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German Pages 271 [281] Year 1994
Forschungen zum Alten Testament herausgegeben von Bernd Janowski und Hermann Spieckermann
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Deuteronomium-Studien von
Lothar Perlitt
J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen
Die Deutsche Perlitt,
Bibliothek
-
CIP-Einheitsaufnahme
Lothar:
Deuteronomium-Studien / von Lothar Perlitt. - Tübingen : Mohr 1994 (Forschungen zum Alten Testament ; 8) ISBN 3-16-146154-1 NE: Perlitt, Lothar: [Sammlung]; GT 978-3-16-157835-9 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019
© 1994 J.B.C. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von ScreenArt in Wannweil aus der Times Antiqua gesetzt, von Guide-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier der Papierfabrik Gebr. Buhl in Ettlingen gedruckt und von der Großbuchbinderei Heinr. Koch in Tübingen gebunden.
Der Hochwürdigen Theologischen Fakultät der Universität Helsinki für die Verleihung der Doktorwürde in Dankbarkeit gewidmet
Vorwort Zu dieser Sammlung von Studien haben mich die liebenswürdigen Herausgeber der Reihe, die Herren Kollegen Janowski und Spieckermann, eingeladen, j a ermuntert; und der großzügige Verleger, Herr Georg Siebeck, hat sie dabei unterstützt, statt ihnen das Handwerk zu legen. Die nach Methode und Fragestellung sehr verschiedenen Studien führen nicht selten über das Deuteronomium hinaus, haben aber allesamt in dessen Auslegung ihren Ausgang und ihr Ziel; das gräßliche Wort Deuteronomismus wollte ich jedenfalls vermeiden. Die Texte werden chronologisch und unverändert dargeboten, da Verbesserungen nur den Charme früherer Unbedenklichkeit mindern. Der Neudruck dieser Studien läßt sich allenfalls dadurch rechtfertigen, daß er den studierenden oder forschenden Interessenten das Leben erleichtert, denn die meisten der Beiträge hatten vordem ihr Ehrenbegräbnis in Festschriften (und Vergleichbarem). Ohne diese darf heute niemand mehr alt werden (und so erscheint synchron mit diesem Band die nächste Deuteronomium-Studie in der nächsten Festschrift...). Für die Erlaubnis zum Abdruck der zuerst bei ihnen erschienenen Aufsätze danke ich den im Inhaltsverzeichnis genannten Verlagen. Für die Herstellung der Register und Hilfe bei den Korrekturen danke ich Herrn stud. theol. Johannes Goldenstein. Die Theologische Fakultät in Helsinki hat mich 1990, im Rahmen der großen Feiern zum 350jährigen Bestehen ihrer Universität, geehrt und erfreut. Ihr und natürlich insbesondere ihrem Alttestamentler Timo Veijola, dem Weggefährten in der Deuteronomium-Kommentierung, weiß ich mich dankbar verbunden.
Göttingen, den 24. Januar 1994
Lothar Perlitt
Inhalt
Vorwort
1. M o s e als Prophet 1971. Evangelische Theologie 31, 588-608. Chr. Kaiser Verlag München 2. Anklage und Freispruch Gottes. Theologische Motive in der Zeit des Exils 1972. Zeitschrift für Theologie und Kirche 69, 290-303. Verlag J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen 3. Sinai und Horeb 1977. Beiträge zur Alttestamentlichen Theologie. Festschrift für Walther Zimmerli zum 70. Geburtstag, hg. von H. Donner, R. Hanhart und R. Smend, 302-322. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen 4. »Ein einzig Volk von Brüdern«. Zur deuteronomischen Herkunft der biblischen Bezeichnung »Bruder« 1980. Kirche. Festschrift für Günther Bornkamm zum 75. Geburtstag, hg. von D. Lührmann und G. Strecker, 27-52. Verlag J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen
V
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5. Wovon der Mensch lebt ( D t n 8,3b) 1981. Die Botschaft und die Boten. Festschrift für Hans Walter WolfT zum 70. Geburtstag, hg. von J. Jeremias und L. Perlitt, 403-426. Neukirchener Verlag
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6. Motive und Schichten der Landtheologie im D e u t e r o n o m i u m . . . . 1983. Das Land Israel in biblischer Zeit. Jerusalem-Symposion 1981 der Hebräischen Universität und der Georg-August-Universität, hg. von G. Strecker (GTA 25), 46-58. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen
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7. D e u t e r o n o m i u m 1 - 3 im Streit der exegetischen M e t h o d e n 109 1985. Das Deuteronomium. Entstehung, Gestalt und Botschaft, hg. von N. Lohfink (BEThL 68), 149-163. University Press / Uitgeverij Peeters Leuven 8. Priesterschrift im Deuteronomium? 123 1988. Zeitschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft 100 Supplement, 65-88. Verlag W. de Gruyter Berlin
Vili
Inhalt
9. D e u t e r o n o m i u m 6, 2 0 - 2 5 : eine Ermutigung zu Bekenntnis und Lehre 144 1989. Glaube - Bekenntnis - Kirchenrecht. Festschrift für Hans Philipp Meyer zum 70. Geburtstag, hg. von G. Besier und E. Lohse, 222-234. Lutherisches Verlagshaus Hannover lO.Jesaja und die Deuteronomisten 157 1989. Prophet und Prophetenbuch. Festschrift für Otto Kaiser zum 65. Geburtstag, hg. von V. Fritz, K.-F. Pohlmann, H.-Chr. Schmitt (BZAW 185), 133-149. Verlag W. de Gruyter Berlin 11. >Evangelium< und Gesetz im D e u t e r o n o m i u m 172 1990. The Law in the Bible and in its Environment, ed. by T. Veijola (Publications of the Finnish Exegetical Society, 51), 23-38. The Finnish Exegetical Society in Helsinki / Verlag Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen 12. H o c libro maxime fides docetur. D e u t e r o n o m i u m 1, 19-46 bei Martin Luther und Johann Gerhard 184 1990. Neue Zeitschrift für Systematische Theologie und Religionsphilosophie 32, 105-112. Verlag W. de Gruyter Berlin 13. D t n 1, 12 L X X 192 1990. Studien zur Septuaginta - Robert Hanhart zu Ehren. Aus Anlaß seines 65. Geburtstages hg. von D. Fraenkel, U. Quast und J. W. Wevers (Mitteilungen des Septuaginta-Unternehmens XX = Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Philologisch-Historische Klasse, Dritte Folge, Nr. 190), 299311. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen 14. Riesen im Alten Testament. Ein literarisches M o t i v im Wirkungsfeld des Deuteronomismus 205 1990. Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. PhilologischHistorische Klasse, Jg. 1990, Nr. 1, 1-52. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen 1. Einführung 205 - 2. Einzelgestalten 209 - 3. Völker 219 - 4. Rephaim 223 - 5. Anakim 232 - 6. Nephilim 236 - 7. Schluß 244 15.Hebraismus - Deuteronomismus - Judaismus 247 1993. Biblische Theologie und gesellschaftlicher Wandel. Für Norbert Lohfink SJ, hg. von G. Braulik, W. Groß, S. McEvenue, 279-295. Herder Verlag Freiburg i.Br. Register
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Bibelstellen
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Autoren
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1. Mose als Prophet »Nun ist aber eine geschichtliche erscheinung wie die Mose's zu ergründen auch bei reichlichem quellenflusse eine der schwersten aufgaben der geschichtsforschung. ... So ist es denn gekommen daß sich einigen und zwar sonst nicht gerade zu verachtenden Schriftstellern noch der neuesten zeit das licht der geschichte über dem haupte dieses außer Christus größten religionsstifters ganz zu finsterniß verdunkelt ... hat.« Wären diese Sätze nicht ein J a h r h u n d e r t alt u n d a u s d e r F e d e r HEINRICH EWALDS1 g e f l o s s e n , s o k ö n n t e n
sie heute - noch und wieder - das Fazit jener zahllosen Mosedeutungen umschreiben, die (lang und breit) E. OSSWALD2 und (kurz und spitz) R. SMEND3 aufgelistet haben. Man kann sich sogar fragen, ob Ewald angesichts dieser gelehrten | Unermüdlichkeit auch heute noch gefolgert hätte: »Aber so spricht nur die Verzweiflung welche die wirklich noch vorliegenden quellen nicht gehörig zu benuzen und aus ihnen kein festes geschichtliches bild wiederherzustellen vermag.« 4 Er selbst entkam dieser »Verzweiflung« gleichsam durch Seelenverwandtschaft und den Schneid zur Eindeutigkeit: Für ihn war Mose ein Prophet, ja der Prophet des Alten Bundes. Mit diesem >personalen< Schlüssel öffnete er dann auch die Türen der Quellen. Zwar sah er sowohl die Unterschiede und den »fortschritt« der Mose betreffenden Quellen 5 als auch die offenkundige Tatsache, daß das Prophetentum in Israel überhaupt »die stärksten Wechsel durchlief« 6 , aber seine Entscheidung für den >Propheten< Mose fiel nach dem Gesetz der inneren Begegnung des Geschichtsschreibers mit dem Gegenstand seiner Darstellung: Mose »ist zwar ferner volksführer gesezgeber wunderthäter: aber alle diese seine weitern eigenschaften verschwinden vor der einen daß er Prophet ist; erst als Prophet ist er volksführer gesezgeber wunderthäter, und alles große was er ist das ist er nur als Prophet« 7 .
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Geschichte des Volkes Israel, 2. Bd., 3 1865, 24f. Das Bild des Mose, 1962. 3 Das Mosebild von Heinrich Ewald bis Martin Noth, 1959. 4 AaO. 25. 5 Ebd. 44. 6 Ebd. 69. Eine »so große geistige erscheinung wie die Mose's« (ebd. 51) weiß Ewald freilich auch andernorts (Die Propheten des Alten Bundes, 1. Bd., 2 1867, 34) in ihrer »steilen höhe« vom Wirken der übrigen, von ihm wahrhaft hochgeschätzten Propheten noch einmal gebührend abzuheben. 7 Ebd. 68. 2
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Prophet
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Ewalds Entscheidung fand allerlei Gefolgschaft 8 , aber von der Antike 9 bis zur jüngsten Gegenwart überwog doch aus historischen und theologischen Gründen 10 die Neigung zu geringerer Festlegung auf ein | Moseattribut, also zu größerer Offenheit für das Nebeneinander der Deutekategorien. Die historisch-kritische Forschung seit Ewald vermochte die Ungewißheit über Mose differenzierter zu formulieren, nicht aber aufzuheben. Diese Unsicherheit kommt nicht aus Unvermögen, sondern aus dem Forschungsgegenstand selbst: Das AT bietet prinzipiell nichts anderes als die tausendjährige Geschichte einer sich in immer neuen Anläufen vollziehenden Mosedeutung. In dieser Hinsicht ist die Forschungsgeschichte sozusagen die geradlinige Fortsetzung der kanonischen Deutungsgeschichte und schon deshalb nur zum Schaden aller weiteren Forschung entbehrlich. Sie lenkt die Reflexion über Methode und Ziel. Das bedeutet hier, wo wiederum nach dem Propheten Mose gefragt wird: Verzicht auf die Hoffnung, mit diesem einen Schlüssel alle Türen zu Mose öffnen zu können. Ein am AT leicht zu erhebender Befund nährt diese Vorsicht: Es geschieht nicht eben oft, daß Mose als Prophet bezeichnet wird. Alles Interesse hat sich also darauf zu konzentrieren, wo das geschieht. Daß dabei mehr überlieferungs- und literaturgeschichtlich gefragt wird als (in Ewalds Sinne) historisch, versteht sich als Frucht der neueren Forschung von selber. Will man nicht wie
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Am liebsten denkt man natürlich an B. D U H M (Israels Propheten, 1916, Kap. III, 7), der in der Manier Ewalds mehr durch Geschmack an der Persönlichkeit als durch Analyse der Quellen zum Prophetentitel für Mose gelangte. Von ganz anderer Art (und nicht nach dem Herzen Ewalds) war dann die überaus fragwürdige Quellenbeurteilung samt Folgerungen bei E . S E L L I N , Mose und seine Bedeutung für die israelitisch-jüdische Religionsgeschichte, 1922. Die Zeit der buchstäblichen Entscheidungen für den Propheten Mose ist ohnehin abgelaufen; aus jüngster Zeit wäre höchstens zu nennen: A. P E N N A , Mose »Profeta e piü che profeta«, Bibbia e Oriente 12, 1970, 145-152. 9 Gar nicht zu übersehen ist da vor allem Philo, der seine Vita Mosis nach den Attributen Volksführer, Gesetzgeber, Hohenpriester und Prophet disponierte. Ewald, der ihm dieses unentschlossene, aber natürlich sachgemäße Nebeneinander ankreidete (aaO. 68, A. 6), übersah, daß Philo, der das Leben des »größten und vollkommensten Menschen« aufzeichnen wollte (Vit. Mos. 11), ohnehin wohl eher den dsioq et v'T|pder hellenistischen Antike als den a vdpeemo«; öeöujüdischer Provenienz im Sinne hatte. Weniger >Übermensch< ist Mose denn auch in der palästinisch-jüdischen Ass. Mos., aber doch auch hier der »göttliche Prophet für alle Welt« (11,16). 10 Bei den theologischen Gründen wäre zugleich der Vielfalt der neutestamentlichen Mosedeutungen (vgl. J. JEREMIAS, ThW IV, 868-878) zu gedenken, denn auch hier kann Mose als Prophet im geradezu landläufigen Sinne verstanden werden: »Würdet ihr Mose trauen, dann vertrautet ihr auch mir, denn über mich hat jener geschrieben«, spricht der johanneische Christus (5,46). Da ist Mose also in einer ganz unverhofften Weise unter die Propheten geraten. In der Auslegung von Dt. 18 hat die Urgemeinde dann den »Propheten wie Mose« wiedererkannt. Das wird in der Petrusrede (Apg. 3, 22f.) wie in der Stephanusrede (Apg. 7, 35ff.) schließlich in den festen Zusammenhang eines Schriftbeweises gerückt. Insgesamt gerät der >Prophet< Mose aber im NT natürlich in den Zugriff der großen theologischen Themen »Mose und Christus« oder »Gesetz und Evangelium«.
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Ewald" das Attribut Prophet so weiträumig verstehen, daß man beinahe alle Tätigkeiten oder Eigenschaften Moses darunter subsumieren kann, dann muß man auch aus diesem Grunde mit begrenztem Material arbeiten. Da schließlich das AT keine einheitliche Prophetenvorstellung bietet, der Titel vielmehr in erstaunlich differenten Zusammenhängen seinen Platz hat, ist das Thema »Mose als Prophet« also mit zwei Unbekannten belastet. Der Schutz gegen uferlose Ausweitung des Themas besteht darum über die jeweilige genaue Phänomenbeschreibung hinaus in der Beschränkung auf solche Texte, in denen die beiden Titelbegriffe wirklich in einen Zusammenhang gebracht werden. Der Rückweg von den jüngeren zu den älteren Belegen gilt dabei als zumindest erstrebenswerter modus procedendi. I. Eine ganz äußerliche Beobachtung läßt sich in einem zugespitzten Doppelsatz formulieren: Mose spielt bei den Propheten keine Rolle12, die | Propheten spielen bei >Mose< (im Pentateuch) keine Rolle13. Diese Beobachtung lenkt sogleich in eine bestimmte Richtung: Schon aus literarischen Gründen kann eine deutlichere Berührung oder Überschneidung der beiden Größen zunächst da erwartet werden, wo sie in einen gemeinsamen Darstellungszusammenhang und Deutungshorizont geraten. Unter diesem Blickwinkel fällt sofort alles Interesse auf einen Satz, der schon durch seinen Wortlaut keinen Anspruch auf geschichtliche Nähe zu Mose erhebt, sondern die große Entfernung, aus der er kommt, geradezu thematisiert: »Es stand hinfort kein Prophet in Israel auf wie Mose, den Jahwe kannte von Angesicht zu Angesicht« (Dt. 34,10). Dieses Urteil findet sich, literarhistorisch betrachtet, beim Zusammenstoß des priesterschriftlichen mit dem dtr. Werk. Dabei ist der Übergang des Führungsamtes von Mose auf Josua das äußere Ziel, das in V. 9 (mit dem Anschluß in Jos. 1) erreicht wird. Dt. 34,10-12 bildet also eine kleine Einheit für sich, die zwar auf Moses Tod, nicht aber notwendig auf die Amtsübergabe bezogen ist. Die Vv. stammen weder von E noch von D, sondern frühestens von dtr. Hand, wie schon die literarische Randposition an der Nahtstelle von Pentateuch und DtrG zeigt14. In Dt. 34,10 meldet sich also 11 Unter seinen Zeitgenossen wäre hier noch an W. VATKE ZU denken, der zwar die »praktische Wirksamkeit« am Volk für »die Hauptaufgabe des mosaischen Berufs« hielt, aber Mose dessenungeachtet nach Analogie der Propheten gewürdigt wissen möchte: »Mose war ein Prophet und Mittler des Bundes« (Biblische Theologie, 1835,
238; 227). 12 Die neutestamentliche Formel »Mose und die Propheten« ist der Nachhall dieses Sachverhalts. 13 Das gilt nicht nur für die Phänomene, sondern auch für die Vokabeln: Der Titel X'AJ fehlt »in der Pentateucherzählung fast überhaupt« (M. NOTH, Ü P 142, A. 365). 14 Dabei ist nicht einmal ausgemacht, ob V. 11 f. literarisch mit V. 10 zusammengehört, denn der Anschluß ist syntaktisch überaus locker, die Thematik ist beträchtlich verschoben und die Wortstatistik für V. 11 f. zeigt den von der dtr. Geschichtsdarstellung schon abhängigen Redaktor, wie man bei C. STEUERNAGEL (Deuteronomium, 1900, XXXIII = Einl., §8, Nr. 6) überprüfen kann.
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ein Theologe zu Wort, der alles, was man vom 6. Jh. ab in Israel von Mose wissen konnte, wußte und eine abschließende Gesamtwürdigung wagte. Warum er sich dabei des Titels X'aj bediente15, ist die überlieferungsgeschichtlich zu beantwortende Frage. »Kein Prophet wie Mose«: Das ist keine Definition (weder Moses noch der Propheten), sondern eine Vergleichsaussage16. Im Blick auf das Prophetische ist deren Sprache ungenau, also vielleicht uninteressiert. Jahwepropheten »erstehen« (Dlp k.) nämlich nicht selber17, sondern auch im dt.-dtr. Bereich läßt Jahwe sie »erstehen« (Dlp hi. Dt. 18,15. 18; vgl. auch Am. 2,11), wie er in Israel Richter (Ri.2,16. 18) und Retter (Ri. 3,9. 15) erstehen ließ. So zeigt der in dieser Sache sorglose und singuläre Schritt vom hi. zum k. der Wurzel Dlp schon für sich den Abstand von der prophetischen Realität. Hier formuliert jemand, der zu | einer präzisen Vorstellung von Berufszwängen kein Verhältnis hat. Es ist also von vornherein anzunehmen, daß diese Vergleichsaussage nicht Mose, sondern - selbst in der Negation noch - den Propheten Ehre erweist. Die bloße Existenz von V. 10b zeigt die Auslegungsbedürftigkeit von V. 10 a. Darin war Mose inkommensurabel, daß Jahwe ihn »kannte von Angesicht zu Angesicht«. Das aber ist sprachlich beinahe zuviel des Guten. Daß Jahwe jemanden »kennt«, ist sonst Glückes genug. 37T k. mit Jahwe als Subjekt und einem Menschen als Objekt ist eine seltene, aber markante Redeweise. So hat Jahwe den Jeremia schon im Mutterleibe »erkannt« (1,5), so rühmt sich David im Gebet »du hast deinen Knecht erkannt, Jahwe« (2. Sam. 7,20), und in dem Nachtrag zu Abrahams Fürbitte für Sodom (Gen. 18,19) sagt Jahwe selbst von Abraham »ich habe ihn erkannt«. In diesen Belegen - keiner ist älter als Jer. 1,5 — meint VT k. weit mehr als notitia, nämlich »auswählen« oder »ins Vertrauen ziehen«; und so wird es auch hier von Mose gesagt18. Aber die Fortsetzung verdirbt den schönen, in sich abgerundeten Ausdruck. »Von Angesicht zu Angesicht« kann man reden oder sogar, wie im Fall Gideons (Ri. 6,22), Jahwes Engel sehen, nicht aber »erkennen« oder »erwählen«. Die Herkunft dieser überfüllenden Wendung ist indes nicht zweifelhaft und sei hier vorerst nur genannt: Nach Ex. 33,11 redet Jahwe zu Mose »von Angesicht zu Angesicht«, nach Num. 12,8 »von Mund zu Mund«. Von Propheten sonst hat das in Israel niemand so statuarisch zu sagen gewagt; neben dem 57T von Dt. 34,10 ist es auch für Mose zuviel. Dt. 34,10 ist also nicht nur eine literarisch späte, sondern vor allem eine traditionsverknüpfende Vergleichsaussage, in der Mose längst sozusagen alles in allem ist. Die jüngste Zutat ist dabei das Urteil in V. 10 a, zu dessen Verifizierung die Traditionsfragmente von V. 10 b auf den Plan gerufen wer15
Der Vers steht auch und gerade im Blick auf die Titel hart neben dem dtr. Kontext: Der da starb, war nicht »Prophet«, sondern »Knecht Jahwes« (Dt. 34,5), und als solcher inauguriert er sogleich die folgende Begebenheit (Jos. 1, 1. 2. 7). 16 nträs gibt es nur hier im AT. 17 Den recht bezeichnenden Kontrast bilden die (gemessen am 1. Gebot: falschen) Propheten und Träumer von Dt. 13,2, wo mp k. das Gemeinte verschärft. 18 Vgl. daneben Ps. 103,7, wo Jahwe dem Mose seine Wege kundtut (ST hi.).
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den. Hier wird also alle menschliche Gottesnähe, auch die im gewöhnlichen Sinne >prophetischeZusatzProphetie< schlägt Num. 12,6-8 jener vorausgehenden Szene ins Gesicht - und soll das wohl auch. Num. 11 wollte bestimmte Propheten mit Mose zusammenbringen, Num. 12 will die Trennung von allen. Das versuchte naturgemäß eine jüngere Hand, denn auch der Vorwurf von 12,2 trifft gewiß nicht den Mose von 11,29 b. Die Verwicklung Mirjams in die das Offenbarungsproblem einbettende Szene könnte sich allenfalls noch auf die Tradition von Ex. 15,20 (»die Prophetin«) berufen, obwohl dabei höchstens die Vo-|kabel eine Brücke bildete; daß Aaron dagegen je prophetischen Anspruch erhoben habe, wird in älterer Tradition nicht einmal behauptet, falls man dafür nicht Ex. 4,16 und im Nachklang Ex. 7,1 P bemühen will. Aus alledem folgt eine so lockere Einbindung von Num. 12,6-8 in seinen gesamten Kontext, daß man den Spruch geradezu als das Bebenzentrum ansehen darf, von dem aus die Störungen überhaupt erst in den Kontext hineinlaufen. In seiner Grundsätzlichkeit geht er ohnehin weit über die Mirjam und Aaron in den Mund gelegte Frage (V. 2) sowie über die ausleitende Anspielung auf diese Frage (V. 8 b) hinaus23. So ist selbst der mit V. 6 - 8 a gedanklich verknüpfbare Strang von Num. 12 nur Herberge des Spruchs, kaum sein Geburtshaus, dessen Standort also aus ihm selbst erkannt werden muß. Damit ist der Weg frei zum Text24 und Überlieferungsmaterial von Num. 12,6-8 a. 6 a Und Jahwe sagte: Hört meine Worte! 6 b Wenn unter euch ein Prophet ist, in Schauung gebe ich mich ihm zu erkennen, im Traum rede ich mit ihm. 7 a Nicht so (verhält es sich) mit meinem Knecht Mose: 7 b Mit meinem ganzen Hause ist er betraut. 8 a Von Mund zu Mund rede ich mit ihm und nicht in Rätselsprüchen (und die Gestalt Jahwes darf er anschauen).
Die Einleitung (V.6a) wird durch '"IDT als frühestens deuteronomisch erwiesen25. Will man sie nicht vom Eingeleiteten trennen, dann gibt sie einen Fingerzeig auf die hier waltenden Kräfte. Der Vordersatz V. 6 ba rückt die folgende Aussage noch einmal in eine Grundsätzlichkeit, wie sie durch den engeren Bezug auf Mirjam und/oder Aaron nicht gedeckt würde. Der synonyme Parallelismus im Nachsatz V. 6bß.y beschreibt ohne Emphase, aber 22
Siehe u. Teil IV. Ein kleiner Hinweis auf die generelle Verschiedenheit von Spruch und Szenerie ist die eklatante Bedeutungsverschiedenheit von a "13T in V. 1 a. 8 b einerseits, V. (2.) 6 b. 8 a andererseits. 24 Über die üblichen Textverbesserungen in V. 6 a. ba wird hier nicht Rechenschaft abgelegt. 25 Die Form ist nicht vor, aber reichlich bei Jer. belegt; in der dt.-dtr. Literatur findet sie sich seltener, aber kennzeichnend Dt. 18,18f.; 4,10. 23
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auch ohne jede Abwertung Weisen prophetischen Offenbarungsempfangs, die zeitlich als relativ unspezifisch gelten dürfen; Anklänge an Sprache und Anschauung des Elohisten nötigen keinesfalls dazu, die elohistische Quelle im literarischen Sinne hier fließen zu sehen26. | Im Übergang zu Mose wird die entscheidende Überbietung sofort durch den Ehrentitel ' i n y (V. 7 a) erreicht, der in der für V. 6 a reklamierten Zeit reichlich auf Mose27, freilich nicht nur auf ihn28, bezogen wird. Diese Heraushebung Moses zielt gar nicht auf eine Differenzierung des >Prophetischen< im engeren Sinne, sondern übersteigt absichtlich die Nomenklatur, in der V. 6 b. 8 a bis zu einem gewissen Grade miteinander korrespondieren. In V. 7 b wird Mose vielmehr zum Großwesir über Jahwes Haus bestellt wie Joseph über das des Pharao (Gen. 41,40; 45,8). Die singulare Formulierung, die gleichwohl nicht völlig ohne Anklang an >Prophetisches< ist29, will hier nur die unvergleichliche Stellung Moses zwischen Jahwe und Israel verdeutlichen. Für V. 8 a liegt die Berührung mit der deuteronomisch abgerundeten Sinaiperikope30 offen zutage. Die entscheidenden Motive erscheinen hier freilich so modifiziert, daß sie auf die Kontext-Antithese (V. 6 b) zu antworten vermögen31. Während Schauung und Traum noch Rätselsprüchen32 vergleichbar sind, redet Jahwe zu Mose, und nur zu ihm, im Klartext. Ob, wie häufig vermutet33, V. 8 aß hier ein Zusatz ist, läßt sich schwer entscheiden. Dafür spräche höchstens die Nennung des Gottesnamens in der Gottesrede, weniger der Inhalt, auch wenn er als »unerhörte und ganz singulare Aussage« empfunden wird34. Der Satzteil reflektiert die Spannung zwischen Ex. 24,11 b 26
nK"]B steht 1. S a m . 3 , 1 5 und Gen. 46,2 E ebenso wie Ez. 1,1; 8,3; 40,2; 43,3; D a n . 1 0 , 7 . 8 . 1 6 - sonst freilich nirgends. Als Ausdruck für Jahwes >Offenbarung< ist BT hitp. einzigartig. D a s Verbum erscheint in dieser Form überhaupt nur noch Gen. 45,1. Die Vision und, mehr noch, der Traum gelten (ungeachtet der ambivalenten Beurteilung gerade des Traums in jeremianisch-deuteronomischer Zeit, wo freilich nicht der Traum, sondern der falsche Prophet angegriffen wird) über die Jahrhunderte hin in Israel ebenso wie in seiner Umwelt als unangefochtene Offenbarungsmedien (vgl. noch Joel 3,1). In dieser Generalisierung und Zeitlosigkeit sind die Ausdrücke hier gebraucht. D a ß sie offenbarungsterminologisch >korrekt< im Sinne der klassischen Prophetie oder der dtn. Distinktionen gar nicht sein wollen, geht schon aus dem singulären W hitp. hervor. N u m . 1 2 , 6 - 8 sperrt sich ebenso wie sein hinführender Kontext schuloder quellenmäßiger Fixierung. 27 Vgl. nur D t . 3 , 2 4 ; 34,5; Jos. 1,1. 2. 7. 13. 15; 1. Kön.8,53. 56; 2. Kön.21,8; Ps. 105,26. 28 Auf Josua (Jos. 24,29; Ri. 2,8), David (1. Kön. 8,66; Jes. 37,35; Ez. 34,23; 37,24f.; Ps.89,4. 21) u.a. 29 Im Sinne von »betraut sein« hat p K ni. (hier c. 3) eine (einzige) bezeichnende Parallele: K'aib "iXiatf laxa (1. S a m . 3 , 2 0 b ) . 30
Vgl. L. PERLITT,'Bundestheologie im A T ( W M A N T 36), 1970, 181FF. 203FF. (215).
31
In Ex. 33,11 a steht 131, hier wie in V.6b 3 131; in Ex. 33,11 a heißt es »von Angesicht zu Angesicht«, hier »von M u n d zu Mund«, wodurch der Gegensatz zu den prophetischen Medien von V. 6 b wiederum verschärft wird. 32 Der religiöse Gebrauch von n T n ist einzigartig und bekundet jene theologische Reflexion, die den ganzen Spruch konstituiert. 33
34
Vgl. n u r M . NOTH, A T D 7, 1966, 85.
Ebd.
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einerseits und Ex. 3,6 b35; 33,20. 23 andererseits - mit ganz untauglichen Mitteln freilich, denn der Genitiv Hin? runfl wird nur hier gewagt 36 und unterliegt dem ganzen Ernst der Warnung vor jeglicher »Gestalt« im Zusammenhang mit Jahwe 37 . | Der ohne Bedenken als Gottesrede eingeführte Spruch ist ein Exempel theologischer Doktrin. Durch das terminologisch und herkunftsmäßig komplexe Ganze geht ein die Einzelheiten niederwalzender Zug ad maiorem Mosis gloriam. Was von der jahwistischen Fassung der Bileamsprüche über Arnos und Jesaja bis hin zu Joel 3,1 in Israel offenbarungsterminologisch als das Höchste galt - hier wird es eingeebnet in den Plural, in die schöne Regelmäßigkeit. Die theologische Frage der Mittelbarkeit oder Unmittelbarkeit wird dabei rigoros zu Ungunsten der Propheten aller Schattierungen beantwortet. Es gibt nur eine personale Unmittelbarkeit zu Gott: die des Mose. Wie in Dt. 34,10 ist er also auch hier längst inkommensurabel. Er ist so über alles Maß hinausgewachsen, daß der Ehrentitel Prophet seine Größe nur an den unteren Rändern zu markieren vermag. Ebendarum heißt er nicht Prophet, sondern Jahweknecht! An höheres Alter dieser Theologie ist auch deshalb schwer zu denken, weil »die Propheten« in einem distinktionslosen Plural zitiert werden. Die in Num. 12,6-8 aufgewühlte Problematik kommt erst in der Priesterschaft ganz zur Ruhe: Mose geht allein in die Wolke hinein (Ex. 24,18 a); da ist kein Prophet in seiner Begleitung - und dort auch nicht mehr denkbar. Von einer bestimmten Stufe dieser Entwicklung ab konnte Mose nicht mehr mit Attributen, sondern nur noch mit Vergleichsaussagen theologisch >erfaßt< werden. In Dt. 34,10, aber auch schon in Num. 12,6-8 ist er sozusagen >allesnichts< mehr ist. Darum wird selbst der Titel Prophet unbestimmt, wo er in den Sog dieser Mosetheologie gerissen wird. Neben - und weithin: vor - diesen theologischen Zeugnissen, in denen die >prophetische< Deutung Moses nachgerade unspezifisch geworden ist, finden sich aber nun recht verschiedene Linien, Interessen und Attribute einer vergleichweise engeren und darum stärker spezifischen >prophetischen< Mosedeutung. Im (folgenden) Abschreiten auch dieses Weges läßt sich die Erfahrung machen, daß alle seine Stationen wiederum auf ein überlieferungsmäßig Vorgegebenes verweisen; der Weg zurück zum Urgestein, also zum >historischen< Mose, wäre bei weitem länger.
III. Im Zentrum der dtn. Predigt gibt es einen Abschnitt, der Dt. 34,10 energisch zu widersprechen scheint und zugleich die Redeform der Vergleichsaussage im Blick auf Mose vor-exerziert: Dt. 18,9-22. Die Ausgangsfrage der 35 Allein der schroffe Gegensatz zu dieser Stelle, die gemeinhin für E reklamiert wird, verbietet es, in Num. 12,6-8 E zu suchen. 36 LXX begnügt sich mit ööc;« Kupiou! 37 Vgl. Dt. 5,8; 4,16. 23. 25 neben 4,12. 15.
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Mose als Prophet
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Komposition lautet: »Auf wen hört Israel?« (vgl. V. 14 a. 19). Die Antwort gibt der Prediger, indem er das ihm vorliegende 38 nayifl-Gesetz (in V. 1012 a), also das Verbot mantischer | Praktiken, zum Anlaß nimmt für die Explikation >MosesMose< im Sinne dieser Tradenten - erfüllt werden. Das Stichwort Prophet gehört im Grunde nicht in den so eröffneten Erwartungshorizont. Wenn es dennoch sogleich fällt, geschieht das nicht etwa um der Person Moses willen, sondern, unbekümmert um die Fiktion der Moserede, um der Ausgangsfrage willen: Auf wen soll Israel jetzt hören, wo doch, wie jedermann weiß, Mose der Vergangenheit angehört? Weil die gegenwärtige Orientierungsunsicherheit groß (V. 19f.) und zudem durch das Gegeneinander von Propheten verschiedenster Provenienz gekennzeichnet ist (V. 21 f.), konzentriert sich die Antwort des Predigers auf das für ihn kanonische Kriterium: Mose. Die kleine Predigt reflektiert also genau genommen die Bedeutung >Moses< post mortem Mosis. Darum läßt sie ihn seine eigene Nachfolge regeln: »Einen Propheten wie mich wird Jahwe ... dir erstehen lassen« (V. 15 a); und allen, die es vielleicht noch immer nicht einsehen wollten, sagt ein Späterer: »Auf ihn sollt ihr hören« (V. 15b). Gemeint ist natürlich nicht ein Bestimmter, sondern je und je einer, denn Israel soll ja nicht nur jetzt, sondern auch morgen und übermorgen die reine Lehre genießen. Auf die organisierte Kontinuität eines »mosaischen Prophetenist term. techn. für amtes« 39 muß man nicht gleich schließen, denn Hin1 das ubi et quando necesse est - nämlich nach Jahwes Ermessen. Gegen eine feste Amtsvorstellung spricht auch, daß der so »in Stand Gesetzte« nicht aus einer prädisponierten Gruppe, sondern »aus der Mitte ihrer Brüder« (V. 18 a) kommt. Dt. 18 will das Charisma nicht beamtenrechtlich regeln, sondern an einen inneren Kanon binden. Daß hier freilich nicht mit Verheißung umgegangen, sondern mit theologischer Leidenschaft und >kirchenrechtlichem< Zugzwang argumentiert wird, verrät die Leichtigkeit, mit der Jahwes >Zusage< einmal in der Moserede und dann erst und wieder in der Jahwerede erscheint (V. 15. 18). Prophet wird Mose in dieser Vergleichsaussage überhaupt nur genannt, damit die gegenwärtigen rechten >Propheten< unter seinen Fittichen Platz bekommen. Mose ist Maßstab, und das Mosaische geht nicht aus 40 . |
38
Vgl.
Deuteronomium, 1900, 69f. und neuerdings wieder R.P. Das deuteronomische Gesetz ( B B B 31), 1969, 192ff. 2 39 H . - J . KRAUS, Gottesdienst in Israel, 1962, 128-130. 40 D a ß aber hier, wie B . D U H M (Israels Propheten, 1 9 1 6 , 3 9 5 ) meinte, der Kampf der Thora-Anhänger gegen die freie Prophetie einen Niederschlag gefunden habe, ist schon deshalb unwahrscheinlich, weil jene viel zu fest auf den Schultern dieser standen, wie C . STEUERNAGEL,
MERENDINO,
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Mose als Prophet
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Eine Frage bleibt es dennoch, warum dieser jeweilige Mose redivivus eigentlich ITDJ genannt werden muß. Eine Antwort ist schwierig und kann sich nur auf einige Beobachtungen der Überlieferung stützen. Auf der einen Seite ragen in Dt. 18 Elemente der Beauftragung in Prophetenmanier herein, was ein Vergleich der eigentlichen Wortübermittlung (V. 18 b) mit Entsprechungen im zeitgenössischen Berufungsbericht des Jeremia (1,9b. 7b) leicht erkennen läßt. Obgleich im Zusammenhang von Dt. 18 (ebenso wie sonst im Dt.) die Schriftprophetie des 8. und 7. Jh.s gleichsam nichtexistent ist, kann dem Verfasser der Predigt diese Sukzession ja nicht fremd gewesen sein. Wenn nun selbst an dieser Stelle auch der leiseste Hinweis auf die >klassischen< Propheten fehlt, dann muß der Prediger eine andere Vorstellung von der Prophetie oder eine andere Front gehabt haben. Eigene Sprüche hat der von ihm in Aussicht gestellte »Prophet wie Mose« offenbar nicht zu machen. Der Inhalt seiner Botschaft steht also wohl in dem Buch, das auch der Prediger hier kommentiert. Dt. 18 bietet demnach ein sehr eigenständiges Prophetenideal, das das dtr. Prophetenbild vorbereiten und verstehen hilft. Denn bei Dtr. sind dann in der (immer pluralischen) Wendung »Jahwes Knechte, die Propheten« Exegeten der Thora und Prediger der Umkehr. Bei ihnen ist das >Prophetische< in sensu stricto aus der Konvergenz mit dem >Mosaischen< ganz herausgetreten. Diese Stunde hat hier aber noch nicht geschlagen. In Dt. 18 ist der »Prophet wie ich« doch noch mehr Nachfolger als Exeget Moses. Das ist einer der Aspekte des Widerspruchs zwischen Dt. 18,15. 18 und Dt. 34,10. Der Prophet von Dt. 18 ist darin ganz Gottes Mund, daß er den falschen Propheten entgegenzutreten hat; er ist aber doch schon Lehrer, sofern er an (den schriftlich fixierten) >Mose< gebunden bleibt. So überschneiden sich hier im Prophetentitel recht verschiedene Interessen. Dieser je und je erhoffte Prophet wird nun - und das ist die andere Seite; wie sollte sie im Dt. fehlen? - auch in den Schatten des Horeb versetzt: »Ganz wie du es am Horeb von Jahwe ... erbeten hast« (V. 16a). Was hatte denn Israel am Horeb erbeten? »Ich kann die Stimme Jahwes ... nicht mehr hören und dieses große Feuer nicht länger sehen, damit ich nicht sterbe« (V. 16 b). Damit hatte Israel um Befreiung von der Unmittelbarkeit vor Jahwe gebeten. Die dtn. Literatur wird nicht müde, diese Unmittelbarkeit allein und ganz dem Mose zuzumuten und vorzubehalten; und dies genau ist der Punkt, an dem die Predigt von Dt. 18 dem >MoseMittler< Mose muß von Num. 12,6-8 und Dt. 18,922 her in einer bestimmten Weise verbreitert werden. Daß Mose in verschiedenen Kreisen und Schichten der Überlieferung auch »als gewaltiger Meister der Fürbitte«41 erscheint, ist der Forschung seit langem geläufig42; J. JEREMIAS43 hat es neuerdings noch einmal bekräftigt, darüberhinaus aber energisch in den Zusammenhang der Geschichte der israelitischen Prophetie gerückt. Sowenig Zweifel auch am Bild des interzessorischen Mose einerseits und andererseits an der prophetischen Doppelfunktion, »Mund Jahwes« wie zugleich »Fürsprecher Israels« zu sein44, erlaubt sind, so zurückhaltend ist doch die Überlieferung selbst in der ausdrücklichen Zusammenbindung dieser Phänomene mit dem Prophetentitel, wenn es um Mose geht. Daß sie »Abraham, Mose und Samuel als die idealen Propheten beschreibt«45, kann (zumindest) für Mose eben nur auf dem Wege des - freilich naheliegenden Analogieschlusses einsichtig gemacht werden. Zwar wird Mose - wenngleich nicht »häufig«! - »als Prophet gesehen«46, aber an den von Jeremias dafür namhaft gemachten Stellen (Num. 11,16ff.; Dt. 31,1; 34,10; Jos. 14,6; Hos. 12,14) ist er bekanntermaßen gerade nicht als der fürbittende vorgestellt und wird auch nur teilweise mit dem Prophetentitel (in welchem Sinne immer) zusammengebracht. Also: nicht an der Überlieferung vom Fürbitter Mose wird Zweifel angemeldet; daß sie in der späten Königszeit sogar ausgesprochen populär war, wird (von vielen Belegen bei Jeremias abgesehen) allein durch Jer. 15,1 zureichend bewiesen: »Selbst wenn Mose und Samuel (fürbittend) vor mir stünden - ich fühle nichts für dieses Volk.« Das Problem besteht (im Rahmen der hier aufgeworfenen Fragen) vielmehr darin, daß der fürbittende Mose als >Prophet< verstanden werden kann, ohne Prophet genannt zu werden, und daß er andernorts Prophet genannt werden kann, ohne fürbittend tätig zu sein. Daraus folgt zwingend, daß in allen drei >Elementen< ein Überschuß | ist: Nicht alles Prophetische ist interzessorisch, nicht jede Fürbitte ist prophetisch, und vor allem tangiert das >Mosaische< beide Bereiche, ohne doch in ihnen aufzugehen. Nun interessiert hier von diesem weiten Horizont nur ein schmaler Streifen, also nicht der interzessorische Mose überhaupt, auf den die F . GIESEBRECHT, Das Buch Jeremia, 1 8 9 4 , 8 7 . Verwiesen sei nur auf die umfassende Untersuchung von F. HESSE, Die Fürbitte im AT, Diss. Erlangen 1949. 43 Kultprophetie und Gerichtsverkündigung in der späten Königszeit Israels (WMANT 35), 1970, 142f.; ders., Die Vollmacht des Propheten im AT, EvTh 31, 1971, 305-322 (307-310). 44 JEREMIAS, Vollmacht, 309. 45 JEREMIAS, Kultprophetie, 143. 46 Ebd. 143, A.2. 41
42
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überlieferungsgeschichtliche Rückfrage am Ende noch stoßen wird, sondern genau jener eigentliche Mangel an Ausdrücklichkeit der Verbindung Moses mit den fürbittenden Propheten. Wie man nämlich auch bei Samuel die verschiedenen Schichten und Terminologien erst kombinieren muß (etwa 1. Sam. 7,5. 8 mit 1. Sam. 3,20), um das Bild eines fürbittenden Propheten vor die Augen zu bekommen, so bedarf es allemal bei Mose der Analogieschlüsse und Kombinationen, wenn man den Fürbitter als Propheten bestimmen will. Schon in nach Herkunft und Absicht ganz verschiedenen älteren Überlieferungen wie Ex. 17,8ff. oder Ex. 18,13ff. bewegt sich Mose in einem eigenartigen und schließlich einzigartigen >Dazwischenden< Propheten zusammengebracht wird (Num. 12,6-8), stehen die Unterschiede der Offenbarungsweisen auf dem Spiel - nicht die Fürbitte; und dort wird Mose als »Jahweknecht« auch terminologisch abgehoben. Daß immer wieder auch Propheten für das Volk vor Jahwe traten, macht Mose nicht ipso facto zu einem der ihren, wie andererseits die >Propheten< von Dt. 18 nicht an den Horeb, sondern in dessen durch Mose gewährten Schatten geraten. Als der (in allen Schichten) einzigartige Mittler zwischen Gott und Volk sprengt Mose die Maße der Prophetie, wo immer sie an ihn gelegt werden. Der fürbittende | Mose ist nicht mehr und nicht weniger Prophet, als der dtn. Mose Thoralehrer ist. In Wahrheit ist Mose beides nicht; die spezifizierenden Deutungen werden seiner noch weniger habhaft als die plerophorischen.
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IV. In den eben explizierten Fällen kontextlicher oder terminologischer Konvergenz Moses mit der Prophetie erwies sich am Ende gerade eine tiefreichende Divergenz beider Größen als das treibende Prinzip der Gestaltung, d.h. die Berührung mit Mose ist Berührung mit der Legitimationsinstanz schlechthin. Ein anderes sehr spezifisches Zeugnis dieses Bestrebens bietet Num. 11. In die Wüstenerzählung von dem erst meuternden und dann wunderhaft gespeisten Volk ist der Bericht von einer merkwürdigen Geistbegabung eingeschoben (V. 14-17. 24b-30) 47 . Das geschah rein literarisch, ohne Rücksicht auf und darum auch ohne nennenswerten Schaden für jene ältere Erzählung. Anknüpfungspunkt und Überleitung ist Moses Ausbruch vor Jahwe: »War ich es denn, der mit diesem ganzen Volk schwanger gewesen ist ..., daß du zu mir sagst: Nimm es auf deinen Schoß ...? ... Ich kann dieses ganze Volk nicht allein tragen, denn es ist mir zu schwer« (V. 12. 14). Das ist das Stichwort für den Auftritt der Ältesten; aber ihre Hilfe beim »Tragen« ist durchaus fragwürdiger Natur. Mose führt die auf Jahwes Befehl ausgewählten 70 Männer, die ihn entlasten sollen48, vor das Begegnungszelt49, und sogleich fährt Jahwe herab. Nun geschieht etwas Seltsames: Jahwe nimmt von der n n , die auf Mose ruhte (nu), etwas »beiseite« und überträgt es auf die Ältesten. So bekommen sie nicht Jahwes, sondern Moses Geist, wenn man die Sache genau nimmt. Aber das Stück hat eine andere Pointe. Während man die >Begeisterung< von tüchtigen Männern erwartet, die Mose helfen, im Volk Recht und Ordnung zu sichern, wird ihm ein Bärendienst erwiesen: Kaum hat sich der Geist auf jenen niedergelassen (nu), geraten sie schon in Ekstase. Und wollte man getrost N32 hitp. mit »weissagen« o. ä. übersetzen, so wäre dennoch auch damit dem Mose nicht geholfen | und dem Volke nicht gedient. Aber das ist ja - im Sinne von Ex. 18 - auch gar nicht beabsichtigt, denn als zwei im Lager Zurückgebliebene sich gleichfalls ekstatisch gebärden, bescheidet Mose den darüber erregten und verwirrten Josua: »Bist du etwa um meinetwillen eifersüchtig? Ach, bestünde doch lieber das ganze Volk Jahwes aus Propheten (D,S,3?)«, also aus solchen Leuten wie die nunmehr 72!
47
Zur Aussonderung vgl. zuletzt V . F R I T Z , Israel in der Wüste, 1970, 16f. Das Entlastungsmotiv stammt aus Ex. 18, die Zahl am ehesten aus Ex. 24,9, wo die entsprechende Ältestenauswahl an der Gottesschau teilhat. 49 Daß es sich hier nicht um die priesterschriftliche Zelttheologie, sondern um die weit ältere Tradition eines Offenbarungszeltes handelt, liegt auf der Hand und ist von M. G Ö R G (Das Zelt der Begegnung, BBB 27, 1967) noch einmal bestätigt worden. Ob man generell von einem »Zeltheiligtum der elohistischen Tradition« (ebd. 138ff.) reden darf, ist zweifelhaft. Görg vermutet dementsprechend auch »wegen der >prophetischen< Tendenz« (143) in Num. ll,24ff. eine elohistische Spur, insistiert aber zum Glück nicht auf dieser vagen Begründung. Die Herkunft dieses Offenbarungszeltes mag im Rahmen der vorliegenden Untersuchung »im Dunklen« bleiben, wo sie M. N O T H (ATD 7, 79) ortete. Im Blick auf Mose und die äußeren Umstände der Szene muß natürlich auch die (literarhistorisch ebenso schwer bestimmbare) Überlieferung von Ex. 3 3 , 7 - 1 1 bedacht werden, in der das Zelt den eigentlichen Gegenstand darstellt. 48
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Das ist keine >gewordenebesitzt< gleichsam den Geist, und der verhilft nicht zur Ekstase, sondern zur Weisheit. Der Einschub in Num. 11 ist also weder jahwistisch (das verwehrt der einbettende jahwistische Kontext) noch elohistisch (das verwehrt Ex. 18)52 noch auch dtr. oder vergleichbar spät. Letzteres verwehrt die dtr. Nacherzählung des Motivs von der Entlastung Moses (Dt. 1,9-18). Dort wird Ex. 18 rekapituliert, Num. 11 dagegen klingt nicht einmal an. Aber das ist auch kaum zu erwarten, denn Dtr. erträgt wohl Saul unter den Ekstatikern, nicht aber Mose. Demgegenüber besagen die zitierten Berührungen mit den Prophetengeschichten des 10. und 9. Jh.s über die Herkunft von Num. ll,24ff. genug. D a ß das Stück auch »eine Art Ätiologie (dieser) frühen Prophetie« darstellt 53 , ist also | eine naheliegende Deutung. Sie würde zweierlei voraussetzen: eine bereits so hohe Geltung Moses, daß sich eine derartige Geistanleihe lohnt, und die Existenz von entsprechenden Kreisen, die nicht unangefochten wirkten und darum solcher Anleihe bei Mose bedurften. Das verweist zugleich auf eine Spannung zwischen Amt und Geist in der frühen Königszeit, denn ohne zureichenden Anhalt in der Realität wäre der Stoff von der Bestallung der Ältesten nicht auf diese >prophetische< Pointe zugetrieben worden. Das Wehen des Geistes war also wünschenswert; nur eben Moses Geist mußte es sein.
50
Von einem »Produkt der Reflexion« spricht auch M. NOTH, ÜP 143. Vgl. die Beweisführung bei H.W. WOLFF, Zur Thematik der elohistischen Fragmente im Pentateuch, EvTh 29, 1969, 59-72, und darin (67) die These: »Das hervorragende Thema des Elohisten ist die Gottesfurcht.« 51
52 53
So auch V. FRITZ, aaO. 17. G . v . RAD, T h e o l A T I, 2 1958, 289.
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Aus alledem ergibt sich das hier entscheidende Fazit: Mose wurde in jener Zeit von diesen Kreisen mit Sicherheit nicht als der Prophet par excellence gesehen. Denn nicht einer der ihren konnte den D'N'aj diesen Dienst tun, sondern nur einer, der schon in ganz anderen Räumen der Überlieferung und über alle Standesgrenzen hinaus! - gewachsen war. Ein feiner Zug in der Geschichte verrät es: Alle geraten in Ekstase, Mose nicht. Ebendarum muß es diese Propheten gelüsten, Geist von seinem Geist zu empfangen. Das Stück ist wahrscheinlich die älteste jener Sonderüberlieferungen, in denen Mose und die Propheten expressis verbis konvergieren; und schon sie zeigt Gruppen in Israel, die um Moses Segen werben. So ist Mose auch hier nicht >als< Prophet gedacht: weder als »Fürsprecher Israels« noch als »Mund Jahwes«54; er war längst mehr, als die Begriffe eingrenzen. Auch die Propheten in Num. 11 nahmen von seiner Fülle nur einen Teil. V. In Hos. 12,14 steht der mit allem bisher Beobachteten in gar keinen Einklang zu bringende Satz: »Durch einen Propheten führte Jahwe Israel herauf aus Ägypten, und durch einen Propheten wurde es gehütet.« Wenn der Satz auf Mose zielt - und Zweifel daran sind nicht gut möglich - , dann liegt hier, in einem genau datierbaren Prophetentext, die strikteste Aussage über Mose als einen Propheten vor. Aber was ist hier eigentlich Propheten-Handwerk? Die Aussage ist singulär, sowohl im Kontext der israelitischen Prophetie als auch im Blick auf Mose. Ihre angemessene Deutung ist nicht möglich ohne knappe Hinführung zum hoseanischen Kontext, der sie birgt. Wie jeder Jahweprophet war Hosea mehr im Einverständnis mit seinem Gott als mit seinem Volk. Diese Diskrepanz ist der Anlaß seines Wirkens, dessen Medium das (Jahwe-)Wort. Damit stand er in einer schon angebahnten Kontinuität (vgl. 12,11), die offensichtlich nicht nur ihm selbst bewußt war: »Ein Narr 55 ist der Prophet, verrückt der Mann des Geistes« (9,7 ba). Hosea zitiert - wenn nicht ein Sprichwort, so doch die sprichwörtliche Meinung der Leute. Und dabei ist wohl nicht nur an »alle Verrückten und Ekstatiker« (Jer. 29,26) gedacht, | sondern auch an die Anfänger in der Ansage der Krisis. Der >Torheit< der Propheten entspricht nämlich die Schuld Israels (Hos. 9,7 bß). Die Tage der Heimsuchung stehen bevor; da können Propheten nur Verrückte heißen. Mit ihnen macht Hosea Gemeinschaft und gerät so in die wenig beneidenswerte Lage zwischen vox populi und vox Dei. Ein Gotteswort in seinem Munde zeigt überdeutlich sein Wissen sowohl um die prophetische Kontinuität als auch um die Bestimmung der Jahwepropheten zum Wort: »Ich behaue durch die Propheten, ich erschlage sie durch Worte meines Mundes« (6,5). An dem Spruch wurde viel
J. JEREMIAS, Vollmacht, 309. V'IS wird wohl einmal dieses Volk genannt (Jer. 4,22), niemals sonst aber der Jahweprophet. 54
55
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herumgebastelt 56 - höchst überflüssig. Jahweworte sind tödliche Waffen, Jahwepropheten sind Träger dieser Waffen; dies und nichts anderes meint Hosea hier, und Gestalten wie Elia mögen ihm vor Augen gestanden haben. So dachte er über >die< Propheten; hat er so auch über M o s e gedacht? D i e explizierte Vorstellung von den Propheten als Empfängern und Sprechern einer Botschaft findet zwar im weiteren Kontext von Hos. 12,14 noch einmal ihre Erwähnung, nämlich in dem herkunftsmäßig umstrittenen Vers 12,11; aber V. 14 selbst hängt in engerer Verbindung nur mit V. 13 zusammen 5 7 , nämlich in der überbietenden oder gar antithetischen 58 Parallele: Jakob diente um eine Frau, und für eine Frau hütete er - also doch wohl Vieh. Ein Prophet aber hütete Israel 59 . D a s Gegenüber Jakob - Prophet oder Jakob - Mose ist sin-|gulär und bleibt schwer deutbar. Mit Sicherheit jedenfalls kann man das (prophetische) Wort als tertium comparationis oder Antrieb der beiden Verse ausschließen. So klingt hier eine Prophetenvorstellung an, die von der explizierten hoseanischen strikt zu unterscheiden ist. Daraus darf man schließen, daß sie auch dem Hosea vor-lag, nämlich im zeitlichen Sinne. In Hos. 12,13f. argumentiert der Prophet also mit Überlieferungsgut sehr spezifischer Art, denn es handelt sich ja nicht einfach um den in alten wie jungen Quellen als Gottestat bezeugten Exodus überhaupt. D a ß Jahwe es war, der Israel aus Ägypten heraufführte, bezeugt Hosea selbst in 11,1 mit der Wendung: »Als Israel jung war, gewann ich ihn lieb; aus Ägypten rief ich meinen Sohn.« In 12,14 aber wird ein mit dem Prophetentitel ausgezeichneter Mensch zum Subjekt dieses grundlegenden Vorgangs. (Das Zwölfprophetenbuch, KAT XII, 2 31929, z.St.) übersetzt: »Darum hab ich dreingehauen unter die Propheten, hab sie getötet mit den Worten meines Mundes.« Aber das entspricht weniger dem Prophetenbild Hoseas als dem Sellins, der alle Propheten - bei Mose angefangen - zu Märtyrern macht. Natürlich könnte man an wohl vor-dtr. Stellen wie Jer. 2,30 oder (altersmäßig schwer bestimmbar) 1. Kön. 19,14 denken (vgl. auch O. H. STECK, Israel und das gewaltsame Geschick der Propheten, W M A N T 23, 1967, 201 u.ö.); aber Hos. 6,5 beklagt nicht die Prophetenverfolgung, sondern deren Ursache! Zuletzt hat auch W. RUDOLPH (Hosea, KAT XIII 1, 1966, z. St.) den Vers auf Mose gedeutet und - verdorben. Im Gegensatz zu Sellin gelangt er nur durch erhebliche Konjekturen zu einer auf die Sinaigesetzgebung zielenden Übersetzung: »Dabei habe ich's in Stein gehauen durch (den) Propheten, (vom Berg her sie unterwiesen) durch die Worte meines Mundes.« Was Hosea von dem >Propheten< Mose hielt, entnimmt man doch wohl besser 12,14. Demgegenüber erklärt sich 6,5 aus seinem eigenen synonymen Parallelismus, und zwar ohne Mühe und Gewalttat. 3Xn entspricht J1H: Jahwe behaut und erschlägt. Es ist die Arbeit des Steinmetzen und des Kriegers. An Stelle der gewöhnlichen Näherbestimmung von i m durch 3"i n? (z. B. Jos. 10,11) steht hier 'Ti.BKa: Jahwe erschlägt durch Worte. Der erste Stichos ist analog zu übersetzen: Jahwe behaut nicht die Propheten, sondern durch Propheten. Luther hat das ganz richtig erfaßt: »Darum behobele ich sie durch die Propheten.« Das Objekt zu 3Xn fehlt, aber es wird durch das Suffix bei n n ersetzt und gesichert. 57 Beide Verse wurden dem Hosea freilich oft abgesprochen - mit kaum zureichenden Gründen (vgl. nur K. MARTI, Das Dodekapropheton, 1904, 98). 56
E . SELLIN
58
S o H . W . WOLFF, D o d e k a p r o p h e t o n
59
1, B K X I V / 1 ,
2
1965, 280.
mtP ni. hat nur hier den Sinn »gehütet« oder »behütet« werden und wird nur hier für die Bewahrung Israels gebraucht.
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Mose als
Prophet
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Natürlich versteht sich diese Formulierung im Munde eines Propheten leichter als von der Hand späterer Kommentatoren, deren Interesse an einer solchen Zuspitzung man (auch) erst erfinden müßte. Und doch genügt auch für Hosea selbst das an sich verständliche Interesse, Mose unter seinen (prophetischen) Ahnen zu sehen, kaum für die Ansicht, er habe das AuszugsCredo ad hoc auf diese Formel gebracht. Zwar könnte man als hoseanischen Gedankengang vermuten: Israel bedurfte immer der Führung und Bewahrung, eben des Hütedienstes; ihn tun jetzt >die< Propheten, prototypisch oder idealtypisch tat ihn Mose. So wäre Mose im 8. Jh. den Propheten durch einen Propheten nahegebracht worden. Dennoch ist von dieser Deutung abzuraten. Einerseits stellt Hosea in 12,14 eine solche >prophetische< Tendenz gar nicht in den Vordergrund, andererseits steht der Vers nicht in Harmonie zu dem an 6,5 aufgewiesenen Prophetenverständnis Hoseas. Darum bleibt weiter zu vermuten, daß dem Propheten hier zwar nicht eine zitable Sentenz, wohl aber eine spezifische Deutung Moses überliefert war. Das aber führt - wie alle anderen hier herausgestellten Kombinationen Moses mit den Propheten zurück in ältere Zeit. VI. Am Ende erhebt die von H. EWALD perhorreszierte »Verzweiflung« auch nach 100 Jahren wieder ihr gräßliches Haupt: Keiner der observierten Belege für eine ausdrückliche Zusammenbindung Moses mit der Prophetie führte über eine wissentliche und willentliche theologische Deutung Moses in der mittleren Königszeit zurück, keines der von dieser Mosetheologie bemühten Attribute führte zu einer auch nur annähernd einheitlichen und schärfer profilierten Vorstellung Moses als eines Propheten. Und die insgesamt schmale und undeutliche Spur dieser Deutungen verwies auf nichts anderes zurück als auf ältere - Deutungen. Thoralehrer, Fürbitter oder Volksführer und über alledem >ProphetAnwendungen< war Mose schon die vorausliegende, komplexe und eigentlich ganz unnahbare Legitimationsinstanz. In dem Maße, in dem er so in die vielgestaltig motivierte | Nähe zur israelitischen Prophetie gerückt wurde, >war< er selber gerade nicht Prophet im Sinne eines Unterscheidungskriteriums. So bleibt die Frage offen, welche Züge der den untersuchten Belegen vorausgehenden Überlieferung diese prophetische Deutung erlaubten oder gar nahelegten. Die Antwort kann hier nur noch eine Richtung andeuten und darum in einer These zusammengedrängt werden: Das Thema »Mose als Prophet« ist in der ganzen Vielgestaltigkeit seiner Formen und Motive in der mittleren und späten Königszeit eine theologische Auslegung und Anwendung der schon von J kombinierten >heilsgeschichtlichen< Hauptfunktionen des >prophetischen< Offenbarungsempfängers, Mittlers und Volksführers Mose. Am Fürbitter und Wundertäter Mose in der Exodustradition ebenso wie am Mittler Mose in der Sinaitradition ließe sich dieser Zusammenhang >prophetischer< Aspekte breit entfalten. Von zureichender Entschlüsselungskraft sind aber allein schon die prophetischen Züge in der jahwistischen und elohistischen Deutung der Be-
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Mose als Prophet
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rufung Moses, und so mag von der Komprimierung der wesentlichen Elemente in Ex. 3 hier schließlich das Notwendige abgelesen werden. Man kann den Faden da wieder aufnehmen, wo er liegenblieb: Hos. 12,14 berührt sich aufs engste mit Ex. 3,10: »Ich sende dich ... und du sollst mein Volk ... herausführen!« Der Elohist bietet die Elemente der Berufung, Sendung (mit der Wurzel rfw in V. 10. 12. 13. 14. 15; in Ex. 3 J kommt sie hingegen nicht vor) und Beauftragung Moses, Hosea verleiht dem dergestalt Inaugurierten den Prophetentitel. In beiden Belegen wird Mose nicht zur Wortverkündigung, sondern zur Tat60 bestimmt; dennoch sind die Formelemente der Prophetenberufung oder gar der Titel möglich. Die elohistische Neuinterpretation wird nicht lange vor Hosea vorgenommen worden sein61. Die Berührung beweist, daß Hosea die Vorstellung Moses als eines Propheten nicht erfunden hat. Ebendies gilt aber nun für E nicht minder, denn Ex. 3 E ist nicht nur literarisch in Ex. 3 J eingeflochten, sondern auch in der Frage der prophetischen Deutung Moses nur eine Neuinterpretation62. | Obschon J Mose nirgends einen Propheten nennt63, erhält er doch gerade bei ihm die Beauftragung (auch) zum prophetischen Wort: »Gehe hin ... und sprich zu ihnen« (V. 16). Ganz ebenso geschieht es bei Samuel (2. Sam. 7,5: »Gehe hin und sprich zu meinem Knecht David«) und dann bei Jesaja (Jes. 6,9: »Gehe hin und sprich zu diesem Volk«). In dieser »Auftragsformel«64 ist der angezielte Zusammenhang einer prophetischen Dechiffrierung an sich verschiedener Vorgänge (zudem in verschiedenen Literaturwerken) mit beiden Händen zu greifen, und das bedeutet, daß schon »bei J Mose prophetische Züge annimmt«65. Da aber J die für eine Prophetenberufung kennzeichnen60 Die große Nähe gerade des E-Textes zu Ri. 6,14ff. (Sendung und Beauftragung zu >Rettungprophetischen< Berufungsschemas anklingen, zeigt deren Aufnahme in die Berufungsberichte der Schriftpropheten. D a ß hier obendrein ein sehr alter Zusammenhang mit dem Phänomen des Jahwekrieges sichtbar wird (bei Gideon, Saul und nicht minder auf dem Höhepunkt des Exodus nach Ex. 14), steht wieder auf einem anderen Blatt (vgl. G. v. RAD, Der heilige Krieg im alten Israel, 2 1952, 50-56). Was die prophetische Tat anbelangt, wird man auch an Elia und Elisa denken dürfen; und es ist möglich, daß die Überlieferung dem Hosea in diesen Gestalten den Aspekt der prophetischen Tat gleichfalls zutrug, so daß die entsprechende Deutung Moses ihm auch nach dieser Seite hin keine Schwierigkeiten bereitete. 61 Vgl. H. W. WOLFF, Z u r Thematik der elohistischen Fragmente, 72. 62 Die neueste und gründlichste Untersuchung aller dieser Zusammenhänge bietet W. RICHTER, Die sog. vorprophetischen Berufungsberichte ( F R L A N T 101), 1970. Was hier nur noch angedeutet ist, hat Richter thematisiert und begründet. 63 W. RICHTER (aaO. 132) reklamiert die »Überlieferung N u m . 1 1 - 1 2 , 8 « für J und will dort dessen »Wissen um die prophetische Art des Mose« dokumentiert sehen (vgl. ebd. 179). Diese Texte wurden oben anders gedeutet; zur Stützung der prophetischen Elemente in Ex. 3 J bedarf man ihrer nicht. 64 Ebd. 152-156 (153). 65 Ebd. 154; vgl. auch 158: »Es bestätigt sich, daß bei J Mose als eine Art Prophet gesehen wird, der vielleicht mit Samuel verglichen werden kann, aber deshalb nicht sogleich von den Schriftpropheten her gedeutet werden darf.«
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den Elemente in sehr bewußter Auswahl und Gestaltung benutzt, ein entsprechendes Schema also seinerseits schon vorfand (wie auch die literarisch unabhängigen alten Parallelen im Gebrauch dieses Schemas beweisen), verfolgt auch er die Absicht einer reflektierten theologischen Deutung Moses für seine Zeit. Dem >Propheten< Mose kommt man darum selbst mit der jahwistischen Deutung nur so nahe, daß die historische und theologische Neugier wachgehalten wird; aber es »scheint bereits vor J ein prophetisches Mosebild gegeben zu haben« 66 , das sich im Dunkel einer Zeit verliert, in der das entscheidende Handeln und Reden des für die Vermittlung zwischen Gott und Menschen Erwählten noch nicht in professioneller Aufsplitterung terminologisch faßbar war. Es ist beinahe zu vermuten, daß Mose am Anfang der alttestamentlichen Überlieferung ähnliche Züge trug wie an deren Ende in der Priesterschrift: Da verliert er gelegentlich das Menschenmaß, auf jeden Fall aber die >Faßlichkeit< in Titeln. Er allein geht mitten in die Wolke hinein (Ex. 24,18), sein Antlitz ist strahlend und furchterregend, während Jahwe mit ihm redet (Ex. 34,29). Es gibt den in seiner Direktheit bestürzenden Satz in Ex. 33,11, der gewiß nicht an den Anfang einer Entwicklung gehört und doch einfängt, was Mose als der eine Offenbarungsmittler und >Prophet< für Israel immer war: »Jahwe redete zu Mose von Angesicht zu Angesicht, so nämlich, wie ein Mensch zu seinem Mitmenschen redet.« In der israelitischen Religion der Distanz zwischen Gott und Mensch überschritt nur einer diese Grenze: Mose. Ein schmaler Strang der alttestamentlichen Überlieferung hat diese Unmittelbarkeit hier und da durch den Titel Prophet angedeutet. Aber auch dieser Titel wurde nie der Schlüssel, der die Türen zu Mose öffnet. Immer blieb seine Gestalt ebenso deutungsfähig wie deutungs-|bedürftig. Immer blieb er ein Fremder in den vertrauten Nomenklaturen. Man mag am Ende die Frage aus Mk. 8,28 assoziieren: »xiva |i£ Äeyouaiv oi avdpccmoi sivcu?« Unter den Antworten war auch jene: »einer der Propheten.« Und noch die beiden Männer auf der Straße nach Emmaus antworten dem Fremden: Von Jesus von Nazareth reden wir, der ein ctvfip 7tpoEs stimmt nicht mit d e m Weg JahwesJahwe sieht u n s nicht, Jahwe hat d a s L a n d verlassene« In dieser Hinsicht m u ß t e d a n n n a c h 587 v. Chr. n u r noch der kleine Schritt in die Grundsätzlichkeit gegangen werden, der Schritt zur generellen A n k l a g e Jahwes auf Schweigen, Vergeßlichkeit, Abwesenheit, U n w i r k s a m k e i t u n d d a r u m Unwirklichkeit. Eine verblüffende K o r r e s p o n d e n z m a r k i e r t übrigens diesen Wandel: Jahwe wird jetzt mit denselben Verben angeklagt, mit denen vorher P r o p h e t e n in seinem N a m e n Israel angeklagt hatten. So schleuderte H o s e a d e m Priester entgegen: » D u hast die Erkenntnis verworfen ..., d u hast die Weisung deines G o t t e s vergessen.« (4,6) U n d n a c h Jes 1,15 sagte Jahwe d a s Schreckenswort: »Wenn ihr eure H ä n d e ausbreitet, verhülle ich meine Augen vor euch; a u c h wenn ihr n o c h so viel betet, ich höre es nicht.« H a b e n wir den A u s d r u c k »Anklage G o t t e s « bisher als genitivus obiectivus verstanden (nämlich in d e m Sinne, d a ß G o t t der Angeklagte ist), so zeigt sich hier, d a ß er als genitivus subiectivus eine Vorgeschichte hatte (nämlich in d e m Sinne, d a ß G o t t der A n k l a g e n d e war). Wie k o n n t e in einer solchen Zeit n o c h - o d e r wieder - sinnvoll von G o t t geredet werden? Wir suchen eine A n t w o r t auf diese Frage im II. Teil: |
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EvTh 29, 1969, 399f.
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Anklage und Freispruch
Gottes
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II. Der Freispruch Gottes Es gab in jenen Jahrzehnten dennoch Kreise, die die Sache Jahwes nicht aus der aufgeheizten Stimmung des Tages entscheiden mochten. Für sie war die epochale »Färbung der Gefühle« nicht identisch mit der Wahrheit. Es trieb sie, tiefer zurückzufragen und die gegenwärtigen Erfahrungen an vergangenen zu messen. So unterzogen sie sich der ungeheuren Anstrengung, die gesamte überlieferte Geschichte Israels mit diesem totgesagten Gott noch einmal nachzubuchstabieren: nicht freihin und mit bloß antiquarischem Interesse, sondern in dieser Atmosphäre der Anklage Gottes, die der Stachel ihres Tuns war. Die theologische Leitfrage war diesen Männern, den sogenannten Deuteronomisten, also vorgegeben: Wie konnte geschehen, was geschah, wenn Jahwe Israels Gott war und - ist? Unter dem Druck dieser Frage entstand ihr Werk. Wer nicht sieht, daß seinen Verfassern die Mentalität von theologischen Untersuchungsrichtern aufgenötigt war, wird es schwer verstehen. Das Resultat ihrer Geschichtsanalyse ist bekannt, weil es nicht angedeutet, sondern eingehämmert wird. Es kommt zum völligen Freispruch Jahwes: An ihm hat es nicht gelegen! Wir wissen nicht, wieviele Gemüter diese geschichtstheologische Theodizee wirklich beruhigt hat. Immerhin gelang ja die Entschuldigung Jahwes nur um den Preis der Beschuldigung der ohnehin Niedergeschlagenen. Welche Kriterien erlaubten diesen Austausch der Angeklagten? Aufschlußreich ist auch hier wieder die Anknüpfung an die zeitgenössische Warumfrage. Am Ende von Dtn 29 versteckt sich diese Frage der Betroffenen hinter der stilisierten Zuschauerfrage: »Alle Völker werden fragen: >Warum hat Jahwe diesem Lande das angetan? Woher dieser große glühende Zorn