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German Pages 76 Year 1924
Deutscher Untergang oder
Aufbau aus dem Boden Von
Ernst Zander
Zweite
Berlin
W A L T E R
und
DE
Auflage
Leipzig
1924
G R U Y T E R
&
CO.
Vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung — J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J. Trübner — Veit & Comp.
Inhalt Seite
Vorwort Erstes Kapitel.
5 Kritik
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Zweites Kapitel. Der Boden
22
Drittes Kapitel, Die Menschen
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Viertes Kapitel. Die Technisierung durch Dünger
37
Fünftes Kapitel. Die Technisierung durch Maschinen . . . .
47
Sechstes Kapitel. Das Saatgut
53
Siebentes Kapitel. Die Tierzucht
57
Achtes Kapitel.
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Der Weg zum Ziel
1*
Vorwort zur ersten Auflage Diese Arbeit hat gegen meinen Willen einen außenpolitischen Beigeschmack erhalten. Sie war am 7. Oktober mittags fertiggestellt, wurde abends einem Kreis sachverständiger Freunde vorgelesen und sollte am 8. Oktober gerade meinem Verleger zugehen, als mir von vier plötzlich eindringenden französischen politischen Agenten meine sofortige Ausweisung aus dem besetzten Gebiet innerhalb fünf Stunden eröffnet wurde. Bei der anschließenden Durchsuchung meines Arbeitszimmers wurde unter anderem das Manuskript dieser Arbeit nebst zwei Maschinendurchschlägen beschlagnahmt. Meine Forderung, wenigstens einen Durchschlag freizugeben, wurde abgelehnt. Offenbar schien der ursprüngliche Titel: „Der Wiederaufbau Deutschlands . . . " diesen Polizeipolitikem höchst verdächtig. Bemühungen von Freunden und dann eines als Verteidiger verhafteter Deutscher vor französischen Gerichten tätigen Anwalts blieben bis heute erfolglos. Vermutlich hält daher auch die verantwortlich zeichnende Hohe Interalliierte Kommission, Abteilung Brückenkopf Kehl, diese Arbeit am Wiederaufbau meines Vaterlandes für eine „Gefährdung der Sicherheit der Besatzungstruppen", die einzige formale Unterlage einer Ausweisung. Zum System der zurzeit noch herrschenden französischen Politiker würde das allerdings passen. Der zynischste politische Ausspruch, den je ein Tyrann in der Weltgeschichte tat, jenes skandalöse Wort des „père victoire" Clemenceau: „Es gibt zwanzig Millionen Deutsche zu viel", wirkt auch heute noch im Unterbewußtsein dieser europäischen Diktatoren nach. Die H u n g e r b l o c k a d e durch die Gesamtheit unserer Gegner nach dem Waffenstillstand paßt dazu, und heute, nach dem verlorenen Ruhr-Abenteuer, k a n n F r a n k r e i c h s i e a l l e i n f o r t s e t z e n , j a v e r s c h ä r f e n , da es fast die Hälfte der deutschen Stickstofferzeugung (Oppau plus Kokereien an der Ruhr) und damit die Kontrolle des deutschen Ackers in der Hand hat. M e i n e A u s f ü h r u n g e n ü b e r die S t i c k s t o f f d ü n g e r f r a g e erhalten dadurch erhebliche außenpolitische Bedeutung.
Vorwort
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Die Sicherung des deutscheil, in französischer Gewalt befindlichen Stickstoffdüngers für den heimischen Acker muß daher bei den kommenden Reparationsverhandlungen eine Hauptforderung der deutschen Unterhändler sein, u n d a n d e r f r a n z ö s i s c h e n Stellungnahme hierzu wird sich z e i g e n , wieweit Frankreich auch in Zukunft die Verminderung der E i n w o h n e r z a h l D e u t s c h l a n d s durch den Hunger fortsetzen will. Von meiner Bibliothek und den anderen Hilfsmitteln meiner Berufsarbeit durch die Ausweisung getrennt, kann ich leider die beschlagnahmte Arbeit nicht mit dem gleichen Zahlenmaterial und in gleicher Ausführlichkeit neu schaffen.*) Dabei scheint mir aber eine umgehende Aufklärung der Öffentlichkeit, nicht nur der deutschen, über die Möglichkeit eines Wiederaufbaus der deutschen Volkswirtschaft auf dt r Grundlage des heimischen Ackers ein dringendes Gebot der Stunde. Diese Aufklärung ist auch nötig im wohlwollenden Ausland, denn wie anders können wir dessen unentbehrlichen Kredit nach vier Jahren leichtfertiger, planloser Substanzzerstörung erhoffen, als daß wir ihm das Vorhandensein einer großen, noch unzerstörten Vermögenssubstanz nachweisen und dazu das Programm und die Fähigkeit ihrer planmäßigen Intensivierung? Trotz der geschilderten Behinderung glaube ich folgende Leitsätze begründet zu haben: I. Nachdem es trotz politischer und technischer Behinderung, trotz weitgehendem Verfall des Ackers im Kriege in rastloser Arbeit der deutschen Landwirtschaft gelungen ist, die Ernten, die bei Kriegsende fast auf die Hälfte der deutschen Friedenserträge gesunken waren, bis zum Jahre 1923 ungefähr wieder auf vier Fünftel der Friedenshöhe zu bringen, d r o h t ein e r h e b l i c h e r Ernterückgang i m J a h r e 1924, da vor allem der deutsche Bauer für die Winterbestellung und voraussichtlich auch für die Frühjahrs pflege erheblich weniger Kunstdünger verwendet als im vorigen Wirtschaftsjahre. Verderblich kann besonders die Verminderung der Stickstoffmengen werden, deren Kauf sogar noch hinter der zurzeit beschränkten Lieferfähigkeit zurückbleibt. Der deutsche Bauer ist für drei Viertel des deutschen Ackers verantwortlich, seine Verluste infolge der Inflation und die nahe an der Grenze der Wirtschaftlichkeit hegenden Stickstoffpreise halten ihn v o m Kauf ab. Auch i m landwirtschaftlichen Großbetrieb ist die Neigung zur Verminderung der Kunstdüngermengen im Wachsen. Eine zielbewußte Stickstoffpolitik ist daher umsehend außen- und i n n e r p o l i t i s c h erforderlich. *) Siehe FnBnote auf S. 22.
Vorwort
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II. Über diese brennende Tagesfrage hinaus muß das V e r h ä l t n i s zwisohen Allgemeinheit und Landwirtschaft grundlegend geändert werden. Obwohl weitaus der größte Teil der deutschen Städter in der ersten und zweiten Generation vom Lande stammt, ist die Verständnislosigkeit nicht nur der Massen, sondern auch der bürgerlichen Kreise für das Wesen der Landwirtschaft von bedauerlichem Umfang. Die politische Gegnerschaft zwischen Landwirtschaft und städtischen Massen darf eine wirtschaftliche und geistige Annäherung nicht verhindern, da beide in unserer heutigen Lage auf Gedeih und Verderb zusammengehören und beide gemeinsame Interessen Dritten gegenüber (Zwischenhandel) durch bessere Organisation zwischen Erzeuger und Verbraucher zu wahren haben. III. Industrie und Großhandel, zu einem erheblichen Teil die Haupt nutznießer des deutschen Substanzverbrauchs im Krieg und nachher, erscheinen als Träger des deutschen Wiederaufbaus unsicher, da sie außer für ihre eigenen Bedürfnisse für die der Allgemeinheit wesentlich nicht bereit sind, ihren erheblichen im Ausland angelegten, ehemals innerdeutschen Substanzbesitz zurückzuführen, da ferner der frühem Inlandsmarkt stark verminderte Kaufkraft und das Ausland zu normalen Weltmarktspreisen stark herabgesetzte Kauflust für deutsche Waren hat. Industrie und Großhandel müssen in erster Linie für die Unternehmer eine neue Verdienstmoral finden, in zweiter Linie für die deutschen Arbeiter eine neue Arbeitsmoral. Eine Wiederh e r s t e l l u n g der W i r t s c h a f t s b i l a n z ä h n l i c h der vor dem Kriege e r s c h e i n t d a h e r für lange Zeit durch I n d u s t r i e und Handel aussichtslos. IV. Die so e n t s t e h e n d e L ü c k e k a n n d u r c h r i c h tige landwirtschaftliche Bodenpolitik nicht n u r a u s g e f ü l l t w e r d e n , es k a n n d a d u r c h allm ä h l i c h sogar ein w i r t s c h a f t l i c h e r Mehrwert g e s c h a f f e n w e r d e n , der nach Aufhören der gegnerischen Eingriffe die Steigerung des Blutumlaufes im deutschen Wirtschaftskörper, die langsame Auffüllung und Bücksaugung der seit 1914 aufgezehrten und der ins Ausland verbrachten volkswirtschaftlichen Vermögenssubstanz, und danach die Leistung von Separationen unter erträglichen Lebensbedingungen erlaubt. Der deutsche Acker im
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Torwort
heutigen Eeichsgebiet brachte vor dem Krieg rund 200 Billionen Kalorien Nahrungsmittel im Wert von 14 Milliarden Goldmark. E i n e S t e i g e r u n g u m 50 P r o z e n t l ä ß t s i c h i n verhältnismäßig kurzer Zeit erreichen=7MilliardenGoldm a r k. Eine Steigerung um 100 Prozent liegt auf Grund heutiger Teilerfolge mit den heute bekannten Mitteln im Bereich der Möglichkeit . Das Vertrauen in die so erreichbare Festigung der deutschen Wirtschaft wird den teilweisen Bückfluß des ausgewanderten Kapitals und durch das wachsende Vertrauen des In- und Auslandes nach Professor Knapp die b e s t e W ä h r u n g s d e c k u n g bewirken. V. Über fünf Millionen Bauern bewirtschaften mehr als drei Viertel der landwirtschaftlichen Fläche meist rückständig, 24000 Großbesitzer bebauen knapp ein Viertel ertragreicher, a l s o i s t d e r H e b e l der I n t e n s i v i e r u n g v o r a l l e m bei den bäuerlichen Wirtschaften anzusetzen. Das zurzeit wichtigste deutsche Gewerbe der Nahrungsmittelerzeugung wird vorwiegend in Kleinbetrieben ausgeübt, ohne gewerbliche Schulbildung oder Befähigungsnachweis der Besitzer und ohne die geringste Kontrolle der Allgemeinheit. Die Hebung der Berufsbildung hat auf der Grundlage der Hebung der Allgemeinbildung^ erfolgen; daneben hat ein Grundsteuersystem dahin zu wirken, daß der Untaugliche ausscheidet, der intensiv Wirtschaftende steuerlich verhältnismäßig begünstigt wird. Das V o r b i l d D ä n e m a r k s ist zu b e a c h t e n , das n a c h d e r N i e d e r l a g e v o n 1864 s e i n e K r ä f t e n a c h i n n e n k e h r t e , durch Volkshochschulen, Berufsbildung und Genossenschaftswesen einen mustergültigen Bauernstand schuf ,und auf seiner Landwirtschaft eine Ausfuhrindustrie aufbaute. D a s G l e i c h e i s t in D e u t s c h l a n d möglich. VI. Die Intensivierung der '25 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Fläche bis zu einem Bruttomehrertrag von 50 Prozent = 7 Milliarden Goldmark jährlich erfordert einen einmaligen Kapitalaufwand von etwa 6 bis 8 Milliarden Mark für neue Maschinen, Boden- und Wegeverbesserungen, Düngerfabriken, Genossenschaftsbauten, Kredite und landwirtschaftliche Bildungsstätten. Das Geld hierfür ist zurzeit die sicherste und rentabelste deutsche Kapitalanlage, die produktivste Erwerbslosenfürsorge und die tragfähigste Deckung für eine stabile Währung. D i e L a n d w i r t s c h a f t i s t n i c h t n u r in der Lage, sondern der Allgemeinheit gegenüber v e r p f l i c h t e t , diese produktive Goldschuld
Vorwort
Ü
auf s i c h zu n e h m e n u n d r e n t a b e l zu v e r w a l t e n , da ihr durch die Inflation über 20 Milliarden Goldmark Hypotheken zum Schaden Hunderttausender deutscher Sparer abgenommen wurden. Eine Änderung des Bodenbeleihungsrechtes muß verhüten, daß aus Erbteilungs- und anderen unproduktiven Gründen die wirtschaftliche Kraft des Bodens zum Schaden der Allgemeinheit in Zukunft von neuem geschwächt wird. VII. Wird der d e u t s c h e Boden sachgemäß*) fünf Z e n t i m e t e r t i e f e r g e p f l ü g t als b i s h e r und ents p r e c h e n d i n t e n s i v i e r t , so g e w i n n e n w i r in Z u k u n f t in u n s e r n v e r e n g t e n G r e n z e n m e h r B o d e n , als uns das V e r s a i l l e r D i k t a t nahm; denn der Boden, den wir b e s i t z e n , ist n i c h t die F l ä c h e , s o n d e r n d i e F l ä c h e m a l w i r k s a m e r T i e f e . Zeigt Deutschland so der Welt, daß der Ausdehnungsdrang der Völker, der Wettbewerb um den Nahrungsspielraum auch auf andere Art sich betätigen kann als im Kampf um die Bodenflächen der Erde, die Hauptursache aller Kriege, s o e r f ü l l t e s e i n e F l i e d e n s mission a l l e r e r s t e n Banges und hat Gelegenheit, m o r a l i s c h e W e l t g e l t u n g h ö c h s t e r A r t n e u zu gewinnen. *) das heißt Jahr für Jahr «in wenig tiefer nach Maßgabe des Terfflgbaren Viehdüngers, am mit dem Tiefergehen die Humusschicht mindestens gleich kräftig wie oberhalb zu bekommen.
Vorwort zur zweiten Auflage Seit dem Abschluß dieser Arbeit (Mitte November 1923) hat sich die Lage der Landwirtschaft katastrophal verschlimmert, so sehr, daß der verbreiteten Redensart von ihren „Riesenverdiensten" bis in die linken Parteien hinein der Boden entzogen wurde. Fast ohne Betriebskapital und ohne Kredit für die nötigsten Anschaffungen steht unsere Nährmutter da. Die Neigung zur Extensivierung verbreitet sich gefährlich! Ziffer I des früheren Vorwortes droht sich zu verwirklichen, denn es fehlen häufig die Mittel zum Düngerkauf, und der verflossene harte Winter hat weite Saatflächen geschädigt. Eine schlechte Ernte heißt aber Einfuhr von Brot für einige Goldmilliarden, die wir nicht haben, und deren Ausfuhr unsere krampfhaften Bemühungen nach einer stabilen Währung vernichten müßte. Trotzdem: die Landwirtschaft wäre in der Lage, die normalen 2 bis i> Milliarden jährliche Goldausfuhr für Auslandsnahrung zu ersparen — die Summe, die ungefähr für Reparationen von uns verlangt wird —, w e n n richtige Bodenpolitik getrieben würde! Statt dessen schiebt sich das Interesse von links und rechts zusammen auf den Kampf um Getreidezölle. Selbstverständlich muß auch das sachlich geprüft werden im Interesse der Erhaltung unserer Eigenernährung, da die Aussichten der Steigerung industrieller Ausfuhr seit Erscheinen der ersten Auflage eher noch schlechter wurden, als dort geschildert. A b e r G e t r e i d e z o l l a l l e i n kann uns n i c h t auf den Weg des P o r t s c h r i t t s bringen. Zunächst hat die große Masse der bäuerlichen Bevölkerung, die nicht weniger schlimm daBteht, keine Vorteile davon, als Fleischerzeuger eher Nachteile. Dann bedeuten die Getreidezölle in Vorkriegshöhe eine Verschlechterung unserer Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmärkte um 300 bis 500 Millionen Goldmark jährlich, die an sich schon durch die nötigen gewaltigen Steuerlasten und den Aderlaß der Reparationen aufs stärkste geschwächt wird. Zugegeben, daß vorübergehend ein Weizenpreis von etwa 200 Mark durch Einfuhrzölle solange zu erstreben wäre, bis der Weltmarktpreis von
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Vorwort
sich aus wieder an diese Ziffer heransteigt (was zurzeit fast erreicht ist), so würde doch der Landwirtschaft auf die Dauer viel mehr dadurch geholfen, wenn solche Summen im Sinne der vorliegenden Arbeit p r o d u k t i v und p l a n m ä ß i g ihrer G e s a m t h e i t zuflössen, als unproduktiv nur der kleinen Zahl der Getreide verkaufenden Großbetriebe. Das Haupthindernis für unser Intensivierungsprogramm ist aber die K r e d i t n o t , die Kapitalarmut der deutschen Wirtschaft und die bestenfalls sehr langsame Neubildung von Kapital, die niemals in kurzer Zeit die Summen schaffen kann, welche die folgenden Pläne verlangen. Also kann nur Auslandskredit dem deutschen Boden helfen, und alles muß versucht werden, ihn für die produktivste und sicherste Kapitalsanlage zu bekommen, die heute und zukünftig sich in Deutschland bietet. Dazu gehört aber dieses: 1. S t e t i g e p o l i t i s c h e V e r h ä l t n i s s e n a c h v e r n ü n f t i g e r Regelung der R e p a r a t i o n s f r a g e . 2. E i n e e i n h e i t l i c h e F o r m v o n G o l d P f a n d b r i e f e n f ü r d e n d e u t s c h e n B o d e n , d i e im Ausland absetzbar sind. 3. E i n e s c h a r f e K o n t r o l l e der ausgebenden B a n k ü b e r die p r o d u k t i v e V e r w e n d u n g der K r e d i t e , eine Begünstigung der Tüchtigkeit in der Betriebsleitung. N i c h t d e r t o t e B e s i t z i s t d i e b e s t e S i c h e r h e i t , s o n d e r n der l e i t e n d e K o p f auf ihm! S c h e u e n wir uns n i c h t , u n s e r e n Boden p r o d u k t i v d a m i t zu b e l a s t e n , d e n n n u r a u s i h m ist der d e u t s c h e W i e d e r a u f s t i e g möglich! 15. Juli 1924.
Ernst Zander
Erstes
Kapitel
Kritik Wer mitten in einem Trümmerfeld steht und Pläne für den Wiederaufbau erwägt, muß zunächst das Trümmerfeld selbst gründlich daraufhin untersuchen, welche tragfähigen Fundamente erhalten blieben und welche noch brauchbaren Bausteine dem Wiederaufbau dienen können. Er wird auch gut tun, den Ursachen der Zerstörung unparteiisch nachzugehen, vielleicht auch Verantwortung und Schuld zur Lehre für kommende Geschlechter, zur Vermeidung neuer eigener Fehler zu erforschen. Das ehemals stolze Gebäude der deutschen Wirtschaft, an dem Strom des großen Weltverkehrs gelegen, ist ein Trümmerhaufen. Zwar stehen noch Teile seiner Fassaden, doch ist das Einstürzen noch nicht zu Ende. K e i n Z w e i f e l , daß dieses stolze deutsche Haus unter der Begierung Wilhelms II. zu schnell in die Breito und Höhe gebaut wurde, ohne die Tragfähigkeit der alten Fundamente des Staats genügend zu prüfen und rechtzeitig zu stärken. K e i n Z w e i f e l f e r n e r , daß der Mörtel dieser Wilhelminischen Vergrößerungen schlecht war, da die Wilhelminische Wesensart materielle) Dinge zum Schaden der moralischen und geistigen übertrieb und so dem Mörtel, dessen bindende Kraft durchaus geistig-moralisch sein mußte, diese nahm. K e i n Z w e i f e l , daß der Stoß des Weltkrieges dieses Gebäude nur deshalb so schwer erschüttern konnte, weil Geist und Moral, weil innerer Gehalt des deutschen Wesens durch das Umsichgreifen Wilhelminischer Hohlheit angefressen waren. K e i n Z w e i f e l s c h l i e ß l i c h , daß die Grausamkeit und Baffgier unserer ehemaligen Feinde nach dem verhängnisvollen Stoß des verlorenen Krieges den Einsturz des Gebäudes v o r a l l e m a n d e r n verursachten. Aber die Männer, die verantwortlich nach dem Kriege die verschüchterten und verstörten Bewohner dieses Gebäudes leiteten und den begonnenen Einsturz bis zum nun fast voll-
Erstes Kapitel
Kritik
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endeten Trümmerhaufen nicht verhinderten, haben sich zu sehr hinter diese tragische und folgenschwere Schuld der andern gestellt und ihre eigene Pflicht und Schuld dadurch zu mindern gesucht. Tragisch im vollen Wortsinn für den, der das wunderbare Baumaterial des deutschen Volkes kennt, das jenen schlechten Mörtelmeistern zur Verfügung stand. Es ist billig, über dieses Volk heute in seiner Niedrigkeit und Schmach den Stab zu brechen, für alle die — und es gibt wenige Ausnahmen —, die es nur oberflächlich und äußerlich kennen. Wer aber die Masse unseres Volkes auch heute noch mit Liebe und Fleiß studiert, wer sieht, wie dieses Volk aus altererbtem Ordnungssinn, gepeinigt von Hunger und Krankheit, die letzten Beste seines staatlichen Baus trotz aller neuen Einbrüche immer wieder wobnbar zu machen sucht, der muß es schließlich doch achten .und an eine, wenn auch ferne, bessere Zukunft glauben, so schwer seine eigenen und vor allem seiner Führer Fehler auch wiegen. R e a l i t ä t ist immer eine s c h w a c h e S e i t e des d e u t s c h e n V o l k e s g e w e s e n ; deshalb konnten besonders seit der Wilhelminischen Zeit, und auf die Spitze getrieben im Krieg und im Zusammenbruch, die Schlagwörter ihre verderblichen Triumphe feiern. Nichts ist dafür bezeichnender als die Quadratmeilen bedruckten Papiers und der Schlagworte in Bildern, die die Mauern der Städte unsauber bedeckten im Weltkrieg, im Zusammenbruch und wieder im Ruhrkrieg. Eine Regierung löste die andere ab, ein Mauerstück nach dem andern stürzte weiter, und doch packte jedesmal den unrealistischen Deutschen ein schwacher Funke Hoffnung, um kurz darauf wieder zu verlöschen. Kein anderes Volk hätte sich so lange die Wahrheit vorenthalten lassen, kein anderes Volk in so fürchterlicher wirtschaftlicher Lage hätte aber auch die äußerliche Ordnung immer wieder mühsam zusammengehalten. Seit mehr als sieben Jahren hungert die Masse und — von wenigen Zuckungen abgesehen — duldet und schweigt. Wo hätte ein anderes Volk es ruhig hingenommen, daß — Mitte November — ihm innerhalb einer halben Stunde in den Großstädten alle Gegenstände der Nahrung und des täglichen Bedarfs plötzlich auf das Doppelte hinaufgeschraubt wurden? Es handelt sich hier nicht darum, ein Volk in so verzweifelter Lage zu verhetzen, sondern es handelt sich um die konservative Idee des Wiederaufbaus. Trotzdem müssen zunächst harte Worte über diejenigen gesagt werden, die aus diesem Zusammenbruch eines Volkes ihre Scheunen füllten und ihre Bäuche mästeten. Eine unerhörte Scheinblüte der Industrie liegt hinter uns. Die Landwirtschaft hat vier Jahre lang den deutschen Arbeiter weit unter
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Eist« Kapitel
Kritik
Weltmarktspreis ernährt. Die deutschen Hausbesitzer haben dem deutschen Arbeiter unentgeltlich Wohnung gewährt und bei einer ehrlichen Bilanz noch Geld daraufgezahlt. Der deutsche Arbeiter selbst hat sein Kapital an Körperkraft, Kleidung und Hausrat während dieser Zeit der Scheinblüte bis auf einen schäbigen Best aufgebraucht. Diese Leistungen sind zusammen auf mindestens 20 bis 30 Milliarden Goldmark zu schätzen. Der deutschen Industrie war es so möglich, von 1919 bis Mitte 1923 durchschnittlich 80 Prozent der Friedensleistung ihrer Arbeiter zu höchstens 30 Prozent der Weltmarktslöhne zu erhalten. Dabei haben große und am schwersten wiegende Teile dieser Industrie etwa seit 1920, fast vier Jahre lang, für ihre Produkte Weltinarktspreise erlöst. D e r "Übe » v e r d i e n s t d i e s e r Ind u s t r i e je A r b e i t e r und Tag ist auf e t w a eine ( i o l d m a r k zu v e r a n s c h l a g e n , e n t s p r e c h e n d e t w a 15 M i l l i a r d e n G o 1 d m a r k w ä h r e n d d e r a n g e g e b e n e n Z e i t . Wo s t e c k t d i e s e r g e w a l t i g e B e t r a g ? Zum Teil hat die deutsche Industrie, angereizt durch eine unkluge Steuerpolitik, auch nach dem Krieg Vergrößerungen ihrer Anlagen in einem erstaunlichen Maße vorgenommen und über Reparaturenkonto verrechnet, da sie so nämlich nur die Hälfte des Neubaukapitals selbst aufbringen mußte, während den Rest in steuerlichen Verlusten die Allgemeinheit trug. Der g r ö ß t e Teil dieser Neub a u t e n war v o l k s w i r t s c h a f t l i c h unnötig. Schon der Krieg brachte zahlreiche Erweiterungen der industriellen Arbeitsstätten, und beim normalen Verlauf der Dingo wären nach dem Kriege diese vergrößerten Betriebsräume schon zu umfangreich gewesen. Aber jene verderbliche Scheinblüte, nicht zuletzt genährt durch die auf Kosten der Allgemeinheit erzielte billige Arbeitskraft, verlockte im Verein mit der Steuerhinterziehung allzustark zu den Nachkriegsbauten. Jahrelang wurden Steuern in nennenswertem Umfange, dank einer unglaublichen Schwerfälligkeit der staatlichen Finanzverwaltung, von Industrie und Handel überhaupt nicht bezahlt. Im aufmerksamen Ausland wurden diese Vorgänge auf das sorgfältigste verfolgt und erregten dort Kopfschütteln und Mißtrauen. Der Weg, auf dem jene gewaltigen Übergewinne der Industrie ihre Flucht ins Ausland antraten, ist Eingeweihten seit langem bekannt, nur anscheinend nicht den verantwortlichen Staatsbehörden. Man gründete mit Ausnahme von Frankreich in allen Ländern mit starker Valuta Gesellschaften, vorwiegend aus eigenen Mitteln, mit irgendeinem holländischen, englischen oder amerikanischen Konzessionsschulzen, erhielt von diesem die Aufträge zu mäßig gewinnbringenden Preisen und machte den Hauptverdienst in seiner ausländischen Gesellschaft bis auf den heutigen Tag.
Erst« Kapital
Kritik
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Nun ist dieses Vorgehen der Industrie nicht restlos zu verdammen und in ziemlich weitem Umfang begreiflich. Es war lange Zeit ein Merkmal der deutschen staatlichen Finanzverwaltung seit dem Zusammenbruch, mit großem Tamtam und mit Worten, die der Masse gut in die Ohren klangen, Angriffe gegen das Kapital zu unternehmen, die ebenso regelmäßig jedesmal ein Schlag ins Wasser waren. Die Ära des Finanzministers Erzberger ist dafür bezeichnend, und seine unnütze Drohung der Abstempelung jener damals noch geschätzten braunen und blauen Noten war der erste große Anstoß zur Flucht eben dieser Noten vorwiegend in das neutrale Ausland und zu ihrer Umwandlung dort in Devisen. Kapital ist ebenso flüssig wie Quecksilber und ebensowenig greifbar, und alle jene sozial klingenden steuerlichen Angriffe auf das Kapital hätten eine gewisse Wirkung nur haben können, wenn eine umsichtige und kluge Finanzverwaltung in bester Organisation jeweils sofort zugegriffen hätte, wenn der Zöllner so schlau gewesen wäre wie der Schmuggler. „Fortiter in modo et suaviter in re", jenes umgestülpte Sprichwort war nicht nur das Kennzeichen der Wilhelminischen Ära, sondern auch der Finanzverwaltung nach dem Kriege, — auf deutsch: Viel Sprüche und nichts dahinter! Die g a n z e R e i c h s f i n a n z p o l i t i k bis tief in d a s J a h r 1923 h i n e i n lief t r o t z a l l e r g r o ß e n sozialen W o r t e p r a k t i s c h auf eine u n e r h ö r t e ind i r e k t e S t e u e r der Lohn- und G e h a l t s b e z i e h e r infolge der Inflation hinaus! Die Führer der Industrie trieben eine zwiespältige Wirtschaftspolitik: auf der einen Seite setzten sie durch ihre erheblichen Neubauten ein Vertrauen in die Zukunft der Wirtschaft, das allerdings durch die oben bereits erwähnten 50 Prozent indirekton Zuschuß aus entgangenen Reichssteuern mit veranlaßt wurde; auf der andern Seite bezeugten sie immer steigendes Mißtrauen in die Zukunft des Reichs und seiner Wirtschaftslage durch die Kapitalflucht. Dem Verhalten der Industrie schloß sich der Handel an. Wesentlich unterstützt wurde diese Scheinblüte mit all ihren üblen Folgen und die Auspowerung der großen Massen durch eine unbegreifliche Politik der Reichsbank, die durch die Art ihres Kredits, vor allem durch die Unterlassung jeden Forderung nach Wertbeständigkeit der Rückzahlung, Industrie und Handel künstlich aufblähte und die Spekulation im übelsten Silin an der möglichst weitreichenden Entwertung der Mark interessierte. E * d ü r f t e in der G e s c h i c h t e d e r W ä h r u n g s p o l i t i k aller L ä n d e r ohne Beispiel sein, daß die zur S t ü t z u n g der W ä h r u n g b e r u f e n e Zentralbank
lti
Entes Kapitel
Kritik
eine Politik s c h l i m m s t e r Währungszerrüttung j a h r e l a n g b e t r i e b e n hat. Das übelste Kapitel der Beichsiinanzverwaltung ist aber ihr Verhalten während der Buhraktion. Statt rechtzeitig zu erkennen, daß dieser Krieg des passiven Widerstandes genau wie jeder andere Krieg erstens Geld, zweitens Geld und drittens Geld kostete, und daß er finanziert werden mußte, setzte man das falsche System der Weltkriegsfinanzierung in unheimlich vergrößertem Maßstabe fort. Die einzige positive Leistung der Reichsfinanzverwaltung und der Reichsbank während des Ruhrkampfes war die Umwandlung der Reichsdruckerei aus einem Großbetrieb in einen Riesenbetrieb mit zahllosen Filialfabriken im ganzen Reich. Wenn der tägliche Papierbedarf zum Notendrucken den der größten Tageszeitungen weit übertraf, und wenn schließlich mehr als 30 Papierfabriken in Deutschland zur Herstellung des Notendruckpapiers Tag und Nacht arbeiten mußten, so kennzeichnet das ein System unerhörter Leichtfertigkeit der verantwortlichen Finanzkreise. Hätte man einen Bruchteil der Steuern, die nach verlorener Ruhraktion brutal auf die Wirtschaft geworfen werden mußten, im März oder April herausgebracht, so wäre voraussichtlich der Verlauf der Ruhraktion, sicher aber der Währungsverfall weniger schlimm geworden. Diese L e i c h t f e r t i g k e i t kostet uns die s c h ä r f s t e E r s c h ü t t e r u n g des Reichs und eine schlecht v e r h ü l l t e halbe L o s l ö s u n g des w i r t schaftlich wertvollsten B e i c h s ge b i e t e s im W e s t e n ; andere, mit mehr politischem Temperament begabte Völker würden rücksichtslos die Schuldigen zur Verantwortung ziehen; die politische Lethargie des Deutschen scheint sogar das als ein unabweisbares Schicksal hinzunehmen. Das Ergebnis dieses sträflichen Verhaltens der Finanzverwaltung während der Buhrkrise ist, daß das halb bankrotte Beich alles, was es noch an Kredit und Papiermassen in fieberhafter Tag- und Nachtarbeit aufbringen konnte, an Bhein und Buhr warf und dort durch die Lohnbeihilfen mittelbar und durch die den Unternehmern gegebene Buhrkredithilfe unmittelbar weite Kreise des an sich recht vermögenden Unternehmertums an Bhein und Buhr in einer unglaublichen Weise bereicherte. Die Waren, welche die Unternehmer mit den zwei Dritteln Lohnzuschüssen trotz aller französischen Störungen noch in reichem Maße dort erzeugen, zum Teil verkaufen, zum Teil aufstapeln konnten, waren deren recht wertbeständiges Eigentum, während sie die Akzepte für die riesenhaften Beihilfen aus der Buhrkredithilfe ganz vorwiegend in völlig entwertetem Geld zurückzahlen. Der Begriff der Wertbeständigkeit eines Darlehens ist der Beichsiinanzverwaltung auch hier erst ganz zum Schluß aufgegangen!
Erstes Kapitel
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Kritik
Die Fi n an z v e r w a ]t ung s t a n d dabei allerdings u n t e r einem s t a r k e n Druck der i n n e r e n Politik. Zahlreiche örtliche Interessenten von Rhein und Buhr, nicht nur aus Industrie und Handel, sondern auch die Vertreter öffentlicher Körperschaften, haben während des Buhrkaqipfes einen Zwang auf die innere Politik ausgeübt, der häufig mehr vom lokalen Eigennutz als von Verantwortlichkeitsgefühl gegenüber dem ßeich und seinen Möglichkeiten eingegeben war. Eine folgenschwere Beschleunigung des Währungsverfalls hat auch das Verhalten der deutschen Banken verursacht. Sie, die ihr Personal und ihre Geschäftsräume ins Biesenhafte vermehrten, brachten es organisatorisch nicht fertig, den bargeldlosen Zahlungsverkehr, der zur Entlastung des Papiergelddrucks im und nach dem Krieg erfreulich eingesetzt hatte, durchzuhalten. Unglaubliche Verzögerungen der Gutschriften, vielleicht nicht in allen Fällen nur durch die Schwerfälligkeit der Organisation verursacht, brachten es dahin, daß Zahlungen fast nur noch mit Papiergeld selbst bis in die höchsten Summen hinein von Ort zu Ort getragen wurden und daß auch hierdurch der Bedarf an umlaufenden Noten sich gewaltig steigerte. Nicht zu vergessen ist bei der Kritik des Verbaltens der Banken, daß sie sich in ihren Gutachten lange Zeit gegen Gesundungsmaßnahmen der Begierung auf das heftigste sträubten, um sie nach kostbaren verlorenen Monaten schließlich vor kurzem doch unter viel ungünstigeren Verhältnissen als möglich und nötig anzuerkennen. Zwar ist richtig, daß alle Sanierungsmaßnahmen, die von einer weitsichtigen Finanzleitung hätten getroffen werden können, durch das Verhalten unserer Gegner, besonders Frankreichs, erschwert und zum Teil in ihrer voraussichtlichen Wirkung geschwächt wurden; eine Entschuldigung für die Leichtfertigkeit, mit der die verantwortlichen Träger der deutschen Wirtschaft und Währung sie völlig zerrüttet haben, kann aber aus diesem gegnerischen Verhalten nicht in genügendem Maße gezogen werden. Was tat nun diesem Verhalten von Industrie, Handel und Finanz gegenüber die deutsche Landwirtschaft? Über Wucherpolitik, Brotverteuerung und dergleichen ist genug geschrieben worden, und besonders die linksstehende Presse hat sich viel mehr damit beschäftigt als mit der Brandmarkung jener anderen Wirtschaftskreise, deren Kritik im allgemeinen auf ein Schimpfen über Schieber und dergleichen wenig hinauskam, obwohl das ganze Schiebertum, so unsauber und unappetitlich es als Erscheinung des Zusammenbruches auch ist, verhältnismäßig wenig an dem Zusammenbruch der Währung schuld ist, vielmehr erst durch die falsche Politik jener Wirtschaftskreise ermöglicht wurde. Z a n d e r , Deutaoher Untersrang usw.
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Erstes Kapitel
Kritik
Tatsächlich hat die deutsche Landwirtschaft aus dem von ihr so gut wie gar nicht verschuldeten Währungszusammenbruch ungewollt den einzigen großen Vorteil gezogen, daß die Papierflut von ihren Schultern die Hypothekenlast von über 20 Milliarden Goldmark wegspülte. Dabei ist wohl zu beachten, daß erhebliche Teile dieser Hypotheken schon während des Krieges und kurze Zeit nach seinem Ende, also mit noch verhältnismäßig wertvollen Mark, zurückgezahlt wurden. Zugegeben, daß zeitweise, je nach dem Wogenverlauf der Papier flut, auch in der Landwirtschaft wie in anderen Kreisen unnötige, der Wirtschaft nicht nützende Anschaffungen gemacht wurden, so ist dem doch entgegenzuhalten, daß sie ihren Hauptwert, den landwirtschaftlichen Boden, am Ende des Krieges in einem ohne ihre Schuld sehr heruntergekommenen Zustand übernehmen mußte; war doch infolgedessen die Ernte 1918 fast auf die Hälfte der normalen Friedensernten zurückgegangen! In rastloser Arbeit, behindert von einer weitgehenden Verständnislosigkeit der deutschen Regierungen bis Ende 1922, hat sie es trotzdem fertiggebracht, die Ernte des Jahres 1923 auf etwa vier Fünftel der Vorkriegshöhe abzüglich des Ertrages der verlorenen Gebiete zu bringen. Diese Leistung ist um so höher zu schätzen, als fast alle nicht landwirtschaftlichen Teile der Bevölkerung die technische Notlage der Landwirtschaft mit einer bedauerlichen Verständnislosigkeit begleiteten. Hier ist auch fast allen deutschen Begierungen nach dem Zusammenbruch bis zum Beginn des Jahres 1923 ein Vorwurf nicht zu ersparen. Sie begriffen jeweils, daß sie sich halten und schwere innere Unruhen nur verhüten konnten, wenn die Mägen der Masse einigermaßen gefüllt wurden. Hieraus wurde aber nicht die einzig richtige Schlußfolgerung gezogen, mit allen Mitteln die innere Produktion an Nahrungsmitteln zu heben, sondern nur die, mit allen verfügbaren Krediten Jahr für Jahr für einige Milliarden Goldmark Nahrungsmittel einzuführen. Bis zum Erschlagen unserer Währung durch die geschilderten Fehler während der ßuhraktion war ein Hauptgrund des Verfalls der Währung von 1919 bis 1922 der starke Bedarf an Devisen für die Nahrungsmitteleinfuhr. D e r a l t e , a u s d e r Z e i t v o r d e m K r i e g e stammende politische Gegensatz zwischen Landwirtschaft und s t ä d t i s c h e n Massen hat sich zum schweren S c h a d e n für die A l l g e m e i n h e i t nach dem Kriege in noch e r h ö h t e m Maße f o r t g e s e t z t und so w i r t s c h a f t l i c h - s a c h l i c h e E r w ä g u n g e n in den F r a g e n der E r n ä h r u n g und L a n d w i r t s c h a f t lange Jahre verhindert. Die später ausführlicher zu behandelnde, in dieser kritischen Zeit gefährliche Absicht der Aufteilung und Verkleinerung unserer großen Güter ist eine Folge dieses Gegensatzes, der die brennenden Fragen der
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Kritik
augenblicklichen Notlage zugunsten einer für später vielleicht teilweise möglichen Siedlungspolitik übersah. Unparteiische Kenner der Landwirtschaft müssen zugeben, daß zwar vorübergehend große Papiergewinne gemacht wurden, daß diese aber für den Durchschnitt der Landwirtschaft — mit Ausnahme der Hypothekenentlastung — als sachliche Bereicherung wenig ins Gewicht fallen und daß alles in allem die Landwirtschaft kaum besser als vor dem Kriege dasteht. Jedenfalls sind ihre Kriegsgewinne und Nachkriegsg e w i n n e a u c h n i c h t im e n t f e r n t e s t e n mit d e n e n von G r o ß h a n d e l u n d I n d u s t r i e zu vergleichen. Wie stehen nun Handel und Industrie einerseits und Landwirtschaft andererseits in ihren Möglichkeiten für die nächsten Jahre da, und wieweit können sie den Wiederaufbau des deutschen Wirtschaftslebens aus seinen Trümmern übernehmen? Wenn man nach dem Kurszettel unserer Industrie- und Finanzpapiere geht, so sind sowohl deren jährliche Verdienste als auch die börsenmäßige Bewertung ihrer Anteile im Vergleich zum Frieden sehr gering. Zahlreiche, an sich für gut geltende Papiere stehen in Goldmark auf 10 bis 30 Prozent des Pariwertes, und wenn eine Gesellschaft zurzeit 1 / 10 Prozent Golddividende ausschütten kann, so gilt das schon für gut. Dazu sind allerdings durch Verwässerungen, Bezugsrechte und dergleichen mancherlei Extragewinne gemacht worden, ferner haben eine ganze Reihe von Firmen starke stille Reserven anhäufen können. Der an sich in Goldmark schon recht niedrige Durchschnittskurs der deutschen Papiere von Handel und Industrie ist nun aber künstlich dadurch heraufgetrieben worden, daß lange Zeit nach der Erschwerung des privaten Devisenkaufes Effekten die einzige Möglichkeit waren, einigermaßen wertbeständige Anlage des sinkenden Papiergeldes vorzunehmen. Das hat einmal bewirkt eine Anteilnahme an der Effektenspekulation bis in die letzten deutschen Hütten hinein, und dann nach dem unabänderlichen Gesetz von Angebot und Nachfrage eine Kurssteigerung, die in dem Augenblick nachlassen wird, in dem eine, wenn auch nur vorübergehende Stützung der Währung diese Angstkäufe streicht.*) Der innere Wert eines Industriepapieres ist nun nicht die vergangene, sondern die zukünftige Rente, und diese kann für die deutsche Industrie nur mit großer Sorge betrachtet werden. Jene oben geschilderten, auf Kosten der Allgemeinheit der Industrie zur Verfügung gestellten billigen Arbeitskräfte fallen jetzt fort. Die Erzeugnisse der deutschen Industrie liegen heute vielfach weit über Weltmarktspreis, obwohl immer noch die Löhne ihn nicht erreicht haben. Aus den steuerlichen Sonderlasten ist das allein nicht zu erklären, sondern zum *) Ist inzwischen durch Einführung der Rentenmark eingetreten. 2*
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Teil aus einer in den Jahren der Scheinblüte erlernten nicht ganz einwandsfreien Kalkulationsmoral, vor allem aber aus einer gewaltigen Erhöhung der Zahl unproduktiver Kräfte in Industrie und Handel. Während vor dem Krieg in unseren großen Industriegesellschaften durchschnittlich auf vier bis acht Werkstattarbeiter ein Büroangestellter kam, haben wir heute Großbetriebe, bei denen ein bis zwei Arbeiter eine Bürokraft zu unterhalten haben. Das ist eine geradezu vernichtende Zahl für die Produktivität und Rentabilität unserer Industrie, verursacht durch eine Unmasse von Schreibarbeit nutzloser Art infolge unübersehbarer, sich von einem Tag auf den andern ändernder Verfügungen der Behörden und endloser Rechnungen und Buchungen infolge des Währungsverfalls und der damit erschwerten Verrechnung der Löhne und der Kundenzahlungen. Hierbei ist wohl zu bemerken, daß die Leistung des Werkstattarbeiters durchschnittlich gar nicht sehr viel hinter der Friedensmenge in der gleichen Arbeitszeit zurückbleibt, daß aber die Leistung des Büropersonals je Kopf und Tag wesentlich gesunken ist. Wie soll nun eine derartig mit totem Gang und Reibung belastete Industrie, die kaum Weltmarktspreise einhalten kann, die erforderlichen Aufträge hereinbringen? Der Inlandsmarkt ist auf lange Jahre infolge der gesunkenen Kaufkraft der Bevölkerung gelähmt, die Bereitwilligkeit des Auslands, zu Weltmarktspreisen deutsche Waren zu kaufen, ist durch einen gewissen Gefühlsmerkantilismus und die Rücksicht auf die Arbeitslosigkeit im eigenen Lande stark gemindert. Nicht zu übersehen ist ferner die bisher wenig beachtete und bekämpfte Gefahr, daß aus Industrie und Handel sehr wertvolle Köpfe und Kräfte vom Auslande Angebote bekommen, die um so verlockender wirken, je trostloser die Aussichten in Deutschland selbst werden. Auch die Tatsache, daß erhebliche Teile der deutschen Industrie und des deutschen Handels von Jahr zu Jahr steigend in den Besitz von Ausländern gekommen sind, mindert die befruchtende Wirkung einer selbst gutgehenden Industrie auf die Inlandswirtschaft. Gelingt es daher nicht, einen neuen Inlandsmarkt zu schaffen und durch Schulung der Industrie in diesem neuen Inlandsmarkt bisher nicht erreichten Auslandsabsatz zu finden (was ich später als erreichbar zu beweisen hoffe), so s i n d d i e S ä u l e n , d i e u n s d i e I n d u s t r i e u n d damit auch der Handel für den Wiederaufbau l i e f e r n k ö n n e n , s c h w a c h und wenig tragfähig. Demgegenüber kann der deutsche Boden h e l f e n d e i n s p r i n g e n . Zwar war die deutsche Landwirtschaft schon vor dem Kriege im Verhältnis auf einer bemerkenswerten Höhe. Der -bessere und klimatisch günstigere Boden Frankreichs erbrachte auf die Flächeneinheit nur etwa 60 Prozent des deutschen Bodens;
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nur die englische und dänische Landwirtschaft stand in dieser Beziehung etwas höher. U n d d o c h l i e g e n n o c h g e w a l t i g e ungehobene Schätze und St eigerungsmögIi ch k e i t e n d a n n im d e u t s c h e n B o d e n verborgen, wenn der g e m e i n s a m e Wille des g a n z e n V o l k e s s i c h in e i n e m P r o g r a m m d e r B o d e n i n t e n s i v i e r u n g f i n d e t . Der Wert der deutschen Bodenerzeugnisse im Frieden war erheblich höher als der der gesamten deutschen Ausfuhr; eine Steigerung um etwa 50 Prozent läßt sich in wenigen Jahren erreichen und damit ein Betrag, der den Verlust von zwei Dritteln der deutschen Friedensausfuhr in unserer Wirtschaftsbilanz ersetzen kann. Dabei ist in absehbarer Zeit nach dem Urteil zahlreicher maßgebender landwirtschaftlicher Sachverständiger eine Steigerung der deutschen Bodenerträge weit über dieses Maß hinaus, ja bis auf das Doppelte, mit den heute bekannten Betriebseinrichtungen möglich. Der d e u t s c h e Boden ist der einzige große W i r t s c h a f t s w e i t , der uns heute noch unvermindert von K r i e g und Z u s a m m e n b r u c h geblieben ist. Er k a n n n i c h t n u r a l l e d e u t s c h e n M e n s c h e n von h e u t e r e i c h l i c h e r n ä h r e n , s o n d e r n noch wesentlich höhere Bevölkerungszahlen. Wenden wir uns also auf den nachfolgenden Seiten der Untersuchung der Frage zu, wie dieser ungehobene Schatz zur Bettung des deutschen Volkes ans Tageslicht und in den deutschen Wirtschaftskreislauf gebracht werden kann.
Z w e i t e s
K a p i t e l
Der Boden*> W a ß i s t das nun f ü r e i n g e h e i m n is v o l l e r B o d e n , der die K r a f t h a b e n s o l l , D e u t s c h l a n d m o r a l i s c h und w i r t s c h a f t l i c h wieder h o c h z u b r i n g e n und so die S a g e v o m A n t ä o s w a h r z u m a c h e n , der bei der B e r ü h r u n g mit der M u t t e r Erde i m m e r von neuem seine alte Kraft gewann? Nichts bestimmt mehr die Wesensart eines Volkes als der Boden, auf dem es lebt, und keine noch so hoch entwickelte Industriewirtschaft und Zivilisation ist möglich, ohne daß letzten Endes die Erzeugnisse des Bodens deren Wert begleichen. Der Kampf um den Nahrungsboden, sein zu- und abnehmender Ertrag, ist die Hauptantriebskraft für die *) Wie bereits eingangs erwähnt, wurde ich durch die in wenigen Stunden erfolgte Zwangsausweisung und die Beschlagnahme meines ersten Manuskriptes durch die Franzosen von meinen Arbeitsmitteln, insbesondere von meiner Bibliothek und dem vorbereiteten Material, getrennt. Die kurzfristige Neuschaffung der zahlenmäßigen Belege wäre unmöglich geweson. Ein glücklicher Zufall führt mir nun in diesen Tagen der Neubearbeitung des Manuskriptes das Buch eines Fachmannes in die Hände, das bereits 1921 bei Paul Parey erschien: „Dr. 0. E i s i n g e r , D i e E r n ä h r u n g d e s d e u t s c h e n V o l k e s , e i n e O r g a n i s a t i o n s f r a g e d e r E r z e u g u n g . " Diese zahlenmäßig sehr gut belegte Arbeit kommt zu ganz ähnlichen Schlüssen wie die vorliegende; ich kann mich daher für die zahlenmäßigen Unterlagen fast restlos und ohne nennenswerte Kritik auf das Buch von Dr. Eisinger berufen und als Ergänzung dessen Studium dringend empfehlen. — Dem Nichtlandwirt, der sich in das Wesen der Landwirtschaft einarbeiten will — und das sollte heute Aufgabe jedes Deutschen sein, der seinem Vaterland helfen will —, kann empfohlen werden das Werk von Dr. E. D a v i d : S o z i a l i s m u s u n d L a n d w i r t s c h a f t (Verlag Quelle & Meyer), das, i n k e i n e r W e i s e p a r t e i g o z i a l i s t i s c h , in seiner etwas einseitigen Bauerntendenz eher das Gegenteil ist und eine kaum je wieder von einem Nichtfachmann erreichte Einfühlung in das Wesen der Landwirtschaft darstellt. DaB übrigens eine so wertvolle Arbeit wie die von Eisinger, die nun schon seit drei Jahren vorliegt und Grundlegendes für den deutschen Wiederaufbau vorschlägt, von der Fach- und Tagespresse totgeschwiegen werden konnte, zeigt, wie wenig Interesse die Öffentlichkeit bisher für diese Frage aufzubringen vermochte und wie dringend ein Umschwung in der Haltung der Organe nötig ist, die für die öffentliche Meinung verantwortlich sind, um dieser endlich Verständnis für die Grundfrage unseres staatlichen und kulturellen Fortbestehens beizubringen.
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großen Geschehnisse der Weltgeschichte, die Wanderungen und Kämpfe der Völker. Wo die Not der Ernährung die Massen in Bewegung setzte, wo der Ertrag des Bodens zurückging, sei es durch schlechte Bewirtschaftung, sei es durch Verfall der technischen Befruchtungswerke, da flammte Krieg auf, da gingen Bisse durch die stetige Entwicklung der Menschheit, da gingen Kulturen zugrunde. Nur an einer Stelle der Erdkugel verstand es ein Volk, die Erträge seines Bodens durch Jahrtausende nicht nur hochzuhalten, sondern mit zunehmender Bevölkerung zu steigern, in China, und nur dort hat ein großes Volk durch Jahrtausende eine stetige Kulturentwicklung aufbauen und bis in die Gegenwart erhalten können, trotz aller politischen Störungen, die vorwiegend von außen her das Staatsgefüge erschütterten. Auch verglichen mit den neuzeitlichen Arten der Landwirtschaft Europas und Amerikas stellt die heutige chinesische Bodenpflege einen sonst nicht erreichten Höhepunkt dar. Das war nur möglich, weil Beligion und sittliche Anschauungen dieses Volkes von Hunderten von Millionen seit unzähligen Jahren die Heiligkeit des Kulturbodens als Grundlage nahmen, w e i l d a s V o l k u n d s e i n e N ä h r m u t t e r , d e r Boden, eine k u l t u r e l l e Einheit bis auf den h e u t i g e n Tag bilden. Die Länder, denen zum großen Teil die Ernährung für die Industriearbeiter des westlichen Kulturkreises vor dem Weltkrieg entstammte, kennen diese Heiligkeit des Bodens und solche Pflege durchaus nicht. Die weiten Ackerflächen Amerikas, Kanadas und Bußlands werden extensiv mit verhältnismäßig schwachen Ernten je Hektar häufig in einem Raubbausystem bearbeitet, und die ohne neue Methoden sinkenden Ernten besonders der Vereinigten Staaten reden eine für die westliche Zivilisation drohende Sprache! Die besonders seit dem Ende des 18. Jahrhunderts in ihren Erträgen bedenklich werdenden Äcker Europas und insbesondere Deutschlands verdanken es den Arbeiten zweier Männer, Thaers und Liebigs, wenn sie ihre Erträge langsam wieder derartig steigern konnten, daß die Ernährung der europäischen Bevölkerung zum größten Teile aus eigenem Boden wieder möglich wurde. O h n e d i e A r b e i t e n L i e b i g s wäre die Höhe der e u r o p ä i s c h e n Z i v i l i s a t i o n , wie sie bis zum W e l t k r i e g e bestand, n i c h t e r r e i c h b a r g e w e s e n , w ä r e n die A u s w a n d e r e r z i f f e r n w e i t e r s t a r k in die H ö h e g e g a n g e n , w ä r e das i n d u s t r i e l l e E u r o p a in d r ü c k e n d e u n d v e r a r m e n d e A b h ä n g i g k e i t von den j u n g f r ä u l i c h e n Böden Amerikas geraten. Während die stagnierende und bis zum Weltkrieg wenig industrielle Bevölkerung Frankreichs aus den verhältnismäßig niedrigen Erträgen
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seines Bodens sich genügend ernähren konnte und so eine ziemliche Stetigkeit und Euhe der wirtschaftlichen Staatsentwicklung dort gegeben war, verliefen die Verhältnisse in Deutschland wesentlich gefährlicher. Die stark einsetzende Industrialisierung, begünstigt durch die Bevölkerungszunahme von 40 auf fast 70 Millionen Menschen zwischen dem Krieg von 1870 und dem von 1914, im Zusammenhang mit fehlerhafter Bodenverteilung schuf allmählich eine immer weitergehende Abhängigkeit der deutschen Ernährung vom agrarischen Ausland. Zwar wäre es sehr wohl möglich gewesen, durch eine weitsichtige innere Bodenpolitik die Selbständigkeit der Ernährung des deutschen Volkes aus dem eigenen Boden vor dem Kriege zu sichern, aber eine einseitige Überschätzung von Handel und Industrie, verbunden mit hohem politischen Einfluß der führenden landwirtschaftlichen Kreise, sicherte den letzteren durch Schutzzölle und billige Auslandsarbeiter eine genügende Existenz, während es nicht ausgeschlossen war, durch eine andersgeartete Unterstützung und Bildung der Landwirtschaft diese auch ohne hohen Schutzzoll zur Steigerung der Bodenerträge und zu einer starken Stellung auf dem Markt der internationalen Nahrungsmittel zu erziehen. Das später von mir angeführte Beispiel Dänemarks gilt auch hier. Erträge wurden dem Boden seit den Anfängen des Ackerbaues auf der handwerklichen Grundlage der Erfahrung abgerungen. Da aber dieses Bodenhandwerk nicht wie die übrigen Handwerke die Formung toten Materials zum Zweck hat, sondern die Schaffung lebender Pflanzen, vereinigten von altersher die erfolgreichen Ackerbauer mit der handwerklichen Erfahrung ein feinentwickeltes Gefühl für die Bedürfnisse ihrer Pfleglinge; ein — fast möchte ich sagen — seelisches Band verknüpft sie mit Boden und Pflanze. Es ist daher nicht zu verwundern, wenn das auf Grund von Erfahrung und Gefühl erfolgreichste ackerbautreibende Volk, die Chinesen, Höhepunkte der Bodenbehandlung erreicht hat, denen erst die Wissenschaft von heute einigermaßen gerecht werden kann, und wenn dieses Volk bis auf den heutigen Tag unvermindert Erntemengen dem Boden abringt, d i e w e i t ü b e r d e n Höchsternten des westlichen Kulturkreises liegen. Von den beiden großen Deutschen, die eben genannt wurden, machte Thaer den Schritt von der Erfahrung zum Gefühl bis an die Grenzen der Wissenschaft, indem er richtig die hohe Bedeutung des Humus, der sogenannten alten Kraft des Bodens, hervorhob, ohne den allerdings die Ernährung der Menschheit unmöglich wäre. Der große Liebig machte dann das Tor der Wissenschaft für den Boden weit auf, indem er der anorganischen Chemie den überragenden Einfluß in der Landwirtschaft bestimmte. Nicht die geheimnisvolle alte Kraft des-
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Bodens, wie Thaer sagte, war es nach Liebig, sondern ein einfaches chemisches Bechenexempel. Er wies nach, daß die Pflanze als einziges lebendes Wesen der Erde in der Lage ist, aus den anorganischen Baustoffen Kalk, Phosphorsäure, Kali und Stickstoff in der Hauptsache nein organisches Gebilde aufzubauen und damit die Brücke zwischen anorganischer und organischer Welt zu schlagen. Keine andere Entdeckung oder Erfindung irgendeines großen Naturforschers oder Ingenieurs läßt sich mit dieser Tat Liebigs vergleichen, denn nur durch sie wurde die Ernährung der Menschheit des europäischen Kulturkreises in solchem Ausmaße möglich, daß sie wirtschaftlich selbständig ihre eigene Zivilisation bis zu Beginn des Weltkrieges aufbauen konnte. Liebigs Entdeckung und ihre verständnisvolle, ja begeisterte Ausnützung durch die Praxis der Landwirtschaft und der Chemie verdoppelte und verdreifachte die deutschen Ernten und war so die unentbehrliche Grundlage für den ohne Beispiel dastehenden Aufschwung Deutschlands in den fünfzig Jahren vor dem Weltkrieg. Es ist nicht verwunderlich, wenn die Begeisterung über die Großtat Liebigs seine Jünger dazu verführte, auf den Anlauf, den Thaer mit seinem untrüglichen Gefühl in der Humustheorie genommen hatte, etwas verächtlich herabzublicken, und wenn nun eine Bewegung in der deutschen Landwirtschaft Platz griff, die mit der anorganischen Chemie, mit dem künstlichen Dünger, die höchsten Dauererfolge zu erreichen hoffte. Schon zeigten sich nach 1900 die ersten warnenden Versager gewisser deutscher Böden, die einseitig chemisch gefüttert waren, da griffen neue Zweige der Wissenschaft ein, berührten sich mit den gefühlsmäßigen Anschauungen Thaers und gaben der Wertschätzung des Humus, die in den Kreisen der Praktiker niemals ganz erschüttert war, neue wissenschaftliche Unterlagen. Wenn auch noch von manchem Vertreter der alten Schule mißtrauisch betrachtet, so steigt doch der Einfluß der Bodenbakteriologie und der damit eng zusammenhängenden neuen Lehre von der Kohlensäureernährung der Pflanzen von Jahr zu Jahr, und es sind gerade kluge und weitausschauende Praktiker, die den neuaufkommenden Theorien ihre Hilfe und ihre Ermunterung gewähren. Wir wissen h e u t e , daß ein F i n g e r h u t voll besten Gartenbodens mehr Lebewesen enthält a l s d a s D e u t s c h e R e i c h M e n s c h e n , und daß in einem Hektar besten Ackerbodens mehr Kilogramme Bakterien enthalten sind als zugeführte Dungwerte. Ein unerschöpfliches, selbst für die billionengewohnten Deutschen von heute unfaßbar zahlreiches Heer von Bakterien, guter und schlechter, durcharbeitet den Boden und seine Nährstoffe und bildet so erst den Mittler zwischen Bodennahrung und Pflanze. Zwar sind auch Ernten auf schwachbelebten Böden mit ein-
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seitig chemischer Düngung möglich. Höchsternten aber, wie wir sie erstreben müssen, wollen wir nicht zugrunde gehen, kann uns nur jenesgewaltigeHeerderBodenbakteriensichern, der einzige große V e r b ü n d e t e , den der D e u t s c h e in s e i n e r v e r z w e i f e l t e n L a g e von h e u t e u n b e e i n f l u ß t von W e l t l ü g e und Haß für sich m o b i l i s i e r e n d a r f . Humusbildung und damit reiches Bakterienleben wird in erster Linie gefördert durch den organischen Dünger, und damit muß auch der vielgeschmähte Düngerhaufen wieder zu Ehren und ganz anderer Behandlung und Bücksicht kommen, als er es bisher bei neun Zehnteln der Landwirte gewohnt ist. Auch unsere großen Torflager können dazu verhelfen, die Humusschicht unserer Böden wesentlich zu steigern, um so ein wichtiges Moment für die zukünftige deutsche Ernährung zu werden. Die Erkenntnis der großen Bedeutung des organischen Düngers wird hoffentlich auch möglichst bald der unverantwortlichen Vergeudung Einhalt tun, welche die großen Städte heute mit ihren Abfallstoffen treiben, indem sie diese in ungeheuren Mengen, beladen mit den wertvollsten Dungstoffen, in die Flüsse entsenden und so nicht nur diese mehr und mehr verunreinigen und krank machen, sondern auch in den von der Natur gegebenen und von den Chinesen auf das sorgfältigste beachteten Kreislauf der Pflanzennährstoffe ein verderbliches Loch sprengen. Selbst im Hause des vornehmsten Chinesen ist der stille Baum, den wir mit den beiden Buchstaben WC zu bezeichnen pflegen, ein besonders geachteter und feierlicher Platz, und es wäre dort ein grober Verstoß gegen die gute Sitte, wenn man als Gast eines derartigen Mannes ihn um das Endprodukt der dargereichten Bewirtung betrügen wollte. An den von fruchtbaren Feldern umrahmten Straßen der Chinesen und Japaner laden eingelassene Tonnen und freundliche Aufschriften den Wanderer ein, zur Fruchtbarkeit des Ackers das Seine durch einige beschauliche Minuten beizutragen! Wenn wir nun auch in dieser Form den Chinesen und Japaner wortwörtlich nicht zu kopieren brauchen, so gibt es doch den Anschauungen unserer Zivilisation angepaßte Maßnahmen, die Dungwerte unserer Städte hygienisch einwandsfrei zu verwerten. Der deutschen Volkswirtschaft gehen jährlich durch die minderwertige Behandlung der Dungstätten in der Landwirtschaft und den Verlust der Dungwerte aus dem Abfall der Städte Beträge von etwa einer Goldmilliarde verloren, deren Hälfte wenigstens durch einfache Maßnahmen in dem Kreislauf unserer Volkswirtschaft erhalten bleiben könnte. Der wirkliche Gewinn ist aber tatsächlich noch größer, da gerade durch die Verwertung dieser organischen Düngerstoffe eine
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allmähliche Humusanreicherung des Bodens erfolgt, die ein eich dauernd vermehrendes und den Wirtschaftskreislauf auf das beste befrachtendes Bodenkapital darstellt. Da der Boden nicht nur die Grundlage jeder menschlichen Wirtschaft, sondern jeder Kultur schlechtweg darstellt, ist es nicht verwunderlich, wenn das Becht des Bodens von altersher in den Beziehungen der Menschen und der Völker zueinander eine wichtige Stelle eingenommen hat. K e i n V o l k k a n n a u f d i e D a u e r s e i n e B e z i e h u n g e n zwischen sich und seinem Boden ung e s t r a f t ü b e r G e b ü h r l ö s e n , und kein Volk kann cb auf die Dauer ertragen, wenn das natürliche Bodenrecht zugunsten einer herrschenden Klasse zerstört wird. ßom ging zugrunde, weil der Börner den Sklaven für sich den Boden bestellen ließ, weil die Latifundien den römischen Bauern, die Quelle der Kraft des Staates, enterbten und weil schließlich die Ernährung des Stammlandes von der Arbeit unterjochter Völker abhängig war. Die Krisen und Niederlagen des deutschen Volkes hängen eng zusammen mit dem Eindringen römischen Bodenrechts in germanische Anschauungen, mit der Unterwerfung und Auspowerung des deutschen Bauern durch Fürsten und Stände. England erlebte im Weltkrieg seine schwerste Zeit, weil seine heimische Landwirtschaft der Industrie und den Parks seiner Lords gefährliche Opfer gebracht hatte, wobei wir nicht vergessen dürfen, daß die großen und geschickten Anstrengungen Englands zur schnellen Hebung seiner Bodenerzeugung im Weltkriege wesentlich dazu beitrugen, die drohenden Folgen des U-Boot-Krieges abzuwenden; und Deutschland selbst kann sich nicht frei davon sprechen, daß sein letztes großes Unglück mitverschuldet ist durch eine zu schnelle Wandlung der alten landwirtschaftlichen bodenständigen Lebensweise zum Industriestaat und zur Weltwirtschaft. I n s b e s o n d e r e h ä n g t die große Schwächung d e r O s t p r o v i n z e n des P r e u ß i s c h e n S t a a t e s d u r c h falsche B o d e n v e r t e i l u n g und B o d e n p o l i t i k eng z u s a m m e n mit den g e w a l t i g e n G e b i e t s v e r l u s t e n , die D e u t s c h l a n d im O s t e n d u r c h den W e l t k r i e g erlittenhat. V e r m ä h l e n wir uns d a h e r mehr als bisher dem B o d e n , v e r s e n k e n wir uns in sein W e s e n undseineKraft,erforschenwirmitallengeistigen M i t t e l n s e i n e W a n d l u n g e n und B e d ü r f n i s s e , so w e r d e n wir a u c h e r w a r t e n d ü r f e n , in Z u k u n f t n e u e K r a f t n i c h t n u r w i r t s c h a f t l i c h a u s i h m zu ziehen!
D r i t t e s
K a p i t e l
Die Mcnschcn Wie s t e h e n d i e d e u t s c h e n M e n s c h e n zu i h r e m B o d e n ? Nicht nur, der ihn bebaut, muß sich zu ihm stellen, nein, das ganze Volk, das leider seine Beziehungen zum Boden gefährlich gelockert hat, räumlich und gedanklich, obwohl die übergroße Mehrzahl der Deutschen noch in der ersten und zweiten Generation vom Lande stammt. Einzig die zahlreichen kleinen Schrebergärten, die das Weichbild der großen Städte, den Besitz der Bauspekulanten, erfüllen, sind noch eine schwache Erinnerung der bodenständigen Vergangenheit unserer Großstädter. Andere Nationen, obwohl mit älterer Stadtbevölkerung, haben sich einen engeren Zusammenhang mit dem Boden bewahrt; dafür sorgt z. B. in England der freie Halbtag des Wochenendes, von dem man nicht weiß, ob er Ursache oder Wirkung der alten Landerinnerung ist. Die Bewohner der deutschen Großstädte, denen hauptsächlich die 30 Millionen Bevölkerungsvermehrung der letzten 50 Jahre zuflössen, stammen zum kleinsten Teil aus bäuerlichen Gegenden und dem kultivierteren Westen und Süden des Reiches, zum größten Teil vielmehr aus den östlichen Provinzen, in denen das starke Vorherrschen des Großgrundbesitzes und des Fideikommisses, damit die billige Konkurrenz der östlichen Wanderarbeiter, leicht eine Lösung der Menschen vom Boden bewirkte. Es sind keine angenehmen Heimaterinnerungen, die diese Leute mit in die Stadt nahmen, und nicht zuletzt aus diesem Grunde verblaßte zu ihrem Schaden die Erinnerung an den Boden. Je weniger aber der Mensch wirtschaftlich und moralisch Bückhalt an dem Boden seiner Heimat hat, um so mehr verfällt er dem Radikalismus und den Versuchen einer konstruierten, nicht organisch wachsenden sozialen Neuordnung. Auf der andern Seite bewirkte die Politik des preußischen Staates und damit auch des preußischen Deutschlands vor dem Kriege ein starkes politisches Bündnis zwischen den großen Besitzern des Bodens
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and der Staatsmacht, und so entstand jener verhängnisvolle politische Gegensatz, der es nach dem Zusammenbruch verhinderte, daß über die alte Gegnerschaft hinweg sich die Erzeuger und Verbraucher der Nahrungsmittel zu beiderseitigem Vorteil an den unpolitischen Tisch setzten und verständigten. Beider Parteien Standpunkt ist menschlich begreiflich, seine Folgen sind aber derartig verheerend für die Wirtschaft und den Bestand des Beiches geworden, daß es hohe Zeit ist, unter Ausschaltung der politischen Gegensätze endlich zu ruhiger und vernünftiger Verhandlung zu kommen. Von dem Gelde, das der Arbeiter der Großstadt heute für sein oft schlechtes und schwerverdauliches Brot zahlt, erhält der Getreide bauende Landwirt wenig mehr als ein Drittel, den Best verschlingen Industrie und Handel zwischen dem Landwirt und dem städtischen Magen. Häufig noch schlimmer sieht es bei der Fleischversorgung aus. Das Vorherrschen von Großhändlern und Kommissionären, die Abhängigkeit der Kleinmetzger vom Gewohnheitsrecht des Zwischenkapitals, und nicht nur dieser, sondern auch der größten Fleischkäufer für die Angehörigen industrieller Betriebe in Kantinen und Fabrikmetzgereien, verteuert die Fleischnahrung erheblich. Man vergleiche damit die Verhältnisse in der Schweiz auf dem Gebiete des Fleischhandels ! In vielen Gegenden wurde in der Zeit der sinkenden Papiermark der kenntnislose, immer noch an Millionen und Milliarden glaubende Bauer listig um den wirklichen Wert seines Viehes gebracht. Auf einer mehrwöchigen, kürzlich beendeten Studienreise durch die verschiedensten landwirtschaftlichen Betriebe, die mich vom Oberrhein bis an die untere Oder führte, stellte ich im Lieferungsgebiet einer mitteldeutschen Großstadt folgendes fest: Der Viehhändler zahlte dem Bauern für das Pfund Lebendgewicht höchstens eine Milliarde Mark, fünf Tage darauf, entsprechend der Zeit, die das Vieh vom Bauern bis auf den großstädtischen Schlachthof brauchte, kostete dieses Fleisch beim großstädtischen Metzger 15 Milliarden Mark, und das bei gleichgebliebenem Dollarstand! Eine ganze Beihe von gewerkschaftlichen Organisationen der Arbeiter besitzen eigene Metzgereien; die modernsten deutschen Großbäckereien, z. B. in Hamburg, gehören Arbeitergenossenschaften. In erster Linie jener verhängnisvolle politische Gegensatz verhindert es immer wieder, den Zwischenhandel in die ihm gebührenden Schranken zurückzuweisen und einen möglichst unmittelbaren Verkehr zwischen Erzeuger und Verbraucher herzustellen. Vor dem Krieg schon war die Zahl der Metzgerläden in Deutschland unnötig groß; jetzt ist der Umsatz des einzelnen Metzgers auf ein Viertel und weniger zurückgegangen, die Unkosten sind kaum geringer
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geworden, und der Verbraucher muß diesen unnötig großen Apparat dauernd weiter unterhalten. Dabei fällt die Bereicherung vieler Metzger seit 1914 unangenehm auf. Fast noch schlimmer steht es mit der UnWirtschaftlichkeit der deutschen Bäckereien. Ungezählte Tausende von Backöfen werden Tag für Tag mit gewaltigen Mengen der teuren und knappen Kohlen angeheizt, um eine Brotmenge zu backen, die erheblich geringer als vor dem Kriege ist. Unkosten muß der Verbraucher tragen, die heute die Masse um so mehr bedrücken, als der Beitrag des Mittelstandes zur Aufrechterhaltung dieser zahllosen Bäckereien durch die Verringerung des Weißbrotes und der Luxusbackwaren fast ausfällt. War die Organisation der Brotversorgung in Deutschland schon vor dem Kriege unwirtschaftlich, jetzt ist sie eine Last, die auf die Dauer nicht mehr ertragen werden kann. Auch hier ist einer gesunden Änderung der mangelnde Zusammenschluß von Erzeuger und Verbraucher hinderlich. Gewiß kostet ein entschlossenes Vorgehen in dieser Bichtung Tausenden kleingewerblicher Kräfte die Existenz, aber wir haben schon so viele, nicht immer nötige Vernichtung von Existenzen, besonders des Mittelstandes, nach dem Zusammenbruch erlebt, daß wir vor diesen nötigen, wenn auch harten Eingriffen nicht zurückschrecken dürfen. Besser, die Wirtschaftlichkeit der Ernährung des ganzen Volkes und damit das Leben von Millionen, ja das Leben des Staates wird gerettet, als daß einige tausend Kleingewerbetreibende noch länger zum Schaden der Allgemeinheit mit durchgeschleppt werden. Im übrigen wird die Lage des Bäcker- und Metzgergewerbes auf die Dauer viel mehr geschädigt, wenn weiter so fortgewurstelt wird und die umgesetzte Nahrungsmenge auf ihrem Tiefstand bleibt, als wenn scharfe Vermehrung der Produktion an Brot und Fleisch den Gesamtumsatz dieses Gewerbes, nachdem es auf ein vernünftiges Maß zurückgeführt ist, wieder hebt. Nicht Wucherpolizei und Selbstkostenaufstellungen der einzelnen Nahrungsgewerbe können hier letzten Endes Abhilfe schaffen, sondern nur gründliches Eingehen auf die Bedingungen der Produktion und Verteilung der Nahrungsmittel seitens der Gesamtheit der Verbraucher. Weiß der Erzeuger, daß die mit ihm verhandelnde Masse der Verbraucher seinen Lebensbedingungen gerecht wird, auch seinen Beruf schätzt, so wird eine Verständigung möglich werden. Die Lage des Landwirtes ist in diesen kritischen Zeiten nicht leicht und seine Stimmung begreiflicherweise sehr erbittert, wie mir das gerade die persönlichen Eindrücke der letzten Wochen wieder lebhaft vor Augen geführt haben. Der Papiergeldentwertung konnte er, fern von Banken, oft ohne die teuer gewordenen Zeitungen, viel weniger ge-
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recht werden als der schnell alle Möglichkeiten von Stunde zu Stunde nützende Städter. Die Preise seiner Erzeugnisse haben im Durchschnitt kaum die Friedenshöhe erreicht und lagen lange Zeit darunter. Milch, Butter und Eier, die allerdings weit über die Friedenspreise kletterten, spielen eine verhältnismäßig geringe Bolle in den Gesamtfinanzen der Landwirtschaft. Alles, was der Landwirt braucht an Maschinen, Eisen, Leder, Bekleidung und dergleichen, war, gemessen an den Preisen von Korn und Kartoffeln, hundert und mehr Prozent teurer als vor dem Krieg. Das Gerücht von der glänzenden Lage der Landwirtschaft, da3 gleichmäßig durch die deutschen Großstädte läuft, ist zurzeit durchaus nicht mehr begründet. Dazu kommen als schlimmste Stimmungsverwüstung zwischen Stadt und Land die kommunistischen Pläne, die bisher verhältnismäßig nicht sehr zahlreichen gewaltsamen Baubzüge, Plünderungen und Brandstiftungen auf dem Lande. Wenn man mit. Landwirten, Gutsbesitzern und Bauern in diesen Wochen gesprochen hat und immer wieder das Gefühl fand: „Eines Tages kommen die roten Massen, brennen unsere Scheuern nieder, treiben unser Vieh weg und schlagen uns selbst tot", so muß man nachfühlen, was das für den einsam wohnenden Bauern und Gutsbesitzer stimmungsmäßig für Folgen hat. Die zahlreich gewordenen Felddiebstähle wurden noch hingenommen, und wie häufig hat mir in den letzten Wochen der Landwirt gesagt: „Wir wissen, daß die Massen in den Städten hungern, und wir geben ihnen gerne, wir drücken auch gern ein Auge zu, aber die Drohung der Massen mit Gewalt, die wir fürchten, und die wir nicht hindern können, lastet wie ein Alp auf uns." Nicht wenig schuld an dieser Kluft zwischen Stadt und Land ist die unglückselige Finanz- und Währungspolitik. Letzten Endes ist das Fehlen, das viel zu späte Schaffen eines wertbeständigen Geldes, das dem Landwirt erlaubt, im Herbst zu verkaufen und im Frühjahr seinen Bedarf einzukaufen, der Hauptgrund der schlechten deutschen Ernährung, des Hungers der Massen in den Städten und der Angst vor diesen Massen auf dem Lande. Aber das Kapitel „Mensch und Boden" ist mit diesem Momentbild in keiner Weise erschöpft, denn so nötig es ist, über diese augenblicklichen Schwierigkeiten hinwegzukommen und die gute Ernte des Jahres vor allem an Getreide den hungernden Städten zuzuführen, die B e t t u n g der d e u t s c h e n W i r t s c h a f t v e r l a n g t mehr als diesen A u g e n b l i c k s e r f o l g , sie v e r l a n g t d a u e r n d e S t e i g e r u n g der P r o d u k t i o n und Vers t ä n d n i s des d e u t s c h e n M e n s c h e n f ü r diese Aufgabe.
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Auch hier muß der Stadt mensch mit voller Einsicht den Bedürfnissen und dem Wesen der Landwirtschaft gegenüberstehen, denn er muß unter anderem mit die Gesetze schaffen, die zu diesem Ziel führen sollen. Vor allem aber muß für dieses Ziel der Bebauer des Landes selbst gewonnen und erzogen werden. In zwei große Klassen scheiden sich, nicht allzu scharf getrennt, die Menschen, die deutschen Boden pflegen, in Großbetriebe und Kleinbetriebe, in Gutsbesitzer und Bauern. Lange vor dem Weltkrieg ging der Streit über die Frage, welche dieser beiden Betriebsformen die wirtschaftlichere wäre, und mancher Politiker hat Stellung genommen, ohne genügend in das Wesen der Landwirtschaft eingedrungen zu sein. Statistiken sind beweiskräftig für die eine wie für die andere Betriebsform aufgemacht worden. Häufig ist diese Frage umstritten worden in der Gesetzgebung nach dem Zusammenbruch. Die einen sehen im Großbetrieb den Fluch und verlangen Aufteilung und bäuerliche Besiedlung soweit als möglich, die andern vertreten die gegenteilige Ansicht. Es ist nun kein Zweifel, daß gewisse Formen des Großbetriebes die Interessen der Allgemeinheit durchaus verletzen. Wenn z. B. 20 Latifundienbesitzer, meist Fürsten und Eeichsgrafen, zusammen fast 600 000 Hektar Boden besitzen, darunter der größte, der Fürst von Pleß, allein 70 000 Hektar, und wenn darunter über die Hälfte Waldflächen sind, die oft nur dem Jagdbedürfnis ihrer Besitzer zuliebe und nicht aus landwirtschaftlicher Notwendigkeit heraus gehalten werden, so ist das mit den Interessen der Allgemeinheit nicht vereinbar. Aber wir haben auch Landwirtschaftsbetriebe von mehreren tausend Hektar Größe im Einzelfall, die zu den hohen Schulen der Bodenintensivierung gehören, und die wir durchaus auch weiterhin ungeschmälert erhalten müssen, wollen wir nicht in der so nötigen Technisierung des Bodens schwere Rückschläge erleiden. Es ist ferner unbestreitbar, daß der landwirtschaftliche Fortschritt, die Einführung der Maschinen, des künstlichen Düngers, die Tiefkultur des Bodens, die Verwendung hochgezüchteten Saatgutes, die züchterische Tätigkeit zur Verbesserung des Viehes, in erster Linie in den Großbetrieben zu finden ist, und daß erst von diesen die Erfolge in die bäuerlichen Wirtschaften eindringen. In sehr vielen Gemarkungen kann man beim Durchwandern der Felder feststellen, daß der Stand der Ernten auf den Flächen der Großbetriebe sich zu deren Gunsten stark unterscheidet von den Bauernäckern. Auf der andern Seite finden wir in Deutschland vorwiegend bäuerlich betriebene Gegenden mit einem Hochstand der Kulturen, der in nichts den besten Feldern des Großbetriebes nachsteht.
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Die Frage Großbetrieb oder Kleinbetrieb läßt sich nicht schematisch beantworten, sondern ist gänzlich abhängig weniger von den klimatischen Verhältnissen als von den Menschen, die den Boden bebauen. Könnte man die menschlichen Eigenschaften, nicht nur das Fachwissen, unserer am höchsten stehenden bäuerlichen Gegenden auf die Mehrzahl aller deutschen Bauern übertragen, so würde sich bald ein Übergewicht der bäuerlichen Wirtschaften ergeben. Wäre man auf der anderen Seite jenem Schlagwort der Aufteilung des Großgrundbetriebes und der starken Vermehrung bäuerlicher Siedlungen nach dem Kriege ohne die glücklicherweise eingetretenen Hemmungen gefolgt, so wäre ganz zweifellos die Ernährung der deutschen Städte noch trostloser geworden. Die verschiedenen Statistiken, die unter Benutzung des Materials der kommunalen Verbände veröffentlicht wurden und die schlagend beweisen, daß der Hektar Gutsfläche zur Ernährung der Städte im Krieg erheblicn mehr beigetragen hat als der Hektar Bauernfläche, gelten auch für die Nachkriegszeit und sind nicht, wie geschehen, mit Hinweisen auf Statistiken über die andersgearteten schweizerischen Verhältnisse zu widerlegen. Selbst wenn der Bauer aus der Flächeneinheit die gleiche Nahrungsmenge herausa r b e i t e t wie d e r G u t s b e t r i e b , so verbraucht er d o c h in d e r E i g e n w i r t s c h a f t e r h e b l i c h m e h r an N a h r u n g s m i t t e l n und b r i n g t d a h e r w e n i g e r zur A b l i e f e r u n g f ü r die A l l g e m e i n h e i t als der Gutsbetrieb. Der Landesvater, dem es vor allem auf die Schaffung einer zahlreichen, gesunden Bevölkerung mit kräftigem ßekrutennachwuchs zu tun ist, muß der bäuerlichen Siedlung den Vorzug geben, — und von diesem Gesichtspunkt aus ist die preußische Agrarpolitik nicht immer logisch gewesen. Die deutschen Zustände von heute lassen aber diese Fragestellung nicht zu, sondern verlangen Antwort darauf, w e l c h e B e t r i e b s f o r m für die n i c h t landwirtschaftliche Bevölkerung auf die ö k o n o m i s c h s t e Art die g r ö ß t e Menge von N a h r u n g s m i t t e l n freimacht. Es darf nicht übersehen werden, daß der Bauer sich wirtschaftlich vor allem auch dadurch stark erhält, daß er den verkürzten Arbeitstag des Landarbeiters in den Gutsbetrieben nicht kennt, sondern einen durchschnittlichen Arbeitstag von 10 bis 15 Stunden für einen erheblichen Teil des Jahres ausfüllt. Würde der Bauer mit seiner heutigen Wirtschaftsart von der Allgemeinheit die Zubilligung des achtstündigen Arbeitstages mit den tariflichen Löhnen verlangen, so bedeutete das eine unerträgliche Steigerung der Lebensmittelpreise. Z a n d e r , Deatsoher Untergang usw.
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Für die Gegenwart mindestens haben wir alle Ursache, den gutgeleiteten und verhältnismäßig modern betriebenen Großbetrieb durchaus zu schonen und uns nicht einseitig aus theoretischen Überlegungen tür die eine oder andere Betriebsform zu entscheiden. Beide haben ihre Berechtigung, beide müssen weiter die Erträge ihres Bodens steigern, es unterliegt aber keinem Zweifel, d a ß d i e B e m ü h u n g e n zur S t e i g e r u n g der E r t r ä g e , zur E r z i e h u n g des l a n d w i r t s c h a f t l i c h e n M e n s c h e n in e r s t e r L i n i e bei dem d e u t s c h e n B a u e r n e i n z u s e t z e n haben, e i n m a l , w e i l er in d e r A n w e n d u n g a l l e r n e u z e i t lichen M e t h o d e n des A c k e r b a u e s h i n t e r dem G r o ß b e t r i e b z u r ü c k s t e h t , und d a n n , weil ihm d r e i V i e r t e l d e s d e u t s c h e n A c k e r b o d e n s in d i e Hand gegeben s i n d , dem G r o ß b e t r i e b d a g e g e n n u r e i n V i e r t e l . Dieser zurzeit einzig mögliche Grundsatz der Achtung vor beiden Betriebsformen schließt es nicht aus, offensichtlich schlechtbewirtschaftete Großbetriebe zu Siedlungszwecken zu verkleinern und insbesondere für diese Zwecke ein scharfes Augenmerk auf die angeführten Latifundien und ihre großen Waldflächen zu richten. Im übrigen verbietet die Finanzlage Deutschlands es ganz von selbst, heute Hunderttausende von neuen Bauerngehöften zu bauen, zunächst, weil hierzu nach jeder Sichtung hin die Mittel fehlen, dann aber auch, weil wir gar nicht Hunderttausende von Bauern zur Verfügung haben, die genügend beruflich vorgebildet wären, um eine Intensivbewirtschaftung dieser Flächen vorzunehmen. Der Gutsbetrieb ist sehr häufig die hohe Schule und die Anregung, die Beispielswirtschaft für den Bauern, und darum wird auf lange hinaus eine gesunde Mischung beider Betriebsformen für Deutschland das Gegebene sein. Wie schädlich das Fehlen derartiger Beispielswirtschaften in vorwiegend bäuerlichen Gegenden werden kann, zeigt der Freistaat Baden, der auf vorwiegend gutem Boden im besten deutschen Klima liegt und dabei in weiten Bezirken eine recht rückständige Bauernwirtschaft hat; neben andern Gründen ist nicht zuletzt daran schuld das fast völlige Fehlen des mittleren und größeren Gutsbesitzes in Baden. Für beide Betriebsformen, mehr aber für den Bauernhof, treffen folgende Erwägungen zu: Das wichtigste deutsche Gewerbe der Nahrungsmittelerzeugung, in der neuzeitlichen Betriebsform kein Bohstoff-, sondern ein Verfeinerungsgewerbe, wird ausgeübt von Menschen, denen keinerlei Berufsvorbildung vorgeschrieben ist. Der Handwerker muß bestimmte Bedingungen in bezug auf Berufsausbildung und Fertigkeiten erfüllen, ehe er in seinem Gewerbe voll anerkannt wird, das wertvolle Gut des Bodens aber wird der Bearbeitung ausgeliefert ohne jede Kontrolle der
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Allgemeinheit. Nicht einmal die Fortbildungsschule hat es auf dem Lande zu nennenswerten Ansätzen und Ergebnissen gebracht. Die Einrichtungen der Landwirtschaftskammern zur Fortbildung der Landwirte, so segensreich sie an sich sind, und so sachverständig und erfolgreich im einzelnen und im Bahmen des Menschenmöglichen auch gearbeitet wird, sind völlig unzureichend. Die landwirtschaftlichen Hochschulen können nur einen sehr beschräakten Kreis von Bewirtschaftern größerer Güter ausbilden, landwirtschaftliche Fachschulen mit dauerndem Unterricht von mehreren Semestern gibt es in Deutschland fast gar nicht. Die landwirtschaftlichen Winterschulen, deren durchschnittlich je eine kaum für jeden Kreis vorhanden ist, sind ebenfalls durchaus ungenügend, um in einigen Jahren auch nur ein Zehntel unserer Bauern mit den nötigsten Kenntnissen neuzeitlicher Betriebsformen zu versehen. Ihre Leiter und Lehrer sind überlastet mit Nebenarbeiten, Gutsbesichtigungen, Vorträgen und dergleichen. Allein für Preußen müßte bei einem mäßigen Ausbildungsprogramm der bäuerlichen Landwirte die Zahl der Winterschulen nach Angabe des Ministerialreferenten ungefähr verdreifacht werden. Diese Verhältnisse sind nicht erst seit dem Kriege bekannt; man weiß an den maßgebenden Stellen, was nötig ist. Aber man ist, trotzdem uns das Feuer auf den Nägeln brennt, bisher fast gar nicht vorangekommen, eben weil die Masse des Volkes von der Wichtigkeit des Bodens und von dem Wesen der Landwirtschaft keine Ahnung h a t ; denn nur so ist es zu erklären, daß die vom Volk gewählten Vertreter in den Parlamenten nicht schon längst von sich aus auf das nachdrücklichste ein energisches Vorgehen auf diesem Gebiete verlangt haben, weil man das dort für eine argrarische Frage und nicht für eine Frage der Allgemeinheit hält. Parteistreit und politische Prinzipienf r a g e n w a r e n b i s h e r w i c h t i g e r als die eine große Frage der d e u t s c h e n Zukunft: Wie ernähren wir u n s e r Volk und wie s t e i g e r n wir die l a n d wirtschaftliche Produktion? Aber mit der Fachausbildung auf dem Lande ist es allein nicht getan; F a c h w i s s e n ist H a l b w i s s e n , wenn nicht die a l l g e m e i n m e n s c h l i c h e A u s b i l d u n g gleichzeitig v o r a n g e b r a c h t wird. Ein Haupthindernis hierfür in bäuerlichen Kreisen ist die schwere Überlastung mit körperlicher Arbeit, die es mehr noch als beim städtischen Arbeiter verhindert, daß geistige Interessen entstehen und nach Befriedigung verlangen. Schon die Fachvorträge der Landwirtschaftslehrer kommen nur halb zur Wirksamkeit und leiden oft unter mangelhaftem Besuch, weil der Bauer am Sonntag zu müde ist, um selbst nach fachlichem Wissen zu verlangen. 3*
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Besser ist in diesem Fall der Gutsbesitzer daran, und wer näher in diese Kreise eindringen kann, wer sieht, mit welch lebhaftem Interesse auf den großen Ausstellungen der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft und bei anderen Gelegenheiten der körperlich freiere Gutsbesitzer die fachlichen Fortschritte verfolgt, wer im engeren Kreise, dieser Berufsschicht häufiger, als der Fernstehende glaubt, auch auf die eingehende Pflege allgemein geistiger Interessen stößt, der bekommt von diesem Berufskreise eine andere Vorstellung, als der Durchschnittsstädter sie im allgemeinen hat. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Betriebsformen ist nun die Anwendung der Maschine, die Technisierung. Technik i s t d e r G e i s t d e r A r b e i t s k r a f t , und dieser Geist der Arbeitskraft ist im Gutsbetrieb viel häufiger zu finden als auf dem Bauernhof, besonders des Mittel- und Kleinbauern. D i e M a s c h i n e m a c h t in der I n d u s t r i e den M e n s c h e n u n f r e i und v e r d a m m t i h n zu m e c h a n i s c h gleichförmigem A r b e i t e n , in der L a n d w i r t s c h a f t m a c h t sie d e n M e n s c h e n f r e i u n d v e r l a n g t im G e g e n t e i l zu ihrer B e d i e n u n g eine S t e i g e r u n g der g e i s t i g e n Fähigkeiten. So wirkt sie doppelt auf die Vergeistigung des Landwirtes durch Entlastung von körperlicher Arbeit und durch die Forderung höherer geistiger Tätigkeit bei ihrer Benutzung. Technisierung der Landwirtschaft, worunter nicht nur die Anwendung der Maschine im engeren Sinne verstanden sein soll, sondern auch die Chemisierung, die Ausnützung der Wissenschaft von der Ernährung der Pflanze, wird daher das beste Mittel sein, unsere Landwirtschaft nicht nur fachlich voranzubringen, sondern auch ihre Träger geistig zu heben. E r s t die w e i t g e h e n d e Technisierung der Landwirtschaft, insbesondere auch der bäuerlichen Betriebe, wird den Boden beb a u e n d e n M e n s c h e n k ö r p e r l i c h so entlasten, d a ß wir ihn f a c h l i c h und g e i s t i g auf die S t u f e h e b e n , auf der a l l e i n er s e i n e w i c h t i g e A u f gabe f ü r die R e t t u n g u n s e r e s V a t e r l a n d e s erfüllen kann.
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Die Technisierung durch Dünger Liebig ist der Begründer der Lehre von der chemischen Ernährung der Pflanze; er legte damit erst die Grundlage dafür, daß Europa seine stark gestiegene Bevölkerungszahl ernähren und in weiten Gebieten auf eine bemerkenswerte Höhe der Zivilisation in verhältnismäßiger wirtschaftlicher Unabhängigkeit bringen konnte. Abgesehen von zahlreichen chemischen Stoffen, welche die Pflanze in kleinen Mengen zu ihrem Aufbau braucht und die sich fast in jedem Kulturboden in genügender Menge vorfinden, entzieht sie dem Boden in der Hauptsache K a l k , K a l i , P h o s p h o r s ä u r e und Stickstoff. K a l k war bis über die Mitte des vorigen Jahrhunderts hinaus für die deutsche Landwirtschaft in verschiedenen Formen ein angesehenes Bodenverbesserungsmittel, denn er hat nicht nur die Eigenschaft, ein unmittelbarer Nährstoff der Pflanze zu sein, sondern ebenso, auf die Struktur vieler Böden lockernd und aufschließend zu wirken. Einseitige Kalkdüngung brachte nach einer gewissen Zeit schwerwiegende Bodenversager, so wurde Kalk ein Mittel zur vorübergehenden Bodenaussaugung derart, daß z. B. Pächter gegen Schluß ihrer Pachtzeit mit einer Kalkdüngung noch andere Nährstoffe aus dem Boden herausholten und ihn so dem Nachfolger besonders verarmt hinterließen. Man verkannte so das Liebigsche Gesetz des Minimums, nach welchem alle Hauptnährstoffe der Pflanze mindestens in der von der Pflanze benötigten Abstufung im Boden vorrätig sein müssen, so daß immer der Nährstoff, der verhältnismäßig im Minimum vorhanden ist, auch die verwertete Menge der übrigen, an sich reichlicher vorhandenen Nährstoffe bestimmt. Zutreffend ist dafür das Bild eines aus einzelnen Holzdauben von verschiedener Länge zusammengesetzten Bottichs gewählt, dessen Fassungsvermögen ähnlich durch die Höhe der niedrigsten Daube bestimmt wird. Kalk ist so in Deutschland noch in vielen landwirtschaftlichen Kreisen etwas im Verruf oder doch mindestens unter Gebühr bewertet.
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Es liegen aber Anzeichen vor, daß die Schädlichkeit einer Versauerang des Bodens und die Bedeutung richtiger Kalkzufuhr als Mittel dagegen für viele deutsche Böden mehr und mehr erkannt wird. Während für schwerere Böden die konzentrierten Formen des Kalks in Frage kommen, eignet sich für die besonders in Norddeutschland zahlreichen leichten sandigen Böden in erster Linie eine Mergelung, d. h. ein in der Natur häufig vorkommendes Gemisch von Kalk und Ton. D ä n e m a r k ist auch hier seit l a n g e r Zeit der deutschen L a n d w i r t s c h a f t weit voran. Jenes Nachinnenkehren der geistigen Kräfte des Volkes nach einem verlorenen Krieg, wie es Dänemark in vorbildlicher Weise nach 1864 be-. gann, und wie es für uns in der heutigen Lage noch viel dringlicher ist, hat sich dort in weitfassender geistiger und wirtschaftlicher Organisation besonders der Landwirtschaft zugewendet und ohne Schutzzoll oder sonstige Hilfen in freiem Wettbewerb eine Landwirtschaft entwickelt, die in ihrer hochstehenden Intensivierung mit Recht eine Industrie der Nahrungsmittelerzeugung genannt werden kann. Aus einem Land mit früherem Einfuhrbedarf an Nährstoffen ist ein solches mit einträglicher Nahrungsausfuhr geworden. Ein wichtiger Punkt in dem wirtschaftlichen Aufbauprogramm der dänischen Landwirtschaft für die dort vorwiegend leichten Böden war nun deren systematische Kalkanreicherung durch Mergeln. Man erforschte alle Kalkvorkommen, schloß sich zu groBen Genossenschaften zusammen, bebaute besondere für die Kalkzufuhr bestimmte Verkehrswege, legte selbst normalspurige, nur für einige Jahre bestimmte Bahnen an und bereicherte so gründlich das ganze Ackerland mit Kalk. Auch für Deutschland wäre ein solches Vorgehen durchaus möglich und nötig. Nur ein Beispiel für viele: In Rüdersdorf bei Berlin liegen gewaltige Kalkmengen unmittelbar am schiffbaren Wasser. Früher für die starke Bautätigkeit Berlins zur Mörtellieferung dienend, sind sie gegenwärtig wenig ausgenutzt und geben in ihren malerischen Steinbrüchen höchstens dann und wann die Grundlage für einen betriebsamen Filmunternehmer ab. Landauf und landab gehen die besten Schiffahrtsstraßen von diesen Rüdersdorfer Kalkbergen aus durch die wichtigsten Kornkammern Deutschlands, und doch wird diese hervorragend günstige Lage, wie sie in Dänemark kaum zu finden ist, nicht großzügig für die Kalkanreicherung der ostelbischen Böden benutzt. Freilich, der einzelne Landwirt kann schwer an diese natürlichen Reichtümer heran, denn er allein kann keine ganzen Kahnladungen bewältigen und kann sie auch nicht vom Schiff, vielleicht durch fremde Äcker hindurch, auf sein Land bringen. N u r d e r g e n o s s e n schaftliche Zusammenschluß ist fähig, für
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dieses und für zahlreiche andere günstig gelegene Kalk vor kommen Deutschlands aufschließend zu wirken. Mergelund Kalkgenossenschaften größten Umfangs müssen h e r , g e n a u wie in D ä n e m a r k ! K a l i war bis zum Ausgang des Weltkrieges das einzige deutsche Weltmonopoli Das mitteldeutsche Becken hat das Verdienst, Kali in die Weltwirtschaft eingeführt zu haben, und die fruchtbaren mitteldeutschen Zuckerrübenböden standen und stehen an der Spitze der Kaliausnützung. Wenige Jahre vor dem Krieg wurden, merkwürdigerweise durch die Ausdauer einer elsässischen Frau, reiche Kalilager im Oberelsaß gefunden, obwohl die Geologen Aussichten für andere Teile der Welt außer dem mitteldeutschen Becken fast verneint hatten. Französische und elsässische Kapitalisten waren nicht dazu zu bringen, den elsässischen Fund reichlich auszunützen, und erst das Eingreifen des deutschen Großkapitals brachte im Oberelsaß eine neue blühende Kaliindustrie in Gang. Es ist eine der tragischsten wirtschaftlichen Folgen des Weltkrieges, daß diese nur durch deutschen Untemehmergeist großgewordene Kaliindustrie in fremder Hand das einzige deutsche Weltmonopol für Rohstoffe durchbrochen hat und daß infolgedessen zurzeit die alte deutsche Kaliindustrie sich in wenig erfreulichen wirtschaftlichen Verhältnissen befindet. Dem könnte sehr leicht abgeholfen werden, wenn die gesamte deutsche Landwirtschaft und auch hier wieder vor allem die in dieser Beziehung besonders rückständigen Bauern zu einer kräftigen Steigerung der Kalidüngung gebracht werden könnten. Eisinger in seiner früher erwähnten sachverständigen Arbeit hält eine S t e i g e r u n g des d e u t s c h e n Ka 1 i v e r b r a u c h s auf das V i e r f a c h e des V e r b r a u c h s vor dem K r i e g e für möglich! Abgesehen von der dadurch erzielten Steigerung der Ernten, wie viele brotlose deutsche Arbeiter könnten durch eine derartige Belebung der Kaliindustrie beschäftigt werden und wie sehr würde die deutsche Kaliindustrie auch für den Weltmarkt gestärkt, wenn der Inlandsmarkt ihr wieder neue wirtschaftliche Blüte verliehe! Es ist ein gewisser Trost für den Verlust des elsässischen Kalis, daß als Folge davon im noch deutsch gebliebenen Oberrheingebiet. Badens die gleichen Kaliadern aufgefunden wurden, so daß in kurzer Zeit aus einigen neuen Schächten unter Ersparnis erheblicher Frachten ein großer Teil Süddeutschlands mit dem dort verhältnismäßig noch wenig verwendetem Kali versorgt werden kann.
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Wichtig ist eine bessere Aufklärung der Landwirtschaft und auch hier wieder besonders der Bauern über die richtige Anwendung des Kalis zu den verschiedenen Feldfrüchten und die richtige Auswahl der wirtschaftlich im Einzelfall besten Kalisorten. Hat der Weltkrieg beim Kali uns zwar noch überreichlich für unabsehbare Zeiten heimische Vorräte gelassen, so kostet er uns bei der P h o s p h o r s ä u r e etwa vier Fünftel der deutschen Produktion vor dem Kriege durch den Verlust der Lothringer Eisenindustrie. Phosphorsäure ist der einzige Dünger, den wir zum größten Teil aus dem Ausland beziehen müssen und für dessen Ersatz durch die Auffindung heimischer Phosphatlager wenig Aussicht vorhanden ist, obwohl man in der Geologie, wie das elsässische Kalibeispiel zeigt, glücklicherweise vor Überraschungen nie sicher ist. Vorerst jedenfalls müssen wir damit rechnen, daß der Bezug der erforderlichen Phosphorsäure erhebliche Zahlungen an das Ausland nötig macht, und wenn wir diesen Bedarf vielleicht vorübergehend ohne Schaden etwas einschränken können, so kommt das zum Teil von den starken Vorratsdüngungen, die gerade an Phosphorsäure vor dem Kriege in die deutschen Böden der größeren Gutsbetriebe gegeben wurden. Ferner bricht sich in den Betrieben dank der Anregungen des Berliner Professors Aereboe immer mehr die Erkenntnis Bahn, daß man durch gewisse, besonders tiefwurzelnde Futterpflanzen die Phosphorsäurevorräte der tieferen Bodenschichten heraufholen und so durch Verfütterung an das Vieh und Zurückleiten des tierischen Düngers in die Ackerkrume das gesamte in der Wirtschaft umlaufende Phosphorsäurekapital ohne fremde Einfuhr erhöhen kann. Kalk, Kali und Phosphorsäure sind verhältnismäßig konservative Dünger, die man für lange Zeit im Vorrat geben kann, und von denen der eine oder andere auf vielen Böden auch ohne künstliche Zufuhr reichlich vorhanden ist. Ganz anders der S t i c k s t o f f , für den ungefähr jeder deutsche Boden dankbar ist und der so beweglich ist und so gern und schnell von der Pflanze verarbeitet wird, daß Stickstoff immer wieder Jahr für Jahr von neuem dem landwirtschaftlichen Boden einverleibt werden muß. Stickstoff ist an sich der wichtigste der vier Dünger, da er am schnellsten zu Mehrerträgen führt, und diese Wichtigkeit wächst noch überragend in unserer heutigen wirtschaftlichen Lage. Ungefähr alle Nutzpflanzen sind dankbar für Stickstoffgaben, selbst die von der Natur zur Bindung des Luftstickstoffe aus eigener Kraft befähigten Leguminosen, ganz besonders aber die Hackfrüchte Kartoffeln und Rüben, die gerade jetzt eine hohe Bedeutung für unsere Ernährung besitzen. Der Verbrauch an reinem Stickstoff in der Landwirtschaft vor dem Kriege war etwa 210 000 Tonnen (ohne den Stickstoff des Viehdüngers)
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und wurde zu einem erheblichen Teil als Chilesalpeter eingeführt. Die schon vor dem Krieg entstandene künstliche Stickstoffindustrie, an der deutsche Wissenschaft hervorragend beteiligt ist, ist nun im Kriege zu einer gewaltigen deutschen Großindustrie ausgebaut worden, in erster Linie für die zerstörenden Zwecke der Sprengstoffe, dann aber auch schon im Kriege für die aufbauenden Zwecke des künstlichen Stickstoffdüngers. Neben dem in seiner Bedeutung etwas zurücktretenden Kalkstickstoff nach dem Verfahren von Frank-Caro ist es mehr und mehr das Verfahren von Haber-Bosch, das die Hauptmengen des im Inland erzeugten Stickstoffdüngers liefert. Das große Unglück von Oppau hat die Augen der Welt auf diese Industrie gelenkt, und glücklicherweise gelang es, diese gewaltige Fabrik, die nur noch in Leuna bei Merseburg ihr Gegenstück hat, in bemerkenswert kurzer Zeit aus den Trümmerhaufen wieder neu erstehen zu lassen. Für die Erkenntnis der Abhängigkeit unserer deutschen Ernährung von einigen wenigen großen Fabrikanlagen war die Oppauer Explosion ein deutliches Menetekel. Aber noch viel d r o h e n d e r e Wolken e r h e b e n sich zurzeit über der d e u t s c h e n S t i c k s t o f f v e r s o r g u n g und damit der d e u t s c h e n Ernährung! Oppau ist seit Jahren von französischen Ingenieuren und Chemikern so regelrecht ausspioniert, daß schließlich die Besitzerin, die Badische Anilin- und Sodafabrik, in begreiflicher Notlage jenes fälschlieh von der deutseben Öffentlichkeit angegriffene Abkommen mit dem französischen Staat treffen mußte, das die Erbauung einer großen französischen Stickstoffabrik nach dem Verfahren Haber-Bosch bei Toulouse vorsah. Trotzdem schon seit mehreren Jahren diese französischen Pläne bestehen, ist es meines Wissens bis heute zu irgendeinem Ergebnis in Toulouse oder anderswo in Frankreich nicht gekommen. Man h a t die B i e s e n f a b r i k von O p p a u in der f r a n zösischen H a n d , man hat aber auch u n t e r der Gewalt und Kontrolle das a n d e r e erheblich Stickstoff erzeugende Gebiet Deutschlands, die A m m o n i a k f a b r i k e n der K o k e r e i e n an B h e i n und Buhr! Wenn auch Frankreich vielleicht sich zunächst zu irgendeinem beruhigenden Abkommen herbeiläßt, so kennen wir doch die heutige französische politische Mentalität nachgerade zur Genüge, kennen auch den verbrecherischen Ausspruch Clömenceaus: „II y a 20 millions trop!" (Es gibt 20 Millionen Deutsche zuviel), um in dieser Beziehung beruhigt sein zu können. Wir alle wissen nur zu gut um die verheerende Wirkung der unmenschlichen Hungerblockade nach dem Waffenstillstand, an der übrigens England in erheblichem Maße mit schuld
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ist, um uns angesichts der gefährlichen Tatsache, daß ein ausschlaggebender Teil der deutschen Stickstoffindustrie in französischer Gewalt ist, zu beruhigen. A b e r s e l b s t o h n e d i e s e f ü r c h t e r liche Drohung, ohne diese jederzeit möglichen G r i f f e an die G u r g e l der h u n g e r n d e n d e u t s c h e n M a s s e n ist es d r i n g e n d n o t w e n d i g , in a n d e r e n , sicheren Teilen Deutschlands neue Stickstoffi n d u s t r i e n e n t s t e h e n zu l a s s e n . Wie bereits erwähnt, betrug der Stickstoffverbrauch vor dem Kriege 210000 Tonnen. Mit Getreide, Kartoffeln und Zuckerrüben waren in dem Deutschland vor dem Kriege rund 18 Millionen Hektar bebaut, s o d a ß i m D u r c h s c h n i t t n u r e t w a s ü b e r 11 k g S t i c k stoff je H e k t a r dem d e u t s c h e n A c k e r b o d e n gegeben worden sind. Bedenkt man, daß die bessergeleiteten Großbetriebe wesentlich über diesen Durchschnitt Stickstoff gaben, so geht daraus die bedenkliche Tatsache hervor, d a ß w e i t e F l ä c h e n bäuerlichen Ackers überhaupt keine Düngung mit k ü n s t l i c h e m S t i c k s t o f f kennen. Nun sind auf Grund zahlloser Düngungsversuche und w i s s e n s c h a f t l i c h e r Arbeiten Theor e t i k e r und P r a k t i k e r d a r ü b e r e i n i g , d a ß im D u r c h s c h n i t t die d e u t s c h e n Böden sehr wohl e i n e M e n g e v o n 3 0 b i s 50-kg je H e k t a r n ü t z l i c h v e r a r b e i t e n können, daß also der Stickstoffverbrauch der deutschen Böden w i r t s c h a f t l i c h mindestens verdreifacht werden kann. Dazu kommt als neues Moment, vor allem durch die verdienstvollen Arbeiten Neubauers in Foppelsdorf, daß entgegen althergebrachter Ansicht auch die deutschen Wiesen und Weiden, die etwa 8 Millionen Hektar groß sind, sehr wohl erhebliche Stickstoffgaben rentabel verwerten können. Weitere 80—100 000 Tonnen Stickstoff können hiernach die deutschen Wiesen und Weiden noch aufnehmen, so daß Eisinger recht hat, wenn er sagt, daß e i n e u m g e h e n d e S t e i g e r u n g d e s d e u t schen Stic kstoff Verbrauchs von 210000 auf 500000 Tonnen d u r c h a u s noch nicht die H ö c h s t grenze des wirklich rentabeln Bedarfs der d e u t s c h e n Böden an S t i c k s t o f f d a r s t e l l t ! Die allernötigste und dringendste Maßnahme zur E r h ö h u n g der d e u t s c h e n E r n t e n und zur B e s e i t i g u n g des d e u t s c h e n N a h r u n g s m i t t e l elendes ist neben der s p ä t e r b e h a n d e l t e n Saatg u t f r a g e eine g e w a l t i g e E r h ö h u n g der Stiokstof ferzeugung und -Verwendung durch Er-
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b a u u n g n e u e r , den f r a n z ö s i s c h e n Z u g r i f f e n e n t z o g e n e r S t i c k s t o f f a b r i k e n in O s t - , M i t t e l - u n d Süddeutschland. Bedenkt man, welche Stärkung der Wirtschaftslage Deutschlands eine reichere Ernährung der Bevölkerung aus eigenen Mitteln ist, bedenkt man ferner, welches Heer von Arbeitern in der Eisenindustrie, im Maschinenbau, bei den Hoch- und TiefbauUnternehmern, in Stein- und Erdarbeiten die Erbauung einiger großer Stickstoffabriken von dem Umfang des vielen Deutschen bekannten Leunawerkes beschäftigen kann, wie so gewaltige Summen der Erwerbslosenfürsorge, deren Aufwendung uns nicht erspart wird, w i r k l i c h h ö c h s t p r o d u k t i v angewendet werden können, s o s o l l t e n s c h o n m o r g e n die E n t s c h l ü s s e u n d P l ä n e f ü r d i e s e n e ue n S t i c k s t o f f a b r i k e n in G a n g k o m m e n ! Die w u n d e r b a r e L e i s t u n g der F ü h r e r d i e s e r großen Industrie bei dem s c h n e l l e n Wiedera u f b a u von Oppau z e i g t , daß dieser bedeutsame Schritt aus der d e u t s c h e n Not heraus schnell getan werden kann. Nun ist nicht zu verkennen — was mir bei der erwähnten kürzlichen Studienreise durch viele deutsche Landwirtschaftsbetriebe als besonders bedenklich auffiel —, daß die Neigung zur Verwendung von Stickstoffdünger bei der letzten Herbstbestellung stark zurückgegangen ist. Daran ist zum Teil schuld die im Gegensatz zu der allgemeinen Ansicht finanziell wenig rosige Lage der deutschen Landwirtschaft. Daran ist weiter schuld die gerade zur Zeit des Stickstoffkaufs plötzlich verhängte große Geldleistung der Landabgabe, und daran ist schließlich schuld der verhältnismäßig hohe Preis des Stickstoffdüngers. Wenn dieser Preis auch heute noch als rentabel für die Landwirtschaft errechnet werden kann, so liegt er doch so nahe an der Grenze der Wirtschaftlichkeit, daß in Anbetracht der übrigen Belastungen der Landwirtschaft eine gewisse Zurückhaltung begreiflich ist. S t i c k s t o f f a n w e n d u n g ist in w e i t höherem Maße ein g e s c h ä f t l i c h e s E i s i k o als das Auss t r e u e n der ü b r i g e n drei H a u p t d ü n g e r . Diese halten sich mit wenig Verlust selbst auf Jahre hinaus als verwertbarer Vorrat im Boden, Stickstoff dagegen unterliegt in der Höhe seiner Ausnützung Zufällen. Tritt nach dem Ausstreuen eine längere Periode der Trockenheit ein, so geht seine Ausnützung erheblich zurück, setzt nach dem Ausstreuen eine Zeit sehr kräftiger Niederschläge ein, so ist besonders auf den leichteren Böden die Gefahr des Verlustes durch Auswaschung in den Untergrund groß. Es liegt in der N a t u r der S a c h e , wenn bei e i n e m p r o d u k t i o n s steigernden Mittel der Erfolg von derartigen
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Viertes Kftpitel
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daß u n b e ei n f l u ß b a r e n Z u f ä l l e n a b h ä n g i g i s t , dann der A b s t a n d zwischen A u s g a b e n und mögl i c h e n E i n n a h m e n g r ö ß e r sein s o l l t e als bei den übrigen Düngemitteln. Es muß daher nachdrücklich untersucht werden, ob nicht durch Bereitstellung öffentlicher Mittel für die neuen Stickstoffabriken und eine Nachprüfung der bisherigen Selbstkostenberechnung, insbesondere der Abschreibungen, eine wesentliche Verbilligung des Stickstoffes für die Landwirtschaft erreicht werden kann. D i e g e s a m t e W i r t schaft würde auch dann mit einem erheblichen Plus ihre Bilanz a b s c h l i e ß e n , wenn der Sticks t o f f an d i e d e u t s c h e L a n d w i r t s c h a f t zu t i e f e n Freisen mit k n a p p k a l k u l i e r t e n Selbstkosten a b g e g e b e n w ü r d e , denn voraussichtlich würde das reichlichere Angebot von Nahrungsmitteln, zu denen bei der Düngung der Wiesen und der sonstigen Futterpflanzen auch das Fleisch gehört, den Preis a l l e r Nahrungsmittel, nicht nur der mit Stickstoff gedüngten, so senken, daß dieso Ersparnisse der ganzen Volkswirtschaft s e l b s t g e w i s s e Z u s c h ü s s e der A l l g e m e i n h e i t zu den Stickstoffabriken kaufmännisch rechtfertigen w ü r d e n . (Erwerbslosenfürsorge!) Ich habe diesen Gedanken in einer drastischen Form vor mehr als Jahresfrist einmal so formuliert: Wenn wir der deutschen Landwirtschaft 50 000 Tonnen Stickstoff s c h e n k e n würden mit der Bedingung, sie richtig auf die Kartoffeln zu streuen, so würde der Kostenaufwand für den Kauf der Kartoffeln seitens der Allgemeinheit infolge der starken Erntesteigerung wahrscheinlich um mehr gesenkt werden, als die 50 000 Tonnen geschenkter Stickstoff der Allgemeinheit gekostet hätten. Die Preissenkung auf dem Kartoffelmarkt für die ganze Ernte brauchte nur fünf Pfennige je Zentner betragen, um für die Allgemeinheit die Kosten dieses „Geschenkes" an die Landwirtschaft wieder einzubringen ! Wir haben das höchste Interesse daran, mit allen Mitteln die Landwirtschaft mindestens zu einer Verdreifachung des Stickstoffdüngerverbrauchs zu veranlassen, sei es selbst mit einer vorübergehenden Zubuße aus den Taschen der Allgemeinheit, die sich hinterher um so mehr füllen werden. Ist einmal bis in das letzte Bauerndorf die Gewöhnung an den Stickstoffdünger erzielt, hat sich der letzte Bauernverein an einen großen Stickstoffumsatz gewöhnt, so wird er auch so bleiben, wenn etwa später die Stickstoffpreise etwas kaufmännischer im engeren Sinne kalkuliert werden. So begreiflich die Bestrebungen nach Beingewinn seitens der deutschen Stickstoffindustrie sind, zurzeit ist das Problem einer ge-
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waltigen Steigerung der Stickstoffaufnahme durch die Landwirtschaft viel wichtiger. Selbstverständlich soll das nicht auf irgendeine Zwangsmaßnahme schlechten Angedenkens hinauslaufen, denn wir brauchen die lebendigen Kräfte unserer wissenschaftlichen und kaufmännischen Chemie durchaus auf diesem Wege. Ein Hinweis kann aber in diesem Zusammenhang nicht unterdrückt werden: Als man zu jener Zwangsumlage des Getreides schritt, die wegen der gleichzeitig eintretenden Markentwertung schwere Verluste für die deutsche Landwirtschaft brachte, war er unlogisch, die Zwangserfassung beim Fertigprodukt Getreide aufhören zu lassen und sie nicht bis zum Bohprodukt Stickstoff auszudehnen. Wenn gewisse Anregungen nach dieser Seite selbst in den Kreisen der Landwirtschaft auf Widerstand stießen, so lag das einmal daran, daß dieser Gedanke verspätet und ungeschickt herauskam, dann aber auch an der allgemeinen Abneigung der Landwirtschaft gegen jede Zwangsmaßnahme. In dieser Beziehung müssen wir heute der Landwirtschaft durchaus beistimmen; Zwangswirtschaft heißt auf jedem Gebiete Lähmung der Energie des Unternehmers, die wir auch zur Hebung der Berufsfreudigkeit in Zukunft durchaus vermeiden müssen. Beizen wir im Gegenteil diese Unternehmungslust, diese gerade für die Bodenindustrie unentbehrliche Berufsfreudigkeit des Landwirtes mit allen Mitteln, von denen zurzeit das vornehmste und am schnellsten wirkende die genügende und billige Lieferung von Stickstoff ist. Nur gesteigertes Angebot von N a h r u n g s m i t t e l n verh i l f t u n s zu P r e i s e n , d i e f ü r d i e M a s s e u n s e r e s Volkes erschwinglich sind! In diesem Zusammenhang kann unmöglich an der bedauerlichen Gewohnheit vorbeigegangen werden, wie der überwiegende Teil unserer Landwirtschaft, auch die größeren Güter, die Pflege des natürlichen Düngers vernachlässigt. Man kann r u h i g behaupten, d a ß es e i n e S e l t e n h e i t i s t , in D e u t s c h l a n d e i n e n gutgepflegten, wirtschaftlich behandelten D ü n g e r h a u f e n zu f i n d e n ! An sich ist der bäuerliche Betrieb insofern voraus, als der Kreislauf des Stickstoffs in dessen Wirtschaft grundsätzlich vollkommener ist im Vergleich zum größeren Gutsbetrieb; denn dieser ist gezwungen, einen erheblichen Teil der Ernten und damit auch der Nährstoffe des Bodens aus der Wirtschaft heraus auf dem Markt zu verkaufen, von wo er feider durch die Schwemmkanäle der großen Städte in die Flüsse und damit aus dem Kreislauf der Volkswirtschaft herausläuft. Der bäuerliche Betrieb mit seiner verhältnismäßig reichlicheren Viehhaltung und seinem zum Nachteil der städtischen Versorgung erheblich größeren Eigenverbrauch verkauft weniger Erzeugnisse aus
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seinem Betriebe heraus und behält dadurch viel mehr Nährstoffe der Pflanze im eigenen Wirtschaftskreislauf. D a f ü r i s t a b e r b e s o n d e r s bei ihm das Loch in diesem K r e i s l a u f die D u n g s t ä t t e ! Die Kegenwässer und Hausabwässer laufen oft von sämtlichen Dächern in die Dungstätte hinein und von dieser auf die Straße oder in den nächsten Abzugsgraben; die durchaus nötige getrennte Aufbewahrung von Stallmist und Jauche fehlt in vielen Fällen, und wo sie vorhanden ist, pflegt die Aufbewahrung der sehr wichtigen Jauche in mehrfacher Hinsicht falsch zu sein. Von diesem Nachteil sind auch viele größere Gutsbetriebe durchaus nicht freizusprechen. Dabei ist für alle diese B e t r i e b e die r i c h t i g "gepflegte D u n g s t ä t t e der A u s g a n g s p u n k t für die H u m u s a n r e i c h e r u n g der A c k e r b ö d e n , und jeder Verlust, den die D u n g s t ä t t e erleidet, z e h r t am A c k e r b o d e n . Der für die Güte des Düngers vorzügliche Tiefstall, in dem monatelang sich Streuschicht auf Streuschicht häuft, oft bis zu einem Meter hoch, in dem der Dung durch die Tiere gut festgetreten wird, ist im Abnehmen begriffen, da allerdings eine Eeihe von Nachteilen für die Tiere ihm anhaften; man kann aber ungefähr das gleiche erreichen durch eine zweckmäßig angelegte ü b e r d a c h t e Dungstätte auf dem Hofe mit dichtem Mauerwerk und einem Gitter zum zeit weisen Auftrieb des Viehes. Auf etwa 300 Millionen Goldmark jährlich schätzen Sachverständige die Verluste der deutschen Landwirtschaft durch die unzweckmäßige Aufbewahrung des Stalldüngers, der, wie schon im Kapitel Boden ausgeführt, die unentbehrliche Grundlage für die dauernde Fruchtbarkeit zahlreicher Böden ist. Endlich sei in diesem Zusammenhang auf die große Wichtigkeit des Gründüngers für die zahlreichen leichten Böden hingewiesen. Nach dem Vorbild von Schulz-Lupitz kann Stickstoff und Humus viel mehr als bisher für diese z u r z e i t h ä u f i g a n . d e r G r e n z e d e r B e w i r t s c h a f t b a r k e i t stehenden Flächen gewonnen werden. Auch die Verarbeitung aller grünen Abfallstoffe zu einem hochwertigen Grünmist in Gruben nach den Forschungen von Krantz ist von Bedeutung. Setzen sich die Forderungen von Krantz hier und besonders in der Erzeugung von „Edelmist" auf der von ihm erfundenen Gärstatt oder in ähnlichen Lagerstätten (Tiefstallersatz) durch, so würde allein die hierdurch bewirkte Erntesteigerung uns von der Nahrungseinfuhr befreien!
Fünftes
Kapitel
Die Technisierung durch Maschinen Die Maschinen zur Erleichterung der Hofarbeiten, zu denen auch die auf dem Felde arbeitende Dreschmaschine zu rechnen ist, haben sich in den Gutsbezirken schnell eine wichtige und beherrschende Stellung erobert, während in den größeren und mittleren bäuerlichen Betrieben sich die Erleichterung der Hofarbeit meist auf Dreschmaschinen, Maschinen zur Futterbereitung und kleine Hilfsarbeiten beschränkt. Wenn auch eine Reihe von neueren Maschinen gegen die Leutenot, z. B. für Massentransporte innerhalb des Hofes, zum Melken und dergleichen, sich erst langsam in die Gutsbetriebe einführt, so sind doch erhebliche unmittelbare Einflüsse auf die Felderträge, um die es hier in erster Linie geht, durch weitere Mechanisierung des Hofbetriebes der Guts- und größeren Bauernwirtschaften vorerst nicht zu erwarten, vorausgesetzt, daß Vorrichtungen für die gute mechanische und chemische Pflege des Saatgutes vorhanden sind. Für die kleineren bäuerlichen Betriebe sind die Gelegenheiten zur Mechanisierung des Hofbetriebes nicht nennenswert und können daher hier bei der Behandlung der großen Linien der Ertragssteigerung übergangen werden. Für alle Landwirtschaftsbetriebe liegen die M ö g l i c h k e i t e n in e r s t e r L i n i e in der M e c h a n i s i e r u n g der F e l d a r b e i t . Der Außenstehende glaubt den Zweck dieser Mechanisierung durch die Ersparnis von Arbeitskräften erreicht, doch liegt vielleicht die größere Wichtigkeit der Maschine für den Außendienst i n e i n e r v o m L a i e n w e n i g beachteten Eigentümlichkeit des landwirtschaftlichen Betriebes überhaupt. Ein Industriebetrieb kann mit großer Sicherheit v o r h e r kalkulieren. Er weiß, wenn er eine bestimmte Anzahl Materialien mit einer bestimmten Zahl von Arbeitsstunden auf genau bekannten Werkzeugmaschinen addiert, daß er dabei in lückenlosem Aneinanderreihen der
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einzelnen Vorgänge nach einer bestimmten Zeit ein vorher ziemlich In dieser B e z i e h u n g besicher bekanntes Ergebnis hat. sitzt der i n d u s t r i e l l e B e t r i e b eine Buhe und E i n f a c h h e i t der D i s p o s i t i o n , von der im L a n d w i r t s c h a f t s b e t r i e b a u c h n i c h t im e n t f e r n t e s t e n die Bede sein kann. Die Pflanze verlangt für kurze Zeiträume aufs höchste gesteigerte Arbeitsleistung bei der Saat, bei der Pflege und bei der Ernte. Dazwischen liegen oft lange Zeiträume, in denen der Arbeitsvorgang zur Herstellung des Endproduktes ruht. Der Beginn der einzelnen Arbeiten ist vorher nicht bestimmbar, sondern von dem Zufall, dem Wetter, abhängig. Dessen Einfluß ist für die Vornahme der einzelnen Arbeiten so groß, daß oft im Herbst oder Frühjahr bei der Einbringung der Saaten innerhalb einer ganzen Beihe von Wochen nur Tage, ja oft nur halbe Tage zur zweckmäßigsten Vornahme der Arbeit zur Verfügung stehen. Das gleiche gilt von der Pflege während der Wachstumszeit, dem Eggen, Hacken und Kopfdüngerstreuen. D a b e i h a f t e t d i e s e m s c h e i n b a r k o n s e r v a t i v s t e n a l l e r G e w e r b e ein B i s i k o an, wie es w e d e r I n d u s t r i e n o c h H a n d e l a u c h n u r a n g e n ä h e r t k e n n e n , b e d i n g t d u r c h die Z u f ä l l e des Wetters. Bei gleichem Aufwand an Ursprungsmaterial und Arbeit kann das Ergebnis des Fabrikationsganges, das bei der Industrie ungefähr im voraus festliegt, in der Landwirtschaft um hundert Prozent und mehr schwanken. Ja man kann sagen, daß die Herstellungskosten der Ernte bei vielen Kulturen um so größer werden, je kleiner das Endergebnis ist. Will man dem Wesen der Landwirtschaft gerecht werden, so muß man diesen Wesensunterschied durchaus beachten. Aus ihm entspringt oft mehr als aus den Gründen der Ersparnis an Arbeitern und Gespannen die Anwendung der Maschine im Außendienst. Während ferner das Ideal der industriellen Herstellung eine möglichst volle Beschäftigung der Maschinen während des ganzen Jahres ist, bleibt die Betriebsdauer fast aller landwirtschaftlichen Maschinen auf wenige Wochen im Jahr beschränkt. In der übrigen Zeit liegt ihr Kapital tot, und doch rentiert sich die Maschine, da ihre Stillstände immer noch billiger sind als die der Menschenhände und der Zugtiere. Wo aus benachbarten Ortschaften oder aus fremden Ländern (Wanderarbeiter) zu gewissen Zeiten größere Mengen von Arbeitern schnell verfügbar sind, tritt die Maschine zurück; wo diese Aushilfe nicht zur Verfügung steht, gewinnt die Maschine an Boden, daher der
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maßgebende Einfluß Amerikas auf eine Reihe landwirtschaftlicher Maschinen für den Großbetrieb. Selbstverständlich spielt daneben die Ersparnis an menschlichen und tierischen Arbeitskräften durch die Maschine eine große Bolle, die bezüglich der Menschen durch die neuen Verhältnisse nach dem Zusammenbruch wesentlich gesteigert wurde. Aber auch der Fortfall an Gespannvieh, vor allem an Pferden, die außer ihrer Zugleistung keinen Beitrag zur Wirtschaftlichkeit des Gutsbetriebes geben, und ihr Ersatz durch die Maschinen sollte mehr als bisher versucht werden. In der Hauptsache lediglich die Übernahme der Pflugarbeit auf den größeren Gütern durch Dampf und Motorpflug wirkt in diesem Sinne. Eine interessante Studie von Professor Dr. G u s t a v F i s c h e r w e i s t i n d i e s e r B i c h t u n g n e u e Wege. Viel M i l l i o n e n P f e r d e v e r r i c h t e t e n in D e u t s c h l a n d vor dem Kriege für L a n d w i r t s c h a f t und Verkehr eine recht teure Arbeit. Verurs a c h t e n sie doch j ä h r l i c h über vier M i l l i a r d e n Goldmark Kosten. E t w a ein S e c h s t e l des ges a m t e n d e u t s c h e n Ackers ist belegt d u r c h die Ernährung dieser Pferde. Fischer berechnet, daß allein in der Landwirtschaft für die Güter über 50 Hektar durch einen teilweisen Ersatz der Pferde auf den für den Motor geeigneten Gebieten