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German Pages 124 Year 1929
Die Bedeutung der Gesdiidile für dieVerkiindigung des Amos und Hosea von
Julius Rieger Dr. phil. Pastor und Studieninspektor
1929 "Verlag von A l f r e d T ö p e l m a n n in G i e ß e n
Alle Rechte vorbehalten
Printed in Grermany
Vorbemerkung. Die vorliegende Arbeit ist Anfang 1926 entstanden and kann aus mannigfachen Gründen erst jetzt im Druck erscheinen. Für reiche wissenschaftliche Förderung, insbesondere auch bei der Ausarbeitung dieser Studie, bin ich zu größtem Dank verpflichtet Herrn Professor D. Dr. J. HAUSHEER in Zürich und vor allem Herrn Professor D. Dr. 0. EISSFELDT in Halle (Saale), der auch eine Korrektur kritisch mitgelesen hat. Bei der Durchsicht der Korrekturbogen halfen mir ferner die Herren Predigtamtskandidaten H . ARNOLDT und W . HOLLAND, denen ich auch an dieser Stelle meinen Dank ausspreche. Naumburg (Queis), im Dezember 1928. J . RIEGEB.
Inhaltsverzeichnis Seite
Vorbemerkung III Literaturverzeichnis V Abkürzungen VII Verzeichnis der behandelten SteUen VIII Druckfehler und Nachtrag VIII § 1. Einleitung 1—2 I. Kapitel. Arnos. § 2. Erwähnungen der Volksgeschichte 2—21 § 3. Die allgemeine Geschichtsauffassung 22—44 II. Kapitel. Hosea. § 4. Die Volksgeschichte 45—78 § 5. Die allgemeine Geschichtsbetrachtung 78—94 III. Kapitel. Zusammenfassung und Ergebnisse 94—115 Tabelle zu S. 112 f. 116
Literaturverzeichnis. , Die Ehe des Propheten Hosea in psychoanalytischer Beleuchtung 1926. A. ALT, Israel und Ägypten, die politischen Beziehungen der Könige von Israel und Juda zu den Pharaonen nach den Quellen untersucht 1909. — Hos. 5, 8—6, 6 in NKZ., 30, 1919, S. 537—568. E. BALLA, Die Droh- und Scheltworte des Arnos (Leipziger Reformationsprogramm) 1926. W . W . GRAF BAUDISSIN , Kyrios als Gottesname im Judentum und seine Stelle in der Religionsgeschichte 1926—1929, Bd. III. E. BAUMANN, Der Aufbau der Amosreden 1903. W. BAUMGARTNER, Kennen Arnos und Hosea eine Heilseschatologie ? in Schweizerische Theologische Zeitschrift 30, 1913, S. 30 ff. A . B E R T H O L E T , ZU Arnos 1 , 2 in BONWETSCH - Festschrift 1 9 1 8 , S. 1—12. K. BUDDE, Das nomadische Ideal im AT. in Preußische Jahrbücher 85, 1896, S. 57—79. — Zu Text und Auslegung des Buches Arnos in JBL. 43, 1924, S. 46—131 und 44, 1925, S. 63—122 [oft zitiert „BUDDE"]. — Der Abschnitt Hos. 1—3 und seine grundlegende religionsgeschichtliche Bedeutung in ThStKr. 96/97, 1925, S. 1—89. L. DÜRR, Ursprung und Ausbau der israelitisch-jüdischen Heilandserwartung 1925. A . ALLWOHN
0 . EISSFELDT, Hexateuchsynopse 1922.
— Die Quellen des Richterbuches 1925. H. GKESSMANN, Der Ursprung der israelitisch-jüdischen Eschatologie 1905. — Die Anfänge Israels ( = SAT. I, 2) 1914, 2 1922. — Die älteste Geschichtsschreibung und Prophetie Israels ( = SAT. II, 1) 1910, a 1921. — Mose und seine Zeit 1913. — AOTB. 1909, a 1926/27.
VI H. GUNKEL, Schöpfung und Chaos in Urzeit und Endzeit 1895, ' 1921.
— Genesis, 4 1917. M. HALLER, Edom im Urteile der Propheten in MARTI-Festschrift 1925, S. 109-117. W. VON HAXJFF, Sexualpsychologisches im AT. 1924« J. HEMPEL, Jahwe-Gleichnisse der israelitischen Propheten in ZAW. 42 (NF. 1), 1924, S. 74—104. — Gott und Mensch im AT. 1926. R. KITTEL, Geschichte des Volkes Israel I 6 , 6 1923; II« 1925. — Gestalten und Gedanken in Israel 1925. P. KLEINERT, Die Propheten Israels in sozialer Beziehung 1905. L. KÖHLER, Arnos 1917.
M. LOHR, Untersuchungen zum Buch Arnos 1901. K. MARTI, Das Dodekapropheton 1904.
— Zur Komposition von Arnos 1 , 3 — 2 , 3 in BAUDISSIN - Festschrift 1917, S. 323—330. ED. MEYER, Die Israeliten und ihre Nachbarstämme 1906. W. NOWACK, Die kleinen Propheten 2 1903, 3 1922 [oft zitiert „NoWACK"].
S. OETTLI, Arnos und Hosea 1901. N. PETERS, Hosea und die Geschichte 1924. 0. PROCKSCH, Die Geschichtsbetrachtung bei Arnos, Hosea und Jesaja. Königsberger theol. Dissertation 1901. — Geschichtsbetrachtung und geschichtliche Überlieferung bei den vorexilischen Propheten 1902 [oft zitiert „PROCKSCH"]. — Das nordhebräische Sagenbuch, die Elohimquelle 1906. H. SCHMIDT , Der Prophet Arnos. Sechs Vorlesungen an einem Kriegshochschulkurs 1917 [oft zitiert „SCHMIDT"]. — Die Herkunft des Propheten Arnos in BUDDE-Festschrift 1920, S. 158—171. — Mose und der Dekalog in Eucharisterion H . GUNKEL dargebracht 1923, S. 78—119. — Die Ehe des Hosea ZAW. 42 (NF. 1), 1924, S. 245—272. — Hosea 6,1—6 in SELLIN-Festschrift 1927, S. 111—126. 0 . SEESEMANN, Israel und Juda bei Arnos und Hosea 1898. E.SELLIN, Wie wurde Sichern eine israelitische Stadt? 1921. — Das Zwölfprophetenbuch 1921 [oft zitiert „SELLIN"]. — Mose und seine Bedeutung für die israelitisch-jüdische Religionsgeschichte 1922. — Geschichte des israelitisch-jüdischen Volkes I 1924. — Die geschichtliche Orientierung der Prophetie des Hosea in NKZ., 36, 1925, S. 607—658.
VII E.
SELLIN,
Hosea und das Martyrium des Mose in ZAW. 46 (NF. 5),
1928, S. 2 6 — 3 3 .
R. SMEND, Moses apud prophetas 1875. — Lehrbuch der alttestamentlichen Religionsgeschichte 2 1899. E. TROELTSCH, Glaube und Ethos der hebräischen Propheten in Ges. Schriften IV, S. 34—65; 818—821. J. P. VALETON, Arnos und Hosea, übersetzt von ECHTERNACHT 1898. M.WEBER, Das antike Judentum in Ges. Aufs, zur Religionssoziologie III, 1921. A. W E I S E R , Z U Arnos 4, 6—13 in ZAW. 46 (NF. 5), 1928, S. 49—59. J . WELLHAUSEN, Die kleinen Propheten ( = Skizzen und Vorarbeiten V) 3 1898 [oft zitiert „ W E L L H A U S E N « ] .
Abkürzungen. AOTB.
= Altorientalische Texte und Bilder (herausgeg. von H . GRESSMANN) ;
Altes Testament; Elohist; E = J = Jahwist; JBL. = Journal of Biblical Literature; 1 L = Laienquelle, auch J genannt; NKZ. = Neue Kirchliche Zeitschrift; RE. = Protest. Realencyklopädie für Theologie und Kirche; RGG. = Die Religion in Geschichte und Gegenwart; SAT. = Die Schriften des Alten Testaments in Auswahl; SBA. = Sitzungsberichte der Berliner Akademie der Wissenschaften ; ThStKr. = Theologische Studien und Kritiken; ZAW. = Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft. AT.
vm
Verzeichnis der behandelten Stellen. Am. 1, 3 6 9 13 2 1 9— 12 . 3 2 8 4, 6 - 12. 10 11 5,2 24 25 26 6, 1 2 5 13 9, 7
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19 19 f. 20. 29 20 f. 28 8—13 17. 30. 36. 38 24 23. 43 f. 7—8 4—7 2 f. 17 f. 40 11.13—16. 44 16 26. 30. 39 26 18 f. 21 27. 30. 36
Hos. 1—3 . 1,4 . 2 16 f. 4 lf. 5 2 . 5, 8—6, 6, 4—6 7 . 9, 9 . 10 . 15 . 10, 9 . 11, 1 . 8 . 12 . 13, 1 . 4—6
. . . . . 6 . . . . . . . . . .
90—94 77 f. 65—67 69—72 75. 82 81 f. 75 75 76 f. 73—75 77 76 f. 67 f. 45 f. 46—64 75 68 t.
Druckfehler und Nachtrag. S . 20, A. 3 Zu S. 108, I, 2*, 1924,
lies J. PEDERSEN statt E. PEDERSEN. A. 1: Vgl. auch ED. MEYER, Geschichte des Altertums 1921, S. 297 f. sowie E. NORDEN, Die Geburt des Kindes S. 53 ff.
§ 1.
Einleitung.
Die folgenden Blätter wollen einen Beitrag liefern zur Beantwortung der Frage, mit welcher Intensität und in welcher Weise der große Schatz der Volksgeschichte auf die Größten des hebräischen Altertums eingewirkt hat, und bis zu welchem Grade die Vergangenheit von Staat und Volk für Persönlichkeit und Predigt der Propheten richtungweisend und formgebend gewesen ist1). Diese Frage ist von der anderen unabtrennbar , welche Bedeutung die Völkergeschichte überhaupt für die Gedanken der Propheten hatte. Diese Probleme kann unsere Studie indes nicht im entferntesten lösen; schon aus dem Grunde nicht, weil sie die Bedeutung der Geschichte nur bei den beiden frühesten Schriftpropheten darstellen möchte. Diese 1) OTTO P E O C K S C H hat in seiner Königsberger Dissertation von 1901 und in seinem Buche „Geschichtsbetrachtung und geschichtliche Überlieferung bei den vorexilischen Propheten" 1902 unser Thema gestellt und behandelt und die hier gewonnenen Ergebnisse dann besonders in dem Werke „Das nordhebräische Sagenbuch, die Elohimquelle" 1906 gestützt und unterbaut. Durch SELLIN'S letzte Untersuchungen ist das Geschichtsproblem bei Hosea in ein neues Licht gerückt [siehe Literaturangabe]. Das Recht zu der vorliegenden Arbeit glaubt der Verfasser vor allem in der Tatsache zu finden, daß die in seiner Arbeit angedeuteten Ergebnisse zu den Schlußfolgerungen PROCKSCH'S und auch S E L L I N ' S in Widerspruch stehen oder doch in wichtigen Punkten von ihnen stark abweichen. 1
2 Begrenzung schien angebracht, weil Arnos und Hosea zeitlich nicht allzu sehr auseinander liegen1) und somit also einer fast gleichen Geschichtsperiode angehören; weiterhin weil Ziel und Zweck ihres Auftretens trotz großen Unterschiedes in Temperament und Diktion in manchem recht ähnlich sind; und endlich, weil beide wohl ausschließlich in dem Zehnstämmereich gewirkt haben. Soviel aber auch die enge Umgrenzung des Stoffgebietes für sich haben mag, eine so große Beschränkung ist auch mit ihr verbunden, besonders, wenn man „neue" Ergebnisse erwartet. Immerhin hat auch die Yergleichung und die Gegenüberstellung gerade der ersten beiden vorexilischen Propheten ihren Anreiz und entbehrt nicht des Interesses, zumal bei diesen beiden Prophetenklassikern, die die Reihe der Schriftpropheten eröffnen, die Geschichte verschieden aufgefaßt und das Geschichtsproblem von jedem in seiner besonderen Weise gelöst worden ist.
I. Kapitel.
Arnos.
§ 2. Erwähnungen der Volksgeschichte. Den Punkt, den Arnos seiner Gegenwart im Gange der Geschichte seines Volkes zuweist, erfahren wir aus der kurzen Totenklage 5, 2: 1) Arnos' Auftreten fällt nach 1 , 1 ; 7,10—17. in die Regierungszeit des nordisraelitischen Königs Jerobeamll. (783(5)—743(4)) und wird am besten um 750 herum anzusetzen sein; vgl. auch den Versuch
PAUL KLEINERT'S,
Die
Propheten
Israels
in
so-
zialer Beziehung 1905, S. 28, A. 2, Arnos auf Grund von 9,11—13 noch weiter hinaufzurücken. — Auch Hosea kennt noch die Glanzzeit Jerobeams II. vergl. 1,4; 2, 4 ff.; er hat die Palastrevolutionen des Nordreiches miterlebt und kennt vielleicht auch noch die Katastrophe von 722.
3 Es fiel, nicht wird aufstehen die Jungfrau Israel; Hingestreckt auf ihr Land, niemand läßt sie auferstehen.
Abgesehen von der literarischen Bedeutung dieses gedrungenen und eindrucksvollen Gedichtes') ist hier ganz unmißverständlich ausgedrückt, daß jetzt das Ende aller israelitischen Geschichte gekommen ist. Diese Tatsache ist umso tragischer, als Israel nach der Meinung des Propheten einem Menschen in zukunftsreichstem Alter gleicht: Israel wird — wohl zum erstenmal in der israelitischen Literatur — als Jungfrau bezeichnet. Man beachte, daß von einer Ehe Jahwes mit Israel in diesem Zusammenhang nicht gesprochen werden kann. Darum ist gerade das Bild einer Jungfrau im prophetischen Klagelied nicht ganz bedeutungslos2). Hosea hätte es kaum so verwendet3). Israel fängt gerade erst an, wahrhaft zu leben; es will ja doch jetzt endlich seine Rolle in der Weltgeschichte spielen. Das nationale Selbstbewußtsein — das ist die Voraussetzung unseres Liedes — ist jetzt im Erwachen, bezw. 1) Vgl. HEDWIG J A H N O W , Das hebräische Leichenlied im Kähmen der Völkerdichtung 1923, S. 165—168. Dieses Leichenlied ist die älteste im AT. erhaltene Übertragung des Leichenliedes, vielleicht überhaupt die erstmalig vollzogene Anwendung der Gattung im unwirklichen Sinne ( J A H N O W , S. 165). — S. auch 0. EISSFELDT, Der Maschal im AT. 1913, S. 62 ff. 2) Gegen H. JAHNOW, a. a. 0. S. 167 „Die Verbildlichung Israels durch die Gestalt einer Jungfrau hat nichts Überraschendes, da in Israel, wie bei den verschiedensten Völkern die Darstellung des Landes durch eine Frauengestalt beliebt ist (man vergleiche nur unsere Germania)". Aber auf das A l t e r dieser Frauengestalt kommt es hier doch an; Joel 1,8 ist nicht gleichwertig mit unserer Stelle und meint etwas anderes. 3) Hosea sieht Israels Jugendzeit nicht in der Gegenwart, sondern in einem ganz anderen Abschnitt der israelitischen Geschichte. Vgl. auch den Vergleich der Tochter Zion mit einer kinderreichen Mutter Mi. 1, 16.
1*
4 im Wiedererwachen. Und nun muß gerade in diesem Augenblick der nationalen Selbstbesinnung das Volk sterben. Arnos singt ihm die Totenklage. Es stirbt nicht schuldlos, es hat seinen frühen Tod verdient. Aber zwischen den Zeilen liest man die Liebe des Propheten zu seinem Volk heraus: die Klage um eine Jungfrau mochte in Israel besonders herzandringend sein, ähnlich der auch bei Arnos erwähnten „Klage um den Einzigen" '). Vielleicht ist diese Betrachtung der eigenen Volksgeschichte mit der G r u n d , daß wir bei Arnos verhältnismäßig wenig Anspielungen auf Israels Vergangenheit finden. Israels Glanzperiode hätte ja bei rechtmäßigem Verhalten Gott gegenüber erst kommen sollen. Alles Gewesene war bloß ein schwaches Präludium zu dem Großen, das noch ausstand und das jeder rechte Israelit erwartete. 1. Wir beginnen mit einer Stelle, bei der man zweifelhaft sein kann, ob man sie als g e s c h i c h t l i c h e Anspielung ansprechen darf. Es sei an dieser Stelle bemerkt, daß es für unseren Zusammenhang nicht darauf ankommt, wie wir zu der Geschichtlichkeit bezw. Sagen- oder Mythenhaftigkeit einer erwähnten Tatsache stehen, sondern es kommt für uns lediglich das in Betracht, ob der Prophet ein Ereignis als geschichtliches Faktum bejaht. Und das ist zweifellos an der Stelle 4,11 2 ) der F a l l , wo Arnos im Zusammenhang eines längeren prophetischen Liedes die Katastrophe von Sodom und Gomorrha erwähnt. Weil DV6K an unserer
Stelle im Buche Arnos
1) Vgl. 8 , 1 0 ; Jer. 6, 26; Sach. 12,10;
Jdc. 11,30—40, sowie
H. JAHNOW S. 9 5 . 2 ) V g l . z u m f o l g e n d e n OTTO PROCKSCH,
S. 104—109.
Geschichtsbetrachtung,
5 singulär ist, wenn man von dem hineinbonjizierten DTibx in 6, 1 absieht, will es MARTI nebst den Akkusativpartikeln nx streichen; aber gerade das einmalige Vorkommen des Wortes sollte vor der Streichung warnen. Andrerseits streicht SELLIN- den ersten Halbvers vom ersten nx ab; aber die häufige Erwähnung der Sodomerzählung gerade bei den Propheten*) muß zu großer Vorsicht mahnen, und schließlich entsteht durch die Streichung eine Lücke im Metrum. Eine andere Frage ist es, ob man mit SELLIN und anderen das Präfix 3 vor roBiTH streicht. Tut man das und hält alles übrige für echt, dann muß sich der ganze Vers auf jene Sodomstat Glottes zurückbeziehen, d. h. dann muß die in dem Gredichte 4, 6—12 erwähnte fünfte Plage die uns in Gren. 18 f. überlieferte Zerstörung von Sodom und Gromorrha sein; die zweite Vershälfte wäre dann mit SELLIN2) sprichwörtlich zu fassen im Sinne von: ihr seid mit knapper Not errettet. Damit wäre angedeutet, daß die Sodomkatastrophe nur einen Teil der Bewohner des Landes betraf, aber doch zu dem Zwecke von Jahwe gesandt war, um die Übrigen zur Umkehr zu mahnen; beinahe hätte diese auch das Unheil treffen können. Der Prophet würde übertreibend die Sache umkehren: nicht das Überbleibsel Israel war in der Mehrheit und die Bewohnerschaft der sündigen Städte in der Minderheit, sondern das Los der Vernichtung hätte alle treffen müssen, „ihr seid noch mit knapper Not entronnen". — Aber bei dieser ganzen Konstruktion darf der Ausgangspunkt nicht vergessen 1) Hos. 11, 8 ; Jes. 1, 7. 9 f.; 13,19; Jer. 20, 16; 23, 14; 49,18; 50, 40; Hes. 16, 48 ff.; Zeph. 2, 9. 2) Gegen MARTI, der den ganzen Vers doch wohl unrichtig vom Kriege handeln läßt.
6 werden: er ist die Streichung des im Text und in den Versionen gut bezeugten 3.
Dieses Präfix wird man
umso weniger streichen dürfen, als an den beiden Stellen Jes. 13,19 und Jer. 50, 40 Sodoms und Gomorrhas genau mit denselben Worten Erwähnung getan wird.
An
beiden Stellen heißt es wie bei Arnos wörtlich übereinstimmend rrmy-nKi m o - n s o t 6 K r o s n * » .
Der Stamm
findet sich auch in der Gen.-Erzählung 19, 21.25 (vgl. Dt. 29,22), dagegen läßt der sonst bei Arnos fehlende Ausdruck Elohim für Jahwe, sowie dieses selbe Elohim im Munde Jahwes, endlich die völlige Gleichheit der Phrase bei drei verschiedenen Schriftstellern von vornherein die Vermutung auftauchen, daß die Redensart im Volksmund umlief und von Quelle geschöpft ist.
Arnos aus
dieser
mündlichen
Diese Annahme wird
gestützt
durch die Tatsache, daß die Sodomerzählung in Gen. 18 f. in ihren beiden Versionen*) nicht von Elohim, sondern von Jahwe handelt, weiter dadurch, daß beide jahwistischen Quellen, die uns die Erzählung überliefert haben, wahrscheinlich nur von Sodom, dagegen nicht von Gomorrha berichten.
W i r werden daher als wahrschein-
lich anzunehmen haben, daß der Prophet an unserer Stelle auf eine Erzählung rekurriert, die älter ist als beide uns in der Genesis überlieferten.
Möglich ist es
aber auch durchaus, daß der Prophet eine Version der Erzählung gekannt hat, die den uns erhaltenen Versionen nahe stand, und daß er zur Bezeichnung des von
dieser
Version
Erzählten
eine
sprichwörtliche
Formel zitiert, deren Ursprung zurückgeht auf eine Urform der Sodomerzählung, auf die auch die betreffenden Gen. - Erzählungen
zurückgehen
werden.
Da
in
der
1) Dagegen EVA GILUSCHEWSKI in Z A W . 41, 1923, S. 76 ff.
7 stereotypen Formel Elohim für Jahwe steht, ist es durchaus möglich, daß jene Urform noch polytheistischen Charakter hatte und vorisraelitisch-kanaanäischen Gepräges war. Eine Abhängigkeit des Propheten von uns bekannten Pentateuchquellen ist jedenfalls von unserer Stelle aus nicht zu erschließen und sehr unwahrscheinlich 1). 2. An der Stelle 4,10 ä) wird die von Jahwe gesandte Plage der Pest in Ägypten verglichen; aber das D I L Ä B T T D , auf das es ankommt, ist umstritten; M A K T I , N O W A C K und andere streichen es, S E L L I N außerdem noch den Anfang des Satzes, L U D W I G K Ö H L E R zweifelt an der Echtheit des ganzen Stückes. Ist die Stelle aber echt, dann könnte eine Rückbeziehung auf die Plage der Yiehpest in Ex. 9,1—7 J vorliegen s). Wir könnten aber auch sehr wohl einen Verweis auf die in Ex. 11,1—8; 12, 29—32 JE erzählte Tötung der Erstgeburt vor uns haben, die ja ganz wie ein pestartiges Würgen anmutet. Würde Arnos auf dieses Plagenwunder anspielen, dann wäre die „Weise Ägyptens" verständlich; alles 1) Vgl. W E L L H A U S E N S . 8 0 : „Der sonderbare Infinitv RAEN» und der Gottesname a-nix weisen darauf hin, daß eine alte und nicht spezifisch israelitische Redensart vorliegt, wie denn auch die Erzählung Gen. 18.19 in ihren Grundzügen nicht israelitisch und nur lose mit der Geschichte Abrahams verbunden ist". — Vgl. auch zu der ganzen Frage F. BAUMGÄRTEL, Elohim außerhalb des Pentateuch 1914, S. 54— 61 „Man möchte beinahe von einem terminus technicus reden" (S. 58). „Darum bleibt kein anderer Weg übrig als der, daß die Sage nicht erst nach der Einwanderung der Israeliten in Kanaan entstanden ist, sondern daß sie von den Israeliten vorgefunden wurde. Sie ist also nicht israelitisches, sondern kanaanäisches Gut. Die Sage wurde von den Israeliten auf Jahwe übertragen, die im kanaanitischen Sprachgebrauch umlaufende Formel übernommen" (S. 59). 2 ) V g l . PROCKSCH S . 1 0 9 f .
3) Das würde auch gelten, wenn man mit S. 99 w s statt lesen würde.
BÜDDE J B L .
43, 1924,
8 Erstgeborene soll vertilgt werden. Der Hauptstrang dieser Exodus-Erzählung weist auf J, jedoch wird auch für E etwas dem Ahnliches ergänzt werden müssen. Im Zusammenhang damit darf vielleicht eine weitere Vermutung gewagt werden. Es scheint, als ob die zuletzt genannte Erzählung von dem Sterben der Erstgeburt das „literarische Prius" gewesen sei, an das die übrigen Plagen- und Wundererzählungen erst später angefügt seien'). Könnte man aus dem allgemeinen Ausdruck a*nra •pm einen Rückblick auf Ex. 11,1 ff.; 12, 29 ff. erschließen, dann läge das Weitere nahe, daß Arnos eine Tradition gekannt hat, die im wesentlichen nur diese eine Wundertat Gottes hervorhob. Der auffallend allgemeine Ausdruck, der in seiner wenig sagenden Form doch auf etwas Bestimmtes hinauszulaufen scheint, und das argumentum e silentio bezüglich der übrigen Plagen könnten auch dafür sprechen. Jedoch sei zugegeben, daß die Gründe sehr schwach sind. Vielleicht ist doch das D^IStt TH2 eine sprichwörtliche Redensart gewesen, die man im Volke gern gebrauchte, wenn man sich der Ereignisse in Ägypten im allgemeinen erinnerte2). Ebenso wird auch die Verbindung von „Pest und Schwert", auf die PROCKSCH in seinem „Nordhebräischen Sagenbuch" aufmerksam macht, kaum für die Beeinflussung des Propheten durch den Elohisten in Anspruch genommen werden können 3). 3 a) In dem Abschnitt 2, 9—12, dessen Echtheit zuletzt noch von K A R L B U D D E mit guten Gründen ver1) Vgl.
HUGO GRESSMANN,
Mose und seine Zeit 1913, S. 101.
2 ) PROCKSCH S . 1 0 9 .
3) PROCKSCH (S. 256) verweist auf Ex. 5, 3, das nach ihm zu E, nach anderen aber zu J gehört.
9 teidigt worden ist 1 ), ist zunächst das Eine bemerkenswert, daß y. 9 die Urbewohner Palästinas Amoriter und nicht Kanaaniter genannt werden. Die Hexateuchforschung darf es als eines der gesichertsten Ergebnisse ihrer Arbeit betrachten, daß diese Bezeichnung mit ein untrügliches Zeichen für die Diktion des Elohisten 2 ) ist, im Unterschied zu dem Sprachgebrauch der anderen Quellen. Allerdings ist keine unbedingte Sicherheit in dieser Frage zu erreichen. Denn auch einer der beiden jahwistischen Fäden spricht von den D'H'Ofc? als den Bewohnern des Ostjordanlandes 3). Immerhin wird in Am. 2,9 von den Amoritern schlechthin gesprochen ohne Unterschied ihres Wohnsitzes, und diese allgemeine Bezeichnung der Ureinwohner ist gerade dem Elohisten eigentümlich. Wir haben hier also eine Stelle, die beweist, daß Arnos in einem nicht unwichtigen Punkte die Anschauung des Elohisten teilt. Eine weitere Frage tritt in Zusammenhang damit an uns heran: in welcher Zeitspanne denkt der Prophet die Urbevölkerung von den Israeliten überwunden? Ist der Kampf ein langwieriger, durch lange Zeiträume hindurchgehender, oder ist er eine schnelle und einmalige Tatsache? Für das Letzte spricht erstens die bündige Erwähnung und die Zurückführung des Ereignisses auf Jahwe in dieser Form, zweitens aber die Stellung von v. 9 und 10. Die Amoriter werden von Jahwe vor den Israeliten her vernichtet, und dann erst folgt die Einwanderung bezw. Hineinführung. Möglich, daß das lediglich auf 1) 12 um. 2) tung, S. 3)
JBL. 43, 1924, S. 71—73; stelle mit BAUMANN V. I I b und Vgl. die Literaturangabe bei PROCKSCH, Geschichtsbetrach116, und Sagenbuch, S. 255 ff. Vgl. Jdc. 1, 34.
10 die religiöse Geschichtsbetrachtung zurückzuführen ist, die den Menschen hintanstellt und Gott allein als den die Geschichte wirkenden Faktor hervortreten läßt; möglich ist es aber auch, daß der Prophet die Ereignisse schon in einer Gestalt gekannt hat, die das einzelne „Profan"-Geschichtliche zugunsten des religiösen Faktors als zurückgedrängt besaß. b) Aber auch in dem anderen Zug, daß diese Ureinwohner Menschen riesenhafter Gestalt gewesen seien, kann man eine Verwandtschaft mit der Erzählung des Elohisten konstatieren. Zwar gehört die fabelhafte Größe der kanaanäischen Ureinwohner zum Bestandteil aller Pentateuchquellen; aber während beide jahwistischen Stränge offenbar erzählt haben, daß in dem Lande a u c h die riesigen Anakssöhne zu finden seien 1), scheinen, soweit wir sehen, die Kundschafter beim Elohisten berichtet zu haben, daß alles Volk, das ihnen zu Augen gekommen sei, „hochgewachsene Lente" waren 2 ). In dieser Yergröberung tut sich die schaffende Volksphantasie kund, von der sowohl der Sagenerzähler wie auch der Prophet in gleicher Weise abhängig sind. c) Auch aus der Phrase vom Heraufführen aus dem Agypterlande, die auch 3 , 1 und 9, 7 wiederkehrt, hat man 3 ) geradezu eine Abhängigkeit des Arnos von der elohistischen Quelle erschließen wollen. Aber gerade eine solche allgemeine Formel versteht sich doch viel besser aus dem Volksmund entnommen als aus schriftstellerischer Abhängigkeit herstammend, abgesehen davon, daß gerade diese Phrase nach den neueren analy1) 2) synopse, 3)
Vgl. Num. 13, 28 J ; 33 L. Vgl. Num. 13, 32 b E und O T T O E I S S P E L D T , HexateuchS. 61 f. Vgl. P R O C K S C H , Sagenbuch, S. 256.
11 lytischen Arbeiten nicht als ein den Elohisten charakterisierender Besitz angesehen werden kann 1 ). d) Der Schluß des Abschnittes 2, 9—12 spricht von der Erweckung von Propheten. Zwei Möglichkeiten des Verständnisses sind gegeben, da nicht gesagt ist, zu welcher Zeit diese Erweckung geschehen sei. Es muß aber wohl angenommen werden, daß die Propheten und die Nasiräer während der ganzen israelitischen Geschichte, die der Prophet überblickt, je und je aufgetreten sind. Deshalb ist diese Wohltat Jahwes gegen sein Volk inhaltlich nicht schon in den unmittelbar vorhergehenden Versen zu suchen, sondern sie ragt zeitlich über die vorhergenannten Wohltaten hinaus. Man beachte die Parallelität von Prophet und Nasiräer, auch die positive Bewertung beider ist bei Arnos nicht selbstverständlich. Bemerkenswert ist ferner, daß die Priester fehlen, und auch die Könige sind nicht unter den „ Institutionen Jahwes" genannt 2 ). Ob auch Mose unter die Nebiim miteingerechnet ist, kann man bezweifeln; jedoch spricht Hos. 12, 14 dafür. In diesem Falle würde auch an das so vielfach überlieferte Murren des Volkes gedacht sein. Daß die „Auffassung der größten Männer der Vergangenheit, Abrahams und Moses, als Propheten vor dem Elohisten nicht nachzuweisen" sei 3 ), gibt uns jedoch kein Hecht, Arnos als abhängig vom „nordhebräischen Sagenbuch" hinzustellen. e) Zu besonderer Betrachtung nötigt auch die Bemerkung von dem vierzigjährigen Wüstenaufenthalt, die 5, 25 wiederkehrt. Wir finden diese Zeitangabe 1) Vgl. Gen. 50,24 L ; Jdc. 6, 13 J. 2) MAX WEBER, Das antike Judentum (Ges. Aufs, zur Religionssoziologie III) 1921, S. 294. 3) PROCKSCH, Sagenbuch, S. 251.
12 klar und deutlich erst in den späteren Quellen nur Ex. 16,35 a wird einer früheren Überlieferung angehören. Aber die Entscheidung ist sehr schwierig, welcher Quelle im einzelnen dieses Stück zuzuweisen ist. 2 P K O C K S C H ) entscheidet sich, B A C O N folgend, für E und belegt diese Annahme lediglich mit dem Sprachgebrauch. Aber diese Zuweisung ist nur statthaft, wenn man die dem Stück Ex. 16, 1—36 durchaus parallele Erzählung Num. 11, 7—9 dem alles verschlingenden P zuweist3), der aber andererseits an Num. 16 sicher beteiligt ist, oder aber einem E 24 ). Jedenfalls ist die Zuweisung von Ex. 16, 35 a an die elohistische Quelle sehr zweifelhaft und anfechtbar, und es ist durch keine zwingenden Indizien wahrscheinlich gemacht, welche der alten Quellen die Mitteilung von dem vierzigjährigen Wüstenaufenthalt enthalten haben soll und welcher diese Zeitangabe fehlte 5 ). Es ist doch die wahrscheinlichste Vermutung, daß der Prophet an unseren beiden Stellen eine Wahrheit sagen wollte, die jedermann im Volke kannte und niemanden mehr überraschte 6); d. h., daß die Auffassung vom vierzigjährigen Wüstenaufenhalt schon zu Arnos' Zeiten Gemeingut des israelitischen Volkes oder des Volksteiles, in dem Arnos lebte, war. Ferner aber zeigt die Erwähnung dieser Tatsache bei 1) Num. 14,33—35 P (vgl. 13, 25 P); siehe auch Deut. 2,7. 2) Geschichtsbetrachtung, S. U l f . 3 ) B A E N T S C H U. A .
4) So PROCKSCH, Sagenbuch, S. 82; E I S S F E L D T verteilt Ex. 16, 1—36 auf L, J und P (v. 35 a gehört dann zu J, wie bei den meisten Neueren) und weist, W E L L H . und D I L L M A N N folgend, Num. 11,7— 9 E zu. 5) Jos. 14,6—10 kann wegen der deutlichen deut. Bearbeitung nicht entscheidend sein. 6) Vgl. 2 , 1 1 b „ist's nicht also, Kinder Israel?".
13 J bezw. E einerseits, und bei Arnos andererseits, daß wir es mit einer verhältnismäßig alten Tradition zu tun haben, die in den ältesten Quellen gut bezeugt ist. Stellt man das Urteil der Historiker über diese Zeitangabe daneben *), dann wird dadurch die Tatsache so recht ans Licht gestellt, auf welch unsicherem Boden Überlieferung und historische Forschung in gleicher Weise stehen. 4. Vom Wüstenaufenthalt handelt auch die berühmte Stelle 5, 25 2): Schlachtopfer und Opfergaben: habt ihr sie mir gebracht In der Wüste vierzig Jahre, Haus Israel?
Der Prophet setzt natürlich eine verneinende Antwort voraus; Arnos kann seine Zeitgenossen so nur fragen, wenn er erwarten muß, daß niemand mit einigem Grund das Gregenteil behaupten kann. Aber dieser natürlichen Erklärung des Spruches steht das Zeugnis der hexateuchischen Quellenschriften im Wege. Die großen gesetzlichen Stücke, inklusive Bundesbuch und sogenannten jahwistischen Dekalog, sind zwar erst für eine Zeit gegeben, da Israel ins Land Kanaan kommen wird; aber die Einzelsagen sprechen anders als Arnos von der Wüstenzeit. Nach J 3 ) ziehen die Israeliten im Auftrage Jahwes aus Ägypten, um ihrem Gott zu opfern; 1) Vgl. R. KITTEL, Gestalten und Gedanken in Israel 1925, S.38: „Auch weiß die Überlieferung von einer vierzigjährigen Dauer der Wüstenzeit. Roch ist die Zahl deutlich eine runde der Chronologie zuliebe geschaffene Ziffer". — SELLIN, Geschichte I 1924, S. 73: „Die Dauer des ganzen Zuges ist von der Sage auf 40 Jahre festgelegt, . . . (es steht) selbstverständlich nichts im Wege, die Gesamtheit der Wanderungsjahre in der Wüste auch rund auf die Hälfte jener herunterzusetzen. Geschichtlich wissen wir darüber effektiv nichts". — Vgl. auch GRESSMANN, Mose, S. 304. 2 ) PKOCKSCH, G e s c h i c h t s b e t r a c h t u n g ,
S. 1 1 1 — 1 1 5 .
3) Ex. 3, 1 9 ; 5, 3 ; 8, 16. 2 1 ff.; 10, 8 — 1 1 .
14 nach E u m ein Fest zu feiern. Jitro, der Priester von Midian, der Schwiegervater des Mose, kommt besuchsweise zu Mose und „nimmt" Brandopfer und Schlachtopfer, „und Aaron und alle Altesten Israels kamen, um vor Elohim mit dem Schwiegervater Moses zu essen" 2 ). Das Volk wird auf den Dekalog verpflichtet unter Darbringung von Brand- und Mahlopfern3). Die während des Wüstenaufenthaltes gefertigte Lade war sicher als Kultobjekt gedacht, das irgendwelche Bedienung erforderte. Jos. 3 werden in allen drei beteiligten Erzählungssträngen die „Priester, die die Lade Jahwes tragen" erwähnt; diese haben aber sicher nicht nur das Amt der Beförderung und werden auch in der erwähnten Erzählung als bekannt vorausgesetzt. So muß es als schlechterdings ausgeschlossen gelten, daß Arnos das elohistische Sagenbuch in der von uns angenommenen Form benutzt hat, und auch im Hinblick auf die anderen Uberlieferungsfäden ist die Annahme einer Kenntnis, geschweige einer bewußten Entlehnung aus ihnen, sehr schwierig. Wenn dem Propheten solche Geschichtsdarstellungen bekannt gewesen sein sollten, dann bedeutet eine Stelle wie 5, 25 gerade nicht eine Anlehnung, sondern eine Ablehnung. — Aber auch ein anderes bleibt sehr merkwürdig: lange vor Mose und der Wüstenzeit hat man Jahwe Opfer dargebracht. Galt diese Zeit dem Propheten nicht als vollwertig und mit der Wüstenperiode nicht vergleichbar, oder läßt er in seiner Begeisterung für die Mosezeit jene Epoche, da ja noch kein Volk vorhanden war, unbe1) Ex. 5, 1; vgl. 3, 12. 2) Ex. 18,12 E. Das NP^I ist dogmatische Korrektur für das ursprüngliche AIPI (GRESSMANN, Mose, S. 166 A. 1).
3) Ex. 24, 3—8 E.
15 rücksichtigt? — In jedem Falle zeugt unsere Stelle von einer gewissen Kühnheit im Ausdruck sowohl als auch von einer großen Freiheit des Propheten, die Geschichte zu betrachten. Sie ist verständlich bei einem geistbegabten Menschen, dessen heiligstes Anliegen die Sorge um das gegenwärtige Volk war, aber die in der Frage enthaltene positive Behauptung ist offenbar nicht der Wirklichkeit entsprechend. Und doch steckt gerade in dieser einseitigen Formulierung mehr Anreiz zur Selbstkritik, aber auch mehr Wahrheit, als in einer entsprechenden Kompromißformel. Denn aufs Wesentliche und Charakteristische gesehen war jene Zeit zumal für des Propheten geistiges Auge eine Zeit ohne Opfergesetz und Opfer; was damals das freie Walten des Geistes bedeutete, das war nunmehr die kleinliche Sorge um Opferritus und Kultzeremoniell. Die Einseitigkeit der in 5, 25 zum Ausdruck kommenden Geschichtsbetrachtung findet vielleicht ihre Erklärung auch dadurch, daß der Prophet seine Gedanken in ein Schema spannte, das nicht von ihm geschaffen, sondern nur übernommen war. Die schroffe Gegenüberstellung von zwei verschieden gewerteten Zeitspannen findet eine gewisse Analogie in dem Motiv von einander ablösenden Weltperioden, das man auch für die Zeit des Arnos voraussetzen darf 1 ). Wie diese Anschauung aber auch zu erklären sein mag: der Prophet zeigt in dem kurzen Sätzchen eine bemerkenswerte Freiheit in der A r t und Weise, seine vaterländische Geschichte zu betrachten. Arnos, dem sicher nicht nur die Lichtseiten jener Anfangszeit des Volkes Israel bekannt gewesen sein dürften, schaut dennoch jene ferne Vergangenheit durchaus im Lichte 1) Ygl. III. Kapitel.
16 der Gegenwart, die zum Maßstab der Vergangenheit wird. E r will nicht Geschichte schreiben und darstellen, wie es gewesen ist, sondern er macht die vaterländische Vergangenheit f ü r seine Gegenwart nutzbar. Der Vers ist darum lehrreich für die praktisch-religiöse Geschichtsbetrachtung des Arnos wie der Propheten überhaupt. Freilich fällt unsere Auffassung von 5,25 dahin, wenn man mit B U D D E ') den folgenden Vers mit auf die Wüstenzeit bezieht. Diese Deutung der Stelle hat viel für sich; es wäre nur ein sbn oder tibi am Anfang von v. 26 einzuschieben und v. 26 als Frage zu fassen. Die Wüstenzeit erschiene ^ann nicht als Idealzeit, sondern als die Zeit, da die Versündigung Israels ihren Anfang nahm. Solche Gedanken brauchten nicht Wunder zu nehmen, finden wir doch bei Hosea Ahnliches. Freilich scheint mir durch das sbl die Hauptsache erst eingetragen zu sein, ganz abgesehen von der perfektischen Auffassung des DfiStiDD[1] und der Singularität des Gedankens vom Kult der Sterngottheiten in der Wüstenzeit. Besteht aber die Auffassung B U D D E ' S von 5, 26 zu Recht, so ist es — gleichgültig, ob man den so rekonstruierten Vers als Geschichtsquelle wertet oder als „üble Nachrede" unter den Stämmen auffaßt — mündliche Tradition gewesen, auf die der Prophet zurückgreift, mündliche Tradition, die vielleicht schon zur Zeit des Arnos von den zünftigen Geschichtsdeutern abgelehnt war. 5. Man hat oft bemerkt, daß die Propheten das W o r t Sinai oder Horeb in ihren Sprüchen nicht gebraucht haben. Das kann kein Zufall sein, und erst 1) JBL. 1924, S. 117—121. — Vgl. zu der Stelle jetzt auch W. W. GRAF BATJDISSIN, Kyrios als Gottesname und seine Stelle in der Religionsgeschichte 1928, III, S. 99 f.
17
jüngst hat man diese Tatsache einleuchtend dadurch zu erklären versucht, daß eine gewisse Scheu daran hinderte , jene Erlebnisse namentlich zu schildern 1 ). Bei Arnos spielt die Stelle 3,2 auf jenes, die Volksgeschichte Israels einleitende Ereignis an. Wenn man das perfektische Yerbum im Sinne einer durch die ganze Vergangenheit sich hindurchziehenden Fürsorglichkeit Jahwes f a ß t , bezieht sich der Spruch auf keine Einzelheit der israelitischen Geschichte. Aber eine genaue Beachtung der Tempora legt ein anderes Verständnis nahe: ich habe euch (damals, an einem ganz bestimmten Zeitpunkt) erkannt ( = kennen gelernt, erwählt), darum will ich euch in der nahen Zukunft heimsuchen. Zur erstgenannten Auffassung würde das Imperfektum weit besser passen; die Tatsache der sich durch alle Zeiten kundtuenden Erwählung ist eben noch nicht abgeschlossen, sie ist im-perfekt. Bei der ersten (von uns abgelehnten) Auffassung würde die Heimsuchung ein Teil jenes großen yT> sein, bei der zweiten stehen Erwählung und Heimsuchung, Anfang und Ende der Volksgeschichte einander gegenüber. — Aus dem kurzen Hinweis auf die Quelle zu schließen, die die Kenntnisse des Propheten gespeist hat, ist nicht möglich. 6. Ferner 2 ) ist 5,24 vielleicht ein Hinweis auf den Inhalt der Grottesoffenbarung am Sinai. Aber es ist doch zu weit gegangen, diese Stelle für einen Beleg dafür zu halten, daß Mose in der Oase von Qades sich 1) V g l . PAUL VOLZ ,
Das Dämonische
in J a h w e
1924,
S. 3 6 :
„Es leitete sie wohl eine gewisse Scheu, an diese besonders starken dämonischen Eindrücke nicht zu rühren". — Zu 3, 2 vgl. auch S. 30. 2) In 5,10. 13 kann ich keine Anspielung auf Mose und seinen Tod erkennen (gegen E. SELLIN, Mose 1922, S. 158 f. und Geschichte I 1 9 2 4 , S. 7 7 ) .
2
18 durch Rechtsprechung hervorgetan habe l ). Denn Recht und Gerechtigkeit haben doch gerade bei unserem Propheten einen eminent sittlich - religiösen Sinn und sind mit seiner ganzen Gottesvorstellung und Religionsauffassung so eng verbunden, daß mit dem Sätzchen 5, 24 durchaus auch ein den Grundgeboten des Dekalogs entsprechendes Verhalten gefordert sein kann. Außerdem ist aber eine Rückbeziehung auf die Erlebnisse am Gottesberg auch durch den folgenden Vers 25 nicht gefordert. Das am nächsten liegende Verständnis von 5, 24 bleibt doch, daß die sittliche Majestät Jahwes ihrem eigenen Wesen entsprechend Recht und Gerechtigkeit auf Erden fordern und durchsetzen muß. 7. Von der späteren Geschichte des Volkes wird nur David einmal kurz erwähnt, und zwar begegnet uns 6, 5 2 ) der große König interessanterweise nicht als Fürst und Regent, sondern als der vielgerühmte Dichter, ein Beweis dafür, daß die Tradition von dem fürstlichen Liedersänger alt ist. Mit Recht heben die Ausleger zur Stelle hervor, daß David als Dichter und Komponist w e l t l i c h e r Lieder betrachtet werde. Es geht nicht an, den kurzen Hinweis zu streichen, er ist vielmehr die Bestätigung der Nachrichten der Samuelisbücher, die David als Dichterfürsten und Meistersinger öfters rühmen3). Gerade solche Züge prägen sich dem Volksgedächtnis unauslöschlich ein; man denke an die Vorstellung des Flötenkonzertes, die der einfachste Mann auch heute mit der Gestalt des großen Preußenkönigs verbindet. Aus diesen Gründen entstammt das kurze 1) SELLIN, Gesch. I, S. 68. 70 unter stillschweigender Aufhebung der Auflassung in seinem Kommentar S. 194 ff. 2) Lies mit NOWACK2- 3 bs statt -is. 3) Vgl. l.Sam. 16,18; 2. Sam. 1,17 ff.; 3, 32 ff.
19 •P113 sicher mündlicher Tradition. Vom K ö n i g David ist im ganzen Buche Arnos nicht die Rede. 8. Das große Völkergedicht 1, 3—2,16 kann in unserem Zusammenhang nur soweit Erwähnung finden, als sich deutliche Anspielungen auf die israelitische Geschichte finden. a) 1, 3 bezieht sich auf die grausamen Verwüstungen Gileads seitens der Aramäer. Die Unmenschlichkeit der Kriegführung wird durch das Bild vom eisernen Dreschschlitten treffend gekennzeichnet und ist durch den LXX - Zusatz noch unterstrichen1). Möglich, daß die Namen der Könige in v. 4 als typisch angesehen sind, möglich aber auch, daß bestimmte Eroberungszüge von aramäischen Königen namens Benhadad und Hasael gemeint sind, von denen uns die Königsbücher mehrfach erzählen 2 ). Eine bestimmte Entscheidung kann nicht getroffen werden, weil die Andeutung des Propheten zu unbestimmt ist. Aber der Ausdruck zeigt, daß Arnos sagen wollte, was jedermann wußte. Der Prophet schöpft aus mündlicher Tradition. b) In 1, 6 ist es nicht genau angegeben, ob die gerügte Tat sich auf Israel bezieht. Denn die Worte • m b -pronb nftbiß mba nmbirrby können auch von vollständiger Deportation irgendeines anderen Volkes berichten. 1. Sam. 27, 7—12 zeigt uns, daß nicht unbedingt die Israeliten allein als die Leidtragenden in Betracht kommen müssen. — Die Philister waren als rücksichtslos in der Kriegführung bekannt, auch Jesaja sagt
1) Ist LXX rag tv yciazQi f%ovaas ^mv tv VaXaaS nach v. 13 aufgefüllt oder spielt es an auf die Mitteilung 2. Reg. 8 , 1 2 ? 2) Vgl. 1. Reg. 15,20; 20; 2. Reg. 8, 12 ; 10, 32 f.; 1 3 , 3 . 7 . — v g l . SELLIN S . 1 6 7 .
21!
20 von ihnen, daß sie Israel „mit vollem (aufgerissenem) Manie" fräßen l ). Es liegt näher anzunehmen, daß Arnos eine dauernde Gesinnung der Philister ihren Feinden gegenüber geißeln, als daß er bestimmte Tatsachen anführen will. Wie er, dachte jeder Israelit über Philistäa. c) In dem Verständnis von 1, 9 muß ich mich der Auffassung H I T Z I G ' S anschließen, dem auch B D D D E neuerdings 2 ) wieder zugestimmt h a t , daß nämlich die OTIK trna nach 1. Reg. 5, 26 und 9 , 1 3 von dem Verhältnis von Tyrus und Israel handelt. Ob D i l « in D1S zu verbessern i s t , kann dahingestellt bleiben. J edenfalls handelt es sich um den Bruch einer feierlich eingegangenen r p " 0 , von der die Zeitgenossen des Propheten Kenntnis hatten, und die als ein dauerndes Verhältnis zwischen den verbündeten Völkern angesehen worden sein muß 3 ). Die n i i a sichert den „Frieden"; weil beides mißachtet ist, darum bringt Jahwe die Kriegsfackel. Ein originelles Bild, das auf keine schriftlichen Nachrichten zurückgehen wird. d) Da der Spruch über Edom wahrscheinlich dem Propheten abzusprechen ist und somit für unsere Zwecke nicht in Betracht kommt, können wir hier die Besprechung von 1, 18 anschließen. Die Nachricht, daß Ammon seine günstige Lage dem bedrängten Israel gegenüber ausnutzte, ist uns sonst nicht überliefert, kann aber große Wahrscheinlichkeit für sich beanspruchen. Auch die hier gerügte Unmenschlichkeit ist 1) Jes. 9 , 1 1 . 2) J B L . 43, 1924, S. 62—65. 3 ) V g l . R . KRAETZSCHMAK, D i e B u n d e s v o r s t e l l u n g im A T . 1 8 9 6 , S. 2 2 . —
Z u m A u s d r u c k A-RRTS
den Semiten 1914, S. 33.
s i e h e E . PEDERSEN, D e r E i d b e i
21 uns gerade von den Ammonitern nicht bezeugt, kann aber als durchaus zutreffend bezeichnet werden. Zusammenfassend kann über das große Eingangsgedicht des Arnos gesagt werden: die geschichtlichen Erinnerungen machen weithin Anspruch auf Glaubwürdigkeit. Ihre Auswahl ist bestimmt durch den Charakter des ganzen Gedichtes. Die geschichtliche Überlieferung selbst scheint dem Propheten durch Hörensagen nahe gebracht zu sein. 9. Einige unsichere Anspielungen auf die vaterländische Geschichte sind als weniger wichtig übergangen worden. In 6, 13 wird ein Augenblickserfolg der nordisraelitischen Politik in einer prophetischen Scheltrede gebucht. Der Rückeroberung von "msib und O'Olp, wahrscheinlich zwei kümmerlichen Städten im Ostjordanland, durfte die Gegenwart des Propheten sich rühmen. Die große Freude über diese außenpolitischen Erfolge erlebt Arnos gerade mit; zu dem, was Tagesgespräch in Israel ist, nimmt er in 6,11—14 Stellung. Daß Bethel bei Arnos und dem Elohisten als vornehmstes Heiligtum gilt, und daß nach beiden in diesem Kultort der Zehnte entrichtet wird l), beruht auch nach PROCKSCH'S Urteil wahrscheinlicher auf Zeitgenossenschaft als auf literarischer Abhängigkeit. Oder wenn bei Arnos eine Einteilung der Wehrmacht überliefert ist, die sich mit dem E - Bericht von Ex. 18 zu decken scheint 2 ), so wird die Übereinstimmung in der Gleichheit der von beiden vorausgesetzten Zustände und Einrichtungen begründet sein. 1) Vgl. Gen. 28, 22 E ; Am. 4, 4. 2) 5,3.
22
§ 3. Die allgemeine Geschichtsauffassung. Die Bedeutung der Geschichte für Arnos ist noch nicht erschöpfend behandelt durch die bloße Aufzählung der Stellen, die von der israelitischen Vergangenheit berichten. Sondern es muß auch als zu unserer Aufgabe gehörend angesehen werden, darzustellen, wie der Prophet, aufs Ganze gesehen, geschichtliche Ereignisse, gleichviel welcher Art sie sind, ordnet und bewertet. Das führt uns zu der Frömmigkeit des Propheten, die ihrerseits ihre charakteristische Färbung erhalten hat durch das Berufungserlebnis. Die B e r u f u n g durch Jahwe ist dem Propheten unzweifelhaft die causa prima seines Wirkens. In der Berufung erhält der Prophet die Gewißheit, daß sein Leben in Jahwes Dienst steht, und daß es nunmehr die Aufgabe des Lebens ist, von Jahwes unabänderlichem Willen Zeugnis abzulegen. Wie sich dieses Berufungserlebnis psychologisch erklärt und welche Assoziationen nötig waren, damit es entstünde, darüber hat der Prophet nicht reflektiert, und darüber ist uns nichts berichtet. Jedenfalls ist ihm die Stunde der Berufung die Geburtsstunde seines prophetischen Daseins. Der Gott, der dem Propheten Arnos in der entscheidungsvollsten Stunde seines Lebens entgegengetreten war') und ihn zu seinem Werkzeug gemacht hatte, war zunächst der ihm durch die Volksüberlieferung bekanntgewordene Jahwe und trug durchaus die Eigenschaften, die ihm Geschichte und Tradition im Laufe 1) Vgl. 7,15. Das npV muß wohl mit „packen", „ergreifen" übersetzt werden; vgl. 6,13 = erobern, einnehmen; 5,11 = mit Gewalt nehmen (?); siehe E. SELLIN, Die alttestaraentliche Hoffnung auf Auferstehung und ewiges Leben NKZ. 30, 1919, S. 283.
23
der Zeiten verliehen hatten. Es sind in erster Linie jene unheimlichen, grausigen, ja d ä m o n i s c h e n Z ü g e , die uns auch sonst in der alttestamentlichen Religionsgeschichte begegnen1). Eine an das Entsetzen streifende Stimmung liegt über dem leider nicht ganz intakten, aber sicherlich echten Stück 6, 9—10 2 ); keine Silbe darf über die Lippen der vom Tode noch Verschonten kommen, um nicht die Aufmerksamkeit dieses fast satanischen Gottes zu erregen. Wo er inmitten des Volkes „hindurchzieht" — das "fly ist prägnant und terminus technicus für das Hindurchschreiten des Pestgottes 3 ) —, da erstirbt alle Freudigkeit, da herrscht eitel Klage 4 ); keine Höhe und keine Tiefe ist vor seiner Hand verborgen, kein Flüchtling vor seinem Schwerte sicher 5 ). Die Grausigkeit Jahwes ist ursprünglich noch stärker betont gewesen; aus dem jetzigen Zusammenhang des Stückes 4, 6—12 heraus kann man das vermuten. Nach den vier Plagen, mit denen Jahwe das Land geschlagen hat (oder bedrohen wird) 8 ), will v. 12 die letzte Züchtigung, die die absolute Vernichtung gebracht haben muß, einleiten. Aber das Stück bricht nach zwei1) Der dämonische Jahwe „gehört . . . zum wesentlichen Bestand des alttestamentlichen Gottesglaubens überhaupt". So P . V O L Z , Das Dämonische in Jahwe 1924, S. 5. 2 ) Von W E L L I I A U S E N (S. 8 7 ) gestrichen: „Die Schwierigkeiten der Erklärung sind unüberwindlich" ; die Verse haben „keine Prämissen" und „keine Consequenzon". Von L. KÖHLER, Arnos 1917, S. 24 für „die grandioseste Dichtung im Buch Arnos" gehalten. Zu v. 1 0 vgl. SELLIN S . 2 0 1 f.; jedoch halte ich v. 8 nicht für zum Folgenden gehörig. 3) Vgl. z. B. Ex. 12,12P. 4) Vgl. 5, 16 f. 5) Vgl. 9 , 1 - 4 . 6) So SELLIN kaum mit Recht. — Vgl. neuerdings A. W E I S E R , Zu Arnos 4,(5—13 in ZAW. 46 (NF. 5), 1928, S. 49—59; WEISER'S Deutung von v. 12 kann ich allerdings nicht zustimmen.
24 maliger Ankündigung dieses letzten Furchtbaren ab, und durch Anhängung eines Hymnus zu Ehren des Schöpfers haben Redaktorenhände die Bruchstelle notdürftig zu verdecken gesucht 1 ). Ganz ähnlich sind auch d i e B i l d e r gestaltet, die der Prophet gebraucht, um Wesen und Wirken Jahwes seinen Hörern anschaulich zu machen. Die angedeutete oder mehr ausgeführte Yergleichung Jahwes mit dem Löwen zeigt, wie eng religiöses Erleben mit der Wahl des Bildes verknüpft ist 2 ), und in welch hohem G-rade das Bild für das religiöse Erkennen des Hebräers Wahrheitsanspruch besaß 3 ): Der Löwe brüllte: Wer ist nicht in Furcht? Jahwe der Herr hat gesprochen: Wer ist kein Prophet? 4 )
Das Gleichnis, das an die Art des erinnert 5 ), weist vielleicht über das bloße tertium comparationis, nämlich den unwillkürlichen Zwang beinahe im Sinne einer Reflexhandlung hinaus, indem es die große Auffassung von der Religion als Gottesfurcht 6 ) mit an1) Ähnlich urteilt WELLHAÜSEN, S. 84 von 5 , 2 6 : „An Stelle von v. 26 muß ursprünglich eine schlimme Drohung gestanden haben, an die v. 27 anschließen konnte" ; vgl. oben S. 16. 2) Vgl. JOHANNES HEMI'EL, Jahwe-Gleichnisse der israelitischen
Propheten in ZAW. 42 (NF. 1), 1924, S. 74—104. 3) Aus dieser Neigung zur bildhaften Vergewisserung und Verdeutlichung ist auch vielleicht die verhältnismäßig schnelle Personifikation mit zu erklären; man denke an die Umwandlung von Stammessage in Familiennovelle, die heroes eponymi, den Hypostasencharakter der Weisheit und anderes. 4) 3, 8. 5 ) V g l . GKESSMANN, Z A W .
42 (NF.
1), 1 9 2 4 , S. 2 8 3 f.
6) Der Ausdruck ist bei Arnos (und Hosea?, vgl. 10,3 und M A R T I Z. St.) noch nicht vorhanden. — Über Jahwefurcht siehe jetzt besonders J. HEMPEL, Gott, und Mensch in AT. 1926, S. 3—27.
25 klingen läßt. Ä h n l i c h e r s c h e i n t Jahwe als das erbarmungslose und gefräßige Raubtier, das nichts übrig läßt, in 3 , 1 2 : Wie errettet der Hirt aus dem Rachen des Löwen Ein Schenkelpaar oder Ohrenlappen, So werden errettet Israels Söhne!
Für die Geschichtsbetrachtung des Propheten sind diese traditionellen Züge im Gottesbild sicher sehr bedeutsam. In einem entscheidenden Punkte aber hat Arnos die Gottes Vorstellung weitergeführt. Bei ihm taucht zum ersten Male der Gedanke von Jahwe als dem H e r r n ü b e r d i e W e l t g e s c h i c h t e auf. Ein kurzer Blick auf die im Buche Arnos erwähnten V ö l k e r mag das bestätigen. L U D W I G KÖHLER 2 ) bringt eine Zusammenstellung der Länder- und Ortsnamen, die bei Arnos vorkommen. Es sind im ganzen 38 (bezw. 35) Namen. Schon aus dieser Liste erkennt man den weiten Blick des Propheten. Man wird allerdings sagen müssen, daß mancher der genannten Namen dem Arnos nicht viel mehr als Schall und Rauch gewesen sein kann. So sind gerade die entscheidenden und die Geschichte bestimmenden Großmächte nur en passant gestreift. A s s u r , das die Erfüllung der prophetischen Verkündigungen in wenig Jahrzehnten bringen sollte, wird in unserem heutigen Text überhaupt nicht erwähnt und kann nur an einer Stelle, unter Herbeiziehung der L X X mit einiger Sicherheit vermutet werden s ). Gewiß kann man unter dem ab1) Zu der umstrittenen Stelle 1, 2 ( = Joel 4 , 1 6 ) vgl. besonders H. GRESSMANN, Der Ursprung der israelitisch-jüdischen Eschatologie 1905, S. 23 f. 2) Arnos 1917, S. 41. 3) 3 , 9 .
26 sichtlich nicht näher bestimmten „Volk", das Jahwe aufstehen lassen will gegen Israel, nur die Assyrer verstehen 1 ); und auch unter dem „Feind" in 3,11 wird nichts anderes als Assur verstanden sein. Endlich zeugt die Stelle 6 , 2 , für deren Echtheit neuerdings neben H . GRESSMANN und LUDWIG K Ö H L E R , auch E. SELLIN eingetreten ist 2 ), dafür, daß Arnos auch mit den kleineren assyrischen Eroberungsziigen, von denen wir sonst nichts erfahren, wohl vertraut gewesen sein muß. Aber doch bekommt man von dem Volke, das Jahwe als sein Werkzeug gebraucht, keinen plastischen Eindruck. Daß die Assyrer das Ende bringen und so mit den eschatologischen Dingen unmittelbar im Zusammenhange stehen, die nur der gottbegeisterte Prophet zu schauen und zu künden vermag, das macht es, daß die Assyrer aus dem geheimnisvollen Grau in Grau nicht heraustreten. — Noch viel weniger erhalten wir ein rundes Bild von Ä g y p t e n . Das Ägypten der Vorzeit, aus dem Israel heraufgeführt wurde, wird einige Male erwähnt. Das dem Propheten gegenwärtige Ägypten erfährt, ganz im Gegensatz zu dem wenig späteren Hosea, so gut wie keine Berücksichtigung. Nur in der schon erwähnten Stelle 3,9 wird auch Ägypten eingeladen, sich den Jahrmarktsrummel im Zehnstämmereich einmal anzusehen und zugleich Zeuge zu sein des göttlichen Vernichtungsspruches, den der 1) 6,14. 2) H . GRESSMANN, S A T . II, 1, 2. A u f l . ,
S. 3 5 0 ;
KÖHLER z. S t . ;
SELLIN, Geschichte I S. 233 : „Am. 6 , 1 ist für ubahu lahern zu lesen weomerim l bezw. weameru l, dann ist 6, 2 als Wort der Magnaten intakt überliefert und sicher echt, das Reich von Kalne besteht noch". Bei dieser Auffassung fällt die immer empfundene Schwierigkeit dahin, daß die genannten Städte erst 738, 720 und 711 von den Assyrern erobert wurden (vgl. WELLHAUSEN S. 85).
27 Prophet vermittelt'). Ferner sind in dem kurzen Vergleich 9, 7 auch die N u b i e r vertreten. — Ungleich häufiger und weniger flüchtig werden die kleineren N a c h b a r v ö l k e r Israels behandelt. Gleich das große Yölkergedicht 2 ) am Eingang des Buches zeigt das. Aram, Philistäa, Tyrus, (Edom,) Ammon und Moab werden einzeln aufgeführt und ihrer gottwidrigen Handlungen wegen, die einzeln erwähnt werden, verurteilt. Aber auch in den übrigen Teilen des Buches finden einige der genannten Nachbarvölker hin uud wieder Erwähnung, so wenn der Prophet den illusorischen Vorzugsrang Israels durch einen Vergleich außer mit den Nubiern, auch mit den Philistern und den Aramäern zerstören will und dabei die Einwanderung Israels mit derjenigen der Aramäer aus Qir und der Philister aus Kaftor gleichsetzt 8 ). Auch die schon erwähnte Stelle 6,2 sowie 3,12 b ff. gehören hierher. — An allen diesen Stellen aber ist die Voraussetzung des Propheten, daß Jahwe Herr über die genannten Völker, d. h. Herr über die Völker schlechthin, sei. Die Aramäer hat er aus Qir heraufgeführt in ihre jetzigen Wohnsitze, aber bald wird er ihre Hauptstadt zerstören, ihre Landschaften vernichten und sie wieder nach Qir zurückbringen4). Die Philister hat er aus Kaftor heraufgeführt, jetzt wird seine 1) Daß die zu Zeugen gerufenen Völker Assur und Ägypten dann zugleich das Gericht durchführen sollen (SELLIN S. 178), ist im Texte nicht erwähnt. 2) Ich halte nur die Sprüche über Juda 2, 4—5 (gegen 0 . SEESEMANN , Israel und Juda bei Arnos und Hosea 1898, S. 5 —12. 16) und Edom 1, 11 f. für Auffüllung aus späterer Zeit. Zum Edom-Spruch vgl. besonders M. HALLER, Edom im Urteil der Propheten in der MABTI-Festschrift 1925, S. 109—117. 3) 9, 7. 4) Vgl. 9 , 7 ; 1 , 3 — 5 : zum Verständnis von 1 , 5 siehe SELLIN S. 167; zu vgl. jetzt vor allem BUDDE, JBL. 43, 1924, S. 56 f.
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Hand sie bis auf den letzten Mann vertilgen. Tyrus, (Edom,) Ammon und Moab wird das Feuer Jahwes fressen. Schließlich sei auf den in seiner Art erschütternden Einwand des Propheten in den beiden ersten seiner Visionen hingewiesen: „Herr Jahwe, vergib doch (laß ab); wie kann Jakob bestehen, er ist ja so klein" 1 ). Fein bemerkt B U D D E Z U der Stelle: „Daß Israel anderen Völkern gegenüber als klein und schonungsbedürftig empfunden wird, ist bezeichnend genug für Arnos' weiten Blick" 2). Für einen solchen Gott ist es ganz natürlich, wenn ihn nicht nur die Angelegenheiten des ihm am nächsten stehenden Volkes kümmern. Wir lesen an zwei Stellen, daß Jahwe selbstverständlich auch der R i c h t e r in i n t e r n a t i o n a l e n S t r e i t i g k e i t e n ist. 2,1 heißt es: Wegen dreier Sünden Moabs Ja wegen vierer will ich ihn nicht abwehren, Weil es verbrannt hat die Gebeine Der 'Könige' von Edom zu Kalk 3 ).
Daß Moab zur Zeit des Propheten von Israel unterworfen war 4 ), spricht nicht gegen den internationalen Charakter der gerügten Handlung. Man wird sich diese Tat doch schon als ein wenig länger zurückliegend denken müssen, denn ein unterworfenes Volk wird auf eigene Faust keine großen Unternehmungen machen können. Umgekehrt hat man versucht wegen der zeitweiligen Zugehörigkeit Edoms zu Juda, aus 5fb , E I S S F E L D T
L.
3) Lies v. 2 nach LXX KCC&WS fiiTSXctteoa uvtovg: "(j^s. 4) Vgl. GRESSMANN, Mose und seine Zeit S. 429: „Halbnomaden oder Schafzüchter, die keine Kriege führen, erleben keine Geschichte im technischen Sinne des Wortes. Es fehlen alle großen, politischen Ereignisse, die in das Schicksal der Menschen bestimmend eingreifen. . .
5*
68 gewesen sei, wird gar nicht angeschnitten 1 ). Die erwähnten Rufe Jahwes während der israelitischen Geschichte sind in der Sendung der großen Persönlichkeiten , vielleicht auch in den großen Ereignissen der Vergangenheit, die direkt als gottgewirkt angesehen werden konnten, zu suchen. 6. 13,4—6: Ich bin Jahwe, dein Gott von Ägyptenland; Einen Gott außer mir kennst du nicht, Einen anderen Heiland gibt es nicht. Ich 'weidete' dich in der Wüste, im Lande der Glut; Je mehr ich sie weidete, umso mehr wurden sie satt, Sie wurden satt und ihr Herz hochmütig 'III'. 2 )
streicht v. 4 als Zusatz oder Variante zu 12,10, aber 12,10 vermag doch auch gerade die Echtheit zu beweisen, und ferner findet unser Vers im Folgenden eine gute Fortsetzung. Jahwe ist nicht der einzig Existierende, sondern der für Israel allein in Betracht kommende Heiland, der in der Wüste treu seines Hirtenamtes waltete. Aber gerade der Israeliten Glück ließ sie den Schöpfer vergessen. — Das Stück ist interessant wegen der kühnen Art religiös - teleologischer Geschichtsdeutung. Denn eigentlich ist ja Jahwe selber an allem Unglück schuld, er hat ja den Israeliten die Weide geschaffen, durch die sie so übermütig wurden. Indirekt erscheint Jahwe als Verursacher des Bösen. Soweit v. 4 mit 12,10 inhaltlich übereinstimmt, gilt auch für ihn das von jenem Vers Gesagte. Er unterscheidet sich von 12,10 vor allem GRESSMAXX
1) Vgl. K.GALLING, Die Erwählungstraditionen Israels 1928, S. 63 ff. 2) L X X hat in v. 4 einen kleinen Hymnus eingefügt; er wird ebenso wie das avrjyayov as (auch 12,10) zu streichen sein. In v. 5 lies - w " ; der Schluß von v. 6 ist Glosse.
69 darin, daß die Einzigartigkeit Jahwes noch stärker hervorgehoben ist. Man hat oft aus dieser starken Betonung einen Anklang an den D e k a l o g heraushören wollen; und eine gewisse Ähnlichkeit wird nicht zu leugnen sein, wenn man beide in Frage kommenden Texte nebeneinander hält: Ex. 20, 2 D-niy rraa a-naTa p-iXE Tnxnn iwk ivtbx mm -oax Hos. 12,10. 13, 4 tmara p a s
Tnbx n w
^roso
7. In 4, 1 f. lesen wir: Hört das Wort Jahwes, Kinder Israel; Denn einen Streit hat Jahwe mit den Bewohnern des Landes; Ja, Treue und Liebe fehlt Und Gotteserkenntnis im Lande. Fluchen und Lügen, Morden und Stehlen, Ehebrechen 'und Einbrechen', Und Blutschuld auf Blutschuld häuft man *).
Zu den Einzelworten dieses Lasterkataloges ist zu sagen, daß tt.ro offenbar ein Lieblings wort des Propheten ist, der es dem Stamme STD gegenüber sehr bevorzugt2). Im Hinblick auf Ex. 20 fällt es auf, daß das dort stehende ipiB nicht gebraucht ist, das auch in einem anderen Dekalogzitat Jer. 7, 9 Verwendung gefunden hat. Aber während dieser Feststellung wenig Gewicht beizulegen sein wird, muß es auffallen, daß die drei Verba morden, stehlen und ehebrechen in Ex.20 wiederkehren*). Das nbtf dagegen macht Schwierigkeiten ; es wird nicht mit „fluchen" wiederzugeben sein, 1) Man lese p s i mit MARTI. — 4, 3—9 behandeln wir nicht; die Beziehung SELLIN'S auf Mose (Geschichte I, S. 70) oder Aaron (NKZ. 36, 1925, S. 633 f.) überzeugt nicht. 2) 4 , 2 ; 7 , 3 ; 9 , 2 ; 10,13; 12,1 gegen 7 , 1 3 und 12,2. 3) Ex. 20,13—15.
70 denn das Verbot des Fluchens schlechthin ist eine Forderang, die erst am Ende der israelitischen Religion s t e h t ; sondern man wird in Analogie mit 10,4 in Gedanken ein KTtÖ zu ergänzen und „falsch schwören" zu übersetzen haben. Bei dieser Auffassung könnte man einen Rückblick auf Ex. 20, 7 vermuten. Weiter befremdet auch das ' p s einigermaßen. Es bedeutet „einen Riß machen"; daher ist man geneigt, an ein Zerstören von Häusern oder an ein Einbrechen in Häuser zu denken, und auch der Glossator, der die Bemerkung von der Blutschuld hinzugefügt haben könnte, hat den Ausdruck sicherlich so verstanden. Aber ein Einbruch hat doch stets das Stehlen des im Hause Befindlichen, vielleicht auch das Töten der Einwohner zum Ziel. Beides aber ist ja kurz vorher schon genannt. Ich sehe nur zwei Möglichkeiten zum Verständnis des Ausdrucks. Entweder will der Prophet die Zerstörungswut bewaffneter Banden rügen, die das Land in rechtloser Revolutionszeit unsicher machten: dann würde Hosea mit diesem Ausdruck den Dekalog nicht im Auge haben. Oder aber der Prophet versteht das '¡HB im geistigen Sinne. Man vergleiche etwa Stellen wie Ex. 19, 22. 24 J, wo Jahwe in seiner Heiligkeit droht, gegen die Israeliten „loszubrechen"; vor allem aber ist Ps. 60, 3 zu vergleichen, wo das Zürnen Jahwes mit dem Losbrechen in Parallele steht 2 ). Hätte der Prophet etwa ein leidenschaftliches Aufwallen — beachte auch die paarweise Anordnung der Verba 3 ): f steht mit dem Ehe1) Vgl. JOH.HEMPEL, Die israelitischen Anschauungen von Fluch und Segen in ZDMG. 1925, S. 104. 2) Außerdem Ps. 106,23; 2.Sam.5,24(vgl. v.20); 2.Chron.20,37. 3) SELLIN faßt m. E. mit Unrecht nicht 3 x 2 . sondern 2 x 3 Verba zusammen; dadurch wird dann auch das Metrum anders (3 + 3).
71 bruch zusammen — im Auge, dann könnte eine Anspielung auf eine Urform von Ex. 20,17 vorliegen. Eine bestimmte Entscheidung darüber, welcher von beiden genannten Auffassungen der Vorzug zu geben ist, wage ich nicht. Betrachtet man den ethischen Dekalog von Ex. 20, so fällt eine starke, aber ungleiche Glossierung auf. Nachstehende Tabelle mag das verdeutlichen'): V. 2 V. V. V. V. V. V. V. V. V.
3 4a 4b—6 7a 7b 8 9—11 12 a 12b
red. deut. Einfluß? oft beanstandet red. red. red. oft angezweifelt red. angezweifelt red.
II.
V. V. V. V. V. V.
13 14 15 16 17 a 17b
echt echt echt echt echt red.
Die Übersicht zeigt, daß, wenn man von der Schlußbemerkung zu II. absieht, nur I. glossiert und stark überarbeitet ist. Weiter muß zugegeben werden, daß alle Kritik des Dekalogs sich auf die erste Hälfte richtet. Und schließlich stehen gerade die ganz kurzen Verbote, deren Form ja schon auf ein hohes Alter hinweist 2 ), in II. Wir haben also in der zweiten Tafel des Dekalogs den ursprünglichsten Teil der wahrscheinlich nicht mit einem Male entstandenen Komposition. Hält man nunmehr unser Hoseawort daneben, so zeigt sich, daß mit Ausnahme des am Anfang stehenden nbfci lediglich die zweite Tafel Erwähnung findet, ja daß bei der oben als möglich freigegebenen 1) Auf die Abweichungen von Deut. 5 ist nicht eingegangen. 2) Vgl. H. GUNKEL, Die israelitische Literatur (Kultur der Gegenwart I, 7) 1906, S. 75; H. SCHMIDT, Mose und der Dekalog in Eucharisterion, H. GUNKEL dargebracht, 1923, S . 78.
72
Rom. 13
Jac. 2
Mc.10
Luc. 18
1. Gebot Ex. 20, 2 f. 2. 4 3. 7 4. 8 5. 12 6. 13 7. 14 8. 15 9. 16 10. 17
lO tn 1o-3 s
Mt. 19
Hos. 4
Auffassung des fIS diese zweite Tafel sogar vollständig zitiert ist. Daß der Prophet von schriftlich fixierten Weisungen Jahwes, die keine Kultus Vorschriften enthielten, wußte, zeigt wohl die Stelle 8,12 unabweislich. Wir werden daraus zu schließen haben, daß dem Propheten nicht bloß Einzelgebote des Sinaibundes bekannt waren, sondern auch eine bestimmte Gruppierung und Zusammenfassung von Einzelgeboten; da die Zehnzahl der Gebote nie genannt ist, liegt der Annahme nichts im Wege, Hosea habe im wesentlichen unsere zweite Tafel, vielleicht mit einer auf Jahwe und seinen Namen bezüglichen Einleitung1) gekannt. Indessen muß man sich des Hypothetischen der vorstehenden Konstruktion stets bewußt bleiben; wir kennen zu wenig die Technik des Zitates bei den Propheten, um wirklich Sicheres feststellen zu können. Daher soll am Schluß der Behandlung von 4,1 f. auch das Gegenargument Platz finden, das darin bestehen könnte, daß gerade auch in viel späterer Zeit die Gebote der zweiten Hälfte mit großer Vorliebe zitiert und ausgelegt werden. Eine Zusammenstellung2) mag das veranschaulichen:
5 2
2
2
5
1 —
3 5 4 2 6?
4 —
—
2 3
1
5
1
1
2
2 3 4
—
—
—
—
—
—
—
(x6)
1
2 3 4 —
(x 5)
1
3 4
1
3
1
—
—
4
1) Vgl. 12,10; 13,4. 2) Ein Strich besagt, daß das Gebot nicht erwähnt ist; die
73 8. 9,10: Wie Trauben in der Wüste fand ich Israel, Wie eine Frühfrucht am Feigenbaum 'I' sah ich eure Väter; Sie kamen nach Baal-Peor und weihten sich dem 'Baal' Und wurden Scheusale wie ihr Liebhaber').
Das Stück zeugt von einem Grottesgedanken, der dem vom Weltengott des Arnos sehr nahe steht. An dem unergiebigen Baum der Weltgeschichte ist Israel die Frühfeige. Mehr aber noch ist die Ausschließlichkeit Israels betont, dabei aber der Pharisäismus, der sich leicht hätte einstellen können, fein umgangen. Ob der Baum noch mehr Früchte haben oder ob Israel die einzige Frucht für alle Zeiten bleiben wird, ist nicht gesagt. Das Stück umschreibt frei und offenbar ohne Anlehnung an eine Vorlage das große Ereignis der Mosezeit. Das ganze, in der Vergangenheit liegende Geschehen wird dem prophetischen Grottesgedanken unterstellt und erhält dadurch seinen Sinn. Die Frage der Willensfreiheit, die dem modernen Menschen bei solcher ausnahmslos gottgewirkten Geschichte auftaucht, existiert für den Propheten nicht. Die Männer der Vergangenheit werden durch die religiöse Geschichtsbetrachtung keine bloßen Schachfiguren, sondern bleiben Menschen von Fleisch und Blut, die lieben und hassen, suchen und irren können. Das zeigt besonders v. b. Die Israeliten sind nach BaalPeor gekommen und weihen sich dem Baal. Damit kann nur auf die Erzählung von Num. 25,1—5 angespielt sein; Zahl in der Kolumne bezeichnet die Reihenfolge der Zitierung. Bezüglich Ex. 20 sei für Gebot ti, 7 und 8 bemerkt, daß LXX AF diese Gebote in der üblichen Reihenfolge 6, 7, 8, dagegen LXX B Ex. 20 in der Folge 8, 6, 7 und Dt. 5 in der Folge 7, 6, 8 bieten. 1) Streiche sifwnra; lies bizb für roa;. Ändert man das letzte Wort in A^IE« 'ANS (SELLIN), dann stößt sich der Schluß des Verses mit dem Anfang des nächsten.
74
unter den Scheusalen müssen die in Baal-Peor verehrten Grötter verstanden werden. Es klingt wie verhaltener Spott durch den Vers. Der Götzendienst wird verglichen mit dem Buhlen um den Liebhaber. In Num. 25 wird auch von einem Sicheinlassen mit den Moabiterinnen erzählt. Die Ausdrucksweise des Hosea scheint anzudeuten, daß auch er daran gedacht hat (vgl. v. 11). Da uns Num. 25,1—5 in zwei Rezensionen überliefert ist, deren eine (die ältere ?) von dem Sichhängen an Baal - Peor (v. 3 a ; 5) und deren andere von sexuellen Ausschreitungen und kultischen Sünden in gleicher Weise erzählt, wird Hosea die Erzählung wahrscheinlich in dieser letzten Form gekannt haben. Welcher Quelle die genannten Rezensionen im einzelnen angehören, ist allerdings nicht sicher auszumachen. Aber ein anderes folgt aus unserer Stelle mit Sicherheit: Hosea sieht die Schittim-Szene von Num. 25 für den ersten Abfall von Jahwe an; ihm mag daher die G-eschichte vom goldenen Kalbe Ex. 32 E unbekannt gewesen sein'). Vielleicht war in den einzelnen Quellen ursprünglich die Kalbperikope der Schittim - Szene parallel. Ex. 32,1—6 E steht jetzt ohne Parallelbericht, die in doppelter Rezension vorhandene Peorszene kann sehr wohl diese Parallele sein. Wir folgern daraus: zwei Quellenfäden (L und J) erzählten die erste Versündigung in Num. 25,1 ff. (vielleicht gehören auch die Verse Ex. 32, 17 f. 25—29 mit in diesen Zusammenhang)2), und die dritte ersetzte diese späterem Empfinden vielleicht anstößige Erzählung durch die Kalbperikope. Hosea kennt dann nur einen der beiden erstgenannten 1) Vgl. auch GEESSMANN, Mose und seine Zeit, S. 208 ff. 2) Vgl, SELLIN, Mose, S. 137, auch GRESSMANN, SAT. I, 2 1 S. 6 7 .
75 Zusammenhänge, ist also von der elohistischen Tradition unabhängig1). 9. 2 ) Daß die Sünde in dem Augenblick, da die Israeliten das Kulturland betraten, herrschend wurde, will möglicherweise 6, 7 zeigen. Denn das Adam könnte auf Jos. 3,16 zurückzubeziehen sein; das Überschreiten des Jordan bedeutete schon einen Bruch des Bundes. Der Prophet ist ein grimmiger Kulturkritiker: Kulturland und Wüste sind Gegensätze wie Bund und Übertretung, wie Ehe und Treubruch3). 1) Das wird bestätigt durch 13,2, eine Stelle, die sich nicht auf Ex. 32 zurückbeziehen läßt (so PETERS S. 34 f.), sondern die ihrerseits anf die Gestaltung von Ex. 32 eingewirkt haben mag. — Falls auch in 5, 2 gestanden hat: die Grube von Schittim hat man vertieft, bezeugt auch diese Stelle das über 9 , 1 0 Gesagte. Vgl. S. 82. 2) Einige kontroverse Stellen (4. 4—9. 14—17; 9, 7—14; über 5, 1 f. siehe S. 82) lassen wir unberücksichtigt. Aber auch in 12, 15; 13,1 kann ich keine Anspielung anf die Mosezeit erblicken (vgl. SELLIN in ZAW. 46 (NF. 5), 1928, S. 26—33). Am ehesten könnte m. E. in 6, 4—6 die Erinnerung an die Offenbarung in der Mosezeit mitschwingen : Jahwe fordert ein Verhältnis, das seiner Willenskundgebung am Sinai entspricht. Aber nötig ist diese Auffassung nicht. Ebenso wie Am. 5, 24 wird hier der an sich zeitlose Wille Jahwes betont, der für den Propheten der gleiche ist zu allen Zeiten. Auch 6, 5 weist nicht auf die Mosezeit, wenn man nicht leichten Herzens aus dem Plural „Propheten" den Singular (d. i. Mose) und aus der „Tötung" eine „Unterweisung" machen will (so im Anschluß an SELLIN'S inzwischen aufgegebene Exegese noch H. SCHMIDT, Hosea 6, 1—6 in SELLIN-Festschrift 1927, S. 111 ff.); aber auch die neueste Ü b e r s e t z u n g SELLIN'S ( a . a. 0 . S. 3 3 )
Darum hab ich eingehauen unter die Propheten, Hab sie getötet mit den Worten meines Mundes kann ich mir aus sprachlichen und sachlichen Gründen nicht zu eigen machen. 3) NORBERT PETERS, Osee und die Geschichte 1924, S. 11, will in 6, 7 eine Anspielung auf Gen. 3 erkennen (vgl. auch E. KÖNIG, Theologie des AT.j4 1924, S. 233). Allerdings haben Vulgata sicut Adam und L X X mg äv&Qtaitoi. Jedoch wird das n» eine Ortsbezeichnung auch in v. a fordern. Deshalb werden wir mit WELLHAUSEN S. 116 f. s i s s zu lesen haben.
76 10. Auf die in Jdc. 19—21 erzählte Schandtat von Gibea spielen an die Stellen 9, 9 und 10, 9: Sie haben tief gemacht die Grube wie in den Tagen von Gibea; Er wird gedenken ihrer Sünden Und heimsuchen ihre Missetaten. Von den Tagen Gibeas an gibt es 'Sünde' Israels; Dort standen 'gegen mich' die Söhne des Unrechts. Wahrlich, erreichen wird sie in Gibea der Krieg').
Es scheint mir bewiesen zu sein, daß eine Anspielung auf Sauls Krönung in diesen Versen als ausgeschlossen gelten muß, dagegen mochte sich das am Ende des Richterbuches erzählte Ereignis wegen seiner Roheit so eingeprägt haben, daß es als Schulbeispiel gemeinen Handelns von Hosea zweimal als bekannt vorausgesetzt wird. Allerdings kann wegen der Kürze der Anspielungen nichts Näheres über die vorausgesetzte Erzählung gesagt werden. Seit den Tagen Gibeas hat die Sünde in Israel ihr Heimatsrecht. War der Abfall zu BaalPeor die erste Sünde — bei dem 6, 7 genannten Adam ist an keine Einzelverfehlung gedacht —, so erscheint die Schandtat zu Gibea als noch folgenreicher, insofern als von jenem Zeitpunkt an der ganze Ablauf der Geschichte als ein einziges Sündigen angesehen ist. Aber die Vergeltung steht noch aus. Ähnlich wie für die Sünde in Jesreel die Strafe an demselben Ort eintreffen wird, erreicht als späte, aber gerechte Strafe für die Tat und ihre Folgen der eschatologische Krieg die Stadt Gibea. Wie damals der Schandtat die Reichsexekutive folgte, so wird auch jetzt die Strafe kommen. Mit „Krieg" schließt das Wort wuchtig ab. — Nach
1)
Lies nsan, -b-j (statt
mit SELLIN;
IS)
mit P.
RÜBEN
d i e U m s t e l l u n g m i t KUBEN u n d
, sowie
NOWACK2.
SIN
statt
NS
77 der neuesten Analyse des Richterbuches') hätte der Elohist von Gibea nichts erzählt; dann kämen nur L und J als Berichterstatter in Betracht. Jedoch wird man es vorziehen, mündliche Tradition als das Wahrscheinlichere anzunehmen. 11. Auf die spätere Yolksgeschichte Israels spielt der Prophet in 9 , 1 5 an. SELLIN 2) hat es wahrscheinlich gemacht, daß wir eine Anspielung auf 1. Sam. 15 vor uns haben. Die Berührungen gehen hier bis in die Einzelheiten des Ausdrucks. Interessant ist es, wie das Ereignis verwertet wird: All ihre Bosheit geschah in Gilgal, Denn dort lernte ich sie hassen.
Die Sünde hat in Gilgal nicht ihren Anfang genommen, sondern alle Sünde steckt schon in der einen Ungehorsamstat darin und ist in ihr potentiell vorhanden. Darum wird auch das D^fiiOiE mit „ich lernte sie hassen" zu übersetzen sein. Darum sind alle ihre Fürsten Rebellen, die Sünde hat sich seitdem gleichsam vererbt und ist unausrottbar geworden. Y. 16 f. bringt dann die Gerichtsandrohung. So wie jener König damals ungehorsam war, so alle folgenden Könige des Nordreiches und damit zugleich das ganze Volk; wie dem Saul damals die Verwerfung angedroht wurde, so heute dem ganzen gegenwärtigen Geschlechte. Die Erzählung 1. Sam. 15 ist wahrscheinlich elohistisch und steht der anderen 1. Sam. 13, 8—14 parallel. Wir müssen also feststellen, daß Hosea an unserer Stelle einer dem Elohisten nahestehenden Tradition folgt. 12. Es bleibt eine Stelle übrig, die uns in die letzte Vergangenheit vor dem Auftreten des Propheten 1) 0 . EISSFELDT, Die Quellen des Richterbuches 2 ) Kommentar S. 7 5 f f . ;
N K Z . 36, 1925, S. 6 1 4 f .
1925.
78 einen Blick hineintun läßt; es ist 1,4. Hosea gibt seinem Kinde den Namen Jesreel, weil Jahwe die Blutschuld des Hauses Jehu heimsuchen wird. Zwei Möglichkeiten der Beziehungen kommen nur in Betracht, wenn man das Blut von Jesreel, das im ehrlichen Ringen der Völker an dieser altberühmten Schlachtstätte vergossen wurde, beiseite läßt: einmal, die Schuld Ahabs in der Vergewaltigung Nabots1). Zweitens aber die Revolution Jehus gegen das Haus Omri mit allen ihren Folgen (842). An das letzte Ereignis, das für das ganze Land von Bedeutung war, und unter dessen Eindruck noch jetzt nach 100 Jahren ganz Israel stehen mochte, wird in der Tat zu denken sein. Die Verurteilung jener Ereignisse ist umso bemerkenswerter, als Hosea wahrscheinlich wußte, daß gerade dieser Jehu mit Hilfe der Prophetenpartei ans Ruder gekommen war. Wir besitzen über jenes Ereignis den Bericht 2. Reg. 9 ff., dessen Tendenz der Meinung Hoseas schnurstracks zuwiderläuft. Hosea zitiert wahrscheinlich aus dem Gedächtnis, jedenfalls hätte er die uns erhaltene Darstellung der Ereignisse in 2. Reg. schwerlich gebilligt 2 ). § 5.
Die allgemeine Geschichtsbetrachtung.
Hoseas G-ottesbegriff trägt in weitem Umfang dieselben Züge wie der des Arnos. Das „Dämonische" in Jahwe 3 ) ist auch bei diesem „Propheten der Liebe" aufs stärkste betont. Jahwe ist das gefräßige Raubtier, das an den Wegen auf Beute herumlauert 4). Wie 1) So j e t z t SELLIN, N K Z . , 3 6 ,
1 9 2 5 , S.
613.
2) Über die Stellen, die von der zeitgenössischen Geschichte des Propheten reden, ist in anderem Zusammenhange auf S. 80 ff. gehandelt ; bei ihnen ist Abhängigkeit von mündlicher Tradition fraglos. 3) Vgl. zum Folgenden VOLZ, Das Dämonische in Jahwe 1924, besonders S. 19. 4) 5, 14; 13,7—8.
79 kann sein unheimlicher Vernichtungswille besser veranschaulicht werden als in dem kühnen Bilde 5,12: Ich bin wie eine Motte für Ephraim, Wie ein Wurmfraß für Judas Haus.
Und wie furchtbar ist jene Zitierung der Unterwelt und ihrer dämonischen Mächte, jenes Wort, das christlicher Osterglaube in sein Gegenteil verwandelt h a t : Her mit deinen Pesten, Tod, Her mit deiner Seuche, Unterwelt!
Diese Züge im hoseanischen Gottesbilde sind deshalb besonders bemerkenswert, weil der sonst von dem Propheten so in den Vordergrund geschobene Begriff der Liebesgesinnung Jahwes auf die Zeichnung seines Wesens so geringen Einfluß hat. Es zeigt sich darin das Eine, daß die Propheten auch mit ihren Bildern von Gott bis zu einem gewissen Grade abhängig waren von der Tradition, die sie umgab. Aber es gilt auch andererseits stets zu bedenken, daß in einer prophetischen Persönlichkeit vieles rational Unausgeglichene, das von ihnen jeweils wahrhaft empfunden wurde, nebeneinander stehen konnte. Dieser Gott mußte — ganz wie bei Arnos — das Gericht in nahe Aussicht stellen. Wohl auch, weil die 1) 1 3 , 1 4 ; zur A u f f a s s u n g SELLIN S. 103 f. — Auch die von VOLZ
a. a. 0 . S. 19 herangezogene Stelle 6, 5 gehört wahrscheinlich hierher. Vgl. S. 75. Auch wäre vielleicht noch auf 10, 3 hinzuweisen, falls die Erwähnung der Gottesfurcht hier nicht Hinzufügung eines Späteren ist. Vgl. MARTI S. 79, SELLIN S. 80. — Dieses durchgängige Betonen der unheimlichen Züge Jahwes muß m. E. allein schon gegen die von PROCKSCH und SELLIN vorgeschlagene
Übersetzung von
11,9
mißtrauisch machen. Denn nach dieser Übersetzung hätte Jahwe es gerade abgelehnt, „wegzuraffen wie ein brüllender Löwe" (Komm. S. 88—91). Ob aber eine so große Unausgeglichenheit in der Verwendung der B i l d e r s p r a c h e des Propheten angenommen werden darf, erscheint mir fraglich.
80 Gegenwart es an der Liebe zu den Brüdern hatte fehlen lassen, aber vor allem, weil der israelitische Staat außenpolitisch nicht im Sinne des Propheten gelenkt wurde. Jetzt rücken die Weltmächte im Norden und im Süden, A s s y r i e n und Ä g y p t e n , erst richtig in den Gesichtskreis Israels hinein. Bei Arnos war das Volk der Assyrer noch in graues Halbdunkel gehüllt, sein Name war möglichst gemieden; bei Hosea steht Assur mitten im Lichte des geschichtlichen Werdens. Ägypten war bei Arnos nur ganz flüchtig erwähnt*), bei Hosea dagegen erhalten wir ein greifbareres Bild von den Beziehungen Israels zu dieser Großmacht. An den E i n z e l h e i t e n mag das seine Bestätigung finden. Die halt- und charakterlose Politik des Nordreiches, die in einem fortwährenden Schwanken zwischen A s s u r und Ägypten besteht, wird uns anschaulich geschildert : Es war Ephraim wie eine Taube, einfältig, ohne Verstand; Ägypten riefen sie, nach Assur gingen sie 2 )
oder: Ein Bündnis mit Assur schließen sie Und Öl 'bringen sie' nach Ägypten 3 ).
Diese unselige Schaukelpolitik fand in den rasch aufeinanderfolgenden Thronwechseln ihren sichtbaren Ausdruck. Unter Menahem (743—737) bekommt Israel die Macht Assurs erstmalig zu verspüren. Vielleicht ist in 5, 13 sowie in 10, 5 f. die Erinnerung an Menahems Tribut erhalten, den dieser König dem Tiglat-Pileser III sandte oder senden mußte ( 7 3 8 ) D i e hochge1) 2) 3) 4)
Vgl. S. 25 f. 7, XI. 12, 2 b; — lies Vgl. die Annalen Zeile 150, GRESSMANN, AOTB. 1 2 , S. 346. —
81 spannten Hoffnungen auf die neue Ära der nach Assur hingewandten Verständigungspolitik, von der man offenbar viel erwartete, vernichtet der Prophet, indem er vom religiösen Standpunkt aus den Zeitgenossen die Aussichtslosigkeit ihres Unterfangens vor Augen stellt: Der ist unfähig 'I' zu heilen, 'I' vom Geschwür zu befreien *).
Pekach, der nach der kurzen Regierung Pebachjas die Regierung antrat, warf das Steuer herum und trieb eine assurfeindliche Koalitionspolitik, die ihm teuer zu stehen kommen sollte. Pekach schließt ein Bündnis mit dem schon früher 2) von Assur unterworfenen Razon (Rezin) von Damaskus und zieht gegen den einem Bündnis abgeneigten Ahas von Juda. Diese Gefolgschaft Israels spiegelt sich in dem Spruch 5,11 wieder, wo es heißt: Vergewaltigt ist Ephraim, unterdrückt an Recht; Denn es hat sich versteift, hinter 'seinem Feind' herzulaufen 3 ).
Und nun folgt der unter dem Namen syrisch- ephraimitischer Krieg bekannte Feldzug, auf den nach den Ausführungen ALBKECHT A L T ' S 4) das ganze Stück 5, 8—6, 6 zu beziehen ist. 5, 8—9 prophezeit den großen Rückschlag; 5,10 wendet sich gegen die erfolgreichen judäischen HeerEine andere, vielleicht richtigere Auffassung von 5, 13 vertritt ALT NKZ. 30, 1919, S. 556—562, der den Spruch für eine Anspielung auf die Zustände am Ende des syrisch-ephraimitischen Krieges hält. 1) 5, 13; Streiche csV und csn m. c.; lies ferner Hiphil statt Qal: nn;^. 2) Vgl. Annalen Z. 150, GRESSMANN, AOTB. 1 2 , S. 346. 3) Lies mit DUHM, ZAW. 31, 1911, S. 23, sowie ALT, a . a . O . S. 552 was leichter ist, als das von SELLIN (Kommentar S. 48» Gesch. I, S. 234) konjizierte 4) Siehe S. 80, A. 4 ; ALT teilt die beiden letzten Sprüche ab: 5, 12—14 und 5,15—6, 6. Die im Text gegebene Einteilung nach H.SCHMIDT, H o s e a 6 , 1 — 6 ,
i n S E L L I N - F e s t s c h r i f t 1 9 2 7 , S. 1 1 1 — 1 2 6 .
Über SCHMIDT'S Verständnis von 6, 5 siehe oben S. 75 Anm. 2. 6
82 führer, die sich als Grenzverrücker aufspielen; 5,12—15 will zeigen, daß nicht schlaue Politik, sondern wahre Religion allein helfen kann, und im Schlußabschnitt 6,1—6 führt der Prophet im einzelnen aus, was Jahwes Wille in der Gegenwart von den Menschen verlangt. Der Ausgang des Krieges, der für das Nordreich den Verlust von Galiläa und Gilead bedeutete (733 1)), wird wahrscheinlich an der Stelle 5,1 f. vorausgesetzt, wo es heißt: Hört's ihr Priester, merkt auf, Haus Israel! Und Königshaus, vernehmt's, denn euch gilt's! Wahrlich eine Falle wurdet ihr für Mizpa Und ein ausgebreitet Netz auf dem Tabor, Und die 'Grube von Schittim' hat man vertieft, Aber ich bin 'Fessel' für 'euch' alle 2 ).
Die genannten Orte liegen sämtlich im Ostjordanland; der Prophet macht den Verlust dieses Gebietes dem Volke und insbesondere den Leitenden auf dem Thron und am Altar zum Vorwurf. Aber das Auge göttlicher Vergeltung wacht auch heute noch: Jahwe selbst wird Fessel sein für den Rumpfstaat Israel, der noch übrig geblieben ist. — Dasselbe Ereignis liegt auch dem Verse 8, 9 zu Grunde : Ja, nach Assur gingen sie hinauf 'IV,
'brachten' Liebesgaben 3 ).
Nur ist hier nicht von dem Gebietsverlust die Rede, sondern von den Tributen, die Tiglat-Pileser dem von ihm eingesetzten König Hosea auferlegte, und die auch 1) 2. Reg. 15,29. 2) Lies eiaan •r-v- mit UMBREIT, ferner =;'>?'- -eis mit LXX, bezw. SELLIN. SELLIN'S angenommene Anspielungen auf die israelitische Volksgeschichte (vgl. NKZ. 36, 1925, S. 635 ff.) erscheinen mir mit Ausnahme von Schittim (darüber S. 74 f.) zu unsicher. 3) Für UNN liest SELLIN W : ; das ausgeschiedene Wortspiel ist Eintragung aus anderem Zusammenhang; zur Auffassung der S t e l l e v g l . SELLIN S. 6 7 f.
83 in der Steintafelinschrift erwähnt sind 1 ). Aber aller politischer Betrieb wird nicht helfen und kann gegen Gottes Willen, der sich in dem geschichtlichen Ablauf kund tut, nicht zur Geltung kommen. Erst die Uberzeugung, daß keine Großmacht, sondern nur die Macht Jahwes wahrhaft helfen und wirklich heilen kann, erst die völlige Absage Assur wird uns nicht helfen, Auf Rossen wollen wir nicht reiten 2 ),
die zugleich eine ganze Hinwendung zu Jahwe ist, kann dessen Zorn besänftigen. Nicht ganz so regelmäßig können wir die Anspielungen auf Ä g y p t e n verfolgen. Stets hören wir von einem Rufen nach Ägypten, von Bündnisanträgen Israels, von Handelsbeziehungen oder aber von Bündnissen selbst 3 ). Aber bei der trostlosen Lage Ägyptens, in dem eine Zentralgewalt durch die aufstrebenden und zum Teil sehr energischen4) Stadtfürsten fast unmöglich geworden war, kann es nicht Wunder nehmen, daß von einer Antwort der Ägypter bei Hosea und auch in den sonstigen biblischen Quellen nichts verlautet; auch Tiglat-Pilesers Annalen erwähnen nichts dergleichen 5 ). 1) Zeile 17 f., vgl. AOTB. 1 S . 348. Vielleicht ist in derselben Inschrift in Zeile 7 (S. 347) Naphtali erwähnt, das als zum Gebiete Assyriens gehörig betrachtet wird. Vgl. auch Annalen Z. 227 f. (a. a. 0.). 2) 14,4. 3) Vgl. 7,11; 8 , 9 (wenn man nach "VVELLHAUSEN'S Vorschlag „Ägypten" für „Ephraim" liest; s. jedoch S. 82); 12,2 („Öl überbringen" Gabe bei der Bundschließung? vgl. SELLIN S. 94 f., sowie auch J. PEDERSEN, Der Eid bei den Semiten 1914, S. 25. 49). 4) Man denke an Sewe = »is 2. Reg. 17, 4. 5) Vgl. zum Ganzen vor allem Ä. ALT , Israel und Ägypten, die politischen Beziehungen der Könige von Israel und Juda zu den Pharaonen nach den Quellen untersucht, Leipzig 1909. — Nicht so 6*
84 Erst der Stadtfürst Sewe hatte wahrscheinlich Hilfe zugesagt, aber als der König Hosea, vielleicht im Vertrauen auf seine Zusage, den Tribut verweigerte, war das Schicksal des Nordreiches besiegelt. Der Gedanke an Assur und Ägypten gibt nun aber auch der E s c h a t o l o g i e des Propheten eine eigene Note, soweit sie das Unheil Israels in den Vordergrund treten läßt. Sie ist zunächst aufs stärkste bedingt durch die Voraussetzung, daß die Endzeit Israels der Anfangszeit des Volkes gleich werden soll: Israel soll wieder nach Ägypten, und d. h. in die Knechtschaft, zurückkehren1). In 7,16, einem Verse, dessen Verständnis S E L L I N Z U danken ist, sind zwar die n"H© angeredet und bedroht, aber selbstverständlich ergeht es dem Volke nicht viel anders. Sie wenden sich um 'zu dem, der nichts nützt', Wie ein trugreicher B o g e n ; E s fallen durchs Schwert ihre F ü r s t e n Wegen 'des Unsinns' ihrer S p r a c h e 'II' im L a n d e Ägypten 2 ).
Ähnlich heißt es in 8, 13, einem Verse, der allerdings des Versmaßes wegen oft verkürzt wird: 'Schlachtopfer lieben sie, und' sie opfern (es); Fleisch, und sie essen (es). ertragreich und wesentlich referierend ist der A u f s a t z von H. HOPPE, Ägypten und das AT., N K Z . 30, 1919, S. 485—509. 1) Wie dieser Gerichtsgedanke Hoseas mit den endgültigen Heilsabsichten J a h w e s in E i n k l a n g zu bringen i s t , darüber siehe jetzt vor allem SELLIN, Mose 1922, S . 16 ft. 2) L i e s mit SELLIN S . 63 SA bv*, ferner IST»« (vgl. P s . 114,1) und streiche a;»^ -t als richtige Glosse. Die F ü r s t e n können die mit Ägypten verhandelnden ^Regierenden I s r a e l s sein (SELLIN will die B o t s c h a f t e r darunter verstehen). — Ich halte diese Deutung der Stelle f ü r richtiger als die späteren Deutungen SELLIN'S in Mose S. 14 f. 157 und Gesch. I, 30.
85 Jahwe hat an ihnen kein Wohlgefallen. Jetzt wird er ihrer Sünden gedenken Und ihre Verfehlungen heimsuchen: Sie werden nach Ägppten zurückkehren 1 ).
Und von dem Zustand nach dem Exil heißt es an der vielleicht interpolierten Stelle 11,11 : Sie zittern herbei wie die Vögel aus Ägypten Und wie die Tauben aus dem Lande Assur; Und ich werde sie 'zurückkehren' lassen in ihre Häuser 2 ).
Die Erwähnung Ägyptens, das Israel zur Zeit des Propheten nicht ernstlich bedrohte, erklärt sich aus dem Gedanken, daß die Endzeit der Anfangszeit gleich werden muß, die Parallelität von Assur und Ägypten jedoch nur aus der Verbindung jenes ersten Gedankens mit dem andern, daß die gegenwärtig so gefürchteten Gewalten der Welt über Israel Macht haben werden. 'I' Umkehren wird er ins Land Ägypten, und Assur, der wird sein König; (Denn sie wollten nicht umkehren) 3 ). Nicht werden sie wohnen im Lande Jahwes, Zurückkehren wird Ephraim nach Ägypten, Und in Assur werden sie Unreines essen 4 ). Ja, siehe sie 'gehen nach Assur', Ägypten wird sie versammeln, (Memphis sie bestatten) 5).
Schon aus dem Bisherigen lassen sich einige Unterschiede zu dem endgeschichtlichen Aufriß des Arnos aufweisen. Bei Arnos wird die Katastrophe von dem ungenannten „Volk" gebracht; sie besteht in der voll1) Lies mit
DUHM
und
MARTI . . .
2) Lies mit L X X ET^EIT.
3) 11,5. 4) 9, 3. 5) 9, 6.
5 wns «ar.
86 ständigen Vernichtung
von Land
und Leuten
durch
Krieg, Pest und Erdbeben; bei Hosea wird der Bestand des Volkes dadurch vernichtet, daß es in alle Winde zerstreut wird, nach Assur und nach Ägypten, nach Norden und nach Süden.
W o bei Arnos die Verban-
nung angedeutet ist, da ist sie stets Wegführung des Volkes nach e i n e r
Richtung hin1).
Die Exilierung,
die bei Arnos durchaus Nebensache, allenfalls aber Vorstufe des Endes ist, ist bei Hosea das Ende selbst.
Bei
Arnos wird das Schwert Jahwes auch die Verbannten und die Gefangenen erreichen und umbringen2).
Mit
Ausnahme der schon besprochenen Stelle 7,16 spricht Hosea nicht 8 ) von den Einzelheiten des Exils; bei ihm liegt die Strafe schon in der Tatsache der Wegführung. Die Entfernung vom Lande, das Fehlen der Volksgemeinschaft und
die
darin beschlossen liegende Ent-
fernung von Gott: das ist das hereinbrechende und nicht mehr aufzuhaltende Unheil. Obwohl die großen Mächte bei Hosea deutlich im Blickfeld der Prophetie stehen — bezüglich der Nachbarvölker ist das in gleicher Weise nicht der Fall 4 ) —, und obwohl der Prophet an dem Geschehen seiner Zeit großen Anteil nimmt, ist sein Gottesgedanke mit dem des Arnos nicht zu vergleichen.
W i r finden bei Hosea
niemals den grandiosen Gedanken des Arnos von dem
1) Vgl. Arnos 5 , 2 7 ; 6 , 7 ; 7,17 ( 5 , 5 heißt nach SELLIN r&i ein Ende haben, von Exilierung ist also hier nicht gesprochen; 7, 7—9 kommt nicht in Betracht;
vgl. SELLIN Z. St.). — Vgl. auch Hos. 9,17.
2) Vgl. 9, 4, auch 9,14, 3) „Memphis wird sie begraben" in 9, 6 ist Glosse. 4) 12,13 ist durch den ganzen Charakter des Abschnitts 12, 3 —11 als Geschicbtsreflektion nahe gelegt. 9,13, dessen M T . von Tyrus zu sprechen scheint, ist unverständlich.
87 Gericht Jahwes über andere Völker.
Auch
werden
Assur und Ägypten nicht als unter dem besonderen Herrschaftsgebiet Jahwes befindlich betrachtet. Jahwe läßt nicht das Volk Assur „aufstehen"; Ende
besteht
gleichsam
einer Preisgabe
in einer
sondern das
Auslieferung und
an jene fremden V ö l k e r D e s h a l b
fehlt bei Hosea auch der Gedanke von einer Gleichstellung aller Völker.
W i r sahen, daß bei Arnos in
diesem Punkte Spannungen vorhanden waren, indem neben dem neuen Gedanken noch der alte in gereinigter Form beibehalten war.
Bei Hosea fehlt diese
Spannung, jedenfalls kommt sie in seinem Buche, das allerdings
zu den am schlechtest erhaltenen Schriften
des A T . zählt, nicht zum Ausdruck. A n einem Punkte tritt die Stellung des Propheten zur Geschichte ganz besonders in die Erscheinung.
Bei
Hosea können wir, wohl zum ersten Male, den Begriff des H e i d e n t u m s nachweisen. Deutlich in dieser Hinsicht ist die Stelle 7, 8 f.: Ephraim war unter den Völkern ein eben eingerührter 'Teig', Ephraim war ein Kuchen, den man nicht umgedreht hat; Es aßen Fremde seine Kraft, und er wußte es nicht; Auch graues Haar 'war ihm eingemischt', und er wußte es nicht 2 ).
Am charakteristischsten aber für die Auffassung des Propheten, dem Israel und die „Völker" zwei sich ausschließende Begriffe sind, ist die Stelle 9,1: Freue dich nicht, Israel, 'frohlocke nicht' wie die Völker ' I V ' ; Du liebtest Buhlerlohn auf allen Getreidetennen 3 ).
1) Vgl. die oben erwähnten Stellen 7, 16; 8,13; 9 , 3 . 6 ; 11,5.11. Der Schluß von 10, 10 ist Zusatz. 2 ) S c h i e b e M . c. e i n m i t G R E S S M A N N
3) Streiche den Nebensatz si