, der nicht nur zahlreiche Heerestruppen der Feinde ankündigt, sondern auch mit dem Zeigefinger zeigt, wie bedrohlich nahe sie [bereits] sind. Denn es kommt zum Schutz der Stadt der Herzog von Bełz, Vsevolod [Mstislavi0], mit den Großen von Vladimir und Hali0, mit ausgewählten Scharen von Hilfstruppen, mit Tausenden von Parthern [Polovcern und Jadwinger] herbei. (7) Mir scheint, als sähe ich den hervorstehenden Wald der Lanzen, jene fremden Zeichen der halbmondförmigen Schilde, jenen Goldschimmer der Waffen, die sehr geordneten Schlachtreihen der Truppen, das ebenso maßvolle wie ruhige Vorrücken der Kampflinien, die scheinbar unbeweglich bewegt werden, wie weit sie nach und nach in die Burgen der Belagerten eindringen und durch eine geordnetere Kampfmethode den Ruhm des Sieges er-
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occursui mox belli classicum intonare iubet Kazimirus, arma capessat, bucefalo inpiger insilit, in hostem non suspicatum intrepidus ac inprouidus progreditur, suorum quibusdam obsidionis studio intentis, nonnullis in urbis exploratione occupatis, aliis ex aliis causis passim undique dispersis. (9) Stupenda prorsus audacia, ne dixerim temeritas! In manu tam perpaucula suis pene omnibus ignaris, cum tot hostium milibus pene solus congredi non formidat, cum Parthicarum nimbi sagittarum grandine densius horrentibus undique stridoribus occurrant! (10) ,Non difficulter, inquit, socii, uesparum agmina dissipat uespadius, immo solus girfalconis aspectus inbelles musserunculorum494 turmas diuellicat!‘ Findentis igitur instar fulminis, prima partis aduerse acie fusa, muros armorum ferreos cuspide transterebrat, ense dissecat, hostes quasi agri fenum humi prosternit. O rem non minus fidei quam stuporis plenam! (11) Non illum tam robustorum impetus obruit, non tanta incurrentium moles obterit, non tot mucronum acies transuerberat, non tam densa telorum spicula configunt, non torquentium pressura torcularium exanimat, set frendenti nefrendo persimillimus, quos canum assequitur quosque propria rabies inpellit, dente transuolat fulmineo. (12) Qui non uictus nec uincendo fatigatus, frementes in se fluctus hos excipit, illos modo scopuli retundit et obterit, cuius allisione omnis procellarum rugitus, omne piraticum robur colliquescunt. Quippe Vincit conflictu lapis, cadit olla sub ictu. Petra stat inuicta, feriens fert olla quod icta. Que cum rupe gerit prelia, testa perit.495
(13) Tum demum longius perstrepente belli discrimine, successim accelerant Kazimiride, proprie sidus glorie quasi iam extinctum lugent. Qui uictricis uiso aquile signo per medias cadauerum strages gratulabundi penetrant tantoque uictoriosius instant, quanto gloriosius conspicantur principem triumphasse, adeo ut de tot milibus hostium uix pegasi agilitate solus illorum princeps euaserit. (14) Omnes aut satur cruoris gladius absorbuit,
494 Übersetzt nach der Ergänzung („i[d est] passerum“) des Jan von Dbbrówka in seiner kommentierten Abschrift, Nationalbibliothek Warschau Nr. 3002 III, f. 218r. 495 Maciej Włodarski, Sredniowieczna poezja łacinska w Polsce [Die mittelalterliche lateinische Poesie in Polen], Wrocław u. a. 2007, S. LXXIV deutet dieses aus zwei Hexametern und einem Pentameter bestehende Gedicht als eine Travestie der Elften Fabel aus den Fabulae ad Theodosium des Flavius Avianus.
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langen. (8) Kasimir gibt sogleich Befehl, zum Treffen mit ihnen das Signal des Krieges laut ertönen zu lassen, ergreift die Waffen, springt schnell auf seinen Bucephalus, rückt unerschrocken und unbekümmert gegen den unerwarteten Feind vor, während einige der seinen sich dem Eifer der Belagerung zugewandt hatten, manche mit der Erkundung der besetzten Stadt beschäftigt und andere aus anderen Gründen nach allen Seiten zerstreut waren. (9) Welch geradezu verblüffende Verwegenheit, um nicht zu sagen Unbesonnenheit! Mit einer so überaus kleinen Schar – denn fast alle der seinen wussten nichts davon – scheut er sich nicht, fast allein mit so vielen Tausenden Feinden, mit dem Hagel der Pfeile der Parther, die [ihm] mit schauderhaften Tönen von überall entgegensausen, zu kämpfen. (10) ,Kameraden – spricht er –, leicht zerstört der Wespenfresser die Wespenschwärme, ja allein der Anblick des Gerfalken reißt die feigen Scharen der Sperlinge494 auseinander.‘ Wie mit der Schärfe des spaltenden Blitzes zerschlägt er also die ersten der feindlichen Reihen, mit dem Speer durchbohrt er die eisernen Mauern der Waffen, mit dem Schwert spaltet er die Feinde und streckt sie wie das Heu des Feldes zu Boden. Oh, welch ebenso unglaubliche wie staunenerregende Sache! (11) Weder erdrückt ihn der Angriff so starker Männer, noch zerquetscht ihn die Masse so vieler Angreifer, noch durchbohrt ihn die Schärfe so vieler Schwerter, noch durchstechen ihn die dichten Spitzen der Wurfgeschosse, noch erstickt ihn der Druck der Folterpressen, vielmehr fliegt er mit mörderischem Zahn heran, gleich grunzenden Wildschweinferkeln, die die Wut der Hunde erfasst und die eigene antreibt. (12) Weder besiegt, noch des Siegens müde, fängt er die gegen ihn tosenden Wogen auf, schlägt sie wie eine Klippe zurück und vernichtet sie, in ihrem Aufschlag zerschellt alles Brüllen der Unwetter, die ganze Stärke der Seeräuberei. Denn Im Zusammenstoß siegt der Stein, der Tonkrug fällt dem Stoß zum Opfer. Der Fels steht unbesiegbar da, der Tonkrug, der sich rühmt zu schlagen, zerbricht. Während die Felswand also Kämpfe führt, geht das Tongefäß zugrunde.495
(13) Da die Kriegsgefahr schließlich länger fortlärmt, eilen Kasimirs Leute nach und nach herbei und trauern so, als wäre der Stern des eigenen Ruhmes bereits erschlossen. Als sie [aber] das Zeichen des siegreichen Adlers sehen, bahnen sie sich durch das Gemetzel der Leichen beglückwünschend den Weg und je siegreicher sie vordringen, desto ruhmvoller erblicken sie, dass ihr Fürst triumphiert hat, so sehr, dass von so vielen Tausenden Feinden allein Fürst [Vsevolod] mit der Schnelligkeit des Pegasus mit Mühe entkommen ist. (14) Alle [anderen] hat entweder das blutgesättigte Schwert
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aut inundatior fugientes undarum torrens inuoluit, aut uictor supplicantes uinculis mancipauit, iuxta pronosticum auguris ipsorum, qui pridie quam bellum essent ingressuri, super belli exitu ab eis consultus, 앚lugubrem fore portenti exitum앚496 in extis fisiculantibus fuerat auguratus. (15) Quod illi hostibus portendi non sibi arbitrantes, in id discriminis prolabuntur, eodem nimirum ariolandi scelere, quo Saul Samuelem a Phytonissa resuscitatum consuluerat: Israel incliti et arma bellica in monte Gelboe ceciderunt.497 (16) Sic tam urbe potitus quam uictoria, quem proposuerat principem instituit, set modico tempusculi interiectu princeps institutus a suis ueneno propinato extinguitur. Extincti prouincia fratri eius duci Laodomirie Romano ratione obsequele indulgetur a Kazimiro. [15] (1) Quem ob meritorum insignia regno quoque Galiciensium Kazimiri liberalitas insignit, rege ipsorum Laodomiro in exilium profligato. Qui a Bela Pannoniorum rege restitutionis inplorat subsidium. Ilico rex non tam exulantis conmiseratione quam regni ambitu, regem substitutum propulsat, regnum occupat, filium instituit exulem, ne sit impedimento, uinctum ergastulo includit in Vngaria. (2) Qui edituorum custodela muneribus illecta, clanculo tandem elabitur, et uix demum per plurima iactatus laborum dispendia, in ipso confragosioris uite periculo, ubi Syrtes uerebatur, portum salutis reperit; unde conceptus est langor, inde natum est langoris remedium. (3) Hic siquidem quodam temeritatis inpetu, limites Kazimiri cum latrunculis quondam irrepserat et raptas illustrium feminas, trans ultima barbarorum exterminia, iure predocinii distraxerat. (4) Defloratos taceo uirginum flosculos, quosdam etiam inmaturos, prostratam sileo matronarum pudicitiam, sanctuarium prophanatum, sacrificii ministros inter sacra, in sacris institis, a cornu altaris pertractos, sacerrimi fedatam religionem temporis, immo Regine celorum irreuerentissime calcatam re-
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앚…앚 statt „lugubre fore portendi exitium“ bei Plezia und „lugubrem fore portendi exitium“ bei Bielowski; vgl. Kürbis S. 219, die zu Recht darauf hinweist, dass es richtig entweder „lugubre exitium“ oder „lugubrem exitum“ heißen muss. 497 Vgl. Sm 28, 7 und 31, 1.
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verschlungen oder die Flüchtenden hat der reißend wogende Fluss ergriffen oder der Sieger hat die [um Gnade] bittenden gefangen genommen, gemäß dem Zeichen ihres Sehers, der von ihnen am Tage, bevor sie in den Krieg zogen, über den Ausgang des Krieges befragt worden war und in den Eingeweiden [des Opfertieres lesend] den die Natur Befragenden den traurigen Ausgang des Prophezeiten496 vorausgesagt hatte. (15) Weil jene glaubten, das Prophezeite [bezöge sich] auf die Feinde, nicht auf sie selbst, gerieten sie in diese Gefahr, allerdings durch den gleichen Frevel der Prophezeiung, in dem Saul eine Hexe gebeten hatte, den Samuel wieder zum Leben zu erwecken: Israels berühmte und kriegerische Männer fielen auf dem Gebirge Gilboa.497 (16) Nachdem er auf diese Weise sowohl die Stadt [Brest] erobert als auch den Sieg davongetragen hatte, setzte er den, den er vorgeschlagen hatte, zum Fürsten ein. Aber nur kurze Zeit später wird der eingesetzte Fürst [Svjatoslav Mstislavi0] von den seinen durch einen Gifttrunk ausgelöscht. Seine Provinz übergibt Kasimir dem [Stief-]Bruder des Getöteten, dem Herzog von Vladimir, Roman [Mstislavi0], zu Vasallenrecht. [15] (1) Diesen [Roman] zeichnet die Freigebigkeit Kasimirs wegen [seiner] denkwürdigen Verdienste mit dem Königreich der Hali0er aus, nachdem deren König Vladimir [Jaroslavi0] ins Exil getrieben worden war. Dieser erfleht von Bela [III.], dem König der Pannonier [Ungarn], Unterstützung bei der Wiedereinsetzung. Der König vertreibt sofort den [in Hali0 von Kasimir] eingesetzten König und besetzt das Königreich, nicht aus Mitleid für den vertriebenen [Vladimir], sondern aus dem Ehrgeiz, [dort selber] die Herrschaft zu erlangen; er setzt seinen Sohn [Andreas II.] ein, den Vertriebenen [Vladimir aber] wirft er in Ungarn gefesselt in den Kerker, damit er kein Hindernis sei. (2) Dieser aber entschlüpft heimlich, indem er die Wachen mit Geschenken besticht, und er erreicht, sich mit Mühe durch viele mühevolle Strapazen durchschlagend und in gleicher Lebensgefahr, wie man sie bei den Syrten fürchtet, schließlich den Hafen der Rettung. Und so war, wo die Krankheit empfangen worden war, [auch] das Gegenmittel gezeugt worden. (3) Denn dieser hatte sich einmal in einem Anfall von Verwegenheit mit [seinen] Straßenräubern in die Grenzmarken Kasimirs eingeschlichen, die Frauen der Großen geraubt und nach Beuterecht in die entferntesten Gebiete der Barbaren verkauft. (4) Ich schweige, wie die Blüten der Jungfrauen entjungfert wurden, darunter selbst unreife; ich übergehe, wie die Keuschheit der verheirateten Frauen preisgegeben wurde, wie die heiligen Orte entweiht, wie die Diener Gottes während des Gottesdienstes in heilige Gewänder gehüllt vom Flügel des Alters weggezogen wurden, wie die Gottesverehrung im heiligsten Moment missachtet wurde, ja die Ehrfurcht vor der Königin der Himmel in unverschämtester
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uerentiam, cuius tamquam in ignominiam sacro Assumptionis die tam execrabile flagitium sacrilega non horruit inpietas. (5) Quam ob causam idem sceleris auctor in exilium est a Kazimiro actus. Non iniuria igitur eius seueriorem indignationem trepidare debuit, cuius maiestatem ausu tam temerario inpegit. Quia tamen ad piissimum Kazimiri numen supplex confugit, desperate licet uenie successus illi non defuit. (6) Non solum enim temeritatis indultionem, set et consolatricis beneficium gratie aput sacrum principis oraculum assequitur. A principali namque serenitate missus palatii princeps, Nicolaus ille famosissimus, et filium regis, quod cunctis uidebatur orientalibus inpossibile, cum omnibus Pannoniorum pompis ac potestatibus potenter eradicat et exulem regno restituit. Sic manus huic eadem uulnus opemque tulit.498
Vnde cuncta orientalium regna tantus horror concussit, ut omnes ad Kazimiri nutum plus quam folium tremuli contremiscerent. [16] (1) Porro tam superexcellentis gloria tituli, quantum comiti gratie concepit, tantum peperit inuidie. Quidam enim quod in se uirtutis assequi nequeunt, in aliis insectantur. Adeoque infremuit olim concepte seditionis uirus, ut LXX satrape in huius columpne coniurauerint excidium. Cuius quasi cuiusdam solis occasu suas estimant umbras posse clarescere. (2) In quem ne gratis, ne sine causa factionari uiderentur, cum nec ueras nec uerisimiles habeant rationes, quasdam nugaces secundum non causam ut causam congerunt ineptias. (3) Allegant per ipsum omne huius regni decus pessundatum, omne decoris firmamentum eneruatum. Asserunt regis Pannoniorum federe soluto, prorsus huius regni securitatem expirasse. Aiunt Galiciensis hostis restitutione omnem Lechitarum gloriam expirasse, quem potius deceret patibulo suffigi, quam regno sublimari. (4) Addunt illius fastum arrogantie a nemine ferri debere, qui senatus non inspecta reuerentia,
498
Vgl. Ovidi Remedia amoris 44.
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Weise mit Füßen getreten wurde und sich die gottlose Ruchlosigkeit wie zu deren Schande nicht gescheut hat, selbst am heiligen Tag der Himmelfahrt [Mariens] die abscheulichste Schandtat zu begehen. (5) So wurde der Urheber wegen ebendieses Frevels von Kasimir ins Exil verbannt. Nicht zu Unrecht hätte er eigentlich den strengeren Zorn dessen fürchten müssen, dessen Würde er so tollkühn mit Füßen zu treten gewagt hatte. Weil er aber schließlich demütig Zuflucht bei Kasimirs frömmster Hoheit suchte, blieb ihm der eigentlich aussichtlose Erfolg der Gnade nicht verwehrt. (6) So erlangte er nicht nur die Vergebung seiner Vermessenheit, sondern auch die Wohltat der tröstenden Gnade vor dem heiligen Orakel des Kaisers [Friedrich I.]. Von der fürstlichen Hoheit aber wurde der Pfalzgraf, jener überaus berühmte Nikolaus, ausgesandt, der, was alle östlichen [Völker] für unmöglich hielten, nachdem er alle Gefolgschaften und Amtsgewalten der Pannonier völlig vernichtet hatte, den vertriebenen Sohn des Königs wieder in das Königreich einsetzte. So brachte ihm die gleiche Hand Verletzung und Heilung.498
Deshalb ergriff alle Königreiche des Ostens eine solch große Furcht, dass alle auf einen Wink Kasimirs hin mehr erzitterten als das Laub [im Wind]. [16] (1) Nun aber zog der Ruhm eines so überaus hervorragenden Ehrennamens, so viel der Gnade er dem Pfalzgrafen [Nikolaus] verlieh, bloß Neid auf sich. Denn gewisse [Menschen] verhöhnen, was sie an Tugenden in sich selbst nicht erlangen können, bei anderen. Und so brauste das seinerzeit [bereits] aufgenommene Gift des Aufstandes derart, dass sich 70 Große zur Vernichtung dieser Säule verschworen. Sie glauben, dass durch seinen Untergang, sozusagen wie durch den [Untergang] der Sonne, ihre Schatten klar hervortreten können. (2) Damit sie nicht dastünden, als würden sie vergebens, ohne Grund handeln, tragen sie, weil sie weder wirkliche noch mutmaßliche Beweise haben, als Grund irgendwelche unsinnigen Dummheiten zusammen, die mit der Sache nichts zu tun haben. (3) Sie behaupten, dass durch ihn alles Ansehen des Königreiches zugrunde gerichtet, jede Stütze der Ehre entkräftet worden sei. Sie erklären, dass durch die Auflösung des Bündnisses mit dem König der Pannonier die Sicherheit des Königreiches ganz und gar vernachlässigt worden sei. Sie sagen, dass durch die Wiedereinsetzung des Hali0er Feindes, der eher ans Marterholz geheftet gehörte als in der Königsherrschaft erhöht zu werden, der ganze Ruhm der Lechiten gestorben sei. (4) Sie fügen hinzu, dass niemand den Stolz seiner Überheblichkeit ertragen könne, dass er dem Senat keine Achtung erwiesen habe, dass er die Würde der erhabenen [Männer] weniger übertroffen als unterdrückt und niedergeworfen habe und sich
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qui celsiorum non tam superata quam suppressa celsitudine ac deiecta, suam celotenus efferre contumaciam minime erubescat. (5) Ceterum spectata illius circa rem publicam diligentia, experta fidei constantia, probatissima strennuitas et omnibus non incognita innocentie uirtus omnia illorum figmenta in auras exsufflant, solo utpote inuidie fremitu conflata nec aliquo probabilitatis pondere subnixa. Nihilominus tamen quod uiribus nequeunt, dolo peragere instituunt. (6) Nouerant enim stante Kazimiro illum cadere non posse, unde subtilius aggressi propositum, clam in Kazimirum proditione conspirata, ipsum conspirationis caput, Cracouiensium presidem, sub quadam defectionis occasione, ad Mesconem transfugere iubent, aptum proditioni tempus cautius aucupantes. (7) Itaque remotioribus principe occupationibus intento, nece interceptum fingunt, uarias necis causas simulant, cum Mescone presidem aduolare suggerunt, urbem amicis exhaustam Kazimiri occupare intendunt, cuius presidium uenerabilis Cracouiensium antistes Fulco cum paucis amicissimorum anticipat. Quo perconstantissime rebellante, proditorium tandem flagitium perpetratur. (8) Traditur ciuitas, produntur municipia; fasces, prefecturas, tribunatus, consulare decus ac senatorias dignitates omnesque magistratuum potestates proditionalia monstra usurpant. At uero sidus quod cecidisse, mentiti sunt, ea tempestatis caligine rutilantius emicuit, nam etsi uir fortis quantumcumque langueat uiribus, nunquam tabescit uirtute. (9) Duabus enim ab oriente accitis aquilis, edaces arcet uultures Kazimirus et coruos abigit perfidie. Audito siquidem Kazimirum reuixisse, immo cum duce Laodomirie Romano et principe Belsie Vseulodo cominus inminere, noctis conpendio fugam ineunt Mesconide. (10) Quibus inuicti Bohemorum ducis Conradi copias occurrere fama crebro intentans, nonnihil formidinis incusserat. Hic enim tantus ac tante uirtutis princeps fuit, ut eius nutu Romani cardo uerteretur imperii, utpote quem uictoriosus Romanorum imperator Fredericus in atrocissimum Dominici sepulcri hostem Saladinum proficiscens, imperialis coadiutorem
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nicht im geringsten schäme, seine Widerspenstigkeit bis zum Himmel zu tragen. (5) Da indessen seine Gewissenhaftigkeit gegenüber dem Gemeinwesen geschätzt, die Beständigkeit seiner Treue erprobt, seine Tüchtigkeit äußerst bewährt waren und alle die Tugend seiner Unschuld kannten, lösten sich alle ihre Lügen in Wind auf, denn allein durch das Stimmengewirr des Neides waren sie geschürt und nicht durch irgendein Gewicht der Glaubwürdigkeit gestützt worden. Dennoch beabsichtigen sie, was sie durch Gewalt nicht können, durch List zu Ende zu bringen. (6) Sie wussten nämlich, dass jener, solange Kasimir dasteht, nicht fallen kann; daher nahmen sie einen spitzfindigeren Plan in Angriff: Sie zogen gegen Kasimir heimlich verräterisch an einem Strang und veranlassten, dass der Kopf der Verschwörung selbst, der Statthalter der Krakauer [Heinrich Kietlicz], unter dem Vorwand eines Abfalls zu Mieszko [III.] fl ieht, wobei sie mit größerer Vorsicht auf einen für den Verrat günstigeren Zeitpunkt lauerten. (7) Als nun der Fürst [Kasimir II.] mit der Inbesitznahme entlegener [Gebiete] beschäftigt war, geben sie vor, dass er durch einen gewaltsamen Tod umgekommen sei, wobei sie verschiedene Ursachen des gewaltsamen Todes vortäuschen. Sie schlagen vor, dass der Statthalter zusammen mit Mieszko [III.] herbeieile, und beabsichtigen, die von Kasimirs Freunden entleerte Stadt zu besetzen. Diese Besetzung hat der verehrungswürdige Bischof der Krakauer, Pełka, mit einigen wenigen der treuesten Freunde vereitelt. Während dieser mit größter Standhaftigkeit erneut den Kampf aufnahm, wurde schließlich die Schandtat der Verräter begangen. (8) Die [Haupt-]Stadt wird ausgeliefert, die Burgen werden preisgegeben, die Ungeheuer des Verrates eignen sich widerrechtlich die Liktorenbündel, die Statthalterschaften, die Tribunenämter, die Konsuls- und Senatorenwürden und alle Amtsgewalten an. Aber der Stern, von dem sie lügen, dass er gefallen sei, leuchtet durch diese Finsternis der Gefahr [nur] umso goldschimmernder hervor. Denn ein Mann, wie sehr er an seinen Kräften auch geschwächt sein mag, verliert [doch] nie den Mut. (9) Denn Kasimir wehrt, indem er aus dem Osten zwei Adler [Roman und Vsevolod] herbeiruft, die gefräßigen Geier ab und vertreibt die Raben der Untreue. Als die Anhänger Mieszkos hören, dass sich Kasimir wieder erholt hat, ja zusammen mit dem Herzog von Vladimir, Roman, und dem Fürsten von Bełz, Vsevolod, nahe heranrückt, fliehen sie im Schutz der Nacht. (10) [Zudem] flößte ihnen das wiederholt auftauchende Gerücht, dass Truppen des unbesiegbaren Herzogs der Böhmen, Konrad [III. Otto], zur Hilfe kämen, nicht wenig Angst ein. Dieser war nämlich ein so großer und tapferer Fürst, dass durch seinen Wink der Angelpunkt des Römischen Reiches bewegt wurde, denn der siegreiche Kaiser der Römer, Friedrich [I. Barbarossa]. bestimmte ihn, als er gegen Saladin, den schrecklichsten Feind des
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celsitudinis filio suo regi Henrico pre ceteris principibus deputauerit. (11) Qui cum esset frater iugalis Kazimiri, nullo pacto amicissimorum intimi aut negligere debuit aut dissimulare potuit iniurias. Quo tamen pernecessariis imperii detentionibus perplexo, nec fietas nectente moras, Kazimirus Cracouiam intrepidus adit, quam eo quo obsidionibus cingit momento recuperat. (12) Non uides euidentissimam Kazimiri numinis presentiam? En urbem tot electorum tuentur presidia, omnibus adminiculorum499 studiis instructissimam, omnium copiarum inundatione uberrimam? Omnes roboris exercitatissimi, omnes coniurati, omnes animositate frendentes, omnes unanimiter in necem proni, omnes una in Kazimiri perniciem armati. (13) Auget illis robur hinc Mesconides presidiorum princeps, inde consiliorum ille artifex urbis prefectus. Stimulat illum regni ambitus, armat istos pugio malicie, omnibus rebellandi suggerit animum penes Kazimirum uenie desperatio. (14) Tum uero lixarum quidam, quasi quodam leuitatis exercitio e castris obsidionum euolans, uallum transilit, aggerem superat muroque annixus fumigantem exerit titiunculum, urbis imitatur incendium. Subito ingens ab excubiis clamor attolitur, uociferantibus undique urbem flagrare incendio. (15) Vbi nunc illa, o uiri, strennuitas, ubi tam nuper feruens animositas, ubi plus quam leonum illa frendens atrocitas? Omnes repente adtoniti, omnes tamquam fulminis ictu perculsi, tamquam flammarum densissima inuoluti caligine, cum nihil omnino agatur periculi, ultro in manus hostium e muris precipites iactantur, nonnulli ualuis patulis pressim in uincula prosiliunt. (16) Ingeniosus ille artis magister, e basilica, in quam sese tremebundus coniecerat, semianimis protrahitur, aquilarum auiditati exponitur, quarum unguibus in Rusiam, inde in Pannoniam per miseras uices exilii defertur. Quod sanctissimus olim Getco spiritu predixerat prophetico: ,Alioquin, inquit, absportabere sicut gallus gallinaceus500 , qui nidi matrem arcet a nido pullos fouens alienos.‘ [17] (1) Nam nepotem cum omni suorum uniuersitate captiuitate emancipat, comeatibus instruit, fratri quasi peculiare munus remittit, urbe ac
499 500
Vgl. Anm. 234. Vgl. Anm. 448.
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Grabes des Herrn, zog, vor den übrigen Herzögen an der Seite seines Sohnes, König Heinrichs [VI.], zum Mithelfer der kaiserlichen Hoheit. (11) Und da er der Schwager Kasimirs war, durfte er die dem allernächsten seiner treuesten Freunde zugefügten Beleidigungen auf keine Weise ignorieren, noch konnte er sie verleugnen. Während dieser jedoch in unausweichlichen Geschäften des Reiches verstrickt und nicht etwa durch erfundene Verzögerungen gebunden war, zog Kasimir unerschrocken in Krakau ein, das er im gleichen Moment, in dem er es mit Belagerungen umzingelte, zurückeroberte. (12) Siehst du, Kasimir, nicht die augenscheinlichste Gegenwart des göttlichen Willens? Schau, wie viele auserlesene Schutztruppen die Stadt beschützen, die durch all die Anstrengungen ihrer Unterstützer499 so gut gerüstet, im Überströmen ihrer Vorräte so überaus reich ist. Alle sind äußerst geübt, alle verschworen, alle knirschen vor Wut mit den Zähnen, alle sind einmütig zum Tod bereit, alle zusammen sind sie zum Untergang Kasimirs gerüstet. (13) Hier vergrößert ihre Stärke der Heerführer [Bolesław] Mieczkowic, dort der Statthalter jener Stadt und Urheber ihrer Pläne [Heinrich Kietlicz]. Diesen stachelt der Ehrgeiz der Herrschaft auf, jene rüstet der Dolch der Bosheit, allen verleiht die Verzweiflung, in der Gewalt Kasimirs kaum Nachsicht zu finden, den Mut zur Rebellion. (14) Da aber kommt ein Trossknecht, wie in leichtsinnigem Treiben, aus dem Lager der Belagerer herausgeflogen, überspringt den Verhau, überwindet den Wallgraben und streckt ein qualmendes Brennscheit gegen die Erdwallpalisade, als würde er die Stadt in Brand stecken. Sofort wird von den Wachen ein ungeheurer Lärm erhoben, die laut schreien, dass die Stadt durch Brandstiftung von allen Seiten in Brand gerate. (15) Wo ist nun, ihr Männer, jene Tapferkeit, wo die unlängst so glühende Erbitterung, wo jene Wildheit, die schlimmer die Zähne fletscht als die der Löwen? Alle sind sie plötzlich betäubt, alle wie vom Blitzschlag zu Boden geschlagen, als ob sie von der dichtesten Finsternis der Flammen eingehüllt wären, wo doch überhaupt keine Gefahr ausgeübt wurde, so dass sie sich freiwillig von den Mauern kopfüber in die Hand der Feinde stürzen, einige durch die offen stehenden Palisaden dicht gedrängt in die Gefangenschaft stürmen. (16) Jener geistreiche Urheber der Intrige [Heinrich Kietlicz] wird im Sterben liegend aus der Basilika hinausgeschleppt, in die er sich zitternd gestürzt hatte, der Gier der Adler ausgesetzt, in deren Krallen er durch die elenden Wechselfälle der Verbannung hindurch in die Rus’, von dort nach Pannonien gebracht wird. Dieses hatte einst der ehrwürdigste [Bischof] Gedko mit prophetischem Geist vorhergesagt: ,Jedoch – so spricht er – wirst du wie ein Hahn weggetragen werden 500, der die Nestmutter vom Nest fernhält, um fremde Junge zu wärmen.‘ [17] (1) So entlässt [Kasimir], nachdem er von der [Haupt-]Stadt und den Burgen, die der Bruder besetzt hatte, [wieder] aufgenommen worden war,
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municipiis que frater occupauerat receptis. Plurimum uero liberandis profuit uiri clarissimi oratio preinsignis Petri archiantistitis. (2) Cum enim omnium pene fi xa staret sententia uel exiliis distrahi, uel ergastulis debere captiuos includi, aut exquisitis exponi suppliciis, aut certe omnino tolli seditionis seminaria: Non sic, inquit Petrus, filioli, non sic! Iniquum enim est, ut iura pietatis iniqua uendicet seueritas, presertim cum sit honestior beneficii exhibitio quam ultionis occasio. (3) Audire, queso, libeat preclara huiuscemodi honestatis insignia. Victoriosus rex Epirotarum Pirrus uictis Romanis CC captiuos milites gratis Romam remisit, ut cognita uiri uirtute liberalitatem eius agnoscerent.501 (4) Magnus Alexander cum rege Poro congreditur, uincit Porusque capitur. Qui uictum se adeo doluit, ut cum ueniam ab hoste accepisset, nec cibum sumere uoluit nec uulnera curari passus est. Quem Alexander ob uirtutis honorem in regnum incolumem remisit 502; decet enim ut uir fortis et animositate uigeat et pietate non langueat. (5) Heracliensium quoque non minor pietas fuit, quorum agros dum aduecti nauibus Athenienses populantur, omnes naues repentino tempestatis turbine dispereunt. Itaque cum nec mari nec terra cum tam pauca manu reuerti possent, Heraclienses eos cum uincere aut extinguere omnino potuissent, communitos beneficiis amminiculorum remittunt, ut quos habuerant hostes, redderent amicos.503 (6) Set non sapit forsitan uestro palato siluestris labrusce et gentilitatis acerbitas, insipidum tamen esse nequit sancti exemplum Helisei. Rex namque Syrie sepe in conclaui secreto disponebat contra regem Israel, quod Heliseus per spiritum Domini uidens reuelabat regi Israel. Sic eo docente capti sunt multi exploratores. (7) Quo rex Syrie cognito, iratus misit exercitum ad obsidendam Dotaim ciuitatem, in qua habitabat Heliseus, ut captus adduceretur. Mane autem facto puer Helisei, filius, ut quibusdam placet, Sunamitis quem suscitauerat, uidens milites circa ciuitatem, stupidus uenit ad Heliseum dicens: Pater, obsessa est ciuitas a Syriis. Cui Heliseus: Noli
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Iustini Epitoma XVIII, 1, 10 (agnoscerent = cognoscerent, gratis = gratiis). Iustini Epitoma XII, 8, 6 – 8 (voluit = voluerit). Iustini Epitoma XVI, 3, 9 –12 (redderent = reddidissent).
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seinen Neffen mit der Gesamtheit der seinen aus seiner Gewalt, rüstet ihn mit Wegegeld aus und schickt ihn dem Bruder zurück, so als wolle er [diesem] ein Geschenk machen. Sehr viel hat den Befreiten die Fürsprache des sehr berühmten, überaus ausgezeichneten Erzbischofs Petrus geholfen. (2) Als nämlich für alle das Urteil beinahe feststand, die Gefangenen entweder durch Verbannungen auseinanderzureißen oder in Kerker einzuschließen, entweder den ausgesuchtesten Strafen auszusetzen oder die Saaten des Aufruhrs überhaupt ganz und gar zu beseitigen, sprach Petrus: So nicht, meine Söhnchen, so nicht! Denn es ist unrecht, dass zornige Strenge die Rechte der Liebe verschachert, so wie die Austeilung von Wohltaten ehrenhafter ist als die Gelegenheit zur Rache. (3) Es ziemt sich, ich bitte [euch, einige] vortreffliche Zeichen solcher Anständigkeit anzuhören. Der siegreiche König der Epirer, Pyrrhus, schickte, nachdem er die Römer besiegt hatte, freiwillig zweihundert Soldaten nach Rom zurück, damit sie [dort] die Ehrenhaftigkeit des Mannes erkennend auch seine edle Gesinnung anerkennen würden.501 (4) Alexander der Große kämpfte mit König Porus, siegte und Porus geriet in Gefangenschaft. Besiegt litt er so sehr, dass er, obwohl er vom Feind Vergebung erhalten hatte, weder Nahrung annehmen noch seine Wunden behandeln lassen wollte. Alexander schickte ihn zur Ehre seiner edlen Gesinnung unversehrt in sein Königreich zurück 502; denn es ziert den starken Mann, wenn er sowohl durch Tapferkeit blüht als auch nicht an Milde krankt. (5) Auch die Milde der Heraklier war nicht gering; als die Athener [bei ihnen] mit [ihren] Schiffen landeten und die Äcker plünderten, gingen alle Schiffe durch einen plötzlichen Unwettersturm gänzlich zugrunde. Da sie mit einer so kleinen Schar weder über das Meer noch über Land zurückkehren konnten, versorgten [die Heraklier] sie, obwohl sie sie vollständig hätten bezwingen und vernichten können, mit den Wohltaten des Beistands und schickten sie zurück, um die, die sie zu Feinden hatten, zu Freunden zu gewinnen.503 (6) Aber vielleicht schmecken eurem Gaumen die im Wald wild wachsende Rebe und das fi nstere Wesen des Heidentums nicht; das ungenießbare Beispiel des ehrwürdigen Elischa kann euch [jedoch] nicht erspart bleiben. Denn der König von Syrien traf im geheimen Stübchen oft Vorkehrungen gegen den König von Israel, was Elischa, der [das] mit Hilfe des Heiligen Geistes sah, dem König von Israel berichtete. Auf diese Weise wurden dank seiner Information viele Kundschafter gefasst. (7) Als der König von Syrien dies erfuhr, schickte er voll Zorn ein Heer zur Belagerung der Stadt Dotan aus, in der Elischa lebte, um ihn zu fassen und zu entführen. Als aber der Morgen graute, sah ein Diener des Elischa, wie einige meinen, [s]ein Sohn, den eine Frau aus Suna erzeugt hatte, die Krieger vor der Stadt, kam erstaunt zu Elischa und sprach: Vater, die Stadt ist von den Syrern belagert. Darauf Elischa: Fürchte dich nicht, die Mehrzahl ist mit uns. Der Diener aber [ant-
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timere, quia plures nobiscum sunt. Et puer: Nequaquam, domine. (8) Tunc orauit Heliseus ad Dominum, ut aperiret oculos pueri. Quo orante uidit puer currus ignitos et milites in montibus multo plures quam essent Syrii et ait: Vera sunt, domine, que dicis. Iterum orauit Heliseus, ut hostes cecitate Dominus percuteret, non ut non uiderent, set quadam insensibilitatis specie que dicitur acrisia siue adorchia, qua percussi sunt Sodomite angelis hospitantibus apud Lot. (9) Ad quos egressus Heliseus dixit: Quem queritis? Et illi non cognoscentes eum dixerunt: Nihil aliud nisi Heliseum. Et ille: Sequimini me et inuenietis eum. Illi autem sequentes uenerunt ad Samariam. Qui cum essent in medio ciuitatis nec cognoscerent ubi essent, orauit rursus Heliseus, ut aperirentur oculi eorum et uidentes se in medio ciuitatis inter hostes timuerunt ualde. (10) Dixit ergo Ioram rex Israel ad prophetam: Interficiemus eos. Qui ait: Nequaquam, non enim tu adduxisti eos in arcu et gladio, set Dominus in potentia sua. Immo detur eis ad comedendum et remittantur. Quod et factum est.504 (11) Vestros quoque captiuos non absimilis cecitatis caligine Dominus inuoluit, illacrimante plus quam propheta cum omni ecclesie sue deuotione sacro Cracouiensium antistite. Quis enim nisi cecus euidenter istorum cecitatem non uideat, quibus illic flagrare uisa sunt incendia, ubi nulla prorsus erant incendiorum uestigia? (12) Eorum ergo cecitas diuini muneris est, non uestre humane uirtutis ideoque pium Diuinitatis munus pietate repremiari conuenit, non cruenta inpietatis ultione. Omnes itaque cum omni suorum incolumitate pius Kazimirus remittit. Que res Mesconis animum tanto deinceps erga fratrem amore deuinxit, ut omnium omnino iniuriarum oblitus, fraternis gratularetur confoueri amplexibus. (13) Vidit enim Vincentius qui scripsit hec, et scimus quia uerum est testimonium eius505, non credula solum et fidissima inter illos inuicem colloquia, set et iocunda et precordialissime plena dilectionis conuiuiorum sollempnia. Fuit autem huius concordie funiculus immo aurea catena, uir omnium uirtutum, omni sapientie, omni scientie quadratus industria, omni morum uenustate conspicuus, non minus prosapie, quam animi generositate preinsignis, idem Petrus archipontifex. Cuius etsi me rupero, merita dictis non assequar. Quippe:
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Die Geschichte von Elischa nach 2 Kg 6, 8 –23. Jo 21, 24.
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wortete]: Nicht im geringsten, Herr. (8) Da betete Elischa zum Herrn, dass er dem Diener die Augen öffnen möge. Und als er betete, sah der Diener, dass die feurigen Streitwagen und Krieger auf den Bergen viel zahlreicher waren als die Syrer und sprach: Wahr sind, Herr, [die Worte], die du sprichst. [Da] betete Elischa ein zweites Mal, der Herr möge die Feinde mit Blindheit schlagen, nicht damit sie nicht sähen, sondern damit sie von einer Art Unempfindlichkeit [befallen würden], die Acrisia [geistige Umnachtung] bzw. Adercia [vorübergehende Blindheit] genannt wird und von der die Sodomiter erfasst worden waren, als bei Lot die Engel gastlich aufgenommen wurden. (9) Elischa ging zu ihnen [den Syrern] hinaus und fragte: Wen sucht ihr? Diese sprachen zu ihm, den sie nicht erkannten: Niemanden anderen als Elischa. Darauf dieser: Folgt mir, und ihr werdet ihn finden. Diese aber gingen hinter ihm her bis nach Samaria. Und als sie in der Mitte der Stadt waren und nicht wussten, wo sie waren, da betete Elischa erneut, dass sich ihre Augen [wieder] öffneten; und als sie erkannten, dass sie sich von Feinden umgeben mitten in der Stadt befanden, fürchteten sie sich sehr. (10) Und so sprach Joram, der König Israels, zum Propheten: Wir werden sie töten. Dieser aber sagte: Auf keinen Fall, denn nicht du hast sie mit Bogen und Schwert hierher geführt, sondern der Herr in seiner Macht. Ja, sie müssen mit Essen versorgt und zurückgeschickt werden. Und so geschah es auch.504 (11) Auch eure Gefangenen hat der Herr in ein nicht unähnliches Dunkel der Blindheit gehüllt, als der ehrwürdige Bischof von Krakau mit seiner ganzen Kirche hingebungsvoll mehr weinte als der Prophet. Denn wer, wenn nicht ein Blinder, sieht nicht deren offensichtliche Blindheit, denen dort Brände zu lodern schienen, wo es überhaupt keine Spuren von Bränden gab. (12) Ihre Blindheit ist also [Folge] göttlicher Gnade, nicht eurer menschlichen Tüchtigkeit, und es ziemt sich, ein so frommes Geschenk der Gottheit mit Milde zu vergelten und nicht mit der blutigen Rache der Gottlosigkeit. Daher schickt der gnädige Kasimir alle [Männer] gänzlich unversehrt zurück. Diese Tat hat Mieszkos Herz daraufhin so sehr in Liebe dem Bruder verbunden, dass er alle [ihm zugefügten] Beleidigungen gänzlich vergaß und begrüßte, von den brüderlichen Umarmungen liebkost zu werden. (13) Dies nämlich hat Vincentius, der dieses schreibt, gesehen und wir wissen, dass sein Zeugnis wahr ist.505 Nicht nur arglos, sondern vollsten Vertrauens waren ihre wechselseitigen Beratungen, und fröhlich, äußerst herzlich und voll der Liebe waren ihre festlichen Gastmähler. Die Richtschnur, ja die goldene Kette dieser Eintracht aber war ein Mann aller Tugenden, aller Weisheit, der im Eifer der Wissenschaft fest gefügt war, durch die Anmut seiner Sitten in die Augen stach und nicht weniger durch sein Geschlecht als den Edelmut seines Herzens herausgehoben war, eben derselbe Erzbischof Petrus. Seine Verdienste vermag ich, selbst wenn ich zerplatzen würde, nicht in Worte zu fassen, denn:
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Liber qvartvs Aplanon axe tero, scribens Cato paruus Homero, est petra namque Petri celsior arte metri. Psallant centimetro tot uatum secula Petro, claudicat omne metrum, non capit esse Petrum. Vis bene nosse uirum, ceti circumspice gyrum, dispice quosque solo, solus hic absque dolo. Nectare fons plenus, sol sidere blandus, amenus, sidere nectareus, nectare sidereus. Non bene te noscis, bona si qua forinseca poscis. Omnibus omnifluo diues in orbe tuo. Te genus extollit, beat ordo, potentia ditat, Nobilius uirtus te tua nobifitat.506
[18] (1) Regis quoque Pannoniorum federa, idem qui eadem dissoluisse arguebatur, palatii princeps Nicolaus cum sepe memorato Cracouiensium presule Fulcone ad perfectum redintegrant, iuxta sanctorum instituta: regis uidelicet beati Stephani et sanctissimi Polonorum patroni Adalberti; communiter debere coli utriusque regni amicitias, communiter alterius utrius hostilitates insectari, communes fore prosperitatum successus et indifferentes necessitatum succursus. [19] (1) Compos itaque regni Kazimirus, certus amicorum set incertus amicitiarum, Gethicos magnanimiter sudores aggreditur. Quorum contiguis pernimium afflictis et per creberrima uix adactis prelia, in Pollexianorum507 ceruicosam feritatem animosius accingitur, nullius hactenus bello uel uirtute attemptatam. (2) Glorioso enim uisum est Kazimiro inglorium, paterna uideri gloria contentum. Sunt autem Pollexiani Getharum uel Prussorum genus, gens atrocissima, omni ferarum inmanitate truculentior, propter uastissimas solitudinum intercapedines, propter concretissimas nemorum densitates, propter bituminata inaccessibilis palustria. (3) Horum
506 Die Übersetzung des aus sechs elegischen Distichen bestehenden Gedichtes beschränkt sich auf den Inhalt und gibt weder dessen Versmaß noch dessen Reimform wieder. 507 Ein Stamm der Jadwinger; Vincentius scheint in „Pollexiani“ dessen vom Fluss Łek / Ełk abgeleiteten polnischen Namen (Połekszanie = die entlang des Flusses Łek / Ełk Lebenden) wiederzugeben.
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Das Himmelsgewölbe durchwandere ich mit dem Wagen, schreibe als kleiner Cato für Homer, denn der Fels des Petrus ist der Kunst ein erhabeneres Maß. So viele Generationen von Sängern singen Petrus hundertVerse, es hinkt jegliches Versmaß, in keines passt Petrus hinein. Du willst den Mann besser kennen, dann betrachte genau den Himmelskreis, schau auf die auf Erden, er allein ist ohne Arglist. Eine Quelle voller Nektar, die reizende, liebliche Sonne am Himmel, im Himmel süßer, in der Süße himmlisch. Nicht gut kennst du dich, wenn du das Gute von außen suchst. Alles ist im Überfluss vorhanden, reich bist du in dir selbst. Dich hebt deine Herkunft heraus, schmückt dein Stand, beschenkt die Macht, edler adelt dich deine Tugend. 506
[18] (1) Derselbe [Mann], der auch beschuldigt wurde, die Bündnisse mit dem König der Pannonier aufgelöst zu haben, der Pfalzgraf Nikolaus, stellte sie zusammen mit dem oft genannten Bischof der Krakauer, Pełka, gemäß den Anweisungen der Heiligen, nämlich des heiligen Königs Stephan und des allerheiligsten Schutzpatrons der Polen, Adalbert, [1192] vollständig wieder her; gemeinsam soll die Freundschaft beider Königreiche gepflegt, gemeinsam sollen Unbill gegenüber dem [jeweils] anderen von beiden feindlich verfolgt werden, gemeinsam sollen [beide] in Zeiten glücklichen Gelingens Glück haben und sich [in Zeiten] von Notlagen ohne Unterschied zur Hilfe kommen. [19] (1) Im Besitz des Königreiches, seiner Freunde gewiss, doch der Freundschaftsbündnisse nicht sicher, geht Kasimir die Gethischen Mühen an. Nachdem er deren angrenzende [Gebiete] stark bedrängt und sie in sehr vielen Kämpfen mit Mühe besiegt hat, rüstet er sich mutiger gegen die unbezähmbare Wildheit der Pollexiani507, die bis dahin von keinem Krieg oder Mut herausgefordert worden war. (2) Doch dem ruhmreichen Kasimir erschien es unrühmlich, sich mit dem väterlichen Ruhm zufrieden zu geben. Die Pollexiani aber sind ein Volk der Gethen oder Pruzzen, ein äußerst wildes Volk, das in seiner ganzen Grausamkeit wilder als die wilden Tiere und wegen der weitesten Entfernungen ihrer Einöden, der dichtesten Dichte ihrer Wälder und ihrer erdpechhaltigen Sumpfgegenden unzugänglich ist. (3) Weil der Fürst der Rus’ von Drohiczyn diese Räuber heimlich
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quia latrunculos quidam Ruthenorum Drogiciensis princeps fouere clanculo consueuerat, primos indignationis excipit aculeos. Vrbi siquidem, que sui caput est principatus, quam Drogicin uocant, inclusus, obsidionum perurgetur angustiis, non tam deditionis legibus accedere, quam perpetue seruitutis condicioni subesse. (4) Illa subinde incomeabili heremi uastitate trium naturalium dierum cursu citatissimo uix emensa, iubet quarto antelucano catholicus princeps omnem exercitum salutaris Hostie ante omnia sacramento confoueri sacri ministro sacrificii uiro reuerendo Plocensium antistite. Decebat enim contra Saldanistas, contra sacre professionis hostes, contra spurcissimos idolatras pugnaturos, plus in armis fidei confidere, quam in martialis armature fiducia. (5) Itaque intrepidi prelium querunt, diu quesitum nusquam reperiunt, cunctis hostium in debris ac speluncis delitescentibus, non tam timoris pusillanimitate quam cautele industria. Sunt enim in arto exercitatissimi, set in plano nulli, plus arte quam uiribus, plus audaces temeritate quam animositate. (6) Quibus non repertis, ne nihil agere uiderentur, operosiorem populationi dant operam Lechite, fana, burgos, rogos, celsas edium fabricas, cum spicariis horrea flammis inuoluunt, quia municipiorum nullus aput illos usus, eosdem enim urbium habent muros quos et fere. (7) Horum princeps Pollexius dolo ad Kazimirum accedit, uictum se fatetur, misereri suorum postulat, famulitio suscipi obsecrat, tributaria sese obsequela obstringit, in fidei pignus uades aliquot seu obsides exhibet, plures exhibiturum pollicetur. (8) Exercitus obsidum securitate soluuntur, Pollexiani prostrato interim nemore omnem remeatum precludunt, pactioni renuntiant, aiunt obsidum salutem non debere fore libertatis inpedimento. Satiusque esse filiorum uita defungi, quam patrum libertate destitui, quos profecto mors honestior honestioribus est inuectura natalibus. (9) Est enim omnium Getharum communis dementia, exutas corporibus animas nascituris denuo infundi corporibus, quasdam etiam brutorum assumptione corporum brutescere; quos instantis quoque facti subtilitas a brutorum ruditate non secernit. (10) Nam quis umquam grex edorum secum lupos caulis incluserit? Que talpa tam cecutiens proprio murilegum cauo inserare studuit? Que umquam
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zu begünstigen pflegte, empfing er die ersten Stacheln des Zorns. Denn in der Stadt eingeschlossen, die die Hauptstadt seiner Herrschaft ist und Drohiczyn genannt wird, wird er durch die Nöte der Belagerungen gezwungen, nicht so sehr nach den Gesetzen des Huldigungseides heranzutreten, als vielmehr in ein ewiges Vasallitätsverhältnis einzutreten. (4) Als jene unzugänglichen weiten Einöden innerhalb von drei natürlichen Tagen in schnellstem Lauf mit Mühe allmählich durchwandert waren, befahl der christliche Fürst am Morgen des vierten Tages, dass das ganze Heer vor allem mit dem Sakrament der heilenden Hostie gestärkt werde, wozu der ehrwürdige Bischof der Płocker [Wit] das Gottesdienstopfer zelebrierte. Denn es ziemte sich, gegen die Saladinisten, gegen die Feinde des heiligen Bekenntnisses, gegen die obszönsten Götzendiener und Kämpfer mehr auf die Waffen des Glaubens zu vertrauen als auf die Zuversicht in kriegerische Waffen. (5) So suchen die Unerschrockenen den Kampf, finden aber nirgends das Gesuchte, da sich alle Feinde im Untergehölz und in Höhlen verstecken, nicht so sehr aus kleingeistiger Angst als aus emsiger Vorsicht. Denn sie sind äußerst erprobt in der Enge, aber nicht auf freiem Feld, wagemutig mehr durch List als Mannhaftigkeit, mehr aus Furcht denn aus Tapferkeit. (6) Da sie nicht gefunden werden, widmen sich die Lechiten, damit es nicht den Anschein habe, als seien sie untätig, umso tätiger dem Verwüstungswerk, übergeben die Heiligtümer, Burgen, Gräber, die aufragenden Bauten der Tempel, die Scheunen mit den Kornspeichern den Flammen; denn weil bei ihnen Befestigungsanlagen nicht üblich sind, haben sie solche Stadtmauern wie wilde Tiere. (7) Ihr Fürst, Pollexius, [aber] nähert sich Kasimir in täuschender Absicht, gesteht ein, besiegt zu sein, fordert, Mitleid mit den seinen zu haben, fleht, dass [seine] Gefolgschaft aufgenommen werde, verpflichtet sich zur Tributabhängigkeit, stellt zur Sicherheit Bürgen und einige Geiseln und verspricht, [noch] mehr auszuliefern. (8) Durch die Bürgschaft der Geiseln werden die Heere ausgelöst; unterdessen versperren die Pollexiani, indem sie den Wald fällen, [dem Heer Kasimirs] jede Rückkehr und brechen den Vertrag und sagen, das Wohl der Geiseln dürfe kein Hindernis ihrer Freiheit sein. Ziemlicher sei es, das Leben der Söhne zu opfern, als die Freiheit der Väter im Stich zu lassen, und dass ihr fürwahr ehrenhafterer Tod sie in ehrenhaftere Geburtsränge hineinführen werde. (9) Denn allen Gethen gemeinsam ist der wahnsinnige [Aberglaube], dass die von den Körpern befreiten Seelen von neuem in wiedergeborene Körper hineingegossen werden, einige durch die Annahme tierischer Körper auch zu Tieren werden, die auch ihr Scharfsinn in Augenblicken der Gefahr nicht von der Rohheit der Tiere abhebt. (10) Denn welche Herde junger Ziegenböcke hat jemals Wölfe in ihre Ställe eingeschlossen? Welcher Maulwurf ist so blind, dass er eine Katze in sein eigenes
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noctua loramentorum fuit sollicita, quibus inplumi pullorum suorum nido aquilas connodaret? (11) O perbruta simplicitas, que mansuetam natura leonum generositatem quadam seuiendi necessitate astringis! Eadem namque arte capitonem regem suum perdituri propter ingluuiem gobiunculi dispereunt. Etenim capitonis pene deleti uoracitate, ipsum delere intendunt, a siluris consilium et auxilium inplorant. (12) Respondent siluri simili sese proprii tyranni peste laborare, lupum enim in regem creauerant. Procrastinari tamen, set celari placet deliberationis inducias. Cetus interim prede auiditatem secutus, proprio impetu cum fluctibus in arentia sabula propellit repenteque resilientibus undis, quia uires in arido explicare tanta belua non poterat, ab exiguis reptilibus et appetitur et extinguitur. (13) Que res et audaciam et uiam uidetur suggessisse consilii. Quendam enim sinum nullius omnino profunditatis, latitudinis aliquante, set in maris contiguitate angustissimum explorant et eligunt. (14) Aiunt aptissimum esse perdendorum regum proposito, utpote qui et innumeras ipsorum capiat regiones et regibus omnem uirium amputet fiduciam. Neque gobiones aut siluros minimis esse minores reptilibus, neque lupum siue capitonem ceto grandiores. (15) Illic uniuersorum congesta infinitate, utrumque regum concilio corrogant, quos aliquantisper quasi renitentes crebris incursibus sollicitant. Proinde lupus utpote proteruior intro irrumpit, capito remeatum obstruit. Sic inbellis illa pisciculorum plebicula aut lupi dente discerpitur, aut capitonis faucibus absorbetur. (16) Non minus ergo fatua Pollexianorum fuit prudentia, quam gobionum simplicitas. In arto enim constituti Kazimiride grassantius in hostes deseuiunt, animosius gobiunculos dentibus cuspidum proscindunt, aut ensium aut flammarum faucibus absorbent, donec omni pene conflagrata prouincia, tam princeps illorum quam magistratuum potestates, ad Kazimiri scabellum pronis ceruicibus prosternuntur, tam suam quam reliquiarum salutem deprecantes. (17) Ad quorum calamitates serenissimi pietas principis mox animi conpassionem inclinat. Idoneaque nomine obsequele aut tributorum cautione suscepta, cum triumpho ad propria reuertitur, ubi non sui uictus
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Loch einlassen wollte? Welche Eule war jemals um Riemen besorgt, um mit ihnen die Adler an das ungefiederte Nest der dunklen Mäntel zu knoten? (11) Oh, du stumpfsinnige Einfalt, die du der von der Natur gezähmten edlen Art der Löwen den Zwang zum wilden Toben auferlegst! Auf gleiche Weise gehen kleine Karpfenfische gänzlich zugrunde, die den Rohrkarpfen, ihren König, wegen [seiner] Gefräßigkeit vernichten [wollen]. Denn als sie durch die Gefräßigkeit des Rohrkarpfens beinahe vertilgt worden waren, beabsichtigen sie, ihn selbst zu vernichten, und erbitten von den Welsen Rat und Hilfe. (12) Die Welse antworten, dass sie sich mit der gleichen Plage eines eigenen Tyrannen abmühen, da sie sich den Hecht zum König gewählt haben. Man beschließt jedoch, dass die Beschlüsse der Beratungen vertagt und verheimlicht werden sollen. Unterdessen stößt das von Raubgier ergriffene Seeungeheuer in einem eigenen Angriff zusammen mit den Wogen ans sandige Ufer vor, wird [aber], als sich die Wellen schlagartig zurückziehen, weil ein so großer Fisch auf dem Trockenen keine Kräfte entfalten kann, von Reptilien ergriffen und vertilgt. (13) Dieser Umstand verlieh ihnen [den kleinen Karpfenfischen und Welsen], so scheint es, sowohl Mut als auch Kraft zum Entschluss, denn sie erkunden und wählen eine Bucht aus, die ganz flach und ziemlich breit war, aber das Meer über eine enge Meerenge berührte. (14) Sie sagen, dass sie für das Vorhaben, ihre Könige zu vernichten, am besten geeignet sei, da sie sowohl zahlreiche ihrer Gebiete erfasse als auch den Königen alles Zutrauen in ihre Kräfte abschneide. Schließlich sind die kleinen Karpfenfische und Welse nicht kleiner als die kleinsten Reptilien, der Hecht und Rohrkarpfen nicht größer als ein Walfisch. (15) Da bringen sie zahlreiche allgemeine Versammlungen zusammen, laden beide Könige vor die Versammlung und fordern sie mit wiederholten Angriffen, so als würden sie sich [ihnen] widersetzen, eine Zeitlang heraus. Da stürzt der Hecht, da er dreister war, in ihre Mitte und der Rohrkarpfen schneidet [ihnen] den Rückzug ab. So wurde jenes friedliche Volk der Fischlein vom Zahn des Hechts zerrissen und von den Rachen des Rohrkarpfens verschlungen. (16) Folglich war die Voraussicht der Pollexianer nicht weniger dumm als die Einfalt der kleinen Karpfenfische. Denn in der Enge eingeschlossen wüten die Leute Kasimirs gegen die Feinde umso heftiger; sie zerreißen die kleinen Karpfenfische mit den scharfen Zähnen ihrer Speere und verschlingen sie mit den Rachen der Schwerter und Flammen, bis beinahe die gesamte Provinz niedergebrannt ist und sowohl ihr Fürst als auch ihre Amtsgewalten sich vor dem Fußschemel Kasimirs niederwerfen und mit gebeugtem Nacken sowohl ihre eigene wie der Übrigen Rettung erflehen. (17) Die Liebe des huldreichsten Fürsten neigte ihrem Unglück darauf das Mitgefühl des Herzens zu. Und nachdem er einen Rechtstitel ihrer Unterwürfigkeit und eine Bürgschaft für die [von ihnen zu zahlenden] Tribute empfangen hatte, kehrte er im Triumph in seine eigene [Provinz] zurück,
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torpore set suorum persuasus lassitudine, aliquantisper otio indulget. Fuit autem semper illi sollempne, sanctorum uenerari sollempnia. (18) Vnde cum beati Floriani diem nunc in diuinis officiis, nunc in orationibus, nunc in gratiarum actionibus totum Domino inpendisset, sollempnes in crastinum principibus ac satrapis et primis regni epulas instituit. Suggerunt illis multa super epulas letitiam. Primo de hostibus undique triumphus. Secundo post tanta laborum discrimina principis incolumitas. Tertio tam propria quam amicorum securior tranquillitas. Quarto et rerum et temporum festiuior amenitas. (19) Nec deerat omnibus deliciis suauior serenissima principis alacritas, omnibus exultandi animos exultantius infundens. Cumque omnimode uox exultationis inter omnes celotenus attollitur, tante glorie serenitas repentina subito tempestate obruitur. Nam tanti extrema gaudii, proh dolor, luctus occupat et meror iocunditatem rapit, opprimit et in suum concatenat ancillatum. (20) Omnibus enim undiqueuersum exultantibus, illud, illud unicum et singulare sidus patrie cum quasdam de salute anime questiones pontificibus proponeret, permodico hausto poculo, humi prolabitur et expirat, morbo incertum est extinctus an ueneno.508 [20] (1) Adeo tanti solis occasu tenebre operiunt terram et caligo populos509, ut omnia omnino meror occuparet. Ad quos tamen tam subiti calamitas infortunii tam subito peruenire non potuit, rebus nihilominus iocundis indulgent et sic mixta est merori iocunditas, que sese a merore raptam ad eius pertrahi connubium conqueritur hoc modo: (2)
IOCUNDITAS AD MEROREM510 Non est pudor pro dolore, Set est dolor pro pudore Niti acrimonia.
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Die Annales Cracoviensis (MPH 5, S. 66) notieren zum Jahr 1194: „… dux Kazimirus frater ducis Meskonis obiit.“ 509 Js 60, 2. 510 Das Klagelied (Epikedeion) auf den Tod Kasimirs II. ist in Form eines Dialoges zwischen personifizierten Abstracta gestaltet, die unter sich in Rede und Gegenrede einen Streit austragen (altercatio). Es zählt 58 Strophen mit jeweils 23 Silben, die in drei – überwiegend trochäische – Verse geteilt (8+ 8+ 7) und zweisilbig gereimt sind (aab + aab + ccb + ccb usw., jeder dritte Vers endet durchgehend auf -ia). Die Übersetzung, die sich auf eine Rohübersetzung von Anastasia Kaffarnik (Amsterdam), eine Prosaübersetzung ins Polnische von Marian Plezia (Plezia, Wierzse w kronice Kadłubka [1993], S. 329 –332) sowie die eingehende Interpretation von Teresa Michałowska, Literatura polskiego sredniowiecza (2008), S. 109 –135 und Ernest Swiezawski, Dyalog pogrzebowy u t. z. Kadłubka na czesh Kazmierza Sprawiedliwego [Der Grab-Dialog zu Ehren Kasimirs des Gerechten beim so genann-
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wo er sich, nicht [etwa] durch seinen Sieg erlahmt, sondern von der Ermüdung der seinen überzeugt, eine Zeitlang der Muße hingibt. (18) Es war aber seine ständige Gewohnheit, das Fest der Heiligen zu begehen. Deshalb hat er, weil er den Tag des heiligen Florian bald in Gottesdiensten, bald in Gebeten, bald in Dankesverrichtungen ganz dem Herrn weihte, am darauf folgenden Tag [dem 5. Mai 1194] den Fürsten, Statthaltern und Vornehmen des Königreiches feierliche Festmähler ausgerichtet. Neben den Festmählern geben ihnen viele [weitere Gründe] Anlass zur Freude. Erstens, der allseitige Sieg über die Feinde; zweitens die Unversehrtheit des Fürsten nach so vielen Gefahren und Strapazen; drittens die eigene wie seiner Freunde sorglose innere Ruhe; viertens die heitere Annehmlichkeit sowohl der Geschäfte wie der Zeiten. (19) Es mangelte auch nicht an der heitersten Freude des Fürsten, die durch jegliche Vergnügungen versüßt wurde und die Herzen freudiger mit jeglichen Freuden erfüllte. Aber während bei allen allseits die Stimme des Jubels bis zum Himmel erhoben wird, wird die Heiterkeit solch großen Ruhmes plötzlich von einem unerwarteten Unwetter überfallen. Denn die Enden so großer Freude erfasst, oh Schmerz, Trauer, und Betrübtheit rafft die Fröhlichkeit hinweg, bedrängt [sie] und kettet [sie] in ihr Joch. (20) Denn während alle allenthalben jubeln, bricht jener, jener einzige und einzigartige Stern des Vaterlandes, als er den Bischöfen [gerade] einige das Seelenheil betreffende Fragen vorträgt und sehr mäßig einen Becher leert, auf dem Boden zusammen und haucht sein Leben aus, wobei unklar ist, ob durch eine Krankheit oder etwa durch Gift.508 [20] (1) Durch den Untergang einer so großen Sonne aber bedeckte Finsternis das Erdreich und Dunkel die Völker509, da alle gänzlich die Trauer erfasste. Jene aber, die das Unheil eines so plötzlichen Unglücks nicht sogleich erreichen konnte, gaben sich trotzdem vergnüglichen Dingen hin, und der Frohsinn wurde so mit Trauer gemischt, dass er sich in folgender Weise beklagt, von der Trauer überwältigt und mit Gewalt zu diesem Ehebund geschleppt worden zu sein: (2) Der Frohsinn an die Trauer510 Es gibt keine Scham für den Schmerz, aber es gibt Schmerz für die Scham, herben Vorwürfen zu begegnen.
ten Kadłubek], in: Lud 9 (1903), S. 129 –148, 209 –240, 321–349 stützt, gibt Versmaß und Reim nicht wieder, sondern beschränkt sich auf eine inhaltliche Wiedergabe des Sinnes bei möglichst großer Nähe zu den originalen Gedichtzeilen, die sich in ganz besonderem Maß dem ornatus diffi cilis verpflichtet zeigen.
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Liber qvartvs Merens queror de merore Qui de meo serta flore Nectit tam funebria. Eram nupta plus quam regi, Quem prefoui, quem preelegi Regum super milia. Hoc adacto mortis legi Eius nece mox inpegi Necis infortunia. De merore rapta queror, Diro cuius axe teror Vi raptoris anxia. Torquet, artat, angit meror, Desperato frangi speror Hostis ad colludia, (3)
RESPONDET MEROR Cause causas aucupari, Litem lite contestari, Iuris est iniuria. Temet nostro sponte lari Cursim infers, cur uulgari Strepis inpudentia? Foues planctum, foues luctum, Fletum ob quem, queso, fructum Lambunt nocticinia? Cum hiis ducis aque ductum, Cum hiis blandum scis deductum Carpere per inuia.
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IOCUNDITAS AD LIBERTATEM En, libertas, ecce, soror, Quibus arris fundat horror Pacta sponsalitia! Sic suadeor, sic exploror, Hiis persuasa ut quid moror Probris ad opprobria?
Viertes Buch Ich klage trauernd über die Trauer, die aus meiner Blume einen solchen Trauerkranz flicht. Ich war mehr als einem König angetraut, den ich liebte, den ich über tausend Könige stellte. Als er vor das Gesetz des Todes gezerrt wurde, habe ich durch seinen gewaltsamen Tod bald das Unglück des Todes gejagt. Von der Trauer übermannt, klage ich, von ihrer unheilbringenden Achse werde ich zerrieben, von der Gewalt der Räuberin geängstigt. Es foltert, schnürt und würgt die Trauer, verzweifelt, fürchte ich, zerbrochen zu werden, dem Feind zum Spiel. (3) Es antwortet die Trauer Die Ursachen der Ursache zu suchen, einen Prozess durch einen Prozess anhängig zu machen, ist eine Beleidigung des Rechts. Wenn du selbst freiwillig rasend in unser Haus einfällst, warum lärmst du dann mit schamlosem Gejammere? Du pflegst die Klage, pflegst die Trauer, warum, frage ich, versinkst du die ganze Nacht in Tränen? Mit ihnen führst du den Aquädukt, mit ihnen vermagst du, den Schmeichler durch unwegsames Gelände zu führen. (4) Der Frohsinn an die Freiheit Sieh nur, Freiheit, Schwester, mit welchen Anzahlungen der Schrecken die Verlobungsverträge festmacht! So werde ich überredet, so verleitet, nach dem Motto ,Was zögere ich‘ durch diese Schandtaten zu Schandtaten verführt.
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Liber qvartvs (5)
LIBERTAS RESPONDET Spernis arris insigniri, Spernis ueris perpotiri Tam uernante gratia? Nostram sortem uis metiri? Inter scorta consortiri Cogimur stipendia Flet honestas, flet pietas, Flet uirtutum societas, Omnes in angaria. Sexus omnis, omnis etas Rebus letis fi xit metas Citra conterminia. Cum proreta prora cessit, Vndas fluctus tunc expressit, Syrtes ac naufragia. Tunc procella se ingessit, Que profundo subinpressit Salutis remigia.
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VERBA AVCTORIS Ergo tristi pulsa nube Spe sereni, soror, nube, Serenentur tristia! Gaude, meror! Letus iube, Hyminei clangant tube, Resonent tripudia. Auro, gemmis alacritas Ornat sponsam, amenitas Condit pigmentaria. Sponsum comit uiduitas, Tristes ducit ypocritas Tristis pestilencia. Fulget sponsa gemmis, auro, Sertum illi uirens lauro Iugis dat uernantia.
Viertes Buch (5) Die Freiheit antwortet Du verschmähst, mit Anzahlungen ausgezeichnet zu werden, du verschmähst, der Jugendblüte teilhaftig zu werden, obwohl die Gnade so leuchtet? Willst du unser Schicksal kennenlernen? Unter Huren den Lohn zu teilen, dazu werden wir gezwungen. Es weint der Anstand, es weint die Frömmigkeit, es weint die Gemeinschaft der Tugenden, alle im Frondienst. Jedes Geschlecht, jedes Alter hat den schönen Dingen Grenzen gesetzt diesseits der Nachbarschaft. Als der Steuermann das Schiff verließ, hob das Meer die Wogen in die Höhe, Syrthen und Schiffbruch ganz nah. Dann brach der Sturm los, der dem Abgrund zuführt die Rettungsboote. (6) Worte des Verfassers Also vertreibe die Trauer und heirate, hoffe auf heiteres Wetter, Schwester, und heirate, mögen sich die traurigen Dinge aufheitern! Freue dich, Trauer! Befehle froh, auf dass die Hochzeitstrompeten schmettern, die Dreischritttänze erklingen. Mit Gold und Perlen schmückt die Fröhlichkeit die Braut, der Liebreiz würzt die Wohlgerüche. Den Bräutigam kämmen die Witwen, die traurigen Heuchler leitet das Verderben des Unglücks. Es glänzt die Braut von Perlen und Gold, der grüne Lorbeerkranz verleiht ihr ewig Jugendblüte.
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Liber qvartvs Mesto meror de thesauro Hirta fuco, tincta mauro Promit lanificia. Claro sponse chorus uultu, Rutilante uernat cultu Ipsa rutilantia. Meror tristi cum tumultu, Eiulatus cum singultu Mesta cient tedia. Seuum fedus contrahitur, Sponsi fides detegitur Doli euidentia. Sponse decus detrahitur, Splendor omnis extinguitur Atra inter atria. Arguitur de crimine, Inscribitur ex nomine, Addicitur innoxia. Inuoluitur caligine, Sine ueri examine Pendit tot supplicia. (7)
MEROR LOQVITVR Nos, ueteris legis uiri, Sui luxu Kazimiri Temptat ad lasciuia. Set nec uires demoliri Neque uiros emolliri Fas est petulantia. Crudam gesto cicatricem, Si mutui reddo uicem, Quenam est iniuria? Verba uerbis cur intricem? Par est nosse contemptricem Contemptricis premia. Rogis, rogo, cetus ille Cibus esto, nec fauille Vlla sint uestigia.
Viertes Buch Die Trauer holt aus dem Trauerschatz struppige, dunkel gefärbte Wollarbeit hervor. Mit strahlendem Antlitz begleitet ein Gefolge die Braut, sie selbst erblüht in glänzender Tracht durch ihren Glanz. Die Trauer dagegen ist voll traurigem Lärm, heult mit Schluchzen erregt trauriges Leid. Ein grausamer Bund wird geschlossen, des Bräutigams Treue wird offenbar durch die Offensichtlichkeit seiner List. Der Braut wird ihr Glanz genommen, alle Pracht wird ausgelöscht, und Trauer kehrt in die Häuser ein. Sie wird des Verbrechens bezichtigt, namentlich kenntlich gemacht, unschuldig preisgegeben. Sie wird von Elend eingehüllt, ohne Prüfung der Wahrheit, büßt sie so viele Strafen. (7) Es spricht die Trauer Uns, die Verfechter des alten Gesetzes, verführt die Pracht Kasimirs zum Übermut. Aber es ist nicht erlaubt, mutwillig die Kräfte zugrunde zu richten, noch die Männer zu schwächen. Ich trage eine frische Narbe, wenn ich Gleiches mit Gleichem vergelte, wessen Unrecht ist das dann? Warum sollte ich Worte mit Worten in Verlegenheit bringen? Es ist Zeit, dass die Verächterin den Lohn einer Verächterin kennenlernt. Den Scheiterhaufen, so bitte ich, soll jene Versammlung Nahrung sein, und es soll keine Spuren ihrer Asche geben.
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Liber qvartvs Paranymphis licet mille Sint Caribdes, sint et Scylle Prompta promptuaria. (8)
RESPONDET PRVDENTIA MERORI Furor, furis! Cur hec suades? Mero cur sic, Meror, mades? Cesset temulentia! Cedant artes, cedant clades, Det amoris amor uades Preside Prudentia. Anceps onus est hicinde, Fortitudo set exinde Fortibus dat fortia. Pacti fidem ne rescinde, Odit nouum ius perinde Veterum repudia. Sit uenenum, fel, cicuta, Ars ueneno texit scuta Contra ueneficia. Sit salute res exuta, Ad salutem redit tuta Duce temperantia. Ad uos ergo uos redire, Lites, probra consopire Imperat Iustitia. Hiis qui uolet obgrunnire, Iubet strictim compedire Pectorali fascia. Probris numquam desipies, Si te probris eripies Miti patientia. Quedam dulcis temperies Innascitur, si socies Contrariis contraria.
Viertes Buch Mögen die Brautjungfern auch tausend Charybden und Skyllen in den Vorratskammern haben. (8) Die Klugheit antwortet der Trauer Raserei, du rast! Warum rätst du dies? Warum triefst du so von Wein, Trauer? Die Trunkenheit soll weichen! Fort mit den Intrigen, fort mit dem Unglück, Es stelle die Liebe Bürgen für die Liebe unter dem Vorsitz der Klugheit. Das macht doppelte Mühe, doch die Tapferkeit verleiht danach den Tapferen Stärke. Hebe die Vertragstreue nicht auf, das neue Recht hasst es genauso, wenn die Verlobungen der alten gelöst werden. Möge es Gift, Galle, Schierling geben, die Kunst flicht mit einem Liebestrank Schilde gegen die Gifttränke. Sei die Sache des Heils beraubt, zum Heil kehrt sie sicher zurück, wenn die Mäßigung sie leitet. Kommt also zur Besinnung, besänftigt Streit und Schmähungen, so gebietet es die Gerechtigkeit. Jenen, die dagegen murren, heißt sie, die Binde über dem Herzen fest zuzuziehen. Mit Beschimpfungen verfährst du niemals töricht, wenn du dich den Beschimpfungen entziehst mit sanftmütiger Geduld. Eine liebliche Wärme entsteht, wenn du Gegensätzliches mit Gegensätzlichem vereinst.
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Liber qvartvs (9)
IVSTITIA Dulce canit hec fistula, Hic iubilus, auicula, Te sibilat ad retia. O quam dulce Sirenula Necis uocat ad pocula! Mens abhorret sobria. Vite mors est contraria, Morte uitam inebria, Mesta matrimonia! Dic, obsecro, Prudentia, Prudenti cum socordia Sunt-ne contubernia? Quod si quando uult ratio, Vt consona sit unio Inter dissonantia, Est magistra proportio, Vt numeri misterio Disparia sint paria.
(10) PRVDENTIA HIC QVERIT Proportio, quid consulis? Vincis nodos in copulis, Resera scrutinia! RESPQNDET PROPORTIO Virus inest hiis osculis, Mors in olla hiis poculis, Sunt exitus exitia. Quam sis prudens, met declaras, Quam prudenter litus aras, Lauans latericia! Sceno gemmas da preclaras, Sacras iunge porcis aras, Prostent sanctuaria! O laborem sic inpensum! O delire mentis sensum! Menceps delirantia!
Viertes Buch (9) Die Gerechtigkeit Lieblich tönt diese Flöte, dieses Jauchzen, oh Vögelchen, lockt dich in die Netze. Oh welch süßes Sirenchen ruft zu den Bechern des Todes! Der nüchterne Sinn verabscheut das. Der Tod ist das Gegenteil des Lebens, berausche das Leben mit dem Tod, welch’ traurige Ehen! Sag, ich bitte dich, Klugheit, gehen die Weisen mit der Sorglosigkeit nicht eine Zwangsehe ein? Wenn also die Vernunft will, dass eine Einheit harmonisch ist zwischen Missklängen, dann ist die Proportion der [richtige] Lehrer, da durch die symbolische Bedeutung der Zahl Ungleiches gleich ist. (10) Hier fragt die Klugheit Proportion, was rätst du da? Du machst Knoten in die Bänder, decke die Rechnungen auf! Es antwortet die Proportion Gift ist in diesen Küssen, der Tod im Topf, in diesen Bechern, sie sind der Untergang des Todes. Wie klug du bist, das zeigst du selbst, indem du den Strand pflügst und die Ziegelsteine abwäschst! In den Schmutz werfe die strahlenden Perlen, den Schweinen gib Zugang zu den heiligen Altären, mögen die Heiligtümer geschändet werden! Oh, unermessliches Leid! Oh, Verstand eines verrückten Geistes! Wahnwitzige Besessenheit!
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Liber qvartvs Versa colum, uersa pensum, Vbi nullum scis consensum, Nulla scis commercia. 511
[21] (1) Sidere igitur Kazimiri occidente, ortum est quasi quoddam chaos et quedam rerum ac personarum confusio, quibusdam de tam inopinato euentu supra se stupentibus, aliis quasi extra se raptis, multis uelut quodam fulminis ictu ad terram dolore prostratis. (2) Videres plurimos imaginum instar prorsus exanimes, nonnullos uberrimis lacrimarum imbribus inundantes. Videres de uultu matronarum, uirginum quibusdam sulcis unguium crebra cruoris proscindi flumina, allisos quosdam ad statuas propriis pene ictibus excerebratos, alios ferro pre meroris angustia se appetentes. Omnibus illo moriente una et eadem commoriendi uoluntas. (3) Non desunt tamen in eodem hore puncto quidam tacita ducentes suspiria, qualiter principes uel satrapas ad sua uota inclinent, uel uacantem occupent principatum. Set in suis cogitationibus euanescunt. Nouit enim Dominus cogitationes hominum, quoniam uane sunt 512, cui nec pupilli cura umquam defuit uel uidue. (4) Igitur exequialibus rite peractis, uenerabilis ille Cracouiensium antistes Fulco, primo cum primatibus de regni successione tractatu habito, in contionem omnes uocat et uix tandem strepitu semisopito ait: ,Pius, o proceres, dolor est, set inpia doloris atrocitas; pie quidem doletur, set inpie sic dolore desipitur. (5) Nec enim est desipientior usquam desipiendi modus quam crudo uulneri minime consulere, quam de profundo naufragii nolle, cum possis, emergere. Ob quam, queso, causam examen apum sepe defluit ac prorsus deperit, nisi quia in locum demortui regis alium substituere uel ignorat uel negligit? Vnde quedam reptilia, que stellionem habent regem, eo uix defuncto mox illum in eius locum creant, qui primus pro regis nece lacrimis inmaduit. (6) Multis est etiam hodie persollempne, prius alium eligi quam defunctus rex funeretur, ut successor sui decessoris funus quo-
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Vgl. CIC Dig 2, 14, 1, 3. Ps 94 (93), 11.
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Wende die Spindel, wende das Gesponnene, wisse, dass, wo keine Einmütigkeit herrscht, auch keine Bindungen bestehen können. 511
[21] (1) Als der Stern Kasimirs also erloschen war, trat ein gewisses Chaos der Ereignisse und eine gewisse Verwirrung der Personen ein, denn während die einen durch ein so unerwartetes Ereignis über die Maßen verdutzt, die anderen vor Rasen außer sich waren, wurden viele vom Schmerz wie durch einen Blitzschlag zu Boden geworfen. (2) Du hättest viele reglose, geradezu todesähnlich Erstarrte sehen können, manche von reichen Tränenströmen übergossen. Du hättest die zahlreichen Ströme von Blut sehen können, die vom Antlitz der Ehefrauen und der Jungfrauen strömten, das immer wieder von den Furchen ihrer Krallen aufgerissen wurde, [sowie] das Anschlagen gegen die Standbilder, bei dem sie sich mit den eigenen Stößen beinahe enthirnten, während andere sich aus der Not der Trauer dem Schwert [zu übergeben] trachteten. Allen war, als jener starb, ein und derselbe Wunsch gemeinsam, [nämlich] mit [ihm] zu sterben. (3) Doch fehlen in ebendieser Stunde auch nicht jene, die heimliche Seufzer ausstoßen, damit sie die Fürsten und Statthalter für ihren Plan gewinnen und die vakante Oberherrschaft in Besitz nehmen. Aber in ihren Plänen gehen sie zugrunde. Denn der Herr kennt die Absichten der Menschen, die eitel sind512, und nie ging ihm die Sorge um das Waisenkind oder die Witwe ab. (4) Sobald die Begräbniszeremonien feierlich abgehalten sind, ruft der ehrwürdige Bischof der Krakauer, Pełka, nachdem er zunächst mit den Großen eine Beratung über die Nachfolge im Königreich durchgeführt hat, alle zu einer Versammlung zusammen, und als der[en] Lärm schließlich verstummt, sagt er: ,Fromm ist, ihr Vornehmen, der Schmerz, aber frevelhaft die Wildheit aus Schmerz; fromm ist es, Schmerz zu erleiden, aber frevelhaft, aus Schmerz so verrückt zu werden. (5) Denn es gibt keine törichtere Art, töricht zu sein, als eine blutige Wunde [nur] ein wenig zu versorgen, als aus dem Abgrund des Schiffbruchs, obwohl man es könnte, nicht [wieder] auftauchen zu wollen. Aus welchem Grund, so frage ich [euch], fließt der Bienenschwarm auseinander, ja geht er zugrunde, wenn nicht deshalb, weil er es nicht versteht oder es versäumt, anstelle des gestorbenen Königs einen anderen als Nachfolger einzusetzen? Darum wählen gewisse Reptilien, die die Sterneidechse zum König haben, kaum dass dieser gestorben ist, denjenigen an seine Stelle, der sich als Erster wegen des Königs Tod mit Tränen benetzt hat. (6) Bei vielen [Völkern] ist es heutzutage auch durchaus Gewohnheit, dass sie, bevor der verstorbene König begraben wird, einen anderen wählen, damit der Nachfolger das Begräbnis seines Vorgängers mit dem Amt einer besonderen Feierlichkeit begleiten kann. Denn wie sehr auch Kasimir als Person tot sein möge, kann er bei
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dam humanitatis honore sollempnius prosequatur. Quamuis enim in se Kazimirus mortuus uideatur, in suis tamen facile mori non potuit, in quibus inmortalibus uixit et perpetuis uicturus est beneficiis. (7) Nec uitis creditur succisa immo propagata quam uiui ac uiuidi palmites uiuere protestantur. Due namque oliue, duo supersunt luminaria, duo filii Kazimiri, Lestco et Conradus, licet ambo paruuli, ambo intra pupillares annos constituti. Dignum ergo est maiorem natu paterna dignitate insigniri.‘ (8) Tum uero quidam uir insignis: ,Sane, inquit, pater uenerande, omnibus est amplectenda sani salubritas consilii. Maxime in hiis que dilationem non capiunt, periculosa est mora et in se trahit periculum. Ideoque in subeligendo principe nulla sit cunctatio, set de persona principis omnium, obsecro, expergiscatur uigilantia. (9) Non enim cano uertici mentum conuenit inpuberis, immo puerile est, ut prudentibus puerilis imperet inprudentia, cum uerbum sit Sapientis: Ve terre, cuius rex puer est 513, presertim cum principem discretum, strennuum, cautum et industrium esse in omnibus et ad omnia conueniat. Nam si in minimis, puta in familie, domus, nauis, in unius sulci uel agri앚cole앚514 regimine periculose negliguntur, quanto periculosius in re publica regenda clausis ne dicam cecis oculis hec sopiuntur.‘ Hec autem astruebat, ut Mesco senex uel nepos eius Mesco iuuenis princeps substitueretur. (10) Ad hec uir zelo Dei plenus, idem antistes, respondit: ,Hec a te, utpote uiro prudente, non ineleganter sunt allegata, set in presenti articulo prorsus locum non habent. Que tamen demum uera sunt, cum de eligendo agitur, non de iure successionis disceptatur. Prorsus enim aliud iuris habet electio, aliud ius successorium. (11) In illa est liberrima deliberationis libertas, at in isto urgentissima iuris necessitas. Ab illa omnes citra legitimam etatem relegantur, ab isto nec infantuli nec postumi excluduntur, qui etiam omni sollempnitate uallatum rumpunt testamentum. (12) Set et illud quod de regimine ac periculo rei publice tetigisti, paruulis istis non officit; nam si
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Prd 10, 16. 앚…앚 Ergänzung von Plezia.
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den seinen doch nicht einfach als gestorben [gelten], bei denen er durch seine unsterblichen, dauerhaften Verdienste zum Leben erwacht und ewig leben wird. (7) Und der Weinstock soll nicht als abgehauen gelten, vielmehr als fortgepflanzt, da seine lebenden und lebhaften Zweige von seinem Leben zeugen. Denn zwei Ölzweige, zwei Leuchten, zwei Söhne des Kasimir sind vorhanden, Leszek [der Weiße] und Konrad [I. von Masowien], auch wenn beide noch klein, beide noch in unmündigem Alter befangen sind. Also ist es angebracht, den älteren [von ihnen] mit dem väterlichen Amt auszuzeichnen.‘ (8) Darauf entgegnet aber ein gewisser, bedeutender Mann: ,Fürwahr, ehrwürdiger Vater, alle schätzen die Heilsamkeit [deines] vernünftigen Rates. Besonders gefährlich ist Verzug, der in sich schon Gefahr birgt, in diesen [Angelegenheiten], die keinen Aufschub dulden. Und deshalb möge es bei der Wahl des Fürsten keine Unschlüssigkeit geben, vielmehr möge hinsichtlich der Person des Fürsten, so beschwöre ich [euch], die Wachsamkeit aller erweckt werden! (9) Denn einem ergrauten Kopf ziemt nicht das Kinn eines Jugendlichen, vielmehr ist es kindisch, wenn die Unwissenheit eines Kindes den Erfahrenen befehlen soll, wie das Wort des Philosophen sagt: Wehe dem Land, dessen König ein Kind ist513, zumal da ein Fürst in allen Dingen und in jeder Hinsicht verständig, energisch, vorsichtig und strebsam sein sollte. Denn wenn in den kleinsten [Angelegenheiten], zum Beispiel in der Familie, im Haus, auf einem Schiff, auf dem Feld eines einzigen Bauern514, in der Herrschaft [Dinge] gefährlich vernachlässigt werden, um wie viel gefährlicher ist es dann, wenn bei der Herrschaft über das Gemeinwesen durch verschlossene, um nicht zu sagen blinde Augen diese [Dinge] eingeschläfert werden.‘ Und er fügte hinzu, dass Mieszko der Alte oder seine Neffe Mieszko der Junge [I. Humpelbein] als Fürst eingesetzt werden sollten. (10) Darauf antwortete dieser Bischof, ein Mann voll göttlichem Eifer: ,Diese [Argumente] sind von dir wie von einem klugen Mann nicht ungeschickt vorgebracht worden, können aber im gegenwärtigen Augenblick durchaus keine Anwendung finden. Denn sie sind erst dann zutreffend, wenn es um eine Wahl geht, nicht aber wenn um das Recht der Nachfolge gestritten wird. Denn eine Wahl hat einen durchaus anderen Rechtstitel als das Recht der Nachfolger. (11) Bei jener herrscht die freieste Freiheit der reiflichen Überlegung, bei diesem die dringendste Notwendigkeit des Rechts. Von jener hält man alle fern, die diesseits des rechtmäßigen Alters sind; von diesem schließt man weder Kleinkinder noch Nachgeborene aus, die auch einen mit aller Feierlichkeit befestigten letzten Willen brechen. (12) Und auch das, was du bezüglich der Herrschaft und Gefahr für das Gemeinwesen angesprochen hast, steht diesen Kindern nicht im Wege. Denn wenn man das Gemeinwesen nach dem Zeugnis des Rechts gleichwie einen Unmündigen ansieht, so steht doch fest, dass in beiden Fällen das
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res publica iuris testimonio instar habetur pupilli, constat idem esse iuris in utroque, quia ubi eadem est ratio, eadem est iuris censura. Aut ergo pupillis omnem omnino tutelam aufers, aut etiam rei publice tutores non negabis. (13) Nec enim per se principes rem publicam administrant, set per administratorias potestates. Ideoque perinpium, periniquum dissimulare, nedum impedire quod ratio dictat, quod poscit utilitas, quod iubet honestas, quod suadet pietas, quod iuris denique imperat necessitas. (14) Nec impedit auita constitutio qua cautum erat, ut penes maiorem natu semper sit principandi auctoritas, quia per papam Alexandrum et Fredericum imperatorem, qui ius habent et condendi et abrogandi iura, prorsus est abrogata 515, quando ab utroque, superstite seniore, scilicet Mescone, in eodem est principatu Kazimirus et constitutus et confirmatus. Non est igitur quod principum consensum, quod fauorem procerum, quod uota ciuium uel populi in hac parte possit remorari.‘ (15) Proinde unanimis omnium celotenus alacritas attollitur: Viuat, uiuat princeps Lestco in eternum! Omnesque tanta serenitas letitie quadam festiuitate perfudit, quasi preteriti nullam doloris pertulerint angustiam. Tanta illis dulcedo, tantus amor, tanta omnibus amoris affectio erga pupillos, ut non fauor, non odium, non tribulatio, non gladius, non questus nec ullius penitus occasionis necessitas ipsos ab ipsorum latere ac obsequio distringat. (16) Propter quod eubagionum ille primus, comes Nicolaus, summe omnibus regratians, omnes de constantia, de forma fidelitatis et ammonet et instruit omnesque, ne cui suam in contrarium mutare liceat uoluntatem, iuris iurandi religione obstringit. Nouerat enim uir prudens, uolatile semper esse mentis uehiculum et petulantes esse ac in lubrico glaciari animi affectus. [22] (1) Consternatur ille senex hiis auditis Mesco et indignationis dolore humi prosternitur. Ait non suum aput illos dolere contemptum, non tam iura primogeniture confusa, quam superexcellentem tante maiestatis dignitatem tam scurrili ludibrio prostratam. ,Audire piget rem prorsus inauditam, rem non minus lugubrem quam ridiculam; nec enim sine ridiculo dissimulari potest tam desipiens tam sapientum uirorum infantia. (2) Infantum enim est cum infantibus
515 Beide Urkunden sind, wenn es sie denn tatsächlich gegeben hat, nicht überliefert.
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gleiche Recht gilt, weil, wo dieselbe Vernunft ist, dieselbe Rechtserkenntnis ist. Folglich entziehst du entweder den Unmündigen gänzlich jede Fürsorge oder verweigerst auch dem Gemeinwesen nicht die Vormünder. (13) Denn die Fürsten verwalten das Gemeinwesen nicht allein, sondern mit Hilfe verwaltender Amtsgewalten. Und deshalb wäre es überaus frevelhaft und ungerecht zu verheimlichen, geschweige denn zu verhindern, was die Vernunft diktiert, was die Zweckmäßigkeit fordert, der Anstand gebietet, die Liebe rät, was schließlich die Notwendigkeit des Rechtes befiehlt. (14) Hier steht auch die großväterliche Verordnung nicht im Wege, durch die dafür Sorge getragen worden war, dass die Oberherrschaft stets im Besitz des Ältesten sein möge, da sie durch Papst Alexander und Kaiser Friedrich, die das Recht besitzen, Recht zu binden und zu lösen, durchaus aufgehoben worden ist 515, als Kasimir von dem anderen, dem überlebenden Älteren, nämlich Mieszko, in ebendieser Oberherrschaft sowohl eingesetzt als auch bestätigt wurde. Folglich gibt es nichts, was einem Konsens der Fürsten, was dem Beifall der Vornehmen, dem Wunsch der Bürger oder des Volkes in diesem Punkt entgegenstehen könnte.‘ (15) Darauf erhob sich die Erregung der Einmütigkeit aller zum Himmel: Es lebe, es lebe Fürst Leszek für immer und ewig! Und alle erfüllte durch eine gewisse Festlichkeit eine so große Heiterkeit der Freude, als hätten sie keinerlei Not des vergangenen Schmerzes erduldet. Sie brachten den Waisenknaben [Leszek und Konrad] eine so große Güte, eine so große Liebe, eine so große Zuneigung entgegen, dass weder Begünstigung noch Hass, weder Leid noch Schwert, weder Gewinn noch der Zwang irgendeiner Gelegenheit sie von deren Seite und Gefolgschaft abbringen mochte. (16) Deshalb erinnert der erste unter den Würdenträgern, der Pfalzgraf Nikolaus alle, indem er allen innig dankt, an die Beständigkeit, belehrt sie über den Wortlaut des Treuegelöbnisses und verpflichtet alle, damit niemand seinem freiem Willen erlaube, sich ins Gegenteil zu verwandeln, durch die Heiligkeit eines Schwurs. Der kluge Mann wusste nämlich, dass das Schiff des Geistes stets wankend und die Regungen des Geistes auf schlüpfrigem Eis leichtfertig sind. [22] (1) Als dies der alte Mieszko hörte, erschrak er sehr und wurde durch den Ärger des Zorns zu Boden geworfen. Er sagt, dass ihn nicht so sehr betrübt, dass er von jenen missachtet und das Recht der Primogenitur durcheinandergebracht, als dass die über alles erhabene Würde einer so großen Majestät durch possenhaften Hohn erniedrigt worden sei. ,Es verdrießt mich, von einem so unerhörten Vorfall zu hören, einem Vorfall, der nicht weniger unheilvoll als lächerlich ist; denn man kann nicht ohne Gelächter über eine so verrückte Infantilität so erfahrener Männer hinweggehen. (2) Kinder nämlich haben die Gewohnheit, mit Kindern
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Liber qvartvs ludere par impar, equitare in harundine longa. 516
oris quoque non dispar est ratio, quia cum in fratre meo Kazimiro huius regni corona ceciderit, eam non utcunque subleuare, set in sceno et in cuiusdam lacu miserie subprimere remque publicam exponere hostibus studuerunt. Nam quis luporum gregi sine pastore pepercerit? (3) Secundo quis non gemat, quis non doleat, adeo toxicata in se spicula contorqueri? Quis demum equanimiter ferat non incallida callidissimorum ingenia? Infantem principem creant, ut eo pretextu ipsi ipsis principibus principentur, ut regia stirpitus eradicata stirpe, liberiore tandem potiantur imperio, ut pro uno capite tot ex ipsis succrescant reges quot capita. (4) Vestri nempe non mei me miseret, o mea pignora, uestra me, o proceres, non mea mouet calamitas! Commune omnium hic agitur discrimen, eis uos obsecundare oportet, quos uobis obsequi decuerat.‘ (5) Eisdem uerbis, eadem uerborum acrimonia ducem Boleslaum et fratrem eius Mesconem crebro sollicitat et ad suum uotum inclinat. Aliorum quoque tam huius regni quam exterorum undique uenatur subsidia. Pretentat precibus, pretio mercatur et ambit: Scit bene murilegus, cuius gernaboda lambit.
(6) Cracouiensis quoque magnatibus prouincie mandat, ut resipiscant, ne harundineo innitantur baculo, ut Lestconem principatu excedere iubeant, ut sese principem recognoscant, ut a se, capite utpote legitimo, si membra sunt legitima, non discrepent, quia non congruum est suo non congruere uniuerso.517 Eligere igitur ipsos iubet, aut pacis gratiam gratuito mereri obsequio, aut gladii furorem prelii experiri periculo. [23] (1) Ad hec illi: ,Pauidas mine dammulas exanimant, meticulosos e rubis lepusculos terror exagitat, at leoni plus animositatis indignatio suggerit, plus tigridem fragor ad uires exasperat. Acutius enim ferrum exacuit
516 Horatii Sermones II, 3, 248; ein Spiel, bei dem eine Person ihre Hand mit ausgestreckten Fingern schnell in die Höhe hob und wieder senkte und eine zweite Person erraten musste, ob dabei eine gerade oder ungerade Zahl von Fingern ausgestreckt war. 517 Vgl. Decretum Gratiani 1. Teil, D. VIII, c. II.
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Gleich oder Ungleich zu spielen, lange auf dem Steckenpferd zu reiten.516
Auch [mein] Grund des Schmerzes ist nicht unähnlich, denn als mit meinem Bruder Kasimir [auch] die Krone dieses Reiches fiel, da bemühten sie sich jedenfalls nicht, diese wieder emporzuheben, sondern sie in einem abgekarteten Spiel und einem See des Unglücks zu unterdrücken und das Gemeinwesen den Feinden preiszugeben. Denn welcher Wolf gewährt einer Herde ohne Hirten Schonung? (3) Wer stöhnt zweitens nicht, wer leidet nicht, in den so giftige Spitzen hineingeschleudert werden? Wer ertrüge schließlich gleichmütig die nicht ungeschickten Listen der äußerst Verschlagenen? Ein Kind wählen sie zum Fürsten, um unter diesem Vorwand selber durch diese Fürsten zu herrschen, um den königlichen Stamm gänzlich auszurotten und sich endlich freierer Machtbefugnisse zu bemächtigen, so dass anstelle des einen Hauptes aus ihren Reihen so viele Könige herauswachsen mögen, wie es Köpfe gibt. (4) Mit euch allerdings, meine Liebsten, nicht mit mir habe ich Mitleid, euer, ihr Vornehmen, nicht mein Unglück rührt mich. Hier droht eine gemeinsame Gefahr für alle und [daher] ist es nötig, dass ihr denen folgt, denen zu gehorchen euch eine Zierde war.‘ (5) Mit denselben Worten, mit derselben Schärfe der Worte stachelt er wiederholt Herzog Bolesław [den Langen] und dessen Bruder Mieszko [I. Humpelbein] an und macht [sie] seinem Wunsch geneigt. Auch jagt er überall nach der Unterstützung anderer, sowohl [solcher] dieses Reich als auch fremder [Reiche]. Mit Bitten macht er die Probe, mit Geld kauft er und geht umher, gut weiß der Kater, wessen behaarte Mäuler er lecken muss.
(6) Ebenso teilt er den Großen der Provinz Krakau mit, dass sie vernünftig werden, sich nicht auf ein Schilfrohr stützen und Leszek veranlassen mögen, die Oberherrschaft aufzugeben, um ihn selber wieder als Fürst anzuerkennen, und dass sie von ihm, als dem legitimen Haupt, wenn sie legitime Glieder sind, nicht abrücken mögen, weil es unschicklich ist, mit seiner Gesamtheit nicht zu harmonieren.517 Also befiehlt er diesen, sich entweder durch freiwillige Gefolgschaft den Dank des Friedens zu verdienen oder in der Gefahr des Kampfes Erfahrung mit der Wut des Schwertes zu machen. [23] (1) Darauf jene: ,Drohungen erschrecken ängstliche Rehe und Schrecken treibt furchtsame Häschen aus dem Gebüsch, dem Löwen aber flößt er eher den Zorn der Wut ein, den Tiger reizt der Lärm eher zu Angriffen. Denn schärfer wetzt das Eisen die Härte des Schleifsteins und es
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cotis asperitas nec dici posse gratuitum, quod minaci strepitu extorquetur. (2) Promptus ergo esto, promptos ad resistendum inuenies. Pondus inest uerbis et uocem fata secuntur.‘518
Proinde augent ac roborant illius partes Wladislaide, non tam eius amore quam regni ambitu et odio pupillorum. Adest paruulorum subsidio ducis de Wladimir Romani pia miseratio, non cum parua Ruthenorum numerositate. (3) Meminit namque idem Romanus, quanta erga se Kazimiri fuerint beneficia, apud quem pene a cunabulis educatus eodemque quo fungitur principatu est institutus. Sciebat etiam illis excisis sue radici securim inminere, hinc a Mescone, si uicerit, illinc a principe de Kyiow, cuius filiam repudiauerat. (4) Est autem in Cracouiensi prouincia locus a nomine fluuii Moscaua dictus, ab Andreouiensi cenobio non longe distans. In quo loci spineti seu rubeti cuiusdam interiectu Confrendunt acies, stant hinc, stant inde falanges, Ferrea stant nemora, stant pila minantia pilis. 519 Quorsum, queso, uiri? quorsum miseranda iuuentus? Non furor est mergi uelle cruore suo? In te prona ruis, in te tua tela resoluis, In te luxurias, seditiosa sitis!
(5) O sacrilega, o prophana, o luctuosa congressus eiusdem spectacula! Non hic filiatio paternitati reuerentiam exhibet, non filiationi paternitas ignoscit, non fraternitatem fraternitas, non consanguinitas consanguinitatem, non affinitatem affinitas, non necessitudinem necessitudo, nec illa sancta spiritualis cognatio semetipsam agnoscit. Omnes inuicem, sine omni delectu promiscua sese cede interimunt. (6) Hic Mesconides Boleslaus cuspide transfossus expirat, hic inclitorum gloria prosternitur. Hic Mesconem quidam gregarius miles uulnerat, quem cum occidere uellet, ille detecta casside se esse principem exclamat, quo ille cognito ueniam inprudentie petit eumque ab aliorum inpetu conseruans, prelium declinare facit. (7) Set et dux Romanus non sine magna suorum cede, plurium destitutus auxiliis, non paucis nec leuibus saucius uulneribus, tum angustia uulnerum
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Statius, Tebaid I, 213 (inest = adest). Vgl. Anm. 382.
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kann nicht als Geschenk betrachtet werden, was durch drohendes Getöse gewaltsam abgenötigt wird. (2) Sei also bereit, dass du zum Widerstand Bereite vorfinden wirst. Worte haben ihr Gewicht, und die Schicksale folgen dem Wort.‘518
Daher fördern und stärken die Söhne des Władysław [Bolesław der Lange und Mieszko I. Humpelbein] die Partei jenes [Mieszko III., des Alten], nicht so sehr aus Liebe zu ihm denn aus Ehrgeiz zu herrschen und aus Abneigung gegenüber den Unmündigen [Leszek und Konrad]. Den Knaben zur Hilfe kommt aus frommem Mitgefühl Herzog Romans von Vladimir eine nicht kleine Zahl von Ruthenen. (3) Denn dieser Roman erinnert sich, welch große Wohltaten er Kasimir verdankte, bei dem er beinahe von der Wiege an erzogen und durch den er in die Herrschaft eingesetzt worden war, die er genießt. Er wusste auch, dass seinem Stamm, sollte jener vernichtet werden, die Axt drohte, von hier durch Mieszko [den Alten], sollte er siegen, von dort durch den Kiever Fürsten [Rjurik II. Vasyl], dessen Tochter [Predslava] er verschmäht hatte. (4) Es gibt aber in der Provinz Krakau, nicht weit entfernt vom Kloster Jedrzejów, eine Ortschaft, die nach dem Fluss Mozgawa benannt ist. An diesem Ort wuchs etwas zwischen Dornenhecke oder Brombeergesträuch: Waffen fletschen die Zähne, hier stehen, da stehen Schlachtreihen, die Wälder stehen eisern, Pfeile stehen drohend Pfeilen gegenüber.519 Wohin, frage ich, Männer? Wohin, beklagenswerte Jugend? Ist es nicht Wahnsinn, sich in seinem Blut ertränken zu wollen? Du stürzt auf dich selbst, schleuderst deine Pfeile in dich selbst, gegen dich selbst begehrst du den zügellosen Aufstand!
(5) Oh welch frevelhafte, gottlose, bedauernswerte Darbietungen dieses Kampfes! Hier erweist weder die Sohnschaft der Vaterschaft Achtung, noch verzeiht die Vaterschaft der Sohnschaft, noch erkennt die Bruderschaft die Bruderschaft, die Verwandtschaft die Verwandtschaft, die Verschwägerung die Verschwägerung, das Naheverhältnis das Naheverhältnis, auch nicht jene heilige geistige Verwandtschaft sich selbst. Alle töten sich wechselseitig wahllos in einem allgemeinen Gemetzel. (6) Hier haucht der mit dem Speer durchbohrte Bolesław, der Sohn Mieszkos [des Alten], seinen Geist aus. Hier wird der Ruhm der Großen zu Boden geworfen. Hier verletzt ein gewöhnlicher Krieger den Mieszko und als er ihn töten will, zieht dieser den Helm ab und ruft, dass er der Fürst sei, woraufhin jener, ihn erkennend, um Gnade ob der Unachtsamkeit bittet und ihn vor dem Angriff der anderen beschützend dazu bewegt, den Kampf aufzugeben. (7) Aber auch Herzog Roman wurde, nicht ohne dass viele der seinen fielen, er von den meisten Hilfstruppen im Stich gelassen und nicht wenig
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tum desperatione uictorie cogitur diuertere. Nam in principio congressus suorum pars maxima Ruthenorum terga fuge dederant. Quod parti puerorum uictorie ademit triumphum, quorum perplurimi non prelio intendunt, set Ruthenos insectantur fugientes, quidam auiditate prede, quidam indignationis animositate. (8) Adest interim Senis subsidio Wladislaides iunior Mesco cum nepote, filio Boleslai Ieroslao, qui nemine pene in loco pugne reperto, quia iam ambe partes520 diuerterant, quasi uictoriose campum obtinuissent certaminis, gratulantur et signa uictorie illic extollunt. (9) Cum quibus licet in pauca manu comes Gouoricius congreditur, confligit et frendentis instar fulminis inpetum una cum uiribus nequicquam effundit. Dispari namque hostium numerositate tandem fatigatus, non sine gloria quadam succumbit, capitur captusque abducitur et captiui nomine diu tentus, uix demum a captiuitate amicorum interuentu absoluitur. (10) Porro iam sepe dictus presul Fulco inter spem et timorem anxius pendet, orationi tamen propensius intentus, belli exitum in loco semoto prestolatur. Qui cum quendam prelii emansorem uidisset, ait: ,Bonum nuntium, bonum? Prospere nobiscum agitur? Quod est uerbum quod factum est?‘ Qui respondit: ,Nostros nunquam deserat hostes hodierna nostra prosperitas! Cecidit Romanus, primorum primi prostrati, quidam capti, nonnulli diffugio dilapsi. Totus populus nostri exercitus mox in auras euanuit.‘ (11) Cui presul: ,Vnde scis Romanum cecidisse?‘ At ille: ,Pape, inquit, commilitonis ego funus presens presentis non uiderim? Illud certo certius accipe, senem Mesconem cum triumpho, spoliis occisorum onustum, Cracouiam proficisci.‘ (12) Vix hic finierat et ecce alius itemque alius aliud perferens mendacii commentum. Vnde presul tam se quam suos aliquantulum consolatur dicens: ,Non est ratio, ut huic quam secundo uel tertio magis credendum sit; aut ergo cuilibet eorum credatur aut nulli. Set quomodo tam dicta dissona conuenirent? Superest igitur, ut alicuius nostrorum sagacitate rem diligentius perscrutemur.‘ (13) Cui quidam: ,Presto ego sum, domine, mitte me!‘ Ait illi: ,Tria uerba tene: inpiger, diligens, cautus esto! Angelus Domini tecum!‘
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Bei Plezia „pertes“.
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durch leichte Verletzungen verwundet wurde, bald durch die Not der Verletzungen, bald durch die Verzweiflung am Sieg, genötigt zurückzuweichen. Denn [bereits] zu Beginn des Kampfes hatten sich die meisten seiner Ruthenen in die Flucht geschlagen. Das raubte den Parteigängern der Knaben den Triumph des Sieges, von denen die meisten nicht den Kampf suchten, sondern den fliehenden Ruthenen folgten, die einen aus Beutegier, die anderen aus der Wut der Empörung. (8) Unterdessen steht dem Alten [Mieszko] der Junior des Władysław, Mieszko [I. Humpelbein], mit seinem Neffen, Jarosław, dem Sohn Bolesławs [des Langen], mit einer Hilfstruppe bei. Und als er auf dem Schlachtfeld beinahe niemanden antrifft, weil sich beide Parteien520 bereits getrennt hatten, beglückwünschen sie sich so, als hätten sie das Schlachtfeld behauptet, und heben an jenem Ort die Zeichen des Sieges empor. (9) Freilich lässt sich mit diesen der Pfalzgraf Govoricus mit einer kleinen Schar auf einen Kampf ein und bringt gleich Donnerschlägen mit seinen Männern einen vergeblichen Angriff vor. Denn er wurde durch eine ungleiche Menge von Feinden schließlich erschöpft; er ergab sich nicht ohne eine gewisse Ehre, wurde ergriffen, gefangen fortgeführt und als Gefangener lange Zeit festgehalten, ehe er schließlich aus der Gefangenschaft durch Vermittlung der Freunde ausgelöst wurde. (10) Und der schon oft erwähnte Bischof Pełka schwebte ängstlich zwischen Hoffnung und Furcht; immerhin eifrig ins Gebet vertieft, erwartete er den Ausgang des Krieges an einem entlegenen Ort. Als er einen Nachzügler aus dem Gefecht kommen sah, fragte er: ,[Hast du] eine gute Nachricht, eine gute? Geht es mit uns gut? Was sagst du? Was ist geschehen?‘ Dieser antwortete: ,Möge unsere Feinde niemals unser heutiger Erfolg verlassen! Roman ist gefallen, die Ersten der Ersten wurden zu Boden gestreckt, einige gerieten in Gefangenschaft, manche wurden in der Flucht zerstreut. Die ganze Menge unseres Heeres löste sich bald in Wind auf.‘ (11) Dazu der Bischof: ,Woher weißt du, dass Roman gefallen ist?‘ Und jener antwortete: ,Potztausend, sollte ich nicht mit eigenen Augen die Leiche des Waffenbruders gesehen haben? Nimm dies bestimmter als gewiss, dass der alte Mieszko im Triumph, beladen mit der Beute der Getöteten, gegen Krakau marschiert.‘ (12) Kaum hat dieser geendigt, siehe, da bringt ein anderer die gleiche, [noch] ein anderer eine andere Erdichtung der Lüge. Daher beruhigt sich der Bischof sowohl selbst als auch die seinen ein wenig und spricht: ,Es gibt keinen Grund, diesem mehr als dem anderen oder dem dritten Glauben zu schenken; entweder vertraut man jedem von ihnen oder keinem. Wie aber können so verschiedene Behauptungen zusammenpassen? Folglich bleibt nur, dass einer von uns die Sache mit Klugheit sehr umsichtig untersucht.‘ (13) Darauf einer: ,Ich bin bereit, Herr, schicke mich!‘ Da sagt er jenem: ,Drei Worte behalte im Gedächtnis: Sei schnell, sorgfältig und vorsichtig! Der Engel Gottes sei mit dir!‘
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Igitur ille habitu clericali seposito, clericus enim erat, sese scurram et cursorem simulat, pedestri cursu ad prelii locum transuolat. Rem diligenter explorat, nunc ab eis quos adhuc semineces reperit, nunc ab hiis qui predociniis erant occupati. (14) Qui cum omnia exploratissime didicisset, quantocius reuertitur, cuncta ordine pontifici pandit ac digerit: senem Mesconem sub duplici prede onere gementem ad propria remeare; sub onere uidelicet meroris pro morte filii, sub onere doloris pro uulneribus in se susceptis; Romanum uulneratum, non tamen letaliter. (15) Quem pontifex noctis per opaca inpigre consequitur, consecutum reuocare studet, ne forte senex Mesco ob maiorem iniuriam in iram magis excandescat et uiribus instauratis uel per se uel per Wladislaum regni caput occupet. Cui Romanus: ,Sane, pater carissime, set gemina me, ut uides, compedit debilitas: una in me ipso corporis ob uulnera, altera in meis ob militie carentiam, que partim in prelio corruit, partim fuga disparuit.‘ (16) Tum presul: ,Quid ergo consulis?‘ Cui ille: ,Tuam non latet prudentiam prudentia serpentis, que maxima est in capitis custodia: caput igitur, caput et custodiri et defendi conuenit, donec nostrorum liuor uulnerum detumescat. Piscis enim quorsum uis sequitur, si uel filo branceam tenueris.‘ (17) Romano itaque ad propria remeante, primi procerum, ut crastina primum illuxit dies, cum paucorum quidem 앚set앚521 exercitatissimorum manu hostes querunt undique. Quibus non inuentis, an senem Mesconem persequantur, an Wladislaidas, diligentius deliberant. Set presulis consilio neutrum faciendum 앚uidetur. Qui앚522 docet inpiam esse tam affl icti senis persecutionem. (18) Miserum enim est miserabile cuiuslibet infortunium insectari, calamitas enim semet ipsam insectando in se ipsa contabescit. Set et ambos persequendi nulla est ratio, ubi labor inmensus, fructus pene nullus; infructuosissimam esse operam operis minus fructuosi nec frustra quispiam tempus terit in palea. (19) Iubet ergo ad sedem regni properari, ne quis regiam quasi uacantem in turbine anticipet. Nam piscium omne genus facilius deprehenditur in turbido, sub nebula maxime inpetus cauetur accipitris.
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앚…앚 Ergänzung von Plezia. 앚…앚 Ergänzung von Plezia.
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Jener legt also den Habit des Klerikers ab, er war nämlich ein Geistlicher, gibt sich als Possenreißer und Bote aus und eilt zu Fuß rasch zum Ort des Gefechtes. Er untersucht die Sache genau, bald bei jenen, die er im Sterben liegend antrifft, bald bei jenen, die mit dem Plündern beschäftigt waren. (14) Sobald er alles genauestens in Erfahrung gebracht hat, kehrt er schleunigst zurück und berichtet alles ordentlich dem Bischof und stellt dar, dass der alte Mieszko unter einer zweifachen Beutelast in sein eigenes Gebiet zurückkehrt: nämlich unter der Last der Trauer um den Tod seines Sohnes [Bolesław] und unter der Last des Schmerzes der Verletzungen, die er sich selbst zugezogen hat; Roman aber sei verletzt, wenn auch nicht tödlich. (15) Diesen verfolgt der Bischof schnell durch die Dunkelheit der Nacht; er bemüht sich den Verfolgten zurückzurufen, damit der alte Mieszko in seinem Zorn über die ziemlich große Beleidigung nicht noch wütender werde und, sobald seine Kräfte wieder hergestellt sind, selber oder durch Władysław die Hauptstadt des Reiches in Besitz nehme. Diesem [antwortet] Roman: ,Richtig, liebster Vater, aber es fesselt mich, wie du siehst, eine doppelte Entkräftung: die eine in mir selber wegen der Verletzungen des Körpers, die andere in meinen [Leuten] wegen des Mangels an einer Streitmacht, die zum Teil im Kampf zusammengestürzt, zum Teil in der Flucht verschwunden ist.‘ (16) Darauf der Bischof: ,Was rätst du also?‘ Zu diesem jener: ,Deiner Erfahrung bleibt die Klugheit der Schlange nicht verborgen, die für die Bewachung der Hauptstadt am wichtigsten ist. Das Haupt nämlich, die Hauptstadt muss sowohl bewacht als auch verteidigt werden, bis der blaue Fleck unserer Wunden abschwillt. Der Fisch nämlich wird dir folgen, wohin du willst, und zwar wenn du die Kieme mit der Schnur festhältst.‘ (17) Und als Roman in die Heimat zurückkehrt, suchen die Ersten der Vornehmen, sobald der Morgen des folgenden Tages zu leuchten beginnt, mit einer Schar weniger, aber521 sehr geübter [Männer] überall nach Feinden. Als sie diese nicht finden, beraten sie genauer, ob sie entweder den alten Mieszko oder die Söhne des Władysław verfolgen sollen. Nach dem Rat des Bischofs aber soll keines von beidem geschehen. Er522 erklärt, dass eine Verfolgung des so unglücklichen Alten frevelhaft wäre. (18) Denn armselig ist es, einen bedauernswerten Unglücklichen feindlich zu verfolgen, den das Unglück selbst verfolgt und der sich in sich selbst vor Ärger verzehrt. Beide zu verfolgen, dafür aber gibt es keinen Grund, weil die Mühe gewaltig, der Gewinn aber fast null wäre; am unfruchtbarsten ist die Mühe um eine wenig fruchtbare Arbeit und vergeblich vergeudet man seine Zeit beim Dreschen von Spreu. (19) Also gebietet er, dass sie an den Hauptsitz des Reiches [Krakau] eilen, damit niemand die gleichsam unbewohnte Königsburg im Sturm vorab gewinnt. Denn jede Art von Fischen ergreift man leichter im Trüben und im Nebel muss man sich am meisten vor dem Angriff der Habichte in Acht nehmen.
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Liber qvartvs Rixantes uendunt aquile morticina coruuis, Corrixans alii dat canis ossa cani.
(20) Sic persuasi, animositate seposita non animo, Cracouiam cum pueris libere adeunt et sollempnius quam ab initio sollempnitates instituti principis instaurant. Itaque mater puerorum tam in consiliorum industria quam rerum prouidentia mulier super muliebrem sexum prudentissma, legitimam pupillorum in se tutelam suscepit, donec maior adolescat, qui proximus erat pubertati. (21) Ad huius mulieris nutum pro meritis cuiusque fasces distribuuntur dignitatum, hii submouentur, illi substituuntur, ut nec tribunicie sine ipsius arbitrio nec minime omnino concederentur potestates. (22) Tanta omnibus erga illam reuerentia, ut sue proceres obliti dignitatis, obsecundare mulieri ac muliebres, non turpes tamen, dissimulare uel ferre mallent ineptias, quam pueros deserere. Non potest enim quantumlibet prudentissimus esse quandoque sine lapsu inprudentie, unde inprudentia facilius aput prudentes ueniam inpetrat quam aput inperitos. (23) Ceterum sepe nominati uiri, presul Fulco et palatine comes excellentie Nicolaus, cum quibusdam procerum rei publice curam suscipiunt, cuius administrationem idoneis ac fidelissimis potestatibus distribuunt. Siluitque aliquamdiu terra et pacis aliquantisper facta est tranquillitas. [24] (1) Porro rex Lestco etate proficiebat et industria, uenaticis utpote adolescens studiis sese ad iuuenile robur exercens. Iam iamque in hiis exercitatior armorum usum aspirabat, qui necdum tiro nedum miles gloriosa in se militie pretulit insignia. Ex quibus illud et unum ad glorie cumulum sufficit, quod super omnes Rusie principes, licet adhuc adolescentulus, quasi quidam sol emicuit. (2) Eo namque temporis in fata concesserat dux Galicie Wladimir, herede nullo relicto legitimo. Vnde Rusie principes quidam ui, quidam arte, nonnulli utroque modo uacantem student rapere principatum. Inter quos dux Romanus quanto loco uicinior, tanto spe proximior et sic ambitu sollertior. (3) Set quia sese uiribus aliis uidet disparem, regi Lestconi obnixe supplicat, ut eum perpetuo sibi famulatu obliget, ut eius obsequio cunctis Ruthenorum principibus ac Parthorum per ipsum partibus
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Die sich zankenden Raben verschachern dem Adler das Aas, der hadernd einem anderen Hund Hundeknochen überlässt.
(20) Auf diese Weise überzeugt ziehen sie, nachdem sie die Wut, aber nicht den Mut abgelegt haben, mit den Knaben frei nach Krakau und wiederholen feierlicher als zu Beginn die Zeremonien der Einsetzung des Fürsten. Und so übernimmt die Mutter der Knaben [Helena], eine in ihren Entschlüssen über [ihr] weibliches Geschlecht hinaus energische, in der Voraussicht der Dinge äußerst erfahrene Frau, die legitime Vormundschaft über die Unmündigen, bis der ältere, der der Mündigkeit am nächsten war, herangewachsen ist. (21) Auf Befehl dieser Frau hin wurden die Ehrenämter gemäß dem jeweiligen Verdienst zugewiesen, diese [Inhaber] entfernt, jene als Nachfolger eingesetzt, so dass weder die Amtsgewalten der Tribune noch die der geringsten [Ämter] ohne ihre Entscheidung übertragen wurden. (22) Alle haben ihr eine so große Achtung entgegen gebracht, dass die Vornehmen ihre Würde vergaßen und es vorzogen, dem Weib zu folgen und ihre weiblichen, wenn auch nicht schändlichen Dummheiten zu übergehen und eher ertragen zu wollen, als die Knaben im Stich zu lassen. Denn auch der Klügste begeht einmal einen Fehler der Unachtsamkeit, weswegen die Unachtsamkeit bei den Klugen leichter Nachsicht findet als bei den Unerfahrenen. (23) Im Übrigen übernehmen die oft genannten Männer, Bischof Pełka und der als Pfalzgraf ausgezeichnete Nikolaus, mit einigen Vornehmen die Sorge um das Gemeinwesen, dessen Verwaltung sie fähigen und treuesten Amtsträgern zuteilen. Und es wurde eine Weile still im Land und eine Zeitlang trat die Ruhe des Friedens ein. [24] (1) Sodann wuchs König Leszek in Alter und Eifer heran; er übte als junger Mann durch Jagden [und andere] Anstrengungen seine jugendliche Stärke. In diesen bald schon geübter brannte er darauf, die Waffen zu üben, und offenbarte, obwohl er noch kein Knappe, geschweige denn ein Ritter war, [bereits] die rühmlichen Anzeichen der Ritterschaft. Es genügt, zur Krönung seines Ruhmes aus all dem dieses eine [herauszuheben], dass er, obgleich bis dahin noch ein Jüngling, über alle Fürsten der Rus’ wie eine Sonne hervorleuchtete. (2) Denn zu dieser Zeit starb Herzog Vladimir von Hali0, der keinen rechtmäßigen Erben hinterließ. Daher bemühen sich die Fürsten der Rus’, der eine mit Stärke, der andere mit List, manche mit beidem, die verwaiste Herrschaft an sich zu reißen. Unter ihnen ist Herzog Roman, je näher er dem Ort kommt, desto hoffnungsvoller und damit in seinem Ehrgeiz tüchtiger. (3) Als er aber sieht, dass er den anderen Kräften unterlegen ist, bittet er König Leszek inständig, dass er ihn sich auf ewig in Heeresfolge verpflichten möge, damit er [Leszek] durch seine [Romans] Gefolgschaft über alle Fürsten der Ruthenen und Parther [Polovcer] per-
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imperet, dummodo ipsum non principem Galicie, set procuratorem suum sibi constituat, alioquin indubitatum sibi hostem inminere non ambigat, quicumque aliorum sedem ibi fixerit. (4) Set friuola est uisa quibusdam eius petito, tum quia tutum non est parem creare de famulo, tum quia res magna, res utilis longe utilius per se possidetur, quam alteri substituitur. Nec nisi raro extraneum extraneo indiuidui uinculum federis astrinxit, quia qui causa utilitatis assumitur, tamdiu placebit, quamdiu utilis erit.523 (5) Ceterum alii: ,Duo, inquiunt, probant nec nostro principi nec nobis esse Romanum extraneum. Nam quo pacto dici extraneus potest, qui secundo gradu consanguinitatis 앚iunctus앚524 reperitur? Qua, obsecro, ratione de hoc uiro ambigi potest, qui huius rei publice semper coadiutor et quidam quasi pedagogus extiterit? (6) Nam quid aliud docet tempore regis summi525 Kazimiri examinatissima in omnibus sue fidei constantia? Quid diligentissima obsequiorum studia? Quid nunc tandem ob nostram suscepta necessitatem cruda ipsius locuntur uulnera? Horrendum certe nephas est, uel in consanguineo pietate destitui, uel mutui debitum proximo non redhiberi.‘ (7) Igitur confluunt cohortes, conflantur acies, mouentur contra Galiciam castra. Set etatem causantur principis non principem, utpote bellis nondum idoneam. Ideoque satius ipsum interim domi iocis indulgere, quam intempestiuis temere illaborare sudoribus. (8) At uero adolescens pene illacrimans: ,Proh pudor, inquit, o proceres, me feminam a meis estimari non principem! Parum enim distat a femina, qui semper cetus colit femineos. Modicum audio habere roboris exercitus acephalos. Inutilis ego? fateor. Certe pila fi xa stant in prelio nec dimicant, eis tamen presentibus animosius dimicatur. (9) Vnde fama est quosdam sepe sine rege confectos, quo in cunis tandem posito in prelio de hostibus triumphasse.526 Non ergo ut princeps set ut signum principis uestra castra non deseram, alioquin uel solo comite uestra sequar uestigia!‘ (10) Gratulantur omnes uirilis tantum animi habere adolescentem, mirantur singuli citra spice florem in tam spica tenella tante maturitatis
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Senecae Ad Lucilium IX, 9 (assumitur = adsumptus, fuert = erit). 앚…앚 Ergänzung von Plezia. 525 Eigentlich „der höchste König“ im Sinn des „monarchus totius Lechiae“ wie in Buch IV, 8; Kürbis S. 258 schlägt aber angesichts des Kontextes zu Recht die auch hier bevorzugte Übersetzung vor. 526 Nach Iustini Epitoma VII, 2, 8 –12. 524
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sönlich in Teilen gebieten möge, wenn er ihn nur selbst nicht als Fürst von Hali0, sondern als seinen Statthalter einsetze. Im Übrigen möge er nicht daran zweifeln, dass ihm, wer immer von den anderen sich dort festsetzen würde, als ein unzweifelhafter Feind im Nacken sitzen würde. (4) Einige sahen diese Bitte jedoch als anmaßend an, zum einen, weil es nicht ungefährlich sei, aus einem Gefolgsmann einen Gleichrangigen zu machen, zum anderen, weil es weitaus nützlicher sei, einen großen Besitz, einen nützlichen Besitz selber zu beherrschen, als ihn stellvertretend einem anderen zu überlassen. Und nur selten verpflichtet einen Fremden einem Fremden gegenüber das Band des untrennbaren Bündnisses, weil der, der um des Nutzen willen aufgenommen wird, so lange gefallen wird, wie er nützlich sein wird.523 (5) Etwas anderes sagen andere: ,Zwei [Dinge] belegen, dass Roman weder unserem Fürsten noch uns ein Fremder ist. Denn wie kann man jemanden einen Fremden nennen, der sich als im zweiten Grad verwandt 524 erweist? Aus welchem Grund, so beschwöre ich euch, kann über diesen Mann ein Zweifel bestehen, der stets als ein Helfer und gewissermaßen als ein Lehrer dieses Gemeinwesens hervorgetreten ist? (6) Denn was anderes lehrt die zur Zeit des vormaligen Großfürsten 525 Kasimir in allen Dingen äußerst erprobte Beständigkeit seiner Treue? Was [anderes lehren] die eifrigsten Bestrebungen seiner Gefolgschaft, was die blutigen Wunden, die er sich wegen unserer Notlage zugezogen hat? Es ist gewiss ein schrecklicher Frevel, sowohl einen Blutsverwandten im Stich zu lassen als auch einem nahestehenden Freund die Schuld nicht zurückzuerstatten.‘ (7) Also strömen die Kohorten zusammen, werden die Truppen gesammelt und gegen die Burg Hali0 bewegt. Aber sie beklagen sich über das Alter des Fürsten, nicht über den Fürsten, da es für Kriege noch nicht geeignet sei. Daher sei es besser, wenn er sich unterdessen zuhause den Spielen hingebe als unbesonnen mit unzeitigen Anstrengungen abmühe. (8) Da bricht der Jüngling beinahe in Tränen aus und spricht: ,Oh Schande, ihr Vornehmen, selbst von meinen [eigenen] Leuten werde ich für ein Weib und nicht für einen Fürsten gehalten! Denn wenig unterscheidet sich von einem Weib, wer stets in weiblicher Gesellschaft bleibt. Kopflose Heere pflegen, wie ich höre, keine Stärke zu haben. Bin ich also nutzlos? Ich gebe es zu. [Aber auch] gewisse Wurfspieße stehen im Kampf fest und kämpfen nicht um die Entscheidung, doch wird angesichts ihrer Anwesenheit beherzter gekämpft. (9) Daher geht auch das Gerücht, dass jene oft erschöpft werden, die ohne König [kämpfen], aber über die Feinde triumphieren, sobald dieser in der Wiege auf das Schlachtfeld gestellt wird.526 Also werde ich nicht als Fürst, sondern als fürstliches Zeichen euer Lager nicht im Stich lassen und ansonsten mit einem einzigen Begleiter euren Schritten folgen.‘ (10) Alle begrüßen, dass der Jüngling so viel männlichen Mut besitzt, wundern sich, dass allein in so zarter Ähre diesseits der Blüte ein Korn
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granum, stupent nucem nondum testa uestita soliditate maturum nuclei preferre saporem. At in duce dulcedinem ducis iudicant apicule non etatem. (11) Necdum Rusie limites attigerat, cum Galicie primi pronis illi ceruicibus occurrunt, omne obsequium, omnem clientelam, omnem suorum omnium subiectionem ac fidelitatis perpetuitatem cum omni satisdatione pollicentur, ipsum regem, ipsum sue salutis presidium et optant et eligunt. (12) ,Eligere, inquiunt, dignetur uestre discretionis dignatio, in uestri persona nobis imperare uelitis an in substituta. Nihil enim aliud querimus, quam ut uestri gloria nominis inuocetur super nos, quia non possumus ferre nostre terre principum fastus, seditiones, inuidiam.‘ (13) Hec illi, set in dolo, ut quasi securos et incautos occuparent, nam dolum subesse mox ipsa res prodidit. Prima siquidem ipsorum oppida non deditione supplicant, set rebellione contumacius resistunt. Quibus tandem contritis et subactis, Galiciam obsidionibus uallare proponunt, set harene instar hostium ibi numerositatem conglomeratam inueniunt. (14) Quibus rex Lestco iuberi per suos iubet, ut mox finibus excedant Galicie, aut prelium prestolentur. Qui responderunt: ,relium, prelium in instanti!‘ Set hec illorum atrocitas uapor fuit ad modicum parens. Nam ubi primum ferree Polonorum effulserunt acies, tota illius multitudinis animositas penitus contabuit, nec ulla prelii apud illos meditatio, set fuga, fuga in instanti. (15) Belli tamen dilationem pacis deliberande pretextu postulant et inpetrant. Quibus deliberatione suspensis, Galicienses pronius quam prius ad scabellum ducis Lestconis prosternuntur, nec iam ficto, set summe deuotionis uotis principem sibi creari efflagitant, quia suorum principum uires, in quorum infinitate fixerant fiduciam, penitus emarcuisse conspiciunt et quem e uicino plus quam fulgur horruerant, ducem Romanum suscipere coguntur. (16) Nouerant enim hominis astutissimi super omnes ingeniosam tyrannidem, qui tam atrocitatis inpetu quam ambitionis studio nemini suorum parcere nouisset. Angustie illis undique, nam rebellandi nulla spes omnibus pene suorum subsidiis noctis beneficio dilapsis, hinc huius crudelis-
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solcher Reife [wächst], staunen, dass die Nuss, obwohl noch nicht mit fester Schale, in ihrer Festigkeit den reifen Geschmack des Kernes zeigt. Fürwahr bei ihrer Königin beurteilen die Bienchen nicht das Alter, sondern die Güte der Königin. (11) Er hatte noch nicht die Grenzen der Rus’ erreicht, da eilen ihm die Vornehmen von Hali0 mit geneigtem Nacken entgegen und versprechen allen Gehorsam, alle Gefolgschaft, vollständige Unterwerfung und immerwährende Treue aller ihrer Leute bei voller Bürgschaft. Und ihn wünschen sie sich zum Schutz ihres Heils, ihn wählen sie zum König. (12) Sie sagen: ,Möge die Würde eures Urteils wählen, ob ihr über uns in eurer Person oder durch einen Statthalter herrschen wollt. Denn nichts anderes erstreben wir, als dass der Ruhm eures Namens über uns angerufen werde, weil wir den Hochmut, die Aufstände und den Hass der Fürsten unseres Landes nicht [mehr] ertragen können.‘ (13) So [sprachen] diese zu jenem, doch in Arglist, so als hätten sie Sorglose und Unbekümmerte angegriffen; denn dass dahinter eine List stand, hat die Situation selbst bald offenbart. Die wichtigsten Burgen nämlich erbitten nicht die Unterwerfung, sondern leisten in einem Aufstand trotzig Widerstand. Als sie schließlich reumütig und bezwungen sind, schlagen sie [d. h. Leszeks Leute] vor, Hali0 mit Befestigungswerken zu umzingeln, doch finden sie dort eine wie zum Kampfplatz versammelte Menge von Feinden vor. (14) Diesen befiehlt König Leszek durch seine Leute, dass sie sich sofort von den Grenzen Hali0s entfernen oder den Kampf gewärtigen mögen. Diese antworteten: ,Kampf, Kampf sofort!‘ Aber diese ihre Wildheit war [nur] ein kurz währender Rauch. Denn sobald die vordersten Waffenreihen der Polen erglänzten, schwand die ganze Wut jener Menge völlig dahin, so dass sie nicht an Schlacht dachten, sondern an Flucht, Flucht sofort. (15) Sie verlangen aber einen Aufschub des Krieges unter dem Vorwand von Friedensberatungen und erreichen [dies auch]. Und als diese [d. h. die Polen] die Beratungen in der Schwebe halten, werfen sich die Hali0er mit noch tiefer gebeugtem Nacken als zuvor vor dem Thron Herzog Leszeks nieder. Aber sie fordern nun schon nicht mehr geheuchelt, sondern mit dem Gelübde höchster Ehrerbietung, dass er ihnen einen Fürsten einsetzen möge, weil sie erkennen, dass die Kräfte ihrer Fürsten, in deren Unerschöpflichkeit sie ihr Vertrauen gesetzt hatten, gänzlich dahingeschwunden und sie genötigt sind, Roman, den sie aus der Nähe mehr gefürchtet haben als den Blitz, als Herzog anzunehmen. (16) Sie kannten nämlich die erfinderische Tyrannei dieses äußerst verschlagenen Mannes über alle Maßen, der sowohl aus stürmischer Wildheit als auch eiferndem Ehrgeiz niemandem von seinen Leuten Schonung gewährte. Von allen Seiten hatten sie Schwierigkeiten, denn es gab keine Hoffnung auf Rebellion, da sich fast alle ihre Hilfstruppen im Schutz der
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sima tyrannide terrentur, quia nemo prudens horrendis leonis rictibus inpingit. (17) Quid ergo? preces precibus accumulant, argenti, auri talenta innumera, gemmas, uasa, uestes generis exquisitissimi, omne sericorum, omne prestantissimarum genus rerum offerunt et propensius illaturos pollicentur, ne Rutheni iugo subesse compellantur. Cuiuslibet condicionis obsequium, omnem tributorum perpetuitatem conpromittunt, dummodo huius declinent imperium. (18) Quid enim de acerba uua nisi stupor? Quid de ea malo speraueris, cuius succum tot uirulentis expertus es deliciis? Set in alium declinandi nulla facultas, omnium Lechitarum in Romano fi xa sententia. Omnibus itaque Ruthenorum primis ac precipuis omnino renitentibus, Romanus princeps Galicie per ducem Lestconem instituitur. (19) Quod beneficii qua tandem gratiarum deuotione Polonis rependere studuit, suo loco docebitur.527 Nam formam fidelitatis erga omnes pari coluit perfidia, in suos maxime crudelis et truculentus. Vix enim dux Lestco pedem cum suis amouerat, cum Galiciensium satrapas et eubagionum florentissimos incautos occupat ac trucidat; quosdam terre uiuos infodit, quosdam membratim discerpit, alios excoriat, multos quasi signum ad sagittam figit, nonnullos prius exenterat quam interimit. (20) Omne supplicii genus in suis experitur, crassantior ciuibus hostis factus quam hostibus. Nam quos palam apprehendere non potuit, pene cunctis ad alias prouincias metu dispersis, donis, blandimentis et quibus plurimum uiguit ingeniis reuocat, amplectitur, honorat, sublimat, mox quibusdam insimulando figmentis inmeritos precipitat, precipitatos tormentis iubet inexcogitatis interire, (21) siue ut fortunas interemptorum eripiat, siue ut finitimis terrorem incutiat, siue ut potentioribus de medio sublatis securius imperet. Vnde sollempne illi erat quasi prouerbium: melle securius uti apum non posse, nisi penitus oppresso non rarefacto examine528 , nec sapere species nisi creberrime pilo contusas. Aliorum ergo aduersitate prosperatus, breui creuit in inmensum, ut omnibus pene Rusie prouinciis ac principibus imperaret. 527
Hier verweist der Chronist auf den späteren militärischen Konfl ikt Romans mit Leszek und Konrad I., in dessen Folge er im Juni 1205 in der Schlacht von Zawichost’ fällt, worüber die Annalen des Krakauer Domkapitels (MPH NS 5, S. 69) berichten: „Romanus fortissimus princeps Ruthenorum elevatus in superbiam et exaltans se in infi nita multitudine sui exercitus numerosi, a Lezstcone et Cunrado [….] in Zauichost est in prelio interfectus.“ Dieser Eintrag wird stilistisch mitunter in die Nähe der Chronica Polonorum gerückt und mit diesem Argument Vincentius zugeschrieben, vgl. Kürbis, Historia wpisana (1994), S. 59. 528 Dass es sich hier vielleicht um ein in der Rus’ gebräuchliches Sprichwort handelt, zeigt die Galizisch-Wolhynische Chronik, die zum Jahr 1231 einen ähnlichen Ausspruch dem Hali0er Hundertschaftsführer Mikula in den Mund legt (Ipat’evskaja letopis’ Sp. 763 –764 [= PSRL 2]): „Herr, du kannst den Honig nicht essen, wenn du zuvor nicht die Bienen getötet hast.“
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Nacht zerstreut hatten. Daher bekommen sie vor der grausamsten Tyrannei dieses [Mannes] Angst, weil kein kluger [Mensch] in den schrecklichen Rachen des Löwen hineinstößt. (17) Und was weiter? Sie häufen Bitten auf Bitten, bieten unzählige Talente Silber und Gold, Edelsteine, Gefäße, edelste Gewänder, Dinge ganz aus Seide, ganz von feinster Art und versprechen, noch mehr zu bringen, damit sie nicht unter das Joch dieses Ruthenen gezwungen werden. Sie versprechen Gefolgschaft zu jeder Bedingung, alle Fortdauer der Tributzahlungen, wenn sie [d. h. die Polen] nur die Herrschaft dieses [Mannes] abwenden würden. (18) Denn was bleibt von einer bitteren Traube, wenn nicht Betroffenheit? Was könntest du von einem Apfel erwarten, dessen Saft du mit so vielen giftigen Genüssen kennen gelernt hast? Es gab jedoch keine Möglichkeit, sich an jemand anderen zu wenden, da sich die Gesamtheit der Lechiten auf Roman festgelegt hatte. Daher wurde Roman, obwohl sich alle Großen und Vornehmen der Ruthenen gänzlich widersetzten, von Herzog Leszek als Fürst von Hali0 eingesetzt. (19) Welche Wohltat dieser als Ehrerbietung des Dankes den Polen zurückzugeben bemüht war, wird an anderer Stelle dargelegt werden.527 Er pflegte nämlich allen gegenüber die Form der Treue in gleicher Treulosigkeit, während er gegenüber seinen eigenen Leuten überaus grausam und grob war. Denn kaum war Herzog Leszek mit seinen Leuten abgezogen, da greift er die angesehensten, ahnungslosen Vornehmen und Amtsträger der Hali0er an und schlachtet sie hin. Die einen gräbt er lebendig in der Erde ein, die anderen reißt er in Stücke, anderen zieht er die Haut ab, viele heftet er wie ein Zeichen an den Pfeil, einige weidet er erst aus, ehe er sie tötet. (20) Er probiert an seinen Leuten jede Art von Folter aus und wird ihnen ein schlimmerer Feind als den Landesfeinden. Denn jene, die er offenkundig nicht ergreifen kann, da fast alle aus Angst in andere Provinzen geflohen sind, lockt er mit Geschenken, Schmeicheleien und sehr viel Hinterlist zurück, er umarmt, er ehrt und erhöht sie, dann [aber] stürzt er sich auf die Unschuldigen, indem er sie fälschlich der Lügen bezichtigt und befiehlt, die Gestürzten mit unausdenklichen Qualen zu töten, (21) sei es, um die Besitztümer der Getöteten an sich zu reißen, sei es, um unter den Grenznachbarn Schrecken zu verbreiten, sei es, um, sobald die Großen aus der Öffentlichkeit entfernt worden sind, sicherer zu herrschen. Daher pflegte er auch gewissermaßen das Sprichwort: Man kann sich des Honigs der Bienen nicht sicherer bedienen, als den Bienenschwarm nicht nur aufzulockern, sondern völlig zu vernichten 528; und man schmeckt die Gewürze erst, wenn man sie im Mörser fein säuberlich zerstoßen hat. Er hatte also Erfolg durch das Unglück der anderen und erstarkte binnen kurzem so ungeheuerlich, dass er nahezu über alle Provinzen und Fürsten der Rus’ herrschte.
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[25] (1) Set nescio quid sibi uelit senum ambitio, quorum etas quanto decliuius in se uergit, tanto celsius per ambitum supra se attollitur, quanto grauius mole premitur decrepita, tanto leuius ambitiose pennis leuitatis rapitur trans aera. Nam cum omnia pene monstra uitiorum senex in se domuerit, cum omnibus pene dominetur, duo illi dominantur, scilicet ambitio et cupiditas. Vnde quidam sapientum: Nescio quid sibi uelit senilis parcitas: quia quo minus restat uie, plus queritur uiatici.529 (2) Siue ergo hiis duabus instimulatus causis, seu iuste persuasus ductu rationis, principatum repetere Mesco senex instituit. Quod quia uiribus assequi nequit, uiris ac robore inpar, industrie beneficio rem aggredi meditatur. (3) Sepe namque omnibus maiores uiribus uires habet industria. Ideoque maiorum prius animos quadam benignitate pretemptat, conciliat et ad suum consuadet propositum. Set quia omnes amor adolescentum adeo demulserat, ut omnium animi ex matris ipsorum animo pendere uiderentur, ipsam sepenumero tum scriptis, tum nuntiis, nonnumquam munerum inportunitate sollicitat. (4) Ait non principandi capi gloria, set pro regni tranquillitate, immo pro ipsa et filiorum eius tranquilliore statu se esse sollicitum, nec aliud se ad presens optare, quam ut sese superstite omnium discordiarum fomite prorsus extincto, nullum in posterum quauis occasione oriatur incentiuum. (5) Quod astruit aliter fieri non posse quam hoc pacto: ,Cedat mihi filius tuus principatu, quem ego in filium adoptem eique consequenter militie cingulo a me insignito eundem restituam ipsumque heredem legitima sollempnitate instituam, ut Cracouiensis dignitas immo totius Polonie principatus in tua stirpe perpetua successione solidetur. (6) Quia momentaneum esse nequit, quod princeps instituit, quod principali auctoritate roboratur530 , nihilque momenti habere, quod uulgi strepitu proclamatur, a quibus quod summa uix difficultate construitur, facillime dissoluitur. Vix enim populi ad honesta contrahitur consensus, qui tanto est ad seditionum tumultus procliuior, quanto numerosior, presertim cum pene semper sit uenalis fauor popularis, quibus tam diu placebis, quam diu utilis eris, tam diu imperabis, quam diu supplicabis. (7) Nec est perpetuus nec salubris liquor, qui de humilibus
529 530
Cicero, Cato maior de senectute XVIII, 65 (nescio = non intelligo). Vgl. CIC Dig 1, 4, 1.
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[25] (1) Aber ich weiß nicht, was die Eitelkeit der Greise soll, deren Alter sich, je mehr es sich dem Ende zuneigt, mit seiner Eitelkeit umso höher über sich erhebt und das, je schwerer es von der Last der Altersschwäche bedrückt wird, umso leichtfertiger von den Flügeln des eitlen Leichtsinns hinweggetragen wird. Denn wenn auch der Greis in sich fast alle Ungeheuer der Laster gezähmt hat, er fast alle beherrscht, beherrschen ihn seinerseits doch zwei, nämlich die Eitelkeit und die Begierde. Daher [sagt auch] einer der Philosophen: Ich weiß nicht, was die Sparsamkeit des Gealterten soll: denn je weniger ihm des Weges bleibt, desto mehr Reisegeld verlangt er.529 (2) Sei es, dass er durch diese beiden Ursachen angespornt, sei es, durch die Anleitung der Vernunft ehrlich überzeugt wurde, beabsichtigte Mieszko der Alte, die Oberherrschaft zurückzufordern. Da er das [aber], an Männern und Stärke unterlegen, nicht mit Gewalt erreichen konnte, versuchte er, die Sache mit Hilfe der Beharrlichkeit anzugehen. (3) Denn häufig hat die Beharrlichkeit gegenüber allen [anderen] Kräften die stärkeren Kräfte. Daher ködert er zuerst die Herzen der Großen mit irgendeiner Gefälligkeit, beschwatzt sie und gewinnt sie für seinen Plan. Aber weil die Liebe zu den Jünglingen [Leszek und Konrad] alle so sehr begeistert hatte, schienen die Herzen aller von der Absicht ihrer Mutter abzuhängen, belästigt er sie selbst wiederholt, bald mit Schriften, bald durch Boten, manchmal mit der Aufdringlichkeit von Geschenken. (4) Er sagt, dass es ihm nicht um den Ruhm des Herrschens, sondern um die Ruhe für das Königreich gehe, ja dass er um einen friedlicheren Zustand für sie und ihre Söhne besorgt sei und für den Augenblick nichts anderes für sich wünsche, als dass zu seinen Lebzeiten der Zündstoff aller Streitigkeiten restlos erlöschen und [auch] später durch keinerlei Gelegenheit [erneut] entfacht werden möge. (5) Das könne, wie er hinzufügt, nicht anders geschehen als auf folgende Weise: ,Möge mir dein Sohn die Oberherrschaft überlassen und ich werde ihn als meinen Sohn annehmen und ihn folgerichtig, sobald er von mir mit dem Gürtel der Ritterschaft ausgezeichnet worden ist, ebendieses zurückgeben und ihn in einer rechtmäßigen Zeremonie als persönlichen Erben einsetzen, damit die Würde Krakaus, ja der ganzen Oberherrschaft Polen in deinem Stamm in ununterbrochener Nachfolge befestigt werde. (6) Denn es kann nicht nur für den Augenblick gelten, was der Fürst festsetzt, was durch die fürstliche Autorität bekräftigt wird530; und nichts hat Geltung, was im Lärm der Masse laut gerufen wird; von ihr wird, was mit höchster Schwierigkeit kaum aufgerichtet wurde, überaus bereitwillig [wieder] aufgelöst. Nur mit Mühe nämlich ist das Volk, das dem Aufruhr der Aufstände umso mehr zuneigt, je zahlreicher es ist, zu einem ehrlichen Konsens zu bewegen, zumal da die Gunst des Volks fast immer käuflich ist. Du wirst ihm so lange gefallen, wie du nützlich sein wirst, so lange herrschen, wie du demütig bitten wirst. (7) Wasser, das aus
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carectis ac palustribus eliquatur, quin etiam rudis brutorum natura magis naturalem fontium sitit puritatem. Excute igitur non coronam set luteam testam, ridiculum capitis gestamen, arte figulorum et conpositum et inpositum. Aureum decet principes diadema non fictile, maxime quod natura suo fabricauit beneficio, quod tuis et in presens et in posterum liberis nostre decreuit dulcedinis liberalitas.‘ (8) Et quoniam credula est mulierum facilitas et cerea uirgultorum inflexio, hiis inebriata mater ac filii cedendum esse censent ad tempus principatu. Tutius patris loco fore patruum uenerari, quam hostem perpetuo sustinere; satius esse patrui regnare munere, quam ex uulgi semper pendere arbitrio. (9) Ius iurandum proponitur in medio, iurat Senex, iurant utriusque partis proceres intemeratissime tenedam prescripti pacti formam; quam qui temerare temptauerit uel consuluerit uel quoquis modo consenserit, per metropolitanum et omnes huius prouincie pontifices anathemate innodetur. (10) Itaque Mesco sollempnibus dignitatis 앚insigniis앚531 non sine sollempnitate potitur, cuius desiderio nec pacti nec iuris iurandi uisus est meminisse. Si quando tamen ratione persuasus uel nepotis mansuetudine deuictus meminit, aut formam pacti, ubi potest, dissimulat, aut ubi dissimulare nequit, eius effectus procrastinando frustratur. (11) Rogat dux Lestco militie primordiis insigniri, rogat, instat ratam fore patrui sponsionem et se Cracouie heredem in solidum institui. Qui respondit pactis priuatis ius publicum conuelli non posse532, conuellitur autem, si regni condicio fit deterior; quod fieri quis dubitet, si rei publice regimen adolescentis inperitie committitur? (12) Decentius enim adolescentia obsequitur quam imperat, quia utilius paxillo palmes astringitur, quam liber luxuriari permittitur. Explorati etiam iuris est non esse pacta nisi gratuita 533, inuitum autem putari, qui consensisse non probatur.534 Qua ratione uero gratuitum quis iudicet, quod periculo est extortum preliorum, aut quis consensus est ense iugulo inminente? (13) Qui ergo tenet, teneat,
531 532 533 534
앚…앚 Ergänzung von Plezia. Dig 2, 14, 38: „Ius publicum privatorum pactis mutari non potest.“ Vgl. CIC Dig 2, 14, 1, 3. CIC Dig 3, 3, 8, 1.
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niedrigem Schilfgras und Sümpfen herausströmt, ist weder beständig noch gesund, und selbst die rohe Natur der Stumpfsinnigen verlangt nach natürlicher Reinheit der Quellen. Schüttele also nicht die Krone, sondern die Tonschale, den lächerlichen, durch die Kunst der Töpfer zusammengesetzten und angelegten Kopfschmuck ab. Fürsten gebührt ein goldenes Diadem, nicht ein tönernes, das höchste, was die Natur zu seinem Wohl verfertigt hat und was die Großzügigkeit unserer Güte deinen Kindern sowohl für den Moment als auch für künftig zuerkannt hat.‘ (8) Aber weil die Leutseligkeit der Weiber leichtfertig ist und die Sprösslinge sich wie Wachs biegen, beschließen die Mutter und die Söhne, durch diese [Worte] beschwatzt, [Mieszko] die Oberherrschaft eine Zeitlang zu überlassen. Es wird sicherer sein, anstelle des Vaters dem Onkel zu huldigen, als [ihn] beständig als Feind zu ertragen; und es ist besser, durch die Gnade des Onkels zu herrschen, als stets vom Gutdünken der Volksmasse abzuhängen. (9) Man schlägt vor, öffentlich einen Eid zu schwören, und es schwört der Alte, es schwören die Großen beider Parteien, dass sie den Wortlaut des verordneten Vertrages auf das Makelloseste halten, und dass, wer versuchen, raten oder auf irgendeine Weise zustimmen sollte, ihn zu schänden, durch den Erzbischof und alle Bischöfe dieser Provinz in den Bann getan werde. (10) Und so bemächtigt sich Mieszko [III. der Alte] nicht ohne Zeremonie der feierlichen Abzeichen531 des Amtes. Auf sein Verlangen hin [aber] wurde weder des Vertrages noch des Schwures gedacht. Wenn er aber einmal durch Vernunft überzeugt oder die Sanftmut des Neffen besiegt sich erinnerte, dann hat er entweder den Wortlaut des Vertrages, wo er konnte, ignoriert oder, wo er ihn nicht ignorieren konnte, seine Wirkung durch Aufschieben vereitelt. (11) Herzog Leszek bittet, zum Ritter geschlagen zu werden, bittet, drängt, dass die Zusage des Onkels gelte und er dauerhaft zum Erben Krakaus eingesetzt werde. Dieser antwortete, dass öffentliches Recht durch private Vereinbarungen nicht unwirksam gemacht werden könne532; es aber untergraben werde, wenn die Lage des Königreiches verschlechtert werde, und wer könne bezweifeln, dass dies geschehen werde, wenn die Herrschaft über das Gemeinwesen der Unerfahrenheit eines Heranwachsenden anvertraut wird? (12) Denn für einen Heranwachsenden ziemt es sich eher zu gehorchen als zu befehlen, weil es nützlicher ist, die Rebzweige an den Pflock zu binden, als ihnen zu gestatten, frei zu wuchern. Es ist auch erprobtes Recht, dass es keine Verträge gibt, die nicht freiwillig sind533; als gegen den Willen aber wird [ein Vertrag] angesehen, bei dem nicht bewiesen werden kann, dass er in Übereinstimmung abgeschlossen wurde.534 Aus welchem Grund aber soll jemand als freiwillig ansehen, was [ihm] durch die Androhung von Kämpfen abgezwungen worden ist, und welche Zustimmung liegt vor, wenn der Kehle das Schwert droht? (13) Wer also
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donec de medio fiat. Breuiuscula tamen quiete gaudet, auaritia ipsum expulsante, quam senibus maxime predominari diximus. Quia enim opibus et facultatibus aliorum inhiare ac insidiari cepit, ut eas quocumque sibi colore applicaret, inpatientia ciuium Cracouia expellitur et rex Lestco recipitur. Sic ergo tam iuris iurandi quam pacti contempti penam quadam confusionis depressione dependit. (14) Ille tamen non inmemor sui, artis experte rursus ope nititur. Ad matrem adolescentum eiusdem ingenii passibus recurrit eiusque consilium et auxilium et explorat et inplorat, prius tamen perfidie suspicionem extenuat et amouet. (15) Ait pactum esse summa religione custoditum, set ab emulis inpeditum se fuisse ac preuentum, nec sua fuisse responsa, que sua dicuntur, set eorumdem inuidia emulorum conficta. ,Nunc ergo uester duntaxat non desit fauor, fides non deerit a me pollicitis. (16) Non modo Cracouiam a uobis perpetuo hereditandam protestor et conscribo, set etiam Cuiauiensem restituo prouinciam.‘ Occupauerat enim illam idem Senex quamuis ad se minime pertineret. ,Vnum, inquit, unum peto, ut hostis omnium communis 앚ab앚535 omnibus exilio proscribatur, ne de principibus amodo faciat ludibria, quando uult principes creans, quando uult precipitans.‘ (17) Hoc autem de comite significabat Nicolao, quem nouerat eidem femine tunc temporis exosum. Quamuis alias utpote uirum discretum et strennuum per omnia et omnium amicissimum non modicum dilexerit, inuidorum tamen fabricante dolo causas odii contra illum conflat et quasi ueras atrocissime cum illo persequitur. Ideoque ad uota Senis omnium consensum inclinat, ut uir innocens exilii perpetuitate dampnetur. (18) Rursus igitur hac ratione paciscuntur, ut Cuiauiam in instanti restituat, in Cracouia in finem uite regnet, duce tamen Lestcone ex illius institutione successuro. Sciens autem Nicolaus exilii sibi inminere periculum gratiam sepe ac sepius ducis Lestconis ac matris eius multis modis pretemptat, qua humillime quesita nec inuenta, non sine dolore cum plurima amicissimorum societate ad Senem transmigrat, quorum successione Senex
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앚…앚 Ergänzung von Plezia.
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[die Oberherrschaft] hält, möge es behalten, bis er aus dem Wege geräumt wird. Doch er erfreute sich [nur] einer kurzen Ruhe, bis er durch die Habgier, von der wir sagten, dass sie die Greise besonders beherrscht, vertrieben wurde. Denn er wurde, als er begann, nach den Besitztümern und Vermögen der anderen zu gieren und ihnen nachzustellen, um sie sich wie auch immer anzueignen, von der Ungeduld der Bürger [1199] aus Krakau vertrieben; und König Leszek wurde wieder aufgenommen. So hat [Mieszko] mit diesem Sturz, da er sowohl den Schwur als auch den Vertrag missachtete, also die Strafe seiner Falschheit bezahlt. (14) Jener [Mieszko] aber gibt sich nicht auf und nimmt erneut Zuflucht zum erprobten Mittel der Hinterlist. Er eilt mit den Schritten seiner List zur Mutter der Jünglinge und erkundet und erfleht ihren Rat und ihre Hilfe; zuerst aber beschönigt und bestreitet er den Verdacht der Unredlichkeit. (15) Er sagt, er habe den Vertrag mit höchster Gewissenhaftigkeit eingehalten, sei aber von den Rivalen gehindert und abgehalten worden; auch seien es nicht seine Worte, die man als die seinen ausgibt, sondern die gehässigen Erfindungen ebendieser Rivalen. ,Damit mir also nun Eure Gunst nicht fehlen möge, wird es nicht an meiner versprochenen Treue mangeln. (16) Ich werde nicht nur laut verkünden und beurkunden, dass Krakau Euch zu dauerhaftem Erbe gehört, sondern auch die Provinz Kujawien zurückgeben.‘ Jene hatte der Alte nämlich erobert, obwohl sie ihm nicht im Mindesten gehörte. ,Um das eine – sagt er – , um das eine bitte ich, dass der gemeinsame Feind aller von535 allen durch das Exil geächtet wird, damit er nicht von neuem die Fürsten zum Gespött mache, indem er Fürsten kreiert und stürzt, wann er will.‘ (17) Damit aber meinte er den Pfalzgraf Nikolaus, von dem er wusste, dass er damals bei dieser Frau [d. h. Helena] verhasst war, obwohl sie ihn bei anderen Gelegenheiten als einen sehr besonnenen, tüchtigen und allen überaus freundlich gesinnten Mann geschätzt hat. Doch als von den Missgünstigen die Täuschung fabriziert wird, schürt sie Gründe des Hasses gegen ihn und rächt sich an ihm, als wären sie wahr, auf das Schrecklichste. Deshalb neigt der Wunsch dazu, dem Alten zuzustimmen, dass der unschuldige Mann zu fortdauerndem Exil verurteilt werde. (18) So wird aus diesem Grund von neuem ein Vertrag geschlossen, dass er [Mieszko III.] Kujawien sogleich zurückgeben, er in Krakau bis ans Ende seines Lebens herrschen, aber Herzog Leszek von ihm eingesetzt nachfolgen werde. Nikolaus aber bemühte sich, da er wusste, dass ihm die Gefahr des Exils drohte, oft und öfter und auf vielerlei Weise um die Gunst sowohl Herzog Leszeks als auch dessen Mutter [Helena]. Als [seine] demütigsten Bitten nichts erreichen, tritt er nicht ohne Schmerz mit der größten Schar seiner engsten Freunde zu [Miezsko] dem Alten über und nach deren Einrücken [in seine Reihen] übernimmt der Alte die Oberherrschaft von
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alacrior Cracouie principatum ingreditur. (19) Qui eandem fidei religionem posteriori exhibuit pacto quam primo, nam nec heredem instituit Lestconem Cracouie, nec ut spoponderat Cuiauiam restituere curauit. Immo quedam nepotum castra, scilicet Visliciam et alia tria, occupauit, asserens illa Cracouiensis esse prouincie nec debuisse a capite membra rescindi, que magnis maiorum consiliis ac studiis uix tandem sunt reparata et Cuiauia restituta. Sic Mesco senex Cracouia potitur, breui tamen in pace factus est locus eius et in Sion utinam habitatio eius.536 [26] (1) Cracouiensium namque primi legatos ad ducem Lestconem mittunt et fidelissima illi obsequia et principatum offerunt. Set quiddam inerat fermenti, quod totam massam corrupit.537 Erat enim uir quidam prosapia generosus, moribus insignis, consiliis strennuus, omni uirtutum uenustate conspicuus, Gouoricius nomine, qui tunc aput ducem Lestconem palatina fungebatur dignitate, immo dignitatum omnium cardo ipsius uertebatur arbitrio. (2) Inter hunc et comitem Nicolaum nescio quod infortunium inexorabiles iecerat discordias, susurronum forsitan ingenio fabricatas, quorum studium est uirtutibus inuidere ac frumento tristia superseminare zizania. Non aliter ergo Nicolaus suum spondet obsequium nec super principatu in ducem Lestconem conferendo suum accommodat assensum, nisi comitem Gouoricium a se repellat et expellat. (3) Ait enim nec fidelitati nec obsequiis locum esse inter discordias omnemque rem publicam tranquillitate gaudere non rixis. Hesitat dux Lestco, hesitant et sui, quod eligant ignorant: Cracouia careant, an uirum tam utilem, uirum immeritum expulsent? Set primum dampnosum, secundum criminosum. (4) Quibus cunctantibus ,indignum est, inquit comes Gouoricius, in re tam perspicua uestram pendere discretionem. Nam quis ambigat multorum commoda modicillo mercari dispendio? Quis nesciat, cuiuslibet persona potius carendum esse quam uniuersitate? Quis ignoret minus malum eligendum 538 , maxime cum publica utilitas preferenda sit priuate.539 (5) Quomodo ergo uitam obiectabit pro amico, qui exilium horret pro domino? Nec exi-
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Ps 76 (75), 3. Gal 5, 9 (corrupit = corrumpit). 538 Decretum Gratiani 1. Teil, D. XIII, c. I: Überschrift = „Minus malum de duobus est eligendum.“ 539 CIC Cod 12, 63, 3: „Utilitas publica praeferenda est privatorum contractibus…“ 537
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Krakau [1201] umso freudiger. (19) Der [aber] erweist dem neuen Vertrag dieselbe gewissenhafte Treue wie dem ersten, denn weder hat er Leszek als Erben von Krakau eingesetzt noch hat er sich, wie er versprochen hatte, darum gekümmert, Kujawien zurückzugeben. Im Gegenteil, er besetzte gewisse Burgen der Neffen, nämlich Wislica und drei andere, da er behauptete, dass sie zur Provinz Krakau gehören und die Glieder nicht vom Haupt abgerissen werden dürfen. Nach beträchtlichen Überlegungen und Anstrengungen der Großen wurden sie jedoch mit Mühe zurückerworben und Kujawien zurückgegeben. Auf diese Weise hat Mieszko der Alte Krakau erlangt, doch wurde ihm kurz darauf sein Platz im Frieden gewährt und in Zion möge er seine Wohnung haben.536 [26] (1) Die Vornehmen der Krakauer schicken daraufhin Gesandte zu Herzog Leszek und bieten ihm treueste Gefolgschaft und die Oberherrschaft an. Doch war ein gewisser Gärstoff darin, der den ganzen Teig verdarb.537 Es gab nämlich einen gewissen Mann von edler Abkunft, mit ausgezeichnetem Charakter, tüchtig im Rat, der mit der Anmut aller Tugenden ins Auge fiel, mit Namen Govoricus, der damals bei Herzog Leszek das Amt des Pfalzgrafen ausübte und von dessen Ermessen sogar die Türangel der Ämter aller abhing. (2) Zwischen diesen und den Pfalzgrafen Nikolaus hatte, ich weiß nicht warum, das Unglück unversöhnliche Streitigkeiten geworfen, die vielleicht durch die Hinterlist der Verleumder fabriziert worden waren, deren Bestreben es ist, die Tugenden zu verachten und das Getreide mit gefährlichem Unkraut zu übersäen. Also will Nikolaus seinen Gehorsam nur dann feierlich versprechen und der Einsetzung Herzog Leszeks in die Oberherrschaft nur dann seine Zustimmung schenken, wenn dieser den Pfalzgrafen Govoricus von sich weist und verbannt. (3) Er sagt nämlich, dass es bei Streitigkeiten weder Platz für Treue noch Gefolgschaft gebe und sich jedes Gemeinwesen über Ruhe, nicht Zank freue. Herzog Leszek zögert, auch seine Leute zögern, da sie nicht wissen, was sie wählen sollen: auf Krakau zu verzichten oder einen so nützlichen Mann, einen unschuldigen Mann zu vertreiben? Das Erste aber wäre schädlich, das Zweite verleumderisch. (4) Während diese unschlüssig sind, spricht Pfalzgraf Govoricus: ,Es ist unangemessen, dass in einer so klaren Angelegenheit euer Urteil schwankt. Denn wer würde zögern, die Vorteile vieler durch einen bescheidenen Verlust zu erkaufen. Wer wüsste nicht, dass jede einzelne Person eher verzichtbar ist als die Gesamtheit? Wer wüsste nicht, dass man das geringere Übel wählen muss538 , besonders wenn der öffentliche Nutzen dem privaten vorgezogen werden muss?539 (5) Wie gäbe also jemand sein Leben für einen Freund, der sich fürchtet, für seinen Herrn ins Exil zu gehen? Ich würde es auch nicht Exil nennen, weil, wer weder die Freunde verlässt noch von den
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lium dixerim, quando quis licet exul nec amicos deserit nec ab amicis deseritur. Felix exulatus, quem prosequitur gratia, non odium persequitur!‘ (6) Tum quidam: ,Fabulosum quidem uidetur quod concepi, set conceptum quis teneat sermonem, quia granum est in palea. Tam uolucrum quam quadrupedum gripho rex dicitur, cuius animositatem horrentes uolucres in ramalibus ilicis cuiusdam latitabant. Vnde gripho auiditate forsan prede uel indignatione animosior, ramis eiusdem arboris iterum et iterum quodam inpetu inpingit, credens uel arborem ictibus prosternere uel ramalibus confrustare, suo magis quam ilicis periculo. (7) Ala enim in feriendo enodata, humi non sine dolore prouoluitur seroque in se didicit, quid inpetus in alium persuadeat. Cumque remedium undelibet quereret, adest uulpecula, pedetentim accedit, ad quam ille: Nosti, filia, dolorum fomentaria? Que respondit: Quid artis magistra non nouerit? At ille: Da operam, secunda eris in regno! (8) Tunc illa: Si medicantis operam expectas, necesse est ut uulnus detegas. Qui ait: Alam enodaui. At illa: Inequalitas alarum est in causa, cur uolare non possis. Descendat ala superior ad statum enodate, que ad superiorem facile reduci non potest, redditaque mox equalitate alarum, reddetur uolandi facultas. Approbo, inquit ille, quia probabilitate nititur quod asseris. (9) Iubet ergo uulpecula, ut alam, que illesa est, inter duas arbores usque ad ascellam infigat et summo conatu in anteriorem partem toto corpore prosiliat, ala deinter arbores non mota. Audacter age nec trepida, salus tua in manu tua! Credit ille utque iussus est cum inpetu sese anterius iacit et alam non eruit, set inminutam confringit. Sic utraque carens fame contabescit et a uulpibus ac reptilibus corroditur.‘ (10) Ad hec dux Lestco: ,Tu hanc ita proponis parabolam, quasi mei sit animi quocumque pretio uotum ambitionis explere. Set omne absit a principe negotiationum genus, inhonesta procul absint honestorum commercia! Quid enim offerunt, qui hominis innocentissimi pretium querunt, cum luctuosi plena sit euentus dignitatum uenalitas et liberi capitis nulla sit estimatio.540 Alium ergo quam ducem Lestconem querant Cracouienses, qui
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Vgl. CIC Dig 9, 3, 7 (sit = fit).
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Freunden verlassen wird, nicht verbannt ist. Wer vom Dank begleitet, nicht vom Hass verfolgt wird, ist ein glücklicher Verbannter!‘ (6) Damals [erzählte] jemand [das Folgende]: ,Es scheint zwar wie ein Märchen, das ich mir ausgedacht habe, aber jemand möge den Gedanken erfassen, weil in jeder Spreu ein Korn [enthalten] ist. Man sagt, dass der Greif der König sowohl der Vögel als auch der Vierfüßler sei. Die Vögel fürchteten seine Wut und versteckten sich im Geäst irgendeiner Steineiche. Daher schlägt der Greif vielleicht aus Beutegier oder vom Zorn ergriffen wieder und wieder mit einer gewissen Kraft gegen die Äste dieses Baumes und glaubt, entweder den Baum durch seine Schläge niederzuwerfen oder die Äste in Stücke zu brechen. Doch war das für ihn gefährlicher als für die Steineiche. (7) Denn er wurde, da durch das Schlagen ein Flügel verrenkt wurde, nicht ohne Schmerz zu Boden geworfen und erfuhr an sich selbst zu spät, wozu ein Überfall auf einen anderen führen mag. Und als er irgendwo Hilfe suchte, nähert sich eine Füchsin, kommt Schritt für Schritt heran, zu der jener [spricht]: Kennst du, Tochter, ein Linderungsmittel gegen die Schmerzen? Diese antwortete: Was könnte die Meisterin der List nicht kennen? Und jener: Gib dir Mühe und du wirst die Zweite im Königreich sein. (8) Darauf jene: Wenn du das Werk eines Heilenden erhoffst, musst du die Wunde enthüllen. Dieser sagt: Den Flügel habe ich mir verrenkt. Und jene: Die Ungleichheit der Flügel ist der Grund, warum du nicht fliegen kannst. Der höhere Flügel möge [daher] in die Lage des verrenkten, der nicht so leicht zum höheren zurückgeführt werden kann, heruntergesenkt werden und sobald die Gleichheit der Flügel wieder hergestellt ist, wird die Fähigkeit zu fliegen zurückerlangt. Jener sagt: Ich stimme zu, weil sich, was du behauptest, auf Glaubwürdigkeit stützt. (9) Die Füchsin gebietet also, dass er den verletzten Flügel bis zur Achsel zwischen zwei Bäume hefte, so dass der Flügel zwischen den Bäumen nicht bewegt werden kann, und [dann] mit voller Kraft mit dem ganzen Körper nach vorne stürme. Sei mutig, habe keine Angst! Deine Rettung liegt in deiner Hand! Und jener vertraut und stürzt sich, wie [ihm] befohlen wurde, mit Wucht nach vorn, befreit [damit] aber den Flügel nicht, sondern zerbricht den verkrüppelten [Flügel]. Auf diese Weise beide verlierend schwindet er durch Hunger dahin und wird von Füchsen und Kriechtieren zerfressen.‘ (10) Darauf Herzog Leszek: ,Du trägst dieses Gleichnis so vor, als sei es mein Herzenswunsch, um jeden Preis [meinen] Ehrgeiz zu befriedigen. Doch einem Fürsten möge jede Art von Geschäftemacherei fernstehen; unsittliche Geschäfte mögen weit von den Ehrlichen sein! Denn was bieten jene, die den Preis eines völlig unschuldigen Mannes fordern, [anderes,] als dass die Käuflichkeit der Ämter traurige Wirkung zeitige und es keine Achtung des freien Mannes mehr gebe. 540 Mögen die Krakauer also einen anderen als Herzog Leszek suchen, der ihren Bedingungen zustimmen
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condicionibus ipsorum conueniat.‘ (11) Quo intellecto, quasi de nullo adhuc eligendo habuissent tractatum, ad Mesconidem Wladislaum transmittunt. Asserunt fidelitatem patri promissam filio se debere ac dependere, nec multum distare, quod ad hunc articulum attinet, personam filii a persona patris. Ideoque in ipso locum electioni non esse, quem ad paternam uocat successionem iuris ratio et 앚fides앚541 exigit. (12) Quibus adprime regratians Wladislaus gratiora sibi ait tante fidelitatis obsequia ipso principatu. ,Sola enim fides est que claudit et aperit, propagat et artat, firmat et conseruat imperia. Hac solum non sola regna set et ipsos reges non minus regere quam regi decet, hec sola est lucerna in obscuro, radius in sereno, tranquillitas in turbine, securitas in tranquillo. (13) Regalium hoc est fundamentum, regii capitis diadema, diadematis gemmarum gemma, prestantissimorum prestantia, omnium insignium preinsigne. Hac extincta omnis amicitia, societas omnis, omne fedus, omnis obsequela, omnis gratia, omne denique omnium uirtutum et decus et robur languet et expirat. (14) Sine fide quisquis est, nullus est, quia iustus ex fide uiuit.542 Que hodie quanto est rarior tanto gratiosior. Vestre itaque fidei constantiam super omnia gratantissime amplector, paucis 앚in앚presentiarum543 regratior, totis gratiarum uiribus regratiaturus in posterum. (15) Set magnis in rebus non paruis innitendum consiliis. Satius enim uelo tranquilliore nauigatur, si seditionum ac inuidie declinantur naufragia. Quorum fluctus et procelle subito surgunt de subita rerum nouitate, maximeque nasci solent ex indeliberatis et inprocuratis maximorum euentibus. (16) Equidem rem aggredimur arduam, arduis egentem tam uirium quam consiliorum amminiculis. Equum autem est consortem fore consilii, quem oneris uis habere participem. Si ergo placet, immo placere omnibus debet, fratri nostro duci Lestconi nostrum pandatur propositum, quatinus non sine effectu uestra laboret intentio. (17) Ipse namque solus et impedimento esse potest et profectui. Nam frater iunior dux Mazouiensis Conradus fratris per omnia sequitur arbitrium. Set et Wladislaidas eius nutum sequi non ambigo, quorum enim etsi magnum non sit habere fauorem, operosum tamen est non habere inuidiam.‘ (18) Proinde per legatos ordine rem exponit et hanc dirigit epistolam: ,Plus quam anime sue fratri dilecto duci Lestconi dux Wladislaus cum
541 542 543
앚…앚 Ergänzung von Plezia. Gal 3, 11. 앚…앚 Ergänzung von Plezia.
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möge.‘ (11) Als das vernommen war, schicken sie, so als hätten sie bis dahin noch gar nicht über eine Wahl beraten, zu Władysław [III. Dünnbein], dem Sohn Mieszkos [des Alten]. Sie erklären, dass sie dem Sohn die dem Vater versprochene Treue schulden und entrichten und die Person des Sohnes in dieser Hinsicht nicht sehr von der Person des Vaters unterscheiden werden. Daher konnte von einer Wahl [des Sohnes], den in die väterliche Nachfolge die Vernunft des Rechts ruft und [die Treue]541 fordert, keine Rede sein. (12) Wladyslaw dankt ihnen sehr und sagt, dass ihm eine so große Ergebenheit der Treue willkommener sei als die Oberherrschaft selbst: ,Denn nur die Treue ist es, die Herrschaften einschließt und öffnet, erweitert und begrenzt, verstärkt und bewahrt. Durch sie allein ziemt es sich nicht nur den Königreichen, beherrscht zu werden, sondern auch den Königen, selbst zu herrschen. Sie allein ist im Dunklen eine Leuchte, ein Strahl im Hellen, die Ruhe im Sturm, die Sicherheit im Friedlichen. (13) Sie ist das Fundament der Regalien, die Krone des königlichen Hauptes, in der Krone der Edelstein der Edelsteine, die Vorzüglichkeit des Vorzüglichsten, das Abzeichen aller [königlichen] Abzeichen. Wenn sie vergeht, wird jede Freundschaft, jede Gemeinschaft, jedes Bündnis, jede Gefolgschaft, jede Dankbarkeit, schließlich die Zier und Kraft aller Tugenden schwach und erstirbt. (14) Ohne Treue ist jeder nichts, weil der Gerechte aus der Treue lebt 542, die heute je seltener, desto teurer ist. Daher schätze ich die Beständigkeit eurer Treue über alles und danke für den Moment543 mit wenigen [Worten]; werde sie [aber] in Zukunft mit allen Kräften des Dankes vergelten. (15) Aber große Angelegenheiten stützen sich auf nicht geringes Nachdenken. Denn es ist besser, mit ruhigem Segel gefahren zu werden, als in die Schiffbrüche der Aufstände und des Hasses zu geraten. Deren Wogen und Orkane erheben sich plötzlich durch die unerwartete Neuigkeit der Dinge und pflegen zumeist aus unüberlegten und unbesorgten Entscheidungen der Großen zu entstehen. (16) Wir nehmen freilich eine schwierige Sache in Angriff, die bei schwierigen Gewässern sowohl der Kräfte als auch der Überlegungen bedarf. Das Pferd aber, das die Anstrengung der Last teilen soll, soll [auch] ein Gefährte im Rat werden. Wenn es euch also gefällt, ja allen gefallen muss, so möge dem Bruder, unserem Herzog Leszek, unsere Absicht eröffnet werden, so dass sich euer Eifer nicht ohne Erfolg abmühe. (17) Denn er allein kann uns sowohl Hindernis als auch Nutzen sein. Der jüngere Bruder nämlich, der Herzog Konrad von Masowien, befolgt in allem den Willen des Bruders [Leszek]. Ich bezweifle aber nicht, dass auch die Söhne Władysławs [II. des Vertriebenen] seinem Befehl folgen werden. Denn wenn es auch nicht wichtig sein mag, ihre Gunst zu haben, so muss man doch nicht [ihren] Neid auf sich ziehen.‘ (18) Daher legt er durch Boten die Sache ordentlich dar und sendet diesen Brief: ,Dem mehr als sein Leben geliebten Bruder, Herzog Leszek,
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salute uite utriusque salutem. Status rationis non patitur sane statum mentis a se dissidere uel in semet corrixari. Quippe: Que mens que ratio dissidet ipsa sibi?
(19) Dissidentiam enim uix admittit idemptitas animorum. Porro idem in nobis eiusdem anime indiuiduum et natura confabricat et perpetuitas dilectionis concatenat. Que res parem in nobis gignit uoluntatem, consonum in omnibus consensum. Et quoniam Cracouiensem uos respuisse principatum certo certius agnouimus, omnium in nos uota super eo noueritis concurrisse. (20) Quod propositi tanto confidentius ingredimur, quanto minus de uestra dulcedine dubitamus. Non ut illo perpetuo potiamur, set ut promptior, cum nostro insederit arbitrio, ad illum uobis per nos paretur facultas. Hoc igitur in facto non est nostra promotio, set uestri profectus honoris. Alioquin negligere, cum possis augeri, non aliud est quam minui.‘ (21) Mente huius intellecta epistole ac tenore, odii quidquid 앚uel앚544 studii uel in se uel in suis dux Lestco habere uisus est, fraternis desideriis accommodat, contra pontificum, contra primatum ac prudentum consilia. Cernebant enim et gemebant successionem filiorum ducis Kazimiri in illa ulterius dignitate hoc ex facto expirare ipsumque contra suum commodum laborare. (22) Vnde frater eius dux Conradus uix tandem quasi coactus eorum uoluntati superficietenus uisus est accedere. Itaque sub totius Polonie conspectu, principum, satraparum consensu omnium, a caligato milite usque ad supremum, princeps Cracouie dux Wladislaus constituitur. (23) Qui tam accessibilem, tam fauorabilem, tam benignum, tam dulcem et suauem habuit contra omnes uoluntatem affirentio. Ideoque ne aliorum crederetur defectus contemnere, immo ne de propriis uideretur arrogantior uirtutibus, sese offerebat cunctis affabilitate prestabilem.
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앚…앚 Ergänzung von Plezia.
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[wünscht] Herzog Władysław mit einem Gruß jegliches Heil des Lebens. Das Wesen der Vernunft lässt durchaus nicht zu, dass die Verfassung des Geistes in sich uneins ist oder sich selbst zurechtweist, denn: Welcher Verstand, welcher Geist widerspricht sich selbst?
(19) Denn die Übereinstimmung der Gesinnung lässt kaum einen Widerspruch zu. Auch hat in uns dieselbe unteilbare Persönlichkeit sowohl die Natur eingebaut als auch die ewige Liebe eingesenkt. Dies erzeugt in uns den gleichen Willen, eine in allem harmonische Übereinstimmung. Und weil wir mit voller Gewissheit erkannt haben, dass Ihr die Krakauer Oberherrschaft zurückgewiesen habt, möget Ihr überdies wissen, dass sich die Wünsche aller uns zugeneigt haben. (20) Wir lassen uns auf dieses Vorhaben umso zuversichtlicher ein, als wir nicht den geringsten Zweifel an Eurer Güte hegen; nicht um jene [Oberherrschaft] dauerhaft zu besitzen, sondern um Euch durch uns die Möglichkeit zu eröffnen, wenn ihr bereiter seid, zu herrschen und in jenes mit unserer Zustimmung [zurückzukehren]. Das bedeutet folglich tatsächlich nicht unsere Erhöhung, sondern einen Gewinn für Eure Ehre. [Eine Gelegenheit] verstreichen zu lassen, durch die Du erhöht werden kannst, bedeutet im Übrigen nichts anderes, als geschwächt zu werden.‘ (21) Da er Geist und Ton dieses Briefes verstand, fügt sich Herzog Leszek, was auch immer er an Abneigung und544 Bestrebungen gegen sich und seine Leute erlebt hatte, den Wünschen des Vetters entgegen dem Rat der Bischöfe, der Großen und Erfahrenen. Diese erkannten und beklagten nämlich, dass die Nachfolge der Söhne Herzog Kasimirs [II. des Gerechten] in jener Stellung künftig de facto erlischt und [Leszek] sich gegen sein eigenes Wohl abmüht. (22) Daher ist sein Bruder, Herzog Konrad [I. von Masowien], schließlich mit Mühe gedrängt worden, sich ihrem Willen scheinbar oberflächlich anzuschließen. Und so wurde Herzog Władysław [III. Dünnbein] vor den Augen ganz Polens, in Einigkeit der Fürsten, Statthalter [und] aller, vom gemeinen Krieger bis zum höchsten [Heerführer], als Fürst von Krakau eingesetzt. (23) Er brachte allen eine überaus zugängliche, Anteil nehmende, freigebige, angenehme und liebenswürdige Gesinnung entgegen. Und damit er nicht für jemanden gehalten wurde, der die Schwäche der anderen verachte, ja von seinen eigenen Tugenden übermäßig eingenommen sei, zeigte er sich allen gegenüber als ein überaus leutseliger [Mann].
ANHANG Die Register erschließen nur den Chroniktext selbst, nicht die Einleitung und die Anmerkungen. Die Seitenzahlen beziehen sich jeweils auf den lateinischen Text, so dass die dort verwendeten Namens- bzw. Wortformen ausgewiesen werden. Anderssprachige Namensformen (zumeist die deutsche und die polnische) werden der lateinischen nachgestellt, zusätzlich aber auch selbstständig (ohne Seitennennung) an der alphabetisch entsprechenden Stelle aufgeführt, wenn sie deutlich von der lateinischen abweichen; in diesen Fällen wird auf die lateinische Form verwiesen. Vom Herausgeber ergänzte Namen, die Vincentius selbst nicht nennt, werden kursiv gesetzt. Die verwendeten Abkürzungen erfolgen nach Lexikon des Mittelalters, Bd. 1, S. XVII–XXI; zusätzlich: ant. = antik, bibl. = biblisch, Ef. = Ehefrau, Gr. = Großer, leg. = legendär, myth. = mythologisch, röm. = römisch, S. = Sohn, Schw. = Schwester, T. = Tochter.
Personenregister Abdatomius / Abdalonymus, Kg. v. Sidon (gest. ca. 312 v. Chr.) 134 Abraham, bibl. Gestalt 238 Achilles, Gestalt d. gr. Mythologie 278 Achitophel, bibl. Gestalt 184 Adalbertus / Adalbert / Wojciech, Bf. v. Prag, Missionar bei d. Pruzzen (um 956 –997) 144, 146, 360 Adam, bibl. Gestalt 286 Adelheid / Adelajda, T. v. Władysław Her man (um 1091–vor 1132) 182 Agag, bibl. Gestalt 234 Agathocles, Tyrann u. Kg. v. Syrakus (361 / 360 –289 / 288 v. Chr.) 134 Ägidius v. Saint-Gilles s. Egidius 180 Agnes / Agnieszka, T. v. Władysław Herman (1090 / 91–1132) 182 Agnes v. Babenberg / Agnieszka, Ef. v. Władysław II. (1110 –1157) 280, 284, 286 Agnes / Agnieszka, T. v. Bolesław III. (1137–um 1182) 344
Personenregister Anhang
Ajax, Gr. u. Stifter in Polen (gest. 1176 / 78) 324 Alcibiades, gr. Feldherr u. Politiker (um 450 – 404 v. Chr.) 88 Alcida / Herkules, Gestalt d. gr. Mythologie 156, 158, 278 Alexander d. Gr., Kg. v. Makedonien (356 –323 v. Chr.) 102, 104, 106, 108, 110, 134, 136, 152, 154, 202, 230, 254, 258, 268, 278, 316, 356 Alexander III., Papst 1159 –1181 (um 1100 / 1005 –1181) 332, 382 Alexander, Bf. v. Plock (gest. 1156) 234, 236, 238 Almos, Hz. u. Kg. v. Kroatien (um 1074 / 75 –1127 / 29) 300 Ambrosianus / Ambrosius, Bf. v. Mailand, Kirchenvater (334 / 339 –397) 236 Anastasia / Anastazja, T. v. Mieszko III. u. Ef. v. Bogislav I (vor 1164 –1240) 338
Personenregister Anaxilaus, Tyrann v. Rhegium / Reggio (vor 494 – 476 v. Chr.) 102 Andreas II., Kg. v. Ungarn (um 1177– 1235) 348 Antigonus I. Monophthalmos, Feldherr Alexanders d. Gr. u. Kg. v. Makedonien (um 382–301 v. Chr.) 268 Antonius d. Gr., Eremit, Hl. (um 251 / 252–um 356) 250 Apollo, gr.-röm. Gottheit 250, 340 Arbactus, Statthalter des assyrischen Kg. Sardanapal (9. Jh. v. Chr.) 128 Aristonicus, Kg. v. Pergamon (gest. 129 v. Chr.) 134 Aristoteles, gr. Philosoph (384 –322 v. Chr.) 108 Athlanteus / Atlas, Gestalt d. gr. Mythologie 90 Bachus / Bacchus, röm. Weingott 320 Bakchides, Heerführer d. Seleukiden (gest. vor 166 v. Chr.) 200 Béla III., Kg. v. Ungarn (1148 –1196) 272, 348 Belial, bibl. Gestalt 300 Bernhard(us) III., Gf. v. Anhalt u. Ballenstedt, Hz. v. Sachsen (um 1140 – 1212) 300, 328 Bogislaw, Fs. v. Schlawe-Stolp (2. Hälfte 12. Jh.) 300 Boguslaus I. / Theodoxus / Bogislaw I., Hz. v. Pommern (um 1130 –1187) 300, 330, 338 Boleslaus / Bolesław I. d. Tapfere (Chrobry), Hz. u. Kg. v. Polen (967– 1025) 142, 144, 146, 148, 150, 152, 154 Boleslaus / Bolesław II. d. Kühne / Freigebige (miały / Szczodry), Hz. u. Kg. v. Polen (1040 –1083) 164, 168, 170, 174, 176, 178, 180 Boleslaus / Bolesław III. Schiefmund (Krzywousty), Hz. v. Polen (1086 – 1138) 182, 186, 192, 194, 196, 198, 202, 204, 226, 228, 230, 232, 236, 246, 248, 252, 254, 256, 258, 260,
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262, 264, 266, 268, 270, 274, 276, 278 Boleslaus / Bolesław IV. Kraushaar (Kedzierzawy), Hz. v. Masowien u. 1146 –1173 Senior in Krakau (1121 / 22–1173) 278, 284, 286, 288, 290, 292, 294, 298, 324, 330 Boleslaus / Bolesław I. d. Lange (Wysoki), Hz. v. Schlesien (1127–1201) 290, 292, 328, 338, 340, 342, 384, 386, 390 Boleslaus / Bolesław, S. v. Mieszko III., Hz. v. Kujawien (1159 –1194 / 95) 300, 326, 354, 386, 390 Bolesław, S. v. Bolesław IV. Kraushaar (um 1150 –1172) 294 Boris, Sohn v. Koloman I. (um 1105 – 1155) 272 Brennus, leg. Hz. / Führer d. Kelten (Gallier) 250 Brentislaus / Bretislav II., Hz. v. Böhmen (um 1060 –1100) 184, 18 Buriuoy / Borivoj II., Hz. v. Böhmen (1064 –1124) 258 Caesar, Gajus Julius, röm. Staatsmann u. Schriftsteller (102 / 100 – 44 v. Chr.) 118 Calistenes / Kallisthenes v. Olynth, gr. Philosoph u. Geschichtsschreiber (ca. 370 / 360 –327 v. Chr.) 226 Canutus / Knut II. (in Dänemark), I. (in England) d. Gr., Kg. v. England, Dänemark u. Norwegen (um 995 – 1035) oder Knut IV. d. Heilige, Kg. v. Dänemark (um 1043 –1086) 94 Cartallon / Karthalo, Adliger in Karthago 192 Caribdis / Charybdis, Gestalt d. gr. Mythologie 374 Cato, Marcus Porcius d. Ä., röm. Staatsmann u. Schriftsteller (234 – 149 v. Chr.) 278, 360 Cethegus / Sieciech, Pfgf. v. Władysław I. Herman (2. Hälfte 11. Jh.–nach 1122) 186, 188, 194 Cherubin, Bf. v. Posen (gest. 1180) 332
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Anhang
Chosistco, leg. Fs. d. Polanen 132 Cicero, Marcus Tullius, röm. Politiker u. Schriftsteller (106 v. Chr.– 43 v. Chr.) 278 Codrus, fiktive Dichtergestalt, Symbolfigur für einen Bettler 88 Codrus, Kg. v. Athen (um 1100 v. Chr.) 200 Colomannus / Koloman I. / Kálmán, Kg. v. Ungarn (um 1074 –1116) 230, 272 Conradus / Konrad, Hz. v. Glogau, Bf. v. Bamberg (um 1139 / 45 –um 1178 / 1205) 290, 292, 328 Conradus / Konrad I., Hz. v. Masowien u. Kujawien (1187 / 88 –1247) 380, 382, 386, 400, 412 Conradus / Konrad III. Otto, Hz. v. Olmütz u. Böhmen (um 1135 –1191) 352 Conradus / Konrad I., Bf. v. Pommern (gest. 1186) 332 Constantinus / Konstantin I. d. Gr., röm. Ks. (um 285 –337) 212 Crassus, Marcus Licinius, röm. Staatsmann (ca. 115 / 114 –53 v. Chr.) 118 Cyrus, Kg. d. Perser (gest. 529 v. Chr.) 316 Dambrouca / Dobrawa / Dbbrówka / Doubravka, böhm. Ef. v. Mieszko I. (um 930 –977) 140 Darius I., Kg. v. Persien (gest. 486 v. Chr.) 114, 264 Darius III., Kg. v. Persien (um 380 –330 v. Chr.) 110, 152, 154, 268 David, bibl. Gestalt 134, 310 Dedalus / Daidalos, Gestalt d. gr. Mythologie 252 Dedo I., Mgf. d. Lausitz (um 1010 – 1075) 300 Demosthenes, gr. Rhetor u. Staatsmann (384 –322 v. Chr.) 276, 338 Diana, röm. Göttin 250 Diogenes, gr. Philosoph (um 400 – 328 / 323 v. Chr.) 88 Dionysius I., Tyrann v. Syrakus (um 430 –367 v. Chr.) 100, 134
Effrem / Ephraim, bibl. Gestalt 276 Egidius / Ägidius, Hl., Gründer d. Klosters Saint-Gilles (gest. 720 / 725) 180 Eleasar / Eleazarus, bibl. Gestalt 200 Eli, s. Hely Elischa s. Heliseus Elisabeth / El˙zbieta, 1. Ef. v. Mieszko III. (gest. 1155) 300 Erotimus / Herotimus, leg. arab. Kg. 120 Eucratides / Eukratides I., Kg. v. Baktrien (gest. 145 v. Chr.) 190, 326 Eudemius / Eudemos v. Rhodos, gr. Philosoph (4. Jh. v. Chr.) 270 Eudoxia / Eudoksja, 2. Ef. v. Mieszko III. (um 1131–nach 1187) 300, 326, 334 Eumenes, Feldherr Alexandersd. Gr. u. Diadoche (363 –316 v. Chr.) 268 Finees / Pinchas, bibl. Gestalt 234 Florian, Hl. (gest. 304) 366 Franco / Franko, Bf. v. Posen (gest. um 1085) 180 Fredericus / Friedrich I. Barbarossa, Kg. u. Ks. (1122–1190) 288, 290, 300, 336, 350, 352, 382 Fredericus / Friedrich (Ferri) I., Hz. v. Lothringen (um 1143 –1206) 300 Fulco / Pełka, Bf. v. Krakau (gest. 1207) 360, 378, 388, 392 Galaad / Gilead, bibl. Gestalt 222 Gaudentius, Bf. v. Lebus (12. Jh.) 332 Getco / Gedko, Bf. v. Krakau (ca. 1130 – 1185) 306, 332, 354 Gideon, bibl. Gestalt 322 Gneuomir / Gniewomir, Fs. u. Statthalter bei d. Pomoranen (1. Viertel d. 12. Jh.) 232 Gordius, Kg. d. Phryger (vor dem 5. Jh. v. Chr.) 134 Gouoricius / Goworek, Kastellan v. Krakau u. Pfgf. in Sandomierz (gest. 1212 / 1223) 388, 406
Personenregister Graccus I. d. Ä., leg. Fs. d. Polen u. Begründer Krakaus 94, 96, 98, 100 Graccus II. d. J., leg. Fs. d. Polen, S. v. Graccus d. Ä. 98 Heinrich Kietlicz / Henryk Kietlicz, Kastellan v. Krakau (2. Hälfte 12. Jh.) 352, 354 Helena, Ef. v. Kasimir II., 1194 –1201 Regentin v. Krakau (um 1150 –1206) 392, 404 Hely / Eli, bibl. Gestalt 242 Henricus / Heinrich IV., Kg. u. Ks. (1050 –1106) 182 Henricus / Heinrich V., Kg. u. Ks. (1086 –1125) 230, 252, 256 Henricus / Heinrich VI., Kg. u. Ks. (1165 –1197) 354 Henricus / Heinrich / Henryk, Hz. v. Sandomir (gest. 1166) 278, 286, 294, 330 Heliseus / Elischa, bibl. Gestalt 356, 358 Herebus / Erebos, Gestalt d. gr. Mythologie 280 Herkules s. Alcida Hermes / Mercurius, gr.-röm. Gott 220 Hieronymus, Sophronios Eusebios, Kirchenvater, Hl. (347– 420) 320 Homer, ant. Dichter (2. H. 8. Jh. v. Chr.) 360 Iacobus / Jakob / Jakub I. v. Znin, Ebf. v. Gnesen (vor 1120 / 1124 –1148) 282 Icareus / Ikarus, Gestalt d. gr. Mythologie 262 Iepte / Jephthah, bibl. Gestalt 222 Iero / Hieron II., Tyrann u. Kg. v. Syrakus (306 –215 v. Chr.) 222 Ieroboa / Jerobeam, bibl. Gestalt 134, 302 Ieroslaus / Jarosław, Hz. v. Oppeln, Bf. v. Breslau (um 1143 / 1160 –1201) 388 Iohannes / Johannes II. / Jan (Janik), Bf. v. Breslau, Ebf. v. Gnesen, einer der
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Diaologpartner in den Büchern I–III (gest. 1167 / 77) 92, 220, 238 Iohannes / Johannes / Jan, Gr. in d. Region Krakau 318 Ionathan / Jonathan, bibl. Gestalt, S. v. Kg. Saul 200 Ioram / Joram, bibl. Gestalt 358 Iouis / Iuppiter / Jupiter, röm. Himmelsund Wettergott 134 Ippander / Hippander, leg. Usurpator in Makedonien 162 Iudith / Judith v. Böhmen / Judyta, 1. Ef. v. Władysław I. Herman (1056 / 58 – 1086) 180, 182 Iudith / Judith v. Ungarn / Judyta Maria, 2. Ef. v. Władysław I. Herman, zuvor Ef. v. Kg. Salomon v. Ungarn (ca. 1054 –1092 / 96) 182 Iulia / Julia, leg. Schw. v. Julius Caesar 118 Izjazlav Jaroslavip, Gfs. v. Kiev (1024 – 1078) 168 Izjaslav Mstislavip, Gfs. v. Kiev (1096 – 1154) 300 Jaromar I., Hz. v. Rügen (vor 1141– 1218) 300 Jaroslav I. Osmoysl’, Fs. v. Hali0 (um 1128 –1187) 300 Jaroslav Vladimirovip, Gfs. v. Kiev (979 / 986 –1054) 148, 150 Jaxa v. Miechów (u. v. Köpenick?) / Jaksa s. Ajax Justinian, byz. Kaiser (um 482–565) 140 Kazimirus / Kasimir I. d. Erneuerer / Kazimierz Odnowiciel, Hz. v. Polen (1016 –1058) 154, 156, 158, 162, 164, 180 Kazimirus / Kasimir II. d. Gerechte / Kazimierz Sprawiedliwy, Hz. v. Sandomir u. Kleinpolen, 1177–1191, 1191–1194 Senior in Krakau (1138 –1194) 90, 278, 286, 294, 298, 300, 312, 316, 320, 322, 326, 328, 330, 332, 334, 336, 338,
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Anhang
340, 342, 344, 346, 348, 350, 352, 354, 358, 360, 362, 364, 378, 380, 382, 384, 386, 394, 412 Knut s. Canutus Koloman s. Colomannus Konrad s. Conradus Konrad II. (von Landsberg), Mgf. d. Lausitz (1159 –1210) 300 Ladislaus s. Wladislaus Laodarides / Laodarius s. Wladarides Laodomirus s. Wladimir Laurentius, Diakon v. Rom, Märtyrer u. Hl. (gest. 258) 246, 248 Lestco / Lestek I. / Leszek, leg. Fs. d. Polen 110 Lestco / Lestek II. / Leszek, S. v. Lestek I., leg. Fs. d. Polen 110, 116 Lestco / Lestek III. / Leszek, leg. Fs. von Polen 118 Lestco / Lestek IV. / Leszek, leg. piastischer Hz. 140 Lestco / Leszek, Hz. v. Masowien u. Kujawien (1160 / 63 / 65 –1186) 294, 328, 340, 342 Lestco / Leszek d. Weiße / Biały, Hz. v. Sandomir u. Kleinpolen, 1194 – 1196 / 98, 1199 –1201, 1202–1210, 1211–1227 Senior in Krakau (1186 / 87–1227) 380, 382, 384, 386, 392, 396, 398, 400, 402, 404, 406, 408, 410, 412 Lot, bibl. Gestalt 238, 358 Lupus, gest. 1180 / 87, Bf. v. Plock 332 Lycofron / Lykophron, gr. Dichter u. Sophist (ca. 320 –250 v. Chr.) 216 Machabeus / Judas Makkabäus, bibl. Gestalt 200 Magnus, Gr., Statthalter in Schlesien (gest. um 1109) 186, 188 Malleus / Malchus, karthagischer Feldherr (6. Jh. v. Chr.) 192 Maria, Mutter Gottes 340, 348 Marius, Gajus, röm. Konsul u. Feldherr (156 – 86 v. Chr.) 204 Mars, röm. Agrar- u. Kriegsgott 198
Martinus / Martin / Marcin, Ebf. v. Gnesen (1092–1118?) 238, 242 Maslaus / Masław, Gr., Amtsträger Mieszkos II., Ursurpator (gest. 1047) 158 Mathathias, bibl. Gestalt 234 Matheus / Matthäus / Mateusz, Bf. v. Krakau, einer der beiden Dialogpartner in den Büchern I–III 92 (gest. 1166) Medea, Gestalt d. gr. Mythologie 158 Mercurius s. Hermes Mesco / Mieszko I., Hz. v. Polen (um 922–992) 140, 142 Mesco / Mieszko II. Lambert / Mesco, 1025 –1034 Kg. v. Polen (990 –1034) 154 Mesco / Mieszko, S. v. Bolesław II. d. Kühnen (1069 –1089) 178 Mesco / Mieszko III. d. Alte (Stary), Hz. v. Großpolen u. 1173 –1177, 1191, 1196 / 98 –1199, 1201–1202 Senior in Krakau (1126 / 27–1202) 278, 284, 286, 298, 300, 324, 326, 328, 330, 334, 336, 338, 340, 342, 352, 354, 358, 380, 382, 386, 388, 390, 400, 402, 404, 406, 410 Mesco / Mieszko I. Humpelbein (Plbtonogi), Hz. v. Ratibor u. Oppeln, 1210 –1211 Senior in Krakau (1132 / 46 –1211) 290, 292, 328, 380, 384, 386, 388 Mesco / Mieszko d. J., Hz. v. Kalisz (1160 / 1165 –1193) 300, 326, 342 Micalus, Sklave des Anaxilaus (5. Jh. v. Chr.) 102 Michael, Erzengel 176 Minerua / Minerva, röm. Göttin des Handwerks, der Weisheit u. d. schönen Künste 250 Mit(h)ridates, Kg. v. Epirus (um 130 / 120 – 63 v. Chr.) 316 Mo(y)ses, bibl. Gestalt 234, 238 Musa / Muse, Gestalt d. gr. Mythologie 88 Nannides, Kg. der Segobrier 190
Personenregister Nicolaus / Nikolaus / Mikołaj, Gr., Pfgf. in Krakau (gest. 1202) 344, 350, 360, 382, 392, 404, 406 Nicolaus / Nikolaus I. d. Gr., Papst, Hl. (um 820 – 867) 138 Odo(n), Hz. v. Posen u. Kalisz (1141 / 49 –1194) 300, 326, 328, 340 Onolphus, Bf. v. Włocławek (gest. 1180 / 87) 332 Otto III., Kg. u. Ks. (980 –1002) 144, 154 Past / Piast, leg. Fs., Heros eponymos d. Dynastie d. Piasten 132 Pegasus, Gestalt d. gr. Mythologie 206 Pełka s. Fulco Petrus / Peter / Piotr, Bf. v. Posen, Ebf. v. Gnesen (gest. 1198) 356, 360 Petrus Vlostides / Peter Wlast / Piotr Włostowic, Gr., Pfgf. (um 1100 – 1153) 260, 262, 264 Philippus / Philipp II., Kg. v. Makedonien (um 382–336 v. Chr.) 154, 202, 316 Pinchas s. Finees Pirrus / Pyrrhus, Kg. d. Molosser, Hegemon v. Epirus (319 –272 v. Chr.) 356 Pollexius, Fs. d. Pollexianer 362 Pompili(an)us / Popiel, leg. Fs. d. Polen 118 Po(m)pilius / Popiel II., leg. Fs. d. Polen, S. d. Popiel 120, 122, 130, 132, 134 Porus, Kg. in Pandschab (gest. 317 v. Chr.) 202, 356 Predslava, T. v. Rurik II. Vasyl (1163 / 68 –nach 1203 / 4) 386 Protheus, Gestalt d. gr. Mythologie 212, 220 Ptolomaeus, Feldherr Alexanders d. Gr., Diadoche, Kg. v. Ägypten (um 366 –283 v. Chr.) 136, Pythagoras v. Samos, gr. Philosoph (um 570 –um 480 v. Chr.) 230, 232
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Raphael, Erzengel 142 Ratibor, S. d. Bogislaw I. (um 1160 – 1183) 300 Rechabeam, bibl. Gestalt 302 Repica / Rzepka, leg. Ef. d. Piast 132 Richeza, Ef. Mieszkos II., Nonne in Brauweiler (gest. 1063) 154, 156 Romanus / Roman Mstislavi0, Hz. v. Hali0-Volodymyr, Gfs. v. Kiev (1155 / 62–1205) 344, 348, 352, 386, 388, 390, 392, 394, 396, 398 Rurik Vasyl II., Gfs. v. Kiev (1137 / 40 – 1210 / vor 1212) 386 Samiramis / Semiramis, assyrische Kgn. (9. / 8. Jh. v. Chr.) 102 Saladinus / Salah Ad Din Jusuf Ibn Aijub, Sultan v. Syrien u. Ägypten (1137 / 1138 –1193) 352, 362 Salomon(is), bibl. Gestalt 134, 236, 302 Salomon, Kg. v. Ungarn (1051 / 52 / 53 – 1087) 168, 170, 182 Samborius / Sambor I., Fst., Statthalter in Danzig (ca. 1160 –1207) 330 Samuel, bibl. Gestalt 234, 348 Sardanapallus / Sardanapal, Kg. d. Assyrer (668 – 627 v. Chr.) 128 Saul, bibl. Gestalt 134, 180, 200, 234, 348 Saulides s. Ionathan Sbigneuus / Zbigniew, S. v. Władysław I. Herman, Hz. v. Großpolen, Kujawien u. Masowien (1070 / 73 –1112 / 13) 184, 186, 188, 190, 192, 196, 202, 206, 208, 210, 212, 222, 226 Scarbimirus / Skarbimir, Gr. u. Pfgf. Bolesławs III. (gest. 1124 / 38) 200, 202, 248 Scylla / Skylla, Gestalt d. gr. Mythologie 374 Sdislaus / Zdzisław I., Ebf. v. Gnesen (gest. 1180) 332 Selislaus / Zelisław, Amtsträger Bolesławs III. (gest. 1123) 196 Sieciech s. Cethegus
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Anhang
Simon, bibl. Gestalt 250 Simon s. Symon Sobeslaus / Sob1slav II., Hz. v. Böhmen u. Lgf. v. Mähren bzw. Hz. v. Olmütz (gest. 1180) 258, 300, 328 Solon, gr. Staatsmann u. Dichter (um 640 –um 560 v. Chr.) 200 Sopirion, Feldherr Alexanders d. Gr. 316 Sost(h)enes, makedonischer Feldherr u. Regent (gest. 277 v. Chr.) 110 Stanislaus / Stanisław, Bf. v. Krakau, Hl. (um 1030 / 1035 –1079) 174, 176, 178 Stefan II., Kg. v. Ungarn (um 1101– 1131) 300 Stephanus / Stephan I. d. Hl., Kg. v. Ungarn u. Hl. (um 975 –1038) 360 Stephanus / Stefan, S. v. Mieszko III. d. Alten (um 1150 –1166 / 77) 300 Strato, leg. Kg. d. Tyrier 114, 116 Suentoslaus / Swietosław, Gr., S. v. Petrus Vlostides (12. Jh.) 324 Svjatopolk Vladimirovip, Gfs. v. Kiev (978 / 979 –1019) 148 Svjatoslav Mstislavip, Fs. v. Hali0Volodymyr (gest. 1183) 348 Swentopelcus / Svatopluk II., Hz. v. Böhmen u. Mähren (gest. 1109) 196, 258 Symon / Simon / Szymon, Bf. v. Plock (gest. 1129) 234, 236, 238 Syro / Zyro, Pfgf. in Masowien (2. Hälfte 12. Jh.) 330 T(h)ersites, Gestalt d. gr. Mythologie, Synonym für einen dreisten, unverfrorenen Mann 276 Thamiris, Kgn. d. skythischen Nomadenvolks d. Massageten (6. Jh. v. Chr.?) 160 Theodoxus s. Boguslaus I. Theofrastus / Theophrast(os), gr. Philosoph (372 v. Chr.–287 v. Chr.) 270 Thimotheus, Kg. d. Ammoniter (2. Jh. v. Chr.) 248 Tiresia(nu)s, Gestalt d. gr. Mythologie 222
T(h)obias, bibl. Gestalt 142 Trogus Pompejus, röm. Geschichtsschreiber (ca. 1. Jh. v. Chr. – 1. Jh. n. Chr.) 94 Tullius s. Cicero Vanda / Wanda, leg. Kgn. d. Polen 100, 102 Vincentius / Wincenty Kadłubek, Bf. v. Krakau, Chronist (1150 / 60 –1233) 358 Vitus / Veit, Märtyrer, Hl. (gest. um 305) 246 Vladimir Jaroslavi0 s. Wladimir Vladimirko, S. v. Volodor Rostislavi0 (12. Jh.) 264 Vladislav I., Hz. v. Böhmen (um 1070 – 1125) 258 Vladislav II., Hz., seit 1158 Kg. v. Böhmen (um 1110 –1174) 28 Volodar Rostislavi0 s. Wladarides Vratislav II., Hz. u. Kg. v. Böhmen (um 1035 –1092) 170 Vseulodus / Vsevolod, Fs. von Bełz (1170 –1196) 344, 346, 352 Vulcanus, röm. Gott des Feuers, der Blitze und der Handwerker 112 Wanda s. Vanda Wit, Bf. v. Płock (gest. 1206) 362 Wladarides / Volodar Rostislavi0, Fs. von Przemysl (gest. 1124) 258, 260, 262, 264, 266, 268, 270 Wladimir / Vladimir Jaroslavi0, Fs. v. Hali0-Volodymyr (gest. 1187) 348, 392 Wladislaus / Ladislaus I. d. Hl. / Lászlo, Kg. v. Ungarn (1048 –1095) 170, 176, 188 Wladislaus / Władysław I. Herman, Hz. v. Polen (1043 –1102) 180, 184, 188 Wladislaus / Władysław II. d. Vertriebene (Wygnaniec), Hz. v. Schlesien u. 1138 –1146 Senior in Krakau (vor 1105 –1159) 278, 280, 282, 284, 286, 288, 328, 330, 338, 386, 388, 390, 410, 412
Geographisches Register Wladislaus / Władysław III. Dünnbein (Laskonogi), Hz. v. Großpolen u. 1202, 1228 –1231 Senior in Krakau (1161 / 74 –1231) 300, 326, 410 Władysław Ellenlang (Łokietek), Hz. v. Kujawien u. Masowien u. seit 1320 Kg. v. Polen (1260 –1333) 300 Wojciech s. Adalbertus W(is)seborius / Wszebór, Amtsträger Bolesławs III. (12. Jh.) 272, 274, 282 Xerxes, Kg. v. Persien u. Pharao v. Ägypten (um 519 – 465 v. Chr.) 200 Zbigniew s. Sbigneuus Zbyslava, T. v. Svjatopolk II. v. Kiev,
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Ef. v. Bolesław III. (gest. zw. 1109 u. 1112) 196 Zdzislaw s. Sdislaus Zemomisl / Ziemomysł, leg. Fs. d. Polanen 140 Zemouit / Ziemowit, leg. Fs. d. Polanen, S. d. Piast 132, 140 Zeusis / Zeuxis von Herakleia, gr. Maler und Bildhauer (ca. 435 –390 v. Chr.) 226 Ziroslaus / Zyrosław II., Bf. v. Breslau (gest. 1198) 332 Zophirus / Zopyros, persischer Gr. (gest. um 484 v. Chr.) 264 Zwentopelc s. Swentopelcus Zelisław s. Selislaus
Geographisches Register Abdera, leg. Volk 128 Aborigini, Volk in Latium 136 Africa / Afrika 136 Ägypten s. Egyptus Alba / Weißenburg = Belgard a. d. Persante / Białogard 228 Albenses, Einwohner von Alba 228, 232 Alemania s. Lemannia Alemanni s. Lemanni Amalechitae / Amalekiter, bibl. Volk 238 Amazones / Amazonen, leg. Volk v. Frauen 172 Ambigeri / Ambrer, leg. Volk in Indien 230, 258 Ammonitae / Ammoniter, bibl. Volk 248 Andreovia / Jedrzejów, Zisterzienserkloster in Kleinpolen 386 Arabes / Araber 120, 166 Asia / Asien 134, 136, 172, 316 Assyrii / Assyrer 102 Athienses / Athener 200, 356 Äthiopien s. Ethiopia
Geographisches Register
Äthiopier s. Ethiopes Ätna s. Ethna Austrenses = Mährer 170 Babel 252 Babylonia / Babylonien 264 Babylonii, Einwohner v. Babylonien 264 Bactria / Baktra, Stadt im ant. Persien 326 Bactrianei / Baktrer, Einwohner v. Baktra 190, 326 Bastarii / Bastarnen, osteurop. Volk 94 Bauaria / Bayern 118, 328 Belsia / Bełz, Stadt in Ruthenien, 1170 – 1234 Sitz eines eigenen Fsm. 314, 352 Beniamin / Benjamin, bibl. Volk 302 Bithynia / Bithynien 316 Bohemia / Böhmen 148, 184, 196, 202, 258 Bohemi(ci) / Böhmen 144, 170, 188, 196, 202, 204, 208, 300, 328, 352
422
Anhang
Bresce / Brest(-Litowsk) / Brzesh 330, 344 Breslau s. Wratislauia Bug, Fluss in Ostpolen 180 Bulgaria / Bulgarien 94 Bythom / Beuthen a. d. O. / Bytom 256 Campestres, Einwohner v. Kujawien 342 Caninum Campestre / Hundsfeld / Psie Pole, Ort bei Breslau 256 Capadocia / Kappadokien 316 Carinthia / Karantanien 94, 96 Carthago / Karthago 192 Cholberg / Kolberg / Kołobrzeg 228 Corinthi / Korinther 108, 136 Corinthus / Korinth 108 Cozli / Cosel / (Kedzierzyn-)Koyle, Burgort in Schlesien 202 Cracouia (Carauce, Graccouia) / Krakau / Kraków 100, 106, 108, 174, 278, 284, 306, 310, 312, 324, 332, 352, 354, 358, 360, 378, 384, 386, 388, 400, 404, 406, 408, 412 Crauacii / Kroaten 148 Crusuicia / Kruschwitz / Kruszwica, kujawische Burgstadt 190, 246 Cuiauia / Kujawien / Kujawy 294, 332, 404, 406 Daci / Daker = Dänen 94, 158 Danomarchicus / Dänemark 92 Danzig s. Gdanensis Delphi 250 Deutsche s. Lemanni u. Teutonicus Deutsches Reich s. Lemannia Dorenses / Dorer, gr. Volk 200 Dotaim / Dothan, ant. Stadt in Palästina 356 Drecim, nicht lokalisierter Ort im piastisch-pomoranischen Grenzgebiet 184 Drogicim / Drohiczyn, ruthenische Burgstadt 330 Egyptus / Ägypten 136 Epirote, Einwohner v. Epirus 356
Epirus 316 Ethiopes / Äthiopier 90 Ethiopia / Äthiopien 102 Ethna / Ätna 166 Etrusker s. Tusci Friges / Phryger, Volk in Kleinasien 134 Galicia / Hali0, ruthenische Stadt und Region 300, 344, 348, 350, 392, 394, 396, 398 Galli / Gallier [= Kelten] 94, 110, 250 Gdanensis / Danzig / Gdansk 330 Gelboe / Gilboa, Höhenzug in Palästina 348 Gethi = Pruzzen 118, 158, 292, 360 Glogou(ienses) / Glogau / Głogów 252, 254 Gnezdnensis / Gnesen / Gniezno 238, 330, 338 Greci / Griechen 116 Grecia / Griechenland 94 Hali0 s. Galicia Hebre / Hebräer s. Israeliten Heraclienses, Einwohner v. Heraklion 356 Hundsfeld s. Caninum Campestre Huni / Hunnen = Ungarn 148 Ierusalem / Jerusalem 236 Indi / Inder 202 Israel 128, 222, 236, 238, 286, 348, 356, 358 Israhelite / Israeliten 234 Italia / Italien 94 Iuda, bibl. Volk. 302 Iulin / Lublin 118 Jadwinger, baltisches Volk 344 Jedrzejów s. Andreovia Kappadokien s. Capadocia Karantanien s. Carinthia Karthago s. Carthago Kieuia, Kyiow / Kiev 148, 168, 386
Geographisches Register Kolberg s. Cholberg Krakau s. Cracouia (Carauce) Kroaten s. Crauacii Kruschwitz s. Crusuicia Kujawien s. Cuiauia Laodomiria / Wladimir / Volodymyr, ruthenische Burgstadt und Fsm. 330, 344, 348, 352 Lausitz 300 Lebus s. Lubus Lechia = Polonia 330 Lechite, Lechitici = Poloni 108, 248, 262, 330, 344, 350, 398 Lemanni, Lemanniade / Alemannen = Deutsche 100, 204, 218, 230, 252, 254, 256, 258, 338, 340 Lemannia / Alemania = Deutsches Reich 256 Libye / Libyien 136 Lotaringa / Lotharingen 300 Lublin s. Iulin Lubus / Lebus / Lubusz, westgroßpolnischer Burgort u. Bischofssitz 118, 330, 332 Macedones, Einwohner v. Makedonien 110, 162 Macedonia / Makedonien 110, 250, 316 Machabei / Makkabäer 248 Madianici, bibl. Volk 234 Mährer s. Austrenses Mardi, Volk in Asien 148 Maritima(e) provincia(e) = Pomorania 184, 204, 232, 246, 300, 338 Maritimi = Pomorani 158, 228, 230, 232, 328, 330, 338 Mazouia / Masowien / Mazowsze 204, 234, 236, 294, 340, 410 Mazouienses (Mazouii), Einwohner von Masowien 158, 234 Medirecze / Meseritz / Miedzyrzecz, westgroßpolnischer Burgort 196 Morauia / Mähren 106, 148, 170, 188, 196
423
Moscaua / Mozgawa, Ort u. Fluss in Kleinpolen 386 Motana / Methona, Stadt in Makedonien 202 Nakel / Nakło, Burg im piastischpomoranischen Grenzbiet 184, 246, 248 Nazarei / Nazarener 138 Olomucensis, Einwohner v. Olmütz 258 Pannonia / Pannonien = Ungarn 96, 108, 266, 272, 276, 354 Pannonii / Pannonier = die Ungarn 96, 106, 264, 270, 272, 274, 276, 348, 350, 360 Parnasus / Parnass 229, 250 Parthi / Parther, osteurop. Turkvolk = Polovcer 118, 172, 196, 204, 256, 344, 346, 392 Persae / Perser 264, 316 Philistei / Philister 128, 200, 234 Phryger s. Friges Pilcia, Fluss in Polen 282 Plocenses, Einwohner von Płock 234, 332. 362 Plauci s. Parthi Płock, masowische Burgstadt und Bischofssitz 236, 330 Polen s. Poloni(a) Pollexiani / Pollexianer / Połekszanie, pruzzischer Stamm 360, 362, 364 Poloni, Einwohner Polens 94, 104, 108, 126, 142, 150, 152, 158, 170, 180, 184, 186, 230, 232, 256, 266, 268, 338, 360, 396, 400 Polonia / Polen 96, 104, 106, 110, 134, 140, 144, 150, 170, 186, 196, 248, 252, 254, 412 Polovcer s. Parthi Pomorani / Pomoranen 170, 184, 190, 194, 198, 202, 226, 230, 232, 234, 236, 240, 328, 332 Pomorania / Pommern 148, 158, 202, 228
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Anhang
Pontus 316 Posnaniensis / Posen / Poznan 282, 328, 330, 332 Praga / Prag 148 Pragite / Prager 208, 218, 232, 256, 258, 288 Premisl / Przemysl, ruthenische Burgstadt 330 Provincia / Provence 180 Prusia / Pruzzenland 148 Prussi / Pruzzen (s. auch Gethi) 234, 360 Psie Pole s. Caninum Campestre Roma / Rom 94, 356 Romani / Römer 94, 118, 134, 136, 340, 352, 356 Romanum Imperium / Römisches Reich 118, 352 Rugia / Rügen 300 Rusia / Rus 148, 150, 168, 258, 262, 268, 330, 344, 354, 392, 396, 398 Rutheni(ci) / Ruthenen 148, 150, 158, 168, 172, 300, 362, 386, 388, 392, 398 Sabini / Sabiner 136 Sala / Saale 148 Saladinistae / Saladinisten, Kreuzfahrer gegen die Pruzzen 362 Samaria 358 Sandomir, kleinpolnische Burgstadt und Region 334 Santocenses, Einwohner v. Zantoch 196 Santok / Zantoch, Burg im piastischpomoranischen Grenzgebiet 196 Saxones, Einwohner v. Sachsen 148, 328 Saxonia / Sachsen 300 Scithe / Skythen 160, 162, 172 Segobrii / Segobrier, keltisches Volk 190 Selencia, unbestimmte Region in Osteuropa 148 Sicambri / Sigambrer, leg. Volk in Indien 230
Sicilia / Sizilien 102 Sicilii / Sizilianer 134 Sidonia / Sidon 136 Silencium / Schlesien 106, 136, 186, 188, 190, 254, 256, 290, 328 Sion / Zion 406 Slauia / Slavia = Slavenland 118 Sodomite, Einwohner von Sodom 358 Spartani, Einwohner v. Sparta 172, 200 Spicimir / Spicymierz, Burgort in Großpolen / Sieradzer Land 238 St. Gilles 180 Sunamici / Sunamiter, Einwohner v. Sunam 356 Surbiensis / Sorben 118 Syria / Syrien 356 Syrii, Einwohner Syriens 356, 358 Syrtes / Syrten, Meerbusen 90, 348, 370 Tagus / Tajo, Fluß in Spanien 316 Teut(ta)te, Teutonici / Teutonen = Deutsche 154, 208 Treuerensis / Trier 244 Tusci / Etrusker 136 Tyri / Tyrier, Bewohner von Tyros 114 Velen / Wielen, Burgstadt in Großpolen 232 Vislicia / Wislica, Burgstadt in Kleinpolen 334, 406 Visliczienses, Einwohner v. Wislica 266 Vngari / Ungarn 148, 230, 232, 300 Vngaria / Ungarn 168, 176, 182, 188, 230, 348 Wandali / Wandalen = Polen 102 Wandalum / Weichsel / Wisła 102 Wislica s. Vislicia Wladimir s. Laodomiria Włocławek / Leslau, kujawische Burgstadt und Bischofssitz 330 Wratislauia / Breslau / Wrocław 188, 190, 332