110 16
German Pages 243 [240] Year 2006
Felix Breuer DieARTEX-Webapplikation fur Kapitalmarktexperimente
6ABLER EDITION WISSENSCHAFT
Felix Breuer
Die ARTEX-Webapplikation fiir Kapitalmarktexperimente Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Wolfgang Gerke
Deutscher Universitats-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet uber abrufbar.
Dissertation Universitat Eriangen-Nurnberg, 2005 n2
1. Auflage Dezember 2006 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitats-Verlag I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Brigitte Siege! / Nicole Schweitzer Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media, www.duv.de Das Werk einschlieBlich aller seiner Telle ist urheberrechtlich geschutzt Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fiir Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden dijrften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, ScheBlitz Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-0172-5
Geleitwort Die experimentelle Kapitalmarktforschung
versucht seit iSngerer Zeit durch
nachgestellte Entscheidungssituationen, die empirische und theoretische Forschung zu ergSnzen. Die meisten Experimente konzentrieren sich eng auf den zu untersuchenden EfFekt. Sie schalten zusStzliche in den MSrkten gegebene Faktoren aus. Damit eliminieren sie mogliches Rauschen aus ihren Ergebnissen. Andererseits erfassen sie aber nicht, inwieweit die Kapitalmarktumgebung das Entscheidungsverhalten der Investoren beeinflusst. Bei der Erforschung von Wirkungsweisen unterschiedlicher Marktmikrostrukturen stellt dies einen Nachteil dar. Innerhalb der experimentellen Kapitalmarktforschung erweist es sich deshalb als attraktiver, eine Modellumgebung zu schaffen, die der RealitSt mSglichst weitgehend nachempfunden wird. Das Modell sollte dann so flexibel gestaltet werden, dass man zahlreiche Marktfaktoren kontrollieren und flexibel andem kann. In die Reihe dieser am Lehrstuhl ftir Bank- und BSrsenwesen seit fttnfzehn Jahren betriebenen Forschung reiht sich die vorliegende Arbeit ein. Die fortentwickelte experimentelle ComputerbSrse zur Simulation von Anlageentscheidungen und HandelsablSufen im Internet eroffnet neue Dimensionen fiir die Erforschung der Wirkungsweisen unterschiedlich organisierter Marktmikrostrukturen. Experimentelle Kapitalmarktforschung iSsst sich durch die webbasierte Handelsplattform ARTEX (Artificial Exchange) zukunftig rund um die Uhr und ortsungebunden mit groBen Teilnehmerzahlen durchfiihren. Es gelingt, ein experimentelles Design zu entwickeln, dessen Software sehr benutzerfreundlich und flexibel auf ein breites Feld von Fragen der Theorie zur optimalen Marktmikrostruktur angewandt werden kann. Insbesondere eignet sich ARTEX zur Erforschung und besseren Durchdringung der Thesen der Behavioral Finance. Die Experimentteilnehmer fmden sich in einer an reale Gegebenheiten gut angepassten kiinstlichen Kapitalmarktwelt wieder. Der Experimentator kann jederzeit nachvollziehen, liber welchen Informationsstand der einzelne Teilnehmer verfugte, als er seine Entscheidungen uber die Anlage in festverzinslichen Titeln und Aktien sowie uber die Kreditaufnahme getroffen hat. Auch im Rahmen der Untersuchung von Kapitalmarktanomalien wird ARTEX wichtige Hilfestellungen bei der Erforschung von irrationalen Verhaltensweisen und von Insidertransaktionen leisten. Prof. Dr. Wolfgang Gerke
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Juli 2005 von der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen FakultSt der Friedrich-Alexander-Universitat Erlangen-Niimberg als Dissertation angenommen. Sie entstand wShrend meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl fUr Bank- und BSrsenwesen bei Prof. Dr. Wolfgang Gerke. Im Laufe der Promotionszeit babe ich von vielen Seiten Unterstiitzung erhalten, fUr die ich mich an dieser Stelle bedanken mochte. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. Wolfgang Gerke, der mich als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand an seinem Lehrstuhl immer wieder vor interessante Herausforderungen gestellt und stets unterstiitzend begleitet hat. Seine Anregungen und RatschlSge haben erheblich zum erfolgreichen Gelingen der Arbeit beigetragen. Herrn Prof. Dr. Michael Amberg danke ich fiir die freundliche Obemahme und die zugige Erstellung des Zweitgutachtens. Gefbrdert wurde das Dissertationsprojekt zudem seitens der Citibank Stiftung, wofur ich mich insbesondere bei Frau Astrid Thomessen bedanken mSchte. Herrn Jochen Krause, Herrn Leif Frenzel und Herm Frank Appel danke ich far Ihre Zeit und das Know How, das sie mir im Rahmen der softwaretechnischen Realisierung des Projekts zu Gute haben kommen lassen. Eine lehrstuhlinteme Promotion wirkt sich in vielfacher Hinsicht fSrderlich auf das berufliche wie das private Umfeld des Doktoranden aus. Das hat sich auch in meinem Fall so eingestellt. Im Kollegen- und Freundeskreis mSchte ich mich an erster Stelle bei Herm Dr. Robert Bosch bedanken, der mein Interesse an Kapitalmarktthemen aufgenommen und mich nachhaltig zur tiefergehenden, wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Fragestellungen in der Kapitalmarktforschung motiviert hat. Am Lehrstuhl ergaben sich mit der Lehrstuhl- und Projektarbeit enge koUegiale Verbindungen und auch Freundschaften, woriiber ich mich besonders freue. Im Einzelnen bedanke ich mich bei Dr. Stefan Arneth, Prof. Dr. Matthias Bank, Dr. Carlo Beck, Dr. J6rg Fleischer, Dr. Gabriele Herbst, Dr. Daniela Kiehn, Dr. Patrick Kugler, Dr. Ferdinand Mager, Dr. Timo Reinschmidt, Dr. Alexander R6hrs und Dr. Marcus Wimmer ganz herzlich fiir die wertvollen Gesprache und Momente, die sich im Laufe der Zeit entwickelt haben. Bei Dr. Andreas Dombret mSchte ich mich ganz herzlich fiir die Motivation zur Einhaltung eines rechtzeitigen Abgabetermins der Arbeit bedanken.
VII
Eine Dissertation bietet als ein abgeschlossener Abschnitt innerhalb der lebenslangen Lemphasen vor allem auch die Gelegenheit, sich fiir den erfahrenen Riickhalt und die ausgezeichnete Atmosphere im Familienkreis zu bedanken. Verantwortlich dafiir sind vor allem meine Mutter Uta, mein Vater Jiirgen, mein Bruder Ulrich sowie meine GroBmiitter Ruth Breuer und Dr. Gudrun Hani, die mich alle stets zum erfolgreichen Abschluss der Promotion ermuntert haben. Mein ganz besonderer Dank gilt meiner Frau Anna, die mein Proitiotionsprojekt jederzeit riicksichtsvoll begleitet, unterstiitzt und mitgetragen hat. Felix Breuer
VIII
Inhaltsverzeichnis Geleitwort Vorwort
[...VII
Inhaltsverzeichnis
U... IX
Abbildungsverzeichnis
I..XIII
Abktirzungsverzeichnis
[...XV
1
i
2
Einleitung 1.1
Zielsetzung
1
1.2
Fortgang der Arbeit..
3
Typologie von Wertpapiermarkten 2.1
5
Grundlagen
5
2.1.1
Kapitaimarktbegriff
6
2.1.2
Wertpapierhandel
7
2.1.3
Marktmodell
2.2
Primarmarkt
12 .j
15
2.2.1
Primarmarktfunktion
J
15
2.2.2
Phasen des Emissionsprozesses
\
16
2.2.3
Alternative Ausgestaltungsvarianten
2.3
Sekundarmarkt
20 ]
24
2.3.1
SekundSrmarktfunktionen
2.3.2
Marktteilnehmer am SekundSrmarkt
i
25
2.3.3
Phasen des Markttransaktionsprozesses
1
30
2.3.3.1
2.4
.....|
30
2.3.3.2 Orderroutingphase
|
32
2.3.3.3
|
33
i
36
1
37
1
39
Preisfeststellungsphase
Kemprozess in PrimSr- und Sekundarmarkt
Marktmikrostrukturtheorie und Experimente 3.1
24
Informationsphase
2.3.3.4 Abwicklungsphase
3
1
Kapitalmarkttheoretische Grundlagen
L 40
IX
3.1.1
Rationale Erwartungen und informationseffiziente Markte
40
3.1.2
Gleichgewichtsmodelle und ihre empirische Evidenz
45
3.1.3
Neuere ForschungsansStze
48
3.2
Marktmikrostrukturforschung in Theorie und Experiment
50
3.2.1
Effizienzkriterien fiir Wertpapiermarkte
3.2.2
Themen der Marktmikrostrukturforschung
58
3.2.3
Modellaufbau in Theorie und Experiment
67
3.2.4
Systematisierung des Modelldesigns
73
Allgemeine Merkmale von Experimenten
....76
3.3
....50
3.3.1
Theorie und Experiment
76
3.3.2
Generelle Zielsetzungen bei der Durchfuhrung von Experimenten
79
3.3.3
Kategorien von Experimenten
82
3.3.4
Schwachen und Chancen - Webexperimente
84
Webplattform ARTEX 4.1
Grundsatzentscheidungen
89 90
4.1.1
Voriiberlegungen zum experimentellen Grunddesign
90
4.1.2
Funktionale Anforderungen
92
4.1.3
Technische Anforderungen
95
4.2
SoftwaretechnischeRahmenbedingungen
97
4.2.1
Komponenten, Objektorientierung und Schichtenmodelle
97
4.2.2
Schichtenmodelle und Multi-Tier-Architektur
99
4.2.3
Webapplikationen mit Datenbankanbindung
4.2.3.1
Merkmale von Webapplikationen
4.2.3.2 Nachladen von Daten und Datenpush 4.2.3.3
Benutzerauthentifizierung und Sitzungsmanagement
4.2.3.4
Statusinformationen und Session-ID's
4.2.3.5 Javabasierte Applikationsserver
103 104 106 ..107 107 109
4.2.4
Objektorientierte Oberfiachenentwicklung mit W4T und Eclipse
110
4.2.5
UML als Visualisierungshilfe
112
4.3
Design von ARTEX
4.3.1
Struktur des Gesamtsystems
113 113
4.3.2
Datenbank-Schema
*...114
4.3.3
Anreizstruktur
[...116
4.3.4
Phaseniibergreifende Komponenten
[...118
4.3.4.1
Zustande von ARTEX
1...118
4.3.4.2
Zeitstruktur
[...120
4.3.4.3
Anlageobjekte
[...121
4.3.4.4
Ermittlung der Grundausstattung
[..A23
4.3.4.5
Varianten des Dividendendesigns
I....124
4.3.4.6
Bewertungskomponente
....126
4.3.4.7
Auswertung von Experimentdaten
....133
4.3.4.8
Benutzerverwaltung
....137
4.3.4.9
Datengenerierung fiir eine Handelssession
....139
4.3.4.10 4.3.5
5
Phasenspezifische Kon\ponenten
....142 .....148
4.3.5.1
Informationsphase
^....148
4.3.5.2
Orderroutingphase
J....150
4.3.5.3
Preisfeststellungsphase
f...l54
4.3.5.4
Abwicklungsphase
J....160
Graphische OberMche
L.162
4.3.6
4.4
Eine Handelssession im Oberblick
4.3.6.1
Start Page
|....164
4.3.6.2
Personal Page
i....l64
4.3.6.3
Trading Page
165
4.3.6.4
Orderabgabe
167
4.3.6.5
Common Desk
170
4.3.6.6
Personal Desks
175
4.3.6.7
Admin Page
186
Einsatzgebiete von ARTEX
188
4.4.1
Einsatz in der experimentellen Kapitalmarktforschung
188
4.4.2
Einsatz zu Schulungszwecken
189
4.4.3
Weitere ausgewahite Einsatzgebiete
190
Zusammenfassung
191
XI
Anhang
195
Literaturverzeichnis
205
XII
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Effizienzhierarchie Abbildung 2: Theorie, Experiment und Empirie Abbildung 3: Marktmodell ARTEX
55 ......77 93
Abbildung 4: Zustandsfolgen auf ARTEX
119
Abbildung 5: Zusammenhang einzelner Bewertungskennzahlen Teil 1
128
Abbildung 6: Zusammenhang einzelner Bewertungskennzahlen Teil 2
.....129
Abbildung 7: Bewertung und Feedback-Nachrichten Teil 1
132
Abbildung 8: Bewertung und Feedback-Nachrichten Teil 2
133
Abbildung 9: Generierung der Initialisierungsdaten Teil 1
140
Abbildung 10: Generierung der Initialisierungsdaten Teil 2
141
Abbildung 11: Sequenzdiagramm zum Start einer Handelssession
144
Abbildung 12: Aktivitatsdiagramm zum MainProcess
146
Abbildung 13: Orderrouting Teil 1
152
Abbildung 14: Orderrouting Teil 2
153
Abbildung 15: Auktionsprinzip
155
Abbildung 16: Automatisierter Market Maker Teil 1
158
Abbildung 17: Automatisierter Market Maker Teil 2
159
Abbildung 18: Settlement
161
Abbildung 19: Seitenfolge auf ARTEX
163
Abbildung 20: Handelsbildschirm
166
Abbildung 21 :SelectPanel
167
Abbildung 22: Eingabemaske zur Festgeldanlage
168
Abbildung 23: Eingabemaske zur Orderaufgabe
169
Abbildung 24: Kurse und Orderbuchspitzen auf dem Common Desk
171
Abbildung 25: Cash/Credit, Index/Wachstum, Haben-ZSoUzins
173
Abbildung 26: Verschiedene Ampel-Phasen
174
Abbildung 27: Information Desk
176
Abbildung 28: Portfolio Desk Teil 1
177
Abbildung 29: Portfolio Desk Teil 2
177 XIII
Abbildung 30: Orders Desk Teil 1
178
Abbildung 31: ModifyOrderWindow
179
Abbildung 32: Orders Desk Teil 2
180
Abbildung 33: Account Desk Teil 1
181
Abbildung 34: Account Desk Teil 2
181
Abbildung 35: Dividends Desk Teil 1
182
Abbildung 36: Dividends Desk Teil 2
183
Abbildung 37: Feedback Desk Teil 1
183
Abbildung 38: Feedback Desk Teil 2
184
Abbildung 39: Ranking Desk Teil 1
184
Abbildung 40: Ranking Desk Teil 2
185
Abbildung 41: Admin-MeniizurAblaufsteuerung
186
XIV
Abkiirzungsverzeichnis API
Application Programm Interfaces
ARTEX
ARTificial EXchange
bzw.
beziehungsweise
CAPM
Capital Asset Pricing Model
CAT
Computerized Asset Trading
c.p.
ceteris paribus
d.h.
das heifit
ECN
Electronic Communication Network
EJB
Enterprise Java Beans
f.
folgende
ff.
fortfolgende
FIFO
First In First Out
GUI
Graphical User Interface
Hrsg.
Herausgeber
HTML
Hypertext Markup Language
IDE
Integrated Development Environment
i.d.R.
in der Regel
IP
Internet Protocol
IPO
Initial Public Offering
J2EE
Java 2 Enterprise Edition
JDBC
Java Database Connectivity
Jg.
Jahrgang
JSP
JavaServer Pages
JVM
Java Virtual Machine
MAE
Mean Absolute Error
NASDAQ
National Association of Securities Dealers Automated Quotations
NYSE
New York Stock Exchange
0.0.
ohne Ortsangabe
OS
Object Serialization
XV
OTC
Over The Counter
POJO
Plain Old Java Objects
RMI
Remote Method Invocation
RMSE
Root Mean Square Error
S.
Seite
Sp.
Spalte
SEC
Securities Exchange Commission
sog.
So genannte
TCP
Transmission Control Protocol
u.a.
unter anderem
UML
Unified Modeling Language
USA
United States of America
Vgl.
Vergleiche
Vol.
Volume
W4T
World Wide Web Windowing Toolkit
WpHG
Wertpapierhandelsgesetz
WYSIWYG What You See Is What You Get Z.B.
XVI
zum Beispiel
1 Einleitung 1.1 Zielsetzung Die Theorie der Marktmikrostruktur betrachtet den Grad der Effizienz eines Marktes in einer Mikrosicht explizit als das Ergebnis einer mQglichst „optimalen" Ausgestaltung eines Marktmodells. Gegenuber venvandten Theoriezweigen wie der Spieltheorie, Auktionstheorie, Industrieokonomik bzw. Neuen Institutionenokonomik zeichnet sich die Marktmikrostrukturtheorie
dabei insbesondere durch ihren
durchgangigen Finanzmarktbezug aus. Sie geht davon aus, dass Tausch auf Finanzmarkten grundsatzlich mit Transaktionskosten verbunden ist, wobei versucht wird, einerseits die unterschiedlichen Rollen der Finanzintermediare zu erfassen und andererseits das effektive Funktionieren eines Marktes auf seine institutionellen Bestimmungsgrunde
zuriickzufiihren.^
Urn Aussagen iiber die Wirkung der
Ausgestaltung einer Marktorganisation auf ein Marktergebnis zu gewinnen, bedient sich die Marktmikrostrukturforschung der theoretischen wie der empirischen Modellierung des Entscheidungsverhaltens von Marktteilnehmem innerhalb der spezifischen AusprSgung eines Marktmodells. In wechselseitiger Beziehung zwischen Theorie und Empirie lassen sich Kapitalmarktexperimente
als eine Variante der empirischen
Marktmikrostrukturforschung
einsetzen, um Marktzusammenhange naher zu ergriinden. Experimente werden zur Uberpriifung okonomischer Theorien, zur Suche nach empirischen Zusammenhangen Oder zur Klarung von Fragestellungen um die Ausgestaltung von Marktmodellen eingesetzt.
Um
Riickschlusse
auf die
Wirkzusammenhange
zwischen
dem
Entscheidungsverhalten von Marktteilnehmem, den StellgroBen eines Marktmodells und dem Marktergebnis zu gewinnen, konnen mittels der experimentellen Methodik Modellumgebungen geschaffen werden, die es ermoglichen, den Einfluss eines zu variierenden Faktors auf einen oder mehrere andere konstant gehaltene Faktoren zu untersuchen.
Markte weisen heterogene Merkmale auf hinsichtlich Marktorganisation, Marktkonfiguration, Marktsegmentierung, Marktfrequenz, technischer und rechtlicher Ausgestaltung sowie peripherer Systeme, vgl. GERKE/RAPP (1994), S. 6 und S. 9.
1
An diesem Punkt setzt die vorliegende Arbeit an: Ziel ist die Entwicklung einer Webplattform fiir die Durchftihrung von Kapitalmarktexperimenten. Dabei sollen moglichst optimale Bedingungen fur die Abbildung der Marktmikrostrukturen von B5rsensystemen geschaffen werden, in der Absicht, eine kiinstliche Marktumgebung zu erzeugen und zu demonstrieren. Diese soil zentrale Strukturmerkmale realer Borsensysteme in einer moglichst realitStsnahen Handelsumgebung enthalten. Die Mdglichkeiten der Abbildung von Organisationsvarianten, Kursbildungsregeln und Informationsparametem eines Marktumfeldes sollen in der Weise implementiert werden, dass die Komplexitat von Entscheidungsprozessen fiir die Marktteilnehmer am Modellmarkt sichtbar wird und sich auf die Gegebenheiten an den realen BSrsenmarkten beziehen iSsst. Die realitatsnahe Vermittlung der Prozesse der Informationsverarbeitung,
Entscheidungsfmdung,
Orderaufgabe,
Kursbildung,
Portfoliozusammensetzung und Vermogensentwicklung kann so einer beliebigen Zielgruppe wichtige Einsichten in Marktprozesse beim interaktiven Handel mit Wertpapieren in einem geschlossenen System in Echtzeit vermitteln. Entsprechend soil die zu entwickelnde Webplattform auch fiir padagogische Zwecke genutzt werden kQnnen. Mit der Intemetfahigkeit der Plattform soil Teilnehmem an Handelssessions die Gelegenheit geboten werden konnen, prinzipiell 24 Stunden und jeden Tag interaktiv Merkmale, ZusammenhSnge und Funktionsweisen von Borsensystemen kennen zu lemen. Der Aufbau der Applikation soil dabei zulassen, Handelssessions bzw. Experimente zu geringen Kosten und ohne groBe administrative Betreuung im Web grundsatzlich „durchlaufen" lassen zu konnen. Das zu entwickelnde Softwaresystem zeichnet
sich damit gegeniiber zahlreichen anderen experimentellen
Plattformen neben seiner Intemetfahigkeit vor allem durch seinen zu realisierenden durchgSngig modularen Aufbau aus, der auf Basis eines zu implementierenden Grunddesigns flexibel zahlreiche Ausgestaltungsmoglichkeiten fur unterschiedliche experimentelle Forschungsinteressen erSffnet. Dabei sollen die Dimensionen des Wertpapierhandels einerseits vereinfachend, andererseits aber auch mSglichst weitgehend
abgebildet
werden,
um
beispielsweise
Fragestellungen
zu
Preisfestsetzungsverfahren bei Aktienerstemissionen ebenso behandeln zu kSnnen wie solche zu Ausgestaltungsvarianten von Marktmodellen im SekundSrmarkt. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird die Entwicklung der Webplattform ARTEX (ARTificial Exchange) anhand der Beantwortung folgender drei zentralen Fragestellungen beschrieben:
Welche grundlegenden Funktionen erfiillen Borsenmarkte, welche wesentlichen Merkmale weisen Marktmikrostrukturen von Borsensystemen auf und wie lassen sich Markttransaktionsprozesse charakterisieren? Welche StellgroBen eines Marktmodells bilden hinsichtlich der Qualitat eines Wertpapiermarktes Forschungsschwerpunkte der Marktmikrostrukturforschung und welcher Bedarf lasst sich fiir die experimentelle Kapitalmarktforschung identifizieren? Welche Gestaltungsparameter lassen sich aus den Gegebenheiten an den Markten ftir das Design einer Webplattform fiir Kapitalmarktexperimente ableiten, welche Anforderungen ergeben sich daraus an die Plattform hinsichtlich der Durchfuhrbarkeit von Experimenten und e-Leaming-Anwendungen und wie l^sst sich die Webplattform in Grunddesign und Komponenten softwaretechnisch realisieren?
1.2 Fortgang der Arbeit Entsprechend der drei Fragestellungen ergibt sich die Gliederung der Arbeit in drei Hauptkapitel: Nach der Einleitung behandelt Kapitel 2 Typologien von Wertpapiermarkten. Im Einzelnen werden in Kapitel 2 zunSchst Rahmenbedingungen fur den Handel heterogener Marktteilnehmergruppen auf Borsenmarkten skizziert. Mit Begriffsabgrenzungen werden Wertpapiermarkte hinsichtlich ihrer Bedeutung, ihrer konkreten Funktionen
und
ihren
institutionellen
Erscheinungsformen
beschrieben.
Unterschiedliche Gruppen von Marktakteuren werden identifiziert und Determinanten von Marktmodellen werden vorgestellt. Die Handelsprozesse auf PrimSr- und Sekundarmarkt werden naher beleuchtet. Kapitel 3 stellt AnsStze der Marktmikrostrukturforschung
vor und erlautert
grundlegend die experimentelle Methodik in der Kapitalmarktforschung. Zunachst werden Effizienzkriterien behandelt, die fiir eine Bestimmung der LeistungsfShigkeit von Borsensystemen herangezogen werden kSnnen. Vor einem theoretischen Bezugsrahmen fiihrt die Diskussion der Begriffe um die Kapitalmarkteffizienz zur Identifizierung von den ZielgroBen ftir die Ausgestaltung eines Marktmodells. Ausgestaltungsvarianten von Marktmodellen konnen anhand bestimmter Analysetechniken
untersucht
werden,
wobei
sich
Experimente
als
eine
mSgliche
Untersuchungsmethode einordnen lassen. Die experimentelle Methode in der 3
Kapitalmarktforschung wird vorgestellt und Webexperimente mit ihren wesentlichen Merkmalen werden charakterisiert. Kapitel 4, Webplattform ARTEX, stellt das Design und die Realisierung des Softwaresystems vor. Der Anspruch, die Interaktion zwischen einer groBen Anzahl an Marktteilnehmem in einem geschlossenen Marktsystem zu ermoglichen, erfordert eine webbasierte Losung. Es wird angestrebt, moglichst geringen clientseitigen Aufwand mit einem moglichst groBen Funktionsumfang der Anwendung einhergehen zu lassen. Ein clientseitig geringer Ressourcenanspruch und moglichst kein Installationsaufwand fiir die Anwendung sollen sicherstellen, dass potentielle Teilnehmer im Internet wegen etwaiger hard- oder softwaretechnischer UnzulMnglichkeiten nicht von Handelssessions ausgeschlossen werden mtissen. Der Funktionsumfang und eine mSglichst groBe Flexibilitat des Systems sollen verschiedene Einsatzmoglichkeiten fiir die experimentelle Anwendung komfortabel zulassen. ZunSchst werden mit Abschnitt 4.1 die
getroffenen
Grundsatzentscheidungen
hinsichtlich
der
funktionalen
und
technischen Anforderungen an das System vorgestellt. Abschnitt 4.2 leitet anschlieBend die softwaretechnischen Rahmenbedingungen fiir die Entwicklung des Systems ab und stellt den softwaretechnischen Losungsansatz vor. In Abschnitt 4.3 wird dann das als 3-Tier-Webapplikation realisierte Gesamtsystem detailliert in seinen Komponenten beschrieben. Neben der intemetfMhigen Zeitstruktur sind insbesondere die exogene und endogene Informationsgenerierung, die implementierten Handelsund Abwicklungsverfahren
sowie das Kennzahlensystem zur Bewertung der
Umverteilungsprozesse zwischen den Marktakteuren besondere Merkmale des Gesamtsystems. Abschnitt 4.4 schlieBlich widmet sich der Skizzierung verschiedener Einsatzmoglichkeiten fiir das System. Die Arbeit schlieBt mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse im fiinften Kapitel.
2 Typologie von Wertpapiermarkten 2.1 Grundlagen In einem Finanzsystem dient Finanzintermediation der Erleichterung der Prozesse der Finanzkapitaluberlassung zwischen Kapitalgebem und -nehmem. Finanzintermediare bringen mit Selbsteintritt als direkte Kontraktpartner oder ohne Selbsteintritt als Mittler im Kapitalaustauschprozess die Interessen von Wirtschaftssubjekten zum Ausgleich.^ Gegeniiber beispielsweise Kreditinstituten als Finanzintermediaren mit Selbsteintritt existieren mit organisierten Finanzm^rkten Institutionen, die als Finanzintermediare ohne Selbsteintritt die direkte Finanzkapitaluberlassung zwischen Kapitalgebem und -nehmen erleichtem. FinanzmSrkte ermSglichen den Verkauf und Ruckkauf von iibertragbaren Wertpapieren, wobei eine enge Verbindung zwischen unmittelbarem
KreditgeschSft
und FinanzmSrkten besteht: Bei
den meisten
iibertragbaren Wertpapieren handelt es sich um verbriefte Kredite und die meisten Wertpapiere, die aus der unmittelbaren Kreditvergabe entstehen, sind iibertragbar.^ In den folgenden Abschnitten wird zunachst uber Begriffsabgrenzungen zu KapitalmSrkten und Kapitalmarktfunktionen in die Typologie von WertpapiermSrkten eingeflihrt. Auf PrimSr- und SekundSrmarkten interagieren unterschiedliche Gruppen von Marktteilnehmem mit unterschiedlichen Zielsetzungen.
Dabei wird die
Leistungsfahigkeit eines Marktes durch die spezifische AusprSgung der Strukturmerkmale seines zugrunde liegenden Marktmodells beeinflusst. BSrsensysteme lassen sich anhand der wesentlichen Determinanten ihres Marktmodells kategorisieren und diesen Strukturmerkmalen lassen sich wiederum Phasen des Markttransaktionsprozesses von Borsenmarkten teilweise direkt, teilweise iibergreifend zuordnen. Die
Begriffsklarungen
und
die
Bestandsaufnahme
marktorganisatorischer
Gegebenheiten an Wertpapiermarkten werden vorgenommen, um den gewahlten Ansatz der Entwicklung der Webplattform ARTEX zu fundieren. Konzeptionell besteht die Zielsetzung darin, das System aus den realen Gegebenheiten an Markten
^
Zum Begriff der Finanzintermediation vgl. beispielsweise BANK (2001), Sp. 836 ff.
^
Vgl. zu einem Oberblick uber Finanzinstitutionen und Finanzmarkte beispielsweise KOHN (2004), S. 307 fif.
heraus fiir eine experimentelle Auseinandersetzung mit Fragestellungen um die Ausgestaltung von Marktorganisationen zu gestalten. Gleichzeitig sollen moglichst flexible Rahmenbedingungen geschaffen werden, um der Applikation verschiedene AnwendungsmSglichkeiten zu eroffhen. Bereits das Grunddesign von ARTEX ist fiir die experimentelle Untersuchung sowohl von unterschiedlichen Preisfindungsverfahren vor einem Primarmarkthintergrund als auch von altemativen Marktprotokollen eines Sekundarmarktes ausgelegt.
2.1.1 Kapitalmarktbegriff MSrkte sind formelle oder informelle Organisationen, die KSufer und Verkaufer von Gutem zusammenfiihren, um Handel zu ermoglichen. Nach WEBER (1980) kann von einem Markt gesprochen werden, „...sobald auch nur auf einer Seite eine Mehrheit von Tauschreflektanten um Tauschchancen konkurriert."'* Die Ausgestaltung des marktlichen Konkurrenzmechanismus fiihrt dann zur spezifischen Erscheinungsform des Marktes.^ Finanzm^rkte als Oberbegriff fiir Geld- und Kapitalmarkte k5nnen gegentiber anderen Markten anhand der gehandelten Guter unterschieden werden: GiiterstrQme werden uber Gutermarkte, GeldstrSme uber Geld- und Kapitalm^kte von Anbietem zu Nachfragem gelenkt. KapitalmSrkte sind gegenuber GeldmSrkten Markte fur mittel- und langfristiges Kapital, das in Form von verbrieften Krediten und Beteiligungskapital moglichst attraktive Investitionsaltemativen bei Wertpapieremittenten sucht.^ Die Attraktivitat einer Investitionsaltemative hangt dabei jeweils von der erwarteten Rendite und dem Risiko der jeweiligen Anlage ab. Entsprechend dem Ausgestaltungsgrad und der Existenz von FinanzintermediSren existieren auf KapitalmSrkten organisierte und nicht organisierte Teilbereiche. Organisierte Teilbereiche eines Kapitalmarkts zeichnen sich gegenuber den nicht organisierten dadurch aus, dass die Abwicklung von Transaktionen innerhalb eines weitgehend defmierten rechtlichen Rahmens vielfach von Finanzintermediaren
WEBER (1980), S. 382. Vgl. zum neoinstitutionellen Verstandnis von Markten beispielsweise WEY (1998), S. 65. Der Geldmarkt stellt einen Markt for kurzfristige Finanztitel dar, vgl. FRANKE/HAX (2004), S. 365.
unterstiitzt wird/ Der organisierte Kapitalmarkt besteht wiederum aus Teilmarkten, auf denen Wirtschaftssubjekte ihr Geldvermogen zeitlich, raumlich, risikobezogen und liquiditatsbezogen transformieren.* HAUSER (1995) bezeichnet den Kapitalmarkt als „...die gedachte Einheit jener Institutionen und Tauschbeziehungen, durch die investiv verfiigbare Mittel zwischen Wirtschaftseinheiten gegen Entgelt leihweise oder in einem BeteiligungsverMltnis gegeben oder vermittelt werden."^ Aktien-, Anleihe- und Rentenmarkt bilden den Wertpapiermarkt, das „Herzstuck" des Kapitalmarktes.^^ Mit PrimSr-, Sekundarmarkten und MSrkten fiir derivative Finanzinstrumente existieren weitere Unterteilungen der Wertpapiermarkte. Hinsichtlich der ErfuUungsfrist lassen sich als Segmente Kassa- und Terminmarkte unterscheiden.^^
2.1.2 Wertpapierhandel Der Emissionshandel am PrimSrmarkt als Markt fur die Erstausgabe von Finanzkapital ist dem Wertpapierhandel am Sekundarmarkt vorgelagert. Im Gegensatz zum Sekundarmarkt werden am Primarmarkt nur im Auftrag des Emittenten neu ausgegebene Wertpapiere erworben. Der Handel von Wertpapieren am SekundSrmarkt kann bSrslich an Wertpapierborsen, aufierbSrslich als Over the Counter - Handel (OTC)^^ oder uber alternative Handelssysteme^^ stattfmden.
Der mit definitorischen Problemen behaftete so genannte „graue Kapitalmarkt" stellt einen unorganisierten Teilbereich des Kapitalmarkts dar. Auf dem grauen Kapitalmarkt werden u.a. nicht oder noch nicht bdrsennotierte Wertpapiere gehandelt. Vgl. GERKE (2003), S. 376. Vgl. MOLLER/HUFNER (2001), Sp. 1276. HAUSER (1995), Sp. 1124. ANDREAS (1988), S. 961. Vgl.NEUS/HlRTH(2001),Sp. 1305. Far den auBerbOrslichen Bereich werden die Begriffe „Off-Exchange" oder „Over the Counter*' (OTC) synonym verwendet. Unter dem Begriff Alternative Handelssysteme werden im Rahmen dieser Arbeit Alternative Trading Systems (ATS), Electronic Communication Networks (ECNs), Proprietary Trading Systems (PTS) sowie Crossing Systems verstanden. In der europaischen Bezeichnungsweise werden auch Plattformen, auf denen Wertpapiere von Emissionshausem emittiert werden, als ECNs bezeichnet. In den USA werden alle die Handelssysteme als ECN bezeichnet, die - anders als Crossing Systems - eine Preisfeststellung innerhalb des Systems unterstiitzen. Systeme, die wie beispielsweise Bulletin Boards zwar Verhandlungen, aber keinen Handelsabschluss ermOglichen, werden nicht als ECNs bezeichnet. Vgl. hierzu VON RoSEN (1994), S. 1213, GOMBER (2000), S. 56 f. und NEUBAUER (2001), S. 104 f.
Am Sekundarmarkt konnen hinsichtlich der Handelsobjekte zunachst drei Arten von B5rsen
unterschieden
werden,
namlich
Warenborsen,
Devisenborsen
und
WertpapierbSrsen. Hinsichtlich der Fristigkeit existieren Kassa- und Terminmarkte. Auf b5rslichen Markten werden nur standardisierte, zugelassene bzw. in den Handel einbezogene Wertpapiere gehandelt.'"^ In der Literatur finden sich mangels einer eindeutigen Definition unterschiedliche Beschreibungen von Borsen. In einer strukturellen Betrachtungsweise des Marktes lassen sich eine traditionelle, eine untemehmensorientierte und eine funktionale Sichtweise unterscheiden.^^ Hierbei orientiert man sich in der traditionellen Perspektive an den institutionellen Merkmalen einer Borse, untemehmensorientiert betrachtet man die Borse vor allem als wettbewerbliches Untemehmen in einem Markt fiir Marktorganisation und mit der Betonung der funktionalen Eigenschaften bezieht man sich schlieBlich insbesondere auf die Leistungen, die eine Borse erbringt. Entsprechend sind Wertpapierborsen nach HiELSCHER (1993) „....hochorganisierte Institutionen auf Kapitalmarkten, in denen Marktteilnehmer in die Lage versetzt werden, fungible Handelsobjekte persSnlich oder telekommunikativ zu vertraglich festgelegten Bedingungen 6ffentlich zu handeln."^^ In der untemehmensorientierten Definition wird demgegeniiber der Charakter von B6rsen als Untemehmen zur Produktion von Marktpreisen unterstrichen: „We define a financial exchange as afirmthat creates a market in financial instruments. The product of this particular type is accurate information, as reflected in the prices of the instruments traded on the exchange." ^^ Borsen lassen sich demnach auch als Dienstleistungsuntemehmen begreifen, die Transaktionsservices, Clearing- und Settlementservices sowie Marktinformationen anbieten.^^
Vgl. Picot/Bortenmnger/RGhrl (1996), S. 9 f Vgl. BOOK (2001), S. 25 f sowie Dl NOJA (2001), S. 47, wo der Bdrsenbegriff dreischichtig als „exchange as a market, exchange as a firm and the exchange as a broker-dealer" beschrieben wird. HIELSCHER (1993), S. 1128. MULHERIN/NETTER/OVERDAHL, 1991, S. 643. Auch beispielsweise die Deutsche BOrse AG lasst sich als bdrsennotierte Gesellschaft in ihrem Selbstverstandnis als Untemehmen bezeichnen. Vgl. hierzu auch BOOK (2001), S. 33.
Die funlctionale Bedeutung der Borse als Marktbetrieb, der fiir den Handel von standardisierten
Wertpapieren
standardisierte
Transaktionsprozesse
anbietet^^,
unterstreicht DOMOWITZ (1996), indem er sich bei der Beschreibung der Merkmale einer B6rse als Handelssystem umfassend auf deren Leistungserbringung bezieht: „To be classified as an exchange a trading system must •
provide trade execution facilities,
•
provide price information in the form of buy and sell quotations in a regular or continues basis,
•
engage in price discovery through its trading procedures, rules or mechanism,
•
have either a formal market maker structure or a consolidated limit order book or be a single price auction,
•
centralize trading for the purpose of trade execution,
•
have members and
•
exhibit the likelihood, through system rules and/or design, of creating liquidity in the sense that there be entry of buy and sell quotations on a regular basis, such that both buyers and sellers have a reasonable expectation that they can regularly execute their orders."^°
Fiir eine Borse ergibt sich demnach ein Leistungskatalog, der die Marktorganisation, die Preisermittlung, die Informationsbereitstellung zu den ermittelten Preisen sowie die Bereitstellung von Liquiditat umfasst.^^ Die Ausgestaltung von Borsen hin zu elektronischen Marktpiatzen wird in besonderem Masse von den Fortentwicklungen der Informationstechnologien begiinstigt und beeinflusst. Unter so genannten BSrsensystemen verstehen GERKE/RAPP (1994) entsprechend die „...Gesamtheit von physischen Handelsplattformen mit den dem Handel vor- und nachgelagerten Funktionen und Prozessen (Informationssysteme, Clearingsysteme, Abwicklungs- und Verrechnungssysteme) sowie kodifizierten oder '^
Vgl.ROHRL(1996),S. 16.
^^
DOMOWITZ (1996), S. 104-105.
^'
Vgl. auch BOOK (2001), S. 29.
gewohnheitsrechtlichen bezeichnet
SCHENK
Rahmenbedingungen,
Handelsregeln.. ."^^ beschrieben. (2001)
folglich
technologischen
als und
ein
Borsenhandelssysteme
Framework,
funktionalen
bestehend
Bausteinen
aus sowie
Bestimmungen der Durchfiihrungspraxis.^^ In Anlehnung an SCHENK (1997) kann ein Borsenhandelssystem demnach anhand folgender zentraler Gestaltungsparameter charakterisiert werden: •
Matching-Algorhythmen
(z.B.
laufender
Handel,
Eroffnungs-
und
Schlussauktionen, Behandlung von UberhSngen, Volatilitatsunterbrechungen), •
Informationsversorgung (vor, wShrend und nach dem Matching in der Auspragung 1 :n und 1:1),
•
Orderbuchfunktionalitat
(z.B.
Orderattributierung
wie
limitierte
und
unlimitierte Orders, Verfahren zur Priorisierung eingehender Orders wie PreisZeit Prioritat), •
Schnittstellen zu Abwicklungsfaszilitaten fiir Clearing und Settlement sowie
•
Handelsiiberwachung und Marktsteuerung.
Mit den zentralen Gestaltungsparametem fur ein Borsenhandelssystem wird der enge Zusammenhang zwischen technologischem Fortschritt und der Weiterentwicklung von Borsenhandelssystemen ersichtlich. Der technologische Fortschritt trSgt allerdings nicht nur zur Fortentwicklung bestehender Borsenhandelssysteme bei, sondem ermSglicht auch den Auf- und Ausbau altemativer Handelssysteme. Die altemativen Handelssysteme verstarken den zunehmenden, grenziiberschreitenden Wettbewerb zwischen bSrslichen als auch auBerborslichen Handelspiatzen zusStzlich, da sie sich oft liber attraktive Handelsbedingungen auszeichnen kSnnen. Sie benotigen keine Borsenzulassung und ermoglichen den Handel sowohl in standardisierten als auch in
GERKE/RAPP (1994), S. 7, vgl. auch GOMBER (2000). Vgl. SCHENK (2001), Sp. 374 ff. Die Rahmenbedingungen beziehen sich hierbei im Einzelnen auf Bestimmungen hinsichtlich der Vorgaben einer Marktordnung, der zu handelnden Produkte, der Handelszeiten, dem Marktzugang fur Teilnehmer und der Instanzen zur ordnungsgemaBen Durchfuhrung der Marktveranstaltung. Ein Borsenhandelssystem setzt sich fiir die Erbringung des Leistungskatalogs, bestehend aus Marktorganisation, Preisermittlung, Informationsbereitstellung und die Bereitstellung von Liquiditat aufweist, aus technologischen und funktionalen Modulen zusammen.
10
nicht standardisierten Wertpapieren.^"^ Wertpapiertransaktionen sind auBerborslich gesetzlich
nicht
grundsatzlich
geregelt
und
bei
der
Ausgestaltung
ihrer
Handelsbedingungen sind alternative Handelssysteme nicht so stark wie ihre bSrsHche Konkurrenz an die Vorgaben von Gesetzgebung und Aufsichtsbehorden gebunden.^^ Zudem konnen alternative Systeme gerade institutionellen Investorengruppen oft attraktivere Ausfiihrungsstrukturen fur den Handel auf eigene Rechnung anbieten, indem sie spezifische Marktmikrostrukturen nutzbar machen und gleichzeitig den grundlegenden Funktionsumfang einer Handelsplattform anbieten. Institutionelle Anleger finden dann an altemativen Systemen oft bessere Bedingungen ftir die Orderabwicklung vor als an den klassischen Borsen.^^. In einem Markt ftir Marktorganisation ftihrt der zunehmende Wettbewerb zum einen zur Koexistenz verschiedener Handelssysteme an den international und national bedeutenden Handelspiatzen sowohl ftir Kassa- und Terminmarkt,^^ zum anderen geht
Der auBerbOrsliche Handel umfasst neben standardisierten Finanzprodukten auch individuell ausgestaltete Finanzprodukte. Indem allerdings auch standardisierte Wertpapiere in erheblichem Masse auBerbdrslich gehandelt werden, stehen auBerbdrshcher und bdrslicher Markt zudem in Konkurrenz. Beispielsweise kdnnen sich alternative Handelssysteme neben dem Angebot von variableren Handelszeiten oft auch durch niedrige Transaktionskosten auszeichnen. Da sich die Ausgestaltung von OTC-Transaktionen an die individuellen Bedurfhisse anpassen lasst und sich auch schwer standardisierbare Geschafte abschliefien lassen, ist der auBerbdrsliche Handel mit der Flexibilitat bezuglich der Kontraktgestaltung gerade ftir institutionelle Marktteilnehmer attraktiv. Die Preisbildung erfolgt gegentiber der beim bOrslichen Handel intransparenter, was gleichzeitig die Attraktivitat dieser Markte fur institutionelle Investoren bei der Platzierung groBer Orders, so genannter Blockorders, ausmacht. Vgl. zu Blocktransaktionen am deutschen Aktienmarkt beispielsweise SCHAFFNER (2002). Durch bilaterale Verhandlungen kann fur die Investoren zudem ein adverser Preiseffekt (Market Impact), der bei der Absetzung solcher Orders an Bdrsen droht, vermieden werden Vgl. BOOK (2001), S. 36 f. sowie BURDETT/O'HARA (1987).
Vgl. zur Koexistenz die exemplarische Auflistung verschiedener Handelssysteme an ausgewahlten Handelsplatzen in Anhang 1. Im intemationalen Vergleich existieren mit XETRA und EUREX in Deutschland derzeit leistungsf^ige technologische Plattformen. Die Gruppe Deutsche Bdrse verwendet XETRA als elektronisches Handelssystem fiir den Kassamarkt. Zentral kOnnen weltweit Kauf- und Verkaufsauftrage lizenzierter Handler gegenubergestellt und automatisch ausgefiihrt werden. Die wichtigsten Rentenwerte und fast alle an der Frankfurter Wertpapierborse notierten Aktien, auch ein Teil von Aktienoptionsscheinen sind auf XETRA handelbar. Die EUREX ist mittlerweile zur grOBten DerivatebCrse der Welt avanciert. Den Marktteilnehmem wird ermdglicht, aber ein intemationales Netzwerk mit Knotenpunkten in Amsterdam, Chicago, Helsinki, London, Madrid und Paris von jedem beliebigen Standort der Welt den Zugang zum Handelssystem zu nutzen. Die resultierenden Terminmarktgeschafte werden uber die EUREX Clearing AG abgewickelt. In den USA forcierte die NYSE mit der Ubemahme von Archipelago den Ausbau des elektronischen Aktienhandels in einem hybriden Marktmodell. Bei der Umsetzung dieser Strategic steht neben dem SuperDOT- und Direct+System nach der Ubemahme von Archipelago auch die Handelsplattform ArcaEx zur Verfugung.
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er mit Fusions- bzw. Ubemahmebestrebungen bei den Betreibem der Handelssysteme einher. Im Umfeld sich weiter entwickelnder Informationstechnologien als einem wichtigen Faktor fur den weiter zunehmenden
Wettbewerbsdruck
zwischen
Finanzpiatzen ergibt sich fiir die jeweiligen Borsen, zu betrachten als wettbewerbliche Untemehmen, vor dem Hintergrund zusammenwachsender MSrkte die Notwendigkeit, entweder iiber die
Spezialisierung
Ausgestaltung
Marktorganisationen
ihrer
auf einzelne Nischen
Handelssegmente zu
besetzen^^
und die oder
mit
Akquisitionen und Zusammenschliissen zu wachsen, um im Konkurrenzkampf zu bestehen.^^
2.1.3 Marktmodell Marktpiatze lassen sich ubergreifend anhand der Determinanten eines Marktmodells hinsichtlich
ihrer
Ausgestaltungsmerkmale
kategorisieren.
Wesentliche
fiinf
Determinanten eines spezifischen Marktmodells des Wertpapierhandels an den KapitalmSrkten
sind
Marktsegment,
Marktstruktur,
Marktkonfiguration,
Marktfrequenz und Marktorganisation.^° Die Determinante Marktsegment bezeichnet hierbei die horizontale, vertikale und temporale Aufteilung eines Wertpapiermarktes in einzelne Segmente. Horizontale Segmentierung meint dabei die Unterscheidung von Teilmarkten mit heterogenen Produkten (z.B. Aktienmarkt, Rentenmarkt), vertikale Segmentierung differenziert Qualitatsstandards
homogener
Produkte
mit
unterschiedlichen
Zulassungs-
voraussetzungen fiir jeweilige Marktsegmente (z.B. Amtlicher Handel, Geregelter Markt, Freiverkehr) und die temporale Segmentierung bezieht sich auf verschiedene
Investoren kOnnen den Handel von Aktien an der NASDAQ uber die Super-Montage-Plattform, bzw. die beiden zugekauften Systeme Brut und Inet sowie iiber ArcaEX abwickeln. Im Jahr 2003 fuhrte die Chicago Board Options Exchange (CBOE) das CBOE Hybrid System ein. Mit der Kombination aus Parketthandel und elektronischer Handelsplattform wird die sofortige AbschlussmOglichkeit mit einer hohen Preisfmdungsqualitat verbunden. ^^ Beispielsweise fokussieren die BGrsen Stuttgart und Munchen jeweils spezielle Segmente und kdnnen sich so gegenuber Frankfurt behaupten. ^^ Bei Euronext handelt es sich um den Zusammenschluss der BCrsen Amsterdam, BrUssel und Paris. ^°
12
In diesem Marktmodell nennen GERKE/RAPP (1994), S. 6, neben den genannten Gestaltungsparametem zusatzlich die technische Ausgestaltung, die rechtliche Ausgestaltung sowie das periphere System als weitere Determinanten eines Marktmodells.
Marktsegmente ftir Wertpapiertitel mit unterschiedlichen
Erftillungszeitpunkten
(Kassa-, Terminmarlct). Die Determinante Marktstruktur bzw. Grad der Konsolidierung eines Marktes wird fiir die Beschreibung zentraler bzw. dezentraler Marktstrukturen herangezogen. In einer zentralen Marktstruktur findet der Handel von Wertpapieren an einem einzigen Handelsplatz statt, wahrend in einer dezentralen Marktstruktur Wertpapiere an verschiedenen
Borsenplatzen
gehandelt
werden.
Beispielsweise
bestehen
in
Deutschland neben XETRA und der B5rse in Frankfurt derzeit acht Regionalbc5rsen, zusStzlich existieren alternative Handelssysteme. Dezentrale Marktstrukturen liegen sowohl als regional fragmentierte Markte als auch in Form einer Fragmentierung nach Emittenten- und Investorengruppen vor, wobei es sich fur einzelne MSrkte bei einer dezentralen Marktstruktur aufgrund des Wettbewerbs als entscheidend erweisen kann, sich
anhand
„zielgruppenkonformer
Spezialisierungsvorteile"
von
parallel
existierenden Markten abzusetzen."^^ Vor- und Nachteile einer zentralen gegeniiber einer dezentralen Marktstruktur stellen sich als Trade-Off zwischen den Effizienz- und Liquiditatsvorteilen einer zentralen Losung gegeniiber den Wettbewerbsvorteilen aufgrund vieler Markte mit unterschiedlichen Marktmodellen dar.^^ Die Determinante Marktkonfiguration bezeichnet den Grad der Automatisierung bzw. Computerisierung von HandelsplStzen. Grundsatzlich lassen sich ComputerbSrsen und PrSsenzborsen unterscheiden, wobei auch PrasenzbQrsen regelmaBig einen gewissen Automatisierungsgrad aufweisen." GERKE (1993) klassifiziert Borsenhandelssysteme nach dem Grad der Automatisierung, wobei der Automatisierungsgrad von der automatischen Weiterleitung einer Order bis zur automatischen Abwicklung reicht. Ein Handelssystem wird hierbei als Computerborse bezeichnet, wenn es mindestens liber ein automatisches Ordermatching und eine automatische Orderausfiihrung verfiigt. Werden Handelssysteme mit einem niedrigeren Automatisierungsgrad eingesetzt, so wird von computerunterstiitzten Borsen gesprochen.^"*
Vgl. GERKE/RAPP (1994), S. 18.
Vgl. GOMBER (2000), S. 24, SCHMIDT (1977) und SCHMIDT (1992). Vgl. AMIHUD/MENDELSON (1980) und STONE (1985).
Vgl.GERKE(1993),S.728.
13
Hinsichtlich der Determinante Marktfrequenz lassen sich kontinuierliche (Continuous Market) und periodische Marktsysteme (Batch Markets)^^ unterscheiden. Der kontinuierliche Handel bietet wahrend der Handelszeit durchgSngig die Moglichkeit der Transaktion, wShrend beim periodisch ausgestalteten Handel nur zu festgelegten Zeitpunkten Orders zu Transaktionen gematcht werden. Market-Maker-Systeme sind prinzipiell kontinuierlich organisiert, Auktionssysteme konnen sowohl kontinuierlich als auch periodisch organisiert sein.^^ Die
Determinante
Marktorganisation
bezeichnet
nach
SCHMIDT (1970)
die
Standardisierung von Prozessen und Produkten, so dass Borsenhandler in die Lage versetzt werden, ein Maximum an Transaktionen durchfiihren zu konnen.^^ Diese Definition der Marktorganisation umfasst entsprechend Ausgestaltungsmerkmale hinsichtlich des Marktzugangs, der Standardisierung der Handelsobjekte, der Preisermittlungsverfahren, der Informationsbereitstellung, der Handelsiiberwachung sowie der Handelsabwicklung. Hinsichtlich des Prozesses der Preisfindung an Borsenmarkten lassen sich dabei grundsatzlich das Market-Maker-Prinzip, das Auktionsprinzip und hybride Marktformen unterscheiden.^^ wahrend sich die Determinanten Segmentierung und Marktstruktur aus einer gesamtwirtschaftlichen Perspektive auf unterschiedliche Marktpiatze und Handelsplattformen
fiir
Determinanten
heterogene
Wertpapiertitel
Marktkonfiguration,
beziehen,
Marktfrequenz
anhand
der
und Marktorganisation
werden
die
spezifischen Ausgestaltungsmerkmale einer Handelsplattform an einem spezifischen Handelsplatz naher beschrieben.
Weitere Bezeichnungen sind Call Market und Periodic Market. Vgl. beispielsweise SCHWARTZ (1988), S. 18 ff und MADHAVAN (1992). Vgl. SCHMIDT (1970), S. 147.
Vgl. beispielsweise WHITCOMB (1985) und SCHMIDT/PRIGGE (2001), die einen Uberblick uber Preisfindungsprozesse an BOrsenmarkten geben.
14
2.2 Primarmarkt
2.2.1 Primlirmarktfunktion Aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive erfiillt der Kapitalmarkt die Funktion, vorhandenes Kapital in seine bestm6gliche Verwendung zu lenken. Dabei erbringen Finanzintermediare mit und ohne Selbsteintritt auf Primar- und Sekundarmarkten Leistungen. Sie produzieren mittels Bewertung Knappheitssignale und erleichtem (iber Transformationsleistungen den Austausch von Kapitalangebot und Kapitalnachfrage. Der Primarmarkt erfiillt mit der Zusammenfuhrung von Kapitalangebot und -nachfrage zunSchst eine Treffpunktfunktion. WertpapiermSrkte tragen zur F5rderung der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung bei, wenn sie bei gegebenem Spar- und Investitionsvolumen den Untemehmen Kapital zur Verfugung stellen, die die attraktivste Rendite in Aussicht stellen."^^ Investitionen in Untemehmen, die keine attraktive Verzinsung bieten, werden in einem allokativ effizienten Markt behindert, indem die Titel dieser Untemehmen nicht nachgefragt werden. Dabei ist die Existenz eines PrimSrmarktes notwendig, um Suchkosten zwischen Kapitalnachfragem und Kapitalanbietem zu reduzieren.'*^ Mit Festlegung von Fristigkeit, LosgrSBe und Risikoaufteilung
werden zu
emmitierende Wertpapiere fungibel. Die Erfiillung dieser Standardisiemngsfunktion reduziert Verhandlungskosten zwischen KSufem und Verkaufem. Untemehmen mussen beim B5rsengang entsprechend dem Segment, in dem sie sich listen lassen wollen, gewisse Zulassungsvoraussetzungen und Publizitatsvorschriften erfiillen. Damit kann eine so genannte Giitestempelfunktion erfiillt werden, wenn Informationsasymmetrien
zwischen
den kapitalnachfragenden
Untemehmen
und kapital-
Vgl. FAMA (1970), S. 383, GERKE/PHILIPP (1985), S. 20, GERKE (1991), S. 1 f, GERKE/RAPP
(1993), S. 288. LUTHJE (1970) nimmt eine alternative Systematisierung der Funktionen einer Wertpapierb6rse vor, mit den Grundflmktionen (abgeleiteten Funktionen) Marktbildung (Konzentrations/Komprimierungs-, Typisierungs-, Selektionsfunktion), Finanzierung (Emissions-, Ausgleichs-, Allokationsfiinktion) und Zirkulation (Liquiditats-, Kursbildungs-, Informationsfunktion [Bewertungsfunktion, Konjunkturindikator]), vgl. LuTHJE (1970), S. 57-61. Eine weitere Einteilung der gesamtwirtschaftlichen Funktionen des Primarmarktes fmdet sich bei RAPP (1994) mit der Unterscheidung von Kapitalmobilisierung, Kapitallenkung, Kapitalbereitstellung, Kapitalbildung, Kapitalstreuung und Kapitaldifferenzierung, vgl. RAPP (1994), S. 52 f. 15
anbietenden Investoren abgebaut und Adverse-Selection-Kosten reduziert werden."*^ ZusStzlich werden mit dem Listing eines Untemehmens Informationsprozesse angestoBen, wenn die mit dem Bekanntheitsgrad eines Untemehmens einhergehende Verbreitung
von
Informationen
wiederum
Innovationsprozesse
sowohl
in
wirtschaftlicher als auch technologischer Hinsicht fbrdert/^
2.2.2 Phasen des Emissionsprozesses Mit der Aktienerstemission am Primarmarkt nehmen Untemehmen unbefristetes Eigenkapital auf und eroffnen sich weiterhin die M6glichkeit spaterer EigenkapitalerhShungen liber einen Borsenmarkt."*^ Ein Borsengang kann aus einzelwirtschaftlicher Perspektive durch zahlreiche Griinde motiviert sein. Vor allem die Verbesserung der Untemehmensfinanzierung'^ und angestrebte Veranderungen in den Eigentums- und Kontrollstrukturen'*^ stellen zentrale Beweggriinde fiir eine Aktienemission dar. Auch Image-"*^ und Consulting-Effekte"*^ konnen mit einer Aktienemission einhergehen. Die Emission von Aktien kann als Fremd- oder Selbstemission durchgefuhrt werden. Traditionell erfolgt die Erstemission von Aktien als Fremdemission, wobei gegeniiber der Selbstemission, bei der das emittierende Untemehmen die Emission selbst durchfuhrt, zunachst eine Emissionsbank als Konsortialfiihrer ein Konsortium von
Vgl. zum Begriff der Adverse Selection die Ausfiihrungen in Kapitel 2.2.3 der Arbeit. Vgl.RASCH(1996),S.28f. Zu unterscheiden sind Primary Offering und Secondary Offering. Beim Primary Offering handelt es sich um eine echte KapitalerhGhung. Wird ein Borsengang als Secondary Offering durchgefiihrt, werden Anteile aus dem Bestand von Alteigentumem umplatziert. Die Alteigentumer erhalten dann auch die Verkaufserlose. Eine KapitalerhOhung kann mit oder ohne Bezugsrechte durchgefuhrt werden, was sich auf eine Verwasserung des Anteilsbesitzes der Alteigentttmer bzw. deren Verhinderung auswirkt. Vgl. GLEISBERG (2003), S. 18 f Vgl. zur Verbesserung der Untemehmensfmanzierung PERRIDON/STEINER (1988), S. 11-18, ARNOLD (1989), S. 60-89, RASCH (1996), S. 29 f sowie PAGANO/PANETTA/ZINGALES (1998), S. 27-64. Untemehmenseigentumer haben oft einen groBen Teil ihres VermCgens im eigenen Untemehmen investiert. Auch die Sicherung der Untemehmensnachfolge ist ein kontrollrechtsbezogenes Motiv fiir einen Bdrsengang. Vgl. ROELL (1996), S. 1075 STOUGHTONAVONG/ZECHNER (2001). Vgl. GLEISBERG (2003), S. 33.
16
f,
HOLMEN/HOGFELDT
(2000),
S.
14
und
Aktien- oder Anleihenhandlem als Konsortialbegleiter zusammenstellt.'*^ Neben der Abwicklungsfunktion ubemimmt das Konsortium hierbei in der Kegel Beratungs-, Informations-, Risikoiibemahme-, Haftungs- und Betreuungsfunktionen/^ Zu den Aufgaben des Konsortialfuhrers gehoren entsprechend vor allem die Bewertung des Untemehmens, die Platzierung der Finanzinstrumente^^ sowie gegebenenfalls die Begleitung des Untemehmens nach dem Borsengang. Der Emissionsprozess zur Oberfiihrung sich gegeniiberstehenden Kapitaiangebots und -nachfrage, bestehend aus Emission, Einfiihrung und Handel, lasst sich nach Schenk (1996) anhand einer Phaseneinteilung in Zulassung, Prufung, Preisfestsetzung und Platzierung schematisieren.^^ Werden die Aktivitaten hinsichtlich des Handels der emittierten Wertpapiere nach der Emission mit einbezogen, kann das Phasenmodell um die After-Sales-Phase
erweitert werden. Eine weitere Moglichkeit der
Schematisierung des typisierten Ablaufs eines IPOs als Fremdemission in sieben Schritten geben ELLIS/MICHAELY/O'HARA
(2000).^^ Die beiden Formen der
Schematisierung lassen sich folgendermaBen zusammenftihren: In der Zulassungsphase bestimmt das Untemehmen einen den BSrsengang begleitenden Konsortialftihrer. Der Konsortialfiihrer stellt das Konsortium zusammen. Im Rahmen einer Absichtserklarung einigen sich Untemehmen und Konsortium iiber die zu entrichtenden Gebiihren an das Konsortium und die Option auf den Green Shoe.^^ Es folgt die Registriemng des geplanten IPOs bei der BSrsenaufsicht der Borse, an der emittiert werden soil. Innerhalb der Priifungsphase legt der Konsortialfiihrer eine Due-Dilligence-Prufimg des Untemehmens vor. Mit MarketingmaBnahmen wie der Verteilung des Emissionsprospekts an institutionelle Investoren und Broker sowie der Roadshow des Untemehmens in Begleitung des Konsortialfiihrers wird um potentielle KSufer der
Synonyme Begriffe fur die Erstemission von Aktien sind Initial Public Offering (IPO) und fur die Selbstemission Direct Public Offering (DPO). Vgl. GERKE/RAPP (1993) sowie WAHRENBURG(2001).
Neben Aktien kGnnen als weitere Form der Eigenkapitalbeschaffting Genussscheine oder als Fremdkapitalaufhahme Anleihen platziert werden. Vgl. SCHENK (1996). Vgl. ELLIS/MICHAEL Y/O'HARA (2000).
Beim Green Shoe handelt es sich um die Zusage des emittierenden Untemehmens, das Emissionsvolumen um i.d.R. 15% zu erhohen, wenn das Konsortium diess aus Grunden der Preisstabilisierung am Sekundarmarkt fordert.
17
Untemehmensanteile geworben. Bei der Markteinfiihrung verkauft das Konsortium i.d.R. 115% des Emissionsvolumens (Emissionsvolumens und den vereinbarten Green Shoe), der Erstverkauf an Investoren wird auch als „ Underwriting" bezeichnet. Die Preisfindung fiir die Wertpapiere und ihre Platzierung bei den Investoren sind eng miteinander verbunden. Die Platzierung kann auf unterschiedliche Weise durchgefiihrt werden. Untemehmen kSnnen bei Fremdemissionen verschiedene Kontraktformen deflnieren, die unterschiedliche Risikoallokationen zwischen Emittent und Emissionskonsortium
zur
Folge
haben.
M5gliche
Ausgestaltungsvarianten
sind
das
Obemahmekonsortium, das Begebungskonsortium oder eine kombinierte Form aus Obemahme- und Begebungskonsortium. Bei einem Obemahmekonsortium libemimmt das Konsortium die Wertpapiere des Untemehmens zu einem Festpreis und trSgt mit dem Platzierungsrisiko
am Kapitalmarkt das temporare
PreisSnderungsrisiko
vollstandig.^"* Beim Begebungskonsortium bleibt das Risiko beim Untemehmen und das Konsortium iibemimmt lediglich die Platziemng der Wertpapiere bei den Investoren. Bei dem kombinierten Verfahren iibemimmt das Obemahmekonsortium gleichzeitig die nachgelagerte Funktion eines Begebungskonsortiums.^^ Fur die Feststellung des Emissionspreises kommen in der Regel drei Verfahrenstypen in Frage, ntolich
ein Festpreisverfahren,
ein Auktionsverfahren
oder das
Bookbuilding-Verfahren:^^ Beim Festpreisverfahren (offentliche Zeichnung) werden der Platziemngspreis sowie die Verkaufsmenge bereits vorab festgesetzt. Beide k5nnen im Nachhinein nicht mehr geandert werden. Die Verteilung der Aktien erfolgt hier dezentral mit geschlossenen Orderbiichem. Nach einer bestimmten Frist erfolgt der Verkauf entsprechend der Nachfrage. Die Zeichnungsfrist kann verkiirzt werden, wenn das Emissionsvolumen uberschritten wird. In diesem Fall tritt eine Repartiemng, eine Mengenrationiemng in der Zuteilung der Wertpapiere an die Investoren, iiblicherweise per Lotterie oder proportional zur AuftragsgrOBe mit Mindest- und Maximalgr5Be jeder Zuteilung, ein.
In der Vergangenheit fiihrte dieses Verfahren wiederholt zu spektakularen Verlusten fiir Emissionsh^user. Beispielsweise wurde der Emissionspreis bei der Platzierung von British Petroleum unmittelbar vor dem BOrsencrash 1987 festgelegt und die Aktien konnten nach dem Crash nur unter erheblichen Preisnachlassen an Endabnehmer verkauft werden. Vgl. WAHRENBURG (2001), Sp. 625.
Vgl. hierzu ausfiihrlich beispielsweise GERKE/RAPP (1993). Die Ubersicht nach TERSTEGE (2002) im Anhang 2 stellt die Verfahren anhand zentraler Merkmale einander gegenOber.
18
Beim Festpreisverfahren gibt es keinen Zuteilungsspielraum fiir die Emissionsbanken und entsprechend fur die Emissionsbanken auch keine M6glichkeit, Investoren als Geschaftspartner bevorzugt zu behandeln.^^ Bei Auktionsverfahren (Tenderverfahren) wird auf die vorherige Festlegung eines Ausgabekurses verzichtet. Die Anleger fixieren gegeniiber den Platzierungsbanken ihre Mengen- und Preisvorstellungen, wobei Auktionsverfahren auch Billigst-Gebote ohne Angabe eines Bietkurses ermSglichen. Die Zuteilung der Wertpapiere kann dabei nach unterschiedlichen Verfahren erfolgen. Generell lassen sich unter den Auktionsformen einseitige und zweiseitige unterscheiden.^^ GSngige Verfahren der im Zusammenhang mit einer Emission relevanten einseitigen Auktion sind u.a. die EngHsche Auktion, die H5llandische Auktion, die First-Price Auktion und die SecondPrice Auktion.^^ Auktionsverfahren werden vermehrt bei Emissionen von Aktien und Anleihen iiber das Internet verwendet, wenn Emissionspapiere direkt an Intermediare und Endinvestoren verkauft werden.^° Das gangigste Verfahren bei der Emission von Aktien ist das Bookbuilding-Verfahren. In der amerikanischen
Variante
wird
der Platzierungspreis
zu Beginn
der
Zeichnungsfrist fixiert, in der deutschen Variante bleibt der Preis wShrend der
Vgl.RlTTER(2003). Es handelt sich urn einseitige Auktionen, wenn entweder nur Kauf- oder nur Verkaufskurse gestellt werden, und urn zweiseitige Auktionen, wenn beide zugleich zugelassen werden. Vgl. zu den einzelnen Verfahren beispielsweise Friedman (1993), S. 5. Die englische Auktion beginnt mit einem mOglichst kleinen Preis. Dieser wird so lange von den Interessenten erhoht, bis niemand mehr die Bereitschaft signalisiert, einen hoheren Preis zu bezahlen. Die hollandische Auktion beginnt demgegenuber mit einem sehr hohen Preis. Dieser wird sukzessive verringert, bis der erste Interessent zuschlagt. Bei beiden Verfahren kdnnen die Bieter mehrere Gebote abgeben. Die First-Price Auktion, auch „amerikanisches Verfahren" genannt, ist ein Verfahren mit jeweils nur einem Gebot pro Bieter, das „schriftHch" eingereicht wird. Der Hdchstbietende erhalt den Zuschlag zum entsprechend hdchsten Preis. Bei der SecondPrice Auktion, auch „Wettbewerbsauktion" genannt, wird nach einem ahnlichen Verfahren vorgegangen. Zwar erhalt auch der Bieter des hOchsten Preises den Zuschlag der Auktion, er muB aber nur den zweithochsten gebotenen Preis zahlen. Bekannte Verfahren der zweiseitigen Auktion sind die Doppelauktion sowie der Titonnement-ProzeB. Bei der Doppelauktion geben die Markteilnehmer sowohl Kauf- als auch Verkaufsauftrage in den Markt. Es muss jeweils der Preis und die Menge spezifiziert werden. Bei der Doppelauktion wird nach dem Preis gesucht, zu dem der meiste Umsatz zustande kommt. Der Tatonnement-ProzeB wird durch einen Auktionator gesteuert. Er beginnt mit einem Preis, der sich an der nachgefragten und angebotenen Menge orientiert. Von diesem Preis ausgehend, wird der Preis solange erhoht bzw. emiedrigt, bis keine Uberschussnachfrage bzw. kein Uberschussangebot mehr besteht. Der damit gefundene Preis wird als Gleichgewichtspreis fixiert. Beispielsweise wurde ein Teil des Emissionsvolumens beim BcJrsengang von Google im Jahr 2004 direkt uber das Internet in einem Auktionsverfahren gezeichnet. 19
Zeichnungsfrist variabel und wird erst an deren Ende in Abhangigkeit von den dann vorliegenden verbindlichen Kaufangeboten festgelegt. Hier wird eine Spanne fiir den Ausgabekurs bestimmt, innerhalb der die Investoren zeichnen konnen. Das Bookbuilding-Verfahren ist durch eine Pre-Marketing-Phase gekennzeichnet, wShrend der die Investoren kontaktiert und beworben werden. Die Ruckmeldungen der Investoren werden dazu genutzt, die Untemehmensbewertung der zu emittierenden Aktien mit der Marktlage abzugieichen. Es kommt ein zentrales, geschlossenes Orderbuch zum Einsatz, bei hoher Nachfrage kann die Orderzeit verkurzt werden. Die After-Sales-Phase mit gegebenenfalls getroffenen MaBnahmen nach dem BQrsengang schlieBt den Emissionsprozess ab.
2.2.3 Alternative Ausgestaltungsvarianten Aus einzelwirtschaftlicher Sicht stehen sich als Kapitalnachfrager und Kapitalanbieter am Primarmarkt emittierende Untemehmen und am Sekundarmarkt investierende Marktteilnehmer gegeniiber. Als Bindeglied organisieren, wie oben beschrieben, oft Emissionsbanken den BSrsengang. Seitens der Emittenten besteht das Interesse an einem mSglichst hohen Emissionserlos, wobei dieser auch von den Gegebenheiten am Sekundarmarkt abhangt. Emissionsbanken werden als Begleiter eines Borsengangs eingeschaltet, da die Untemehmen bei der Emission von Wertpapieren gegenuber potentiellen Investoren uber einen bewertungsrelevanten
Inft)rmationsvorsprung
verftigen. Indem fiir die Untemehmen als Kapitalnachfi-ager der Anreiz besteht, ihren Informationsvorsprung gegenuber den schlechter informierten Kapitalanbietem bei der BSrseneinfiihmng auszunutzen, besteht die Gefahr der Adversen Selektion.^^ Die
Adverse Selection bezeichnet opportunistisches Verhalten vor Vertragsabschluss, wogegen der Begriff Moral Hazard fur opportunistisches Verhalten einer Vertragspartei nach Vertragsabschluss steht. Vgl. beispielweise GERKE (2003). Den Begriff der Adverse Selection nach AKERLOF (1970) ubertragt BAGEHOT (1971) auf Wertpapiermarkte. AKERLOF (1970) zeigt am Beispiel eines Gebrauchtwagenmarktes mit guten und schlechten Autos (Lemons), dass das Vorliegen assymetrischer Informationen in einem Markt zu Marktversagen fiihren kann: Bei vollstandiger Information kOnnen die Kaufer gute und schlechte Autos unterscheiden und es stellen sich zwei unterschiedliche Preise ein, wobei der Preis der guten Autos hOher ist als der der schlechten. Liegen allerdings Informationsasymmetrien vor, kOnnen die uninformierten Kaufer die unterschiedlichen Qualitaten der angebotenen Autos nicht differenzieren. Der Verkaufer, als einziger in Kenntnis uber die tatsachliche Qualitat der angebotenen Autos, versucht einen mOglichst hohen Preis zu erzielen. Die Kaufer sind allerdings nur bereit, einen Durchschnittspreis entsprechend der durchschnittlichen Qualitat der Autos zu bezahlen, der wiederum fiir die Anbieter von Autos guter Qualitat nicht akzeptabel ist. Diese Ziehen sich von dem Markt zurtick, so dass auf dem Markt eine Negativauslese (Adverse Selection) stattfmdet und es schliefilich zu
20
detaillierte Analyse und Bewertung des emittierenden Untemehmens kann zu einer faireren Bewertung des Untemehmens beitragen, da der Informationsvorsprung des kapitalsuchenden gegenuber dem kapitalgebenden Vertragspartner sinkt und die Informationsasymmetrien durch Informationsiibermittlung verringert werden.^^ Mit einem B5rsengang sind fiir ein Untemehmen nicht unerhebliche Kosten verbunden, die von der effizienten Ausgestaltung des BSrsengangs entscheidend beeinflusst werden konnen. Die Kosten eines BSrsengangs setzen sich aus einmaligen direkten Kosten, laufenden Kosten und einmaligen indirekten Kosten zusammen. Die einmaligen direkten Kosten entstehen durch die Gebiihren der den BSrsengang begleitenden Emissionsbanken, Wirtschaftspriifer und Anwalte. Neben Managementgebiihren fiir die Vorbereitung der Emission und deren Abwicklung sind das Garantieund Verkaufsprovisionen. Vor dem Hintergrund der Bedeutung der Reputation und Marktstellung der EmissionshSuser fur den Emissionserfolg haben sich in Teilen des Emissionsgeschaftes markteinheitliche Gebiihrenstrukturen entwickelt, so dass die Frage der Gebiihren eher eine untergeordnete Rolle spielt.^^ Mit Publizitatsverpflichtungen kommen auf ein notiertes Untemehmen weiterhin laufende Kosten zu, die sich in unterschiedlichen Marktsegmenten unterscheiden. Einmalige indirekte Kosten stellen neben dem Aufwand fiir die Vorbereitung und die Durchfuhmng des BSrsengangs
durch
das
Untemehmensmanagement
sowie
dem
Greenshoe^
hauptsachlich das so genannte „Underpricing" dar. ^^ Ausgangspunkt fiir Untersuchungen der Kostenstmkturen von Aktienemissionen stellt vielfach das Phanomen des Underpricing im Zusammenhang mit der Beobachtung dar, dass sich neu emittierte Wertpapiere kurz- bzw. langfristig oft schlechter als der
Marktversagen kommt. Eine umfassendere Diskussion verschiedener Modellansatze zur AdverseSelection-Problematik findet sich beispielsweise bei Mager (2001), S. 11-42. Mdglichkeiten zur Behebung von Informationsasymmetrien sind beispielsweise Signaling, Screening und Self Selection. Vgl. hierzu GERKE/BANK (2003), S. 526-533 und MAGER (2001), S. 10-46. Vgl. WAHRENBURG (2001).
Mit dem Greenshoe k6nnen Mehrzuteilungsoptionen bei hoher Nachfrage und einem Ausgabekurs unter dem Marktpreis gewinnbringend ausgeubt werden. Beim Underpricing handelt es sich um eine im Durchschnitt positive Emissionsrendite, die sich aus der Differenz zwischen dem vor der BOrsennotierung festgelegten Emissionspreis und der ersten Bdrsennotierung errechnen laBt. Eine Systematisierung verschiedener theoretischer Erklarungsansatze fur positive Emissionsrenditen nach ERHART (1997) findet sich aufbereitet als Schaubild bei MAGER (2001), S. 209. Fur den empirischen Nachweis gibt beispielsweise RITTER (2003) einen Uberblick zu intemationalen Untersuchungen kurzfristiger Kursentwicklungen.
21
Marktdurchschnitt entwickeln (Underperformance).^^ Gezieltes Underpricing wird dabei oft im Zusammenhang mit der Platzierung der Wertpapiere im Hinblick auf die Vergiitung der Emissionsbanken und daraus entstehender Nachteile fiir die emittierenden Untemehmen betrachtet.^^ Die Zusammenhange werden dann in Beriicksichtigung
des angewendeten
Preisfeststellungsverfahrens
beispielsweise
anhand der Prospekt Theory, der Signalling Theorie oder der Theorie der dynamischen Informationsbeschaffting erklart.^^ Das Bookbuilding-Verfahren ermoglicht die Einbindung der potentiellen Investoren in die Preisfindung, wobei bei diesem Verfahren seitens der Emissionsbanken auch die Moglichkeit besteht, die Zuteilung an die Investoren zu beeinflussen. ZunSchst profitieren die zeichnenden Investoren vom Underpricing, allerdings konnen Emissionsbanken mit der Kontrolle der Zuteilung der Wertpapiere an die Investoren solche Geschaftspartner bevorzugen, die ihre Transaktionen dann wiederum uber die Emissionsbanken abwickeln und ihnen auf diese Art indirekt einen Teil der erzielten Zeichnungsgewinne zukommen lassen. Der Emissionsprozess stellt an die Emissionsbanken Anforderungen hinsichtlich der Bereitstellung einer Infrastruktur fiir die Orderabwicklung, zudem wird von ihnen eine genaue Marktkenntnis erwartet. Die fuhrenden Institute, die so genannten „Bulge Bracket Institutes", profitieren von den mit der Bedeutung der Reputation im Umfeld des Emissionsgeschafts gegebenen sowie den regulatorischen Markteintrittsbarrieren. Zwar zielt das Bookbuilding-Verfahren auf eine Erhebung der Marktnachfrage ab.
Vgl. hierzu beispielsweise MAGER (2001), RiTTER (2003), ERHARD/NOWAK (2003). Vgl. hierzu beispielsweise AUSUBEL (2002), RITTER (2002,2003), Cocca (2000). Im Zusammenhang mit der Prospect Theorie nach KAHNEMANN/TVERSKY (1979) stellt ein wahrend der Bookbuildingphase etwa nach oben korrigierter Ausgabekurs mit dem VermCgenszuwachs fur die Alteigentuner eine derartige Veranderung ihrer Vermdgensverhaltnisse dar, dass sie von einer hMeren Verhandlung des Ausgabepreises absehen, vgl. LOUGHRAN/RITTER (2002). Bei der Erklarung mit einem Signaleffekt setzen „gute" Untemehmen den Emissionskurs bewusst niedrig, da Investoren das Untemehmen mit Gewinnen in Verbindung bringen und folgende Aktienemissionen dann zu eventuell hdheren Preisen emittiert werden kdnnen, vgl. ALLEN/FAULHABER (1989). Bei der Theorie der dynamischen Informationsbeschaffung wird davon ausgegangen, dass das Underpricing fiir regelmafiig an Emissionen teilnehmende institutionelle Investoren einen Anreiz darstellt, ihre privaten Informationen bekannt zu geben. Umso besser die Informationen, umso starker muB das Underpricing sein, ansonsten hatten die besser informierten Untemehmen ein Interesse, falsche Informationen zu streuen, vgl. RiTTER (2003). Weitere Erklarungen bestehen beispielsweise mit dem Winner's Curse Effekt, vgl. ROCK (1986), der Interpretation des IPO als Marketinginstrument, vgl. AGGARWAL/KRIGMANAVOMACK (2002) und dem Underpricing als Risikorente, vgl. RiTTER (2003).
22
dennoch kann eine Diskrepanz zwischen Ausgabekurs und Markteinschatzung nicht ganzlich verhindert werden.^^ Die Emissionsbanken sind unter den gegebenen Umstanden dazu in der Lage, ein profitables Emissionsgeschaft zu generieren, das im Sinne der Emittenten eigentlich nicht korrekt verlSuft, wenn es die emittierenden Untemehmen durch zu niedrige Ausgabekurse schSdigt/^ Emissionsbanken verlieren allerdings Marktanteile sowohl im Fall des Overpricings als auch bei zu starkem Underpricing, weil in diesem Fall prospektive Emittenten zu Banken mit geringerem Underpricing wechseln.^^ Beide Falle, Overpricing wie zu starkes Underpricing, konnen die Reputation einer Investmentbank als Emissionsbegleiter schSdigen/^ Aus der Sicht der Emittenten stellt die zentrale Preiskomponente bei der Aktienemission der erzielte Emissionserl5s dar. Mit dem zunehmenden intemationalen Wettbewerb zwischen den B6rsenplatzen werden beim Emissionsgeschaft zunehmend auch elektronische Handelsplattformen einbezogen, wobei die MSglichkeit besteht, Preisfeststellungsverfahren im Emissionsprozess altemativ auszugestalten/^ Vor diesem Hintergrund erscheint der Vergleich altemativer Preissetzungsverfahren sinnvoll: Die Anwendung des Festpreisverfahrens ergibt sich gerade bei jungen, emittierenden Untemehmen aufgrund der oft fehlenden Kennzahlen vielfach als problematisch. Beim Festpreisverfahren kSnnen Informationsasymmetrien zwischen dem Untemehmen einerseits und dem Konsortium und den Investoren andererseits nicht mit einbezogen werden. Die Zeitspanne zwischen der Preisfestlegung und der Emission schlSgt sich zusatzlich als ein Risiko nieder, das in Form eines Underpricing abgegolten werden muss/"^ Beim gangigen Bookbuilding-Verfahren besteht seitens der Emissionsbanken
WAHRENBURG (2001) fiihrt in diesem Zusammenhang exemplarisch Bdrsengange in den Jahren 1997 - 1999 am Neuen Markt an, bei denen 80 % am oberen Ende der Bookbuilding-Spanne den Ausgabekurs fixierten. Die in dem Zeitraum gleichfalls zu beobachtenden hohen Zeichnungsgewinne weisen seiner Ansicht nach darauf hin, dass die Bookbuildungs-Spanne zu eng bzw. zu tief angesetzt wurde. Vgl. WAHRENBURG (2001), Sp. 631. KRIGMAN/SHAWAVOMACK (2001) kommen in einer Analyse US-amerikanischer BOrseneinfuhrungen fiir das Jahr 1999 zu dem Ergebnis, dass die Emittenten durch zu niedrige Ausgabekurse geschadigt wurden. Vgl. DUNBAR (2000), S. 3-41. Vgl. WAHRENBURG (2001), Sp. 627.
Der Bdrsengang von Google im Jahr 2004 zeigt, dass Auktionsverfahren Altemativen zum Bookbuilding-Verfahren darstellen kOnnen. Vgl. ROCK (1986), BENVENISTE/SPINDT (1989).
23
ein
Interesse,
Underpricing
beizubehalten.
Allerdings
scheint
das
Bookbuildingverfahren bei zu beobachtendem Underpricing mit einer anfSnglichen Oberbewertung und einer anschliefienden langfristigen Underperformance der emittierenden
Untemehmen
vorhandene
Informationsasymmetrien
nicht
in
ausreichendem MaB aufzulosen. Altemativ kommt der Einsatz von Varianten der Auktionsverfahren in Frage, die entsprechend auch regelmaBig Gegenstand der Analyse
innerhalb der Literatur sind und hinsichtlich
ihres Beitrags zur
Informationseffizienz unter Bedingungen asymmetrisch verteilter Informationen vielfUltig untersucht werden/^
2.3 Sekundarmarkt
2.3.1 SekundSrmarktfunktionen Der
Kapitalmarkt
wirkt
allokativ
effizient,
wenn
Kapitalbildung
und
Kapitalverwendung fiir Konsum und Investitionen intertemporal in dem Sinne gesteuert werden, dass die „richtige" Menge Kapital in der „bestm6glichen" Weise investiert wird/^ Mit der auf dem SekundSrmarkt (Zirkulationsmarkt) mit den Tauschprozessen
einhergehenden
Bewertung
der
Untemehmenstitel
konnen
Wertpapierkurse als Indikatoren fiir die erwartete, zukiinftige Entwicklung von Untemehmen, Branchen oder MMrkten herangezogen werden und beeinflussen als Basis fur Investitions- und Desinvestitionsentscheidungen direkt die Allokation von Kapital^^ Indem Kurse Informationen und Erwartungen liber die ErtrSge von Untemehmen allgemein in komprimierter Form zuganglich machen, tragen sie uber die Riickwirkung auf den Primarmarkt wiedemm zur Allokationseffizienz des
Vgl. hierzu RiTTER (2003). Auch die vorliegende Arbeit versucht einen Beitrag fiir die Auseinandersetzung mit Varianten der Preissetzungsverfahren zu leisten, indem mit ARTEX eine Plattform entwickelt wird, die es u.a. ermOglicht, unterschiedliche Preisfindungsverfahren experimentell analysieren zu kOnnen. Das implementierte mehrperiodige Grunddesign von ARTEX ist in der ersten Handelsperiode als ein einseitiges Auktionsverfahren ausgelegt, so dass zentrale Merkmale des Emissions-Prozesses nachgestellt werden kOnnen. Als MaBstab fiir die „richtige" Menge und die „bestm6gliche" Weise wird regelmaBig ein Paretokriterium herangezogen, d.h., es gibt keine andere Allokation, die von mindestens einem vorgezogen wird und niemanden schlechter stellt. Vgl. hierzu Kapitel 3.2.1 der Arbeit zu Effizienzkriterien fiir Wertpapiermarkte bzw. BlENERT (1996), S. 14 f Vgl. auch LOISTL (1991), S. 27.
24
Kapitalmarkts insgesamt bei7^ Dabei wirken sich die festgestellten Kurse direkt auf das Vermogen des Wertpapierhalters und damit auf dessen Konsumentscheidung aus7^ Sie kSnnen auch einen MaBstab zur Entlohnung (Stock Options) und zur Kontrolle des Managements eines Untemehmens darstelien.^^ Untemehmen als Kapitalnachfrager auf dem Primarmarkt und Investoren als Kapitalanbieter auf dem SekundMrmarkt unterscheiden sich in der Regel hinsichtlich ihrer Vorstellungen beziiglich der Fristigkeit, der LosgrSfie oder dem Risiko einer Investition. Ein Investor stellt insbesondere dann Kapital zur Verfiigung, wenn er mit Sicherheit auch wieder deinvestieren kann.^^ Die Transformationsfunktion des Sekundarmarktes ermoglicht die WiederverSuBerung von Wertpapieren und damit eine Reallokation vorhandener Werte. Entsprechend lassen sich Losgr5Ben-, Fristen-, Risiko- und Informationstransformationen
unterscheiden. Die Transformations-
funktion ermSgiicht das Auffinden und die Realisierung von M5glichkeiten zur Verringerung der Ertragsunsicherheit durch die Streuung der Investitionen, zur Abgabe von Risiko an Marktteilnehmer mit h5herer Risikotoleranz und vor allem zur Verringerung der Unsicherheit durch die Zusammenfassung aller individuellen Informationen iiber den Wert zukiinftiger ErtrSge im Aktienkurs.^^
2.3.2 Marktteilnehmer am SekundSrmarkt Auf
dem
Sekundarmarkt
Marktteilnehmem.
interagieren
Marktteilnehmer
PICOT/BORTENLANGER/ROHRL
(1996)
am
unterschiedliche SekundSrmarkt
grundsatzlich
Gruppen
lassen
folgenden
sich
von nach
Kategorien
zuordnen:^^
Vgl. beispielsweise FiGLEWSKI (1978), S. 582 und BIENERT (1996), S. 22. Vgl. HASBROUCK(1990).
Vgl. beispielsweise BAUMOL (1965) und BRESNAHAN/MILGROM/PAUL (1992). Fur die Investition in Aktien ist die MOglichkeit der Deinvestition von zentraler Bedeutung, da Aktien faktisch eine unendliche Laufzeit besitzen.Vgl. THEISSEN (1998a), S. 6. Vgl. BIENERT (1996), S. 19.
Vgl. PICOT/BORTENLANGER/ROHRL (1996), S. 14. Die Abgrenzung der Marktteilnehmer ist insofem nicht eindeutig, als dass Marktteilnehmer gleichzeitig mehrere Rollen besetzen kOnnen; beispielsweise kann ein emittierendes Untemehmen auch als Investor auftreten oder ein Handler kann, wenn die Marktform dies zulasst, gleichzeitig auch preisfeststellende Person sein. Vgl. BUDIMIR(2003), S. 35.
25
•
Investoren als die die Preisfeststellung in Gang setzenden Personen,
•
Market Maker bzw. Dealer, Broker und Broker-Dealer, Kursmakler und Institutionelle Marktteilnehmer mit eigener Handelsberechtigung als die in die Preisfeststellung involvierten Personen und
•
die Betreiber der jeweiligen Handelsplattformen.
Die Gruppe der Investoren setzt sich dabei aus heterogenen Untergruppen zusammen, institutionelle
Investoren
wie
Banken,
Pensionsfonds,
Versicherungen,
Investmentgesellschaften oder Industrieuntemehmen weisen andere charakteristische Merkmale auf als Privatanleger. In Anlehnung an OESTERHELWEG (1997) lassen sich Investorengruppen anhand folgender Kriterien naher abgrenzen:^"^ •
ihrem Handelsmotiv,
•
der Handelsstrategie,
•
dem Transaktionsumfang,
•
Schutzmoglichkeiten sowie nach
•
sonstigen Kriterien.
Nach dem Handelsmotiv lassen sich zunSchst informierte Handler (Insider) von nichtinformierten Handlem (Liquidity Tradem) und solchen, die irrtiimlich glauben, besser informiert zu sein, es aber nicht sind (Noise Tradem), unterscheiden.^^ Handelsstrategien konnen zunSchst abhangig von der Art der Orderaufgabe in aktive und passive differenziert werden. Bei der aktiven Strategie geht ein Marktteilnehmer mit einer unlimitierten Order in den Markt, bei einer passiven mit einer limitierten,
Vgl. OESTERHELWEG (1997), S. 11-27. KEYNES (1936) allgemeine Kassenhaltungsmotive mit Vorsichtsmotiv, Transaktionsmotiv und Spekulationsmotiv sowie STUTZELS (1966) grundsatzliche Motive fur das Halten von Bestanden mit Gebrauchsbedarf, Pufferbedarf und Spekulationsbedarf kOnnen auf den Handel mit Effekten bezogen werden. Vgl. KEYNES (1936), S. 170, STUTZEL (1966), S. 774 f. Siehe in diesem Zusammenhang auch OESTERHELWEG (1997), S. 12 sowie SCHMIDT (1970), S. 28, S. 33 und BAGEHOT (1971), S. 13 f. In der Literatur fmden sich zahlreiche weitere Vorschlage zur Abgrenzung von Investoren, beispielsweise die Unterteilung in wertmotivierte, chartmotivierte und indexmotivierte Anleger nach KEIM/MADHAVAN (1995).
26
sofem das Handelsverfahren im Markt das zulasst.^^ In Enveiterung dieses Ansatzes um die Uberlegung, dass sich ein unlimitierter Auftrag auch als Auftrag mit einem Limit in Hohe des besten bestehenden Gebots auffassen ISsst, kiassifiziert OESTERHELWEG
(1997)
hinsichtlich
der
Handelsstrategie
schliefilich
vier
unterschiedliche Gruppen an Investoren:^^ •
Anleger, die unlimitierte Auftrage verwenden,
•
Anleger, die offensiv limitierte AuftrSge verwenden, indem sie die GeldBriefspanne im Orderbuch verringem,
•
Anleger, die defensiv limitierte AuftrSge verwenden und damit die besten bestehenden Gebote derselben Marktseite genau erreichen und
•
Anleger die sehr defensiv agieren und sich damit auBerhalb der Geld-BriefSpanne platzieren.
Hinsichtlich des Kriteriums des Transaktionsumfangs konnen Marktteilnehmer weiterhin
entsprechend
kleiner,
Standard-,
groBer
und
Blocktransaktionen
unterschieden werden.^^ Weiter bestehen bezuglich der Schutzm5glichkeiten an M^rkten neben dem allgemeinen
Kursrisiko
Informations-
und
Realisationsrisiken.
Entsprechend
unterscheidet OESTERHELWEG (1997) hier: •
Anleger, bei denen SchutzmSglichkeiten vorhanden sind, die also jederzeit korrekt informiert sind und die ordnungsgemaBe Durchfiihrung ihrer Transaktionen uberwachen konnen.
Vgl. SCHWARTZAVHITCOMB (1988), S. 48, SCHWARTZ (1991), S. 124 f, KEIM/MADHAVAN (1995), S. 375 sowie OESTERHELWEG (1997), S. 16. Vgl. OESTERHELWEG (1997), S. 18 f OESTERHELWEG (1997) unterscheidet Anleger weiterhin hinsichtlich der ex-ante und ex-post-Einordnenbarkeit ihrer Handelsstrategien sowie nach der Komplexitat der jeweils verwendeten Handelsstrategien. Kleine Transaktionen sind hier solche, die den Mindestschluss nicht erreichen und in Deutschland dann beispielweise zum Kassakurs ausgefuhrt werden. In der Definition erfullen Standardtransaktionen das Einfache bis Zweifache des Mindestschluss, groBe Transaktionen das hChere Vielfache. Gegenuber groBen Transaktionen werden Blocktransaktionen so abggegrenzt, dass nur ein gewisser Prozentsatz aller Transaktionen Blocktransaktionen darstellen. Vgl. OESTERHELWEG (1997), S. 21 ff. Zu Blocktransaktionen ausfuhrlich vgl. SCHAFFNER (2002).
27
•
Anleger mit bedingten Schutzmoglichkeiten, die also keine Realisationsrisiken haben,
allerdings
befiirchten
mussen,
gegeniiber
besser
Informierten
Vermogensnachteile erfahren zu mussen •
und als dritte Gruppe die, die iiber keinerlei Schutzmoglichkeiten verfugen.^^
Unter sonstigen Kriterien werden fiir die Unterscheidung der Investoren stotliche weiteren moglichen Abgrenzungskriterien wie etwa ein heterogener Anlagehorizont, unterschiedliche Depotstrukturen oder mogliche Abweichungen in der Risikoneigung gefasst. Mit der HeterogenitSt der Investorengruppen, wie sie OESTERHELWEG (1997) anhand der oben vorgestellten Unterscheidungsmerkmale entwickelt, ergibt sich, dass Investoren
als
Marktteilnehmer
durchaus
unterschiedliche
Anspriiche
an
Handelsplattformen haben konnen und entsprechend differenziert ausgestaltete Marktmodelle nachfragen. Mit differenziert ausgestalteten Marktmodellen sind dann auch die Rollen der preisfeststellenden Personen an unterschiedlichen MSrkten entsprechend verschieden ausgepragt.^ Preisfeststellende Personen werden zunSchst abhSngig davon unterschieden, inwieweit sie zum Handelsabschluss verpflichtet sind und ob sie in borslichen bzw. auBerbQrslichen Markten mit oder ohne Eigenhandel auftreten. Auf Market-Maker-Markten sowie in hybriden Marktformen verpflichten sich ein Market Maker (monopolistischer Market Maker) bzw. mehrere Market Maker (konkurrierendes
Market-Maker-System)
ftir
eine
bestimmte
Stiickzahl
von
Wertpapieren zu den Marktoffnungszeiten stSndig Kauf- und Verkaufskurse zu stellen.^' Market Maker sind LiquiditStsanbieter an einem Markt, indem sie den Marktteilnehmem die Moglichkeit eines sofortigen Handelsabschlusses bieten
Vgl. hierzu OESTERHELWEG (1997), S. 25 ff. sowie SCHMIDT (1977), S. 25 f, HOPT (1975), S. 416-419. Preisfeststellende Personen kdnnen Market Maker (Dealer), Makler und Broker-Dealer, Kursmakler und institutionelle Marktteilnehmer mit eigener Handelsberechtigung sein. Synonym kOnnen fiir ein Market-Maker-System die Begriffe Market-Maker-Markt, QuoteDriven-Market oder Dealership-Market verwendet werden. Wenn es fiir ein Wertpapier genau einen Market Maker gibt, handelt es sich um ein monopolistisches Market-Maker-System, der Market Maker wird dann auch als Spezialist bezeichnet. Der Spezialist ist dann wie an der New York Stock Exchange (NYSE) gleichzeitig Market Maker und Kursmakler. Vgl. COHEN/MAIER/SCHWARTZAVHITCOMB (1986) und GOMBER (2000), S. 21.
28
(Immediacy).^^ Dabei Marktteilnehmers,
ubemehmen
sie das Preis- und Ausfiihrungsrisiko
so dass ihre Dienstleistung
auch als
des
Versicherungsleistung
verstanden werden kann.^^ Market Maker tragen zur Preisfindung in einem Wertpapier bei, wenn sie ihre Quotes im Zeitablauf an die Informations- und Orderlage zu einem Wertpapier anpassen. Insbesondere im auBerborslichen Bereich nutzen Makler (Broker) und so genannte Broker-Dealer (Dual Capacity Broker^ als spezialisierte Agenten ihre Informationsund Kommunikationsnetzwerke, um Kaufe und VerkSufe von Wertpapieren zu vermitteln.^"* Broker und Broker-Dealer tragen damit zur Senkung von Informationsasymmetrien und Suchkosten auf Kapitalmarkten bei. Unter den Brokem lassen sich weiter Full-Service-Broker von Discount-Brokem hinsichtlich des Service-Umfangs, der Beratungsqualitat und der Kosten unterscheiden. Wahrend sich Discount-Broker oft als Kostenfuhrer an eine breite Retail-
Immediacy stellt eine Dimension der Liquiditat eines Marktes dar. Vgl. DEMSETZ (1968), STOLL (1985),
AMIHUD/MENDELSON
(1980),
WHITCOMB
(1985),
COHEN/MAIER/SCHWARTZ/-
WHITCOMB (1986), SCHWARTZ (1988), sowie zur Rolle von Market Makem als liquiditatsspendende Intermediare BosCH (2001). Vgl. PAGANO/ROELL (1990) und BOSCH (2001), S. 14. Makler handeln als Intermediare auffremdenNamen und fremde Rechnung und bauen bei der ZusammenfUhrung von Marktteilnehmem mit kompatiblen Transaktionsinteressen keine eigenen Handelspositionen auf. Demgegenuber kOnnen Broker-Dealer auch auf eigene Rechnung handeln und fuhren den Transaktionsauftrag im Rahmen eines Kommissionsvertrages entweder gegen ihren eigenen Bestand aus oder leiten ihn weiter. Auch wenn Broker-Dealer beim Selbsteintritt in einem Wertpapiergeschaft formal ein Anschaffungsgeschaft tatigen und uber ihren bestehenden Handelsbestand kompensieren, besteht fiir Broker-Dealer im Unterschied zum Market Making keine Verpflichtung zum Stellen von Kursen. Historisch bestand die Aufgabe von Brokem ausschliefilich in der Vermittlung von Wertpapieren an Kunden. „Jobber", die mit eigenen Wertpapierbestanden handeln durften, ubemahmen oder verkauften als Eigenhandler Aktien und Anleihen auf eigene Rechnung, wobei sie nicht mit dem Kunden, sondem mit dem Broker abschlossen. Offiziell diente diese Trennung der Vermeidung von Interessenskonflikten, die zu MarktmiBbrauchen wie „Front Running" fuhren konnten. Daruber hinaus dUrften aber die wirtschaftlichen Eigeninteressen der Marktteilnehmer, insbesondere die Wahrung ihrer oligopolistisch gefestigten Marktstrukturen ausschlaggebend fiir die lange Bewahrung des Status quo gewesen sein. Heutzutage ist die Einheit von Broker- und Jobber-Funktion unter einem Firmennamen im Rahmen des sogenannten „Dual Capacity Trading" mOglich. Diese Zulassung einer Doppelfimktion ist zum Zwecke des Anlegerschutzes mit Auflagen versehen und der Betreiber muB gegenuber dem Kunden offenlegen, in welcher Funktion er auftritt, und sicherstellen, daB das Prinzip der „Best Execution" gewahrt wurde. Vgl. COYM (2001), Sp. 441 ff. 29
Kundschaft wenden, streben Full-Service-Broker in Qualitatsfiihrerschaft in einem speziellen Marktsegment an.^^
der
Regel
eine
2.3.3 Phasen des Markttransaktionsprozesses Fur die Beschreibung der Funktionalitat einer Handelsplattform konnen Phasenmodelle zum Markttransaktionsprozess an Wertpapiermarkten herangezogen werden. PICOT/BORTENLANGER/ROHRL (1996) unterteilen den Handelsprozess an BQrsensystemen in vier Phasen, namlich in die Informationsphase, die Orderroutingphase, die Preisfeststellungsphase und die Abwicklungsphase.^^ Dieses Vier-Phasen-Modell wird im Folgenden grundlegend erlautert.
2.3.3.1 Informationsphase Die Informationsphase dient den Marktteilnehmem zur Fundierung ihrer Handelsentscheidung. Handelsentscheidungen von Marktteilnehmem basieren auf
Die Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien senkt in diesem Umfeld Kosten und erhoht gleichzeitig Schnelligkeit und Transparenz der Orderausfiihrung. Vgl. vertiefend beispielsweise COYM (2001), Sp. 441 ff. Vgl. PICOT/BORTENLANGER/ROHRL. (1996), S. 16-17. Mit Ruckgriff auf die grundlegende Definition des Marktmodells nach GERKE/RAPP (1994) lassen sich die Gestaltungsparameter Marktorganisation und Marktfrequenz diesem Phasenmodell direkt zuordnen. Phasenubergreifende Auswirkungen haben mit Verwendung des oben beschriebenen Marktmodells die verbleibenden Determinanten Marktstruktur, Marktsegment und Marktkonfiguration. Weitere phasenubergreifende Merkmale sind auch Ausfallsicherheit, Gebuhrenstruktur, Handelszeiten und Image. GQMBER (2000) nennt als zusatzlichen Gestaltungsparameter den Grad der Variabilitat eines Marktmodells. Hinsichtlich Orderzusammenfuhrung und Preisfmdung unterscheidet GOMBER (2000) statische und flexible Marktmodelle. BUDIMIR (2003) erweitert diesen Betrachtungsansatz um den Begriff des „dynamischen Marktmodells". Der Begriff des statischen Marktmodells bezieht sich auf das Vorliegen marktexogener Faktoren, die die Auspragung eines Marktmodells determinieren. Beispielsweise bestimmt die Uhrzeit 12:00 Uhr (MEZ) an der Frankfurter WertpapierbCrse die Unterbrechung des kontinuierlichen Handels mit einer Gesamtkursermittlung, die Merkmalsauspragung beim Preisfmdungsverfahren wird exogen bestimmt. Vgl. GOMBER (2000), S. 23. In einem flexiblen Marktmodell kdnnen demgegenober marktendogene Faktoren die Auspragung eines Strukturmerkmals abhangig von einer Situation bestimmen. Beispielsweise Volatilitatsunterbrechungen, die aufgrund der Uberschreitung eines gewissen Preiskorridors bei der Kursabweichung ausgelOst werden, oder die VerzOgerung bei der Bekanntgabe einer Transaktion im System abhangig vom Transaktionsvolumen wie in SEAQ, vgl. GOMBER (2000), S. 24. Ein dynamisches Marktmodell stellt mehrere alternative Auspragungen fiir die Strukturmerkmale bereit, wobei Marktteilnehmer individuell und transaktionsspezifisch ein Marktmodell auswahlen konnen. Vgl. BUDIMIR (2003), S. 164.
30
marktexogenen
und
marktendogenen
Informationen.
Bei
marktexogenen
Informationen handelt es sich um Informationen, die der Markt selbst nicht direkt produziert,
beispielsweise
die
Nachrichten
von
Informationsmaklem
oder
Nachrichtenagenturen. Exogene Informationen kQnnen Untemehmensmeldungen sein, die nicht unmittelbar aus dem Handelsgeschehen am jeweiligen Markt entstehen und vom
Betreiber
einer
Handeisplattform
nicht
beeinflusst
werden k6nnen.^^
Marktendogene Informationen entstehen dagegen direkt aus dem Handelsgeschehen und lassen sich aus dem Orderbuch ableiten.^^ Die Sortierung der Auftrage in einem Orderbuch erfolgt nach festgelegten Prioritatskriterien, die die Reihenfolge der Abarbeitung der Auftrage im Orderbuch festlegen. Das Kriterium mit der hochsten Prioritat bildet stets das Limit der Order. Damit steht die Kauforder mit dem hSchsten und die Verkaufsorder mit dem niedrigsten Limit an der ersten bzw. ranghSchsten Position im Orderbuch. Ein weiteres Prioritatskriterium (Secondary Priority Rule) stellen der Zeitpunkt der Ordereingabe (Time Priority) und teilweise auch das Ordervolumen dar.^ Weit verbreitet ist die Limit-/Zeitprioritat.^^ In einem nach solchen Kriterien sortierten Orderbuch bildet die Differenz der beiden „ersten" Positionen auf der Geld- und Briefseite die Geld-Brief-Spanne (Bid-Ask-Spread). Es lassen sich Informationen, die sich auf ein Transaktionsinteresse, von solchen, die sich auf bereits abgeschlossene Geschafte beziehen, unterscheiden Entsprechend werden Pre-Trade-Markttransparenz und Post-Trade-Markttransparenz differenziert.^^^ Je nach Grad der Pre-Trade-Markttransparenz (Orderbuchtransparenz) kSnnen Orderbiicher
mit
unterschiedlichem
Grad
Schnelligkeit der Informationsverbreitung
der
Informationsasymmetrie
fiir Marktteilnehmer
individuell
und in
unterschiedlicher Lange offen oder geschlossen sein.^^^ Das Spektrum reicht von einem vollig transparenten Orderbuch, das fiir alle Markteilnehmer offen ist, bis zu einem vollig geschlossenen Orderbuch, in das kein Marktteilnehmer einsehen kann.
Vgl.GOMBER(2000),S. 18 f Vgl. LUDECKE(1996). Vgl. DoMOWiTZ (1993), HARRIS (1993), HANDA/SCHWARTZ (1996), ANGEL (1997), THEISSEN (1998b), S. 12. Die Limit-ZZeitprioritat richtet sich zunachst nach dem Limit und anschlieBend nach dem Zeitpunkt der Ordereingabe. Fur eine Zusammenstellung verschiedener Prioritatskriterien an BCrsen vgl. ANGEL (1997). Vgl. GOMBER (2000), S. 19 f. Vgl. SCHENK( 1997), S. 113.
31
Privilegien hinsichtlich des Ordereinblicks konnen fur Marktteilnehmer entscheidende Handelsvorteile bedeuten. Neben Preislimits, Volumina und indikativen Preisen vor einer periodischen Auktion konnen auch Informationen iiber die Identitat des Auftraggebers bereitgestellt werden.'^^ Im Zusammenhang mit einer mSglicherweise seitens des Auftraggebers geforderten AnonymitSt kann auch eine zumindest temporSre Intransparenz wiinschenswert sein. Insbesondere institutionelle Investoren, die groBe Wertpapierpositionen handeln wollen (Blockorders), sind an einer verzSgerten Veroffentlichung der Transaktionen interessiert, um die aus ihrer Sicht adversen Preiseffekte weitestgehend zu vermeiden/^ Die Post-Trade-Markttransparenz bezieht sich auf Informationen zu bereits durchgefiihrten Transaktionen, wobei insbesondere die Art der Information (Preise, Volumina, Transaktionszeitpunkte, Identitat der Kontrahenten), die Schnelligkeit der Informationsverbreitung und der Grad der Informationsasymmetrie StellgroBen sind/^^ Unterschiedliche Grade an Post-Trade-Markttansparenz k5nnen beispielsweise durch sofortige oder verzogerte Veroffentlichung von Preis- und Umsatzinformationen hergestellt werden.
2.3.3.2 Orderroutingphase Innerhalb der Orderroutingphase unterscheiden sich BSrsenhandelssysteme hinsichtlich der Strukturmerkmale Marktzugang und Orderspezifikation. Die Orderroutingphase dient der Orderformulierung und Weiterleitung an den Ort der Ausfiihrung.^^ Abhangig vom Marktzugang kann ein Marktteilnehmer eine Order direkt am Borsenhandelssystem absetzen oder lasst seine Order (iber einen Zugangsintermediar (Broker) weiterleiten.^^^
Die Fragestellung um die Ausgestaltung der Markttransparenz hinsichtlich Bereitstellen bzw. Zuruckhalten marktendogener Informationen ist ein zentrales Gestaltungsmerkmal der Marktstruktur. Vgl. BOLLERSLEV/DOMOWITZ (1993). Vgl. hierzu GOMBER (2000), S. 20 und S. 45. Reduzierte Transparenz in Form einer verzOgerten Veroffentlichung von Handelsdaten besteht beispielsweise bei Xetra XXL. Vgl. AVERDIEK-BGLWIN (1998), S. 78, GOMBER (2000), S. 20. Vgl. GOMBER (2000), S. 20, PICOT/BORTENLANGER/ROHRL(1996). Vgl. PICOT/BORTENLANGER/ROHRL(1996), S. 17. Gegenuber altemativen Handelssystemen setzt der direkte Zugang zu einer BOrse eine BOrsenmitgliedschaft voraus. Vgl. z.B. vON ROSEN
32
Orders konnen je nach Preisfeststellungsverfahren (Preisfeststellungsphase) des Borsenhandelssystems mittels Orderparametem nach verschiedenen Kriterien spezifiziert werden. Sie lassen sich als Marktorders, als Limitorders oder mit weiteren Speziflkationen, beispielsweise hinsichtlich der zeitlichen Giiltigkeit der Order, abgeben (Fill-Or-Kill, Immediate-Or-Cancel, etc.). Weitere mogliche Orderspezifikationen sind zusatzliche Ausfiihrungsauflagen (Stop-Orders) oder die Spezifikation der Verbindlichkeit des Transaktionswunsches.^^^ Alternative Handelssysteme konnen gegenuber Borsen eine speziellere Auswahl an Moglichkeiten der strategischen Orderverarbeitung anbieten, womit komplexere Transaktionswiinsche, beispielsweise das Absetzen eines Auftrags beziiglich eines Wertpapierkorbes iiber eine Order (Baskettrading) oder Orders mit PrSferenzrangen fiir verschiedene Preis-/Volumenkombinationen, ermSglicht werden konnen.^^^
2.3.3.3 Preisfeststellungsphase Die Preisfindung stellt bei der Zusammenfuhrung zueinander kompatibler Orders in der Preisfeststellungsphase das Herzstuck der Transaktionskette dar.^^° Es lassen sich grundsatzlich das Market-Maker-Prinzip, das Auktionsprinzip und hybride Marktformen unterscheiden. Wahrend nach dem Market-Maker-Prinzip einzelne Marktteilnehmer als Market Maker verpflichtet sind, wahrend der Handelszeit kontinuierlich An- und Verkaufskurse zu stellen, zu denen sie eine bestimmte Menge eines Wertpapiers zu kaufen oder zu verkaufen bereit sind,^^^ erfolgt die Preisfindung im Auktionssystem
(1994), S. 1214, SCHENK (1997), S. 56, ACKERMANN (2001), S.l 1, NEUBAUER (2001), S. 105, zu altemativen Handelssystemen auch Kapitel 2.1.2 dieser Arbeit. Vgl. GOMBER(2000),S.20. Hierbei kGnnen die Marktteilnehmer beispielsweise unterschiedliche Nutzenwerte fiir verschiedene PreisWolumenkombinationen angeben. Z.B. gibt der Investor bei einer Kauforder den hOchsten Nutzenwert fur 30000 Stack a 45,50 €, einen niedrigeren Nutzenwert fiir 25000 Stuck a 46 € und den niedrigsten Nutzenwert fiir 20000 Stuck a 46,50 € an. Vgl. hierzu GOMBER (2000), S. 103 ff. Vgl. PICOT/BORTENLANGER/ROHRL (1996), S. 54.
Beispiel fur eine nach dem Market-Maker-Prinzip organisierte Borse ist die NASDAQ (National Association of Securities Dealers Automated Quotation) in den USA. Market Maker stellen Quotes; ein Quote besteht sowohl aus einem Geld- als auch aus einem Briefkurs und ist damit zweidimensional. 33
uber eine Doppelauktion der eingehenden Kauf- und Verkaufsauftrage, wobei die eingehenden Auftrage hierbei um den Abschluss konkurrieren.^^^ In einem reinen Market-Maker-System kSnnen die Marktteilnehmer ausschliefilich uber den oder die Market Maker Transaktionen ausfuhren, womit der Transaktionspreis regelmSBig seitens der Market Maker festgelegt wird. Eine Konkurrenz zwischen 5ffentlichen Limitorders gegen Quotes der Market Maker ist in einem reinen Market-Maker-Markt nicht vorgesehen, was eine Privilegierung der Market Maker darstellt (Market-MakerPrivileg).'^^ Mit der jederzeitigen Transaktionsbereitschaft der Market Maker zu bekannten Preisen wird LiquiditSt in einem Markt quasi institutionalisiert, die Sofortigkeit des Abschlusses einer Transaktion ist gewShrleistet (Immediacy)/^"* In einem Market-Maker-Markt mit einer ausreichenden Kapitalversorgung der Market Maker bestehen fiir die Marktteilnehmer weder Ausfiihrungs- noch Preisrisiko.^^^ Im Auktionssystem (Order Driven Market) werden Marktangebot und Marktnachfrage aggregiert und ein marktrSumender Preis wird ermittelt. Eine Transaktion fmdet im Gegensatz zum Market-Maker-Prinzip
ohne die direkte Einschaltung
eines
Finanzintermediars statt.^^^ Im Gegensatz zu einem Market-Maker-System existiert in einem
kontinuierlichen
Auktionssystem
ohne
IntermediSr
damit
keine
Abschlussgarantie, vielmehr hangt die Ausftihrung einer Order von der Existenz einer korrespondierenden Order auf der Gegenseite ab.*^^ Eine Transaktion kann vollstandig Oder als Teilausfuhrung zustande kommen, wenn eine Order mit der Gegenseite im Orderbuch matcht. Kommt kein Matching zustande oder handeh es sich um eine Teilausfuhrung, wird der verbleibende Teil der Order im Orderbuch gesammelt und sortiert/^^ Transaktionssicherheit hSngt im reinen Auktionssystem damit davon ab,
Synonym fiir ein Auktionssystem kdnnen die Begriffe Auktionsprinzip oder Order-DrivenMarket verwendet werden. Ein Auktionssystem kann als Ann^erung an das Ideal eines Walrasianischen Gleichgewichtsmarktes verstanden werden, vgl. DOMOWITZ(1990), S. 164-194. Vgl. COHEN/MAIER/SCHWARTZAVHITCOMB (1986), S. 24.
Vgl. GOMBER(2000),S.22. Vgl. COHEN/MAIER/SCHWARTZAVHITCOMB (1986), S. 24. LUPIEN (1989) spricht bei nicht ausreichender Kapitalisierung der Market Maker von einer „Illusion of Liquidity". In einzelnen Fallen wird die Auktion in einem nach dem Auktionsprinzip organisierten Markt von einem Auktionator durchgefiihrt. Ein solcher Auktionator kann je nach Handelsbefugnissen oder pflichten als Finanzintermediar angesehen werden. Vgl. GERKE/RAPP (1994), S. 7. Vgl. beispielsweise COHEN/MAIER/SCHWARTZAVHITCOMB (1986), S. 20. Die Existenz eines Orderbuchs in einem kontinuierlichen Auktionssystem ist zwar ubiich, aber nicht zwingend. So wird bei einer Variante des kontinuierlichen Marktes, dem sogenannten „crowd trading", kein Orderbuch gefiihrt. In einem solchen System ist es den einzelnen Handlem
34
inwieweit das Orderbuch gefiillt ist, so dass vorubergehende Ungleichgewichte auftreten k6nnen. SCHWARTZ (1993) spricht im Hinblick auf die daraus resultierenden Kursschwankungen von Sequency Risk.^^^ Wahrend das Ausfiihrungsrisiko von der Liquiditat des Marktes abhMngt, kann das Preisrisiko uber den Grad der Orderbuchtransparenz reduziert werden.^^^ Vergleicht man das Market-Maker-System mit dem Auktionssystem hinsichtlich des Strukturmerkmals der Marktfrequenz, ist in einem Market-Maker-Markt per se fortlaufender Handel gegeben. Auktionssysteme kSnnen demgegeniiber sowohl mit kontinuierlichen Auktionen oder mit einem periodischen Gesamtpreisverfahren (Einheitskurs, Batch Auction, Call Market) ausgestaltet sein. Beim periodischen Handel werden alle eingehenden Orders bis zu einem definierten Zeitpunkt gesammelt und
uber
die
Gesamtkursermittlung
nach
dem
Meistausfiihrungsprinzip
(volumenmaximierend) ausgefiihrt.^^^ Bei der kontinuierlichen Auktion konnen seitens der Marktteilnehmer innerhalb der Handelszeiten jederzeit Orders erteilt bzw. akzeptiert werden. Ist ein Investor an einer schnellen Umsetzung eines Informationsvorsprungs interessiert, wird er gegeniiber dem periodischen Handel entsprechend ein System mit kontinuierlichem Handel vorziehen. Kontinuierlicher Handel und periodische Preisfeststellung schlieBen sich als Preisfindungsverfahren in einem System gegenseitig nicht aus, vielmehr existieren in der Praxis sowohl hinsichtlich der Preisfindungsverfahren als auch des Wechsels von periodischem und kontinuierlichem Handel vielfach Hybridformen.^^^ Hybride Marktsysteme sind Marktsysteme, die neben einer Organisationsform auch uber Elemente der jeweils anderen Organisationsform
verfiigen, wobei die
auf dem Parkett uberlassen, einen Kontrahenten zu finden. Eine Transaktion erfolgt bilateral bei gegenseitiger Ubereinstimmung der Geschaftskonditionen. Ein solches Handelssystem wurde beispielsweise an der Bdrse in Zurich angewendet, bevor die Elektronische BOrse Schweiz eingefuhrt wurde. Vgl. COHEN/MAIER/SCHWARTZAVHITCOMB (1986), S. 22, THEISSEN (1998b), S. 12 und BENOS/CROUGHY (1996). Vgl. SCHWARTZ (1993), S. 185.
Zur Auswirkung der Orderbuchtransparenz auf den Marktprozess in experimentellen Untersuchungen vgl. z.B. SYHA (1999). Eine Ubersicht iiber theoretische, empirische und experimentelle Untersuchungen zum Gesamtpreisverfahren gibt beispielsweise Theissen (1998a). Z.B. fmden sich Kombinationen von kontinuierlicher Auktion mit Unterstutzung von Market Makem an der NYSE (New York Stock Exchange) oder an der EUREX. An kontinuierlichen Auktionsmarkten wird gewChnlich der Erdffiiungskurs und der Schlusskurs eines Tages nach dem Gesamtpreisverfahren ermittelt. Vgl. COHEN/MAIER/SCHWARTZAVHITCOMB (1986), S. 17. 35
Ausgestaltung eines Market-Maker-Systems mit Elementen eines Auktionssystems ebenso mSglich ist wie die einer kontinuierlichen Auktion mit Market-MakerUnterstutzung.'^^ Die Umsetzung eines hybriden Marktsystems fiihrt dazu, dass umsatzschwache Titel eher uber den Market Maker und umsatzstarke eher tiber das Auktionssystem gehandelt werden.^^"* Werden an einem Market-Maker-System zusStzlich konkurrierende Limitorders zugelassen, reduziert dies im Ergebnis die Geld-Brief-Spannen.^^^ Neben der Preisfindung im eigenen System mit automatischem Matching existieren mit preisimportierenden Systemen (Crossing Systems/Crossing Networks), dem Hit-And-Take-Prinzip und Bulletin Boards weitere Moglichkeiten der Zusammenfiihrung von Angebot und Nachfrage an einem Wertpapiermarkt.^^^
2.3.3.4 Abwicklungsphase Die Abwicklungsphase umfasst mit Clearing und Settlement die Erftillung der getatigten Transaktionen. Die gegenseitigen Forderungen und Verbindlichkeiten der Handelspartner werden festgestellt und den beteiligten Parteien angezeigt (Clearing) sowie die Eigentumsrechte mit Lieferung der Wertpapiere bzw. der Zahlung des Kaufpreises ubertragen (Settlement). Die Zielsetzung bei der Ausgestaltung der Abwicklungsphase besteht fiir den Betreiber einer Handelsplattform in der GewShrung einer schnellen, ordnungsgemSBen Abwicklung der Transaktionen. Ein zentrales Strukturmerkmal dieser Phase ist die Settlementfrist, die den Zeitraum zwischen dem
Die NYSE ist als ein hybrides Marktsystem organisiert, bei dem Limitorders mit den quotierten Kursen der Specialists konkurrieren (der Specialist nimmt neben seiner Aufgabe als Auktionator auch Market-Maker-Funktionen wahr). Vgl. SCHWARTZ (1991), S. 22 ff. Im XETRA-Handel stellen sogenannte Betreuer bzw. Designated-Sponsors zusatzliche HandelsmCglichkeiten in Form von Quotes zur Verfligung. Vgl. BosCH (2001). Vgl. BOSCH (2001). An der NASDAQ, ehemals als reines Market-Maker-System organisiert, wurden 1997 Limitorders in Konkurrenz zu den Quotes der Market Maker zugelassen, was zu deutlich reduzierten Geld-Brief-Spannen fiihrte. Vgl. BARCLAY/CHRISTIE/HARRIS/KANDEL/SCHULTZ (1999). Preisimportierende Systeme ftihren kompatible Orders zu Schlusskursen anderer Maricte bzw. in der Mitte der aktuellen Geld-/Briefspanne auf dem anderen Markt aus. Beim Hit-And-TakePrinzip findet kein direkt vom System getriebenes Matching statt. An- und Verkaufsgebote werden mit Preislimits und Mengenangabe gesammelt und den Marktteilnehmem angezeigt. Nach dem Hit-And-Take-Prinzip lassen sich kompatible Auftrage zusammenfiihren, indem Verhandlungen mit der Gegenseite aufgenommen werden und das Geschaft innerhalb des Systems abgeschlossen wird. Bulletin Boards ermdglichen es Marktteilnehmem, Gebote zu verOffentlichen und Verhandlungen zu fuhren. Der Handelsabschluss wird nicht unterstiitzt. Vgl. beispielsweise PICOT/BORTENLANGER/ROHRL (1996), S. 63, GOMBER (2000), S. 71.
36
Zustandekommen und der Erfullung eines Geschafts misst. Bei borslichen GescMften ist der Zeitraum bereits im Voraus bestimmt, bei auBerborslichen kann er zwischen den Teilnehmem oft individuell ausgehandelt werden.^^^
2.4 Kernprozess in Primar- und Sekundarmarkt Als Kernprozess des Wertpapierhandels l^st sich aus Emissionsprozess am Primarmarkt und Handelsprozess am Sekundarmarkt zusammenfassend ftir beide MSrkte folgender Prozess, bestehend aus drei Marktphasen, namlich:^^* •
der Informationsphase
mit Marktinformation,
Vertragspartnersuche und
Informationsbeschaffung liber den Vertragspartner, •
der Vereinbarungsphase und
•
der Transaktionsabwicklungsphase identifizieren.
Auf Prim^- und Sekund^rmarkten gelten zwar unterschiedliche organisatorische Rahmenbedingungen ftir den Handel zwischen den jeweiligen Marktteilnehmem, es iSsst sich allerdings festhalten, dass das zentrale Interesse der jeweils unterschiedlich informierten Handelspartner vor allem den Preisverhandlungen gilt. Am Primarmarkt werden hierfiir unterschiedliche Platzierungs- bzw. Preissetzungsverfahren und am Sekundarmarkt unterschiedlich ausgestaltete MarktprotokoUe fur den Handel der Wertpapiere angeboten. Fragestellungen um die Vorteilhaftigkeit der einzelnen Verfahren bzw. bestimmter Handelsbedingungen an Wertpapiermarkten sind hierbei regelmSBig Gegenstand der Arbeiten innerhalb der Marktmikrostrukturforschung. Ausgangspunkt stellt die theoretisch wie empirisch gewonnene Erkenntnis dar, dass verschiedene
AusprSgungen
von
Marktprotokollen
mit
unterschiedlichen
Organisationsformen, Handelsregeln, ProzessabMufen und Strukturen nachweisbare Auswirkungen auf die Effizienz der Marktprozesse und damit auf das Marktergebnis
In Deutschland betragt die Settlementfrist im bdrslichen Handel derzeit ublicherweise zwei Tage (Rolling-Settlement), in Frankreich ist diese Frist im Account-Day-Settlement variabel. Vgl. hierzu GOMBER (2000), S. 22 und BUDIMIR (2003), S. 45. Der Emissionsprozess umfasst nach diesem Schema die Phasen Zulassung, PrOfung, Preisfestsetzung, und Platzierung, der Markttransaktionsprozess die Phasen Orderbuch, Preisbildung, Matching und Abwicklung. Vgl. SCHENK (1997), S. 14 ff.
37
einer Marktorganisation haben konnen.^^^ Die Bewertung von Wertpapieren iiber Preisbildungsprozesse auf Basis der Verarbeitung neuer Informationen kann abhSngig von der spezifischen Marktstruktur unterschiedlich ablaufen und unterschiedliche Ausgestaltungsvarianten der Strukturmerkmale eines Marktmodells konnen zu unterschiedlichen Preisen fuhren.^^^
'^^ Vgl.GERKE/RAPP (1994), GARMAN (1976), GARBADE (1979), PAGANO (1990), SCHWARTZ (1993), COHEN/HAW ANINI/MAIER/SCHWARTZAVHITCOMB (1980).
'^^ Vgl. Z.B. HALLER/STOLL (1989), S. 697-708.
38
3 Marktmikrostrukturtheorie und Experimente Die Ausgestaltung von Marktorganisationen orientiert sich grundsStzlich an der Zielsetzung der allokativ mSglichst efFizienten Zusammenfuhrung von Kapitalangebotund nachfrage unter den Marktteilnehmem. Ein Markt iSsst sich dann als allokationseffizient bezeichnen, wenn die Preise der einzelnen Outer deren Knappheitsgrad „korrekt" widerspiegeln. Die Preise k5nnen die korrekten Signale aber nur liefem, wenn samtliche bewertungsrelevanten Informationen in ihnen enthalten sind. Hierfur ist es notwendig, dass die mit Risiko behafteten Vermogensgegenstande „richtig" bewertet sind und der Preis das mit der erwarteten Rendite einhergehende Risiko vollstSndig widerspiegelt. Um dies zu erreichen, miissen Marktteilnehmer unter Beriicksichtigung bewertungsrelevanter Informationen sowohl das Risiko als auch die zukunftige
erwartete
Rendite
den
tatsachlichen
Verhaitnissen
entsprechend
schatzen.'^' Vorliegendes Kapitel gliedert sich in drei Teile. Der erste Teil behandelt kapitalmarkttheoretische Grundlagen, insoweit sie fiir ARTEX als Webplattform fur Kapitalmarktexperimente letztlich von Bedeutung sind. Neben dem Begriff der InformationsefFizienz werden auch grundlegende Bewertungsmodelle vorgestellt, die insbesondere auch fur die Preisfmdungsprozesse bzw. fur ein Benchmarking der Marktteilnehmer auf der Webplattform ARTEX relevant sein kSnnen. Im zweiten Teil werden zunSchst zentrale Effizienzkriterien fiir die Beurteilung der Qualitat von Wertpapiermarkten entwickelt. Die spezifische Ausgestaltung einer Marktorganisation lasst sich anhand von Qualitatsmerkmalen beurteilen. Es ist moglich,
die
Auspragung
dieser
Qualitatsmerkmale
in
experimentellen
Untersuchungen anhand verschiedener Kennzahlen zu erfassen, insofem ist die Messmethodik auch fiir die Ausgestaltung von ARTEX relevant. Weiterhin werden wesentliche Merkmale des typischen Modelldesigns in der theoretischen und experimentellen Marktmikrostrukturforschung vor dem Hintergrund des Zusammenhangs zwischen theoretischer und experimenteller Forschungsmethode erfasst, um der nachfolgenden Skizze von Themenkreisen und Modellaufbauten in Theorie und Experiment einen Rahmen zu geben. Eine kurze Behandlung des Spektrums unter-
Vgl.GERKE(1991),S.2ff.
39
schiedlicher Themen der Marktmikrostrukturtheorie wird vorgenommen, da sich auch hieraus zentrale StellgroBen fiir die Ausgestaltung der experimentellen Webplattform ARTEX ableiten lassen. Die Zielsetzung besteht hierbei allerdings nicht in der Erarbeitung einer mehr oder weniger (un-)vollstandigen Ubersicht uber die zahlreichen Untersuchungsfelder und Forschungsaktivitaten in der Marktmikrostrukturforschung, sondem vielmehr darin, den „Designraum" fiir das experimentelle Grundmodell von ARTEX aufzuzeigen. Im dritten Teil des Kapitels werden grundlegende Aspekte der DurchfUhrung von Experimenten behandelt. Experimente konnen mit unterschiedlichen Zielsetzungen durchgefUhrt werden und in Hinblick auf ihren jeweiligen Aufbau lassen sie sich hinsichtlich ihres Designs kategorisieren. Insbesondere kQnnen traditionelle von Webexperimenten unterschieden werden. Bei ARTEX handelt es sich um eine Plattform, die sich sowohl fiir Experimente im klassischen Sinn unter kontrollierten Bedingungen im Intranet als auch fiir Webexperimente im Internet einsetzen iSsst.
3.1 Kapitalmarkttheoretische Grundlagen 3*1.1 Rationale Erwartungen und informationseffiziente Markte Gleichgewichtsmodelle in der Kapitalmarkttheorie unterstellen grundsatzlich Marktteilnehmer im Sinne eines „homo oeconomicus", die in ihrem Handeln von monetaren Anreizen bestimmt sind und in Eigeninteresse ihren Erwartungsnutzen nach einer eindeutigen Nutzenfunktion im Sinne der Axiome der Erwartungsnutzentheorie nach VON NEUMANN/MORGENSTEN (1947) zu maximieren suchen.'^^ Mit der Hypothese rationaler Erwartungen wird unterstellt, dass Marktteilnehmer im Zeitablauf samtliche verfiigbaren Informationen korrekt verarbeiten und keine systematischen Prognosefehler machen. Alle Marktteilnehmer bilden Erwartungen und setzen sie derart in Entscheidungen um, dass die erwarteten Kurse tatsachlich zustande kommen.^^^ Bei der Entscheidungsfmdung werden alle verfiigbaren, d.h. auch neuen Informationen
'^^ Zur allgemeinen Nutzentheorie und Darstellung der Axiome fur rationales Okonomisches Verhaiten vgl. VON NEUMANN/MORGENSTERN (1944), MARSCHAK (1950), ALCHIAN (1953), HERSTEIN/MILNOR (1953), FAMA/MILLER (1972). '"
40
Vgl. MUTH (1961), S. 316, SCHMIDT/TERBERGER(1996), S. 209 f.
miteinbezogen,
wobei
den
neuen
Informationen
mit
ihrer
unmittelbaren
Beriicksichtigung bei der Handelsentscheidung innerhalb der Erwartungsbildung ein relativ groBeres Gewicht eingerSumt wird.^^"^ Den Marktteilnehmem wird mit der Annahme einer adaptiven Erwartungsbildung zusStzlich Lemverhalten unterstellt, so dass sie ihr Entscheidungsmodell anpassen, sobald die Kurse von den Erwartungen abweichen. Wenn die Marktteilnehmer den Zusammenhang zwischen Preis und Information einheitlich richtig interpretieren, fiihrt das Bekannt werden neuer bewertungsrelevanter
Informationen
zu
Anpassungen
der
Angebots-
und
Nachfragefunktionen der Marktteilnehmer und die Preise verandem sich in Richtung der von den Marktteilnehmem ermittelten Werte.^^^ Zahlreiche grundlegende Modelle zur ErklSrung der GesetzesmSBigkeiten auf Marktebene basieren auf der Annahme rationaler Marktteilnehmer, da sich diese in ihrer Umgebung
stabil,
systematisch
und vorhersagbar
verhalten.^^^ In direktem
Zusammenhang mit der Hypothese rationaler Erwartungen steht die Theorie effizienter MSrkte nach FAMA (1970). Ein informationseffizienter Markt beschreibt nach FAMA (1970) den Idealzustand eines Marktes, in dem samtliche zur Verfugung stehenden Informationen korrekt in den Preisen verarbeitet sind: „A Market in which prices always fully reflect available information is called efficientr^^^ FAMA (1970) unterscheidet bei seiner Definition zwar nicht explizit zwischen Informationseffizienz und Allokationseffizienz, bezieht den Begriff aber wohl auf den Idealzustand eines Marktes.^^* Die Definition der Informationseffizienz im Sinne von FAMA (1970) fiihrt zu zwei grundsatzlichen Problemen hinsichtlich ihrer empirischen Uberpriifbarkeit: Zum einen ist der Umfang der zugrunde gelegten Informationsmenge per se nicht definiert und muss festgelegt werden. Zum anderen wird fiir die Uberprufung ein Bewertungsmodell benStigt, das sich dafiir eignet, beobachtete Kurse in Beziehung zu den aus dem Bewertungsmodell abgeleiteten Gleichgewichtskursen zu setzen. Das Problem besteht
Vgl.HAMANN(1993),S.45. Vgl. zu Gleichgewichten bei rationalen Erwartungen beispielsweise RADNER (1979), GROSSMAN (1981), ANDERSEN (1985) Oder ADMATI (1991). Vgl. PELZMANN (1988), S. 5, SCHRODER-WILDBERG(1998), S. 12.
FAMA (1970), S. 383, vgl. auch FAMA (1976). „The ideal is a market in which prices provide accurate signals for resource allocation." FAMA (1970), S. 383. Aus Informationseffizienz folgt nicht zwangsl^ufig Allokationseffizienz und umgekehrt, vgl. hierzu auch NOTH (1998), S. 8.
41
dann darin, dass sich festgestellte Abweichungen immer sowohl auf das Vorliegen von Ineffizienzen im Markt als auch auf das zugrunde liegende Referenzmodell zuriickfuhren lassen (Joint-Hypothese-Problem).^^^ Fiir eine empirische Untersuchung der tatsachlich vorliegenden Informationseffizienz in einem Markt unterscheidet FAMA (1970) drei Formen der Informationseffizienz, namlich schwache, mittelstrenge und strenge Informationseffizienz: Ein Markt ist schwach informationseffizient (weak-efficient), wenn Informationen uber historische Renditen und Kurse in den beobachteten Marktpreisen enthalten sind. Zukunftige Wertpapierpreise sind unabhangig von vergangenen. Die Verarbeitung historischer
Kursdaten
fiihrt
zu
keinen
positiven
erwarteten
Uberrenditen,
beispielsweise kSnnen auf Basis der technischen Analyse keine systematischen Uberrenditen generiert werden. Der Markt hat sSmtliche Vergangenheitsdaten verarbeitet."*° Ein Markt wird als
mittelstreng
informationseffizient
(semi-strong-efficient)
bezeichnet, wenn zusStzlich alle offentlich bekannten Informationen in den Marktpreisen enthalten sind. Es ist dabei nicht notwendig, dass alle Marktteilnehmer die gleichen Informationen besitzen. SchlieBlich gilt ein Markt als streng informationseffizient (strong-efficient), wenn sSmtliche Informationen, also auch Insiderinformationen, in den Marktpreisen enthalten sind. Keinerlei Verwertung von Informationen fiihrt zu systematischen Oberrenditen. Bei Vorliegen von Informationseffizienz in der strengen Form befindet sich ein Markt in einem Zustand, der die groBtmogliche Anpassungsgeschwindigkeit und -qualitat der Preise hinsichtlich bewertungsrelevanter Informationen besitzt. Mit den Annahmen symmetrisch verteilter Informationen, kostenloser Informationssuche und Abwicklung der Transaktionen, homogener Erwartungen und damit einer einheitlichen Interpretation der ZusammenhMnge zwischen Preisen und Informationen und risikoneutralen Preisnehmerverhaltens seitens der Teilnehmer schlagen sich
FAMA (1991) weist darauf hin, dass "...it is a disappointing fact that, because of the jointhypothesis-problem, precise inferences about the degree of market efficiency are likley to remain impossible." FAMA (1991), S. 1576. Vgl. auch SCHREIBER/SCHWARTZ (1986), S. 44. Vgl. hierzu auch den folgenden Abschnitt sowie NOTH (1998), S. 7.
42
samtliche Informationen unmittelbar zum Zeitpunkt ihres Bekanntwerdens in den Kursennieder.^"^* Die Bedingungen fiir das Vorliegen von Informationseffizienz lassen sich nach FAMA (1970) relativieren. Individuelle Irrationalitaten einzelner Marktteilnehmer konnen durch Wettbewerb und Arbitrage auf Marktebene ausgeglichen werden.^"*^ Weiter fordert Fama (1970) fiir das Vorliegen der strengen Informationseffizienz zusatzlich die Existenz einer gewissen Anzahl informierter Marktteilnehmer, wobei er diese Anzahl allerdings nicht defmiert/"*^ In einem informationseffizienten Markt ist es nicht moglich, systematische Uberrenditen zu erzielen.^"^"* Aus der Kenntnis der Verteilung zukunftiger Kurse folgt die Fair-Game-Eigenschaft effizienter Markte bzw. die Martingale-Eigenschaft von Renditezeitreihen.^"^^ Da etwaige Abweichungen kunftiger Renditen von den geforderten Renditen auf neuen, bisher nicht in den Preisen enthaltenen Informationen basieren, impliziert die Definition der Informationseffizienz im Martingalmodell einen Random Walk der PreisSnderungen eines Wertpapiers. Neue Informationen sind zufallig, stochastisch unabhangig und identisch verteilt.^"*^ Informationen konnen nicht ausgenutzt werden; gabe es eine solche Moglichkeit, wurde sie sofort entdeckt und durch einen entsprechenden Arbitrageprozess vemichtet.^"*^ Da mit den Informationen auch aufeinander folgende KursverSnderungen unabhangig voneinander sind, lassen sich zukunftige Kurse durch die Analyse der Vergangenheit
'^'
nicht
prognostizieren.^"^^ Mit
Annahme
eines
vollkommenen
Vgl. FAMA (1970), S. 387.
''^ Vgl. FAMA (1970) sowie SHILLER (1986). '^^ Wenn wenige oder nur ein Marktteilnehmer Monopolinformation besitzen, kCnnten strategische Uberlegungen dieser Marktteilnehmer dazu fuhren, dass die Information erst verzdgert in die Preise eingeht. Zu experimentellen Untersuchngen des Verhaltens von Informationsmonopolisten und die Auswirkungen auf die Informationsaggregation vgl. z.B. ARNETH (2001), NOTH (1998) S. 177-242. '"" M6glich sind einzig unsystematische, zufdllige Uberrenditen, vgl. GERKE/BANK (2003), S. 94-97. ^^^ Vgl. LE ROY (1989). Ein Martingal ist ein stochastischer ProzeB, bei dem der Erwartungswert der betrachteten Zufallsvariable fiir die nachste Realisation der letzten Realisation entspricht. Vgl. Z.B. INGERS0LL(1987),S. 17-18. '^ Vgl. SCHWARTZ (1993), S. 403-405, GERKE (2003). ^^^ Vgl. GERKE (2003). Neben dieser urspriinglichen Version der Random-Walk-These haben sich weitere Varianten etabliert, die auf unterschiedlichen stochastischen Prozessen basieren. So unterscheidet LoiSTL (1990) zwischen Random Walks nach Wiener Prozess, Martingale, und Random Walk im engeren Sinne. Vgl. hierzu auch GRANGER (1975). ^^^ Ohne Informationskosten ergibt sich im Modell von GROSSMANN (1976) ein rationales Erwartungsgleichgewicht, das samtliche Teilinformationen vollstandig offenbart (fully revealing) und damit streng informationseffizient ist 43
Kapitalmarktes ist die vom Markt zugrunde gelegte Erwartung uber die zuicunftigen Preise identisch mit der wahren Wahrscheinlichkeitsverteilung auf der Grundlage aller gegenwartig verfugbaren Informationen. Wenn Preise jederzeit sSmtliche Informationen in einem Markt reflektieren, resultiert daraus ein Problem, das als „Informationsparadoxon" bezeichnet wird: Spiegein die Aktienkurse alle Informationen jederzeit korrekt wider, folgt daraus, dass kein Marktteilnehmer durch das Auswerten neuer verfiigbarer Informationen eine systematische Uberrendite erzielen kann.^"*^ Es stellt sich die Frage, wie die Informationen in die Preise gelangen, wenn kein Marktteilnehmer ein Interesse daran haben kann, Informationen zu verwerten.'^® Das Informationsparadoxon beschreibt einen Widerspruch zwischen der Annahme informationseffizienter MSrkte einerseits und ihrem theoretischen Fundament andererseits. Die Auflosung des Widerspruchs geht mit Einschrankungen des Begriffs der Informationseffizienz einher: NEUMANN/KLEIN (1982) rSumen in ihrem Ansatz eine verzSgerte Anpassung von Preisen an neue Informationen insoweit ein, dass sich die Kosten fiir die Informationssuche und -verwertung gerade decken.^^^ NEUMANN/KLEIN (1982) sehen die Effizienzmarkthypothese dabei als theoretisches Konstrukt eines statischen Zustands, das allerdings keinen Weg dahin erkiart.*^^ Das Konzept effizienter Markte wird hier hinsichtlich der tatsachlichen Effizienz eines Marktes dahingehend interpretiert, wie schnell ein Markt imstande ist, neue Informationen zu verarbeiten und damit Gewinnmoglichkeiten zu unterbinden.^^^ Altemativ I6sen GROSSMAN/STIGLITZ (1980) das Informationsparadoxon auf, indem sie in ihrem Modell das Angebot von Wertpapieren stochastisch modellieren. Da zufUllige VerSnderungen des Angebots an Wertpapieren auftreten k5nnen, offenbart der Gleichgewichtspreis die im Markt befindlichen Informationen nicht mehr vollstSndig, sondem wird von Rauschen (Noise) uberlagert/^"* Die Informierten konnen die Kosten
vgl. GROSSMAN/STIGLITZ (1980) und HELLWIG (1982).
Vgl. GROSSMAN (1976) und GROSSMAN/STIGLITZ (1980). Vgl. NEUMANN/KLEIN (1982) und HELLWIG (1982).
Vgl. NEUMANN/KLEIN (1982), S.169. Vgl. ROCKEMANN (1995), S.IO. BLACK (1986) bezieht den Begriff des „Grundrauschen des Marktes" (Noise) auf das nach KEYNES (1936) als spekulativ bezeichnete Handeln von Marktteilnehmem, die ihre Entscheidungen aufgrund der Massenpsychologie eines Marktes treffen. Er versteht darunter das 44
fiir die InformationsbeschafFung iiber den Handel mit den Uninformierten decken.^^^ In beiden AnsStzen wird das Informationsparadoxon aufgel5st, indem sich die Informationssuche und -verwertung gegeniiber einem damit verbundenen Aufwand lohnt, wobei die Preise bereits nach kurzer Zeit wieder die bewertungsrelevanten Informationen entiialten. Die Verwertung von Informationen fiihrt demnach zwar nicht zu vollstandig, aber zu annShemd informationseffizienten Preisen. Die Frage nach der Informationseffizienz von KapitalmSrkten stellt eine der am meisten untersuchten Fragestellungen der Kapitalmarkttheorie dar. Diese bietet zur Uberpriifung der Informationseffizienz unterschiedliche Bewertungsmodelle an, dabei stellt das Capital Asset Pricing Model (CAPM) das bekannteste Gleichgewichtsmodell dar.
3.1.2 Gleichgewichtsmodelle und ihre empirische Evidenz Eine Grundlage fiir Investitionsentscheidungen unter Risiko bildet die Portfoliotheorie nach MARKOWITZ (1952). Die Rendite-Risiko-Eigenschaften
von VermSgens-
gegenstSnden werden innerhalb der Portfoliotheorie durch die erwartete Rendite und Standardabweichung der VermQgenstitel erfasst. Als Ausgangspunkt dient die Bewertung eines Vermogenstitels anhand des inneren Wertes bzw. Fundamentalwertes (Intrinsic Value), der aufgrund m5glicher unterschiedlicher Erwartungen seitens der Marktteilnehmer zwar nicht dem Aktienkurs entsprechen muss, sich diesem aber langfristig anpasst.^^^ Der innere Wert ergibt sich als Funktion der zukiinftigen Ertragskraft eines Titels. Entsprechend lasst sich ein Titel mit den Informationen zu
unsystematisch auftretende Handeln von Marktteilnehmem, die selbst wiederum aufgrund der Existenz des Rauschens handeln. Vgl. hierzu auch BUDIMIR (2003), S. 36. Vgl. GROSSMAN/STIGLITZ (1980), HELLWIG (1980), DIAMOND/VERRECCHIA (1981) und
HELLWIG (1982). Im Modell von GROSSMAN/STIGLITZ (1980) enthullt das Preissignal die Insiderinformation nicht vollstandig (noisy revealing). Im Unterschied zu GROBMANN (1970) besitzen die Informationen hier iiber den Gleichgewichtspreis hinaus aber einen Wert. Folglich sind die Preise nicht vollstandig effizient wie bei GROSSMAN (1976). HELLWIG (1991) kann anhand des Modells von LELAND/PYLE (1977) allerdings zeigen, dass Noise fiir ein Gleichgewicht nicht zwingend erforderlich ist. Indem Outsider das Verhalten des monopolistischen Insiders beobachten kOnnen, kommt es in dem Modell zum vollstSndigen Informationstransfer, wobei Allokationseffizienz dabei nicht erreicht wird, weil der Insider die Menge aus Glaubwttrdigkeitsgrunden starker als im Allokationsoptimum anpassen muss. Vgl. hierzu auch NOTH (1996), S. 2. Vgl. GRAHAM/DODD (1934), GRAHAM/DODD/COTTLE ( 1 % 2 ) .
45
kunftigen, erwarteten Dividenden und Zinssatzen nach dem Dividend-DiscountModell bewerten. MARKOWITZ (1952) berucksichtigt explizit Rendite und Risiko eines Portfolios.^" Ausgehend von einem Anleger, der seinen Erwartungsnutzen entsprechend dem Bemoulli-Prinzip maximieren will, wird die Risikoeinstellung eines Investors bei seiner Selektions- und Handlungsentscheidung berucksichtigt, wobei die Varianz bzw. Standardabweichung als MaB des Risikos gilt.^^^ MARKOWITZ (1952) kann den Entscheidungsraum auf die Menge der effizienten Portfolios reduzieren, indem sich mit
der
Kombination
von
mindestens
zwei
Verm5gensgegenstanden
ein
Diversifikationseffekt herbeifuhren lasst, wenn die Vermogensgegenstande nicht perfekt miteinander korreliert sind. Dieser Diversifikationseffekt
reduziert das
Portfoliorisiko auf ein geringeres MaB als das Risiko des Vermogensgegenstandes mit dem geringsten Risiko. ^^^ Die Art der Nutzenfunktion bestimmt die PrSferenz des Anlegers beziiglich Rendite und Risiko. In Abhangigkeit der individuellen Risikoeinstellung lasst sich fiir jeden Marktteilnehmer entsprechend das optimale Portfolio bestimmen. Ein Portfolio wird dabei als efFizient bezeichnet, wenn kein weiteres Portfolio existiert, das bei gleicher erwarteter Rendite ein geringeres Risiko, bei gleichem Risiko eine h5here erwartete Rendite oder bei hoherer erwarteter Rendite ein geringeres Risiko aufweist. Mit den Annahmen der Portfoliotheorie und unter den obigen Bedingungen ISsst sich der Entscheidungsraum fiir die Investition damit anhand von zwei Parametem auf die Menge der effizienten Portfolios reduzieren. Das von SHARPE (1964), LINTNER (1969) und MOSSIN (1966) entwickelte CAPM baut auf der Portfoliotheorie nach MARKOWITZ (1952) auf und erweitert mit der Einfiihrung einer risikolosen Anlagemoglichkeit den Anlageraum. Marktteilnehmer kSnnen zu einem risikolosen Zinssatz unbeschrSnkt Geld anlegen oder aufnehmen. Das CAPM trifft verschiedene Annahmen, u.a., dass Marktteilnehmer durch ihre individuellen Kauf- bzw. Verkaufsentscheidungen keinen Einfluss auf die Wertpapierpreise haben (Preisnehmer), dass Marktteilnehmer homogene Erwartungen besitzen und dass ftir sie ein gemeinsamer Zeithorizont gilt. Damit ergeben sich fiir alle Marktteilnehmer identische InvestitionsmSglichkeiten in die jeweils gleiche Menge )Li-a-dominanter
Vgl. MARKOWITZ (1952), S. 77.
Vgl. MARKOWITZ (1987), S. 52-56. Vgl. PERRIDON/STEINER (2003), S. 261, STEINER/BRUNS (2002), S. 9. Mit weiteren VermOgensgegenstanden wird der Diversifikationsgrad erhdht, wodurch das Portfoliorisiko weiter sinkt.
46
Portfolios^^^ und die Marktteilnehmer konnen sich hinsichtlich ihrer Portfoliozusammensetzung
nur
noch
in
ihrer
Risikobereitschaft
unterscheiden.
Im
Gleichgewicht setzen sie jeweils ein individuelles Portfolio zusammen, das sich aus einem Anteil am Marktportfolio und der Anlage bzw. Verschuldung zu einem risikolosen Zinssatz ergibt. Damit erm5glicht das CAPM die Darstellung der Struktur individueller und riskanter Wertpapierportfolios unabhSngig vom investierten Kapital und von der RisikoprSferenz der Marktteilnehmer. Anhand des CAPM kann systematisches
und bewertungsrelevantes
Risiko
von
unsystematischem
und
bewertungsirrelevantem Risiko unterschieden werden: Das systematische Risiko bzw. Marktrisiko iSsst sich nicht weiter diversifizieren, wShrend das unsystematische, untemehmenspezifische Risiko durch Portfoliobildung vemichtet werden kann. Der Betafaktor>8 misst dabei den Risikobeitrag eines einzelnen Wertpapiers zum Portfolio. Er berechnet sich als die Kovarianz der Rendite eines Wertpapiers mit der Rendite des Marktportfolios, geteilt durch die Varianz der Marktrendite.^^^ Die erwartete Gesamtrendite eines Titels setzt sich entsprechend aus einer reinen ZeitprSmie, dem risikolosen Zins, und einer Risikopramie, die linear von der erwarteten Rendite des Marktportfolios, dem risikolosen Zins und dem Betafaktor abhMngt, zusammen. Das Grundmodell des CAPM erflihr im Laufe der Zeit insbesondere aufgrund seiner restriktiven Annahmen Weiterentwicklungen. BLACK (1972) verzichtet auf die risikolose Anlagemoglichkeit, da er diese in der Realitat nicht gegeben sieht.'^^ LiNTNER (1969) kann zeigen, dass sich die zentralen Ergebnisse des CAPM auch bei heterogenen Erwartungen der Marktteilnehmer nicht andem, wobei allerdings die Separationseigenschaft verloren geht.^^^ MERTON (1973) erweitert das statische, einperiodige CAPM zu einem Mehrperiodenmodell.^^ SHARPE (1977) zeigt, dass sich die im Betafaktor aggregiert erfassten Risikoquellen auch differenzierter darstellen
EVANS/ARCHER (1968) zeigen, dass das unsystematische Risiko mit 12 bis 18 Wertpapieren im Portfolio nahezu ausgeschlossen wdrden kann. Vgl. EVANS/ARCHER(1968), S. 761-767. Das Marktrisiko ist auf A = l normiert. 1st fi grOBer als eins, beinhaltet der VermCgensgegenstand mehr systematisches Risiko, weshalb eine hOhere Risikopramie verlangt wird. \sXfi kleiner als eins, wird dementsprechend eine geringere Risikopramie gefordert. Vgl. BLACK (1972), S. 444-455. Vgl. LINTNER (1969), S. 347-400. Vgl. MERTON (1973), S. 867-888.
47
lassen.^^^ Das Multi-Beta CAPM schlieBlich bildet okonomische Risikofaktoren durch geeignete Kombinationen aus Wertpapieren nach.^^ Empirisch konnte das CAPM bislang letztlich weder bestatigt noch eindeutig widerlegt werden.^^^ Hinsichtlich der Uberpriifbarkeit erweist sich u.a. die Abbildung des Marktportfolios als problematisch, das den alleinigen Einflussfaktor auf die Preise darstellt.^^^ Tests des CAPM kommen insgesamt zu unterschiedlichen Ergebnissen, wobei in jiingerer Zeit eher ablehnende Ergebnisse uberwiegen. Es treten Effekte auf, die im Widerspruch zum CAPM stehen. Modellparameter, insbesondere das fi, verhalten sich nicht konstant im Zeitablauf,^^^ und dem CAPM wird oft die Eindimensionalitat der Risikobetrachtung vorgeworfen.^^^
3.1.3 Neuere ForschungsansStze Zahlreiche
zu
beobachtende
Wertpapiermarkten
lassen
sich
Phanomene auf Basis
und
Gegebenheiten
der Modelle
eines
an
realen
vollkommenen
Kapitalmarktes schwer bzw. nicht erklaren. Diese PhSnomene werden dann als Anomalien bezeichnet.*^^ Innerhalb der neueren finanzierungstheoretischen AnsStze^^^
'^^ Vgl. SHARPE (1977), S. 127-135. Eine detaillierte Modellableitung findet sich bei NOWAK (1994). *^ Dabei wird allerdings eine perfekt positiv korrelierte Rendite der Wertpapierkombinationen mil dem Risikofaktor vorausgesetzt. Die erwartete Rendite einer Anlage ergibt sich dann aus der Addition des Zinssatzes der risikofreien Anlage mit den verschiedenen Faktorrisikopramien. '^^ In diesem Zusammenhang steht das Joint-Hypothesis-Problem, dass festgestellte Kursanomalien nicht zwangslaufig auf Informationsineffizienz zuriickgefiihrt werden mussen, sondem auch mit der Anwendung eines falsch spezifizierten Renditeerwartungsmodells erklart werden k6nnen. Jeder Test der EfFizienzhypothese impliziert auch einen Test des verwendeten Renditeerwartungsmodells. Im Falle von nicht erklarbaren Renditen ist nicht entscheidbar, welche Hypothese falsch ist. Vgl. die Ausfiihrungen vom bzw. BALL (1989), S. 41. ^^ Das Marktportfolio wird im Rahmen von empirischen Tests approximativ durch einen Index erfasst. Als Marktportfolio wird oftmals ein breiter Aktienindex, wie z.B. der CDAX oder S&P 500 verwendet. '^^ Eine Reihe empirischer Untersuchungen zum Beta-Faktor j5 haben nachgewiesen, dass zusatzlich weitere Einflussfaktoren existieren. ^^° Vgl. beispielsweise BEAVER/KETTLER/SCHOLES (1970), FAMA/FRENCH (1992), FAMA/FRENCH
(1993), FAMA/FRENCH (1995). '^' Vgl. hierzu auch LOISTL (1994). *^^ Zur Entwicklung der neueren finanzierungstheoretischen Ansatze hat maBgeblich die theoretische Fundierung aus der Neuen Institutionendkonomik beigetragen. Fur einen Uberblick vgl. RICHTER( 1998). 48
werden fur eine Erklarung solcher Anomalien die Markt- und Rationalitatsvorstellungen der Neoklassik verlassen und es wird von der Annahme abgegangen, dass sich alle Teilnehmer vollkommen rational verhalten und alle die gleichen Informationsstande besitzen. Das Konzept der „Full Rationality" wird gegen das der „Bounded Rationality" getauscht. Zum Gegenstand der Betrachtungen werden Informationsaufnahme,
Informationsverarbeitung
und
Erwartungsbildung
von
Entscheidem. Wertpapierkurse resultieren aus den Anlageentscheidungen der Marktteilnehmer, die weder uber homogene Informationen noch uber homogene Erwartungen verfiigen. Marktprozesse werden nicht mehr nur als reiner Tauschakt begriffen, sondem anhand der dahinter stehenden Einigungs- und folgenden Kooperationsprozesse betrachtet. Es wird die These vertreten, dass die „...einzelnen B5rsenanleger
selbst angesichts
homogener
Informationen
heterogene Kurs-
erwartungen auBem, und nur in sehr beschranktem Umfang in der Lage oder bestrebt sind, die ihnen angebotenen Informationen theoriekonform zu vertreten." ^^^ Die Analyse des tats^chlichen Entscheidungsverhaltens der Marktteilnehmer auf Individualebene steht insbesondere bei Untersuchungen im Bereich der Behavioral Finance im Vordergrund, beispielsweise stellt die Erforschung des Anlegerverhaltens an Wertpapiermarkten mit dem Nachweis des Dispositionseffektes eine solche Analyse dar.^^"* Auf Marktebene werden die komplexen ZusammenhMnge des individuellen Entscheidungsverhaltens unterschiedlicher Marktteilnehmer vor allem im Rahmen der ForschungsansStze Gegeniiber
den
der Marktmikrostrukturtheorie
Gleichgewichtsmodellen
bei
rationalen
behandelt.
Erwartungen
und
vollkommenem Wettbewerb werden im Rahmen dieser Ansatze die Handelsmechanismen von MSrkten explizit modelliert. Anhand der modelltheoretischen Analyse, empirischer Studien sowie mit Hilfe von Experimenten wird versucht, die von Friktionen und asymmetrischen Informationsverteilungen ausgehenden Effekte auf die Preisbildung an Wertpapiermarkten nMher zu beschreiben und zu erkl^en. Es
GERKE(1990XS. 146.
Der Dispositionsefifekt bezeichnet die Neigung von Anlegem, Wertpapiere eher zu verkaufen, wenn seit dem Einstieg Kursgewinne erzielt wurden und sie eher zu halten, wenn Kursverluste entstanden sind. Im Hinblick auf die Maximierung des zukunftigen Ertrages ist ein solches Verhalten irrational. Der Dispositionseffekt lasst sich in Ubereinstimmung mit der Prospect Theory nach KAHNEMANN/TVERSKY (1979) dadurch erklaren, dass Anleger ihre Gewinne und Verluste von einem Referenzpunkt aus beurteilen. Vgl. GERKE/BIENERT (1993). Auch WEBER/CAMERER (1991) und Gerke/Bienert (1993) weisen den Dispositionseffekt in einem kapitalmarktnahen Entscheidungsexperiment nach. Fur einen Uberblick zu Ansatzen der Behavioral Finance siehe beispielsweise SELTEN (1990).
49
gilt die These, dass Wertpapierkurse nur das Endergebnis einer Vielzahl von Vor- und Teilentscheidungen sind und von rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen beeinflusst werden.^^^ Entsprechend spielen EfFizienzkriterien zur Beurteilung der Qualitat von Wertpapiermarkten in Hinblick auf die spezifische Ausgestaltung einer Marktorganisation eine wesentliche Rolle.
3.2 Marktmikrostnikturforschung in Theorie und Experiment
3.2.1 Effizienzkriterien fiir WertpapiermHrkte Grundlegend fiir die Betrachtungen der Prozesse auf Marktebene stellt die Allokationseffizienz das zentrale Kriterium fiir die Beurteilung der LeistungsMiigkeit eines Marktes dar.'^^ Ein Markt ist im Ideal allokationseffizient, wenn die Preise der gehandelten Wertpapiere zu jedem Zeitpunkt den sachlich rationalen Preisen entsprechen. Diese sind sachlich rational, wenn sie den dem Besitzer des Wertpapiers zufliefienden, geeignet abdiskontierten kunftigen Zahlungen entsprechen und sich sSmtliche Informationen im Markt Uber diese kunftigen Zahlungen unverziiglich und auf rationale Weise in den Kursen niederschlagen. Bei der Allokationseffizienz handelt es sich damit urn ein mehrdimensionales Merkmal. GERKE/RAPP (1994)
unterscheiden als Determinanten fiir die Bestimmung der Allokationseffizienz eines Marktes auf oberer Ebene die Bewertungs-, Informations-, und Preisbildungseffizienz, auf einer unteren Ebene Kosten- und Abwicklungseffizienz.' ^^
Vgl. GERKE (1990), S. 151.
„To an economist, efficiency of the market has a simple meaning: The allocation of resources generated by the market is said to be efficient (pareto optimal) if there does not exist an alternative feasible resource allocation which can make some individual better off without making someone else worse off" STIGLITZ (1981), S. 235, Vgl. GERKE/RAPP (1994), S. 10 f, TINICAVEST(1979),S.94. Weitere Ansatze zur Bestimmung der Allokationseffizienz in der Literatur umfassen in der Regel ebenfalls Informationsprozess- und Transaktionsprozessaspekte und differieren hauptsachlich in ihrer defmitorischen Breite. WEST (1975) unterscheidet „Extemal Efficiency" und „Intemal Efficiency" eines Marktes. „Extemal Efficiency" bezeichnet dabei die Fahigkeit eines Marktes, dass Preise zugangliche Informationen vollstandig widerspiegeln. „Intemal Efficiency" bezieht sich auf die Bereitstellung der Serviceleistung des Marktes gegenOber Kaufem und Verkaufem zu geringstmOglichen Kosten. Neben diesen existieren weitere Defmitionen von Effizienzkriterien,
50
Ausgehend von dem Qualitatsmerkmal der Liquiditat eines Marktes als Fahigkeit, Orderungleichgewichte m5glichst rasch und bei geringer Veranderung der Marktpreise zu absorbieren/^^ verstehen GERKE/RAPP (1994) unter Bewertungseffizienz die Giite der Widerspiegelung der fundamentalen wirtschaftlichen Faktoren in den Kursen, bezogen
auf
die
Informationen.^^^
vollstMndige Die
und
korrekte
Differenzierung
und
Verarbeitung der
aller
relevanten
Zusammenhang
zwischen
Informations- und Bewertungseffizienz lasst sich folgendermaBen beschreiben: Wenn die Kurse alle Informationen
zu jedem Zeitpunkt vollstandig und richtig
widerspiegeln, und als bestmogliciie Schatzer fiir die abdiskontierten zukiinftigen Dividenden verwendet werden kSnnen, ist ein informationseffizienter Markt auch bewertungsefflzient. TOBIN (1984) differenziert zwischen Informationseffizienz (Information-ArbitrageEfficiency) und Bewertungseffizienz
(Fundamental-Valuation-Efficiency).^^^ Ein
Markt ist informationseffizient, wenn systematische Oberrenditen auf der Basis der verfugbaren Informationen ausgeschlossen sind. D.h., die in einem Markt enthaltene Informationsmenge ist hinsichtlich der Informationseffizienz richtig widergespiegelt, wenn die Preise denen entsprechen, die sich an einem vollkommenen Markt mit vollstMndiger
Information
uber
die
Informationsmenge
und
vollstSndige
Ubereinstimmung uber die Preisanderungsimplikationen bilden wiirden. Bewertungseffizienz liegt dabei vor, wenn die Kurse von Wertpapieren den Barwerten ihrer verbrieften kunftigen Zahlungen entsprechen, also Kurse und entsprechende Fundamentalwerte ubereinstimmen.^*^ Kurse reagieren in einem bewertungseffizienten
beispielsweise bei UHLIR (1990) sowie bei BORTENLANGER (1996). Fur eine Gegenuberstellung ausgewahlter Ansatze und Effizienzkriterien vgl. auch BOOK (2001), S. 79 f '^^ Ein Wertpapier ist liquide, „...wenn es jederzeit sofort in kleinen oder grofien Mengen ohne nennenswerten Aufschlag oder Abschlag zum marktgerechten Kurs gekauft oder verkauft werden kann." SCHMIDT/IVERSEN (1991), S. 210. Vgl. zu Liquiditatsdefinitionen beispielsweise O'HARA (1995), S. 216. '^^ Vgl. GERKE/RAPP (1994), S. 12.
'^ Vgl. hierzu und den folgenden Ausftihrungen FAMA (1976), S.133 ff. sowie BIENERT (1996), S. 25 ff. 181
Vgl. beispielsweise GERKE/RAPP (1994), S.12. BIENERT (1996) verdeutlicht anhand eines Beispiels, dass Fundamentalwerte, die an einem bewertungseffizienten Markt mit den Kursen ubereinstimmen, ftir Marktteilnehmer auch bei homogenen Informationen abhangig von ihren unterschiedlichen Grenzsteuersatzen auf Ausschattungen und Gegenwartspraferenzen (Abzinsungsraten) variieren kOnnen, so dass der Fundamentalwert dann einem minimal arbitragefreien Preis entspricht. Verfugen die Marktteilnehmer zusatzlich uber einen heterogenen Informationsstand hinsichtlich der tatsachlichen zukunftigen Ausschattungen, muss fiir eine Bestimmung des Fundamentalwerts vorher noch eine Schatzung der zukunftigen Ausschuttungs-
51
Markt
auf neue
Informationen
unverziiglich,
so
dass
auch
uninformierte
Marktteilnehmer die „wahren" Kurse jederzeit sehen k5nnen und vor Fehlbewertungen geschutzt sind.^*^ Entsprechend fordert der Begriff der Bewertungseffizienz einen festen Zusammenhang zwischen gegenwartigen Preisen und zukiinftigen Ausschiittungen, wahrend der der Informationseffizienz lediglich den Zusammenhang zwischen gegenwSrtigen und zukunftigen Preisen beschreibt. Damit handelt es sich bei Informationseffizienz zwar um eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung fiir Allokationseffizienz.^^^ Bewertungseffizienz impliziert auch Arbitragefreiheit in dem Sinn, dass sich die Marktpreise fiir homogene Handelsobjekte an unterschiedlichen HandelsplStzen weitestgehend entsprechen. Damit bezeichnet Bewertungseffizienz auch die Fahigkeit der Kurse, geeignete Signale hinsichtlich der Ressourcenallokationen widerzuspiegeln. Wenn in einem bewertungseffizienten Markt ftir alle Marktteilnehmer Abzinsungsrate und Ausschuttungen iibereinstimmen, dann ergibt sich ftir alle der gleiche „wahre" Wert eines Wertpapiers (Fundamentalwert). Falls sich jedoch Abzinsungsraten und Ausschuttungen individuell unterscheiden, dann variieren auch die Fundamentalwerte fiir die jeweiligen Marktteilnehmer. Fur Marktteilnehmer ergeben sich bei heterogener Ausgangssituation oder aufgrund unterschiedlicher Informationsstande hinsichtlich der zukunftigen Ausschuttungen eines Gutes dann entsprechend
unterschiedliche
Fundamentalwerte.'^"^ Marktteilnehmer mit einer hSheren GegenwartsprSferenz und einem hoheren Grenzsteuersatz der Ausschuttungen werden ein Gut aufgrund einer hSheren individuellen Abzinsungsrate niedriger bewerten als andere Marktteilnehmer. Die unterschiedlichen individuellen Bewertungen fiihren in Aggregation zum Fundamentalwert des entsprechenden Gutes, wobei der Fundamentalwert des Guts
verlaufe und ein Schatzung der Unsicherheit der aggregierten Informationen uber alle Marktteilnehmer herangezogen werden. Bei der Bestimmung des Fundamentalwertes handelt es sich demnach um komplexe Kombinationen aus Informationen und Praferenzen von Marktteilnehmem und der Bewertungseffizienz wurde es widersprechen, wenn Kurse durch nichtfundamentale Einflussfaktoren beeinflusst wurden und wenn einzelne Marktteilnehmer in der Lage waren, Differenzen zwischen dem Kurs und dem Fundamentalwert zu erkennen. Vgl. BlENERT(1996),S.20ff. Vgl. TOBIN (1984), und BlENERT (1996), S.24. Vgl. BlENERT (1996), S.28. BlENERTS (1996) Ausftihrungen verdeutlichen, dass auch ein Markt, der jede fundamentale Information vemachlassigt, informationseffizient sein kann, da in die formale Definition der Informationseffizienz nicht die Abhangigkeit der Preise von Informationen, sondem die Unabhangigkeit der Preisanderung von bereits bekannten Informationen einfliefit. Vgl. BlENERT (1996), S. 20.
52
iiber den individuellen Bewertungen liegen kann.^^^ Wenn Marktteilnehmer unterschiedliche Informationsstande liber zukiinftige Ausschiittungen in einzelnen Perioden besitzen und diese Fundamentalfaktoren mit Unsicherheit behaftet sind, dann spiegelt der Fundamentalwert die aggregierte Information sowie die verbleibende Unsicherheit wider, ^^^ wobei sich der aus heterogenen Fundamentalfaktoren ergebende Fundamentalwert dann auch als minimaler arbitragefreier Preis bezeichnen l^sst. In einem bewertungseffizienten
Merkt existieren entsprechend keine Arbitrage-
mQglichkeiten, da alle bewertungsrelevanten Informationen vollstSndig und korrekt verarbeitet sind. 1st ein SekundSrmarkt in diesem Sinne bewertungseffizient, dann trSgt er durch die Signalwirkung der Preise auch zur Allokation auf dem Primarmarkt bei.^^^ Die Differenzierung in Bewertungs- und Informationseffizienz verdeutlicht, dass die zentrale Aufgabe bei der Ausgestaltung von MSrkten in der mSglichst weitgehenden Umsetzung von Informationseffizienz besteht. Marktrelevante Informationen sollten alien Teilnehmem schnell und vollstandig in moglichst gleichartiger Qualitat zur Verftigung stehen, so dass die Teilnehmer die Informationen direkt in Form von Transaktionen am Markt umsetzen kSnnen.^^^ Informationseffizienz, verstanden als die grSBtmogliche Anpassungsgeschwindigkeit und -qualitSt der Preise hinsichtlich neuer bewertungsrelevanter Informationen kann dabei nach GERKE/RAPP (1994) genauer in Anpassungseffizienz als Informationseffizienz eines Marktes in der strengen Form im Sinne von FAMA (1970) und Aggregationseffizienz unterschieden werden.^^^ Die Aggregationseffizienz meint hierbei die FMhigkeit des Marktes, im Idealfall Partialinformationen der Marktteilnehmer so aggregieren zu k5nnen, dass Marktpreise entstehen, die entstehen wurden, wenn jeder Marktteilnehmer uber die Gesamtheit aller Informationen verfiigen wiirde. Die Aggregation der Information bildet dabei einen temporSreren Prozess.^^^ Weiter bezeichnet die Preisbildungs-
Vgl. BlENERT (1996), S. 21. In einer Beispielrechnung werden dort exemplarisch die Auswirkungen heterogener Fundamentalfaktoren auf den Fundamentalwert dargestellt. In experimentellen BGrsenmarkten kOnnen heterogene Fundamentalfaktoren mit unsicheren zukunftigen Auszahlungen generiert werden. 1st den Marktteilnehmem der Fundamentalwert der Aktien bekannt, lassen sich Aussagen uber die Bewertungseffizienz des Marktes treffen. Derartige Beobachtungen sind auf realen Markten mangels bekannter Fundamentalwerte nicht mOglich. Vgl FIGLEWSKI (1978), S. 582. Vgl. GERKE/RAPP (1994), S. 12.
Vgl. GERKE/RAPP (1994) sowie RUBINSTEIN (1974). Die Anpassungseffizienz entspricht der Informationseffizienz im Sinne der Definition von FAMA (1970). Vgl. GERKE/RAPP (1994), S. 12, RUBINSTEIN (1974), S. 225-244, FRENCH/ROLL (1986).
53
effizienz die geringstmogliche Volatilitat der Preise bei nicht informationsinduzierten Transaktionen am Markt und Abwicklungseffizienz schlieBlich eine mSglichst schnelle Ausfiihrung der Transaktionen unter groBtmoglicher technischer Sicherheit.^^^ BlENERT (1996) fasst Preisbildungs-, Kosten- und Abwicklungseffizienz unter dem Begriff der operativen bzw. intemen Effizienz zusammen. Neben expliziten und impliziten Transaktionskosten beinhaltet die operative Effizienz auch die Kosten des sofortigen Abschlusses. In Anlehnung an TOBIN (1984) kann BlENERT (1996) eine komplementare, hierarchische Ordnung der Effizienzbegriffe Allokationseffizienz, Bewertungseffizienz, Entsprechend
diesem
Bewertungseffizienz
Informationseffizienz Ansatz
setzt
sowie operative Effizienz
Allokationseffizienz
Informationseffizienz
und
ableiten.
Bewertungseffizienz,
Informationseffizienz
operative
Effizienz voraus:^^^ Die hierarchische Ordnung zwischen den Effizienzbegriffen unterstreicht die wesentliche Bedeutung der operativen Effizienz
fur einen
Borsenmarkt; die operativ effiziente Ausgestaltung des Marktmodells kann als grundlegende Voraussetzung fur das Erreichen jeder weiteren Effizienzstufe betrachtet werden. '^^ Operative Effizienz wird neben einer innovationsfreundlichen Marktbeschaffenheit mit moglichst freiem Marktzugang und Markttransparenz im Sinne einer hohen Qualitat und Quantitat der zuganglichen Informationen vor allem beobachtbartiberdie Hohe der Transaktionskosten und die vorhandene LiquiditSt.^^"^
Als weitere Determinanten dieses Marktmodells lassen sich Transaktionskosten, Transaktionsgeschwindigkeit und Transaktionssicherheit sowie Zuverlassigkeit, Fairness, Transparenz und ein moglichst oflfen gestalteter Marktzutritt nennen, vgl. GERKE/RAPP (1994), S. 11 flf. Der Zusammenhang gilt in der gegensatzlichen Richtung nicht. BlENERT (1996) veranschaulicht den Zusammenhang mit folgender Metapher: „Ein Schiff, das eine wertvolle Ladung an ihren Bestimmungsort bringen soil (Allokationsaufgabe), mu6 mfiglichst stets den richtigen Kompasskurs steuem (Bewertungseffizienz). Die Kursanderungen sollten vorausschauend genug erfolgen, dass ein gleichschnelles zweites Schiff nicht ,abkurzen' konnte (Informationseffizienz). Und schlieBlich ware es zu begruBen, wenn ein funktionsfkhiges Steuerungssystem der Mannschaft erlaubt, Kursanderungen schnell und zuverlassig durchzufuhren (Operative Effizienz). 1st die Mannschaft jedoch betrunken, stellt das reaktionsschnelle Steuerungssystem eher einen Nachteil dar. Benutzt sie die falschen Seekarten, tragt auch entschlossenes Geradeausfahren nicht zum Erreichen des Zielhafens bei." BlENERT (1996), S. 33. Vgl. hierzu auch GOMBER (2000), S. 15. Vgl. zu den Qualitatskriterien GERKE/AIGNESBERGER (1987) sowie GERKE (1991). Vgl. dazu auch THEISSEN (1998b), S. 45-48, der einen Uberblick uber verschiedene in der Literatur vorgeschlagene Qualitatskriterien liefert.
54
Abbildung 1: Effizienzhierarchie
Bei der Abwicklung von Handelsaktivitaten entstehen Transaktionskosten, da heterogene Marktteilnehmer in der Regel uber heterogene Informationsstande beziiglich der zu handelnden Titel verfiigen. Der Unterschied in den Informationsstanden der Marktteilnehmer kann sich dabei sowohl auf die Qualitatsmerkmale der gehandelten Wertpapiere als auch auf deren Erwartungen hinsichtlich der zuktinfligen Wertver^derungen dieser Wertpapiere beziehen, so dass fur Marktteilnehmer beim Handel von Wertpapieren regelmSBig Informations- und Entscheidungskosten entstehen. An Borsenmarkten werden mit Qualit^tsnormen wie Zulassungsbestimmungen, Standardisierungsvorschriften oder Regulierung hinsichtlich eines weitgehend fairen Handels (Insiderhandelsverbot) sowie Verpflichtungen zur
55
regelmafiigen Veroffentlichung von Informationen (Ad-hoc Publizitat) Bedingungen geschaffen, die Informationskosten moglichst reduzieren. Als explizite Kosten werden Kostenkomponenten bezeichnet, die sich in Transaktionsgebuhren, Provisionen oder auch in Transaktionssteuem niederschlagen.^^^ Explizite Transaktionskosten sind exakt im Voraus bestimmbar.'^ Generell erhSht eine Reduktion der expliziten Kostenkomponente die Handelsbereitschaft von Marktteilnehmem und kann die Liquiditat einer Wertpapierborse beeinflussen, wenn die Handelsaktivitaten an diesem Wertpapiermarkt relativ zu anderen Marktplatzen mit hoheren expliziten Transaktionskosten tendenziell zunehmen.^^^ Implizite Transaktionskosten lassen sich definieren iiber die verbleibende Kostenkomponente, die sich mit Abzug der expliziten Transaktionskosten aus der Differenz zwischen einem realisierten Kurs und dem fiktiven Kurs bei einer Marktorganisation ohne Marktfriktionen ergeben wiirde. Implizite Transaktionskosten werden anhand der Geld-Brief-Spanne gemessen. Anhand der impliziten Kosten lasst sich auf die Liquiditat eines Wertpapiertitels in einem Wertpapiermarkt schlieBen. Umso geringer sich die Geld-Brief-Spanne in einem Titel darstellt, umso liquider ist c.p. der Handel in diesem Wertpapiertitel. Defmitionen des LiquiditStsbegriffs erfolgen in der Literatur mehrdimensional und beinhalten regelmSBig eine Bezugnahme auf die Preis- bzw. Kosten-, Mengen- und Zeitdimension der Liquiditat. ^^^ Es ergeben sich die folgenden Dimensionen der Liquiditat:^^^ •
Markttiefe (Market Depth): Man bezeichnet einen Markt als tief, wenn Kaufund Verkaufsauftrage vorliegen, die sehr nahe am gegenwMrtigen Marktpreis liegen. An einem tiefen Markt sind die Geld-Brief-Spannen eng.
Vgl. GERKE/RAPP (1994), S. 12. Vgl. DEMSETZ (1968), S.35, SCHWARTZ (1991), S. 124.
Vgi.GERKE(1991),S. 9. Vgl. auch LUDECKE (1996), S. 22. Vgl. fur verschiedene Defmitionen BLACK (1972), SCHREIBER/SCHWARTZ (1985), SCHWARTZ (1991), HARRIS (1990), GERKE/RASCH (1992). Die hier vorgestellten Definitionsmerkmale orientieren sich an SCHWARTZ (1991), S. 127. Oftmals wird versucht, Liquiditat uber das Umsatzvolumen von Wertpapieren approximativ zu messen. Vgl. ftir eine Ubersicht uber die Literatur KARPOFF (1987).
56
•
Marktbreite (Market Breadth): Bei einem breiten Markt liegen Kauf- und Verkaufsauftrage an der Orderbuchspitze in einem hohen Auftragsvolumen vor. Zusatzliche Orders k5nnen nah am aktuellen Marktpreis ausgefuhrt werden.
•
MarkterholungsMiigkeit (Market Resiliency): 1st ein Markt erholungsfahig, dann entsteht nach PreisSnderungen aufgrund temporSrer Orderungleichgewichte schnell wieder ein Marktgleichgewicht mit ausreichender Markttiefe und -breite.
•
Sofortigkeit (Immediacy): Ein Markt besitzt das Merkmal der Sofortigkeit, wenn ein Auftrag ohne nennenswerte VerzSgerungen bei ausreichender Markttiefe und -breite ausgefuhrt werden kann.
Mit den unterschiedlichen Dimensionen existieren entsprechend verschiedene Methoden zur Messung der Liquiditat.^^ Grundlegend ergibt sich die Liquiditat eines Marktes aus der Anzahl der Auftrage und Transaktionen in diesem Markt.^°^ Als zentrales MaB fiir die Liquiditat eines Marktes wird in der Literatur die expiizite GeldBrief-Spanne angefiihrt.^^^ Die Spanne entspricht den Kosten, die einem Marktteilnehmer bei einem An- und direkt anschlieBendem Verkauf (Roundtrip) in einem Wertpapier entstehen wurden. Mit der Annahme, dass der Mittelwert zwischen dem Geld- und dem Briefkurs dem Wert des Wertpapiers entspricht, gibt die Haifte der Geld-Brief-Spanne die Kosten eines sofortigen Abschlusses wieder.^^^ Ein mit der Liquiditat direkt in Beziehung stehendes Effizienzkriterium ist das der Volatilitat. Die VolatilitSt beobachtet die Veranderungen der Kurse, wenn keine neuen Informationen in den Markt kommen und steht damit in inverser Beziehung zur Liquiditat.^^ Fiir die so genannte Uberschussvolatilitat gilt: Je niedriger die Uberschussvolatilitat in einem Markt, desto attraktiver ist der Markt fiir den Teilnehmer, da fiir ihn mit einer niedrigen Volatilitat ein niedriges Kursrisiko einhergeht. Vgl. B R U N N E R ( 1 9 9 6 ) , THEISSEN (1998a), S. 191-227. Zwar stellt die Anzahl Transaktionen ein MaB der Vergangenheit dar, allerdings setzt eine generell hohe Anzahl Transaktionen eine gewisse Liquiditat im Markt voraus. Vgl. OESTERHELWEG/SCHIERECK (1993), S. 382. Kennzahlen zur Messung der Liquiditat werden detaillierter in Kapitel 4.3.4.7 dieser Arbeit behandelt. GOMBER/SCHWEICKERT (2002) beschreiben einen Ansatz, indem die tatsachlichen Ausfiihrungskosten bei grOBeren Orders berticksichtigt werden. Ein Vergleich altemativer Methoden der Liquiditatsmessung fmdet sich in AiTKEN/COMERTONS-FORDE (2003). Je hOher die Liquiditat ist, desto niedriger ist die Volatilitat.
57
3.2.2 Themen der Marktmikrostrukturforschung Anhand der Interpretation der Geld-Brief-Spanne als wesentliche Komponente der Transaktionskosten im Zusammenhang mit der Annahme symmetrisch oder asymmetrisch verteilter Informationen in einem Markt lassen sich Forschungsarbeiten innerhalb des Zweiges der Marktmikrostrukturtheorie grundlegend in zwei Kategorien einordnen:^°^
Insbesondere
friihe
Arbeiten
unterstellen
eine
symmetrische
Informationsverteilung unter den Marktteilnehmem, jungere demgegenliber eher asymmetrisch verteilte Informationen.^°^ DEMSETZ (1968) kann mit dem Hinweis auf die Bedeutung der Zeitkomponente bei der Zusammenfiihrung von Angebot und Nachfrage - abweichend von der Idee des walrasianischen Auktionators^^^ - die Existenz impliziter Transaktionskosten in einem Markt mit der Oberlegung begrunden, dass Auftrage nur dann direkt zusammengefiihrt werden konnen, wenn korrespondierende Auftrage zur gleichen Zeit eintreffen. Aus dem Wunsch nach Sofortigkeit ergeben sich Kosten des Handelns in Hohe der Halfte der Geld-Brief-Spanne. Mit seiner Annahme symmetrischer Informationsverteilung kann
die
Geld-Brief-Spanne
nicht
aus
einer
Kompensation
moglicher
Informationsnachteile resultieren, vielmehr wird sie in diesem Fall als Entgelt interpretiert, das der Market Makerftirseine Dienstleistung verlangt. Wird asymmetrische Informationsverteilung unterstellt, lasst sich die Geld-BriefSpanne als Kompensation ftir das Risiko des Market Maker interpretieren, mit Insidem zu handeln. BAGEHOT (1971) ubertragt den Grundgedanken der Adverse Selection auf den Aktienmarkt und erklart die Geld-Brief-Spanne anhand der Existenz von Informationsasymmetrien.^^^
Vgl. hierzu beispielsweise LUDECKE (1996). Vgl. HiRTH (2000), der ein Modell zur Bedeutung der Handelsfrequenz in einem Markt auf Basis symmetrischer Informationen und das Modell von KYLE (1985) unter asymmetrischen Informationen mit Unsicherheit uber den Zeitpunkt der AuflGsung der Asymmetrie erweitert, Vgl. HiRTH (2000), S. 53 fr. Entsprechend der Idee der walrasianischen Auktion stellt ein Auktionator zunachst eine Preisvorgabe, zu der die Marktteilnehmer ihre korrespondierenden Mengenwunsche auBem. Der Vorgang wird mit Preisveranderungen seitens des Auktionators solange wiederholt, bis sich Angebot und Nachfrage vollstandig ausgleichen. Der gefundene Preis stellt als Transaktionspreis ftir alle Marktteilnehmer den theoretischen Gleichgewichtspreis dar, zu dem weder Angebotsnoch Nachfrageuberschuss existiert. Vgl. O'HARA (1995), S. 4. Vgl. zu einer ausfiihrlichen Beschreibung des Modells BosCH (2001).
58
DEMSETZ (1968) sowie BAGEHOT (1971) konnen als fruhe Arbeiten auf Basis unterschiedlicher
Annahmen
iiber
die
Informationsverteilung
unter
den
Marktteilnehmem die Geld-Brief-Spanne an einem Markt und damit die Bedeutung der Ausgestaltung von Marktprotokollen ftir die Effizienz eines Marktes begninden. Inzwischen stellt sich die Literatur zur Theorie der Marktmikrostruktur mit zahlreichen verschiedenen Untersuchungsaspekten weit verzweigt dar. Anhand eines von HiRTH (2000) entliehenen Schemas werden im Folgenden zentrale Themenkreise der Marktmikrostrukturtheorie
anhand
einiger
ausgesuchter
theoretischer
wie
experimenteller Untersuchungen vorgestellt. Damit wird bezweckt, einen Eindruck iiber typische Fragestellungen der Marktmikrostrukturforschung zu gewinnen und anschlieBend den Designraum fiir die experimentelle Webplattform ARTEX anhand eines typisierten Modellaufbaus aus den Untersuchungsfeldem der Marktmikrostrukturforschung heraus zu fundieren. HiRTH (2000) ordnet zentrale Modelle der Marktmikrostrukturtheorie den Themen^^
209
•
Markttransparenz,
•
Anonymitat,
•
Handelsfrequenz,
•
Endogene Handelsstrategie von Insidem,
•
Aggregation heterogener Informationen,
•
Orderbuchsysteme,
•
Preissetzung des Market Makers sowie
•
Market-Maker-Systeme versus Auktionen zu.
Bei dieser Zuordnung handelt es sich weder urn eine hierarchische, vollstandige, noch uberschneidungsfreie Struktur. Vgl. zu der hier dargestellten Strukturierung und zu den folgenden Beschreibungen HiRTH (2000), S. 15 ff.
59
Die Modelle urn „Markttransparenz und Anonymitat"^'° behandeln Fragestellungen der Auswirkung unterschiedlicher Grade des Zugangs der Marktteilnehmer zu marktendogenen Informationen auf das Marktergebnis. Der Transparenzgrad bezieht sich dabei vor allem auf das Wissen um vergangene oder zeitgleiche Auftrage unter Marktteilnehmem oder Intermediaren sowie die Frage um die Anonymitat der Marktteilnehmer. Im Zusammenhang mit der Markttransparenz stehen im Modell von BlAlS (1993) beispielsweise risikoaverse Market Maker mit fixen Marktzutrittskosten in Konkurrenz um den unlimitierten Auftrag eines LiquiditStshandlers. Eine transparente Ausgestaltung des Marktes, in der jeder Market Maker die Preise der anderen Market Maker beobachten kann, wird mit einer intransparenten Ausgestaltung verglichen, in der die Market Maker die Preise der anderen nur schatzen konnen. Im Ergebnis ergeben sich in beiden Fallen zwar gleiche Bids und Asks, auf dem transparenteren
Markt
gehen
innerhalb
dieses
Modells
allerdings
hohere
Schwankungen der Quotes einher. BiAlS (1993) begriindet die hQheren Varianzen auf dem transparenteren Markt damit, dass die Market Maker ihre Preissetzung auf dem transparenteren Markt nicht aufgrund ihrer eigenen Erwartungsbildung, sondem aufgrund der Beobachtung der Preise der anderen Market Maker vomehmen.^^^ Gegeniiber den Ergebnissen im Modell von BlAlS (1993) fiihrt grSfiere Markttransparenz in zahlreichen anderen Untersuchungen zu dieser Thematik zu einer Erhehung der Liquiditat und Reduzierung der Kursvolatilitat.^^^ EASLEY/O'HARA (1991) und MADHAVAN (1996) kSnnen mit ihren Modellen zeigen, dass sich Markttransparenz positiv auf die Informationsefflzienz eines Marktes auswirkt, wobei mit der F6rderung strategischen Verhaltens unter den Marktteilnehmem eine Verschlechterung der Risikoallokation am Markt einhergeht. Indem Transparenz hinsichtlich der Identitat der Marktteilnehmer zur Moglichkeit der Identifizierung der Auftraggeber fiihrt, hSngen Fragestellungen um die Anonymitat der Marktteilnehmer
Vgl. zur Markttransparenz und Anonymitat unter theoretischen Modellen u.a. EASLY/O'HARA (1991), BiAis (1993), MADHAVAN (1995), MADHAVAN (1996), PAGANO/ROELL (1996), zur Transparenz hinsichtlich der Identitat der Marktteilnehmer ROELL (1990), FORSTER/GEORGE (1992), BENVENISTE/MARCUSAVILHELM (1992), FISHMAN/LONGSTAFF (1992) und SARKAR
(1995) sowie zum Sunshine-Trading-Ansatz GROSSMANN (1988) und ADMATI/PFLEIDERER (1991). Sunshine-Trader sind Trader, die ihre Auftrage vorab ankundigen kOnnen und als Uninformierte erkennbar nicht informationsbedingt handeln. Vgl. BIAIS (1993), S. 174. In den Modellen von EASLY/O'HARA (1991), BiAis (1993), MADHAVAN (1995), PAGANO/ROELL (1996)fiihrtTransparenz zu einer ErhOhung der Liquiditat und Reduzierung der Kursvolatilitat. Bei MADHAVAN (1996) hangt die Reduzierung der Kursvolatilitat von der GrOBe des Marktes ab.
60
mit den M6glichkeiten des so genannten „Front-Running" und „Piggy-Packing" zusammen.^^^ Die Aufdeckung der Identitat der Auftraggeber ftihrt insgesamt dazu, dass sich mit der Gruppe der identifizierten Uninformierten die Gruppe der Uninformierten gegenuber der der Informierten verbessert, zumal Informierte dann leichter als solche identifiziert werden kennen.^^"* Im Themenkreis der Markttransparenz und Anonymitat finden sich auch zahlreiche experimentelle
Untersucliungen.
Es ISsst
sich
feststellen,
dass
zwischen
Preisfindungsmechanismen und Pre- sowie Post-Trade-Markttransparenz Wechselbeziehungen bestehen konnen. Ein offenes
Orderbuch kann innerhalb der
kontinuierlichen Auktion andere Auswirkungen haben als in einem Dealermarkt mit konkurrierenden
Market
Makem.
BLOOMFIELD/O'HARA (1999)
untersuchen
Transaktionspreis- und Ordertransparenz im Zusammenhang mit der Liquiditat und dem Handelserfolg der Teilnehmer in einem Market-Maker-Markt. Im Ergebnis erzielen die Market Maker in einem Markt mit offentlichen Transaktionspreisen systematische Gewinne, wogegen die Ordertransparenz keinen signifikanten Einfluss auf
die
Effizienz
des Market-Maker-Marktes
GERKE/ARNETH/SYHA
(2000)
fmden
keinen
hat.
SYHA
(1999) und
Zusammenhang
zwischen
unterschiedlichen Transparenzsettings und der MarktliquiditSt. Dabei wird bei fortlaufender
Auktion
und
homogenen
Fundamentalinformationen
eine
Experimentserie mit einem Orderbuchinsider pro Titel mit drei Experimentserien, die durch unterschiedliche Oderbuchtransparenzgrade charakterisiert sind, verglichen.^^^ Mit Bezug auf die Bedeutung der Preisgabe der Identitat eines Marktteiinehmers zeigt THEISSEN (2003), dass die Kosten der adversen Seiektion durch die Kenntnis der Identitat der Auftraggeber verringert werden kSnnen.^^^ Die „Handelsfrequenz" innerhalb periodischer Auktionen gegenuber Market-MakerSystemen und kontinuierlichen Auktions- bzw. Orderbuchsystemen stellt als Stellgr56e ein Themenfeld dar, da die Bestimmung einer moglichst optimalen Handelsfrequenz mit der Verringerung von Wartezeiten Risikokosten und temporare
„Front-Running" bedeutet, dass Broker eigene Auftrage vor die der Kunden platzieren, beim „Piggy-Packing" platzieren Broker sie zeitgleich mit denen der Kunden. Vgl. zum „FrontRunning" und „Piggy-Packing" die Modelle von BENVENISTE/MARCUSAVILHELM (1992), FISHMAN/LONGSTAFF (1992), ROELL (1990) und SARKAR (1995). Vgl.HlRTH(2000),S.23. Vgl. SYHA (1999) und GERKE/ARNETH/SYHA (2000). Vgl. THEISSEN (2003).
61
Marktungleichgewichte vermeiden helfen kann.^^^ HiRTH (1997) und RUDOLPH (1982) zeigen, dass es in Hinblick auf das strategische Verhalten von Marktteilnehmem zu umso geringeren Verzerrungen des Marktergebnisses kommt, umso frequenter gehandelt wird. Exemplarisch konnen fiir Untersuchungen des Vergleichs von kontinuierlichem Auktionssystem und Call Markt die Experimente von SCHIERECK (1997) und SCHNITZLEIN (1996) angefiihrt werden.^'* Dem Themenkreis „endogene Handelsstrategien von Insidem" ordnet HiRTH (2000) Modelle zum strategischen Insiderverhalten zu, bei denen statische und dynamische Insiderkalkule vorwiegend endogen modelliert werden.^^^ Es konnen demgegenuber andere Insidermodelle unterschieden werden, die von exogenen Auftragen ausgehen und die HiRTH (2000) entsprechend den Themen „Preissetzung des Market Makers" und „Market Maker Systeme versus Auktionssysteme" zuordnet. Das Grundmodell von KYLE (1985), das im nSchsten Abschnitt beziiglich der Stellparameter vorgestellt
wird und in dem MSglichkeiten des strategischen Verhaltens eines Insiders im Zeitablauf und deren Einfluss auf die Kursbildung untersucht werden, geh5rt zu dieser Gruppe. Bei Modellen in der Gruppe „Aggregation heterogener Informationen" handelt es sich um solche, die Markte mit Marktteilnehmem modellieren, die unterschiedliche private Informationen besitzen. Dabei lassen sich die Modelle grundlegend danach kategorisieren, ob es Uninformierte gibt oder nicht. Bei den Gleichgewichtsmodellen
Vgl. die Modelle von GARBADE/SILBER (1979), ECONOMIDES/SIOW (1988). Das Experiment von Schnitzlein (1996) wird als korrespondierendes Experimentdesign zum Kyle-Modell (1985) im Anschluss an diesen Abschnitt detaillierter vorgestellt. Theoretische Modelle zu endogenen Handelsstrategien von Insidem sind beispielsweise KYLE (1985), mit Erweiterungen dieses Modells neben Fundamentalinformationen um Marktinformationen ROCHETAXILLA (1994), der Insider als risikoaverser Mengenanpasser bei GEORGE/KAUL/NIMALDRAN (1994), zu Insidem mit unterschiedlichen Planungshorizonten bezogen auf den Verdffentlichungszeitpunkt der Information bei DOW/GORTON (1994), zum Vergleich von Insiderverhalten bei kurzlebigen gegenuber langlebigen Informationen BAGNOLIAVATTS (1998), zur Unsicherheit uber den VerOffentlichungszeitpunkt HiRTH (1999), mit (zu) starkem exogenem Einfluss umstritten, das Modell von ALLEN/GALE (1992) zur gewinnbringenden Imitation eines Insiders durch einen Uninformierten. Fiir eine zusammenfassende Darstellung des Experiments von NOTHAVEBER (1996) vgl. auch ARNETH (2001), S. 117-119. Zur Abhangigkeit der Insider von den Strategien der Liquiditatshandler anhand nichtlinearen Gleichgewichten BHATTACHARYA/SPIEGEL (1991), zur Zerlegung der Nachfrage eines Insiders in Informationsvorteilskomponente und einer Komponente, die sich aus unterschiedlichen Erwartungen der Marktteilnehmer hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen Informationssignal und Wert der Information ergibt WANG (1998), zu der Risikoteilung durch Hereinnahme der Uninfomiierten in eine Ponds seitens des Insiders ADMATI/PFLEIDERER (1988).
62
mit rationale!! Erwartungen spielt die Organisation des Marktes prinzipiell keine Rolle, vielmehr interessiert der Informationsgehalt der Preise, wenn Marktteilnehmer ex ante unterschiedliche Informationen besitzen.^^^ Im Modell von GROSSMAN (1976) besitzen die Marktteilnehmer unterschiedliche Informationen iiber den wahren Wert eines gehandelten Wertpapiers. Marktteilnehmer bilden trotz unterschiedlicher exogener Informationen durch das Beobachten des Preisprozesses homogene Erwartungen. Der Marktprozess sorgt als „unsichtbare Hand" dafur, dass nach Preisfeststellung alle anfanglich bestehenden Informationsunterschiede beseitigt und alle Marktteilnehmer liber den Wert des Wertpapiers vollstSndig informiert sind (fully revealing). Bei den neueren Modellen zur Aggregation heterogener Informationen werden vorrangig Market-Maker-Markte mit der Existenz auch uninformierter Marktteilnehmer modelliert.^^^ Orderbuchsysteme als kontinuierliche Auktionssysteme kSnnen prinzipiell offen oder geschlossen ausgestaltet sein. Untersuchungen, die in Bezug zum Orderbuch stehen, behandeln vor allem Fragestellungen um die Vorteilhaftigkeit eines Auftrags als Limitorder gegenuber der Marktorder. HANDA/SCHWARTZ (1996) kommen zu dem Ergebnis, dass nur „geduldige" Investoren statt einer Markt- eine Limitorder abgeben sollten. In ihrer Untersuchung zeigen COHEN/MAIER/SCHWARTZ/WHITCOMB (1981), dass die Geld-Brief-Spanne trotz starken Wettbewerbs zwischen den Limitorders nicht auf Null sinkt, sondem dass sich dauerhaft eine positive Gleichgewichtsspanne einstellt (Gravitational Pull Effect). Der Grund fiir den Gravitational Pull Effect ergibt sich daraus, dass es ab einer ausreichend engen Geld-Brief-Spanne Beriicksichtigung von Transaktionskosten grundsatzlich vorteilhafter
unter
ist, eine
Marktorder statt einer Limitorder aufzugeben. COHEN/MAIER/SCHWARTZ/WHITCOMB (1981) zeigen weiter, dass die Limitorder fur Marktteilnehmer ab einer bestimmten
Die Marktteilnehmer massen in diesen Modellen den Zusammenhang zwischen Preis und Information einheitlich richtig wahmehmen. Zu Gleichgewichtsmodellen vgl. beispielsweise GROSSMAN (1976), GROSSMAN (1978), RADNER (1979), HELLWIG (1980) GROSSMAN (1981)
sowieADMATl(1985). Fur einen Uberblick uber Ansatze und Ergebnisse zur Aggregation heterogener Informationen in den neueren Modellen vgl. HiRTH (2000), S. 31-35. Unter den neueren Modellen behandelt/behandeln monopolistische Konkurrenz von Insidem KYLE (1989), die Bedeutung der Risikoeinstellung von Insidem SUBRAHMANYAM (1991a), die Korrelation verschiedener Informationssignale FOSTERA^ISWANATHAN (1996), die Endogenisierung der Noise Trader SPIEGEL/SUBRAHMANYAM (1992) sowie SARKAR (1995), M6glichkeiten der Reduzierung der Kosten der Uninformierten uber Portfolios SUBRAHMANYAM (1991b), den Vergleich der Informationsverarbeitung bei limitierten und unlimitierten Auftr^gen, vgl. BROWN/ZHANG (1997).
63
Weite der Geld-Brief-Spanne gegeniiber der Marktorder wieder vorteilhafter wird. GLOSTEN (1994) kann im Rahmen einer statischen Analyse zeigen, dass Orderbuchsysteme auch bei groBer Adverse Selection im Markt robust bleiben. Experimente zu Orderbuchprivilegien fiihren beispielsweise GERKE/ARNETH/SYHA (2000) sowie FRIEDMAN (1993) durch. SYHA (1999) vergleicht die Liquiditat und die Kursbildung abhSngig von unterschiedlichen Graden der Transparenz Orderbuchs.^^^ Sowohl bei homogenen als auch heterogenen InformationsstMnden zeigen die Experimente
dass
ein Orderbuchprivileg
nicht
ausreicht,
um von seinem
Informationsvorteil zu profltieren. In der Gruppe „Preissetzung des Market Makers" werden solche Modelle zusammengefasst, bei denen die Preissetzung eines monopolistischen oder mehrerer konkurrierender Market Maker im Vordergrund der Betrachtungen steht. Dabei grenzen sich, wie bereits beschrieben, altere BeitrSge von neueren oft tiber die Unterstellung symmetrischer bzw. asymmetrischer Informationsverteilungen ab. Es lassen
sich weiter bestandsorientierte
von informationsorientierten
Modellen
unterscheiden.^^^ Innerhalb der bestandsorientierten Modelle betrachten beispielsweise GARMAN (1976), STOLL (1978) und AMIHUD/MENDELSON (1980) das Quotierungs-
verhalten des monopolistischen Market Makers bezogen auf sein Bestandhalterisiko. Wahrend GARMAN (1976) und AMIHUD/MENDELSON (1980) das Bestandhalterrisiko
mit poissonverteilten Orderankunftsraten abbilden, geht das Bestandhalterisiko bei STOLL (1978) uber die sich mit der jeweiligen
Portfoliozusammensetzung
verandemden Nutzenniveaus des Market Makers ein. Der Market Maker ist bei Stoll (1978) bestrebt, das ftir ihn nutzenmaximierende Portfolio zu halten, wodurch er gegeniiber dem theoretischen Gleichgewichtskurs nicht immer optimal quotiert. Im Modell von STOLL (1978) ergibt sich die halbe prozentuale Geld-Brief-Spanne genau zu den prozentualen Bestandhaltekosten des Market Makers, wenn er mit der GeldBrief-Spanne nur seine Kosten kompensiert (Reservation Quote). HO/STOLL (1983) untersuchen mehrere Market-Maker-MSrkte, auf denen risikoaverse Market Maker um exogene, nicht informationsbedingte AuftrSge konkurrieren, die auf den Markten als Marktorders mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintreffen. HO/STOLL (1983)
222
Es wurde eine dreiteilige Staffelung der Transparenzgrade des Orderbuchs vorgenommen: 1) geschlossenes Orderbuch, 2) Einsicht bezuglich der jeweils besten Geld- und Briefgeboteftiralle Teilnehmer, 3) offenes Orderbuchftiralle Marktteilnehmer.
223
Fiir einen detaillierten Uberblick uber bestandsorientierte Modelle in monopolistischen und konkurrierenden Market-Maker-Markten vgl. BosCH (2001), S. 53-70.
64
konnen zeigen, dass sich bei identischer Risikoaversion der Market Maker sowohl die Spreads als auch die Bestande der Market Maker mit der Zeit annahem. GROSSMAN/MILLER (1988) kommen zu dem Ergebnis, dass Konkurrenz unter Market Makem unter Berucksichtigung der Bestandhaltekosten zu einer Verringerung der Geld-Brief-Spanne und damit zu hoherer Liquidity fiihrt. Wie BAGEHOT (1971) mit der Ubertragung des Grundprinzips der Adverse Selection auf Wertpapiermarkte gezeigt hat, sehen sich Market Maker im Handel mit Insidem einem AdverseSelection-Risiko ausgesetzt.^^"* Kosten durch Adverse Selection mussen Market Maker im
Rahmen
ihrer
Quotierungsstrategie
(iber
Gewinne
beim
Handel
mit
Liquiditatshandlem ebenfalls kompensieren. ZusammenhSnge bei asymmetrischer Informationsverteilung unter den Marktteilnehmem auf Market-Maker-M^rkten lassen sich in der Gruppe der informationsorientierten Modelle zusammenfassen. Die erste Analyse des Trade-Offs zwischen ErlQsen mit Liquiditatshandlem und Verlusten mit Insidem findet sich bei COPELAND/GALAI (1983). COPELAND/GALAI (1983) weisen nach, dass asymmetrisch verteilte Informationen ausreichen, um einen positiven Spread zu begriinden. In einem monopolistischen Market-Maker-System handelt ein risikoneutraler Market Maker in einer einperiodigen Modellwelt mit einer exogen vorgegebenen Wahrscheinlichkeit mit einem Insider und mit der Gegenwahrscheinlichkeit mit Uninformierten. Die Uninformierten besitzen gegenuber dem exogen vorgegebenen Gleichgewichtspreis eine ebenfalls vorgegebene preiselastische Nachfragefunktion. COPELAND/GALAI (1983) bestimmen den erwarteten Verlust beim Handel mit Insidem und den erwarteten Gewinn aus dem Handel mit den LiquiditatshSndlem in AbhSngigkeit der Geld-Brief-Spanne. Die optimale Strategic des Market Makers ergibt einen positiven Spread und hangt insbesondere von der preiselastischen Nachfrage der nichtinformierten Handler sowie von der Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Insidem ab. Experimentelle Untersuchungen zur Preissetzung des Market Makers liefem u.a. GERKE/ARNETH/BOSCH (2000), die monopolistische Market-Maker-MSrkte mit dem konkurrierenden sowie mit einer fortlaufenden
Auktion vergleichen.
Dieses
Experiment iSsst sich entsprechend auch dem nSchsten Themenkreis, „Market-MakerSysteme versus Auktionen" zuordnen. Der Vergleich zeigt, dass der konkurrierende Market-Maker-Markt hinsichtlich der Effizienz bessere Handelsbedingungen flir den Anleger schafft, als der monopolistische, dass er im Vergleich zum fortlaufenden
Vgl. die Ausfiihrungen zur Adverse-Selection-Problematik in Kapitel 2.2.3.
65
Handel die Bedingungen jedoch nicht verbessem kann. KRAHNEN/WEBER (1998) fuhren Untersuchungen zur Effizienz von M2rkten mit monopolistischen Market Makem gegeniiber konkurrierenden Market Makem durch. Sie untersuchen die Wirkung von Wettbewerb und asymmetrisch verteilten Informationen in MarketMaker-MSrkten. Sie kQnnen zeigen, dass die Informationsverarbeitung in MarketMaker-MSrkten tendenziell besser ist als bei der kontinuierlichen Auktion. Bei BLOOMFIELD (1996) stellen die Market Maker Quotes, ohne Informationen iiber den Fundamentalwert des Wertpapiers zu erhalten. Die Untersuchung zeigt, dass die Market Maker ihre Quotes derart platzieren, dass sie vor Marktteilnehmem mit besseren Informationen geschiitzt sind. In der Gruppe „Market-Maker-Systeme versus Auktionen" werden die beiden Marktorganisationsformen miteinander verglichen, wobei Auftragsformen ebenso analysiert werden wie dynamische Aspekte. Hier geht es um die Fragestellung der Vorteilhaftigkeit des direkten Handels zwischen Marktteilnehmem im Orderbuchsystem gegenuber dem Handel via Market Maker im Market-Maker-System; es wird auch die Handelskontinuitat im Market-Maker-System der zeitlichen Konsolidierung im periodischen Handel des Auktionssystems gegenubergestellt. Experimentell vergleicht beispielsweise THEISSEN (1998a, b) die Liquiditatswirkung in MarketMaker-Systemen mit dem Gesamtkursverfahren und kontinuierlichen Auktionen. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Kosten fiir den periodischen Handel am niedrigsten und ftir den Market-Maker-Markt am hSchsten sind. Zusammenfassend wird mit dem kurzen Oberblick uber die Forschungsthemen deutlich, dass innerhalb der unterschiedlichen Fokussierungen der Untersuchungen jeweils, theoretisch wie experimentell, das Marktergebnis unter Berucksichtigung der jeweiligen AusprSgung des Marktmodells^^^ untersucht wird. Dabei werden Modelle verwendet, die auf speziellen Marktszenarien aufbauen, wobei diese grundsatzlich aus Marktteilnehmem bestehen, die, ausgestattet mit mehr oder weniger unterschiedlichen InformationsstSnden, Praferenzen und Anfangsvermogen, innerhalb einer Marktorganisation in unterschiedlichen Rollen interagieren. Vor dem Hintergrund der Zielsetzung dieses Kapitels, nSmlich der Systematisiemng des Modellaufbaus in der Marktmikrostmkturforschung in Bezug auf die Durch-
^^^ GERKE/RAPP (1994) unterscheiden die Definitionen des Begriffs Marktmodell in einem weiten und engeren Sinn. Im Folgenden wird der Begriff des Marktmodells in der engen Abgrenzung, also im Sinne der obigen Definition als StrukturgerOst eines Marktes, verwendet.
66
fiihrbarkeit von Experimenten und in Hinblick auf die Entwicklung des Grunddesigns fiir ARTEX, bietet sich das Experiment von SCHNITZLEIN (1996) an, im Folgenden in Korrespondenz mit dem KYLE-Modell (1985) als zentralem Grundmodell der Marktmikrostrukturtheorie etwas detaillierter beschrieben zu werden, zumal in dem von SCHNITZLEIN (1996) verwendeten experimentellen Design computersimulierte Marktteilnehmer auftreten.^^^ KYLE (1985) untersucht in drei Varianten, nSmlich einperiodig mit einer einmaligen Auktion, als sequentielles Modell mit diskreten Handelszeitpunkten und in einer AusprSgung mit kontinuierlichem Handel, M5glichkeiten des strategischen Verhaltens eines Insiders im Zeitablauf und deren Einfluss auf die Kursbildung. Im Folgenden wird die einperiodige Variante des Modells kurz vorgestellt, um exemplarisch die typischen Parameter eines Untersuchungsdesigns etwas detaillierter aufzuzeigen.^^^ Anschliefiend wird der experimentelle Designaufbau von SCHNITZLEIN (1996) gegeniibergestellt.^^^
3.2.3 Modellaufbau in Theorie und Experiment Modellaufbau Kyle (1985): Handelsobjekt: Der Liquidationswert des risikobehafteten VermQgensgegenstandes (Wertpapier) v ist normalverteilt mit dem Erwartungswertpo und der Varianz IQMarktteilnehmer: In der Modellumgebung existieren als Marktteilnehmer drei unterschiedliche Handlergruppen, die dasrisikobehafteteWertpapier handeln, namlich • ein Insider,
Die Simulation von Marktteilnehmem ist auch auf ARTEX realisierbar. Die Notation im Folgenden orientiert sich am Originalaufsatz von KYLE (1985). Eine ausfiihrlichere Behandlung des Modells von KYLE (1985) und Erweiterungen um die Einfiihrung konkurrierender Insider bei Holden/Subrahmanyam (1992) sowie strategische Noise Trader bei ADMATI/PFLEIDERER (1988) fmden sich bei ARNETH (2001), S. 31-34. Das Grundmodell von KYLE (1985) sowie Erweiterungen um zwei Handelszeitpunkte mit eventueller VerOffentlichung bei HIRTH (2000), S. 82-88. Weitere weitgehend direkte Umsetzungen sind LAMOUREUX/SCHNITZLEIN (1997) sowie BL00MnELD(1996).
67
•
Liquidity Trader (Noise Trader) und
•
Market Maker.
Liquidity Trader handeln uninformiert und nicht strategisch entsprechend einer exogen vorgegebenen, normalverteilten Liquiditatsnachfrage « mit einem Erwartungswert von Null und der Varianz a^. Als Netto-Nachfrage der Liquidity Trader ergibt sich u als Differenz zwischen Angebot und Nachfrage. Die Nachfrage der Liquidity Trader und der Liquidationswert sind voneinander unabhSngig verteilt. Ein risikoneutraler Market Maker geht entsprechend der Ausgangssituation von der Normalverteilung des Liquidationswerts v des Wertpapiers mit dem Erwartungswert Po und einer Varianz ZQ aus. Zudem sieht er sich in Konkurrenz mit anderen risikoneutralen Market Makem, so dass er einen Preis mit einem Erwartungsgewinn von Null setzt. Er bezieht seine Information ausschliefilich aus den seitens der Marktteilnehmer abgegebenen Auftragsmengen. Der risikoneutrale Insider kennt in Monopolstellung den genauen Liquidationswert des Wertpapiers und verfolgt eine Handelsstrategie, die seinen erwarteten Gewinn maximiert. Bei Festlegung seiner Nachfragemenge beriicksichtigt er, dass sein Ordervolumen zusammen mit dem der Noise Trader den vom Market Maker festzulegenden Preis beeinflusst. Er legt seine Nachfrage linear abhSngig von dem ihm bekannten Liquidationswert zu 3c = X{v) fest. Der Insider wShlt seine Handelsmenge, nachdem alle Zufallsvariablen realisiert haben, allerdings kennt er zum Zeitpunkt seiner Entscheidung nur v aber noch nicht w. Marktorganisation: In der einperiodigen Variante des Modells werden im Rahmen einer Call Auktion zwei Zeitpunkte betrachtet, wobei in Zeitpunkt 1 der Handel analysiert und in Zeitpunkt 2 der exogene Liquidationswert realisiert wird. Die Marktteilnehmer (Liquidity Trader sowie Insider) konnen nur unlimitierte AuftrSge (Marktorders) abgeben, wobei der Market Maker nur die Gesamtnachfrage sieht, so dass er Liquidity Trader und Insider nicht unterscheiden kann.^^^ In den Erweiterungen des Modells handelt es sich um sequentiellen Handel bzw. eine kontinuierliche Auktion.
^^^ Der Periodenzins ist vereinfachend gleich Null gesetzt.
68
Strategien und Marktgleichgewicht: Hinsichtlich des Marktgleichgewichts muss bei rationalen Erwartungen jeder Marktteilnehmer
die
Optimierungsbedingungen
der anderen
Marktteilnehmer
einkalkulieren, so dass im Marktgleichgewicht alle einzelnen OptimalitStsbedingungen erfullt werden. Ansonsten gSbe es Anreize ftir Marktteilnehmer, vom erreichten Zustand, der dann kein Gleichgewichtszustand ware, abzuweichen.^^^ Der Insider ist bestrebt, seinen erwarteten Gewinn zu maximieren. Bei seiner Nachfrage beriicksichtigt er, dass sowohl sein Ordervolumen als auch das der Liquidity Trader den vom Market Maker festzulegenden Preis beeinflussen. Entsprechend
gilt
fUr die
gewinnmaximierende
Strategie
des
Insiders
im
Gleichgewicht: ^[(v - p)x|v = v] > £[(v - P)DC'|V = v]
Der Market Maker sieht lediglich die Gesamtnachfrage (jc + w) und kann die beiden Komponenten 3c und u nicht unterscheiden. Er kennt die Parameter der Verteilung des Liquidationswerts sowie die der Liquiditatsnachfrage, nicht aber deren Realisationen. Der Market Maker beriicksichtigt die Existenz des Insiders und setzt den Preis p so, dass er einen erwarteten Gewinn von Null erzielt (NullgewinnAnnahme). Da der Market Maker alle ihm bekannten Informationen verarbeitet ( p = P{x + w)), ist der Preis im mittelstrengen Sinn effizient. Im Gleichgewicht gilt: P{X,P)=E[V\X
+ U]
Ergebnisse: KYLE (1985) leitet folgendes Gleichgewicht her, in dem das Ordervolumen eine lineare Funktion der Differenz zwischen dem unbedingten Erwartungswert und der Realisation des Liquidationswerts ist. Der vom Market Maker gesetzte Preis hSngt linear von der aggregierten OrdergrSfie ab: X{v)=fi{v-p,) P{x + u)=Po+ A(X + u)
Es zeigt sich, dass in linearen Strategien ein eindeutiges Marktgleichgewicht existiert.
69
Die Konstanten p und A sind dabei definiert als:
Dabei bestimmt der Faktor A, in welchem AusmaB die Gesamtnachfrage die Preissetzung des Market Makers beeinflusst und gibt an, um welchen Betrag der Market Maker den Preis verandert, wenn sich das Ordervolumen um eine Einheit erhSht bzw. verringert. Entsprechend zeigt X, wie stark der Kurs auf eine Veranderung der Gesamtnachfrage reagiert. Der Kehrwert 1/>1 misst als „Markttiefe" (Depth) die Liquiditat des Marktes. Umso grSBerA, desto informativer ist das Signal, das der Market Maker dem Orderfluss entnimmt. Der erwartete Gewinn n des Insiders lasst sich aus seiner Strategic folgendermafien ableiten: ^^^
Demnach wird der Erwartungsgewinn des Insiders durch die beiden Grofien SQ und a] bestimmt. Die Nachfrage des Insiders sowie dessen Erwartungsgewinn steigen nicht nur mit der Varianz der Auftragsmengen der Liquidity Trader sondem auch mit der Abweichung des tats^chlichen von dem erwarteten Liquidationswert. Indem der Market Maker seine Preissetzung entsprechend seines Erwartungsgewinns von Null festlegt, entspricht der erwartete Insidergewinn exakt den erwarteten Handelskosten der uniformierten Liquidity Trader. Die Handelskosten der Uninformierten hSngen dabei invers von der Markttiefe ab. Aus dem Gleichgewichtsmodell lassen sich auch Schlussfolgerungen hinsichtlich des Informationsgehalts
der
Preise
ableiten.
Die
verbleibende
Varianz
des
Liquidationswerts Si der Preise verringert sich nach Einarbeitung der Informationen durch die Preissetzung des Market Makers aus der Gesamtauftragsmenge durch den
^^' Vgl. zur Herleitung des Zusammenhangs auch BANK (1998), S. 305 f.
70
Market Maker im Modell von KYLE (1985) mit I, = JIQ ^^ ^ie Halfte. Demnach hat der Market Maker mit seiner Preissetzung die Halfte der Information des Insiders in den Preisen verarbeitet. Wtirden bei gleich bleibender Strategie des Insiders weitere Handelsperioden folgen, wiirde sich die verbleibende Unsicherheit mit jeder weiteren Kursfeststellung, gemessen durch die Varianz der Fundamentalinformation, halbieren und die Insiderinformation wtirden gleichzeitig sukzessivetiberden Preis bekannt. KYLE (1985) zeigt in den Erweiterungen des Modells mit der sequentiellen und kontinuierlichen Auktion tiber mehrere Perioden, dass sich die zentralen Ergebnisse des Grundmodells nicht verandem. Allerdings werden die Informationen des Insiders nur schrittweise in den Preis eingearbeitet, da sich die Strategie des Insiders verSndert, wenn er sein Informationsmonopol optimal ausnutzt.^^^ Zusammenfassend wird mit dem dargestellten Modell von KYLE (1985) gezeigt, wie Informationen eines monopolistischen Insiders in den Kursen verarbeitet werden.^^^ Der Informationsgehalt der Preise ist unabhSngig vom Umfang des Liquidity Tradings, bei gegebenem Umfang an exogenem Liquidity Trading steigt der Gewinn eines Insiders, wenn die Markttiefe sinkt (wenn Insiderinformationen wertvoller werden) und bei gegebener Realisation des Liquidationswertes steigt der Gewinn eines Insiders mit der Markttiefe (d.h. mit Zunahme an Liquidity Trading).^^"*
Mit N Perioden ergibt sich im Grenzfall ein kontinuierlicher Handel. Dann existiert ein Gleichgewicht, in dem die Markttiefe \/A{t) im Gegensatz zum sequentiellen Handel konstant ist. Dies bedeutet, dass eine Nachfrageanderung von einer Einheit unabhangig vom Zeitpunkt immer zur absolut gleichen Preisveranderung fiihrt. Vgl. Hierzu auch ARNETH (2001), S. 34. Holden/Subrahmanyam (1992) erweitem das Modell, indem sie die Anzahl der Insider variieren. Vgl. KYLE (1985), S. 1319-1320.
71
Experimentaufbau Schnitzlein (1996):^^^ Handelsobjekt: Gehandelt werden Stiicke eines risikobehafteten Wertpapiers, deren erwarteter Liquidationswert bekannt ist. Dieser Wert ist aus einer Standardnormalverteilung mit Erwartungswert 100 gezogen, deren obere und untere Enden bei 78 bzw. 122 abgeschnitten sind. Die Standardabweichung betragt 6,5. Marktteilnehmer: In der Experimentumgebung werden drei unterschiedliche Marktteilnehmergruppen definiert, die das risikobehaftete Wertpapier handeln, •
ein Insider,
•
computersimulierte Noise Trader und
•
drei Market Maker.
Die Noise Trader werden im Experiment computersimuliert. Marktorganisation: SCHNITZLEIN (1996) fiihrt zwei Varianten des Experiments durch. Einmal ist das Experiment einperiodig als Call Markt angelegt^^^, das andere Mai fiihrt SCHNITZLEIN (1996) den Call Markt wiederholt durch und bezeichnet diesen Markt als kontinuierlich. Der Handelsablauf wird immer dann unterbrochen, wenn ein neuer Auftrag die Market Maker erreicht. Die Marktteilnehmer (Noise Trader sowie Insider) konnen nur unlimitierte AuftrSge (Marktorders) abgeben. Die Market Maker sehen nur die Gesamtnachfrage, so dass sie Noise Trader und Insider nicht unterscheiden konnen. Der Insider erhalt keine Information liber die Orders, er sieht lediglich die resultierenden Transaktionspreise.
Vgl. SCHNITZLEIN (1996), S. 617.
Hier unterscheidet sich SCHNITZLEIN(1996) in seiner Definition eines Call Markts von beispielsweise THEISSEN (1996). W^rend bei SCHNITZLEIN (1996) nur der Market Maker mit dem hdchsten Gebot den Zuschlag erhalt, wird der Preis bei THEISSEN (1996) entsprechend zum grCBtmOglichen Umsatz ermittelt.
72
Die Noise Trader diirfen nur Stiickzahlen zwischen eins und drei ordem, der Insider hat in dieser Hinsicht keine Beschrankung. Die Orders der Noise Trader werden mit ihrer Stiickzahl im Zeitablauf zufUllig erzeugt Das Auktionsverfahren, in dem die Market Maker eine Order ersteigem, ist eine FirstPrice Sealed-Bid Auktion. Der Market Maker mit dem besten Preis fiir die Anzahl Titel erhait den Zuschlag. Der zustande gekommene Transaktionspreis wird verSffentlicht. Als Ergebnis stellt sich beim Vergleich der beiden MSrkte heraus, dass die LiquiditSt, gemessen durch die durchschnittliche Preisanderung eines Auftrags, im einfachen Call Markt doppelt so groB ist wie im kontinuierlichen Handel, d.h. die Verluste der Noise Trader deutlich geringer sind. Damit ergibt sich auch, dass Insider gegeniiber einer Call Auktion im fortlaufenden Handel durchschnittlich hShere Gewinne erzielen. Auch die Market-Maker-Gewinne sind in der fortlaufenden Auktion deutlich h5her.
3.2.4 Systematisierung des Modelldesigns Aus der Gegenuberstellung von Modell und Experiment ergeben sich typische Parameter der theoretischen Modellierung einerseits und der experimentellen Umsetzung andererseits. Vor dem Hintergrund obiger Darstellungen kSnnen grundsatzliche Rahmenbedingungen fur die Ausgestaltung eines experimentellen Grundgerusts zusammengefasst werden: Neben den Marktteilnehmem, die in der Funktion eines Market Makers an dem Markten stSndig prasent sind und aus Kaufund Verkaufstransaktionen Gewinne erzielen wollen, werden in den exemplarisch aufgefiihrten Modellen und Experimenten hinsichtlich der Transaktionsmotive in der Regel
drei
weitere
Marktteilnehmergruppen
unterschieden.
Informierte
Marktteilnehmer handeln als Insider auf Basis eines Informationsvorsprungs, wShrend uninformierte Marktteilnehmer als Liquidity Trader aufgrund von Ungleichgewichten in ihren Portfolien handeln und verfiigbare Informationen ignorieren oder die Informationen als Noise Trader systematisch falsch interpretieren. In diesem Umfeld wird mit dem Angebots- und Nachfrageverhalten der Marktteilnehmer die Wirkung einer spezifischen AusprSgung des Marktmodells auf das Marktergebnis analysiert. Das Marktergebnis im Sinne eines erreichten Grades an Effizienz des Marktes kann dabei nur dann direkt an den Zielen der Marktteilnehmer gemessen werden, wenn die Zielfunktionen
der
Marktteilnehmer
offen
liegen.
Altemativ
konnen
als 73
Effizienzkriterien die Liquiditat im Zusammenhang mit den Transaktionskosten und der Informationsgehalt der Preise sowie das Kursrisiko innerhalb der spezifischen Marktorganisation herangezogen werden.^"^^ Die Determinanten der Marktorganisation lassen sich entsprechend der dargestellten Untersuchungsmethodik in Anlehnung an HiRTH (2000) und mit Berucksichtigung des Handelsphasenmodells nach PICOT/BORTENLANGER/ROHRL (1996) aus Kapitel 2
folgenden Phasen zuordnen:^^^ •
Informationsphase - Publizitat von abgegebenen und ausgefiihrten AuftrSgen,
•
Orderroutingphase - Art der Abgabe der AuftrSge und
•
Preisfeststellungsphase - Art der Ausftihrung von AuftrSgen sowie Einschaltung von Intermediaren mit besonderen Rechten und Pflichten.
Die Publizitat in der Informationsphase umfasst, auch entsprechend den Ausfiihrungen im Kapitel 2, Regeln zur Bekanntgabe von Informationen hinsichtlich Preisen, Mengen, Zeiten und Auftraggeber.^^^ Hinsichtlich der Informationsverteilung zwischen den Marktteilnehmem sind die Konstellationen denkbar, dass nur ein Informierter, mehrere homogen Informierte oder mehrere heterogen Informierte existieren. Informationen konnen dabei als sichere oder unsichere Signale eine Unsicherheit vollstandig oder unvollstSndig beseitigen, wobei unvollstSndig in diesem Zusammenhang meint, dass das Informationssignal zwar empfangen wird, danach aber Unsicherheit verbleibt. Entsprechend geht die Verteilung der Information auf mehrere
Vgl. auch HiRTH (2000), S .2. Die Abwicklungsphase aus dem Phasenmodell von Picot/Bortenlanger/ROhrl (1996) entfUllt innerhalb der theoretischen Modellwelt, sie wird als gegeben vorausgesetzt. HiRTH (2000) unterteilt nach Informationsarten als Fundamentalinformationen A- und BInformationen und als Marktinformationen C- Informationen: A-Informationen stellen bei seinem Ansatz beispielsweise exogene Dividenden oder marktexogene Liquidationswerte dar, die letztlich die Ergebnisse auf anderen Markten widerspiegeln. B-Informationen sind ebenfalls exogene Informationen, die in Abgrenzung gegeniiber A-Informationen aber keine ZahlungsgrCBen sind. B-Informationen sind demnach beispielsweise Informationen aber die Praferenzen und Anfangsausstattungen der Marktteilnehmer. C-Informationen bezeichnen endogene GroBen der marktlichen Bewertung wie AuftragsgroBe, Auftragsart, Kurslimits, Fristen und Kursen. Ergabe sich unter Kenntnis aller A- und B-Informationen ein eindeutiges Marktgleichgewicht, waren mit den Handelsregeln und C-Informationen Fragestellungen um die Ausgestaltung einer Marktorganisation uberfliissig. Vgl. hierzu HiRTH (2000), S. 7.
74
heterogen
Informierte
Zusammenhang
mit
mit der
einem
Zustand
Markttransparenz
der
Unsicherheit werden
einher.^"^^ Im
Fundamental-
und
Marktinformationen unterschieden. Umso mehr endogene Informationen beobachtbar sind, umso hoher ist der Grad der Markttransparenz. Ein hoher Grad an Markttransparenz wird als vorteilhaft betrachtet, wenn sich Marktteilnehmem tiber eine gegebene Auftragslage weitgehend informieren konnen. Markttransparenz kann aber auch als Nachteil begriffen werden, wenn mit der Beobachtbarkeit des Verhaltens anderer Marktteilnehmer strategisches Verhalten bei Marktteilnehmem gefordert wird.^^^ Bei der Ausgestaltung der Orderroutingphase geht es, ebenfalls wie bei der Bestandsaufnahme der Gegebenheiten an den realen WertpapiermSrkten, um Regeln, inwieweit limitierte und unlimitierte Auftrage eingestellt werden diirfen, ob und welche Stomierungsmoglichkeiten bestehen, ob Leerverkaufe mit oder ohne Sicherheiten zulSssig sind und ob Stopp-Auftrage oder sonstige Orderspezifikationen erlaubt werden. Die Preisfeststellungsphase steht fur die Determinanten Kursermittlungsprinzip, HSufigkeit der Ausfiihrung (Handelsfrequenz), Verfahren bei der Mengenrationierung sowie Ausgestaltung des Marktes als Auktionsmarkt, monopolistischem oder konkurrierendem Market-Maker-Markt oder als Hybridform. Die Ausgestaltung der Borsenorganisation erfolgt in den Modellen in der Kegel idealtypisch als MarketMaker-Markt oder Auktionsmarkt.^"*^ Market-Maker-Systeme k5nnen dahingehend weiter spezifiziert werden, dass der Market Maker seine Preise in AbhSngigkeit von Transaktionsmengen oder mit der Einfiihrung eines Mengenrisikos ohne Transaktionsmengen stellen muss.^"*^ Konkurrenz besteht grundsatzlich in konkurrierenden MarketMaker-Systemen, kann aber auch erzeugt werden, wenn Marktteilnehmer nicht nur
HiRTH (2000) raumt hier ein, dass es denncx^h zu einer homogenen Informationsverteilung kommen kann, wenn vor dem Informationssignal bereits heterogene Erwartungen vorlagen, durch das Informationssignal aber letztlich alle zur selben Erwartung bezuglich eines Sachverhalts kommen. Vgl. HiRTH (2000), S. 8. Vgl. Hierzu HiRTH (2000), S. 8, aber auch KRESS (1996), S. 121-128 und RUDOLPH (1994a), S. 426-430 sowie NEUS/NlPPEL (1996). In den Modellen mit Market-Maker-Markten wird haufig von der Verpflichtung der Einzelkursstellung durch den Market Maker abgesehen, allerdings handeln Market Maker dann eigentlich in der Funktion eines Brokers. Die Darstellung des Mengenrisikos wird in vielen Modellen vereinfacht, indem Transaktionen nur mit Einheitsmengen durchgeftihrt werden kOnnen. Vgl. HiRTH (2000), S. 11. 75
gegen den Market Maker sondem auch gegen limitierte Auftrage im Orderbuch handeln konnen.^"^ Auktionssysteme werden mit kontinuierlichen oder periodisch einseitigen oder als Orderbuchsysteme mit zweiseitigen Auktionen ausgestaltet. Mit den Moglichkeiten der Orderabgabe in der Orderroutingphase sind verschiedene Speziflkationen denkbar.^"*^
3.3 AUgemeine Merkmale von Experimenten
3.3.1 Theorie und Experiment Die experimentelle Kapitalmarktforschung nimmt methodisch eine Mittelstellung zwischen theoretischer Model lierung und empirischen Feldstudien ein. Dabei werden Experimente neben der Befragung und Beobachtung, der Simulation und der empirischen Feldforschung der empirischen Forschungsmethode im weiteren Sinne zugeordnet.^"*^ GrundsStzlich l^st sich der Zusammenhang zwischen der theoretischen
Vgl. LAUX (1995) und HiRTH (2000). HiRTH (2000) merkt hierzu an, dass ein Market Maker nach Bekanntwerden neuer Informationen in der Lage ist, seine Preissetzung schneller zu andem als ein Marktteilnehmer seine Limitorder, so dass fur andere Marktteilnehmer die Limitorders eher zu einer „free trading option" werden k5nnen als die Kursstellung des Market Makers. Zur Ausgestaltung von Auktionen vgl. z.B. MCAFEE/MCMILLAN (1987), MILGROM (1987), MCCABE/RASSENTI/SMITH (1992). HIRTH (2000) ordnet solche Orderbuchsysteme der Gruppe der Market-Maker-Systeme zu, in denen ein Intermediar das Orderbuch fuhrt, allein einsieht und berechtigt ist, auf eigene Rechnung zu handeln. Vgl. HlRTH (2000), S. 10. Bei der Befragung und Beobachtung handelt es sich nach TiETZ (1974), Sp. 1352, urn „ein planmafiiges Vorgehen mit wissenschaftlicher Zielsetzung, bei dem die Versuchsperson durch eine Reihe gezielter Fragen oder mitgeteilter Stimuli zu verbalen Informationen veranlasst werden soil." Gegenuber Experimenten werden Teilnehmer hier befragt. Die Entscheidungen der Teilnehmer in einem Experiment ziehen Konsequenzen nach sich. Die Simulation wird als Technik zur Ldsung besonders komplexer theoretischer Modelle eingesetzt. Gegenaber dem Experiment sind die Verhaltensweisen von Agenten bei Simulationen, beispielsweise als Strategien, exogen vorgegeben. Vgl. hierzu beispielsweise HAMANN (1993). Untersuchungen innerhalb der nichtexperimentellen empirischen Feldforschung stutzen sich auf gesammelte Daten des Wirtschaftsgeschehens, die mittels statistischer und dkonometrischer Verfahren ausgewertet werden. Gegenuber Experimenten besteht hier vor allem das Problem, das die Bedingungen des Zustandekommens der Daten i.d.R. nicht aufgezeichnet sind, so dass bei der unkontrollierbaren Anzahl von Variablen und Einflussfaktoren Scheinzusammenhange nicht ausgeschlossen werden kOnnen, weil die erklarende Variable nicht erfasst wurde. Vgl. fur nahere Erlauterungen zusammenfassend beispielsweise SYHA (1999), S. 82 ff.
76
Modellbildung
und der experimentellen
Untersuchung
anhand
des
folgenden
Schaubilds verdeutlichen:^"^^
Vorschlage / Modifikationen
Theorie
Empiric i.e.S.
Tests / Modifikationen
Abbildung 2: Theorie, Experiment und Empirie
Inzwischen haben sich Experimente als fester Bestandteil der empirischen Methodik innerhalb
der
wirtschaftswissenschafllichen
Forschung
und
damit
fur
die
Unterstiitzung der theoretischen Modellbildung etabliert.^"^^
^"^^ Die Abbildung wurde in Abwandlung der Darstellungen von FRIEDMAN/SUNDER (1994) und ORTNER(1996)erstellt. ^^^ Wirtschaftswissenschaftliche Experimente wurden zunachst in den Bereichen der Entscheidungsforschung, der Spieltheorie und der mikro6konomischen Markttheorie durchgefuhrt. Fur einen Uberblick der Anwendung von Experimenten in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen vgl. FRIEDMAN/SUNDER (1994), S. 1 f. Grundlegend CHAMBERLIN (1948), SAUERMANN/SELTEN (1959), SAUERMANN/SELTEN (1967), SMITH ( 1 % 2 ) .
Einen Uberblick geben auch SELTEN/TiETZ (1980) sowie SMITH (1982). Grundlegende Obersichtsartikel uber die experimentelle Methode in den Wirtschaflswissenschaften fmden sich beispielsweise bei ARNETH/BIENERT (2001) und, bezogen auf Kapitalmarktexperimente, bei SYHA (1999), S. 77-101. Inzwischen besteht mit jahrlich uber hundert hinzukommenden 77
Gegeniiber der feldempirischen Forschungsmethode besitzt die experimentelle Methode einige Vorteile bei der Untersuchung spezifischer Fragestellungen: Gerade bei der Uberpriifung theoretischer Modelle, die Uberlegungen hinsichtlich der Ausgestaltungsmoglichkeiten der Marktmikrostruktur von Borsenmarkten betreffen, ergeben sich wegen der empirischen Testbarkeit aufgrund der Datenproblematik im Rahmen der feldempirischen Moglichkeiten oft Schwierigkeiten. Die Beantwortung so genannter „What If- Fragestellungen fallt mit heterogenen Rahmenbedingungen an unterschiedlichen MSrkten und sich stetig verSndemden Einflussfaktoren schwef, zumal Marktteilnehmer ihre Handelsstrategien auch an die jeweiligen Marktgegebenheiten mit der entsprechenden Informationsversorgung anpassen.^"*^ Zwar bestehen an organisierten Kapitalmarkten mit einer relativ breiten Datengrundlage vergleichsweise gute Voraussetzungen ftir feldempirische Untersuchungen, allerdings setzt sich die Datenbasis an KapitalmSrkten doch in der Regel aus veroffentlichten, aggregierten und meist anonymen Kurs- und Umsatzdaten zusammen. Diese Daten verraten wenig uber die Bedingungen ihrer Entstehung, vielmehr bleiben Einfliisse hinsichtlich Ausgangsvoraussetzungen und Art ihrer Entstehung, bedingt durch marktorganisatorische Umweltbedingungen, oft ausgeblendet. Gerade bei Untersuchungen einer Marktform besteht selten Gelegenheit ftir die Erhebung empirischen Datenmaterials. MADHAVAN (2000) fiihrt als Ausnahme das seltene Beispiel der Toronto Stock Exchange an, die ihr Marktmodell als Reaktion auf zunehmendem Wettbewerbsdruck seitens der U.S.-MSrkte mit einhergehendem Verlust an Orderflow geSndert hat.^^° Solche Veranderungen der MarktprotokoUe fmden nicht haufig statt und ftir den direkten empirischen Vergleich der Auswirkungen auf die LeistungsfMhigkeitssteigerung kommt erschwerend hinzu, dass Veranderungen in der Regel mehrdimensional stattfinden, d.h. mit einer Ver^nderung des Marktprotokolls gehen in der Regel weitere einher. Gegeniiber der skizzierten Datenproblematik der empirischen Feldforschung kSnnen innerhalb von Experimenten eigens Daten generiert und aufgezeichnet werden. Im Experiment kSnnen in einer geschlossenen Modellumgebung insbesondere Daten zu Auswirkungen unterschiedlicher Mikrostrukturen von Markten gewonnen werden. Es
Verdffentlichungen und zahlreichen Uberblickswerken im Bereich der experimentellen Wirtschaftsforschung ein umfangreicher Literaturdiskurs. Vgl. beispielsweise PLOTT (1991), DAVIS/HOLT (1993), FRIEDMAN/SUNDER (1994), HEY (1991), Kagel/Roth (1995). ^"^^ Vgl. hierzu auch MADHAVAN (2000). "" Vgl. MADHAVAN (2000), S.31.
78
ist mSglich, eine Datenbasis mit einer gewissen Anzahl von Teilnehmem bei gleichzeitiger Kontrolle der Umweltvariablen derart zu erzeugen, dass sich auch solche theoretischen Modelle testen lassen, die explizit den Marktprozess als Zustandekommen von Transaktionen aus Angebot und Nachfrage abbilden. Hierbei wird allerdings oft die geringe Anzahl der Teilnehmer an Experimenten kritisiert.^^^ TiETZ (1974) definiert ein Experiment als „ ... eine auf okonomische Fragestellungen des menschlichen Entscheidungsverhalten abgestellte, wiederholbare kontrollierte Datenerzeugung und -erhebung, bei der nach vorher festgelegten Regeln die Entscheidungssituation so variiert wird, dass relevante Einflussfaktoren des Verhaltens isoliert werden k5nnen."^^^ Aus der Definition wird ersichtlich, dass wesentliche Vorteile der experimentellen Methode darin bestehen, dass sich die VerMnderungen einzelner Variablen in einer „ceteris paribus"-Umgebung steuem und die Wirkungen dieser Veranderungen isoliert betrachtet werden k5nnen,^^^ wShrend solche Daten in der realen Welt mSglicherweise gar nicht erhoben werden kOnnen oder die datenimmanente Komplexitat die Isolierung einzelner Effekte nicht zulSsst.^^"*
3.3.2 Generelle Zielsetzungen bei der Durchfuhrung von Experimenten Generell
werden
wirtschaftswissenschaftliche
Experimente
durchgefiihrt, um
Erkenntnisse hinsichtlich des menschlichen Verhaltens in okonomisch relevanten Entscheidungssituationen zu gewinnen, wobei mit der Modellierung von Ausschnitten der Realitat im Experiment die grundlegende Zielsetzung darin besteht, die Theorienbildung mit Oberpriiftingen und Hinweisen fiir Weiterentwicklungen zu unterstutzen.^^^
251
Vgl. WAHRENBURG(1998), SI ff.
252
TlETZ(1974),Sp. 1351.
253
Eine Erdrterung zur Vorteilhaftigkeit von Bdrsenexperimenten in diesem Zusammenhang findet sich beispielsweise bei GERKE/BIENERT(1991, 1994,1999).
254
Vgl. FRIEDMAN (1993b).
255
Vgl. SELTEN (1979) sowie ARNETH/BIENERT(2001).
79
Mit Experimenten konnen verschiedene Zielsetzungen verfolgt werden. In Anlehnung an SMITH (1994) kann die Durchfiihrung von Experimenten aus sehr unterschiedlichen Beweggriinden motiviert sein:^^^ Oberpriifung einer Theorie bzw. Vergleich verschiedener Theorien: Der Vergleich der von einer Theorie vorausgesagten Ergebnisse mit den im Experiment beobachtbaren Resultaten ermSglicht Aussagen liber die Gute einer Theorie. An allgemeine Theorien wird der Anspruch gestellt, dass sie auch unter speziellen Bedingungen, also auch in Experimenten, Giiltigkeit besitzen. Die Ergebnisse experimenteller Oberpriifungen ermSglichen eine Beurteilung der Aussagekraft theoretischer Uberlegungen, wenn Verhaltensmuster und Auswirkungen auf die zu analysierenden Rahmenbedingungen beobachtet werden konnen.^^^ Wenn bestehende Theorien auf ihren praktischen ErklSrungsgehalt hin liberpriift werden sollen, besteht mit Experimenten im Hinblick auf geschlossene und konsistente LQsungen die M5glichkeit, die in der Theorie oft angenommenen rationalen Entscheider im Sinne eines Homo Oeconomicus durch echte Versuchsteilnehmer zu ersetzen. Innerhalb der zwar vereinfachten, aber doch realen Umgebung des Experiments kSnnen die aus einer Theorie abgeleiteten Hypothesen dann iiberpriift werden.^^* Ursachen fiir das widerspriichliche Ergebnis theoretischer Uberlegungen: Bestehen Widerspriiche zwischen den Aussagen einer Theorie und empirischen Beobachtungen, kSnnen Experimente mSglicherweise Ursachen fiir die Abweichungen aufzeigen. Konkurrierende theoretische Modelle lassen sich auch hinsichtlich ihres Erkiarungsgehalts
und
ihrer
Robustheit
iiber
Resultate
experimenteller
Untersuchungen miteinander vergleichen.^^^ Dabei kSnnen Erkenntnisse aus den
Vgl. SMITH (1994), S. 113-116, DAVIS/HOLT (1993), S. 18 ff. und S. 80 f, FRIEDMAN/SUNDER (1994), S. 7 ff., HOLT (1995), S. 352 ff., PLOTT (1982), S. 1520 ff., ROTH (1987), S. 1 flf., SAUERMANN (1967), SMITH (1982), S. 939 ff., SYHA (1999), S. 81 f Eine zusammenfassende Auflistung von Zielen bei der Durchfuhrung von Experimenten findet sich beispielsweise bei ARNETH(2001). Vgl. PLOTT (1982), S. 1520.
Vgl. hierzu auch SAUERMANN (1967), der argumentiert, dass die mit Experimenten erhobenen Daten als „real" zu bezeichnen sind. Vgl. SAUERMANN (1967), S. 301. Auch wenn es sich urn vereinfachte Entscheidungssituationen handelt, treflfen „reale" Personen in einem „realen" Umfeld ,/eale" Entscheidungen. Vgl. PLOTT (1982), S. 1520. Vgl. SELTENH-IETZ (1980), S. 14.
80
experimentellen Untersuchungen auch zur Weiterentwicklung von Theorien genutzt werden.^^Nachweis von empirischen RegelmSBigkeiten als Basis fiir die Theoriebildung: Werden im Rahmen von feldempirischen oder experimentellen Untersuchungen beispielsweise
RegelmaBigkeiten
beobachtet,
kann die
Zielsetzung
bei
der
Durchfuhrung weiterer Experimente darin bestehen, die Hypothesenbildung im Zusammenhang
mit
einer
Modellentwicklung
zu unterstiitzen
(Erkundungs-
experimente). Zudem k5nnen unter kontrollierten Bedingungen auch komplexere Modelle leichter analysiert werden.^^' Vergleich von Umwelten und Institutionen: Experimente
ermoglichen
den
Test
institutioneller
Protokolle
auch
unter
verschiedenen Umweltbedingungen, so dass die Robustheit eines Protokolls analysiert werden kann. Dabei besteht die Zielsetzung, ein theoretisches Modell moglichst extremen Umweltzustanden auszusetzen, um Grenzen ausfindig zu machen. Unter gleichen Umweltbedingungen konnen andererseits auch verschiedene institutionelle Protokolle miteinander verglichen und analysiert werden. Bewertung neuer Strategic- oder Verfahrensansatze: Experimente eignen sich dafiir, neuartige Verfahren und Mechanismen unter Laborbedingungen vor dem Einsatz in einer Realitat zu testen, um potentielle Fehlerquellen sowie unerwunschte Seiteneffekte fruhzeitig zu identiflzieren und beseitigen zu konnen. Beispielsweise
kann in diesem
Zusammenhang
die
Entscheidungsfmdung fiir ein spezifisches MarktprotokoU an einer Handelsplattform mit Experimenten unterstutzt werden.^^^ Auswirkungen unterschiedlicher Handelsverfahren unter unterschiedlichen Bedingungen einer Markttransparenz lassen sich beziiglich der Effizienzkriterien
eines Marktmodells wie
Bewertungseffizienz,
Transaktionskosten, Liquiditat oder Volatilitat beurteilen.
Vgl. SMITH (1989), S. 152.
Vgl. zur „exploratorischen" bzw. „explorativen Methode" SAUERMANN (1967), S. 310 f. und TIETZAVEBER (1980), S. 518 f.
Vgl. ROTH (1987), S. 2 f, PLOTT (1987), FRIEDMAN/SUNDER (1994), S. 8, SMITH (1994), S. 115 f. und die dort aufgefiihrte Literatur.
81
Vermittlung von Wissen: Experimente konnen zur Vermittlung von Wissen um okonomische ZusammenhSnge und Funktionsweisen von Marktsystemen genutzt werden, wenn Teilnehmem eines Marktexperiments die Abweichung ihres Verhaltens von einem Idealbild aufgezeigt wird und dadurch ein Lemprozess einsetzt.^^^ In diesem Zusammenhang spielt besonders die ZugSnglichkeit der Experimentplattform fiir interessierte Teilnehmer eine Rolie. Das Internet bietet hier neue Moglichkeiten. Bereits CHAMBERLIN (1948) nutzte Experimente, um seinen Schiilem Marktprozesse zu vermitteln. Weltweit werden Experimente seit den achtziger Jahren auch in WirtschaftszusammenhMngen an Schulen und Universitaten zur Demonstration von 6konomischen Zusammenhangen 264
emgesetzt.
3.3.3 Kategorien von Experimenten Entsprechend der Vielfalt der unterschiedlichen Beweggrunde, die zur Durchftihrung eines Experiments fiihren kSnnen, lassen sich Experimente kategorisieren. Mit Bezug auf den Kapitalmarkt teilen ARNETH/BIENERT (2001) experimentelle Untersuchungen in dieser Richtung grob in drei Gruppen ein, namlich in die Kategorien: •
abstrakte, entscheidungstheoretische Wahlsituationen,
•
komplexere Skonomische Entscheidungssituationen und
•
interdependente Entscheidungen mehrerer Teilnehmer.
Generell k5nnen bei Einzelexperimenten gegeniiber Marktexperimenten sSmtliche Rahmendaten fiir individuellfe Entscheidungen exogen vorgegeben werden. Damit wird
es mSglich,
eine
Vielzahl
an Versuchspersonen
einer
identischen
Ausgangssituation auszusetzen.^^^
Vgl. SAUERMANN (1967), S. 307 und S. 311 ff.
Vgl. hierzu beispielsweise auch den Einsatz von CAT (Computerised Asset Trading) in China, bei dem die Forschergruppe um GERKE neben Lehrzwecken auch das Orderverhalten von Studenten an chinesischen Hochschulen untersucht hat. Auch FRIEDMAN/SUNDER (1994), S. 8. Vgl. ARNETH/BIENERT (2001).
82
Nach obiger Kategorisierung fallen unter die erste Kategorie solche Experimente, bei denen Teilnehmer beispielsweise zwischen verschiedenen Lotterien wahlen konnen. Bei entsprechender Variation der Lotterien konnen hinsichtlich Erwartungsbildung und Bewertung Verhaltensanomalien festgestellt werden, die sich auch auf das Entscheidungsverhalten von Marktteilnehmem an Kapitalm^rkten libertragen lassen. Die Experimente fiihren oft zu Ergebnissen, die nicht in Einklang mit im Sinne der Erwartungsnutzentheorie erwarteten Verhaltensmustem stehen.^^^ Entsprechend findet sich diese Kategorie Experimente oft im Zusammenhang mit den Forschungsthemen im Bereich der Behavioral Finance.^^^ Die Kategorie der komplexeren okonomischen Entscheidungssituationen bzw. „Einzelexperimente zum Anlegerverhalten" fasst Experimente zusammen, bei denen ebenfalls kein gesamter Markt, sondem strategische Situationen, in denen sich Marktteilnehmer befmden, identifiziert und abgebildet werden. Beispielsweise ftihren KROLL/LEVY/RAPOPORT (1988) zwei Studien zur Portfoliotheorie durch, bei denen die Teilnehmer ihre Portft)lios aus dreirisikobehafteten(stochastischen) Wertpapieren mit vorgegebener Varianz-Kovarianz-Matrix und in einigen Experimenten mit einer zusatzlichen risikolosen Anlagem6glichkeit zusammenstellen miissen.^^^ Die dritte Kategorie der interdependenten Entscheidungen mehrerer Teilnehmer oder auch „Asset Markets" umfasst Experimente, deren Design vollstandige Markte abbildet. Im Unterschied zu den beiden vorgenarmten Kategorien k5nnen hier Wechselwirkungen
zwischen
den Entscheidungen
einzelner
Teilnehmer im
Marktprozess in Bezug auf ein Marktergebnis beobachtet und dokumentiert werden, da die Kurse der Wertpapiere nicht exogen vorgegeben sind, sondem uber die Transaktionen der Teilnehmer endogen entstehen.^^^ Fragestellungen um Bewertung,
^^ Vgl. fur einen Uberblick beispielsweise ElCHENBERGER (1992), THALER (1987). ^^^ Einen Uberblick Uber in Experimenten festgestellte Entscheidungsanomalien geben u.a. ElCHENBERGER (1992), FREY/EICHENBERGER (1989), GERKE/ARNETH (2001), WEBER (1990) und UNSER (1999).
^^^ In diesem Experiment diversifizieren die Teilnehmer zwischen den drei Wertpapieren, investieren durchschnittlich aber zuviel in den riskantesten Titel. Die Einfuhrung der altemativen Anlagem6glichkeit fuhrt auch nicht zu der theoretisch erwarteten Homogenisierung der Portfolios (Separationstheorem). Vgl. COPELANDAVESTON (1992), S. 18-19. Vgl. zur Untersuchung des Anlageverhaltens im Sinne der Portfoliotheorie unter idealisierten Bedingungen auch WEBER/CAMERER (1992). Zu einer Variation der Einsichtsm6glichkeit fiir bestehende Wertpapierauftrage vor der Ordererteilung. Vgl. SYHA (1999). ^^^ Ubersichten zu verschiedenen Marktexperimenten fmden sich beispielsweise bei SUNDER (1995) und DUXBURY (1995).
83
Aggregation von Informationen (Information Aggregation) sowie Verteilung der Informationen
(Information
Dissemination)
konnen
anhand
unterschiedlich
informierter Marktteilnehmer innerhalb des Marktprozesses ebenso untersucht werden wie die adaptive Erwartungsbildung, wenn zunSchst uninformierte Marktteilnehmer abhangig von Privilegien aus dem Marktprozess lemen.^^° Die Beurteilung der Vorteilhaftigkeit verschiedener MarktprotokoUe wird moglich, da unterschiedliche Preisfmdungssysteme verglichen werden k5nnen und die Geschwindigkeit, mit der sich informationseffiziente Preise einstellen, gemessen werden kann.
3.3.4 SchwSchen und Chancen - Webexperimente Laborexperimente sind umstritten: „So lange wir nur den Commonsense-Mechanismus der Theoriebildung besitzen, wonach analoge Situationen wahrscheinlich analogen GesetzmSBigkeiten unteriiegen, spricht deshalb sogar einiges gegen die Herstellung mSglichst einfacher Laborsituationen. Denn wenn ein Laborexperiment gemacht wird, dann stellt man typischerweise Bedingungen her, die sehr unShnlich zu den realen Handlungsbedingungen sind. Wenn das Laborexperiment einen Zusammenhang unter idealisierten Bedingungen freilegt, dann gelten aber die Ergebnisse - wie gesagt zunSchst nur fiir die idealisierten Bedingungen."^^^ Laborexperimente werden zunSchst oft dahingehend kritisiert, dass bei der Durchfiihrung des Experiments in der Regel eine zwar kontrollierte, aber kiinstliche Umgebung vorliegt. Dabei wird angefuhrt, dass Experimentdesigns immer noch zu einfach bzw. zu stilisiert sind, um wirklich tiefe Einsichten in das reale Verhalten von Marktteilnehmem zu ermoglichen. Stilisierte und damit realitStsfeme Designs luhren dann oft dazu, dass sich die Ergebnisse unterschiedlicher Experimente beim gleichen Untersuchungsziel abhangig vom verwendeten Design unterscheiden.^^^
Unter Privilegien versteht man die Ausstattung bestimmter Marktteilnehmer oder -gruppen mit gewissen Vorrechten. Diese kdnnen sich auf einen schnelleren oder umfassenderen Zugang zu marktendogenen Informationen wie z.B. Kurse, Umsatze, Ordersituation, auf das Recht zur Kursfestsetzung oder auf den Erlass von Transaktionskosten beziehen. Vgl. GERKE/BIENERT/SYHA(2001).
GUTH/KLIEMT/NAPEL (2003), S. 113. Vgl. MADHAVAN (2000).
84
BERNINGHAUS/EHRHARDT/GUTH (2002) bezeichnen Experimente grundsatzlich als „...Spiele mit teils unkontrollierter unvollstandiger Information."^^^ Trotz weitgehendster Kontrolle muss diese grundsStzlich unvollkommen bleiben, da Teilnehmer ihre subjektiven Erfahmngen, Beweggninde und kognitiven FShigkeiten einbringen, die niemals vollst^dig erfassbar bzw. kontrollierbar sind. Dabei bleibt die mentale und emotionale Wahmehmung einer experimentellen Entscheidungssituation durch die Teilnehmer fur die Experimentatoren auch im Labor unzureichend beobachtbar.^^'* In diesem Zusammenhang stellt sich zudem die Frage, inwieweit sich die Erkenntnisse liber das Verhalten von meist studentischen Versuchspersonen im Experiment auf das Verhalten von mehr oder weniger erfahrenen Marktteilnehmem in komplizierten und foigenschweren Entscheidungssituationen iibertragen lassen. Hier gibt es Befunde, dass dieser Umstand zu verzerrten Ergebnissen fiihren kann.^^^ SMITH (1991) weist darauf hin, dass eine Ubertragung der experimentellen Ergebnisse auf parallele Situationen der Realit^t von einer mQglichst weitgehenden Entsprechung der relevanten Faktoren abhangt. Zwar lasst sich die exteme Validitat von Experimenten jeweils immer nur vorlSufig und subjektiv beurteilen, allerdings kann die Realit^tsnMhe der Ausgestaltung einer experimentellen Umgebung bei gleichzeitiger Wahrung der grundsatzlichen Vorteile der experimentellen Methode als Zielsetzung formuliert werden.^^^ WAHRENBURG (1998) bezieht das Problem der Ubertragbarkeit experimenteller Ergebnisse speziell bei Asset Markets generell auf die Anzahl der Marktteilnehmer und die damit einhergehenden geringen Handelsvolumina, wenn experimentelle Markte in der Regel aus 8-15 Marktteilnehmem bestehen.^^^ Er befmdet das produzierte Handelsvolumen als zu gering, um aussagekrSftige Ergebnisse fiir die
Vgl. BERNINGHAUS/EHRHART/GUTH (2002), S. 360.
Vgl. BERNINGHAUS/EHRHART/GUTH (2002), S. 360 sowie hierzu auch FREY (1997). Vgl. beispielsweise KAHNEMANN/KNETSCH/THALER (1990). Andererseits wird oft abhtogig von den experimentellen Gegebenheiten auch ein gewisses analytisches oder fachliches Grundverstandnis gefordert. Vgl. BERNINGHAUS/EHRHARD/GUTH (2002), S. 361. SELTEN (1979) merkt in diesem Zusammenhang an, dass die Unsicherheit uber die Obertragbarkeit der Ergebnisse genauso auch fiir theoretische Modelle gilt. Er nennt einige Beispiele fiir die Anzahl der Teilnehmer an experimentellen B6rsen: SMITH/SUCHANEK/WILLIAMS (1988), 9- 12 Teilnehmer, VAN BOENING/WILLIAMS/LAMASTER (1993), 12-15 Teilnehmer, GERKE/BIENERT/SCHROEDER-WILDBERG (1995), 10 Teilnehmer, GERKE/BIENERT (1991), 8-10, THEISSEN (1997), 12 Teilnehmer. Der Einfluss der Erfahrung der Teilnehmer auf das Marktergebnis wird z.B. in SMITH/SUCHANEK/WILLIAMS (1988) belegt, vgl. auch ROTH (1994).
85
Mikrostrukturanalyse von realen MSrkten zu gewinnen. Zudem sieht er im begrenzten Zeitraum eines experimentellen Borsenmarktes von in der Kegel 2-4 Stunden das Problem, dass Lemeffekte der Teilnehmer nur in begrenztem Umfang stattfmden. „Das BSrsenexperiment lauft dann Gefahr, den "Handel unter Anfangem" zu simulieren, die in der Realitat nur marginalen Einfluss auf das Borsengeschehen haben."^^^ Fiir eine Datenerhebung bieten sich als eine Alternative zu Laborexperimenten dann prinzipiell Feldexperimente an. Diese sind allerdings kostenintensiv und oft schwer zu kontrollieren. Zudem kommen sie abhangig vom Untersuchungszweck ftxr zahlreiche Fragestellungen nicht in Frage. Eine konsequente Weiterentwicklung stellen entsprechend Webexperimente dar.^^^ Prinzipiell bietet das Internet Chancen, groBe Teilnehmerzahlen zu rekrutieren und grSfiere Teilnehmergruppen sind gerade bei der Untersuchung von MSrkten und speziell
bei
Kapitalmarktfragestellungen
wiinschenswert.^^^ Da Asset-Market-
Experimente zudem inzwischen auch im Labor in der Kegel computerbasiert durchgeftihrt werden, stellt man sich mit der Erweiterung eines Experimentdesigns fur das Web auf keinen Fall schlechter, da ein Webdesign immer auch innerhalb eines Labors eingesetzt werden kann.^^^ Durch die Verwendung des Intemetprotokolls kann die Durchftihrung von Experimenten auch im Intranet vollzogen werden. Das Intranet stellt ein in sich geschlossenes Computemetz dar, sowohl die Experimentalserver als auch die Client-Kechner befmden sich im Local Area Network (LAN). Wegen der auBerordentlich hohen Kontrolle sind Experimente innerhalb eines Intranets mit Laborexperimenten vergleichbar.^^^ Mit dem Einsatz von Webexperimenten lassen sich einige
Schwachpunkte
traditioneller Experimentalmarkte vermeiden. KEIPS (2002) stellt 18 Vorteilen des
WAHRENBURG (1998). Der Einfluss der Erfahrung der Teilnehmer auf das Marktergebnis wird beispielsweise auch bei KING/SMITHAVILLIAMSA^AN BOENING (1993) und SMITH/SUCH ANEK/WiLLiAMS (1988) belegt. Auch bei den in der Kegel als offene IntemetbOrsen organisierten Wahlmarkten, bei denen auf den Ausgang von politischen Wahlen spekuliert wird, handelt es sich urn Webexperimente. Hierbei spielen allerdings auBerhalb des experimentellen Umfelds exogen bestimmte Zeitstrukturen und einfliefiende Informationen eine Rolle. Vgl. Beminghaus/Ehrhart/Guth (2002), S. 361. Vgl. REIPS (2002), S. 244. 282
86
Vgl. MEYER (2002), S. 114f.
Webexperiments sieben Nachteile gegenuber. Er nennt als Grunde fiir Webexperimente gegenuber traditionellen Experimenten u.a. die Geschwindigkeit, die exteme Validitat, die M5glichkeit der Durchfxihrung von Experimenten rund um die Uhr und den hohen Automatisierungsgrad im Experiment (geringer Instandhaltungsbedarf, geringe Experimentier-Effekte). Nach einer Studie von MUSCH/REIPS (2000) wurden 70 % derer, die Webexperimente durchgefuhrt haben, dies wieder tun, die restlichen 30 % vielleicht. Als Hauptgrunde fiir die Durchfuhrung von Experimenten im Web gelten die hohe Teilnehmeranzahl und die gute statistische Qualitat. Zudem bietet das Web zahlreiche M5glichkeiten der Kontaktaufnahme mit potentiellen Teilnehmem, wie beispielsweise die Kontaktaufiiahme uber Newsgroups, Intemetforen, Gastebucher oder Mailinglists. Durch die dezentrale Durchfuhrung der Experimente entstehen den Betreibem eines Experimentes Kostenvorteile, da keine Hardware in Form von Client-Rechnem oder VersuchsrSume zur Verftigung gestelh werden miissen.^^^ Als Grunde gegen Webexperimente fiihrt REIPS (1997) die schlechte Durchfiihrbarkeit von Experimenten an, wenn eine spezielle Hardware oder eine besonders kontrollierte Umgebung notwendig ist, um diese durchzufiihren. Eine weitere BeschrSnkung existiert mit der AbhSngigkeit der Experimente von Computem und Netzwerken, die technische, psychologische und methodische Implikationen auf das Experiment haben kSnnen. Technische Abhangigkeiten konnten beispielsweise die unterschiedliche Geschwindigkeit der Computer oder der Netzwerke sein.
^^^ Vgl. REIPS (1997), S. 246.
87
4 WebpIattformARTEX Die konzeptionelle Zielsetzung bei der Entwicklung der Webplattform ARTEX ergibt sich vor dem Hintergrund der Darstellungen in Kapitel 2, Typologie von Wertpapiermarkten, und in Kapitel 3, Marktmikrostrukturtheorie und Experimente, in zweierlei Richtung: Zum einen wird eine mSglichst realitStsnahe Implementierung der Handelsplattform angestrebt, zum anderen soil die funktionale Ausgestaltung der Webplattform ein mSglichst weites Spektrum experimenteller Untersuchungsdesigns ermSglichen. Im Folgenden wird die entwickelte Webplattform ARTEX in vier Abschnitten beschrieben: Der erste Abschnitt behandelt zunachst grundsatzliche Entscheidungen fiir das experimentelle Grunddesign von ARTEX, die sich insbesondere aus Oberlegungen auf Basis der in den Kapiteln 2 und 3 dargestellten Ausgangsvoraussetzungen fiir das Design einer experimentellen Plattform ergeben. Daraus ergeben sich wiederum funktionale sowie technische Anforderungen an das zu entwickelnde Softwaresystem. Der zweite Abschnitt behandelt die notwendigen softwaretechnischen Grundlagen. Das Grunddesign erfordert eine echtzeitfMhige Webapplikation
mit Datenbankanbindung,
die sich flexibel
erweitem ISsst.
Entsprechend werden der komponentenbasierte Ansatz, Webapplikationen im Allgemeinen, Framework und Tools grundlegend besprochen. Der dritte Abschnitt schlieBlich widmet sich der Webplattform ARTEX im Einzelnen. Neben der Struktur des Gesamtsystems, Ausschnitten aus dem Datenbankschema und grundlegenden Komponenten werden weitere zentrale Features des Systems sowie Aufbau und wesentliche Bausteine der graphischen OberflSchen dargestellt und erlSutert. Der vierte Abschnitt des Kapitels diskutiert schliefilich ausgewMhlte Einsatzgebiete ftir die Webplattform. Neben der experimentellen Verwendung kann ein Schwerpunkt des Einsatzes von ARTEX auch im e-Leaming-, Prognose- oder spielerischen Bereich liegen.
89
4.1 Grundsatzentscheidungen 4.LI Voriiberlegungen zum experimentellen Grunddesign Die Webplattform ARTEX soil bereits im Grunddesign weitreichende MSglichkeiten fiir die Durchfiihrung von intemetbasierten Experimenten mit Kapitalmarktbezug ermQglichen. Nach Gerke (1990) besteht die Hauptaufgabe einer B5rsensimulation in der Schaffung einer realit^tsnahen Modellwelt, die die Beantwortung von Fragen um das Entscheidungsverhalten von Marktteilnehmem im Kontext des Marktprozesses zulSsst. Im Einzelnen handelt es sich um Fragen, wie^^ •
auf welche Art und in welchem Umfang gegebene Informationen bei der Kursbildung verarbeitet werden und wie lange dieser Prozess dauert,
•
ob und auf welche Weise eine ErhShung des Ertragsrisikos das Verhalten der Marktteilnehmer und das Marktergebnis beeinflusst,
•
ob
die
Marktteilnehmer
im
Experiment
bestimmte
Anlage-
und
Handelsstrategien verfolgen und ob ein Lemprozess einsetzt, wenn sie sich mit einem temporSren Misserfolgsfall konfrontiert sehen oder •
ob die Aussagen
der Kapitalmarkttheorie
durch das Verhalten der
Marktteilnehmer im Experiment eine BestStigung erfahren. Fiir die Beantwortung derartiger Fragestellungen in einer mSglichst realitStsnahen experimentellen Umgebung kommt auf ARTEX auch vor dem Hintergrund der Ausfiihrungen in den Kapiteln 2 und 3 der vorliegenden Arbeit grundlegend ein flexibel mehrperiodiges Stock-Market-Modell zum Einsatz, das die endogene Kursbildung, die historische AbhSngigkeit und eine revolvierende Unsicherheit unterstiitzt.^^^ Ein solches Grundmodell zeichnet sich vor allem daniber aus, dass^^^
Vgl. GERKE (1990), S. 148.
Das experimentelle Grunddesign auf ARTEX inkludiert die Merkmale des der Computerb^rse CAT (Computerised Asset Trading) zugrunde liegenden experimentellen Modells. Zu den Zielsetzungen, Besonderheiten und ausfuhrlichen Beschreibungen der ComputerbOrse CAT vgl. u.a. GERKE (1994), GERKE/BIENERT (1991), GERKE/BIENERT (1994) und GERKE/BIENERT
(1999). Vgl. zu den Moglichkeiten der Untersuchung GERKE/BIENERT (1994), S. 582.
90
•
Kurse und Umsatze als Ergebnis eines Marktprozesses und neben der Aggregation der Einzelentscheidungen von Marktteilnehmem auch die Wechselwirkungen zwischen Marktprozessen und dem Entscheidungsverhalten der Teilnehmer betrachtet werden konnen,
•
Variationen eines Marktprotokolls im Hinblick auf das Marktergebnis analysiert werden konnen, wobei auch die Untersuchung des Einflusses von Privilegien in einem Markt mSglich ist, sowie
•
Marktteilnehmer
in ihrem Entscheidungsverhalten
abhSngig von ihrer
Ausstattung mit Privilegien beobachtet werden konnen. An realen MSrkten sind feste Liquidationswerte von Wertpapieren in der Kegel nicht bekannt. Die Einfiihrung einer revolvierenden Unsicherheit mit der Kopplung des „fairen" Wertes eines Wertpapiers an seine kiinftig zu erwartenden ZahlungsstrSme in Form von Dividendenzahlungen ermoglicht eine realitatsnShere Abbildung der Gegebenheiten an den MSrkten als etwa die Modellierung eines Marktes mit vorgegebenen Liquidationswerten, auf dem die Unsicherheit Uber den Wert eines Wertpapiers im Zeitablauf sinkt. Revolvierende Unsicherheit ISsst sich auf einem Markt einfuhren, indem die Wertpapiere mit quasi unendlich langer Laufzeit ausgestattet werden, die Marktteilnehmer Informationen uber die in Zukunft gezahlten Dividenden erhalten und zudem Unsicherheit iiber den Endzeitpunkt des Experiments herrscht. Indem sich ohne exogen vorgegebene Liquidationswerte der Wertpapiere Kurse durch Angebot und Nachfrage nach Aktien ausschlieBlich endogen durch den Marktprozess bilden (endogene Kursbildung), werden die Erwartungen der Anleger iiber die zukiinftigen Dividenden aggregiert. Es ergibt sich die Moglichkeit, das Entscheidungsverhalten
von
Marktteilnehmem
in
AbhSngigkeit
fruherer
Entscheidungen und der Wertentwicklung von Aktien zu untersuchen. Aufgrund der ausschlieBlich endogenen Kursbildung ist auch das Entstehen von linger anhaltenden Abweichungen (Fehlbewertungen) vom fundamentalen Wert mQglich, die nicht zwangsweise aufgrund eines exogen vorgegebenen Liquidationspreises platzen miissen. Ein solches endogenes Design ermSglicht folglich beispielsweise auch die Untersuchung von Fragestellungen um das Entstehen und Platzen von Bubbles. Im Gegensatz zu stationSren Experimenten, bei denen nach einer Handelsperiode die Ausgangssituation
wieder
hergestellt
wird,
werden
die AktienbestSnde
der
Marktteilnehmer iiber die Handelsperioden fortgeschrieben. Es existiert eine historische Abhangigkeit der Entscheidungen und Kurse. Damit kann das Verhalten 91
von Marktteilnehmem auch in Abhangigkeit vergangener Transaktionen oder in Relation zur beobachteten Kursentwicklung untersucht werden. Mit den Vorteilen der Implementierung eines die vorgenannten Merkmale aufweisenden Grunddesigns geht fiir den Nutzer eine gewisse Komplexitat des Gesamtsystems einher. Allerdings erscheint diese Komplexitat im Vergleich mit den Gegebenheiten in der realen Welt, die schlieBlich untersucht werden sollen, durchaus vertretbar. Mit der Wahl des relativ umfangreichen Ansatzes wurde neben der gewunschten RealitatsnShe dabei gleichzeitig die MQglichkeit fiir die Umsetzung weiterer Untersuchungsdesigns in anderen Untersuchungsbereichen mit geringerer Komplexitat erSffnet: Eine Reduktion der implementierten Funktionalitaten ist mit den verwendeten Entwicklungskonzepten und modemen Softwaretechnologien jederzeit mSglich.
4.1.2 Funktionale Anforderungen Unter Benicksichtigung der vorgenannten Uberlegungen und mit der Integration des Phasenmodells nach PICOT/BORTENLANGER/ROHRL (1996) fiir den Handelsprozess an WertpapierbQrsen ergibt sich fiir ARTEX ein Marktmodell in seinen einzelnen Komponenten entsprechend der folgenden Abbildung.
92
ADMIN
MARKTTEILNEHMER
Rahmenbedingungen
INFORMATIONSPHASE
Bankfunktionalitat
exogen
;
endogen
UMWELT
s on H
Informationsaktivitaten
Entscheidungsverhalten
>
z
MARKTDESIGN
N Marktorganisation
ORDERROUTINGPHASE
Markttransparenz
PREISFESTSTELLUNG ABWICKLUNGSPHASE
Abbildung 3: Marktmodell ARTEX
Der Administrator (Experimentleiter) bestimmt zunachst die Umweltbedingungen und das Marktdesign auf der Webplattform. Er soil anschliefiend in der Lage sein, eine Handelssession
(Experiment)
in einer variablen
Zeitstruktur
zu starten,
zu
unterbrechen und zu beenden. Altemativ soil der Durchlauf einer Handelssession auch automatisiert erfolgen konnen. Die Ausgestaltungsmoglichkeiten der Umweltbedingungen (Environment) beziehen sich auf die phaseriubergreifenden Komponenten des Systems und umfassen die Zeitstruktur einer Handelssession ebenso wie die Festlegung der Handelsobjekte mit
93
spezifischen
heterogenen
exogenen
Informationen
fiir
unterschiedliche
Marktteilnehmer, die Festlegung deren individueller Grundausstattungen an fiktiven Vermogenswerten und die Ausgestaltung von Anreizstrukturen in verschiedenen Varianten. Entsprechend werden Auswertungsziele der experimentellen Untersuchung, die aufzuzeichnenden Aktivitaten der Marktteilnehmer sowie der Bewertungsmodus, nach dem die Aktivitaten der Marktteilnehmer beurteilt werden sollen, festgelegt. Fur die
Untersuchung
der
Wechselwirkungen
der
Handelsaktivitaten
und
des
Informationsverhaltens der Marktteilnehmer im Marktprozess soil die MQglichkeit der Rekonstruktion der HSndleraktionen sowie der korrespondierenden Kursentwicklung bestehen. Grundsatzlich soil jede Aktivitat eines Marktteilnehmers und jeder Vorgang aufgezeichnet werden konnen. Die innerhalb des Grunddesigns untersuchbaren Fragestellungen lassen sich grob in drei
Bereiche
unterteilen:
Diese
sind
Fragestellungen
im
Bereich
der
Verhaltensmusterforschung, im Bereich der Auswertung von Kursbildungsprozessen im Zusammenspiel mit der Informationsverarbeitung
sowie im Bereich der
Auswirkungen der Variation der Ausgestaltung des Marktprozesses. Anhand der variablen
Informationsgenerierung
Informationen
kann
hierbei
ein Teilnehmer automatisiert
bestimmt
(Datenpush)
werden,
welche
erhalt und welche
Informationen von ihm abgerufen werden miissen (Datenpull). Dabei ermoglicht eine teilnehmerspezifische Informationsgenerierung die Erzeugung von Informationsasymmetrien unter den Marktteilnehmem. Fragestellungen um die Variation des Marktdesigns betreffen insbesondere phasenspezifische Komponenten des Systems, die variabel verandert werden k6nnen. Um Preisbildungsprozesse auf unterschiedlich ausgestalteten Handelssystemen bezogen auf die jeweils resultierende Markteffizienz vergleichen
zu
konnen,
miissen
insbesondere
die
Gegebenheiten
wShrend
Informations-, Orderrouting- und Preisfeststellungssphase verandert werden kSnnen. Hierfur
konnen
unterschiedliche
Pre-
und
Post-Trade-Transparenzgrade
fur
unterschiedliche Marktteilnehmer in verschiedenen Preisfeststellungsverfahren in beliebiger Reihenfolge innerhalb einer Handelssession aneinandergereiht werden. Prinzipiell k5nnen auf ARTEX auch parallele Markte in einem Titel implementiert werden.^^^ Die Abschlussphase schlieBlich erfordert systemseitig die Bereitstellung von Clearing- und Settlement-Funktionalitaten sowie die Implementierung von Verzinsungsfunktionalitaten
fiir
die
Konten
der
Marktteilnehmer.
Da
die
^^^ Damit ergeben sich MCglichkeiten, beispielsweise den Sunshine-Trading-Ansatz oder den Intemalisierungsgedanken bei XETRA-Best nachstellen zu k6nnen.
94
Webapplikation die kontroUierte Durchfiihmng von Experimenten mit einem beschrankten
Teilnehmerkreis
im Labor ebenso
ermoglichen
soil
wie
die
Durchfuhrung von offenen Handelssessions unterschiedlicher Zweckausrichtung im Web wird weiterhin eine geeignete Benutzerverwaltung benotigt. Neben dem Zugang eines Users auf die Plattform soil auch die differenzierts Ausgestaltung der Zugange von Marktteilnehmem zu gruppenspezifischen Informationen und Funktionalitaten geregelt werden konnen.
4.1.3 Technische Anforderungen Aus
dem oben
Anforderungen
skizzierten an
das
experimentellen
Gesamtsystem
Grunddesign
hinsichtlich
der
ergeben
sich die
Oberfiachen,
der
Applikationslogik und der Datenbankanbindung. Die Abbildung einer mehrperiodigen, variablen Zeitstruktur fiir den Echt-Zeit-Handel erfordert neben dem Aufbau einer virtuellen Welt fiir die Marktteilnehmer entsprechend den Entwurf einer Technik zur Abbildung des Handels iiber die vier Phasen des Handelsprozesses, die echtzeitfahig ist. Innerhalb der Informationsphase miissen im Grunddesign unterschiedliche OberflSchenkomponenten zur Informationsversorgung fur verschiedene Gruppen von Handelsteilnehmem (Marktteilnehmer im engeren Sinne, Preisfeststellende Personen, Privilegierte, Handelsplattformbetreiber) bereitgestellt werden, die teilweise im Datenpush und teilweise auf Abruf verfugbar sein sollen. Die Orderroutingphase erfordert aus softwaretechnischer Sicht die Bereitstellung einer HandelsoberflSche, uber die die Teilnehmer in der Lage sind, ihre Transaktionswunsche abzusetzen. Hierbei kann es sich um unterschiedlich spezifizierte Orders fiir die Wertpapiertitel als auch um die Anlage von Festgeld handeln. Zusatzlich besteht die Notwendigkeit, Bankaktivitaten, wie die Festgeldanlage oder Kreditaufnahme, operationalisierbar zu machen. Fur die Preisfeststellungsphase ergibt sich der Bedarf nach einer flexiblen Integrationsmoglichkeit der unterschiedlichen Preisfmdungsverfahren. Die Preisfeststellungsphase lauft im Hintergrund ab und erfordert daher keine grafische Oberfiache. Fiir die Abwicklungsphase miissen insbesondere Inkonsistenzen in der Datenbank ausgeschlossen werden konnen, um die korrekte Abwicklung der AuftrSge sicherzustellen. Hierfiir ist ein geeignetes Verfahren zu verwenden. Im Detail sind bei der Entwicklung der Webplattform ARTEX zahlreiche Faktoren zu beriicksichtigen. Zentrale Aufgabenstellungen bestehen in der Schaffung von
95
•
bedienerfreundlichen, leicht zuganglichen (TeilnahmemOglichkeit im Internet ohne Notwendigkeit der Installation von Softwarekomponenten seitens der Experimentteilnehmer),
moglichst
realitStsnahen
Handelsoberfl^chen
(OberflSchendesign) ftir mSglicherweise heterogen definierte Gruppen von Marktteilnehmem, urn Handelsaktivitaten in einem geschlossenen System zu erm5glichen, •
Skalierbarkeit der Anwendung hinsichtlich der Anzahl der Teilnehmer bei MSglichkeit
eines
automatisierten
Ablaufs
von Handelssessions
ohne
notwendigen Eingriff des Betreibers, •
einem automatisierten Handelsprozess mit MSglichkeiten zur manuell- und zeitgesteuerten
Verbreitung
(Fundamentalinformationen),
(Datenpush) individual
exogener
Informationen
an Marktteilnehmer (heterogene
Informationen) angepasst, •
der
zeitnahen
Visualisierung
individueller,
endogener
Markt-
und
Feedbackinformationen fiir die Marktteilnehmer (Informations-, BeurteilungsChartkomponenten), •
(manueller
oder
automatischer Start und terminierte oder zufMllige Beendigung
Eingriffsmoglichkeiten
seitens
der
Versuchsleitung
eines
Experiments), •
Moglichkeiten
zur
Erfassung
der
HandelsaktivitSten
(Kontrolle)
der
Experimentteilnehmer bei gleichzeitiger Vermeidung von Versuchleitereffekten (Validitat), •
einer Zeitstruktur, nach der verschiedenartige Handelssessions
flexibel
ausgestaltet werden konnen, •
einer Datenverwaltung, die einen m5glichst unbeschrSnkten Einsatzraum der Anwendung (vor allem offene Teilnehmerzahlen) iiber mehrere gleichzeitig durchgeflihrte Experimente bei gleichzeitiger Aufnahmemoglichkeit der im jeweiligen
Experiment
fokussierten
Daten
zu
Informationsverhalten,
Entscheidungsverarbeitung und Transaktionen zulSsst und die Datenauswertung hinsichtlich der Handhabbarkeit unterstiitzt.
96
•
in die Software integrierten Moglichkeiten zur Erzeugung einer flexiblen Informationsumgebung sowie eine Beurteilungskomponente, so dass die Marktteilnehmer
mit
Informationen
versorgt
und
aufgrund
ihres
Entscheidungsverhaltens hinsichtlich ihres Handelserfolgs im Sinne der Anreizstruktur beurteilt werden konnen. Fur die flexible
Einsatzfahigkeit
der Webplattform besteht neben der als
Voraussetzung notwendigen Stabilitat der Anwendung bei mOglichst geringem Betreibungsaufwand - sowohl zeitlich als auch hinsichtlich der Kosten - zudem der Anspruch, dass das Softwaregeriist die M6glichkeit einer einfachen Erweiterung um neue Funktionalitaten zulasst. Denkbare Erweiterungen sind, wie oben angesprochen, beispielsweise die Integration weiterer Ausgestaltungsvarianten des Marktmodells sowie zusatzliche Handelsstrategien als Handelsautomaten bzw. Simulationsanwendungen.
4.2 Softwaretechnische Rahmenbedingungen
4.2.1 Komponenten, Objektorientierung und Schichtenmodelle Die modulare Aufteilung einer Applikation in mehrere abgeschlossene, semantisch zusammenhangende Teilsysteme erlaubt die Reduktion der KomplexitSt eines abstrakten Gesamtsystems. Anhand eines komponentenbasierten Entwurfskonzepts lasst sich ein Gesamtproblem in Teilprobleme zerlegen, indem die einzelnen Komponenten uber definierte Schnittstellen als Module eines Gesamtsystems miteinander kommunizieren. Eine Komponente lasst sich als „Black Box" begreifen, die unabhSngig von anderen Komponenten gewartet und weiterentwickelt werden kann.^^^ Gegeniiber Komponenten, die sich als Bausteine zur Losung einer speziellen Aufgabe auf gleicher Ebene gegenseitig benutzen und dabei auch ersetzen lassen, ohne dass andere Komponenten betroffen sind, stehen Objekte als beliebig fein gekapselte
Da die Veranderungen an einer Komponente andere Komponenten nicht beeinflussen, kOnnen mehrere Entwickler gleichzeitig in den Entwicklungsprozess des Gesamtsystems einbezogen werden.
97
Bestandteile des Systems mitunter in komplexen Beziehungen zueinander.^^^ Dabei kSnnen objektorientierte Entwurfskonzepte sowohl bei der Modellierung von Schnittstellen der Komponenten als auch bei deren Implementierung eingesetzt werden. Indem zu einer Schnittstelle mehrere Implementierungen koexistieren konnen, lassen sich in einem komponentenbasierten Gesamtsystem auch prozedurale, objektorientierte und funktionale Programmlosungen gleichzeitig einbinden. Damit lassen sich beispielsweise bereits vorhandene Softwarebausteine wieder verwenden bzw. auch fremde Teilsysteme in die Gesamtlosung einbinden. Die Erweiterbarkeit des Gesamtsystems um neue Komponenten im Laufe der Zeit ist gewahrleistet. Zusatzlich ermSglicht der komponentenbasierte Entwurf hardwarebezogen die Realisierung einer Lastverteilung, indem Module der Anwendung auf verschiedenen Rechnem laufen konnen. Bei der Entwicklung einer Applikation in einer Komponentenarchitektur ist allerdings zu bedenken, dass eine zu feingliedrige Komponentenstruktur des Gesamtsystems zu einem groBen Kommunikationsbedarf zwischen den einzelnen Komponenten fiihren kann. Auch kann ein Komponentenkonzept nicht ohne weiteres auf ein Altsystem aufgesetzt werden, wenn das Altsystem nicht iiber die geeigneten Schnittstellen verftigt.^^ Fur die Umsetzung der Webplattform ARTEX wurde vor dem Hintergrund der fiir das Grunddesign der Plattform getroffenen Entscheidungen und in Anbetracht den dargestellten Vorteilen entsprechend ein komponentenbasiertes Konzept gewShlt.
Unter einem Komponentenmodell kann die Kombination einer Modellierungssprache mil dem dazugehfirigen Modell zur Interaktion verstanden werden. Beispielsweise sind Java Beans und Enterprise Java Beans auf die Sprache Java zugeschnittene Komponentenmodelle. Hier werden allerdings alle Schnittstellen direkt in Java spezifiziert. Entsprechend handelt es sich bei ARTEX um eine vollstandige Neuentwicklung. Das ,Altsystem" CAT diente dabei als Konzeptvoriage fiir die Entwicklung der Experimentbedingungen auf ARTEX, wobei auch die klassische CAT-Designstruktur eingestellt werden kann. Ebenso lassen sich die auf ARTEX gewonnenen Experimentdaten auch in der klassischen CAT-Form in der Datenbank ablegen, so dass auch die Auswertungsprozeduren des ,yAltsystems" genutzt werden kOnnen.
98
4.2.2 Schichtenmodelle und Multi-Tier-Architektur Softwaresysteme lassen sich anhand von Schichtenmodellen strukturieren.^^' Unter verschiedenen Schichtenkonzepten lasst sich das so genannte „Drei-Tier-Modell" mit der Aufteilung Prasentation, Ausfiihrung und Datenhaltung als das gangigste bezeichnen. Die Prasentationsschicht umfasst dabei die Funktionalitaten rund urn die Kommunikation zwischen Anwender und System (Benutzerschnittstelle). Die Ausfuhrungsschicht beinhaltet die Business-Logik-Komponenten der Applikation. In der Datenhaltungsschicht werden Daten vorgehalten bzw. die Ergebnisse der Anwendung geschrieben. Werden neben diesen drei Ebenen weitere Ebenen in eine Gesamtanwendung integriert, spricht man von „N-Tier-Architekturen". In direktem Zusammenhang mit den Schichtenmodellen steht der Begriff der „Client/Server-Grenzen".^^^ Uber die Client/Server-Grenzen hinweg stehen die einzelnen Schichten der Anwendung in Verbindung miteinander. Die Einbindung der Client/Server-Grenzen ermoglicht letztendlich die logische Strukturierung des Gesamtsystems, womit die Funktionalitaten des Gesamtsystems innerhalb einer NTier-Architektur auf mehrere Rechner, Prozessoren oder „Threads"^^^ verteilt werden kSnnen. Unterstiitzt wird die Strukturierung der Applikation im Rahmen des Konzepts der Client/Server-Grenzen durch die so genannte „Middleware". Die Middleware umfasst geeignete
Schnittstellen
auf dem
Client,
die
Verwaltung
der eigentlichen
Kommunikation und Mechanismen zum Aufruf gewunschter Funktionen auf dem Server. ^^"^ Die
Middleware
iibemimmt
die
Kommunikation
zwischen
den
291
Gegenuber dem ISO/OSI-Modell, bei dem genau sieben Schichten mit ihren Schnittstellen und der zu realisierenden Funktionalitat definiert sind, existiert ftir die Strukturierung von Systemen weder hinsichtlich der Schichten noch der Schnittstellen ein einheitliches Modell.
292
Vgl. zu Client/Server-Grenzen beispielsweise SELLENTIN (1999). Die RoUe von Client oder Server ist dabei defmitorisch nicht eindeutig. Ein Webserver kann als Server fur Clients selbst gleichzeitig die Rolle des Clients eines Datenbankservers iibemehmen. Weiterhin kann es innerhalb eines Systems auch mehrere Client/Server-Grenzen innerhalb von Komponenten geben. In den meisten Fallen ist die Schnittstelle einer Komponente aber auch gleichzeitig eine Client/Server-Grenze; dies ermoglicht die oben beschriebene Kapselung und Austauschbarkeit von Komponenten, die dann z.B. auch in eigenen Prozessen ablaufen kOnnen. Threads sind unabhangige leichtgewichtige Prozesse, die gleichzeitig ablaufen kGnnen. ARTEX ist Multi-Thread-fkhig.
294
In GEIHS (1995) wird Middleware auch als „Softwareinfrastruktur zur Uberbrtickung der Verteilung" bezeichnet. Die Middleware kann auf verschiedensten Mechanismen aufbauen. Bei der Message Oriented Middleware erfolgt die Kommunikation uber Nachrichten. Transaction Processing Monitors nehmen Anfragen der Clients entgegen und leiten sie je nach Art und
99
Systemkomponenten, so dass verteilte Programme, deren einzelne Komponenten auf mehreren Rechnem laufen, ausgefuhrt werden konnen. Wie oben erlSutert, ist beim Aufbau einer Multi-Tier-Architektur darauf zu achten, dass die Kommunikation unter den einzelnen Modulen mit moglichst wenig Interaktion untereinander erfolgen sollte, damit die Gesamtanwendung ohne allzu groBes Kommunikationsaufkommen
zwischen den beteiligten Rechnem bzw.
zwischen den der involvierten Prozessen auf die Hardware verteilt werden kann.^^^ Multi-Tier-Systeme folgen dabei prinzipiell folgendem Kommunikationsablauf: Bei einem „Two-Tier System" mit integrierter Datenbank fmdet der Datenaustausch zwischen einer Anwendung auf dem Client und einem Datenbank Management System (DBMS) auf einem Server statt. Das DBMS verwaltet den gleichzeitigen Datenzugriff mehrerer Clients und stellt die Datenkonsistenz in der Datenbank sicher.^^ Clientseitig lassen sich die Datensatze auf einem femen Datenbank-Server gezielt abfragen.^^^ Die Leistungsfahigkeit eines solchen Systems wird hauptsSchlich von der Ausgestaltung des DBMS bestimmt, das wiederum aus einem oder mehreren geclusterten Servem bestehen kann.^^^ Das gegeniiber dem Two-Tier System prinzipiell leistungsfahigere „Three-Tier System" verfugt iiber eine zusatzliche Serverschicht (Middle-Tier), die entsprechend des Anwendungsbereichs der Applikation verschiedene Funktionen erfiillen kann. In der Funktion eines Transaction Processing Monitor werden in der Middle-Tier zur Verfugung stehende Ressourcen wie Datenbankverbindungen verwaltet und ClientAnfragen zugeordnet.^^^ Bei Einsatz von einem oder mehreren Applikationsservem
Prioritat an die entsprechenden Module welter. Auch die meisten Datenbanksysteme haben Middleware integriert. Die Skalierbarkeit hat fiir die Performance eines Gesamtsystems bei der Verwendung mehrerer Rechner eine groBe Bedeutung. Die Begriffe Client und Server werden synonym fvir Hard- und Software verwendet. Die Bezeichnung Webserver wird synonym fiir den Rechner wie fiir das Programm, das die Webseiten an die Webbrowser ausliefert, verwendet. Entsprechend wird ein Webbrowser auch als Webclient bezeichnet. Er fragt beim Webserver nach einer Webseite und zeigt diese dann im Browserfenster an. 297
Gegenuber File-Systemen ermOghcht die gezielte Abfi"age von Datensatzen eine Reduzierung des Speicherbedarfs und der Netzwerkbelastung.
298
Bei der Verwendung mehrerer Datenbanken kann die Sicherstellung der Datenkonsistenz allerdings zu Problemen fiihren.
299
Jede Anfi^ge gilt als Transaktion, fiir die der Transaction Processing Monitor die so genannten ,^CID-Eigenschaften" gewahrleistet, vgl. auch BALZERT (2000), S. 907 f. Diese sind:
100
umfasst die Middle-Tier entsprechend Business Logic und Datenbankanbindung. Der Vorteil bei Verwendung dieser Architektur besteht darin, dass die Clients bei einer Anwendung mit Datenbankzugriff nicht mehr direkt, sondem uber die Middle-Tier mit der Datenbank kommunizieren. Damit lassen sich die Komponenten auf den Clients schlanker und ressourcenschonender gestalten (Thin Clients).^^^ Im einfachsten Fall dient das Programm auf dem Client lediglich der Erfassung von Benutzereingaben und der Darstellung der Ergebnisse einer Abfrage.^^^ Mit der schlanken Gestaltung der Clientseite eines Systems, wie bei ARTEX realisiert, ergeben sich fiir das Gesamtsystem zahlreiche Vorteile: Vor allem konnen die Ressourcenanforderungen
an
die
physischen
Clients
gesenkt
werden,
die
Skalierbarkeit der Anwendung bei beispielsweise erhohten Benutzerzahlen ist gegeben und die Wartung des Gesamtsystems wird erleichtert.^^^ Sicherheitsaspekte lassen sich relativ einfach berucksichtigen, da der Client eine relativ kleine AngriffsflSche ftir Storungen des Gesamtsystems bietet. Weiterhin iSsst sich das Gesamtsystem relativ problemlos erweitem. Werden die Daten zentral gehalten, kSnnen neben der einfacheren Sicherstellung von Datenkonsistenz zudem bessere Bedingungen fiir die regelmSBige Datensicherung geschaffen werden. Die Datensicherheit wird zusatzlich
Atomicity, jede Transaktion wird entweder vollstandig ausgefUhrt oder uberhaupt nicht. Kann eine Operation der Transaktion nicht durchgefuhrt werden, werden die bereits durchgefiihrten Operationen ruckgangig gemacht. Consistency, am Ende einer Transaktion mussen alle Ressourcen, die an der Transaktion beteiligt waren, in einem konsistenten Zustand sein. Isolation, Transaktionen, die auf gemeinsam genutzte Ressourcen zugreifen und gleichzeitig ausgelGst werden, mussen voneinander isoliert werden, damit sie sich gegenseitig nicht beeinflussen. Durability, die Anderungen, die innerhalb einer Transaktion vorgenommen wurden, sind dauerhaft. Bei Thin Clients handelt es sich um kleinere Rechner, uber deren Benutzeroberflachen die auf dem Server laufende Anwendung bedient werden kann. Gegenuber Terminals, die mit Mainframe-Rechnem kommunizieren, sind Thin Clients mit einem eigenen Prozessor ausgestattet und auch in der Lage, eigene Programme auszufiihren, um mit dem Server kommunizieren und beispielsweise grafische Benutzeroberflachen darstellen zu kOnnen. Bei Webapplikationen handelt es sich dabei um einen Web-Browser. Die Konzeption von ARTEX erlaubt im Zusammenspiel mit der W4T-Technologie den Einsatz vor „Very-Thin-Clients", da die Kommunikation zwischen den Teilnehmem und dem System uber reine HTML-Seiten ablauft und keinerlei Installation von Programmen auf der Client-Seite notwendig ist. Die Zielsetzung beim Einsatz besteht darin, potentiellen Teilnehmem die jederzeitige Teilnahme an Handelssessions plattformunabhangig zu ermGglichen, beispielsweise aus einem Internet-Cafe heraus, wo ublicherweise keine Mdglichkeit fur die Installation von Programmen auf den Client-Rechnem besteht.
101
erhoht, wenn die Daten zentral vor unberechtigtem Zugriff oder Viren geschiitzt werden konnen. Fur eine Verteilung von Anwendung und Daten auf verschiedene Standorte sprechen zusammenfassend Griinde wie Ausfallsicherheit, Sicherheit gegenuber Angriffen, Lastverteilung und ktirzere Wege.^^^ AUerdings ergeben sich mit der Beschrankung des Clients auf die reine Kommunikationsaufgabe auch hohere Anforderungen an die Leistungsfahigkeit der eingesetzten Server und des Netzwerks. Hierbei kommt der Abstimmung der Ablaufe der Anwendung bezogen auf die erreichbare Performance des Gesamtsystems ein groBeres Gewicht zu. Auch die zentrale Datenhaltung bringt Nachteile mit sich, wenn Probleme hinsichtlich der Geschwindigkeit beim Datenzugriff bestehen. Die jeweiligen Anforderungen beziehen sich dabei immer auf die gesamte Infrastruktur und betreffen auch die Netzwerkressourcen, die fiir eine moglichst gute Performance des
Gesamtsystems
beriicksichtigt
werden
miissen,
um
eine
komfortable
Anwendbarkeit der Applikation zu gewahrleisten. Bei der Entwicklung von ARTEX wurde das Konzept der zentralen Datenhaltung vor allem wegen der Sicherstellung der Datenkonsistenz in einem Mehrbenutzerumfeld umgesetzt.^^ Den datensensitiven Anforderungen an eine Handelsplattform mit Verbuchungsvorgangen wurde Rechnung getragen, indem auf Datenhaltung beim Client bzw. Caching in der Middleware weitgehend verzichtet wurde.^^^
Fallt ein Server an einem Standort aus, kCnnten die Clients entweder automatisch oder manuell auf einen anderen Server umgeleitet werden. Auch wenn ein gezielter Angriff nur wenige Server in einem Datenzentrum uberlastet, kann das gesamte Datenzentrum betroffen sein, wenn der Angriff die Netzverbindungen ebenfalls uberlastet. Ein Server in einem anderen Datenzentrum ist davon nicht betroffen und kann die Anfragen ubemehmen. Hinsichtlich der Lastverteilung kann die Last auf mehrere Server verteilt werden. Insgesamt kOnnen dadurch mehr Anfragen bewaltigt werden. Der Einsatz von mehreren Servem an unterschiedlichen Standorten flihrt zu kurzeren Antwortzeiten und zu einer insgesamt geringeren Netzwerkbelastung, wenn jeder Client den ihm n^chstgelegenen Server verwendet. Bei einem zentralen Datenbestand k5nnen mehrere Benutzer gleichzeitig mit den Daten arbeiten. Die Konsistenz der Daten kann relativ einfach gesichert werden, indem Daten, die von einem Benutzer bearbeitet werden, fur andere Benutzer gesperrt sind. Auf Caching wird bei ARTEX hauptsachlich fur die den Teilnehmem in Intervallen angezeigten Informationen zurtickgegriffen.
102
4.2.3 Webapplikationen mit Datenbankanbindung Bei der Webplattform ARTEX handelt es sich urn eine Webapplikation mit Datenbankanbindung.
Webapplikationen
konnen
als
mehrschichtige
Systeme
aufgesetzt werden, wobei sich die unterschiedlichen ServerfunktionalitSten generell unterschiedlichen
Schichten
Ressourcenbedarf
der
zuordnen
Anwendung
und auf
entsprechend
mehrere
dem
Rechner
Zweck
verteilen
und oder
zusammenfassen lassen. Entsprechend der Ausftihrungen oben lasst sich das Gesamtsystem aus Hard- und Software fiir die Funktionaiitaten Web-, Applikations-, Transaktions- und Datenbankserver in einer Multi-Tier-Architektur umsetzen. Dabei gestahet sich der Kommunikationsablauf zwischen Client und Servem via Inter/Intranet entsprechend folgendermaBen: Zwischen Webbrowser und Webserver findet die Kommunikation uber das Hypertext-Transfer-Protokoll (HTTP) statt.^^ Ein Request vom Webbrowser des Clients gelangt uber das Inter-ZIntranet zum Webserver und wird dort ausgewertet. Statische Webseiten, die in der Regel auf dem Webserver liegen, werden direkt an den Webbrowser zuruckgesendet. Handelt es sich bei den angeforderten Daten um dynamische Webseiten, leitet der Webserver den Request an den Applikationsserver
weiter, der die
Webseite
in Interaktion mit dem
Datenbankserver generiert und an den Webserver zuriicksendet. Der Webserver gibt die zusammengesetzte Seite via Inter-ZIntranet an den Webbrowser des Clients zuriick. Sendet der Client im Rahmen eines Requests Informationen, die persistiert werden sollen, dann werden diese vom Webserver extrahiert, auf dem Applikationsserver verarbeitet und uber den Transaktionsserver auf den Datenbankserver gespeichert. Bei
der
Entscheidung
ftir
ein
Client-Server-Konzept
spielen
gerade
bei
Webapplikationen Geschwindigkeitsaspekte des Datentransfers eine besondere RoUe: Auch in Lastspitzen sollte eine komfortable Anwendung akzeptable Zugriffszeiten aufweisen. Neben der Zielsetzung der Generierung hinsichtlich des Ressourcenbedarfs moglichst „kleinen" Webseiten mussen die vorhandenen Netzwerkressourcen, der Ressourcenbedarf der Backup-Anbindung und auch die Standortwahl des Servers beriicksichtigt werden.
HTTP baut auf TCP/IP auf und verwendet i.d.R. TCP-Port 80.
103
4.2.3.1 Merkmale von Webapplikationen Webapplikationen bieten im Vergleich zu herkommlichen Applikationen zahlreiche Vorteile: Sie ermoglichen eine zentrale Installation und Administration, sind performant und gut skalierbar. Speziell beim Einsatz von HTML-basierten WebApplikationen bieten Browser eine einheitliche Benutzer-Schnittstelle und damit Plattform-Unabhangigkeit. Mit den Vorteilen geht beim Einsatz von HTML-basierten Frontends normalerweise ein hoher Aufwand fiir die Erstellung und Wartung des User Interface einher.^^^ Dabei mussen gegeniiber der Entwicklung anderer Anwendungen bei der Ausgestaltung von Webapplikationen insbesondere fiir eine komfortable Benutzerfiihrung spezifische Charakteristika beriicksichtigt werden. Mit Bezug auf die Webapplikation ARTEX handelt es sich dabei insbesondere um folgende Eigenschaften: Nutzer im Web sind mit der Anwendung in der Regel zunachst noch nicht vertraut und verfiigen im Allgemeinen uber unterschiedliche WissensstSnde im Umgang mit Software-Anwendungen im Internet. Entsprechend sollte eine Webapplikation im Sinne der Softwareergonomie moglichst komfortabel ausgestaltet sein.^°^ Dies betrifft nicht nur einen etwaigen Installationsaufwand fiir notwendige Plug-Ins, sondem auch den durchgangigen Ablauf der Anwendung. Die Oberflachen der Anwendung sollten in der Ausgestaltung mit verschiedenen Bildschirmauflosungen potentieller Clients zurechtkommen, gleichzeitig sollten lange Ladezeiten vermieden werden. Entsprechend wurde bei der Konzeption von ARTEX zum einen clientseitiger Installationsaufwand vermieden, zum anderen wurden die Oberflachen m6glichst einfach gehalten. Die Handelsoberflache von ARTEX wurde insgesamt auf einer Seite integriert, so dass insbesondere die zentralen Informations- und Aktivitatskomponenten fiir den Handel immer direkt erreichbar sind. Webapplikationen ermoglichen den dynamischen Aufbau von Webseiten und die bidirektionale Interaktion zwischen Client und Server, wobei Daten aus einer Datenbank eingebunden werden konnen. Das bei ARTEX eingesetzte Bei der Entwicklung von ARTEX wurde mit W4T ein neues, komponentenbasiertes Konzept fur die HTML-basierte Oberflachenentwicklung eingesetzt, welches die Entwicklungszeiten fiir HTML-Front-Ends drastisch verkurzt. W4T als komponentenbasiertes Konzept wird im Folgenden noch vorgestellt. Software Ergonomie zielt auf die Gebrauchstauglichkeit eines Softwareprodukts im Nutzungskontext ab. Gebrauchstauglichkeit gliedert sich in die Kriterien Effektivitat, Efifizienz und Zufriedenstellung. Vgl. BALZERT (2000), S. 511.
104
Entwicklungskonzept mit W4T (World Wide Web Windowing Toolkit) ermoglicht die Bereitstellung dynamischer HTML-Seiten mit Unterstiitzung des komponentenbasierten Entwurfs bis in die Weboberflache. Neben den Vorteilen bei der sicheren Verwaltung von ZustSnden und Transaktionen ergeben sich mit dem verwendeten Komponentenkonzept Vorteile hinsichtlich der Erweiterbarkeit des implementierten Basisdesigns von ARTEX. Die Versorgung einer Webapplikation mit Daten aus einer Datenbank stellt regelmSBig eine kritische GroBe dar. Datenbankanfragen aus der Applikation miissen optimiert und teilweise zwischengespeichert werden, um zu groBe Ladezeiten der Daten aufgrund von EngpSssen zu vermeiden. In diesem Zusammenhang sind Anforderungen hinsichtlich
Wartbarkeit,
Datenbankdesign
zu
Erweiterbarkeit
und
Geschwindigkeit
berucksichtigen.^^^ Neben
bereits
der moglichst
beim
weitgehenden
Orientierung am Normalformenkonzept beim Entwurf der Datenbank werden auf ARTEX die den Teilnehmem im Datenpush angezeigten zentralen Informationen wie letzte Kurse, Marktentwicklung und Girokontostand etc. uber Caching softwareseitig vorgehalten, um in diesem kommunikationsintensiven Bereich den Datentransfer und damit Ladezeiten weitestgehend gering zu halten. Zwar stehen mit Script-Sprachen wie JavaScript bzw. J-Script oder Visual Basic Script (VB-Script) von Browsem weitestgehend unterstiitzte Moglichkeiten der HTMLbasierten Interaktion zwischen Client und Server zur Verfiigung, allerdings unterstutzt das
Java
Script
zugrunde
liegende
HTTP
nicht
die
Realisierung
einer
transaktionsorientierten Verarbeitung der Kommunikation. Gerade bei Buchungsvorgangen, die auf ARTEX durchgeflihrt werden, ist eine transaktionsorientierte Datenverarbeitung
allerdings
unabdingbar.
Des
Weiteren
lasst
sich
iiber
Scriptsprachen eine Webapplikationen wie ARTEX aufgrund ihrer Komplexitat kaum strukturiert abbilden. Aus diesen Griinden wurde ARTEX in der gegeniiber den Scriptsprachen vollstSndigen Programmiersprache Java entwickelt. In Verbindung mit dem W4T-Konzept miissen Entwickler zur Weiterentwicklung der Applikation mit Java zudem nur eine Programmiersprache beherrschen. Dieser Aspekt erscheint gerade
309
Datenbanken werden fiir eine gute Wartbarkeit und Redundanzfreiheit in der Kegel zunachst anhand des Konzepts der Normalformen entworfen. Performanceschwierigkeiten bei den Datenabfragen kdnnen allerdings dazu fiihren, das Konzept der moglichst redundanzfreien Datenhaltung zugunsten der Gesamtperformance teilweise aufzuweichen. Beispielsweise kann der Einsatz von Sichten fur Abfragen auf mehrere Tabellen der Datenbank sinnvoll sein, um die Performance des Gesamtsystems nicht zu gef^hrden.
105
bei der Entwicklung eines Tools zur Durchfiihrung von Webexperimenten von wesentlicher Bedeutung und Tragweite, da die Applikation als Tool experimenteller Forschung damit einfach weiterentwickelbar bleibt. Neben den genannten grundlegenden Eigenschaften zeichnen sich Webapplikationen durch zahlreiche weitere Merkmale aus. In den folgenden Abschnitten werden einige der zentralen Eigenschaften von Webapplikationen detaillierter beschrieben, insoweit sie ftir die Ausgestaltung von ARTEX von besonderer Bedeutung sind.^^°
4.2.3.2 Nachladen von Daten und Datenpush Der Server kann Daten prinzipiell nur als komplette Webseite an den Webbrowser iibertragen. Innerhalb zeitintensiver Anwendungen entsteht bei groBen Webseiten entsprechend bei jedem Obertragungsvorgang ein Problem beziiglich der Ubertragungszeit. Dieses Problem lasst sich mit dem Einsatz von in die Website eingebetteten Frames, so genannten IFrames, losen. Ein IFrame umschlieBt eine einfache Webseite, iiber die dann regelmaBig zu (ibertragende Daten geladen werden.^ ^^ Der Datenaustausch zwischen Client und Server wird im Web grundsatzlich liber einen Request seitens des Clients initiiert. Sollen Daten regelmaBig auf Initiative des Servers und ohne die Anfrage des Clients (Datenpush) und ohne, dass der Teilnehmer eine Information der Seite abrufen muss, iibertragen werden, bietet die Verwendung von Frames eine Moglichkeit zur Realisierung, bei der eine Installation auf Seiten der Clients unterbleiben kann:^^^ Auf der Webseite kann der zu aktualisierende Bereich in einen IFrame als Webseite eingebunden werden, die dann mit dem Meta-Refresh-Tag im HTML-Header in einstellbaren Intervallen aktualisiert wird. Bei dieser Vorgehensweise besteht allerdings der Trade-Off zwischen kurzen Aktualisierungsintervallen und der Erzeugung von Last auf dem Server bzw. im Netzwerk. Zudem fiihrt ein zwischenzeitlicher Ausfall der Verbindung zwischen Client und Server dazu, dass die Seite seitens des Clients insgesamt neu geladen werden muss. Dennoch wurde das vorgestellte Konzept bei der Realisierung von ARTEX angewendet und die skizzierten Nachteile werden in Kauf genommen, um bei
Fur weiterfiihrende Diskussionen der Fragestellungen bei der Ausgestaltung von Webapplikationen, beispielsweise insbesondere hinsichtlich der Beachtung von Sicherheitsaspekten ftir Webapplikationen bei Datenbankzugriffen sei auf die einschlagige Literatur verwiesen. Bei dieser Technik mussen allerdings potentielle Kompatibilitatsprobleme mit verschiedenen Browsertypen gepruft werden. Die Kursdaten werden in der Echtzeitumgebung ARTEX per Datenpush verteilt.
106
der Gesamtlosung den sonst notwendigen Installationsaufwand auf Clientseite zu umgehen.
4.2.3.3 Benutzerauthentifizierung und Sitzungsmanagement Fur die Identifizierung eines Users im Rahmen der Benutzerverwaltung einer Webapplikation lassen sich Benutzerauthentifizierung und Sitzungsmanagement iiber Session-ID's unterscheiden. Die Identitat eines Users muss serverseitig bekannt sein, damit Webseiten nach Feststellung der Authentizitat entsprechend der jeweiligen Autorisation (Administrator, Standarduser, Privilegierter) individuell generiert werden iconnen. Die Seiten fur User in verschiedenen Rollen konnen sich dabei abhSngig von ihren Rechten bzw. Identitaten im Inhalt unterscheiden. In der Regel werden ftir die Authentifizierung Benutzerkennungen und Passworter vergeben. Je nach Anwendungsgebiet der Intemetanwendung handelt es sich bei der Vergabe und Verwaltung von Passwortem um einen sensiblen Bereich. Auch der Obertragungsweg zwischen Client und System steUt eine kritische GroBe dar und muss abhangig vom Einsatzgebiet der Anwendung abgesichert werden. Sicherheitsaspekte kSnnen in diesem Zusammenhang beispielsweise uber die automatisierte Erzeugung einer randomisierten ID seitens des Servers beim ersten Aufruf einer Seite durch den Client berucksichtigt werden.^^^ Eine weitere MSglichkeit, gerade auch hinsichtlich der Ubertragungswege, besteht mit der Verwendung von SSL. Neben der Vergabe von Benutzerkennungen und Passwortem ermoglicht die fiir ARTEX eingesetzte Java J2EE Architektur in sicherheitskritischen Umgebungen bei Bedarf auch den Einsatz von SSL.
4.2.3.4 Statusinformationen und Session-ID's Bezuglich der Kommunikation zwischen Server und Client besitzt der Server im Rahmen von HTTP keine Statusinformation seitens eines Webbrowsers. Statusinformationen sind allerdings notwendig, um serverseitig Zugriffssequenzen eines Clients zuordenbar zu machen. In diesem Zusammenhang wird die Einfiihrung
^'^ Diese ID wird dann vom Server mit der Webseite an den Client ubermittelt. Beim Login akzeptiert der Server die Kombination von Passwort und ID genau ein Mai.
107
von Session-ID's notwendig.^'"* Eine Moglichkeit, Zugriffssequenzen eines Users festzuhalten, bieten „Query-Strings". Anhand von Query-Strings als Teil der URL konnen Session-ID's von einer Webseite zur nSchsten (ibertragen werden.^^^ SessionID's konnen auch mit Cookies hinterlegt werden. Dabei sendet der Webserver beim erstmaligen Aufruf der Website die Session-ID als Cookie an den Webbrowser, der die Session-ID wiederum auf dem Client speichert. Die Verwendung von Session-ID's iSsst sich als die gSngigste Vorgehensweise bezeichnen, wobei mit Session-ID's wiederum Einschrankungen hinsichtlich der Usability des Gesamtsystems einhergehen kSnnen. Es besteht etwa die M5glichkeit, dass das Abspeichem von Session-ID's auf dem Clientrechner aufgrund einer dort bestehenden Deaktivierung von Cookies im Browser nicht gestattet ist und die Applikation auf einem solchen Rechner dann nicht iSuft.
Weiterhin
Zugriffshistorien
bieten
Cookies
Angriffsfiachen,
da
mit
den
abgelegten
des Users auf dem Clientrechner Moglichkeiten fiir einen
unerwiinschten Datenzugriff von Dritten entstehen. Sofem die Sicherheitsrisiken fiir eine Anwendung allerdings in nicht allzu groBem AusmaB bestehen und davon ausgegangen werden kann, dass Cookies auf der Clientseite in der Regel aktiviert sind, empfiehlt sich der Einsatz von Cookies. Altemativ bietet die Query-String-Methode MSglichkeiten, beispielsweise mit einmaligen Session-ID's bzw. zusStzlicher Authentifizierung. Auf ARTEX werden mit der eingesetzten W4T Bibliothek standardmaBig Cookies verwendet, zudem unterstutzt dass System auch einen automatischen Fallback auf URL-Rewriting (Session-ID als Teil des Request-Strings), falls der Browser eines Clients keine Cookies zulasst.
Ein Beispiel stellen Einkaufe ilber das Internet dar. Auf Serverseite sollte bekannt sein, welcher Warenkorb zu welchem Client gehGrt. Bei ARTEX werden ebenfalls Session-ID's verwendet. IPAdressen eignen sich nicht zur eindeutigen Identifizierung eines Users. Der Einsatz von oft auch mehreren Proxy-Servem bei den Providem bzw. von privaten IP-Adressen lasst eine eindeutige Zuordnung einer Anfrage bzw. einer Sequenz von Anfragen zu genau einem Client nicht zu. Ein Query-String kann automatisch vom Browser erzeugt werden, um Namen von Formularelementen und deren Inhalte an den Server zu ubertragen. Bei einer Session-ID handelt es sich um eine eindeutige Zeichenkette zur Identifikation der Sitzung (Session) eines Benutzers (Users). Bei Zugriff auf die Webseite wird der Query-String auf die Session-ID hin analysiert. Handelt es sich um den erstmaligen Aufruf dieses Users, wird eine neue Session-ID fur diesen User erzeugt, abgespeichert und bei jedem weiteren Zugriff des Users verwendet, indem sie an die intemen Links der Website angehangt wird. Hinsichtlich der Sicherheit sollte eine Session-ID eine relativ kurze Gultigkeitsdauer haben. Zu kurze Gultigkeitszeiten fiihren andererseits wiederum zu Usability-Problemen, da sich ein User nach Ablauf der Gultigkeit seiner Session-ID emeut an der Website anmelden muss.
108
4.2.3.5 Javabasierte Applikationsserver Fur die Entwicklung einer Webapplikation mit der Unterstiitzung einer transaktionsorientierten Datenverarbeitung bietet sich die objektorientierte Programmiersprache Java an.^^^ Java zeichnet sich mit einer klar defmierten Syntax und Semantik insbesondere hinsichtlich Portabilitat und Sicherheit aus. Zudem bietet Java mSchtige Werkzeuge zur Entwicklung webbasierter Anwendungen. Aufgrund der Plattformunabhangigkeit, standardisierten Application Programm Interfaces (API) mit Servlet Containem und einer umfangreichen Klassenbibliothek sind javabasierte Applikationsserver bei Untemehmensanwendungen derzeit bereits weit verbreitet. Aufgrund der hohen Portabilitat von Java-Programmen bietet es sich an, Java als Grundlage fiir neue Implementierungen zu nutzen. Insbesondere bei komponentenbasierten Architekturen wird so ein hohes MaB an FlexibilitSt und Wiederverwendbarkeit gewonnen. Java-Programme werden nicht als Quellcode, sondem als Byte Code ausgefuhrt, womit neben der PlattformunabhSngigkeit eine Konsistenzpriifung des Codes seitens der Ablaufumgebung moglich wird.^^^ Neben den allgemeinen Konzepten bietet Java standardmaBig Mechanismen zur zustandsorientierten Kommunikation und mit integrierten TCP/IP-Sockets und der darauf aufbauenden Java Database Connectivity (JDBC) Datenversorgung an. Nachteile von Java betreffen die Aspekte der multiplen Vererbung sowie das Erzeugen, Puffem und LSschen von Objekten. Java bietet umfangreiche Klassenbibliotheken. Die Java 2 Enterprise Edition (J2EE) stellt eine umfangreiche Plattform zur Entwicklung von Applikationen zur Verfiigung. Indem mittels der Middleware-Mechanismen Remote Method Invocation (RMI) und Object Serialization (OS) auch auf Methoden und Objekte von Programmen auf entfemten Rechnem zugegriffen werden kann, kSnnen in Java verteilte Systeme realisiert werden. Das Konzept der Enterprise Java Beans (EJB) ermoglicht mit dem intemen Komponentenmodell zusatzlich die Berucksichtigung von Aspekten der
Java wurde von der Firma Sun entwickelt, vgl. wwwjava.com. Bei Java handelt es sich urn eine plattformunabhangige Sprache, die in der Syntax an den Sprachen C bzw. C++ angelehnt ist. Die Plattformunabhangigkeit wird uber den Einsatz der so genannten Java Virtual Machine (JVM) erreicht, die den in Bytecode umgewandelten Quellcode ausfuhrt. Die JVM ist fiir fast alle Rechnerplattformen und Betriebssysteme verfiigbar. Damit eignet sich Java insbesondere fur Anwendungen im WWW. Hinsichtlich der Leistungsfkhigkeit sind mit der Notwendigkeit der Interpretation des Java Byte Code seitens des Clients allerdings gewisse Einschrankungen hinzunehmen. Zur Diskussion dieser Thematik vgl. beispielsweise SELLENTIN/MITSCHANG (1998), SELLENTIN/MITSCHANG (1999).
109
Lastverteilung, des Transaktionsmanagements und der Sicherheit. Die Erstellung von XML-Webservices wird unterstiitzt. Die haufig hohe Komplexitat und mangelnde Performance von Losungen mit Enterprise Java Beans hat zu einem Trend der Nutzung von Standard Java Objekten (POJO -
Plain Old Java Objects) in
Kombination mit Servlets (die einfache „Webkomponente" des J2EE Stacks) geftihrt. Dieses Konzept wurde auch bei der Implementierung von ARTEX genutzt. Der Servlet Container als Teil des Web- oder Applikationsservers stellt die Netzwerkservices zur Verfiigung, urn Client-Anfragen (Request) sowie die von den Servlets erzeugten Antworten (Response) zu verarbeiten. Gleichzeitig iibemimmt der Servlet Container die Verwaltung der Servlets und fiihrt diese durch ihren Lebenszyklus. Indem der Servlet Container u.a. auch Benutzersessions- und User Tracking verwaltet, lassen sich mit dem Konzept der Servlet Container Webapplikationen auf Java-Basis mit dynamisch generierten HTML-Seiten realisieren. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit spielt im Zusammenhang mit der dynamischen Generierung von HTML-Seiten insbesondere die Nutzung von Servlet Containem eine entscheidende Rolle. Bei einem Servlet handelt es sich um eine auf Java Technologic basierende Webkomponente, die rein serverseitig Inhalte einer HTML-Seite dynamisch generieren kann. Durch die Moglichkeit, auf beliebige Funktionalitaten der Java Klassenbibliothek zuzugreifen, ISsst sich die Serverfunktionalitat erheblich erweitem. Servlets stellen als abgeleitete Klassen Methoden bereit, um im Rahmen des „Request-Reponse" Zyklus die Generierung einer HTML-Seite vorzunehmen und dabei auf alle notwendigen Daten zugreifen zu konnen. Mit der Servlet-Engine Tomcat von Apache Jakarta Project iSsst sich das Servlet-Container-Konzept aufsetzen.^^^
4.2.4 Objektorientierte OberflSchenentwicklung mit W4T und Eclipse Zur Entwicklung der Benutzerschnittstelle von ARTEX wurde das Werkzeug W4T (World Wide Web Windowing Toolkit) der Firma Innoopract genutzt.^^^ Das Werkzeug integriert sich in die Open Source Java Entwicklungsumgebung Eclipse und
^'* Fiir den Betrieb von Tomcat lasst sich sowohl der Apache-Webserver als auch der Microsoft IIS Webserver einsetzen. ^'^ Vgl. wwvvm^^^ Anhang der Arbeit.
110
Eine Ubersicht zu zentralen Merkmalen von W4T findet sich im
ermoglicht die Erstellung von Benutzerschnittstellen komplett in Java. Eine RuntimeKomponente erzeugt HTML und JavaScript basierte Webseiten zur Laufzeit des Programms. Bei W4T handelt es sich urn eine Java Komponentenbibliothek zur Erstellung von HTML-Frontends fur Webapplikationen. Der fiir die Nutzung bei ARTEX entscheidende Vorzug von W4T liegt in der Nutzung des Konzepts der objektorientierten User-Interface-Erstellung generierten
HTML-Frontends.
Damit
fiir die Gestaltung der dynamisch
lassen
sich
die Vorteile vy^ebbasierter
Anwendungen nutzen, die Entwicklung aber durchgSngig in Java durchfiihren. Es kann fiir die Entwicklung auf komfortable Werkzeuge und WYSIWYG-Editoren (What You See Is What You Get) zuruckgegriffen werden. Die zur Gestaltung der funktionalen Oberflachen notwendigen Technologien werden dabei vollstSndig gekapselt und damit die gangigen Probleme bei der Entwicklung von anspruchsvollen Web-Oberflachen vermieden.^^^ Durch die Moglichkeit der Komposition elementarer Bausteine einer Oberflache als Panels, die Eingabefelder, SchaltflSchen, Select-Boxes etc. enthalten, entstehen im Verbund mit einer Ereignissteuerung robuste und leistungsfahige Benutzerschnittstellen der Webapplikation. Bei Eclipse handelt es sich um eine Entwicklungsumgebung fiir Java Programme, die als Open Source Produkt zur Verfiigung steht und heute auf Grund eines Marktanteils von mehr als 50 Prozent als de facto Standard im Bereich der Java Entwicklung angesehen werden kann. Eclipse wurde von IBM als Open Source Projekt ins Leben gerufen und wird inzwischen von einer groBen Anzahl an Softwareanbietem und Organisationen, darunter Borland, Oracle, Computer Associates, Hewlett-Packard und die Object Management Group mit Plug-in-Tools fiir Eclipse IDE's unterstiitzt.^^^ Eclipse verfolgt ein modulares Konzept (Plugin-Architektur), dass die einfache Erweiterbarkeit der Umgebung mit fiir den eigenen Problembereich sinnvollen Erweiterungen erlaubt. So stellt beispielsweise die zur Oberflachenentwicklung genutzte
Komponenten-Bibliothek
ein
visuelles
Entwicklungswerkzeug
zur
Oberflachen-Entwicklung als Eclipse-Plugin zur Verfiigung. Die Eclipse-Umgebung
Zur Herstellung leistungsf^higer Web-Oberflachen wird ein Mix verschiedener Technologien benmigt: u.a. JavaScript, HTML, CSS und JSP. Die Kombination dieser Technologien verursacht hohe Einarbeitungskosten und fiihrt zu einer schlechten Wartbarkeit der Systeme. Die Eclipse Foundation wurde 2001 von Boriand, IBM, Merant, Rational, Red Hat, SuSE und weiteren begrundet und hat sich seitdem mit Anbietem wie Fujitsu, Hitachi, Sybase, SAP, Ericsson, Intel, Micro Focus und JBoss erheblich erweitert. In 2004 wurde die Korporation als Not-for-Profit Organisation reorganisiert, um sicherzustellen, dass entwickelte Technologic und Source Code offen sowie kostenfrei bleiben.
Ill
ist mehrsprachenfahig und lauft auf unterschiedlichen Plattformen wie Linux, HP-UX, IBM AIX, Sun Solaris, Mac OS X und Windows-basierten Systemen.^^^ Ebenso wird die repository-basierte Softwareentwicklung in Entwicklerteams unterstutzt, allgemein anerkannte Technologiestandards wie Unified Modeling Language (UML), Apache Ant, das GTK toolkit for GUI's, Tomcat und Open Motif fur Linux flieBen ein.
4.2.5 UML als Visualisierungshilfe Die Unified Modeling Language (UML) ist eine Sprache und Notation zur Spezifikation, Konstruktion, Visualisierung und Dokumentation von Modellen fiir Softwaresysteme.^^^ Im Folgenden wird fiir die Darstellung der AblSufe im Code verstarkt auf das Sequenzdiagramm sowie das Aktivitatsdiagramm als Visualisierungshilfen zuruckgegriffen. Mit Hilfe eines Aktivitatsdiagramms konnen einzelne Aktivitaten in einem Prozess bzw. einem System grafisch modelliert werden. Eine Aktivitat entspricht einem einzelnen Schritt in einem Prozess.^^"^ Jeder Prozess muss einen Start- und einen Endpunkt besitzen.^^^ Ein Sequenzdiagramm zeigt, in welcher Reihenfolge Objekte miteinander kommunizieren, um eine bestimmte Aufgabe zu erfiillen.^^^ Sequenzdiagramme werden verwendet, um die Interaktionen zwischen Objekten zu visualisieren. Dabei konnen entweder alle moglichen Interaktionen abgebildet werden oder aber nur einige ausgewShlte. Die Anordnung der Objekte ist nicht strikt vorgegeben, allgemein werden exteme Akteure und Schnittstellen jedoch links im Diagramm eingezeichnet und der Fluss der Informationen ist von links nach Windows XP, 2000,98 und ME, Versionen von Linux und Unix wie Red Hat, SuSE und Solaris. Erarbeitet wurde die Unified Modeling Language (UML) von Grady Booch, Ivar Jacobsen und Jim Rumbaugh im Oktober 1994, vgl. OESTEREICH (1998). Die UML wurde von der Object Management Group (OMG) 1997 zum Standard der Modellierung erklart. Aktuell ist seit dem Jahr 2001 der Standard UML 2.0 gultig. Die einzelnen Schritte eines Prozesses werden durch eine Figur mit gerader Ober- und Unterseite und konvex geformten Seiten dargestellt, vgl. OESTEREICH (1998). Erst wenn ein Schritt vollstandig ausgefuhrt wurde, erfolgt der Ubergang zum nachsten Schritt. Die Schritte sind uber Pfeile miteinander verbunden, um die Reihenfolge zu dokumentieren. Fiir die Auswahl wird die Raute verwendet. Sie hat immer einen Eingangspfeil und mindestens zwei Ausgangspfeile. Die Ausgangspfeile mussen mit Bedingungen versehen werden. Diese durfen sich nicht uberschneiden, damit keine Mehrdeutigkeiten entstehen. Der Startpunkt wird durch einen kleinen schwarzen Kreis gekennzeichnet, der Endpunkt durch ein Bullauge, vgl. BALZERT (2000), S. 334 f. Das Sequenzdiagramm ist zweidimensional aufgebaut. Dabei zeigt die vertikale Achse nach unten gewChnlich den Zeitablauf an, wahrend die horizontale Achse nach rechts die Erzeugung von Objektinstanzen kennzeichnet, vgl. BALZERT (2000).
112
rechts zu lesen. Objekte werden durch ein Objektsymbol dargestellt, wobei die senkrechte gestrichelte Linie die Lebenslinie darstellt.^^^ Der Informationsfluss zwischen den Objekten wird mit Hilfe von waagrechten Pfeilen verdeutlicht.^^^
4.3 Design von ARTEX 4.3.1 Struktur des Gesamtsystems Die Webplattform ARTEX ist als Three-Tier-Webapplikation
mit Datenbank-
anbindung an eine relationale Datenbank realisiert. Als Webserver kommt derzeit der Apache Webserver der Apache Software Foundation zum Einsatz.^^^ Vor allem fiir die GewShrleistung von Bedienungskomfort in der Handhabung in Hinblick auf die Auswertung von Experimentdaten und hinsichtlich der einfachen Erweiterbarkeit des Systems wird auf einen MS-SQL-Server zuruckgegriffen."^ Clientseitig benStigt die Webapplikation ARTEX einen Webbrowser, uber den heutzutage eigentlich alle Rechner standardmaBig verfugen. Die OberflSchen von ARTEX wurden zunachst auf
Anhand der Lebenslinie lasst sich ablesen, wie lange die Instanz eines Objektes existiert. Die Aktivitat eines Objekts wird durch schmale Rechtecke uber der Lebenslinie gekennzeichnet und wird auch als Steuerungsfokus bezeichnet. Hiermit wird verdeutlicht, welches Objekt gerade die Programmkontrolle besitzt, Vgl. BENNETT/SKELTON/LUNN (2001), S. 179 ff. Informationen werden entweder zwischen aktiven Objektinstanzen oder zur Erzeugung eines Objektes zwischen dem Steuerungsfokus und dem Objektsymbol des neuen Objektes ausgetauscht. Objekte kcinnen auch Informationen an sich selbst schicken. Dies wird durch ein weiteres Rechteck dargestellt, das leicht versetzt nach rechts an den aktuellen Steuerungsfokus eingezeichnet wird. Vgl. BENNETT/SKELTON/LUNN (2001), S. 179 fif. Bei dem Apache Webserver der Apache Software Foundation handelt es sich um Open Source Produkt. Ein weiterer gSngiger Webserver ist der Internet Information Server (IIS) von Microsoft. Wahrend der Microsoft IIS nur auf Windows Plattformen verfiigbar ist, laufen die unterschiedlichen Versionen des Apache Webservers auf verschiedenen Betriebssystemen. Hinsichtlich einer absoluten Vorteilhaftigkeit lassen sich die konkurrierenden Systeme nur schwer vergleichen, zumal die jeweilige Performance auch von der jeweils zu implementierenden Applikation abhangt. Bei den Datenbanksystemen lassen sich kommerzielle und freie Produktldsungen unterscheiden. Unter den kommerziellen Datenbankanbietem haben sich vor allem Oracle, IBM und Microsoft etabliert. Besipielsweise handelt es sich bei MySQL um eine freie Datenbank. Die DBMS unterscheiden sich vor allem hinsichtlich der Performance beim Datenzugriff, dem jeweils integrierten Funktionalitatsumfang, der Komfortabilitat der Bedienung sowie hinsichtlich ihrer Verbreitung. Der MS-SQL Server gilt hinsichtlich Transaction Processing Performance nach der TPC-C-Spezifikation derzeit als schnellstes Datenbanksystem. Subselects, Trigger und Stored Procedures sind nicht bei alien Programmen moglich. 113
den
Internet
Explorer
von
Microsoft
optimiert.
AnschlieBend
wurde
die
Handhabbarkeit der Applikation mit dem Netscape Browser sowie dem Mozilla Firefox uberpruft.
4.3.2 Datenbank-Schema Aufgrund der hohen Komplexitat des Datenschemas des Gesamtsystems wird an dieser Stelle auf eine Gesamtdarsteliung verzichtet. Stattdessen werden im Folgenden einige zentrale Tabellen des Systems kurz beschrieben, insofem die Beschreibung zu einem besseren Verstandnis des Gesamtaufbaus der Applikation beitragt. Tabelle Session: In der Tabelle Session sind die einzelnen Handelsperioden hinterlegt. Tabelle Game: In der Tabelle Game werden die Handelssessions eingetragen. Als Attribute sind neben der Start- sowie der Endzeit einige Felder zur Steuerung des Handels enthalten. Das Feld Active enthalt beispielsweise die Information, ob sich Teilnehmer zu dieser Handelssession
anmelden
konnen.
OnAir gibt
Auskunft
dariiber,
ob
die
Handelssession gerade lauft. Die Tabelle enthalt weitere Felder, mit denen die Handelssessions naher spezifiziert werden. Tabelle SessionsGames: In
SessionsGames
sind
Handelsperioden
einer
Handelssession
zugeordnet.
Entsprechend werden Datensatze durch die beiden Fremdschliissel Sessionid und Gameld spezifiziert. U.a. fur die im Experimentdesign auf ARTEX notwendigen Zinsberechnungen im unter-modell-jahrigen Bereich werden hier die jeweiligen Startzeiten der Handelsperioden mitgeschrieben. Da im Handelsablauf einer Handelssession auch Handelsunterbrechungen moglich sind, werden auch die ZeitrSume der Unterbrechungen abgelegt. Tabelle User: Die Tabelle User enthalt alle Daten iiber die Benutzer von ARTEX.
114
Tabelle UserGroup: Uber die Tabelle UserGroup konnen einzelne Benutzer zu Gruppen zusammengefasst werden. Die Moglichkeit der Gruppenbildung spielt wie oben bereits angesprochen in vielfacher Hinsicht eine wichtige Rolle, da sich mit Gruppen Rechte spezifizieren lassen. Systemseitig werden beispielsweise fiir Standart-User und Administratoren unterschiedliche Weboberflachen ausgeliefert. Die gruppenbezogene Rechtevergabe ermoglicht auch die Vergabe von Privilegien bzw. Rollen
im jeweiligen
experimentellen Design. Tabelle UsersGames: In UsersGames erfolgt die Zuordnung der Teilnehmer zu einer Handelssession. Hier werden auch Daten gespeichert, die flir die Marktteilnehmer im Ablauf der Handelssession von Bedeutung sind. Beispiele hierfur sind der Kontostand bzw. das Kreditlimit eines Marktteilnehmers. Tabelle Company: In der Tabelle Company sind neben dem Primarschliissel lediglich die Namen der die einzelnen Wertpapiere begebenden Institutionen, im derzeitigen Design sind das sSmtlich Untemehmen, abgelegt. Tabelle CompaniesGames: Uber die Tabelle CompaniesGames erfolgt die Zuordnung der Untemehmen zu einer Handelssession. Hier wird auch die Anzahl der Wertpapiere eines Untemehmens innerhalb der Handelssession eingetragen. Tabelle CompaniesSessions: In der Tabelle CompaniesGames werden die Dividenden-Designs der einzelnen Wertpapiere abgelegt. Hier erfolgt auch der Eintrag der Gewinnausschiittung fur jede einzelne Handelsperiode pro Untemehmen. Weitere Merkmale, wie beispielsweise Wachstumsraten, konnen hinzugefugt werden. Tabelle UsersCompaniesSessions: In der Tabelle UsersCompaniesSessions werden die seitens jedes Marktteilnehmers individuell zu erwatenden Dividenden in den jeweiligen Handelsperioden als
115
Dividendenschatzungen
abgelegt.
Uber eine tertiare Beziehung kann jedem
Marktteilnehmer in jeder Periode eine unterschiedliche Dividendenerwartung zu jedem Untemehmen zugeordnet werden. Tabelle AccountTumover: In die Tabelle AccountTumover werden sSmtliche Kontobewegungen fiir jeden Marktteilnehmer geschrieben. Tabelle Orderbook: In Orderbook werden die im Handelsablauf seitens der Marktteilnehmer aufgegebenen Orders gesammelt, sofem sie nicht sofort ausgefiihrt werden konnen. Der MatchingProzess greift auf Orderbook zu. Entsprechend ihrer Gultigkeitsdauer werden Orders nach Ablauf ihrer Giiltigkeit im Orderbook gelQscht.^^^ Tabelle StockTransaction: Die Tabelle StockTransaction enMlt sSmtliche wShrend einer Handelssession abgeschlossenen Transaktionen unter den Marktteilnehmem. Tabelle UserFeedback: Die Tabelle UserFeedback enthalt die Nachrichten, die im Rahmen der Bewertung der Marktteilnehmer durch die Bewertungskomponente fiir jeden Marktteilnehmer zusammengesetzt und im Laufe der Handelssession zugesendet werden.
4.3.3 Anreizstruktur Der Einsatz einer Handelsplattform zu experimentellen und anderen Zwecken verlangt die Implementierung einer Anreizstruktur, die potentielle Nutzer der Plattform zum Agieren auf der Plattform veranlasst Es lassen sich extrinsische und intrinsische Anreize unterscheiden.^^^ Wahrend einer Handelssession besteht die Aufgabe seitens der Experimentleitung darin, Marktteilnehmer mittels gesetzter extrinsischer Anreize
Samtliche Aktivitaten der Marktteilnehmer innerhalb einer Handelssession kOnnen zu Auswertungszwecken entsprechend dem jeweiligen Untersuchungsziel in Logtables mitgeschrieben werden. Vgl. hierzu auch SPANN (2002), S. 99-111.
116
dazu zu motivieren, sich auf ihr Handelsergebnis hin moglichst optimal zu verhalten. Auf ARTEX kann das Handelsergebnis jedes Teilnehmers in Form einer aus dessen individuellen
Handelserfolg
erfolgskennzahl
relativ
zum
Gesamtmarkt
errechneten
gemessen werden. An diese Tradingerfolgskennzahl
Tradingkonnen
materielle und immaterielle Anreize linear oder nicht linear gekoppelt werden. Materielle Anreize bestehen beispielsweise mit einer Entlohnung in Form von Geldzahlungen, wShrend immaterielle Anreize beispielsweise Auszeichnungen bzw. die Qffentliche Bekanntgabe eines Gewinners auf der Plattform sind. Soil die Anreizsetzung mittels Geldzahlungen bzw. PrSmien an die Marktteilnehmer erfolgen, kann im derzeitigen Design systemseitig auf zwei Varianten zuriickgegriffen werden: Bei einer Umverteilungsvariante kann in einem linearen Zusammenhang zwischen Tradingerfolgskennzahl und Entlohnung vor Start einer Handelssession seitens des Administrators ein beliebiger Geldbetrag parametrisiert eingegeben werden, der als Vorleistung (Einsatz) der einzelnen Marktteilnehmer fiir die Handelssession gilt. Dieser Betrag wird von den Marktteilnehmem vor Beginn der Handelssession eingefordert.^^^ Neben der jeweils in der letzten Handelsperiode erreichten Tradingkennzahl bekommen die Marktteilnehmer entsprechend ihren, mit der Tradingerfolgskennzahl korrespondierenden, vorlSufigen gesamten Handelsgewinn als Geldbetrag angezeigt. In einer anderen Variante bzw. zusatzlich wird die Bekanntgabe der Platzierung des Teilnehmers im Rahmen eines Rank-Order-Toumament unterstiitzt. Dabei wird der Teilnehmer nach einem ordinalen Entlohnungsschema basierend auf dem relativen Vergleich zu anderen Teilnehmem verglichen und bewertet. Die rangbasierte
Entlohnung
bietet
sich
insbesondere
fur die
Einbindung
von
sponsorgestiitzten PrSmiensystemen an. Grundlage fiir beide Altemativen stellt jeweils die Tradingerfolgskennzahl dar, die innerhalb der Bewertungskomponente fiir jede Handelsperiode und abschlieBend fiir die gesamte Handelssession errechnet wird. Intrinsische Anreize fiir die Teilnahme an einer Handelssession bestehen fiir einen Marktteilnehmer dann, wenn es gelingt, ihn fiir die Auseinandersetzung mit dem Handel von Wertpapieren in einem kiinstlichen Marktumfeld zu interessieren und ihm zu vermitteln, dass er iiber Aspekte des Wertpapierhandels dazulemen kann. Mit der spielerischen Wettbewerbssituation, in der sich der Marktteilnehmer mit anderen
Mit einer Anbindung an Intemetbezahlsysteme sollte die Realisierung im oben erlauterten Sinne weder technisch noch inhaltlich Probleme bereiten. Einzig sind die rechtlichen Rahmenbedingungen genau zu prufen, da abhangig von den Eins^tzen die Rechtssprechung hinsichtlich Wettgeschafte im Internet betroffen sein kOnnte und dieser Tatbestand im intemationalen Kontext nicht einheitlich geregelt ist.
117
Marktteilnehmem im fiktiven Aktienhandel messen kann, ergeben sich Moglichkeiten, intrinsische Motivation herbeizufiihren.
4.3.4 Phaseniibergreifende Komponenten 4.3.4.1 Zustande von ARTEX Das Handelssystem auf der Webplattform ARTEX befindet sich grundsatziich in einem von sechs Zustanden. Bei jeder Handelssession werden diese ZustMnde abhSngig vom zugrunde liegenden Experimentdesign, das mehrperiodig oder einperiodig ausgestaltet sein kann, teilweise einmal, teilweise mehrfach durchlaufen. Der Aktionsraum der Marktteilnehmer wird wahrend eines Experiments durch die Zustande des Systems determiniert.^^"^ Die Zustande sind in ARTEX iiber globale Konstanten realisiert und konnen folgende Auspragungen besitzen: • PREPARATION, • AUCTION, • TRADING, • BREAK, • EVALUATION, • END. Der jeweilige Zustand des Systems wird in der Variable gameState in der SingletonKlasse Application gehalten.^^^ Beim ersten Login eines beliebigen ARTEX-Users
Die AktionsmGglichkeiten eines Marktteilnehmers sind innerhalb einer Handelssession aber die jeweiligen Zustande des Systems restriktiert, beispielsweise kann er wahrend einer Handelsunterbrechung keine Orders abgeben. Bei dem Design-Pattern Singleton handelt es sich urn eine Singleton-Klasse, aus der ein einziges Objekt erzeugt werden kann. Das Objekt wird beim ersten Zugriff automatisch instanziiert. Es entsteht eine globale ZugriffsmOglichkeit auf dieses Objekt. Eine Singleton-Klasse enthalt eine statische Membervariable ihres eigenen Typs, in dem die einzige Instanz gespeichert wird, die statische Methode getlnstancei) fiir den Zugriff sowie einen privaten, parameterlosen Konstruktor, so dass andere Klassen mit AiewO keine weitere Instanz erzeugen kOnnen.
118
wird mit getlnstance() eine Instanz der Klasse Application erzeugt. Bei diesem ersten Login wird der Zustand des Systems automatisch diuf PREPARATION gcsctiX, Da es sich bei Application um eine Singleton-Klasse handelt, wird der aktuelle Zustand des Systems bei jedem weiteren Login iiber die bereits erzeugte Instanz der Klasse Application zuriickgegeben. Im derzeit implementierten Experimentdesign bietet ARTEX die MSglichkeit, eine Handelssession zunSchst mit einer vorgeschaiteten einseitigen Auktion zu starten und anschlieBend automatisch in eine zweiseitige Auktion zu wechseln. Die Variante ermSglicht die Zuteilung der Handelsobjekte an die Marktteilnehmer in einem einseitigen Auktionsverfahren, so dass es mSglich ist, die Grundausstattung der Marktteilnehmer auch nur aus Cash-Anteilen zusammenzusetzen. Die folgende Abbildung enthalt eine Obersicht der m6glichen Zustandfolgen des ARTEX-Systems:
Start einer Handelssession
Abbildung 4: Zustandsfolgen auf ARTEX
Bei Start einer Handelssession wird der Zustand des ARTEX-Systems regelmSBig auf den Zustand PREPARATION zunickgesetzt. In der Design-Variante mit zwei Preisfmdungsverfahren wird der Zustand des Systems nach dem Start mit der 119
Initialisierungsphase von PREPARATION mf AUCTION gesetzt."^ Nach Abschluss der ersten Handelsperiode wechselt der Zustand zunachst von AUCTION eaif BREAK. Im Zustand BREAK sind auf dem Handelssystem keinerlei Handelsaktivitaten moglich, die Marktteilnehmer kSnnen lediglich Informationen zugesendet bekommen Oder Informationen abrufen.^^^ Sieht das Experimentdesign mehr als eine Handelsperiode vor, wechselt der Zustand nach Abschluss der Handelsunterbrechung von BREAK auf TRADING?^^ Ab der zweiten Handelsperiode wechseln die Zustande des Systems abhangig von der Gesamtdauer der Handelssession regelmSBig zwischen TRADING, BREAK und EVALUATION, Innerhalb des Zustands EVALUATION erfolgt die Bev^ertung der Marktteilnehmer hinsichtlich ihres Handelserfolgs in der vergangenen Handelsperiode. Wird das Ende der Handelssession entweder systemseitig vorbestimmt oder manuell durch den Administrator ausgelost, wechselt der Zustand EVALUATION das nachste Mai auf den Zustand END.
4.3.4.2 Zeitstruktur Eine Handelssession auf ARTEX besteht je nach Einsatzzweck aus 1 bis N Handelsperioden (Modelljahren). Das Ende einer Handelssession lasst sich •
im Voraus bestimmen,
• zufallig generieren oder • kann vom Administrator manuell aus der Handelssession heraus eingeleitet werden.
Der Ablauf der Zustande fur die einseitige Auktion wird in obiger Abbildung durch gestrichelte Pfeile gekennzeichnet. Innerhalb einer Handelsunterbrechung ist beispielsweise die Durchfuhrung von Umfragen unter den Marktteilnehmem mGglich. Bei Experimentdesigns, die direkt mit zweiseitigen Preisfindungsverfahren und vollstandig zugeteilten Grundausstattungen beginnen, wechselt der Zustand aus PREPARATIONdirt^X in den Zustand TRADING.
120
Fiir die Dauer der einzelnen Handelsperioden (Modelljahr) wurden in der Grundeinstellung fur den Parameter Handelsjahrdauer 6 Minuten gewMhlt, urn den Teilnehmem den Bezug eines Modelljahres auf ein reales Jahr zu erleichtem:^^^ •
1 Sekunde entspricht hierbei einem Modelltag,
• 30 Sekunden sind 30 Modelltage bzw. 1 Modellmonat, • 90 Sekunden sind 3 Modellmonate bzw. 1 Quartal, •
180 Sekunden sind 6 Modellmonate bzw. Vi Modelljahr und
• 360 Sekunden sind 12 Modellmonate bzw. 1 Jahr. Da auf ARTEX die Dauer der Handelsperiode in Echtzeit flexibel eingestellt werden kann und Informationen zu flexiblen Zeitpunkten verteilt werden kSnnen, lassen sich entsprechend des jeweiligen Experimentdesigns hinsichtlich der Zeitstrukturen verschiedenste Konstellationen ftir die Darstellung der Informationsbeschaffungs- und Informationsverarbeitungsphasen der Marktteilnehmer umsetzen. Beispielsweise konnen innerhalb eines Modelljahres Quartalsergebnisse der fiktiven Untemehmen verSffentlicht werden. Die zeitliche Skalierbarkeit ist auch vor dem Hintergrund der Attraktivitat der Anwendung im Web von Bedeutung, wenn den Marktteilnehmem je nach Untersuchungsziel keine allzu langen Handelssessions „zugemutet" werden soUen.
43.4.3 Anlageobjekte Teilnehmem stehen beim implementierten Design grundsatzlich drei Handelsaltemativen zur Verfiigung. Sie konnen liquide Mittel auf einem Verrechnungskonto halten, Festgeld anlegen oder Wertpapiere handeln. Das Verrechnungskonto dient der Verwaltung der GeldbestSnde des Teilnehmers. Ober dieses Konto werden samtliche Abrechnungen verbucht. Das Verrechnungskonto kann uber die Einstellung eines Zinsparameters verzinst werden. Je nach Experimentdesign lasst sich auch eine „Inflation" einstellen, uber die bestehende GeldbestSnde des Teilnehmers sukzessiv entwertet werden. Entsprechend der im
Der Parameter Handelsjahrdauer kann beliebig eingestellt werden.
121
Experimentdesign festgelegten Parametereinstellungen kann das Verrechnungskonto auch zu jedem Zeitpunkt bis zu einem gewissen Betrag uberzogen werden. Der in Anspruch genommene Kredit wird entsprechend des in dem jeweiligen Modelljahr gultigen Zinssatzes mit jahrlicher Zinsverrechnung verzinst.^'*^ Hierbei errechnet sich der Kreditrahmen zu jedem Zeitpunkt folgendermaBen:
^
Kreditvolumen =Festgeldsumme + 0.5 * aktuellerDepotwert Das Kreditvolumen ergibt sich aus dem jeweiligen Gesamtvermogen eines Teilnehmers, wobei die Festgeldsumme zu 100% und der aktuelle Depotwert zu 50% beliehen werden kann. Mit der Festgeldanlage steht den Teilnehmem die MSglichkeit zur Verfiigung, Geld risikolos und festverzinslich anzulegen. Der im jeweiligen Modelljahr giiltige Zinssatz gilt fiir die Dauer der Festgeldanlage, die der Teilnehmer fiir den jeweiligen Festgeldbetrag zwischen einem und zehn Modelljahren festlegen kann. Fiir die festgelegte Zeit ist der angelegte Betrag fiir den Teilnehmer nicht disponibel.^"*^ Derzeit werden auf ARTEX gleichzeitig Wertpapiere von fiinf verschiedenen Untemehmen gehandelt, wobei eine Anpassung der Anzahl der Untemehmen prinzipiell nicht beschrankt ist. Bezuglich der Anzahl der zu handelnden Titel gilt es allerdings zu bedenken, dass mit einer groBeren Anzahl an Titeln die Komplexitat des Handels fiir die Marktteilnehmer zunimmt. Hierbei ist auch die Ubersichtlichkeit der Handelsoberflache zu beriicksichtigen, die derzeit so gestaltet ist, dass die Marktteilnehmer die allgemein zugSnglichen Informationen iiber den Marketwatch auf einen Blick iibersehen konnen. Werden mehr als fiinf Titel gehandelt, miissen die Teilnehmer Informationen zu einem Titel moglicherweise erst herbei „scrollen". Aus Usability-Gesichtspunkten wurde dies fiir das Basisdesign vermieden. Um einen hinreichend liquiden Markt zu gewShrleisten und keine Monopolstellungen einzelner
340
Der Kreditzinssatz kann von Modelljahr zu Modelljahr variieren. Unterstellt wird das Modelljahr mit 30/360 Modelltagen.
341
In Erweiterung des aktuellen Designs kdnnten hier zusatzlich alternative Festgeldanlagestrukturen integriert werden, um beispielsweise unterschiedlich komplexe Festgeldkonstruktionen der Realitat hinsichtlich ihrer Attraktivitat fur Marktteilnehmer im Experiment zu testen.
122
Marktteilnehmer aufkommen zu lassen, besteht weiterhin eine teilnehmerbezogene Besitzgrenze an Wertpapieren.^'^^
4.3.4.4 Ermittlung der Grundausstattung Die Stuckzahl der Wertpapiere pro Untemehmen lasst sich entsprechend des Experimentdesigns variabel festlegen. Auf Basis der Anzahl Wertpapiere pro Untemehmen errechnet sich die Grundausstattung der Teilnehmer. Da ARTEX fur das Internet konzipiert wurde, bleibt die Teilnehmerzahl fur eine Handelssession von vomeherein grundsatzlich offen. Entsprechend muss die Kapitalausstattung abhMngig u.a. von der Teilnehmeranzahl und den Wertpapierstuckzahlen fiir jede Handelssession neu berechnet werden. Das Startkapital eines Teilnehmers ergibt sich wie foigt:
Startkapital = ——
*a
wobei N
:
Anzahl der unterschiedlichen Wertpapiere
Divi :
Dividende
r
:
risikoloser Zins
Mj
:
Stuckzahl der Wertpapiere
X
:
Anzahl der Teilnehmer
a
:
Sattigungsparameter
Fiir jedes Wertpapier wird der Fundamentalwert mit der Stuckzahl der Wertpapiere multipliziert und uber die Wertpapiere aufaddiert. Ober die Division durch die Anzahl der Teilnehmer ergibt sich die Summe, zu der MarktrSumung auf Basis der jeweiligen Fundamentalwerte der Aktien herrscht. Dies entspricht einem Sattigungsparameter a von a = 1. Entsprechend des Experimentdesigns lasst sich der Sattigungsparameter a
^^^ Die Besitzgrenze lasst sich uber einen Parameter variieren. Derzeit hat ein Teilnehmer seine Besitzgrenze erreicht, wenn er 33% aller im Umlauf befmdlichen Wertpapiere eines Untemehmens besitzt.
123
variieren, so dass den Teilnehmem fundamentalwertbezogen mit a > 1 mehr Kapital, bzw. fiir a < 1 weniger Kapital zur Verfugung steht.
4.3.4.5 Varianten des Dividendendesigns Das derzeit implementierte Dividendendesign sieht vor, dass die in einer Periode erzielten Gewinne eines Untemehmens vollstSndig als Dividende an die Halter der Wertpapiere ausgeschiittet werden. Auf ARTEX kSnnen verschiedene Varianten an Dividendendesigns eingebunden werden. Im Hinblick auf eine unterstellte Risikoneutralitat oder Risikoaversion der Marktteilnehmer kSnnen Dividendenziehungen unterschiedlich ausgestaltet werden. Die Wertpapierdividenden k6nnen einmal unabhSngig mit einer erwarteten Korrelation von Null gezogen werden. Hier wird Risikoneutralitat der Marktteilnehmer unterstellt, die Entwicklungen der Dividendenzahlungen der Untemehmen sind voneinander unabhSngig. Sollen die Entwicklungen der Untemehmen miteinander korreliert sein, so dass das Handelsverhalten der Marktteilnehmer auf die Aussagen des CAPM bezogen werden kann, werden die Dividendenzahlungen abhSngig auf Basis einer unterstellten Varianz-Kovarianz-Matrix mittels der Cholesky-Zerlegung gezogen. Die Entwicklung der Dividende ist jeweils unsicher, d.h. die Dividenden konnen zufMllig steigen oder fallen, wobei systemseitig ein fixer oder zufUlliger Startwert fur jedes Untemehmen und ein rahmender Wertebereich vorgegeben werden kann. Beim derzeit implementierten Gmnddesign ergeben sich ausgehend von den Startwerten die jeweiligen Dividenden fiir das folgende Modelljahr aus der Summe von drei unabhSngig gezogenen Zufallszahlen (Zi, Z2, Z3). Die Ziehung erfolgt jeweils aus einer Normalverteilung mit dem Erwartungswert \i und der Standardabweichung G.^^^ Durch Variation der Standardabweichung lassen sich unterschiedliche Strukturen der Dividendenverlaufe der jeweiligen Titel erzeugen. Die Dividendenveranderung errechnet sich nach folgender Gleichung:
ADivt = Zit •+• Z2t + Zst
mit Zi, Z2, Z3 = N(0, Vs).
^^^ Derzeit erfolgt die Ziehung jeweils aus einer Normalverteilung mit dem Erwartungswert ^=0 und der Standardabweichung
124
Ober dieses Dividendendesign wird eine unsichere Gewinnerwartung fiir die Untemehmen
abgebildet
(Random
Walk).
Bei
unterstellten
risikoneutralen
Marktteilnehmem errechnet sich der Fundamentalwert jedes Untemehmens aus der Dividende bei gegebenem Zins wie folgt:
r
>
wobei W
:
Fundamentalwert einer Aktie
Div
:
Dividende
r
:
risikoloser Zins
Der Fundamentalwert bezeichnet unter obigen Annahmen den fairen Wert des Wertpapiers und kann den Marktteilnehmem als Entscheidungskriterium fiir den Kauf und Verkauf von Wertpapieren dienen. Vor dem Hintergrund einer asymmetrischen Informationsverteilung kennen die Marktteilnehmer die zuletzt erzielten Gewinne der Untemehmen. Diese stellen den besten Schatzer fur zukunftige Gewinnerwartungen dar,
da
sich
die
Dividenden
aufgmnd
der
unterstellten
symmetrischen
Normalverteilung mit gleicher Wahrscheinlichkeit positiv oder negativ entwickeln kSnnen. Die Teilnehmer erhalten zusatzlich zu den allgemein
verfugbaren
vergangenen Dividenden individuelle Informationen bezuglich der zukunftig zu erwartenden Gewinne der Untemehmen. Wie oben beschrieben, ergibt sich die Dividende eines Untemehmens im derzeit implementierten Design aus der Ziehung von drei normal verteilten Zufallszahlen. Die individuelle Erwartung eines Marktteilnehmers iiber den jeweiligen zukiinftigen Untemehmensgewinn setzt sich im derzeitigen Design aus zwei der drei generierten Zufallszahlen zusammen. Daraus ergeben sich fiir die Gesamtheit der Marktteilnehmer drei verschiedene DividendenschStzungen, die an die Teilnehmer verteilt werden.
344
Entsprechend
den
Regeln
Dividendenschatzungen:
der
Kombinatorik
Pj = _ | _ ^ 3 .
Der
ergeben beschriebene
sich
drei
verschiedene
Verteilungsmechanismus
gewahrleistet eine ex ante gleichermaBen faire Gewinnschatzungforjeden Teilnehmer, da die die 125
Die Dividenden der einzelnen Untemehmen werden unabhangig voneinander gezogen, die erwartete Kovarianz der einzelnen Dividenden ist Null. Werden risikoaverse Marktteilnehmer unterstellt, konnen die Dividenden fiir eine Abbildung des Risikos auch abhangig mit Korrelationen ungleich Null gezogen werden. Entsprechend muss der Generierung der Dividenden in Abwandlung des derzeitigen Designs eine VarianzKovarianz-Matrix zugrunde gelegt werden, urn die Abh^ngigkeiten zwischen den einzelnen Untemehmen zu erzeugen.^"^^ Den Marktteilnehmem wird die VarianzKovarianz-Matrix dann als zusStzliche Information wahrend des Handelns zur VerfUgung gestellt. Fiir Visualisierungszwecke und in diesem Fall fiir die Erstellung des Dividendendesigns kann eine Auslagerung von Berechnungsroutinen aus ARTEX eine sinnvolle Alternative zur Eigenprogrammierung darstellen, wenn dadurch Entwicklungsaufwand gesenkt und statt intemen Programmroutinen beispielsweise ein MatLab-Server mit umfangreichen Bibliotheken uber eine Schnittstelle genutzt werden kann.^"^ Mit Einbindung eines Matlab-Servers in das Gesamtsystem kann Rechenaufwand auf dem Applikationsserver reduziert werden, indem beispielsweise die Prozesse um die Erzeugung der Dividendenwerte und die )Li-a-Diagramme ausgelagert werden.
4.3.4.6 Bewertungskomponente Die Handelsaktivitaten der Marktteilnehmer kSnnen auf ARTEX wie oben beschrieben auf verschiedene Arten bewertet werden. Grundlegend wird im Fall unabhSngiger Ziehung der Dividendenwerte der Untemehmen eine Trading-
Abweichung bestimmende, bei der Ziehung verbleibende dritte Unbekannte einen Erwartungswert von 0 hat. Dennoch ist diese Schatzung seitens der Marktteilnehmer gegenuber der allgemein zug^nglichen Information uber die letzte Dividende des Untemehmens zu bevorzugen. Der Grund hierfiir besteht darin, dass die Standardabweichung einer zuf^lHg gezogenen Zahl geringer ist als die Standardabweichung von drei gezogenen Zahlen.Bei dem hier vorgestellten Grunddesign handelt es sich um die Basisinformationserstellung in einer Berechnungsvariante. Die Zuteilung von Informationen an Marktteilnehmer kann auch userspezifisch (User-ID) oder der GruppenzugehOrigkeit eines Users (Group-ID) entsprechend erfolgen. Der User fmdet die Informationen im Bereich der Personal Desks. '^^^ Zunachst mussen Korrelationen unter den einzelnen Dividenden der Untemehmen festgelegt werden. Im nachsten Schritt werden mit Startwerten die Dividenden fiir die jeweiligen Handelsperioden generiert. '^'^ Die MOglichkeit einer Auslagerung von Berechnungsroutinen wurde oben bereits besprochen. Die Anbindung einer MatLab-Engine stellt eine solche M^glichkeit dar.
126
erfolgskennzahl
ermittelt.
Altemativ
konnen
bei
Verwendung
korrelierter
Untemehmensdaten fiir die Bewertung der Marktteilnehmer als PerformancemaBe anstelle der Tradingerfolgszahl auch die Sharpe Ratio oder das Treynor MaB eingesetzt werden. Fiir die Schaffung von Anreizstrukturen, beispielsweise der Vergutung des Tradingerfolgs, konnen die jeweiligen Erfolgskennzahlen genutzt werden. Entsprechend der Uberlegungen in Kapitel 4.3.3 zur Anreizstruktur empfiehlt sich bei unterstellter RisikoneutralitSt der Marktteilnehmer eine Messung des im Experiment
erzielten
Gesamtvermogens
Erfolgs
eines
Teilnehmers
am Ende einer Handelssession.
entsprechend
seines
Der Gesamterfolg
eines
Teilnehmers ergibt sich letztlich aus seinem relativen Anlageerfolg bezogen auf Depotwert und Festgeld. Die folgende zweigeteilte Abbildung zeigt schematisiert die Vorgehensweise
bei
der Ermittlung der einzelnen Einflussgr66en
auf den
Gesamterfolg, der letztlich durch die Kennzahl gesamt reprSsentiert wird. Die Abbildung zeigt auch die Abhangigkeiten unter den einzelnen EinflussgrSBen sowie ihre jeweilige Zusammensetzung:
127
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5.i
l|
Abbildung 5: Zusammenhang einzelner Bewertungskennzahlen Teil 1
128
^ 0)
,
t_ ( Clear OpenOrders )
[no]
f Get next step")
("PutThread to sleep i
^ ^ -
Reset entries in DB
Ci
j ^
-TsStopTimeThread I
1
rrClear Application^
Execute current step J
Abbildung 12: AktivitMtsdiagrainm zum MainProcess
Der MainProcess besteht aus einer Schleife, innerhalb der ein Vektor abgearbeitet wird. Dieser Vektor enthalt Objekte der Klasse Step. Der Vektor selbst wird ebenfalls in der Klasse InitGame erzeugt und an den MainProcess zuruckgegeben. Die Klasse Step beinhaltet eine zeitliche und eine inhaltliche Information. Uber die zeitliche Information wird gesteuert, wie lange der Thread ruhen soil, bis der mit der inhaltlichen Information spezifizierte Schritt ausgefiihrt wird. Die Verwendung von Threads auf diese Art ermoglicht die Abarbeitung beliebiger „Schritte" in einer zeitlichen Abfolge beliebiger Granularitat. Die Kommunikation zwischen dem Vektor und dem MainProcess erfolgt uber Konstanten, wobei die in den einzelnen Steps eingetragenen Konstanten im MainProcess (iber ein switch-caseKonstrukt ausgewertet werden. Entsprechend der Auswertung werden die jeweiligen mit den Konstanten spezifizierten und abzuarbeitenden Prozesse innerhalb der Anwendung ARTEX angesteuert. Abzuarbeitende Schritte stellen beispielsweise die 146
Bewertung der Teilnehmer nach Ablauf jeder Handelsperiode, die Erzeugung der Charts Oder die Verbuchung der Dividenden dar. Dabei durchlauft eine Handelssession iiber den Vektor mit den abzuarbeitenden Steps ihre Status. Die implementierte Losung erm5glicht, dass Informationsverteilungsprozesse flir bestimmte oder alle Marktteilnehmergruppen derart angestoBen werden kSnnen, dass diese
heterogene
Informationen,
beispielsweise
zu
Dividendenerwartungen,
Quartalsberichten oder besonderen Ereignissen, innerhalb einer Handelsperiode mehrfach und jeweils zeitversetzt erhalten. Weiterhin lassen sich iiber diesen Mechanismus Verarbeitungsschritte auf anderen Systemen auBerhalb der Anwendung, beispielsweise Auswertungstools auf einem Matlab-Server, einbinden. Nach Start der Handelssession befindet sich ARTEX im Zustand AUCTION bzw. TRADING und der an den MainProcess (ibergebene Vektor wird Schritt fiir Schritt abgearbeitet, solange sich ARTEX in diesem Zustand befindet und nicht unterbrochen oder beendet wird. Eine Unterbrechung der Handelssession kann der Administrator liber die Administrationsoberflache (AdminForm) herbeifiihren und auch wieder aufheben.^^^ Die Handelssession wird schlieBlich durch den Administrator oder iiber den automatisch generierten Endzeitpunkt der Handelssession beendet, ARTEX befindet sich dann im Zustand END. Mit Beendigung der Handelssession wird die Schleife verlassen, innerhalb des Threads werden noch Abschlussarbeiten ausgefiihrt, die Anwendung „aufgeraumt" und der Thread schlieBlich beendet. ARTEX befindet sich weiterhin im Zustand END. Der Zustand OnAir wird in der Datenbank zuriickgesetzt, so dass eine neue Handelssession automatisch oder manuell gestartet werden kann. Im automatischen Startmodus wird den fur die neue Handelssession angemeldeten Teilnehmem iiber die Personalpage jetzt angezeigt, dass „ihr" Experiment beginnt. Im Zusammenhang mit dem konzeptionellen Aufbau von ARTEX erSffhet die Multithread-FShigkeit der Applikation zahlreiche MSglichkeiten hinsichtlich ihrer funktionalen Erweiterbarkeit. Indem auf Basis des implementierten Grunddesigns aus dem MainProcess heraus beliebig viele weitere Threads erzeugt und gestartet werden konnen, die dann parallel zum MainProcess im Hintergrund ablaufen, lassen sich mit
"^ Ob eine Handelssession gerade unterbrochen ist, wird uber die Klasse MainProcess gesteuert. Bei einer Unterbrechung wird das Flag suspended auf True gesetzt und auf False, wenn keine Unterbrechung vorliegt.
147
dieser Losung im Prinzip beliebige, auch in Echtzeit auswertbare Designfeatures auf der Experimentplattform integrieren. Beispielsweise kSnnen Befragungen der Teilnehmer hinsichtlich ihrer Erwartungen beziiglich kiinftiger Marktentwicklungen im Experiment durchgefiihrt werden. Auch standardisierte FragebSgen zu Einschatzungen der am Experiment teilnehmenden Intemetuser bezuglich realer Marktentwicklungen an den Kapitalmarkten (Umfragen), die dann zeitgleich zur Handelssession ausgewertet werden, kSnnten eingebunden werden. Der Vorteil des Aufbaus der Gesamtanwendung besteht in der datenbankbasierten, interaktiven Kommunikationsmoglichkeit mit den Intemetusem in Echtzeit. Beispielsweise fmden sich auch im Trainings-, Schulungs- und Priifungsbereich zahlreiche EinsatzmQglichkeiten fur Fragebogenfolgen, wenn diese Folgen schrittweise abhSngig vom jeweiligen Auswertungszwischenstand individuell generiert und zusammengesetzt werden kQnnen.
4.3.5 Phasenspezifische Komponenten Dem Phasenmodell nach PICOT/BORTENLANGER/ROHRL (1996) folgend lasst sich der Handelsprozess auf ARTEX entsprechend dem oben entwickelten Marktmodell anhand Informationsphase, Orderroutingphase, Preisfeststellungsphase und Abwicklungsphase beschreiben. Merkmale des Systems werden im Folgenden bezogen auf die einzelnen Phasen naher erlSutert.
4.3.5.1 Informationsphase Wie auf realen Wertpapiermarkten lassen sich auf ARTEX exogene und endogene Informationsversorgung unterschieden. Gegeniiber den Bedingungen an den realen MSrkten werden die exogenen Informationen hier allerdings systemseitig produziert und sind gegeniiber denen an den realen MSrkten insofem beeinflussbar. Exogene Informationen sind beispielsweise Dividendenerwartungen, Zinssatze, oder Wachstumserwartungen. Die Gesamtheit der exogenen Informationen schafft im System eine virtuelle Realitat mit einer kunstlichen Zeitstruktur. Exogene Informationen werden im derzeitigen Experimentdesign wahrend der Initialisierung einer Handelssession generiert, konnen aber auch von Handelsperiode zu Handelsperiode wahrend einer Handelssession erzeugt werden.
148
Endogene Informationen entstehen demgegeniiber aus dem Handelsgeschehen innerhalb der geschaffenen virtuellen Marktumgebung heraus. Wertpapierkurse und UmsStze entwickeln sich mit den Interaktionen der Marktteilnehmer innerhalb einer Handelssession.
Auf ARTEX
sind
zahlreiche
Features
integriert,
die
den
Marktteilnehmem abhangig von ihren Privilegien unterschiedliche Grade der Pre- und Post-Trade-Markttransparenz hinsichtlich exogener wie endogener Informationen zugSnglich machen. Diese Informationsverteilung lasst sich nach der Art der Bereitstellung
dahingehend
differenzieren,
ob
die
Informationen
auf
der
Handelsoberflache den Marktteilnehmem automatisch zur Verftigung gestellt werden (Datenpush) oder einzeln abgerufen werden mussen (Datenpull). Informationsfelder im Datenpush sind den Marktteilnehmem uber den Common Desk zugMnglich, Informationen im Datenpull-Modus iiber die Personal Desks. Die liber die Personal Desks seitens eines Marktteilnehmers abgemfenen Informationen k6nnen fiir ein Experiment gesondert ausgewertet werden. Gmndsatzlich lasst sich die Informationsversorgung anhand einer Rechtezuteilung fiir Marktteilnehmergmppen
spezifizieren,
so
dass
unterschiedliche
Grade
der
Informationsasymmetrie unter den Marktteilnehmem systemseitig erzeugt werden kSnnen. Die Konzeption von ARTEX basiert generell darauf, zunM.chst den vollstandigen Funktionalitatsraum eines Experiments abzubilden und dann abhSngig vom den Untersuchungsdesign die Rechte der einzelnen Marktteilnehmergmppen einzuschranken. Hinsichtlich der Pre-Trade-Markttransparenz werden sSmtliche Marktteilnehmer uber den Common Desk per Datenpush mit den Orderbuchspitzen (Gebote, Volumen, Handler-ID's) zu jedem Titel versorgt. Im Bereich der Personal Desks fmden die Marktteilnehmer beziiglich der Pre-Trade-Markttransparenz im Datenpull-Modus
die
vollstandigen
Orderbiicher der Titel
und individuelle
Informationen zu den zu erwarteten zukiinftigen Dividenden dieser Titel, die sie fiir eine Schatzung der Dividenden verwenden kSnnen. Hinsichtlich der Post-TradeMarkttransparenz sehen Marktteilnehmer per Datenpush im Bereich des Common Desk gmndsatzlich die letzten Kurse mit den dazugehorigen Volumen und den Marktindex absolut sowie relativ zur letzten Handelsperiode (Modelljahr). Per Datenpull konnen abhSngig vom Experimentdesign auch kurzfristige und langfristige Charts fiir jeden Titel eingesehen werden. Im Bereich des Personal Desk erhalten die Marktteilnehmer per Datenpull entsprechend weitere Informationen, beispielsweise eine Obersicht iiber ihre abgeschlossenen Transaktionen bzw. den Inhalt ihres Depots.
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Generell gilt, dass sich endogene wie exogene Informationsgenerierung und verteilung aufgrund des durchgSngigen komponentenbasierten Entwurfs der Applikation sehr variabel an die Anforderungen unterschiedlicher Experimentdesigns anpassen lassen. Mit dem komponentenbasierten Aufbau der Applikation ergeben sich zahlreiche Moglichkeiten fiir die Ausgestaltung der Informationsphase auf ARTEX. Das implementierte Grunddesign bietet bereits zahlreiche Features, die sich auch auf realen Handelssystemen vorfinden lassen.
4.3.5.2 Orderroutingphase Nach der Entscheidungsfindung in der Informationsphase spezifizieren die Marktteilnehmer in der Orderroutingphase ihre Transaktionswiinsche in Form von Orders bzw. Festgeldauftrage. Die Aufgabenstellung innerhalb der Orderroutingphase besteht darin, dass die Handelsplattform ein schnelles und fehlerfreies Routing der Orders gewahrleist.^^^ Auf ARTEX konnen Orders im implementierten Design uber Orderlnput mit Angabe von ISIN, Stiickzahl und Preis als Limit- bzw. ohne Preis als Marketorders, Gultigkeitsdauer und Routing zu einem Handelsplatz nSher spezifiziert werden.^^^ Bereits abgegebene Orders konnen vom Marktteilnehmer iiber ModifyOrder in jedem Orderparameter modiflziert oder auch gel6scht werden, solange sie noch nicht ausgefuhrt sind. Der Marktteilnehmer spezifiziert seinen Transaktionswunsch iiber das WebPanel Orderlnput und sendet ihn als Order ab. Im dabei erzeugten Objekt der Klasse BuySelllnfo werden die spezifizierten Orderdaten abgelegt und einem Objekt der Klasse BuySell iibergeben. Die Klasse BuySell regelt die weitere Abwicklung der Order. Die Spezifikationen einer Order werden zunachst in der Datenbank in Form von numerischen Werten abgespeichert. Mit der Methode beforef) werden diese Werte aus der Datenbank gelesen und ubemommen. Im Anschluss werden hier Uberpriifungen durchgefiihrt, ob die Order gultig ist, beispielsweise ob der Teilnehmer mit der Order sein Kreditlimit uberschreiten oder einen Leerverkauf tatigen wiirde, obwohl Leerverkauf im aktuellen Untersuchungsdesign nicht zugelassen ist. Nach erfolgreicher Uberprufung werden die notigen Parameter zur Instanziierung an die Routing bezeichnet die Ubermittlung samtlicher relevanten Daten vom Entscheidungstrager zum Ort des Handelsabschlusses. Die Ubermittlung bezieht sich insbesondere auf den Preis, die Stuckzahlen, die Art der Order und den gewunschten Handelsplatz. Erweiterungen um zusatzliche Orderspezifikationen sind m6glich.
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Klasse Order ubergeben, wodurch eine gultige Kauf- bzw. Verkaufsorder entsteht. 1st die Uberpriifung nicht erfolgreich, wird der Transaktionswunsch zuriickgewiesen. Im positiven Fall wird die Order in den Vektor OpenOrders eingetragen und der Matchingprozess wird angestoBen. Die Instanz des Vektors OpenOrders ist als Singleton-Objekt realisiert, urn alle offenen Orders im System zentral verwalten zu konnen. Die Klasse AuctionMatcher ist verantwortlich fur den Matchingprozess im Experimentdesign der doppelten Auktion. Wie auch dem Ablauf zu entnehmen ist, iSsst sich diese Klasse als Komponente gegen eine andere austauschen, womit sich uber diese Schnittstelle beliebige Preisfeststellungsverfahren integrieren lassen. Die folgenden Abbildungen verdeutlichen den Weg einer Order von ihrer Eingabe durch den Marktteilnehmer bis zum Ort des Abschlusses:
151
q
4 --C
c>
Abbildung 13: Orderrouting Teil 1
152
Abbildung 14: Orderrouting Teil 2
153
4.3.5.3 Preisfeststellungsphase Innerhalb der Preisfeststellungsphase werden die Transaktionswiinsche der Marktteilnehmer zusammengefuhrt. AusprSgungsmerkmale der Preisfeststellung sind die Art der Preisfindung und die Handelsfrequenz. Die Art der Preisfindung kann grundsatzlich auftragsgesteuert (Order-Driven-Market, Auktionsprinzip) bzw. notierungsgesteuert (Quote-Driven-Market, Market-Maker-Prinzip) erfolgen. Im Modus des auftragsgesteuerten Handels sind auf ARTEX derzeit eine periodische Variante ftir die erste Handelsperiode im Einheitskursverfahren und eine kontinuierliche (fortlaufende) Variante als Doppelauktion fiir die folgenden Handelsperioden realisiert.^^^ Bei der periodischen Variante im Einheitskursverfahren werden die Orders (Mengen/Preis-Gebote) der um die Wertpapiere konkurrierenden Marktteilnehmer bis zum Ende der ersten Handelsperiode gesammelt und im Rahmen des Matchingprozesses zu dem Preis, bei dem das groBte Volumen gehandelt werden kann, ausgefiihrt. Die Kurse nach der ersten Handelsperiode kommen auf ARTEX in den folgenden Handelsperioden im kontinuierlichen Handel in der auftragsgesteuerten Variante nach dem Prinzip der Doppelauktion iiber die Klasse AuctionMatcher zustande. Um Untersuchungen zur Vorteilhaftigkeit unterschiedlicher Preisfmdungsverfahren unter spezifischen Rahmenbedingungen zu erleichtem, ermoglicht auch die Grundkonzeption der Klasse Matcher die einfache Integration verschiedener Preisfindungsverfahren, indem das jeweilige Preisfeststellungsverfahren als Subklasse der erweiterbaren Superklasse Matcher abgelegt wird und sich die jeweiligen Preisfindungsverfahren bzw. Subklassen als Komponenten austauschen lassen.^^^ Die im Folgenden nSher beschriebene Klasse AuctionMatcher stellt entsprechend eine Subklasse der Superklasse Matcher dar.
Vgl. zu mdglichen Ausgestaltungsvarianten von einseitiger und zweiseitiger Auktion die Ausfuhrungen in den Kapiteln 2.2, Primarmarkt, und 2.3, Sekundarmarkt, der vorliegenden Arbeit. Mit dem komponentenbasierten Aufbau der Software lassen sich entsprechend verschiedene Auktionsformen integrieren. Das hier verwendete Konzept der Vererbung ist als ein Mechanismus definiert, der es einer Klasse (Subklasse) ermOglicht, all ihre Verhaltensweisen und Attribute von einer anderen Klasse (Superklasse) zu erben. Die Subklasse verfiigt ttber die gesamte Funktionaliat der Superklasse und kann um spezifische Funktionalitaten erweitert werden. Eine Klasse kann lediglich eine Superklasse besitzen, jede Superklasse kann allerdings eine uneingeschrankte Anzahl von Subklassen haben. Vgl. Lemay/Cadenhead (2001), S. 68.
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:AuctionMatcher
:Appiication
:QpenOrders
matchOrdersO doMatchOrdersO getLapCount{) return lap
k—
||
^getFirstOrderO return Order
J]
checkOrdersO
K
^ matchPriceO
k—matchPiecesAndOrderldO
k settleOrderO
• t
new Settlement(...)
M : Settlement
processO
K
->
Ur-,. Abbildung 15: Auktionsprinzip
Wie obige Abbildung zum Auktionsprinzip zeigt, wird der als Singleton-Klasse realisierte AuctionMatcher nach jeder giiltigen Orderabgabe eines Marktteilnehmers aufgerufen. Zunachst wird uber getLapCountQ die aktuelle Handelsperiode aus der 155
Klasse Application eingelesen, anschlieBend ist der weitere Ablauf innerhalb der Klasse AuctionMatcher als Schleife organisiert: Jeweils wird aus dem nach dem FIFOPrinzip sortierten Vektor OpenOrders die erste Order an den Matchingprozess libergeben. Mittels checkOrdersQ wird iiberpriift, urn welche Art Order es sich handelt. AnschlieBend erfolgt die Preisfindung. Die nach dem Matching verbleibenden Stiicke der Order werden ins Orderbuch geschrieben. Der Vorgang wird mit der jeweils nachsten Order aus dem Vektor OpenOrders wiederholt, bis der Vektor keine Orders mehr enthSlt. K5nnen Orders gematcht werden, werden diese nach der Feststellung der Transaktionspartner iiber settleOrderQ an die Klasse Settlement libergeben. Dort erfolgt schlieBlich die Abwicklung. Gegeniiber der beschriebenen auftragsgesteuerten Variante stellen in der rein notierungsgesteuerten
Variante wahrend der Handelsphasen nach der ersten
Handelsperiode Market Maker fortlaufend An- und Verkaufskurse. Die Rolle des Market Makers kSnnen einzelne Marktteilnehmer einnehmen oder sie kann durch einen Automaten besetzt werden. Zu den gestellten Kursen sind die Market Maker entsprechend bereit und verpflichtet, den Standard-Marktteilnehmem Titel abzukaufen bzw. zu verkaufen. Das reine Market-Maker-System unterscheidet sich von der Hybridform eines Marktes dann darin, dass Transaktionen im rein notierungsgesteuerten Handel nur zwischen einerseits den Marktteilnehmem in der Rolle des Market Makers bzw. dem MarketMaker-Automaten und andererseits den Standard-Marktteilnehmem zustande kommen diirfen, wShrend in der Hybridform des Marktes Marktteilnehmem auch gestattet ist, untereinander Transaktionen zu tatigen. Entsprechend iSsst sich auf ARTEX das monopolistische Market-Maker-System, das konkurrierende Market-Maker-System und auch die Hybridform abbilden, indem den Wertpapieren jeweils ein bzw. mehrere Marktteilnehmer in der Rolle eines Market Makers zugewiesen werden bzw. fiir jeden Titel ein Market-Maker-Automat systemseitig erzeugt wird und den Marktteilnehmem Transaktionen untereinander erlaubt werden bzw. nicht erlaubt werden. Im Modus Automatisierter Market Maker wird der Market-Maker-Automat zunSchst als vollwertiger Marktteilnehmer pro Wertpapier systemseitig angelegt. Er erhSlt bzgl. seiner Gmndausstattung gegeniiber den Standard-Marktteilnehmem ein besonderes Wertpapierdepot und ein besonderes Startguthaben. Nach dem Start der Klasse MarketMaker aus der Klasse MainProcess heraus wird die Methode getPriceQ 156
aufgerufen, urn den aktuellen Preis, den der Market Maker fiir das jeweilige Wertpapier stellen muss, festzulegen. Die vorzunehmende Preissetzung basiert u.a. auf der aktuellen Dividende des Titels und dem aktuellen risikolosen Zins, die mittels der Methode getRateAndDivQ aus der Datenbank gelesen werden. Auf Grundlage des daraus berechneten „fairen" Wertes flieBt anschlieBend das Quotierungsverhalten des Market Makers uber die Methode getSpreadQ aus der Klasse Application ein, uber die der Quote als Spanne um den fairen Wert iiber die Methoden calculate Fair Value () und calculateBuyAndSellQ bestimmt wird. Im derzeit realisierten Grunddesign wird dem automatisierten Market Maker hierbei ein bestandsoptimierendes Quotierungsverhalten unterstellt, d.h. er stimmt seine Preissetzung auf seinen Wertpapierbestand ab, in der Grundversion gilt entsprechend folgende sehr einfache Kegel: Kauft (Verkauft) der Market Maker Wertpapier in der Menge von x Stuck, wird der Preis umygesenkt (erhoht). Die folgenden Abbildungen veranschaulichen zunSchst den Aufbau und die Funktionsweise des automatisierten Market Makers, anschlieBend wird auf dieser Grundlage kurz die alternative Variante vorgestellt, bei der Marktteilnehmer die Rolle eines Market Makers zugewiesen bekommen.
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Abbildung 16: Automatisierter Market Maker Teil 1
158
Applipation
:AMgtiQnM9t