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German Pages 307 Year 2008
Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht Band 47
Die Behandlung elektronischer B2B-Marktplätze im US-amerikanischen und europäischen Kartellrecht Von
Kerstin Henrich
Duncker & Humblot · Berlin
KERSTIN HENRICH
Die Behandlung elektronischer B2B-Marktplätze im US-amerikanischen und europäischen Kartellrecht
Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht Herausgegeben im Auftrag des Instituts für Europäisches Wirtschaftsrecht der Universität Erlangen-Nürnberg durch die Professoren Dr. Thomas Ackermann und Dr. Karl Albrecht Schachtschneider
Band 47
Die Behandlung elektronischer B2B-Marktplätze im US-amerikanischen und europäischen Kartellrecht
Von
Kerstin Henrich
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Wintersemester 2006/2007 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2008 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0947-2452 ISBN 978-3-428-12637-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2006/2007 von der Rechtwissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Dissertation angenommen. Mein herzlicher Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Daniel Zimmer, LL.M., an dessen Lehrstuhl ich lange Zeit tätig sein durfte und der mich von der Wahl des Themas bis zum Abschluss der Arbeit stets hilfreich unterstützt hat. Herrn Professor Dr. Wulf-Henning Roth, LL.M., danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Neben Herrn Professor Dr. Zimmer gebührt mein Dank Herrn Professor Clark Havighurst, der während meines Studienjahres an der Duke University School of Law mein Forschungsprojekt zu elektronischen Marktplätzen betreut hat. Herrn Professor Dr. Thomas Ackermann und Herrn Professor Dr. Karl Albrecht Schachtschneider bin ich zur Aufnahme der Arbeit in ihre Schriftenreihe zu Dank verpflichtet. Besonders danken möchte ich der Studienstiftung des deutschen Volkes, die nicht nur mein Studium in Deutschland sowie die Erstellung der vorliegenden Arbeit gefördert, sondern auch meinen LL.M.-Aufenthalt an der Duke University durch ein ERP-Stipendium unterstützt hat. Für die Finanzierung des ERP-Stipendienprogramms danke ich dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie. Ebenso danke ich der Rotary Foundation für die großzügige Unterstützung im Rahmen des Rotary Ambassadorial Scholarship-Programms. Düsseldorf, Oktober 2007
Kerstin Henrich
Inhaltsverzeichnis Erster Abschnitt Einführung
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§ 1 Erscheinungsformen elektronischer Marktplätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Inhaberstruktur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entwicklungsphasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausblick auf die nächsten Jahre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Preisbildungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Horizontale und vertikale Marktplätze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20 21 21 22 24 26
§ 2 Weitere Differenzierungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26
Zweiter Abschnitt Die Behandlung elektronischer Marktplätze im US-amerikanischen Kartellrecht
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§ 1 Relevante Normen des US-Kartellrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Sherman Act. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Kartellverbot des § 1 Sherman Act. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Monopolisierungsverbot des § 2 Sherman Act . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Section 1 und 2 als Straftatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Clayton Act . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Section 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Durchführungsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anwendung auf elektronische Marktplätze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. B2Bs als joint ventures . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. B2Bs als Zusammenschlüsse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30 31 31 36 37 38 38 40 41 41 44
§ 2 Extraterritoriale Anwendbarkeit des US-Kartellrechts . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einfuhren in die USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Andere Fälle des Außenhandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 3 Sachliche und räumliche Marktabgrenzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bestimmung des sachlich relevanten Marktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kriterien der sachlichen Marktabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die betroffenen Märkte im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Markt der gehandelten Güter und Dienstleistungen . . . . . . . . . b) Der Markt für Marktplätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55 56 56 57 58 61
8
Inhaltsverzeichnis II. Bestimmung des räumlich relevanten Marktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kriterien der räumlichen Marktabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die betroffenen Märkte im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Markt der gehandelten Güter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Markt für Marktplätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 4 Kartellrechtliche Relevanz der erhöhten Markttransparenz auf B2Bs . . I. Horizontaler Informationsaustausch im US-Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsprechung zum Informationsaustausch zwischen Wettbewerbern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Competitor Collaboration Guidelines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bewertungsfaktoren im Allgemeinen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sicherheitszone für Kooperationen zwischen Wettbewerbern . . . . . 3. Health Care Statements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Aussagen des FTC Report . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Öffentliche Ankündigungen zukünftiger Preise und das Oligopolproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Abgrenzung zwischen bewusstem Parallelverhalten und Verhaltenskonzertierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schluss auf Verhaltensabstimmungen anhand von Zusatzfaktoren . . . . 3. Feststellbarkeit von konzertiertem Verhalten auf B2B-Marktplätzen . . 4. Abgestimmtes Verhalten bei Auktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Vorschläge zur Begrenzung des Informationsflusses . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 5 Bündelung von Einkaufsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Behandlung von Einkaufsgemeinschaften im US-Kartellrecht . . . . . . 1. Einkaufsgemeinschaften in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bewertung anhand der Competitor Collaboration Guidelines . . . . . . . . II. Hinweise auf die Ausübung von Nachfragemacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Art der Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Marktstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mengenreduzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verpflichtung zum ausschließlichen Bezug über die Kooperation . . . . III. Anwendung auf elektronische Marktplätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Alleiniges Abstellen auf Mengenreduzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beurteilung anhand der allgemeinen Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 6 Zugang zu elektronischen Marktplätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bedeutung von Netzeffekten für die Zugangsproblematik. . . . . . . . . . . . . . 1. Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inter- und Intra-Systemwettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine Abhängigkeit der Netzeffekte von Ausgestaltung der Plattformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Preisbildungsmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Integrationsgrad. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
111 111 112 113
70 74 74 78 79 82 84 85 87 91 93 95
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Inhaltsverzeichnis II. Die essential facilities-Doktrin im US-Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kontrolle der Einrichtung durch mehrere Unternehmen . . . . . . . . . . . . 2. Kontrolle der Einrichtung durch ein Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Voraussetzungen im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ausgestaltung des Zugangsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Anwendung auf elektronische Marktplätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Weitere Zugangsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Konzertierte Geschäftsverweigerung (group boycott) . . . . . . . . . . . . . . . 2. Preisdiskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Treuerabatte (Fidelity Rebates) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsverstoß nur bei Unterkostenverkäufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Untersuchung auf Ausschließlichkeitswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Dritter Abschnitt Die Behandlung elektronischer Marktplätze im europäischen Kartellrecht
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§ 1 Relevante Normen des europäischen Kartellrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Art. 81 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Art. 82 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fusionskontrollverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 2 Extraterritoriale Anwendbarkeit des europäischen Kartellrechts . . . . . . I. Die kollisionsrechtliche Anwendbarkeit der einzelnen Sachnormen . . . . 1. Art. 81 EG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Art. 82 EG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fusionskontrollverordnung (FKVO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kommissionspraxis und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anwendung auf elektronische Marktplätze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
153 153 153 154 155 156 158
§ 3 Sachliche und räumliche Marktabgrenzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bestimmung des sachlich relevanten Marktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kriterien der sachlichen Marktabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die betroffenen Märkte im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Markt für auf B2Bs gehandelte Güter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Markt für die Vermittlungsleistungen elektronischer Marktplätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ansatz des Bundeskartellamts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ansatz der Kommission. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Funktionale Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Diskussion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Teilmärkte für internet-basierte, elektronische Beschaffungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis aa) bb) cc) dd)
Wettbewerb zwischen B2Bs und B2Cs? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wettbewerb zwischen vertikalen und horizontalen B2Bs? . . . . Wettbewerb zwischen offenen und privaten B2Bs? . . . . . . . . . . Wettbewerb zwischen B2Bs und LiefermanagementProgrammen?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bestimmung des räumlich relevanten Marktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die betroffenen Märkte im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Markt für auf B2Bs gehandelte Güter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Markt für die Vermittlungsleistungen elektronischer Marktplätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 4 Auswirkungen von B2B-Marktplätzen auf die Markttransparenz . . . . . . I. Marktinformationssysteme im EG-Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Stellungnahmen der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entscheidungspraxis der Kommission und der europäischen Gerichte a) Kartellüberwachende Marktinformationssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . b) Selbständige Marktinformationssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einseitige Preisankündigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung und Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendung auf B2B-Marktplätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aussagen der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellungnahmen des Schrifttums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eigener Lösungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine Einschränkung des Geheimwettbewerbs auf B2BMarktplätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Behandlung von Versteigerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Informationsasymmetrie kein entscheidender Beurteilungsfaktor . . d) Beweislast. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Notwendigkeit von Sicherheitsvorkehrungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Vorschlag für besonders gefährdete Branchen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 5 Bündelung von Einkaufsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Behandlung von Einkaufsgemeinschaften im europäischen Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einkaufsgemeinschaften in der Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . 2. Einkaufsgemeinschaften in den Horizontalleitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendung auf elektronische Marktplätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine Sonderregeln für Ad-hoc-Nachfragebündelungen . . . . . . . . . . . . . 2. Nachfragebündelung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verbesserung der Warenerzeugung, Förderung des technischen Fortschritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verbraucherbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
174 175 177 177 178 178 179 179 181 184 186 187 190 190 192 196 197 198 199 201 205 205 208 209 210 216 218 220 220 221 223 226 226 228 230 231 233
Inhaltsverzeichnis
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3. Unerlässlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 4. Keine Ausschaltung des Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 § 6 Zugang zu elektronischen Marktplätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zugangsverweigerung und das Konzept der „wesentlichen Einrichtung“ 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Begriff der wesentlichen Einrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einordnung des Konzepts in die Systematik des Art. 82 EG . . . . . . . . 4. Die Anwendungsvoraussetzungen im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beherrschende Stellung auf dem Primärmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kein Wettbewerbsverhältnis erforderlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anwendung nur bei fehlendem Wettbewerb auf Sekundärmarkt . . 5. Das Konzept der wesentlichen Einrichtung im Bereich des Art. 81 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Anwendung auf elektronische Marktplätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beherrschende Stellung auf dem Primärmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anwendbarkeit der hergebrachten Kriterien auf neue Technologien? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Beherrschung des Marktes für B2B-Vermittlungsleistungen . . b) Unentbehrlichkeit des Zugangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Existenz anderer Absatz- und Beschaffungswege . . . . . . . . . . . bb) Keine Möglichkeit der Schaffung einer gleichartigen Einrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Keine sachliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zugangsgewährung zu diskriminierenden oder unbilligen Bedingungen 1. Zulässigkeit von Preisnachlässen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Diskriminierungsverbot des Art. 82 Abs. 2 lit. c) EG . . . . . . . b) Objektive Mengenrabatte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendung auf elektronische Marktplätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
238 239 239 241 244 249 249 249 250
Zusammenfassung in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriffsbestimmung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sachliche und räumliche Marktabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Informationsaustausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bündelung von Einkaufsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zugang zu elektronischen Marktplätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
282 282 282 283 285 286 289
254 255 256 256 258 261 263 263 265 270 271 272 272 276 277 278
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302
Abkürzungsverzeichnis ABl.EG AG Antitrust L.J. BB BGBl. BGH BKartA BT-Drs. C.F.R. Cir. CMLR Conn. J. Int’l L. Cornell J.L. & Pub. Pol’y CR DB Duke L. J. ECLR Econ. J. EuZW EWiR FTC Geo. L. J. Geo. Mason L. Rev. Harv. L. Rev. IPRax J. Pol. Econ. Minn. Intell. Prop. Rev. MMR PLI/Corp PLI/Pat RIW Rs.
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Die Aktiengesellschaft Antitrust Law Journal Betriebs-Berater Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Bundeskartellamt Bundestags-Drucksache Code of Federal Regulations Circuit Common Market Law Reports Connecticut Journal of International Law Cornell Journal of Law and Public Policy Computer und Recht Der Betrieb Duke Law Journal European Competition Law Review The Economic Journal Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Federal Trade Commission Georgetown Law Journal George Mason Law Review Harvard Law Review Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts The Journal of Political Economy Minnesota Intellectual Property Review Multimedia und Recht Practising Law Institute – Corporate Law and Practice Course Handbook Series Practising Law Institute – Patents, Copyrights, Trademarks, and Literary Property Couse Handbook Series Recht der Internationalen Wirtschaft Rechtssache
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Erster Abschnitt
Einführung Seit dem Jahr 2000 wird in den USA und in Europa die kartellrechtliche Behandlung von elektronischen Marktplätzen im Internet, auch Business-toBusiness Plattformen („B2Bs“) genannt1, diskutiert. Diese Marktplätze werden mit dem Ziel geschaffen, über das Internet die Kommunikation und Durchführung von Transaktionen durch Lieferanten, Händler, Dienstleistungserbringer und Kunden zu ermöglichen.2 Dadurch soll die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen schneller und effizienter werden: Transaktionskosten sollen gesenkt und eine bessere Verknüpfung zwischen den Lieferketten von Produzenten und Abnehmern erreicht werden. Obwohl die dadurch erreichbaren Einsparungen unterschiedlich hoch angesetzt werden, sprechen auch Wettbewerbshüter von bis zu 30% der Beschaffungskosten.3 In der Automobilproduktion sollen pro Auto Einsparungen von ca. 640 USDollar in Europa und sogar 1200 US-Dollar in den USA erzielt werden können.4 Kritiker äußern die Befürchtung, dass solche Kostenvorteile nicht vollständig durch Effizienzsteigerungen, sondern auch zu Lasten der Zulieferindustrie verwirklicht werden sollen.5 Wer die Berichterstattung der Wirtschaftspresse über elektronische B2B-Marktplätze verfolgt hat, konnte feststellen, dass diese anfangs von Euphorie geprägt war. Die Gründung von Internetplattformen wurde im Zuge der allgemeinen Begeisterung für die sogenannte „New Economy“ als die Lösung sämtlicher Absatz- und Beschaffungsprobleme gefeiert, die Unternehmen weltweit die Erschließung neuer Geschäftspartner, die Senkung 1 Darüber hinaus existiert noch eine Vielzahl weiterer Bezeichnungen für dieses Phänomen, wie z. B. b-webs, Internet trading hubs oder electronic hubs, vgl. Blumenthal, Antitrust Report, Mai 2000, 34, 35. 2 Vgl. Immenga/Lange, RIW 2000, 733, 724, ihrerseits bezugnehmend auf Blumenthal, Antitrust Report, Mai 2000, 34. 3 Schaub in: Recht, Wettbewerb und e-commerce, 49, 50. 4 Deutsche Bank/Roland Berger, Automotive e-Commerce, 2000, S. 10 f., zitiert von Gassner, MMR 2001, 140. 5 Vgl. Böge in: Recht, Wettbewerb und e-commerce, 39, 41, der darauf hinweist, dass Hersteller in frühen Presseverlautbarungen vor allem die Kosteneinsparungen priesen, die sich über einen gemeinsamen Einkauf zulasten der Zulieferer realisieren ließen.
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1. Abschn.: Einführung
der Prozesskosten und die Ausschöpfung ungeahnten Wachstumspotentials verhieß. Darauf folgte eine Phase der Negativberichterstattung, die sich vor allem mit der steigenden Anzahl von unrentablen B2B-Marktplätzen befasste und vielen Unternehmen mangelnde Bereitschaft zum Einkauf via Internet vorwarf.6 Dies hat dazu geführt, dass die tatsächliche Bedeutung des elektronischen Handels in den letzten Jahren eher unterschätzt wurde, und zwar vor allem von der mittelständischen Industrie. Dagegen verlagerten viele Großunternehmen „still und heimlich“ beträchtliche Teile ihrer Absatz- und Beschaffungsaktivitäten ins Internet, wie es eine führende deutsche Tageszeitung formulierte.7 Eine im Frühjahr 2006 von der Initiative „e-Business W@tch“ durchgeführte Befragung von Unternehmen in allen (damals) 25 Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie vier weiteren Ländern ergab, dass elektronische Beschaffungsmethoden sich in Großunternehmen als Basistechnologie durchgesetzt haben, während bei kleinen und mittleren Unternehmen noch Nachholbedarf besteht.8 Der Untersuchung zufolge ist die Verbreitung des elektronischen Handels des Weiteren branchenabhängig und bei Herstellern von Computern und Telekommunikationsgeräten sowie von Unterhaltungselektronik am weitesten fortgeschritten.9 Weitere Branchen, in denen ausweislich einer Untersuchung von „e-Business W@tch“ von Anfang 2005 die Möglichkeiten des elektronischen Handels intensiv genutzt werden, sind die Automobil-, Luftfahrtund pharmazeutische Industrie.10 Speziell bezüglich der Nutzung von B2B-Marktplätzen ergibt sich im Jahr 2007 ein differenziertes Bild: Während unter Anbietern von Telekommuni6 Vgl. z. B. Harris, Private Exchanges May Allow B-to-B Commerce to Thrive After All, Wall St. J. vom 16. März 2001, B 1; Geringes Interesse an InternetMarktplätzen, FAZ vom 28. März 2002, S. 29. 7 Der Mittelstand tastet sich nur langsam an E-Business heran, FAZ vom 22. Juli 2002, S. 18. 8 The European e-Business Report, 2006/07 edition (erschienen im Januar 2007), S. 9, 11, abrufbar unter http://www.ebusiness-watch.org/key_reports/documents/ EBR06.pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). Die Initiative e-Business W@tch wurde Ende 2001 von der Generaldirektion Unternehmen der Europäischen Kommission gegründet und untersucht neuere Entwicklungen in der Informations- und Kommunikationstechnologie und ihre Auswirkungen auf verschiedene Sektoren der europäischen Wirtschaft. 9 The European e-Business Report, 2006/07 edition (vgl. vorige Fn.), S. 11. Untersucht wurden die folgenden Branchen: Lebensmittel- und Getränkeindustrie, Schuhindustrie, Zellstoff- und Papierherstellung, Herstellung von Computern und Telekommunikationsgeräten, Herstellung von Unterhaltungselektronik, Schiffsbau, Baugewerbe, Tourismus, Telekommunikation und Krankenhauswesen. 10 The European Market W@tch: E-Business in Europe – 2005, abrufbar unter http://www.ebusiness-watch.org/key_reports/documents/BRO05.pdf, S. 6 (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007).
1. Abschn.: Einführung
17
kationsdienstleistungen sowie im Baugewerbe und im Schiffsbau die Nutzung von elektronischen Marktplätzen zumindest durch Großunternehmen verbreitet ist,11 nutzt die Automobilindustrie zwar in großem Umfang elektronische Beschaffungslösungen; B2B-Marktplätze setzen sich aber langsamer durch als erwartet.12 Besonders die bei ihrer Gründung viel beachtete Einkaufsplattform Covisint13, an der die Automobilhersteller General Motors, Ford, Daimler-Chrysler, Peugeot und Citroën, Renault, Nissan sowie die Software-Häuser Oracle und Commerce One beteiligt waren, hat anscheinend die Erwartungen ihrer Anteilseigner nicht zu erfüllen vermocht: Covisint wurde Anfang 2004 an FreeMarkets und Compuware verkauft. Während FreeMarkets, ein Anbieter von Beschaffungsdienstleistungen, der bereits eine Internet-Auktionsplattform betrieb, den Auktionsbereich übernahm, führt Compuware die Plattform unter dem Namen Covisint weiter.14 Der Eigentümerwechsel scheint sich auszuzahlen: Bereits im ersten Jahr nach dem Einstieg von Compuware hat sich Pressemitteilungen zufolge der Umsatz von Covisint um 68 Prozent erhöht.15 Des Weiteren hat Covisint ein Büro in Shanghai eröffnet, um auf dem chinesischen Markt präsent zu sein.16 Auch eine Diversifizierung ist erfolgt: Neben Dienstleistungen für den Automobilsektor bietet Covisint elektronische Lösungen für Gesundheitsdienstleister17 und die Verwaltung und Sicherung von Nutzerprofilen und Passwörtern (sog. „Identity management“) an.18 11 The European e-Business Report, 2006/07 edition (vgl. Fn. 8), S. 84 (Übersicht), 151 (zum Schiffsbau), 160 f. (zum Baugewerbe), 185 (zu Telekommunikationsdienstleistungen). 12 Vgl. E-Business in Europe – 2005, (vgl. Fn. 10), S. 14 (zur Automobilindustrie). Die Automobilindustrie war nicht Gegenstand der Untersuchung im Jahr 2006. 13 Der Name Covisint steht für die Funktionen, welche die Plattform übernehmen soll: Communication, connectivity and collaboration within automotive supply, through applying the vision and visibility from the Internet in order to integrate automakers and suppliers alike. Vgl. Bailey, S. 4. 14 Vgl. Pressemitteilung vom 5. Feb. 2004, abrufbar unter http://covisint.com/res/ pr/2004/2004.FEB.05.shtml (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). FreeMarkets wurde kurz danach vom Softwareanbieter Ariba aufgekauft, siehe Wichmann, Ariba und FreeMarkets – Verstärkte Kokurrenz für ERP-Anbieter im SRM-Markt?, Spotlight vom 28. Jan. 2004, Berlecon Research GmbH, abrufbar unter http://www.berle con.de (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 15 Absolute Zahlen veröffentlicht Compuware aber nicht über Covisint, vgl. Sullivan, Covisint E-Business Portal Expands Into Health Care http://www.infor mationweek.com/story/showArticle.jhtml?articleID=167101104 (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 16 Compuware Covisint Extends Asia Pac Presence By Opening China Office, Pressemitteilung vom 31. Aug. 2005, abrufbar unter http://covisint.com/res/pr/ 2005/2005.AUG.31.shtml (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 17 Vgl. http://www.covisint.com/industries/healthcare/ (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007).
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Andere Internetplattformen haben sich dagegen erfolgreich am Markt etablieren können. So meldete Exostar, der im Jahr 2000 von BAE Systems, Boeing, Lockheed Martin, Raytheon und Rolls-Royce gegründete Marktplatz für die Luft-, Raumfahrt- und Rüstungsindustrie, dass im Jahr 2006 auf seiner Plattform Transaktionen im Wert von mehr als US-Dollar 35 Milliarden abgewickelt wurden.19 Den Unternehmensangaben zufolge waren im Oktober 2007 mehr als 38.000 Unternehmen weltweit als Nutzer von Exostar registriert.20 Im Frühjahr 2007 lagerte Boeing das Lieferkettenmanagement für die ca. 125 größten Lieferanten des Unternehmens auf Exostar aus.21 Die Erfahrungen, die insbesondere Großunternehmen inzwischen mit dem Ein- und Verkauf mittels elektronischer Marktplätze gesammelt haben, belegen, dass deren Einsatz tatsächlich zu Effizienzsteigerungen führt; dies gilt vor allem dann, wenn die Marktplätze zusätzliche Dienstleistungen im Bereich der Logistik, des Lieferkettenmanagements etc. anbieten. So bezog beispielsweise der Elektronikkonzern Siemens, der zu den Vorreitern der elektronischen Beschaffung in Deutschland gehört, Mitte 2002 bereits 17 Prozent seines gesamten Beschaffungsvolumens via Internet.22 Einem Unternehmenssprecher zufolge reduzierten sich die Prozesskosten dadurch um bis zu 50 Prozent und die Einkaufspreise um 10 bis 20 Prozent.23 Sehr zufrieden mit den im elektronischen Einkauf erzielten Einsparungen zeigt sich auch die Lufthansa, die nach eigenen Angaben durch Nachfragebündelung mit anderen Unternehmen sowie durch Ausschreibungen und Auktionen eine Senkung der Einkaufspreise um bis zu 40 Prozent erreichte.24 Laut einer 2005 durchgeführten Studie „Effizienz und Best Practice im Einkauf“ des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e. V. (BME) realisierten Unternehmen, die elektronische Lösungen im Ein18 Vgl. http://www.covisint.com/industries/id/ (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 19 Exostar Marks Record-Setting Growth in 2006, Pressemitteilung vom 18. Jan. 2007, abrufbar unter http://www.exostar.com/news/press_releases/pressrelease_ view.asp?id=157 (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 20 Exostar Ranks Again on Deloitte’s Technology Fast 50, Pressemitteilung vom 3. Okt. 2007, abrufbar unter http://www.exostar.com/news/press_releases/press release_view.asp?id=190 (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 21 Exostar Enables Boeing High-Volume Suppliers, Pressemitteilung vom 31. Mai 2007, abrufbar unter http://www.exostar.com/news/press_releases/pressrelease_ view.asp?id=173 (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 22 H. Schmidt, Großkonzerne treiben den Internet-Handel in großen Schritten voran, FAZ vom 12. Aug. 2002, S. 16. 23 Zitiert von H. Schmidt, a. a. O. 24 H. Schmidt, a. a. O.
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kauf einsetzten, eine zwischen 40 und 184 Prozent höhere Wertschöpfung als Unternehmen, die auf den Einsatz solcher Beschaffungslösungen verzichten.25 Diese Angaben beziehen sich auf E-Procurement (elektronische Beschaffung im Allgemeinen) und E-Sourcing-Lösungen (Beschaffung speziell mittels elektronischer Ausschreibungen und Auktionen).26 Von den Unternehmen, die elektronische Ausschreibungen und Auktionen aktiv nutzen, gaben 40 Prozent an, dadurch eine Einsparung von bis zu 25 Prozent bei den Einstandspreisen zu erzielen.27 Angesichts der noch immer hohen Anzahl von Internetplattformen und ihrer weiterhin steigenden Bedeutung in bestimmten Industriezweigen, erscheint es nur natürlich, dass sich Wettbewerbsbehörden in den USA und der EU mit möglichen Auswirkungen dieser Entwicklung befasst haben. Die Federal Trade Commission lud bereits im Juni 2000 sowie erneut im Mai 2001 zu Workshops zum Thema elektronische Marktplätze ein.28 Auch die Generaldirektion Unternehmen der Europäischen Kommission veranstaltete seit 2001 mehrere Workshops und veröffentlichte Studien und statistische Untersuchungen zum Thema E-Business in Europa.29 Des Weiteren beteiligte sich die Generaldirektion Unternehmen in den Jahren 2004–2005 an dem Projekt eMarket Services, welches von den Handelsorganisationen mehrerer Länder finanziert wird.30 Ziel von eMarket Services ist es, kleine und mittlere Unternehmen zur Nutzung von B2B-Internetplattformen anzuregen und ihnen bei der Auswahl der passenden Plattform behilflich sein. Die Federal Trade Commission, die Kartellrechtsabteilung des US-Justizministeriums, die EU-Kommission und das Bundeskartellamt haben im Zu25
Grünbeck, Goldmine Einkauf, FAZ-Sonderteil „Einkauf und Logistik“ vom 26. Okt. 2005, S. B6. 26 Die Begriffe „E-Procurement“ und „E-Sourcing“ werden nicht einheitlich gebraucht; die Verfasserin folgt der Definition des BME (nachzulesen etwa unter BME-Pressemeldung vom 10. Mai 2005, abrufbar unter http://portal.bme.de/pls/ webgui/pk_index.startup, zuletzt besucht am 27. Aug. 2007) sowie des Softwareanbieters Softlab (vgl. http://www.softlab.com/globalContentSoftlab/factsheets/res Documents/SL_FS_esourc_v41.pdf, zuletzt besucht am 27. Aug. 2007). 27 BME-Stimmungsbarometer Elektronische Beschaffung 2005, vgl. BME-Pressemeldung vom 10. Mai 2005, abrufbar unter http://portal.bme.de/pls/webgui/pk_ index.startup (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 28 Zu beiden Workshops wurden Materialien im Internet veröffentlicht, siehe Literaturangaben. 29 Vgl. dazu die umfangreiche Übersicht der DG Unternehmen über die abrufbaren Materialien unter http://europa.eu.int/comm/enterprise/ict/index_en.htm (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 30 Träger des gemeinnützigen Projekts sind die Handelsorganisationen von Australien, Irland, Norwegen, Schweden, Portugal, Spanien und der Niederlande, siehe http://www.emarketservices.com/start/About_eMarket_Services/index.html (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007).
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1. Abschn.: Einführung
sammenhang mit der Gründung von elektronischen Handelsplattformen mehrere Entscheidungen getroffen. Auffällig ist jedoch, dass es unter den Publikationen gerade in den USA viele gibt, deren Autoren vor übertriebener Einmischung der Wettbewerbsbehörden warnen.31 Angesichts der veränderlichen wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Zeit scheinen Bemerkungen wie „government regulations, rather than attracting customers, are shaping up to be the greatest hurdle for the burgeoning . . . e-commerce businesses“32 zwar überholt. Es fragt sich dennoch, ob solche Aussagen lediglich die in den USA weit verbreitete Skepsis gegenüber behördlicher Einmischung in das Marktgeschehen reflektieren. Ebenso ließe sich angesichts der häufig geäußerten Warnungen vor behördlicher Einmischung33 die Folgerung ziehen, dass es vielleicht gute Gründe für behördliche Einmischung gibt. Wie die Federal Trade Commission lässt die Generaldirektion Wettbewerb der EU-Kommission eine grundsätzlich wohlwollende Einstellung gegenüber elektronischen Marktplätzen erkennen.34 Dabei weist die Generaldirektion Wettbewerb jedoch darauf hin, dass die Ziele der Wettbewerbspolitik für traditionelle und elektronische Unternehmungen gleichermaßen gelten.35 Die folgende Untersuchung ist der Frage gewidmet, ob von elektronischen Handelsplattformen möglicherweise Gefahren für den Wettbewerb ausgehen und, wenn ja, worin diese Gefahren liegen könnten. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der kartellrechtlichen Betrachtung von Marktplätzen, die von führenden Unternehmen einer Branche gegründet wurden. Zunächst sollen die Erscheinungsformen und die Funktionsweise von Internetplattformen erläutert werden. Daraufhin wird ihre Behandlung im US-amerikanischen und europäischen Kartellrecht diskutiert und verglichen.
§ 1 Erscheinungsformen elektronischer Marktplätze Obwohl Internetplattformen sehr unterschiedlich aufgebaut sind und sich eine einheitliche Typologie noch nicht durchgesetzt hat36, lassen sie sich anhand der folgenden Merkmale unterscheiden. 31 Etwa Clanton/Leiseca/Laing/Burow, S. 2; Wall, Aviation Wk. & Space Tech. vom 15. Mai 2000, 38, 2000 WL 7602867, S. *1. 32 Siehe Wall, Aviation Wk. & Space Tech. vom 15. Mai 2000, 38. 33 Es finden sich jedoch auch kritische Beiträge in der US-amerikanischen Literatur, siehe etwa Horton/Schmitz, Wayne L. Rev. Winter 2001/Spring 2002, 1231 ff. 34 Vgl. Schaub in: Recht, Wettbewerb und e-commerce, 49, 50. 35 Vgl. Schaub in: Recht, Wettbewerb und e-commerce, 49, 50. 36 Gassner, MMR 2001, 140, 141; Immenga/Lange, RIW 2000, 733, 734.
§ 1 Erscheinungsformen elektronischer Marktplätze
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I. Inhaberstruktur Die Entwicklung der ersten Handelsplattformen liegt erst relativ kurze Zeit zurück, kann jedoch bereits in drei Phasen eingeteilt werden, die von einer unterschiedlichen Inhaberstruktur geprägt sind. 1. Entwicklungsphasen Von den Anfängen im Jahr 1994 bis 1999 wurden Handelsplattformen von unabhängigen Unternehmen gegründet, häufig Softwareunternehmen, deren Geschäftsidee darin bestand, Käufern und Verkäufern die Möglichkeit elektronischer Geschäftsanbahnung und -abschlüsse im Internet zu bieten.37 Für die Nutzung dieses „Maklerservices“ wurden dann Transaktionsgebühren erhoben. Zum Leidwesen vieler B2B-Unternehmer der ersten Stunde stellte sich jedoch heraus, dass viele potenzielle Kunden ihrerseits nach Lösungen suchten, die den Verzicht auf solche Mittler ermöglichen würden.38 Viele dieser neutralen Handelsplattformen haben aus diesem Grund bereits aufgeben müssen, und für die Mehrheit der noch Verbleibenden wird es aller Voraussicht nach schwierig werden, sich zu behaupten. Denn ungefähr im Jahr 2000 begann die zweite Phase der B2B-Entwicklung, in der Käufer und Abnehmer ihre eigenen Marktplätze gründeten. Häufig kam es dabei zur Zusammenarbeit zwischen den führenden Unternehmen einer Branche. Aeroxchange, Covisint, CPG Market, E2open, Elemica, Exostar, GlobalNetXchange, MyAircraft, Rubbernetwork, Transora und Volbroker sind nur einige Beispiele, über die in den Medien berichtet wurde. Eine solche Gründungswelle von Gemeinschaftsunternehmen durch führende Wettbewerber ist wahrscheinlich ohne Beispiel. Bereits kurze Zeit später begann eine dritte Phase der Gründungsaktivitäten, die sogenannte private Marktplätze umfasste.39 Dabei lädt ein Großunternehmen nur bestimmte, wichtige Zulieferer zur Teilnahme an seiner Handelsplattform ein, die also nicht allen Unternehmen offen steht. Jedoch umfassen diese privaten Plattformen nicht nur eine kleine Anzahl Unternehmen. Beispielsweise IBM vereint auf einem solchen Marktplatz über 20.000 Zulieferer, vom Monitorhersteller bis zum Mikrochiplieferanten. Nach eigenen Angaben beliefen sich die dadurch erzielten Einsparungen im ersten Jahr bereits auf 400 Millionen Dollar.40 Auch MAN hat alle Lieferantenbe37
Blumenthal, Antitrust Report, Mai 2000, 34, 36. Vgl. Chan, E-Business: Online Marketplaces Spring Up in Europe, Wall St. J., 8. Jan. 2001, B 10. 39 So Harris, ‚Private Exchanges‘ May Allow B-to-B Commerce to Thrive After All, Wall St. J., 16. März 2001, B 1. 38
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ziehungen in dem zentralen Beschaffungsportal MAN2B gebündelt und seit dessen Inbetriebnahme 2003 die Beschaffungskosten erheblich gesenkt.41 Die Automobilhersteller Volkswagen und BMW haben ebenfalls private Marktplätze in Betrieb genommen.42 Die Fragen, die sich beim Betrieb von privaten Marktplätzen stellen könnten, sind jedoch nicht Gegenstand der folgenden Untersuchung, da es sich bei diesen nicht um elektronische Handelsplattformen im üblichen Sinne handelt, bei denen Interaktionen zwischen mehreren Marktteilnehmern auf Anbieter- und Nachfragerseite stattfinden.43 Private Marktplätze sind vielmehr als interne Beschaffungslösungen von Großunternehmen zu betrachten. 2. Ausblick auf die nächsten Jahre Auf die B2B-Gründungswelle in den Jahren 1999 bis 2001 folgte eine Phase der Konsolidierung, in der viele Marktplätze ihren Betrieb einstellten oder sich mit konkurrierenden Internetplattformen zusammenschlossen. Von der vorzeitigen Schließung betroffen waren dabei nicht nur von Start-up Unternehmen gegründete Marktplätze, sondern auch Plattformen, an denen sich große Unternehmen einer Branche beteiligt hatten; als Beispiele seien MetalSpectrum44, der Handelsplatz für Industriemetalle, oder Cordiem (vormals MyAircraft)45, die Plattform für Flugzeugteile, genannt. Andere elektronische Marktplätze haben ihre Kräfte gebündelt, wie etwa die beiden Plattformen für die Beschaffung von technischen und administrativen Gütern für die chemische Industrie, CC-markets46 und Chemplorer47, die sich im Juli 2001 zur Plattform cc-chemplorer zusammen40
Harris, a. a. O., B 4. So die Angaben des Softwareherstellers Intershop, abrufbar unter http:// intershop.de/company/customers/business_model/procurement/ (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 42 Die Autoindustrie sucht im Internet den schnellen Erfolg, FAZ vom 17. Jan. 2002. 43 Auch eMarket Services betrachtet nur solche virtuellen Handelsplattformen als elektronische Marktplätze, die mehreren Käufern und mehreren Verkäufern offen stehen, schließt private Marktplätze also aus, siehe http://www.emarketservices. com/templates/Page.aspx?id=439 (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 44 MetalSpectrum Ceases Operating, Pressemitteilung vom 13. Juni 2001, abrufbar unter http://www.infomine.com/index/pr/pa077813.pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 45 Cordiem stellte im März 2003 den Betrieb ein. An Cordiem beteiligt waren Goodrich, Honeywell, United Technologies, Air France, American Airlines, British Airways, Continental Airlines und United Airlines, vgl. http://www.exostar.com/ news/pressrelease_view.asp?id=68 (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 41
§ 1 Erscheinungsformen elektronischer Marktplätze
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schlossen.48 Aus cc-chemplorer und Hubwoo-Avisium wiederum entstand im Juni 2004 der neue Handelsplatz cc-hubwoo, der seinerseits im Mai 2005 die Plattform Trade Ranger aufkaufte.49 Hintergrund dieser Wachstumsstrategie ist die Einschätzung des Vorstandsvorsitzenden von cc-hubwoo, dass auf einem sich stetig konsolidierenden Weltmarkt in weniger als fünf Jahren nur noch für zwei bis drei globale Marktplätze Raum bleiben werde.50 Auch die Federal Trade Commission hält laut ihrem Bericht zu B2B-Marktplätzen Fälle für denkbar, in denen der Wettbewerb zwischen verschiedenen Onlineplattformen langfristig dazu dienen könnte, die Plattform zu identifizieren, die sich nach einer Reihe von Konsolidierungen als Einzige erfolgreich durchsetzt.51 Trotz zahlreicher Zusammenschlüsse52 ist der laufende Konsolidierungsprozess jedoch noch nicht so weit fortgeschritten: Das Projekt eMarket Services führte im Oktober 2007 in seinem Verzeichnis 678 elektronische Marktplätze auf.53 52 Marktplätze aus 17 Industriebranchen wurden von eMarket Services in einem Report von Juni 2005 als wichtige Handelsplätze eingestuft, basierend auf ihrem weltweiten Bekanntheitsgrad und dem Umfang der weltweit auf ihnen getätigten Transaktionen.54 46 CC-markets wurde als Gemeinschaftsunternehmen von BASF, Degussa-Hüls, Henkel und SAP gegründet, vgl. BKartA, Beschluss vom 23. Oktober 2000, B3 – 72303 – U – 76/00, WuW/E DE-V 355 ff. 47 Bayer, die Deutsche Telekom und Infraserv Chemfidence waren die ursprünglichen Anteilseigner von Chem-plorer, siehe Komm., E. vom 6. Oktober 2000, COMP/M.2096, abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/competition/mergers/ cases/decisions/m2096_de.pdf. 48 Dams, Online-Geschäft der Chemie läuft, Die Welt vom 4. März 2002. 49 Vgl. Pressemitteilung vom 27. Okt. 2005, abrufbar unter http://www.cc-hub woo.com/pdf/cp/05_10_27_cp_de.pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 50 A. a. O. (vorige Fn.). 51 FTC Bericht, Teil 3, B.4. (S. 32). Dies ist im Zusammenhang mit der kartellrechtlichen Beurteilung von Netzwerkeffekten sowie von Zugangsbestimmungen der Plattformen von Bedeutung, vgl. unten Zweiter Abschnitt, § 6, I. 52 Beispiele: Im Januar 2004 schlossen sich Global Healthcare Exchange und PLC zur GHX Europe GmbH zusammen, der größten Transaktionsplattform im Gesundheitswesen für Europa, vgl. http://www.ghxeurope.com/pdf/PM_deutsch190 104.pdf. Im April 2005 kündigten GlobalNetXchange und WorldWide-RetailExchange ihren Zusammenschluss zu einer einheitlichen Plattform der Konsumgüterindustrie an, die unter dem Namen Agentrics operiert, vgl. http://www.worldwide retailexchange.org/cs/en/press_room/wr0787.htm. Im Mai 2005 bildeten Transora und UCCnet 1Sync, eine Technologieplattform zur Datensynchronisierung, vgl. http://www.transora.com/documents/news/archives/1SYNC%20Release.pdf (alle zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 53 eMarket Directory, abrufbar unter http://www.emarketservices.com/start/eMar ket_Directory/The_directory/index.html (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 54 Significant E-Marketplaces, http://www.emarketservices.com/templates/Case AndReportDetails.aspx?id=392 (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). Zu den dort ge-
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1. Abschn.: Einführung
Interessanter als die genaue Anzahl der überlebenden Marktplätze ist jedoch die Frage, welcher Typ von Marktplatz sich möglicherweise behaupten wird. Im Jahr 2000 war Forrester Research der Ansicht, dass neutrale Onlineplattformen sich langfristig durchsetzen würden.55 Dies erscheint heute jedoch weniger plausibel. Im Gegenteil zeichnet sich ab, dass nur die B2B-Marktplätze langfristig überleben können, denen es gelingt, von Anfang an ein großes Transaktionsvolumen an sich zu binden.56 Eine hohe Anzahl von Nutzern erhöht die Attraktivität des Marktplatzes, was wiederum mehr Nutzer anzieht. Gute Chancen haben deshalb die Plattformen, die von Unternehmen betrieben werden, welche auch auf dem Waren- und Dienstleistungsmarkt der dort gehandelten Güter tätig sind und dadurch andere Marktteilnehmer zur Nutzung der Plattform bewegen können.57 So finden sich unter den 52 von eMarket Services als wichtig eingestuften Handelsplattformen viele, an denen führende Unternehmen einer Branche beteiligt sind, wie etwa SupplyOn, die von Bosch, Continental, Schaeffler, ZF Friedrichshafen und SAP gegründete Plattform der Automobilzulieferindustrie, Elemica, die von 22 großen Chemieunternehmen gegründete Ein- und Verkaufsplattform oder IntercontinentalExchange, der u. a. von BP Amoco, Royal Dutch/Shell und Totalfina Elf gegründete Handelsplatz für RohstoffFutures. Allerdings haben sich bislang auch einige neutrale B2B-Marktplätze erfolgreich am Markt positionieren können, so etwa die chinesische Plattform Alibaba, die derzeit mit über einer Million registrierter Nutzer zu den erfolgreichsten B2Bs überhaupt gehört, oder SourcingParts, die europäische Plattform für den Industriemaschinensektor, deren Aufbau von Venture-Kapitalgebern finanziert wurde.58
II. Preisbildungsmechanismen Neben der Differenzierung zwischen verschiedenen Inhaberstrukturen ist auch eine Einteilung anhand der Preisbildungsmechanismen möglich. Momentan werden vorwiegend vier verschiedene Möglichkeiten der Preisbildung genutzt: Kataloge, Auktionen und Verhandlungen.59 nannten wichtigen B2Bs gehören etwa SupplyOn, Aeroxchange, Elemica, Eutilia, Transora, Endorsia, Alibaba und CPGmarket. 55 Zitiert von Vollebregt, ECLR 2000, 437, 443. 56 FTC Report, Teil 1, C.7. (S. 20). 57 Vgl. bereits Ahlborn/Seeliger, EuZW 2001, 552, 555. 58 Die Investoren waren Galileo und ComVentures, vgl. http://www.journaldu net.com/dossiers/pdm/sourcing-parts.shtml (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 59 Gassner, MMR 2001, 140, 142; FTC Report, Teil 1, C. 3. (S. 7 ff.). Zu Transaktions- und Preisbildungsmodellen auf elektronischen Marktplätzen auch Hupe, S. 30 ff.; Kierner, S. 36 ff.; Tröller, S. 15 ff.
§ 1 Erscheinungsformen elektronischer Marktplätze
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Das Katalogmodell ist vielen Internetnutzern bereits aus dem Bereich der Business-to-Consumer Marktplätze bekannt. Wie bei Internetbuchhändlern oder Kaufhäusern wird das gewünschte Produkt aus dem virtuellen Angebot ausgesucht, in einen „Einkaufswagen“ gelegt und bezahlt. Dabei stehen die Preise der Waren vorher fest und werden dem Interessenten gezeigt. Das heißt jedoch nicht notwendig, dass dasselbe Produkt zwei Käufern zum selben Preis angeboten wird. Es ist technisch unproblematisch, Sonderkonditionen so anzuzeigen, dass sie nur von dem Interessenten gesehen werden können, zu dessen Gunsten sie gewährt werden.60 Preisdiskriminierungen sind mithin bei elektronischen Katalogen ohne weiteres möglich.61 Im Gegensatz dazu stehen die Preise der angebotenen oder nachgefragten Güter beim Auktionsmodell nicht von vornherein fest, dient dieses Modell doch gerade der Ermittlung des günstigsten Preises. Auf anbieterzentrierten Märkten werden Auktionen (forward auctions) stattfinden, bei denen mehrere Kaufinteressenten Gebote für die von ihnen gewünschten Produkte abgeben, so dass die Preise in die Höhe getrieben werden – so wie man es zum Beispiel von Kunstauktionen oder auch Zwangsversteigerungen gewohnt ist. Dagegen werden auf nachfragerzentrierten Märkten vor allem umgekehrte Versteigerungen (reverse auctions)62 veranstaltet, die folgendermaßen funktionieren: Mehrere potenzielle Lieferanten geben Gebote zur Lieferung bestimmter Produkte an einen Kaufinteressenten ab. Um den Zuschlag zu erhalten, müssen sie einen jeweils günstigeren Preis und/oder günstigere Konditionen bieten als ihre Mitbewerber um den Auftrag. Beim Börsenmodell63 dient der elektronische Marktplatz dem Zusammentreffen von anonymisierten Anfragen und Geboten in Echtzeit, wie dies bei Wertpapier- oder Getreidebörsen der Fall ist. Der einzige Unterschied zu den traditionellen Börsen besteht darin, dass der Mechanismus elektronisch im Internet stattfindet. Auch das Verhandlungsmodell64 ist keine wirkliche Neuheit. Es beschreibt die Möglichkeit, auf einer Internetplattform Angebote für bzw. Nachfragen nach bestimmten Produkten zu sammeln und zu vergleichen. Nach dieser Auswertung treten dann die potenziellen Geschäftspartner in 60
Vgl. FTC Report, Teil 1, C. 3. (S. 9). Deshalb ist die Aussage, bei Katalogen seien „die Preise fix“ (so Gassner, MMR 2001, 140, 142) einzuschränken. 62 Jestaedt, BB 2001, 581, 583 bezeichnet diese reverse auctions als „transparente Ausschreibungen“. 63 Als Beispiel für eine solche Börse wird im FTC Report Currenex, eine Währungsbörse für Banken und Unternehmen, genannt, FTC Report, Teil 1, C. 3. (S. 11). 64 FTC Report, Teil 1, C. 3. (S. 11); Jones Harbour, Teil IV, B.2.d. 61
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1. Abschn.: Einführung
direkte Verhandlungen miteinander und besprechen die Details des gewünschten Abschlusses.
III. Horizontale und vertikale Marktplätze Des Weiteren wird zwischen horizontalen und vertikalen Marktplätzen differenziert. Plattformen, die nicht der Belieferung einer bestimmten Branche dienen, sondern ihre Produkte branchenübergreifend anbieten wollen, werden als horizontal organisiert bezeichnet.65 Vertikale Marktplätze sind dagegen auf die Versorgung einer bestimmten Industrie ausgerichtet; die angebotenen Produkte und Zusatzleistungen orientieren sich an den verschiedenen Stufen der Lieferkette (supply chain) eines Produkts.66 Die meisten von Wettbewerbern gegründeten Internetplattformen sind vertikal organisiert, wie zum Beispiel Rubber Network, die Einkaufsplattform für die Reifen- und Gummiindustrie.67
§ 2 Weitere Differenzierungskriterien Abgesehen vom traditionellen An- und Verkauf bieten viele elektronische Marktplätze ihren Benutzern darüber hinausgehende, effizienzsteigernde Dienstleistungen an, anhand derer ebenfalls eine Differenzierung zwischen einzelnen B2Bs möglich ist. Im Bereich des Zuliefermanagements sollen die Produktionspläne von Industrie und Zulieferern besser aufeinander abgestimmt werden, um unnötige Lagerungskosten zu vermeiden.68 Dementsprechend werden Systeme zur Bedarfsplanung, Produktlieferung, Lagerund Materialverwaltung angeboten. Andere Zusatzleistungen umfassen Logistik und Systemintegration, verschiedene Formen von Finanzdienstleistungen sowie Datenverarbeitung.69 Die Verfasser einer im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft erstellten Studie teilen B2B-Marktplätze anhand ihrer Funktionen in drei unterschiedliche Typen ein.70 Internetplattformen, die vorwiegend der Sen65
FTC Report, Teil 1, C. 2. (S. 6 f.); Gassner, MMR 2001, 140, 141. A. a. O. 67 Rubber Network wurde von Continental, Cooper, Goodyear, Michelin, Pirelli und Sumitomo gegründet. Mittlerweile sind auch Hankook, Yoko Tires, Yokohama und Kumho Tire Anteilseigner geworden, vgl. www.rubbernetwork.com/members. html (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 68 Vgl. BKartA, Beschluss vom 25. Sept. 2000 – B 5 – 34100 U 40/00 (Covisint), WuW/E DE-V 321 = BB 2000, 2431, 2432; siehe auch Köhler, K&R 2000, 569, 569. 69 Immenga/Lange, RIW 2000, 733, 734 f. 70 Koenig/Kulenkampff/Kühling/Loetz/Smit, Internetplattformen in der Unternehmenspraxis, S. 106 ff. 66
§ 2 Weitere Differenzierungskriterien
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kung der Transaktionskosten bei der Beschaffung dienen, werden als Marktplätze des Typs A bezeichnet.71 Die Kosteneinsparung soll bei diesem Typ durch die Gewinnung möglichst vieler Marktteilnehmer als Nutzer erreicht werden, um die Markttransparenz zu erhöhen und die Kosten für die Schaffung eines Marktüberblicks zu senken. Eine Anbindung der unternehmensinternen ERP-Software72 an die Marktplatzsoftware findet bei Typ A nicht statt, wodurch der Aufbau einer solchen Internetplattform vergleichsweise geringe Kosten verursacht. Nach Auffassung der Autoren besteht bei diesem Typus mit fortschreitender Nutzungsdauer jedoch eine Tendenz zur Integration der unternehmensinternen Software.73 Eine Ausnahme gelte für Produkte, für deren Beschaffung sich die zusätzlichen Ausgaben für die Softwareintegration nicht lohnten, d.h. für nur unregelmäßig zu beschaffende oder geringwertige Güter.74 Der Studie zufolge entwickeln sich Marktplätze des Typs A mit fortschreitender Softwareintegration in Richtung des Typs B weiter, bei dem neben der Senkung von Transaktionskosten die Einsparung von internen Prozesskosten angestrebt wird. Zu diesem Zweck würden die Absatz- und Beschaffungsprozesse der Nutzer zur Handelplattform hin integriert; es finde jedoch keine weitergehende Anbindung anderer Funktionen entlang der Wertschöpfungskette statt.75 Eine umfassende Anbindung vieler Funktionen finde sich erst bei Marktplätzen des Typs C, die auch als „vertikal integrierte Unternehmensnetze“ bezeichnet werden.76 Plattformen dieses Typs dienten nicht lediglich der Transaktion und Kommunikation, sondern böten umfassende Dienstleistungen entlang einer vertikalen Wertschöpfungskette an, für die eine enge Integration der Softwaresysteme von Marktteilnehmern und Plattform vonnöten sei. Als Beispiel für eine Nutzungsmöglichkeit wird die gemeinsame Produktentwicklung angeführt, die zu kürzeren Entwicklungszeiten durch verbesserte Koordination führen soll.77 Ein weiteres Unterscheidungskriterium zwischen elektronischen Marktplätzen sind die der Geschäftstätigkeit zugrunde liegenden Finanzierungs71
Koenig/Kulenkampff/Kühling/Loetz/Smit, S. 108 ff. ERP-Software = Enterprise Resource Planning-Software, gängige Software, die zur unternehmensinternen Prozessoptimierung eingesetzt und beispielsweise von SAP hergestellt wird, vgl. auch die Definition von Koenig/Kulenkampff/Kühling/ Loetz/Smit, S. 77 (Fn. 140). 73 Koenig/Kulenkampff/Kühling/Loetz/Smit, S. 111. 74 Koenig/Kulenkampff/Kühling/Loetz/Smit, a. a. O. 75 Koenig/Kulenkampff/Kühling/Loetz/Smit, S. 112 f. 76 Koenig/Kulenkampff/Kühling/Loetz/Smit, S. 116 ff. 77 Koenig/Kulenkampff/Kühling/Loetz/Smit, S. 117 f. 72
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1. Abschn.: Einführung
modelle. Internetplattformen können durch transaktionsabhängige Gebühren, Mitgliedsbeiträge der Nutzer, Werbeeinnahmen, Gebühren für die angebotenen Zusatzleistungen oder den Verkauf von Marktinformationen finanziert werden.78 Des Weiteren kann zwischen den Betriebsmodellen von Internetplattformen unterschieden werden. Für Aufbau und Betrieb einer B2B-Plattform werden Software, d.h. Computerprogramme, und Hardware, also Rechneranlagen, benötigt. Anbieter solcher Software sind u. a. SAP, Oracle, Commerce One, IBM, VerticalNet, i2 und Ariba.79 Die zum Betrieb eines elektronischen Marktplatzes notwendigen Rechnerkapazitäten könnten die Gründer selbst aufbauen, indem sie die entsprechende Hardware erwerben, die beispielsweise von HP, IBM oder Sun angeboten wird. In der Praxis ist jedoch das sog. „hosting“-Modell verbreitet. Dieses Modell sieht vor, dass der Betrieb der B2B-Internetplattform an einen externen Infrastrukturbetreiber ausgelagert wird. Zu diesem Zweck schließen die Gründerunternehmen des B2B-Marktplatzes und der Infrastrukturbetreiber einen Vertrag über den Umfang der zur Verfügung gestellten Rechnerkapazitäten, Wartungsarbeiten und sonstigen benötigten Leistungen ab, der als „service level agreement“ bezeichnet wird. Unternehmen wie SAP Hosting, HP, TDS und die Deutsche Telekom kommen als Infrastrukturbetreiber in Betracht. Letztlich ist auch eine Differenzierung zwischen den beiden generellen Kategorien möglich, in die die auf elektronischen Marktplätzen gehandelten Güter fallen.80 Dies sind Produktionsmittel (direct inputs) und Betriebsmittel (indirect oder operating inputs). Diese Unterscheidung ist von Bedeutung, da Betriebsmittel grundsätzlich nicht industrie- oder unternehmensspezifisch sind. Für die kartellrechtliche Beurteilung sind nicht alle der gerade beschriebenen Differenzierungskriterien gleichermaßen relevant. Es ist jedoch leicht einzusehen, dass Inhaberstrukturen und Preisbildungsmechanismen große Bedeutung haben. Wichtige Fragen können sich daneben aber auch im Zusammenhang mit den verschiedenen Finanzierungsmodellen – man denke an die Ausgestaltung der Gebührenstrukturen oder an den Verkauf von Marktinformationen – sowie im Hinblick auf mögliche Nachfragebündelungen mit der Unterscheidung zwischen Produktions- und Betriebsmitteln stellen.
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FTC Report, Teil 1, C. 5. (S. 14 ff.); Immenga/Lange, RIW 2000, 733, 735. Vgl. BKartA, Beschl. vom 23. Okt. 2000, B 3 – 72303 – U – 76/00 (CC-markets), WuW/E DE-V 355 ff. (Rn. 39); Jones Harbour, Teil IV., A. 80 FTC Report, Teil 1, C. 1. (S. 6); Gassner, MMR 2001, 140, 142. 79
Zweiter Abschnitt
Die Behandlung elektronischer Marktplätze im US-amerikanischen Kartellrecht Die Betreiber vieler B2B-Marktplätze sind mit dem Ziel angetreten, Hersteller und Abnehmer aus der ganzen Welt zur Nutzung ihrer Plattform zu bewegen. Dementsprechend haben sie bei Planung und Inbetriebnahme ihres virtuellen Handelsplatzes sowie bei der Ausgestaltung der Transaktionen unter Umständen die kartellrechtlichen Vorgaben mehrerer Rechtssysteme zu berücksichtigen. Für die meisten Unternehmen dürften insbesondere die US-amerikanischen Kartellrechtsregeln neben denen der Europäischen Union von größter Bedeutung sein. Deshalb sollen im folgenden Abschnitt die Grundzüge des Kartellrechts der Vereinigten Staaten erläutert und seine Anwendung auf elektronische Marktplätze diskutiert werden. In den Vereinigten Staaten begann die Diskussion über die kartellrechtlichen Auswirkungen der Gründung elektronischer B2B-Marktplätze im Frühjahr 2000. Einer der ersten Beiträge zu diesem Thema erschien in der Mai-Ausgabe des Antitrust Report.1 Ende Juni veranstaltete die Federal Trade Commission (FTC) einen öffentlichen Workshop mit dem Titel „Competition Policy in the World of B2B Electronic Marketplaces“, an dem über 600 Interessierte teilnahmen, darunter Unternehmer, Wirtschaftswissenschaftler, Rechtsanwälte und wissenschaftlich tätige Juristen. Erklärtes Ziel dieser Veranstaltung war für die FTC, Informationen über die Funktionsweise und wirtschaftlichen Treiber der B2B-Entwicklung zu sammeln und mit den interessierten Kreisen in Dialog zu treten. Die so gewonnenen Erkenntnisse sollten der Behörde auch die Anwendung der Kartellrechtsregeln auf diese technologische Neuentwicklung erleichtern. Die Ergebnisse des Workshop wurden im Oktober 2000 in einem FTC Staff Report veröffentlicht (FTC Report I).2 Seitdem ist, insbesondere von anwaltlicher Seite, eine Vielzahl von Publikationen zu diesem Thema erschienen. Im Mai 2001 fand ein zweiter FTC-Workshop mit dem Titel „Emerging Issues for Competition Policy in the World of E-Commerce“ statt, in dessen Rah1
Blumenthal, B2B Internet Exchanges: The Antitrust Basics, Antitrust Report 2000, S. 34 ff. 2 Abrufbar unter http://www.ftc.gov/os/2000/10/index.htm#26 (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007).
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2. Abschn.: Elektronische Marktplätze im US-amerikanischen Kartellrecht
men Zusammenschlüsse zwischen elektronischen Marktplätzen, Betriebsregeln sowie Online-Vertrieb und Marketing von Anwälten, Wirtschaftswissenschaftlern, führenden Mitarbeitern von B2B-Plattformen sowie Mitarbeitern der Behörde diskutiert wurden. Die Mitschriften der drei Podiumsdiskussionen wurden ebenfalls im Internet veröffentlicht (FTC Report II).3 Bislang haben sich die amerikanischen Behörden allerdings erst mit drei Internetplattformen ausführlicher befasst. Dies sind Covisint, deren Gründung von der FTC untersucht wurde4, Partlinx, ein B2B-Marktplatz für den Vertrieb von Ersatzteilen für Haushaltsgeräte, dessen Gründer eine advisory opinion der FTC einholten5, sowie das B2C-Reiseportal Orbitz, welches Gegenstand umfangreicher Untersuchungen der Kartellrechtsabteilung des US-Justizministeriums6 sowie des US-Verkehrsministeriums war.
§ 1 Relevante Normen des US-Kartellrechts Im Folgenden werden die für die Untersuchung elektronischer B2B-Marktplätze relevanten Vorschriften des US-amerikanischen antitrust law kurz vorgestellt, um die Verständlichkeit der nachfolgenden Ausführungen zu erhöhen. Dabei werden nur die einschlägigen Bundesgesetze betrachtet, nicht jedoch die Vorschriften der einzelnen US-Bundesstaaten.7
3 Abrufbar unter http://www.ftc.gov/opp/ecommerce/index.htm (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 4 Siehe http://www.ftc.gov/opa/2000/09/covisint.htm (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 5 Abrufbar unter http://www.ftc.gov/os/2003/10/031010partlinx.htm (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 6 Die Erklärung des Assistant Attorney General R. Hewitt Pate anläßlich des Abschlusses der Untersuchung von Orbitz im Juli 2003 ist abrufbar unter http://www. usdoj.gov/atr/public/press_releases/2003/201208.htm (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 7 Die US-amerikanischen Bundesstaaten haben eigene Gesetze gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die neben den US-Bundesgesetzen zur Anwendung kommen. Diese enthalten in aller Regel Vorschriften, die inhaltlich den Verboten in § 1 und § 2 Sherman Act entsprechen. Bei der Auslegung ihrer Kartellgesetze folgen die US-Bundesstaaten mehrheitlich den von den US-Bundesgerichten entschiedenen Präzedenzfällen, was sich entweder aus gesetzlichen Auslegungsvorschriften oder Gerichtsentscheidungen ergibt; so etwa für North Carolina aus der Entscheidung Rose v. Vulcan Materials Co., 194 S.E.2d 521, 530 (N.C. 1973). Vgl. dazu im Einzelnen ABA Section of Antitrust Law, State Antitrust Practice I–III. Aus diesem Grund beschränkt sich die Darstellung des US-amerikanischen Kartellrechts auf die einschlägigen Bundesgesetze.
§ 1 Relevante Normen
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I. Sherman Act Mit dem Sherman Act wurde bereits 1890 in den USA ein Bundesgesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen geschaffen, welches bis heute Gültigkeit besitzt. 1. Das Kartellverbot des § 1 Sherman Act Section 1 enthält ein Verbot jeglicher nicht gerechtfertigter Wettbewerbsbeschränkungen: Every contract, combination in the form of trust or otherwise, or conspiracy, in restraint of trade or commerce among the several States, or with foreign nations, is declared to be illegal. Every person who shall make any contract or engage in any combination or conspiracy hereby declared to be illegal shall be deemed guilty of a felony [. . .].8
Die Norm erfasst sowohl horizontale als auch vertikale Beschränkungen und bezieht sich ausschließlich auf Verhaltenskonzertierungen, d.h. Kartellverträge, sonstige wettbewerbswidrige Absprachen oder abgestimmtes Verhalten, nicht aber auf einseitige Maßnahmen. Einen Freistellungstatbestand sieht der Sherman Act nicht vor. Die notwendige klare Konturierung und Einschränkung des weit formulierten Verbots erfolgte durch die Rechtsprechung des U.S. Supreme Court. Dieser entwickelte eine grundlegende Unterscheidung zwischen Wettbewerbsbeschränkungen, die ohne weitere Prüfung (per se) verboten sind und solchen, deren Auswirkungen auf den Wettbewerb anhand der sog. rule of reason bewertet werden. Die rule of reason hat ihren Ursprung im common law, welches nur „unvernünftige“ Wettbewerbsbeschränkungen verbot.9 Nach Inkrafttreten des Sherman Act war zunächst in der Rechtsprechung umstritten, ob der Begriff des „restraint of trade“ in § 1 des Gesetzes alle Wettbewerbsbeschränkungen umfassen sollte oder nur solche, die im common law als „unreasonable“ galten und unwirksam waren. Als der U.S. Supreme Court im Jahr 8
Übersetzung der Verfasserin: Jeder Vertrag, jedes gemeinsame Handeln in Form eines Trust oder in anderer Form, oder Zusammenwirken zur Beschränkung des Handels oder des Wirtschaftsverkehrs zwischen den einzelnen Bundesstaaten oder mit ausländischen Staaten ist verboten. Jede Person, die einen solchen verbotenen Vertrag schließt oder sich an einem illegalen Zusammenschluss beteiligt, macht sich eines Verbrechens schuldig. 9 Allerdings kam dem Begriff der „restraints of trade“ im common law eine andere Bedeutung zu als im heutigen US-amerikanischen Kartellrecht. Im common law galt eine vertragliche Wettbewerbsbeschränkung – etwa in einem Unternehmenskaufvertrag – als „reasonable“, wenn Leistung und Gegenleistung der Vertragsparteien in einem angemessenen Verhältnis zueinander standen. Geprüft wurde also die Angemessenheit der Gegenleistung. Ausführlich dazu Ackermann, S. 15 f.
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2. Abschn.: Elektronische Marktplätze im US-amerikanischen Kartellrecht
1897 in der Sache United States v. Trans-Missouri Freight Association10 mit der Auslegung des § 1 Sherman Act befasst war, waren die Richter, die auf den im common law geltenden Begriff der Wettbewerbsbeschränkung rekurrieren wollten, noch in der Minderheit.11 Ein Jahr später bezog sich das Berufungsgericht für den sechsten Circuit in der Entscheidung United States v. Addyston Pipe & Steel Co.12 bei der Auslegung des Kartellverbots jedoch auf die aus dem common law bekannte Fallgruppe der Wettbewerbsverbote im Zusammenhang mit Unternehmenskaufverträgen und gelangte zu dem Ergebnis, dass nicht alle Verträge verboten seien, die sich wettbewerbsbeschränkend auswirken. Vielmehr gelte das Verbot des § 1 Sherman Act nicht für einen Vertrag, der einem nicht wettbewerbsbeschränkenden Hauptzweck dient, dem sich die wettbewerbsbeschränkenden Teile des Vertrags als Nebenabreden unterordnen (sog. ancillary restraints-Doktrin).13 Im Jahr 1911 verkündete der U.S. Supreme Court in seiner Standard OilEntscheidung schließlich die rule of reason, der zufolge nur nicht gerechtfertigte Wettbewerbsbeschränkungen (unreasonable restraints of trade) unter das Verbot des § 1 Sherman Act fallen.14 Danach müsse der vor Ver10
U.S. v. Trans-Missouri Freight Assn., 166 U.S. 290 (1897). Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Achtzehn Eisenbahngesellschaften, die den Schienenverkehr westlich des Mississippi kontrollierten, hatten Preise für die Frachtbeförderung abgesprochen. Sie argumentierten, dass darin kein Verstoß gegen § 1 Sherman Act liege, da § 1 nur „unvernünftige“ Wettbewerbsbeschränkungen verbiete, wie dies im common law der Fall gewesen sei. Ihre Preisabsprachen seien aber vernünftig, da sie ihre hohen Fixkosten nicht abdecken könnten, wenn unter ihnen Wettbewerb herrschen würde. Das Gericht wies diese Argumentation mit einer Mehrheit von fünf zu vier zurück und entschied, dass § 1 Sherman Act sich auf alle wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen beziehe, ohne Rücksicht auf ihre Wirksamkeit nach dem common law. Ausführlich zur Entwicklung der rule of reason im US-Kartellrecht Ackermann, S. 11 ff. 11 In seinem Minderheitsvotum (dissenting opinion) schrieb Justice White, dem sich drei weitere Richter anschlossen, dass die Vorschrift in Anlehnung an den im common law entwickelten Begriff der Wettbewerbsbeschränkung ausgelegt werden müsse. 166 U.S. 290, 343 ff. (1897). 12 U.S. v. Addyston Pipe & Steel Co., 85 F. 271 (6th Cir. 1898), aff’d, 175 U.S. 211 (1899). Circuits sind die insgesamt 13 Zuständigkeitsregionen der Berufungsgerichte auf Bundesebene. Die Circuits 1 bis 11 werden mit Nummern bezeichnet. Hinzu kommen der District of Columbia Circuit und der Federal Circuit, der erst 1982 eingeführt wurde. 13 [To be lawful,] the contract must be one in which there is a main purpose, to which the covenant in restraint of trade is merely ancillary, U.S. v. Addyston Pipe & Steel Co., 85 F. 271 (6th Cir. 1898), aff’d, 175 U.S. 211 (1899). Vgl. dazu auch Mestmäcker/Schweitzer, § 7 Rn. 35. 14 Standard Oil of New Jersey v. U.S., 221 U.S. 1 (1911). Vgl. die Besprechung bei Ackermann, S. 11 f.
§ 1 Relevante Normen
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abschiedung des Sherman Act geltende Standard des common law zur unreasonableness auch jetzt zur Beurteilung der Legalität einer Wettbewerbsbeschränkung benutzt werden. Deshalb seien nur die Verträge und Handlungen verboten, die die Wettbewerbsbedingungen in unangemessener Weise beschränken. Eine unangemessene Beschränkung könne vorliegen, wenn sich dies aus dem Wesen des Vertrages oder der Handlung oder aus deren Begleitumständen ergebe.15 Sieben Jahre später erfolgte in der Chicago Board of Trade-Entscheidung16 des U.S. Supreme Court die klassische Formulierung der rule of reason durch Justice Brandeis: Die Fragestellung im Rahmen der rule of reason-Analyse lautet, ob die auferlegte Beschränkung den Wettbewerb nur reguliert und ihn dabei vielleicht sogar fördert oder ihn unterdrückt oder sogar verhindert. Um diese Frage zu beantworten, muss das Gericht die Besonderheiten des Industriezweigs betrachten, in dem die Beschränkung angewandt wird, seinen Zustand vor und nach ihrer Einführung sowie die Natur der Beschränkung und ihre tatsächlichen oder wahrscheinlichen Auswirkungen. Die Geschichte der Beschränkung, das angeblich existierende Übel, die Gründe für die Wahl dieses Gegenmittels, der Zweck oder das Ziel, welches dadurch erreicht werden soll, all dies sind relevante Fakten.17 Diese in Chicago Board of Trade aufgezeigten Prüfungsmaßstäbe wurden in der Fallpraxis der folgenden Jahrzehnten weiter verfeinert. So ist heute allgemein anerkannt, dass bei der rule of reason-Analyse allein auf die wettbewerblichen Auswirkungen einer Vereinbarung abzustellen ist, etwaige nicht-wettbewerbliche Ziele bleiben unberücksichtigt.18 Die bekannten US-amerikanischen Kartellrechtslehrer Areeda und Hovenkamp haben auf Basis der Judikatur folgendes Prüfungsschema für die Ab15 Dieses Urteil wurde von Richter White verfasst, der bereits im Trans MissouriFall von 1897 in seinem Minderheitsvotum dafür plädiert hatte, den Begriff der Wettbewerbsbeschränkung in § 1 Sherman Act in Anlehnung an dessen Bedeutung im common law auszulegen. 1910 war White Vorsitzender Richter (Chief Justice) des U.S. Supreme Court geworden und konnte seine Ansicht nunmehr durchsetzen. Vgl. dazu Ackermann, S. 11 f. 16 Chicago Board of Trade v. U.S., 246 U.S. 231 (1918). 17 The true test of legality is whether the restraint imposed is such as merely regulates and perhaps thereby promotes competition or whether it is such as may suppress or even destroy competition. To determine that question the court must ordinarily consider the facts peculiar to the business to which the restraint is applied; its condition before and after the restraint was imposed; the nature of the restraint and its effect, actual or probable. The history of the restraint, the evil believed to exist, the reason for adopting the particular remedy, the purpose or end sought to be attained, are all relevant facts. 246 U.S. 231, 238 (1918). 18 Vgl. etwa National Society of Professional Engineers v. U.S., 435 U.S. 679 (1978), FTC v. Superior Court Trial Lawyers Assn., 493 U.S. 411 (1990), weitere Nachweise bei Ackermann, S. 21; Mestmäcker/Schweitzer, § 7 Rn. 36.
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2. Abschn.: Elektronische Marktplätze im US-amerikanischen Kartellrecht
wägung der wettbewerblichen Auswirkungen einer Vereinbarung im Rahmen der rule of reason-Analyse entwickelt.19 Zunächst wird geprüft, welcher Schaden für den Wettbewerb sich aus den Aktivitäten der Beteiligten ergeben könnte und ob die Beteiligten über genügend Macht verfügen, um diese drohenden Nachteile zu realisieren. Daraufhin wird ermittelt, welchen Zweck die Beteiligten durch ihre Handlungsweise zu erreichen versuchen und ob dieser legitim und bedeutsam ist, d.h. ob die angegriffene Vereinbarung einem Zweck dient, der sich positiv auf den Wettbewerb auswirkt (sog. redeeming virtue). Selbst wenn ein legitimer Zweck vorliegt, ist im nächsten Schritt zu prüfen, ob die Beschränkung zur Erreichung dieses Zwecks vernünftigerweise erforderlich ist, d.h. ob keine weniger restriktiven Möglichkeiten (sog. less restrictive alternatives) vorhanden sind, um den mit der Abrede verfolgten Zweck zu erreichen. Wenn diese Prüfung zu keinem eindeutigen Ergebnis führt, muss das Gericht die wettbewerbsfördernden und -beschränkenden Aspekte der angegriffenen Vereinbarung gewichten und somit eine Abwägung im engeren Sinne durchführen.20 Diese rule of reason-Analyse kommt jedoch nicht bei allen wettbewerbsbeschränkenden Abreden oder Verhaltensweisen zur Anwendung. Denn bei bestimmten wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen oder Verhaltensweisen wird aufgrund ihres Inhalts unwiderleglich vermutet, dass sie gegen das Kartellverbot des § 1 Sherman Act verstoßen.21 Im Laufe der Zeit hat der U.S. Supreme Court Fallgruppen solcher „per se“ verbotener Verhaltenskonzertierungen entwickelt.22 Dazu zählen horizontale Preisabsprachen23, Mengenbeschränkungen24 und horizontale Marktaufteilungen nach Gebieten oder Kunden.25 Die per se-Verbote werden von der Rechtsprechung jedoch nicht schematisch geprüft: Auch in Fällen, in denen die beanstandete Vereinbarung oder Verhal19
Areeda/Hovenkamp, Antitrust Law, Bd. VII, § 1502 (S. 345 f.). Zu dieser Abwägung im engeren Sinne wird es nach Auffassung von Areeda und Hovenkamp selten kommen, da bei den meisten Vereinbarungen bereits die drei vorhergehenden Prüfungsschritte zu einem eindeutigen Ergebnis führen würden, vgl. Areeda/Hovenkamp, Antitrust Law, Bd. VII, § 1502 (S. 346). 21 Mestmäcker/Schweitzer, § 7 Rn. 32. 22 Siehe etwa Northwest Wholesale Stationers, Inc. v. Pacific Stationery & Printing Co., 472 U.S. 284, 289-90 (1985): The decision to apply the per se rule turns on „whether the practice facially appears to be one that would always or almost always tend to restrict competition and decrease output . . . or instead one designed to increase economic efficiency and render markets more, rather than less, competitive“. 23 United States v. Socony-Vacuum Oil Co., 310 U.S. 150 (1940). 24 National Collegiate Athletic Ass. v. Board of Regents of the University of Oklahoma, 468 U.S. 85 (1984). 25 Sacks/Handelman, 691 PLI/Pat 483, 489 (2002). 20
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tensweise vom U.S. Supreme Court als per se verboten eingeordnet wurde, fanden teilweise umfangreiche Untersuchungen der Marktbedingungen durch das Gericht statt.26 In der Literatur wird eine „Auflösung der strikten Grenzziehung“ zwischen rule of reason und per se-Verbot konstatiert.27 In der Tat hat der U.S. Supreme Court seit Ende der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts die Anwendung der rule of reason auf Verhaltensweisen ausgeweitet, die vorher dem per se-Verbot zugeordnet wurden.28 Für den Kartellrechtskläger hat die Unterscheidung zwischen rule of reason und per se-Verbot wichtige Auswirkungen auf die von ihm in einem Rechtsstreit zu tragende Beweislast. Um zu beweisen, dass eine anhand der rule of reason zu beurteilende Verhaltensweise gegen das Kartellverbot des § 1 Sherman Act verstößt, muss der Kläger die Existenz einer Vereinbarung (contract, combination, or conspiracy) und deren nachteilige Auswirkungen auf den Wettbewerb darlegen und beweisen. Demgegenüber trägt der Kläger im Anwendungsbereich des per se-Verbots nur die Darlegungs- und Beweislast für das Vorhandensein einer Vereinbarung; die nachteiligen Auswirkungen auf den Wettbewerb werden dann unwiderleglich vermutet.29
26 Indeed there is often no bright line separating per se from Rule of Reason analysis. Per se rules may require considerable inquiry into market conditions before the evidence justifies a presumption of anticompetitive conduct. For example, while the Court has spoken of a “per se” rule against tying arrangements, it has also recognized that tying may have procompetitive justifications that make it inappropriate to condemn without considerable market analysis. National Collegiate Athletic Ass. v. Board of Regents of the University of Oklahoma, 468 U.S. 85, 104 Fn. 26 (1984). 27 Ackermann, S. 24 f.; ähnlich Sacks/Handelman, 691 PLI/Pat 483, 489 (2002). 28 Siehe etwa Continental TV v. GTE Sylvania, 433 U.S. 36 (1977) (Anwendung der rule of reason statt des per se-Verbots auf vertikale Beschränkungen, die sich nicht auf Verkaufspreise beziehen); Broadcast Music, Inc. v. Columbia Broadcasting System, Inc., 441 U.S. 1 (1979) (Erteilung von Blanko-Musiklizenzen zu festgelegten Standardpreisen keine per se rechtswidrige Preisabsprache); State Oil Co. v. Khan, 522 U.S. 3 (1997) (rule of reason auf vertikale Höchstpreisvereinbarungen anzuwenden); Leegin Creative Leather Products, Inc. v. PSKS, Inc. (noch nicht in U.S. Supreme Court-Sammlung veröffentlicht) (2007) Slip Op. abrufbar unter http:// www.supremecourtus.gov/opinions/06pdf/06-480.pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007) (rule of reason auf vertikale Mindest- und Festpreisvereinbarungen anzuwenden); Sacks/Handelman, 691 PLI/Pat 483, 489 (2002). 29 Prance, 45 U. Pitt. L. Rev. 55, 59 (1983), ausführlich zur Beweislastverteilung Ackermann, S. 23.
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2. Das Monopolisierungsverbot des § 2 Sherman Act Section 2 Sherman Act verbietet die Erlangung einer Monopolstellung durch einseitige Maßnahmen eines Unternehmens oder das Zusammenwirken mehrerer Unternehmen: Every person who shall monopolize, or attempt to monopolize, or combine or conspire with any other person or persons, to monopolize any part of the trade or commerce among the several States, or with foreign nations, shall be deemed guilty of a felony [. . .].30
Die Vorschrift enthält drei selbstständige Tatbestandsalternativen, die unabhängig voneinander vorliegen können. Die erste Alternative (actual monopolization) ist verwirklicht, wenn das Unternehmen über eine Monopolstellung auf dem relevanten Markt verfügt und diese durch kartellrechtswidriges Verhalten erlangt hat.31 Eine Monopolstellung liegt vor, wenn das Unternehmen die Preise des fraglichen Produkts kontrollieren oder den Wettbewerb ausschließen kann32. Kartellrechtswidrig verhält sich das Unternehmen, wenn es mit Monopolisierungsabsicht zu wettbewerbsbeschränkenden Mitteln greift.33 Hat ein Unternehmen seine Monopolstellung dagegen durch ein überlegenes Produkt, intelligente Unternehmensführung oder andere wettbewerbskonforme Gegebenheiten erlangt, so ist der Tatbestand des § 2 Sherman Act nicht erfüllt.34 Die zweite Tatbestandsalternative des § 2 Sherman Act (attempted monopolization) ist verwirklicht, wenn ein Unternehmen sich erstens kartellrechtlich bedenklicher Praktiken bedient, zweitens die gezielte Absicht hat, eine Monopolstellung auf dem relevanten Markt zu erwerben und drittens die 30 Übersetzung der Verfasserin: Jede Person, die jedweden Teil des Handels oder des Wirtschaftsverkehrs zwischen den einzelnen Bundesstaaten oder mit ausländischen Staaten monopolisiert, zu monopolisieren versucht oder mit einer oder mehreren Personen zusammenwirkt, um eine Monopolstellung zu erlangen, macht sich eines Verbrechens schuldig. 31 Vgl. die Formulierung des U.S. Supreme Court in U.S. v. Grinnell Corp., 384 U.S. 563, 570 f. (1966): The offense of monopoly . . . has two elements: (1) the possession of monopoly power in the relevant market and (2) the willful acquisition or maintenance of that power as distinguished from growth or development as a consequence of a superior product, business acumen, or historical accident. 32 U.S. v. E.I. du Pont de Nemours & Co. (Cellophane), 351 U.S. 377 (1956): Monopoly power is the power to control prices or exclude competition. 33 Eastman Kodak Co. v. Image Technical Services, 504 U.S. 451 (1992): The second element of a § 2 claim is the use of monopoly power „to foreclose competition, to gain a competitive advantage, or to destroy a competitor.“; Hohmann, S. 26; Sacks/Handelman, 691 PLI/Pat 483, 487 (2002). 34 U.S. v. Grinnell Corp., 384 U.S. 563 (1966); Aspen Skiing Co. v. Aspen Highlands Skiing Corp., 472 U.S. 585 (1985); Eastman Kodak Co. v. Image Technical Services, 504 U.S. 451 (1992); Sacks/Handelman, 691 PLI/Pat 483, 487 (2002).
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Entstehung eines Monopols hinreichend wahrscheinlich ist.35 Um zu ermitteln, ob das Unternehmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Monopolstellung erreichen kann, ist auf dessen Fähigkeit zur Verminderung oder Zerstörung des Wettbewerbs auf dem relevanten Markt abzustellen.36 Die dritte Alternative (conspiracy to monopolize) ist verwirklicht, wenn mehrere Unternehmen vereinbart haben, eine Monopolstellung anzustreben, sie die gezielte Absicht haben, diese Stellung zu erreichen und sie eine Handlung begehen, die der Umsetzung ihres Ziels dient.37 Dieser Alternative kommt keine große praktische Bedeutung zu, da die zu ihrer Verwirklichung notwendige Vereinbarung bereits von § 1 Sherman Act erfasst wird und ein Verstoß gegen diese Vorschrift einfacher nachzuweisen ist. Denn bei § 1 Sherman Act kommt es nicht darauf an, ob die beteiligten Unternehmen die gezielte Absicht hatten, eine Monopolstellung zu erreichen. 3. Section 1 und 2 als Straftatbestände Section 1 und 2 Sherman Act enthalten nicht nur ein zivilrechtliches Verbot nicht gerechtfertigter Wettbewerbsbeschränkungen bzw. der Monopolbildung, sondern stellen auch Straftatbestände dar. Auf die strafrechtlichen Auswirkungen eines Verstoßes gegen diese Vorschriften wird im Rahmen dieser Arbeit nicht näher eingegangen. Dennoch soll darauf hingewiesen werden, dass die strafrechtliche Verfolgung von Kartellrechtsverstößen seit Mitte der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts zugenommen hat. In den 1990er Jahren waren 74 Prozent der Fälle der Antitrust Division des US-amerikanischen Justizministeriums strafrechtliche Ermittlungen in Kartellsachen.38 Die meisten dieser Fälle bezogen sich auf per se verbotene horizontale Verhaltenskonzertierungen, wie Preisabsprachen, Marktaufteilungen oder Submissionsbetrug.39 Ein noch steilerer Anstieg der Verfolgungsintensität sowie der Höhe der Bußgelder und der Länge der verhängten Gefängnisstrafen sind seit Mitte 35 Spectrum Sports v. McQuillan, 506 U.S. 447, 456 (1993): to demonstrate attempted monopolization a plaintiff must prove (1) that the defendant has engaged in predatory or anticompetitive conduct with (2) a specific intent to monopolize and (3) a dangerous probability of achieving monopoly power. 36 Spectrum Sports, a.a.O: In order to determine whether there is a dangerous probability of monopolization, courts have found it necessary to consider the relevant market and the defendant’s ability to lessen or destroy competition in that market. 37 Matheson/Olson, 20 Minn. Prac., Business Law Deskbook, § 22.3.03. 38 Balto, Antitrust Enforcement in the Clinton Administration, 9 Cornell J.L. & Pub. Pol’y 61, 65 (1999). 39 Areeda/Kaplow/Edlin, Antitrust Analysis, para. 136 (S. 46).
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der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zu verzeichnen. Das höchste in einer Strafsache in den USA jemals verhängte Bußgeld waren die 500 Millionen US-Dollar, zu deren Zahlung Hoffmann-La Roche als Hauptbeteiligter an einem Vitamin-Kartell 1999 verurteilt wurde.40 Im Gegensatz dazu belief sich noch 1995 die höchste Bußgeldzahlung, zu der ein Unternehmen wegen eines einzelnen Verstoßes gegen den Sherman Act verurteilt worden war, auf fünfzehn Millionen US-Dollar.41
II. Clayton Act Der Clayton Act von 1914 enthält die wichtigsten Bestimmungen zur Durchführung des Wettbewerbsrechts, aber auch vier materiellrechtliche Vorschriften. 1. Section 7 Von diesen besonders relevant ist das Verbot wettbewerbswidriger Unternehmenszusammenschlüsse in § 7 Clayton Act: No person engaged in commerce . . . shall acquire, directly or indirectly, the whole or any part of the stock or other share capital . . . of another person also engaged in commerce . . ., where . . . the effect of such acquisition may be substantially to lessen competition or to tend to create a monopoly.42
Die Vorschrift soll die Schaffung oder Verstärkung von wettbewerbsfeindlichen Oligopolen oder Monopolen bereits im Vorfeld verhindern. In ihrer ursprünglichen Fassung von 1914 erfasste § 7 nur den Erwerb von Aktien eines Unternehmens durch einen direkten Wettbewerber. Seit den Gesetzesänderungen von 1950 und 1980 ist die Norm auf alle Arten von Unternehmenszusammenschlüssen anwendbar, d.h. auf horizontale, vertikale und sonstige Zusammenschlüsse (conglomerate mergers).43 Die Frage, ob ein Zusammenschluss zu einer wesentlichen Verminderung des Wett40
A Summary Overview of the Antitrust Division’s Criminal Enforcement Program, DOJ Status Report v. 2. Jan. 2004, S. 4, abrufbar unter http://www. usdoj.gov/atr/public/guidelines/202531.htm (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 41 Vgl. Antitrust Division – Sherman Act Violations Yielding a Fine of $ 10 Million or More, Stand: 17. Okt. 2005, S. 2, abrufbar unter http://www.usdoj.gov/atr/ public/criminal/212091.pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 42 Übersetzung der Verfasserin: Keine Person, die im Wirtschaftsverkehr tätig ist, darf direkt oder indirekt die Aktien oder andere Anteilsrechte an einer anderen Person, die ebenfalls im Wirtschaftsverkehr tätig ist, ganz oder zum Teil erwerben, wenn dieser Erwerb zu einer bedeutsamen Verringerung des Wettbewerbs oder der Entstehung einer Monopolstellung führen könnte. 43 Für eine Übersicht über die Hintergründe der Gesetzgebung von 1914 und 1950 siehe Brown Shoe Co. v. U.S., 370 U.S. 294, 312–323 (1962).
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bewerbs oder zur Entstehung eines Monopols führen kann, erfordert eine Prognoseentscheidung. Um den Wettbewerbsbehörden die Untersuchung der möglichen Folgen eines Zusammenschlusses vor dessen Vollzug zu ermöglichen, wurde der Clayton Act 1976 durch die Bestimmungen des HartScott-Rodino Antitrust Improvements Act (HSR Act)44 ergänzt. Danach müssen die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen die FTC und die Kartellrechtsabteilung des Justizministeriums bei Überschreitung bestimmter Umsatzschwellen von der geplanten Transaktion in Kenntnis setzen und vor deren Vollzug eine Wartefrist einhalten.45 Jedoch geben weder der Wortlaut von § 7 Clayton Act noch die Gesetzgebungsgeschichte Aufschluss darüber, anhand welcher Kriterien die für die Beurteilung des Zusammenschlusses erforderliche Prognose zu treffen ist. Neben der Spruchpraxis der Gerichte bieten die Horizontal Merger Guidelines des Justizministeriums und der FTC in der Version von 199746 eine Beurteilungshilfe. Die Behörden stützen sich bei der Untersuchung der Frage, ob ein Zusammenschluss wahrscheinlich zur Schaffung oder Verstärkung von Marktmacht führen wird, auf fünf Kriterien.47 In einem ersten Schritt prüfen sie, ob der merger zu einer bedeutsamen Erhöhung der Konzentration auf den relevanten Märkten führen wird.48 Zweitens untersuchen sie seine möglichen wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen, insbesondere die Möglichkeit erfolgreicher Verhaltenskonzertierung. Ob mit Markteintritten zu rechnen ist, die solche Bedenken ausräumen könnten, wird ebenfalls berücksichtigt. Als viertes Kriterium betrachten die Behörden mögliche Effizienzgewinne, die die beteiligten Parteien ohne den Zusammenschluss nicht realisieren könnten. Gegenstand der Untersuchung ist fünftens, ob eines der Unternehmen ohne den Zusammenschluss zahlungsunfähig würde und aus dem relevanten Markt ausscheiden müsste.
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Hart-Scott-Rodino Antitrust Improvements Act of 1976, 15 U.S.C. § 18a. Für einen Überblick über die verschiedenen Schwellenwerte, Wartefristen und die Besonderheiten, die bei der Gründung von Joint Ventures, Partnerships und Limited Liability Companies gelten, siehe Dolan, 1484 PLI/Corp 257 ff. (2005). 46 Department of Justice and Federal Trade Commission Horizontal Merger Guidelines v. 2. April 1992, geändert am 8. April 1997, abgedruckt bei Sullivan/Grimes, S. 1069 ff. 47 Ziffern 1 bis 5 der Horizontal Merger Guidelines. 48 Die Marktkonzentration wird anhand des Herfindahl-Hirschman Index („HHI“) ermittelt, d.h. durch die Addition der Quadrate der einzelnen Marktanteile aller auf dem relevanten Markt Tätigen. 45
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2. Durchführungsbestimmungen Die Durchsetzung des Kartellverbots erfolgt durch die FTC, das US-amerikanische Justizministerium und durch Privatpersonen. Section 11 Clayton Act ermächtigt die FTC, die Einhaltung der §§ 2, 3, 7 und 8 Clayton Act zu überwachen. Gleichzeitig besteht eine konkurrierende Zuständigkeit des Justizministeriums und der Gerichte nach § 15. Privatpersonen, die durch Kartellrechtsverstöße geschädigt werden, können nach § 4 Clayton Act vorgehen und Schadenersatz in dreifacher Höhe des tatsächlich erlittenen Schadens einklagen. Um angesichts ihrer konkurrierenden Zuständigkeit eine sinnvolle Kapazitätsauslastung zu gewährleisten und die Abstimmung untereinander zu verbessern, haben Justizministerium und FTC im März 2002 eine Vereinbarung getroffen, nach der erstmals eine förmliche Zuordnung von Fällen an eine der beiden Behörden erfolgt.49 Maßgebliches Zuordnungskriterium ist der Industriezweig, in dem die betroffenen Unternehmen tätig sind.50 Telekommunikationsdienste und -ausrüstungen, inklusive der Infrastruktur für den Betrieb des Internet, gehören demnach in den Zuständigkeitsbereich des Justizministeriums. Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Ministerium für B2B-Marktplätze oder andere Formen des Internethandels allein zuständig wäre. Für die Zuordnung kommt es nicht darauf an, ob die Geschäftstätigkeit im Internet stattfindet, sondern darauf, welche Arten von Geschäften getätigt werden.51 So wäre die FTC auch nach der neuen Vereinbarung für Covisint zuständig, da die Automobilindustrie zu ihrem Kompetenzbereich gehört52. Allerdings ist dem Schrifttum zu entnehmen, dass die 49 Memorandum of Agreement v. 5. März 2002, abrufbar unter www.ftc.gov/opa/ 2002/02/clearance/ftcdojagree.pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 50 Nach Anhang A des Memorandum of Agreement ist die FTC zuständig für: Kleinflugzeuge, PKW und LKW, Baumaterialien, Chemikalien, Computer Hardware, Energie, Gesundheitswesen, Technische Gase, Munition, Lebensmitteleinzelhandel und -produktion, Facheinzelhandel, Arzneimittel und Biotechnologie, Freie Berufe, Satellitenherstellung und -transport (inkl. Raketen der zivilen Raumfahrt) und Textilien. Dem Zuständigkeitsbereich der Antitrust Division des Justizministeriums wurden zugeordnet: Landwirtschaft und damit zusammenhängende Biotechnologien, Luftfahrt und Militärelektronik, Bier, Computer Software, Kosmetikprodukte, Finanzprodukte im weiten Sinne, Flachglas, Krankenversicherungen, Industriemaschinen, Medien und Unterhaltungsindustrie, Metalle und Minen, militärische Raketen, Panzer und Panzerfahrzeuge, Wehrtechnik im Seefahrtbereich, Fotographie und Film, Zellstoff, Papier und Holz, Telekommunikationsdienste und -ausrüstung, Reise und Transportwesen sowie Abfall. 51 So die Erklärung von FTC General Counsel William E. Kovacic v. 12. März 2002, FTC Information, abrufbar unter www.ftc.gov/opa/2002/03/fyi0215.htm (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 52 FTC Information, a. a. O.
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Kompetenzzuordnung zwischen den Behörden nicht immer anhand des Memorandum of Agreement vorgenommen werde; eine Abstimmung finde vielmehr nach wie vor von Fall zu Fall statt.53
III. Anwendung auf elektronische Marktplätze 1. B2Bs als joint ventures Gründen Unternehmen einen elektronischen Marktplatz, so handelt es sich dabei meistens um ein joint venture.54 Dieser Begriff umschreibt vielfältige Formen der Kooperation zwischen Unternehmen.55 Üblicherweise handelt es sich um ein gemeinsames Projekt, welches einen Integrationsgrad erfordert, der über aufeinander abgestimmte Entscheidungen hinausgeht, die jeder Teilnehmer eigenständig ausführen könnte.56 Die Teilnehmer bilden bezüglich ihres Projekts eine Einheit, bleiben aber in jeder anderen Hinsicht unabhängige Unternehmen.57 Joint ventures können auf verschiedene Arten gegründet werden, etwa durch eine einfache Vereinbarung, den Zusammenschluss von Tochtergesellschaften oder die Gründung einer gemeinsam kontrollierten Tochtergesellschaft durch mehrere Mütter. Die englische Bezeichnung „B2B exchange“ stellt bereits sprachlich eine Parallele zu den traditionellen Börsen dar. Als gemeinschaftliche Unternehmen, die Märkte schaffen, sind Börsen eine klassische Form eines joint venture.58 Kartellrechtlich wird ein von konkurrierenden Unternehmen als joint venture gegründeter B2B-Marktplatz anhand der Standards gemessen, welche auch auf andere Formen der Zusammenarbeit zwischen Wettbewerbern Anwendung finden, d.h. insbesondere anhand von § 1 Sherman Act.59 Hin53 So Dolan, 1484 PLI/Corp 257, 278 (2005), dem zufolge diese formelle Zuordnung bereits seit Mai 2002 nicht eingehalten werde, die Behörden aber trotzdem bei der Zuordnung der Zuständigkeiten kooperieren würden. 54 Balto, 618 PLI/Pat 305, 308 (2000); Bloch/Perlman, 3 f.; Blumenthal, Antitrust Report, Mai 2000, 34, 39; Gotfredson, 2 Minn. Intell. Prop. Rev. 107, 113 (2001). Die FTC bezeichnet in ihren Veröffentlichungen sowohl Covisint als auch Partlinx als joint venture, vgl. http://www.ftc.gov/opa/2000/09/covisint.htm; http:// www.ftc.gov/os/2003/10/031010partlinx.htm (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 55 Aufgrund der vielfältigen Erscheinungsformen von joint ventures, denen eine einheitliche Übersetzung dieses Begriffs ins Deutsche nicht gerecht wird, wird in den folgenden Ausführungen der Begriff ohne Übersetzung verwendet. 56 Areeda/Kaplow/Edlin, para. 223 (S. 196 f.). 57 Areeda/Kaplow/Edlin, para. 223 (S. 196 f.). 58 Blumenthal, Antitrust Report, Mai 2000, 34, 39. 59 So etwa Bell/Adkinson, 15 Antitrust 18, 19 (Fall 2000); Gotfredson, 2 Minn. Intell. Prop. Rev. 107, 113 ff. (2001); Adkinson/Lenard, 16 Antitrust 76, 77 (Spring 2002).
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weise für die rechtliche Beurteilung von Kooperationen zwischen Wettbewerbern bieten die von der FTC und der Kartellabteilung des Justizministeriums verfassten Antitrust Guidelines for Collaborations Among Competitors („Competitor Collaboration Guidelines“) aus dem Jahr 2000.60 Entgegen einiger Aussagen in der Literatur beziehen sich diese Leitlinien nicht direkt auf B2B-Internetplattformen.61 Die im April 2000 veröffentlichten Guidelines sind vielmehr weitgehend identisch mit einem Vorschlag vom Oktober 1999, dem jahrelange Vorarbeiten der Kartellbehörden vorausgingen.62 Sie wurden also zu einem Zeitpunkt erarbeitet, in dem die große B2B-Gründungswelle noch nicht eingesetzt hatte. Im Schrifttum wird kritisch angemerkt, dass die Competitor Collaboration Guidelines wegen ihrer sehr allgemeinen und mehrdeutigen Formulierung wenig praktische Hilfestellungen bei der Beurteilung der besonderen Probleme von B2B-Marktplätzen bieten würden.63 Da joint ventures effizienzsteigernde Wirkungen haben, den Eintritt in neue Märkte ermöglichen oder zur Steigerung der Produktionskapazitäten führen können, werden sie normalerweise als legitim beurteilt, wie sich aus der grundsätzlich joint venture-freundlichen Rechtsprechung des U.S. Supreme Court ergibt.64 In seiner BMI-Entscheidung65 hat das Gericht den klassischen Ansatz formuliert, nach dem zwischen wettbewerbsfördernden und -feindlichen Formen der Zusammenarbeit unterschieden wird. Die Frage lautet, ob die zu beurteilende Kooperation effizienzsteigernd wirkt und die Wettbewerbsfähigkeit auf den betroffenen Märkten erhöht, oder ob sie fast in jedem Fall zu einer Einschränkung des Wettbewerbs und der Produktionsmengen führen würde.66 Um Effizienzsteigerungen zu erreichen, stellen die Teilnehmer im Rahmen ihrer Zusammenarbeit typischerweise Kapital in erheblicher Höhe, von ihnen genutzte Technologien oder andere Aktiva zur Verfügung, um daraus wettbewerbliche Vorteile zu ziehen, die sie ohne die Zusammenarbeit nicht erreichen könnten.67 Dadurch wird die Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten 60 U.S. Department of Justice and Federal Trade Commission, Guidelines for Collaborations Among Competitors (April 7, 2000), abrufbar unter www.ftc.gov/ os/2000/04/ftcdojguidelines.pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 61 So aber etwa Sacks/Handelman, 691 PLI/Pat 483, 493 (2002), denen zufolge die Guidelines die Vorteile von B2B-Plattformen anerkennen sollen. 62 Blumenthal, Antitrust Report, Mai 2000, 34, 37. 63 Blumenthal, Antitrust Report, Mai 2000, 34, 37. 64 Siehe etwa National Collegiate Athletic Ass. v. Board of Regents of the University of Oklahoma, 468 U.S. 85 (1984). 65 Broadcast Music, Inc. v. Columbia Broadcasting System, 441 U.S. 1 (1979). 66 441 U.S. 1, 19 f. (1979). 67 Competitor Collaboration Guidelines, Tz. 3.2.
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Unternehmen gesteigert, wodurch mögliche wettbewerbsbeschränkende Tendenzen der Zusammenarbeit aufgewogen werden können.68 Wenn die zwischen den Partnern geschlossene Vereinbarung eng genug mit der Integration verknüpft und notwendig ist, um Wettbewerbsvorteile zu erreichen, wird sie anhand der rule of reason beurteilt, auch wenn sie unter anderen Umständen unter das per se-Verbot fallen könnte.69 Dabei werden die wettbewerblichen Auswirkungen des gemeinsamen Projekts in seiner Gesamtheit als auch die Auswirkungen jeder einzelnen Regelung, die die Teilnehmer untereinander vereinbart haben, untersucht.70 Folglich können einzelne Regelungen, die für die Marktplatznutzer gelten, auch dann als wettbewerbsfeindlich angegriffen werden, wenn die Internetplattform insgesamt effizienzsteigernd wirkt, es sei denn, die fraglichen Regelungen sind notwendig, um die die angestrebten Wettbewerbsvorteile zu erreichen.71 Die FTC wandte diese Grundsätze in ihrer advisory opinion72 zur Gründung von Partlinx, dem Marktplatz für den Vertrieb von Elektrogeräteersatzteilen, an. Die sechs an Partlinx73 beteiligten Unternehmen bedienten unterschiedliche Vertriebsregionen innerhalb der USA. Um ihre Ersatzteile nicht nur an regionale Kunden innerhalb dieser Vertriebsregionen, sondern auch an national operierende Großabnehmer wie Sears, Home Depot oder Wal-Mart vertreiben zu können, hatten sie geplant, über die Internetplattform nur gemeinsam zu einheitlichen Preisen an Großabnehmer zu verkaufen. Zur Festlegung einheitlicher Verkaufspreise und -konditionen für Großabnehmer sollten die Mitglieder Informationen über ihr zukünftiges Marketing und ihre zukünftige Geschäftsstrategie offenlegen.74 68
Competitor Collaboration Guidelines, Tz. 3.2. Competitor Collaboration Guidelines, Tz. 3.2. 70 Competitor Collaboration Guidelines, Tz. 2.3. 71 Bell/Adkinson, 15 Antitrust 18, 19 (Fall 2000). 72 Gemäß § 1 der Federal Trade Commission Rules of Practice, 16 C.F.R. § 1, haben interessierte Personen oder Gesellschaften die Möglichkeit, die FTC um Rechtsrat bezüglich eines von ihnen geplanten Vorhabens zu ersuchen, wenn dieses Vorhaben bedeutsame und neue rechtliche Fragen aufwirft, zu denen es keine von der FTC oder den Gerichten entschiedenen Präzedenzfälle gibt oder ein gewichtiges öffentliches Interesse an dem Thema der Anfrage und dem daraufhin zu veröffentlichenden Rechtsrat der Kommission besteht. Der einmal erteilte Rechtsrat lässt das Recht der FTC unberührt, die zugrunde liegenden Fragen zu einem späteren Zeitpunkt anders zu beurteilen. 73 Partlinx wurde als Gemeinschaftsunternehmen von fünf Gesellschaften gegründet, die Ersatzteile für Haushalts-geräte in den USA vertreiben, denen sich ein sechstes Unternehmen aus derselben Branche anschloss. Das Gemeinschaftsunternehmen ist als Limited Liability Company mit Hauptsitz in Chicago, Illinois, organisiert. Siehe FTC advisory opinion concerning Partlinx, II.A, abrufbar unter http:// www.ftc.gov/os/2003/10/031010partlinx. htm (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 69
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In ihrer Beurteilung gelangte die FTC zu dem Ergebnis, dass Partlinx in mancher Hinsicht zu Effizienzgewinnen führen könne, wie einer Reduzierung der Suchkosten für Kunden, einem verbesserten Zugang zu Ersatzteilen, da auf das Inventar von sechs Anbietern zugegriffen werden könne, und niedrigeren Transportkosten, da den Kunden sämtliche Verkaufsstellen aller sechs Anbieter zur Verfügung stehen würden.75 Die Offenlegung von Informationen über die zukünftigen Pläne für Marketing und Strategie der beteiligten Unternehmen seien jedoch zumindest für die Verkäufe an regionale Kunden nicht notwendig, um diese Effizienzgewinne zu erreichen.76 Zwar könne der geplante Informationsaustausch als Nebenbestimmung (ancillary restraint) des gemeinsamen Verkaufs an nationale Großabnehmer angesehen werden. Allerdings stelle sich diesbezüglich die Frage, ob es sich bei dem gemeinsamen Verkauf zu vorher gemeinsam festgelegten Preisen nicht um eine per se illegale Preisabsprache handele.77 Eine ausführliche Darstellung der kartellrechtlichen Relevanz einzelner Regelungen, die bislang beim Betrieb von elektronischen Marktplätzen aufgestellt oder im Schrifttum diskutiert wurden, erfolgt im Zusammenhang mit den Problemkreisen Markttransparenz, gemeinsamer Ein- und Verkauf sowie Exklusivbindungen und Zugang. 2. B2Bs als Zusammenschlüsse In einigen Fällen kann die Gründung eines elektronischen B2B-Marktplatzes durch konkurrierende Unternehmen als Zusammenschluss (merger) angesehen werden, welcher nach § 7 Clayton Act zu beurteilen ist.78 Denn unter Umständen kann die Zusammenarbeit zwischen konkurrierenden Unternehmen die gleichen Auswirkungen auf den Wettbewerb haben wie ein vollständiger Zusammenschluss der beteiligten Unternehmen.79 Die Kartellbehörden behandeln eine Kooperation zwischen Wettbewerbern als Zusammenschluss, wenn vier Faktoren vorliegen:80 wenn die Teilnehmer Wettbewerber auf dem relevanten Markt sind, die Zusammenarbeit eine effizienzsteigernde Integration geschäftlicher Aktivitäten auf dem relevanten Markt beinhaltet und diese Integration sämtlichen Wettbewerb zwischen 74
FTC advisory opinion concerning Partlinx, II.C.2. FTC advisory opinion concerning Partlinx, II.D. 76 FTC advisory opinion concerning Partlinx, III.B. 77 FTC advisory opinion concerning Partlinx, III.B. 78 Vgl. FTC Advisory Opinion Concerning Partlinx, III.B., abrufbar unter http:// www.ftc.gov/os/2003/10/031010 partlinx.htm (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007), Bloch/Perlman, S. 3. 79 Competitor Collaboration Guidelines, Tz. 1.3. 80 Competitor Collaboration Guidelines, Tz. 1.3. 75
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den Teilnehmern auf dem relevanten Markt beendet. Ein Indiz für einen merger liegt viertens vor, wenn die Zusammenarbeit nicht innerhalb einer in ausreichendem Maße begrenzten Zeitspanne beendet wird. Diese Begrenzung muss ausdrücklich vereinbart werden. Nach Ansicht der Kartellbehörden reicht eine Dauer von zehn Jahren aus, um eine Kooperation zwischen Wettbewerbern als auf Dauer angelegt zu betrachten und wie einen Zusammenschluss zu behandeln.81 Liegen diese vier Faktoren vor, wenden die Behörden statt der Competitor Collaboration Guidelines die Horizontal Merger Guidelines auf die Kooperation an. Sofern die beteiligten Unternehmen nur einen Teil ihrer Aktivitäten integrieren und dieser Teilbereich nach den soeben genannten Kriterien als Zusammenschluss zu behandeln ist, bleiben jedoch auf die wettbewerblichen Auswirkungen ihrer Zusammenarbeit auf andere Märkte die Competitor Collaboration Guidelines anwendbar.82 Bislang finden sich in Praxis und Schrifttum nur wenige Anhaltspunkte für die konkrete Anwendung dieser Grundsätze auf elektronische Marktplätze. In ihrer advisory opinion bezüglich der Gründung von Partlinx spricht die FTC zwar die Frage an, ob die Gründung der Plattform als Zusammenschluss behandelt werden sollte. Die Kartellbehörde verweist jedoch darauf, dass die Zusammenarbeit nur zu einem geringen Ausmaß zur Integration zwischen den an Partlinx beteiligten Unternehmen führen werde.83 Die Beteiligten würden den durch den Verkauf an national operierende Großkunden erzielten Umsatz oder Gewinn nicht in eine gemeinsame Kasse fließen lassen. Auch die Kosten für die Beschaffung der Ersatzteile, deren Lagerung und Transport würden sie nicht untereinander aufteilen. Lediglich die Transaktionskosten, die bei den gemeinsamen Preisverhandlungen mit den Großkunden durch die Zurverfügungstellung von Mitarbeitern und Arbeitszeit des Managements entstehen würden, würden gemeinsam getragen.84 Diese Argumente der FTC sprechen eher gegen einen Zusammenschluss i. S. d. § 7 Clayton Act. 81
Competitor Collaboration Guidelines, Tz. 1.3, Fn. 10. Vgl. Competitor Collaboration Guidelines, Anhang, Beispiel 1. 83 An initial issue is whether the joint marketing venture should be analyzed like a merger. [. . .] Here, however, the amount of financial integration among the Partlinx members would be relatively small. FTC Advisory Opinion Concerning Partlinx, LLC’s B2B Joint Venture vom 10. Okt. 2003, Teil III.B., abrufbar unter http:// www.ftc.gov/os/2003/10/031010partlinx.htm (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 84 The Partlinx members would not pool revenues or profits on the sales to national accounts. They would share the transaction costs incurred in negotiating prices with national accounts by contributing employee or management time for establishing or negotiating the prices and related contract terms. The members would not share costs relating to replacement parts procurement, storage, or shipping. FTC 82
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2. Abschn.: Elektronische Marktplätze im US-amerikanischen Kartellrecht
Der Pressemitteilung von September 2000, in der die FTC die vorzeitige Beendigung der Hart-Scott-Rodino-Wartefrist85 für die Einkaufsplattform Covisint bekanntgab, lässt sich lediglich entnehmen, dass die Behörde zu keiner endgültigen Beurteilung gelangen konnte, da Covisint sich noch im Gründungsstadium befand und noch keine Regelungen für den Geschäftsbetrieb oder die Zulassung von Marktplatzteilnehmern getroffen hatte.86 Aus diesem Grund behielt sich die Kartellbehörde das Recht vor, weitere Maßnahmen zu ergreifen, falls das öffentliche Interesse dies erfordern sollte.87 Im Schrifttum wird bei der Beurteilung der Gründung von B2B-Marktplätzen unterschieden zwischen strukturellen Aspekten, die nach § 7 Clayton Act zu behandeln seien, und operationellen Aspekten, die nach § 1 Sherman Act zu behandeln seien.88 Eine strukturelle Frage sei danach, ob die Gründer des Marktplatzes die Möglichkeit haben, gewisse Geschäfte über die Plattform gemeinsam abzuwickeln und dadurch als Anbieter oder Nachfrager Marktmacht auszuüben, d.h. die Verkaufspreise über das Wettbewerbsniveau anzuheben oder die Einkaufspreise unter das Wettbewerbsniveau zu drücken.89 Eine operationelle und somit anhand des § 1 Sherman Act zu beurteilende Frage sei dagegen, ob es sich bei der Plattformgründung grundsätzlich um ein legitimes Projekt handele, welches neue Produkte oder wesentliche Wettbewerbsvorteile schaffe, die die beteiligten Unternehmen nicht einzeln hätten erreichen können, oder ob es sich um einen Vorwand für eine Kartellbildung handele.90 Advisory Opinion Concerning Partlinx, LLC’s B2B Joint Venture vom 10. Okt. 2003, a. a. O. 85 Die Gründer von Covisint, die Automobilkonzerne General Motors, Ford, DaimlerChrysler, Renault und Nissan sowie die Softwareunternehmen CommerceOne und Oracle, hatten die geplante Gründung der Einkaufsplattform als Zusammenschluss gem. § 7 Clayton Act angemeldet, da angesichts der Größe der Gründer die Schwellenwerte des Hart-Scott-Rodino Antitrust Improvements Acts überschritten waren. Für einen Überblick über die verschiedenen Schwellenwerte, die eine sog. premerger notification nach dem HSR Act notwendig machen sowie die Wartefristen, siehe Dolan, 1484 PLI/Corp 257 ff. (2005). 86 [T]he Commission noted that, because Covisint is in the early stages of its development and has not yet adopted bylaws, operating rules, or terms for participant access, because it is not yet operational, and because its founders represent such a large share of the automobile market, the Commission cannot say that implementation of the Covisint venture will not cause competitive concerns. Pressemitteilung der FTC vom 11. Sept. 2000, abrufbar unter http://www.ftc.gov/opa/2000/09/ covisint.htm (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 87 In view of this, the Commission reserved the right to take such further action as the public interest may require. Pressemitteilung der FTC vom 11. Sept. 2000, a. a. O. (vorige Fn.). 88 Bloch/Perlman, S. 3. 89 Bloch/Perlman, S. 4.
§ 2 Extraterritoriale Anwendbarkeit
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Andere Autoren scheinen davon auszugehen, dass konkurrierende Unternehmen, die gemeinsam einen elektronischen B2B-Marktplatz betreiben, dabei auf den Märkten der gehandelten Produkte und Dienstleistungen Wettbewerber bleiben, und sprechen die Möglichkeit nicht an, ob es sich bei der Zusammenarbeit um einen merger handeln könnte.91 Vor diesem Hintergrund ist festzuhalten, dass sich die US-Kartellbehörden und die Literatur bislang noch nicht ausführlich mit der Abgrenzung zwischen Competitor Collaboration und merger i. S. d. § 7 Clayton Act speziell im Kontext der Gründung von B2B-Marktplätzen befasst haben.
§ 2 Extraterritoriale Anwendbarkeit des US-Kartellrechts Angesichts der internationalen Ausrichtung vieler Internetplattformen könnten Marktplatznutzer in den USA mit wettbewerbsfeindlichen Aktivitäten konfrontiert werden, die von im Ausland betriebenen B2B-Marktplätzen ausgehen.92 Dies wirft die Frage auf, unter welchen Voraussetzungen die Vorschriften des antitrust law auf ausländische Sachverhalte Anwendung finden. Grundsätzlich können im Ausland initiierte, wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen, die Auswirkungen auf den Handel innerhalb der Vereinigten Staaten oder auf den Außenhandel US-amerikanischer Unternehmen haben, gegen das antitrust law verstoßen. Fälle, die die Einfuhr ausländischer Güter oder Dienstleistungen in die USA betreffen, werden nach den 1993 vom U.S. Supreme Court in der Sache Hartford Fire Insurance Co. v. California93 entwickelten Prinzipien beurteilt. Des Weiteren kann der Foreign Trade Antitrust Improvements Act (FTAIA) von 1982 anwendbar sein, wenn im Ausland durchgeführte Handlungen direkte, wesentliche und vernünftigerweise vorhersehbare Auswirkungen auf den US-amerikanischen Handel haben94. Anhaltspunkte für die Beurteilung solcher Sachverhalte 90
Bloch/Perlman, S. 4. Vgl. etwa Bell/Adkinson, 15 Antitrust 18, 20 (Fall 2000): [T]he nature of the joint activity must be emphasized. Competing sellers will not be integrating their marketing, sales, or pricing functions. They remain competitors in selling their products through the B2B Exchange, as well as through other online mechanisms and traditional outlets; bzgl. des B2C-Reiseportals Orbitz Adkinson/Lenard, 16 Antitrust 76 (2002): Orbitz is a joint venture devoted to the online distribution of air travel and related services, whose member airlines compete in providing air travel services. 92 Vgl. Clanton/Leiseca/Laing/Burow, S. 2. 93 509 U.S. 764 (1993). 94 Vgl. Clanton/Leiseca/Laing/Burow, S. 2 (Fn. 1). 91
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2. Abschn.: Elektronische Marktplätze im US-amerikanischen Kartellrecht
finden sich weiterhin in den Antitrust Enforcement Guidelines For International Operations, die 1995 vom US-Justizministerium und der FTC veröffentlicht wurden.95
I. Einfuhren in die USA In der Sache Hartford hatte der U.S. Supreme Court unter anderem zu entscheiden, ob Absprachen zwischen britischen Rückversicherungsgesellschaften über die Ausgestaltung der von Erstversicherern in den USA anzubietenden Policen eine Verletzung von § 1 Sherman Act darstellten. Die in London ansässigen Rückversicherungen argumentierten, dass ihr Verhalten mit den einschlägigen britischen Regulierungsvorschriften übereinstimme, was die als amicus curiae auftretende Regierung von Großbritannien bestätigte. Es bestehe also ein Konflikt zwischen amerikanischem und britischem Recht. Wegen des Grundsatzes der internationalen Rücksichtnahme (comity) hätten amerikanische Gerichte den Sherman Act deshalb nicht anwenden sollen.96 Der Oberste Gerichtshof stellte zunächst fest, dass der Sherman Act auf im Ausland begangene Handlungsweisen anwendbar ist, die zu wesentlichen Auswirkungen in den Vereinigten Staaten führen sollen und tatsächlich führen.97 Des Weiteren bestehe kein Konflikt zwischen den Gesetzen zweier Staaten, wenn die Einhaltung beider Gesetze möglich sei.98 Da der britische Gesetzgeber von den Rückversicherungsgesellschaften keine Verhaltenskonzertierung gefordert hätte, sei es ihnen möglich gewesen, die Gesetze beider Staaten einzuhalten, womit kein echter Konflikt vorhanden war. Somit bestand nach Auffassung des U.S. Supreme Court kein Grund für amerikanische Gerichte, sich für unzuständig zu erklären. Folglich sind nach der Hartford Fire-Rechtsprechung zur Beurteilung der Frage, ob der Sherman Act auf im Ausland beschlossene Verhaltenskonzertierungen anwendbar ist, zwei Prüfungsschritte erforderlich: Erstens müssen die Beteiligten die Absicht haben, durch ihre Handlungsweise wesentliche Auswirkungen auf den inneramerikanischen Handel zu erzeugen (intended participation in US commerce). Die beabsichtigten Auswirkungen müssen 95
Antitrust Enforcement Guidelines for International Operations, issued by: The U.S. Department of Justice and the Federal Trade Commission, April 1995, abrufbar unter http://www.usdoj.gov/atr/public/guidelines/internat.htm (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 96 Hartford Fire Insurance Co. v. California, 509 U.S. 764, 797 (1993). 97 509 U.S. 764, 796 (1993): It is well established by now that the Sherman Act applies to foreign conduct that was meant to produce and did in fact produce some substantial effect in the United States. 98 Restatement (Third) Foreign Relations Law, § 403, Comment e.
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zweitens tatsächlich eintreten (actual participation in US commerce). Dies ist anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu prüfen.99
II. Andere Fälle des Außenhandels Der Sherman Act kann, außer auf Einfuhren in die Vereinigten Staaten, auch auf andere Sachverhalte mit Auslandsbezug anwendbar sein, wenn sie zu direkten, wesentlichen und vernünftigerweise vorhersehbaren Auswirkungen auf den US-amerikanischen Handel führen. Besondere Bedeutung im Kontext von B2B-Marktplätzen, deren Nutzer Geschäfte auf US-amerikanischen und ausländischen Märkten abschließen, kommt den Vorschriften des Foreign Trade Antitrust Improvements Act (FTAIA)100 und der seit 2001 aufgetretenen Kontroverse um deren Auslegung zu. Inhaltlich geht es dabei um die Frage, unter welchen Umständen ausländische Unternehmen, die durch internationale Kartelle geschädigt wurden, wegen ihrer im Ausland erlittenen Verluste dreifachen Schadensersatz vor US-Gerichten einklagen können.101 Durch den FTAIA, den vierten Abschnitt des Export Trading Company Act, wurden 1982 die Vorschriften des Sherman Act und des FTC Act geändert. Neu eingefügt wurden § 7 Sherman Act und der fast gleichlautende § 5 (a)(3) FTC Act. Section 7 Sherman Act lautet: This act shall not apply to conduct involving trade or commerce (other than import trade or import commerce) with foreign nations unless – (1) such conduct has a direct, substantial, and reasonably foreseeable effect – (A) on trade or commerce which is not trade or commerce with foreign nations, or on import trade or import commerce with foreign nations; or (B) on export trade or export commerce with foreign nations, of a person engaged in such trade or commerce in the United States; and (2) such effect gives rise to a claim under the provisions of this act, other than this section. . . .102 99
Antitrust Enforcement Guidelines for International Operations, Abschnitt 3.11. Foreign Trade Antitrust Improvements Act of 1982 (FTAIA), 15 U.S.C. § 6a. 101 Siehe hierzu Hay/Krätzschmar, RIW 2003, 809, 811 f.; Michaels/Zimmer, IPRax 2004, 451, 453 f.; Zimmer in: Festschrift für Immenga (2004) 475, 479 ff. 102 Übersetzung der Verfasserin: Dieses Gesetz bezieht sich nicht auf Verhaltensweisen, die sich auf den Handel oder Geschäftstätigkeiten mit ausländischen Nationen beziehen, es sei denn, dass (1) die fragliche Verhaltensweise eine direkte, erhebliche und vernünftigerweise vorhersehbare Auswirkung auf (A) Handel hat, der nicht Handel mit ausländischen Nationen ist, oder auf Importe aus dem Ausland; oder (B) Exporte ins Ausland, die durch eine Person in den Vereinigten Staaten durchgeführt werden; und 100
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2. Abschn.: Elektronische Marktplätze im US-amerikanischen Kartellrecht
Der FTAIA erklärt also den Sherman Act für generell unanwendbar auf den Handel mit ausländischen Staaten, macht von dieser Grundregel aber eine Ausnahme für den Fall, dass der Handel mit ausländischen Staaten wesentliche negative Auswirkungen auf Importe in die USA, den Handel innerhalb der USA oder US-amerikanische Exporteure hat.103 Die Auslegung dieser Vorschrift ist von entscheidender Bedeutung für die Frage, inwieweit ausländische Kläger wegen außerhalb der USA begangener wettbewerbsfeindlicher Handlungen Verletzungen der antitrust laws vor US-Gerichten geltend machen können. In mehreren zwischen 2001 und 2003 entschiedenen Fällen waren amerikanische Bundesberufungsgerichte von ausländischen Privatklägern angerufen worden, die Schadensersatz wegen im Ausland begangener Handlungen ausländischer Unternehmen begehrten, welche gegen das US-amerikanische Kartellrecht verstießen.104 In den daraufhin ergangenen Urteilen legten die Gerichte den FTAIA unterschiedlich aus. Ansatzpunkt für die divergierenden Rechtsansichten war die Formulierung „such effect gives rise to a claim“ im zweiten Absatz von § 7 Sherman Act. Das Berufungsgericht für den fünften Circuit gelangte zu dem Ergebnis, dass der konkrete eingeklagte Anspruch aus den Auswirkungen einer Kartellrechtsverletzung in den USA resultieren muss; es reiche nicht aus, dass die Auswirkungen einer wettbewerbsfeindlichen Handlung irgendeinen Anspruch irgendeines Marktteilnehmers in den USA begründen.105 Demgegenüber hielt der District of Columbia Circuit es für ausreichend, dass eine außerhalb der Vereinigten Staaten begangene Handlung die antitrust laws aufgrund einer direkten, erheblichen und vernünftigerweise vorhersehbaren Auswirkung in den USA verletzt und zusätzlich irgendeinem Privatkläger in den USA einen Schaden zugefügt hat.106 (2) diese Auswirkungen einen Anspruch nach dem Sherman Act begründen, außer nach diesem Paragraphen. 103 Siehe F. Hoffmann-LaRoche Ltd. v. Empagran S.A., 124 S.Ct. 2359, 2363 (2004) = WuW KR Int 37; Fernandes, 20 Conn. J. Int’l L. 267, 269 f. (2005). 104 Empagran S.A. v. Hoffmann-LaRoche Ltd., 315 F.3d 338 (D.C. Cir. 2003) = WuW/E KRInt 1; Kruman v. Christie’s Int’l. PLC, 284 F.3d 384 (2nd Cir. 2002); Den Norske Stats Oljeselskap As v. HeereMac Vof, 241 F.3d 420 (5th Cir. 2001). Vgl. für eine Stellungnahme zu diesen drei Entscheidungen Hay/Krätzschmar, RIW 2003, 809, 811 ff.; Zimmer in: Festschrift für Immenga (2004) 475, 479 ff. 105 Den Norske Stats Oljeselskap As v. HeereMac Vof, 241 F.3d 420, 427 (5th Cir. 2001). 106 We hold that, where the anticompetitive conduct has the requisite effect on United States commerce, FTAIA permits suits by foreign plaintiffs who are injured solely by the conduct’s effect on foreign commerce. The anticompetitive conduct itself must violate the Sherman Act and the conduct’s harmful effect on United States commerce must give rise to „a claim“ by someone, even if not the foreign plaintiff
§ 2 Extraterritoriale Anwendbarkeit
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In seiner Empagran-Entscheidung von 2004 hat der U.S. Supreme Court zu dieser Kontroverse Stellung bezogen.107 Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: In den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts hatten international tätige Hersteller von Vitaminen Absprachen über die Verkaufspreise in den USA, der EU und zahlreichen weiteren Märkten getroffen. Gegen die Mitglieder des Vitaminkartells verhängten die US-Kartellbehörden und die Europäische Kommission Bußgelder in Rekordhöhe.108 Daneben erhoben Privatkläger aus Australien, der Ukraine, Ecuador und Panama eine Sammelklage (class action) in den USA, um dreifachen Schadensersatz für den von ihnen in ihren jeweiligen Heimatländern durch die überhöhten Vitaminpreise erlittenen Schaden geltend zu machen.109 Während die erste Instanz die Klagen wegen mangelnder sachlicher Zuständigkeit (subject matter jurisdiction) abgewiesen hatte, gab das Berufungsgericht ihnen statt.110 Daraufhin riefen die ausländischen Vitaminherstellern den U.S. Supreme Court an. Bei seiner Entscheidung ging der Oberste Gerichtshof davon aus, dass die Preisabsprachen auf den internationalen Vitaminmärkten sowohl Kunden außerhalb als auch innerhalb der USA betrafen, aber die nachteiligen Auswirkungen des Kartells im Ausland unabhängig von denen in den USA waren. Unter diesen Umständen sei die Ausnahmeregel des FTAIA und damit der Sherman Act aus zwei Gründen nicht anwendbar: Erstens lege das Gericht mehrdeutige Gesetze normalerweise so aus, dass unvernünftige Kollisionen mit der souveränen Staatsgewalt anderer Nationen vermieden werden.111 Es sei nicht Aufgabe des amerikanischen Rechts, die eigene Einwho is before the court. Empagran S.A. v. Hoffmann-LaRoche Ltd., 315 F.3d 338, 341 (D.C. Cir. 2003) = WuW/E KRInt 1, 2. 107 F. Hoffmann-LaRoche Ltd. v. Empagran S.A., 124 S.Ct. 2359 (2004) = WuW KRInt 37. Hierzu aus deutscher Sicht Baudenbacher/Behn, ZWeR 2004, 604 ff.; Hay/Krätzschmar, RIW 2004, 667 ff.; Körber, ZWeR 2004, 591 ff.; Michaels/Zimmer, IPRax 2004, 451 ff.; Shenefield/Beninca, WuW 2004, 1276 ff. 108 Komm. vom 21.11.2001, ABl.EG (2003) Nr. L 6, S. 1 ff.; Plea Agreement, United States v. Hoffmann-La Roche Ltd. (99-CR-184-R), abrufbar unter http://www.usdoj.gov/atr/cases/f2400/hoffman.pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 109 Ursprünglich hatten amerikanische und ausländische Privatkläger die Sammelklage gemeinsam eingereicht, die Beklagten hatten aber beantragt, die Klagen der ausländischen Kläger abzuweisen, woraufhin das Verfahren der ausländischen Kläger abgetrennt wurde. Aus diesem Grund beziehen sich das Berufungsgerichtsurteil des D.C. Circuit und die daraufhin ergangene Entscheidung des U.S. Supreme Court nur noch auf die ausländischen Privatkläger, vgl. F. Hoffmann-LaRoche Ltd. v. Empagran S.A., 124 S.Ct. 2359, 2363 f. (2004). 110 Empagran S.A. v. F. Hoffmann La Roche, Ltd., 2001 WL 761360, 2001 U.S. Dist. LEXIS 20910 (D.D.C. June 7, 2001), rev’d., 315 F.3d 338 (D.C. Cir. 2003).
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schätzung anderer Länder zu verdrängen, wie Kunden am besten vor Wettbewerbsbeschränkungen durch Unternehmen in ihren jeweiligen Heimatländern geschützt werden sollten.112 Zweitens deuteten der Wortlaut und die Entstehungsgeschichte des FTAIA darauf hin, dass der amerikanische Gesetzgeber den FTAIA geschaffen habe, um den Anwendungsbereich des Sherman Act auf den Handel mit ausländischen Nationen klarzustellen und möglicherweise zu begrenzen, aber nicht, um ihn signifikant auszudehnen.113 Das Gericht betonte, es habe keinerlei Hinweis darauf gefunden, dass amerikanische Gerichte zum Zeitpunkt des Erlasses des FTAIA den Sherman Act auf Sachverhalte für anwendbar gehalten hätten, in denen ausländische Kläger Schadensersatz für im Ausland begangene Wettbewerbshandlungen nichtamerikanischer Unternehmen begehrten.114 Aus diesen Gründen hob der U.S. Supreme Court die Entscheidung des Berufungsgericht auf und verwies den Fall zurück. Dabei gab er dem Court of Appeals auf, den von den ausländischen Klägern alternativ vorgetragenen Sachverhalt zu prüfen, wonach die Auswirkungen des Vitaminkartells auf den US-amerikanischen Markt nicht von den Auswirkungen im Ausland unabhängig waren. Die Kläger hatten argumentiert, dass das Vitamin-Kartell seine erhöhten Preise außerhalb der USA nur deshalb aufrechterhalten konnte, da auch die Preise in den USA höher waren, denn Vitamine seien homogene und leicht zu transportierende Güter. Ohne die erhöhten Preise in den USA hätte das Kartell folglich auch keine erhöhten Preise im Ausland durchsetzen können, und den ausländischen Klägern wäre kein Schaden entstanden. Diese Verbindung zwischen den Preisen für Vitamine auf 111 First, this Court ordinarily construes ambiguous statutes to avoid unreasonable interference with the sovereign authority of other nations. 124 S.Ct. 2359, 2366 (2004) = WuW/E KRInt 37, 38. 112 Why should American law supplant, for example, Canada’s or Great Britain’s or Japan’s own determination about how best to protect Canadian or British or Japanese customers from anticompetitive conduct engaged in significant part by Canadian or British or Japanese or other foreign companies? 124 S.Ct. 2359, 2367 (2004) = WuW/E KRInt 37, 38. 113 Second, the FTAIA’s language and history suggest that Congress designed the FTAIA to clarify, perhaps to limit, but not to expand in any significant way, the Sherman Act’s scope as applied to foreign commerce. 124 S.Ct. 2359, 2369 (2004) = WuW/E KRInt 37, 40. 114 Dazu untersuchte der U.S. Supreme Court sechs von den ausländischen Klägern angeführte Fälle, die vor Inkrafttreten des FTAIA im Jahr 1982 entschieden wurden und gelangte zu dem Ergebnis, dass in keinem dieser Fälle der Sherman Act auf einen Sachverhalt angewandt worden war, der dem von dem Berufungsgericht für den D.C. Circuit zugrunde gelegten Sachverhalt vergleichbar war. 124 S.Ct. 2359, 2369 ff. (2004) = WuW/E KRInt 37, 40 ff.
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den außer- und inneramerikanischen Märkten sei ausreichend, um den Anwendungsbereich des FTAIA zu eröffnen.115 In seiner daraufhin ergangenen Entscheidung wies das Berufungsgericht für den D.C. Circuit die Klage wegen mangelnder sachlicher Zuständigkeit ab.116 Zur Begründung führte das Gericht aus, die Formulierung „gives rise to a claim“ in § 7 (2) Sherman Act verlange eine direkte Kausalität zwischen den Auswirkungen einer Wettbewerbshandlung auf den Handel innerhalb der USA („domestic trade or commerce“) und dem im Ausland erlittenen Schaden.117 In dem konkreten Fall seien die von den ausländischen Klägern erlittenen Schäden jedoch durch die Auswirkungen der im Ausland getroffenen Preisabsprachen auf ausländische Märkte hervorgerufen worden.118 Die unterlegenen Kläger riefen daraufhin erneut den U.S. Supreme Court an, der die Sache jedoch nicht zur Entscheidung annahm.119 Das Berufungsgericht für den zweiten Circuit war in einer Entscheidung mit vergleichbarem Sachverhalt, die es nach dem Empagran-Urteil des U.S. Supreme Court gefällt hatte, ebenfalls zu der Überzeugung gelangt, dass die Anwendung des FTAIA und damit des Sherman Act eine direkte Kausalität zwischen den Auswirkungen der Wettbewerbshandlung innerhalb der USA und dem ausländischen Schaden verlange.120 Dieselbe Rechtsansicht vertraten auch die Bezirksgerichte für den Southern District of New York121 und den Northern District of California122, die vergleichbare Sam115
S.Ct. 2359, 2372 (2004) = WuW/E KRInt 37, 43. Empagran S.A. v. F. Hoffmann-LaRoche, Ltd., 417 F.3d 1267 (D.C. Cir. 2005), cert. denied, 126 S. Ct. 1043 (2006). 117 The statutory language – „gives rise to“ – indicates a direct causal relationship, that is, proximate causation, and is not satisfied by the mere but-for „nexus“ the appellants advanced in their brief. 417 F.3d 1267, 1271 (D.C. Cir. 2005). 118 The foreign injury caused by the appellees’ conduct, then, was not „inextricably bound up with . . . domestic restraints of trade,“ [. . .] It was the foreign effects of price-fixing outside of the United States that directly caused or „g[a]ve rise to“ the appellants’ losses when they purchased vitamins abroad at super-competitive prices. 417 F.3d 1267, 1271 (D.C. Cir. 2005). 119 Der klägerische Antrag auf eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (sog. petition for a writ of certiorari) wurde am 28. Oktober 2005 gestellt und am 9. Januar 2006 abgelehnt (docket number 05-541). 120 Sniado v. Bank Austria AG et al., 378 F.3d 210 (2nd Cir. 2004). Näher zu diesem Fall Shenefield/Beninca, WuW 2004, 1276, 1282 f. 121 Latino Quimica-Amtex S.A. et al. v. Akzo Nobel Chemicals B.V. et al., 2005 WL 2207017 (S.D.N.Y. 2005). Dem Fall lag eine Sammelklage mexikanischer, argentinischer und kolumbianischer Käufer von Chemikalien zugrunde, die dreifachen Schadensersatz von ausländischen Chemiekonzernen einklagen wollten. 122 eMag Solutions, LLC et al. v. Toda Kogyo Corp. et al., 2005 WL 1712084 (N.D. Cal. 2005). Die Kläger aus England, Australien und Mexiko behaupteten in 116
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2. Abschn.: Elektronische Marktplätze im US-amerikanischen Kartellrecht
melklagen ausländischer Privatkläger wegen mangelnder sachlicher Zuständigkeit (subject matter jurisdiction) abwiesen. Zwei Bezirksgerichte in Connecticut123 und Minnesota124 hatten zwischenzeitlich den FTAIA anders ausgelegt und ihre sachliche Zuständigkeit für die von ausländischen Unternehmen erhobenen Klagen mit dem Argument bejaht, dass die Auswirkungen von weltweiten Kartellabsprachen auf die Märkte in den USA und im Ausland nicht unabhängig voneinander seien. Während die Beklagten in dem Fall aus Connecticut US-amerikanische Unternehmen waren und dieser Fall daher möglicherweise nicht verallgemeinert werden kann125, begründete das Gericht aus Minnesota seine Rechtsauffassung nicht nur damit, dass die Wirkungen internationaler Kartelle auf die Märkte in verschiedenen Ländern nicht voneinander getrennt werden könnten, sondern auch mit der abschreckenden Wirkung des dreifachen Schadensersatzes, dessen Verhängung im Interesse der US-amerikanischen Verbraucher liege.126 Nach der zweiten Entscheidung des Berufungsgerichts für den D.C. Circuit in Sachen Empagran nahm das Bezirksgericht jedoch von seiner bisherigen Auffassung Abstand und schloss sich der Ausihrer Sammelklage ebenfalls, auf ihren Heimatmärkten überhöhte Preise für Chemikalien gezahlt zu haben. 123 MM Global Services et al. v. The Dow Chemical Comp. et al., 329 F.Supp.2d 337 (D. Conn. 2004). Kritisch zu diesem Fall Shenefield/Beninca, WuW 2004, 1276, 1283. 124 In re Monosodium Glutamate Antitrust Litig., 2005 WL 1080790 (D. Minn. 2005), 2005-1 Trade Cases P 74,781. 125 Das Bezirksgericht in eMag Solutions sah die MM Global-Entscheidung nicht als Präzedenzfall für eine weite Auslegung des FTAIA an, da die Beklagten USamerikanische Unternehmen waren: The district court in MM Global [. . .] never discussed whether „but-for“ causation is the appropriate standard for foreign claims under the FTAIA. Moreover, the case did not concern „purely foreign“ commerce – the plaintiffs had purchased product in the U.S., which led the court to conclude that the complaint properly alleged that defendants’ conduct had an effect on competition in and from the United States, and that plaintiffs were injured as a result of that effect. Here, plaintiffs seek relief for overcharges in „purely foreign“ commerce [. . .].eMag Solutions, LLC et al. v. Toda Kogyo Corp. et al., 2005 WL 1712084, S. *7 f. (N.D. Cal. 2005). 126 Moreover, an exclusion of all foreign plaintiffs would lessen the deterrent effect of treble damages. The conspiracy alleged by the respondents in this case operated domestically as well as internationally. If foreign plaintiffs were not permitted to seek a remedy for their antitrust injuries, persons doing business in both this country and abroad might be tempted to enter into anti-competitive conspiracies affecting American consumers in the expectation that the illegal profits they could safely extort abroad would offset any liability to plaintiffs at home. If, on the other hand, potential antitrust violators must take into account the full costs of their conduct, American consumers are benefitted by the maximum deterrent effect of treble damages upon all potential violators. In re Monosodium Glutamate Antitrust Litig., 2005 WL 1080790, S. *7 (D. Minn. 2005).
§ 3 Sachliche und räumliche Marktabgrenzung
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legung des Berufungsgerichts an.127 Im Schrifttum wird dagegen gefordert, die sachliche Zuständigkeit US-amerikanischer Gerichte für ausländische Privatklagen weit auszulegen, damit der im antitrust law vorgesehene dreifache Schadensersatz seine abschreckende Wirkung entfalten könne.128 Zwischenzeitlich hatte sich der U.S. Congress der Materie angenommen und die von ihm eingesetzte Antitrust Modernization Commission gebeten, den FTAIA zu überarbeiten.129 Angesichts der nunmehr zu einheitlichen Ergebnissen gelangenden Rechtsprechung haben sich die Sachverständigen vor der Antitrust Modernization Commission jedoch einstimmig gegen eine Veränderung des FTAIA ausgesprochen.130 Festzuhalten ist somit, dass nach der Auslegung des FTAIA durch die US-amerikanische Rechtsprechung ausländische Unternehmen, die durch internationale Kartelle geschädigt wurden, wegen ihrer im Ausland erlittenen Verluste keinen dreifachen Schadensersatz vor US-Gerichten einklagen können, egal, ob sie ihre Geschäfte über elektronische Marktplätze oder auf anderen Wegen abwickeln.
§ 3 Sachliche und räumliche Marktabgrenzung Ausgangspunkt für die Anwendung des US-Kartellrechts ist die Ermittlung der sachlich und geographisch relevanten Märkte, die von der Nutzung von Internetplattformen betroffen sein könnten. Deren Abgrenzung erfolgt bei der Untersuchung von B2Bs nach den allgemeinen Kriterien131, die sich durch die Rechtsprechung und die Vollzugspraxis der Kartellbehörden herausgebildet haben und in den Horizontal Merger Guidelines132 von 1992 näher dargestellt werden: Danach wird ein Markt definiert als ein oder mehrere Produkte und ein Gebiet, auf dem ein hypothetisches, gewinnmaximierendes Unternehmen die Verkaufspreise der Produkte geringfügig, aber spürbar und dauerhaft erhöhen würde, wenn es gegenwärtig und in Zukunft der einzige Anbieter 127 In re Monosodium Glutamate Antitrust Litig., 2005 U.S. Dist. LEXIS 39641, S. *20 (D. Minn. Oct. 26, 2005); aff’d In re: Monosodium Glutamate Antitrust Litig., 2007 U.S. App. LEXIS 2772 (8th Cir. 2007). 128 So etwa Davis, 19 Antitrust 58, 60 ff. (Fall 2004); Fernandes, 20 Conn. J. Int’l L. 267, 309 ff. (2005), a. A. Bennett, 93 Geo. L. J. 1421, 1444 ff. (2005). 129 Shenefield/Beninca, WuW 2004, 1276, 1284. 130 Vgl. Orth, EWiR 2006, 272. 131 Vgl. etwa FTC Report I, Teil 3, S. 1 f. m. w. N.; de la Cruz/Millar, S. 6. 132 Department of Justice and Federal Trade Commission Horizontal Merger Guidelines v. 2. April 1992, geändert am 8. April 1997, abgedruckt bei Sullivan/Grimes, S. 1069 ff.
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dieser Produkte in dem Gebiet wäre und die Verkaufsbedingungen aller anderen Produkte gleich blieben (hypothetical monopolist test).133 Von dieser Definition ausgehend, erläutern das US-Justizministerium und die FTC in den Horizontal Merger Guidelines ausführlich, welche Kriterien sie bei der Abgrenzung der relevanten sachlichen und räumlichen Märkte zugrunde legen. Zwar beziehen sich die Guidelines auf die Bewertung von Unternehmenszusammenschlüssen. Die Techniken der Marktabgrenzung bei der Prüfung von eventuellen Verstößen gegen §§ 1 und 2 Sherman Act und § 7 Clayton Act ähneln sich jedoch im Grundsatz stark134, so dass die in den Horizontal Merger Guidelines erläuterten Prinzipien als Ausgangspunkt der Untersuchung dienen können.
I. Bestimmung des sachlich relevanten Marktes 1. Kriterien der sachlichen Marktabgrenzung Der klassischen Formulierung der Rechtsprechung zufolge wird ein relevanter Produktmarkt nach außen abgegrenzt durch die bei vernünftiger Betrachtung bestehende Austauschbarkeit für Gebrauchszwecke oder die Kreuzpreiselastizität der Nachfrage zwischen dem Produkt selbst und seinen Substituten.135 Gegenstand der Untersuchung ist also, ob mehrere Produkte für denselben Zweck gebraucht werden können, und, wenn ja, ob und in welchem Ausmaß die Käufer bereit sind, die Produkte untereinander auszutauschen.136 Wie in den Horizontal Merger Guidelines erläutert, gehen die Behörden bei der Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes zunächst von einem bestimmten Produkt aus und untersuchen, was passieren würde, wenn der hypothetische einzige Anbieter dieses Produkts dessen Verkaufspreis geringfügig, aber spürbar und dauerhaft erhöhen würde, und die Verkaufsbedin133
Horizontal Merger Guidelines, Tz. 1.0. Der Preiserhöhungstest wird als SSNIP-Test bezeichnet (small but significant and nontransitory increase in price). Er wird auch bei der Marktabgrenzung im Europäischen Kartellrecht angewendet, vgl. unten Dritter Abschnitt, § 3, I. 134 Areeda/Kaplow/Edlin, para. 351 (S. 499 f.). 135 Brown Shoe v. U.S., 370 U.S. 294, 325 (1962): The outer boundaries of a product market are determined by the reasonable interchangeability of use or the cross-elasticity of demand between the product itself and substitutes for it. Bereits im sechs Jahre vorher entschiedenen Zellophan-Fall befasste sich der Supreme Court ausführlich mit der Austauschbarkeit von Zellophan und anderen Verpackungen, vgl. United States v. E.I. du Pont De Nemours & Co. (Cellophane), 351 U.S. 377, 394 ff. (1956). 136 Hayden Pub. Co. v. Cox Broadcasting Corp., 730 F.2d 64, 70 (2d Cir. 1984).
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gungen aller anderen Produkte gleich blieben.137 Wenn die Preiserhöhung zu einem so starken Rückgang der Verkaufszahlen führen würde, dass sie für den hypothetischen Monopolisten nicht gewinnbringend wäre, so wird das Produkt hinzugefügt, welches am Besten zum Ersatz des Ausgangsprodukts geeignet ist. Daraufhin werden die Folgen einer spürbaren und dauerhaften Erhöhung der Preise beider Produkte untersucht. Dieser Test wird solange wiederholt, bis eine Gruppe von Produkten identifiziert ist, bei der die Preiserhöhung für den hypothetischen Monopolisten gewinnbringend wäre.138 In den meisten Fällen legen Justizministerium und FTC dabei eine Preiserhöhung um fünf Prozent zugrunde. Die Höhe ist jedoch vom betroffenen Industriezweig abhängig.139 Um die voraussichtliche Reaktion der Käufer auf die Preiserhöhung zu untersuchen, greifen die Behörden unter anderem auf Belege dafür zurück, dass Käufer in der Vergangenheit bei Preisveränderungen von einem Produkt auf andere ausgewichen sind, und dass Anbieter bei ihrer Preisgestaltung mit einem Ausweichen der Käufer rechnen. Einbezogen wird auch die Höhe der Wechselkosten.140 2. Die betroffenen Märkte im Einzelnen Mehrere der bei der FTC zur Vorbereitung des ersten Workshops eingereichten Kommentare beschäftigen sich mit der Frage nach den beim Betrieb von B2B-Internetplattformen betroffenen Produktmärkten. In den schriftlichen und mündlichen Beiträgen wurden die Märkte der auf B2Bs gehandelten Güter und die davon abgeleiteten Märkte sowie der Markt für Internetplattformen selbst als relevant identifiziert. Der Aufbau der kartellrechtlichen Analyse von B2B-Marktplätzen im ersten FTC Report folgt dieser Grobeinteilung. Auch im Rahmen des zweiten Workshops wurde das Problem der Marktabgrenzung wieder aufgegriffen und anhand von Fallstudien behandelt. Im Zusammenhang mit der Gründung des Online-Reisebüros Orbitz durch die fünf führenden US-Fluggesellschaften im Juni 2001141 137
Horizontal Merger Guidelines, Tz. 1.0. Horizontal Merger Guidelines, Tz. 1.1. 139 Horizontal Merger Guidelines, Tz. 1.1. 140 Horizontal Merger Guidelines, Tz. 1.1. 141 Orbitz ist ein virtuelles Reisebüro, das von American Airlines, Continental, Delta, Northwest und United gegründet wurde. Seine fünf Gründer hatten einen Anteil von ca. 80 Prozent am Markt für Flugreisen innerhalb der USA. Über Orbitz können auch Hotels, Mietwagen und Pauschalreisen gebucht werden. Für eine kritische Analyse Adkinson/Lenard, 16 Antitrust, 76 ff. (Frühjahr 2002). Nachdem im Dezember 2003 der Börsengang (Nasdaq) von Orbitz stattgefunden hatte, siehe http://pressroom.orbitz.com/ReleaseDetail.cfm? ReleaseID=124777, wurden die Or138
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wurden die betroffenen Märkte ebenfalls diskutiert. Diese Diskussion soll hier aufgegriffen werden, obschon es sich bei Orbitz um eine business-toconsumer-Plattform handelt. Der advisory opinion der FTC zur Gründung von Partlinx lassen sich ebenfalls einige Hinweise zu den betroffenen Märkten entnehmen.142 Aufgrund der geringen Anzahl von elektronischen Marktplätzen, mit denen die US-Kartellbehörden bislang befasst waren, gibt die behördliche Praxis in dieser Frage jedoch insgesamt wenig Aufschlüsse.143 a) Der Markt der gehandelten Güter und Dienstleistungen Im US-amerikanischen Schrifttum herrscht völlige Einigkeit darüber, dass von Gründung und Betrieb einer B2B-Internetplattform zunächst die Märkte der dort gehandelten Güter und Dienstleistungen und die von diesen abgeleiteten Märkte betroffen sind.144 Wickeln konkurrierende Unternehmen einer Branche auf einem elektronischen Marktplatz ihre Transaktionen ab, so besteht die Gefahr, dass sie versuchen könnten, den Marktplatz zur Verhaltensabstimmung zu nutzen. Zu denken ist an den Austausch sensibler Geschäftsinformationen, die Ausübung von Einkaufsmacht durch marktstarke Nachfrager und die Verweigerung des Zugangs gegenüber bestimmten Wettbewerbern bzw. die Zugangsgewährung unter diskriminierenden Bedingungen.145 Die Grundfrage, die sich im Zusammenhang mit dem Markt der auf Internetplattformen gehandelten Güter stellt, liegt jedoch darin, ob diese bitz-Aktien im November 2004 nach einem Übernahmeangebot von der Cendant Corporation für mehr als eine Milliarde US-Dollar aufgekauft, siehe http://press room.orbitz.com/ReleaseDetail.cfm?ReleaseID=148156 (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 142 Siehe http://www.ftc.gov/os/2003/10/031010partlinx.htm (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 143 Bislang (Stand: Dezember 2005) hat sich die FTC nur mit zwei B2B-Fällen näher befasst, mit der Untersuchung von Covisint im Sommer 2000 und der von Partlinx im Oktober 2003. Die Antitrust Division des Justizministeriums untersuchte im Mai 2000 die geplante Gründung eines elektronischen Marktplatzes für die fleischverarbeitende Industrie, vgl. FTC Information v. 12. März 2002, abrufbar unter www.ftc.gov/opa/2002/03/fyi0215.htm (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). Des Weiteren beendete die Antitrust Division im Juli 2003 ihre Untersuchung des Reiseportals Orbitz, siehe http://www.usdoj.gov/atr/public/press_releases/2003/201208. pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007) und soll weitere Marktplätze in der Luftund Raumfahrtindustrie untersucht haben, siehe Mitnick, 15 Antitrust 31, 38 (Fall 2000) (Fn. 11). 144 Siehe z. B. Bailey, S. 9; Bell/Adkinson, 15 Antitrust 18, 19 (Fall 2000); de la Cruz/Millar, S. 7; FTC Report I, Teil 3 A. (S. 3 ff.); Jones Harbour, VII. A. 145 FTC Report I, Teil 3, S. 3 ff.
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einen eigenen Produktmarkt darstellen könnten. Dann dürften die auf einem elektronischen Marktplatz gehandelten Produkte nicht mit auf traditionellen Wegen gehandelten Güter austauschbar sein. Im Schrifttum wird vorgeschlagen, die Marktabgrenzung bei Internetmarktplätzen so durchzuführen wie bei anderen Verkaufsformen im Groß- und Einzelhandelsbereich.146 Dort entscheiden Faktoren wie die Art und Größe der Verkaufsstätten und das Sortiment der angebotenen Waren über die Zugehörigkeit zum Produktmarkt.147 Ein Urteil von 1997 über den geplanten Zusammenschluss von zwei Büroartikelketten zeigt, dass die Marktabgrenzung anhand der Verkaufsformen in der Tat auf virtuelle Handelsplätze übertragbar ist. In der Sache Federal Trade Commission v. Staples hatte die Kartellbehörde vorläufigen Rechtsschutz gegen den Vollzug des Zusammenschlusses zwischen dem größten und zweitgrößten Büroartikelhändler in den USA beantragt.148 Der gemeinsame Anteil der beiden Unternehmen, Staples und Office Depot, an den insgesamt in Nordamerika verkauften Büroartikeln betrug 1996 nur 5,5 Prozent. Die FTC definierte den relevanten Produktmarkt jedoch als den Verkauf von verbrauchbaren Büroartikeln durch Büroartikel-Großhändler (sog. office superstores).149 Als Argument für diese enge Abgrenzung brachte die Behörde vor, dass im Falle einer geringfügigen, aber spürbaren und dauerhaften Erhöhung der Büroartikelpreise durch Staples oder Office Depot die Käufer nicht auf Supermärkte oder andere Verkaufsformen ausweichen würden, sondern nur auf andere Büroartikel-Großhändler. Das Gericht stimmte diesem Vorbringen aufgrund der von der FTC vorgelegten Belege zu.150 Es untersuchte daraufhin, ob der Markt für von Großhändlern verkaufte, verbrauchbare Büroartikel einen klar definierten Teilmarkt darstellt, welcher kartellrechtlich als eigener relevanter Produktmarkt zu behandeln wäre.151 Bei der Abgrenzung solcher Teilmärkte werden seit der Brown Shoe-Entscheidung des U.S. Supreme Court als Indizien untersucht, ob der Teilmarkt von der Industrie oder der Öffentlichkeit als eigenständige wirtschaftliche Einheit wahrgenommen wird, welche Eigenschaften und Gebrauchsmöglichkeiten das Produkt bietet, ob besondere Produktionsstätten sowie eigenständige Kunden, eigenständige Preise und spezialisierte Verkaufsstellen für das 146
De la Cruz/Millar, S. 6. De la Cruz/Millar, S. 6. 148 FTC v. Staples, 970 F. Supp. 1066 (D.D.C. 1997). 149 970 F. Supp. 1066, 1073: The sale of consumable office supplies through office superstores. Büroartikel, die nicht regelmäßig aufgebraucht und neu gekauft werden, wie Computer, Faxgeräte oder Büromöbel, werden also nicht diesem Produktmarkt zugerechnet. 150 970 F. Supp. 1066, 1074. 151 970 F. Supp. 1066, 1075. 147
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2. Abschn.: Elektronische Marktplätze im US-amerikanischen Kartellrecht
Produkt existieren, und wie das Produkt auf Preisveränderungen reagiert.152 Für die Annahme eines eigenständigen Teilmarkts ist ausreichend, wenn mehrere dieser Indizien vorliegen. Das Gericht gelangte zu dem Ergebnis, dass Büroartikel-Großhändler als eigenständiges Verkaufsformat wahrgenommen werden und eine spezielle Gruppe von Kunden anziehen. Ein besonderes Gewicht legte das Gericht auf die Untersuchung der Belege dafür, dass sich Staples bei der Festlegung der Preise an anderen Großhändlern orientierte, nicht aber an den übrigen Bezugsquellen für Büroartikel.153 Es bejahte also das Vorliegen eines klar definierten Teilmarkts für von Großhändlern verkaufte, verbrauchbare Büroartikel. Ausgehend von dieser engen Definition des relevanten Produktmarkts, untersagte das Gericht vorläufig den Vollzug des geplanten Zusammenschlusses.154 Verallgemeinernd formuliert entschied das Gericht, dass der relevante Produktmarkt auf die über einen bestimmten Vertriebskanal erhältlichen Waren beschränkt war, obwohl diese Waren auf vielen anderen Vertriebswegen erhältlich sind. Das wichtigste Indiz für das Vorliegen eines separaten Teilmarktes schien dabei die von anderen Vertriebswegen unabhängige Preisgestaltung zu sein. Bei der Anwendung von FTC v. Staples auf die Marktabgrenzung bei B2B-Plattformen wird im Schrifttum daraus sogar die Schlussfolgerung gezogen, dass die Frage nach der Unabhängigkeit der Preisgestaltung das grundlegende Kriterium für die Annahme eines eigenständigen Marktes für auf B2B-Plattformen gehandelte Güter sei.155 In der Tat können deutliche Preisunterschiede zwischen online und offline gehandelten Produkten einen wichtigen Hinweis auf fehlende Substituierbarkeit und folglich auf das Vorhandensein eines separaten Produktmarkts geben. Dies wird etwa im Zusammenhang mit im Internet gehandelten Flugtickets diskutiert: Schätzungen zufolge belaufen sich die Vertriebskosten auf etwa zwanzig Prozent der für Flugreiseanbieter anfallenden Bereitstellungspreises eines Flugtickets.156 Da diese Kosten durch Online-Vermittlung signifikant gesenkt werden können, bieten praktisch alle Fluggesellschaften nunmehr spezielle Sonderpreise für Tickets an, die im Internet gebucht werden. Der Preis dieser ausschließlich im Internet buchbaren Flüge liegt üblicherweise zwischen fünf und zehn Prozent unter den billigsten Flügen, die in traditionellen Verkaufsstellen erhältlich sind.157 Die auf den Online-Ver152
Brown Shoe v. U.S., 370 U.S. 294, 325 (1962). FTC v. Staples, 970 F. Supp. 1066, 1078 f. 154 Staples nahm daraufhin Abstand von dem geplanten Kauf von Office Depot. 155 Mitnick, 15 Antitrust 31 f. (Fall 2000). 156 Vgl. Angaben von Adkinson/Lenard, 16 Antitrust 76, 78 (Spring 2002). 157 Vgl. Adkinson/Lenard, 16 Antitrust 76, 78 (Spring 2002). Auch die Kartellrechtsabteilung des US-Justizministerium erklärte in ihrem Bericht zum Abschluss 153
§ 3 Sachliche und räumliche Marktabgrenzung
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trieb beschränkte, eigenständige Preisgestaltung wird im Schrifttum als Argument dafür herangezogen, von einem eigenen Teilmarkt für den Verkauf von Flugtickets im Internet auszugehen, auf dem Online-Reisebüros wie Orbitz, Travelocity und Expedia mit den eigenen Internetseiten der Fluggesellschaften konkurrieren.158 Dies deutete auch die Kartellabteilung des USJustizministeriums in ihrer Erklärung zum Abschluss der Orbitz-Untersuchung an, in der sie zu dem Ergebnis gelangt war, dass Orbitz keine negativen Auswirkungen auf den Markt für den Online-Vertrieb von Flugtickets habe.159 b) Der Markt für Marktplätze B2B-Marktplätze bieten Dienstleistungen für die Geschäftsanbahnung und -abwicklung an. Damit operieren sie auf einem Markt für B2B-Vermittlungsleistungen, auf dem sie mit anderen Plattformen im Wettbewerb stehen. Fraglich ist, ob B2Bs daneben noch dem Wettbewerb anderer Absatzdienstleister ausgesetzt sind. Im ersten FTC Report wird der Markt für die Vermittlungsleistungen elektronischer Marktplätze als market for marketplaces bezeichnet.160 Die Verwendung dieser Bezeichnung bedeutet jedoch nicht, dass der relevante Produktmarkt nach Ansicht der FTC notwendigerweise auf B2B-Plattformen beschränkt ist.161 Der Behörde zufolge sind die relevanten Märkte vielmehr in jedem Einzelfall nach den generellen Abgrenzungsprinzipien zu ermitteln.162 Die Abgrenzung richtet sich folglich nach dem Kriterium der Austauschbarkeit aus Sicht der Marktgegenseite. Als sinnvolle Ausgangsfrage wird formuliert, ob die Nutzer zum Zeitpunkt der Betrachtung sowohl die Dienstleistungen von Internetplattformen als auch die von traditionellen Zwischenhändlern in Anspruch nehmen.163 Wenn ja, spricht dies zunächst der Untersuchung von Orbitz, dass die Preise für Flüge, die ausschließlich im Internet gebucht werden können (sog. „web-only fares“), niedriger seien als die Standard-Ticketpreise der Fluggesellschaften, siehe Department of Justice Antitrust Division Statement Regarding the Closing of its Orbitz Investigation, S. 4, abrufbar unter www.usdoj.gov/atr/public/press_releases/2003/201208.pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 158 So wohl Adkinson/Lenard, a. a. O., denen zufolge der Markt für die OnlineVermittlung von Flugtickets eine besondere Bedeutung für den Wettbewerb habe. 159 Department of Justice Antitrust Division Statement Regarding the Closing of its Orbitz Investigation, abrufbar unter www.usdoj.gov/atr/public/press_releases/ 2003/201208.pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 160 FTC Report I, Teil 3, S. 22 ff. 161 So ausdrücklich FTC Report I, Teil 3, S. 23 Fn. 107. 162 FTC Report I, Teil 3, S. 23 Fn. 107. 163 Beitrag von Guerin-Calvert, FTC Workshop II, Podiumsdiskussion 1, S. 14.
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für eine Austauschbarkeit der jeweils angebotenen Leistungen. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, ob die B2B-Dienstleistungen sich im konkreten Fall von den Angeboten konkurrierender Absatzdienstleister unterscheiden. So beschränken sich etwa die Leistungen von computergestützten Flugreservierungssystemen nicht nur auf die Verringerung von Transaktionskosten, sondern umfassen zusätzliche Services, wie die Übermittlung von Buchungsinformationen in Echtzeit, die nicht an die Systeme angeschlossene Zwischenhändler nicht erbringen könnten.164 Auch die Fähigkeit der Betreiber von B2B-Plattformen zur Preisdiskriminierung kann Hinweise darauf geben, ob die B2Bs dem Wettbewerb anderer Absatzdienstleister ausgesetzt sind. Wenn viele Nutzer der virtuellen Handelsplätze in der Lage sind, ihren Bedarf auch auf anderen Vertriebswegen, etwa bei traditionellen Zwischenhändlern, zu decken, so wären unterschiedlich hohe Preise gegenüber verschiedenen Nutzergruppen nur schwer durchzusetzen (sofern sie bekannt würden). Insofern kann die fehlende Möglichkeit zur Preisdiskriminierung seitens der Plattformbetreiber dafür sprechen, dass von einem einheitlichen Produktmarkt für Geschäftsabwicklungsdienstleistungen auszugehen ist.165 Ein weiterer Anhaltspunkt zur Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes ist die Entwicklung der Marktanteile, die die einzelnen Marktteilnehmer gewinnen können.166 Ist festzustellen, dass in einer bestimmten Branche der Anteil der über B2Bs getätigten Transaktionen ständig ansteigt, während der Marktanteil traditioneller Absatzdienstleister schrumpft, spricht dies dafür, dass die Austauschbarkeit der Geschäftsabwicklungsmethoden zumindest für einige Gruppen von Nachfragern abnimmt. Würde der Marktanteil der Internetplattformen dagegen bis zu einem bestimmten Prozentsatz ansteigen und dann stagnieren, könnte man daraus folgern, dass die traditionellen Vertriebswege nach wie vor konkurrenzfähig sind. Sie wären deshalb demselben Produktmarkt zuzuordnen wie die virtuellen B2B-Handelsplätze.167 Würde man zu dem Ergebnis gelangen, dass in bestimmten Bereichen eigenständige Märkte für die Vermittlungsleistungen von Internetplattformen existieren, wäre im nächsten Schritt zu untersuchen, welche virtuellen Handelsplätze dort miteinander konkurrieren.168 Im Schrifttum wird sogar ange164 Beispiel in Anlehnung an Guerin-Calvert, FTC Workshop II, Podiumsdiskussion 1, S. 14. 165 Guerin-Calvert, FTC Workshop II, Podiumsdiskussion I, S. 15. 166 Kolasky, FTC Workshop II, Podiumsdiskussion I, S. 16. 167 Kolasky, a. a. O. 168 Ausführlich zur Abgrenzung der Märkte für B2B-Vermittlungsleistungen im europäischen Kartellrecht unten Dritter Abschnitt, § 3, I.2.c).
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dacht, dass eine einzige B2B-Plattform einen relevanten Produktmarkt darstellen könnte, wenn sie Besonderheiten aufweisen würde, die ihr Angebot klar von den Angeboten anderer elektronischer Marktplätze unterscheidet. So könnte die Plattform besonders hohe Effizienzsteigerungen erreichen, die von konkurrierenden B2B-Plattformen nicht erzielt werden können.169 Als möglich angesehen wird ebenfalls, dass sich in einigen Industriezweigen nach einer Konsolidierungsphase nur ein B2B-Marktplatz durchsetzt, auf dem alle Unternehmen dieser Branche ihren Internethandel abwickeln.170 Dieser Marktplatz könnte dann einen eigenen sachlich relevanten Markt darstellen.
II. Bestimmung des räumlich relevanten Marktes 1. Kriterien der räumlichen Marktabgrenzung Auch bei der Abgrenzung des geographisch relevanten Marktes wird auf die Austauschbarkeit der Produkte aus Verbrauchersicht abgestellt, welche anhand des hypothetischen Monopolisten-Tests ermittelt wird. Die Kriterien der Untersuchung entsprechen also sinngemäß denen, die auch bei der Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes angewendet werden: Der räumlich relevante Markt ist das Gebiet, in dem ein hypothetisches, gewinnmaximierendes Unternehmen die Verkaufspreise seiner Produkte geringfügig, aber spürbar und dauerhaft erhöhen würde, wenn es gegenwärtig und in Zukunft der einzige Anbieter dieser Produkte in dem Gebiet wäre und die Verkaufsbedingungen aller anderen Produkte gleich blieben.171 Bei ihrer Untersuchung betrachten die Kartellbehörden zunächst das Gebiet, auf dem die betroffenen Unternehmen tätig sind. Wenn durch die Preiserhöhung die Verkaufszahlen des fraglichen Produkts in diesem Gebiet stark genug zurückgehen würden, so dass die Erhöhung für einen hypothetischen Hersteller oder Verkäufer des relevanten Produkts in diesem Gebiet nicht profitabel wäre, so beziehen die Behörden das nächstliegende Gebiet mit ein, von dem aus die Produktion am Ausgangsort am Besten ersetzt werden könnte.172 Wie bei der Abgrenzung der sachlich relevanten Marktes wird dieser Test so oft wiederholt, bis ein Gebiet identifiziert ist, in dem die Preiserhöhung für den hypothetischen Monopolisten gewinnbringend wäre.173 169
Vgl. Mitnick, 15 Antitrust 31 f. (Fall 2000). Bloch/Perlman, S. 8; FTC Report I, Teil 3, S. 32. 171 Horizontal Merger Guidelines, Tz. 1.0. Der Preiserhöhungstest wird als SSNIP-Test bezeichnet (small but significant and nontransitory increase in price). Er wird auch bei der Marktabgrenzung im Europäischen Kartellrecht angewendet, vgl. unten Dritter Abschnitt, § 3, I. 172 Horizontal Merger Guidelines, Tz. 1.2. 170
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2. Die betroffenen Märkte im Einzelnen Im US-amerikanischen Schrifttum und den veröffentlichten Entscheidungen der Kartellbehörden finden sich nur vereinzelte Äußerungen zur Definition der räumlich relevanten Märkte im Zusammenhang mit B2B-Plattformen. Die Möglichkeit, mittels elektronischer Marktplätze weltweiten Handel zu betreiben, wird jedoch als ein Charakteristikum dieser technischen Innovation angeführt.174 Folglich lautet die zentrale Frage, ob aus der weltweiten Erreichbarkeit virtueller Handelsplätze über das Internet folgt, dass von ihrem Betrieb stets der Weltmarkt betroffen ist. a) Der Markt der gehandelten Güter Bietet ein Unternehmer seine Produkte auf einem elektronischen Marktplatz an, so können potenzielle Kunden weltweit auf sein Angebot zugreifen. Fraglich ist, ob dadurch stets der Weltmarkt geographisch relevant wird. Diskutiert wird etwa das Beispiel eines kleinen Spielzeugherstellers, der seine Waren auf einem virtuellen Handelsplatz der Spielwarenindustrie anbieten will.175 Vor Nutzung des Handelsplatzes konnte der Hersteller sich außerhalb seiner Region kaum um Aufträge bemühen, da er nicht über die entsprechend hohe Anzahl an Verkäufern und über keine große Finanzkraft verfügte. Durch die Nutzung der B2B-Plattform könne er Abnehmer in den gesamten Vereinigten Staaten und vielleicht der ganzen Welt erreichen und sich dadurch um Aufträge bemühen, die vorher für ihn unerreichbar gewesen wären.176 Dagegen zeigt das Beispiel von Partlinx, dem Marktplatz für Elektrogeräteersatzteile, dass der Markt der gehandelten Güter auch bei dem Vertrieb über einen Internetmarktplatz national oder regional abzugrenzen sein kann. Die Plattformgründer, sechs Großhändler, verkaufen in verschiedenen Regionen der USA Ersatzteile für Haushaltsgeräte wie Kühl- und Gefrierschränke, Backöfen, Geschirrspülmaschinen und Klimaanlagen an gewerbliche Kunden.177 Diese Ersatzteile lassen sich nunmehr weltweit über das Internet bestellen. Sie dürften jedoch unabhängig vom Vertriebsweg nur für Kunden interessant sein, die mit Haushaltsgeräten US-amerikanischer Bauart arbeiten. 173
Horizontal Merger Guidelines, Tz. 1.21. Siehe z. B. FTC Report I, Introduction, S. 2. 175 Bloch/Perlman, S. 7. 176 Bloch/Perlman, S. 7. 177 FTC Advisory Opinion Concerning Partlinx, I., abrufbar unter http://www. ftc.gov/os/2003/10/031010partlinx. htm (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 174
§ 3 Sachliche und räumliche Marktabgrenzung
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Den Angaben der Partlinx-Gründer gegenüber der FTC zufolge könne des Weiteren die Höhe der Transportkosten selbst innerhalb der Vereinigten Staaten den Wettbewerb zwischen verschiedenen Großhändlern begrenzen. Denn bei bestimmten Ersatzteilen seien die Transportkosten im Vergleich zu den Kosten des Ersatzteils selbst relativ hoch.178 Da alle sechs an Partlinx beteiligten Großhändler von ihren Lagern aus an Abholer verkaufen, könne es für Kunden, die ihren Sitz in der Nähe eines solchen Lagers haben, billiger sein, die Ware direkt abzuholen statt zu bestellen und zusätzliche Transportkosten zu zahlen.179 Das Beispiel Partlinx zeigt somit, dass sich viele Markteintrittsbarrieren durch die Nutzung elektronischer Marktplätze nicht beeinflussen lassen. Zu denken ist insbesondere an die Höhe der Transportkosten, existierende Verbraucherpräferenzen, technische Standards und die rechtlichen Rahmenbedingungen bei Verkäufen ins Ausland. Der räumlich relevante Markt kann durch den Handel auf elektronischen Marktplätzen sicherlich in einigen Fällen vergrößert werden. Die Möglichkeit, über das Internet von allen Teilen der Welt auf einen bestimmte Plattform zuzugreifen, führt jedoch nicht dazu, dass die dort gehandelten Güter aus Verbrauchersicht weltweit austauschbar sind. Der räumlich relevante Markt der auf einer B2B-Internetplattform gehandelten Güter und Dienstleistungen ist vielmehr in jedem Einzelfall anhand der üblichen Kriterien abzugrenzen. b) Der Markt für Marktplätze Aus einigen Äußerungen im ersten FTC Report lässt sich ableiten, dass die Teilnehmer des Workshops nicht von einem globalen Markt für die von B2Bs erbrachten Vermittlungsleistungen ausgingen: Im Zusammenhang mit den Handelsdimensionen elektronischer Marktplätze ist die Rede von regionalen horizontalen Plattformen, die sich auf Branchen mit regionaler Ausrichtung konzentrieren und den Bedarf von regional oder lokal tätigen Unternehmen und Institutionen decken.180 So könnten nach Ansicht einiger Teilnehmer beispielsweise regionale Beschaffungsmarktplätze regional tätige Einrichtungen wie Versorgungsunternehmen, Krankenhäuser und Universitäten bedienen.181 178 Vgl. FTC Advisory Opinion Concerning Partlinx, I. Overview of the Industry, a. a. O. (vorige Fn.). 179 Each of the Partlinx members operates facilities that have a counter for direct pick-up sales. For nearby customers, direct pick-up may be less expensive than purchasing by shipment. FTC Advisory Opinion Concerning Part-linx, I., abrufbar unter http://www.ftc.gov/os/2003/10/031010partlinx. htm (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 180 FTC Report I, Teil I, S. 7 (Fn. 37).
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2. Abschn.: Elektronische Marktplätze im US-amerikanischen Kartellrecht
Auch Beiträge, die sich im Zusammenhang mit der Gründung des Online-Reisebüros Orbitz mit dem Markt für die Vermittlung von Flugtickets im Internet befassen, sprechen dagegen, dass der Markt für Marktplätze aus Sicht der Kartellbehörden oder des Schrifttums stets global abzugrenzen wäre. Zwar finden sich keine Diskussionsbeiträge zu diesen Thema, die ausdrücklich den von den Vermittlungsleistungen der Plattform bedienten geographisch relevanten Markt zu definieren versuchen. Im Zusammenhang mit der Frage, welche Kanäle amerikanischen Verbrauchern zur Online-Beschaffung von Flugtickets zur Verfügung stehen, werden sowohl im OrbitzAbschlußbericht des US-Justizministeriums als auch in der Literatur jedoch nur solche Internetangebote angeführt, die vorwiegend auf den US-amerikanischen Markt ausgerichtet sind.182 Hervorgehoben wird außerdem, dass die Gründer von Orbitz ungefähr 80 Prozent des Flugaufkommens innerhalb der USA repräsentieren.183 Des Weiteren werden im Schrifttum Parallelen zwischen der Untersuchung von Orbitz in den USA und der Freigabe ihres europäischen Pendants Opodo184 durch die Europäische Kommission gezogen.185 Die Frage, ob diese Plattformen unter Umständen aus Sicht der amerikanischen Verbraucher in Wettbewerb miteinander treten könnten, wird jedoch nicht aufgeworfen. Daraus lässt sich schließen, dass der Markt für die Online-Vermittlung von Flugtickets als auf die Vereinigten Staaten beschränkt angesehen wird. Im Ergebnis scheint also der geographisch relevante Markt für die Vermittlungsleistungen eines B2B-Marktplatzes in Anlehnung an den räumlich relevanten Markt für die dort gehandelten Produkte und Dienstleistungen abgegrenzt zu werden, ohne dass dies explizit jedoch diskutiert würde.
181
FTC Report I, Teil I, S. 7 (Fn. 37). Siehe Department of Justice Antitrust Division Statement Regarding the Closing of its Orbitz Investigation, S. 2: More recently, airlines have also sold through online travel agencies, such as Orbitz, Expedia, and Travelocity, abrufbar unter www.usdoj.gov/atr/public/press_releases/2003/201208.pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). Adkinson/Lenard, 16 Antitrust 76, 78 (Spring 2002), nennen ausdrücklich Travelocity.com, Expedia.com, Priceline.com und die Internetseiten der Fluggesellschaften selbst. 183 Adkinson/Lenard, 16 Antitrust 76 (Spring 2002). Die Gründer American Airlines, Continental, Delta, Northwest und United und die weiteren teilnehmenden Fluggesellschaften zusammen repräsentieren Anfang 2003 über 90 Prozent des gesamten US-Markts, vgl. Adkinson, Progress on Point Release 10.7, S. 1 (März 2003). 184 Komm., Veröff. nach Art. 19 Abs. 3 VO 17, Fall COMP/38.006 (Online Reiseportal), ABl.EG 2001, Nr. C 323/6. 185 Adkinson/Lenard, 16 Antitrust 76, 81 (Spring 2002). 182
§ 4 Relevanz der erhöhten Markttransparenz auf B2Bs
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§ 4 Kartellrechtliche Relevanz der erhöhten Markttransparenz auf B2Bs Im Rahmen der Diskussion über B2B-Marktplätze in der US-amerikanischen Literatur wird dem Problem der erhöhten Markttransparenz die wohl größte Bedeutung zugemessen.186 Die Möglichkeit, Informationen über B2Bs auszutauschen, wird von allen Beobachtern gesehen und diskutiert. Die daraus resultierenden Auswirkungen auf den Wettbewerb werden jedoch unterschiedlich beurteilt. Die Einschätzungen bewegen sich zwischen einer grundsätzlich positiven Einstellung zur Verbreitung von Informationen, da diese den Wettbewerb fördere, und der Befürchtung, dass der Datenaustausch über Internetplattformen die Abstimmung von Preisen und Konditionen erleichtern (sog. facilitating practice) oder sogar überflüssig machen könnte. Auch die US-Kartellbehörden haben sich bei der Untersuchung des B2B-Marktplatzes Partlinx sowie der B2C-Plattform Orbitz mit Fragen des Informationsaustauschs befasst.187 Bereits im Zuge der Gründung einer Internetplattform kann es zum Austausch von Geschäftsinformationen zwischen den Gründungsunternehmen kommen, wie das Beispiel Partlinx belegt. Die sechs an dem Marktplatz beteiligten Großhändler von Ersatzteilen für Haushaltsgeräte hatten geplant, in einem gemeinsamen Preiskomitee die Verkaufspreise an Großabnehmer festzulegen sowie Informationen über ihre zukünftigen Pläne hinsichtlich Marketing und Strategie auszutauschen.188 186 Vgl. nur die Beiträge von Balto, 618 PLI/Pat 305, 319 ff. (2000); Bell/Adkinson, 15 Antitrust 18, 20 f. (Fall 2000); Bloch/Perlman, S. 10 f.; Blumenthal, Antitrust Report, Mai 2000, 34, 41 ff.; Correia, S. 2 ff.; de la Cruz/Millar, S. 5 f.; Gotfredson, 2 Minn. Intell. Prop. Rev. 107, 128 ff. (2001) sowie FTC Report I, Teil 3, A.1. (S. 3 ff.). 187 Weitere Hinweise auf den Beurteilungsansatz der Kartellbehörden lassen sich einem Business Review Letter der Kartellrechtsabteilung des US-Justizministeriums entnehmen, der sich auf eine Datenbank bezieht, die Informationen für Chemikaliengroßhändler bereitstellen soll. Über die Datenbank mit dem Arbeitstitel „Chemical Information System (CIS)“, deren Aufbau das texanische Unternehmen BroChem Marketing plante, sollen Zwischenhändler Informationen über die Produkte, Hersteller und Preise von Chemikalien abrufen können. Vgl. dazu die Pressemitteilung des US-Justizministeriums vom 13. Mai 2003, abrufbar unter http://www.us doj.gov/atr/public/press_releases/2003/201015.pdf und den Business Review Letter von R. Hewitt Pate, abrufbar unter http://www.usdoj.gov/atr/public/busreview/ 201017.pdf (jeweils zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). Bei dieser Datenbank handelt es sich nicht um einen elektronischen Marktplatz; sie wirft jedoch Fragen bzgl. des Informationsaustauschs auf, die auch bei B2B-Marktplätzen auftreten könnten. 188 Vgl. FTC Advisory Opinion Concerning Partlinx, II.C.2., abrufbar unter http://www.ftc.gov/os/2003/10/031010 partlinx.htm (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007).
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Nimmt der B2B-Marktplatz dann seinen Betrieb auf, so werden dort naturgemäß große Datenmengen ausgetauscht. Solche Daten betreffen zumindest den Bedarf eines Nachfragers nach einem bestimmten Gut, die daraufhin abgegebenen Angebote mit Preisen und Konditionen sowie das Ergebnis der jeweiligen Ausschreibung, aus dem hervorgeht, ob ein Angebot angenommen wurde und, wenn ja, zu welchem Preis.189 Diese Informationen werden zum Teil in Echtzeit übermittelt, insbesondere bei herkömmlichen und umgekehrten Versteigerungen.190 Der Austausch solcher Daten führt zu einer Erhöhung der Markttransparenz, die unter Umständen wettbewerbsfördernd, aber auch kartellrechtlich problematisch sein kann.191 Die sofortige Verfügbarkeit von Informationen auf elektronischen Marktplätzen könnte ein Unternehmen etwa davon abhalten, Preise zu senken, da seine Wettbewerber sofort von der Preissenkung erfahren würden und nachziehen könnten. Dadurch würde aber das Preisniveau insgesamt gesenkt, zum Nachteil aller Anbieter.192 Diese Gefahr wurde im Zusammenhang mit der Gründung der B2C-Plattform Orbitz diskutiert.193 Auch der Markteintritt neuer Wettbewerber könnte erschwert werden, da neue Produkte in der Einführungsphase häufig zu Sonderpreisen angeboten werden, um Käufer zu gewinnen. Wenn die bereits auf dem Markt tätigen Unternehmen als Reaktion auf diesen Vorstoß eines neuen Mitbewerbers ihre Preise jedoch sofort anpassen würden, würde es für den Neuling schwer, Kunden zu gewinnen.194 Des Weiteren könnten die an eine B2B-Plattform angeschlossenen Unternehmen versuchen, durch das Signalisieren von Daten ihre zukünftige Gestaltung von Preisen und Konditionen aufeinander abzustimmen oder Mengen und Gebiete untereinander aufzuteilen.195 Durch den schnellen, elektro189
Jestaedt, BB 2001, 581, 582. Teilnehmer am ersten FTC Workshop berichteten allerdings von elektronischen Marktplätzen, auf denen bei Versteigerungen für die Bieter nur ersichtlich ist, welchen Rang ihr Gebot unter allen abgegebenen Geboten einnimmt, FTC Report, Teil 3, A.1.c (S. 11). 191 Zu den Auswirkungen des Informationsaustauschs auf Märkte mit unterschiedlichen Konzentrationsgraden vgl. U.S. v. Container Corp. of America, 393 U.S. 333 (1969) und U.S. v. U.S. Gypsum Co., 438 U.S. 422 (1978). Diese Entscheidungen werden sogleich unter I.1. ausführlich dargestellt. 192 Vgl. Baker, 65 Antitrust L.J. 41, 45 (1996); Adkinson/Lenard, 16 Antitrust 76, 78 f. (Spring 2002). 193 Siehe Department of Justice Antitrust Division Statement regarding the Closing of its Orbitz Investigation, S. 3, abrufbar unter http://www.usdoj.gov/atr/ public/press_releases/2003/201208.htm (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007); Adkinson/Lenard, 16 Antitrust 76, 77 (Spring 2002). 194 Baker, 65 Antitrust L.J. 41, 45 (1996). 195 Gotfredson, 2 Minn. Intell. Prop. Rev. 107, 119 f. (2001). 190
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nischen Datenaustausch könnte es ihnen möglich werden, auch komplizierte Abstimmungsmechanismen in kurzer Zeit durchzuführen, ohne die Aufmerksamkeit der Marktgegenseite oder der Kartellbehörden zu erregen. Der elektronische Datenaustausch könnte ihnen also bei der Beseitigung von Abstimmungsschwierigkeiten helfen.196 Diese Möglichkeit war ebenfalls Gegenstand der Diskussion über das Reiseportal Orbitz.197 Im folgenden Abschnitt wird zunächst dargestellt, welchen Regeln der Informationsaustausch zwischen Wettbewerbern im US-Kartellrecht grundsätzlich unterliegt. Daraufhin wird speziell auf den Austausch von Informationen über zukünftige Preise sowie bei Auktionen in Echtzeit eingegangen. Schließlich wird aufgezeigt, wie diese Regeln in den bisher ergangenen Entscheidungen der US-Kartellbehörden zu B2B-Marktplätzen angewendet wurden und welche Vorschläge und Stellungnahmen dem Schrifttum zu entnehmen sind.
I. Horizontaler Informationsaustausch im US-Kartellrecht Grundsätzlich werden horizontale Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern über den Austausch von Informationen198 am Kartellverbot des § 1 Sherman Act gemessen.199
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Baker, 65 Antitrust L.J. 41, 44 (1996). Siehe Department of Justice Antitrust Division Statement regarding the Closing of its Orbitz Investigation, S. 3, abrufbar unter http://www.usdoj.gov/atr/ public/press_releases/2003/201208.htm (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007); Adkinson/Lenard, 16 Antitrust 76, 79 (Spring 2002). 198 Der Austausch von Informationen zwischen Marktteilnehmern erfolgt grundsätzlich in horizontaler und vertikaler Richtung. Fließen die Informationen zwischen Teilnehmern derselben Marktseite, also zwischen Anbietern oder zwischen Nachfragern, handelt es sich um einen Informationsaustausch im Horizontalverhältnis. Im Vertikalverhältnis fließen dagegen Informationen von einer Seite zur Marktgegenseite, also von den Anbietern zu den Nachfragern und umgekehrt. Zur vertikalen und horizontalen Markttransparenz und ihrer Auswirkung auf die Wettbewerbsintensität ausführlich Tugendreich, S. 126 ff. 199 Des Weiteren kommt ein Verstoß gegen § 5 des Federal Trade Commission Acts in Betracht, der unlauteren Wettbewerb verbietet. Ein Verstoß gegen § 1 Sherman Act stellt gleichzeitg stets einen Verstoss gegen § 5 FTC Act dar, wobei letztere Vorschrift über das Kartellverbot hinaus noch weitere wettbewerbswidrige Verhaltensweisen erfasst, die hier jedoch nicht diskutiert werden sollen. 197
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1. Rechtsprechung zum Informationsaustausch zwischen Wettbewerbern Die US-amerikanische Rechtsprechung verfügt über eine langjährige Erfahrung mit Fällen des Informationsaustauschs zwischen Wettbewerbern. Bereits in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts ergingen vier höchstrichterliche Entscheidungen zu diesem Thema.200 Zwischen 1969 und 1978 gelangten drei weitere Fälle zum U.S. Supreme Court.201 Die frühen Entscheidungen betrafen durch Unternehmensverbände organisierte Informationsaustauschsysteme, deren Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof davon abhing, ob der Informationsaustausch nach Auffassung der Richter der Verschleierung eines Preiskartells oder anderen, legitimen Zwecken diente, wozu etwa das Sammeln und Verbreiten statistischer Informationen gezählt wurden.202 Für die Untersuchung des Informationsaustauschs auf elektronischen Marktplätzen von höherer Relevanz sind jedoch zwei der späteren Urteile, welche im Folgenden ausführlicher dargestellt werden sollen: In der Sache United States v. Container Co. of America203 aus dem Jahr 1969 hatte der U.S. Supreme Court über einen Austausch von Preisinformationen zwischen 18 der insgesamt 51 Herstellern von Wellpappkartons im Südosten der Vereinigten Staaten zu entscheiden. Die 18 beteiligten Hersteller, deren Anteil auf dem relevanten geographischen Markt 90 Prozent betrug, gaben ihren Wettbewerbern auf Anfrage Auskünfte über gegenwärtige, konkrete Transaktionen, d.h. über den jeweils aktuellen Preis und die Identität des Abnehmers. Dies taten sie in der Erwartung, dass sie im Falle einer Anfrage die gleichen Informationen von den anderen Herstellern erhalten würden.204 Den Feststellungen zufolge hatten sich die Beteiligten jedoch nicht dazu verpflichtet, Preise in bestimmter Höhe zu fordern.205 200 Am. Column & Lumber Co. v. U.S., 257 U.S. 377 (1921); U.S. v. Am. Linseed Oil Co., 262 U.S. 371 (1923); Maple Flooring Manufacturers Assn. v. U.S., 268 U.S. 563 (1925); Cement Manufacturers Protective Assn. v. U.S., 268 U.S. 588 (1925). 201 U.S. v. Container Corp. of America, 393 U.S. 333 (1969); U.S. v. Citizens & Southern Nat’l Bank, 422 U.S. 86 (1975); U.S. v. U.S. Gypsum Co. 438 U.S. 422 (1978). 202 In Am. Column & Lumber Co. v. U.S., 257 U.S. 377 (1921), gelangte der U.S. Supreme Court zu der Überzeugung, dass dem Informationsaustausch eine verbotene Vereinbarung i. S. d. § 1 Sherman Act zugrunde lag; in Maple Flooring Manufacturers Assn. v. U.S., 268 U.S. 563 (1925), sah er keinen Verstoß in dem System. Kritisch zu diesen beiden Fällen Posner, Antitrust Law, S. 166 f., dem zufolge das Ergebnis umgekehrt hätte ausfallen müssen, allgemeiner zu beiden Fällen Hovenkamp, Antitrust Law, Bd. 13, § 2112 (S. 68 f.); aus deutscher Sicht Tugendreich, S. 93 ff. 203 U.S. v. Container Corp. of America, 393 U.S. 333 (1969).
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Nach Auffassung des Gerichts genügte diese konzertierte Handlungsweise, um ein Zusammenwirken i. S. d. § 1 Sherman Act zu begründen.206 Der gegenseitige Preisinformationsaustausch führe zu einer Stabilisierung der Preise. Dabei stellten die Richter vorwiegend auf die Marktstruktur in der Pappkartonindustrie ab. Zwar habe auf einigen Märkten der Austausch von Preisinformationen möglicherweise keine Auswirkungen auf den Wettbewerbspreis.207 Die Pappkartonbranche werde jedoch von nur wenigen Anbietern beherrscht, das Produkt sei austauschbar und der Wettbewerb finde ausschließlich über den Preis statt. Des Weiteren sei die Nachfrage unelastisch208, da Abnehmer sich nur für ihren gegenwärtigen Bedarf eindecken würden. Unter diesen Voraussetzungen führe der Austausch von Preisinformationen zu einer Vereinheitlichung der Preise. Denn ein niedrigerer Preis führe für den Anbieter nicht zu einem höheren Marktanteil, sondern dazu, dass er den bestehenden Geschäftsumfang bei niedrigerem Gewinn mit anderen Anbietern teilen müsse.209 Eine Preisstabilisierung falle ebenso unter das Kartellverbot des Section 1 Sherman Act wie eine Preiserhöhung.210 Mit dieser Entscheidung, die damals bereits von drei obersten Bundesrichtern in einem Minderheitsvotum kritisiert wurde211, hatte der U.S. Supreme Court erstmals einen horizontalen Informationsaustausch aufgrund 204 Each defendant on receiving that request usually furnished the data with the expectation that it would be furnished reciprocal information when it wanted it. 393 U.S. 333, 335 (1969). 205 U.S. v. Container Corp. of America, 393 U.S. 333, 334 (1969). 206 That concerted action is of course sufficient to establish the combination or conspiracy, the initial ingredient of a violation of § 1 of the Sherman Act. 393 U.S. 333, 335 (1969). 207 Price information exchanged in some markets may have no effect on a truly competitive price, 393 U.S. 333, 337 (1969). 208 Die Nachfrage wird als unelastisch bezeichnet, wenn Käufer nur in geringem Maße auf Veränderungen der Preise reagieren, vgl. Hovenkamp, Antitrust Law, Bd. 13, § 2113, S. 78 Fn. 10. 209 But the corrugated container industry is dominated by relatively few sellers. The product is fungible and the competition for sales is price. The demand is inelastic, as buyers place orders only for immediate, short-run needs. The exchange of price data tends toward price uniformity. For a lower price does not mean a larger share of the available business but a sharing of the existing business at a lower return. 393 U.S. 333, 337 (1969). 210 Stabilizing prices as well as raising them is within the ban of § 1 of the Sherman Act. 393 U.S. 333, 337 (1969). 211 Justice Marshall kritisierte in seinem Minderheitsvotum, dem sich die Obersten Richter Harlan und Stewart anschlossen, dass die Struktur des Pappkartonmarktes nicht hinreichend oligopolistisch sei, um eine Stabilisierung der Preise auf einem Niveau über dem Wettbewerbspreis zu ermöglichen, da die Anzahl der Anbieter zu groß sei, die Marktzutrittsschranken zu niedrig und die Nachfrage zu stark wachsend. 393 U.S. 333, 342 ff. (1969).
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seiner Wirkungen auf den Markt verboten, obwohl keine Preisabsprache nachweisbar war. Die Formulierung der Urteilsgründe durch Justice Douglas lässt sich sogar dahingehend interpretieren, dass die Mehrheit der Richter den Austausch der Preisinformationen in dem Fall als per se verboten ansah.212 Justice Fortas, der sich dem Votum der Mehrheit anschloss, aber eine eigene Urteilsbegründung (concurring opinion) verfasste, verstand den Fall dagegen ausdrücklich nicht als Anwendungsfall des per se-Verbots.213 In der Rechtsprechung der Instanzgerichte fand die Auslegung der Container-Entscheidung als per se-Verbot eines Austauschs von Preisinformationen jedenfalls Anhänger.214 Seit der U.S. Gypsum-Entscheidung des U.S. Supreme Court von 1978 kann jedoch als gesichert gelten, dass der Austausch von Preisen und anderen geschäftsbezogenen Informationen zwischen Wettbewerbern anhand der rule of reason beurteilt wird.215 In dem Fall handelte es sich um ein Strafverfahren gegen mehrere große Gipsplattenhersteller, denen vorgeworfen wurde, in den sechziger und frühen siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts Preisabsprachen getroffen zu haben. Der Anklage zufolge wurden diese Preisabsprachen u. a. dadurch zustande gebracht, dass die Hersteller einander telefonisch die Preise für Gipsplatten mitteilten, die einem bestimmten Kunden zum Zeitpunkt der Anfrage angeboten wurden.216 Den Feststellungen des Gerichts zufolge handelte es sich bei Gipsplatten um homogene Güter. Die Entscheidung der Käufer für einen bestimmten Hersteller hing vorwiegend von dessen Preis, Kreditbedingungen und Lieferservice ab. Die Nachfrage nach Gipsplatten wurde von der allgemeinen Bautätig212 The limitation or reduction of price competition brings the case within the ban, for as we held in Socony, interference with the setting of price by free market forces is unlawful per se. 393 U.S. 333, 337 (1969). Der Socony-Fall, auf den Justice Douglas sich bezog, begründete das per se-Verbot jeglicher Preisabsprachen, egal, ob die Beteiligten eine marktbeherrschende Stellung haben oder nicht, vgl. U.S. v. Sonony-Vacuum Oil Co., 310 U.S. 150, 224 (1940). Gegen die Anwendung eines per se-Verbots durch die Mehrheit der Richter im Container-Fall sprechen jedoch die detaillierten Ausführungen zur Marktstruktur und zur Entwicklung der Branche und der Preise im Referenzzeitraum zwischen 1955 und 1963, vgl. U.S. v. Container Corp. of America, 393 U.S. 333, 336 (1969). 213 I do not understand the Court’s opinion to hold that the exchange of specific information among sellers as to price charged to individual customers, pursuant to mutual arrangement, is a per se violation of the Sherman Act. Concurring opinion von Justice Fortas, 393 U.S. 333, 338 f. (1969). 214 Für eine Auslegung der Container-Entscheidung als per se-Verbot Gray v. Shell Oil Co., 469 F.2d 742, 746 (9th Cir. 1972), In re Yarn Processing Patent Validity Litig., 541 F.2d 1127, 1137 (5th Cir. 1976), U.S. v. Richter Concrete Corp., 328 F. Supp. 1061, 1064 (S.D. Ohio 1971). 215 U.S. v. U.S. Gypsum Co., 438 U.S. 422 (1978). 216 438 U.S. 422 (1978).
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keit bestimmt und von der Höhe der Gipsplattenpreise nur marginal beeinflusst.217 Die Gipsplattenbranche war hoch konzentriert, von 1960 bis 1973 gab es zwischen neun und fünfzehn Produzenten. Die acht größten Hersteller hatten landesweit einen Marktanteil von 94 Prozent, die restlichen sechs Prozent der Verkäufe entfielen auf kleine Hersteller, die jeweils nur über eine Produktionsanlage verfügten.218 Demnach wies die Gipsplattenbranche eine vergleichbare Marktstruktur auf wie die Pappkartonbranche im Südosten der USA im neun Jahre zuvor entschiedenen Container-Fall; die Gipsplattenbranche, in der acht Hersteller über einen landesweiten Marktanteil von 94 Prozent verfügten, war sogar stärker konzentriert als die Pappkartonindustrie, in der achtzehn Hersteller im relevanten räumlichen Markt einen Anteil von 90 Prozent erreichten. Dennoch wendete der Gerichtshof auf diesen Austausch von Preisinformationen zwischen Wettbewerbern auf einem Markt, den er selbst als „highly concentrated“ bezeichnet hatte, die rule of reason an.219 Zur Begründung führte das Gericht aus, dass der Austausch von preisbezogenen und anderen Informationen zwischen Wettbewerbern nicht immer nachteilige Auswirkungen auf den Wettbewerb habe; vielmehr könnten solche Praktiken unter bestimmten Umständen effizienzsteigernd wirken und den Wettbewerb auf den Märkten fördern statt ihn zu beschränken.220 Der U.S. Supreme Court interpretierte in der Gypsum-Entscheidung sein Container-Urteil ausdrücklich als Anwendungsfall der rule of reason, wobei er sich auf die concurring opinion von Justice Fortas bezog.221 Des Weiteren wies das Gericht jedoch 217
438 U.S. 422, 426 (1978). 438 U.S. 422, 426 (1978). 219 A. A. wohl Tugendreich, S. 99, der zufolge in der Gypsum-Entscheidung „für [Marktinformationsverfahren] außerhalb oligopolistischer Märkte mit homogenen Gütern . . . klargestellt [wurde], dass der Austausch sogar von Preisinformationen nicht unter das ‚per se‘-Verbot fällt.“ Die Gypsum-Entscheidung bezieht sich jedoch auf einen hoch konzentrierten Markt mit homogenen Gütern – im Vergleich zum Container-Fall ist der Konzentrationsgrad, wie gezeigt, sogar höher – so dass nach hiesiger Auffassung der U.S. Supreme Court klargestellt hat, dass er auch auf oligopolistischen Märkten mit homogenen Gütern den horizontalen Informationsaustausch anhand der rule of reason bewertet. 220 The exchange of price data and other information among competitors does not invariably have anticompetitive effects; indeed such practices can in certain circumstances increase economic efficiency and render markets more, rather than less, competitive. 438 U.S. 422, 441 Fn. 16. 221 For this reason, we have held that such exchanges of information do not constitute a per se violation of the Sherman Act. See, e. g., United States v. Citizens & Southern Nat. Bank, 422 U.S. 86 [. . .] (1975); United States v. Container Corp., 393 U.S., at 338 [. . .] (Fortas, J., concurring). A number of factors including most prominently the structure of the industry involved and the nature of the information exchanged are generally considered in divining the procompetitive or anticompetitive effects of this type of interseller communication. See United States v. Container 218
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darauf hin, dass der Informationsaustausch über gegenwärtige Preise die größte Gefahr wettbewerbsfeindlicher Auswirkungen mit sich bringe und deshalb in ständiger Rechtsprechung als Verletzung des Sherman Act eingestuft wurde.222 2. Die Competitor Collaboration Guidelines Neben diesen Präzedenzfällen bieten die von der FTC und der Kartellrechtsabteilung des Justizministeriums verfassten Antitrust Guidelines for Collaborations Among Competitors („Competitor Collaboration Guidelines“) aus dem Jahr 2000 weitere Hinweise für die rechtliche Beurteilung des Informationsaustauschs zwischen Wettbewerbern.223 Die Competitor Collaboration Guidelines erläutern die Rechtsauffassung der US-Kartellbehörden und sollen den an einer Zusammenarbeit mit Wettbewerbern interessierten Unternehmen die kartellrechtliche Bewertung ihrer Kooperation erleichtern.224 Zwar entfalten sie keine Bindungswirkung gegenüber den Gerichten, und die Kartellbehörden behalten sich ausdrücklich vor, beim Vollzug der Gesetze die Besonderheiten jedes Falles zu berücksichtigen.225 Tatsächlich haben aber die in den Guidelines gemachten Aussagen häufig einen großen Einfluss auf die Bewertung kartellrechtlicher Sachverhalte durch die Gerichte sowie die Kartellbehörden der einzelnen Bundesstaaten.226 a) Bewertungsfaktoren im Allgemeinen Die Problematik des Informationsaustauschs zwischen Wettbewerbern wird in den Guidelines an zwei Stellen ausdrücklich angesprochen. Zum einen wird in dem Abschnitt „Relevant Agreements that May Facilitate Collusion“ darauf hingewiesen, dass der Austausch von Daten nicht nur wettbewerbsfördernde Wirkungen habe, sondern auch die Wahrscheinlichkeit Corp., supra. See generally L. Sullivan, Law of Antitrust 265–274 (1977). 438 U.S. 422, 441 Fn. 16. 222 Exchanges of current price information, of course, have the greatest potential for generating anticompetitive effects and although not per se unlawful have consistently been held to violate the Sherman Act. See American Column & Lumber Co. v. United States, 257 U.S. 377 [. . .] (1921); United States v. American Linseed Oil Co., 262 U.S. 371 [. . .] (1923); United States v. Container Corp., supra. 438 U.S. 422, 441 Fn. 16. 223 U.S. Department of Justice and Federal Trade Commission, Guidelines for Collaborations Among Competitors (April 7, 2000), abrufbar unter www.ftc.gov/ os/2000/04/ftcdojguidelines.pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 224 Competitor Collaboration Guidelines, Preamble. 225 Competitor Collaboration Guidelines, Tz. 1.1. 226 Sullivan/Grimes, § 16.2a, S. 890.
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von Abstimmungen in Bezug auf Preise, Produktionsmengen oder andere sensible Wettbewerbsparameter erhöhen kann.227 Die Gefahren für den Wettbewerb hängen danach von der Art der ausgetauschten Informationen ab. Bei ansonsten gleicher Ausgangslage sei der Austausch von Informationen über Preise, produzierte Mengen, Kosten oder strategische Planung kartellrechtlich bedenklicher als der Austausch von Daten über weniger sensible Parameter. Ebenso sei der Austausch über gegenwärtige und künftige Geschäftspläne problematischer als die Weitergabe vergangenheitsbezogener Daten. Des Weiteren begegne der Austausch individueller Firmendaten stärkeren Bedenken als der Austausch aggregierter Informationen, der den Empfängern keine Identifizierung konkreter Unternehmensdaten erlaubt.228 Zum zweiten wird der Wahrscheinlichkeit des Austauschs sensibler Geschäftsinformationen Bedeutung zugemessen im Zusammenhang mit der Frage, inwieweit unter den kooperierenden Unternehmen noch Wettbewerb herrscht.229 Einer der bei dieser Untersuchung zu betrachtenden Faktoren ist die Frage, zu welchem Grad damit zu rechnen ist, dass durch die Zusammenarbeit sensible Geschäftsinformationen offenbart werden. Dabei werden die Kartellbehörden die Art der Kooperation, ihre Organisation und Führungsstrukturen (governance) sowie die Vorkehrungen betrachten, die zum Ausschluss der Offenlegung relevanter Daten führen sollen.230 Danach kommt als Sicherheitsmaßnahme etwa in Betracht, dass die Beteiligten den Zugang zu sensiblen Informationen auf wenige Mitarbeiter oder einen unabhängigen Dritten beschränken. Generell sei weniger wahrscheinlich, dass die Zusammenarbeit Verhaltensabstimmungen erleichtert (facilitate collusion), wenn angemessene Vorkehrungen getroffen werden, die beim Austausch von Informationen zu beachten sind.231 227
Competitor Collaboration Guidelines, Tz. 3.31(b). Competitor Collaboration Guidelines, Tz. 3.31(b) am Ende. 229 Competitor Collaboration Guidelines, Tz. 3.34(e). Wenn konkurrierende Unternehmen in bestimmten Bereichen zusammenarbeiten, muss dies nicht zwangsläufig dazu führen, dass der Wettbewerb zwischen ihnen zum Erliegen kommt. So könnten die Beteiligten etwa bei der Entwicklung einer neuen Technologie zusammenarbeiten, diese aber unabhängig voneinander vermarkten. Bei einigen Kooperationsformen führen jedoch vertragliche oder finanzielle Ausgestaltungen dazu, dass kein Anreiz für die Beteiligten mehr besteht, in Wettbewerb zueinander zu treten. Wenn die Art der Vereinbarung zwischen den Beteiligten, ihre Marktanteile und der Konzentrationsgrad des Marktes darauf hinweisen, dass ihre Zusammenarbeit mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu wettbewerbsschädlichen Auswirkungen führen könnte, werden die Kartellbehörden näher untersuchen, in welchem Ausmaß für die Kooperationspartner und das von ihnen gemeinsam betriebene Projekt die Fähigkeit und der Anreiz besteht, unabhängig voneinander am Markt zu agieren. Competitor Collaboration Guidelines, Tz. 3.34. 230 Competitor Collaboration Guidelines, Tz. 3.34(e). 231 Competitor Collaboration Guidelines, Tz. 3.34(e) am Ende. 228
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Hinweise auf die Anwendung dieser Grundsätze in der Praxis lassen sich der Beurteilung des B2B-Marktplatzes Partlinx und des „Chemical Information System (CIS)“, einer Datenbank für Unternehmen der chemischen Industrie, durch die Kartellbehörden entnehmen: So informierten die Gründer von Partlinx die FTC über ihre Absicht, in einem gemeinsamen Preiskomitee die Verkaufspreise an Großabnehmer festzulegen sowie Informationen über ihre zukünftigen Pläne hinsichtlich Marketing und Strategie auszutauschen.232 In ihrer advisory opinion wies die Behörde darauf hin, dass der Austausch solcher vertraulicher Geschäftsinformationen koordinierte Anstrengungen zur Verringerung von Preisunterschieden zwischen den Mitgliedern erleichtern und somit den Weg zu Preiserhöhungen ebnen könne. Unter Zugrundelegung der Angaben der Plattformgründer sei kein Grund dafür erkennbar, warum die Offenlegung von Daten über künftige Pläne für Marketing und Strategie vernünftigerweise notwendig sei, um über Partlinx bestimmte Verkäufe zu tätigen.233 Die von der FTC zum geplanten Informationsaustausch auf der Plattform gemachten Aussagen sind allerdings sehr generell gehalten und stimmen teilweise wörtlich mit den in den Competitor Collaboration Guidelines enthaltenen Ausführungen überein.234 Dagegen verlangte die Kartellrechtsabteilung des US-Justizministeriums konkrete Änderungen bei dem geplanten Aufbau einer Datenbank für die chemische Industrie, um den Austausch von Informationen unter Wettbewerbern zu verhindern.235 Über die Datenbank „Chemical Information 232 Vgl. FTC Advisory Opinion Concerning Partlinx, II.C.2., abrufbar unter http://www.ftc.gov/os/2003/10/031010 partlinx.htm (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 233 The disclosure of a Partlinx member’s confidential business information to other members could facilitate coordinated efforts to reduce or eliminate price differences among members as a way of increasing price levels. Based on the information we received, we know of no valid reason the disclosure of future marketing or strategic plans is reasonably necessary for sales via the Partlinx internet site to local accounts. FTC Advisory Opinion Concerning Partlinx, III.B., a. a. O. (vorige Fn.). 234 So heißt es in Tz. 3.31(b) der Competitor Collaboration Guidelines: Other things being equal, the sharing of information relating to price, output, costs, or strategic planning is more likely to raise competitive concern than the sharing of information relating to less competitively sensitive variables. . . . [T]he sharing of information on current operating and future business plans is more likely to raise concerns than the sharing of historical information. In der Advisory Opinion formuliert die FTC: Nevertheless, this exchange of information relating to marketing or strategic planning is more likely to raise antitrust concern than the sharing of many other types of information. [. . .] Sharing future pricing information generally warrants more antitrust scrutiny than does sharing pricing information about transactions in the distant past. FTC Advisory Opinion Concerning Partlinx, III.B. 235 Business Review Letter von R. Hewitt Pate an BroChem Marketing, Inc., abrufbar unter http://www.usdoj.gov/atr/public/busreview/201017.pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007).
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System (CIS)“ sollen Zwischenhändler aus der Chemiebranche auf Informationen über die Produkte, Hersteller und Preise von Chemikalien Zugriff nehmen können. Die Daten sollen von Chemikalienherstellern zur Verfügung gestellt, von dem Betreiber der Datenbank in einem benutzerfreundlichen Format präsentiert und von US-amerikanischen Zwischenhändlern abgerufen werden können.236 Das Justizministerium, welches um einen Business Review Letter237 gebeten wurde, forderte den Betreiber auf, seine ursprünglichen Pläne für den Aufbau der Datenbank dahingehend zu ändern, dass konkurrierende Unternehmen keine Zugriffsmöglichkeit auf Informationen haben, die sich auf die Preisgestaltung auswirken könnten. Daraufhin sagte der Betreiber zu, für geeignete Sicherheitsmaßnahmen zu sorgen, damit jeder Hersteller nur auf die Daten zugreifen kann, die er selbst zur Verfügung gestellt hat und jeder Zwischenhändler nur Daten von Produkten abrufen kann, zu deren Weiterveräußerung er selbst berechtigt ist.238 Zwar handelt es sich bei der Chemiedatenbank nicht um einen B2BMarktplatz. Das Problem des horizontalen Informationsaustauschs tritt jedoch gleichermaßen beim Betrieb von Internetmarktplätzen auf. Daher ist wohl nicht zu erwarten, dass das US-Justizministerium die Möglichkeit eines horizontalen Informationsaustauschs auf B2B-Plattformen tolerieren würde, wenn es den Betreiber einer computergestützten Datenbank ausdrücklich auffordert, den Datentransfer unter Wettbewerbern zu unterbinden. Auch im Schrifttum wird gefordert, auf elektronischen Marktplätzen grundsätzlich durch Zugangscodes und Datenverschlüsselung sicherzustellen, dass Informationen nur auf der vertikalen Ebene der Transaktion ausgetauscht werden können, d.h. dass nur die an dem jeweiligen Geschäft beteiligten Anbieter und Nachfrager die abgegebenen Gebote mitverfolgen können.239 Um den Informationsaustausch auf horizontaler Ebene zu unter236
A. a. O. (vorige Fn.). Die Business Review Procedure des US-Justizministeriums, 28 C.F.R. § 50.6, erlaubt jeder interessierten Organisation, der Kartellrechtsabteilung eine geplante Handlung vorzulegen und eine Aussage darüber zu erhalten, ob die Handlungsweise nach Auffassung der Behörde gegen die antitrust laws verstößt. 238 At the Department’s request, BroChem has modified its original proposal to ensure that price-sensitive information is not accessible to competitors or others who should not have access to it. Specifically, as indicated in your letter dated November 18, 2002, BroChem will establish computer safeguards to ensure that each chemical producer can access only the data that the producer has provided to BroChem, and that each chemical distributor has access only to information regarding products that the chemical producers have authorized the distributor to market. Business Review Letter von R. Hewitt Pate an BroChem Marketing, Inc., abrufbar unter http://www.usdoj.gov/atr/public/busreview/201017.pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 237
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binden, wird darüber hinaus postuliert, dass Unternehmen auf einem B2B-Marktplatz nicht gleichzeitig als Käufer und Verkäufer desselben Produkts auftreten dürfen.240 Auf weitere Vorschläge zur Eindämmung des Informationsflusses auf elektronischen Marktplätzen wird an anderer Stelle in diesem Abschnitt ausführlicher eingegangen.241 b) Sicherheitszone für Kooperationen zwischen Wettbewerbern Die Competitor Collaboration Guidelines legen des Weiteren eine „Sicherheitszone“ fest, die für alle Formen der Kooperationen zwischen Wettbewerbern gilt, d.h. auch für den Informationsaustausch.242 Sofern keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen, gehen die Kartellbehörden nicht gegen eine Zusammenarbeit von Wettbewerbern vor, wenn die Marktanteile des gemeinsamen Unternehmens und der Teilnehmer zusammen auf keinem relevanten Markt, auf dem der Wettbewerb beeinträchtigt werden könnte, mehr als zwanzig Prozent betragen. Die Kartellbehörden gehen davon aus, dass bei Unterschreiten der Marktanteilsschwelle von zwanzig Prozent wettbewerbswidrige Auswirkungen der Zusammenarbeit so unwahrscheinlich sind, dass sie ohne weitere Untersuchungen als rechtmäßig angesehen wird.243 Dies gilt jedoch nicht für Formen der Zusammenarbeit, die per se illegal sind – wie etwa Preisabsprachen –, ohne eine detaillierte Marktuntersuchung untersagt werden würden244 oder einen Zusammenschluss darstellen.245 In der Literatur wird vertreten, dass die Mehrheit der B2B-Marktplätze unter diese Sicherheitszone fallen werde, ohne dass dies näher begründet 239 Vgl. Blumenthal, Antitrust Report, Mai 2000, 34, 42; Bell/Adkinson, 15 Antitrust 18, 22 (Fall 2000). 240 Balto, 618 PLI/Pat 305, 325 (2000); ähnlich Mitnick, FTC Report II, Podiumsdiskussion 2, S. 142 f. 241 Siehe II.4. 242 Competitor Collaboration Guidelines, Tz. 4.1. 243 Competitor Collaboration Guidelines, Tz. 4.1. 244 Die Kartellbehörden gehen auch ohne detaillierte Marktuntersuchungen gegen Vereinbarungen vor, die prinzipiell anhand der rule of reason analysiert werden, wenn nach dem Wesen der Vereinbarung schädliche Auswirkungen auf den Wettbewerb offensichtlich zu erwarten sind oder eine bereits umgesetzte Form der Zusammenarbeit zu wettbewerbsfeindlichen Ergebnissen geführt hat. Dies gilt nicht, wenn eine Vereinbarung positive Auswirkungen mit sich bringt, die zum Ausgleich der Wettbewerbsbeeinträchtigungen führen können. Dieser Untersuchungsansatz wird als „quick look“ bezeichnet. Siehe Competitor Collaboration Guidelines, Tz. 3.3, 3. Absatz. 245 Zur Abgrenzung zwischen Zusammenschlüssen und anderen Formen der Zusammenarbeit bereits Zweiter Abschnitt, § 1, III.
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würde.246 Dagegen hat weder die FTC im Falle von Partlinx noch das Justizministerium in Bezug auf die Datenbank CIS die Möglichkeit angesprochen, ob der jeweils geplante Informationsaustausch von der Sicherheitszone erfasst werden könnte.247 Somit bleibt abzuwarten, ob die in den Competitor Collaboration Guidelines festgelegte Sicherheitszone im Hinblick auf den Austausch von Informationen auf Internetplattformen Bedeutung erlangen wird. 3. Health Care Statements Neben den Competitor Collaboration Guidelines enthalten auch die Statements of Antitrust Enforcement Policy in Health Care („Health Care Statements“)248, die ebenfalls von der Kartellrechtsabteilung des US-Justizministeriums und der FTC gemeinsam herausgegeben wurden, wichtige Ansätze zur Bewertung des horizontalen Informationsaustauschs zwischen Wettbewerbern. In den Vereinigten Staaten ist der Gesundheitssektor von einer Vielzahl von Zusammenschlüssen, Kooperationen und Netzwerken geprägt. Aus diesem Grund sprechen die Health Care Statements u. a. den Austausch von Preis- und Kosteninformationen zwischen Anbietern und die Weitergabe von Preisinformationen an Käufer an. Punkt 6 der Health Care Statements legt eine Sicherheitszone für den Austausch von Preis- und Kosteninformationen durch die Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen fest. Darin kündigen die Kartellbehörden an, gegen die Teilnahme von Dienstleistungsanbietern im Gesundheitssektor an schriftlichen Umfragen über die Preise von Leistungen und die Bezahlung des Personals nicht vorzugehen, wenn die Umfrage von einer neutralen Institution durchgeführt wird und die Angaben auf mindestens drei Monate alten Daten basieren. Des Weiteren muss jede der zu verbreitenden Statistiken anhand der Daten von mindestens fünf Gesundheitsdienstleistern erstellt 246 Hoyt, 28 Transp. L. J. 315, 327 (2001); ihr folgend Sacks/Handelman, 691 PLI/Pat 483, 493 (2002). 247 Den Angaben der sechs Partlinx-Gründer zufolge verfügten diese auf dem Markt für den Verkauf von Ersatzteilen an national operierende Großabnehmer über einen gemeinsamen Anteil von 15 Prozent, Angaben bzgl. der Märkte für den Verkauf an regionale Kunden wurden nicht veröffentlicht, siehe FTC Advisory Opinion Concerning Partlinx, II.C., abrufbar unter http://www.ftc.gov/os/2003/10/031010 partlinx.htm (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). Der Business Review Letter des US-Justizministeriums bezüglich der Datenbank CIS enthält keine Angaben über Marktanteile, siehe Business Review Letter von R. Hewitt Pate an BroChem Marketing, Inc., abrufbar unter http://www.usdoj.gov/atr/public/busreview/201017.pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 248 U.S. Department of Justice & Federal Trade Commission, Statements of Antitrust Enforcement Policy in Health Care vom 28. August 1996, abgedruckt bei Sullivan/Grimes, Appendix E, S. 1127.
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worden sein, die Informationen eines einzelnen Anbieters dürfen nicht mehr als 25 Prozent einer Statistik ausmachen, und die veröffentlichten Informationen müssen so zusammengestellt werden, dass sie den Empfängern keine Rückschlüsse auf die Angaben eines bestimmten Dienstleisters erlauben.249 Diese Bedingungen sollen sicherstellen, dass der Austausch von Informationen nicht von konkurrierenden Anbietern dazu benutzt wird, Preise oder Kosten zu diskutieren oder zu koordinieren.250 Im Schrifttum wurde bereits zu Beginn der Diskussion über die kartellrechtliche Behandlung elektronischer Marktplätze darauf hingewiesen, dass sich die in den Health Care Statements niedergelegten Grundsätze auf den Informationsaustausch auf Internetplattformen übertragen lassen.251 Auch die FTC verwies in ihrer Beurteilung der B2B-Plattform Partlinx auf die in den Health Care Statements erläuterten Modelle für den Austausch von Informationen zwischen Anbietern in Gesundheitssektor, die ihre Dienste gemeinsam anbieten und vermarkten wollen: Die an Partlinx beteiligten Großhändler hatten geplant, über den Marktplatz Ersatzteile an in den gesamten Vereinigten Staaten tätige Großkunden nur zu vorher gemeinsam festgelegten Preisen zu verkaufen. Die Möglichkeit der Parteien, außerhalb von Partlinx zu individuell verhandelten Preisen an solche Großkunden zu verkaufen, sollte davon unberührt bleiben; es war auch keine Lieferverpflichtung für den Fall vorgesehen, dass ein Händler mit dem gemeinsam festgelegten Verkaufspreis nicht einverstanden sein sollte. Allerdings sollte der Geschäftsabschluss über Partlinx nur zu dem festgelegten Preis möglich sein.252 In ihrer rechtlichen Bewertung dieses Vorhabens wies die FTC darauf hin, dass der gemeinsame Verkauf durch konkurrierende Unternehmen als per se illegale Preisabsprache eingestuft werden könne.253 Die Gründer von 249 Statement of Department of Justice and Federal Trade Commission Enforcement Policy on Provider Participation in Exchanges of Price and Cost Information, abgedruckt bei Sullivan/Grimes, Appendix E, S. 1148 ff. 250 Health Care Statements, Statement 6, a. a. O. 251 Bloch/Perlman, S. 10 f.; Blumenthal, Antitrust Report, Mai 2000, 34, 39. 252 According to you, members unwilling to sell to a national account at the negotiated price will have no obligation to sell to that account. However, in order to sell parts through Partlinx to national accounts, each member will be required to accept Partlinx pricing. Members can still sell to national accounts outside the Partlinx system at an individually negotiated price. FTC Advisory Opinion Concerning Partlinx, II.C.2., abrufbar unter http://www.ftc.gov/os/2003/10/031010part linx.htm (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 253 Joint marketing or selling arrangements among horizontal competitors may be considered price fixing that is per se illegal. FTC Advisory Opinion Concerning Partlinx, III.B., a. a. O. (vorige Fn.).
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Partlinx hätten jedoch die Möglichkeit, den Vorwurf der Preisabsprache zu vermeiden, wenn sie sich zur Kommunikation mit Kunden und untereinander eines neutralen Dritten bedienen würden, wobei sich die Behörde auf die Health Care Statements bezog.254 So könnten alle Mitglieder unabhängig voneinander einem neutralen Dritten den niedrigsten Verkaufspreis für jedes Produkt mitteilen, der für sie akzeptabel wäre. Darauf basierend könnte dann der neutrale Dritte den Großkunden ein gemeinsames Angebot unterbreiten, bei dem jedem Mitglied der jeweils verlangte Preis gezahlt würde. Auf diese Weise würden keinem Mitglied die Preise bekannt, die von den jeweils anderen akzeptiert würden.255 Für den Fall, dass die Gründer von Partlinx an ihrem ursprünglichen Plan festhalten und auf die Einschaltung eines neutralen Dritten verzichten sollten, würde die Beurteilung des Informationsaustauschs der Kartellbehörde zufolge davon abhängen, ob zwischen den Plattformgründern Wettbewerb hinsichtlich der Verkäufe an national operierende Großkunden herrscht. Wenn die Gründer bislang bei Verkäufen an solche Großkunden nicht miteinander konkurriert hätten und sich dies wahrscheinlich auch zukünftig nicht geändert hätte, würde der gemeinsame Verkauf über Partlinx eine neue Dienstleistung darstellen, die keines der Gründungsunternehmen allein anbieten könnte. In diesem Fall wäre der gemeinsame Verkauf über Partlinx nicht als per se illegal einzustufen, sondern als neue Bezugsquelle für Großkunden.256 Da der FTC keine hinreichenden Informationen über den Um254 Another consideration is whether the venture will involve collaboration on price or other key dimensions of competition. In some circumstances, horizontal competitors may establish and operate a joint marketing and sales venture that lowers transaction costs without reaching agreement on price. This result can potentially be accomplished through use of a third-party agent or messenger that communicates price and nonprice information between the customer and the members in a carefully controlled manner. FTC Advisory Opinion Concerning Partlinx, III.B., a. a. O. (vorige Fn.). Der Verweis auf Punkt 9 der Health Care Statements erfolgt in Fn. 11. 255 FTC Advisory Opinion Concerning Partlinx, III.B., a. a. O. (vorige Fn.). 256 Whether the Partlinx collaboration on national account sales should be viewed as presumptively anticompetitive depends on the extent to which the members compete and are likely to compete for national account business. If the members’ competing sales volumes to national accounts have been trivial and are likely to remain so, such that the members do not compete to any meaningful extent, Partlinx will offer national accounts a new service that each of its members would not by itself provide. [. . .] The limited information provided suggests that the members do not engage in any meaningful competition for national account business. If additional factual information demonstrates or confirms that, then the venture should not be treated as per se illegal or presumptively anticompetitive, but rather as a new source of supply for national accounts. FTC Advisory Opinion Concerning Partlinx, III.B., abrufbar unter http://www.ftc.gov/os/2003/10/031010partlinx.htm (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007).
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fang des zwischen den Plattformgründern bestehenden Wettbewerbs auf dem Markt für Verkäufe an Großkunden vorlagen, musste eine endgültige Bewertung im Ergebnis offen bleiben.257 4. Aussagen des FTC Report Daneben enthält der FTC Report Hinweise darauf, welche weiteren Aspekte aus Sicht der Behörde für die Bewertung des Informationsaustauschs auf elektronischen Marktplätzen eine Rolle spielen werden. Bei der Untersuchung einer Vereinbarung über den Austausch von Daten, die wettbewerbsfeindliche Verhaltenskoordinationen erleichtern könnte, seien fünf Faktoren besonders zu berücksichtigen.258 Dies seien die Struktur des Marktes der auf der Plattform gehandelten Güter und Dienstleistungen259, die Frage, inwieweit die Plattformnutzer miteinander im Wettbewerb stehen, ob die ausgetauschten Informationen wettbewerblich sensibel sind, wie aktuell die Informationen sind, und ob sie allgemein zugänglich sind: Erstens gebe der Austausch von Informationen umso größeren Anlass für kartellrechtliche Bedenken, je größer der auf den relevanten Märkten herrschende Konzentrationsgrad sei.260 Als zweiten Punkt werden die Kartellbehörden berücksichtigen, ob der Informationsaustausch zwischen Wettbewerbern oder Nicht-Wettbewerbern erfolgt.261 Drittens ergäben sich vor allem dann Bedenken, wenn wettbewerblich sensible Informationen ausgetauscht werden, etwa solche, die sich auf Preise, zu produzierende Mengen, Kosten oder strategische Planungen beziehen262. Als vierter Faktor werde das Alter der Informationen untersucht.263 Fünftens sei relevant, ob die betreffenden Informationen nur auf dem B2B-Marktplatz gesammelt werden können.Wenn ja, sei ihr Austausch wesentlich kritischer zu betrachten als in dem Fall, dass die Daten auch aus anderen Quellen beschafft werden könnten. Selbst wenn die Informationen prinzipiell auch anderweitig 257
Vgl. FTC Advisory Opinion Concerning Partlinx, a. a. O. (vorige Fn.). FTC Report, Teil 3, A.1.a. (S. 7 ff.). 259 Das Thema Informationsaustausch wird unter der Überschrift Market for Goods Bought & Sold on B2Bs behandelt, so dass die Struktur dieses Marktes gemeint sein muss, vgl. FTC Report, Teil 3, A.1.a (S. 3, 7 ff.). 260 FTC Report, Teil 3, A.1.a (S. 7). 261 FTC Report, Teil 3, A.1.a (S. 8); in Fn. 32 wird jedoch darauf hingewiesen, dass u. U. auch der Austausch von Informationen zwischen Käufern und Verkäufern bedenklich sein kann. 262 FTC Report, a. a. O., mit Verweis auf Tz. 3.31(b) der Competitor Collaboration Guidelines. 263 FTC Report, Teil 3, A.1.a (S. 8). 258
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beschafft werden könnten, aber dies mit größeren Schwierigkeiten verbunden wäre, sei erhöhte Aufmerksamkeit geboten.264 Darüber hinaus wird die FTC in die Untersuchung einbeziehen, ob die Gründer des B2B-Marktplatzes die ausschließliche Nutzung ihrer Plattform vorschreiben oder sie zu fördern versuchen, indem sie ausschließlichen Nutzern wirtschaftliche Vorteile einräumen.265 Denn wenn Plattformnutzer die Möglichkeit haben, auch außerhalb des B2B-Marktplatzes Geschäfte abzuschließen, könnten sie – unterstellte – Kollusionsszenarien unterlaufen. Würden die an einen B2B-Marktplatz angeschlossenen Unternehmen dagegen ausschließlich dort ihre Geschäfte abwickeln, wären ihre Möglichkeiten begrenzt, sich der Kollusion zu entziehen, ohne dabei von den anderen Beteiligten entdeckt zu werden.266 In einem weiteren Schritt wird geprüft, ob der Informationsaustausch vernünftigerweise notwendig ist, um Effizienzgewinne durch die Nutzung des elektronischen Marktplatzes zu erreichen, und ob diese Effizienzgewinne nicht durch andere Möglichkeiten erreicht werden könnten, die sich weniger stark auf den Wettbewerb auswirken (less restrictive alternatives).267 Im Schrifttum wird zu diesen im FTC Report genannten Faktoren angemerkt, dass sie sich eng an die bereits in den Competitor Collaboration Guidelines festgehaltenen Grundsätze anlehnen.268 Es wird bezweifelt, ob die Analyse bestimmter B2B-Internetplattformen anhand der fünf Faktoren überhaupt zu einem Erkenntnisgewinn führen könne. Denn ein elektronischer Marktplatz, der Markttransparenz schaffen wolle, sei gerade darauf ausgerichtet, dass aktuelle oder sogar in Echtzeit erhältliche Informationen über sensible Wettbewerbsparameter wie Preise oder Kosten zwischen Wettbewerbern ausgetauscht würden. Daher könnte jeder elektronische Marktplatz, auf dem die angeschlossenen Unternehmen ihre gegenwärtigen Preise und Angebote sehen, anhand des zweiten, dritten und vierten Analysefaktors als bedenklich eingestuft werden. Der erste Faktor wiederum, wonach der Konzentrationsgrad der betroffenen Märkte zu berücksichtigen sei, trage nicht dem Umstand Rechnung, dass eine Zusammenarbeit der wichtigsten 264
FTC Report, Teil 3, A.1.a (S. 9). FTC Report, Teil 3, A.1.a (S. 10). 266 Exclusivity policies may also aggravate collusion risks. If, nothwithstanding the advantages of B2B participation, B2B participants have the ability and incentive to trade secretely outside the B2B, they may undermine a collusive scheme. Exclusivity could shut off the opportunity to cheat. FTC Report, a. a. O. (vorige Fn.). 267 FTC Report, Teil 3, A.1.a (S. 10 f.). Zum allgemeinen Prüfungsschema bei der rule of reason-Analyse, das auch die Frage nach möglichen „less restrictive alternatives“ beinhaltet, bereits oben Zweiter Abschnitt, § 1, I.1. 268 Gotfredson, 2 Minn. Intell. Prop. Rev. 107, 128 (2001). 265
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Branchenunternehmen notwendig sein könne, um die für den profitablen Betrieb eines B2B-Marktplatzes erforderliche kritische Masse an Nutzern zu erhalten. Daher seien die fünf im FTC Report genannten Prüfungsfaktoren nicht unbedingt geeignet, um die Internetplattformen zu identifizieren, die sich wettbewerbswidriger Praktiken bedienten.269 Als Lösung schlägt der Autor vor, alle Transaktionen in Echtzeit auf B2B-Marktplätzen nur anonym abzuwickeln.270 Dadurch könne auch bewusstes Parallelverhalten von Plattformnutzern erschwert werden.271
II. Öffentliche Ankündigungen zukünftiger Preise und das Oligopolproblem Insbesondere mit Blick auf das B2C-Reiseportal Orbitz wurde diskutiert, ob Wettbewerber elektronische Marktplätze dazu missbrauchen könnten, sich gegenseitig zukünftige Preise oder andere Wettbewerbskoordinaten mitzuteilen.272 Durch wiederholtes Austauschen dieser Daten könnten sie dann ihre Preise und Konditionen aneinander angleichen (price signaling). Diese Problematik stellte sich schon lange vor der Entstehung von B2B-Marktplätzen. Man denke an ein Unternehmen, das auf einer Pressekonferenz mitteilt, in einigen Monaten die Verkaufspreise um fünf Prozent zu erhöhen. Eine Woche später teilen die beiden wichtigsten Wettbewerber dieses Unternehmens ihrerseits der Öffentlichkeit mit, dass auch sie die Preise um fünf Prozent zu erhöhen gedenken. Solche öffentlichen Preisankündigungen werden im US-Kartellrecht als Informationsaustausch über zukünftige Preise und Geschäftsdaten eingeordnet und, ebenso wie andere Formen des Informationsaustauschs, unabhängig von der Struktur des betroffenen Marktes anhand der rule of reason bewertet.273 Die Mitteilungen über die zukünftige Preisgestaltung können jedoch auch als sog. „plus factors“ darauf hinweisen, dass die betreffenden Unternehmen eine per se illegale Preisabsprache getroffen haben.274 269
Gotfredson, a. a. O. Gotfredson, 2 Minn. Intell. Prop. Rev. 107, 136 (2001). 271 Gotfredson, a. a. O. Zur Abgrenzung zwischen bewusstem Parallelverhalten und kartellrechtlich relevanter Verhaltenskonzertierung sogleich unter II.1. 272 Vgl. nur Adkinson/Lenard, 16 Antitrust 76, 77 ff. (Spring 2002); Balto, 618 PLI/Pat 305, 319 ff. (2000); FTC Report, Teil 3, A.1. (S. 3 ff.); Gotfredson, 2 Minn. Intell. Prop. Rev. 107, 128 ff. (2001); Jones Harbour, Comments, VII.A.1. (2001). 273 In re Baby Food Antitrust Litigation, 166 F.3d 112 (3rd Cir. 1999); Stucke, 19 Antitrust 81 (Spring 2005); vgl. aus deutscher Sicht Tugendreich, S. 104 m. w. N. 274 In re Coordinated Pretrial Proceedings in Petroleum Products Antitrust Litig., 906 F.2d 432, 447 (Fn. 13) (9th Cir. 1990); Stucke, 19 Antitrust 81 (Spring 2005). 270
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Bei solchen Preisankündigungen stellt sich folglich stets die Frage, ob die betreffenden Unternehmen die autonome Entscheidung getroffen haben, den Vorgaben des Preisführers zu folgen, oder ob abgestimmtes Verhalten vorliegt. Denn der Tatbestand des § 1 Sherman Act setzt das Bestehen einer Verhaltensabstimmung voraus; bewusstes Parallelverhalten von Unternehmen reicht als Anwendungsvoraussetzung der Vorschrift nicht aus.275 Dies gilt auch dann, wenn durch bewusstes Parallelverhalten überhöhte Preise erzielt werden.276 1. Die Abgrenzung zwischen bewusstem Parallelverhalten und Verhaltenskonzertierung Die Anwendung des Kartellverbots des § 1 Sherman Act erfordert das Vorliegen von „contract, combination, or conspiracy“. Diese drei Begriffe werden so ausgelegt, dass sie für das Konzept der Vereinbarung (agreement) stehen.277 Um eine Verletzung von Section 1 zu beweisen, muss eine Vereinbarung aufgezeigt werden, gemäß der die konzertierte Verhaltensweise vorgenommen wurde.278 Dafür muss jedoch nicht bewiesen werden, dass eine formale Absprache getroffen wurde; das Verhalten der betreffenden Unternehmen im Geschäftsverkehr kann vielmehr als Indizienbeweis für das Vorhandensein einer Vereinbarung herangezogen werden.279 Reines Parallelverhalten ist jedoch kein geeignetes Indiz zum Beweis einer Vereinbarung. Denn unter bestimmten Umständen können Unternehmen ihre Preise aufeinander abstimmen, ohne dass dafür eine Vereinbarung i. S. d. § 1 Sherman Act notwendig wäre. Dieses Phänomen wird im US-Kartellrecht „conscious parallelism“, „oligopolistic interdependence“, „tacit collusion“280 275 Siehe Theatre Enterprises, Inc. v. Paramount Film Distributing Corp., 346 U.S. 537, 541 (1954). 276 Clamp-All Corp. v. Cast Iron Soil Pipe Inst., 851 F.2d 478, 484 (1st Cir. 1988), cert. denied, 488 U.S. 1007 (1989). 277 Areeda/Hovenkamp, Antitrust Law, Bd. VI, § 1400a; Turner, 75 Harv. L. Rev. 655 (1962). 278 Some agreement must be shown under which the concerted action is taken. E. States Retail Lumber Dealers Ass’n v. United States, 234 U.S. 600, 612 (1914). 279 The essential combination or conspiracy in violation of the Sherman Act may be found in a course of dealings or other circumstances as well as in any exchange of words. Am. Tobacco Co. v. United States, 328 U.S. 781, 809 f. (1946); Business behavior is admissible circumstantial evidence from which the fact finder may infer agreement. Theatre Enterprises, Inc. v. Paramount Film Distrib. Corp., 346 U.S. 537, 540 (1954); Norfolk Monument Co. v. Woodlawn Mem’l Gardens, Inc., 394 U.S. 700, 704 (1969); Werden, 71 Antitrust L.J. 719, 734 f. (2004). 280 Vgl. Posner, Antitrust Law, S. 53. Posner selbst bevorzugt den Ausdruck „tacit collusion“. So auch der U.S. Supreme Court in Brooke Group Ltd. v. Brown &
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oder „coordinated pricing“281 genannt. Damit ist eine Verhaltensweise von Unternehmen gemeint, die im Folgenden einheitlich als „bewusstes Parallelverhalten“ bezeichnet wird. Auf oligopolistisch strukturierten Märkten, d.h. auf Märkten, auf denen nur wenige Anbieter vorhanden sind282, treffen Anbieter ihre unternehmerischen Entscheidungen mit Blick auf die zu erwartenden Reaktionen ihrer Wettbewerber. Diese Reaktionsverbundenheit führt in der Regel zu einer Verminderung der Wettbewerbsintensität im Oligopol. Denn wenn ein Unternehmen die Preise senken würde, würden die übrigen Oligopolisten nachziehen müssen, um den Verlust von Marktanteilen zu vermeiden. Aus diesem Grund besteht für keinen der Oligopolisten ein Anreiz zur Senkung der Preise.283 Umgekehrt kann die Ankündigung eines Unternehmens, die Preise zu erhöhen, dazu führen, dass seine Wettbewerber nachziehen, da alle Unternehmen auf dem Markt erkennen, dass höhere Preise im Williamson Tobacco Corp., 509 U.S. 209, 227 (1993): Tacit collusion, sometimes called oligopolistic price coordination or conscious parallelism, describes the process, not in itself unlawful, by which firms in a concentrated market might in effect share monopoly power, setting their prices at a profit-maximizing, supracompetitive level by recognizing their shared economic interests and their interdependence with respect to price and output decisions. 281 Werden, 71 Antitrust L. J. 719, 735 (2004). 282 Posner, Antitrust Law, S. 56. Als Schöpfer des Begriffes „Oligopol“ wird der Wirtschaftswissenschaftler Edward H. Chamberlin angesehen, der ihn 1933 in seinem Werk „The Theory of Monopolistic Competition“ einführte. Bereits vor ihm hatte Karl Schlesinger 1914 in seiner „Theorie der Geld- und Kreditwirtschaft“ an mehreren Stellen das Adjektiv „oligopolistisch“ gebraucht. Der Begriff setzte sich jedoch damals auch unter deutschsprachigen Wirtschaftswissenschaftlern nicht durch und war Chamberlin eigenen Angaben zufolge nicht bekannt. Der früheste überlieferte Gebrauch des Begriffes findet sich knapp 400 Jahre vor Schlesinger in der lateinischen Originalausgabe von Thomas Morus’ „Utopia“ von 1516. Morus beschreibt die Preisentwicklung auf dem Markt für Schafe folgendermaßen: Quod si maxime increscat ovium numerus, precio nihil decrescit tamen; quod earum, si monopolium appellari non potest, quod non unus vendit, certe oligopolium est. [Freie Übersetzung der Verfasserin: Wenn auch die Anzahl der Schafe sehr schnell steigt, sinkt ihr Preis dennoch nicht, denn auch wenn man nicht sagen kann, dass für sie ein Monopol besteht, da nicht nur ein Verkäufer vorhanden ist, handelt es sich sicher um ein Oligopol]. Vgl. Edward E. Chamberlin, On the Origin of „Oligopoly“, 57 Econ. J. 211 (1957). 283 Vgl. etwa Turner, 75 Harv. L. Rev. 655, 665 (1962). Dieses theoretische Modell geht von weiteren Voraussetzungen aus, etwa davon, dass die auf dem relevanten Markt gehandelten Güter homogen sind und dass zwischen der geplanten Preissenkung und dem Nachziehen der Mitbewerber keine längere Zeitspanne vergeht. Kritisch zur Theorie der Reaktionsverbundenheit im Oligopol Posner, Antitrust Law, S. 57 ff. Posner plädiert dafür, auch bewusstes Parallelverhalten als Verstoss gegen § 1 Sherman Act einzuordnen: If the economic evidence presented in a case warrants an inference of collusive pricing, there is neither legal nor practical justification for requiring evidence that will support the further inference that the collusion was explicit rather than tacit. Antitrust Law, S. 94.
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gemeinsamen Interesse sind.284 Auch wenn in den Wirtschaftswissenschaften ein solches Verhalten als „koordiniert“ bezeichnet wird285, handelt es sich nicht um eine kartellrechtlich relevante Verhaltenskonzertierung, sondern um einseitige Maßnahmen, die lediglich mit Blick auf die möglichen Reaktionen der Konkurrenten vorgenommen werden.286 2. Schluss auf Verhaltensabstimmungen anhand von Zusatzfaktoren Es ist jedoch möglich, anhand bestimmter Umstände auf das Vorliegen einer Verhaltensabstimmung zu schließen, die den Tatbestand des § 1 Sherman Act erfüllt. Diese Schlussfolgerung zieht die Rechtsprechung, wenn über die Angleichung von Preisen hinaus sog. Zusatzfaktoren (plus factors) festgestellt werden können, die für die Existenz einer Abstimmung sprechen.287 Ein Zusatzfaktor, der die Existenz einer kartellrechtswidrigen Verhaltenskonzertierung nahe legt, ist der Austausch von Informationen zwischen Unternehmen, beispielsweise der heimliche Austausch von Nachrichten kurz vor einer Preiserhöhung.288 Geschäftspraktiken, die für sich allein gesehen den wirtschaftlichen Interessen der handelnden Unternehmen entgegenlaufen würden (action contrary to self-interest), stellen einen weiteren Zusatzfaktor dar.289 Gemeint sind Verhaltensweisen, die nur unter der Prä284
Turner, 75 Harv. L. Rev. 655, 661 f. (1962). Vgl. Werden, 71 Antitrust L. J. 719, 735 (2004); aus der deutschen Literatur Zimmer, ZWeR 2004, 250, 253 ff. 286 [I]t can fairly be said that the rational oligopolist is behaving in exactly the same way as is the rational seller in a competitively structured industry; he is simply taking another factor into account, which he has to take into account because the situation in which he finds himself puts it there. Turner, 75 Harv. L. Rev. 655, 665 f. (1962). 287 So bereits C-O-Two Fire Equip. Co. v. United States, 197 F.2d 489 (9th Cir. 1952); aus jüngerer Zeit: Williamson Oil Co. v. Philip Morris USA, 346 F.3d 1287, 1301 (11th Cir. 2003); Blomkest Fertilizer, Inc. v. Potash Corp. of Sask., 203 F.3d 1028, 1033 (8th Cir. 2000) (en banc); In re Baby Food Antitrust Litig., 166 F.3d 112, 122 (3d Cir. 1999), In re Citric Acid Litig., 191 F.3d 1090, 1102 (9th Cir. 1999). Ausführlich Werden, 71 Antitrust L. J. 719, 745 ff. (2004) m. w. Nachw. 288 Vgl. United States v. Foley, 598 F.2d 1323 (4th Cir. 1979) (Ankündigung einer Erhöhung der Courtage durch einen Immobilienmakler bei einer Dinner Party, zu der führende Makler eingeladen waren, mit anschließender allgemeiner Diskussion und allgemeiner Erhöhung der Courtage), Baker, 65 Antitrust L.J. 41, 48 (1996); Werden, 71 Antitrust L. J. 719, 746 f. (2004); Stucke, 19 Antitrust 81 f. (Spring 2005). 289 It is firmly established that actions that are contrary to an actor’s economic interest constitute a plus factor that is sufficient to satisfy a price fixing plaintiff’s burden in opposing a summary judgment motion. Williamson Oil Co. v. Philip Morris USA, 346 F.3d 1287, 1310 (11th Cir. 2003); vgl. auch Re/Max Int’l, Inc. v. 285
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misse wirtschaftlich sinnvoll sind, dass alle anderen Unternehmen sich ebenso verhalten.290 Bei der Einbeziehung solcher Zusatzfaktoren ist jedoch die MatsushitaRechtsprechung291 des U.S. Supreme Court zu berücksichtigen. Danach dürfen Gerichte nur dann aus dem Vorliegen bestimmter Hinweise auf das Bestehen einer Verhaltensabstimmung schließen, wenn diese Folgerung „ökonomisch sinnvoll“ erscheint. Zwar ging es in dem Fall nicht um bewusstes Parallelverhalten, sondern um Kampfpreisunterbietung. Die Aussage des U.S. Supreme Court in Matsushita, wonach Handlungen, die sowohl mit erlaubtem Wettbewerb als auch mit einer unerlaubten Verhaltensabstimmung in Einklang zu bringen sind, nicht ohne weitere Anhaltspunkte den Schluss auf eine bestehende Konzertierung zulassen, ist jedoch verallgemeinerungsfähig.292 Auf einem oligopolistischen Markt kann das Unterstellen einer Verhaltensabstimmung ökonomisch sinnvoll sein, wenn im Wettbewerb miteinander stehende Unternehmen umfassende Gelegenheiten zur Kommunikation haben, wenn das Verhalten der beteiligten Unternehmen zu komplex ist, um das Ergebnis reinen Parallelverhaltens zu sein und wenn die Unternehmen keine legitimen geschäftlichen Gründe für ihre Preisgestaltung anführen können.293 Realty One, Inc., 173 F.3d 995, 1009 (6th Cir. 1999); Ill. Corp. Travel, Inc. v. Am. Airlines, Inc., 806 F.2d 722, 726 (7th Cir. 1986). 290 One prominent ‘plus factor’, to which antitrust plaintiffs often take recourse, is a showing that the defendants’ behavior would not be reasonable or explicable (i. e. not in their legitimate economic self-interest) if they were not conspiring to fix prices or otherwise restrain trade – that is, that the defendants would not have acted as they did had they not been conspiring in restraint of trade. City of Tuscaloosa v. Harcros Chemicals, Inc., 158 F.3d 548, 572 (11th Cir. 1998). 291 Matsushita Elec. Indus. v. Zenith Radio, 475 U.S. 574, 587, 596–598 (1986). In dem Fall behaupteten US-amerikanische Hersteller von Fernsehern, dass ihre japanischen Konkurrenten eine Absprache zur Unterbietung ihrer Verkaufspreise getroffen hätten, um sie aus dem Markt zu drängen. Der U.S. Supreme Court hielt die Klage für unbegründet. Denn die Kläger hätten nicht bewiesen, dass die angebliche Absprache auf längere Sicht wahrscheinlich zu einer so starken Preiserhöhung führen würde, dass die beteiligten Unternehmen ihre durch die Kampfpreisunterbietung erlittenen Verluste ausgleichen (sog. recoupment) und zusätzliche Gewinne erzielen könnten. 292 Baker, 65 Antitrust L.J. 41, 49 (1996); Werden, 71 Antitrust L. J. 719, 752 f. (2004); aus der Rechtsprechung der Instanzgerichte etwa Williamson Oil Co. v. Philip Morris USA, 346 F.3d 1287, 1300 (11th Cir. 2003): Evidence that does not support the existence of a price fixing conspiracy any more strongly than it supports conscious parallelism is insufficient to survive a defendant’s summary judgment motion. 293 Vgl. etwa in re Coordinated Pretrial Proceedings in Petroleum Prods. Antitrust Litig., 906 F.2d 432, 445 ff. (9th Cir. 1990), cert. denied, 500 U.S. 959 (1991); Baker, 65 Antitrust L.J. 41, 50 f. (1996).
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Ein Beispielsfall von 1992 zeigt, wie der umfassende elektronische Datenaustausch zwischen den an einem joint venture beteiligten Unternehmen die Verhaltensabstimmung untereinander erleichtern kann: Die Kartellrechtsabteilung des US-Justizministeriums ermittelte gegen acht große Fluggesellschaften und deren Gemeinschaftsunternehmen Airline Tariff Publishing Co. (ATP).294 Seit Ende der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts sammelte ATP Daten über die Ticketpreise der beteiligten Fluggesellschaften und über vorgesehene Preisänderungen und versandte sie unter anderem an die Computerreservierungssysteme, die die Eigentümer von ATP betrieben. Anhand dieser Informationen konnten die Fluggesellschaften ihre geplanten zukünftigen Preise gegenseitig einsehen. Den Beklagten wurde vorgeworfen, Preisabsprachen getroffen zu haben, um die Ticketpreise zu erhöhen, Rabatte abzuschaffen und die Verfügbarkeit bestimmter Preise zu beschränken.295 Sie würden sich der über ATP ausgetauschten Informationen bedienen, um Preisveränderungen zu vereinbaren und einander Preiserhöhungen in verschiedenen Märkten zuzugestehen.296 Darüber hinaus warf die Kartellbehörde den Unternehmen vor, vereinbart zu haben, den Betrieb von ATP so auszugestalten, dass den beteiligten Fluggesellschaften eine unzulässige Koordinierung ihrer Ticketpreis unnötigerweise erleichtert wird (facilitating practice).297 Die Behörde stützte ihre Vorwürfe nicht vorwiegend auf direkte Beweismittel, sondern schloss anhand der drei oben genannten Umstände auf das Vorliegen einer Verhaltenskonzertierung zwischen den Unternehmen.298 Erstens fand zwischen den beteiligten Fluggesellschaften eine umfassende Kommunikation statt. Diese bezog sich vorwiegend auf Vorschläge für zu294 United States v. Airline Tariff Publishing Co., 836 F. Supp. 9, 1993-2 Trade Cases § 70,409 (D.D.C. 1993) (gerichtliche Überprüfung des vorgeschlagenen consent decree); 1994-2 Trade Cases § 70,687 = 1994 WL 502091 (D.D.C. 1994) (final consent decree). Die beteiligten Fluggesellschaften waren: Alaska, American, Continental, Delta, Northwest, TWA, United Airlines und USAir. 295 Count One of the complaint charges defendants with agreeing to fix prices by increasing fares, eliminating discounted fares, and setting fare restrictions. United States v. Airline Tariff Publishing Co., 836 F. Supp. 9, 10 (D.D.C. 1993). 296 This count alleges that defendants reached these agreements through the use of defendant ATP’s fare dissemination services; the government contends that defendants used these services to exchange proposals, negotiate fare changes, and trade fare increases in one or more markets for fare increases in other markets. 836 F. Supp. 9, 10 (D.D.C. 1993). 297 Count Two of the complaint alleges that defendants agreed to create, maintain, operate, and participate in the ATP dissemination system in a manner that unnecessarily facilitates the ability of the airline defendants and their co-conspirators to coordinate changes to their fares. 836 F. Supp. 9, 10 (D.D.C. 1993). 298 Vgl. Baker, 65 Antitrust L.J. 41, 52 f. (1996). Der Autor war an der Untersuchung der ATP Co. durch die Kartellrechtsabteilung des Justizministeriums beteiligt.
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künftige Ticketpreise, die möglichen Käufern nicht zugänglich gemacht wurden oder die nur für kurze Zeit erhältlich waren, so dass die Tickets nur wenig gekauft wurden.299 Zweitens war das Verhalten der Beteiligten so komplex, dass es praktisch nur auf verbotenen Verhaltenskonzertierungen beruhen konnte. Diese liefen beispielsweise so ab, dass eine Fluggesellschaft über ATP eine Preisveränderung für die Verbindung zwischen zwei Städten veröffentlichen würde, von der sie dann durch die Benutzung von Kennzeichen in Fußnoten oder Preiscodes auf eine Flugverbindung zwischen zwei anderen Städten verweisen würde. Andere Fluggesellschaften würden auf die Veröffentlichung reagieren, indem sie ihre Preise daran anpassen oder weitere Flugstrecken einbringen würden. Typischerweise waren die in diesem Stadium ausgetauschten Daten noch nicht bindend (sog. cheap talk).300 Dieses Verfahren wurde so lange fortgesetzt, bis die Fluggesellschaften sich über eine Anpassung der ursprünglichen Preise geeinigt hatten. Diese komplexen Ergebnisse, insbesondere die Einbeziehung von Flugverbindungen zwischen jeweils zwei Städten, die in keinem denkbaren Zusammenhang zueinander standen, konnten nach Ansicht der Kartellrechtsabteilung des US-Justizministeriums nur durch einen Verhandlungs- und Abstimmungsprozess erklärt werden.301 Drittens konnten die an ATP beteiligten Fluggesellschaften keine legitimen wirtschaftlichen Gründe für ihre Handlungsweisen anführen. Die durch das Computersystem ausgetauschten Preisangaben waren für Reisebüros und Endkunden größtenteils unbrauchbar.302 Andere Daten wurden von vornherein nur den Fluggesellschaften selbst, nicht aber den Reisebüros oder Endkäufern zur Verfügung gestellt.303 Im Ergebnis wurde der Fall mit einem Vergleich abgeschlossen, der bei Gericht eingereicht und in eine gerichtliche Verfügung integriert wurde (sog. consent decree). Dies ist der Regelfall bei Kartellsachen, in denen das US-Justizministerium Klage vor einem Zivilgericht erhebt.304 Aufgrund der 299
Baker, 65 Antitrust L.J. 41, 52 (1996). Als „cheap talk“ wird der Austausch von Informationen zwischen Unternehmen bezeichnet, der für die Beteiligten nur geringe Kosten verursacht, da die Informationen nicht überprüfbar oder nicht bindend sind. Beispielsweise kündigt ein Unternehmen eine geplante Preiserhöhung an und wartet die Reaktion der Wettbewerber ab. Ziehen diese nicht mit, kann das Unternehmen die Ankündigung wieder zurücknehmen, ohne Verluste fürchten zu müssen. Vgl. dazu Carlton/Gertner/ Rosenfield, 5 Geo. Mason L. Rev. 423, 435 (1997), aus deutscher Sicht Tugendreich, S. 172. 301 Baker, 65 Antitrust L.J. 41, 52 (1996). 302 United States v. Airline Tariff Publishing Co., 836 F. Supp. 9, 13 (D.D.C. 1993). 303 Baker, 65 Antitrust L.J. 41, 52 f. (1996). 300
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Verfügung durften die Fluglinien keine Kennzeichen in Fußnoten, Codes oder andere Methoden mehr anwenden, die ihnen Preisverhandlungen über ATP ermöglichen könnten.305 Es wurde ihnen jedoch nicht untersagt, in Zukunft Informationen über ihre geplante Preisgestaltung auszutauschen, solange diese Informationen auch für Kunden erhältlich und bindend sind.306 Kurz vor Auslaufen des consent decree im August 2004 warf das US-Justizministerium der Fluggesellschaft American Airlines vor, durch die Veröffentlichung eines erst in Zukunft erhältlichen Ticketpreises gegen die gerichtliche Verfügung verstoßen zu haben. American Airlines erklärte sich zur Zahlung einer Strafe in Höhe von 3 Millionen US-Dollar bereit.307 3. Feststellbarkeit von konzertiertem Verhalten auf B2B-Marktplätzen Obwohl es sich bei ATP nicht um einen elektronischen B2B-Marktplatz handelte, belegt dieser Fall, dass der elektronische Geschäftsverkehr Möglichkeiten bietet, durch das wiederholte Signalisieren von Informationen Preise abzustimmen. Speziell gegen das B2C-Reiseportal Orbitz wurde vorgebracht, dass es den angeschlossenen Fluglinien erlaube, ihre Ticketpreise gegenseitig zu beobachten, und dadurch verbotene Verhaltenskonzertierungen erleichtere, was zu höheren Preisen führe.308 Im Zentrum der Kritik 304 Aufgrund der hohen Kosten und langen Dauer von Kartellverfahren und der begrenzten behördlichen Ressourcen ermöglicht diese Praxis es dem Justizministerium, mehr Fälle zu bearbeiten als möglich wäre, wenn alle Fälle bis zum Abschluss eines kompletten Prozesses betrieben werden müssten. Aber auch die beklagten Unternehmen profitieren von dieser Regelung, da sie Kosten sparen und negative Schlagzeilen sowie den bei Abschluss eines kompletten Prozesses drohenden, dreifachen Schadensersatz vermeiden. Näher zum Thema consent decrees z. B. Areeda/ Kaplow/Edlin, para. 141 (S. 52 ff.) m. w. N. 305 United States v. Airline Tariff Publishing Co., 1994 WL 502091, *2 (D.D.C. 1994) (final consent decree). 306 United States v. Airline Tariff Publishing Co., 1994 WL 502091, *3 (D.D.C. 1994) (final consent decree). 307 Vgl. Justice Department Settles Civil Contempt Claim against American Airlines Inc., Pressemitteilung vom 6. Aug. 2004, abrufbar unter http://www.usdoj.gov/ atr/public/press_releases/2004/204933.htm (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). Das consent decree war bis zum 10. August 2004 in Kraft, vgl. United States v. Airline Tariff Publishing Co., 1994 WL 502091, *6 (D.D.C. 1994) (final consent decree). 308 The Division examined several ways the Orbitz MFN might reduce competition for discount airline fares. [. . .] Third, the Orbitz MFN could provide a convenient means for the airlines to monitor each other’s fares. By improving monitoring, Orbitz might facilitate collusion among the participating airlines and thereby curtail discounting. Department of Justice Antitrust Division Statement Regarding the Closing of its Orbitz Investigation, S. 3, abrufbar unter www.usdoj.gov/atr/public/ press_releases/2003/201208.pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007).
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stand dabei eine Meistbegünstigungsklausel (Most Favored Nation provision), die die angeschlossenen Fluglinien dazu verpflichtet, auf Orbitz alle Flugtickets anzubieten, die auch auf ihren eigenen Internetseiten angeboten werden.309 Dies schließt Sonderangebote und zusätzliche Serviceleistungen ein. Die Fluglinien, die der Meistbegünstigungsklausel zustimmen, erhalten im Gegenzug einen Nachlass auf die von Orbitz erhobenen Vermittlungsgebühren.310 Sämtliche verfügbaren Angebote werden folglich auf Orbitz veröffentlicht; es bleibt den Fluggesellschaften keine Möglichkeit, Spezialangebote lediglich auf den eigenen Internetseiten zu offerieren. Die Betreiber von Orbitz argumentierten, dass die Meistbegünstigungsklausel die Möglichkeiten der Fluggesellschaften, ihre Preise aufeinander abzustimmen, nicht verbessere, da sämtliche Preisinformationen ohnehin über ATP oder die Internetseiten der Fluggesellschaften abrufbar seien.311 Auch die von der Kartellrechtsabteilung des US-Justizministeriums untersuchten empirischen Daten wiesen nicht darauf hin, dass Orbitz zu höheren Preisen oder weniger Sonderangeboten geführt hätte. Im Gegenteil seien die Durchschnittspreise für Flugtickets seit Juni 2001, als Orbitz den Betrieb aufnahm, gesunken.312 Außerdem hätten viele Billigfluglinien sich nicht zur Meistbegünstigung von Orbitz verpflichtet, so dass von ihnen ein unverminderter Preisdruck auf die an Orbitz angeschlossenen Fluggesellschaften ausgehe.313 Einige Kritiker des Reiseportals stimmen der Aussage zu, dass sich die Fluggesellschaften ohnehin über ATP oder durch Beobachtung der Internetseiten anderer Gesellschaften über die Preisgestaltung ihrer Wettbewerber informieren würden. Die Bedeutung der Meistbegünstigungsklausel sehen sie jedoch darin, dass sich die Endverbraucher über Orbitz auf einen Blick über sämtliche Preise und Sonderangebote orientieren könnten, wodurch für die Fluggesellschaften kein Anreiz mehr bestehe, überhaupt Sonderangebote zu machen.314 Dadurch, dass sämtliche Ticketpreise und Sonderkonditionen 309
Adkinson/Lenard, 16 Antitrust 76 f. (Spring 2002). Adkinson/Lenard, a. a. O. Die Meistbegünstigungsklausel ist in dem sog. Charter Associate Agreement enthalten, welches praktisch alle Fluggesellschaften unterzeichnet haben, die über Orbitz ihre Leistungen anbieten. 311 Adkinson/Lenard, 16 Antitrust 76, 79 (Spring 2002). 312 Stand: Abschluss der Orbitz-Untersuchung im Juli 2003. Siehe Department of Justice Antitrust Division Statement Regarding the Closing of its Orbitz Investigation, S. 3, abrufbar unter www.usdoj.gov/atr/public/press_releases/2003/201208.pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 313 Department of Justice Antitrust Division Statement Regarding the Closing of its Orbitz Investigation, S. 5, abrufbar unter www.usdoj.gov/atr/public/press_relea ses/2003/201208.pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 314 Adkinson/Lenard, 16 Antitrust 76, 79 (Spring 2002). 310
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auf Orbitz angeboten werden müssten, steige die Wahrscheinlichkeit, dass andere Fluggesellschaften als Reaktion auf Preisveränderungen nachziehen würden, indem sie ihrerseits sofort die Preise nach unten anpassen, wodurch Preissenkungen für keine Fluggesellschaft lohnenswert seien.315 Die Autoren sprechen damit das oben geschilderte Problem des bewussten Parallelverhaltens an, welches keinen Verstoß gegen § 1 Sherman Act darstellt. Bereits vor der Gründung von Orbitz wurde im Schrifttum vertreten, dass der elektronische Geschäftsverkehr in Fällen, in denen Wettbewerber ihre Preise aneinander angleichen, den Nachweis von kartellrechtswidrigen Verhaltenskonzertierungen erschweren könnte.316 Dies gelte insbesondere dann, wenn die von Wettbewerbern veröffentlichten Informationen auch der Marktgegenseite zur Verfügung gestellt würden und für diese auch von Nutzen seien, da die betreffenden Unternehmen dann legitime geschäftliche Gründe für den Austausch der Daten anführen könnten.317 Andere Autoren gehen davon aus, dass die meisten elektronischen Marktplätze den angeschlossenen Unternehmen keine Möglichkeiten bieten würden, Informationen über in der Zukunft geplante Preisveränderungen auszutauschen, und folgern gerade daraus, dass Verhaltenskonzertierungen schwerer nachzuweisen sein werden, da es an einem Mechanismus zum Signalisieren von Preisen fehle.318 Ohnehin sei auf B2B-Plattformen, auf denen Käufer und Verkäufer Gebote und Preise in Echtzeit einsehen können, keine kartellrechtlich relevante Verhaltenskonzertierung notwendig, um höhere Preise zu erreichen. Da aufgrund der Informationsübertragung in Echtzeit jeder Wettbewerber seine Preise sofort an Veränderungen angleichen könnte, würden keinerlei Anreize zu Preissenkungen bestehen.319 4. Abgestimmtes Verhalten bei Auktionen Beim Informationsaustausch anlässlich von Auktionen auf elektronischen Marktplätzen wird das Risiko von Verhaltensabstimmungen teilweise als geringer eingeschätzt. So sei es sehr schwierig, bei in Echtzeit abzuwickelnden Transaktionen Gebote aufeinander abzustimmen.320 Denn bei Versteigerungen werde einem einzelnen Teilnehmer normalerweise der Zuschlag für 315
Adkinson/Lenard, 16 Antitrust 76, 78 f. (Spring 2002). Baker, 65 Antitrust L. J. 41, 54 (1996); im Ergebnis, aber mit teilweise abweichender Begründung ebenso Gotfredson, 2 Minn. Intell. Prop. Rev. 107, 128 ff. (2001). 317 Baker, 65 Antitrust L. J. 41, 54 (1996). 318 Gotfredson, 2 Minn. Intell. Prop. Rev. 107, 131 (2001). 319 Gotfredson, a. a. O., 129 f. 320 Correia, S. 3. 316
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den gesamten Auftrag erteilt. Ohne eine vorherige ausdrückliche Absprache sei es für die Auktionsteilnehmer schwierig, sich gegenseitig mitzuteilen, dass ein bestimmter Teilnehmer zu einem bestimmten Preis den nächsten Auftrag erhalten solle. Theoretisch sei zwar denkbar, dass Unternehmen bei Auktionen Strategien zu einer wettbewerbswidrigen Preisgestaltung entwickelten; die Koordination solcher Strategien sei aber extrem kompliziert, solange sich die Teilnehmer nicht vorher über die Verteilung der Gewinne geeinigt hätten.321 Falls dennoch eine Absprache bestünde, könnte der Anreiz groß sein, diese zu brechen, da der Gewinner der Auktion den Auftrag erhalten würde und folglich sofort für den Bruch der Kartellvereinbarung belohnt werde.322 Demgegenüber halten andere Kommentatoren es durchaus für denkbar, dass der Austausch von Geboten bei Auktionen zur Stabilisierung oder Erhöhung von Preisen genutzt werden kann.323 Dafür sprechen auch die Ermittlungen der Kartellrechtsabteilung des US-Justizministeriums im Zusammenhang mit der Versteigerung von Mobilfunklizenzen durch die amerikanische Federal Communications Commission (FCC). Nach Ansicht der Kartellbehörde kam es dabei zu abgestimmtem Verhalten zwischen den an den Auktionen teilnehmenden Mobilfunkunternehmern.324 Demnach hatte einer der Bieter in den letzten drei Ziffern seiner Gebote jeweils einen bestimmten Gebietscode angegeben, um den Mitbewerbern zu zeigen, an welchen Regionen er interessiert war.325 Für diese Regionen sollten die anderen Unternehmen dann keine Gebote mehr abgeben.326 Teilnehmer an der Versteigerung, die sich nicht an dieses Verfahren hielten, sollten dadurch bestraft werden, dass die anderen Unternehmen überhöhte Gebote für die Lizenzen abgaben, an denen jene Teilnehmer interessiert waren.327 321
Correia, S. 3. Balto, 618 PLI/Pat 305, 324 f. (2000); ähnlich Correia, S. 4. 323 De La Cruz/Millar, S. 6; für eine allgemeine Einführung in die Problematik der Bieterkollusion bei verschiedenen Auktionsmodellen Kovacic/Marshall/Marx/ Raiff, Bidding Rings and the Design of Anti-Collusion Measures for Auctions and Procurements (2005), abrufbar unter http://faculty.fuqua.duke.edu/~marx/bio/ papers.html (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007); Marshall/Meurer, Bidder Collusion and Antitrust Law: Refining the Analysis of Price Fixing to Account for the Special Features of Auction Markets, 72 Antitrust L. J. 83 (2004). 324 „FCC spectrum auction cases“, siehe etwa United States v. Omnipoint Corp., 1999 WL 135161 (D.D.C. 1999); United States v. Mercury PCS II, 1999 WL 1425379, *4–*9 (D.D.C. 1999). Auch diese Fälle wurden durch consent decrees beendet. Ausführlich dazu Cramton/Schwartz, Collusive Bidding in the FCC Spectrum Auctions, 1 Contributions to Econ. Analysis & Pol’y 1 (2002), abrufbar unter http://www.bepress/bejeap (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 325 United States v. Mercury PCS II, 1999 WL 1425379, *4 (competitive impact statement). 326 1999 WL 1425379, *6 f. 322
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Den Ermittlungen des US-Justizministeriums zufolge teilten die Mobilfunkunternehmen also die Gebiete untereinander auf. Die FCC hatte vor der Auktion mehrere Versteigerungsmodalitäten geprüft, um eine faire und wettbewerbskonforme Vergabe der Mobilfunklizenzen zu gewährleisten, und sich schließlich für ein Format entschieden.328 Dennoch gelang es den Teilnehmern, die Versteigerung zu Verhaltensabstimmungen zu nutzen. Auch bei Versteigerungen in Echtzeit, die nach fairen Regeln durchgeführt werden, besteht folglich die Gefahr, dass die teilnehmenden Unternehmen versuchen könnten, ihr Verhalten aufeinander abzustimmen. 5. Vorschläge zur Begrenzung des Informationsflusses Vorgeschlagen wird deshalb, nur einen begrenzten Austausch von Informationen auf elektronischen Marktplätzen zuzulassen. So müsse durch technische Schutzvorrichtungen dafür gesorgt werden, dass Informationen nur auf der vertikalen Ebene der Transaktion ausgetauscht werden können.329 Auch das US-Justizministerium verlangte von dem Gründer der Datenbank CIS, durch technische Maßnahmen zu veranlassen, dass jeder Anbieter nur auf die von ihm selbst eingestellten Daten zugreifen kann.330 Darüber hinaus wird gefordert, bei herkömmlichen oder umgekehrten Versteigerungen auf B2B-Marktplätzen nur die Höhe der Gebote, nicht jedoch die Identität der Bieter offenzulegen.331 Generell sei es sinnvoll, bei allen Transaktionen in Echtzeit die Namen der Käufer und Verkäufer zu anonymisieren.332 Des Weiteren wird auf die Möglichkeit hingewiesen, den Informationsfluss auf Internetplattformen von der Struktur der Produktmärkte abhängig zu machen, die die Plattform bedient. So sei es möglich, bei Auktionen von Gütern auf stark fragmentierten Märkten mehr Informationen offenzulegen als bei Auktionen von Produkten auf stärker konzentrierten Märkten.333 327
1999 WL 1425379, *7. Mitnick, 15 Antitrust 31, 34 (2000). 329 Bell/Adkinson, 15 Antitrust 18, 22 (Fall 2000); Bloch/Perlman, S. 10; Blumenthal, Antitrust Report, Mai 2000, 34, 42; Gotfredson, 2 Minn. Intell. Prop. Rev. 107, 129 f. (2001), FTC Report, Teil 3, A.I.1.c) (S. 11). 330 Business Review Letter von R. Hewitt Pate an BroChem Marketing, Inc., abrufbar unter http://www.usdoj.gov/atr/public/busreview/201017.pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). Ausführlich zur Datenbank CIS bereits oben I.2.a). 331 FTC Report. Teil 3, A.1.c) (S. 11); Gotfredson, 2 Minn. Intell. Prop. Rev. 107, 133 f. (2001). 332 Gotfredson, 2 Minn. Intell. Prop. Rev. 107, 136 (2001). 333 FTC Report, Teil 3, A.1.c) (S. 11). Die Auktionsplattform FreeMarkets bedient sich dieser Technik. 328
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Andere Kommentatoren heben hervor, dass die Datensicherheit und Vertraulichkeit auf elektronischen Marktplätzen gerade von den angeschlossenen Unternehmen als sehr wichtig empfunden werde. Die Qualität der Firewalls und sonstigen Schutzvorrichtungen334 spiele danach zumindest für einige Unternehmen eine große Rolle bei der Auswahl des Marktplatzes, auf dem sie handeln möchten.335 Angesichts des hohen Missbrauchpotentials sei es jedoch nicht angebracht, bei der Datensicherheit nur auf den Wettbewerb zwischen verschiedenen Internetplattformen zu vertrauen. Denn wenn man von dem Szenario ausginge, dass einige Unternehmen ein Kartell bilden wollten und ihr Vorhaben bislang daran gescheitert wäre, dass sie nicht hinreichend kontrollieren konnten, welches Unternehmen die Kartellvereinbarung heimlich bricht, könnte ein elektronischer Marktplatz, auf dem Informationen nur ungenügend segmentiert werden, das Problem der Kontrolle lösen.336 Um dieses gewünschte Resultat zu erreichen, sei keine ständige gegenseitige Überwachung der Plattformnutzer notwendig. Die beteiligten Unternehmen müssten die Schutzvorrichtungen nur in wenigen Fällen umgehen können, um ihr Kartell aufrechtzuerhalten, nämlich nur dann, wenn konkrete Hinweise auf das „Ausscheren“ eines Teilnehmers vorlägen, d.h. sie für sie vorgesehene Transaktionen nicht tätigen konnten oder den vorgesehenen Preis nicht erzielen konnten. Dann hätten sie durch eine Umgehung der Firewalls die Möglichkeit, das Unternehmen zu identifizieren, welches die Absprache durchbrochen hat, und es entsprechend zu bestrafen.337 Insofern könnten schon zeitweilige Schutzlücken den Marktplatzteilnehmern die Möglichkeit verschaffen, die Einhaltung einer eventuell bestehenden Kartellvereinbarung effektiv zu überwachen. Posner, einer der führenden US-amerikanischen Kartellrechtler, bezweifelt jedoch, ob die US-Kartellbehörden in ausreichendem Maße über technische Experten verfügen, die in der Lage wären, eventuell bestehende Lücken der Schutzvorrichtungen zu identifizieren. Er schätzt die behördlichen 334 Sog. Firewalls werden vor die Marktplatzsoftware geschaltet und verhindern den Zugang nicht genau bestimmbarer Verbindungen zum Marktplatz, bewirken mithin eine Abschirmung der Marktplatzsoftware vor unberechtigten Zugriffen aus dem Internet. Des Weiteren werden Verschlüsselungsprogramme eingesetzt, die darauf ausgerichtet sind, die Übertragungen von Informationen zwischen den Marktplatzteilnehmern zu sichern. 335 Vgl. Schmidt, FTC Report II, Podiumsdiskussion 2, S. 145; siehe auch Gotfredson, 2 Minn. Intell. Prop. Rev. 107, 133 (2001); FTC Report, Teil 3, A.1.c) (S. 12 f.). 336 Willig, FTC Report II, Podiumsdiskussion 2, S. 148 f. 337 Willig, FTC Report II, Podiumsdiskussion 2, S. 149. Grundlegend zur Wichtigkeit effektiver Kontrollmöglichkeiten zur Aufrechterhaltung von Kartellen oder abgestimmten Verhaltensweisen Stigler, A Theory of Oligopoly, 72 J. Pol Econ. 44 (1964).
§ 5 Bündelung von Einkaufsmacht
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Möglichkeiten in dieser Hinsicht kritisch ein und fordert eine Erhöhung der für technische Experten zur Verfügung stehenden Finanzmittel.338 Andere Kommentatoren sind der Auffassung, dass technische Schutzvorrichtungen allein nicht genügen würden, um die Vertraulichkeit und Sicherheit von Informationen auf B2B-Marktplätzen zu gewährleisten. Als ebenso wichtig zur Einhaltung von Vertraulichkeitsvorschriften werden Vorkehrungen auf vertraglicher Ebene angesehen, die auch als „non-technical firewalls“ bezeichnet werden.339 Denn die technischen Schutzvorrichtungen könnten sich auf einem hohen Stand befinden, seien aber dennoch nutzlos, wenn nicht auch ihre Administration hohen Standards genügen würde. In der Praxis scheinen etwaige Sicherheitsbedenken der Marktplatznutzer sich eher auf den möglichen Bruch von Vertraulichkeitsvorschriften durch Mitarbeiter der Plattform als auf Lücken des technischen Schutzes zu konzentrieren340. Vor diesem Hintergrund wird gefordert, die mit der Nutzung der Plattform befassten Mitarbeiter der angeschlossenen Unternehmen über die kartellrechtlichen Aspekte der Nutzung zu unterrichten.341 Zur Einhaltung der Sicherheitsvorschriften sollten Unternehmen und Angestellte sich schriftlich verpflichten müssen, wie dies bereits in den Bereichen Rechtsberatung oder Wirtschaftsprüfung üblich ist.342 Darüber hinaus sei es wichtig, die Einhaltung sowohl der technischen als auch der vertraglichen Geheimhaltungsvorschriften ständig zu überwachen.343
§ 5 Bündelung von Einkaufsmacht Bislang wurden die meisten Konsortialmarktplätze von wichtigen Nachfragern einer Branche gegründet.344 Sie versprechen sich niedrigere Beschaffungskosten durch den Einsatz von B2Bs, und dies vor allem aus zwei Gründen: Einerseits besteht nach Ansicht der Unternehmen ein enormes Einsparpotenzial durch Effizienzsteigerungen. Diese sollen etwa durch automatisierte Bestellvorgänge, die Verminderung überflüssiger Lagerbestände 338 Posner, 68 Antitrust L.J. 925, 940 (2001): . . . I would also like the Antitrust Division and the Federal Trade Commission to be given the necessary appropriations to enable each of these agencies to hire a competent technical staff. 339 Vgl. Sacks/Handelman, 691 PLI/Pat 483, 486 (Fn. 67) (2002). 340 Vgl. Penler, FTC Report II, Podiumsdiskussion 2, S. 143. 341 Sacks/Handelman, 691 PLI/Pat 483, 486 (Fn. 67) (2002). Dies erfolgte beispielsweise auf dem Marktplatz MetalSite, siehe FTC Report, Teil 3, A.1.c) (S. 11 f.). 342 Bloch/Perlman, S. 10; Sacks/Handelman, 691 PLI/Pat 483, 486 (Fn. 67) (2002). 343 Bell/Adkinson, 15 Antitrust 18, 21 (Fall 2000); Correia, S. 4. 344 Vgl. etwa Balto, 618 PLI/Pat 305, 307 (2000).
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2. Abschn.: Elektronische Marktplätze im US-amerikanischen Kartellrecht
und das leichtere Aufspüren von Fehlerquellen erreicht werden.345 Wenn allein General Motors mehr als 100.000 einzelne Bestellungen pro Jahr aufgibt, von denen jede durchschnittliche Bearbeitungskosten in Höhe von 125 US-Dollar verursacht346, so ist verständlich, dass Unternehmen in diesem Bereich Kostensenkungsmöglichkeiten sehen. Andererseits erwarten Unternehmen auch, dass niedrigere Beschaffungskosten durch die Gründung von Einkaufsgemeinschaften und eine Vergrößerung ihrer Einkaufsmacht erreicht werden können.347 Das große Interesse von Nachfragern an der Teilnahme am B2B-Handel wird von manchen Beobachtern dahingehend interpretiert, dass niedrigere Einkaufspreise die dem Handel auf virtuellen Marktplätzen zugrunde liegende Idee seien.348 Diese sollen vor allem im Zusammenspiel mit umgekehrten Versteigerungen erreicht werden, bei denen die am Erhalt eines Auftrags interessierten Unternehmen sich mit ihren Ausführungspreisen gegenseitig unterbieten sollen.349 Nicht alle B2B-Marktplätze bieten ihren Nutzern die Möglichkeit der Nachfragebündelung an.350 Dort, wo sie besteht, könnte sie kleinen und mittleren Unternehmen zugute kommen, die zusammen niedrigere Preise und bessere Konditionen aushandeln könnten als allein und dadurch ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern könnten. Wenn jedoch marktmächtige Nachfrager ihre Beschaffungsvorhaben bündeln würden, könnten sie dadurch Einkaufsmacht (monopsony power) ausüben. Während der Begriff „Monopol“ die Stellung eines einzelnen Anbieters gegenüber den Käufern auf einem Markt beschreibt, bezeichnet der Ausdruck „Monopson“ die umgekehrte Situation, in der ein einzelner Nachfrager mehreren Verkäufern gegenübersteht.351 Monopsony power bedeutet also Nachfragemacht, d.h. Marktmacht, die ein Käufer gegenüber den Verkäufern eines bestimmten Produkts hat.352 Wird die Nachfragemacht von mehreren Käufern ausgeübt, bilden diese ein sog. Oligopson.353 Aus wirt345
So z. B. Jones Harbour, V. (2001); Mitnick, 15 Antitrust 31, 36 (Fall 2000). Angaben von Tapscot, Virtual Webs Will Revolutionize Business, Wall St. J. v. 24. April 2000, S. A 38. 347 Balto, 618 PLI/Pat 305, 310 (2000); Jones Harbour, V.D. (2001). 348 Mitnick, 15 Antitrust 31, 36 (Fall 2000): But there is ample evidence to suggest that businesses may be flocking to these platforms less from savings and scale economies than from unprecedented favorable pricing. . . . In the B2B environment it may be fair to conclude that „it’s the pricing, stupid.“ 349 Mitnick, 15 Antitrust 31, 36 (Fall 2000). 350 FTC Report, Teil 3, A.2. (S. 13). 351 Havighurst, 1995 Utah L. Rev. 409, 419; Hovenkamp, Federal Antitrust Policy, § 1.2b. 352 Vgl. z. B. Horizontal Merger Guidelines, § 0.1; Schwartz, S. 1. 346
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schaftswissenschaftlicher Sicht sind Monopol und Monopson Wettbewerbsverzerrungen, die sich spiegelbildlich zueinander verhalten.354 Der marktmächtige Anbieter treibt die Preise für das von ihm verkaufte Produkt in die Höhe, indem er eine geringere Menge auf den Markt bringt, als er zu einem wettbewerbskonformen Preis verkaufen könnte. Demgegenüber senkt der marktstarke Nachfrager oder das Einkaufskartell den von ihm entrichteten Einkaufspreis künstlich ab, indem er eine geringere Menge des von ihm benötigten Produkts einkauft und in der Folge seine Produktion vermindert.355 In beiden Fällen wird die allokative Effizienz gestört, da die tatsächliche Produktion hinter dem Stand zurückbleibt, der erreicht würde, wenn die Preise den marginalen Kosten entsprächen.356 Die Ausübung von Nachfragemacht durch ein oder mehrere Unternehmen führt jedoch nicht notwendigerweise zu niedrigeren Preisen für die Abnehmer des Endprodukts. Wenn auf dem Markt für den Absatz des Endprodukts wirksamer Wettbewerb herrscht, ist zu erwarten, dass die insgesamt verkaufte Menge des Endprodukts und dessen Verkaufspreis konstant bleiben, da die Wettbewerber des betreffenden Unternehmens auf dem Absatzmarkt ihre Produktion in dem Maße ausbauen, wie das Unternehmen seine Produktion zurückfährt.357 Verfügt der Nachfrager jedoch nicht nur über 353 Blair/Harrison, 76 Cornell L. Rev. 297, 308 (1991); Levine, 28 Rutgers Computer & Tech. L.J. 383, 398 (2002). 354 Balto, 618 PLI/Pat 305, 327 (2000); Blair/Harrison, 76 Cornell L. Rev. 297, 308 (1991); Hovenkamp, Federal Antitrust Policy, § 1.2b. 355 Von der Ausübung von Monopsonmacht, bei der der marktstarke Nachfrager eine geringere Menge des Produkts einkauft, zu unterscheiden ist die wettbewerbsfördernde gemeinsame Beschaffung durch Nachfrager, die eine größere Menge des fraglichen Produkts beziehen, so ausdrücklich Salop, 72 Antitrust L. J. 669, 672 (Fn. 12) (2005); vgl. auch Hovenkamp, Federal Antitrust Policy, § 1.2b. 356 Havighurst, 1995 Utah L. Rev. 409, 419; Hovenkamp, Federal Antitrust Policy, § 1.2b. 357 Blair/Harrison, 76 Cornell L. Rev. 297, 305 (1991): This output reduction by one firm in a competitive market will have no impact on the market price. The monopsonist will sell its output at the market determined price. Thus, the decrease in the input price to the monopsonist is not passed on to consumers; Levine, 28 Rutgers Computer & Tech. L. J. 383, 401 (2002): [W]here the buyers lack downstream market power, their oligopsonistic agreement is unlikely to affect the downstream market price. The buyers will continue to sell their output at the market price; Hovenkamp, Antitrust Law, Bd. XII, § 2011: If the price fixers resell the price fixed input . . . in a competitive market, then no adverse effect will be felt on the output side; Salop, 72 Antitrust L. J. 669, 673 (2004), verweist darauf, dass die gesamte Absatzmenge auf einem von wirksamem Wettbewerb geprägten Absatzmarkt gleich bleibt: The exercise of monopsony power reduces economic efficiency but does not necessarily harm consumers. . . . In particular, when the monopsonist is a perfect competitor in a broad output market in which other suppliers have perfectly elastic supply at the current price, the monopsonist would reduce its input purchases and
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2. Abschn.: Elektronische Marktplätze im US-amerikanischen Kartellrecht
eine starke Stellung auf dem Einkaufsmarkt, sondern auch auf dem Markt für den Absatz des Endprodukts, ist zu erwarten, dass der Preis für das Endprodukt sogar steigen wird, da die Absenkung des Einkaufsvolumens zu einer Verminderung der Produktion führt und nicht genügend Wettbewerber auf dem Absatzmarkt vorhanden sind, die diese Verminderung auffangen könnten.358 Auf Märkten, auf denen Einkäufer nicht elektronisch vernetzt sind, wird die Ausübung von wettbewerbsbeschränkender Nachfragemacht durch Abstimmungsprobleme zwischen den Einkäufern erschwert. Diese Abstimmungsprobleme könnten jedoch durch die Benutzung von B2B-Marktplätzen verringert werden. Im Schrifttum ist sogar die Rede davon, dass Internetplattformen das Potenzial hätten, für eine absolut einmalige Verschiebung der Marktmacht von den Anbietern in Richtung Nachfrager zu sorgen.359 Unter dem Stichwort „monopsony power“ wird teilweise auch die Problematik diskutiert, dass marktmächtige Nachfrager, die eine eigene B2B-Internetplattform gegründet haben oder bevorzugt nutzen, in der Lage sind, ihre Lieferanten auf diesen Marktplatz zu ziehen.360 Diese Art von Marktmacht, die von dem eventuellen Bestehen einer Einkaufsgemeinschaft zwischen den Nachfragern unabhängig ist, wirkt sich auf den Markt für B2B-Marktplätze aus.361 Der so beschriebene Effekt tritt zwar tatsächlich auf. Er ist jedoch nach der hier vertretenen Auffassung kein Fall der Ausübung von Nachfragemacht. Denn marktstarke Einkäufer, die eine eigene B2B-Plattform betreiben, treten mit dieser auf dem Markt für die Vermittlungsleistungen von Internetplattformen als Anbieter auf. Sie könnten ihre Position als Anbieter auf diesem Markt ausnutzen, indem sie etwa ihre Lieferanten zur Nutzung der Plattform bewegen oder anderen Interessenten die Zulassung zum Handelsplatz verweigern. Dies ist jedoch kein Anwendungsfall von Monopson-, sondern von „herkömmlicher“ Marktmacht auf Anbieterseite.
its output, but the other competitors would expand by an equal amount. . . . Market output remains the same because other competitors (purchasing in other input markets) take up the slack. 358 Blair/Harrison, 76 Cornell L. Rev. 297, 305 f. (1991); Gotfredson, 2 Minn. Intell. Prop. Rev. 107, 118 f. (Fn. 51) (2001); Hovenkamp, Antitrust Law, Bd. XII, § 2011b2; ders., Federal Antitrust Policy, § 1.2b; Salop, 72 Antitrust L. J. 669, 672 f. (2005). 359 Gotfredson, 2 Minn. Intell. Prop. Rev. 107, 118 (2001) m. w. N. 360 Vgl. Balto, 618 PLI/Pat 305, 330 (2000). 361 Balto, a. a. O.
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I. Die Behandlung von Einkaufsgemeinschaften im US-Kartellrecht Im US-Kartellrecht wird zwischen Einkaufskartellen, die per se gegen das Kartellverbot des § 1 Sherman Act verstoßen362, und Einkaufsgemeinschaften differenziert. Letztere sind häufig Teil einer weitergehenden wirtschaftlichen Zusammenarbeit von Unternehmen und werden anhand der rule of reason bewertet.363 1. Einkaufsgemeinschaften in der Rechtsprechung In seinem Mandeville Island Farms-Urteil entschied der U.S. Supreme Court bereits 1948, dass die Bildung von Einkaufskartellen gegen § 1 Sherman Act verstößt.364 In dem Fall hatten die Betreiber von drei Zuckerraffinierien in Nordkalifornien vereinbart, Zuckerrüben nur noch zu einheitlichen Preisen anzukaufen. Die drei Raffinerien stellten die einzige Absatzmöglichkeit für Rübenbauern in Nordkalifornien dar.365 Der Oberste Gerichtshof erblickte in der Vereinbarung eine per se verbotene Preisabsprache, obwohl es sich um eine Vereinbarung unter Nachfragern handelte und Anbieter, nicht Abnehmer oder Endverbraucher, die Geschädigten waren.366 Ob die Gründung einer Einkaufsgemeinschaft gegen das Kartellverbot des § 1 Sherman Act verstößt, wird dagegen grundsätzlich anhand der rule of reason beurteilt.367 So wandte das Berufungsgericht für den elften Circuit 362
Vgl. etwa United States v. Socony-Vacuum Oil, 310 U.S. 150 (1940); United States v. Romer, 148 F.3d 359 (4th Cir. 1998), cert. denied, 119 S. Ct. 1032 (1999); Vogel v. Am. Society of Appraisers, 744 F.2d 598 (7th Cir. 1984). 363 Vgl. All Care Nursing Services., Inc., v. High Tech Staffing Services, Inc., 135 F.3d 740 (11th Cir. 1998), cert. denied, 526 U.S. 1016 (1999); Sewell Plastics v. Coca Cola Co., 720 F. Supp. 1196 (W.D.N.C. 1989), aff’d mem., 912 F.2d 463 (4th Cir. 1990), cert. denied, 498 U.S. 1110 (1991); Hovenkamp, Antitrust Law, Bd. XII, § 2012b m. w. N. In den Competitor Collaboration Guidelines werden „Buying Collaborations“ unter der Rubrik „Agreements Analyzed under the Rule of Reason“ aufgeführt, a. a. O., Tz. 3.3. 364 Mandeville Island Farms, Inc. v. American Crystal Sugar Co., 334 U.S. 219 (1948). 365 334 U.S. 219, 223 f. (1948). 366 It is clear that the agreement is the sort of combination condemned by the [Sherman, Anm. d. Verfasserin] Act, even though the price-fixing was by purchasers, and the persons specially injured under the treble damage claim are sellers, not customers or consumers. 334 U.S. 219, 235 (1948). 367 All Care Nursing Services., Inc., v. High Tech Staffing Services, Inc., 135 F.3d 740 (11th Cir. 1998), cert. denied, 526 U.S. 1016 (1999); Sewell Plastics v. Coca Cola Co., 720 F. Supp. 1196 (W.D.N.C. 1989), aff’d mem., 912 F.2d 463 (4th
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in der All Care Nursing Services-Entscheidung von 1998 die rule of reason auf eine Einkaufsgemeinschaft von zwölf Krankenhäusern in Süd-Florida an.368 Die Krankenhäuser holten gemeinsam Gebote von Zeitarbeitsagenturen für Pflegepersonal ein und wählten anhand von Qualitäts- und Preiskriterien acht Agenturen aus, von denen sie im Falle von Personalengpässen bevorzugt Pflegepersonal beziehen wollten. Die zwölf Krankenhäuser schlossen daraufhin mit den acht ausgewählten Agenturen individuelle Rahmenverträge ab, in denen jede Agentur für ihr Personal die Preise berechnete, die sie in der Ausschreibung angeboten hatte. Die Agenturen mussten sich dazu verpflichten, diese Preise ein Jahr lang konstant zu halten.369 Daraufhin verklagte eine Agentur, die nicht als bevorzugter Dienstleister ausgewählt worden war, die zwölf Krankenhäuser wegen einer Verletzung von § 1 Sherman Act, da die Auswahl bevorzugter Dienstleister u. a. anhand der in der Ausschreibung angebotenen Preise ein per se verbotenes Einkaufskartell darstelle.370 Das Berufungsgericht räumte in seiner Urteilsbegründung ein, dass das Programm zur Auswahl bevorzugter Dienstleister die Preise für die Dienstleistungen von Pflegekräften beeinflusse.371 Dennoch stelle die Einkaufsgemeinschaft der Krankenhäuser kein per se verbotenes Preiskartell dar. Denn das per se-Verbot sei nur auf Handlungsweisen anwendbar, die stets nachteilige Auswirkungen auf den Wettbewerb hätten. Die gemeinsame Ausschreibung von Pflegedienstleistungen durch die zwölf Krankenhäuser sei nicht ohne weiteres wettbewerbsbeschränkend. Denn jede Zeitarbeitsagentur habe sich an der Ausschreibung beteiligen können, und alle Agenturen könnten den Kliniken nach wie vor Personal überlassen, wenn die Kapazitäten der bevorzugten Dienstleister erschöpft seien. Daher sei der Fall anhand der rule of reason zu beurteilen.372
Cir. 1990), cert. denied, 498 U.S. 1110 (1991); Hovenkamp, Antitrust Law, Bd. XII, § 2012b m. w. N. 368 All Care Nursing Services., Inc., v. High Tech Staffing Services, Inc., 135 F.3d 740 (11th Cir. 1998), cert. denied, 526 U.S. 1016 (1999). 369 135 F.3d 740, 744 (11th Cir. 1998). 370 Plaintiffs-appellants claim that the PPP’s [PPP = Preferred Provider Program, Anm. der Verfasserin] arrangement is per se illegal as both price fixing and as a group boycott. [. . .] In this case, plaintiffs-appellants allege that, because price bids were a consideration in determining which temporary nurse agencies would become preferred providers, this conduct falls into the forbidden category of price fixing. 135 F.3d 740, 746 (11th Cir. 1998). 371 That the PPP has some impact on the prices of obtaining temporary nurses is undisputed. 135 F.3d 740, 747 (11th Cir. 1998). 372 135 F.3d 740, 749 (11th Cir. 1998).
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2. Bewertung anhand der Competitor Collaboration Guidelines In den Competitor Collaboration Guidelines erkennen die Kartellbehörden ausdrücklich an, dass Einkaufsgemeinschaften wettbewerbsfördernde Wirkungen haben können.373 Danach können die Teilnehmer von Einkaufsgemeinschaften beispielsweise Kostensenkungen erreichen, indem sie ihre Bestellungen zentralisieren oder ihre Lager- und Transportkapazitäten gemeinsam nutzen.374 Die Guidelines weisen jedoch ebenfalls darauf hin, dass diese Kooperationen Nachfragemacht schaffen oder deren Ausübung erleichtern können. Des Weiteren besteht die Gefahr, dass die Angleichung der Kostenstrukturen der Beteiligten Verhaltensabstimmungen zwischen den Teilnehmern einer Einkaufsgemeinschaft erleichtern könnte. Darüber hinaus könnten die Kooperationspartner in die Lage versetzt werden, aufgrund ihrer Kenntnis über die von den anderen Unternehmen eingekauften Güter deren Produktionsmengen abzuschätzen oder zu kontrollieren.375 Section 4.2 der Competitor Collaboration Guidelines definiert eine Sicherheitszone für die Zusammenarbeit von Wettbewerbern, die auch für Einkaufsgemeinschaften Gültigkeit hat. Danach gehen die US-amerikanischen Kartellbehörden nicht gegen Kooperationen von Wettbewerbern vor, wenn die Marktanteile des gemeinsamen Projekts und der einzelnen Teilnehmer zusammen auf keinem relevanten Markt, auf dem der Wettbewerb beeinträchtigt werden könnte, mehr als zwanzig Prozent betragen. Zur Berechnung der Marktanteile ist folglich auf das gesamte Einkaufsvolumen der Kooperationsteilnehmer abzustellen, d.h. es sind auch die Käufe einzubeziehen, die nicht gemeinsam getätigt werden.376 Dieser Berechnungsmethode liegt die Annahme zugrunde, dass ein Zusammenwirken bei der Gestaltung der Einkaufspreise im Rahmen der Einkaufsgemeinschaft sich auch auf alle anderen Käufe auswirken könnte (sog. spillover effect). Die Sicherheitszone ist jedoch nicht auf Vereinbarungen anwendbar, die per se illegal sind, ohne eine detaillierte Marktuntersuchung untersagt werden würden oder einen Zusammenschluss darstellen.377 Sofern eine nicht unter das per se-Verbot fallende Einkaufsgemeinschaft die Marktanteilsschwelle von zwanzig Prozent überschreitet, heißt dies dagegen nicht, dass die Zusammenarbeit ohne weiteres als wettbewerbsfeindlich einzustufen wäre. Sie wird vielmehr anhand der in den Guidelines er373
Antitrust Guidelines for Collaborations Among Competitors, April 2000, Tz. 3.31(a). 374 Competitor Collaboration Guidelines, Tz. 3.31(a). 375 Competitor Collaboration Guidelines, Tz. 3.31(a). 376 Vgl. Competitor Collaboration Guidelines, Tz. 4.2, Fn. 54. 377 Competitor Collaboration Guidelines, Tz. 4.2.
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läuterten, generellen Prinzipien bewertet.378 In der Praxis können Einkaufsgemeinschaften auch dann als unbedenklich eingestuft werden, wenn die gemeinsamen Marktanteile mehr als zwanzig Prozent betragen.379
II. Hinweise auf die Ausübung von Nachfragemacht Sowohl Einkaufskartelle als auch Einkaufsgemeinschaften können zu niedrigeren Beschaffungskosten führen. In der Praxis stellt sich somit die Frage, wann davon auszugehen ist, dass Preissenkungen auf die Machtausübung eines Einkaufskartells zurückzuführen sind.380 1. Art der Zusammenarbeit Hovenkamp zufolge deuten Aktivitäten, die über das gemeinsame Festlegen eines Einkaufspreises hinausgehen, wie die gemeinsame Nutzung von Lagerflächen, Transportkapazitäten oder gemeinsame Vertragsverhandlungen, darauf hin, dass die kooperierenden Unternehmen eine legitime Einkaufsgemeinschaft betreiben.381 Allerdings sei nicht jede legitime Einkaufsgemeinschaft mit einer weitergehenden wirtschaftlichen Integration der Beteiligten verbunden.382 2. Marktstruktur Im Schrifttum wird weiterhin darauf verwiesen, dass sich in der Praxis nur wenige Märkte für das Ausüben von Nachfragemacht eignen. Denn Voraussetzung für die erfolgreiche Ausübung von Nachfragemacht sei gewöhnlich, dass auf einem bestimmten Markt nur wenige Käufer, aber viele Verkäufer vorhanden sind. Auf den meisten Märkten sei jedoch das Gegenteil der Fall.383 Des Weiteren dürften den Verkäufern keine oder nur geringfügige Ausweichmöglichkeiten zur Verfügung stehen, d.h., sie dürften nicht die Möglichkeit haben, sich neue Abnehmer etwa in anderen Branchen oder auf anderen räumlichen Absatzmärkten zu suchen.384 Beispiele für Märkte mit einer hohen Nachfragerkonzentration und begrenzten Ausweichmöglich378
Competitor Collaboration Guidelines, Tz. 4.1. Calvani/Schmidt, 618 PLI/Pat 293, 298 (2000). 380 Vgl. etwa Hovenkamp, Antitrust Law, Bd. XII, § 2012. 381 Hovenkamp, Antitrust Law, Bd. XII, § 2012. 382 Hovenkamp, a. a. O. 383 Balto, 618 PLI/Pat 305, 331 (2000); Havighurst, 1995 Utah L. Rev. 409, 421. 384 Balto, 618 PLI/Pat 305, 331 (2000); Gotfredson, 2 Minn. Intell. Prop. Rev. 107, 119 (2001). 379
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keiten der Anbieter sind die Automobilzuliefererindustrie385 und die Lebensmittelindustrie. 3. Mengenreduzierung Bei der Ausübung von Monopsonmacht entstehen Preissenkungen, indem marktmächtige Nachfrager ihre Einkäufe eines bestimmten Produkts so stark reduzieren, dass die Anbieter ihre Preise senken müssen, um überhaupt Verkäufe tätigen zu können.386 Das Absinken der Nachfrage führt normalerweise dazu, dass die Anbieter ihre Produktion herunterfahren. Wenn auf dem Markt für den Absatz des Endprodukts nicht genügend Wettbewerber vorhanden sind, die den Rückgang der Produktion auffangen können, sinkt die produzierte Menge des Erzeugnisses ab. Wenn eine Einkaufsgemeinschaft dagegen echte Effizienzsteigerungen erzielt, wird dies häufig nicht nur zu niedrigeren Einkaufspreisen führen, sondern auch zur Abnahme konstanter oder sogar größerer Mengen des gemeinsam beschafften Produkts.387 Die Kooperationsteilnehmer werden soviel einkaufen, wie sie verarbeiten und absetzen können. Demgemäß liegt ein Indiz für die Ausübung von Nachfragemacht vor, wenn die an einer Einkaufskooperation beteiligten Unternehmen geringere 385
Vgl. Bailey, S. 11. Als Beispielsfall für eine künstliche Mengenreduzierung durch marktmächtige Nachfrager, die zu einem niedrigeren Preisniveau führt, als sich unter normalen Wettbewerbsbedingungen herausgebildet hätte, lässt sich National Macaroni Manufacturers Association v. FTC, 345 F.2d 421 (7th Cir. 1965), anführen. Qualitativ hochwertige Macaroni werden traditionell ausschließlich aus Hartweizen hergestellt. Als infolge einer Missernte die Preise für Hartweizen anstiegen, beschlossen die US-amerikanischen Macaronihersteller, ihr Rezept dahingehend zu ändern, dass der Hartweizen-Anteil am Pastateig um die Hälfte reduziert wurde. Da die Abnehmer dadurch nur noch die Hälfte der sonst üblichen Hartweizenmenge verkaufen konnten, blieben die Preise trotz der Missernte konstant. Das Berufungsgericht für den siebten Circuit gelangte zu dem Ergebnis, dass das Verhalten der Macaronihersteller eine Verletzung von § 5 FTC Act darstellte, der unfair methods of competition verbietet. Vgl. 345 F.2d 421, 427. Im Fall Kartell v. Blue Shield of Massachusetts, 749 F.2d 922 (1st Cir. 1984), cert. denied, 471 U.S. 1029 (1985), trat eine Krankenkasse, die ca. 74% der Privatversicherten in Massachusetts zu ihren Kunden zählte, als Nachfragerin von ärztlichen Leistungen auf. Die Kasse erstattete nur Leistungen von Ärzten, die sich verpflichteten, von ihren Patienten keine Zuzahlungen zu verlangen, die den von Blue Shield gezahlten Betrag überstiegen. Diese Regelung könnte man als Preisdeckelung, aber auch als Mengenreduzierung ansehen, die dazu führte, dass den Patienten keine zusätzlichen ärztlichen Leistungen angeboten wurden, die über das von Blue Shield abgedeckte Leistungsspektrum hinausgingen. 387 Balto, 618 PLI/Pat 305, 328 (2000); Correia, S. 5; Hovenkamp, Antitrust Law, Bd. XII, § 2012b; Schwartz, S. 3. 386
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Mengen des gemeinsam beschafften Guts einkaufen als vor Beginn der Zusammenarbeit.388 4. Verpflichtung zum ausschließlichen Bezug über die Kooperation Ein weiterer Hinweis auf die Ausübung von Nachfragemacht kann darin liegen, dass die beteiligten Unternehmen ihren Bedarf ausschließlich über die Gemeinschaft decken.389 Denn um Nachfragemacht ausüben zu können, müssten sie ihre Einkäufe des fraglichen Erzeugnisses reduzieren. Eine solche Mengenreduzierung könnte jedoch durch Käufe verhindert werden, die ein Mitglied der Gemeinschaft heimlich über andere Bezugsquellen tätigt.390 Sofern die Kooperationsteilnehmer sich nicht dazu verpflichtet haben, ausschließlich über die Gruppe einzukaufen, ist zu untersuchen, ob tatsächlich Beschaffungsaktivitäten außerhalb der Gruppe stattfinden.391 Dieser Gedanke lässt sich den Health Care Statements entnehmen, denen zufolge die Kartellbehörden eine Zusammenarbeit von Ärzten nur dann als nicht-ausschließlich einordnen, wenn die Teilnehmer tatsächlich außerhalb der Gruppe tätig werden.392
III. Anwendung auf elektronische Marktplätze Im Schrifttum wird gefordert, bei der Anwendung der genannten Kriterien auf B2B-Plattformen darauf zu achten, dass die Erzielung legitimer Effizienzsteigerungen durch Einkaufsgemeinschaften ermöglicht, die Ausübung von Oligopsonmacht durch mächtige Nachfragergruppen dagegen verhindert wird.393 388
Hovenkamp, Antitrust Law, Bd. XII, § 2012b; Schwartz, S. 3. Hovenkamp, Antitrust Law, Bd. XII, § 2012b; speziell mit Bezug auf die Verpflichtung zur ausschließlichen Nutzung eines B2B-Marktplatzes Gotfredson, 2 Minn. Intell. Prop. Rev. (2001), 107, 123; FTC Report, Teil 3, A.2. (S. 14). 390 Hovenkamp, Antitrust Law, Bd. XII, § 2012b. 391 Balto, 618 PLI/Pat 305, 330 (2000). 392 Health Care Statements, Statement 8, A.3., abgedruckt bei Sullivan/Grimes, Appendix E, 1154, 1156: Because of the different market share thresholds for the safety zones for exclusive and non-exclusive physician network joint ventures, the Agencies caution physician participants in a non-exclusive physician network joint venture to be sure that the network is non-exclusive in fact and not just in name. The Agencies will determine whether a physician network joint venture is exclusive or non-exclusive by its physician participants’ activities, and not simply by the terms of the contractual relationship. 393 Correia, S. 4; Gotfredson, 2 Minn. Intell. Prop. Rev. 107, 124 (2001); Levine, 28 Rutgers Computer & Tech. L.J. 383 (2002). 389
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1. Alleiniges Abstellen auf Mengenreduzierung Teilweise wird die Gefahr gesehen, dass die intensive Diskussion über die möglichen wettbewerbsfeindlichen Auswirkungen von Nachfragebündelungen auf B2Bs zu einer übermäßig strengen Beurteilung auch wettbewerbsfördernder Einkaufskooperationen führen könnte. Dadurch würde den B2B-Nutzern die Möglichkeit genommen, Geld zu sparen, die Endverkaufspreise für die Konsumenten zu senken und Wohlfahrtszuwächse zu erreichen.394 Wettbewerbsfördernd könnten sich insbesondere sog. „Alles oder Nichts-Ausschreibungen“ (all-or-nothing deals) auf elektronischen Marktplätzen auswirken. Bei diesen würden alle an einem bestimmten Produkt interessierten Nachfrager ihren Bedarf bündeln und im Rahmen einer umgekehrten Versteigerung zusammen ausschreiben, wobei nur ein Anbieter den Zuschlag erhalten würde. Im Rahmen der reverse auction würden die am Erhalt des Auftrags interessierten Zulieferer sich gegenseitig unterbieten. Der Gewinner würde den gesamten Auftrag erhalten, die Verlierer würden leer ausgehen.395 Auf Märkten, auf denen nur wenige Lieferanten operieren, sollte die umgekehrte Versteigerung anonymisiert erfolgen, um Preisabsprachen zwischen den Anbietern zu verhindern.396 Auf diese Weise könnten Nachfrager auf B2B-Plattformen ihre Lieferanten, die ihnen möglicherweise vorher überhöhte Preise abverlangt hatten, zum Anbieten des Preises bewegen, der den marginalen Kosten der Herstellung entspricht.397 Falls die Hersteller bereits vorher zu dem Preis verkauft hätten, der den marginalen Kosten der Herstellung entspricht, würden die Verkäuferrenten an die Käufer umverteilt. Dies sei jedoch unwahrscheinlich, da die Nachfrager langfristig kein Interesse daran haben könnten, Lieferanten zur Preissenkung zu bewegen, die ihnen ohnehin schon die marginalen Kosten in Rechnung stellen. Denn langfristig würden sich die Käufer selbst schaden, wenn sie so niedrige Einkaufspreise zahlen würden, dass die Lieferanten nicht länger auf dem Markt bestehen könnten.398 Zwar könnten Einkaufsgemeinschaften auf elektronischen Marktplätzen auch wettbewerbsbeschränkende Nachfragemacht ausüben. Der Unterschied zwischen dem wettbewerbsfördernden all-or-nothing deal und dem nach § 1 Sherman Act verbotenen Oligopson liege jedoch in der Auswirkung auf die Menge der eingekauften Produkte. Der all-or-nothing deal würde dazu führen, dass die Einkaufsgemeinschaft mehr oder mindestens genauso viele 394
Levine, 28 Rutgers Computer & Tech. L.J. 383 (2002). Die Autorin ist Mitarbeiterin der Federal Trade Commission. 395 Levine, a. a. O., 402 ff. 396 A. a. O., 403. 397 A. a. O., 402, 405. 398 A. a. O., 406 (Fn. 104).
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Güter einkaufen würde wie vorher, nur eben zu einem geringeren Preis. Die Ausübung von wettbewerbsfeindlicher Nachfragemacht würde dagegen zu einer Reduzierung der eingekauften Mengen führen.399 Wenn also eine Gruppe von Nachfragern ihren gesamten Bedarf gemeinsam ausschreibe, ohne die gewünschte Menge künstlich zu reduzieren, könne diese Vereinbarung wettbewerbsfördernd sein. Deshalb sei es angebracht, sie anhand der rule of reason zu beurteilen und näher auf ihre ökonomischen Auswirkungen zu untersuchen.400 Auf Fälle wie BMI oder NCAA sei schließlich auch die rule of reason angewendet worden, obwohl es sich um horizontale Preisabsprachen gehandelt habe.401 Gegen den vorgeschlagenen Ansatz spricht jedoch, dass das Abstellen auf die von der Kooperation ausgeschriebene Menge allein nicht dazu geeignet ist, eine möglicherweise wettbewerbsfördernde Absprache von einem verbotenen Oligopson zu unterscheiden. Denn eine Voraussetzung dafür wäre, dass ein enger Kausalzusammenhang zwischen der Vereinbarung und der Veränderung der nachgefragten Menge besteht. In Wirklichkeit können jedoch zahlreiche Faktoren die nachgefragte Menge beeinflussen.402 Es sind sogar Situationen denkbar, in denen eine Nachfragergruppe ihr Einkaufsvolumen zwar erhöht, aber immer noch zuwenig einkauft, um genügend Endprodukte herzustellen. Dies wäre etwa anzunehmen, wenn die Nachfrage nach den Endprodukten innerhalb kurzer Zeit sprunghaft angestiegen ist, oder wenn auf dem Markt von vornherein Nachfragemacht ausgeübt wurde, die eingekaufte Menge also schon zu Beginn des Referenzzeitraums zu niedrig war. Dann würde die alleinige Anwendung des von Levine vorgeschlagenen Tests zu ähnlichen Problemen führen wie das alleinige Abstellen auf die Substituierbarkeit der Produkte in dem berühmten ZellophanFall, in dem dem Hersteller eine Monopolstellung nicht nachgewiesen werden konnte, da seine Preise schon lange über dem Wettbewerbsniveau lagen.403 Es ist zwar richtig, dass das Ausüben von Oligopsonmacht den langfristigen Interessen der nachfragenden Unternehmen widerspricht. Allerdings haben Führungskräfte vielleicht nicht immer das langfristige Wohlergehen des Unternehmens im Blick, wenn sie kurz- bis mittelfristig die Gewinne erhöhen können.
399
Levine, 28 Rutgers Computer & Tech. L.J. 383, 415, 420 (2002). A. a. O., 428. 401 A. a. O., 410. 402 Dies räumt die Autorin auch selbst ein, Levine, 28 Rutgers Computer & Tech. L.J. 383, 415, 420 (2002). 403 United States v. E.I. de Pont de Nemours & Co. (Cellophane), 351 U.S. 377 (1956). 400
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2. Beurteilung anhand der allgemeinen Kriterien Andere Autoren beurteilen Einkaufsgemeinschaften von B2B-Plattformnutzern anhand der allgemeinen Kriterien und sehen den Marktanteil der Kooperation als geeigneten Ausgangspunkt für die Untersuchung an.404 Wenn die Gruppe nur über einen so kleinen Anteil am Einkaufsvolumen des fraglichen Produkts verfüge, dass ihr Nachfrageverhalten keinen Einfluss auf den Preis haben könne, so sei die Nachfragebündelung unbedenklich.405 Generell sei unwahrscheinlich, dass die gemeinsame Beschaffung von Betriebsmitteln406 auf B2Bs kartellrechtliche Bedenken aufwerfen werde. Denn Betriebsmittel würden von Unternehmen aus allen Branchen nachgefragt, so dass selbst Großunternehmen keine Möglichkeit hätten, durch Reduzierungen ihrer Käufe die Preise unter das Wettbewerbsniveau zu drücken.407 Beim gemeinsamen Einkauf von Produktionsmitteln sei dagegen darauf abzustellen, ob es sich um Spezialprodukte handelt, für die nur begrenzte Absatzmöglichkeiten bestehen.408 Zweitens sollten Unternehmen, die die Gründung einer Einkaufsgemeinschaft auf einer B2B-Plattform planen, in der Lage sein zu begründen, warum ihre Zusammenarbeit zu Effizienzsteigerungen führt. Sofern sie keine plausiblen, wettbewerbskonformen Vorteile anführen können, bestehe die Gefahr, dass ihre Einkaufsgemeinschaft als illegale Preisabsprache eingestuft werden könnte.409 Lassen sich nachvollziehbare Argumente für die Gründung der Einkaufsgemeinschaft anführen, könnte sie dennoch als wettbewerbsbeschränkend eingestuft werden, wenn der Marktanteil der Kooperation zu groß sei.410 Als weiterer Faktor wird die von den Kooperationsteilnehmern beschaffte Menge des eingekauften Produkts betrachtet. Wenn diese vor Beginn der Zusammenarbeit größer war, liegt ein Indiz für die Ausübung von Nachfragemacht vor.411 Dann sei in einem nächsten Schritt zu prüfen, ob die durch 404 Balto, 618 PLI/Pat, 305, 331 (2000); FTC Report, Teil 3, A.2. (S. 14); Hoskins, 10 U. Miami Bus. L.Rev. 119, 129 (2002); Sacks/Handelman, 691 PLI/Pat, 483, 496 (2002). 405 FTC Report, Teil 3, A.2. (S. 14). 406 Zur Unterscheidung zwischen Produktionsmitteln (direct inputs) und Betriebsmitteln (indirect oder operating inputs) bereits oben Erster Abschnitt, § 1, IV. Diese Unterscheidung ist von Bedeutung, da Betriebsmittel grundsätzlich nicht industrieoder unternehmensspezifisch sind. 407 FTC Report, Teil 3, A.2. (S. 14); ähnlich Balto, 618 PLI/Pat 305, 331 (2000). 408 Vgl. Balto, 618 PLI/Pat 305, 331 (2000). 409 Correia, S. 4 f. 410 Correia, S. 4 f. 411 Vgl. oben II.3., speziell mit Bezug auf B2Bs Correia, S. 5.
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2. Abschn.: Elektronische Marktplätze im US-amerikanischen Kartellrecht
eine Einkaufsgemeinschaft verursachte Reduzierung der Nachfrage nach einem Gut zum Eintreten neuer Nachfrager in den Markt führen könnte, die der Nachfragemacht der Gruppe entgegenwirken könnten.412 Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, ob die Kooperationsteilnehmer am Handel auf anderen B2B-Marktplätzen gehindert werden oder sich sogar verpflichten müssen, die in Frage stehende Plattform ausschließlich zu nutzen.413 Auch wenn keine Verpflichtung zur ausschließlichen Nutzung einer Plattform bestehe, sei zu untersuchen, ob die beteiligten Unternehmen sich tatsächlich aus anderen Bezugsquellen eindecken.414 Es wird jedoch auch darauf hingewiesen, dass ohne eine Verpflichtung zur ausschließlichen Nutzung manche B2B-Plattformen Schwierigkeiten haben könnten, genügend Transaktionsvolumen an sich zu binden, um ihr Überleben sicherzustellen.415 Diskutiert wird ebenfalls, welche Gegenmaßnahmen ergriffen werden sollten, falls Nachfragebündelungen auf einem B2B-Marktplatz ein bedenkliches Ausmaß erreichen sollten. In Betracht komme zunächst ein völliges Verbot des gemeinsamen Einkaufs auf der B2B-Plattform.416 Vorgeschlagen wird weiterhin, eine Einkaufsgemeinschaft für neue Teilnehmer zu schließen, wenn die Käufe der Teilnehmer 30 Prozent der gesamten Käufe in dem relevanten Markt erreichen, oder die Plätze in der Gemeinschaft einmal pro Geschäftsjahr unter den Interessenten zu verlosen.417 Eine andere Möglichkeit wird darin gesehen, bestimmte Gruppen von Nachfragern, z. B. die Anteilseigner des Marktplatzes, von vornherein von der Teilnahme an Einkaufsgemeinschaften für industriespezifische Güter auszuschließen.418
412 Competitor Collaboration Guidelines, Tz. 3.35 (Fn. 50); FTC Report, Teil 3, A.2. (S. 15). 413 Gotfredson, 2 Minn. Intell. Prop. Rev. 107, 123 (2001); Sacks/Handelman, 691 PLI/Pat, 483, 496 (2002). 414 Balto, 618 PLI/Pat, 305, 330 (2000). 415 Diese Bedenken äußert Gotfredson, 2 Minn. Intell. Prop. Rev. 107, 124 (2001), der auf S. 123 seines Beitrags darauf hinweist, dass eine Verpflichtung zur ausschließlichen Nutzung einer Plattform ein Hinweis auf die Ausübung von Nachfragemacht („monopsonistic behavior“) sei. 416 So wohl Bell/Adkinson, 15 Antitrust 18, 21 (Fall 2000). 417 Bloch/Perlman, S. 12. 418 Zu einer ähnlichen Regelung hatten sich die an Covisint beteiligten Automobilhersteller verpflichtet, die die Plattform nicht zum gemeinsamen Einkauf automobil-spezifischer Produkte nutzen wollten, vgl. BKartA, Beschluss v. 25. Sept. 2000 – B5-34100-U-40/00 (Covisint), WuW/E DE-V 321, 324 = BB 2000, 2431, 2434 (D.I.5.b).
§ 6 Zugang zu elektronischen Marktplätzen
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§ 6 Zugang zu elektronischen Marktplätzen Streitigkeiten über die Aufnahme außenstehender Unternehmen haben sich im US-Kartellrecht als das häufigste Problem erwiesen, mit dem von Wettbewerbern betriebene joint ventures konfrontiert werden.419 Auch im Zusammenhang mit elektronischen Marktplätzen stellt sich die Frage, ob und unter welchen Bedingungen die Gründer ihren Mitbewerbern Zugang gewähren müssen und ob sie dabei allen Interessenten gleiche Konditionen einzuräumen verpflichtet sind.420 Sie betrifft vorwiegend die von Branchenkonsortien betriebenen Plattformen. Die Betreiber von offenen, neutralen Marktplätzen, die nicht gleichzeitig Akteure auf den vor- und nachgelagerten Märkten sind, werden im Normalfall dagegen kein Interesse daran haben, bestimmte Unternehmen von ihren Handelsplattformen auszuschließen, so dass sich die Frage nach den Voraussetzungen des Zugangs zu neutralen Plattformen nicht stellen wird.421 Angesichts der Tatsache, dass momentan eine Vielzahl elektronischer Marktplätze ihre Dienstleistungen anbietet, mag die Frage nach den Konditionen des Zugangs zu einzelnen Marktplätzen derzeit wenig dringlich erscheinen.422 Unternehmen, die an der Nutzung von B2B-Internetplattformen interessiert sind, haben in vielen Fällen die Möglichkeit, zwischen verschiedenen horizontalen oder vertikalen Handelsplätzen auszuwählen. Eine Konsolidierung des Marktes, die zu einer Reduzierung des B2B-Plattformangebots führen wird, hat jedoch bereits eingesetzt.423
I. Bedeutung von Netzeffekten für die Zugangsproblematik Diese prognostizierte Veränderung der Marktstruktur ist u. a. durch sogenannte Netzeffekte zu erklären.
419
Blumenthal, Antitrust Report, Mai 2000, 34, 48. Vgl. aus der umfangreichen Literatur nur FTC Report, Teil 3, A.3. (S. 16 ff.) sowie aus dem Schrifttum zum europäischen Kartellrecht Bahr, WuW 2002, 230 ff. m. w. N. 421 Vgl. FTC Report, Teil 3, A.3. (S. 20). 422 So wohl Blumenthal, Antitrust Report, Mai 2000, 34, 48, der die Zugangsproblematik dennoch diskutiert. 423 Siehe oben Erster Abschnitt, § 1, I.2. 420
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2. Abschn.: Elektronische Marktplätze im US-amerikanischen Kartellrecht
1. Definition Von Netzeffekten – häufig auch Netzwerkeffekte genannt – spricht man, wenn der Konsum eines Gutes durch den Einzelnen nicht unabhängig von anderen Konsumenten erfolgt.424 Dabei differenziert die wirtschaftswissenschaftliche Literatur zwischen direkten und indirekten Netzeffekten. Bei ersteren ergibt sich der Vorteil für den Einzelnen unmittelbar aus der möglichst verbreiteten Nutzung des Gutes durch andere. Dagegen entsteht bei indirekten Netzeffekten die wechselseitige Abhängigkeit ohne unmittelbare Verbindung zwischen den Nutzern.425 Direkte Netzwerkeffekte treten typischerweise beim Gebrauch von Kommunikationsmitteln auf: Telefon, Telefax oder Internet-Chatrooms sind umso wertvoller, je größer die Gesamtzahl ihrer Nutzer ist.426 Auch B2B-Plattformen, deren Zweck bekanntlich die Kommunikation und Durchführung von Transaktionen durch Lieferanten, Händler, Dienstleistungserbringer und Kunden ist, gehören zu den Systemen, bei deren Betrieb direkte Netzeffekte entstehen können, da ihr Nutzen häufig mit der Zahl der angeschlossenen Lieferanten und Abnehmer steigt.427 Für den Erfolg eines elektronischen Marktplatzes ist es deshalb wichtig, möglichst schnell möglichst viele Unternehmen aus der anvisierten Branche zur Nutzung des Marktplatzes zu bewegen. Denn einmal einsetzende Netzeffekte verstärken sich selbst: Die Wahrscheinlichkeit, auf einer B2B-Plattform einen geeigneten Geschäftspartner zu finden, steigt mit der Anzahl der zur Auswahl stehenden Unternehmen. Wenn also viele Branchenunternehmen bereits einen bestimmten B2B-Marktplatz nutzen, erhöht dies wiederum dessen Attraktivität für neue Teilnehmer. Dies könnte dazu führen, dass die große Mehrheit der am e-commerce interessierten Unternehmen einer Branche einen einzigen B2B-Marktplatz nutzen will, wodurch der Markt „kippen“ würde und eine beherrschende Stellung entstünde.428
424
FTC High Tech Report, Ch. 9, I. (S. 1); Thum, S. 5. Thum, S. 5 m. w. N. 426 Beispiele von Ahlborn/Seeliger, EuZW 2001, 552, 555; Beck, WuW 1999, 460, 465; Thum, S. 5 f. 427 Ahlborn/Seeliger, EuZW 2001, 552, 555; Bahr, WuW 2002, 230, 236; Bailey, S. 14 ff.; Bell/Adkinson, 15 Antitrust, 18, 19 (Fall 2000); FTC Report, Teil 1, C.7. (S. 20); Gassner, MMR 2001, 140, 143; Heinemann in: Büllesbach/Dreier, S. 83 f.; Koenig/Kulenkampff/Kühling/Loetz/Smit, S. 126, 130, 132, 142; Lücking, S. 8; Schaub in: Recht, Wettbewerb und e-commerce, 49, 52; Stroud, World Comp. 24 (2001), 125, 134. 428 Vgl. Ahlborn/Seeliger, EuZW 2001, 552, 555; Schaub in: Recht, Wettbewerb und e-commerce, 49, 52. 425
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2. Inter- und Intra-Systemwettbewerb Ein Grundproblem bei der Behandlung von Industrien, in denen Netzeffekte auftreten, liegt in der Auswirkung von möglichen Zugangsregelungen auf den Wettbewerb zwischen verschiedenen Netzwerken, den InterSystemwettbewerb, und den Wettbewerb innerhalb eines bereits bestehenden Netzwerks, den Intra-Systemwettbewerb.429 Sieht man den Wettbewerb zwischen verschiedenen Strukturen als wünschenswert an, so wäre die Nichtaufnahme von Zugangsinteressenten als wettbewerbsfördernd einzustufen. Denn die ausgeschlossenen Unternehmen würden für den Aufbau eines konkurrierenden Systems zur Verfügung stehen. Darüber hinaus würden höhere Anreize zur Schaffung einer innovativen Einrichtung oder Infrastruktur geschaffen, wenn die aus deren Nutzung resultierenden Vorteile bei den Unternehmen verblieben, die das Risiko des Aufbaus der Einrichtung getragen haben.430 Dagegen würde der Intra-Systemwettbewerb durch die Aufnahme neuer Unternehmen in die bestehende Struktur gefördert. Dies könnte zu einem verstärkten Preiswettbewerb innerhalb des Systems führen, wenn das neu eintretende Unternehmen effizienter arbeiten würde als die bereits aufgenommenen Wettbewerber. Die Nichtaufnahme des effizienter arbeitenden Unternehmens hätte dagegen keine positiven Auswirkungen auf den Preiswettbewerb, wenn seine Kosten durch den Ausschluss erhöht würden. Denkbar wäre auch, dass neue Wettbewerber für Innovationen innerhalb des Netzwerks sorgen würden.431 Die Frage, unter welchen Umständen sich Wettbewerb innerhalb eines Systems oder zwischen verschiedenen Systemen entwickeln wird, lässt sich nicht pauschal beantworten, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere davon, ob auf dem relevanten Markt mehr als eine Infrastruktur erfolgreich betrieben werden kann. Darauf wird an anderer Stelle432 detaillierter eingegangen werden. 3. Keine Abhängigkeit der Netzeffekte von Ausgestaltung der Plattformen Der überwiegende Teil des Schrifttums zum US-amerikanischen und europäischen Kartellrecht geht davon aus, dass beim Betrieb von B2BMarktplätzen generell mit dem Entstehen von Netzeffekten zu rechnen 429 430 431 432
Vgl. dazu etwa FTC High Tech Report, Chapter 9, II. FTC High Tech Report, Chapter 9, II (S. 4) m. w. N. FTC High Tech Report, Chapter 9, II (S. 5) m. w. N. Sogleich unter 5.
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2. Abschn.: Elektronische Marktplätze im US-amerikanischen Kartellrecht
ist.433 Es finden sich jedoch auch Beiträge, denen zufolge Netzeffekte bei bestimmten Arten von Plattformen eine vergleichsweise geringere Rolle spielen könnten. a) Preisbildungsmechanismus Einer Ansicht zufolge ist ein hohes Transaktionsvolumen besonders wichtig für Internetplattformen, bei denen die Preisbildung nach dem Börsenmodell erfolgt. Bei diesen wird durch das Aufeinandertreffen von Anfragen und Geboten in Echtzeit ein dynamischer Marktpreis ermittelt.434 Ohne ein ausreichend hohes Transaktionsvolumen könne dieser Preisbildungsmechanismus nicht funktionieren.435 Allerdings handele es sich bei der Mehrzahl der elektronischen Marktplätze nicht um solche virtuellen Börsen.436 Für den Erfolg der meisten Marktplätze sei folglich nicht das Transaktionsvolumen entscheidend, sondern die Gesamtzahl der angeschlossenen Nutzer, die das System verfolgten und die Möglichkeit zur Abgabe eines Gebotes hätten.437 Infolgedessen dürften Ein- und Verkäufer der Liquidität von Marktplätzen, die nicht nach dem Börsenmodell funktionieren, keine überragende Bedeutung beimessen.438 Eine marktbeherrschende Stellung sei bei solchen B2Bs viel schwieriger zu erreichen als bei virtuellen Börsen.439 Strebe der Betreiber eines solchen Marktplatzes eine beherrschende Stellung an, sei er nicht nur auf das „Kippen“ des Marktes angewiesen, sondern müsse die Nutzer seiner Plattform zusätzlich mit Ausschließlichkeitsklauseln an sich binden.440 Dieser Ansatz wäre jedoch selbst dann angreifbar, wenn man Transaktionsvolumen und Benutzerzahlen strikt getrennt betrachten wollte. Denn nicht nur der Erfolg von virtuellen Börsen, sondern auch der von Versteigerungen oder Lieferantenkatalogen auf Internethandelsplätzen hängt von der Zahl der registrierten Nutzer ab. Aus wirtschaftlicher Sicht wird ein 433 Ahlborn/Seeliger, EuZW 2001, 552, 555; Bahr, WuW 2002, 230, 236; Bailey, S. 14 ff.; Bell/Adkinson, 15 Antitrust, 18, 19 (Fall 2000); FTC Report, Teil 1, C.7. (S. 20); Gassner, MMR 2001, 140, 143; Heinemann in: Büllesbach/Dreier, S. 83 f.; Hupe, S. 110 ff.; Kierner, S. 85; Koenig/Kulenkampff/Kühling/Loetz/Smit, S. 126, 130, 132, 142; Lücking, Beitrag zur Konferenz der Universität Leicester, S. 8; Stroud, World Comp. 24 (2001) 125, 134; Tröller, S. 167 ff. 434 Schaub in: Recht, Wettbewerb und e-commerce, 49, 52; zum Börsenmodell vgl. oben Erster Abschnitt, § 1, II. 435 Schaub, a. a. O., 52. 436 Schaub, a. a. O. 437 Schaub, a. a. O. 438 Schaub, a. a. O. 439 Schaub, a. a. O. 440 Schaub, a. a. O.
§ 6 Zugang zu elektronischen Marktplätzen
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hohes Transaktionsvolumen Netzeffekte noch verstärken, und zwar aus zwei Gründen. Erstens sind das Transaktionsvolumen und die Zahl der angeschlossenen Nutzer keine voneinander unabhängigen Größen, sondern bedingen sich gegenseitig: nur ein Marktplatz, der viele Anbieter und Abnehmer erreicht, kann ein hohes Transaktionsvolumen aufweisen.441 Zwar wäre auch denkbar, dass eine Internetplattform zunächst nur wenige, aber vorwiegend große Nutzer anzieht und dadurch ein hohes Transaktionsvolumen trotz einer vergleichsweise niedrigen Zahl angeschlossener Unternehmen erreicht. Dieser Zustand würde aber wohl nicht lange andauern, da ein Marktplatz, der große Branchenunternehmen zu seinen Nutzern zählen kann, andere Unternehmen anziehen wird, die mit den Großen ins Geschäft kommen wollen. Der Erfolg wichtiger Plattformen, die von Industriekonsortien gegründet wurden, belegt dies.442 Zweitens spielt ein hohes Transaktionsvolumen die entscheidende Rolle für die Finanzierung eines elektronischen Marktplatzes. Viele Marktplätze erheben transaktionsabhängige Gebühren.443 Mithin können Entwicklungsund Betriebskosten sich nur amortisieren und Gewinne nur erwirtschaftet werden, wenn die Plattform über ausreichende Liquidität verfügt.444 Ist ein hohes Transaktionsvolumen einmal erreicht, so können die Gebühren gesenkt werden, was einen zusätzlichen Wettbewerbsvorteil bedeutet und weitere Nutzer anziehen wird.445 Im Ergebnis bleibt damit festzuhalten, dass die Ausgestaltung der Preisbildungsmechanismen von elektronischen Marktplätzen kaum Auswirkungen auf das Entstehen von Netzeffekten bei deren Betrieb haben dürfte. b) Integrationsgrad Nach einer anderen Auffassung besteht ein Zusammenhang zwischen den von Internetplattformen angebotenen Funktionen und dem Entstehen von Netzeffekten.446 Bei B2Bs, die vorwiegend der Einsparung von Transak441
Vgl. FTC Report, Teil 1, C. 7. (S. 20). Unter den 52 von eMarket Services im Juni 2005 als wichtig eingestuften B2B-Marktplätzen befinden sich große Konsortialmarktplätze wie SupplyOn, Aeroxchange, Elemica, Eutilia, IntercontinentalExchange und Transora, vgl. Significant E-Marketplaces, abrufbar unter http://www.emarketservices.com/templates/CaseAnd ReportDetails.aspx?id=392 (zuletzt besucht am 23. Dez. 2006). 443 Siehe oben Erster Abschnitt, § 1, IV. 444 FTC Report, Teil 1, C. 7. (S. 20); Koenig/Kulenkampff/Kühling/Loetz/Smit, S. 127. 445 FTC Report, Teil 1, C. 7. (S. 20). 442
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tionskosten durch Erhöhung der Markttransparenz dienten, sei die Gewinnung einer hohen Anzahl von Teilnehmern wichtiger als bei Plattformen, die eine umfassende Integration zwischen den ERP-Systemen der Nutzer und der Marktplatzsoftware vorsähen.447 Denn bei letzteren würden Kosteneinsparungen vor allem durch eine verbesserte Zusammenarbeit mit anderen, ebenfalls an die Plattform angeschlossenen Unternehmen erreicht. Mithin sei durchaus denkbar, dass B2Bs entstünden, an denen sich nur wenige Unternehmen beteiligen (sog. Insellösungen), die dann aber aufgrund der vergleichsweise hohen Kosten der Systemanbindung die Plattform längerfristig nutzen würden.448 Es leuchtet ein, dass die Beteiligung an einer Internetplattform, die Funktionen zur umfassenden Prozessintegration zwischen Unternehmen anbietet, sich auch dann relativ schnell amortisieren und Gewinne einbringen kann, wenn sich nur vergleichsweise wenige Nutzer zusammenfinden. Ob dies in der Praxis jedoch dazu führen muss, dass solche Plattformen tatsächlich weniger Teilnehmer gewinnen als elektronische Marktplätze, bei denen die Transaktionskosteneinsparung im Vordergrund steht, erscheint fraglich. Die vergleichsweise hohen Markteintrittskosten lassen vielmehr vermuten, dass der Aufbau oder die Beteiligung an einer umfassend integrierten Plattform vor allem für Großunternehmen interessant sein dürfte. Gehören diese aber erst einmal zum Nutzerkreis, so werden viele andere Unternehmen, die mit den Großen Geschäfte abwickeln möchten, die Plattform ebenfalls nutzen wollen. Dies schließt nicht aus, dass bei hochgradig integrierten Internetplattformen Insellösungen wirtschaftlich sinnvoll sein können.449 Deren mögliche Rentabilität erlaubt jedoch nicht den Schluss, dass beim Betrieb umfassend integrierter B2Bs Netzeffekte generell weniger bedeutsam seien als bei solchen Plattformen, die vorwiegend Transaktionsdienstleistungen anbieten.450 Es ist vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen. Die Verfasser der Studie scheinen – trotz der eben zitierten, anderslautenden Aussagen – ebenfalls mit dem Entstehen von Netzeffekten auch bei hochgradig integrierten B2Bs zu rechnen, denn sie weisen auf die Probleme hin, die entstünden, wenn ein hoch integrierter Marktplatz eine marktbeherrschende 446
Koenig/Kulenkampff/Kühling/Loetz/Smit, S. 126 ff. Letztere bezeichnen die Autoren als „Typ C“, vgl. Koenig/Kulenkampff/Kühling/Loetz/Smit, S. 132 f. 448 Koenig/Kulenkampff/Kühling/Loetz/Smit, S. 134. 449 Diese wären ggf. eher mit privaten Marktplätzen als mit Handelsplattformen vergleichbar. Ähnlich Koenig/Kulenkampff/Kühling/Loetz/Smit, S. 134, denen zufolge bei hochgradig integrierten B2Bs die Eigenschaft als Marktplatz in den Hintergrund trete. 450 Koenig/Kulenkampff/Kühling/Loetz/Smit, S. 134 (letzter Absatz). 447
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Stellung in einer Branche einnähme und bestimmte Marktteilnehmer von der Nutzung ausschlösse. Dass eine nur von wenigen Unternehmen genutzte Plattform in einem bestimmten Industriezweig marktbeherrschend werden könnte, ist jedoch eher unwahrscheinlich. Mithin spricht einiges dafür, dass beim Betrieb von elektronischen Marktplätzen – unabhängig von deren Preisbildungsmechanismus und Integrationsgrad – häufig, wenn nicht sogar im Regelfall, von der Entstehung von Netzeffekten ausgegangen werden muss und diese nur ausnahmsweise, etwa bei echten Insellösungen, ausgeschlossen werden können. Dies wirft die Frage auf, welche Konsequenzen sich daraus für die kartellrechtliche Beurteilung von Internetplattformen ergeben. Naheliegend sind zunächst Auswirkungen auf den Markt für die Vermittlungsleistung von B2Bs. Dort wird das Entstehen marktbeherrschender Stellungen durch das Auftreten von Netzeffekten begünstigt.451 Als Folgeprobleme ergeben sich daraus zum einen erhöhte Marktzutrittsschranken für potenzielle Wettbewerber: Hat eine Internetplattform sich erst einmal in einer bestimmten Branche als Marktführer etabliert und einen Großteil der Branchenunternehmen als Kunden gewonnen, so werden gleichzeitig die Schranken für den Markteintritt einer konkurrierenden Plattform höher.452 Zusammengenommen erhöhen die beiden soeben skizzierten Entwicklungen wiederum die Gefahr, dass bestimmte Marktplätze nicht nur eine beherrschende Stellung auf dem Markt für die Vermittlungsleistung von elektronischen Marktplätzen einnehmen, sondern sich sogar zu wesentlichen Einrichtungen entwickeln.
II. Die essential facilities-Doktrin im US-Kartellrecht Ein Unternehmen kann gegen US-amerikanisches Kartellrecht verstoßen, wenn es eine wesentliche Einrichtung (essential facility) kontrolliert und einem Wettbewerber die Mitbenutzung der Einrichtung verweigert, obwohl eine Zugangsgewährung möglich wäre. Die essential facilities-Doktrin beschreibt die Voraussetzungen, unter denen der von der Mitbenutzung der Einrichtung ausgeschlossene Konkurrent einen Anspruch auf Zulassung hat. Sie ist als eine Form der wettbewerbswidrigen Geschäftsverweigerung einzuordnen.453 Üblicherweise wird die Entstehung der essential facilities-Doktrin auf den Terminal Railroad-Fall von 1912454 zurückgeführt, obwohl sich der 451 Im Ergebnis ebenso Ahlborn/Seeliger, EuZW 2001, 552, 555; Bahr, WuW 2002, 230, 236. 452 Vgl. FTC Report, Teil 1, C.7. (S. 21); Koenig/Kulenkampff/Kühling/Loetz/ Smit, S. 128; Stroud, World Competition 24 (2001) 125, 134. 453 Beckmerhagen, S. 29.
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U.S. Supreme Court weder in diesem noch in irgendeinem anderen Fall ausdrücklich auf sie bezogen hat. Die Doktrin wurde erstmals 1970 im Schrifttum455 und 1977 in der Rechtsprechung456 ausdrücklich erwähnt. Seitdem haben die Berufungsgerichte in ihren Urteilen in einigen Fällen auf sie zurückgegriffen. Dieser Ansatz ist jedoch nicht unumstritten; namhafte Autoren plädieren für einen Rückgriff auf die allgemeinen Grundsätze zur Geschäftsverweigerung.457 In der neueren Rechtsprechung und Literatur werden zwei Fallgruppen der essential facilities-Doktrin unterschieden. Die erste Fallgruppe betrifft die sog. multifirm combinations, d.h. Fälle, in denen mehrere Unternehmen eine wesentliche Einrichtung kontrollieren. Diese werden insbesondere am Maßstab des § 1 Sherman Act überprüft.458 Im Gegensatz dazu wird im Fall des single firm conduct die Einrichtung von einem Unternehmen beherrscht. Dessen Verhalten wird an § 2 Sherman Act gemessen.459 Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Fallgruppen hat große praktische Bedeutung für elektronische Marktplätze, die von mehreren Unternehmen gegründet wurden. Denn wenn mehrere Unternehmen eine wesentliche Einrichtung betreiben und sich darauf einigen, Wettbewerbern die Mitbenutzung zu verweigern, werden an die Pflicht zur Zugangsgewährung geringere Anforderungen gestellt als in Fällen, in denen die Einrichtung von nur einem Unternehmen kontrolliert wird.460 1. Kontrolle der Einrichtung durch mehrere Unternehmen Fälle des sog. group monopoly standen am Beginn der Rechtsentwicklung, die zur Formulierung der essential facilities-Doktrin führte. In ihnen kontrollieren mehrere Unternehmen gemeinsam eine Ressource, zu der ein Konkurrent Zugang benötigt, um den der Ressource nachgelagerten Markt erreichen zu können. Eine solche Konstellation lag der Entscheidung des U.S. Supreme Court im Terminal Railroad-Fall zugrunde. Dort hatten sich vierzehn Eisenbahngesellschaften zusammengeschlossen, um zwei Brücken und eine Fährverbindung nach St. Louis zu kontrollieren. Neue Mitglieder 454
United States v. Terminal Railroad Association, 224 U.S. 383 (1912). Neale, The Antitrust Laws of the United States, S. 67 ff., zitiert von Hohmann, S. 25. 456 Hecht v. Pro-Football, Inc., 570 F.2d 982, 992 (D.C. Cir. 1977). 457 So Areeda/Hovenkamp, Antitrust Law, Bd. IIIA (1996), § 771c (traditional doctrine of refusal to deal is sufficient). 458 Beckmerhagen, S. 99; Hohmann, S. 29. 459 Vgl. Areeda, 58 Antitrust L.J. 841, 844 ff. (1990). 460 Areeda, 58 Antitrust L.J. 841, 842 ff. (1990); Beckmerhagen, S. 101 ff.; Gerber, 74 Va. L. Rev. 1069, 1075 (Fn. 28) (1988). 455
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wurden nur durch einstimmigen Beschluss der Gesellschafter aufgenommen, Nicht-Mitgliedern der Association wurde die Benutzung der Transportwege verweigert. Dieses Verhalten stellte nach Ansicht des U.S. Supreme Court einen Verstoß gegen §§ 1 und 2 Sherman Act dar. Das Gericht verurteilte die Gesellschaft, jeder interessierten Eisenbahngesellschaft den Zugang zu angemessenen Bedingungen zu gewähren.461 Die zweite Entscheidung des U.S. Supreme Court aus dieser Gruppe war der Associated Press-Fall.462 Die Nachrichtenagentur Associated Press hatte mehr als 1200 Zeitungen als Mitglieder. Sie war jedoch nicht die einzige Nachrichtenagentur in den Vereinigten Staaten. Die Satzung von AP gab jedem Mitglied das Recht, sein Veto gegen die Aufnahme neuer Zeitungen einzulegen, die in derselben Region wie das Mitglied tätig werden wollten. Des Weiteren war der Verkauf von Nachrichten an Nichtmitglieder den teilnehmenden Zeitungen satzungsmäßig verboten. Der U.S. Supreme Court sah diese Satzungsbestimmungen als Diskriminierung von Wettbewerbern der Mitglieder an. Darin liege eine wettbewerbswidrige Absprache i. S. v. § 1 Sherman Act. Die genaue Begründung für dieses Ergebnis bleibt indes unklar, da die notwendige Mehrheit von fünf Richtern zwar die Wettbewerbswidrigkeit der Satzungsbestimmungen bejahten, aber keine einheitlichen Gründe dafür anführen. Nur aus der Begründung von Justice Frankfurter lässt sich überhaupt ableiten, dass er Associated Press als essential facility ansah. Er verglich die Nachrichtenagentur mit einer öffentlichen Einrichtung, die sämtliche Nachfrager beliefern müsse. Als Begründung dafür stützte er sich auf das öffentliche Interesse an einem ungehinderten Informationsfluss, den gerade die freie Presse mit ihrer besondern verfassungsrechtlichen Stellung nicht durch wettbewerbsfeindliche Absprachen behindern dürfe.463 Ausgehend von diesen Entscheidungen464 formuliert Areeda die folgenden Voraussetzungen für die Anwendung der essential facilities-Doktrin auf Einrichtungen, die von mehreren Unternehmen kontrolliert werden: Wenn Wettbewerber gemeinsam eine nützliche Einrichtung schaffen, die wesent461
United States v. Terminal Railroad Association, 224 U.S. 383 (1912). Associated Press v. United States, 326 U.S. 1 (1944). 463 Votum von Justice Frankfurter, 326 U.S. 1, 27 ff. (1945). 464 Terminal Railroad und Associated Press sind die Leitentscheidungen des U.S. Supreme Court zur Kontrolle der Einrichtung durch mehrere Unternehmen. Daneben gibt es drei weitere Entscheidung des U.S. Supreme Court, die als Anwendungsbeispiele der essential facilities-Doktrin angeführt werden, nämlich Lorain Journal v. United States, 342 U.S. 143 (1951); Otter Tail Power Co. v. United States, 410 U.S. 366 (1973) und Aspen Skiing Co. v. Aspen Highland Skiing Co., 472 U.S. 585 (1985). In diesen drei Entscheidungen wurde die Einrichtung jedoch durch nur ein Unternehmen kontrolliert. 462
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lich für die Wettbewerbsfähigkeit von Konkurrenten ist und (möglicherweise) wesentlich für die Wettbewerbsfähigkeit des Marktes, und die Aufnahme von Konkurrenten mit dem legitimen Zweck des Projekts vereinbar ist, dann müssen die Gründer Konkurrenten zu Bedingungen aufnehmen, die mit den Konditionen vergleichbar sind, welche den bereits aufgenommenen Mitgliedern geboten werden.465 2. Kontrolle der Einrichtung durch ein Unternehmen Die Anforderungen an den Zugang zu einer wesentlichen Einrichtung, die nur von einem Unternehmen kontrolliert wird, weichen davon etwas ab. Laut Areeda ist dies auf vier Gründe zurückzuführen. Zunächst sei es die Regel, dass Unternehmen ihr Verhalten selbst bestimmen würden, während Verhaltenskonzertierungen nur ausnahmsweise auftreten würden. Zweitens sei die Zugangsverweigerung durch mehrere Unternehmen leichter abzustellen, da die Bedingungen der Aufnahme in das joint venture verhältnismäßig einfach festzustellen seien. Drittens sei die Aufnahme in das joint venture eine einmalige Maßnahme, die keine permanente Verhaltenskontrolle erfordere. Und viertens könne die Zusammenarbeit der Unternehmen an sich auf die Wesentlichkeit der Einrichtung hindeuten. Denn diese Zusammenarbeit bedeute, dass das gemeinsame Projekt wichtig sei und die Möglichkeiten der einzelnen beteiligten Unternehmen übersteige.466 Die Leitentscheidung zur essential facilities doctrine von 1983, MCI Communications v. AT&T, betraf einen Fall der Geschäftsverweigerung durch ein einzelnes Unternehmen. Diese Fallgestaltung wird im US-Kartellrecht als unilateral refusal to deal bezeichnet. Im MCI-Fall formulierte das Berufungsgericht ein Prüfungsschema, welches die Anwendbarkeit der essential facilities-Doktrin an vier Voraussetzungen knüpft. Erstens muss ein Unternehmen mit Monopolstellung467 eine wesentliche Einrichtung kontrollieren. Einem Wettbewerber darf es zweitens praktisch oder vernünftigerweise nicht möglich sein, diese Einrichtung zu duplizieren. Drittens muss das Unternehmen sich weigern, die Benutzung der Einrichtung durch einen Konkurrenten zu gestatten, obwohl die Zugangsgewährung 465
Areeda, 58 Antitrust L.J. 841, 844 (1990). Areeda, a. a. O., 844 f. 467 Monopolmacht i. S. d. § 2 Sherman Act liegt vor, wenn ein Unternehmen die Preise auf einem Markt kontrolliert oder den Wettbewerb auf dem Markt ausschalten kann. United States v. E.I. du Pont de Nemours & Co., 351 U.S. 377, 391 (1955). Der U.S. Supreme Court geht ab einem Marktanteil von ca. 70% vom Bestehen von Monopolmacht aus, vgl. U.S. v. United Shoe Machinery Corp., 347 U.S. 521, 528 (1954); U.S. v. Grinnell Corp., 384 U.S. 563, 571 (1966). 466
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viertens möglich wäre.468 Die Beweislast für das Vorliegen der vier Voraussetzungen liegt nach der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung beim Kläger.469 Diese vier Voraussetzungen wurden seither in der Rechtsprechung weiter konkretisiert. Jedoch sind die Anwendungsvoraussetzungen der Doktrin und die Rechtsfolgen der Zugangsgewährung nach wie vor nicht restlos geklärt. Unklar ist etwa, unter welchen Umständen eine Einrichtung als nicht duplizierbar anzusehen ist. Ebenfalls noch weitgehend offen sind die genauen Unterschiede in der Behandlung von Zugangsverweigungen durch single firm conduct und multifirm combinations.470 Rechtsprechung und Literatur gehen jedenfalls davon aus, dass zwischen dem Betreiber der Einrichtung und dem Zugangspetenten bei beiden Konstellationen ein Wettbewerbsverhältnis bestehen muss.471 Dagegen besteht bezüglich der Kriterien für die Ermittlung des vom Zugangspetenten zu entrichtenden Nutzungsentgelts noch Klärungsbedarf.472 3. Die Voraussetzungen im Einzelnen Nach der Rechtsprechung ist eine Einrichtung nur dann wesentlich, wenn sie von entscheidender Bedeutung für die Konkurrenzfähigkeit des Zugangspetenten ist bzw. die Verweigerung ihrer Nutzung einen schwerwiegenden Nachteil bedeuten würde.473 Dies ist zu verneinen, wenn die Zugangsverweigerung lediglich zu wirtschaftlichen Nachteilen führt oder falls eine vergleichbare Einrichtung genutzt werden könnte.474 Noch restriktiver wurden die Voraussetzungen durch das Berufungsgericht für den neunten Circuit interpretiert, das eine Einrichtung nur dann als wesentlich ansieht, wenn sie dem Inhaber die Macht verleiht, den Wettbewerb auf dem nach468 MCI Communications Corp. v. American Tel. & Tel., Co., 708 F.2d 1081, 1132 f. (7th Cir. 1983). 469 City of Vernon v. Southern Cal. Edison, 955 F.2d 1361, 1365 (9th Cir. 1992); Hohmann, S. 37. 470 Gerber, 74 Va. L. Rev. 1069, 1075 (1988). 471 Vgl. MCI Communications Corp. v. American Tel. & Tel., Co., 708 F.2d 1081, 1132 f. (7th Cir. 1983); Caribbean Broadcasting System, Ltd. v. Cable & Wireless Plc., 148 F.3d 1080, 1088 (D.C. Cir. 1998); Areeda, 58 Antitrust L.J. 841, 844 (1990). 472 Vgl. Gerber, 74 Va. L. Rev. 1069, 1108 f. (1988); Ratner, 21 U.C. Davis L. Rev. 327, 353 (1988). 473 Hecht v. Pro-Football, Inc., 570 F.2d 1262 (D.C. Cir. 1977); Aspen Highlands Skiing Corp. v. Aspen Skiing Co., 738 F.2d 1509 (10th Cir. 1984). 474 North Carolina Electric Membership Corp. v. Carolina Power and Light Co., 1993-1 Trade Cases § 70, 264 S. *4, (4th Cir. 1993) (unpublished opinion); City of Anaheim v. Southern Cal. Edison Co., 955 F.2d 1373, 1381 (9th Cir. 1992).
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gelagerten Markt völlig auszuschließen.475 Zu ähnlichen Ergebnissen gelangen die Gerichte, die eine Monopolstellung des Einrichtungsbetreibers auf dem der Einrichtung vor- oder nachgelagerten Markt verlangen.476 Es bleibt jedoch abzuwarten, ob diese Interpretation auch in anderen Circuits zur Anwendung kommen wird und auch in den Fällen, in denen mehrere Unternehmen die Einrichtung kontrollieren. Was die Nichtduplizierbarkeit betrifft, so genügt es, wenn die Neuschaffung einer vergleichbaren Einrichtung wirtschaftlich unzumutbar ist. Denn Unternehmen sind von dem der Einrichtung nachgelagerten Markt nicht nur dann ausgeschlossen, wenn die Neuschaffung tatsächlich unmöglich ist, sondern auch dann, wenn die Kosten des Marktzutritts so erdrückend sind, dass allein die Mitbenutzung der bereits bestehenden Einrichtung die Aufnahme von Wettbewerb wirtschaftlich vernünftig erscheinen lässt.477 Allerdings wird in der US-amerikanischen Literatur und der Rechtsprechung vermehrt gefordert, höhere Anforderungen an die fehlende Duplizierbarkeit zu stellen. Diese soll nur bei natürlichen Monopolen, rechtlichen Hindernissen für die Neuschaffung und öffentlich subventionierten Unternehmen, die durch einen privaten Wettbewerber nicht ersetzt werden könnten, vorliegen, um den Anwendungsbereich der essential facilities-Doktrin einzugrenzen.478 Bei der Prüfung der vierten vom MCI-Gericht entwickelten Voraussetzung, der Möglichkeit der Zugangsgewährung (feasibility of providing the facility), sind die anerkannten Rechtfertigungsgründe für eine Zugangsverweigerung zu prüfen. Ursprünglich wurden Rechtfertigungsgründe von der Rechtsprechung sehr restriktiv gehandhabt. Darauf deutet der Begriff feasibility, d.h. Durchführbarkeit, im MCI-Test hin, mit dem nur die prinzipielle Möglichkeit der Zugangsgewährung gemeint war. In späteren Entscheidungen wurde das Kriterium der Durchführbarkeit jedoch durch die Frage nach legitimen geschäftlichen Gründen für die Zugangsverweigerung ersetzt.479 475 Alaska Airlines, Inc. v. United Airlines, Inc., 948 F.2d 536, 546 (9th Circ. 1991); City of Anaheim v. Southern Cal. Edison Co., 955 F.2d 1373, 1381 (9th Cir. 1992). 476 Cyber Promotions v. America Online, Inc., 948 F. Supp. 456, 464 (E. D. Pa. 1996); Delaware Health Care, Inc. v. MCD Holding Co., 957 F. Supp. 535, 544 ff. (D. Del. 1997). 477 Beckmerhagen, S. 70 f.; vgl. auch Gerber, Va. L. Rev. 1069, 1973 (1988) (onerous capital requirements in thin markets). 478 Twin Laboratories, Inc. v. Weider Health & Fitness, 900 F.2d 566, 569 (2nd Cir. 1990); Areeda/Hovenkamp, Antitrust Law, § 736.2b (S. 766 f.). 479 So ausdrücklich City of Anaheim v. Southern Cal. Edison Co., 955 F.2d 1373, 1381 (9th Cir. 1992): The fourth element basically raises the familiar question of whether there is a legitimate business justification for the refusal to provide access to the facility; ebenso State of Illinois, ex rel. Burris v. Panhandle Eastern Pipeline Co., 935 F.2d 1469, 1483 (7th Cir. 1991).
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Seitdem wurde der Kreis der anerkannten Rechtfertigungsgründe kontinuierlich erweitert. Er umfasst etwa Kapazitätsengpässe, die fehlende Kreditwürdigkeit des Zugangspetenten sowie das Interesse der Kunden des Einrichtungsbetreibers an der Zugangsverweigerung.480 4. Ausgestaltung des Zugangsanspruchs Die Frage nach der konkreten Ausgestaltung des Zugangsanspruch des Wettbewerbers ist ebenfalls nicht endgültig geklärt. Zwar müssen die dem Neuling angebotenen Bedingungen nichtdiskriminierend sein. Eine Bevorzugung der eigenen nachgelagerten Unternehmenssparten ist jedoch erlaubt.481 Verhältnismäßig einfach gestaltet sich die Ermittlung des zu fordernden Entgelts, wenn der Betreiber die Einrichtung bereits für Dritte geöffnet hat. Dann können sich die Nutzungsbedingungen für den Petenten an den schon bestehenden Verträgen orientieren.482 Zu beachten ist jedoch, dass ein Monopolist, der seine Stellung ausnutzt und eine Monopolrente verlangt, nicht gegen § 2 Sherman Act verstößt. Sofern die Monopolstellung nicht auf unerlaubte Art und Weise erlangt wurde, ist ihre Ausbeutung erlaubt.483 Der Inhaber einer wesentlichen Einrichtung kann folglich von allen Unternehmen, denen er die Mitbenutzung gestattet, einheitlich die Monopolrente als Zugangsentgelt fordern. Dadurch ist der Spielraum für Preissenkungen auf dem der Einrichtung nachgelagerten Markt von vornherein begrenzt. Denn Wettbewerber des Einrichtungsbetreibers müssten auf dem nachgelagerten Markt effizienter arbeiten als dieser, um den Abnehmern günstigere Preise anbieten zu können. Es ist also fraglich, ob die Zugangsgewährung überhaupt zu niedrigeren Preisen auf dem nachgelagerten Markt führen wird.484
480 City of Anaheim v. Southern Cal. Edison Co., 955 F.2d 1373, 1381 (9th Cir. 1992): Kein Recht der Gemeinde auf Zugang zu preisgünstiger Stromleitung, wenn dies Strompreise anderer Gemeinden verteuern würde; Cyber Promotions v. America Online, Inc., 948 F. Supp. 456, 464 (E. D. Pa. 1996): Verweigerung des Zugangs zu Kunden gerechtfertigt, wenn diese andernfalls unerwünschter E-Mail-Werbung ausgesetzt würden. 481 Vgl. Areeda, 58 Antitrust L. J. 841, 844 (1990) (the collaborators must admit rivals on relatively equal terms); ausführlich zu diesem Problemkreis Beckmerhagen, S. 131 ff. 482 Vgl. Gamco, Inc. v. Providence Fruit & Produce Bldg., Inc., 194 F.2d 484, 489 (1st Cir. 1952); Ratner, 21 U.C. Davis L. Rev. 327, 371 (1988). 483 Areeda, 58 Antitrust L. J. 841, 847 (1990). 484 Beckmerhagen, S. 132 f. m. w. N.
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5. Anwendung auf elektronische Marktplätze Die Anwendung der essential facilities-Doktrin auf elektronische Marktplätze richtet sich zunächst danach, ob die Plattform von einem oder von mehreren Unternehmen kontrolliert wird. Die meisten B2B-Marktplätze werden als joint ventures betrieben und fallen damit in die Gruppe der multifirm combinations. Bei dieser Gruppe müsste der Marktplatz zunächst eine nützliche Einrichtung sein, die wesentlich für die Wettbewerbsfähigkeit von Konkurrenten ist. Welche Anforderungen genau an das Kriterium der Wesentlichkeit für die Wettbewerbsfähigkeit von Konkurrenten gestellt werden, ist nicht ganz klar. Sie sind jedenfalls geringer als in den Fällen, in denen ein einzelnes Unternehmen die Plattform betreibt. So wurden Zulassungsansprüche in den Fällen Associated Press und Gamco bejaht, obwohl die Zugangsverweigerung nur zu gewissen wirtschaftlichen Nachteilen geführt, die Geschäftstätigkeit des ausgeschlossenen Unternehmens jedoch nicht völlig unmöglich gemacht hätte. Wirtschaftliche Nachteile könnten durch den Ausschluß von einem bestimmten B2B-Marktplatz auf vielfältige Weise entstehen. Internetplattformen, die sich über Transaktionskosten finanzieren und über eine große Nutzerbasis verfügen, könnten ihre Fixkosten schneller wieder erwirtschaften als kleinere, weniger erfolgreiche Rivalen, und ihre Transaktionskosten schneller senken, wodurch ein weiterer Wettbewerbsvorteil entstünde und die Kosten der außenstehenden Unternehmen erhöht würden. Insofern könnte ein wirtschaftlicher Nachteil auch dann zu bejahen sein, wenn alternative Marktplätze vorhanden wären und den Zugangspetenten aufnehmen würden. Selbst bei vergleichbar hohen Transaktionsgebühren verschiedener Plattformen könnte man argumentieren, dass ein wirtschaftlicher Nachteil schon darin läge, auf die Benutzung eines Marktplatzes mit einer geringeren Gesamtzahl an Nutzern oder weniger Großunternehmern als Nutzern verwiesen zu werden. Andererseits existiert in der jüngeren Rechtsprechung eine Tendenz, höhere Anforderungen an die Wesentlichkeit zu stellen und die Anwendung der essential facilities-Doktrin dadurch einzuschränken. Der ganz überwiegende Teil der auf die Doktrin gestützten Klagen hatte ohnehin keinen Erfolg. Seit den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts waren Zugangspetenten nur in 20 Prozent der Fälle mit ihrem Begehren vor Gericht erfolgreich.485 Seit Mitte der achtziger Jahre gab es sogar nur eine obergerichtliche Entscheidung, in der dem Kläger ein auf die essential-facilities Doktrin gestützter Zugangsanspruch zugesprochen wurde.486 485 Hohmann, S. 40, der auf eine Aufstellung bei von Kalinowski, Antitrust Laws and Trade Regulation, § 25.04(3), S. 72 f. verweist. 486 Stand: 1999, vgl. Börner (DAJV-Newsletter 1999, 73, 84).
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In der Literatur gehen die Ansichten darüber, ob B2Bs sich bei einer realistischen Betrachtungsweise überhaupt zu wesentlichen Einrichtungen entwickeln könnten und wie dieser Begriff zu definieren ist, weit auseinander. Einige Autoren prognostizieren, dass die Benutzung elektronischer Marktplätze wesentlich für die Geschäftstätigkeit von Unternehmen werden könnte, wenn sie zu deutlichen Kosteneinsparungen und Effizienzgewinnen führen würde, die ein Unternehmen vor allem aufgrund der vorhandenen Netzwerkeffekte allein nicht erreichen könne.487 Teilweise wird sogar erwartet, dass B2B-Marktplätze im Laufe des nächsten Jahrzehnts zur Weiterentwicklung der essential facilities-Doktrin sowohl in den USA als auch der Europäischen Union beitragen werden.488 Andere halten diese Möglichkeit für so unwahrscheinlich, dass sie sich mit der essential facilities-Doktrin im Zusammenhang mit elektronischen Marktplätzen überhaupt nicht näher auseinandersetzen.489 So führt Blumenthal aus, dass einzelne Betreiber von B2B-Marktplätzen ohnehin entscheiden könnten, mit wem sie Geschäfte tätigen wollten, wenn nicht extreme Umstände vorlägen. Auch im Zusammenhang mit als joint ventures betriebenen Internetplattformen geht der Autor auf die essential facilities-Doktrin nicht ein, sondern nur auf die Grundsätze zur konzertierten Geschäftsverweigerung (group boycott).490 Auch im FTC Report wird die essential-facilities-Doktrin nicht ausdrücklich behandelt.491 Einige Autoren räumen in ihren Beiträgen ein, dass ein Marktplatz sich zu einer wesentlichen Einrichtung entwickeln könnte. Ihren Formulierungen lässt sich indes entnehmen, dass sie dies für den Ausnahmefall halten.492 487 So wohl etwa Bell/Adkinson, 15 Antitrust, 18, 19 ff. (Fall 2000), die diskutieren, ob durch Netzeffekte und Verbundvorteile das Anbieten von B2B-Vermittlungsleistungen zu einem natürlichen Monopol werden könnte und die davon ausgehen, dass bestimmte Marktplätze innerhalb einer Branche dominant werden und über Marktmacht verfügen könnten. De la Cruz/Millar, S. 4 halten die Entwicklung zur wesentlichen Einrichtung für möglich, ohne jedoch auf Einzelheiten einzugehen; ebenso Hoskins, 10 U. Miami Bus. L.Rev. 119, 125 ff. (2002). 488 Horton/Schmitz, Wayne L.Rev., Winter 2001/Spring 2002, 1231, 1275. 489 So Blumenthal, Antitrust Report, Mai 2000, 34, 48 f.; skeptisch auch Calvani/ Schmidt, 618 PLI/Pat 293 (characterization as an “essential facility” must be every B2B E-commerce executive’s favorite fantasy). 490 Ähnlich Gotfredson, 2 Minn. Intell. Prop. Rev. 107, 125 ff. (2001); Sacks/ Handelman, 691 PLI/Pat, 483, 497 (2002), die auf die EFD ebenfalls nicht eingehen. Ausführlich zum group boycott sogleich unter III.a). 491 Vgl. FTC Report, Teil 3, A.3. (S. 16 ff.), der ebenfalls nur die konzertierte Geschäftsverweigerung behandelt. 492 So etwa Correia, S. 5 f. (In most cases, the excluded companies can find a way to achieve the same benefits on their own or in a joint venture with other industry members. . . . If an exchange appears to be essential to success in the industry and there are no realistic ways that excluded parties can establish their own exchange; there is a good argument that the exchange must be open to all competitors.). Bell/Adkinson, 15 Antitrust, 18 ff. (Fall 2000) diskutieren, ob durch Netz-
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Stufte man einen von mehreren Unternehmen gemeinsam betriebenen B2B-Marktplatz bereits dann als wesentlich für die Wettbewerbsfähigkeit von Konkurrenten ein, wenn durch seine Benutzung deutliche Kostensenkungen und Effizienzgewinne erzielt werden könnten, würde dies zu einer Ausweitung möglicher Zugangsansprüche führen. Fraglich ist, ob dies wirtschaftlich erwünschte Ergebnisse mit sich bringen würde. Vom Gesichtspunkt des Inter-Systemwettbewerbs zwischen verschiedenen elektronischen Marktplätzen wäre es sinnvoll, die Aufnahme neuer Mitglieder zu begrenzen, bevor sich die Mehrzahl der Branchenunternehmen auf einem Marktplatz versammelt hat. Denn dadurch würde die Schaffung konkurrierender Marktplätze gefördert. Des Weiteren könnte die zu schnelle Anerkennung möglicher Zugangsansprüche die Anreize zur Gründung neuer Internetplattformen schmälern. Unternehmen, die den Aufbau eines neuen virtuellen Handelsplatzes anvisieren, würden möglicherweise die notwendigen Investitionen scheuen, wenn sie damit zu rechnen hätten, dass sie ihren Marktplatz im Erfolgsfalle mit Außenstehenden teilen müssten, das unternehmerische Risiko aber allein zu tragen hätten.493 Andererseits ist nicht auszuschließen, dass der Wettbewerb zwischen verschiedenen Marktplätzen auf längere Sicht in einigen Industriezweigen dazu führen könnte, dass am Ende eines Konsolidierungsprozesses eine einzige Plattform überlebt. Netzeffekte würden zu diesem Ergebnis beitragen. Wenn innerhalb einer Branche tatsächlich nur Raum für einen Marktplatzes wäre, dieser also ein „natürliches Monopol“ darstellte, wäre es ineffizient, den Betrieb mehrerer Plattformen zu fordern.494 Es besteht jedoch die Gefahr, dass die fälschlich Annahme, auf einem B2B-Markt könne nur eine Plattform überleben, die zu frühe Öffnung der Plattform für außenstehende Unternehmen mit sich bringen könnte. Dann würde der Inter-Systemwettbewerb frühzeitig zugunsten des Intra-Systemwettbewerbs beendet.495 In der Vergangenheit wurde in den USA etwa diskutiert, ob der elektronische Zahlungsverkehr (ATM-Networks) ein natürliches Monopol darstelle, da ein einziges Zahlungsnetzwerk geringere Kosten verursache und effizienter arbeiten könne als mehrere konkurrierende Netzwerke.496 Es hat sich gezeigt, dass in diesem Bereich sehr wohl mehrere konkurrierende Systeme profitabel arbeiten können. Hätte man diese Zahlungsverbundsysteme von vornherein für alle interessierten Unternehmen geöffnet, wie dies in einigen USeffekte und Verbundvorteile das Anbieten von B2B-Vermittlungsleistungen zu einem natürlichen Monopol werden könnte, S. 19 f. 493 Vgl. etwa Balto, 618 PLI/Pat 305, 332 (2000). 494 Bell/Adkinson, 15 Antitrust, 18, 19 (Fall 2000). 495 Vgl. dazu, allgemein auf Netze bezogen, Klimisch/Lange, WuW 1998, 15, 18. 496 Balto, 618 PLI/Pat 305, 332 (2000).
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Bundesstaaten gesetzlich vorgeschrieben wurde, hätte kein Wettbewerb zwischen den Systemen entstehen können.497 Auch bei B2B-Marktplätzen, die von mehreren Unternehmen kontrolliert werden, sind folglich an die Wesentlichkeit der Mitbenutzung für die Wettbewerbsfähigkeit außenstehender Konkurrenten hohe Anforderungen zu stellen. Sofern dem interessierten Unternehmen mehrere Internetplattformen zur Verfügung stehen, ist es nicht sachgerecht, die Benutzung einer bestimmten Plattform als wesentlich einzustufen, und zwar auch dann nicht, wenn diese tatsächlich günstigere Nutzungsbedingungen aufweisen würde als die Konkurrenz. Anderenfalls würde der Wettbewerb auf dem Markt für B2B-Vermittlungsleistungen unangemessen geschwächt. Wesentlich für die Wettbewerbsfähigkeit des Zugangspetenten i. S. d. essential facilities-Doktrin wäre die Mitbenutzung dagegen dann, wenn auf einem bestimmten Markt nur eine Internetplattform existieren könnte und ein Ausweichen auf traditionelle Beschaffungsformen nicht in Betracht käme. Des Weiteren kommt ein auf die essential facilities-Doktrin gestützter Anspruch auf Zulassung zu einem elektronischen Marktplatz nur in Betracht, wenn zwischen den Marktplatzbetreibern und dem Zugangspetenten ein Wettbewerbsverhältnis besteht. Zudem dürften die Betreiber keine legitimen geschäftlichen Gründe für die Zugangsverweigerung haben. Handelsübliche Auswahlkriterien wie Kreditwürdigkeit und Branchenerfahrung wären also nicht zu beanstanden.
III. Weitere Zugangsfragen Die Verweigerung des Zugangs zu einem elektronischen Marktplatz, der sich zur wesentlichen Einrichtung entwickelt hat, ist nur eine denkbare Variante aus dem Bereich der Zugangsfragen. Ein Unternehmen könnte ebenfalls die Aufnahme in eine als joint venture betriebene Internetplattform begehren, die keine wesentliche Einrichtung ist. In den Fällen, in denen der Zugang grundsätzlich gewährt wird, ist fraglich, ob möglicherweise ein Anspruch auf Einräumung gleicher Nutzungsbedingungen für alle Kunden besteht.
497 Für ein vergleichbares Beispiel aus Deutschland unten Dritter Abschnitt, § 6, I.6.b)bb).
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1. Konzertierte Geschäftsverweigerung (group boycott) Fälle der Geschäftsverweigerung durch ein Zusammenwirken mehrerer Unternehmen werden im US-Kartellrecht als group boycott oder concerted refusal to deal bezeichnet und anhand des Maßstabs von § 1 Sherman Act beurteilt. Zu denken ist an Fälle, in denen mehrere Unternehmen einen elektronischen Marktplatz als joint venture betreiben, der nicht als wesentliche Einrichtung einzustufen ist, und einem außenstehenden Unternehmen die Mitbenutzung des Marktplatzes verweigern. Obwohl die Nichtaufnahme von Unternehmen in joint ventures eine hohe praktische Relevanz besitzt, wird diese Problematik in den Competitor Collaboration Guidelines von April 2000 völlig ausgeklammert.498 In seiner älteren Rechtsprechung erblickte der U.S. Supreme Court in jeder konzertierten Geschäftsverweigerung einen per se-Verstoß gegen § 1 Sherman Act.499 Dies änderte sich jedoch 1985 mit seiner Entscheidung im Fall Northwest Wholesale Stationers.500 Northwest Wholesale Stationers war eine Einkaufgemeinschaft von ungefährt 100 Bürobedarfshändlern im Nordwesten der Vereinigten Staaten. Das Unternehmen verkaufte Büroartikel als Großhändler an Mitglieder und Nichtmitglieder. Nur Mitglieder erhielten jedoch zu Jahresende einen Rabatt, so dass sie zu deutlich günstigeren Preisen einkaufen konnten als Nichtmitglieder. Pacific Stationery & Printing war aus der Kooperative ausgeschlossen worden und klagte gegen den Ausschluss. Der oberste Gerichtshof entschied, dass eine konzertierte Geschäftsverweigerung nur dann einen per se-Verstoß gegen § 1 Sherman Act darstellt, wenn die beklagte Gruppe über Marktmacht verfüge oder über den exklusiven Zugang zu einem Element, das wesentlich für funktionierenden Wettbewerb sei. Sofern dies nicht bewiesen sei, habe die Untersuchung anhand der rule of reason zu erfolgen.501 Nach diesem Standard ist auch die kollektive Geschäftsverweigerung in Form der Verweigerung des Zugangs zu einem joint venture zu beurteilen. Mit einer solchen Konstellation hatte sich 1994 das Berufungsgericht für den zehnten Circuit im sog. Dean Witter-Fall502 zu befassen. Dieser Fall betraf Visa, ein joint venture von ca. 6000 Finanzunternehmen in den USA, welches Kreditkartenzahlungen für seine Mitglieder abwickelte, die unter 498
Competitor Collaboration Guidelines, Tz. 1.1 Fn. 5. Klor’s, Inc. v. Broadway-Hale Stores, Inc., 359 U.S. 207 (1959); Silver v. New York Stock Exchange, 373 U.S. 341 (1963). 500 Northwest Wholesale Stationers v. Pacific Stationery & Printing Co., 472 U.S. 284 (1985). 501 472 U.S. 284, 296 (1985). 502 SCFC ILC, Inc. v. Visa U.S.A. Inc., 36 F.3d 958 (10th Cir. 1994). 499
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dem Namen Visa Kreditkarten ausgaben. Grundsätzlich stand das joint venture neuen Mitgliedern offen, behielt sich jedoch das Recht vor, Bewerber um die Mitgliedschaft abzulehnen. Als der Anbieter der Discover-Card, einer konkurrierenden Kreditkarte, die Mitgliedschaft bei Visa begehrte, wurde sein Unterfangen abgelehnt, woraufhin er gegen seine Nichtaufnahme klagte. In seiner Entscheidung sah das Gericht keinen Wettbewerbsverstoß in der Weigerung von Visa, seinen Konkurrenten in das joint venture aufzunehmen. Da Visa nicht über die erforderliche Marktmacht verfüge, sei die Nichtaufnahme des Konkurrenten anhand der rule of reason zu untersuchen. Das Gericht befasste sich ausführlich mit den positiven Auswirkungen von joint ventures auf den Wettbewerb.503 Es sah die Nichtaufnahme des Zugangspetenten durch Visa als gerechtfertigt an, da das joint venture sich vor sog. free riders schützen müsse. Es müsse erlaubt sein, Unternehmen, die am Aufbau des joint ventures nicht teilgenommen und das unternehmerische Risiko nicht mitgetragen hätten, nicht aufzunehmen. Andernfalls gäbe es keine Anreize mehr für Unternehmen, joint ventures zu gründen.504 Ausgehend von dieser Rechtsprechung, befasste sich die FTC im Rahmen ihres ersten Workshops zu B2B-Marktplätzen mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Nichtaufnahme von Interessenten in eine als joint venture betriebene Internetplattform im Rahmen einer rule of reason-Analyse als wettbewerbsfeindlich anzusehen sei. Die Fälle, in denen eine Geschäftsverweigerung nach § 1 Sherman Act per se verboten sein könnte, sollten dagegen ausgeklammert werden.505 Die Kartellbehörde betont, dass die Nichtaufnahme nur dann kartellrechtlich bedenklich sei, wenn sie dem Wettbewerb schade, nicht lediglich einzelnen Wettbewerbern, und beruft sich dabei auf Associated Press, Terminal Railroad, Otter Tail und Dean Witter sowie auf die raising rivals’ cost-Theorie.506 Im Anschluss daran nennt sie die Faktoren, die in die Beurteilung anhand der rule of reason einbezogen werden müssten, wobei die Auswirkungen einer Zugangsverweigerung auf den Wettbewerb in jedem Einzelfall zu untersuchen seien. Zunächst seien der Markt für die Vermittlungsleistungen der Internetplattform und die Märkte, auf denen die Plattformnutzer tätig sind, zu betrachten.507 Bezüglich des Markts für Vermittlungsleistungen stelle sich die Frage, ob die Plattform die einzige Möglichkeit sei, mit den fraglichen Gütern zu handeln, oder ob es andere B2Bs, private Netzwerke oder traditionelle Ge503 504 505 506 507
36 F.3d 958, 963 ff. 36 F.3d 958, 968 ff. FTC Report I, Teil 3, 3. (S. 16 ff.). FTC Report I, Teil 3, 3. (S. 17 ff.). FTC Report I, Teil 3, 3. (S. 19).
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schäftsabwicklungsmöglichkeiten gebe, die den Interessenten zur Verfügung stehen. Des Weiteren sei zu ermitteln, ob die bestehenden Alternativen genauso effizient seien wie die Plattform, zu der Zugang begehrt wird.508 Mögliche Netzwerkeffekte des virtuellen Marktplatzes müssten dabei berücksichtigt werden. Außerdem seien die Möglichkeit und Auswirkungen des Markteintritts neuer B2Bs einzubeziehen.509 Sofern der Internetmarktplatz, zu dem Zugang begehrt wird, tatsächlich der einzige Weg sei, mit den fraglichen Produkten zu vergleichbaren Preisen zu handeln, sei entscheidend, ob Zugangsbeschränkungen den bereits angeschlossenen Nutzern die Möglichkeit verschafften, die Preise der gehandelten Produkte auf ein Niveau zu erhöhen, welches über dem Wettbewerbspreis liegt. Dies sei abhängig von der Wichtigkeit der ausgeschlossenen Unternehmen für den Wettbewerb auf den von der Plattform bedienten Märkten. Nur wenn die ausgeschlossenen Marktteilnehmer wichtig für die Aufrechterhaltung wirksamen Wettbewerbs auf diesen Märkten seien und die Nichtaufnahme ihre Kosten deutlich erhöhe, liege eine Wettbewerbsbeeinträchtigung vor.510 Die Behandlung der Problematik durch die FTC ist bemerkenswert. Zwar erklärt die Kartellbehörde in ihrem Report, sich auf die Fälle des Ausschlusses von interessierten Unternehmen beschränken zu wollen, die anhand der rule of reason zu analysieren sind. Nach der Rechtsprechung des U.S. Supreme Court in Northwest Wholesale Stationers sind dies Fälle, in denen die beklagte Gruppe nicht über Marktmacht oder über den exklusiven Zugang zu einem Element, das wesentlich für funktionierenden Wettbewerb ist, verfügt.511 Mit Associated Press, Terminal Railroad und Otter Tail beruft sich die FTC jedoch bei drei der vier von ihr in diesem Zusammenhang zitierten Urteile auf Fälle, die nach heutigem Verständnis als Anwendungsbeispiele für die essential facilities-Doktrin gelten. Auch bei den von der Behörde angeführten Faktoren, nach denen die rule of reason-Analyse erfolgen könne, bleibt der Unterschied zu essential facilities-Fällen weitgehend unklar. So stellt sich die Frage nach den Alternativen zur Nutzung der Internetplattform, zu der Zugang begehrt wird, auch in den Fällen, in denen der Zugangspetent sein Begehren auf die essential-facilities-Doktrin stützt. Obschon die Einzelheiten somit unklar bleiben, lassen die Ausführungen der Kartellbehörde jedenfalls die Interpretation zu, dass eine Pflicht zur 508
FTC Report I, Teil 3, 3. (S. 20). FTC Report I, Teil 3, 3. (S. 21). 510 FTC Report I, Teil 3, 3. (S. 21 f.). 511 Vgl. Northwest Wholesale Stationers v. Pacific Stationery & Printing Co., 472 U.S. 284, 296 (1985): Unless the cooperative possesses market power or exclusive access to an element essential to effective competition, the conclusion that expulsion is virtually always likely to have an anticompetitive effect is not warranted. 509
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Aufnahme von Interessenten in eine als joint venture gegründete Internetplattform nur unter engen Voraussetzungen bestehen soll. Auch die Rechtsprechung seit dem Dean Witter-Fall bestätigt einen Trend, wonach den Gründern eines joint ventures nur unter engen Voraussetzungen die Pflicht zur Aufnahme eines außenstehenden Unternehmen auferlegt wird.512 Im Hinblick auf den Wettbewerb zwischen verschiedenen Marktplätzen ist dies begrüßenswert.513 Denn würden den Betreibern eines erfolgreichen joint ventures umfangreiche Pflichten zur Aufnahme von Wettbewerbern auferlegt, würde das den Anreiz zur Gründung von joint ventures schmälern514 und den Inter-Systemwettbewerb schwächen. Auch würde sich ein Wertungswiderspruch zu den essential-facilities-Fällen ergeben. Denn wenn die Betreiber einer wesentlichen Einrichtung nur unter engen Voraussetzungen verpflichtet sind, anderen Unternehmen Zugang zu gewähren, müssten die Voraussetzungen für die Aufnahme Außenstehender in Einrichtungen, die nicht wesentlich sind, noch enger sein. Indes eröffnet die Anwendung der rule of reason auf Fälle der kollektiven Geschäftsverweigerung den mit Zulassungsklagen befassten Gerichten einen recht weiten Entscheidungsspielraum.515 In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass die Aufnahme aller Interessenten zu gleichen Bedingungen nicht notwendig sei, die Nichtaufnahme oder Ungleichbehandlung jedoch zu Problemen führen könnte, wenn eine Plattform eine marktstarke Stellung erreiche.516 Um Probleme zu vermeiden, sollten die Gründungsunternehmen eines joint ventures von Anfang an objektive Aufnahmekriterien formulieren sowie einen Mechanismus zur Beilegung von Streitigkeiten mit Zugangspetenten schaffen.517 Kritisch zu bewerten sind Aufnahmebestimmungen, die bereits an den Marktplatz angeschlossenen Unternehmen die Möglichkeit bieten, ihren außenstehenden Konkurrenten die Aufnahme zu verweigern.518 Dies wäre etwa der Fall, wenn ein Komitee, in dem ursprünglich nur die Plattformgründer vertreten wären, über die Aufnahme jedes neuen Mitgliedes entscheiden würde. Auch eine solche Aufnahmepro512
Popofsky/Brown, 1226 PLI/Corp 51, 61 ff. (2000) m. w. N. Ebenso Popofsky/Brown, 1226 PLI/Corp 51, 62 (2000); Beckmerhagen, S. 106. 514 Dazu Beckmerhagen, S. 106 m. w. N. 515 Kritisch dazu Popofsky/Brown, 1226 PLI/Corp 51, 62: The rule of reason itself is a large part of the problem, committing so much discretion to the courts that it is hardly a rule at all. 516 Vgl. Bell/Adkinson, 15 Antitrust, 18, 21 ff. (Fall 2000); Blumenthal, Antitrust Report, Mai 2000, 34, 49; Correia, S. 5 f. 517 Bell/Adkinson, 15 Antitrust, 18, 23 (Fall 2000); vgl. auch Correia, S. 6. 518 Bell/Adkinson, 15 Antitrust, 18, 23 (2000); Blumenthal, Antitrust Report, Mai 2000, 34, 49. 513
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zedur würde jedoch nicht automatisch einen Verstoß gegen § 1 Sherman Act bedeuten. Es käme vielmehr auf die Umstände des Einzelfalles an.519 Bedenken könnten sich auch ergeben, wenn die Aufnahmeprozeduren dazu führten, dass nur bestimmten Unternehmen die Aufnahme in den B2BMarktplatz verweigert werde.520 Im Ergebnis sollten die Betreiber einer als joint venture organisierten Internetplattform nur dann zur Aufnahme außenstehender Unternehmen verpflichtet werden, wenn diese wichtig für die Aufrechterhaltung wirksamen Wettbewerbs auf den Märkten der gehandelten Güter sind. Dadurch würde einerseits gewährleistet, dass Zulassungspflichten nicht unangemessen zugunsten einzelner Wettbewerber ausgedehnt werden, sondern nur eingreifen, wenn der Wettbewerb an sich gefährdet ist. Darüber hinaus könnte dieses Kriterium die Fälle der konzertierten Geschäftsverweigerung deutlich von essential facilities-Fällen abgrenzen. Denn bei letzteren wird zwar im Schrifftum und von einigen Gerichten gefordert, dass ein Zugangsanspruch nur bei einer Bedeutung des ausgeschlossenen Unternehmens für den Wettbewerb gewährt werden darf. Ob diese Auslegung sich jedoch für die Fallgruppe der von mehreren Unternehmen gemeinsam kontrollierten Einrichtungen allgemein durchsetzen wird, ist noch unklar. 2. Preisdiskriminierung Eine praktisch größere Bedeutung als dem Problem der völligen Zugangsverweigerung dürfte dem der Zugangsgewährung zu diskriminierenden Bedingungen zukommen. Denn zum einen sind bislang noch keine Fälle bekannt geworden, in denen einem an der Nutzung einer B2B-Internetplattform interessierten Unternehmen der Zugang völlig verweigert wurde. Angesichts des bestehenden Wettbewerbs zwischen elektronischen Marktplätzen, die vergleichbare Dienstleistungen anbieten, sind die Plattformbetreiber vielmehr beständig an der Gewinnung neuer Kunden interessiert. Vor diesem Hintergrund erscheint kurz- bis mittelfristig eine Entwicklung dahin plausibler, dass interessierten Unternehmen der Zugang zu elektronischen Marktplätzen grundsätzlich gewährt wird, wobei jedoch unterschiedliche Nutzungsbedingungen angewendet werden. So ist es technisch ohne Weiteres möglich, verschiedenen Gruppen von Plattformnutzern unterschiedliche Konditionen zu gewähren, um etwa Preisunterschiede auf den Absatzmärkten der Nutzer aufrechtzuerhalten. Der Handel über elektronische Marktplätze bietet Möglichkeiten zur Preisdiskriminierung in bisher 519 520
Blumenthal, Antitrust Report, Mai 2000, 34, 49. Vgl. Correia, S. 6.
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unbekanntem Ausmaß. Identische Produkte könnten zu unterschiedlichen Preisen an unterschiedliche Abnehmer verkauft werden, wobei diese Preise sich nicht an den tatsächlichen Produktionskosten orientieren würden, sondern an der Zahlungsfähigkeit und -willigkeit des jeweiligen Abnehmers. Im Bereich des Business-to-Consumer-Handels ist diese Entwicklung – in der Öffentlichkeit bislang kaum diskutiert – schon Wirklichkeit. Der Internet-Buchhändler Amazon.com experimentierte im Herbst 2000 mit Preisdiskriminierung bei Angeboten für DVDs. Besuchte ein Kunde die Amazon.com-Seite, wurden ihm Angebote für DVDs gezeigt. Kaufte der Kunde nichts, so wurden die angebotenen Preise verändert und dem Kunden bei weiteren Besuchen auf der Amazon-Seite gezeigt (die Software identifiziert den Kunden, der einmal den Service genutzt hat). Wenn der Kunde bei einem bestimmten Preis bestellte, wurde diese Information gespeichert und zukünftige Angebote darauf abgestimmt. Demjenigen, der einmal einen relativ hohen Preis für eine DVD bezahlt hatte, sollten auch zukünftig nur noch teure DVDs angeboten werden, während einem anderen Kunden, der zu einem günstigeren Preis gekauft hatte, die gleichen Produkte billiger offeriert werden sollten.521 Elektronische B2B-Marktplätze finanzieren sich überwiegend durch transaktionsabhängige Gebühren, teilweise kombiniert mit transaktionsunabhängigen Beiträgen, die die Nutzer entrichten müssen. Marktstarke Nutzer, deren Teilnahme am Handel für den Erfolg eines bestimmten Marktplatzes wichtig ist, könnten mit Sonderkonditionen an diesen gebunden werden. Insbesondere Unternehmen, die einen virtuellen Handelsplatz gegründet haben und selbst nutzen, könnten sich von vornherein Wettbewerbsvorteile verschaffen, indem sie sich selbst und wichtigen Geschäftspartnern günstigere Gebühren berechnen als ihren Wettbewerbern. Vor diesem Hintergrund könnte sich die von Befürwortern eines ausgedehnten Internethandels gern angeführte Chancengleichheit für kleinere Unternehmen als illusorisch erweisen.522 Die einzige Vorschrift des US-Kartellrechts, die sich direkt mit Preisdiskriminierungen befasst, ist § 2 Clayton Act, der auch als Robinson-Patman 521
Vgl. Wessel, How Technology Tailors Price Tags, Wall St. J., June 21, 2001, abrufbar unter http://www.law. upenn.edu/fac/pwagner/law619/f2001/week14/com petition1_new_tech.html (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). Nach Protesten von Verbrauchern beendete Amazon diese Praxis wieder. Die von der Verfasserin befragten Experten bestätigten, dass die gängige Marktplatzsoftware die Möglichkeit der Preisdiskriminierung bietet und diese in der Praxis auch genutzt wird. 522 Denkbar ist auch, dass die angeschlossenen Nutzer ihren Kunden unterschiedliche Preise und Konditionen für die gehandelten Waren in Rechnung stellen. Dies ist jedoch kein Problem der Nutzungsbedingungen von elektronischen Marktplätzen und deshalb nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung.
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Act bezeichnet wird.523 Die Norm verbietet wettbewerbsbeschränkende Preisdiskriminierungen beim Verkauf von Verbrauchsgütern (commodities): (a) It shall be unlawful for any person engaged in commerce, in the course of such commerce, either directly or indirectly, to discriminate in price between different purchasers of commodities of like grade and quality . . ., where such commodities are sold for use, consumption, or resale within the United States . . ., and where the effect of such discrimination may be substantially to lessen competition or tend to create a monopoly . . ., or to injure, destroy, or prevent competition with any person who either grants or knowingly receives the benefit of such discrimination, or with customers of either of them [. . .].
Auf die diskriminierende Ausgestaltung von Transaktionskosten und Teilnehmergebühren auf elektronischen Marktplätzen ist der Robinson-Patman Act jedoch nicht anwendbar, da es sich bei den von B2Bs erbrachten Dienstleistungen schon nicht um den Verkauf von Verbrauchsgütern handelt. Eine Pflicht zur Gleichbehandlung aller Marktplatznutzer bei der Gebührenberechnung folgt auch nicht etwa aus eventuell bestehenden Pflichten zur Zulassung interessierter Unternehmen, die sich aus der essential facilities Doktrin oder den Grundsätzen zur kollektiven Geschäftsverweigerung ergeben könnten. Auch wenn diesbezüglich viele Einzelheiten noch ungeklärt sind, lässt sich festhalten, dass das Fordern höherer Nutzungsentgelte von den Teilnehmern, die die notwendigen Investitionen und das Gründungsrisiko des B2B-Handelsplatzes nicht mitgetragen haben, erlaubt ist.524 Die den neu zugelassenen Teilnehmern berechneten Entgelte müssen jedoch mit denen, die von den bereits vorhandenen Nutzern verlangt werden, vergleichbar sein.525 3. Treuerabatte (Fidelity Rebates) Ein kontrovers diskutiertes Thema ist die Gewährung von Treuerabatten durch marktbeherrschende Unternehmen. Treuerabatte sind Preisnachlässe für Kunden, die alle oder einen bestimmten Teil der von ihnen benötigten Güter bei einem Unternehmen einkaufen. Grundsätzlich sind Preissenkungen in einer Marktwirtschaft positiv zu beurteilen. Rabattsysteme können jedoch so ausgestaltet sein, dass sie einen Anreiz für die Kunden schaffen, ausschließlich mit dem Unternehmen Geschäfte zu tätigen, das sie anbietet. Auch dies ist eine normale Erscheinungsform des Wettbewerbs auf freien 523 Dies ist der Name des Änderungsgesetzes, durch den § 2 Clayton Act 1936 neu gefasst wurde. 524 Correia, S. 6. 525 Vgl. dazu Areeda, Antitrust L.J. 841, 844 (1990): the collaborators must admit rivals on relatively equal terms.
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Märkten und in den meisten Fällen unbedenklich. Fraglich ist jedoch, ob dies auch für Treuerabattsysteme von Unternehmen gilt, die ohnehin marktbeherrschend sind. Diese könnten sich möglicherweise negativ auf die Struktur des Marktes auswirken. Diese Problematik bezieht sich insbesondere auf die Gestaltung der Transaktionspreise von Internetplattformen, die von einem Unternehmen gegründet wurden. Aber auch für B2Bs, die als joint venture betrieben werden, könnte sie relevant werden, wenn sie auf dem Markt für elektronische Marktplätze als eine Einheit (single entity) auftreten würden, so dass sie als Monopolist nach § 2 Sherman Act betrachtet werden müssten.526 a) Rechtsverstoß nur bei Unterkostenverkäufen Die US-Kartellbehörden stufen Preisnachlässe grundsätzlich als wettbewerbsfördernd ein. Betreibt ein marktbeherrschendes Unternehmen ein Treuerabattsystem, so werden die daraus resultierenden, niedrigeren Preise als Annäherung an das Preisniveau interpretiert, welches sich bei idealen Wettbewerbsbedingungen herausbilden würde.527 Sofern es sich bei den angebotenen Preisen nicht um Unterkostenverkäufe handelt, werden die USKartellbehörden im Allgemeinen nicht eingreifen.528 Dies ist auf ihr Verständnis zurückzuführen, wonach die Anwendung der Kartellrechtsregeln dem Ziel diene, die Konsumentenwohlfahrt zu steigern (consumer welfare approach).529 Dieser Linie folgte beispielsweise das Berufungsgericht des zweiten Circuit in der Sache Virgin Atlantic v. British Airways, in der es um ein Kommissionssystem für Reisebüros ging530. Die Fluggesellschaft British Airways (BA), die der größte Nachfrager auf dem britischen Markt für Flugticketvermittlungsdienste durch Reisebüros war, hatte den Vermittlern als Verkaufsanreiz Sonderkommissionen angeboten, sofern sie mindestens so viele BA-Flugtickets wie in einem von BA festgelegten Referenzzeitraum verkauften. Referenzzeitraum war ursprünglich das jeweils abgelaufene Geschäftsjahr, ab 1998 der jeweilige Vormonat. Hatte ein Reisebüro die ihm gemachte Vorgabe überschritten, so wurde der Rabatt auf alle bis dahin ver526 Vgl. Piraino, 44 Wm. & Mary L. Rev. 65, 156 (2002), der dafür einen Marktanteil von mehr als 70 Prozent fordert. Zur Unterscheidung zwischen single und multiple entity treament von joint ventures Piraino, a. a. O., 134 ff. 527 Kolasky, S. 7. 528 Facey/Assaf, 70 Antitrust L.J. 513, 550 f. (2002); Kolasky, S. 7. 529 Facey/Assaf, 70 Antitrust L.J. 513, 527 f. (2002). 530 Virgin Atlantic Airways LTD v. British Airways PLC, 257 F.3d 256 (2d Cir. 2001).
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kauften BA-Flugscheine angewandt. Die mit BA konkurrierende Fluglinie Virgin Atlantic wandte sich gegen dieses Kommissionssystem, das ihrer Auffassung nach dazu führte, dass weniger Tickets für die von ihr durchgeführten Flüge verkauft wurden. In dem für die Beurteilung relevanten Zeitraum wurden 85 Prozent aller in Großbritannien verkauften Flugtickets durch Reisebüros vermittelt. Vor US-Gerichten konnte Virgin Atlantic mit ihrer Beschwerde jedoch nicht durchdringen, da es der Fluggesellschaft nicht gelungen sei zu belegen, dass das von ihr kritisierte System zum Verkauf von Flugtickets unter Kosten geführt hätte.531 Auch das Berufungsgericht für den neunten Circuit gelangte in dem 2007 entschiedenen Fall Cascade Health Solutions v. PeaceHealth zu dem Ergebnis, dass ein von einem marktbeherrschenden Unternehmen betriebenes Rabattsystem, welches die Höhe der dem Abnehmer angebotenen Preisnachlässe vom Bezug mehrerer Produkte abhängig macht (sog. bundling), nur gegen das Verbot des § 2 Sherman Act verstößt, wenn die Rabatte zu Verkaufspreisen führen, die unter den durchschnittlichen variablen Herstellungskosten des Anbieters liegen.532 Der Fall betraf Rabatte, die ein Krankenhausträger mit Marktanteilen zwischen 75% und über 90% verschiedenen Krankenversicherungen dafür gewährte, dass die Versicherungen nur die Kliniken des Trägers als sog. preferred provider in ihr Programm aufnahmen. Der Träger bot in seinen Krankenhäusern drei verschiedene Arten von Gesundheitsdienstleistungen an, von denen zwei auch von einer konkurrierenden Klinik angeboten wurden. Er gewährte den Versicherungen besonders günstige Preise, wenn sie sich verpflichteten, seine Häuser als bevorzugte Dienstleister für alle drei Leistungen aufzunehmen und der konkurrierenden Klinik für die beiden von ihr offerierten Leistungen keinen bevorzugten Status einzuräumen. Um zu berechnen, ob die durchschnittlichen variablen Herstellungskosten unterschritten werden, ist dem Berufungsgericht zufolge der gesamte Betrag des auf das Produktpaket gewährten Rabatts dem oder den Produkten aus dem Paket zuzurechnen, die im Wettbewerb mit anderen Produkten stehen. Wenn der so errechnete Preis des Produkts, welches mit anderen Erzeugnis531
Mit dieser Begründung wurde der auf die zweite Tatbestandsalternative des § 2 Sherman Act (attempted monopolization) gestützte Teil der Klage abgewiesen, vgl. Virgin Atlantic Airways Ltd. v. British Airways PLC, 257 F.3d 256 (2d Cir. 2001). Die fast inhaltsgleiche Beschwerde der Fluggesellschaft in der Europäischen Union führte dort zum gegenteiligen Ergebnis, vgl. Komm., E. vom 14. Juli 1999, Sache IV/34.780 (Virgin/British Airways), ABl.EG 2000 Nr. L 30/1 ff.; bestätigt durch EuG, Urt. v. 17. Dez. 2003, Rs. T-219/99 (British Airways/Komm.), Slg. 2003 II-5917 ff. Ausführlich zu Treuerabatten im europäischen Kartellrecht unten Dritter Abschnitt, § 7, II.1. 532 Cascade Health Solutions v. PeaceHealth, 2007 WL 2473229 (9th Cir. 2007).
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sen konkurriert, unter den durchschnittlichen variablen Herstellungskosten des Anbieters für dieses Produkt liegt, kann das Rabattsystem eine von § 2 Sherman Act verbotene Ausschließlichkeitswirkung entfalten.533 Mit dieser Entscheidung wich das Berufungsgericht für den neunten Circuit bewusst von der Rechtsprechung des Berufungsgerichts für den dritten Circuit zu dieser Thematik ab.534 b) Untersuchung auf Ausschließlichkeitswirkung Dieser Ansatz der Kartellbehörden und einiger Gerichte ist indes nicht unumstritten. Im Schrifttum finden sich auch kritische Stimmen, die eine genauere Untersuchung von Preisnachlässen und Verkaufsanreizen fordern, die durch marktbeherrschende Unternehmen gewährt werden. So seien bestimmte Rabattsysteme mit Exklusivbindungen vergleichbar, d.h. mit Verträgen, in denen ein Abnehmer sich verpflichtet, seinen gesamten Bedarf an einer bestimmten Ware nur bei einem Anbieter zu decken. Bei solchen Verträgen handelt es sich um vertikale Vereinbarungen, die sich nicht auf Preise beziehen. Sie sind anhand der rule of reason zu analysieren.535 Das Ziel solcher Exklusivbindungen sei auch durch die Gewährung von Rabatten erreichbar, etwa wenn Käufer, die einen bestimmten Anteil der von ihnen benötigten Produkte von einem Abnehmer beziehen, Preisnachlässe erhalten.536 Beispielsweise sei an ein marktstarkes Unternehmen zu denken, welches allen Abnehmern, die mindestens siebzig Prozent ihres Bedarfs an den von ihm angebotenen Produkt bei ihm decken, einen Preisnachlass gewährt. Wenn dieser Rabatt sich nicht nur auf die nach Erreichen der Verkaufsvorgabe zusätzlich bestellten Produkte beziehen würde, sondern auf alle im Referenzzeitraum gekauften Produkte, könnte er das Einkaufsverhal533 [. . .] as our cost-based rule, we adopt what amici refer to as a „discount attribution“ standard. Under this standard, the full amount of the discounts given by the defendant on the bundle are allocated to the competitive product or products. If the resulting price of the competitive product or products is below the defendant’s incremental cost to produce them, the trier of fact may find that the bundled discount is exclusionary for the purpose of § 2. This standard makes the defendant’s bundled discounts legal unless the discounts have the potential to exclude a hypothetical equally efficient producer of the competitive product. Cascade Health Solutions v. PeaceHealth, 2007 WL 2473229 (9th Cir. 2007). 534 Zur Rechtsprechung des Berufungsgerichts für den dritten Circuit sogleich unter b). 535 Continental TV, Inc. v. GTE Sylvania Inc., 433 U.S. 36 (1977). 536 Vgl. Areeda/Hovenkamp, Antitrust Law, Bd. IIIA, § 768b2 (S. 148): [U]nilaterally imposed quantity discounts can foreclose the opportunities of rivals when a dealer can obtain its best discount only by dealing exclusively with the dominant firm); Tom/Balto/Averitt, 67 Antitrust L.J. 615, 627 ff. (2000).
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ten der Abnehmer entscheidend beeinflussen. Denn der Abnehmer würde den Rabatt auf seine gesamten bis dahin getätigten Einkäufe verlieren, wenn er nicht die zum Erreichen der 70-Prozent-Schwelle notwendigen zusätzlichen Einheiten kauft.537 Durch die Anwendung eines solchen Rabattsystems könne ein dominantes Unternehmen seine Abnehmer dazu bewegen, ihre Waren ausschließlich bei ihm zu beziehen. Deshalb sei auch in solchen Fällen eine rule of reason-Analyse angebracht, in die auch mögliche Effizienzgewinne einzubeziehen seien, die solche Geschäftspraktiken rechtfertigen könnten.538 In diese Richtung argumentierte das Berufungsgericht für den dritten Circuit in der Sache LePage’s v. 3M, in der es um die Frage der Vereinbarkeit von durch beherrschende Unternehmen gewährten Preisnachlässen mit § 2 Sherman Act ging.539 Das beklagte Unternehmen ist der Hersteller von transparentem Klebeband der Marke „Scotch“. Bis zum Anfang der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts verfügte 3M über Marktanteile von mehr als 90 Prozent. Zu diesem Zeitpunkt begannen große Einzelhandelsketten damit, Klebeband unter dem Namen ihrer eigenen Handelsmarken zu verkaufen, welches sie von Herstellern wie LePage’s fertigen ließen. Auf diesem Markt für Handelsmarken-Klebeband erreichte LePage’s hohe Marktanteile. Der Wettbewerb durch das billigere Handelsmarken-Klebeband führte zu Umsatzeinbußen bei dem Klebeband der Marke „Scotch“. Daraufhin bot 3M seinen Großkunden ein Rabattsystem an, welches an die Verkäufe von 3M-Produkten in sechs verschiedenen Produktlinien anknüpfte, die so unterschiedliche Bereiche wie Heimwerkerbedarf, Autozubehör, Gesundheitsartikel und Schreibwaren umfassten.540 Jedem Kunden wurden spezifische Zielvorgaben für jede Produktlinie gemacht. Die Anzahl der erreichten Vorgaben bestimmte über den Rabatt, der dann auf alle Käufe gewährt und erst nach Ende des Geschäftsjahrs gezahlt wurde. Wenn ein Kunde in einer bestimmten Produktlinie das vorgegebene Ziel verfehlte, erhielt er in dieser keinerlei Preisnachlässe. Gegen diese Praktiken klagte LePage’s. In dem Prozess vor einem Bezirksgericht im dritten Circuit sah die Jury es als erwiesen an, dass 3M durch Monopolisierung und versuchte Monopolisierung gegen § 2 Sherman Act verstoßen hatte, und verurteilte 537
Tom/Balto/Averitt, 67 Antitrust L.J. 615, 627 ff. (2000). Tom/Balto/Averitt, 67 Antitrust L.J. 615, 629 (2000). 539 LePage’s, Inc., v. 3M, 277 F.3d 365 (3rd Cir. 2002); aufgehoben durch en banc-Entscheidung, 324 F.3d 141 (3rd Cir. 2003), cert. denied, 542 U.S. 953 (2004). Inzwischen hat das Berufungsgericht für den dritten Circuit seine Entscheidung in LePage’s in einem ähnlich gelagerten Fall bestätigt, vgl. United States v. Dentsply Int’l, Inc., 399 F.3d 181, 187 (3rd Cir. 2005). 540 Die Produktlinien sind: Health Care, Home Care, Home Improvement, Stationery, Retail Auto und Leisure Time Products. 538
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3M zu dreifachem Schadenersatz in Höhe von ca. 68 Millionen US-Dollar. In der anschließenden Berufung entschied eine Kammer des Berufungsgerichts für den dritten Circuit dagegen zugunsten des Beklagten. Das Gericht gab jedoch dem Antrag von LePage’s auf eine erneute Verhandlung vor den versammelten Richtern (sog. rehearing en banc) statt, die das ursprüngliche Jury-Urteil bestätigte. Gegen sämtliche Vorwürfe hatte sich 3M mit dem Argument verteidigt, sein Verhalten sei erlaubt gewesen, da das Unternehmen niemals Unterkostenverkäufe getätigt habe. Der U.S. Supreme Court habe 1993 in Brooke Group541 entschieden, dass ein Monopolist nicht gegen § 2 Sherman Act verstoßen könne, unabhängig davon, wie er sich auf dem Markt verhalte, solange er seine Produkte über Kosten verkaufe. Dementsprechend liege kein Rechtsverstoß vor.542 Dem folgte das Berufungsgericht jedoch nicht. In Brooke Group sei es um Kampfpreisunterbietung (predatory pricing) gegangen. Nichts in der Entscheidung weise darauf hin, dass die dort geführte Diskussion über Unterkostenverkäufe auf einen Monopolisten mit unbegrenzter Marktmacht anwendbar sei.543 3M sei ein Monopolist, und einem Unternehmen mit Monopolstellung stehe es nicht frei, bestimmte Handlungen vorzunehmen, die ein Unternehmen auf einem Markt vornehmen dürfe, auf dem funktionierender Wettbewerb herrsche (oder der eine oligopolistische Struktur aufweise), da das Verhalten eines Monopolisten keinem Wettbewerbsdruck ausgesetzt sei.544 Das von 3M angewendete System der Bündelung von Rabatten quer durch verschiedene Produktlinien sei mit Koppelungsgeschäften (tying) vergleichbar und habe sich nicht nur negativ auf LePage’s ausgewirkt, sondern auf den Wettbewerb als solches. Auch ein Vorteil für die Verbraucher sei nicht erkennbar gewesen, da die erst nach Abschluss des Geschäftsjahres ausgezahlten Preisnachlässe nicht an diese weitergegeben worden seien. 3M habe auch keine legitimen geschäftlichen Gründe für sein Verhalten angeführt. Am Ende seiner Entscheidungsgründe äußerte sich das Berufungsgericht zur Funktion von § 2 Sherman Act, die darin liege, Unternehmen mit Monopolstellung in Schach zu halten.545 Als Reaktion auf dieses Urteil 541
Brooke Group, Ltd. v. Brown & Williamson Tobacco Corp., 509 U.S. 209 (1993). 542 324 F.3d 141, 144. 543 324 F.3d 141, 151 f. 544 Moreover, LePage’s, unlike the plaintiff in Brooke Group, does not make a predatory pricing claim. 3M is a monopolist; a monopolist is not free to take certain actions that a company in a competitive (or even oligopolistic) market may take, because there is no market constraint on a monopolist’s behavior. 324 F.3d 141, 151 f. Für diese Feststellung berief sich das Gericht auf das Urteil des U.S. Supreme Court in der Sache Aspen Skiing Co. v. Aspen Highlands Skiing Corp., 472 U.S. 585, 601–604 (1985).
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wandte sich 3M an den U.S. Supreme Court, der den Fall jedoch nicht zur Entscheidung annahm.546 c) Stellungnahme Der von den US-Kartellbehörden und Teilen der Rechtsprechung favorisierte Ansatz547, die Entscheidung des U.S. Supreme Court in Brooke Group dahingehend auszulegen, dass ein marktbeherrschendes Unternehmen nicht gegen § 2 Sherman Act verstoßen könne, solange es keine Unterkostenverkäufe tätigt, hat den Charme einer einfachen Lösung. Eine weiter gehende Untersuchung, ob Brooke Group tatsächlich so auszulegen ist, würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Fest steht jedenfalls, dass namhafte Vertreter des Schrifttums, unter ihnen langjährige Mitarbeiter der FTC, und Teile der Rechtsprechung nicht dieser Ansicht sind.548 Gegen eine solch weite Auslegung spricht ebenfalls, dass der U.S. Supreme Court selbst dieses Urteil bislang überhaupt nur ein Mal in einem Kartellrechtsfall zitiert hat.549 Fraglich ist, ob die Annahme eines „sicheren Hafens“ für sämtliche Rabattsysteme von Monopolisten, die nicht zu Unterkostenverkäufen führen, unter Verzicht auf jegliche Untersuchung der Marktbedingungen, gerechtfertigt wäre. Die Befürchtung, dass schon die Möglichkeit eines Verstoßes gegen § 2 Sherman Act marktmächtige Unternehmen von wettbewerbsfördernden Preissenkungen abhalten könnte, erscheint übertrieben. Unternehmen gehen joint ventures ein, obwohl diese anhand der rule of reason nach § 1 Sherman Act beurteilt werden. Sicherlich kommt in einer Marktwirtschaft 545 Section 2, the provision of the antitrust laws designed to curb the excesses of monopolists and near-monopolists, is the equivalent in our economic sphere of the guarantees of free and unhampered elections in the political sphere. Just as democracy can thrive only in a free political system unhindered by outside forces, so also can market capitalism survive only if those with market power are kept in check. 324 F.3d 141, 169. 546 Mit Entscheidung vom 30. Juni 2004 lehnte der U.S. Supreme Court die sog. petition for writ of certiorari von 3M ab, vgl. http://www.supremecourtus.gov/ docket/02-1865.htm (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 547 Für eine negative Stellungnahme zu LePage’s aus der Rechtsprechung vgl. die Ausführungen des Berufungsgerichts für den neunten Circuit in Cascade Health Solutions v. PeaceHealth, 2007 WL 2473229 (9th Cir. 2007) sowie des Bezirksgerichts für den Southern District of Ohio in J.B.D.L. Corp. v. Wyeth-Ayerst Laboratories, Inc., 2005 WL 1396940 (S.D. Ohio 2005). 548 Für positive Stellungnahmen aus dem Schrifttum Lambert, 89 Minn. L. Rev. 1688 (2005); Lehman, 27 Cardozo L. Rev. 343 (2005). 549 Insgesamt hat der U.S. Supreme Court Brooke Group in vier Fällen zitiert. Bei drei von diesen handelte es sich jedoch nicht um Kartellrechtsfälle. Vgl. 324 F.3d, 141, 152.
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gerade den Preisen eine hohe Bedeutung zu. Jedoch steht auch marktmächtigen Unternehmen im US-Kartellrecht unstreitig die Möglichkeit offen, ihren Kunden Mengenrabatte zu gewähren.550 Treuerabatte haben jedoch nicht immer die gleichen Wirkungen im Markt wie reine Mengenrabatte. Sie können bei entsprechender Ausgestaltung zu ähnlichen Ergebnissen führen wie vertikale Ausschließlichkeitsbindungen. Letztere sind anhand der rule of reason zu beurteilen. Wenn ein Rabattsystem eines dominanten Unternehmens zur selben Wirkung im Markt führt, so sollte es auch anhand desselben Maßstabs, nämlich der rule of reason, beurteilt werden. Eine solche Regelung wäre für Unternehmen auch praktikabel, da die rule of reason bereits seit 1977 auf vertikale Ausschließlichkeitsbindungen angewendet wird. Die Rechtsberater der betroffenen Unternehmen hätten folglich wohl keine Schwierigkeiten damit, ihre preissenkungswilligen Mandanten so zu beraten, dass ein Kartellrechtsverstoß vermieden werden kann. Für die Gestaltung der Transaktionsgebühren durch marktmächtige B2B-Internetplattformen bedeutet dies, dass sie Mengenrabatte gewähren dürfen. Ob in diesem Fall Treuerabatte erlaubt sind, die die Marktplatznutzer möglichst ausschließlich an die ohnehin beherrschende Plattform binden sollen, ist nicht endgültig geklärt. Im Ergebnis ist dies jedoch abzulehnen. Neben den bereits genannten Argumenten spricht dafür auch der auf dem Markt für B2B-Vermittlungsleistungen zu fördernde Inter-Systemwettbewerb. Wie bereits ausführlich erörtert, sind mögliche Zugangsansprüche außenstehender Unternehmen zu dominanten Internetplattformen nur unter engen Voraussetzungen anzuerkennen, um den Wettbewerb zwischen verschiedenen Plattformen nicht auszuschalten. Dann ist es jedoch nur folgerichtig, den wünschenswerten Inter-Systemwettbewerb nicht dadurch zu behindern, dass man dominanten Plattformen gestattet, ihre Nutzer mit Treuerabatten an sich zu binden. Insofern wäre eine strenge kartellrechtliche Beurteilung von Treuerabatten die Kehrseite einer engen Auslegung möglicher Ansprüche auf Zugang zu beherrschenden B2B-Plattformen.
550
So ausdrücklich das Gericht in LePage’s, 324 F.3d 141 ff.
Dritter Abschnitt
Die Behandlung elektronischer Marktplätze im europäischen Kartellrecht In Europa begann die Auseinandersetzung mit dem B2B-Phänomen nur kurze Zeit später als in den USA. Bereits im Juli 2000 veröffentlichte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften ihre erste Entscheidung über die Freigabe eines Internetmarktplatzes. Es handelte sich um die Gründung von emaro, einem Gemeinschaftsunternehmen von Deutscher Bank und SAP, welches einen virtuellen Handelsplatz zum Verkauf von Büroausstattung an Unternehmenskunden aufbauen und betreiben sollte.1 Seitdem hat die Kommission die Gründung zahlreicher elektronischer Marktplätze untersucht.2 Bislang wurden diesbezügliche Vorhaben nicht beanstandet. Wegen der ökonomischen Gründe für die Entwicklung von B2B-Internetplattformen und ihrer Ausgestaltung ist auf die Abschnitte zum US-antitrust law zu verweisen.3
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Komm. vom 13. Juli 2000, Fall Nr. COMP/M.2027 – Deutsche Bank/SAP/JV (emaro), abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/competition/mergers/cases/deci sions/m2027_de.pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 2 So die B2B-Marktplätze Volbroker, vgl. Pressemitteilung der Kommission vom 31. Juli 2000, IP/00/896; MyAircraft, vgl. Komm. vom 4. Aug. 2000, Fall Nr. COMP/M.1969 – UTC/Honeywell/i2/MyAircraft.com; Cofunds, vgl. Komm. vom 1. Sept. 2000, Fall Nr. COMP/M.2075 – Newhouse/Jupiter/Scudder/M&G/JV; ec4ec, vgl. Komm. vom 7. Nov. 2000, Fall Nr. COMP/M.2172 – Babcock Borsig, MG Technologies/SAP Markets/ec4ec; Supralift, vgl. Komm. vom 25. April 2001, Fall Nr. COMP/M.2398 – Linde/Jungheinrich/JV; Covisint, vgl. Pressemitteilung der Kommission vom 31. Juli 2001, IP/01/1155; Eutilia und Endorsia, vgl. Pressemitteilung der Kommission vom 10. Dez. 2001, IP/01/1775; Inreon, vgl. Pressemitteilung der Kommission vom 24.5.2002, IP/02/761; Centradia, vgl. Pressemitteilung der Kommission vom 27. Juni 2002, IP/02/943; WRE, vgl. Komm. vom 16. Mai 2003, Fall Nr. COMP/M.3101 – Accor/Hilton/Six Continents/JV; Steel 24-7, vgl. Komm. vom 16. Feb. 2004, Fall Nr. COMP/M.3334 – Arcelor/ThyssenKrupp/Steel 24-7. Für eine B2C-Plattform vgl. Bekanntmachung nach Art. 19 Abs. 3 der VO 17, Sache COMP/38.006 – Online Travel Portal, ABl.EG 2001 Nr. C 323, 6 zum Reiseportal Opodo. 3 Dies sind insbesondere der gesamte erste Abschnitt sowie im zweiten Abschnitt § 4, I. (erhöhte Markttransparenz), § 5 vor I. (monopsony power) und § 6, I. (Netzeffekte).
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§ 1 Relevante Normen des europäischen Kartellrechts Bereits im Rahmen der Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens, welches eine Internetplattform aufbauen und betreiben soll, kann die Kartellkontrolle nach Art. 81 EG eingreifen. Die Gründung kann jedoch auch einen Zusammenschluss i. S. d. Art. 3 FKVO darstellen. Sind die Umsatzschwellen des Art. 1 FKVO überschritten, ist das EG-Fusionskontrollrecht anwendbar. Der Anwendungsbereich des Art. 82 EG wäre dagegen erst eröffnet, wenn ein B2B-Marktplatz eine beherrschende Stellung auf dem Gemeinsamen Markt erreicht hätte und diese missbräuchlich ausnutzen würde.
I. Art. 81 EG Art. 81 EG enthält ein umfassendes Verbot sämtlicher kooperativer und kollusiver Wettbewerbsbeschränkungen. Absatz 1 der Vorschrift erklärt alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken, für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt und verboten. Erfasst werden sowohl horizontale Vereinbarungen (zwischen Wettbewerbern) als auch vertikale Vereinbarungen (etwa zwischen Hersteller und Abnehmer). Der zweite Absatz der Norm erklärt alle gegen das Verbot verstoßenden Vereinbarungen und Beschlüsse für nichtig. Art. 81 Abs. 3 EG sieht die Möglichkeit vor, das in Art. 81 Abs. 1 EG enthaltene Verbot ausnahmsweise für nicht anwendbar zu erklären, wenn eine Verhaltenskonzertierung spürbare objektive Vorteile gesamtwirtschaftlicher Art mit sich bringt, welche die mit ihr verbundenen Nachteile für den Wettbewerb zumindest ausgleichen.4 Den drei in Art. 81 Abs. 1 EG genannten Mitteln der Wettbewerbsbeschränkung ist gemeinsam, dass sie geeignet sind, zwischen den beteiligten Unternehmen die Ungewissheiten über ihr zukünftiges Verhalten im Wettbewerb auszuschalten.5 Eine Vereinbarung liegt vor, wenn die beteiligten Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten.6 Beschlüsse 4 Vgl. Formulierung des EuGH in Urt. v. 13. Juli 1966, verb. Rs. 56 u. 58/64 (Consten und Grundig), Slg. 1966, 321, 396 f. 5 Mestmäcker/Schweitzer, § 9 Rn. 1. 6 Grundlegend EuGH, Urt. vom 15. Juli 1970, Rs. 41/69 (ACF Chemiefarma/ Komm), Slg. 1970, 661, 696 (Tz. 110/114). Unerheblich ist, ob die Unternehmen sich rechtlich, tatsächlich oder moralisch für verpflichtet hielten, sich absprache-
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im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG sind alle Akte, durch die eine Unternehmensvereinigung ihren Willen bildet.7 Dagegen ist eine abgestimmte Verhaltensweise gekennzeichnet durch jede Form der Koordinierung des wettbewerbsrelevanten Verhaltens zwischen Unternehmen, die zwar noch nicht bis zum Abschluss eines Vertrages im eigentlichen Sinne – also bis zu einer nach außen in Erscheinung tretenden Willensübereinstimmung – gediehen ist, jedoch bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lässt.8 Vor dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1/20039 am 1. Mai 2004 war die wirksame Freistellung einer vom Kartellverbot erfassten Verhaltenskonzertierung von einer Entscheidung der Kommission als Verwaltungsbehörde abhängig.10 Durch die VO Nr. 1/2003 fand jedoch ein Systemwechsel von einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt11 zu einer Legalausnahme statt. Gemäß Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 1/2003 sind Vereinbarungen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG, die zugleich die Voraussetzungen von Absatz 3 erfüllen, nunmehr freigestellt, ohne dass dies einer vorherigen administrativen Entscheidung bedarf. Die Beurteilung einer Vereinbarung, eines Beschlusses oder einer abgestimmten Verhaltensweise anhand des Art. 81 EG hat also in zwei Stufen zu erfolgen: In einem ersten Schritt wird geprüft, ob die Verhaltenskonzertierung, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen kann, einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgt oder wettbewerbswidrige Auswirkungen hat. Nur wenn diese Frage bejaht wird, werden in einem zweiten Schritt die sich aus der Verhaltenskonzertierung ergebenden wettbewerbsfördernden Wirkungen ermittelt und es wird untersucht, ob diese gegebenenfalls die gemäß zu verhalten, wenn eine Willensübereinstimmung vorliegt, Mestmäcker/ Schweitzer, § 9 Rn. 3 ff. 7 Emmerich in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 81 Abs. 1 EGV, A., Rn. 89; Mestmäcker/Schweitzer, § 9 Rn. 10. 8 EuGH, Urt. vom 31 März 1993, verb Rs. C-89/85, 104/84, 114/85, 116 u. 117/85, 125-129/85 (Ahlström Osakeyhtiö u. a./Komm.), Slg. 1993, I-1307, 1599 (Tz. 63) („Zellstoff“); Urt. vom 16. Dez. 1975, verb. Rs. 40–48, 50, 54–56, 111, 113 u. 114/73 (Suiker Unie u. a./Komm.), Slg 1975, 1663, 1942 (Tz. 26); Urt. v. 14. Juli 1972, Rs. 48/69 (ICI/Komm.), Slg. 1972, 619, 658 (Tz. 64). 9 Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrages niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl.EG (2003) Nr. L 1, 1. 10 Vgl. Artt. 6–9 der Verordnung (EWG) Nr. 17/1962 des Rates: Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages, ABL.EWG Nr. P 13, 204. 11 Für ein Verständnis des Art. 85 EWG als Verbot mit Erlaubnisvorbehalt Gleiss/ Hirsch, Art. 85 Abs. 3 Rn. 1779; Bunte in: Langen/Bunte, Bd. 2, Art. 81 – Generelle Prinzipien, Rn. 146; Ellger in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 81 Abs. 3 EGV, A., Rn. 14.
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wettbewerbswidrigen Auswirkungen aufwiegen.12 Diese Abwägung von wettbewerbsfördernden und wettbewerbswidrigen Auswirkungen findet – im Unterschied zur rule of reason-Analyse im Rahmen von Section 1 Sherman Act13 – nicht bereits auf der Ebene des Tatbestandes des Art. 81 Abs. 1 EG, sondern ausschließlich im Rahmen von Art. 81 Abs. 3 EG statt.14 Der erste große B2B-Marktplatz, der nach Artikel 81 EG-Vertrag geprüft wurde, war die durch Ford, DaimlerChrysler, General Motors, Renault und Nissan als Gemeinschaftsunternehmen gegründete Plattform Covisint.15 Das Covisint-Projekt stellte keinen Zusammenschluss i. S. d. Fusionskontrollverordnung (FKVO) dar, da die Gründerunternehmen das neue Unternehmen weder allein noch gemeinsam kontrollierten.16 Aus demselben Grund war die Gründung von Eutilia, einem Gemeinschaftsunternehmen von elf europäischen Energieversorgern, das B2BDienstleistungen zur Beschaffung von Waren und Dienstleistungen für diese Branche anbietet, anhand des Maßstabs von Art. 81 EG zu untersuchen.17 Da die Mutterunternehmen jeweils Anteile zwischen 8,5 bis 9,8% an Eutilia halten, übt keine Partei die Kontrolle über das Portal i. S. d. FKVO aus.18 Der Marktplatz steht allen Interessenten offen, sieht keine exklusive Nutzung vor und verfügt über diverse Datenschutzvorkehrungen; deshalb wurde er von der Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission in einem Verwaltungsschreiben für unbedenklich erklärt.19 Auch Inreon, die Online-Handelsplattform für Rückversicherungsgeschäfte zwischen Unternehmen, die u. a. von den Mutterunternehmen Schweizer Rück und Münchener Rück gegründet wurde20, sowie Centradia, die Multi-Banken-Plattform für Devisengeschäfte21, wurden nach Art. 81 12 Vgl. Bekanntmachung der Kommission – Leitlinien zur Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag, ABl.EG 2004 Nr. C 101, 97, 98 (Tz.. 11). 13 Dazu ausführlich oben Zweiter Abschnitt, § 1, I.1. 14 EuG, Urt. vom 18. Sept. 2001, Rs. T-112/99 [Métropole télévision (M6)], Slg. 2001, II-2459 (Tz. 74), WuW EU-R 469. 15 Pressemitteilung der Kommission vom 31. Juli 2001, IP/01/1155 (Covisint), abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/competition/press_releases/ (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 16 Zum Zusammenschlusstatbestand i. S. d. FKVO sogleich unter III. 17 Vgl. Pressemitteilung der Kommission vom 10. Dez. 2001, IP/01/1775 (Eutilia und Endorsia), abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/competition/press_releases/ (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 18 Pressemitteilung der Kommission v. 10. Dez. 2001, IP/01/1775. 19 A. a. O. 20 Pressemitteilung der Kommission vom 24. Mai 2002, IP/02/761 (Inreon), abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/competition/press_releases/ (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007).
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EG geprüft. In allen Fällen gelangte die Kommission zu dem Ergebnis, dass die geplanten Unternehmen zum Zeitpunkt der Prüfung keine Wettbewerbsbeschränkung i. S. v. Art. 81 Abs. 1 EG darstellten. Abgesehen von den Fällen, in denen als Gemeinschaftsunternehmen gegründete elektronische Marktplätze von ihren Mutterunternehmen nicht gemeinsam kontrolliert werden, sind B2B-Plattformen unmittelbar nach Art. 81 EG zu beurteilen, wenn sie als Gemeinschaftsunternehmen gegründet wurden, aber keine gemeinschaftsweite Bedeutung haben, vgl. Art. 21 Abs. 1 FKVO.22 In den meisten Fällen wird sich jedoch erst nach Inbetriebnahme der Internetplattformen zeigen, ob von ihnen die Gefahr von Wettbewerbsbeschränkungen ausgeht. Der Prüfung nach Art. 81 EG wird dann das größte Gewicht zukommen.
II. Art. 82 EG Nimmt eine elektronische Handelsplattform eine beherrschende Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben ein und gestatten deren Betreiber bestimmten anderen Unternehmen den Zugang nicht oder nur zu ungünstigeren Bedingungen als ihren Mitbewerbern, so kann Art. 82 EG anwendbar sein. Art. 82 S. 1 EG verbietet die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Im Unterschied zu Art. 81 EG, der ein Verbot kooperativer und kollusiver Wettbewerbsbeschränkungen enthält, richtet sich Art. 82 EG vorwiegend gegen einseitige Maßnahmen eines oder mehrerer Unternehmen, die bereits über eine beherrschende Stellung verfügen und diese missbrauchen. Die Vorschrift setzt also die Existenz einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder einem wesentlichen Teil desselben voraus. Angesichts des rasanten Wachstums in der Anfangsphase des B2B-Phänomens wurde das Entstehen marktbeherrschender Stellungen auf den Märkten für B2B-Dienstleistungen von Beobachtern als eher fernliegend eingestuft.23 Im Zuge der bereits eingetretenen Konsolidierungsphase ist die Anzahl der 21 Pressemitteilung der Kommission vom 27. Juni 2002, IP/02/943 (Centradia), abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/competition/press_releases/ (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). Centradia, eine Multi-Banken-Plattform für Devisengeschäfte, stellte am 28. Januar 2005 ihren Betrieb ein, vgl. http://www.finextra. com/fullstory.asp?id=13191 (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 22 Zum Begriff der „gemeinschaftsweiten Bedeutung“ sogleich unter III. 23 Bahr, WuW 2002, 230, 235.
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virtuellen Marktplätze jedoch bereits zurückgegangen.24 Aufgrund des geringer werdenden Angebots an Internetplattformen und des bei ihrem Betrieb auftretenden Netzwerkeffekts spricht viel dafür, dass die Frage der Zugangsverweigerung bzw. der Zugangsgewährung zu diskriminierenden Bedingungen in den nächsten Jahren an Relevanz gewinnen wird.
III. Fusionskontrollverordnung Die meisten der bisher von der Kommission beurteilten B2B-Marktplätze wurden als gemeinsam kontrollierte Gemeinschaftsunternehmen gegründet. Als Beispiel sei MyAircraft.com genannt, die Internetplattform von UTC, Honeywell und i2 zum Handel mit Produkten und Dienstleistungen der Luft- und Raumfahrtindustrie.25 Die Gründung solcher Plattformen wurde jeweils anhand der Fusionskontrollverordnung überprüft, wobei die Kommission bislang in allen Fällen gem. Art. 6 Abs. 1 lit. b FKVO keine Einwände erhob. Die Fusionskontrollverordnung (FKVO), deren Neufassung am 1. Mai 2004 in Kraft trat26, dient der Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen mit gemeinschaftsweiter Bedeutung. Ob ein Zusammenschluss gemeinschaftweite Bedeutung hat, ergibt sich anhand der Umsatzschwellen in Art. 1 Abs. 2 und 3 FKVO.27 Die zentrale materiell-rechtliche Norm der 24
Dazu oben Erster Abschnitt, § 1, I.2. Komm., E. vom 4. Aug. 2000, Fall Nr. Comp/M 1969 (UTC/Honeywell/ i2/MyAircraft.com), abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/competition/mergers/ cases/decisions/m1969_en.pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). MyAircraft.com ging danach in der Plattform Cordiem auf, die im März 2003 den Betrieb einstellte. 26 Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Jan. 2004 über die Kontrolle von Unternehmens-zusammenschlüssen, ABl.EG 2004 Nr. L 24, 1. 27 Gemäß Art. 1 Abs. 2 FKVO hat ein Zusammenschluss gemeinschaftsweite Bedeutung, wenn alle beteiligten Unternehmen weltweit einen Gesamtumsatz von mehr als 5 Mrd. Euro erzielen und der gemeinschaftsweite Gesamtumsatz von mindestens zwei beteiligten Unternehmen jeweils mehr als 250 Mio. Euro beträgt. Trotz Überschreitung dieser Umsatzschwellen ist eine gemeinschaftsweite Bedeutung nicht anzunehmen, wenn die beteiligten Unternehmen jeweils mehr als zwei Drittel ihres gemeinschaftsweiten Gesamtumsatzes in demselben Mitgliedstaat erzielen. Absatz 3 der Vorschrift legt fest, dass einem Zusammenschluss, der die in Absatz 2 genannten Schwellenwerte nicht erreicht, dennoch gemeinschaftsweite Bedeutung zukommt, wenn a) der weltweite Gesamtumsatz aller beteiligten Unternehmen zusammen mehr als 2, 5 Mrd. Euro beträgt, b) der Gesamtumsatz aller beteiligten Unternehmen in mindestens drei Mitgliedstaaten jeweils 100 Mio. Euro übersteigt, c) in jedem von mindestens drei von Buchstabe b) erfassten Mitgliedstaaten der Gesamtumsatz von mindestens zwei beteiligten Unternehmen jeweils mehr als 25 Mio. Euro beträgt und d) der gemeinschaftsweite Gesamtumsatz von mindestens zwei beteiligten Unternehmen jeweils 100 Mio. Euro übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die 25
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Verordnung ist Art. 2, der die Prüfungskriterien enthält. Gemäß Art. 2 Abs. 3 FKVO sind Zusammenschlüsse für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar zu erklären, wenn durch sie wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert würde, insbesondere durch Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung. Der Zusammenschlusstatbestand wird in Art. 3 FKVO definiert. Nach dessen viertem Absatz stellt die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens, das auf Dauer alle Funktionen einer selbstständigen wirtschaftlichen Einheit erfüllt, einen Zusammenschluss dar. Aufgrund dieser Vorschrift werden die meisten als Gemeinschaftsunternehmen gegründeten B2B-Internetplattformen in den Anwendungsbereich der FKVO fallen: Nach der Mitteilung der Kommission über den Begriff des VollfunktionsGemeinschaftsunternehmens28 erfüllt ein Gemeinschaftsunternehmen auf Dauer alle Funktionen einer selbstständigen wirtschaftlichen Einheit, wenn es auf einem Markt die Funktionen ausüben muss, die auch von den anderen Unternehmen in diesem Markt wahrgenommen werden. Es muss langfristig seine Tätigkeiten ausüben können und deshalb mit einem für das Tagesgeschäft verantwortlichen Management und ausreichenden finanziellen und personellen Ressourcen ausgestattet sein. Diese Bedingungen werden in aller Regel erfüllt sein. Denn wie anhand der Entwicklung der elektronischen Marktplätze ersichtlich, sollen die als Gemeinschaftsunternehmen gegründeten Plattformen gerade die Dienstleistungen erbringen, die auch neutrale Betreiber von Marktplätzen anbieten könnten.29 Bislang ist die Kommission stets davon ausgegangen, dass es sich bei den von ihr untersuchten B2B-Marktplätzen um Vollfunktions-Gemeinschaftsunternehmen handelte.30 beteiligten Unternehmen jeweils mehr als zwei Drittel ihres gemeinschaftsweiten Gesamtumsatzes in demselben Mitgliedstaat erzielen. 28 Bekanntmachung der Kommission über den Begriff des Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmens nach der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dez. 1989 über die Kontrolle von Unternehmens-zusammenschlüssen (98/C66/01), ABl.EG 1989 Nr. L 395, 1, in der in ABl.EG 1990 Nr. L 257, 13 enthaltenen, berichtigten Fassung sowie die Mitteilung der Kommission vom 2. März 1998 (ABl.EG 1998 Nr. C 66, 1 = WuW 1998, 464 ff.). 29 Dies betonten Arcelor und ThyssenKrupp bei der Anmeldung von Steel 24-7, einer Handelsplattform für Karbonflachstahlprodukte, siehe Komm. vom 16. Feb. 2004, Fall Nr. COMP/M.3334 – Arcelor/Thyssen-Krupp/Steel 24-7, Rn. 23, abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/competition/mergers/cases/decisions/m3334_ en.pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). Aus dem Schrifttum Köhler, K&R 2000, 569, 571; Koenig/Kulenkampff/Kühling/Loetz/Smit, S. 205. 30 Vgl. Komm., E. vom 13. Juli 2000, Fall Nr. COMP/M.2027 (Deutsche Bank/ SAP/JV/emaro) Rn. 7; E. vom 4. Aug. 2000, Fall Nr. Comp/M 1969 (UTC/Honey-
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Des Weiteren setzt der Zusammenschlusstatbestand des Art. 3 FKVO voraus, dass die Gründer die mittelbare oder unmittelbare Kontrolle über das Gemeinschaftsunternehmen erwerben. Findet kein Kontrollerwerb statt, ist der Anwendungsbereich der europäischen Fusionskontrolle nicht eröffnet. Es können jedoch nationale Fusionskontrollvorschriften einschlägig sein.31 Bislang hat die Kommission in keinem B2B-Fall die Frage des Kontrollerwerbs ausführlich geprüft, sondern ist stets davon ausgegangen, dass die Plattformgründer ihr Gemeinschaftsunternehmen gemeinsam kontrollieren.32 Gemäß Art. 2 Abs. 4 FKVO erfolgt im Rahmen der bei der Gründung eines B2B-Marktplatzes stattfindenden Fusionskontrolle eine gleichzeitige Kartellkontrolle nach Art. 81 EG statt, wenn die Plattform als kooperatives Gemeinschaftsunternehmen betrieben wird. Dies ist der Fall, wenn die Gründung des Marktplatzes die Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens der Gründer bezweckt oder bewirkt. Nach Art. 2 Abs. 5 FKVO berücksichtigt die Kommission bei der Beurteilung, ob eine Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens der Gründer vorliegt, insbesondere, ob es auf dem Markt des Gemeinschaftsunternehmens oder auf einem diesem vor- oder nachgelagerten Markt oder auf einem benachbarten oder eng mit ihm verknüpften Markt eine nennenswerte und gleichzeitige Präsenz von zwei oder mehr Gründerunternehmen gibt. Sind die Gründer auf einem Markt tätig, welcher mit den Märkten, auf denen das Gemeinschaftsunternehmen operiert, in Zusammenhang steht, ist es nahe liegend, dass allein die Zusammenarbeit der Gründerunternehmen in Bezug auf das Gemeinschaftsunternehmen den Wettbewerb zwischen ihnen verringert (sog. „Gruppeneffekt“ oder „Spillwell/i2/MyAircraft.com), Rn. 9; E. vom 2. Okt. 2000, Fall Nr. COMP/M.2138 (SAP/Siemens/JV/Governet), Rn. 7; E. vom 1. Sept. 2000, Fall Nr. COMP/M.2075 – Newhouse/Jupiter/Scudder/M&G/JV (Cofunds), Rn. 5; E. vom 6. Okt. 2000, Fall Nr. COMP/M.2069 (Bayer/Deutsche Telekom/Infraserve JV/Chemplorer), Rn. 9; E. vom 07. Nov. 2000, Fall Nr. COMP/M.2172 (Babcock Borsig/MG technologies/ SAP/ec4ec) Rn. 9; E. vom 29. Nov. 2000, Fall Nr. COMP/M.2195 (Cap Gemini/ Vodafone/JV), Rn. 9; E. vom 25. April 2001, Fall Nr. COMP/M.2398 (Linde/Jungheinrich/JV/Supralift), Rn. 8; E. vom 2. Mai 2001, Fall Nr. COMP/M.2374 (Telenor/Ergogroup/DNB/Accenture/JV/Date), Rn. 7; E. vom 2. Juli 2001, Fall Nr. COMP/M.2402 (Creditanstalt/RZB/JV), Rn. 8; E. vom 16. Mai 2003, Fall Nr. COMP/M. 3101 (Accor/Hilton/Six Continents/JV/WRE), Rn. 6; Komm. vom 16. Feb. 2004, Fall Nr. COMP/M.3334 (Arcelor/Thyssen-Krupp/Steel 24-7), Rn. 9. 31 Dies war bei der Gründung von Covisint der Fall. Da die Gründer keine gemeinsame Kontrolle über Covisint ausübten, war der Zusammenschlusstatbestand des § 37 Abs. 1 Nr. 3 lit. b, S. 3 GWB erfüllt, nicht jedoch der Tatbestand nach Art. 3 FKVO, vgl. BKartA, Beschluss v. 25. Sept. 2000 – B 5 – 34100 U 40/00 (Covisint), WuW/E DE-V 321 = BB 2000, 2431 (B.1., 3.). Kritisch zu dieser Entscheidung Horton/Schmitz, 47 Wayne L. Rev. 1231, 1240 f. (2002). 32 Kritisch zu der Praxis, keine ausführliche Prüfung vorzunehmen, Koenig/Kulenkampff/Kühling/Loetz/Smit, S. 207 ff.
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3. Abschn.: Elektronische Marktplätze im europäischen Kartellrecht
over-Effekt“).33 Voraussetzung der Beurteilung anhand dieser Maßstäbe wäre also eine genaue Abgrenzung der relevanten Märkte, auf dem das Gemeinschaftsunternehmen und dessen Gründer tätig sind. In ihrer bisherigen Entscheidungspraxis zur Gründung von B2B-Marktplätzen hat die Kommission die Abgrenzung der relevanten Märkte jedoch stets offen gelassen.34 Nur in zwei Fällen hat sie die Möglichkeit, dass ein Gruppeneffekt i. S. v. Art. 2 Abs. 4 FKVO eintreten könnte, überhaupt ausführlicher geprüft, aber im Ergebnis verneint.35 Die erste Entscheidung betraf Cofunds, einen Online-Supermarkt für offene Wertpapier-Investmentfonds, der von den Finanzdienstleistern Newhouse, Jupiter und Scudder gegründet worden war. Da die Unternehmen auf dem Markt für die Entwicklung und das Management von Wertpapier-Investmentfonds tätig sind, untersuchte die Kommission, ob die Gründung der Plattform zu einer Koordinierung des Verhaltens der Mütter auf diesem mit dem Markt für die Vermittlungsleistungen der Plattform verbundenen Markt führen könne.36 Dabei gelangt sie zu dem Ergebnis, dass die Plattformgründer angesichts ihres gemeinsamen Anteils von nur 14,31 Prozent auf dem Markt für die Entwicklung und das Management von Wertpapier-Investmentfonds nicht über ein für eine erfolgreiche Koordinierung erforderliches Maß an Marktmacht verfügen.37 Des Weiteren hätten sich die Mutterunternehmen in ihrer Joint Venture-Vereinbarung auf mehrere Vorschriften geeinigt, um eine Offenlegung oder einen Austausch von sensiblen Geschäftsinformationen zu unterbinden.38 Zusammen mit dem offensichtlichen Fehlen von Marktmacht seien diese Vorschriften ausreichend, um die Möglichkeit von wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen zu verneinen. Daher bestehe kein Grund zu der Annahme, dass das Gemeinschaftsunternehmen eine Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens unabhängig bleibender Unternehmen bezwecke oder bewirke.39 33 Immenga/Körber in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR II, Art. 2 FKVO Rn. 538. Zur Herkunft des Begriffs „Gruppeneffekt“ vgl. Mestmäcker/Schweitzer, § 24 Rn. 39 f. 34 Näher siehe sogleich unter § 3, I. 35 Vgl. Komm., E. vom 1. Sept. 2000, Fall Nr. COMP/M.2075 – Newhouse/Jupiter/Scudder/M&G/JV (Cofunds), abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/competi tion/mergers/cases/decisions/m2075_en.pdf; E. vom 16. Mai 2003, Fall Nr. COMP/M. 3101 (Accor/Hilton/Six Continents/JV/WRE), Rn. 22 ff., abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/competition/merger/cases/decisions/m3101_en.pdf (beide zuletzt besucht am 23. Dez. 2006). 36 Komm., E. vom 1. Sept. 2000, Fall Nr. COMP/M.2075 – Newhouse/Jupiter/ Scudder/M&G/JV (Cofunds), Rn. 18. 37 A. a. O., Rn. 19. 38 A. a. O. Rn. 21. Inhaltlich geht die Kommission nicht näher auf diese Vorschriften ein.
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Die zweite Entscheidung betraf die Gründung eines B2B-Computerreservierungssystems für die Vermarktung und Reservierung von Hotelkapazitäten durch die europäischen Hotelketten Accor, Hilton und Six Continents. Ein mögliches Koordinierungsrisiko sah die Kommission darin, dass die Gründung des Gemeinschaftsunternehmens direkt oder indirekt zu einem erhöhten Informationsfluss zwischen den Muttergesellschaften führen könnte. Dadurch könnten diese den Anreiz und die Fähigkeit erhalten, ihr Wettbewerbsverhalten untereinander abzustimmen.40 Die Untersuchung ergab jedoch, dass die Gründer keinen Zugriff auf Informationen über die Geschäftsaktivitäten der anderen Gründer und sonstigen Nutzer haben werden. Darüber hinaus verfügt die Plattform über ein unabhängiges Management. Daher lag nach Ansicht der Kommission keine bezweckte oder bewirkte Koordinierung i. S. d. Art. 2 Abs. 4 FKVO vor. In allen anderen Fällen ist die Kommission davon ausgegangen, dass es sich bei zu beurteilenden Internetplattformen um Vollfunktions-Gemeinschaftsunternehmen ohne koordinierende Wirkungen handelte. Dem ist etwa im Falle von emaro, dem von der Deutschen Bank und SAP gegründeten Marktplatz für den Handel mit Büroausstattungen wie Möbel, Computer und Büromaterial, zuzustimmen.41 Dagegen hätte beispielsweise bei der Untersuchung von Supralift, dem von Linde und Jungheinrich gegründeten Internet-Marktplatz für gebrauchte Flurförderzeuge (Gabelstapler und Lagertechnikgeräte), eine nähere Beschäftigung mit möglichen Gruppeneffekten erfolgen müssen. Denn die Gründer hatten in ihrer Anmeldung selbst vorgetragen, dass Supralift auf dem Markt für den Betrieb von InternetPlattformen für gebrauchte Wirtschaftsgüter operieren werde.42 Des Weiteren gingen sie von einem Markt für gebrauchte Flurförderzeuge aus, der diesem Markt vor- oder nachgelagert sei. Da beide Muttergesellschaften auf dem Markt für gebrauchte Flurförderzeuge tätig sind, hätte die Kommission also auf Art. 2 Abs. 4 FKVO eingehen müssen. Indes sah sie keine Gefahr einer Koordinierung des Marktverhaltens der Gründer, da ihr Gemein39
A. a. O. Rn. 21: In combination with the apparent lack of market power these provisions seem sufficient for the time being to negate the possibility of anti-competitive effects. Therefore there is no reason to believe that the joint venture will have as its object or effect, the co-ordination of the competitive behaviour of undertakings that remain independent such as to restrict competition to an appreciable degree. 40 Komm, E. vom 16. Mai 2003, Fall Nr. COMP/M. 3101 (Accor/Hilton/Six Continents/JV/WRE), Rn. 24 f. 41 Siehe Komm., E. vom 13.7.2000, Fall Nr. COMP/M.2027 – Deutsche Bank/ SAP/JV (emaro), Rn. 21, abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/competition/ mergers/cases/decisions/m2027_de.pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 42 Komm., E. vom 25. April 2001, Fall Nr. COMP/M.2398 (Linde/Jungheinrich/ JV/Supralift), Rn. 12.
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3. Abschn.: Elektronische Marktplätze im europäischen Kartellrecht
schaftsunternehmen lediglich die elektronischen Kommunikationsdienstleistungen zur Verfügung stellen werde, die zur Geschäftsabwicklung erforderlich seien.43 Dies trifft jedoch auf alle elektronischen Marktplätze zu, auch auf den Online-Supermarkt für offene Wertpapier-Investmentfonds und das B2B-Computerreservierungssystem für die Hotelbranche. Warum die Kommission in den Fällen dennoch unterschiedliche Prüfungen vornahm, ist nicht ersichtlich.44 Festzuhalten bleibt, dass die Kommission in der ganz überwiegenden Zahl ihrer bisherigen Entscheidungen zu B2B-Internetplattformen von Vollfunktions-Gemeinschaftsunternehmen ohne koordinierende Wirkungen ausging. Sofern sie diesen Ansatz fortführt, wird die Gründung von elektronischen Marktplätzen als Gemeinschaftsunternehmen in den meisten Fällen nur anhand der Fusionskontrolle gemessen werden. In der Praxis wird eine Untersagung dann nur unter sehr engen Voraussetzungen in Betracht kommen: Denn Voraussetzung für eine Untersagung wäre, dass bereits zum Zeitpunkt der Plattformgründung mit ausreichender Sicherheit vorhersehbar ist, dass durch den Zusammenschluss wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert würde, insbesondere durch Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung.45 Eine derartige Prognose dürfte jedoch in Anbetracht der dynamischen Entwicklung in diesem Bereich nur in seltenen Fällen möglich sein.46 Im Schrifttum wird deshalb prognostiziert, dass eine Untersuchung von Internetmarktplätzen anhand der FKVO in absehbarer Zeit wahrscheinlich nicht zur Untersagung von deren Gründung führen werde.47 Das heißt jedoch nicht, dass alle in Zukunft möglicherweise auftretenden abgestimmten Verhaltensweisen oder sonstigen wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen der Marktplatzbetreiber hingenommen werden müssen.48
43
Komm, a. a. O. Rn. 25. Auch Kierner, S. 75, bemerkt, dass die Ausführungen der Kommission zur Beurteilung von B2B-Plattformen als Gemeinschaftsunternehmen mit oder ohne koordinierende Wirkungen bemerkenswerterweise sehr knapp gehalten seien, diskutiert die Fälle Cofunds und WRE jedoch nicht. 45 Kirchner, WuW 2001, 1030, 1032 (zur FKVO a. F.); ähnlich Koenig/Kulenkampff/Kühling/Loetz/Smit, S. 242 (zur FKVO a. F.). 46 Ähnlich Gounalakis/Lochen, ZHR 167 (2003) 632, 645 (zur FKVO a. F.). 47 Horton/Schmitz, 47 Wayne L. Rev. 1231, 1252 f. (2002) (zur FKVO a. F.). 48 Koenig/Kulenkampff/Kühling/Loetz/Smit, S. 242. 44
§ 2 Extraterritoriale Anwendbarkeit
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§ 2 Extraterritoriale Anwendbarkeit des europäischen Kartellrechts Elektronische Marktplätze können überall gegründet werden und zielen häufig darauf ab, in allen wichtigen Industrienationen oder sogar weltweit zu operieren. Mithin stellt sich die Frage, wessen Kartellrecht auf Wettbewerbsbeschränkungen anzuwenden ist, die von einem im Nicht-EU-Ausland betriebenen B2B-Marktplatz ausgehen. Im Wettbewerbsrecht der römischen Verträge findet sich keine geschriebene Kollisionsnorm, wie sie das deutsche Recht in § 130 Abs. 2 GWB enthält. Jedoch kann eine Kollisionsnorm implizit im Wortlaut einer Sachnorm enthalten sein.49
I. Die kollisionsrechtliche Anwendbarkeit der einzelnen Sachnormen 1. Art. 81 EG Dies ist bei Art. 81 EG der Fall: Er ist auf Unternehmen anwendbar, ohne eine irgendwie geartete Gemeinschaftszugehörigkeit vorauszusetzen. Auch die durch die Vorschrift verbotenen Handlungsweisen werden nicht nach ihrem Begehungsort qualifiziert, sondern durch ihre Folgen. Sie müssen die Wirkung haben, eine Wettbewerbsbeschränkung innerhalb des Gemeinsamen Marktes herbeizuführen und geeignet sein, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.50 Somit ist in Art. 81 EG ein Wirkungsstatut enthalten.51 Dem Auswirkungsprinzip zufolge gelten die Vorschriften des Europäischen Kartellrechts für alle Wettbewerbsbeschränkungen, die Auswirkungen auf Märkten in der Gemeinschaft mit sich bringen, auch wenn sie von außerhalb veranlasst werden.52 Es bestimmt gleichzeitig über die Anwendbarkeit der materiellen Normen des EG-Kartellrechts und über die Zuständigkeit der Kommission der Europäischen Gemeinschaften als Kartellbehörde.53 49 Meng in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Bd. 5 (5. Aufl., 1997), Extraterritoriale Anwendung des EU-Rechts, Rn. 65. 50 Vgl. etwa Basedow, NJW 1989, 627, 634; Bunte in: Langen/Bunte, Bd. 2, Einf. EG-KartR, Rn. 59; Schröter in: Groeben/Schwarze, Vorbem. Art. 81 bis 85 EG, Rn. 60. 51 Mestmäcker, Europ. WbR, S. 155 ff. 52 Bunte in: Langen/Bunte, Bd. 2, Einf. zum EG-KartR, Rn. 61 f.; Mestmäcker/ Schweitzer, § 6 Rn. 34. 53 Vgl. Deville, S. 1 f.
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3. Abschn.: Elektronische Marktplätze im europäischen Kartellrecht
Die Untersuchung, ob die Europäischen Wettbewerbsregeln auf eine von außen veranlasste Wettbewerbsbeschränkung anwendbar sind, erfolgt in zwei Schritten. Zunächst ist festzustellen, ob tatsächliche Anhaltspunkte für eine Auswirkung vorliegen. Dabei werden bereits in diesem ersten Prüfungsschritt bestimmte kollisions- und völkerrechtliche Eingrenzungsmerkmale berücksichtigt, die den andernfalls zu weiten Anwendungsbereich des Auswirkungsprinzips beschränken sollen.54 So prüft die Kommission, ob die wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweise unmittelbare und wesentliche Auswirkungen in der EG mit sich bringt und dies von den beteiligten Unternehmen auch beabsichtigt war.55 Diese Abgrenzungsformel lehnt sich an eine Formulierung im US-amerikanischen „Foreign Trade Antitrust Improvements Act“ von 1982 an.56 Ergeben diese Kriterien, dass sich die fragliche Wettbewerbsbeschränkung auf dem Gemeinsamen Markt auswirkt, ist in einem zweiten Schritt zu untersuchen, ob auf die Anwendung der Normen des europäischen Wettbewerbsrechts dennoch zu verzichten ist.57 So kann die völkerrechtskonforme Auslegung des Gemeinschaftsrechts oder ein Verzicht auf die Hoheitsausübung der Gemeinschaft gegenüber Drittstaaten einer extraterritorialen Rechtsanwendung im Wege stehen.58 2. Art. 82 EG Auch der Anwendungsbereich des Art. 82 EG ist durch die Folge der missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung qualifiziert; diese muss zu einer Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten führen können. Es kommt nicht darauf an, an welchem Ort der Missbrauch stattfindet und wo die handelnden Unternehmen ansässig sind. Die Norm knüpft folglich ebenfalls an die Auswirkungen einer Handlungsweise, nicht an den Ort ihrer Vornahme an.59 54
Deville, S. 2. Siehe etwa Komm., E. vom 19. Dez. 1984, Sache IV/29.725 (Zellstoff), ABl.EG 1985 Nr. L 85, 1 ff.; Meng in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, 5. Aufl. 1997, Extraterritoriale Anwendung des EU-Rechts, Rn. 93. 56 Im Anschluss fand die Formel substantial, direct, and foreseeable effect upon or in the territory Eingang in das Restatement (Third), Foreign Relations Law of the United States (1987), § 403(2). Ausführlich zur extraterritorialen Anwendung des US-amerikanischen Kartellrechts oben Zweiter Abschnitt, § 2. 57 Deville, S. 2. 58 Schröter in: Groeben/Schwarze, Vorbem. Art. 81 bis 85 EG, Rn. 83; Meng in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, 5. Aufl., 1997, Extraterritoriale Anwendung des EURechts, Rn. 70. 59 Meng in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, 5. Aufl. 1997, Extraterritoriale Anwendung des EU-Rechts, Rn. 67. 55
§ 2 Extraterritoriale Anwendbarkeit
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3. Fusionskontrollverordnung (FKVO) Dasselbe gilt für die Fusionskontrolle. Sofern die Gründung des elektronischen Marktplatzes der FKVO unterfällt, greifen mangels einer expliziten Regelung über deren räumlichen Geltungsbereich die Umsatzschwellen des Art. 1 FKVO unabhängig vom Sitz der betroffenen Unternehmen ein.60 Auch auf den wirtschaftlichen Schwerpunkt oder den Vollzugsort der Fusion kommt es nach Auffassung der Kommission nicht an.61 Zur Herstellung des unmittelbaren räumlichen Bezugs zur EU muss der Gesamtumsatz der beteiligten Unternehmen nur die in Art. 1 Abs. 2 und 3 FKVO festgelegten Schwellenwerte überschreiten, und die Unternehmen müssen in erheblichem Umfang in der Gemeinschaft tätig sein, wie aus dem zehnten Erwägungsgrund hervorgeht.62 Demgemäß müssen Zusammenschlüsse angemeldet werden, sofern die beteiligten Unternehmen einen weltweiten Gesamtumsatz von mehr als fünf Milliarden Euro erzielen und der gemeinschaftsweite Umsatz von mindestens zwei beteiligten Unternehmen jeweils mehr als 250 Millionen Euro beträgt. Werden diese in Art. 1 Abs. 2 FKVO festgelegten Schwellenwerte unterschritten, müssen Zusammenschlüsse dennoch angemeldet werden, sofern sie die – weiter gefassten – Umsatzkriterien in Art. 1 Abs. 3 FKVO erfüllen. Dementsprechend hat sich die Kommission in der Vergangenheit auch in Fällen von reinen Auslandszusammenschlüssen63 auf ihre Prüfungskompetenz aus Art. 1 FKVO berufen und darauf beharrt, dass Zusammenschlüsse von Unternehmen mit Sitz in Drittstaaten uneingeschränkt anmeldepflichtig und voll überprüfbar sind.64
60 Völcker in: Frankfurter Kommentar, Art. 1 FKVO Rn. 10; Wiedemann/Wagemann Hdb. KartellR § 15 Rn. 17. 61 Kritisch dazu Baron in: Langen/Bunte, Bd. 2, FKVO Nr. 139/2004 Rn. 41. 62 Siehe Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Jan. 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl.EG 2004 Nr. L 24/1, 2. Zur FKVO a. F. Völcker in: Frankfurter Kommentar, Art. 1 FKVO Rn. 10; Wiedemann/ Wagemann Hdb. KartellR § 15 Rn. 17. 63 Vgl. etwa Komm., E. vom 30. Juni 1993 (JCSAT/SAJAC), WuW 1993, 918; E. vom 30. Juli 1997 Sache IV/M.877 (Boeing/McDonnell Douglas), ABl.EG 1997 Nr. L 336/16; E. vom 08. Juli 1998, Sache IV/M.1069 (WorldCom/MCI), ABl.EG 1999 Nr. L 116/1. 64 Baron in: Langen/Bunte, Bd. 2, FKVO Nr. 139/2004 Rn. 41; Völker in: Frankfurter Kommentar, Art. 1 FKVO Rn. 10; Schwarze, WuW 2001, 1190, 1197.
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3. Abschn.: Elektronische Marktplätze im europäischen Kartellrecht
II. Kommissionspraxis und Rechtsprechung Während die Kommission in ständiger Praxis das Auswirkungsprinzip vertritt65 und im Ergebnis darin vom Gericht erster Instanz bestätigt wurde66, hat sich der EuGH in seiner bisherigen Entscheidungspraxis zur extraterritorialen Anwendung des EG-Kartellrechts nicht ausschließlich auf das Auswirkungsprinzip gestützt, dessen Geltung aber auch nicht ausgeschlossen.67 Dabei versuchte der Gerichtshof stets, die Anwendung des Auswirkungsprinzips durch den Rückgriff auf das – häufig sehr großzügig ausgelegte – Territorialitätsprinzip zu vermeiden.68 So stellte er – unter anderem in der Teerfarben-Entscheidung – auf das Prinzip der Unternehmenseinheit ab, um ausländische Muttergesellschaften für das Verhalten ihrer Tochtergesellschaften in der Gemeinschaft haftbar zu machen.69 Auf dieses Prinzip konnte der Gerichtshof allerdings im Zellstoff-Urteil70 nicht zurückgreifen, da die von der Kommission mit Geldbußen belegten US-amerikanischen und finnischen Zellstoffhersteller nicht über Tochtergesellschaften in der Gemeinschaft verfügten, an die die Zurechnung hätte anknüpfen können. Wiederum vermied es der Gerichtshof, sich eindeutig für die Anwendbarkeit des Auswirkungsprinzips auszusprechen, obwohl Generalanwalt Darmon in seinen Schlussanträgen die extraterritoriale Zuständigkeit der Kommission ausdrücklich mit diesem Prinzip begründet hatte.71 Stattdessen betonte der EuGH erneut das Territorialitätsprinzip: Da die Abnehmer der Produkte in der Gemeinschaft ansässig waren, sei das Preiskartell innerhalb des Gemeinsamen Marktes durchgeführt worden. Der Ort der Bildung des Kartells dürfe dagegen keine Rolle spielen, da ansonsten den Unternehmen eine Umgehung der europäischen Wettbewerbsvorschriften leicht fallen würde.72 Diese Rechtsprechung läuft jedoch auf eine de facto-Anwendung 65 Basedow, NJW 1989, 627, 634; Lange, EWS 2000, 291, 292; MünchKommBGB-Immenga, nach Art. 37 EGBGB, Rn. 9. 66 EuG, Urt. v. 25. März 1999, Rs. T-102/96 (Gencor/Komm.), Slg. 1999, II-753. 67 Wiedemann, Hdb. KartR § 5 Rn. 10; vgl. auch Schwarze, WuW 2001, 1190, 1194, 1199 f. 68 Vgl. dazu Lange, EWS 2000, 291, 292; Lenz-Grill, EG-Vertrag, Vorbem. Art. 81–86 Rn. 22; MünchKommBGB-Immenga, nach Art. 37 EGBGB, Rn. 9. 69 EuGH, Urt. v. 14. Juli 1972, Rs. 48/69 (ICI/Komm.), Slg. 1972, 619, 665 (Tz. 132–135); ebenso in EuGH, Urt. v. 14. Juli 1972, Rs. 52/69 (Geigy/Komm.), Slg. 1972, 787, 838 (Tz. 44); EuGH, Urt. v. 22. Januar 1974, verb. Rs. 6, 7/73 (Commercial Solvents/Komm.), Slg. 1974, 223, 255 (Tz. 36 ff.). 70 EuGH, Urt. v. 27. Sept. 1988, verb. Rs. 89, 104, 114, 116, 117, 125–129/85 (Ahlström/Komm.), Slg. 1988, 5193 ff. 71 Schlussanträge des GA M. Darmon Tz. 32 ff. zu EuGH, Urt. v. 27. Sept. 1988, verb. Rs. 89, 104, 114, 116, 117, 125–129/85 (Ahlström/Komm.), Slg. 1988, 5220 ff.
§ 2 Extraterritoriale Anwendbarkeit
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des Auswirkungsprinzips durch den Gerichtshof hinaus, auch wenn der von ihm gewählte Ansatz als „Territorialitätsprinzip“ bezeichnet wird.73 Demgegenüber hat das Europäische Gericht erster Instanz in einer neueren Entscheidung, die das Fusionsvorhaben der südafrikanischen Gencor und der britischen Lonrho betraf, die Praxis der Kommission de facto bestätigt.74 Die beiden Gesellschaften beabsichtigten, die Aktivitäten zweier nach südafrikanischem Recht gegründeten Tochtergesellschaften zu bündeln und sie der gemeinsamen Kontrolle zu unterstellen. Nach Auffassung der Kommission hätte dieses Vorhaben zur Bildung eines dominanten Duopols im Markt für Platin und Rhodium geführt, weshalb sie die Fusion untersagte.75 Gencor und Lonrho rügten in ihrer Klage gegen diese Entscheidung die fehlende Kompetenz der Kommission mit der Begründung, dass eine Fusion von Drittlandsunternehmen nicht in den Anwendungsbereich der FKVO falle. Das EuG bejahte jedoch die Prüfungs- und Untersagungskompetenz der Kommission, wobei es eine Prüfung in zwei Stufen durchführte: erstens müsse die FKVO auf den Zusammenschluss anwendbar sein, wofür die Überschreitung der Schwellenwerte entscheidend sei; sofern es aufgrund der Zellstoff-Entscheidung des EuGH noch auf die „Durchführung“ des Kartells innerhalb der Gemeinschaft ankomme, werde dieses Kriterium bereits „durch den bloßen Verkauf unabhängig von der Lage der Versorgungsquellen oder der Produktionsanlagen erfüllt“.76 Zweitens dürfe die konkrete Rechtsanwendung nicht völkerrechtswidrig sein, was zu verneinen sei, wenn der untersagte Zusammenschluss eine unmittelbare, wesentliche und vorhersehbare Wirkung in der Gemeinschaft entfalten würde.77 Mithin verweist das Gericht erster Instanz auf das Auswirkungsprinzip, um die extraterritoriale Anwendung der FKVO völkerrechtlich zu rechtfertigen.78 72
EuGH, Urt. v. 27. Sept. 1988, a. a. O., 5243 (Tz. 16). Vgl. Beck, RIW 1990, 91, 92 („terminologisches Ausweichmanöver“); Deville, S. 53; Gleiss/Hirsch, Einl. B Rn. 39 („In Wirklichkeit wendet der EuGH das Auswirkungsprinzip an“); MünchKommBGB-Immenga, nach Art. 37 EGBGB, Rn. 9; Bunte in: Langen/Bunte, Bd. 2, Einf. zum EG-KartR, Rn. 65; Schödermeier, WuW 1989, 21, 24 („politische Gründe“), 25 („. . ., dass das Urteil einer weiteren Entwicklung des europäischen Kartellrechts auf das Auswirkungsprinzip hin nicht im Wege steht“). 74 EuG, Urt. vom 25. März 1999, Rs. T-102/96 (Gencor/Komm.), Slg. 1999, II-753. 75 Komm., E. vom 24. April 1996, Sache IV/M.619 (Gencor/Lonrho), ABl.EG 1997 Nr. L 11, 30. 76 EuG, Urt. v. 25. März 1999, Rs. T-102/96 (Gencor/Komm.), Slg. 1999, II-753, 784 (Tz. 87). 77 EuG, Urt. v. 25. März 1999, Rs. T-102/96 (Gencor/Komm.), Slg. 1999, II-753, 785 (Tz. 89–101). 78 Schwarze, WuW 2001, 1190, 1198. 73
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3. Abschn.: Elektronische Marktplätze im europäischen Kartellrecht
In der Entscheidung wurde offengelassen, ob aufgrund der völkerrechtlichen Grundsätze der Nichtintervention (comity) und der Verhältnismäßigkeit die Anwendung der FKVO in besonderen Fällen zu begrenzen wäre. Da die südafrikanische Regierung den Zusammenschluss zwar als unbedenklich betrachtete, seine Durchführung jedoch nicht aufgrund nationaler Interessen angeordnet hatte, lag nach Ansicht des EuG kein Kompetenzkonflikt zwischen der Kommission und der südafrikanischen Regierung vor.79
III. Anwendung auf elektronische Marktplätze Im Zusammenhang mit der Gründung elektronischer Marktplätze in Drittstaaten, die sich an potenzielle Kunden im Gemeinsamen Markt wenden, werden die unterschiedlichen Begründungen der Kommission und des EuGH für die extraterritoriale Anwendbarkeit des EG-Kartellrechts jedenfalls nicht zu divergierenden Ergebnissen führen: Wenn die Abnahme von Produkten durch in der Gemeinschaft ansässige Käufer ausreicht, um ein Kartell als in der Gemeinschaft durchgeführt anzusehen, wird die Anwendbarkeit der Art. 81 f. EG zunächst nach beiden Ansätzen zu bejahen sein. Ebenso wird die überwiegende Anzahl der von Wettbewerbern als Gemeinschaftsunternehmen gegründeten elektronischen Marktplätze dem Anwendungsbereich der FKVO unterfallen, sobald die Umsatzschwellen des Art. 1 FKVO überschritten sind.80 Zu beachten ist, dass gemäß Art. 2 Abs. 4 S. 1 FKVO auch Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen gleichzeitig der Kartellkontrolle nach Art. 81 Abs. 1 und 3 EG unterliegen, sofern ihre Gründung die Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens unabhängig bleibender Unternehmen bezweckt oder bewirkt. Ergibt sich daraus, dass das Gemeinschaftsrecht auf Wettbewerbsbeschränkungen angewendet werden könnte, die von einem im Ausland ansässigen elektronischen Marktplatz ausgehen, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob seine Anwendung aus völkerrechtlichen Gründen ausscheiden müsste. Zu denken wäre an Fälle, in denen nur geringe Auswirkungen in79 EuG, Urt. v. 25. März 1999, Rs. T-102/96 (Gencor/Komm.), Slg. 1999, II-753, 788 f. (Tz. 102–107). Diese Formulierung des EuG erinnert an eine ähnliche Passage im Zellstoff-Urteil, vgl. EuGH, Urt. v. 27. Sept. 1988, Slg. 1988, 5193, 5228 (Tz. 65 ff.). 80 Auf B2B-Marktplätze, über die die Gründungsunternehmen keine gemeinsame Kontrolle ausüben, ist die FKVO jedoch nicht anwendbar, vgl. oben Dritter Abschnitt, § 1, I. So übten die Gründer der Plattformen Covisint, Eutilia, Endorsia, Centradia und Inreon keine gemeinsame Kontrolle über diese Gemeinschaftsunternehmen aus.
§ 3 Sachliche und räumliche Marktabgrenzung
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nerhalb der Gemeinschaft auftreten, die Märkte anderer Staaten von der fraglichen Verhaltensweise aber wesentlich stärker betroffen sind. Das europäische Wettbewerbsrecht ist folglich auf wettbewerbsbeschränkende Aktivitäten anwendbar, die von außerhalb des Territoriums der Europäischen Union betriebenen Internetmarktplätzen ausgehen. Wie bereits dargestellt81, findet auch das US-antitrust law auf im Ausland initiierte Verhaltensweisen Anwendung, die gegen seine Vorschriften verstoßen. Die Geschäftstätigkeit weltweit ausgerichteter Internetmarktplätze kann folglich mehreren Rechtsordnungen unterfallen. Aus diesem Grund wurde etwa die Gründung des B2B-Marktplatzes Covisint von der amerikanischen FTC82, der Europäischen Kommission83 und dem deutschen Bundeskartellamt84 untersucht. Die gleichzeitige Anwendbarkeit mehrerer Kartellrechtsordnungen ist jedoch kein Phänomen, welches nur beim Handel über Internetplattformen auftritt. Es betrifft vielmehr alle international operierenden Unternehmen. Für die im Schrifttum geäußerte Befürchtung, dass die Drohung der Anwendung einer Vielzahl verschiedener Kartellrechtsordnungen zu einem unkalkulierbaren Risiko für B2B-Marktplatzbetreiber werden und das ökonomische Potenzial des elektronischen Handels über Gebühr ausbremsen könne85, besteht folglich kein Anlass.
§ 3 Sachliche und räumliche Marktabgrenzung Ausgangspunkt jeder kartellrechtlichen Untersuchung ist die Bestimmung der relevanten Märkte, auf denen der Wettbewerb beschränkt werden oder sich beherrschende Stellungen herausbilden könnten. Schließlich bestimmt die Definition des sachlich und räumlich relevanten Marktes in vielen Fällen das Ergebnis der danach erfolgenden Würdigung eines Wettbewerbsfalls.86 Die Marktabgrenzung im europäischen Wettbewerbsrecht erfolgt grundsätzlich anhand derselben Kriterien wie im US-antitrust law.87 In bei81
Zur extraterritorialen Anwendung des antitrust law oben Zweiter Abschnitt,
§ 2. 82 Pressemitteilung der FTC vom 11. Sept. 2000, abrufbar unter http://www.ftc. gov/opa/2000/09/covisint.htm (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 83 Pressemitteilung der Kommission vom 31. Juli 2001, IP/01/1155 (Covisint), abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/competition/press_releases/ (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 84 BKartA, Beschluss v. 25. Sept. 2000 – B 5 – 34100 U 40/00 (Covisint), WuW/E DE-V 321 ff. = BB 2000, 2431 ff. 85 Tröller, S. 55 ff.; dies. RIW 2005, 8, 12 ff. 86 Vgl. Bekanntmachung der Kommission zur Definition des relevanten Marktes im Wettbewerbsrecht, ABl.EG 1997 Nr. C 372/5, Rn. 4. 87 Zur Marktabgrenzung im US-Kartellrecht oben Zweiter Abschnitt, § 3.
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3. Abschn.: Elektronische Marktplätze im europäischen Kartellrecht
den Rechtsordnungen gehen Kartellbehörden und der ganz überwiegende Teil des Schrifttums davon aus, dass diese allgemeinen Kriterien auch bei der Beurteilung von elektronischen Marktplätzen ihre Gültigkeit haben und vollständig auf diese anwendbar sind.88
I. Bestimmung des sachlich relevanten Marktes Obwohl die Europäische Kommission zahlreiche Entscheidungen zu B2B-Plattformen veröffentlicht hat, ist die Abgrenzung der relevanten Produktmärkte im Zusammenhang mit virtuellen Marktplätzen noch weitgehend offen. Wie im Bereich der Fusionskontrolle üblich89, hat die Kommission in den bisher von ihr beurteilten Fällen jede Festlegung vermieden und die Marktabgrenzung im Ergebnis offen gelassen, da in keinem der untersuchten alternativen Märkten wirksamer Wettbewerb behindert würde.90 Sie geht jedoch davon aus, dass angesichts des gegenwärtigen Entwick88 Ausdrücklich für eine Anwendung der allgemeinen Kriterien Koenig/Kulenkampff/Kühling/Loetz/Smit, S. 187, 189; Lücking, Beitrag zur Konferenz der Universität Leicester, S. 3. Die Kommission und große Teile des Schrifttums gehen von der Anwendbarkeit des Bedarfsmarktkonzepts auf B2B-Marktplätze aus und diskutieren die Möglichkeit nicht, ob Korrekturen daran vorgenommen werden müssten. Vgl. aus der Kommissionspraxis für eine frühe Entscheidung Komm., E. vom 13. Juli 2000, Fall Nr. COMP/M.2027 – Deutsche Bank/SAP/JV (Emaro) Rn. 11 ff., abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/competition/mergers/cases/decisions/m2027_ de.pdf, für eine späte Entscheidung Komm. vom 16. Feb. 2004, Fall Nr. COMP/ M.3334 – Arcelor/Thyssen-Krupp/Steel 24-7, Rn. 14 ff., abrufbar unter http:// europa.eu.int/comm/competition/mergers/cases/decisions/m3334_en.pdf (beide zuletzt besucht am 23. Dez. 2006). Aus dem Schrifttum etwa Gassner, MMR 2001, 140, 142 ff.; Jestaedt, BB 2001, 581, 585 ff.; Lange, EWS 2000, 291, 293 f.; im Ergebnis auch Kierner, S. 86 ff. Zweifelnd jedoch Tröller, S. 87 f., der zufolge die herkömmliche Marktabgrenzung anhand des Bedarfsmarktkonzepts um dynamische Elemente erweitert werden müsse, da dem Bedarfsmarktkonzept eine statische Betrachtung des Marktes innewohne, welche nicht auf die virtuelle Welt angelegt sei. Nach hiesiger Auffassung sind B2B-Plattformen dagegen als Absatz- und Beschaffungslösungen für Unternehmen zu betrachten, bei denen einige Eigenschaften von neuen Technologien in den Hintergrund treten. Die ökonomischen Besonderheiten von B2B-Plattformen sind bei der Untersuchung der Frage zu berücksichtigen, ob eine Plattform eine beherrschende Stellung auf dem Gemeinsamen Markt einnimmt, nicht bei der Marktabgrenzung. Dazu unten, § 6, I.6.a)bb). 89 Zu dieser Praxis der Kommission vgl. Baron in: Langen/Bunte, Bd 2, Art. 2 FKVO Nr. 139/2004 Rn. 42. Tröller, S. 110, argumentiert indes, die Kommission habe die Marktabgrenzung bislang offen gelassen, da sie diese für so problematisch halte, dass sie sich ihr nicht ohne Erfordernis zuwenden möchte. 90 Z. B. in: Komm., E. vom 07. Nov. 2000, Fall Nr. COMP/M.2172 – Babcock Borsig/MG technologies/SAP (ec4ec) Rn. 11, abrufbar unter http://europa.eu.int/ comm/competition/mergers/cases/decisions/m2172_de.pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007).
§ 3 Sachliche und räumliche Marktabgrenzung
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lungsstands des e-commerce die relevanten Produktmärkte künftig noch deutlichen Änderungen sowohl in ihrer Definition als auch in ihrer relativen Bedeutung unterworfen sein werden.91 Im Folgenden sollen zunächst die einschlägigen Kriterien zur Abgrenzung des relevanten Produktmarkts dargestellt werden, um dann die bei der Schaffung und dem Betrieb von Internetplattformen betroffenen sachlichen Märkte in ihrer zum jetzigen Zeitpunkt erkennbaren Form abzugrenzen. 1. Kriterien der sachlichen Marktabgrenzung Die sachliche Marktabgrenzung im europäischen Kartellrecht erfolgt – ebenso wie im US-antitrust law92 – nach dem Konzept der Austauschbarkeit von Gütern aus der Sicht der Marktgegenseite (sog. „Bedarfsmarktkonzept“).93 Der sachlich relevante Produktmarkt umfasst sämtliche Erzeugnisse und/oder Dienstleistungen, die von den Verbrauchern hinsichtlich ihrer Eigenschaften, Preise und ihres vorgesehenen Verwendungszwecks als substituierbar angesehen werden.94 Dabei muss ein „Verbraucher“ nicht der Endverbraucher i. S. d. privaten Konsumenten sein; gemeint ist vielmehr der jeweilige Abnehmer des Produkts, der auch ein Unternehmen sein kann.95 Bei der sachlichen Marktabgrenzung sind grundsätzlich die physischen Merkmale der Erzeugnisse, ihre Preise, ihr Verwendungszweck sowie überlieferte oder verfestigte Verbraucherpräferenzen gemeinsam zu berücksichtigen.96 Ausweislich der Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes misst die Kommission zur Feststellung der Substituierbarkeit dem Kriterium der Kreuzpreiselastizität besondere Bedeutung bei: Danach prüft die Kommission, ob und inwieweit die Kunden als Reaktion auf eine angenommene kleine, bleibende Erhöhung der relativen Preise – im Bereich zwischen 5 und 10% – für die betroffenen Produkte auf leicht verfügbare Substitute ausweichen würden.97 Dieser Test ist im US-amerikanischen 91 Siehe z. B. Komm., E. vom 02. Okt. 2000, Fall Nr. COMP/M.2138 – SAP/Siemens/JV (Governet) Rn. 13, abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/competition/ mergers/cases/decisions/m2138_de.pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 92 Zur Abgrenzung des relevanten Produktmarkts im antitrust law oben Zweiter Abschnitt, § 3, I.1. 93 Vgl. Bekanntmachung der Kommission zur Definition des relevanten Marktes im Wettbewerbsrecht, ABl.EG Nr. C 372, 5, Rn. 15; Emmerich in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 81 Abs. 1 EGV, A., Rn. 208; Wiedemann/Wagemann Hdb. KartellR § 16 Rn. 15. 94 Bekanntmachung zur Definition des relevanten Marktes, a. a. O., Rn. 7. 95 Bunte in: Langen/Bunte, Bd. 2, Art. 81 Rn. 110. 96 Roth/Ackermann in: Frankfurter Kommentar, Grundfragen Art. 81 Abs. 1 Rn. 279 ff.; Bunte in: Langen/Bunte, Bd. 2, Art. 81 Rn. 110.
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Kartellrecht als SSNIP-Test bekannt (small but significant, non-transitory increase in prices).98 Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass beim momentanen Entwicklungsstand des B2B e-commerce noch Änderungen im Bereich der als relevant anzusehenden Produktmärkte zu erwarten sind, können bereits einige grundlegende Differenzierungen getroffen werden: Zunächst stellt sich die Frage, ob Errichtung und Betrieb von Internetplattformen den Markt für die dort gehandelten Güter und Dienstleistungen betreffen. Soweit dies bejaht wird, ist zu ermitteln, ob die auf B2Bs gehandelten Güter einen eigenen Produktmarkt darstellen können. Ein weiterer sachlich relevanter Markt ist für die von elektronischen Marktplätzen erbrachten Vermittlungsleistungen anzunehmen, auf dem diverse Plattformen miteinander sowie möglicherweise mit traditionellen Absatz- und Beschaffungsmethoden konkurrieren. Zu diskutieren ist ebenfalls, ob bestimmte Dienstleistungen, die Ausschnitte aus dem Leistungsspektrum von Internetplattformen sind, Gegenstand einer eigenständigen Produktmarktabgrenzung sein könnten. 2. Die betroffenen Märkte im Einzelnen a) Der Markt für auf B2Bs gehandelte Güter Fraglich ist zunächst, ob ein eigenständiger Markt für die auf Internetplattformen gehandelten Güter und Dienstleistungen anzunehmen ist oder ob der Marktplatz als reine Kommunikationsplattform anzusehen ist, deren Benutzung keinerlei Einfluss auf die Absatz- und Beschaffungsmärkte der gehandelten Produkte hat. Im Sinne der ersten Auffassung brachten die Gründer United Technologies, Honeywell und i2 bei der Anmeldung ihrer als Gemeinschaftsunternehmen betriebenen Internetplattform MyAircraft.com vor, dass ihre Plattform auf dem Produktmarkt für luft- und raumfahrttechnische Güter und Dienstleistungen tätig sei.99 Dieses Vorbringen wurde von der EU-Kommission akzeptiert, wobei jedoch die genaue Abgrenzung der relevanten Produktmärkte offen bleiben konnte.100 Auch die Dritte Beschlussabteilung des 97 Bekanntmachung zur Definition des relevanten Marktes, a. a. O., Rn. 17; kritisch zu dieser Methode Roth/Ackermann in: Frankfurter Kommentar, Grundfragen Art. 81 Abs. 1 Rn. 285 sowie Möschel in: Immenga/Mestmäcker GWB § 19 Rn. 33. 98 Monti, Rede zur Markdefinition, S. 4; Department of Justice and Federal Trade Commission Horizontal Merger Guidelines v. 2. April 1992, geändert am 8. April 1997, § 1.0, abgedruckt bei Sullivan/Grimes, S. 1069 ff. 99 Komm., E. vom 4. Aug. 2000, Fall Nr. Comp/M 1969 (UTC/Honeywell/ i2/MyAircraft.com) Rn. 11.
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Bundeskartellamts stufte im Fall der Plattform CC-markets, dem Gemeinschaftsunternehmen von BASF, Degussa-Hüls, Henkel und SAP zur Beschaffung von technischen Gütern mit indirektem Produktionsbezug, den Markt für die gehandelten Güter und Dienstleistungen als sachlich relevant ein.101 Eine weitergehende Marktabgrenzung müsse dann vorgenommen werden, wenn auf der Plattform branchenspezifische Güter gehandelt würden oder solche, die durch den Internethandel besondere Eigenschaften aufweisen.102 Da keine dieser beider Bedingungen bei CC-markets erfüllt war, betrachtete die Beschlussabteilung den allgemeinen Markt für technische Güter und Dienstleistungen mit indirektem Produktionsbezug; eine weitere Unterteilung hielt sie für entbehrlich. Der Zusammenschluss hätte nämlich bei keiner denkbaren Abgrenzung zu einer marktbeherrschenden Stellung i. S. d. § 36 Abs. 1 GWB geführt.103 Die Gründung von CC-markets stellte keinen Zusammenschluss i. S. v. Art. 3 FKVO dar, so dass das deutsche Fusionskontrollrecht Anwendung fand. Das Bundeskartellamt wendet aber für die sachliche Marktabgrenzung ebenfalls das Konzept der Austauschbarkeit von Gütern aus Sicht der Marktgegenseite an104, weshalb die Argumente auf die EG-Fusionskontrolle übertragbar sind. Dagegen wird vorgebracht, dass B2B-Marktplätze ausschließlich als Kommunikationsplattformen dienten, weshalb durch ihre Errichtung nur der Markt für die IT-Dienstleistung zur Unterstützung des elektronischen Handels im Internet betroffen sein könne.105 Definitionsgemäß sei ein B2BMarktplatz nicht selbst im Vertrieb eines Produktes tätig, sondern nur als Mittler; in dieser Hinsicht sei er mit einem Telefonnetz vergleichbar, das auch nur die Teilnehmer verbinde.106 Ein virtueller Marktplatz habe mithin, wenn überhaupt, nur unter besonderen Voraussetzungen Auswirkungen auf die Märkte für die auf ihm gehandelten Güter und Dienstleistungen.107 Die Märkte der über die Plattform gehandelten Güter seien auch keine voroder nachgelagerten oder benachbarten Märkte.108 100
Komm., a. a. O. Rn. 13. BKartA, Beschl. v. 23. Okt. 2000, B 3 – 72303 – U – 76/00 (CC-markets), WuW/E DE-V 355 ff., Rn. 24, 32 ff. 102 BKartA, a. a. O. Rn. 32 ff. 103 BKartA, a. a. O. Rn. 36. 104 Vgl. Bechtold, FS Gaedertz, S. 49; Schultz/Wagemann Rn. 834; Wiedemann/ Wagemann, Hdb. KartR § 16 Rn. 15. 105 Bahr, WuW 2002, 230, 232; Jestaedt, BB 2001, 581, 586. 106 Jestaedt, BB 2001, 581, 586. 107 Jestaedt, a. a. O. 108 Jestaedt, BB 2001, 581, 587; insoweit a. A. Bahr, WuW 2002, 230, 238, der den Markt der über die B2B-Plattform gehandelten Produkte als dem Markt für die Vermittlungsleistung der Plattform benachbart bezeichnet. 101
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3. Abschn.: Elektronische Marktplätze im europäischen Kartellrecht
Sofern man nicht ausschließlich auf die technische Funktionsweise von Internetplattformen abstellt, sondern auch ihren wirtschaftlichen Zweck betrachtet, erscheint die erstgenannte Auffassung folgerichtig: B2Bs werden in den allermeisten Fällen als Einkaufs- oder Verkaufsplattformen geplant, je nach Perspektive der Gründungsmitglieder.109 Dabei steht bei den meisten von führenden Wettbewerbern einer Branche gegründeten Marktplätzen die Beschaffung durch diese Unternehmen selbst im Vordergrund – man denke an Covisint, SupplyON110 und die anderen, teilweise privaten Marktplätze in der Automobilindustrie. Zwar ist richtig, dass B2Bs nicht selbst Produkte vertreiben, sondern als Kommunikationsplattform dienen.111 Diese Kommunikation ist aber kein Selbstzweck, sondern soll zu Vertragsabschlüssen führen und so eine effizientere Beschaffung ermöglichen. Wenn Ende 2005 allein mehr als 8500 Unternehmen der Automobilzulieferindustrie aus mehr als 30 Ländern die B2B-Handelsplattform SupplyOn nutzen112, so hat dies selbstverständlich Auswirkungen auf den Markt für die dort gehandelten Produkte selbst. Beispielsweise wäre denkbar, dass die am B2B-Handel teilnehmenden Unternehmen ihre Stellungen auf den Märkten der gehandelten Produkte verbessern oder die Internetplattform benutzen, um Kartellvereinbarungen bezüglich dieser Märkte zu treffen. Insofern ist in Übereinstimmung mit bisherigen Äußerungen der Europäischen Kommission und des Bundeskartellamts davon auszugehen, dass beim Aufbau einer Internetplattform regelmäßig die Märkte der auf dieser Plattform gehandelten Güter und Dienstleistungen betroffen sind.113 Zweifelhaft erscheint, ob dies gleichzeitig bedeutet, dass die auf einem B2B-Marktplatz gehandelten Produkte immer einen relevanten Produktmarkt i. S. d. Kommissionsbekanntmachung darstellen. Diese Frage kann nicht pauschal für alle Fälle beantwortet werden, sondern ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Weiterhin wird diskutiert, ob die auf B2Bs gehandelten Güter und Dienstleistungen Teil des „normalen“ Produktmarkts sind oder es einen separaten 109 Dabei gibt es auch Kombinationen von beiden, vgl. BKartA, Beschluss v. 25. Sept. 2000 – B 5 – 34100 U 40/00 (Covisint), WuW/E DE-V 323 = BB 2000, 2432 f. 110 SupplyON ist die von Bosch, Continental, Schaeffler, ZF Friedrichshafen und SAP gegründete Plattform zum Ein- und Verkauf von Produktionsmaterialien der Automobilzulieferindustrie. 111 Vgl. Jestaedt, BB 2001, 581, 586. 112 So der Aufsichtsratsvorsitzende von SupplyOn, zitiert in „Mehr als eine Einkaufsplattform – Der Internet-Dienstleister SupplyOn hat sich etabliert“, FAZ vom 7. Dez. 2005, S. 18. 113 Ebenso etwa Ahlborn/Seeliger, EuZW 2001, 552, 554 f.; Gassner, MMR 2001, 140, 142; Gounalakis/Lochen, ZHR 167 (2003) 632, 641; Koenig/Kulenkampff/Kühling/Loetz/Smit, S. 186 ff.; Tröller, S. 129.
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Markt für auf Internetplattformen gehandelte Güter gibt. Der Handel auf B2Bs stellt zunächst einen zusätzlichen Vertriebsweg dar, der neben die traditionellen Vertriebswege tritt. Jedoch bieten viele Internetplattformen effizienzsteigernde Dienstleistungen aus den Bereichen Logistik, Lager- und Liefermanagement an, die über den traditionellen Ein- und Verkauf hinausgehen und ein wichtiges Argument für Interessenten darstellen könnten, Güter über einen elektronischen Marktplatz zu beziehen statt auf traditionellem Wege. Die Kommission hat zwar bislang in allen von ihr geprüften B2B-Fällen die Definition des relevanten Produktmarkts offen gelassen, sich also zu dieser Fragestellung nicht eindeutig geäußert. Sie hat sie aber etwa im Fall von MyAircraft.com zumindest diskutiert. Darüber hinaus deutete sie in einigen e-commerce-bezogenen Fällen außerhalb des B2B-Bereichs an, dass es Gründe dafür geben könnte, von einem eigenen Produktmarkt für Fernverkäufe auszugehen. Um von einem Teilmarkt für auf virtuellen Marktplätzen gehandelte Güter ausgehen zu können (Vertrieb über B2Bs im Gegensatz zu herkömmlichen Messen, Börsen und Märkten), müssten diese sich aus Sicht der Abnehmer hinsichtlich ihrer Eigenschaften so stark von auf herkömmlichem Wege bezogenen Gütern unterscheiden, dass eine funktionelle Austauschbarkeit nicht mehr gegeben ist. Dies wird jedoch nicht immer der Fall sein: Bei vielen Produkten werden potenzielle Nutzer elektronischer Marktplätze die online eingeholten Angebote mit herkömmlichen Angeboten vergleichen und ihre Kaufentscheidungen nach hergebrachten Kriterien fällen (Preis, Qualität, Liefertermine etc.). Der elektronische Geschäftsverkehr ist dann aus Sicht der potenziellen Kunden nur eine Möglichkeit des Bezugs oder Vertriebs der gewünschten Produkte. So lagen die Dinge im Fall von MyAircraft.com114, dem Gemeinschaftsunternehmen für den Handel mit Luftund Raumfahrttechnik. Dagegen wird eine funktionelle Austauschbarkeit von online und offline vermittelten Gütern zu verneinen sein, wenn die von Internetplattformen (zusätzlich zum eigentlich nachgefragten Produkt) angebotenen Dienstleistungen für den potenziellen Abnehmer so bedeutsam sind, dass nur dieser Vertriebsweg in Betracht kommt.115 Dies ist durchaus vorstellbar, wenn die von einem B2B-Marktplatz angebotenen Zusatzleistungen tatsächlich zu einem spürbaren Mehrwert für die Abnehmer sorgen, zum Beispiel wenn Lieferkettenmanagement angeboten oder Transport- und Finanzdienstleistungen vermittelt werden. Schließlich soll die viel zitierte effizienzsteigernde Wir114
Komm., E. vom 4. Aug. 2000, Fall Nr. COMP/M.1969 (UTC/Honeywell/ i2/MyAircraft.com). 115 Vgl. Bahr, WuW 2002, 230, 233; Lücking, Beitrag zur Konferenz der Universität Leicester, S. 4; Schaub in: Recht, Wettbewerb und e-commerce, 49, 50.
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3. Abschn.: Elektronische Marktplätze im europäischen Kartellrecht
kung der Internetplattformen gerade mittels dieser zusätzlichen Dienstleistungen erreicht werden.116 Für die Annahme eines besonderen Vertriebswegs sprechen noch weitere Gründe. Bei der Lektüre der Tätigkeitsbeschreibung von MyAircraft.com lässt sich eine Parallele zu einem bekannten Marktabgrenzungsproblem aus der „old economy“ ziehen: Die Anmelder bezeichnen ihr Gemeinschaftsunternehmen als ein „one-stop shopping“ für Produkte und Dienstleistungen aus der Luft- und Raumfahrtbranche.117 Der Begriff des „one-stop shopping“ wird üblicherweise im Zusammenhang mit der Abgrenzung des Handelsmarkts im Lebensmitteleinzelhandel gebraucht und bezeichnet die Verkaufsformen, in denen der Verbraucher ein umfassendes Sortiment von Waren aus dem Food und Non-Food Bereich in einer einzigen Verkaufsstelle vorfindet.118 Solche Verkaufsformen sind aus Verbrauchersicht nicht mit dem Angebot von Geschäften wie Bäckereien, Tankstellen oder Bio-Läden austauschbar, die nur ein begrenztes Sortiment anbieten.119 In Anlehnung an diese Abgrenzung anhand des Sortiments könnte man sagen, dass der B2B-Kunde eine über den reinen Ein- und Verkauf hinausgehende Palette von Zusatzleistungen erwartet, anhand derer sich der Handel über elektronische Marktplätze von anderen, traditionellen Verkaufsformen unterscheidet. Dass den Ergebnissen der Marktuntersuchung zufolge bei MyAircraft.com aus Sicht der potenziellen Nutzer zum fraglichen Zeitpunkt dieser Unterschied noch nicht genügend ausgeprägt war, steht der Validität dieses Kriteriums nicht entgegen. Des Weiteren sprechen mehrere Entscheidungen aus dem e-commerceBereich ebenfalls für die Abgrenzung eines vertriebswegbezogenen Teilmarkts anhand der o. g. Kriterien: Bei ihrer Beurteilung der Gründung eines Buchclubs in Italien als Gemeinschaftsunternehmen durch Bertelsmann und Mondadori deutete die Kommission an, dass die Abgrenzung eines separaten Marktes für den Fernverkauf von Büchern, der neben Buchclubs auch den herkömmlichen Versandhandel und Verkäufe über das Internet umfasse, möglich sei.120 Die Parteien hatten vorgebracht, dass als relevanter Pro116 Vgl. BKartA, Beschluss v. 25. Sept. 2000, B 5 – 34100 U 40/00 (Covisint), WuW/E DE-V 321 = BB 2000, 2432; Köhler, K&R 2000, 569, 569 („Dienstleistungen . . ., die über die Bereitstellung eines virtuellen Marktplatzes weit hinausgehen“). 117 A. a. O., Rn. 5. 118 Komm., E. vom 3. Feb. 1999, Sache Nr. IV/M.1221 (Rewe/Meinl), ABl.EG 1999 L 274, 1, 3 (Tz. 13); Komm., E. vom 20. Nov. 1996, Sache Nr. IV/M.784 (Kesko/Tuko), ABl.EG 1997 L 110/53, 55 (Rn. 18). 119 Ausführlich zur sachlichen Marktabgrenzung im Lebensmittelhandel Baron in: Langen/Bunte, Bd. 2, Art. 2 FKVO Nr. 139/2004 Rn. 100. 120 Komm., E. vom 22. April 1999, Sache Nr. IV/M.1407 (Bertelsmann/Mondadori), abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/competition/mergers/cases/deci sions/m1407_en.pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007).
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duktmarkt der Verkauf von Büchern an Endverbraucher unabhängig von den Vertriebskanälen angesehen werden müsse.121 Dagegen verwies die Kommission auf frühere Entscheidungen, in denen sie zwischen Versandhandelsverkäufen und anderen Formen des Verkaufs unterschieden hatte.122 Zur Begründung ihrer Einschätzung führte die Kommission aus, dass sich der Bücherkauf von Buchclubs aus Konsumentensicht in verschiedener Hinsicht von anderen Bezugsmöglichkeiten unterscheide (Auswahl aus Katalogen ohne Präsenz von Verkaufspersonal, Lieferung frei Haus, Umtauschmöglichkeit mit Geld-zurück-Garantie). Die exakte Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes konnte in der Entscheidung Bertelsmann/Mondadori zwar offen bleiben.123 Jedoch bleibt im Ergebnis festzuhalten, dass die Kommission bei der Beurteilung der funktionellen Austauschbarkeit der im Fernverkauf vertriebenen Bücher darauf abstellte, dass diese Vertriebsart aus Abnehmersicht spezifische Vorteile mit sich bringt, auf die bestimmte Endverbraucher Wert legen. Überträgt man diesen Ansatz auf die elektronischen Marktplätze, so könnte man ebenso argumentieren, dass die Existenz B2B-spezifischer Dienstleistungen, die sich effizienzsteigernd – und somit vorteilhaft – auf Unternehmen auswirkt, die Abgrenzung eines vertriebsbezogenen Teilmarkts für auf Internetplattformen gehandelte Produkte rechtfertigt. In der Diskussion über die Abgrenzung der relevanten Produktmärkte bei Internetmarktplätzen im US-Kartellrecht wurde ebenfalls vorgeschlagen, den Markt der gehandelten Güter und Dienstleistungen so abzugrenzen wie bei anderen Verkaufsformen im Groß- und Einzelhandelsbereich. Als besonders wichtiges Indiz für das Vorliegen eines separaten Teilmarkts für auf bestimmten Vertriebskanälen erhältliche Waren wurde dabei eine von anderen Vertriebswegen unabhängige Preisgestaltung angesehen.124 Sollte der Vertrieb über elektronische Marktplätze tatsächlich zu einer signifikanten Reduzierung der Absatz- und Beschaffungskosten der gehandelten Produkte beitragen und in einer unabhängigen Preisgestaltung resultieren, so wäre dies ein weiteres Argument für die Annahme eines eigenen Teilmarkts. Ob 121
Komm., a. a. O., Rn. 13. A. a. O., Rn. 15; als Beispiele werden die Komm., E. vom 21. März 1991, Fall Nr. IV/M.070 (Otto/Grattan), abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/competition/ mergers/cases/decisions/m70_en.pdf, sowie die E. vom 24. März 1998, Sache Nr. IV/M.1112 (Advent International/EMI/WH Smith), abrufbar unter http:// europa.eu.int/comm/competition/mergers/cases/decisions/m1112_en.pdf, angeführt (beide zuletzt besucht am 23. Dez. 2006). 123 Der Zusammenschluss hätte nach keiner plausiblen Marktabgrenzung zu einer marktbeherrschenden Stellung geführt, Komm., E. vom 22. April 1999, Fall Nr. IV/M.1407 – Bertelsmann/Mondadori, Rn. 16. 124 Siehe oben Zweiter Abschnitt, § 3, I.2.a). 122
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3. Abschn.: Elektronische Marktplätze im europäischen Kartellrecht
eine signifikante Kostenreduzierung tatsächlich eintreten wird, kann derzeit jedoch nicht beurteilt werden.125 b) Der Markt für die Vermittlungsleistungen elektronischer Marktplätze Darüber hinaus ist ein sachlich relevanter Markt für die von elektronischen Marktplätzen erbrachten Vermittlungsleistungen anzunehmen, der auch als Markt für Internetplattformen bezeichnet wird. Auf diesem Produktmarkt stehen industriespezifische Plattformen im Wettbewerb mit B2Bs, die nicht auf bestimmte Industrien spezialisiert sind, sowie mit SoftwareAnwendungen für Bedarfsplanung, Produktlieferung und ähnliche Dienstleistungen, die Teile des Leistungsspektrums von B2Bs sind. Eine weitere wichtige Frage ist, ob die Dienstleistungen von virtuellen Marktplätzen Teil eines umfassenden Marktes für Absatz- und Beschaffungsdienstleistungen sein können, der auch traditionelle Arten der Geschäftsabwicklung umfasst.126 Sowohl die Kommission der Europäischen Gemeinschaften als auch das Bundeskartellamt haben sich zwar auch zu dieser Fragestellung noch nicht eindeutig geäußert. Dennoch geben die bislang von beiden Behörden veröffentlichten Entscheidungen zu elektronischen Marktplätzen Grund zu der Annahme, dass sie bei der Abgrenzung des Produktmarkts der von Internetplattformen erbrachten Dienstleistungen von unterschiedlichen Prämissen ausgehen. aa) Ansatz des Bundeskartellamts Das Bundeskartellamt bezeichnet den relevanten Produktmarkt als den Markt für die Erbringung von IT-Dienstleistungen für die elektronische Geschäftsabwicklung im Internet.127 Nach Ansicht der Behörde bestehen diese Leistungen vorwiegend darin, ein einheitliches Betriebssystem für die diversen internet-basierten Leistungsbeziehungen eines Unternehmers zu seinen Zulieferern und/oder Abnehmern zur Verfügung zu stellen.128 125
Nach hiesiger Auffassung spricht die Erfolglosigkeit vieler B2Bs eher dagegen. 126 Vgl. Ahlborn/Seeliger, EuZW 2001, 552, 554; Bahr, WuW 2002, 230, 231 ff.; Koenig/Kulenkampff/Kühling/Loetz/Smit, S. 191 f.; Schaub in: Recht, Wettbewerb und e-commerce, 49, 52. 127 BKartA, Beschl. v. 23. Okt. 2000, B 3 – 72303 – U – 76/00 (CC-markets), WuW/E DE-V 355 ff., Rn. 28; BKartA, Beschl. v. 26. Jan. 2001, B 3 – 25130 – U – 110/00 (RubberNetwork.com), WuW/E DE-V 423 ff., Rn. 25. 128 BKartA, Beschl. v. 23. Okt. 2000, a. a. O. (vorige Fn.), Rn. 24.
§ 3 Sachliche und räumliche Marktabgrenzung
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Ein so definierter Produktmarkt liegt den Beschlüssen des Bundeskartellamts zu den B2B-Plattformen Covisint, CC-markets und RubberNetwork zugrunde. Zwar handelt es sich in allen drei Fällen um Entscheidungen über Zusammenschlüsse nach § 37 Abs. 1 Nr. 3 lit. b, S. 3 GWB, da die Gründer nicht die gemeinsame Kontrolle über die Internetplattform ausüben werden, so dass der Zusammenschlusstatbestand des Art. 3 FKVO nicht erfüllt ist. Der sachlichen Marktabgrenzung durch das Bundeskartellamt im Bereich der deutschen Fusionskontrolle liegt jedoch das Konzept der Austauschbarkeit von Gütern aus Sicht der Marktgegenseite und somit das gleiche Prinzip wie der EG-Fusionskontrolle zugrunde129, weshalb die Argumentation auf das EG-Kartellrecht übertragbar ist. Instruktiv für die Herangehensweise des Bundeskartellamts sind die Erwägungen der Fünften Beschlussabteilung bezüglich des B2B-Marktplatzes Covisint.130 Die Beschlussabteilung führt aus, dass Covisint mit automobilspezifischen Plattformen im Wettbewerb stehen wird, wie den (privaten) virtuellen Markplätzen von VW, Ford und General Motors.131 Des Weiteren sei Konkurrenz von Seiten der Plattformen zu erwarten, die industriespezifische Komplettlösungen für andere, der Automobilproduktion vorgelagerte Industriezweige anbieten, wie für die Chemie-, Stahl- und Kunststoffindustrie.132 Darüber hinaus komme Wettbewerb aus dem Bereich nicht-industriespezifischer Plattformen, die ebenfalls katalogbasierenden Einkauf sowie Beschaffungs- und Verkaufsauktionen anbieten.133 Auch die in der Automobilindustrie bereits vor der Entwicklung von B2Bs genutzten SoftwareAnwendungen im Zuliefermanagement stünden dem entsprechenden Angebot von Covisint gegenüber.134 Weniger detailliert, aber vergleichbar sind die Ausführungen der Dritten Beschlussabteilung, die über die Freigabe der virtuellen Marktplätze CCmarkets und RubberNetwork zu befinden hatte. In ihren Entscheidungen ordnet die Abteilung die Plattformen dem Produktmarkt für Internet-Marktplätze zu und differenziert nach dem wirtschaftlichen Zweck der Internetplattformen (Einkauf, Verkauf oder beides)135 und nach der angebotenen 129
Vgl. Bechtold, FS Gaedertz, S. 49; Schultz/Wagemann Rn. 834; Wiedemann/ Wagemann, Hdb. KartR § 16 Rn. 15. 130 BKartA, Beschluss v. 25. Sept. 2000 – B 5 – 34100 U 40/00 (Covisint), WuW/E DE-V 321 ff. = BB 2000, 2431 ff. 131 BKartA, a. a. O., WuW DE-V 323 = BB 2000, 2433. 132 BKartA, a. a. O. 133 BKartA, a. a. O. 134 BKartA, a. a. O. 135 BKartA, Beschl. v. 23. Okt. 2000, B 3 – 72303 – U – 76/00 (CC-markets), WuW/E DE-V 355 ff., Rn. 26, 31; E. vom 26. Jan. 2001, B 3 – 25130 – U – 110/00 (RubberNetwork.com), WuW/E DE-V 423 ff., Rn. 20.
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3. Abschn.: Elektronische Marktplätze im europäischen Kartellrecht
Produktpalette136 bzw. Branchenzugehörigkeit.137 Mithin untersuchte das Bundeskartellamt in allen drei Fällen, ob die von den Marktplätzen angebotenen Dienstleistungen mit den Leistungen anderer elektronischer Plattformen bzw. mit Softwarelösungen austauschbar sind. Demgegenüber wurde die Frage, ob eine Austauschbarkeit der von virtuellen Marktplätzen angebotenen Services mit traditionellen Möglichkeiten der Geschäftsabwicklung außerhalb des Internets gegeben ist, gar nicht angesprochen. Dies ist Folge der engen Definition des Produktmarkts, der von vornherein auf die Erbringung von IT-Dienstleistungen für die elektronische Geschäftsabwicklung im Internet begrenzt wird. Den Freigabeentscheidungen des Bundeskartellamts für die B2B-Marktplätze Covisint, CC-markets und RubberNetwork lässt sich folglich entnehmen, dass die Behörde den Markt für die von Internetplattformen erbrachten Vermittlungsleistungen als einen eigenständigen Produktmarkt betrachtet, auf dem keine Substitution durch herkömmliche, d.h. nicht-internetbasierte, Methoden der Beschaffung oder des Absatzes stattfindet.138 bb) Ansatz der Kommission In dieser Hinsicht unterscheidet sich die bisherige Praxis des Bundeskartellamts vom Ansatz der Kommission der Europäischen Gemeinschaften. Die Kommission hat die Frage, ob die Dienstleistungen von virtuellen Marktplätzen einen eigenen sachlich relevanten Markt darstellen oder ob sie Teil eines umfassenden Marktes für Absatz- und Beschaffungsdienstleistungen sind, etwa in den Fällen MyAircraft.com139 und Chemplorer140 erwogen. In der Anmeldung von MyAircraft.com brachten die Gründer vor, dass der elektronische Handel über die Plattform nur eine Möglichkeit der 136 BKartA, Beschl. v. 23. Okt. 2000, B 3 – 72303 – U – 76/00 (CC-markets), WuW/E DE-V 355 ff., Rn. 31. 137 BKartA, Beschl. v. 26. Jan. 2001, B 3 – 25130 – U – 110/00 (RubberNetwork.com), WuW/E DE-V 423 ff., Rn. 28. 138 So interpretiert auch Bahr, WuW 2002, 230, 232. Bei der Untersuchung der Marktmacht auf dem Markt der gehandelten Produkte betrachtet das BKartA allerdings das weltweite Einkaufsvolumen der Gründungsmitglieder unabhängig von der Beschaffungsform, siehe BKartA, Beschl. v. 26. Jan. 2001, B 3 – 25130 – U – 110/00 (RubberNetwork.com), WuW/E DE-V 423 ff., Rn. 30. 139 Komm., E. vom 4. Aug. 2000, Fall Nr. Comp/M 1969 (UTC/Honeywell/ i2/MyAircraft.com), Rn. 11, 18, abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/competi tion/mergers/cases/decisions/m1969_en.pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 140 Komm., E. vom 6. Okt. 2000 – COMP/M.2069 – Bayer/Deutsche Telekom/ Infraserve JV/Chemplorer, Rn. 15.
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Geschäftsabwicklung darstelle, die den Kunden neben den herkömmlichen Möglichkeiten, wie e-mail, Telefax oder Telefon, zur Verfügung stehe.141 Eine Marktuntersuchung der Kommission ergab, dass auch Wettbewerber MyAircraft.com lediglich als eine Möglichkeit der Geschäftsabwicklung ansahen.142 Im Gegensatz dazu argumentierten Bayer, die Deutsche Telekom und Infraserv, dass ihre Beschaffungsplattform Chemplorer auf dem Markt für den Betrieb von Internetplattformen für das Zusammenführen von Angebot und Nachfrage nach technischen und administrativen Gütern sowie Verpackungen tätig sei.143 Die Kommission ließ die präzise Abgrenzung des relevanten Produktmarkts offen, deutete aber an, dass er auch den traditionellen Vertrieb solcher Güter umfassen könnte.144 Anders als das Bundeskartellamt grenzt die Kommission mithin die im Zusammenhang mit den von Internetplattformen erbrachten Absatz- und Beschaffungsleistungen relevanten Produktmärkte nicht von vornherein nach dem Kriterium ab, ob die Geschäftsabwicklung auf elektronischem oder traditionellem Wege erfolgt. Die zitierte Entscheidung der Kommission im Fall MyAircraft.com wird man dagegen nicht als Beleg für die Behauptung anführen können, die Kommission tendiere dahin, den Erwerb von Gütern über Internetplattformen nicht als einen besonderen Vertriebsweg zu betrachten.145 Die Kommission hat ja die Möglichkeit, dass die von einem virtuellen Marktplatz angebotenen Zusatzleistungen zur Annahme eines separaten Produktmarkts führen können, durchaus in Erwägung gezogen, denn ansonsten hätte sie die Marktuntersuchung mit eben dieser Fragestellung gar nicht erst durchgeführt. Des Weiteren spricht die Betonung der Tatsache, dass die befragten Dritten zum Zeitpunkt der Befragung146 das Vorliegen eines separaten Produktmarkts verneinten, dafür, dass diese Beurteilung in Zukunft anders ausfallen kann. Aus diesen Gründen erscheint es verfehlt, der Kommission eine „Tendenz“ gegen die Annahme eines besonderen Vertriebswegs zu unterstellen. 141 Komm., E. vom 4. Aug. 2000, Fall Nr. COMP/M.1969 (UTC/Honeywell/ i2/MyAircraft.com), Rn. 11. 142 Komm., E. vom 4. Aug. 2000, Fall Nr. COMP/M.1969 (UTC/Honeywell/ i2/MyAircraft.com), Rn. 18. 143 Komm., E. vom 6. Okt. 2000 – COMP/M.2069 – Bayer/Deutsche Telekom/ Infraserve JV/Chemplorer, Rn. 14. 144 Er könnte jedoch auch enger zu fassen und z. B. auf Marktplätze für technische Güter ausschließlich in der chemischen Industrie beschränkt sein, vgl. Komm., a. a. O. (Chemplorer), Rn. 15. 145 So aber Gassner, MMR 2001, 140, 143 f. 146 „The market investigation reveals, however, that . . . third parties do not at present consider . . .,“ Komm., E. vom 4. Aug. 2000 (MyAircraft) Rn. 12.
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cc) Funktionale Betrachtungsweise Gegen diese Ansätze des Bundeskartellamts und der Kommission wird im Schrifttum vorgebracht, dass die sachlich relevanten Märkte im B2B-Bereich nicht anhand der individuellen Besonderheiten einzelner Internetplattformen abgegrenzt werden sollten.147 Denn bei einer reinen Einzelfallprüfung würden keine einheitlichen Abgrenzungskriterien entwickelt, was zu Rechtsunsicherheit führe.148 Stattdessen wird eine „funktionale Betrachtungsweise“ vorgeschlagen, die zunächst das Leistungsspektrum von Internetplattformen untersucht, um danach eine systematische Marktabgrenzung vorzunehmen.149 Zu diesem Zweck unterteilt die Autorin die Leistungen von B2B-Marktplätzen in eine Informations-, Kommunikations- und Abwicklungsphase und stellt in jeder dieser Phasen die Frage nach der Austauschbarkeit der Marktplatzleistungen mit den Angeboten anderer Kommunikationsmittel wie Datenbanken, Katalogen und Telefon-Konferenzschaltungen.150 Sie gelangt zu dem Ergebnis, dass die Informations-, Kommunikations- und digitalen Abwicklungsfunktionen von B2B-Plattformen völlig neuartige Handelsmöglichkeiten eröffneten und ihre Kombination nicht gegen herkömmliche Kommunikationsmittel austauschbar sei.151 Daher würden B2B-Marktplätze einen eigenen Markt darstellen.152 dd) Diskussion Die im Schrifttum vorgeschlagene funktionale Betrachtungsweise trägt dem Umstand nicht Rechnung, dass für die Abgrenzung der relevanten Produktmärkte die Austauschbarkeit von Gütern und Dienstleistungen aus Sicht der Marktgegenseite entscheidend ist. Die Betrachtung der Informations-, Kommunikations- und Abwicklungsmöglichkeiten von B2B-Marktplätzen sagt nichts darüber aus, ob diese Angebote aus der maßgeblichen Sicht der Marktgegenseite tatsächlich als überlegene Absatz- und Beschaffungsdienstleistungen angesehen werden. Bereits die Prämisse, dass die sachlich relevanten Märkte im B2B-Bereich nicht anhand der individuellen Besonderheiten einzelner Internetplattformen abgegrenzt werden sollten, geht fehl. 147
Tröller, S. 117. A. a. O. 149 A. a. O., S. 119. 150 A. a. O., S. 119 ff. 151 Dieses Endergebnis vermag nicht zu überraschen, da Tröller bereits bei der Untersuchung der Informationsfunktion elektronischer Marktplätze feststellt, dass B2Bs keine Alternative, sondern eine Notwendigkeit für globale Unternehmen seien, a. a. O., S. 120. 152 A. a. O., S. 124. 148
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Denn die für die sachliche Marktabgrenzung entscheidenden Faktoren, wie die physischen Merkmale der betrachteten Güter, ihr Verwendungszweck, ihre Preise und existierende Verbraucherpräferenzen, lassen sich nur für jedes Produkt individuell ermitteln. Diese sog. „funktionale Betrachtungsweise“ ist folglich abzulehen. Der Ansatz der Kommission lässt Raum für Differenzierungen im Einzelfall und ist zumindest auf Plattformen mit einem niedrigen Integrationsgrad153 anzuwenden. Solche Plattformen, bei denen keine Anbindung an die unternehmensinterne ERP-Software stattfindet, sind noch am ehesten mit klassischen Kommunikationsmitteln zu vergleichen.154 Zwar liegt ein wichtiger Unterschied zwischen den Dienstleistungen auch einfach ausgestalteter B2B-Plattformen und den hergebrachten Absatz- und Beschaffungsmethoden darin, dass letztere auf die bilaterale Geschäftsabwicklung ausgerichtet sind, nicht auf das Zusammentreffen vieler Anbieter und Nachfrager.155 Dennoch ist im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden, ob und in welchem Umfang elektronische Marktplätze dem Wettbewerb traditioneller Absatzdienstleistungen ausgesetzt sind. Zum heutigen Zeitpunkt ist wohl davon auszugehen, dass viele Unternehmen, wie die im Rahmen der Untersuchung von MyAircraft.com befragten Unternehmen der Luft- und Raumfahrtbranche, den Ein- und Verkauf mittels B2B-Plattformen nur als eine Option neben anderen betrachten.156 Das könnte sich jedoch mit der Zeit ändern. In der Vergangenheit fand eine solche Veränderung zum Beispiel im Bereich computergestützter Flugreservierungssysteme statt. In einer diesbezüglichen Entscheidung aus dem Jahre 1988 stellte die Kommission darauf ab, dass die rechnergestützte Reservierung bald sämtliche anderen Arten der Flugticketreservierung verdrängen werde.157 Zur Begründung verwies sie auf die Vorteile des neuen Systems – Schnelligkeit, sofortige Verfügbarkeit und laufende Aktualisierung –, die so erheblich seien, dass die anderen noch bestehenden Reservierungsarten nicht mehr als gleichwertig angesehen werden könnten.158 Aus heutiger Sicht kann man diese Einschätzung der Kommission nur bestätigen. Folglich ist bei der Abgrenzung des Produktmarkts für die Vermittlungsleistungen von elektronischen Marktplätzen in einem ersten Schritt zu un153
Zum Integrationsgrad oben Erster Abschnitt, § 1, IV. Vgl. etwa Gounalakis/Lochen, ZHR 167 (2003) 632, 639. 155 Bahr, WuW 2002, 230, 233. 156 So auch Bahr, WuW 2002, 230, 233. 157 Komm., E. vom 4. Nov. 1988, Sache IV/32.318 (London European/ SABENA), ABl.EG 1988 Nr. L 317, 47 = WuW/EV 1383. 158 Komm., E. vom 4. Nov. 1988, Sache IV/32.318 (London European/ SABENA), ABl.EG 1988 Nr. L 317, 47 = WuW/EV 1383. 154
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tersuchen, ob ein B2B-Marktplatz im konkreten Fall dem Wettbewerb herkömmlicher Beschaffungsmethoden ausgesetzt ist. Wenn ja, ist er Teil eines umfassenden Produktmarkts für Absatz- und Beschaffungsdienstleistungen. Ist die Frage dagegen zu verneinen, ist der Marktplatz dem enger gefassten Teilmarkt für internet-basierte, elektronische Beschaffungsmethoden zuzuordnen. Dann muss in einem zweiten Schritt gefragt werden, ob alle oder nur bestimmte Möglichkeiten der elektronischen Beschaffung im Internet mit dem B2B-Marktplatz konkurrieren. c) Die Teilmärkte für internet-basierte, elektronische Beschaffungsmethoden Sowohl in den diesbezüglichen Entscheidungen der Kommission und des Bundeskartellamts als auch im Schrifttum werden Kriterien zur Abgrenzung von Teilmärkten für Internetplattformen diskutiert. Dies ist folgerichtig, denn schon bei der Betrachtung der in diesem Kapitel bislang diskutierten B2Bs, wie Covisint, CC-markets, RubberNetwork und MyAircraft, drängt sich das Ergebnis, dass nicht alle Internetplattformen miteinander im Wettbewerb stehen können, geradezu auf. Eine erste Unterscheidung wird man daher nach dem Industriefokus der B2B-Marktplätze treffen können; eine weitere nach ihrem wirtschaftlichen Zweck, d.h. ihrer Funktion als Absatzoder Beschaffungsplattform oder als Kombination von beidem, wobei sich diese aus der Perspektive der Gründungsmitglieder bestimmt.159 aa) Wettbewerb zwischen B2Bs und B2Cs? Daneben stellt sich die Frage, ob B2B-Marktplätze Konkurrenz seitens einiger business-to-consumer-(B2C)-Marktplätze zu erwarten haben, die auf den Handel zwischen Unternehmen und Endverbrauchern ausgerichtet sind. Das Bundeskartellamt erwähnt diese Unterteilung des elektronischen Geschäftsverkehrs hinsichtlich des Adressatenkreises ausdrücklich in einigen Beschlüssen, bezieht in seine Ausführungen zur Marktabgrenzung jedoch nur die Internetplattformen ein, die sich an denselben Adressatenkreis richten wie die Plattform, die Gegenstand der Untersuchung ist. So spricht die Behörde etwa in der Sache CC-markets die Unterscheidung zwischen B2Bund B2C-Marktplätzen an, betrachtet jedoch nur andere B2B-Marktplätze als mögliche Konkurrenten von CC-markets.160 Auch in seinem Beschluss zum B2C-Marktplatz MB-Portal sah das Bundeskartellamt den umfassenden 159 Vgl. BKartA, Beschl. v. 23. Okt. 2000, B 3 – 72303 – U – 76/00 (CC-markets), WuW/E DE-V 355 ff. (Rn. 26); E. vom 26. Jan. 2001, B 3 – 25130 – U – 110/00 (RubberNetwork.com), WuW/E DE-V 423 ff. (Rn. 20).
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Markt für B2C-Marktplätze als den größten denkbar betroffenen Produktmarkt an.161 Es scheint also von separaten Märkten für B2B- und B2CPlattformen auszugehen. Die Kommission ließ in der emaro-Entscheidung, in der sie erstmals über die Freigabe eines B2B-Marktplatzes zu befinden hatte, ausdrücklich offen, ob der relevante Produktmarkt auch IT-Dienstleistungen und Produkte im B2C-Bereich umfassen könnte.162 Im Falle von emaro, auf dem Anbieter von Büroausstattung Geschäfte mit Unternehmenskunden tätigen können, mag tatsächlich in gewissem Umfang Wettbewerb von Marktplätzen aus dem B2C-Segment zu erwarten sein, die ebenfalls mit Büroausstattung handeln. In aller Regel wird jedoch schon aufgrund der Branchenzugehörigkeit der Marktplatzbenutzer, der von ihnen nachgefragten Dienstleistungen (z. B. Vernetzung mit Zulieferern, Lieferkettenmanagement, gemeinsame Produktentwicklung) sowie der Art der gehandelten Produkte eine Substituierbarkeit von B2B- und B2C-Marktplätzen zu verneinen sein.163 bb) Wettbewerb zwischen vertikalen und horizontalen B2Bs? Viele der in diesem Kapitel bislang diskutierten B2Bs, wie Covisint, CCmarkets, RubberNetwork und MyAircraft, verfügen über das gemeinsame Merkmal, von führenden Wettbewerbern aus einer Branche gegründet worden zu sein und der Versorgung dieser Branche zu dienen, d.h. sie alle sind vertikale Marktplätze.164 Als solche stehen sie vorwiegend im Wettbewerb mit B2Bs, die auf die Versorgung derselben Branche ausgerichtet sind, aber auch mit solchen, die sich auf dieser Branche vorgelagerte Industrien spezialisiert haben. So bemerkte das Bundeskartellamt, dass Covisint, die Beschaffungsplattform der Automobilindustrie, Konkurrenz von Seiten anderer industriespezifischer Plattformen zu erwarten habe, aber auch von (ebenfalls vertikalen) Plattformen, auf denen Vorprodukte dieser Industrie gehandelt werden, also z. B. Stahl oder Kunststoffe.165 Dem ist zuzustimmen. 160 Vgl. BKartA, Beschl. v. 23. Okt. 2000, B 3 – 72303 – U – 76/00 (CC-markets), WuW/E DE-V 355 ff. (Rn. 25) [„Im ersten Fall spricht man von ‚business to business (B2B)‘, im zweiten Fall von business to consumer (B2C)“], Rn. 29 („Nach aktuellen Erhebungen existierten . . . weltweit über 1000 B2B-Internet-Marktplätze“). Ähnlich im Beschl. v. 25. Sept. 2000 – B 5 – 34100 U 40/00 (Covisint), WuW/E DE-V 323 = BB 2000, 2433 (D.I.1.). 161 BKartA, Beschl. v. 26. März 2001, B 5 – 14/01 (MB-Portal), WuW/E DE-V, 449, 451 (B.III.1.). 162 Komm., E. vom 13. Juli 2000, Fall Nr. COMP/M.2027 – Deutsche Bank/ SAP/JV (Emaro) Rn. 14. 163 Ebenso Bahr, WuW 2002, 230, 233. 164 Zur Unterscheidung zwischen vertikalen und horizontalen Marktplätzen oben Erster Abschnitt, § 1, III.
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Schwieriger ist dagegen die Frage zu beantworten, inwieweit vertikale mit horizontalen, d.h. branchenübergreifenden Marktplätzen, konkurrieren. Bestimmte Absatz- und Beschaffungs-dienstleistungen, wie elektronische Ausschreibungen und Auktionen, werden von horizontalen wie vertikalen Plattformen angeboten, so dass prinzipiell die Möglichkeit besteht, den überwiegenden Teil der auf vertikalen Plattformen gehandelten Produkte auch über horizontale Marktplätze zu beschaffen. Jedoch eignen sich komplexe industriespezifische Güter nicht immer für den Verkauf durch Kataloge oder Auktionen und könnten von vornherein nur auf vertikal organisierten Plattformen erhältlich sein.166 Darüber hinaus setzt die Nutzung bestimmter, von vertikalen B2Bs angebotener Dienstleistungen die Zugehörigkeit der Benutzer zu der Branche voraus, auf die der Marktplatz ausgerichtet ist. Dies gilt zum Beispiel für die gemeinsame Produktentwicklung, für die etwa Covisint gemeinsame Standards zur Verfügung stellt, damit Produktentwicklungsteams über das Internet zusammenarbeiten können.167 Des Weiteren werden viele Unternehmen sich bei der Auswahl der Internetplattform, über die sie handeln möchten, von der Überlegung leiten lassen, auf welcher Plattform ihre Zulieferer und Abnehmer handeln. Schon aufgrund der Tatsache, dass vertikale Plattformen häufig von wichtigen Großunternehmen einer Branche gegründet werden, ergibt sich für viele tatsächliche oder potenzielle Geschäftspartner der Gründer eine gewisse Notwendigkeit, zumindest auch am Handel über eine vertikale Plattform teilzunehmen. Solche wirtschaftlichen Gründe sprechen mithin ebenfalls für eine nur eingeschränkte Austauschbarkeit der Dienstleistungen von vertikalen und horizontalen Marktplätzen.168 Es ist sogar denkbar, dass eine besonders leistungsstarke vertikale Internetplattform so erfolgreich operiert, dass sie sich längerfristig als einziger Marktplatz für eine bestimmte Branche durchsetzt.169 Obwohl einzelne Elemente aus dessen Leistungsspektrum sicher auch von anderen B2Bs angeboten würden, könnte die Teilnahme am Handel über diesen besonders erfolgreichen Marktplatz für Unternehmen so bedeutend sein, dass eine Beschränkung des relevanten Produktmarkts auf diese eine Plattform zu diskutieren wäre.
165 BKartA, Beschl. v. 25. Sept. 2000 – B 5 – 34100 U 40/00 (Covisint), WuW/E DE-V 323 = BB 2000, 2433 (D.I.2.a, b). 166 Vgl. Lücking, Beitrag zur Konferenz der Universität Leicester, S. 5. 167 Vgl. BKartA, Beschl. v. 25. Sept. 2000 – B 5 – 34100 U 40/00 (Covisint), WuW/E DE-V 322 = BB 2000, 2432 (C.I.2). 168 Im Erg. ebenso Bahr, WuW 2002, 230, 233 f. 169 Vgl. FTC Report, Teil 3, 4. (1).
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cc) Wettbewerb zwischen offenen und privaten B2Bs? Im Covisint-Beschluss führte das Bundeskartellamt aus, dass der angemeldete Marktplatz im unmittelbaren Wettbewerb mit anderen, von Automobilherstellern und Zulieferern gegründeten Plattformen stehen werde, und zwar auch mit den privaten Plattformen von VW, BMW, Ford und GM, an die diese Hersteller ihre Zulieferer angebunden hätten.170 Dem ist zuzustimmen, wenn man auf die Perspektive der Autohersteller abstellt, denen Covisint als gemeinsame Beschaffungsplattform Dienstleistungen anbietet. Denn den Automobilproduzenten steht es frei, ob sie die von ihnen gewünschten Teile oder Dienstleistungen über Covisint oder über eine private Einkaufsplattform beziehen. Die privaten Handelsplattformen von Großunternehmen stehen jedoch nicht allen interessierten Unternehmen offen, sondern nur den Geschäftspartnern, die vom Gründer des privaten B2B zur Teilnahme eingeladen werden. Zulieferer, die ihre Produkte über Covisint anbieten, haben also nicht immer die Möglichkeit, am Handel über die jeweiligen privaten Marktplätze der Hersteller zu partizipieren. Insofern steht Covisint aus Sicht der Zulieferer nur in beschränktem Maße mit den privaten Handelsplattformen der Automobilproduzenten im Wettbewerb. Da private Internet-Marktplätze im Regelfall Beschaffungsportale sind, die von Großunternehmen aufgebaut werden171, besteht, allgemeiner formuliert, ein Konkurrenzverhältnis zwischen offenen elektronischen Marktplätzen und privaten Handelsplattformen nur aus Sicht der Unternehmen der Nachfragerseite; aus der Perspektive von Unternehmen, die Produkte absetzen möchten, jedoch nur, wenn ihnen die Teilnahme an offenen und privaten Plattformen gleichermaßen möglich ist. dd) Wettbewerb zwischen B2Bs und Liefermanagement-Programmen? Das Bundeskartellamt gelangte in der Sache Covisint weiterhin zu der Einschätzung, dass die von der Handelsplattform angebotenen Zusatzleistungen mit Computerprogrammen konkurrieren würden, die ähnliche Dienstleistungen anbieten, so z. B. Programmen für Bedarfsplanung, Lagerverwaltung, Dokumentenaustausch und Produktionskontrolle.172 Voraussetzung dafür wäre, dass es B2B-Zusatzleistungen gibt, die Gegenstand eigen170 BKartA, Beschl. v. 25. Sept. 2000 – B 5 – 34100 U 40/00 (Covisint), WuW/E DE-V 323 = BB 2000, 2433 (D.I.2.a). 171 Vgl. z. B. „Der Mittelstand tastet sich nur langsam an E-Business heran“, FAZ v. 22. Juli 2002, S. 18. 172 BKartA, Beschl. v. 25. Sept. 2000 – B 5 – 34100 U 40/00 (Covisint), WuW/E DE-V 324 = BB 2000, 2433 f. (D.I.3).
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ständiger Teilmärkte sein können. Dies untersuchte auch die Kommission im Rahmen der Beurteilung von MyAircraft.com.173 Gegen die Bildung von Teilmärkten für einzelne, von Internetplattformen angebotene Dienstleistungen wird hervorgebracht, dass es sich bei virtuellen Marktplätzen in der Regel um Komplettlösungen handele, deren Vorteil gerade in einem umfassenden Paket von Angeboten liege.174 Die Aufteilung einzelner, von B2Bs angebotener Leistungen in eigenständige Teilmärkte widerspräche deren Charakter als Beschaffungskomplettlösungen.175 In der Tat sollen die dem Kunden versprochenen Kostensenkungen gerade durch das Nebeneinander von elektronischer Beschaffung, Lieferkettenmanagement, Logistik- und Finanzdienstleistungen erreicht werden.176 Dies schliesst jedoch nicht aus, dass bestimmte Elemente aus dem Leistungsspektrum von Internetplattformen auch durch separat erhältliche Softwarelösungen erbracht werden könnten. Denkbar wäre auch, dass B2B-Nutzer nicht in allen Fällen das gesamte Leistungspaket einer Plattform, sondern nur Ausschnitte davon in Anspruch nehmen wollen. Bestimmte B2B-Zusatzleistungen könnten also durchaus Gegenstand eigenständiger Produktmärkte werden.
II. Bestimmung des räumlich relevanten Marktes Im Hinblick auf die räumliche Marktabgrenzung wird diskutiert, ob der geographisch relevante Markt bei B2B-Marktplätzen wesentlich weiter ausgedehnt ist als bei traditionellen Methoden der Geschäftsabwicklung.177 1. Kriterien Auch die räumliche Marktabgrenzung erfolgt sowohl im US-antitrust law als auch im europäischen Kartellrecht anhand des Kriteriums der funktionellen Austauschbarkbeit aus Sicht der Marktgegenseite. Der räumlich relevante Markt wird als das Gebiet definiert, in dem die beteiligten Unterneh173 Komm., E. vom 4. Aug. 2000, Fall Nr. Comp/M 1969 (UTC/Honeywell/ i2/MyAircraft.com) Rn. 12, abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/competition/ mergers/cases/decisions/m1969_en.pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007); vgl. dazu auch Lücking, Beitrag zur Konferenz der Universität Leicester, S. 4; Schaub in: Recht, Wettbewerb und e-commerce, 49, 51. 174 Bahr, WuW 2002, 230, 234 f. 175 Bahr, WuW 2002, 230, 235. 176 Vgl. BKartA, Beschl. v. 25. Sept. 2000 – B 5 – 34100 U 40/00 (Covisint), WuW/E DE-V 323 = BB 2000, 2432 (C.I.2). 177 Vgl. etwa Ahlborn/Seeliger, EuZW 2001, 552, 554; Kierner, S. 98 ff.; Lampert/Michel, K&R 2002, 505, 507.
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men die relevanten Produkte und Dienstleistungen anbieten, in dem die Wettbewerbsbedingungen hinreichend homogen sind und das sich von benachbarten Gebieten durch spürbar unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen unterscheidet.178 Dabei ist auf die Art und die Eigenschaften der betreffenden Güter abzustellen sowie auf das Vorhandensein von Zugangsschranken, auf Verbrauchergewohnheiten und auf das Bestehen erheblicher Unterschiede bei den Marktanteilen der Unternehmen oder nennenswerter Preisunterschiede zwischen dem Gebiet und den benachbarten Gebieten.179 2. Die betroffenen Märkte im Einzelnen a) Der Markt für auf B2Bs gehandelte Güter Im Rahmen der Marktabgrenzung im US-antitrust law wurde bereits am Beispiel von Partlinx, dem elektronischen Marktplatz für den Vertrieb von Elektrogeräteersatzteilen an gewerbliche Kunden, aufgezeigt, dass der Markt für auf Internetplattformen gehandelte Güter und Dienstleistungen nicht immer global abzugrenzen ist.180 Dieses Ergebnis wird zu Recht auch von großen Teilen des europäischen Schrifttums vertreten181 Zwar kann die Nutzung von Internetplattformen die Markttransparenz erhöhen und das Auffinden neuer Geschäftspartner erleichtern und somit zu einer Ausdehnung des räumlich relevanten Markts führen.182. Dennoch ist der geographisch relevante Markt für auf Internetplattformen gehandelte physische Produkte183 nicht mit dem Weltmarkt gleichzusetzen. Denn die Tatsache, dass physische Produkte im Internet vertrieben werden, bestimmt nicht darüber, ob die Wettbewerbsbedingungen in einem bestimmten Gebiet hinreichend homogen sind, um von einem geo178 EuGH, Urt. vom 14. Feb. 1978, Rs. 27/76 (United Brands), Slg. 1978, 207, 280 (Tz. 10/11); Bekanntmachung der Kommission zur Definition des relevanten Marktes im Wettbewerbsrecht, ABl.EG C 372, 5, Tz. 8. 179 Roth/Ackermann in: Frankfurter Kommentar, Grundfragen Art. 81 Abs. 1 Rn. 289. 180 Vgl. oben Zweiter Abschnitt, § 3, II.2.a). 181 Etwa von Ahlborn/Seeliger, EuZW 2001, 552, 554; Gassner, MMR 2001, 140; 144; Gounalakis/Lochen, ZHR 167 (2003), 632, 642 ff.; Heinemann in: Spindler/Wiebe, 298; Kierner, S. 101 f.; Lampert/Michel, K&R 2002, 505, 507; Wagnervon Papp, S. 498 f. 182 Kierner, S. 101; Wagner-von Papp, S. 499. 183 Physische Produkte sind solche, die nicht aus digitalen Informationen bestehen und folglich nicht weltweit über das Internet übermittelt werden können. Teilweise werden diese auch als „nicht internetgängige“ Produkte bezeichnet, so von Kierner, S. 101.
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graphisch relevanten Markt zu sprechen.184 Die Frage, ob der räumlich relevante Markt für bestimmte, auf elektronischen Marktplätzen gehandelte Produkte und Dienstleistungen mit dem Weltmarkt gleichzusetzen oder eine engere Eingrenzung geboten ist, muss vielmehr im Einzelfall untersucht werden. Dabei wird man häufig zu dem Ergebnis einer gemeinschaftsweiten, nationalen oder sogar regionalen Marktabgrenzung gelangen. So kann aufgrund sprachlicher und kultureller Unterschiede ein relativ enger räumlicher Markt abzugrenzen sein185: Konsumenten, die der französischen Sprache nicht mächtig sind, werden auch dann keine französischsprachigen Bücher kaufen, wenn diese von Internetbuchhändlern weltweit vertrieben werden. Der geographische Markt wäre also auf Frankreich bzw. Regionen begrenzt, in denen ein Großteil der Bevölkerung Französisch spricht. Auch die Höhe der Transportkosten bzw. die Beschaffenheit der zu versendenden Güter, z. B. Haltbarkeit und Transportfähigkeit, können dazu führen, dass weltweit erhältliche Güter in der Praxis nur regional nachgefragt werden.186 So vermag eine Internetplattform für die Vermittlung von Transportbeton die geographische Reichweite des Produktmarkts nicht auszuweiten, da der Transportbetonmarkt durch die Höhe der Transportkosten und die physikalisch/chemischen Eigenschaften des Produkts (Aushärten des Betons) räumlich begrenzt wird.187 Auch im Fall des B2C-Reiseportals Opodo, war der Markt für virtuelle Reisebüros aufgrund der bestehenden Sprachbarrieren und der Notwendigkeit, nationale Versandsysteme zur Zustellung der über Opodo gebuchten Tickets aufzubauen, national abzugrenzen.188 Des Weiteren sind insbesondere beim Handel mit Nicht-EU-Mitgliedstaaten die immer noch bestehenden Handelsbeschränkungen in Form von Zöllen, Steuern und anderen Importbeschränkungen wichtige Kriterien, die den geographisch relevanten Markt begrenzen.189 Andere Produkte sind zwar im Internethandel weltweit erhältlich, aber aufgrund ihrer technischen Beschaffenheit für potenzielle Abnehmer unbrauchbar. Beispiele hierfür sind Elektrogeräte wegen unterschiedlicher Stecker und Stromstärken sowie ggfs. technischer Zulassungsvoraussetzungen durch nationale Behörden, 184
Lange, WRP-Hdb. KartR, Kap. 1 § 5 Rn. 27; ders., EWS 2000, 293. Vgl. z. B. Seeliger, WuW 2000, 1174, 1185; Wiedemann/Wagemann, Hdb. KartR, § 16 Rn. 39. 186 Baron in: Langen/Bunte, Bd. 2, Art. 2 FKVO Nr. 139/2004 Rn. 54; Seeliger, WuW 2000, 1174, 1185. 187 BKartA, Tätigkeitsbericht 2001/2002, BT-Drs. 15/1226, S. 146. 188 Komm., Mitteilung nach Art. 19 Abs. 3 VO 17, Sache COMP/38.600 (OnlineReiseportal), ABl.EG 2001 Nr. C 323, 6 (Tz. 5). 189 Dazu Lange, EWS 2000, 291, 293. 185
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Videokassetten und DVDs wegen unterschiedlicher technischer Standards in Asien, Europa und den USA, oder Spielekonsolen, man denke etwa an den Regionalcode bei der Sony-Playstation.190 Mithin ist für physische Produkte, die über Internetplattformen gehandelt werden, der räumlich relevante Markt keineswegs immer global. Aber auch bei digitalen Produkten, die weltweit über das Internet ausgeliefert werden können, wie Software, Video- und Audiodaten, ist nicht stets der Weltmarkt geographisch relevant. Trotz der globalen Verfügbarkeit solcher Güter können Sprachbarrieren, die Furcht vor einer mangelnden Durchsetzbarkeit von Ansprüchen in anderen Rechtsordnungen oder unterschiedliche rechtliche Rahmenbedingungen der Annahme eines Weltmarktes entgegenstehen.191 b) Der Markt für die Vermittlungsleistungen elektronischer Marktplätze In Übereinstimmung mit dem zur Abgrenzung des Produktmarkts Gesagten ist nun der räumlich relevante Markt für die Vermittlungsleistungen von Internetplattformen zu betrachten. Hier bieten die bereits ergangenen Entscheidungen nur wenige Anhaltspunkte. Zwar äußert sich die Kommission in ihren Entscheidungen zur Freigabe von Internetplattformen zur räumlichen Abgrenzung des Marktes, zum Beispiel im Fall von MyAircraft. com192, der Plattform für den Handel mit Luft- und Raumfahrttechnik, und von emaro193, dem virtuellen Marktplatz für Büroausstattung. Ihre Aussagen zur räumlichen Abgrenzung des Marktes für die Vermittlungsleistungen elektronischer Marktplätze sind jedoch vage. In der MyAircraft.com-Entscheidung nimmt die Kommission als Produktmarkt den Markt für Teile und Dienstleistungen aus der Luft- und Raumfahrtindustrie in Bezug. Dies entspricht der Argumentation der Gründer. Dennoch enthält diese Entscheidung zwei Aussagen zur räumlichen Marktabgrenzung, die auch im hiesigen Kontext der näheren Betrachtung bedürfen. Dem Vorbringen der Parteien zufolge sei der räumlich relevante Markt 190
Beispiel von Lange, EWS 2000, 291, 293 (Fn. 17). Sura in: Gramlich/Kröger/Schreibauer, § 6 Rn. 31 f.; Wagner-von Papp, S. 499. 192 Komm., E. vom 4. Aug. 2000, Fall Nr. Comp/M 1969 (UTC/Honeywell/ i2/MyAircraft.com) Rn. 14 ff., abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/competi tion/mergers/cases/decisions/m1969_en.pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 193 Komm., E. vom 13. Juli 2000, Fall Nr. COMP/M.2027 – Deutsche Bank/ SAP/JV (Emaro) Rn. 16 f., abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/competition/ mergers/cases/decisions/m2027_de.pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 191
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global, was mit den Eigenschaften des e-commerce im Allgemeinen und denen von virtuellen Marktplätzen für Luft- und Raumfahrttechnik im Besonderen begründet wird.194 Bemerkenswert ist, dass die Gründer der Plattform in ihrer Anmeldung als relevanten Produktmarkt den für die gehandelten Güter und Dienstleistungen angeben, auf dem e-commerce nur ein Segment der Geschäftsabwicklung sei.195 Bei der räumlichen Marktabgrenzung argumentieren sie jedoch mit den Eigenschaften von e-commerce Marktplätzen für die gehandelten Güter.196 Die Kommission ihrerseits lässt die genaue Abgrenzung des räumlichen relevanten Marktes offen, teilt aber kurz die Ergebnisse der durchgeführten Marktuntersuchung mit: Dieser zufolge könnte der geographisch relevante Markt global sein, und zwar aufgrund der generellen Eigenschaften des e-commerce und der Tatsache, dass der Markt für Luft- und Raumfahrttechnik global sei.197 Strenggenommen reden die Gründer und die Kommission also von zwei verschiedenen Märkten: Bei der räumlichen Marktabgrenzung nehmen die Gründer in ihrem Vorbringen den Markt für Internetplattformen (für Luft- und Raumfahrttechnik) in Bezug, die Kommission dagegen den Markt für die auf den Plattformen gehandelten Güter (nämlich luft- und raumfahrtbezogene Produkte und Dienstleistungen). Diesen Unterschied kann man leicht überlesen. Er führt jedoch zum richtigen Kriterium für die räumliche Abgrenzung des Marktes für virtuelle Marktplätze. Denn der Markt für Internetplattformen ist nicht immer mit dem Weltmarkt gleichzusetzen, auch wenn potenzielle Abnehmer von überall auf der Welt auf virtuelle Marktplätze zugreifen können.198 Zur Ermittlung des geographisch relevanten Marktes für Internetplattformen muss herausgearbeitet werden, auf welchem Raum mit welcher Ausdehnung sich diejenigen Unternehmen gegenüberstehen, die dem Verhalten anderer Marktteilnehmer wirksamen Wettbewerb entgegensetzen können.199 Wirk194 Komm., E. vom 4. Aug. 2000, Fall Nr. Comp/M 1969 (UTC/Honeywell/ i2/MyAircraft.com) Rn. 14, abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/competition/ mergers/cases/decisions/m1969_en.pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 195 „The notifying parties submit that the relevant market for this transaction is the market for aerospace parts and services and that e-commerce should be considered as one segment among the many modalities by which companies transact business“, a. a. O., Rn. 11. 196 „The notifying parties submit that the relevant geographic market in view of the characteristics of . . . e-commerce marketplaces for aerospace products and services . . . is world-wide“, a. a. O., Rn. 14. 197 „. . . the relevant geographic market might be world-wide due to . . . the fact that the geographic market for aerospace products and services is world-wide“, a. a. O., Rn. 15. 198 A. A. Bahr, WuW 2002, 230, 235. 199 Vgl. Lange, Räumliche Marktabgrenzung, S. 59.
§ 3 Sachliche und räumliche Marktabgrenzung
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samer Wettbewerb kann wiederum nur dann vorliegen, wenn die Angebote der konkurrierenden Unternehmen aus Sicht der Marktgegenseite austauschbar sind.200 Ein Ausweichen auf eine konkurrierende Plattform ist nur dann sinnvoll, wenn die dort gehandelten Güter von potenziellen Kunden tatsächlich bezogen werden können, d.h. wenn Transportkosten nicht prohibitiv hoch, technische Standards nicht inkompatibel sowie keine rechtlichen Bezugshindernisse vorhanden sind. Der räumlich relevante Markt für elektronische Marktplätze ist also abhängig von dem räumlich relevanten Markt für die dort gehandelten Produkte und Dienstleistungen.201 Gegen diesen Ansatz wird eingewandt, dass es für die Abgrenzung des räumlich relevanten Marktes ausschließlich auf die „prinzipielle Möglichkeit der Nutzung“ des B2B-Marktplatzes ankomme.202 Ob die Märkte der über die Plattform gehandelten Güter nur national oder regional seien, spiele dagegen keine Rolle. Somit sei der bei B2B-Marktplätzen relevante geographische Markt regelmäßig weiter abzugrenzen als der Markt der gehandelten Produkte.203 Einer Ansicht zufolge sei der Markt für B2B-Vermittlungsleistungen sogar stets weltweit abzugrenzen.204 Dies erscheint jedoch wenig plausibel. Fragwürdig ist insbesondere, wie der Begriff „Nutzung“ des elektronischen Marktplatzes verstanden wird. Das reine Aufrufen der Internetseiten kann wohl kaum als „Nutzung“ einer Internetplattform bezeichnet werden, wenn gar keine Möglichkeit zum Abschluß von Geschäften besteht.205 Aus diesem Grund kann der geschilderten Auffassung nicht gefolgt werden. Dem Vorbringen von UTC, Honeywell und i2, wonach der geographisch relevante Markt für Internetplattformen, die mit Flugzeugteilen handeln, 200
Vgl. Gleiss/Hirsch, Art. 85 Abs. 1 Rn. 225. So auch Gassner, MMR 2001, 140, 144, der sich auf die MyAircraft.com-Entscheidung bezieht, allerdings auch mit den „Wesenszügen des e-commerce“ argumentiert. Vgl. Gounalakis/Lochen, ZHR 167 (2003) 632, 643 (Reichweite der gehandelten Waren und Dienstleistungen als „mögliches Indiz“ für die Abgrenzung); Koenig/Kulenkampff/Kühling/Loetz/Smit, S. 194; Lange, EWS 2000, 291, 293. 202 Bahr, WuW 2002, 230, 235; Hupe, S. 103. 203 Bahr, WuW 2002, 230, 235; Tröller, S. 131, der zufolge „im elektronischen Handel Raum und Zeit voneinander abgekoppelt und Kommunikationsprozesse grenzenlos sind“, die aber dennoch zu dem Ergebnis gelangt, dass Faktoren wie Vertriebsbeschränkungen den geographischen Markt auch wieder eingrenzen können. 204 Hupe, S. 103 f., der sich dafür auf Vajda/Gahnström, ECLR 2000, 94, 97 bezieht. Tatsächlich vertreten Vajda/Gahnström jedoch in ihrem Beitrag die gegenteilige Auffassung: With respect to the geographical delimitation of a market, it is noteworthy that even though the universal and global connectivity of the Internet is a hallmark of the industry, there are a number of markets that are treated as national in scope. 205 So wohl auch Gounalakis/Lochen, ZHR 167 (2003) 632, 643. 201
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weltweit sei, ist also zuzustimmen. Entgegen ihrer Begründung hat dies jedoch nichts mit den Eigenschaften des e-commerce im Allgemeinen zu tun, sondern mit der Tatsache, dass der Markt für die auf der Plattform gehandelten luft- und raumfahrttechnischen Güter global ist.206 Als Ergebnis lässt sich also festhalten, dass die Abgrenzung des geographisch relevanten Markts für die Vermittlungsleistungen von B2B-Marktplätzen sich nach der Abgrenzung des räumlich relevanten Markts der dort gehandelten Güter und Dienstleistungen richten muss. Es ist zwar richtig, dass der geographische Standort bei Internetmarktplätzen für die KäuferVerkäufer-Kommunikation keine Rolle spielt.207 In den Fällen, in denen die gehandelten Güter nicht über das Internet ausgeliefert werden können – dem ist meistens so – kann jedoch nur dann mittels einer B2B-Plattform eine größere räumliche Ausdehnung der Geschäftstätigkeiten erreicht werden, wenn der geographische Markt der auf der Plattform gehandelten Güter größer ist als der Markt, auf dem das Unternehmen bisher tätig war.208 In der Tat kann ein elektronischer Marktplatz in solchen Fällen bezüglich der Erschließung neuer Kundengruppen förderlich sein.
§ 4 Auswirkungen von B2B-Marktplätzen auf die Markttransparenz Ebenso wie in der US-amerikanischen Diskussion stellen die Möglichkeiten und Gefahren des Datenaustauschs auf elektronischen Marktplätzen auch aus Sicht der Europäischen Kommission und des Schrifttums209 zum 206 Vgl. Komm., E. vom 30. Juli 1997, Sache Nr. IV/M.877 – Boeing/McDonnell Douglas, WuW/E EU-V7, 10 (Rn. 20) sowie Komm., E. vom 10. Mai 1993, Sache Nr. IV/M.237 – DASA/Fokker, WuW/E EV 2093, 2096 (Rn. 13) (Weltmarkt für Düsenflugzeuge); Komm., E. vom 2. Okt. 1991, Sache Nr. IV/M.053 – Aérospatiale-Alenia/de Havilland, WuW/E EV 1675, 1680 f. (Rn. 20) (Weltmarkt für Regionalflugzeuge mit Ausnahme Chinas und Ost-Europas; Komm., E. vom 25. Feb. 1991, Sache Nr. IV/M.017 – Aérospatiale/MBB, WuW/E EV 1587, 1589 f. (Rn. 18) (Weltmarkt für zivile Hubschrauber). 207 Schaub in: Recht, Wettbewerb und e-commerce, 49, 51. 208 So im Ergebnis wohl auch Ahlborn/Seeliger, EuZW 2001, 552, 554, die darauf hinweisen, dass nur dort, wo die Dienstleistungen der B2B-Plattform tatsächlich weltweit angeboten und nachgefragt werden, der Weltmarkt als räumlich relevant angenommen werden könne. 209 Aus dem umfangreichen Schrifftum siehe etwa Ahlborn/Seeliger, EuZW 2001, 552, 556 f.; Dethof, S. 90 ff.; Heinemann in: Spindler/Wiebe, 287, 315 ff.; ders. in: Büllesbach/Dreier, 79, 98 ff.; Hupe, S. 219 ff.; Jestaedt, BB 2001, 581, 582; Kierner, S. 131 ff.; Kirchner, WuW 2001, 1030 ff.; Köhler, K&R 2000, 569, 576; Lampert/Michel, K&R 2002, 505, 511 ff.; Tröller, S. 183 ff.; Wagner-von Papp, S. 486 ff.
§ 4 Auswirkungen auf die Markttransparenz
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europäischen Kartellrecht eines der Kernprobleme dar. Die Kommission verlangte vor der Freigabe der B2B-Plattform Volbroker und des B2CReiseportals Opodo Zusagen von den Gründungsgesellschaften, um den Austausch vertraulicher Informationen zu verhindern.210 In anderen Entscheidungen zu elektronischen Marktplätzen verwies sie auf die von den Gründern getroffenen Sicherheitsmaßnahmen, so in den Sachen ec4ec211, Supralift212, Covisint213, Eutilia und Endorsia214, Inreon215, Centradia216, WRE217 und Steel 24-7.218 210
Vgl. Pressemitteilung der Kommission vom 31. Juli 2000, IP/00/896 (Volbroker.com), abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/competition/press_releases/ (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007); Bekanntmachung nach Art. 19 Abs. 3 der VO 17, Sache COMP/38.006 – Online Travel Portal, ABl.EG 2001 Nr. C 323, 6, 7 (Tz. 8) (Opodo). 211 Komm. vom 7. Nov. 2000, Fall Nr. COMP/M.2172 – Babcock Borsig, MG Technologies/SAP Markets/ec4ec, abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/com petition/mergers/cases/decisions/m2172_de.pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). Die Plattform ec4ec hat mittlerweile den Betrieb eingestellt (Stand: Dez. 2005). 212 Komm. vom 25. April 2001, Fall Nr. COMP/M.2398 – Linde/Jungheinrich/ JV, abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/competition/mergers/cases/decisions/ m2398_de.pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 213 Pressemitteilung der Kommission vom 31. Juli 2001, IP/01/1155 (Covisint), abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/competition/press_releases/ (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 214 Pressemitteilung der Kommission vom 10. Dez. 2001, IP/01/1775 (Eutilia und Endorsia), abrufbar unter http:// europa.eu.int/comm/competition/press_releases/ (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 215 Pressemitteilung der Kommission vom 24. Mai 2002, IP/02/761 (Inreon), abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/competition/press_releases/ (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 216 Pressemitteilung der Kommission vom 27. Juni .2002, IP/02/943 (Centradia), abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/competition/press_releases/ (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). Centradia, eine Multi-Banken-Plattform für Devisengeschäfte, stellte am 28. Januar 2005 ihren Betrieb ein, vgl. http://www.finextra. com/fullstory.asp?id=13191 (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 217 Komm. vom 16. Mai 2003, Fall Nr. COMP/M.3101 – Accor/Hilton/Six Continents/JV, abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/competition/mergers/cases/de cisions/m3101_en.pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007) = WuW EU-V 855, 858 (Tz. 25 ff.) Im Zusammenhang mit der Freigabe von Cofunds, dem Online-Supermarkt für offene Wertpapier-Investmentfonds, und der B2B-Hotelreservierungsplattform WorldRes Europe (WRE) ging die Kommission speziell auf die Frage ein, ob die gemeinsame Nutzung einer als Gemeinschaftsunternehmen betriebenen Internetplattform durch einen Informationsaustausch zu einer Koordinierung des Verhaltens der Mutterunternehmen führen könnte. Zu dieser Problematik bereits oben Dritter Abschnitt, § 1, III. 218 Komm. vom 16. Feb. 2004, Fall Nr. COMP/M.3334 – Arcelor/ThyssenKrupp/Steel 24-7, abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/competition/mergers/ cases/decisions/m3334_en.pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007).
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Als Ausgangspunkt der Untersuchung des Informationsaustauschs auf elektronischen Marktplätzen kann auf die bereits seit längerem geführte Diskussion über Marktinformationssysteme zurückgegriffen werden.219 Sie lässt sich auf das Problem übertragen, welche Folgen eine mögliche Erhöhung der Markttransparenz durch die Nutzung von B2B-Plattformen auf das Wettbewerbsverhalten der Plattformnutzer haben kann.220
I. Marktinformationssysteme im EG-Kartellrecht Marktinformationsverfahren sind üblicherweise vertraglich organisierte Meldeverfahren zwischen Wettbewerbern, die dem Austausch von marktrelevanten Daten dienen.221 Marktrelevante Daten können sich auf Wettbewerbsmittel wie Preise, Rabatte, Konditionen oder auf nur mittelbar den Wettbewerb berührende Parameter beziehen, wie Umsätze, Mengen und Kosten.222 Solche Informationssysteme können die Übersicht der beteiligten Unternehmen über die Marktsituation verbessern und ihnen eine schnellere Anpassung an veränderte Marktverhältnisse ermöglichen; insoweit können sie wettbewerbsfördernde Wirkungen haben.223 Andererseits ist im europäischen Kartellrecht anerkannt, dass der Austausch von Daten unter bestimmten Bedingungen zur Überwachung von Kartellvereinbarungen genutzt werden kann und auch selbständige Marktinformationsverfahren, die nicht der Absicherung von Kartellen dienen, den Wettbewerb beschränken können.224 219
So z. B. Immenga/Lange, RIW 2000, 733, 737; Hupe, S. 223; Zimmer in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 1 Rn. 428. Parallelen ziehen auch Jestaedt, BB 2001, 581, 582; Köhler, K&R 2000, 569, 576 f. und Mestmäcker/Schweitzer, § 9 Rn. 46. Kritisch dazu Kirchner, WuW 2001, 1030, 1035, dem zufolge ein Rückgriff auf die Diskussion um Marktinformationssysteme nur zu einem begrenzten Erkenntnisgewinn für die kartellrechtliche Beurteilung von Internetmarktplätzen führe. Hierzu sogleich unter II.2. 220 So im Ergebnis wohl Hupe, S. 243, der ausführlich erläutert, dass eine künstliche Erhöhrung der horizontalen Markttransparenz auf B2B-Plattformen geeignet sei, die Freiheit der Marktteilnehmer zu beschränken; Mestmäcker/Schweitzer, § 9 Rn. 46. 221 Siehe, statt aller, Zimmer in: Immenga/Mestmäcker § 1 GWB Rn. 390. Allgemein zum Thema etwa FIW-Schriftenreihe, Heft 150 „Bewertung und Zulässigkeit von Marktinformationsverfahren“ (1992). 222 Feldkamp, EuZW 1991, 617. 223 Bunte in: Langen/Bunte, Bd. 1, § 1 GWB Rn. 166; Feldkamp, EuZW 1991, 617; Wiedemann/Stockmann, Hdb. KartellR, § 8 Rn. 237. 224 Rahlmeyer in: Frankfurter Kommentar, Art. 81 Abs. 1, 3 EG-Vertrag, Fallgruppen II.6 Rn. 10; Mestmäcker/Schweitzer, § 9 Rdnr. 37; Tugendreich, S. 66 f.; Wagner-von Papp, WuW 2005, 732 f.
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1. Stellungnahmen der Kommission Die Kommission nahm erstmals 1968 in ihrer Kooperationsbekanntmachung225 zu Marktinformationsverfahren Stellung. Darin stufte sie Vereinbarungen, die lediglich den Austausch von Meinungen und Erfahrungen, die gemeinsame Marktforschung, die gemeinsame Vornahme von Betriebsund Branchenvergleichen oder die gemeinsame Erstellung von Statistiken und Kalkulationsschemata betreffen, als nicht wettbewerbsbeschränkend ein.226 Denn die gemeinsame Beschaffung von Informationen, die Unternehmen benötigen, um ihr künftiges Marktverhalten selbständig und unabhängig voneinander zu bestimmen, bezwecke oder bewirke keine Wettbewerbsbeschränkung.227 Eine solche könne jedoch vorliegen, wenn die Handlungsfreiheit der Unternehmen eingeschränkt oder das Marktverhalten ausdrücklich oder im Wege abgestimmter Verhaltensweisen koordiniert wird.228 Das sei insbesondere der Fall, wenn Empfehlungen konkreter Art ausgesprochen oder Schlussfolgerungen so präzisiert werden, dass dadurch ein gleichförmiges Verhalten im Markt zumindest eines Teils der beteiligten Unternehmen herbeigeführt werde.229 Insbesondere der Informationsaustausch in einem oligopolistischen Markt mit homogenen Gütern könne zu Wettbewerbsbeschränkungen führen.230 Ausführlicher erläuterte die Kommission in ihrem Siebenten Bericht über die Wettbewerbspolitik von 1977 die Kriterien, anhand derer sie die Zulässigkeit von Marktinformationssystemen beurteilt.231 Sie ging dabei von der Prämisse aus, dass Marktinformationsverfahren eine besondere Rolle bei Versuchen von Unternehmen spielten, einem schärfer gewordenen Wettbewerb auszuweichen.232 Des Weiteren wandte sie das vom Europäischen Gerichtshof entwickelte Selbständigkeitspostulat233, dem zufolge den Wett225 Bekanntmachung vom 29.7.1968 über Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine zwischenbetriebliche Zusammenarbeit betreffen (Kooperationsbekanntmachung), ABl.EG (1968), Nr. C 75, S. 3 ff. Die Kooperationsbekanntmachung wurde zwar durch die Horizontalleitlinien von 2000 ersetzt; die Horizontalleitlinien beschäftigen sich jedoch nicht speziell mit dem Informationsaustausch zwischen Wettbewerbern. Die Aussagen der Kooperationsbekanntmachung über Marktinformationssysteme haben auch heute noch Gültigkeit, vgl. Bellamy/Child, Rdnr. 4-118; Tugendreich, S. 64. 226 Kooperationsbekanntmachung, ABl.EG 1968, Nr. C 75, S. 3, 4 (Tz. II.1.). 227 Kooperationsbekanntmachung, a. a. O. 228 Kooperationsbekanntmachung, a. a. O. 229 Kooperationsbekanntmachung, a. a. O. 230 Kooperationsbekanntmachung, a. a. O. 231 Siebenter Bericht der EG-Kommission über die Wettbewerbspolitik, S. 19 ff. 232 A. a. O., S. 19 (Tz. 5).
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bewerbsvorschriften des EG-Vertrags der Gedanke zugrunde liege, dass jeder Wirtschaftsteilnehmer selbständig zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Gemeinsamen Markt betreiben und welche Bedingungen er seiner Kundschaft gewähren will, auf Marktinformationsverfahren an.234 Grundsätzlich differenziert die Kommission zwischen wettbewerbsneutralen Informationssystemen und Systemen, bei denen der gegenseitige Informationsaustausch als wettbewerbsbeschränkendes Verhalten zu werten sei.235 Zwar könne diese Unterscheidung nur im Einzelfall unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände getroffen werden. Dabei seien jedoch folgende Kriterien in die Betrachtung einzubeziehen236: Wesentlich sei zunächst die Art der ausgetauschten Informationen. Als unbedenklich sieht die Kommission den Austausch statistischer Informationen über Produktionsund Absatzmengen eines Industriezweigs an, die den Gepflogenheiten der amtlichen Warenstatistik entsprechen und keine Identifizierung der Teilnehmer erlauben. Auch gegen eine Aufgliederung nach Produkten, Ländern und Zeitabschnitten über eine Amtsstatistik hinaus sei nichts einzuwenden.237 Dagegen seien im organisierten Austausch individueller Unternehmensdaten, wie der produzierten und abgesetzten Mengen und der Preise, grundsätzlich Praktiken zu erblicken, die eine Einschränkung und Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken und deshalb verboten sind.238 Folglich liege der Bereich zwischen erlaubtem und verbotenem Informationsaustausch zwischen rein statistischen Informationssystemen und ein233 EuGH, Urt. vom 16.12.1975, verb. Rs. 40–48, 50, 54-56, 111, 113 u. 114/73 (Suiker Unie), Slg 1975, 1663, 1965 f. (Tz. 173/174): Die Kriterien der Koordinierung und der Zusammenarbeit . . . verlangen nicht die Ausarbeitung eines eigentlichen „Plans“; sie sind vielmehr im Sinne des Grundgedankens der Wettbewerbsvorschriften des Vertrages zu verstehen, wonach jeder Unternehmer selbständig zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Gemeinsamen Markt zu betreiben gedenkt . . . Es ist zwar richtig, dass dieses Selbständigkeitspostulat nicht das Recht der Unternehmen beseitigt, sich dem festgestellten oder erwarteten Verhalten ihrer Mitbewerber mit wachem Sinn anzupassen; es steht jedoch streng jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen Unternehmen entgegen, die bezweckt oder bewirkt, entweder das Marktverhalten eines gegenwärtigen oder potentiellen Mitbewerbers zu beeinflussen oder einen solchen Mitbewerber über das Marktverhalten ins Bild zu setzen, das man selbst an den Tag zu legen entschlossen ist oder in Erwägung zieht. 234 Siebenter Bericht der EG-Kommission über die Wettbewerbspolitik, S. 21 (Tz. 8). 235 A. a. O., S. 19 (Tz. 7). 236 A. a. O. 237 Siebenter Bericht der EG-Kommission über die Wettbewerbspolitik, S. 20 (Tz. 7.1). Dies bestätigte die Kommission in der Fettsäuren-Entscheidung von 1986, vgl. Komm. vom 02.12.1986, Sache IV/31.128, ABl.EG (1987) Nr. L 3, S. 17, 22 (Tz. 35) „Fettsäuren“.
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deutig individualisierten Datenmitteilungen. Die regelmäßige Übersendung von Rechnungen oder anderen individualisierenden Angaben an eine Meldestelle kann nach Ansicht der Kommission auf verbotene Absprachen oder Verhaltensweisen hinweisen, wenn die weitergeleiteten Daten üblicherweise dem Geschäftsgeheimnis unterliegen und zur Aufstellung periodischer Statistiken nicht erforderlich sind.239 In die Betrachtung einzubeziehen sei auch die jeweilige Marktstruktur, weil die erstrebte Erhöhung der Markttransparenz auf oligopolistischen Märkten die Reaktionsverbundenheit der Unternehmen verstärke. Durch Marktinformationssysteme werde folglich den Nachfragern die Möglichkeit genommen, sich den Geheimwettbewerb zwischen Anbietern zunutze zu machen und so einer Erstarrung des Preisgefüges entgegenzuwirken.240 Der von der Kommission benutzte Begriff des „Geheimwettbewerbs“ geht auf einen Ansatz von Hoppmann zurück. Unter Geheimwettbewerb ist nach Hoppmann die Tatsache zu verstehen, dass ein Anbieter, der seinen Kunden günstigere Bedingungen anbietet als seine Mitbewerber, dies nicht sofort seinen Konkurrenten mitteilt oder öffentlich bekannt gibt.241 Solange es überhaupt Wettbewerb gebe, sei ein Geheimbleiben konkurrierender Angebote jedoch nicht möglich, da jeder Nachfrager versuchen werde, ein noch günstigeres Angebot von den Konkurrenten des Anbieters, der den Wettbewerbsvorstoß unternommen hat, zu bekommen.242 Identifizierende Preismeldestellen, deren Informationen nur Anbietern zugänglich sind, würden diesen vorstoßenden Wettbewerb verhindern.243 Senkte ein Anbieter die Preise, so würden alle Konkurrenten durch die Preismeldestelle sofort von diesem Vorstoß erfahren und ihrerseits nachziehen, so dass es für kein Unternehmen sinnvoll wäre, eine Preissenkung zu initiieren.244 Diese Form der Wettbewerbsbeschränkung sei jedoch umso weniger praktikabel, je größer die Anzahl der an der Meldestelle beteiligten Unternehmen und je heterogener der Markt sei.245 Die von Hoppmann zunächst nur in Verbindung 238 Siebenter Bericht der EG-Kommission über die Wettbewerbspolitik, S. 20 (Tz. 7.1). Zur Abgrenzung zwischen „Bezwecken“ und „Bewirken“ einer Wettbewerbsbeschränkung sogleich unter 2.b). 239 Siebenter Bericht der EG-Kommission über die Wettbewerbspolitik, S. 20 (Tz. 7.1). 240 Siebenter Bericht der EG-Kommission über die Wettbewerbspolitik, S. 21 (Tz. 7.2). 241 Hoppmann, WuW 1966, 97, 108, dem zufolge der Begriff „Geheimwettbewerb“ jedoch nur bedeutet, dass Raum für einen vorstoßenden oder initiatorischen Wettbewerb ist. 242 A. a. O. 243 A. a. O., S. 111. 244 A. a. O., S. 111 f.
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mit identifizierenden Preismeldestellen erhobene Forderung nach der Sicherung des vorstoßenden Wettbewerbs wurde vom Bundeskartellamt zu einem allgemeinen Paradigma des Schutzes des Geheimwettbewerbs weiterentwickelt.246 Von dort wurde es von der Kommission übernommen.247 2. Entscheidungspraxis der Kommission und der europäischen Gerichte Die von der Kommission im Siebenten Bericht zur Wettbewerbspolitik aufgezeigten Bewertungskriterien wurden in den folgenden Jahrzehnten durch Entscheidungen der Kommission und der Gemeinschaftsgerichte weiter konkretisiert. Diese Entscheidungen betrafen sowohl kartellüberwachende248 als auch selbständige Marktinformationssysteme. a) Kartellüberwachende Marktinformationssysteme Marktinformationssysteme können zur Unterstützung und Absicherung weitergehender Wettbewerbsbeschränkungen genutzt werden: Sie können zur Überwachung von Teilnehmern an Preis- oder Quotenkartellen oder als Abstimmungshilfsmittel dienen, wenn zum Beispiel einem Unternehmen die Preisführerschaft übertragen wird.249 Tatsächlich waren in der Praxis Marktinformationsverfahren meistens mit anderen, gegen Art. 81 EG verstoßenden Abreden verbunden, so mit Preis- und Konditionenabsprachen250, Quotenabreden251 oder Absprachen über die Produktion und Investitionen.252 In solchen Fällen teilt das Informationsverfahren die Beurteilung der Kartellabsprache, da das Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG alle ergänzenden 245
A. a. O., S. 112. Sedemund, FS Lieberknecht, 571, 576 mit kritischer Stellungnahme; Ziegenhain, EWS 1993, 50, 51. 247 Sedemund, FS Lieberknecht, 571, 576. 248 Teilweise werden nur selbständige Informationsaustauschsysteme als Marktinformationsverfahren im eigentlichen Sinne bezeichnet, vgl. Rahlmeyer in: Frankfurter Kommentar, Art. 81 Abs. 1, 3 EG-Vertrag, Fallgruppen II.6 Rn. 17. 249 Bellamy/Child, Rdnr. 4-115; Feldkamp, EuZW 1991, 617; Mestmäcker/ Schweitzer, § 9 Rdnr. 40; Sedemund in: Festschrift für Lieberknecht, 571, 580 (Tz. 10); Tugendreich S. 66 f. 250 So etwa Komm., E. vom 5. Sept. 1979, Sache IV/29.021 (BP Kemi/DDSF), ABl.EG 1979 Nr. L 286, 32. 251 Z. B. Komm., E. vom 8. Sept. 1977, Sache IV.312–366 (COBELPA/VNP), ABl.EG 1977 Nr. L 242, 10; E. vom 23. April 1986, Sache IV.31.149 (Polypropylen), ABl.EG 1986 Nr. L 230, 1. 252 So etwa Komm., E. vom 23. Dez. 1975, Sache IV/26.940/b (KEWA), ABl.EG 1976 Nr. L 51, 15. 246
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Vereinbarungen erfasst, die die Einhaltung der Kartellabsprache gewährleisten sollen.253 So hatten die am europäischen Karton-Kartell beteiligten Unternehmen ein Informationsaustauschsystem ins Leben gerufen, um die von ihnen geschlossene Kartellvereinbarung zu überwachen. Seit 1986 hatte ein Kartell von 19 europäischen Kartonherstellern die Preise für das Kartonangebot im Gemeinsamen Markt sowie die Marktanteile der führenden Hersteller festgesetzt.254 Zur Absicherung ihrer Absprachen tauschten die beteiligten Unternehmen umfangreiche Geschäftsinformationen über Preise, Auftragsbestände, Kapazitäten und Lieferungen aus.255 Die Kommission verhängte Geldbußen gegen die Kartellbeteiligten und untersagte ihnen den Austausch von Informationen über wichtige Geschäftsdaten (u. a. betreffend die Produktion, Verkäufe und Verkaufspreise) der einzelnen Hersteller.256 Darüber hinaus gab sie den Kartonherstellern auf, zukünftig jeden Austausch von Geschäftsinformationen zu unterlassen, durch den auch ohne Offenlegung individueller Informationen eine gemeinsame Reaktion auf wirtschaftliche Verhältnisse hinsichtlich der Preise oder der Produktion gefördert oder erleichtert wird oder durch den die Teilnehmer in die Lage versetzt werden könnten, die Erfüllung ausdrücklicher oder stillschweigender Vereinbarungen über Preise oder die Aufteilung von Märkten zu überwachen.257 Das Gericht erster Instanz hob diesen Teil der Kommissionsentscheidung jedoch auf, da er das zur Wiederherstellung der Rechtmäßigkeit des Verhaltens der Kartonhersteller erforderliche Maß überschreite.258 Denn die bloße Tatsache, dass ein System des Austauschs statistischer Informationen zu wettbewerbswidrigen Zwecken verwendet werden kann, führe nicht zu seiner Unvereinbarkeit mit Art. 85 Abs. 1 EGV (jetzt Art. 81 Abs. 1 EG). Unter derartigen Umständen seien vielmehr die konkreten wettbewerbswidrigen Auswirkungen des Systems zu bestimmen.259 Im Schrifttum wird aus dieser Entscheidung gefolgert, dass das EuG den Austausch von Marktinformationen außerhalb einer Kartellvereinbarung nur dann als Verstoß ge253 Feldkamp, EuZW 1991, 617, 618; Mestmäcker/Schweitzer, § 9 Rdnr. 37; Tugendreich, S. 66. 254 Komm., E. vom 13. Juli 1994, Sache IV/C/33.833 (Karton), ABl.EG 1994 Nr. L 243, 1. 255 Komm., a. a. O., S. 18 ff. (Tz. 61–73). 256 Komm., E. vom 13. Juli 1994, Sache IV/C/33.833 (Karton), ABl.EG 1994 Nr. L 243, 1, 55 (Art. 2 lit. a). 257 Komm., a. a. O., S. 55 (Art. 2 litt. b, c). 258 EuG, Urt. vom 14. Mai 1998, Rs. T-354/94 (Stora Kopparbergs Bergslags), Slg. 1998, II-2111, 2149 f. (Tz. 112). 259 EuG, Urt. vom 14. Mai 1998, Rs. T-354/94 (Stora Kopparbergs Bergslags), Slg. 1998, II-2111, 2150 (Tz. 112).
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gen Art. 81 Abs. 1 EG ansehe, wenn er sich auf individuelle Geschäftsdaten beziehe.260 Andere Autoren interpretieren sie als eine Absage an einen überzogenen Gefährdungstatbestand.261 b) Selbständige Marktinformationssysteme Selbständige Marktinformationssysteme, die nicht der Absicherung einer bestehenden Kartellabsprache dienen, können eine Wettbewerbsbeschränkung bewirken.262 Im Gegensatz zur ersten Tatbestandsalternative von Art. 81 Abs. 1 EG, dem „Bezwecken“ einer Wettbewerbsbeschränkung, bei der die tatsächlichen Auswirkungen einer Vereinbarung, eines Beschlusses oder einer abgestimmten Verhaltensweise nicht festgestellt werden müssen263, sind bei der Alternative des „Bewirkens“ die tatsächlichen oder potenziellen Auswirkungen der Koordinierung in ihrem wirtschaftlichen und rechtlichen Kontext zu ermitteln.264 Dafür sind Feststellungen mit Bezug auf die konkrete Marktsituation zu treffen, wobei ein Vergleich mit den Wettbewerbsverhältnissen vorzunehmen ist, wie sie ohne die zu prüfende Koordinierung bestünden.265 Zu betrachten sind insbesondere der wirtschaftliche und rechtliche Kontext, in dem die betroffenen Unternehmen tätig sind, die Art der Dienstleistungen, auf die sich die fragliche Vereinbarung bezieht, sowie die Funktion und die Struktur des relevanten Marktes.266 Speziell bei der Untersuchung von Marktinformationssystemen ist dabei entscheidend, ob ihre objektive Wirkung darin liegt, die Ungewissheit über das Marktgeschehen, wie sie ohne einen Informationsaustausch bestanden hätte, zu verringern oder zu beseitigen.267 260
Mestmäcker/Schweitzer, § 9 Rdnr. 40. Moosecker in: Schwerpunkte des Kartellrechts 1998, 87, 93 f. 262 Komm., E. vom 17. Feb. 1992, verb. Sachen IV/31.370 u. 31.446 (UK Agricultural Tractor Registration Exchange), ABl.EG L 68, 19; bestätigt durch EuG, Urt. vom 27. Okt. 1994, Rs T-35/92 (John Deere), Slg. 1994, II-957 und EuGH, Urt. vom 28. Mai 1998, Rs. C-7/95 P (John Deere), Slg. 1998, I-3111; Mestmäcker/ Schweitzer, § 9 Rn. 41, Tugendreich, S. 69. 263 Mestmäcker/Schweitzer, § 10 Rn. 60. Grundlegend zum Verhältnis zwischen den Tatbestandsalternativen „bezwecken“ und „bewirken“ bereits EuGH, Urt. vom 30. Juni 1966, Rs. 56/65 (Société Technique Minière), Slg. 1966, 281, 303. 264 Mestmäcker/Schweitzer, § 10 Rn. 64; Roth/Ackermann in: Frankfurter Kommentar, EG-Kartellrecht, Grundfragen Art. 81 Abs. 1 Rn. 248 f. 265 EuGH, Urt. vom 30. Juni 1966, Rs. 56/65 (Société Technique Minière), Slg. 1966, 281, 303; Urt. vom 11. Dez. 1980, Rs. 31/80 (L’Oreal), Slg. 1980, 3775 (Tz. 19); Roth/Ackermann in: Frankfurter Kommentar, EG-Kartellrecht, Grundfragen Art. 81 Abs. 1 Rn. 248. 266 EuG, Urt. vom 15. Sept. 1998, verb. Rs. 374/94, 375/94, 388/94 (European Night Services), Slg. 1998 II-3141, 3197 (Tz. 136). 261
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Daher kann die Schaffung hoher Markttransparenz zum Verbot eines Meldesystems ausreichen, auch wenn das System nicht mit anderen wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen verbunden ist. Dies verdeutlicht die John Deere-Entscheidung268, in der der Europäische Gerichtshof erstmals ein Marktinformationssystem für homogene Produkte, das sich weder unmittelbar auf Preise noch auf die Abstimmung anderer Wettbewerbsparameter bezog, als Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG verbot. In dem Fall hatten die acht führenden Hersteller und Importeure von landwirtschaftlichen Zugmaschinen in Großbritannien über eine Meldestelle Informationen über den Einzelhandelsabsatz ihrer Produkte und ihre Marktanteile ausgetauscht. Der Markt für landwirtschaftliche Zugmaschinen in Großbritannien war hochgradig konzentriert und wies hohe Zutrittsschranken auf.269 Die der Meldestelle übermittelten Daten waren detailliert aufgegliedert und enthielten u. a. Angaben über die Umsätze der Hersteller, Absatzzahlen der Händler, Absatzgebiete (nach Grafschaften, Händlergebieten und Postleitzahlen gegliedert), die zeitnah (bis zu täglich) abgefragt werden konnten.270 Die Angaben wurden nur den Teilnehmern am Informationsaustausch zugänglich gemacht und ansonsten nicht veröffentlicht.271 Die Kommission war bei einer Überprüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass dieses Marktinformationssystem gegen das Kartellverbot verstieß und für eine Freistellung nicht in Betracht kam. In ihrer Begründung verwies sie ausdrücklich auf die wettbewerbsschädlichen Auswirkungen hoher Markttransparenz auf hochkonzentrierten Märkten. Angesichts des Risikos eines eigenständigen wettbewerblichen Vorgehens und der Leichtigkeit von dessen Offenlegung verhindere der Informationsaustausch zwischen Wettbewerbern auf hochgradig konzentrierten Märkten die Entfaltung der verbliebenen Wettbewerbsreserven und wirke insofern wettbewerbsbeschränkend.272 Ungewissheit und Geheimhaltung zwischen Anbietern seien wesentliche Bestandteile zur Gewährleistung von Wettbewerb auf hochkonzentrierten Märkten.273 Unter solchen Bedingungen könne aktiver 267 Vgl. EuG, Urt. vom 27.10.1994, Rs T-35/92 (John Deere), Slg. 1994, II-957, 987 (Tz. 52). 268 EuGH, Urt. vom 28. Mai 1998, Rs. C-7/95 P (John Deere), Slg. 1998, I-3111. Dieser Entscheidung vorausgegangen waren EuG, Urt. vom 27.10.1994, Rs T-35/92 (John Deere), Slg. 1994, II-957 sowie Komm., E. vom 17. Feb. 1992, verb. Sachen IV/31.370 u. 31.446 (UK Agricultural Tractor Registration Exchange), ABl.EG L 68, 19. 269 Vier der Teilnehmer an dem Informationssystem repräsentierten ca. 76%, alle acht ursprünglich teilnehmenden Unternehmen ca. 88% des gesamten Marktes, Komm., E. vom 17. Feb. 1992, ABl.EG (1992) Nr. L 68, 19 (Tz. 4 ff.). 270 A. a. O. S. 22 ff. (Rn. 17 ff.). 271 A. a. O. S. 22 ff. (Rn. 22 f.). 272 A. a. O. S. 26 f. (Rn. 37 ff.).
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Wettbewerb nur stattfinden, wenn es den einzelnen Marktteilnehmern gelinge, ihr Vorgehen geheim zu halten oder ihre Konkurrenten sogar zu täuschen.274 Das Gericht erster Instanz schloss sich diesen Ausführungen der Kommission an und betonte, dass der zeitnahe Austausch von Informationen auf einem hochgradig konzentrierten oligopolistischen Markt unter den wichtigsten Anbietern und ausschließlich zu deren Nutzen den noch bestehenden Wettbewerb unter den Marktteilnehmern spürbar beeinträchtigen könne.275 Demgegenüber verstärke die Transparenz unter den Marktteilnehmern auf einem wirklich vom Wettbewerb geprägten Markt grundsätzlich den Wettbewerb, da angesichts der Zersplitterung des Angebots auf solchen Märkten die durch das Meldesystem erhaltenen Informationen nicht geeignet seien, die Unsicherheit der Teilnehmer über das Verhalten der Wettbewerber zu verringern oder ganz zu beseitigen.276 Dieses Urteil des Gerichts erster Instanz griff der Traktorenhersteller John Deere u. a. mit dem Argument an, dass die Freiheit der Unternehmen, unabhängige Entscheidungen zu treffen, durch das Informationsaustauschsystem nicht begrenzt worden sei und daher keine Einschränkung des Wettbewerbs i. S. d. Art. 85 Abs. 1 EGV (jetzt 81 Abs. 1 EG) vorliege.277 Generalanwalt Colomer wies dieses Vorbringen in seinen Schlussanträgen zurück. Er argumentierte, dass eine Beeinträchtigung oder Verfälschung des Wettbewerbs i. S. d. Art. 85 Abs. 1 EGV dann vorliege, wenn die Wirtschaftsteilnehmer ihr Marktverhalten nicht mehr selbständig bestimmten.278 Eine Selbständigkeit der Wirtschaftsteilnehmer bei der Festlegung ihres Marktverhaltens bestehe eindeutig nicht mehr, wenn sie eine Vereinbarung treffen, die ihre künftige Handlungsfreiheit auf dem Markt beschränkt. Diese Selbständigkeit könne aber auch beeinträchtigt werden, wenn die Wirtschaftsteilnehmer in Verfolgung eines gemeinsamen wirtschaftlichen Interesses Strukturen der Zusammenarbeit schaffen, die zwar nicht unmittelbar ein wettbewerbswidriges Verhalten fördern, wohl aber den Wettbewerb zwischen ihnen verringern.279 273
A. a. O. A. a. O. 275 EuG, Urt. vom 27. Okt. 1994, Rs T-35/92 (John Deere), Slg. 1994, II-957, 987 (Tz. 51). 276 EuG, a. a. O. 277 Vgl. Schlussanträge des GA Colomer Tz. 43 zu EuGH, Urt. vom 28. Mai 1998, Rs. C-7/95 P (John Deere), Slg. 1998, I-3111, 3129. 278 Schlussanträge des GA Colomer Tz. 46 zu EuGH, Urt. vom 28. Mai 1998, Rs. C-7/95 P (John Deere), Slg. 1998, I-3111, 3130. 279 Schlussanträge des GA Colomer Tz. 47 zu EuGH, Urt. vom 28. Mai 1998, Rs. C-7/95 P (John Deere), Slg. 1998, I-3111, 3130. 274
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Die von den Traktorenherstellern geschaffene Struktur der Zusammenarbeit, nämlich das Informationsaustauschsystem, führe zu einer Zunahme der Markttransparenz und einer entsprechenden Abnahme der Ungewissheit der Beteiligten bezüglich der Marktstrategie ihrer Wettbewerber. Diese Verringerung der Ungewissheit begrenze die Freiheit der Unternehmen, selbständige Geschäftsentscheidungen zu treffen, und beschränke daher den Wettbewerb i. S. d. Art. 85 Abs. 1 EGV. Der Europäische Gerichtshof schloss sich den Ausführungen des Gerichts erster Instanz und des Generalanwalts an und bestätigte, dass die Verringerung der Ungewissheit über das Marktgeschehen die Entscheidungsautonomie der Unternehmen einschränke und damit im Sinne von Art. 85 Abs. 1 EGV (jetzt Art. 81 Abs. 1 EG) den Wettbewerb einschränken könne.280 In seinem John Deere-Urteil nahm der EuGH auch zu den Anforderungen an den Nachweis der wettbewerbswidrigen Auswirkungen eines solchen Meldesystems Stellung.281 Die Kommission hatte argumentiert, dass auf einem hochkonzentrierten, von hohen Zutrittsschranken gekennzeichneten Markt der Austausch von detailgenauen Informationen ein Ausmaß an Transparenz bewirke, das unweigerlich zu einer Verminderung des Wettbewerbs zwischen den Marktteilnehmern führe282. Art. 85 Abs. 1 EGV (jetzt Art. 81 Abs. 1 EG) bezwecke die Aufrechterhaltung einer wettbewerbswirksamen Struktur i. S. d. Art. 3 lit. g) EGV und sei mithin so auszulegen, dass auch anzunehmende wettbewerbswidrige Auswirkungen unter sein Verbot fielen.283 Der EuGH bestätigte, dass unter diesen Umständen der Nachweis einer tatsächlichen wettbewerbswidrigen Auswirkung der fraglichen Vereinbarung unerheblich sei, da Art. 85 Abs. 1 (jetzt Art. 81 Abs. 1 EG) sowohl tatsächliche als auch rein potenzielle wettbewerbswidrige Auswirkungen verbiete, sofern die Vereinbarung den Markt nicht nur geringfügig beeinträchtige.284 Fünf Jahre später hatte der Europäische Gerichtshof in der Sache Thyssen/Kommission erneut Gelegenheit, zur Zulässigkeit eines selbständigen Marktinformationssystems Stellung zu beziehen, welches sich nicht auf Preise, sondern ausschließlich auf Liefermengen und Marktanteile bezog.285 280 EuGH, Urt. vom 28. Mai 1998, Rs. C-7/95 P (John Deere)., Slg. I-3111, 3162 ff. (Tz. 85 ff.). 281 EuGH, Urt. vom 28. Mai 1998, Rs. C-7/95 P (John Deere)., Slg. I-3111, 3159 ff. (Tz. 71 ff.). 282 Komm., E.vom 17. Feb. 1992, verb. Sachen IV/31.370 u. 31.446 (UK Agricultural Tractor Registration Exchange), ABl.EG L 68/19, 29. 283 A. a. O. 284 EuGH, Urt. vom 28. Mai 1998, Rs. C-7/95 P (John Deere/Komm.), Slg. 1998 I-3111, 3160 (Tz. 77) in Bestätigung von EuG, Urt. vom 27. Okt. 1994, Rs. T-35/92, Slg. 1994 II-957, 991 (Tz. 61).
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Dabei stellte der Gerichtshof klar, dass ein Austausch von Informationen auch auf einem Markt, der keine hochgradig konzentrierte oligopolistische Struktur aufweist, gegen die Wettbewerbsregeln verstoßen könne. Die Marktstruktur sei nur ein Kriterium unter vielen, die zu berücksichtigen seien, und der einzige die Marktstruktur betreffende allgemeine Grundsatz laute, dass das Angebot nicht zersplittert sein dürfe.286 c) Einseitige Preisankündigungen Im Gegensatz zu den Fällen des gegenseitigen horizontalen Informationsaustauschs zwischen Unternehmen reichen einseitige Preisankündigungen grundsätzlich nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG zu bejahen. Dies illustriert die Zellstoff-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs von 1993.287 Der Fall betraf vierteljährlich stattfindende Preisankündigungen von Zellstoffherstellern gegenüber der Presse und gegenüber Handelsvertretern. Die Kommission hatte dieses System mit dem Argument als Verstoß gegen Art. 85 Abs. 1 EGV (81 Abs. 1 EG) eingestuft, dass es von den Herstellern bewusst ins Leben gerufen worden sei, um sich gegenseitig Kenntnis von den Preisen zu verschaffen, die in den folgenden Quartalen gelten würden.288 Die Preisankündigungen würden eine künstliche Markttransparenz schaffen, die eine unnatürliche Preisgleichförmigkeit nach sich ziehe.289 Diese Rechtsauffassung der Kommission hatte vor dem Europäischen Gerichtshof jedoch keinen Bestand. Denn die öffentlichen Preisänkündigungen als solche seien nicht geeignet, die Unsicherheit jedes Zellstoffherstellers darüber, welche Haltung seine Wettbewerber einnehmen werden, zu verringern.290 Ebensowenig könne das System der Preisankündigungen als Indiz 285 EuGH, Urt. vom 2. Okt. 2003, Rs. C-194/99 P (Thyssen Stahl/Kommission), Slg. 2003, I-10821, WuW/E EU-R 747, in Bestätigung von EuG vom 11.3.1999, Rs. T-141/94, Slg. 1999, II-347. Diese Entscheidungen bezogen sich auf Komm. vom 26.11.1997, Sache IV/36.069 (Wirtschaftsvereinigung Stahl), ABl.EG (1998) Nr. L 1, 10. Zwar ergingen die Entscheidung der Kommission und die nachfolgenden Gerichtsurteile in einem Verfahren nach Art. 65 EGKS-Vertrag; die entscheidende Argumentation ist jedoch auf das Kartellverbot des Art. 81 Abs. 1 EG übertragbar. 286 EuGH, Urt. vom 2. Okt. 2003, Rs. C-194/99 P (Thyssen Stahl/Kommission), Slg. 2003, I-10821, 10915 (Tz. 86), WuW/E EU-R 747, 750 f. 287 EuGH, Urt. vom 31 März 1993, verb Rs. C-89/85, 104, 114, 116, 117, 125–129/85 (Ahlström Osakeyhtiö), Slg. 1993, I-1307 („Zellstoff“). 288 Komm., E. vom 19. Dez. 1984, Sache IV/29.725 (Zellstoff), ABl.EG 1985 Nr. L 85, 1, 16 (Tz. 85). 289 Komm., a. a. O., 22 (Tz. 116).
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für das Bestehen einer schon zuvor erfolgten Verhaltensabstimmung zwischen den Herstellern herangezogen werden. Zwar führe das System zu einer Vereinheitlichung der Preise. Angesichts der oligopolistischen Marktstruktur und der ohnehin hohen Markttransparenz auf dem Zellstoffmarkt könne diese Preisangleichung jedoch auf die normale Reaktionsverbundenheit im Oligopol zurückzuführen sein.291 Reines Parallelverhalten sei kein Indiz für eine verbotene Verhaltensabstimmung, wenn es eine andere befriedigende Erklärung für das Parallelverhalten gebe.292 Die Kommission habe nicht anhand eines Bündels von ernsthaften, genauen und übereinstimmenden Indizien den Beweis erbringen können, dass das Parallelverhalten der Marktteilnehmer ausschließlich durch abgestimmtes Verhalten erklärbar sei.293 d) Zusammenfassung und Vergleich Die geschilderten Grundsätze lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Kartellüberwachende Marktinformationsverfahren verstoßen ebenso wie die Kartellabsprache selbst gegen das Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG. Die Schaffung horizontaler Markttransparenz durch ein selbständiges Marktinformationssystem verstößt gegen Art. 81 Abs. 1 EG, wenn individuelle, aktuelle und sensible Informationen auf einem Markt ausgetauscht werden, auf dem das Angebot nicht zersplittert ist.294 Einseitige öffentliche Preisankündigungen von Unternehmen, die ein Nachziehen von Wettbewerbern auslösen, stellen keine verbotene Verhaltensabstimmung i. S. d. Art. 81 Abs. 1 EG dar, wenn das ankündigende Unternehmen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung keine Gewissheit über das künftige Verhalten seiner Mitbewerber hat. Eine durch öffentliche Preisankündigungen herbeigeführte Vereinheitlichung der Preise indiziert nur dann eine Verhaltensabstimmung, wenn sie nicht auf andere, rationale wirtschaftliche Gründe zurückgeführt werden kann. Bei vergleichender Betrachtung lässt sich eine hohe Übereinstimmung mit den Bewertungskriterien feststellen, die im US-amerikanischen Kartellrecht auf Informationsaustauschsysteme angewendet werden.295 Beide 290 EuGH, Urt. vom 31 März 1993, verb Rs. C-89/85, 104, 114, 116, 117, 125–129/85 (Ahlström Osakeyhtiö), Slg. 1993, I-1307, 1599 (Tz. 64) („Zellstoff“). 291 Zur Reaktionsverbundenheit im Oligopol ausführlich oben Zweiter Abschnitt, § 4, II.1. 292 EuGH, a. a. O., 1613 (Tz. 126). 293 EuGH, a. a. O., 1614 (Tz. 127). 294 So fasst Rahlmeyer in: Frankfurter Kommentar, Art. 81 Abs. 1, 3 EG-Vertrag, Fallgruppen II.6., den aktuellen Stand zusammen. 295 Ausführlich zum US-Recht oben Zweiter Abschnitt, § 4.
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Rechtsordnungen gehen zunächst von der Prämisse aus, dass eine Erhöhung der Markttransparenz sich positiv, aber auch negativ auf die Wettbewerbssituation auswirken kann. Des Weiteren hat sich sowohl im US-antitrust law als auch im europäischen Kartellrecht die Erkenntnis durchgesetzt, dass eine durch Informationsaustauschsysteme erhöhte Markttransparenz nicht nur zur Verschleierung oder Absicherung einer bestehenden Kartellvereinbarung genutzt werden, sondern auch ohne die Existenz einer weitergehenden Verhaltenskonzertierung nachteilige Wirkungen auf den Wettbewerb haben kann. Auch die Kriterien zur Abgrenzung von wettbewerbsfördernden und -beschränkenden Informationssystemen stimmen zu großen Teilen überein: Als legitim wird das Sammeln und Verbreiten statistischer Informationen durch Unternehmen betrachtet. Kritisch beurteilt wird dagegen der Austausch individualisierender Informationen, der Rückschlüsse auf die konkreten Geschäfte der beteiligten Unternehmen erlaubt. Insbesondere der Austausch gegenwärtiger Preise außerhalb atomistisch strukturierter Märkte ist in beiden Rechtsordnungen stets als Verstoß gegen das Kartellverbot eingestuft worden. Ganz grundsätzlich wird bewusstes Parallelverhalten von Unternehmen weder im antitrust law noch im europäischen Kartellrecht als Verstoß gegen das Kartellverbot eingeordnet. Somit erfüllen einseitige Preisankündigungen, die zu einer Angleichung der Preise führen, nicht den Tatbestand des § 1 Sherman Act bzw. des Art. 81 Abs. 1 EG, wenn nicht weitergehende Hinweise auf die Existenz einer verbotenen Verhaltenskonzertierung vorliegen. In beiden Rechtsordnungen darf bewusstes Parallelverhalten nur dann als Indiz für das Vorliegen einer weitergehenden Verhaltenskonzertierung betrachtet werden, wenn es keine andere ökonomisch sinnvolle Erklärung für das Parallelverhalten gibt. Da bewusstes Parallelverhalten insbesondere aus der engen Reaktionsverbundenheit im Oligopol resultieren kann, werden Informationsaustauschsysteme auf konzentrierten Märkten in beiden Rechtsordnungen als kritisch betrachtet.
II. Anwendung auf B2B-Marktplätze Obwohl die Kommission über eine langjährige Erfahrung mit der kartellrechtlichen Beurteilung von Informationsaustauschsystemen verfügt und zahlreiche diesbezügliche Verfahren geführt hat, sind ihre Aussagen zum Datenaustausch auf B2B-Marktplätzen in den meisten Fällen sehr allgemein gehalten.
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1. Aussagen der Kommission So ist der Pressemitteilung zur Freigabe von Covisint, dem ersten großen B2B-Marktplatz, der anhand von Art. 81 EG geprüft wurde, lediglich zu entnehmen, dass die Kommission generell davon ausgeht, dass B2B-Marktplätze sich positiv auf den Wettbewerb auswirken. Von Internetplattformen werde erwartet, dass sie den Markt transparenter machten und auf diese Weise dazu beitrügen, mehr Unternehmen miteinander in Kontakt zu bringen und Märkte zu integrieren. Des Weiteren dürften sie durch Verringerung des Such- und Informationsaufwands die Markteffizienz erhöhen, was sich letztlich in niedrigeren Preisen für den Endverbraucher niederschlage.296 Im nächsten Absatz der Pressemitteilung führt die Kommission aus, dass die negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb unter bestimmten Voraussetzungen jedoch die Vorteile einer besseren Markteffizienz überwiegen könnten. Dies könne u. a. der Fall sein, wenn Nutzer Zugang zu marktsensitiven Informationen erhielten oder diese austauschten. Es folgt die Feststellung, dass die angemeldeten Vereinbarungen angemessene Klauseln enthielten, um diese potenziellen Wettbewerbsstörungen auszuschließen. Covisint gewährleiste einen angemessenen Datenschutz einschließlich Firewalls und Sicherheitsvorschriften.297 Ähnliche Formulierungen finden sich in den Pressemitteilungen zur Freigabe der B2B-Plattformen Eutilia und Endorsia („Auch für angemessenen Datenschutz ist gesorgt: Firewalls und andere Sicherheitsvorkehrungen verhindern, dass geschäftssensible Daten an Wettbewerber weitergegeben werden“)298, Inreon („Nach einer ausführlichen Untersuchung ist die Kommission zu dem Ergebnis gelangt, dass das angemeldete Vorhaben ausreichende Garantien bietet, dass die Mutterunternehmen von Inreon und andere Teilnehmer der Plattform keinen Zugang zu vertraulichen Informationen über Konkurrenten erhalten“)299 und Centradia („Bei ihren Erwägungen hat die Kommission der Tatsache Rechnung getragen, dass von den Mutterunternehmen angemessene Schutzvorkehrungen getroffen wurden, um einen 296 Pressemitteilung der Kommission vom 31. Juli 2001, IP/01/1155 (Covisint), abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/competition/press_releases/ (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 297 Pressemitteilung der Kommission vom 31.7.2001, IP/01/1155 (Covisint). 298 Pressemitteilung der Kommission vom 10. Dez. 2001, IP/01/1775 (Eutilia und Endorsia), abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/competition/press_releases/ (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 299 Pressemitteilung der Kommission vom 24. Mai 2002, IP02/761 (Inreon), abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/competition/press_releases/ (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007).
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Austausch vertraulicher Geschäftsdaten, der in Absprachen münden könnte, beim Handel zu verhindern“).300 Ausführlichere Hinweise auf die Art der Sicherheitsvorkehrungen gegen den Datenaustausch sind der Pressemitteilung zur Freigabe von Volbroker301, dem elektronischen Maklerdienst für den Interbankenhandel mit Währungsoptionen, und einer Bekanntmachung mit Bezug auf das B2C-Reiseportal Opodo302 zu entnehmen. Um Bedenken der Kommission betreffend den Zugang der Muttergesellschaften zu vertraulichen Informationen auszuräumen, verpflichteten sich die Gründer der Plattformen Volbroker und Opodo zur Errichtung von Trennwänden (chinese walls) zwischen ihren Gemeinschaftsunternehmen und den Müttern303: Beide Unternehmen werden von einem von den Muttergesellschaften unabhängigen Management geleitet. Es bestehen keinerlei vertragliche Verpflichtungen zwischen den Mitarbeitern der Marktplätze und den Gründerunternehmen. Des Weiteren befinden sich die Unternehmungen an unterschiedlichen Standorten, und die Muttergesellschaften haben keinen Zugriff zu der Informationstechnik und den Kommunikationssystemen der Gemeinschaftsunternehmen. Darüber hinaus wollen die Muttergesellschaften gewährleisten, dass von dem Personal und der Geschäftsleitung sämtlicher Beteiligten die Bedeutung der Aufrechterhaltung der Vertraulichkeit von geschäftsempfindlichen Informationen verstanden wird und dass bei Zuwiderhandlungen Strafen verhängt werden.304 Bezüglich des Reiseportals Opodo wurde zusätzlich zugesichert, dass die Marketingvereinbarungen mit den Fluggesellschaften vertraulich von den Opodo-Angestellten ausgehandelt und deren Inhalt den Direktoren und Gesellschaftern von Opodo nicht mitgeteilt würde.305 Im Zusammenhang mit Einwänden gegen die Gründung des B2C-Reiseportals Opodo setzte sich die Kommission darüber hinaus mit dem Argument auseinander, dass Opodo zu einer Erhöhung der Markttransparenz auf 300 Pressemitteilung der Kommission vom 27. Juni 2002, IP/02/943 (Centradia), abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/competition/press_releases/ (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 301 Pressemitteilung der Kommission vom 31. Juli 2000, IP/00/896 (Vol broker.com), abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/competition/press_releases/ (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 302 Bekanntmachung nach Art. 19 Abs. 3 der VO 17, Sache COMP/38.006 – Online Travel Portal, ABl.EG 2001 Nr. C 323, 6 (Opodo). 303 Pressemitteilung der Kommission vom 31. Juli 2000, IP/00/896 (Vol broker.com). 304 Pressemitteilung der Kommission vom 31. Juli 2000, IP/00/896 (Vol broker.com); Bekanntmachung nach Art. 19 Abs. 3 der VO 17, Sache COMP/38.006 – Online Travel Portal, ABl.EG 2001 Nr. C 323, 6, 7 (Tz. 8). 305 Bekanntmachung nach Art. 19 Abs. 3 der VO 17, Sache COMP/38.006 – Online Travel Portal, ABl.EG 2001 Nr. C 323, 6, 7 (Tz. 8).
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dem Markt für Reisebürodienste führen würde.306 Der ursprüngliche Geschäftsplan von Opodo sah vor, dass die Fluggesellschaften, die Marketingvereinbarungen mit Opodo eingehen wollten, sich – ebenso wie die an das US-Reiseportal Orbitz angeschlossenen Fluglinien307 – zur Meistbegünstigung der Plattform verpflichten mussten.308 Während die Kartellrechtsabteilung des US-Justizministeriums bei empirischen Untersuchungen keine nachteiligen Auswirkungen der Orbitz-Meistbegünstigungsklausel auf den Wettbewerb feststellen konnte und deshalb keine Einwände gegen die Klausel erhob, hatte die Kommission Bedenken, dass eine Meistbegünstigungsklausel den Wettbewerb auf dem Reisebürodienstemarkt beschränken könnte. Deshalb sagten die Gesellschafter von Opodo u. a. zu, dass sie Opodo keinen Meistbegünstigungsstatus für Flugtarife anbieten würden, die den Kunden nur auf den eigenen Internetseiten der Fluggesellschaften zugänglich sind.309 Von der Beurteilung dieser Klausel abgesehen, war die Kommission jedoch ebenso wie das US-Justizministerium im Fall Orbitz der Auffassung, dass das B2C-Reiseportal nicht zu einer Erhöhung der Markttransparenz führe, da für die an Opodo angeschlossenen Fluggesellschaften sämtliche Flugpreise ohnehin über die bereits existierenden Computerresevierungssysteme erhältlich seien.310 2. Stellungnahmen des Schrifttums Auch in der Literatur wird darauf hingewiesen, dass die Unternehmen, die Handel auf B2B-Plattformen treiben wollen, sicherstellen müssten, dass ihr Marktplatz angemessene Sicherungen und Beschränkungen enthält, die einen verbotenen Informationsaustausch verhindern.311 Häufig wird dabei 306 Fall COMP/A.38321/D2 – TQ3 Travel Solutions GmbH/Opodo Limited, Commission decision rejecting a complaint, abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/ competition/antitrust/cases/decisions/38321/en.pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). Das deutsche Reisebüro TQ3 Travel Solutions, eine Tochtergesellschaft der TUI, hatte gegenüber der Kommission Einwände gegen den Betrieb des Online-Reiseportals Opodo erhoben. 307 Ausführlich zur Diskussion um die von Orbitz festgeschriebene Meistbegünstigungsklausel oben Zweiter Abschnitt, § 4, II.3. 308 Bekanntmachung nach Art. 19 Abs. 3 der VO 17, Sache COMP/38.006 – Online Travel Portal, ABl.EG 2001 Nr. C 323, 6, 7 (Tz. 9) (Opodo). 309 ABl.EG 2001 Nr. C 323, 6, 7 f. (Tz. 12) (Opodo). 310 Fall COMP/A.38321/D2 – TQ3 Travel Solutions GmBH/Opodo Limited, Commission decision rejecting a complaint, S. 7 (Tz. 29), abrufbar unter http:// europa.eu.int/comm/competition/antitrust/cases/decisions/38321/en.pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 311 Immenga/Lange, RIW 2000, 733, 737; Gassner, MMR 2001, 140, 142; Köhler, K&R 2000, 569, 577; Stroud, World Competition 24 (1), 125, 132 f. (2001).
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auf Vorschläge aus dem US-amerikanischen Schrifttum oder dem FTC Report verwiesen.312 Nicht nur technische, sondern auch vertragliche und organisatorische Sicherungsmaßnahmen werden als notwendig angesehen, um die Unabhängigkeit von Internetplattformen von ihren Gründern zu gewährleisten, und zwar insbesondere dann, wenn die Gründer aktive Nutzer der Plattform sind. Denn bei B2Bs, die von konkurrierenden Unternehmen gegründet und/oder genutzt werden, bestehe ein Spannungsverhältnis zwischen dem berechtigten Interesse der Gründerunternehmen an aktuellen Daten zur wirtschaftlichen Entwicklung des von ihnen mitfinanzierten B2B-Marktplatzes und der Gefahr, dass auf diese Weise Mitarbeiter der Gründerunternehmen Kenntnis von sensiblen Informationen über Mitbewerber erlangen könnten. Für den Fall, dass Vertreter der Gründer in den Vorstand des Gemeinschaftsunternehmen entsandt werden, das den Marktplatz betreibt, wird empfohlen, diesen keinen Zugang zu vertraulichen Geschäftsdaten der übrigen Anteilseigner bzw. Nutzer einzuräumen.313 Auch das Verhältnis der Gründerunternehmen zu ihren Angestellten, die vorübergehend für den B2B-Marktplatz arbeiten und danach zu ihrem ursprünglichen Arbeitgeber zurückkehren, bedürfe der vertraglichen Regelung. Ihnen sei die Auflage zu machen, ihre ggf. erworbenen Kenntnisse über vertrauliche Informationen nicht weiterzugeben.314 Zudem seien sie über die Folgen eines Verstoßes gegen ihre Geheimhaltungspflicht aufzuklären.315 Sicherer, aber auch kostenintensiver sei die befristete Freistellung der Mitarbeiter vor ihrer Rückkehr zu ihrem ursprünglichen Arbeitgeber, so dass die ihnen ggf. bekannten Informationen zum Zeitpunkt der Wiederaufnahme der Beschäftigung bereits veraltet wären.316 Des Weiteren wird die grundsätzliche Frage aufgeworfen, ob die bisherige kartellrechtliche Diskussion über Marktinformationsverfahren überhaupt ein geeigneter Ausgangspunkt für eine Untersuchung der durch Internetmarktplätze veränderten Markttransparenz sei.317 Nur B2B-Marktplätze, die ge312 So beziehen sich etwa Immenga/Lange, RIW 2000, 733, 737 (Fn. 4, 38) und Gassner, MMR 2001, 140, 142 (Fn. 33) auf den Beitrag von Blumenthal, Antitrust Report, Mai 2000, 34 ff. und den FTC Report. 313 Ahlborn/Seeliger, EuZW 2001, 552, 557. Die Automobilplattform Covisint wollte möglichen Interessenkonflikten zwischen Anteilseignern (Automobilproduzenten) und Nutzern (Zulieferern) dadurch begegnen, dass die von den beteiligten Automobilherstellern bestimmten Mitglieder keine Mehrheit im Board erreichen durften, vgl. BKartA, Beschl. vom 25. Sept. 2000 – B 5 – 34100 U 40/00 (Covisint), WuW/E DE-V 321 = BB 2000, 2431 (C.I.1). 314 Ahlborn/Seeliger, EuZW 2001, 552, 557. 315 Ahlborn/Seeliger, a. a. O. 316 Dies wird als „Gardening Leave“ bezeichnet, vgl. Ahlborn/Seeliger, a. a. O.
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zielt zur gegenseitigen Information der Plattformnutzer über Mengen, Preise und Konditionen eingesetzt würden, seien mit identifizierenden Marktinformationssystemen vergleichbar. Es sei jedoch davon auszugehen, dass Informationszugangssperren und Segmentierungen auf Internetmarktplätzen eingesetzt sowie Daten anonymisiert würden.318 Daher seien vielmehr die Systeme zu betrachten, die zwar für eine Verbesserung der Markttransparenz sorgten, aber keine Identifzierung einzelner Wettbewerber zuließen.319 Zudem würden auf Internetmarktplätzen die Informationen auch der Marktgegenseite zur Verfügung gestellt, so dass das gegen Marktinformationssysteme vorgebrachte Argument der Benachteiligung der Marktgegenseite durch eine einseitige Informationsvergabe nicht auf B2Bs zutreffe.320 Vorgeschlagen wird jedoch auch, den Schutz des Geheimwettbewerbs im Bereich Internethandel einzuschränken.321 Denn der zusätzliche Aufwand für die Sammlung von Informationen über die auf B2Bs getätigten Geschäfte sei gering; gleichzeitig seien diese Daten äußerst wertvoll, so dass ein großes Interesse an ihrer Nutzung bestehe. Schließlich habe derjenige, der wisse, welche Transaktionen wann von wem zu welchen Konditionen getätigt wurden, einen guten Überblick über den Markt und damit das Wissen, wie er sich auf dem Markt verhalten muss. Dass ein derartiger Zugriff effizienteres Wirtschaften ermöglicht, stehe außer Frage.322 Durch einen besseren Überblick über den Markt könne der einzelne Marktteilnehmer feststellen, wer voraussichtlich als Geschäftspartner für ihn in Frage komme, wodurch die Suchkosten vor der Transaktion reduziert würden.323 Zudem schütze das Kartellrecht den Geheimwettbewerb nicht als absolutes Rechtsgut, sondern nur dort, wo die Marktgegenseite vor Übervorteilung geschützt werden müsse. Bei herkömmlichen Marktinformationssystemen stünden Informationen immer nur den Teilnehmern am System zur Verfügung, aber nicht der Marktgegenseite. Auf B2B-Marktplätzen könnten je317
Kirchner, WuW 2001, 1030, 1031. Kirchner, a. a. O., 1035 f. 319 Kirchner, a. a. O., 1034. 320 Kirchner, a. a. O., 1035. 321 Jestaedt, BB 2001, 581, 582; allgemein kritisch ggü. dem Begriff „Geheimwettbewerb“ u. der diesbzgl. Kommissionspraxis Feldkamp, EuZW 1991, 617, 620 f.; Sedemund, FS Lieberknecht, S. 574 ff. 322 Jestaedt, BB 2001, 581, 582. Diese Aussage erinnert an die des Preiskartells in einem klassischen US-amerikanischen Fall: Knowledge regarding prices actually made is all that is necessary to keep prices at reasonably stable and normal levels, Am. Column & Lumber Co. v. U.S., 257 U. S. 377 (1921). Das Preiskartell stützte sich wahrscheinlich auf A.J. Eddys Buch „The New Competition“ von 1912, in dem sich dieses Zitat findet, vgl. Kühn, Fighting Collusion – Regulation of communication between firms, Economic Policy 2001, 169, 187. 323 Jestaedt, BB 2001, 581, 582. 318
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doch alle Marktteilnehmer jederzeit auf die über den Marktplatz angebotenen Informationen zugreifen, was dem wettbewerbspolitischen Leitbild des vollkommenen Wettbewerbs zumindest nahe komme. Aufgrund der absoluten Transparenz sei es kaum möglich, dass der Marktgegenseite eine Wettbewerbsbeschränkung verborgen bleibe.324 Für eine flexiblere Anwendung der Regeln über den Informationsaustausch zwischen Wettbewerbern wird auf das US-amerikanische Recht verwiesen, welches nicht die Anwendung des per se-Verbots, sondern der rule of reason vorsehe.325 Zwar würde auch die Abwägung nach der rule of reason meistens dazu führen, dass ein Austausch über Preise zwischen Wettbewerbern verhindert werden müsse. Dennoch müsse man beim elektronischen Informationsaustausch, der unter einer Vielzahl vernetzter Wettbewerber stattfindet, großzügiger sein als bei den üblichen Marktinformationssystemen.326 Andere Autoren wiederum äußern die Befürchtung, dass Unternehmen versuchen könnten, sich Kenntnis von den Konditionen ihrer Mitbewerber zu verschaffen, um Druck auf Lieferanten auszuüben.327 Auch wird befürchtet, dass schon die Möglichkeit, mittels der Internetplattform genaueste Daten individueller Geschäftsabschlüsse zu sammeln und zu speichern, sich auf das Marktverhalten der Nutzer auswirken könnte.328 Diese Gefahr bestehe insbesondere bei der Nutzung von Internetplattformen, die von führenden Wettbewerbern einer Branche gegründet wurden.329 Obwohl den potenziellen Lieferanten versichert werde, dass die Daten vertraulich behandelt würden, könnten sie nicht sicher sein, ob Informationen über einzelne Verhandlungen mit einem Betreiberunternehmen der Plattform nicht doch den anderen zur Kenntnis gelangen. Allein diese Befürchtung könne ihr Verhalten im Wettbewerb lähmen und sie zum Beispiel von Preis- oder Produktdifferenzierungen abhalten.330 Von anderer Seite werden diesbezügliche Vorbehalte von Unternehmen als übertrieben bezeichnet und darauf verwiesen, dass in der bisherigen Geschäftspraxis Bestellungen per Telefon oder Fax aufgegeben worden seien, wobei ebenfalls keine Vertraulichkeit habe garantiert werden können.331 324
Jestaedt, a. a. O. Immenga in: Büllesbach/Dreier, 59, 70 f.; Jestaedt, BB 2001, 581, 583. 326 Jestaedt, BB 2001, 581, 583. 327 Vgl. Heinemann in: Büllesbach/Dreier, 79, 98; ähnlich auch Köhler, K&R 2000, 569, 577. 328 Köhler, K&R 2000, 569, 577. 329 Vgl. Köhler, a. a. O., der sich speziell auf Einkaufsplattformen bezieht. 330 Köhler, a. a. O. 331 Tröller, S. 212. 325
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Dieser Ansatz geht jedoch fehl, da durch Bestellungen per Telefon und Fax Informationen im Vertikalverhältnis übermittelt werden, nicht im Horizontalverhältnis. Die Unternehmen, die sich um die Vertraulichkeit ihrer Geschäftsdaten sorgen, dürften aber einen möglichen Austausch im Horizontalverhältnis im Blick haben. 3. Eigener Lösungsvorschlag Die Aussagen der Kommission und des Schrifttums sollen im Folgenden näher untersucht und ein eigener Lösungsvorschlag zum Problem des Informationsaustauschs auf elektronischen Marktplätzen unterbreitet werden. a) Keine Einschränkung des Geheimwettbewerbs auf B2B-Marktplätzen Technisch gesehen wäre eine vollkommen transparente Darstellung aller auf einer B2B-Plattform getätigten Transaktionen unproblematisch. Die Daten über abgeschlossene Geschäfte könnten Anbietern und Nachfragern in Echtzeit zur Verfügung gestellt werden, die diese Informationen anhand von ihnen zu bestimmender Kriterien auswerten könnten.332 Fraglich ist, ob eine solche vollkommene Markttransparenz auf Internetplattformen unbedenklich wäre, da der für Anbieter und Nachfrager jederzeit mögliche Zugriff auf alle Informationen dem Leitbild des vollkommenen Wettbewerbs nahe komme und mögliche Wettbewerbsbeschränkungen somit der Marktgegenseite nicht verborgen bleiben würden. Gegen diese Argumentation lässt sich jedoch anführen, dass ein unbeschränkter Informationsfluss auf elektronischen Marktplätzen nur dann vollkommenen Wettbewerb schaffen könnte, wenn auf den von der Plattform bedienten Produktmärkten sämtliche Bedingungen des sog. statischen Modells der vollkommenen Konkurrenz erfüllt wären. Dafür müssten auf den Produktmärkten u. a. eine hohe Anzahl von Anbietern, die zu identischen Kosten produzieren, homogene Erzeugnisse zu identischen Preisen offerieren und eine hohe Anzahl von Käufern diese Produkte ohne subjektive Präferenzen nachfragen.333 Wenn nur eine dieser Bedingungen nicht erfüllt ist, vermag das Modell keine theoretischen Aussagen über die zu erwartende Wettbewerbssituation auf dem Markt mehr zu treffen.334 Da auf Märkten in der Praxis jedoch regelmäßig nicht die Bedingungen herrschen, die das sta332
Immenga/Lange, RIW 2000, 733, 737; Wagner-von Papp, S. 501. Zu diesen und weiteren Voraussetzungen des statischen Modells der vollkommenen Konkurrenz Hoppmann, WuW 1966, 97, 103. 334 Mestmäcker/Schweitzer, § 9 Rn. 38. 333
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tische Modell der vollkommenen Konkurrenz voraussetzt, kann auf solchen Märkten auch ein ungehinderter Informationsfluss keinen vollkommenen Wettbewerb herbeiführen.335 Bei den in der Realität herrschenden unvollkommenen Wettbewerbsbedingungen kann eine Verbesserung der Markttransparenz vielmehr zu einer Verschlecherung der Wettbewerbsbedingungen führen.336 Auch der Hinweis darauf, dass Wettbewerbsbeschränkungen der Marktgegenseite bei vollkommener Transparenz schnell auffallen und zu einem Abbruch bestehender Geschäftsbeziehungen führen würden, ist nicht überzeugend. Denn selbst wenn sich den Nutzern der B2B-Plattform der Verdacht aufdrängen würde, dass die Unternehmen der Marktgegenseite ihr Verhalten abgestimmt haben, wäre nicht automatisch gewährleistet, dass ihnen genügend Ausweichmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Ein Abbruch der Geschäftsbeziehungen käme dann nicht in Betracht.337 Insbesondere auf durch enge Oligopole geprägten Märkten, auf denen eine erhöhte Markttransparenz ohnehin wettbewerbsbeschränkend wirkt, ist zu befürchten, dass den Marktteilnehmern nur begrenzte Möglichkeiten zur Nutzung anderer Internetplattformen zur Verfügung stehen. Der Verweis auf eine angeblich weniger strenge Beurteilung des Informationsaustauschs zwischen Wettbewerbern im US-amerikanischen Kartellrecht geht ebenfalls fehl. Die Anwendung der rule of reason bei der Prüfung eines möglichen Verstoßes gegen § 1 Sherman Act stellt keine Privilegierung dar, sondern ist die Methode, die auf alle wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen von Unternehmen angewendet wird, es sei denn, es handelt sich um Hard Core-Kartelle.338 Der Informationsaustausch zwischen Wettbewerbern wird im europäischen Kartellrecht ebensowenig als Hard Core-Kartell betrachtet wie im US-antitrust law. Auch die für die Zulässigkeit eines Datenaustauschs maßgeblichen Kriterien, wie die Struktur des Marktes, das Alter der Daten und ihre Relevanz für den Wettbewerb, stimmen in beiden Rechtsordnungen in großen Teilen überein.339 Insofern kann aus der Anwendung der rule of reason im antitrust law kein Argument dafür abgeleitet werden, den Datenaustausch auf B2Bs großzügiger zu behandeln als bei Marktinformationssystemen.340 335 Mestmäcker/Schweitzer, a. a. O.; im Ergebnis ebenso, aber mit anderer Begründung Hupe, S. 235 f. 336 Kirchner, WuW 2001, 1030, 1038; Mestmäcker/Schweitzer, § 9 Rn. 38. 337 Ebenso Kierner, S. 137; ählich Koenig/Kulenkampff/Kühling/Loetz/Smit, S. 246. 338 Zur Unterscheidung von per se-Verbot und rule of reason oben Zweiter Abschnitt, § 1, I.1. 339 Ausführlich zu den Kriterien des US-Antitrust-Rechts oben Zweiter Abschnitt, § 4, I.
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Auch die Aussagen der Kartellrechtsabteilung des US-Justizministeriums bezüglich der Verfügbarkeit von Informationen beim Betrieb der Chemiedatenbank CIS weisen nicht darauf hin, dass die US-Behörden den horizontalen Datenaustausch in der Praxis weniger kritisch beurteilen als die europäischen Wettbewerbshüter. Die Antitrust Division gab dem Betreiber von CIS auf, die Datenbank so zu gestalten, dass konkurrierendende Unternehmen keinen Zugriff auf preissensible Informationen haben.341 Bei der Untersuchung des B2C-Reiseportals Opodo äußerte die Kommission allerdings Bedenken bezüglich einer ursprünglich für die angeschlossenen Fluggesellschaften vorgesehenen Verpflichtung zur Meistbegünstigung von Opodo. Damit gelangte sie in diesem Fall in der Tat zu einem anderen Ergebnis als das US-Justizministerium im Fall Orbitz. Zwar ist eine kritische Herangehensweise an Meistbegünstigungsverpflichtungen im Hinblick darauf zu begrüßen, dass solche Klauseln den Anreiz für vorstoßenden Wettbewerb dämpfen und bewusstes Parallelverhalten erleichtern können.342 Allerdings weisen die Märkte für Reisedienstleistungen in den Vereinigten Staaten und in Europa Besonderheiten auf, aufgrund derer es kaum möglich ist, aus der Behandlung von Orbitz und Opodo durch die Kartellbehörden allgemeine Schlüsse auf deren Herangehensweise zu ziehen. Die Märkte sind durch eine hohe Markttransparenz geprägt. Fluggesellschaften und andere Dienstleistungsanbieter beobachten ihre Preisgestaltung ohnehin genau. Aber auch Endverbraucher haben die Möglichkeit, über InternetSuchmaschinen in kurzer Zeit verfügbare Preise für Reisedienstleistungen zu vergleichen. Aufgrund des allgemeinen Rückgangs des Flugaufkommens nach den Anschlägen vom 11. September 2001 und der wirtschaftlichen Schwierigkeiten vieler Fluggesellschaften befinden sich die Ticketpreise auf einem niedrigen Stand. Darüber hinaus ist dem US-Justizministerium zuzugestehen, dass es erst nach umfassenden empirischen Untersuchungen beschlossen hat, die Meistbegünstigungsklausel auf Orbitz nicht zu beanstanden. Dagegen hat die Europäische Kommission von Anfang an Bedenken gegen die entsprechende Opodo-Klausel geäußert, ohne jedoch nähere Marktuntersuchungen durchzuführen. Aus diesen Gründen sollten die divergierenden Ergebnisse in den Fällen Orbitz bzw. Opodo nicht überbewertet werden.
340
Ebenso Heinemann in: Büllesbach/Dreier, 79, 100 f. Zur Datenbank CIS und den Auflagen des US-Justizministeriums oben Zweiter Abschnitt, § 4, I.2.a). 342 Vgl. die Argumente von Adkinson/Lenard, oben Zweiter Abschnitt, § 4, II.3. 341
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b) Behandlung von Versteigerungen Besondere praktische Relevanz hat die Frage nach dem kartellrechtlich zulässigen Maß an Transparenz im Hinblick auf Versteigerungen und reverse auctions auf Internetplattformen. In den USA sind Fälle aufgetreten, in denen Unternehmen bei der Versteigerung von Mobilfunklizenzen ihr Bieterverhalten aufeinander abgestimmt hatten.343 Sie belegen, dass die Gefahr der Kartellbildung auch bei Auktionen in Echtzeit besteht. Um einer Bildung von Submissionskartellen entgegenzuwirken, könnte die Versteigerung so ausgestaltet werden, dass die Teilnehmer ihre Gebote abgeben müssen, ohne die Konditionen ihrer Wettbewerber zu kennen.344 Dagegen wird allerdings vorgebracht, dass Auktionen gerade auf der Idee beruhen, dass Käufer und Verkäufer über die letzten Gebote informiert sind, weshalb bei Internetversteigerungen von „überkommenen Vorstellungen“ zur Geheimhaltung von Preisinformationen abzurücken sei.345 Zur Information der Versteigerungsteilnehmer über den Stand der Gebote reicht es jedoch aus, wenn nur das jeweils höchste Gebot – bzw. bei reverse auctions das niedrigste Angebot – offenbart wird, während die Identität des Bieters und die Reihenfolge der anderen Gebote nicht preisgegeben werden346, wie dies in der US-amerikanischen Diskussion gefordert wird.347 Dadurch wäre im Fall einer bestehenden Kartellabsprache zwischen den Bietern gewährleistet, dass die Identität desjenigen, der die Absprache gegebenenfalls durch sein Gebot bricht, den Mitbewerbern nicht unmittelbar bekannt wird. Als Alternative zur Preisgabe nur der Informationen, die zur Durchführung der Transaktion absolut notwendig sind, wird vorgeschlagen, die Veröffentlichung von Daten bei Auktionen ausschließlich aus der Sicht der potenziell benachteiligten Partei zu lösen: Da bei einer traditionellen Versteigerung allein der Anbieter bzw. bei einer reverse auction der Nachfrager von einer eventuellen Kartellabsprache betroffen wäre, sollte dieser bestimmen, welche Informationen den Teilnehmenden mitzuteilen sind.348 An der Richtigkeit dieser Argumentation ergeben sich jedoch Zweifel: Zum einen erscheint fraglich, ob die jeweiligen Marktteilnehmer bei einzelnen Ausschreibungen tatsächlich die einzigen von einer eventuellen Absprache Be343
Ausführlich dazu oben Zweiter Abschnitt, § 4, II.4. Dies diskutiert Heinemann in: Büllesbach/Dreier, 79, 102. 345 Ähnlich Schaub in: Recht, Wettbewerb und e-commerce, 49, 54. 346 Lücking, Beitrag zur Konferenz der Universität Leicester, S. 6; Schaub, a. a. O., S. 54; Wagner-von Papp, S. 504 f. 347 Vgl. oben Zweiter Abschnitt, § 4, II.5. 348 Jestaedt, BB 2001, 581, 583 f. 344
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troffenen wären. Hat eine Absprache zwischen Konkurrenten einmal stattgefunden, wird sie sich häufig nicht lediglich auf einzelne Geschäfte beziehen. Falls doch, wäre die Hemmschwelle, ggf. weitere Verhaltensabstimmungen vorzunehmen, jedenfalls beträchtlich gesunken. Im Interesse des Schutzes anderer B2B-Nutzer vor zu niedrigen oder überhöhten Geboten sollten die Daten deshalb soweit wie möglich anonymisiert sein.349 Zum anderen sollte nicht aus den Augen verloren werden, dass Aufgabe des Kartellrechts der Schutz des Wettbewerbsprozesses im Allgemeinen ist.350 Sollten bestimmte Marktteilnehmer – aus welchen Gründen auch immer – weniger Interesse an einem bestmöglichen Schutz gegen eventuelle Kartellabsprachen der Marktgegenseite haben als andere, so gebietet das Ziel des Wettbewerbsschutzes dennoch die Anwendung der Kartellrechtsregeln.351 c) Informationsasymmetrie kein entscheidender Beurteilungsfaktor Fraglich ist des Weiteren, ob die Schaffung horizontaler Markttransparenz auch dann gegen das Kartellverbot verstößt, wenn die Informationen nicht nur zwischen den am System Beteiligten ausgetauscht, sondern auch der Marktgegenseite zur Verfügung gestellt werden, wie auf B2B-Marktplätzen üblich. Dafür spricht, dass Kommission und Rechtsprechung stets die Bedeutung des Selbständigkeitspostulats für das Verhalten von Unternehmen auf dem Gemeinsamen Markt betont haben.352 Auch im Traktorenfall stellte der Europäische Gerichtshof entscheidend darauf ab, dass die durch das Marktinformationssystem bewirkte Verringerung der Ungewissheit über die Marktstrategie der Wettbewerber die Freiheit der Unternehmen begrenze, selbständige Geschäftsentscheidungen zu treffen, und daher den Wettbewerb beschränke. Besonders deutlich wurde dieser Ansatz in den Schlussanträgen des Generalanwalts Colomer, dem zufolge die Selbständigkeit der Wirtschaftsteilnehmer auch beeinträchtigt werden könne, wenn diese in Verfolgung eines gemeinsamen wirtschaftlichen Interesses Strukturen der Zusammenarbeit schaffen, die zwar nicht unmittelbar ein wettbewerbswidriges Verhalten fördern, wohl aber den Wettbewerb zwischen ihnen verringern. Im Traktorenfall stellte das Informationsaustauschsystem der Hersteller eine solche Struktur der Zusammenarbeit dar. 349
So ebenfalls Immenga/Lange, RIW 2000, 733, 737. Emmerich, Kartellrecht, S. 1. 351 Ebenso Gounalakis/Lochen, ZHR 167 (2003) 632, 653 (Fn. 92). 352 Auch Mestmäcker/Schweitzer, § 9 Rn. 46, verweisen darauf, dass auf InternetMarktplätzen ausgetauschte identifizierende Marktinformationen zu einem Konflikt mit dem Selbständigkeitspostulat führen würden, ohne dies jedoch ausführlicher zu begründen. 350
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Der horizontale Austausch von Daten zwischen Wettbewerbern bei der Nutzung elektronischer Marktplätze kann ebenfalls als eine Struktur der Zusammenarbeit angesehen werden, die zu einer Zunahme der Markttransparenz und einer entsprechenden Abnahme der Ungewissheit der Beteiligten bezüglich der Marktstrategie ihrer Wettbewerber führt. Dabei würde die Ungewissheit der Unternehmen einer Marktseite über die Strategien ihrer Konkurrenten durch den Informationsaustausch auch dann beseitigt, wenn die Daten der Marktgegenseite zur Verfügung gestellt würden. Das gemeinsame wirtschaftliche Interesse der Unternehmen einer Marktseite an einer Verringerung des Wettbewerbs würde unabhängig davon bestehen, ob die dafür notwendigen Daten nur untereinander ausgetauscht oder einem breiteren Kreis von Abnehmern zur Verfügung gestellt würden. Die wettbewerblichen Auswirkungen des Informationsaustauschs auf elektronischen Marktplätzen sind folglich ebenso zu beurteilen wie die von Marktinformationssystemen. Der Austausch aktueller und sensibler Marktinformationen über elektronische Marktplätze außerhalb atomistisch strukturierter Produktmärkte verstößt somit gegen das Kartellverbot des Art. 81 Abs. 1 EG. Die Einbeziehung kartellüberwachender Marktinformationssysteme in die Betrachtung bestätigt dieses Ergebnis. Denn eine allgemeine Zugriffsmöglichkeit auf Informationen auf einem B2B-Marktplatz würde den an einer eventuellen Kartellabsprache Beteiligten die Möglichkeit geben, deren Einhaltung zu überprüfen.353 Dies wäre auch dann der Fall, wenn die Marktgegenseite Zugriff auf die ausgetauschten Informationen hätte. Der Hinweis, dass dies nicht am elektronischen Marktplatz selbst liege, sondern an der unter seiner Inanspruchnahme getroffenen Kartellabsprache354, ist zwar richtig, taugt aber nicht zur Beantwortung der Frage, ob die Nutzung von B2B-Internetplattformen solche Absprachen erleichtert oder sogar überflüssig macht. Gerade dies ist aber die kartellrechtlich relevante Fragestellung. d) Beweislast Festzuhalten ist somit, dass der – technisch mögliche – horizontale Informationsaustausch auf elektronischen Marktplätzen eine Wettbewerbsbeschränkung i. S. d. Art. 81 Abs. 1 EG bewirken kann: Seine objektive Wirkung kann darin liegen, die Ungewissheit der Nutzer über das Marktgeschehen zu verringern oder zu beseitigen. Jedoch wurden auf sämtlichen bislang von der Kommission betrachteten Internetmarktplätzen Informa353 Dies räumt Jestaedt im Zusammenhang mit Internetversteigerungen auch ein, BB 2001, 581, 583. 354 Jestaedt, BB 2001, 581, 583.
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tionszugangssperren eingesetzt und Daten segmentiert und anonymisiert, wie die Behörde in ihren Veröffentlichungen berichtete. Im Schrifttum werden die Ausführungen der Kommission zur Datensicherheit auf elektronischen Marktplätzen unterschiedlich beurteilt. Während Kierner zufolge die Kartellbehörden „streng“ darauf achteten, dass die Plattformgründer einen wechselseitigen Datenzugriff durch technische und vertragliche Vorkehrungen ausschlössen355, bezeichnet Wagner-von Papp die Hinweise auf Schutzmechanismen in den veröffentlichten Entscheidungen als „pauschal“ und kritisiert, dass aus ihnen keinerlei Beurteilungsmaßstäbe hervorgingen.356 In der Tat ist nicht erkennbar, anhand welcher Kriterien die Kommission in ihren Entscheidungen zu Internetplattformen jeweils zu dem Ergebnis gelangte, dass ausreichende Sicherheitsvorkehrungen vorhanden seien. In der US-amerikanischen Diskussion bezweifelte Posner, ob die US-Kartellbehörden über genügend technische Experten verfügen, die in der Lage wären, eventuell bestehende Lücken der Schutzvorrichtungen zu identifizieren.357 Auch im europäischen Schrifttum wird angesichts der praktischen Schwierigkeiten, Kartellrechtsverstöße beim Betrieb von B2B-Plattformen nachzuweisen, gefordert, die Kartellbehörden personell aufzustocken, deren Mitarbeiter zu schulen und die technische Ausrüstung zu verbessern.358 Inwieweit die europäischen Wettbewerbshüter über technisch versiertes Personal verfügen, ist jedenfalls unklar. Aus den Entscheidungen der Kommission geht nicht hervor, ob sie IT-Experten konsultiert hat, um die Qualität der technischen Vorkehrungen zu bewerten, und, wenn ja, ob sie eigene IT-Experten beschäftigt oder es sich um externe Gutachter handelt. B2B-Marktplätze mit mehr als 10.000 Nutzern sind keine Seltenheit. Viele Nutzer sind jedoch nicht gleichbedeutend mit einer polypolistischen Marktstruktur, in der Verhaltenskonzertierungen meistens nicht erfolgversprechend sind. Häufig gibt es für spezialisierte Produkte in einer Branche nur wenige große Anbieter oder Abnehmer. Auf einem Marktplatz für Produkte der Automobilindustrie könnten beispielsweise Tausende von Unternehmen ihre Geschäfte abwickeln. Die Zahl der Hersteller von Kupplungen, Autositzen oder Rußfiltern ist dennoch begrenzt. Ein B2B-Marktplatz könnte also viele Teilmärkte bedienen, die oligopolistische Strukturen aufweisen. Angesichts der begrenzten personellen Ressourcen der Kartellbehörden fragt sich, wie angesichts der riesigen Datenmengen Verhaltens355
Kierner, S. 139. Wagner-von Papp, S. 510. 357 Posner, 68 Antitrust L.J. 925, 940 (2001). Zum Stand der Diskussion in den USA ausführlich oben Zweiter Abschnitt, § 4, II.5. 358 Lampert/Michel, K&R 2002, 505, 515 f. 356
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abstimmungen auf einem solchen Marktplatz überhaupt festgestellt werden sollen. Ebensowenig erkennbar ist, ob und wie eine regelmäßige Überwachung der von den Plattformgründern gemachten Zusagen stattfindet oder ob deren Einhaltung auf Vertrauensbasis erfolgt. Ohnehin erscheint es schwierig, Verhaltenszusagen wie die der Mutterunternehmen von Volbroker und Opodo zu kontrollieren.359 Somit ergibt sich folgende Situation: Ginge man davon aus, dass Wettbewerber, die auf nicht zersplitterten Produktmärkten operieren, einen elektronischen Marktplatz betreiben würden, ohne technische und vertragliche Maßnahmen zur Datensicherung ergriffen zu haben, so würde darin von den Gemeinschaftsgerichten und dem ganz überwiegenden Teil des Schrifttums ein Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG erblickt werden. Nun treffen die Marktplatzgründer technische und vertragliche Vorkehrungen zur Datensicherheit, um einen Kartellrechtsverstoß zu vermeiden. Diese Vorkehrungen können wirksam sein oder auch nicht. Fraglich ist, wer unter diesen Umständen die Beweislast für einen Rechtsverstoß zu tragen hat. Gemäß Art. 2 S. 1 VO 1/2003 obliegt in allen einzelstaatlichen und gemeinschaftlichen Verfahren zur Anwendung der Art. 81 und 82 EG die Beweislast für eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 oder Art. 82 EG der Partei oder der Behörde, die diesen Vorwurf erhebt. Die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 EG vorliegen, obliegt nach S. 2 der Vorschrift den Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen, die sich auf diese Bestimmung berufen.360 Die Norm regelt die Beweislast, d.h. die Obliegenheit, das Eingreifen einer Vorschrift geltend zu machen und Beweis für das Vorliegen ihrer Voraussetzungen bis zum Erreichen des anwendbaren Beweismaßes zu erbringen.361 Sie gilt sowohl für die Verwaltungs- und Bußgeldverfahren vor der Kommission und den Wettbewerbs359 Ebenso Wagner-von Papp, S. 508; ähnlich Lampert/Michel, K&R 2002, 505, 515, die jedoch darauf hinweisen, dass auch die Steuerbehörden und die Polizei sich in ihrer Verfolgungspraxis ähnlichen Schwierigkeiten ausgesetzt sehen würden. 360 Von deutscher Seite wurden Bedenken gegen die Anwendung dieser Beweislastregel auch im Bußgeldverfahren geltend gemacht, da sie nicht mit der auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren zu beachtenden Unschuldsvermutung zugunsten des Angeklagten zu vereinbaren sei. Aus diesem Grund hat die deutsche Delegation eine Protokollerklärung zu Art. 2 VO 1/2003 abgegeben, vgl. dazu aus Sicht der Kommission Dalheimer in: Dalheimer/Feddersen/Miersch, Art. 2 Rn. 12 ff., aus eher deutscher Perspektive Zuber in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Art. 2 VerfVO Rn. 6 ff. Diese Diskussion bezieht sich jedoch nicht auf die hier relevanten Anforderungen an den Nachweis eines Verstoßes gegen Art. 81 Abs. 1 EG, so dass auf sie nicht näher eingegangen werden soll. 361 Dalheimer in: Dalheimer/Feddersen/Miersch, Art. 2 Rn. 3.
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behörden der Mitgliedstaaten als auch in zivilrechtlichen Verfahren zwecks Durchsetzung von Schadensersatz- und Unterlassungsansprüchen vor den nationalen Gerichten.362 Die nationalen Rechtsvorschriften über das Beweismaß sowie über die zulässigen Beweismittel und deren Würdigung im Verfahren bleiben jedoch unberührt.363 Die Regelung des Art. 2 VO 1/2003 lässt folglich den im deutschen Verwaltungsrecht geltenden Untersuchungsgrundsatz unberührt. Für das deutsche Verwaltungsverfahren bestimmt sie nur, wer im Falle eines non liquet das Risiko der Unaufklärbarkeit zu tragen hat.364 Genau dies ist vorliegend die relevante Fragestellung. Demjenigen, der sich auf eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG beruft, obliegt folglich der Nachweis (1) einer Vereinbarung zwischen Unternehmen, eines Beschlusses von Unternehmensvereinigungen oder einer aufeinander abgestimmten Verhaltensweise, die (2) eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckt oder bewirkt und (3) den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet ist. Die Beweislast für weitere Umstände, die nicht schon den Tatbestand ausschließen, sondern der Rechtswidrigkeit zuzuordnen sind, trägt dagegen derjenige, der sich auf diese Umstände beruft.365 Die Verteilung der Beweislast hängt folglich davon ab, ob Sicherungsmaßnahmen auf elektronischen Marktplätzen bereits den Tatbestand des Art. 81 Abs. 1 EG entfallen lassen oder ob sie vielmehr als Umstände einzuordnen sind, die die Rechtswidrigkeit betreffen. Würde die Möglichkeit eines horizontalen Informationsaustauschs durch eine effektive Datensicherung unterbunden, so wäre bereits der Tatbestand des Art. 81 Abs. 1 EG nicht erfüllt.366 Der Verweis auf effektive Sicherungsmaßnahmen ist folg362 De Bronett, Art. 2 Rn. 1; Zuber in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Art. 2 VerfVO Rn. 3. 363 Dalheimer in: Dalheimer/Feddersen/Miersch, Art. 2 Rn. 4; De Bronett, Art. 2 Rn. 1, 6. 364 Zuber in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Art. 2 VerfVO Rn. 15. 365 Zuber in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Art. 2 VerfVO Rn. 9. 366 Vgl. dazu aus jüngster Zeit EuGH, Urt. vom 23.11.2006, Rs. C-238/05 (Asnef-Equifax/Ausbanc) (in amtl. Sammlung noch nicht veröffentlicht), EuZW 2006, 735 ff. = EWS 2006, 548 ff. In dem Fall befasste sich der Gerichtshof mit der kartellrechtlichen Zulässigkeit des Austauschs von Informationen über Schuldnerrisiken in der Kreditwirtschaft. Der Informationsaustausch wird über ein elektronisches Register der kreditgebenden Banken organisiert. Die spanische Wettbewerbsbehörde TDC (Tribunal de Defensa de la Competencia) hatte den Betreibern zur Auflage gemacht, die im Register enthaltenen Informationen über die Kreditgeber nicht zu verbreiten, was die Betreiber akzeptierten (a. a. O., Tz. 59). Auf ein Vorabentscheidungsersuchen eines spanischen Gerichts hin urteilte der EuGH, dass Art. 81 Abs. 1 EG dahin auszulegen sei, dass ein System zum Austausch von Kreditinformationen
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3. Abschn.: Elektronische Marktplätze im europäischen Kartellrecht
lich als Gegenbeweis anzusehen, der geeignet ist, das Vorbringen der Partei oder Behörde zu erschüttern, die sich auf das Eingreifen des Art. 81 Abs. 1 EG beruft.367 Die beweisbelastete Partei oder Behörde müßte ihrerseits dann entweder diesen Gegenbeweis erschüttern oder zusätzlichen Beweis erbringen, um dem anwendbaren Beweismaß zu genügen.368 Im Ergebnis müßte also die Partei oder Behörde, die den Vorwurf eines Verstoßes gegen das Kartellverbot erhebt, den Beweis dafür erbringen, dass die auf dem elektronischen Marktplatz eingesetzten Sicherheitsmaßnahmen unzureichend sind.369 Dieser Beweis dürfte bereits für die Kartellbehörden nur schwer und für private Kläger, die in aller Regel nicht auf aussagekräftige Dokumente oder möglich Spuren von Datenströmen zugreifen können, so gut wie nie zu erbringen sein.370 In ihrem Sondergutachten zu den Folgeproblemen der europäischen Kartellverfahrensreform fordert die Monopolkommission, eine verstärkte Kartellrechtsdurchsetzung durch Private durch eine Verpflichtung der Beklagten zur Darlegung gewisser aus ihrer Einflusssphäre stammender Tatsachen zu erleichtern. Dabei verweist sie auf die im deutschen Zivilrecht geltenden Beweislasterleichterung im Hinblick auf Tatsachen und Umstände, die in der Sphäre der gegnerischen Partei liegen.371 Die Kommission hat sich in einem im Dezember 2005 veröffentlichten Grünbuch zum Thema „Schakeine Beschränkung des Wettbewerbs bewirkt, sofern die betroffenen Märkte nicht hochgradig konzentriert sind, das System keine Identifikation der Gläubiger ermöglicht und die Zugangs- und Nutzungsbedingungen für die Finanzinstitute nicht diskriminierend sind. Die fehlende Identifizierbarkeit der Gläubiger war folglich einer der Faktoren, die für den Gerichtshof ausschlaggebend dafür waren, das Vorliegen des Tatbestands des Art. 81 Abs. 1 EG durch den Informationsaustausch zu verneinen. 367 Der Beweis ist Gegenbeweis, wenn er vom Gegner der beweisbelasteten Partei zur Widerlegung und zum Beweis der Unwahrheit von deren Behauptungen zu führen ist. Er ist bereits dann erbracht, wenn er Zweifel an der Richtigkeit der Behauptungen der beweisbelasteten Partei weckt, vgl. BGH NJW 2001, 2099; Jauernig, § 49, II.3. Grundsätzlich besteht kein Bedürfnis für die Erhebung eines Gegenbeweises, bevor nicht der durch die Beweislast bestimmte Hauptbeweis erbraucht ist, Greger in: Zöller, vor § 284 Rn. 10. 368 Vgl. zu Beweis und Gegenbeweis Dalheimer in: Dalheimer/Feddersen/ Miersch, Art. 2 Rn. 3. 369 Im Ergebnis ebenso, aber ohne nähere Diskussion, Hupe, S. 252; Kirchner, WuW 2001, 1030, 1034. 370 Allgemein zu den erheblichen Hindernissen für eine verstärkte Klagetätigkeit Privater in Kartellsachen Monopolkommission, Folgeprobleme der europäischen Kartellverfahrensreform, Sondergutachten 32, Tz. 69 ff. 371 Monopolkommission, a. a. O., Tz. 71. Zuber in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Art. 2 VerfVO Rn. 14, hält eine Umkehr der Beweislast in Kartellzivilprozessen für ausgeschlossen, Beweislasterleichterungen jedoch für möglich.
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densersatzklagen durch Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts“ der Thematik angenommen.372 Darin kündigt sie an, die Einführung einer Verpflichtung der beklagten Partei zur Aushändigung von Dokumenten oder anderweitigen Zurverfügungstellung von Beweisen zu prüfen, um den Zugang zu Beweisen zu verbessern.373 Ebenfalls erwogen wird eine Verlagerung oder Einschränkung der Beweislast des Zivilklägers in Schadenersatzprozessen, in denen eine Informationsasymmetrie zwischen Kläger und Beklagten besteht.374 Diese begrüßenswerten Vorschläge der Kommission stellen aber zunächst nur eine Diskussionsgrundlage dar. Folglich bleibt abzuwarten, ob und wann solche oder ähnliche Regelungen zu Beweiserleichterungen in Schadenersatzprozessen eingeführt werden und ob sie tatsächlich zu einer verstärkten Klagetätigkeit Privater führen werden. Die derzeitige Rechtslage für Zivilklagen in Deutschland betreffend lässt sich festhalten, dass der Bundesgerichtshof in der Vergangenheit Klägern in Kartellzivilprozessen zumeist keine Erleichterungen der Darlegungs- und Beweislast gewährt hat.375 In Bußgeldverfahren wäre eine Beweislasterleichterung für die Behörde, die den Vorwurf eines Verstoßes gegen das Kartellverbot erhebt, ohnehin nicht mit der in Art. 6 Abs. 2 EMRK garantierten Unschuldsvermutung zu vereinbaren.376 Das Gericht erster Instanz hat sich erst 2004 in der Sache Mannesmannröhren-Werke grundsätzlich dagegen ausgesprochen, dass eine Partei die Beweislast für Umstände, die sie selbst nicht beweisen kann, auf die gegnerische Partei abwälzen können soll.377 372 Komm. vom 19. Dez. 2005, KOM(2005) 672 endgültig, abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/competition/antitrust/others/actions_for_damages/ gp_de.pdf (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 373 A. a. O., S. 5. 374 A. a. O., S. 7. 375 Vgl. BGH, Urt. vom 26. Feb. 1970, BGHZ 53, 304, 309 = WuW/E BGH 1081, 1083 (Diskothek): Der Revision mag zugegeben werden, daß es für die Beklagte überaus schwierig sein mag, die tatsächlichen Voraussetzungen, von denen die Anwendbarkeit des Art. 85 EWGV auf einen Vertrag der hier vorliegenden Art abhängt, unter Berücksichtigung der gesamten damit verbundenen Problematik im einzelnen darzulegen und unter Beweis zu stellen. Das rechtfertigt aber nicht, an Darlegung und Nachweis jener Voraussetzungen geringere Anforderungen zu stellen und damit dem Art. 85 EWGV einen anderen Inhalt zu geben. 376 Zwar ist die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) direkt nicht auf Handlungen der EG, sondern nur auf Handlungen der Mitgliedstaaten anwendbar, jedoch sind auch die Gemeinschaftsorgane verpflichtet, die Grundsätze der EMRK zu beachten, vgl. EuGH, Urt. vom 29. Mai 1997, Rs. C-299/95 (Kremzow), Slg. 1997, I-2629 (Tz. 14); das Gericht erster Instanz hat in EuG, Urt. vom 13. Jan. 2004, Rs. T-67/01 (JCB Services/Komm.), Slg. 2004 II-49, 71 (Tz. 36) die Frage der Anwendbarkeit des Art. 6 Abs. 1 EMRK auf Verwaltungsverfahren vor der Kommission auf dem Gebiet der Wettbewerbspolitik offen gelassen.
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3. Abschn.: Elektronische Marktplätze im europäischen Kartellrecht
e) Notwendigkeit von Sicherheitsvorkehrungen Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Diskussion über die Auswirkungen von Internetplattformen auf die Markttransparenz und ihre kartellrechtlichen Implikationen diesseits und jenseits des Atlantiks mit weitgehend ähnlichen Argumenten geführt wird und eine hohe Übereinstimmung bei den Ergebnissen festzustellen ist. Die US-amerikanischen Kartellbehörden, die Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission und große Teile des US-amerikanischen und europäischen Schrifttums fordern zu Recht technische, vertragliche und organisatorische Sicherheitsvorkehrungen, um einen kartellrechtlich bedenklichen Informationsaustausch auf B2B-Markplätzen zu unterbinden. Denn der – technisch mögliche – ungehinderte Datenaustausch auf Internetplattformen kann auch ohne Bestehen einer weitergehenden Verhaltenskonzertierung eine Einschränkung des Wettbewerbs bewirken. Daneben kann er die Überwachung bestehender Kartellabsprachen erleichtern und bewusstes Parallelverhalten begünstigen. Um dies zu verhindern, sind technische Vorkehrungen dahingehend zu treffen, dass Informationen nur auf der vertikalen Ebene einer Transaktion ausgetauscht werden können.378 Bei allen Transaktionen in Echtzeit sollte die Identität der beteiligten Parteien nicht offengelegt werden. Dies muss auch für Versteigerungen gelten, für deren ordnungsgemäßen Ablauf nur die Höhe bzw. der Rang der Gebote dargestellt werden muss, nicht jedoch die Identität der Bieter.379 Neben diesen technischen Schutzvorrichtungen sind jedoch auch vertragliche Vorkehrungen zu treffen, um die Vertraulichkeit und Sicherheit von Informationen auf B2B-Marktplätzen zu gewährleisten. Allgemein sollten sich nicht zur die Gründer, sondern alle Nutzer eines elektronischen Marktplatzes durch Verhaltenskodizes zur Geheimhaltung von Daten verpflichten. Die mit der Nutzung der Plattform befassten Mitarbeiter der angeschlossenen Unternehmen sind im Rahmen eines Compliance-Programms über die 377 EuG, Urt. vom 8. Juli 2004, Rs. T-44/00 (Mannesmannröhren-Werke/ Komm.), Slg. 2004 II-2223, 2304 (Tz. 262). In dem konkreten Fall ließ das Gericht jedoch eine Umkehr der Beweislast zu, da die Kommission nach eigener Aussage keine Unterlagen mehr zu einem Abkommen vorlegen konnte, welches sie selbst mit dem japanischen Ministerium für Handel und Industrie abgeschlossen hatte. 378 Bell/Adkinson, 15 Antitrust 18, 22 (Fall 2000); Bloch/Perlman, S. 10; Blumenthal, Antitrust Report, Mai 2000, 34, 42; Gotfredson, 2 Minn. Intell. Prop. Rev. 107, 129 f. (2001), FTC Report, Teil 3, A.I.1.c) (S. 11). 379 FTC Report. Teil 3, A.1.c) (S. 11); Gotfredson, 2 Minn. Intell. Prop. Rev. 107, 133 f. (2001); Wagner-von Papp, S. 504 f.
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kartellrechtlichen Aspekte der Nutzung zu unterrichten. Zur Einhaltung der Sicherheitsvorschriften sollten Unternehmen und Angestellte sich schriftlich verpflichten müssen, wie dies bereits in den Bereichen Rechtsberatung oder Wirtschaftsprüfung üblich ist.380 Auf organisatorischer Ebene ist durch die Einrichtung von Trennwänden zwischen B2B-Marktplatz und Mutterunternehmen die Möglichkeit des Zugriffs der Mütter auf vertrauliche Geschäftsdaten zu unterbinden, wie in den Fällen Volbroker und Opodo geschehen. Besonders kritisch ist die vorübergehende Entsendung von Mitarbeitern der Mutterunternehmen zur Internetplattform zu beurteilen. Denn einerseits ist ein legitimes geschäftliches Interesse der Gründerunternehmen anzuerkennen, bewährte Mitarbeiter mit dem Aufbau der B2B-Plattform zu betrauen. Andererseits sind Angestellte, die an ein Gemeinschaftsunternehmen entsandt werden, weiterhin beim Mutterunternehmen beschäftigt und an dessen Tätigkeiten interessiert.381 Daher sollte eine Entsendung von Mitarbeitern nur in der unmittelbaren Aufbauphase des Gemeinschaftsunternehmens zugelassen werden. In der Praxis wird es entscheidend darauf ankommen, die Einhaltung dieser technischen, vertraglichen und organisatorischen Maßnahmen ständig zu überwachen. Dennoch bleibt abzuwarten, ob diese Maßnahmen tatsächlich ausreichen. In einigen Industrien, beispielsweise der Finanzdienstleistungsbranche, werden solche Vertraulichkeitsregeln schon seit längerem genutzt; ihre Einhaltung ist Teil der Unternehmenskultur geworden.382 Dagegen könnte die Einrichtung von Trennwänden in anderen Industriezweigen oder Marktkonstellationen nicht genügen, um die notwendige Unabhängigkeit der Unternehmen zu sichern.383 Mit Blick auf die Praxis kommt hinzu, dass solche Vorhaben für Wettbewerbsbehörden nur schwer kontrollierbar sind.384
380 Bloch/Perlman, S. 10; Sacks/Handelman, 691 PLI/Pat 483, 486 (Fn. 67) (2002). 381 Vgl. etwa Komm., E. vom 23. Nov. 1977, Sache IV/29.428 (GEC-Weir-Natriumumwälzpumpen), ABl.EG 1977 Nr. L 327, 26, 32. In dieser Entscheidung zur Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens durch zwei Pumpenhersteller sah die Kommission die Gefahr, dass das Abstellen leitender Angestellter an das gemeinsame Unternehmen zu einer Beeinträchtigung des Wettbewerbs zwischen den Müttern auch in anderen Bereichen führen könne, da die Angestellten an den Tätigkeiten ihres Arbeitgebers interessiert blieben. 382 Lücking, Beitrag zur Konferenz der Universität Leicester, S. 7. 383 Lücking, a. a. O. 384 Lücking, a. a. O.; Köhler, K&R 2000, 569, 577.
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f) Vorschlag für besonders gefährdete Branchen Besondere Probleme wirft deshalb die Gründung von B2B-Marktplätzen in Branchen auf, die in der Vergangenheit wiederholt durch Kartellrechtsverstöße aufgefallen sind und in denen sich Zweifel an einer konsequenten Einhaltung von Vertraulichkeitsmaßnahmen geradezu aufdrängen. So prüfte das Bundeskartellamt eine Internetplattform für die Vermittlung von Transportbeton und gab diese frei.385 Die Behörde führte dazu aus, dass angesichts der Gefahr von Absprachen in jener Branche bei der Prüfung des Antrags insbesondere darauf zu achten gewesen sei, dass durch Informationszugangssperren und die Anonymisierung bestimmter Daten kein wettbewerblich kritischer Informationsfluss zwischen den Anbietern entstehen könne. Auch sei sicherzustellen gewesen, dass periodenmäßig keine Auswertung der über die Internetplattform abgewickelten Transaktionen erfolgt, die Rückschlüsse auf die getätigten Geschäfte, Mengen und Preise der Anbieter ermögliche. Ziel dieser Sicherheitsmaßnahmen sei es, den Geheimwettbewerb der Marktteilnehmer hinsichtlich der Marktentwicklung, des Mengenabsatzes und der Preise zu erhalten. Durch die Nichtidentifizierung von Marktteilnehmern soll der vorstoßende Wettbewerb ermöglich und autonomes Parallelverhalten verhindert werden.386 Ganz abgesehen von der Problematik der Überprüfbarkeit solcher Sicherheitsmaßnahmen stellt sich zumindest für B2B-Marktplätze in Branchen wie der Transportbetonindustrie, die durch frühere Fälle von kartellrechtswidrigen Verhaltenskonzertierungen geprägt sind, die Frage, ob die Nichtidentifizierung der Marktteilnehmer ausreicht, um mögliche Kartellrechtsverstöße zu verhindern. In diesem Zusammenhang sei an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichts erster Instanz zum Karton-Kartell erinnert387: Im Karton-Fall hatte die Kommission ausdrücklich festgestellt, dass bereits die den Teilnehmern übermittelten zusammengefassten Statistiken als Hilfsmittel zur Ermittlung und Beobachtung individueller Marktanteile und somit zur Überwachung der in der Branche bestehenden Kartellvereinbarung benutzt wurden.388 Daher hatte sie den Herstellern u. a. auch den 385
BKartA, Tätigkeitsbericht 2001/2002, BT-Drs. 15/226, S. 146 f. BKartA, Tätigkeitsbericht 2001/2002, BT-Drs. 15/226, S. 146 f. 387 Ausführlich dazu oben I.2.a). 388 Komm. vom 13. Juli 1994, Sache IV/C/33.833 (Karton), ABl.EG 1994 Nr. L 243, 1, 19 (Tz. 62 f.): Im Rahmen des Fides-Systems wurden dann die individuellen Berichte zentral ausgewertet und den Teilnehmern die zusammengefassten (und wohl anonym gemachten) Daten übermittelt. . . . Es ist nicht bekannt, ob und inwieweit die . . . gemeldeten Zahlen individueller Hersteller dem PWG generell zur Verfügung gestellt wurden. Selbst die zusammengefassten Fides-Statistiken konnten jedoch als Hilfsmittel bei der Ermittlung und Beobachtung individueller Marktanteile 386
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Austausch von statistischen Geschäftsinformationen untersagt, durch den auch ohne Offenlegung individueller Informationen eine gemeinsame Reaktion auf wirtschaftliche Verhältnisse erleichtert wird.389 Das EuG hob diesen Teil der Entscheidung jedoch mit dem Argument auf, dass die bloße Tatsache, dass ein System des Austauschs statistischer Informationen zu wettbewerbswidrigen Zwecken verwendet werden kann, nicht zur seiner Unvereinbarkeit mit Art. 85 Abs. 1 EGV (jetzt Art. 81 Abs. 1 EG) führe.390 Der Karton-Fall belegt also, dass der Austausch rein statistischer Informationen zur Überwachung einer einmal getroffenen Kartellabsprache ausreichen kann, eine präventive Untersagung eines solchen statistischen Datenaustauschs jedoch unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des EuG nicht möglich ist. Im Hinblick auf den Betrieb von B2B-Marktplätzen in Branchen, in denen ein erhöhtes Risiko kartellrechtswidriger Verhaltensweisen besteht, vermag dies nicht zu befriedigen. Soll ein elektronischer Marktplatz in einem Industriezweig, in dem in der Vergangenheit Kartellabsprachen aufgetreten sind, oder durch Unternehmen, die sich an solchen Absprachen beteiligt haben, gegründet werden, sollte den Parteien auferlegt werden, einen neutralen Dritten mit Aufbau und Betrieb der Plattform zu betrauen.391 Dafür sprechen auch Erfahrungen aus der US-amerikanischen Praxis. So schlug die FTC den Gründern des B2B-Marktplatzes Partlinx vor, sich zur Kommunikation mit Kunden und untereinander eines neutralen Dritten zu bedienen.392 Für diesen Vorschlag bezog sich die Behörde auf die Health Care Statements, die u. a. eine Sicherheitszone für den Austausch von Preisund Kosteninformationen zwischen Dienstleistungsanbietern eröffnen, wenn die Daten von einer neutralen Institution erhoben werden.393
und bei der Analyse der Kapazitätsauslastung benutzt werden (und wurden auch dazu benutzt). Angesichts der geringen Anzahl der Hersteller in den einzelnen Ländern ließ sich bei entsprechender Marktkenntnis anhand der Statistiken ableiten, dass nur bestimmte Hersteller für bestimmte Lieferungen in Betracht kamen, vgl. Komm., a. a. O. (Tz. 63). 389 Komm., a. a. O., S. 55 (Art. 2 lit. b). 390 EuG, Urt. vom 14. Mai 1998, Rs. T-354/94 (Stora Kopparbergs Bergslags), Slg. 1998, II-2111, 2150 (Tz. 112). 391 Ähnlich Wagner-von Papp, S. 508 f., der dies vor allem für einen hohen kumulierten Marktanteil der Teilnehmer fordert. 392 FTC Advisory Opinion Concerning Partlinx, II.C.2., abrufbar unter http://www.ftc.gov/os/2003/10/031010 partlinx.htm (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 393 Ausführlich zu den Health Care Statements oben Zweiter Abschnitt, § 4, I.3.
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3. Abschn.: Elektronische Marktplätze im europäischen Kartellrecht
§ 5 Bündelung von Einkaufsmacht Auch in Europa greifen Unternehmen bei ihrer Beschaffungstätigkeit auf Internetplattformen auf das Instrument der Nachfragebündelung zurück. So erreichte die Lufthansa nach eigenen Angaben durch den gemeinsamen Einkauf mit anderen Unternehmen sowie durch Ausschreibungen und Auktionen eine Senkung der Einkaufspreise um bis zu 40 Prozent.394 Wenn diese Möglichkeit in der Praxis bereits genutzt und das Ziel der Preissenkung erreicht wird, könnte sich der Kreis der an einer Nachfragebündelung interessierten Unternehmen noch ausdehnen. Im Schrifttum sind Stimmen vorhanden, die es aus kartellrechtlicher Sicht für unnötig befinden, dass Unternehmen auf die durch Nachfragebündelungen erzielbaren Rationalisierungsgewinne verzichten.395 Gründen mehrere Unternehmen eine B2B-Plattform für Beschaffungszwecke, so liegt darin noch nicht notwendigerweise die Gründung einer Einkaufsgemeinschaft. Der elektronische Marktplatz kann den angeschlossenen Nutzern vielmehr dazu dienen, eine möglichst umfassende Übersicht über den Markt zu gewinnen, Lagerbestände zu reduzieren sowie Prozessabläufe zu optimieren und rascher abzuwickeln, um dadurch die Beschaffungskosten zu senken.396 Die Gründung einer Einkaufsgemeinschaft liegt erst dann vor, wenn mehrere Marktplatznutzer ihre Bestellungen bündeln oder gemeinsam ausschreiben. Der Bedarf der angeschlossenen Nachfrager kann auch automatisch erfasst, zusammengefasst und ausgeschrieben werden.397 Die Nutzer einer B2B-Plattform können entweder generelle Vereinbarungen über einen gemeinsamen Einkauf treffen oder sich spontan über die gemeinsame Abwicklung einzelner Geschäfte verständigen (sog. Adhoc-Einkaufsgemeinschaften).
I. Die Behandlung von Einkaufsgemeinschaften im europäischen Kartellrecht Wenn mehrere Unternehmen ihr Beschaffungsverhalten koordinieren und auf diese Weise die Auswahlmöglichkeiten der Marktgegenseite, d.h. der Anbieter, einschränken, betreiben sie eine Einkaufsgemeinschaft.398 Es ist weder notwendig, dass die Kooperationspartner rechtliche oder wirtschaft394
H. Schmidt, Großkonzerne treiben den Internet-Handel in großen Schritten voran, FAZ v. 12. Aug. 2002, S. 16. 395 Jestaedt, BB 2001, 581, 584. 396 Köhler, K&R 2000, 569, 574. 397 Köhler, K&R 2000, 569, 574. 398 Keßler, WuW 2002, 1162, 1170 m. w. N.
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liche Bezugsbindungen vereinbaren, noch muss die Beschränkung der Auswahlalternativen der Anbieter Gegenstand ihrer Abrede sein.399 Es kommt allein auf die tatsächliche Verhaltensabstimmung zwischen den Beteiligten an.400 1. Einkaufsgemeinschaften in der Rechtsprechung des EuGH Einkaufsvereinigungen können ihren Mitgliedern die Bildung eines Gegengewichts gegen industrielle Lieferanten ermöglichen.401 Die Bildung eines solchen Gegengewichts kann den Wettbewerb fördern, wie der Europäische Gerichtshof 1994 in seiner DLG-Entscheidung feststellte.402 Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Dänische Landwirtschaftliche Waren- und Verwertungsgenossenschaft (DLG) war unter anderem als Einkaufsgemeinschaft von Landwirten und örtlichen Agrargenossenschaften für die Beschaffung landwirtschaftlicher Produktionsmittel tätig.403 Im Jahr 1975 gründeten einige Genossenschaften, die bereits Mitglieder der DLG waren, einen Berufsverband, der ungefähr zehn Jahre später mit dem gemeinsamen Einkauf von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln für seine Mitglieder begann. Die von den Mitgliedern der DLG über den konkurrierenden Berufsverband getätigten Einkäufe führten zu einer Verschlechterung der Einkaufskonditionen für die DLG, da die Einkaufspreise für Dünge- und Pflanzenschutzmitteln je nach Menge spürbar variierten.404 Daher nahm die DLG 1988 eine Bestimmung in ihre Satzung auf, die die Mitgliedschaft in der DLG für unvereinbar mit der Mitgliedschaft in anderen Organisationen erklärte, die auf der Großhandelsstufe bei Dünge- und Pflanzenschutzmitteln mit der DLG konkurrieren.405 Die Mitglieder behielten jedoch die Möglichkeit, Dünge- und Pflanzenschutzmittel von anderen Lieferanten als der DLG zu beziehen, solange dies nicht mit einer organisierten Mitgliedschaft in einer Konkurrenzgenossenschaft verbunden war. 399 EuGH, Urt. vom 28. Feb. 1991, Rs. C-234/89 (Delimitis), Slg. 1991 I-977, 984 (Tz. 13 ff.); Urt. vom 7. Dez. 2000, Rs. C-214/99 (Neste Markkinointi Oy), WuW/E Eu-R 381 Tz. 25 ff. 400 Bunte in: Frankfurter Kommentar, Art. 81 Abs. 1, 3 EG Fallgruppen II.5., Rn. 1, 3. 401 Mestmäcker/Schweitzer, § 11 Rn. 27. 402 EuGH, Urt. vom 15. Dez. 1994, Rs. C-250/92 (Gøttrup-Klim u. a./DLG), Slg. 1994 I-5641 ff. 403 Schlussanträge des GA Tesauro Tz. 2 (Sachverhaltsdarstellung) zu EuGH, Urt. vom 15. Dez. 1994, Rs. C-250/92 (Gøttrup-Klim u. a./DLG), Slg. 1994 I-5641, 5644. 404 Schlussanträge des GA Tesauro Tz. 5 (Sachverhaltsdarstellung), a. a. O. 405 A. a. O. Tz. 7.
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Nach dieser Satzungsänderung wurden 37 örtliche Agrargenossenschaften, die sich geweigert hatten, den neuen Bestimmungen nachzukommen, aus der DLG ausgeschlossen. Diese klagten vor einem dänischen Gericht gegen ihren Ausschluss, welches das Verfahren aussetzte und dem EuGH u. a. die Frage zur Entscheidung vorlegte, ob die Satzungsänderungen eine nach Art. 85 Abs. 1 EGV (81 Abs. 1 EG) verbotene Einschränkung des Wettbewerbs darstellten.406 Der Gerichtshof entschied, dass die Vereinbarkeit der Satzung einer Einkaufsgenossenschaft mit den gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln von den einzelnen Satzungsbestimmungen und den wirtschaftlichen Bedingungen auf den relevanten Märkten abhängt.407 Auf einem Markt, auf dem der Preis der Erzeugnisse vom Auftragsvolumen abhängt, könne der Umsatz der Bezugsgenossenschaften ein bedeutsames Gegengewicht zu der Vertragsgestaltungsmacht der Großerzeuger bilden und einem wirksameren Wettbewerb förderlich sein.408 Eine Doppelmitgliedschaft in konkurrierenden Einkaufsgenossenschaften gefährde deren Fähigkeit, ein solches Gegengewicht zu bilden. Das Verbot einer Doppelmitgliedschaft beschränke daher nicht notwendigerweise den Wettbewerb, sondern könne sich positiv auf diesen auswirken. Um nicht unter das Verbot des Art. 85 Abs. 1 EGV (81 Abs. 1 EG) zu fallen, dürfe die Satzung den Mitgliedern jedoch nur solche Beschränkungen auferlegen, die notwendig sind, um das ordnungsgemäße Funktionieren der Genossenschaft sicherzustellen und ihre Vertragsgestaltungsmacht gegenüber den Produzenten zu erhalten.409 Der Gerichtshof sah die Beschränkungen in der DLG-Satzung insbesondere deshalb als gerechtfertigt an, da es den DLG-Mitgliedern frei stand, sich individuell aus anderen Bezugsquellen einzudecken und auch Nicht-Mitglieder berechtigt waren, Produkte aus dem gesamten DLG-Sortiment zu denselben Konditionen wie Mitglieder einzukaufen.410 Ergeben sich dagegen aus der Satzung einer Einkaufsgenossenschaft Bezugspflichten für deren Mitglieder, liegt ein Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG zumindest dann vor, wenn die Genossenschaft einen Großteil der insgesamt vorhandenen Abnehmer zu ihren Mitgliedern zählt und die Mitglie406 Schlussanträge des GA Tesauro Tz. 10 (Vorabentscheidungsfragen) zu EuGH, Urt. vom 15. Dez. 1994, Rs. C-250/92 (Gøttrup-Klim u. a./DLG), Slg. 1994 I-5641, 5648. 407 EuGH, Urt. vom 15. Dez. 1994, Rs. C-250/92 (Gøttrup-Klim u. a./DLG), Slg. 1994 I-5641, 5687 (Tz. 31). 408 EuGH, a. a. O. (Tz. 32). 409 EuGH, a. a. O., 5687 f. (Tz. 34). 410 EuGH, a. a. O., 5688 (Tz. 38 f.). Die Nicht-Mitglieder hatten jedoch keinen Anspruch auf Auszahlung des sich aus den erzielten Umsätzen ergebenden Jahresüberschusses.
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der ihren gesamten Bedarf bei ihr decken müssen.411 Unter diesen Umständen haben die Bezugspflichten nach Auffassung des Gerichtshofs eindeutig den Zweck zu verhindern, dass die Mitglieder der Genossenschaft sich bei anderen Lieferanten eindecken.412 2. Einkaufsgemeinschaften in den Horizontalleitlinien In ihren Leitlinien zur Anwendbarkeit von Art. 81 EG auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit vom 6. Januar 2001 („Horizontalleitlinien“)413 hat die Kommission die Grundsätze dargestellt, nach denen sie Vereinbarungen zwischen Unternehmen derselben Marktstufe bewertet; ein Abschnitt ist ausdrücklich der Analyse von Einkaufsvereinbarungen gewidmet.414 Diese Leitlinien beinhalten allerdings nur eine Selbstbindung der Kommission, sie sind nicht bindend für die Bewertung horizontaler Vereinbarungen nach Art. 81 EG durch den Europäischen Gerichtshof oder das Gericht erster Instanz.415 Bereits in der Einleitung betont die Kommission, dass sie bei der Bewertung von horizontalen Kooperationen ökonomischen Kriterien ein größeres Gewicht beimessen will, um den neueren Entscheidungen der beiden Gerichte zu dieser Thematik Rechnung zu tragen.416 Ebenso wie der Europäische Gerichtshof417 betrachtet die Kommission Einkaufskooperationen nicht generell als schädlich, sondern unter bestimmten Umständen als wettbewerbsfördernd, insbesondere wenn kleinere und mittlere Unternehmen gemeinsam einkaufen, um vergleichbare Größenvorteile wie ihre marktstärkeren Wettbewerber zu erzielen.418 Sofern kleine und mittlere Unternehmen gemeinsam einkaufen, ist zunächst zu prüfen, ob ihre Kooperation überhaupt von Art. 81 Abs. 1 EG erfasst wird. Denn das Kartellverbot greift nur ein, wenn eine Vereinbarung spürbare Auswirkungen auf den innerstaatlichen Handel hat oder eine spürbare Wettbewerbs411 EuGH, Urt. vom 25. März 1981, Rs. 61/80 (Coöperatieve Stremsel – en Kleurselfabriek), Slg. 1981, 851, 867 (Tz. 12 f.). Diese Entscheidung bezog sich auf eine niederländische Genossenschaft, die ihre Mitglieder dazu verpflichtete, ihren gesamten Bedarf an Vorprodukten für die Käseherstellung bei ihr zu decken. Die Mitglieder der Genossenschaft stellten zum Zeitpunkt der Entscheidung 90 Prozent des landesweit erzeugten Käses her. 412 EuGH, a. a. O., 867 (Tz. 12). 413 Horizontalleitlinien, ABl.EG 2001 Nr. C 3, 2. 414 Horizontalleitlinien, ABl.EG 2001 Nr. C 3, 2, 17 ff. 415 Horizontalleitlinien, a. a. O. S. 3 (Tz. 16). 416 Horizontalleitlinien, a. a. O. S. 2 (Tz. 6). 417 EuGH, Urt. vom 15. Dez. 1994, Rs. C-250/92 (Gøttrup-Klim u. a./DLG), Slg. 1994 I-5641, 5687 (Tz. 32). 418 Horizontalleitlinien, a. a. O., S. 17 (Tz. 116).
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beschränkung vorliegt.419 Nach Auffassung der Kommission werden horizontale Kooperationen zwischen Wettbewerbern grundsätzlich mangels Spürbarkeit nicht von Art. 81 Abs. 1 EG erfasst, wenn der gemeinsame Marktanteil der beteiligten Unternehmen auf keinem der von der Kooperation betroffenen relevanten Märkte zehn Prozent überschreitet.420 Grundsätzlich seien Einkaufsvereinbarungen in ihrem rechtlichen und wirtschaftlichen Umfeld zu untersuchen.421 Ausgangspunkt der Untersuchung sei die Ermittlung der Nachfragemacht der Kooperationsteilnehmer422. Vom Bestehen von Nachfragemacht sei auszugehen, wenn auf die Einkaufsvereinbarung ein hinreichend großer Anteil des Gesamtumfangs eines Einkaufsmarktes entfalle, so dass die Preise unter das Wettbewerbsniveau gedrückt werden könnten oder konkurrierenden Anbietern der Marktzugang versperrt werden könne.423 Eine starke Nachfragemacht gegenüber den Anbietern eines Marktes könne zu Leistungsverlusten wie Qualitätsrückgang, einer mangelnden Innovationsfähigkeit und einem suboptimalen Angebot führen.424 Verfügen die an einer Einkaufskooperation Beteiligten über Marktmacht auf den Verkaufsmärkten425, so sei wahrscheinlich, dass die durch den gemeinsamen Einkauf erzielten Kosteneinsparungen nicht an die nächste Marktstufe weitergegeben würden.426 Des Weiteren bestehe in diesem Fall ein erhöhter Anreiz für die Beteiligten, ihr Verhalten auf den Verkaufsmärkten aufeinander abzustimmen.427 Eine Verhaltensabstimmung auf den Ver419 Die Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung ist ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Art. 81 Abs. 1 EG, vgl. EuGH, Urt. vom 9. Juli 1969, Rs. 5/69 (Völk/Vervaecke), Slg. 1971, 295, 302 (Tz. 7); Urt. vom 6. Mai 1971 Rs. 1/71 (Cadillon/Höss), Slg. 1971, 351, 356 (Tz. 7/10). 420 Bekanntmachung der Kommission über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die den Wettbewerb gemäß Artikel 81 Absatz 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft nicht spürbar beschränken (de minimis), ABl.EG 2001 Nr. C 368, 13 (Tz. 7). Diese Bekanntmachung ersetzt die Bekanntmachung über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die im ABl.EG 1997, Nr. C 372, 13 ff., veröffentlicht wurde. 421 Horizontalleitlinien, ABl.EG 2001 Nr. C 3, 2, 18 (Tz. 125). 422 Grundsätzlich zur Berücksichtigung der Marktmacht der Beteiligten bei der Bewertung horizontaler Kooperationsvereinbarungen Horizontalleitlinien, a. a. O., S. 4 (Tz. 19 f.). 423 Horizontalleitlinien, a. a. O., S. 18 (Tz. 126). 424 Horizontalleitlinien, a. a. O., S. 18 (Tz. 126); vgl. auch Stroud, World Competition 24 (2001), 125, 130. 425 Vom gemeinsamen Einkauf können zwei Märkte betroffen sein: die unmittelbar von der Kooperation betroffenen Einkaufsmärkte und die nachgeordneten Märkte, auf denen die Kooperationspartner als Verkäufer tätig sind (Verkaufsmärkte), vgl. Horizontalleitlinien, Tz. 119. 426 Horizontalleitlinien, a. a. O., S. 19 (Tz. 128).
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kaufsmärkten könne dadurch erleichtert werden, dass die Einkaufskooperation zur Vereinheitlichung der Kostenstruktur der Beteiligten führt.428 Eine solche Vereinheitlichung sei vor allem beim gemeinsamen Einkauf von homogenen Rohstoffen zu befürchten, deren Preis die Kosten für die Herstellung des Endprodukts maßgeblich bestimmt.429 Der Kommission zufolge gibt es keinen absoluten Schwellenwert, um zu bestimmen, ab wann eine Kooperation von Einkäufern über Marktmacht verfügt und folglich von Art. 81 Abs. 1 EG erfasst wird. Wenn die Kooperationspartner einen gemeinsamen Marktanteil von weniger als 15 Prozent sowohl auf den Einkaufs- als auch auf den Verkaufsmärkten inne hätten, sei das Vorhandensein von Marktmacht in den meisten Fällen aber unwahrscheinlich. Bei Marktanteilen unter 15 Prozent sei jedenfalls wahrscheinlich, dass die Einkaufsvereinbarung die Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 EG erfülle.430 Sofern der gemeinsame Marktanteil der Einkäufer die Schwelle von 15 Prozent übersteigt, bedeute dies nicht automatisch eine Verletzung von Art. 81 Abs. 1 EG. Vielmehr seien die Auswirkungen der Einkaufskooperation näher zu untersuchen, wobei Faktoren wie die Marktkonzentration und eine mögliche Gegenmacht starker Lieferanten zu berücksichtigen seien. Bei Marktanteilen von weit über 15 Prozent in einem konzentrierten Markt werde die Einkaufsvereinbarung wahrscheinlich vom Kartellverbot des Art. 81 Abs. 1 EG erfasst, so dass allenfalls eine Nichtanwendung unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 der Vorschrift in Betracht komme.431 Dient eine von Unternehmen getroffene Kooperationsvereinbarung in Wahrheit nicht dem gemeinsamen Einkauf, sondern der Verschleierung wettbewerbswidriger Praktiken, wie etwa Preisabsprachen, Gebietsaufteilungen oder Produktionsbeschränkungen, wird sie immer vom Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG erfasst.432 Die Einschätzung von Einkaufsgemeinschaften durch die Kommission ist folglich mit der in den US-amerikanischen Competitor Collaboration Guidelines vergleichbar, die solche Kooperationen ebenfalls als potenziell wettbewerbsfördernd einstufen und eine Sicherheitszone für sie enthalten. Auch die möglichen Gefahren für den Wettbewerb werden weitgehend übereinstimmend in der Ausübung von Nachfragemacht, der Angleichung der Kos427
Horizontalleitlinien, ABl.EG 2001 Nr. C 3, 2, 19 (Tz. 128). Horizontalleitlinien, a. a. O., S. 19 (Tz. 128); Köhler, K&R 2000, 569, 575. 429 Komm., E. vom 9. Juli 1980, Sache IV/27.958 (National Sulphuric Acid Association), ABl.EG 1980 Nr. L 260/24, 29; Immenga/Lange, RIW 2000, 733, 739. 430 Horizontalleitlinien, ABl.EG 2001 Nr. C 3, 2, 19 (Tz. 130). 431 Horizontalleitlinien, a. a. O., S. 19 (Tz. 131). 432 Horizontalleitlinien, a. a. O., S. 18 (Tz. 124). 428
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tenstrukturen sowie der Erleichterung von Verhaltensabstimmungen gesehen.433 Die von den US-Kartellbehörden eingeräumte Sicherheitszone bezieht sich jedoch auf einen gemeinsamen Marktanteil der Projekts und der einzelnen Teilnehmer von zwanzig Prozent.
II. Anwendung auf elektronische Marktplätze Ebenso wie im US-antitrust law stellt sich bei der Anwendung des europäischen Kartellrechts auf Einkaufsgemeinschaften von B2B-Nutzern die Frage, ob diese Anlass zu Sonderregelungen geben. 1. Keine Sonderregeln für Ad-hoc-Nachfragebündelungen Im Schrifttum wird vorgebracht, dass eine automatisch erfolgende, elektronische Nachfragebündelung auf B2B-Marktplätzen nicht notwendigerweise die gleichen ökonomischen Wirkungen wie eine traditionelle Einkaufsgemeinschaft habe, da die schnelle und unkomplizierte Kommunikation über die elektronische Handelsplattform eine planmäßige, vorvertragliche Abstimmung der Kooperationspartner entbehrlich mache. Deshalb wird für eine Unterscheidung zwischen „planmäßiger nachfragergesteuerter Nachfragebündelung“, auf die die herkömmlichen kartellrechtlichen Maßstäbe anzuwenden seien, und „ad-hoc nachfragergesteuerter sowie anbietergesteuerter Nachfragebündelung“, für die besondere Regeln gelten sollten, plädiert.434 Die von ad-hoc-Nachfragebündelungen betroffenen Lieferanten stünden keiner geschlossenen Front von Nachfragern gegenüber und seien somit meistens keinem unangemessenen Preisdruck ausgesetzt. Eine Wettbewerbsbeschränkung finde zwar statt, sei aber wohl nicht spürbar, soweit Bestellungen nur vereinzelt gebündelt würden. Solange der gemeinsame Einkauf nicht planmäßig vorgenommen werde, sollte er in einem bestimmten Umfang vom Kartellverbot des Art. 81 Abs. 1 EG ausgenommen sein, selbst wenn die beteiligten Einkäufer auf einen Marktanteil von mehr als 15 Prozent kämen.435 Gleiches soll gelten, wenn eine Nachfragebündelung auf Veranlassung des Lieferanten erfolgt, da in diesem Fall der Aspekt des Schutzes der Marktgegenseite nicht zur Anwendung kommen könne. Art. 81 Abs. 1 EG greife jedoch wie gewöhnlich ein, wenn Einkäufer über einen elektronischen Marktplatz die Möglichkeit einer gemeinsamen 433 Zur Behandlung von Einkaufsgemeinschaften im US-Kartellrecht ausführlich oben Zweiter Abschnitt, § 5, I. 434 Jestaedt, BB 2001, 581, 585. 435 Jestaedt, a. a. O.
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Preisverhandlung mit den Lieferanten hätten. In dem Fall könne von einer ad-hoc-Nachfragebündelung keine Rede sein und die Nähe zur herkömmlichen Einkaufsgemeinschaft nicht geleugnet werden.436 Dieser Argumentation wird entgegengehalten, dass bei der Nutzung von B2B-Marktplätzen die Möglichkeit, planmäßige Absprachen über den gemeinsamen Einkauf zu treffen, genauso groß sei wie in anderen Bereichen der Wirtschaft. Zwar sei eine spontane elektronische Nachfragebündelung ohne vorherige Absprache möglich, es sei aber zu erwarten, dass Unternehmen, die einmal an einer erfolgreichen ad-hoc-Einkaufsgemeinschaft teilgenommen hätten, daraufhin eine längerfristige Absprache treffen könnten. Eine mildere Beurteilung solcher Absprachen sei nicht deshalb geboten, weil sie über das Medium Internet getroffen würden. Für Einkaufsgemeinschaften auf B2B-Plattformen müssten dieselben Regeln wie für herkömmliche Einkaufsgemeinschaften gelten.437 Bezüglich des erstgenannten Ansatzes, der zwischen „planmäßiger nachfragergesteuerter Nachfragebündelung“ und „ad-hoc nachfragergesteuerter sowie anbietergesteuerter Nachfragebündelung“ unterscheidet, stellt sich zunächst die Frage, ob es in der Praxis in nennenswertem Umfang Fälle gibt, in denen Bestellungen auf Drängen des Lieferanten gebündelt wurden. Dies erscheint zweifelhaft. Sollten jedoch solche Fälle auftreten, so dürften sie ohnehin nicht unter Art. 81 Abs. 1 EG fallen, da ja keine Verhaltensabstimmung zwischen den Nachfragern stattgefunden hat. Was die – praktisch bedeutsamere – Möglichkeit der ad-hoc-Nachfragebündelungen auf B2B-Plattformen betrifft, ist in der Tat zu vermuten, dass der wirtschaftliche Druck auf Lieferanten bei spontanen, elektronisch erfolgten Nachfragebündelungen weniger groß ist als bei planmäßig vereinbarten Einkaufsgemeinschaften mit feststehenden Mitgliedern.438 Würde man jedoch auf B2B-Marktplätzen ad-hoc-Einkaufskooperationen mit einem Marktanteil von mehr als 15 Prozent zulassen, der nach den Horizontalleitlinien regelmäßig als Grenze für das Entstehen von Marktmacht einzustufen ist, würde dies zu schwierigen Abgrenzungsproblemen führen: Zum Beispiel müsste festgelegt werden, wie häufig Nachfragebündelungen vorgenommen werden dürften, um noch „vereinzelt“ zu erfolgen, und ob das Kriterium „vereinzelt“ in Relation zur Gesamtzahl der auf der Internetplattform abgewickelten Einkäufe gestellt werden soll oder nur zur Gesamtzahl der Transaktionen, bei denen eine Nachfragebündelung praktikabel wäre. Abgesehen davon stellt sich die grundsätzlichere Frage, ob und wie in der Praxis überprüfbar wäre, dass tatsächlich nur ad-hoc-Nachfragebün436 437 438
Jestaedt, a. a. O. Koenig/Kulenkampff/Kühling/Loetz/Smit, S. 259. So auch Koenig/Kulenkampff/Kühling/Loetz/Smit, S. 259.
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delungen stattfinden und diese nicht das Ergebnis einer vorangegangenen Abstimmung mehrerer Nachfrager sind, die die B2B-Plattform nutzen. Abgesprochen werden könnte etwa die Eingabe mehrerer großer Bestellungen bündelbarer Produkte in geringem zeitlichen Abstand, die dann von der Marktplatzsoftware automatisch zu einer größeren Bestellung zusammengefasst würden. Gerade bei stark genutzten B2B-Plattformen dürfte es äußerst schwierig sein, solche Verhaltensabstimmungen nachzuweisen. Aufgrund dieser Erwägungen sind Sonderregeln für elektronische ad-hocNachfragebündelungen auf B2B-Marktplätzen – in Übereinstimmung mit der zweiten zitierten Ansicht – abzulehnen.439 2. Nachfragebündelung in der Praxis In den bislang veröffentlichten Entscheidungen zu B2B-Plattformen musste sich die Kommission noch nicht zur Frage der Zulässigkeit von Einkaufsgemeinschaften äußern. Dies gilt im Ergebnis auch für das Bundeskartellamt. Zwar hatte die deutsche Kartellbehörde über die Freigabe der Einkaufsplattform RubberNetwork zu entscheiden, die Möglichkeiten zur Nachfragebündelung anbietet. Jedoch sicherten die Plattformbetreiber dem Bundeskartellamt zu, dass eine Nachfragebündelung nur bei nicht strategischen Gütern erfolgen werde.440 Die Plattform RubberNetwork, die von den wichtigsten Nachfragern in der Reifen- und Gummiindustrie gegründet wurde, hat sich Vertriebsrichtlinien gegeben, die das Problem des gemeinsamen Einkaufs nicht über die genannten Marktanteilskriterien regeln. Sie sehen vielmehr eine Differenzierung vor zwischen strategischen Gütern, d.h. Gütern, die direkt in die von den Plattformnutzern hergestellten Endprodukte eingehen und/oder branchenspezifisch sind, und nicht-strategischen Gütern, d.h. etwa Produkten für Wartung und Reparatur oder Bürobedarf. Eine Nachfragebündelung über den elektronischen Marktplatz soll ausschließlich bei der Beschaffung nicht-strategischer Güter möglich sein, während strategische Güter individuell beschafft werden müssen. Bei einer Untersuchung dieser Beschaffungsregeln anhand der Horizontalleitlinien ergibt sich, dass trotz einer Beschränkung von Nachfragebündelungen auf nicht-strategische Güter nicht automatisch davon auszugehen ist, dass die regelmäßig als kartellrechtlich unbedenklich einzustufende, gemeinsame Marktanteilsschwelle von 15 Prozent stets unterschritten wird, da auf die Einkaufs- und Verkaufsmärkte abzustellen ist. Zwar ist kaum anzunehmen, dass die Reifen- und Gummihersteller, die an RubberNetwork an439
Im Ergebnis ebenso Kierner, S. 127. BKartA, Beschl. vom 26. Jan. 2001, B 3 – 25130 – U – 110/00 (RubberNetwork.com), WuW/E DE-V 423 f., Rn. 10 ff. 440
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geschlossen sind, beim Einkauf von Kopierpapier oder Büroklammern einen Marktanteil von mehr als 15 Prozent auf den Einkaufsmärkten erreichen. Jedoch dürften ihre gemeinsamen Marktanteile beim Absatz der von ihnen hergestellten Endprodukte des öfteren die Schwelle von 15 Prozent auf den Verkaufsmärkten überschreiten. Damit würde die gemeinsame Beschaffung nicht automatisch in die Sicherheitszone der Horizontalleitlinien fallen.441 Dennoch sind Regelungen, die die Nachfragebündelung auf nicht-strategische Güter beschränken, sinnvoll und wünschenswert, da sie geeignet erscheinen, das Kollusionsrisiko deutlich zu vermindern. Obwohl Einkaufsgemeinschaften mit Marktanteilen von mehr als 15 Prozent im jeweiligen Einzelfall eingehend zu untersuchen sind, ist in der Regel kein Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG zu erwarten, wenn die Kooperation sich auf nichtstrategische Produkte beschränkt. Auch die beim gemeinsamen Einkauf zu befürchtende Vereinheitlichung der Kostenstruktur der beteiligten Unternehmen dürfte bei der Beschaffung nicht-strategischer Güter nicht eintreten, da diese gewöhnlich nur geringe Auswirkungen auf die Kostenstruktur der Nachfrager haben.442 Dagegen ist der gemeinsame Einkauf branchenspezifischer Produkte auf B2B-Marktplätzen kritisch zu beurteilen. Es spricht viel dafür, Einkaufskooperationen für branchenspezifische Güter auf Plattformen wie RubberNetwork, die von führenden Nachfragern einer Branche gegründet wurden, generell zu untersagen. Schon die hohen Marktanteile der potenziellen Kooperationspartner legen dies nahe. Neben den Marktanteilen der beteiligten Unternehmen wird bei der Untersuchung von Einkaufsgemeinschaften für branchenspezifische Güter auf B2B-Marktplätzen zu berücksichtigen sein, ob den Teilnehmern Bezugspflichten oder Mindestabnahmeverpflichtungen auferlegt oder sie sogar zur ausschließlichen Nutzung des Marktplatzes verpflichtet werden. Auch wenn keine ausdrücklichen Bezugspflichten bestehen, ist für die Untersuchung der Wirkungen einer Einkaufskooperation von B2B-Nutzern auf den Wettbewerb zu berücksichtigen, ob diese faktisch ihren Bedarf ausschließlich über den Marktplatz decken.443 Zumindest wenn sich wichtige Nachfrager zu einer Einkaufskooperation mit Bezugspflichten zusammenschließen, wird in der Regel ein Verstoß gegen das Kartellverbot des Art. 81 Abs. 1 EG zu bejahen sein. In der US-amerikanischen Diskussion wird ebenfalls gefordert zu berücksichtigen, ob die Plattformnutzer am Handel auf anderen B2Bs gehindert werden oder sich sogar verpflichten müssen, die in Frage stehende Plattform 441
Vgl. Schaub in: Recht, Wettbewerb, und e-commerce, 49, 55. Schaub, a. a. O. 443 Vgl. allgemein zu Einkaufsgemeinschaften Mestmäcker/Schweitzer, § 11 Rn. 27. 442
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ausschließlich zu nutzen. Wenn keine Verpflichtung zur ausschließlichen Nutzung einer Plattform besteht, sei zu untersuchen, ob die beteiligten Unternehmen sich tatsächlich aus anderen Bezugsquellen eindecken.444
III. Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 EG Das europäische Kartellrecht sieht keine Sonderregeln für Einkaufsgemeinschaften von Unternehmen vor, die auf derselben Marktstufe tätig sind. Im Gegensatz zur vorhandenen Gruppenfreistellungsverordnung über vertikale Beschränkungen445, die bestimmte Vereinbarungen von auf unterschiedlichen Ebenen der Produktions- oder Vertriebskette tätigen Unternehmen vom Anwendungsbereich des Art. 81 EG ausnimmt, gibt es keine Gruppenfreistellungsverordnung für horizontale Einkaufskooperationen.446 Auch die auf Vereinbarungen über die horizontale Zusammenarbeit zwischen Unternehmen anwendbaren Freistellungsverordnungen über Spezialisierungsvereinbarungen447 und über Forschung und Entwicklung448 sind auf die gemeinsame Beschaffung im Rahmen von Einkaufskooperationen nicht anwendbar. Mithin ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob eine Einkaufsgemeinschaft die Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 EG erfüllt und somit nicht verboten ist.449 Sind Unternehmen, die an eine B2B-Plattform angeschlossen sind und über gemeinsame Marktanteile von mehr als 15 Prozent auf den Ein- und Verkaufsmärkten verfügen, der Auffassung, dass sie durch Nachfragebündelungen wirtschaftliche Vorteile erzielen können, die die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen mehr als ausgleichen, so müssen sie ab dem 1. Mai 2004 selbst überprüfen, ob ihre Kooperation gegen Art. 81 EG verstösst. Denn der Verordnung Nr. 1/2003 zufolge sind Vereinbarungen, Beschlüsse oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen i. S. v. Art. 81 Abs. 1 EG, die die Voraussetzungen einer Freistellung nach Art. 81 Abs. 3 EG erfüllen, nicht verboten, ohne dass dies einer vorherigen Entscheidung 444 445
Zur Diskussion in den USA ausführlich oben Zweiter Abschnitt, § 5, III. Verordnung (EG) Nr. 2790 vom 22. Dez. 1999, ABl.EG 1999, Nr. L 336,
21 ff. 446
Auch nach Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1/2003 behalten die bestehenden Gruppenfreistellungsverordnungen ihre Gültigkeit. Die Kommission ist auch weiterhin befugt, Freistellungsverordnungen zu erlassen, vgl. 10. Begründungserwägung sowie Art. 29 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dez. 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl.EG 2003 Nr. L1, 1. 447 Verordnung (EG) Nr. 2658 vom 29. Nov. 2000, ABl.EG 2000, Nr. L 304, 3. 448 Verordnung (EG) Nr. 2659 vom 29. Nov. 2000, ABl.EG 2000, Nr. L 304, 7. 449 Vgl. Keßler, WuW 2002, 1162, 1169 f.
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bedürfte.450 Berufen sich die Kooperationsteilnehmer auf Art. 81 Abs. 3 EG, so tragen sie die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen der Bestimmung tatsächlich vorliegen.451 Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Vorschrift bleiben jedoch von der Neuregelung unberührt. Art. 81 Abs. 3 EG stellt vier Bedingungen auf – zwei positive und zwei negative –, die kumulativ erfüllt werden müssen, damit koordiniertes Verhalten nicht unter das in Absatz 1 normierte Verbot fällt: Die Verhaltenskoordinierung muss unter angemessener Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen, ohne dass den beteiligten Unternehmen Beschränkungen auferlegt werden, die für die Verwirklichung dieser Ziele nicht unerlässlich sind, oder Möglichkeiten eröffnet werden, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerb auszuschalten. 1. Verbesserung der Warenerzeugung, Förderung des technischen Fortschritts Die Einkaufsgemeinschaft der an den elektronischen Marktplatz angeschlossenen Nachfrager müsste also erstens zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen. Eine „Verbesserung“ in diesem Sinne liegt nicht bereits dann vor, wenn die Absprache für die beteiligten Unternehmen vorteilhaft ist. Sie muss vielmehr spürbare, objektive Vorteile bringen, die zum Ausgleich der mit ihr verbundenen Wettbewerbsbeschränkungen geeignet sind.452 Folglich beinhaltet die Anwendung des ersten Freistellungskriteriums eine Abwägung der positiven und negativen Seiten des Kartells.453 Im Rahmen einer Prognose ist die Lage, die durch die Absprache herbeigeführt wird, mit der Lage zu vergleichen, die ohne sie bestehen würde.454 Da sich niemals mit völliger Sicherheit prognostizieren lässt, ob 450 Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dez. 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl.EG 2003 Nr. L 1, 1, 7. 451 Art. 2 VO Nr. 1/2003, ABl.EG 2003 Nr. L 1, 1, 8. 452 EuGH, Urt. vom 13. Juli 1966, verb. Rs. 56 u. 58/64 (Consten und Grundig), Slg. 1966, 321, 397; Urt. vom 29. Okt. 1980, Rs. 209 bis 215 u. 218/78 (van Landewyk), Slg. 1980, 3125, 3279 (Tz. 185); ebenso die ständige Entscheidungspraxis der Komm., vgl. aus jüngerer Zeit etwa E. vom 23. Dez. 1992, verb. Sachen IV/31.533 u. IV/34.072 (Schöller), ABl.EG 1993 Nr. L 183, 1, 13 (Tz. 117); E. vom 29. Nov. 1995, verb. Sachen IV/34.179, 34.202, 216 (Kraanverhuur II), ABl.EG 1995 Nr. L 312, 79, 86 (Tz. 33). 453 Schröter in: Schröter/Jakob/Mederer, Art. 81 Abs. 3 Rn. 343.
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die Vorteile tatsächlich eintreten, soll ausreichen, wenn aufgrund konkreter Erfahrungen der Eintritt der beabsichtigten Folgen in hohem Maße wahrscheinlich ist.455 Solche objektiven Vorteile einer an sich unter Art. 81 Abs. 1 EG fallenden Verhaltensweise können vor allem in Kosteneinsparungen in Fertigung und Vertrieb liegen, egal, ob diese durch eine Erhöhung der Produktivität, bessere Auslastung der Produktionsanlagen, geringere Lagerungs- oder Transportkosten oder eine Verbesserung des Vertriebsnetzes oder des Vertriebsablaufs erreicht werden.456 Objektiv vorteilhaft ist auch die Verbesserung der Produktqualität bei gleichbleibenden Verkaufspreisen.457 Dass der gemeinsame Einkauf über B2B-Plattformen zu Kosteneinsparungen führt, die über die „normalen“ Einsparungen durch die Nutzung elektronischer Marktplätze noch hinausgehen, ist durchaus denkbar. Nachfragebündelungen könnten etwa zu einer besseren Maschinenauslastung beim Lieferanten und zur Reduzierung der Transportkosten führen. Allerdings sind nur Kostenvorteile zu berücksichtigen, die tatsächlich auf Leistungsgewinnen beruhen, nicht solche, die allein durch die Ausübung von Nachfragemacht verursacht werden.458 Des Weiteren müssen die Teilnehmer der Einkaufsgemeinschaft weitreichende Möglichkeiten zum individuellen Bezug der Produkte behalten.459 Es erscheint jedenfalls prinzipiell möglich, dass durch Nachfragebündelungen über B2B-Plattformen echte Leistungsgewinne entstehen können, die die wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen der Kooperation im jeweiligen Einzelfall ausgleichen könnten. Einkaufsgemeinschaften auf elek454
Komm., E. vom 22. Dez. 1972, verb. Sachen IV/243–245 (CIMBEL), ABl.EG 1972 Nr. L 303, 24, 36 (Tz. 19); E. vom 19. Dez. 1974, Sache IV/560 (Duro-Dyne/ Europair), ABl.EG 1975 Nr. L 29, 11, 13; Gleiss/Hirsch Art. 85 Rn. 1855. 455 Komm., E. vom 17. Juli 1968, Sache IV/26.045 (ACEC-Berliet), ABl.EG 1968 Nr. L 201, 7, 9; E. vom 20. Dez. 1974, Sache IV/26.603 (Rank/Sopelem), ABl.EG 1975 Nr. L 29, 20, 24; Wiedemann/Stockmann, Hdb. KartR, § 7 Rn. 112 m. w. N. 456 Komm., E. vom 23. Dez. 1977, verb. Sachen IV/171, 856, 172, 117, 28.173 (Campari), ABl.EG 1978 Nr. L 70, 69, 75 f.; E. vom 19. Juli 1989, Sache IV/31.499 (Niederländische Banken), ABl.EG 1989 Nr. L 253, 1, 10 f. (Tz. 62); vgl. auch Schröter, in: Schröter/Jakob/Mederer, Art. 81 Abs. 3 Rn. 346 mit ausführlichen weiteren Nachweisen in Fn. 1448. 457 Komm., E. vom 20. Dez. 1989, Sache IV/32.265 (Concordato Incendio), ABl.EG 1990 Nr. L 15, 25, 28 (Tz. 26); E. vom 29. Okt. 1997, Sache IV/35.830 (Unisource), ABl.EG 1997 Nr. L 318, 1, 16 (Tz. 88). 458 Vgl. Horizontalleitlinien, ABl.EG 2001 Nr. C 3, 2, 19 (Tz. 132). 459 Komm., E. vom 9. Juli 1980, Sache IV/27.958 (National Sulphuric Acid Association I), ABl.EG 1980 Nr. L 260, 24, 31 (Tz. 51) und E. vom 9. Juni 1989, Sache IV/27.958 (National Sulphuric Acid Association II), ABl.EG 1989 Nr. L 190, 22, 24 (Tz. 9).
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tronischen Marktplätzen können folglich durchaus die erste Voraussetzung des Art. 81 Abs. 3 EG erfüllen. 2. Verbraucherbeteiligung Zweitens müsste die zu beurteilende Vereinbarung die Verbraucher angemessen an dem entstehenden Gewinn beteiligen. Der Verbraucherbegriff ist weit auszulegen und umfasst nicht nur Endverbraucher, sondern alle Abnehmer der betroffenen Erzeugnisse, also sowohl industrielle Weiterverarbeiter als auch Groß- und Einzelhändler.460 Unter „Gewinn“ ist jeder Vorteil zu verstehen, der den Verbrauchern aufgrund der Absprache zufließt.461 Neben finanziellen Vorteilen, etwa Preissenkungen oder der Beibehaltung der bisherigen Preise trotz gestiegener Kosten, können dies auch anders geartete Verbesserungen sein, zum Beispiel ein qualitativ hochwertigeres oder umfangreicheres Angebot, eine bessere Versorgung oder ein besserer Service.462 Es ist nicht erforderlich, dass die aufgrund der zu beurteilenden Vereinbarung erzielten Vorteile in ihrer Gesamtheit an die Verbraucher weitergegeben werden. Bei der Beurteilung, ob eine „angemessene“ Beteiligung vorliegt, kommt der Kommission ein weiter Ermessensspielraum zu, den sie zu einer großzügigen Auslegung dieses Kriteriums genutzt hat.463 Von einer angemessenen Beteiligung der Verbraucher ist auszugehen, wenn sich im Rahmen einer wirtschaftlichen Bilanz ergibt, dass der Nutzen, den die Verbraucher aus der Absprache ziehen, die für sie aus der Wettbewerbsbeschränkung resultierenden Nachteile übertrifft.464 Dies wurde von der Kommission stets bejaht, wenn die jeweilige Absprache den Bezug von Waren oder Dienstleistungen erleichterte465, zur Errich460 Komm., E. vom 9. Juli 1980, Sache IV/27.958 (National Sulphuric Acid Association I), ABl.EG 1980 Nr. L 260, 24, 30 (Tz. 47); E. vom 22. Dez. 1987, Sache IV/31.914 (ARG/Unipart), ABl.EG 1988 Nr. L 212, 62, 68 (Tz. 41); Gleiss/Hirsch Art. 85 Abs. 3 Rn. 1906 ff. m. w. N. 461 Komm., E. vom 23. Sept. 1964 (Grundig und Consten), ABl.EG 1964 S. 2545, 2550; Wiedemann/Stockmann, Hdb. KartR, § 7 Rn. 114. 462 Komm., E. vom 23. Sept. 1964 (Grundig und Consten), ABl.EG 1964 S. 2545, 2550; E. vom 23. März 1990, Sache IV/32.736 (Moosehead/Whitbread), ABl.EG 1990 Nr. L 100, 32, 36 f. (Tz. 16); Schröter in: Schröter/Jakob/Mederer, Art. 81 Abs. 3 Rn. 353 m. w. N. 463 Wiedemann/Stockmann, Hdb. KartR, § 7 Rn. 114. 464 Komm, E. vom 11. Jan. 1991, Sache IV/31.624 (Vichy), ABl.EG 1991, Nr. L 75, 57, 62; E. vom 29. Nov. 1995, Sache IV/34.179, 34.202, 34.216 (Kraanverhuur), ABl.EG 1995, Nr. L 312, 79, 86 (Tz. 34). 465 Siehe z. B. Komm., E. vom 15. Dez. 1975, Sache IV/847 (SABA I), ABl.EG 1976, Nr. L 28/19, 27; E. vom 26. Juni 1996, Sache IV/34.607 (BNP/Dresdner Bank), ABl.EG 1996 Nr. L 188, 37, 45.
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tung gemeinschaftsweiter Dienstleistungsnetze beitrug466, die Erweiterung des Angebots und der Auswahlmöglichkeiten der Kunden bezweckte oder allgemein eine Rationalisierung von Produktion oder Vertrieb ermöglichte.467 Auch hinsichtlich der angemessenen Beteiligung der Verbraucher ist eine hinreichend große Wahrscheinlichkeit ausreichend.468 Im Rahmen einer Prognose ist zu untersuchen, ob der Wettbewerb die Beteiligten zu einer angemessenen Weitergabe der Vorteile zwingen wird, oder ob die Marktstruktur oder die vereinbarten Wettbewerbsbeschränkungen, die den Verbrauchern entsprechende Ausweichmöglichkeiten versperren, dies unwahrscheinlich machen.469 Je stärker der auf dem betroffenen Markt herrschende Wettbewerb ist, desto eher geht die Kommission von einer Weitergabe mindestens eines Teils des durch die Zusammenarbeit erzielten Gewinns an die Verbraucher aus.470 Dabei prüft sie in ihrer jüngeren Entscheidungspraxis die Angemessenheit lediglich pauschal und legt teilweise einen sehr großzügigen Maßstab an.471 Angesichts der geringen Anforderungen, die die Kommission an eine angemessene Verbraucherbeteiligung stellt, ist davon auszugehen, dass diese von Einkaufkooperationen auf elektronischen Marktplätzen fast immer erfüllt werden können. Denn die Teilnehmer können durch das Erreichen von Größenvorteilen ihre Beschaffungskosten senken, was als Beitrag zur Rationalisierung der Produktion gewertet werden dürfte. Die Prognoseentscheidung, ob der Wettbewerb die an der Absprache Beteiligten zu einer angemessenen Weitergabe der Vorteile zwingen wird, könnte unter Umständen jedoch auch negativ ausfallen. Daran wäre beispielsweise zu denken, wenn die Kooperationspartner auch auf den Verkaufsmärkten Macht ausüben wür466 Vgl. etwa E. vom 13. März 1969, Sache IV/93 (EMO I), ABl.EG EG 1969, Nr. L 69/13; Komm., E. vom 7. Dez. 1978, Sache IV/93 (EMO II), ABl.EG EG 1979 Nr. L 11, 16; Komm., E. vom 20. Dez. 1988, Sache IV/00.093 (EMO III), ABl.EG 1989 Nr. L 37, 11, 15 (Tz. 12); Komm., E. vom 30. Sept. 1986, Sache IV/28.959 (VIFKA), ABl.EG 1986 Nr. L 291, 46, 49 (Tz. 19 f.). 467 Siehe z. B. Komm., E. vom 22. Juli 1969, Sache IV/26.625 (Clima-Chappée/ Buderus), ABl.EG 1969 Nr. L 195, 1, 3; Komm., E. vom 17. Jan. 1972, Sache IV/26.612 (MAN/SAVIEM), ABl.EG 1972 Nr. L 31, 29, 34 f.; E. vom 4. Juli 1984, Sache IV/30.810 (Kunstfasern), ABl.EG 1984 Nr. L 207, 17, 22; E. vom 16. Jan. 1996, Sache IV/35.545 (Lufthansa/SAS), ABl.EG 1996 Nr. L 54, 28, 36. 468 Komm., E. vom 17. Juli 1968, Sache IV/26.045 (ACEC/Berliet), ABl.EG 1968 Nr. L 201, 7, 9; Gleiss/Hirsch Art. 85 Abs. 3 Rn. 1917. 469 Wiedemann/Stockmann, Hdb. KartR, § 7 Rn. 114. 470 Ständige Entscheidungspraxis der Komm., vgl. etwa E. vom 22. Juli 1969, Sache IV/26.437 (JAZ/Peter I), ABl.EG 1969 Nr. L 195, 5, 9 f. und E. vom 23. Dez. 1977, Sache IV/26.437 (JAZ/Peter II), ABl.EG 1978 Nr. L 61, 17, 20; Komm., E. vom 11. Nov. 1994, Sache IV/43.410 (Olivetti/Digital), ABl.EG 1994 Nr. L 309, 24, 30. 471 Kritisch dazu Gleiss/Hirsch Art. 85 Abs. 3 Rn. 1929.
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den, so dass mit der Weitergabe der erzielten Kosteneinsparungen an die Abnehmer nicht zu rechnen wäre.472 Die Gefahr, dass erzielte Einsparungen nicht an die nächste Marktstufe weitergegeben werden, könnte auch dann bestehen, wenn mehrere Nachfrager mit vergleichsweise hohen Marktanteilen gemeinsam über die Internetplattform einkaufen und die mit diesen Nachfragern konkurrierenden Unternehmen deutlich niedrigere Marktanteile aufweisen. Angesichts ihrer starken Marktstellung wären diese Nachfrager wahrscheinlich nicht darauf angewiesen, die von ihnen erzielten Leistungsgewinne an ihre Abnehmer weiterzugeben. In Anbetracht der Entscheidungspraxis der Kommission, an der sich die Kooperationsteilnehmer bei der Prüfung der Zulässigkeit ihrer Zusammenarbeit orientieren dürften, würden solche Einkaufskooperationen jedoch wahrscheinlich nicht an der fehlenden Angemessenheit der Verbraucherbeteiligung, sondern eher an der vierten Voraussetzung des Art. 81 Abs. 3 EG scheitern, wonach den Kooperationspartnern nicht die Möglichkeit eröffnet werden darf, den Wettbewerb auszuschalten. Denn der Einfluss der Einkaufsvereinbarung auf die Marktverhältnisse ist im Rahmen jenes Kriteriums zu prüfen.473 3. Unerlässlichkeit Die erste negative Voraussetzung der Nichtanwendung des Kartellverbots nach Art. 81 Abs. 3 EG ist erfüllt, wenn den an der Vereinbarung oder der abgestimmten Verhaltensweise beteiligten Unternehmen keine Beschränkungen auferlegt werden, die für die Verwirklichung der angestrebten Ziele nicht unerlässlich sind. Im Zusammenhang mit Einkaufskooperationen über elektronische Marktplätze wäre etwa denkbar, dass den Einkäufern Alleinbezugs- oder Mindestabnahmeverpflichtungen auferlegt werden. Der Europäische Gerichtshof und die Kommission sehen solche Wettbewerbsbeschränkungen nur dann als unerlässlich an, wenn sich die angestrebten Vorteile auf andere Weise überhaupt nicht, nicht in demselben Ausmaß, innerhalb desselben Zeitraums oder mit derselben Sicherheit herbeiführen lassen.474 Dabei ist die Frage der Unerlässlichkeit ebenfalls anhand objektiver Maßstäbe zu bewerten, d.h. es ist nicht darauf abzustellen, ob die beteiligten Unternehmen die Beschränkung für notwendig halten.475 Nur wenn ein 472
Vgl. Horizontalleitlinien, ABl.EG 2001 Nr. C 3, 2, 19 (Tz. 128). Dazu sogleich unter 4. 474 EuGH, Urt. vom 25. Okt. 1977, Rs. 27/76 (Metro I), Slg. 1977, 1875, 1916 (Tz. 45); Komm., E. vom 21. Dez. 1994, Sache IV/34.252 (Philips/Osram), ABl.EG 1994 Nr. L 378, 37, 43; E. vom 16. Jan. 1996, Sache IV/35.545 (Lufthansa/SAS), ABl.EG 1996 Nr. L 54, 28, 37. 473
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Vertrag, der die zu beurteilende Beschränkung nicht beinhaltet, für die potenziellen Kooperationspartner unannehmbar wäre, ist diese als unerlässlich einzustufen.476 Bei der Beurteilung von Fällen, in denen die Nutzer eines B2B-Marktplatzes Einkaufsgemeinschaften mit speziellen Alleinbezugs-, Mindestabnahme- oder ähnlichen Verpflichtungen eingehen, sollte berücksichtigt werden, ob die Gründer des Marktplatzes Nebenabreden zur Nachfrageförderung getroffen haben, um der Plattform zu einem erfolgreichen Start zu verhelfen, und auf welche Dauer diese ggf. befristet sind.477 Zumindest während der Laufzeit dieser Nebenabreden sollten keine Mindestbezugsverpflichtungen für die Mitglieder der Einkaufsgemeinschaft akzeptiert werden, da ein genügend hohes Einkaufsvolumen bereits durch die Nebenabreden gewährleistet sein dürfte. Alleinbezugs- und Mindestabnahmeverpflichtungen für die Teilnehmer von Einkaufskooperationen sind generell kritisch zu betrachten.478 4. Keine Ausschaltung des Wettbewerbs Gem. Art. 81 Abs. 3 lit. b) EG ist die vierte und letzte Voraussetzung, dass den an der Wettbewerbsbeschränkung beteiligten Unternehmen nicht die Möglichkeit eröffnet wird, den Wettbewerb für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren auszuschalten. Eine solche Ausschaltung des Wettbewerbs liegt nicht erst dann vor, wenn die Kooperationspartner eine marktbeherrschende Stellung erreichen; dann wäre im Gegenteil die Freistellung zu versagen.479 Bei der Prüfung des vierten Freistellungskriteriums ist vielmehr erstens zu ermitteln, inwieweit unter den Kooperationspartnern noch Wettbewerb herrscht. Zweitens ist die Stellung der Beteiligten auf den rele475 Schröter in: Schröter/Jakob/Mederer, Art. 81 Abs. 3 Rn. 355; Wiedemann/ Stockmann, Hdb. KartR, § 7 Rn. 115 m. w. N. 476 Siehe etwa Komm., E. vom 9. Juni 1972, Sache IV/17.545, 6.964, 26.890, 18.673, 17.448 (Davidson Rubber), ABl.EG 1972 Nr. L 143, 31, 36; E. vom 26. Juni 1996, Sache IV/34.607 (BNP/Dresdner Bank), ABl.EG 1996 Nr. L 188, 37, 45. 477 So verpflichtete sich die Deutsche Bank bei Gründung des Marktplatzes emaro, in der Anfangsphase mindestens 68% zum Gesamtvolumen der Einkäufe der von SAP und der Bank auf der Plattform getätigten Einkäufe beizutragen oder eine Ausgleichszahlung an SAP zu leisten. Diese Nebenabrede wurde von der Kommission für drei Jahre genehmigt. Vgl. Komm., E. vom 13. Juli 2000, Fall Nr. COMP/M.2027 – Deutsche Bank/SAP/JV (Emaro) Rn. 23. 478 Vgl. dazu oben II.2. 479 Gleiss/Hirsch, Art. 85 Abs. 3 Rn. 1947; Bunte in: Langen/Bunte, Bd. 2, Art. 81 Rn. 165; Schröter, in: Schröter/Jakob/Mederer, Art. 81 Abs. 3 Rn. 367; Wiedemann/Stockmann, Hdb. KartR, § 7 Rn. 116; a. A. Waelbroeck/Frignani in: Commentaire Mégret, Bd. IV, Concurrence, Nr. 227 (unter I).
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vanten Märkten und der Einfluss der Vereinbarung auf die Marktverhältnisse zu untersuchen.480 Selbst eine vollständige Ausschaltung des Innenwettbewerbs, beispielsweise durch ein kooperatives Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen, beseitigt nicht notwendigerweise die Freistellbarkeit der Verhaltenskonzertierung, sofern wesentlicher Außenwettbewerb fortbesteht.481 Letzteres beurteilt sich nach den Marktpositionen der Kooperationspartner und der Marktstruktur. Die Kommission hat in den Gruppenfreistellungsverordnungen über Spezialisierungsvereinbarungen482 und über Vereinbarungen über Forschung und Entwicklung483 Kooperationen von Wettbewerbern auf der Produktions- wie auf der Vermarktungsstufe bis zu einer Schwelle von 20 bzw. 25 Prozent für unbedenklich gehalten. Bei Marktanteilen von über 50 Prozent ist dagegen regelmäßig nicht vom Fortbestehen hinreichenden Wettbewerbs auszugehen.484 Im Hinblick auf die Marktstruktur kommt der Frage, welche an der Verhaltenskonzertierung nicht beteiligten Wettbewerber noch auf den relevanten Märkten tätig sind und welche Marktanteile sie innehaben, Bedeutung zu.485 Auch die Struktur und das Bestehen von Ausweichmöglichkeiten der Marktgegenseite sind in die Untersuchung einzubeziehen.486 Des Weiteren ist in die Prüfung einzubeziehen, auf welche Wettbewerbsparameter sich die Verhaltensabstimmung erstreckt; sie darf den Preiswettbewerb nicht völlig beseitigen.487 Bei der Anwendung dieses Kriteriums auf Einkaufskooperationen von Nutzern eines B2B-Marktplatzes sollten strenge Maßstäbe angelegt werden. Ein besonderes Augenmerk sollte auf die Frage gerichtet werden, wie die Unternehmen der Marktgegenseite strukturiert sind und über welche Aus480
Schröter in: Schröter/Jakob/Mederer, Art. 81 Abs. 3 Rn. 366; Waelbroeck/ Frignani in: Commentaire Mégret, Bd. IV, Concurrence, Nr. 227 (unter III-V). 481 Schröter in: Schröter/Jakob/Mederer, Art. 81 Abs. 3 Rn. 367. 482 Verordnung (EG) Nr. 2658, ABl.EG 2000 Nr. L 304, 3. 483 Verordnung (EG) Nr. 2659, ABl.EG 2000 Nr. L 304, 7. 484 EuGH, Urt. vom 29. Okt. 1980, verb. Rs. 209–215, 218/78 (van Landewyck), Slg. 1980, 3125; Komm., E. vom 21. Dez. 1973, Sache IV/795 (Kali und Salz), ABl.EG 1974 Nr. L 19, 22, 25; Wiedemann/Stockmann, Hdb. KartR, § 7 Rn. 116 m. w. N. 485 Komm., E. vom 28. Mai 1971, Sache IV/26.624 (FNCF), ABl.EG 1971 Nr. L 134, 6, 12; E. vom 9. Juni 1972, Sachen IV/17.545, 6.964, 26.890, 18.673, 17.448 (Davidson Rubber), ABl.EG 1972 Nr. L 143, 31, 36; E. vom 22. Dez. 1987, Sache IV/31.914 (ARG/Unipart), ABl.EG 1988 Nr. L 212, 62, 68. 486 Komm., E. vom 9. Juni 1972, Sache IV/17.545, 6.964, 26.890, 18.673, 17.448 (Davidson Rubber), ABl.EG 1972 Nr. L 143, 31, 36; E. vom 23. Dez. 1975, Sache IV/26.940/b (KEWA), ABl.EG 1976 Nr. L 51, 15, 19. 487 EuGH, Urt. vom 25. Okt. 1977, Rs. 26/76 (Metro I), Slg. 1977, 1875, 1905.
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weichmöglichkeiten sie verfügen. Denn es besteht die Gefahr, dass den Auswirkungen der Nachfragebündelung auf die Marktgegenseite bei der Prüfung der übrigen Voraussetzungen eher geringe Bedeutung zugemessen wird. Zwar sollen beim ersten Kriterium des Art. 81 Abs. 3 EG, wonach die Verhaltensabstimmung zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen soll, nur solche Kostenvorteile berücksichtigt werden, die auf Leistungsgewinnen basieren. Sind die Kostenvorteile dagegen ausschließlich auf die Ausübung von Nachfragemacht zurückzuführen und bringen sie den Kunden keine Vorteile, so dürfen sie nicht berücksichtigt werden.488 Wie sich aus dem Abschnitt über Einkaufsvereinbarungen in den Horizontalleitlinien ergibt, scheint die Hauptsorge der Kommission bei der Beurteilung von Nachfragemacht jedoch nicht darin zu liegen, dass starke Nachfragemacht zu Leistungsverlusten der Anbieter führen kann. Die Kommission sieht als problematischer an, dass Preissenkungen nicht an die Verbraucher weitergegeben werden könnten und dass die Wettbewerber der Einkäufer mit Kostensteigerungen zu rechnen hätten.489 Im Rahmen der zweiten Anwendungsvoraussetzung des Art. 81 Abs. 3 EG werden an die Angemessenheit der Verbraucherbeteiligung an dem entstehenden Gewinn ohnehin äußerst geringe Anforderungen gestellt. Vor diesem Hintergrund ist zu befürchten, dass die Kommission den Auswirkungen von Einkaufsgemeinschaften auf B2B-Internetplattformen auf die Anbieterseite zu geringe Aufmerksamkeit entgegenbringen könnte. Deshalb sollten bei der Prüfung der Frage, ob die an der Einkaufsgemeinschaft beteiligten Unternehmen nicht die Möglichkeit haben, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerb auszuschalten, die Struktur und Ausweichmöglichkeiten der Marktgegenseite genau untersucht werden.
§ 6 Zugang zu elektronischen Marktplätzen Bei der Untersuchung von Teilnahmebeschränkungen am Handel auf B2B-Plattformen ist im europäischen Kartellrecht, ebenso wie im US-amerikanischen antitrust law, grundsätzlich zwischen der völligen Zugangsverweigerung und der Zugangsgewährung zu diskriminierenden Bedingungen zu unterscheiden. Ein möglicher Zulassungsanspruch kann sich aus der auch im europäischen Kartellrecht angewandten essential facilities-Doktrin 488
Vgl. Horizontalleitlinien, ABl.EG 2001 Nr. C 3/2, 19 (Tz. 132). Horizontalleitlinien, ABl.EG 2001 Nr. C 3/2, 18 (Tz. 126); kritisch dazu Köhler, K&R 2000, 569, 575 (Fn. 34). 489
§ 6 Zugang zu elektronischen Marktplätzen
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ergeben. Ansprüche auf eine nichtdiskriminierende Ausgestaltung der Handelsbedingungen auf elektronischen Marktplätzen können auf Art. 82 Abs. 2 lit. c) EG gestützt werden. Es wird sich zeigen, dass im Bereich der Zugangsproblematik deutliche Unterschiede zwischen der Rechtslage in den USA und in Europa bestehen.
I. Zugangsverweigerung und das Konzept der „wesentlichen Einrichtung“ Die Frage, ob eine leistungsfähige Internetplattform eine „wesentliche Einrichtung“ (essential facility) darstellen kann und welche Rechtsfolgen die Verweigerung des Zugangs zu dieser mit sich brächte, wird in der Literatur zur Behandlung von virtuellen Marktplätzen im europäischen Kartellrecht häufig, aber leider überwiegend eher oberflächlich, diskutiert.490 Eine genaue Untersuchung dieser Thematik wird dadurch erschwert, dass Funktion und Anwendungsvoraussetzungen des Konzepts der wesentlichen Einrichtung auch im europäischen Kartellrecht zum Teil noch ungeklärt sind.491 Dementsprechend schwierig gestaltet sich seine Übertragung auf elektronische Marktplätze.492 Aus diesem Grund wird im Folgenden das Konzept der wesentlichen Einrichtung gemäß Art. 82 EG vorgestellt und auf B2B-Internetplattformen angewendet. 1. Grundlagen In der Wirtschaftsordnung der Europäischen Union hat jeder Marktteilnehmer grundsätzlich das Recht, sich seine Geschäftspartner auszusuchen und über sein Eigentum frei zu verfügen.493 Dementsprechend ist es im Prinzip legitim, wenn sich ein Unternehmen weigert, eigenes Vermögen anderen Unternehmen oder gar Mitbewerbern zur Verfügung zu stellen.494 Jedoch ist aufgrund einer von Marktbeherrschung gekennzeichneten Markt490 Ausführlichere Behandlung des Themas dagegen durch Bahr, WuW 2002, 230, 237 ff. sowie durch Gounalakis/Lochen, ZHR 167 (2003), 632, 657 ff. und Köhler, K&R 2000, 569, 572 f. 491 Vgl. z. B. Dirksen in: Langen/Bunte, Bd. 2, Art. 82 Rn. 177a („nicht ausdiskutiert“); Möschel in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 82 EGV, B., Rn. 239 („Die konkreten Voraussetzungen . . . sind noch nicht abschließend herausgebildet“); Wiedemann/de Bronett, Hdb. KartR, § 22 Rn. 66 („noch nicht in allen Einzelheiten deutliche Konturen“). 492 Vgl. Gassner, MMR 2001, 140, 143 („in praxi ungeklärte Frage“). 493 Vgl. zur gemeinschaftsrechtlichen Werteordnung z. B. Fleischer/Weyer, WuW 1999, 350, 355. 494 Wiedemann/de Bronett, Hdb. KartR, § 22 Rn. 64.
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struktur der Wettbewerb gefährdet.495 Handelspartner von marktmächtigen Unternehmen haben im Falle einer Geschäftsverweigerung häufig allenfalls geringe Ausweichmöglichkeiten.496 Würden sie aus dem Markt ausscheiden, verschlechterte sich damit der noch bestehende Wettbewerb weiter.497 Entsprechend trifft marktmächtige Unternehmen eine spezifische Verantwortung für einen möglichst unverfälschten Restwettbewerb, die ihre Handlungsfreiheit beschränkt.498 Diese Argumentation findet sich bereits seit den siebziger Jahren in der Spruchpraxis der Gemeinschaftsorgane zur Geschäftsverweigerung als Marktmachtmissbrauch i. S. d. Art. 82 (damals Art. 86) EG. Bei der Beurteilung solcher Fälle wird üblicherweise zwischen dem Abbruch einer bestehenden und der Nichtaufnahme einer neuen Geschäftsbeziehung unterschieden.499 Ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung liegt vor, wenn ein beherrschendes Unternehmen eine bestehende Geschäftsverbindung ohne objektive Rechtfertigung und ohne Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes abbricht.500 Die Verhältnismäßigkeit des Abbruchs der Geschäftsbeziehung ist mittels einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung des in den Artt. 3 lit. g), 81, 82 EG normierten Ziels eines freien und unverfälschten Wettbewerbs zu ermitteln.501 Anders als der Abbruch einer bestehenden Geschäftsbeziehung ist allerdings die Nichtaufnahme einer neuen Geschäftsbeziehung durch ein marktbeherrschendes Unternehmen nur dann missbräuchlich, wenn ein konkreter Kontrahierungszwang besteht.502 Seit Ende der achtziger Jahre sind jedoch auch Fälle aufgetreten, in denen es nicht um Geschäftsaufnahmepflichten von marktmächtigen Unternehmen im Hinblick auf den Austausch von Waren, sondern im Hinblick auf den Zugang zu Einrichtungen wie Häfen und sonstigen Verkehrs- und Übertragungseinrichtungen ging. Zur Behandlung solcher Fälle wurde die 495
Möschel in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 82 EGV, B., Rn. 220. Möschel, a. a. O. 497 Ritter/Braun/Rawlinson, S. 302. 498 EuGH, Urt. vom 9. Nov. 1983, Rs. 322/81 (Michelin), Slg. 1983, 3461, 3511 (Tz. 57); vgl. auch Urt. vom 13. Feb. 1979, Rs. 85/76 (Hoffmann-La Roche), Slg. 1979, 461, 541 (Tz. 91). 499 Diese Unterscheidung treffen z. B. Bellamy/Child, Rn. 9-092 ff.; Möschel in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 82 EGV, B., Rn. 222 ff. 500 EuGH, Urt. vom 6. März 1974, verb. Rs. 6/73 u. 7/73 (Commercial Solvents), Slg. 1974, 223, 252 (Tz. 25); Urt. vom 14. Feb. 1978, Rs. 27/76 (United Brands), Slg. 1978, 207, 297 (Tz. 182/183). 501 EuGH, Urt. vom 6. März 1974, verb. Rs. 6/73 u. 7/73 (Commercial Solvents), Slg. 1974, 223, 252 (Tz. 25). 502 Möschel in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 82 EGV, B., Rn. 230. 496
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aus dem US-antitrust law stammende essential facilities-Doktrin in das europäische Wettbewerbsrecht eingeführt. Danach kann eine Zugangsverweigerung gegen das Missbrauchsverbot des Art. 82 EG verstoßen, wenn sie von einem marktbeherrschenden Unternehmen durchgeführt wird. Erfolgt die Diskriminierung durch ein wettbewerbswidriges Zusammenwirken mehrerer Unternehmen, so kann sie vom Kartellverbot des Art. 81 Abs. 1 EG erfasst werden. Aus diesem Grund überrascht es nicht, wenn die europäischen Wettbewerbsbehörden den Marktplatzbetreibern raten, allen interessierten Käufern und Verkäufern offenen und diskriminierungsfreien Zugang zu gewähren, um mögliche Gesetzesverstöße von vornherein zu vermeiden.503 So machten im VolbrokerFall die sechs großen Banken, die das Gemeinschaftsunternehmen gegründet hatten, der EU-Kommission gegenüber die Zusage, auch Telefonmakler an ihrem Handelsplatz teilnehmen zu lassen, um Bedenken hinsichtlich des Marktzugangs auszuräumen.504 Grundsätzlich sind jedoch selbst marktbeherrschende Unternehmen nicht dazu verpflichtet, Einrichtungen, die sie mit leistungsgerechten Mitteln geschaffen haben, mit Wettbewerbern zu teilen.505 Ebenso wenig statuieren die Vorschriften des EG-Vertrages ein allgemeines Diskriminierungsverbot. Die Bestimmungen des Art. 81 Abs. 1 lit. d EG und Art. 82 Abs. 2 lit. c EG enthalten lediglich spezifische Diskriminierungsverbote, denen zufolge marktbeherrschende Unternehmen missbräuchlich handeln, wenn sie unterschiedliche Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern anwenden, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden. 2. Der Begriff der wesentlichen Einrichtung In den drei Hafen-Entscheidungen der Kommission506 aus den Jahren 1992 und 1993 wurde das Konzept der wesentlichen Einrichtung erstmals im europäischen Kartellrecht herangezogen, um eine Verpflichtung marktbeherrschender Unternehmen gegenüber ihren Wettbewerbern zur Zugangsgewährung zu begründen. Darin entschied die Kommission, dass ein Ver503
Siehe etwa Lücking, Beitrag zur Konferenz der Universität Leicester, S. 10. Vgl. Pressemitteilung der Kommission vom 31.7.2000 (Volbroker.com); Schaub in: Recht, Wettbewerb und e-commerce, 49, 55. 505 Möschel in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 82 EGV, B., Rn. 239. 506 Komm., E. vom 11. Juni 1992, Sache IV/34.174 (Sealink I), im ABl.EG nicht veröffentlicht, vgl. aber die Kurzdarstellung im XXII. Wettbewerbsbericht, Rn. 219; Komm., E. vom 21. Dez. 1993, Sache IV/34.689 (Sealink II), ABl.EG 1994 Nr. L 15, 8; Komm., E. vom 21. Dez. 1993, Sache 94/199/EG (Hafen von Rødby), ABl.EG 1994, Nr. L 55, 52. 504
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stoß gegen Art. 82 (damals Art. 86) EG vorliege, wenn der Eigentümer einer wesentlichen Einrichtung seine Marktmacht dazu nutzt, seine Stellung auf einem anderen, zu diesem in Bezug stehenden Markt zu stärken, indem er anderen Unternehmen den Zugang ohne sachlichen Grund verweigert oder nur zu ungünstigeren Bedingungen gewährt.507 Als „wesentlich“ ist danach eine Einrichtung oder Infrastruktur anzusehen, ohne deren Nutzung ein Wettbewerber seinen Kunden keine Dienste anbieten kann.508 Die Kommission hat sich in diesen Entscheidungen ausdrücklich auf die ursprünglich aus dem US-amerikanischen antitrust law stammende essential facilitiesDoktrin bezogen und auch die Tatbestandsvoraussetzungen in Anlehnung an das US-amerikanische Vorbild formuliert.509 Der Europäische Gerichtshof hat sich in den Urteilen Magill510 und Oscar Bronner511 mit dem Konzept auseinandergesetzt, ohne sich jedoch dieses Begriffs zu bedienen. Im Magill-Fall verweigerten drei Fernsehanstalten, die jeweils ihre eigenen wöchentlichen Programmführer veröffentlichten, die Herausgabe von urheberrechtlich geschützten Informationen über ihre Programme an einen Unternehmer, der eine umfassende wöchentliche Fernsehzeitschrift publizieren wollte. Der Gerichtshof entschied, dass die Verweigerung einer Lizenz durch den Inhaber eines gewerblichen Schutzrechts nur unter außergewöhnlichen Umständen ein missbräuchliches Verhalten darstellt, selbst wenn der Inhaber ein marktbeherrschendes Unternehmen ist.512 Er bejahte jedoch im konkreten Fall das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände.513 In der Sache Bronner begehrte der Hersteller einer österreichischen Tageszeitung die Mitbenutzung des von einer konkurrierenden Tageszeitung betriebenen, einzigen landesweiten Hauszustellungssystems. Obwohl die Antragstellerin ihre Argumentation ausdrücklich auf die essential facilities507 Komm., E. vom 21. Dez. 1993, Sache IV/34.689 (Sealink II), ABl.EG 1994, Nr. L 15, 8, 16 (Tz. 66). 508 A. a. O. 509 Vgl. Komm., E. vom 21. Dez. 1993, Sache IV/34.689 (Sealink II), ABl.EG 1994 Nr. L 15, 8 (Tz. 66), ähnlich E. vom 21. Dez. 1993, Sache 94/199/EG (Hafen von Rødby), ABl.EG 1994 Nr. L 55, 52 (Tz. 12); siehe auch Möschel in: Immenga/ Mestmäcker, GWB, § 19 Rn. 181. Zur essential facilities-Doktrin im US-amerikanischen Kartellrecht ausführlich oben Zweiter Abschnitt, § 6, II. 510 EuGH, Urt. vom 6. April 1995, verb Rs. C-241/91 P und 242/91 P (RTE und ITP), Slg. 1995 I-743 ff. 511 EuGH, Urt. vom 26. Nov. 1998, Rs. C 7/97 (Oscar Bronner), Slg. 1998 I-7791 ff. 512 EuGH, Urt. vom 6. April 1995, verb Rs. C-241/91 P und 242/91 P (RTE und ITP), Slg. 1995 I-743,823 (Rn. 49 f.). 513 EuGH, Urt. v. 6. April 1995, verb Rs. C-241/91 P und 242/91 P (RTE und ITP), Slg. 1995 I-743, 824 (Rn. 54 ff.).
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Lehre stützt, die vom Gerichtshof im Urteil Magill entwickelt worden sei514, bezieht sich der EuGH in seinen Urteilsgründen nicht ausdrücklich auf diese Lehre, sondern auf seine vergangenen Entscheidungen zu Lieferverweigerungen in den Sachen Commercial Solvents und CBEM.515 Auch in seiner eigenen Interpretation des Magill-Urteils erwähnt das Gericht das Konzept der wesentlichen Einrichtung nicht.516 Ohne sich im Hinblick auf das Konzept dogmatisch festzulegen, hat der Gerichtshof jedenfalls klargestellt, dass die Weigerung eines marktbeherrschenden Unternehmens, Konkurrenten Zugang zu seinen Einrichtungen zu gewähren, nur ausnahmsweise missbräuchlich i. S. d. Art. 82 EG ist.517 Die folgenden Voraussetzungen müssen erfüllt sein, wenn ein Unternehmen dazu verpflichtet werden soll, Mitbewerbern Zugang zu seinen Einrichtungen zu gewähren: Erstens muss die Zugangsverweigerung geeignet sein, jeglichen Wettbewerb auf einem benachbarten Markt auszuschalten, zweitens darf sie nicht sachlich gerechtfertigt sein, und drittens muss die Einrichtung für die Ausübung der Tätigkeit des Mitbewerbers in dem Sinne unentbehrlich sein, dass kein tatsächlicher oder potenzieller Ersatz für sie bestünde.518 An die Erfüllung dieser Kriterien werden hohe Anforderungen gestellt. Um die Ausschaltung jeglichen Wettbewerbs auf einem benachbarten Markt zu bejahen, darf kein anderer Vertriebsweg für das fragliche Produkt existieren. Es reicht nicht aus, dass eine bestehende alternative Vertriebsmöglichkeit im Vergleich zu der Infrastruktur, zu der Zugang begehrt wird, weniger günstig ist.519 So sah der EuGH im Bronner-Urteil den Vertrieb von Tageszeitungen durch Postzustellung und Laden- oder Kioskverkauf als – wenn auch ungünstigere – Alternative zu dem Hauszustellungssystem an.520 Folglich stellte nach Meinung des Gerichts die Weigerung des Betreibers des einzigen landesweiten Hauszustellungssystems, dem Verleger einer kon514 Vgl. EuGH, Urt. vom 26. Nov. 1998, Rs. C 7/97 (Oscar Bronner), Slg. 1998 I-7791, 7826 (Rn. 24). 515 EuGH, Urt. vom 6. März 1974, verb. Rs. 6/73 u. 7/73 (Commercial Solvents), Slg. 1974, S. 223 ff.; EuGH, Urt. vom 3. Okt. 1985, Rs. 311/84 (CBEM), Slg. 1985, S. 3261 ff. 516 Vgl. EuGH, Urt. vom 26. Nov. 1998, Rs. C 7/97 (Oscar Bronner), Slg. 1998 I-7791, 7830 (Rn. 39 ff.). 517 Vgl. Fleischer/Weyer, WuW 1999, 350, 355; Möschel in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 19 Rn. 181 („Notwendigkeit einer restriktiven Auslegung . . . klargestellt worden“). 518 EuGH, Urt. vom 26. Nov. 1998, Rs. C 7/97 (Oscar Bronner), Slg. 1998 I-7791, 7831 (Tz. 41). 519 EuGH, a. a. O., Tz. 43. 520 EuGH, a. a. O.
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3. Abschn.: Elektronische Marktplätze im europäischen Kartellrecht
kurrierenden Tageszeitung Zugang zu diesem System zu gewähren, keine Ausschaltung jeglichen Wettbewerbs auf dem Tageszeitungsmarkt dar.521 Als sachlicher Rechtfertigungsgrund für die Zugangsverweigerung kommen insbesondere Kapazitätsgrenzen in Betracht, wobei allerdings die optimale Ausnutzung der Einrichtung gefordert werden kann.522 Objektiv gerechtfertigt ist daneben die Ablehnung von Mitbewerbern, die nicht über die fachlichen, wirtschaftlichen oder technischen Voraussetzungen zur Nutzung der Infrastruktur verfügen.523 Ein weiterer wichtiger Rechtfertigungsgrund ist in dem Umstand zu sehen, dass der Eigentümer, der in die Einführung eines neuen Produktes oder Dienstes investiert hat, hinreichend Zeit und Gelegenheit zur Nutzung dieser Einrichtung benötigt, um das neue Produkt oder den neuen Dienst auf den Markt zu bringen.524 Drittens ist eine Einrichtung für die Ausübung der Tätigkeit des Wettbewerbers nur unverzichtbar, wenn die Schaffung eines konkurrierenden Vertriebssystems selbst bei einem im Vergleich zu dem bereits existierenden System ähnlich hohen Nutzungsvolumen unrentabel wäre.525 Keine Rolle spielt dagegen, ob das realistischerweise zu erwartende Nutzungsvolumen den Aufbau eines solchen Konkurrenzsystems unrentabel machen würde.526 3. Einordnung des Konzepts in die Systematik des Art. 82 EG Die Ausführungen des EuGH im Bronner-Urteil lassen den Schluss zu, dass der Gerichtshof die Fälle, in denen ein Unternehmen Zugang zu wesentlichen Einrichtungen eines anderen Unternehmens begehrt, nicht als grundsätzlich neuartig, sondern als Abwandlung der herkömmlichen Fälle zur Geschäftsverweigerung vertikal integrierter Unternehmen betrachtet.527 521
EuGH, a. a. O., Tz. 41 f. Vgl. Komm., E. vom 21. Dez. 1993, Sache IV/34.689 (Sealink II), ABl.EG 1994 Nr. L 15, 8, 16 ff. (Maßstab: hypothetisches Verhalten einer unabhängigen Hafenbehörde); Möschel in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 82 EGV, B., Rn. 242. 523 Bahr, WuW 2002, 230, 239; Möschel in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 82 EGV, B., Rn. 242. 524 Mitteilung über die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf Zugangsvereinbarungen im Telekommunikationsbereich, ABl.EG 1998 Nr. C 265/2, 16 (Rn. 91). 525 Vgl. EuGH, Urt. vom 26. Nov. 1998, Rs. C 7/97 (Oscar Bronner), Slg. 1998 I-7791, 7832 (Rn. 46). 526 EuGH, Urt. vom 26. Nov. 1998, Rs. C 7/97 (Oscar Bronner), Slg. 1998 I-7791, 7832 (Tz. 45). 527 In Ergänzung der in Art. 82 S. 2 EG aufgeführten Beispielstatbestände haben Europäischer Gerichtshof und Literatur eine Reihe von Fallgruppen missbräuchlicher Verhaltensweisen herausgearbeitet, die unter die Generalklausel des Art. 82 522
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Auch die Hafen-Entscheidungen der Kommission, in denen sie den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung in der Verweigerung des Zugangs zu den Häfen als wesentliche Einrichtungen erblickte, reihen sich in die Entscheidungspraxis zur Geschäftsverweigerung ein. Zwar erklärte die Kommission ausdrücklich, sich auf die im US-amerikanischen Kartellrecht entwickelte essential facilities-doctrine zu beziehen. Zur Begründung ihres Ansatzes führte sie jedoch in einer Fußnote528 zahlreiche, nach den allgemeinen Grundsätzen entschiedenen Fälle der Geschäftsverweigerung an, nämlich die Urteile des Gerichtshofs in den Sachen Commercial Solvents529, Telemarketing530, RTT/GB Inno531 und ERT532 und die MagillEntscheidung des Gerichts erster Instanz533 sowie ihre eigenen Entscheidungen in den Sachen National Carbonizing534, Sabena535 und Aer Lingus.536 Der Rückgriff auf diese Entscheidungen lässt die Folgerung zu, dass auch aus Sicht der Kommission das Konzept der wesentlichen Einrichtung kein grundlegend neues Rechtsprinzip darstellt. In weiten Teilen des Schrifttums wird ebenfalls die Ähnlichkeit mit den zur Lieferverweigerung entwickelten Grundsätzen hervorgehoben.537 Einige Autoren sind sogar der Auffassung, dass die zu Art. 82 EG entwickelten Grundsätze der Geschäftsverweigerung ausreichen, um Wettbewerb auf abS. 1 EG fallen. Eine solche Fallgruppe ist die der Geschäftsverweigerung. Eine Auflistung der Fallgruppen findet sich etwa bei Schröter in: Groeben/Schwarze, Art. 82 Rn. 248 ff. 528 Komm., E. vom 21. Dez. 1993, Sache IV/34.689 (Sealink II), ABl.EG 1994 Nr. L 15, 16 (Fn. 3). 529 EuGH, Urt. vom 6. März 1974, verb. Rs. 6/73 u. 7/73 (Commercial Solvents), Slg. 1974, 223 ff. 530 EuGH, Urt. vom 3. Okt. 1985, Rs. 311/84 (CBEM), Slg. 1985, 3261 ff. 531 EuGH, Urt. vom 13.Dez. 1991, Rs. C 18/88 (RTT/GB Inno), Slg. 1991 I-5941 ff. 532 EuGH, Urt. vom 18. Juni 1991, Rs. C 260/89, Slg. 1991 I-2925 ff. 533 EuG, Urt. vom 10. Juli 1991, Rs. T 69, 70 und 76/89, Slg. 1991 II-485, 535 und 575. 534 Komm., E. vom 29. Okt. 1975, Sache 76/185/EGKS, ABl.EG 1976 Nr. L 35, 6. 535 Komm., E. vom 4. Nov. 1988, Sache IV/32.318 (London European/Sabena), ABl.EG 1988 Nr. L 317, 47 ff. 536 Komm., E. vom 16. Feb. 1992, Sache IV/33.544 (British Midland/Aer Lingus), ABl.EG 1992 Nr. L 96, 34. 537 Siehe z. B. Fleischer/Weyer, WuW 1999, 350, 353 („Teilausschnitt aus dem allgemeinen Problemkreis der Förderungspflichten marktbeherrschender Unternehmen“); Markert, WuW 1995, 560, 564, 570 („keine grundlegend neuen Probleme“); ders. in: FS Mestmäcker, 661, 671; Möschel in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 82 EGV, B., Rn. 239 („Untergruppe der Geschäftsverweigerung“); Wiedemann/de Bronett, Hdb. KartellR, § 22 Rn. 64 („besondere Form von Lieferverweigerung“).
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geleiteten Märkten zu eröffnen538 oder bezeichnen den Begriff als „kartellrechtliches Modewort“.539 Die wohl überwiegende Anzahl der Autoren interpretiert das Konzept der wesentlichen Einrichtung als Unterfall der Lieferverweigerung. So erblicken einige in ihm kein neues Prinzip, sondern ein notwendiges Mittel zur Systematisierung von Fällen, denen eine gemeinsame Problematik zugrunde liege. Diese sei darin zu sehen, dass ein bezüglich einer Einrichtung marktbeherrschendes Unternehmen potentiellen Wettbewerbern den Zugang zu dieser verweigere, um sich selbst Dienstleistungen auf einem abgeleiteten Markt vorzubehalten.540 Der einzige relevante Unterschied zu herkömmlichen Geschäftsverweigerungsfällen scheine in einer größeren Bedeutung der Kapazitätsauslastung als Rechtfertigungsgrund für die Verweigerung des Zugangs zu wesentlichen Einrichtungen zu liegen.541 Demgegenüber plädieren andere Stimmen dafür, das Konzept der wesentlichen Einrichtung als eine gesonderte Kategorie für die Bejahung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung i. S. d. Art. 82 EG zu betrachten.542 Zwar dehne das Konzept den Anwendungsbereich von Art. 82 EG nicht aus oder mache eines der zu erfüllenden Kriterien – Marktbeherrschung, deren missbräuchliche Ausnutzung und die spürbare Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten – entbehrlich. Es sei jedoch eine nützliche Beschreibung von Sachverhalten, in denen ein Kontrahierungszwang auferlegt werden könne, um die wettbewerbsfeindliche Ausnutzung von Marktmacht zu verhindern. Darüber hinaus erfasse das Konzept unter Art. 82 S. 2 lit. b EG fallende Sachverhalte, in denen ein Kontrahierungszwang bestehe, der sich nicht aus einem Diskriminierungsverbot ergebe.543 Zusammengenommen bildeten diese Regeln umfassende und vernünftige Rechtsgrundsätze.544 Ein Unterschied zu den klassischen Sachverhalten der Geschäftsverweigerung liege nach anderer Ansicht außerdem darin, dass bei essential facilities-Fällen der Zugang zu Einrichtungen erzwungen werden solle, die lediglich intern für den eigenen Geschäftsbetrieb des Inhabers bestimmt seien.545 538
So Müller, EuZW 1998, 232, 237. Ehle, Urteilsanmerkung zu Bronner v. Mediaprint, EuZW 1999, 89. 540 Bittner, S. 123 (Weiterentwicklung der Fallgruppe „Monopolisierung von Nebenmärkten“); Deselaers, EuZW 1995, 563, 564, 568; Mennicke, ZHR 160 (1996), 626, 652 f. 541 Markert, WuW 1995, 560, 564 f. 542 Furse, ECLR 1995, 469, 472 („additional refinement to the principles of Art. 86“); wohl auch Temple Lang, 1 J. of Network Industries (2000), 375, 405. 543 Temple Lang, 1 J. of Network Industries (2000), 375, 403 f. 544 Temple Lang, a. a. O. S. 405. Zu beachten ist jedoch die äußerst zurückhaltende Formulierung dieser Ansicht durch den Autor [„If caselaw confirms these rules, they seem to form a comprehensive and reasonable body of law“]. 545 Beckmerhagen, S. 245 ff.; Fleischer, RIW 2000, 22, 30. 539
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Andere Begründungen für die „Einführung“ eines Konzepts der wesentlichen Einrichtung ins europäische Kartellrecht basieren auf ökonomischen und wettbewerbspolitischen Erwägungen. Die US-amerikanische essential facilities-doctrine zielt darauf ab, den Transfer von auf dem Primärmarkt bestehender Marktmacht auf den abgeleiteten Markt zu verhindern.546 Diese Übertragung von Marktmacht wird im antitrust law als „monopoly leveraging“ bezeichnet.547 Auch die bislang im europäischen Kartellrecht unter dem Stichwort der wesentlichen Einrichtung behandelten Fälle zeichnen sich dadurch aus, dass der Betreiber einer Infrastruktur anderen Unternehmen den Zugang verweigert, um seine Stellung auf einem nachgelagerten Markt zu schützen.548 Daraus wird geschlossen, dass die europäische essential facilities-Doktrin auf die positiv-gestaltende Schaffung von Wettbewerb gerichtet sei.549 In Situationen, in denen nachhaltig verfestigte Marktstrukturen und vertikal integrierte Unternehmensstrukturen zusammentreffen, komme dem Kartellrecht die Aufgabe der Initiierung und Förderung von Wettbewerbsprozessen zu.550 In solchen Situationen sei der Zugriff eines Konkurrenten auf Ressourcen des marktbeherrschenden Unternehmens unvermeidlich für das Entstehen von Wettbewerb auf den vor- und nachgelagerten Märkten.551 Abgesehen von den diversen sektorspezifischen Zugangsregelungen stelle das europäische Konzept der wesentlichen Einrichtung gem. Art. 82 EG ein Instrument zur Umsetzung dieser Wettbewerbspolitik dar.552 Nachhaltig verfestigte Marktstrukturen sind nach dieser Ansicht auf vier Konstellationen zurückzuführen: auf materielle Netze (als Anwendungsfall der Theorie des natürlichen Monopols), auf virtuelle Netze (Netzwerkeffekte), auf das Potenzial zu strategischen Gegenmaßnahmen in Verbundstrukturen und auf Informationsasymmetrien.553 Kontrolliere zusätzlich ein 546 MCI Communications Corp. v. AT & T, Co., 708 F.2d 1081, 1132 f. (7th Cir. 1983). 547 Vgl. dazu Kaplow, Extension of Monopoly Power through Leverage, 85 Colum. L. Rev. 515 (1985). 548 Siehe etwa Komm., E. vom 21. Dez. 1993, Rs. IV/34.689 (Sealink II), ABl.EG 1994, Nr. L. 15, 8, 16 (Tz. 66); ausdrücklich Möschel in: Immenga/Mestmäcker, EB-WbR, Art. 86 Rn. 260; ähnlich Bittner, S. 123, der die Doktrin als eine Weiterentwicklung der Fallgruppe „Monopolisierung von Nebenmärkten“ interpretiert; Deselaers, EuZW 1995, 563, 564 f.; Furse, ECLR 1995, 469, 472; Mennicke, ZHR 160 (1996), 626, 653; Schwintowski, WuW 1999, 842, 848 ff. 549 Beckmerhagen, S. 248; Hohmann, S. 63 ff.; ähnlich Möschel in: Immenga/ Mestmäcker, GWB, § 19 Rn. 183. 550 Hohmann, S. 102 ff.; Möschel in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 19 Rn. 183. 551 Möschel, a. a. O., Rn. 183, 186. 552 Hohmann, S. 64. 553 Hohmann, S. 108 ff.; Möschel in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 19 Rn. 183.
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vertikal integriertes Unternehmen einen derart verfestigten Markt, so liege es in dessen wirtschaftlichem Interesse, jeglichen Wettbewerb auf abgeleiteten Märkten auszuschließen. Außer einer Entflechtung des vertikal integrierten Unternehmens könne das Konzept der wesentlichen Einrichtung dieses wettbewerbspolitische Problem lösen.554 Ob verfestigte Marktstrukturen stets auf die soeben referierten vier Begründungen zurückgeführt werden können, erscheint zwar zweifelhaft. So vermögen zum Beispiel Immaterialgüterrechte ebenfalls zur Verfestigung von Marktstrukturen beizutragen.555 Zuzugeben ist jedoch, dass wettbewerbsfeindliche Aktivitäten marktmächtiger, vertikal integrierter Unternehmen auf Märkten mit nachhaltig verfestigten Strukturen wettbewerbspolitische Probleme aufwerfen. Dabei ist unerheblich, ob das Unternehmen seine Marktmacht zugunsten einer Abteilung oder eines rechtlich selbstständigen Tochterunternehmens einsetzt. Abzustellen ist auf die wirtschaftliche Interessenlage des dominanten Unternehmens.556 Dieses Verständnis der europäischen essential facilities-Doktrin mag die Bildung einer eigenständigen Fallgruppe am ehesten rechtfertigen. Als Gegenargument ließe sich zwar anführen, dass nach dem europäischen Verständnis der essential facilities-Doktrin der Einrichtungsbetreiber gerade nicht auf dem nachgelagerten Markt tätig sein muss, d.h., dass auch nicht vertikal integrierte Unternehmen Adressaten des Zugangsanspruchs sein können.557 Andererseits dürften Unternehmen, deren nachgelagerte Geschäftssparten eine Einrichtung nutzen, in besonderem Maße daran interessiert sein, außenstehende Unternehmen nicht zuzulassen. Festzuhalten bleibt, dass für eine gesonderte Behandlung von essential facilities-Fällen – losgelöst von den herkömmlichen Geschäftsverweigerungsgrundsätzen – allenfalls ökonomische und wettbewerbspolitische Besonderheiten, aber keine rechtlichen Schwierigkeiten sprechen. Gegen ihre getrennte Klassifizierung ist solange nichts einzuwenden, wie ihre dogmatische Anbindung an die zu Art. 82 EG entwickelten und anerkannten Grundsätze zur Bezugs- und Lieferverweigerung vertikal integrierter Unternehmen nicht aus den Augen verloren wird.558 Dabei gelten bezüglich aller Voraussetzungen des Art. 82 EG die allgemeinen Grundsätze.559 554
Hohmann, S. 111; Möschel, a. a. O. Rn. 184. So schlagen Fleischer/Weyer, WuW 1999, 350, 354 f., die Einteilung von „essential facilities“-Fällen in verschiedene Teilklassen vor, um zwischen Immaterialgüterrechten, Netzen und Infrastruktureinrichtungen sowie Fällen, in denen die Ressourcen durch ihre Inanspruchnahme aufgezehrt werden, zu differenzieren. 556 Vgl. Temple Lang, 1 J. of Network Industries (2000), 375, 379. 557 Darin liegt ein Unterschied zur Ausgestaltung der essential facilities-Doktrin in den USA, dazu bereits ausführlich oben Zweiter Abschnitt, § 6, II. 558 So sinngemäß Fleischer/Weyer, WuW 1999, 350, 353 f. 555
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4. Die Anwendungsvoraussetzungen im Einzelnen a) Beherrschende Stellung auf dem Primärmarkt Das Tatbestandsmerkmal der marktbeherrschenden Stellung ist dem Markt für die Mitbenutzung der Infrastruktureinrichtung (Primärmarkt) zuzuordnen, nicht dem von diesem abgeleiteten Markt (Sekundärmarkt).560 Dies ergibt sich aus dem Erfordernis einer konsequenten dogmatischen Anknüpfung an die herkömmlichen Fälle der Lieferverweigerung. In den klassischen Sachverhalten der Geschäftsverweigerung muss das die Leistung verweigernde Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung auf dem Markt für die verweigerte Leistung inne haben. Dies ist bei essential facilities-Fällen ebenso zu beurteilen.561 b) Kein Wettbewerbsverhältnis erforderlich Im Gegensatz zur Rechtslage in den USA ist für die Anwendung der essential facilities-Doktrin im europäischen Kartellrecht eine Tätigkeit des 559
Ähnlich Deselaers, EuZW 1995, 563, 564. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in einer einstweiligen Anordnung vom 3. Juli 2001 die Notwendigkeit der Existenz zweier verschiedener Märkte in einem essential facility-Fall erstmals ausdrücklich verneint hat. In diesem Fall begehrt ein Unternehmen Zugang zu einem urheberrechtlich geschützten Bausteinsystem, welches das Gebiet der Bundesrepublik in 1860 Segmente einteilt. Dieses System basiert auf den deutschen Postleitzahlen, wurde von einem Wettbewerber des Zugangspetenten zusammen mit einem Arbeitskreis der pharmazeutischen Industrie entwickelt und galt als Standard für die Ermittlung von regionalen Verkaufszahlen der Pharmaindustrie in Deutschland. Obwohl es keinen Markt für dieses Bausteinsystem gibt, sah die Kommission es als wesentliche Einrichtung an. Siehe Komm., E. vom 3. Juli 2001, NDC Health/IMS Health, abrufbar unter europa.eu.int/comm/competition/antitrust/cases/decisions/38044.en.pdf. Ausführlich zu diesem Fall Fine, NDC/IMS: A Logical Application of Essential Facilities Doctrine, ECLR 2002, S. 457 ff. Aufgrund der zahlreichen Besonderheiten des der einstweiligen Anordnung zugrunde liegenden Sachverhalts ist fraglich, ob die Aussage der Kommission verallgemeinerungsfähig ist. Die Kommission hat die einstweilige Anordnung inzwischen zurückgezogen, siehe „EU stoppt Verfahren gegen IMS Health“, FAZ vom 19.8.2003, S. 15. 561 Vgl. EuGH, Urt. vom 26. Nov. 1998, Rs. C 7/97 (Oscar Bronner), Slg. 1998 I-7791, 7831 (Rn. 34 f.: beherrschende Stellung auf dem Markt für Hauszustellungssysteme erforderlich); Bittner, S. 92, 111 f.; Gounalakis/Lochen, ZHR 167 (2003), 632, 659; Fleischer/Weyer, WuW 1999, 350, 354; Immenga in: Büllesbach/Dreier, 59, 73; Immenga/Lange, RIW 2000, 733, 738; a. A. Beckmerhagen, S. 274 ff. (auf Vermachtung des zu öffnenden, nachgelagerten Marktes abzustellen), Hohmann, S. 173 ff. (zu § 19 GWB); Köhler, K&R 2000, 569, 573 (marktbeherrschende Stellung der Plattform auf dem Primärmarkt oder der Plattformgründer auf den Märkten der gehandelten Waren). 560
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3. Abschn.: Elektronische Marktplätze im europäischen Kartellrecht
Betreibers der Einrichtung oder Infrastruktur auf dem Sekundärmarkt nicht erforderlich.562 Typischerweise handelt es sich bei essential facilities-Fällen zwar um solche, in denen ein vertikal integriertes Unternehmen die Nutzung der Einrichtung seinen eigenen nachgelagerten Operationen vorbehält und Wettbewerber vom Zugang zum nachgelagerten Markt auszuschließen versucht. Die Entscheidung der Kommission im Fall Irish Continental Group v. CCI Morlaix zeigt jedoch, dass das Unternehmen, welches die wesentliche Einrichtung kontrolliert, auf dem Sekundärmarkt nicht als Wettbewerber auftreten muss. In jenem Fall wollte die Irish Continental Group eine Fährverbindung zwischen Irland und der Bretagne anbieten und verhandelte darüber mit der Handelskammer von Morlaix, die den Hafen von Roscoff aufgrund einer staatlichen Konzession verwaltete. Die Handelskammer verzögerte die Verhandlungen immer wieder, so dass keine Einigung über die Fährverbindung zustande kam. In ihrer Entscheidung wertete die Kommission das Verhalten der Handelskammer als Verweigerung des Zugangs zu einer wesentlichen Einrichtung, obwohl die Kammer selbst nicht auf dem Markt für Fährdienstleistungen tätig war. c) Anwendung nur bei fehlendem Wettbewerb auf Sekundärmarkt Die beherrschende Stellung des Betreibers auf dem Primärmarkt und die Zugangsverweigerung allein reichen nicht aus, um einen Missbrauch zu bejahen. Zusätzlich darf auf dem Sekundärmarkt kein funktionierender Wettbewerb herrschen. Denn nach dem Bronner-Urteil ist die Verweigerung des Zugangs zu der Einrichtung nur missbräuchlich, wenn sie geeignet ist, jeglichen Wettbewerb auf dem abgeleiteten Markt auszuschalten und die Einrichtung selbst in dem Sinne unentbehrlich ist, dass kein tatsächlicher oder potenzieller Ersatz für sie bestünde.563 Mithin verknüpft der Gerichtshof die Unentbehrlichkeit des Zugangs zu der Infrastruktureinrichtung mit den wettbewerbsschädlichen Auswirkungen der Zugangsverweigerung auf dem abgeleiteten Markt.564 Ausdrücklich stellt der EuGH dabei zwar auf die Unentbehrlichkeit des Zugangs für den konkreten Zugangspetenten ab.565 562 Komm., ICG v. CCI Morlaix, XXV. Bericht über die Wettbewerbspolitik (1995), § 43; Mitteilung über die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf Zugangsvereinbarungen im Telekommunikationsbereich, ABl.EG 1998 Nr. C 265/2, 15 (Tz. 87); Bellamy/Child, Rn. 9-102; Wiedemann/de Bronett, Hdb. KartR, § 22 Rn. 66; Koenig/Kulenkampff/Kühling/Loetz/Smit S. 272, a. A. Hohmann, S. 112; Mennicke, ZHR 160 (1996), 626, 652 f.; Temple Lang, 1 J. of Network Industries (2000), 375, 385. 563 EuGH, Urt. vom 26. Nov. 1998, Rs. C 7/97 (Oscar Bronner), Slg. 1998 I-7791, 7831 (Rn. 41). 564 Scherer, MMR 1999, S. 319.
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Im Zusammenhang mit der möglichen Schaffung einer konkurrierenden Infrastruktur objektiviert der Gerichtshof jedoch dieses Kriterium566: Er stellt fest, dass keine Hindernisse ersichtlich sind, die jeden anderen Verleger von Tageszeitungen von der Schaffung eines eigenen Zustellsystems abhalten würden, d.h. er stellt auf die Position eines dem konkreten Antragsteller vergleichbaren Unternehmens ab. Der Gerichtshof folgt darin den Ausführungen des Generalanwalts, dem zufolge die Zugangsverweigerung nur dann missbräuchlich sei, wenn der Markteintritt nicht nur für den konkreten Antragsteller, sondern auch für jedes andere Unternehmen sehr schwierig ist.567 Um auf dem Sekundärmarkt tätig werden zu können, muss also nicht nur der Zugangspetent selbst, sondern jedes Unternehmen in vergleichbarer Position auf die Mitbenutzung der Infrastruktureinrichtung angewiesen sein.568 Dieser Ansatz überzeugt, da er den Zweck des Missbrauchtatbestands des Art. 82 EG, den Wettbewerb auf dem abgeleiteten Markt, nicht aber konkrete Wettbewerber zu schützen, in Rechnung stellt.569 Die Mehrheit des Schrifttums verfolgt diesen Ansatz weiter und folgert daraus, dass die Verweigerung des Zugangs keinen Missbrauch i. S. d. Art. 82 EG darstellen könne, wenn auf dem Sekundärmarkt Wettbewerb herrsche, denn dann sei die Mitbenutzung nicht notwendig, um dort Wettbewerb zu schaffen.570 Fraglich ist nur, welche Anforderungen an die Wettbewerbsintensität auf dem Sekundärmarkt zu stellen sind. Einer Ansicht zufolge müsse auf dem Sekundärmarkt wirksamer Wettbewerb i. S. d. Art. 3 lit. g EG herrschen, der als die möglichst optimale Versorgung der Verbraucher mit Produkten der erwünschten Qualität zu günstigen Preisen verstanden wird.571 Dem wird jedoch zu Recht entgegengehalten, dass Wettbewerb gerade dadurch charak565 EuGH, Urt. vom 26. Nov. 1998, Rs. C 7/97 (Oscar Bronner), Slg. 1998 I-7791, 7831 (Rn. 41). 566 So ausdrücklich Schlussanträge von GA Jacobs in: EuGH, Urt. vom 26. Nov. 1998, Rs. C 7/97 (Oscar Bronner), Slg. 1998 I-7814 (Tz. 66), dem implizit folgend EuGH, Urt. vom 26. Nov. 1998, Rs. C 7/97 (Oscar Bronner), Slg. 1998 I-7791, 7832 (Tz. 44–46); Fleischer/Weyer, WuW 1999, 350, 360 f.; Hohmann, S. 61; Temple Lang, 1 J. of Network Industries (2000), 375, 380 f. 567 Schlussanträge von GA Jacobs, Slg. 1998 I-7813 f. (Tz. 66). 568 Ebenso z. B. Hohmann, S. 61. 569 Vgl. etwa Fleischer/Weyer, WuW 1999, 350, 361; Koenig/Kulenkampff/Kühling/Loetz/Smit S. 269 f.; Temple Lang, 1 J. of Network Industries (2000), 375, 383. 570 Ein solches Korrektiv fordert die herrschende Meinung im Schrifttum, vgl. Deselaers, EuZW 1995, 563, 566; Fleischer/Weyer, WuW 1999, 350, 361; Hohmann S. 61; Koenig/Kulenkampff/Kühling/Loetz/Smit, S. 269; Mennicke, ZHR 160 (1996), 626, 654; Müller, EuZW 1998, 232, 235; Overd/Bishop, ECLR 1998, 184; Temple Lang, 1 J. of Network Industries (2000), 375, 383. 571 Deselaers, EuZW 1995, 563, 566.
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terisiert wird, dass sich keine gesicherten Aussagen über eine angemessene Versorgungslage oder einen angemessenen Preis treffen lassen.572 Andere Autoren fordern, dass das die Infrastruktur kontrollierende Unternehmen auch auf dem abgeleiteten Markt beherrschend sein müsse, d.h. dass es über eine beherrschende Stellung auf dem Primär- und dem Sekundärmarkt verfügen müsse.573 Das Kriterium der Beherrschung des abgeleiteten Marktes wird von anderen wiederum als zu streng betrachtet, genügen soll bereits eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs.574 Eine andere Auffassung lässt demgegenüber eine dominante Stellung des Betreibers der Infrastruktur auf dem Sekundärmarkt nicht ausreichen, um die Verweigerung der Mitbenutzung als Missbrauch i. S. d. Art. 82 EG zu qualifizieren. Notwendig sei vielmehr, dass der Wettbewerb auf dem abgeleiteten Markt völlig zum Erliegen komme.575 Zur Begründung, welche der zitierten Meinungen nach hier vertretener Auffassung vorzugswürdig ist, soll darauf hingewiesen werden, dass auch ein beherrschendes Unternehmen grundsätzlich nicht dazu verpflichtet ist, Einrichtungen, die es mit leistungsgerechten Mitteln geschaffen hat, mit Wettbewerbern zu teilen576. Das Recht eines Unternehmens, seine Handelspartner frei zu wählen und über sein Eigentum nach eigenem Ermessen zu verfügen, ist ein allgemeiner Grundsatz der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten und in einigen Fällen sogar verfassungsrechtlich garantiert.577 Die Verweigerung des Zugangs zu einer selbst geschaffenen Einrichtung ist nur unter „außergewöhnlichen Umständen“ als Verstoß gegen Art. 82 EG zu werten, wie der Europäische Gerichtshof sowohl im Magill- als auch im Bronner-Urteil formulierte578 und im Schrifttum ebenfalls betont wird.579 572 Möschel in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 82 EGV, B., Rn. 241 sowie in Rn. 140 ff. zu den Problemen der Feststellung angemessener Preishöhen. 573 Klimisch/Lange, WuW 1998, 15, 23; Temple Lang, 1 J. of Network Industries (2000), 375, 384. 574 Schwintowski, WuW 1999, 842, 850. 575 Fleischer/Weyer, WuW 1999, 350, 361. 576 Möschel in: Immenga/Mestmäcker EG-WbR I, Art. 82 EGV, B., Rn. 239; ebenso Deselaers, EuZW 1995, 563, 564; Fleischer/Weyer, WuW 1999, 350, 355; Koenig/Loetz, EWS 2000, 377, 381. 577 Schlussanträge von GA Jacobs in: Bronner, Slg. 1998 I-7808 (Tz. 56). Vgl. dazu auch EuGH vom 8. Juni 1971, Rs. 78/70, Slg. 1971, 487 (Deutsche Grammophon/Metro; „Tonträger“). Ausführlich zur verfassungsrechtlichen Problematik Bittner, S. 127 ff. m. w. N. 578 EuGH, Urt. vom 6. April 1995, verb. Rs. C-241/91 P u. C-242/91 P (RTE und ITP), Slg. 1995 I-743, 823 (Rn. 49 f.); EuGH, Urt. vom 26. Nov. 1998, Rs. C 7/97 (Oscar Bronner), Slg. 1998 I-7791, 7831 (Rn. 39). 579 Vgl. statt aller Möschel in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 82 EGV, B., Rn. 239.
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Dem Charakter des Konzepts der wesentlichen Einrichtung als Ausnahmetatbestand tragen die Autoren Rechnung, denen zufolge der Wettbewerb auf dem abgeleiteten Markt völlig zum Erliegen kommen muss. Folgte man den anderen Ansätzen, so wäre eine Ausdehnung des auf Art. 82 EG gestützten Zulassungszwangs zu befürchten. Dadurch würde das Verhältnis zwischen Privatautonomie als Regelfall und Kontrahierungszwang als Ausnahmetatbestand in der europäischen Wirtschaftsordnung konterkariert. Ökonomische Gründe sprechen ebenfalls für eine strikte Beachtung dieses Regel-Ausnahme-Verhältnisses. Zumindest in den Fällen, in denen Infrastrukturen nicht aufgrund (früherer) staatlicher Monopole geschaffen wurden, ist davon auszugehen, dass Unternehmen wohlfahrtsfördernde Einrichtungen schaffen, um sich Wettbewerbsvorteile gegenüber den Konkurrenten zu verschaffen. Durch die Verpflichtung, die Einrichtung für Mitbewerber zu öffnen, verliert der Inhaber seinen Wettbewerbsvorteil. Gleichzeitig sinken die Anreize für Unternehmen, zukünftig in die Entwicklung innovativer Infrastruktur zu investieren, da sie Zulassungsbegehren fürchten müssen, die wiederum zum Verlust des Wettbewerbsvorteils führen würden.580 Des Weiteren sinken die Anreize für Mitbewerber, Alternativen zu der den Primärmarkt bedienenden Einrichtung des Marktbeherrschers zu entwickeln, da sie zur Erreichung des Sekundärmarkts die Mitbenutzung der bestehenden Einrichtung verlangen können.581 Aufgrund der rechtlichen und ökonomischen Argumente, die für eine strikte Beachtung des Verhältnisses zwischen negativer Vertragsfreiheit als Regel und dem Zulassungszwang als Ausnahme sprechen, sind hohe Anforderungen zu stellen, um eine auf das Konzept der wesentlichen Einrichtung gestützte Marktöffnung zu rechtfertigen. Die Verweigerung des Zugangs zu einer Einrichtung oder Infrastruktur des Marktbeherrschers ist folglich nur dann als Missbrauch i. S. d. Art. 82 EG zu qualifizieren, wenn auf dem abgeleiteten Markt nicht einmal die grundlegenden Anforderungen eines funktionierenden Wettbewerbs erfüllt sind.582 Eine Beeinträchtigung des 580 Vgl. etwa Schlussanträge von GA Jacobs in: Bronner, Slg. 1998 I-7814 (Rn. 57); Wiedemann/de Bronett, Hdb. KartR, § 22 Rn. 65; Fleischer/Weyer, WuW 1999, 350, 356; Möschel in: Immenga/Mestmäcker, GWB § 19 Rn. 185; a. A. von Weizsäcker, WuW 1997, S. 579. 581 Fleischer/Weyer, WuW 1999, 350, 356; Koenig/Loetz, EWS 2000, 377, 383. 582 So Koenig/Loetz, EWS 2000, 377, 381, die den Ausschluss des Missbrauchs bei Erfüllung der „grundlegenden Anforderungen eines funktionierenden Wettbewerbs“ auf dem abgeleiteten Markt als teleologisches Korrektiv aus Art. 82 EG herleiten; noch strenger Fleischer/Weyer, WuW 1999, 350, 361, die einen Missbrauch nur bejahen, wenn der Wettbewerb auf dem Sekundärmarkt völlig zum Erliegen kommt. Weniger streng wohl Möschel in: Immenga/Mestmäcker, GWB § 19 Rn. 185, der eine „gewisse Nachhaltigkeit der verfestigten Monopolstellung“ für erforderlich hält.
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Wettbewerbs und sogar eine beherrschende Stellung des Infrastrukturbetreibers auf dem Sekundärmarkt reichen dagegen für die Bejahung eines Missbrauchs nicht aus. 5. Das Konzept der wesentlichen Einrichtung im Bereich des Art. 81 EG Eine Absprache des Betreiberkonsortiums eines elektronischen Marktplatzes, bestimmte Unternehmen nicht zum Handel zuzulassen, kann auch gegen Art. 81 Abs. 1 EG verstoßen. Ein in rechtlicher Hinsicht vergleichbarer Fall lag der Entscheidung des Gerichts erster Instanz in der Sache European Night Services zugrunde.583 European Night Services (ENS) war ein Gemeinschaftsunternehmen verschiedener europäischer Eisenbahnen, die Nachtzugverbindungen zwischen Kontinentaleuropa und Großbritannien durch den Kanaltunnel betreiben wollten. Die Gründer verpflichteten sich, dem Unternehmen die für den Einsatz im Kanaltunnel notwendigen speziellen Lokomotiven samt dem dazugehörigen Personal sowie ihr Streckennetz zur Verfügung zu stellen. Die Kommission überprüfte die Gründung des Gemeinschaftsunternehmens an dem damals in Art. 85 Abs. 1 EGV kodifizierten Kartellverbot und erblickte darin eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung. Daraufhin stellte sie ENS vom Kartellverbot frei, verknüpfte mit dieser Entscheidung jedoch die Auflage an die Gründer, diese Leistungen allen interessierten Bahn- und Verkehrsunternehmen, die Nachtzugverbindungen durch den Eurotunnel anbieten wollten, zu den gleichen Bedingungen anzubieten wie ENS.584 Diese Entscheidung der Kommission hatte vor dem Gericht erster Instanz jedoch keinen Bestand. Die Gründer oder das von ihnen geschaffene Gemeinschaftsunternehmen würden nur dann über für den Zugang zu einem relevanten Markt wesentliche Infrastrukturen oder Dienstleistungen verfügen, wenn diese nicht austauschbar seien und wenn es aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften, insbesondere der prohibitiv hohen Kosten ihrer erneuten Bereitstellung und/oder des dafür erforderlichen Zeitraums, keine gangbaren Alternativen zu deren Nutzung für die potenziellen Wettbewerber des Gemeischaftsunternehmes gäbe, weshalb diese vom Markt ausgeschlossen würden.585 Nach Auffassung des Gerichts verfügten weder die Eisen583 EuG, Urt. vom 15. Sept. 1998, verb. Rs. 374/94, 375 /94, 388/94 (European Night Services), Slg. 1998 II-3141 ff. 584 Komm, E. vom 21. Sept. 1994, Sache IV/34.600 (Night Services), ABl.EG 1994 Nr. L 259/20, 26 (Art. 2). 585 EuG, Urt. vom 15. Sept. 1998, verb. Rs. 374/94, 375 /94, 384/94, 388/94 (European Night Services), Slg. 1998 II-3141, 3223 f. (Rn. 209).
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bahngesellschaften, die ENS gegründet hatten, noch das Gemeinschaftsunternehmen selbst über solche wesentlichen Infrastrukturen oder Erzeugnisse. Denn es sei nicht ersichtlich, dass mögliche Wettbewerber von ENS die notwendigen Lokomotiven und das Zugpersonal nicht auf dem Markt erwerben oder anmieten könnten. Der diskriminierungsfreie Zugang zum Streckennetz sei bereits durch die Richtlinie vom 29. Juli 1991 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft vorgeschrieben.586 Folglich sei die den Gründern von ENS gemachte Auflage unnötig. Den Anforderungen, die das Gericht an die Wesentlichkeit stellt, ist zu entnehmen, dass es nicht danach differenziert, ob die Infrastruktur von einem oder von mehreren Unternehmen geschaffen wurde. Im Gegensatz zur US-amerikanischen essential facilities-Doktrin kommt es also bei der europäischen Variante für den Begriff der Wesentlichkeit nicht auf die Anzahl der Einrichtungsinhaber an.587 Dennoch wird Art. 81 EG für mögliche Zulassungsbegehren ausgeschlossener Unternehmen wohl nicht die gleiche Bedeutung erlangen wie Art. 82 EG. Denn im Gegensatz zu einem Verstoß gegen Art. 82 EG führt ein Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG nicht zu einem Kontrahierungszwang, sondern lediglich zur Nichtigkeit der fraglichen Absprache.588 Aufgrunddessen werden Zugangspetenten in der Praxis eher einen Verstoß gegen Art. 82 EG geltend machen, auch wenn sie die Zulassung zu einem Konsortialmarktplatz begehren. 6. Anwendung auf elektronische Marktplätze Ein Rechtsanspruch eines Unternehmens auf Zugang zu einer von einem oder mehreren anderen Unternehmen betriebenen B2B-Internetplattform könnte dann bestehen, wenn die Zugangsverweigerung den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung i. S. d. Art. 82 EG darstellt. Dafür müsste der elektronische Marktplatz zunächst eine beherrschende Stellung auf dem Markt für die Vermittlungsleistungen von Internetplattformen inne haben. Des Weiteren müsste die Verweigerung des Zugangs zu diesem missbräuchlich sein. Dafür müsste der elektronische Marktplatz für die Ausübung der Tätigkeit des Nachfragers in dem Sinne unentbehrlich sein, dass kein tatsächlicher oder potenzieller Ersatz für ihn bestünde, d.h. dass durch die Verweigerung des Zugangs jeglicher Wettbewerb auf einem abgeleiteten Markt nicht nur durch den Nachfrager, sondern durch jedes an586 Richtlinie 91/440/EWG des Rates zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft vom 29. Juli 1991, ABl.EG 1991 Nr. L 237/25 ff. 587 Vgl. dazu Beckmerhagen, S. 272. 588 Bahr, WuW 2002, 230, 241; Gounalakis/Lochen, ZHR 167 (2003), 632, 661; Köhler, K&R 2000, 569, 573.
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dere Unternehmen ausgeschaltet würde.589 Die Ablehnung des Zugangsbegehrens dürfte darüber hinaus nicht sachlich gerechtfertigt sein. a) Beherrschende Stellung auf dem Primärmarkt Zunächst müsste der elektronische Marktplatz, zu dem Zugang begehrt wird, mithin eine marktbeherrschende Stellung auf dem Primärmarkt, also auf dem Markt für die von Internetplattformen erbrachten Vermittlungsleistungen, einnehmen. aa) Definition Der EG-Vertrag enthält keine Definition des Begriffs der beherrschenden Stellung in Art. 82 EG; diese wurde in der Praxis des Europäischen Gerichtshofs und der Kommission entwickelt. Danach ist ein Unternehmen marktbeherrschend, wenn seine wirtschaftliche Machtstellung es in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und den Verbrauchern gegenüber in einem nennenswerten Umfang unabhängig zu verhalten.590 Die Feststellung der Marktbeherrschung ergibt sich aus einer wertenden Gesamtschau von Marktstruktur- und Unternehmensstrukturkriterien sowie des Marktverhaltens.591 Das größte Gewicht kommt dabei der Marktstrukturanalyse zu, deren zentrales Kriterium der Marktanteil ist.592 Der ständigen Rechtsprechung des EuGH zufolge können bei Nichtvorliegen außergewöhnlicher Umstände besonders hohe Marktanteile ohne weiteres den Beweis für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung liefern.593 589 Diese beiden vom Gerichtshof im Bronner-Urteil verwendeten Merkmale überschneiden sich weithin, vgl. Fleischer/Weyer, WuW 1999, 350, 357 f. Während das erste Kriterium – die Ausschaltung jeglichen Wettbewerbs – die Wettbewerbsverhältnisse auf dem Sekundärmarkt im Blick hat, dient das zweite Kriterium – Unentbehrlichkeit der Dienstleistung – der Untersuchung, ob den Konkurrenzunternehmen andere Einrichtungen auf dem Primärmarkt zur Verfügung stehen, auf die sie ausweichen könnten (und die sie ggf. selbst schaffen müssten). 590 EuGH, Urt. vom 14. Feb. 1978, Rs. 27/76 (United Brands), Slg. 1978, 207, 286 (Tz. 63/66); Urt. vom 13. Feb. 1979, Rs. 85/76 (Hoffmann-La Roche), Slg. 1979, 461, 520 (Tz. 38). Kritisch zu diesem Ansatz in jüngerer Zeit etwa Azevedo/Walker, Market Dominance: Measurement Problems and Mistakes, ECLR 2003, 640 ff. 591 Möschel in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 82 EGV, B., Rn. 73. 592 Bellamy/Child, Rn. 9-039; Möschel in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 82 EGV, B., Rn. 73. 593 EuGH, Urt. vom 13. Feb. 1979, Rs. 85/76 (Hoffmann-La Roche), Slg. 1979, 461, 521 (Tz. 41); Urt. vom 3. Juli 1991, Rs. C-62/86 (AKZO), Slg. 1991 I-3359, 3453 (Tz. 60).
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Unterhalb dieser Schwelle sind weitere Faktoren zu berücksichtigen, insbesondere der relative Marktanteil, d.h. der Abstand des Marktführers zu seinen Konkurrenten, die Struktur der konkurrierenden Unternehmen, also zum Beispiel deren Größe und Finanzkraft, sowie die Möglichkeit potenziellen Wettbewerbs.594 Eine Verhaltensbegrenzung durch potenziellen Wettbewerb ist anzunehmen, wenn konkrete Anhaltspunkte für den möglichen Eintritt von Konkurrenten in den Markt vorliegen; dafür können beispielsweise ungenutzte Produktionskapazitäten von Wettbewerbern595, deren Fähigkeit zu einer Umstellung der Produktion596 oder die Tatsache sprechen, dass ein ehemaliger Abnehmer begonnen hat, das Produkt selbst herzustellen.597 Eng damit verbunden ist die wichtige Frage nach dem Vorhandensein von Marktzutrittsschranken, d.h. nach den Schwierigkeiten, denen Unternehmen beim Zutritt auf den fraglichen Markt begegnen würden.598 Zu berücksichtigen sind insbesondere administrative Hindernisse599, die Notwendigkeit hoher Anfangsinvestitionen und lange Amortisationszeiträume für einmal investierte Mittel.600 Das Verhältnis zwischen der Berücksichtigung der Marktanteile und der übrigen Kriterien könnte als umgekehrt proportional bezeichnet werden: Je höher der Marktanteil des potenziell beherrschenden Unternehmens, desto weniger stark müssen die übrigen Faktoren berücksichtigt werden, um eine Beherrschung nachzuweisen.601 Bei Marktanteilen von über 75% liegt gewöhnlich eine Marktbeherrschung vor.602 Betragen sie zwischen 75% und 40%, ist das Unternehmen regelmäßig marktbeherrschend, wenn gleichzeitig andere Faktoren vorliegen.603 Selbst bei Marktanteilen zwischen 40% 594
Möschel in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 82 EGV, B., Rn. 75 f. EuGH, Urt. vom 13. Feb. 1979, Rs. 85/76 (Hoffmann-La Roche), Slg. 1979, 461, 524 (Tz. 48) und 527 (Tz. 55). 596 EuGH, Urt. vom 21. Feb. 1973, Rs. 6/72 (Continental Can), Slg. 1973, 215, 248 f. (Tz. 33). 597 EuGH, Urt. vom 21. Feb. 1973, Rs. 6/72 (Continental Can), Slg. 1973, 215, 250 (Tz. 36). 598 Vgl. Definition von Bellamy/Child, Rn. 9-048. 599 Komm., E. vom 21. Dez. 1988, Sache IV/30.979 u. 31.394 (Decca Navigator System), ABl.EG 1989 Nr. L 43, 27, 41 (Tz. 92). 600 EuGH, Urt. vom 14. Feb. 1978, Rs. 27/76 (United Brands), Slg. 1978, 207, 291 (Tz. 121/124). 601 Vgl. Möschel in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 82 EGV, B., Rn. 83, der von einer „Art Verhältnismäßigkeit“ spricht. 602 EuGH, Urt. vom 13. Feb. 1979, Rs. 85/76 (Hoffmann-La Roche), Slg. 1979, 461, 527, 529 (Tz. 56, 60); Ritter/Braun/Rawlinson, S. 280. 603 Komm., E. vom 17. Dez. 1975, Sache IV/26.699 (Chiquita), ABl.EG 1976 Nr. L 95/1, 12 ff.; bestätigt durch EuGH, Urt. vom 14. Feb. 1978, Rs. 27/76 (United Brands), Slg. 1978, 207, 290 (Tz. 108/110); ebenso Ritter/Braun/Rawlinson, S. 280. 595
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und 25% ist eine beherrschende Stellung nicht ausgeschlossen, wenn gewichtige Gründe für deren Annahme sprechen, insbesondere ein großer Abstand zu den Konkurrenten und eine ökonomische oder technische Überlegenheit des Marktführers.604 bb) Anwendbarkeit der hergebrachten Kriterien auf neue Technologien? Einigen Stimmen zufolge sind die gerade genannten kartellrechtlichen Kriterien bei der Analyse des Marktes für die von B2B-Plattformen erbrachten Vermittlungsleistungen nicht anwendbar, da dieser Markt Teil der „New Economy“ sei. Gewisse Bereiche der „New Economy“ seien durch ökonomische Besonderheiten geprägt, die sie von traditionellen Wirtschaftszweigen unterschieden.605 So weise die Kostenstruktur in der „New Economy“ oft hohe Fixkosten und niedrige Grenzkosten auf, d.h. es seien bedeutende Investitionen in Infrastruktureinrichtungen notwendig.606 Typisch seien weiterhin die bereits geschilderten Netzeffekte. Darüber hinaus sei der Wettbewerb in den Sektoren der „New Economy“ dynamisch und nicht statisch; er finde nicht im Markt, sondern um den Markt statt. Erfolgreiche Unternehmen nähmen mithin typischerweise eine dominante Stellung oder sogar eine Monopolstellung ein.607 Diese beherrschende Stellung sei jedoch durch die mögliche Entwicklung neuer, innovativer Produkte und Dienstleistungen bedroht. Wäre das marktstarke Unternehmen nicht zur Innovation in der Lage, würde es durch einen innovativeren Mitbewerber von seiner Position verdrängt.608 Insofern sei es innovations- und wettbewerbsfeindlich, von hohen Marktanteilen der „flüchtigen Monopolisten“ im Bereich der New Economy auf eine marktbeherrschende Stellung zu schließen. Da das europäische Recht marktmächtigen Unternehmen eine „spezifische Verantwortung“ für den Markt auferlege, würden Unternehmen mit hohen Marktanteilen an einer entschiedenen und gleichberechtigten wettbewerblichen Auseinandersetzung mit ihren Konkurrenten gehindert. Statt die Marktmacht eines Unternehmens vor allem an seinem Marktanteil fest604 Dirksen in: Langen/Bunte, Bd. 2, Art. 82 Rn. 51; Möschel in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 82 EGV, B., Rn. 84. 605 Ahlborn/Evans/Padilla, ECLR 2001, 156, 159 ff.; Ahlborn/Seeliger, EuZW 2001, 552, 555. 606 Ahlborn/Evans/Padilla, a. a. O., 159; Ahlborn/Seeliger, a. a. O., 555; Heinemann in: Büllesbach/Dreier, 79, 84. 607 Ahlborn/Evans/Padilla, a. a. O., 160 f.; Ahlborn/Seeliger, a. a. O., 555. 608 Ahlborn/Evans/Padilla, a. a. O., 161; Ahlborn/Seeliger, a. a. O.; Veljanovski, ECLR 2001, 115, 117.
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zumachen, sei ein Abstellen auf die Angreifbarkeit seiner Marktposition vorzugswürdig.609 Die Angreifbarkeit eines Marktes ist entscheidend von der Höhe der irreversiblen Kosten abhängig, die der Markteintritt eines neuen Wettbewerbers verursachen würde.610 Irreversible Kosten (sunk costs) sind die Investionen, die für einen Markteintritt aufgebracht werden müssen und für die es im Falle eines späteren Austritts aus dem Markt keine alternativen Verwendungsmöglichkeiten mehr gäbe, die also größtenteils wertlos würden. Sind die irreversiblen Kosten so hoch, dass sie potenzielle Wettbewerber vom Eintritt in den Markt abzuschrecken vermögen, ist die Stellung des dominanten Unternehmens nicht angreifbar. Dieses Urteil erfordert allerdings eine Prognose, in die zukünftig zu erwartende technische und wirtschaftliche Entwicklungen einzubeziehen sind, weshalb gewisse Unsicherheiten bleiben.611 Habe ein marktmächtiges Unternehmen hohe Anteile auf einem angreifbaren Markt erreicht, sei seine Position durch den möglichen Markteintritt von Wettbewerbern dennoch gefährdet, so dass es ihm nicht möglich sei, sich seinen potenziellen Mitbewerbern gegenüber unabhängig zu verhalten.612 Dem Vorbringen der Autoren ist insoweit zuzustimmen, als dass bei der kartellrechtlichen Beurteilung von B2B-Plattformen deren ökonomische Besonderheiten zu berücksichtigen sind. Problematisch erscheint jedoch bereits die Prämisse, wonach B2B Exchange Märkte die beschriebenen wirtschaftlichen Besonderheiten der „New Economy“ aufwiesen. Zwar wurde die Gründung elektronischer Marktplätze erst durch die weitverbreitete Nutzung des Internet und die Entwicklung leistungsfähiger Hard- und Software möglich. Darüber hinaus treten Netzwerkeffekte auf. Andere Eigenschaften von neuen Technologiemärkten treten dagegen bei B2B-Marktplätzen in den Hintergrund. So ist nicht unbedingt zu erwarten, dass eine marktstarke B2B-Plattform von einer innovativeren Neugründung vom Markt verdrängt würde. Denn im Endeffekt handelt es sich bei B2B-Plattformen um Absatz- und Beschaffungslösungen für Unternehmen, deren Erfolg mehr von der Identität ihrer Nutzer als von der Qualität der angebotenen Technologien abhängt. Hier liegt ein entscheidender Unterschied zwischen den Märkten für B2B-Vermittlungsleistungen und anderen Bereichen der sog. „New Economy“, wie etwa Märkten für Mobilfunk oder 609
Ahlborn/Evans/Padilla, a. a. O., 162. Klimisch/Lange, WuW 1998, 15, 17. 611 Vgl. dazu Klimisch/Lange, WuW 1998, 15, 17 f. 612 Als Beispiel für einen Produktmarkt, auf den diese Analysemethode angewandt werden könnte, führen die Autoren den Markt für Mobiltelefone an, siehe Ahlborn/Evans/Padilla, ECLR 2001, 156, 162. 610
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Internetzugang. Während die Identität der anderen Nutzer bei der Auswahl etwa eines Internet Service Providers nicht entscheidend ist613, dürfte für den B2B-Interessenten die Identität der auf einer Plattform versammelten Anbieter und Nachfrager entscheidend sein. Einer neuen Plattform müsste es gelingen, die wichtigsten Nutzer des Marktbeherrschers abzuwerben. Wenn es sich bei dem Marktbeherrscher um eine Konsortialplattform handelt, deren Betreiber ihre Stellung auf den zugrundeliegenden Produktmärkten nutzen, um andere Marktteilnehmer zur Nutzung ihrer Plattform zu bewegen, dürfte eine Abwerbung auch dann scheitern, wenn die neue Plattform tatsächlich technisch überlegen wäre.614 Das Bild vom „flüchtigen Monopol“, welches ständig durch Innovationen der Mitbewerber bedroht sei und deshalb nicht zur Feststellung von Marktmacht tauge, stimmt zumindest im Bereich der Konsortialmarktplätze, und damit in weiten Teilen des B2B-Markts, mit der Wirklichkeit nicht überein.615 Die Problematik der Konsortialmarktplätze zeigt gleichzeitig, dass der Begriff der Angreifbarkeit der Marktposition zumindest im B2B-Kontext nicht geeignet ist, den Marktanteil als zentrales Kriterium für die Bestimmung der Marktmacht eines Unternehmens abzulösen. Zwar sind die beim Aufbau einer neuen Internetplattform anfallenden irreversiblen Kosten überschaubar, was für eine Angreifbarkeit der bestehenden B2B-Handelsplätze sprechen würde. Nehmen die Gründer der marktstarken Plattform jedoch gleichzeitig eine starke Stellung auf den zugrundeliegenden Warenmärkten ein, dürfte deren Marktposition dennoch nur schwer angreifbar sein. Man könnte allenfalls für die Ermittlung der Angreifbarkeit nicht nur auf die Kosten der Schaffung einer neuen Plattform, sondern auch auf die Stellung der Plattformgründer auf den vor- oder nachgelagerten Märkten abstellen. Bei diesen handelt es sich jedoch im Regelfall nicht um neue Technologiemärkte, so dass die Marktposition der handelnden Unternehmen wiederum anhand der allgemeinen Kriterien zu ermitteln wäre, d.h. auch anhand des Marktanteils. Mittelbar würde der Marktanteil also doch in die Betrachtung einbezogen. Das Abstellen auf das Kriterium der Angreifbarkeit würde folglich nicht mit einem Erkenntnisgewinn einhergehen. 613 Die Identität der anderen Nutzer kann bei der Auswahl eines Mobilfunkanbieters insofern eine Rolle spielen, als dass bei Telefonaten innerhalb eines Netzes günstigere Preise gelten. Dann richtet sich die Auswahl aber mehr nach dem im eigenen Bekanntenkreis vorwiegend genutzten Netz als nach der Gesamtheit der anderen Netznutzer. 614 Auch Ahlborn/Seeliger, EuZW 2001, 552, 555 führen aus, dass die Plattformbetreiber ihre Stellung auf den Waren- und Dienstleistungsmarkt nutzen könnten, um andere Marktteilnehmer auf ihren B2B zu ziehen. Sie diskutieren jedoch nicht, ob diese Möglichkeit Implikationen auf das Erfordernis kontinuierlicher Innovation hat, das ihrer Aussage nach typisch für New Economy-Märkte sei. 615 Ebenso, aber ohne ausführliche Begründung, Lange, EWS 2000, 291, 297.
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Darüber hinaus bleibt bei dem genannten Ansatz unklar, inwieweit die Unterschiede zwischen der Marktbeherrschung i. S. d. Art. 82 EG und der Fusionskontrollverordnung in die Betrachtung einbezogen werden. Wenn die Vertreter der o. g. Ansicht etwa argumentieren, dass Marktführer auf neuen Technologiemärkten aufgrund des Innovationstempos in den meisten Fällen ihre Stellung nicht länger als zehn Jahre aufrechterhalten konnten, so wäre dies eher bei Fusionskontrollverfahren zu berücksichtigen als bei der Prüfung von Art. 82 EG. Denn bei der Feststellung einer beherrschenden Stellung i. S. d. Art. 82 EG kommt es auf die aktuellen Marktbedingungen an. Im Gegensatz dazu ist im Rahmen der Fusionskontrolle auf die Veränderungen infolge des in Frage stehenden Zusammenschlusses abzustellen, also auf eine Prognose der zukünftigen Marktbedingungen.616 In der Tat scheinen einige Autoren bei ihren Ausführungen eher die Fusionskontrolle im Blick zu haben als Art. 82 EG.617 Die Gefahr des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung besteht jedenfalls nicht nur im Falle mittel- bis langfristiger Dominanz eines Unternehmens, sondern auch dann, wenn das Unternehmen zeitweilig über eine beherrschende Stellung verfügt.618 Die Perspektive, dass mittel- bis langfristig mit einem Markteintritt von Konkurrenten zu rechnen ist, lässt nicht den wettbewerbswidrigen Effekt einer eventuell missbräuchlichen Verhaltensweise des Marktbeherrschers entfallen.619 Somit sind die herkömmlichen kartellrechtlichen Kriterien zur Feststellung, ob ein Unternehmen über eine marktbeherrschende Stellung verfügt, auch auf den Markt für die von B2B-Internetplattformen erbrachten Vermittlungsleistungen anzuwenden.620 cc) Beherrschung des Marktes für B2B-Vermittlungsleistungen Angesichts der großen Anzahl horizontaler und vertikaler B2B-Internetplattformen, die Unternehmenskunden vieler Branchen derzeit offen stehen, erscheint es zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zwingend, dass sich auf dem Markt für deren Vermittlungsleistungen beherrschende Stellungen herausbilden könnten.621 Auszuschließen ist eine solche Entwicklung jedoch 616
Vgl., statt aller, Hoffmann/Terhechte, AG 2003, 415, 416. So etwa Veljanovski, ECLR 2001, 115, 117, der in seinen Ausführungen zur Marktbeherrschung ausdrücklich zu Zusammenschlüssen Stellung nimmt ([The Commission’s] attempts to block mergers to maintain a fragmented industry would impose heavy costs in terms of higher prices to consumers, less innovations and lower productivity). 618 Monti, European Competition Policy for the 21st Century, S. 5 (2000). 619 Vgl. Möschel in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 82 EGV, B., Rn. 74. 620 Im Erg. ebenso, allerdings ohne Diskussion, Heinemann in: Büllesbach/ Dreier, 79, 96 f. 617
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nicht. Zwar sind viele B2B-Plattformen heute noch in nennenswertem Umfang dem Wettbewerb traditioneller Absatzdienstleistungen ausgesetzt, was das Erreichen einer dominanten Stellung erschwert. Mit fortschreitender Entwicklung des elektronischen Geschäftsverkehrs zwischen Unternehmen wird der Grad dieser Austauschbarkeit jedoch wahrscheinlich abnehmen. Erinnert sei an das im Zusammenhang mit der Abgrenzung der relevanten Produktmärkte erwähnte Beispiel der computergestützten Flugreservierungssysteme, welches eine Parallelentwicklung nahe legt.622 Von dem derzeitigen Erkenntnisstand ausgehend, soll im Folgenden versucht werden, Voraussetzungen zu formulieren, bei deren Eintritt eine B2B-Plattform marktbeherrschend werden könnte: Zunächst müsste eine potenziell beherrschende Plattform auf einem Markt operieren, auf dem sie nur in geringem Umfang dem Wettbewerb traditioneller Absatz- und Beschaffungsmethoden ausgesetzt ist. Dies wird umso wahrscheinlicher, je enger der relevante Produktmarkt abgegrenzt wird. Würde der relevante Markt tatsächlich auf internet-basierte Absatz- und Beschaffungsmethoden beschränkt, müsste sie dort im Vergleich zu konkurrierenden B2B-Handelsplätzen über wirtschaftliche Macht verfügen. Damit wäre zu rechnen, wenn ihre Gründungsunternehmen eine wichtige Rolle auf den Märkten der auf der Plattform gehandelten Produkte und Dienstleistungen spielen, da diese ihre Geschäftspartner auf die Plattform zu ziehen vermögen. Anderenfalls müsste sie sich in einem relativ frühen Stadium der Marktplatzgründung etabliert oder auf sonstige Weise einen hohen Bekanntheitsgrad erreicht haben, weil es unter e-commerce-Nutzern eine Tendenz gibt, unter verschiedenen Angeboten nur das bekannteste auszuwählen.623 Zusätzlich erschwert würde das Erreichen der beherrschenden Stellung, wenn es über den Kreis der Plattformgründer hinaus weitere wichtige Branchenunternehmen gäbe, die sich am Aufbau des Marktplatzes nicht beteiligt haben. Diese könnten einen anderen, bereits existierenden, Handelsplatz nutzen oder einen neuen Wettbewerber aufbauen. Darüber hinaus wäre denkbar, dass einer Internetplattform eine beherrschende Stellung zugeschrieben werden müsste, wenn sie allein einen relevanten Markt bilden würde.624 Es ist derzeit kaum abzuschätzen, ob und wann eine solche Entwicklung zu erwarten ist. 621 Bahr, WuW 2002, 230, 235 sowie Heinemann in: Büllesbach/Dreier, 79, 97, halten diese Möglichkeit sogar für derzeit fernliegend. 622 Vgl. Komm., E. vom 4. Novom 1988, Sache IV/32.318 (London European/ SABENA), ABl.EG 1988 Nr. L 317, 47 = WuW/EV 1383, in der die Komm. zu dem Schluss gelangte, dass Computerreservierungssysteme innerhalb kurzer Zeit sämtliche anderen Arten der Flugticketreservierung verdrängen würden. Ausführlich dazu oben Dritter Abschnitt, § 3, I.2.b)cc). 623 Vgl. etwa Lange, EWS 2000, 291, 296.
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b) Unentbehrlichkeit des Zugangs Wurde festgestellt, dass ein elektronischer Marktplatz tatsächlich eine beherrschende Stellung inne hat und Interessenten die Mitbenutzung verweigert, so ist zu untersuchen, ob die Zugangsverweigerung missbräuchlich ist. Dafür müsste der elektronische Marktplatz für die Ausübung der Tätigkeit der Nutzungsanwärter in dem Sinne unentbehrlich sein, dass kein tatsächlicher oder potenzieller Ersatz für ihn bestünde. Das Kriterium der Unentbehrlichkeit ist dabei in objektiver Hinsicht zu beurteilen, d.h. die Nutzung der B2B-Plattform müsste nicht nur unentbehrlich sein für das Unternehmen, welches im konkreten Fall Zugang begehrt, sondern auch für jedes andere umsichtige Unternehmen.625 aa) Existenz anderer Absatz- und Beschaffungswege Eine Ausschaltung jeglichen Wettbewerbs auf dem abgeleiteten Markt durch die Zugangsverweigerung wäre dann zu verneinen, wenn dem Interessenten außer dem elektronischen Marktplatz, der Gegenstand des Zugangsbegehrens ist, noch andere Vertriebswege zur Verfügung stünden. Der abgeleitete Markt ist der Markt für die auf der B2B-Plattform gehandelten Produkte und Dienstleistungen.626 Mithin ist zunächst zu ermitteln, ob im konkreten Fall neben dem B2B-Marktplatz noch andere Absatz- und Beschaffungswege für die betroffenen Güter genutzt werden können.627 Nach der Bronner-Rechtsprechung des EuGH ist dies nicht schon dann zu verneinen, wenn andere, zur Verfügung stehende Vermittlungsmedien im Vergleich zu dem elektronischen Marktplatz weniger günstig sind.628 Im Unterschied zur Untersuchung der Marktmacht einer Internetplattform kommt es dabei nicht auf die Substituierbarkeit der verschiedenen Vermittlungsmedien an, sondern lediglich auf die Existenz anderer Vermittlungs624 Vgl. dazu Bittner, S. 112 f., dessen Ausführungen sich allerdings nicht speziell auf Internetplattformen, sondern auf Infrastruktureinrichtungen im Allgemeinen beziehen. 625 So ausdrücklich Schlussanträge von GA Jacobs in: Bronner, Slg. 1998 I-7814 (Tz. 66), dem implizit folgend EuGH, Urt. vom 26. Nov. 1998, Rs. C 7/97 (Oscar Bronner), Slg. 1998 I-7791, 7832 (Tz. 44–46); Fleischer/Weyer, WuW 1999, 350, 360 f.; Hohmann, S. 61; Temple Lang, 1 J. of Network Industries (2000), 375, 380 f. 626 Vgl. Bahr, WuW 2002, 230, 238; Koenig/Kulenkampff/Kühling/Loetz/Smit, S. 268 f. sowie die ausführliche Marktabgrenzung oben Dritter Abschnitt, § 1. 627 Näher zur Abgrenzung des Markts für Vermittlungsleistungen von elektronischen Marktplätzen oben Dritter Abschnitt, § 1, II.2. 628 EuGH, Urt. vom 26. Nov. 1998, Rs. C 7/97 (Oscar Bronner), Slg. 1998-I 7791, 7831 (Rn. 43).
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methoden.629 Insofern ist auch eine marktbeherrschende Internetplattform keine wesentliche Einrichtung, solange noch andere Möglichkeiten des Einoder Verkaufs der fraglichen Güter und Dienstleistungen bestehen. Da andere Absatzdienstleistungen zwar weniger geeignet sein mögen als der Vertrieb über eine B2B-Plattform, aber regelmäßig auch in absehbarer Zukunft zur Verfügung stehen werden, erscheinen Fallkonstellationen, in denen bei Anwendung der strengen Bronner-Kriterien eine Ausschaltung jeglichen Wettbewerbs seitens des fraglichen Mitbewerbers durch die Zugangsverweigerung zu bejahen wäre, nur unter engen Voraussetzungen vorstellbar. Eine theoretisch denkbare Fallgestaltung sähe wie folgt aus: Würde der Sekundärmarkt, d.h. der Markt der auf dem elektronischen Marktplatz gehandelten Güter, Waren umfassen, die ausschließlich auf Internetplattformen gehandelt werden, so stünden für die betroffenen Produkte keine anderen Absatz- und Beschaffungsmethoden zur Verfügung, d.h. auch keine Methoden, die im Vergleich zur Internetplattform weniger vorteilhaft wären. Darüber hinaus müsste der B2B-Marktplatz, der Gegenstand des Zugangsbegehrens ist, nicht lediglich über eine beherrschende Stellung auf dem Primärmarkt verfügen, sondern de facto der einzige virtuelle Marktplatz sein, der für den Handel mit den betroffenen Produkten genutzt werden kann. Wäre ein Ausweichen auf andere B2B-Plattformen möglich, würde eine Einstufung der marktbeherrschenden Plattform als wesentliche Einrichtung ausscheiden. Wären die gehandelten Produkte jedoch auch durch traditionelle Vermittlungsmethoden zu beschaffen, müsste der betroffene Mitbewerber sich dieser Mittel bedienen, auch wenn sie im Vergleich zu dem elektronischen Marktplatz, zu dem Zugang begehrt wird, weniger günstig sind. Selbst offensichtliche wirtschaftliche Nachteile bzw. eine nur eingeschränkte Konkurrenzfähigkeit des betroffenen Mitbewerbers reichen nicht aus, um seinem Zugangsbegehren zum Erfolg zu verhelfen. Solche Nachteile wurden vom Europäischen Gerichtshof in der Bronner-Entscheidung, in der der Kläger, welcher Zugang zu dem Hauszustellungssystem für Tageszeitungen begehrte, auf die alternative Möglichkeit des Vertriebs von Tageszeitungen durch Postzustellung und Laden- oder Kioskverkauf verwiesen wurde, nicht berücksichtigt. Im Schrifttum diskutiert wird aber, ob andere Vertriebswege nur dann berücksichtigt werden sollten, sofern bei ihrer Nutzung ein Mindestmaß an wettbewerblicher Chancengleichheit besteht. Die Verweigerung des Zugangs zu einer Infrastruktur lasse sich überzeugender begründen, wenn abgewiesenen Interessenten nach anfänglichen Verlusten vergleichbare Absatzmöglichkeiten zur Verfügung stünden.630 Ein möglicher Hinweis auf die Be629 Vgl. Bahr, WuW 2002, 230, 238; a. A. Koenig/Kulenkampff/Kühling/Loetz/ Smit, S. 272.
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rücksichtigung dieses Kriteriums liege in den Ausführungen des Gerichtshofs im Bronner-Urteil, der sich nicht auf die Schilderung alternativer Vertriebswege beschränkte, sondern auf die Schaffung einer eigenen Infrastruktur einging.631 Würde man diesen Maßstab anlegen, so stünde angesichts der durch leistungsstarke B2B-Plattformen erzielbaren Kosten- und sonstigen Vorteile dem Zwang zur Zulassung von Wettbewerbern möglicherweise nur eine niedrige Hürde entgegen. Der Gerichtshof führte in Bronner aus, dass alternative Vertriebsmöglichkeiten für die fraglichen Güter (Tageszeitungen) existierten und von den Produzenten (Verlegern) auch in Anspruch genommen würden.632 Daraus könnte man allenfalls schließen, dass ein Ausweichen auf andere Vertriebswege nicht lediglich theoretisch denkbar, sondern auch praktisch umsetzbar sein muss. Dieser Ansatz ist im Vergleich zur Forderung nach „wettbewerblicher Chancengleichheit“ wesentlich restriktiver, stimmt jedoch eher mit dem Grundgedanken des Europäischen Gerichtshofs überein, einen Zulassungszwang nur im Falle der Ausschaltung jeglichen Wettbewerbs zu bejahen. Denn Wettbewerb würde nur dann ausgeschaltet, wenn die ohne Nutzung der Einrichtung zur Verfügung stehenden Vertriebsmöglichkeiten so gravierende Nachteile mit sich brächten, dass Konkurrenzunternehmen nicht wirtschaftlich arbeiten könnten. In dem Fall müssten die Mitbewerber über längere Sicht ihre Tätigkeit einstellen.633 Eine Ausnahme von dem Verweis auf – im Vergleich zur Mitbenutzung einer B2B-Internetplattform oder sonstigen Infrastruktur – weniger günstige Vertriebsmethoden könnte mithin allenfalls in Betracht kommen, wenn die ausgeschlossenen Unternehmen in ihrer Existenz gefährdet wären. bb) Keine Möglichkeit der Schaffung einer gleichartigen Einrichtung Des Weiteren dürfte die Schaffung eines zusätzlichen elektronischen Marktplatzes für den Zugangsinteressenten nicht möglich sein, d.h. es müssten technische, rechtliche oder wirtschaftliche Hindernisse vorliegen, die jedem vergleichbaren Unternehmen, allein oder in Kooperation mit anderen Unternehmen, die Schaffung einer entsprechenden B2B-Plattform unmöglich machen oder unzumutbar erschweren würden.634 630
So Fleischer/Weyer, WuW 1999, 350, 359. Fleischer/Weyer, a. a. O. 632 EuGH, Urt. vom 26. Nov. 1998, Rs. C 7/97 (Oscar Bronner), Slg. 1998 I-7791, 7832 (Tz. 43). 633 Vgl. Bahr, WuW 2002, 230, 238 f. 634 Vgl. EuGH, Urt. vom 26. Nov. 1998, Rs. C 7/97 (Oscar Bronner), Slg. 1998 I-7791, 7832 (Tz. 44). 631
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Es sind keine technischen oder rechtlichen Hindernisse ersichtlich, die die Errichtung eines elektronischen Marktplatzes durch ein Unternehmen, welches ggf. zu diesem Zweck mit anderen Unternehmen kooperieren könnte, unmöglich machen oder unzumutbar erschweren würden. Fraglich ist, unter welchen Umständen unüberwindbare wirtschaftliche Schwierigkeiten vorliegen. Nach der Bronner-Rechtsprechung des Gerichtshofs wäre das Vorhandensein wirtschaftlicher Hindernisse nur zu bejahen, wenn zumindest dargelegt werden könnte, dass die Schaffung eines konkurrierenden Internetmarktplatzes selbst bei einem im Vergleich zu der bereits existierenden B2B-Plattform ähnlich hohen Nutzungsvolumen unrentabel wäre.635 Rentabilität ist die Fähigkeit eines Unternehmens, seine Aufwendungen zumindest in langfristiger Perspektive durch entsprechende Erträge abzudecken.636 Stellt man dabei allein auf die Kosten der Inbetriebnahme eines virtuellen Marktplatzes ab, so dürften diese keinen unüberwindbaren wirtschaftlichen Schwierigkeiten darstellen, da sie nicht prohibitiv hoch sind637, insbesondere vor dem Hintergrund, dass inzwischen sogar B2BMietmodelle angeboten werden, d.h. weder eigene Software noch eigene Infrastruktur angeschafft werden muss und auch die Beschäftigung eigener Mitarbeiter entbehrlich ist. Es erscheint also nicht ausgeschlossen, dass der Aufbau einer neuen B2B-Plattform, die über ein ähnlich hohes Transaktionsvolumen wie die beherrschende Plattform verfügt, sich bei einem Fortbestehen der jetzigen geschäftlichen Rahmenbedingungen amortisieren würde. Gegen die Möglichkeit der Schaffung eines längerfristig rentabel arbeitenden, alternativen Marktplatzes spricht jedoch, dass die marktstarke Position der bereits existierenden Plattform mit hoher Wahrscheinlichkeit zumindest teilweise auf die Wirkung von Netzeffekten638 zurückzuführen sein wird. Haben Netzeffekte bereits dazu geführt, dass die Mehrzahl der in der Branche tätigen Unternehmen eine bestimmte Internetplattform nutzt, so erscheint zweifelhaft, ob eine noch zu errichtende, konkurrierende Plattform realistischerweise ein vergleichbares Transaktionsvolumen erreichen kann.639 Aus diesem Grund sind einige Autoren der Auffassung, dass die Duplizierung einer marktbeherrschenden B2B-Plattform so gut wie nie in Betracht komme.640 Andere schlagen vor, das Kriterium der wirtschaft635 Vgl. EuGH, Urt. vom 26. Nov. 1998, Rs. C 7/97 (Oscar Bronner), Slg. 1998 I-7791, 7832 (Tz. 46). 636 Schierenbeck, Grundzüge der Betriebswirtschaftslehre, S. 89. 637 Ebenso Bahr, WuW 2002, 230, 239. 638 Siehe dazu ausführlich oben Zweiter Abschnitt, § 6, I. 639 So etwa Bahr, WuW 2002, 230, 239; Koenig/Kulenkampff/Kühling/Loetz/ Smit, S. 273 f. 640 Koenig/Kulenkampff/Kühling/Loetz/Smit, S. 274.
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lichen Unzumutbarkeit im Zusammenhang mit B2B-Plattformen anders zu definieren, als es der Europäische Gerichtshof in seinem Bronner-Urteil getan hat. Abzustellen sei nicht auf ein dem bereits existierenden elektronischen Marktplatz vergleichbares Nutzungsvolumen, das aufgrund der Netzeffekte ohnehin nicht erreichbar sei; die Schaffung einer neuen Internetplattform stelle nur dann eine potenzielle Alternative zur Nutzung der bestehenden Plattform dar, wenn das bei realistischer Betrachtung zu erwartende Nutzungsvolumen den Betrieb einer eigenen Handelsplattform rentabel erscheinen lasse.641 Dieser Lösungsansatz steht in deutlichem Widerspruch zu den Ausführungen des Gerichtshofs, der in der Sache Bronner als unzumutbares wirtschaftliches Hindernis nicht ausreichen ließ, dass das realistischerweise zu erwartende Nutzungsvolumen den Aufbau einer konkurrierenden Infrastruktur unrentabel machen würde.642 Nur durch eine genaue Analyse dieses Aspekts der Entscheidung lässt sich ermitteln, ob und in welchem Fall dieser Widerspruch aufgelöst werden kann. Im einschlägigen Teil der Bronner-Entscheidung beruft sich der Gerichtshof ausdrücklich auf die Ausführungen von Generalanwalt Jacobs in seinen Schlussanträgen.643 Jacobs zufolge stellt der zur Schaffung einer konkurrierenden Infrastruktur erforderliche Investitionsaufwand nur dann eine unüberwindbare Hürde dar, wenn dessen Höhe auch einen wagemutigen Unternehmer, der von der Existenz eines Marktes für eine weitere Tageszeitung mit hoher Auflage überzeugt ist, vom Markteintritt abhalten würde.644 Der wagemutige Unternehmer müsste mithin überzeugt sein, durch die Schaffung einer alternativen Infrastruktur den Wettbewerb mit dem Marktführer gleichberechtigt aufnehmen und den Absatz erheblich erhöhen zu können.645 Dies scheint allerdings nur unter bestimmten Prämissen möglich, nämlich entweder in dem Fall, in dem der Markt für die mittels des neu zu schaffenden Systems handelbaren Produkte noch nicht gesättigt ist, d.h., in dem das Gesamtabsatzvolumen noch erhöht werden könnte646, oder in dem Fall, dass in erheblichem Umfang Nutzer der bereits existierenden Infrastruktur zum Ausweichen auf die neu zu schaffende Einrichtung bewegt werden 641
Bahr, WuW 2002, 230, 239. EuGH, Urt. vom 26. Nov. 1998, Rs. C 7/97 (Oscar Bronner), Slg. 1998 I-7791, 7832 (Tz. 45). 643 Vgl. EuGH, Urt. vom 26. Nov. 1998, Rs. C 7/97 (Oscar Bronner), Slg. 1998 I-7791, 7832 (Tz. 46), wo der Gerichtshof auf Nummer 68 der Schlußanträge verweist. 644 Schlussanträge von GA Jacobs, Rs. C 7/97 (Oscar Bronner), Slg. 1998 I-7791, 7814 (Tz. 68). 645 Schlussanträge von GA Jacobs, a. a. O. 646 Vgl. Fleischer/Weyer, WuW 1999, 350, 361 f. 642
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könnten. Im Bronner-Fall dürfte der hypothetische, am Aufbau eines konkurrierenden Vertriebssystems interessierte „wagemutige Unternehmer“ wohl nicht damit rechnen, die Auslastung dadurch zu erhöhen, dass er den bereits existierenden Anbieter (d.h. das führende Unternehmen auf dem Markt für Tageszeitungen, welches das bislang einzige Zustellungssystem betreibt) in sein System aufnimmt. Er wäre darauf angewiesen, das erforderliche Absatzvolumen aus eigener Kraft aufzubauen, d.h. durch die Gewinnung von neuen Abnehmern, die bislang keine Tageszeitung beziehen, oder durch das Abwerben von Abnehmern, die vorher Kunden des Marktführers waren. Im Ergebnis zeichnet der Generalanwalt folglich das Bild eines Unternehmers, der das Risiko der Investition in eine Konkurrenzeinrichtung zu tragen bereit ist in der Überzeugung, dass neben dem bereits existierenden System noch Raum für ein zweites ist, das ebenfalls rentabel betrieben werden kann. Führt man diesen Gedanken weiter, so wären unzumutbare wirtschaftliche Hindernisse dann anzunehmen, wenn neben der bereits existierenden Infrastruktur keine andere rentabel arbeiten könnte.647 Dies ist objektiv unter Berücksichtigung aller zur Schaffung einer Konkurrenzeinrichtung in Frage kommender Mitbewerber zu bestimmen.648 Diese Grundsätze sollten auch bei der Untersuchung der Frage angewendet werden, ob neben einer marktstarken B2B-Plattform Raum für den – längerfristig rentablen – Betrieb eines weiteren elektronischen Marktplatzes ist. Abzustellen ist dabei jedoch nicht auf das zu erwartende Nutzungsvolumen eines bestimmten B2B-Marktplatzes, dessen Schaffung möglicherweise erwogen wird649, sondern auf die prinzipielle Möglichkeit, eine weitere Internetplattform rentabel zu betreiben. Wenn also auch ein Zusammenschluss aller in Frage kommender Unternehmen, die von der Nutzung der marktstarken Plattform ausgeschlossen sind, unter Inkaufnahme von Anlaufverlusten nicht in der Lage wäre, eine konkurrierende Handelsplattform rentabel zu betreiben, müsste man das Vorliegen unüberwindbarer wirtschaftlicher Schwierigkeiten wohl bejahen. Starke Netzeffekte, hohe Wechselkosten und die Nutzung der bereits existierenden Plattform durch die auf dem Markt der gehandelten Güter und Dienstleistungen führenden Unternehmen können durchaus dafür spre647
Ebenso Hohmann, S. 49; ähnlich Fleischer/Weyer, WuW 1999, 350, 361 f. Ehle, EuZW 1999, 89, 90; Hohmann, S. 50; Montag/Leibenath, EWS 1999, 281, 284; Koenig/Loetz, K&R 2000, 153, 160. 649 So aber anscheinend Bahr, WuW 2002, 230, 239, der zur Ermittlung des möglichen Nutzungsvolumens auf die Position des betreffenden Unternehmens auf dem Markt für die gehandelten Produkte abstellen will, d.h. einen subjektiven Test anwendet. 648
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chen, dass die Errichtung einer alternativen Einrichtung wirtschaftlich unmöglich ist. Dies ist jedoch im Einzelfall unter Zugrundelegung objektiver Maßstäbe zu prüfen. Es ist durchaus denkbar, dass in einigen Branchen zwei elektronische B2B-Marktplätze mit vergleichbaren Funktionen rentabel betrieben werden könnten, zum Beispiel wenn nicht alle konkurrierenden Unternehmen der Anbieter- oder Nachfragerseite denselben Marktplatz nutzen möchten, oder wenn Nachfrager ihre eigene Handelsplattform als Antwort auf eine bereits existierende, anbietergetriebene Plattform aufbauen wollen. Ein bereits angesprochener Nachteil des Konzepts der wesentlichen Einrichtung liegt darin, dass durch den Anspruch auf Zugang zu bereits existierenden Einrichtungen der Wettbewerb zwischen verschiedenen Einrichtungen unterdrückt wird. Es gibt zahlreiche Fälle, in denen Unternehmen erfolgreich mit Hilfe neu entwickelter Systeme in neue Märkte vorgedrungen sind, obwohl sie dafür ursprünglich die angeblich „wesentliche“ Einrichtung eines Wettbewerbers nutzen wollten. Ein Beispiel aus jüngerer Zeit ist der Rechtsstreit zwischen IMS Health und NDC Health, in dem NDC eine Lizenz für ein von seinem Mitbewerber entwickeltes Bausteinsystem zur Erfassung von medizinischen Daten in Deutschland erwerben wollte. Bei diesem System handelte es sich nach Ansicht von NDC um eine wesentliche Einrichtung. Die Kommission schloss sich dem an und erließ eine einstweilige Anordnung, die IMS zum Abschluß von Lizenzvereinbarungen zwingen sollte. Zwei Jahre später hatte NDC mit einem eigenen System von Gebietsmodulen bereits einen Marktanteil von 25 Prozent in Deutschland erreicht.650 Dieser Erfolg gelangt NDC, obwohl das von IMS eingeführte Bausteinsystem zusammen mit einem Arbeitskreis der pharmazeutischen Industrie entwickelt worden war und als Standard für die Ermittlung von regionalen Verkaufszahlen der Pharmaindustrie in Deutschland galt. Würde man allein aufgrund der pauschalen Behauptung, neben der marktbeherrschenden Internetplattform sei keine weitere rentabel zu betreiben, ohne jegliche Prüfung des Einzelfalls unüberwindbare wirtschaftliche Hindernisse annehmen, so würde der Inter-Systemwettbewerb auch dort ausgeschaltet, wo er möglicherweise noch stattfinden könnte. Damit würde die beherrschende Stellung der bereits existierenden Handelsplattform noch verstärkt und möglicherweise längerfristig unangreifbar. Aus diesem Grund ist eine enge, in jedem Einzelfall zu begründende Anwendung des auf das Konzept der wesentlichen Einrichtung gestützten Zulassungszwangs auch und gerade auf elektronische Marktplätze geboten.
650
„EU stoppt Verfahren gegen IMS Health“, FAZ vom 19. August 2003, S. 15.
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c) Keine sachliche Rechtfertigung Wären die ersten beiden Voraussetzungen eines möglichen, auf Art. 82 EG gestützten Zugangsanspruchs erfüllt, so würde ein solcher dennoch ausscheiden, wenn die Zugangsverweigerung sachlich gerechtfertigt wäre. Zunächst darf der Betreiber des elektronischen Marktplatzes Mitbewerbern die Nutzung verweigern, wenn sie nicht über die notwendigen fachlichen, wirtschaftlichen oder technischen Voraussetzungen verfügen.651 Darüber hinaus kommen auch im Zusammenhang mit B2B-Internetplattformen Kapazitätsgrenzen als weiterer sachlicher Rechtfertigungsgrund für die Zugangsverweigerung in Betracht. Zwar ist deren Kapazität zur Bearbeitung der mit zunehmender Nutzeranzahl größer werdenden Datenströme theoretisch unbegrenzt. Allerdings sind die beim gängigen hosting-Modell geschlossenen Verträge mit dem hosting provider auf ein bestimmtes Transaktionsvolumen ausgelegt, für welches Rechnerkapazitäten bereitgestellt werden. Diese Kapazitäten sind durchaus erschöpfbar; für ihre Erweiterung müssten entsprechende finanzielle Mittel investiert werden. Wäre das an der Nutzung des virtuellen Marktplatzes interessierte Unternehmen willens, die Kosten der Erweiterung zu tragen, so könnten Kapazitätsprobleme nicht als sachlicher Grund für die Zugangsverweigerung angeführt werden.652 Von dem Betreiber kann jedoch gewöhnlich nicht verlangt werden, die Erweiterung (auf eigene Kosten) durchzuführen, wenn die durch die Teilnahme des Interessenten zusätzlich zu generierenden Einnahmen den finanziellen Aufwand nicht lohnen würde. Unter normalen Umständen besteht nämlich keine Pflicht zur Zugangsgewährung, wenn diese finanzielle Verluste für den Betreiber der Einrichtung mit sich bringt.653 Die optimale Ausnutzung der Einrichtung kann jedoch gefordert werden.654 Ein weiterer wichtiger Rechtfertigungsgrund ist in dem Umstand zu sehen, dass der Eigentümer, der in die Einführung eines neuen Produktes 651 Vgl. Bahr, WuW 2002, 230, 239; Möschel in: Immenga/Mestmäcker, EGWbR I, Art. 82 EGV, B., Rn. 242. 652 Vgl. Temple Lang, 1 J. of Network Industries (2000), 375, 386. 653 Vgl. Temple Lang, 1 J. of Network Industries (2000), 375, 379. Gemeint sind finanzielle Verluste, die unmittelbar durch die Kosten der Zugangsgewährung entstehen, nicht etwa Einbußen, die auf dem Sekundärmarkt durch das Auftreten eines neuen Wettbewerbers verursacht würden. 654 Vgl. Komm., E. vom 21. Dez. 1993, Sache IV/34.689 (Sealink II), ABl.EG 1994 Nr. L 15, 8, 16 ff. (Maßstab: hypothetisches Verhalten einer unabhängigen Hafenbehörde); Möschel in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 82 EGV, B., Rn. 242. Demgegenüber wird im Schrifttum bereits diskutiert, ob Infrastrukturbetreibern sogar eine Pflicht zur Veränderung ihrer Einrichtung auferlegt werden könnte, um die Aufnahme zusätzlicher Nutzer zu ermöglichen, vgl. Koenig/Kühling/Winkler, Pflichten zur Veränderung von Netzinfrastrukturen, WuW 2003, S. 228 ff.
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oder Dienstes investiert hat, hinreichend Zeit und Gelegenheit zur Nutzung dieser Einrichtung benötigt, um das neue Produkt oder den neuen Dienst auf den Markt zu bringen.655 Demnach kommt ein auf das Konzept der wesentlichen Einrichtung nach Art. 82 EG gestützter Anspruch eines Interessenten auf diskriminierungsfreien Zugang zu einem elektronischen B2B-Marktplatz nur unter sehr engen Voraussetzungen in Betracht. Selbst wenn man vom Entstehen beherrschender Stellungen auf den Märkten für die Vermittlungsleistungen von Internetplattformen ausginge, würde ein auf dieser Rechtsgrundlage basierender Zugangsanspruch dennoch ausscheiden, wenn auf dem abgeleiteten Produktmarkt, den die Plattform bedient, funktionierender Wettbewerb herrschen würde. Da die zum Betrieb eines B2B-Marktplatzes notwendigen Investitionen normalerweise nicht prohibitiv hoch sind, wäre die Schaffung einer gleichartigen Einrichtung nur dann als unmöglich anzusehen, wenn neben der bereits existierenden, beherrschenden Internetplattform keine weitere rentabel arbeiten könnte. Es bleibt abzuwarten, ob an der Nutzung von elektronischen Marktplätzen interessierte Unternehmen angesichts dieser engen Voraussetzungen überhaupt versuchen werden, auf das Konzept der wesentlichen Einrichtung gestützte Zugangsansprüche geltend zu machen.
II. Zugangsgewährung zu diskriminierenden oder unbilligen Bedingungen Das praktisch bedeutendere Problem dürfte darin liegen, dass interessierten Unternehmen der Zugang zur Plattform grundsätzlich gewährt wird, aber nur zu diskriminierenden Bedingungen. So ist zu erwarten, dass umsatzstarken Nutzern Preisnachlässe eingeräumt werden könnten. Weiterhin besteht ein Anreiz für die Anteilseigner von B2B-Plattformen, den eigenen nachgelagerten Unternehmenssparten günstigere Konditionen anzubieten als den mit diesen konkurrierenden Handelspartnern. Ungleichbehandlungen bei der Preisgestaltung können den Tatbestand des Art. 82 S. 2 lit. c) EG erfüllen. Ziel dieser Vorschrift ist es, Wettbewerbsverfälschungen auf vor- oder nachgelagerten Wirtschaftsstufen zu verhindern, die ihren Ursprung in wettbewerblich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlungen von Lieferanten oder Abnehmern haben.656 Im Gegen655
Mitteilung über die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf Zugangsvereinbarungen im Telekommunikations-bereich, ABl.EG 1998 Nr. C 265/2, 16 (Rn. 91); vgl. auch Schlussanträge von GA Jacobs in: Bronner, Rs. C-7/97, Slg. 1998 I-7791, 7813 (Tz. 64). 656 Dirksen in: Langen/Bunte, Bd. 2, Art. 82 Rn. 138; Möschel in: Immenga/ Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 82 EGV, B., Rn. 257.
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satz zur wortgleichen Bestimmung des Art. 81 Abs. 1 lit. d) EG, bei der die Diskriminierung durch wettbewerbswidriges Zusammenwirken mehrerer Unternehmen erfolgt, wird sie bei Art. 82 S. 2 lit. c) EG mittels einer einseitigen Maßnahme eines oder mehrerer Unternehmen in beherrschender Stellung durchgeführt.657 1. Zulässigkeit von Preisnachlässen a) Das Diskriminierungsverbot des Art. 82 Abs. 2 lit. c) EG Der Tatbestand der Diskriminierung ist erfüllt, wenn gleich gelagerte Fälle ungleich oder unterschiedlich gelagerte Fälle gleich behandelt werden.658 Er kann einen Verstoß gegen Art. 82 Abs. 2 lit. c) EG darstellen. Dann muss in der Preisdiskriminierung die Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern liegen, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden. Des Weiteren dürfen keine objektiven Umstände vorhanden sein, die die Preisunterschiede rechtfertigen.659 Um zu ermitteln, ob eine Diskriminierung vorliegt, sind zwei Vergleiche anzustellen: Erstens ist zu untersuchen, ob bestimmte Leistungen, die ein marktbeherrschendes Unternehmen seinen Handelspartnern gewährt, gleichwertig sind. Ist dies der Fall, dürften zweitens für diese Leistungen keine unterschiedlichen Bedingungen angewendet werden.660 Handelspartner i. S. der Norm sind Unternehmen, die im Verhältnis zum Marktbeherrscher auf einer vor- oder nachgelagerten Wirtschaftsstufe stehen und eine Geschäftsverbindung zu diesem unterhalten.661 Im Rahmen des ersten Prüfungsschrittes sind die individuellen Leistungen des Marktbeherrschers gegenüberzustellen. Der Begriff der Leis657 Dirksen in: Langen/Bunte, Bd. 2, Art. 82 Rn. 137; Möschel in: Immenga/ Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 82 EGV, B., Rn. 257. 658 Bellamy/Child, Art. 82, Rn. 9-083. 659 EuG, Urt. vom 6. Okt. 1994, Rs. T-83/91 (Tetra Pak), Slg. 1994 II-755, 846 (Tz. 207); bestätigt durch EuGH, Urt. vom 14. Nov. 1996, Rs. C-333/94 P, Slg. 1996 I-5951. 660 Wiedemann/de Bronett, Hdb. KartR, § 22 Rn. 69. 661 Dirksen in: Langen/Bunte, Bd. 2, Art. 82 Rn. 141. Streitig ist, ob potenzielle Kunden ebenfalls unter den Begriff des Handelspartners i. S. v. Art. 82 S. 2 lit. c) EG fallen, bejahend Komm., E. vom 2. Juni 1971, Sache IV/26.760 (GEMA I), ABl.EG 1971 Nr. L 134/15, 21; E. vom 29. Okt. 1981, Sache IV/29.839 (GVL), ABl.EG 1981 Nr. L 370/49, 55 ff. (Tz. 49–51). Die Nichtaufnahme von Geschäftsbeziehungen mit Unternehmen, die auch in der Vergangenheit nicht zu den Kunden des beherrschenden Unternehmens gehörten, stellt jedoch den klassischen Fall der Lieferverweigerung dar, vgl. Dirksen in: Langen/Bunte, Bd. 2, Art. 82 Rn. 141; Möschel in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 82 EGV, B., Rn. 257; a. A. Wiedemann/de Bronett, Hdb. KartR, § 22 Rn. 69.
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tungen ist weit auszulegen und erfasst alle in dem jeweiligen wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Haupt- und Nebenleistungen, die die Geschäftsbeziehungen kennzeichnen. Diese Leistungen müssen nicht vollkommen identisch sein. Ihre Gleichwertigkeit ist vielmehr anhand objektiver Kriterien unter Berücksichtigung der Besonderheiten der relevanten Märkte zu untersuchen. Auf die subjektive Einschätzung des marktbeherrschenden Unternehmens kommt es dabei nicht an.662 Der anzustellende Leistungsvergleich umfasst allerdings nur die Transaktionen, die auf dem relevanten Markt stattfinden, den das (möglicherweise) diskriminierende Unternehmen beherrscht. Ein Unternehmen kann somit auf unterschiedlichen Märkten unterschiedliche Preise und Bedingungen fordern, sofern es nur auf einem dieser Märkte eine beherrschende Stellung innehat. In diesem Fall könnten jedoch die auf dem beherrschten Markt geforderten Preise und Konditionen im Vergleich zu den auf anderen Märkten erhobenen missbräuchlich i. S. v. Art. 82 S. 2 lit. a) EG sein.663 Ergibt der Vergleich, dass der Marktbeherrscher gegenüber seinen Handelspartnern gleichwertige Leistungen erbringt, so ist zweitens zu untersuchen, ob er unterschiedliche Bedingungen anwendet. Hierfür sind die Gegenwerte zu betrachten, die das beherrschende Unternehmen von seinen Lieferanten und Abnehmern fordert. Zu berücksichtigen ist nicht nur das eigentliche Entgelt, sondern der gesamte Wert der Forderung. Falls der Marktbeherrscher bestimmten Handelspartnern Leistungen ohne direktes Entgelt gewährt, so ist das üblicherweise berechnete Entgelt als Wert der Leistungen anzusetzen.664 Des Weiteren setzt die Erfüllung des spezifischen Diskriminierungstatbestandes in Art. 82 S. 2 lit. c) EG voraus, dass die unterschiedliche Behandlung die Handelspartner im Wettbewerb benachteiligt. Nach der Entscheidungspraxis der Europäischen Gerichte und der Kommission folgt die Benachteiligung im Wettbewerb regelmäßig ohne weiteres aus der Diskriminierung.665 Das diskriminierende Verhalten des beherrschenden Unternehmens kann die Wettbewerbsverhältnisse zwischen seinen Handelspartnern untereinander oder zwischen seinen eigenen Operationen und seinen Handelspartnern verzerren. Letzteres kommt in Betracht, wenn der Marktbeherrscher auch auf 662
Dirksen in: Langen/Bunte, Bd. 2, Art. 82 Rn. 143. Möschel in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 82 EGV, B., Rn. 259. 664 Vgl. EuGH, Urt. vom 17. Juli 1997, Rs. C-242/95 (GT-Link), Slg. 1997 I-4449, 4467 (Tz. 43); Wiedemann/de Bronett, Hdb. KartR, § 22 Rn. 73. 665 EuGH, Urt. vom 14. Feb. 1978, Rs. 27/76 (United Brands), Slg. 1978, 207, 303 (Tz. 234); Möschel in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 82 EGV, B., Rn. 262. 663
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dem nachgelagerten Markt tätig ist und seine Leistungen sowohl für unabhängige Abnehmer als auch für sich selbst erbringt. Das beherrschende Unternehmen verstößt gegen Art. 82 S. 2 lit. c) EG, wenn es den auf dem nachgelagerten Markt operierenden Teil seiner Tätigkeiten durch Quersubventionierung begünstigt, während es unabhängigen Wettbewerbern so hohe Preise in Rechnung stellt, dass diese auch bei hinreichender Effizienz keine Gewinne erzielen können.666 Diese Praxis wird als price squeezing bezeichnet.667 Nach Ansicht der Kommission kann diese Art der Diskriminierung durch den Nachweis belegt werden, dass die auf dem nachgelagerten Markt tätigen Sparten des beherrschenden Unternehmens selbst nicht wirtschaftlich arbeiten könnten, wenn der den unabhängigen Wettbewerbern für die Leistung berechnete Preis zugrunde gelegt würde. Bei dieser Wirtschaftlichkeitsbetrachtung müssen ggf. die Verrechnungspreise innerhalb des Unternehmens näher untersucht werden.668 Die Ungleichbehandlung von Handelspartnern auf demselben relevanten Markt durch den Marktbeherrscher ist jedoch zulässig, sofern sie auf sachlichen Gründen beruht. Welche Gründe als sachlich gerechtfertigt anzusehen sind, ist noch nicht in allen Einzelheiten geklärt.669 In Betracht kommen vor allem örtlich bedingte Kostenunterschiede, beispielsweise unterschiedlich hohe Produktions-, Arbeits-, Transport- und Vermarktungskosten.670 Sofern bestimmte Handelspartner beim Marktbeherrscher niedrigere Kosten verursachen als andere, dürfen diese Einsparungen weitergegeben werden. Mengenrabatte dürfen jedoch nur dann gewährt werden, wenn sie tatsächliche Kostenvorteile beim Marktbeherrscher widerspiegeln.671 Mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sind insbesondere Preisdiskriminierungen aufgrund der geographischen Niederlassung der Handelspartner.672 Ein Missbrauch liegt ebenfalls vor, wenn das beherrschende Unternehmen unterschiedliche Bedingungen von seinen Handelspartnern fordert, weil in deren Absatzgebieten unterschiedliche Marktbedingungen herrschen.673 666 Vgl. Komm., E. vom 18. Juli 1988, Sache IV/30.178 (Napier Brown/British Sugar), ABl.EG 1988 Nr. L 284/41; Bellamy/Child, Rn. 9-085. 667 Bellamy/Child, Rn. 9-085; Wiedemann/de Bronett, Hdb. KartR, § 22 Rn. 70. 668 Komm., Mitteilung über die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf Zugangsvereinbarungen im Telekommunikationsbereich („Zugangsmitteilung“), ABl.EG 1998 Nr. C 265/2, 19 (Tz. 117). 669 Bellamy/Child, Rn. 9-083; Furse, ECLR 2001, 149, 153. 670 Möschel in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 82 EGV, B., Rn. 260. 671 Wiedemann/de Bronett, Hdb. KartR, § 22 Rn. 78. 672 EuG, Urt. vom 6. Okt. 1994, Rs. T 83/91 (Tetra Pak), Slg. 1994 II-755, 831 (Tz. 160); bestätigt durch EuGH, Urt. vom 14. Nov. 1996, Rs. C-333/94 P, Slg. 1996 I-5951. 673 EuGH, Urt. vom 14. Feb. 1978, Rs. 27/76 (United Brands), Slg. 1978, 207, 302 f. (Tz. 227/233 f.).
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Nicht geklärt ist dagegen, ob und wann ein Preisnachlass sachlich gerechtfertigt sein könnte, den ein dominantes Unternehmen einem bestimmten Kunden anbietet, um auf ein entsprechendes Angebot eines Wettbewerbers zu reagieren.674 Diese Prinzipien wurden vom Gericht erster Instanz in der Sache British Airways erneut bestätigt.675 Die Fluggesellschaft British Airways (BA), die der größte Nachfrager auf dem britischen Markt für Flugticketvermittlungsdienste durch Reisebüros war, hatte den Vermittlern als Verkaufsanreiz Sonderkommissionen angeboten, sofern sie mindestens so viele BA-Flugtickets wie in einem von BA festgelegten Referenzzeitraum verkauften. Die von BA nach Erreichen der Verkaufsvorgabe gezahlten Provisionssätze wurden auf alle in dem zugrunde gelegten Zeitraum verkauften BA-Flugscheine angewandt. In den für die Beurteilung des Falles relevanten Jahren wurden 85 Prozent aller in Großbritannien verkauften Flugtickets durch Reisebüros vermittelt. Die mit BA konkurrierende Fluglinie Virgin Atlantic reichte gegen dieses Provisionssystem eine Beschwerde bei der Kommission ein, da es ihrer Auffassung nach dazu führte, dass weniger Tickets für die von ihr durchgeführten Flüge verkauft wurden. Die Marktanteile von Virgin, ebenso wie die von anderen Fluggesellschaften außer BA auf dem britischen Markt, hatten während der Geltung des BA-Provisionssystems stetig zugenommen. Die Kommission sah in dem System den Missbrauch einer beherrschenden Stellung i. S. d. Art. 82 Abs. 2 lit. c EG, da es Reisebüros dazu veranlasse, mehr BA-Flugscheine auf Kosten der anderen Mitbewerber zu verkaufen, und verhängte eine Geldstrafe in Höhe von 6,8 Millionen Euro.676 Gegen diese Entscheidung klagte BA vor dem EuG. Unter anderem trug die Fluggesellschaft vor, dass die angefochtene Entscheidung keinerlei Untersuchung der Luftverkehrsmärkte und keinen empirischen Nachweis des Schadens enhalte, der den Wettbewerbern, den Kunden oder den Verbrauchern durch seine Provisionsregelungen entstanden sein solle.677 Die Zunahme der Marktanteile konkurrierender Fluggesellschaften belege, dass die Treuevereinbarungen nicht die von der Kommission behauptete Ausschlusswirkung hätten entfalten können.678 Des Weiteren hätten die Prämienzah674 Bellamy/Child, Rn. 9-083. Section 2(b) des US-amerikanischen Robinson-Patman Act sieht eine solche „meeting competition defense“ vor. 675 EuG, Urt. vom 17. Dez. 2003, Rs. T-219/99 (British Airways/Komm.), Slg. 2003 II-5917; bestätigt durch EuGH, Urt. vom 15. März 2007, Rs. C-95/04 P (noch nicht in amtlicher Sammlung veröffentlicht). 676 Vgl. Komm., E. vom 14. Juli 1999, Sache IV/34.780 (Virgin/British Airways), ABl.EG 2000 Nr. L 30/1 ff. 677 EuG, Urt. vom 17. Dez. 2003, Rs. T-219/99 (British Airways/Komm.), Slg. 2003 II-5917, 5987 (Tz. 250). 678 EuG, a. a. O., 5988 (Tz. 255).
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lungen zu einer besseren Kapazitätsauslastung der Flugzeuge beigetragen, die aufgrund der hohen Fixkosten im Luftverkehrsbereich die Kosten pro Einheit senke. Die so erzielte Kostenersparnis habe BA mit seinen Reisevermittlern teilen dürfen.679 Dem folgte das Gericht erster Instanz jedoch nicht, sondern bestätigte die Entscheidung der Kommission. Das Argument der besseren Kapazitätsauslastung wurde zurückgewiesen, da BA in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt habe, dass es keinen genauen Zusammenhang zwischen möglichen Größenkostenersparnissen und den Erhöhungen der Vergütungssätze gab.680 Des Weiteren genüge für die Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 82 EG, dass das missbräuchliche Verhalten des marktmächtigen Unternehmens aufgrund seiner Art oder Eignung den Wettbewerb beschränken könne. Der Nachweis einer konkreten Wirkung auf den betroffenen Märkten sei nicht erforderlich.681 Mit Bezug auf die gestiegenen Marktanteile der BA-Konkurrenten führte das Gericht aus, dass diese ohne das Provisionssystem erheblich mehr hätten zunehmen können.682 Wenn ein beherrschendes Unternehmen ein Verhalten praktiziere, welches eine Verdrängungswirkung gegenüber seinen Konkurrenten hat, reiche es für die Verneinung eines Verstoßes gegen Art. 82 EG nicht aus, dass das erhoffte Ergebnis nicht erreicht worden sei.683 b) Objektive Mengenrabatte In seiner Michelin II-Entscheidung hat das Gericht erster Instanz kürzlich klargestellt, dass auch objektive Mengenrabatte, d.h. Mengenrabatte, deren Berechnungsgrundlagen für alle Abnehmer gleich sind, gegen Art. 82 EG verstoßen können, obwohl in solchen Fällen keine unterschiedlichen Bedingungen gegenüber Handelspartnern im Sinne des Art. 82 Absatz 2 lit. c) vorliegen. Denn jedes Treuerabattsystem eines marktbeherrschenden Unternehmens könne eine nach Art. 82 EG verbotene Abschottungswirkung entfalten, unabhängig davon, ob es diskriminierend sei oder nicht.684 Zwar sei bei Rabattsystemen, die ausschließlich an den Umfang der bei einem Unternehmen in beherrschender Stellung getätigten Käufe anknüpfen, im All679
EuG, a. a. O., 5989 f. (Tz. 260). EuG, a. a. O., 5997 (Tz. 290). 681 EuG, a. a. O., 5997 f. (Tz. 293). 682 EuG, a. a. O., 5999 (Tz. 298). 683 EuG, a. a. O., 5998 (Tz. 297). Allgemein zu den Urteilen des EuG in Sachen British Airways und Michelin II Kamann/Bergmann, ECLR 2005, 83 ff. 684 EuG, Urt. vom 30. Sept. 2003, Rs. T-203/01 (Michelin II), Slg. 2003, II-4071, 4102 f. (Tz. 59). 680
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gemeinen nicht davon auszugehen, dass sie eine verbotene Abschottungswirkung entfalten, da angenommen werde, dass sie Effizienzvorteile und Größenvorteile widerspiegeln.685 Ein Rabattsystem, bei dem sich die Höhe des Nachlasses nach Maßgabe der Abnahmemenge erhöht, verstosse mithin nur dann gegen Art. 82 EG, wenn die Kriterien und Modalitäten, nach denen der Rabatt gewährt wird, erkennen lassen, dass das System nicht auf einer wirtschaftlich gerechtfertigten Gegenleistung beruht, sondern wie ein Treue- und Zielrabatt die Abnehmer vom Bezug bei konkurrierenden Anbietern abhalten soll.686 Das Gericht machte an drei Merkmalen fest, dass das von Michelin betriebene System von Preisnachlässen die Wesensmerkmale eines Treuerabattsystems habe. Erstens verändere sich der Nachlasssatz von den niedrigeren zu den höheren Stufen hin erheblich, zweitens sei der Bezugszeitraum mit einem Jahr sehr lang, und drittens werde der zu gewährende Preisnachlass auf der Grundlage des im Bezugszeitraum erzielten Gesamtumsatzes ermittelt.687 Dem Unternehmen sei auch nicht gelungen, eine konkrete wirtschaftliche Rechtfertigung der für die einzelnen Stufen festgelegten Rabattsätze nachzuweisen.688 Des Weiteren komme es nicht darauf an, ob das System für die Abnehmer transparent sei. Vielmehr verstoße ein Treuerabattsystem unabhängig davon gegen Art. 82 EG, ob es transparent sei oder nicht.689 c) Stellungnahme Die Entscheidungspraxis der Kommission und der Gerichte haben zu recht detaillierten Anforderungen an die Ausgestaltung von Rabattsystemen marktbeherrschender Unternehmen geführt. Inbesondere die Michelin IIEntscheidung, in der nichtdiskriminierende und für alle Händler transparente Provisionszahlungen als missbräuchlich i. S. d. Art. 82 Abs. 2 lit.c EG eingestuft worden sind, hat zu einer erneuten Ausweitung der verbotenen Verhaltensweisen geführt. Dies ist an sich folgerichtig, da auch mit Treuerabatten vergleichbare Mengenrabattsysteme negative Auswirkungen auf die Struktur eines Marktes haben können, der durch die Präsenz des beherrschenden Unternehmens ohnehin schon geschwächt ist. Angesichts der Tendenz im europäischen Wettbewerbsrecht, verstärkt auf die wirtschaftlichen Auswirkungen von potenziell wettbewerbsbeschränkenden Verhaltensweisen abzustellen, ist jedoch an dieser Rechtsprechung und 685 686 687 688 689
EuG, EuG, EuG, EuG, EuG,
a. a. O., a. a. O., a. a. O., a. a. O., a. a. O.,
4102 4102 4116 4119 4120
(Tz. 58). f. (Tz. 59). (Tz. 95). (Tz. 107 ff.). (Tz. 111).
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Kommissionspraxis auch Kritik laut geworden.690 Eine Verdrängungswirkung der vom Marktbeherrscher gestalteten Preise könne nur angenommen werden, wenn Wettbewerber entweder tatsächlich vom Markt gedrängt worden seien, oder ihr Marktanteil so stark gefallen sei, dass Zweifel an ihrer fortdauernden Überlebensfähigkeit als Wettbewerber aufkommen müssen.691 Auch Preisdiskriminierung könne in Industriezweigen, die von hohen Fixkosten geprägt sind, wettbewerbsfördernd sein. Ihr pauschales Verbot in Art. 82 Abs. 2 lit.c EG sei daher ungerechtfertigt.692 Bezüglich der ökonomischen Besonderheiten in Branchen mit hohen Fixkosten ist darauf zu verweisen, dass das EuG dieses Argument im Fall British Airways geprüft hat. Es hat sich nicht näher mit dem Argument befasst, da auch nach Aussage der Fluggesellschaft kein Zusammenhang zwischen etwaigen Größenvorteilen und den Provisionszahlungen an die Reisebüros bestand. Den Ausführungen des Gerichts ist jedoch nicht zu entnehmen, dass es in einem geeigneten Fall die besondere Problematik der fixkostenintensiven Branchen nicht in seine Betrachtung einbeziehen würde. Des Weiteren erscheint es problematisch, eine Vorschrift, die der Aufrechterhaltung einer wettbewerblich geprägten Marktstruktur dient, erst dann anzuwenden, nachdem Wettbewerber den Markt verlassen haben oder so geschwächt sind, dass sie keine ernstzunehmenden Konkurrenten mehr sind. Auf Märkten mit hohen Eintrittsschranken könnte es Jahre dauern, bis sich ein neuer, ernstzunehmender Konkurrent des beherrschenden Unternehmen etablieren kann. Eine stärkere Einbeziehung wirtschaftlicher Faktoren auch bei der Anwendung des Art. 82 EG wäre zwar vom wissenschaftlichen Standpunkt aus begrüßenswert. Das Abstellen auf eine erfolgreiche Verdrängung effektiver Mitbewerber erscheint jedoch nicht als das passende Kriterium. 2. Anwendung auf elektronische Marktplätze Die Gefahr, dass Anbieter oder Nachfrager versuchen könnten, auf virtuellen B2B-Handelsplätzen ohne sachliche Rechtfertigung unterschiedliche Bedingungen gegenüber ihren Handelspartnern durchzusetzen, ergibt sich vor allem aus zwei Gründen: Erstens wurden viele B2B-Marktplätze von führenden Unternehmen eines bestimmten Industriezweigs gegründet, um als Absatz- und Beschaffungsplattformen für die gesamte Branche, aber auch für die eigene Geschäftsabwicklung zu dienen. Als Betreiber des virtuellen Handelsplatzes sind 690 Etwa von Federico, ECLR 2005, 477 ff.; Lorenz/Lübbig/Russell, ECLR 2005, 355 ff. 691 Ridyard, ECLR 2002, 286, 298. 692 Ridyard, ECLR 2002, 286, 287, 291.
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diese Unternehmen einerseits Anbieter seiner Vermittlungs- und Nebenleistungen. Andererseits sind sie auf den Märkten der gehandelten Produkte und Dienstleistungen tätig. Dies ist die klassische Konstellation, aus der sich die Gefahr des price squeezing ergibt. Die Anteilseigner könnten gegenüber ihren unabhängigen Handelspartnern höhere Nutzungsentgelte erheben oder ungünstigere Konditionen anwenden als gegenüber den eigenen Operationen, die auf dem nachgelagerten Markt tätig sind. Um die Gefahr des price squeezing von vornherein auszuschalten und um dahingehenden Befürchtungen der potenziellen Handelspartner zu begegnen, sollten die Marktplatzgründer diskriminierungsfreie Nutzungsbedingungen vertraglich festlegen und deren Kontrolle durch ein weitgehend unabhängiges Management gewährleisten. Als Beispiel für einen elektronischen Marktplatz, für den eine derartige Regelung getroffen wurde, lässt sich Covisint anführen. Die vier Gründer dieses Gemeinschaftsunternehmens verpflichteten sich in einer Absichtserklärung zur Gewährleistung diskriminierungsfreier Konditionen, unabhängig davon, ob ein Nutzer Anteile an Covisint hält. Weder die Automobilhersteller noch bestimmte Zulieferer sollten bevorzugte Zugangsbedingungen erhalten.693 Gleichzeitig legte die Satzung von Covisint fest, dass die von den beteiligten Kraftfahrzeugherstellern bestimmten Repräsentanten zusammen keine Mehrheit im Board erreichen durften. Aus diesem Grund sollte der Board überwiegend mit von den Herstellern unabhängigen Mitgliedern besetzt werden, zu denen auch Vertreter der Zulieferindustrie gehören sollten.694 Zweitens liegt angesichts der sehr unterschiedlichen Nutzungsvolumina der einzelnen Handelspartner und der zumindest zum jetzigen Zeitpunkt noch bestehenden Konkurrenz zwischen verschiedenen virtuellen Marktplätzen die Möglichkeit nahe, dass die Betreiber versuchen könnten, wichtige Handelspartner durch ungerechtfertigte Rabatte an ihre Plattform zu binden. In Betracht kommt etwa eine Staffelung der Nutzungsentgelte je nach Bestellvolumen oder die Gewährung von Treueboni. Solche Rabatte dürfen von einer marktbeherrschenden B2B-Plattform jedoch nur dann gewährt werden, wenn sie besondere wirtschaftliche Leistungen des Handelspartners vergüten.695 Besonders bedenklich sind Treuerabatte, die an die Bedingung geknüpft werden, dass der Nutzer ausschließlich die Vermittlungsleistungen der marktbeherrschenden Plattform in Anspruch nimmt. Sie haben eine ähnliche Wirkung wie Ausschließlichkeitsbindungen und sind generell als miss693 Vgl. BKartA, Beschluss vom 25. Sept. 2000 – B 5 – 34100 U 40/00 (Covisint), WuW/E DE-V 321, 322 = BB 2000, 2431, 2432 (C.3., 5.). 694 Vgl. BKartA, a. a. O., C. 1., BB 2000, S. 2431 f. 695 Vgl. Möschel in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 82 EGV, B., Rn. 193.
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bräuchlich einzustufen, da sie den Wettbewerb verfälschen und den Marktzugang behindern.696 Für diese rechtliche Beurteilung spielt es keine Rolle, ob die Kunden des beherrschenden Unternehmens mit den Treuerabatten einverstanden sind oder deren Gewährung sogar verlangt haben.697 Werden mit den Marktplatznutzern steigende Rabattsysteme vereinbart, die nicht ausschließlich an den Umfang der abzuwickelnden Transaktionen anknüpfen, sondern sich an der individuellen Abnahmefähigkeit der Nutzer orientieren, liegt darin ebenfalls ein Verstoß gegen Art. 82 Abs. 2 lit. c EG. Denn steigende Rabattsysteme sollen die Kunden dazu bewegen, ihren Bedarf an einem Gut oder einer Dienstleistung soweit wie möglich bei einem Anbieter zu decken.698 Die Michelin II-Entscheidung zeigt, dass selbst nach objektiven, für alle Handelspartner identischen Maßstäben gestaltete und transparent gemachte Umsatzrabatte als unzulässig eingestuft werden können. Vor allem vor dem Hintergrund der abweichenden Rechtslage in den USA, wo beherrschende Unternehmen unstreitig Mengenrabatte gewähren dürfen, sollten die Betreiber von marktbeherrschenden B2B-Marktplätzen darauf achten, dass im europäischen Wettbewerbsrecht eine mit Treuerabatten vergleichbare Reduzierung von Transaktionsgebühren für wichtige Kunden nur gewährt werden darf, wenn sie tatsächliche Kostenvorteile widerspiegeln. Es erscheint fraglich, ob diese Voraussetzung bei B2B-Transaktionsgebühren überhaupt erfüllt werden kann. Denn die in traditionellen Geschäftsbereichen anfallenden Kostenunterschiede, etwa durch niedrigere Transportkosten bei Großbestellungen, dürften sich bei elektronischen Geschäftsabwicklungsprozessen nicht in demselben Maße ergeben. Sollten auf den Märkten für B2B-Vermittlungsleistungen beherrschende Stellungen entstehen, so ist nicht auszuschließen, dass international agierende Unternehmen, die ihre Geschäfte auf virtuellen Handelsplätzen abwickeln, versuchen könnten, sich zur Rechtfertigung eventueller Rabattmodelle auf die großzügigere Rechtspraxis in den USA zu berufen. Bereits in der Sache Michelin II hatte die Klägerin vor dem EuG vorgetragen, dass ihr Jahresmengenrabattsystem mit dem US-amerikanischen Wettbewerbsrecht ver696 Vgl. EuGH, Urt. vom 16. Dez. 1975, verb. Rs. 40–48, 50, 54–56, 111, 113 u. 114/73 (Suiker Unie), Slg. 1975, 1663, 2018 ff. (Tz. 499/505 ff.); EuG, Urt. vom 1. April 1993, Rs. T-65/89 (BPB Industries u. British Gypsum), Slg. 1993 II-389, 417 f. (Tz. 68); bestätigt durch EuGH, Urt. vom 6. April 1995, Rs. C-310/93 P, Slg. 1995 I-865, 904 (Tz. 11); Bellamy/Child, Rn. 9-089; Dauses-Emmerich, H. I. § 1, 20.d) (Rn. 373); Möschel in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 82 EGV, B., Rn. 194. 697 EuGH, Urt. vom 13. Feb. 1979, Rs. 85/76 (Hoffmann-La Roche), Slg. 1979, 461, 539 f. (Tz. 89 f.); Urt. vom 27. April 1994, Rs. C-393/92 (Almelo), Slg. 1994 I-1477, 1520 (Tz. 44). 698 Vgl. EuGH, Urt. vom 13. Feb. 1979, Rs. 85/76 (Hoffmann-La Roche), Slg. 1979, 461, 543 (Tz. 100); Dirksen in: Langen/Bunte, Bd. 2, Art. 82 Rn. 151.
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einbar sei. Das Gericht wies dies als unerheblich zurück.699 Die in den USA momentan im Zusammenhang mit den Fällen Cascade Health und LePage’s geführte Debatte über die Behandlung von Rabattsystemen beherrschender Unternehmen wurde bereits ausführlich dargestellt.700 Da der U.S. Supreme Court den LePage’s-Fall nicht zur Entscheidung angenommen hat und die Urteile der Berufungsgerichte nur innerhalb des jeweiligen Circuits Bindungswirkung entfalten, ist im US-Kartellrecht die Frage, ob auch Monopolisten durch Preisnachlässe nur dann gegen § 2 Sherman Act verstoßen können, wenn sie unter Kosten verkaufen, weiterhin ungeklärt. Inzwischen hat EU-Wettbewerbskommissarin Kroes eine Debatte über die künftige Auslegung und Durchsetzung von Art. 82 EG angestoßen.701 Vor diesem Hintergrund erscheint derzeit keine verlässliche Prognose darüber möglich, wie sich die Behandlung von Treuerabatten im US-amerikanischen und europäischen Kartellrecht in den nächsten Jahren entwickeln wird. Nicht nur Nutzer und Betreiber von B2B-Marktplätzen, auf denen grenzüberschreitende Transaktionen stattfinden, sondern auch andere international operierende Unternehmen werden die Rechtsentwicklung aufmerksam verfolgen müssen. Technisch gesehen wäre es jedenfalls unproblematisch, die den B2B-Nutzern gewährten Konditionen an das Rechtssystem anzupassen, dem sie unterliegen. Dies ist im Internethandel bereits heute üblich. Erinnert sei an die kurzzeitig erfolgte Preisdiskriminierung auf dem Amazon.com-Marktplatz.702 Die Software ist in der Lage, dem angemeldeten Benutzer jeweils die für die einzelnen Transaktionen rechtlich unbedenklichen Konditionen zu gewähren.
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EuG, Urt. vom 30. Sept. 2003, Rs. T-203/01 (Michelin II), Slg. 2003, II-4071, 4120 (Tz. 112). 700 Siehe oben Zweiter Abschnitt, § 6, III.3. 701 Kroes, Preliminary Thoughts on Policy Review of Article 82, sowie Diskussionspapier der Generaldirektion Wettbewerb über die Anwendung von Art. 82 EG auf Verdrängungspraktiken beherrschender Unternehmen vom 19. Dez. 2005, beides abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/competition/antitrust/others/article_82_re view.html (zuletzt besucht am 10. Okt. 2007). 702 Dazu oben Zweiter Abschnitt, § 6, III.2.
Zusammenfassung in Thesen I. Begriffsbestimmung Elektronische B2B-Marktplätze wurden mit dem Ziel geschaffen, über das Internet die Kommunikation und Durchführung von Transaktionen zwischen Lieferanten, Händlern, Dienstleistungserbringern und Kunden zu ermöglichen. Die abzuwickelnden Transaktionen beschränken sich nicht auf Absatz und Beschaffung, sondern umfassen damit zusammenhängende Dienstleistungen wie Bedarfsplanung, Logistik, Lager- und Materialverwaltung und Systemintegration. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt werden elektronische Marktplätze vor allem von Großunternehmen aufgebaut und genutzt. Dabei kommt es häufig zur Zusammenarbeit von führenden Unternehmen einer Branche, die miteinander im Wettbewerb stehen. Zu unterscheiden sind horizontale B2B-Marktplätze, die industrieübergreifend ausgerichtet sind, und vertikale Internetplattformen, die sich auf die Versorgung einer bestimmten Branche spezialisieren. Die meisten von konkurrierenden Unternehmen gegründeten Marktplätze sind vertikal organisiert. Aus kartellrechtlicher Sicht wirft diese Entwicklung Fragen auf, die sich auf die drei Problemkreise Informationsaustausch, Nachfragebündelung sowie Zugangskonditionen konzentrieren. Die Untersuchung dieser Fragen anhand der Vorschriften des US-amerikanischen und europäischen Kartellrechts ist Gegenstand dieser Arbeit.
II. Sachliche und räumliche Marktabgrenzung Die Abgrenzung der relevanten Produktmärkte wird sowohl im US-amerikanischen als auch im europäischen Kartellrecht ausgehend vom Kriterium der Austauschbarkeit der betrachteten Güter und Dienstleistungen aus Sicht der Marktgegenseite vorgenommen. Im B2B-Geschäftsverkehr sind derzeit grundsätzlich zwei relevante Produktmärkte zu betrachten. Erstens ist ein sachlich relevanter Markt für die auf B2B-Internetplattformen gehandelten Güter und Dienstleistungen anzunehmen. Diese können Teil des umfassenden Marktes für den Verkauf von Waren, aber auch Gegenstand eines separaten Marktes für auf Internetplattformen gehandelte Güter sein. Sachlich relevant ist zweitens der Markt für die von elektronischen Marktplätzen erbrachten Vermittlungsleistungen. Diese Dienstleis-
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tungen können Teil eines umfassenden Marktes für Absatz- und Beschaffungsdienstleistungen sein, also mit traditionellen Möglichkeiten der Geschäftsabwicklung im Wettbewerb stehen. Sie können aber auch einen eigenen Teilmarkt darstellen. Davon ist auszugehen, wenn die von B2B-Marktplätzen angebotenen Dienstleistungen für potenzielle Kunden so bedeutsam sind, dass andere Vertriebswege nicht in Betracht kommen. Aufgrund der zahlreichen Zusatzdienstleistungen, die von Internetplattformen angeboten werden, ist dies durchaus vorstellbar und für jeden Einzelfall zu untersuchen. Der Markt für die Vermittlungsleistungen kann seinerseits in weitere Teilmärkte aufgespalten werden, etwa anhand des Industriefokus von B2Bs, ihres wirtschaftlichen Zwecks als Absatz- oder Beschaffungsplattformen oder als Kombination von beidem sowie ihrer Organisation als „horizontale“ oder „vertikale“ Plattformen. Die räumliche Abgrenzung des Marktes der auf Internetplattformen gehandelten Produkte ist nach den allgemeinen Kriterien vorzunehmen. Keineswegs ist beim Vertrieb von Produkten über das Internet stets der Weltmarkt betroffen. Denn Faktoren wie die Höhe der Transportkosten, mangelnde Transportfähigkeit, Handelsbeschränkungen sowie unterschiedliche technische Standards können zu einer engeren Abgrenzung des räumlich relevanten Marktes führen, egal, ob die Produkte über das Internet oder auf traditionellem Wege gehandelt werden. Auch der Markt für die Vermittlungsleistungen von Internetplattformen ist nicht immer mit dem Weltmarkt gleichzusetzen, obwohl potenzielle Abnehmer von überall auf der Welt auf virtuelle Marktplätze zugreifen können. Denn wirksamer Wettbewerb zwischen verschiedenen Internetplattformen kann nur dann vorliegen, wenn die Angebote der konkurrierenden Unternehmen aus Sicht der Marktgegenseite austauschbar sind Aus diesem Grund muss sich die Abgrenzung des geographisch relevanten Markts für die Vermittlungsleistungen von B2B-Marktplätzen nach der Abgrenzung des räumlich relevanten Markts der dort gehandelten Güter und Dienstleistungen richten.
III. Informationsaustausch Bei der Abwicklung von Transaktionen auf B2B-Marktplätzen fallen große Datenmengen an, die im Regelfall zu einer Erhöhung der Markttransparenz führen. Dies kann wünschenswert, aber auch kartellrechtlich bedenklich sein, und zwar im Hinblick auf mehrere Fallgestaltungen. Erstens kann eine Erhöhung der Markttransparenz auch ohne das Bestehen einer weitergehenden Verhaltenskonzertierung wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen haben. Des Weiteren könnten die Geschäftspraktiken der Plattformnutzer sich in Richtung autonomes Parallelverhalten entwickeln. Unterstellt
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man als weiteres Szenario, dass mehrere Marktplatzteilnehmer eine verbotene Kartellabsprache getroffen hätten, so könnte eine erhöhte Markttransparenz die Kontrolle jener Absprache ermöglichen. Diese drei Gefahrenbereiche sind in beiden betrachteten Rechtsordnungen Gegenstand der kartellrechtlichen Diskussion. In den USA werden Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern über den Austausch von Informationen, ebenso wie andere Formen der Zusammenarbeit von Konkurrenten, grundsätzlich an § 1 Sherman Act gemessen und anhand der rule of reason beurteilt. Das bedeutet, dass zunächst die Wahrscheinlichkeit wettbewerbsfeindlicher Auswirkungen der Vereinbarung untersucht wird, die dann gegen potenziell zu erzielende Effizienzsteigerungen abgewogen werden. Dann fragt sich, ob diese Effizienzsteigerungen auch mit Methoden erzielt werden könnten, die den Wettbewerb deutlich weniger beschränken. Diese Vorgehensweise stellt keine Privilegierung des Informationsaustauschs dar, sondern ist der übliche Ansatz zur Behandlung von wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen, die keine Hard-Core Kartelle sind. Bei der Beurteilung des Informationsaustauschs auf B2B-Plattformen sind fünf Faktoren besonders zu berücksichtigen: die Struktur des Marktes der auf der Plattform gehandelten Güter und Dienstleistungen, die Frage, inwieweit die Plattformnutzer miteinander im Wettbewerb stehen, die Relevanz der ausgetauschten Informationen für den Wettbewerb, ihr Alter und ihre allgemeine Zugänglichkeit. Die Struktur des Marktes der gehandelten Produkte ist auch im europäischen Kartellrecht ein wichtiger Bestandteil der Untersuchung, welche Auswirkungen eine durch den Informationsfluss auf B2B-Marktplätzen erhöhte Markttransparenz auf die Wettbewerbssituation hat. Diese Untersuchung orientiert sich an den Kriterien für die Beurteilung von Marktinformationssystemen. Deren Zulässigkeit hängt von der Art der ausgetauschten Informationen, der Struktur des relevanten Marktes und den Auswirkungen des Marktinformationssystems für den Verbraucher ab. Darüber hinaus darf keine Identifizierung der jeweiligen Marktteilnehmer möglich sein. Grundsätzlich gilt die Prämisse, dass auf polypolistischen Märkten eine hohe Markttransparenz wettbewerbsfördernd wirkt. Die Schaffung hoher Markttransparenz außerhalb zersplitterter Märkte kann dagegen zum Verbot eines Meldesystems ausreichen. Dies gilt selbst dann, wenn sich die gesammelten Daten weder unmittelbar auf Preise noch auf die Abstimmung anderer Wettbewerbsparameter beziehen. Dementsprechend werden in beiden Rechtsordnungen strenge Maßstäbe an den Informationsaustausch auf B2B-Marktplätzen angelegt. Die Notwendigkeit technischer, vertraglicher und organisatorischer Maßnahmen zur Datensicherung, -segmentierung und -anonymisierung wird vom ganz überwie-
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genden Teil der US-amerikanischen und europäischen Beobachter nicht in Frage gestellt. Die diesbezüglichen Vorschläge ähneln sich weitgehend. So sollten etwa bei Versteigerungen nur das jeweils höchste Gebot bzw. bei umgekehrten Versteigerungen das niedrigste Angebot einsehbar sein, nicht jedoch die Identität des Bieters oder die Reihenfolge der anderen Gebote. Dadurch würde die Möglichkeit vorstoßenden Wettbewerbs erhalten und die Kontrolle einer eventuell bestehenden Kartellabsprache erschwert. Generell sollte der Informationsaustausch nur auf vertikaler Ebene, nicht zwischen Marktplatzteilnehmern derselben Marktstufe stattfinden. Auf technischer Seite stehen Verschlüsselungs- und Identifzierungstechniken zur Verfügung, um dies zu gewährleisten. Ebenso wichtig sind Vorkehrungen auf vertraglicher Ebene. Die mit der Nutzung der Plattform befassten Mitarbeiter der angeschlossenen Unternehmen sind im Rahmen von Compliance-Schulungen über die kartellrechtlichen Aspekte der Nutzung zu unterrichten. Zur Einhaltung der Sicherheitsvorschriften sollten die Angestellten sich schriftlich verpflichten müssen. Auf organisatorischer Ebene ist durch die Einrichtung von Trennwänden zwischen B2B-Marktplatz und Mutterunternehmen die Möglichkeit des Zugriffs der Mütter auf vertrauliche Geschäftsdaten zu unterbinden. Die Einhaltung dieser Sicherheitsvorkehrungen ist ständig zu überwachen. In der Praxis dürfte es jedoch bereits für die Kartellbehörden schwierig sein zu kontrollieren, ob solche Maßnahmen tatsächlich konsequent umgesetzt werden. Der Beweis, dass die auf einem elektronischen Marktplatz eingesetzten Sicherheitsmaßnahmen unzureichend sind, wird für die Behörden wahrscheinlich nur schwer und für private Kläger so gut wie nie zu erbringen sein.
IV. Bündelung von Einkaufsmacht Viele elektronische Marktplätze wurden als Gemeinschaftsunternehmen von großen Nachfragern einer Branche gegründet, um eine effizientere Beschaffung zu ermöglichen und dadurch Kosten zu sparen. Die gemeinsame Gründung einer Internetplattform durch die wichtigsten Abnehmer wirft die Frage auf, inwieweit deren bereits vorhandenen, starken Marktstellungen durch die Nutzung der B2B-Plattform noch verstärkt werden könnten. Insbesondere die – technisch ohne weiteres mögliche – Nachfragebündelung erscheint problematisch und bedarf der eingehenden kartellrechtlichen Überprüfung. Die Behandlung von Einkaufsgemeinschaften im antitrust law und im europäischen Kartellrecht ist grundsätzlich vergleichbar. Die Kartellbehörden in beiden Rechtsordnungen erkennen an, dass solche Kooperationen wett-
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bewerbsfördernd sein können. Auch die möglichen Gefahren für den Wettbewerb werden weitgehend übereinstimmend in der Ausübung von Nachfragemacht, der Angleichung der Kostenstrukturen sowie der Erleichterung von Verhaltensabstimmungen zwischen den Teilnehmern gesehen. Sowohl in den USA als auch in Europa verboten sind Einkaufsvereinbarungen, die in Wahrheit der Verschleierung wettbewerbswidriger Praktiken dienen. Der gemeinsame Einkauf wird im US-Kartellrecht allerdings etwas großzügiger beurteilt als nach den europäischen Vorschriften. Dies zeigt sich anhand der unterschiedlichen Sicherheitszonen für Einkaufsgemeinschaften, die die Kartellbehörden in ihren jeweiligen Leitlinien definiert haben. Die Horizontalleitlinien der Kommission sehen eine Sicherheitszone für Einkaufskooperationen vor, wenn die beteiligten Unternehmen einen gemeinsamen Marktanteil von weniger als fünfzehn Prozent sowohl auf den Einkaufs- als auch auf den Verkaufsmärkten inne haben. Demgegenüber gehen die US-amerikanischen Kartellbehörden nach Section 4.2 der Competitor Collaboration Guidelines nicht gegen eine Zusammenarbeit von Wettbewerbern vor, wenn die Marktanteile ihrer Kooperation und der einzelnen Teilnehmer zusammen auf keinem relevanten Markt, auf dem der Wettbewerb beeinträchtigt werden könnte, mehr als zwanzig Prozent betragen. In beiden Rechtsordnungen können jedoch auch Einkaufsgemeinschaften erlaubt sein, die über höhere Marktanteile verfügen. Nach zutreffender und hier wie dort ganz herrschender Meinung sind Einkaufsgemeinschaften auf B2B-Internetplattformen nach den allgemeinen Kriterien zu behandeln; Sonderregelungen sind nicht notwendig. Ein völliges Verbot von Nachfragebündelungen auf elektronischen Marktplätzen ist jedoch in der Regel ebenfalls nicht erforderlich.
V. Zugang zu elektronischen Marktplätzen Grundsätzlich herrscht in beiden betrachteten Rechtsordnungen das Prinzip der Vertragsfreiheit. Ein Kontrahierungszwang kommt nur unter außergewöhnlichen Umständen in Betracht. Unternehmen, die vom Handel auf der sie interessierenden Internetplattform völlig ausgeschlossen sind, können ihr Zulassungsbegehren auf die aus dem US-antitrust law stammende und nun auch im europäischen Kartellrecht angewendete essential facilitiesDoktrin stützen. Die Anwendungsvoraussetzungen der Doktrin in den USA sind jedoch nicht identisch mit denen, die sich im europäischen Kartellrecht herausgebildet haben. Die Behandlung möglicher Zugangsansprüche nach der amerikanischen essential facilities-Doktrin richtet sich danach, ob der elektronische Markt-
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platz von einem oder von mehreren Unternehmen kontrolliert wird. Meistens wird es sich um ein joint venture handeln. In diesem Fall sind die Anforderungen an die Wesentlichkeit der Plattform für die Wettbewerbsfähigkeit des ausgeschlossenen Unternehmens geringer als bei von nur einem Unternehmen beherrschten virtuellen Handelsplätzen. Wenn Wettbewerber gemeinsam eine nützliche Einrichtung schaffen, die wesentlich für die Wettbewerbsfähigkeit von Konkurrenten ist, und die Aufnahme von Konkurrenten mit dem legitimen Zweck des Projekts vereinbar ist, dann müssen die Gründer Konkurrenten zu Bedingungen aufnehmen, die mit den Konditionen vergleichbar sind, welche den bereits aufgenommenen Mitgliedern geboten werden. Dagegen besteht ein Zulassungsanspruch zu einem Marktplatz, der von nur einem Unternehmen kontrolliert wird, nur dann, wenn die Mitbenutzung entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit des Zugangspetenten und dieser gleichzeitig wesentlich für die Wettbewerbsfähigkeit des Marktes ist. Zwar wird von einigen Gerichten und im Schrifttum gefordert, auch im Zusammenhang mit von mehreren Unternehmen kontrollierten Einrichtungen auf das Kriterium der Wesentlichkeit für die Wettbewerbsfähigkeit des Marktes abzustellen. Dies ist jedoch nicht allgemein anerkannt. Im Interesse des Wettbewerb auf dem Markt für B2B-Vermittlungsleistungen ist es jedenfalls nicht sachgerecht, die Benutzung einer bestimmten Plattform als wesentlich einzustufen, sofern dem interessierten Unternehmen mehrere Internetplattformen zur Verfügung stehen. Wesentlich für die Wettbewerbsfähigkeit des Zugangspetenten i. S. d. essential facilities-Doktrin wäre die Mitbenutzung aber, wenn auf einem bestimmten Markt nur eine Internetplattform existieren könnte und ein Ausweichen auf traditionelle Beschaffungsformen nicht in Betracht käme. Darüber hinaus dürften die Betreiber keine legitimen geschäftlichen Gründe für die Nichtzulassung anführen können. Im Vergleich zum europäischen Kartellrecht haben Einrichtungsbetreiber in den Vereinigten Staaten insgesamt größere Chancen, dass von ihnen genannte Rechtfertigungsgründe für eine Zugangsverweigerung gerichtlich anerkannt werden. Was die Ausgestaltung der Zugangsbedingungen anbetrifft, so darf der Einrichtungsbetreiber seine eigenen nachgelagerten Unternehmenssparten bevorzugen. In der Vergangenheit waren auf die essential facilities-Doktrin gestützte Zulassungsklagen in den USA sehr selten erfolgreich. Alternativ könnten sich mögliche Zugangspetenten auf den Gesichtspunkt der kollektiven Geschäftsverweigerung durch Verweigerung der Zulassung zu einer als joint venture betriebenen Internetplattform stützen. Zwar müsste es sich dann bei dem elektronischen Marktplatz, um den es geht, nicht um eine wesentliche Einrichtung handeln. Das ausgeschlossene Unternehmen müsste jedoch wichtig für den Wettbewerb auf den von der Plattform bedienten Märkten sein. Vor diesem Hintergrund ist nicht damit zu
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rechnen, dass auf die Grundsätze zur kollektiven Geschäftsverweigerung gestützte Klagen zum Ausufern von Zulassungsansprüchen führen werden. Im Gegensatz zur US-amerikanischen essential facilities-Doktrin kommt es bei ihrer europäischen Variante für den Begriff der Wesentlichkeit nicht darauf an, ob die Infrastruktur von einem oder von mehreren Unternehmen geschaffen wurde. Ein entscheidender Unterschied besteht weiterhin darin, dass nach europäischem Verständnis der Zugangspetent kein Wettbewerber des Einrichtungsinhabers auf dem nachgelagerten Markt sein muss. Danach stellt die Verweigerung des Zugangs zu einer Internetplattform den Missbrauch einer marktbeherrschenen Stellung i. S. d. Art. 82 EG dar, wenn diese eine beherrschende Stellung auf dem Markt für die Vermittlungsleistungen von B2B-Plattformen inne hat und für die Ausübung der Tätigkeit des Nachfragers in dem Sinne unentbehrlich ist, dass kein tatsächlicher oder potenzieller Ersatz für sie bestünde. Dies ist nur dann zu bejahen, wenn durch die Verweigerung des Zugangs jeglicher Wettbewerb auf dem Markt der gehandelten Güter und Dienstleistungen nicht nur durch den Nachfrager, sondern durch jedes andere Unternehmen in vergleichbarer Position ausgeschaltet würde. Darüber hinaus darf die Ablehung nicht sachlich gerechtfertigt sein. Insbesondere das Erfordernis, dass auf dem Markt der gehandelten Güter und Dienstleistungen kein wirksamer Wettbewerb herrschen darf, stellt eine hohe Hürde für Zugangsansprüche auf. Als sachliche Gründe für eine Nichtzulassung kommen fehlende fachliche, technische oder wirtschaftliche Voraussetzungen des Petenten und Kapazitätsgrenzen in Betracht. Hätte eine Klage auf Zulassung zum Handel auf einem elektronischen Marktplatz aber Erfolg, so müssten die Betreiber dem Zugangspetenten die gleichen Bedingungen einräumen wie ihren eigenen nachgelagerten Unternehmenssparten. Folglich spricht viel dafür, dass in absehbarer Zeit weder in den USA noch in Europa mit einer größeren Anzahl von erfolgreichen Klagen auf Zulassung zum B2B-Handel zu rechnen sein wird. Was die Zulassung von Unternehmen zu unterschiedlichen Bedingungen betrifft, so sind im US-Kartellrecht auch die Betreiber von marktmächtigen Plattformen in ihrer Preisgestaltung frei. Sowohl Preisdiskriminierungen bei der Ausgestaltung der Transaktionsgebühren als auch das Gewähren von Mengenrabatten sind erlaubt. In Bezug auf Treuerabatte ist die Rechtslage bislang nicht höchstrichterlich geklärt worden. Art. 82 Abs. 2 lit. c) EG verbietet dagegen beherrschenden Unternehmen die Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden. Hätte eine Internetplattform eine dominante Stellung erreicht, so dürften Preisnachlässe, wie die Staffelung von Nutzungsentgelten nach Bestellvolumen
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oder Treueboni, nur gewährt werden, wenn sie besondere wirtschaftliche Leistungen des Handelspartners vergüten. Selbst objektive Mengenrabatte, die für alle Nutzer gelten und transparent gemacht werden, können gegen Art. 82 EG verstoßen, wenn sie eine verbotene Abschottungswirkung entfalten. Hierin ist wohl der bedeutendste Unterschied für die Behandlung elektronischer Marktplätze zwischen den beiden Rechtsordnungen zu sehen. Er wird jedoch in der Praxis erst relevant werden, wenn sich auf den Märkten für B2B-Vermittlungsleistungen beherrschende Stellungen herausgebildet haben. Ob und wann dies geschehen wird, kann derzeit nicht mit Sicherheit beurteilt werden.
VI. Fazit When you sit down and think of all the bad acts that can happen in a B2B feature made up of an industry consortium, you can lose your mind. Michel R. Rickman, Goodyear Tire & Rubber1.
In der Tat werfen Gründung und Betrieb von elektronischen Marktplätzen vielfältige kartellrechtliche Probleme auf. Diese stellen für das herkömmliche Instrumentarium des US-amerikanischen und europäischen Kartellrechts jedoch weder völlig neue noch unlösbare Herausforderungen dar. Es gibt keinerlei Anlass, im Bereich des Internethandels von bewährten kartellrechtlichen Prinzipien abzuweichen. Es gibt allerdings auch keinen Anlass, angesichts der technischen Möglichkeiten nur die daraus resultierenden Risiken zu sehen und die Chancen unbeachtet zu lassen. Elektronische Marktplätze können so ausgestaltet werden, dass ihr Betrieb kartellrechtlich unbedenklich ist. Inwiefern Unternehmen in der Praxis versuchen werden, die notwendigen Sicherungsmaßnahmen zu unterlaufen und B2B-Plattformen als Vehikel für wettbewerbsfeindliches Verhalten zu nutzen und wie die Kartellbehörden in den USA und der Europäischen Union darauf reagieren werden, wird sich erst in den kommenden Jahren herausstellen. Für eine abschließende Beurteilung ist es zum jetzigen Zeitpunkt noch zu früh.
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FTC Workshop II, Podiumsdiskussion 2, S. 137.
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Börsen 24–25, 41, 114, 165 Börsenmodell 25, 114 British Airways 22, 135–136, 275–276, 278 Bronner 242–244, 246, 249–253, 256, 263–268, 271 Brooke Group 85, 139–140 Bundeskartellamt 19, 159, 163, 168–171, 174–175, 177, 190, 218, 228 Cascade Health 136–137, 140, 281 cc-chemplorer 22 CC-markets 22–23, 28, 163, 168–170, 174–175 Centradia 142, 145–146, 158, 185, 199–200 Chemplorer 22, 149, 170–171 Clayton Act 38–40, 44–47, 56, 133–134 Cofunds 142, 149–150, 152, 185 comity 48, 158 Commercial Solvents 156, 240, 243, 245 Competitor Collaboration Guidelines 42–45, 74–76, 78–79, 82–83, 101, 103–104, 110, 128, 225, 286 consent decree 89–91 Covisint 17, 21, 26, 30, 40–41, 46, 58, 110, 142, 145, 149, 158–159, 164, 166, 169–170, 174–178, 185, 199, 202, 279 Datenverschlüsselung 77 Dean Witter 128–129, 131 Diskriminierungsverbot 241, 246, 272 Duopol 157
Stichwortverzeichnis ec4ec 142, 149, 160, 185 Einkaufsgemeinschaft 100–105, 107, 109–110, 220–221, 226–227, 230–232, 236, 238 Einkaufsgemeinschaften 98, 101, 103–104, 106–107, 109–110, 220–221, 223, 225–230, 232, 236, 238, 285–286 Einkaufskartell 99, 102 Einkaufsmacht 58, 97–98, 220, 285 emaro 142, 148, 151, 175, 181, 236 Empagran 50–51, 53–54 Endorsia 24, 142, 145, 158, 185, 199 Endverbraucher 92, 101, 161, 167, 199, 207, 233 ERT 245 essential facilities-Doktrin 117–120, 122, 124–125, 127, 130, 238, 241–242, 247–249, 255, 286–288 EuGH 143–144, 156–158, 179, 188, 192–197, 213, 215, 221–224, 231, 235, 237, 240, 242–245, 249–252, 256–257, 263, 265–267, 272–275, 280, 293 Europäische Kommission 51, 66, 160, 207 Eutilia 24, 115, 142, 145, 158, 185, 199 Export Trading Company Act 49 facilitating practice 67, 89 FCC 94–95 Federal Communications Commission 94 Firewalls 96, 199 FKVO 143, 145–152, 155, 157–158, 160, 163, 166, 169, 180 Foreign Trade Antitrust Improvements Act 47, 49, 154 Forschung und Entwicklung 230, 237 FTAIA 47, 49–55 FTC 23–26, 28–29, 33, 39–46, 48–49, 55–69, 74, 76, 78–84, 95–98, 105–106, 109–115, 117, 125,
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129–130, 140, 159, 176, 202, 216, 219, 289 FTC Report 25, 29, 57, 68, 84, 96 FTC Report II 30 Fusionskontrolle 149, 152, 155, 160, 163, 169, 261 Fusionskontrollverordnung 145, 147, 155, 261 gemeinsam einkaufen 223 Gemeinschaftsunternehmen 21, 23, 43, 89, 142, 145–152, 158, 162, 165–166, 185, 200, 202, 217, 241, 254, 285 Gencor 156–158 Gericht erster Instanz 156–157, 191, 194, 215, 223, 254, 275–276 Geschäftsverweigerung 117–118, 120, 125, 128–129, 131–132, 134, 240, 244–246, 249, 287 Governet 149, 161 Gruppenfreistellungsverordnung über vertikale Beschränkungen 230 Gruppenfreistellungsverordnungen über Spezialisierungsvereinbarungen 237 Hafen-Entscheidungen 241, 245 Hart-Scott-Rodino Antitrust Improvements Act 39 Health Care Statements 79–81, 106, 219 Hoffmann-La Roche 38, 51, 240, 256–257, 280 Horizontal Merger Guidelines 39, 45, 55–57, 63–64, 98, 162 HSR Act 39, 46 Immaterialgüterrechte 248 Informationsaustausch 44, 69–71, 73–74, 76–80, 82–84, 93, 185, 187–188, 192–193, 201, 204, 206, 210, 213, 216, 282–285 Infrastruktur 40, 113, 242–244, 247, 250–253, 255, 264–268, 288
304
Stichwortverzeichnis
Inreon 142, 145, 158, 185, 199 Internetplattform 25, 27–28, 43, 58, 65, 67, 100, 115–117, 127, 129–130, 132, 143, 147, 162, 164, 169, 176, 180, 183, 185, 204, 217–218, 227, 235, 239, 255, 260, 262–266, 268–269, 271, 285–288 Irish Continental Group v. CCI Morlaix 250 joint venture 41–42, 47, 89, 106, 120, 125, 127–129, 131–132, 135, 151, 287 Justizministerium 37, 39–40, 42, 48, 56–58, 60–61, 66–67, 74, 77, 79, 89–91, 95, 201, 207 Kampfpreisunterbietung 88, 139 Kartellkontrolle 143, 149, 158 Kartellrechtsabteilung des US-Justizministeriums 19, 30, 76, 79, 89–90, 92, 94, 201, 207 Kartellverbot 31, 34–35, 69, 71, 101, 144, 193, 196, 198, 209–210, 214–215, 223, 225–226, 229, 241, 254 Kartellvereinbarung 94, 96, 191, 198, 218 Kommission 16, 19–20, 43, 142, 144–162, 164–166, 168, 170–175, 178–179, 181–182, 184–185, 187–191, 193–196, 198–201, 205, 207, 209–212, 214–218, 223–225, 228, 230, 233–238, 241, 245, 249–250, 254, 256, 269, 273–277, 286 Konsortialmarktplätze 97, 115, 260 Konsumentenwohlfahrt 135 Kontrahierungszwang 240, 246, 253, 255, 286 Konzentrationsgrad 73, 75, 82–83 LePage’s 138–141, 281 less restrictive alternatives 34, 83
Lieferverweigerung 245, 248–249, 272 Lieferverweigerungen 243 Magill 242–243, 245, 252 Mandeville Island Farms 101 Markt 17–18, 24, 36, 39, 44, 52, 55, 57–59, 61, 63–66, 68, 70, 72–73, 75, 78–79, 82, 86, 88, 98–100, 103–105, 107–108, 110, 112–113, 117–118, 120, 122–123, 126–127, 129, 135, 138–139, 141, 143, 146, 148, 150–152, 154, 157–158, 160, 162–165, 167–168, 170–172, 175, 178–184, 187–189, 191, 193–197, 199, 201, 203, 205, 209, 220, 222, 225, 234, 240, 242–244, 246–259, 261–264, 267–268, 271, 273–275, 278–279, 282–283, 286–288 Marktabgrenzung 55–57, 59–60, 63, 159–161, 163, 166–167, 169, 172–174, 178–182, 263, 282 Marktbeherrschung 239, 246, 256–257, 261 Markteintritt 68, 117, 251, 259, 261, 267 Markteintrittsbarrieren 65 Marktgegenseite 61, 69, 93, 161, 163, 169, 172, 178, 183, 203, 205–206, 209–210, 220, 226, 237–238, 282–283 Marktmacht 39, 46, 98, 100, 125, 128–130, 139, 150, 170, 224–225, 227, 242, 246–248, 258, 260, 263 Marktmachtmissbrauch 240 Marktstruktur 71–73, 104, 111, 189, 196–197, 211, 234, 237, 240, 256, 278 Markttransparenz 27, 44, 67–69, 83, 116, 142, 179, 184, 186, 189, 193, 195–198, 200, 202, 205–207, 209–210, 216, 283–284 Matsushita 88 Meistbegünstigungsklausel 92, 201, 207
Stichwortverzeichnis Mengenrabatte 141, 274, 276, 280, 289 Mengenreduzierung 105–107 Michelin II 276–277, 280–281 Missbrauch 154, 240, 245, 250–253, 255, 274–275, 288 Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung 240, 245, 255 Monopol 86, 98, 125–126, 260 Monopolist 123, 135, 139 Monopolstellung 36–38, 108, 120, 122–123, 139, 253, 258 monopoly leveraging 247 Monopson 98, 100 monopsony 98–100, 142 MyAircraft 21–22, 142, 147, 149, 162, 165–166, 170–171, 173–175, 178, 181–183 Nachfragebündelung 18, 98, 109, 220, 226–229, 238, 282, 285 Nachfragemacht 98–100, 103–110, 224–225, 232, 238, 286 National Carbonizing 245 New Economy 15, 258–260 Northwest Wholesale Stationers 34, 128, 130 old economy 166 Oligopol 86, 197–198 Oligopolisten 86 Oligopolproblem 84 one-stop shopping 166 Opodo 66, 142, 180, 185, 200–201, 207, 212, 217 Orbitz 30, 47, 57–58, 61, 66–69, 84, 91–93, 201, 207 Otter Tail 119, 129–130 Parallelverhalten 84–86, 88, 197–198, 207, 216, 218, 283 Partlinx 30, 41, 43–45, 58, 64–65, 67, 76, 79–82, 179, 219
305
per se-Verbot 35, 43, 72, 102–103, 206 predatory pricing 139 Preis 25, 60, 68, 70–72, 79–81, 86, 94, 96, 99–100, 107–109, 133, 165, 190, 204, 219, 222, 225, 252, 274 Preisabsprache 35, 44, 72, 80, 84, 101, 109 Preisankündigungen 84–85, 196–198 Preisbildungsmechanismen 24, 28, 115 Preisdiskriminierung 62, 132–133, 272, 278, 281 price signaling 84 Primärmarkt 247, 249–250, 253, 256, 264 Produktmärkte 95, 160, 162, 167, 171–172, 178, 210, 262, 282 Rabatte 89, 186, 279 Rabattsystem 138, 141, 277 räumlich relevanter Markt 63, 65, 159, 178, 180–181, 183, 283 reverse auction 107, 208 Robinson-Patman Act 134, 275 RTT/GB Inno 245 Rubber Network 26 rule of reason 31–35, 43, 72–73, 78, 83–84, 101–102, 108, 128–131, 137, 140, 145, 204, 206, 284 Sabena 245 sachlich relevanter Markt 162, 168, 282 Sekundärmarkt 249–254, 256, 264, 270 Statements of Antitrust Enforcement Policy in Health Care 79 Steel 24-7 142, 148–149, 160, 185 SupplyON 164 Supralift 142, 149, 151, 185
306
Stichwortverzeichnis
Telemarketing 245 Terminal Railroad 117–119, 129–130 Territorialitätsprinzip 156 Treuerabatte 134, 141, 279, 288 U.S. Supreme Court 31–36, 42, 47–48, 51–53, 59, 70–73, 85, 88, 101, 118–120, 128, 130, 139–140, 281 umgekehrte Versteigerung 107 United Brands 179, 240, 256–257, 273–274 Verdrängungswirkung 276, 278 Verhaltensabstimmung 58, 85, 87–89, 197, 221, 224, 227, 237–238 Vermittlungsleistungen von B2B-Plattformen 288 Verordnung Nr. 1/2003 144, 230 Versteigerung 94–95, 107, 208 Vertraulichkeitsvorschriften 97 Virgin Atlantic 135–136, 275
Volbroker 21, 142, 185, 200, 212, 217, 241 Weltmarkt 23, 64, 179, 181–182, 184, 283 wesentliche Einrichtung 117–118, 120, 127–128, 239, 249–250, 264, 269, 287 Zellstoff 16, 40, 144, 154, 156–158, 196–197 Zugang 44, 75, 96, 111, 118, 120, 123, 127–128, 130–132, 141, 146, 199–200, 202, 215, 238, 240–244, 246–247, 249–250, 254–256, 263–264, 269, 271, 286, 296 Zugangspetent 130, 251, 288 Zugangsverweigerung 120–122, 124, 127, 129, 132, 147, 238–239, 241, 243–244, 250, 255, 263–264, 270, 287 Zusatzfaktoren 87–88