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German Pages 535 [536] Year 2005
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Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Band 64
Der Sozialstaat in Deutschland und Europa Christoph Enders, Ewald Wiederin
Sozialstaatlichkeit im Spannungsfeld von Eigenverantwortung und Fürsorge Rainer Pitschas, Helge Sodan
Die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme Peter J. Tettinger, Jens-Peter Schneider
Verwaltungsrechtliche Instrumente des Sozialstaates Matthias Jestaedt, Gabriele Britz
Diskriminierungsschutz und Privatautonomie Berichte und Diskussionen auf der Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer in Jena vom 6. bis 9. Oktober 2004
De Gruyter Recht · Berlin
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Redaktion: Prof. Dr. Peter M. Huber (München)
Ü Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.
ISBN 3-89949-219-6
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
© Copyright 2005 by De Gruyter Rechtswissenschaften Verlags-GmbH, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Diskettenkonvertierung: Dörlemann Satz, Lemförde Druck: Hubert & Co., Göttingen Einbandgestaltung: Christopher Schneider, Berlin
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Inhalt Jahrestagung 2004
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Erster Beratungsgegenstand Sozialstaatlichkeit im Spannungsfeld von Eigenverantwortung und Fürsorge 1. Bericht von Professor Dr. Christoph Enders Leitsätze des Berichterstatters . . . . . . . . 2. Bericht von Professor Dr. Ewald Wiederin . Leitsätze des Berichterstatters . . . . . . . . 3. Aussprache und Schlussworte . . . . . . . .
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1. Bericht von Professor Dr. Peter J. Tettinger . . Leitsätze des Berichterstatters . . . . . . . . . . 2. Bericht von Professor Dr. Jens-Peter Schneider Leitsätze des Berichterstatters . . . . . . . . . . 3. Aussprache und Schlussworte . . . . . . . . . .
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Zweiter Beratungsgegenstand Die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme 1. Bericht von Professor Dr. Rainer Pitschas Leitsätze des Berichterstatters . . . . . . . 2. Bericht von Professor Dr. Helge Sodan . . Leitsätze des Berichterstatters . . . . . . . 3. Aussprache und Schlussworte . . . . . . .
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Dritter Beratungsgegenstand Verwaltungsrechtliche Instrumente des Sozialstaates
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Inhalt
Vierter Beratungsgegenstand Diskriminierungsschutz und Privatautonomie 1. Bericht von Professor Dr. Matthias Jestaedt Leitsätze des Berichterstatters . . . . . . . . 2. Bericht von Professorin Dr. Gabriele Britz Leitsätze der Berichterstatterin . . . . . . . 3. Aussprache und Schlussworte . . . . . . .
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Verzeichnis der Redner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 Verzeichnis der Mitglieder der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 Satzung der Vereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533
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Jahrestagung 2004 Die Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer tagte im Jahre 2004 vom 6. bis zum 9. Oktober in der alten Universitätsstadt Jena und damit zum fünften Male nach der deutschen Wiedervereinigung in den „neuen“ Bundesländern. Sie kehrte damit an den Ort zurück, an dem vor 80 Jahren, nämlich im April 1924, die erste formelle Tagung der zwei Jahre zuvor in Berlin gegründeten Vereinigung mit mehreren Referaten zu verschiedenen Gegenständen, allgemeiner Aussprache und anschließender Dokumentation in einem Tagungsband stattgefunden hatte. Hieran erinnerte auch der Dekan der Juristischen Fakultät, Prof. Dr. Hartmut Oetker, bei seiner Begrüßungsansprache am Donnerstagvormittag. Tagungsort war im Jahre 2004 die Aula des Universitätshauptgebäudes am Fürstengraben, die durch das von Ferdinand Hodler zu Beginn des 20. Jahrhunderts geschaffene monumentale Wandbild („Auszug deutscher Studenten in den Freiheitskrieg von 1813“) in besonders eindrucksvoller Weise geschmückt und geprägt wird. An der Tagung nahmen mehr als 300 Mitglieder teil, des weiteren mehr als 150 Begleitpersonen und Gäste, unter ihnen auch zahlreiche ausländische Kollegen. Bei der Mitgliederversammlung am Mittwochnachmittag gedachte die Vereinigung ihrer seit der letzten Tagung verstorbenen Mitglieder Christoph Trzaskalik, Hans Marti und Albert Bleckmann, denen sie stets ein ehrendes Andenken bewahren wird. Der Vorsitzende konnte mehr als 40 neue Mitglieder begrüßen, die sich der Versammlung kurz vorstellten. Mittlerweile zählt die Vereinigung mehr als 600 Mitglieder. Das wissenschaftliche Programm stand unter dem Gesamtthema „Der Sozialstaat in Deutschland und Europa“. Insgesamt acht Berichte zu den vier Einzelthemen griffen zentrale Aspekte verfassungs- wie verwaltungsrechtlicher Art auf und fanden ein durchweg lebhaftes Echo in der Aussprache, die der vorliegende Band neben den Vorträgen selbst wiedergibt. Eingerahmt wurden die Berichte und Diskussionen durch abendliche Empfänge. Am Mittwochabend hießen der Rektor der Friedrich-SchillerUniversität Jena, Herr Prof. Dr. Klaus Dicke, sowie der Oberbürgermeister der Stadt Jena, Herr Dr. habil. Peter Röhlinger, die Teilnehmer in der Campus-Mensa der Universität willkommen. Der Empfang der thüringischen Landesregierung am folgenden Abend fand nicht in Jena, sondern im geschichtsträchtigen Gebäude des Weimarer Nationaltheaters statt,
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Jahrestagung 2004
Tagungsort der Weimarer Nationalversammlung im Jahre 1919. Dort wurde die Vereinigung vom Justizminister des Freistaats, Herrn Harald Schliemann, begrüßt. Im Anschluß genoß man gemeinsam Giacomo Puccinis Einakter „Gianni Schicchi“. Der traditionelle Samstagsausflug führte nach Erfurt, wo bei herrlichem Wetter Dom und Severi-Kirche sowie weitere Sehenswürdigkeiten der eindrucksvoll restaurierten Altstadt besichtigt wurden. Ein besonders herzlicher Dank gilt den Kolleginnen und Kollegen aus Jena für die außergewöhnlich zeitintensive Vorbereitung und perfekte Durchführung der Tagung, allen voran Frau Prof. Dr. Martina Haedrich, die als kooptiertes Vorstandsmitglied die Hauptlast zu tragen hatte. Dankbar vermerkt wurde auch der Einsatz der Ehegatten bei den verschiedenen Punkten des Begleitprogramms, das sich mit seinen Führungen und Exkursionen regen Zuspruchs und großen Beifalls erfreute. Die Tagung fand insgesamt in einer zugleich entspannten wie konzentrierten Atmosphäre statt, in der – wie schon in seinem Tagungsbericht 1924 Fritz Stier-Somlo vermerkt hatte – „an die Arbeit zu gehen eine Freude war“. Horst Dreier
Sozialstaatlichkeit im Spannungsfeld von Eigenverantwortung und Fürsorge
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Erster Beratungsgegenstand:
Sozialstaatlichkeit im Spannungsfeld von Eigenverantwortung und Fürsorge 1. Bericht von Prof. Dr. Christoph Enders, Leipzig Inhalt Seite
I.
Einleitung: Der Sozialstaat des Grundgesetzes als Traditionsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Vorbild im historischen Modell des sozialen Rechtsstaats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der soziale Impetus wechselseitiger Solidarität im Modell des „reinen“ Rechtsstaats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Entwicklung vom Polizeistaat zum Sozialstaat . . . . . a) Öffentliche Fürsorge im Rechtsstaat . . . . . . . . . . . b) Die Fortentwicklung zum vorsorgenden Sozialstaat . . 3. Das unvollendete Programm des Weimarer Sozialstaats . . III. Sozialstaatliche Entwicklung und wohlfahrtsstaatliche Entgrenzung unter dem Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Fortentwicklung des Für- und Vorsorgegedankens und seine Ausdehnung auf die gesamte Staatstätigkeit in drei Stufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Fortentwicklung des Für- und Vorsorgegedankens im Sozialrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Erstreckung des Sozialstaatsgrundsatzes auf die Rechtsbeziehungen Privater . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Ausgreifen des Fürsorge- und Vorsorgegedankens auf die gesamte Staatstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . 2. Unterstützende und gegenläufige Einflüsse und Tendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Bekräftigung der sozialen Idee durch das Völker- und Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die europaweite Stärkung des Für- und Vorsorgegedankens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gegenläufige Tendenzen? . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Christoph Enders
3. Der verfassungsrechtliche Rahmen staatlicher Für- und Vorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der entwickelte Sozialstaat . . . . . . . . . . . . . . . . b) Für- und Vorsorge als Prinzip des Wohlfahrtsstaates . . c) Absolute Grenzen für- und vorsorglichen Staatshandelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Resümee: Das Prinzip der Freiheit als Grenze der Wohlfahrt
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Sozialstaatlichkeit im Spannungsfeld von Eigenverantwortung und Fürsorge
I.
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Einleitung: Der Sozialstaat des Grundgesetzes als Traditionsgut
Der Sozialstaat des Grundgesetzes versteht sich in Ergänzung zum Rechtsstaat (vgl. Art. 28 Abs. 1 GG). Denn dieser wird wesentlich durch die Grundrechte geprägt, die, als „echte, klassische“ Grundrechte,1 ihre Durchschlagskraft aus einer fundamentalen Abstraktion beziehen: Von der empirisch-zufälligen Wirklichkeit menschlicher Existenz sehen sie bewusst ab. Sie orientieren sich ausschließlich an der jedem Menschen als Menschen gleichermaßen eigenen Möglichkeit, frei verantwortlich (autonom) zu handeln, an der Abstraktion und letztlich Fiktion seines Personseins, die man vernunftphilosophisch auf den Begriff der Würde des Menschen gebracht hat.2 So garantieren sie3 die Realisierung des mit Art. 1 GG ausdrücklich4 anerkannten und feierlich zum Endzweck und
1 Dazu A. Zinn 3. Sitzung des Grundsatzausschusses des Parlamentarischen Rats vom 21. September 1948, in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv (Hrsg.) Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Akten und Protokolle, Bd. V, 1993, 33 (34, 35, 36); auch T. Heuss ebenda, 45; H. v. Mangoldt 22. Sitzung des Grundsatzausschusses vom 18. November 1948, ebenda, 594; C. Schmid 9. Sitzung des Plenums des Parlamentarischen Rats vom 6. Mai 1949, in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv (Hrsg.) Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Akten und Protokolle, Bd. IX, 1996, 437, mit kritischer Tendenz H. Renner ebenda, 460f. 2 I. Kant entwickelt den Gedanken in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, in: Weischedel (Hrsg.) Immanuel Kant. Werke, Bd. IV, 1983, 60, 68, 69 und fasst ihn zusammen in der Metaphysik der Sitten, ebenda, Tugendlehre, § 11, 569: „Allein der Mensch als Person betrachtet, d.i. als Subjekt einer moralisch-praktischen Vernunft, ist über allen Preis erhaben; denn als ein solcher … ist er nicht bloß als Mittel zu anderer ihren, ja selbst seinen eigenen Zwecken, sondern als Zweck an sich selbst zu schätzen, d.i. er besitzt eine Würde (einen absoluten innern Wert), wodurch er allen andern vernünftigen Weltwesen Achtung für ihn abnötigt“. 3 Primär als Abwehrrechte; zu diesem Charakter aus der Entstehungsgeschichte L. Bergsträsser 3. Sitzung des Grundsatzausschusses vom 21. September 1948, in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv (Hrsg.) Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Akten und Protokolle, Bd. V, 29: „Die Grundrechte sind aus der Idee entstanden, die Einzelpersönlichkeit gegen den Staat abzugrenzen“; A. Zinn ebenda, 37: „Wenn man … nur wenige klassische Grundrechte in das Staatsgrundgesetz aufnimmt, dann werden diese Grundrechte keine andere Bedeutung haben als eine Beschränkung der Staatsgewalt“; J. Schrage ebenda, 39: „Die Grundrechte haben ihren Ursprung in der Freiheit der Persönlichkeit und in dem Schutz dieser Freiheit gegen den Eingriff des Staates und seiner Verwaltung“; vgl. BVerfGE 7, 198 (204f.). Vgl. K. Stern Die Idee der Menschen- und Grundrechte, in: Merten/Papier (Hrsg.) Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa (HGR), Bd. I, 2003, § 1 Rn. 59. 4 Das ist ein Novum in der Verfassungsgeschichte: Die Verfassung der Republik Irland vom 1. Juli 1937 nennt in ihrer Präambel zwar die Menschenwürde, stellt sie jedoch gleichrangig neben die Zielwerte u. a. der Freiheit des Individuums und einer gerechten
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Christoph Enders
Ordnungsprinzip dieses vom Grundgesetz verfassten Staates erklärten5 allgemeinen Rechtsanspruchs des Menschen, als Träger von Rechten und Pflichten, respektiert zu werden.6 Es liegt in der Konsequenz dieser Abstraktion,7 dass das neben Freiheit und Gleichheit dritte Glied der überkommenen revolutionären Losung,
sozialen Ordnung. Die Weimarer Reichsverfassung von 1919 wiederum statuiert mit dem „Ziele der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins“ lediglich ein die Wirtschaftsfreiheit begrenzendes Prinzip der staatlichen Ordnung des Wirtschaftslebens, Art. 151 Abs. 1 WRV, vgl. G. Anschütz Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl. 1933, Art. 151 Anm. 1, 699; ähnlich Art. 41 Abs. 2 der Verfassung der Italienischen Republik vom 27. Dezember 1947. Auch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen (vom 10. Dezember 1948) kommt noch nicht zu einem Rangverhältnis zwischen Würde und Rechten. Dagegen wollte man im Parlamentarischen Rat nach L. Bergsträsser 4. Sitzung des Grundsatzausschusses vom 23. September 1948, in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv (Hrsg.) Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Akten und Protokolle, Bd. V, 63 „an die Spitze der Grundrechte einige Sätze … stellen, die Absicht, Sinn und Grund der Grundrechte ganz kurz deutlich machen“; H. v. Mangoldt bezeichnet daher in der 22. Sitzung des Grundsatzausschusses vom 18. November 1948 die „allgemeinen Ausführungen des Art. 1“ als „mehr präambelmäßig für die ganzen Grundrechte“, ebenda, 594; näher C. Enders Die Menschenwürde in der Verfassungsordnung, 1997, 404ff., insbesondere 416, 424f. 5 C. Schmid (Fn. 1), 437: „Letztlich ist der Staat dazu da, die äußere Ordnung zu schaffen, deren die Menschen zu einem auf der Freiheit des einzelnen beruhenden Zusammenleben bedürfen. Aus diesem Auftrag allein stammt letztlich die Legitimität seiner Machtausübung“; Garanten dieser Zweckbindung sind die Grundrechte, „deren der Einzelmensch bedarf, wenn anders er in Würde und Selbstachtung soll leben können“. Vgl. BVerfGE 5, 85 (204); 50, 290 (338): Ohne grundrechtliche Garantien sei „nach der Konzeption des Grundgesetzes ein Leben in menschlicher Würde nicht möglich“. Das BVerfG spricht darum auch von den „aus der Menschenwürde folgenden und ihren Schutz gewährleistenden Grundrechte“, BVerfGE 35, 202 (235). 6 Bereits BVerwGE 1, 159 (161); VG Hamburg, NVwZ 1988, 1058. Zur Anerkennung der Rechtsfähigkeit des Menschen durch verfassungsmäßige Grundrechte D. Grimm Die Grundrechte im Entstehungszusammenhang der bürgerlichen Gesellschaft, in: ders. (Hrsg.) Die Zukunft der Verfassung, 1991, 67 (88); zur darauf bezogenen GrundlegungsFunktion des Art. 1 GG C. Enders (Fn. 4), 392, 427–432, 501 ff.; ebenso K. Seelmann Haben Embryonen Menschenwürde?, in: Kettner (Hrsg.) Biomedizin und Menschenwürde, 2004, 63 (67). 7 Die Wirklichkeit genießt als solche keine besondere Dignität und bietet umgekehrt keinerlei Grundlage für Rechtsansprüche. Nicht weil der Mensch physiologisch ein Lebewesen ist, gewährleistet ihm das Grundgesetz etwa das „Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“ (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG), sondern, ganz anthropozentrisch gedacht, weil der Mensch als Person (Rechtssubjekt), anders als die belebte wie unbelebte Natur im allgemeinen, einen Anspruch auf Achtung seines Integritätsinteresses hat, vgl. J. Simon Die fremde Vernunft und die Sprache der Philosophie, 2003, 405. Darum sind Männer und Frauen keineswegs, weil einander tatsächlich gleich, gleich zu behandeln; sie sind vielmehr gleich berechtigt (Art. 3 Abs. 2 S. 1 GG).
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die Solidarität (fraternité), da sie auf tatsächliche Bedürfnisse reagiert, unter der idealisierenden Voraussetzung von Freiheit und Gleichheit der Menschen8 schlechterdings nicht thematisiert werden kann.9 Im Parlamentarischen Rat hat man deshalb nur kurz erwogen, „Rechte wirtschafts- oder sozialpolitischer Art“ in das Grundgesetz aufzunehmen,10 um sich dann deutlich gegen verfassungsrechtlich verbindliche und vor allem: subjektiv berechtigende Aussagen zu den „sogenannten (scil. sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen) Lebensordnungen“ zu entscheiden.11
8 J. Locke Zwei Abhandlungen über die Regierung, herausgegeben von Euchner, 8. Aufl. 2000, T. II, § 54, 232f.; E. J. Sieyes Was ist der Dritte Stand?, herausgegeben von Dann, 1988, 105. 9 Es sei denn in rechtlich unverbindlichen Programmsätzen; vgl. Art. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen“ und dazu H. v. Mangoldt (Fn. 1), 596: „Etwas Derartiges können wir nicht aufnehmen. Das folgt daraus, daß die Menschenrechte der Vereinten Nationen einen ganz anderen Sinn haben … Hier sind … die Grundrechte mehr im Sinne eines Programms zu verstehen, während wir in Art. 1 gerade sagen: Wir wollen kein Programm …“; ähnlich in der 26. Sitzung des Grundsatzausschusses, ebenda, 742: „Die Vereinten Nationen können sich das leisten, weil sie nur Programmsätze aufstellen und weil der Gesetzgeber dadurch nicht gebunden wird“; zu sozialen Grundrechten dann ders. 27. Sitzung des Grundsatzausschusses vom 1. Dezember 1948, ebenda, 776 und 30. Sitzung des Grundsatzausschusses vom 6. Dezember 1948, ebenda, 855 sowie, zum Recht auf (Aus-)Bildung, ebenda, 873. 10 A. Zinn (Fn. 1), 37. 11 So C. Schmid und H. v. Mangoldt bereits in der 8. Sitzung des Grundsatzausschusses vom 7. Oktober 1948, in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv (Hrsg.) Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Akten und Protokolle, Bd. V, 217; H. v. Mangoldt 27. Sitzung des Grundsatzausschusses vom 1. Dezember 1948, ebenda, 777: „Entweder bleiben wir bei den Menschheitsrechten, die wir kurz gefaßt haben, oder wir gehen in die Einzelheiten, dann müssen wir einen großen Abschnitt über die soziale und kulturelle Ordnung bringen“; ders. 30. Sitzung des Grundsatzausschusses vom 6. Dezember 1948, ebenda, 855, 859 f., 868. Auch etwa W. Menzel 27. Sitzung des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rats vom 15. Dezember 1948, in: Parlamentarischer Rat (Hrsg.) Verhandlungen des Hauptausschusses, 1948/49, 314, mit Kritik von H.-C. Seebohm ebenda, 316: „Schließlich sollen wir mit unserer Arbeit vor das Volk treten. Das wird außerordentlich schwer sein, da unser Werk nicht einmal die magersten Grundsätze über die soziale, wirtschaftliche und kulturelle Lebensordnung enthält“. Sodann C. Schmid (Fn. 1), 437, mit Kritik von H. Renner (Fn. 1), 460f., mangels sozialer und wirtschaftlicher Grundrechte könne das geschaffene Staatsgebilde nicht als „sozialer Staat“ gelten. Zum Ganzen auch W. Cremer Freiheitsgrundrechte, 2003, 366f. Zum spezifischen Charakter sozialer Grundrechte: E.-W. Böckenförde Die sozialen Grundrechte im Verfassungsgefüge, in: ders. (Hrsg.) Staat, Verfassung, Demokratie, 1991, 146 ff.; D. Grimm Soziale Grundrechte für Europa, in: ders. (Hrsg.) Die Verfassung und die Politik, 2001, 275 (insbesondere 279 f.); J. Isensee Verfassung ohne soziale Grundrechte, Der Staat 19 (1980), 367ff. In an-
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Demgemäß hat man das anfangs erwogene (Grund-)„Recht auf Sicherheit“ von vornherein nicht als Leistungsrecht aufgefasst und schließlich ganz entfallen lassen, da es so doch nur Ausfluss der persönlichen Freiheit sei.12 Auch die ins Auge gefasste Garantie des Existenzminimums sollte in negativer Diktion lediglich die missbräuchliche Verweigerung des Mindestmaßes „der zum Leben notwendigen Nahrung, Kleidung und Wohnung“ ausschließen.13 Da eine solche Vorschrift ein Regime öffentlicher Bewirtschaftung voraussetzte, wurde sie in die Übergangsvorschriften verbannt und dort am Ende gestrichen.14 derer Weise entwickelt ein Recht auf soziale Teilhaberechte aus dem Gedanken der Teilhabegerechtigkeit im Privatrechtsverhältnis M. Köhler Freiheitliches Rechtsprinzip und Teilhabegerechtigkeit in der modernen Gesellschaft, in: Landwehr (Hrsg.) Freiheit, Gleichheit, Selbständigkeit, 1999, 103 (116 f.). 12 Vgl. H. v. Mangoldt 32. Sitzung des Grundsatzausschusses, in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv (Hrsg.) Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Akten und Protokolle, Bd. V, 924; es blieb darum, ebenda, 925f., bei dem Eingriffsvorbehalt des Art. 2 Abs. 3, heute Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG. Stellungnahme des Allgemeinen Redaktionsausschusses vom 13. Dezember 1948 (Drucks. 370), in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv (Hrsg.) Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Akten und Protokolle, Bd. VII, 1995, 135 sowie ebenda (Drucks. 543), 205. Das „Recht auf Sicherheit“ war Bestandteil der verschiedenen Menschenrechtskataloge der französischen Revolution – Art. 2 der Erklärung der Rechte des Menschen und Bürgers vom 26. August 1789; Art. 1, 2 und 8 der Verfassung vom 24. Juni 1793; Art. 1 und 4 der Verfassung vom 22. August 1795 – und lief hier auf die Gewährleistung der allgemeinen Rechtsordnung hinaus, wie sie sich – als Schranke! – in Art. 2 Abs. 1 GG wiederfindet. Dazu auch R. Herzog Das Grundrecht auf Freiheit in der Europäischen Menschenrechtskonvention, AöR 86 (1961), 194 (201). Mit Blick auf die grundrechtlichen Schutzpflichten weitergehend dann J. Isensee Das Grundrecht auf Sicherheit, 1983; ferner W. Cremer (Fn. 11), 258ff., 262 Fn. 466, 268. 13 Das blieb hinter einem Petitum E. Forsthoffs noch zurück, der außerdem einen Teilhabeanspruch gefordert hatte, vgl. H. v. Mangoldt 27. Sitzung des Grundsatzausschusses vom 1. Dezember 1948, in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv (Hrsg.) Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Akten und Protokolle, Bd. V, 780f., 783. Vgl. die Fassung der ersten Lesung im Hauptausschuss vom 10. Dezember 1948, in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv (Hrsg.) Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Akten und Protokolle, Bd. VII, 802. 14 Vgl. zunächst Stellungnahme des Allgemeinen Redaktionsausschusses vom 13. Dezember 1948, in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv (Hrsg.) Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Akten und Protokolle, Bd. VII, 135 sowie zustimmend F. Eberhard 32. Sitzung des Grundsatzausschusses vom 11. Januar 1949, in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv (Hrsg.) Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Akten und Protokolle, Bd. V, 925; ferner Fassung der 2. Lesung des Hauptausschusses vom 20. Januar 1949, in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv (Hrsg.) Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Akten und Protokolle, Bd. VII, 281 (Art. 138 c-1: „Die im Rahmen einer öffentlichen Bewirtschaftung von Nahrung und Kleidung allgemein festgesetzten Bezugsberechtigungen dürfen einem Deutschen nicht verweigert werden“). Gemäß den Vorschlägen des Allgemeinen Redaktionsausschusses (Drucks. 751), ebenda, 526, wurde die Vorschrift in der vierten Lesung
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Das Grundrechtssystem des Grundgesetzes enthält sich demnach – abgesehen von Programmsätzen zur tatsächlichen Gleichstellung (Art. 6 Abs. 4 und Abs. 5 GG; neuerdings Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG)15 – sozialer Maßgaben.16 Die Sorge für die persönlichen Mittel und Kräfte überlässt es der individuellen Eigenverantwortung in den Grenzen des gesetzlich bestimmten Gemeinwohls. Darin erweist sich das Grundgesetz als eine Verfassung primär rechtsstaatlicher Prägung.17 Fehlt es hier an Aussagen zu den Chancen tatsächlicher Entfaltung der jedermann gleich garantierten Freiheit, so erfüllt die Statuierung der Sozialstaatlichkeit des verfassten Gemeinwesens (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG) offenkundig eine kompensatorische, eine Ergänzungsfunktion.18 Sie schließt durch eine prinzipielle Maßgabe auf der Ebene objektiven Verfassungsrechts die Lücke in der normativen Bestimmung der Staatstätigkeit, die sich im axiomatischen Rückgang auf die abstrakte Freiheitsidee auftun musste. In dieser Ergänzungsfunktion negiert das Sozialstaatsprinzip nicht die grundlegende Fiktion gleicher menschlicher Freiheit. Aber es markiert ihr wesenstypisches Defizit und verpflichtet den Staat, im Interesse materialer Gerechtigkeit auch für die tatsächlichen Voraussetzungen und Bedingungen der Freiheitsausübung Sorge zu tragen. Im Grundsatz soll allen die wirkliche Chance der Entwicklung ihrer Anlagen, des Gebrauchs ihrer Fähigkeiten und der Teilhabe am gemeinen Ganzen eröffnet werden.19 In diesem Sinne verankert der Sozialstaatsgrundsatz auch die So-
des Hauptausschusses ohne weitere Diskussion gestrichen, Fassung der vierten Lesung des Hauptausschusses vom 5. Mai 1949, ebenda, 532ff. Teils anders W. Cremer (Fn. 11), 378 ff. 15 Weitergehend H. F. Zacher Das soziale Staatsziel, HStR II , 3. Aufl. 2004, § 28 Rn. 37. 16 Bei alledem war klar, so bereits H. v. Mangoldt in der 36. Sitzung des Grundsatzausschusses vom 27. Januar 1949, in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv (Hrsg.) Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Akten und Protokolle, Bd. V, 1041, „daß man volle Freiheit nicht gewähren kann, vielmehr die Freiheitsrechte sozial gebunden sind“. Wenn man ganz besonders das „soziale Eingeordnetsein“ des Eigentums betonte, wurde damit die – im Kern sittliche – Grundpflicht zum Ausdruck gebracht, „daß derjenige der Eigentum hat, dieses Eigentum auch so gebrauchen soll, daß damit den Zielen der Gesamtheit gedient und genützt wird“, ders., 26. Sitzung des Grundsatzausschusses vom 30. November 1948, ebdenda, 1041. Dennoch wird hier insgesamt lediglich der hemmungslose Egoismus – unter gleichzeitigem Respekt vor Freiheit und Eigentum – in die gesetzlichen Schranken der Gemeinverträglichkeit gewiesen; vgl. auch die darauf bezogene Rede vom „Menschenbild des Grundgesetzes“, BVerfGE 4, 7 (15 f.); 45, 187 (227f.). 17 E. Forsthoff Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaats, VVDStRL 12 (1954), 8 (21 ff.). 18 E. Forsthoff (Fn. 17), 31, 33. 19 H. F. Zacher (Fn. 15), § 28 Rn. 21; vgl. auch E.-W. Böckenförde Entstehung und Wandel des Rechtsstaatsbegriffs, in: ders. (Hrsg.) Recht, Staat, Freiheit, 1991, 143 (159, 161 f.).
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zialgestaltung als positives Ziel der Staatstätigkeit auf Verfassungsebene, die in den grundrechtlichen Gesetzesvorbehalten und den Kompetenzvorschriften nur als Möglichkeit aufleuchtet. Das Staatshandeln wird in den Grenzen des Rechtsstaats (Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG) für materiale Gehalte geöffnet und dynamisiert. Über diese materialen Gehalte, über die Bereiche und die Art und Weise ihrer Verwirklichung sagt die Zielbestimmung jedoch nichts. Die Entstehungsgeschichte gibt keine Auskunft; das soziale Element der Staatsverfassung wurde nie diskutiert.20 Dieser Umstand erlaubt indessen einen Umkehrschluss:21 Der Grundgesetzgeber verstand den Sozialstaat offenkundig als etwas historisch Selbstverständliches.22 Den tradierten Standard sozialer Zielsetzungen, Einrichtungen und Instrumente wollte er nicht völlig neu definieren, sondern an ihn als ein Traditionsgut anknüpfen, wo die Entwicklung abgebrochen war. Es ist darum in einem ersten Schritt in historischer Perspektive zu rekonstruieren (II.), welche „selbstverständlichen“ Erscheinungsformen der Sozialstaatlichkeit dem Grundgesetz, vor allem mit Rücksicht auf seine rechtsstaatliche Rahmenordnung, zum Vorbild dienen konnten. Daraus erschließen sich normative Eckdaten der Sozialstaatlichkeit. In einem zweiten Schritt (III.) erweist sich, dass unter dem Grundgesetz nicht nur die Entwicklung der Sozialstaatlichkeit in mancher Hinsicht zur Vollendung gekommen ist. Die Ausdehnung des Sozialstaatsgrundsatzes und schließlich die Entgrenzung des Für- und Vorsorgegedankens führen neue Problemlagen herauf. Am Ende ist daher nach den Schranken zu fragen, die die Verfassung der Entfaltung des Sozialstaats und der mit ihm etablierten und legitimierten Denk- und Handlungsformen zieht.
II.
Das Vorbild im historischen Modell des sozialen Rechtsstaats
1.
Der soziale Impetus wechselseitiger Solidarität im Modell des „reinen“ Rechtsstaats
Kann der Rechtsstaat als solcher überhaupt in einer sozialstaatlichen Tradition stehen? Nach einer gängigen These ist der bürgerliche Rechtsstaat in seinem ursprünglichen philosophischen Begriff durch völlige Enthalt-
20 Vgl. H. F. Zacher (Fn. 15), § 28 Rn. 15; bereits W. Weber Die verfassungsrechtlichen Grenzen sozialstaatlicher Forderungen, Der Staat 4 (1965), 411 ff. 21 Er findet in den Regelungen vor allem der Gesetzgebungskompetenz seine Bestätigung, H. F. Zacher (Fn. 15), § 28 Rn. 17. 22 So auch H. F. Zacher (Fn. 15), § 28 Rn. 12, 22.
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samkeit auf dem Gebiet des Sozialen geprägt:23 ein Staat, der die Rechtsordnung der bürgerlichen Gesellschaft nicht gezielt gestaltet, sondern voraussetzt und dessen Daseinszweck sich im Schutz dieser auf Privatautonomie gegründeten Ordnung und in der Wahrung ihrer Grundprinzipien der Freiheit und Gleichheit erfüllt (Rechts- und Sicherheitszweck). Die allgemeine Wohlfahrt ist nicht Konstruktionsprinzip, damit auch nicht Ziel der Staatstätigkeit, sie ist Resultat, das sich im freien Gehen- und Geschehenlassen von selbst herstellt. Überprüft man die These an dem für sie in Anspruch genommenen Rechtsstaats-Modell Immanuel Kants, so bedarf sie der Präzisierung: In der Tat konstruiert Kant den bürgerlichen oder staatlichen Zustand aus dem Rechtsbegriff der gleichen Freiheit jedes Einzelnen, mit der die bürgerliche Rechtsgleichheit einhergeht und zu der die bürgerliche Selbständigkeit hinzutreten muss.24 Die Herrschaft des allgemeinen Gesetzes25 verbürgt diese gleiche äußere Freiheit.26 Zu diesem durchgängigen Konstruktionsprinzip der Freiheit passt, dass das (Rechts-)Verhältnis der Staatsgewalt zum Bürger nicht auf Wohlwollen gebaut werden kann. Der stetige Bezugspunkt muss die Selbstbestimmung bleiben. Andernfalls würde Unmündigkeit zum Prinzip erkoren: Das wäre die paternalistische Umkehrung des Grundgedankens der freien Selbstbestimmung.27
Hierzu E.-W. Böckenförde (Fn. 19), 147 f. I. Kant Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis, in: Weischedel (Hrsg.) Immanuel Kant. Werke, Bd. VI, 1983, 125 (144 ff.). 25 Zu dem ein jeder Adressat – idealiter, dem Modell nach (!) – seine Beistimmung gegeben hat; I. Kant Streit der Fakultäten, in: Weischedel (Hrsg.) Immanuel Kant. Werke, Bd. VI, 1983, 261 (359, Anm.): „Aber dieses Recht (scil.: der Menschen) ist doch immer nur eine Idee …“. 26 I. Kant Metaphysik der Sitten (Fn. 2), §§ 46, 47; vgl. bereits ebenda, 329f. Das Gesetz ist in der Republik selbstherrschend, das „Oberhaupt der Staatsverwaltung“ repräsentiert nur den im Gesetz formulierten allgemeinen Willen, ders. ebenda, § 52, 464; ferner vor allem ders. Zum ewigen Frieden, in: Weischedel (Hrsg.) Immanuel Kant. Werke, Bd. VI, 1983, 207. Maßgeblich für die Bildung des allgemeinen Willens und damit Staatsbürger (citoyens) sind freilich, kraft „Fähigkeit der Stimmgebung“, nach I. Kant Metaphysik der Sitten (Fn. 2), Rechtslehre, § 46, nur die Selbständigen, denen „bürgerliche Persönlichkeit“ zukommt, „in Rechtsangelegenheiten durch keinen anderen vorgestellt zu werden“. 27 I. Kant (Fn. 24), 145 f.; besonders deutlich ders. (Fn. 25), 261 (359, Anm.): Auf „das Prinzip kommt es an … Wohlfahrt aber hat kein Prinzip, weder für den, der sie empfängt, noch der sie austeilt … Ein mit Freiheit begabtes Wesen kann und soll also, im Bewußtsein dieses seines Vorzuges vor dem vernunftlosen Tier, nach dem formalen Prinzip seiner Willkür keine andere Regierung für das Volk, wozu es gehört, verlangen, als eine solche, in welcher dieses mit gesetzgebend ist: d.i., das Recht der Menschen, welche 23 24
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Damit ist freilich nur gesagt, dass Wohltätigkeit von hoher Hand als durchgängiges Konstruktionsprinzip des Staatsrechtsverhältnisses ausscheidet, nicht aber, dass sie in diesem nicht auch ihren Platz hätte. Der „allgemeine Volkswille“ vereinigt sich nämlich nach Kant „zu einer Gesellschaft … , welche sich immerwährend erhalten soll, und zu dem Ende sich der inneren Staatsgewalt unterworfen (hat), um die Glieder dieser Gesellschaft, die es selbst nicht vermögen, zu erhalten“. Daraus ergibt sich nun doch ein Verhältnis von Recht und Pflicht: Der Staat hat das Recht, sich auf den Zweck dieser Unterwerfung unter die Staatsgewalt zu berufen und in Verfolgung des Erhaltungszwecks zwangsweise Abgaben zu erheben. Dem korrespondiert die Pflicht der vermögenden Staatsbürger Abgaben zu leisten, aus denen diejenigen erhalten werden können, die dazu „selbst den notwendigsten Naturbedürfnissen nach“ nicht in der Lage sind. Diese zur solidarischen Rechtspflicht gesteigerte Verantwortung eines jeden für die Erhaltung der Mitbürger erlaubt die „Versorgung der Armen durch laufende Beiträge, so daß jedes Zeitalter die Seinigen ernährt“.28 Auch das Modell des „reinen“ Rechtsstaats kommt also nicht aus ohne das soziale Moment der wechselseitigen solidarischen Erhaltung der Gesellschaftsglieder.29 Weil es ihm aber in erster Linie darum geht, die Möglichkeit bürgerlicher Freiheit zu konstruieren und den Staat als ihre mit Zwangsgewalt verbundene Garantie,30 fehlt es dem Modell an der Vorstellung einer weitergehenden, aktiven Sozialgestaltung. Der soziale Impetus wechselseitiger Solidarität betätigt und erschöpft sich daher im wesentlichen in den bestandserhaltenden und ausgleichenden Aktivitäten des Steuerstaats, namentlich der Armenfürsorge.31 gehorchen sollen, muß notwendig vor aller Rücksicht auf Wohlbefinden vorhergehen, und dieses ist ein Heiligtum, das über allen Preis (der Nützlichkeit) erhaben ist, und welches keine Regierung, so wohltätig sie auch immer sein mag, antasten darf“. 28 I. Kant Metaphysik der Sitten (Fn. 2), Rechtslehre, § 49, Allgem. Anmerkung C, 446 f., mit gleichzeitiger Kritik an frommen Stiftungen. Vgl. Art. 21 der Französischen Verfassung vom 24. Juni 1793. 29 I. Kant zieht darüber hinaus sogar eine „Besteurung der Hagestolzen beiderlei Geschlechts“ in Erwägung, Sonderabgaben also für vermögende Ledige, aus denen Findelhäuser zur Unterbringung ausgesetzter Kinder finanziert werden sollen, Metaphysik der Sitten (Fn. 2), Rechtslehre, § 49, Allgem. Anmerkung C, 447. 30 Das so verstandene öffentliche Recht enthält „nicht mehr oder andere Pflichten der Menschen unter sich, als in jenem (scil. vorstaatlichen Zustand des Privatrechts) gedacht werden können; die Materie des Privatrechts ist eben dieselbe in beiden“, I. Kant Metaphysik der Sitten (Fn. 2), Rechtslehre, § 41, 424. Schon die polizeimäßige Verwaltung kommt nur ganz am Rande vor, ebenda, § 49, Allgem. Anmerkung B und C, 445f., 448. 31 Zum Steuerstaat vgl. J. A. Schumpeter Die Krise des Steuerstaates, in: Schneider/ Spiethoff (Hrsg.) Joseph A. Schumpeter. Aufsätze zur Soziologie, 1953, 1 (21); K. Vogel
Sozialstaatlichkeit im Spannungsfeld von Eigenverantwortung und Fürsorge
2.
Die Entwicklung vom Polizeistaat zum Sozialstaat
a)
Öffentliche Fürsorge im Rechtsstaat
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Ein Blick auf die Geschichte zeigt nun, dass auch der sozial abstinente liberale Ordnungsstaat als reale Erscheinungsform des Rechtsstaats32 in Wirklichkeit nie existiert hat. Denn der Rechtsstaat der bürgerlichen Gesellschaft hat den obrigkeitlichen Polizeistaat, gegen den er sich richtete, historisch nur allmählich und nicht in jeder Hinsicht überwunden. Der staatsrechtliche Gegensatz ist freilich signifikant:33 Der Polizeistaat fand seine Legitimationsgrundlage am Zweck der umfassenden Sorge für das gemeine Wohl.34 Sicherheit und Wohlfahrt der Untertanen (die „gute Polizey“)35 oblagen der originären Definitionsgewalt der monarchischen Exekutive. Der Einzelne begegnete ihr als Objekt der Realisierung des Gemeinwohlzwecks, sie trat ihm nicht in einem Rechtsverhältnis gegenüber.36 DemgeRechtfertigung der Steuern – eine vergessene Vorfrage, Der Staat 25 (1986), 481 (494 ff); vgl. auch E. Forsthoff (Fn. 17), 31: „Der moderne Rechtsstaat ist Sozialstaat wesentlich in seiner Funktion als Steuerstaat“. 32 Die verfassungshistorische These vom liberalen Ordnungsstaat bei D. Grimm Verfassungsrechtliche Anmerkungen zum Thema Prävention, in: ders. (Hrsg.) Die Zukunft der Verfassung, 1991, 197 (200ff.) und ähnlich ders. Die Zukunft der Verfassung, ebenda, 397 (401 ff.). Es handelt sich freilich auch hier, wie D. Grimm ebenda, 399 Fn. 4 betont, um ein Modell. Das impliziert, dass bestimmte Strukturen in zweckdienlicher Überzeichnung sich deutlich abheben, andere in den Hintergrund treten. Noch pointierter spricht C. Schmitt Inhalt und Bedeutung des zweiten Hauptteils der Reichsverfassung, in: Anschütz/Thoma (Hrsg.) HbDStR II, 1932, § 101, 572 (580 Fn. 24) von dem „Prinzip einer freien, den Staat als ihre Schutzorganisation aus sich herausstellenden Gesellschaft“. 33 Zu diesem politisch wie staatsrechtlich maßgeblichen Gegensatz O. Mayer Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. I, 3. Aufl. 1924, 38ff., 203ff.; W. Martens in: Drews/Wacke/ Vogel/Martens (Hrsg.) Gefahrenabwehr, 9. Aufl. 1986, 4ff.; vgl. auch C. Enders Die Privatisierung des Öffentlichen durch die grundrechtliche Schutzpflicht, Der Staat 35 (1996), 351 (371 f., 373 f.). 34 Zur zugleich begrenzenden Funktion dieser Zweckbestimmung T. Würtenberger Von der Aufklärung zum Vormärz, in: Merten/Papier (Hrsg.) Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. I, 2003, § 2 Rn. 57ff. 35 Außerhalb der Bereiche Justiz, Finanzen, Militär; vgl. H. Boldt Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. II, 1990, 22, 29; E. R. Huber Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. I, rev. Nachdruck der 2. Aufl. 1990, 106 (zum PrALR), 175 f. 36 O. Mayer (Fn. 33), 39 („Das Recht hat nichts damit zu tun“), 47 Fn. 17, 107 Fn. 7; zusammenfassend C. Enders (Fn. 33), 370 Fn. 99, 373 f. Die hoheitlichen Maßnahmen wurden daher nach rechtlich ungebundenem Ermessen und im polizeistaatlichen Schluss vom Zweck auf die Mittel getroffen; nach C. v. Rotteck Lehrbuch des Vernunftrechts und der Staatswissenschaften, Bd. III, 1834, 3. Teil, § 7, 289, darf und soll die Polizei „alles dasjenige thun, anordnen, befehlen, was der Staatszweck (und zwar insbesondere die innere Sicherheit, und wenn man will, auch die Wohlfahrt …) erheischt oder räthlich macht“; vgl. O. Mayer (Fn. 33), 204, 225 Fn. 21, zum polizeistaatlichen Schluss vom Zweck auf die
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genüber fußte der Rechtsstaat auf dem Prinzip der gleichen gesetzlichen Freiheit aller, vor dem staatliches Handeln sich zu legitimieren hatte.37 Damit ging auch das Postulat einher, dass allein der Sicherheitszweck (Gefahrenabwehr) mit polizeilichem Befehl und Zwang verfolgt werden solle, die Beförderung der allgemeinen Wohlfahrt sich anderer Mittel zu bedienen habe, weil man auf diesem weitläufigen Gebiet besonders die Bevormundung des Staates befürchtete.38 Da sich aber das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung erst spät, mit Einführung der Verwaltungsrechtsprechung durchsetzte, blieb das Verwaltungshandeln ungebunden und diese Grenze zwischen Sicherheits- und Wohlfahrtszweck im Fluss,39 bis die Wohlfahrtspflege aus der allgemeinen polizeilichen Zwangsgewalt durch Richterspruch verbannt wurde und damit Eingriffs- und Leistungsverwaltung kategorial geschieden waren.40 Mittel. Weil die Bürger auch als latente Gefahr für die ungehinderte Realisierung des Staatszwecks erschienen, war vorsorglich verboten, was nicht ausdrücklich erlaubt wurde. Also konnte die „Begrenzung“ der Polizeigewalt allein aus ihrem Begriff gefolgert werden, wo nicht eine äußere Rechtsschranke ausdrücklich und ausnahmsweise formuliert wurde, etwa G. Anschütz Der Ersatzanspruch aus Vermögensbeschädigungen durch rechtmäßige Handhabung der Staatsgewalt, VerwArch 5 (1897), 1 (100). Vgl. T. Nipperdey Deutsche Geschichte 1800–1866, 1983, 401. 37 C. v. Rotteck Art. Freiheit, in: ders./Welcker (Hrsg.) Das Staats-Lexikon, Bd. V, 2. Aufl. 1847, 179 (184, 185); zu den Beratungen in der Paulskirche auch der Nachweis der Äußerung des Abgeordneten C. Spatz in: Scholler (Hrsg.) Die Grundrechtsdiskussion in der Paulskirche, 2. Aufl. 1982, 131 f.; ferner G. Anschütz Die VerfassungsUrkunde für den preußischen Staat, Bd. I, 1912, Vorbem. zu Titel II Anm. 3, 97, Art. 5 Anm. 3, 133 f. C. Schmitt Verfassungslehre, 1928, 126 f. spricht später mit Blick auf dieses Vorrangverhältnis und die staatliche Rechtfertigungslast vom „rechtsstaatlichen Verteilungsprinzip“. Damit ist überhaupt erst ein Rechtsverhältnis zwischen Staat und Bürger begründet. 38 O. Mayer (Fn. 33), 205 Fn. 8 mwN. Ob die Beschränkung der polizeilichen Zwangsgewalt auf den Sicherheitszweck wirklich bereits in § 10 II 17 PrALR festgeschrieben ist, so W. Martens (Fn. 33), 4f. im Anschluss an P. Badura Das Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaats, 1967, 34f., ist zweifelhaft, vgl. O. Mayer (Fn. 33), 82 Fn. 3 sowie E. R. Huber (Fn. 35), 175 Fn. 1. 39 Zur „rechtsstaatlichen“ Wirklichkeit polizeistaatlicher Wohlfahrtspflege W. Martens (Fn. 33), 5f.; ferner M. Stolleis Geschichte des Sozialrechts in Deutschland, 2003, 30. 40 Insbesondere PrOVGE 9, 353 vom 14. Juni 1882 in (restriktiver) Uminterpretation von § 10 II 17 PrALR. C. Brinkmann Besprechung von K. Wolzendorff, Der Polizeigedanke des modernen Staats, Schmollers Jahrbuch 42 (1918), 388 (390) spricht insofern von der „herrschende(n) liberalisierende(n) Neigung der heutigen Praxis, die Polizeigewalt von den fördernden auf die schützenden Tätigkeiten zurückzudrängen“; darauf rekurriert auch BVerwGE 1, 159 (160 f.). Die mit dieser Überlegung verbundene zentrale Differenzierung zwischen hoheitlichem Zwang und Leistungserbringung für die moderne Verwaltung beschreibt E. Forsthoff Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl. 1973, 368 ff., 370 Fn. 3; angelegt ist sie bereits im berühmten Diktum von F. J. Stahl Die Phi-
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Angesichts dieser fließenden Übergänge zwischen Sicherheits- und Wohlfahrtszweck kann von sozialgestalterischer Enthaltsamkeit des Rechtsstaats historisch nicht die Rede sein. Das Armenwesen jedenfalls blieb angesichts des mit der Überbevölkerung einsetzenden Pauperismus 41 auch für den aufkommenden Rechtsstaat „einer der allerwichtigsten Gegenstände der Staatsfürsorge“.42 Diese öffentliche Fürsorge,43 die im Falle echter individueller Bedürftigkeit das zur Erhaltung absolut Unentbehrliche gewähren sollte,44 oblag – aus der Perspektive des Sicherlosophie des Rechts, Bd. II, Zweite Abtheilung, 3. Aufl. 1856, 138 f., nach dem die Rechtsstaatlichkeit sich nicht in Ziel und Inhalt staatlicher Betätigung äußere, sondern nur in „Art und Charakter dieselben zu verwirklichen“. Mit dieser Unterscheidung kommt auch das Prinzip der Verhältnismäßigkeit als rechtliche (rechtsstaatliche) Grenze hoheitlicher Eingriffe zum Tragen O. Mayer (Fn. 33), 223; F. Fleiner Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, 8. Aufl. 1928, 404f. 41 Zum Pauperismus T. Nipperdey (Fn. 36), 219 ff. 42 C. v. Rotteck Art. Armenwesen, in: ders./Welcker (Hrsg.) Das Staats-Lexikon, Bd. I, 2. Aufl. 1845, 670. Hierzu und zum folgenden mit teilweise anderer Akzentuierung auch M. Stolleis (Fn. 39), 23ff. 43 Sie oblag zunächst den Gemeinden etwa gem. der Preußischen Städteordnung von 1808 (PrGS 1806–1810, 324) §§ 179 lit. c, 186. Die „Armendirektion“ (mit den vier Hauptzweigen Unterhalt, Krankenpflege, Beschäftigung und Erziehung) verfügte hiernach nicht über einen eigenen Etat, sondern erfüllte ihre Aufgabe im Regelfall durch Überwachung der mildtätigen Stiftungen und im Rückgriff auf private Spenden; nur wenn damit die „Erhaltung der ganz hülflosen Einwohner“ nicht erreicht werden konnte, musste die Stadtverordnetenversammlung Mittel gewähren; die Gemeinden standen unter staatlicher Aufsicht; dazu E. R. Huber (Fn. 35), 176; vgl. bereits §§ 1, 10, 27, II 19 PrALR. Ferner dann vor allem Preuß. Gesetz über die Verpflichtung zur Armenpflege vom 31. Dezember 1842 (PrGS 1843, 8): insbesondere § 1. Zur sachlichen Begründung der Zuständigkeit der Gemeinden vgl. C. v. Rotteck (Fn. 42), 670 (676 f., 679: „Denn die Gemeinde ist ein Staat im Kleinen …“); zur Erlangung der Mittel, ebenda, 675, 676; zur Staatsaufsicht mit Blick auf die Armenpflege, ebenda, 678 f. Vgl. sodann im Anschluss an das Bundes-Gesetz über die Freizügigkeit vom 1. November 1867 ( BGBl 55) das Gesetz des Norddeutschen Bundes über den Unterstützungswohnsitz vom 6. Juni 1870 (BGBl 360) in der Fassung des Reichsgesetzes vom 12. März 1894 (RGBl 259) und dazu Preuß. Gesetz betreffend die Ausführung des Bundesgesetzes über den Unterstützungswohnsitz vom 8. März 1871 (PrGS 130) und Abänderungs- und Ergänzungsgesetz vom 23. Juli 1912 ( PrGS 195) mit Ablösung des ursprünglichen „Heimatrechts“ und Zuständigkeit der Ortsarmenverbände und (hilfsweise) der Landarmenverbände; dazu F. Fleiner (Fn. 40), 110 f.; ferner L. v. Rönne/P. Zorn Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie, Bd. II, 5. Aufl. 1906, 170 ff. Die Rechtslage in Bayern beschreibt M. Seydel Staatsrecht des Königreichs Bayern, 1888, 252 ff., 257f. 44 Zum dergestalt begrenzten Umfang bereits I. Kant Metaphysik der Sitten (Fn. 2), 446 („den notwendigsten Naturbedürfnissen nach“). Vgl. dann vor allem § 33 des Preuß. Gesetzes über die Verpflichtung zur Armenpflege vom 31. Dezember 1842 (PrGS 1843, 8) und die dazu von Regierungsseite erläuterte „Kardinalmaxime der Armenverwaltung … , nicht mehr als das äußerste Bedürfniß zu gewähren und nichts weiter als das wirkliche
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heits- wie des Wohlfahrtszwecks – dem Gemeinwesen als solchem – gegenüber der Gesamtheit seiner Mitglieder. Die Pflicht der staatlichen Gemeinschaft, ihre Glieder zu erhalten, bestand insofern allein im öffentlichen Interesse.45 Sie begründete auch im Rechtsstaat kein Verhältnis der gegenseitigen Rechte und Pflichten. Die gewährte Begünstigung war bloße Wohltat, auf die kein Rechtsanspruch bestand:46 Der HilfsbedürfUmkommen im Elende verhüten zu wollen“; bereits in Begründung eines Gesetzentwurfs vom 15. Dezember 1825 war ausgeführt worden, es sei die „Unterstützung auf Verschaffung des nothdürftigen Lebensunterhalts zu beschränken“, was der Praxis der Verwaltungsbehörden entsprach, dass „bei der öffentlichen Armenpflege von den Kommunen nur der zur Lebensfristung unentbehrliche Unterhalt zwangsweise geleistet werden dürfe“, zitiert nach F. Arnoldt Die Freizügigkeit und der Unterstützungswohnsitz, 1872, 688, 689 Fn. *). In diesem Sinne noch Entscheidungen des Bundesamts für das Heimathwesen, Heft 33 (1901), 39 (42). 45 Dem Inhalt nach war dieses Öffentliche Interesse klar; etwa Entscheidungen des Bundesamts für das Heimathwesen, Heft 33 (1901), 39 (41: „Dieses [scil.: öffentliche] Interesse geht dahin, daß Niemand, weil er außer Stande ist, sich den nothdürftigen Lebensunterhalt selbst zu beschaffen, zu Grunde gehe“). Die Begründung fiel unterschiedlich aus. Die Armenpflege konnte als ein Mittel zur Erreichung des Sicherheitszwecks (Vorsorge gegen die Zerrüttung des bürgerlichen Rechtszustands und revolutionäre Erhebung) oder zur Wahrung der öffentlichen Ordnung aufgefasst werden. Oder man verstand die Beförderung des Wohlstands wie die Bekämpfung von Armut als Elemente des allgemeinen gesellschaftlichen Lebenszwecks des größtmöglichen Wohlstands Aller. Zum Ganzen – auch zur Unterdrückung der Bettelei – C. v. Rotteck (Fn. 42), 670 (670 f., 673, 678). Über Sicherheit und Ordnung musste im zuletzt genannten Sinne vor allem eine Sicht hinausweisen, nach der der Staat auch Anstalt zur Vervollkommnung des Menschengeschlechts und zur Realisierung der sittlichen Bestimmung der Menschheit sei, etwa F. Murhard Der Zweck des Staats, 1832, 406, der Staat sei nicht nur Rechtsanstalt, sondern „für die Staatsbürger ein Institut zur Begründung und Förderung ihrer zeitlichen Wohlfahrt und zur Verfolgung ihrer höheren Bestimmung, und für das Menschengeschlecht eine Erziehungsanstalt …“; ähnlich O. v. Gierke Die Grundbegriffe des Staatsrechts und die neuesten Staatsrechtstheorien, 1915 (Nachdruck der in ZgesStW 1874 erschienenen Abhandlung), 107. 46 Nach C. v. Rotteck (Fn. 42), 672f., nimmt „nur das Interesse der Gesammtheit die Versorgung der Armen in Anspruch … die Armen haben kein selbstständiges strenges Recht auf Unterstützung“. Dieser Grundsatz entfalte „wohlthätige Wirkung. Er ermuntert einerseits oder fordert auf die Armen zur thunlichsten Anstrengung ihrer eigenen Kraft behufs der Befriedigung ihrer Bedürfnisse, und er verstärkt andrerseits den Antrieb der Wohlhabenden zur Unterstützung der Armuth, weil, was man aus Rechtsschuldigkeit thut, in der Regel minder eifrig getan wird …“ So auch die ministerielle Klarstellung zum Zweck des § 33 des Preuß. Gesetzes über die Verpflichtung zur Armenpflege vom 31. Dezember 1842 (PrGS 1843, 8): In „diesem Zweige der öffentlichen Ordnung … sei gar kein Recht, kein im Rechtswege verfolgbarer Anspruch des Armen auf Unterstützung anzuerkennen, sondern nur die eventuelle Verpflichtung der Kommunen und resp. Provinzen als eine Verpflichtung, die ihnen und dem Staat gegenüber, nicht aber gegen die einzelnen Armen obliege, zu statuiren“; wiedergegeben nach F. Arnoldt (Fn. 44), 688. Dieser Vorschrift ent-
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tige erschien als Gegenstand der Fürsorge, nicht als ihr eigentlicher Zweck.47 Die Wechselseitigkeit des Staat-Bürger-Verhältnisses kam erst auf der Pflichtenseite, in Gestalt der Arbeitspflicht, zum Ausdruck: Schon frühzeitig war klar, dass die für arbeitsfähige Hilfsbedürftige wie Gemeinschaft gleichermaßen beste Fürsorge in der Beschaffung von Arbeit bestehe.48 Die gemeinschaftliche Verantwortung konnte nur subsidiär neben die potentielle Fähigkeit, damit auch Verpflichtung eines Jeden treten, für sich selbst zu sorgen.49 Für eine offene Armenpflege nach dem Grundsatz „Arbeit statt Almosen“ bedeutete dies, dass der hilfsbedürftige, arbeitsfähige Arme jede seinen Kräften entsprechende, angemessene Arbeit anzunehmen hatte.50 Deutlicher noch trat das Pflichtenverhältnis in der geschlossenen Armenpflege hervor. Dort bestand die Möglichkeit zwangsweiser Unterbringung in öffentlichen Arbeitsanstalten und des Arbeitszwangs.51 sprach § 63 des Preuß. Ausführungsgesetzes (zum Unterstützungswohnsitzgesetz) vom 8. März 1871. M. Stolleis (Fn. 39), 28f. 47 G. Jellinek System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl. 1905, 73. Entscheidungen des Bundesamts für das Heimathwesen, Heft 33 (1901), 39 (41: Der Hilfsbedürftige sei „Objekt einer den Armenverbänden im öffentlichen Interesse auferlegten Verpflichtung“). Folgerichtig wurde die Fürsorge antragsunabhängig von Amts wegen gewährt. Vgl. § 2 der Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge vom 4. Dezember 1924 ( RGBl I 765) in der Fassung des Gesetzes vom 8. Juni 1926 (RGBl I 255) und die Amtlichen Erläuterungen bei P. A. Baath Verordnung über die Fürsorgepflicht v. 13. Februar 1924, 5. Aufl. 1927, §§ 2, 3 Anm. 1, 67; ferner BadVGH , RuPrVerwBl. Bd. 49 (1928), 6. 48 Sei es durch die Veranstaltung von öffentlichen Arbeiten (insbesondere Straßenbau), sei es durch individuelle Anweisung von Arbeit, C. v. Rotteck (Fn. 42), 671, 675; grundsätzlich zur Bedeutung der Arbeit in diesem Zusammenhang auch G. W. F. Hegel Grundlinien der Philosophie des Rechts (1819), in: Moldenhauer/Michel (Hrsg.) Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Werke, Bd. VII, 1970, § 245, 390. Vgl. bereits §§ 2, 3, 18, II 19 PrALR sowie Art. 21 der Französischen Verfassung vom 24. Juni 1793. Zum Ganzen auch W. Rüfner Sozialhilferecht, in: Achterberg/Püttner/Würtenberger (Hrsg.) Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. II, 2. Aufl. 2000, § 28, Rn. 88. 49 Dazu in historischer Perspektive BVerwGE 29, 99 (100); ferner M. Stolleis (Fn. 39), 29. 50 Etwa nach Art des Elberfelder Modells (1852/53), C. Sachße/F. Tennstedt Geschichte der Armenfürsorge in Deutschland, Bd. I, 2. Aufl. 1998, 214 ff. (216 f., 288, 289 dort die Instruktion für die Bezirks-Vorsteher und Armenpfleger in Elberfeld, § 2: „Der hilfsbedürftige, aber arbeitsfähige Arme … ist verpflichtet, die ihm angewiesene, seinen Kräften angemessene Arbeit zu verrichten“). Der Grundsatz „Arbeit statt Almosen“, dazu auch BVerwGE 29, 99 (100 f.), trug neben dem Gemeininteresse dem Ehrgefühl der Einzelnen Rechnung, auch wurde der unerwünschten Konkurrenz von privater und öffentlicher Arbeit begegnet, zu beiden Aspekten G. W. F. Hegel (Fn. 48), § 245, 390. 51 Wenn auch auf gesetzlicher Basis und in den Grenzen des Zumutbaren; besonders deutlich in Art. 12 des Preuß. Gesetzes vom 21. Mai 1855 zur Ergänzung der Gesetze vom 31. Dezember 1842 (PrGS 311): „Auch solche Personen, welche die Armenpflege in
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Die im öffentlichen Interesse geschuldete Fürsorgeleistung stand so unter der Bedingung der wechselseitigen Pflichterfüllung durch den Hilfsbedürftigen. In seiner Beschränkung auf die Pflichtenseite52 bewahrte das Fürsorgeverhältnis auch im Rechtsstaat den überkommenen polizeistaatlichen Charakter. b)
Die Fortentwicklung zum vorsorgenden Sozialstaat
Ungeachtet solch öffentlicher Fürsorge und trotz des Rückgangs der Massenarmut mit der Hochphase der Industrialisierung blieb aber während des 19. Jahrhunderts insgesamt eine große soziale Unsicherheit bestimmend für das Leben breiter Bevölkerungsschichten, insbesondere der Fabrikarbeiterschaft. Viele lebten ständig derart am Rande des Existenzminimums, dass sie diese Grenze schon bei kurzzeitigen Verdienstausfällen unterschritten.53 Das nahmen bereits die Zeitgenossen als Problem nicht nur wirtschaftlicher Subsistenzerhaltung, sondern einer tiefgreifenden sozialen Desintegration wahr. Ihrer ständisch-traditionalen Einordnung und Orientierung beraubt, fanden jene mittellosen Schichten doch keinen Platz in der bürgerlichen Gesellschaft, deren Möglichkeiten ihnen vorenthalten blieben. Das führte zu einer Ausgrenzung, die die „soziale Frage“ aufwarf:54 Wie war die delegitimierende Kluft zwischen den Anspruch nehmen, sich aber weigern für die ihnen gewährte Unterstützung die ihnen von der Obrigkeit, sei es im Orte oder auswärts, angewiesene ihren Kräften angemessene Arbeit ordnungsgemäß zu verrichten, können, so lange sie der Unterstützung bedürfen und bei ihrer Weigerung beharren, in einer Arbeitsanstalt untergebracht werden“. Vgl. sodann, diese Regelung ablösend § 1 Abs. 2 des Preuß. Gesetzes betr. die Ausführung des Bundesgesetzes über den Unterstützungswohnsitz vom 8. März 1871 (PrGS 130) und zur zwangsweisen Unterbringung in einer öffentlichen Arbeitsanstalt das Preuß. Gesetz über die Abänderung und Ergänzung der Ausführungsgesetze zum Reichsgesetz über den Unterstützungswohnsitz vom 23. Juli 1912 (PrGS 195), Art. 1, § 1a: „Wer … aus öffentlichen Armenmitteln unterstützt wird, kann auch gegen seinen Willen … für die Dauer der Unterstützungsbedürftigkeit in einer öffentlichen Arbeitsanstalt … untergebracht werden; der Untergebrachte ist verpflichtet, für Rechnung des Armenverbandes die ihm angewiesenen Arbeiten nach dem Maße seiner Kräfte zu verrichten“. 52 W. Jellinek Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 1931, 537: „Pflichtsubjekt, nicht … Rechtssubjekt“. Vgl. G. W. F. Hegel (Fn. 48), § 238, 386 und § 240, Zusatz, 387: „Weil die bürgerliche Gesellschaft schuldig ist, die Individuen zu ernähren, hat sie auch das Recht, dieselben anzuhalten, für ihre Subsistenz zu sorgen“. 53 Vgl. C. v. Rotteck (Fn. 42), 671 („Alle diese Leute sind in der Regel hilfsbedürftig, wenn auch nur einen Tag oder eine Woche lang ihr Arbeitsverdienst stockt …“); T. Nipperdey (Fn. 36), 226, 236ff., insbesondere 240. 54 Zu dieser und der allseits befürchteten Demoralisierung, sittlichen Entwurzelung, „Proletarisierung“ und schließlich Radikalisierung E. R. Huber Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. IV, rev. Nachdruck der 2. Auflage 1994, 1124ff., 1191 ff.; T. Nipperdey (Fn. 36), 226, 240ff. Einen wichtigen zeitgenössischen Diskussionsbeitrag hat insb.
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politisch-rechtlich anerkannten Prinzipien der Freiheit und Gleichheit einerseits und der ökonomischen Ungleichheit der Erwerbsbedingungen andererseits zu überwinden?55 Um die Arbeiterschaft – neben und anstelle der durch die Sozialistengesetze geübten Repression – gezielt zu re-integrieren, musste ihren Angehörigen ein eigener Standpunkt im Recht geschaffen werden,56 der die soziale Unsicherheit ausgleichen und darüber hinaus den der Armenfürsorge anhaftenden Makel des mildtätigen Almosens beseitigen konnte. Aus dem Hilfsbedürftigen und bloßen Objekt der Fürsorge sollte der Inhaber eines gesetzlichen Rechtsanspruchs auf soziale Sicherheit werden.57 Das besagte die Kaiserliche Botschaft, die Reichskanzler Bismarck am 17. November 1881 im Reichstag verkündete58 und deren sozialstaatliches L. v. Stein mit seiner Geschichte der sozialen Bewegungen in Frankreich von 1789 bis auf unsere Tage (1850) geleistet, dazu E.-W. Böckenförde Lorenz v. Stein als Theoretiker der Bewegung von Staat und Gesellschaft zum Sozialstaat, in: ders. (Hrsg.) Recht, Staat, Freiheit, 1991, 170 ff.; E. R. Huber Lorenz v. Stein und die Grundlegung der Idee des Sozialstaats, in: Forsthoff (Hrsg.) Gesellschaft – Staat – Recht, 1972, 495; ferner A. Wagner Allgemeine oder theoretische Volkswirthschaftslehre, Erster Theil. Grundlegung, 1876, 361 ff. 55 Der Natur der Sache nach war dieser Situation (mangels finanzieller Spielräume) nicht mit privaten Versicherungsvereinen, die jedem Mitglied ein „wirklich gutes, nemlich contractmäßiges Recht“ verliehen hätten, C. v. Rotteck (Fn. 42), 674 f., beizukommen, aber auch nicht flächendeckend durch Unterstützungskassen (Kranken-, Sterbe- und Hülfskassen), wie sie z. B. in Preußen auf Basis der Gewerbeordnung für hilfsbedürftige Lehrlinge, Gesellen und Gehilfen (§ 169 Abs. 2 PrGewO), später auch für Fabrikarbeiter §§ 56, 58 Abs. 1 (VO vom 9. Februar 1849, PrGS 93) und unter Beitragspflicht der Unternehmer nach Ortsrecht obligatorisch gemacht werden konnten, T. Nipperdey (Fn. 36), 247. Hierzu auch M. Stolleis (Fn. 39), 43ff. 56 Das allgemeine Privatrecht mit den Garantien von Privatautonomie und Eigentum bildete die Grundordnung der bürgerlichen Gesellschaft, die man, ungeachtet spezialgesetzlicher, vom Gedanken sozialer Gerechtigkeit getragener Einschränkungen der Vertragsfreiheit im wesentlichen unangetastet ließ; vgl. etwa die PrAGewO vom 17. Januar 1845 (PrGS 41): Während § 134 die Vertragsfreiheit festsetzt, sieht § 136 ortspolizeiliche Kontrollen ausreichenden Gesundheitsschutzes vor und erlaubt vor allem § 169 ortsrechtliche Einschränkungen der Vertragsfreiheit, ferner dazu VO vom 9. Februar 1849 (PrGS 93) mit dem Verbot von Sonn- und Feiertagsarbeit in § 49 Abs. 2 und dem Truckverbot in §§ 50 ff.; dazu T. Nipperdey (Fn. 36), 274. Später §§ 105 ff. GewO des Norddeutschen Bundes vom 21. Juni 1869 (RGBl 245). Im Übrigen fehlte es dann dem BGB bekanntlich am „Tropfen sozialistischen Öls“, so O. v. Gierke Die soziale Aufgabe des Privatrechts (1889) in: Wolf (Hrsg.) Deutsches Rechtsdenken, Heft 12, 1948, 10. Zu den spezialgesetzlichen Schutznormen auch M. Stolleis (Fn. 39), 89ff. 57 Zum Problem E. R. Huber Deutsche Verfassungsgeschichte (Fn. 54), 1130, 1198. Zur rechtlichen Beurteilung G. Jellinek (Fn. 47), 73 Fn. 3; vgl. P. A. Baath (Fn. 47), § 1 Anm. 1, 45. 58 Dazu M. Stolleis (Fn. 39), 58.
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Gesetzgebungsprogramm zu den später in der Reichsversicherungsordnung (vom 19. Juli 1911)59 zusammengefassten Zweigen der Sozialversicherung (mit der Kranken-, der Unfall- und der Invaliditäts- und Altersversicherung) führte. Mit ihr wendete der Staat seine wohlfahrtsstaatlichen Vorsorge-Bemühungen60 dem Gebiet der wirtschaftlich begründeten oder ausgeprägten individuellen Notlagen zu, deren Vermeidung die Versicherungsbeiträge dienten.61 Zur steuerfinanzierten – und subsidiären – Armenfürsorge trat die (von der Bedürftigkeit unabhängige) beitragsfinanzierte Sozialvorsorge hinzu. Der Vorsorgezweck des sozialstaatlichen Programms konnte allerdings nur erreicht werden, wenn nicht einfach freibleibende Angebote unterbreitet wurden. Das Leistungsmoment wurde darum vom Gesetz mit dem Eingriffsmoment gekoppelt, was in den wichtigsten Bereichen (Kranken-/ Unfallversicherung) auf einen Versicherungszwang hinauslief. Der Rechtsvorteil der Subjektstellung war, teils im öffentlichen, teils im wohlverstandenen Eigeninteresse, aufgezwungen, um die notwendige Solidarität, vor allem auch zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern rechtswirksam zu realisieren. Der Vorsorgezwang wird so zum typischen Handlungsmittel des sozialen Rechtsstaats. Auch nach der rechtsstaatlichen Scheidung von Eingriffs- und Leistungsverwaltung ist der hoheitliche Eingriff keineswegs der Verfolgung des Sicherheitszwecks vorbehalten, die sozialstaatliche Wohlfahrtspflege erschöpft sich nicht in Leistungsgewähr.62 Werden Leistungen durch Eingriff verabreicht, stehen sie unter den allgemeinen rechtsstaatlichen Bindungen. Angesichts der seinerzeit 59
RGBl I 509.
Vgl. A. Wagner (Fn. 54), 257: Der „Staat fortschreitender Völker … hört immer mehr auf, einseitig Rechtsstaat, im Sinne der möglichst alleinigen Verwirklichung des Rechts- und Machtzwecks, zu sein und wird immer mehr Cultur- und Wohlfahrtsstaat, in dem Sinne, dass gerade seine Leistungen auf dem Gebiete des Cultur- und Wohlfahrtszwecks sich beständig mehr ausdehnen und einen reicheren und mannigfaltigeren Inhalt gewinnen“; sodann 260 ff., zum „Gesetz der wachsenden Ausdehnung der Staatstätigkeiten“ und insbesondere auch 274 ff. zu der mit der Entwicklung von Volkswirtschaft und Kultur zwangsläufig zunehmenden Prävention; E. Forsthoff Die Verwaltung als Leistungsträger, 1938, 20. Zum Begriff der Daseinsvorsorge, ebenda, 7, 47; ders. (Fn. 40), 368 ff. Teils andere Abgrenzung von Daseinsvorsorge und spezifisch sozialstaatlicher Wohlfahrtspflege bei H. F. Zacher (Fn. 15), § 28 Rn. 35, 64 ff. 61 RVO vom 19. Juli 1911 ( RGBl I 509) Hinzu kam noch das Versicherungsgesetz für Angestellte vom 20. Dezember 1911 ( RGBl I 998). Zum Ganzen E. R. Huber Deutsche Verfassungsgeschichte (Fn. 54), 1191 ff.; auch W. Jellinek (Fn. 52), 539ff. 62 Vgl. A. Wagner (Fn. 54), 257; zum Zwangsprinzip in der Sozialversicherung M. Stolleis (Fn. 39), 64ff., 67. Dagegen ist die Daseinsvorsorge ieS nach E. Forsthoff (Fn. 60), 40, durch Freiwilligkeit gekennzeichnet. 60
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unbestrittenen Allmacht des Gesetzgebers63 beschränkt sich die Kontrolle damit auf das gesetzmäßige Handeln der Verwaltung. 3.
Das unvollendete Programm des Weimarer Sozialstaats
Mit der Weimarer Republik scheint der soziale Rechtsstaat unter der nun verwirklichten Volkssouveränität auf Verfassungsebene angekommen. Denn die Weimarer Reichsverfassung widmet sich in einem eigenen Abschnitt ausführlich dem Wirtschaftsleben und dessen menschenwürdiger und sozial gerechter Gestaltung (Art. 151 WRV). Gerade diesen Regelungen des Zweiten Hauptteils und insbesondere dem Leitgedanken des Art. 151 WRV wurde freilich von Anfang an ein programmatischer, nicht unmittelbar verbindlicher Charakter attestiert.64 Zwar schuf der Gesetzgeber als weiteren Zweig der Sozialversicherung (1927) die Arbeitslosenversicherung.65 Andererseits sollte nach allgemeiner Auffassung aus der Fürsorgegarantie des Art. 163 Abs. 2 WRV66 ein Grundrecht des hilfsbedürftigen Arbeitslosen auf den „notwendigen Unterhalt“67 doch nur „dem Grundsatz nach“ folgen. Die Durchführung des Grundsatzes, auch die Frage der subjektiven Berechtigung stand zur Dis-
63 G. Jellinek (Fn. 47), 96f.; G. Anschütz (Fn. 37), 94; R. Thoma Die juristische Bedeutung der grundrechtlichen Sätze der deutschen Reichsverfassung im Allgemeinen, in: Nipperdey (Hrsg.) Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. I, 1929, 1 (45). 64 Etwa G. Anschütz (Fn. 4), Art. 151 Anm. 2, 700: „Wie der erste, so ist auch der zweite Abs. dieses Artikels ein lediglich an die Adresse des Gesetzgebers sich richtendes Programm“; ferner C. Schmitt (Fn. 32), 594. Nach W. Apelt Geschichte der Weimarer Reichsverfassung, 1946, 357 (vgl. auch 366) blieb die gerechte Sozialordnung „Programm, ein Wechsel auf eine künftige Reichsgesetzgebung, der nur mit einem geringen Betrag eingelöst worden ist“. Insgesamt verharrte – nach zeitgenössischer Einschätzung – der Arbeitnehmer wirtschaftlich in der Untertanenstellung, wurde nicht vollwertiger „Wirtschaftsbürger“, G. Radbruch Rede auf der Verfassungsfeier der Reichsregierung am 11. August 1928, in: Poscher (Hrsg.) Der Verfassungstag, 1999, 81 (85). 65 Mit dem Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG ) vom 16. Juli 1927 (RGBl I 187); geändert durch Gesetz vom 12. Oktober 1929 (RGBl I 162). Zu weiteren Gesetzgebungsprojekten W. Apelt (Fn. 64). 66 Zum „naturrechtlichen“ Charakter O. Weigert Betätigungspflicht und Arbeitslosenhilfe, in: Nipperdey (Hrsg.) Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. III, 1930, 485 (506f.). 67 Zur Voraussetzung eines echten Bedürfnisses G. Anschütz (Fn. 4), Art. 151 Anm. 4, 740; zu dieser und zur (tradierten) Begrenzung des Leistungsumfangs auf das Existenzminimum O. Weigert (Fn. 66), 507f. Ferner §§ 1 und 5 der Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge (Fn. 47) und dazu P. A. Baath (Fn. 47), 55.
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position des ausführenden Gesetzgebers,68 der einen Fürsorgeanspruch des Hilfsbedürftigen nach wie vor nicht anerkannte.69 Auch dass die staatliche Unterstützung70 von der Bereitschaft des Hilfsbedürftigen abhing, gemeinnützige Arbeit zu leisten,71 wurde nicht als Widerspruch zur strikt formulierten Fürsorgepflicht empfunden (Art. 163 Abs. 2 S. 2 WRV). Stattdessen ließ sich auf die tradierten und durch das Unterwerfungsverhältnis der öffentlichen Fürsorge gerechtfertigten Beschränkungen der persönlichen Freiheit verweisen.72 Die sittliche Verpflichtung gegenüber dem Gemeinwesen, an die Art. 163 Abs. 1 WRV – analog zur Sozialbindung des Eigentums – ja auch erinnerte, brauchte nicht bemüht zu werden.
G. Anschütz (Fn. 4), Art. 163 Anm. 3, 740; O. Weigert (Fn. 66), 499, 506f., 509. Die Fürsorge wurde weiter von Amts wegen gewährt. P. A. Baath (Fn. 47), § 1 Anm. 2, 46, auch § 3 Anm. 4, 51 sowie ferner die Amtl. Erläuterungen zu §§ 2, 3 der Reichsgrundsätze, ebenda, 67. F. Fleiner (Fn. 40), 174 Fn. 29, 175 f.; W. Jellinek (Fn. 52), 202, 537; O. Mayer Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. II, 3. Aufl. 1924, 386 Fn. 16; R. Piloty/F. Schneider Grundriß des Verwaltungsrechts in Bayern und dem Deutschen Reiche, 3. Aufl. 1927, 154; BadVGH, RuPrVerwBl. 49 (1928), 6; Gerichtshof zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte, RuPrVerwBl. 52 (1931), 982: „Es ergibt die geschichtliche Entwicklung der öffentlichen Wohlfahrtsmaßnahmen, der Armenpflege, des Reichsgesetzes über den Unterstützungswohnsitz, endlich der Verordnung über die Fürsorgepflicht vom 13. Februar 1924, daß dem Unterstützungsbedürftigen gegen den Verpflichteten ein im Rechtswege verfolgbarer Anspruch niemals zusteht“. Hierzu und zum folgenden M. Stolleis (Fn. 39), 133 ff. 70 Vgl. BVerwGE 29, 99 (101 f.) zur erzieherischen Absicht der Maßnahmen. 71 § 19 der Verordnung über die Fürsorgepflicht vom 13. Februar 1924 ( RGBl I 100), sowie dazu §§ 5, 7 der Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge (Fn. 47) sah für Fürsorgeempfänger (gemeinnützige) Pflichtarbeit und Fürsorgearbeit vor. Zur späteren Neuregelung im BSHG BT-Drucks. 3/1799, 40, 41 (zu § 17 des Entwurfs). Nach § 20 der Verordnung über die Fürsorgepflicht kam bei sittlichem Verschulden die zwangsweise Unterbringung „arbeitsscheuer“ Hilfsbedürftiger zur Arbeit in Betracht; vgl. Fn. 51 und dazu P. A. Baath (Fn. 47), 74. § 90 AVAVG regelte dagegen aus dem Gedanken der Eigenverantwortung heraus die Pflicht des Empfängers von Arbeitslosenunterstützung, zumutbare Arbeit anzunehmen, wollte er nicht andernfalls der Unterstützung verlustig zu gehen. Insoweit betont O. Weigert (Fn. 66), 497, es entspreche gerade Art. 163 Abs. 2, „daß dem Arbeitslosen Möglichkeiten wirtschaftlicher Arbeit gegeben werden“. 72 O. Weigert (Fn. 66), 497. 68 69
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III. Sozialstaatliche Entwicklung und wohlfahrtsstaatliche Entgrenzung unter dem Grundgesetz 1.
Die Fortentwicklung des Für- und Vorsorgegedankens und seine Ausdehnung auf die gesamte Staatstätigkeit in drei Stufen
a)
Die Fortentwicklung des Für- und Vorsorgegedankens im Sozialrecht
Als dann das Bonner Grundgesetz das „Ideal der sozialen Demokratie in den Formen des Rechtsstaates“ in der Verfassung verankerte,73 behielt die dem Staat aufgegebene „aktive Sozialgestaltung“74 aus der historischen Vorbestimmung des überkommenen Ideals ihre tradierte Ausrichtung. Allerdings gab es Zeichen der Erneuerung und Vollendung: Das Bundesverwaltungsgericht entwickelte (1954) aus den „Leitgedanken des Grundgesetzes“, die den Menschen, auch wo er staatlicher Gewalt unterworfen ist, als Rechtssubjekt erweisen, einen verfassungsrechtlichen Auslegungsgrundsatz. Unter diesem erschien der Normzweck der fürsorgerechtlichen Bestimmungen in neuem Licht. Wo man bislang ausschließlich ein öffentliches Interesse an der Abwendung individueller Notlagen gesehen hatte, war man nun auf den Eigenwert des Menschen verwiesen, der es gebot, der gesetzlichen Fürsorgeverpflichtung einen Rechtsanspruch des Begünstigten gegenüberzustellen. Das Bundesverfassungsgericht ging später noch einen Schritt weiter und leitete „aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsgrundsatz“ die verfassungsrechtliche Verpflichtung des Staats ab, dem Mittellosen die für ein menschenwürdiges Dasein unabdingbaren Mindestvoraussetzungen erforderlichenfalls durch Sozialleistungen zu sichern, eine Verpflichtung, die man in der Literatur vielfach als verfassungsrechtlichen „Anspruch“ auf das Existenzminimum verstand.75 73 BVerfGE 5, 85 (198). Der formale Rechtsstaat wird dadurch nicht in unmittelbar zu vollziehender Weise materiell interpretiert und institutionell ausgeformt, zutreffend insoweit E. Forsthoff (Fn. 17), 27, 29; dagegen spricht E. R. Huber Deutsche Verfassungsgeschichte (Fn. 54), 1132, von der „Sozialverfassung“, die erst den „Charakter eines Sozialstaats in verfassungstypologischer wie auch in rechtlicher Bedeutung“ ausmache. 74 Zu dieser Aufgabe bereits BVerfGE 1, 97 (105); BVerwGE 23, 149 (153); 27, 58 (62f.). 75 BVerfGE 82, 60 (85); bereits BVerfGE 40, 121 (133 f.); 45, 187 (228); 75, 348 (360) zum grundrechtlichen Anspruch (offenlassend). Frühe literarische Äußerungen bei O. Bachof Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates, VVDStRL 12 (1954), 37 (42, 51 f.): Art. 2 Abs. 2 S. 1 mit Art. 1 Abs. 1 GG; H. C. Nipperdey Die Würde des Menschen, in: Neumann/ders./Scheuner (Hrsg.) Die Grundrechte, Bd. II, 1954, 1 (6); G. Dürig in: Maunz/ders. GG, Art. 1 Abs. I Rn. 43 f. (Stand: 1958): Art. 1 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. der Sozialstaatsentscheidung. Aus der neueren Literatur etwa H. Dreier in: ders. (Hrsg.) GG I, 2. Aufl. 2004, Art. 1 I Rn. 61, 148, 158; C. Starck in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.) GG I, 4. Aufl. 1999, Art. 1 Abs. 1 Rn. 36. In der Tat erscheint es mit der Vorstellung
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Abgesehen davon aber blieben die Grundstrukturen des Sozialrechts, in seiner klassischen Dreigliederung nach Sozialfürsorge (Sozialhilfe, Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG), Sozialversorgung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 10 GG) und Sozialversicherung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG, vgl. auch Art. 120 GG ) erhalten,76 die Regelungen galten fort (vgl. Art. 125 Nr. 1 GG). Der Gesetzgeber, dem es zuvörderst oblag, den ausgestaltungsbedürftigen Sozialstaatsgrundsatz mit Inhalt zu erfüllen und zu entfalten,77 wich von der vorgegebenen Ausrichtung des Sozialrechts wenig ab.78 Neu auftretende oder wahrgenommene Gerechtigkeitslücken wurden geschlossen.79 Das Grundanliegen blieb aber die „Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit“ durch Sozialleistungen80 und damit im Kern unver-
menschlicher Würde unverträglich, Mitmenschen sehenden Auges verhungern zu lassen, bereits H. v. Mangoldt in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv (Hrsg.) Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Akten und Protokolle, Bd. V, 782. 76 Zur „klassischen Trias“, vgl. etwa B. Schulin/G. Igl Sozialrecht, 7. Aufl. 2002, Rn. 74. Näher H. F. Zacher (Fn. 15), § 28 Rn. 17 a.E. 77 E. Forsthoff (Fn. 17), 27, 29; dazu E.-W. Böckenförde (Fn. 19), 160 ff. Aus der Rspr. BVerfGE 1, 97 (105); 5, 85 (198, 206); 22, 180 (204); 75, 348 (359f.); 82, 60 (79 f.). 78 Zu den hierfür verantwortlichen historischen Umständen M. Stolleis (Fn. 39), 209ff., insbesondere 213 f. 79 U.a. wurde der von der Rechtsprechung konstruierte individuelle Rechtsanspruch auf die Fürsorgeleistung, BVerwGE 1, 159 (161 f.), im Bundessozialhilfegesetz positiviert, § 4 Abs. 1 S. 1 BSHG. Dabei bleibt diesem Anspruch, weil er nur auf aktuelle Bedürftigkeit reagiert, eine „spezifische Existenzschwäche“ eigen, BVerwGE 96, 18 (20). Unterhalt für die Vergangenheit wird nach wie vor nicht gewährt, bereits Entscheidungen des Bundesamts für das Heimathwesen, Heft 33 (1901), 39 (40, 41); PrOVGE 89, 146 (155); W. Rüfner (Fn. 48), Rn. 46. Weiter wurde etwa die Arbeitslosenhilfe etabliert, wofür Ausgangspunkt die „Krisenunterstützung“ nach § 101 AVAVG (vom 16. Juli 1927, RGBl I 187) war, aus der zunächst die „Arbeitslosenfürsorgeunterstützung“ (Gesetz über die Bemessung und Höhe der Arbeitslosenfürsorgeunterstützung vom 29. März 1951, BGBl I 221) und dann die „Arbeitslosenhilfe“ hervorging (Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom 16. April 1956, BGBl I 243), dazu BVerfGE 9, 20 (22). Das AVAVG wurde durch das Arbeitsförderungsgesetz (vom 25. Juni 1969, BGBl I 582), später SGB III abgelöst. Schließlich entdeckte man z. B. die Ausbildung als Gegenstand staatlicher Fürsorge, damit des Sozialrechts, vgl. BVerwGE 27, 58 (61), im kompetenzrechtlichen Rahmen des Art. 74 Nr. 7 aF, nunmehr Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 (Ausbildungsbeihilfen). 80 § 1 Abs. 1 S. 1 SGB I: „Das Recht des Sozialgesetzbuchs soll zur Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit Sozialleistungen einschließlich sozialer und erzieherischer Hilfen gestalten …“ Vgl. §§ 3 bis 10 SGB I (Allgemeiner Teil); nicht geregelte Ausnahmen sind durch die tradierte Staats- und Verwaltungsorganisation oder historische Sondersituationen bedingt oder als Einzelfälle zu deklarieren. Die allmählichen Erweiterungen ließen freilich eine mehr zeitgemäße Systematisierung des Gebiets wissenschaftlich angezeigt erscheinen. Der „klassischen Trias“ setzt daher H. F. Zacher Einführung in das Sozialrecht, 3. Aufl. 1985, 20ff., in mehr funktionaler Differenzierung die
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ändert. Die progressive Tendenz auf dieser ersten Stufe der Entwicklung ist die Tendenz zur stetigen Ausdehnung der Solidaritätsbasis. Sie führt, wie die Beispiele der Pflegeversicherung oder der nun diskutierten Bürgerversicherung belegen, nicht nur zur Überschreitung hergebrachter Regelungsschemata, sondern zur nahezu zwangsläufigen Einbeziehung möglichst aller Bürger.81 b)
Die Erstreckung des Sozialstaatsgrundsatzes auf die Rechtsbeziehungen Privater
Dass der Sozialstaat heute aber auch über das Sozialrecht hinaus wirkt, hat Gründe, die außerhalb des Sozialstaatsgrundsatzes liegen. Denn dessen konkretisierungsbedürftiges Gebot „sozialer Aktivität“ trifft sich mit der Lehre vom materialen Rechtsstaat, der eine material gerechte Ordnung errichtet.82 Und die Lehre von der Grundsatzwirkung und Schutzfunktion der Grundrechte benennt die hierfür erforderlichen materialen Orientierungswerte. An dieser Stelle geht die Entwicklung über den tradierten Stand der Sozialstaatlichkeit in einer zweiten Stufe hinaus: Indem die Grundrechte in ihrer Schutzfunktion den „fördernden und schützenden“ Staat verlangen, weisen sie nicht nur darauf hin, dass eine für- und vorsorgende Sozialgestaltung auch der Verletzung von Grundrechtsgütern, die durch gesellschaftlichen Machtmissbrauch ermöglicht wird, vorzubeugen hat.83 Sie geben zugleich der Verfassungsrechtsprechung das Mittel an die Hand, den abstrakten Sozialstaatsgrundsatz verbindlich zu interpretieren. Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb aus den Grundrechten und dem Sozialstaatsgrundsatz eine Pflicht zum Ausgleich struktureller Ungleichheit (im Privatrecht) abgeleitet84 und unter diesem „neue Trias“ von Vorsorge, Sozialer Entschädigung sowie Sozialer Hilfe und Förderung (mit dem „Basissystem“ der Sozialhilfe) entgegen. 81 Zur Pflegeversicherung BVerfGE 103, 197 (216, 221, 223). Zur Bürgerversicherung kritisch J. Isensee „Bürgerversicherung“ im Koordinatensystem der Verfassung, NZS 2004, 393ff.; F. Kirchhof Verfassungsrechtliche Probleme einer umfassenden Krankenund Renten-„Bürgerversicherung“, NZS 2004, 1ff.; auch F. Hufen Grundrechtsschutz der Leistungserbringer und privaten Versicherer in Zeiten der Gesundheitsreform, NJW 2004, 14 (18: Ausdehnung des „Versicherungsmonopols des Staates“). 82 Etwa J. M. Wintrich Zur Problematik der Grundrechte, 1957, 18, insbesondere 29; auch K. Hesse Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. (Nachdruck) 1999, Rn. 192; zur Kritik E.-W. Böckenförde (Fn. 19), 164ff.; C. Enders in: Friauf/Höfling (Hrsg.) GG I, vor Art. 1. Rn. 49 f. (Stand: Dezember 2003). 83 C. Enders (Fn. 82), vor Art. 1 Rn. 66 f.; G. Hermes Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 1987, 227f., 236. 84 BVerfGE 81, 242 (254f.): Privatautonomie setze voraus, dass „die Bedingungen freier Selbstbestimmung tatsächlich gegeben sind … Wo es an einem annähernden Kräftegleichgewicht der Beteiligten fehlt, ist mit den Mitteln des Vertragsrechts allein kein sach-
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Gesichtspunkt etwa Bürgschaften unter verwandtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnissen oder Eheverträge kontrolliert.85 Darin drückt sich die verstärkte Aufmerksamkeit aus, die jetzt allgemein den gesellschaftlich determinierten Verhältnissen rechtlicher Gleichheit, jedoch tatsächlicher Benachteiligung und Diskriminierung gilt.86 c)
Das Ausgreifen des Fürsorge- und Vorsorgegedankens auf die gesamte Staatstätigkeit
Nicht allein die Gefahr sozialer Benachteiligung wird aber unter Geltung des Grundgesetzes vermehrt als Herausforderung wahrgenommen. Der Staat hat das Risikopotential der technischen Entwicklung, die zunehmend sichtbare Bedrohung der natürlichen Lebensgrundlagen und allenthalben Knappheitsprobleme zu bewältigen. Auf einer weiteren, dritten Stufe emanzipiert sich darum der sozialstaatlich etablierte und legitimierte Für- und Vorsorgegedanke (wieder) vom Sozialstaatsgrundsatz, auch dies vielfach im Zeichen der Schutzpflicht: Vorverlagerte Gefahrenabwehr und gerechte Zuteilung von Nutzungschancen gehen dabei, namentlich im Planungs- und Umweltrecht, Hand in Hand.87 Auf diese Bereiche gerechter Ausgleich der Interessen zu gewährleisten“. Ausgangspunkt ist die Rspr. des BVerfG zur mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte im Privatrecht, BVerfGE 7, 198 (205); deutlich etwa auch BVerfGE 34, 269 (281, 282). 85 BVerfGE 89, 214; BVerfG , NJW 1994, 2749; BVerfGE 103, 89, hier allerdings stützt das Gericht die Kontrollbefugnis dann allein auf die Grundrechte (auf Art. 2 Abs. 1 mit Art. 6 Abs. 4 GG sowie auf Art. 6 Abs. 2 GG). Vgl. bereits H. C. Nipperdey Freie Entfaltung der Persönlichkeit, in: Bettermann/ders. (Hrsg.) Die Grundrechte, Bd. IV/2, 1962, 741 (756). 86 Vgl. – zu Art. 3 Abs. 2 GG aF – bereits BVerfGE 85, 191 (insbesondere 207); nunmehr Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG und hierzu B. Pieroth/B. Schlink Grundrechte – Staatsrecht II, 19. Aufl. 2003, Rn. 450. Zum Ganzen Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, in: Deutscher Bundestag (Hrsg.) Zur Sache 5/93, 1993, 96ff. (BT-Drucks. 12/6000; BR-Drucks. 800/93). Hinzu tritt eine Gesetzgebungstätigkeit, die Antidiskriminierungs-, Gleichstellungs- und Schutzmaßnahmen zugunsten situations- und gruppentypisch Benachteiligter vorsieht, etwa Behindertengleichstellungsgesetz vom 27. April 2002, BGBl I 1467; Gewaltschutzgesetz vom 11. Dezember 2001, BGBl I 3513. Um tatsächliche Probleme der Benachteiligung/Diskriminierung unter Privaten handelt es sich, weil und solange die einschlägigen Verhaltensumstände (einfach-)rechtlich nicht geregelt, insoweit rechtlich irrelevant sind. 87 Im Bauplanungsrecht etwa steht ursprünglich das Verteilungsproblem (gemeinverträgliche Nutzung des Bodens) im Vordergrund, mittlerweile spielt dabei aber der Umweltschutz eine gewichtige Rolle, vgl. § 1a BauGB. Im Immissionsschutzrecht herrscht anfangs der Gefahrenabwehrgedanke, der aber nunmehr – mit Blick auf Rechtsvorgaben der EG – stärker auf Umweltqualitätsmaßstäbe bezogen, dazu H. D. Jarass Luftqualitätsrichtlinien der EU und die Novellierung des Immissionsschutzrechts, NVwZ 2003, 257ff. und vor allem (für CO2-Emissionen) durch den Bewirtschaftungsansatz des Emissions-
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bleibt die Vorsorgetätigkeit indessen nicht beschränkt, wenn man an die Gesetze im Dienst des „Gesundheits- und Lebensschutzes“ denkt (Infektionsschutz-Gesetz, Transplantations-Gesetz, Embryonenschutz-Gesetz, Stammzell-Gesetz,88 bald vielleicht ein Gendiagnostik-Gesetz89). Nicht zuletzt steht unter dem Eindruck der Europäisierung und Globalisierung der Kriminalität längst die Polizeiarbeit im Zeichen der Vorsorge, weil ohne ausgedehnte Sicherheitsvorsorge auch die allgemeine Wohlfahrt Not leidet. 2.
Unterstützende und gegenläufige Einflüsse und Tendenzen
a)
Die Bekräftigung der sozialen Idee durch das Völker- und Europarecht
Das so aus der Perspektive der nationalstaatlichen Verfassung gezeichnete Bild bleibt ohne die völker- und europarechtlichen Einflüsse unvollständig, für die das Grundgesetz nach seiner normativen Anlage teils offen, auf die es teils – im Falle der europäischen Integration – nachgerade angelegt ist. Diese Einflüsse scheinen die auf Verfassungsebene so knapp entwickelte soziale Idee stark zu machen. Denn völker- und europarechtlich spielen die national fehlenden sozialen Grundrechte eine bedeutsame Rolle, nicht zuletzt in der Grundrechte-Charta der EU, die sich ausdrücklich auch die „Solidarität“ auf die Fahnen geschrieben hat.90 Das unterstreicht zunächst das umfassende Rechtsverständnis der normgebenden Institutionen, obwohl oder weil diese als solche nicht oder doch nur eingeschränkt demokratisch legitimiert sind. Eben darin liegt dann auch ein Defizit allfälliger Leistungsrechte: Die fehlende Reziprozität der Verantwortlichkeit für die Anspruchsgewährung einerseits, die Anspruchserfüllung andererseits, schwächt ihre Durchsetzungskraft. Darum sind sie handels (TEHG vom 08. Juli 2004, BGBl I 1578) ergänzt ist. Auf die Bewirtschaftung hob von vornherein das WHG für die knappe Ressource Wasser ab. Für den gesamten Bereich des Umweltschutzes markiert seit 1994 die Vorschrift des Art. 20a GG das allgemeine Handlungsprogramm zukunftsgerichteter Fürsorge, Gesetz vom 27. Oktober 1994, BGBl I 3146. 88 IfSG vom 20. Juli 2000, BGBl I 1045; TPG vom 5. November 1997, BGBl I 2631; ESchG vom 13. Dezember 1990, BGBl I 2746; StZG vom 28. Juni 2002, BGBl I 2277. 89 S. den Bericht zum Gesetzgebungsvorhaben in der FAZ vom 28. September 2004, 1 und 37. 90 Bereits Art. 22ff. der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948; ferner Art. 6 ff. IPWSK vom 19. Dezember 1966; Europäische Sozialcharta vom 18. Oktober 1961; Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer vom 9. Dezember 1989; Präambel, Art. 27 ff. der Grundrechte-Charta der EU (unter dem Titel „Solidarität“), die freilich insgesamt noch nicht verbindliches Gemeinschaftsrecht geworden ist.
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selbst auf europäischer Ebene, dort wo es um echte Leistungsansprüche gegenüber dem Gemeinwesen geht, als Programmsätze formuliert, die den Handlungsspielraum der Einzelstaaten kaum verengen (vgl. Art. 51, 52 Grundrechte-Charta der EU).91 b)
Die europaweite Stärkung des Für- und Vorsorgegedankens
Ganz anders verhält es sich mit dem nicht auf (Sozial-)Leistungsverhältnisse im engeren Sinne bezogenen und beschränkten Für- und Vorsorgegedanken, den gerade das europäische Gemeinschaftsrecht in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen implementiert oder verstärkt. Das geschieht mit Blick auf Antidikriminierungsmaßnahmen (Art. 13 EG), namentlich die Gleichbehandlung von Männern und Frauen (Art. 2, 3 Abs. 2 EG).92 Auch das Umweltrecht erfährt vom Gemeinschaftsrecht (Art. 174 ff. EG) eine spezifische Prägung im Sinne einer vorsorgendzuteilenden Benutzungsordnung.93 Und allgemein bieten Querschnittsklauseln und die Harmonisierung im Interesse des Gemeinsamen Marktes Gelegenheit, der Für- und Vorsorge zugunsten gemeinschaftsrechtlich anerkannter Schutzgüter eine breites Anwendungsfeld zu schaffen (etwa Gesundheits- und Verbraucherschutz, Art. 152, 153 EG).94 c)
Gegenläufige Tendenzen?
Aber setzt nicht der europaweite Prozess der Privatisierung, Deregulierung und Liberalisierung Zeichen in eine gegenläufige Richtung? Die vom europäischen Gemeinschaftsrecht angestoßene Privatisierung der
91 Deutlich bei den „Zugangs-Rechten“ des Solidaritäts-Kapitels der GrundrechteCharta der EU als derivativen Teilhaberechten, Art. 29, 34, 35 S. 1, 36 und den Aufgabenund Zielbestimmungen, Art. 35 S. 2, 37, 38; weitergehend Art. 30–32, 33 Abs. 2, wobei letztere Vorschrift ein Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Mutterschaft enthält. Zum Ganzen O. Schulz Grundlagen und Perspektiven einer Europäischen Sozialpolitik, 2003, 112 ff., 125 f., 185 ff.; T. Kingreen in: Calliess/Ruffert (Hrsg.) EUV/ EGV, 2. Aufl. 2002, Art. 6 EUV Rn. 46, 183 ff., 188: „Ausprägungen eines europäischen Sozialstaatsprinzips“. 92 Im engeren Zusammenhang der Sozialpolitik (Art. 3 Abs. 1 lit. j EG ) stehen die Grundsätze der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Arbeitsleben (Art. 136, 137, 141 Abs. 3 EG). 93 IVU -Richtlinie, Richtlinie 96/61/ EG des Rates vom 24. September 1996, ABl . EG 1996 Nr. L 257/26; Richtlinie 2003/87/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003, ABl. EU 2003 Nr. L 275/32, zum Emissionshandel. 94 Vgl. z. B. Tabakwerbeverbot, Richtlinie 98/43/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998, ABl. EG 1998 Nr. L 213/09 (nichtig nach EuGH, NJW 2000, 3701) und Richtlinie 2003/33/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003, ABl. EU 2003 Nr. L 152/16.
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„öffentlichen Daseinsvorsorge“ (vgl. Art. 87f GG)95 bezeichnet nur einen Aspekt einer überall festzustellenden Entwicklung, die den Staat in einer nurmehr regulierenden Aufsichtsfunktion zeigt und auf Dauer Freiheit und Eigenverantwortung gesellschaftlicher Akteure zu stärken scheint („regulierte Selbstregulierung“).96 Dennoch bedeutet dieses Programm eines „schlanken Staats“ nicht das Ende hoheitlicher Einflussnahme, weil es nicht das Ende des öffentlichen Interesses der Selbsterhaltung des Gemeinwesens bedeutet. Dass das Gemeinwohl immer weniger autonom einzelstaatlich definiert wird, verschlägt nichts. Es wird jedenfalls nicht zum unbesetzten Begriff.97 Freiheit und Eigenverantwortung stehen insoweit unverändert unter dem Vorbehalt ihrer Gemeinverträglichkeit – ob diese nun durch Befehl und Zwang oder auf indirekte Weise sichergestellt wird. Das bildet sich exemplarisch im plakativen sozialrechtlichen Grundsatz des „Förderns und Forderns“ ab, mit dem das zum 1. Januar 2005 in Kraft tretende Zweite Buch des Sozialgesetzbuches98 die Rückkehr zum Vorrang des Freiheitsmoments vor einer allzu engmaschigen staatlichen Fürsorge signalisiert.99 Bei näherem Hinsehen erweist sich die Rede vom 95 Art. 16, 86 EG , auch Art. 36 Grundrechte-Charta der EU : „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“. Mit diesem Rückzug des Staates aus der fürsorglichen Erfüllungsverantwortung zugunsten bloßer Gewährleistungsverantwortung wird auch die Lehre vom Verwaltungsprivatrecht fragwürdig, vgl. J. Masing Grundstrukturen eines Regulierungsverwaltungsrechts, Die Verwaltung 36 (2003), 1 (31). 96 Zum ganzen M. Schmidt-Preuß und U. Di Fabio Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, VVDStRL 56 (1997), 160 ff. und 235ff.; M. Heintzen und A. Voßkuhle Beteiligung Privater an der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und staatliche Verantwortung, VVDStRL 62 (2003), 220 ff. und 266ff.; zusammenfassend J. Masing (Fn. 95). Zur Begrifflichkeit auch A. Voßkuhle Schlüsselbegriffe der Verwaltungsrechtsreform, VerwArch 93 (2001), 184ff. und ders. „Regulierte Selbstregulierung“ – Zur Karriere eines Schlüsselbegriffs, Die Verwaltung Beiheft 4, 2001, 197 ff. 97 J. Hellermann Kommunale Dienstleistungen zwischen Demokratie und finanziellen Zwängen, in: Lange (Hrsg.) Füllhorn oder Büchse der Pandora? GATS, der europäische Binnenmarkt und die Liberalisierung öffentlicher Dienstleistungen in Deutschland (Loccumer Protokolle 64/03), 2004, 263 (271 f.); vgl. bereits E. Forsthoff (Fn. 60), 49f. 98 Verabschiedet als Art. 1 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003, BGBl I 2954. 99 „Fördern und Fordern“ lautet die Überschrift des 1. Kapitels des SGB II . § 1 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB II besagt, dass die „Grundsicherung für Arbeitsuchende … die Eigenverantwortung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen … stärken und dazu beitragen (soll), dass sie ihren Lebensunterhalt unabhängig von der Grundsicherung aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können. Sie soll erwerbsfähige Hilfebedürftige bei der Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit unterstützen und den Lebensunterhalt sichern, soweit sie ihn nicht auf andere Weise bestreiten können“.
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„Fördern und Fordern“ als ein Bekenntnis zum überkommenen Prinzip der Subsidiarität staatlicher Fürsorge (vgl. § 2 Abs. 1 BSHG; künftig §§ 1, 9 SGB II), die seit jeher Eigenverantwortung und -initiative weder ersetzen konnte noch sollte.100 Allerdings hat der Gesetzgeber diese Grundbestimmung der Fürsorge nochmals deutlich betont: Künftig hängen die Leistungen der „Grundsicherung für Arbeitsuchende“101 (§ 1 SGB II) von einem Antrag ab (§§ 37 Abs. 1 SGB II; § 41 Abs. 1 SGB XII). Gleichzeitig sind sie an die Erfüllung von Obliegenheiten 102 gebunden, die nach dem Wortlaut des Gesetzes nahezu den Rang selbständiger Pflichten der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen einnehmen (§ 2 SGB II). Das Gesetz betont nicht nur die Eigenverantwortung, es will zu eigenverantwortlichem Handeln durch den sonst drohenden Leistungsentzug anhalten: Dazu statuiert es unter anderem (vgl. §§ 15, 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB II) die Arbeitspflicht, als Pflicht, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen (§§ 2 Abs. 1 S. 1, 31 Abs. 1 Nr. 1 lit. c SGB II; bereits §§ 18 Abs. 1, 25 Abs. 1 BSHG) und schließlich auch zumutbare gemeinnützige (zusätzliche) Arbeiten auszuführen (§§ 2 Abs. 1 S. 3, 16 Abs. 3 S. 2, 31 Abs. 1 Nr. 1 lit. d SGB II; bereits §§ 18 Abs. 2 S. 2, 19 Abs. 2, 25 Abs. 1 BSHG). Die Verletzung dieser Pflicht (vgl. § 31 Abs. 3 SGB II) ist sanktioniert durch Absenkung und Wegfall des Arbeitslosengeldes II, das Lebensunterhalt und Unterkunft des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen sicherstellen soll (§§ 31, 19 SGB II).103 Dass der Staat seine Unterstützungsleistung nicht völlig voraussetzungslos gewährt, verwundert nicht. Aber es fällt doch auf, dass sich der Staat mit seinem Anreiz- und Sanktionssystem einen sehr weitgehenden Einfluss auf die persönliche Lebensführung einräumt. Und man mag fragen, ob hier nicht Eigenverantwortung staatlich veranstaltet wird und namentlich die Arbeitspflicht104 auf ein reines Pflichtenverhältnis rekurriert, wie 100 Vgl. bereits oben im Text unter II . 2. a. Ferner P. A. Baath (Fn. 47), § 1, Nr. 1, 60 zu § 6, Nr. 1 77; O. Weigert (Fn. 66), 507f. Es geht damit um den überkommenen Grundsatz der „Hilfe zur Selbsthilfe“, M. Stolleis (Fn. 39), 135; vgl. BVerwGE 11, 252 (254); 23, 149 (153); 27, 58 (63); 29, 99 (101 f., 104, 107); 67, 1 (5, 6); 98, 203 (205, 208, 209). Auch H. C. Nipperdey (Fn. 75), 7; V. Neumann Menschenwürde und Existenzminimum, NVwZ 1995, 426 (428); W. Rüfner (Fn. 48), Rn. 25, 39. 101 Das sind Leistungen zur „Eingliederung in Arbeit“ sowie zur „Sicherung des Lebensunterhalts“, § 4 i.V.m. §§ 14 ff., 19 ff. SGB II. 102 Sie sind nicht selbständig durchsetzbar, vgl. VG Weimar, LKV 2000, 557 (558) und gehen den allgemeinen Mitwirkungspflichten nach §§ 60 ff. SGB I vor, BVerwGE 98, 203. 103 § 25 BSHG wurde stets als „Hilfenorm“ angesehen, BVerwG , Buchholz 436.0, § 19 BSHG Nr. 1; BVerwGE 98, 203 (204); OVG Münster, DVBl 1996, 319 (321); vgl. BVerwGE 67, 1 (6). Dagegen ist nun Kapitel 3, Abschnitt 2, Unterabschnitt 3 des SGB II überschrieben: „Anreize und Sanktionen“. 104 Insofern weist W. Rüfner (Fn. 48), Rn. 103, 109, richtig darauf hin, es gehe gerade für die Pflicht zu gemeinnütziger Arbeit weniger um das Nachrangprinzip und den Er-
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es vom Grundgesetz selbst im Namen der Fürsorge nicht (mehr) gewollt und gedeckt wird. 3.
Der verfassungsrechtliche Rahmen staatlicher Für- und Vorsorge
Damit ist die Frage nach den verfassungsrechtlichen Grenzen staatlicher Für- und Vorsorge aufgeworfen. Nachdem diese sich auf den gesamten Bereich des Staatshandelns ausgedehnt hat, begründen Rechtsund Sicherheitszweck einerseits, Wohlfahrtszweck andererseits keine entscheidenden Gegensätze mehr. Für- und Vorsorge kommen hier wie dort vor, in beiden Bereichen finden sich Eingriff und Leistung.105 Demgemäß haben Begriffsbildungen, die die (gewähr-)leistend vorsorgliche Staatstätigkeit vom „klassischen“ Eingriffsregime abgrenzen wollten (etwa: „öffentliche Daseinsvorsorge“), ihre rechtsdogmatisch systembildende oder gar unmittelbar rechtliche Bedeutung verloren.106 In dieser Situation bleibt nur übrig, das Handeln des Staates (auf den oben III. 1. dargelegten drei Entwicklungsstufen) an den allgemein verbindlichen verfassungsrechtlichen Maßstäben zu überprüfen und sich vor allem darüber zu vergewissern, was aus der Grundrechtsbindung des Gesetzgebers folgt, die dem Vorbild-Modell des sozialen Rechtsstaats unbekannt war. a)
Der entwickelte Sozialstaat
aa) Die klassischen Eingriffe, mit denen der Gesetzgeber die Einzelnen zum Zweck der Vorsorge gegen die Wechselfälle des Lebens in einen öffentlich-rechtlichen Verband zwangsweise eingliedert, unterliegen mit Rücksicht auf ihre sozialstaatliche Motivation auch unter dem Grundgesetz keinen strengen Rechtfertigungsanforderungen. Das soziale Staatsziel verbürgt im Zweifel ohne weiteres die Legitimität des Handelns zu Vorsorgezwecken107 und eröffnet dem Gesetzgeber eine umfassende Einschätzungsprärogative und Gestaltungsfreiheit – auch für allfällige Um-
werb, als vielmehr um „Hilfe zur Selbstverwirklichung“, was für die gemeinnützige Arbeit bedeute, „die Pflicht zur Arbeit um des Hilfsbedürftigen selbst willen durchzusetzen“; ebenso BVerwGE 29, 99 (100 ff.); 67, 1 (6). 105 Die Leistung ist heute auch in den angestammten Residuen des Sicherheitszwecks präsent durch den allgemein anerkannten „Anspruch auf Einschreiten“, vgl. BVerwGE 11, 95 und die Figur der grundrechtlichen Schutzpflicht, die jeweils einen Anspruch auf Eingriffshandeln des Staates statuieren, C. Enders (Fn. 33). 106 Anders E. Forsthoff (Fn. 40), 368ff., 370 Fn. 3. 107 BVerfGE 10, 359 (363) unter Hinweis auf BVerfGE 10, 89 (102); 78, 320 (330f.). Entsprechend zur privaten Pflege-Pflichtversicherung für die das BVerfG die Grundsätze des Sozialrechts in der Sache übernimmt, BVerfGE 103, 197 (221, 223).
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verteilungsmaßnahmen.108 Vor allem rechtfertigt es die Organisation wohlverstandener Eigenverantwortung,109 indem es dem Gesetzgeber anheim stellt, die Optimierung des Nutzens für die Versicherten, zugleich aber immer: für die Allgemeinheit objektiv zu definieren und zur Begründung des Freiheitseingriffs in die Abwägung einzustellen.110 Diese umfassende Definitionsgewalt des Sozialgesetzgebers ermöglicht ihm nahezu voraussetzungslose Eingriffe, auch über den engeren öffentlich-rechtlichen Zusammenhang hinaus, weil das „Baugesetz der Solidarität“111 tendenziell immer aufs Ganze zielt und seine Rechtfertigung in sich trägt. Dadurch wird auch die Frage nach der Verhältnismäßigkeit ein Stück weit beliebig. Freilich lässt sich ein weiterer Grund benennen, weshalb der soziale Zwang verfassungsrechtlich hinnehmbar erscheint: Die Solidarität zielt auf wirtschaftlichen Ausgleich. Die Pflichtigkeit erschöpft sich daher in einem begrenzten Einriff lediglich in das Vermögen (Art. 2 Abs. 1 GG )112. 108
Etwa BVerfGE 10, 359 (371); 29, 221 (235); zur Umverteilung auch BVerfGE 11, 105
(115). 109
Im Sinne selbstverständlicher Grenzen verantwortlicher Freiheitsentfaltung,
BVerfGE 29, 221 (235f.); deutlich auch BVerwGE 23, 149 (153); vgl. andeutungsweise auch BVerfGE 103, 197 (223, 224). 110 Insbesondere BVerfGE 29, 221 (235f., 240ff.) zu den Gründen des Ausschlusses
selbstverantwortlicher Eigenfürsorge, die u. a. auch die Folgen eines möglichen völligen Ausbleibens individueller Eigenfürsorge anführen können und im Übrigen dem (wohlverstandenen) Interesse Aller Rechnung tragen. Die Begründung in BVerfGE 103, 197 (223), das Risiko, pflegebedürftig zu werden, sei „allgegenwärtig“ und könne sich „bei jedem Menschen verwirklichen“, lässt sich offenkundig verallgemeinern. Allgemein zu solcher Rechtfertigung von Zwangsverbänden BVerwGE 109, 97; BVerfG, NVwZ 2001, 190. Zu verfassungsrechtlichen Grenzen solchen Vorsorgezwangs mit unterschiedlicher Akzentuierung J. Isensee (Fn. 81), 393; F. Kirchhof (Fn. 81), 1; W. Spellbrink Ist die Beitragspflicht in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung verfassungsrechtlich noch zu rechtfertigen?, JZ 2004, 538ff. 111 Dazu A. Hense Mehrperspektivische Annäherungen an das Phänomen Solidarität und das Solidarprinzip, FS Krawietz, 2003, 525 (543). 112 BVerfGE 29, 221 (236); 78, 320 (330f.); 103, 197 (224). Zur eigentumsrechtlichen Grenze des Vermögenseingriffs, der als solcher, vorbehaltlich „erdrosselnder Wirkung“, die Eigentumsgarantie nicht berühren soll BVerfGE 4, 7 (17 f.); mit Blick auf sozialversicherungsrechtliche Zusammenhänge BVerfGE 75, 108 (154); einen Ansatz zu weiterer Einschränkung bringt BVerfGE 93, 121 mit dem – umstrittenen – Halbteilungsgrundsatz. Zum Problem E. Forsthoff (Fn. 17), 31 f.; E.-W. Böckenförde (Fn. 19), 163; U. Volkmann Sicherheit und Risiko als Probleme des Rechtsstaats, JZ 2004, 696 (700). Stattdessen wäre – im Rahmen von Art. 2 Abs. 1 GG – an eine Stärkung des Verhältnismäßigkeitsaspekts der Sachgerechtigkeit zu denken, vgl. – in jeweils anderem Zusammenhang, aber übertragbar – BVerfGE 55, 159 (165 f.); U. Di Fabio (Fn. 96), 260: Die „erdrosselnde Wirkung“ widerspricht dem erklärten Versicherungszweck und entlarvt die Absicht der Umgehung rechtsstaatlicher Eingriffskautelen als eigentliches Motiv.
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bb) Enthält sich der Sozialgesetzgeber auf dem Gebiet der Leistungsverwaltung von vornherein des Eingriffs, wie bei Gewährung der Sozialhilfe oder nunmehr des ALG II, ist er von verfassungsrechtlichen Kautelen noch weitergehend freigestellt.113 Dennoch wird das Gesetz die staatliche Leistung nicht von völlig beliebigen Bedingungen abhängig machen dürfen. Es liegt nahe, dass – im Sinne eines (relativen) verfassungsrechtlichen Koppelungsverbots 114 – nur mit Rücksicht auf das soziale Staatsziel sachgerechte Verpflichtungen des Leistungsadressaten in Betracht kommen. So leuchtet eine Verpflichtung (des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen), zumutbare Arbeit anzunehmen (§§ 2 Abs. 1, 18 Abs. 1 mit § 25 BSHG; §§ 2 Abs. 2, 9 Abs. 1 Nr. 1 mit § 31 Abs. 1 Nr. 1 lit. c SGB II) aus dem Gedanken der Eigenverantwortung und dem Prinzip des Nachrangs der staatlichen Fürsorge ein.115 Dagegen könnte die Pflicht zu gemeinnütziger zusätzlicher Arbeit (§§ 18, 19 Abs. 2, 25 Abs. 2 BSHG; §§ 2 Abs. 1 S. 3, 16 Abs. 3 S. 2, 31 Abs. 1 Nr. 1 lit. d SGB II), gerade soweit kein Entgelt geleistet, sondern weiter staatliche Fürsorge (nebst Aufwandsentschädigung) gewährt wird, auf eine sachfremde Bevormundung des Leistungsempfängers hinauslaufen. Weil „Arbeiten als solches“ das Selbsthilfestreben fördert, soll der Hilfebedürftige beschäftigt und dadurch „auf den Weg zur Selbsthilfe“ geführt werden.116 Mit dieser Begründung wird freilich die Bedeutung der Arbeit für Würde und Persönlichkeitsentfaltung in eine Pflicht verkehrt. Das überzeugt auch unter den Voraussetzungen des Leistungsverhältnisses nicht: Die sittliche Pflicht eines jeden, seine Freiheit eigenverantwortlich wahrzunehmen, kann nicht als äußere Rechtspflicht formuliert werden, ohne in Widerspruch mit sich selbst zu geraten. Von der Arbeitspflicht bliebe also nichts übrig als eine sachfremde und verbotene Beschäftigungstherapie, ließe sich nicht zur Rechtfertigung auch dieses Aspekts der Pflichtenseite das Prinzip des Sozialstaats in sei-
BVerfGE 17, 210 (216); es bleibt insbesondere die Bindung an den Gleichheitsgrundsatz. Vgl. den Rechtsgedanken der §§ 56 Abs. 1 S. 2 VwVfG; 55 Abs. 1 S. 2 SGB X, auch §§ 36 Abs. 2, Abs. 3 VwVfG, 32 Abs. 2 und Abs. 3 SGB X. 115 Vgl. BVerwGE 11, 252 (254); BVerwG , Buchholz 436.0, § 19 BSHG Nr. 1, 2. Dogmatisch dürfte es sich bei § 25 BSHG und § 31 Abs. 1 Nr. 1 lit. c SGB II um Spezialrege113
114
lungen gegenüber den allgemeinen Anspruchsnormen handeln, die sich in der Sache aus der fehlenden Hilfebedürftigkeit rechtfertigen. 116 Die „mittelbar(e) Hilfe zur Selbsthilfe“ liegt, wo eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt nicht in Aussicht steht, allenfalls noch darin, dass „der Arbeitsentwöhnung vorgebeugt und der Hilfebedürftige auf die Übernahme einer Erwerbstätigkeit vorbereitet“ wird, BVerwGE 67, 1 (5f.); OVG Münster, DVBl 1996, 319 (320); vgl. bereits BVerwGE 29, 99 (101 f.).
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ner vom Grundgesetz vorausgesetzten und anerkannten Ausformung anführen: Denn seit jeher wurde solche Arbeitsleistung, auch soweit sie gerade nicht als Gegenleistung im engeren Sinne ausgestaltet war,117 als vom Einzelnen wechselseitig für die fürsorgliche Erhaltung durch das Gemeinwesen geschuldeter Solidarbeitrag eingefordert.118 In diesem vom Grundgesetz aufgenommenen Rahmen tradierter sozialstaatlicher Zielsetzungen darf die Eigenverantwortung fürsorglich auf das Gemeinwesen, dem sie ihre Existenz verdankt, orientiert werden. Verstößt eine derartige Pflicht zu gemeinnütziger Arbeit gegen das absolute Verbot des Arbeitszwangs (nach Art. 12 Abs. 2 GG)?119 Auch diese Frage ist zu verneinen. Zwar sind heute mittelbar-faktische Grundrechtseingriffe anerkannt.120 Aber das ändert nichts daran, dass hier der mittelbarfaktische Zwang nicht auf die Arbeitsleistung als solche abzielt, sondern auf den Beitrag zum Solidarverband. Gerade im Lichte des Sozialstaatsprinzips erweist sich das Verhältnis des Hilfebedürftigen zum Staat als ein Verhältnis der (wechselseitigen) Leistung, nicht des Eingriffs.121 Gleich-
117 Die Arbeit wird außerhalb eines regulären Arbeitsverhältnisses geleistet und als solche nicht entlohnt, vgl. § 19 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 BSHG; § 16 Abs. 3 SGB II; vgl. BVerwG, Buchholz 436.0, § 19 BSHG Nr. 1, 3; W. Rüfner (Fn. 48), Rn. 106. Bereits O. Weigert (Fn. 66), 497, keine „wirtschaftliche Arbeit“ iSv Art. 163 Abs. 2 S. 1 WRV. 118 Auch unter der rechtsstaatlich-demokratischen Weimarer Reichsverfassung, vgl. O. Weigert (Fn. 66), 497; vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs in BR-Drucks. 919/01 (Anlage), 8; dazu R. Rothkegel Arbeit und Sozialhilfe, in: ders. (Hrsg.) Handbuch des Sozialhilferechts, Manuskript (erscheint 2005), T. II, Kap. 11, Rn. 29. Dagegen überzeugt es mangels eines regulären Arbeitsverhältnisses nicht, hier mit der vorrangigen Beschaffung des notwendigen Lebensunterhalts unmittelbar durch Einsatz der Arbeitskraft zu argumentieren, so aber BVerwGE 11, 252 (254), BVerwG, Buchholz 436.0, § 19 BSHG Nr. 1, 2 f.; anders OVG Münster, DVBl 1996, 319 (320). 119 Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine (objektiv-rechtliche) Schranke von Einschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit B. Pieroth/B. Schlink (Fn. 86), Rn. 866, denn es geht hier, selbst wenn man eine „negative“ Berufsfreiheit anerkennen wollte, um nicht berufsbezogene Arbeit; anders mit O. Bachof Freiheit des Berufs, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.) Die Grundrechte, Bd. III /2, 1958, 155 (257) die wohl hM, etwa R. Breuer Freiheit des Berufs, HStR VI, § 147 Rn. 92. 120 B. Pieroth/B. Schlink (Fn. 86), Rn. 240; H. Bethge Der Grundrechtseingriff, VVDStRL 57 (1998), 7 (40); W. Cremer (Fn. 11), 147 ff.; C. Enders (Fn. 82), vor Art. 1 Rn. 106ff.; D. Grimm (Fn. 32), 197 (208f., 214). 121 O. Bachof (Fn. 119), 256ff., 259f.; C. Gusy Arbeitszwang – Zwangsarbeit – Strafvollzug – BVerfGE 74, 102, JuS 1989, 710 (714); ansatzweise auch R. Breuer (Fn. 119), Rn. 92; anders G. Manssen in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.) GG I, 4. Aufl. 1999, Art. 12 Abs. 2 u. 3, Rn. 296, 303 (verfassungsrechtlich durch immanente Schranken gerechtfertigter Eingriff). Bachofs Sicht findet Bestätigung in der Entstehungsgeschichte, vgl. A. Zinn 5. Sitzung des Grundsatzausschusses vom 29. September 1948, in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv (Hrsg.) Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Akten und
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wohl gibt es auch hier Grenzen. Sie verlaufen dort, wo auf die Leistung ein vorbehaltloser Rechtsanspruch besteht, der nicht von Gegenleistungen abhängig gemacht werden darf (absolutes verfassungsrechtliches Koppelungsverbot).122 Für das hier diskutierte Sozialleistungsverhältnis kommt es darauf an, ob das Grundgesetz wirklich einen Mindest-Leistungsanspruch auf Gewährung des Existenzminimums anerkennt. Dass die herrschende Auffassung diesen aus der Menschenwürde ableitet,123 überzeugt nicht: Die staatliche Verpflichtung zum Schutz der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG) belegt nur, dass der Anspruch auf rechtliche Behandlung auch staatliche Schutzvorkehrungen verlangt. Darüber hinaus weist die Menschenwürde als Grund und Sinn solcher Vorkehrungen keinen eigenständigen Gehalt auf.124 Weil zufällige Schicksalsschläge keine Missachtung des aus der Menschenwürde folgenden Rechtsanspruchs bedeuten,125 bieten aber auch die einzelgrundrechtlichen Konkretisierungen dieses Rechtsanspruchs keine allgemeine Versicherung gegen Risiken des täglichen Lebens.126 Solche Leistungsansprüche werden von sozialen Grundrechten garantiert, die das Grundgesetz zu normieren mit Bedacht vermieden hat. Richtigerweise folgt die staatliche Pflicht zur Gewährung des Existenzminimums aus dem Sozialstaatsprinzip.127 Das Grundgesetz hat mit ihm nicht nur formal festgeschrieben, dass der Staat die tatsächliche Entfaltung gleicher Freiheit befördern muss. Das Prinzip weist auch verfassungsge-
Protokolle, Bd. V, 89; vgl. dazu auch 8. Sitzung des Grundsatzausschusses vom 7. Oktober 1948, ebenda, 216 Fn. 52. Am fehlenden Eingriffscharakter ändert die Tatsache nichts, dass nun das SGB II, anders als bislang das BSHG, von „Sanktionen“ spricht (Fn. 103). 122 Vgl. den Rechtsgedanken der §§ 55 Abs. 2, 32 Abs. 1 SGB X; §§ 56 Abs. 2, 36 Abs. 1 VwVfG. 123 O. Bachof (Fn. 75), 42, 51 f.; W. Cremer (Fn. 11), 386ff. In BVerfGE 82, 60 (85) primär als objektiv-rechtlicher Schutz vor (steuerlicher) Entziehung des Existenzminimums verstanden; ferner BVerfGE 99, 216 (233, 240); 99, 246 (259f.). 124 Gegenstand und Maß des Schutzanspruchs werden vielmehr durch die Einzelgrundrechte selbst näher (und abschließend) bestimmt, BVerfGE 88, 203 (251). 125 Insoweit iE ebenso mit anderer Begründung W. Cremer (Fn. 11), 262 Fn. 466, 268, der die Menschenwürde jedoch als lückenschließende Anspruchsnorm versteht, ebenda, 254 f., 388. Das ist in sich nicht konsistent, wenn die Schutzfunktion der Grundrechte auch aus der Menschenwürde (im Übrigen aus einem gerade nicht normierten Recht auf Sicherheit) abgeleitet wird, ebenda, 264. 126 Also ungeachtet eines erst sekundär begrenzenden „Vorbehalts des Möglichen“, BVerfGE 33, 303 (330f., 333); zutreffend insoweit BVerfGE 1, 97 (104 f.); etwa noch G. Hermes (Fn. 83), 119 f., 221 ff. Anders G. Robbers Sicherheit als Menschenrecht, 1987, 124, 127 und die wohl hA. 127 Im Ergebnis auch BVerfGE 82, 60 (80).
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wohnheitsrechtliche Gehalte auf:128 Es sind dies eben die Wechselseitigkeit der Pflichten im Solidarverhältnis (1), die für den Einzelnen stets unter der Bedingung der Zumutbarkeit steht (2) und, als Kern staatlicher Fürsorge, die staatliche Pflicht, einem jeden, der sich nicht selbst zu erhalten vermag, das zur Erhaltung der Existenz absolut Unerlässliche zu gewähren (3). Ein subjektives öffentliches Recht auf staatliche Fürsorge lässt sich freilich (verfassungs-)gewohnheitsrechtlich gerade nicht begründen. Art. 1 Abs. 1 GG bietet aber einen Anhaltspunkt für die entscheidende Frage, ob sich der Einzelne auf die gesetzliche (pflichtgemäße) Anerkennung seines Individualinteresses soll rechtlich berufen können:129 Er stützt die Interpretation, der Einzelne müsse die Einhaltung derjenigen einschlägigen Rechtssätze (des einfachen Rechts), die in ihrer Gesamtheit dazu dienen, seine existenzielle Notlage abzuwenden, gerade insoweit verlangen können, als umgekehrt diese Fürsorgeleistung bedingungshalber an die Erfüllung von Rechtspflichten des Begünstigten gebunden ist. Denn damit beruft sich der Staat selbst auf die Wechselseitigkeit des Solidarverhältnisses.130 Der Destinatär staatlicher Fürsorge ist unter diesen Voraussetzungen zugleich als Rechtsträger angesprochen, weil er andernfalls entgegen seinem allgemeinen Rechtsanspruch zum reinen Pflichtsubjekt also bloßen Objekt staatlichen Handelns degradiert würde.131 128 Die Möglichkeit von Verfassungsgewohnheitsrecht ist insbesondere zu bejahen, soweit der Sozialstaatsgrundsatz nicht von der „Ewigkeitsgarantie“ des Art. 79 Abs. 3 GG erfasst wird, dazu E. Wiederin Sozialstaatlichkeit im Spannungsfeld von Eigenverantwortung und Fürsorge, in diesem Band. Auch ungeachtet dessen sind die materialen Gehalte des Grundsatzes aber zweifelsohne dem historisch-sozialen Wandel unterworfen und stehen nicht je für sich unveränderlich fest. 129 Zu den Elementen des subjektiven öffentlichen Rechts BVerwGE 92, 313 (317); 107, 215 (220). 130 Ähnlich wie für die Erhebung von Steuern, aus denen folgerichtig diese Leistungen auch finanziert werden. Zum steuerrechtlichen „Gegenseitigkeits“-Verhältnis, in dem die Steuer gleichfalls nicht als Gegenleistung unmittelbar für individuell empfangene Leistungen vorzustellen ist, K. Vogel (Fn. 31), 503, 516 f. Weitergehend in diesem Zusammenhang M. Köhler (Fn. 11), 117, 120 f. Dagegen leitet V. Neumann (Fn. 100), 431 f., aus Art. 1 GG ein Gegenseitigkeitsverhältnis im engeren Sinne ab und die Pflicht des Staates, in Gestalt von Arbeitsgelegenheiten den bedürftigen Leistungsempfängern die Möglichkeit würdegemäßer Gegenleistung zu schaffen. Handelt es sich jedoch wirklich um eine (von Rechts wegen geschuldete) Gegenleistung, ist es inkonsequent, die Pflichtenseite zu leugnen und – so Neumann – eine Arbeitspflicht als „sanktionsbewehrte Pflicht zur Leistung von Würde“ zu verurteilen. 131 Der Anspruch selbst ist einfachrechtlicher Natur, bereits BVerwGE 1, 159 (161 f.). Dieser Interpretation entspricht die Formulierung in § 4 Abs. 1 BSHG: „Auf Sozialhilfe besteht ein Anspruch, soweit dieses Gesetz bestimmt, daß die Hilfe zu gewähren ist. …“. Auf den ersten Blick hat es allerdings den Anschein, als bestehe dann gerade im Umfang des unbedingt (ohne entsprechende Pflicht auf Seiten des Empfängers) geschuldeten ab-
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Die Arbeitspflicht des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ist nach diesem Maßstab verfassungsrechtlich unbedenklich. Würde allerdings die Gewährung des verfassungsrechtlich garantierten (absoluten, nicht konventionellen) Existenzminimums vom Staat an die Bedingung geknüpft, Arbeitsleistungen zu erbringen, verstieße dies gegen Art. 12 Abs. 2 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip (absolutes verfassungsrechtliches Koppelungsverbot). Das ist aber nicht der Fall: Die Regel-Unterhaltsleistung kann bei Arbeitsverweigerung abgesenkt werden (§ 31 SGB II132; vgl. § 25 Abs. 1 BSHG). Damit wird jedoch noch nicht das zum Lebensunterhalt absolut Unerlässliche verweigert, auf das allein sich die Verfassungsgarantie erstreckt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass das vom Gesetz in diesem Zusammenhang der Behörde eingeräumte Ermessen, ergänzende Sachleistungen zu erbringen (§ 31 Abs. 3 S. 3 SGB II, vgl. § 31 Abs. 5 S. 2 SGB II), sich auf Null reduziert, wenn dieser Punkt erreicht sein sollte. Selbst Arbeitsunwillige darf der Staat nicht verhungern lassen.133 cc) Außerhalb der originären Einflußzone des Sozialstaatsgrundsatzes galt bislang, nach dem Leitbild autonomer Mündigkeit des Bürgers,134 Eigenverantwortung unangefochten als individuell definiertes und als solches grundrechtlich geschütztes Freiheitsbelieben (Art. 2 Abs. 1 GG). Doch die grundrechtsgarantierte „Bestandskraft“ des Autonomiegedankens ist schwach ausgeprägt. Freilich sind von vornherein die Fälle auszuscheiden, in denen die Gemeinschaft nach allgemeiner Übereinkunft ihren soluten Existenzminimums kein Anspruch des Hilfebedürftigen. Indessen wird die Verweigerung der Leistung regelmäßig mit der Pflichtverletzung, unter Berufung auf das wechselseitige Pflichtenverhältnis also, begründet werden. Insoweit besteht auch ein Rechtsanspruch. Dass damit am Ende ein Bedürfnis verrechtlicht wird, verschlägt nichts, da nach der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht ein jedes Interesse vom Gesetzgeber als Anspruch ausgestaltet werden kann, G. Jellinek (Fn. 47), 71, 73 Fn. 3. Gegen die hier vorgeschlagene Konstruktion insbesondere W. Cremer (Fn. 11), 254, 382ff., der aus der Menschenwürde iVm dem Sozialstaatsprinzip einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf das Existenzminimum ableitet. 132 Diese Absenkung kann auch die Leistungen für Unterkunft und Heizung erfassen, § 31 Abs. 3 Satz 2 SGB II. 133 Denn der Hilfebedürftige wird infolge Arbeitsverweigerung und Sanktion nicht aus der fürsorglichen Betreuung entlassen, BVerwGE 11, 252 (255); 29, 99 (101, 104 f.); BVerwG, Buchholz 436.0, § 19 BSHG, Nr.1, 2; BVerwGE 67, 1 (6); 98, 203 (204f.). Das ist Folge des Umstands, dass seit jeher die Zuweisung von Arbeit das Fürsorgeverhältnis nicht beendet. Zu eng etwa W. Rüfner (Fn. 48), Rn. 110. 134 Zum Privatrecht klassisch G. Dürig Grundrechte und Zivilrechtsprechung, in: Schmitt Glaeser/Häberle/Maurer (Hrsg.) Günter Dürig. Gesammelte Schriften, 1984, 215 (216 f.), vgl. etwa BVerfGE 81, 242 (254f.), hier allerdings Art. 12 Abs. 1 GG; 89, 214 (231); 103, 197 (215). Zum Polizei- und Ordnungsrecht W. Martens (Fn. 33), 230f.; V. Götz Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 13. Aufl. 2001, Rn. 104.
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„Schutzgenossen“ in deren wohlverstandenem Eigeninteresse die Konsequenzen einer vollen Rechte- und Pflichtenstellung vorenthält, weil und solange es an der aktuellen Fähigkeit zur Selbstbestimmung fehlt, z. B. durch die Abstufungen der Geschäftsfähigkeit im bürgerlichen Recht (§§ 104 ff. BGB). Auf diese Weise zollt der Rechtsstaat den realen Entfaltungsbedingungen seines Freiheitsideals den unvermeidlichen Tribut. Erst wenn eine aktuell voll verantwortungsfähige Person gegen ihren Willen vor sich selbst geschützt würde, läge darin eine Bevormundung, die zum Freiheitsprinzip des Rechtsstaats in diametralem Gegensatz steht.135 Häufig tragen wenigstens auf den zweiten Blick Gemeinwohlinteressen die Freiheitsbeschränkung.136 Dennoch zeigt sich, dass es dem Gesetzgeber vermehrt auch darum geht, den Grundrechtsträger – wie z. B. bei der Beschränkung der Lebend-Organspende auf Verwandtschafts- und Näheverhältnisse (im Transplantations-Gesetz) – vor sich selbst in Schutz zu nehmen.137 135 Vgl. BVerfGE 22, 180 (219 f.); auch BVerwGE 82, 45 (48f.). Das (erste) Peep-ShowUrteil des BVerwG ist darum weithin auf Ablehnung gestoßen, weil hier unter dem Titel der Menschenwürde an objektiven Richtigkeitsvorstellungen (eines bestimmten Menschenbilds) ausgerichtetete Freiheit verordnet wurde. BVerwGE 64, 274; dazu mwN C. Enders (Fn. 4), 368f. Das Verbot des „Zwergenweitwurfs“ VG Neustadt, NVwZ 1993, 98 (bejaht); des „Laserdromes“ BVerwGE 115, 189; vgl. jetzt EuGH vom 14. Oktober 2004, C-36/02 (bejaht); des „Paintball“-Spiels VG Dresden, NVwZ-RR 2003, 848 und VGH Mannheim, GewArch 2004, 327 (jeweils verneint); aber auch das Verbot von Gewaltvideos (§ 131 StGB), BVerfGE 87, 209 (bejaht) und die Diskussion über die TVReality-Show „Big Brother“ gehören hierher, vgl. U. Di Fabio Der Schutz der Menschenwürde durch allgemeine Programmgrundsätze, 2000, insbesondere 45ff.; W. Frotscher „Big Brother“ und das deutsche Rundfunkrecht, 2000, insbesondere 41 ff. Vgl. H. Dreier Menschenwürde in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, FG 50 Jahre BVerwG, 2003, 201 (217 ff.); auch B. Schlink Aktuelle Fragen des pränatalen Lebensschutzes, 2002, 10 f. 136 Etwa in den Fällen von Impfzwang, Helm- oder Gurtpflicht, vgl. BVerfGE 59, 275 (278); BVerwGE 53, 83 (85f.); BGHZ 74, 25 (34); vgl. auch VGH Mannheim, VBlBW 1998, 25. Selbst die Beschränkung der Organspende (unter Lebenden) auf Verwandtschafts- und Näheverhältnisse kann für sich u. a. ins Feld führen, auch eine naheliegende Missbrauchsgefahr (der Kommerzialisierung) zu steuern, BVerfG, NJW 1999, 3399. 137 Dass durch § 8 Abs. 1 S. 2 TPG die Organspende unter Lebenden derart beschränkt wird, soll auch die „echte“ Freiwilligkeit des Spenderentschlusses sicherstellen. Denn finanzielle Erwägungen, die sich dem Verdacht der Fremdsteuerung ausgesetzt sehen, werden dadurch weitestgehend unterbunden. BVerfG, NJW 1999, 3399 (3403: „Es entspricht dem Bild des Grundgesetzes von der Würde und Selbstbestimmung des Menschen, dass eine so weitreichende Entscheidung wie die Spende eines Organs auf einem freiwilligen, von finanziellen Erwägungen unberührten Willensentschluß beruhen muss“). Selbst über das Standardproblem eines (polizei-/ordnungsrechtlichen) Verbots der frei verantwortlich beschlossenen Selbsttötung besteht kein Konsens, vgl. einerseits etwa: G. Hermes (Fn. 83), 228; andererseits W. Martens (Fn. 33), 230; Würtenberger/Heckmann/Riggert
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Hier begegnet eine im Vordringen begriffene Sicht auf die Beziehungen Privater: Normativer Dreh- und Angelpunkt ist nicht länger das autonome Rechtssubjekt, der mündige Bürger. Richtmaß ist der zwar rechtlich gleiche, jedoch strukturell unterlegene, tatsächlich benachteiligte Vertragspartner, der aufklärungsbedürftige Verbraucher, überhaupt: der Mensch als hilfsbedürftiges Mängelwesen. Das relativiert zwangsläufig die (Selbst-)Bindung an die Freiheit, weicht also die Zurechnungsebene auf,138 oder stellt die Freiheit zur Bindung (den Bindungswillen) unter materiale Kautelen.139 Aus dieser Sicht liegt nahe, dass dann auch die freie geistige Einwirkung auf Dritte deren struktureller Unreife Rechnung zu tragen hat und mit Rücksicht darauf ggf. ganz unterbleiben muss (Alkohol-/Tabakwerbeverbot).140 Die Einzelgrundrechte haben dieser Relativierung des Autonomiegedankens nichts entgegenzusetzen. Vor allem sind sie in ihrer Abwehrrichtung außerstande, spezifisch auf den fürsorglichen Schutz zu reagieren, den der Gesetzgeber der Hilfsbedürftigkeit durch Eingriff in Drittrechtspositionen zuwendet. Die Selbstbestimmung des Subjekts liegt zwar der Grundrechtsberechtigung (mit Art. 1 GG) durchweg als Idee zugrunde. Aber die Schutzgüter der Grundrechtseingriffe definiert der Gesetzgeber davon unabhängig, orientiert an tatsächlich-empirischen Wirkungszusammenhängen. Allein ob er diese zutreffend einschätzt oder prognostiziert, (Hrsg.) Polizeirecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl. 2002, Rn. 401 f. Anerkannt dürfte allenfalls sein, daß ein Verbot der Selbstgefährdung nicht auf die Generalklausel des Polizeiund Ordnungsrechts gestützt werden darf, V. Götz (Fn. 134), Rn. 104. 138 BVerfGE 81, 242; 89, 214; BVerfG , NJW 1994, 2749; BVerfGE 103, 89. 139 Vgl. die Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsrichtlinien des Europäischen Gemeinschaftsrechts: Richtlinie 76/207/ EWG des Rates vom 9. Februar 1976, ABl. EG 1976 Nr. L 39/40; Richtlinie 2000/43/EG 2000 des Rates vom 29. Juni 2000, ABl. EG 2000 Nr. L 180/22; Richtlinie 2000/78/ EG 2000 des Rates vom 27. November 2000, ABl. EG 2000 Nr. L 303/16; Richtlinie 2002/73/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002, ABl. EG 2002 Nr. L 269/15. Dazu die Auseinandersetzung S. Baer „Ende der Privatautonomie“ oder grundrechtlich fundierte Rechtsetzung?, ZRP 2002, 290ff. mit F.-J. Säcker „Vernunft statt Freiheit“ – die Tugendrepublik der neuen Jakobiner, ZRP 2002, 286ff. 140 Ob auch Wirtschaftswerbung die grundrechtsgeschützte freie Einwirkung auf Dritte, BVerfGE 7, 198 (208, 210), für sich beanspruchen kann, ist fraglich, bejahend G. Manssen (Fn. 121), Rn. 274; vgl. BVerfGE 71, 162 (175). Vgl. auch H. Siekmann Verfassungsmäßigkeit eines umfassenden Verbots der Werbung für Tabakprodukte, DÖV 2003, 657ff. Dass und wie schließlich Vorgänge in der gesellschaftlich privaten Sphäre (häusliche Gewalt) vermehrt in den Rang des öffentlichen Interesses gerückt werden, findet partiell ebenfalls seine Erklärung im veränderten Verständnis von der Grundverfassung des Menschen, die von der Gemeinschaft den (sach-)gerechten Ausgleich individueller situations- oder gruppentypischer Nachteile und eine entsprechende Ausformung des Rechtsstatus verlangt, vgl. das Gewaltschutzgesetz vom 11. Dezember 2001, BGBl I 3513; ferner die neuen Betretungsverbote im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht der Länder, etwa § 21 Abs. 3 SächsPolG.
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fragt die Eingriffskontrolle. Nur den Schutz der Geistesfreiheit gewährleistet das Grundgesetz weithin unabhängig von ihren Wirkungen (etwa Art. 5 Abs. 2 GG); aber dieser Schutz hält dem Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts nicht stand.141 Umgekehrt gilt für die Schutzfunktion der Grundrechte: Ist die Förderung des Individualinteresses aus Gründen der Schutzpflicht erst einmal zum Schutzgut erhoben, ist es der Verfügung des Geschützten weithin entzogen, dessen Wille jedenfalls für die Rechtfertigung der Prävention nur noch von nachrangiger Bedeutung ist.142
141 Soweit Wirtschaftswerbung (auch) durch die Meinungsfreiheit geschützt ist, stellen Werbeverbote unzulässiges Sonderrecht dar, C. Enders Offene Staatlichkeit unter Souveränitätsvorbehalt, FS Böckenförde, 1995, 29 (40f.); auch S. Huster Das nationale Alkoholwerbeverbot, JuS 2002, 262ff.; anders H. Siekmann (Fn. 140), 662. 142 Dies belegt die Praxis der Betretungsverbote zum Schutz vor häuslicher Gewalt. Diese Rechtsprechung sieht – für die Prognoseentscheidung und Ermessensausübung – vom Versöhnungswillen des Opfers ab, das insoweit „vor sich selbst“ (wenn auch nicht durch Eingriff in seine Rechtsposition) geschützt wird: Opfer einer „stabilisierten Gewaltbeziehung“ neigten „typischerweise“ und zumal bei wirtschaftlicher Abhängigkeit dazu, „das Geschehen zu verharmlosen oder die betroffene Person sogar gegenüber der Polizei in Schutz zu nehmen“, VG Köln vom 7. Februar 2002, 20 L 284/02; eine „wirklich freie“ Entscheidung scheint darum unmöglich. In diesem Sinne auch B. Schweikert/S. Baer Das neue Gewaltschutzrecht, 2002, 20f., 128; U. Petersen-Thrö Die Wohnungsverweisung nach § 21 Abs. 3 SächsPolG, SächsVBl 2004, 173 (180). Kritisch P. Collin Das polizeiliche Betretungsverbot bei häuslicher Gewalt – Anwendungsprobleme einer neuen Standardermächtigung, DVBl 2003, 1499 (1503 f.). Von vornherein folgt indessen aus den Freiheitsrechten, namentlich Art. 2 Abs. 1 GG, keine Schutzpflicht zur Ausgleichung tatsächlicher („struktureller“) Benachteiligung in Privatrechtsverhältnissen – entgegen der Rechtsprechung des BVerfG zur gestörten Vertragsparität, oben Fn. 138. Denn hier geht es um die tatsächlichen Entfaltungsvoraussetzungen individueller Freiheit, die gerade nicht von den (auf der Fiktion abstrakt gleicher Freiheit basierenden) Grundrechten gewährleistet werden sollen und können, sondern vom Sozialstaatsgrundsatz dem Gesetzgeber zur Konkretisierung übertragen sind (oben im Text I.). Soweit dabei Handlungsfreiheit gegen Handlungsfreiheit steht, ist ein rechtlich praktikabler Abwägungsmaßstab nicht ersichtlich und hat der Einzelne die Ergebnisse gesetzgeberischer Abwägung klaglos zu akzeptieren. Die Selbstverständlichkeit der Privatrechtsordnung kann heute der sozialgestaltende Gesetzgeber als Regelungstitel für sich beanspruchen; BVerfGE 4, 7 (16); 7, 198 (220); dazu C. Enders (Fn. 4), 490f.; ders. (Fn. 82), vor Art. 1 Rn. 148. Anderes muss für die besonderen Gleichheitssätze gelten: Adressieren die Grundrechte, vor allem die Gleichheitsrechte, traditionell zugleich ein Programm der Sozialgestaltung an den Staat (deutlich insbesondere § 137 Abs. 1 bis 3 der Verfassung des Deutschen Reichs vom 28. März 1849), das nach heute hA in vollziehbare Schutzpflichten mündet, D. Grimm (Fn. 6), 67 (84f.), so gehört es zu deren Wesen, dass der Staat die Rechtsgleichheit auch zwischen Privaten gegen überkommene gesellschaftliche Strukturen, Übungen und Vorurteile durchzusetzen hat, soweit sie sich nicht über das nivellierende Kriterium der finanziellen Leistungskraft von allein realisiert. Der Staat muss also nach der Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten auch allfälliger Diskriminierung im Privatrechts-
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Für- und Vorsorge als Prinzip des Wohlfahrtsstaates
Auch die Entgrenzung des Für- und Vorsorgedenkens schließlich, die sich als Prinzip des Wohlfahrtsstaates erweist,143 wird von den Einzelgrundrechten kaum behindert. Es fehlt an einem substantiellen Rechtfertigungszwang.144 Der Vorsorgegedanke immunisiert die Gefahrenabwehr weitgehend gegenüber rechtlicher Kontrolle: Das öffentliche Recht kennt mittlerweile zahlreiche Duldungs- und Mitwirkungspflichten, die weder nur dem Störer gelten, noch eine Entschädigungspflicht nach sich ziehen, sondern jedermann treffen, um Gefahrenlagen überhaupt erst aufdecken zu können.145 Das tatsächliche Ausbleiben von Verdachtsmomenten widerlegt hier nicht ex post den guten Nutzen der Vorsorgevorkehrung, sondern entfaltet geradezu affirmative Wirkung. Die Frage nach dem angemessenen Verhältnis von Zweck und Eingriffsmittel geht ins Leere, der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verliert ob der Umkehrung des rechtsstaatlichen Verteilungsprinzips seine ermessensbegrenzende Kontroll-
verkehr effektiv vorbeugen; dagegen M. Jestaedt Diskriminierungsschutz und Privatautonomie, in diesem Band, Leitsätze 15, 16. 143 Auch sie geht konform mit dem Schutzpflichtgedanken, G. Hermes (Fn. 83), 227f.; BVerfGE 49, 89 (142); 53, 30 (58, 65f.). 144 Das Problem liegt weniger in der vielfach nurmehr indirekten staatlichen Ingerenz (auf der Eingriffsebene), wenn man nur von der überholten Vorstellung des Verwaltungsprivatrechts Abschied nehmen wollte, um den informell oder privatrechtlich handelnden Staat stattdessen an die allgemeine Rechtsordnung zu binden, vgl. C. Enders Die Exmittierung von Obdachlosen als Problem der Folgenbeseitigung?, Die Verwaltung 30 (1997), 29 (38 Fn. 45). Insoweit anders D. Grimm (Fn. 32), 197 (207f., 214 f.). 145 Das trifft nicht das umweltrechtliche Vorsorgeprinzip, das die Gefahrenschwelle aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse für bestimmte umweltrelevante Verhaltensmodalitäten vorverlagert und hierbei insbesondere an die abstrakte Gefahr des Anlagenbetriebs anknüpfen kann. Hierher gehört aber die polizeiliche Befugnis zur Identitätskontrolle an Kontrollstellen und in Kontrollbereichen und insbesondere bei der „Schleierfahndung“ (etwa § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, 5, 6 SächsPolG), mit jeweils den weitreichenden Folgebefugnissen des Festhaltens, der Ingewahrsamnahme, der Durchsuchung etc., näher V. Götz (Fn. 134), Rn. 279 ff. Vor allem der Zweck der „vorbeugenden Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität im (30-km-)Grenzgebiet“ bedeutet keine konditional einschränkende Tatbestandsvoraussetzung, sondern benennt nur den Grund, der ausnahmslos jede Identitätskontrolle bei Vorliegen der übrigen (vornehmlich ortsbezogenen) Tatbestandsmerkmale rechtfertigt; vgl. auch H. Lisken Verdachts- und ereignisunabhängige Personenkontrollen, NVwZ 1998, 22ff.; K. Waechter Die „Schleierfahndung“ als Instrument der indirekten Verhaltenssteuerung durch Abschreckung und Verunsicherung, DÖV 1999, 138 (142). Die strafprozessualen Mittel entwickeln sich in die nämliche Richtung, etwa § 111 StPO, dazu L. Meyer-Goßner Strafprozeßordnung, 47. Aufl. 2004, § 111 Rn. 11; vgl. auch BVerfGE 103, 21 (30f.) zur strafprozessualen Strafverfolgungsvorsorge nach § 2 DNA-IFG iVm § 81g StPO.
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funktion.146 Diese solidarische Inklusion auf der Pflichtenseite, die sich nicht mehr auf Vermögenseingriffe beschränkt, lässt sich nicht eindeutig begrenzen und doch scheint sie im Zeichen der Vorsorge stets dem Grunde nach gerechtfertigt.147 c)
Absolute Grenzen für- und vorsorglichen Staatshandelns
Konsequente Für- und Vorsorge kennt also keine festen Grenzen. Gibt es angesichts dieser Gesetzmäßigkeit überhaupt noch verfassungsrechtliche Haltepunkte? In der Tat hat das Grundgesetz mit Art. 1 Abs. 3 GG als rechtsstaatlich unabdingbaren Maßstab formuliert, dass die gesamte Staatsgewalt, einschließlich der Gesetzgebung, ihr Wirken vor dem Menschen als Rechtssubjekt zu rechtfertigen hat.148 Die gebotene Rechtfertigung misslingt, wenn die dem Einzelnen auferlegte Pflichtenstellung seine Eigenständigkeit als mögliches Glied eines Rechtsverhältnisses von wechselseitigen Rechten und Pflichten ausschließt (daher das Verbot der Sklaverei149).150 Sie misslingt ferner, wenn der Einzelne allein um der hö-
Ähnlich D. Grimm (Fn. 32), 197 (198); ders. (Fn. 32) 397 (436). Vgl. U. Di Fabio (Fn. 96), 260; U. Volkmann (Fn. 112), 702 f. Auch die Versagung von Schutz lässt sich unter dem Aspekt der Solidarität rechtfertigen: Solidarität fordert der Staat vom Entführungsopfer ein, das zur Erhaltung Aller den Entführern preisgegeben wird, BVerfGE 46, 160 (165); Solidarität wird in gewissem Umfang dem Einzelnen auch mit Blick auf die postmortale Organspende abverlangt, die nur durch entgegenstehende Erklärung zu Lebzeiten sicher ausgeschlossen werden kann, vgl. BVerfG, NJW 1999, 858; und Solidarität soll im Angesicht embryonenverbrauchender Forschung auch der Embryo der Gemeinschaft und ihrem berechtigten Interesse an wissenschaftlicher Vorsorge schulden, so B. Schlink (Fn. 135), 12, 19. 148 C. Enders (Fn. 4), 433, 438f., 440; zur Unabänderlichkeit des rechtsstaatlichen Verteilungsprinzips auch H. Hofmann Grundpflichten und Grundrechte, HStR V, 2. Aufl. 2000, § 114 Rn. 50. 149 Aus der Perspektive des Freiheitsprinzips eine Selbstverständlichkeit, vgl. etwa J. Locke (Fn. 8), T. II, §§ 23, 24, 214 f.; I. Kant Metaphysik der Sitten (Fn. 2), Rechtslehre, § 49 Allgem. Anmerkung D, 451; G. W. F. Hegel, Philosophie der Weltgeschichte, herausgegeben von Lasson, Bd. II-IV, 1988, 745 f. Zur Weimarer Reichsverfassung: O. Weigert (Fn. 66), 494, 495; zum Bonner Grundgesetz (im Zusammenhang mit der persönlichen Gleichheit): H. v. Mangoldt 26. Sitzung des Grundsatzausschusses v. 30. 11. 1948, in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv (Hrsg.) Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Akten und Protokolle, Bd. V, 743. Dem entsprechen die ausdrücklichen Verbote in Art. 4 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948; Art. 4 EMRK vom 4. November 1950; Art. 8 IPbürgR vom 19. Dezember 1966. Dieser Gedanke, der auf ein Verzweckungsverbot hinausläuft, bildet auch den Hintergrund der Erwägung in BVerfGE 88, 203 (255), es dürfe das Lebensrecht, nicht „der freien, rechtlich nicht gebundenen Entscheidung eines Dritten … überantwortet“ werden; vgl. Seelmann (Fn. 6), 67. 150 Im Lichte dieser Formel klären sich einige Problemfälle: Der Notstandsstörer ist in der Entschädigungspflichtigkeit als Rechtssubjekt anerkannt. Der polizeiliche Rettungs146 147
Sozialstaatlichkeit im Spannungsfeld von Eigenverantwortung und Fürsorge
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heren Wahrheit willen (heteronom) einem bestimmten materialen Tugend- und Ordnungsideal sich zu fügen hat; der Staat ist keine Besserungsanstalt.151 Schließlich ist dem Staat ausnahmslos untersagt, sich anderweit der Rechtfertigungslast zu entziehen, indem er rechtsfreie Räume schafft oder selbstzweckhafte, d. h. sich selbst rechtfertigende Eingriffsmaßnahmen erlässt. Um solche handelt es sich, wenn, wie im Falle verdachts- und anlassunabhängiger Identitätskontrollen, die Individualpflicht im Einzelfall (ex ante) in keinem konkret-kausalen Zusammenhang mit der Gefahrenabwehr oder Störungsbeseitigung steht. Diese Eingriffe sind verfassungswidrig, nicht weil sie un verhältnismäßig, sondern weil sie stets verhältnismäßig sind. Denn das Grundgesetz geht mit seiner Freiheitsvermutung gerade nicht von der empirischen Wahrheit aus, dass jedes Verhalten potentiell schädlich und darum generell verdächtig ist.152 Eingriffsmaßnahmen, deren Tatbestand unge-
schuss reagiert als letztes Mittel auf die Überschreitung der gesetzlichen Nichtstörungspflicht und negiert damit nicht die nur in den Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung und mit Rücksicht auf die gleiche Freiheit anderer bestehende Subjektstellung des Störers. Die Schutzpflichtkonstellationen sind von den Eingriffskonstellationen zu unterscheiden und gesondert zu würdigen: Die Entscheidung der Bundesregierung, im Schleyer-Fall das Leben des Entführten zur Not zu opfern, lässt sich damit rechtfertigen, dass ansonsten der Bestand der Rechtsordnung als solcher, damit die Möglichkeit von Freiheit und Basis aller Rechtsverhältnisse überhaupt in Frage gestellt worden wäre. 151 BVerfGE 22, 180 (219 f.). Darum darf nicht „wohlverstandene“, wahre Freiheit zur Norm erhoben werden, vgl. D. Grimm, (Fn. 6), 67 (70), was auch den „Schutz vor sich selbst“ ausschließt. Dagegen richten sich namentlich die Gewährleistungen der Geistesfreiheit in Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Abs. 2 und 3 GG, C. Enders (Fn. 82), vor Art. 1 Rn. 109, 145. Zum damit einhergehenden Indoktrinationsverbot BVerfGE 47, 46 (77); BVerwGE 79, 298 (301 f.) und in der Sache auch BVerfGE 93, 1. Damit ist noch kein Verdikt ausgesprochen über die allgemeine Freiheitsschranke der „guten Sitten“ oder der „öffentlichen Ordnung“, da hier (im Grundsatz auch vor der Verfassung, Art. 2 Abs. 1 GG) legitime und bewährte Verhaltensregeln mit Rücksicht auf ein erträgliches Zusammenleben sanktioniert, nicht aber schlechthin Heilsmaßstäbe oktroyiert werden, vgl. H. Dreier (Fn. 75) Art. 1 I Rn. 153 Fn. 509. Das zeigt zugleich, wie sorgfältig diese Grenzen jeweils bestimmt werden müssen. 152 Vgl. H. Lisken (Fn. 145), 24; gegen ihn J. Schwabe „Kontrolle ist schlecht, Vertrauen allein der Menschenwürde gemäß“?, NVwZ 1998, 709 ff.; auch H. Dreier (Fn. 75), Art. 1 I Rn. 147. Bereits G. W. F. Hegel (Fn. 48), §§ 232–234, 383ff., konstatierte, es sei „keine Grenze an sich vorhanden, was schädlich oder nicht schädlich, … , was verdächtig oder unverdächtig sei“, § 234. Daher kann die Polizei „bei sehr gebildeter Reflexion die Richtung nehmen, alles Mögliche in ihren Bereich zu ziehen; denn in allem läßt sich eine Beziehung finden, durch die etwas schädlich werden könnte …“, § 234, Zus., 383f. Nach G. W. F. Hegel ebenda, muss darum u. a. der „Geist der übrigen Verfassung“ die Bestimmung geben. Das richtet sich auch gegen J. G. Fichte Grundlagen des Naturrechts nach den Prinzipien der Wissenschaftslehre, in: I. H. Fichte (Hrsg.) Fichtes Werke, Bd. III,
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Christoph Enders
achtet dessen durch den Zweck umfassender Vorsorge bestimmt ist, zielen nach ihrem tieferen, aber verbotenen Sinn auf den stets nützlichen Solidarbeitrag jedes Einzelnen zur staatlichen Aufgabenbewältigung.153
IV. Resümee: Das Prinzip der Freiheit als Grenze der Wohlfahrt Das Sozialstaatsprinzip dynamisiert das Staatshandeln. Dessen Zweckbestimmung ist es danach, ökonomisch begründete oder sich ausprägende Hemmnisse der Persönlichkeitsentfaltung zu beseitigen, um möglichst allen die Teilhabe am gemeinen Ganzen zu eröffnen. Die rechtsstaatlichen Bindungen des Staates, namentlich des Gesetzgebers, werden freilich unter der Weite der verfassungslegitimen Zweckbestimmung entformalisiert und büßen erheblich an Schärfe ein. Immerhin erfährt die sozialstaatliche Betätigung durch ihren traditionellen Zweck gewisse Einschränkungen. Die wohlfahrtsstaatliche Entgrenzung der Für- und Vorsorge auf das gesamte Gebiet der Staatstätigkeit dynamisiert dagegen den Rechtsstaat als solchen in seiner Limitierungsfunktion. Sie gibt ihn auf, wenn die wenigen absoluten Grenzen aus dem Blick geraten. Am Ende zeigt sich, dass das Grundgesetz mit Bedacht selbst einen demokratischen Gesetzgeber unabänderlich an das Prinzip der Grundrechte als solches, die gleiche Freiheit aller, gebunden wissen wollte. Würde das wohlfahrtsstaatliche Anliegen umfassender Für- und Vorsorge nämlich zum alles beherrschenden Konstruktionsprinzip, läge ein demokratischer Polizeistaat keineswegs mehr jenseits des Vorstellbaren. Denn der Polizeistaat garantiert noch immer die vollkommenste Wohlfahrt. Das wäre ein hoher und vom Grundgesetz nicht einkalkulierter Preis einer an materialen Maßstäben orientierten Sozialordnung. 1971, 302: „In einem Staate von der hier aufgestellten Constitution … (weiss) die Polizei … so ziemlich, wo jeder Bürger zu jeder Stunde des Tages sey und was er treibe“. 153 Dabei bleibt zu unterscheiden zwischen konkret gefahren(abwehr)bezogenen Duldungs- und Mitwirkungspflichten (etwa: die Auskunftspflicht bei Befragung durch die Polizei; die Pflicht, auf Platzverweis einen bestimmten Ort zu verlassen, um Feuerwehr-/Rettungseinsätze nicht zu behindern) und verdachtsunabhängig selbstzweckhaften, auch von der typischen Gefährlichkeit des Verhaltens losgelösten Aufsichtsund Überwachungsmaßnahmen. Letztere hat das BVerfG als umfassende (polizeistaatliche) Instrumentalisierung des Bürgers stets abgelehnt, vgl. (zur Berufsfreiheit) BVerfGE 41, 378 (397); 65, 116 (129); 86, 28 (44). Anders C. Möllers Polizeikontrollen ohne Gefahrverdacht – Ratio und rechtliche Grenzen der neuen Vorsorgebefugnisse, NVwZ 2000, 382 (385 f.), der zur Rechtfertigung verdachtsunabhängiger Maßnahmen auf das Beispiel der Meldepflicht rekurriert, die aber nach Funktion und Ausgestaltung den Bürger gerade nicht unter Generalverdacht stellt und nicht seine „Rechtstreue“ ermitteln will.
Sozialstaatlichkeit im Spannungsfeld von Eigenverantwortung und Fürsorge
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Leitsätze des 1. Berichterstatters über:
Sozialstaatlichkeit im Spannungsfeld von Eigenverantwortung und Fürsorge I.
Einleitung: Der Sozialstaat des Grundgesetzes als Traditionsgut
(1) Der Sozialstaatsgrundsatz des Grundgesetzes (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG) erfüllt im Verhältnis zum Rechtsstaatsprinzip und dessen Ideal abstrakt gleicher Freiheit des Menschen eine kompensatorische Ergänzungsfunktion. Er verpflichtet den Staat, im Interesse materialer Gerechtigkeit auch für die tatsächlichen Voraussetzungen und Bedingungen der Freiheitsausübung Sorge zu tragen, um allen eine reale Freiheitschance und die Teilhabe am gemeinen Ganzen zu eröffnen. (2) Das Staatshandeln wird dadurch in den Grenzen des Rechtsstaats (insbesondere Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG) für materiale Gehalte geöffnet und dynamisiert. (3) Der Grundgesetzgeber verstand den Sozialstaat offenkundig als etwas historisch Selbstverständliches; er wollte an den tradierten Standard moderner sozialstaatlicher Errungenschaften anknüpfen. II.
Das Vorbild im historischen Modell des sozialen Rechtsstaats
1.
Der soziale Impetus wechselseitiger Solidarität im Modell des „reinen“ Rechtsstaats
(4) Auch das Modell des reinen Rechtsstaats (Kant) kommt nicht aus ohne das soziale Moment der wechselseitigen solidarischen Erhaltung der Gesellschaftsglieder. Der soziale Impetus wechselseitiger Solidarität betätigt und erschöpft sich im Wesentlichen in den bestandserhaltenden und ausgleichenden Aktivitäten des Steuerstaats, namentlich der Armenfürsorge. 2.
Die Entwicklung vom Polizeistaat zum Sozialstaat
(5) Die Pflicht der staatlichen Gemeinschaft, ihre Glieder zu erhalten, bestand im Polizeistaat wie im frühen Rechtsstaat allein im öffentlichen Interesse. Sie begründete kein Rechtsverhältnis der gegenseitigen Rechte und
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Christoph Enders
Pflichten, sondern war Wohltat, auf die kein Rechtsanspruch bestand. Der Hilfsbedürftige war Objekt staatlicher Fürsorge. (6) Die staatliche Fürsorgeleistung stand in Gestalt der Arbeitspflicht unter der Bedingung der wechselseitigen Pflichterfüllung durch den Hilfsbedürftigen. In dieser Beschränkung auf die Pflichtenseite bewahrte das Fürsorgeverhältnis auch im Rechtsstaat seinen polizeistaatlichen Charakter. (7) Mit der Sozialversicherung trat am Ende des 19. Jahrhunderts zur steuerfinanzierten und subsidiären Armenfürsorge als weitere Maßnahme sozialstaatlicher Wohlfahrtspflege die von der Bedürftigkeit unabhängige, beitragsfinanzierte Sozialvorsorge hinzu, die dem Versicherten ein subjektives öffentliches Recht einräumte. (8) Der Vorsorgezwang wird zum typischen Handlungsmittel des sozialen Rechtsstaats, das unter rechtsstaatlichen Kautelen steht, aber im Übrigen dem Ermessen des (verfassungs-)rechtlich ungebundenen Gesetzgebers überantwortet ist. 3.
Das unvollendete Programm des Weimarer Sozialstaats
(9) Obwohl die Sozialversicherung um die Arbeitslosenversicherung ergänzt wird, bleibt im Übrigen das anspruchsvolle sozialstaatliche Programm der Weimarer Reichsverfassung, insbesondere im Hinblick auf die Rechtsstellung des Einzelnen, vielfach uneingelöst. III. Sozialstaatliche Entwicklung und wohlfahrtsstaatliche Entgrenzung unter dem Grundgesetz 1.
Die Fortentwicklung des Für- und Vorsorgegedankens und seine Ausdehnung auf die gesamte Staatstätigkeit in drei Stufen
(10) Der spezifisch mit dem Sozialstaat verbundene, durch ihn etablierte Für- und Vorsorgegedanke entfaltet sich unter der Ordnung des Grundgesetzes in drei Stufen. (11) Während die Stellung des Einzelnen im Lichte des Grundgesetzes deutlich gestärkt wird, bleiben die Strukturen des Sozialrechts zunächst im Wesentlichen unverändert. Die progressive Tendenz auf der ersten Stufe der Entwicklung ist die Tendenz zur stetigen Ausdehnung der Solidaritätsbasis. (12) Indem die Grundrechte (als Schutzpflichten) den „fördernden und schützenden“ Staat verlangen, weisen sie – auf der zweiten Stufe der Entwicklung – darauf hin, dass der sozialgestaltende Staat auch der Verletzung von Grundrechtsgütern zu begegnen hat, die durch den Missbrauch gesellschaftlicher Macht ermöglicht wird und in der tatsächlichen Benachteiligung der rechtlich gleichen Grundrechtsträger liegt. Sie geben zugleich der Verfassungs-
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rechtsprechung das Mittel an die Hand, den Sozialstaatsgrundsatz verbindlich zu interpretieren. (13) Auf einer dritten Stufe emanzipiert sich der sozialstaatlich etablierte und legitimierte Für- und Vorsorgegedanke vom Sozialstaatsgrundsatz und greift auf die gesamte Staatstätigkeit aus, bis hinein in die Gefahrenabwehr nach dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht. 2.
Unterstützende und gegenläufige Einflüsse und Tendenzen
(14) Die unterstützenden Einflüsse und Tendenzen, die vom Völker- und vor allem Europarecht ausgehen, sind aus strukturellen Gründen auf der Ebene der eigentlichen sozialen Grundrechte schwach ausgeprägt und bleiben mehr ideeller Art. Dagegen wird der Gedanke der (auch sozialgestaltenden) Für- und Vorsorge durch das Europäische Gemeinschaftsrecht deutlich gestärkt und erhält zusätzliche Impulse. (15) Die europaweit gegenläufige Tendenz zur „regulierten Selbstregulierung“ stärkt dem Programm nach die gesellschaftliche Freiheit, führt aber nicht zu einem Regime der gemeinwohlfreien Eigenverantwortung. Der Grundsatz der Eigenverantwortung mündet immer wieder in hoheitliche Kontrolle und fürsorgliche Inpflichtnahme. Dies belegt das Beispiel der Arbeitspflicht nach dem neuen SGB II („Fördern und Fordern“). 3.
Der verfassungsrechtliche Rahmen staatlicher Für- und Vorsorge
(16) Angesichts der Ausdehnung staatlicher Für- und Vorsorge auf den gesamten Bereich des Staatshandelns haben Begriffsbildungen, die die (gewähr-) leistend vorsorgliche Staatstätigkeit vom Eingriffsregime abgrenzen wollten („öffentliche Daseinsvorsorge“), ihre rechtsdogmatisch systembildende oder gar unmittelbar rechtliche Bedeutung verloren. Das Handeln des Staates ist an den allgemeinverbindlichen verfassungsrechtlichen Maßstäben zu überprüfen. (17) Der klassische Eingriff, mit dem der Gesetzgeber zur Versicherung gegen die Wechselfälle des Lebens zwingt (vgl. oben Leitsatz 11), wird durch den Sozialstaatsgrundsatz und den mit ihm verbundenen Gedanken der Solidarität aller mit allen in weitem Umfang – nahezu voraussetzungslos – gerechtfertigt, selbst über einen öffentlich-rechtlichen Zwangsverband hinaus. Das hängt auch damit zusammen, dass die Solidarität hier auf wirtschaftlichen Ausgleich, der Eingriff daher auf das Vermögen zielt. (18) Auf dem Gebiet der eingriffsfreien Leistungsverwaltung (hier: Sozialhilfe bzw. Arbeitslosengeld II; vgl. oben Leitsatz 11) ist die gesetzgeberische Sozialgestaltung noch weniger verfassungsrechtlich beschränkt. Aus dem Sozialstaatsgrundsatz, nicht aus Art. 1 Abs. 1 GG, folgt die verfassungsgewohnheitsrechtlich anerkannte, rein objektiv-rechtliche Verpflichtung zur Ge-
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Christoph Enders
währung des Existenzminimums. Diese Leistung von Arbeitsleistungen des Hilfebedürftigen abhängig zu machen, verstößt gegen Art. 12 Abs. 2 GG iVm dem Sozialstaatsgrundsatz. Dagegen ist es unterhalb dieser Schwelle mit dem Sozialstaatsgrundsatz (in der gebotenen verfassungsgewohnheitsrechtlichen Deutung) vereinbar, allgemein staatliche Fürsorge nur unter der Bedingung zumutbarer Arbeitsleistungen zu gewähren. (19) Soweit der Gesetzgeber Fürsorgeleistungen vorsieht und sie im Sinne umgekehrter Solidarität von der Erfüllung wechselseitiger Pflichten (Leitsatz 18) abhängig macht, folgt daraus ein (gesetzesvermitteltes) subjektives öffentliches Recht des Einzelnen auf Fürsorge (vgl. § 4 BSHG), Art. 1 Abs. 1 GG. (20) Die Ausdehnung der sozialstaatlichen Für- und Vorsorge auf die Beziehungen Privater (oben Leitsatz 12) geht nicht mehr vom Leitbild autonomer Mündigkeit des Bürgers aus, sondern vom Menschen als hilfsbedürftigen Mängelwesen. Die Einzelgrundrechte haben dem aus Strukturgründen weder als Abwehrrechte noch als Schutzpflichten etwas entgegenzusetzen. Etwa verbleibende Reservate stehen unter dem Anwendungsvorrang des europäischen Gemeinschaftsrechts. (21) Die Entgrenzung des Für- und Vorsorgegedankens über den Bereich der vom Sozialstaatsgrundsatz getragenen Sozialgestaltung hinaus (oben Leitsatz 13) beruft sich vornehmlich auf die zur Gewährleistung der Wohlfahrt unabdingbare Sicherheit und die hierfür gebotene umfassende Vorsorge, der es auch darum gehen muss, mögliche Gefahrenlagen überhaupt erst aufzudecken. Sicherheits- und Wohlfahrtszweck gehen (wieder) ineinander auf. Auch hier bieten die Einzelgrundrechte wenig Widerstand. Namentlich die Frage nach einem angemessenen Verhältnis des Eingriffsmittels zum Zweck geht, wenn der Zweck die anlass- und verdachtsunabhängige Vorsorge ist, ins Leere. (22) Allgemeine, absolute Grenzen gesetzlicher Für- und Vorsorge ergeben sich aus Art. 1 Abs. 3 GG, nach dem die gesamte staatliche Gewalt ihr Wirken vor dem Menschen als Rechtssubjekt zu rechtfertigen hat. Darum sind u. a. sich selbst rechtfertigende, verdachtsunabhängige Eingriffe verboten.
IV. Resümee: Das Prinzip der Freiheit als Grenze der Wohlfahrt (23) Angesichts der geschilderten Ausdehnungstendenzen zeigt sich, dass der Grundgesetzgeber mit Bedacht auch den Gesetzgeber an das Prinzip der Grundrechte gebunden wissen wollte.
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Erster Beratungsgegenstand:
Sozialstaatlichkeit im Spannungsfeld von Eigenverantwortung und Fürsorge 0
2. Bericht von Prof. Dr. Ewald Wiederin, Salzburg*
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Inhalt Seite
I.
Mittelalterliche Unterscheidungen und ihre neuzeitlichen Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfassungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. 1789: Im Paradies der Rechte – die Nation als Familie 2. 1848: Nach der Vertreibung – jeder ist seines Glückes Schmied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. 1919: Wiedergewinn von Symmetrie – die Ordnung des gegenseitigen Interesses . . . . . . . . 4. 1936: Im Reich der Werktätigen – die Verfassung der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verfassungsvergleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. B-VG 1920: Not nach dem Krieg . . . . . . . . . . . . 2. GG 1949: Inflation der Deutungen . . . . . . . . . . . . 3. BV 1999: Wenig in harter Währung . . . . . . . . . . . 4. Divergenz der Texte, Konvergenz der Deutungen . . . IV. Verfassungswirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Irrelevanz der Sozialverfassungen . . . . . . . . . . . . 2. Die Macht der Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Einfluss von Homogenität . . . . . . . . . . . . . . V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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*0 Für familiären Beistand, brüderliche Hilfe und schwesterlichen Rat sage ich Dank: Walter Aichlreiter, Ute Brinckmann, Ulrike Davy, Michael Holoubek, Reinhard Klaushofer, Benjamin Kneihs, Robert Krammer, Georg Lienbacher, Franz Merli, Magdalena Pöschl, Claudia Priewasser, Walter Scherrer, Dagmar Seebacher, Susanne Unger, Roland Winkler.
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Ewald Wiederin
„Il faut convenir que, pour être heureux en vivant dans le monde, il y a des côtés de son âme qu’il faut entièrement paralyser.“ (Nicolas Chamfort, Produits de la Civilisation perfectionnée)
I.
Mittelalterliche Unterscheidungen und ihre neuzeitlichen Folgen
In einer der ältesten Bettelordnungen, die uns in deutscher Sprache erhalten ist, können wir Folgendes lesen: „Erstens soll niemand vor den Kirchen, noch in der Stadt bitten, und es soll auch niemand in den Kirchen und in der Stadt betteln, es sei denn er besitze das Zeichen der Stadt. Und dieses Zeichen soll Pignot Weigel im Auftrag des Rates vergeben. Des Weiteren soll man auch niemandem ein Zeichen geben, noch ihn betteln und bitten lassen vor den Kirchen, es sei denn er bringe mindestens zwei oder drei Personen zu dem vorher genannten Pignot mit, die auf ihren Eid nehmen, dass jener des Almosens bedürfe. Wenn es aber dem genannten Pignot so vorkommt, als ob da Leute wären, die gut handeln oder arbeiten könnten und des Almosens nicht bedürften, dann soll man denen nicht zu betteln erlauben, noch das Zeichen überreichen. Wenn da Leute wären, die ohne des Pignot Weigels Erlaubnis bettelten und kein Zeichen hätten, sollen die vier Knechte und die Büttel sie sofort zu dem Pignot Weigel bringen. … Wenn der Pignot Weigel jemandem ein Zeichen gibt, dann soll er dessen Namen in einem Buch verzeichnen. … Wenn fremde Landstreicher oder unverschämte Abbettler kommen, die länger als drei Tage hier verweilen, soll man sie hindern und auf ein Jahr aus der Stadt verweisen.“ Diese Anordnungen der Stadt Nürnberg aus dem späten 14. Jahrhundert1 entstammen einer Zeit, die weder von Eigenverantwortung noch von Fürsorge wusste.2 Die Obrigkeit beschränkt sich darauf, das knappe Gut der christlichen Mildtätigkeit durch einen Regulator möglichst effizient zu lenken und „Marktversagen“ zu korrigieren. Und doch sind alle wesentlichen Unterscheidungen, die die Sozialpolitik bis heute prägen, in dieser Ordnung schon enthalten. Sie behält das Betteln den ansässigen Armen 1 Zitiert nach: C. Sachße/F. Tennstedt Geschichte der Armenfürsorge in Deutschland. Vom Spätmittelalter bis zum Ersten Weltkrieg, 1980, 63f. 2 Als im heutigen Sinn verwendeter Begriff kommt Fürsorge im 16. Jahrhundert (Abspaltung von der Vorsorge), Eigenverantwortung erst im 20. Jahrhundert auf.
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vor. Sie drängt das Betteln, einen bis dahin geachteten Beruf,3 als Lebensform an den Rand. Sie setzt Bedürftigkeit mit Arbeitsunfähigkeit gleich.4 Sie zeichnet auf und führt vor. Sie individualisiert die Armut, indem sie die Konzessionswerber prüft und entsprechend zeichnet5. Das Bettelzeichen ist zunächst Berechtigung; es wandelt sich aber bald zum Stigma. Der neuzeitliche Staat, der an der Armutsbekämpfung wächst, geht einen wichtigen Schritt weiter. Er drängt gesellschaftliche und kirchliche Caritas zugunsten öffentlicher Unterstützung zurück.6 Aus Mildtätigkeit wird Fürsorge, die sich der Person bemächtigt und sie zu bessern sucht. In diesem Projekt einer umfassenden Sozialdisziplinierung, die den mittelalterlichen Menschen auf die Erfordernisse der Moderne zurichtet,7 spielen Arbeit und Eigenverantwortung die Schlüsselrollen. Arbeit wird im Zuchthaus zu einem Instrument der staatlichen Biopolitik.8 Der Zugriff auf den Körper ist indes nur Mittel, nicht Zweck. Im Kern geht es darum, Einstellungen zu verändern und Mentalitäten zu regieren. Dazu muss dem Menschen eingebrannt werden, dass er als Individuum der Gesellschaft gegenüber verantwortlich ist. „Verantwortung“ tritt als Begriff in vielen Facetten auf.9 Sie alle aber entstammen derselben Wurzel.10 In den meisten europäischen Sprachen 3 Dazu B. Geremek Der Außenseiter, in: Le Goff (Hrsg.) Der Mensch des Mittelalters, 1996, 374 (398f.); C. Sachße/F. Tennstedt (Fn. 1), 29 f. 4 Zeitgleich, nämlich 1388, begegnet die Unterscheidung in England: vgl. das Gesetz 12 Richard c. II, abgedruckt in: G. Nicholls History of the English Poor Law, Bd. I, 1854, 56 (58). 5 Zur Rolle von Zeichen V. Groebner Ungestalten, 2003, 55ff. 6 Zu dieser Säkularisierung M. Stolleis Geschichte des Sozialrechts in Deutschland, 2003, 15 ff. mwN. 7 Zu den Konzepten von G. Oestreich und M. Foucault vgl. W. Schulze ZHF 14 (1987), (265ff.); S. Breuer Sozialdisziplinierung, in: Sachße/Tennstedt (Hrsg.) Soziale Sicherheit und soziale Disziplinierung, 1986, 45 (52ff.). 8 H. Stekl „Labore et fame“ – Sozialdisziplinierung in Zucht- und Arbeitshäusern des 17. und 18. Jahrhunderts, in: Sachße/Tennstedt (Hrsg.) Soziale Sicherheit und soziale Disziplinierung, 1986, 119 (121 ff.); G. Schuck Ius Commune 22 (1995), 121 (127 f., 133 f.). Zum Wandel der Bewertung der Arbeit W. Conze Arbeit, in: Brunner/ders./Koselleck (Hrsg.) Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. I, 1972, 154 (160 ff.); resümierend zur Biopolitik M. Foucault Der Wille zum Wissen, 1977, 166 ff.: „Jahrtausende hindurch ist der Mensch das geblieben, was er für Aristoteles war: ein Tier, das auch einer politischen Existenz fähig ist. Der moderne Mensch ist ein Tier, in dessen Politik sein Leben als Lebewesen auf dem Spiel steht“ (171). 9 Überblick über das überbordende Schrifttum: U. Arndt Auswahlbibliographie zum Thema „Verantwortung“, in: Bayertz (Hrsg.) Verantwortung. Prinzip oder Problem?, 1995, (287ff.). 10 Vgl. zu ihr auch W. Weidschedel Das Wesen der Verantwortung, 3. Aufl. 1972, 15 ff.; H. Dreier Verantwortung im demokratischen Verfassungsstaat, in: Neumann/Schulz (Hrsg.) Verantwortung in Recht und Moral, 2000, 9 (18 f.).
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Ewald Wiederin
verweist das Wort auf eine Beziehung zwischen zwei Subjekten und einem Objekt: Eine Person schuldet einer anderen Antwort, und zwar für einen bestimmten Bereich, der ihr anvertraut ist oder für den sie einstehen muss. Stellt die Antwort den Empfänger zufrieden, so kommt es zur Entlastung, zum Freispruch, andernfalls zur Sanktion. Sämtliche Bedeutungsvarianten der Verantwortung haben sich aus dieser Grundkonstellation entwickelt.11 Verantwortung bezieht sich stets auf einen Bereich, sei es nun das eigene Verhalten, ein zur Sorge anvertrauter Gegenstand oder eine Person. Und Verantwortung verlangt nach einem Gegenüber, sei es nun Gott, das eigene Gewissen oder die Menschen. Diese personale Dimension geht der Fürsorge entschieden ab. Sie kennt zwar ein Objekt der Sorge; aber dieses Objekt ist niemals zugleich ein Subjekt, das Antworten einfordern und sie zum Anlass für Konsequenzen nehmen könnte. Pointiert formuliert: Fürsorge ist Sorge ohne Verantwortung. Damit sind wir mitten im Thema. Mein Zugang ist verfassungsvergleichender Natur. In einem ersten, historischen Teil werde ich vier signifikante Verfassungen darauf befragen, wo im Spannungsfeld zwischen Eigenverantwortung und Fürsorge sie Soziales ansiedeln. Dabei geht es mir weder um eine Archäologie rechtlichen Wissens12 noch um Historisierung, sondern um eine möglichst ursprungsnahe Rekonstruktion von Modellen. Als Jurist nehme ich einige klassische Texte beim Wort und vertraue darauf, dass sie uns auch heute noch etwas zu sagen haben. Der zweite Teil ist den Staatsverfassungen Europas gewidmet. Nach einer Übersicht über den Zugang zur Sozialstaatlichkeit in den EMRKMitgliedstaaten werde ich die Verfassungen des deutschen Sprachraums miteinander vergleichen. Der dritte Teil geht abschließend der Frage nach, ob die bestehenden Unterschiede in den Sozialausgaben durch verfassungsrechtliche Einflüsse erklärt werden können.
11 Mit der Entfernung von ihr verliert Verantwortung ihre Konturen: E. v. Schenck Studia philosophica 16 (1956), 165 (182 ff.); K. Bayertz Eine kurze Geschichte der Herkunft der Verantwortung, in: ders. (Hrsg.) Verantwortung. Prinzip oder Problem?, 1995, 3 (64 ff.). 12 Zu den Grundrechten eindrucksvoll W. Schmale Archäologie der Grund- und Menschenrechte in der Frühen Neuzeit, 1997.
Sozialstaatlichkeit im Spannungsfeld von Eigenverantwortung und Fürsorge
II.
Verfassungsgeschichte
1.
1789: Im Paradies der Rechte – die Nation als Familie
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Ich beginne meinen historischen Streifzug im Jahr 1789, in dem in Paris am 26. August die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte proklamiert wurde. Wir sind es gewohnt, die Erklärung als Grundrechtskatalog zu lesen.13 Darin liegt eine Verkürzung. Ziel der Erklärung war es, das universelle Croquis einer Verfassung zu geben.14 Dabei spart sie, so abwegig es zunächst auch klingen mag, den Sozialstaat nicht aus. Neben dem rechtsstaatlichen Verteilungsprinzip15 enthält die Erklärung auch einen Grundsatz der Güterverteilung, den ich als solidarisches Verteilungsprinzip bezeichnen will. Er ergibt sich aus dem Zusammenspiel eines Rechtes auf Sicherheit und einer Pflicht zur Zahlung von Steuern. Einziger Zweck jeder politischen Vereinigung ist nach Art. 2 die Erhaltung der natürlichen und unveräußerlichen Menschenrechte.16 Aufgrund dieser Festlegung ist es erstens immanent zwingend, dass menschliche Freiheit nach Art. 4 nur beschränkt werden kann, um gleiche Rechte anderer zu gewährleisten. Zweitens kann sich die Erklärung nicht mit der Verbürgung von Freiheit begnügen. Was einem anderen schadet, muss nicht zwangsläufig seinen Handlungsspielraum begrenzen: Es kann auch seine Existenz oder seine Habe in Mitleidenschaft ziehen. Es überrascht daher nicht, dass uns in Art. 2, der die natürlichen und unveräußerlichen Menschenrechte aufzählt, neben der Freiheit auch das Eigentum, die Sicherheit und der Widerstand gegen Unterdrückung begegnen.17 Aus dieser Quadriga von Basisrechten verdient vor allem das Recht auf Sicherheit als Korrelat der Freiheit Beachtung.18 Gegen Handlungen Drit13 Richtungweisend: G. Jellinek Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, 3. Aufl. 1919, 2 ff. 14 Vgl. B. Schickhardt Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789–91 in den Debatten der Nationalversammlung, 1931, 112ff., mit Fundstellen der einschlägigen Beiträge. 15 Nach Art. 4 besteht Freiheit darin, alles tun zu können, was anderen nicht schadet. Sie kann nur durch Gesetz beschränkt werden. 16 Rückführung aller Gemeinwohlvorstellungen auf diesen Aspekt in der Sitzung vom 1. August 1789 durch Target: vgl. B. Schickhardt (Fn. 14), 66 mN. In diesem entscheidenden Punkt geht die französische Erklärung von ihren amerikanischen Vorbildern ab: Aus Rechten gegen den Staat werden Rechte im und durch den Staat. 17 Ähnliche Konzeptionen von Grund-Rechten begegnen in den Projekten von Condorcet, Mounier, Target, Boislandry, Lafayette und im Entwurf des Verfassungsausschusses. Die Entscheidung fiel am 20. August 1789: eingehend S.-J. Samwer Die französische Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789/91, 1970, 175 ff. 18 Es bleibt ausgeblendet bei G. Jellinek (Fn. 13); vgl. für viele Passagen ebenda, 32: „Wir wissen heute, daß die Freiheitsrechte nicht positiver, sondern negativer Natur sind,
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ter, die dem Einzelnen schaden, benötigt er den Beistand der Gemeinschaft. Nachdem es lediglich die gleichen Rechte anderer sind, die Freiheitsbeschränkungen erlauben, stehen Freiheit und Sicherheit zueinander im Verhältnis der Komplementarität: Wo das Recht des Störers auf Freiheit endet, beginnt das Recht des Opfers auf Sicherheit; und wo ein vorgebliches Opfer keines Schutzes bedarf, kann der vermeintliche Störer in seinem Tun und Lassen nicht beschränkt werden. Keinem dieser beiden Pole kommt ein natürlicher Vorrang zu. Freiheit geht nun einmal nur soweit, als sie Dritten nicht schadet; schadet sie, haben die Dritten Anspruch auf Schutz. Freies Handeln und sichere Existenz halten sich die Waage. Den Basisrechten stellt die Erklärung zwei Grundpflichten des Bürgers gegenüber: die Pflicht zum Gesetzesgehorsam und die Steuerpflicht.19 Nach Art. 13 müssen die Abgaben auf alle Bürger nach Maßgabe ihrer Fähigkeiten verteilt werden. Fügt man das Recht auf Sicherheit und die Pflicht zur Entrichtung von Abgaben zusammen, so ergibt sich folgender Grundsatz der Güterverteilung: Jeder hat die Pflicht, nach Maßgabe seiner Fähigkeiten zum Aufwand der Gemeinschaft beizutragen; und dieser Pflicht korrespondiert ein Recht auf Beistand der Gemeinschaft, soweit man des Schutzes bedarf.20 Den Verlauf der Grenze zwischen Freiheit und Sicherheit bestimmt das Gesetz, an dessen Verabschiedung alle Bürger ebenso mitwirken wie an der Bewilligung von Steuern. Die Konstruktion ist in sich geschlossen und hält freies Handeln und sichere Existenz, Für-sich-selber-Haben und Miteinander-Teilen im Gleichgewicht. Die Erklärung hat es unterlassen, das Basisrecht auf Sicherheit zu spezifizieren. Man kann es daher mit der inneren und der äußeren Sicherheit identifizieren. Ich halte das nicht für überzeugend. Im Entstehungszu-
daß sie nicht einen Anspruch auf ein Tun, sondern auf ein Unterlassen des Staates begründen.“ Die Literatur hat seine Perspektive weitgehend übernommen und auf Würdigungen der Sicherheit verzichtet. Unter den Ausnahmen: J. Isensee Das Grundrecht auf Sicherheit, 1983, 14 f.; G. Robbers Sicherheit als Menschenrecht, 1987, 64ff. 19 Ihre Trennung stellt sicher, dass Steuern keinen an Art. 17 zu messenden Eingriff in das Eigentum darstellen: Die Verteilung der Güter soll der Verteilung von Freiheit und Sicherheit folgen, die Letztere nicht durch die Erstere präjudiziert sein. Ein Antrag Robespierres auf Einführung eines Gesetzesvorbehalts für Steuern wurde denn auch ebenso verworfen wie die von verschiedener Seite (6. Büro, Condorcet, Sièyes) favorisierte Konzeption der Steuer als „portion retranchée“ des Eigentums: vgl. B. Schickhardt (Fn. 14), 103f. 20 Die Vorstellung von der Steuer als Preis der Sicherheit begegnet sowohl in den Vorentwürfen von Mounier und Bouche als auch in den Beratungen der Nationalversammlung: mN B. Schickhardt (Fn. 14), 26, 39, 103.
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sammenhang sprechen die besseren Argumente dafür, dass Sicherheit auch die soziale Sicherheit umfasst. In den Beschwerdeheften und in den verschiedenen Projekten im Vorfeld der Erklärung finden sich nahezu alle uns heute geläufigen sozialen Grundrechte als Forderungen an die Konstituante.21 Wenn sie in der Erklärung fehlen, dann deshalb, weil die Nationalversammlung nach Einigung über die Struktur der Erklärung den förmlichen Beschluss fasste, die Beratungen vorderhand abzuschließen, um sich der Ausarbeitung der Verfassung widmen zu können. Sie behielt sich dabei aber vor, die Beratungen über die Erklärung gegebenenfalls wieder aufzunehmen.22 Genau dies ist später erfolgt: 1791 hat man sich unter Berufung auf diesen Vorbehalt auf die Aufnahme weiterer Grundrechte verständigt. Sie wurden allerdings nicht in die Erklärung integriert, die als historisches Dokument unangetastet bleiben sollte,23 sondern der neuen Verfassung vom 3. September 1791 in ihrem Titel I vorangestellt. Er ist mit „Fundamentalgarantien“ überschrieben und gewährleistet unter anderem ein öffentliches Schulwesen, das für alle Bürger in allen Landesteilen zugänglich und im Ausmaß des notwendigen Unterrichts kostenlos ist, sowie öffentliche Unterstützung für Kinder, Kranke und Arme, die sich keine Arbeit verschaffen können.24 Soziale Sicherheit ist demnach im Recht auf Sicherheit inkludiert.25 Die Erklärung verfasst die Nation als Solidargemeinschaft, in der für die nötige existenzielle Sicherheit aller nach dem Grundsatz „jeder nach sei-
21 Nachweise bei P. Krause Die Entwicklung der sozialen Grundrechte, in: Birtsch (Hrsg.) Grund- und Freiheitsrechte im Wandel von Gesellschaft und Geschichte, 1981, 402 (405ff.); S.-J. Samwer (Fn. 17), 32f., 55, 141; B. Schickhardt (Fn. 14), 28. 22 Der Vorbehalt ist wiedergegeben bei S.-J. Samwer (Fn. 17), 214 und B. Schickhardt (Fn. 14), 105 f. 23 Vgl. S.-J. Samwer (Fn. 17), 218 ff. 24 „Il sera créé et organisé un étabilissement général de Secours publics, pour élever les enfants abandonnés, soulager les pauvres infirmes, et fournier du travail aux pauvres valides qui n’auraient pu s’en procurer. – Il sera créé et organisé une Instruction publique commune à tous les citoyens, gratuite à l’égard des parties d’enseignement indispensables pour tous les hommes et dont les établissements seront distribués graduellement, dans un rapport combiné avec la division du royaume.“ – Die Formulierung weist lediglich Pflichten des Staates aus, obschon diesen innerhalb des Systems der Erklärung subjektive Rechte der Bürger korrespondieren mussten. 25 Die Definition von Sicherheit in Art. 8 der nachfolgenden, in die Verfassung vom 24. Juni 1793 integrierten Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte führt dementsprechend neben dem Schutz der Person und des Eigentums auch einen Schutz der Rechte an. Die Rechteerklärung vom 5. Fructidor des Jahres III (22. August 1795) begnügt sich schließlich in Art. 4 mit diesem (Person und Eigentum einschließenden) Element: „La sûreté résulte du concours de tous pour assurer les droits de chacun.“
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nen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen“ kollektive Vorsorge getroffen ist. Hinter diesem Verteilungsprinzip steht die Vorstellung der Nation als Familie, der alle Bürger als Brüder angehören. Man hat der Revolution vorgeworfen, es bei einer Proklamation belassen zu haben, ohne die Brüderlichkeit rechtlich auszuformen.26 Zu Unrecht: Sie ist das Grundprinzip, das die Gesamtkonstruktion trägt. Was immer der Staat tut, tut er in Entsprechung des Gebotes der Brüderlichkeit. Aus diesem Grund kann es nach der Erklärung zwischen Staatlichkeit und Sozialstaatlichkeit auch keinen Unterschied geben. „Etat social“ ist der Gegenbegriff zum „état naturel“, dem Naturzustand. Was aber folgt hieraus für unser Thema? Wo im Spannungsfeld von Eigenverantwortung und Fürsorge hat Sozialstaatlichkeit ihren Platz? Die Antwort überrascht: Die Erklärung lässt weder für das eine noch für das andere Raum. Eigenverantwortung ist deshalb eine verzichtbare Kategorie, weil der Bürger dort, wo er sich in der Welt der Freiheit befindet, der Gemeinschaft keine Antwort schuldet. Er ist frei; und wie er mit seiner Freiheit umgeht, hat er vor Gott und vor seinem Gewissen zu verantworten, aber nicht vor dem Staat. Dessen Geschäft ist es nur, ihn dort, wo er seine Freiheit in einer Art und Weise gebraucht, die seinen Mitmenschen abträglich ist, in rechtliche Schranken zu weisen. Soweit aber Freiheit beschränkt und Sicherheit verbürgt ist, hat der Staat die Verantwortung übernommen, ist Eigenverantwortung durch Kollektivverantwortung ersetzt. Was bleibt, ist die Beschränkung des Schutzes auf jenes Maß, das die Schwachen tatsächlich benötigen. Staatliches Handeln spielt eine untergeordnete Rolle, weil die Bürger durch ihre Freiheiten und durch ihr Recht auf Eigentum selbst für soziale Sicherheit sorgen können. Zur Sicherstellung dieser Subsidiarität ist es aber nicht erforderlich, den Bürgern Eigenverantwortung aufzuladen. Es reicht hin, sie mit einer diesbezüglichen Obliegenheit zu belasten. Doch auch Fürsorge ist in dieser deontisch perfekten Welt ein Fremdwort. Wer bedürftig ist, kann das Notwendige unter Berufung auf sein Recht auf Sicherheit von der Gemeinschaft einfordern. Wenn es hingegen an einem Schutzbedürfnis mangelt, fehlt es schon am Anknüpfungspunkt für staatliches Handeln. Da einziger Zweck der politischen Vereinigung die Erhaltung der Menschenrechte ist, bleibt für nach Ermessen gewährte Unterstützungen kein Platz. Ich fasse zusammen: Die Erklärung konzipiert den Staat als universelle Sozialversicherung, in der unter Beteiligung aller in Selbstverwaltung ent26 Für viele U. Volkmann Solidarität – Programm und Prinzip der Verfassung, 1998, 93 f., 136.
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schieden wird, welche Risiken kollektiv und welche individuell bewältigt werden.27 Diese Form der Sozialversicherung ist allerdings niemals realisiert worden. Die Verfassung 1791, die die Erklärung in Kraft setzte, hat gleichzeitig ihren kardinalen Artikel materiell derogiert, indem sie Beschränkungen der Freiheit auch im Interesse der öffentlichen Sicherheit zuließ.28 In weiterer Folge haben sich die Rechte der Bürger und die Zwecke des Staates immer stärker voneinander abgelöst.29 Aus dem Paradies der Rechte sind wir in die Welt der bürgerlichen Gesellschaft vertrieben worden. 2.
1848: Nach der Vertreibung – jeder ist seines Glückes Schmied
Ich bleibe in Frankreich und springe zur Verfassung vom 4. November 1848. Sie verdient aus zwei Gründen Beachtung. Zum einen gilt sie als Prototyp liberaler Verfassungen.30 Zum anderen handelt es sich um die erste Verfassung, bei deren Beratung die „soziale Frage“ ein Thema war.31 Ergebnis der einschlägigen Debatten32 ist der Artikel 13, der allen Bürgern die Freiheit der Arbeit und der Industrie gewährleistet. Allein die Formulierung zeigt, dass dieses Recht nur die Betätigung verbürgt, aber keinen Arbeitsplatz garantiert. Derselbe Artikel stellt jedoch der Arbeitsfreiheit Schutzpflichten des Staates gegenüber. Nach der Einleitung, dass der Staat die Entwicklung der Arbeit begünstigt und ermutigt, wird ein Strauß positiver Maßnahmen aufgefächert, die man in einer liberalen Verfassung nicht vermuten würde. Unter ihnen findet sich der unentgeltliche Elementarunterricht, 27 So schon die Bewertung bei B. Schickhardt (Fn. 14), 114: „Der Staat wurde zum bloßen ‚Versicherungsinstitut‘ für die Menschenrechte; in ihrer Erhaltung beruhte sein einziger Zweck“. 28 Vgl. Titel I: „[M]ais comme la liberté ne consiste qu’à pouvoir faire tout ce qui ne nuit ni aux droits d’autrui, ni à la sûreté publique, la loi peut établir des peines contre les actes qui, attaquant ou la sûreté publique ou les droits d’autrui, seraient nuisible à la société.“ 29 In Art. 1 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte 1793 hat das allgemeine Wohl als kardinaler Staatszweck die Sicherung der Menschenrechte bereits verdrängt. 30 In der Paulskirche hat man sich wiederholt auf sie bezogen und sich nicht selten gerade ihrer Liberalität wegen von ihr distanziert: Belege bei J.-D. Kühne Die Reichsverfassung der Paulskirche, 1985, 172 f.; W. Siemann FS Zeeden, 1976, 407 (412 ff.). 31 Vgl. die Dokumentation bei E. de Girardin Le droit au travail au Luxembourg et à l’Assemblée nationale, 1849. Band II gibt die Protokolle über die Verhandlungen vom 12. bis 16. September 1848 in der Nationalversammlung im Wortlaut wieder. 32 Eine gute Zusammenfassung findet sich bei L. v. Stein Geschichte der sozialen Bewegung in Frankreich von 1789 bis auf unsere Tage, Bd. III, 1921, 381 ff.
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die Berufsausbildung, die Herstellung von Gleichheit in den Beziehungen zwischen Arbeiter und Patron, sodann die Organisation öffentlicher Beschäftigungsprogramme; schließlich die Unterstützung von Bedürftigen. Soziale Sicherheit wird also nicht der Gesellschaft überlassen, wie es liberaler Theorie entspräche, die die Gebote der Brüderlichkeit aus dem Staat verbannen will.33 Dass der Staat allen Dogmen zum Trotz eine Art Ausfallshaftung übernimmt, zeigt auch die Präambel. In Art. VIII trägt sie dem Staat auf, den Bürger in seiner Person, in seinem Eigentum und in seiner Arbeit zu schützen, allen Menschen die nötige Bildung zugänglich zu machen und den bedürftigen Bürgern den Lebensunterhalt zu sichern. Gleichsam in der Gegenrichtung werden die Bürger durch Art. VII verpflichtet, sich durch Arbeit einen Lebensunterhalt zu verschaffen und durch Vorsorge Mittel für die Zukunft beiseite zu legen. Außerdem sind sie gehalten, sich wechselseitig brüderlich zu unterstützen und ihre Pflichten gegenüber Gesellschaft, Familie und Individuum zu erfüllen. Die Präambel statuiert insgesamt Pflichten, die das Grundverhältnis zwischen Bürger und Staat betreffen. Auch die Eigenverantwortung stellt eine solche Grundpflicht dar. Und sie ist absolut, weil sie weder Einschränkungen noch Grenzen kennt: Der Bürger hat ungeachtet aller Widrigkeiten und Zufälle für seine Existenz einzustehen, komme was wolle. Damit ist eine verschuldensunabhängige Verantwortung normiert, die auf den Status zielt. Ein Bürger, der in seiner Eigenverantwortung versagt, mag zwar aus öffentlichen Fürsorgemitteln unterstützt werden; er verwirkt dadurch aber seine Rechte als Bürger. Mit den Polen bürgerlicher Eigenverantwortung und staatlicher Fürsorge steckt die Verfassung 1848 die Art und Weise ab, wie der Liberalismus die soziale Frage in den Griff zu bekommen versucht. Existenzsicherung ist kein Recht des Bürgers, sondern seine Verpflichtung. Aus diesem Grund muss sich die staatliche Wohltätigkeit erstens auf eine strikt subsidiäre Rolle beschränken; familiäre, betriebliche und gesellschaftliche Unterstützung haben den Vorrang und sind entsprechend zu fördern. Zweitens muss Wohltätigkeit unsicher bleiben, damit man sich nicht auf sie verlassen kann. Drittens müssen ihre Vorteile durch Nachteile kompensiert werden.
33 In Prägnanz und Stringenz unübertroffen F. Bastiat Justice et fraternité, in: ders. Œuvres complètes, Bd. IV, 2. Aufl. 1863, 298 (301 ff.). Vgl. weiters dens. Sophismes économiques, in: ders. Œuvres complètes, Bd. IV, 2. Aufl. 1863, 1 (15 ff.); T. R. Malthus Grundsätze der Politischen Ökonomie, 1910 (deutsche Ausgabe nach der 2. Aufl. 1836), 296 ff., 538ff.; W. v. Humboldt Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen, 1947 (Neudruck), 97 ff.
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Die Umsetzung folgt diesem Programm.34 Den von der Theorie geforderten Rückzug hat der Liberalismus in der Praxis niemals auch nur erwogen. Liberale Politik ist zuvörderst Sozialpolitik. Sie verzichtet weder auf Intervention noch auf Schutz, sondern nur auf die Einräumung von Ansprüchen, die ihr ansonsten ein zentrales Anliegen sind. Dadurch knüpft sie nahtlos an die absolutistische Wohlfahrtspflege an. Sozialstaatlichkeit bildet keine Rückzugszone der Staatlichkeit, wie das Bild vom Nachtwächterstaat vorgibt. Sie ist eine Staatlichkeit ohne Rechte. 3.
1919: Wiedergewinn von Symmetrie – die Ordnung des gegenseitigen Interesses
Trotz aller Anstrengungen hat die liberale Politik im 19. Jahrhundert nicht reüssiert. Durch die Errichtung von Sozialversicherungen hat das deutsche Kaiserreich einen erfolgreicheren Weg beschritten.35 Die Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919 hat diese Innovation konstitutionalisiert und auch sonst Lösungen entwickelt, für die es kein Vorbild gab. Es sind drei Hauptziele, die der Weimarer Sozialverfassung ihr Gepräge geben. Ein erstes Anliegen besteht darin, zwischen den Faktoren Eigentum und Arbeit durch Aufwertung der Arbeit effektive Gleichheit herzustellen. Die zweite Grundlinie ist die Anerkennung und Einrichtung einer Sozialpartnerschaft zwischen Arbeit und Kapital. Die dritte Stoßrichtung liegt darin, die Primärverteilung der Güter durch den Markt durch eine Sekundärverteilung zu ergänzen, die soziale Gerechtigkeit verwirklichen soll. Zur Herstellung effektiver Gleichheit werden zunächst die wirtschaftlichen Grundrechte mit sozialen Hypotheken belegt. Die Freiheit wirtschaftlicher Betätigung findet in der Zielsetzung der Sicherung eines menschenwürdigen Daseins für alle ihre immanente Grenze (Art. 151 Abs. 1 und 2), und das Eigentum ist mit einer Sozialbindung versehen (Art. 153 Abs. 3). Sodann mischt sich der Staat im Wege der Grundrechte in die Beziehungen zwischen den Vertragspartnern ein. Wucher wird verboten, gegen die guten Sitten verstoßende Rechtsgeschäfte werden für nichtig erklärt (Art. 152 Abs. 2); Arbeitnehmer dürfen von ihrem Arbeitgeber nicht an der Äußerung von Meinungen gehindert werden (Art. 118 Abs. 1) und haben ihm gegenüber Anspruch auf freie Zeit zur Ausübung ihrer staatsVgl. die grandiose Darstellung bei F. Ewald Der Vorsorgestaat, 1993, 89ff., 111 ff. Zu Einfluss und Auswirkungen vgl. die Beiträge in: Köhler/Zacher (Hrsg.) Ein Jahrhundert Sozialversicherung in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Österreich und der Schweiz, 1981. 34 35
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bürgerlichen Rechte (Art. 160). Darüber hinaus muss das Reich der Arbeitskraft besonderen Schutz angedeihen lassen (Art. 157 und Art. 162). Die auf diese Weise gestärkte Arbeit wird in einem weiteren Schritt dem Kapital als gleichberechtigter Sozial- und Wirtschaftspartner gegenübergestellt: Der Staat verpflichtet sich zur Anerkennung ihrer Organisationen und räumt ihnen Tarifautonomie ein (Art. 165 Abs. 1). Außerdem sorgt er für Selbstverwaltungseinrichtungen, die im Reichswirtschaftsrat gipfeln, der unter anderem Gesetzesvorlagen einbringen kann (Art. 165 Abs. 2–5). Die Anerkennung des Markts als primärem Medium der Güterverteilung erfolgt durch Verbürgung von Wirtschaftsfreiheit (Art. 151), Vertragsfreiheit (Art. 152), Eigentum (Art. 153) und Erbrecht (Art. 154). Diese vier Fanfarenstöße des Liberalismus36 sind freilich mit weniger liberalen, von den Zeitgenossen als sozialistisch wahrgenommenen37 Nebentönen unterlegt: Der Staat ist stiller Teilhaber am Erbrecht (Art. 154 Abs. 2), er kann – gegen grundsätzliche Entschädigung – enteignen (Art. 153 Abs. 2) und sozialisieren (Art. 156), er überwacht die Nutzung von Grund und Boden, und er hat die Oberaufsicht über alle Bodenschätze und nutzbaren Kräfte der Natur (Art. 155). Die Pflicht, eine Sekundärverteilung durchzuführen, ergibt sich aus Leistungsansprüchen und Fürsorgepflichten. Der Staat schuldet den Ehen, den Familien, den Müttern, den Jugendlichen und dem Mittelstand Schutz und Förderung (Art. 119, 120, 122, 164); er muss ein öffentliches Bildungssystem einrichten und finanzieren (Art. 145–149); er muss für Wohnraum aufkommen (Art. 155 Abs. 1) und ein umfassendes Versicherungssystem unterhalten (Art. 161); und er muss schließlich für den notwendigen Unterhalt jener Bürger sorgen, denen angemessene Arbeit nicht nachgewiesen werden kann (Art. 163). Diese pralle Sozialverfassung knüpft über weite Strecken an Institutionelles an und lässt harte Rechte und weiche Ziele ineinander verschwimmen. Es fällt darum nicht leicht, sie im Spannungsfeld von Eigenverantwortung und Fürsorge zu verorten. Zwei Aussagen lassen sich jedoch in aller Eindeutigkeit treffen. Erstens: Indem die Verfassung in einer Reihe von Bestimmungen Ansprüche auf Leistungen einräumt, stellt sie für einen Teilbereich staatlicher Pflichtleistungen das solidarische Verteilungsprinzip wieder her. Man kann darüber streiten, ob die Sozialversicherung und die Sozialhilfe So A. Hensel Grundrechte und politische Weltanschauung, 1931, 25. G. Anschütz Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl. 1933, 697; E. R. Huber AöR 62 (1933), 1 (38f., 42, 46f.); C. Schmitt Verfassungslehre, 1928, 169f.; ebenda, 162: Einschätzung des Grundrechtskatalogs als „interfraktionelles Kompromißprogramm“. 36 37
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in diesen Bereich fallen,38 nicht aber darüber, dass ein solcher Bereich existiert. Zweitens: Die Verantwortung, die die Weimarer Verfassung dem Bürger in Art. 163 auferlegt, beschränkt sich auf die sittliche Verpflichtung, seine geistigen und körperlichen Kräfte so zu betätigen, wie das Wohl der Gemeinschaft es erfordert. Die Zeitgenossen haben dies mit einer Arbeitspflicht gleichgesetzt.39 Das ist sowohl zu weit als auch zu kurz gegriffen. Es handelt sich um eine Bürgerverantwortung, die nicht weiter reicht als die Kräfte.40 Indem sie explizit als sittliche Pflicht deklariert wird, ist sie in den Bereich der Verfassungsvoraussetzungen verwiesen.41 Rechtlich fassbar ist lediglich eine aus Art. 163 Abs. 2 erfließende Obliegenheit: Wer angemessene Arbeitsgelegenheiten nicht annimmt, büßt seinen Anspruch auf Fürsorge ein. Die Beweislast hiefür liegt jedoch kraft ausdrücklicher Anordnung beim Staat. 4.
1936: Im Reich der Werktätigen – die Verfassung der Arbeit
Um das Tableau der Varianten zu vervollständigen, komme ich zum Abschluss kurz auf die Verfassung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken vom 5. Dezember 1936 zu sprechen. In ihr findet sich neben Freiheitsrechten auch eine Handvoll sozialer Rechte, die nicht weiter bemerkenswert sind.42 Mit einer Ausnahme: Das Recht auf Arbeit (Art. 118) geht als unbedingte und absolute Beschäftigungsgarantie, der eine Ar-
38 Vgl. einerseits R. Thoma Die juristische Bedeutung der grundrechtlichen Sätze der deutschen Reichsverfassung im allgemeinen, in: Nipperdey (Hrsg.) Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. I, 1930, 1 (30) („lex imperfectissima“), andererseits E. R. Huber (Fn. 37), 48f. 39 Statt aller G. Anschütz (Fn. 37), 740. Auch die jüngeren Gesamtdarstellungen knüpfen hieran an: E. R. Huber Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. VI, 1981, 1088f.; C. Gusy Die Weimarer Reichsverfassung, 1997, 353. 40 Obschon liberales Erbe, wird Art. 163 Abs. 1 mitunter als Ausdruck einer antiliberalen Prägung der Verfassung qualifiziert: E. R. Huber (Fn. 37), 47; C. Bornhak Die Verfassung des Deutschen Reichs, 2. Aufl. 1921, 122. Ähnlich bemerkenswert ist die zeitgleich erfolgende Entwicklung einer liberalen Grundrechtstheorie, die als Projektion ex post den Grundrechtskatalogen des 19. Jahrhunderts nicht adäquat ist. 41 Dazu O. Weigert Betätigungspflicht und Arbeitslosenhilfe, in: Nipperdey (Hrsg.) Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. III, 1930, 485 (488): „Sie [die WRV] normiert nicht nur eine sittliche Grundpflicht des Deutschen, sie wehrt auch eine rechtliche Pflicht von gleichem Inhalt ab.“ 42 Vgl. Art. 119 (Erholung), 120 (soziale Sicherheit), 121 (Bildung). – Auffälliger sind die (systemimmanent notwendigen) Teilhabegehalte einzelner Freiheitsrechte: vgl. z. B. Art. 125 Abs. 2 zur Meinungs- und Versammlungsfreiheit.
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beitspflicht korrespondiert, über seine Verbürgungen in den nichtsozialistischen Verfassungen hinaus. Noch gravierender sind die Unterschiede in der Güterordnung. Privateigentum ist nur mehr an den Gegenständen des persönlichen Bedarfs und an den Früchten eigener Arbeit garantiert (Art. 10); alle Produktionsmittel stehen in sozialistischem Eigentum (Art. 6); private Landwirtschaften und Gewerbebetriebe sind nur soweit zugelassen, als sie auf persönlicher Arbeit beruhen und Ausbeutung fremder Arbeit ausschließen (Art. 9). Die Arbeit beansprucht gegenüber dem Eigentum unbedingten Primat. Solidarität und Brüderlichkeit sucht man vergeblich, weil es für sie keinen Bedarf mehr gibt. Wenn die Sowjetverfassung die Möglichkeit abschneidet, Kapital anders zu mehren als durch Einsatz eigener Arbeit, dann nicht aus Gründen der Umverteilung, sondern deswegen, weil sie Einkünfte verhindern will, denen keine eigene Leistung korrespondiert. Das Verteilungsprinzip, zu dem sie sich in Art. 12 Abs. 2 bekennt, ist folgerichtig das Äquivalenzprinzip: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seiner Leistung.“43 Fazit: Die Sowjetverfassung konstituiert eine reine Leistungsgesellschaft. Zu einem einzigen Zugeständnis ist sie bereit: Der Verfassungsgrundsatz „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“ (Art. 12 Abs. 1) hat für Arbeitsunfähige keine Geltung.44
III. Verfassungsvergleichung Die eben erörterten Verfassungen zählen zu den markantesten Stücken, die die Werkstatt Konstitutionalismus bis heute verlassen haben. Es scheint, als habe sich das Spektrum der Lösungen mit diesen vier Modellen erschöpft. Die Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg hat jedenfalls keine neuen Grundmuster mehr hervorgebracht, sondern die Typenvielfalt wieder reduziert. Das sowjetische Modell ist von der Geschichte überholt. Nachdem die Menschenrechtserklärung 1789–91 in der Zuspitzung, die ich ihr gegeben habe, niemals in Kraft getreten ist, bleiben zwei Typen übrig, die fortgeführt worden sind: einerseits der Zugang von 1848, andererseits das Weimarer Modell. Den Ersteren will ich 43 Vgl. dazu R. Maurach Handbuch der Sowjetverfassung, 1955, 80f.; zu den Implikationen auf die Sozialversicherung ebenda, 336f. 44 Für die soziale Sicherheit dieser Personengruppe fehlt jedoch bereits eine Gewähr: Alle in Art. 120 Abs. 2 verankerten Gewährleistungspflichten knüpfen an Erwerbstätigkeit an.
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mit dem Schlagwort Aufgabenansatz, Letzteres mit der Etikette Rechteansatz bezeichnen. Einer ersten Gruppe lassen sich jene Verfassungen zuordnen, die weder einen Aufgaben- noch einen Rechteansatz verfolgen, sich also in der sozialen Frage völlig neutral verhalten. Diese Gruppe ist in Europa vergleichsweise klein und besteht aus dem Vereinigten Königreich und aus Österreich. Einen mehr oder weniger reinen Aufgabenansatz verfolgen acht der 46 Mitgliedstaaten der EMRK .45 Zu dieser zweiten Gruppe zählen die Bundesrepublik Deutschland und Liechtenstein. Ganz allgemein fällt auf, dass sie sich überwiegend aus „germanischen“ Staaten zusammensetzt. Einer dritten Gruppe sind sodann jene Verfassungen zuzuzählen, die die beiden Zugänge kombinieren und in einem begrenzten Bereich Rechte einräumen, während sie es im Übrigen bei Zielen belassen.46 Diese Gruppe umfasst ebenfalls acht Staaten.47 Unter ihnen findet sich die Schweiz, in der germanische Skepsis gegenüber sozialen Rechten und romanische Affirmation gegeneinander austariert sind. Auch ihre sonstigen Vertreter stammen überwiegend aus „Zwischenzonen“, oder konkreter: aus dem griechischen, dem baltischen und dem Benelux-Bereich. In die vierte Gruppe fallen schließlich jene Staaten, die sich nach Weimarer Muster dafür entschieden haben, Soziales vorrangig im Wege der
45 Bosnien und Herzegowina (Verfassung vom 14. Dezember 1995, Art. II Abs. 3); Deutschland (Grundgesetz vom 23. Mai 1949, Art. 6, 14 Abs. 2, 15, 20 Abs. 1, 28 Abs. 1); Irland (Verfassung vom 1. Juli 1937, Präambel, Art. 41, 42, 45); Island (Verfassung vom 17. Juni 1944, Art. 75, 76); Liechtenstein (Verfassung vom 5. Oktober 1921, Art. 14–26); Malta (Unabhängigkeitsorder vom 21. September 1964, Art. 1 Abs. 1, Art. 7–21); Norwegen (Verfassung vom 17. Mai 1814, Art. 110, 110b); Schweden (Verfassung vom 28. Februar 1974, 1. Kap. § 2 Abs. 2, 2. Kap. § 21). 46 Die Übergänge zur zweiten und zur vierten Gruppe sind fließend. Der dritten Gruppe sind hier auch Staaten zugeordnet, deren Sozialverfassung sich in der Gewährleistung sozialer Grundrechte erschöpft, sofern sie lediglich punktuellen Schutz gegen die Wechselfälle des Lebens bieten: Ihre Zuordnung zur vierten Gruppe hätte ein schiefes Bild ergeben. – Von vereinzelten und peripheren sozialen Grundrechten (wie z. B. Art. 6 GG) wurde bei der Zuordnung völlig abstrahiert. 47 Dänemark (Verfassung vom 5. Juni 1953, §§ 75, 76); Finnland (Grundgesetz vom 11. Juni 1999, §§ 1 Abs. 1, 16, 18–20); Griechenland (Verfassung vom 11. Juni 1975, Art. 16, 21–24, 25 Abs. 1); Luxemburg (Verfassung vom 17. Oktober 1868, Art. 11, 23); Niederlande (Verfassung vom 17. Februar 1983, Art. 19–23); Schweiz (Bundesverfassung vom 18. April 1999, Präambel, Art. 12, 19, 41); Spanien (Verfassung vom 27. Dezember 1978, Präambel, Art. 1 Abs. 1, 27, 31, 35, 39–52, 53 Abs. 3), Zypern (Verfassung vom 16. August 1960, Art. 9, 20).
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Einräumung von Grundrechten zu verfassen, die ein breites Spektrum von Lebensrisiken abdecken. Mit 28 Staaten48 ist sie mit Abstand die größte. Ähnlich eindrucksvoll ist der Einfluss von Weimar im Bereich der Leitbilder. Die Arbeit und die Brüderlichkeit, die beiden alten Orientierungsmarken des Sozialstaats, sind zwar nicht völlig aus dem Sichtfeld verschwunden, stehen aber mittlerweile am Rand.49 Soziale Gerechtigkeit50 und menschenwürdige Existenz für alle51, Sozialpartnerschaft und soziale Marktwirtschaft52 heißen die neuen Fixsterne. Aufgegangen sind sie allesamt in Weimar. Der Vergleich führt also zu einem klaren Ergebnis. Das Weimarer Modell hat sich durchgesetzt und ist auf dem besten Wege, zu einem euro-
48 Albanien (Verfassung vom 21. Oktober 1998, Art. 49–57); Andorra (Verfassung vom 14. März 1993, Art. 5, 18–20, 27–35, 39 Abs. 3); Armenien (Verfassung vom 5. Juli 1995, Art. 29–37); Aserbaidschan (Verfassung vom 12. November 1995, Art. 15–17, 34–43); Belgien (Koordinierte Verfassung vom 17. Februar 1994, Art. 22bis-24); Bulgarien (Verfassung vom 12. Juli 1991, Art. 14–16, 47–55); Estland (Verfassung vom 24. Februar 1918, vom Volk wieder angenommen am 28. Juni 1992, §§ 10, 27–37); Frankreich (Verfassung vom 4. Oktober 1958, Präambel, Art. 1 und 2, Präambel der Verfassung vom 27. Oktober 1946); Georgien (Verfassung vom 24. August 1995, Art. 30–39); Italien (Verfassung vom 27. Dezember 1947, Art. 2, 30–47); Kroatien (Verfassung vom 21. Dezember 1990, Art. 3, 54–69); Lettland (Verfassung vom 15. Februar 1922, Art. 106–115); Litauen (Verfassung vom 25. Oktober 1992, Art. 38–42, 46–54); Mazedonien (Verfassung vom 17. November 1991, Präambel, Art. 1, 32–44); Moldawien (Verfassung vom 29. Juli 1994, Art. 35–37, 42–51); Polen (Verfassung vom 2. April 1997, Art. 65–76); Portugal (Verfassung vom 2. April 1976, Art. 2, 53–60, 63–79); Rumänien (Verfassung vom 21. November 1991, Art. 1 Abs. 3, 32–33, 38–46); Russland (Verfassung vom 12. Dezember 1993, Art. 7, 37–44); San Marino (Deklaration der Grundrechte und Verfassungsprinzipien vom 8. Juli 1974, Art. 9–12); Serbien und Montenegro (Verfassungscharta vom 14. März 2002, Art. 3; Charta der Menschen- und Minderheitenrechte und bürgerlichen Freiheiten vom 4. Februar 2003, Art. 39–46, 55–57); Slowakei (Verfassung vom 1. September 1992, Art. 35–45); Slowenien (Verfassung vom 23. Dezember 1991, Art. 2, 49–57, 66–78); Tschechien (Charta der Grundrechte vom 9. Jänner 1991, Art. 26–35); Türkei (Verfassung vom 7. November 1982, Präambel, Art. 2, 5, 41–65); Ukraine (Verfassung vom 28. Juni 1996, Art. 1, 13–16, 43–53); Ungarn (Verfassung vom 20. August 1949, Präambel, Art. 9–18, 66–68, 70/B-70/J); Weißrussland (Verfassung vom 1. März 1994, Art. 1, 32, 41–51). 49 Frankreich: Präambel, Art. 1, 2 Abs. 4; Italien: Art. 1 und 3; Malta: Art. 1 Abs. 1. 50 Estland: § 10; Irland: Präambel; Kroatien: Art. 3; Mazedonien: Präambel; Portugal: Art. 1; Serbien und Montenegro: Art. 3, Präambel der Grundrechtscharta; Spanien: Präambel; Türkei: Präambel. 51 Belgien: Art. 23; Finnland: § 19; Griechenland: Art. 2; Portugal: Art. 1; Russland: Art. 7; Spanien: Präambel. 52 Polen: Art. 20; Ungarn: Präambel.
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päischen Standard zu werden.53 Ausgeblieben ist der Erfolg jedoch in der Heimat. Die Weimarer Sozialverfassung gilt dort nach wie vor als gescheitertes Experiment.54 Es ginge zu weit, hier auf alle 46 Staaten einzugehen. Ich beschränke mich darauf, die Sozialverfassungen Österreichs, Deutschlands und der Schweiz in ihren Grundzügen vorzustellen und sie miteinander zu vergleichen. 1.
B-VG 1920: Not nach dem Krieg
Dem österreichischen Verfassungsrecht ist, wie schon bemerkt, soziale Verantwortung des Staates und Armutsbekämpfung kein Anliegen.55 Nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie, als das verbliebene Restösterreich sich eine neue Verfassung gab, schienen zunächst zwar alle Weichen in Richtung Weimarer Modell gestellt;56 sodann aber gelang es nicht, die Auffassungsunterschiede über die Grundrechte zu überbrücken. Die politischen Lager verständigten sich deshalb auf den Kompromiss, in der neuen Verfassung den Grundrechtskatalog der Monarchie zu rezipieren.57 Soziale Grundrechte waren und sind in ihm nicht enthalten. Die bundesstaatliche Kompetenzverteilung zeigt, dass Bund und Länder in vielfältiger Weise zur Intervention, zur Leistungserbringung und zur Sozialgestaltung berufen sind. Sie enthält jedoch lediglich Ermächti53 Insbesondere der romanische Rechtsbereich hat es nach 1945 bereitwillig adoptiert und dabei verschiedentlich auch die Idee einer institutionellen Verankerung von Sozialund Wirtschaftsräten aufgegriffen. 54 Vgl. E. Forsthoff Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates, VVDStRL 12 (1954), 8 (12); T. Tomandl Der Einbau sozialer Grundrechte in das positive Recht, 1967, 26; H. Hattenhauer Europäische Rechtsgeschichte, 3. Aufl. 1999, Rn. 2044ff. Differenzierter, aber ebenfalls mit Vorbehalten H. Dreier Die Zwischenkriegszeit, in: Merten/Papier (Hrsg.) Handbuch der Grundrechte, Bd. I, 2004, § 4 Rn. 36; C. Gusy ZNR 15 (1993), 163 (171 ff.); U. Volkmann (Fn. 26), 182 ff. – Positive Bewertung nunmehr bei W. Pauly Grundrechtslaboratorium Weimar, 2004, 67ff. 55 F. Oppitz Die Rechtslage in Österreich, in: Hofmann/Holländer/Merli/Wiederin (Hrsg.) Armut und Verfassung, 1998, 161 (161). 56 Die Verfassungsentwürfe enthielten, soweit sie nicht (wie die christlichsozialen Entwürfe) auf einen Grundrechtskatalog verzichteten, durchwegs Leistungsansprüche und institutionelle Garantien nach Weimarer Muster: vgl. die bei F. Ermacora Quellen zum Österreichischen Verfassungsrecht (1920), 1967, abgedruckten Entwürfe von Mayr (60 ff.), der Großdeutschen (82ff.), den Linzer Entwurf (131 ff.), die Entwürfe der Sozialdemokraten (177 ff.) sowie von Renner und Mayr (224ff.); ebenso die bei F. Ermacora Die Entstehung der Bundesverfassung 1920, Bd. IV, 1990, wiedergegebenen Entwürfe von Kelsen (172 ff.), Danneberg (379 ff.) und der Staatskanzlei (265ff.). 57 Vgl. Art. 149 Abs. 1 B-VG , in dem das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, RGBl 1867/142, zum Verfassungsgesetz erklärt wird.
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gungen, keine Pflichten, und vermag daher Sozialstaatlichkeit zwar zu legitimieren, aber nicht zu gewährleisten. Der Verfassungsgerichtshof hat deswegen im Jahr 1964 lapidar festgehalten, dass die österreichische Verfassung die in anderen Staaten anzutreffende Verpflichtung zu einer sozialen Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik nicht kennt.58 Davon ist er bis heute nicht abgerückt. An Bemühungen einzelner Autoren, ein Sozialstaatlichkeitsgebot aus der Kompetenzverteilung, dem Demokratieprinzip und dem Gleichheitssatz abzuleiten, hat es zwar nicht gefehlt.59 Auf nennenswerte Resonanz sind sie aber nicht gestoßen. Robert Walter hat all diese Versuche schon im Jahr 1972 für gescheitert erklärt.60 Die herrschende Meinung ist ihm in dieser Einschätzung gefolgt,61 und sie hat sich hierin auch durch den Vorwurf, dass Österreich bei dieser Interpretation zu den letzten Staaten Europas zähle, die ihre Bürger ohne Verfassungsbruch verhungern lassen können,62 nicht beirren lassen. Grundlage dieses erstaunlichen Konsenses ist eine positivistische Auslegungstradition, die sich an Texten und ihrer Genese orientiert63 und dadurch gegen Einflüsse der Ambiance weitgehend immun ist. Wo nichts steht, kann auch nichts geboten sein. VfSlg. 4753/1964. Engagiert P. Pernthaler JBl 1965, 57 (59ff.), ders. Raumordnung und Verfassung, Bd. II, 1978, 34f., L. Fröhler Die verfassungsrechtliche Grundlegung des sozialen Rechtsstaats in der Bundesrepublik Deutschland und in der Republik Österreich, 1967, 22 ff., L. Fröhler/P. Oberndorfer Das Wirtschaftsrecht als Instrument der Wirtschaftspolitik, 1969, 11, B. Binder Wirtschaftsrecht, 2. Aufl. 1999, Rn. 0128 ff. Verhaltener: P. Oberndorfer Soziale Verantwortung im österreichischen Verfassungsrecht, in: Mock/Schambeck (Hrsg.) Verantwortung in Staat und Gesellschaft, 1977, 297 (304ff.). 60 R. Walter Österreichisches Bundesverfassungsrecht, 1972, 104 Fn. 14. 61 L. K. Adamovich/B.-C. Funk/G. Holzinger Österreichisches Staatsrecht, Bd. I, 1998, Rn. 14.015; J. Hengstschläger Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, VVDStRL 54 (1995), 165 (187); B.-C. Funk ZAS 1988, 92 (92); F. Koja Das Verfassungsrecht der österreichischen Bundesländer, 2. Aufl. 1988, 83; K. Korinek Die verfassungsrechtliche Grundlegung der österreichischen Sozial- und Wirtschaftsordnung, in: Mock/Schambeck (Hrsg.) Verantwortung in Staat und Gesellschaft, 1977, 247 (249); F. Oppitz (Fn. 55), 161 f. Der Sache nach ebenfalls der hM zuzuzählen ist T. Öhlinger Öffentliches Interesse und öffentliche Wirtschaftstätigkeit, in: Fremuth (Hrsg.) Wirtschaft und öffentliches Interesse, 1998, 9 (20), der die Sozialstaatlichkeit als Verfassungsvoraussetzung qualifiziert. 62 F. Merli Rechtliche Grenzen für den Umbau und Abbau des Sozialstaates, in: Hofmann/Holländer/ders./Wiederin (Hrsg.) Armut und Verfassung, 1998, 13 (20); R. Hofmann Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen und Vorkehrungen gegen Armutsrisiken, in: ders./Holländer/Merli/Wiederin (Hrsg.) Armut und Verfassung, 1998, 3 (8). 63 Vgl. dazu H. Schäffer Verfassungsinterpretation in Österreich, 1971, insbesondere 57 ff.; K. Korinek FS Walter, 1991, 363 (373 ff.); C. Jabloner FS Schambeck, 1994, 441 (443ff.); R. Walter/H. Mayer Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 9. Aufl. 2000, Rn. 128 ff. 58 59
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In den letzten beiden Jahrzehnten hat dieses Bild aber einige Ergänzungen und Korrekturen erfahren. Eine erste Ergänzung betrifft den Gleichheitssatz. In dem Maße, in dem ihn der Verfassungsgerichtshof zu einem Gebot allgemeiner Sachlichkeit verdichtet hat,64 ist auch der Rückbau des Sozialstaats vor ihm bekämpft worden. Der Gerichtshof hat dabei zwar nicht mehr zugestanden als ein Recht auf die gleiche Sicherheit.65 Seine Rechtsprechung zum Vertrauensschutz wirkt jedoch vom Ansatz her wie eine Garantie einmal eingeräumter sozialrechtlicher Ansprüche. Deren Kürzung ist zwar nicht ausgeschlossen, sie unterliegt aber einem Rechtfertigungszwang.66 Zweitens hat die EMRK, die in Österreich Verfassungsrang hat, die Gewichte verschoben. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte subsumiert öffentlich-rechtliche Ansprüche unter die Eigentumsgarantie, sofern es sich um Leistungen in einem Austauschverhältnis handelt.67 Der Verfassungsgerichtshof hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen68 – mit der Folge, dass sozialversicherungsrechtliche Ansprüche und Beamtenpensionen nunmehr Eigentumsschutz genießen und Eingriffe einer Verhältnismäßigkeitsprüfung unterzogen werden können.69 Erwähnung verdient schließlich, dass der Verwaltungsgerichtshof jüngst aus Art. 3 EMRK ein Abschiebungshindernis für Personen abgeleitet hat, deren Grundversorgung mit Lebensmitteln, Trinkwasser, medizinischer Betreuung und Unterkunft im Zielstaat nicht gesichert ist.70 Folgerungen sind hieraus noch nicht gezogen worden, sie liegen aber auf der Hand: Wenn Österreich solche Ausländer nicht abschieben darf, dann Dazu M. Pöschl Gleichheit vor dem Gesetz (im Druck). Vgl. die Nachweise bei R. Novak ZAS 1988, 109 (110 ff), und F. Oppitz (Fn. 55), 165 f.; aus jüngerer Zeit VfSlg. 15.936/2000, 16.389/2001, 16.588/2002, 16.754/2002; VfGH vom 28. Juni 2004, G 60/03. 66 T. Öhlinger/M. Stelzer La protection des droits sociaux fondamentaux dans l’ ordre juridique de l’ Autriche, in: Iliopoulos-Strangas (Hrsg.) La protection des droits sociaux fondamentaux dans les Etats membres de l’ Union européenne, 2000, 105 (134 f., 152ff.). 67 Nachweise bei C. Grabenwarter Europäische Menschenrechtskonvention, 2003, 415f. 68 VfSlg. 15.129/1998, unter Berufung auf EGMR vom 16. September 1996, RJD 1996-IV – Gaygusuz/Österreich, Tz. 41; VfSlg. 15.448/1999, 15.506/1999. Zuvor hatte der VfGH öffentlich-rechtlichen Ansprüchen generell Eigentumsschutz abgesprochen, ohne zwischen Art. 5 StGG und Art. 1 1. ZP zur EMRK zu differenzieren: vgl. VfSlg. 2644/1954, 3684/1960, 9139/1981. 69 Der VfGH begnügt sich jedoch regelmäßig mit einem Verweis auf das Ergebnis der Prüfung am Maßstab des Gleichheitssatzes: vgl. VfSlg. 16.292/2001; VfGH vom 27. Juni 2003, G 300/02 u. a. Bei Eingriffen in Vertragspensionen steht hingegen die Eigentumsprüfung im Vordergrund: vgl. VfGH vom 1. Dezember 2003, G 298/02 u. a. 70 VwGH vom 29. Jänner 2002, 2001/01/0030; vom 15. Oktober 2002, 98/21/0158; vom 16. Juli 2003, 2003/01/0021; vom 5. November 2003, 2001/01/0361. 64 65
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dürfen sie auch im Inland nicht ohne Grundversorgung bleiben; und wenn Ausländer ein Recht auf Existenzsicherung haben, dann kann dieses Recht Inländern nicht vorenthalten werden. 2.
GG 1949: Inflation der Deutungen
Im Bonner Grundgesetz ist Sozialstaatlichkeit nur mehr ein Wort. Die Verfassung bekennt sich zwar noch zur Sozialstaatlichkeit, verweigert ihr aber im Gegensatz zur Weimarer Verfassung Profil. In dieser Grundentscheidung liegt ein radikaler Bruch mit der eigenen Tradition, der durch die Kennzeichnung des neuen Staates als sozial nur notdürftig kaschiert wird. Dieser Bruch gibt bis heute Rätsel auf: Exakt in jenem Moment, in dem die Völkerrechtsgemeinschaft soziale Grundrechte proklamiert71 und Europa das Weimarer Sozialverfassungsmodell aufzugreifen beginnt, wendet sich Deutschland von substantieller Sozialstaatlichkeit ab.72 Unmittelbar nach Inkrafttreten ist diese Wende nüchtern zur Kenntnis genommen73 und mitunter von einem verfassungspolitischen Standpunkt aus kritisiert74 worden. Bald schon aber dominieren Versuche, den neuen Kurs durch Implementierung von Sozialprogrammatik und Fortschrittsgeboten zu korrigieren75 oder ihn durch Konstruktion eines unüberbrückbaren Gegensatzes zwischen Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit auf Dauer stabil zu halten76. Die beiden Grundrichtungen konnten sich immerhin auf einen gemeinsamen Nenner einigen: Sozialstaatlichkeit wurde und wird als
71 Vgl. die Art. 22–28 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948. 72 Zu den Gründen für diese Zurückhaltung J. Isensee Der Staat 19 (1980), 367 (369f.). 73 BVerfGE 1, 97 (104 f.); W. Grewe DRZ 1949, 349 (351); F. Giese Grundgesetz, 3. Aufl. 1953, 45; K. G. Wernicke in: Dolzer/Vogel/Graßhof (Hrsg.) BK- GG, Art. 20 Erl. II 1 d (Stand: 1950); H. v. Mangoldt Grundgesetz, 1. Aufl. 1953, 134. 74 H. P. Ipsen Über das Grundgesetz, 1950, 10, 14 f., 19 ff. 75 Zunächst bedächtig: H. P. Ipsen DÖV 1952, 217 (218); C.-F. Menger Der Begriff des sozialen Rechtsstaates im Bonner Grundgesetz, 1953, 23ff.; W. Abendroth FS Bergsträsser, 1954, 279 (287ff.). Sodann akzentuierter: T. Ramm Der Arbeitskampf und die Gesellschaftsordnung des Grundgesetzes, 1965, 158f.; H.-H. Hartwick Sozialstaatspostulat und gesellschaftlicher status quo, 1970, 344ff., 352ff.; D. Suhr Der Staat 9 (1970), 67 (92); J. Grabbe Verfassungsrechtliche Grenzen der Privatisierung kommunaler Aufgaben, 1979, 60f., 66; W. Rüfner ZRP 1980, 114 (116). Umstellung auf ein Prinzipienmodell: U. Volkmann (Fn. 26), insbesondere 383ff. 76 Grundlage und Bezugspunkt: E. Forsthoff (Fn. 54), 14 ff.; daran anknüpfend für viele K. Doehring Sozialstaat, Rechtsstaat und freiheitlich-demokratische Grundordnung, 1978, 10 mwN.
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Staatszielbestimmung verstanden.77 Da sie jedoch in Ermangelung näherer Ausformung über keinen Selbststand verfügt, war es nur folgerichtig, dass sie anderswo Anschluss suchte. In den sechziger und siebziger Jahren war es die Gleichheit, die der Brüderlichkeit Unterschlupf bot.78 Zwischenzeitig hat sie unter den Fittichen der Freiheit Zuflucht gefunden.79 Das Ergebnis ist eine In-Verbindung-mit-Dogmatik, die sozial als Attribut dort zum Argument macht, wo es das Ergebnis stützt.80 Entsprechend unscharf sind die Resultate.81 Einigkeit besteht hingegen über den Kern:82 Der Staat muss bei Bedarf die für ein menschenwürdiges Leben nötigen Mittel bereitstellen,83 und er darf niemandem den Genuss dieser Mittel abschneiden.84 Indessen: In einem Punkt85 blieb das Grundgesetz der Weimarer Tradition verpflichtet. Es sieht, wenn auch in moderater Form, die Möglichkeit der Sozialisierung vor, und es unterlegt das Eigentum mit einem sozialen Vorbehalt. Hans Peter Ipsen hat aufgrund dieser Kontinuitäten in einem Referat vor unserer Vereinigung dafür plädiert, die Sozialbindun-
77 Vgl. statt vieler H. P. Ipsen (Fn. 74), 14, 17; E. Forsthoff (Fn. 54), 27; U. Scheuner FS Forsthoff, 1972, 325 (336f.); P. Badura Der Staat 14 (1975), 17 (29). 78 G. Dürig in: Maunz/ders. GG , Art. 3 Abs. 1 Rn. 69 ff., 156 ff. (Stand: 1973); H. P. Ipsen Gleichheit, in: Neumann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.) Die Grundrechte, Bd. II, 2. Aufl. 1968, 111 (160, 173 ff.); P. Häberle Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), 43 (97ff.); H. F. Zacher AöR 93 (1968), 341 (360ff., 382ff.); ders. FS Ipsen, 1977, 207 (235f.); ders. Grundlagen der Sozialpolitik in der Bundesrepublik Deutschland, in: Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung/Bundesarchiv (Hrsg.) Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. I, 2001, 333 (650). 79 BVerfGE 33, 303 (331 f.); K. Hesse FS Smend, 1962, 71 (80); D. Suhr (Fn. 75), 82ff.; Y. Huh Der Staat 18 (1979), 183 (191 ff.); G. Haverkate Rechtsfragen des Leistungsstaats, 1983, 71 ff., R. Alexy Theorie der Grundrechte, 1985, 458ff.; P. Kirchhof FS Zacher, 1998, 323 (328ff.); R. Gröschner in: Dreier (Hrsg.) GG II, 1998, Art. 20 (Sozialstaat) Rn. 18 ff., 27 f., 58. – Grundsätzliche Vorbehalte äußert einzig G. Roellecke in: Umbach/Clemens (Hrsg.) GG I, 2002, Art. 20 Rn. 182. 80 Aus der Rechtsprechung BVerfGE 33, 303 (331); 40, 121 (133); 45, 187 (228); 54, 251 (273); 82, 60 (81, 85); BVerwGE 1, 159 (162); weitere Nachweise bei K.-P. Sommermann in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.) GG II, 4. Aufl. 2000, Art. 20 Rn. 122ff. 81 Aus der Fülle der Klagen über die Unbestimmtheit von Sozialstaatlichkeit: H. F. Zacher FS Ipsen (Fn. 78), 37 ff.; J. Isensee Tabu im freiheitlichen Staat, 2003, 53. 82 Vgl. statt aller K.-P. Sommermann (Fn. 80), Rn. 114, 117, der allein diesen Kern für justiziabel erachtet. 83 BVerwGE 1, 159 (161 f.); BSGE 27, 197 (199); 43, 128 (133); sodann zeitverzögert (und in sachlicher Abkehr von BVerfGE 1, 97) auch BVerfGE 40, 121 (133). 84 BVerfGE 82, 60 (85); 87, 153 (169); 89, 346 (353); 99, 216 (233f.); 99, 246 (259f.). 85 Weitere Kontinuitätslinien: Art. 6 und Art. 33 Abs. 5 GG . Auffälligerweise ist die Entfaltung der hierin enthaltenen Gewährleistungspflichten und Teilhaberechte meist Autoren ein Anliegen, die sozialen Grundrechten ansonsten skeptisch gegenüberstehen.
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gen der Güterordnung zu den ewigen Verfassungsinhalten zu zählen.86 Seine Auffassung ist in sich völlig konsistent. Wenn sie mich dennoch nicht zu überzeugen vermag, dann deswegen, weil ich seine Prämisse nicht teile. Die Unabänderlichkeit der Sozialstaatlichkeit erweist sich bei Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes als Fehldeutung einer redaktionellen Straffung.87 Beabsichtigt (und zunächst auch formuliert) war einzig und allein, die freiheitliche und demokratische Grundordnung dem Zugriff des verfassungsändernden Gesetzgebers zu entziehen.88 Der Redaktionsausschuss schlug in der Folge vor, den Text zu verkürzen und diese Intention durch einen Verweis auf die in den Art. 1 und 20 niedergelegten Grundsätze zum Ausdruck zu bringen.89 Inhaltliche Korrekturen waren damit nicht verbunden.90 Die So86 H. P. Ipsen Enteignung und Sozialisierung, VVDStRL 10 (1952), 74 (85, 103); ihm folgend W. Abendroth Das Grundgesetz, 1966, 66f. 87 Ebenso nach ausführlicher Würdigung der Genese K. Niclauß PVS 15 (1974), 33 (43 ff.), und M. Jestaedt HStR II, 3. Aufl. 2004, § 29 Rn. 49 ff. 88 So noch Art. 108 des Herrenchiemseer Entwurfs, abgedruckt in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv (Hrsg.) Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Bd. II, 1981, 504 (604): „Anträge auf Änderung des Grundgesetzes, durch die die freiheitliche und demokratische Grundordnung beseitigt würde, sind unzulässig.“ Vgl. dazu die Erläuterungen ebenda, 558. Nachdem sowohl der Organisationsausschuss (14. Sitzung vom 14. Oktober 1948, in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv [Hrsg.] Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Bd. XIII /1, 2002, 572f.) als auch der Redaktionsausschuss (am 26. November 1948, Drucks. 318, sowie Parlamentarischer Rat [Hrsg.] Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Entwürfe, 1948/49, 29) die Streichung vorschlugen, wurde die Bestimmung vom Hauptausschuss in erster Lesung gar nicht behandelt. 89 Die am 16. Dezember 1948 beschlossene Fassung lautete (vgl. Drucks. 374, sowie Parlamentarischer Rat [Hrsg.] Entwürfe [Fn. 88], 102): „Der Verfassungsänderung gemäß Artikel 106 sind die in den Artikeln 1 und 21 dieses Grundgesetzes niedergelegten Grundsätze entzogen.“ Erläuternd ist hinzugefügt: „Diese Bestimmung soll zum Ausdruck bringen, daß dieses Grundgesetz nicht die Hand bieten darf zu seiner eigenen Totalbeseitigung oder -vernichtung, insbesondere dazu, daß ggf. eine revolutionäre antidemokratische Bewegung mit demokratischen Mitteln auf scheinbar ‚legalem‘ Wege die hier normierte demokratisch rechtsstaatliche Grundordnung ins Gegenteil verkehrt.“ Weiters ist auf den inhaltlichen Zusammenhang mit Art. 20c (gemeint wohl: 20b zur Grundrechtsverwirkung) und 21a (Parteien und Parteiverbot) hingewiesen. 90 Zum Verständnis des Hauptausschusses vgl. die Wortmeldung von Katz in der 35. Sitzung vom 12. Jänner 1949, in: Parlamentarischer Rat (Hrsg.) Verhandlungen des Hauptausschusses, 1948/49, 454: „Man kann vielleicht eine andere Formulierung wählen und dem Wortlaut nach anführen, welche demokratischen Grundsätze des Grundgesetzes einer Verfassungsänderung entzogen sein sollen.“ Der Redaktionsausschuss griff diese Anregung auf und gab der Bestimmung in der Sitzung vom 25. Jänner 1949 folgende, den unklaren Verweis auflösende Fassung (Drucks. 543, sowie Parlamentarischer Rat [Hrsg.] Entwürfe [Fn. 88], 148): „Eine Änderung des Grundgesetzes ist unzulässig, die den Grundsatz der unmittelbaren Geltung der Grundrechte (Artikel 1) oder die de-
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zialstaatlichkeit zählt demnach entgegen völlig herrschender Auffassung91 nicht zum ewigen Verfassungskern.92 3.
BV 1999: Wenig in harter Währung
Die im Jahr 1999 beschlossene neue Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft geht einen Mittelweg. Sie enthält einerseits einen Katalog von Sozialzielen, der Bund und Kantone auf den grundlegenden Feldern der Sozialpolitik in die Pflicht nimmt,93 und anderseits einige subjektive Rechte, die Leistungsansprüche einräumen.94 Kaum ein Kapitel der neuen Verfassung war so heiß umkämpft wie die Sozialverfassung.95 Das erstaunt, weil sich in der Sache wenig geändert hat.
mokratische republikanische und rechtsstaatliche Ordnung (Artikel 21) antastet.“ Diese Formulierung lässt keinen Zweifel daran, dass lediglich die heutigen Art. 1 Abs. 3 sowie 20 Abs. 2 und 3 als Träger von Grundsätzen angesprochen waren. – Der Fünferausschuss schlug in der Folge am 5. Februar 1949 vor, zur Fassung des Hauptausschusses zurückzukehren (Drucks. 591, sowie Parlamentarischer Rat [Hrsg.] Entwürfe [Fn. 88], 185). Der Hauptausschuss nahm diese Fassung am 10. Februar 1949 ohne Diskussion in dritter Lesung an, vgl. Parlamentarischer Rat (Hrsg.) Verhandlungen, 656. Der Redaktionsausschuss beantragte sodann in der Sitzung vom 2. Mai 1949, Art. 108 mit dem vormaligen Art. 107 in Art. 106 Abs. 3 zusammenzuziehen, vgl. Drucks. 751, sowie Parlamentarischer Rat (Hrsg.) Entwürfe (Fn. 88), 220f., wobei der Art. 1 fälschlich unerwähnt blieb. Unter Korrektur des Redaktionsversehens nahm der Hauptausschluss am 5. Mai 1949 den Antrag ohne inhaltliche Auseinandersetzung an, vgl. Parlamentarischer Rat (Hrsg.) Verhandlungen, 755. Der genetische Befund ist demnach eindeutig. Nachdem der Wortlaut alles andere als klar ist und sowohl systematische (mwN M. Jestaedt [Fn. 87], Rn. 48) als auch teleologische Erwägungen (Konnex zur Tabuisierung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in Art. 18 und 21 Abs. 2) für ihre Berücksichtigung sprechen, verdient die Entstehungsgeschichte Beachtung. 91 Für viele BVerfGE 84, 90 (121); K.-E. Hain in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.) GG III, 4. Aufl. 2001, Art. 79 Rn. 72 ff; H. F. Zacher HStR II, 3. Aufl. 2004, § 28 Rn. 2, 95; E. Stein/G. Frank Staatsrecht, 19. Aufl. 2004, 192, wiewohl sie den Garantiegehalt des Art. 79 Abs. 3 GG zutreffend mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gleichsetzen (152). 92 Wie hier M. Jestaedt (Fn. 87), Rn. 54. 93 Art. 41 BV; zur näheren Ausformung sozialer Staatsaufgaben vgl. die Art. 62ff. 94 Hiezu werden übereinstimmend Art. 12 (Recht auf Hilfe in Notlagen) und Art. 19 (Anspruch auf Grundschulunterricht), von manchen Autoren auch Art. 11 (Schutz der Kinder und Jugendlichen) und Art. 29 Abs. 3 (Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege) gezählt. 95 Die Gegner sahen namentlich in den zugestandenen Rechten ein falsches Zeichen, das neue Begehrlichkeiten wecken werde, statt Selbstverantwortung zu stärken. Den Befürwortern galten diese Rechte und die Sozialziele als unverzichtbares Symbol dafür, dass der Staat seine Bürgerinnen und Bürger in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit und
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Bereits die Verfassung des Jahres 1874 verpflichtete die Eidgenossenschaft zur Förderung der Wohlfahrt und zum Engagement im sozialen Bereich.96 Der neue Zielkatalog beschränkt sich darauf, die wichtigsten Felder der Sozialpolitik übersichtlich und griffig zusammenzufassen.97 Im Bereich der Rechte ist kein Ausbau, sondern eher ein Rückbau zu konstatieren. Die alte Bundesverfassung hatte noch das Recht auf ein schickliches Begräbnis, den Anspruch auf unentgeltlichen Primarunterricht und das Recht der Wehrmänner auf kostenlose Ausrüstung garantiert.98 Von diesen drei „kleinen“ Sozialrechten, wie sie in der Doktrin liebevoll genannt wurden, ist nur das Recht auf Unterricht in die neue Verfassung übernommen worden.99 Das zweite soziale Grundrecht der neuen Verfassung, das Recht auf Hilfe in Notlagen, zählt ebenfalls zum Altbestand. Im Jahr 1995 hat das Bundesgericht den Forderungen der Lehre100 nachgegeben und ein Recht auf Existenzsicherung als ungeschriebenes Grundrecht der Bundesverfassung aus der Taufe gehoben.101 Da der Konsens aber offenbar weniger breit war als angenommen, hat das neue Grundrecht den Prozess seiner Verschriftlichung nicht ohne Schrammen überstanden. Das Bundesgericht hatte es als Menschenrecht entwickelt, das zwar eine aktuelle Bedarfslage voraussetzt, ansonsten aber weder Vorbehalte noch Schranken kennt.102 Diese Konzeption ging dem Parlament zu weit. Neben anderen Modifikationen103 brachte es einen
Armut nicht im Stich lässt. Kurzfristig drohte die Nachführung an diesem Zwist zu scheitern, bis schließlich durch Einfügung von Subsidiaritätsklauseln ein Kompromiss gelang. 96 Konziser Überblick bei P. Uebersax AJP/ PJA 1998, 3 (5f.). 97 U. Häfelin/W. Haller Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 5. Aufl. 2001, Rn. 186; U. Meyer-Blaser/T. Gächter Der Sozialstaatsgedanke, in: Thürer/Aubert/Müller (Hrsg.) Verfassungsrecht der Schweiz, 2001, § 34 Rn. 22. 98 Vgl. Art. 18 Abs. 3, 27 Abs. 2 und 53 Abs. 2 aBV. 99 Für den Anspruch auf ein Begräbnis nimmt die Doktrin allerdings an, dass er vom Recht auf Menschenwürde umfasst ist: vgl. L. Mader AJP/ PJA 1999, (698ff.); R. Rhinow Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialverfassung, in: Zimmerli (Hrsg.) Die neue Bundesverfassung, 2000, 157 (171 f.). 100 Nachweise bei K. Amstutz Das Grundrecht auf Existenzsicherung, 2002, 7 Fn. 29. 101 BGE 121 I 367 (370 ff). Dieses Urteil hat eine laufende Initiative zur Verankerung der Existenzsicherung in Art. 48 aBV überholt und sie damit hinfällig gemacht: A. KleyStruller AJP/ PJA 1996, 757 (757 Fn. 5). 102 Vgl. BGE 121 I 367 (372f.: Hinweise auf wirtschaftliche Not und Bedürftigkeit, Ablehnung eines Mindesteinkommens; 374: Ablehnung der Relevanz des aufenthaltsrechtlichen Status von Ausländern). 103 Zum einen wurde die Überschrift geändert, um den Ausnahmecharakter des Rechts zu unterstreichen; zum anderen hatte schon der Vernehmlassungsentwurf des Bundesrates in den Tatbestand einen Anspruch auf Hilfe und Betreuung integriert.
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Vorbehalt an, der all jene Personen von Leistungen ausschließt, die in der Lage sind, für sich zu sorgen.104 Das Bundesgericht hält diese beiden Sozialrechte ohne Einschränkungen für justiziabel.105 Es lässt sich durch den Umstand, dass der auf die Freiheitsrechte zugeschnittene Schrankenartikel des Art. 36 BV auf sie nicht recht passt,106 nicht beirren und nimmt beim Recht auf Unterricht eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor, die einerseits vom Karlsruher Untermaßverbot und andererseits vom fairen Gleichgewicht aus Straßburg inspiriert ist.107 Dem Grundrecht auf Hilfe in Notlagen hat es nicht nur positive Ansprüche,108 sondern auch Abwehrkomponenten entnommen, die dem staatlichen Zugriff auf das Existenzminimum Grenzen setzen.109 Außerdem hat es die Korrektur seiner Rechtsprechung durch das Parlament getreulich nachvollzogen, indem es die Unfähigkeit zur Bewältigung der Notlage neben der Notlage als eigenständiges Tatbestandsmerkmal ernst nimmt.110 Die Betonung der Subsidiarität setzt sich in anderen Bestimmungen fort. Die Sozialziele sind in Art. 41 explizit mit einem vierfachen Vorbe-
104 Diese Ergänzung bedeutet mE (entgegen L. Mader [Fn. 99], 700) eine inhaltliche Korrektur. 105 Zur Hilfe in Notlagen vgl. schon BGE 121 I 367 (374), zum Grundschulunterricht bereits BGE 117 Ia 27 (31). Gegen eine Justiziabilität von Art. 11 BV hingegen hinsichtlich der Förderung der Entwicklung BGE 126 II 377 (391); diese Festlegung aber wieder relativierend BG vom 28. März 2002, 2P.324/2001, und BGE 129 I 12 (32). 106 BGE 129 I 12 (19), 129 I 35 (42), mit Nachweisen der eine Anwendung des Art. 36 BV ablehnenden Lehre. 107 BGE 129 I 12 (20f.) unter Anknüpfung an BGE 126 II 300 (314 f.). Anwendung dieser Grundsätze: BGE 129 I 12 (27ff.) – vorübergehender Ausschluss wegen Störungen, 129 I 35 (48f.) – Ablehnung eines zumutbaren Angebots. 108 Miterfasst ist der Anspruch auf medizinische Betreuung: BGE 127 I 6 (25), 130 I 16 (20). 109 BGE 122 I 101 (104 ff.), freilich unter Ablehnung eines Anspruchs auf Steuerfreiheit des Existenzminimums (kritisch J. P. Müller Grundrechte in der Schweiz, 1999, 167 Fn. 7); BGE 126 III 353 (356). 110 BGE 130 I 71 (75); BG vom 4. März 2003, 2P.147/2002, sowie vom 14. Jänner 2003, 2P.7/2003. – Diese Rechtsprechung ist kritikwürdig, soweit sich das Bundesgericht in Fortführung von BGE 121 I 367 (375) und BGE 122 II 193 (198) die Verwirkung des Anspruchs durch Rechtsmissbrauch offen hält: Es hätte genügt, sich an die Tatbestandsvoraussetzungen zu halten (J. P. Müller [Fn. 109], 179 f.; C. Gysin Der Schutz des Existenzminimums in der Schweiz, 1999, 52; M. Schefer Die Kerngehalte von Grundrechten, 2001, 348ff.). Soweit sich das Bundesgericht aber weigert, Notlage und Unfähigkeit zu ihrer selbständigen Bewältigung in eins zu setzen, ist es (entgegen K. Amstutz ZeSo 2003, 97 [97 f.]) im Recht: Die Interpretation hat zur Kenntnis zu nehmen, dass eine aktuelle Notlage allein noch keinen Anspruch begründet. Dass dies zu einer Segmentierung von würdigen und unwürdigen Bedürftigen zwingt, steht auf einem anderen Blatt.
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halt111 unterlegt: Sie begründen weder Kompetenzen noch Rechte; sie beschränken den Staat auf eine subsidiäre Rolle, und sie stehen unter dem Vorbehalt verfügbarer Mittel. Es überrascht im Lichte dieser selbstverständlichen, Umkehrschlüsse nicht zulassenden112 Vorbehalte nicht, dass uns die Eigen- und Bürgerverantwortung in den Grundlagenartikeln der neuen Verfassung wieder begegnet. Nach Art. 6 nimmt jede Person Verantwortung für sich selber wahr und trägt nach ihren Kräften zur Bewältigung der Aufgaben in Staat und Gesellschaft bei. Die Lehre steht diesem erst in letzter Minute eingefügten Verantwortungsartikel ambivalent gegenüber. Die herrschende Auffassung deutet ihn als Appell an den Gemeinsinn und als gut gemeinten, aber überflüssigen moralischen Fingerzeig.113 Eine Mindermeinung will hingegen juristische Konsequenzen nicht ausgeschlossen wissen.114 Ich halte in dieser Kontroverse die Mehrheitsauffassung für überzeugender. Nähme man Art. 6 als Rechtsnorm ernst und beim Wort, hätten wir eine unbegrenzte Eigenverantwortung vor uns. Jene Beiträge, die der Einzelne dem Staat und der Gesellschaft zur Bewältigung ihrer Aufgaben schuldet, sind durch seine Kräfte begrenzt. Im Rahmen der Verantwortung für sich selbst ist ein vergleichbarer Vorbehalt unterblieben.115 Die heute schon klassische, von Adolf Muschg formulierte116 Passage der Präambel, wonach sich die Stärke eines Volkes am Wohl der Schwachen misst, würde hierzu nicht recht passen. 4.
Divergenz der Texte, Konvergenz der Deutungen
Ein Vergleich der drei Systeme ergibt erstens, dass trotz der Unterschiede in Konzeption und Ausgestaltung die Ergebnisse in einem erstaunlichen Maß konvergieren. In allen drei Ländern ist es im Kern die 111 Weitergehend R. Rhinow Grundzüge des Schweizerischen Verfassungsrechts, 2003, Rn. 3055ff., der im Vorrang der Wirtschaftsfreiheit einen weiteren Vorbehalt sieht. 112 L. Mader (Fn. 99), 699; R. Rhinow (Fn. 111), Rn. 3062. 113 M. Bertschi/T. Gächter Schöne Worte?, in: dies. (Hrsg.) Neue Akzente in der „nachgeführten“ Bundesverfassung, 2000, 3 (25f.); R. Rhinow Die Bundesverfassung, 2000, 176; ders. (Fn. 111), Rn. 2411, 2415. Gegen die Ableitung von Rechtspflichten aus Art. 6 BV auch P. Tschannen Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 2004, § 6 Rn. 37. 114 So H. Koller AJP/ PJA 1999, 656 (657), P. Häberle in: Ehrenzeller/Mastronardi/ Schweizer/Vallender (Hrsg.) Die schweizerische Bundesverfassung, 2002, Art. 6 Rn. 6, wenngleich ohne nähere Spezifikation. 115 Ein entsprechender Vorschlag der Nationalräte Schlüer u. a. hat in der Verfassungskommission keine Mehrheit gefunden: vgl. den Entwurf vom 21. November 1997 samt Minderheitsvoten. 116 Vgl. die Präambel des Verfassungsentwurfes 1977 sowie den Bericht der Expertenkommission für die Vorbereitung einer Totalrevision der Bundesverfassung, 1977, 19.
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Existenzsicherung, die verfassungsrechtlich auf mehr oder weniger festem Grund steht.117 Zweitens zeigt die Analyse, dass sich die Rechte auf soziale Sicherheit offenbar nicht auf Dauer von den Verfassungen fernhalten lassen. Werden sie aus dem Text verbannt, so melden sie sich wieder zurück, indem sie die klassischen Grundrechte unterspülen. Das Eigentumsgrundrecht, die Menschenwürde und der Gleichheitssatz haben sich überall als Einfallspforten erwiesen.118 Ihnen ist gemeinsam, dass es sich im Kern nicht um Freiheitsrechte handelt, die Handlungsoptionen verbürgen,119 sondern um Rechte des Innehabens und der Existenz.120 Drittens verdient Erwähnung, dass die schroffe Alternative zwischen negativem Abwehrrecht und positivem Leistungsanspruch auch den sozialen Grundrechten nicht gerecht wird. Vielfach verpflichten sie den Staat sowohl zum Tun als auch zum Unterlassen. Diese Janusköpfigkeit angemessen zu bewältigen, ist eine ebenso dringliche wie lohnende Aufgabe für die Grundrechtsdogmatik.
IV. Verfassungswirklichkeit Noch frappierender sind die Resultate, wenn wir den Verfassungsbefund zur Wirklichkeit in Beziehung setzen. 1.
Irrelevanz der Sozialverfassungen
Zwischen verfassungsrechtlicher Absicherung des Sozialstaats und seiner realen Stärke gibt es keine Korrelation. Österreich, Deutschland und 117 Dies deckt sich mit den Ergebnissen anderer rechtsvergleichender Untersuchungen: vgl. R. Hofmann (Fn. 62), 7f., der eine gemeineuropäische Verfassungslage konstatiert. 118 Vgl. mwN zum Eigentumsschutz öffentlich-rechtlicher Ansprüche O. Depenheuer AöR 120 (1995), 417 (420ff.), für Deutschland, K. A. Vallender in: Ehrenzeller/Mastronardi/Schweizer/ders. (Hrsg.) Die schweizerische Bundesverfassung, 2002, Art. 26 Rn. 19 ff., für die Schweiz; zur Gleichheit in der BRD K.-J. Bieback EuGRZ 1985, 657 (665ff.), in der Schweiz B. Weber-Dürler Rechtsgleichheit, in: Thürer/Aubert/Müller (Hrsg.) Verfassungsrecht der Schweiz, 2001, § 41 Rn. 12 ff., 17 f.; für einen vergleichenden Überblick F. Merli (Fn. 62), 16 ff. 119 Als Souveränitäten des Individuums, die dem Staat Schranken setzen, sind die Freiheitsrechte der staatlichen Souveränität konstruktiv nachgebildet. Dazu anregend G. Agamben Homo sacer, 2002, 55ff., 136ff. 120 Das 19. Jahrhundert hat deshalb Freiheit und Eigentum noch mit gutem Grund auseinander gehalten. Es ist auch kein Zufall, dass die Menschenwürde und das Recht auf Leben als Grundrechte Schöpfungen des 20. Jahrhunderts sind. Eine strikt freiheitliche Position kann sie ohne Not entbehren.
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auch die Schweiz zählen ungeachtet schwacher verfassungsrechtlicher Absicherung zu den höchstentwickelten Sozialstaaten der Welt.121 Internationale Vergleichsstudien führen zum selben Ergebnis.122 Wenn überhaupt eine Proportionalität zwischen Verfassungsbefund und Realbefund besteht, dann eher eine indirekte: Es scheint fast, als hätten die germanischen Staaten, die über sehr hohe Anteile der Sozialausgaben am Bruttoinlandsprodukt verfügen,123 die stärksten Vorbehalte gegen eine Konstitutionalisierung des Sozialen. Positiv formuliert: Sozialstaatlichkeit ist auf Verfassungsrecht nicht angewiesen. Negativ ausgedrückt: Die Sozialverfassung ist für den Sozialstaat nahezu irrelevant.124 Ihr Wert liegt auf einer anderen Ebene. Wir stehen an der Grenze der Steuerungskraft von Verfassungsrecht. 2.
Die Macht der Institutionen
Es wäre aber ein Missverständnis, wollte man hieraus folgern, dass das Verfassungsrecht insgesamt für die reale Stärke des Sozialstaats ohne Bedeutung wäre. Ältere Arbeiten haben überwiegend versucht, die Unterschiede in den Sozialquoten entweder ökonomisch zu erklären oder sie auf den politischen Rechts-Links-Gegensatz zurückzuführen.125 Neuere Untersuchungen haben sich hingegen stärker auf die Institutionen konzentriert und sind zu plausibleren Erklärungen gelangt. Vergleichsweise ausgeprägt sind die Korrelationen zwischen Umverteilung und Wahlrecht. Seit langem gilt als erwiesen, dass mit der Aus-
121 Vgl. Eurostat, European social statistics: Social protection – Expenditure and receipts. Data 1992–2001, 2004, 14, wo für das Jahr 2001 für Deutschland eine Sozialquote von 29,8 %, für Österreich von 28,4 % und für die Schweiz von 28,9 % ausgewiesen ist. 1992 lag die Schweiz mit 23,3 % gegenüber Deutschland mit 27,6 % und Österreich mit 27,8 % noch deutlich zurück. 122 Vgl. OECD, OECD Social Expenditure Database 1980–1997, 2000; W. Adema Net Social Expenditure, OECD Labour Market and Social Policy Occasional Paper No. 52, 2. Aufl. 2001. 123 Diese „Sozialquote“ ist nach wie vor der beste Indikator für die reale Stärke von Sozialstaatlichkeit. Dazu sowie zur Diskussion, ob Brutto- oder Nettoquoten signifikanter sind, F. Prettenthaler/R. Sturn Wirtschaft und Gesellschaft 29 (2003), 389 (392ff.). 124 Gleiche Einschätzung: H. F. Zacher (Fn. 78), 221 ff.; ders. HStR I, 1. Aufl. 1987, § 25 Rn. 17 f. 125 Weder der eine noch der andere Weg brachte überzeugende Ergebnisse: J. Alber Vom Armenhaus zum Wohlfahrtsstaat, 1982, 97, 197f.; A. Alesina/E. Glaeser Fighting Poverty in the US and Europe, 2004, 55ff. Von Relevanz sind jedoch sozial-ökonomische Faktoren wie insbesondere Arbeitnehmerquote und Seniorenquote: vgl. M. G. Schmidt Sozialpolitik in Deutschland, 2. Aufl. 1998, 205ff., der auch der Parteipolitik Einfluss beimisst (240).
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dehnung der Wahlberechtigung auch die Sozialquoten gestiegen sind.126 Ähnlich ausgeprägt (und weitaus erstaunlicher) ist der Einfluss des Wahlsystems: Je kleiner der Anteil an Wählerstimmen ist, den eine Partei erreichen muss, um ins Parlament zu gelangen, desto größer ist im statistischen Durchschnitt das Umverteilungsvolumen des betreffenden Staates.127 Verhältniswahlrecht begünstigt Koalitionen, und diese wiederum führen zu einer Konsenskultur, die den Kompromiss erleichtert und das Teilen befördert. Auch der Föderalismus hat Einfluss, und er ist leichter erklärt: Eine Bundesverfassung, die den Gliedstaaten wesentliche Abgaben- und Sozialkompetenzen zuweist, führt zu einem Standortwettbewerb, der Wohlfahrt begrenzt. Die sich eröffnende Konkurrenz um die Ansiedlung von Unternehmen und Vermögen dämmt die Steuern und Sozialabgaben automatisch ein.128 Auf globaler Ebene können wir diesen Effekt derzeit gut beobachten.129 Im Übrigen hängt der Einfluss der Institutionen von ihrer Fähigkeit ab, Umverteilung als Veto-Spieler zu bremsen. Sowohl eine mächtige zweite Kammer als auch eine ausgeprägte Gewaltenteilung und eine starke Verfassungsgerichtsbarkeit setzen dem Sozialstaat der Tendenz nach Schranken.130 3.
Der Einfluss von Homogenität
Noch stärker als die Institutionen wirkt indes ein anderer Faktor. Nach allem, was wir wissen, steht und fällt die Bereitschaft einer Gesellschaft, mit anderen zu teilen, mit ihrer ethnischen Homogenität.131 Was intuitiv schon angesichts der hohen Sozialanteile in den homogenen nordischen 126 Vgl. J. Alber (Fn. 125), 98 mwN; jüngst eindrucksvoll P. H. Lindert Growing Public, Bd. I, 2004, 67ff. 127 G. M. Milesi-Ferreti/R. Perotti/M. Rostagno 117 Quarterly Journal of Economics (2002), 609 (609ff.); T. Persson/G. Tabellini The Economic Effects of Constitutions, 2003, 19 f., 81 ff., 270 ff.; A. Alesina/E. Glaeser (Fn. 125), 81 ff. 128 G. Brennan/J. Buchanan The Power to Tax: Analytical Foundations for Fiscal Constitutions, 1980, 173 ff.; A. Alesina/E. Glaeser (Fn. 125), 87ff. 129 Zu den Interdependenzen zwischen Wohlfahrtsstaat und Globalisierung N. Berthold Der Sozialstaat im Zeitalter der Globalisierung, 1997, 25ff., und E. Rieger/S. Leibfried Grundlagen der Globalisierung, 2001, 79 ff., 151 ff., 266ff. 130 A. Alesina/H. Rosenthal Partisan Politics, Divided Government, and the Economy, 1995, 43ff.; T. Persson/G. Tabellini (Fn. 127), 22f., 94ff., 273ff.; T. Skocpol Protecting Soldiers and Mothers, 1992, 254ff.; M. G. Schmidt (Fn. 125), 240; A. Alesina/E. Glaeser (Fn. 125), 90ff., 126 ff. 131 M. Gilens Why Americans Hate Welfare, 1999, insbesondere 65ff., 102 ff., 175 ff.; A. Alesina/E. Glaeser (Fn. 125), 133 ff.
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Staaten, der geringen Umverteilung in den Vielvölkerstaaten Lateinamerikas und der großen Unterschiede zwischen überwiegend weißen und gemischten US-Bundesstaaten plausibel erscheint, hat sich in einer globalen ökonometrischen Analyse bestätigt: Je höher die Wahrscheinlichkeit ist, dass zwei zufällig aus der Gesamtbevölkerung ausgewählte Personen derselben ethnischen Gruppe angehören, desto höher ist im statistischen Durchschnitt der Anteil der Sozialausgaben am Bruttoinlandsprodukt.132 Soziologische und psychologische Studien erhärten dieses Ergebnis. Gegenüber Mitgliedern der eigenen Gruppe sind Menschen großzügiger als gegenüber Angehörigen einer anderen Ethnie.133 Ob es uns behagt oder nicht: In der Familie fällt das Teilen leichter. Die Charakterisierung als Brüderlichkeit bringt nicht nur das Wesen, sondern auch die Grenzen des Sozialstaates auf den Punkt. Seine besten Entfaltungsbedingungen hat er im demokratischen Nationalstaat vorgefunden. Das Dilemma, das sich auftut, liegt auf der Hand. Im Lichte der demographischen Entwicklung können wir unsere sozialen Sicherungssysteme nur durch Zuwanderung stabil halten; damit aber unterminieren wir jene Voraussetzungen, die füreinander Einstehen und miteinander Teilen offenbar brauchen.
V.
Ergebnis
Ich komme zum Schluss und fasse meine Antwort auf unseren Beratungsgegenstand zusammen. Ein Staat, der Soziales im Spannungsfeld zwischen Eigenverantwortung und Fürsorge traktiert, verbleibt im liberalen Dispositiv. Sozialstaatlichkeit beginnt dort, wo das Kollektiv Verantwortung für ein menschenwürdiges Dasein seiner Mitglieder übernimmt134 und wo Rechte auf eine gesicherte Existenz an die Stelle von Almosen treten; und sie endet in einem Land, in dem alle Menschen Schwestern und Brüder sind. Dieses Land, in dem Pignot Weigel arbeitslos wäre und doch kein Sozialfall, ist seit langem gelobt – aber niemand von uns wird es jemals betreten. A. Alesina/E. Glaeser (Fn. 125), 136 ff. Vgl. G. W. Allport The Nature of Prejudice, 1954, 107 ff., 221 ff.; E. F. P. Luttmer 109 Journal of Political Economy (2001), 500 (508ff.), der zeigt, dass Weiße, die in der Nachbarschaft von Schwarzen leben, von Sozialprogrammen weit weniger halten als Weiße, die mit ihren einkommensschwachen Nachbarn die Hautfarbe teilen. 134 So eine unter Sozialwissenschaftlern (F. X. Kaufmann Herausforderungen des Sozialstaates, 1997, 21 mwN) und in Lexika (Encyclopedia Americana, Bd. XXVIII, 1966, 606; Der große Brockhaus, Bd. X, 18. Aufl. 1980, 569; New Encyclopædia Britannica, Bd. XII, 15. Aufl. 1995, 569) verbreitete Definition. 132
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Leitsätze des 2. Berichterstatters über:
Sozialstaatlichkeit im Spannungsfeld von Eigenverantwortung und Fürsorge I. Mittelalterliche Unterscheidungen und ihre neuzeitlichen Folgen (1) Der Begriff Verantwortung verweist aus seiner sprachlichen Wurzel auf eine Beziehung zwischen zwei Subjekten: Verantwortung verlangt nach einem Gegenüber, dem Antwort geschuldet ist. (2) Fürsorge ist Sorge ohne Verantwortung. II. Verfassungsgeschichte (3) Die französische Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789–91 enthält neben dem rechtsstaatlichen Verteilungsprinzip, das Freiheit und Sicherheit gegeneinander austariert, auch ein Prinzip solidarischer Güterverteilung. Es ergibt sich aus dem Zusammenspiel des Rechts des Bürgers auf Sicherheit und der Verpflichtung, nach seinen Fähigkeiten durch Steuern zum Aufwand der Gemeinschaft beizutragen. (4) Sicherheit im Sinne der Erklärung 1789–91 umfasst auch soziale Sicherheit. (5) Die Erklärung 1789–91 verfasst die Nation als universelle Solidargemeinschaft, kurz: als Familie. Brüderlichkeit ist ihr grundlegendes Konstruktionsprinzip. Es bleibt weder für Eigenverantwortung noch für Fürsorge Raum. (6) Die Verfassung der französischen Republik 1848 verpflichtet den Bürger zum Lebensunterhalt durch Arbeit und zur Vorsorge, den Staat zur Förderung der Arbeit und zur Fürsorge. Die Eigenverantwortung des Bürgers ist als Statusverantwortung konzipiert. (7) Die Weimarer Reichsverfassung 1919 wertet die Arbeit durch staatlichen Schutz auf, stellt sie dem Eigentum als gleichberechtigter Wirtschafts- und Sozialpartner gegenüber und garantiert eine Primärverteilung der Güter durch den Markt, die durch eine Sekundärverteilung zur Herstellung sozialer Gerechtigkeit ergänzt wird. (8) Die Verfassung der Sowjetunion 1936 konstituiert eine Leistungsgesellschaft, in der Arbeit unbedingten Primat vor Eigentum hat. Brüderlichkeit kommt in ihr nicht vor.
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III. Verfassungsvergleichung (9) Das Weimarer Modell, Soziales durch Einräumung von Grundrechten zu verfassen, ist auf dem besten Wege, sich zu einem europäischen Standard zu entwickeln. (10) Das österreichische Bundes-Verfassungsgesetz 1920 enthält weder ein soziales Staatsziel noch soziale Grundrechte. Einzelne Versuche, ein Sozialstaatsgebot im Interpretationsweg zu erschließen, sind kaum auf Resonanz gestoßen. (11) In jüngerer Vergangenheit hat jedoch die Rechtsprechung einzelne Grundrechte sozialstaatlich aufgeladen. (12) Im Bonner Grundgesetz 1949 ist Sozialstaatlichkeit ein Attribut ohne greifbare Konturen. In Ermangelung von Selbststand hat die Brüderlichkeit zunächst bei der Gleichheit, sodann bei der Freiheit Anschluss gesucht und gefunden. (13) Die Sozialstaatlichkeit zählt nicht zu jenen Grundsätzen, deren Abänderung nach Art. 79 Abs. 3 GG unzulässig ist. (14) Die Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft 1999 weist trotz umfassender Sozialziele und einzelner Sozialrechte dem Sozialstaat eine subsidiäre Rolle zu. (15) Das Bundesgericht ist in seiner Rechtsprechung zum Recht auf Hilfe in Notlagen und zum Recht auf ausreichenden unentgeltlichen Unterricht auf dogmatische Probleme gestoßen, aber nicht auf Hindernisse, die der Justiziabilität dieser Rechte entgegenstünden. (16) Trotz der Unterschiede in Konzeption und Ausgestaltung der Sozialverfassungen in Österreich, in Deutschland und in der Schweiz konvergieren die Ergebnisse in erstaunlichem Maß. (17) Soziale Sicherheit, die aus dem Verfassungstext verbannt wird, tendiert dazu, sich über die Auslegung klassischer Grundrechte wieder Einlass zu verschaffen. IV. Verfassungswirklichkeit (18) Der Sozialstaat ist auf verfassungsrechtliche Verankerung nicht angewiesen, die Sozialverfassung für seine reale Stärke weitgehend irrelevant. (19) Zwischen der Ausgestaltung des Wahlsystems, des Föderalismus und der Gewaltenteilung einerseits sowie der Sozialquote anderseits besteht eine Korrelation. (20) Mit der ethnischen Fragmentierung einer Gesellschaft sinkt die Bereitschaft miteinander zu teilen. V. Ergebnis (21) Ein Staat, der Soziales im Spannungsfeld von Eigenverantwortung und Fürsorge verfasst, bewegt sich im liberalen Dispositiv. Sozialstaatlichkeit beginnt dort, wo Rechte auf eine gesicherte Existenz an die Stelle von Almosen treten.
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3. Aussprache und Schlussworte
Sozialstaatlichkeit im Spannungsfeld von Eigenverantwortung und Fürsorge Vorsitzender (Hufen): Verehrte Kolleginnen und Kollegen. Wir kommen jetzt zur Diskussion des ersten Beratungsgegenstandes. Die Spielregeln kennen Sie: Eine lebendige Diskussion verlangt gezielte, damit nicht ausufernde Beiträge. Eine inhaltliche Vorgabe oder Gliederung ist gerade bei diesem Thema sicherlich schwierig. Trotzdem scheint mir eine Art Dreischritt sinnvoll. So bietet es sich an, zunächst über die Grundlagen wie „Eigenverantwortung“, „Fürsorge“ und „Solidarität“ zu sprechen und dann zum Thema „Sozialstaat als Verfassungsgebot“ überzugehen, bevor wir vielleicht – auch ohne Vorgriff auf den Nachmittag – schon einige Einzelfragen behandeln können. Es gibt einige Meldungen zum Grundlagenthema, wenige Meldungen zu den einzelnen Themen, wie das immer so ist. Zum Grundlagenthema haben sich gemeldet: Herr Steiger, Herr Häberle und Herr Mantl, und in dieser Reihenfolge würde ich auch gerne vorgehen. Steiger: Vielen herzlichen Dank, das ist natürlich eine gewisse Überraschung und vor allem, wenn ich etwas kritisch anfange, ist das vielleicht nicht der richtige Ton, ich danke aber für beide Referate. Was ich anmahnen möchte, ist eine etwas größere Klarheit der Begriffe, nämlich der Begriffe „soziale Sicherheit“ und „soziale Gerechtigkeit“. Beides meint meines Erachtens doch sehr Verschiedenes. Wobei sicherlich die soziale Sicherheit in der sozialen Gerechtigkeit enthalten ist, diese aber über jene wesentlich hinausgeht. Und im ersten Referat wurde das ziemlich deutlich – oder durch Undeutlichkeiten deutlich. Es war von Unterstützung und Gewährleistung, aber auch von Ausgleich und Förderung die Rede. Förderung, gehört das zur sozialen Sicherheit, oder gehört das zur sozialen Gerechtigkeit in einem weiteren Sinn? Da sollte man schon etwas deutlicher unterscheiden. Vom Begriff der Brüderlichkeit her kann man beides abdecken. Im zweiten Referat habe ich gelernt, dass der Wandel von der sozialen Sicherheit zur sozialen Gerechtigkeit in einem weiteren Sinne offenbar in Weimar vor sich gegangen ist, mit dem Weimarer Modell. Nun ist eine solche klare Unterscheidung nicht nur bloße Begriffsspielerei, sondern diese Unterscheidung ist genau das, was heute
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zur Debatte steht; jedenfalls in der Bundesrepublik Deutschland, aber ich glaube, auch in Europa. Die Diskussionen um die Änderung der sozialen Sicherheitssysteme und auch um anderes in diesem Zusammenhang lassen genau diese Begriffsunterscheidung im Unklaren, in der zwar immer von sozialer Gerechtigkeit die Rede ist, aber es im Grunde doch nur um soziale Sicherheit zu gehen scheint. Ich hoffe, dass zu diesen aktuellen Problemen heute Nachmittag und morgen noch deutlicher Stellung genommen wird. Denn das habe ich, ehrlich gesagt, doch etwas vermisst. Vorsitzender: Vielen Dank für diese Aufforderung zur begrifflichen Klarheit, Herr Steiger. Herr Häberle ist der Nächste. Häberle: Verehrte Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir eine wissenschafts-, vereinigungs- und tagungsgeschichtliche Vorbemerkung zum heutigen Thema und einige grundsätzliche Überlegungen zum Theorierahmen und zu den Theorieelementen bzw. einem weiter ausgreifenden Verfassungsvergleich. In der Geschichte unserer Staatsrechtslehrervereinigung hatten wir ja die schon klassische, vorbildlich antithetische Referate-Paarung der Herren Forsthoff und Bachof im Jahre 1953. An solch einem fortwirkenden Kontrastprogramm der Referenten untereinander müssen wir uns auch bei der heutigen Themenkarriere des Sozialstaates messen, auch wenn damals naturgemäß die europäische Dimension fehlte. Ich bin überzeugt, dass dank der spannenden, insbesondere auch im Rechtsvergleich kreativen Ausführungen von Herrn Wiederin eine zusätzliche Kontrapunktik zwischen Ihnen und unter vielen von uns Deutschen bzw. Österreichern gelingen kann. Die zweite Vorbemerkung: Ich bin dankbar, dass der Vorstand in voller Absicht den Versuch gewagt hat, den ersten und den zweiten Tag durch ein übergreifendes Thema miteinander zu verbinden, das sollte Schule machen. Meist fallen ja das Verfassungs- und das Verwaltungsrecht auseinander. Jetzt zu der angekündigten Hauptfrage des Theorierahmens, schöpferisch angereichert durch rechtsvergleichendes Material des europäischen sozialen Rechtsstaates auf allen Ebenen und in allen Räumen. Hier werden Theorieelemente relevant, die angedeutet seien: das Menschenbild, der solidarische Generationenvertrag, die soziale Gerechtigkeit, Markt und Staat bzw. ihr richtiges Verhältnis zueinander sowie die individuelle Freiheit. Wir kommen hier nur weiter, wenn wir das vom Herrn Zweitreferenten ins Blickfeld gerückte Verfassungsmaterial kreativ und intensiv ausdeuten. Wieder einmal ist es die „Werkstatt Schweiz“, ich wiederhole, die „Werkstatt Schweiz“ auf Bundes- und Kantonsebene (Stichwort Totalrevisionen), die die schon klassischen Stichworte für den nationalen
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und europäischen Raum liefert. Einschlägig wird etwa Art. 6 der neuen Bundesverfassung, ich habe ihn im St. Galler Kommentar behandelt und gehöre zu der von Herrn Wiederin zitierten Mindermeinung. Wichtig ist auch die hervorragende Formulierung in Art. 30 der Bernischen Verfassung von 1993, der nach wie vor besten in der Schweiz. Dort heißt es: „In Ergänzung der privaten Initiative und Verantwortung sowie im Rahmen der verfügbaren Mittel“, womit die Subsidiarität der sozialstaatlichen Verantwortung ausgedrückt ist. Zuvor wird die fundamentale Unterscheidung zwischen einklagbaren „Sozialrechten“ und unter Möglichkeitsvorbehalt stehenden bloßen „Sozialzielen“ normiert. Dieses gesellschaftsund (in die Zeit projiziert) generationenvertragliche Material müssen wir mit der Verfassungstheorie zusammenführen. Dabei brauchen wir die nach wie vor überzeugende Menschenbildjudikatur des Bundesverfassungsgerichts. Erstmals widerspreche ich damit dem amtierenden Vorstandsvorsitzenden – hoffentlich ist er im Raum –, er hat ja die Menschenbildmetapher in seinem wichtigen Kommentar kritisiert. An dieser frühen, jüngst bestätigten Menschenbildformel können wir uns auch hier und heute orientieren, sie beinhaltet die Momente der sozialen Gerechtigkeit und Solidarität sowie der Eigenverantwortung – also alle Elemente, die wir beim heutigen Thema brauchen. Eine letzte Bemerkung zum Ganzen: ein später Sieg der Weimarer Verfassung, der mich nur aus einem Grund nicht überrascht! Portugal, Spanien, aber auch Peru und andere Länder in Übersee haben in Sachen soziale Gerechtigkeit alle von der nun klassischen Weimarer Verfassung als Text gelernt. Wann immer ich in Rom bin, wird dort die Weimarer Verfassung nach wie vor mehr gefeiert als heute in Jena. Vielen Dank. Vorsitzender: Schönen Dank, Herr Häberle. Der Dritte und Letzte im Bunde des grundsätzlichen Teils ist Herr Kollege Mantl. Mantl: Meine Damen und Herren, drei kurze Bemerkungen: Es war erstens auffallend, dass in den Referaten bei dem Nomen „Eigenverantwortung“ der Teil „Eigen“ nicht näher erörtert wurde, denn gerade hier liegt ein Grunddilemma, ein Geburtsdilemma liberaler Sozialphilosophie, die abstellt auf ein autonomes Subjekt der Moderne, das letztlich ein mündiger, gesunder Erwachsener ist, der im Autobus den Haltegriff erreicht. Das Kind kann das nicht, und der Greis kann das nicht, und der Behinderte kann das nicht. Bei Immanuel Kant waren es ja auch die Waisenhäuser für jene, die ihre Eltern verloren haben, die als erster Anlass für soziale Interventionen des Staates akzeptiert wurden. Eigenverantwortung erfordert ja uneingestanden – dies ist von Ernst-Wolfgang Böckenförde auch immer wieder beschrieben worden – soziale Einbettung und
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Stützung, teilweise aus vormodernen Wurzeln der Familien und der Kirchen, die flächendeckend wirken, heute freilich „Verdünnungen“ durch Säkularisierung erfahren, währenddessen einzelne neuere Organisationen umfassende und fortgesetzte Sozialaktivität oft nicht bewerkstelligen können. Wir beobachten in zeitgenössischen Philosophemen auch eine Auflösung des autonomen Subjekts überhaupt und „verlieren“ so den Träger von Rechten und Pflichten und damit einen wesentlichen Gegenstand unserer rechtlichen Reflexionen und Positivierungen. Zweitens: Zu Kollegen Wiederin: Ich halte es für eine reizvolle heuristische Koketterie, die Stalin-Verfassung von 1936 zu „exhumieren“ – das kann man ja durchaus tun –, Karl Loewenstein hat sie aber nicht zu Unrecht als semantische Verfassung bezeichnet, die nur dazu diente, die Bereitschaft zur antifaschistischen/antinazistischen Bündnis- und Volksfrontpolitik der UdSSR unter liberalen Vorzeichen zu signalisieren. Selbst da können gewisse „frei schwebende“ Denkbausteine enthalten sein, wenn sie auch in der Typologie der normativen Kraft weit zurückzustufen sind. Die Koketterie liegt ja nicht zuletzt darin, dass diese Sowjetverfassung die einzige mir bekannte Verfassung ist, die ein Bibelwort – das Pauluswort: „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“ – intabuliert hat. Beachtenswert finde ich drittens Ihre Ausführungen, Herr Kollege Wiederin, zu den Fragen der Solidarität der Nähe. Uns als Intellektuelle schmerzt es immer, dass multikulturelle Kommunikation keineswegs Alltagsselbstverständlichkeit unserer Mitbürger ist. Wir haben eine empirische Untersuchung in Österreich über die Spendenfreudigkeit gemacht. An erster Stelle als Spendenadressat steht die Feuerwehr, die meistens – abgesehen von den großen Städten, in denen es Berufsfeuerwehren gibt – freiwillige Ortsfeuerwehr ist. An zweiter Stelle befindet sich das Rote Kreuz, das uns in größter Not beisteht. Erst an dritter Stelle treffen wir auf die Caritas, die etwa bei ihren Augustsammlungen für die Dritte Welt Akzeptanzprobleme hat und eigene Werbekampagnen durchführen muss, um die Spendennotwendigkeit zu legitimieren. Wir erreichen hier die Grenzpunkte unserer verfassungsrechtlichen Weisheit und sehen die Virtualität der Verfassung mit all der Schwäche ihrer Normativität, und demgegenüber die Aktualität des politischen Prozesses – das haben Sie, Herr Kollege Wiederin, vollkommen richtig angeschnitten – mit all den wuchtigen Handlungsformen der politischen Faktoren, vor allem der Parteien. Der Stimmzettel, nicht die Wissenschaft entscheidet über die Sozialstaatlichkeit. Regional, national, europäisch und im globalen Rahmen gibt es hier durchaus große Unterschiede. Der Verfassungsjurist darf davor jedenfalls nicht die Augen verschließen.
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Vorsitzender: Ich danke Ihnen sehr, Herr Mantl. Wir kommen dann zum zweiten Teil, zum Sozialstaat im Verfassungsrecht, und da gibt es nach der Anzahl der Meldungen den größten Diskussionsbedarf. Zunächst Herr Zacher. Zacher: Vielen Dank, Herr Vorsitzender. Ich hätte zu Herrn Enders sehr viel zu sagen, aber ich will nur meinen ganz elementaren Gegensatz zu ihm erklären, nämlich, dass er den Sozialleistungsstaat mit dem Sozial staat identifiziert hat. Damit ist eine ganze Menge von Irritationen verbunden. Das wäre umständlich zu erklären, und ich fürchte, dass mir dafür die knapp zugeteilte Zeit nicht reicht. Darum will ich das Thema abbrechen und mich den konkreteren Punkten zu dem Referat von Herrn Wiederin zuwenden. Ich fange bei Ihnen, Herr Wiederin, mit den negativen Punkten an, in der aufsteigenden Linie meiner Zustimmung. Zunächst die These Nr. 2: Da stehe ich nur fassungslos davor. Zugegeben: Fürsorge kann, wie vieles sonst, verantwortungslos sein. Aber den Begriff Fürsorge mit „keine Verantwortung“ zu identifizieren, das halte ich für völlig unverständlich, aber ich will darauf nicht mehr Zeit verwenden. Nun zur These 13: Dass Sie hier diesen interpretatorischen Scherz eingebaut haben, dass das Sozialstaatsprinzip aus redaktionellen Gründen eigentlich gar nicht unabänderlich sein sollte, dafür bin ich Ihnen sehr undankbar. Das hat uns gerade noch gefehlt, dass jetzt alle Leute, die für sozialen Kahlschlag sind, sagen können, der Herr Wiederin hat ja gesagt, es ist alles abänderlich und es ist schon alles abgeändert. Also, ich glaube, das war kein guter Einfall. Nächster Punkt: These 20 – da komme ich auf etwas, was Sie nur gesagt haben, was aber im Text der These nicht steht, nämlich das mit der Zuwanderung. Ich halte es für eine sehr gefährliche Spekulation, zu sagen, wir brauchen Zuwanderung, damit wir unsere sozialen Sicherungssysteme erhalten können. Zuwanderung wird in der globalen Welt nicht in dieser Weise manipulierbar sein, steuerbar sein, wie wir uns das wünschen. Und vor allem die Zugewanderten werden sich nicht so verhalten, wie vielleicht irgendwelche Sozialpolitiker sich das wünschen oder die einheimische Bevölkerung: dass die dann kommen und Kinder bekommen, so genau, wie es in unsere Sicherungssysteme passt. Das wird so nicht stattfinden, sondern wir müssen uns im Gegenteil daran gewöhnen, dass es auch Abwanderung geben wird. Und weit darüber hinaus, dass wir auch die Zuwanderung nicht mehr kontrollieren können. Vor allem aber auch daran, dass wir die Bevölkerungsentwicklung, mögen Zu- und Abwanderung sein, wie sie wollen, nicht steuern können. Wir können unsere sozialen Sicherungssysteme nicht darauf stützen, dass die Bevölke-
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rung in 100 Jahren eine ganz gewisse stabile Entwicklung nimmt. Ich glaube, dass ist sehr wichtig, dass Sie das – dass wir alle das – noch einmal anders bedenken. Jetzt zur These 19: halb Zustimmung, und zwar eine sehr nachdrückliche Zustimmung dazu, dass es auf die Institutionen ankommt. Das ist eine entscheidende Frucht meiner eigenen fünfzigjährigen Forschung über den Sozialstaat: dass das die entscheidenden Aspekte sind. Es wäre natürlich noch anderes zu nennen als das, was Sie genannt haben. In jedem Fall: Da möchte ich Ihnen sehr zustimmen. Aber ich wollte noch eine Anmerkung machen zu der Sozialquote. Die Sozialquote als Maßstab des Sozialen ist ein Verhängnis für sich. Ob eine Gesellschaft sozial glücklich ist, ob eine glückliche soziale Befindlichkeit gegeben ist, das wird mit der Sozialquote nicht gemessen. Da wird nur gemessen, wie viel Umverteilung stattfindet. Es wird nicht einmal gemessen, wie gerecht die Abgaben sind, mittels derer diese Umverteilung ermöglicht wird. Und es wird nicht gemessen, wie gerecht die sozialen Leistungen gestaltet sind und erbracht werden. Schließlich könnte es eine glückliche Gesellschaft geben, die ganz wenig Umverteilung braucht, weil alle von der Prosperität a priori profitieren. Das ist auch etwas, was ich zu Herrn Enders anzumerken hätte. Letzter Punkt meiner Zustimmung: These 18 – dass der Sozialstaat auf die textliche Positivierung nicht angewiesen ist. Da kann ich Ihnen nur mit größtem Nachdruck Recht geben – aus rechtsvergleichender und aus nationaler und auch aus föderaler Erfahrung. Die bundesstaatliche Sicht sollten Sie vielleicht noch mit hereinnehmen, denn in unseren Landesverfassungen haben wir ja eine ganze Pracht von überholten sozialen Grundsätzen. Die sind immer schön, ich gebrauche sie in vielen Zusammenhängen. Aber sie sind weitgehend Dekor geblieben. Vorsitzender: Danke, Herr Zacher! Sie haben, da Sie ja versprochen hatten, den Referenten noch zu loben, etwas mehr Zeit bekommen. So, jetzt haben wir Herrn Kotzur auf der Liste. Kotzur: In beiden Referaten stand das Ringen um einen Ausgleich zwischen Freiheit und Fürsorge im Mittelpunkt. Herr Enders hat das sehr eindrucksvoll grundrechtsdogmatisch ausgeleuchtet und dabei zu Recht auch auf die Grenzen des Menschenwürdeprinzips hingewiesen. Herr Wiederin hat einen weit ausgreifenden historischen, komparatistischen Weg beschritten und hier dieselbe Balanceproblematik berührt. Klar geworden ist nach meiner Ansicht, dass für den unabdingbaren Ausgleich von Freiheit und Fürsorge nur ein ganzheitlicher Ansatz taugt. Heute muss dieser ganzheitliche Ansatz sogar so weit gehen, die internationale
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Dimension mit einzubeziehen. Ein Beispiel: Die Weltgemeinschaft der Verfassungsstaaten steht in Verantwortung für Wiederaufbauleistungen in Afghanistan, im Irak. Das mögen sehr wohl Elemente einer nach außen gewandten Sozialstaatlichkeit sein. Die „offene Staatlichkeit“, so das berühmte, schon klassische Diktum von Herrn Vogel, wandelt sich heute vielleicht in die „offene Sozialstaatlichkeit“. Um für diese offene Sozialstaatlichkeit eine Struktur zu finden, die dem ganzheitlichen Ansatz Rechnung trägt, würde ich die Idee der Nachhaltigkeit vorschlagen – wohl um deren Ambivalenz wissend. Sie hat in Artikel 20a GG Eingang ins deutsche Grundgesetz gefunden. Nun mag man natürlich zunächst ein großes Fragezeichen anmerken, wenn der klassische Sozialstaat im Lichte des jüngeren, kleineren Bruders interpretiert werden soll – dogmatisch eine Unmöglichkeit. Doch der Gedanke der Nachhaltigkeit war dem Sozialstaatsgedanken schon sehr viel früher immanent als der ökologischen Perspektive des Art. 20a GG. Ermutigt werde ich zu meiner These überdies durch die Werte- und Zieleartikel des aktuellen Entwurfs für eine Europäische Verfassung, nämlich Art. 2 und 3. Es ist Art. 3, der besonders deutlich den Nachhaltigkeitsgedanken aufgreift. Gewiss bleiben Idee und Begriff der Nachhaltigkeit präzisierungsbedürftig. Aber insbesondere die Idee der Generationengerechtigkeit, die Idee, dass der Staat sich selbst leistungsfähig erhalten muss, sind Grundsätze, die der Diskussion um „Hartz IV“ und die Reform des Sozialstaates insgesamt sehr Not tun. Deshalb schlage ich den Nachhaltigkeitsbegriff vor. Ein Letztes schließlich: Dass Herr Wiederin unseren Art. 79 Abs. 3 GG – vorsichtig formuliert – ein wenig verkürzt hat, dem darf ich nachhaltig widersprechen. Vielen Dank! Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Kotzur, für diese Einbeziehung des Nachhaltigkeitsprinzips, das wir sonst aus dem Umweltrecht kennen, in unser Thema. Herr Volkmann ist der Nächste! Volkmann: Ich habe einen grundlegenden Einwand gegen beide Referate oder besser ein grundlegendes Problem mit ihnen. Um das etwas zu entschärfen, verpacke ich es vielleicht auch erst in ein Lob. Zunächst an Herrn Enders für das intellektuelle Niveau, auf das er die Diskussion um das Sozialstaatsprinizip gehoben hat, und dann an Herrn Wiederin für die Art und Weise, wie er uns alle darüber hinaus auch noch glänzend unterhalten hat (wobei wir vielleicht über die Frage, ob das Sozialstaatsprinzip tatsächlich nur als eine Art Redaktionsversehen ins Grundgesetz gekommen ist, noch mal in Ruhe nachdenken müssen). Mein grundlegendes Problem ist ein anderes. Es liegt darin, dass mir der konkrete Inhalt des Sozialstaatsbegriffs in beiden Referaten etwas dunkel geblieben ist. Nun
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mag das daran liegen, dass er keinen konkreten Inhalt hat, wie uns die Skeptiker schon immer gesagt haben. Mein Verdacht ist aber, dass es ein Problem des von Ihnen gewählten Ansatzes ist. Sie beide sind insoweit in einer im Kern vergleichbaren Weise bemüht gewesen, bestimmte idealtypische, modellartige Gegensätze, von denen wir bislang als unverrückbar ausgegangen sind, zu verwischen oder zu verschränken, indem Sie sie auf eine realhistorische oder besser quellenkritische Ebene gehoben haben. Das beginnt zunächst bei dem Gegensatzpaar von Liberalismus und Sozialstaatlichkeit. Sie, Herr Wiederin, haben uns die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 als das erste sozialstaatliche Manifest verkaufen wollen; auch später haben Sie den Liberalismus selbst als ein im Kern soziales Programm zu lesen versucht. Ich habe Zweifel, ob das zutrifft. Wenn wir uns klassische Texte der Arbeiterbewegung, wie etwa die Schrift von Karl Marx zur Judenfrage oder später auch die Bismarcksche Rede zur Einführung der Unfallversicherung ansehen, dann stellen wir im Grunde fest, dass die jeweiligen Positionen wesentlich gerade aus der Auseinandersetzung mit einem bestimmten Verständnis von Liberalismus oder sogar im Kampf gegen dieses definiert werden. Nun mag es ja sein, dass die seinerzeit alle gegen einen bloßen Schemen angerannt sind. Aber dieser Schemen ist natürlich für den Inhalt des späteren Sozialstaatsprinzips in gewisser Weise prägend geworden, und man nimmt sich die Chance, diesen Inhalt klarer zu bestimmen, wenn man jenen ursprünglichen Gegensatz verwischt. Das geht dann weiter mit der Verschränkung von Rechts- und Sozialstaatlichkeit, wie ich sie auch bei Herrn Enders herausgehört habe. Herr Enders, Sie haben ja schon den reinen Rechtsstaat bei Kant in einer für die meisten von uns ungewohnten Weise um eine soziale Komponente ergänzt; heute interpretieren wir sogar die Grundrechte in einem sozialstaatlichen Sinne. Das mündet alles in die uns gut bekannte Tendenz, Unvereinbares in einen Begriff zusammenzufügen; heraus kommt dann etwa der soziale Rechtsstaat. Es scheint mir dies sogar eine Grundtendenz der gegenwärtigen Staatsrechtslehre überhaupt zu sein. Vor vielen Jahren hat mal ein Kanzlerkandidat der SPD einen Wahlkampf geführt unter dem Motto „Versöhnen statt Spalten“; das könnte man heute auch als Überschrift über viele unserer Debatten stellen. Der hat aber damals übrigens verloren. Ich glaube auch, dass wir diese Gegensätze weiter brauchen, um die Begriffe zu bestimmen. Wenn Sie diese Gegensätze nämlich aufgeben, dann haben Sie später ein anderes Problem: Sie können dann nämlich nicht mehr die Begriffe gegen bestimmte Entwicklungen in Stellung bringen, weil diese in den betreffenden Begriff selbst schon integriert sind, und die Schwierigkeiten, die Sie etwa, Herr Enders, hatten, die Grenzen gegen die immer weiter voranschreitende Ausweitung des Fürsorgedenkens zu formulieren, scheinen
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mir gerade in dieser Verschränkung und Aufgabe der Gegensätze ihren eigentlichen Grund zu haben. Vielen Dank! Vorsitzender: Herr Volkmann, die Kollegen, die gegen die voreilige Aussöhnung der beiden Prinzipien sprechen wollen, kommen noch. Zunächst noch zum Sozialstaat selbst Herr Steiner. Steiner: Herr Wiederin, ich würde mich gerne mit Ihrer These 18 kurz auseinandersetzen: Dort formulieren Sie, der Sozialstaat ist auf verfassungsrechtliche Verankerung nicht angewiesen; die Sozialverfassung sei für seine reale Stärke weitgehend irrelevant. Sie haben dann vorgetragen, und das ist natürlich noch ein bisschen provokanter: „Die Sozialverfassung ist für den sozialen Staat irrelevant.“ Ich beurteile das nicht deshalb kritisch, weil natürlich solche Formulierungen nicht gerade für einen hohen Beschäftigungsstand der Verfassungsgerichtsbarkeit sorgen. Richtig ist, dass wir in Deutschland einen ansehnlichen Sozialstaat auch ohne soziale Grundrechte haben. Das hängt aber elementar damit zusammen, dass der Sozialstaat eben nicht nur Solidarität braucht, sondern wirtschaftliches Wachstum und ökonomische Prosperität. Wir hätten aber – und diese These setze ich entgegen – keinen Sozialversicherungsstaat in dem vorhandenen Ausmaß, wenn es das Sozialstaatsprinzip im Grundgesetz nicht gäbe. Denn das Sozialstaatsprinzip vermittelt eben dem Gesetzgeber die Legitimation, Versicherungszwang einzuführen und damit einen Eingriff, der eigentlich sehr weit geht und, praktisch-monetär gesehen, zum Teil intensiver ist als der steuerliche Eingriff. Andererseits – und damit käme ich wieder stärker auf Sie zu, Herr Wiederin: Wenn der Gesetzgeber wie in der Pflegeversicherung ein so umfassendes Versicherungssystem neu aufbaut, eine Art Einwohnerversicherung auf den Weg bringt, dann versucht das Bundesverfassungsgericht immer auch noch im Grundgesetz außerhalb des Sozialstaatsprinzips eine Stütze zu finden, und die haben wir dort auch gefunden, indem wir gesagt haben, wo sich eine staatliche Versicherung um den Pflegebedürftigen kümmert, kümmert sie sich auch um den Menschen in seiner Würde als pflegebedürftiges Wesen. Schönen Dank! Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Steiner! Herr Meyer hat sich zu einer spontanen Einblendung gemeldet. Meyer (Zwischenfrage): Herr Steiner, glauben Sie ernsthaft, dass das Bundesverfassungsgericht eine dieser Versicherungen, die Sie genannt haben, für verfassungswidrig erklärt hätte, wenn wir nicht das Sozialstaatsprinzip im Grundgesetz gehabt hätten?
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Steiner: Herr Meyer, natürlich sind viele Sozialversicherungssysteme überkommen und unterliegen nicht der Disposition der Verfassungsgerichtsbarkeit. Ich habe auch nicht von der Sozialversicherung, sondern vom Ausmaß der Sozialversicherung gesprochen, und da gibt es natürlich – wie ich es gerne auch im Bild formuliere – schon gesetzgeberische Lassowürfe in Gruppen hinein, wo wir größte Schwierigkeiten hatten, noch zu begründen oder zu rechtfertigen, warum der Gesetzgeber auch sie erfasst. Ich könnte viele Beispiele nennen, und die Pflegeversicherung als ein ganz neuer Versicherungszweig mit einer 98 %-Erfassung, das ist schon eine Versicherung, von der ich meine, dass sie ernsthaft auch verfassungsrechtlich geprüft werden musste, und hätten wir dazu im Grundgesetz keine Aussagen, dann bin ich nicht so sicher, ob wir diese Versicherung auch so verfassungsrechtlich bestätigt hätten. Also nicht die Grundsysteme als solche – die sind ja überwiegend vorkonstitutionell – wohl aber deren Ausgestaltung im Einzelnen, um sie geht es vor allem in der Verfassungsrechtsprechung, und ich könnte Ihnen viele Beispiele nennen, Herr Meyer, wo wir Probleme haben, zu sagen, diese Gruppe, die muss noch hinein, obwohl sie eigentlich mit dem Versicherungszweck nichts zu tun hat. Ich nehme jetzt mal einen Randbereich, damit Sie wissen, wovon ich spreche, etwa die Alterssicherung der Landwirte, in der wir Ehefrauen pflichtmitversichern, die mit der Landwirtschaft nichts zu tun haben. Vorsitzender: Nun – wir werden sehen und lesen. Dann bitte Frau Iliopoulos-Strangas. Iliopoulos-Strangas: Danke schön, Herr Vorsitzender. Ich möchte kurz zur Bedeutung der Aufnahme sozialer Grundrechte in die Verfassung Stellung nehmen. Meines Erachtens ist hier nämlich ein wichtiger Aspekt noch nicht hinreichend zur Sprache gekommen. So sieht sich selbst in Staaten, deren Verfassungen keine sozialen Grundrechte kennen, die Rechtsprechung durchaus veranlasst, einen gewissen sozialen Schutz durch Verfassungsrecht anzuerkennen. Dafür greift sie dann eben auf verfassungsrechtliche Gewährleistungen allgemeiner Art zurück. Bekanntlich stützt etwa das deutsche Bundesverfassungsgericht (aber auch höchste Gerichte in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, wie zum Beispiel neuerdings das Verfassungsgericht Portugals) das Recht auf ein Existenzminimum auf die in der Verfassung (im Grundgesetz) ausdrücklich garantierte Menschenwürde. Sozialstaatsprinzip und Menschenwürde sind allgemeine verfassungsrechtliche Topoi, welche die Gerichte bei Fehlen spezifischer sozialer Grundrechte in der Verfassung gern heranziehen, um im Ergebnis doch gewisse soziale Grundrechte aus
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der Verfassung „abzuleiten“. Diese „Ableitung“, die meistens den Erfordernissen der jeweiligen sozialen Entwicklungen Rechnung trägt, wird indessen oft als richterlicher Aktivismus kritisiert. Auch wird die verfassungsrechtliche Fundierung derartiger „abgeleiteter“ Grundrechte in einigen Fällen in Zweifel gezogen. Unter diesen Umständen trägt es wesentlich zur Rechtssicherheit bei und erleichtert zugleich spürbar die Arbeit der Gerichte, wenn spezifische soziale Grundrechte in eine Verfassung aufgenommen werden. Entgegen verbreiteten Befürchtungen braucht das nicht zu bedeuten, dass mit diesen sozialen Grundrechten immer auch subjektive Rechte auf Leistungen einhergehen müssten. Möglich ist auch die verfassungsrechtliche Einführung sozialer Grundrechte von begrenzterer Tragweite. Stets sind verfassungsrechtlich normierte soziale Grundrechte aber zumindest bei der richterlichen Auslegung und Anwendung des geltenden Rechts zu beachten, und bereits in dieser Maßstabsfunktion liegt ein entscheidender Gewinn. Daher ist es auch zu begrüßen, dass – nach dem Vorbild einiger moderner Verfassungen wie derjenigen Griechenlands, Portugals und Spaniens – in die Grundrechtecharta der Europäischen Union eine Reihe sozialer Gewährleistungen und Grundrechte aufgenommen worden ist. Ungeachtet der in der Charta vorgesehenen Einschränkungen und Vorbehalte ist zu erwarten, dass diese Normierungen Auswirkungen auf die Auslegung und Anwendung nicht nur des Gemeinschafts- bzw. Unionsrechts, sondern auch der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen haben werden. Vorsitzender: Ich hatte Herrn Schiedermairs Wortmeldung in die Gruppe der Kritiker gerückt. Ich weiß nicht, ob das richtig war, jedenfalls ist er jetzt dran, und danach kommen die Kollegen, die sich zu den Grenzen des Sozialstaates gemeldet hatten. Schiedermair: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren, gestatten Sie mir eine ganz kurze, ich fürchte sogar, leicht deplatzierte Bemerkung. Der Herr Vorsitzende der Vereinigung hat gestern Abend in seiner Begrüßung auf das berühmte Bild hingewiesen, auf das Sie alle hier in der Aula der Friedrich-Schiller-Universität schauen. Nun hat dieses Bild – und das hat vielleicht doch einen Bezug zu unserem Tagungsthema – seine eigene Geschichte, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. „Habent sua fata libelli“ gilt hier also entsprechend. Die Initiative zu diesem Bild – es ist ein weltberühmtes Bild, das den Eingang in viele Geschichtsbücher der Schule gefunden hat und den „Auszug der Jenenser Studenten in die Befreiungskriege“ darstellt – hat ein Kulturkreis in Jena ergriffen, zu dem eine Reihe von Jenenser Professoren gehörte, unter anderem auch Rudolf Eucken, der einzige deutsche Nobelpreisträger für Philosophie und Vater
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des Ihnen allen wohlbekannten Walter Eucken. Er und seine Frau haben Hodler, den Maler, engagiert. Hodler kam für sechs Wochen nach Jena, wohnte im Hause Eucken und schnappte sich den siebzehn- oder achtzehnjährigen Walter Eucken mit der Bitte, ihm als Modell zur Verfügung zu stehen. So machte Hodler eine Skizze, und eben diese Skizze hat Eingang in dieses Bild gefunden, das Sie vor sich sehen. Sie sehen alle den Studenten, der sich den Waffenrock anzieht, das ist der 17-jährige Walter Eucken. Was ergibt sich daraus? Walter Eucken ist bekanntlich nicht nur ein ordoliberaler Wirtschaftstheoretiker, der Vater des Freiburger Kreises, er gehört auch zu den Vätern der sozialen Marktwirtschaft – ich betone: der sozialen Marktwirtschaft. Im Blick auf diesen jungen Mann, der sich den Waffenrock anzieht, können Sie, meine Damen und Herren, also auch einen unmittelbaren Blick auf den Sozialstaat werfen. Und damit ist dann, wie ich meine, der Bezug zu unserem Tagungsthema durchaus wiederhergestellt. Vielen Dank. Vorsitzender: Vielen Dank für diese schöne kunstgeschichtliche Rückbindung an unser Thema. Ich sehe dann Herrn Isensee als Nächsten. Isensee: Wenn zwei Staatsrechtslehrer über dieselbe Verfassung reden, kommen mindestens zwei unterschiedliche Verfassungen heraus. So war das heute Morgen. Die teleskopische Betrachtungsweise von Herrn Wiederin hat neuartige, aber scharfe Bilder europäischer Verfassungen, zumal der deutschen, geliefert. Die mikroskopische Untersuchung, die Herr Enders geleistet hat, gibt dagegen ein diffuses Bild der grundgesetzlichen Ordnung. Ich habe Schwierigkeiten, herauszufinden, ob die Dogmatik, der er folgt, konsistent ist. Während ich dem Leitsatz 1 vorbehaltlos zustimme, frage ich mich, ob dann die Leitsätze 16 und 17 damit noch vereinbar sind, in denen dem sozialstaatlichen Gesetzgeber voraussetzungslose Gestaltungsfreiheit und weithin entgrenzte Prognosefreiheit zugebilligt werden. Vom sozialen Rechtsstaat ist es ein Schritt zur sozialen Demokratie, von dieser zum totalen Sozialstaat, der sich noch, um den guten Schein zu wahren, mit ein paar grundrechtlichen Zierleisten schmückt. Wo aber bleiben die grundrechtlich-rechtsstaatlichen Regulative, die das Handeln des Sozialstaates steuern und begrenzen? Kein Wort von den rechtsstaatlich-föderalen Determinanten der Finanzverfassung, die für die sozialstaatliche Umverteilung und die sozialstaatlich oktroyierte Solidarität von zentraler Bedeutung sind. Ratlos bin ich, ob die These von der Expansion des Sozialstaates und seiner Entgrenzung normativ gemeint ist – etwa dahin, dass die Verfassung sie duldet, vielleicht sogar vorantreibt und am Ende absichert – oder ob hier nur ein realer Trend festgestellt wird.
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Der reale Trend jedoch geht heute nicht auf Expansion, sondern in die Gegenrichtung: auf Rückzug und Abbau des Sozialstaates. Bisherige Tätigkeiten werden privatisiert und liberalisiert, Leistungen gekürzt oder eingestellt. Die sozialstaatlich verwöhnte Gesellschaft muss sich schmerzhaften Entwöhnungskuren unterziehen. Die Fragen, die heute an die Verfassung herangetragen werden, kommen nicht im Referat vor: ob die Grundrechte und andere Verfassungsnormen Schutz davor bieten, dass bisher sozialstaatlich abgesicherte Personenkreise in unerwünschte Eigenverantwortung gestoßen werden; ob die Verfassung die sozialstaatlichen Besitzstände für die Dauer oder zumindest übergangsweise absichert. Ich vermisse die verfassungsrechtlichen Stichworte zum Garantiegehalt des Sozialstaates, aber auch, das sei nochmals gesagt, die Stichworte zu seinen Grenzen: Subsidiarität, Strukturgerechtigkeit, Vorbehalt des Gesetzes, steuerstaatliche Schranken parafiskalischer Transfersysteme. Vollends vermisse ich die Unterscheidung zwischen zwei Arten von Schutzpflichten, die im Referat durcheinandergeraten, der grundrechtlichen und der sozialen. Die grundrechtlich-rechtsstatliche Schutzpflicht lebt auf, wenn ein Privater Leben, Gesundheit, Eigentum oder sonstige grundrechtlich geschützte Güter des anderen verletzt. Mit dieser Pflicht setzt Herr Enders die des Sozialstaates gleich, dem Hilfsbedürftigen beizustehen. Das ist ein gänzlich anderer Tatbestand. Hier geht es dem Staat nicht darum, dem Übergriff auf ein Grundrecht zu wehren, sondern reale Bedingungen der Lebensführung herzustellen. Ist die Beistandspflicht des Sozialstaates schon in den Grundrechten enthalten? Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Isensee! Vielleicht hält zu den vermissten Schranken Herr Hase noch etwas bereit, denn er hat sich zum Thema „Grundrechtsschranken für den Sozialstaat“ gemeldet. Hase: Vielen Dank! Ich möchte auf das Referat von Herrn Enders eingehen, anknüpfend an das, was Herr Isensee soeben vorgetragen hat. Ich will versuchen, die Kritik noch ein wenig zuzuspitzen. Herr Enders hat in seinem Referat den Prozess der Expansion der sozialen Sicherung, wie wir ihn in der Nachkriegszeit in Deutschland erlebt haben, zunächst nachgezeichnet. Er hat uns dabei aber auch vorgeschlagen, verfassungsrechtlich vor diesem Prozess zu kapitulieren. Besonders deutlich wird dies im Leitsatz 17, den Herr Isensee bereits angesprochen hat: Grundrechtseingriffe seien im Sozialstaat der Gegenwart, bei der Solidarität aller mit allen, letztlich voraussetzungslos – nahezu voraussetzungslos – gerechtfertigt, zumal der Eingriff ja „nur“ das Vermögen betreffe. Oder Leitsatz 20: Das Leitbild autonomer Mündigkeit des Bürgers sei obsolet geworden, man müsse es heute durch das Bild des hilfsbedürftigen Män-
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gelwesens ersetzen; Einzelgrundrechte haben der Ausdehnung der sozialstaatlichen Für- und Vorsorge nichts entgegenzusetzen, und so weiter und so fort. Ein solches Zurückweichen des Verfassungsrechts und der verfassungsrechtlichen Dogmatik vor der politischen Entwicklung und der Sozialgesetzgebung ist meines Erachtens im Grundsatz nicht akzeptabel. Das Problem, das hier deutlich geworden ist, liegt für mich darin, dass die Frage, was die soziale Sicherung – vor allem auch in der verfassungsrechtlichen Perspektive – in ihrer Eigenart bestimmt, im Grunde gar nicht mehr aufgeworfen wird. Ich will versuchen, die Zusammenhänge mit wenigen Sätzen zu skizzieren. Soziale Sicherung ist immer eine Intervention des Staates – der öffentlichen Organisation, des öffentlichen Rechts – in die liberale, auf grundrechtlicher Freiheit beruhende Gesellschaft, in die Privatrechtsgesellschaft, um diesen schönen, von Franz Böhm geprägten Begriff anzuführen. Im Spektrum der Aufgaben des Staates und der Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung hat die soziale Sicherung von vornherein einen besonderen Status. Sie gehört nicht – wie Militärwesen, Gerichtsbarkeit usw. – zu den originären, den „angestammten“ Aufgaben des öffentlichen Gemeinwesens, zu den Gegenständen, die ihm ohne weiteres zufallen. In liberalen Rechtsordnungen ist die Sorge für die Gewährleistung der persönlichen Lebensumstände, auch die Vorsorge für die Wechselfälle des Lebens, wie schon Paul Laband geschrieben und zuletzt insbesondere Hans Zacher immer wieder hervorgehoben hat, primär Sache des Einzelnen selbst. Sie fällt in seine Verantwortung, sie muss zunächst mit den Mitteln bewältigt werden, über die er im Rahmen der Privatrechtsordnung verfügt, und diese Eigenverantwortung der privaten Subjekte ist als Freiheit, als grundrechtlich gesicherte Freiheit ausgeprägt. Daraus folgt aber, dass soziale, auf öffentliches Recht, auf Verpflichtungen, zumal auf Versicherungs- und Abgabepflichten gestützte Sicherung immer einer besonderen Rechtfertigung bedarf: einer Rechtfertigung vor allem vor den Grundrechten der betroffenen Privatpersonen. Diese Rechtfertigung kann die soziale Sicherung jedoch nicht selbst, gleichsam aus sich heraus produzieren. Darin liegt meines Erachtens im Kern die Differenz zwischen der Position, die Herr Enders vorgetragen hat, und meiner Auffassung von dieser Problematik. So wenig sich die soziale Sicherung selbst zu legitimieren vermag, so wenig kann sie ihre Rechtfertigung aus sozialen Superwerten wie einer zum universellen Prinzip erhobenen „Solidarität“ oder „sozialen Gerechtigkeit“ gewinnen. Aufgrund des prinzipiellen Vorrangs eigenverantwortlicher, individueller Absicherung kann sich eine solche Rechtfertigung nur daraus ergeben, dass der Einzelne bestimmte Belange der Absicherung mit seinen Mitteln, mit seinen Möglichkeiten nicht oder nicht hinreichend wahrzunehmen vermag. Nur insoweit ist überhaupt eine verfassungslegitime,
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mit den spezifischen Mitteln der sozialen Sicherung zu bewältigende, öffentliche Aufgabe gegeben. Die Probleme, denen wir heute in der sozialen Sicherung gegenüberstehen, sind weithin, meine ich, daraus zu erklären, dass diese Grenzen über einen sehr langen Zeitraum hinweg fast schon systematisch vernachlässigt worden sind. Das wiederum ist mit hohen Kosten verbunden, die wir nicht zuletzt an der Arbeitslosenstatistik und an beängstigenden Finanzierungsschwierigkeiten gerade in den wichtigsten Sozialleistungssystemen ablesen können. Insgesamt jedenfalls bedarf es, das wäre für mich die Konsequenz, verstärkter Bemühungen um die Ausarbeitung und deutlichere Profilierung einer verfassungsrechtlichen Dogmatik der sozialen Sicherung, nicht etwa eines Zurückweichens vor der Dynamik der sozialstaatlichen Expansion. Vorsitzender: Ja, wir haben ja noch heute Nachmittag und morgen, um über die Zukunft zu reden, den nächsten Tag jedenfalls. Wir öffnen uns jetzt mit der Rednerliste nach Europa: Herr Ruland hat einen Beitrag zur europäischen Verfassung angekündigt. Ruland: Ich will meinen Beitrag jetzt kurz fassen, weil ich annehme, dass ich heute Nachmittag vielleicht dann in die Nähe des „roten Lichts“ kommen werde. Ich wollte nur einen Hinweis geben. Mich hatte bei der Sicht auf die verschiedenen Verfassungen gewundert, dass die neue europäische Verfassung gar nicht angesprochen worden ist, obwohl sie einen breiten Katalog von sozialen Grundrechten unter dem Stichwort Solidarität enthält. Ich glaube, das wäre in die Übersicht mit aufzunehmen. Vorsitzender: Vielen Dank! Dazu wird sicherlich noch etwas gesagt werden. Herr Fromont über die Lage in Frankreich. Fromont: Zuerst wollte ich mich dem Vorredner anschließen. Ich habe recht bedauert, dass die europäische Grundrechtscharta überhaupt nicht erwähnt wurde. Darin ist von Solidarität die Rede, was einer Modernisierung des heute etwas idealistisch klingenden Ausdrucks der Brüderlichkeit gleichkommt. Was nun die französische Verfassung angeht, so muss hinsichtlich der sozialen Grundrechte Folgendes angemerkt werden. Art. 1 der Verfassungen von 1946 und 1958 lautet: „La France est une République … sociale“, und im Art. 2 werden gerade Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit als Motto der Republik erwähnt. Am wichtigsten aber sind die sogenannten sozialen Grundrechte, die in der Präambel der Verfassung von 1946 verankert sind. Diese Präambel ist immer noch gültig. In dieser Hinsicht gibt es eine große Kontinuität zwischen der IV. und der V. Republik. Diese Grund-
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rechte kann man grob so charakterisieren: Der Staat ist verpflichtet, Familie, Kinder, Mütter und ältere Arbeiter zu schützen, sowie jedem ein Existenzminimum zu garantieren, der aufgrund der Arbeitslosigkeit oder Behinderung, oder wegen seines Alters nicht in der Lage ist, zu arbeiten. Damit wurde eine eindeutige Abwendung vom Kapitalismus bezweckt. Ich muss zugeben, das Wort Kapitalismus wurde heute überhaupt nicht erwähnt. Es wurde nur von Eigenverantwortung gesprochen. Aber Eigenverantwortung bedeutet doch hauptsächlich – jedenfalls auf wirtschaftlichem Gebiet – Kapitalismus. Am Ende des letzten Krieges war das Ansehen des Kapitalismus in Frankreich zutiefst gesunken, er wurde als Ursache der militärischen Niederlage betrachtet. Die Präambel von 1946 war in erster Linie ein Grundsatzprogramm, und dieses Programm wurde zunächst politisch, d. h. durch den Gesetzgeber, in die Praxis umgesetzt. Während der IV. Republik ist Frankreich tatsächlich ein Sozialstaat geworden. Als dann Frankreich 1958/1974 endlich eine effiziente Verfassungsgerichtsbarkeit erhielt, hat der Conseil constitutionnel diese sozialen Grundrechte hauptsächlich als Staatsziele betrachtet. Nur das Streikrecht und die Gewerkschaftsfreiheit wurden selbstverständlich als unmittelbares Recht auch für die Fachgerichte betrachtet. Diese Anerkennung der sozialen Grundrechte als Staatsziele hat zwei Folgen: Erstens binden diese Staatsziele nur den Gesetzgeber, nicht die Verwaltung, zweitens gestatten diese Staatsziele Eingriffe des Gesetzgebers in traditionelle Grundrechte, d. h. hauptsächlich in freiheitliche Grundrechte. Aber nach der Rechtsprechung des Conseil constitutionnel hat der Gesetzgeber die Freiheitsgrundrechte und die sozialen Grundrechte gegeneinander abzuwägen und verfügt dabei über ein weites Ermessen. Vielen Dank. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Fromont! Es folgen Herr Schachtschneider zur Wirtschaftsverfassung, als letzter Redner dann Herr Neumann. Schachtschneider: Herr Vorsitzender, liebe Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie vier kritische und ergänzende Bemerkungen: Die Themenstellung des heutigen Vormittags klingt bereits neoliberal, weil das provozierende Wort Fürsorge wieder auftaucht. Das hat freilich auch etwas Reizvolles. Das Sozialprinzip ist das Grundprinzip der Wirtschaftsverfassung sowohl in Deutschland als auch in der Europäischen Union. Es hat durch Art. 20 und Art. 28 GG, aber auch durch Art. 23 GG, den Europa-Artikel, höchsten Verfassungsrang und bindet auch die deutsche Integrationspolitik. Das Sozialprinzip folgt darüber hinaus aus der Menschenwürde. Die Würde des Menschen besteht in seiner Freiheit, diese aber ist untrennbar mit der Gleichheit aller in der Freiheit und diese mit
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der Brüderlichkeit verbunden. Es gibt keine Freiheit ohne Gleichheit und ohne Brüderlichkeit, wie wir seit der französischen Revolution wissen. Das Gesetz der Brüderlichkeit steht auch im Grundgesetz, nämlich in Art. 2 Abs. 1. Es ist das Sittengesetz, der kategorische Imperativ. Dieses Prinzip der praktischen Vernunft ist in gewissen Grenzen justiziabel. Im Übrigen gehören schon in der Erklärung der Menschenrechte von 1948 soziale Rechte zu den Menschenrechten, nämlich das Recht auf Eigentum, das Recht auf Arbeit, das Recht auf Bildung u. a. Diese haben ihren Status auch in Art. 1 Abs. 2 des Grundgesetzes. Der dominante Rang des Sozialprinzips ist somit fraglos. Er kann nicht in einem Gegensatz von Selbstverantwortung und Eigenverantwortung auf Fürsorgeleistungen reduziert werden. Das Bundesverfassungsgericht hat schon im Preis-Urteil von 1958 deutlich gemacht, dass der Preisstand, die Preisniveaustabilität, durch das Sozialprinzip geboten ist. Das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht, das Prinzip der wirtschaftlichen Stabilität also, ist eine soziale Aufgabe und eine soziale Verpflichtung, die im Art. 20 Abs. 1 GG ihre Grundlage hat. Eine soziale Realisation ist ohne wirtschaftliche Stabilität nicht zu erwarten. Ein Gegensatz zwischen Rechts- und Sozialstaat, wie er in den 50er Jahren vor allem von Ernst Forsthoff vertreten wurde, ist sicherlich nicht auf die kantianische Philosophie zu stützen. Das würde das soziale Prinzip in Kants Rechtslehre mißverstehen. Insbesondere würde die Funktion des allgemeinen Gesetzes im Kantianismus verkannt. Die Allgemeinheit des Gesetzes dient auch der Verteilungsgerechtigkeit. Die Logik des allgemeinen Gesetzes, an dem eben alle mitwirken, führt wegen der formalen Gleichheit in der Freiheit auch zu einem materialen Gleichheitsprinzip. Sonst sind die Gesetze nicht universalisierungsfähig. Die Europäische Union ist durch das Markt- und Wettbewerbsprinzip dominiert. Das führt zu den sozialen Schwierigkeiten. Hinzu kommt die Globalisierung, die nicht sozial ist und auf lange Zeit das soziale Prinzip nicht verwirklichen können wird. Die weltweite Kapitalverkehrsfreiheit, die durch Art. 56 EGV verordnet wurde, bringt die soziale Realisation in größte Nöte. Die Sache müsste näher ausgeführt werden, aber die Lampe ist rot. Dankeschön. Vorsitzender: Danke Ihnen auch, Herr Schachtschneider. Dass die praktische Vernunft justiziabel ist, wird uns alle sehr beruhigen. Neumann: Ich habe eine Anmerkung zur These 18 von Herrn Enders. Das Bundesverfassungsgericht begründet mit Art. 1 Abs. 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip die Pflicht des Staates zur Sicherung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Lebens. Du sagst nun, Christoph, diese Pflicht folge allein aus dem Sozialstaatsprinzip, so dass wir die
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Menschenwürdenorm insoweit nicht brauchen. Ich denke, wir brauchen Art. 1 Abs. 1 GG doch, und zwar aus zwei Gründen. Erstens sagt uns Art. 1 Abs. 1 GG, was dieses menschenwürdige Leben ist, und er sagt es in der Weise, dass er diese Pflicht des Staates auf den Fall des Scheiterns der Selbsthilfe beschränkt. Die Autonomie des Einzelnen hat also Vorrang vor der staatlichen Hilfe. Zweitens brauchen wir Art. 1 Abs. 1 GG, um – was das Bundesverfassungsgericht bis heute nicht getan hat – der Pflicht des Staates das Recht des Einzelnen auf das Existenzminimum zuzuordnen. In deiner Habilitationsschrift interpretierst du Art. 1 Abs. 1 GG als das Recht, Rechte zu haben. Dann aber kann es keine staatliche Pflicht in Ansehung des Einzelnen geben, der nicht ein Recht des Einzelnen auf die Erfüllung dieser Pflicht entspricht. Die Konstruktion eines Grundrechts auf das Existenzminimum ist keine unüberlegte sozialpolitische Wohltat, wenn der Inhalt dieses Rechts so bestimmt wird, wie ich die korrespondierende staatliche Pflicht bestimmt habe: Recht und Pflicht greifen erst, wenn die vorrangige Selbsthilfe scheitert. Solange also der Einzelne in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt durch zumutbare Arbeit zu verdienen, kommen das Recht und die Pflicht nicht zum Zuge. Es bleibt der Problemrest, den du in der These 18 angesprochen hast, nämlich die Vereinbarkeit des Entzugs von Sozialhilfe mit dem Verbot der Zwangsarbeit in Art. 12 Abs. 2 und 3 GG. Ich lasse dahinstehen, ob gemeinnützige und zusätzliche Arbeit Zwangsarbeit ist. Jedenfalls vermag ich nicht zu erkennen, wie die Versagung der Hilfe unter der Voraussetzung möglicher und zumutbarer Selbsthilfe zu einem Eingriff in dieses Grundrecht werden kann. Wo also ist der Eingriff? Nebenbei bemerkt: Wenn die These 18 zutreffen sollte, wäre § 25 Abs. 1 BSHG mit einiger Sicherheit verfassungswidrig. In der Praxis ist es gang und gäbe, dass nach einer Kürzung die Leistung auch ganz verweigert wird. Zu der naheliegenden Frage, was aus den Menschen wird, denen die Leistungen gestrichen wurden, gibt es erstaunlicherweise keine empirische Untersuchung. Praktiker argwöhnen hinter der vorgehaltenen Hand, dass die Betroffenen das tun, was sie schon immer getan hätten, nämlich weiterhin schwarz zu arbeiten. Vorsitzender: Danke Ihnen sehr für diese wichtige Konkretisierung, nicht nur für den letzten Satz, sondern insgesamt. Wir kommen jetzt zu den Schlussworten der Referenten, traditionell in umgekehrter Reihenfolge des Vortrags. Es fängt also an Herr Wiederin. Wiederin: Ich danke für Zuspruch, ich danke für Widerspruch, und ich bitte um Verständnis dafür, dass ich mich in weiterer Folge auf die kritischen Bemerkungen beschränke. Zunächst zum Begrifflichen: Eigenverantwortung, Fürsorge. Im Bemühen, das gestellte Thema juristisch anzu-
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gehen, habe ich diese beiden Begriffe für meine Zwecke zugespitzt. Wenn ich als Jurist „Verantwortung“ höre, dann möchte ich wissen, wer verantwortlich ist, wem gegenüber und wofür er verantwortlich ist, welcher Maßstab angelegt wird und welche Konsequenzen drohen. Sofern ich auf diese Fragen keine Antworten erhalte, höre ich weiter interessiert zu, aber es ist kein professionelles Interesse mehr. Dementsprechend halte ich Eigenverantwortung für einen Nebelbegriff, der die Sicht auf die entscheidenden Punkte verdeckt und mit dem jeder etwas anderes verbindet. Wir sollten uns seiner nur mit größter Vorsicht bedienen. Aus demselben Grund habe ich „Fürsorge“ in einer Art und Weise konturiert, die drastisch erscheinen mag. In Abrede zu stellen, dass Fürsorge mit Verantwortung Hand in Hand gehen kann, liegt mir fern. Eine solche Verantwortung besteht allerdings, zumal als rechtlich einlösbare Verantwortung, nicht dem zu Befürsorgenden gegenüber; diese Person ist in der Beziehung ausschließlich Objekt. Allein darauf kam es mir an. Der zweite Punkt, mit dem ich beträchtliche Irritation hervorgerufen habe, ist die Leugnung der Unabänderlichkeit von Sozialstaatlichkeit unter dem Grundgesetz. Damit ist mir in der Tat Ernst. Als Beobachter von außen, dem wohl schon durch die Distanz die Brüche stärker auffallen als die Kontinuitäten, stand ich zunächst vor einem Rätsel. Wenn ich die Verfassung mit einem Gebäude vergleichen darf: Ich konnte noch nachvollziehen, weswegen die Schöpfer des Grundgesetzes, nachdem sie sich für einen Abriss des in der Weimarer Verfassung außerordentlich großzügig ausgebauten Sozialstaatstraktes entschieden hatten, dennoch ein Türschild mit der Aufschrift „Sozialstaat“ anbringen wollten. Dafür gibt es Gründe. In Bayern hat beispielsweise im Jahr 1946 der Verfassungsausschuss aus offen populistischen Erwägungen für die Aufnahme einer Sozialstaatsklausel plädiert: Sozial, so das Hauptargument, sei eine Formulierung, die bei allen Schichten gleichermaßen gut ankomme. Nicht mehr einleuchten wollte mir jedoch, weshalb es überdies ein verfassungsrechtliches Verbot geben sollte, dieses Türschild wieder abzumontieren. Meine Skepsis hat sich beträchtlich verstärkt, als ich im offiziellen Fundstellenverzeichnis zum Grundgesetz weder das Stichwort Sozialstaatlichkeit noch Einträge unter vergleichbaren Stichworten fand. Beim Studium der Entstehungsgeschichte des Art. 79 Abs. 3 GG hat sich schließlich gezeigt, dass sie aus zwei Strängen besteht, die von den Art. 107 und 108 des Herrenchiemseer Entwurfs ausgehen und die erst gegen Ende der Beratungen im Parlamentarischen Rat zusammen finden: einerseits aus einem bundesstaatlichen Strang, den unlängst Herr Jestaedt im Handbuch des Staatsrechts wunderbar nachgezeichnet hat, und andererseits aus dem Versuch, die demokratische und freiheitliche Grundordnung dem Zugriff des verfassungsändernden Gesetzgebers zu entziehen. Der Redaktions-
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ausschuss hat vorgeschlagen, die Herrenchiemseer Formulierung durch einen Verweis auf die Grundsätze der Art. 1 und 20 zu ersetzen. Die von ihm angebrachte Fußnote zu diesem Vorschlag stellt klar, dass es sich um eine rein redaktionelle Umstellung handelt, dass es der Sache nach beim Schutz der freiheitlichen und demokratischen Grundordnung blieb. Der Hauptausschuss hat diesen Vorschlag ohne Debatte akzeptiert. Im nächsten Durchgang hat der Redaktionsausschuss vorgeschlagen, die offenbar doch als allzu vieldeutig erachtete Verweisung aufzulösen und jede Änderung des Grundgesetzes für unzulässig zu erklären, „die den Grundsatz der unmittelbaren Geltung der Grundrechte (Artikel 1) oder die demokratische republikanische und rechtsstaatliche Ordnung (Artikel 21) antastet“. In letzter Konsequenz ist man allerdings wieder auf den bloßen Verweis auf die in Art. 1 und 20 niedergelegten Grundsätze umgeschwenkt. Der entstehungsgeschichtliche Befund ist demnach eindeutig. Ich gestehe zu, dass der Verfassungstext prima facie in die Gegenrichtung weist. Der Wortlaut ist aber alles andere als klar, und das herrschende Verständnis ist sowohl bei systematischer als auch bei teleologischer Betrachtung angreifbar. Wer den Text für eindeutig hält, muss erklären, weshalb in Art. 79 Abs. 3 GG die Gliederung des Bundes in Länder und die Mitwirkung der Länder an der Gesetzgebung im Bund eigens erwähnt werden, obschon es sich hiebei um wesentliche Attribute exakt jener Bundesstaatlichkeit handelt, die schon in Art. 20 Abs. 1 GG grundgelegt ist. Diese Doppelung macht keinen Sinn. Er muss weiters die grundsätzlichen Gehalte von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Bundesstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit von sonstigen Inhalten sondern. Im Lichte der Entstehungsgeschichte wirft diese Trennung keinerlei Problem auf: Unter Grundsätzen hat man offensichtlich die fundamentalen Regeln in Art. 1 Abs. 3 GG und Art. 20 Abs. 2 und 3 GG verstanden. Schließlich ist es auch unter teleologischen Gesichtspunkten überzeugend, da folgerichtig, die Grundsätze der Art. 1 und 20 GG mit der freiheitlichen und demokratischen Grundordnung zu identifizieren. Veränderungen, die schon am Anfang des politischen Prozesses keine legitime Alternative darstellen und für die politische Parteien bei sonstiger Verfassungswidrigkeit nicht werben dürfen, müssen auch als mögliches Endprodukt des politischen Prozesses tabuisiert bleiben. Insgesamt sprechen also die besseren Argumente dafür, dass die Sozialstaatlichkeit zur Disposition des verfassungsändernden Gesetzgebers steht. Ob dieser dogmatische Befund in Zeiten opportun ist, in denen der Sozialstaat mit massivem Gegenwind zu kämpfen hat, darüber kann man selbstverständlich streiten. Auch mir wäre persönlich ein anderes Ergebnis lieber. Das aber betrifft eine ganz andere Ebene. Drittens nütze ich die Gelegenheit, meine offenbar missverständlichen Aussagen zur Relevanz – oder besser: Irrelevanz – von Sozialverfassungen
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klarzustellen. Meine skeptischen, wenn nicht nihilistischen Ausführungen, die den Sozialverfassungen Bedeutungslosigkeit attestieren, waren rein empirisch gemeint. Die dogmatische Perspektive kann selbstverständlich eine völlig andere sein, und sie ist es in der Regel auch: Verfassungsimmanent können Sozialstaatsgarantien und soziale Grundrechte wichtige Funktionen erfüllen und Ergebnisse präjudizieren. Das ändert aber nichts daran, dass bei einer vergleichenden Betrachtung, die an den Resultaten Maß nimmt, die Unterschiede zwischen den verschiedenen Staaten so groß nicht sind. Das hängt meiner Überzeugung nach weniger damit zusammen, dass Sozialstaatsgewährleistungen oder soziale Grundrechte schon aus strukturellen Gründen leer laufen müssten, weil sie nicht justiziabel sind. Justiziabel ist im Grunde alles, was ein Gericht judizieren will, weil sich Konzepte, die die unvermeidlichen Abwägungen strukturieren und rationalisieren, noch immer gefunden haben. Es hat vielmehr damit zu tun, dass sich Verfassungsrichter in diesem Bereich aus verständlichen Gründen schwerer tun, die Rechtsnormen mit Leben zu erfüllen, weil sie die Folgen ihrer Judikate nicht abschätzen können. Außerdem räume ich gerne ein, dass ich etwas überzeichnet habe. Der Befund der Irrelevanz der Sozialverfassung stimmt im Großen und Ganzen, und er trifft umso eher zu, je vager und allgemeiner sie gehalten ist. Konkrete Bestimmungen sind mitunter durchaus effektiv. Die Schweizer Bundesverfassung legt sich beispielsweise in Art. 112 auf eine maximale Pensionsspreizung fest: Die Höchstrente darf nicht mehr als das Doppelte der Mindestrente betragen. Diese Anordnung befördert eine solidarische Verteilung, indem sie dem Äquivalenzprinzip enge Grenzen setzt. Abschließend eine Bemerkung allgemeiner Natur. Die soziale Frage war und ist nicht zuletzt deshalb eine Schlüsselfrage, weil in ihr Haben und Sein aneinander geraten: Es geht zum einen um die Gerechtigkeit der Güterverteilung, zum anderen um die Sicherung menschlicher Existenz. Die Forderung nach Arbeit verknüpft diese beiden Aspekte; sie steht sowohl für das zum Leben notwendige Brot als auch für eine leistungsadäquate Verteilung von Subsistenzmitteln. Mich hat die Geschichte des Sozialstaats in erster Linie als Geschichte des Seins interessiert. Einerseits ist erstaunlich, dass wir uns bis heute so schwer tun, in unseren Verfassungen ein Grundrecht auf die nackte Existenz zu verbürgen. Andererseits scheint mir aber, dass im Laufe der letzten beiden Jahrhunderte in Europa nach der Freiheit auch das Leben als Leitwert etabliert oder vielleicht auch nur wiederentdeckt worden ist. Das gilt sowohl für das nackte Leben als auch für das gelungene Leben. In beiderlei Hinsicht sind wir dem Staat letztlich ausgeliefert. Der Staat kann gewiss keine allgemeine Glückseligkeit garantieren. Aber er kann für Bedingungen sorgen, unter denen Leben glücken können, und deshalb muss er Sozialstaat sein.
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Enders: Ich beginne mit der Frage nach dem Verhältnis von sozialer Sicherheit und sozialer Gerechtigkeit. Ich weiß nicht, ob sich diese Begriffe in ein klares und sie voneinander unterscheidendes Verhältnis setzen lassen. Nach meinem Eindruck ist soziale Sicherheit auch ein Stück sozialer Gerechtigkeit, weil die soziale Sicherheit es ermöglicht, eine Rechtsstellung, die im Begriff der Freiheit und Gleichheit angelegt ist, auch wirklich zu leben. Man würde es als ungerecht empfinden, wenn einzelne Mitmenschen einfach ausgeschlossen wären aus der Freiheitsentfaltung, mangels hinreichender sozialer Sicherheit. Soziale Gerechtigkeit mag aber – das habe ich auch versucht, in meinem Referat deutlich zu machen – da oder dort über das, was wir unter sozialer Sicherheit verstehen, und was ich sehr eng verbunden sehen würde mit dem Sozialstaatsbegriff in seiner historischen Komponente, noch hinausgehen. Es ist ja so, dass in der Entwicklung der Rechtsordnung – Herr Grimm hat darauf in verschiedenen Beiträgen hingewiesen – das bürgerliche Recht in Deutschland als gesellschaftliche Grundordnung im Großen und Ganzen unangetastet blieb, und dass es nur verschiedentlich Eingriffe gab zu Lasten der Vertragsautonomie und zu Gunsten der (wirtschaftlich) Benachteiligten, also vor allem der Arbeitnehmer. Schon mit der Preußischen Gewerbeordnung von 1845 beginnt dies und setzt sich dann fort in der Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Reiches von 1869/1871. Heute sehen wir verstärkt derartige Entwicklungen vor sich gehen, in dem Sinne, dass wir sagen, materielle Gerechtigkeit erfordert eben ein Einschreiten des Gesetzgebers zu Gunsten der gesellschaftlich Benachteiligten oder ein Einschreiten des Bundesverfassungsgerichts, wenn die Gesetzgebung untätig bleibt. Und dabei geht es um mehr als nur um soziale Sicherheit. Wenn wir bei der Unterscheidung der Begriffe sind – vielleicht habe ich zu stark gleichgesetzt den Sozialleistungsstaat mit dem Sozialstaat, was Herr Zacher eingewendet hat. Ich kann mich an dieser Stelle nur darauf zurückziehen, dass in der Geschichte der Entstehung des Sozialstaates er vor allem als Sozialleistungsstaat – Leistung im unmittelbaren Sinne, Garantie des Existenzminimums oder auch Schaffung weitergehender sozialer Sicherheit – in Erscheinung getreten ist. Wenn mit dem Einwand gemeint sein sollte, dass natürlich der Mensch ein soziales Wesen ist, und dass auch das in unserer Rechtsordnung zum Ausdruck kommt, wie zum Beispiel in den Gesetzesvorbehalten, nicht zuletzt im erwähnten Art. 14 Abs. 2 GG, „Sozialbindung des Eigentums“, dann scheint mir doch, dass zum einen das mehr auf die Grenzen in Gestalt einer sozialen Einbeziehung – im Sinne von Grenzen der Freiheit – gemünzt ist. Insoweit geht es um nichts anderes als die selbstverständlichen Freiheitsschranken, wie sie auch Art. 2 Abs. 1 GG normiert. Im Übrigen zielt dies auf ein bestimmtes
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Menschenbild, aber auch dieses Menschenbild vom Menschen als gemeinschaftsgebundener und -bezogener Person hat das Bundesverfassungsgericht genutzt, wie wir alle wissen, um Grenzen der Freiheit zu rechtfertigen und zu sagen: Es muss stets ein Rest an Freiheit bleiben, aber im Übrigen müssen Freiheitsbeschränkungen im Interesse des Gemeinwohls hingenommen werden. Ich will noch auf den wichtigen Punkt der Grundrechte und ihrer Stärke oder Schwäche eingehen. Zunächst einmal, Herr Hase, die Grundthese, die Sie aufgestellt haben, dass soziale Sicherung originär eine Sache des Einzelnen sei, die würde ich – wenn wir vom Sozialstaat und seiner Geschichte sprechen – einfach bestreiten. Natürlich, prinzipiell liegt es bei jedem Einzelnen, sich um seinen Unterhalt zu kümmern, aber die andere Seite lässt sich genausowenig bestreiten, dass es seit dem Mittelalter ein feststehender Grundsatz war, dass die Ärmsten von der Gemeinschaft erhalten wurden, wenn sie das nicht selbst leisten konnten. Jedenfalls ist diese Fürsorge, aus der dann die Armenfürsorge und später die Sozialhilfe wurde, bereits vor den Zeiten des beginnenden Rechtsstaates im Staatszweck verankert. Sie oblag in der Regel den Gemeinden – wie bereits im Preußischen Allgemeinen Landrecht nachzulesen – unter Aufsicht des Staates. Es gibt also – das auch zu Herrn Volkmann – dieses Nebeneinander durchaus und von Anfang an. Und das mag auch eine Legitimation dafür gewesen sein, wenigstens den Begriff des Sozialstaats im Sozialstaatsgrundsatz hineinzunehmen in das Grundgesetz. Bieten die Grundrechte hinreichend Widerstand gegen entsprechende Inanspruchnahmen? Ich möchte darauf hinweisen, dass das, was ich Ihnen vorgetragen habe, zunächst einmal diagnostisch gemeint war. Verfolgt man die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dann sieht man, dass die Grundrechte gegenüber dem Sozialstaat wenig widerstandskräftig sind, sondern in der Regel nachgeben. Natürlich ist die zweite Frage dann, ist das gerechtfertigt, lässt sich das auch halten, und darauf ging ja auch die These von Herrn Isensee. Zur Klarstellung: Die Frage nach den Schutzpflichten. Meines Erachtens – das hatte ich jedenfalls angedeutet – gibt es, wenn überhaupt, nur eine rechtsstaatliche Schutzpflicht, nämlich eine grundrechtliche Pflicht des Staates zum Schutz vor Eingriffen Dritter in die Rechtssphäre, also vor Rechtsverletzungen. Das hat damit zu tun, dass Art. 1 GG auf den allgemeinen Rechtsanspruch des Menschen zielt, und die Grundrechte detailliert diese Rechtssphäre schützen. Sie schützen daher nicht allgemein vor Naturkatastrophen oder Ähnlichem. Wenn mir eine Naturkatastrophe zustößt – oder was man sonst alles unter „Wechselfälle des Lebens“ fassen würde – ist das keine Beleidigung meiner Menschenwürde. Das ist einfach die Natur, mit der ich mich eben auch auseinandersetzen muss. Deswegen nur eine rechtsstaatliche Schutzpflicht,
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eine sozialstaatliche Schutzpflicht kann aus den Grundrechten nicht hervorgehen. Deswegen halte ich auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, mit dem das Bundesverfassungsgericht Privatrechtsverträge korrigiert, für in sich widersprüchlich, weil hier nämlich aus den Grundrechten, die sich doch gerade nur auf die abstrakte Freiheit und Gleichheit des Menschen beziehen, Schlussfolgerungen für die tatsächliche Gleichstellung unmittelbar gezogen werden und so mit Hilfe der Grundrechte der Sozialstaatsgrundsatz angereichert wird. Im Ergebnis bleibt der Sozialstaatsgrundsatz ein Argument der Rechtfertigung von Freiheitseingriffen, das mit seiner Weite und vor allem in der Tendenz zur umfassenden Solidarisierung der Betroffenen kaum begrenzbar ist, und ich meine, dass eben das die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch belegt. Ich sehe, wir sind nun wohl auch am Ende der sieben Minuten angekommen. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Enders! Es ging nicht um die sieben Minuten, es geht darum, dass es exakt auf die Sekunde 12:45 Uhr ist und wir damit zum Tagesordnungspunkt „Mittagspause“ kommen. Wir danken aber vorher den beiden Referenten sehr herzlich für zwei vorzügliche und grundlegende Referate und den Teilnehmern für eine sehr konzise Diskussion.
Die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme
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Zweiter Beratungsgegenstand:
Die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme 1. Bericht von Prof. Dr. Rainer Pitschas, Speyer Inhalt Seite
I.
II.
Sicherheit durch soziale Sicherung . . . . . . . . . . . . . . 1. Soziale Sicherung als Gewährleistung sozialer Sicherheit durch Risikoschutz und Sozialversicherung . . . . . . . . 2. Sozialstaatlichkeit als Tragpfeiler solidarischer Sicherheitsvorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das verfassungsrechtliche Freiheitsprinzip als Grund und Grenze des Sozialstaats . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vertrauen in soziale Sicherung: Das Verfassungsprinzip „Sicherheit“ . . . . . . . . . . . . a) „Sicherheit“ als Verfassungsprinzip . . . . . . . . . . b) Vertrauensstabilisierung als Schutzauftrag . . . . . . . c) Enttäuschtes Vertrauen als Legitimationsproblem . . 5. Zukunftsentscheidungen über soziale Sicherung im strukturellen Abwägungsspielraum . . . . . . . . . . . . Herkunft und Entwicklungslinien der sozialen Sicherungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Eintritt des Staates in die Verantwortung für soziale Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Institutionelle Ausdifferenzierung und Strukturmerkmale der Sozialversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Soziale Sicherung zwischen Reformkontinuität und Veränderungsdynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Erweiterungstendenzen der Sozialversicherung im ausgehenden 20. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Wohlfahrtsstaatliche Beharrungstendenzen . . . . . . . . 6. Aktuelle Modernisierungsansätze im 21. Jahrhundert . . a) Gesetzliche Rentenversicherung . . . . . . . . . . . . b) Gesetzliche Krankenversicherung . . . . . . . . . . . c) Arbeitsmarktregulierung und Grundsicherung für Arbeitsuchende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. 111 . 111 . 112 . 112 . . . .
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. 115 . 116 . 116 .
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. 118 . . . . .
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. 123
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Rainer Pitschas
III. Strukturelle Fehlentwicklungen und Veränderungszwänge 1. Defizite bisheriger Modernisierungsansätze . . . . . . 2. Strukturelle Fehlentwicklungen . . . . . . . . . . . . . 3. Vordringliche Modernisierungszwänge . . . . . . . . . IV. Auf dem Weg zu einer neuen Architektur der sozialen Sicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Dominierende Ziele und Konzeptionen . . . . . . . . 2. „Pfadabhängige“ und „systemverändernde“ Modernisierungsentwürfe . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Soziale Sicherung in Privatrechtsformen . . . . . . . . 4. „Bürgerversicherung“ und „Gesundheitsprämie“ . . . V. Verfassungs- und europarechtlicher Rahmen für Modernisierungsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . 1. Modernisierung im Gehäuse des Rechts . . . . . . . . 2. Die Verfassung als Leitbild und Rahmenordnung . . . 3. Verfassungsschutz gegen Systemwechsel? . . . . . . . 4. Vertrauensschutz als „Maßstabsreserve“ . . . . . . . . 5. Sozialversicherung als „Volksversicherung“ . . . . . .
. . . .
. . . .
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. . . .
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Die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme
I.
Sicherheit durch soziale Sicherung
1.
Soziale Sicherung als Gewährleistung sozialer Sicherheit durch Risikoschutz und Sozialversicherung
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Sozialer Schutz gegenüber jenen Wechselfällen des Lebens, die infolge von Krankheit, Unfall und Invalidität, Alter, Tod, Arbeitslosigkeit oder Pflegebedürftigkeit mit dem Verlust des Einkommens bzw. des Unterhalts, aber auch mit besonderen Aufwendungen des Betroffenen oder Hinterbliebenen zu ihrer Abwendung verbunden sind, ist dem Grundgesetz selbstverständlich. Er wird ergänzend zur individuellen Eigenvorsorge der Bürger gesondert dafür geschaffenen öffentlich-rechtlichen Sicherungssystemen anvertraut. Deren Errichtung und solidarische Ausgestaltung hat das BVerfG als Verantwortung, Aufgabe und Pflicht des demokratischen und sozialen Rechtsstaats gekennzeichnet.1 Die institutionalisierte soziale Sicherung will den darin einbezogenen Bürgern im „sozialen Bundesstaat“ ein Grundmaß rechtsstaatlich geprägter sowie demokratisch legitimierter „sozialer Sicherheit“ vermitteln. Ihr Schutz umfasst von Verfassungs wegen den Auftrag, in Gestalt der Sozialversicherung, Entschädigungs- sowie Hilfs- und Förderungssysteme struktur- und funktionsgerechte Institutionen des allgemeinen Gesundheitsschutzes 2 sowie des Schutzes abhängiger Arbeit unter Beachtung der entsprechenden Arbeitgeberverantwortung zu errichten.3 Für die Renten- und Unfallversicherung ist dem Gesetzgeber aufgegeben, das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes zu konkretisieren.4 Gleiches gilt für die Pflegeversicherung, auch wenn diese als eine „Volksversicherung“ mit der Einbeziehung der gesamten Bevölkerung sowie unter Verwendung von privatrechtlichen Elementen die vertrauten Pfade der klassischen Sozialversicherung verlassen hat.5 1 T. Kingreen Das Sozialstaatsprinzip im europäischen Verfassungsverbund, 2003, 125; R. Pitschas FS 50 Jahre BVerfG, Bd. II, 2001, 828 (831 f.); H. F. Zacher HStR II, 3. Aufl. 2004, § 28 Rn. 43, 109 ff., 118. 2 BVerfGE 40, 65 (56); 68, 193 (209); K.-J. Bieback Verfassungsrechtlicher Schutz gegen Abbau und Umstrukturierung von Sozialleistungen, 1997, 34; „offener“ dagegen C. F. Gethmann/W. Gerok/H. Helmchen/K.-D. Henke/J. Mittelstraß/E. Schmidt-Aßmann/G. Stock/ J. Taupitz/F. Thiele Gesundheit nach Maß?, 2004, 170; zum „sozialen Bundesstaat“ s. nur H. F. Zacher FS Schmitt Glaeser, 2003, 199 ff.; R. Pitschas Kommunale Sozialpolitik, in: v. Maydell/Ruland (Hrsg.) Sozialrechtshandbuch (SRH), 3. Aufl. 2003, C. 24 Rn. 11 ff., 14 ff. 3 BVerfGE 51, 115 (125). 4 BVerfGE 10, 354 (369); 18, 257 (268, 270 f.); 98, 1 (16); zur Unfallversicherung s. ferner BVerfGE 45, 376 (387). 5 BVerfGE 103, 197 (221).
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Rainer Pitschas
2.
Sozialstaatlichkeit als Tragpfeiler solidarischer Sicherheitsvorsorge
„Sicherheit“ durch soziale Vorsorge zu garantieren, ist eine materielle Kernaufgabe des Verfassungsstaates.6 Der tragende Grund hierfür liegt in der zu achtenden und zu schützenden Würde des Menschen, die soziale Gleichheit einfordert und soziale Gerechtigkeit herbeizuführen verlangt. In besonderem Maße gebietet es das soziale Staatsziel, Ungleichheiten zwischen den Menschen auszugleichen.7 Der Sozialstaatlichkeit erfließen daher mit den Wertentscheidungen für Solidarität, sozialen Ausgleich und soziale Gerechtigkeit zeitlose Leitlinien des staatlichen Handelns auch für die künftige Ausgestaltung der sozialen Sicherung:8 Weder darf sich der soziale Rechtstaat in Zukunft auf eine radikale Wohlfahrtsdistanzierung zurückziehen („Minimalstaat“), noch bei der Förderung individueller Sozialverantwortung ausschließlich auf das Wirken staatsfreier Marktkräfte vertrauen.9 Das Sozialstaatsprinzip übernimmt somit eine wesentliche nationalstaatliche Steuerungsfunktion für die solidarische Sicherheitsvorsorge und insbesondere die mediatisierende Sozialversicherung. Mit dieser Funktion steht es in einem europäischen Verfassungsverbund aus den mitgliedstaatlichen Verfassungen, dem Unionsvertrag und dem Verfassungsentwurf des Europäischen Konvents. Aus der dadurch konstituierten „europäisierten“ Sozialordnung schält sich soziale Sicherheit als gemeinsames Zukunftsprojekt des werdenden europäischen Sozialstaats heraus. 3.
Das verfassungsrechtliche Freiheitsprinzip als Grund und Grenze des Sozialstaats
Das Sozialstaatsgebot trifft auf die grundrechtlichen Freiheitsgarantien dort, wo es für die Bürger verbindliche Sozialformen ihrer sozialen Sicherung konstituiert. So ist die Sozialversicherung weithin eine „Zwangsveranstaltung“, der gegenüber sich der Einzelne auf die Abwehrfunktion der Grundrechte berufen darf. Das von diesen in Stellung gebrachte Freiheitsversprechen verkörpert im Grundgesetz einen herausragenden Verfassungswert. Es begründet 6 K.-J. Bieback VSSR 2003, 1 (12); M. Burgi Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, 28ff.; H. P. Bull Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, 2. Aufl. 1977, 152 ff.; T. Kingreen (Fn. 1), 108, 113. 7 BVerfGE 35, 348 (356). 8 Vgl. nur BVerfGE 18, 257 (273); 29, 221 (235); 59, 231 (263); 69, 272 (314); 82, 60 (80); 103, 197 (221). 9 R. Jaeger Welches System der gesetzlichen Krankenversicherung wird durch das Grundgesetz geschützt?, in: Empter/Sodan (Hrsg.) Markt und Regulierung. Rechtliche Perspektiven für eine Reform der gesetzlichen Krankenversicherung, 2003, 15 (21 f.).
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die staatliche Ordnung als Freiheitsordnung.10 In dieser gewährleistet die Garantie der freien Entfaltung der Persönlichkeit für den Einzelnen dessen Pflicht und Befugnis, eigenständig für sozialen Risikoschutz zu sorgen.11 In objektiv-rechtlicher Wendung entspricht dem bis zu einem gewissen Ausmaß die Verpflichtung zu individueller Vorsorge durch Versicherung und Vermögensbildung.12 Gegenüber dieser freiheitsrechtlich zugewiesenen Sozialverantwortung tritt Sozialstaatlichkeit zurück. Entsprechend bestimmt sich das Ausmaß sozialer Solidarität neu.13 Der in diesem Sinne subsidiäre bzw. „freiheitliche“ Sozialstaat14 muss auf Monopolbildung bei der sozialen Sicherung verzichten. Er hat dagegen in jenen Fällen aktiv zu werden, in denen Bürger nicht selbst für ausreichende soziale Sicherheit sorgen können. Dann gebietet das Sozialstaatsprinzip staatliches Eingreifen. Zugleich gibt in diesen Fällen das Freiheitsprinzip selbst das Feld für staatlichen Sozialschutz frei. Denn Freiheit zu behaupten, setzt individuelle Vorsorgefähigkeit und strukturell die Möglichkeit zur eigenständigen Absicherung von sozialen Risiken, z. B. durch berufliche Erwerbstätigkeit, voraus.15 Das Freiheitsprinzip ist aus dieser Perspektive sowohl Grund als auch Grenze des Sozialstaats. 4.
Vertrauen in soziale Sicherung: Das Verfassungsprinzip „Sicherheit“
a)
„Sicherheit“ als Verfassungsprinzip
Der freiheitsdirigierte Sozialstaat bedarf für sein erfolgreiches Wirken einer Reihe ökonomischer und anderer Voraussetzungen, deren Existenz er selbst nicht auf Dauer garantieren kann. Soziale Sicherung unterliegt daher zwangsläufig wiederkehrender Revision. Anspruchsrechtlich geronnene Sozialstaatlichkeit braucht jedoch ebenfalls Gewissheit. Die Antwort auf die Frage, wie sicher ist Sozialversicherung und wie ist sie auch 10 Dazu näher mwN R. Gröschner HStR II , 3. Aufl. 2004, § 23 Rn. 50ff.; K. Hesse Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rn. 72. 11 H. Braun Selbstverantwortung in der Solidargemeinschaft. Das Recht der sozialen Sicherheit und der Verantwortungswille des Bürger, 1981; vom „Primat der Selbstverantwortung“ spricht H. F. Zacher (Fn. 1), Rn. 33. 12 W. Brugger Gewährleistung von Freiheit und Sicherheit im Lichte unterschiedlicher Staats- und Verfassungsverständnisse, VVDStRL 63 (2004), 101 (126, 131 mit Fn. 170); H. F. Zacher (Fn. 1), Rn. 50 mit Fn. 275; R. Pitschas (Fn. 1), 829f. 13 F. Hase Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, 2000, 304ff., 339; T. Kingreen (Fn. 1), 258ff. 14 Zum „subsidiären“ Sozialstaat siehe bereits R. Pitschas FS Zacher, 1998, 755 (763 ff.); mit dem „freiheitliche(n) Sozialstaat“ setzt sich T. Kingreen (Fn. 1), 121 ff., auseinander. 15 W. Brugger (Fn. 12), 131; T. Kingreen (Fn. 1), 128 ff.; R. Pitschas (Fn. 14), 762.
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unter diesem Vorzeichen zukünftig zu entwickeln, gibt das Grundgesetz mit dem Verfassungsprinzip Sicherheit. Dieses schützt als verfassungsintegriertes (aber ungeschriebenes) Staatsziel,16 das über „Rechtssicherheit“ als zeitlosen Staatszweck hinausweist,17 sowohl das Systemvertrauen in den Fortbestand der Ansprüche auf soziale Sicherheit als auch die individuellen Bestandserwartungen in die soziale Sicherung.18 b)
Vertrauensstabilisierung als Schutzauftrag
Sicherheit als Verfassungsprinzip ist allerdings nicht unmittelbar subsumtionsfähig. Die gebotene operative Umsetzung sieht sich einerseits den tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten der je einschlägigen freiheitsrechtlichen, kompetenziellen und organisationsrechtlichen Komplementärmaßgaben des Grundgesetzes verbunden. Dabei und andererseits impliziert das Verfassungsprinzip im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Pflicht des sozialen Rechtsstaats, im Verlauf der „sozialen Realisation“ (E. Forsthoff) die Gewissheit und das Vertrauen gegenüber staatlichen Sicherheitszusagen zu stabilisieren und damit delegitimierende Erwartungsenttäuschungen von Verfassungs wegen zu begrenzen.19 Abrupte Systemwechsel haben deshalb in der sozialen Sicherung keinen Platz.20 c)
Enttäuschtes Vertrauen als Legitimationsproblem
Die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme in den Blick zu nehmen meint, sich über ihre Ausgestaltung und Struktur in der uns vorausliegenden Zeit zu vergewissern. Dafür sind neben den ökonomischen, demografischen und politischen Rahmenbedingungen die jeweils maßgeblichen Grundkonzeptionen und Leitziele sowie deren verfassungs-
16 Näher dazu und mwN W. Brugger (Fn. 12), 129ff.; ders. Freiheit und Sicherheit, 2004, 52ff.; C. Gusy Gewährleistung von Freiheit und Sicherheit im Lichte unterschiedlicher Staats- und Verfassungsverständnisse, VVDStRL 63 (2004), 151 (156ff., 162ff., 164f.). 17 Anders K.-P. Sommermann Staatsziele und Staatszielbestimmungen, 1997, 3 ff. und öfter. 18 Im Einzelnen findet sich diese Position begründet bei R. Pitschas „Schutzstaat“ oder Sicherheit als gesellschaftlicher Mehr-Wert? Staatliche Integration als nationaler Wertekonflikt, in: Kreyher/Böhret (Hrsg.) Gesellschaft im Übergang, 1995, 57 (61 f., 63ff.); Bezug genommen wird dabei auf F.-X. Kaufmann Sicherheit als soziologisches und sozialpolitisches Problem, 1970. 19 Zu diesem „notwendigen Ergänzungsverhältnis“ s. auch C. Gusy (Fn. 16), 162. 20 Zu diesem Ergebnis kommt, von einem anderen Ausgangspunkt her („Systemgerechtigkeit“), auch H.-J. Papier Der Einfluss des Verfassungsrechts auf das Sozialrecht, in: v. Maydell/Ruland (Hrsg.) Sozialrechtshandbuch (SRH), 3. Aufl. 2003, A. 3 Rn. 94 f. („Systemwahrungsgebot“).
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rechtlicher Rahmen von dirigierender Kraft.21 Die weitgehende „Pfadabhängigkeit“ aller Strukturmodernisierung der sozialen Sicherung sowie die Komplexität der Modernisierungsaufgabe mahnen allerdings ebenso zu Bescheidenheit22 wie die divergierenden Sicherheitserwartungen, die sich als gesellschaftlicher Wertungskonflikt offenbaren.23 Denn in unserer Gesellschaft besteht ein tiefgreifender prinzipieller Gegensatz zwischen denen und insbesondere Familien, die auf „staatliche“ Sicherheit vertrauen (dürfen) und diese Gewissheit an den Staat adressieren (Stichwort: „Montagsdemonstrationen“), sowie jenen, die oftmals – bei beruhigendem eigenen Einkommen – für die soziale Sicherung auf strukturelle Änderungen plädieren und die soziale Eigenvorsorge „fördern und fordern“ wollen. Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe („Hartz IV“) hat diesen Konflikt verschärft.24 Durch sie entsteht ein Legitimationsproblem für die Zukunft der sozialen Sicherung. Denn deren Akzeptanz gründet auf der Verlässlichkeit ihrer Institutionen und der Gewissheit von Rendite.25 Fehlgeschlagene Erwartungen wie hier enttäuschen dagegen, weil gerade die freiheitliche Vorsorgeinvestition verloren geht. 5.
Zukunftsentscheidungen über soziale Sicherung im strukturellen Abwägungsspielraum
Vor diesem Hintergrund setzt das Verfassungsprinzip „Sicherheit“ einem beliebig flexiblen Sozialschutz durch den Staat Grenzen. Es will die Erwartungsenttäuschung vermeiden – ohne freilich ein „soziales Rückschrittsverbot“ in der Verfassung zu verankern.26 Vielmehr schlägt sich die 21 Ebenso C. F. Gethmann/W. Gerok/H. Helmchen/K.-D. Henke/J. Mittelstraß/ E. Schmidt-Aßmann/G. Stock/J. Taupitz/F. Thiele (Fn. 2), 146, 171, für die Gestaltung des Gesundheitssystems; vgl. ferner R. Scholz/R. Pitschas FS 25 Jahre BSG, Bd. II, 1979, 627 (635ff., 642ff.), zu den Strukturprinzipien „verfassungsmäßiger Sozialordnung“ und zur „grundgesetzlichen Sozialverfassung“; s. überdies R. P. Schenke Die Verwaltung 37 (2004), 475 (478 ff., 482ff.). 22 S. Fisch/U. Haerendel Einleitung, in: dies. (Hrsg.) Geschichte und Gegenwart der Rentenversicherung in Deutschland, 2000, 11 (16 f., 20). 23 R. Pitschas (Fn. 18), 63f. 24 Vgl. nur A. Brühl info also 2004, 104 ff. mwN. 25 So aus ökonomischer Perspektive auch G. Färber Zur Äquivalenz von Beiträgen und Leistungen in der gesetzlichen Rentenversicherung, in: Fisch/Haerendel (Hrsg.) Geschichte und Gegenwart der Rentenversicherung in Deutschland, 2000, 333 (334f., 339f.); juristisch hebt H.-J. Papier (Fn. 20), Rn. 41, die Erstreckung des grundrechtlichen Eigentumsschutzes (Art. 14 GG) auf die „Verzinsung“ der „angesparten Beitragsmittel“ hervor. 26 Wie es R.-U. Schlenker Soziales Rücktrittsverbot und Grundgesetz, 1986, passim, postuliert.
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staatliche Verpflichtung zur Gewährleistung erworbener sozialer Sicherungsansprüche als relationaler Staatszweck der Vertrauensstabilisierung in einem strukturellen Abwägungsspielraum für den Gesetzgeber nieder.27 In dessen Prägung legt das Sicherheitsprinzip – anders als das rechtsstaatlich und grundrechtlich begründete Vertrauensschutzprinzip – gröbere Einstufungen darüber fest, welche Systemänderungen das Grundgesetz für die Zukunftsgestaltung der sozialen Sicherung zulässt. Es ermöglicht zugleich tiefergehende Skalierungen.28 So besteht z.B. eine Skala aus der Alternative, künftige Sicherungskonzepte über die Logik der gegebenen Sicherungssysteme hinauszuführen oder aber anzustreben, Lösungen für die zukünftige soziale Sicherung in der bisherigen Logik des Gesamtsystems „Sozialversicherung“ zu belassen. Für das Letztere streitet das Verfassungsprinzip „Sicherheit“. Im Hinblick auf das Vertrauen der Bürger in die Institutionen der sozialen Sicherung sollte daher ein Systemwechsel nur im äußersten Fall in Betracht kommen.29 Die zweistufige Skalierung ließe sich durch eine Zwischenstufe der inkrementalen Systemveränderung unter Reaktion auf die Herausforderungen an das jeweilige soziale Sicherungssystem erweitern, wie dies z.B. in der Rentenversicherung mit der Einführung der sogenannten Riester-Rente versucht worden ist.30 Darin liegt die Idee einer „weichen“ Modernisierung.
II.
Herkunft und Entwicklungslinien der sozialen Sicherungssysteme
1.
Der Eintritt des Staates in die Verantwortung für soziale Risiken
Die prinzipielle und kategoriale Vor-Bestimmtheit der Auseinandersetzung über die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme in Deutschland als Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) und namentlich die innere Bindung strukturumwälzender Veränderungsoptionen an das Sicherheitsund Freiheitsprinzip lassen die Schwierigkeiten (verfassungs-)rechtlicher Rahmensetzung für Modernisierungsentscheidungen sowie die Dynamik 27 Hierzu umfassend R. Alexy Verfassungsrecht und einfaches Recht – Verfassungsgerichtsbarkeit und Fachgerichtsbarkeit, VVDStRL 61 (2002), 7 (18 ff., 22f. mit Fn. 88). 28 Vgl. R. Alexy (Fn. 27), 20; die gegebene Skala erleichtert rationale Urteile über Eingriffsintensitäten und Wichtigkeitsgrade bei der Abwägung, vgl. ebenda, 20. 29 Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht ebenso W. Schmähl Entwicklungstendenzen der deutschen Alterssicherung im internationalen Vergleich. Jüngere Erfahrungen und Perspektiven für die Zukunft, in: Fisch/Haerendel (Hrsg.) Geschichte und Gegenwart der Rentenversicherung in Deutschland, 2000, 351 (361). 30 Altersvermögensergänzungsgesetz vom 31. März 2001 ( BGBl I 403); Altersvermögensgesetz vom 26. Juni 2001 (BGBl I 1310); K. Hessert VSSR 2002, 129 (154 ff.); F. Ruland NZS 2002, 505 (506ff.).
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ahnen, der die Entwicklung sozialer Sicherheit in der Austarierung von sozialer Eigenverantwortung, wohlfahrtsstaatlicher Vorsorge und Vertrauensschutz in staatliche Sicherheitsversprechen unterliegt. Deshalb gibt es kein Zukunftskonzept, das ohne verfassungsrechtliche Risiken wäre. Erkennbar wird zugleich die aller Modernisierung von sozialer Sicherung innewohnende Legitimationsproblematik, die bereits die Herkunft und die frühere Entwicklung der sozialen Sicherung in Deutschland kennzeichnet.31 Aus dieser lässt sich denn auch für Zukunftsentscheidungen über soziale Sicherung lernen.32 Der insoweit für uns wesentliche Zeitraum mit der Wende zu einem bedarfsstrukturierten modernen Sozialrecht findet sich in der historischen Phase der Bismarckschen Sozialversicherungsgesetzgebung. Mit ihr trat erstmalig ein relativ geschlossenes Prinzip sozialer Sicherung auf den Plan. Der Staat übernahm Verantwortung für soziale Risiken, denen seine Bürger ausgesetzt waren. Damit wurde die Grundrichtung eines neuen „Pfades“ vorgegeben, der sich in der Ausgestaltung der initiierten Sozialversicherung von Anfang an vornehmlich an den spezifischen sozialen Risiken der Industriearbeiterschaft orientierte.33 2.
Institutionelle Ausdifferenzierung und Strukturmerkmale der Sozialversicherung
Die zentralen Strukturmerkmale dieser Grundausrichtung lagen zum einen in der Formenwahl einer Versicherung, die dem Grundsatz nach als Pflichtversicherung öffentlich-rechtlich organisiert war. Sie stand auf der Grundlage einer Selbstverwaltung mit staatlicher Aufsicht. Die vorgesehenen Leistungen wurden durch Beiträge finanziert, die Arbeiter und Arbeitgeber gemeinsam aufbrachten. In der Rentenversicherung war zudem ein Staatszuschuss vorgesehen. Sollte sich das versicherte Risiko verwirklichen, hatte der Berechtigte in einem speziellen Verwaltungsverfahren seinen Leistungsanspruch durchzusetzen.34 Alle diese Kriterien prägen die Sozialversicherung noch heute. Dies gilt insbesondere für die Krankenversicherung, die ehedem auf dem Kran31 Dazu und für die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg s. etwa H. G. Hockerts Sozialpolitische Entscheidungen im Nachkriegsdeutschland. Alliierte und deutsche Sozialversicherungspolitik 1945 bis 1957, 1980, insbesondere 413 ff. 32 In diesem Sinne äußert sich zu „Langzeitperspektiven der sozialen Sicherung“ differenziert M. Stolleis Geschichte des Sozialrechts in Deutschland, 2003, 321 ff.; zur Legitimationsproblematik ebenda, 326, 331. 33 Vgl. S. Fisch/U. Haerendel (Fn. 22), 16. 34 Näher hierzu R. Waltermann Sozialrecht, 4. Aufl. 2004, Rn. 46; zur Ausdeutung dieser Verantwortungsübernahme s. M. Stolleis (Fn. 32), 52ff.
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kenversicherungsgesetz vom 15. Juni 188335 beruhte, für die gesetzliche Unfallversicherung vom 6. Juli 188436 sowie für die Invaliditäts- und Altersversicherung vom 22. Juni 188937. Das Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung wurde erst am 16. Juli 1927 vom Reichstag verabschiedet; es trat am 1. Oktober 1927 in Kraft.38 Selbstverständlich hat es seitdem partielle Veränderungen in Struktur, Finanzierung, Leistungserbringung und Organisation der Sicherungssysteme gegeben. Vor allem ist auf den Bundeszuschuss als Finanzierungsinstrument in der Sozialversicherung aufmerksam zu machen.39 Die Grundstrukturen entsprechen aber auch heute noch denen in den ursprünglichen Modellen; nur die Pflegeversicherung ist anderen Zuschnitts.40 Zugleich wird an der Kranken-, Unfall- sowie Alters- und Invaliditätsversicherung jener Tage die Grundstruktur der Sozialversicherung allgemein erkennbar. 3.
Soziale Sicherung zwischen Reformkontinuität und Veränderungsdynamik
Von einer durchgehenden „Pfadabhängigkeit“ der Entwicklung sozialer Sicherung in Deutschland sollte gleichwohl nicht die Rede sein. Darauf gestützte Annahmen oder auch Analysekonzepte verführen nur dazu, mit den gegenwärtig bestehenden Systemen der sozialen Sicherung vor allem den Eindruck zu verbinden, dass sie immer noch unverändert den Strukturen und Systemimperativen der ehemals geschaffenen Sicherungssysteme treu geblieben wären. Das aber ist gerade nicht der Fall. Im Gegenteil lässt sich der mehr als hundertjährigen Entwicklungsgeschichte der sozialen Sicherungssysteme seit der Kaiserlichen Botschaft vom 17. November 1881 und der anschließenden Ausformung der genannten Sozialversicherungsgesetze eine prozess- und strukturbetonte Veränderungsdyna35 RGBl 73; Einzelheiten bei G. Wannagat Lehrbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. I, 1965, 64ff. 36 RGBl 69; s. wiederum G. Wannagat (Fn. 35), 66ff. 37 RGBl 97; das Gesetz trat am 1. Januar 1891 in Kraft, vgl. R. Waltermann (Fn. 34), Rn. 49. 38 RGBl I 187; zur Entstehung des Gesetzes s. V. Hentschel Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1880–1980, 1983, 110 f.; seine weitere Entwicklung zum Instrument einer pluralen Vielfachsteuerung des Arbeitsmarktes in Gestalt des Arbeitsförderungsgesetzes vom 25. Juni 1969 (BGBl I 582), zeichnet nach R. Pitschas FS Morsey, 1992, 545 (553ff., 560 ff.). 39 Dazu eingehend H. Butzer Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, besonders 307 ff.; die einzelnen Zuwendungen des Bundes an die Sozialversicherungszweige sind besonders gewichtig im Bereich der Rentenversicherung, der Bundesagentur für Arbeit sowie in allen Zweigen der landwirtschaftlichen Sozialversicherung, vgl. ebenda, 308. 40 Vgl. hierzu den Überblick bei B. Schulin/G. Igl Sozialrecht, 7. Aufl. 2002, 162 ff.
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mik, mitunter sogar – wie in der gesetzlichen Rentenversicherung – eine „radikale Veränderung des alten Systems“ entnehmen.41 In diese Veränderungsdynamik ist die Zukunft unserer sozialen Sicherung eingewoben. Kontinuität und Innovation sind ihre Bausteine; deren Wechselbezüglichkeit verdeutlicht der Gang durch die Sozialgeschichte. Er macht nicht nur „augenscheinlich, dass auch die nicht zum Tragen gekommenen Alternativen“ – wie etwa der schon von Bismarck bevorzugte Gedanke einer steuerfinanzierten Staatsbürgerversorgung – „eine erhebliche Rolle“ bei Reformschritten spielten. Denn sie standen als Optionen zur Verfügung und wurden „in kritischen Momenten der Entwicklung neu diskutiert“.42 Deutlich wird auch und ferner, das schon immer die Notwendigkeit bestand, aktuell auftretende Sicherungslücken zu schließen und wiederholter Systemerneuerung als Reaktion auf den Druck ökonomischer und/oder sozialer Probleme hinreichend Raum zu geben.43 4.
Erweiterungstendenzen der Sozialversicherung im ausgehenden 20. Jahrhundert
Durchgehend war dies in der Rentenversicherung und in der Arbeitslosenversicherung der Fall, nach dem 2. Weltkrieg dann auch verstärkt in der GKV. In dem Maße, in dem in der Nachkriegszeit mit der sozialen Sicherung neben und jenseits der Garantie individueller Sozialvorsorge vielfältige ökonomische und meta-soziale Ziele bzw. Zwecke verfolgt worden sind, ist es sogar zu „Ausbrüchen“ aus der Eigenlogik einzelner Sicherungssysteme bzw. aus der Gesamtlogik der deutschen Sozialversicherung gekommen.44 Diese zielten darauf ab, sich nicht nur durch Beiträge aus der Erwerbsbevölkerung, sondern durch Heranziehung aller Staatsbürger zu finanzieren: Die Pflegeversicherung wurde in diesem
41 D. Döring Grundlinien der langfristigen Systementwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung – Personenkreis, Rentenformel, Finanzierung –, in: Fisch/Haerendel (Hrsg.) Geschichte und Gegenwart der Rentenversicherung in Deutschland, 2000, 169 (187); die Pfadabhängigkeit betont allerdings M. Stolleis (Fn. 32), 324. 42 S. Fisch/U. Haerendel (Fn. 22), 14. 43 Besonders aufschlussreich ist die Spiegelung dieser Erkenntnis in ausländischen Beobachtungen, vgl. etwa M. H. Geyer Von Europa lernen. Die amerikanische Alterssicherung und die Rezeption der europäischen Reformdebatten in den dreißiger Jahren, in: Fisch/Haerendel (Hrsg.) Geschichte und Gegenwart der Rentenversicherung in Deutschland, 2000, 271 ff. 44 Vgl. am Beispiel der Rentenversicherung D. Döring (Fn. 41), 178 ff.: „Schaffung des dynamischen Systems“.
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Sinne zum 1. Januar 1995 als eine „Volksversicherung“ geschaffen.45 Deren Verfassungsmäßigkeit ist heute unbestritten. Darüber hinaus hat das BVerfG richtigerweise zum Künstlersozialversicherungsgesetz von 1981 hervorgehoben, die Beschränkung auf Arbeitnehmer und auf eine Notlage gehöre nicht zum Wesen der „Sozialversicherung“. Diese könne auch durch eine Volks- bzw. Staatsbürgerversicherung durchgeführt werden.46 Fraglich ist allerdings, ob bei dieser Erweiterung des staatlichen Risikoschutzes – wie überhaupt in der Sozialversicherung – von einer „Versicherung“ gesprochen werden kann.47 Jedenfalls will die Beitragsfinanzierung unter paritätischer Beteiligung der Arbeitgeber an den „Versicherungsbeiträgen“ die „gemeinsame Deckung eines möglichen, in seiner Gesamtheit schätzbaren Bedarfs durch Verteilung auf eine organisierte Vielheit“ sicherstellen, wie das BVerfG hervorhebt.48 Das Kennzeichen dieser Verknüpfung von Bedarfen und Leistungen ist die Teilhabeäquivalenz, bezogen auf die Versicherungsleistungen. In Abgrenzung gegenüber der Privatversicherung, die der „Individualäquivalenz“ verpflichtet ist,49 gestaltet also die Sozialversicherung ihre Leistungen unabhängig von dem individuellen Risiko. Ihre Finanzierung ist dabei von der Leistungsfähigkeit der Erwerbstätigen abhängig gestellt sowie auf die solidarische Aufbringung der Mittel verwiesen. Sie kann jedoch – und bleibt auch dann noch im Bild der „Sozialversicherung“ – über diesen Kreis der Beitragszahler hinausgehen. Zwischenzeitliche Durchbrechungen der historischen Tradition von „Sozialversicherung“ ändern wiederum nichts daran, das diese den spezifischen Charakter des deutschen Sozialstaats nachhaltig geprägt hat. Allerdings beginnen mit dieser Erkenntnis die Zweifel in die Überlebensfähigkeit der heutigen sozialen Sicherungssysteme. Zwar schuf die Gesetzgebung des Kaiserreichs zum Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland ein völlig neues Prinzip sozialer Sicherheit, so dass Deutschland zum „Pionierland in der Entwicklung eines modernen Systems der sozialen
45 Sozialgesetzbuch ( SGB ) Elftes Buch (XI ) – Soziale Pflegeversicherung – vom 26. Mai 1994 (BGBl I 1014); zum Charakter als „Volksversicherung“ s. BVerfGE 103, 197 (221 ff.); 103, 225 (237); BSG, NZS 2000, 302. 46 BVerfGE 75, 108 (148 f.). 47 Zweifelnd K.-J. Bieback (Fn. 6), 20f.; ausführlich und bejahend im Sinne eines sozialrechtlichen Prinzips F. Hase (Fn. 13), 149 ff., 162 ff. 48 BVerfGE 11, 105 (113); 75, 108 (146 ff., 157); 78, 249 (267). 49 Zum Versicherungsprinzip und Äquivalenzverhältnis als Elementen von „Sozialversicherung“ und „Privatversicherung“ s. näher K.-J. Bieback (Fn. 6), 28ff.; R. Pitschas VSSR 2002, 187 (194 ff.); C. Rolfs Das Versicherungsprinzip im Sozialversicherungsrecht, 2000, 264ff.; minderen Wert messen dem Merkmal der Äquivalenz dagegen F. Hase (Fn. 13), 71 ff., und H. Butzer (Fn. 39), 197ff., zu.
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Sicherheit“ wurde.50 Doch stellt sich die Frage, ob im Anschluss an die Erweiterungstendenzen der Sozialversicherung im ausgehenden 20. Jahrhundert diese Auszeichnung am Beginn des 21. Jahrhunderts der Bundesrepublik Deutschland noch immer gebührt. 5.
Wohlfahrtsstaatliche Beharrungstendenzen
Die späten Entwicklungsphasen der Sicherungssysteme im 20. Jahrhundert lassen die Frage verneinen. Denn sie sind durch komplexe Verschmelzungsprozesse der Sozialleistungen sowie durch eine Tendenz gekennzeichnet, das Ausmaß sozialen Risikoschutzes noch zu erhöhen und die Systeme selbst durch vielfachen „Anbau“ neuer Regelungskomplexe, wie z.B. der Qualitätssicherung in der GKV, zu verfeinern. Insgesamt hat dies in den letzten zwei Jahrzehnten zu einer anhaltenden Juridifizierung, zu wachsender institutioneller Ausdifferenzierung aus Gründen der Spezialisierung, zum Ausbau solidarischer Fremdhilfe und zur Kollektivierung statt individuellen Eigenvorsorge geführt.51 Zugleich kommt es gegenwärtig zu einer ausgreifenden Betonung der Prävention in der sozialen Sicherung, namentlich in der GKV.52 Alles das bedeutet in der Summe den weiteren Ausbau des fürsorglichen Sozialstaates zum kostspieligen Wohlfahrtsstaat, mit dem ein entsprechendes Wachstum der Sozialbürokratie einhergeht. Dem entgegen ist die Ausgliederung von Ergänzungssystemen der betrieblichen Altersversorgung, landwirtschaftlicher sozialer Sicherung, berufständischer Alterssicherung, der Zusatzversorgung für Arbeiter und Angestellte im öffentlichen Dienst sowie privilegierter Zusatzsysteme wie etwa der Altersversorgung für Abgeordnete, nicht länger hinnehmbar. Die Sondersysteme sind aus Gründen der Effektivität und Effizienz sozialer Sicherung zu reduzieren und transparent in die Struktursystematik der Grundsysteme rückzugliedern. Veränderungen erfordert angesichts des Strukturwandels der Alterssicherung auch die systembedingte Trennung der betrieblichen Altersvorsorge von der gesetzlichen Rente.53 Im 50 G. A. Ritter Soziale Frage und Sozialpolitik in Deutschland seit Beginn des 19. Jahrhunderts, 1998, 28. 51 Zutreffende Beobachtung bei H. Bley/R. Kreikebohm/A. Marschner Sozialrecht, 8. Aufl. 2001, Rn. 23. 52 O. Seewald FS 50 Jahre BSG , 2004, 289 (290f., 291 ff.); U. Walter Gesundheitswesen 66 (2004), 69ff. mwN. 53 Der deutsche Gesetzgeber geht dagegen von der fortzuführenden „Zweigleisigkeit“ der Alterssicherung aus, nämlich in der gesetzlichen Rentenversicherung einerseits, der betrieblichen Altersvorsorge als freiwilliger ergänzender Vorsorge andererseits, vgl. Art. 8 Gesetz zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (Alterseinkünftegesetz – AltEinkG) vom 5. Juli
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Übrigen rufen die „Verschiebebahnhöfe“ in der Finanzierung der sozialen Sicherung mit der jeweiligen Quersubvention einzelner Sicherungssysteme durch andere – wie z. B. der Rentenversicherung durch die GKV – nach Abhilfe. Auch in Bezug hierauf steht eine Grundsatzrevision des geltenden Sozialgesetzbuchs an. 6.
Aktuelle Modernisierungsansätze im 21. Jahrhundert
Abhilfe ist freilich unterwegs. Zunehmend wird erkannt, dass die sozialen Sicherungssysteme der Entbürokratisierung, Deregulierung und Privatisierung bedürfen. Die Aufgabe, der sich der Gesetzgeber zukünftig vor allem gegenübersieht, ist freilich ungleich größer noch: Die gesamte Architektur der sozialen Sicherung verlangt angesichts der an sie gewendeten Herausforderungen am Beginn des 21. Jahrhunderts nach umfassender Erneuerung.54 Einen ersten Eindruck von den ins Haus stehenden unerlässlichen Systemänderungen gibt die sogenannte Agenda 2010 der Bundesregierung.55 Sie markiert den Beginn des programmatischen Umbaus der sozialen Sicherungssysteme in Deutschland. Ihre Ziele liegen u. a. im Rückschnitt des Wohlfahrtsstaates sowie in der Stärkung individueller Eigenverantwortung für die soziale Sicherung; sie will ferner die Wirtschaft von zu hohen Arbeitskosten entlasten und zugleich die Haushaltssanierung fördern. Ausfluss ihrer Konzeption sind gegenwärtig erste gesetzesförmige Modernisierungsschritte. a)
Gesetzliche Rentenversicherung
In der gesetzlichen Rentenversicherung ist hierzu an erster Stelle auf den Aufbau einer staatlich geförderten, freiwilligen und kapitalgedeckten pri-
2004 (BGBl I 1427). Zu Recht wird aber darauf aufmerksam gemacht, dass sich dieses „besonders komplexe System … auch europarechtlich bisweilen als hinderlich erweist“, und zwar für den Zugang zur Alterssicherung, vgl. H.-D. Steinmeyer Private und betriebliche Altersvorsorge zwischen Sicherheit und Selbstverantwortung, in: Ständige Deputation des Deutschten Juristentages (Hrsg.) Verhandlungen des 65. Deutschen Juristentages, Bd. I, 2004, F 81; der Verfasser widerrät indes einer grundsätzlichen Umgestaltung – sie würde „zusätzliche Verunsicherung der Bürger mit sich bringen“, ebenda, F 86. 54 Dazu aus sozialwissenschaftlicher und ökonomischer Perspektive die Beiträge in Evers (Hrsg.) Eine neue Architektur der Sozialen Sicherung in Deutschland?, ZSR 2004, Heft 1–2; aus rechtlicher Sicht M. Wallerath JZ 2004, 949ff. 55 Agenda 2010 – Innovation und Wachstum. Regierungserklärung von Bundeskanzler Schröder am 14. März 2003 vor dem Deutschen Bundestag, abrufbar unter: http:// www.bundesregierung.de/Politikthemen/Agenda-2010-,9768/Regierungserklaerung.htm (Stand: 9. November 2004).
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vaten oder betrieblichen Altersvorsorge hinzuweisen.56 Dem schließt sich das „Alterseinkünftegesetz“ zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von privaten Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen57 in der Folge der Rechtsprechung des BVerfG zur Besteuerung von Altersrenten an.58 Das Gesetz sieht zugleich die Ausdehnung der Einkommensanrechnung in der Rentnerkrankenversicherung vor,59 was beträchtliche Vertrauensschutzprobleme aufwirft und verfassungswidrig sein dürfte. Zu nennen sind ferner das „Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz“ zur Sicherung der Finanzierungsgrundlagen60 und die föderale Reorganisation der Rentenversicherung.61 b)
Gesetzliche Krankenversicherung
In der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bleibt das Gesetz zu deren Modernisierung (Gesundheits-Modernisierungsgesetz – GMG) vom 14. November 2003 hervorzuheben.62 Es sucht die vor einer Reihe von Jahren begonnene und immer wieder fortgeschriebene „Gesundheitsreform“ nunmehr mit einer tiefgreifenden Strukturmodernisierung in Bezug auf die Finanzierung des Systems, die Leistungserbringung, deren Qualitätssicherung und die künftige Organisation des Gesundheitswesens abzuschließen. c)
Arbeitsmarktregulierung und Grundsicherung für Arbeitsuchende
Mit den ersten zwei Gesetzen für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt 63 sollen schließlich neue Beschäftigungsmöglichkeiten für Arbeitslose erschlossen sowie die durchgreifende Verbesserung von Qualität und 56 S. dazu bereits oben in Fn. 30; vgl. ferner W. Binne VSSR 2002, 161 ff.; B. JährlingRahnefeld SGb 2003, 82ff., R. Pitschas (Fn. 49), 189 ff.; F. Ruland FS Schmähl, 2002, 189 ff., zur Reaktion der Rentenversicherung auf Veränderungen der Arbeitswelt. 57 Vgl. die Nachweise in Fn. 53 sowie F. Ruland FS Selmer, 2004, 889 (894ff., 896f.); kritisch R. Pitschas (Fn. 49), 204f. 58 BVerfGE 105, 73 (110 ff.). 59 Art. 9 Nr. 1 AltEinkG. 60 Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Nachhaltigkeitsgesetz) vom 21. Juli 2004 (BGBl I 1791); dazu der Überblick von H.-J. Kramer DAngVers 2004, 404ff. 61 Vgl. Gesetz zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung (RVOrgG) vom 9. Dezember 2004 (BGBl I 3242); C. Waibel VSSR 2003, 115 ff. 62 BGBl I 2190; dazu eingehend aus verfassungsrechtlicher Sicht H. Butzer MedR 2004, 177 ff.; vgl. ferner T.-C. Hiddemann/S. Muckel NJW 2004, 7ff.; Pitschas (Hrsg.) Umsetzung des GKV-Modernisierungsgesetzes, Speyerer Arbeitshefte Nr. 164, 2004. 63 Erstes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl I 4607); Zweites Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl I 4621); dazu im Überblick M. Neumann NZS 2003, 113 ff.
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Schnelligkeit der Arbeitsvermittlung erreicht werden. Herzstück dieses Modernisierungsansatzes ist die Einrichtung sogenannter PersonalServiceAgenturen (PSA) als neuer Form einer integrationsorientierten Vermittlung in Zeitarbeit. Darüber hinaus werden der Eintritt Arbeitsuchender in die Selbständigkeit durch Existenzgründungszuschüsse sowie die Entgeltabsicherung für ältere Arbeitnehmer gefördert. Das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt64 steuert ergänzend die Transformation der ehemaligen Bundesanstalt für Arbeit von einer Behörde für Arbeitsförderung und Arbeitslosenversicherung in eine moderne Dienstleistungsagentur.65 Diese soll ihre Vermittlungshilfen und alle weiteren Serviceleistungen effizient, bürgerfreundlich und transparent anbieten, um auf diese Weise die Regulierung des Arbeitsmarktes durch Selbstregulierung zu ermöglichen. Damit sieht sich der Schulterschluss mit der an anderer Stelle im Sozialsektor stattfindenden Verwaltungsmodernisierung erreicht.66 Hieran knüpft auch das umstrittene vierte Gesetz dieser Art („Hartz IV“) an. Es hebt das bisherige Nebeneinander der Arbeitslosen- und Sozialhilfe für Erwerbstätige zum 1. Januar 2005 durch Verschmelzung beider Leistungsarten auf.67 Hierdurch entsteht für Erwerbstätige eine neue Grundsicherung mit dem Ziel, die Eigeninitiative erwerbsfähiger Hilfebedürftiger durch schnelle Einführung in Arbeit und Anreize dazu zu unterstützen („Grundsatz des Förderns“). Die Eigenverantwortung dieses Kreises und von Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, soll hierdurch gestärkt werden. In der Suchzeit gewährleistet die als Sozialgesetzbuch II neu eingerichtete „Grundsicherung für Arbeitsuchende“68 den Lebensunterhalt erwerbsfähiger Hilfebedürftiger und ihrer Angehörigen durch pauschalierte bedarfsdeckende Leistungen und die Einbeziehung in die Sozialversicherung. Mit Hilfe von Sanktionsdrohungen wird darüber hinaus die Aufnahme einer Arbeit gefordert („Grundsatz des
64 Vom 23. Dezember 2003 ( BGBl I 2848); zur Neuregelung vgl. B. Gaul/A. Bonanni/B. Otto DB 2003, 2386ff. 65 D. Schimanke FS König, 2004, 151 (162ff.). 66 Vgl. R. Pitschas Organisationsrecht als Steuerungsressource in der Sozialverwaltung, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.) Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, 1997, 151 (160 ff., 202ff.); ders. Strukturen und Verfahrensweisen des Jugendamtes im kooperativen Rechts- und Sozialstaat, in: Sachverständigenkommission 11. Kinder- und Jugendbericht (Hrsg.) Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe. Eine Bestandsaufnahme, 2002, 163 (169f., 237 ff.). 67 Viertes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl I 2954). 68 Art. 1 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Fn. 67): Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) – Grundsicherung für Arbeitsuchende.
Die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme
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Forderns“): Ein Erwerbstätiger muss sich vorrangig und eigeninitiativ um die Beendigung seiner Erwerbslosigkeit bemühen und seine Arbeitskraft sowie sein Vermögen einsetzen, um seinen Lebensunterhalt und den seiner Angehörigen zu bestreiten.69
III. Strukturelle Fehlentwicklungen und Veränderungszwänge Die Zukunft hat also schon begonnen: Der Gesetzgeber reagiert auf den übermächtigen Veränderungsdruck, der auf den sozialen Sicherungssystemen lastet. Die Erfahrung ist zwar, dass Krisen nicht in jedem Fall geeignet sind, großzügige Systemänderungen in Gang zu setzen; der Problemdruck muss, wie das Beispiel der Entwicklung von Renten- und Arbeitslosenversicherung zeigt, erst so intensiv werden, dass die gesamten Grundlagen der sozialen Sicherung in Frage stehen. Doch gehen die Modernisierungsschritte in die richtige Richtung. Sie sind freilich mit dem Begriff der „Reform“ kaum noch erfassbar. Bewusst wird deshalb hier der Begriff der „Modernisierung“ verwendet.70 1.
Defizite bisheriger Modernisierungsansätze
Die skizzierten Modernisierungsansätze vermitteln allerdings das Bild einer noch sehr zögerlichen Reaktion auf die Herausforderungen an die Sicherungssysteme. Denn sie fördern vor allem die Abhängigkeit von der öffentlichen Sicherung und weniger die soziale Eigenvorsorge. Verfehlt wird auch das Ziel, die finanzielle Krise der deutschen Sicherungssysteme zu beenden, weil die bisherigen Fehlanreize für den Umgang mit Sozialleistungen teilweise fortbestehen. Die soziale Absicherung gegen Arbeitslosigkeit, Krankheit, Armut und für eine sichere Rente oder eine gerechte Familienförderung gehorcht nun einmal eigenen ökonomischen Gesetzmäßigkeiten. Deren Vernachlässigung führt zu strukturellen Fehlentwicklungen. So ist in der Rentenversicherung unterblieben, die Rentenaltersgrenze anzuheben. Unbezweifelbar ist jedoch, dass sich die wachsende Lebenserwartung der Bürger nicht in immer
69 §§ 2, 14 SGB II ; umfassend dazu die Kommentierung von Münder (Hrsg.) Sozialgesetzbuch II, 2005; A. Brühl (Fn. 24), 105; I. Ebsen FS 50 Jahre BSG, 2004, 725 (729ff., 732 ff.); zu verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber dem SGB II siehe nur U. Berlit info also 2003, 195 (203f.); kritisch gegenüber § 23 Abs. 1 SGB II P. Mrozynski ZfSH / SGB 2004, 198 (217 f.). 70 Zur Abgrenzung der „Modernisierung“ von der „Reform“ s. noch immer wegweisend J. J. Hesse/A. Benz Die Modernisierung der Staatsorganisation, 1990, 13 ff.
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längerer Bezugsdauer der Renten niederschlagen darf, sondern zwingend eine längere Lebensarbeitszeit verlangt. Würde diese realisiert, könnte auch die Beitragslast gesenkt werden. Diese verhindert ihrerseits, dass sich neue wirtschaftliche Dynamik als Binnen-Nachfrage auf den Märkten entfaltet. Sie nimmt andererseits vielen gesetzlich Versicherten den finanziellen Atem für eine ergänzende Privatvorsorge, die angesichts der Senkung des allgemeinen Rentenniveaus künftig unerlässlich sein wird. 2.
Strukturelle Fehlentwicklungen
Wirkliche Modernisierungspolitik kommt dagegen nicht umhin, künftig den strukturellen Fehlentwicklungen in der sozialen Sicherung effektiv gegenzusteuern. Zu ihnen zählt an erster Stelle die unablässige Anspruchsausweitung, weil staatliche Sozialpolitik als ein „ständiges Umlaufverfahren mit partikularer Erfüllung von Teilerwartungen“ immer wieder die Erträge aus dem Wirtschaftswachstum auf andere Erwartungsträger verteilen will.71 So ist aus der ehedem vorgesehenen Grundsicherung schon längst eine „Komfortsicherung“ gegen soziale Risiken geworden. Die Erfordernisse der sozialen Sicherung haben sich in hohem Maß von den ursprünglichen Prämissen, auf denen die Sicherungssysteme beruhen, entfernt. Gleiches gilt für den bisher nicht wirklich gelungenen Versuch, die Wohlfahrtsausgaben zu begrenzen. Ihr Anstieg lässt einerseits erkennen, dass sozialstaatliche Solidarverantwortung und in deren Gefolge soziale Ansprüche des Einzelnen gegen den Staat nicht, wie es geboten gewesen wäre, zugunsten sozialer Selbstverantwortung und Eigenvorsorge nachhaltig begrenzt worden sind. Es überrascht daher nicht, dass andererseits mit dem fortgesetzten Ausgaben- bzw. Leistungsanstieg die übermäßige Belastung der Beitragszahler anhält. Diese verschlechtert nicht allein die wirtschaftlichen Standortbedingungen, sondern auch – wie schon erwähnt – die Chancen individueller Vorsorge. Schließlich verweist der nicht wirklich realisierte marktwirtschaftliche Wechselbezug von Sozial- und Wirtschaftspolitik auf ein ernsthaftes Strukturproblem. Denn die Erstere muss auf den Erfolg der Letzteren und damit auf die Funktionskraft der sozialen Marktwirtschaft vertrauen: Deren Ziel ist unter dem Grundgesetz die Mehrung des Wohlstandes durch die Erträge von Markt und Wettbewerb bei gleichzeitiger Verwirklichung des sozialstaatlichen Auftrags zur sozialen Umverteilung. Die hier skizzierten Modernisierungsansätze arbeiten zwar mit Wettbewerbselementen, sie bleiben aber in der Tendenz den Monopolansprüchen der staatlichen Si71
H. F. Zacher Wirtschaft und Wissenschaft 1978, 17 (19 ff., 23f.).
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cherungsinstitutionen verhaftet. Wettbewerb ist diesen fremd. Schon unter dem maßgeblichen Gesichtspunkt der Entwicklung eines werdenden europäischen Sozialstaats 72, der Monopole verhindern will, die soziale Eigenverantwortung der Gemeinschaftsbürger für soziale Sicherung betont und im Übrigen diesen den Zugang zu den nationalen Sicherungssystemen sukzessive öffnet73, erweist sich die wettbewerbsskeptische Position der Sozialversicherung als strukturell verfehlt. Daran ändert nichts, dass im Gemeinschaftsrecht die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Systeme der sozialen Sicherung festgeschrieben ist. 3.
Vordringliche Modernisierungszwänge
Derartige strukturelle Fehlentwicklungen erschweren in den nächsten Jahren die weitere dringliche Anpassung der sozialen Sicherungssysteme an externe Rationalitätsbindungen des Modernisierungsprozesses. Dazu rechnen in erster Linie die „Globalisierung“ der Wirtschaft mit den daraus resultierenden Arbeitsmarktfolgen74 sowie der Strukturwandel des Alters in Deutschland.75 Daneben bleibt, wie schon angedeutet, die interne Rationalisierung des öffentlichen Sozialsektors eine anhaltende Herausforderung.76 72 Dazu die Beiträge in Merten/Pitschas (Hrsg.) Der Europäische Sozialstaat und seine Institutionen, 1993; B. Schulte ZIAS 17 (2003), 391 ff.; vgl. ferner U. Becker Die soziale Dimension des Binnenmarkts, in: Schwarze (Hrsg.) Der Verfassungsentwurf des Europäischen Konvents, 2004, 201 ff. 73 U. Becker NJW 2003, 2272ff.; E. Eichenhofer Sozialrecht der Europäischen Union, 2. Aufl. 2003, Rn. 33, 35ff., 395ff., 399ff., 420ff., 432ff.; ders. FS 50 Jahre BSG, 2004, 835 (838ff.); R. Pitschas Das Territorialitäts-Prinzip im Sachleistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung zwischen sozialpolitischer Souveränität und Gemeinschaftsrecht, in: Ebsen (Hrsg.) Europarechtliche Gestaltungsvorgaben für das deutsche Sozialrecht, 2000, 83 (97ff., 100 f.); ders. VSSR 2002, 75 (86f., 88ff.). 74 Dazu u.a. A. Heise/H. Küchle WSI-Mitteilungen 1996, 237 (240); W. Schäfer Globalisierung: Entmonopolisierung des Nationalen?, in: Berg (Hrsg.) Globalisierung der Wirtschaft: Ursachen – Formen – Konsequenzen, 1999, 9ff.; wN zur wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Diskussion bei C. Engel Arbeitsmarkt und staatliche Lenkung, VVDStRL 59 (2000), 56 (60ff.); R. Scholz FS Steinberger, 2002, 611 (612ff.); aus öffentlich-rechtlicher Perspektive M. Ruffert Die Globalisierung als Herausforderung an das öffentliche Recht, 2004, 23ff., 55ff.; R. Schmidt FS Vogel, 2002, 21 (42f.). 75 Dazu Einzelheiten im Schlussbericht der Enquête-Kommission des Deutschen Bundestages „Demografischer Wandel – Herausforderung unserer älter werdenden Gesellschaft an den Einzelnen und die Politik“, BT-Drucks. 14/8800. 31 ff. Nach einer Prognose des Statistischen Bundesamtes werden im Jahr 2035 nicht weniger als 68,5 % der Wohnbevölkerung über 60 Jahre alt sein, vgl. C. Engel (Fn. 74), 61 mit Fn. 26. 76 Vgl. statt vieler B. Jährling-Rahnefeld VSSR 2003, 293ff.; R. Pitschas Die Modernisierung der sozialen Sicherung im Zeichen von Effektivität und Effizienz – zum Grund-
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Als Konsequenz dieser Modernisierungszwänge wird in der GKV die Bedarfsplanung für Vertragsärzte obsolet. In der Rentenversicherung hat der „Generationenvertrag“ zur Begründung künftiger sozialstaatlicher Politik ausgedient. Denn er war (politisch) stets so gedacht, dass wesentlich mehr Arbeitnehmer im Verhältnis zu Rentnern vorhanden sein würden, um das Prinzip der lebensstandardsichernden Rente, bei der ein Durchschnittsverdiener etwa 70 % seines Einkommens erhalten soll, zu garantieren. Die gegenwärtige Entwicklung geht indessen in die entgegengesetzte Richtung. Die in den letzten Jahren eingetretene Senkung des Rentenniveaus, die sich fortsetzen wird, ist deshalb unvermeidlich.77 Die Kombination einer immer älter werdenden Gesellschaft, in der immer mehr Rentner durch immer weniger Beitragszahler gesichert werden können, führt wegen der anhaltenden Arbeitslosigkeit zum Verfall des derzeitigen Alterssicherungssystems wie überhaupt aller auf Beitragszahlungen aus Erwerbseinkommen gestützten Sicherungssysteme.
IV. Auf dem Weg zu einer neuen Architektur der sozialen Sicherung 1.
Dominierende Ziele und Konzeptionen
Wenn aber die Gesellschaft immer älter wird und der Konkurrenzdruck in der globalisierten Wirtschaft ständig steigt, bedarf es neuer Konzepte, damit die sozialen Sicherungssysteme in der Zukunft noch finanziert werden können. Die lange im Dunkeln verbliebenen Konturen einschlägiger Überlegungen werden in den letzten Jahren sichtbarer. Wesentliche Elemente einer neuen Architektur der sozialen Sicherung schälen sich heraus.78 Sie betonen den Gedanken der individuellen Eigenvorsorge. Ihn begleitet das Bestreben, künftighin den engen Zusammenhang zwischen Sozialversicherungsbeiträgen und Erwerbseinkommen zugunsten einer anderen Finanzierungsweise der Sozialversicherung aufzulösen. Zugleich soll deren satz der Wirtschaftlichkeit im Sozialrecht, in: Butzer (Hrsg.) Wirtschaftlichkeit durch Organisations- und Verfahrensrecht, 2004, 31 (44ff.). 77 K. Hessert (Fn. 30), 154; H.-J. Kramer (Fn. 60), 406f.; zur verfassungsrechtlichen Problematik s. U. Wenner FS 50 Jahre BSG, 2004, 625 (628ff.); vgl. auch die Niveausicherungsklausel in § 154 Abs. 3 SGB VI idF des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes (Fn. 60), wonach das „Nettorentenniveau vor Steuern“ im Jahr 2020 nicht unter 46 % des Durchschnittsentgelts fallen soll. 78 Zur Forderung nach einer „neuen Architektur des Wohlfahrtsstaats“ in „ganz Europa“ s. G. Esping-Andersen Die gute Gesellschaft und der neue Wohlfahrtsstaat, in: Evers (Hrsg.) Eine neue Architektur der Sozialen Sicherung in Deutschland?, ZSR 2004, Heft 1–2, 191 (193); vgl. ferner U. Steiner FS 50 Jahre BSG, 2004, 61 (75f.).
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Einnahmeseite gestärkt werden.79 Doch reicht dies für die Gewährleistung zukunftssicherer Sozialsysteme noch nicht aus. Im Dilemma ihrer Zielorientierung an Beitragssatzstabilität, Demografie, Beschäftigungswirkungen und politischen Präferenzen gefangen, bleibt für Modernisierungskonzepte zur sozialen Sicherung auch die Verringerung der Leistungsausgaben bedeutsam.80 Zwischen den unterschiedlichen Zielen gilt es, eine Wahlentscheidung zu treffen. Zudem wird immer häufiger die Forderung nach höherer Effizienz der Leistungserbringung und Qualitätssicherung der Dienstleistungen im Rahmen des Risikoschutzes erhoben.81 Der Wirtschaftlichkeitsanspruch aller Modernisierung setzt sich eben auch im Sozialsektor als „Ökonomisierung der sozialen Sicherung“ durch. Da selbst unter diesem Vorzeichen die Modernisierung im Sozialstaat weiterhin sozialer Gerechtigkeit und sozialer Gleichheit verpflichtet bleibt, wird die Wahlentscheidung nicht gerade leichter. 2.
„Pfadabhängige“ und „systemverändernde“ Modernisierungsentwürfe
Die Auseinandersetzung mit den gesamten und verfassungsrechtlich begründeten Modernisierungszielen hat zu einer Reihe von Vorschlägen geführt, die entweder die herkömmlichen Sicherungssysteme weiterentwickeln oder aber an deren Stelle neue Gebäude der sozialen Sicherung setzen wollen.82 Für die „Systemveränderung“ stehen dabei die noch nicht endgültig ausgereiften Konzepte der „Bürgerversicherung“ einerseits, der „Pauschalprämie“ andererseits mit mancherlei Variationen. Auf einen Systemwechsel verzichten dagegen jene Modernisierungsentwürfe, die den Veränderungszwängen vor allem mit einem Wandel des Finanzierungssystems der sozialen Sicherung unter gleichzeitig stärkerer Hervorhebung der Individualverantwortung hierfür entsprechen wollen.
79 J. Wasem Finanzierungsprobleme und -rahmen der zukünftigen sozialen Krankenversicherung in Deutschland, in: Pitschas (Hrsg.) Finanzierungsprobleme der Gesundheitsreform und GKV-Modernisierungsgesetz, Speyerer Arbeitshefte Nr. 162, 2004, 5 (23 ff., 28f.). 80 S. wiederum am Beispiel der GKV C. F. Gethmann/W. Gerok/H. Helmchen/ K.-D. Henke/J. Mittelstraß/E. Schmidt-Aßmann/G. Stock/J. Taupitz/F. Thiele (Fn. 2), 190 ff., 199 ff. 81 C. F. Gethmann/W. Gerok/H. Helmchen/K.-D. Henke/J. Mittelstraß/E. Schmidt-Aßmann/G. Stock/J. Taupitz/F. Thiele (Fn. 2), 196 f. 82 Zu der Vielzahl unterschiedlicher Reformmodelle in der GKV und der gesetzlichen Rentenversicherung s. für die erstere S. Huster JZ 2002, 371 ff.; R. P. Schenke (Fn. 21), 478 ff.; J. Wasem (Fn. 79), 22ff.; für die letztere vgl. nur S. Heidel/B. Loose DAngVers 2004, 221 ff.; K. Hessert (Fn. 30), 144 ff., 150 ff., 154 ff.
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Dazu rechnen Vorschläge, in der GKV die Versicherungspflicht und/oder Beitragsbemessungsgrenze anzuheben bzw. die Beitragsbemessungsgrundlagen zu verbreitern.83 Insgesamt konkurrieren auf diese Weise pfadabhängige und „systemimmanente“ mit „systemsprengenden“ Modernisierungskonzepten. 3.
Soziale Sicherung in Privatrechtsformen
Bei alledem wird die Rolle des Staates prekär: Die Veränderung vom konsumtiven Wohlfahrtsstaat zum aktivierenden Sozialstaat kann im Rahmen der Finanzierung und Leistungsbereitstellung durch öffentliche Systeme gestaltet werden; es kann jedoch auch zu einer Trennung dieser beiden Aufgabenbereiche und deren Aufteilung auf Staat und Privatsektor kommen. So führt z. B. ein Vertrag mit der Arbeitsverwaltung die Individualisierung der dem Arbeitsuchenden auferlegten Handlungspflichten herbei; er legt die Grundlage für dessen individuelle Handlungsverantwortung. Risikoprävention ist das Ziel dieser Vorgehensweise.84 Aus verwaltungsrechtlicher und -wissenschaftlicher Perspektive mutiert Arbeitsförderung dadurch zum Risikomanagement. Entlässt aber der Neuzuschnitt des Sozialstaats die soziale Sicherung in ein (öffentlich-rechtliches) Vertragsprivatrecht, wie dies zu geringen Anteilen – dann aber durch zivilrechtliche Vertragsgestaltung – auch in der Rentenversicherung der Fall ist („Riester-Rente“), dann wandelt sich zugleich der Deutungsgehalt vertrauter sozialrechtlicher Institutionen. Rechtstaatlich-gleichheitsrechtlich relevante Grundtatbestände sozialer Sicherheit unterliegen nunmehr individual-privatrechtlicher Dispositionsfreiheit.85 Dementsprechend muss staatliche „Gewährleistungsaufsicht“ um ihrer Funktion willen nunmehr selbst und aktiv die Renten- und Krankenversicherung bzw. die Arbeitsförderung lenkend regulieren – es sei denn, der Gesetzgeber greift ein und setzt, wie z. B. mit der Verpflichtung privater Versicherungsträger auf Unisex-Tarife, zwingendes Recht.86
Dazu besonders S. Huster (Fn. 82), 372 f., 377 f. So z. B. die Eingliederungsvereinbarung gemäß § 35 Abs. 4 SGB III; vgl. näher noch B. Mutschler in: Wissing/ders./Bartz/Schmidt-De Caluwe (Hrsg.) Sozialgesetzbuch III – Arbeitsförderung, 2. Aufl. 2004, § 35 Rn. 44f.; R. Pitschas FS 50 Jahre BSG, 2004, 765 (780). 85 So z. B. E. Eichenhofer VSSR 2004, 93 (110); undeutlich B. Mutschler (Fn. 84), Rn. 44: die Eingliederungsvereinbarung sei ein „vertragsähnliches Konstrukt“. 86 Vgl. E. Eichenhofer (Fn. 85), 112 f. 83 84
Die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme
4.
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„Bürgerversicherung“ und „Gesundheitsprämie“
Im Zentrum der aktuellen Entwürfe für die Neugestaltung der sozialen Sicherung stehen die alternativen Vorschläge einer „Bürgerversicherung“ und „Gesundheitsprämie“ im Bereich des Krankenversicherungsschutzes.87 Das Modell einer Gesundheits- bzw. Kopfprämie, auch „Pauschalprämie“ genannt, nimmt den Modernisierungsdruck auf und versucht, die beitragspflichtigen Einnahmen von der wirtschaftlichen Entwicklung abzukoppeln. Doch sieht es nicht den gegenteiligen Schritt vor, nämlich die Verbreiterung der Bemessungsgrundlagen. Statt dessen wird der Beitrag einkommensunabhängig pauschaliert. Er soll für alle (erwachsenen) Versicherten in gleicher Höhe erhoben werden. Die Versicherten müssten die Prämie aus ihren gesamten Einkünften finanzieren. Nach den Vorstellungen der sogenannten Rürup-Kommission soll die Pauschalprämie 190 Euro je Erwachsenen betragen. Von Arbeitgeberseite wird ergänzend eine Modellvariante ins Spiel gebracht, die bei reduziertem Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenkassen mit einer monatlichen Pauschale von 163 Euro je Versicherten zu finanzieren wäre; Kinder würden beitragsfrei mitversichert. Die GKV soll für Erwachsene, die den Pauschalbetrag nicht zahlen können, einen Sozialausgleich aus Steuern erhalten. Das erinnert an das schweizerische Krankenversicherungs-Modell.88 Über den impliziten Wegfall des Arbeitgeberbeitrags führt der Vorschlag mittelfristig zu einer Senkung der Lohnnebenkosten, unterstellt, die Beitragssätze würden bei einkommensabhängigen Beiträgen steigen. Allerdings müssten bei Tarifverhandlungen die Tarifpartner „mitspielen“. Das Konzept ist jedoch unabhängig davon problematisch, weil für Geringverdiener steuerliche Transfers benötigt werden.89 Da ferner die Ausgabendynamik im Gesundheitswesen keine konstanten Prämien zulässt, müsste
87 S. zu beiden Konzepten Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (Hrsg.) Nachhaltigkeit in der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme. Bericht der Kommission, Typoskript, 2003; Bericht der Kommission „Soziale Sicherheit“ zur Reform der sozialen Sicherungssysteme („Herzog-Kommission“) Typoskript, 2004; aus der Literatur vgl. C. F. Gethmann/W. Gerok/H. Helmchen/K.-D. Henke/J. Mittelstraß/E. SchmidtAßmann/G. Stock/ J. Taupitz/F. Thiele (Fn. 2), 207ff.; K. Jacobs Gesundheit und Gesellschaft 2003, 42ff.; A. Mihm FAZ vom 14. Juli 2004, 10, A. Neubacher/M. Sauga DER SPIEGEL Nr. 30 vom 19. Juli 2004; C. C. v. Weizsäcker FAZ vom 29. Mai 2004, 13; PKV Publik 2004, 68ff.; das Bürgerversicherungs-Modell der sogenannten Nahles-Kommission ist in Auszügen abgedruckt in: Deutsches Ärzteblatt 2004, B 1983 f. 88 S. Spycher GGW 4 (2004), 19 (20ff.); zum Modell der Arbeitgeber s. FAZ vom 15. September 2004, 13. 89 Vgl. C. F. Gethmann/W. Gerok/H. Helmchen/K.-D. Henke/J. Mittelstraß/E. SchmidtAßmann/G. Stock/J. Taupitz/F. Thiele (Fn. 2), 208; J. Wasem (Fn. 79), 26.
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häufig die Höhe der sozialen Ausgleichszahlungen verändert werden und das Parlament jeweils von Neuem darüber entscheiden. Insofern zeigt sich sehr eindrucksvoll, wie die Abgrenzung von Sozial- und Steuerstaat durch die Verschmelzung ihrer je unterschiedlichen Verselbständigung im Grundgesetz gefährdet wird.90 Darüber hinaus müssen Beiträge zur GKV an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Versicherten orientiert sein.91 Besser Verdienende und damit leistungsfähigere Versicherte sind deshalb durch höhere Beiträge für den Versicherungsschutz der weniger gut verdienenden Erwerbspersonen und damit weniger Leistungsfähigen heranzuziehen.92 Es scheint demgegenüber, als ob das Modell der Gesundheitsprämie das Prinzip der Beitragsbemessung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit vernachlässigen würde. Um dieser Gefahr zu entgehen, wird zu Recht unter Modifizierung des Modells über eine Staffelung der Gesundheitsprämie nach Leistungsfähigkeit („StufenprämienModell“) nachgedacht.93 Anders ist dagegen die „Bürgerversicherung“ konstruiert. Sie strebt nach Ausbau der GKV zu einer „Volksversicherung“ mit Verbreiterung der Beitragsbemessungsgrundlagen, was auch auf andere Sozialversicherungszweige „abfärben“ könnte, z. B. auf die Rentenversicherung. Tendenziell werden die Beiträge vom Erwerbseinkommen abgekoppelt.94 Nach dem „Modell einer solidarischen Bürgerversicherung“, dass inzwischen vorgelegt wurde,95 kann sich jeder entweder bei einer gesetzlichen Krankenkasse oder einem privaten Krankenversicherungsunternehmen für den sogenannten Bürgerversicherungstarif entscheiden. Dieser muss folgende Mindestanforderungen erfüllen: Einkommensbezogene Beiträge, Kontrahierungszwang, einheitlicher Leistungskatalog, Sachleistungsprinzip, Einbezug der Versicherten in einen morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich. Wer bislang privat versichert ist, kann seinen Vertrag behalten oder in einen Bürgerversicherungstarif seiner Wahl wechseln. Wer gesetzlich krankenversichert ist, kann zwischen privaten und gesetzlichen Anbietern wählen. Wer sich neu krankenversichern muss, kann sich nun auch für einen Bürgerversicherungstarif entschei-
90 Dazu aus grundsätzlicher Perspektive W. Heun FS Selmer, 2004, 657 (668, 670); F. Kirchhof NZS 1999, 161 ff. 91 BVerfGE 44, 70 (90); 92, 53 (69ff., 79); 102, 68 (89). 92 So auch J. Wieland VSSR 2003, 259 (274 f.); aA F. Kirchhof (Fn. 90), 166f. 93 Dazu der Bericht von A. Mihm (Fn. 87), 10. 94 Vgl. A. Mihm (Fn. 87), 10. 95 Modell einer solidarischen Bürgerversicherung. Bericht der Projektgruppe Bürgerversicherung des SPD -Parteivorstandes, vvM., 2004, auszugsweise abgedruckt in: Deutsches Ärzteblatt 2004, B 1983 f.
Die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme
133
den. Familienmitglieder ohne eigenes Einkommen und Kinder werden beitragsfrei mitversichert.96 Auf Dauer führen beide Modelle den Krankenversicherungsschutz auf eine Grundsicherung zurück. Verändert wird auch das bisherige Verhältnis von GKV und privater Krankenversicherung (PKV) im Sinne eines Unternehmenswettbewerbs.97 Für alle Versicherten soll es aber das gleiche gesetzlich normierte Leistungspaket zu gleichen Bedingungen und gleichen Preisen geben. Im Übrigen ermöglicht die Bürgerversicherung mehr Gerechtigkeit bei der Beitragsgestaltung, aber jedenfalls keine Entlastung bei den Lohnkosten. Sie verfehlt somit ein wesentliches Modernisierungsziel. Überdies kommt es zur Kollision mit der Berufsfreiheit der Privatversicherer und der besonderen Rechtfertigungslast des Bürgerversicherungstarifs im Steuerstaat. Unklar ist ferner der Rechtsstatus von Alt-Anwartschaften der Versicherten. Dagegen führt die Gesundheitsprämie zwar zur Abkoppelung der Lohnkosten von den Sozialversicherungsbeiträgen, vermag aber kaum größere Beitragsgerechtigkeit zu bewirken. So oder so tragen beide Modelle zum Übergang in eine rechtlich zulässige, umlagegesteuerte und beitragsfinanzierte Grund- sowie kapitalgedeckte und durch Risikoprämien finanzierte Ergänzungssicherung bei. Die Rentenversicherung dürfte sich im „europäisierten“ Sozialstaat dem anschließen.98
V.
Verfassungs- und europarechtlicher Rahmen für Modernisierungsentscheidungen
1.
Modernisierung im Gehäuse des Rechts
Dem (Verfassungs-)Recht kommt in diesem Zusammenhang die Funktion zu, die Ziele künftiger Modernisierung sozialer Sicherungssysteme zu präzisieren und der Entwicklung von Konzeptionen einen verbindlichen Rahmen zu setzen. Es hält zu diesem Zweck ebenso rechtliche Strukturvorgaben bereit („Bereitstellungsfunktion des Rechts“), wie es auch die Modernisierungsgehalte und -prozesse selbst zu steuern vermag („SteueModell einer solidarischen Bürgerversicherung (Fn. 95). Anders allerdings die Stellungnahme der PKV in PKV Publik 2004, 76: Das Modell der Bürgerversicherung versuche, „die private Krankenversicherung formal beizubehalten, sie aber inhaltlich abzuschaffen“. 98 Ich beziehe mich hierbei auf W. Schmähl (Fn. 29), 358, 360, 366; zur Entwicklung der GKV im Sinne einer „Grundsicherung für alle mit individuellen Wahl- und Wechselmöglichkeiten“ s. nur C. F. Gethmann/W. Gerok/H. Helmchen/K.-D. Henke/J. Mittelstraß/E. Schmidt-Aßmann/G. Stock/J. Taupitz/F. Thiele (Fn. 2), 208f.; zuvor bereits R. Pitschas (Fn. 73), 91. 96 97
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rungsfunktion des Rechts“).99 Zugleich wird Grundrechtsschutz unter den Bedingungen komplexer Strukturen100 ausgeprägt. Das Gemeinschaftsrecht überformt diese Gestaltungskraft nationalen Freiheits- und Gleichheitsschutzes.101 2.
Die Verfassung als Leitbild und Rahmenordnung
Der Modernisierungsgesetzgeber verfügt bei der Modellauswahl über einen weiten Experimentierspielraum, um das magische Vieleck aus Eigenverantwortung und Solidarität, individueller Wahlfreiheit und Gemeinwohlbindung, Wettbewerb und sozialer Gerechtigkeit in ein zukunftsoffenes Arrangement sozialer Sicherheit zu übertragen. Freilich fällt die rechtliche Verortung der sozialen Sicherungssysteme nicht eben leicht. Das Grundgesetz schützt die Sicherungssysteme nicht gesondert und spezifisch.102 Es legt die Gesetzgebungskompetenzen in speziellen Titeln und Hinweisen im Organisationsrecht fest, doch fehlen „einfache Regelungen für einfache Antworten“. Es gilt sonach, verfassungsrechtliche Verbürgungen aufzuspüren, die im Geflecht der Kranken- und Rentenversicherung sowie bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende bzw. in der Arbeitsförderung wirksam werden. Dabei kommen als Grundrechte neben dem Gleichheitssatz vor allem die Art. 2 Abs. 1 und 2, 6 Abs. 1 und 2, 12 Abs. 1 und 14 GG in Betracht. Daneben treten verfassungsrechtliche Systemaussagen.103 In jedem Fall erweist sich der Modernisierungsprozess als eine Bewährungsprobe für das dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich eingeräumte Optionenermessen.104
99 Zu diesen Funktionen des Rechts s. statt anderer G. F. Schuppert Verwaltungswissenschaft, 2000, 480ff., 507ff., 976 f. 100 Vgl. C. F. Gethmann/W. Gerok/H. Helmchen/K.-D. Henke/J. Mittelstraß/E. SchmidtAßmann/G. Stock/J. Taupitz/F. Thiele (Fn. 2), 151, mit Blick auf das Gesundheitssystem. 101 R. Pitschas Gesundheitswesen zwischen Staat und Markt. Rechtliche Maßgaben und Grenzen einer Verantwortungsteilung für Gesundheitsversorgung zwischen Bürger, Markt und Staat, in: Häfner (Hrsg.) Gesundheit – unser höchstes Gut?, 1999, 169 (171 ff., 182f., 189, 194). 102 Am Beispiel der GKV s. R. Jaeger (Fn. 9), 15 f.; E. Schmidt-Aßmann NJW 2004, 1689 ff.; zur „Sozialversicherung“ allgemein zutreffend H. Reiter FS Klein, 1994, 1101 (1103). 103 H.-J. Papier (Fn. 20), Rn. 62, 93ff.; R. Scholz/R. Pitschas (Fn. 21), 639ff. („Sozialverfassung“). 104 Zu dieser ursprünglich für den Verwaltungsvollzug im Umweltrecht eingeführten Ermessensform s. W. Hoffmann-Riem DVBl. 1994, 605ff.; sie trifft für den Bereich des Sozialverfassungsrechts die Wahlsituation des Gesetzgebers ebenso punktgenau.
Die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme
3.
135
Verfassungsschutz gegen Systemwechsel?
Soweit Modellüberlegungen den bisherigen Entwicklungspfad eines Sicherungssystems verlassen und einen Systemwechsel intendieren, stellt sich die Frage nach der Möglichkeit, hiergegen vorzugehen. Das Grundgesetz gibt dazu keine klare Antwort. Berufs- und Eigentumsschutz durch Grundrechte helfen wegen der Dignität der eingriffslegitimierenden Gemeinwohlgüter nicht.105 Immerhin hält das BVerfG ausdrücklich fest, dass z. B. die Rentenversicherung „als das Grundsystem sozialer Sicherung“106 keinen verfassungsrechtlichen Systemschutz genieße, sondern vom Gesetzgeber auf andere Grundlagen gestellt werden könnte.107 In der GKV lässt das Gericht den Übergang zu einer Einheitsversicherung durch gesetzgeberische Regelung zu.108 Die parlamentarische Neuordnung der sozialen Sicherung wird mit anderen Worten als solche nicht an die Kette gelegt; der Gesetzgeber darf unter anders nicht behebbaren Modernisierungszwängen ein einzelnes Sicherungssystem umgestalten.109 Er muss dafür allerdings zureichende Gründe angeben und die gewählten Gestaltungsoptionen müssen grundrechtsfest sowie erforderlich und geeignet sein; ferner darf die Umstellung nicht mit unverhältnismäßigen Einbußen für Versicherte und Dritte, wie z. B. die PKV, einhergehen.110 Im Übrigen legt die Verfassungsrechtsprechung der Optionenwahl keinen eigenständigen Prüfungsmaßstab der „Systemgerechtigkeit“ zugrunde.111 Sofern Rechtsänderungen zu Lasten der Versicherten gehen, verweist das BVerfG einerseits auf den Grundrechtsschutz und in Ansehung des Rechtstaatsprinzips in Verbindung mit der „Maßstabsreserve“
105 Vgl. etwa BVerfGE 82, 209 (229ff.), zum überragenden Gemeinwohlbelang der Krankenhauspflege. Gleichwohl wird für die GKV ein „schleichender Freiheitsverlust“ beklagt, der nicht zum Thema gemacht werde, vgl. E. Schmidt-Aßmann (Fn. 102), 1690. Daran ist manches richtig, s. nur F. Hufen NJW 2004, 14 ff. 106 BVerfGE 98, 1 (16). 107 BVerfGE 100, 1 (39). 108 BVerfGE 39, 302 (377); 77, 340 (344); 89, 365 (377); kritisch zu diesem Prinzip der verfassungsrechtlich eingeräumten Freiheit der Organisationswahl s. R. Pitschas Gesundheitsstrukturreform – Einheitsversicherung oder Trägervielfalt?, Bitburger Gespräche 31 (1996), 15 (26ff.). 109 BVerfGE 85, 238 (347); zutreffend stellt daher H.-J. Papier (Fn. 20), Rn. 94, fest, dass jegliches „Systemwahrungsgebot“ an Stringenz verloren habe. In diese Richtung auch R. Jaeger NZS 2003, 225 (227). 110 BVerfGE 100, 1 (37). 111 BVerfGE 62, 354 (360ff.); U. Becker FS 50 Jahre BSG , 2004, 77 (86ff., 90ff.); H.-J. Papier (Fn. 20), Rn. 93; R. Prokisch FS Vogel, 2000, 293 (294), unter Hinweis auf BVerfGE 60, 16 (43).
136
Rainer Pitschas
des Art. 2 Abs. 1 GG112 auf den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes.113 Darüber hinaus setzt das Sozialstaatsprinzip, dass der ausschließlichen Marktgängigkeit sozialer Sicherung trotz seiner Distanzierung gegenüber dem Wohlfahrtsstaat widerstrebt, der umfänglichen Überführung sozialer Sicherung in die Privatautonomie Grenzen.114 Hinzu tritt andererseits die dem grundrechtlichen Schutz der sozialen Gleichheit innewohnende Verpflichtung des Gesetzgebers zur Systemgerechtigkeit seiner rechtlichen Steuerung im Sinne einer Rechtsetzungsgleichheit.115 Insoweit geht es um die Sachgerechtigkeit von Grenzziehungen auch bei Systemwechsel.116 4.
Vertrauensschutz als „Maßstabsreserve“
Die dem sozialversicherten Bürger auferlegten Lasten von Modernisierungsentscheidungen sind schließlich mit Blick auf das Verfassungsprinzip der (sozialen) Sicherheit und den daraus mit erfließenden grundgesetzlichen Schutz des Vertrauens in den Fortbestand der in Gesetzesform zugesagten Sozialleistungen zu würdigen. Denn die Versicherten haben üblicherweise Dispositionen mit langfristigen Festlegungen getroffen und dabei in besonderem Maße auf den Fortbestand der Rechtslage vertraut. Für den Schutz dieser Ansprüche besteht ein System des abgestuften Vertrauensschutzes. Vor allem dem Verfassungsprinzip „Sicherheit“ ersprießt ein strukturwirksames Vertrauensschutzgebot, dass die allgemeine Verpflichtung des Gesetzgebers zur vorrangigen Wahrung von Systemkontinuität bei Modernisierungsentscheidungen enthält. Es handelt sich insoweit um einen verfassungsspezifischen Systemvertrauensschutz: Der Gesetzgeber unterliegt dem Verbot, gewachsene soziale Sicherungssysteme schlagartig zu ändern („Verbot des überraschenden Systemwechsels“). Darüber hinaus trifft ihn eine verfassungsrechtliche Kontinuitätsverpflichtung bei der Modernisierung der Sozialversicherung.117
112 Begriff bei U. Steiner Vertrauensschutz als Verfassungsgrundsatz, in: Henke (Hrsg.) Vertrauensschutz in der Europäischen Union, 1997, 31 (33). 113 Zum rechtsstaatlichen Vertrauensschutz s. zuletzt BVerfGE 102, 68 (96ff.). 114 R. Jaeger (Fn. 9), 21 f. 115 Dazu näher M. Sachs VSSR 1994, 33ff.; P. M. Huber VSSR 2000, 369 (394); den möglichen Übergang zu einer „neuen Systemgerechtigkeit“ diskutiert am Beispiel der Pflegeversicherung J. Haas KJ 2002, 104 ff. 116 U. Becker (Fn. 111), 88, 89. 117 Ähnlich BVerfGE 102, 68 (97): Der Bürger darf „auf die Kontinuität einer Regelung“ vertrauen, „auf Grund deren altes Recht noch für eine bestimmte Zeit … aufrechterhalten wird“, s. ferner mwN F. Ruland GS Heinze, 2005, 731 (738ff.). Im hiesigen Kontext meint „Kontinuität“ darüber hinaus die möglichst weitreichende Anknüpfung an bisherige Systemstrukturen im Fall des Systemwechsels.
Die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme
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Im Übrigen gilt: Vertrauensschutz gibt es nur innerhalb des Systems.118 Versicherte oder Dritte sind insofern auf den allgemeinen rechtsstaatlichen Vertrauensschutz verwiesen, der sich aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtstaatsprinzip herleitet. Schließlich hat der Grundsatz des Vertrauensschutzes zunehmend in den thematisch betroffenen Grundrechten und vor allem in denen aus Art. 14 und 12 GG eine eigene und spezielle Ausprägung erfahren. In diesem Sinne ist auch der Sozialversicherungsbeitrag kein grundrechtsfreier Raum.119 5.
Sozialversicherung als „Volksversicherung“
Der von Verfassungs wegen im Sozialstaat gegebene Vorrang individueller Vorsorge durch Versicherung und Vermögensbildung, z.B. im Wege der Privatversicherung oder auf andere Weise stellt die Grenzen der Solidarität zur Diskussion. Nicht ohne Weiteres scheint der weitere Ausbau der sozialen Sicherung in Gestalt einer „Bürgerversicherung“ zulässig. Allerdings ermöglichen der Kompetenztitel der „Sozialversicherung“ (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG) und diese als ein weitgefasster verfassungsrechtlicher Gattungsbegriff die Einrichtung einer „Volksversicherung“ auch unter Zwangsmitgliedschaft. Dem Kompetenztitel können neue Lebenssachverhalte unterfallen, die den traditionellen Rahmen der Sozialversicherung sprengen.120 Es muss sich allerdings um einen „schutzfähigen Bedarf“ handeln. Dieser wäre sowohl mit der angestrebten Stabilisierung der GKV als überragender Gemeinwohlbelang121 als auch mit der Grundsicherung für Arbeitsuchende als Schutzgut zu bejahen. Zudem muss sich „Sozialversicherung“ nicht auf Arbeitnehmer und auf die Sicherung gegen Notlagen begrenzen. Dann aber erscheint es vertretbar, gerade um der individuellen Freiheit aller willen neue Solidaritätszusammenhänge zu stiften bzw. gegebene umzuformen.122
118 Ähnlich E. Schmidt-Aßmann (Fn. 102), 1689: „Die verfassungsrechtliche Prüfung bewegt sich innerhalb des Systems“; ebenso R. Jaeger (Fn. 9), 29, zum Vertrauensschutz. 119 So zutreffend H. Butzer (Fn. 39), 320ff.; C. F. Gethmann/W. Gerok/H. Helmchen/ K.-D. Henke/J. Mittelstraß/E. Schmidt-Aßmann/G. Stock/J. Taupitz/F. Thiele (Fn. 2), 162 mwN. 120 Ebenso R. Jaeger (Fn. 109), 232; H.-J. Papier (Fn. 20), Rn. 12. 121 BVerfGE 103, 172 (184 f.); U. Steiner MedR 2003, 1 (6). 122 K.-J. Bieback (Fn. 6), 41; U. Steiner SchlHA 2004, 85 (86 mit Fn. 6), sieht die verfassungsrechtliche Beurteilung als nicht präjudiziert an; strikt dagegen N. Brall/H.-J. Voges Modell Bürgerversicherung – Verfassungsrechtliche und europarechtliche Fragen, 2005, passim; F. Kirchhof NZS 2004, 1ff.; J. Isensee NZS 2004, 393 (396); R. Scholz
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Rainer Pitschas
Die gesetzgeberische Kompetenzinanspruchnahme vermag allerdings nicht die Freiheitsordnung des Grundgesetzes außer Kraft zu setzen: Verteilungsgerechtigkeit bleibt selbst in der Sozialversicherung ein Problem des Grundrechtschutzes.123 Dieser tritt ebenso Dritten zur Seite, die außerhalb eines Sozialrechtsverhältnisses stehen. So würde die Ausdehnung der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht auf alle Staatsbürger ein Verwaltungsmonopol errichten, das in seinen tatsächlichen Folgen einem Eingriff in die Berufswahl der PKV-Unternehmen gleichkäme.124 Dennoch ließen sich Modernisierungszwänge vorstellen, die eine solche Entwicklung und damit eine „Bürgerversicherung“ legitimieren könnten. Dessen ungeachtet bleibt das Verhältnis der GKV zur PKV sowohl unter verfassungsrechtlichen wie unter gemeinschaftsrechtlichen Gesichtspunkten der Angelpunkt einer künftigen Lösung. Diese liegt im Übergang zu einer Grundversorgung mit zusätzlicher Eigenvorsorge – wie in der Alterssicherung.125 Zukunftsentscheidungen über die soziale Sicherung in diesem Sinne berücksichtigen die freiheitsstiftende Kraft der kooperativen Versicherungsverfassung unter dem Grundgesetz und in europäischer Perspektive.126
Deutschland – in guter Verfassung?, 2004, 198 ff.; H. Sodan ZRP 2004, 217 ff. – jeweils mit zahlreichen Nachworten. 123 Denn die Sozialversicherung ist kein Instrument der Verteilungspolitik, vgl. S. Huster (Fn. 82), 377. 124 Vgl. auch J. Isensee (Fn. 122), 400f.; E. Schmidt-Aßmann (Fn. 102), 1694, jeweils mwN. 125 S. dazu die Nachweise in Fn. 98 sowie R. Pitschas VSSR 1998, 253 (256ff., 259f.); E. Schmidt-Aßmann (Fn. 102), 1694 f. 126 Zur „kooperativen Versicherungsverfassung“ s. besonders R. Scholz FS Sieg, 1976, 507 (523ff.); vgl. zum europäischen Einfluss insoweit nur B. v. Maydell VSSR 1999, 1ff.; F. Ruland (Fn. 117), 743 ff.
Die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme
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Leitsätze des 1. Berichterstatters über:
Die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme I.
Sicherheit durch soziale Sicherung
(1) Dem Grundgesetz ist der soziale Risikoschutz durch institutionalisierte soziale Vorsorge in Gestalt der Sozialversicherung, von Entschädigungs- sowie Hilfs- und Förderungssystemen selbstverständlich. Sie alle gewährleisten in typisierten Bedarfssituationen durch die subjektiv berechtigende normative Zusage von Sozialleistungen soziale Sicherheit. Hierdurch wird zugleich Solidarität organisiert. (2) Das Sozialstaatsprinzip übernimmt eine wesentliche nationalstaatliche Steuerungsfunktion für die solidarische Sicherheitsvorsorge und insbesondere die mediatisierende Sozialversicherung. Mit dieser Funktion steht es in einem europäischen Verfassungsverbund aus den mitgliedstaatlichen Verfassungen, dem Unionsvertrag und dem Verfassungsentwurf des Europäischen Konvents. Aus der dadurch konstituierten „europäisierten“ Sozialordnung schält sich soziale Sicherheit als gemeinsames Zukunftsprojekt des werdenden europäischen Sozialstaats heraus. (3) Grund und Grenze des Sozialstaats europäischer und nationaler Dimension setzt das Freiheitsprinzip. Auch in Zukunft gewährleistet daher unter dem Grundgesetz die Garantie der freien Entfaltung der Persönlichkeit die Pflicht und Befugnis des Bürgers, eigenständig für soziale Sicherheit zu sorgen. In objektiv-rechtlicher Wendung entspricht dem bis zu einem gewissen Ausmaß die Verpflichtung zu individueller Vorsorge durch Versicherung und Vermögensbildung. Der in diesem Sinne subsidiäre bzw. „freiheitliche“ Sozialstaat unterliegt der Absage an öffentlich-rechtliche Monopolbildung in der sozialen Sicherung zugunsten ihrer Aufgliederung in staatliche Grund- und private Ergänzungssicherung. Anderes gilt jedoch in den Fällen, in denen Bürgern die Eigenvorsorge unmöglich ist. Dann gebietet Sozialstaatlichkeit im Verbund mit dem Freiheitsprinzip staatlichen Mindestschutz. (4) In der sozialen Sicherung wird der Staat als kordiales Gemeinwesen angesehen, auf das der Sozialbürger für den Bestand und Schutz seiner Ansprüche auf soziale Sicherung vertraut und vertrauen darf. Das Verfassungsprinzip „Sicherheit“ schützt sowohl dieses Systemvertrauen als auch die indi-
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Rainer Pitschas
viduellen Erwartungen in die Sicherheit der sozialen Sicherung. Das Grundgesetz erteilt in der Folge dessen dem Gesetzgeber einen Auftrag zur Vertrauensstabilisierung: Abrupte Systemwechsel scheiden aus dem Instrumentarium der Zukunftssicherung gegenüber sozialen Risiken aus. Wird dieser Auftrag verfehlt, offenbart sich enttäuschtes Sozialvertrauen als Legitimationsproblem. (5) Das Verfassungsprinzip „Sicherheit“ setzt einem beliebig flexiblen Sozialschutz durch den Staat Grenzen, ohne ein „soziales Rückschrittsverbot“ in der Verfassung zu verankern. Innerhalb der Grenzen schlägt sich die staatliche Verpflichtung zur Gewährleistung erworbener sozialer Sicherungsansprüche als relationaler Staatszweck der Vertrauensstabilisierung in einem strukturellen Abwägungsspielraum für den Gesetzgeber nieder. In jedem Fall erzwingt das Verfassungsprinzip „Sicherheit“ die „weiche“ Systemmodernisierung.
II.
Herkunft und Entwicklungslinien der sozialen Sicherungssysteme
(6) Erkennbar ist damit einerseits die Dynamik, der die Entwicklung sozialer Sicherung in der Austarierung von sozialer Eigenverantwortung, wohlfahrtsstaatlicher Vorsorge und Vertrauensschutz unterliegt. Zugleich und andererseits wohnt aller Modernisierung sozialer Sicherung eine erhebliche Legitimationsproblematik inne. Deshalb gibt es keine Zukunftsgestaltung der sozialen Sicherungssysteme ohne verfassungsrechtliches Risiko. Beides lässt sich aus der Herkunft und den Entwicklungslinien der sozialen Sicherung seit dem Eintritt des Staates in die Verantwortung für sozialen Risikoschutz mit der Bismarck’schen Sozialversicherungsgesetzgebung lernen. Mit ihr trat erstmals ein relativ geschlossenes Prinzip sozialer Sicherung auf den Plan. Dadurch wurde die Grundrichtung eines neuen „Pfades“ vorgegeben, der sich in der Sozialversicherung von Anfang an vornehmlich an den spezifischen sozialen Risiken der Industriearbeiterschaft orientierte. (7) Diese Grundausrichtung fußte auf den zentralen Strukturmerkmalen der Sozialversicherung als öffentlich-rechtlicher Pflichtversicherung auf der Grundlage von Selbstverwaltung mit staatlicher Aufsicht, die durch paritätische Beiträge von Arbeitern und Arbeitgebern gemeinsam finanziert und – in der Rentenversicherung – durch einen Staatszuschuss gestützt wurde. Ein spezifisches Verwaltungsverfahren diente der Anspruchsdurchsetzung. Alle diese Kriterien prägen die Sozialversicherung noch heute; nur die Pflegeversicherung ist anderen Zuschnitts. Gleichwohl lässt sich der mehr als hundertjährigen Entwicklungsgeschichte der sozialen Sicherungssysteme eine prozess- und strukturbetonte Veränderungsdynamik, mitunter sogar – wie in der gesetzlichen Rentenversicherung – eine radikale Systemveränderung entnehmen.
Die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme
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Soziale Sicherung entwickelte sich somit zwischen Reformkontinuität und systemischen Veränderungsschritten. Nicht zum Tragen gekommene Alternativen standen immer wieder zur Verfügung und sie werden heute, wie der Gedanke einer teilweise steuerfinanzierten Staatsbürgervorsorge erweist, neu diskutiert. (8) Erweiterungstendenzen der Sozialversicherung im ausgehenden 20. Jahrhundert verweisen auf die Aktualität und Verfassungsverträglichkeit einer Volks- bzw. Staatsbürgerversicherung. Zugleich zeigt sich, dass deren Finanzierung nicht allein am Erwerbseinkommen anknüpfen muss. Auch dann noch liegt eine „Sozialversicherung“ vor. (9) Die späten Entwicklungsphasen der Sicherungssysteme im 20. Jahrhundert sind ungeachtet aller Kritik am Wohlfahrtsstaat und trotz der Beschwörung staatlicher Distanzierung davon tendenziell durch fortgesetzte Ausweitung des sozialen Risikoschutzes gekennzeichnet. Das eingeführte Ziel der Effizienzsteigerung wurde durch vielfachen „Anbau“ weiterer Regelungskomplexe an jeweils bestehende Sicherungssysteme konterkariert. (10) Erst die aktuellen Modernisierungsansätze sozialer Sicherung im 21. Jahrhundert legen in Verfolg der sogenannten Agenda 2010 den Grundstein für eine neue Architektur der sozialen Sicherung im Sinne der Stärkung individueller Eigenverantwortung hierfür. Namentlich der Grundsatz des „Förderns und Forderns“ setzt sich auf dem Arbeitsmarkt als Prinzip des freiheitlichen Sozialstaats durch.
III. Strukturelle Fehlentwicklungen und Veränderungszwänge (11) Die Modernisierungsansätze reagieren programmatisch auf die krisenhafte Entwicklung in der Sozialversicherung. Doch steuern sie noch nicht hinreichend den strukturellen Fehlentwicklungen der sozialen Sicherung in Deutschland entgegen. Vor allem wird dem gemeinschaftsrechtlich fundierten Wechselbezug von Sozial- und Marktwirtschaftspolitik nicht genügend Rechnung getragen: Die Sozialversicherungsmonopole werden aufrecht erhalten, obwohl zumindest für den Gesundheitsmarkt die wettbewerbliche Verfassung der Europäischen Union sowohl ambulant wie stationär eine Deregulierung fordert. Noch stärker zu öffnen ist auch der ungehinderte Zugang des Unionsbürgers zu den mitgliedstaatlichen Gesundheitsangeboten. (12) Die strukturellen Fehlentwicklungen machen es schwierig, die sozialen Sicherungssysteme an die „Globalisierung“ der Wirtschaft sowie an den Strukturwandel des Alters anzupassen. Mit der Ersteren ist anhaltende strukturelle Arbeitslosigkeit verbunden, so dass die Beiträge zur Sozialversicherung künftig von den Erwerbseinkommen abgekoppelt und an der unternehmerischen Wertschöpfung orientiert werden müssen. Die Letztere lässt in der Ren-
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Rainer Pitschas
tenversicherung den „Generationenvertrag“ und in der Krankenversicherung die Bedarfsplanung für Vertragsärzte obsolet werden. Auch die weitere Senkung des Rentenniveaus ist unvermeidlich. Auf dem Arbeitsmarkt ist eine Politik der Verlängerung der Lebensarbeitszeit erforderlich.
IV. Auf dem Weg zu einer neuen Architektur der sozialen Sicherung (13) Inzwischen vorgelegte „neue“ Konzepte zur Zukunft der sozialen Sicherung nehmen die voraufgehend skizzierten Rationalitätsbindungen auf. Dabei unterscheiden sich „pfadabhängige“ von „systemverändernden“ Modernisierungsentwürfen. Darüber hinaus wird die Rolle des Staates prekär: Im Neuzuschnitt der sozialen Sicherung unterliegen rechtsstaatlich-gleichheitsrechtlich verankerte Sicherungskomplexe als öffentliche Güter immer stärker individual-privatrechtlicher Disposition. Tendenziell lässt diese Entwicklung eine Renaissance der Privatautonomie in der sozialen Sicherung erkennen. (14) Im Vordergrund aller Zukunftsüberlegungen stehen derzeit die Modelle einer „Gesundheitsprämie“ („Kopf “- bzw. „Pauschalprämie“) und der „Bürgerversicherung“. Beide nehmen Anleihen bei dem Schweizerischen Krankenversicherungsgesetz auf. Doch verfehlt die „Pauschalprämie“ ihre Finanzierbarkeit und den sozialstaatlichen Grundsatz der Beitragsgerechtigkeit. Die „Bürgerversicherung“ erreicht ihrerseits keine Entlastung der Lohnkosten; sie kollidiert zudem mit der Berufsfreiheit der privaten Versicherer und der besonderen Rechtfertigungslast des Bürgerversicherungstarifs im Steuerstaat. In Zweifel zu ziehen ist auch die Validität erworbener Anwartschaften Versicherter mit Blick auf Art. 14 GG . Verfassungsrechtlich gesehen, sind beide Modelle teilweise ungeeignet, die Sozialversicherung der Zukunft zu begründen. (15) Auf Dauer bewirken sie im Übrigen die Aufspaltung der sozialen Sicherung in eine umlagegesteuerte und beitragsfinanzierte Grund- sowie kapitalgedeckte und prämien- bzw. risikofinanzierte Ergänzungssicherung. Die gesetzliche Rentenversicherung hat diesen Weg bereits eingeschlagen.
V.
Verfassungs- und europarechtlicher Rahmen für Modernisierungsentscheidungen
(16) Die Modernisierung der sozialen Sicherungssysteme ist nicht zuletzt eine Frage des (Verfassungs-)Rechts. Es hält entsprechende Strukturvorgaben als Rahmenordnung bereit, steuert die Modernisierungsprozesse und gewährt Grundrechtsschutz in komplexen Strukturen. Das Gemeinschaftsrecht überformt diese nationalen Einflüsse des Rechts. Es erzwingt die weitere Öffnung
Die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme
143
des Zugangs der Unionsbürger zu den nationalen Sicherungssystemen. Die notwendige Systemkonvergenz wird durch „offene Koordination“ erreicht. (17) Im Vieleck der Modernisierungsziele von Eigenverantwortung und Solidarität, Wettbewerb und Gemeinwohlbindung, individueller Wahlfreiheit und sozialer bzw. Generationengerechtigkeit verfügt der Sozialgesetzgeber über einen erheblichen Experimentierspielraum und ein weites Optionenermessen. Grenzen zieht der gestufte verfassungsrechtliche Vertrauensschutz aller privaten Verantwortungsinvestitionen. (18) Kein soziales Sicherungssystem genießt freilich absoluten verfassungsrechtlichen Systemschutz. Soweit Rechtsänderungen zu Lasten einzelner Versicherter oder Dritter gehen, verweist deshalb das BVerfG zu Recht auf den Grundrechtsschutz, namentlich durch Art. 14 GG, sowie in Ansehung des Rechtsstaatsprinzips und der „Maßstabsreserve“ (Steiner) des Art. 2 Abs. 1 GG auf den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes. Dieser ist allerdings auch aus Art. 12 Abs. 1 GG ableitbar. Strukturell setzt das Sozialstaatsprinzip einer ausschließlichen Marktorganisation sozialer Sicherung ebenso Grenzen wie die soziale Gleichheit für die Sachgerechtigkeit von Systemänderungen streitet. Vor allem aber erfließt dem Verfassungsprinzip „Sicherheit“ das an den Gesetzgeber gewendete Gebot, den Vorrang der Systemkontinuität zu beachten. Es handelt sich um einen spezifischen Systemvertrauensschutz. Die soziale Sicherung der Zukunft wird sich deshalb vornehmlich in der Logik der bisherigen Sozialversicherung entwickeln. (19) Im Übrigen gilt: Vertrauensschutz gibt es vor allem im System. Versicherte oder Dritte sind insofern auf den allgemeinen rechtsstaatlichen Vertrauensschutz verwiesen, der solche Systemänderungen betrifft, bei denen insbesondere rechtliche Anwartschaften gekürzt oder aufgehoben werden sollen. Auch die Ausweitung des Sozialversicherungsbeitrags steht nicht in einem grundrechtsfreien Raum. (20) Der Kompetenztitel der „Sozialversicherung“ (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG) ermöglicht als ein weitgefasster verfassungsrechtlicher Gattungsbegriff die Errichtung einer „Volksversicherung“ mit Zwangsmitgliedschaft. Doch vermag die gesetzgeberische Kompetenzinanspruchnahme nicht die Freiheitsordnung des Grundgesetzes zu überwinden: Verteilungsgerechtigkeit, die der freiheitliche Sozialstaat anstrebt, ist in den komplexen Sicherungsstrukturen immer auch ein Grundrechtsproblem. Die „Bürgerversicherung“ in ihrer gegenwärtigen Konzeption begegnet daher erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken.
144
Helge Sodan
Zweiter Beratungsgegenstand:
Die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme 2. Bericht von Prof. Dr. Helge Sodan, Berlin Inhalt Seite
I. II.
Entwicklung sozialer Sicherungssysteme . . . . . . Personeller Umfang der Sozialversicherung . . . . 1. Sozialrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . 2. Zur Einführung einer „Bürgerversicherung“ . . 3. System pauschaler Gesundheitsprämien . . . . 4. Reduzierung des Versichertenkreises auf sozial Schutzbedürftige . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Finanzierung des Familienlastenausgleichs . . . III. Sachlicher Umfang der Sozialversicherung . . . . IV. Leistungserbringung für die Sozialversicherung . . V. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme
I.
145
Entwicklung sozialer Sicherungssysteme
Im bereits liberal geprägten 19. Jahrhundert fragte ein Abgeordneter in der französischen Kammer den Rechtsprofessor und Minister Royer-Collard: „Muss denn nicht jedermann leben können?“ Die kühle Antwort lautete: „Ich sehe keine Notwendigkeit.“1 In Deutschland sah diese soziale Notwendigkeit wenig später Otto von Bismarck. Er hielt die wesentlich von ihm kreierte Sozialpolitik für „praktisches Christentum“; ihre Zielsetzung galt dem „Wohl der staatlich geeinten Gemeinschaft“.2 So heißt es etwa in der Begründung zu dem schon Anfang 1881 dem Reichstag vorgelegten Entwurf eines Gesetzes betreffend die Unfallversicherung der Arbeiter: „Daß der Staat sich in höherem Maße als bisher seiner hilfsbedürftigen Mitglieder annehme, ist nicht blos eine Pflicht der Humanität und des Christentums, von welchem die staatlichen Einrichtungen durchdrungen sein sollen, sondern auch eine Aufgabe staatserhaltender Politik …“3 Dieser Gesetzentwurf blieb zwar noch in den parlamentarischen Debatten stecken.4 Seine Zielrichtung führte jedoch in den folgenden Jahren zu einer wegweisenden Sozialgesetzgebung: zu dem Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter5, dem Unfallversicherungsgesetz6 sowie dem Gesetz betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung7. Diesen bedeutenden Gesetzgebungswerken liegen Prinzipien zugrunde, die noch heute die Sozialversicherung prägen: die Errichtung einer grundsätzlichen Pflichtversicherung mit öffentlich-rechtlicher Organisation und auf der Grundlage einer Selbstverwaltung mit staatlicher Aufsicht; die Finanzierung durch gemeinsam von Arbeitern und deren Arbeitgebern aufgebrachte Beiträge, wobei für die Rentenversicherung ein Staatszuschuss vorgesehen war; die Regelung eines für den Eintritt des Versicherungsfalls gegebenen öffentlich-rechtlichen Leistungsanspruchs.8 Seit dem ersten „Bismarckschen“ Sozialgesetz – dem bereits genannten Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter aus dem 1 S. W. Leisner Grundgesetz und gesetzliche Krankenversicherung, in: Empter/Sodan (Hrsg.) Markt und Regulierung – Rechtliche Perspektiven für eine Reform der gesetzlichen Krankenversicherung, 2003, 43. 2 H. Rothfels Bismarck, der Osten und das Reich, 2. Aufl. 1960, 169; s. ferner W. Vogel Bismarcks Arbeiterversicherung, 1951, 154; W. Mommsen Otto von Bismarck, 1966, 131 ff. 3 Sammlung sämtlicher Drucks. des Reichstags, 1881, Nr. 41, S. 17 (Anlage 2). 4 S. dazu W. Mommsen (Fn. 2), 131. 5 Vom 15. Juni 1883 ( RGBl 73). 6 Vom 6. Juli 1884 ( RGBl 69). 7 Vom 22. Juni 1889 ( RGBl 97). 8 R. Waltermann Sozialrecht, 4. Aufl. 2004, Rn. 46.
146
Helge Sodan
Jahre 1883 – sind mehr als 120 Jahre vergangen. In dieser Zeit ist es in Deutschland zu einer gewaltigen Expansion der sozialen Sicherungssysteme gekommen. Herkömmlich wird zwischen Sozialversicherung, Sozialversorgung und Sozialfürsorge unterschieden.9 Diese traditionelle Einteilung orientiert sich an den wichtigsten Gesetzgebungskompetenzen auf dem Gebiet des Sozialrechts (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 7, 10 und 12 GG). In diese klassische Dreiteilung lassen sich allerdings einige neuere Bereiche wie das Wohngeldrecht oder die Ausbildungsförderung nicht einordnen. Daher wird teilweise eine Differenzierung zwischen Vorsorge, Entschädigung sowie Hilfe und Förderung vorgeschlagen.10 Angesichts der strikten Begrenzung dieses Berichts werden sich die nachfolgenden Ausführungen auf die deutsche Sozialversicherung konzentrieren. Diese ruht derzeit auf insgesamt fünf Säulen: der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung, der gesetzlichen Unfallversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte sowie der Arbeitslosenversicherung.11 Der letztgenannte Versicherungszweig ist zwar im Arbeitsförderungsrecht geregelt; in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG ist jedoch von der „Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung“ die Rede. Die bereits angesprochene Expansion der sozialen Sicherungssysteme hat zugleich zu einer Explosion der Kosten geführt. Im Jahre 2002 umfasste das Sozialbudget, in dem sämtliche Ausgaben für Zwecke der sozialen Sicherung enthalten sind, rund 685 Milliarden Euro – knapp ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland; noch 1960 betrug das Verhältnis des Sozialbudgets zum Bruttoinlandsprodukt desselben Jahres nur etwas über 20 Prozent, 1970 25 Prozent.12 Weder die Berichte noch die Diskussionen auf der Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 1969 zum Thema „Die Rechtsformen der sozialen Sicherung und das Allgemeine Verwaltungsrecht“13 haben die spätere Krise sozialer Sicherungssysteme vorausgesehen. Fast genau 35 Jahre später ist Sozialstaatlichkeit in Deutschland vor allem zu einem Finanzierungsproblem 9 S. etwa G. Wannagat Lehrbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. I, 1965, 31 ff.; W. Gitter/J. Schmitt Sozialrecht, 5. Aufl. 2001, § 1 Rn. 9 ff. 10 S. dazu H. F. Zacher Zur Rechtsdogmatik sozialer Umverteilung, DÖV 1970, 3 (6 Fn. 41); ders. Einführung in das Sozialrecht der Bundesrepublik Deutschland, 1983, 20 f.; R. Waltermann (Fn. 8), Rn. 64 f. 11 Ein Bild von dem auf fünf Säulen ruhenden Gebäude der Sozialversicherung mit einer Übersicht über die entsprechenden Rechtsgrundlagen zeichnet R. Waltermann (Fn. 8), Rn. 95. 12 Vgl. die Angaben im Sozialbudget 2002, www.bmgs.bund.de/downloads/ A230–2002.pdf (Stand: 26. November 2004). 13 S. die Berichte von W. Henke und W. Rüfner VVDStRL 28 (1970), 149 ff. bzw. 187 ff.
Die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme
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geworden. Dieses betrifft sowohl die Einnahmen- als auch die Ausgabenseite. Wer also zur Bewältigung der Zukunft durch Lösungsvorschläge für die unvermeidlichen Reformen sozialer Sicherungssysteme beitragen will, muss zunächst Defizite in den Grundstrukturen herausarbeiten. Ohne sich in der Fülle der Detailregelungen zu verlieren, werden sich die nachfolgenden Überlegungen auf drei Schwerpunktbereiche konzentrieren: 1. den personellen Umfang der Sozialversicherung, 2. den sachlichen Umfang der Sozialversicherung und 3. die Leistungserbringung für die Sozialversicherung. Insbesondere ist der verfassungsrechtliche Rahmen für Reformen abzustecken. Zu erörtern wird die Frage sein, ob derzeit stark differierende soziale Sicherungssysteme durch Stärkung gemeinsamer Strukturen zu einem weitgehend einheitlichen Sozialversicherungssystem ausgestaltet werden können.
II.
Personeller Umfang der Sozialversicherung
1.
Sozialrechtliche Grundlagen
Die Basis jeder Versicherung bildet der Versichertenkreis. Grundlage einer sozialen Versicherung ist das Prinzip der Pflichtversicherung. Wie sehr der Kreis insbesondere der Pflichtversicherten in den letzten rund 120 Jahren erweitert wurde, lässt sich am Beispiel der gesetzlichen Krankenversicherung veranschaulichen: Dieser gehörten nach Errichtung der Krankenversicherung der Arbeiter 1883 zunächst nur etwa 10 Prozent der Bevölkerung als sozial Schutzbedürftige an, nämlich die Arbeiter mit den niedrigsten Löhnen.14 1931 waren im Deutschen Reich bereits 32 Prozent der Bevölkerung in der gesetzlichen Krankenversicherung direkt versichert; in der Bundesrepublik Deutschland wurden unter Hinzurechnung der mitversicherten Familienangehörigen 1960 rund 80 Prozent der Bevölkerung in den Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung einbezogen.15 Mittlerweile sind es etwa 90 Prozent.16 Damit befindet sich diese Versicherung schon seit längerem deutlich auf dem Weg in eine „Einheits-“ bzw. „Volksversicherung“. Arbeiter und Angestellte sind grund-
14 Vgl. W. Albers Plädoyer für mehr Markt im Gesundheitswesen, Staatswissenschaften und Staatspraxis 4 (1993), 431 (438). 15 BVerfGE 11, 30 (43f.). 16 S. die vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung veröffentlichte Monatsstatistik der gesetzlichen Krankenversicherung über Mitglieder, mitversicherte Angehörige, Beitragssätze und Krankenstand für September 2004, www.bmgs.bund.de/ downloads/km1jul_sep_04.pdf (Stand: 26. November 2004).
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sätzlich versicherungspflichtig und nur insoweit versicherungsfrei, als ihr regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt eine bestimmte Grenze übersteigt; diese liegt derzeit bei 46350 Euro.17 In den Schutz der sozialen Pflegeversicherung sind kraft Gesetzes alle einbezogen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind.18 In der gesetzlichen Rentenversicherung sind grundsätzlich alle Personen versicherungspflichtig, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind;19 eine Versicherungspflichtgrenze, bei deren Überschreiten Versicherungsfreiheit eintritt, ist für diesen Sozialversicherungszweig nicht geregelt. Versicherungsfrei sind allerdings insbesondere Beamte, Richter und Soldaten.20 Die aktuell beitragszahlenden Mitglieder einer Sozialversicherung sind für deren Funktionsfähigkeit von besonderer Bedeutung, weil die deutsche Sozialversicherung auf dem so genannten Umlageverfahren beruht: In dem die private Versicherung prägenden Kapitaldeckungsverfahren wird aus den Beiträgen Vermögen gebildet, das die Grundlage späterer Versicherungsleistungen darstellt; das Umlageverfahren, welches auch als „Generationenvertrag“ bezeichnet wird, kommt hingegen ohne Kapitalakkumulation aus.21 Deutschland erlebte während des Aufbaus sozialer Sicherungssysteme eine demographische Explosion. Auf einer solchen Grundlage konnten umlagefinanzierte Sozialversicherungssysteme funktionieren. Heute allerdings müssen immer weniger junge Erwerbstätige die Sozialleistungen für immer mehr ältere Menschen finanzieren. Die von der Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung eingesetzte „Kommission für die Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme“, die nach dem Namen ihres Vorsitzenden als „Rürup-Kommission“ bezeichnet wird, geht in ihrem Bericht aus dem Jahre 2003 von einer Fortsetzung des Trends steigender Lebenserwartung aus: Danach wird die fernere Lebenserwartung von 65-Jährigen bis zum Jahr 2030 bei Männern um 2,6 Jahre und bei Frauen um 3,1 Jahre steigen. Damit werden 65-jährige Männer 2030 im Durchschnitt 83,4 Jahre alt, Frauen sogar 87,6 Jahre. Zugleich wird die Anzahl der 15- bis 64-Jährigen kontinuierlich zurückgehen.22 17 S. § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm § 6 Abs. 6 SGB V sowie § 4 Abs. 1 der Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2004 vom 9. Dezember 2003 (BGBl I 2497). 18 § 1 Abs. 2 SGB XI . S. im Einzelnen die Regelungen in den §§ 20 ff. SGB XI . 19 S. § 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI . 20 S. § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI . 21 R. Waltermann (Fn. 8), Rn. 323 f. 22 Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme, Bericht der Kommission, 2003, 6, 53, 55, www.soziale-sicherungssysteme.de/download/ PDFs/Bericht.pdf (Stand: 26. November 2004).
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Das sich daraus bei einem Umlageverfahren ergebende Finanzierungsproblem wird aufgrund der einkommensorientierten Beiträge zur Sozialversicherung durch Massenarbeitslosigkeit noch erheblich verschärft. 2.
Zur Einführung einer „Bürgerversicherung“
Dennoch empfiehlt die „Rürup-Kommission“ speziell für die gesetzliche Rentenversicherung keine Ausweitung des versicherungspflichtigen Personenkreises auf Beamte und Selbständige: Diese Erweiterung könne „nur vorübergehend eine Entlastung für den Beitragssatz bewirken“; neben „der verfassungsrechtlichen Verankerung der Beamtenversorgung“ sei „zu beachten, dass Pensionen bereits im Umlageverfahren finanziert“ würden.23 Eine Erweiterung des personellen Umfangs der gesetzlichen Rentenversicherung ist derzeit kein zentrales Thema. In Bezug auf die gesetzliche Krankenversicherung sieht die „RürupKommission“ hingegen eine mögliche Alternative in der Einführung einer „Bürgerversicherung“. Das vorgeschlagene Modell hebt die bisherige Versicherungspflichtgrenze auf und schafft eine umfassende „Einwohnerversicherung“, bezieht also auch Selbständige und Beamte ein; die private Krankenversicherung soll auf das Angebot von Zusatzversicherungen beschränkt werden.24 Dieses Konzept stößt jedoch auf schwerwiegende verfassungsrechtliche Einwände, von denen sich einige wie folgt skizzieren lassen: Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts greifen Pflichtmitgliedschaften in öffentlich-rechtlichen Körperschaften wie den gesetzlichen Krankenkassen in das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit ein25 und sind damit rechtfertigungsbedürftig. Diesbezügliche Regelungen müssen in formeller und materieller Hinsicht verfassungsgemäß sein, um zur verfassungsmäßigen Ordnung zu gehören.26 Sehr zweifelhaft ist jedoch, ob der Bund für gesetzliche Festlegungen einer als umfassende Zwangsversicherung ausgestalteten gesetzlichen Krankenversicherung den Kompetenztitel Kommission (Fn. 22), 12; s. näher ebenda, 122 ff. Kommission (Fn. 22), 14, 149. 25 S. BVerfGE 10, 89 (102); 15, 235 (239); 32, 54 (63f.); 38, 281 (297f.); 44, 70 (89); 48, 227 (234); 53, 313 (326); 78, 320 (329f.); 89, 365 (376); 92, 53 (69); BVerfG, NVwZ 2002, 335 (336); BVerfG, NVwZ 2004, 463 (464). S. zur Abgrenzung von der „negativen“ Vereinigungsfreiheit des Art. 9 Abs. 1 GG H. Sodan Berufsständische Zwangsvereinigung auf dem Prüfstand des Grundgesetzes, 1991, 22 ff.; ders./J. Ziekow Grundkurs Öffentliches Recht, 2005, § 37 Rn. 6. 26 Vgl. etwa BVerfGE 6, 32 (37 f.); 20, 150 (154); 50, 256 (262); 80, 137 (153); 96, 375 (397f.); 104, 337 (346). 23 24
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„Sozialversicherung“ (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG) für sich in Anspruch nehmen könnte. Nach der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts können neue Lebenssachverhalte in das Gesamtsystem „Sozialversicherung“ einbezogen werden, wenn zumindest eine Orientierung am klassischen Bild der Sozialversicherung erfolgt.27 Von diesem Bild würde sich jedoch eine „Bürgerversicherung“ genannte „Einwohnerversicherung“ – gerade durch die künftige Einbeziehung von Selbständigen und Beamten – vollends lösen.28 Dem Bundesverfassungsgericht zufolge gehört zur Sozialversicherung „jedenfalls die gemeinsame Deckung eines möglichen, in seiner Gesamtheit schätzbaren Bedarfs durch Verteilung auf eine organisierte Vielheit“.29 Nimmt man das Bundesverfassungsgericht insoweit beim Worte, so ließe sich im Falle einer die gesamte Bevölkerung umfassenden Sozialversicherung schwerlich von einer „organisierten Vielheit“ sprechen.30 „Bedarfsdeckung durch eine organisierte Vielheit setzt einen Ausschnitt aus der Bevölkerung voraus, der zur Deckung des Bedarfs herangezogen wird.“31 Das Bundesverfassungsgericht stellte schon früh fest, die Sozialversicherung gehe „nicht vom Risikobegriff der Privatversicherung“ aus, sondern enthalte „von jeher auch ein Stück staatlicher Fürsorge“.32 Das Prinzip der Äquivalenz von Beiträgen und Leistungen der Versicherung ist für die Sozialversicherung demnach zwar durch den Grundsatz des sozialen Ausgleichs im Sinne einer „Globaläquivalenz“ modifiziert.33 Es darf aber keinesfalls in seiner Maßgeblichkeit beseitigt werden, ohne dass zugleich
27 S. BVerfGE 11, 105 (111 ff.); 62, 354 (366); 63, 1 (35); 75, 108 (146). Vgl. dazu H. Sodan Der „Beitrag“ des Arbeitgebers zur Sozialversicherung für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, NZS 1999, 105 (110 f.); ders. Verfassungsrechtliche Anforderungen an Regelungen gemeinschaftlicher Berufsausübung von Vertragsärzten – Zum Spannungsverhältnis von Berufs- und Sozialversicherungsrecht, NZS 2001, 169 (170 ff.). 28 H. Sodan Die „Bürgerversicherung“ als Bürgerzwangsversicherung, ZRP 2004, 217 (219). So im Ergebnis auch H. Egger Verfassungsrechtliche Grenzen einer Gesundheitsreform, SGb 2003, 76 (78); J. Isensee „Bürgerversicherung“ im Koordinatensystem der Verfassung, NZS 2004, 393 (396); vgl. auch bereits D. Merten Die Ausweitung der Sozialversicherungspflicht und die Grenzen der Verfassung, NZS 1998, 545 (547). Dagegen wird das Problem übersehen von D. Beer/D. Klahn Rechtliche und ökonomische Eckpunkte einer Bürgerversicherung, SGb 2004, 13 (17). 29 So BVerfGE 11, 105 (112); 75, 108 (146), jeweils im Anschluss an BSGE 6, 213 (228). 30 H. Sodan (Fn. 28), 218. 31 T. Maunz in: ders./Dürig, GG , Art. 74 Rn. 172 (Stand: Oktober 1984). 32 BVerfGE 11, 105 (114); vgl. ferner bereits BVerfGE 9, 124 (133); 10, 141 (165f.). 33 S. dazu F. E. Schnapp Organisation der gesetzlichen Krankenversicherung, in: Schulin (Hrsg.) Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. I, 1994, § 49 Rn. 48; H. Sodan/O. Gast Die Relativität des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität nach SGB V, Verfassungs- und Europarecht, NZS 1998, 497 (498).
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das Versicherungsprinzip34 erheblich eingeschränkt wäre.35 Im Falle einer umfassenden „Bürgerversicherung“ dürften jedoch den hohen Beiträgen der zusätzlich in die gesetzliche Krankenversicherung einbezogenen Personen keine auch nur annähernd adäquaten Versicherungsleistungen entsprechen. Zusätzlich zu den Einwänden gegen die Gesetzgebungskompetenz des Bundes bestehen in materieller Hinsicht Bedenken gegen eine als „Volksversicherung“ ausgestaltete Sozialversicherung. Zwar ist eine soziale Pflichtversicherung prinzipiell zulässig.36 Eine die gesamte Bevölkerung einbeziehende Bürgerzwangsversicherung würde aber eben für viele Pflichtmitglieder, die eindeutig nicht sozial schutzbedürftig sind, in keinem vernünftigen Verhältnis zu den diesen Personen aus der Pflichtzugehörigkeit erwachsenden Vorteilen stehen.37 Sie wäre daher wegen Verstoßes gegen das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit verfassungswidrig.38 Ebenso wenig ließe sich der zumindest mittelbare Eingriff in das den privaten Krankenversicherungsunternehmen durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Grundrecht der Berufsfreiheit rechtfertigen.39 Ein Kam-
34 S. dazu näher F. Hase Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, 2000, 71 ff., 145 ff.; B. Schulin Rechtliche Grundprinzipien der gesetzlichen Krankenversicherung und ihre Probleme, in: ders. (Hrsg.) Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. I, 1994, § 6 Rn. 45 ff. 35 In Verkennung der inhaltlichen Strukturelemente der „Sozialversicherung“ iSv Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG, wie sie das Bundesverfassungsgericht für diesen Kompetenztitel fordert, ist in BSGE 81, 276 (282) die nicht mehr nachvollziehbare These vertreten, der Begriff der Sozialversicherung sei rein formal und offen, nicht aber „inhaltlich nach einem Versicherungsprinzip“ bestimmt – Hervorhebung vom Verfasser. 36 S. dazu näher H. Sodan Das Beitragssatzsicherungsgesetz auf dem Prüfstand des Grundgesetzes, NJW 2003, 1761 (1765). 37 Vgl. zu dem damit angewandten Maßstab BVerfGE 38, 281 (302). 38 H. Sodan (Fn. 28), 220; so im Ergebnis auch H. Egger (Fn. 28); F. Kirchhof Verfassungsrechtliche Probleme einer umfassenden Kranken- und Renten-„Bürgerversicherung“, NZS 2004, 1 (2f.); vgl. ferner C. Uleer Die „richtige“ Abgrenzung von PKV und GKV, in: Boecken/Ruland/Steinmeyer (Hrsg.) Sozialrecht und Sozialpolitik in Deutschland und Europa, FS Baron von Maydell, 2002, 767 (773 f.), sowie die diesbezügliche Rezension von H. Sodan VSSR 2003, 141 (143 f.); aA D. Beer/D. Klahn (Fn. 28), 17 f.; differenzierend S. Muckel Verfassungsrechtliche Grenzen der Reformvorschläge zur Krankenversicherung, SGb 2004, 583 (590ff.). 39 S. dazu näher W. Leisner Sozialversicherung und Privatversicherung – Dargestellt am Beispiel der Krankenversicherung, 1974, 35 ff.; J. Isensee (Fn. 28), 400f.; F. Hufen Grundrechte der Leistungserbringer in der gesetzlichen Krankenversicherung und Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, in: Sodan (Hrsg.) Finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung und Grundrechte der Leistungserbringer – Vorträge im Rahmen der 1. Berliner Gespräche zum Gesundheitsrecht am 16. und 17. Juni 2003, 2004, 27 (36f.); F. Kirchhof (Fn. 38), 3f. Anders hingegen S. Storr „Neuorganisa-
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merbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Februar 200440 weist darauf hin, dass die im so genannten Beitragssatzsicherungsgesetz41 geregelte und als verfassungsgemäß angesehene deutliche Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze „das duale Krankenversicherungssystem nicht grundsätzlich“ verändere und „der Geschäftsbereich der privaten Krankenversicherung der Beamten und Selbständigen“ unangetastet bleibe. Der Gesetzgeber hat die „bipolare Versicherungsverfassung“42 zu beachten. Eine abgeschwächte Variante einer „Bürgerversicherung“ sieht das Ende August 2004 vorgelegte „Modell einer solidarischen Bürgerversicherung“43 vor. Danach bleiben die bestehenden Altverträge in der privaten Krankenversicherung unangetastet. Für Neuverträge soll jedoch ausschließlich ein so genannter „Tarif Bürgerversicherung“ zur Verfügung stehen. Zum Angebot dieses Tarifs könnten sowohl die gesetzlichen Krankenkassen als auch die privaten Krankenversicherungsunternehmen zu gleichen Wettbewerbsbedingungen zugelassen werden; Beitragssatzunterschiede sind möglich. Der „Tarif Bürgerversicherung“ ist u. a. durch einen einheitlichen gesetzlichen Leistungskatalog und einen Kontrahierungszwang auch für private Krankenversicherungsunternehmen gekennzeichnet. Alle Bürgerversicherungstarife sollen in den bislang nur für die gesetzliche Krankenversicherung geltenden „Risikostrukturausgleich“44 einbezogen werden.
tion der Sozialen Sicherungssysteme“ – zu den verfassungsrechtlichen Grenzen von Reformen in der Sozialversicherung am Beispiel der Krankenversicherung, SGb 2004, 279 (287). 40 BVerfG , VersR 2004, 898 (899). 41 Vom 23. Dezember 2002 ( BGBl I 4637); s. Art. 1 Nr. 1 dieses Gesetzes. 42 S. zu diesem Begriff W. Leisner (Fn. 39), 167, 170; H. Sodan Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung – Ein verfassungsund verwaltungsrechtlicher Beitrag zum Umbau des Sozialstaates, 1997, 332; vgl. ferner M. Fuchs Privatversicherung und Sozialversicherung, VSSR 1991, 281 (294); G. Hennies Zum Monopol der gesetzlichen Krankenversicherung, ArztR 1994, 95 (96). 43 S. den mit diesem Titel erstatteten Bericht der Projektgruppe Bürgerversicherung des SPD -Parteivorstandes vom 26. August 2004, www.spd.de/servlet/ PB /show/1038852/ buergerversicherungsmodell.pdf (Stand: 26. November 2004), und die auf der Grundlage dieses Berichts vom SPD -Parteivorstand auf seiner Klausur am 28./29. August 2004 beschlossenen „Eckpunkte für eine solidarische Bürgerversicherung“, www.spd.de/servlet/ PB /show/1038909/2004_08_29_WBHM_buergerversicherung.pdf (Stand: 26. November 2004). 44 S. zu den damit verbundenen Rechtsproblemen BSGE 90, 231 ff.; H. Sodan/O. Gast Der Risikostrukturausgleich in der GKV als Quadratur des Kreises, VSSR 2001, 311 ff.; dies. Umverteilung durch „Risikostrukturausgleich“ – Verfassungs- und europarechtliche Grenzen des Finanztransfers in der Gesetzlichen Krankenversicherung, 2002, passim.
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Erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen dieses Modell bestehen bereits im Hinblick auf die erforderliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Diese könnte sich, soweit die private Krankenversicherung betroffen ist, aus dem in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG genannten Kompetenztitel „privatrechtliches Versicherungswesen“ ergeben. Legt man ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2001 zur Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften des Pflege-Versicherungsgesetzes45 zugrunde, so stehen zwar der Inanspruchnahme dieses Kompetenztitels nicht entgegen: eine Versicherungspflicht, ein Kontrahierungszwang und Einschränkungen privatautonomer Gestaltungsfreiheit. Die Entscheidung gibt jedoch zu erkennen, dass bei einer „Nivellierung der Prämien“ 46 die Grenze zu einem nicht mehr privatrechtlichen Versicherungswesen überschritten wird. Zu einer solchen Nivellierung würde aber die gesetzliche Regelung eines von jedem individuellen Risiko gelösten, versicherungsintern einheitlichen „Tarifs Bürgerversicherung“ führen. Der auch in einer privatrechtlichen Versicherung grundsätzlich zulässige soziale Ausgleich könnte jedoch durch eine Begrenzung der Beiträge auf einen zumutbaren Höchstsatz erreicht werden. Im Übrigen müsste der Gesetzgeber allerdings zur Wahrung der Kompetenz des privatrechtlichen Versicherungswesens Raum für eine Differenzierung der Beiträge lassen.47 Die private Krankenversicherung wäre anderenfalls der Sache nach zur Sozialversicherung mutiert. Für die Versicherten würde sich angesichts der Tatsache, dass ihre Wahlmöglichkeit nur auf die Organisationsform der gesetzlichen Krankenkasse bzw. des privaten Krankenversicherungsunternehmens beschränkt wäre, faktisch keine nennenswert geringere Belastung ergeben als im Falle der zwangsweisen Einbeziehung in eine Sozialversicherung. Insofern gelten die aus dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit diesbezüglich entwickelten Überlegungen hier entsprechend. Die privaten Krankenversicherungsunternehmen könnten dem genannten Modell ihr Grundrecht der Berufsfreiheit entgegenhalten, welches die Wettbewerbsfreiheit einschließt48. In diese würde jedoch eine Verpflichtung zum Kontrahierungszwang ohne Risikoprüfung und zum Angebot eines einheitlichen Leistungskataloges sowie von Pauschalprämien intensiv und in nicht zu rechtfertigender Weise eingreifen. 45 46
BVerfGE 103, 197 (218 f.). BVerfGE 103, 197 (220) – Hervorhebung vom Verfasser.
47 Vgl. H. Sodan Zur Verfassungsmäßigkeit der Ausgliederung von Leistungsbereichen aus der gesetzlichen Krankenversicherung – Dargestellt am Beispiel der Versorgung mit Zahnersatz, NZS 2003, 393 (399f.). 48 S. zur Herleitung der Wettbewerbsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG etwa BVerfGE 32, 311 (317); 46, 120 (137); BVerwGE 71, 183 (189); H. Sodan Vorrang der Privatheit als Prinzip der Wirtschaftsverfassung, DÖV 2000, 361 (364).
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3.
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System pauschaler Gesundheitsprämien
Halten sich demnach die beiden vorgeschlagenen Varianten einer künftigen „Bürgerversicherung“ nicht in dem vorgegebenen verfassungsrechtlichen Rahmen, rückt umso mehr ein Systemwechsel zur Sicherung der Überlebensfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung ins Blickfeld. Das von der „Rürup-Kommission“ als zweite Alternative vorgeschlagene „System pauschaler Gesundheitsprämien orientiert sich am Äquivalenzprinzip und zielt auf eine völlige Entkoppelung der Beiträge zur Gesetzlichen Krankenversicherung von den Arbeitskosten“.49 Die bisherigen Arbeitgeberbeiträge50 sollen als Bruttolohnbestandteile ausgezahlt werden.51 Beitrags- bzw. Prämienerhöhungen zögen künftig keine Verteuerung des Faktors Arbeit mehr nach sich. Diesem Modell zufolge ergäbe sich auf der Grundlage eines prinzipiell unveränderten Versichertenkreises und auf dem Stand des Jahres 2003 im Durchschnitt eine monatliche Prämie von rund 210 Euro je erwachsenem Versicherten.52 Um den erforderlichen sozialen Ausgleich zu gewährleisten, sollen Versicherte mit geringen Haushaltseinkommen steuerfinanzierte Prämienzuschüsse erhalten.53 Den damit für die öffentlichen Haushalte verbundenen Belastun49 Kommission (Fn. 22), 15. Der Bericht der vom Bundesvorstand der CDU Deutschlands eingesetzten Kommission „Soziale Sicherheit“ zur Reform der sozialen Sicherungssysteme, die als „Herzog-Kommission“ bezeichnet wird, vom 29. September 2003 schlägt zwar auch den Übergang zu einem Prämienmodell vor (22f.), empfiehlt aber, die Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung, soweit sie Lohnnebenkosten sind, nur teilweise von den Arbeitskosten zu entkoppeln: „Dazu ist es erforderlich, die paritätische Finanzierung teilweise aufzugeben. Um den Arbeitgebern eine langfristig stabile Kalkulation der Arbeitskosten zu ermöglichen und die Lohnnebenkosten dauerhaft begrenzt zu halten, soll der Arbeitgeberanteil zur Finanzierung der Gesundheitskosten abgesenkt und bei 6,5 Prozent festgeschrieben werden“ (20); www.cdu.de/tagesthema/30_09_03_soziale_ sicherheit.pdf (Stand: 26. November 2004). 50 Die Arbeitgeber tragen gemäß § 249 Abs. 1 SGB V die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Krankenkassenbeiträge ihrer nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V versicherungspflichtig Beschäftigten jeweils zur Hälfte und haben nach § 257 Abs. 1 SGB V ihren freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Beschäftigten Beitragszuschüsse zu zahlen. 51 Kommission (Fn. 22), 162. 52 Kommission (Fn. 22), 15, 171. 53 Kommission (Fn. 22), 15, 162. S. zur Verteilung der Belastungen folgende Ausführungen der Kommission, ebenda, 173: „Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich durch eine Umstellung der Finanzierung auf Gesundheitsprämien keine großen Änderungen gegenüber der heutigen Belastungsverteilung ergäben. Die durchschnittliche maximale Belastung betrüge – je nach gewähltem Tarif des zumutbaren Eigenbeitrags – 0,6 % bzw. 2,4 % des verfügbaren Haushaltseinkommens oder rund 0,3 % bzw. 1,2 % des Bruttoeinkommens. Dies entspricht im heutigen System etwa den Belastungen eines Beitragssatzanstiegs um etwa 0,6 bzw. 2,4 Beitragssatzpunkte. Keine soziale Gruppe – abge-
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gen stünden Entlastungseffekte infolge höheren Wirtschaftswachstums und steigender Beschäftigung gegenüber. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen ein einkommensunabhängiges Prämienmodell sind nicht ersichtlich. Für die angestrebten Neuregelungen hätte der Bund die Gesetzgebungszuständigkeit aus dem Kompetenztitel „Sozialversicherung“. Zwar baut das klassische Bild der Sozialversicherung auf dem Prinzip der versicherungsinternen Umverteilung und nicht auf einer Finanzierung über das Steuersystem auf. Das vom Bundesverfassungsgericht genannte Kriterium, wonach zur Sozialversicherung „jedenfalls die gemeinsame Deckung eines möglichen, in seiner Gesamtheit schätzbaren Bedarfs durch Verteilung auf eine organisierte Vielheit“ gehört,54 wäre aber erfüllt. Nach Art. 120 Abs. 1 S. 4 GG trägt der Bund ohnehin die Zuschüsse zu den Lasten der Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitslosenhilfe.55 4.
Reduzierung des Versichertenkreises auf sozial Schutzbedürftige
Zusätzlich zur Einführung eines Prämienmodells sollte auch der Versichertenkreis durch eine deutliche Senkung der Versicherungspflichtgrenze und eine Beseitigung der Möglichkeit zur freiwilligen Versicherung56 erheblich reduziert werden, und zwar auf die wirklich sozial Schutzbedürftigen57. Damit ist nicht eine – praktisch für jeden Menschen
sehen von Haushalten der Beamten und Pensionäre – würde systematisch durch die Reform belastet. Dagegen würden durch die Reform insbesondere Haushalte von Alleinstehenden im mittleren Einkommensbereich entlastet. Nach geltendem Recht tragen diese überproportional zur Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung bei und sind auch sonst im Steuer-Transfer-System hohen Grenzbelastungen ausgesetzt. Im Einzelnen ergäben sich jedoch sehr unterschiedliche Wirkungen in Abhängigkeit von Haushaltstyp und Haushaltsgröße. Durch die Gestaltung des Zuschusssystems und die Art der Gegenfinanzierung können politisch unerwünschte Verteilungseffekte vermieden werden.“ 54 S. die Nachweise in Fn. 29. 55 Vgl. dazu BVerfG , NVwZ 2004, 463 (464); H. Sodan/O. Gast Umverteilung (Fn. 44), 133. 56 Die freiwillige Versicherung ist derzeit geregelt in § 9 SGB V. 57 S. dazu bereits W. Leisner (Fn. 39), 55ff.; ders. Finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung – ein grundgesetzliches Gebot?, in: Sodan (Hrsg.) Finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung und Grundrechte der Leistungserbringer – Vorträge im Rahmen der 1. Berliner Gespräche zum Gesundheitsrecht am 16. und 17. Juni 2003, 2004, 15 (20 ff.); H. Sodan (Fn. 42), 332f.; F. Reuther Verfassungsrechtliche Determinanten für die Beitragsbemessung in der sozialen Kranken- und Pflegeversicherung, in: Depenheuer/Heintzen/Jestaedt/Axer (Hrsg.) Nomos und Ethos, Hommage an
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zutreffende – Schutzbedürftigkeit gegen allgemeine Lebensrisiken gemeint. So heißt es etwa in dem von Alfred Manes herausgegebenen Versicherungslexikon noch im Jahre 1930, die Sozialversicherung sei begrifflich beschränkt „auf notleidende Bevölkerungsschichten“58. Zwar vertritt das Bundesverfassungsgericht die Ansicht, die Beschränkung auf eine Notlage gehöre nicht zum „Wesen der Sozialversicherung“.59 Der Gesetzgeber könnte aber die Sozialversicherung den von ihm als sozial schutzbedürftig angesehenen Personen vorbehalten; für entsprechende Regelungen hätte er einen erheblichen Gestaltungsspielraum.60 Mit einer Kombination von Prämiensystem und Beschränkung des Versichertenkreises auf sozial Schutzbedürftige ließe sich auch dem Einwand „sozialer Ungerechtigkeit“ begegnen, der auf die gleiche Höhe der Beitragsleistungen von Menschen mit hohem und solchen mit niedrigem Einkommen gestützt wird. Die Unterschiede der in die gesetzliche Krankenversicherung Einbezogenen wären in materieller Hinsicht nämlich deutlich geringer; der Versichertenkreis erwiese sich insgesamt als homogener.61 Über ein Steuer-Transfer-System würden auch die finanziell Leistungsstärksten zur Unterstützung der sozial Schutzbedürftigen herangezogen, ohne – wie beim Modell einer umfassenden „Bürgerversicherung“ – zugleich selbst in eine Sozialversicherung gezwungen zu werden. Wer nicht sozial schutzbedürftig ist, vermag sein Krankheitsrisiko eigenverantwortlich abzusichern. Mit der damit verbundenen Eröffnung eines zusätzlichen erheblichen Marktes für die private Krankenversicherung würden neue Marktteilnehmer in einem dann auch im Bereich der Krankenversicherung verwirklichten europäischen Binnenmarkt hinzukommen. Diese könnten mit differenzierten Versicherungsangeboten für eine – gemeinschaftsrechtlich ohnehin intendierte62 – Intensivierung des Wettbewerbs unter den privaten Krankenversicherungsunternehmen sorgen.
J. Isensee zum 65. Geburtstag von seinen Schülern, 2002, 435 (447 ff.). Vgl. auch H. Butzer Fremdlasten in der Sozialversicherung – Zugleich ein Beitrag zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Sozialversicherung, 2001, 431 ff. 58 O. Stein Sozialversicherung, in: Manes (Hrsg.) Versicherungslexikon, 3. Aufl. 1930, Sp. 1446. 59 So BVerfGE 11, 105 (113); 63, 1 (35); 75, 108 (146). 60 H. Sodan Die gesetzliche Krankenversicherung nach dem GKV-Modernisierungsgesetz – Zehn Thesen zur Gesundheitsreform, GesR 2004, 305 (309). 61 Vgl. zum Gesichtspunkt der Homogenität des Versichertenkreises W. Leisner (Fn. 39), 88. 62 S. etwa Art. 4 Abs. 1 EG : Danach umfasst die Tätigkeit der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft die Einführung einer Wirtschaftspolitik, die „dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet ist“.
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Das Modell einkommensunabhängiger Prämien bei gleichzeitiger Reduzierung des Versichertenkreises auf sozial Schutzbedürftige ließe sich auch auf andere Zweige der Sozialversicherung übertragen. Es könnte zu einem verbindenden Strukturelement eines einheitlichen Systems sozialer Sicherung werden. 5.
Finanzierung des Familienlastenausgleichs
Konsequent wäre es, den notwendigen Familienlastenausgleich künftig nicht innerhalb einer begrenzten Solidar-Versichertengemeinschaft, sondern als gesamtgesellschaftliche Aufgabe durch Steuern zu finanzieren. Bereits im so genannten Trümmerfrauen-Urteil aus dem Jahre 1992 forderte das Bundesverfassungsgericht speziell in Bezug auf die gesetzliche Rentenversicherung den Gesetzgeber zu Maßnahmen mit dem Ziel auf, „daß sich mit jedem Reformschritt die Benachteiligung der Familie tatsächlich verringert“.63 In einem Urteil zum Familienlastenausgleich in der sozialen Pflegeversicherung aus dem Jahre 2001 stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass wesentliche Regelungen im Elften Buch Sozialgesetzbuch64 mit Art. 3 Abs. 1 iVm Art. 6 Abs. 1 GG nicht vereinbar sind, soweit Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung, die Kinder betreuen und erziehen, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie Mitglieder ohne Kinder belastet werden.65 Hintergrund ist die dramatische demographische Entwicklung:66 „In Deutschland ist seit Mitte der sechziger Jahre die Zahl der Lebendgeborenen je Frau von 2,49 in rascher Folge auf mittlerweile 1,3 gesunken.“67 In den Worten von Paul Kirchhof: „Deutschland ist – bei all seinem Kapitalreichtum – eines der ärmsten Länder der Welt. Es fehlt am wichtigsten Gut einer lebendigen Gesellschaft: den Kindern“.68 63
BVerfGE 87, 1 (41).
S. § 54 Abs. 1 und 2, § 55 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 sowie § 57 SGB XI vom 26. Mai 1994 (BGBl I 1014). 65 BVerfGE 103, 242. S. zu einer „Klarstellung“, die von einem der an dem Urteil beteiligten Richter in einem Vortrag vorgenommen wurde, U. Steiner Generationenfolge und Grundgesetz, NZS 2004, 505 (507). Kritisch zu dieser Entscheidung etwa F. Ruland Das BVerfG und der Familienlastenausgleich in der Pflegeversicherung, NJW 2001, 1673 ff.; I. Ebsen Familienlastenausgleich und die Finanzierung der Sozialversicherung aus verfassungs- und sozialrechtlicher Sicht, VSSR 2004, 3 (9ff.); F. Hase Familienlastenausgleich und die Finanzierung der Gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, VSSR 2004, 55ff. 66 S. dazu jüngst U. Becker Die alternde Gesellschaft – Recht im Wandel, JZ 2004, 929 ff.; T. Kingreen Familie als Kategorie des Sozialrechts, JZ 2004, 938ff. 67 BVerfGE 103, 242 (267). 68 P. Kirchhof Ist unsere Gesellschaft hinreichend zukunftsfähig?, in: Walter-RaymondStiftung der BDA (Hrsg.) Demographie und gesellschaftlicher Wandel, 2004, 11. 64
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Das Bundesverfassungsgericht verpflichtete den Gesetzgeber dazu, spätestens bis zum 31. Dezember 2004 eine verfassungsgemäße Neuregelung zur relativen Entlastung beitragspflichtiger Versicherter mit einem oder mehreren Kindern zu treffen; es gab ihm ferner auf, innerhalb dieses Zeitraums auch die Bedeutung des Urteils für andere Sozialversicherungszweige zu prüfen.69 Letzteres ist offenbar bis heute nicht geschehen, obwohl Konsequenzen jedenfalls für die gesetzliche Krankenversicherung auf der Hand liegen. Bezüglich der sozialen Pflegeversicherung beschloss der Deutsche Bundestag erst nach etwa dreieinhalb Jahren am 1. Oktober 2004 das Gesetz zur Berücksichtigung von Kindererziehung im Beitragsrecht der sozialen Pflegeversicherung (Kinder-Berücksichtigungsgesetz – KiBG )70. Dieses Gesetz wird jedoch dem vom Bundesverfassungsgericht konkretisierten Verbot nicht gerecht, Ungleiches im Beitragsrecht der sozialen Pflegeversicherung verfassungswidrig gleichzubehandeln71. Denn es stellt einen beitragspflichtigen Versicherten mit einem Kind genauso wie etwa einen beitragspflichtigen Versicherten mit zehn Kindern72; letzterer erbringt jedoch im Vergleich zu einem beitragspflichtigen Versicherten mit nur einem Kind einen erheblich größeren generativen Beitrag und fördert damit in wesentlich stärkerem Maße den Systemerhalt.73 69 70
BVerfGE 103, 242 (270 f.). S. KiBG vom 15. Dezember 2004 (BGBl I 3448). Das Gesetz fügt dem § 55 SGB XI
einen Abs. 3 an, dessen S. 1 lautet: „Der Beitragssatz nach Absatz 1 Satz 1 und 2 erhöht sich für Mitglieder nach Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet haben, um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten (Beitragszuschlag für Kinderlose).“ 71 S. zu diesem Verbot BVerfGE 103, 242 (271); s. zu den sich aus dem Kinder-Berücksichtigungsgesetz ergebenden Verfassungsproblemen näher H. Sodan Schriftliche Stellungnahme zum Entwurf eines Kinder-Berücksichtigungsgesetzes (BT-Drucks. 15/3671), Drucks. des BT-Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung 0688 vom 23. September 2004, 15. Wahlperiode. 72 Dieser Hinweis beruht darauf, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. April 2001 auf die Verfassungsbeschwerde eines Vaters mit zehn Kindern erging; vgl. BVerfGE 103, 242 (246). 73 S. dazu BVerfGE 103, 242 (269): „Gleich bleibend hohe, wenn nicht gar steigende Leistungsausgaben müssen von immer weniger Personen finanziert werden. Dies führt auch dazu, dass immer weniger jüngere Versicherte neben ihrer Beitragslast zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der sozialen Pflegeversicherung die Kostenlast der Kindererziehung tragen. Die gleiche Belastung mit Versicherungsbeiträgen führt zu einem erkennbaren Ungleichgewicht zwischen dem Gesamtbeitrag, den Kindererziehende in die Versicherung einbringen, und dem Geldbeitrag von Kinderlosen. … Ein gewisser Ausgleich besteht zwar darin, dass die kinderbetreuenden und -erziehenden Versicherten bei gleichen Beiträgen, wie sie Kinderlose zahlen, Leistungen auch für die anderen Familienangehörigen erhalten. Diese Begünstigung wiegt aber den mit der Erziehungsleistung zusätzlich erbrachten generativen Beitrag und den damit verbundenen Nachteil der Erzie-
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III. Sachlicher Umfang der Sozialversicherung Die derzeit erheblichen Finanzierungsprobleme stellen auch den Umfang der Sozialleistungen auf den Prüfstand. Dies gilt zunächst für die gesetzliche Rentenversicherung. Auf deren Finanzierbarkeit wirken sich die bereits angesprochene demographische Entwicklung, die Massenarbeitslosigkeit und der anhaltende Trend zur Frühverrentung in besonderem Maße aus. Der Gesetzgeber versucht seit längerem, den veränderten Rahmenbedingungen durch Maßnahmen zu begegnen, die letztlich zu Rentenkürzungen führen. Jüngstes Beispiel dafür ist das Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 21. Juli 200474. Dieses Gesetz sieht insbesondere eine erneute Änderung der Rentenanpassungsformel durch Ergänzung um einen „Nachhaltigkeitsfaktor“ vor: Danach wird die Anpassung künftig umso geringer ausfallen, je weniger Beitragszahler für einen Rentner aufkommen.75 Das Bundesverfassungsgericht erstreckt seit seiner Entscheidung zum Versorgungsausgleich aus dem Jahre 198076 den Grundrechtsschutz der Eigentumsgarantie auch auf Ansprüche und Anwartschaften auf Versichertenrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Denn eine sozialversicherungsrechtliche Rechtsposition ist nach der bundesverfassungsgerichtlichen Judikatur von der Eigentumsgarantie umfasst, wenn sie einen Vermögenswert aufweist, dem Inhaber im Sinne eines Ausschließlichkeitsrechts als privatnützig zugeordnet ist, auf einer nicht unerheblichen Eigenleistung des Inhabers beruht und zur Sicherung seiner Existenz bestimmt ist.77 Mit der Entrichtung von Beiträgen zur gesetzhenden angesichts des Vorteils, der den Kinderlosen durch die Erziehungsleistung zuwächst, nicht vollständig auf. Dementsprechend fordert der Ausgleich der Benachteiligung mehr als nur den beitragsfreien Erwerb des Rechts auf Inanspruchnahme von Pflegeleistungen durch Familienangehörige.“ 74 BGBl I 1791. 75 S. dazu näher F. Ruland Der neue Nachhaltigkeitsfaktor in der Rentenanpassungsformel und seine Auswirkungen, SGb 2004, 327 (330ff.). 76 BVerfGE 53, 257 (289ff.); seitdem ständige Rechtsprechung, s. etwa BVerfGE 58, 81 (109); 64, 87 (97); 100, 1 (32). 77 S. BVerfGE 69, 272 (300); 72, 9 (18 f.); 76, 220 (235). Vgl. aus dem Schrifttum etwa R. Stober Eigentumsschutz im Sozialrecht, SGb 1989, 53 (54ff.); A. v. Brünneck Eigentumsschutz der Renten – Eine Bilanz nach zehn Jahren, JZ 1990, 992ff.; W. Leisner Eigentum, HStR VI, 2. Aufl. 2001, § 149 Rn. 119 ff.; H. Sodan (Fn. 42), 256ff.; ders./J. Ziekow (Fn. 25), § 42 Rn. 11; M. Herdegen Garantie von Eigentum und Erbrecht, in: Badura/Dreier (Hrsg.) FS 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. II, 2001, 273 (276 f.). Kritisch hingegen H. v. Ditfurth Die Einbeziehung subjektiv-öffentlicher Berechtigungen, insbesondere sozialversicherungsrechtlicher Positionen, in den Schutz der Eigentumsga-
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lichen Rentenversicherung erbringt der Versicherte eine wesentliche eigene Leistung zur Entstehung seines Versicherungsanspruchs. Dass ein Teil der Versicherten im Rentenalter aufgrund einer ausreichenden Vermögensanhäufung zur Erhaltung der Lebensgrundlage auf die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung verzichten könnte, ändert nichts am Zweck der Existenzsicherung. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist nicht die individuelle Bedürftigkeit, sondern die objektive Zielsetzung der Existenzsicherung maßgeblich.78 Die Versichertenrente ist, soweit sie nicht im Ermessen des Versicherungsträgers steht, dem Anspruchsinhaber als privatnützig zugeordnet. Sie unterliegt nämlich seiner grundsätzlichen – wenn auch eingeschränkten79 – Verfügungsbefugnis und wird wesentlich durch eine eigene Beitragsleistung mitbestimmt.80 Die Kürzung sowohl von Rentenansprüchen als auch von Rentenanwartschaften wird allgemein als Inhalts- und Schrankenbestimmung eingeordnet, die am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen ist.81 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verengt sich die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers „in dem Maße, in dem Rentenansprüche oder Rentenanwartschaften durch den personalen Bezug des Anteils eigener Leistung des Versicherten geprägt sind“.82 Daher steht dem Gesetzgeber bei der Regelung beitragsunabhängiger Rentenberechnungsfaktoren, wie etwa der Anrechnung von Ausbildungsausfallzeiten, ein weiter Gestaltungsspielraum zu.83 Die Änderung beitragsabhängiger Faktoren, insbesondere der Entgeltpunkte in der gegenwärtigen Rentenformel, unterliegt hingegen engen verfassungsrechtlichen Beschränkungen.84 Die sowohl von der „Rürup-Kommission“85 als auch von
rantie, 1994, insbesondere 185 ff.; O. Depenheuer Wie sicher ist verfassungsrechtlich die Rente?, AöR 120 (1995), 417 (423ff.); H.-J. Papier in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 6 f. (Stand: Juni 2002); W.-R. Schenke Sozialversicherungsrechtliche Ansprüche und das Eigentumsgrundrecht, in: Wandt/Reiff/Looschelders/Bayer (Hrsg.) Kontinuität und Wandel des Versicherungsrechts, FS Lorenz, 2004, 715 ff. 78 S. BVerfGE 69, 272 (303f.). 79 S. nur § 53 SGB I . 80 BVerfGE 53, 257 (290f.). 81 S. etwa H. D. Jarass Sicherung der Rentenfinanzierung und Verfassungsrecht, NZS 1997, 545 (547); T. Wiechmann Verfassungsmäßigkeit der Rentenanpassung 2003, DAngVers 2003, 307 (308). 82 So BVerfGE 53, 257 (293); vgl. auch BVerfGE 58, 81 (112 ff.); 64, 87 (101). 83 BVerfGE 58, 81 (112 ff.). 84 Vgl. H.-J. Papier Alterssicherung und Eigentumsschutz, in: Isensee/Lecheler (Hrsg.) Freiheit und Eigentum, FS Leisner, 1999, 721 (723f.). 85 Kommission (Fn. 22), 7f., 82ff.
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der „Herzog-Kommission“86 vorgeschlagene Anhebung der Regelaltersgrenze von 65 auf 67 Jahre wird in der Literatur als beitragsunabhängiger Rentenfaktor qualifiziert. Nicht zu übersehen ist allerdings, dass die Altersgrenze unmittelbar den Barwert der Rentenleistungen beeinflusst. Dem insoweit im Hinblick auf die Lebensplanungen der Betroffenen jedenfalls gebotenen verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz87 tragen beide Sachverständigengremien dadurch Rechnung, dass sie eine stufenweise Anhebung dieser Altersgrenze ab 2011 in einem Zeitkorridor von 12 Jahren („Herzog-Kommission“)88 bzw. 24 Jahren („Rürup-Kommission“)89 vorschlagen. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip gebietet auch, dem Rentenbezieher auf jeden Fall eine Basis sicherung zu gewähren, die deutlich über dem Sozialhilfeniveau liegt. Denn der Altersrentner soll – wie es bereits in einer Gesetzesbegründung aus dem Jahre 1956 heißt – „aus der Nähe des Fürsorgeempfängers in die Nachbarschaft des Lohnempfängers“90 gerückt werden. Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers im Hinblick auf die Änderung von Sozialleistungen wird nicht nur bei der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern auch bei den anderen Sozialversicherungszweigen wesentlich durch das bereits genannte91 Umlageverfahren beeinflusst. Dieses beruht nicht auf der Bildung von Vermögen, sondern auf der Kontinuität der Versicherung. Danach können die Sozialleistungen von heute „nur durch den Transfer von heute und die Sozialleistungen von morgen nur durch den Transfer von morgen aufgebracht werden. Es gibt kein kollektives, sondern nur ein individuelles Sparen … Das Umlageverfahren bedeutet ein unsicheres Wirtschaften ‚von der Hand in den Mund‘. … Ein auf dem Umlageverfahren beruhendes Sozialleistungssystem kann keine Sicherheit garantieren, weil sein Fortbestand von Leistungsbereitschaft und Leistungsvermögen künftiger Generationen abhängt“.92 Den Übergang auf ein Kapitaldeckungsverfahren, wie es für die gesetzliche Rentenversicherung vor der Rentenreform von 1957 galt,93 schlagen für diesen
86 Herzog-Kommission (Fn. 49), 42. Wer allerdings 45 Versicherungsjahre nachweist und das 63. Lebensjahr vollendet hat, soll bereits abschlagsfrei Rente beziehen können. 87 S. dazu etwa BVerfGE 58, 81 (120 f.); 64, 87 (104); 69, 272 (310); 76, 220 (244f.); T. Hebeler Verfassungsrechtliche Probleme der gesetzlichen Alterssicherung und deren Reform, ZfSH / SGB 2001, 528 (535f.); H. Sodan/J. Ziekow (Fn. 25), § 7 Rn. 44 ff. 88 Herzog-Kommission (Fn. 49), 42. 89 Kommission (Fn. 22), 7, 84. 90 BT-Drucks. 2/2437, 57f. (vom 5. Juni 1956); ebenso BSGE 90, 11 (16). 91 S. oben bei Fn. 8. 92 E. Eichenhofer Sozialrecht, 5. Aufl. 2004, Rn. 61 f. 93 S. dazu R. Waltermann (Fn. 8), Rn. 323 f.
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Sozialversicherungszweig jedoch weder die „Rürup-“94 noch die „Herzog-Kommission“95 vor. Zur Leistung von Rentenausgaben, die mit den derzeitigen vergleichbar sind, müssten bei Zahlung aus Erträgen zwischen 5 und 6 Billionen Euro vorgehalten werden.96 Es ist kaum anzunehmen, dass die gegenwärtig erwerbstätige Generation zu einem derart gewaltigen Opfer zugunsten späterer Generationen bereit ist, welches mit dem Aufbau eines solch hohen Vermögens verbunden wäre. Wegen der relativ geringeren Finanzvolumina empfiehlt die „Herzog-Kommission“ speziell für die gesetzliche Krankenversicherung und die soziale Pflegeversicherung allerdings die Überführung jeweils in ein kapitalgedecktes System.97 Erweist sich der Übergang zur Kapitaldeckung als der zwar an sich richtige, aber zumindest derzeit sehr schwierige Weg, so bedarf es im Falle der Beibehaltung des Umlageverfahrens der Reduzierung der Sozialleistungen auf eine Grundsicherung.98 Mehr sollte auch über die Steuersolidarität nicht eingefordert werden. Der – allerdings zu späten – Einsicht, dass sich mehr als eine solche Grundsicherung durch die gesetzliche Rentenversicherung auf absehbare Zeit nicht gewährleisten lässt, verdankt die „Riester-Rente“ ihre Entstehung, also der Aufbau einer zusätzlichen kapitalgedeckten privaten Altersvorsorge mit staatlicher Förderung in Form von Zulagen und Steuerfreibeträgen.99 Gleichfalls in diese Richtung zielte die im so genannten GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) vom 14. November 2003100 für die Zeit ab 2005 vorgesehene Ausgliederung des Zahnersatzes aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung.101 Am 1. Oktober 2004 beschloss jedoch der Deutsche Bundestag die Aufhebung der diesbezüglichen Regelungen noch vor ihrem Wirksamwerden.102 Der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen hat bereits vor etwa zehn Jahren ein Modell Kommission (Fn. 22), 71 f. Herzog-Kommission (Fn. 49), 39f. 96 R. Waltermann (Fn. 8), Rn. 324. 97 Herzog-Kommission (Fn. 49), 22f., 31 f. 98 Vgl. dazu für die gesetzliche Krankenversicherung H. Sodan (Fn. 42), 340f. 99 S. dazu näher W. Blomeyer Die „Riester-Rente“ nach dem Altersvermögensgesetz (AVmG), NZA 2001, 913ff. Einen Überblick über die bisherige Inanspruchnahme der „Riester-Förderung“ geben C. Rieckhoff/R. Thiede „Riester-Rente“: Umfang der bisherigen staatlichen Förderung und Perspektiven für ihre Weiterentwicklung, DAngVers 2004, 49ff. 100 BGBl I 2190. 101 Vgl. Art. 1 Nr. 17 und 36 iVm Art. 37 Abs. 8 GMG . S. dazu näher H. Sodan (Fn. 47), 393ff.; ders. (Fn. 60), 308; zum „Gesundheitskompromiss“ als Grundlage der Regelungen H. Sodan „Gesundheitsreform“ ohne Systemwechsel – wie lange noch?, NJW 2003, 2581 (2583). 102 S. Art. 1 des Gesetzes zur Anpassung der Finanzierung von Zahnersatz vom 15. Dezember 2004 (BGBl I 3445). 94 95
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zur Diskussion gestellt, durch welches „mit Hilfe von medizinischen und ökonomischen Kriterien ein harter Kern von Leistungen finanziert wird, der für alle Versicherungspflichtigen solidarisch abgesichert werden muß. … Zur Festlegung von Kernleistungen sind die medizinischen Kriterien von besonderer Bedeutung. So werden dringliche Behandlungen, also alle Notfallbehandlungen zu den Kernleistungen zählen müssen. Akute Erkrankungen hingegen müssen nicht generell Kernleistungen sein. So kann ein akuter Infekt durchaus auch privat finanziert werden. Hier wird das ökonomische Merkmal ‚Großrisiko‘ ergänzend hinzugezogen werden müssen“.103 „Vollkommene Sekurität gefährdet nach der Erfahrung die Moralität.“104 Der Gedanke der Grundsicherung ist mittlerweile bereits außerhalb der Sozialversicherung in einem anderen wesentlichen System der sozialen Sicherung umgesetzt. Das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003105, das unter dem Schlagwort „Hartz IV“ diskutiert wird, fügt in das Sozialgesetzbuch ein Zweites Buch ein, das den Titel trägt: „Grundsicherung für Arbeitsuchende“. Insoweit werden Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für erwerbsfähige Hilfebedürftige mit Wirkung zum 1. Januar 2005 zusammengeführt. Schon nach noch geltendem Recht ist – was in der politischen Diskussion häufig übersehen wird – die Arbeitslosenhilfe keine Versicherungsleistung der Arbeitslosenversicherung.106 Sie wird vielmehr aus Mitteln des Bundes (steuer-)finanziert (§ 363 Abs. 1 SGB III). Seit dem Inkrafttreten des Bundessozialhilfegesetzes am 1. Juli 1962 „bestehen mit der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe zwei steuerfinanzierte staatliche Fürsorgeleistungen nebeneinander“.107 Die Arbeitslosenhilfe weist deutliche Parallelen zur Sozialhilfe auf. Die künftige „Grundsicherung für Arbeitsuchende soll die Eigenverantwortung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und Personen, die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, stärken und dazu beitragen, dass sie ihren Lebensunterhalt unabhängig von der Grundsicherung aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können“ (§ 1 Abs. 1 S. 1
103 Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, Gesundheitsversorgung und Krankenversicherung 2000, Sachstandsbericht 1994, 182 f. (Nr. 430 und 433). Vgl. auch M. Arnold Die Krise im Gesundheitswesen – Optionen zur Lösung der Probleme, BKK 1993, 474 (480). 104 K. A. Schachtschneider Res publica res populi, 1994, 440. 105 BGBl I 2954. 106 S. R. Waltermann (Fn. 8), Rn. 434. 107 So zutreffend die Begründung zu dem von den Fraktionen SPD und Bündnis 90/ Die Grünen eingebrachten Entwurf eines Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, BT-Drucks. 15/1516, 42.
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SGB II). Damit kommt deutlich ein Subsidiaritätsprinzip108 zum Aus-
druck, dessen Umsetzung generell für die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme von großer Bedeutung ist. Zugleich wird an ein Bismarcksches Prinzip angeknüpft: zuerst Eigenverantwortung und dann erst Solidarität109. Nach einem Urteil des Bundessozialgerichts zum Bundeskindergeldgesetz ist ohne Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip ein „Abbau von Sozialleistungen mit der Folge einer Einkommensminderung … bis zur Grenze des Existenzminimums des Berechtigten zulässig“.110
IV. Leistungserbringung für die Sozialversicherung Wesentlich für soziale Sicherungssysteme und ihre Finanzierung ist auch das Verhältnis zu den privaten Erbringern von Sozialleistungen. Dies gilt besonders für das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung und insoweit vor allem für Ärzte und Zahnärzte, Apotheker, private Krankenhäuser, Leistungserbringer von Heilmitteln und Hilfsmitteln sowie pharmazeutische Unternehmen.111 Speziell im so genannten Vertragsarztrecht, das früher „Kassenarztrecht“ hieß, existiert ein mittlerweile hochkompliziertes Regelungsinstrumentarium, welches selbst Experten kaum noch überschauen. Veränderungen des Vertragsarztrechts sind seit langem wesentliche Bestandteile von Reformen der gesetzlichen Krankenversicherung.112 Allein seit 1977 hat der Gesetzgeber diese Sozialversicherung durch über 50 größere Gesetze mit deutlich über 7000 Einzelbestimmungen zu sanieren versucht113 – jedoch ohne dauerhaften Erfolg und mit erheblichen Belastungen der Leistungserbringer. Das GKV-Modernisierungsgesetz aus dem Jahre 2003 enthält Regelungen in Bezug auf insgesamt 34 Parlamentsgesetze und Rechtsverordnungen. Allein das für die gesetzliche Krankenversicherung zentrale Fünfte Buch Sozialgesetz-
Vgl. allgemein zum Subsidiaritätsprinzip H. Sodan (Fn. 42), 307ff. mwN. Vgl. W. Mommsen (Fn. 2), 133; A. P. F. Ehlers Kostendämpfung und ärztlicher Standard – Theorie und Praxis der Finanzierung der Ausgaben im Gesundheitswesen und Wirtschaftlichkeitsprüfungen, MedR 1993, 334 (337); H. Sodan (Fn. 42), 341. 110 BSG , NJW 1987, 463. S. näher H. Sodan/J. Ziekow (Fn. 25), § 10 Rn. 9. 111 S. speziell zur Einbindung „freier“ heilkundlicher Berufe in das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung H. Sodan (Fn. 42), 91 ff., 94ff., 196 ff., 208ff. 112 S. zu einigen Gesetzen aus jüngerer Zeit H. Sodan Gesundheitsrecht, in: Achterberg/Püttner/Würtenberger (Hrsg.) Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. II, 2. Aufl. 2000, § 25 Rn. 1. 113 Vgl. zum Stand von 1996 die Begründung der Fraktionen der CDU / CSU und F.D.P. zu ihrem Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Strukturreform in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 30. Januar 1996, BT-Drucks. 13/3608, 13. 108 109
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buch wurde durch Änderungen, Aufhebungen und Einfügungen von über 200 Paragraphen reformiert.114 Der Aktionismus des Gesetzgebers, der besonders dem Ziel kurzfristiger Kosteneinsparungen dienen soll, führt zunehmend zu einem Verlust notwendiger Systematik. Denn ein System verlangt eine gedankliche Geschlossenheit, insbesondere Widerspruchsfreiheit.115 Die vielfältigen Inpflichtnahmen von Leistungserbringern, die an sich einen so genannten Freien Beruf116 ausüben, lassen sich an folgendem Beispiel verdeutlichen: In Verkennung nicht nur einer „einfachgesetzlichen“ Vorschrift117, sondern vor allem auch des in Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Grundrechts der Berufsfreiheit geht der 6. Senat des Bundessozialgerichts in ständiger Rechtsprechung118 davon aus, ein Vertragsarzt habe (regelmäßig) keinen Rechtsanspruch auf eine angemessene Vergütung seiner Tätigkeit, sondern nur einen Anspruch auf eine angemessene Teilhabe an der Verteilung der Gesamtvergütung – mag diese auch zu einer unangemessenen Vergütung der einzelnen Leistungen führen.119 Das Bundesverfassungsgericht stellte aber in einem Fall, in dem es
114 Der österreichische Schriftsteller und Übersetzer K. Frieberger schrieb einmal: „Karl der Große erließ in der Zeit seiner Herrschaft hundertzwanzig Gesetze. Ein so armseliges Ergebnis kostet eine gesetzgeberische Versammlung unserer Tage nur ein Auflachen.“ Zitiert nach D. Zimmermann Zimmermanns Zitatenlexikon für Juristen, 1998, 93. 115 S. dazu näher H. Sodan Das Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung, JZ 1999, 864ff. 116 S. zum Begriff etwa § 1 Abs. 2 des Gesetzes über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe; H. Sodan (Fn. 42), 26ff., 36 ff., 63 ff.; zu den vielfältigen Gefährdungen der Freiberuflichkeit ebenda, 157 ff. 117 S. § 72 Abs. 2 SGB V: „Die vertragsärztliche Versorgung ist im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses durch schriftliche Verträge der Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Verbänden der Krankenkassen so zu regeln, daß … die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden.“ 118 S. etwa BSGE 75, 187 (189 ff.); 77, 279 (288); BSG , SozR 3–2500, § 85 Nr. 12, S. 82; BSGE 83, 205 (217). 119 S. zur Kritik an dieser Rechtsprechung etwa J. Isensee Das Recht des Kassenarztes auf angemessene Vergütung, VSSR 1995, 321 (346f.); M. Heinze Die rechtlichen Rahmenbedingungen der ärztlichen Heilbehandlung, MedR 1996, 252 (255); R. Maaß Die Angemessenheit der Vergütung der vertragsärztlichen Leistung, NZS 1998, 13 (20); R. Wimmer Der Rechtsanspruch von Vertragsärzten auf angemessene Vergütung, MedR 1998, 533ff.; ders. Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität in der gesetzlichen Krankenversicherung, in: Sodan (Hrsg.) Finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung und Grundrechte der Leistungserbringer – Vorträge im Rahmen der 1. Berliner Gespräche zum Gesundheitsrecht am 16. und 17. Juni 2003, 2004, 45 (48ff.); P. Axer Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, 2000, 265; H. Sodan (Fn. 36), 1763; G. Schneider Die Preisfindung für vertragszahnärztliche Leistungen – Ein Beitrag
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um Konkursverwalter ging, bereits 1993 allgemein fest, die grundrechtlich geschützte Freiheit, einen Beruf auszuüben, sei „untrennbar verbunden mit der Freiheit, eine angemessene Vergütung zu fordern“.120 Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung sollen aber offenbar andere Maßstäbe gelten. Das Bundesverfassungsgericht rechtfertigt bereits seit längerem selbst intensive Eingriffe in die Berufsfreiheit wie etwa die vom Gesetzgeber 1992 wieder eingeführten Zulassungsbeschränkungen für Vertragsärzte wegen vermeintlicher Überversorgung121 mit der Formel von der „Sicherung der finanziellen Stabilität und damit der Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung“ als einem „Gemeinwohlbelang von hinreichendem Gewicht“.122 Die gesetzliche Krankenversicherung ist jedoch kein Institut mit Verfassungsrang, sondern „einfachgesetzlich“ begründet.123 Eine eingehende Analyse von Friedhelm Hufen kam unlängst zu dem Ergebnis: Würde das Bundesverfassungsgericht „seine Rechtsprechung zu anderen Bereichen der Berufsfreiheit auf die gesetzliche Krankenversicherung anwenden, dann wären viele der ergriffenen Maßnahmen verfassungswidrig.“124 In diesem Sinne stellte Eberhard Schmidt-Aßmann vor kurzem fest: „Von der kontinuierlichen Liberalisierung, die die Grundrechtsrechtsprechung in andere Teile der Wirtschafts- und Sozialordnung hineingetragen hat, ist das Gesundheitsrecht ausgespart geblieben. … Nach wie vor ist das Gesundheitsrecht in seinem Kern ein um sich selbst kreisendes Sonderrecht.“125 Bereits Wolfgang Rüfner formulierte in seinem Bericht auf der Staatsrechtslehrertagung 1969: „In der Sozialversicherung ist vieles anders.“126 zur „Angemessenheit“ der vertragszahnärztlichen Vergütung unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung, SGb 2004, 143 (148). 120 BVerfGE 88, 145 (159); vgl. auch bereits BVerfGE 54, 251 (271); 68, 193 (218); 83, 1 (13). 121 S. dazu näher H. Sodan (Fn. 42), 221 ff. 122 S. BVerfGE 103, 172 (184); BVerfG, DVBl 2002, 400 (401). Vgl. ferner etwa BVerfGE 68, 193 (218); 70, 1 (29); 82, 209 (230); 103, 392 (404). S. dazu auch H. Sodan Verfassungsrechtsprechung im Wandel – am Beispiel der Berufsfreiheit, NJW 2003, 257 (259). 123 R. Jaeger Welches System der gesetzlichen Krankenversicherung wird durch das Grundgesetz geschützt?, in: Empter/Sodan (Hrsg.) Markt und Regulierung – Rechtliche Perspektiven für eine Reform der gesetzlichen Krankenversicherung, 2003, 15; H. Sodan (Fn. 60), 306. 124 F. Hufen Grundrechtsschutz der Leistungserbringer und privaten Versicherer in Zeiten der Gesundheitsreform, NJW 2004, 14 (18). 125 E. Schmidt-Aßmann Verfassungsfragen der Gesundheitsreform, NJW 2004, 1689 (1690). 126 W. Rüfner Die Rechtsformen der sozialen Sicherung und das Allgemeine Verwaltungsrecht, VVDStRL 28 (1970), 187 (192).
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Ein nennenswerter Zwang zur gebotenen Liberalisierung im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung geht bislang vom europäischen Gemeinschaftsrecht nicht aus. In seinem mit Spannung erwarteten Urteil vom 16. März 2004 antwortete der Europäische Gerichtshof auf eine Vorlagefrage des Bundesgerichtshofes, dass die deutschen Kassenverbände insoweit keine Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen iSd Art. 81 EG sind, als sie Festbeträge festsetzen, bis zu deren Erreichen die Krankenkassen die Kosten für Arzneimittel übernehmen.127 Damit hält der Europäische Gerichtshof insoweit die Regelungen des europäischen Wettbewerbsrechts nicht für anwendbar.128 In den Rechtssachen Decker und Kohll stellte der Europäische Gerichtshof 1998 allerdings klar, dass die Mitgliedstaaten bei der Ausübung ihrer Befugnisse auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit das Gemeinschaftsrecht einschließlich der einschlägigen Grundfreiheiten beachten müssen; die Verweigerung von Kostenerstattungen für in einem anderen Mitgliedstaat in Anspruch genommene Gesundheitsleistungen hielt der Gerichtshof für unvereinbar mit der Warenverkehrsfreiheit bzw. Dienstleistungsfreiheit.129 Der deutsche Gesetzgeber trug dieser Rechtsprechung jedoch erst mehr als fünf Jahre später im GKV-Modernisierungsgesetz von 2003 Rechnung.130 Nahezu unverändert hält der deutsche Gesetzgeber allerdings an dem so genannten Sachleistungs-, genauer: Naturalleistungsprinzip131 in der gesetzlichen Krankenversicherung fest, welches die Krankenkassen ihren Versicherten gegenüber zur Vermittlung geeigneter Leistungserbringer
127 EuGH , DVBl 2004, 555. Anders jedoch die Schlussanträge des Generalanwalts F. G. Jacobs, Verbundene Rechtssachen C-264/01, C-306/01, C-354/01 und C-355/01 – AOK-Bundesverband u. a./Ichthyol-Gesellschaft Cordes u. a., Rz. 37 ff. S. dazu ausführlich H. Sodan Die gesetzlichen Krankenkassen als Unternehmen im Sinne des europäischen Gemeinschaftsrechts, in: Krause/Veelken/Vieweg (Hrsg.) Recht der Wirtschaft und der Arbeit in Europa, GS Blomeyer, 2004, 691 (696ff.). 128 S. dazu, dass dieses Urteil ausdrücklich nur das Verhältnis der deutschen gesetzlichen Krankenkassen zu den Leistungserbringern, nicht jedoch die Unternehmenseigenschaft der gesetzlichen Krankenkassen im Verhältnis zu den privaten Krankenversicherungsunternehmen betrifft, H. Sodan (Fn. 60), 308. 129 EuGH , Slg. 1998, I-1871 – Decker; EuGH , Slg. 1998, I-1935 – Kohll, mit Anmerkung von H. Sodan JZ 1998, 1168 ff. 130 S. § 13 Abs. 4 S. 1 SGB V idF von Art. 1 Nr. 4 lit. b GMG : „Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in anderen Staaten im Geltungsbereich des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung.“ 131 S. dazu näher H. Sodan (Fn. 42), 119 ff., 310 ff., 319 ff.
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Helge Sodan
verpflichtet. Seit dem GKV-Modernisierungsgesetz gesteht er immerhin allen Versicherten zu, anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung zu wählen.132 Das überkommene Naturalleistungsprinzip hat zur Folge, dass die Versicherten an den Abrechnungsvorgängen betreffend die für sie erbrachten Leistungen nicht beteiligt sind, also noch nicht einmal eine diesbezügliche Kontrolle ausüben können. Die Einführung eines generellen Kostenerstattungsprinzips dürfte das Kostenbewusstsein und damit die Sparsamkeit der Versicherten fördern. Zur Kostensteuerung und wirtschaftlichen Leistungserbringung hat sich das Naturalleistungsprinzip ohnehin als ungeeignet erwiesen.133
V.
Resümee
Nach allem bleibt festzuhalten: Verbindende Strukturelemente eines einheitlichen Systems sozialer Sicherung könnten künftig sein: einkommensunabhängige Versicherungsprämien mit einem steuersolidarisch finanzierten sozialen (Familienlasten-)Ausgleich bei gleichzeitiger Beschränkung des Versichertenkreises auf sozial Schutzbedürftige und Reduzierung der Sozialleistungen auf eine Grundsicherung. Speziell für die gesetzliche Krankenversicherung sollte das Naturalleistungsprinzip durch ein Kostenerstattungsprinzip ersetzt werden. Diese Strukturelemente würden sich sowohl auf die Einnahmen- als auch auf die Ausgabenseite auswirken. Noch im Jahre 2000 konnte Bernd Rüthers zu Recht feststellen: „Die Republik lebt und handelt derzeit nach einem ungeschriebenen Art. 0 des Grundgesetzes: Erreichte soziale Besitzstände sind unantastbar.“134 Nach der mit dem Schlagwort „Hartz IV“ verbundenen Entwicklung in der jüngsten Zeit trifft diese Bilanz nicht mehr uneingeschränkt zu. Gleichwohl sind für die sozialen Sicherungssysteme noch viele Probleme zu lösen. „Aber Generationen vor uns hätten sich gewünscht, unsere Probleme zu haben.“ Daher ist es „nicht die Zeit, sich durch Untergangsphantasien lähmen zu lassen. Es ist allerdings hohe Zeit, die Herausforderungen und die großen Chancen der Gegenwart anzunehmen und zu handeln.“135
S. die Regelungen in § 13 Abs. 2 SGB V idF von Art. 1 Nr. 4 lit. a GMG. S. näher H. Sodan (Fn. 42), 315 ff.; ders. Normsetzungsverträge im Sozialversicherungsrecht, NZS 1998, 305 (312). 134 B. Rüthers Die Arbeitsgesellschaft im Umbruch – Krise auf Zeit oder Zerfall eines Leitbildes?, 2000, 58. 135 B. Rüthers (Fn. 134), 58f. Zustimmend K. Adomeit Die Agenda 2010 und das Arbeitsrecht, 2004, 34f. 132 133
Die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme
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Leitsätze des 2. Berichterstatters über:
Die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme I.
Entwicklung sozialer Sicherungssysteme
(1) Die wesentlich durch Otto von Bismarck kreierte Sozialpolitik führte zu dem Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter (1883), dem Unfallversicherungsgesetz (1884) sowie dem Gesetz betreffend die Invaliditätsund Altersversicherung (1889). (2) Diesen wegweisenden Gesetzgebungswerken liegen Prinzipien zugrunde, die noch heute die Sozialversicherung prägen: die Errichtung einer grundsätzlichen Pflichtversicherung mit öffentlich-rechtlicher Organisation und auf der Grundlage einer Selbstverwaltung mit staatlicher Aufsicht; die Finanzierung durch gemeinsam von Arbeitern und deren Arbeitgebern aufgebrachte Beiträge, wobei für die Rentenversicherung ein Staatszuschuss vorgesehen war; die Regelung eines für den Eintritt des Versicherungsfalls gegebenen öffentlich-rechtlichen Leistungsanspruchs. (3) Die spätere Expansion der sozialen Sicherungssysteme hat zugleich zu einer Explosion der Kosten geführt. Im Jahre 2002 umfasste das Sozialbudget, in dem sämtliche Ausgaben für Zwecke der sozialen Sicherung enthalten sind, rund 685 Milliarden Euro – knapp ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland. Noch 1960 betrug das Verhältnis des Sozialbudgets zum Bruttoinlandsprodukt desselben Jahres nur etwas über 20 Prozent, 1970 25 Prozent.
II.
Personeller Umfang der Sozialversicherung
(4) Grundlage jeder Versicherung ist der Versichertenkreis. Basis einer sozialen Versicherung ist das Prinzip der Pflichtversicherung. Der gesetzlichen Krankenversicherung gehörten im 19. Jahrhundert zunächst nur etwa 10 Prozent der Bevölkerung als sozial Schutzbedürftige an, nämlich die Arbeiter mit den niedrigsten Löhnen. In der Bundesrepublik Deutschland sind unter Hinzurechnung der mitversicherten Familienangehörigen mittlerweile etwa 90 Prozent der Bevölkerung in den Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung einbezogen.
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Helge Sodan
(5) Die aktuell beitragszahlenden Mitglieder einer Sozialversicherung sind für deren Funktionsfähigkeit von besonderer Bedeutung, weil die deutsche Sozialversicherung auf dem so genannten Umlageverfahren beruht: In dem die private Versicherung prägenden Kapitaldeckungsverfahren wird aus den Beiträgen Vermögen gebildet, das die Grundlage späterer Versicherungsleistungen darstellt; das Umlageverfahren, welches auch als „Generationenvertrag“ bezeichnet wird, kommt hingegen ohne Kapitalakkumulation aus. Aufgrund der demographischen Entwicklung müssen immer weniger junge Erwerbstätige die Sozialleistungen für immer mehr ältere Menschen finanzieren. Dieser Trend wird sich fortsetzen. (6) In Bezug auf die gesetzliche Krankenversicherung sieht die von der Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung eingesetzte „Rürup-Kommission“ eine mögliche Alternative in der Einführung einer „Bürgerversicherung“. Das vorgeschlagene Modell hebt die bisherige Versicherungspflichtgrenze auf und schafft eine umfassende „Einwohnerversicherung“, bezieht also auch Selbständige und Beamte ein; die private Krankenversicherung soll auf das Angebot von Zusatzversicherungen beschränkt werden. (7) Dieses Konzept stößt jedoch auf schwerwiegende verfassungsrechtliche Einwände. Sehr zweifelhaft ist, ob der Bund für gesetzliche Festlegungen einer als umfassende Zwangsversicherung ausgestalteten gesetzlichen Krankenversicherung den Kompetenztitel „Sozialversicherung“ (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG) für sich in Anspruch nehmen könnte. Nach der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts können neue Lebenssachverhalte in das Gesamtsystem „Sozialversicherung“ einbezogen werden, wenn zumindest eine Orientierung am klassischen Bild der Sozialversicherung erfolgt. Von diesem Bild würde sich jedoch eine umfassende „Bürgerversicherung“ – gerade durch die künftige Einbeziehung von Selbständigen und Beamten – vollends lösen. (8) Auch in materieller Hinsicht bestehen Bedenken gegen eine als „Volksversicherung“ ausgestaltete Sozialversicherung. Zwar ist eine soziale Pflichtversicherung prinzipiell zulässig. Eine die gesamte Bevölkerung einbeziehende Bürgerzwangsversicherung würde aber für viele Pflichtmitglieder, die eindeutig nicht sozial schutzbedürftig sind, in keinem vernünftigen Verhältnis zu den diesen Personen aus der Pflichtzugehörigkeit erwachsenden Vorteilen stehen. Sie wäre daher wegen Verstoßes gegen das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit verfassungswidrig. Ebenso wenig ließe sich der zumindest mittelbare Eingriff in das den privaten Krankenversicherungsunternehmen gewährleistete Grundrecht der Berufsfreiheit rechtfertigen. Der Gesetzgeber hat die bipolare Versicherungsverfassung zu beachten. (9) Eine abgeschwächte Variante einer „Bürgerversicherung“ sieht das Ende August 2004 vorgelegte „Modell einer solidarischen Bürgerversicherung“ vor. Danach bleiben die bestehenden Altverträge in der privaten Krankenversicherung unangetastet. Für Neuverträge soll jedoch ausschließlich ein
Die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme
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„Tarif Bürgerversicherung“ zur Verfügung stehen. Zum Angebot dieses Tarifs könnten sowohl die gesetzlichen Krankenkassen als auch die privaten Krankenversicherungsunternehmen zu gleichen Wettbewerbsbedingungen zugelassen werden; Beitragssatzunterschiede sind möglich. Der „Tarif Bürgerversicherung“ ist u. a. durch einen einheitlichen gesetzlichen Leistungskatalog und einen Kontrahierungszwang auch für private Krankenversicherungsunternehmen gekennzeichnet. (10) Erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen dieses Modell bestehen bereits im Hinblick auf die erforderliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Diese lässt sich, soweit die private Krankenversicherung betroffen ist, aus dem in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG genannten Kompetenztitel „privatrechtliches Versicherungswesen“ nicht herleiten. Denn die gesetzliche Regelung eines von jedem individuellen Risiko gelösten, versicherungsintern einheitlichen „Tarifs Bürgerversicherung“ würde zu einer Nivellierung der Prämien führen. Für die Versicherten würde sich angesichts der Tatsache, dass ihre Wahlmöglichkeit nur auf die Organisationsform der gesetzlichen Krankenkasse bzw. des privaten Krankenversicherungsunternehmens beschränkt wäre, faktisch keine nennenswert geringere Belastung ergeben als im Falle der zwangsweisen Einbeziehung in eine Sozialversicherung. Die privaten Krankenversicherungsunternehmen könnten dem genannten Modell ihr Grundrecht der Berufsfreiheit entgegenhalten, welches die Wettbewerbsfreiheit einschließt. (11) Das von der „Rürup-Kommission“ als zweite Alternative vorgeschlagene „System pauschaler Gesundheitsprämien“ orientiert sich am Äquivalenzprinzip und zielt auf eine völlige Entkoppelung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung von den Arbeitskosten. Die bisherigen Arbeitgeberbeiträge sollen als Bruttolohnbestandteile ausgezahlt werden. Beitrags- bzw. Prämienerhöhungen zögen künftig keine Verteuerung des Faktors Arbeit mehr nach sich. Um den erforderlichen sozialen Ausgleich zu gewährleisten, sollen Versicherte mit geringen Haushaltseinkommen steuerfinanzierte Prämienzuschüsse erhalten. (12) Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen ein einkommensunabhängiges Prämienmodell sind nicht ersichtlich. Für die angestrebten Neuregelungen hätte der Bund die Gesetzgebungszuständigkeit aus dem Kompetenztitel „Sozialversicherung“. Zwar baut das klassische Bild der Sozialversicherung auf dem Prinzip der versicherungsinternen Umverteilung und nicht auf einer Finanzierung über das Steuersystem auf. Das vom Bundesverfassungsgericht genannte Kriterium, wonach zur Sozialversicherung „jedenfalls die gemeinsame Deckung eines möglichen, in seiner Gesamtheit schätzbaren Bedarfs durch Verteilung auf eine organisierte Vielheit“ gehört, wäre aber erfüllt. (13) Zusätzlich zur Einführung eines Prämienmodells sollte auch der Versichertenkreis durch eine deutliche Senkung der Versicherungspflichtgrenze
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Helge Sodan
und eine Beseitigung der Möglichkeit zur freiwilligen Versicherung erheblich reduziert werden, und zwar auf die wirklich sozial Schutzbedürftigen. Mit einer Kombination von Prämiensystem und Beschränkung des Versichertenkreises auf sozial Schutzbedürftige ließe sich auch dem Einwand „sozialer Ungerechtigkeit“ begegnen, der auf die gleiche Höhe der Beitragsleistungen von Menschen mit hohem und solchen mit niedrigem Einkommen gestützt wird. Die Unterschiede der in die gesetzliche Krankenversicherung Einbezogenen wären in materieller Hinsicht nämlich deutlich geringer; der Versichertenkreis erwiese sich insgesamt als homogener. Über ein Steuer-Transfer-System würden auch die finanziell Leistungsstärksten zur Unterstützung der sozial Schutzbedürftigen herangezogen, ohne – wie beim Modell einer umfassenden „Bürgerversicherung“ – zugleich selbst in eine Sozialversicherung gezwungen zu werden. Wer nicht sozial schutzbedürftig ist, vermag sein Krankheitsrisiko eigenverantwortlich abzusichern. (14) Das Modell einkommensunabhängiger Prämien bei gleichzeitiger Reduzierung des Versichertenkreises auf sozial Schutzbedürftige ließe sich auch auf andere Zweige der Sozialversicherung übertragen. Es könnte zu einem verbindenden Strukturelement eines einheitlichen Systems sozialer Sicherung werden. (15) Konsequent wäre es, den notwendigen Familienlastenausgleich künftig nicht innerhalb einer begrenzten Solidar-Versichertengemeinschaft, sondern als gesamtgesellschaftliche Aufgabe durch Steuern zu finanzieren.
III. Sachlicher Umfang der Sozialversicherung (16) Die derzeit erheblichen Finanzierungsprobleme stellen auch den Umfang der Sozialleistungen auf den Prüfstand. Dies gilt zunächst für die gesetzliche Rentenversicherung. Auf deren Finanzierbarkeit wirken sich die demographische Entwicklung, die Massenarbeitslosigkeit und der anhaltende Trend zur Frühverrentung in besonderem Maße aus. Der Gesetzgeber versucht seit längerem, den veränderten Rahmenbedingungen durch Maßnahmen zu begegnen, die letztlich zu Rentenkürzungen führen. (17) Das Bundesverfassungsgericht erstreckt seit seiner Entscheidung zum Versorgungsausgleich aus dem Jahre 1980 den Grundrechtsschutz der Eigentumsgarantie auch auf Ansprüche und Anwartschaften auf Versichertenrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung. (18) Die Kürzung sowohl von Rentenansprüchen als auch von Rentenanwartschaften wird allgemein als Inhalts- und Schrankenbestimmung eingeordnet, die am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verengt sich die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers „in dem Maße, in dem Rentenansprüche oder Ren-
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tenanwartschaften durch den personalen Bezug des Anteils eigener Leistung des Versicherten geprägt sind“. Daher steht dem Gesetzgeber bei der Regelung beitragsunabhängiger Rentenberechnungsfaktoren, wie etwa der Anrechnung von Ausbildungsausfallzeiten, ein weiter Gestaltungsspielraum zu; die Änderung beitragsabhängiger Faktoren, insbesondere der Entgeltpunkte in der gegenwärtigen Rentenformel, unterliegt hingegen engen verfassungsrechtlichen Beschränkungen. (19) Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers im Hinblick auf die Änderung von Sozialleistungen wird nicht nur bei der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern auch bei den anderen Sozialversicherungszweigen wesentlich durch das Umlageverfahren beeinflusst. Dieses beruht nicht auf der Bildung von Vermögen, sondern auf der Kontinuität der Versicherung. Ein auf dem Umlageverfahren beruhendes Sozialleistungssystem kann keine Sicherheit garantieren, weil sein Fortbestand von Leistungsbereitschaft und Leistungsvermögen künftiger Generationen abhängt. (20) Der Übergang zur Kapitaldeckung erweist sich als der zwar an sich richtige, aber zumindest derzeit sehr schwierige Weg. Im Falle der Beibehaltung des Umlageverfahrens bedarf es der Reduzierung der Sozialleistungen auf eine Grundsicherung. (21) Der Gedanke der Grundsicherung ist mittlerweile bereits außerhalb der Sozialversicherung in einem anderen wesentlichen System der sozialen Sicherung umgesetzt. Das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003, das unter dem Schlagwort „Hartz IV“ diskutiert wird, fügt in das Sozialgesetzbuch ein Zweites Buch ein, das den Titel trägt: „Grundsicherung für Arbeitsuchende“. Insoweit werden Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für erwerbsfähige Hilfebedürftige mit Wirkung zum 1. Januar 2005 zusammengeführt.
IV. Leistungserbringung für die Sozialversicherung (22) Wesentlich für soziale Sicherungssysteme und ihre Finanzierung ist auch das Verhältnis zu den privaten Erbringern von Sozialleistungen. Dies gilt besonders für das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung. Speziell im so genannten Vertragsarztrecht, das früher „Kassenarztrecht“ hieß, existiert ein mittlerweile hochkompliziertes Regelungsinstrumentarium, welches selbst Experten kaum noch überschauen. (23) Das Bundesverfassungsgericht rechtfertigt bereits seit längerem selbst intensive Eingriffe in die Berufsfreiheit wie etwa die vom Gesetzgeber 1992 wieder eingeführten Zulassungsbeschränkungen für Vertragsärzte wegen vermeintlicher Überversorgung mit der Formel von der „Sicherung der finanziellen Stabilität und damit der Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenver-
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sicherung“ als einem „Gemeinwohlbelang von hinreichendem Gewicht“. Die gesetzliche Krankenversicherung ist jedoch kein Institut mit Verfassungsrang, sondern „einfachgesetzlich“ begründet. In der Literatur wird zu Recht kritisiert, das Gesundheitsrecht sei „ein um sich selbst kreisendes Sonderrecht“. (24) Ein nennenswerter Zwang zur gebotenen Liberalisierung im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung geht bislang vom europäischen Gemeinschaftsrecht nicht aus.
V.
Resümee
(25) Verbindende Strukturelemente eines einheitlichen Systems sozialer Sicherung könnten künftig sein: einkommensunabhängige Versicherungsprämien mit einem steuersolidarisch finanzierten sozialen (Familienlasten-)Ausgleich bei gleichzeitiger Beschränkung des Versichertenkreises auf sozial Schutzbedürftige und Reduzierung der Sozialleistungen auf eine Grundsicherung. Speziell für die gesetzliche Krankenversicherung sollte das Naturalleistungsprinzip durch ein Kostenerstattungsprinzip ersetzt werden. Diese Strukturelemente würden sich sowohl auf die Einnahmen- als auch auf die Ausgabenseite auswirken.
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3. Aussprache und Schlussworte
Die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme Vorsitzender (Huber): Verehrte Kolleginnen und Kollegen. Nachdem wir heute Vormittag die staatstheoretischen und grundrechtsdogmatischen Grundlagen des Sozialstaats diskutiert haben, wollen wir uns nach den beiden Referaten von Herrn Pitschas und Herrn Sodan der institutionellen Ausgestaltung der sozialen Sicherungssysteme zuwenden, nicht zuletzt in dem Bestreben, das Sozialrecht stärker als Referenzgebiet für das Öffentliche Recht zu erkennen und zu entfalten. Beide Referenten waren, auch wenn sie die Akzente unterschiedlich gesetzt haben, und Herr Pitschas eher die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers betont hat, während es Herrn Sodan mehr um deren grundrechtliche Grenzen ging, im Ergebnis dabei wohl gar nicht so weit voneinander entfernt. Die Diskussion sollten wir wie folgt strukturieren: in einem ersten Abschnitt allgemeine Fragen zu den Grundlagen der sozialen Sicherungssysteme, ihrer Entwicklung, den ökonomischen Rahmenbedingungen und ihrer Ausgestaltung im Einzelnen. Im zweiten Teil sollte es dann um die verfassungsrechtlichen Anforderungen der akutellen und zukünftigen Reformen gehen, während zum Schluss die Zukunftsperspektiven zur Sprache kommen sollen. Im Rahmen unseres ersten Abschnitts, den Grundlagen, habe ich als Erstes Herrn Gröschner, nach Herrn Gröschner Herrn Ruland und dann Herrn Breuer. Herr Gröschner bitte. Gröschner: Eine Frage an Herrn Pitschas und eine Antwort auf Herrn Wiederin. Beides lässt sich besser miteinander verbinden, wenn ich mit dem Schlusssatz des Schlusswortes von Herrn Wiederin beginne. Dort war die Rede davon, dass der Sozialstaat die Voraussetzungen für ein glückendes Leben aller – eine glückliche Formulierung – zu gewährleisten habe. Der so verstandene Sozialstaat darf die Freiheit dann aber nicht nur grundrechtlich, also in liberal-rechtsstaatlicher Tradition schützen, sondern er muss als freiheitlicher Sozialstaat tätig werden, das heißt: durch Gewährleistung der allgemeinen Voraussetzungen zum Gebrauch der Freiheitsgrundrechte. Das ist eine Formel, die heutzutage ja durchaus üblich geworden ist. Wenn man aber dieser üblichen und, wie ich finde, richtigen Formel folgt, dann ist der freiheitliche Sozialstaat essentieller
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Aussprache
Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und damit im Rahmen der Grundsätze des Art. 20 GG änderungsfest im Sinne des Art. 79 Abs. 3 GG. Insofern war das Schlusswort von Herrn Wiederin, wenn auch unbeabsichtigt, ein Zugeständnis an die Kritiker der unhaltbaren These 13! Meine Frage an Herrn Pitschas betrifft die These 3, zunftgemäß zitiert: These 3 Abs. 1 S. 3. Dort heißt es: In objektiv-rechtlicher Wendung entspreche dem – nämlich dem Freiheitsprinzip der Sätze 1 und 2 – „bis zu einem gewissen Ausmaß die Verpflichtung zu individueller Vorsorge durch Versicherung und Vermögensbildung“. Das ist sehr schön alliterierend formuliert, aber was bedeutet „Verpflichtung“ dogmatisch? Wenn es eine verfassungsunmittelbare Rechtspflicht – dann wohl aufgrund Sozialstaatsprinzips in Verbindung mit Menschenwürde – sein soll, fragt sich, wem gegenüber diese Pflicht besteht. Konsequenterweise wäre es dann eine Obliegenheit, also eine Rechtspflicht gegen sich selbst, oder, und das ist die Frage an Herrn Pitschas, handelt es sich doch um eine Verfassungserwartung und damit gerade nicht um eine Rechtspflicht, sondern um eine moralische Pflicht? Ruland: Ich habe einige Anmerkungen zu den Vorträgen, wobei ich vorweg einräume, dass ich als jemand, der nicht mehr an der Hochschule lehrt, sondern für die Rentenversicherung eine besondere Verantwortung trägt, vielleicht eine eigene Sicht der Dinge habe. Herr Sodan hat differenziert: Eigenverantwortung, und dann erst Solidarität. Das kann ich nicht nachvollziehen. Als ob solidarisches Handeln nicht auch eigenverantwortlich wäre. Der Abschluss einer Versicherung ist eigenverantwortlich, trotzdem solidarisch. Zumeist ist Eigenverantwortung nur in Solidarität erreichbar. Eigenverantwortung setzt in hohem Maße voraus, dass der Einzelne die Chance hat, auf dem Markt entsprechend richtige Entscheidungen zu treffen. Da gibt es gerade bei der sogenannten Riesterrente Probleme. Bei ihr ist Eigenverantwortung gesetzlich eingefordert worden. Der Markt bietet aber nicht die notwendige Transparenz. Deshalb halten sich die Leute zurück, entscheiden sich lieber für eine betriebliche Altersversorgung, wo sie sicher sind, nicht „über den Tisch gezogen“ zu werden. Daher: Wer Eigenverantwortung in stärkerem Maße fordert, muss auch Markttransparenz und Regelungen einfordern, die diejenigen, die auf den Markt und die dort geschlossenen Verträge angewiesen sind, entsprechend sozial schützen. Die meisten Sozialversicherten können mit Banken und Versicherungen nur schwer umgehen. Das darf man nicht vergessen. Solidarität ist nicht nur eine Verpflichtung für Arme. Solidarität ist eine Verpflichtung zwischen Reich und Arm. Deshalb ist die Begrenzung der Sozialversicherung nur auf die Bedürftigen ein völlig falscher Ansatz.
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Es ist generell schwer, Erkenntnisse anderer Disziplinen zu übernehmen. Die These, dass das Umlageverfahren von der Demographie abhängig ist, ist zwar richtig. Dass aber auch kapitalgedeckte Systeme von der Demographie abhängig sind, ist bei den Volkswirten inzwischen unbestritten. Dies ist bei den Juristen leider noch nicht angekommen. Insofern betrifft das Demographieproblem alle sozialen Sicherungssysteme, nicht nur die umlagefinanzierten. Wem wollen Sie Häuser vermieten, wenn es nicht mehr genug Mieter gibt? Wem wollen Sie Aktien verkaufen, wenn die Zahl der Käufer niedriger wird? Insofern – die Volkswirte haben das längst eingesehen – ist die Begrenzung der ganzen Problematik auf die umlagefinanzierte Rentenversicherung nur bedingt richtig. Sie erfasst die anderen Systeme der Altersvorsorge auch. Deshalb ist die Flucht oder der Ausweg in die Eigenverantwortung keine Chance, der Demographie und den daraus resultierenden Problemen zu entgehen. Da das so ist, ist die Sicht der beiden Referate, die – viel zu eng – nur die Sozialversicherung im Auge hatten, problematisch. Es wird nicht zur Kenntnis genommen, dass auch die Privatversicherung, vor allem die private Rentenversicherung, entsprechende Probleme hat, und dass die betriebliche Altersversorgung nicht weiß, wie sie ihre Leistungszusagen finanzieren soll. Denken Sie nur an die gravierenden Änderungen bei der VBL. Was mich wundert – ich provoziere jetzt ein wenig – ist, dass das Stichwort „Beamtenversorgung“ mit den hohen Lasten, die auf die öffentliche Hand zukommen, überhaupt nicht angesprochen worden ist. Vielleicht ist das im Kreise so vieler Beamter nicht atypisch. Gerade im Vergleich zur Beamtenversorgung nervt mich aber das unzutreffende Schlagwort von Herrn Pitschas: „Komfortsicherung“. Da die beschlossenen Reformen dazu führen, dass im Bereich der Rentenversicherung das Sicherungsniveau vor Steuern auf etwa 45 % abgesenkt wird, ist der Ausdruck „Komfortsicherung“ unzutreffend. Außerdem wüsste ich keinen Bereich der sozialen Sicherung, wo dieses Klischee noch zutreffen würde. Bei der Sicht der aktuellen Probleme würde ich gerne auch ein paar andere Akzente setzen. Es klang so, als wenn die Zukunft erst mit der Agenda 2010 begonnen hätte. Für den wichtigen Bereich Rentenversicherung – der ja den größten Teil der sozialen Umverteilung ausmacht – darf ich Sie daran erinnern, dass wir schon jetzt den Beitragssatz für 2030, der 1989 mit 36-41 % hochgerechnet wurde, trotz gestiegener Lebenserwartung und verschlechterten wirtschaftlichen Annahmen auf rund 22 % abgesenkt haben. Es gibt Bereiche, die ihre Zukunftsaufgaben weitgehend schon erledigt haben. Man muss es nur zur Kenntnis nehmen. Es sind natürlich auch schon die Altersgrenzen angehoben worden. Zwar noch nicht die Regelaltersgrenze von 65 Jahren, wohl aber der
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Aussprache
wichtige Bereich der vorgezogenen Altersgrenzen, der ja sehr viel Geld gekostet hat. Bei der Krankenversicherung ist ein ganz entscheidendes Problem bei der Bewertung von Gesundheitsprämie auf der einen Seite und Bürgerversicherung auf der anderen Seite nicht angesprochen worden. Soll der soziale Ausgleich über Steuern oder über Sozialversicherungsbeiträge finanziert werden? Es ist richtig – insofern unterstütze ich Ihre These, Herr Sodan –, dass es sinnvoll nur sein kann, den sozialen Ausgleich über Steuern zu finanzieren. Die Steuerfinanzierung ist die wesentlich gerechtere Finanzierungsweise, da sie alle entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit trifft. Die Steuerfinanzierung erfasst auch Beamte, Richter und Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenzen. Allerdings, ein Problem besteht noch: Werden die Milliardenbeträge, die zur sozialen Flankierung der Gesundheitsprämie notwendig sind, in den Bundeshaushalt hineingenommen, erhält in ihm das Soziale ein noch viel größeres Gewicht und gefährdet damit möglicherweise das Soziale. Das ist für mich das entscheidende Problem der Bürgerversicherung. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Ruland. Wegen der besonderen Betroffenheit haben wir diese Abweichung von der Vier-Minuten-Regel ausnahmsweise gemacht. Ich darf nun Herrn Breuer das Wort erteilen. Breuer: Gestatten Sie drei Bemerkungen. Zum Ersten möchte ich im Hinblick auf die historischen Grundlagen eine Korrektur anbringen. So richtig es ist, dass in Deutschland der Sozialstaat und das System der Sozialversicherung auf die Bismarckschen Reformen zurückgehen, muss man doch darauf hinweisen, dass Bismarck eigentlich etatistisch gedacht hat und von Staats wegen paternalistisch ein soziales Sicherungssystem einführen wollte. Es ist dann das Verdienst der christlichen Soziallehre gewesen, dass in Wahrheit ein anderes sozialversicherungsrechtliches System entstanden ist. Hier kann man aus dem Bereich der katholischen Soziallehre hinweisen auf Namen wie Ritter von Buß, Freiherr von Hertling, Franz Hitze, Bischof von Ketteler. Auf protestantischer Seite war es der Ministerialbeamte Theodor Lohmann, der unter Bismarck gearbeitet hat, sich dann mit Bismarck überworfen hat, gerade weil Bismarck etatistisch dachte und weil Theodor Lohmann der Meinung war, dass die Eigenverantwortlichkeit gestärkt werden sollte, wie auch die Subsidiarität und die Solidarität. Damit treffen sich also die katholische und die protestantische Lehre. Das sollte man der historischen Wahrheit wegen hervorheben, und insoweit wäre ich den Referenten für ein klärendes Wort dankbar. Zweiter Punkt: Man wird wohl sehen müssen, dass, wie Herr Pitschas es ausgedrückt hat, das deutsche System des Sozialstaates und der So-
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zialversicherung im nationalen Kontext verstanden werden muss. Es war eine Aufgabe der nationalen Integration, und es war die Phase, in der der Sozialismus und der Kommunismus als Gefahr erkannt wurden. Die Integration des neu gebildeten Deutschen Reiches stand auf dem Spiel. Es war aber zugleich eine Phase, in der sich dann die verschiedenen Strömungen der Gesellschaft zusammengefunden haben. Staat und Gesellschaft sind in dieser Phase miteinander verschweißt worden, das sollte man erkennen. Und hier müssen wir uns heute kritisch die Frage stellen, ob der Widerpart des Staates, also die Gesellschaft, nicht intern einer Erosion ausgesetzt ist. Ich glaube, um die Dinge zuzuspitzen, dass es nicht damit getan ist, in ökonomischer und juristischer Hinsicht irgendetwas zu reparieren. Wir müssen das Problem des demographischen Wandels sehen, wir müssen die Phänomene der sozialen Desintegration sehen. Ich kann und will das im Moment nicht vertiefen. Hier wäre in der Tat im gesellschaftlichen Innenbereich mehr zu fordern. Dritte Frage: Wenn man, was ich im Prinzip für richtig halte, die alten Prinzipien der Subsidiarität, der Solidarität und des Gemeinwohls beschwört, dann muss man sich fragen, ob hier, in der sozialen Demokratie, wie Lorenz von Stein gesagt hat, diese Prinzipien reaktiviert werden können. Das bedeutet dann allerdings Versicherungspflicht, staatlicher Rahmen, ordnungsrechtlicher Rahmen des Staates. Oder zwingt uns möglicherweise das Europarecht, einen europäischen Sozialstaat aufzubauen? Ich halte das für eine Utopie. Aber gerade wenn es im gegenwärtigen Moment eine Utopie ist, dann müsste doch klargestellt werden, was an Verantwortung dem demokratischen Gesetzgeber in den Mitgliedstaaten aufgebürdet ist und aufgebürdet bleibt. Insofern meine ich, dass mehr strukturelle Klarheit erforderlich ist. Es reicht nicht aus, mit einigen Stichworten die Probleme anzutippen, dann muss man sozialstaatlich schon Farbe bekennen. Ich würde mich hier im Prinzip zur Tradition des deutschen Sozialstaats bekennen und die alten Prinzipien der Subsidiarität, Solidarität und des Gemeinwohls noch einmal in Erinnerung bringen wollen. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Breuer. Ich habe jetzt als Letzten zu Punkt eins Herrn Höfling, und dann zu Punkt zwei Herrn Ebsen, Herrn Schachtschneider und Frau Iliopoulos-Strangas. Herr Höfling, bitte. Höfling: Wem auch immer das Lob gebührt, dieses Thema auf die Tagesordnung gesetzt zu haben, in der Tat: Sozialrecht als Referenzgebiet, insbesondere für die Verfassungsrechtler, das war dringend notwendig. Nur glaube ich, fruchtbare Befassung mit solchen Referenzgebieten ist nur möglich, wenn man auch die soziale Wirklichkeit
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einbezieht. Und insofern habe ich ein bisschen mehr an Empirie vermisst, wenn ich das so sagen darf. Ich will nur ganz wenige Punkte benennen. Ein ganz wichtiger Referenzbereich innerhalb unseres Referenzgebiets wird die soziale Pflegeversicherung sein. 2030 werden wir etwa fünf Millionen pflegebedürftige alte Menschen haben. Ich frage mich: Wie soll das finanziert werden? Vor allen Dingen, um die Verknüpfung zu heute Morgen zu finden: Wie soll das finanziert werden unter Bedingungen, die auch der Menschenwürde – und die Menschenwürde dirigiert das Sozialstaatsprinzip – gerecht werden? Auch da nur ganz wenige Blicke auf die heutige soziale Wirklichkeit. Da wird man sehen müssen, dass aus Kostengründen jede vierte, wenn nicht jede dritte Magensonde, die gelegt wird, medizinisch nicht indiziert ist, sondern gelegt wird, weil die Pflegekassen die Kosten nur übernehmen, wenn nicht gefüttert werden muss, was viel Zeit kostet, und keine Bettwäsche gewaschen werden muss, weil auch das Geld kostet. Wenn tausendfach Dekubitusgeschwüre unzureichend behandelt werden, also Körperverletzungen stattfinden und die (Heim-)Aufsicht unzulänglich funktioniert, dann frage ich mich: Wie machen wir das in 25 Jahren mit fünf Millionen Betroffenen? Und ein Letztes: Diese Zustände sind nicht Schicksal, sondern Folge von Allokationsentscheidungen; und deshalb sollte man auch sagen, wo nehmen wir etwas weg, damit wir wenigstens die Mindestbedingungen für ein menschenwürdiges Leben garantieren können für diejenigen – sie sind heute Morgen schon mit Adolf Muschg zitiert worden –, die wirklich die Schwachen sind, und die wir im Moment eigentlich nur mit einer Strategie der Institutionalisierung weitgehend „wegsperren“, auch aus unserer Wahrnehmung. Das scheint mir ein zentrales Problem zu sein. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Höfling. Jetzt zu Teil zwei, zu den verfassungsrechtlichen Grenzen für den Umbau der Sozialversicherung. Herr Ebsen. Ebsen: Ich möchte noch einmal auf etwas zurückkommen, was besonders deutlich in den Thesen von Herrn Sodan angesprochen wurde, aber natürlich auch anknüpft an die vorherige Debatte zum Spannungsfeld von Eigenvorsorge und Fürsorge, nämlich auf die Frage nach den verfassungsrechtlichen Grenzen für den Umfang von Sozialversicherung. Das betrifft sowohl den Gegenstand, also die abzusichernden Risiken, als auch den personellen Umfang. Als Erstes möchte ich mich kritisch mit dem Phantom der Schutzbedürftigkeit als Voraussetzung für Sozialversicherung auseinandersetzen. Wenn Sie unter dem Stichwort „alle in einem Boot“ umverteilende Zwangsversicherungssysteme haben wollen, dann
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ist es nun einmal so, dass in diesem Boot Ruderer benötigt werden. Und deswegen ist es geradezu erforderlich, dass nicht allein die Schutzbedürftigkeit, sondern auch die Leistungsfähigkeit ein Kriterium ist für die Einbeziehung in Sozialversicherungsgemeinschaften. Hierzu hat Herr Ruland in der Diskussion auf das Steuersystem als alle Leistungsfähigen einbeziehendes System verwiesen. Jedoch ist das Steuersystem, weil es unmittelbar vom parlamentarischen Gesetzgeber abhängt, entsprechend auch abhängig von kurzfristigen Strömungen und Stimmungen, und insofern spricht viel für eine parafiskalische Finanzierung von sozialer Sicherung, bei der auch Vertrauen in langfristige Verlässlichkeit wichtig ist. Wenn man eine parafiskalische Finanzierung haben will, dann ist allerdings gerade auch der Gleichheitssatz ein Argument dafür, diese personell möglichst umfassend unter Einbeziehung aller Leistungsfähigen zu gestalten. Denn bei einer parafiskalischen Finanzierung in voller personeller Breite greifen die Gerechtigkeitseinwände gegen soziale Umverteilung innerhalb des jeweiligen Systems nicht durch. Insofern ist also eine unfassende Bürger- bzw. Einwohnerversicherung geradezu die optimale Vollendung von Sozialversicherung. Nun noch ein Wort zu gegenständlichen Grenzen von Sozialversicherung. Gegenständliche Grenzen können verfassungsrechtlich vor allem hergeleitet werden aus der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG ). Der Gesetzgeber muss sich natürlich fragen lassen, für welche Zwecke er welche Personen in Zwangssystemen zusammenschließt. Das ironische Beispiel von Herrn Schnapp im Begleitaufsatz im DVBl . einer Existenzversicherung, die für genügend Essen und Trinken und für gesunde Nahrung sorgt, zeigt, dass es in der Tat inhaltliche Grenzen geben muss. Allerdings müssen wir uns klar machen, dass insoweit die Berufung auf Art. 2 Abs. 1 GG die Verweisung auf etwas Prozedurales ist, nämlich auf die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips durch das Bundesverfassungsgericht, das kaum inhaltliche Vorgaben auf diesem Gebiet hat. Das ist meines Erachtens erträglich, denn es gibt zunehmend einen anderen prozeduralen Aspekt, der politisch wirkt. Es ist oft die Rede vom Kapital, welches flüchtig sei wie ein Reh. Nun kann nicht nur der Kapitalanleger unter den Bedingungen von Globalisierung die „Abstimmung mit den Konten“ machen. Zunehmend können auch Menschen die „Abstimmung mit den Füßen“ machen, und insofern wird die Politik zunehmend die Grenzen der Belastungsbereitschaft der Leistungsfähigen ins Kalkül zu ziehen und gegebenenfalls aus Fehlern zu lernen haben. Dieser prozedurale Mechanismus dürfte vernünftiger sein als irgendwelche gegriffenen inhaltlichen Grenzen für Sozialversicherung.
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Schachtschneider: Herr Vorsitzender, liebe Kolleginnen und Kollegen, zunächst herzlichen Dank für die beachtlichen Referate heute Nachmittag. Ich möchte dennoch ein wenig opponieren. Das Solidarprinzip scheint mir die Lebenslüge der Krankenversicherung zu sein. Das Solidarprinzip ist fraglos Bestandteil des Sozialprinzips und verbindet das Gemeinwesen unter dem Prinzip der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse. Aber eine spezifische Solidarität der 90 % der Bevölkerung, die in die gesetzliche Krankenversicherung gezwungen sind, die oktroyierte Solidarität, scheint mir mehr als fragwürdig zu sein. Die GKV ist kein System der Solidarität, sondern eher eines der gegenseitigen, ja allseitigen Ausnutzung. Die Fiktion der Solidarität scheint notwendig, um die Familienversicherung, insbesondere die beitrags-, also kostenlose Versicherung der Kinder, zu rechtfertigen, die aber nach dem Versicherungsprinzip, das auch die Krankenversicherung bestimmen sollte, nicht zu rechtfertigen ist. Jeder hat ein Krankheitsrisiko und muss das damit verbundene Kostenrisiko tragen. Wenn Familien das nicht leisten können, muss das Gemeinwesen, der Staat, nicht die Versichertenzwangsgemeinschaft für sie einstehen. Das ist in einem freiheitlichen Gemeinwesen sozial. Der Sozialstaat setzt allerdings den Nationalstaat voraus, d.h. eine Volkswirtschaft, welche die Leistungen erbringt, die die sozialen Systeme zu tragen vermag. Wir haben die Grenzen vor allem für die Wirtschaft, zumal für das Kapital, weit, ja allzuweit geöffnet. Das schafft die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die sozialen Systeme zu finanzieren. Bedenken möchte ich auch gegen das Großargument „demographische Entwicklung“ äußern, deren Konsequenzen gerade eben wieder für die Pflegeversicherung angesprochen wurden. Die Volkswirtschaft muss und kann auch die Kosten für die alten Menschen erwirtschaften. Die Produktivität kann fast grenzenlos gesteigert werden. Es sind die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen, welche die Produktivität gerade in unserem Lande erheblich behindern. Ich habe heute Vormittag auf die Kapitalverkehrsfreiheit hingewiesen. Dass die Sozialversicherungssysteme nicht mehr mit den Arbeitsverhältnissen verbunden werden können, versteht sich. Aber wir sollten wegen der Alterung der Gesellschaft keine Ängste schüren. Diese lässt sich wirtschaftlich bewältigen, wenn wir die nötigen wirtschaftsverfassungsrechtlichen Bedingungen schaffen, genauer, wieder herstellen. Eine Bemerkung noch zu dem schönen Referat von Herrn Sodan: Die Kapitaldeckung der Rentenversicherung ist 1957 abgelehnt worden, weil sie das gesamte wirtschaftliche System strukturell vermachten würde. Sie würde die Wirtschaft völlig den Versicherungen überantworten. Für die Wettbewerbswirtschaft wäre die Kapitalmacht der Versicherungen untragbar. Die Gefahr der Vermachtung der Wirtschaft muss man berücksichtigen, wenn man für die Kapitalversicherung streitet.
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Erlauben Sie als Letztes noch ein Plädoyer für das Privatheitsprinzip oder, wie meist gesagt wird, das Subsidiaritätsprinzip. Das Privatheitsprinzip hat auch europarechtlichen Rang, nämlich in den Grundfreiheiten des Binnenmarktes. Vor diesem Privatheitsprinzip lassen sich die deutschen Sozialversicherungssysteme, jedenfalls die gesetzliche Krankenversicherung, ohnehin längerfristig nicht verteidigen. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Schachtschneider. Ich habe jetzt als Nächstes Frau Iliopoulos-Strangas, dann Herrn Lorz und dann Herrn Zacher. Frau Iliopoulos-Strangas zum Vorrang der Systemkontinuität als Verfassungsfrage. Iliopoulos-Strangas: Vielen Dank, Herr Vorsitzender. Was das Prinzip der Systemkontinuität angeht, so frage ich mich aus verfassungsrechtsvergleichender Sicht, ob dieses Prinzip uneingeschränkt gelten kann und ob ihm Verfassungsrang zuzuerkennen ist. Zwar sind in einigen europäischen Rechtsordnungen entsprechende Vorstellungen entwickelt worden, die trotz unterschiedlicher methodologischer Ansätze auf ähnliche Ergebnisse hinauslaufen. Erwähnt seien hier nur zwei Beispiele, nämlich einerseits die Rechtsprechung des französischen Conseil d’État zum so genannten „effet cliquet“ („Sperreffekt“), wonach – grob gesagt – ein Rückschritt hinter bereits geltende Grundrechte ausgeschlossen ist, und andererseits die Rechtsprechung des griechischen Staatsrates zum so genannten sozialen Besitzstand, insbesondere im Bereich des Umweltschutzes, die von vergleichbaren Überlegungen getragen ist. Auch wenn in beiden Fällen diese Rechtsprechung, politisch gesehen, zu begrüßen sein mag, sind solche Rechtsvorstellungen doch in ihrer Absolutheit unvereinbar mit dem Demokratieprinzip, das grundsätzlich die Sofortwirkung von Gesetzen verlangt. Deshalb ist einerseits davon auszugehen, dass Erfordernisse der Systemkontinuität und des Vertrauensschutzes dem Demokratieprinzip grundsätzlich keine Schranken zu ziehen vermögen. Andererseits folgt aus der notwendigen Sofortwirkung von Gesetzen nicht, dass Systemkontinuität und Vertrauensschutz völlig unberücksichtigt bleiben müssten. Vielmehr kann und muss ihnen bei Änderungen des geltenden Rechts gegebenenfalls durch Übergangsregelungen Rechnung getragen werden. Dies ist etwa bei Änderungen der Sozialversicherungssysteme von besonderer Bedeutung. Freilich ist in diesem Zusammenhang daran zu erinnern, dass der Vertrauensschutzgedanke nicht in allen Mitgliedstaaten zum Verfassungsprinzip erhoben worden ist. In einigen Mitgliedstaaten wird er als bloßer Rechts- oder Verwaltungsgrundsatz anerkannt. Darüber hinaus und unabhängig davon sollte neu überlegt werden, inwieweit der Vertrauensschutzgedanke oder die Systemkonti-
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nuität letztlich imstande sein sollen, den demokratisch legitimierten und verantwortlichen Gesetzgeber zu „fesseln“, wenn er eine Gesetzesänderung für notwendig hält. Ich stelle das hier nur zur Diskussion. Vorsitzender: Vielen Dank, Frau Iliopoulos-Strangas. Als Nächstes Herr Lorz, der weitere rechtliche Kriterien wie Systemgerechtigkeit und Systemtransparenz thematisieren möchte. Lorz: Herr Vorsitzender, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf in der Tat nahtlos daran anschließen: Wir haben über systemimmanente Begrenzungen der Leistungsfähigkeit oder der Leistungsansprüche in den sozialen Sicherungssystemen gesprochen, wir haben Systemkontinuität und Sachgerechtigkeit von Systemänderungen angesprochen, und ich möchte jetzt fragen, ob wir nicht eine Rechtsfigur wiederbeleben sollten, die in meinen Augen zu Unrecht ein Schattendasein führt, nämlich die Systemgerechtigkeit oder die Gewährleistung der inneren Logik von Systemen. Das hatte vor einigen Jahren Konjunktur und ist dann sehr schnell wieder verabschiedet worden, weil man allgemein gesagt hat, es sei eigentlich nicht fassbar. Das hat mir auch immer eingeleuchtet. Nur muss ich gestehen, Systemkontinuität oder gar Sachgerechtigkeit sind für mich letztlich genauso schwer fassbar oder konkretisierbar. Und wenn ich mir die stetig schlechter werdende Qualität unserer Gesetzgebung anschaue, was nicht an der Fachkompetenz der Ministerialverwaltung liegt, die Hektik, mit der nicht nur, aber auch und gerade im Sozialrecht Gesetze verabschiedet werden, wo die ersten Änderungen schon das Inkrafttreten überholen, die Inkonsistenzen, die viele der beteiligten Entscheider dadurch hineinbringen, dass sie die Systeme in ihrer komplexen Gesamtschau gar nicht mehr überblicken, dann glaube ich, dass wir wirklich ein Gebot der Systemkonsistenz neu etablieren müssen. Das Bundesverfassungsgericht hat das einmal in einem ganz anderen Kontext angedeutet, als es vor einigen Jahren das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung postuliert hat. Dabei handelt es sich eigentlich um eine bare Selbstverständlichkeit: dass nämlich die Bürger in der Lage sein müssen, zu erkennen, was der Staat rechtlich von ihnen fordert. Aber es scheint heutzutage nötig zu sein, das auszusprechen. Und damit bin ich bei dem anderen Punkt, den ich ansprechen wollte, nämlich der Systemtransparenz. Die Frage, die sich daraus für uns als Juristen ergibt, ist die: Müssen wir nicht auch solche rechtlichen Maßstäbe wie Systemgerechtigkeit und Systemtransparenz etablieren, einfach um die innere Logik und die Durchschaubarkeit der Systeme zu erhalten oder wiederherzustellen? Das muss ja nicht gleich mit dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit gekoppelt werden. Aber man könnte zumindest denjenigen, die neue
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Systembrüche oder eine Erhöhung der Komplexität einführen, eine Art Begründungslast auferlegen. Und zu Ende gedacht: Muss nicht der Grundsatz der Systemkontinuität – das hat Frau Iliopoulos-Strangas eben schon angesprochen – auch irgendwann zurücktreten, nämlich dann, wenn die Systembrüche und die Komplexität so überhand nehmen, dass ein offener Systemwechsel ehrlicher, in sich logischer und transparenter wäre? Vielleicht in einem Satz zusammengefasst: Es ist vollkommen klar, dass der Sozialgesetzgeber bei der Ausgestaltung der sozialen Sicherungssysteme einen weiten Spielraum haben muss und dass es sehr schwierig sein wird, hier materielle Grenzen zu ziehen. Aber müssen wir nicht vom Juristischen her wenigstens darauf achten, dass er dabei in sich konsequent und nachvollziehbar bleibt? Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Lorz. Ich habe jetzt als letzten Punkt zu Abschnitt zwei Herrn Zacher, und dann kommen Herr Häberle, Herr Hase und Herr Baumeister. Herr Zacher, bitteschön! Zacher: Zunächst vielen Dank, Herr Huber. Eine Anmerkung möchte ich Herrn Sodan ans Herz legen, ohne dass ich das als Beitrag zu seinem Vortrag werten möchte: Sie haben ja auf die Christlichkeit des Motivs Bismarcks hingewiesen. Ich möchte das nicht in Frage stellen. Aber das hat doch noch eine feine Nuance. Es gab nämlich damals einen „innerchristlichen“ Streit. Das katholische Zentrum war gegen die Bismarcksche Sozialpolitik und -gesetzgebung, weil es eine christliche Pflicht sei, den Armen zu helfen. Wenn jetzt die Sozialversicherung käme, wie erfüllte man dann die christliche Pflicht? Und nun zu den Vorträgen. Zu Herrn Pitschas: meine volle Zustimmung zu Ihrem Referat. Ganz besonders meine Zustimmung zu dem, was Sie zur aktuell anstehenden Revision des normativen Konzepts und der Wirklichkeit des deutschen Sozialstaats gesagt haben. Wenn ich Sie akustisch richtig verstanden habe, haben Sie von repetitiver Revision gesprochen. Was Sie dabei zur Sache gesagt haben, ist eine ganz zentrale Erkenntnis. Ich habe das an mir selbst auf eine ganz einzigartige Weise erlebt, als ich die neue Auflage vom „Sozialen Staatsziel“ für das Handbuch des Staatsrechts geschrieben habe. Ich musste sehen, dass jedenfalls ich es nicht fertig bringe, das in einem methodischen Zug zu beschreiben: was sich in der geschichtlichen und Aufbauphase an Inhalt des Sozialstaatsprinzips angelandet hat und jetzt sicher in Harmonie damit ist; und das, was jetzt notwendig ist, um den Sozialstaat weiterführen zu können unter den Erkenntnissen, die wir jetzt haben. Das ist eine sehr wichtige Einsicht: dass die Verwirklichung des Sozialstaatsprinzips immer wieder einer Revision bedarf; und dass das Sozialstaatsprinzip dafür ebenso of-
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fen sein muss, wie es neu interpretiert werden muss, um auch unter den neuen Umständen wegleitend sein zu können. Wo ich eher Bedenken habe, das ist der „Vorrang der Systemkontinuität“. Ich glaube, das haben Sie besser formuliert, als Sie gesagt haben, dass es ein Abwägungsgerüst gibt. Da würde ich den Sozialstaat besser aufgehoben sehen. Systemkontinuität scheint mir ein zu sehr besitzstandswahrendes Stichwort zu sein. Damit käme ich, wenn ich noch Zeit hätte, zu Herrn Sodan. Herr Sodan, bei Ihrem Referat habe ich folgende Bedenken: Wie es nicht geht, wissen wir doch immer alle, und Sie haben uns sehr nachhaltig gezeigt, was nicht geht; aber was wir wissen müssen, ist ja doch bei dem Vielen, was der Sozialstaat heute lernen muss, wie es geht. Und diese elementaren Aufgaben, die sind von Ihnen beiden noch nicht dramatisch genug beschrieben worden. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Zacher. Wir bekommen jetzt etwas Provokatives zu Hartz IV von Herrn Häberle. Häberle: Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich habe mich präzise zu Hartz IV gemeldet und richte eine doppelte Frage an beide Referenten. Herr Sodan hat in These 29 von Hartz IV gesprochen, und Sie, Herr Pitschas, sind im Text auch auf Hartz IV eingegangen. Meine Frage lautet: Was für ein Menschenbild steckt hinter Hartz IV? Nach dem einstmals Jenenser Hegel findet sich in der öffentlichen Meinung „alles Wahre und Falsche zugleich“. Dies gilt meines Erachtens auch für Hartz IV. Das Positive daran sind die gemeinnützigen Ein-Euro-Jobs, weil dort das Gemeinwohl mit Freiheit und Eigenverantwortung, mit sozialer Sicherheit und Gerechtigkeit und mit Arbeit verknüpft ist. Vielleicht sehe ich all dies ein wenig zu idealistisch, und Sie belehren mich empirisch, wobei auch an die an Art. 6 GG zu messenden harten Kontrollmechanismen zu denken ist. Das besonders Problematische an Hartz IV ist – hier wende ich mich ein wenig gegen Herrn Sodans These 29 –, dass die Arbeitslosenversicherung und die Sozialhilfesicherung in einen Topf zusammengelegt werden. Dagegen habe ich große philosophische, idealistische Bedenken. Die Arbeitslosenversicherung knüpft an (geleistete) Arbeit an; damit haben wir und denken wir den großen, schon klassischen Zusammenhang von John Locke über Günter Dürig bis zum Sondervotum von Frau Rupp von Brünneck und schließlich dem Bundesverfassungsgericht in Sachen Eigentum, Arbeit, Schutz öffentlich-rechtlicher Positionen. Dies war der große Gedanke der sozialen Sicherung der Arbeitnehmer. Demgegenüber knüpft die Sozialhilfe geistig an anderes an: an Art. 1 (Menschenwürde) und Art. 20 (Demokratie und Sozialstaat). Ich bezweifle, dass der parlamentarische Gesetzgeber, dem wir in der Tat viel Gestaltungsspiel-
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raum lassen sollten, gut beraten war, diese zwei philosophisch und verfassungsjuristisch ganz unterschiedlichen Tatbestände in ein und dasselbe Gesetz zusammenfassen – das merkwürdigerweise immer noch Hartz IV heißt, obwohl es mit Hartz ja gar nichts mehr zu tun hat, weder mit I, II, III noch mit IV. Vielen Dank. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Häberle. Ich habe als Nächstes Herrn Hase, der zur sozialen Sicherheit durch Umlagefinanzierung und Steuerfinanzierung des sozialen Ausgleichs sprechen wird. Hase: Ich möchte zwei kurze Bemerkungen zu dem Referat von Herrn Sodan vortragen, die erste zum Leitsatz Nr. 19. Dort wird ausgeführt, ein auf dem Umlagefinanzierungsverfahren beruhendes Sozialleistungssystem könne letztlich keine Sicherheit gewährleisten, daraus werden dann Folgerungen für die Gestaltungsfreiheit der Gesetzgebung abgeleitet. Träfe diese Aussage zu, so hätte die Sozialversicherung im Grunde keinerlei Existenzberechtigung. Die Versicherungs- und Beitragspflichten, auf denen die soziale Vorsorge beruht, wären verfassungsrechtlich überhaupt nicht zu legitimieren. Tatsächlich ist es aber die einzige Aufgabe der Sozialversicherung, für die Versicherten und deren Angehörige Sicherheit zu erzeugen, aber eben eine privatrechtstranszendente Sicherheit: eine Absicherung, auf die der Einzelne angewiesen ist, die er aber mit seinen Mitteln im Rahmen des Privatrechts nicht erreichen kann. Man kann diese Privatrechtstranszendenz als Vorteil, man kann sie aber auch als Nachteil betrachten, sie ist, gleichsam ihrer Natur nach, ambivalent. Einerseits hat die Sozialversicherung, das zeigen gerade die Erfahrungen Deutschlands im vergangenen Jahrhundert mit seinen großen Umbrüchen und Katastrophen, für breite Bevölkerungskreise eine Sicherheit erschlossen, die auf privatwirtschaftlichen Grundlagen nicht zu erreichen gewesen wäre. Insoweit hat die soziale Sicherung, wenn Sie so wollen, überlegene Sicherungsqualitäten unter Beweis gestellt. Andererseits fehlen ihr natürlich alle Mittel, mit denen die Privatversicherung Sicherheit erzeugt. Es gibt keinen Vertrag, der für das einzelne Versicherungsverhältnis ein für alle Mal die Bedingungen und insbesondere die nach dem Eintritt des Versicherungsfalls zu erbringenden Leistungen fixiert, es fehlt die Kapitaldeckung, und so weiter und so fort. Insoweit ist, wenn Sie so wollen, im direkten Vergleich ein Minus an Sicherheit gegeben. Aber all dies bedeutet ja nur, dass die Sozialversicherung aus ganz anderen Quellen als die Privatversicherung schöpft, eine ganz andere Aufgabenstellung als diese hat, dass sie eine eigenständige Schöpfung des öffentlichen Rechts ist, die mit ihren spezifischen Möglichkeiten Sicherheit vermitteln soll und dazu jedenfalls im Grundsatz auch durchaus im Stande ist. Das
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zentrale Problem liegt meines Erachtens darin – und da bin ich wieder bei der Diskussion, die wir heute Morgen geführt haben –, dass diese Sicherheit, die als ein knappes Gut gesehen werden muss, im Zuge der sozialstaatlichen Expansion der Nachkriegszeit auf Belange ausgedehnt worden ist, denen der Einzelne ebenso gut oder sogar besser mit seinen Mitteln gerecht werden kann. Meine zweite Bemerkung bezieht sich auf die Leitsätze 13, 14 und 25. Dort wird ein neues, einheitliches System sozialer Sicherung umrissen, das aus drei Elementen bestehen soll. Erstens wird der Kreis der Versicherten auf die Schutzbedürftigen beschränkt, womit ich im Grundsatz vollständig einverstanden bin. Zweitens sollen die Versicherungsprämien einkommensunabhängig erhoben werden. Und drittens soll der soziale Ausgleich über die Steuern zu finanzieren sein. Ein solcher Ansatz ist meines Erachtens insofern nicht tragfähig, als auf seiner Grundlage eine nicht zu ertragende Spannung zwischen selektiver leistungsrechtlicher Begünstigung auf der einen Seite und universeller Abgabenbelastung auf der anderen Seite entstünde. Bezahlen sollen für den sozialen Ausgleich letztlich alle über die Steuern, die Vorteile des Systems kommen aber nur dem schutzbedürftigen Teil der Bevölkerung zugute! Ein solches System hielte ich nicht für legitimierbar, weil es aus zu heterogenen und letzten Endes inkompatiblen Bauelementen zusammengesetzt ist. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Hase. Jetzt Herr Baumeister, der mit der These 19 von Herrn Sodan, „Umlagefinanzierung schafft keine Sicherheit“, Probleme hat. Bitteschön. Baumeister: Ich komme, wie Herr Hase, noch mal auf die These 19 zurück, nur eine ganz kurze, kleine Bemerkung. Dort heißt es: Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers im Hinblick auf die Änderung von Sozialleistungen wird nicht nur in der Rentenversicherung wesentlich durch das Umlageverfahren beeinflusst. Das heißt mit anderen Worten, so verstehe ich das, dass mit einem Kapitaldeckungssystem eine wesentlich stärkere Begrenzung des Gesetzgebers verbunden wäre. Das ist meines Erachtens nicht ganz einleuchtend, obwohl ich davon ausgehe, dass eine Vielzahl von anderen auch dieser Meinung ist. Bei einem Kapitaldeckungssystem wäre die eigentumsrechtliche Sicherung dieses Anspruchs auf jeden Fall gegeben, aber das wäre meines Erachtens auch bei einem Umlageverfahren so. Auch dort besteht eine eigentumsrechtliche Sicherung dieses Rentenanspruchs. Das hängt damit zusammen, dass der Bürger nicht das Risiko trägt, wie der Staat jetzt mit seinem Geld umgeht, das er ihm nur deshalb abverlangen darf, weil er gleichzeitig einen Anspruch gewährt, ein Versprechen gibt, dass er später für die Altersvorsorge in einem ge-
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wissen Umfang aufkommt. Und aus diesem Grund kann es auch keine Bedeutung, keine eigentumsrechtliche Bedeutung haben, wie der Staat mit dem Geld, das er vom Bürger verlangt, umgeht. Also, ob er etwa das Geld anspart oder sofort ausgibt und eben darauf hofft, dass er zu einem späteren Zeitpunkt wieder ausreichend Geld zur Verfügung hat, um auch diese Ansprüche noch erfüllen zu können. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Baumeister. Wir haben jetzt zum Schluss Herrn Wieland, der über die Bürgerversicherung und das Verfassungsrecht etwas sagen möchte. Wieland: Ich habe mich gemeldet, weil Herr Huber zum Abschluss der beiden Referate gesagt hat, beide seien sich doch eigentlich recht ähnlich und nahe beieinander. Den Eindruck teile ich nicht. Ich hatte bei Herrn Pitschas deutlich mehr das Gefühl, dass er zwar gewisse Ansätze in der Verfassung sieht für die Zukunft des sozialen Sicherungssystems, aber doch eine große Offenheit auch für Gestaltung, während Herrn Sodans Referat sich ja dadurch auszeichnet, dass er eigentlich aus der Verfassung gewissermaßen zwingend die Zukunft der Sozialversicherung abgeleitet hat. Vielleicht nicht zwingend, Herr Sodan, ich wollte daran auch Fragen knüpfen. Sie haben gesagt, der Gesetzgeber muss die bipolare Versicherungsverfassung beachten. Jetzt würde ich einfach mal ganz vorsichtig fragen: Wo finde ich diese bipolare Versicherungsverfassung, im Grundgesetz, neben der Finanzverfassung oder der Notstandsverfassung? Ich hatte manchmal etwas den Eindruck, dass für Sie ungeschrieben steht: Wir leben in einem sozialen Rechtsstaat, nach Maßgabe einer dynamischen Bestandsgarantie für private Krankenversicherungen. Das habe ich im Grundgesetz noch nicht gelesen und ich fände es begründungsbedürftig. Also, wenn man eine solche neue Subverfassung entwickelt, denke ich, muss man auch ein bisschen dazu sagen, wo man sie denn eigentlich findet. Wenn man sie nur aus den Grundrechten ableitet, würde ich zumindest zu erwägen geben, ob nicht der Hinweis, den Sie ja auch aufgenommen haben in Ihr Referat, dass in der europäischen Rechtsordnung, die sehr liberal und wettbewerbsorientiert ausgerichtet ist, der EuGH ja im Frühjahr gerade diesen Weg nicht gegangen ist. Das, was Sie in Art. 12 GG zugunsten der privaten Versicherung hineingelesen haben, scheint auf europäischer Ebene, jedenfalls wenn man Luxemburg folgt, so eindeutig nicht zu sein. Spricht das nicht doch dafür, dass wir möglicherweise einen größeren gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum haben, als das in Ihrem Referat zum Ausdruck kam? Herr Steiner hat ja heute Morgen schon die Entscheidung zur Einbeziehung der Ehegatten von Landwirten in die Altersversorgung der Landwirte genannt, wo das Verfas-
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sungsgericht das sehr großzügig gerechtfertigt hat. Ich habe das bedauert, weil ich Prozessvertreter war, aber man muss das hinnehmen. Aber ist das nicht doch ein Zeichen dafür, dass auch in Karlsruhe gesehen wird: Hier tauchen Probleme auf, über die muss ein Stück weit abwägend entschieden werden, und die kann man nicht einfach durch Verfassungsvollzug praktisch zu einem richtigen Ergebnis bringen. Und es ist ja schon mehrfach gefragt worden heute: Wenn man Sozialversicherung nur auf die Bedürftigen beschränkt, für mich ist das nicht gut erklärbar, wie soll es sein? Sollen die Kranken sich selber gegenseitig unterstützen, die Arbeitslosen alle zusammengefasst werden? Man braucht doch irgendwo die, die auch ein bisschen leistungsfähiger sind, damit etwas ins System hereinkommt und damit tatsächlich dieser soziale Gedanke verwirklicht werden kann. Und wenn Sie dann einfach sagen, das macht das Steuersystem, da kann ich Ihnen als Steuerrechtler nur sagen: Das Steueraufkommen bricht weg, der abschöpfende Steuerstaat war ein Erzeugnis praktisch geschlossener Staatlichkeit, das hinter uns liegt. Wer heute keine Steuern zahlen will, kann sich dem relativ leicht entziehen, als Unternehmen sowieso, auch als vermögender Privatmensch. Und es scheint mir etwas zu leicht gedacht, zu sagen, die Probleme der Sozialversicherung verlagern wir ins Steuersystem, da werden wir die 20 Milliarden schon finden. Die CSU bezweifelt das am CDU-Modell meines Erachtens nicht ohne Grund. Und eine Kopfsteuer – und das ist ja das, was Ihnen vorschwebt mit dem Kopf-Modell, mit dem pauschalen Modell –, das wäre jedenfalls im Steuerrecht eindeutig verfassungswidrig. Ob es im Sozialrecht verfassungsgeboten ist, wage ich zu bezweifeln. Vorsitzender: Danke, Herr Wieland. Herr Steiner bitte. Steiner: Ich will noch ein ganz vorsichtiges Wort zu den verfassungsrechtlichen Fragen sagen. Die beiden Referenten haben der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Sozialrechtsfragen hohe Referenz erwiesen, und das ist artig und immer seriös. Die Prämisse Ihrer beiden Referate ist allerdings, dass die Rechtsprechung in diesen Fragen so bleibt, wie Sie sie zitiert haben. Das muss nicht so sein. Es gibt, das füge ich gleich hinzu, überhaupt keine Tendenz in irgendeiner Frage, dass der Erste Senat also zu bestimmten Problemkomplexen in Zukunft anders entscheidet als bisher. Aber wir haben eines vor, und das, glaube ich, darf ich sagen: Vor dem Hintergrund offensichtlich sehr weitreichender Umgestaltungen des Sozialsystems bemühen wir uns im Augenblick, nicht einfach Formeln fortzuschreiben, wenn dies im Einzelfall zu verneinen ist. Das gilt zum Beispiel für den Begriff der Sozialversicherung. Sie haben ja heute die Künstlersozialversicherungsentscheidung des BVerfG
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sehr exzessiv zitiert. Es kann sein, dass das nur ein Zwischenruf war, und wir in diesen Fragen möglicherweise noch zu anderen Antworten kommen. Das wollte ich nur noch kurz anmerken. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Steiner. Herr Meyer, eine kurze Intervention dazu. Meyer: Ich habe nur zwei Fragen an Herrn Sodan. Herr Sodan, zu Ihrer These 19. Wo haben Sie eigentlich die Sicherheit her, dass ein Rentensystem sicherer ist, wenn Sie es auf das Vermögen statt auf eine Umlage stützen? Es sind im Laufe der Zeit viele Vermögen zu Schanden gegangen. Zweite Frage: Wo ist eigentlich der verfassungsrechtliche Unterschied, wenn Sie die Finanzierung über die Steuer bewerkstelligen oder wenn Sie alle einbeziehen? Ich meine, es gibt gute Gründe, es nicht über die Steuer zu machen. Darauf haben Herr Wieland und auch Herr Ebsen hingewiesen. Wo aber der verfassungsrechtlich relevante Unterschied sein soll, vermag ich nicht zu sehen. Es zahlen immer alle, die zahlen können, bei der Steuer sowohl wie bei der Umlage. Vorsitzender: Dankeschön. Dann kommen wir zu den Schlussworten in umgekehrter Reihenfolge. Herr Sodan. Sodan: Vielen Dank. Zunächst einmal darf ich mich bei allen Kollegen bedanken, die mit ihren Diskussionsbeiträgen wichtige Hinweise gegeben haben. Zugleich bitte ich um Verständnis dafür, dass ich mich angesichts der knappen Zeit, die jetzt zur Verfügung steht, auf einige Aspekte beschränken muss und nicht auf alle Beiträge im Einzelnen eingehen kann. Zunächst möchte ich auf die Einwände von Herrn Ruland erwidern. Sie haben in Zweifel gezogen, dass das Bismarcksche Prinzip zutrifft, welches ich mit der Formel beschrieben habe: zunächst Eigenverantwortung, dann erst Solidarität. Für mich ist dieses Prinzip deshalb wichtig, weil wir teilweise – beispielsweise im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung – schon geradezu eine Nulltarif-Mentalität der Versicherten beobachten konnten. Das heißt, dass die Mitnahmeeffekte sehr deutlich ausgeprägt sind: Erwartet werden Gegenleistungen für die erbrachten Versicherungsbeiträge. Insoweit scheint es mir wichtig, an Folgendes zu erinnern: Es muss nicht alles abgesichert werden über die so genannte Solidarität; die bereits ergriffenen Maßnahmen zur Stärkung der Eigenbeteiligung halte ich prinzipiell für sinnvoll. Das – man kann es wohl nicht anders nennen – Geschrei, welches die Regelung einer Praxisgebühr in Höhe von zehn Euro ausgelöst hat, konnte ich nie recht nachvollziehen, zumal es hier auch soziale Abfederungen gibt. Was die Beamtenversorgung betrifft, die Sie angesprochen haben,
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Herr Ruland: Selbstverständlich ist es ein großes Problem, dass hier von staatlicher Seite aus offenbar nicht hinreichend Rücklagen gebildet worden sind, möglicherweise gar keine, und dann stets das aktuelle Steueraufkommen herangezogen wird. Wir haben gestern gehört, zu welcher dramatischen Neuverschuldung der Bund wieder greifen muss bzw. die Bundesregierung meint greifen zu sollen. Das betrifft im Übrigen auch den Einwand von Ihnen, Herr Ruland, der sich auf den sozialen Ausgleich über Steuern und die diesbezügliche Finanzierung bezieht. Weil dieses Problem auch in anderen Beiträgen angesprochen wurde, möchte ich jetzt insgesamt darauf antworten. Die Zahlen differieren ganz erheblich. Bert Rürup beispielsweise hat im Juli 2004 von 22,5 Milliarden Euro gesprochen, die ein pauschales Gesundheitsprämiensystem kosten würde; teilweise hört man jetzt von 30, 35 oder 40 Milliarden Euro. Die Kosten dürften also noch nicht hinreichend geklärt sein. Folgender, dem Prämienmodell zugrunde liegender Gedanke ist jedenfalls richtig: Dass man eben über die Steuern die gesamte Gemeinschaft des Volkes und damit auch die Leistungsstärksten heranzieht, ohne diese aber, und insoweit darf ich auf die zweite Frage von Herrn Meyer antworten, in eine Sozialversicherung zu zwingen, sondern ihnen die eigenverantwortliche Absicherung des Krankheitsrisikos überlässt. Wegen dieses fundamentalen verfassungsrechtlichen Unterschiedes ist es wichtig, dass einerseits das Steueraufkommen herangezogen und andererseits eine nur begrenzte Solidargemeinschaft in die Sozialversicherung einbezogen wird. Auf Herrn Breuers Bemerkungen hinsichtlich des Europarechts und eines europäischen Sozialstaates möchte ich erwidern: Insoweit ist noch viel zu tun. Es existiert eben im Moment eine eher begrenzte Kompetenzlage. Ich denke, dass wir hier durchaus noch etwas Hoffnung in die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs setzen sollten. Diese sprach Herr Wieland in seinem Diskussionsbeitrag an; er wies insoweit auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 16. März 2004 hin, welches sich auf die Regelungen der Festbeträge für Arzneimittel bezieht. Hier ist der Redlichkeit halber allerdings hinzuzufügen, dass das Urteil des Europäischen Gerichtshofs insoweit nur das Verhältnis der deutschen gesetzlichen Krankenkassen zu den Leistungserbringern betrifft, allerdings nichts darüber aussagt, wie das Verhältnis der privaten zur gesetzlichen Krankenversicherung zu beurteilen ist. Daran sollte erinnert werden, damit wir hier nicht vorschnell jede Hoffnung auf den Europäischen Gerichtshof aufgeben. Was die von Herrn Höfling genannte dramatische Situation der sozialen Pflegeversicherung betrifft: Wenn wir 2030 fünf Millionen Pflegebedürftige haben sollten, würde der Druck, durch Steuermittel diese Sozialversicherung am Leben zu erhalten, noch größer werden. Daraus lässt sich
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ein weiteres Argument dafür herleiten, dass wir insgesamt die Gemeinschaft in die Verantwortung nehmen müssen. Herrn Ebsens Bemerkung zur „Bürgerversicherung als optimaler Vollendung von Sozialversicherung“ kann ich nun überhaupt nicht folgen. Ich meine, dass sein Beitrag – er sprach von einem „Phantom von der Schutzbedürftigkeit“ – an meinem Grundanliegen vorbeigeht: Die Reduzierung des personellen Umfangs der Sozialversicherung kann nicht verkehrt sein, wenn wir sie eben mit einem steuerfinanzierten Prämiensystem kombinieren. Dies habe ich ja als Ergänzung vorgeschlagen, damit sozusagen aus verschiedenen Elementen als Summe etwas Sinnvolles entsteht. Denn gegenüber dem jetzigen Vorschlag, ein Prämiensystem zu installieren, wird vor allem die soziale Schieflage gerügt, die darin gesehen wird, dass im Ausgangspunkt der Höchstverdiener den gleichen Beitrag bezahlen soll wie der Geringverdiener. Dabei handelt es sich um ein Argument, das sicherlich im nächsten Bundestagswahlkampf noch eine wesentliche Rolle spielen wird. Insoweit wären diejenigen, die diese – ja nicht von mir erfundenen – Gesundheitsprämien vorschlagen, gut beraten, wenn sie ihr Modell mit einer Reduzierung des personellen Umfangs der Sozialversicherung flankieren würden, damit klar wird: Eine Sozialversicherung ist für die sozial Schutzbedürftigen gedacht und nicht für Menschen, die auf eine solche Absicherung nicht angewiesen sind und teilweise sogar die Leistungen missbrauchen. In aller Deutlichkeit ist festzustellen: Es gibt teilweise sehr gut verdienende Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung, insbesondere freiwillig Versicherte mit mehreren Kindern, die sich von ihrer Zugehörigkeit zu dieser Sozialversicherung etwa über die beitragsfreie Mitversicherung von Familienangehörigen Vorteile versprechen. Die Gesundheitsleistungen für diese Menschen müssen aber nicht unbedingt aus der Solidargemeinschaft finanziert werden. Auf den Hinweis von Herrn Schachtschneider zum Kapitaldeckungsverfahren, das für die gesetzliche Rentenversicherung bis zur Reform von 1957 galt, darf ich erwidern: Nach meiner Erinnerung war vor allem die Entwertung der Geldvermögen durch die beiden Weltkriege ein wesentlicher Grund für die Umstellung auf das Umlageverfahren. Es geht mir im Übrigen nicht darum – das möchte ich auch gegenüber anderen Beiträgen klarstellen –, die Kapitaldeckung als die optimale Lösung zu präsentieren. Selbstverständlich haben die privaten Systeme ebenfalls große Schwierigkeiten, auch als Folge des demographischen Faktors; aber letztlich ist eine Kapitaldeckung der solidere Weg. Nur bezweifele ich, wie ich in meinem Vortrag deutlich zu machen versucht habe, dass wir hier in nächster Zeit zu einer Umstellung werden kommen können, so bedauerlich dies vielleicht auch sein mag.
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Herr Lorz hat vom Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung gesprochen. Dem kann ich nur uneingeschränkt zustimmen. Es wäre schön, wenn dieses Postulat des Bundesverfassungsgerichts aus mehreren Entscheidungen des Jahres 1998 wieder stärker in das Bewusstsein des Gesetzgebers käme. Herrn Zachers Vorhalt, ich hätte vor allem die Probleme geschildert und es an Lösungsvorschlägen fehlen lassen, muss ich widersprechen. Denn ich habe versucht aufzuzeigen – insoweit darf ich nochmals besonders auf mein Resümee in Leitsatz Nr. 25 verweisen –, dass ein künftig einheitliches System sozialer Sicherung durch mehrere, näher bezeichnete Merkmale geprägt sein sollte; in dieser Kombination liegt jedenfalls eine deutliche Alternative zu den bestehenden sozialen Sicherungssystemen. Herr Häberle stellte die künftige Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe infrage und bezweifelte deren Sinn. Ich meine aber nach wie vor, dass es wegen der schon jetzt gegebenen Nähe der Arbeitslosenhilfe zur Sozialhilfe durchaus Sinn macht, den Weg zu gehen, welchen die unter dem Schlagwort „Hartz IV“ diskutierte Reform vorsieht. Allerdings ist nochmals darauf hinzuweisen: Die Arbeitslosenhilfe ist auch nach noch geltendem Recht keine Versicherungsleistung der Arbeitslosenversicherung; daher lassen sich insoweit keine verfassungsrechtlichen Ansprüche herleiten, außer dem Anspruch auf die Sicherung des Existenzminimums. Trotz der fortgeschrittenen Zeit möchte ich noch auf den Diskussionsbeitrag von Herrn Wieland eingehen, der die so genannte Bürgerversicherung thematisiert und mich gefragt hat, woraus ich die These ableite, dass eine bipolare Versicherungsverfassung zu beachten ist. Dieses Gebot ergibt sich zum einen aus Grundrechtsgewährleistungen. Mit dem Modell einer umfassenden „Bürgerversicherung“ würde der Staat weitestgehend die Existenzgrundlagen der privaten Krankenversicherungsunternehmen vernichten und damit massiv in deren Grundrechte eingreifen. Dies bedürfte nach klassischer liberaler Grundrechtssicht der Rechtfertigung, die ich aber eben nicht sehe. Ein solches Sozialversicherungsmonopol lässt sich auch in Zeiten großer Schwierigkeiten der finanziellen Sicherung der Grundlagen der Sozialversicherung nicht begründen. Ferner ergibt sich die bipolare Versicherungsverfassung aus den verschiedenen, von mir in meinem Vortrag dargelegten Gesetzgebungskompetenzen. Zu beachten ist überdies europäisches Gemeinschaftsrecht: Ich halte es für sehr zweifelhaft, dass der Europäische Gerichtshof die Verdrängung eines privaten Krankenversicherungsunternehmens aus einem anderen EU-Mitgliedstaat vom deutschen Markt der Krankenversicherung als mit der Dienstleistungsfreiheit vereinbar ansehen würde.
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Zur Frage der künftigen Finanzierbarkeit der sozialen Sicherungssysteme darf ich im Übrigen noch auf folgenden Aspekt aufmerksam machen: Vor einigen Tagen hat der Bund der Steuerzahler wieder seine aktuellen Zahlen präsentiert, wonach etwa 30 Milliarden Euro aus öffentlichen Haushalten jährlich verschwendet werden. Jetzt stellen wir uns einmal den schönen Traum vor, dass diese 30 Milliarden Euro wenigstens zum größten Teil eingespart werden könnten: Dann dürfte für die gesetzliche Krankenversicherung bereits die gesamte Prämienfinanzierung abgesichert sein. Schon deshalb kann ich den Einwand angeblicher Unfinanzierbarkeit nicht teilen. Im Übrigen müssen natürlich insbesondere die Ökonomen für seriöse Zahlen sorgen. Es wäre gewiss auch hilfreich, einmal vom Verband der privaten Krankenversicherung weiterführende Lösungsvorschläge zu hören. Ich habe das schon mehrfach angeregt, bislang leider ohne Erfolg. Woran es liegt, vermag ich nicht zu sagen. Abschließend bedanke ich mich nochmals sehr herzlich bei allen Kollegen, die zu dieser Diskussion beigetragen haben. Dass wir künftig weiter über die Lösungen der Probleme nachdenken müssen, scheint mir zwangsläufig. Letztlich gelten auch hier die berühmten Worte, die Heraklit zugeschrieben werden: panta rhei, alles fließt. Die tagespolitische Aktualität überschattet im Grunde genommen auch diese Veranstaltung. Ich bin aber um der Sache willen dafür dankbar, dass der Sozialstaat überhaupt wieder zum Thema der Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer geworden ist. Pitschas: Liebe Kolleginnen und Kollegen, für die knappe Restzeit der heutigen Diskussion bitte ich sehr herzlich um Ihr Verständnis, wenn ich nicht alle Beiträge namentlich aufrufe, sondern nur einzelne. Der Ausgangspunkt meines Schlusswortes ist die Bemerkung von Herrn Steiner, dass man im zuständigen Senat des Bundesverfassungsgerichts nach neuen Formeln für die verfassungsrechtliche Bewältigung der Modernitätskrise und von Modernisierungsprozessen in der Sozialversicherung sucht. Wenn wir solche neuen Formeln selbst entdecken und kreieren bzw. alte Formeln fortschreiben wollen, dann müssen zunächst die empirischen Grundlagen stimmen. Empirisch gesehen besteht derzeit kein Anlass, den Untergang der Privatversicherung im Gesundheitssystem zu beklagen, sondern ganz im Gegenteil ist die im Fluss befindliche Diskussion gegenwärtig darauf angelegt, so etwas wie eine europäischen Maßstäben und Rechtsentwicklungen entsprechende Konkurrenz von gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen zu entwickeln. Dies ist ein sehr komplexer Prozess, bei dem es Irrungen und Wirrungen gibt, und in dem das Bundesverfassungsgericht als Kontrollinstanz selbstverständlich die richtigen Kontrollinstrumente vorhalten muss. Wenn man von dieser ver-
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fassungsrechtlichen Grundsituation einer „offenen“ Modernisierungsfähigkeit gegebener Systeme sowohl der Kranken-, der Renten- und der Pflege- sowie anderer Sozialversicherungen ausgeht, dann muss man in der Analyse der bisherigen Rechtsprechung wohl zu dem Ergebnis kommen, dass die Grundrechte – namentlich Art. 12 und Art. 14 GG – nicht so sehr effektiv sind. Sie mögen in Einzelfällen Schutz gewähren, aber das sind dann individuelle Bedarfserwartungen und Enttäuschungen, die von Verfassungs wegen reguliert bzw. ausgeglichen werden können. Konzeptionell, also im Großen und Ganzen, setzt die Neumodellierung der Sozialversicherung bzw. der Versuch, eine Systemveränderung verfassungsrechtlich kontrollierend zu begleiten, doch mehr voraus. Das war der eigentliche Ansatzpunkt meiner Überlegungen. Die zentrale Frage ist, was müssten wir verfassungsdogmatisch entwickeln? Da bietet sich an, schon bisherige Überlegungen einzuspeisen in einen neuen, verfassungsgrundsätzlich gesicherten konzeptionellen Rahmen. Ich habe hierfür einerseits das Verfassungsprinzip der sozialen Sicherheit angeboten. Wenn man entsprechende Überlegungen zu entwickeln versucht, kommt die private Investition in soziale Sicherheit in den Blick. Dabei stößt man auf eine der Fragen, die Herr Häberle angeschnitten hat, nämlich die zu dem Menschenbild in „Hartz IV“. Eine eindeutige Antwort hierauf fällt schwer. Ihr Ausgangspunkt ist sicher nicht die Grundverschiedenheit von Arbeitslosenversicherung und Sozialhilfe, weil lange Jahre – mit einer gewissen Berechtigung, weil die Arbeitslosenhilfe an das Arbeitslosengeld als Versicherungsleistung angeknüpft hat – verdeckt worden ist, dass Arbeitslosenhilfe steuerfinanziert wurde und insofern zur Sozialhilfe eine gewisse Verwandtschaft aufwies. Man sah das besonders schön am alten BSHG in den §§ 18 und 25, in denen es um zumutbare Arbeit ging, also um die Bewältigung einer Krise, in der jemand arbeitslos geworden ist und Sozialhilfe braucht. Heute stellt sich in der Tat die Frage, wie gestaltet man die Zusammenführung beider Leistungsbereiche für die Zukunft menschenwürdig aus. Richtigerweise hat sich insoweit die Bundesregierung zu Verbesserungen der Rechtslage bereit erklärt. Das hängt damit zusammen, dass private Vorsorgeinvestitionen von Verfassungs wegen geschützt werden. Aber man braucht ein geschärftes verfassungsexegetisches Verständnis, um die zukunftsweisenden Ansätze eines „Förderns und Forderns“ verfassungsrechtlich im Sinne der Verhältnismäßigkeit besser ausleuchten zu können. Das ist der erste Punkt, und der zweite Punkt ist: Wenn man sich auf den angedeuteten Weg eines schonenden Ausgleichs begibt, dann darf es nicht dazu kommen, die Systeme, die man geschaffen hat, oder die Wege, die man gefunden hat, kurzfristig umzustoßen. Selbstverständlich darf man dem parlamentarisch-demokratischen Gesetzgeber keine Ketten an-
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legen, aber wenn man sich für den Weg in die Eigenverantwortung der Vorsorge entscheidet – deswegen war letztlich die Änderung des Hartz IVGesetzes zu deren Schutz richtig –, dann muss man diesen Weg konsequent gehen. Das aber könnte einer der neuen Formelsplitter sein: Kontinuität. Es gilt das Konsistenzgebot. Herr Papier hat an anderer Stelle von einem „Systemwahrungsgebot“ gesprochen. Ich meine, Kontinuität drückt noch besser aus, was ich meine: Wir brauchen eine Verlässlichkeit, die den eingeschlagenen Weg der Modernisierung dann auch beharrlich fortsetzt. Das sind die verfassungsrechtlichen Kosten der Modernisierung, die den Gesetzgeber treffen. In diesem Zusammenhang bin ich ferner der Ansicht, lieber Herr Gröschner, dass für den Einzelnen ebenso eine Rechtspflicht, und zwar eine Pflicht gegen sich selbst, besteht. Wenn wir Eigenverantwortung für soziale Sicherung einfordern, dann entspricht es dem wohlverstandenen freiheitlichen Sozialstaat, dass diese Freiheitsverantwortung auch konsequent gegen sich selbst wahrgenommen wird. Man muss dann auch das Recht des Einzelnen akzeptieren, um den Preis verminderter Solidarität für sich selbst eben nicht vorzusorgen. Auch das entspricht dann dem Menschenbild im Hartz IV-Gesetz; verminderte Solidarität sieht sich in eine Verpflichtung zu zumutbarer Arbeit ausgemünzt. Zwei Punkte sind dazu aber anzumerken: Ein-Euro-Jobs sind nicht an sich zumutbar, weil es fern der Berufsfreiheit eine „Massenware“ ist, die da angeboten wird. Zweitens führt diese Vorgehensweise zu einer Verdrängung im doppelten Sinne: Einmal gegenüber den örtlichen oder regionalen Handwerkern und sonstigen formalen Arbeitsanbietern, zum anderen folgt daraus, dass die Zahl der nicht produktiven Arbeitsmarktbeschaffungsmaßnahmen steigen wird. Mir macht deshalb in der Tat Sorge, ob man hierbei wirklich noch von „Komfortsicherung“ sprechen kann. Aber ich neige nach mehr als 30-jähriger Beschäftigung – ich komme ja beruflich aus der Sozialhilfe – dazu, zu sagen: Es gibt auch viele Mitnahmeeffekte, Herr Sodan hat das ausgeführt, und solche Effekte, die würde ich schon versuchen auszuschließen. Ein schönes Beispiel ist immer in der Krankenversicherung der Ministerialrat, der seine beschäftigungslose Ehefrau in irgendeiner Form mitversichern lässt. Es gibt tatsächlich so etwas wie das Ausnutzen des Sozialstaats. Hinsichtlich der Altersgrenzen in der sozialen Rentenversicherung – darin, lieber Herr Ruland, stimmen wir überhaupt nicht überein – haben wir einen ersten Schritt zur Neuregulierung gemacht, aber mehrere weitere Schritte liegen noch vor uns. Wir sollten bei ihnen nicht darauf warten, dass die nächsten Jahre ins Land gehen. Gegen die Lösung, den sozialen Ausgleich in Steuern zu verlegen, habe ich nur einen oder zwei Sätze in meinem Vortrag gesagt. Aber die Diskussion hierum ist bekannt: Nehmen wir etwas aus der Beitragsfinanzierung he-
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raus, dann müssen wir uns dem steuerstaatlich-parlamentarischen System bei der Steuerfinanzierung und Mittelzuweisung stellen; wir zerreißen dadurch das System. Im Übrigen müssen wir darauf achten, dass wir die Beitrags-Leistungs-Beziehung aufrechterhalten. Denn wenn alles in das Steuersystem abdriftet, beachtet keiner mehr diese Beziehung, und damit gehen die individuellen Verantwortlichkeiten verloren. Ich will zum Schluss einen vierten Punkt anschneiden, lieber Herr Höfling, der mich sehr bewegt. Das Grundgesetz gibt auf, die Familie zu schützen. In der Pflegeversicherung hat dies gleichwohl dazu geführt, die Pflegeverhältnisse zu „ökonomisieren“; jetzt kriegen wir die Quittung dafür. Ich weiß auch keinen Ausweg, Herr Höfling, aus dieser Situation, die mir wie Ihnen bekannt ist. Aber eines ist gewiss: Über ausschließlich privatwirtschaftliche Finanzierung im Wege der Kapitaldeckung werden wir es nicht schaffen. Dann haben wir nämlich genau das, was wir nicht erreichen wollen, nämlich das Abschieben vieler einkommensarmer Älterer und Pflegebedürftiger in Heimeinrichtungen. Das wollen wir vermeiden. Also müssen wir eine solidarische Lösung, umlagefinanziert und kombiniert mit einem partiellen Anwartschaftsdeckungsverfahren, erreichen. Daran müssen wir arbeiten. Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für Ihre sehr liebenswürdige Kritik. Die Suche nach der Zukunft der sozialen Sicherungssysteme ist ein Prozess, der im Flusse ist. Wir werden hierfür Lösungen entwickeln und das Bundesverfassungsgericht wird uns wie bisher dabei helfen. Vorsitzender: Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir sind am Ende unserer heutigen Beratungen. Ich darf den beiden Referenten des Nachmittags noch mal sehr herzlich für ihre Referate danken. Sie haben in vielfältiger Weise zur Diskussion und zum Nachdenken angeregt.
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Dritter Beratungsgegenstand:
Verwaltungsrechtliche Instrumente des Sozialstaates 1. Bericht von Prof. Dr. Peter J. Tettinger, Köln Inhalt Seite
I.
Facetten des verwaltungsrechtlichen Tableaus sozialstaatlicher Aktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ein Seitenblick auf sozialstaatliche Daseinsvorsorge: tradiertes Ensemble verwaltungsrechtlicher Instrumente in europäischer Neuausrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Daseinsvorsorge im Sozialstaat . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zuordnung zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Instrumente des Sozial-Verwaltungsrechts . . . . . . . . . . 1. Rechtssystematische Vorbemerkungen . . . . . . . . . . a) Separierungstendenzen des Sozialrechts . . . . . . . . b) Sozialrecht als Sozial-Verwaltungsrecht . . . . . . . . 2. Bereichsspezifische Grundkoordinaten des Sozialleistungsrechts, namentlich in SGB I und X . . . . a) Aufklärungs- und Beratungspflichten als dezidierte Signale der Servicefunktion der Sozial-Verwaltung . . b) Individualisierungsdirektive . . . . . . . . . . . . . . . c) Konsequenzen eines rigiden Gesetzesvorbehalts . . . d) Verwaltungsverfahrensrechtliche Positionierungen im SGB X . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Notizen zum Sozial-Verwaltungsorganisationsrecht . . . . . 1. Intransparenz der Verwaltungsstrukturen . . . . . . . . . 2. Legitimationsbedarf für Sonderbehörden . . . . . . . . . 3. Trend zu „Beauftragten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Absicherung für Interessenrepräsentanz . . . . . . . . . . 5. Zur Leistungskraft von Arbeitsgemeinschaften . . . . . . 6. Zielvereinbarungen als Steuerungsinstrument . . . . . . 7. Außergerichtliche Streitbeilegung . . . . . . . . . . . . . V. Handlungsmaßstäbe der Sozial-Verwaltung – Impulse für Neuakzentuierungen mittels gesetzlicher Leitlinien . . . . .
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1. Trägervielfalt, Kooperationsgebot, Gesamtverantwortung und Gewährleistung als korrespondierende Leitprinzipien des Fürsorgesektors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aktivierung der Bürger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Respektierung individueller Wunsch- und Wahlrechte der Leistungsberechtigten . . . . . . . . . b) Verstärkte Partizipation der Betroffenen . . . . . . . . c) Kooperation in sozialen Netzwerken, insbesondere mit Selbsthilfegruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Stärkung des freiwilligen bürgerschaftlichen Engagements (historisch: der Ehrenamtlichkeit) . . . . 3. Staatliche Förderung zur Stärkung der Pluralität der Leistungserbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Förderung frei-gemeinnütziger Organisationen durch Subventionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Wirtschaftlichkeitsgebot – Impuls für zunehmende Wettbewerbsöffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bemühung um mehr Rechtssicherheit nach extensiver multipler Kodifizierung durch materielle Rangzuweisungen sowie Abstufungen für Gemengelagen . . . VI. Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Elemente eines Rechts der „guten Verwaltung“ . . . . . . 2. Entbehrlichkeit eines theatralischen Rückgriffs auf sogenannte Großformeln . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Ausweislich des Statistischen Jahrbuchs 2003 umfasste im Jahre 2000 das Sozialbudget in der Bundesrepublik Deutschland ein Leistungsvolumen in Höhe von mehr als 645 Milliarden (= 645 000 Millionen) € und damit etwa ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts.1 Bedenkt man, dass die jeweils massenhaft zugrunde liegenden individuellen Leistungsbewilligungen von einem bunten Kreis diverser Verwaltungsträger zu verantworten sind und nach wie vor der klassische Verwaltungsakt als zentrale Handlungsform der Sozial-Verwaltung figuriert,2 so mutet es doch einigermaßen erstaunlich an, dass „Die Rechtsformen der sozialen Sicherung und das Allgemeine Verwaltungsrecht“ zuletzt vor 35 Jahren, 1969 in Bern, Gegenstand einer Staatsrechtslehrertagung waren;3 in der Folgezeit gelangten jeweils nur Teilaspekte eher am Rande mit in das Blickfeld.4 Ein Zeichen für zunehmenden Verlust der Bodenhaftung dieser Vereinigung?5 Zeitgeistbedingte Fehlsteuerung intellektueller Ressourcen?
1 Statistisches Bundesamt (Hrsg.) Statistisches Jahrbuch 2003, 470; s. auch die Zahlen bei W. Schmähl Ökonomische Grundlagen sozialer Sicherung, in: v. Maydell/Ruland (Hrsg.) Sozialrechtshandbuch (SRH), 3. Aufl. 2003, A. 4 Rn. 8 ff., und F. Ruland Sozialrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.) Besonderes Verwaltungsrecht, 12. Aufl. 2003, 7. Kap. Rn. 35. Aufgegliedert nach Institutionen ergaben sich dabei die größten Leistungsvolumina für die Träger der Sozialversicherung – darunter 267 Milliarden für Renten und Pensionen, 132 Milliarden für Leistungen der Krankenversicherung –, daneben, abgesehen von Sondersystemen sowie eigenen Leistungssystemen der Arbeitgeber und des öffentlichen Dienstes, immerhin noch mehr als 6 Milliarden in sozialen Entschädigungssystemen sowie innerhalb von speziellen Förder- und Fürsorgesystemen mehr als 25 Milliarden € für Sozialhilfe, 16 Milliarden für Jugendhilfe, mehr als vier Milliarden für Wohngeld und knapp eine Milliarde für Ausbildungsförderung. – Dem standen Finanzierungen aus Beiträgen von Versicherten (Arbeitnehmern und Selbständigen) und Arbeitgebern in Höhe von insgesamt gut 400 Milliarden €, ansonsten im Wesentlichen Zuweisungen aus öffentlichen Mitteln gegenüber. 2 S. I. Ebsen Die Verwaltung 35 (2002), 239 (250); zuletzt R. Pitschas FS 50 Jahre BSG , 2004, 765 (779). 3 S. W. Henke und W. Rüfner VVDStRL 28 (1970), 149 ff., 187 ff. – Seinerzeit zählte die Vereinigung übrigens noch weniger als 200 Mitglieder. 4 So etwa 1971 im Kontext der Dogmatik des Verwaltungsrechts, 1988 mit Gesetzesgestaltung und -anwendung im Leistungsrecht oder 1996 bei gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung. 5 Im vorliegenden Kontext hatte übrigens bereits W. Henke (Fn. 3), 163, angeraten, sich nicht „in bodenlosen Grundrechts- und Wertspekulationen“ zu verlieren.
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I.
Facetten des verwaltungsrechtlichen Tableaus sozialstaatlicher Aktivitäten
Wem es aufgetragen ist, die verwaltungsrechtlichen Instrumente des Sozialstaates in den Blick zu nehmen, der sieht sich zunächst einmal mit einer ungeheuren Materialfülle aufgrund einer tiefgestaffelten „Imprägnierung“ der deutschen Rechtsordnung6 infolge einer im Laufe von mehr als fünf Jahrzehnten augenscheinlich kontinuierlich wachsenden Strahlkraft – aber auch Lianenbildung – dieses Staatsstrukturprinzips7 konfrontiert.8 Will man nun das spezifisch verwaltungsrechtliche Tableau des sozialstaatlichen Aktivitätsspektrums9 mit seinen makro- und mikroadministrativen Elementen identifizieren und kartieren, so empfiehlt sich in Orientierung an den einschlägigen Vorstrukturierungen Zachers 10 folgendes Grobraster: – Schaffung und Unterhaltung öffentlicher Einrichtungen der Daseinsvorsorge und sozialen Betreuung, – Sicherung des allgemeinen Zugangs zu wesentlichen Gütern und Diensten (mit Versorgungspflicht, Preiskontrolle u. a.), 6
S. K. Stern Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl. 1984, § 21
III 3. 7 Zur Würdigung der „Wohlfahrtspflege“ in der Nachkriegszeit s. H. Peters Lehrbuch der Verwaltung, 1949, 425ff. Schon E. Forsthoff Diskussionsbeitrag, VVDStRL 12 (1954), 126 (127), hatte sodann aber auf „die ungeheure Macht der Impulse“ hingewiesen, welche den Sozialstaat tragen und seine weitere Perfektion anstreben. 8 Neben den mit verfassungsrechtlichen Gattungsbegriffen – s. BVerfGE 75, 108 (146); 81, 156 (186); 88, 203 (329f.) – umschriebenen klassischen Kernbereichen der Sozialversicherung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG), der Versorgung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 10 GG) und der öffentlichen Fürsorge (Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG) ist heutzutage ein breites Spektrum an gesetzlich strukturierten Aufgabenfeldern zu registrieren, wo sozialstaatliche Direktiven zur Entfaltung kommen, so bei der Ausgestaltung von Teilen des Privatrechts, des Arbeitsrechts, nahezu des gesamten Wirtschaftsrechts, in den Ausformungen eines sozialen Entschädigungsrechts, in einer ausgreifenden Leistungs- und Daseinsvorsorgeverwaltung, im Rahmen der Bildungspolitik (vgl. nur Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG: Ausbildungsbeihilfen) und der Familienförderung, damit insgesamt vor allem über Planung (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG: wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser), Leistungserbringung und -förderung forcierte Schaffung und kontinuierliche Vorhaltung einer sogenannten sozialen Infrastruktur. 9 Aufgrund demographischer Einsichten mit Blick auf die Nachwuchssicherung als neben der Alterssicherung gleichberechtigtes sozialstaatliches Ziel besonders akut ist dabei heutzutage die vorgenannte Familienförderung; so zuletzt F. X. Kaufmann Gibt es einen Generationenvertrag?, in: Jahres- und Tagungsbericht der Görres-Gesellschaft 2003, 69 (90). – Allgemein skeptisch gegenüber einer Verlagerung sozialrechtlich determinierter Zweckprogramme ins Steuerrecht D. Felix DVBl 2004, 1070 (1074 ff.). 10 Das soziale Staatsziel, HStR II , 3. Aufl. 2004, § 28 Rn. 36.
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– Erbringung von Sozialleistungen (durch Träger der Sozialversicherung, der – hier nicht weiter verfolgten – Versorgung und der – hier verstärkt beleuchteten – öffentlichen Fürsorge), – Förderung sozial bedeutsamer Leistungsangebote durch Private (freigemeinnützige Träger, ehrenamtliche Helfer, Selbsthilfegruppen), – Aufsicht über adäquate, vorformulierten Standards entsprechende Wahrnehmung sozialer Aufgaben durch private Träger (Heimaufsicht, Jugendhilfe), – Kompensation sozialer Nachteile durch Statuierung von Verpflichtungen Privater (etwa gegenüber Schwerbehinderten), – Kompensation sozialer Ungleichheiten durch Gestaltung öffentlicher Abgaben (namentlich Beiträge und Gebühren), – Verfahrensrechtliche Absicherungen für potentielle Leistungsempfänger (Auskunftsrechte, Informations- und Beratungspflichten, Betreuung), – Ausgleich regionaler und sektorieller Nachteile durch Infrastrukturentwicklung. In letzterer Hinsicht sei freilich vorsorglich vermerkt, dass ein derzeit beobachtbarer inflationärer Gebrauch der Formeln „Infrastruktur“ und „Infrastrukturrecht“11 sich umgekehrt proportional zur Prägnanz und Leistungskraft der Begriffe verhält12, was Zurückhaltung bei ihrer Verwendung geraten erscheinen lässt, soweit es nicht, wie hier, lediglich um Kartierungen zeitgerechter Grundausstattung im Rahmen
11 S. etwa G. Hermes Staatliche Infrastrukturverantwortung, 1998; C. Theobald NJW 2003, 324 ff.; dazu bereits – mit guten Gründen distanziert – J.-C. Pielow Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, 2001, 628 ff. 12 Schon wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Konturierungsversuche lassen breiteste Auffächerungen erkennen (s. K. Stern [Fn. 6], 892 f. mwN); juristische Ansätze bewirken kaum eine stärkere Verdichtung, wo etwa der aktuelle Förderauftrag einer Landesbank u. a. neben „Maßnahmen rein sozialer Art“ (hierzu sollen ausweislich der amtlichen Begründung zum Gesetzentwurf soziale Infrastrukturmaßnahmen wie die Errichtung von Kindertagesstätten, Jugend- und Altenpflegeheimen gehören; vgl. BTDrucks. 13/4578, 30) schlicht die Finanzierung von „Infrastrukturmaßnahmen“ einschließt (§ 3 Abs. 2 lit. e des Gesetzes über die Landesbank NRW vom 16. März 2004 [GVBl 126]; s. auch § 279a SGB III), sich angesichts terroristischer Bedrohungen die „innere Sicherheit“ bereits zur „Infrastruktursicherheit“ erweitert haben soll (so R. Pitschas Vom „neuen Rechtsstaat“: Freiheit in Sicherheit durch gesellschaftliche Verantwortungspartnerschaft für den inneren Frieden, in: ders./Stolzlechner [Hrsg.] Auf dem Weg in einen „neuen Rechtsstaat“, 2004, 95 [105]) und der EuGH ( EuZW 2004, 94 – B. Schnitzer, Tz. 28) unlängst im Rahmen einer individuellen Beurteilung den vorübergehenden Charakter einer Berufstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat als Dienstleistung nicht bereits allein dadurch ausgeschlossen sah, dass dort eine bestimmte „Infrastruktur (einschließlich eines Büros, einer Praxis oder einer Kanzlei)“ vorgehalten wurde, soweit diese für die Erbringung der fraglichen Leistung erforderlich war.
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einer bedarfsorientiert vorsorgenden Planung geht (vgl. § 99 SGB V: Bedarfsplan zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung, § 6 Abs. 1 KHG : Krankenhausplanung, § 80 SGB VIII : Jugendhilfeplanung).13
II.
Ein Seitenblick auf sozialstaatliche Daseinsvorsorge: tradiertes Ensemble verwaltungsrechtlicher Instrumente in europäischer Neuausrichtung
Ein zunächst weitgehend am traditionellen Ensemble verwaltungsrechtlicher Organisations- und Handlungsformen ausgerichteter Komplex der Sozialstaatlichkeit hierzulande ist das weite Feld der Daseinsvorsorge, das namentlich von Kommunen mit für die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Betreuung ihrer Einwohner erforderlichen öffentlichen Einrichtungen gepflegt wird (vgl. § 8 Abs. 1 GO NRW), die ja auch den öffentlichen Personennahverkehr, bei dem Schwerbehinderten ein unentgeltliches Beförderungsrecht eingeräumt ist (§ 145 SGB IX),14 den Gesundheitssektor mit dem Krankenhauswesen und eine vielgestaltige Wohlfahrtspflege mit Beratungsstellen, Altenpflege- und Jugendheimen sowie Kindertagesstätten (wie Kinderkrippen, Kindergärten, Horte) mitabdecken.15 1.
Daseinsvorsorge im Sozialstaat
Nun wird in der Literatur eingewandt, bei Daseinsvorsorge und Sozialstaat handele es sich um zwei verschiedene, nur teilweise kongruente Konzeptionen, bei denen zum einen die allgemeine Teilhabe, zum anderen die Sorge um Sicherung gleicher Teilhabe sozial Schwächerer im Vordergrund stehe.16 Dem lässt sich jedoch entgegenhalten, dass gerade die – sowohl im nationalen als auch im Gemeinschaftsrecht forcierte – Zielsetzung der Sicherung allgemeiner Teilhabe soziale Komponenten bevorzugt mit im Blick hat und ohnedies schon bei dem von Forsthoff zur Beschreibung öffentlicher Leistungsverwaltung in die Rechtswissenschaft
13 Vgl. J. Ennuschat Infrastrukturgewährleistung durch Privatisierung und Regulierung, Habil. Köln 2002, 27ff. 14 Dazu plastisch OVG Niedersachsen, NdsVBl 2004, 129f. 15 Vgl. W. Rüfner Daseinsvorsorge und soziale Sicherheit, HStR III , 2. Aufl. 1996, § 80 Rn. 40 f., 43, 45. – Beispielhaft ist dies seit langem in Art. 57 Abs. 1 bayerische GO aufgelistet. 16 So etwa H. F. Zacher (Fn. 10), Rn. 64 ff.; s. auch W. Rüfner (Fn. 15), Rn. 26.
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apportierten Begriff der Daseinsvorsorge17 die soziale Grundausstattung kaum ausgeblendet werden konnte.18 Auf ordnungspolitisches, an fairem Wettbewerb orientiertes und so dann auch reges wirtschaftsrechtliches Interesse sind solche Betreuungsangebote stets dann gestoßen, wenn die betreffende kommunale Aktivität als wirtschaftliche Betätigung im Sinne der Vorschriften des Kommunalwirtschaftsrechts19 einzustufen ist. Dies kann aber selbst bei sozialen Betreuungsangeboten heutzutage keineswegs mehr von vornherein negiert werden.20 2.
Zuordnung zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse
Interessant sind vor diesem Hintergrund die von der Europäischen Kommission erarbeiteten Ansätze für eine übergreifende Kategorie der „Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“, die – anknüpfend an die in Art. 16 und 86 Abs. 2 EG sowie in Art. 36 der Grundrechte-Charta der EU und Art. III–6 (jetzt: Art. III–122) des Vertrages über eine Verfassung für Europa (VVE) verankerte und judikativ näher konturierte Begrifflichkeit der „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ – als unerlässlich für die Erhaltung sozialer und territorialer Kohäsion angesehen werden21 und denen darum eine zentrale Rolle im Rahmen der Debatte um ein europäisches Gesellschaftsmodell zukommen soll,22 auch wenn es „in erster Linie Sache der zuständigen nationalen, regionalen und lokalen Behörden“ bleibe, „Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu definieren, zu organisieren, zu finanzieren und zu kontrollieren.“23 Im 17 Die Verwaltung als Leistungsträger, 1938; Die Daseinsvorsorge und die Kommunen, 1958. Dazu insbesondere F. Ossenbühl DÖV 1971, 514 ff.; J.-C. Pielow (Fn. 11), 353ff. 18 S. etwa E. Forsthoff Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates, VVDStRL 12 (1954), 8 (19). Vgl. auch BSGE 36, 238 (239), und BGH , NJW 1982, 2117 (2120): gesundheitliche Daseinsvorsorge; dazu letztens G. Britz Die Verwaltung 37 (2004), 145 (145 f. mit Fn. 4). 19 Vgl. § 107 Abs. 1 Satz 3 GO NRW: Betrieb von Unternehmen, die als Hersteller, Anbieter oder Verteiler von Gütern oder Dienstleistungen am Markt tätig werden, sofern die Leistung ihrer Art nach auch von einem Privaten mit der Absicht der Gewinnerzielung erbracht werden könnte. 20 Konsequent insofern die Verneinung der Unternehmenseigenschaft iSv Art. 81 EG nur bei Verfolgung eines rein sozialen Zweckes in der Rechtsprechung des EuGH; s. zuletzt: GesR 2004, 190 – AOK-Bundesverband u. a., Tz. 47, 51, 56, 58. 21 So in Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Weißbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, KOM(2004) 374 endgültig, 6. 22 S. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Weißbuch (Fn. 21), 4; Begriffsbestimmung ebenda, Anhang 1. 23 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Weißbuch (Fn. 21), 7.
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Rahmen einer sogenannten offenen Koordinierungsmethode24 sind als verwaltungsrechtliche Instrumente vorgesehen: – eine regelmäßige mehrdimensionale Evaluierung (neben sozialen auch unter ökonomischen und ökologischen Aspekten, damit also an Nachhaltigkeit orientiert), – ein Monitoring als ein System wiederholter Beobachtungen, Bilanzierungen, Trendbeschreibungen und Bewertungen,25 während sektorspezifische Regulierungen26 hier noch ausscheiden. Also: Sozialstaatliche Daseinsvorsorge – ein tradiertes Ensemble verwaltungsrechtlicher Instrumente in europäischer Neuausrichtung.27
24 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung der Kommission, Modernisierung des Sozialschutzes für die Entwicklung einer hochwertigen, zugänglichen und zukunftsfähigen Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege: Verstärkung der einzelstaatlichen Strategien durch die „offene Koordinierungsmethode“, KOM(2004) 304 endgültig. 25 So § 9 Abs. 2 SGB III zu einem regionalen Arbeitsmarktmonitoring; vgl. auch § 18 Abs. 2 SGB II. Für zurückhaltenden Gebrauch des Instruments bei der Umsetzung der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie P. J. Tettinger Anmerkungen zur Regulierungsdebatte aus öffentlich-rechtlicher Sicht, in: Baur (Hrsg.) Die Energiewirtschaft in der Regulierung, 2004, 59 (60f.). 26 Wie in den großen netzgebundenen Wirtschaftszweigen. In letzterer Hinsicht wird jedoch ausdrücklich konstatiert, dass sich die Erfordernisse bei Leistungen in den Bereichen Soziales und Gesundheit merklich von denen unterscheiden, wie sie auf die netzgebundenen Wirtschaftsbranchen zutreffen; so Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Weißbuch (Fn. 21), 13. Immerhin bietet das dort beobachtbare Spektrum an Organisationsformen der Marktregulierung mit der Tendenz zur Herausbildung hochspezialisierter Sonderbehörden in Wahrnehmung verbleibender Überwachungsverantwortung (dazu E. Schmidt-Aßmann Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2. Aufl. 2004, 243) Reaktionsmuster bei einem Übergang zu verstärkter Marktöffnung auch hier. 27 Solche übergreifenden und zugleich differenzierten orchestralen Erwägungen zum europäischen Sozialraum bedürfen zum einen, wie unlängst zutreffend moniert wurde, strikter Beachtung gerade in vorsichtigen Vorgaben des Sekundärrechts zum Ausdruck kommender kompetentieller Restriktionen – s. K. Hailbronner NJW 2004, 2185 ff. –, sollten aber auch Anlass dafür sein, Überlegungen anzustellen, inwieweit in einem Mehrebenensystem an Landessitte orientiertes Liedgut zum Verhältnis von öffentlicher und privater Wirtschaft, namentlich eine weitere Aufrechterhaltung der rigiden Separierung von wirtschaftlichen und sogenannten nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten im Kommunalwirtschaftsrecht noch Sinn macht; ein Verzicht wie ansatzweise in Bayern erscheint konsequent.
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III. Instrumente des Sozial-Verwaltungsrechts 1.
Rechtssystematische Vorbemerkungen
Vor Detailüberlegungen zur bereichsspezifischen Nutzung des Instrumentariums des Verwaltungsrechts ist nüchtern zu konstatieren, dass von den Handlungsfeldern der Sozialverwaltung bislang nur eher schwache originäre Signale für die Weiterentwicklung des Allgemeinen Verwaltungsrechts ausgegangen sind.28 a)
Separierungstendenzen des Sozialrechts
Der erste Eindruck ist eher der einer gewissen Eigenständigkeit und Abschottung der Materie „Sozialrecht“, wie sie seit den Kodifikationsansätzen ab den 70er Jahren gängigerweise in der einschlägigen fachwissenschaftlichen Literatur29 (und so denn auch in Rechtstexten wie im Juristenausbildungsrecht und im Berufsrecht als Fachanwaltsbezeichnung30) zum Ausdruck gekommen ist. Diesem intrajuristisch-interdisziplinären „Sozialrecht“31 widmen sich nunmehr, insbesondere infolge der engen Verknüpfung mit dem Arbeitsrecht, im Rahmen einer eigenen, hier sehr
28 Dieses stützt sich zwar nicht mehr nur auf klassische Referenzgebiete wie Kommunalrecht, Polizei- und Ordnungsrecht, Baurecht, sondern in den letzten Jahrzehnten waren durchaus spektrale Erweiterungen zu registrieren, so etwa Innovationsimpulse aus dem Umweltrecht oder dem Wirtschaftsverwaltungsrecht – mit den in hohem Maße sozial relevanten Dienstleistungen der Energieversorgung, des Bahnverkehrs, der Post und der Telekommunikation –. Sieht man aber einmal von diesen Komplexen der netzbasierten Daseinsvorsorge ab, so konnte das Sozial-Verwaltungsrecht bislang keine übergreifende Wirkkraft entfalten. Bezeichnenderweise spricht so der einleitende Beitrag von D. Ehlers in dem von H.-U. Erichsen und dems. herausgegebenen Sammelband „Allgemeines Verwaltungsrecht“, der einer grundlegenden Positionsbestimmung von „Verwaltung und Verwaltungsrecht im demokratischen und sozialen Rechtsstaat“ gewidmet ist, das Sozialstaatsprinzip nur in der letzten Randnummer mit einem Satz sowie einer Fußnote an und beschränkt sich auf die als Beispiel bemühte Aussage, das Sozialstaatsprinzip verpflichte die Verwaltung dazu, in Notfällen schnelle und unbürokratische Hilfe im Einzelfall zu leisten (12. Aufl. 2002, § 4 Rn. 25). 29 Waren ursprünglich noch, namentlich von W. Wertenbruch, so in den ersten Auflagen des seinerzeit von I. v. Münch herausgegebenen Sammelbandes zum Besonderen Verwaltungsrecht (1. Aufl. 1969, 289ff.; zuletzt 6. Aufl. 1982), Bearbeitungen zum „Sozialverwaltungsrecht“ vorgelegt worden, erfolgte dort seit der Übernahme durch F. Ruland (7. Aufl. 1985) terminologisch die Anpassung an den zwischenzeitlichen „Mainstream“. 30 Vgl. § 43c BRAO iVm §§ 1, 11 FAO zum Fachanwalt für Sozialrecht. 31 Wenig plausibel die Kreation eines Rechtsgebietes „Sozialverwaltungsrecht“ mit einer „Schnittmenge an Rechtsregeln … aus Sozialrecht … und Allgemeinem Verwaltungsrecht“ als „übergreifende Materie aller Bereiche des Sozialstaates“ (!?) bei G. Dörr/ K. Francke Sozialverwaltungsrecht, 2002, Rn. 17.
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heterogenen „scientific community“ zunehmend nicht nur auch Vertreter der universitären Zivilrechtswissenschaft, sondern in gesteigertem Maße Fachhochschullehrer diverser Spezialausrichtung, Praktiker aus einzelnen Feldern und ambitionierte juristische Laien, dies mit nicht auszuschließenden Konsequenzen für die Stringenz fachdogmatischer Strukturierung. Zudem hielt die Wissenschaft beim Sozialstaat „mit erstaunlicher Hartnäckigkeit daran fest, seine Bühne nur punktuell auszuleuchten und vieles im Schatten, vieles im Dunkeln zu lassen.“32 Separierungstendenzen des Rechtsgebietes werden noch gefördert durch Trennung fachgerichtlicher Kontrollkompetenzen mit deutlichem Trend zunehmender systemwidriger Verlagerung in die – verbreitet als bürgerbetreuungsfreundlicher apostrophierte – Sozialgerichtsbarkeit.33 b)
Sozialrecht als Sozial-Verwaltungsrecht
Dieses Sozialrecht34 führt inzwischen nach weitgehender Kodifizierung zentraler Handlungsfelder (der allgemeinen Grundsätze zu Leistungsarten und -trägern im SGB I, des Sozialverwaltungsverfahrens und des Sozialdatenschutzes im SGB X – sozusagen als „allgemeines Sozialverwaltungsrecht“35 im Sinne eines vor die Klammer gezogenen bereichsspezifischen allgemeinen Teils36 –, gemeinsamen Vorschriften für die 32 So H. F. Zacher Der deutsche Sozialstaat am Ende des Jahrhunderts, in: Leibfried/ Wagschal (Hrsg.) Der deutsche Sozialstaat: Bilanzen – Reformen – Perspektiven, 2000, 53 (72). 33 Bislang korrespondierte die Rechtswegzuordnung an Sozial- und Verwaltungsgerichte mit der Separierung der beitragsfinanzierten Leistungsblöcke der Sozialversicherung von den steuerfinanzierten der Wohlfahrtspflege (vgl. § 51 SGG). Im Anschluss an eine Systemdurchbrechung infolge Art. 38 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB vom 27. Dezember 2003 (BGBl I 3022) mit Einfügung einer Nr. 6a („in Angelegenheiten der Sozialhilfe“) auf der Grundlage einer – vom Verfahren her dubiosen; vgl. A. Decker NVwZ 2004, 826ff. – Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses (BT-Drucks. 15/2260, 7) wird den Ländern nunmehr eine Öffnungsklausel zur Zusammenlegung von Sozial-, Finanz- und Verwaltungsgerichten offeriert. Letztere Option bedingt sorgfältige Analysen (dazu statt vieler E. Hien DVBl 2004, 464ff.; U. Ramsauer NordÖR 2004, 147 ff.); ein solcher Schritt sollte jedoch schon mit Blick auf Art. 95 GG nicht Land für Land unterschiedlich angegangen werden. 34 Dass es als eine Materie des öffentlichen Rechts und hier ein spezielles Gebiet des Verwaltungsrechts anzusehen ist, wird freilich als Solches kaum in Frage gestellt; s. nur B. v. Maydell Zur Einführung: Das Sozialrecht und seine Stellung im Gesamtsystem unserer Wirtschafts- und Rechtsordnung, in: ders./Ruland (Hrsg.) Sozialrechtshandbuch (SRH), 3. Aufl. 2003, A. 1 Rn. 10. 35 BSG , Breithaupt 2000, 1070 (1072): „Abweichend vom allgemeinen Sozialverwaltungsrecht des SGB X …“. 36 Vgl. G. Igl Sozialrechtslehre und Staats- und Verwaltungsrecht, SDSRV 47 (2000), 91 (92): das „Besondere allgemeine Verwaltungsrecht des Sozialrechts“. – In der Literatur ist
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Sozialversicherung im SGB IV – gewissermaßen ein „Besonderer allgemeiner Teil des Sozialversicherungsrechts“37 –, Regelungen zu deren einzelnen Zweigen im SGB V, VI, VII und XI, Vorgaben zu Komplexen wie Grundsicherung für Arbeitsuchende im SGB II und Arbeitsförderung im SGB III, Kinder- und Jugendhilfe im SGB VIII, Hilfen für Behinderte im SGB IX und BGG sowie Sozialhilfe im SGB XII) mit in § 68 SGB I aufgelisteten besonderen Teilen eines besonderen Sozial-Verwaltungsrechts ein munteres bereichsorientiertes verwaltungsrechtliches Eigenleben, was in hohem Maße die früher durchaus gängige Rezeption übernahmegeeigneter Entwicklungslinien aus dem allgemeinen Verwaltungsrecht38 und vice versa erschwert. Eine Gegensteuerung erscheint hier wohl überfällig,39 zumal schon vor mehr als zehn Jahren Schmidt-Aßmann eine verinsoweit von einer geradezu als beispielhaft herauszustellenden „Teilbereichsintegration“ die Rede dergestalt, dass auf einer Zwischenebene Kodifikationen erfolgt sind, welche ihrerseits eine Differenzierung zwischen allgemeinem Teil des Spezialgebietes und seinen besonderen Teilen (s. insoweit etwa § 68 SGB I) erlauben. Gegen das seit längerem praktizierte gesetzgeberische „Drei-Säulen-Konzept“ mit bewusst nebeneinandergestellten Verfahrensordnungen des VwVfG, des SGB X und der AO sei solange nichts einzuwenden, als dort „bereichsspezifische, auf einer mittleren Ebene aber doch verallgemeinerungsfähige Besonderheiten“ Berücksichtigung finden könnten – wie eben im Sozialrecht, wo „ein fördernd-fürsorglicher Ansatz im Interesse sozialstaatlicher Leistungserbringung“ im Vordergrund stehe –, ohne dass aber tragende „allgemein-verwaltungsrechtliche Konstruktionen“ wie der Verwaltungsaktsbegriff angetastet werden dürften (so M. Schmidt-Preuß FS Maurer, 2001, 777 [780]). Folgt man dieser Sichtweise – dezidiert ablehnend W. Thieme FS Zacher, 1998, 1101 (1114) –, so kommt es jeweils darauf an, inwieweit den beiden vorgenannten Anforderungen Rechnung getragen wird, was subtile Einzeluntersuchungen bedingt. 37 So G. Igl (Fn. 36), 98. 38 S. etwa die ältere Rechtsprechung des BSG zur Geltung von allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts in Materien des Sozialrechts: BSGE 18, 22 (28); BSG, DVBl 1962, 249 (250); vgl. auch W. Henke (Fn. 3), 158. 39 Waren in Ansehung des Steuerrechts in der Frühzeit der Vereinigung wenigstens noch zaghafte Versuche, verbliebene Verbindungslinien zu stärken, unternommen worden (VVDStRL 3 [1927] mit Referaten von A. Hensel und O. Bühler; daran hatte W. Henke 1969 mit Blick auf die Lehre vom Steuerverhältnis angeknüpft, [Fn. 3], 156), so unterblieb dies hier merkwürdigerweise völlig, obwohl bereits etwa die Referate zu Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaats aus dem Jahre 1953 hinreichende Anknüpfungspunkte boten, als E. Forsthoff herausgestellt hatte, nicht im Bereich der Verfassung, sondern der Verwaltung habe der Sozialstaat Eingang in die Wissenschaft vom öffentlichen Recht gefunden, und dabei vor allem auf die leistende Verwaltung der modernen Daseinsvorsorge verwiesen hatte ([Fn. 18], 13 f.; s. auch G. Dürig JZ 1953, 193 ff.) und als O. Bachof – nach Bekundung lebhaften Unbehagens an der Weite des Themas – sich einer Behandlung „dem Sozialstaatsprinzip besonders stark verhafteter Teilgebiete des besonderen Verwaltungsrechts“ wie des Preisrechts und des Sozialversicherungsrechts versagt hatte (VVDStRL 12 [1954], 37 [48ff.]).
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stärkte Berücksichtigung dieses spezifischen „Verwaltungsrechts der Kommunikation in Verhältnissen hoher personaler Intensität“ angemahnt hat.40 2.
Bereichsspezifische Grundkoordinaten des Sozialleistungsrechts, namentlich in SGB I und X
Angesichts dieses mehrere Bücher umfassenden Sozialgesetzbuches liegt es schon von der Auslegungsmethodik her nahe, dass die dort, namentlich in SGB I und X, verankerten bereichsspezifischen Grundkoordinaten des Sozialleistungsrechts mit den ein ständiges Spannungsverhältnis signalisierenden Basisprinzipien der Selbstverantwortung und der Solidarität mittels der in § 11 Abs. 1 SGB I benannten Leistungsarten (Dienst-, Sach- und Geldleistungen) ein zunehmendes Eigenleben entfalten und nicht zuletzt auf der Basis eines extensiven Gesetzesvorbehalts (§ 31 SGB I), der übergreifenden Zielorientierungsmarke der „Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit“ (§ 1 Abs. 1 SGB I), der ausdrücklichen Direktive einer möglichst weitgehenden Verwirklichung der dort verankerten sozialen Rechte (§ 2 Abs. 2 SGB I) und der Anknüpfung an die spezifischen Verhältnisse des Leistungsempfängers (§ 33 SGB I) den Rückgriff auf Vorschriften und Grundsätze des Allgemeinen Verwaltungsrechts vermehrt als verzichtbar erscheinen ließen. Vor diesem Hintergrund kann denn auch die Beobachtung nicht überraschen, dass ein solcher Rückgriff bei neu auftretenden Streitfragen kaum mehr propagiert wird.41 a)
Aufklärungs- und Beratungspflichten als dezidierte Signale der Servicefunktion der Sozial-Verwaltung
Der besondere Dienstleistungscharakter der Sozial-Verwaltung, ihre ausgeprägte Servicefunktion namentlich zugunsten des in den komplizierten Sozialrechtsfragen oft unbeholfenen Bürgers, kommt anschaulich in den umfänglichen Aufklärungs-, Beratungs- und Auskunftspflichten der zuständigen Leistungsträger (§§ 13–15, 16 Abs. 3 SGB I) zum Ausdruck, wie sie in dieser Ausführlichkeit im Verwaltungsverfahrensgesetz nicht vorfindbar sind. Dieser günstigen Position des potentiellen Leis40 Zur Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts – Reformansatz und Reformbedarf, in: Hoffmann-Riem/ders./Schuppert (Hrsg.) Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 1993, 11 (31 f.). 41 G. Igl (Fn. 36), 92, sieht für das Sozialrecht die Frage der Verbindung zum „Allgemeinen allgemeinen Verwaltungsrecht“ heute nicht „auf der dogmatischen und methodischen Tagesordnung“.
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tungsberechtigten korrespondieren freilich im Sozialrechtsverhältnis verstärkte, allerdings noch steigerungsfähige Mitwirkungsobliegenheiten.42 Wahrnehmung von Beratungsaufgaben heißt bei phasenorientierter Betrachtung in einer ersten Stufe zunächst Aufklärung als Information über die verfügbaren Serviceangebote, etwa mittels Anzeigekampagne oder Beratungshotline; so werden Renteninformation und -auskunft in § 109 SGB VI ausdrücklich den „Serviceleistungen“ zugerechnet. Die zweite Stufe bildet sodann als „sozialbetreuendes Verwaltungshandeln“43 die eigentliche Sachberatung in dem betreffenden Fachkomplex, ein breites Spektrum mit Aktivitäten von der allgemeinen Gesundheitsüber die Patientenberatung44 und die Suchtberatung45 bis hin zur Schuldnerberatung.46 Der Leitgedanke der Trägervielfalt erfordert angesichts beträchtlicher Wertungsdivergenzen in einer pluralistischen Gesellschaft das Verfügbarmachen alternativer Wahlmöglichkeiten, etwa bei der Schwangerschaftskonfliktberatung. Als dritte Stufe im bürgerorientiert kommunikativ angelegten Verfahrensgang47 fungiert dann gegebenenfalls noch die Erbringung der jeweiligen Hilfeleistung selbst, auf die man sich in der Beratung als empfehlenswert verständigt hat, etwa die Inanspruchnahme des Behandlungsangebots einer Suchtfachklinik.
42 Hierzu gehören Angaben von Tatsachen, persönliches Erscheinen sowie die Bereitschaft, sich Untersuchungen und Heilbehandlungen zu unterziehen (vgl. im Einzelnen §§ 60–67 SGB I). – Zur zurückhaltenden Rezeption der Lehren vom Verwaltungsrechtsverhältnis in der Verwaltungsrechtsdogmatik H. Maurer Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, § 8 Rn. 24 f. 43 E. Schmidt-Aßmann (Fn. 40), 62. 44 Hier mit Förderungspflicht der Spitzenverbände der Krankenkassen gemäß § 65b SGB V. 45 Glücksspielsucht ist inzwischen als eigenständiges Krankheitsbild anerkannt. Von ihr sind allein in NRW etwa 30000 Personen (mit ihren Familien) betroffen, was in der Literatur zum Glücksspielrecht von manchem Protagonisten einer Marktöffnung völlig verkannt wird; s. dazu P. J. Tettinger/J. Ennuschat Grundstrukturen des deutschen Lotterierechts, 1999, 6ff., 21 ff. 46 Sie hilft dem Einzelnen, über seinen Finanzstatus und sich bietende Perspektiven Klarheit zu gewinnen, bringt aber letztlich auch Einsparungen bei der Sozialhilfe mit sich und wird etwa von Organisationen wie dem Sozialdienst Katholischer Männer (SKM) angeboten. Die Sparkassen haben inzwischen zur Finanzierung von Beratungsdiensten in Verbraucher- oder Schuldnerberatungsstellen beizutragen; vgl. § 3 Abs. 2 S. 3 SpkG NRW. 47 Dazu B. Jährling-Rahnefeld VSSR 2003, 293 (295f.).
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Diese – normativ (etwa in § 22 SGB IX) fundiert über Beratungsaufgaben hinausreichende – prononcierte Serviceorientierung der Sozial-Verwaltung48 bedingt ein durchgängig wirksames Qualitätsmanagement49 mit Kundenbefragungen sowie einem Controlling als Basis für gegebenenfalls nötige gezielte Umstrukturierungen zur verstärkten Implementierung akzentuierter Leitideen. Sie bietet zugleich aber auch einen geeigneten Ausgangspunkt für eine konsequente Einbeziehung der Serviceinteressen der die Leistungen in Anspruch nehmenden Bürger in Gestalt entsprechender Entgeltforderungen (Erhebung von Teilnehmerbeiträgen, Heranziehung zu den Kosten; vgl. §§ 90, 91 SGB VIII).50 Schließlich ist die kinderzahl- und einkommensorientierte soziale Staffelung von Kindergartengebühren anerkannt,51 solange Ermäßigungen für Bedürftige nicht im Wege tariflicher Umverteilung zu Lasten Besserverdienender gehen, sondern aus öffentlichen Haushaltsmitteln bestritten werden.52 b)
Individualisierungsdirektive
Innerhalb der gemeinsamen Vorschriften für alle Sozialleistungsbereiche dieses Gesetzbuches findet sich neben der besonderen Abschirmung des Sozialgeheimnisses (vgl. § 35 SGB I)53 in § 33 S. 1 SGB I die allgemeine Individualisierungsdirektive, dass bei der Ausgestaltung von Rechten und Pflichten grundsätzlich die persönlichen Verhältnisse des betreffenden Bürgers, sein Bedarf und seine Leistungsfähigkeit sowie die örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen sind,54 was allerdings einer Zunahme von sowohl der Verwaltungsvereinfachung als auch der Kalkulierbarkeit seitens des Bürgers dienlichen Pauschalierungen, etwa durch Regelsätze (vgl. §§ 28, 39 SGB XII ), nicht entgegensteht. Ergänzend ist vorgegeben, dass den individuellen Wünschen entsprochen werden soll, soweit sie angemessen sind (§ 33 S. 2 SGB I), eine Leitlinie, die in einer verstärkt auf die Wahrnehmung von Bürgerinteressen ein-
S. namentlich R. Pitschas BayVBl 2000, 97ff. Vgl. § 20 SGB IX; s. allgemein G. Igl FS Zacher, 1998, 281 (290). 50 Zu allfälligen Abgrenzungsfragen zuletzt plastisch VG Düsseldorf, NWVBl 2004, 33. 51 Vgl. BVerfGE 97, 332; BVerwG , NJW 2000, 1129. 52 Dazu näher V. Schumacher Rechtsfragen der sozialen Bemessung von kommunalen Gebühren, 2003. 53 Vgl. insoweit auch das dem Sozialdatenschutz geltende Zweite Kapitel im SGB X (§§ 67 ff.). Des Weiteren finden sich noch bereichsspezifische Modifikationen und Verstärkungen etwa in §§ 61 ff. SGB VIII. 54 Dazu W. Rüfner Sozialhilferecht, in: Achterberg/Püttner/Würtenberger (Hrsg.) Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. II, 2. Aufl. 2000, § 28 Rn. 30 ff. 48 49
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zuschwörenden Verwaltung gewiss auch außerhalb des Sozialleistungsrechts stärkere Berücksichtigung verdient. Schließlich wird die Verwaltung über § 9 SGB X wie § 10 VwVfG durch die Verpflichtung, Verwaltungsverfahren55 einfach, zweckmäßig und zügig durchzuführen,56 bereits auf Verfahrenseffizienz und damit inzwischen auf Postulate wie Bürgernähe, Dialog- und Konsensbereitschaft eingeschworen.57 Für das moderne Verwaltungsrecht, das auch eines „Verfahrensrechts des realen Leistungsgeschehens“ bedarf,58 sind schließlich übergreifende Handlungsmaßstäbe weit mehr bedeutsam als Handlungsformen.59 Auch binnenorganisatorische Folgerungen können sich aus ihnen ergeben, wie hier Einrichtung themenbezogener Arbeitsstäbe und verstärkte Teamarbeit. Dass auch am Ende eines interaktiv-bürgerorientierten Verwaltungsverfahrens nach wie vor meist ein einseitig verantworteter Verwaltungsakt steht, ist mit Blick auf dessen Rechtsschutz- und Stabilisierungsfunktion wie auf seine Disziplinierungswirkung so schlecht nicht.60 c)
Konsequenzen eines rigiden Gesetzesvorbehalts
Nicht zuletzt der rigide Gesetzesvorbehalt des § 31 SGB I hat zweifelhafte edukatorische Wirkungen dahingehend entfaltet, dass das Sozialrecht heutiger Prägung extrem dicht normativ durchstrukturiert ist und tatbestandliche Leistungsvoraussetzungen wie leitende Ermessenserwägungen durchweg in komplexen Listen zu erfassen sucht. So finden sich opulente Handlungs- und Kontrollvorgaben, etwa in der Benen55 Ihrer Charakterisierung als „dienendes Verfahren“, dem kein „Wert an sich“ zukomme, sondern das zum Erlass materiell rechtmäßiger und zweckmäßiger Entscheidungen beitragen solle, hat BVerfGE 105, 48 (60f.), nicht widersprochen. 56 Hierbei handelt es sich nicht lediglich um einen Programmsatz (so aber M. v. Wulffen in: ders. [Hrsg.] SGB X, Kommentar, 4. Aufl. 2001, § 9 Rn. 7), sondern um unmittelbar anwendbares Recht (s. P. Stelkens/H. Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs [Hrsg.] VwVfG, Kommentar, 6. Aufl. 2001, § 10 Rn. 21). 57 Vgl. R. Pitschas FS 50 Jahre BSG , 2004, 765 (767 f.); B. Jährling-Rahnefeld (Fn. 47), 304; P. Stelkens/H. Schmitz (Fn. 56), Rn. 28. S. auch bereits H. Dreier Hierarchische Verwaltung im demokratischen Staat, 1991, 150f., 156; Bundesregierung, Moderner Staat – Moderne Verwaltung, 1999, 2f. 58 E. Schmidt-Aßmann (Fn. 40), 33; M. Wallerath Bedürfen künftig marktförmiges und wettbewerbsorientiertes Handeln und Verfahren der Sozialverwaltung und -versicherung neuer Formen und gerichtsfreier Spielräume?, in: Blümel/Pitschas (Hrsg.) Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozeß im Wandel der Staatsfunktionen, 1997, 219 (221). 59 S. insbesondere K.-J. Bieback Effizienzanforderungen an das sozialstaatliche Leistungsrecht, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.) Effizienz als Herausforderung an das Verwaltungsrecht, 1998, 127 (163). 60 Ebenso E. Schmidt-Aßmann (Fn. 40), 60; B. Jährling-Rahnefeld (Fn. 47), 306.
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nung von Bedarfen, Zumutbarkeitskriterien61 und Leistungseingrenzungen (vgl. § 9 Abs. 2 SGB XII : unverhältnismäßige Mehrkosten), auf deren normative Auffächerungen, ergänzende judikative Verdichtungen und filigrane administrative Spezifizierungen aber kaum auf anderen Feldern der leistenden Verwaltung mit Gewinn zurückgegriffen werden kann. Solches würde man sich freilich auch für Konturierungen von Rezeptionsklauseln wie dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse (§ 2 Abs. 1 SGB V) wünschen, wären sie nur konsequent zur Verwendung gekommen, was jedoch gerade nicht der Fall ist.62 d)
Verwaltungsverfahrensrechtliche Positionierungen im SGB X
Die im Ersten Kapitel des SGB X (§§ 1–66) aus dem Jahre 1980 vorfindbaren Bestimmungen zum Sozialverwaltungsverfahren sind weitestgehend inhaltsgleich mit den Vorgaben in den Teilen I bis IV und VI des VwVfG aus dem Jahre 1977. Bei späteren Änderungen des VwVfG erfolgten durchweg Anpassungen im SGB X.63 aa) Als sozialverwaltungsverfahrensrechtliche Besonderheiten wurden unlängst drei Themenfelder registriert, und zwar – zum Ersten die schon im SGB I zum Ausdruck kommende spezifische Dogmatik von Beratungs- und Betreuungspflichten, – zum Zweiten eine eingeschränkte Rücknehmbarkeit rechtswidriger Leistungsbescheide (vgl. § 45 SGB X) sowie eine deutliche Relati-
61 Vgl. insoweit § 65 Abs. 1 Nr. 2 SGB I , § 10 SGB II und § 1 des Gesetzes zur Hilfe für Frauen bei Schwangerschaftsabbrüchen in besonderen Fällen vom 21. August 1995 (BGBl I 1050), dessen Zumutbarkeitsschwellen in der Praxis freilich augenscheinlich weithin ignoriert wurden; vgl. S. Rehder/V. Blasel Lebensforum 2003, 4ff. 62 S. zur Verpflichtung zur Qualitätssicherung § 135a Abs. 1 S. 2 SGB V: „Die Leistungen müssen dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechen …“, sowie für strukturierte Behandlungsprogramme bei chronischen Krankheiten § 137f Abs. 2 S. 2 Nr. 1 SGB V: „Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft unter Berücksichtigung von evidenzbasierten Leitlinien“ oder für die sogenannte integrierte Versorgung § 140b Abs. 3 SGB V: „entsprechend dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse und des medizinischen Fortschritts“. – Die für eine Übernahme von Krankenhauskosten in einem anderen Mitgliedstaat vorausgesetzte „Üblichkeit“ der Heilbehandlung wird vom EuGH , Slg. 2001, I-5509 – Smits und Peerbooms, Tz. 97 und Leitsatz, daran geknüpft, dass die betreffende Behandlung „in der internationalen Medizin hinreichend erprobt und anerkannt“ ist. 63 Vgl. P. Stelkens/M. Sachs in: dies./Bonk (Hrsg.) VwVfG, Kommentar, 6. Aufl. 2001, Einleitung Rn. 77.
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vierung der Bestandskraft von Ablehnungsbescheiden (über § 44 SGB X),64 – zum Dritten die Anpassung von Sozialleistungsbescheiden an zwischenzeitlich veränderte Umstände, ein Spezialthema aus dem Komplex der Verwaltungsakte mit Dauerwirkung (vgl. § 48 SGB X).65 Mit der Entwicklung der speziellen Rechtsfigur des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs66 in Abkoppelung von den Anspruchsvoraussetzungen der Amtshaftung gelang es der Rechtsprechung der Sozialgerichte zudem, eine Verletzung der Beratungs- und Unterstützungsverpflichtung von Sozialleistungsträgern schärfer zu sanktionieren, wobei sich freilich in systematischer Hinsicht um so drängender die Frage nach flächendeckender Anwendung auf allen Feldern des Sozialrechts und außerhalb stellt.67 bb) Zu administrativen Handlungsformen nur Stichworte: – Häufiger zu registrieren ist der feststellende Verwaltungsakt, mit dem das Vorliegen von Förderungsvoraussetzungen verbindlich bekundet wird.68 – Mit Hilfe der Rechtsfigur der Allgemeinverfügung hat das BVerfG elegant gerade hier häufig schwierige Legitimationsfragen administrativer Normsetzung umschifft.69 64 Zu § 45 s. BVerfGE 105, 48 (57f.); zur Nichtanwendbarkeit des § 44 auf das Leistungsrecht des BSHG letztens BVerwG, DÖV 2004, 793 (793 f.) 65 I. Ebsen (Fn. 2), 241ff. Die Analyse der Rechtsprechung zu den Auskunfts- und Betreuungspflichten der Sozialleistungsträger und den Konsequenzen aus der Verletzung solcher Pflichten ergab, dass auch ohne gezieltes Auskunftsverlangen Hinweise auf naheliegende Gestaltungsmöglichkeiten zu erteilen sind, dass der Intensitätsgrad solcher Verpflichtungen freilich – in angemessener Würdigung der Verhältnisse in einer Massenverwaltung – nicht übersteigert worden ist, etwa im Sinne einer fallorientiert kontinuierlichen behördlichen Situationskontrollpflicht oder einer durchgängigen Beobachtung und „Pflege“ auch seit längerem ruhender Sozialrechtsverhältnisse; vgl. ebenda, 245f. – Inwieweit beim zweiten und dritten Komplex Fehlentwicklungen zu registrieren sind, welche der Korrektur bedürfen, ist eine (verwaltungs-)rechtspolitische Frage; s. etwa W. Meyer FS Krasney, 1997, 319ff. 66 Vgl. BSGE 32, 60; 49, 76 (77 ff.); 79, 159 (165 ff.); dazu statt vieler R. Schmidt-De Caluwe Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch, 1992. 67 Ablehnend aus der Perspektive des allgemeinen Verwaltungsrechts BVerwGE 79, 192 (194); zum Wohngeldrecht BVerwG, NJW 1997, 2966 (2966f.), und zu Leistungen nach dem Unterhaltszuschussgesetz OVG Nordrhein-Westfalen, NWVBl 2000, 99; dazu G. Igl (Fn. 36), 104. 68 S. etwa BVerwG , NJW 1997, 2766, zu § 23 Abs. 3 S. 2 SGB VIII . 69 BVerfGE 106, 275 (307), zur Festbetragsfestsetzung für Arznei- und Hilfsmittel; s. zu diesem streitigen Komplex insbesondere P. Axer Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, 2000.
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– Eine Flexibilität ermöglichende Fortentwicklung aus der Vorkehrung in § 43 SGB I, vorläufige Leistungen zu erbringen, um zu verhindern, dass behördliches Kompetenzgerangel auf dem Rücken eines Sozialleistungsberechtigten ausgetragen wird, bilden einstweilige Leistungsbewilligungen.70 – Soweit Plänen als verwaltungsrechtlicher Handlungsform vorbereitender Interessenaufbereitung71 keine unmittelbare Außenwirkung zukommt, sie aber – wie bei Krankenhausplänen (vgl. §§ 8 ff. KHG) – die Basis für spätere (Investitions-)Förderung bilden, ist bei präjudizierenden Entscheidungen über eine Aufnahme in den Plan aus Gründen effektiven Rechtsschutzes eine Konkurrentenklage zuzulassen.72
IV. Notizen zum Sozial-Verwaltungsorganisationsrecht Die beiden großen Blöcke des Sozialrechts, einerseits die körperschaftlich strukturierten Versicherungssysteme (vgl. Art. 87 Abs. 2 GG, § 29 Abs. 1 SGB IV) und andererseits die in Obhut von Staats- und Kommunalverwaltung gegebenen steuerfinanzierten Fürsorgesysteme, weisen höchst unterschiedliche Organisationsstrukturen auf, was allein schon übergreifende Analysen erschwert.73 Hinzu kommt eine primär verfassungsrechtliche Fundierung zentraler Fragestellungen zum Organisationsrecht namentlich der Sozialversicherungsträger.74 So seien im Folgenden nur punktuell Randnotizen mit verwaltungsorganisationsrechtlichen Akzentuierungen präsentiert.
70 S. §§ 11, 24 Abs. 2 BAföG ; dazu BVerwG , FamRZ 1986, 299 (300); vgl. auch § 328 SGB III; allgemein C. Brüning Einstweilige Verwaltungsführung, 2003. – Zur Rechtsfigur des vorläufigen Verwaltungsaktes BVerwGE 67, 99; OVG Nordrhein-Westfalen, NVwZ 1991, 588 (588f.); vgl. auch BSGE 89, 90, zur nachträglichen Korrektur kassenärztlicher
Honorarbescheide. 71 So E. Schmidt-Aßmann (Fn. 40), 60. 72 So jetzt BVerfG , GewArch 2004, 296 (296f.). 73 S. immerhin R. Pitschas Organisationsrecht als Steuerungsressource in der Sozialverwaltung, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.) Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, 1997, 151 ff., unter Hinweis auf Vorstellungen eines „Neuen Steuerungsmodells“. 74 Wie: Hinreichendes demokratisches Legitimationsniveau der sogenannten Gemeinsamen Selbstverwaltung im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung oder des Verwaltungsrates der Bundesagentur für Arbeit? Normativkraft generalisierender Festlegungen?
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Intransparenz der Verwaltungsstrukturen
Der im Sozialrecht vielbeklagte „Schleier der Intransparenz“75 bezieht sich nicht allein auf Leistungs-76, sondern allzu oft auch auf Verwaltungsstrukturen, insbesondere in der Sozialversicherung, mittelbarer Staatsverwaltung, die unter dem Fehlassoziationen fördernden Signum sogenannter sozialer Selbstverwaltung wahrgenommen wird.77 Der für funktionale Selbstverwaltung eigentlich vorauszusetzende homogene Kreis von Mitgliedern ist hier oft kaum mehr erkennbar.78 Ein „institutionelles Defizit“ besteht in der Gesamtschau nicht,79 im Gegenteil: Transparenz und Bürgernähe verlangen nach massiver Strukturreform, die diesen Namen verdient, und Deregulierung. 2.
Legitimationsbedarf für Sonderbehörden
Auf einem so komplexen wie finanzwirksamen Leistungssektor ist die Inkorporierung von hochspezialisiertem Sachverstand in Sonderbehörden wie dem Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information80 oder Kollegialorganen unumgänglich, ohne dass diese freilich Legitimationsdefiziten ausgesetzt werden darf, was zum einen klare aufgaben- und befugnisbezogene Eingrenzungen, zum anderen Absicherungen der Neutralität und Ausgewogenheit der Beratung81 bedingt. Neue gesetzliche Verselbständigungen wie die Gründung eines Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (§§ 139a, 139b SGB V) müssen dem Rechnung tragen.
Dazu etwa H. F. Zacher FS Zeidler, Bd. I, 1987, 571 (594f.). Freimütig O. v. Nell-Breuning Soziale Sicherheit?, 1979, 87: „das Ganze ist so undurchsichtig, dass nur noch wer die ganze Entstehungsgeschichte mitgemacht hat und in alle politischen und technischen Hintergründe Einblick hat, die Tragweite der verschiedenen Bestimmungen und ihr Ineinandergreifen durchschaut.“ 77 So schon W. Rüfner (Fn. 3), 194 f.; vorher bereits U. Scheuner DÖV 1952, 609 (613). 78 Bezeichnend der wohl eher abschreckend gemeinte Hinweis bei W. Henke (Fn. 3), 156, dass sich eigentlich die Versorgung mit Lebensmitteln oder Energie ebenso organisieren ließe wie die der Sozialversicherten mit ärztlichen Leistungen. Selbst bei einer „Arbeitnehmerbank“ – vgl. zur paritätischen Zusammensetzung der Selbstverwaltungsorgane § 44 SGB IV – kann im Übrigen heutzutage von akzeptierter Ausformung gewerkschaftlicher Einflussnahme keine Rede mehr sein. 79 So aber H. F. Zacher 40 Jahre Sozialstaat. Schwerpunkte der rechtlichen Ordnung, in: Blüm/ders. (Hrsg.) 40 Jahre Sozialstaat Bundesrepublik Deutschland, 1989, 19 (127). 80 S. zu diesem Komplex S. Rixen Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht, Habil. Köln 2004 (Typoskript), 417 f. 81 Dazu E. Schmidt-Aßmann NJW 2004, 1689 (1692): Konsistenzgebot. S. auch allgemein A. Nußberger AöR 129 (2004), 282ff. 75 76
218
3.
Peter J. Tettinger
Trend zu „Beauftragten“
Zu beobachten ist ein deutlicher Trend zur Rechtsfigur des „Beauftragten“ (vgl. den Patientenbeauftragten gemäß § 140h SGB V82 sowie den Behindertenbeauftragten gemäß § 15 Abs. 2 BGG). Ob diese Praxis hinsichtlich der Zielerreichung – ressortübergreifende Forcierung eines speziellen Anliegens – eine positive Evaluation erfahren würde oder ob der Einsatz dieser schillernden Rechtsfigur nicht eher Bürokratie, Blockade und Intransparenz der Verwaltungsverantwortlichkeiten fördert, sei hier nur als Frage formuliert. 4.
Absicherung für Interessenrepräsentanz
Die – noch zu beleuchtende – Anerkennung einer Trägervielfalt in den Fürsorgesektoren bedingt enge Kooperation (so deutlich §§ 86, 95 SGB II ) und lässt organisationsrechtliche Absicherungen der Interessenrepräsentanz in einer Clearingstelle,83 wie dies in Gestalt eines Jugendhilfeausschusses als bundesrechtlich statuiertes beschließendes Kommunalorgan (vgl. §§ 70, 71 SGB VIII) Tradition ist,84 als im Ansatz modellhaft erscheinen.85 5.
Zur Leistungskraft von Arbeitsgemeinschaften
Bereits in § 94 SGB X registriert und mehrfach appliziert,86 sind Arbeitsgemeinschaften ein in Ausgestaltung und Organisation flexibles, aus der kommunalen Gemeinschaftsarbeit bekanntes Kooperationsinstrument – speziell für Behinderte stehen gemeinsame örtliche Servicestellen 82 Zu ihm S. Rixen (Fn. 80), 709: institutionelles Placebo in einem symbolischen Sozialrecht. 83 Dazu R. Pitschas Strukturen und Verfahrensweisen des Jugendamtes im kooperativen Rechts- und Sozialstaat, in: Sachverständigenkommission 11. Kinder- und Jugendbericht (Hrsg.) Band 1: Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe, 2002, 163 (224); ferner bereits H.-H. Trute Wechselseitige Verzahnungen zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.) Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, 1996, 167 (211). 84 Dazu BVerwG , DVBl 1995, 690 (690ff.); OVG Nordrhein-Westfalen, NWVBl 2004, 433. 85 Vgl. R. Pitschas (Fn.73), 181; R. Wegener Staat und Verbände im Sachbereich Wohlfahrtspflege, 1978, 234; eher skeptisch W. Rüfner Kinder- und Jugendhilferecht, in: Achterberg/Püttner/Würtenberger (Hrsg.) Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. II, 2. Aufl. 2000, § 29 Rn. 10. 86 Vgl. § 44b SGB II , § 78 SGB VIII , § 12 Abs. 2 SGB IX , § 4 Abs. 2 SGB XII , § 20 Abs. 5 HeimG.
Verwaltungsrechtliche Instrumente des Sozialstaates
219
der Rehabilitationsträger zur Verfügung;87 neuestes Modewort auf diesem Felde: Servicecluster –. Es ist aber überfordert, wenn sie selbst in der Ausgestaltung höchst kontroverse Aufgaben eines Leistungsträgers übernehmen sollen, so für Arbeitsuchende im sogenannten Job-Center. Wie die Neufassung von § 44b Abs. 1 SGB II durch das Kommunale Optionsgesetz vom 30. Juli 2004 (BGBl I 2014) mit der Ergänzung „durch privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Verträge“ plastisch dokumentiert, ist hier noch keineswegs das Stadium der Problemlösung erreicht. 6.
Zielvereinbarungen als Steuerungsinstrument
Fehlen dezidierte institutionelle und materielle Vorgaben, so erscheint das zunehmend beliebte konsensuale Steuerungsinstrument der Zielvereinbarung88 geeignet, zu einer Harmonisierung von Prioritätsvorstellungen bei mit Gesamtbudgets ausgestatteten Selbstverwaltungsträgern zu gelangen, soweit ihnen dabei ein Mindestmaß an Planungssicherheit garantiert wird. Hier ist auch ein weites Feld für Pilotprojekte mit gesicherter Evaluation. 7.
Außergerichtliche Streitbeilegung
Im gesamten Sozialrecht sind Bemühungen erkennbar, durch Einschaltung von Einigungsstellen (vgl. § 45 SGB II), Schiedsstellen (§§ 114, 129 Abs. 8 SGB V, § 18a KHG, § 78g SGB VIII, § 76 SGB XI, § 80 SGB XII) und Schiedsämtern (§ 89 SGB V, § 34 Abs. 6 SGB VII) eine außergerichtliche Streitbeilegung zu erreichen. Da das BVerwG der Schiedsstelle nach § 94 BSHG im Hinblick auf ihre gesetzlich vorgesehene Schlichtungsfunktion bei der Anwendung der einschlägigen unbestimmten Rechtsbegriffe wie Wirtschaftlichkeit und leistungsgerechtes Entgelt mit gutem Grund eine Einschätzungsprärogative zubilligt, bleibt die gerichtliche Kontrolle auf diesbezüglich maßgebliche Prüfungskriterien beschränkt.89 Auch wenn insoweit Entscheidungsgewalt eingeräumt ist, so dürfte doch kaum Anlass bestehen, auf diesen Feldern noch vertieft über Mediation zu räsonieren.90
§§ 22, 23 SGB IX, § 4 SGB XII. Vgl. § 48 SGB II; § 5 BGG zur Barrierefreiheit; § 14 sächsisches Gesetz zur Verbesserung des selbstbestimmten Handelns von Menschen mit Behinderungen vom 28. Mai 2004 (GVBl 196). 89 BVerwG , NVwZ - RR 1999, 446 (446f.); ablehnend G. Igl (Fn. 36), 108. 90 Dazu geistreich H. Kilger Mediation im Sozialrecht, in: Haft/v. Schlieffen (Hrsg.) Handbuch der Mediation, 2002, § 45, 1156 ff. 87
88
220
V.
Peter J. Tettinger
Handlungsmaßstäbe der Sozial-Verwaltung – Impulse für Neuakzentuierungen mittels gesetzlicher Leitlinien
Etwas genauer sollen verwaltungsrechtliche Leitideen als Handlungsmaßstäbe für eine Kultur der Rechtsvereinfachung im schlanken Sozialstaat aus dem Fürsorgesektor ins Visier genommen werden, der schließlich innerhalb des Sozialrechts eine besondere Affinität zum Allgemeinen Verwaltungsrecht aufweist, handelt es sich doch um Materien, für die durchgängig Kommunen Mitverantwortung tragen und die – jedenfalls bis dato insgesamt – als steuerfinanzierte Sozialleistungen systemgerecht der Kontrolle der Verwaltungsgerichte unterstellt sind.91 Die SGB VIII, IX und XII stellen dabei gewissermaßen Steinbrüche dar, deren Bodenschätze die Gewinnung neuer verwaltungsrechtlicher Perspektiven verheißen. Schließlich klingt das Stichwort „Privatisierung“ hier nicht nach Konfrontation zwischen Staat und Privaten ankündigender, durch Regulative möglichst aufzufangender Befürchtung von Gemeinwohlverlusten, sondern bedeutet bewusste Optimierung primär an Bürgerinteressen orientierter Leistungserbringung unter Einbeziehung frei-gemeinnütziger und privatwirtschaftlicher Träger.92 1.
Trägervielfalt, Kooperationsgebot, Gesamtverantwortung und Gewährleistung als korrespondierende Leitprinzipien des Fürsorgesektors
Dominieren in der Sozialversicherung körperschaftliche Leistungsträgersysteme, bei denen Vielfalt immerhin dadurch ermöglicht wird, dass innerhalb eines typischen sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses Dritte auf der Basis öffentlich-rechtlicher Kollektivvereinbarungen als Leistungserbringer eingeschaltet werden, sind im Übrigen, wie bereits in § 17 Abs. 3 SGB I verankert und in §§ 3, 4 SGB VIII sowie § 5 SGB XII aufgegriffen, Trägervielfalt und Kooperationsgebot kohärente Direktiven für den gesamten Komplex der Leistungserbringung, wonach die öffentlichen Leistungsträger in der partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit – häufig einem Zertifizierungsfunktionen erfüllenden Anerkennungsverfahren (vgl. § 75 SGB VIII) unterworfenen – frei-gemeinnützigen Einrichtungen und Organisationen bei Beachtung deren Selbständigkeit in
91 Für das Subventionsrecht insgesamt könnten sich hier interessante Impulse aus einem fürsorgerechtlichen Förderungsregime ergeben. Dies gilt etwa für die Betrachtung eines Antragsrechts als Indiz für das Bestehen eines subjektiv-öffentlichen Rechts betreffend öffentliche Förderung der Investitionskosten vollstationärer Pflegeeinrichtungen; vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, NWVBl 2004, 273. 92 Vgl. H. F. Zacher Diskussionsbeitrag, VVDStRL 62 (2003), 349.
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Zielsetzung und Aufgabendurchführung darauf hinzuwirken haben, dass sich ihre Aktivitäten zum Wohl der Leistungsempfänger wirksam ergänzen. Den dort mithin nur subsidiär agierenden öffentlichen Trägern kommt freilich für die Erfüllung der gesetzlich fixierten Aufgaben eine sogenannte Gesamtverantwortung zu (vgl. §§ 79 Abs. 1, 76 Abs. 2 SGB VIII, § 5 Abs. 5 S. 2 SGB XII); sie sollen dabei gewährleisten, dass die zur Aufgabenerfüllung erforderlichen und geeigneten Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen (vgl. § 79 Abs. 2 SGB VIII).93 Bezieht man in diesen Kontext noch den im Zusammenwirken zu erfüllenden Auftrag der Sicherstellung der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung an Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten und Krankenkassen (so § 72 Abs. 1 SGB V) mit ein, so wird ein breites Tableau von Referenzfeldern für die ja im Verwaltungsrecht massiv propagierte Ausgestaltung eines Gewährleistungsrechts mit besonderer Betonung staatlicher Ergänzungs- und Auffangverantwortung94 sichtbar. Gewährleistung bedingt aber zumindest ein effektives Rechtsaufsichtsinstrumentarium. Dies gilt auch für die Schwangerschaftskonfliktberatung mit ihrem auf Lebensschutz ausgerichteten Beratungskonzept95 zur Prävention von Schwangerschaftsabbrüchen.96 Da die Beratung selbst, ungeachtet des gesetzlichen Postulats eines ausreichenden pluralen Angebots an Beratungsstellen (vgl. §§ 3, 8 SchKG), als staatliche Aufgabe anzusehen war, erwies es sich nach erfolgter funktionaler Privatisierung als notwendig, gesetzlich Möglichkeiten zu ihrer wirksamen Überwachung zu schaffen,97 was freilich – wenn überhaupt – äußerst zögerlich geschah.98
93 Mit Blick auf das staatliche Wächteramt über die Betätigung der elterlichen Erziehungspflicht (vgl. Art. 6 Abs. 2 GG, § 1 Abs. 2 SGB VIII) wird sogar von einer Garantenstellung gesprochen. – Rechtsprechungsnachweise zum Gesamtkomplex bei P.-C. Kunkel Grundlagen des Jugendhilferechts, 4. Aufl. 2001, 337. 94 Dazu bereits H.-H. Trute (Fn. 83), 201 f. 95 S. BVerfGE 88, 203. 96 Vgl. § 218a Abs. 1 StGB und das Schwangerschaftskonfliktgesetz ( SchKG ) idF vom 21. August 1995 (BGBl I 1050). 97 So BVerfGE 88, 203 (286, 301). 98 Vgl. P. J. Tettinger FS Ipsen, 2000, 767 (778 f.). Vor diesem Hintergrund war es naheliegend, dass wenn schon nicht das für eine Rechtsaufsicht zuständige Ministerium, dann doch ein Landesrechnungshof sich kürzlich dafür interessierte, ob Medizinische Institute von „Pro Familia“, in denen auch Abtreibungen vorgenommen werden, organisatorisch und wirtschaftlich hinreichend von den Beratungsstellen separiert sind. Dazu FAZ vom 19. Juni 2004, 4, und vom 23. September 2004, 5.
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2.
Peter J. Tettinger
Aktivierung der Bürger
Nachdem die klassische Solidarität mit Subsidiarität verknüpfende Parole der „Hilfe zur Selbsthilfe“ (vgl. §§ 1 Abs. 1 S. 2, 9 SGB I, § 4 Abs. 3 SGB VIII, § 29 SGB IX) vielerorts wohl in Vergessenheit geraten war, sind jüngste Gesetzesnovellierungen im Sozialrecht wie § 11 Abs. 2 S. 1 und Abs. 3 SGB XII augenscheinlich von dem Bestreben einer Neuakzentuierung zum Spannungsfeld im Sinne eines Primats der Selbstverantwortung99 des Bürgers getragen, auch um Übersteigerungen bei der Anforderung von Leistungen abzublocken. In diesem Kontext werden zunehmend im Rahmen eines Konzepts „Fördern und Fordern“ (so die Überschrift zu Kapitel 1 im SGB II)100 kooperative Leistungsabsprachen101 im Rahmen eines Hilfeplans (§ 36 SGB VIII), eines Förderplans (§ 12 SGB XII), eines Gesamtplans (§ 58 SGB XII) respektive einer Eingliederungsvereinbarung (§§ 2, 15 SGB II, § 35 SGB III) eingesetzt, all dies Anlass genug, künftig über die ja schon im Polizeirecht ventilierte Bedeutung eines behördlichen Handlungskonzepts102 zu räsonieren sowie in Betonung des Gedankens der „Verantwortungsgemeinschaft“103 dem Kontraktmanagement mit der Handlungsform des öffentlich-rechtlichen Vertrages einen stärkeren Stellenwert einzuräumen. a)
Respektierung individueller Wunsch- und Wahlrechte der Leistungsberechtigten
§ 5 Abs. 1 SGB VIII vermittelt bei der Kinder- und Jugendhilfe in Präzisierung der Leitlinie des § 33 SGB I den Leistungsberechtigten das Recht, zwischen Einrichtungen und Diensten der verschiedenen Träger der Jugendhilfe zu wählen und Wünsche hinsichtlich der Gestaltung der Hilfe zu äußern, worauf sie aufmerksam zu machen sind; dem soll dann in der Sache entsprochen werden, sofern dies nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist (ähnlich § 9 SGB IX im Behindertenrecht). Hier wurde freilich nicht ein Recht auf Schaffung oder gar zur 99 Vgl. H. F. Zacher (Fn. 10), Rn. 27 f., 33; W. Rüfner (Fn. 15), Rn. 86; P. Badura DÖV 1989, 491 (493). 100 S. OVG Niedersachsen, NDV- RD 1997, 85. – Vor allem der Umsetzung dieses Konzepts soll die Schaffung eines trägerübergreifenden „Persönlichen Budgets“ (§ 57 SGB XII) als Gesamtbudget aller in Betracht kommenden Leistungen dienen; vgl. BT-Drucks. 15/1514, 52. 101 Durch diese Formulierung sollte klargestellt werden, dass es sich nicht um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag handelt; vgl. BT-Drucks. 15/1514, 56. 102 Sächsischer VerfGH , SächsVBl 2003, 247 (Leitsatz 2 b), zur hieran anknüpfenden restriktiven Interpretation des § 19 Abs. 1 Nr. 5 SächsPolG als Befugnisnorm; jetzt auch E. Schmidt-Aßmann (Fn. 26), 334f. 103 Vgl. die amtliche Begründung zu § 1 SGB XII , BT-Drucks. 15/1514, 55.
Verwaltungsrechtliche Instrumente des Sozialstaates
223
Selbstbeschaffung von Leistungen104 kreiert, sondern dieses Wahlrecht greift, wie bei Gutscheinsystemen evident, erst, wenn eine Bewilligung seitens des zuständigen Leistungsträgers vorliegt und es um den Erbringer oder die Art und Weise einer Leistung geht,105 etwa bei der Kinderbetreuung in Tageseinrichtungen. Es ist allerdings nicht zu verkennen, dass dieses Wunsch- und Wahlrecht dann zunehmend in Frage gestellt wird, wenn der öffentliche Leistungsträger durch Reduktion der Subventionierung gemeinnütziger Leistungserbringer eine drastische Verengung des Leistungsspektrums bewirkt,106 eine Thematik, die etwa bei der jüngsten Diskussion um die Offene Ganztagsschule in NRW greifbar wird.107 b)
Verstärkte Partizipation der Betroffenen
Eine erkennbare Gesamttendenz sowohl im Sozialversicherungsrecht (vgl. nur die Interessenvertretungen von Patienten gemäß § 140f SGB V) als auch bei Betreuungseinrichtungen namentlich in den Bereichen der Jugendhilfe, der stationären Pflege (siehe den Heimbeirat gemäß § 10 HeimG), des Behindertenrechts und der Sozialhilfe ist die Verstärkung der Partizipation des Kreises der Betroffenen an den für die jeweiligen Rechtsverhältnisse maßgeblichen Grundentscheidungen,108 wobei jeweils genauer zwischen den Kreisen rechtlich unmittelbar Betroffener als individuellen Verfahrensbeteiligten (§ 12 SGB X), in eigenen Interessen betroffener Gruppen (dem eigentlichen Feld der Betroffenenpartizipation) und an der Materie allgemein Interessierter (Popularbeteiligung) unterschieden werden sollte, wie dies in § 4 HeimG mustergültig aufgegliedert ist.109 Besonderes Augenmerk hat heute vor allem geeigneten speziellen Beteiligungsformen für Kinder und Jugendliche auf kommunaler Ebene (vgl. § 16c rheinland-pfälzische GO, § 47f Abs. 1 schleswig-holsteinische GO) zu gelten.110
Insoweit aber immerhin in engen Grenzen § 15 SGB IX. Vgl. etwa §§ 77 Abs. 3, 421g SGB III; s. auch allgemein P.-C. Kunkel (Fn. 93), 46f. 106 Vgl. J. Münder/J. Baltz/E. Jordan/D. Kreft/T. Lakies/R. Proksch/K. Schäfer/B. Tammen/T. Trenczek Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, 4. Aufl. 2003, § 5 Rn. 12 mwN. 107 S. zur Schließung von Horten P. J. Tettinger/J. Ennuschat Offene Ganztagsschule im Primarbereich, Rechtsgutachten, 2003. 108 Schief hier die Bezugnahme auf Wunsch- und Wahlrechte bei G. Igl (Fn. 36), 90. 109 Das Sozialhilferecht etwa sieht eine Einbeziehung „sozial erfahrener Dritter“ vor dem Erlass einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift oder eines Verwaltungsaktes vor (vgl. § 116 SGB XII). 110 Dazu R. Pitschas (Fn. 83), 227; C. Zinser/U. Winklhofer/C. F. Bruner RdJB 2000, 189 ff.; G. Engel BayBgm 1999, 441 ff. – Kinder- und Jugendparlamente dürften allein 104 105
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c)
Peter J. Tettinger
Kooperation in sozialen Netzwerken, insbesondere mit Selbsthilfegruppen
In jüngerer Zeit ist gezieltes Bemühen erkennbar, bei der Sozial-Verwaltung weniger die Ergebnisfestlegung und damit die Handlungsform als die Verfahrensabläufe im Vorfeld zu strukturieren und den Leistungsträger in ein Netzwerk einschlägig aktiver öffentlicher und privater Akteure einzubinden, um so verwaltungsseitig eine übergreifend interessenausgleichende, integrative und effiziente Aufgabenwahrnehmung zu initiieren und zu moderieren,111 wie dies am pathetischsten in § 8 SGB XI klingt, wo die Förderung der „Bereitschaft zu einer humanen Pflege und Betreuung durch hauptberufliche und ehrenamtliche Pflegekräfte sowie durch Angehörige, Nachbarn und Selbsthilfegruppen“ erstrebt wird, um so „auf eine neue Kultur des Helfens und der mitmenschlichen Zuwendung“ hinzuwirken. Dies schließt namentlich die Einbeziehung und Förderung auf freiwilligem Engagement (dazu sogleich) basierender, unterschiedlichste Typen von auf gegenseitige Hilfe konzentrierten Kleingruppen bis hin zu außenorientierten Verbandsinitiativen umfassender Selbsthilfegruppen wie Jugendverbänden und Jugendgruppen (§ 12 SGB VIII ), selbstorganisierten Elterninitiativen (§ 25 SGB VIII ), Behindertengruppen (§ 29 SGB IX ) und Formen der Gesundheitsselbsthilfe (vgl. § 20 Abs. 4 SGB V112) mit ein, all dies gewissermaßen in Anerkennung von Ansätzen eines selbstregulativen Sozialstaats,113 ohne dass es freilich zur Gefährdung von Ressortverantwortlichkeiten durch prozedural abgestützte Kompetenznetzwerke, im Klartext: informale Konvolute vernetzter parakonstitutioneller Machtzentren, kommen darf. In diesem Kontext sollte im Übrigen nicht vergessen werden, dass als primär verantwortliche und darum stets einzubeziehende Selbsthilfegruppe die Familie verfassungsrechtliche Anerkennung genießt;114 Meschon als Foren für frühe politische Aktivierung und staatsbürgerliches Training in der Einübung einer Konfliktbewältigungskultur hilfreich sein. 111 S. allgemein H. Hill BayVBl 2002, 321 ff. – Soeben ist zum fachlichen Informationsund Meinungsaustausch eine virtuelle Plattform für das „Netzwerk Arbeitsgemeinschaften SGB II“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit gestartet worden. 112 Dazu Gemeinsame und einheitliche Grundsätze der Spitzenverbände der Krankenkassen zur Förderung der Selbsthilfe gemäß § 20 Abs. 4 SGB V vom 10. März 2000, abrufbar unter: http://www.vdak.de/download/sh_grundsaetze.pdf (Stand: 25. November 2004). – S. auch das Landesprogramm Opus NRW (Offenes Partizipationsnetz und Schulgesundheit); dazu T. Wagemann Die Betriebskrankenkasse 2003, 521 ff. 113 Dazu grundsätzlich M.-E. Geis Die öffentliche Förderung sozialer Selbsthilfe, 1997. 114 Vgl. H. F. Zacher (Fn. 10), Rn. 29; zur gegenüber Förderung in Tagespflege vorrangigen Betreuung eines Kindes durch Großeltern BVerwG, NJW 1997, 2768.
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chanismen gerade hier zu entwickeln, wurde in jüngsten Regelungen unternommen (vgl. §§ 19, 44 f. SGB XI, § 16 SGB XII) und muss auch weiterhin vordringliches Desiderat sein. d)
Stärkung des freiwilligen bürgerschaftlichen Engagements (historisch: der Ehrenamtlichkeit)
Auch wenn die Bedeutung des klassischen Ehrenamts heute zu schwinden scheint – kein Wunder übrigens, wo doch die „Ehre“ in der bundesverfassungsgerichtlichen Wertrangskala nur noch eine Statistenrolle spielt115 –, so lassen sich gleichwohl mannigfache, oft weniger stabile Formen bürgerschaftlichen Engagements registrieren,116 die es in den sozialpflegerischen Bereichen zu stärken gilt,117 wenngleich in Zweigen der Sozialversicherung, namentlich der Krankenversicherung, bei Leistungserbringergruppierungen eher umgekehrt auf einen Rückzug ehrenamtlicher Selbstverwaltungsstrukturen zugunsten einer stärkeren Professionalisierung hingearbeitet zu werden scheint (Stichwort: Kassenärztliche Vereinigungen). Für den Bereich der Jugendhilfe wird in § 73 SGB VIII ausdrücklich herausgestellt, dass hier ehrenamtlich tätige Personen bei ihrer Tätigkeit angeleitet, beraten und unterstützt werden sollen. Diese umfassend formulierte Förderungspflicht ist bezogen auf ein vielfältiges Spektrum freiwilliger, nicht auf Entgelt ausgerichteter Tätigkeiten in der Jugendarbeit, selbst wenn geringe Vergütungen wie Aufwandsentschädigungen oder Auslagenersatz gewährt werden.118 Frei-gemeinnützige Organisationen, die gerade hier ein traditionelles und anerkanntes Betätigungsfeld haben, könnten ohne ein solches ehrenamtliches Engagement gar nicht agieren.119 Nicht zuletzt angesichts der Knappheit staatlicher Finanzressourcen wird es sich als notwendig erweisen, in den einzelnen Bereichen des Ver-
115 Dazu nach wie vor aktuell P. J. Tettinger Die Ehre – ein ungeschütztes Verfassungsgut?, 1995; ders. JuS 1997, 769ff. 116 S. dazu insbesondere die Beiträge von W. Schütte, H. Butzer und G. Igl in: Deutscher Sozialrechtsverband (Hrsg.) Mitmenschliches und bürgerschaftliches Engagement im Sozialrecht, 2003, 7ff., 51 ff., 101 ff. 117 S. den Sozialbericht 2001 der Bundesregierung, BT-Drucks. 14/8700, 101 f. – Zur ehrenamtlichen Betätigung von Arbeitslosen § 118a SGB III mit RVO vom 24. Mai 2002 (BGBl I 1783). 118 Vgl. J. Münder/J. Baltz/E. Jordan/D. Kreft/T. Lakies/R. Proksch/K. Schäfer/B. Tammen/T. Trenczek (Fn. 106), § 73 Rn. 6. 119 Diese Feststellung gilt im gesamten Feld des Gesundheits- und Sozialwesens, aber auch darüber hinaus, in Bereichen wie Kultur, Justiz, Freizeit, Sport, Kirchen, politische Parteien, Katastrophenschutz und Rettungswesen, Freiwillige Feuerwehren, Wissenschaft, Umwelt- und Naturschutz; vgl. BT-Drucks. 13/5674, 3.
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waltungsrechts geeignete Anreizmechanismen zur Anhebung freiwilligen bürgerlichen Engagements zu entwickeln,120 wie dies etwa durch Förderung örtlicher Sicherheitspartnerschaften im Polizeirecht oder über Zuwendungen zur Verbesserung des ländlichen ÖPNV-Angebotes durch ehrenamtliche Bürgerbusvorhaben in NRW geschieht.121 Auch privatrechtliche wie öffentlich-rechtliche Stiftungslösungen bieten sich zur Verstärkung freiwilligen Engagements im Sinne subsidiärer Wohlfahrtspflege in der Zivilgesellschaft inklusive der Ansätze im Rahmen von Corporate Citizenship122 an.123 3.
Staatliche Förderung zur Stärkung der Pluralität der Leistungserbringung
Gerade in den auf Pluralität der Leistungserbringung ausgerichteten Fürsorgebereichen dominieren Formen anreizorientierten Verwaltungshandelns, vorzugsweise durch Subventionierung. Neben der richtliniengestützten, eher Individuen geltenden Förderung aus speziellen Fonds (wie dem Hilfsfonds des Bundes für schwangere Frauen in Not124) finden sich hier zur Stärkung der Pluralität der Leistungserbringung vermehrt gesetzliche Grundlagen für eine institutionelle Träger- respektive eine vorhabenbezogene Projektförderung, letztere in Gestalt einer Objekt- oder einer an dem Hilfe erhaltenden Bürger orientierten Subjektförderung.125 120 Gewisse Probleme ergeben sich allerdings nach geltendem Recht, wenn gemeinnützige Organisationen durch ehrenamtliche Helfer Beratungstätigkeit ausüben wollen, die mit Informationen über Rechtsansprüche verbunden ist, wie dies etwa für Beistände in § 13 Abs. 5 SGB X thematisiert ist. Nach § 1 des Rechtsberatungsgesetzes (RBerG) besteht derzeit ein anwaltliches Beratungsmonopol, das nur für Behördenvertreter im Rahmen ihrer Zuständigkeit durchbrochen wird (vgl. § 3 Nr. 1 RBerG) und einschlägige Aktivitäten sozialer oder karitativer Organisation in eine Grauzone verweist, was allerdings durch die vom BVerfG soeben (NJW 2004, 2662) geforderte zeitgerechte Interpretation des Begriffs der „Geschäftsmäßigkeit“ ihr Ende fände. Den Unsicherheiten soll alsbald im Rahmen einer Gesetzesnovellierung abgeholfen werden. 121 Bürgerbusförderung NRW – Richtlinien vom 22. Oktober 2003 (MinBl 1480). 122 Dazu etwa die Schrift von F. Maaß/R. Clemens Corporate Citizenship, 2002. 123 S. zum einen neben der Ermächtigung in § 139a Abs. 1 S. 2 SGB V etwa einschlägige Aktivitäten der Bertelsmann- und der Hertie-Stiftung sowie der privaten Stiftung Kriminalprävention, zum anderen die Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder“ (dazu BVerfGE 42, 263), eine seit drei Jahrzehnten etablierte Stiftung Wohlfahrtspflege NRW und die geplante Bundesstiftung Gesundheitsförderung und Prävention. 124 Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“ vom 13. Juli 1984 (BGBl I 880). 125 Dazu letztens U. Köbl Einführung zu Begrifflichkeit, Entwickklungstendenzen und offenen Fragen, in: dies./Brünner (Hrsg.) Abschied von der Objektförderung?, 2004, 9 (9 f.).
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a)
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Förderung frei-gemeinnütziger Organisationen durch Subventionierung
So sollen gemäß § 74 Abs. 1 SGB VIII die Träger der öffentlichen Jugendhilfe freiwillige Tätigkeit fördern, wenn der jeweilige Träger namentlich die fachlichen Voraussetzungen für die geplante Maßnahme erfüllt, gemeinnützige Ziele verfolgt126 und eine angemessene Eigenleistung erbringt, etwa auch als Dienstleistungen ehrenamtlicher Mitarbeiter oder Sachleistungen.127 Über die Art und Höhe der Förderung entscheidet der zuständige öffentliche Träger nach pflichtgemäßem Ermessen; hieraus folgt ein formelles subjektiv-öffentliches Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch, das sich zum Förderungsanspruch verdichten kann.128 Angesichts der gängigen Koppelung von Planungs- und Strukturregelungen mit Förderungsbestimmungen kommt einem Jugendhilfeplan im Sinne eines konzeptionellen Vertrauenstatbestandes ermessensleitende Wirkung zu.129 Eine mit dem Gleichheitssatz konfligierende Rangordnung unter freien Wohlfahrtsverbänden darf dabei aber nicht erstellt werden.130 Für anerkannte Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen, die zur Sicherstellung eines ausreichenden Angebots wohnortnaher Beratungsstellen erforderlich sind, hat das BVerwG kürzlich aus § 4 Abs. 2 SchKG einen Anspruch auf Übernahme von mindestens 80 % ihrer notwendigen Personal- und Sachkosten durch den Staat abgeleitet131 und damit zugleich einen beachtlichen Beitrag zur gerade im Sozialrecht mit der Anknüpfung an Bedarfe drängenden Problematik der Quantifizierung unbestimmter Gesetzesbegriffe132 geleistet. Organisationen, die aus religiösen Gründen keine Schwangerschaftskonfliktberatung im vorgenannten Sinne vornehmen, sondern sich auf Beratungen iSv § 2 Abs. 1 SchKG beschränken – danach hat jede Frau und jeder Mann das Recht, sich zum Zwecke der gesundheitlichen Vorsorge und der Vermeidung
126 Zu den Gründen für eine Präferierung von Trägern freier Wohlfahrtspflege M. Wallerath (Fn. 58), 238. 127 Vgl. J. Münder/J. Baltz/E. Jordan/D. Kreft/T. Lakies/R. Proksch/K. Schäfer/B. Tammen/T. Trenczek (Fn. 106), § 74 Rn. 9. 128 S. BVerfGE 27, 297 (305ff.); OVG Nordrhein-Westfalen, NVwZ - RR 2003, 501 (502); Bayerischer VGH, BayVBl 2004, 305; weitere Rechtsprechungsnachweise bei J. Münder/J. Baltz/E. Jordan/D. Kreft/T. Lakies/R. Proksch/K. Schäfer/B. Tammen/T. Trenczek (Fn. 106), § 74 Rn. 15 f. 129 BVerwG , FEVS 47 (1982), 529. 130 S. bereits BVerwGE 35, 287 (290f.); OVG Hamburg, FEVS 31 (1982), 404 (427). 131 BVerwG , DVBl 2003, 1330 (1332f.). 132 Dazu bereits P. J. Tettinger Rechtsanwendung und gerichtliche Kontrolle im Wirtschaftsverwaltungsrecht, 1980, 412 ff.
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und Lösung von Schwangerschaftskonflikten sowie in allen eine Schwangerschaft unmittelbar oder mittelbar berührenden Fragen beraten zu lassen –, steht nach jüngst höchstrichterlich bestätigter OVG Rechtsprechung gleichfalls ein Anspruch in dieser Größenordnung zu.133 b)
Das Wirtschaftlichkeitsgebot – Impuls für zunehmende Wettbewerbsöffnung
Nachdem das Wirtschaftlichkeitsgebot Anerkennung als zentrale Direktive staatlichen Handelns auch im Sozialrecht134 gefunden hat, wird auf Feldern der Sozial-Verwaltung zunehmend propagiert, nicht mehr nur auf Kooperation mit frei-gemeinnützigen Trägern zu setzen, sondern eine Leistungserbringung auch durch gewerbliche Unternehmen im Wettbewerb zu ermöglichen. So findet sich ein Postulat der Gleichbehandlung frei-gemeinnütziger und privater Träger in § 11 Abs. 2 S. 3 SGB XI und im Ergebnis auch in §§ 3, 4 SGB VIII. Hier stellen sich sodann vielfältige wettbewerbsrechtliche Fragen auf der Ebene des nationalen wie des Gemeinschaftsrechts (Stichworte: Vergaberecht, Beihilfen für frei-gemeinnützige Träger).135 Aufmerksam gemacht sei darauf, dass hierin ein Paradigmenwechsel liegt, der einerseits durchaus dem Rückzug auf staatliche Gewährleistungsverantwortung entspricht, andererseits aber einen Bruch mit der Leitdirektive des auf Kooperation ausgerichteten Angebotspluralismus bedeutete sowie die darauf basierenden, normativ verankerten Wunsch- und Wahlrechte zur Makulatur werden ließe.136 Ungeachtet solcher klärungsbedürftiger Detailfragen erscheint es aber allein schon angesichts der Finanzierungsvolumina, um die es hier geht, unumgänglich, die ökonomische Funktion des Sozialrechts137 wieder frei-
133 OVG Nordrhein-Westfalen, NWVBl 2004, 234 (237): 50 %; vgl. auch Hessischer VGH, RiA 1998, 198. – S. zuletzt BVerwG vom 15. Juli 2004, 3 C 12.04, Leitsatz 2: „Der
Fördersatz beträgt wie bei Konfliktberatungsstellen 80 % der notwendigen Personal- und Sachkosten.“ 134 S. §§ 69 Abs. 2–4, 76 SGB IV, § 12 SGB V, § 13 Abs. 1 SGB VII , § 17 SGB IX , § 29 SGB XI . Vgl. auch etwa BayVerfGH, BayVBl 2004, 367 (368). 135 Zutreffend hat H. F. Zacher FS Brohm, 2002, 645 (654), darauf hingewiesen, dass sich die Wirkungsbedingungen der nationalen Sozialstaaten alleine schon durch Integration in den Binnenmarkt verändern. Vgl. hier J. Münder/J. Baltz/E. Jordan/D. Kreft/T. Lakies/R. Proksch/K. Schäfer/B. Tammen/T. Trenczek (Fn. 106), § 3 Rn. 6 und § 75 Rn. 5; speziell zu den Auswirkungen des europäischen Beihilfenrechts J. Münder/A. v. Boetticher ZESAR 2004, 15 ff., 65ff. 136 Zusätzliche Probleme ergeben sich hier auch noch durch den Verantwortlichkeiten verwischenden Einsatz von public-private-partnership in unterschiedlichen Formen. 137 Zu ihr bereits W. Wertenbruch (Fn. 29), 296.
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zulegen und es künftig verstärkt als Teilsektor des öffentlichen Wirtschaftsrechts zu begreifen.138 Dies hat nicht unbeträchtliche Konsequenzen auch für die Verwaltungsrechtsdogmatik: – Wirtschaftlichkeitsaspekte fungieren als unverzichtbarer Bestandteil eines die Leistungserbringung steuernden Verwaltungskonzepts, – ökonomische Faktoren gewinnen verstärkt Relevanz bei der Auslegung unbestimmter Gesetzesbegriffe,139 – fiskalische Erwägungen können nicht mehr schlankweg aus den zulässigen Ermessenserwägungen ausgeklammert werden. 4.
Bemühung um mehr Rechtssicherheit nach extensiver multipler Kodifizierung durch materielle Rangzuweisungen sowie Abstufungen für Gemengelagen
Stärker als in anderen Bereichen des Verwaltungsrechts ist im Sozialrecht – aufgrund extensiver multipler Kodifizierung auch bitter nötig – gesetzgeberisches Bemühen erkennbar, mehr Rechtssicherheit über makroadministrative Verhaltenssteuerung durch transparente Konzeptionen mit klaren Programmformeln in Gestalt plakativer Leitvorstellungen140 und materieller Rangzuweisungen sowie Abstufungen für gerade hier häufige Gemengelagen und Verschränkungen im Schnittfeld verschiedener Aufgabenfelder wie Gesundheitswesen, Bildungswesen, Verbraucherschutz, Gleichstellung und Familienförderung zu erzielen. Dazu nur in Stichworten: – Vorrang der Prävention.141 Auf Bundesebene wird derzeit gar ein Präventionsgesetz vorbereitet. NRW hat 2002 einen Landespräventionsrat als Informations-, Service- und Koordinierungsstelle eingerichtet, um Aufgaben einer effektiven Kriminalprävention kooperativ anzugehen. – Vorrang ambulanter vor stationärer Hilfe (vgl. § 13 Abs. 1 SGB XII);142
138 Dazu soeben die Kölner Habilitationsschrift von S. Rixen (Fn. 80); s. auch bereits G. Igl (Fn. 49), 281 ff. 139 S. insoweit etwa B. Jährling-Rahnefeld (Fn. 47), 310. 140 Zu gesetzgeberischen Leitvorstellungen hier deutlich der Sozialbericht 2001 (Fn. 117), 7. 141 Vgl. §§ 3 SGB IX , § 14 SGB XII . Er gilt als Elementargrundsatz in der Unfallversicherung (§§ 1 Nr. 1, 14 SGB VII); s. auch die Leistungen zur Krankheitsverhütung gemäß §§ 20 ff. SGB V und § 49 SGB XII. Zur Leistungserbringung im Bereich der Primärprävention näher S. Rixen (Fn. 80), 684ff. 142 Dazu etwa OVG Niedersachsen, NDV- RD 1997, 85. – Ein Problem hier etwa: Einordnung des sogenannten betreuten Wohnens; dazu VGH Baden-Württemberg, FEVS 49 (1999), 250, und DVBl 2004, 140 (nur Leitsatz).
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Peter J. Tettinger
– Rehabilitation vor Rente respektive Pflege (vgl. § 8 Abs. 2 SGB IX, § 31 SGB XI)143. Daneben stehen Leitvorgaben zum Verhältnis sektorieller Aufgabenstellungen zueinander wie der von Jugendhilfe und Schule (§ 88 SGB VIII) sowie von Jugendhilfe und Sozialhilfe (§ 10 SGB VIII, § 2 SGB XII). Bei Gemengelagen ist jeweils auf die Art der miteinander konkurrierenden Leistungen abzustellen;144 so bedeutet etwa die Förderung von Schülern mit Legasthenie grundsätzlich eine schulische Aufgabe, hinter der Maßnahmen der sogenannten Eingliederungshilfe zurückzutreten haben.145
VI. Perspektiven 1.
Elemente eines Rechts der „guten Verwaltung“
Bei alledem geht es hierzulande letztlich um Konturen einer avantgardistischen Akzentuierung der in Art. 41 der Charta der Grundrechte der EU als Bürgerrecht verankerten „guten Verwaltung“ als einer – wie auf europäischer Ebene kürzlich in einer Kommissions-Mitteilung zur Modernisierung das Sozialschutzes im sozialen Dialog (vgl. Art. 136, 139, 140 EG, Art. I-48 VVE) formuliert – effizienten Verwaltung, „die sich auf die Beteiligung und Mitverantwortung der betreffenden Akteure stützt … und die Koordinierung zwischen Leistungserbringern des Gesundheitswesens, Finanzierungsträgern, Nichtregierungsorganisationen und öffentlicher Hand.“146 2.
Entbehrlichkeit eines theatralischen Rückgriffs auf sogenannte Großformeln
Dem bei der Würdigung des deutschen Sozialstaats erkennbaren Hang zu pointiert emotionalisierenden Charakterisierungen wie Sozialneidstaat oder Staat sozialer Kälte sowie zu schon seit Jahren in der Lehre modebewusst gepflegten sogenannten Großformeln wie
Vgl. W. Rüfner (Fn. 15), Rn. 87. BVerwG, FEVS 51 (2000), 337. 145 Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, FEVS 51 (2000), 120. Vergleichbares gilt für die Einstellung als Integrationshelfer zur sonderpädagogischen Förderung; OVG NordrheinWestfalen, NWVBl 2004, 425. 146 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Modernisierung des Sozialschutzes (Fn. 24), 8. 143 144
Verwaltungsrechtliche Instrumente des Sozialstaates
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– dem sich entrüstet vom liberalen Nachtwächterstaat als „Minimalstaat“147 distanzierenden Wohlfahrtsstaat (neudeutsch: welfare state), – dem um paternalistische Rundumbetreuung nicht ohne pädagogischen Impetus bemühten Versorgungsstaat,148 – dem auf frühzeitige Absicherung von Risikosphären aller Art abzielenden Präventionsstaat, – dem hiesiger Kaskomentalität entgegenkommenden, sich allmählich in Richtung einer Bürgerversicherung hinwälzenden Sozialversicherungsstaat,149 – dem Verbandshilfe suchenden, geradezu netzwerksüchtigen Kooperationsstaat oder – dem Wohlstandszyklen mutig trotzenden Allwetterstaat150 sollte trotz oder gerade wegen ihrer plakativen Akzentuierungen widerstanden werden, weil sich ihre dogmatische Leistungskraft bei näherer Betrachtung als höchst bescheiden erweist, für das Verwaltungsrecht jedenfalls ganz ausfällt.151 Dies gilt letztlich auch für den mit unterschiedlichen Akzentuierungen vielbeschworenen „Gewährleistungsstaat“ als diffuse Chiffre eines in erster Linie sozialwissenschaftlich fundierten Steuerungsstrebens,152 das in den 60er Jahren bei M. Bullinger 153 sub signo anpassungsfähiger Staatsaufsicht im Gegenüber zur Wirtschaftslenkung thematisiert worden war. Es ist und bleibt allein schlicht der in Art. 20 Abs. 1 und 28 Abs. 1 GG verankerte soziale Staat, dessen verwaltungsrechtliche Instrumente auszuleuchten hier unternommen wurde, und zwar im Lichte einer – dringlicher denn je für die Fläche anzumahnenden – Kultur der Transparenz, der Serviceorientierung und der Bürgeraktivierung.
Vgl. R. Pitschas FS 50 Jahre BVerfG, Bd. II, 2001, 827 (832). Hiergegen dezidiert bereits H. F. Zacher (Fn. 79), 26. 149 Vgl. B. Riedmüller Grenzen des Sozialversicherungsstaates, 1994. 150 So H. F. Zacher (Fn. 135), 646f. 151 Zur „Gefahr der Verdunkelung“ W. Weiß DVBl 2002, 1167 (1175); C. Franzius Der Staat 42 (2003), 493 (500). 152 Zum begrenzten Wert steuerungstheoretischer Überlegungen insbesondere auf diesem Felde P.-C. Kunkel (Fn. 93), 206; zuletzt allgemein S. Rixen (Fn. 80), 23ff.; zum Gewährleistungsstaat ebenda, 289. 153 Staatsaufsicht in der Wirtschaft, VVDStRL 22 (1965), 264 (289). Höchst zweifelhaft ist, ob Regulierung wirklich als ein „Novum“ des heutigen Wirtschaftsverwaltungsrechts bezeichnet werden kann; so ders. DVBl 2003, 1355ff.; s. demgegenüber etwa bereits 1969 W. Rüfner (Fn. 3), 192, zur „regulierten Energieversorgung“. 147
148
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Leitsätze des 1. Berichterstatters über:
Verwaltungsrechtliche Instrumente des Sozialstaates I.
Facetten des verwaltungsrechtlichen Tableaus sozialstaatlicher Aktivitäten
(1) Will man das verwaltungsrechtliche Tableau des sozialstaatlichen Aktivitätsspektrums mit seinen makro- und mikroadministrativen Elementen identifizieren und kartieren, so empfiehlt sich folgendes Grobraster: – Schaffung und Unterhaltung öffentlicher Einrichtungen der Daseinsvorsorge und sozialen Betreuung, – Sicherung des allgemeinen Zugangs zu wesentlichen Gütern und Diensten, – Erbringung von Sozialleistungen, – Förderung sozial bedeutsamer Leistungsangebote durch Private, – Aufsicht über adäquate, vorformulierten Standards entsprechende Wahrnehmung sozialer Aufgaben durch private Träger, – Kompensation sozialer Nachteile durch Statuierung von Verpflichtungen Privater, – Kompensation sozialer Ungleichheiten durch Gestaltung öffentlicher Abgaben, – Verfahrensrechtliche Absicherungen für potentielle Leistungsempfänger, – Ausgleich regionaler und sektorieller Nachteile durch Infrastrukturentwicklung.
II.
Ein Seitenblick auf sozialstaatliche Daseinsvorsorge
(2) Ein zunächst weitgehend am traditionellen Ensemble verwaltungsrechtlicher Organisations- und Handlungsformen ausgerichteter Komplex der Sozialstaatlichkeit hierzulande ist das weite Feld der Daseinsvorsorge, das namentlich von den Kommunen mit für die soziale Betreuung ihrer Einwohner erforderlichen öffentlichen Einrichtungen gepflegt wird. Bei dem Begriff der Daseinsvorsorge kann die soziale Grundausstattung kaum ausgeblendet werden. (3) Der übergreifenden Kategorie der „Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ kommt aus Sicht der Kommission eine zentrale Rolle im Rahmen der Debatte um ein europäisches Gesellschaftsmodell zu, auch wenn es in erster Linie Sache der zuständigen nationalen, regionalen und lokalen Behörden
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bleibe, solche zu definieren, zu organisieren, zu finanzieren und zu kontrollieren. Im Rahmen einer sogenannten offenen Koordinierungsmethode sind hier als verwaltungsrechtliche Instrumente vorgesehen: – eine regelmäßige mehrdimensionale Evaluierung, – ein Monitoring als ein System wiederholter Beobachtungen, Bilanzierungen, Trendbeschreibungen und Bewertungen.
III. Instrumente des Sozial-Verwaltungsrechts (4) Von den Handlungsfeldern der Sozialverwaltung sind bislang nur eher schwache originäre Signale für die Weiterentwicklung des Allgemeinen Verwaltungsrechts ausgegangen. Der erste Eindruck ist eher der einer gewissen Eigenständigkeit und Abschottung der intrajuristisch-interdisziplinären Materie „Sozialrecht“. Separierungstendenzen werden noch gefördert durch Trennung fachgerichtlicher Kontrollkompetenzen mit deutlichem Trend zunehmender systemwidriger Verlagerung in die – verbreitet als bürgerbetreuungsfreundlicher apostrophierte – Sozialgerichtsbarkeit. Eine Gegensteuerung erscheint hier überfällig. (5) Der besondere Dienstleistungscharakter der Sozial-Verwaltung, ihre ausgeprägte Servicefunktion namentlich zugunsten des in den komplizierten Sozialrechtsfragen oft unbeholfenen Bürgers, kommt anschaulich in den umfänglichen Aufklärungs-, Beratungs- und Auskunftspflichten der zuständigen Leistungsträger zum Ausdruck. Dieser günstigen Position des potentiellen Leistungsberechtigten korrespondieren freilich im Sozialrechtsverhältnis gesteigerte Mitwirkungsobliegenheiten. (6) Eine allgemeine Individualisierungsdirektive (§ 33 S. 1 SGB I) stellt sicher, dass bei der Ausgestaltung von Rechten und Pflichten grundsätzlich die persönlichen Verhältnisse des betreffenden Bürgers, sein Bedarf und seine Leistungsfähigkeit sowie die örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen sind, was allerdings Pauschalierungen nicht entgegensteht. Ergänzend ist vorgegeben, dass den individuellen Wünschen entsprochen werden soll, soweit sie angemessen sind, eine Leitlinie, die in einer verstärkt auf die Wahrnehmung von Bürgerinteressen einzuschwörenden Verwaltung gewiss auch außerhalb des Sozialleistungsrechts stärkere Berücksichtigung verdient. Für das moderne Verwaltungsrecht, das auch eines „Verfahrensrechts des realen Leistungsgeschehens“ bedarf, sind schließlich übergreifende Handlungsmaßstäbe bedeutsamer als Handlungsformen. (7) Sozialverwaltungsverfahrensrechtliche Besonderheiten sind zum Ersten die spezifische Dogmatik von Beratungs- und Betreuungspflichten, zum Zweiten eine eingeschränkte Rücknehmbarkeit rechtswidriger Leistungsbescheide sowie eine deutliche Relativierung der Bestandskraft von Ablehnungsbescheiden und zum Dritten die Anpassung von Sozialleistungsbescheiden an zwi-
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schenzeitlich veränderte Umstände, ein Spezialthema aus dem Komplex der Verwaltungsakte mit Dauerwirkung. (8) Soweit Plänen als verwaltungsrechtlicher Handlungsform vorbereitender Interessenaufbereitung keine unmittelbare Außenwirkung zukommt, sie aber – wie bei Krankenhausplänen – die Basis für spätere Förderung bilden, ist bei präjudizierenden Entscheidungen über eine Aufnahme in den Plan aus Gründen effektiven Rechtsschutzes eine Konkurrentenklage zuzulassen.
IV. Notizen zum Sozial-Verwaltungsorganisationsrecht (9) Der im Sozialrecht vielbeklagte „Schleier der Intransparenz“ bezieht sich allzu oft auch auf Verwaltungsstrukturen. Transparenz und Bürgernähe verlangen nach massiver Strukturreform, die diesen Namen verdient, und Deregulierung. (10) Auf einem so komplexen wie finanzwirksamen Leistungssektor ist die Inkorporierung von hochspezialisiertem Sachverstand in Sonderbehörden oder Kollegialorganen unumgänglich, ohne dass diese freilich Legitimationsdefiziten ausgesetzt werden darf, was zum einen klare aufgaben- und befugnisbezogene Eingrenzungen, zum anderen Absicherungen der Neutralität und Ausgewogenheit der Beratung bedingt. Neue gesetzliche Verselbständigungen müssen dem Rechnung tragen. (11) Zu beobachten ist ein deutlicher Trend zur Rechtsfigur des „Beauftragten“. Ob diese Praxis hinsichtlich der Zielerreichung – ressortübergreifende Forcierung eines speziellen Anliegens – eine positive Evaluation erfahren würde oder ob der Einsatz dieser schillernden Rechtsfigur nicht eher Bürokratie, Blockade und Intransparenz der Verwaltungsverantwortlichkeiten fördert, bedarf der näheren Prüfung. (12) Die Anerkennung einer Trägervielfalt in den Fürsorgesektoren bedingt enge Kooperation und lässt organisationsrechtliche Absicherungen der Interessenrepräsentanz in einer Clearingstelle, wie dies in Gestalt eines Jugendhilfeausschusses als bundesrechtlich statuiertes beschließendes Kommunalorgan Tradition ist, als im Ansatz modellhaft erscheinen. (13) Arbeitsgemeinschaften sind ein in Ausgestaltung und Organisation flexibles, aus der kommunalen Gemeinschaftsarbeit bekanntes Kooperationsinstrument, das aber leicht überfordert ist, wenn diese selbst Aufgaben eines Leistungsträgers übernehmen sollen. (14) Fehlen dezidierte institutionelle und materielle Vorgaben, so erscheint das konsensuale Steuerungsinstrument der Zielvereinbarung geeignet, zu einer Harmonisierung von Prioritätsvorstellungen bei Selbstverwaltungsträgern zu gelangen, soweit ihnen dabei ein Mindestmaß an Planungssicherheit garantiert wird.
Verwaltungsrechtliche Instrumente des Sozialstaates
V.
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Handlungsmaßstäbe der Sozial-Verwaltung – Impulse für Neuakzentuierungen
(15) Trägervielfalt und Kooperationsgebot sind kohärente Direktiven für den gesamten Komplex fürsorglicher Leistungserbringung, wonach die öffentlichen Leistungsträger in der partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit frei-gemeinnützigen Einrichtungen und Organisationen bei Beachtung deren Selbständigkeit in Zielsetzung und Aufgabendurchführung darauf hinzuwirken haben, dass sich ihre Aktivitäten zum Wohl der Leistungsempfänger wirksam ergänzen. Den mithin nur subsidiär agierenden öffentlichen Trägern kommt freilich für die Erfüllung der gesetzlich fixierten Aufgaben eine sogenannte Gesamtverantwortung zu. (16) Nachdem die klassische Solidarität mit Subsidiarität verknüpfende Parole der „Hilfe zur Selbsthilfe“ vielerorts wohl in Vergessenheit geraten war, sind jüngste Gesetzesnovellierungen augenscheinlich von dem Bestreben einer Neuakzentuierung zum Spannungsfeld im Sinne eines Primats der Selbstverantwortung des Bürgers getragen. In diesem Kontext werden zunehmend im Rahmen eines Konzepts „Fördern und Fordern“ kooperative Leistungsabsprachen eingesetzt, all dies Anlass genug, künftig über die Bedeutung eines behördlichen Handlungskonzepts zu räsonieren sowie in Betonung des Gedankens der „Verantwortungsgemeinschaft“ dem Kontraktmanagement mit der Handlungsform des öffentlich-rechtlichen Vertrages einen stärkeren Stellenwert einzuräumen. (17) Leistungsberechtigte haben das Recht, zwischen Einrichtungen und Diensten der verschiedenen Träger der Jugendhilfe zu wählen und Wünsche hinsichtlich der Gestaltung der Hilfe zu äußern, worauf sie aufmerksam zu machen sind. Eine erkennbare Gesamttendenz ist im Übrigen die Verstärkung der Partizipation des Kreises der Betroffenen an den für die jeweiligen Rechtsverhältnisse maßgeblichen Grundentscheidungen. (18) In jüngerer Zeit ist gezieltes Bemühen erkennbar, weniger die Ergebnisfestlegung als die Verfahrensabläufe im Vorfeld zu strukturieren und Leistungsträger in ein Netzwerk einschlägig aktiver öffentlicher und privater Akteure einzubinden, um so verwaltungsseitig eine übergreifend interessenausgleichende, integrative und effiziente Aufgabenwahrnehmung zu initiieren und zu moderieren, gewissermaßen in Anerkennung von Ansätzen eines selbstregulativen Sozialstaats, ohne dass es freilich zur Gefährdung von Ressortverantwortlichkeiten durch informale Konvolute vernetzter parakonstitutioneller Machtzentren kommen darf. (19) In diesem Kontext sollte im Übrigen nicht vergessen werden, dass als primär verantwortliche und darum stets einzubeziehende Selbsthilfegruppe die Familie verfassungsrechtliche Anerkennung genießt; Mechanismen gerade hier zu entwickeln, wurde in jüngsten Regelungen unternommen und muss auch weiterhin vordringliches Desiderat sein.
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Peter J. Tettinger
(20) Auch wenn die Bedeutung des klassischen Ehrenamts heute zu schwinden scheint, so lassen sich gleichwohl mannigfache, oft weniger stabile Formen bürgerschaftlichen Engagements registrieren. Frei-gemeinnützige Organisationen könnten ansonsten gar nicht agieren. Nicht zuletzt angesichts der Knappheit staatlicher Finanzressourcen wird es sich als notwendig erweisen, in einzelnen Bereichen des Verwaltungsrechts geeignete Anreizmechanismen zur Hebung solchen freiwilligen bürgerlichen Engagements zu entwickeln. Auch privatrechtliche wie öffentlich-rechtliche Stiftungslösungen bieten sich zur Verstärkung freiwilligen Engagements im Sinne subsidiärer Wohlfahrspflege in der Zivilgesellschaft inklusive der Ansätze im Rahmen von Corporate Citizenship an. (21) Gerade in den auf Pluralität der Leistungserbringung ausgerichteten Fürsorgebereichen dominieren Formen anreizorientierten Verwaltungshandelns, vorzugsweise durch Subventionierung. Neben richtliniengestützter, eher Individuen geltender Förderung aus speziellen Fonds finden sich vermehrt gesetzliche Grundlagen für eine institutionelle Träger- respektive vorhabenbezogene Projektförderung, letztere in Gestalt einer Objekt- oder Subjektförderung. (22) Über die Art und Höhe der Förderung entscheidet der zuständige öffentliche Träger nach pflichtgemäßem Ermessen. Angesichts der gängigen Koppelung von Planungs- und Strukturregelungen mit Förderungsbestimmungen kommt einem Plan im Sinne eines konzeptionellen Vertrauenstatbestandes ermessensleitende Wirkung zu. (23) Nachdem das Wirtschaftlichkeitsgebot Anerkennung als zentrale Direktive staatlichen Handelns auch im Sozialrecht gefunden hat, wird auf Feldern der Sozial-Verwaltung zunehmend propagiert, nicht mehr nur auf Kooperation mit frei-gemeinnützigen Trägern zu setzen, sondern eine Leistungserbringung auch durch gewerbliche Unternehmen im Wettbewerb zu ermöglichen. Hier stellen sich sodann vielfältige wettbewerbsrechtliche Fragen auf der Ebene des nationalen wie des Gemeinschaftsrechts (Vergaberecht, Beihilfenrecht). (24) Allein schon angesichts der Finanzierungsvolumina ist es unumgänglich, die ökonomische Funktion des Sozialrechts wieder freizulegen und es künftig verstärkt als Teilsektor des öffentlichen Wirtschaftsrechts zu begreifen. Dies hat nicht unbeträchtliche Konsequenzen auch für die Verwaltungsrechtsdogmatik: – Wirtschaftlichkeitsaspekte fungieren als unverzichtbarer Bestandteil eines die Leistungserbringung steuernden Verwaltungskonzepts, – ökonomische Faktoren gewinnen verstärkt Relevanz bei der Auslegung unbestimmter Gesetzesbegriffe, – fiskalische Erwägungen können nicht mehr schlankweg aus den zulässigen Ermessenserwägungen ausgeklammert werden.
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(25) Stärker als in anderen Bereichen des Verwaltungsrechts ist im Sozialrecht – aufgrund extensiver multipler Kodifizierung auch bitter nötig – gesetzgeberisches Bemühen erkennbar, mehr Rechtssicherheit über makroadministrative Verhaltenssteuerung durch transparente Konzeptionen mit klaren Programmformeln in Gestalt plakativer Leitvorstellungen und materieller Rangzuweisungen sowie Abstufungen für gerade hier häufige Gemengelagen und Verschränkungen zu erzielen.
VI. Perspektiven (26) Sichtbar werden hier Konturen einer avantgardistischen Akzentuierung der – in Art.41 der Charta der Grundrechte der EU als Bürgerrecht verankerten – „guten Verwaltung“ als einer effizienten Verwaltung, die sich auf Beteiligung und Mitverantwortung Betroffener stützt. (27) Dem bei der Würdigung des deutschen Sozialstaats erkennbaren Hang zu pointiert emotionalisierenden Charakterisierungen sowie zu in der Lehre modebewusst gepflegten sogenannten Großformeln wie dem Wohlfahrtsstaat, dem Versorgungsstaat, dem Präventionsstaat, dem Sozialversicherungsstaat, dem Kooperationsstaat oder dem Allwetterstaat sollte trotz oder gerade wegen ihrer plakativen Akzentuierungen widerstanden werden, weil sich ihre dogmatische Leistungskraft bei näherer Betrachtung als höchst bescheiden erweist, für das Verwaltungsrecht ganz ausfällt. Dies gilt letztlich auch für den mit unterschiedlichen Akzentuierungen vielbeschworenen „Gewährleistungsstaat“ als diffuse Chiffre eines in erster Linie sozialwissenschaftlich fundierten Steuerungsstrebens. (28) Es ist und bleibt allein schlicht der soziale Staat, dessen verwaltungsrechtliche Instrumente auszuleuchten hier unternommen wurde, und zwar im Lichte einer – dringlicher denn je anzumahnenden – Kultur der Transparenz, der Serviceorientierung und der Bürgeraktivierung.
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Jens-Peter Schneider
Dritter Beratungsgegenstand:
Verwaltungsrechtliche Instrumente des Sozialstaates 2. Bericht von Prof. Dr. Jens-Peter Schneider, Osnabrück Inhalt Seite
I. II.
Eine europäische Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Europäisierung der nationalen Solidargemeinschaften und des nationalen Leistungsverwaltungsrechts . . . . . . . 1. Der Nationalstaat als herkömmlicher Rahmen sozialer Solidarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eingeschränkte Europäisierung durch die Verordnungen zur Sozialrechtskoordinierung . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weiter gehende Europäisierung durch die Kohll/Decker-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . 4. Europäisierung nationaler Solidargemeinschaften durch regulative Marktorganisation als Alternative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Instrumente der Verwaltungskontrolle beim Vollzug europäischer Sozialprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Reform der zentralen Programmdurchführung . . . . . a) Finanzverantwortung der Kommissionsdienststellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Allgemeine Grundsätze der Vergabe europäischer Finanzhilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Finanzkorrekturen gegenüber den Begünstigten . . . d) Kontrolle des finanzwirksamen Verwaltungshandelns der Kommissionsdienststellen . . . . . . . . . . . . . 2. Geteilte Programmdurchführung am Beispiel der Europäischen Struktur- und Kohäsionsfonds . . . . . . a) Verantwortungsverbund bei der geteilten Mittelverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . b) Mitgliedstaatliche Finanzkontrolle . . . . . . . . . . . c) Kommissionseigene Finanzkontrolle . . . . . . . . .
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d) Evaluationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 e) Ausblick auf die Programmplanungsperiode ab 2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 3. Bilanz und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266
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I.
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Eine europäische Perspektive
„Gegenüber Europa … bleibt … nur Ohnmacht. Ohnmacht nicht gegenüber Menschen. Menschen sehen Sie erst gar nicht. Ohnmacht gegenüber dem System. Ohnmacht gegenüber dem System aber, das kann, das darf nicht unser Sozialstaat sein“.1 Mit dieser wahrhaft kafkaesken Analyse beschloss Hans F. Zacher Anfang 2002 einen Vortrag mit dem Titel „Wird es einen europäischen Sozialstaat geben?“. Und obwohl das Zitat unter der Zwischenüberschrift „Die Gemeinschaft – kein Sozialstaat“ zu finden ist, lässt Zacher keinen Zweifel, dass Europäische Union und Gemeinschaft in mannigfaltiger Gestalt dabei sind, von der europäischen Integration ausgelöste soziale Erwartungen zu erfüllen. Wenn im Folgenden eine europäische Perspektive auf das vorliegende Thema eingenommen wird, soll damit nicht unterstellt werden, dass es einen europäischen Sozialstaat gäbe. Es genügt vielmehr die Feststellung, dass das europäische Recht zunehmend auch soziale Ziele verfolgt oder auf sozialstaatliche Instrumente der Mitgliedstaaten einwirkt. Leitend für die europäische Sozialpolitik ist die im März 2000 vom Europäischen Rat beschlossene Lissabon-Strategie.2 Deren überaus ambitioniertes Ziel ist die Transformation der Union zum wettbewerbsfähigsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt. Verwirklicht werden sollen die sozialpolitischen Aspekte der Lissabon-Strategie nach den Vorschlägen einer Gruppe hochrangiger Sachverständiger nur in Randbereichen durch neues Sekundärrecht.3 Von zentraler Bedeutung seien stattdessen (1.) der Dialog der europäischen Sozialpartner, (2.) die Methode der offenen Koordinierung und (3.) die Struktur- und Kohäsionsfonds der Gemeinschaft. Die beiden ersten Instrumente sind vorrangig politischer Natur und werden daher im Weiteren nicht näher behandelt. Einen Schwerpunkt werden demgegenüber die Gemeinschaftsfonds sowie weitere europäische Sozialprogramme und damit die verwaltungsrechtlichen Instrumente der europäischen Leistungsverwaltung bilden (unten III .). Zuvor sind jedoch die Einwirkungen des EG-Rechts auf die mitgliedstaatlichen Instrumente des Sozialstaats anzusprechen (unten II.). Sie gehören für Zacher zu den eigentümlichsten Elementen des sozialen Europas.4
H. F. Zacher EuR 37 (2002), 147 (164). Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Sozialpolitische Agenda, KOM(2000) 379 endgültig, 5ff. 3 Hierzu und zum Folgenden: Bericht der Hochrangigen Gruppe über die Zukunft der Sozialpolitik in der erweiterten Europäischen Union, 2004, 80ff. 4 H. F. Zacher (Fn. 1), 152. 1 2
Verwaltungsrechtliche Instrumente des Sozialstaates
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Exemplarisch wird die Infragestellung ausgewählter Instrumente der nationalen Gesundheitspolitik durch die Rechtsprechung zu den europäischen Marktfreiheiten behandelt.5
II.
Die Europäisierung der nationalen Solidargemeinschaften und des nationalen Leistungsverwaltungsrechts
1.
Der Nationalstaat als herkömmlicher Rahmen sozialer Solidarität
Der Staat lebt von Bedingungen, die er selbst nicht garantieren kann. Diese insbesondere von Böckenförde für die deutsche Staatsrechtslehre immer wieder in Erinnerung gerufene These6 gilt auch für den Sozialstaat. Zu diesen Bedingungen gehören wirtschaftliche Dynamik und Prosperität. Eine weitere, hier interessierende Grundbedingung für die Akzeptanz sozialstaatlicher Umverteilung ist ein solidarisches Verantwortungsgefühl der Zahlenden für die Empfangenden. Nachdem die religiöse Verpflichtung zur Nächstenliebe im Zuge der Säkularisierung an Einfluss verlor, gewann im 19. Jahrhundert die nationale Solidarität zunehmend an Gewicht.7 Dementsprechend war der deutsche Sozialstaat ein nationalstaatliches Projekt, wenngleich er frühzeitig Elemente einer zwischenstaatlichen Offenheit enthielt.8 Das eindrucksvollste Beispiel der Verknüpfung sozialpolitischer Fortschritte mit dem Prozess nationaler Staatsbildung ist die bismarcksche Sozialversicherung.9 An diesem Beispiel zeigt sich auch eine 5 Dabei müssen die allgemeinen Erschütterungen der Sozialsysteme aufgrund des Standortwettbewerbs im europäischen Binnenmarkt ausgeklammert bleiben; dazu: F. Scharpf Journal of Common Market Studies 40 (2002), 645 (649). Gleiches gilt für die Frage nach der Europäisierung der bislang national verstandenen Solidargemeinschaften durch die aktuelle Rechtsprechung zur Unionsbürgerschaft: EuGH, Slg. 1998, I-2691 – Martínez Sala; EuGH, Slg. 2001, I-6193 – Grzelczyk; EuGH, Slg. 2002, I-6191 – D’Hoop; EuGH, Slg. 2002, I-7091 – Baumbast; EuGH, EuZW 2004, 507 – Collins; EuGH, Urteil vom 7. September 2004, C-456/02 – Trojani; K. Ziegler in: Hatje/Terhechte (Hrsg.) Das Binnenmarktziel in der europäischen Verfassung, EuR-Beiheft 3/2004, 13 (23 ff.); kritisch hierzu: R. Kanitz/P. Steinberg EuR 38 (2003), 1013 ff.; K. Hailbronner NJW 2004, 2185 ff. 6 E.-W. Böckenförde in: ders. Recht, Staat, Freiheit, 1991, 92 (112); für das Demokratieprinzip näher ausgeführt in ders. HStR I, 1987, § 22 Rn. 58 ff. 7 Vgl. die historische Darstellung des sozialen Einschlusses von H. F. Zacher FS Badura, 2004, 639 (646ff.); ausführlich und differenziert: M. Stolleis Geschichte des Sozialrechts in Deutschland, 2003, 13 ff., 36f., 53, 58f. 8 H. F. Zacher in: Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung/Bundesarchiv (Hrsg.) Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. I, 2001, 333 (615 ff.). 9 L. Leisering Journal of European Social Policy 13 (2003), 175.
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subtile Dialektik zwischen Staatsbildung und sozialer Solidargemeinschaft. Nationen sind nicht nur etwas für den Sozialstaat Vorgefundenes, sondern werden auch durch soziale Ausgleichsmechanismen geprägt und mitgeschaffen.10 Die Implikationen dieser historischen Betrachtung für den Stellenwert der Sozialpolitik im europäischen Integrationsprozess sind offenkundig. Sozialpolitische Initiativen können den Integrationsprozess im Sinne eines wirtschaftlichen, sozialen und politischen Zusammenhalts befördern. Das gelingt aber nur, wenn sie das bislang national fokussierte Solidaritätspotenzial der Unionsbürger nicht überfordern. Dieser politische Gestaltungsprozess ist anspruchsvoll. Erschwert wird die Aufgabe dadurch, dass sich in den letzten 120 Jahren auch innerhalb Europas sehr unterschiedliche Wohlfahrtsstaatskonzepte und Sozialmodelle herausgebildet haben.11 2.
Eingeschränkte Europäisierung durch die Verordnungen zur Sozialrechtskoordinierung
Deshalb war das sozialrechtliche EG-Verordnungsrecht traditionell von prinzipieller Rücksichtnahme gegenüber der sozialpolitischen Autonomie der Mitgliedstaaten geprägt. Entwicklungsgeschichtlicher und auch noch heutiger Kern des EU-Sozialrechts ist das koordinierende Sozialrecht.12 Dieses soll nicht die nationalen Sozialrechtsordnungen inhaltlich harmonisieren,13 sondern lediglich deren Zusammenwirken zugunsten der Freizügigkeit von Arbeitnehmern koordinierend sicherstellen. 10 L. Leisering (Fn. 9), 177; M. Stolleis (Fn. 7), 52ff. (insbesondere 53, 58f.). Die integrative Funktion der Sozialpolitik wurde vor allem durch Lorenz von Stein betont, vgl. L. Leisering ebenda, 183; M. Stolleis ebenda, 56. 11 P. Baldwin ZSR 2003, 45 (54ff.); F.-X. Kaufmann Varianten des Wohlfahrtsstaats, 2003, 125 ff.; L. Leisering (Fn. 9), 181 ff. 12 G. Haverkate/S. Huster Europäisches Sozialrecht, 1999, Rn. 7 ff. Die Grundlagen des sozialen Koordinationsrechts wurden in einer der ersten Verordnungen der EWG überhaupt, der Verordnung Nr. 3 aus dem Jahre 1958 über die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer gelegt (ABl. EG 1958 Nr. 30/561). 1971 kam es zu einer bis heute geltenden Neufassung dieses Rechtsbereichs durch die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971, ABl. EG 1971 Nr. L 149/2. Sie wird ab dem Inkrafttreten der dazugehörigen Durchführungsverordnung durch die im April 2004 beschlossene Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit abgelöst (berichtigte Fassung: ABl. EU 2004 Nr. L 200/1). 13 Gegenstand inhaltlicher Rechtsvereinheitlichung waren bisher vor allem arbeitsrechtliche Instrumente zum Arbeitsschutz (hierzu: W. Balze in: Oetker/Preis (Hrsg.) Europäisches Arbeits- und Sozialrecht ( EAS), 2001, B-5000, 1ff.; R. Wank in: Oetker/Preis
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Wesentliche Entwicklungstendenz des koordinierenden EG-Sozialrechts ist die Erweiterung seines persönlichen14 und – wenn auch in geringerem Maße – sachlichen Anwendungsbereichs15. Das Instrumentarium des koordinierenden Sozialrechts hat sich seit 1958 hingegen kaum verändert. Zu ihm gehören beispielsweise – die Bestimmung eines einheitlichen Sozialrechtsstatuts,16 – das Verbot der sozialrechtlichen Diskriminierung von EG-Ausländern,17 – die Zusammenrechnung von Versicherungszeiten18 und – der Leistungsexport.19 Nähere Betrachtung verdient die sekundärrechtliche Regelung grenzüberschreitender Behandlungsleistungen. Angesichts des expansiven Potenzials eines solchen „Gesundheitstourismus“ besitzen die einschlägigen Bestimmungen erhebliche gesundheitsökonomische und gesundheitspolitische Relevanz. Das Verordnungsrecht eröffnet einerseits Möglichkeiten zur grenzüberschreitenden Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen. Zum Schutz der finanziellen Interessen der letztlich die
(Hrsg.) EAS, B-6000, 1ff.) sowie zur Gleichstellung von Frauen und Männern: B. Schmidt am Busch in: Oetker/Preis (Hrsg.) EAS, B-4300, 1ff.; E. Eichenhofer Sozialrecht der Europäischen Union, 2. Aufl. 2003, 35, 177 ff.; s. ferner M. Jestaedt und G. Britz Diskriminierungsschutz und Privatautonomie, in diesem Band. 14 1981 wurde der persönliche Anwendungsbereich der VO ( EWG ) 1408/71 auf Selbstständige erweitert: Verordnung (EWG) Nr. 1390/81 des Rates vom 12. Mai 1981, ABl. EG 1981 Nr. L 143/1; anschließend wurde ihr Anwendungsbereich vom EG-Gesetzgeber erweitert auf Beamte (1998) und Studierende (1999) (Nachweise bei M. Fuchs in: ders. (Hrsg.) Kommentar zum Europäischen Sozialrecht, 3. Aufl. 2002, Einführung Rn. 28, 42); daneben wurde durch die Rechtsprechung die Rechtsstellung der Familienangehörigen kontinuierlich verbessert (Nachweise bei M. Fuchs ebenda, Einführung Rn. 45); zur Erweiterung auf Drittstaater Mitte 2003 s. Verordnung (EG) Nr. 859/2003 des Rates vom 14. Mai 2003, ABl. EU 2003 Nr. L 124/1; Art. 2 VO (EG) Nr. 883/2004 erweitert den persönlichen Anwendungsbereich auf alle Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats: B. Schulte in: v. Maydell/Ruland (Hrsg.) Sozialrechtshandbuch (SRH), 3. Aufl. 2003, D. 32 Rn. 177. 15 Die Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereichs betrifft vor allem die so genannten beitragslosen Sonderleistungen, die als Mischleistungen zwischen den beitragsabhängigen Systemen der sozialen Sicherheit und der rein bedürfnisabhängigen – gemäß Art. 3 Abs. 5 VO (EG) Nr. 883/2004 bzw. Art. 4 Abs. 4 VO (EWG) Nr. 1408/71 vom Anwendungsbereich der sozialen Koordinierung ausgeschlossenen – sozialen Fürsorge (Sozialhilfe) stehen; hierzu M. Fuchs (Fn. 14), Einführung Rn. 48; B. Schulte (Fn. 14), Rn. 73 ff. 16 Art. 11 Abs. 1 VO ( EG ) Nr. 883/2004; Art. 13 Abs. 1 S. 1 VO ( EWG ) Nr. 1408/71. 17 Art. 4 VO ( EG ) Nr. 883/2004; Art. 3 VO ( EWG ) Nr. 1408/71. 18 Art. 6 VO ( EG ) Nr. 883/2004; Art. 18 VO ( EWG ) Nr. 1408/71. 19 Art. 7 VO ( EG ) Nr. 883/2004; Art. 10 VO ( EWG ) Nr. 1408/71.
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Kosten tragenden Stellen im Wohnmitgliedstaat sind jedoch andererseits nur angemessene und von diesen Stellen genehmigte Behandlungen erstattungsfähig.20 Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die Auslandsbehandlung erstens vom Leistungskatalog des Wohnmitgliedstaats erfasst und zweitens eine Inlandsbehandlung nicht rechtzeitig erfolgen kann. Hinsichtlich der verordnungsrechtlichen Kriterien für die Rechtzeitigkeit haben sich durch die im April 2004 beschlossene Verordnung zur Sozialrechtskoordinierung Veränderungen ergeben. Bisher bestimmte sich die Rechtzeitigkeit nach dem im Wohnmitgliedstaat normalerweise erforderlichen Zeitraum, was je nach nationaler Prioritätensetzung sehr Unterschiedliches bedeuten konnte. Künftig ist ausdrücklich der medizinisch vertretbare Zeitraum maßgeblich. Wenngleich der Wortlaut der neuen Verordnung durchaus eine restriktive, auf Versorgungsnotstände beschränkte Genehmigungspraxis zuließe,21 spricht der Vergleich mit der bisherigen Rechtslage jedenfalls für eine eingeschränkte Europäisierung des Niveaus der mitgliedstaatlichen Gesundheitsdienstleistungen. 3.
Weiter gehende Europäisierung durch die Kohll/Decker-Rechtsprechung
Noch weiter gehend und schon lange vor der aktuellen Novellierung wurden die Rahmenbedingungen für die Inanspruchnahme grenzüberschreitender Behandlungsleistungen durch die bekannte Kohll/DeckerRechtsprechung des EuGH modifiziert. Dabei wurde das einschlägige Sekundärrecht nicht für primärrechtswidrig und nichtig erklärt. Vielmehr wurden zusätzliche Rechtspositionen der Patienten unmittelbar aus den Grundfreiheiten abgeleitet. Die inzwischen durch eine Reihe nachfolgender Urteile präzisierten Rechtsprechungsgrundsätze lassen sich wie folgt zusammenfassen:22 Eher rhetorischer Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten zur Ausgestaltung ihrer sozialen SicherungssysArt. 20 VO (EG) Nr. 883/2004; Art. 22 VO (EWG) Nr. 1408/71. Etwa indem die Vertretbarkeit nach nationalen Standards bewertet würde. 22 Vgl. EuGH , Slg. 1998, I-1831 – Decker; EuGH , Slg. 1998, I-1931 – Kohll; EuGH , Slg. 2001, I-5363 – Vanbraekel; EuGH, Slg. 2001, I-5473 – Smits/Peerbooms; EuGH, Slg. 2003, I-4509 – Müller-Fauré; EuGH, EuroAS 2004, 35 – Inizan; stellvertretend aus der fast grenzenlosen Anmerkungsliteratur: K.-J. Bieback NZS 2001, 561 ff.; U. Becker NJW 2003, 2272ff.; T. Kingreen ZESAR 2003, 199ff.; C. Nowak EuR 38 (2003), 644ff.; ders. EuZW 2003, 474 ff.; eher kritisch: M. Fuchs NZS 2002, 335 (339f.); ders. NZS 2004, 225 (226ff.); U. Kötter ZESAR 2003, 301 ff. Zur vergleichbaren Europäisierung der bislang national verstandenen Solidargemeinschaften durch die aktuelle Rechtsprechung zur Unionsbürgerschaft s. die Nachweise in Fn. 5. 20 21
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teme unberührt bleibt. Entscheidend ist vielmehr, dass die Mitgliedstaaten bei dieser Ausgestaltung das Gemeinschaftsrecht und insbesondere die aktive und passive Dienstleistungsfreiheit23 beachten müssen. Mitgliedstaatliche Genehmigungserfordernisse für Auslandsbehandlungen stellen eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dar. Für Krankenhausbehandlungen erkennt der EuGH in finanziellen Planungs- und Stabilitätsbedürfnissen zwar einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses, der Genehmigungserfordernisse prinzipiell rechtfertigen kann. Jedoch wird das mitgliedstaatliche Ermessen hinsichtlich der zulässigen Verweigerungsgründe und der Gestaltung des Genehmigungsverfahrens unter Rückgriff auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erheblich eingeschränkt. Noch weiter gehend werden Genehmigungserfordernisse für ambulante Auslandsbehandlungen von vornherein als unzulässig angesehen.24 Allerdings können Versicherte nur die Erstattung solcher Kosten verlangen, die nach den Bestimmungen ihres Versicherungsträgers gedeckt werden.25 Man kann diese Rechtsprechung unter vielfältigen Aspekten diskutieren. Hier sollen exemplarisch die Auswirkungen auf einige sozialrechtliche Instrumente der Mitgliedstaaten aufgezeigt werden.26 Beispielsweise werden durch die weitgehende Befreiung der grenzüberschreitenden ambulanten Gesundheitsdienstleistungen von Genehmigungspflichten vertragsrechtlich verankerte Qualitätsstandards und Qualitätssicherungssysteme in Frage gestellt.27 Gleiches gilt für angebotssteuernde Instrumente
23 Zur – im Wortlaut nicht angelegten – Ausdehnung auf die passive Dienstleistungsfreiheit: EuGH, Slg. 1984, 377 – Luisi und Carbone; kritisch UK Court of Appeal, [2004] EWCA Civ 166, Tz. 31, 103 – Secretary of State for Health v. R on the application of Yvonne Watts. 24 Dies gilt unabhängig davon, ob der Mitgliedstaat ein Kostenerstattungs- oder ein Sachleistungssystem eingeführt hat. Zu staatlichen Gesundheitsdiensten hat der EuGH noch keine definitive Aussage getroffen; Vorhersagen gibt es in beide Richtungen: UK Court of Appeal, [2004] EWCA Civ 166, Tz. 88 – Secretary of State for Health v. R on the application of Yvonne Watts einerseits; M. Fuchs NZS 2002, 337 (346) andererseits. 25 EuGH , Slg. 2003, I-4509 – Müller-Fauré, Tz. 98, 107 f.: Mitgliedstaaten mit Sachleistungssystemen können auf nichtdiskriminierenden Kriterien beruhende Erstattungsbeiträge festsetzen; ferner kann die fachärztliche Behandlung eine vorherige hausärztliche Konsultation voraussetzen. 26 Auf der Ebene des europäischen Sozialrechts ist das intransparente und mit erheblichen dogmatischen und praktischen Folgeproblemen verbundene Nebeneinander von primär- und sekundärrechtlichen Regelungen zu beklagen: E. Eichenhofer VSSR 1999, 101 (119 f.); U. Kötter (Fn. 22), 308. 27 U. Kötter (Fn. 22), 306f.
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zum Schutz der finanziellen Stabilität im ambulanten Bereich durch Zulassungsschranken oder Budgets.28 Ein weiteres Beispiel für drohende Funktionseinbußen nationaler Steuerungsinstrumente durch die Kohll/Decker-Rechtsprechung bieten die in vielen Mitgliedstaaten bekannten Wartelisten für medizinische Dienstleistungen wie z. B. aufwändige Operationen. Hierzu gibt es bislang nur ein obiter dictum des EuGH.29 Dieses lässt erkennen, dass der EuGH ökonomischen Erwägungen jenseits der Vermeidung von Verschwendung und Überkapazitäten skeptisch gegenübersteht.30 In dankenswerter Klarheit hat Anfang 2004 der britische Court of Appeal auf die problematischen Konsequenzen einer tendenziell nahegelegten rigiden Beschränkung von Effizienzerwägungen hingewiesen. Durch Auslandsbehandlungen könnten Patienten nämlich nationale Warteschlangen umgehen. Müssten die dabei entstehenden Kosten nach der Kohll/Decker-Rechtsprechung vom National Health Service erstattet werden, wären zwei Reaktionen denkbar. Zum einen könnte der britische Staat das Budget des britischen Gesundheitsdienstes erhöhen. Ist er hierzu nicht bereit, müsste der NHS sein begrenztes Budget zugunsten der im Ausland behandelten Patienten umschichten. Dies bedeutete aber, dass nach medizinischen Kriterien eigentlich vorrangig zu behandelnde Patienten, die zu einer Auslandsbehandlung nicht in der Lage oder bereit sind, länger auf ihre Behandlung warten müssten.31 28 U. Kötter (Fn. 22), 307f.; M. Fuchs NZS 2004, 225 (227ff.); s. auch die Vorlage des BSG, SGb 2003, 160. 29 EuGH, Slg. 2003, I-4509 – Müller-Fauré, Tz. 92. Die rechtliche Beurteilung solcher
Wartelisten erfolgt im Rahmen der Frage, ob ein zulässiger Genehmigungsverweigerungsgrund für eine Auslandsbehandlung vorliegt. Nach der Rechtsprechung darf die Genehmigung einer Auslandsbehandlung nicht verweigert werden, wenn die gleiche oder eine für den Patienten ebenso wirksame Behandlung nicht rechtzeitig in Einrichtungen des zuständigen Krankenversicherungsträgers erlangt werden kann (EuGH, Slg. 2003, I-4509 – Müller-Fauré, Tz. 86ff.). Diese Grundsätze hat der EuGH zunächst für den eigenständig aus der Dienstleistungsfreiheit abgeleiteten Anspruch auf Kostenerstattung für Auslandsbehandlungen formuliert. Jüngst hat er sie auch auf die Interpretation der koordinationsrechtlichen Bestimmungen übertragen (EuGH, EuroAS 2004, 35 – Inizan, Tz. 44-46, 59). Deren Neufassung durch Art. 20 Abs. 2 S. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 greift diese Grundsätze mit dem Begriff des „medizinisch vertretbaren Zeitraums“ nun auch im Wortlaut erkennbar auf. 30 Der EuGH gibt bedauerlicherweise keine erschöpfenden und rechtssicheren Alternativkriterien vor. Denn die vom EuGH ausgeschlossene rein formalistische Anwendung von Wartefristen ohne jedwede Berücksichtigung medizinischer Prioritäten dürfte in den Mitgliedstaaten die Ausnahme darstellen. Deshalb stellt sich die Frage, welche Erwägungen unterhalb der von wem auch immer zu bestimmenden, aber jedenfalls idealiter europaweit einheitlichen Schwelle medizinischer Unvertretbarkeit einfließen dürfen. 31 UK Court of Appeal, [2004] EWCA Civ 166, Tz. 104 f. – Secretary of State for Health v. R on the application of Yvonne Watts.
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Gegenüber Ansprüchen an den Staat, für bestimmte öffentliche Aufgaben die nötigen Mittel zwingend bereitzustellen, sind britische Juristen schon immer zurückhaltender gewesen als deutsche Verwaltungsrechtler.32 Mit pragmatischer Sensibilität berücksichtigen sie die Realität begrenzter staatlicher Ressourcen, soll die Steuer- und Abgabenlast der Bürger nicht weiter erhöht werden. Mittelknappheit begründet aber zwangsläufig die Notwendigkeit, andere öffentliche Aufgaben zugunsten der gerichtlich eingeforderten zurückzustellen.33 Derartige finanzielle Abwägungsentscheidungen werden von britischen Gerichten als politisch eingestuft und demokratisch stärker legitimierten und kontrollierten Staatsorganen vorbehalten.34 Der Court of Appeal formuliert dementsprechend mit typischer äußerer Zurückhaltung, dass es vertiefter Überlegung bedürfe, ob es dem wahren Sinn der Dienstleistungsfreiheit entspreche und mit der in Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG garantierten gesundheitspolitischen Autonomie der Mitgliedstaaten vereinbar sei, wenn einzelne Patienten den Mitgliedstaaten das nationale Gesundheitsbudget diktieren könnten.35 Beachtung verdient in diesem Zusammenhang, dass sich der EuGH gegenüber gesundheitsökonomischen Erwägungen keineswegs prinzipiell verweigert hat. Er hat jedoch angesichts der faktischen Schranken für einen umfänglichen Gesundheitstourismus wie Sprachbarrieren und Ähnlichem den Mitgliedstaaten die Darlegungs- und Nachweispflicht für die befürchteten Auswirkungen auf die Stabilität ihrer Gesundheitssysteme auferlegt.36 Die Ansprüche der Patienten stehen damit letztlich unter dem Vorbehalt, dass nicht eine erkennbar größere und finanziell relevante Zahl von Auslandsbehandlungen vorgenommen wird. Die passive 32
Nur eingeschränktes Problembewusstsein zeigen selbst jüngere Entscheidungen:
BVerwG, DVBl 2004, 317 (318 f.); BVerwG, DVBl 2004, 131 (133); VG Köln, NVwZ- RR
1990, 414 f.; s. auch die Nachweise und die Forderungen nach einem Perspektivenwandel bei: H.-J. Papier in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.) Effizienz als Herausforderung an das Verwaltungsrecht, 1998, 231 (insbesondere 231 f., 238f., 240f.); W. Hoffmann-Riem in: ders./Schmidt-Aßmann (Hrsg.) Effizienz als Herausforderung an das Verwaltungsrecht, 1998, 11 (35ff.); E. Schmidt-Aßmann in: Hoffmann-Riem/ders. (Hrsg.) Effizienz als Herausforderung an das Verwaltungsrecht, 1998, 245 (263ff.). 33 UK Court of Appeal, [2004] EWCA Civ 166, Tz. 7 f. – Secretary of State for Health v. R on the application of Yvonne Watts. 34 Hierzu im rein britischen Zusammenhang: UK Court of Appeal, 1 WLR [1995], 898 – R v. Cambridge Health Authority ex parte B; UK Court of Appeal, 1 WLR [2000], 977 – R v. North West Lancashire Health Authority ex parte A. 35 UK Court of Appeal, [2004] EWCA Civ 166, Tz. 107, 110 – Secretary of State for Health v. R on the application of Yvonne Watts. 36 EuGH , Slg. 1998, I-1931 – Kohll, Tz. 52; EuGH , Slg. 2003, I-4509 – Müller-Fauré, Tz. 93, 95.
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Dienstleistungsfreiheit mutiert so nicht nur faktisch, sondern normativ zu einem Recht oder besser Privileg für eine europäische Elite beispielsweise besonders sprachgewandter oder auslandserfahrener Patienten. Ein solches Ergebnis sollte gerade im Bereich sozialer Dienstleistungen zu denken geben.37 4.
Europäisierung nationaler Solidargemeinschaften durch regulative Marktorganisation als Alternative
Angesichts der auch vom EuGH zumindest rhetorisch betonten und in Art. 152 Abs. 5 S. 1 EG ausdrücklich anerkannten besonderen gesundheitspolitischen Ausgestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten wäre es überzeugender gewesen, den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Folgen für ihre Sozialsysteme eine Einschätzungsprärogative zuzusprechen. Der EuGH hätte insoweit an seine vorsichtigere Rechtsprechung zu Ausgestaltungskompetenzen und Ausgestaltungsaufträgen bei der Liberalisierung von Energiemärkten anknüpfen können.38 In beiden Bereichen geht es um die Regulierung komplexer wirtschaftlicher Systeme, deren Liberalisierung nur in klaren Randbereichen Gegenstand punktueller Interventionen der Judikative sein sollte. Überwiegend verlangt eine nachhaltige Liberalisierung in solchen Sektoren jedoch konzeptionell anspruchsvolle legislative Maßnahmen im Sinne einer regulativen Marktorganisation.39 Der Umstand, dass dem Gemeinschaftsgesetzgeber diesbezüglich nur eingeschränkte Kompetenzen zustehen,40 ist jedenfalls kein Argument für richterrechtliche Interventionen. Die Rechtsprechung stößt an ihre Funktionsgrenzen. Der spezifisch sozialrechtliche Aspekt hierbei ist, dass der EuGH notwendigerweise nicht nur Beschränkungen der Grundfreiheiten untersagt, sondern zugleich finanziell relevante Ansprüche gegen die Mitgliedstaaten oder deren Krankenversicherungsträger begründet. Gegenüber einer vergleichbaren Ableitung leistungsrechtlicher Ansprüche aus den Grundrechten hat das Bundesverfassungsgericht jedenfalls überwiegend weise Zurückhaltung geübt.41 M. Fuchs NZS 2004, 225 (228). Hierzu: J.-P. Schneider Liberalisierung der Stromwirtschaft durch regulative Marktorganisation, 1999, 391 ff. 39 Bei tatsächlichen Effizienzvorteilen dürften entsprechende gesundheitspolitische Maßnahmen zumindest mittelfristig angesichts der immensen Finanznöte zu erwarten sein. 40 Vgl. B. Schmidt am Busch in: Grabitz/Hilf (Hrsg.) Das Recht der Europäischen Union, Art. 152 EGV Rn. 1 ff., 17, 25 ff. (Stand: Oktober 1999); E. Eichenhofer (Fn. 13), Rn. 434 f. 41 Hierzu H. Dreier in: ders. (Hrsg.) GG I, 2. Aufl. 2004, Vorb. Rn. 90 ff. 37
38
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III. Instrumente der Verwaltungskontrolle beim Vollzug europäischer Sozialprogramme Nachdem im ersten Teil die Einwirkungen des liberalen EG-Rechts auf wichtige Instrumente des nationalen Sozialrechts beleuchtet wurden, werden im Folgenden die Instrumente der Europäischen Gemeinschaft zur Verwirklichung ihrer eigenen sozialen Ziele analysiert. Im Zentrum stehen europäische Sozialprogramme und damit das europäische Leistungsverwaltungsrecht. Von besonderem Interesse werden dabei die im Eingangszitat bereits angesprochenen Verantwortungs- und Kontrollstrukturen sein. Näher vermerkt Zacher hierzu, dass nichts geschehen sei, um „politische Führung möglich und sichtbar zu machen und um daran die Konsequenz der Verantwortung zu knüpfen“.42 Dadurch werde aber der gemeinsame Kern von Rechtsstaat und Demokratie in Frage gestellt.43 Zusammenfassen lässt sich dieser für das gesamte europäische Verwaltungsrecht relevante Problemkomplex unter dem Begriff der Verwaltungskontrolle.44 Das Sozialrecht avanciert zum Referenzgebiet des Europäischen Verwaltungsrechts. Leitend für die weitere Betrachtung ist die von der neuen Europäischen Haushaltsordnung (EHO)45 aus dem Jahre 2002 vorgenommene Unterscheidung zwischen zentraler und geteilter Haushaltsmittelverwaltung.46
H. F. Zacher (Fn. 1), 163. H. F. Zacher (Fn. 1), 164. 44 Hierzu mit Blick auf das europäische Verwaltungsrecht: E. Schmidt-Aßmann in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.) Verwaltungskontrolle, 2001, 9 ff.; S. Kadelbach in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.) Verwaltungskontrolle, 2001, 205ff.; s. auch: C. Harlow Accountability in the European Union, 2002; M. Everson Modern Law Review 67 (2004), 124ff.; Arnull/Wincott (Hrsg.) Accountability and Legitimacy in the European Union, 2002; C. Scott European Law Journal 8 (2002), 59ff.; ders. Journal of Law and Society 27 (2000), 38ff.; V. Mehde CMLRev. 40 (2003), 423ff. 45 Verordnung ( EG , Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates vom 25. Juni 2002, ABl . EG 2002 Nr. L 248/1. 46 Diese Systematisierung wurde insbesondere vom Ausschuss unabhängiger Sachverständiger, Zweiter Bericht über die Reform der Kommission vom 9. September 1999, Kapitel 2 und 3 in die europäische Diskussion allerdings noch mit einer abweichenden Terminologie (direkte und gemeinsame Verwaltung) eingeführt. Es spricht viel für die generelle Übernahme dieser Systematik auch für das nicht finanzbezogene Verwaltungshandeln der Kommission; zur bisher abweichenden Systematisierung in der deutschen Europarechtswissenschaft: grundlegend H.-W. Rengeling Rechtsgrundsätze beim Verwaltungsvollzug des Europäischen Gemeinschaftsrechts, 1977, 9 ff.; s. aus dem aktuellen Schrifttum: A. Hatje Die gemeinschaftsrechtliche Steuerung der Wirtschaftsverwaltung, 1998, 41 ff.; M. Ruffert Die Verwaltung 36 (2003), 293 (295); zu einer anderen Termino42 43
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Beide Durchführungsarten kommen bei der Verwaltung europäischer Sozialprogramme vor. Zentral ist die Mittelverwaltung, wenn sie durch die Dienststellen der Kommission erfolgt (hierzu unten 1.).47 Ein Beispiel bietet das Berufsbildungsprogramm „Leonardo da Vinci“.48 Bei der geteilten Mittelverwaltung der Struktur- und Kohäsionsfonds überträgt die Kommission dagegen Haushaltsvollzugsaufgaben auf die Mitgliedstaaten (hierzu unten 2.).49 1.
Reform der zentralen Programmdurchführung
Im Fokus der europäischen Verwaltungsreformdebatte steht die zentrale Haushaltsmittelverwaltung. Dramatischer Anlass der Reformbestrebungen waren Finanzskandale, die zum Rücktritt der Santer-Kommission führten.50 Sie betrafen unter anderem das erwähnte Berufsbildungsprogramm „Leonardo da Vinci“. Ein wesentlicher Schwachpunkt der bisherigen Verwaltungsstrukturen bestand in einem Wildwuchs so genannter Büros für technische Hilfe. Mit ihnen versuchte die Kommission ihren Mangel an eigenen Personalressourcen für die Durchführung immer neuer von Rat und Parlament beschlossener Programme zu kompensieren.51 Wegen mangelnder Rechnungs- und Erfolgskontrolle entwickelte sich eine Schattenwirtschaft für politisch-administrative Dienstleistungen,
logie neigend: J. Suerbaum Die Kompetenzverteilung beim Verwaltungsvollzug des Europäischen Gemeinschaftsrechts in Deutschland, 1998, 116 ff. 47 Art. 53 Abs. 2 EHO; weiter unterschieden werden kann zwischen direkter bzw. unmittelbarer Zentralverwaltung durch die Kommission selbst und indirekter bzw. mittelbarer Zentralverwaltung im Rahmen der aktuellen Externalisierungspolitik (hierzu: unten Fn. 56). 48 S. den diesbezüglichen Beschluss des Rates vom 26. April 1999, ABl . EG 1999 Nr. L 146/33. 49 Art. 53 Abs. 3 EHO; hinzu kommen noch die dezentrale Verwaltung durch Delegation auf Drittländer sowie die gemeinsame Verwaltung mit internationalen Organisationen, Art. 53 Abs. 1 lit. c, Abs. 4 EHO. Mit über 70 % des EG -Haushalts erfasst die geteilte Haushaltsdurchführung den mit Abstand bedeutenderen Teil; nähere Angaben hierzu: Ausschuss unabhängiger Sachverständiger, Zweiter Bericht (Fn. 46), Tz. 2.1.1 ff. 50 Ausschuss unabhängiger Sachverständiger, Erster Bericht über Anschuldigungen betreffend Betrug, Missmanagement und Nepotismus in der Europäischen Kommission vom 15. März 1999; dazu P. P. Craig European Law Journal 6 (2000), 98ff.; auch die Prodi-Kommission geriet aufgrund einer erneuten Finanzaffäre bei Eurostat unter massiven politischen Druck: Europäisches Parlament, Gemeinsamer Entschließungsantrag zu Eurostat vom 21. April 2004. 51 Zu den Verantwortungsanteilen von Kommission, Rat und Parlament an dieser Fehlentwicklung: P. P. Craig (Fn. 50), 106 ff., 116.
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die sich durch unzureichende Ausschreibungsverfahren, Vetternwirtschaft, Pseudoleistungen, Doppelrechnungen, mangelnde Vertragskontrolle und Ähnliches auszeichnete.52 Kernelemente des im Jahr 2000 beschlossenen Reformkonzepts der Prodi-Kommission53 sind – Aufgabenkritik und aufgabenadäquate Ressourcenzuweisung;54 – kommissionsinterne Einführung verbesserter finanzieller Rechenschaftsund Kontrollstrukturen; – eine leistungsorientierte Modernisierung des Beamtenstatuts;55 – eine stärker strukturierte und kontrollierte Externalisierungspolitik;56 – sowie schließlich die Entwicklung einer effizienz- und verantwortungsorientierten Verwaltungskultur.57 Hiermit greift die Kommission – ohne dies selbst anzusprechen – eine Reihe von Reforminstrumenten auf, die aus der internationalen Diskussion über New Public Management vertraut sind.58 Dies gilt insbesondere 52 Ausschuss unabhängiger Sachverständiger, Erster Bericht (Fn. 50), insbesondere Tz. 6.4., 9.2.2ff. 53 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Die Reform der Kommission, Ein Weißbuch – Teil I, KOM(2000) 200 endgültig/2; es beruht zu großen Teilen auf den Vorschlägen des Ausschusses unabhängiger Sachverständiger, Zweiter Bericht (Fn. 46); aus dem Schrifttum: H. Reichenbach/A. von Witzleben in: Siedentopf (Hrsg.) Der Europäische Verwaltungsraum, 2004, 39ff.; P. P. Craig (Fn. 50), 98ff.; V. Mehde ZEuS 4 (2001), 403ff.; D. Spence Journal of European Public Policy 7 (2000), 1ff. Nach dem Fortschrittsbericht vom 10. Februar 2004, Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Erfüllung des Reformauftrags: Fortschrittsbericht und 2004 durchzuführende Maßnahmen, KOM(2004) 93 endgültig, sind inzwischen alle formalen Reformmaßnahmen durchgeführt worden, insbesondere wurden vom Gemeinschaftsgesetzgeber Ende 2002 eine neue Haushaltsordnung und Anfang 2004 das reformierte europäische Beamtenstatut erlassen. 54 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Fortschrittsbericht (Fn. 53), 6ff.; als Beispiel s. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Tätigkeiten und Humanressourcen der Kommission in der erweiterten Europäischen Union, KOM(2002) 311 endgültig. 55 Verordnung ( EG , Euratom) Nr. 723/2004 des Rates vom 22. März 2004, ABl . EU 2004 Nr. L 124/1; s. auch: W. Kilb NVwZ 2003, 682ff.; H. Reichenbach/A. von Witzleben (Fn. 53), 43ff. 56 Auf eine Analyse der Externalisierungspolitik mittels europäischer Exekutivagenturen (s. Verordnung (EG) Nr. 58/2003 des Rates vom 19. Dezember 2002, ABl. EG 2003 Nr. L 11/1), Netzen nationaler Agenturen (s. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, KOM(2001) 648 endgültig; dies., KOM(2000) 788 endgültig) sowie privaten Auftragnehmern (s. Art. 54 Abs. 2 lit. c EHO) muss leider aus Raumgründen verzichtet werden. S. stattdessen: M. H. Koch Die Externalisierungspolitik der Kommission, 2004; P. P. Craig ELRev. 28 (2003), 847 ff.; M. P. Chiti European Law Journal 10 (2004), 402ff.; E. Vos CMLRev. 37 (2000), 1113 ff. 57 Zur Ausgangslage s. R. Priebe Die Verwaltung 33 (2000), 379 ff. 58 V. Mehde (Fn. 53), 419 ff.
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für die durchgängige Betonung klarer Verantwortungsstrukturen und Rechenschaftspflichten. Auf diesen Aspekt konzentrieren sich die nachfolgenden Ausführungen. a)
Finanzverantwortung der Kommissionsdienststellen
Der zentrale Kritikpunkt beim Rücktritt der Santer-Kommission war, dass Kommissare und Kommissionsbedienstete das erforderliche Verantwortungsbewusstsein für den Umgang mit den europäischen Haushaltsmitteln vermissen ließen. Die bisher vorhandenen Finanzverwaltungsstrukturen hätten geradezu ein System der Unverantwortlichkeit etabliert.59 Diesem Missstand soll die neue Europäische Haushaltsordnung (EHO) abhelfen.60 Sie führt zu einer erheblichen Dezentralisierung der Finanzverantwortung von der Haushaltsdirektion in die operativen Generaldirektionen. Sie wird dadurch direkt mit der inhaltlichen Verantwortung für die Erreichung der Programmziele verbunden. Schlüsselfunktion im neuen Finanzregime kommt den so genannten Anweisungsbefugten zu. Diese Funktion übt zwar nach Art. 59 Abs. 1 EHO zunächst das jeweilige Gemeinschaftsorgan aus. Die meisten weiteren Verpflichtungen beziehen sich jedoch auf die bevollmächtigten Anweisungsbefugten. Mit den Generaldirektoren wurden die ranghöchsten Fachbeamten durch das Kommissarskollegium mit dieser Funktion betraut. Sie sind nunmehr die zentralen Glieder der Finanzverantwortungskette.61 Sie können die Anordnungsbefugnis weiterdelegieren, haben aber sicherzustellen, dass effektive Kontrollstrukturen in ihrer Generaldirektion finanzielle Unregelmäßigkeiten und Misswirtschaft aufdecken.62 Die besondere Verantwortung der Generaldirektoren wird durch jährliche Tätigkeitsberichte unterstrichen, in denen sie die Zuverlässigkeit und Ordnungsmäßigkeit der Finanztransaktionen ihrer Dienststelle bescheinigen oder
59 Ausschuss unabhängiger Sachverständiger, Erster Bericht (Fn. 50), Tz. 9.4.24; s. auch: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Weißbuch – Teil I (Fn. 53), 24; dies., KOM(2000) 461 endgültig, 16 f. 60 Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates vom 25. Juni 2002, ABl. EG 2002 Nr. L 248/1; zur Begründung des Kommissionsvorschlags s. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, KOM(2000) 461 endgültig, 16ff.; s. ferner die Verordnung mit Durchführungsbestimmungen (DVO -EHO), Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2342/2002 der Kommission vom 23. Dezember 2002, ABl. EG 2002 Nr. L 357/1; P. P. Craig (Fn. 56), 840ff.; M. Noll Finanzwirtschaft 2002, 21ff. 61 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Weißbuch – Teil I (Fn. 53), 24; dies., Fortschrittsbericht (Fn. 53), 66f. 62 Art. 59 Abs. 2, 66 Abs. 3 EHO.
Verwaltungsrechtliche Instrumente des Sozialstaates
253
etwaige spezifische Vorbehalte anmelden und überprüfbare Gegenmaßnahmen aufführen müssen.63 b)
Allgemeine Grundsätze der Vergabe europäischer Finanzhilfen
Ebenso wie für die Vergabe öffentlicher Aufträge enthält die reformierte Europäische Haushaltsordnung nun auch allgemeine Regeln für die Vergabe von Finanzhilfen im Rahmen von Sozialprogrammen. Inhaltlich bestehen zwischen beiden Regelungskomplexen entsprechend ihrer teilweisen funktionalen Äquivalenz große Übereinstimmungen.64 Art. 109 Abs. 1 EHO verpflichtet die Gemeinschaftsorgane zur Gewährung von Finanzhilfen insbesondere nach den Grundsätzen der Transparenz und Gleichbehandlung.65 Anders als zumeist im nationalen Sozialrecht geht es auf europäischer Ebene nicht um die Gewährung unbedingter Leistungsansprüche, sondern um die Vergabe begrenzter und knapper Mittel mit Auswahlermessen der Verwaltung. Das Gewährungsverfahren ist daher auf eine zumindest quasi-wettbewerbliche Auswahlentscheidung durch die Anweisungsbefugten ausgerichtet.66 Die Gewährung der Finanzhilfe erfolgt nicht in einem einseitigen Zuwendungsbescheid, sondern gemäß Art. 108 Abs. 1 S. 2 EHO durch schriftliche Finanzierungsvereinbarung.67
63 Art. 60 Abs. 7 EHO; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Weißbuch – Teil I (Fn. 53), 24; dies., Fortschrittsbericht (Fn. 53), 20f., 25, 67f.; zur tatsächlichen Praxis: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Synthese der Jährlichen Tätigkeitsberichte 2002, KOM(2003) 391 endgültig; teilweise kritisch Rechnungshof, Jahresbericht zum Haushaltsjahr 2002 (2003/C 268/01), Tz. 5.10.–5.14. 64 Die genauen Unterscheidungskriterien zwischen beiden Instrumenten sind noch keineswegs endgültig geklärt; vgl. Art. 88, 108 EHO und s. Ausschuss unabhängiger Sachverständiger, Zweiter Bericht (Fn. 46), Tz. 2.0.6, 2.1.4, 2.1.8 ff., 2.1.37 f., 2.2.17. 65 S. auch Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Weißbuch – Teil I (Fn. 53), 23. 66 Art. 115 f. EHO; im Rahmen des Leonardo-Programms sind für verschiedene Projektarten in Abhängigkeit zu ihrer jeweiligen europäischen Bedeutung und Komplexität drei verschiedene Verfahrensarten mit unterschiedlich starkem Einfluss der Kommission vorgesehen: Beschluss des Rates vom 26. April 1999 über die Durchführung der zweiten Phase des gemeinschaftlichen Aktionsprogramms in der Berufsbildung „Leonardo da Vinci“, ABl. EG 1999 Nr. L 146/33; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, „Leonardo da Vinci“ – Allgemeiner Leitfaden für Antragsteller, Fassung 2004, 17 ff., 24ff. 67 Zum europäischen Verwaltungsvertragsrecht: J. Grunwald EuR 19 (1984), 227ff.; s. auch H. C. Röhl Verwaltung durch Vertrag, 2002; zur gegenteiligen bisherigen Verwaltungspraxis: EuG, Urteil vom 17. September 2003, T-137/01, Tz. 3 ff.; s. aber auch EuG, Slg. 2001, II-779, Tz. 1, 4.
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c)
Jens-Peter Schneider
Finanzkorrekturen gegenüber den Begünstigten
Zum Schutz des Gemeinschaftshaushalts enthält die reformierte Europäische Haushaltsordnung für die Kommission und den Rechnungshof Kontrollbefugnisse gegenüber dem Empfänger,68 der außerdem die Erfüllung der Zahlungsvoraussetzungen nachweisen muss.69 Entsteht der Verdacht, dass die unterstützte Maßnahme nicht oder schlecht durchgeführt wurde, setzt der Anweisungsbefugte zunächst die Zahlungen aus. Bestätigt sich der Verdacht, wird die Finanzhilfe gekürzt. Gegebenenfalls verlangt der Anweisungsbefugte die Rückzahlung bereits gezahlter Finanzhilfen.70 Der Kommission stehen ausdrücklich einseitige Anordnungsrechte zur Wahrung der finanziellen Gemeinschaftsinteressen unabhängig von den Bestimmungen der zweiseitigen Finanzierungsvereinbarung zu.71 Die anschließende Einziehung der Forderung erfolgt gemäß den allgemeinen Regeln der Europäischen Haushaltsordnung. Diese sehen Möglichkeiten des Forderungsverzichts aus Gründen der Verhältnismäßigkeit vor.72 Hiernach hat der Anweisungsbefugte eine multidimensionale Abwägungsentscheidung vorzunehmen. Während die Haushaltsordnung den Ausnahmecharakter eines Forderungsverzichts betont,73 wird es Aufgabe der Gemeinschaftsgerichte sein, unter Vertrauensschutzaspekten entsprechende Rechtspflichten zu formulieren.74
Art. 120 Abs. 2 EHO. EuG, Urteil vom 17. September 2003, T-137/01, Tz. 82 ff.; nun konkretisiert in Art. 180 Abs. 2 DVO -EHO. 70 Art. 119 Abs. 2 EHO; Art. 183 DVO - EHO. 71 Vgl. demgegenüber noch EuG, Urteil vom 17. September 2003, T-137/01, Tz. 12, 35ff.: Rückforderungsermächtigung aufgrund Empfängererklärung zum Zuwendungsbescheid. 72 Art. 73 Abs. 2 EHO; Art. 87 DVO - EHO. 73 S. insbesondere Art. 87 Abs. 1 DVO - EHO: „kann den Verzicht … nur aussprechen, wenn …“; auch die Kommission problematisiert allein den bisher unzureichenden Umfang von Wiedereinziehungen: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Fortschrittsbericht (Fn. 53), 73f.; dies., Tätigkeitsberichte (Fn. 63), 23f. 74 Zur Rechtslage vor Erlass der EHO: M. Rodi Die Subventionsrechtsordnung, 2000, 602, 618 f.; EuGH, Slg. 1987, 1005, Tz. 12 ff. Zur Geltung und Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben bei Finanzkorrekturen im Bereich zentraler Verwaltung: EuG, Slg. 2001, II-779, Tz. 86; prozessuale Schwierigkeiten könnten bei einer – allerdings abzulehnenden – Übertragung einer neueren Rechtsprechung zum Entscheidungsbegriff gemäß Art. 230 EG im Rahmen von Vertragsbeziehungen im Auftragswesen (EuG, Beschluss vom 25. November 2003, T-85/01, Tz. 50ff.) entstehen. 68 69
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d)
255
Kontrolle des finanzwirksamen Verwaltungshandelns der Kommissionsdienststellen
Als Nächstes ist zu fragen, mit welchen Kontrollinstrumenten die beschriebenen Verantwortungsstrukturen und Vergabegrundsätze durchgesetzt werden sollen. Vor dem Hintergrund beispielsweise der Gerichtszentriertheit des deutschen Verwaltungskontrollsystems75 einerseits sowie der britischen Tradition einer vorrangig politisch-parlamentarischen Verwaltungskontrolle76 andererseits verdient die Frage nach dem Zusammenspiel gerichtlicher, verwaltungsinterner und politisch-parlamentarischer Kontrollen im Gemeinschaftsrecht besondere Beachtung.77 aa) Gerichtliche Kontrollen sind bislang nur hinsichtlich des bereits angesprochenen Vertrauensschutzes bei Finanzkorrekturen praktisch bedeutsam. Insbesondere sind Konkurrentenklagen gegen Finanzhilfen der Gemeinschaft anders als im Bereich der Aufsicht über nationale Beihilfen bislang ohne Relevanz und ohnedies nur in eingeschränktem Umfang zulässig.78 Erst recht scheitern die im angloamerikanischen Verwaltungsrecht teilweise akzeptierten Public Interest- oder Steuerzahlerklagen weitestgehend an den Voraussetzungen des Art. 230 Abs. 4 EG .79
75 E. Schmidt-Aßmann Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 1998, 185 ff. 76 A. Tomkins Public Law, 2003, 168 f. 77 Nicht erörtert werden können die in Art. 27 Abs. 4 EHO und Art. 21 DVO - EHO vorgesehenen „outcome“-orientierten Evaluationsverfahren; s. exemplarisch den Abschlussbericht zur ersten und den Zwischenbericht zur zweiten Phase des Leonardo-Programms: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, KOM(2000) 863 endgültig; dies., KOM(2004) 152 endgültig; zu entsprechenden Ansätzen bei geteilter Mittelverwaltung s. unten III. 2. d). 78 Ohne Verfahrensbeteiligung etwa bei einer wettbewerblichen Ausschreibung von Finanzhilfen (hierzu am Beispiel der Auftragsvergabe durch Gemeinschaftsorgane: EuG, Slg. 2002, II-609; EuG, Slg. 2003, II-135) bedarf es für die Konkurrenten einer hinreichenden Individualisierung durch besondere Umstände: M. Burgi in: Rengeling/Middeke/Gellermann (Hrsg.) Handbuch des Rechtsschutzes in der EU, 2. Aufl. 2003, § 7 Rn. 71 f.; ausführlich: C. Nowak Konkurrentenschutz in der EG, 1997, 33ff.; zu Konkurrentenklagen bei der Beihilfeaufsicht: J.-P. Schneider DVBl 1996, 1301 ff.; C. Koenig/ M. Pechstein/C. Sander EU-/ EG-Prozessrecht, 2. Aufl. 2002, Rn. 430 ff. 79 M. Burgi (Fn. 78), § 7 Rn. 74. Zur britischen Diskussion: P. P. Craig Administrative Law, 5. Aufl. 2003, 726ff., insbesondere 743 ff.; C. Harlow/R. Rawlings Law and Administration, 2. Aufl. 1997, 542ff. S. zu den britischen Steuerzahlerklagen ferner P. Cane Administrative Law, 4. Aufl. 2004, 76 f.; UK Court of Appeal, [1985] Q.B. 657 (668) – Regina v. Her Majesty’s Treasury ex parte Smedley.
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bb) Im Bereich der administrativen Kontrolle wurde im Zuge der Kommissionsreform hingegen ein ganzes Netz von internen und externen Kontrollen und Kontrollinstitutionen errichtet. Ausgangspunkt der internen Kontrolle ist die umfassende Finanzverantwortung der Generaldirektoren.80 Unterstützt werden sie dabei innerhalb ihrer Generaldirektion durch einen Direktor für Ressourcen, dem vor allem Koordinationsaufgaben obliegen, und einer Auditstelle, die Prüfberichte über die Arbeit der Generaldirektion erstellt.81 Ergänzt werden diese dezentralen Kontrollstrukturen durch mehrere zentrale Einrichtungen auf Kommissionsebene: Art. 85 bis 87 EHO schreiben die Bestellung eines unabhängigen Internen Prüfers mit Auditfunktionen vor.82 In der Kommission wird seine Stellung zusätzlich gestärkt, indem ein mit drei Kommissaren und weiteren externen Experten besetzter Auditbegleitausschuss die Berichte des Internen Prüfers auswertet und die Umsetzung der darin enthaltenen Empfehlungen nachprüft.83 Schließlich wurde unter der Verantwortung der Haushaltskommissarin ein neuer Zentraler Finanzdienst mit Standardsetzungs- und Servicefunktionen eingerichtet.84 Eine externe Kontrolle des Kommissionshandelns erfolgt insbesondere durch den Europäischen Rechnungshof und den Europäischen Bürgerbeauftragten.85 Entsteht bei den erwähnten Prüfungen der Verdacht auf finanzielle Unregelmäßigkeiten oder gar Betrug, werden beratend ein unabhängiges Fachgremium auf Kommissionsebene86 sowie ermittelnd das Betrugsbekämpfungsamt OLAF87 eingeschaltet. 80 S. oben III . 1. a). Zu ihrer eventuellen persönlichen Haftung für Unregelmäßigkeiten: Art. 66 EHO iVm Art. 22 Beamtenstatut 2004. 81 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Fortschrittsbericht (Fn. 53), 68, 70 f.; dies., Die Reform der Kommission, Ein Weißbuch – Teil II, Aktionsplan, KOM(2000) 200 endgültig/2, 69f. 82 In der Kommission übernimmt diese Rolle der Interne Auditdienst unter der Verantwortung des für die Reform zuständigen Kommissionsvizepräsidenten: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Fortschrittsbericht (Fn. 53), 13, 70; dies., Weißbuch – Teil II (Fn. 81), 62f. 83 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Fortschrittsbericht (Fn. 53), 13 f., 71; dies., Weißbuch – Teil II (Fn. 81), 63 f. 84 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Fortschrittsbericht (Fn. 53), 68f.; dies., Weißbuch – Teil II (Fn. 81), 65f. 85 Art. 139 ff. EHO; Art. 246 ff., 195 EG . 86 Art. 66 Abs. 4 EHO; s. auch Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Fortschrittsbericht (Fn. 53), 74. 87 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Fortschrittsbericht (Fn. 53), 19; dies., Weißbuch – Teil I (Fn. 53), 26; zu OLAF: U. Hallmann-Häbler/U. Stiegel DRiZ 2003, 241 ff.; L. Kuhl/H. Spitzer EuR 35 (2000), 671 ff.; A. Berner, Die Untersuchungsbe-
Verwaltungsrechtliche Instrumente des Sozialstaates
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Nicht ohne Grund wird inzwischen angesichts der weitgehenden Dezentralisierung und Vervielfältigung von Kontrollstrukturen die Koordination und Kohärenz des Kontrollsystems problematisiert.88 cc) Die inneradministrative Kontrolle des Kommissionshandelns ist nach alledem inzwischen stark entwickelt und ausgefächert. Sie ist jedoch eher technokratischer Natur.89 Deswegen wird insbesondere in der angelsächsischen Verwaltungsrechtswissenschaft der politischen Kontrolle des Verwaltungshandelns als spezifisch demokratischem Kontrollelement ein hoher Rang eingeräumt.90 Zentrales Instrument der politischen Verwaltungskontrolle ist auf nationaler Ebene die parlamentarische Ministerverantwortung mit vorausgesetzten Weisungsrechten des Ministers an die nachgeordnete Verwaltung. Selbst wenn man mit guten Gründen der Distanz und systematischen Leistungsfähigkeit parlamentarischer Verwaltungskontrolle skeptisch gegenübersteht,91 sollte zumindest der Symbolwert politischer Kontrollmechanismen als Element eines mehrdimensionalen Kontrollarrangements nicht unterschätzt werden. Im Übrigen bleibt sogar eine eher virtuelle Parlamentskontrolle auf die Verwaltung nicht ohne Wirkung, insbesondere wenn sie an Erkenntnisse einer nachhaltigen administrativen Kontrolle anknüpfen kann. Insgesamt könnte auf diese Weise das in den Augen vieler Europäer bestehende Demokratiedefizit der Union jedenfalls im Bereich des Verwaltungshandelns gemindert werden.92
fugnisse des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) gegenüber dem Europäischen Parlament, 2004. 88 Europäisches Parlament, Entschließungsantrag (Fn. 50), Tz. 19; s. auch Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Fortschrittsbericht (Fn. 53), 19 f.; zum Spannungsverhältnis zwischen Dezentralisierung bzw. Delegation und zentraler Kontrolle bzw. Koordination: V. Mehde (Fn. 53), 427f., 443f. 89 C. Harlow (Fn. 44), 53ff. 90 Besonders akzentuiert bei A. Tomkins (Fn. 76), 168 f. 91 E. Schmidt-Aßmann (Fn. 44), 20. Über ein ausdifferenziertes und mit vergleichsweise großen Mitarbeiterressourcen ausgestattetes Ausschusswesen ist es im Vereinigten Königreich immerhin gelungen, auch unter den Gegebenheiten einer parlamentarischen Regierung und den Notwendigkeiten von Expertenwissen eine gehaltvolle parlamentarische Kontrolle zumindest in Ansätzen zu bewahren: A. Tomkins (Fn. 76), 162ff. 92 V. Mehde (Fn. 53), 440ff.; s. auch P. Dann European Law Journal 9 (2003), 549ff.; M. Cini The European Commission, 1996, 214; allgemein zum Demokratiedefizit der EU : G. Lübbe-Wolff Europäisches und nationales Verfassungsrecht, VVDStRL 60 (2001), 246 ff.; P. P. Craig in: ders./de Búrca (Hrsg.) The Evolution of EU Law, 1999, 1ff.; A. Moravcsik Journal of Common Market Studies 40 (2002), 603ff.; zum Demokratieprinzip des Konventsentwurfs für einen Europäischen Verfassungsvertrag: A. Peters CMLRev. 41 (2004), 37 ff.
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Inwieweit entsprechende Strukturen auf Unionsebene existieren und sinnvoll sind, ist ein großes und vielschichtiges Thema, dessen Erörterung in der europäischen Verwaltungsrechtswissenschaft erst am Anfang steht und hier nur skizziert werden kann. Unabhängig von der Leistungsfähigkeit ist nämlich bereits die rechtliche Existenz politischer Kontrollmechanismen ähnlich der Ministerverantwortlichkeit ungewiss. In seiner Entschließung vom April 2004 zur aktuellen Eurostat-Affäre hat das Europäische Parlament nicht zuletzt in diesen Unsicherheiten einen zentralen Grund für die fortbestehenden Missstände gesehen. Dementsprechend hat es strukturelle Veränderungen in den Beziehungen zwischen den Mitgliedern der Kommission und den Generaldirektionen gefordert, um „die politische Verantwortung der Kommissionsmitglieder für ihr Portfolio zu einem bedeutungsvollen Konzept zu machen“.93 Entgegen der bisher herrschenden Meinung scheiterten solche Veränderungen nicht an rechtlichen Hemmnissen.94 Zwar gilt für die Kommission das Kollegialitätsprinzip.95 Ihm stehen aber spätestens seit der Fassung von Nizza gleichgeordnet normative Aussagen gegenüber, die ein Ressortprinzip implizit enthalten oder seine Verwirklichung ermöglichen.96 Art. 217 EG sieht sogar ausdrücklich eine Aufgabengliederung und -teilung zwischen den Kommissionsmitgliedern vor. Er verpflichtet ferner den Kommissionspräsidenten, mit geeigneten Organisationsentscheidungen sicherzustellen, dass das Kommissionshandeln zwar einerseits auf Kollegialität beruht, aber andererseits auch effizient ist. Letzteres spricht für eine Arbeitsteilung. Ferner verpflichtet Art. 218 Abs. 2 S. 1 EG zum Erlass einer Geschäftsordnung, die ein ordnungsgemäßes Arbeiten der Kommission selbst und ihrer Generaldirektionen gewährleistet. Ressortverantwortlichkeit mit Weisungsrechten gegenüber den nachgeordneten Dienststellen gehört nach den demokratischen Prinzipien zumindest vieler Mitgliedstaaten zu den Gewährleistungen einer ordnungsgemäßen Auf-
Europäisches Parlament, Entschließungsantrag (Fn. 50) Tz. 7, 9 ff. So aber: V. Mehde (Fn. 53), 407ff.; ders. (Fn. 44), 429ff. mwN. Als Alternative bringt er eine stärkere politische Kontrolle der Generaldirektoren durch das Parlament für die ihnen zweifelsohne nachgeordneten Dienststellen in die Diskussion: V. Mehde (Fn. 44), 439, 441 f. 95 S. Art. 217 Abs. 1, 214 Abs. 2 UAbs . 3 S. 1 EG ; Art. 1, 13 Abs. 1 GO -Kommission. 96 M. Ruffert in: Calliess/ders. (Hrsg.) EUV/ EGV, 2. Aufl. 2002, Art. 217 EGV Rn. 4, aber ohne Stellungnahme zu den umstrittenen Weisungsrechten der Kommissionsmitglieder gegenüber den Generaldirektionen. 93 94
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gabenerfüllung.97 Deshalb überrascht es nicht und ist keineswegs primärrechtlich problematisch, dass Art. 3 und 16 Abs. 3 GO -Kommission genau diese Rechtsinstitute aufgreifen.98 Selbstverständlich dürfen auf diese Weise im Vertrag der Kommission ausdrücklich als Kollegium zugewiesene Entscheidungskompetenzen nicht ausgehebelt werden. Aber darum geht es im hier interessierenden Bereich, der Verantwortung für das administrative Handeln der Generaldirektionen, auch nicht. Es gibt also keine durchgreifenden prinzipiellen Einwände gegen klare politische Verantwortungszuschreibungen an einzelne Kommissionsmitglieder für die ihnen nachgeordneten Generaldirektionen. Dies schließt Schwierigkeiten in der rechtlichen Detailfestlegung natürlich nicht aus.99 Sie können hier jedoch ebenso wenig wie die genauen Verantwortungsmechanismen im Verhältnis zwischen Parlament bzw. Kommissionspräsident und einzelnen Kommissionsmitgliedern erörtert werden. 2.
Geteilte Programmdurchführung am Beispiel der Europäischen Struktur- und Kohäsionsfonds
Missbrauch von Gemeinschaftsmitteln ist nicht auf die zentrale Mittelverwaltung durch die Kommission beschränkt. Ganz im Gegenteil identifiziert der Europäische Rechnungshof den größten Teil missbräuchlich eingesetzter oder nicht ordentlich belegter Ausgaben im nunmehr zu behandelnden Bereich der zwischen Kommission und Mitgliedstaaten geteilten Mittelverwaltung.100 97 H. Dreier Hierarchische Verwaltung im demokratischen Staat, 1991; A. Tomkins (Fn. 76), 144ff.; für Frankreich: Art. 21, 49f. der französischen Verfassung, vgl. ferner: L. Favoreu Droit Constitutionnel, 5. Aufl. 2002, Rn. 560, 909, 958; Schweden bildet insofern eine Ausnahme, da die schwedische Verfassung (Regeringsformen) den Verwaltungsbehörden in Kap. 11 § 7 RF eine relativ selbstständige Stellung einräumt, s. hierzu auch: J. Ziller Parliamentary Affairs 2001, 102 (107); E. Holmberg/N. Stjernquist Vår författning, 12. Aufl. 2000, 182 ff. 98 S. auch Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Fortschrittsbericht (Fn. 53), Anhang 4 „Die Kommissionsmitglieder und die Dienststellen“. Die von der Gegenposition herangezogenen Art. 13 Abs. 1 und 17 GO -Kommission (s. V. Mehde [Fn. 53], 407, 409 mwN) widersprechen dem nicht. 99 Beispielsweise könnte die aus dem New Public Management bekannte und auch im Reformkonzept der Kommission integrierte Trennung zwischen politisch-strategischen und administrativen Entscheidungen dafür genutzt werden, die Kommissare gegen eine Verantwortung für administrative Unregelmäßigkeiten zu immunisieren: V. Mehde (Fn. 44), 435ff.; A. Tomkins (Fn. 76), 150 ff. 100 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Weißbuch – Teil I (Fn. 53), 22; Ausschuss unabhängiger Sachverständiger, Zweiter Bericht (Fn. 46), Tz. 3.17.; Rechnungshof, Jahresbericht 2002 (Fn. 63), Tz. 4.42., 4.49., 5.15.
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Die nach diesem Modell verwalteten Struktur- und Kohäsionsfonds101 gehören, wie eingangs erwähnt, zu den zentralen sozialpolitischen Instrumenten der Lissabon-Strategie. Sie dienen gemäß Art. 158 EG der Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts in der Gemeinschaft insbesondere durch die Verringerung regionaler Entwicklungsrückstände.102 Das deutsche Recht enthält das vergleichbare sozialstaatliche Gebot, gleichwertige Lebensverhältnisse zu gewährleisten. Die in den letzten Jahrzehnten erheblich gewachsene finanzielle Bedeutung der Struktur- und Kohäsionsfonds verdeutlicht die folgende Ta103 104 105 106 belle: Förderperiode
Gesamtumfang
1958–1969103
0,27 Mrd.
ECU105
6,35 %106
1970–1979105
5,48 Mrd. ECU105
8,25 %106
1980–1988105
38,89 Mrd. ECU105
13,64 %106
1989–1993105
70,28 Mrd. ECU105
26,97 %106
1994–1999105
145,43 Mrd. Euro105
32,36 %106
2000–2006104
217,22 Mrd. Euro105
32,99 %106
2007–2013105
Euro105
evtl. 36,20 %106
evtl. 336,10 Mrd.
Anteil am EG-Haushalt
101 Gemäß Art. 159 Abs. 1 S. 3 EG gehören der Europäische Sozialfonds, der Europäische Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft – Abteilung Ausrichtung (EAGFL-Ausrichtung) – und der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) zu den Strukturfonds. Sachlich gehört auch der seit Maastricht in Art. 161 Abs. 2 EG zwar gesondert, aber doch in unmittelbarer Nähe geregelte Kohäsionsfonds in den hier behandelten Gesamtkontext. 102 Weiter konkretisiert werden diese Ziele in der Strukturfonds-VO (Verordnung ( EG ) Nr. 1260/1999 des Rates vom 21. Juni 1999, ABl. EG 1999 Nr. L 161/1), die zudem für alle Fonds einheitliche Durchführungsverfahren festlegt. 103 Die Daten für die Förderperioden 1958–1999 sind dem Haushaltsvademekum der Gemeinschaft von 1999, 28–31 entnommen. 104 Die Daten sind der Aktualisierten Vorausschau 2000–2006, ebenfalls veröffentlicht im Haushaltsvademekum 1999, 105, entnommen. 105 Die Daten entstammen Art. 15 des Vorschlags der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Verordnung des Rates mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds und den Kohäsionsfonds vom 14. Juli 2004, KOM(2004) 492 endgültig (Struktur- und Kohäsionsfonds-VOV 2004), die Angaben sind ohne die Ausgaben für den EAGFL. 106 Die Daten für den Gesamthaushalt sind dem Überblick über den neuen Finanzrahmen 2007–2013, in: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, KOM(2004) 101 endgültig, 35, entnommen, in Preisen von 2004.
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Dem finanziellen Bedeutungszuwachs entspricht ein konzeptioneller Entwicklungsprozess. Eine grundlegende Reform erfuhren die Strukturfonds 1988 im Zusammenhang mit der Einheitlichen Europäischen Akte. Mitgliedstaaten wie Griechenland, Spanien und Portugal befürchteten für sich negative Rückwirkungen der in der Akte verankerten Binnenmarktpolitik. Sie forderten daher eine finanzielle Kompensation. Andererseits verlangten die Geberländer seit längerem eine bessere Kontrolle der Mittelverwendung.107 Diese Situation nutzte die Delors-Kommission zu einer ambitionierten Reform der Kohäsionspolitik.108 Delors wollte die Kohäsionspolitik zu einem gleichgewichtigen Widerpart der Liberalisierungspolitik werden lassen und zugleich den Einfluss der Kommission durch eine von ihr gesteuerte Netzwerkbildung erhöhen.109 Instrumente dieser Politik waren und sind insbesondere ein stärker strukturierter Programmplanungsansatz,110 das Konzept der Partnerschaft,111 die schärfere Kontrolle der Zusätzlichkeit europäischer Fördermittel112 sowie effektivere Finanzkontrollmechanismen.113 L. Hooghe in: dies. (Hrsg.) Cohesion Policy and European Integration, 1996, 1 (97f.). Zum Begriff der Kohäsionspolitik: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Eine neue Partnerschaft für die Kohäsion. Dritter Bericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt, KOM(2004) 107 endgültig. Die einschlägige Terminologie ist schwankend und könnte auf unterschwellige Meinungsunterschiede hinweisen: R. Priebe in: Schwarze (Hrsg.) EU-V/ EG-V, 2000, Art. 158 EGV Rn. 5. 109 L. Hooghe (Fn. 107), 88, 99f.; D. Tarschys Reinventing Cohesion – The Future of European Structural Policy, Report No. 17, 2003 (abrufbar unter: http://www.sieps.se/ _pdf/Publikationer/200317.pdf [Stand: 22. November 2004]), 55; s. auch: I. Bache The Politics of European Union Regional Policy, 1998. 110 Art. 9 lit. b, d, f, g, m und 15 bis 19 VO ( EG ) Nr. 1260/1999 (Strukturfonds-VO); teilweise kritische Analyse bei: Rechnungshof, Sonderbericht Nr. 7/2003, ABl. EU 2003 Nr. C 174/1; zum Problem der damit angestrebten Subventionszweckkoordinierung grundlegend: M. Rodi (Fn. 74), 212 ff., 440ff. 111 Art. 8 VO ( EG ) Nr. 1260/1999 (Strukturfonds-VO). Zuvor war die mitgliedstaatliche Zentralregierung einziger Ansprechpartner der Kommission. Über die Partnerschaft werden auch subnationale, d. h. regionale und lokale Akteure in ein Netzwerk mit der Kommission einbezogen. Als Partner kommen nicht nur öffentliche Stellen, sondern auch für die Kohäsionspolitik relevante Wirtschafts- und Sozialpartner sowie andere Nichtregierungsorganisationen in Betracht. Zur Anpassung in Deutschland: G. Eckstein Regionale Strukturpolitik als europäischer Kooperations- und Entscheidungsprozess, 2001, 267ff.; zu anderen Ländern s. die Berichte in: L. Hooghe (Fn. 107), 129 ff.; zum zugrunde liegenden Kooperationsprinzip: A. Benz in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.) Strukturen des Europäischen Verwaltungsrechts, 1999, 45ff.; zu demokratischen Aspekten: J. Scott Journal of Common Market Studies 36 (1998), 175 ff.; J. Olsson Journal of European Public Policy 10 (2003), 283ff. 112 Art. 11 VO ( EG ) Nr. 1260/1999 (Strukturfonds-VO). 113 Art. 38f. VO (EG) Nr. 1260/1999 (Strukturfonds-VO); Verordnung (EG) Nr. 438/2001 der Kommission vom 2. März 2001, ABl. EG 2001 Nr. L 63/21; Verordnung (EG) 107
108
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a)
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Verantwortungsverbund bei der geteilten Mittelverwaltung
Die konkrete Projektauswahl und Mittelauszahlung an die Endbegünstigten obliegt bei der geteilten Mittelverwaltung den Mitgliedstaaten bzw. den von ihnen benannten Verwaltungsbehörden und Zahlstellen.114 Zudem wird das Rechtsverhältnis zum Endbegünstigten wegen des weitgehenden Mangels an gemeinschaftsrechtlichen Regelungen durch die unterschiedlichen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen bestimmt. Der Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft wird damit in erheblichem Umfang den Mitgliedstaaten überantwortet. Dies berührt die haushaltsrechtliche Letztverantwortung der Kommission gemäß Art. 274 Abs. 1 EG nachhaltig. Die konkrete Ausgestaltung dieser finanzrechtlichen Verbundverwaltung115 erfolgt im Spannungsfeld von institutioneller Autonomie der Mitgliedstaaten, gemeinschaftsrechtlichen Gleichbehandlungs- und Effektivitätsgeboten sowie dem nationale und europäische Interessen ausgleichenden Verhältnismäßigkeitsprinzip. b)
Mitgliedstaatliche Finanzkontrolle
Auch die Finanzkontrolle obliegt im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung primär den Mitgliedstaaten. Dabei ist zwischen der Gewährleistung eines hinreichenden Prüf- und Kontrollsystems116 und der ggf. notwendigen Durchführung von Finanzkorrekturen117 durch den Mitgliedstaat zu unterscheiden. Das mitgliedstaatliche Prüf- und Kontrollsystem ist eng mit der Verwaltung der Strukturfondsmittel verkoppelt. Das System muss gewährleisten, dass Strukturmittel den Endbegünstigten nur bewilligt und ausgezahlt werden, wenn Nr. 448/2001 der Kommission vom 2. März 2001, ABl. EG 2001 Nr. L 64/13; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Handbuch zur Prüfung der Verwaltungs- und Kontrollsysteme für die Finanzkontrolle der Strukturfonds in den Mitgliedstaaten vom 12. Mai 1999. 114 Art. 8 Abs. 3; 34 Abs. 1; 38 Abs. 1; 39 Abs. 1 VO ( EG ) Nr. 1260/1999 (Strukturfonds-VO). 115 Zu unterscheiden sind dabei die Verfahren der finanziellen Abwicklung (Art. 31 ff. VO (EG) Nr. 1260/1999 [Strukturfonds-VO]) und der Finanzkontrolle (Art. 38 ff. VO (EG) Nr. 1260/1999 [Strukturfonds-VO]). 116 Die zentralen Bestimmungen hierzu finden sich in Art. 38 Abs. 1 VO ( EG ) Nr. 1260/1999 (Strukturfonds-VO) und den Durchführungsregeln der VO ( EG ) Nr. 438/2001; zu weiteren einschlägigen Bestimmungen: H. Holzwart Der rechtliche Rahmen für die Verwaltung und Finanzierung der gemeinschaftlichen Strukturfonds am Beispiel des EFRE , 2003, 289. 117 Die zentralen Bestimmungen hierzu finden sich in Art. 39 Abs. 1 VO ( EG ) Nr. 1260/1999 (Strukturfonds-VO) und den Durchführungsregeln der VO ( EG ) Nr. 448/2001.
Verwaltungsrechtliche Instrumente des Sozialstaates
263
– die Auswahlkriterien des Programms erfüllt sind, – Zuschussfähigkeit vorliegt, – das Gemeinschaftsrecht und die einschlägigen Gemeinschaftspolitiken im Allgemeinen sowie die Bedingungen der Kommissionsentscheidung über die Fondsbeteiligung im Besonderen eingehalten sowie – die Fondsmittel wirtschaftlich verwendet werden.118 Die Einhaltung dieser offenkundig komplexen Verwaltungsmaßstäbe muss der Mitgliedstaat unter anderem durch Stichprobenkontrollen vor Ort sicherstellen. Dabei muss er vom Gemeinschaftsrecht festgelegte quantitative und qualitative Kontrollstandards einhalten.119 Werden durch die beschriebenen Kontrollen „Unregelmäßigkeiten“120 aufgedeckt, ist der Mitgliedstaat zur Durchführung von Finanzkorrekturen verpflichtet.121 Sie können in der Streichung oder Kürzung der Gemeinschaftsbeteiligung sowie ggf. der anschließenden Rückforderung oder Wiedereinziehung der Fondsmittel vom Endbegünstigten bestehen. Die Festsetzung der mitgliedstaatlichen Finanzkorrekturen erfolgt nach nationalem Verfahrensrecht.122 Wie bei der auf Gemeinschaftspflichten beruhenden Rückforderung rein mitgliedstaatlicher Beihilfen sind die Gebote der Nichtdiskriminierung und effektiven Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts zu beachten.123 c)
Kommissionseigene Finanzkontrolle
Trotz dieser detaillierten Vorgaben für die Mitgliedstaaten sind in beachtlichem Umfang finanzielle Unregelmäßigkeiten zu Lasten der europäischen Strukturfonds zu beobachten.124 Diese sind nicht allein den Endbegünstigten zuzurechnen. Vielfach werden auch die Mitgliedstaaten 118 Art. 38 Abs. 1 lit. a, c, g VO ( EG ) Nr. 1260/1999 (Strukturfonds-VO); Art. 2, 4, 9 Abs. 2 lit. b VO (EG) Nr. 438/2001. 119 Art. 10 ff. VO ( EG ) Nr. 438/2001: Konzentration auf systematische Unregelmäßigkeiten unter Nutzung von Risikoanalysen; Stichprobenkontrolle bei repräsentativen zuschussfähigen Ausgaben im Umfang von mindestens 5 %; Unabhängigkeit und Objektivität der kontrollierenden Stellen; Dokumentationspflichten. 120 Dieses zentrale Tatbestandsmerkmal wird in Art. 1 Abs. 2 Verordnung ( EG , Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 (ABl. EG 1995 Nr. L 312/1) für das gesamte Gemeinschaftsrecht legaldefiniert. Zu notwendigen Anpassungen dieser Definition im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung: H. Holzwart (Fn. 116), 296ff. 121 Art. 38 Abs. 1 lit. h, 39 Abs. 1 VO ( EG ) Nr. 1260/1999 (Strukturfonds-VO); Art. 2, 3 VO ( EG) Nr. 448/2001. 122 Dementsprechend ist Rechtsschutz gegen mitgliedstaatliche Festsetzungen von Finanzkorrekturen vor den nationalen Gerichten zu suchen, die ihrerseits ggf. ein Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 234 EG einleiten können: H. Holzwart (Fn. 116), 302. 123 H. Holzwart (Fn. 116), 300. 124 S. oben Fn. 100.
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ihrer Verantwortung nicht gerecht. Selbst der Umstand, dass im Strukturbereich schon immer eine Kofinanzierung durch die Mitgliedstaaten erfolgt, stellt die erwünschte Kooperationsbereitschaft offenbar nicht in hinreichendem Maße sicher.125 Aus diesem Grund schreibt die Strukturfonds-VO der Kommission zur Wahrung ihrer Haushaltsverantwortung eigenständige Kontrollpflichten und -befugnisse zu.126 Hauptinstrument der kommissionseigenen Kontrolle sind jährliche Prüfungen und Bewertungen der mitgliedstaatlichen Kontrollsysteme und -ergebnisse.127 Die Kommission beschränkt sich bei alledem grundsätzlich auf eine Kontrolle der Kontrolle, wobei der Schwerpunkt dieser kooperativ nachvollziehenden Finanzkontrolle128 auf der Systemkontrolle liegt. Unterlässt der Mitgliedstaat von der Kommission geforderte Abhilfemaßnahmen, sind weiter gehende Kommissionsanordnungen möglich.129 Werden erhebliche Unregelmäßigkeiten festgestellt und ist unmittelbares Handeln erforderlich, kann die Kommission Zwischenzahlungen an den Mitgliedstaat vorläufig aussetzen.130 Eine endgültige Streichung der Gemeinschaftsbeteiligung steht im Ermessen der Kommission, wenn es auch nach einer weiteren partnerschaftlichen Anhörung des Mitgliedstaats nicht zu einer Einigung über die vom Mitgliedstaat zu treffenden Finanzkorrekturen oder sonstigen Maßnahmen kommt.131 Wurden bereits zu Unrecht Beträge an den Mitgliedstaat ausgezahlt, muss er diese an die Kommission zurückzahlen.132
125 Dies sollte zu hohe Erwartungen an die Wirksamkeit einer entsprechenden Reform der Agrarbeihilfen, wie sie gegenwärtig diskutiert wird („Die Eurostat-Affäre kann sich wiederholen“ – Interview mit D. Theato MEP, FAZ vom 3. Mai 2004, 15), dämpfen. 126 Art. 38 Abs. 2 bis 6 VO ( EG ) Nr. 1260/1999 (Strukturfonds-VO). 127 Art. 38 Abs. 3 UAbs. 2 VO ( EG ) Nr. 1260/1999 (Strukturfonds-VO). 128 Zum vergleichbaren Konzept der nachvollziehenden Amtsermittlung: J.-P. Schneider Nachvollziehende Amtsermittlung bei der Umweltverträglichkeitsprüfung, 1990. 129 Das europäische Strukturfondsrecht bezeichnet diese Befugnisse zusammenfassend als Finanzkorrekturen durch die Kommission (Kapitel III der VO (EG) Nr. 448/2001; s. auch Art. 100 Struktur- und Kohäsionsfonds-VOV 2004, [Fn. 105]). Im Agrarbereich hat sich im Rahmen des Rechnungsabschlussverfahrens für weitgehend vergleichbare Befugnisse der Terminus der Anlastung eingebürgert: H. Holzwart (Fn. 116), 302ff. Unberührt von alledem bleiben im Übrigen etwaige beihilferechtlichen Verpflichtungen zur Rückforderung nationaler Beihilfen oder Kofinanzierungsanteile: Art. 7 Abs. 3 VO (EG) Nr. 448/2001. 130 Art. 38 Abs. 5 VO ( EG ) Nr. 1260/1999 (Strukturfonds-VO); nicht ganz klar ist das Verhältnis zu der jedenfalls teilweise redundanten Aussetzungsbefugnis gemäß Art. 39 Abs. 2 UAbs. 1 VO (EG) Nr. 1260/1999 (Strukturfonds-VO). 131 Art. 39 Abs. 2 und 3 VO ( EG ) Nr. 1260/1999 (Strukturfonds-VO). 132 Art. 39 Abs. 4 VO ( EG ) Nr. 1260/1999 (Strukturfonds-VO).
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Bei den kommissionseigenen Finanzkorrekturen ist der bereichsspezifisch durch die Verordnungen konkretisierte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten.133 Berücksichtigung finden danach Art und Umfang der Unregelmäßigkeit bzw. der Kontrollsystemmängel sowie deren finanzielle Auswirkungen. Letztere werden häufig nicht genau ermittelbar sein. Deshalb werden ausdrücklich Extrapolationen aufgrund repräsentativer Stichproben sowie an der Bedeutung einer Regelverletzung ausgerichtete Pauschalsätze zugelassen.134 d)
Evaluationsverfahren
Die vorstehend diskutierten Finanzkontrollverfahren sind in der Sprache des New Public Management „output“-orientiert, da sie im Wesentlichen die Durchführung und Rechtmäßigkeit individueller Finanztransaktionen kontrollieren. Die Strukturfonds-VO sieht darüber hinaus ein komplexes und aufwändig miteinander verkoppeltes System „outcome“-orientierter Evaluationen vor. Sie überprüfen die generelle Effektivität und Effizienz der Strukturprogramme.135 Ein besonders interessantes Systemelement stellt die programmspezifische Begleitung dar. Sie tendiert zu einer weichen Steuerung mit dem Ziel autonomer Lernprozesse und ist damit eine Ausprägung der zwischen Kommission und Mitgliedstaaten geteilten Mittelverwaltung. e)
Ausblick auf die Programmplanungsperiode ab 2006
Am 14. Juli 2004 hat die Kommission Verordnungsvorschläge für die Rechtsgrundlagen der nächsten Förderperiode von 2007 bis 2013 unterbreitet.136 Weitgehend handelt es sich um eine im Detail optimierende
133 Art. 39 Abs. 3 UAbs . 2 VO ( EG ) Nr. 1260/1999 (Strukturfonds-VO); Art. 4 Abs. 1, 2 VO ( EG) Nr. 448/2001; zum dahinter stehenden Gesamtkomplex des Interessenaus-
gleichs zwischen Union und Mitgliedstaaten bei der Subventionszweckverwirklichung: M. Rodi (Fn. 74), 622ff. 134 Art. 4 Abs. 1, 2 VO ( EG ) Nr. 448/2001. 135 Effektivität bzw. Wirksamkeit meint dabei den Grad der Zielerreichung und Effizienz bzw. Wirtschaftlichkeit, das Verhältnis von Ergebnissen (Nutzen) und eingesetzten Ressourcen (Kosten): vgl. Art. 27 Abs. 2 EHO; s. ferner: H. Holzwart (Fn. 116), 310; s. auch: M. Rodi (Fn. 74), 738ff.; kritisch zur Nutzung von tendenziell die Erfolge überbetonenden ökonomischen Modellen im Rahmen der Evaluationen: D. Tarschys (Fn. 109), 51 f.; zur strukturellen Benachteiligung besonders verwaltungsschwacher Regionen: S. de Rynck/P. McAleavey Journal of European Public Policy 8 (2001), 541 ff.; D. Bailey/L. de Propis Journal of European Public Policy 9 (2002), 408ff.; A. Evans Legal Issues of Economic Integration 30 (2003), 201 ff. 136 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Strukturfonds- und Kohäsionsfonds-VOV 2004 (Fn. 105).
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Fortschreibung der bisherigen Kohäsionspolitik.137 Im Bereich der Finanzkontrolle werden zum Zwecke der Verfahrensvereinfachung,138 Dezentralisierung139 sowie klareren Verantwortungsverteilung verschiedene Änderungen vorgeschlagen.140 Die Kommission will ihre Bewertungen noch stärker auf die Ergebnisse nationaler Kontrollen stützen und eigene Kontrollen auf außergewöhnliche Umstände begrenzen.141 Gerechtfertigt wird dies mit erhöhten qualitativen und organisatorischen Mindeststandards für die mitgliedstaatlichen Finanzkontrollsysteme.142 3.
Bilanz und Ausblick
Eine zentrale und geteilte Mittelverwaltung umfassende Bilanz lässt folgende gemeinsame Entwicklungslinien hervortreten:143 Beide Bereiche haben in der Vergangenheit erhebliche Kontrolldefizite aufgewiesen, was zu Vertrauensverlusten geführt hat. Als Gegenmaßnahmen werden mit jeweils spezifischer Ausformung Strategien der strukturierten Dezentralisierung von Finanzverantwortung und deren Integration mit der operativen Sachverantwortung verfolgt. Gerichtliche Kontrolle gewinnt nur für einzelne subjektivrechtliche Aspekte Bedeutung. Sie ist aber nur wenig geeignet, das Allgemeininteresse an einer effektiven und effizienten Durchführung europäischer Sozialprogramme durchzusetzen. In das Zentrum rücken stattdessen vielfältige administrative Kontrollmechanis-
137 Interessant ist jedoch der eigenständige – allerdings noch nicht hinreichend durchdachte und eher auf der symbolischen Ebene anzusiedelnde – Vorschlag für eine Verordnung bezüglich der Schaffung eines Europäischen Verbunds für grenzüberschreitende Zusammenarbeit: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, KOM(2004) 496 endgültig; für einen grundlegenden Paradigmenwechsel plädiert hingegen: D. Tarschys (Fn. 109); weniger weitreichend: Akademie für Raumforschung und Landesplanung, ARL-Nachrichten 3/2004, 3ff. 138 Zur vorangegangenen Diskussion: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung vom 25. April 2003 über die Vereinfachung, Klärung, Koordinierung und Flexibilität der Verwaltung der Strukturpolitik 2000–2006, C (2003) 1255; Ausschuss der Regionen, Prospektivbericht „Management und Vereinfachung der Strukturfonds nach 2006“, ABl. EU 2003 Nr. C 256/1. 139 Zur Diskussion über eine zunehmende Renationalisierung der Strukturpolitik seit 1993: J. B. Sutcliffe Journal of European Public Policy 7 (2000), 290ff. 140 Art. 57 ff. Struktur- und Kohäsionsfonds-VOV 2004 (Fn. 105). 141 S. insbesondere Art. 72 Abs. 3 Struktur- und Kohäsionsfonds-VOV 2004 (Fn. 105). 142 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Struktur- und KohäsionsfondsVOV 2004 (Fn. 105), 11; zu vergleichbaren Zertifizierungsverfahren: H. C. Röhl Akkreditierung und Zertifizierung im Produktzulassungsrecht, 2000; G. Sydow Verwaltungskooperation in der Europäischen Union, 2005. 143 Zum Folgenden s. auch: E. Schmidt-Aßmann (Fn. 44), insbesondere 31 ff., 37 f., 40 ff.
Verwaltungsrechtliche Instrumente des Sozialstaates
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men, wobei System- vor Punktkontrollen in Form einer nachvollziehenden Finanzkontrolle dominieren. Eine Bewertung dieser Entwicklungen sollte die von Schmidt-Aßmann formulierte „Adäquanzregel“ zum Ausgangspunkt wählen. Danach bestimmen die einschlägigen Verwaltungsmaßstäbe das Kontrollinstrumentarium und das erforderliche Kontrollniveau.144 Bezüglich der Verwaltungsmaßstäbe ist die aktuelle Debatte auf EG-Ebene zu sehr auf den Schutz der finanziellen Gemeinschaftsinteressen verengt. Dies ist eine vorrangig technokratische Perspektive. Als Alternative kommen die Ziele der Rechtmäßigkeit und – spezifisch sozialstaatlich – der Werthaltigkeit in Betracht. Der zweite Maßstab greift die britische „value for money“-Diskussion145 über Effizienz und Effektivität des sozialstaatlichen Verwaltungshandelns auf. Der vor allem konditional programmierte Maßstab der Rechtmäßigkeit legt die Verwendung klassischer gerichtlicher oder zumindest gerichtsähnlicher Kontrollstrukturen etwa zum Konkurrentenschutz bei der Vergabe europäischer Finanzhilfen oder zum Schutz vor übermäßigen Belastungen für Leistungsempfänger nahe. Der final programmierte Maßstab der Werthaltigkeit erklärt und rechtfertigt den Bedeutungszuwachs administrativer Auditkontrollen mit einer für sie typischen Verzahnung von handlungs-, dienst- und haushaltsrechtlichen Kriterien und Umsetzungsmechanismen. Administrative Selbstkontrollen sind allerdings im Vergleich zur bisher paradigmatischen Gerichtskontrolle mit deutlichen Distanz- und Neutralitätsverlusten verbunden. Überdies steht das administrative Kontrollsystem auf europäischer Ebene in der Gefahr einer Überpluralisierung und Überbürokratisierung. Schlankere und gleichwohl zupackende Kontrollarrangements erscheinen wünschenswert. Daneben muss ausgelotet werden, inwieweit die politisch-parlamentarische Verwaltungskontrolle aufgewertet und mit den administrativen Kontrollmechanismen verkoppelt werden kann und soll. Die hiermit aufgeworfenen Fragen betreffen den Einzelnen nicht unmittelbar als Empfänger sozialstaatlicher Leistungen, sehr wohl aber als Unionsbürger. Als solcher darf er erwarten, dass mit seinen Steuergeldern zweckgemäß und verantwortungsvoll umgegangen wird. Dazu bedarf es demokratischer Kontrollstrukturen, die systematisch ein entsprechendes Verwaltungshandeln gewährleisten. Unter den Bedingungen des europäischen Mehrebenensystems und der beteiligten bürokratischen Großorganisationen sind solche Strukturen zwangsweise komplexer und abstrakter Natur. Gleichwohl sollten demokratisch-sozialstaatliche Erwartungen, Verantwortung konkret werden zu lassen und damit 144 145
E. Schmidt-Aßmann (Fn. 44), 42, 40. C. Harlow/R. Rawlings (Fn. 79), 134 ff.
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in Grenzen zu personifizieren, auf europäischer Ebene größeres Gewicht erhalten. Dabei muss man Widerstände einkalkulieren, haben sich doch die Regierungen der Mitgliedstaaten und Kommissionsangehörige durch die bestehende verantwortungsverwischenden Organisationsstrukturen bislang weitgehend erfolgreich gegen Kritik immunisiert. Die maßgeblichen Akteure sollten jedoch bedenken, dass das europäische Integrationsprojekt auch an Ohnmachtsgefühlen gegenüber einer gesichtslosen Bürokratie, wie sie im Eingangszitat ihren Ausdruck fanden, scheitern kann. Der in beinahe allen Mitgliedstaaten zu spürende Druck, die Entscheidungen über den Europäischen Verfassungsvertrag unter Beteiligung der Bevölkerung zu treffen, ist ein deutliches Signal.
Verwaltungsrechtliche Instrumente des Sozialstaates
269
Leitsätze des 2. Berichterstatters über:
Verwaltungsrechtliche Instrumente des Sozialstaates I.
Eine europäische Perspektive
(1) Eine europäische Perspektive auf das vorliegende Thema soll nicht unterstellen, dass es einen europäischen Sozialstaat gäbe. Es genügt die Feststellung, dass das europäische Recht zunehmend auch soziale Ziele verfolgt oder auf sozialstaatliche Instrumente der Mitgliedstaaten einwirkt.
II.
Die Europäisierung der nationalen Solidargemeinschaften und des nationalen Leistungsverwaltungsrechts
1.
Der Nationalstaat als herkömmlicher Rahmen sozialer Solidarität
(2) Sozialpolitische Initiativen können den wirtschaftlichen, sozialen und politischen Zusammenhalt befördern. Dies gelingt aber nur, wenn sie das Solidaritätspotenzial der Zahlenden nicht überfordern. Erschwert wird die Aufgabe auf Gemeinschaftsebene dadurch, dass sich in den letzten 120 Jahren in den Mitgliedstaaten unterschiedliche Sozialmodelle herausgebildet haben. 2.
Eingeschränkte Europäisierung durch die Verordnungen zur Sozialrechtskoordinierung
(3) Die Regelungen des koordinierenden EG-Sozialrechts eröffnen eingeschränkte Möglichkeiten zur grenzüberschreitenden Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen. Zum Schutz der finanziellen Interessen der kostentragenden Stellen sind nur angemessene und von ihnen genehmigte Behandlungen erstattungsfähig. Hinsichtlich der verordnungsrechtlichen Genehmigungskriterien haben sich durch die im Mai 2004 beschlossene Verordnung zur Sozialrechtskoordinierung Veränderungen ergeben. 3.
Weiter gehende Europäisierung durch die Kohll/Decker-Rechtsprechung
(4) Schon lange vor der aktuellen Novellierung wurden die Rahmenbedingungen für die Inanspruchnahme grenzüberschreitender Behandlungsleistun-
270
Jens-Peter Schneider
gen durch die bekannte Kohll/Decker-Rechtsprechung des EuGH erheblich modifiziert. Dabei traten unmittelbar aus den Grundfreiheiten abgeleitete Rechtspositionen der Patienten neben die verordnungsrechtlichen. (5) Die Rechtsprechung hat beachtliche Auswirkungen auf wichtige sozialrechtliche Instrumente der Mitgliedstaaten wie vertragsrechtlich verankerte Qualitätssicherungssysteme oder angebotssteuernde Instrumente zum Schutz der finanziellen Stabilität im ambulanten Bereich. (6) Ein weiteres Beispiel für drohende Funktionseinbußen nationaler Steuerungsinstrumente durch die Kohll/Decker-Rechtsprechung bieten die in vielen Mitgliedstaaten bekannten Wartelisten für medizinische Dienstleistungen. (7) Der EuGH argumentiert mit faktischen Schranken für einen Gesundheitstourismus, wodurch die passive Dienstleistungsfreiheit zu einem Privileg für eine europäische Elite mutiert. 4.
Europäisierung nationaler Solidargemeinschaften durch regulative Marktorganisation als Alternative
(8) Überzeugender wäre es, wenn der EuGH an seine vorsichtigere Rechtsprechung zu Ausgestaltungskompetenzen und Ausgestaltungsaufträgen bei der Liberalisierung anderer komplexer wirtschaftlicher Systeme anknüpfte. Eine nachhaltige Liberalisierung solcher Sektoren verlangt nämlich konzeptionell anspruchsvolle legislative Maßnahmen im Sinne einer regulativen Marktorganisation. Die Rechtsprechung stößt insoweit an Funktionsgrenzen.
III. Instrumente der Verwaltungskontrolle beim Vollzug europäischer Sozialprogramme (9) Ein Hauptproblem beim Vollzug europäischer Sozialprogramme ist der Einbau geeigneter Instrumente der Verwaltungskontrolle. Das Sozialrecht avanciert damit zum Referenzgebiet des Europäischen Verwaltungsrechts. 1.
Reform der zentralen Programmdurchführung
(10) Kernelemente des Reformkonzepts der Prodi-Kommission sind Aufgabenkritik und aufgabenadäquate Ressourcenzuweisung, kommissionsinterne Einführung verbesserter finanzieller Rechenschafts- und Kontrollstrukturen, eine leistungsorientierte Modernisierung des Beamtenstatuts, eine stärker strukturierte und kontrollierte Externalisierungspolitik sowie die Entwicklung einer verantwortungsorientierten Verwaltungskultur.
Verwaltungsrechtliche Instrumente des Sozialstaates
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a) Finanzverantwortung der Kommissionsdienststellen (11) Die neue Europäische Haushaltsordnung führt zu einer erheblichen Dezentralisierung der Finanzverantwortung in die operativen Generaldirektionen. Sie wird dadurch direkt mit der inhaltlichen Verantwortung für die Erreichung der Programmziele verbunden. Mit den Generaldirektoren wurden die ranghöchsten Fachbeamten mit der Funktion der bevollmächtigten Anweisungsbefugten betraut. Sie sind nunmehr die zentralen Glieder der Finanzverantwortungskette. b)
Allgemeine Grundsätze der Vergabe europäischer Finanzhilfen
(12) Ebenso wie für die Vergabe öffentlicher Aufträge enthält die reformierte Europäische Haushaltsordnung nun auch allgemeine Regeln für die Vergabe von Finanzhilfen. Das Gewährungsverfahren ist auf eine zumindest quasi-wettbewerbliche Auswahlentscheidung durch die Anweisungsbefugten ausgerichtet. c)
Finanzkorrekturen gegenüber den Begünstigten
(13) Der Kommission stehen im Verhältnis zu den Begünstigten einseitige Anordnungsrechte zur Wahrung der finanziellen Gemeinschaftsinteressen unabhängig von den Bestimmungen der zweiseitigen Finanzierungsvereinbarung zu. Die allgemeinen Regeln der Europäischen Haushaltsordnung sehen Möglichkeiten des Forderungsverzichts aus Gründen der Verhältnismäßigkeit vor. Es wird Aufgabe der Gemeinschaftsgerichte sein, unter Vertrauensschutzaspekten entsprechende Rechtspflichten zu formulieren. d)
Kontrolle des finanzwirksamen Verwaltungshandelns der Kommissionsdienststellen
(14) Gerichtliche Kontrollen sind bislang nur hinsichtlich des bereits angesprochenen Vertrauensschutzes bei Finanzkorrekturen praktisch relevant geworden. (15) Im Bereich der administrativen Kontrolle wurde hingegen im Zuge der Kommissionsreform ein ganzes Netz von internen und externen Kontrollen und Kontrollinstitutionen errichtet. Nicht ohne Grund wird inzwischen angesichts der weitgehenden Dezentralisierung und Vervielfältigung von Kontrollstrukturen die Koordination und Kohärenz des Kontrollsystems problematisiert. (16) Selbst wenn man mit guten Gründen skeptisch gegenüber der Distanz und systematischen Leistungsfähigkeit parlamentarischer Verwaltungskontrolle ist, sollte der Symbolwert politischer Kontrollmechanismen als Element eines mehrdimensionalen Kontrollarrangements nicht unterschätzt werden. Dementsprechend hat das Europäische Parlament strukturelle Veränderungen in
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den Beziehungen zwischen den Mitgliedern der Kommission und den Generaldirektionen gefordert, um „die politische Verantwortung der Kommissionsmitglieder für ihr Portfolio zu einem bedeutungsvollen Konzept zu machen“. Entgegen der bisher herrschenden Meinung scheiterten solche Veränderungen nicht an rechtlichen Hemmnissen. 2.
Geteilte Programmdurchführung am Beispiel der Europäischen Struktur- und Kohäsionsfonds
(17) Missbrauch von Gemeinschaftsmitteln ist nicht auf die zentrale Mittelverwaltung durch die Kommission beschränkt. Die in den letzten Jahrzehnten erheblich gewachsene finanzielle Bedeutung der Struktur- und Kohäsionsfonds verdeutlicht die folgende Tabelle: Förderperiode
Gesamtumfang
Anteil am EG-Haushalt
1958–1969
0,27 Mrd. ECU
6,35 %
1970–1979
5,48 Mrd. ECU
8,25 %
1980–1988
38,89 Mrd. ECU
13,64 %
1989–1993
70,28 Mrd. ECU
26,97 %
1994–1999
145,43 Mrd. Euro
32,36 %
2000–2006
217,22 Mrd. Euro
32,99 %
2007–2013
evtl. 336,10 Mrd. Euro
evtl. 36,20 %
(18) Dem finanziellen Bedeutungszuwachs entspricht ein konzeptioneller Entwicklungsprozess. Instrumente dieser Politik sind insbesondere ein stärker strukturierter Programmplanungsansatz, das Konzept der Partnerschaft, die schärfere Kontrolle der Zusätzlichkeit europäischer Fördermittel sowie effektivere Finanzkontrollmechanismen. a)
Verantwortungsverbund bei der geteilten Mittelverwaltung
(19) Der Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft wird im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung in erheblichem Umfang den Mitgliedstaaten überantwortet. Dies berührt die haushaltsrechtliche Letztverantwortung der Kommission gemäß Art. 274 Abs. 1 EG nachhaltig. Die konkrete Ausgestaltung dieser finanzrechtlichen Verbundverwaltung erfolgt im Spannungsfeld von institutioneller Autonomie der Mitgliedstaaten, gemeinschaftsrechtlichen Gleichbehandlungs- und Effektivitätsgeboten sowie dem nationale und europäische Interessen ausgleichenden Verhältnismäßigkeitsprinzip.
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b)
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Mitgliedstaatliche Finanzkontrolle
(20) Auch die Finanzkontrolle obliegt im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung primär den Mitgliedstaaten. Dabei ist zwischen der Gewährleistung eines hinreichenden Prüf- und Kontrollsystems und der ggf. notwendigen Durchführung von Finanzkorrekturen durch den Mitgliedstaat zu unterscheiden. c)
Kommissionseigene Finanzkontrolle
(21) Die Strukturfonds-VO sieht zur Wahrung der haushaltsrechtlichen Letztverantwortung der Kommission für diese eigenständige Kontrollpflichten und -befugnisse vor. Die Kommission beschränkt sich bei alledem grundsätzlich auf eine nachvollziehende Kontrolle der Kontrolle und zwar vorrangig auf Systemkontrolle. d)
Evaluationsverfahren
(22) Die Strukturfonds-VO sieht darüber hinaus ein komplexes und aufwändig miteinander verkoppeltes System „outcome“-orientierter Evaluationen vor. e)
Ausblick auf die Programmplanungsperiode ab 2006
(23) Am 14. Juli 2004 hat die Kommission Verordnungsvorschläge für die Rechtsgrundlagen der nächsten Förderperiode von 2007 bis 2013 unterbreitet. Weitgehend handelt es sich um eine nur im Detail optimierende Fortschreibung der bisherigen Kohäsionspolitik. 3.
Bilanz und Ausblick
(24) Eine zentrale und geteilte Mittelverwaltung umfassende Bilanz lässt gemeinsame Entwicklungslinien hervortreten. Eine Bewertung dieser Entwicklungen sollte die von Schmidt-Aßmann formulierte „Adäquanzregel“ zum Ausgangspunkt wählen. Danach bestimmen die einschlägigen Verwaltungsmaßstäbe das Kontrollinstrumentarium und das erforderliche Kontrollniveau.
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Aussprache
3. Aussprache und Schlussworte
Verwaltungsrechtliche Instrumente des Sozialstaates Vorsitzender (Dreier): Es liegen erfreulich viele Wortmeldungen vor, die wir auch gerne alle im vorgesehenen Zeitrahmen hören würden, ohne unsere ohnehin kurze Mittagspause allzu sehr zu beschneiden. Deshalb beginnen wir unsere Aussprache ohne Verzug. Die schlichte Einteilung in zwei Komplexe (zuerst die Rechtslage in Deutschland, dann die europarechtliche Seite) hat offenbar wenig Probleme gemacht. Wir beginnen mit dem ersten Themenkomplex. Ich möchte Herrn Badura bitten, unsere Aussprache zu eröffnen. Badura: Herr Vorsitzender, verehrte Kollegen, Herr Tettinger hat unter der allgemeinen Überschrift „Verwaltungsrechtliche Instrumente des Sozialstaates“ eine eindrucksvolle, ziemlich komprehensive Darstellung der Dogmatik des allgemeinen und besonderen Verwaltungsrechts, des Sozialrechts, vorgetragen. Aus der Überfülle der Gesichtspunkte möchte ich mich beschränken auf einen speziellen Punkt, der in den Thesen 7, 24 und 25 berührt ist, nämlich die Frage, welche Maßstäbe es gibt für die notwendig werdende Anpassung von Entscheidungen zugunsten von Empfängern von Leistungen oder möglichen Empfängern von Leistungen, insbesondere, soweit diese Leistungen durch Verwaltungsakte ausgesprochen oder durch Verträge fixiert worden sind. Gestern haben wir auf der einen Seite eine Kritik gehört, dass man zu wenig die Festigkeit der Grundrechte gegen die sozialstaatliche Evolution betont habe. Auf der anderen Seite aber ist auch gesagt worden, man soll das Bestandsinteresse nicht überbetonen. Das ist also ein gewisser Widerspruch. Es wäre, meiner Ansicht nach, von besonderem Interesse, zu wissen, welche Maßstäbe und Regeln es denn gibt für die notwendig werdende Anpassung von Begünstigungen im Rahmen des Sozialstaates, denn der Empfänger oder der potentielle Empfänger ist ja auf eine gewisse Kontinuität, ein gewisses Vertrauen angewiesen. Wie weit kann es denn gehen, dass der doch rechtsstaatlich gebotene Vertrauensschutz zurückgedrängt werden muss hinter die Interessen der Sicherung der finanziellen Stabilität der Sozialsysteme, vor allem, wenn man berücksichtigt, welche finanziellen Defizite, und es sind steigende Defizite, zu verzeichnen sind, die die Sozialsysteme ja in ihrer Existenz und Leistungsfähigkeit bedrohen.
Verwaltungsrechtliche Instrumente des Sozialstaats
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Der Sozialstaat ist in erster Linie ein Produkt der Demokratie und die Demokratie ist eine Staatsform der permanenten Reform und Veränderung. Also ist es doch eine zentrale Aufgabe des Verwaltungs- und Verfassungsrechts, Regeln und Maßstäbe dafür aufzustellen, nach welchen Möglichkeiten und Grenzen denn derartige Veränderungen überhaupt durchgeführt werden können. Nicht nur im Allgemeininteresse oder der Kontinuität des Rechts, sondern auch wegen der Berechenbarkeit und des Schutzes von Rechten oder schutzwürdigen Erwartungen, die die Einzelnen aufgrund der bestehenden Lage nun einmal erreicht haben. Und das ist in meinen Augen vielleicht ein Punkt, der in dem sonst so umfangreichen, dichten Referat von Herrn Tettinger eine etwas zu kleine Rolle gespielt hat, und ich schrecke davor zurück, das noch auszudehnen auf das europäische Thema, also inwieweit wir denn vom europäischen Recht erwarten können, dass derartige schutzwürdige Vertrauenstatbestände überhaupt hinreichend oder einigermaßen berechenbar justitiabel respektiert werden. Schnapp: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren Kollegen! Einige Anmerkungen zum Referat von Herrn Tettinger, dem ich Respekt zolle (das Pronomen bezieht sich auf das Referat wie auf den Referenten), und zwar zu vier Thesen. Was die „bürgerbetreuungsfreundliche“ Sozialgerichtsbarkeit (These 4) angeht, so ist vielleicht eine kleine Korrektur der Sichtweise angebracht, die bei manchen vorherrschen mag. Ich sage das aus meiner Erfahrung als Richter am Landessozialgericht, der ich einige Zeit im zweiten Hauptamt war. Die Bürgerfreundlichkeit bezieht sich wohl auf das Verfahren. Man sagt ja scherzhaft: Wenn jemand eine Postkarte vor dem Sozialgericht verliert, so wird das schon als Klage behandelt. In der Tat ist so etwas Ähnliches in meinem Dezernat vorgekommen: eine Ansichtskarte als Berufung! Das Verfahren – und zwar sowohl das Verwaltungs- wie das Gerichtsverfahren – ist auch deshalb bürgerfreundlich und wird als solches wahrgenommen, weil es für die Kläger kostenfrei ist. Das gilt jedoch nicht für die Leistungsseite, schon wegen des Totalvorbehalts in § 31 SGB I und wegen der Gesetzesgebundenheit der Richter. Die Sozialgerichtsbarkeit ist kein Erfinder von Sozialleistungen. In meinem Senat sind ungefähr 90 % der Berufungen von Klägern zurückgewiesen worden. Zu den Thesen 6 und 7, Stichwort: der Verwaltungsakt als Handlungsform. Herr Tettinger hat hingewiesen auf die Trias der Sozialleistungsarten in § 11 SGB I (Dienst-, Sach- und Geldleistungen). Der Verwaltungsakt hat in diesem Spektrum nicht die gleiche Bedeutung wie auf anderen Gebieten. Ich will das nur an einem Beispiel klarmachen. Die ärztliche Behandlung ist aus der Sicht des Arztes sicherlich eine Dienstleistung. Aus
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Aussprache
der Sicht der Krankenkasse ist sie aber wegen des Naturalleistungsprinzips (§ 2 Abs. 2 SGB V) eine Sachleistung, die sie dem Versicherten schuldet. Über diese Sachleistung befindet der Arzt, nicht der Sozialleistungsträger. Er entscheidet darüber nicht anders als ein Verwaltungsbeamter über eine Baugenehmigung. Darüber hat man sich noch zu wenig Gedanken gemacht. Ist die Entscheidung ein Verwaltungsakt? Gar durch einen Privaten? Die monetären Leistungen, über welche die Sozialleistungsträger im Wesentlichen entscheiden – also etwa das Krankengeld –, machen nur etwa 6 % des Leistungsspektrums aus. Zur Konkurrentenklage: Im Thesenpapier (These 8) steht noch: „eine Konkurrentenklage [ist] zuzulassen.“ Dazu folgender Hinweis: Im August ist in Karlsruhe eine Kammerentscheidung ergangen, wonach die Konkurrentenklage zwischen niedergelassenen und ermächtigten Ärzten grundsätzlich zulässig ist. Schließlich zu These 20, in welcher das Ehrenamt angesprochen ist. Bei den Kassenärztlichen Vereinigungen hat das Problem weniger einen gesellschaftspolitischen als vielmehr einen normativen Hintergrund. Das Vorstandsamt war bis vor kurzem als Ehrenamt ausgestaltet, weil eine Hauptberuflichkeit kollidiert wäre mit § 20 der Ärzte-Zulassungsverordnung, wonach der niedergelassene Arzt seinen Patienten im hinreichenden Maße zur Verfügung stehen muss. Da aber das Vorstandsamt de facto ein Fulltime-Job ist, musste man gleichwohl in den Satzungen regeln, dass dessen Wahrnehmung ehrenamtlich ist. Weil man nun für wenig Geld keine qualifizierten Ärzte gewinnen kann, hat dies im Gefolge gehabt, dass sich die Entschädigung für den Vorstandsvorsitzenden in Einzelfällen auf bis zu 350000,– DM pro Jahr summiert hat. Das hat einen Prozess bis hin zum Bundessozialgericht ausgelöst. Weil aber eine Entschädigung von 350000,– DM für ein Ehrenamt nicht gut zu halten war, hat man jetzt das Amt professionell ausgestaltet. So einfach war das. Vielen Dank! Püttner: Mich haben beide Referate durchaus beeindruckt, aber sie haben bei mir die Frage provoziert, was eigentlich Sozialrecht ist und wie weit das reicht. Also bei der Daseinsvorsorge, die Sie angesprochen hatten, kann man beispielsweise die Wasserversorgung herausgreifen, die kommt allen Schichten zugute. Die kommt dem Handwerker zugute, der Landwirtschaft, der Gemeinde und ebenso dem kleinen Verbraucher; irgendein Unterschied ist da eigentlich nicht zu erkennen. Alle sind angewiesen auf diesen Service, und im öffentlichen Personennahverkehr ist das inzwischen genauso. Da kann man also höchstens die Frage stellen, ob eventuelle Sozialtarife, die Minderbemittelten eingeräumt werden, ob die dann Teil des Sozialrechts sind und nicht mehr Teil des
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Daseinsvorsorgerechts. Aber das wage ich nicht abschließend zu beurteilen. Mir ist es beim zweiten Referat aufgefallen (zum Schluss war das): Bei Finanzkontrolle und bei den Strukturfonds stehen auch nicht unbedingt nur Sozialleistungen im Vordergrund, sondern es gibt ja eine ganze Menge anderer Leistungen aus diesen Fonds, so dass also die Frage ist: Wo endet das Sozialrecht und wie sollten wir das abgrenzen? Dann möchte ich aber, Herr Tettinger, noch eine Bemerkung anschließen: Sie haben ganz am Schluss Ihres Referats sich mit Recht distanziert vom Gewährleistungsstaat, haben diese Vorstellung als sozialwissenschaftlich bezeichnet. Ich möchte eigentlich noch eins draufsetzen. Diese Lehre vom Gewährleistungsstaat ist eine ausgesprochene Irreführung der Betroffenen, die wir als Öffentlich-Rechtler eigentlich nicht mitmachen sollten. Denn wenn man Dienste in die private Sphäre verlagert hat, privatisiert hat und ein privater Unternehmer tätig wird, dann kann die öffentliche Hand die Dienste nicht mehr gewährleisten. Zumindest nicht die Gemeinde, die privatisiert hat, und der Gesetzgeber meistens auch nicht mehr, weil er gar nicht mehr die Mittel und den Zugriff hat, so dass also diese Beruhigung der Betroffenen, „ach, da ist ja die Gewährleistung im Hintergrund“, im Grunde eine Irreführung ist. Vielleicht setzen Sie dazu in einer Fußnote noch einen Zusatz. Ruland: Zu Herrn Tettinger drei Punkte: Punkt 1: Sie haben die Trägervielfalt angesprochen. Die Träger werden zwar weniger, bei der Vielfalt wird es aber auch langfristig bleiben. Die Trägervielfalt droht mit der notwendigen Gleichbehandlung der Versicherten zu kollidieren. Deshalb ist das Problem der Selbststeuerung für die Systeme ungeheuer wichtig. In diesem Zusammenhang entwickeln sich im Sozialverwaltungsrecht neue Formen von Normen. Im Kassenarztrecht finden wir sie in Form der Verträge. Letzten Freitag ist im Bundestag die Organisationsreform der Rentenversicherung beschlossen worden. Vorgesehen ist u.a. ab 1. Oktober 2005 eine neue Bundesinstitution – die Deutsche Rentenversicherung Bund –, der das Recht eingeräumt wird, verbindliche Beschlüsse für den gesamten Bereich der Rentenversicherung zu fassen, mit der Folge, dass auch die landesunmittelbaren Träger an diese Beschlüsse gebunden sind. Das ist notwendig, um sicherzustellen, dass sowohl in Schleswig-Holstein, in Bayern als auch im Saarland das Recht einheitlich angewandt wird. Wäre eine solche verbindliche Selbststeuerung nicht auch in andere Bereiche übertragbar? Notwendig wäre es, um z. B. – wie jetzt bei dem Arbeitslosengeld II – mit den Kommunen bestimmte Verfahren abzustimmen. Die kommunalen Spitzenverbände sagen zwar vieles zu, bekommen es aber nie in ihren Kommunen geregelt. Die Ko-
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operation zwischen verschiedenen Zweigen der Verwaltungen wäre außerordentlich leichter, wenn es auch in anderen Bereichen entsprechende Strukturen der Selbststeuerung wie in der Rentenversicherung und in der Krankenversicherung geben würde. Punkt 2: Information und Beratung. Ein Punkt, den Sie angesprochen haben und der sehr wichtig ist, ist die Komplexität des Sozialversicherungsrechts und die sich daraus ergebende Notwendigkeit von Information, Auskunft und Beratung. Um die Dimensionen deutlich zu machen, in denen dies geschieht: Wir verschicken arbeitstäglich 140000 Renteninformationen, die jeweils fünf verschiedene Rentenberechnungen beinhalten. Wir haben uns zu diesem Schritt entschlossen, um die Versicherten besser über ihre Altersvorsorge zu informieren. Verbunden ist damit ein großes Risiko. Obwohl wir darauf hinweisen, dass den Renteninformationen keine Verbindlichkeit zukommt, müssen wir damit rechnen – und der BGH hat schon so entscheiden –, dass wir für Fehler haften müssen (Herstellungsanspruch). Insoweit gibt es eine Kollision zwischen der Notwendigkeit einer intensiveren Beratung mit dem größeren Haftungsrisiko. Punkt 3: Ein weiterer Aspekt, den ich gerne ansprechen möchte, ist die Politisierung der Verfahren. Sie erinnern sich, dass 2001 die Renten nicht entsprechend der Lohnentwicklung, sondern nur in Höhe der Inflation angepasst wurden. Gegen unsere Anpassungsmitteilungen wurden eine Million Widersprüche eingelegt. Dieses Jahr haben wir die Rentner informiert, dass sie ihren Pflegebeitrag alleine zahlen müssen: 1,2 Millionen Widersprüche. Wir werden im Dezember entsprechende Aktionen wegen des Kinderberücksichtigungsgesetzes starten müssen. Die Rentner werden informiert, dass sie – sofern kinderlos – einen erhöhten Beitrag zur Pflegeversicherung zahlen müssen. Obwohl dies keine Reform der Renten-, sondern eine der Pflegeversicherung ist, rechnen wir wieder etwa mit einer Million Widersprüche. Ähnliches wird passieren, wenn von den Rentnern der Zusatzbeitrag zur Krankenversicherung erhoben wird. Initiiert werden diese Widerspruchsaktionen vor allem von den Sozialverbänden, die sich bei ihren Mitgliedern damit profilieren wollen. Die Frage ist, wie können wir unsere Verwaltungen schützen vor diesen politisch instrumentalisierten Widerspruchswellen, die die Arbeitskapazitäten erheblich in Anspruch nehmen. Und da ich noch im „gelben Bereich“ bin, einen vierten Aspekt: Die Renten-, aber auch die übrigen Sozialversicherungsträger tragen nicht nur für enorm viel Geld Verantwortung, sondern – um eine Aussage von Herrn Zacher zu zitieren – sie tragen auch für eine sachgerechte Diskussion der mit ihren Systemen zusammenhängenden Probleme Verantwortung. So sind die Sozialversicherungsträger sehr stark auch im Bereich „Forschung“ engagiert. Die Rentenversicherung hat ein Forschungsnetz-
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werk „Alterssicherung“ aufgebaut. Was ebenfalls wichtig ist: Wir stellen der Forschung auch entsprechende Daten zur Verfügung durch Aufbau eines Forschungsdatenzentrums. Auch daran können Sie sehen, wie sich Verwaltungshandeln verändert. Voßkuhle: Ich habe zwei Fragen an Herrn Tettinger, die in eine ähnliche Richtung zielen wie die Bemerkungen von Herrn Badura. Herr Tettinger, Sie haben uns eine Fülle von interessanten Einzelbeobachtungen präsentiert. Die Frage, die sich mir zunächst aufdrängt, ist, ob und wie man diese Einzelbeobachtungen in ein System bringen kann und nach welchen Ordnungsprinzipien ein solches System gebaut wäre. Sie verweisen in ihrem Thesenpapier auf eine Reihe von neuen Begriffen: Verantwortungsgemeinschaft, Kontraktmanagement, Netzwerk, selbstregulativer Sozialstaat, Selbsthilfegruppe, Corporate Citizenship, Projektförderung und ähnliches. Können wir diese Begriffe so nebeneinander stehen lassen? Müssen wir das jetzt nicht irgendwie durchkneten? Sie selbst haben sich am Ende ihres Vortrages gegen Großformeln ausgesprochen und vorgeschlagen, man solle sich orientieren an einer Kultur der Transparenz, der Serviceorientierung und der Bürgeraktivierung und dabei feinsinnig unterschieden zwischen Sozialstaat und dem sozialen Staat – im Übrigen eine Kampfparole des 19. Jahrhunderts und wie die anderen Schlagwörter eine typische Großformel. Daher nochmals: Von welchem Punkt aus müssten wir ein modernes soziales Verwaltungsrecht oder Sozialverwaltungsrecht entwickeln? Sollten wir den Verantwortungsbegriff zugrundelegen, den Begriff der Kommunikation, den Gedanken der Selbstverantwortung und Selbstregulierung oder vielleicht doch das Kooperationsparadigma? Zweite Frage: Was sagt uns all das, was Sie uns hier präsentiert haben an neueren Entwicklungen, für das Allgemeine Verwaltungsrecht? Die Begriffe, die Sie verwendet haben, finden wir in keinem klassischen Verwaltungsrechtslehrbuch. Stehen also das Sozialrecht und das Allgemeine Verwaltungsrecht beziehungslos nebeneinander, oder müsste man nicht vielmehr überlegen, inwieweit sich diese neueren Entwicklungen mit den tradierten Instituten des Allgemeinen Verwaltungsrechts noch angemessen verarbeiten lassen? Danke! Neumann: Ich habe eine Anmerkung zur These 4 von Herrn Tettinger: „Von den Handlungsfeldern der Sozialverwaltung sind bislang nur eher schwache originäre Signale für die Weiterentwicklung des allgemeinen Verwaltungsrechts ausgegangen.“ Ich fürchte, Herr Tettinger, Sie könnten auch mit dieser These Recht haben. Vielleicht liegt das ja wirklich daran, dass überforderte Sozialrechtler ganz mit sich selbst beschäftigt sind und nicht mehr dazu kommen, ihren wachsenden bzw. wuchernden Rechtsstoff rezeptionsfähig aufzubereiten. Wie dem auch sei: Wir haben im So-
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zialrecht einiges zu bieten. Ich nenne an erster Stelle einen Punkt, der fast schon ein Dauerthema der Staatsrechtslehrervereinigung ist, nämlich die Privatisierung staatlicher Aufgaben. Darüber sprechen wir im Sozialrecht schon seit Jahrzehnten. Das liegt daran, dass die sozialen Aufgaben, deren Erfüllung das Sozialrecht gebietet, überwiegend von freien Trägern, also von Privaten, erledigt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat die dogmatische Struktur für die Zusammenarbeit von Sozialstaat und freien Trägern bereits im 22. Band – das war im Jahre 1967 – entwickelt: Es gibt kein staatliches Aufgabenmonopol. Das Sozialstaatsprinzip gibt nur das Was, das Ziel vor, lässt aber alle Wege offen, wie das Ziel zu erreichen ist. Deshalb ist es möglich, dass der Sozialstaat mit den freien Trägern als Träger eigener sozialer Aufgaben zusammenarbeitet. Dabei trägt der Sozialstaat die Gesamtverantwortung dafür, dass im Sozialbereich das Erforderliche geschieht. Diese Gesamtverantwortung ist eine Aufgabe, aber keine Befugnis. Deshalb kann der Sozialstaat nur höchst ausnahmsweise auf das Steuerungsmittel „Macht“ zurückgreifen. Typischerweise muss er mit den Steuerungsmitteln „Konsens“ und „Geld“ arbeiten. Damit sind wir bei den Punkten Subventionsrecht, kooperativer Staat, informelles Verwaltungshandeln und bei Themen, mit denen sich die Staatsrechtslehrertagung ebenfalls wiederholt beschäftigt hat. Das Sozialrecht, insbesondere sein Leistungserbringungsrecht, ist vor allem ein El Dorado für Rechtsprobleme, die sich um den Vertrag gruppieren. Der Gesetzgeber verleiht den Verträgen des Leistungserbringungsrechts häufig Verbindlichkeit für Dritte und überfordert damit die Vertragsform. Handelt es sich um Verträge zu Lasten Dritter oder gar um Rechtsnormen? Jedenfalls werden schwierige Legitimationsfragen aufgeworfen, die bereits Gegenstand mehrerer Habilitationsschriften waren. Das Vertragsrecht ist überdies das zentrale Anwendungsfeld der Abgrenzung des öffentlichen vom privaten Recht. Das allgemeine Verwaltungsrecht kommt ohne die Abgrenzungskriterien gar nicht mehr aus, die das Bundessozialgericht, das Bundesverwaltungsgericht und der Bundesgerichtshof in Entscheidungen zu sozialrechtlichen Verträgen entwickelt haben. Langer Rede kurzer Sinn: Wir haben im Sozialrecht in der Tat einiges zu bieten, und jeder, der ernsthaft mitarbeiten möchte, ist herzlich dazu eingeladen. Schauen Sie, wir sind so wenige und haben so viel Arbeit. Bauer: Herr Vorsitzender, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mein Diskussionsbeitrag bezieht sich auf das Referat von Herrn Tettinger, das mich unter anderem wegen seiner enormen Materialverarbeitungskapazität tief beeindruckt hat. Der Vortrag hat uns gezeigt, dass das Sozialrecht und insbesondere moderne Sozialgesetze wie etwa Hartz IV eine Fundgrube für neue gesetzgeberische Steuerungsansätze sind. Herr Voß-
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kuhle hat dies bereits aufgegriffen und Stichworte für eine systematisierende Erfassung angeboten. Ich möchte den Befund nicht im dogmatischen Gesamtzugriff angehen, sondern einen Teilaspekt herausgreifen, den Herr Tettinger im Zusammenhang mit Leitsatz 16 angesprochen hat, nämlich die Aufwertung des Verwaltungsvertrags, und zwar am Beispiel der Eingliederungsverträge: Wir sind es gewohnt, dass Sozialhilfe, soziale Leistungen und ähnliches durch Verwaltungsakt gewährt werden. Mit Hartz IV „verschwimmt“ diese traditionelle Ausrichtung der leistungsgewährenden Sozialverwaltung auf den Verwaltungsakt, weil sich die Rechtsformen des Verwaltungshandelns verändern. Zwar wird auch das künftig an die Stelle der ErwerbsfähigenSozialhilfe tretende Arbeitslosengeld II durch Verwaltungsakt bewilligt. Vorgeschaltet sind aber Eingliederungsvereinbarungen, in denen festgelegt wird, wie der Arbeitsuchende selbst zur Bewältigung seiner Arbeitslosigkeit beizutragen hat, also etwa bei welchen Unternehmen er sich vorzustellen hat usw. Bei den Eingliederungsvereinbarungen handelt es sich um Verwaltungsverträge. Für den Einsatz dieser Handlungsform, für die Rechtsform des Verwaltungsvertrages, hat sich der Gesetzgeber bewusst entschieden, weil er den Arbeitsuchenden aktivieren will. Nach dem Leitbild des „aktivierenden Staates“ soll der einzelne Leistungsempfänger in Zukunft nicht mehr ausschließlich passiv – durch Verwaltungsakt – Leistungen zugesprochen bekommen und allenfalls noch mit Nebenbestimmungen zu ergänzenden Tätigkeiten wie Vorstellung bei Arbeitgebern, Fortbildungsmaßnahmen und ähnlichem angehalten werden. Vielmehr soll er aktiv in den Prozess der Bewältigung seiner Arbeitslosigkeit eingebunden werden und daran mitarbeiten. Dabei erwartet man allein von dem Einsatz der Handlungsform des Vertrags eine derartige Aktivierung zur Mitarbeit und in der Gesamtbetrachtung am Ende eine Reduzierung der Arbeitslosenzahlen. Ob sich diese vornehmlich sozialpsychologisch motivierte Hoffnung erfüllen wird, mag hier dahinstehen. Wichtiger ist etwas anderes: Aus der Sicht des Allgemeinen Verwaltungsrechts ist der ganze Vorgang schon allein deshalb ausgesprochen spannend und bemerkenswert, weil hier „Massenverwaltung durch Vertrag“ stattfindet. Denn bei mittlerweile weit über 4 Millionen Arbeitslosen werden entsprechend viele Verwaltungsverträge abgeschlossen. Der massenweise Abschluss von Verwaltungsverträgen dürfte für das Allgemeine Verwaltungsrecht und für die Lehrbücher zum Allgemeinen Verwaltungsrecht vorerst noch ein eher gewöhnungsbedürftiger Befund sein. „Massenverwaltung durch Vertrag“ ist allerdings nur ein Aspekt der Eingliederungsvereinbarungen. Der Gesetzgeber ist nämlich dabei nicht stehen geblieben, sondern hat den Nicht-Abschluss eines solchen Verwaltungsvertrages mit einem Sanktionsmechanismus verknüpft. Immer
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dann, wenn der Arbeitsuchende nicht bereit ist, eine solche Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, wird das Arbeitslosengeld II in verschiedenen Stufen abgesenkt. Dieser Sanktionsmechanismus ist für den Einzelnen natürlich sehr spürbar und übt auf ihn rechtlich Druck zum Vertragsabschluss aus. Damit verbinden sich unter Umständen weitreichende Konsequenzen – so zum Beispiel für den Rechtsschutz, weil sich der Betroffene gegen einen Verwaltungsakt, mit dessen Inhalt er nicht einverstanden ist, vor den Verwaltungsgerichten bzw. künftig vor den Sozialgerichten zur Wehr setzen kann. Beim Vertrag ist das anders. Denn wer konsentiert, der begibt sich jedenfalls partiell auch der Möglichkeit, dagegen vor den Verwaltungsgerichten noch zu klagen und dort um Rechtsschutz nachzusuchen. In Anschluss daran meine Frage: Gibt es vielleicht für diese neueren Steuerungsansätze und ganz konkret für den weitläufigen Einsatz von Verwaltungsverträgen am Beispiel der Eingliederungsvereinbarung mit dem erwähnten Sanktionsmechanismus auch Grenzen? Die Frage scheint auf den ersten Blick sehr speziell zu sein, weist aber über das Sozialrecht hinaus. Wir können vergleichbare Steuerungstechniken nämlich auch in anderen Bereichen beobachten – so etwa im Hochschulbereich, wenn sogenannte „Hochschulkonsense“ geschlossen werden und dabei die Universitäten mit finanziellen Verlockungen dazu breitgeschlagen werden, auf Rechtspositionen und Gestaltungsoptionen zu verzichten. Das Beispiel zeigt, dass wir es mit verallgemeinerungsfähigen Regelungstechniken zu tun haben, die auch für das Allgemeine Verwaltungsrecht von Interesse sind. Vielen Dank! Ebsen: Ich möchte zu den beiden Formen kooperativer Rechtsgestaltung, die gerade in zwei vorherigen Diskussionsbeiträgen angeklungen sind, im Wege der Abstraktion noch etwas Allgemeineres sagen. Die eine Welt kooperativer Rechtsgestaltung, die Herr Neumann angesprochen hat, sind die Rechtsbeziehungen der Sozialleistungsträger zu den Leistungserbringern, in denen aber auch rechtliche Wirkungen gegenüber den Leistungsberechtigten erzeugt werden. Dies ist am deutlichsten in der sogenannten „gemeinsamen Selbstverwaltung“ der gesetzlichen Krankenversicherung, die als Modell zunehmend in andere Leistungsbereiche – bis hin etwa zur Sozialhilfe – ausstrahlt. Die Kernidee dieses Modells ist das Zusammenspannen gegensätzlicher Interessen (etwa von Ärzten und Kassen), um gerade aus der Gegensätzlichkeit der Interessen etwas Richtiges zustande zu bringen. Und in der Tat kann dieses Konzept funktionieren; hinter ihm steckt letztlich die Richtigkeitsvermutung des frei ausgehandelten Vertrages. Soweit aber die Interessen der zusammengespannten Akteure nicht so gegensätzlich sind, sondern u.U. eher
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im Gegensatz zu denen der Leistungsberechtigten stehen, dann sind letztere bei ihnen nicht mehr gut aufgehoben. Auch wenn man die Regulierung in gemeinsamer Selbstverwaltung anders als manche Stimmen in der Literatur grundsätzlich nicht für verfassungsrechtlich bedenklich hält, bedarf es doch zur Kompensation der Gefahr eines interessengeleiteten bias einer eher intensiven Kontrolldichte gerichtlicher Kontrolle. Und insoweit sind die Gerichte bisweilen etwas sehr zurückhaltend. Der zweite Bereich kooperativer Rechtsgestaltung, zu dem ich mich kritisch äußern möchte, sind die m. E. nur scheinbar kooperativen Beziehungen zu Leistungsempfängern, wie sie uns in bisher schärfster Form bei der Eingliederungsvereinbarung im SGB II begegnen. Hier ist die „Vereinbarung“ eher eine solche, wie wir sie bei scheinbar emanzipierten Eltern entdecken, die ihre eigene Bestimmungsmacht durch nicht wirklich ausgehandelte „Verträge“ camouflieren. So geht es auch beim „CaseManagement“ zu, wie schon das verwendete Vokabular andeutet. Der Case-Manager betreibt profiling und gegebenenfalls assessment mit dem Hilfebedürftigen. Und wenn er dann zu seinem Ergebnis gekommen ist, bietet er dieses als Eingliederungsvereinbarung an. Und anders als bei einer Rechtsgestaltung durch Verwaltungsakt, bei welcher der Betroffene noch erhobenen Hauptes gegebenenfalls eine offene Fremdbestimmung hinzunehmen hat, muss sich hier der Hilfebedürftige noch scheinbar freiwillig unter das Joch dieser Vereinbarung beugen und ihr auch noch zustimmen. Ist das wirklich ein „aktivierender“ Sozialstaat? Gestern ist nach dem Menschenbild von „Hartz IV“ gefragt worden. Das Menschenbild vom Leistungsadressaten ist, so meine ich, nicht dasjenige eines Inhabers von Leistungsrechten, sondern dasjenige eines vom Case-Manager betreuten Klienten. Auch in dieser Beziehung ist intensive rechtliche Überprüfung durch die Gerichte ein notwendiger kompensatorischer Schutz. Vorsitzender: Danke sehr, Herr Ebsen! Jetzt folgt Herr Martinez, dann habe ich zwei Meldungen, die sich sowohl zu Block eins als auch zu Block zwei äußern wollen und gewissermaßen eine Art Überleitungsfunktion erfüllen. In der Reihenfolge des Eingangs der Meldungen wäre das zuerst Herr Schmidt-Aßmann und dann Herr Zacher. Doch zunächst Herr Martinez, bitte! Martinez: Wir waren bisher überzeugt, dass unser Staat über die notwendigen Ressourcen für die Erbringung von Leistungen im Sozialbereich verfügen muss. Nunmehr weisen Sie, Herr Tettinger, uns darauf hin, dass fiskalische Erwägungen in begrenztem Umfang bei der Leistungserbringung zu berücksichtigen sind. Welches sind aber die Grenzen der Berücksichtigung von fiskalischen Erwägungen? Ich stelle die Frage, weil
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ich eine Tendenz eines – und ich betone, eines politischen – Harmonisierungsdruckes innerhalb der sich formierenden Europäischen Sozialunion erkenne. Der Hintergrund ist, dass in zahlreichen Mitgliedstaaten der EU derartige fiskalische Erwägungen eine wichtige Rolle spielen. Nehmen wir den Fall Spanien als Beispiel. Hier bildet die Finanzierbarkeit von sozialen Leistungen eine absolute Grenze der staatlichen Leistungspflicht. Was bedeutet das konkret? Der Staat, konkret die jeweilige autonome Gemeinschaft, legt in einem Haushaltstitel einen Fixbetrag für Sozialleistungen fest. Ist dieser Betrag aufgebraucht – was in der Regel zur Hälfte des Jahres der Fall ist – erhält der Bürger darauf hin auf seinen Antrag zwar einen positiven Leistungsbescheid, gleichzeitig aber auch eine Mitteilung der Auszahlungskasse, dass er keine Auszahlung zu erwarten hat. Lassen Sie mich unterstreichen: Dieses Modell ist nach meiner Überzeugung in keiner Weise mit dem Grundgesetz vereinbar. Aber wir müssen uns klar werden, dass das europäische Sozialmodell und damit die Europäische Sozialunion, die gerade im Aufbau befindlich ist, durch derartige Vorstellungen mit geprägt werden. Umso wichtiger erscheint es mir daher, dass wir uns im Hinblick auf den europäischen Diskurs über die eigenen verfassungsrechtlichen Grenzen einer derartigen Berücksichtigung von fiskalischen Erwägungen klar werden. Vielen Dank! Schmidt-Aßmann: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Nach den unglaublich dichten Referaten schwirrt es dem Zuhörer im Kopf. Herr Tettinger hat für den deutschen Verwaltungsraum eine unglaubliche Vielzahl neuer Formen, neuer Verfahren und neuer Organisationseinheiten vorgestellt. Bei Herrn Schneider ist das dann noch einmal gesteigert worden, indem er den europäischen Verwaltungsraum einbezogen hat. Die erste Reaktion könnte sein, hätten wir doch das gute alte Verwaltungsrecht mit seinen überschaubaren Verhältnissen wieder! Nichts wäre jetzt falscher als eine solche Reaktion! Wir müssen beiden Referenten vielmehr außerordentlich dankbar sein, dass sie die gewaltige Aufgabe übernommen haben, Gegenstände vorzustellen und Materialien auszubreiten, die nicht jeden Tag auf dem eigenen Schreibtisch liegen. Wir werden dadurch gezwungen, verwaltungsrechtliche Systembildung künftig noch stärker in zwei neue Dimensionen hinein zu bedenken, nämlich im Blick auf neue Gebiete des besonderen Verwaltungsrechts und im Blick auf die europäischen Verwaltungsvorgänge. Dabei geht es nicht nur darum, neue Entwicklungen zur Kenntnis zu nehmen, sondern sie in das eigene System zu integrieren. Integration kann nicht ohne Bereitschaft zur Überprüfung und gegebenenfalls Korrektur der bisherigen Grundannahmen erfolgen. Herr Voßkuhle hat auf diesen Punkt in unserer Diskussion zutreffend schon hingewiesen. Hier ist noch viel Arbeit zu leisten.
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Sorgfältige Analyse, sensibles Vergleichen und die Bereitschaft zum Lernen sind gefragt. Was hat sich im besonderen Verwaltungsrecht oder im europäischen Verwaltungsrecht bereits bewährt und ist insofern verallgemeinerungsfähig, dass es auch im Allgemeinen Verwaltungsrecht Anerkennung finden kann? Hier wird deutlich, dass wir uns zunehmend als Europäische Verwaltungsrechtswissenschaft verstehen müssen. Meiner Ansicht nach ist gerade das deutsche Verwaltungsrecht mit seinem ausgeprägten systematischen Zugang für eine solche Erweiterung der Aufgaben gut gerüstet. Systematisches Denken erleichtert es, Entwicklungsanstöße zu rezipieren, weil nicht gebannt nur auf punktuelle Veränderungen geschaut, sondern die Verarbeitung des Veränderungsdrucks auf unterschiedliche Teile des Systems verteilt werden kann. Dabei werden traditionelle Zuordnungen überprüft werden müssen. Das ist heute am Beispiel des Haushaltsverfahrensrechts deutlich geworden. Dieses Rechtsgebiet hat für das deutsche Verwaltungsrecht nur eine geringe Rolle gespielt. Herr Schneider hat heute die neue EG-Haushaltsordnung vorgestellt, die einem anderen Verständnis folgt und eine Vielzahl praktischer Regelungen trifft, die zu dem gehören, was gute Verwaltung ausmacht und folglich auch im Verwaltungsrecht eine zentrale Rolle spielen muss. Eine Europäische Rechtswissenschaft hat ein Verwaltungsrecht in den Blick zu nehmen, das einen Verwaltungsverbund zwischen mitgliedstaatlichen Behörden und EG-Behörden in Form zu bringen hat. Meine zweite Diskussionsbemerkung soll das schon mehrfach angesprochene Thema des Verwaltungsvertrages aufnehmen. Der Vertrag war in beiden Referaten eine ganz wichtige Rechtsfigur. Seine Bedeutung im modernen Sozialrecht sollte dazu veranlassen, die Grundannahmen der §§ 54 ff. VwVfG daraufhin zu überprüfen, ob sie zu stark von den Interessenkonstellationen des städtebaulichen Vertrages als Referenzinstitut geprägt sind. Das Vertragsrecht hat aber auch eine europäische Dimension. Dort ist er, wie sich im Recht der Strukturfonds oder in der Verordnung 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit zeigen lässt, ein Gestaltungsmittel intergouvernementaler Verwaltungskooperation, die sich teilweise nach supranationalem, nationalem, teilweise aber auch nach internationalem Recht entwickelt. Völkerrecht und Verwaltungsrecht rücken zusammen. Wir sollten einmal darüber nachdenken, inwieweit diese Vorgänge dazu veranlassen, das Internationale Verwaltungsrecht neu zu konzipieren. Zacher: Ich möchte zunächst bekunden, dass ich aus Zeitgründen die vielen Blumen der Zustimmung, die ich zu Sträußen zu binden hätte, nicht im Einzelnen, sondern nur pauschal überreiche. Ein eigener Strauß
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gilt im Übrigen meinen Vorrednern in der Diskussion. Ich möchte vor allem Herrn Bauer und Herrn Ebsen sehr zustimmen in dem Anliegen, das sie vorgetragen haben, aber auch sonst. Was in der Diskussion bisher gesagt worden ist, hat mich sehr erfreut. Zu Herrn Tettinger wäre natürlich auch noch vieles im Einzelnen hinzuzufügen. Ich konzentriere mich darauf, dass Sie in der These 5 das Sozialrechtsverhältnis immerhin erwähnt haben, Herr Tettinger. Ich glaube, das Sozialrechtsverhältnis hätte sehr viel mehr Aufmerksamkeit verdient und damit auch die Frage nach der Ordnung der Komplexität dessen, was Sie behandelt haben. Sie haben diese Komplexität und diese Ordnung durchaus berührt, konnten aber in der Schnelle nicht alles hinreichend akzentuieren. Das Sozialrecht ist kooperatives Recht. Wenn der Betroffene nicht mitwirkt, ist in vielen Bereichen nichts Sinnvolles zu tun. Es ist ferner – wie von Herrn Schnapp auch schon gesagt wurde – ein Recht, das vor allem durch Realakte vollzogen wird. Der Verwaltungsakt hängt irgendwo im Abstrakten und das wirkliche Leistungsgeschehen im Heim oder in der Jugendbetreuung oder gerade auch in der ärztlichen Behandlung, ist ein reales. Das alles zählt zu den Eigentümlichkeiten, um deren Ordnung es uns geht. Aber die gravierendste Eigentümlichkeit ist die Vielfalt der Elemente: Vielfalt der Inhalte, Vielfalt der Beteiligten. Da ist der Versicherte, da ist sein Arbeitgeber, da sind seine Familienangehörigen, da ist die Kasse, und dann ist da der Arzt und die ganze Vielfalt der Leistungsträger usw. Und dann haben wir die Ablaufstufen: dass zunächst ein Vorsorgeverhältnis entsteht, vielleicht vorher überhaupt ein offenes Beratungs-, ein Informationsverhältnis, dann ein Vorsorgeverhältnis, dann das Leistungsgrundverhältnis. Der Versicherungsträger sagt, „Ja, du hast ärztliche Behandlung gut, geh dahin“, und dann entsteht das Leistungsverhältnis. Eventuell kommen dazu noch Abwicklungsverhältnisse. Aber noch viele andere Beziehungen und Abläufe kommen in Betracht. Und das alles bekommen wir nur durch eine tüchtige Ordnung in Verhältnissen – also etwa in Vorsorgeverhältnis, Leistungsgrundverhältnis, Leistungserbringungsverhältnis usw. – in den Griff. Dann können wir die Programmerfüllung ebenso wie die Risiken der Programmverfehlung, die sich bei der Vorsorge, beim Leistungsvollzug usw. ergeben, wirklich zueinander in Verbindung und zur Abwägung bringen. In dem, was Sie Fürsorgebereich nennen – was ich Hilfs- und Förderbereiche nennen möchte –, haben wir andere Abläufe, aber ein analoges Bedürfnis, die jeweils engeren Komplexe zu ordnen und untereinander in Beziehung zu setzen. Und auch dazu brauchen wir wieder das Denken in Rechtsverhältnissen. Da wollte ich doch angemahnt haben, dass alle die, die sich der Versuchung hingeben, mehr Sozialrecht als bisher zu betreiben, gerade diese Ordnungsinstrumente sehen sollten.
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Zu Herrn Schneider nur zwei sehr kurze Anmerkungen, leider auch Ergänzungswünsche. Der eine ist der, dass in Ihrem Referat meines Erachtens die Einmischung Europas vor allem in den nationalen Sozialstaat unter den indirekten Einmischungen zu nennen wäre. Unter ihnen hätte das koordinierende Recht an der Spitze zu stehen, zusammen mit den wettbewerbsrechtlichen Anforderungen an die Sozialleistungsträger. Die Frage nach dem Service public stellt sich ja auch gegenüber unseren Sozialleistungserbringern und insbesondere den Vorsorgeträgern. Nun zum anderen Ergänzungswunsch: Es geht darum, dass Europa normativ im Großen und Ganzen – gerade im Sozialrecht – nur mit Finanzprogrammen eingreift. Das haben Sie so schlicht unterstellt. Aber die Besonderheit haben Sie nicht hervorgehoben. Es ist eine Sache, normative Kompetenzen zu haben und auszuüben und zu sagen: „Sozialversicherung für Krankheit sieht so und so aus“, oder zu sagen: „Ich mache ein Finanzprogramm für gewisse Arbeitslosigkeitsbereiche oder für Arbeitsförderungsbereiche, usw. Und wenn du mein Geld haben willst, dann musst du diese Finanzen so oder so ausgeben“. Letzteres ist ungefähr das gleiche, wie wenn Frau Bulmahn sagt, „Ich mache Eliteuniversitäten und wer mir da folgt, der kriegt Geld von mir“. Das ist ein Riesenunterschied zu einer a priori normativen Gesetzgebungsverantwortung und einem normgetragenen Gesetzesvollzug. Aber die europäische Sozialpolitik arbeitet statt mit Gesetzgebung weitgehend mit dem Instrumentarium von Finanzprogrammen. Kingreen: Ich habe Anmerkungen zu Ihrem im Prinzip sehr instruktiven Referat, Herr Schneider. Eine erste ist konzeptioneller, vielleicht auch nur terminologischer Natur. Ich habe mich bei Ihrem Teil C gefragt, ob es um die verwaltungsrechtlichen Instrumente des Sozialstaates oder doch allgemeiner um die verwaltungsrechtlichen Instrumente des Leistungsstaates ging. Verwaltungsrechtlich gewendet: Mein Eindruck war, dass Sie sich mehr mit der Leistungsverwaltung im weiteren Sinne und nicht eigentlich mit der Sozialverwaltung im engeren Sinne befasst haben. Ich hoffe, dass das nicht die verengte Perspektive des Sozialrechtlers ist, der an sich immer tapfer gegen ein sonderrechtliches Verständnis des Sozialrechts und für die Anschlussfähigkeit des Sozialrechts an das Verfassungs- und Verwaltungsrecht eintritt. Ich meine aber, dass der überkommene Korporatismus im Sozialrecht doch einige verwaltungsrechtliche Schmankerl produziert hat, an die sich die Verwaltungsrechtswissenschaft vielleicht einmal heranwagen sollte; denken Sie nur an den Gemeinsamen Bundesausschuss Ärzte/Krankenkassen, der im verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Niemandsland grundrechtlich wesentliche Entscheidungen über die Gesundheitsansprüche der Sozialversicherten fällt.
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Meine zweite Anmerkung bezieht sich auf die Thesen 4 bis 8. Ich teile Ihre Sorge, Herr Schneider, dass die dogmatisch ziemlich freihändige Rechtsprechung des EuGH zu den Grundfreiheiten eine Gefährdung für den Primat der Politik auch im Bereich des Sozialrechts darstellen kann. Man muss aber sehen, dass die Rechtsprechung des EuGH gerade im Sozial- und Gesundheitsrecht doch insgesamt von kluger Zurückhaltung geprägt ist. Von daher war mir Ihre Dichotomie zwischen Grundfreiheiten und Sozialrecht vielleicht ein bisschen zu stark. Immerhin werden durch die Grundfreiheiten auch soziale Rechte transnational erweitert. Es geht also rechtsdogmatisch um derivative Teilhabe und nicht um originäre Leistung, wie Sie das angedeutet hatten. Der Vergleich mit dem Energierecht war insoweit zwar interessant; der Blick auf meine Energierechnung erweckt bei mir freilich den Eindruck, dass gerade hier etwas mehr Wettbewerb kein Unglück wäre – zugegebenermaßen eine eher laienhafte Perspektive auf das Energierecht. Sozialrechtliche Probleme mit den Grundfreiheiten gibt es in der Tat allenfalls im Planungsbereich, etwa im Vertragsarztrecht und dem Krankenhausrecht. Aber auch die nehmen jedenfalls in Deutschland tendenziell ab. Im Krankenhausbereich etwa geht durch die Einführung des neuen Vergütungssystems DRG das Risiko unwirtschaftlichen Verhaltens der Krankenhäuser von den Kassen bzw. von den Ländern doch sehr weit gehend auf die Krankenhäuser über. Eine allerletzte Frage geht noch mal zurück in den ersten Teil. Meine ganz spezielle Frage an Herrn Tettinger: Sie haben das Wunsch- und Wahlrecht der Versicherten angesprochen, zugleich das Vergaberecht. Meine ganz konkrete Frage: Wie verträgt sich das Wunsch- und Wahlrecht der Versicherten mit dem Ziel eines vergaberechtlichen Verfahrens, ja nur einem einzigen Anbieter letztlich den Zuschlag zu erteilen? Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit! Pielow: Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich kann wohl unmittelbar an die Ausführungen von Herrn Kingreen anknüpfen. Stichwort: „Soziale Dienste und Wettbewerb im EU-Binnenmarkt“. Die wichtigsten Schnittstellen zwischen dem europäischen und dem nationalen Recht sind ja schon genannt worden – insbesondere die Grundfreiheiten (mit der Kohll- und Decker-Rechtsprechung), sodann die Instrumente der Fondsfinanzierung auf der europäischen Ebene. Ein Aspekt ist dabei vielleicht ein bisschen zu kurz gekommen; Herr Tettinger hat ihn beiläufig erwähnt mit dem Stichwort „Beihilfenkontrolle“. Meine Frage deshalb: Wie sieht es eigentlich mit der Anwendung der allgemeinen Wettbewerbsvorschriften des EG-Vertrages im Bereich des „Sozialen“ aus? Die Artikel 81 ff. EG setzen bekanntlich ein „unternehmerisches“ Handeln voraus. Der Begriff des Unternehmens wird sodann rein funktional, also „träger-
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neutral“ danach bestimmt, ob es sich um eine „wirtschaftliche“ Tätigkeit resp. um den „marktbezogenen“ Austausch von Gütern und Dienstleistungen handelt. Davon zu unterscheiden sind die „nicht-wirtschaftlichen“ Tätigkeiten: Hierzu gehören nach vereinzelter Aussage des Europäischen Gerichtshofs wie auch der Kommission (in ihren Mitteilungen zu den Leistungen der Daseinsvorsorge) insbesondere klassische Hoheitsaufgaben, ferner kulturelle Dienste (etwa im Bildungswesen!) sowie „karitative“ und eben „soziale“ Dienstleistungen. Jetzt fragt sich natürlich: Sind „soziale“ Dienstleistungen pauschal vom Anwendungsbereich des EGKartellrechts und damit etwa auch vom Beihilfeverbot ausgenommen? Die EU-Kommission hat dazu in Ihrem „Grünbuch über Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ vom Mai 2003 wohl berechtigte Zweifel angemeldet und auf die „Wandelbarkeit“ der Unterscheidung von wirtschaftlichen und nicht-wirtschaftlichen Diensten hingewiesen. Mich würde interessieren, wie sich diese Grenzziehung aus der Sicht der Referenten darstellt. Besteht hier noch Entwicklungspotential oder sogar Ergänzungsbedarf? Von dieser wichtigen Weichenstellung hängt schließlich ab, ob und inwieweit überhaupt das von Herrn Tettinger erwähnte Konzept der „Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ – also die zentrale Ausnahmenorm in Art. 86 Abs. 2 EG mit der dazu ergangenen Rechtsprechung – zur Anwendung gelangt oder nicht. In diesem Kontext halte ich übrigens auch den Begriff „Infrastrukturdienstleistungen“ nicht für verfehlt; mit Herrn Püttner geht es hier um die Versorgung „aller“ Bürger im Sinne „öffentlicher“, d. h. vor allem flächendeckender Versorgung. Sydow: Meine Bemerkung bezieht sich auf die Kontrollproblematik bei der Verwaltung europäischer Programme. Es erscheit mir weiterführend, auf ein Instrument der Selbstkontrolle der Verwaltung hinzuweisen, das aus dem nationalen Verwaltungsrecht ohne weiteres bekannt ist: das Widerspruchsverfahren, dessen Devolutiveffekt die Möglichkeit bietet, das Handeln nachgeordneter Behörden zu kontrollieren. Ein vergleichbares Rechtsinstitut existiert im europäischen Recht nicht flächendeckend, und zwar schon deshalb nicht, weil die europäische Verwaltung erst ansatzweise institutionell ausdifferenziert ist und weil die bestehenden verselbständigten Einheiten grundsätzlich nicht in einem hierarchischen Verhältnis zueinander stehen. Aber gerade im Bereich der europäischen Programmverwaltung besteht ein solches Beschwerdeverfahren mit Devolutiveffekt. Herr Schneider, Sie haben die früheren bureaux d’assistance technique angesprochen. Diese Büros für technische Hilfe werden teilweise abgelöst durch die neuartigen Exekutiv-Agenturen: Die normative Grundlage ihrer Errichtung ist letztes Jahr erlassen worden, erste Gründungen gibt es seit diesem
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Jahr. Gegen ihre Entscheidungen besteht eine Beschwerdemöglichkeit zur Europäischen Kommission. Dieses hierarchisierte Verhältnis und der Devolutiveffekt der Beschwerde ermöglichen der Europäischen Kommission eine Kontrolle über das Handeln der nachgeordneten Exekutiv-Agenturen. Ich möchte Ihrer Forderung nach verstärkter politisch-parlamentarischer Kontrolle die Forderung zur Seite stellen, auch solche Instrumente der administrativen Selbstkontrolle in den Blick zu nehmen, denn sie sind im Europarecht noch wenig entwickelt und wissenschaftlich kaum analysiert. Dabei wären die Diskussionsanregungen von Herrn Voßkuhle und von Herrn Schmidt-Aßmann aufzugreifen, verstärkt Bezüge zum Allgemeinen Verwaltungsrecht herzustellen. Konkret wäre das Beschwerdeverfahren im Bereich der Exekutivagenturen in Bezug zu vergleichbaren Verfahren zu setzen. Im Europarecht könnte so ein Rechtsinstitut der Verwaltungsbeschwerde konturiert werden, das verwaltungsinternen Rechtschutz bietet und der administrativen Selbstkontrolle dient. Michael: Dem Vorstand gebührt Dank dafür, ein Thema aufgegriffen zu haben, von dem wir uns einig sind, dass es große aktuelle Bedeutung hat: politische, ökonomische und natürlich vor allen Dingen soziale Bedeutung. Welche Chance eröffnet es, wenn wir uns als Vereinigung einem solchen Thema in einer Umbruchssituation zuwenden? Es fordert heraus, die Chancen des Interdisziplinären aufzugreifen, wobei es natürlich auch aus Zeitgründen schwer ist, in den Referaten jeweils vertieft darauf einzugehen. So müssen wir uns vor allem auf die Normativität und zwar nicht des Faktischen, sondern des Rechtlichen besinnen. Dazu gehört zum einen das, was Herr Voßkuhle und Herr Schmidt-Aßmann angesprochen haben: die Systematisierungsfunktion des Verwaltungsrechts. Zum anderen gilt es, die normative Kraft des Verfassungsrechts zu umreißen. Zu Recht haben die Referenten auch das europäische Verfassungsrecht mit in den Blick genommen. Das Verfassungsrecht kann aber nur dann seine normative Kraft auf die Sozialpolitik entfalten, wenn wir erstens klären können: Welche Normen sind zu solcher Wirkung überhaupt fähig? Es muss klar sein, dass es z. B. normativ eine Rolle spielt, dass die Sozialstaatsklausel positiviert ist – die Antwort von Herrn Steiner auf die von Herrn Meyer gestern zugespitzte Frage hat mich beruhigt. Bei den Topoi, über deren Geltungsanspruch wir uns im Grundsatz einig sind, müssen wir zweitens fragen: Welche konkrete rechtliche Bedeutung haben sie? So haben Sie, Herr Schneider, interessanterweise dem Topos der „politischen Kontrollmechanismen“ die Bedeutung einer Symbolkraft zugeschrieben. Und da frage ich mich: Ist nicht der für die Demokratie zentrale Topos der politischen Verantwortung kraft Verfassungsrechts mit mehr ausgestattet als mit bloßer Symbolkraft?
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Vorsitzender: Vielen Dank für diese Frage. Jetzt kommt noch eine Wortmeldung, die sich beim besten Willen weder Block eins noch Block zwei zuordnen ließ. Ich habe mich von daher mit Herrn Meyer darauf geeinigt, dass er unsere Diskussion abschließt. Als Stichwort lese ich: „Böckenförde“. Bitte, Herr Meyer! Meyer: Zu unserer Einstimmung haben Sie, Herr Schneider, zu Beginn Ihres Referates, das von dem ehrenwerten Kollegen Böckenförde zwar nicht erfundene, aber maßgeblich tradierte Wort bemüht, „Der Staat lebt von Bedingungen, die er selbst nicht schaffen kann“. Ein kluger Kopf hat einmal gesagt: „Nichts ist erfolgreicher als eine gut formulierte Dummheit“. Der tradierte Satz ist gut formuliert, aber er gibt eine Antwort auf eine Frage, die man vernünftigerweise nicht stellen kann. Nicht einmal die natürliche Person kann von den Bedingungen leben, die sie selbst schafft. Wie sollte das eine juristische Person können? Vorsitzender: Dazu eine spontane Wortmeldung von Herrn Gröschner ! Gröschner: Das korrekte Zitat bezieht sich auf den „freiheitlichen“ Staat und muss um einen Halbsatz erweitert werden: „…, ohne seine Freiheitlichkeit in Frage zu stellen“. Vorsitzender: Jetzt wird es Zeit für die Schlussworte der Referenten, denen wir mit großem Interesse entgegensehen. Wie immer gehen wir in umgekehrter Reihenfolge vor. Es beginnt also Herr Schneider. Schneider: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, verehrte Kolleginnen und Kollegen: Herzlichen Dank für Ihre vielfältigen Anregungen! Beginnen möchte ich mit einer Bemerkung zum Gegenstand des Referats. Das Thema, das Herrn Tettinger und mir gestellt war, betraf die verwaltungsrechtlichen Instrumente des Sozialstaats. In der Tat habe ich dieses weit interpretiert und mich nicht auf das klassische Sozialrecht beschränkt. Jedenfalls auf der von mir betrachteten europäischen Ebene kann ich dazu auf die Position des Europäischen Rates verweisen, der mit seiner Lissabon-Strategie sehr deutlich macht, dass es ihm um eine Integration von wirtschaftlichen, struktur- und sozialpolitischen Aspekten geht. Deswegen gehört das alles notwendig miteinander zusammen. Im Übrigen lässt sich nur so die vielbeklagte Abkapselung bereichsspezifischer Sonderdogmatiken vermeiden. Zum Zweiten möchte ich auf den Komplex des europäischen Wettbewerbsrechts und der Grundfreiheiten eingehen. Herr Kingreen hat darauf abgehoben, dass es bislang nur wenige Fälle grenzüberschreitender Be-
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handlungen gäbe. Das mag so sein. Aber es gibt einen wachsenden Markt dafür. Das Recht sollte auf diesen vorbereitet sein und künftige Entwicklungen einer dynamischen Umwelt einkalkulieren. Ein anderes Thema ist Ihre Frage, ob nicht mehr Wettbewerb gut täte? Da stimme ich Ihnen im Grundsatz zu. Wer meine Schriften kennt, weiß, dass ich dafür im Energierecht immer schon plädiert habe. Nur eben in einer Form, dass der Wettbewerb auch funktioniert. Denn im Energiebereich müssen wir jetzt feststellen, was passiert, wenn wir die Marktöffnung mit relativ wenigen Standards auf gerichtlichem Wege durchsetzen wollen. Die Monopole verdichten sich sogar eher noch. Punktuelle Eingriffe in solche komplexen Strukturen führen eben zu nichts, sondern es bedarf einer regulativen Marktorganisation. Dafür sind Gerichte aber nicht geschaffen. Der größere Teil Ihrer Fragen betraf die Verwaltungskontrolle und darauf möchte ich jetzt eingehen. Herr Zacher, Sie hatten zu Recht die Problematik der parlamentarischen Beteiligung bei den Finanzprogrammen angesprochen. Die Einbindung des Gesetzgebers ist allerdings in den letzten Jahren gestärkt worden, gerade bei den Finanzprogrammen. Am Anfang hat die Kommission in großem Maße versucht, diese mehr oder minder selbständig zu gestalten. Dem hat aber der EuGH einen Riegel vorgeschoben. Und auch die neue Europäische Haushaltsordnung betont – vielleicht als Vorbild auch für Deutschland – die Notwendigkeit eines Basisrechtsaktes. Der muss nun nicht notwendig in einem parlamentarischen Verfahren entstehen, aber zumindest gibt es Tendenzen, die in diese Richtung gehen. Gleichwohl ist die von Ihnen betonte Unterscheidung der europäischen Steuerungsmechanismen – goldener Zügel auf der einen Seite und richtige normative Anforderungen andererseits – richtig. Aber zumindest entwickelt sich auch bei den Finanzprogrammen eine normative Zwischenschicht. Angesprochen wurde ferner die Symbolkraft von parlamentarischer Kontrolle. Sicher wäre es zu kurz gegriffen, dieser nur Symbolkraft beizumessen. Aber erstens sind auch Symbole für menschliche Institutionen wie die Europäische Union oder einen Staat von Bedeutung. Und zum Zweiten geht es gerade darum, dieses nur sehr punktuelle und deswegen eher symbolische Instrumentarium aufzuwerten, indem es mit systematischen Elementen verbunden wird. Beispielsweise mit administrativen Kontrollen, durch die dem Parlament ganz neue Erkenntnismöglichkeiten zuwachsen. In Europa sind deutliche Konflikte zu spüren, wenn das Europäische Parlament versucht, an Herrschaftswissen, das aus Audits und ähnlichem erwächst, heranzukommen. Solche Verkopplungen sind noch nicht hinreichend ausgeprägt und wären deswegen etwas, worüber man fruchtbringend weiter nachdenken kann. Daneben geht es auch darum, wie die parlamentarischen Verwaltungskontrollstrukturen selbst or-
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ganisiert sind. Diesbezüglich gibt es etwa in England, wo diesen ein relativ großes Gewicht beigemessen wird, mit den sogenannten select committees interessante Mechanismen, die eine genauere Analyse verdienten. Sie sind nicht so punktuell ausgerichtet wie unsere Untersuchungsausschüsse und sind deswegen weniger skandalträchtig – oder von Skandalen abhängig. Statt dessen erarbeiten sie wirkliche Querschnittsanalysen zu auch mittelfristig wichtigen Themen. Eine Verkoppelung scheint mir also der richtige Weg zu sein. Sehr schön fand ich den Hinweis, dass ich auch die Fragen eines europäischen Widerspruchsverfahrens am Beispiel der Exekutivagenturen hätte ansprechen können. Ich kann darauf verweisen, dass sich dieser Aspekt in meinem Anfangsmanuskript durchaus fand. Aber dieses Manuskript umfasste 90 Seiten und hätte diese Veranstaltung gesprengt. Deswegen werde ich mir dieses in der Tat interessante Thema für andere Anlässe aufheben. Der nächste Aspekt war, dass bei den Leistungsprogrammen und ihrer Ausgestaltung Verträge eine zunehmende Rolle spielen. Beispielsweise sieht die Europäische Haushaltsordnung vor, dass die Finanzhilfen über Vertragsstrukturen abgewickelt werden müssen. Interessant ist nun, dass trotz dieser im Ausgangspunkt konsensualen Elemente etwaige Rückforderungen und andere Finanzkorrekturen zumindest teilweise und vermutlich sogar mit gutem Grund wieder recht einseitig strukturiert sind. In welchem Verhältnis dies miteinander steht, lohnt sicher noch weiteres Nachdenken. Dankbar bin ich auch für die Anregung, stärker das Völkerrecht und das internationale Verwaltungsrecht einzubeziehen. In dem Kommissionspaket für die neue Strukturförderperiode ab 2007 gibt es einen Vorschlag für eine Verordnung über einen europäischen Verbund für grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Wenn man sich diesen Vorschlag ansieht, entdeckt man eine Menge an symbolischen Formeln, die die Dinge vermutlich kaum vorantreiben. Allerdings ist das ganz typisch für Europa. Häufig sind zuerst nur Formeln da, aber nach und nach entwickelt sich dann auch etwas richtig Instrumentelles. Es wird interessant sein, zu beobachten, ob dieser Kommissionsvorschlag im Gesetzgebungsverfahren eine Überlebenschance hat oder vielleicht sogar noch eine inhaltliche Konkretisierung erfährt. Schließen möchte ich damit, dass es mein Anliegen war, zu zeigen, dass das Europarecht für die Diskussion über moderne Instrumente des Verwaltungsrechts Bedeutung hat. Eine ganze Reihe von diesen Instrumenten, die ich Ihnen aufgezeigt habe, können auch für nationale Diskussionen – etwa über die Verkoppelung zwischen Bundesebene und Kommunen im Rahmen des Arbeitslosengeldes II oder Ähnlichem eine Rolle
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spielen. Vor allem möchte ich aber abschließend die Perspektive noch erweitern. Denn wir kommen in Europa nur dann zu vernünftigen und damit vertrauensbildenden Kontrollstrukturen, wenn wir europäisch rechtsvergleichend besser wissen, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede in unseren nationalen Kontrollstrukturen bestehen. Im Gesprächskreis „Europäisches Verfassungsrecht“ hat Frau Lipowicz sehr eindrucksvoll von „Beraterbrigaden“ berichtet, die nach Polen kamen und Koffer voller Ideen zur Transformation des polnischen Verwaltungsrechts mitbrachten. Die Koffer enthielten aber keine europäischen Ideen, sondern immer nur nationale gemäß der Herkunft der jeweiligen Berater. Dies ist auch nicht verwunderlich, ist doch unser wechselseitiger Wissensstand über das verwaltungsrechtliche Gepäck der europäischen Mitgliedstaaten und selbst der Gemeinschaftsebene noch äußerst dürftig. Es ist daher mehr als nötig, einen Ort zu schaffen, wo möglichst viele dieser Koffer geöffnet und systematisch miteinander verglichen werden. Wenn wir heute einen Schritt zu diesem Ort getan haben, würde ich mich sehr freuen. Vielen Dank! Tettinger: Vielen Dank, Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Ich bedanke mich für die Anmerkungen, Anregungen und Fragen. Meine Schlussbemerkungen möchte ich nach Themenfeldern gruppieren, beginnend mit dem Appell von Herrn Schmidt-Aßmann. Ich glaube, das ist die zentrale Aussage, die nach dieser Veranstaltung eigentlich nötig ist, nämlich: das Verwaltungsrecht und das Staatsrecht sollten sich etwas mehr um das Sozialrecht kümmern. Die Aufrechterhaltung und Stärkung der Verbindungslinien ist einfach zu wichtig, schließlich handelt es sich um ein interessantes Referenzgebiet, für das wir eine Reihe von ausbaufähigen Materialien gefunden haben. Eine intensive Aufarbeitung wird notwendig sein, aber die Staatsrechtslehrer und Verwaltungsrechtslehrer sollten nicht den Fehler machen, der vor Jahrzehnten mit dem Steuerrecht schon einmal gemacht worden ist, dass nämlich mangels Engagements ein ganzes Gebiet abdriftet. Deswegen kommt diesem Appell besonderes Gewicht zu. Ein zweiter Punkt: Herr Badura sagt völlig zu Recht: Man muss in diesem Zusammenhang die Frage der Veränderungsmöglichkeiten stellen. Rechtspolitische Überlegungen konzentrieren sich hier insbesondere auf §§ 44, 45, 48 SGB X. Sollen diese so bestehen bleiben? Dies lässt sich nur unter Berücksichtigung rechtsstaatlicher wie grundrechtlicher Elemente beantworten. Aber ein Veränderungsbedarf ist meines Erachtens durchaus gegeben. Ich habe – abgesehen von einigen Bemerkungen und Nebensätzen – das Verfassungsrecht nicht thematisiert, weil das Verwaltungsrecht, sozusagen die einfach-gesetzliche Basis, genügend Stoff geboten hat.
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Aber Sie haben völlig Recht, in dieser Richtung müssen die Überlegungen weitergehen. Zu Herrn Voßkuhle: In der Tat, Systematisierung ist notwendig. Ich habe versucht, einige Impulse zu geben insbesondere mit Stichworten, die die Richtung andeuten, wie diesem: Handlungsmaßstäbe sind das Wichtigste. Darauf wird man sich verständigen müssen, da ist viel zu tun. Und, ich will es noch einmal in Erinnerung rufen, die letzte Veranstaltung in diesem Kreis zu diesem Thema fand vor 35 Jahren statt. Wenn Sie sich vor Augen führen, was Herr Henke und Herr Rüfner in Bern damals herausgearbeitet haben, das ist auch heute noch sehr lesenswert, und ich habe mich gewundert, dass in den dazwischen liegenden Jahrzehnten augenscheinlich kein Bedürfnis für ein Aufgreifen dieser Diskussion bestand. Herr Rüfner beispielsweise hat seinerzeit schon von der regulierten Energieversorgung gesprochen, also einem Thema, das heute als brandaktuell anzusehen ist. Und, zu Herrn Ruland, Herr Henke hat damals die etwas ketzerische Frage gestellt, was eigentlich der tragende Grund dafür ist, dass die Versorgung mit ärztlichen Leistungen organisatorisch ganz anders abgewickelt wird als die Versorgung mit Strom oder mit Lebensmitteln. Also, in dieser Richtung kann man all das problematisieren. Ich habe dazu nur punktuell Anregungen geben können. Bei der Daseinsvorsorge, Herr Püttner, ist der Ansatzpunkt: Wo endet das Sozialrecht, wie weit geht es? Die Diskussionen auf der europäischen Ebene, zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse sowie – normativ spezifiziert – zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, und die Erörterungen auf der kommunalen Ebene hierzulande laufen interessanterweise in vielen Punkten parallel. In den Gemeindeordnungen ist schließlich die Rede von „wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Betreuung“ (also auch „wirtschaftliche Betreuung“ – nämlich vorne bei den öffentlichen Einrichtungen), aber hinten im Kontext wirtschaftlicher Aktivitäten heißt es „wirtschaftliche Betätigung“. Dies signalisiert insofern also: Die Abschichtung wird äußerst schwer. Herr Pielow hat es angesprochen: Es ist eine interessante Rechtsprechung des EuGH zu Art. 81 EG zu registrieren, wo brisante Fragen ja noch nicht beantwortet sind, wo man aber gesagt hat: Ausnahmsweise wird die Unternehmenseigenschaft abgelehnt, wenn es sich um eine Betätigung im Rahmen rein sozialer Zwecke handelt. Speziell zur deutschen Festbetragsregelung für Arzneimittelkosten hat man gesagt, „Ja, das noch“, aber die Anschlussfrage lautet „Wie weit reicht das denn dann?“. Ich will jetzt nicht in Ihren Themenbereich, Herr Pitschas, wieder eintauchen, nur da ergeben sich in der Tat bemerkenswerte Fragestellungen: „Wie rein ist rein?“ Irgendwo fängt gewiss die Schattierung an. Und auf der kommunalen Ebene kommen wir dann konsequenterweise zu der Frage: Ist das nicht
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dann letztlich doch wirtschaftliche Tätigkeit? Man wird jedenfalls darauf achten müssen, Herr Püttner, so würde ich das sehen, dass die Lösungssuche in diesem Mehrebenensystem harmonisch abläuft. Herr Schnapp hat Stellung genommen zum Stichwort „bürgerbetreuungsfreundlich“ und Herr Zacher hat angemahnt, man solle das Sozialrechtsverhältnis etwas näher in den Blick nehmen. Dies ist sicherlich richtig, nur, wenn ich den Diskussionsstand im Verwaltungsrecht betrachte, so dürfte die Begeisterung, aus einem allgemeinen Verwaltungsrechtsverhältnis Konsequenzen zu ziehen, sehr begrenzt sein. Und hier stellt sich in der Tat die Frage – insofern ist es reizvoll, die Diskussion aufzugreifen – zum Beispiel bei dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, der letztlich aus solchen Überlegungen folgt. Und da sehen Sie nun deutlich, die Sozialgerichtsbarkeit – deswegen „bürgerbetreuungsfreundlich“, Herr Schnapp – sagt „ja“, das Bundesverwaltungsgericht zuckt zurück: „aber nicht generell“ und „bei Wohngeld jedenfalls nicht“, und die Verwaltungsgerichte: „da und dort auch nicht“. Also wenn, dann ist da eine Homogenisierung notwendig, und ich muss ehrlich sagen: Die Repräsentanten der Verwaltungsgerichtsbarkeit haben sich, als es um die Reformen im SGB XII wie in weiteren Bereichen ging, nicht besonders geschickt angestellt. Aber, ich denke, wenn Fachvertreter des Öffentlichen Rechts eine Pressure-Group bilden, dann sollten sie jedenfalls diese Frage nicht völlig außen vor lassen. Herr Bauer, Sie haben Recht: Die Zielvereinbarung ist etwas Schönes, aber etwas hoch Gefährliches. Zu den Grenzen: Ich habe mich auch hier nicht vertieft mit verfassungsrechtlichen Elementen auseinandergesetzt – vor allem dort dürfte man freilich fündig werden; ich habe mich nur darauf beschränkt zu sagen, wenn solche Selbstverwaltungskörperschaften sich auf das Instrument der Zielvereinbarung einlassen, dann muss aber jedenfalls Vertrauensschutz gewährleistet sein im Sinne von Planungssicherheit. Es kann nicht sein, dass man unterschreibt und dann nach zwei Jahren das Ministerium sich nicht mehr daran zu erinnern vermag, was vereinbart war. Also auch hier eine Betonung der Richtung hin zu Kontinuität und Konsequenz. Ich glaube, das ist das Wichtigste. Zu Herrn Kingreen: Mit Relevanz für das Vergaberecht habe ich eigentlich nur einen hochinteressanten Komplex angesprochen: Wie ist es, wenn frei-gemeinnützige Unternehmen mit einer Subvention bedacht wurden und privatwirtschaftliche bleiben außen vor? Das ist in der Tat eine spannende Frage, und hier wird man danach forschen müssen: Gibt es plausible Gründe, die eine Subventionierung frei-gemeinnütziger Einrichtungen rechtfertigen? Auch dies ist eine Thematik, bei der staatsrechtliche wie verwaltungsrechtliche Elemente eine Rolle spielen. Wenn es plausible Gründe gibt, dann ist auch eine entsprechende Bevorzugung
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zulässig; entsprechende Fragen können sich dann, wenn man zu einer Auftragsvergabe schreitet, auch im Vergaberecht stellen. Beihilferechtliche Fragen sind jedenfalls zentral angesprochen. Mit Blick auf die Uhr zum Schluss: Wenn wir das bisherige Prozedere fortsetzen, dann wird dieses Thema in 35 Jahren beim hundertsten Jubiläumsband der Veröffentlichungen der Vereinigung im Jahre 2040 noch einmal behandelt. Nachdem gestern bereits das Jahr 2030 im Gespräch war, könnten wir ja vielleicht auch hier anregen, es doch ein bisschen früher zu versuchen! Vielen Dank! Vorsitzender: Wir alle sind natürlich sehr gespannt, wie sich die Themenfindung in den nächsten Jahren entwickelt, denn man weiß ja nie, was die Vorstände sich dazu so alles ausdenken. Herr Schneider, Herr Tettinger, Ihnen beiden ganz herzlichen Dank auch von meiner Seite – und ich bin sicher, dass ich insofern auch für meine beiden Vorstandskollegen sprechen darf. Es war in der Tat unser Anliegen, Allgemeines und Besonderes, in diesem Fall: Allgemeines Verwaltungsrecht und Besonderes Verwaltungsrecht wieder ein bisschen ins Gespräch zu bringen, wechselseitige Rezeptions- und Befruchtungsprozesse zu untersuchen, sich füreinander zu öffnen und drohenden Abkapselungstendenzen entgegenzutreten. Ich glaube, wir haben heute gute Mittel bereitgestellt bekommen, um solchen Gefahren zu begegnen. Uns ist ein breites Material präsentiert worden. Ich bin froh, dass ich offenbar nicht der einzige war, dem vielleicht zunächst etwas der Kopf schwirrte ob der Vielfalt der Informationen und auch ihres Neuigkeitsgehaltes, aber ich glaube, wenn wir das alles noch einmal in Ruhe lesen, wird sich manches aufhellen und in klarer Ordnung präsentieren. Nochmals besten Dank!
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Matthias Jestaedt
Vierter Beratungsgegenstand:
Diskriminierungsschutz und Privatautonomie 1. Bericht von Prof. Dr. Matthias Jestaedt, Erlangen Inhalt Seite
I.
Diskriminierungsschutz im Privatrecht – ein Thema im Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Antidiskriminierungsrecht auf gemeinschaftsrechtlicher Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entwicklung und Grundlagen des Europäischen Antidiskriminierungsrechts . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Bauplan des Europäischen Antidiskriminierungsrechts . . . . . . . . . . . . . . a) Ein neuer Typus von Antidiskriminierungsrichtlinien . . . . . . . . . . b) „Starkes“ Antidiskriminierungskonzept . . . . . c) Positivrechtliche Relativierungen des „starken“ Konzepts: Anwendungsbereiche und Ausnahmetatbestände . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Primärrechtskonformität des Europäischen Antidiskriminierungsrechts . . . . . . . . . . . . . . a) Vorrang nicht gleich Vorrang . . . . . . . . . . . b) Europäisches Antidiskriminierungsrecht und Gemeinschaftsgrundrechte . . . . . . . . . . . . . III. Der Anwendungsrahmen der nationalen Grundrechte . IV. Diskriminierungsschutz und Privatautonomie im Rahmen des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfassungsrechtlicher und einfachrechtlicher Diskriminierungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . a) Staatsrichtung und Privatrechtsgeltung der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundrechtsbindung qua Generalklausel? . . . . c) Eine Frage der Rechtfertigung . . . . . . . . . . . 2. Grundrechtsobligatorischer Diskriminierungsschutz
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Diskriminierungsschutz und Privatautonomie
V.
a) Ein Anwendungsfall des grundrechtsinduzierten Schutzes vor gestörter Vertragsparität? . . . . . . . . b) Das Gleichbehandlungsgebot gemäß Art. 3 Abs. 2 GG als grundrechtliche Schutzpflicht? . . . . . . . . . . . 3. Grundrechtsfakultativer Diskriminierungsschutz . . . . . Die Grenzen des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I.
Matthias Jestaedt
Diskriminierungsschutz im Privatrecht – ein Thema im Wandel
Die Frage des Schutzes vor Diskriminierung im Rechtsverkehr unter Privaten ist so neu nicht,1 und doch stellt sie sich heute mit besonderer Aktualität und Eindringlichkeit. Wiewohl gerade Zivilrechtspraxis und Zivilrechtslehre in der verstrichenen Dekade ihre besondere Aufmerksamkeit Fragen von Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit, von Privatautonomie und Kontrahierungszwang, von formaler und materialer Vertragsfreiheit geschenkt haben2 und damit jenen Akzentverschiebungen im Privatrecht, die Claus-Wilhelm Canaris in der Wendung von der „‚Materialisierung‘ der Vertragsfreiheit“ begrifflich zu fassen sucht,3 spielte die Frage des Schutzes vor Diskriminierung wegen des Geschlechts, der Rasse oder anderen Gründen im Privatrecht – außerhalb des Arbeitsrechts, dem insoweit seit jeher eine Sonderrolle zukommt4 – für Systemüberlegungen bis vor kurzem nur eine randständige Rolle.5 Zu verstärkter Aufmerksamkeit, ja zu ungewöhnlich heftigen Reaktionen
1 Hier sei nur auf die Diskussion um ein zivilrechtliches Antidiskriminierungsgesetz bereits zu Beginn der Achtziger Jahre verwiesen: D. Coester-Waltjen ZRP 1982, 217 ff.; W. Gitter NJW 1982, 1567 ff., je mwN; s. a. A. Breuer Antidiskriminierungsgesetzgebung – Chance oder Irrweg?, 1991 (freilich nur im Blick auf die Geschlechterdiskriminierung). 2 Aus der monographischen Literatur W. Enderlein Rechtspaternalismus und Vertragsrecht, 1996; S. Lorenz Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997; J. Oechsler Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, 1997; J. Neuner Privatrecht und Sozialstaat, 1999; J. Busche Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 1999; U. Knobel Wandlungen im Verständnis der Vertragsfreiheit, 2000; D. Schiek Differenzierte Gerechtigkeit, 2000; J. Naumann Sittenverstoß und Privatautonomie, 2003; H. Hanau Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Schranke privater Gestaltungsmacht, 2004. Aus Sicht des Gesellschaftsrechts: C. Weber Privatautonomie und Außeneinfluß im Gesellschaftsrecht, 2000. Aus verfassungsrechtlicher Sicht: M. Bäuerle Vertragsfreiheit und Grundgesetz, 2001. – Dass die Diskussion um die Grenzen der Privatautonomie bereits zur Zeit der Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuches einsetzte, betont mit Recht R. Poscher Grundrechte als Abwehrrechte, 2003, 358 mwN. 3 C.-W. Canaris AcP 200 (2000), 273 (277 und passim). 4 Zum Diskriminierungsschutz im Arbeitsrecht, der freilich nach wie vor im Schwerpunkt ein Schutz vor Geschlechterdiskriminierung (vgl. §§ 611a, 611b, 612 Abs. 3 BGB) ist, vgl. aus der weitläufigen Literatur und Judikatur stellvertretend: M. Fuchs/F. Marhold Europäisches Arbeitsrecht, 2001, 83ff.; H. Wiedemann Die Gleichbehandlungsgebote im Arbeitsrecht, 2001; J. Mohr Schutz vor Diskriminierungen im Europäischen Arbeitsrecht, 2004, je mwN. 5 Eine Ausnahme im Kreis der oben (Fn. 2) genannten Habilitationsschriften bildet die Schrift von D. Schiek (Fn. 2), die sich in zentraler Weise der Thematik von „Diskriminierungsschutz und Vertragsrecht“ (so der Untertitel) widmet. Vgl. des Weiteren die Studie zu „Ethnische Diskriminierung, Gleichheit und Sittenordnung im bürgerlichen Recht“ von T. Bezzenberger AcP 196 (1996), 395ff.
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kommt es erst, als Ende 2001 ein vom Bundesministerium der Justiz gefertigter „Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Verhinderung von Diskriminierungen im Zivilrecht“6 das Licht der Öffentlichkeit erblickt,7 dem es unter anderem darum zu tun ist, Diskriminierungsschutz im Privatrecht auffällig und damit merklich zu platzieren:8 „Zum einen soll das Diskriminierungsverbot den Bürgern untereinander zur eindeutigen Pflicht gemacht werden. Zum anderen soll der Betroffene Verletzungen des Diskriminierungsverbots effizienter als bisher durchsetzen können.“9 Von zivilrechtswissenschaftlicher Seite10 wird in der Etablierung einer „interventionistischen Sozialmoral im Zivilrecht“11 der „Anfang vom Ende der Privatautonomie“12 ausgemacht und der „Beginn eines neuen puritanischen Tugendregimes“13 befürchtet, „Überwachungs- und Inquisitionskomitees von wahrhaft Robespierre’schem Charakter“14 erwartet 6 Stand: 10. Dezember 2001 (abrufbar unter: http://www.nrwgegendiskriminierung.de/ de/docs/pdf/ADG-Entwurf-BMJ.pdf [Stand: 22. September 2004]). 7 Vorgestellt von der Bundesministerin der Justiz H. Däubler-Gmelin am 29. November 2001, vgl. Pressemitteilung des BMJ Nr. 82/01 vom 3. Dezember 2001. 8 So bezeichnet der Diskussionsentwurf (Fn. 6) es als „Nachteil“ der bestehenden nationalen Rechtslage, nach der der grundgesetzliche Gleichbehandlungsgrundsatz und die übrigen Teile der Wertordnung des Grundgesetzes namentlich über die Generalklauseln gemäß §§ 138, 226, 242, 826 BGB in das Bürgerliche Recht einwirken, dass die Grundrechte und namentlich der Gleichbehandlungsgrundsatz, wiewohl effizient, so doch „unauffällig, ja geradezu unbemerkt in das Zivilrecht“ hineinwirkten. 9 So die Umschreibung des doppelten Kernanliegens sowohl des Entwurfs eines Antidiskriminierungsgesetzes seitens der SPD -Fraktion (BT-Drucks. 13/9706) als auch des Entwurfs eines Gleichstellungsgesetzes seitens der Fraktion Bündnis 90/ DIE GRÜNEN (BT-Drucks. 13/10081) durch die Begründung des Diskussionsentwurfs eines Zivilrechtlichen Antidiskriminierungsgesetzes (Fn. 6), 18; beide Kernanliegen macht sich der Entwurf ausdrücklich zu Eigen. 10 Aus dem zivilrechtswissenschaftlichen Schrifttum vgl. L. Fastrich RdA 2000, 65ff.; F. Urlesberger ZAS 2001, 72ff.; K. Adomeit NJW 2002, 1622 f.; dens. NJW 2003, 1162; J. Braun JuS 2002, 424f.; S. Braun AnwBl 2002, 569ff.; T. Fahr JuS 2002, 727; K. Globig ZRP 2002, 529f.; M. Klepper OWG 92 (2002), 11 ff.; E. Kocher RdA 2002, 167 ff.; T. Pfeiffer ZGS 2002, 165; E. Picker JZ 2002, 880ff.; dens. JZ 2003, 540ff.; dens. AnwBl 2003, 198 ff.; F.-J. Säcker ZRP 2002, 286ff.; H. Wiedemann/G. Thüsing DB 2002, 463ff.; J. Montag ZRP 2003, 18 ff.; J. Neuner JZ 2003, 57ff.; H. Reichold ZfA 2003, 493ff.; dens. JZ 2004, 384 ff.; C. Schmelz ZRP 2003, 67; T. Wölfl ZRP 2003, 297. 11 T. Pfeiffer (Fn. 10). 12 E. Picker JZ 2002, 880ff.; ders. AnwBl 2003, 198 ff. So auch die Befürchtung des 53. Deutschen Anwaltstages, zitiert nach S. Baer ZRP 2002, 290 (291 Fn. 5). Die Frage nach dem „Ende der Vertragsfreiheit“ wirft auch K. von Koppenfels in ihren Überlegungen zu dem hier in Rede stehenden Diskussionsentwurf eines Zivilrechtlichen Antidiskriminierungsgesetzes auf (WM 2002, 1489 ff.). 13 F.-J. Säcker (Fn. 10), 287. 14 E. Picker JZ 2003, 540 (542).
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Matthias Jestaedt
und eine „totalitäre“15 Grundhaltung der Privatrechtsreformer apostrophiert.16 Auf den Punkt gebracht: „Ein Privatrecht, das den Teilnehmern am Rechtsverkehr nicht mehr die freie Entscheidung belässt, wen man sich als Vertragspartner wünscht und wen nicht, ist eigentlich kein Privatrecht mehr.“17 Von öffentlichrechtlicher Seite wird assistiert und der Entwurf des Zivilrechtlichen Antidiskriminierungsgesetzes als „an act of legal vandalism“18 gebrandmarkt. Das – in Gestalt des Diskussionsentwurfes von 2001 zunächst zurückgezogene, aber damit keineswegs erledigte – Vorhaben, den Diskriminierungsschutz – über das Merkmal des Geschlechts und über den Bereich des Arbeitsrechts hinaus – allgemein im Privatrecht deutlich zu akzentuieren und damit der Diskriminierungsschutz-„Abstinenz des deutschen Vertragsrechts“19 entgegenzutreten, rührt offenbar an das Grundverständnis des Bürgerlichen Rechts und damit an ein zentrales Stück deutscher Rechtskultur, ja, an die rechte Balance von Freiheit und Gleichheit. Der Disput wird selbstredend auch – und nicht zuletzt – mit verfassungsrechtlichen Argumenten ausgetragen: Während die Protagonisten eines zivilrechtlichen Antidiskriminierungsrechts in dem Entwurf lediglich das Schließen einer – verfassungsrechtlich schmerzhaften – „Lücke“20 sehen und folgerichtig von grundrechtlich fundierten oder sogar grundrechtlich geforderten Korrekturen am herkömmlichen, formalen und daher nicht (hinreichend) diskriminierungswehrenden Vertragsverständnis sprechen, erblicken dessen Antagonisten darin einen schwerwiegenden, an den Wesensgehalt rührenden Eingriff in die grundrechtlich verbürgte Vertragsfreiheit.21 Hier spätestens kommt die Staatsrechtslehre ins Spiel, wenngleich sie bislang noch wenig Enthusiasmus zeigt, sich der Thematik in ihrer Breite und Tiefe anzunehmen.22
So von J. Braun (Fn. 10), 424. Weitere polemisch-kritische Wendungen zusammengetragen bei B. Schöbener/ F. Stork ZEuS 7 (2004), 43 (46f. Fn. 12). 17 So K. Adomeit NJW 2002, 1622 (1623). 18 K.-H. Ladeur German Law Journal 3 (2002), Nr. 5 (abrufbar unter www.germanlawjournal.com/article.php?id=152 [Stand: 22. September 2004]). 19 Die Wendung von der „Diskriminierungsabstinenz des deutschen Vertragsrechts“ bei D. Schiek (Fn. 2), 334 Fn. 263. 20 So namentlich S. Baer (Fn. 12), 294. 21 Vgl. die Nachweise oben Fn. 10. 22 Ausnahmen bilden insofern: I. von Münch NJW 1999, 260ff.; S. Baer ZRP 2001, 500 ff.; dies. (Fn.12), 290ff.; K.-H. Ladeur (Fn. 18); E. Eichenhofer DVBl 2004, 1078 ff.; M. Wrase/S. Baer NJW 2004, 1623 ff. Ohne nähere Auseinandersetzung betrachtet H. Dreier (in: ders. [Hrsg.] GG I, 2. Aufl. 2004, Vorb. Rn. 100; ders. ebenda, Art. 2 I Rn. 63) den im Jahre 2001 vorgelegten Entwurf eines zivilrechtlichen Antidiskriminie15 16
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Die aufkommende Debatte um Grund und Grenzen eines privatrechtlichen Diskriminierungsschutzes aus Sicht des Grundgesetzes speist sich namentlich aus der Kombination von dogmatischen Figuren und Argumenten, die dem Arsenal zweier ebenso weitreichender wie unabgeschlossener Grundsatzdiskurse entstammen: einerseits dem Dauerbrenner „Grundrechtswirkung im Privatrecht“23 mit den Leittopoi „mittelbare Drittwirkung“, „Ausstrahlungswirkung“ und „grundrechtliche Schutzpflichten“ sowie andererseits der weitaus jüngeren, namentlich von der Geschlechtergleichbehandlung geprägten24 Debatte um Aussage und Verhältnis der besonderen Gleichheitssätze gemäß Art. 3 Abs. 2 und 3 GG .25, 26 Doch die Auseinandersetzung darum, was das Grundgesetz an Diskriminierungsschutz im Privatrecht gebietet, verbietet respektive erlaubt, er-
rungsgesetzes im Hinblick auf die grundrechtlich geschützten Positionen der Privaten „als durchaus prekär“, als „überspannt“ und als „von seiner ganzen Motivation her mit der Freiheitsvermutung des Grundgesetzes nur schwer“ vereinbar; als einen „in seiner Weite problematischen Entwurf“ kennzeichnet – ohne nähere Ausführungen – auch W. Heun den nämlichen Entwurf (in: Dreier [Hrsg.] GG I, 2. Aufl. 2004, Art. 3 Rn. 98, s. a. Rn. 71). 23 Aus der jüngsten monographischen Literatur vgl. stellvertretend C.-W. Canaris Grundrechte und Privatrecht, 1999; M. Ruffert Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, 2001, passim; W. Cremer Freiheitsgrundrechte, 2003, besonders 413 ff.; R. Poscher (Fn. 2), besonders 227ff. und 344ff. – Dazu näher unten IV. 2. a). 24 Vgl. stellvertretend U. Sacksofsky Das Grundrecht auf Gleichberechtigung, 1991 (2. Aufl. 1996); S. Baer Würde oder Gleichheit, 1995; K.-J. Bieback Die mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts, 1997; D. Schiek (Fn. 2); dies. in: dies./Dieball/ Horstkötter/Seidel/Vieten/Wandel, Frauengleichstellungsgesetze des Bundes und der Länder, 2. Aufl. 2002, Systematische Darstellung, Rn. 1 ff., besonders 9 ff., 16 ff. 25 Näher nachfolgend IV. 2. a) und b). 26 Übersetzt in die Judikatur des BVerfG , geht es auf der einen Seite um den Streit über die grundrechtsinduzierte Inhaltskontrolle privatrechtlicher Verträge, die sich mit den Entscheidungen des Ersten Senats in Sachen „Handelsvertreter“ (BVerfGE 81, 242; dazu G. Hermes NJW 1990, 1764ff.; J. Schwabe DVBl 1990, 477 ff.; H. Wiedemann JZ 1990, 695 ff.; C. Hillgruber AcP 191 [1991], 69ff. – In diesen Kontext gehören im weiteren Sinne auch BVerfGE 86, 126 [dazu C. Hillgruber ZRP 1995, 6ff.] sowie BVerfGE 90, 27 [dazu B. Kempen DZWir 1994, 499ff.]. Zu diesen und den im Folgenden aufgezählten Judikaten: J. Isensee FS Großfeld, 1999, 485ff. mwN), „Bürgschaft“ (BVerfGE 89, 214; dazu G. Spieß DVBl 1994, 1222 ff.; O. Depenheuer ThürVBl 1996, 270 ff.; W. Zöllner AcP 196 [1996], 1 ff.; P. J. Tettinger DVBl 1999, 679 ff.) oder auch „Ehevertrag“ (BVerfGE 103, 89; dazu A. Röthel NJW 2001, 1334 f.) verbindet, und auf der anderen Seite um die Auseinandersetzung über das Verbot auch bloß mittelbarer Diskriminierungen sowie die Erlaubnis sogenannter „positiver Diskriminierung“, für die die Entscheidungskürzel „Nachtbackverbot“ (BVerfGE 85, 191), „Feuerwehrabgabe“ (BVerfGE 92, 91) und „Doppelnamen“ (BVerfGE 104, 373) stehen.
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fasst die Staatsrechtslehre reichlich spät – nämlich erst zu einem Zeitpunkt, in dem die Frage sich aufdrängt, ob der grundrechtsdogmatische Streit aufgrund des – infolge der Veränderungen auf europäischer Ebene – sich dramatisch verändernden Diskursrahmens nicht fortschreitend zu einem bloßen, mitgliedstaatlich-introvertierten Nachhutgefecht herabsinkt. Denn in dem Maße, in dem die Europäische Gemeinschaft sich des Antidiskriminierungsrechts annimmt, kann das mitgliedstaatliche Recht in seiner Antwort auf den Diskriminierungsschutz im und durch Privatrecht nicht mehr an den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben vorbeigehen.27, 28 Für die weiteren Überlegungen folgt daraus, dass, bevor sub specie des Grundgesetzes nach Grund und Grenzen des Diskriminierungsschutzes im Privatrecht gefragt werden kann,29 die gemeinschaftsrechtlichen Vor-
27 Vgl. zunächst nur M. Mahlmann ZEuS 5 (2002), 407 (417 ff., 424f.); D. Kehlen Europäische Antidiskriminierung und kirchliches Selbstbestimmungsrecht, 2003, 229ff., besonders 243–248 (zusammenfassend 248: „Eine Prüfung und Verwerfung von Antidiskriminierungsmaßnahmen gemäß Art. 13 EG am Maßstab des Grundgesetzes scheidet – abseits des eingeräumten Umsetzungsspielraums bei Transformationsgesetzen von Richtlinien – nach der nunmehr durch das Bananenmarkturteil konkretisierten Solange II-Formel des BVerfG in jedem Falle aus.“); B. Schöbener/F. Stork (Fn. 16), 47 ff. – Teilen sowohl der Zivil- als auch der Verfassungsrechtswissenschaft scheint der Umstand des weitgehenden Maßstabswechsels – vom nationalen Verfassungsrecht hin zum Gemeinschafts(primär)recht – noch nicht recht bewusst geworden zu sein; dies mag auch damit zusammenhängen, dass die Bundesrepublik bislang in gemeinschaftsrechtswidriger Weise die Umsetzung der bereits geltenden Art. 13 EG-Richtlinien (dazu nachfolgend II. 1.) unterlassen hat. Die Zivilrechtswissenschaft mag im Blick auf die Relativierung ihres Gegenstandes unter bewältigungspsychologischen Auspizien möglicherweise im Vorteil des déjà vu-Erlebnisses sein: Während sie nämlich bereits die Rangabstufung des (viel älteren) Privatrechts durch das (viel jüngere) Verfassungsrecht hat verarbeiten müssen, markiert die gemeinschaftsrechtsinduzierte Herabstufung oder doch Nichtanwendung des Grundgesetzes eine neue und noch recht ungewohnte Herausforderung für die Verfassungsrechtswissenschaft. 28 Und das gilt gleichermaßen hinsichtlich des Gegenstandes wie hinsichtlich des Maßstabes: Soweit das Antidiskriminierungsrecht auf gemeinschaftsrechtlicher Grundlage ruht, verliert das nationale Antidiskriminierungsrecht seinen Selbstand und seine Disponibilität; in demselben Umfange entzieht sich – letztlich wegen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts vor mitgliedstaatlichem Recht grundsätzlich sämtlicher Ebenen – das Antidiskriminierungsrecht einer Kontrolle am Maßstab nationalen Verfassungsrechts, in concreto: am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes (näher unten III.). Damit werden die grundrechtsdogmatischen Bemühungen zwar selbstredend nicht überflüssig, aber doch relativiert und unter Vorbehalt gesetzt; sie gelten grundsätzlich nur mehr den nicht von der Determinationskraft des primären wie sekundären Gemeinschaftsrechts erfassten nationalen Regelungen. 29 Dazu nachfolgend III . und besonders IV.
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gaben zu erheben, zu vermessen und auf ihre Reichweite hin zu bestimmen sind.30
II.
Antidiskriminierungsrecht auf gemeinschaftsrechtlicher Grundlage
1.
Entwicklung und Grundlagen des Europäischen Antidiskriminierungsrechts
In seiner Ursprungsfassung enthielt das Gemeinschaftsprimärrecht in Art. 119 EWGV nur recht bescheidene Ansätze eines spezifischen Diskriminierungsschutzes: Der Grundsatz der Gleichbehandlung bezog sich (1) nur auf das Merkmal des Geschlechts, galt (2) nur im Recht der Arbeitsbedingungen und erfasste dort (3) nur die Entgeltgleichheit.31 Durch ein Dutzend gemeinschaftsrechtlicher Richtlinien wurde nach und nach jedoch ein umfassender Schutz vor geschlechtsbedingten Diskriminierungen im Beschäftigungsbereich – die Arbeits- und Ausbildungsbedingungen gleichermaßen erfassend wie die sozialen Sicherungssysteme – statuiert.32 Dies geschah vielfach in – affirmativ-kodifikatorischer – Re-
Wie hier der Sache nach auch M. Mahlmann (Fn. 27), 418 f. Dazu, dass primäres movens für die Aufnahme dieses – begrenzten – Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht die sozialpolitische Zielsetzung, „sondern vielmehr die Befürchtung insbesondere Frankreichs [war], die Partner in der Gemeinschaft könnten ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile erlangen, wenn die – damals in Frankreich bereits eingeführte – Regel des gleichen Entgelts für männliche und weibliche Arbeitskräfte bei gleicher Arbeit nicht in allen Mitgliedstaaten angewandt würde“, stellvertretend A. Somek Rationalität und Diskriminierung, 2001, 538 f. mwN; C. Langenfeld in: Grabitz/Hilf (Hrsg.) Das Recht der Europäischen Union, Art. 141 EGV Rn. 7 (Stand: Februar 2002). 32 Im Einzelnen handelt es sich um folgende Richtlinien: Richtlinie 75/117/ EWG des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen, ABl. EG 1975 Nr. L 45/19; Richtlinie 76/207/ EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen, ABl. EG 1976 Nr. L 39/40, geändert durch die Richtlinie 2002/73/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EG 2002 Nr. L 269/15; Richtlinie 79/7/ EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit, ABl. EG 1979 Nr. L 6/24; Richtlinie 86/378/ EWG des Rates vom 24. Juli 1986 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit, ABl. EG 1986 Nr. L 225/40, geändert durch die Richtlinie 96/97/ EG des Rates vom 20. Dezember 30 31
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aktion auf die ausgreifende und verästelte, insgesamt sehr gleichbehandlungsfreundliche Judikatur des EuGH.33, 34
1996, ABl. EG 1996 Nr. L 46/20; Richtlinie 86/613/ EWG des Rates vom 11. Dezember 1986 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die eine selbständige Erwerbstätigkeit – auch in der Landwirtschaft – ausüben, sowie über den Mutterschutz, ABl. EG 1986 Nr. L 359/56; Richtlinie 92/85/ EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (zehnte Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/ EWG), ABl. EG 1992 Nr. L 348/1; Richtlinie 96/34/ EG des Rates vom 3. Juni 1996 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Elternurlaub, ABl. EG 1996 Nr. L 145/4; Richtlinie 97/75/ EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zur Änderung und Ausdehnung der Richtlinie 96/34/ EG zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Elternurlaub auf das Vereinigte Königreich, ABl. EG 1998 Nr. L 10/24; Richtlinie 97/80/ EG des Rates vom 15. Dezember 1997 über die Beweislast bei Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, ABl. EG 1998 Nr. L 14/6; Richtlinie 98/52/ EG des Rates vom 13. Juli 1998 zur Ausdehnung der Richtlinie 97/80/ EG zur Beweislast in Fällen geschlechtsbedingter Diskriminierung auf das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland, ABl. EG 1998 Nr. L 205/66. – Ein kurzer Abriss über die Maßnahmen der EG in Sachen Geschlechtergleichbehandlung findet sich etwa in der Begründung des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit von Männern und Frauen in Arbeitsund Beschäftigungsfragen, KOM(2004) 279 endgültig (im Folgenden: Gleichbehandlungs-RL-Vorschlag), 2 ff., besonders 3 f., sowie bei C. Langenfeld in: Grabitz/Hilf (Hrsg.) Das Recht der Europäischen Union, Art. 141 EGV Rn. 9–18 (Stand: Februar 2002), zu einzelnen Richtlinien namentlich in ihrer Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH: Rn. 82–137 mit zahlreichen Nachweisen. – Unter dem Aspekt des vertragsrechtsbezogenen Diskriminierungsschutzes im Gemeinschaftsrecht: D. Schiek (Fn. 2), 330ff., besonders 334–336 mwN. 33 Die insoweit einschlägige Rechtsprechung des EuGH bis Anfang 1997 ist im Wesentlichen nachgewiesen bei U. Di Fabio AöR 122 (1997), 404 (431 f. Fn. 114). 34 Erst der Vertrag von Amsterdam (ABl . EG 1997 Nr. C 340/1) erweiterte die nun als Art. 141 EG firmierende Bestimmung zu einer primärrechtlichen Grundlage für einen allgemein im Arbeitsrecht geltenden Grundsatz der Gleichbehandlung der Geschlechter, flankiert von Art. 2 EG, welcher „die Gleichstellung von Männern und Frauen“ ausdrücklich unter den Aufgaben der Gemeinschaft anführt, sowie der Querschnittsklausel gemäß Art. 3 Abs. 2 EG, wonach die Gemeinschaft im Rahmen sämtlicher Tätigkeiten darauf hinwirkt, „Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von Männern und Frauen zu fördern“; zu letzterer vgl. stellvertretend A. von Bogdandy in: Grabitz/Hilf (Hrsg.) Das Recht der Europäischen Union, Art. 3 EGV Rn. 19–21 (Stand: Januar 2000). – Neben Art. 2 sowie Art. 3 Abs. 2 EG ist der Vollständigkeit halber noch Art. 137 Abs. 1 lit. i EG mit weitreichenden Richtlinienermächtigungen zu nennen, wonach die Gemeinschaft die Tätigkeit der Mitgliedstaaten im Bereich der „Chancengleichheit von Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt und [der] Gleichbehandlung am Arbeitsplatz“ unterstützt und ergänzt.
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Den eigentlichen Quantensprung35 in der Herausbildung des Europäischen Antidiskriminierungsrechts markiert indes der – durch den Amsterdamer Vertrag neu eingeführte – Art. 13 EG.36 Denn mit dieser Bestimmung, die Manfred Zuleeg noch vor ihrem In-Kraft-Treten im Jahre 1999 als „schlafenden Riesen“37 charakterisiert, wird der Gemeinschaft die Befugnis verliehen, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten „geeignete Vorkehrungen zu treffen, um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen“.38 Der Diskriminierungsschutz bezieht sich – zum einen – nicht mehr nur auf das Merkmal des Geschlechtes, sondern wird um weitere sieben Diskriminierungsmerkmale erweitert,39 zum anderen erstreckt sich die Befugnis zum Erlass von Antidiskriminierungsbestimmungen – über den von Art. 141 EG spezialgesetzlich erfassten Bereich der Beschäftigung hinausgehend40 – auf sämtliche Zuständigkeitsfelder der Gemeinschaft.41 Der Schlaf des Riesen sollte indes nicht lange währen. Unter Bezug auf Art. 13 EG entfaltet die Kommission ihre – von Rat und Parlament 35 Sprachlich leicht verunglückt spricht die Kommission in ihrem am 28. Mai 2004 vorgelegten Grünbuch zu „Gleichstellung sowie Bekämpfung von Diskriminierungen in einer erweiterten Union“, KOM(2004) 379 endgültig, 6, von einem „Quantensprung nach vorn bei der Bekämpfung von Diskriminierungen auf EU-Ebene“. Vgl. auch M. Bell Anti-Discrimination Law and the European Union, 2002 (Nachdruck 2004), 143: „Article 13 clearly marks a turning point in EU anti-discrimination law.“ 36 Zur Vorgeschichte, namentlich zu den Aktivitäten des Europäischen Parlaments bereits seit Beginn der Achtziger Jahre zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, vgl. die gedrängte Darstellung bei D. Kehlen (Fn. 27), 5–8 mit zahlreichen Nachweisen; s. a. M. Bell MJ 6 (1999), 5 (6ff.). Ergänzend L. Flynn CMLRev. 36 (1999), 1127 ff.; D. Rodenberg RTDE 35 (1999), 201 ff. 37 M. Zuleeg in: Europaforum Wien (Hrsg.) Bekämpfung der Diskriminierungen: Orientierungen für die Zukunft, 1999, 104 (108, 109). 38 Der Vertrag von Nizza vom 26. Februar 2001 (ABl . EG 2001 Nr. C 80/1) hat Art. 13 um einen zweiten Absatz ergänzt, der der Gemeinschaft – unter Ausschluss jeglicher Harmonisierung – den Erlass von Fördermaßnahmen (im Mitentscheidungsverfahren nach Art. 251 EG) gestattet. 39 Zu einem Versuch der Typologisierung der Diskriminierungsmerkmale in verhaltensbezogene sowie personenbezogene (genauer: „askriptive“ und sonstige statusbezogene Personenmerkmale): D. Schiek (Fn. 2), 26ff. 40 Zur Spezialität von Art. 141 EG im Verhältnis zu Art. 13 EG vgl. stellvertretend R. Streinz in: ders. (Hrsg.) EUV/ EGV, 2003, Art. 13 EGV Rn. 7 mwN. 41 Eingehend zum Konzept von Art. 13: M. Bell (Fn. 35), 121 ff., 191 ff., besonders 205 ff. und 210 ff. mwN; ergänzend L. Waddington Industrial Law Journal 28 (1999), 133 ff. – Näher unten II. 2. b) unter dem Stichwort des „starken“ Antidiskriminierungskonzepts.
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grundsätzlich mitgetragene – neue Strategie einer koordinierten und kohärenten Antidiskriminierungspolitik.42 Im Jahre 200043 ergehen zwei Richtlinien auf der Grundlage von Art. 13 Abs. 1 EG44: Dabei handelt es sich zum einen um die sogenannte Anti-Rassismusrichtlinie vom 29. Juni 200045 sowie zum anderen um die sogenannte Rahmenrichtlinie vom 27. November 2000.46 Während es der Rahmenrichtlinie darum zu tun ist, einen „allgemeinen [gemeinschaftsrechtlichen] Rahmen zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf“ zu schaffen (Art. 1 RL 2000/78/ EG), betrifft die AntiRassismusrichtlinie zwar nur die beiden Merkmale „Rasse“47 und „ethnische Herkunft“, beschränkt sich aber in ihrem sachlich-gegenständlichen Anwendungsbereich nicht auf die Gewährleistung eines diskriminierungsfreien Zugangs zur Erwerbstätigkeit. Vielmehr erstreckt sie die Maßnahmen zur Bekämpfung der Rassendiskriminierung, um „die Entwicklung demokratischer und toleranter Gesellschaften zu gewährleisten“48, auch auf den Bildungsbereich und den Sozialschutz sowie – und
42 Vgl. nur Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch (Fn. 35), 2f., 5 ff., besonders 6–11 sowie 15–24 (7: „kohärente und integrierte Vorgehensweise“ [ohne die Hervorhebung im Original]; 23: „umfassendere Strategie der Europäischen Union zu Förderung der Integration und Beteiligung benachteiligter Gruppen“; 24: „Entwicklung eines integrierten Ansatzes“, „Stärkung einer integrierten Vorgehensweise im Bereich der Antidiskriminierung“, ähnlich 19); des weiteren Erwägungsgrund 5 des Beschlusses des Rates vom 27. November 2000 über ein Aktionsprogramm der Gemeinschaft zur Bekämpfung von Diskriminierungen (2001–2006), ABl. EG 2000 Nr. L 303/23: „Für die verschiedenen Formen der Diskriminierung lässt sich keine Rangordnung nach ihrer Bedeutung aufstellen, sie sind alle gleichermaßen inakzeptabel. […] Dieser Beschluss kann dazu beitragen, eine globale Strategie zur Bekämpfung jeglicher auf verschiedenen Gründen beruhender Diskriminierung festzulegen. Diese Strategie wäre von nun an parallel zu entwickeln.“ 43 Vgl. im Übrigen das vom Rat beschlossene Aktionsprogramm 2001–2006 (Fn. 42). 44 Rat der Europäischen Union, Aktionsprogramm 2001–2006 (Fn. 42), 23. Vgl. aus dem Kreis der flankierenden Maßnahmen namentlich das von der Kommission herausgegebene Kompendium „Vorbereitende Maßnahmen zur Bekämpfung und Vermeidung von Diskriminierungen gemäß Art. 13 des Vertrags“, Januar 2000. 45 Richtlinie 2000/43/ EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft, ABl. EG 2000 Nr. L 180/22. 46 Richtlinie 2000/78/ EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, ABl. EG 2000 Nr. L 303/16. 47 Zum Tatbestandsmerkmal „Rasse“ vgl. die Erläuterungen im Erwägungsgrund 6 RL 2000/78/ EG. 48 So Erwägungsgrund 12 RL 2000/43/ EG .
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darin liegt die eigentliche Pointe dieser Richtlinie – auf „den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum“.49 Mag der privatrechtsbezogene Regelungsausgriff der Anti-Rassismusrichtlinie auch zurückhaltend-tastend anmuten, so zeugt er doch von strategischem Kalkül. Am Beispiel der, was ihre Negativkonnotation angeht, unproblematischsten Diskriminierungsmerkmale, Rasse und ethnische Herkunft, wird sozusagen ein Testlauf veranstaltet, der – im Falle seines Erfolgs50 – die Grundlage für ein positives Urteil über die „Serienreife“ von privatrechtsinvasiven Antidiskriminierungsrichtlinien abgeben wird. So einigt sich der Rat der Arbeits- und Sozialminister – bei Enthaltung Deutschlands – am 4. Oktober 2004 auf den Text einer Richtlinie, die den Schutz vor Diskriminierung „beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen“ auf das Merkmal des Geschlechts ausdehnt.51 Da der Vorschlag darüber hinaus das – nach kontroversen Debatten gelockerte – Verbot enthält, das Geschlecht als versicherungsmathematischen Faktor bei der Berechnung von Versicherungsprämien und -leistungen zu verwenden,52 kursiert das Vorhaben unter dem – zwar plakativen, der Sache nach aber nur partiell treffenden – Namen „Unisex-Tarif-Richtlinie“.53 Art. 3 Abs. 1 lit. h RL 2000/43/ EG. Dazu näher unten 2. c). Sprich: im Falle seiner Akzeptanz und Effektivität. 51 Dazu: Council of the European Union, 2606th Council Meeting, Press Release 12400/04 (Presse 264) vom 4. Oktober 2004, 7f.; dem liegt zugrunde der (Kommissions-)Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Frauen und Männern beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, KOM(2003) 657 endgültig (im Folgenden: Unisex-Tarif-RL-Vorschlag). – Vgl. auch: „Die Kommission hat beschlossen, der Aufforderung des Europäischen Rates (Nizza), soweit sie andere Bereiche als den der Beschäftigung betrifft, mit einem Stufenplan nachzukommen, in dem der Richtlinienvorschlag, der dem Rat nun vorliegt [sc. KOM(2003) 657 endgültig], den ersten Schritt darstellt“ (so der Vermerk des Vorsitzes des Rates [EPSCO] vom 24. Mai 2004, 9426/1/04/ REV 1, 2 – Hervorhebungen nicht im Original). 52 Vgl. Erwägungsgründe 5, 6 sowie 8–10 und Art. 4 des Unisex-Tarif- RL-Vorschlags (Fn. 51). 53 Es ist just die Bestimmung zu den Unisex-Tarifen – nicht hingegen die grundsätzliche Geltungserstreckung der Geschlechtergleichbehandlung auf die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehenden Güter und Dienstleistungen –, die dazu führt, dass der Rat den nach heftigen parlamentarischen Kontroversen zum Beschluss unterbreiteten Richtlinienvorschlag nicht, wie erwartet, bereits auf seiner Tagung Anfang Juni dieses Jahres annimmt, sondern weitere Aufklärung für nötig erachtet (vgl. die Presseerklärung des Rates zur 2586. Tagung des Rates „Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz“ vom 1./2. Juni 2004, C/04/163, 7; zu den Lockerungen des Verbotes: Council of the European Union, 2606th Council Meeting, Press Release 12400/04 (Presse 264) vom 49
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Den vorläufigen Schlusspunkt der Entwicklung markiert die Ankündigung54 der Kommission vom 19. Juli 2004, Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art. 226 EG vor dem EuGH gegen diejenigen Mitgliedstaaten einzuleiten, die im Blick auf die Anti-Rassismusrichtlinie und/oder die Rahmenrichtlinie umsetzungssäumig sind.55 Zu den fünf säumigen Kandidaten56 in puncto Umsetzung der Anti-Rassismusrichtlinie zählt auch 4. Oktober 2004, 7f.); zu den Kontroversen eingehend der vom (federführenden) EP-Ausschuss für die Rechte der Frau und Chancengleichheit am 16. März 2004 dem Parlament unterbreitete Bericht über den Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Frauen und Männern beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (KOM(2003) 657 – C5–0654/2003 – 2003/0265(CNS)), A5–0155/2004, mit den kontroversen Stellungnahmen (1) des Ausschusses für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten, 30ff., (2) des Ausschusses für Recht und Binnenmarkt, 38 ff., (3) des Ausschusses für Industrie, Außenhandel, Forschung und Energie, 53 ff., sowie (4) des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten, 60ff.; s.a. die Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 30. März 2004 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Frauen und Männern beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (KOM(2003) 657 – C5–0654/2003–2003/0265(CNS)), P5_TA-Prov(2004)0221. – Das in Art. 4 Abs. 1 verfügte Verbot, den Faktor „Geschlecht“ bei der Berechnung von Versicherungsprämien und -leistungen zu berücksichtigen, ist in mehrerlei Hinsichten eine – im Folgenden außer Betracht bleibende – Sonderbestimmung. So nennt die Kommission die aus ihrer Sicht zu verbietende Praxis „eine Ausnahme von der allgemeinen Feststellung, dass in der Regel keine nach Geschlecht differenzierenden Vorschriften existieren“ (sondern Diskriminierungen häufiger „im Zusammenhang mit einem spontanen Verhalten von Einzelpersonen“ vorkämen [Zitate: Unisex-Tarif-RL-Vorschlag (Fn. 51), 6 und 7 – Hervorhebung im Original]). Sowohl gemeinschaftsrechtlich als auch verfassungsrechtlich kommt es darauf an, ob das Geschlecht im Rahmen einer typisierenden Betrachtungsweise lediglich eine leicht zu handhabende Abbreviatur für ein statistisch nachweisbares Risikobündel darstellt oder zusätzliche Wertungen transportiert (anders wohl M. Wrase/S. Baer [Fn. 22]); wenn und sobald verlässlichere, nicht auf das Geschlecht als Faktor abstellende Berechnungsmethoden zur Verfügung stehen, ist das Gebot von Unisex-Tarifen weitestgehend unbedenklich. 54 Nach Mitteilung der Europäischen Kommission vom 27. September 2004 an den Verfasser hat sie in Bezug auf die RL 2000/43/ EG bereits Klage beim EuGH eingereicht. Im Blick auf die RL 2000/78/ EG ist die Äußerungsfrist der Bundesrepublik abgelaufen; wahrscheinlich wird die Kommission noch vor Weihnachten 2004 eine Entscheidung über das weitere Procedere gegen Deutschland treffen. 55 Pressemitteilung der Kommission, IP/04/947 vom 19. Juli 2004. 56 Neben Deutschland handelt es sich um Finnland, Griechenland, Luxemburg und Österreich. Gegen die vorgenannten fünf Mitgliedstaaten sowie zusätzlich gegen Belgien werden Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, weil sie die Rahmenrichtlinie RL 2000/78/ EG nicht vollständig umgesetzt haben. Die Bundesregierung hat unter dem 27. November 2003 der Kommission unter Bezugnahme auf Art. 18 Abs. 2 S. 2 RL 2000/78/ EG mitgeteilt, dass die Bundesrepublik Deutschland (nur) hinsichtlich der Be-
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Deutschland, das sich dadurch aus dem Sechser-Kreis negativ heraushebt, dass es der einzige Mitgliedstaat ist, in welchem dem Parlament noch nicht einmal ein Gesetzentwurf vorliegt.57 Erst Mitte September 2004 wird ein Referentenentwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes publik, der sich, anders als sein vielgescholtener Vorgänger, eng an die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben hält.58 2.
Der Bauplan des Europäischen Antidiskriminierungsrechts
a)
Ein neuer Typus von Antidiskriminierungsrichtlinien
Im Wesentlichen durch die Neuerungen im Amsterdamer Vertrag initiiert, etabliert – vielleicht besser: konsolidiert – sich nach und nach das Europäische Antidiskriminierungsrecht als neue, eigenständige Querschnittsmaterie.59 Doch die beiden Richtlinien wirken nicht dadurch (re-
stimmungen der Richtlinie über die Diskriminierung wegen des Alters die Zusatzfrist nach Art. 18 Abs. 2 S. 1 RL 2000/78/ EG in Anspruch nehme. 57 Dazu näher die Hintergrundinformation zur Pressemitteilung der Kommission, IP/04/947 vom 19. Juli 2004. 58 Projektgruppe EuRi des BMFSFJ , Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Diskriminierungen (Antidiskriminierungsgesetz – ADG) vom 6. Mai 2004 (im Folgenden: ADG -E), bestehend aus (1) dem Gesetz über die Stelle des Bundes zum Schutz vor Diskriminierungen (Antidiskriminierungsschutzgesetz – ADSG), (2) dem Gesetz zum Schutz vor Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf (Arbeitsrechtliches Antidiskriminierungsgesetz – AADG) und (3) dem in das BGB durch Änderungsgesetz einzufügenden „Regelungen zum Schutz vor Diskriminierungen im Zivilrecht“. Der jetzige Entwurf ist erarbeitet worden auf der Grundlage eines vom BMFSFJ gefertigten und vom 3. September 2003 datierenden „Eckpunktepapier[s] für ein Gesetz zur Verhinderung von Diskriminierungen im Arbeits- und Sozialrecht und zur Errichtung einer nationalen Stelle zur Umsetzung der Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/ EG und 2002/73/ EG“. 59 Die „integrierte Vorgehensweise im Bereich der Antidiskriminierung“ (so die Kommission in dem am 28. Mai 2004 vorgelegten Grünbuch [Fn. 35], 24, s. a. 19) lässt sich auch und gerade an den Harmonisierungsbestrebungen in Bezug auf Regelungszugriff und Rechtsetzungstechnik im Antidiskriminierungsrecht aufzeigen. Die beiden bislang in Geltung stehenden Art. 13-Richtlinien, die Anti-Rassismusrichtlinie sowie die Rahmenrichtlinie, weisen einen weithin identischen Aufbau auf, sind ganz überwiegend aus denselben Regelungsbausteinen zusammengesetzt und operieren in allen wichtigen Aspekten mit gleichlautenden Definitionen. Sie unterscheiden sich in Bezug auf den Aufbau überhaupt nur in vier Bestimmungen: Während Art. 13 RL 2000/43/ EG kein Pendant in der Rahmenrichtlinie findet, markieren Art. 5, 6 und 15 RL 2000/78/ EG specifica derselben. Identische Bauelemente unter dem Aspekt des Diskriminierungsschutzes sind dagegen: die Zweckbestimmung (Art. 1 RL 2000/43/ EG; Art. 1 RL 2000/78/ EG), die unterschiedlichen Arten von Diskriminierung (Art. 2 RL 2000/43/ EG; Art. 2 RL 2000/78/ EG), Art und Weise der Bestimmung des Geltungsbereiches (Art. 3 RL
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gelungs)stilprägend und „Bahn brechend“,60 dass ihr Regelungskonzept in besonderem Maße innovativ, progressiv oder originell wäre. Ganz im Gegenteil: Der von ihnen geprägte neue Standard für Antidiskriminierungsrichtlinien ist im Wesentlichen eine ebenso gelungene wie gedrungene Montage aus bekannten Figuren und bewährten Instrumenten aus dem Dogmatikrepertoire der Geschlechtergleichstellung61 – sei es die Erweiterung der „unmittelbaren“ Diskriminierung um die nur „mittelbare“ oder die Zulässigkeit so genannter „positiver Diskriminierung“ („affirmative actions“), sei es die Umkehr der Beweislast zugunsten des präsumtiven Diskriminierungsopfers oder die Pflicht zur Statuierung einer wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktion. Indem sie den gültigen acquis communautaire in Sachen Antidiskriminierung formulieren,62 stehen sie Pate für die jüngste Generation von Antidiskriminierungsrichtlinien.63
2000/43/ EG; Art. 3 RL 2000/78/ EG), die Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, „wesentliche und entscheidende berufliche Anforderungen“ als nicht-diskriminierend zu werten (Art. 4 RL 2000/43/ EG; Art. 4 Abs. 1 RL 2000/78/ EG), die Bestimmung zur Zulässigkeit sogenannter positiver Diskriminierung (Art. 5 RL 2000/43/ EG; Art. 7 Abs. 1 RL 2000/78/ EG), der Regelung lediglich von Mindestanforderungen (Art. 6 RL 2000/43/ EG; Art. 8 RL 2000/78/ EG), das Erfordernis wirksamer, verhältnismäßiger und abschreckender Sanktionen (Art. 15 RL 2000/43/ EG; Art. 17 RL 2000/78/ EG), die Statuierung eines (unechten) Verbandsklagerechts zur Unterstützung der präsumtiven Diskriminierungsopfer (Art. 7 Abs. 2 RL 2000/43/ EG; Art. 9 Abs. 2 RL 2000/78/ EG), die Umkehr der Beweislast zugunsten des präsumtiven Diskriminierungsopfers (Art. 8 RL 2000/43/ EG; Art. 10 RL 2000/78/ EG), der sogenannte Viktimisierungsschutz (Art. 9 RL 2000/43/ EG; Art. 11 RL 2000/78/ EG), die Pflicht der Mitgliedstaaten zur Unterrichtung der Betroffenen über das Schutzregime (Art. 10 RL 2000/43/ EG; Art. 12 RL 2000/78/ EG), eine Bestimmung über die Förderung des sozialen Dialogs (Art. 11 RL 2000/43/ EG; Art. 13 RL 2000/78/ EG) und des Dialogs mit sogenannten Nichtregierungsorganisationen (Art. 12 RL 2000/43/ EG; Art. 14 RL 2000/78/ EG) sowie schließlich der im Fünf-Jahres-Turnus von der Kommission zu erstattende Bericht (Art. 17 RL 2000/43/ EG; Art. 19 RL 2000/78/ EG). 60 So die Kennzeichnung durch die Kommission, in: Grünbuch (Fn. 35), 7. 61 Dezidiert wie hier Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch (Fn. 35), 8. 62 Den Bezug zum acquis stellt auch her: M. Mahlmann (Fn. 27), 410 unter den „Kernanliegen“ der sog. Anti-Rassismusrichtlinie. 63 Diese mögen sich auf Art. 13 EG stützen – wie der Kommissionsentwurf der sogenannten Unisex-Tarif-Richtlinie (Fn. 51) – oder aber auf andere Bestimmungen wie namentlich Art. 141 EG – wie die sogenannte Änderungsrichtlinie vom 23. September 2002, die die Gleichbehandlungsrichtlinie aus dem Jahre 1976 einem Regelungslifting unterzieht (Richtlinie 2002/73/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/ EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich
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Prägnantestes Kennzeichen dieses neuen Typs von Antidiskriminierungsrichtlinien dürfte wohl das Definitionsquartett der Diskriminierungen sein: Neben der unmittelbaren respektive direkten Diskriminierung ist auch die mittelbare respektive indirekte Diskriminierung untersagt, die vorliegt, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die Träger eines der genannten Merkmale sind, gegenüber anderen Personen „in besonderer Weise benachteiligen können“ und sich nicht nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes rechtfertigen lassen.64 Des Weiteren werden – an sich systemwidrig65 und daher rechtstechnisch im Wege einer Fiktion – auch sogenannte Belästigungen als Diskriminierungen behandelt.66 Ebenso gilt schließlich die
des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen, ABl. EG 2002 Nr. L 269/15). Den nächsten Schritt der Harmonisierung des Antidiskriminierungsrechts markiert der von der Kommission im April 2004 unterbreitete und an dem neuen Standard ausgerichtete Vorschlag, sämtliche Richtlinien zur Verwirklichung der Geschlechtergleichheit in Arbeits- und Beschäftigungsfragen in einer einzigen Richtlinie zu verschmelzen, die unter anderem dem Gedanken der regelungstechnischen Kohärenz des – nicht mehr nur auf das Merkmal des Geschlechts fixierten – Antidiskriminierungsrechts verpflichtet ist. Näher dazu, dass mit der Änderungsrichtlinie dieser neue Standard rezipiert wird: Begründung des Gleichbehandlungs-RL-Vorschlags (Fn. 32), 6f.: Bezugspunkt der meisten Änderungen ist das Regelungsvorbild in RL 2002/73/ EG; die Begründung, die die Kommission dafür abgibt: „Die Richtlinie 2002/73/ EG berücksichtigt die neuen Entwicklungen im Vertrag [die rechtlichen Möglichkeiten zur Verwirklichung der Gleichbehandlung und für weitere Bemühungen zur Gleichstellung von Männern und Frauen werden durch den Vertrag von Amsterdam erheblich ausgebaut], die Rechtsprechung des Gerichtshofs [die den Grundsatz der Gleichbehandlung erheblich weiter entwickelt hat] und die Verabschiedung ähnlicher Rechtsvorschriften (Richtlinien 2000/43/ EG und 2000/78/ EG auf der Grundlage von Art. 13 EG-Vertrag)“ (ebenda, 4); vgl. dazu die Begründung des GleichbehandlungsRL-Vorschlags (Fn. 32), besonders 4 f. sowie 6f. 64 Vgl. Art. 2 Abs. 2 lit. b RL 2000/43/ EG ; Art. 2 Abs. 2 lit. b RL 2000/78/ EG ; Art. 2 Abs. 2 tiret 2 RL 76/207/ EWG in Gestalt der RL 2002/73/ EG; Art. 2 Abs. 1 lit. b des Unisex-Tarif-RL-Vorschlags (Fn. 51); Art. 2 Abs. 1 lit. b des Gleichbehandlungs-RL-Vorschlags (Fn. 32). 65 Eine „Belästigung“ (wie auch eine „sexuelle Belästigung“) im Sinne der Schaffung eines „hostile environment“ folgt einem anderen, nicht auf die Ungleichbehandlung fixierten Konzept von Diskriminierung; als malum in se ist eine (sexuelle) Belästigung ohne weiteres, d. h. unbeschadet des Umstandes, ob andere in gleicher Weise belästigt werden oder nicht, inakzeptabel (anders freilich etwa Erwägungsgrund 8 S. 1 RL 2002/73/ EG: „Die Belästigung einer Person aufgrund ihres Geschlechts und die sexuelle Belästigung stellen einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung von Frauen und Männern dar […]“). Wie hier namentlich H. Wiedemann/G. Thüsing (Fn. 10), 466 f.; K. von Koppenfels (Fn. 12), 1494. 66 Darunter verstehen die Richtlinien „unerwünschte Verhaltensweisen, die [mit einem der Diskriminierungsmerkmale] in Zusammenhang stehen […] und bezwecken oder bewir-
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„Anweisung zur Diskriminierung einer Person“67 selber als Diskriminierung.68 b)
„Starkes“ Antidiskriminierungskonzept
Die „kohärente und integrierte Vorgehensweise“69 der Gemeinschaft im Blick auf die Bekämpfung von Diskriminierungen zielt darauf, das Europäische Antidiskriminierungsrecht als einheitliches Querschnittsgebiet zu etablieren,70 wie es bereits aus nationalen Rechtsordnungen
ken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt oder ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird“ (vgl. Art. 2 Abs. 3 RL 2000/43/ EG; Art. 2 Abs. 3 RL 2000/78/ EG; Art. 2 Abs. 2 tiret 3 RL 76/207/ EWG in Gestalt der RL 2002/73/ EG; Art. 2 Abs. 1 lit. c des Unisex-Tarif-RL-Vorschlags [Fn. 51]; Art. 2 Abs. 1 lit. c des Gleichbehandlungs-RL-Vorschlags [Fn. 32]. – Zur „sexuellen Belästigung“ vgl. nur Art. 2 Abs. 2 tiret 4 RL 76/207/ EWG in Gestalt der RL 2002/73/ EG). 67 Namentlich der französische Text dürfte hier deutlicher als etwa der deutsche und der englische Text, die von „Anweisung“ respektive „instruction“ sprechen, das Gemeinte zum Ausdruck bringen: „Tout comportement consistant à enjoindre à quiconque de pratiquer une discrimination à l’encontre de personnes pour des raisons de race ou d’origine ethnique est considéré comme une discrimination au sens du paragraphe 1“ (Art. 2 para. 4 directive 2000/43/CE; Art. 2 para. 4 directive 2000/78/CE; Art. 2 para. 4 directive 2002/73/CE). 68 So Art. 2 Abs. 4 2000/43/ EG ; Art. 2 Abs. 4 RL 2000/78/ EG ; Art. 2 Abs. 4 RL 76/207/ EWG in Gestalt der RL 2002/73/ EG ; Art. 2 Abs. 2 des Unisex-Tarif-RL-Vorschlags (Fn. 51); Art. 2 Abs. 2 lit. b des Gleichbehandlungs-RL-Vorschlags (Fn. 32). 69 So die Kommission im Grünbuch (Fn. 35), 7. 70 Grundlegend dazu M. Bell (Fn. 35), passim, besonders 191 ff., 196 ff., 205ff., 210 ff. sowie 216 ff. – Ungeachtet des sich erst in jüngster Zeit – und zwar rasant – entwickelnden Antidiskriminierungsrechts gehört das Arbeiten mit Diskriminierungsverboten von Anfang an zum Hauptgeschäft des Gemeinschaftsrechts: Neben dem allgemeinen, auf die Staatsangehörigkeit zielenden Diskriminierungsverbot des Art. 12 EG (ursprünglich Art. 7 EWGV) sind auch die Grundfreiheiten (Art. 28, 29, 39, 43, 49 und 56 EG) in erster Linie als Diskriminierungsverbote ausgestaltet, wenngleich sich die extensivere Auslegung und Handhabung als Diskriminierungs- und Beschränkungsverbote nach und nach durchsetzt (vgl. stellvertretend R. Streinz Europarecht, 6. Aufl. 2003, Rn. 667, 669–681a, besonders 671–672a). Mit ebenso viel Vorsicht wie Vorbehalten ließe sich gewiss ein einheitliches gemeinschaftsrechtliches Diskriminierungskonzept entwickeln (vgl. namentlich den Versuch bei S. Plötscher Der Begriff der Diskriminierung im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2003, besonders 37 ff., 268–294. – So lassen sich gemeinsame Dogmatiken entwickeln für das Phänomen „mittelbarer“ Diskriminierung oder aber auch für die Rechtfertigungsebene. Vgl. insoweit die einschlägige Judikatur des EuGH zu Art. 141 EG einerseits und zu Art. 12 EG sowie den Grundfreiheiten andererseits: (1) zu Art. 141 EG: EuGH, Slg. 1994, I-5727 – Helmig, Tz. 20ff.; EuGH, Slg. 1995, I-225 – Schumacker, Tz. 30, 39ff.; EuGH, Slg. 1996, I-475 – Gillespie, Tz. 16 ff.; EuGH, Slg. 1999, I-623 – Seymour-Smith und Perez, Tz. 52 ff., 58, 60; EuGH, Slg. 2001, I-4961 – Brunn-
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namentlich des anglo-amerikanischen Rechtskreises71 bekannt ist.72 Dieses „starke“73 Konzept von Antidiskriminierung ist durch viererlei gekennzeichnet: Erstens bezieht es sich auf eine Vielzahl von Diskriminierungsmerkmalen, nicht nur auf das Geschlecht; zweitens hat es nicht nur die Beziehungen zur Staatsgewalt sowie zum Arbeitgeber
hofer, Tz. 28; EuGH, Slg. 2003, I-9027 – Steinicke, Tz. 57; EuGH, Slg. 2003, I-12575 – Schönheit und Becker, Tz. 67ff.; (2) zu Art. 12 EG: EuGH, Slg. 1980, 3427 – Gerstenmeier, Tz. 9; EuGH, Slg. 1988, 3877 – Stanton, Tz. 9; EuGH, Slg. 1994, I-467 – Mund & Fester, Tz. 16; EuGH, Slg. 1995, I-225 – Schumacker, Tz. 28 und 29; EuGH, Slg. 1997, I-285 – Pastoors und Trans-Cap, Tz. 16, 19; (3) zu den Grundfreiheiten: EuGH, Slg. 1974, 837 – Dassonville, Tz. 5, 7/9; EuGH, Slg. 1974, 1299 – Van Binsbergen, Tz. 24, 26f.; EuGH, Slg. 1979, 649 – Cassis, Tz. 8, 14 f.; EuGH, Slg. 1995, I-4921 – Bosman, Tz. 96 ff.; EuGH, Slg. 1997, I-3689 – Familiapress/Bauer Verlag, Tz. 7 ff.; EuGH, Slg. 2003, I-8349 – Rinke, Tz. 33); dabei wäre aber – neben vielem anderen – zu berücksichtigen, dass, erstens, weder das allgemeine Diskriminierungsverbot aus Art. 12 EG noch die aus den Grundfreiheiten folgenden Diskriminierungsverbote „Belästigungen“ unter die verbotenen Diskriminierungen oder „positive Diskriminierungen“ zulassen, dass, zweitens, namentlich die Grundfreiheiten ausschließlich auf die Herstellung und Gewährleistung des Binnenmarktes ausgerichtet sind (es ist daher kein Zufall, wenn selbst bei der – affirmativen – Entwicklung und Darstellung des „starken“ Antidiskriminierungskonzepts nicht [oder doch nicht in ausschlaggebender Weise] auf die Diskriminierungsverbote der Art. 12, 28, 29, 39, 43, 49 und 56 EG Bezug genommen wird), und dass drittens dem binnenmarktbezogenen Diskriminierungsschutz ein Rechtsverfolgungskonzept, welches Beweislastumkehr, abschreckende Sanktionen und (unechte) Verbandsklagen vorsieht, gänzlich fremd ist. 71 Dazu s. a. unten VI . 72 M. Bell (Fn. 35), 145 ff., der eine Typologie des Antidiskriminierungsrechts in den Rechtsordnungen der – alten – EU-Mitgliedstaaten aufstellt, unterscheidet zwischen (1) „comprehensive equality regimes“ (ebenda, 149 ff.), zu denen die Niederlande, Irland und Schweden zählen, (2) „mixed-level equality regimes“ (ebenda, 158 ff.), zu denen er das Vereinigte Königreich, Belgien und Italien rechnet, (3) „comprehensive anti-discrimination law regimes“ (ebenda, 168), zu denen Dänemark, Frankreich, Luxemburg, Finnland sowie Spanien zählen, (4) „mixed-level anti-discrimination law regimes“ (ebenda, 175ff.), zu denen neben Portugal auch Deutschland zählt, sowie schließlich (5) „states without any specific anti-discrimination legislation“ (ebenda, 178 ff.), worunter Bell Österreich und Griechenland zählt. 73 In analoger Weise spricht R. Gerlach DRdA 2004, 221 (223f., Zitat: 223) vom „Konzept eines umfassenden Diskriminierungsschutzes“; vgl. auch D. Schiek (Fn. 2), 344ff., die in teilweise ähnlichem Sinne zwischen „Diskriminierungsschutz im schwachen Sinne“ und „Diskriminierungsschutz im starken Sinne“ unterscheidet. – Die nachfolgende Gegenüberstellung von „starkem“ und „schwachem“ Konzept orientiert sich an idealtypischen Entgegensetzungen; keinesfalls soll damit die These verfochten werden, dass mit der lediglich dichotomen Unterscheidung die unterschiedlichen Diskriminierungsschutzregimes auch nur annähernd in ihren spezifischen Eigentümlichkeiten erfasst werden könnten. Zu einem differenzierenden Ansatz vgl. etwa vorstehend Fn. 72.
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im Blick, sondern ist grundsätzlich umfassend angelegt, erfasst also dem Grundsatz nach auch die (übrigen) Beziehungen unter Privaten; drittens zielt es auf die Beseitigung bestehender „Gleichstellungshierarchien“74 zugunsten eines kohärenten, für alle Diskriminierungsmerkmale einheitlichen Schutzstandards in Bezug auf die Anwendungsbereiche, die zugelassenen Ausnahmen und die erforderlichen Durchsetzungsmechanismen;75 schließlich ist es, viertens, seiner immanenten Teleologie gemäß auf Optimierung, auf immer weitergehende Vervollkommnung des Diskriminierungsschutzes angelegt.76 Das „starke“ Antidiskriminierungskonzept bedient sich, bei idealtypischer Betrachtung, eines dreiteiligen Instrumentariums: Erstens eines festen Kanons zulässiger und unzulässiger Diskriminierungen – unzulässig sind die direkte wie die indirekte Diskriminierung unter Einschluss der (sexuellen) Belästigung, zulässig ist hingegen die sogenannte positive Diskriminierung –,77 zweitens eines robusten Rechtsdurchsetzungsregimes, bestehend aus Beweislastumkehr,78 (unechter) Verbandsklage und abschreckender Sanktion, sowie drittens der Absicherung des individualrechtlich angelegten Diskriminierungsschutzes durch flankierende, die insoweit gesellschaftlich relevanten Gruppierungen einbeziehende Beteiligungs- und Dialog-,79 Unterrichtungs- und Berichtspflichten.
74 Die Beseitigung der „Gleichstellungshierarchie“ wird ausdrücklich gefordert etwa in der Stellungnahme des EP-Ausschusses für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten (Fn. 53), 31, unter Bezugnahme auf M. Bell (Fn. 35), 52f. und 211–213, sowie L. Senden Nemesis 19 (2003), 144–151. – M. Bell (Fn. 35), 52 Fn. 134, bezieht sich bei der Wendung von der „hierarchy of equality“ (52 u. ö.; entsprechend: „equality hierarchy“ [53 u. ö.]) auf A. Hegarty/C. Keown Equal Opportunities Intl 15 (1996), 1, die von „hierarchies of discrimination“ sprechen. 75 Dazu Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch (Fn. 35), 6ff. 76 Insoweit freilich setzt Art. 13 EG Grenzen, indem die Gemeinschaft Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierungen nur innerhalb ihrer – anderweitig zugewiesenen – Zuständigkeiten ergreifen darf; zum insofern akzessorischen Charakter von Art. 13 EG : M. Holoubek in: Schwarze (Hrsg.) EU-V/ EG -V, 2000, Art. 13 EGV Rn. 5 und 6; A. Epiney in: Calliess/Ruffert (Hrsg.) EUV/ EGV, 2. Aufl. 2002, Art. 13 EGV Rn. 4; R. Streinz in: ders. (Hrsg.) EUV/ EGV, 2003, Art. 13 EGV Rn. 12 f.; eingehend D. Kehlen (Fn. 27), 36–53 mwN. 77 Die vier Pfeiler des „Konzepts eines umfassenden Diskriminierungsschutzes“ erblickt R. Gerlach (Fn. 73), 223f. im Verbot der direkten Diskriminierung, im Verbot der indirekten Diskriminierung, der Zulassung „positiver“ Diskriminierung sowie im Einbezug der Belästigung in den Kreis verbotener Diskriminierungen. 78 Die Beweislastumkehr bezieht sich selbstredend nicht auf Strafverfahren (vgl. insoweit stellvertretend Art. 8 Abs. 3 RL 2000/43/ EG). 79 Eingehend und abgewogen zum verpflichtenden Dialog der Mitgliedstaaten mit den sog. Nichtregierungsorganisationen: D. König EuR 39 (2004), 132 ff.
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Demgegenüber ist die deutsche Rechtsordnung gerade im Bereich des Privatrechts traditionell stärker dem Idealtypus des „schwachen“ Antidiskriminierungskonzepts verpflichtet:80 Wiewohl auch hier vielfältige Diskriminierungsverbote bestehen, fügen sie sich doch nicht zu einem kohärenten Ganzen. Als nicht einheitlich verfassungsrechtlich fundierte, als mit unterschiedlichem Regelungsgehalt ausgestattete und als spezifisch ausgerichtete Gleichheitssätze führen sie im rechtspraktischen Effekt zu einer – vom „starken“ Antidiskriminierungskonzept gerade bekämpften – „Gleichstellungshierarchie“, an deren Spitze die Geschlechtergleichheit steht. Flächendeckende Geltung beanspruchen die Diskriminierungsverbote regelmäßig nur gegenüber der Staatsgewalt; im Privatrecht – mit Ausnahme des traditionell stark europarechtlich imprägnierten Arbeitsrechts81 – entfalten sie ihre Wirkung nur vereinzelt und in aller Regel nur über das Medium diskriminierungsunspezifischer Generalklauseln wie die „guten Sitten“,82 die „Billigkeit“83 oder „Treu und Glauben“84.85 c)
Positivrechtliche Relativierungen des „starken“ Konzepts: Anwendungsbereiche und Ausnahmetatbestände
Das geltende Europäische Diskriminierungsschutzrecht kann indes – was nicht selten gleichermaßen von Protagonisten wie Antagonisten eines „starken“ Antidiskriminierungskonzepts geflissentlich außer Acht gelassen wird – weder zutreffend begriffen noch verzerrungsfrei bewertet wer80 Zum Diskriminierungsschutz im geltenden deutschen Privatrecht vgl. eingehend D. Schiek (Fn. 2), 361 ff., 385ff., 390ff. mwN; ergänzend T. Bezzenberger (Fn. 5); R. Nickel Gleichheit und Differenz in der vielfältigen Republik, 1999, 93 ff, besonders 119 ff.; G. Thüsing ZfA 2001, 397ff.; ders. RdA 2003, 257ff.; ders. JZ 2004, 172 ff.; K. von Koppenfels (Fn. 12); H. Wiedemann/G. Thüsing (Fn. 10); E. Picker JZ 2003, 540ff.; J. Neuner (Fn. 10); H. Reichold JZ 2004, 384ff., je mwN. – Anders stellt sich die Lage im Öffentlichen Recht dar; vgl. insoweit nur das Kompendium zu den Gleichstellungsgesetzen des Bundes und der Länder: D. Schiek/H. Dieball/I. Horstkötter/L. Seidel/U. M. Vieten/ S. Wankel Frauengleichstellungsgesetze des Bundes und der Länder, 2. Aufl. 2002. 81 In dem namentlich der Grundsatz der Geschlechtergleichheit weithin Horizontalwirkung freisetzt; dazu eingehend H. Wiedemann (Fn. 4), passim. 82 Vgl. § 138 Abs. 1, § 826 BGB ; § 1 UWG . Auch das Schikaneverbot gemäß § 226 BGB ist hier ergänzend zu nennen. 83 Vgl. § 315 Abs. 3 BGB . 84 Vgl. § 242, § 307 Abs. 1 S. 1 BGB . – Es ist denn auch weniger der Gesetzgeber als der Zivilrichter, der unter rechtspraktischen Auspizien Maß und Reichweite des Diskriminierungsschutzes im Privatrecht bestimmt. 85 Zu ergänzen ist der strafrechtliche Diskriminierungsschutz, der namentlich über § 185 StGB prästiert wird und als Schutzgesetz iSv § 823 Abs. 2 BGB in die Beziehungen zwischen Privaten hineinwirkt.
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den, wenn nicht die vielfältigen positivrechtlichen Relativierungen des „starken“ Konzepts in die Betrachtung einbezogen werden.86, 87 86 Nebenbei: Dem Gros der hier kursierenden ideologischen Rhetorik wird der normative Bezugspunkt entzogen, wenn die positivrechtlich angeordneten oder zugelassenen Relativierungen und Kontextualisierungen des „starken“ Konzepts in der ihnen gebührenden Weise Berücksichtigung finden. 87 Die Antidiskriminierungsrichtlinien arbeiten insofern mit unterschiedlichen Relativierungstechniken. Neben den im Text genannten sind zu ergänzen: (1) Eine Relativierung liegt im Konzept mittelbarer Diskriminierung beschlossen: Während nämlich eine direkte Diskriminierung per se dem Benachteiligungsverbot unterfällt, liegt eine verbotene mittelbare Diskriminierung nur und erst dann vor, wenn die dem Anschein nach benachteiligende Behandlung, die sich in besonderer Weise zulasten von Personen auswirkt, die das verpönte Diskriminierungsmerkmal aufweisen, nicht den an einem rechtmäßigen Ziel orientierten Verhältnismäßigkeitstest besteht (vgl. Art. 2 Abs. 2 lit. b RL 2000/43/ EG; Art. 2 Abs. 2 lit. b (i) RL 2000/78/ EG; Art. 2 Abs. 2 tiret 2 RL 76/207/ EWG idFd RL 2002/73/ EG. Im Kontext von Art. 6 RL 2000/78/ EG wird diese [dort freilich nicht auf die mittelbare Diskriminierung exklusiv bezogene] Unterscheidung besonders deutlich: „Es ist […] unbedingt zu unterscheiden zwischen einer Ungleichbehandlung, die insbesondere durch rechtmäßige Ziele im Bereich der Beschäftigungspolitik, des Arbeitsmarktes und der beruflichen Bildung gerechtfertigt ist, und einer Diskriminierung, die zu verbieten ist“ [Erwägungsgrund 25 S. 3 RL 2000/78/ EG]). – (2a) Zugunsten beruflicher Tätigkeit wird eine Ausnahme erlaubt (in Anlehnung an die dem US-amerikanischen Arbeitsrecht vertraute „essence of the business clause“, vgl. Wilson v. Southwest Airlines, 517 F. Supp 292 [ND Texas 1981]; Diaz v. Pan American World Airways, 442 F.2d 385; dazu G. Thüsing RdA 2001, 319 [320ff., bes. 321]; zu der damit präzisierten „bona fide occupational qualification“ [BFOQ] des Civil Rights Act von 1964 speziell im Hinblick auf das Alter A. Fenske Das Verbot der Altersdiskriminierung im US-amerikanischen Arbeitsrecht, 1998, 144ff.): Das mitgliedstaatliche Recht darf nämlich vorsehen, dass der Tatbestand weder einer unmittelbaren noch einer mittelbaren Diskriminierung erfüllt ist, wenn, verkürzt formuliert, der Differenzierungsgrund „eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt“ (vgl. Art. 4 RL 2000/43/ EG; Art. 4 Abs. 1 RL 2000/78/ EG; Art. 2 Abs. 6 RL 76/207/ EWG idFd RL 2002/73/ EG). – (2b) Die sog. Rahmenrichtlinie ergänzt diese allgemein-arbeitsrechtliche Ausnahme in Art. 4 Abs. 2 RL 2000/78/ EG um eine Tendenzschutz-Klausel zugunsten der Kirchen und anderen öffentlichen oder privaten Organisationen, „deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht“. Zur Reichweite dieser Ausnahmeermächtigung an die Mitgliedstaaten aus Sicht der deutschen Rechtsordnung: P. Hanau/G. Thüsing Europarecht und kirchliches Arbeitsrecht, 2001, 27ff.; H. Reichold NZA 2001, 407ff.; C. Grabenwarter in: ders. (Hrsg.) Standpunkte im Kirchen- und Staatskirchenrecht, 2002, 60 (73ff.); D. Kehlen (Fn. 27), 168ff.; C. Waldhoff JZ 2003, 978ff.; M. Germann/H. de Wall GS Blomeyer, 2004, 549 (556ff., 574ff.); C. Link GS Blomeyer, 2004, 675ff.; M. Rohe GS Blomeyer, 2004, 217 (231ff.); G. Thüsing JZ 2004, 172ff. – (2c) Zu den aus der Eigenart des betreffenden Rechtsgeschäfts begründeten Ausnahmeklauseln zählt in gewissem Sinne auch Art. 1 Abs. 3 des Unisex-Tarif-RLVorschlags (Fn. 51), 26, wonach Unterschiede „im Zusammenhang mit Gütern und Dienstleistungen, bei denen Männer und Frauen sich nicht in einer vergleichbaren Situation befinden, weil die Güter und Dienstleistungen ausschließlich oder in erster Linie für die Angehörigen nur eines Geschlechts bestimmt sind, oder im Zusammenhang mit Leis-
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So können die dem operativen Richtlinientext vorangestellten Erwägungsgründe eine Diskriminierungsschutz-relativierende, besser wohl: Diskriminierungsschutz-relationierende Lesart der Normen befördern;88 Erwägungsgrund 4 der Anti-Rassismusrichtlinie bestimmt etwa, dass die Grundrechte und Grundfreiheiten, „einschließlich der Vereinigungsfreiheit“,89 geachtet werden und setzt hinzu: „Ferner ist es wichtig, dass im Zusammenhang mit dem Zugang zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen der Schutz der Privatsphäre und des Familienlebens sowie der in diesem Kontext getätigten Geschäfte gewahrt bleibt“.90
tungen, die je nach Geschlecht der Klienten auf unterschiedliche Weise erbracht werden“, nicht der Richtlinie entgegenstehen. – (3) Darüber hinausgehende Einschränkungen können die Mitgliedstaaten vorsehen zugunsten einzelner, in ihrer Trennschärfe schwer fassbarer Diskriminierungsmerkmale; so weist Art. 6 der Rahmenrichtlinie (RL 2000/78/ EG) den Mitgliedstaaten die Rechtsmacht zu, Ungleichbehandlungen wegen des Alters nicht als Diskriminierung zu bewerten, „sofern sie objektiv und angemessen sind“ und durch ein legitimes Ziel „aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung“ gerechtfertigt werden können. – Eine – nachhaltige – Relativierung der Diskriminierungsverbote markiert an sich die Zulässigkeit sog. „positiver Diskriminierung“: Sie läuft dem Verbot direkter Diskriminierung an sich diametral zuwider (wie hier etwa E. Kocher [Fn. 10], 169). Da diese nicht nur erlaubte, sondern sogar gewünschte Diskriminierung jedoch – in einer complexio oppositorum mit den Diskriminierungsverboten – zu den essentialia eines „starken“ Antidiskriminierungskonzepts zählt (vorstehend b)), ist sie nicht als Relativierung des Konzepts zu betrachten. – Insgesamt bliebt kritisch festzuhalten, dass, unbeschadet der Schwierigkeit, Diskriminierungsverbote und Diskriminierungserlaubnisse – also „negative“ und „positive“ Diskriminierung – in ein konsistentes Diskriminierungskonzept zu integrieren, Vielzahl und Heterogenität der Ausnahme- und Rechtfertigungstatbestände nicht gerade ein Zeichen hoher dogmatischer Präzision und Perfektion, Konsequenz und Konsistenz sind. 88 Zur interpretatorischen Bedeutung der Erwägungsgründe von Richtlinien: F. Dumon in: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (Hrsg.) Begegnung von Justiz und Hochschule am 27. und 28. September 1976, III /1 (III /95 ff., besonders III /106 ff.); R. Plender Yearbook of European Law 2 (1982), 57 (92ff., besonders 100 f.); M. Lutter JZ 1992, 593 (600); C. Buck Über die Auslegungsmethoden des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft, 1998, 147 ff.; F. Müller/R. Christensen Juristische Methodik, Bd. II, 2003, 65; M. Dederichs Die Methodik des EuGH, 2004, 30f. sowie insbesondere 115 f. mwN; aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs: EuGH, Slg. 1969, 349 – Markus & Walsh/Hauptzollamt Hamburg, Tz. 8–11; EuGH, Slg. 1977, 5 – Bauhuis/Niederlande, Tz. 17 f., 20; EuGH, Slg. 1977, 2059 – AIMA/Greco, Tz. 8 f., 20; EuGH, Slg. 1980, 813 – van Walsum/Produktschap voor Vee en Vlees, Tz. 9; EuGH, Slg. 1992, I-1237 – Canon/ Rat, Tz. 37, 50, 56; EuGH, Slg. 1999, I-2423 – Luksch, Tz. 3, 4, 15 f. 89 Vgl. auch Erwägungsgrund 5 RL 2000/78/ EG ; Erwägungsgrund 7 RL 2002/73/ EG . 90 Entsprechend Erwägungsgrund 11 des Unisex-Tarif- RL-Vorschlags (Fn. 51), 24, wonach überdies auf die „Medienfreiheit und den Medienpluralismus“ Bezug genommen wird.
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Darüber hinaus gelangt eine Relativierung des „starken“ Konzepts auch in der Umschreibung des Anwendungsbereichs des konkreten Gleichbehandlungsgrundsatzes zum Ausdruck.91 So ist für die Erstreckung des Diskriminierungsschutzes auf das Privatrecht (jenseits des Arbeitsrechts) mit besonderem Nachdruck darauf hinzuweisen, dass sowohl die geltende Anti-Rassismusrichtlinie als auch die geplante UnisexTarif-Richtlinie die Antidiskriminierungsstandards nur insoweit in den Rechtsbeziehungen zwischen Privaten verbindlich machen, als es sich um „den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen [handelt], die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum“.92
91 Sei es, dass eine Materie zur Gänze aus dem Anwendungsbereich herausgenommen wird, wie dies etwa die sog. Unisex-Tarif-Richtlinie für den Bereich der Bildung und der Medien einschließlich der Werbung vorsieht (vgl. Art. 1 Abs. 4 des Unisex-Tarif-RL-Vorschlags [Fn. 51], 26; dabei handelt es sich freilich, weil Art. 13 EG Antidiskriminierungsmaßnahmen nur innerhalb bestehender Gemeinschaftskompetenzen zulässt [oben Fn. 76], keineswegs um eine frei gewählte Regelungszurückhaltung), sei es, dass einzelne Materien nur unter besonderen Aspekten und Voraussetzungen vom Richtlinienregime erfasst werden. 92 Art. 3 Abs. 1 lit. h RL 2000/43/ EG ; Art. 1 Abs. 2 Unisex-Tarif- RL-Vorschlag (Fn. 51), 26 (unter Weglassung des Wortes „von“ vor „Wohnraum“). – Dass die Wendung „der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen“, namentlich in Deutschland Gegenstand eines heftigen Auslegungsstreits ist, sei hier mehr angedeutet denn ausgeführt (dazu und zum Folgenden vgl. die eingehenden, auch rechtsvergleichend operierenden Ausführungen bei B. Schöbener/F. Stork [Fn. 16], 65ff., besonders 72ff., 75 ff., 77 mwN): Ist die – den Diskriminierungsschutz aktivierende – Öffentlichkeitsschwelle bereits mit jeder Zeitungs- oder Internetannonce, gar mit jedem Aushang am „Schwarzen Brett“ überschritten? Der Immobilien- und der Gebrauchtwagenmarkt wären dann ebenso erfasst wie Internetauktionsbörsen, auch wenn es sich bei den angestrebten Rechtsgeschäften um nicht-berufliche und nicht-gewerbliche Einzelaktionen Privater handelt. Oder aber bemisst sich die „Öffentlichkeit“ des Rechtsgeschäfts unter Privaten danach, dass der Anbieter über einen gewissen Institutionalisierungsgrad verfügt, das Geschäft gewerbsmäßig betreibt und es sich typischerweise um Massengeschäfte handelt (in diese Richtung, im Einzelnen freilich differenzierter: B. Schöbener/F. Stork [Fn. 16], 72ff., 75 ff., 77, die hierfür Begriff und Kategorie der „quasi-öffentlichen Sphäre“ prägen [ebenda, 72ff., 77]: „jedenfalls“ erfasst seien „Verkehrsmittel, Fitnessstudios, Hotels, Kaufhäuser, Restaurants und Bars, Cafés, Theater, Parks und Strände“ [ebenda, 73]; in entsprechender Weise dürften auch Kinos, Museen, Banken dazuzuzählen sein; vgl. auch K. Hailbronner ZAR 2001, 254 [258]; M. Bell [Fn. 35], 136 ff., 138 ff. mwN; P. Stalder JRP 2002, 227 [232]) Dann wären Rechtsgeschäfte, „die in einem rein privaten Kontext stattfinden“ (so die Kommission in ihrem Unisex-Tarif-RL-Vorschlag [Fn. 51], 15), also typischerweise ein gewisses Näheverhältnis voraussetzen oder begründen, nicht dem sekundärrechtlichen Diskriminierungsschutz unterworfen. Sowohl die Materialien der Antirassismus- und, mehr noch, des Vorschlags der Unisex-Tarif-Richtlinie als auch die Herkunft des Gedankens, Diskriminierungsschutz auf in der Öffentlichkeit getätigte Rechtsgeschäfte zwi-
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3.
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Die Primärrechtskonformität des Europäischen Antidiskriminierungsrechts
Da Gemeinschaftssekundärrecht seinem Inhalt wie seiner Geltung nach infolge seines (Anwendungs-)Vorrangs nicht an mitgliedstaatlichem Recht zu messen ist,93 kommt als Maßstab für eine Inhalts- wie Geltungsversicherung von Richtlinienrecht grundsätzlich nur Gemeinschaftsprimär recht in Betracht.94 Eine – an sich gebotene – eingehende Untersuchung der Primärrechtskonformität privatrechtsinvasiver Antidiskriminierungsrichtlinien muss im gegebenen Rahmen unterbleiben. Das bloß kursorische Vorgehen mag freilich um so eher verschmerzbar sein, als, soweit ersichtlich, von keiner Seite ernsthaft der Vorwurf erhoben oder gar begründet wird, die Anti-Rassismusrichtlinie (als die derzeit einzige in Geltung stehende Antidiskriminierungsrichtlinie, die privatrechtsinvasiv ausgelegt ist) verstoße in grundsätzlicher Weise gegen Primärrecht.95 schen Privaten zu erstrecken, aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis (zu diesen drei Gründen im Einzelnen B. Schöbener/F. Stork [Fn. 16], 69ff., 72ff., besonders 75 mwN) sprechen letztlich dafür, der engeren Interpretation den Vorzug zu geben (notabene: Es sind nicht Gründe des nationalen Rechts, etwa der Gedanke der grundgesetzkonformen Auslegung, die hier den Ausschlag geben. Denn Gemeinschaftsrecht ist autonom, d. h. nach eigenen Maßgaben und Maßstäben, auszulegen. Das mitgliedstaatliche Recht ist nur dort von Relevanz, wo das Gemeinschaftsrecht selbst sich jenem öffnet. S. auch nachfolgend III.). Freilich verbleiben auch bei der Option für eine restriktive Auslegung nicht zu vernachlässigende Interpretationsunschärfen im Einzelfall. 93 Zum – aus Sicht des Gemeinschaftsrechts unkonditionierten, aus Sicht des deutschen Verfassungsrechts im Blick auf Art. 23 Abs. 1, Art. 79 Abs. 3 GG konditionierten – Vorrang des Gemeinschaftsrechts vor mitgliedstaatlichem Recht vgl. stellvertretend M. Nettesheim in: Grabitz/Hilf (Hrsg.) Das Recht der Europäischen Union, Art. 249 EGV Rn. 37–42 sowie 43–51 (Stand: August 2002); W. Schroeder Das Gemeinschaftsrechtssystem, 2002, 103 ff., besonders 108 ff., 110 ff., 116 ff. (zur Perspektive des EuGH) und 161 ff., besonders 163 ff. (zur Perspektive des BVerfG), je mwN. 94 Vgl. nur EuGH , Slg. 1979, 3727 – Hauer, Tz. 14: Die „Frage der Verletzung der Grundrechte durch eine Handlung der Gemeinschaftsorgane [kann] nicht anders als im Rahmen des Gemeinschaftsrechts selbst beurteilt werden. Die Aufstellung besonderer, von der Gesetzgebung oder der Verfassungsordnung eines bestimmten Mitgliedstaates abhängiger Beurteilungskriterien würde die materielle Einheit und die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts beeinträchtigen.“ – Die an sich ebenfalls im Blick auf die Inhalts(-, nicht: Geltungs)bestimmung von Richtlinienrecht einschlägige systematische Interpretation anhand des übrigen Gemeinschaftssekundärrechts bleibt im Folgenden außer Betracht. 95 Vgl. auch M. Mahlmann (Fn. 27), 422 und 424 – für die Frage der Gemeinschaftsgrundrechtskompatibilität. Soweit die bisher ergangenen Art. 13-Richtlinien in der Kommentarliteratur thematisiert werden, werden Bedenken gegen deren Primärrechtskonformität nicht erhoben (vgl. M. Holoubek in: Schwarze [Hrsg.] EU-V/ EG-V, 2000, Art. 13
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Vorrang nicht gleich Vorrang
Einleitend besteht Anlass, auf eine bislang wenig zu Bewusstsein gelangte Eigenart des Verhältnisses von Primärrecht und Sekundärrecht hinzuweisen: Wenn das Primärrecht der Gemeinschaft als „Verfassungsrecht der EU“96 gekennzeichnet wird, so dürfen nicht unbesehen Wirkungsweise und Durchsetzungsmechanismus des im grundgesetzlichen Rahmen geltenden Verfassungsvorrangs auf die Relation von primärem zu sekundärem Gemeinschaftsrecht übertragen werden. Ist der Vorrang des Gemeinschaftsrechts vor dem mitgliedstaatlichen Recht im Wesentlichen mit dem Vorrang des Grundgesetzes vor sogenanntem einfachen Recht vergleichbar, so kann dies für den Vorrang des Primärrechts vor dem Sekundärrecht nicht in gleicher Weise behauptet werden. Die Hierarchisierung zwischen Primär- und Sekundärrecht ist positivrechtlich – namentlich, soweit es die materiellen Vorgaben betrifft – weniger markant ausgeprägt.97 EGV Rn. 6; A. Epiney in: Calliess/Ruffert [Hrsg.] EUV/ EGV, 2. Aufl. 2002, Art. 13 EGV Rn. 9 f.; C. O. Lenz in: ders./Borchardt [Hrsg.] EU- und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2003, Art. 13 Rn. 3 f.; M. Zuleeg in: v. d. Groeben/Schwarze [Hrsg.] EUV/ EGV, Bd. I, 6. Aufl. 2003, Art. 13 Rn. 17 f.). Einzig R. Streinz in: ders. (Hrsg.) EUV/ EGV, 2003, Art. 13 EGV Rn. 23
(s. a. Rn. 1), hält, ohne deswegen freilich ausdrücklich einen Verstoß zu behaupten, die Richtlinien „wegen der Einbeziehung privatrechtlicher Rechtsverhältnisse und der Beweislastumkehr im Hinblick auf die Achtung der Privatautonomie“ für „problematisch“. 96 Statt vieler M. Nettesheim in: Grabitz/Hilf (Hrsg.) Das Recht der Europäischen Union, Art. 249 EGV Rn. 9 (Stand: August 2002). 97 Folge wie Ausdruck dessen ist, dass das primäre Gemeinschaftsrecht zulasten der sekundären Rechtsetzungsakte nur schwache materielle Anforderungen entfaltet und der EuGH sich dementsprechend Zurückhaltung auferlegt bei der materiellen Primärrechtskontrolle der gemeinschaftsrechtlichen Gesetzesäquivalente Richtlinie und Verordnung. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH streitet zugunsten der Rechtsakte der Gemeinschaft überdies die Vermutung ihrer Gültigkeit; die Vermutung kann nur durch ein Urteil des Gerichtshofes beseitigt werden (vgl. nur EuGH, Slg. 1957, 85 [126] – Algera; EuGH, Slg. 1979, 623 – Granaria, Tz. 4 und 5; EuGH, Slg. 1994, I-255 – BASF, Tz. 48ff. [dort, Tz. 49 f., mit Ausnahmen von diesem Grundsatz in „ganz außergewöhnlichen Fällen“ eines offenkundigen und schweren Fehlers]). Die Beziehung von Primärrecht und Sekundärrecht ist vielfältiger und komplexer, als dass sie mit dem strikt alternativen Gleichungspaar „Primärrechtskonformität als Geltungsvoraussetzung“ und „Primärrechtswidrigkeit als Geltungsvernichtung“ hinlänglich erfasst werden könnte. Dies lässt sich etwa am Beispiel der sogenannten „affirmative action“ demonstrieren, die sowohl Thema des primärrechtlichen Art. 141 Abs. 4 EG als auch des sekundärrechtlichen Art. 2 Abs. 4 RL 76/207/ EWG ist; dazu näher C. Langenfeld in: Grabitz/Hilf (Hrsg.) Das Recht der Europäischen Union, Art. 141 EGV Rn. 107 (Stand: Februar 2002). – Zum Verhältnis von Grundfreiheiten und insoweit einschlägigem Sekundärrecht vgl. C. Schönberger EuR 38 (2003), 600 (621 f.), der hier mit Recht vom „eigentlichen Paradigma für die Zuordnung von Primär- und Sekundärrecht der Europäischen Gemeinschaft“ (ebenda, 623)
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Dieser Umstand verdankt sich der „Logik gegenläufiger Hierarchisierungen im Gemeinschaftsrecht“98: Die geringe materielle Hierarchisierung innerhalb des Gemeinschaftsrechts ist danach das Korrelat der strikten Hierarchisierung zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht.99 Es ist daher alles andere als Zufall,100 dass der EuGH die Einhaltung der primärrechtlich aufgerichteten Zuständigkeits-101 und Verfahrensanforderungen strenger kontrolliert als die materiellen Kautelen102 und, sospricht. In Bezug auf die Gemeinschaftsgrundrechte ruft Schönberger ebenda, 623 mwN, in Erinnerung, dass sie „überhaupt erst als defensive Reaktion auf die Gefahren mangelnder Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts in den mitgliedstaatlichen Behörden und Gerichten Ende der sechziger Jahre“ entwickelt worden seien. 98 Zu Begriff und Sache richtungweisend C. Schönberger (Fn. 97), 600ff. 99 C. Schönberger (Fn. 97), 603, s. a. 627. – Um in dem noch relativ jungen vollzugsföderalen System (dazu, dass die „Logik gegenläufiger Hierarchisierungen“ ein typisches Phänomen für vollzugsföderale Ordnung in deren Entstehungsphase ist: C. Schönberger [Fn. 97], 601 f., 614 f., am Beispiel der Schweiz und des Deutschen Reiches in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: 617–620 mwN) der Gemeinschaft deren eigenem Recht gegenüber dem anzugleichenden mitgliedstaatlichen Recht möglichste Durchsetzungskraft und Vollzugseffektivität zu sichern, achtet das primäre Gemeinschaftsrecht darauf, dass seine Inhalts- und Geltungsanforderungen an das sekundäre Recht nicht zu einem allzu leicht einsetzbaren Argument für die Mitgliedstaaten erstarken, mit Hilfe dessen das Sekundärrecht unter Berufung auf dessen Primärrechtswidrigkeit um seine Wirksamkeit gebracht werden kann (vgl. auch I. Pernice/F. Mayer in: Grabitz/Hilf [Hrsg.] Das Recht der Europäischen Union, Art. 220 EGV Rn. 27 [Stand: August 2002] mwN aus der Judikatur des EuGH: „Die Sorge des Gerichtshofs um die ‚materielle Einheit des Gemeinschaftsrechts‘ und die Einheitlichkeit seiner Anwendung in den Mitgliedstaaten beherrscht die ganze Rechtsprechung“; dazu H. D. Jarass DVBl 1995, 954 [961 f.]). Die geringe materielle Hierarchisierung im Verhältnis von Primärrecht und Sekundärrecht ist indes durchaus auch im Interesse der Mitgliedstaaten, genauer: im Interesse der Regierungen der Mitgliedstaaten, da und solange sie bei der Setzung von Sekundärrecht in Gestalt des Ministerrats die (mit)entscheidende Rolle spielen (und dahinter steht letztlich der Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts, wie ihn Art. 7 Abs. 1 S. 2 EG zum Ausdruck bringt). Denn je geringer die primärrechtlichen Anforderungen an das von mitgliedstaatlicher Verhandlung und Abstimmung bestimmte Verfahren der Sekundärrechtsetzung sind, desto seltener sind gerichtliche Interferenzen zu befürchten (näher C. Schönberger [Fn. 97], 602f.). Pointiert: Je höher die Einigungszwänge im Rechtsetzungsverfahren, desto niedriger die Kontrolldichte durch den EuGH. 100 Und auch nicht, wie offenbar C.-W. Canaris (Fn. 3), 363f. meint, eine Frage fehlenden Mutes. 101 Zur Kompetenzkontrolle vgl. EuGH , Slg. 2000, I-8419 – Tabakwerberichtlinie, Tz. 76 ff., besonders 88; EuGH, Slg. 2002, I-11453 – Tabakproduktrichtlinie, Tz. 58 ff., besonders 62 und 94ff.; dazu statt vieler J. Gundel EuR 38 (2003), 100 ff. 102 Auch die beiden Bestimmungen, aus denen der Vorrang des Primärrechts gegenüber dem Sekundärrecht herausgelesen wird – Art. 7 Abs. 1 S. 2 („Jedes Organ handelt nach Maßgabe der ihm in diesem Vertrag zugewiesenen Befugnisse.“) sowie Art. 249
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weit ersichtlich, noch keine Richtlinie oder Verordnung wegen Verstoßes gegen die Gemeinschaftsgrundrechte für nichtig erklärt hat.103 b)
Europäisches Antidiskriminierungsrecht und Gemeinschaftsgrundrechte
Dass er ein derartiges Verdikt ausgerechnet im Falle der auf der Grundlage von Art. 13 EG104 – und damit auf der Grundlage eines eistimAbs. 1 EG („nach Maßgabe dieses Vertrages erlassen das Europäische Parlament und der Rat gemeinsam, der Rat und die Kommission …“; dazu stellvertretend W. Schroeder [Fn. 93], 363ff.; ders. in: Streinz [Hrsg.] EUV/ EGV, 2003, Art. 249 EGV Rn. 17) –, harmonieren mit der These, dass die formellen (verfahrensrechtlich-kompetenziellen) Anforderungen, die das Primärrecht an die Sekundärrechtsetzung stellt, höher ausfallen als die materiellen. – Indirekt wird diese dichotome Struktur bestätigt durch die Judikatur des BVerfG, indem dieses einerseits zulasten des Gemeinschafts(sekundär)rechts einen Grundrechtsvorbehalt formuliert, der freilich – auf der Grundlage des „Bananenmarktordnungs“-Beschlusses (BVerfGE 102, 147) – kaum jemals mehr praktisch werden dürfte, und andererseits einen ultra-vires- oder auch Kompetenzkonformitäts-Vorbehalt statuiert (zur Lehre vom ausbrechenden Rechtsakt: BVerfGE 89, 155 [194f.]). Vgl. auch S. Broß VerwArch 92 (2001), 425ff.; I. Pernice/F. Mayer in: Grabitz/Hilf (Hrsg.) Das Recht der Europäischen Union, Art. 220 EGV Rn. 72 (Stand: August 2002). 103 Der EuGH hat den Schutz der Gemeinschaftsgrundrechte im Hinblick auf Akte der Gemeinschaften bisher nur im Kontext von Einzelfallentscheidungen in der Weise aktiviert, dass ein (Gemeinschafts-)Rechtsakt wegen eines (Gemeinschafts-)Grundrechtsverstoßes aufgehoben worden ist (vgl. EuGH, Slg. 1994, I-4737 – X/Kommission: die Anordnung eines AIDS-Tests gegen den Willen des Bewerbers im Rahmen der Einstellungsuntersuchung verstößt gegen das in der EMRK verankerte und sich aus den gemeinsamen Verfassungstraditionen ergebende Recht auf Achtung des Privatlebens [Rn. 17–24]; die Verweigerung der Untersuchung durch den Bewerber hat freilich zur Konsequenz, dass die begehrte Einstellung schon aus diesem Grund verweigert werden kann [Rn. 21]); für abstrakt-generelle Normen, also Verordnungen und Richtlinien, findet sich – soweit ersichtlich – bisher keine vergleichbare Rechtsprechung. 104 In kompetenziell-verfahrensrechtlicher Hinsicht wird nahezu einhellig davon ausgegangen, dass sowohl die Anti-Rassismusrichtlinie als auch die Rahmenrichtlinie die tatbestandlichen Voraussetzungen des – nicht unmittelbar anwendbaren – Art. 13 EG erfüllen und auch den Anforderungen der Subsidiarität gemäß Art. 5 Abs. 2 EG sowie der Verhältnismäßigkeit gemäß Art. 5 Abs. 3 EG entsprechen (zu Art. 5 Abs. 2 und 3 EG: D. Kehlen [Fn. 27], 114 ff., besonders 126–128, sowie 128ff., besonders 131, mwN). In der Tat räumt Art. 13 Abs. 1 EG dem Rat die Rechtsmacht ein, Antidiskriminierungsmaßnahmen in Richtlinienform zu ergreifen, die (1) neben der direkten Diskriminierung auch die indirekte Diskriminierung verbieten (vgl. A. Epiney in: Calliess/Ruffert [Hrsg.] EUV/ EGV, 2. Aufl. 2002, Art. 13 EGV Rn. 6; R. Streinz in: ders. [Hrsg.] EUV/ EGV, 2003, Art. 13 EGV Rn. 15; D. Kehlen ebenda, 78–80 mwN; R. Geiger EUV/ EGV, 4. Aufl. 2004, Art. 13 Rn. 4), (2) darüber hinaus die Ermächtigung zur sog. „positiven“ Diskriminierung enthalten (vgl. M. Holoubek in: Schwarze [Hrsg.] EU-V/ EG-V, 2000, Art. 13 EGV Rn. 2 und 12; A. Epiney ebenda, Art. 13 Rn. 6; M. Zuleeg in: v. d. Groeben/Schwarze [Hrsg.] EUV/ EGV, Bd. I, 6. Aufl. 2003, Art. 13 Rn. 9; C. O. Lenz in: ders./Borchardt [Hrsg.] EU und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2003, Art. 13 Rn. 9; einschränkend D. Kehlen ebenda, 104 f.
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migen Ratsbeschlusses105 – erlassenen Antidiskriminierungsrichtlinien erstmals aussprechen könnte, steht nicht zu erwarten. Statt einer eingehenden Begründung106 muss es hier freilich mit einer Aneinanderreihung von Indizien sein Bewenden haben: Erstens hat der Gerichtshof in seiner reichhaltigen Judikatur zu Gleichbehandlungsrichtlinien noch nicht einmal leiseste Zweifel an der Grundrechtskonformität eines offensiven Gleichstellungskonzepts geäußert.107 Ganz im Gegenteil können – zweitens – die Antidiskriminierungsrichtlinien in wesentlichen Punkten als eine Kodifizierung der Rechtsprechung des EuGH zum Gleichbehandlungsgrundsatz gelesen werden. Durch Art. 13 Abs. 1 EG wird den Antidiskriminierungsbelangen, drittens, zusätzliche primärrechtliche Bonität zugeführt.108 Viertens: Sowohl die BemwN; zweifelnd R. Streinz ebenda, Art. 13 Rn. 18; ablehnend G. Jochum ZRP 1999, 279 [280 f.]), (3) die Verpflichtung für die Mitgliedstaaten statuieren, auch Privatpersonen in die Pflicht zu nehmen (vgl. M. Holoubek ebenda, Art. 13 Rn. 12; R. Streinz ebenda, Art. 13 Rn. 18; M. Zuleeg ebenda, Art. 13 Rn. 14; C. O. Lenz ebenda, Art. 13 Rn. 9), sowie (4) im Rahmen der Zuständigkeiten der Gemeinschaft auch privatrechtsbezügliche Regelungen aufstellen (speziell im Blick auf RL 2000/43/ EG: M. Holoubek ebenda, Art. 13 Rn. 6; vgl. ergänzend M. Bell [Fn. 36], 17–19; dens. [Fn. 35], 136 ff., besonders 138, sowie 138 ff., besonders 139 f. mwN). Bedenken im Blick auf die Ermächtigungsgrundlage des Art. 13 Abs. 1 EG bestehen indes insoweit, als die Richtlinien unisono auch die „Belästigung“ als – verbotene – Diskriminierung behandeln (vgl. Art. 2 Abs. 3 RL 2000/43/ EG, Art. 2 Abs. 3 RL 2000/78/ EG; die hier aufgeworfene Frage wird in der Kommentarliteratur mit keinem Wort behandelt): Der bislang im Gemeinschaftsrecht geltende Diskriminierungsbegriff hat „Belästigungen“, deren Unwert nicht (oder doch nicht notwendigerweise) in der Ungleichbehandlung liegt, nicht umfasst (stellvertretend zum Diskriminierungs-Begriff in der Rechtsprechung: EuGH, Slg. 1995, I-225 – Schumacker, Tz. 30; vgl. auch D. Kehlen ebenda, 76 f. mwN, der freilich unter dem Aspekt der Benachteiligung auch die Erstreckung auf „Belästigungen“ für gerechtfertigt hält: 79 f. Fn. 316); es erscheint daher nicht ohne weiteres plausibel, dass und warum die Erstreckung des Diskriminierungsschutz-Konzepts auf „Belästigungen“ im Sinne der vorgenannten Richtlinien von der Ermächtigung des Art. 13 Abs. 1 EG gedeckt sein sollte. 105 Zu den Gründen, die dazu geführt haben, dass Art. 13 Abs. 1 EG Einstimmigkeit zur Voraussetzung macht: R. Streinz in: ders. (Hrsg.) EUV/ EGV, 2003, Art. 13 EGV Rn. 1 und 20 mwN. – Nach Art. III–124 Abs. 1 S. 2 der konsolidierten Fassung des Vertrags über eine Verfassung für Europa werden die Kompromissfindungsprozesse nicht leichter, sondern eher schwieriger, bedarf es danach doch neben der Einstimmigkeit im Rat zusätzlich der vorgängigen Zustimmung des Europäischen Parlaments. 106 Für die – hier freilich weniger bedeutsame – Rahmenrichtlinie 2000/73/ EG findet sich eine ausführliche Begründung der Gemeinschaftsgrundrechtskompatibilität bei D. Kehlen (Fn. 27), 203–229. 107 Vgl. die zusammenfassende Darstellung bei A. Epiney/M. F. Abt Das Recht der Gleichstellung von Mann und Frau in der EU, 2003. 108 Die in Art. 13 Abs. 1 EG enthaltene Wendung, dass diskriminierungsbekämpfende Maßnahmen „unbeschadet der sonstigen Bestimmungen dieses Vertrags“ ergriffen wer-
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rufsfreiheit als auch die darin beschlossene Vertragsfreiheit werden vom Gerichtshof gemäß Art. 6 Abs. 2 EU mittels wertender Rechtsvergleichung aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten erhoben; ihre Auslegung und Anwendung hat nicht nur zu berücksichtigen, dass sie einem recht großzügig gehandhabten Einschränkungsregime unterliegen,109 sondern auch, dass weitreichende Antidiskriminierungskonzepte in dem einen oder anderen EU-Mitgliedstaat seit jeher als mit beiden Grundrechen vereinbar betrachtet werden. Fünftens: Just für die „Anti-Rassismusrichtlinie“ wie für die in Aussicht genommene „Unisex-Tarif-Richtlinie“ ist in Rechnung zu stellen, dass sie nur begrenzt – Stichwort: „öffentliche“ Rechtsgeschäfte – und mit allerlei Ausnahmetatbeständen110 in die Rechtsbeziehungen unter Privaten eingreifen, so dass bereits mit bedenkenswerten Gründen bestritten werden kann, dass überhaupt der „Schutz der Privatsphäre und des Familienden können, thematisiert lediglich das Verhältnis zu sonstigen Kompetenzzuweisungen (statt aller: D. Kehlen [Fn. 27], 18 ff., besonders 31–36 mwN; M. Zuleeg in: v. d. Groeben/Schwarze [Hrsg.] EUV/ EGV, Bd. I, 6. Aufl. 2003, Art. 13 Rn. 15 f. – auf den Streit, ob Art. 13 EG allgemein subsidiär ist, kommt es vorliegend nicht an), stellt die Maßnahmen also nicht etwa unter einen materiellen Vorbehalt. – Zu Art. 13 EG als einem Beitrag für ein Europa „der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“: D. Kehlen ebenda 13–16. – Der Entwurf eines Vertrages über eine Verfassung für Europa, der in Art. III–124 den heutigen Art. 13 EG (mit hier irrelevanten Änderungen) beibehält, verstärkt durch die Inkorporation der Grundrechte-Charta, namentlich durch Art. II–83 und Art. II–81 den gemeinschaftsverfassungsrechtlichen Stellenwert des Diskriminierungsschutzes; die Vertragsfreiheit ist lediglich über die in Art. II–76 anerkannte unternehmerische Freiheit geschützt (dazu N. Bernsdorff in: Meyer [Hrsg.] Kommentar zur Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 2003, Art. 16 Rn. 12; R. Streinz in: ders. [Hrsg.] EUV/ EGV, 2003, Art. 16 GR-Charta Rn. 1 und 6; B. Schöbener/F. Stork [Fn. 16], 55f., die zudem auf Art. 1:102 der Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts, der sog. Lando-Principles, rekurrieren, denen freilich die normative Qualität abgeht). 109 Zur Berufsfreiheit, die kein Pendant in der EMRK und ihren Zusatzprotokollen aufweist und die Vertragsfreiheit nach der Judikatur des EuGH einschließt, stellvertretend T. Kingreen in: Calliess/Ruffert (Hrsg.) EUV/ EGV, 2. Aufl. 2002, Art. 6 EUV Rn. 129 ff., speziell zur Vertragsfreiheit Rn. 133 mwN. Ausdrücklich hat der Gerichtshof „die freie Wahl des Geschäftspartners“ als grundrechtlich geschützt angesehen: EuGH, Slg. 1991, I-3617 – Neu u. a., Tz. 13. Dass im Blick auf die unternehmerische Freiheit „eine effiziente Kontrolle des Gemeinschaftsgesetzgebers und insbesondere eine wirkliche Verhältnismäßigkeitsprüfung mit entsprechender Abwägung“ unterbleibe, betont auch R. Streinz in: ders. (Hrsg.) EUV/ EGV, 2003, Art. 16 GR-Charta Rn. 4, unter Hinweis auf M. Ruffert in: Ehlers (Hrsg.) Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2003, § 15 Rn. 38 f. mwN; zu den Einschränkungen der Abschlussfreiheit: K. Riesenhuber Europäisches Vertragsrecht, 2003, Rn. 416 ff., 423ff., besonders 424f. mwN. – Konkret bezogen auf die beiden Art. 13-Richtlinien vgl. ausführlich: M. Mahlmann (Fn. 27), 419–422; B. Schöbener/ F. Stork (Fn. 16), 55–58, 60 sowie 61–64, je mwN. 110 Näher dazu vorstehend 2. c).
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lebens“111 tangiert ist.112, 113 Fazit: Die Gemeinschaftsgrundrechte setzen – im Rahmen ihrer derzeitigen Wirkkraft114 – dem von der Gemeinschaft verfolgten „starken“ Antidiskriminierungskonzept erst dann Widerstand entgegen, wenn der Privatrechtsbezug über die „öffentlichen“ Rechtsbeziehungen unter Privaten hinausgeht und die derzeit vorgesehenen Ausnahmetatbestände beseitigt werden.115
III. Der Anwendungsrahmen der nationalen Grundrechte Der erst spät einsetzende Schutz der Gemeinschaftsgrundrechte wirft umso dringlicher die Frage auf, welchen Rahmen die Grundrechte des Grundgesetzes dem Diskriminierungsschutz in Privatrechtsbeziehungen ziehen. Grundgesetzliche Maßstäbe gelangen freilich nur dort zum Einsatz, wo das nationale Recht (1) gemeinschaftsrechtlich eröffnete Umsetzungsspielräume nutzt,116 wo es (2) über gemeinschaftsrechtliche Mindestanforderungen hinausgeht oder wo es (3) Regelungsmaterien thematisiert, die vom Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts ausgenommen sind.117 111 So Erwägungsgrund 4 S. 2 RL 2000/43/ EG ; entsprechend Erwägungsgrund 11 des Unisex-Tarif-RL-Vorschlags (Fn. 51), 24. 112 So etwa von B. Schöbener/F. Stork (Fn. 16), 60, 61 mit 72ff. 113 Des Weiteren könnte auf die Judikatur des EuGH zur Horizontalwirkung des Diskriminierungsverbotes gemäß Art. 39 EG verwiesen werden (ebenso spektakulär in der Sache wie lapidar in der Begründung: EuGH, Slg. 2000, I-4139 – Angonese, Tz. 29 ff., besonders 36: „Das in Art. 48 des Vertrages [a.F.; heute: Art. 39 EG] ausgesprochene Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit gilt somit auch für Privatpersonen“; dazu U. Forsthoff EWS 2000, 389ff.; T. Körber EuR 35 [2000], 932ff.; R. Streinz/S. Leible EuZW 2000, 459ff.). 114 Vgl. näher oben a). 115 Unhaltbar freilich die in ihrer Pauschalität ebenso unbegründete wie unbegründbare These, dass „das Recht auf Gleichbehandlung als Grundrecht Vorrang vor dem Recht auf Vertragsfreiheit“ habe (so aber der EP-Ausschuss für die Rechte der Frau und Chancengleichheit [Fn. 53], 29). 116 Das freilich ist im Einzelnen str.; wie hier aber die hM, vgl. nur R. Streinz Bundesverfassungsgerichtlicher Grundrechtsschutz und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1989, 186 f.; U. Everling EuR 25 (1990), 195 (213); T. Kingreen in: Calliess/Ruffert (Hrsg.) EUV/ EGV, 2. Aufl. 2002, Art. 6 EUV Rn. 59; M. Mahlmann (Fn. 27), 418; D. Kehlen (Fn. 27), 245f., je mwN. Anderer Ansicht etwa B. Rickert Grundrechtsgeltung bei der Umsetzung europäischer Richtlinien in innerstaatliches Recht, 1997, 215 ff. 117 Dies gilt unabhängig davon, ob man – mit dem Europäischen Gerichtshof – dem Gemeinschaftsrecht den bedingungslosen Vorrang vor sämtlichem mitgliedstaatlichen Recht zuerkennt (aus der ständigen Rechtsprechung: EuGH, Slg. 1963, 22 [24f.] – van Gend & Loos; EuGH, Slg. 1964, 1251 [1269f.] – Costa/ E.N.E.L.; EuGH, Slg. 1970, 1125 –
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Freilich schrumpfen die gemeinschaftsrechtlich nicht determinierten Regelungsfreiräume des nationalen Gesetzgebers im Bereich des privatrechtlichen Diskriminierungsschutzes zusehends. Am Beispiel der Merkmale von Rasse und ethnischer Herkunft, die Gegenstand der bereits geltenden Antirassismus-Richtlinie sind,118 sowie des Geschlechts, welches Regelungsthema der derzeit debattierten Unisex-Tarif-Richtlinie ist,119 lässt sich aufzeigen, welche Bestimmungen kraft gemeinschaftsrechtlicher Determinierung bereits „grundrechtsfest“ und welche noch am Maßstab der grundgesetzlichen Grundrechte zu messen sind:120 Keinerlei Umsetzungsspielräume besitzt der Mitgliedstaat insonderheit bezüglich der unterschiedlichen Tatbestandsvarianten der Diskriminierung121 ein-
Internationale Handelsgesellschaft, Tz. 3; EuGH, Slg. 1978, 629 – Simmenthal II, Tz. 24; EuGH, Slg. 1990, I-2433 – Factortame u. a., Tz. 18 ff.; aus dem Schrifttum: B. Wegener in: Calliess/Ruffert [Hrsg.] EUV/ EGV, 2. Aufl. 2002, Art. 220 Rn. 22 ff.; M. Nettesheim in: Grabitz/Hilf [Hrsg.] Das Recht der Europäischen Union, Art. 249 EGV Rn. 37 ff. [Sicht des EuGH] sowie 44ff. [Sicht des BVerfG] [Stand: August 2002]; R. Streinz [Fn. 70], Rn. 168–255; W. Schroeder in: Streinz [Hrsg.] EUV/ EGV, 2003, Art. 249 Rn. 40ff., je mwN) oder aber – mit dem Bundesverfassungsgericht – den Gemeinschaftsrechtsvorrang von der – hier nicht zweifelhaften (eingehend am Beispiel der RL 2000/78/ EG: D. Kehlen [Fn. 27], 239–243 mwN) – Bedingung abhängig macht, dass auf Gemeinschaftsebene ein dem grundgesetzlichen Schutzregime im Wesentlichen gleichzuachtender Grundrechtsschutz generell gewährleistet sei (richtungweisend BVerfGE 102, 147 [161 ff., besonders 162 f. und 164] mit räsonierender Zusammenstellung der Judikatur von BVerfGE 37, 271 [285] über BVerfGE 73, 337 [378 ff.] bis zu BVerfGE 89, 155 [174 f.]; aus dem Schrifttum: P. M. Huber EuZW 1999, 517 ff.; U. Kischel Der Staat 39 [2000], 523ff.; S. Broß [Fn. 102]; M. Nettesheim in: Grabitz/Hilf [Hrsg.] Das Recht der Europäischen Union, Art. 249 EGV Rn. 48 [Stand: August 2002], je mwN). – Auf eine gewisse dysfunktionale Wirkung der zuletzt im „Bananenmarktordnungs“-Beschluss bekräftigten „Solange“-Formel sei aufmerksam gemacht: Wiewohl sie zur Voraussetzung der Kontrollrücknahme durch das BVerfG einen primärrechtlich gewährleisteten Grundrechtsschutz hat und damit auf eine substanzielle Binnenhierarchisierung des Gemeinschaftsrechts zielt, beanstandet das BVerfG doch nicht die relative Substanzarmut des gemeinschaftlichen Grundrechtschutzes gegenüber Richtlinien und Verordnungen der Gemeinschaft (dazu oben II. 3. a). 118 RL 2000/43/ EG . – Der bisweilen anzutreffenden These, dass sich im deutschen Recht aufgrund der Richtlinien nichts ändere bzw. kein Umsetzungsbedarf bestehe (in diese Richtung, mit Unterschieden im Detail, etwa: C. Müller Rechtsprobleme eines Anti-Diskriminierungsgesetzes, 2003, 84ff.; E. Picker JZ 2003, 540 [545]; s. a. G. Thüsing NZA 2001, 1061 Fn. 4), kann nicht beigetreten werden. 119 Unisex-Tarif- RL-Vorschlag (Fn. 51). 120 Im Wesentlichen wie hier: M. Mahlmann (Fn. 27), 422f. Vgl. ADG -E (Fn. 58), 29–31, 42 f., 74 ff. 121 Vgl. Art. 2 RL 2000/43/ EG . Dies gilt nur mit Vorbehalt für „Belästigungen“, denn nach Art. 2 Abs. 3 S. 2 dürfen die Mitgliedstaaten „den Begriff ‚Belästigung‘ im Einklang mit den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten definieren“.
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schließlich der Grundzüge des Regimes zur Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen sowie bezüglich der Anwendungsbereiche des Diskriminierungsschutzes.122 Nur geringe Umsetzungsspielräume bestehen in Bezug auf den Individualrechtsschutz,123 die (unechte) Verbandsklage,124 die Umkehr der Beweislast,125 den Opferschutz126 sowie die Statuierung einer wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktion.127 Vollauf dem Maßstab der Grundrechte untersteht demgegenüber die – gemeinschaftsrechtlich zwar erlaubte, im Übrigen aber in das Belieben der Mitgliedstaaten gestellte – Regelung sogenannter „positiver“ Diskriminierung.128
122 Vgl. Art. 3 RL 2000/43/ EG . – Damit besteht also auch keine mitgliedstaatliche Bestimmungsmacht im Hinblick darauf, wann Güter und Dienstleistungen „der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen“ und wann nicht. 123 Vgl. Art. 7 Abs. 1 RL 2000/43/ EG . 124 Vgl. Art. 7 Abs. 2 RL 2000/43/ EG . 125 Vgl. Art. 8 RL 2000/43/ EG . 126 Vgl. Art. 9 RL 2000/43/ EG . 127 Vgl. Art. 15 RL 2000/43/ EG . – Soweit sich eine abschreckende Sanktionierung anders als durch Kontrahierungszwang erreichen lässt, ist dieser gemeinschaftsrechtlich nicht geboten (in diesem Sinne etwa P. Stalder [Fn. 92], 232, s. a. 234; C. D. Classen JZ 2004, 613; H. Reichold JZ 2004, 384 [387] mwN) und daher – in seinem überschießenden Gehalt – an den Grundrechten der zum Vertragsabschluss Gezwungenen zu messen. 128 Vgl. etwa Art. 5 RL 2000/43/ EG : „Der Gleichbehandlungsgrundsatz hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, zur Gewährung der vollen Gleichstellung in der Praxis spezifische Maßnahmen, mit denen Benachteiligungen aufgrund der Rasse oder ethnischen Herkunft verhindert oder ausgeglichen werden, beizubehalten oder zu beschließen.“ – Dass die Grundrechte im Blick auf das Phänomen „positiver Diskriminierung“ gleichwohl nicht als autonomer, vom Gemeinschaftsrecht verselbständigter Maßstab fungieren, geht nicht auf belastbare dogmatischen Erwägungen zurück: Als Menetekel einer sich selbst überflüssig machenden Verfassungsdogmatik darf die dogmatische „Bewältigung“ der sog. Frauenquote im öffentlichen Dienst gelten; nachdem der EuGH schließlich sog. „weiche Quoten“, also Quoten mit Öffnungsklauseln, am Maßstab der Gleichbehandlungsrichtlinie (Art. 2 Abs. 2 und 4 RL 76/207/ EWG) für gemeinschaftsrechtsverträglich (nicht: verpflichtend!) erklärt hat (vgl. EuGH, Slg. 1995, I-3051 – Kalanke, Tz. 16; EuGH, Slg. 1997, I-6363 – Marschall, Tz. 23ff.; EuGH, Slg. 2000, I-1875 – Badeck, Tz. 38), dürfte das BVerfG, welches bislang eine Entscheidung in der Sache vermeiden konnte, sich kaum anschicken, die Frage der Verfassungsverträglichkeit in davon abweichender Weise zu beantworten (vgl. wie hier etwa E. Kocher [Fn. 10], 169 mwN; vgl. auch die eher deskriptive denn apologetische Darstellung bei U. Di Fabio [Fn. 33], 431 f., besonders 431: „Die innerstaatliche Grundrechtsinterpretation verliert ihre Autarkie.“]). Mit aller Deutlichkeit ist zu betonen, dass – abgesehen einmal davon, dass im eigentlichen Sinne gar keine vorrangaktivierende Kollision vorliegt, wenn die identische innerstaatliche Norm zwar als gemeinschaftsrechtsverträglich (nicht aber darüber hinaus als gemeinschaftsrechtsgefordert!), aber als verfassungswidrig ausgewiesen wird – eine unterschiedliche (Grundrechts-)Wertung auf Gemeinschafts- und auf nationaler Ebene als solche noch keinen dogmatischen Grund abgibt, das nationale Grundrecht gemeinschaftsfreundlich,
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IV. Diskriminierungsschutz und Privatautonomie im Rahmen des Grundgesetzes 1.
Verfassungsrechtlicher und einfachrechtlicher Diskriminierungsschutz
a)
Staatsrichtung und Privatrechtsgeltung der Grundrechte
Fragt man nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben für das Zusammenspiel von Diskriminierungsschutz und Privatautonomie, so wirft man unwillkürlich die bis heute seltsam ungeklärte Frage nach der Wirkung
gar gemeinschaftsrechtskonform auszulegen. Soweit nationale Grundrechte der Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts im Wege stehen, ist dem Anwendungsvorrang des Letzteren Genüge getan, wenn das nationale Grundrecht (ggf. auch nur im Umfange des Entgegenstehens) schlicht außer Anwendung gelassen wird; regelmäßig dürfte dies – aus der Perspektive des nationalen Verfassungsrechts – den gelinderen Eingriff markieren als die interpretatorische Überwältigung in Gestalt gemeinschaftsrechtskonformer „Auslegung“ (vgl. näher am Beispiel der Grundrechtsberechtigung von juristischen Personen, die ihren Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat haben: M. Jestaedt in: Merten/Papier [Hrsg.] Handbuch der Grundrechte, Bd. IV, 2005 [i. E.], § 101 Rn. 46 mwN). Damit dürfte überdies der Sinngehalt von Art. 6 Abs. 2 EU, der die Grundrechtsordnungen der Mitgliedstaaten zu Erkenntnisquellen für die Gemeinschaftsgrundsätze erhebt, adäquater getroffen sein. – Ebenso wenig ist es angängig, Grundrechtsinhalte nicht mehr interpretatorisch zu erschließen, sondern einfach unter Hinweis auf das Gemeinschaftsrecht in der Sichtweise des EuGH zu „begründen“ (so aber BVerfGE 97, 35 [43] zu der im Schrifttum [etwa W. Rüfner FS Friauf, 1996, 331 (333ff.)] bis dahin überwiegend nicht geteilten Aussage, dass Art. 3 Abs. 3 GG nicht nur unmittelbaren, sondern auch mittelbaren Diskriminierungen entgegenstehe; die neben den Erkenntnissen des EuGH [es handelt sich um die Urteile in den Fällen „Bilka“, „Kowalska“ und „Enderby“] zitierte Rechtsprechung des BAG bezieht sich wie jene auf Art. 119 EWGV [heute Art. 141 EG] [vgl. auch M. Ruffert (Fn. 23), 182 Fn. 265: „Nicht zuletzt an der Problematik mittelbarer Diskriminierungen lässt sich verdeutlichen, daß das Grundrechtsgut der geschlechtsbezogenen Nichtdiskriminierung in erheblichem Maße von Gemeinschaftsrecht überlagert wird.“]; ein weiteres Beispiel aus der Judikatur zum Gleichheitssatz: L. Osterloh nennt die vom BVerfG [BVerfGE 89, 276 (286)] vorgenommene Charakterisierung von § 611a BGB [a.F.] als einfachgesetzliche Konkretisierung einer Schutzpflicht aus Art. 3 Abs. 2 GG „ein Beispiel nachträglicher gemeinschaftsfreundlicher Auslegung des nationalen Verfassungsrechts“ [in: Sachs (Hrsg.) GG, 3. Aufl. 2003, Art. 3 Rn. 261]). Ganz auf dieser Linie liegt es, wenn der Erste Senat in seinem Beschluss zum Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 MuSchG den seit Mitte der Achtziger Jahre eingetretenen, vom BVerfG freilich nicht so gekennzeichneten „Verfassungswandel“ im Blick auf den Grundsatz der Gleichbehandlung der Geschlechter auf „die Fortentwicklung des europäischen Gemeinschaftsrechts und des deutschen Rechts zur Durchsetzung des Grundsatzes der Gleichberechtigung der Geschlechter, insbesondere auch […] die Neufassung des Art. 3 Abs. 2 GG“ (BVerfGE 109, 64 [84, s. a. 89]), zurückführt. Die einzig dogmatisch tragfähige Begründung für eine Änderung der (Verfassungs-)„Rechtslage“ ist der Verweis auf eine Änderung der Verfassungsbestimmung gemäß Art. 3 Abs. 2 GG.
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der Grundrechte im Privatrecht auf. Die Entscheidung, die als Quellcode heutiger Grundrechtsdogmatik gelten darf, das „Lüth“-Urteil,129 hat in den Selbstfindungsjahren der Grundrechtsdogmatik fraglos Bahnbrechendes geleistet – doch erweisen sich die Grundannahmen und Grundausrichtungen von damals heute zusehends als erkenntnishemmend. So wird, wenn von der Grundrechtswirkung – etwa der „Ausstrahlungswirkung“ oder der „mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte“ – „im Privatrecht“ die Rede ist, leicht übersehen oder gar überdeckt, dass unter dem Kürzel „Privatrecht“, Unterschiedliches, ja Gegensätzliches zusammengefasst ist: Denn dem staatlich gesetzten Privatrecht – namentlich in Gestalt gesetzlicher und richterlicher Rechtssätze130 –, welches nach der unmissverständlichen Anordnung des Art. 1 Abs. 3 GG der Grundrechtsbindung unterliegt,131 steht das nicht in Ausübung von Staatsgewalt, daher nicht der Grundrechtsbindung unterliegende Privatrecht gegenüber, welches Private setzen, sei es in Gestalt zweiseitiger Rechtsgeschäfte wie dem Vertrag, sei es in Gestalt einseitiger Rechtsgeschäfte wie der Errichtung eines Testaments.132 Die „Allbezüglichkeit“,133
129
BVerfGE 7, 198.
Wobei unter Rechtssatz selbstredend nicht nur abstrakt-generelle Normen verstanden werden, sondern sämtliche Normen, also sämtliche eine Rechtsfolge anordnenden Sätze. 131 Zahlreiche Nachweise zu der heute unstreitigen Grundrechtsbindung des Privatrechtsgesetzgebers bei R. Poscher (Fn. 2), 349 Fn. 128 (zur Judikatur des BVerfG) sowie Fn. 129 (zum Schrifttum). 132 Zu dieser Dichotomie vgl. auch R. Poscher (Fn. 2), 351 f., 359 u. ö. unter Hinweis auf C.-W. Canaris AcP 184 (1984), 201 (214). – Dass die private Rechtsetzungsmacht eine von der staatlichen Rechtsordnung abgeleitete, ja delegierte ist (dazu J. Isensee [Fn. 26], 490f.; W. Roth in: Wolter/Riedel/Taupitz [Hrsg.] Einwirkungen der Grundrechte auf das Zivilrecht, Öffentliche Recht und Strafrecht, 1999, 229 [233ff.], je mwN) – ein von Privaten geschlossener Vertrag erlangt Geltung nur auf der Basis der Regeln des staatlich gesetzten Privatrechts –, führt nicht ipso iure dazu, dass derjenige, der von der delegierten Rechtssetzungsmacht Gebrauch macht, denselben Rechtsetzungsbedingungen unterworfen ist wie der Delegierende. Umgekehrt impliziert – wie sich ja gerade am Privatrecht mit großer Deutlichkeit zeigen lässt – der Delegationszusammenhang auch nicht notwendigerweise, dass der die Rechtsetzungsmacht Delegierende (hier: der Privatrechtsgesetzgeber) selbst von Rechts wegen befugt ist, von der Delegation abzusehen und gar die betreffende Rechtsetzungsmacht (hier: den Abschluss und die Abwicklung von Privatrechtsverträgen) selbst auszuüben. In beiden Konstellationen handelt es sich also um eine vom positiven Recht zu entscheidende Frage. Für die im Text aufgeworfene Frage nach der Grundrechtsbindung Privater enthält Art. 1 Abs. 3 iVm Art. 2 ff. GG (mit der anerkannten Ausnahme von Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG) eine negative Antwort. 133 Begriff und Sache: J. Isensee HStR VII , 1992, § 162 Rn. 42 unter Bezug auf A. Hollerbach in: Maihofer (Hrsg.) Ideologie und Verfassung, 1969, 37 (51 ff.). 130
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die den Grundrechten – mit Recht – zugesprochen wird, ist positivverfassungsrechtlich eben nur eine Allbezüglichkeit ratione materiae, nicht indes eine solche ratione personae.134 Ein grundrechtsberechtigter Privater mutiert dadurch, dass ihn ein Satz des staatlichen Privatrechts auf Ge- oder Verbote verpflichtet, die sachlich-inhaltlich Ge- oder Verboten entsprechen, auf deren Einhaltung die Staatsgewalt grundrechtlich verpflichtet ist, nicht selbst zum Grundrechtsverpflichteten. Auf den Diskriminierungsschutz im Privatrecht gewendet: Wenn vom Gleichbehandlungsgrundsatz die Rede ist – gleich, ob als Gleichbehandlungsgebot oder als Differenzierungsverbot –, ist strikt danach zu unterscheiden, wer Adressat desselben ist. Soweit der Staat durch den Gleichbehandlungsgrundsatz in die Pflicht genommen wird, handelt es sich um verfassungsrechtlichen, von der Verfassung statuierten Diskriminierungsschutz. Soweit hingegen – ihrerseits grundrechtsberechtigte – Private Adressaten des Gleichbehandlungsgrundsatzes sind, kann es sich – da das Grundgesetz eine derartige Inpflichtnahme nicht selbst vornimmt – nur um einfachrechtlichen Diskriminierungsschutz handeln. Dessen Anordnung hat sich freilich als
134 Indem das Bundesverfassungsgericht – eben anhebend mit dem „Lüth“-Urteil – herausstreicht, dass die Grundrechte eine „objektive Wertordnung“ (BVerfGE 7, 198 [205]; – an dem Gesagten ändert sich nichts dadurch, dass das Gericht in seiner Folgejudikatur sich der „Wert“-Semantik enthält und nur mehr von „objektivrechtlichen Gehalten“ u. ä. spricht, denn auch diese Redeweise leistet dem Irrtum Vorschub, dass das „Objektive“ der Grundrechte ohne Rücksicht auf den – durch Art. 1 Abs. 3 GG beschränkten – Adressatenkreis gedacht wird) aufrichten, die als „verfassungsrechtliche Grundentscheidung“ (grundlegend BVerfGE 7, 198 [205] – seitdem ständige Rechtsprechung) in allen Bereichen des Rechts ihre „Ausstrahlungswirkung“ (erstmals BVerfGE 7, 198 [207]) entfaltet und zu – seitens des Zivilrichters zu beachtenden – „Modifikationen des Privatrechts“ (BVerfGE 7, 198 [206]) führt, droht es die Erkenntnis zu verstellen, dass von Verfassungs wegen (Art. 1 Abs. 3 GG) ausnahmslos und ausschließlich die in Ausübung von Staatsgewalt aufgestellten Regeln sich an der grundrechtlichen Wertordnung auszurichten haben. Weder durch den Wertordnungs- noch durch den ihn weithin ersetzenden Schutzpflichtengedanken wird die durch Art. 1 Abs. 3 GG formulierte Exklusivität des Kreises der Grundrechtsverpflichteten aufgebrochen oder ausgeweitet. – Unter den heutigen Bedingungen einer entfalteten Grundrechtsdogmatik ist daher auch nicht mehr ersichtlich, warum weiterhin an den – nebulösen, zu Fehlassoziationen geradezu einladenden, die grundrechtlichen Wirkungszusammenhänge eher verunklarenden denn erhellenden – Kategorien der „Ausstrahlungswirkung“ und der „mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte im Privatrecht“ festgehalten werden sollte. Kurzum: Sie sind nicht nur entbehrlich, sondern überdies Wurzel weit verbreiteter Fehlvorstellungen über das komplexe Gefüge von Grundrechten und Privatrecht. Im Sinne dieses Plädoyers auch M. Ruffert (Fn. 23), 61 ff., 63ff., besonders 6 ff., 517, 551 und 558 mwN; näher M. Jestaedt (Fn. 128) Rn. 28–32 mwN.
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Ausübung von Staatsgewalt ihrerseits vor den Grundrechten des betroffenen Privaten auszuweisen.135 Unter verfassungsrechtlichen Auspizien besteht ein kategorialer Unterschied in der Begründung des Diskriminierungsschutzes in den Beziehungen zum Staat einerseits und in den Beziehungen unter Privaten andererseits. Hierin bringen sich die unterschiedlichen Systemlogiken von Staat und Gesellschaft im Bezugssystem des Verfassungsstaates zum Ausdruck.136 Während der Staat sich jede nicht zu rechtfertigende nachteilige Ungleichbehandlung als „Diskriminierung“ im Rechtssinne entgegenhalten lassen muss, verläuft beim Privaten die Grenze zwischen legitimer Differenzierung und illegitimer Diskriminierung nach geradezu entgegengesetzten Regeln: Durch eine nachteilige Ungleichbehandlung diskriminiert er im Rechtssinne nur dann, wenn Regelungen im Range unter der Verfassung ihn auf Gleichbehandlung verpflichten und diese Verpflichtung vor seinen Grundrechten gerechtfertigt werden kann. Im Übrigen sichern ihm seine Grundrechte legitime Willkür als Grundlage seiner Entfaltung.137 Das asymmetrische Rechtfertigungssystem des positiven Verfassungsrechts wird daher auf den Kopf gestellt, wenn der Private nach seiner Lizenz zum Diskriminieren befragt und sogleich hinzugefügt wird, dass kein Grundrecht dazu ermächtigen könne, „Freiheit diskriminierend zu nutzen“.138 Von Verfassungs wegen hat sich nicht etwa der Vermieter da-
135 Daran ändert sich auch nichts in der Konstellation, dass eine Rechtsstreitigkeit vor den staatlichen – und daher grundrechtsgebundenen – Richter getragen wird: Denn zum einen wechseln die Normen des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht dadurch ihren Inhalt oder ihre Qualität, dass sie zur Grundlage eines Richterspruches werden; die Privaten sind in ihren Rechtsbeziehungen untereinander unmittelbar den staatlichen Privatrechtsnormen unterworfen – unabhängig davon, ob die Rechtsbeziehungen harmonisch verlaufen oder im Streit vor Gericht enden. Und zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die Grundrechtsbindung des Richters sich auf die von ihm ausgeübte Staatsgewalt bezieht und beschränkt. Da und soweit die Aufgabe des Richters sich darauf erstreckt, die privaten Rechtsetzungsakte auf ihre Übereinstimmung mit den staatlichen Privatrechtsvorgaben zu überprüfen (und er dabei selbstredend auch eine Prüfung vornimmt, ob die zugrunde gelegten Sätze des staatlichen Privatrechts ihrerseits die verfassungsrechtlichen Anforderungen erfüllen), unterliegt – auch insoweit – der kontrollierte private Rechtsetzungsakt nicht der Grundrechtsbindung (vgl. stellvertretend R. Poscher [Fn. 2], 350 f.). 136 Zur Unterscheidung von Staat und Gesellschaft im hiesigen Kontext: J. Isensee (Fn. 26), 490f., 492f., 513 f.; H. H. Rupp HStR II, 3. Aufl. 2004, § 31 Rn. 29 ff., 48ff., je mwN. 137 Vgl. nur M. Ruffert (Fn. 23), 175 mwN. 138 Das Zitat lautet im Zusammenhang: „Wer Freiheit nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit anderen Grundrechten denkt, kommt zwangsläufig zu dem Schluss,
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für zu rechtfertigen, dass er aus rassistischen, frauen- oder behindertenfeindlichen Motiven heraus seine Wohnung nicht an Farbige, Frauen oder Behinderte vermietet.139 Vielmehr ist zunächst umgekehrt danach zu fragen, welche Gründe der regulierend eingreifende Staat anzuführen vermag für das an den Vermieter adressierte Verbot, bei der Vermietung nach den vorgenannten Motiven zu differenzieren.140 b)
Grundrechtsbindung qua Generalklausel?
Doch scheint dies anders zu sein, sobald Generalklauseln wie § 138 Abs. 1 oder § 242 BGB ins Spiel kommen. Nicht zufällig nehmen die bürgerlichrechtlichen Generalklauseln – die Dürigschen „Einbruchstellen der Grundrechte in das Zivilrecht“141 – seit jeher eine herausgehobene Sonderrolle bei der Privatrechtswirkung von Grundrechten ein.142 So stehen sie auch in der Judikatur zur grundrechtsinduzierten Inhaltskontrolle privatrechtlicher Verträge143 im Zentrum der Konstruktion, die sich, vergröbernd dargestellt, in einem – gedanklichen – Vier-Schritt-Verfahren vollzieht: Zunächst wird regelmäßig144 die konkrete(re) und an sich ein-
dass kein Grundrecht dazu ermächtigen kann, Freiheit diskriminierend zu nutzen“ (S. Baer [Fn. 12], 292). Ähnlich E. Eichenhofer (Fn. 22), 1081: „Diskriminierungen sind die Herrschaftsinstrumente totalitärer Regime. Diesen ist die offene Gesellschaft entgegenzusetzen, in der alle Menschen als Freie und Gleiche einander begegnen und miteinander zusammenwirken sollen.“ – H. Reichold JZ 2004, 384 (389) kritisiert in diesem Zusammenhang mit Recht die Tendenz zur „Veröffentlichrechtlichung“ des Zivilrechts. 139 In diese Richtung aber namentlich S. Baer ZRP 2001, 500 (503). Aus denselben Gründen leitet es – unter dem Aspekt der Rechtfertigungslasten – in die Irre, wenn nicht die Grundrechte als solche im Zentrum der Überlegungen stehen, sondern die effektive Freiheits- und Gleichheitsgewährleistung; exemplarisch in diese Richtung dies. (Fn. 12), 290 ff. 140 In der Sache gleich R. Poscher (Fn. 2), 337 ff. 141 G. Dürig in: Neumann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.) Die Grundrechte, Bd. II , 1954, 525 – vom „Lüth“-Urteil in Bezug genommen; BVerfGE 7, 198 (206). 142 Vgl. nur BVerfGE 7, 198 (205f.); 42, 143 (148) – ständige Rechtsprechung. 143 Namentlich BVerfGE 81, 242 (256); 89, 214 (214 [Leitsatz], 229f., 233f.); 103, 89 (100, 101); BVerfG, Beschluss vom 30. Juli 2003, 1 BvR 792/03, Tz. 16 f.; BVerfG, Beschluss vom 22. März 2004, 1 BvR 2248/01, Tz. 34f. 144 Eine – löbliche – Ausnahme stellt insofern der Handelsvertreter-Beschluss dar, der auf der einen Seite die Rolle des Gesetzgebers in der gebotenen Deutlichkeit herausstreicht (BVerfGE 81, 242 [255f.]) und auf der anderen Seite die Verfassungsmäßigkeit der gesetzgeberischen Grundrechtskoordinationsentscheidung in Gestalt von § 90a Abs. 2 S. 2 HGB prüft (BVerfGE 81, 242 [256–263]), also nicht Zuflucht zum Generalklausel„Trick“ sucht.
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schlägige Gesetzesbestimmung beiseite gestellt,145 sodann, da ja eine lex specialis fehlt, die Generalklausel für einschlägig befunden, deren Interpretation und Konkretisierung vom Richter „am Maßstab von Wertvorstellungen [vorzunehmen ist], die in erster Linie von den Grundsatzentscheidungen der Verfassung bestimmt werden“146; was dann folgt, unterscheidet sich praktisch in nichts von einer regulären Grundrechtsprüfung147 – nur mit der Besonderheit, dass Prüfungsgegenstand hier der Sache nach ein privatrechtlicher Vertragsinhalt ist. Indes erweist sich die elegant anmutende Gleichschaltung von Verfassungsinhalt und Gesetzesinhalt als Trugschluss.148 Die wundersame Konstitutionalisierung der Generalklausel entpuppt sich, bei Lichte betrachtet, als schlichte Normebenenverwechslung.149 Wenn einfachgesetzliche Generalklauseln sich externe Wertsetzungen – etwa die Grundrechte – in Gestalt einer Rechtsgrundverweisung anverwandeln, wächst der Generalklausel nicht etwa pari passu Grundrechtsrang zu; vielmehr wird umgekehrt der Grundrechtsinhalt auf Gesetzesebene verdoppelt mit der Konsequenz, dass das gesetzliche alter ego sich vor den Grundrechten der davon Betroffenen Privaten zu rechtfertigen hat. Der mit der Generalklausel-Konstruktion erhoffte Gewinn an Verfassungsunmittelbar-
145 Besonders deutlich im Ehevertrags-Beschluss ( BVerfGE 103, 89 [99ff.]): Wiewohl eine ganze Reihe von zwingenden Normen im Ehevertragsrecht bestehen, nennt der Erste Senat keine davon; nur kindesbezogene Zivilrechtsnormen finden Erwähnung. Daher mit Recht kritisch A. Röthel (Fn. 26), 1334, die insofern einerseits auf § 1378 Abs. 3 S. 2, §§ 1408 ff., § 1585c, § 1587o BGB und andererseits auf § 1360a Abs. 3, § 1361 Abs. 4 iVm § 1614 BGB verweist. 146 Zitat: BVerfGE 89, 214 (229) – ständige Rechtsprechung. 147 Exemplarisch vorgeführt vom „Hohenzollern“-Beschluss, BVerfG , Beschluss vom 22. März 2004, 1 BvR 2248/01, Tz. 34 (s. a. Tz. 38–49): „Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verkörpert sich in den Grundrechtsbestimmungen des Grundgesetzes eine objektive Wertordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gilt und der vor allem auch bei der Interpretation zivilrechtlicher Generalklauseln maßgebliche Bedeutung zukommt. Indem § 138 und § 242 BGB ganz allgemein auf die guten Sitten, die Verkehrssitte sowie Treu und Glauben verweisen, verlangen sie von den Gerichten eine Konkretisierung am Maßstab von Wertvorstellungen, die in erster Linie von den Grundsatzentscheidungen der Verfassung bestimmt werden (vgl. BVerfGE 7, 198 [206f.]; 42, 143 [148]; 89, 214 [229f.]).“ S. ergänzend auch den „Kopftuch I“-Beschluss, BVerfG, Beschluss vom 30. Juli 2003, 1 BvR 792/03, Tz. 21 ff., besonders 23. 148 Dabei steht die „verfassungskonforme Auslegung“, also die geläufige Vermengung der Frage nach dem Inhalt einer Rechtsnorm mit jener nach deren Geltung, erkennbar Pate (zur Kritik näher M. Jestaedt [Fn. 128], Rn. 30, 65, 69ff. mwN). 149 Vgl. auch die Kritik bei J. Isensee (Fn. 26), 505.
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keit und damit die Umkehrung der Rechtfertigungslast stellen sich also in Wahrheit gar nicht ein.150, 151 c)
Eine Frage der Rechtfertigung
Soweit Diskriminierungsverbote zwischen Privaten wirksam werden sollen, ist folglich zu fragen, welche Rechtfertigungsvoraussetzungen die 150 Im Übrigen – das sei nur am Rande ergänzt – können sich die Verfechter der grundrechtsdogmatischen Prominenz zivilrechtlicher Generalklauseln weder in Absicht noch in Durchführung auf Günter Dürig berufen, wollte dieser doch die konstitutive „Ausfüllung“ von Generalklauseln „mit den in den Grundrechten ausgeformten Wertgehalten“ auf die seltenen Fälle beschränken, „in denen das überkommene privatrechtliche Schutzsystem, gemessen an dem in der Verfassung ausgeformten Wertsystem, Lücken aufweist“ (G. Dürig FS Nawiasky, 1956, 157 [177 und 179] – Hervorhebung im Original; Dürig erkennt drei „Intensitätsgrade“ der Grundrechtswirkung auf Generalklauseln [ebenda, 177–181, Zitat: 177]: neben dem konstitutiven handelt es sich um den bloß verdeutlichenden [ebenda, 177 f.] sowie jenen auf der Grundlage einer „wertgeschärften Auslegung“ [ebenda, 178 f., zitierte Wendung: 179]); Dürig dachte insofern lediglich an „gewisse Erscheinungsformen der ureigensten Privat- und Geheimsphäre“ (ebenda, 179 f. mwN, Zitat: 179). Über allem war sein „Grundanliegen“ „die Erhaltung der privatrechtlichen Eigenständigkeit durch die Bewahrung des Privatrechts durch die Übernahme von Verfassungsrechtssätzen mit zwingender, nicht erst vom Privatrecht nach eigenen Sachgesetzen mediatisierter Wirkung“ (ebenda, 183 – Hervorhebung im Original). 151 Ungeachtet der im Text geäußerten Kritik bestehen weitere gravierende Bedenken: (1) Erstens dürfte mit der prominenten Platzzuweisung an die Generalklauseln deren privatrechtliche Rolle und Bedeutung als subsidiäre, bloß lückenschließende Auffangregeln kaum angemessen getroffen sein; (2) zweitens wäre, will man die Generalklauseln in ihrem einfachgesetzlichen Regelungsgehalt ernst nehmen, in jedem Einzelfall der Nachweis zu führen, dass ein im Staat-Bürger-Verhältnis qua Grundrecht verpöntes Verhalten „so in die gesellschaftlichen Wertungen eingesickert ist,“ dass die Privatrechtssubjekte auch im Verhältnis zueinander dieses Verhalten als sitten- oder treuwidrig ablehnen (in Anlehnung an R. Poscher [Fn. 2], 342f., zitierte Wendung: 343; zu beachten bleibt, dass sowohl der Grundsatz von „Treu und Glauben“ als auch jener der „guten Sitten“ einen konservativ-nachführenden, die herrschenden gesellschaftlichen Anschauungen nachzeichnenden, insoweit verhältnisstabilisierenden Charakter hat – beide Grundsätze taugen daher nicht oder doch nur sehr bedingt zur aktiven Gesellschaftsveränderung); (3) drittens entlässt der Weg über die Generalklausel den Gesetzgeber aus seiner Grundrechtsverantwortung und überbürdet das Problem dem Zivilrichter (dazu stellvertretend U. Di Fabio in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 107, 108, 109, 111 ff. mwN [Stand: Juli 2001]); (4) viertens schließlich befremdet es, dass die doch nur recht selten im Rechtsalltag aktivierten Generalklauseln die bedeutendsten Einbruchstellen für die Grundrechte ins Privatrecht markieren sollen. Demgegenüber ist zu betonen, dass – staatliche – Privatrechtsbestimmungen, da und soweit sie auf beiderseitig grundrechtlich radizierte Privatinteressen treffen, praktisch ausnahmslos Grundrechtskoordinationsrecht darstellen. Eine Beschränkung auf bestimmte, besonders prägende Privatrechtsvorschriften ließe sich nur begründen, wenn die sonstigen Privatrechtsvorschriften sich – entgegen Art. 1 Abs. 3 GG – auf grundrechtsexemte Bereiche bezögen (vgl. auch J. Isensee [Fn. 26], 496).
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durch sie berührten Grundrechte152 aufrichten und mit welchem Gewicht das Diskriminierungsschutzanliegen in die Rechtfertigungsprozeduren einzustellen ist. Ungeachtet ihrer für das Privatrecht systemprägenden Bedeutung153 ist namentlich die Vertragsfreiheit anerkanntermaßen zahlreichen Beschränkungen unterworfen. Sie dienen, wie etwa die Regeln über die Geschäftsfähigkeit oder die Anfechtung von Willenserklärungen,154 dem Schutz der 152 Die Privatautonomie, d. h. Selbstbestimmung des Einzelnen im Rechtsleben (vgl. stellvertretend U. Di Fabio in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 101 [Stand: Juli 2001]; C. Hillgruber in: Umbach/Clemens [Hrsg.] GG I, 2002, Art. 2 I Rn. 94 ff.; H. Dreier in: ders. [Hrsg.] GG I, 2. Aufl. 2004, Art. 1 III Rn. 66 [„Freiheit subjektiven Beliebens“]; ders. ebenda, Art. 2 I Rn. 38, je mwN), ist, wie die Selbstbestimmung im Allgemeinen, nicht Thema eines einzigen Grundrechts, sondern derer vieler; je nach Gegenstand des Rechtsgeschäfts wird die Privatautonomie und deren Ableger für die zweiseitigen Rechtsgeschäfte, die Vertragsfreiheit, etwa geschützt durch die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 77, 370 [378]; weitere Nachweise auch aus dem Schrifttum bei U. Di Fabio in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 103 [Stand: Juli 2001]) oder durch die Eigentums- (vgl. nur BVerfGE 82, 6 [15 ff.] sowie aus dem Schrifttum O. Depenheuer/B. Grzeszick NJW 2000, 385 [387]; U. Di Fabio in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 103 [Stand: Juli 2001], je mwN) und Testierfreiheit (vgl. BVerfGE 58, 377 [398]; 99, 341 [350f.]; BVerfG, Beschluss vom 22. März 2004, 1 BvR 2248/01, Tz. 38 mwN) gemäß Art. 14 Abs. 1 GG. Als weitere spezielle Freiheitsrechte kommen in Betracht: die Glaubensfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1, 2 GG, die Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG, die Eheschließungsfreiheit gemäß Art. 6 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 31, 58 [68f., 78]; 36, 146 [161]; 53, 224 [245]; 103, 89 [101]), die Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 Abs. 1 GG und die Vereinigungsfreiheit nach Art. 9 Abs. 1 GG (dazu näher J. Taupitz Die Standortbestimmung der freien Berufe, 1991, 689ff.); zum Ganzen M. Ruffert (Fn. 23), 297f., 299ff. mwN. Soweit kein benanntes Freiheitsrecht einschlägig ist, erfahren Privatautonomie und Vertragsfreiheit Grundrechtsschutz durch die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG; vgl. BVerfGE 8, 274 (328); 12, 341 (347); 60, 329 (339); 65, 196 (210); 70, 1 (25); 70, 115 (123); 72, 155 (170); 73, 261 (270); 74, 129 (151 f.); 77, 370 (378 f.); 88, 232 (244); 88, 384 (403); 89, 48 (61); 89, 214 (231); 95, 267 (303f.); 99, 341 (350); 103, 89 (100 f.). Aus dem Schrifttum stellvertretend W. Höfling Vertragsfreiheit, 1991, 6 ff., 9 ff., 11 ff.; M. Bäuerle (Fn. 2), 283ff., 299ff., besonders 373 ff.; U. Di Fabio in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 101 (Stand: Juli 2001); M. Ruffert (Fn. 23), 288–304, je mwN. – Ergänzend sei darauf verwiesen, dass je nachdem, welche Mittel zur Einschränkung der Vertragsfreiheit eingesetzt werden, weitere Grundrechte berührt sein können; soweit etwa zur Durchsetzung des Diskriminierungsschutzes auf die Instrumente der Beweislastumkehr und des Kontrahierungszwangs zurückgegriffen wird, sind zusätzlich die Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 1. Alt. GG sowie das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG (dazu BVerfGE 70, 155 [170] im Blick auf die gesetzliche Vertretung Minderjähriger) in die Betrachtung einzubeziehen. 153 Das BVerfG spricht zu Recht von der aus Art. 2 Abs. 1 GG hergeleiteten „Privatautonomie als ein[em] Strukturelement der freiheitlichen Gesellschaftsordnung“ (so BVerfGE 81, 242 [254]; BVerfG, WRP 2001, 1160 [1162]). 154 §§ 105 ff., §§ 119 ff. BGB .
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Selbstbestimmung (im formalen Sinne) oder, wie das Wucherverbot,155 verbraucherschützende Informations- und Widerrufspflichten156 und die Vorschriften über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen,157 dem Schutz infolge Unerfahrenheit, Mangel an Urteilsvermögen, erheblicher Willensschwäche oder einer Zwangslage schwächerer Vertragsparteien; desgleichen existieren, wie namentlich § 138 Abs. 1 und § 242 BGB belegen, Beschränkungen der Vertragsgestaltungsfreiheit unter dem Aspekt des Missbrauchs der Privatautonomie sowie weitgehende Beschneidungen der Vertragsabschlussfreiheit bei monopolartiger Stellung in bedeutsamen Bereichen der Daseinsvorsorge.158 Zusammenfassend zielen die anerkannten Beschränkungen der Vertragsfreiheit – unbeschadet besonderer verfassungsrechtlicher Förderpflichten159 – auf die Sicherstellung sei es der Vertragsfreiheit, sei es der Vertragsgerechtigkeit und bewerkstelligen insoweit in systemkonformer Weise den Ausgleich für Funktionsdefizite des Marktes.160 Für das Anliegen des Schutzes vor Diskriminierung etwa wegen des Geschlechts oder des Alters, der Rasse oder der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, der Behinderung oder der sexuellen Ausrichtung stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls wie es sich in diesen Kreis von Beschränkungen einpassen oder mit welcher Rechtfertigung sich eine Erweiterung des Kreises begründen lässt. Da und soweit die Eingriffsrechtfertigung sich letztlich am Maßstab der Verhältnismäßigkeit entscheidet, kommt es darauf an, das spezifische verfassungsrechtliche Gewicht der Diskriminierungsschutzanliegen im Verhältnis zur Vertragsfreiheit zu bestimmen.
§ 138 Abs. 2 BGB. Z.B. § 485, § 495 iVm § 355 BGB. 157 Vgl. §§ 305 ff. BGB . 158 Ein Kontrahierungszwang ist gesetzlich etwa vorgesehen in § 10 und § 14 Abs. 1 AEG, §§ 48 ff. BRAO, § 6 Abs. 1 und § 10 Abs. 1 EnWG, § 19 und § 20 iVm § 33 GWB, § 21 Abs. 2 S. 2 LuftVerkG, § 22 und § 47 PBefG, § 5 PflVG, § 11 Abs. 2 und 3 PostG, § 2 StrEG, § 19 Abs. 1 und 2 TKG iVm § 9 Abs. 1 TKV, § 33 und §§ 35 f. TKG , § 61 UrhG sowie § 6 Abs. 1 und § 11 Abs. 1 WahrnG. Näher dazu W. Kilian AcP 180 (1980), 47 ff.; monographisch J. Busche (Fn. 2), passim, 299ff. zu den spezialgesetzlich vorgesehenen Fällen von Kontrahierungszwang. 159 Hier wäre insbesondere an die eigens in Art. 6 Abs. 4 GG statuierte Förderpflicht zu denken, den Mutterschutz; vgl. dazu BVerfGE 103, 89 (100, 102, 105); BVerfG, ZNotP 2001, 241 (242). 160 In Anlehnung an M. Bäuerle (Fn. 2), 412 u. ö. 155 156
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Grundrechtsobligatorischer Diskriminierungsschutz
Verschiedentlich wird der Versuch unternommen, zu begründen, dass der Staat von Verfassungs wegen gehalten sei, auch für den Rechtsverkehr unter Privaten besondere Diskriminierungsschutzregelungen einzuführen. Den beiden prominentesten Versuchen sei im Folgenden nachgegangen. a)
Ein Anwendungsfall des grundrechtsinduzierten Schutzes vor gestörter Vertragsparität?
So stellt der vom 6. Mai 2004 datierende Referentenentwurf für ein Antidiskriminierungsgesetz darauf ab, dass ein privatrechtliches Benachteiligungsverbot „wegen der Schutzpflicht des Staates gegenüber dem potentiellen Vertragspartner gerechtfertigt“ sei, und fügt hinzu: „Die Privatautonomie kann sich nämlich nur entfalten, wenn die Freiheit des Vertragsschlusses auch realisiert werden kann.“161 Hier wie auch im Schrifttum162 wird zur Stützung auf die Judikatur des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts163 rekurriert, wonach in Fällen gestörter Vertragsparität Verträge unter Privaten zur Wahrung der beeinträchtigten Grundrechtspositionen der „strukturell unterlegenen“ Vertragspartei einer Kontrolle und notfalls auch einer Korrektur zu unterziehen sind.
161
ADG -E (Fn. 58), 74 (Begründung zu § 319a BGB-E).
Vgl. namentlich S. Baer (Fn. 12), 292, 294. Im Rahmen des Gemeinschaftsrechts rekurriert M. Mahlmann (Fn. 27), 421 auf die Judikatur des BVerfG zu gestörten Vertragsparität. 163 Vgl. insonderheit BVerfGE 81, 242; 89, 214; 103, 89; jüngst BVerfG , Beschluss vom 22. März 2004, 1 BvR 2248/01, Tz. 34 f. Die Quintessenz dieser Rechtsprechung umschreibt das Urteil zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen wie folgt: „Die durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Privatautonomie setzt voraus, dass die Bedingungen der Selbstbestimmung des Einzelnen auch tatsächlich gegeben sind (vgl. BVerfGE 81, 242 [254f.]). Maßgebliches Instrument zur Verwirklichung freien und eigenverantwortlichen Handelns in Beziehung zu anderen ist der Vertrag, mit dem die Vertragspartner selbst bestimmen, wie ihre individuellen Interessen zueinander in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden. […] Der zum Ausdruck gebrachte Wille der Vertragsparteien lässt deshalb in der Regel auf einen durch den Vertrag hergestellten sachgerechten Interessenausgleich schließen, den der Staat grundsätzlich zu respektieren hat (vgl. BVerfGE 81, 242 [254]). Ist jedoch aufgrund einer besonders einseitigen Aufbürdung von vertraglichen Lasten und einer erheblich ungleichen Verhandlungsposition der Vertragspartner ersichtlich, dass in einem Vertragsverhältnis ein Partner ein solches Gewicht hat, dass er den Vertragsinhalt faktisch einseitig bestimmen kann, ist es Aufgabe des Rechts, auf die Wahrung der Grundrechtspositionen beider Vertragspartner hinzuwirken, um zu verhindern, dass sich für einen Vertragsteil die Selbstbestimmung in eine Fremdbestimmung verkehrt (vgl. BVerfGE 89, 214 [232]).“ (BVerfGE 103, 89 [100f.]). 162
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Diese Rechtsprechung provoziert, weniger in Bezug auf das Ergebnis denn in Bezug auf die grundrechtsdogmatische Konstruktion,164 kritische Fragen. So ließe sich, abgesehen von der bereits angesprochenen Generalklausel-Problematik,165 etwa fragen, – ob das Schutzpflichten-Konzept auch darauf erstreckt werden kann, das Fehlen tatsächlicher Voraussetzungen der Grundrechtsausübung zu kompensieren – also letztlich auf die Gewährleistung sogenannter materialer statt bloß formaler Selbstbestimmungsfreiheit zielt, oder ob Erstere nicht ihren verfassungsdogmatischen Ort ausschließlich beim Sozialstaatsprinzip findet,166 – und worin eigentlich der schutzpflichtaktivierende Übergriff des „strukturell überlegenen“ Vertragspartners in die Rechtssphäre des „strukturell Unterlegenen“ zu erblicken ist, wenn das Verhalten des Ersteren sich unterhalb der von § 138 Abs. 2 BGB gezogenen Ausbeutungsschwelle bewegt.167, 168 164 Überdies zieht die erhebliche Handhabungsunsicherheit von Kriterien wie „strukturelle Ungleichheit“ mit Recht Kritik auf sich; statt aller J. Isensee (Fn. 26), 503ff., bes. 505ff. 165 Dazu vorstehend 1. b). 166 Mit Recht kritisch etwa M. Ruffert (Fn. 23), 326ff., besonders 335–358 mit umfassenden Nachweisen, zusammenfassend 554f. und 556. Dazu, dass es kein drittgerichtetes Teilhabe(grund)recht gibt, zutreffend B. Kempen (Fn. 26), 504 und 505. Richtungweisend zum Verhältnis von Sozialstaatsprinzip und grundrechtlichen Schutzpflichten: J. Isensee HStR V, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 128ff., 132 f.; ergänzend ders. (Fn. 26), 512 mwN. – Dazu, dass das vom BVerfG ins Zentrum seiner Argumentation gerückte „strukturelle Argument“ sich leichter „mit der sozialen Ordnungsfunktion des Vertragsrechts“ – unter verfassungsrechtlichen Auspizien: mit dem Sozialstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG – in Verbindung bringen lasse als mit der grundrechtlich gesicherten Privatautonomie: R. Poscher (Fn. 2), 363f. – Im Zusammenhang damit wäre auch zu fragen, ob nicht mit der Sicherung der Selbstbestimmung (sehr deutlich BVerfGE 81, 242 [255]: „[…] Grundrechtsvoraussetzung, daß auch die Bedingungen freier Selbstbestimmung tatsächlich vorliegen“) auf der einen und dem Ausgleich „struktureller Ungleichgewichtslagen“ auf der anderen Seite zwei grundrechtsdogmatisch voneinander abweichende Argumentationslinien angesprochen sind, die sich nicht in ein konsistentes Konzept integrieren lassen (grundsätzliche Kritik bei C. Hillgruber in: Umbach/Clemens [Hrsg.] GG I, 2002, Art. 2 I Rn. 104ff., besonders Rn. 104 und 111 einerseits sowie Rn. 112–118 andererseits; dazu näher R. Poscher ebenda, 361 ff. mwN, besonders 362f.; ebenda, 363, deckt Poscher auch die Akzentverschiebung in der Judikatur des BVerfG auf: während die Kategorie des „strukturellen Ungleichgewichts“ in der „Handelsvertreter“-Entscheidung [BVerfGE 81, 242] noch im „Hintergrund“ gestanden habe, weise sie der Erste Senat in der „Bürgschafts“-Entscheidung [BVerfGE 89, 214] bereits als „tragend für seine Inhaltskontrolle zivilrechtlicher Verträge“ aus). 167 Mit Recht kritisch daher W. Cremer (Fn. 23), 491 ff., besonders 491 f. Vgl. weitergehende Kritik bei J. Isensee (Fn. 26), 500ff. 168 Das missing link, welches das Ausbleiben des privaten Übergriffs markiert, lässt sich auch nicht, wie jüngst vorgeschlagen, durch einen Einbau sozialstaatlicher Ge-
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Der in den Fragen angedeuteten Grundsatzkritik ist hier indes nicht weiter nachzugehen. Denn selbst wenn sie entkräftet werden könnte, wäre damit noch nicht dargetan, dass Diskriminierungsschutzregelungen mit dem Argumentationsarsenal des grundrechtsinduzierten Schutzes vor gestörter Vertragsparität gerechtfertigt werden können. So vermag schon nicht recht einzuleuchten, dass jemand, der wegen seines Geschlechts oder seiner Hautfarbe, seines Alters oder seiner sexuellen Ausrichtung nicht zum Vertragspartner auserkoren wird, per se strukturell unterlegen sein soll.169, 170 währleistungselemente überbrücken: Denn ungeachtet des Umstandes, dass hier zwei verfassungsdogmatisch vollkommen unterschiedliche Gewährleistungsstrukturen – jene der grundrechtlichen Schutzpflicht und jene des Sozialstaatsprinzips – zu einer dem geltenden Verfassungsrecht unbekannten Hybridgewährleistung verkoppelt würden, erschöpft sich die Begründung letztlich in der bloßen Behauptung, dass „die Ausnutzung übermäßiger [sic!] Verhandlungsstärke“ ein „sachliches Äquivalent“ für den an sich erforderlichen privaten Übergriff darstelle (dazu W. Cremer [Fn. 23], 491–494 [Zitate: 493] sowie zusammenfassend 519 f., der im Sozialstaatsprinzip die „Kompensation im Sinne einer ‚qualitativen Anreicherung‘ der Schutzfunktion“ der Grundrechte [ebenda, 492] erblickt; die von Cremer aus den Beratungen des Parlamentarischen Rates angeführten, „zugegeben recht vagen Anhaltspunkte für eine Aktivierung des Staates [und der Grundrechte] gegenüber gesellschaftlicher [Über]macht“ [ebenda, 494 Fn. 391] geben für seine These schlichtweg nichts her; die „Aktivierung“ ausgerechnet der Grundrechte lässt sich nämlich durch die angeführten Belegstellen gerade nicht nachweisen). 169 Vgl. auch K. von Koppenfels (Fn. 12), 1492. 170 Ungeachtet dessen bleibt fraglich, ob sich aus den Diskriminierungsverboten des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG grundrechtliche Schutzpflichten formulieren lassen (vgl. auch K. von Koppenfels [Fn. 12], 1492), deren Schutzniveau höher liegt als das von der Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG ausgehende einerseits und das von den „flankierten“ (Begriff in Anlehnung an L. Osterloh in: Sachs [Hrsg.] GG, 3. Aufl. 2003, Art. 3 Rn. 236) Schutzpflichten zugunsten des Persönlichkeitsrechts und der Glaubensfreiheit andererseits. Eine Schutzpflicht lehnen ab: U. Sacksofsky (Fn. 24), 201; J. Isensee HStR V, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 135 mwN in Rn. 96 Fn. 207; H. Reichold JZ 2004, 384 (387) mwN. Demgegenüber nehmen eine Schutzpflicht an: W. Rüfner in: Dolzer/Vogel/Graßhof (Hrsg.) BK- GG, Art. 3 Abs. 2 und 3 Rn. 609–611 mwN (Stand: Mai 1996); M. Eckertz-Höfer in: Denninger/Hoffmann-Riem/Schneider/Stein (Hrsg.) AK- GG, 3. Aufl., Art. 3 Abs. 2, 3 Rn. 94 (Stand: 2001). Differenzierend L. Osterloh in: Sachs (Hrsg.) GG, 3. Aufl. 2003, Art. 3 Rn. 236 f. mit Rn. 67, die den Diskriminierungsverboten die Funktion „flankierenden Freiheitsschutzes hinsichtlich besonders gefährdeter persönlicher Eigenschaften und Verhaltensweisen“ (ebenda, 236) zuschreibt; ähnlich M. Ruffert (Fn. 23), 177 ff. sowie 492–495 und 504, der von „ergänzendem Diskriminierungsschutz“ (ebenda, 492ff.) spricht; offen bleibt bei beiden Konzepten – dem des „flankierenden Freiheitsschutzes“ sowie dem des „ergänzenden Diskriminierungsschutzes“ –, ob durch die Aktivierung von Art. 3 Abs. 3 GG als Schutzpflicht vom Staat ein Grundrechtsschutz zu prästieren ist, der über das hinausgeht, was bereits die fraglos bestehenden Schutzpflichten der betreffenden Freiheitsrechte (namentlich Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1
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Entscheidend ist aber letztlich ein anderer Aspekt: Die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts beschränkt sich auf Konstellationen, in denen die de facto gegebene und de iure an sich zu respektierende Willensübereinstimmung der Vertragspartner zum Schutze der Selbstbestimmung des „Unterlegenen“ rechtlich nicht hinzunehmen ist.171 Zur „Wahrung beeinträchtigter Grundrechtspositionen“172 darf das staatliche Recht den „unterlegenen“ Vertragspartner nicht an seiner Willensbekundung festhalten und hat dementsprechend einem darauf beruhenden Vertragsinhalt die rechtliche Anerkennung (und Durchsetzung) zu versagen. Antidiskriminierungsregelungen im allgemeinen Privatrecht entfalten ihr kritisches Potenzial demgegenüber nicht so sehr im Blick auf die inhaltliche Gestaltung und verfahrensmäßige Abwicklung geschlossener Verträge;173 sie zielen – im Blick auf ihr Schutzanliegen folgerichtig – im Schwerpunkt auf Diskriminierungsschutz in der Phase vor Vertragsbegründung.174 Zu begründen ist hier also nicht, dass die Willenserklärung des „Unterlegenen“ deswegen nicht zu rechtlicher Bindung führen könne, weil die Voraussetzungen der Selbstbestimmung gefehlt haben. Zu begründen ist vielmehr die geradezu umgekehrte Rechtsfolge: dass nämlich, obwohl eine Willensübereinstimmung nicht erzielt worden ist, gleichwohl rechtlich von einer solchen auszugehen sei. Während in den vom Verfassungsgericht entschiedenen Konstellationen die – tatsächlich abgegebene – Willenserklärung des „Unterlegenen“ der Sache nach annulliert wird, würde hier die – tatsächlich fehlende – Willenserklärung des „Überlegenen“ substituiert oder in anderer Weise sanktioniert. Das aber hat mit „gestörter Vertragsparität“175 nichts mehr gemein.176
sowie Art. 4 Abs. 1 GG) fordern. – Die unmittelbare Privatrechtsgeltung befürwortet C.-W. Canaris (Fn. 132), 235ff. – Ungeachtet dieser Frage ist daran zu erinnern, dass der Staat nicht dadurch diskriminiert, dass er – ohne an verbotene Diskriminierungsmerkmale anzuknüpfen – sämtlichen (geschäftsfähigen) Grundrechtsträgern privatrechtliche „Diskriminierungs“-Möglichkeiten einräumt (in Anlehnung an R. Poscher [Fn. 2], 341 u. ö.). 171 Deutlich BVerfGE 81, 242 (254); 89, 214 (232); 103, 89 (100 f.). Dazu O. Depenheuer (Fn. 26), 270 f. 172 Zitat: BVerfGE 103, 89 (101) unter Bezugnahme auf BVerfGE 89, 214 (234). 173 Für diese Konstellationen würde die verfassungsgerichtliche Konstruktion grundrechtsinduzierter Inhaltskontrolle privater Verträge an sich passen. 174 Das betont auch ADG -E (Fn. 58), 74 (Begründung zu § 319a BGB -E). 175 Diese kann grundrechtsdogmatisch als Schutz des Grundrechtsberechtigten vor sich selbst begriffen werden (richtungweisend C. Hillgruber Der Schutz des Menschen vor sich selbst, 1991, passim, besonders 149–158 mwN). 176 Bedenken gegen die Übertragbarkeit auch bei B. Waas ZIP 2000, 2151 (2153); P. Stalder (Fn. 92), 232.
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Die Ersetzung des Vertragsschlusswillens – die krasseste Form des Eingriffs in die Vertragsabschlussfreiheit – einer nicht vertragswilligen Partei wird denn auch nicht mit Grundrechten, gar mit Art. 3 GG , gerechtfertigt: Die Zulässigkeit eines Kontrahierungszwangs stützt sich, grob und damit notwendigerweise vergröbernd gesagt, auf ein Marktversagen, aufgrund dessen das auf Abschlussfreiheit gründende Interessenausgleichsmodell des Vertrages leerläuft.177 Das Versagen der grundrechtsfundierten iustitia commutativa ruft die sozialstaatlich-interventionistische iustitia distributiva178 auf den Plan: Der Monopolist wird, soweit es sich um existenznotwendige Güter der Daseinsvorsorge handelt, als „Distributionsagent“179 des Gemeinwesens in Pflicht genommen. Ein für den Diskriminierungsschutz im Privatrecht generell gültiges Rechtfertigungsmuster lässt sich darin freilich nicht erkennen.180 b)
Das Gleichbehandlungsgebot gemäß Art. 3 Abs. 2 GG als grundrechtliche Schutzpflicht?
Da das Konzept des Grundrechtsschutzes bei gestörter Vertragsparität dem Anliegen privatrechtlichen Diskriminierungsschutzes nicht zu Verfassungsweihen verhelfen kann, liegt es nahe, der verfassungsrechtlichen Valenz von § 611a BGB nachzuspüren.181 Denn diese Bestimmung „erstreckt das Diskriminierungsverbot auf private Arbeitsbeziehungen und unternimmt es, Frauen gleiche Chancen im Beruf, insbesondere bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses, zu sichern“.182 § 611a BGB kann daher gleichsam als Prototyp einer privatrechtlichen Diskriminierungs177 K. von Koppenfels etwa schreibt dem Kontrahierungszwang die „Funktion des Korrektiv gegen Missbräuche oder Unzuträglichkeiten [zu], die sich aus dem Bestehen eines krassen Ungleichgewichts der Machtlage, der Fähigkeit der beiden Vertragspartner zur Durchsetzung ihrer Interessen gegenüber dem anderen, ergeben können“ ([Fn. 12], 1492 unter Bezugnahme auf K. Larenz Schuldrecht, Allgemeiner Teil, 14. Aufl. 1987, § 4 I (43). 178 Zum Verhältnis beider im Privatrecht grundlegend C.-W. Canaris Die Bedeutung der iustitia distributiva im deutschen Vertragsrecht, 1997. 179 Kritisch zur Redistributionsfunktion von Antidiskriminierungsrecht R. Gerlach (Fn. 73), 225f., zitierte Wendung: 225 u. a. unter Bezugnahme auf J. Gardner Oxford Journal of Legal Studies 9 (1989), 1 (11); A. Somek (Fn. 31), 558. 180 Wie hier etwa auch K. von Koppenfels (Fn. 12), 1492. Im Ansatz kritisch zu einem aus dem Gleichheitssatz hergeleiteten Kontrahierungszwang auch M. Ruffert (Fn. 23), 183 f. Deutliche Skepsis auch bei M. Bäuerle (Fn. 2), 403. 181 Dabei spielt es in diesem Zusammenhang keine Rolle, dass die Vorschrift sich dem Gemeinschaftsrecht (sc. RL 76/207/ EWG) verdankt (zur Entstehung vgl. zusammenfassend BVerfGE 89, 276 [277 f.]) und daher, streng genommen, im (sehr weiten) Umfange ihrer gemeinschaftsrechtlichen Determinierung gar keiner verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedarf. 182 So die Charakterisierung durch BVerfGE 89, 276 (285).
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schutzregelung gelten.183 Das Bundesverfassungsgericht sieht in der Vorschrift die aus dem Gleichberechtigungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG folgende grundrechtliche Schutzpflicht verwirklicht.184 Indessen ist nicht ersichtlich, warum im Blick auf Art. 3 Abs. 2 GG von einer echten grundrechtlichen Schutzpflicht die Rede sein sollte.185 Dass man – spätestens186 mit der Ergänzung von Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG im Jahre 1994 – auf der Grundlage der autoritativen Rechtsprechung des Verfassungsgerichts davon sprechen muss, dass der von Art. 3 Abs. 2 GG über das Diskriminierungsverbot in Art. 3 Abs. 3 (S. 1) GG „hinausreichende Regelungsgehalt [darin besteht], daß er ein Gleichberechtigungsgebot aufstellt und dieses auch auf die gesellschaftliche Wirklichkeit erstreckt“,187 vermag als Begründung für eine grundrechtliche Schutzpflicht 183 Wenngleich auf der Grundlage von § 611a BGB ein Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses ausdrücklich ausgeschlossen ist, vgl. § 611a Abs. 2 Hs. 2 BGB, auch die derzeit geplante Sanktionsregelung des § 14 des Gesetzes zum Schutz vor Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf (Arbeitsrechtliches Antidiskriminierungsgesetz – AADG) führt, wie die Begründung ausdrücklich hervorhebt (vgl. ADG-E [Fn. 58], 68 [Begründung zu § 14 AADG-E]), keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses ein. 184 Vgl. BVerfGE 89, 276 (276 [Leitsätze 1 und 2], 286 sowie 290). In ähnlicher Weise wird von einem „Schutzauftrag aus Art. 3 Abs. 2 GG“ gesprochen: BVerfGE 109, 64 (89 f., s. a. 64 [Leitsatz 3] und 90ff.). Bereits in BVerfGE 87, 1 (42) spricht der Erste Senat von einer „aus Art. 3 Abs. 2 GG folgenden Pflicht des Gesetzgebers […], auf eine Angleichung der Lebensverhältnisse hinzuwirken“; entsprechend BVerfGE 94, 241 (259). 185 Dazu, dass eine gemeinschaftsrechtliche oder doch gemeinschaftsrechtsbezogene Herleitung grundrechtsdogmatisch nicht tragfähig ist, oben Fn. 128. 186 Die Judikatur hatte dies bereits früher – seit der Entscheidung zum Nachtarbeitsverbot (BVerfGE 85, 191 [207]; vorher in Ansätzen BVerfGE 74, 163 [179 f.]) – getan; in seinem Beschluss zur Feuerwehrabgabe bezeichnet der Erste Senat Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG denn auch (bloß) als ausdrückliche Klarstellung (BVerfGE 92, 91 [109]). Zur Ergänzung von Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG vgl. stellvertretend die beiden Mitglieder der Gemeinsame[n] Verfassungskommission (GVK), H.-J. Vogel FS Benda, 1995, 404ff., sowie R. Scholz in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 2 Rn. 58 (Stand: Oktober 1996). – In dem dilatorischen Formelkompromiss, den die GVK nach hochkontroversen Beratungen vorgeschlagen und den der verfassungändernde Gesetzgeber im Sinne der GVK beschlossen hat, dürfte, will man nicht von einem perplexen Regelungswillen ausgehen, die Ermächtigung des Verfassungsgesetzgebers an die Staatspraxis – letztlich: an das mit autoritativem Spruch entscheidende Bundesverfassungsgericht – zu erblicken sein, den Verfassungsinhalt in dem von den Beratungen in der GVK gezogenen Rahmen selbst festzulegen. 187 So BVerfGE 92, 91 (109) unter Bezugnahme auf BVerfGE 85, 191 (207). Aus dem Schrifttum vgl. statt vieler U. Sacksofsky (Fn. 24), 23ff.; W. Rüfner in: Dolzer/Vogel/Graßhof (Hrsg.) BK- GG, Art. 3 Abs. 2 und 3 Rn. 547–550 (Stand: Mai 1996); U. Di Fabio (Fn. 33), 407ff.; J. Kokott FS BVerfG, Bd. II, 2001, 127 (146 ff.); M. Eckertz-Höfer in: Denninger/Hoffmann-Riem/Schneider/Stein (Hrsg.) AK- GG, 3. Aufl., Art. 3 Abs. 2, 3 Rn. 44–47 (Stand: 2001); M. Ruffert (Fn. 23), 179 ff.; L. Osterloh in: Sachs (Hrsg.) GG,
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nicht hinzureichen.188 Die für eine Schutzpflicht typische Gefahr privater Übergriffe auf das grundrechtliche Schutzgut wird weder behauptet noch begründet, infolge der Eigenart des Schutzgutes, auch schwer darzulegen sein:189 Die Versagung der Mitwirkung an der privatgeschäftlichen Rechtskreiserweiterung des Diskriminierungsopfers lässt sich eben nicht in einen rechtskreisverkürzenden Übergriff durch den Diskriminierer umdeuten.190 Es ist daher, nimmt man die Textierung von Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG hinzu, nicht von einer echten grundrechtlichen Schutzpflicht auszugehen.191 Die dort aufgerichtete Förderpflicht ist vielmehr als Staatszielbestimmung aufzufassen.192
3. Aufl. 2003, Art. 3 Rn. 258 ff., besonders 264–266, je mwN. – Die von H.-G. Suelmann (Die Horizontalwirkung des Art. 3 II GG, 1994, passim, speziell zum Verhältnis zur Privatautonomie: 129–133) vertretene Ansicht einer unmittelbaren Drittwirkung hat mit Recht weder in der Rechtsprechung noch der Staatsrechtslehre Gefolgschaft gefunden. 188 Wie hier M. Ruffert (Fn. 23), 180f., der zutreffend den normativen Sitz der Förderpflicht in Art. 3 Abs. 2 S. 2 (und nicht S. 1!) GG sieht (ebenda, 181); ebenso R. Scholz in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 2 Rn. 59 mwN (Stand: Oktober 1996); H. Reichold JZ 2004, 384 (387) mwN. Anders wohl M. Wrase/S. Baer (Fn. 22), 1624. 189 Wie hier im Ergebnis auch C. Hillgruber in: Umbach/Clemens (Hrsg.) GG I, 2002, Art. 2 I Rn. 121. – Zur Frage, ob und gegebenenfalls wieweit die in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG statuierten Diskriminierungsverbote auch als grundrechtliche Schutzpflichten gelesen werden können, oben Fn. 170. 190 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die klarsichtigen Ausführungen bei R. Poscher (Fn. 2), 338f.: „Die staatsgerichteten Gleichheitsrechte dürfen unter Zuhilfenahme von Zurechnungsüberlegungen nicht mit einer Gleichbehandlungsverpflichtung der Bürger identifiziert werden. Einer solchen Gleichsetzung liegt dasselbe Differenzierungsdefizit zugrunde, mit dem aus dem staatsgerichteten Verhältnismäßigkeitsgebot im Bereich der Freiheitsrechte auf die Verpflichtung der Bürger zu verhältnismäßigem Verhalten geschlossen wird. Ebenso wenig wie die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf Drittwirkungskonflikte den beteiligten Bürgern verhältnismäßiges Verhalten aufgibt, verpflichten die staatsgerichteten Gleichheitsrechte die Grundrechtsträger zur Gleichbehandlung. […] Auch die Gleichheitsrechte regeln nicht das Verhalten der Bürger, sondern die Regelung dieses Verhaltens durch den Staat. Die Gleichheitsrechte interessieren sich nicht für die Motive der Bürger im Umgang miteinander, sondern für die Motive des Staates bei der Regelung dieses Umgangs. […] Private Ungleichbehandlung gerät mit den staatsgerichteten Gleichbehandlungsgeboten nicht in Konflikt.“ 191 So wundert es auch nicht, dass Art. 3 Abs. 2 (S. 2) GG keine subjektiven Teilhabeoder Leistungsansprüche gegen den Staat entnommen werden; vgl. stellvertretend L. Osterloh in: Sachs (Hrsg.) GG, 3. Aufl. 2003, Art. 3 Rn. 261 ff., besonders 262 mwN. 192 In diesem Sinne etwa auch W. Rüfner in: Dolzer/Vogel/Graßhof (Hrsg.) BK- GG , Art. 3 Abs. 2 und 3 Rn. 686 ff., 692ff. (Stand: Mai 1996) mwN und Hinweisen auf die Beratungen in der GVK; R. Scholz in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 2 Rn. 59 ff., besonders 60 und 61 (Stand: Oktober 1996) ebenfalls unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte; M. Gubelt in: v. Münch/Kunig (Hrsg.) GG I, 5. Aufl. 2000, Art. 3 Rn. 93b; wohl auch W. Heun in: Dreier (Hrsg.) GG I, 2. Aufl. 2004, Art. 3 Rn. 104 f. – Mit Recht weist
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Unbeschadet dessen ist im Blick auf einen über die Geschlechtergleichbehandlung hinausgehenden Diskriminierungsschutz darauf zu achten, dass sich die Erwägungen zu Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG – gerade wegen des unterschiedlichen Regelungsgehalts von Gleichberechtigungsgebot und Diskriminierungsverbot – nicht auf die sonstigen Merkmale in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG übertragen lassen. Eine Ausnahme bildet insofern allein das eigens in Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG hervorgehobene Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung, welches zwar ebenfalls keine grundrechtliche Schutzpflicht aufrichtet, aber – neben seinen individualrechtlichen Gehalten – auch als Staatszielbestimmung aufzufassen ist.193 Kurzum: Der erhoffte Ertrag stellt sich auch mit Blick auf Art. 3 Abs. 2 GG nicht ein. Zum einen sind die aus dem Gleichberechtigungsgebot zu ziehenden Schlussfolgerungen nicht über die Geschlechtergleichbehandlung hinaus verallgemeinerungsfähig. Zum anderen rangiert selbst Letztere nur im Range einer Staatszielbestimmung.194 3.
Grundrechtsfakultativer Diskriminierungsschutz
Deutlich anders als das Gemeinschaftsrecht überantwortet das Grundgesetz folglich Ob und Wie eines privatrechtlichen Diskriminierungsschutzes – in den weitgesteckten Grenzen der Staatszielbestimmungen zugunsten der Geschlechtergleichberechtigung (Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG), des Behindertenschutzes (Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG) und namentlich des Sozialstaates (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG)195 – dem freien gesetzgeberischen Ermessen. Ohne die Rückendeckung der Verfassungsgewähr markieren Antidiskriminierungsbelange – jenseits der Merkmale L. Osterloh in: Sachs (Hrsg.) GG, 3. Aufl. 2003, Art. 3 Rn. 264–266, besonders 266, darauf hin, dass das Fördergebot mit dem abwehrrechtlichen Diskriminierungsverbot in eine nach dem Grundsatz praktischer Konkordanz aufzulösende Kollision treten kann. 193 Stellvertretend W. Rüfner in: Dolzer/Vogel/Graßhof (Hrsg.) BK- GG , Art. 3 Abs. 2 und 3 Rn. 869 sowie 884–886 (Stand: Mai 1996); R. Scholz in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 2 Rn. 174 (mit ausführlicher Bezugnahme ebenda, Rn. 173, auf die Entstehungsgeschichte) (Stand: Oktober 1996); S. Straßmair Der besondere Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG, 2002, 146ff., besonders 248ff. mwN; L. Osterloh in: Sachs (Hrsg.) GG, 3. Aufl. 2003, Art. 3 Rn. 305 ff., besonders 307 (auch unter Bezugnahme auf die Beratungen in der GVK). Aus der Judikatur vgl. BVerfGE 96, 288. 194 Und bleibt damit, wie zu ergänzen ist, in ihrem Gewährleistungsgehalt hinter dem bereits geltenden Gewährleistungsstandard des primären und insbesondere des sekundären Gemeinschaftsrechts zurück. 195 Zur begrenzenden Funktion des Sozialstaatsprinzips vgl. nur BVerfGE 103, 271 (288). – Der „flankierende Freiheitsschutz“, der den Diskriminierungsverboten aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG zugeschrieben wird (dazu oben Fn. 170), wirkt sich im hier entscheidenden Bereich rechtsgeschäftlicher Privatrechtsbeziehungen nicht aus.
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„Geschlecht“ und „Behinderung“196 – de constitutione lata nicht mehr als verfassungsrechtlich erlaubte Gemeinwohlbelange.197 Welche diskriminierungsschützenden Eingriffe mit welchen Mitteln, Zielen und Folgen sich vor den Freiheitsrechten der davon Betroffenen rechtfertigen lassen, kann nicht pauschal und abstrakt gesagt, sondern muss im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes anhand der konkreten Umstände und des konkret betroffenen Grundrechts bestimmt werden. Gleichwohl können einige Abwägungsleitlinien für die gesetzliche Etablierung privatrechtlichen Diskriminierungsschutzes formuliert werden. So haben Regelungen zum privatvertraglichen Diskriminierungsschutz vor den Grundrechten um so eher Bestand, als – in dem diskriminierenden Verhalten zugleich ein Verstoß gegen die Menschenwürde zu erblicken ist,198 – die allgemeine Marktteilhabe für das potentielle Diskriminierungsopfer sichergestellt werden soll,199 – das potentielle Diskriminierungsopfer auf die betreffende vertragliche Leistung zur Deckung existentieller Bedürfnisse angewiesen ist und keine zumutbare Ausweichoption besitzt,200 – es sich um Massengeschäfte handelt, bei denen es nicht auf besondere Eigenschaften der Vertragspartner ankommt,201 – der Anbieter selbst sein Angebot an eine unbestimmte Marktöffentlichkeit richtet202 und eine Zurückweisung des potentiellen Diskriminierungsopfers als öffentliche Ausgrenzung oder Stigmatisierung zu betrachten ist,203
196 Mit der Heraushebung dieser beiden Merkmale begründet das Grundgesetz just eine vom „starken“ Antidiskriminierungskonzept bekämpfte „Gleichstellungshierarchie“ (dazu oben Fn. 74). 197 Als solche können sie, lässt man die vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechte außer Ansatz, den legitimen Ausgangspunkt für Eingriffe in die grundrechtlich vielfältig geschützte Privatautonomie abgeben. 198 Das dürfte im Blick auf rechtsgeschäftliches Gebaren freilich selten der Fall sein. 199 Wie hier der Sache nach M. Bäuerle (Fn. 2), 402ff., 411. 200 Zur Begründung von Kontrahierungszwang im Privatrecht vgl. oben bei und in Fn. 176. 201 Vgl. H. Reichold JZ 2004, 384 (392) mit der Unterscheidung von „Massengeschäften“ und „personenbezogenen Verträgen“. – Dazu auch der jüngst vorgeschlagene § 319d Abs. 1 BGB-E hinsichtlich des Benachteiligungsverbots wegen einer Behinderung (ADG-E [Fn. 58], 20). 202 Dazu stellvertretend C. Starck in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.) GG I, 4. Aufl. 1999, Art. 3 Abs. 3 Rn. 341; M. Ruffert (Fn. 23), 494. 203 Zur „sozialen Störungsabwehr“ als legitimem Ziel des Sozialstaatsprinzips: U. Di Fabio in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 104 (Stand: Juli 2001).
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– der Anbieter sich für gleichartige Fälle einem Regelsystem unterworfen hat, von dem er zulasten des Diskriminierungsopfers abweicht,204 – eine entsprechende Differenzierung zu den Regeln des gedeihlichen Zusammenlebens in Widerspruch steht oder nach Treu und Glauben einen Missbrauch der Privatautonomie zu vertragsfremden Zwecken darstellt,205 – es die Ausgestaltung, Durchführung und Beendigung und nicht die Begründung des Vertrages betrifft und – die Bestimmungen sich nicht an natürliche, sondern ausschließlich an juristische Personen richten.206 Umgekehrt lassen sich entsprechende Diskriminierungsschutzvorschriften umso weniger rechtfertigen, als – die vertraglich geschuldete Leistung die Differenzierung nach einschlägigen Merkmalen voraussetzt,207 – die rechtsgeschäftlichen Beziehungen ein besonderes Nähe- oder Vertrauensverhältnis der Parteien voraussetzen oder begründen,208 – das rechtsgeschäftliche Verhalten Ausdruck einer grundrechtlich geschützten Haltung und Lebensweise darstellt,209
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Vgl. insoweit auch zum arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot: H. Reichold
JZ 2004, 384 (386) mwN. 205 Wie oben (Fn. 151) bereits betont, geht es um gegenwärtige, nicht hingegen um angestrebte künftige Regeln des gedeihlichen Zusammenlebens respektive Anschauungen aller „billig und gerecht Denkenden“. 206 Zu Letzterem vgl. auch M. Bäuerle (Fn. 2), 405ff., besonders 407f. 207 Dem trägt etwa Art. 1 Abs. 3 der derzeit diskutierten „Unisex-Tarif-Richtlinie“ Rechnung: „Diese Richtlinie steht nicht dem entgegen, dass Unterschiede gemacht werden im Zusammenhang mit Gütern und Dienstleistungen, bei denen Männer und Frauen sich nicht in einer vergleichbaren Situation befinden, weil die Güter und Dienstleistungen ausschließlich oder in erster Linie für die Angehörigen nur eines Geschlechts bestimmt sind, oder im Zusammenhang mit Leistungen, die je nach Geschlecht der Klienten auf unterschiedliche Weise erbracht werden“ (Unisex-Tarif-RL-Vorschlag [Fn. 51], 26 mit Begründung auf 15 f.). Vgl. auch Art. 4 Abs. 1 RL 2000/78/ EG; Art. 2 Abs. 6 RL 76/207/ EWG in der Gestalt von RL 2002/73/ EG. 208 In diesem Sinne etwa auch § 319e Abs. 1 BGB -E: „Die Vorschriften dieses Untertitels finden keine Anwendung auf Schuldverhältnisse, deren Durchführung ein besonderes Nähe- oder Vertrauensverhältnis der Parteien oder ihrer Angehörigen erfordert. Dies ist insbesondere der Fall bei Mietverhältnissen, bei denen die Parteien Räume auf demselben Grundstück nutzen“ (ADG-E [Fn. 58], 20); vgl. des Weiteren § 319e Abs. 2 BGB-E (ebenda), wonach neben dem Arbeitsrecht, für das insoweit Spezialregelungen gelten, das gesamte Familien- und Erbrecht von den „Regelungen zum Schutz vor Diskriminierungen im Zivilrecht“ ausgenommen ist. Zum Aspekt des Nähe- und Vertrauensverhältnisses im Blick auf zulässige Differenzierungen s. auch C. Starck in: v. Mangoldt/Klein/ Starck (Hrsg.) GG I, 4. Aufl. 1999, Art. 3 Abs. 3 Rn. 341. 209 Hier ist neben dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG, für das insofern die Grundsätze der vom BVerfG entwickelte Sphären-
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– die Durchsetzungs- und Sanktionsmechanismen (wie z.B. Beweislastumkehr210 und Kontrahierungszwang211) allein oder in ihrem Zusammenwirken eine selbstbestimmte Entscheidung auf Seiten des Anbieters unmöglich machen, – die Instrumente der Rechtsverfolgung (wie Beweislastregeln oder Verbandsklage) die unbefangene Wahrnehmung der Vertragsfreiheit erschweren,212 zu Missbrauch verleiten oder sogar provozieren und – sich Regelungen infolge effektiver Ausweichstrategien nicht gleichheitsgerecht handhaben lassen213. Das Korrelat des – in seiner Determinationsdichte nicht selten überschätzten214 – Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist das weite Gestaltungsermessen des Gesetzgebers.215
theorie mindestens zu heuristischen Zwecken herangezogen werden können, insonderheit an die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 und 2 GG (vgl. insoweit auch die Ausnahmeklausel gemäß Art. 4 Abs. 2 RL 2000/78/ EG), an die Meinungsäußerungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 1. Alt. GG sowie an die Vereinigungsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 1 GG zu denken. 210 Zur Grundrechtserheblichkeit von Darlegungs- und Beweislastregeln: BVerfGE 97, 169 (179). 211 Dazu mit differenzierender Lösung: H. Reichold JZ 2004, 384 (392). 212 Hier ist insbesondere an die einschüchternde Wirkung, den „chilling effect“, zu denken, die dazu führen kann, dass, weil die Risiken ungerechtfertigter gerichtlicher Belangung als zu hoch eingeschätzt werden, von einer Vertragseingehung ganz oder doch zu dem an sich in Aussicht genommenen Zeitpunkt Abstand genommen wird. Überdies markiert die durch die Beweislastumkehr gleichsam erzwingbare Offenlegung der Vertragsabschlussmotive eine nicht zu vernachlässigende Intensivierung des Grundrechtseingriffs (vgl. dazu auch K.-H. Ladeur [Fn. 18] unter [3] und [4]). 213 Ebenso drastisch wie plastisch: K.-H. Ladeur (Fn. 18) unter (6) und (9). 214 Dazu die erhellende Studie von K.-H. Ladeur Kritik der Abwägung in der Grundrechtsdogmatik, 2004. 215 Paradigmatisch zur Weite des gesetzgeberischen Gestaltungsfreiraumes hinsichtlich „privatrechtlicher Regelungen, die in die Vertragsfreiheit eingreifen“: „Dem Gesetzgeber, der diese Interessen zu einem gerechten Ausgleich bringen will, ist ein weiter Gestaltungsfreiraum eingeräumt. Die Einschätzung der für die Konfliktlage maßgeblichen ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen liegt in seiner politischen Verantwortung, ebenso die Vorausschau auf die künftige Entwicklung und die Wirkungen seiner Regelung. Dasselbe gilt für die Bewertung der Interessenlage, das heißt die Gewichtung der einander entgegenstehenden Belange und die Bestimmung ihrer Schutzbedürftigkeit. […]“ (BVerfGE 97, 169 [176 f., Zitate: 176]).
350
V.
Matthias Jestaedt
Die Grenzen des Rechts
Wenn der europarechtlich verfügte Diskriminierungsschutz im Privatrecht auch überwiegend im verfassungsrechtlichen Rahmen reformuliert werden kann,216 so wirkt er doch im Bürgerlichen Recht wie ein der autochthonen Zivilrechtskultur implantierter Fremdkörper217 – oder, wenn die Herkunft des Antidiskriminierungsrechts aus dem anglo-amerikanischen Rechtsraum sprachlich zum Ausdruck gebracht werden soll: wie ein Rechtsanglizismus respektive Rechtsamerikanismus. Es ist, um im Bilde zu bleiben, bürgerlichrechtliche Stilpflege, die – freilich ihrerseits häufig allzu schrill – dagegen aufbegehrt, Rechtsimporte ohne Rücksicht auf ihre Anschlussfähigkeit im gewachsenen Recht zu betreiben. Die Bedenken, ob mit dem neuen Antidiskriminierungsrecht die Chancen und Risiken der Gesellschaftssteuerung durch Recht zutreffend eingeschätzt und ob die Gefahren des Unterlaufens wie des Missbrauchens nicht unterschätzt werden, ja schließlich, ob nicht die Verrechtlichung von Moral218 nur um den Preis einer weitreichenden Moralisierung des Rechts zu haben ist, sind bislang alles andere als ausgeräumt. Doch damit ist bereits der Boden des geltenden Rechts verlassen und das weite Feld der Rechtspolitik betreten.
216 Worauf es, wegen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts, freilich positivrechtlich nicht ankommt. Dazu oben III. 217 Dass es „in Deutschland […] bisher keine Kultur der Antidiskriminierung [gibt], wie sie z. B. für Menschen in angelsächsischen Ländern zum Alltag gehört“, betont auch ADG-E (Fn. 58), 34; daher misst er dem Gesetz „vor allem eine Signalwirkung im Hinblick auf alle Diskriminierungsmerkmale“ bei (ebenda, 44 – Hervorhebungen nicht im Original). 218 Vgl. insoweit Unisex-Tarif- RL-Vorschlag (Fn. 51), 4: „Es geschieht somit aus einer echten moralischen und rechtlichen Verpflichtung wie auch aus dem Bestreben heraus, das Konzept eines Europas der Bürger zu stärken und die Realisierung dieses Konzepts voranzubringen, wenn die Europäische Kommission nun ihren ersten Richtlinienvorschlag vorlegt, der abzielt auf die Gewährleistung der Gleichbehandlung von Männern und Frauen in einem Bereich außerhalb des Arbeitsmarktes“ (Hervorhebung nicht im Original). Affirmativ E. Eichenhofer (Fn. 22), 1084: „Der Staat wird damit zum praeceptor einer neuen Sozialmoral.“
Diskriminierungsschutz und Privatautonomie
351
Leitsätze des 1. Berichterstatters über:
Diskriminierungsschutz und Privatautonomie I.
Diskriminierungsschutz im Privatrecht – ein Thema im Wandel
(1) Anlass für die Staatsrechtslehre, sich der Thematik des Diskriminierungsschutzes im Privatrecht zuzuwenden, sind Antidiskriminierungsrichtlinien der Europäischen Gemeinschaft. (2) In dem Maße, in dem der privatrechtliche Diskriminierungsschutz seine Grundlage im Gemeinschafts(sekundär)recht findet, scheidet indes eine Kontrolle am Maßstab des nationalen (Verfassungs-)Rechts aus.
II.
Antidiskriminierungsrecht auf gemeinschaftsrechtlicher Grundlage
1.
Entwicklung und Grundlagen des Europäischen Antidiskriminierungsrechts
(3) Den Quantensprung in der Herausbildung des Europäischen Antidiskriminierungsrechts markiert der durch den Amsterdamer Vertrag eingeführte Art. 13 EG. (4) Auf der Grundlage von Art. 13 EG wird mit der „Anti-Rassismusrichtlinie“ (RL 2000/43/ EG) die erste privatrechtsinvasive Antidiskriminierungsrichtlinie erlassen. Am 4. Oktober 2004 einigt sich der Rat auf die „UnisexTarif-Richtlinie“. 2.
Der Bauplan des Europäischen Antidiskriminierungsrechts
(5) Die Art. 13-Richtlinien prägen einen neuen einheitlichen Standard für Antidiskriminierungsrichtlinien. (6) Die Gemeinschaft verfolgt ein „kohärentes und integriertes“ Konzept von Antidiskriminierung, welches sich auszeichnet durch – die Vielzahl von Diskriminierungsmerkmalen, – die Bekämpfung von „Gleichstellungshierarchien“, – den Ausgriff auf Rechtsbeziehungen unter Privaten sowie – ein für sämtliche Merkmale grundsätzlich einheitliches Schutzregime.
352
Matthias Jestaedt
(7) Das Antidiskriminierungskonzept sieht sich positivrechtlich relativiert durch eine Reihe von Einschränkungen (wie einem restriktiv bestimmten Anwendungsbereich) und Ausnahmetatbeständen (wie der Rechtfertigungsmöglichkeit bei bloß mittelbarer Diskriminierung). 3.
Die Primärrechtskonformität des Europäischen Antidiskriminierungsrechts
(8) An der formellen wie materiellen Primärrechtskonformität des sekundärrechtlichen Diskriminierungsschutzes im Privatrecht bestehen keine Bedenken.
III. Der Anwendungsrahmen der nationalen Grundrechte (9) Grundgesetzliche Maßstäbe kommen nur dort zum Einsatz, wo – das nationale Recht gemeinschaftsrechtlich eröffnete Umsetzungsspielräume nutzt, – es über gemeinschaftsrechtliche Mindestanforderungen hinausgeht oder – es Regelungsmaterien thematisiert, die vom Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts ausgenommen sind.
IV. Diskriminierungsschutz und Privatautonomie im Rahmen des Grundgesetzes 1.
Verfassungsrechtlicher und einfachrechtlicher Diskriminierungsschutz
(10) Sub specie der Grundrechtsbindung sind das staatlich gesetzte Privatrecht und das von Privaten gesetzte Vertragsrecht voneinander zu unterscheiden. (11) In der Beziehung zum Staat entfaltet sich der Diskriminierungsschutz im Verfassungsrang (verfassungsrechtlicher Diskriminierungsschutz). In den Beziehungen Privater untereinander gilt nur einfachrechtlicher Diskriminierungsschutz; dieser hat sich vor den Grundrechten der von ihm Betroffenen zu rechtfertigen (Asymmetrie der Rechtfertigungslasten). (12) Der auf der Grundlage privatrechtlicher Generalklauseln praktizierte grundrechtsunmittelbare Diskriminierungsschutz beruht auf einer Normebenenverwechslung.
Diskriminierungsschutz und Privatautonomie
2.
353
Grundrechtsobligatorischer Diskriminierungsschutz
(13) Der grundrechtsinduzierte Schutz vor gestörter Vertragsparität eignet sich nicht dazu, den Diskriminierungsschutz im und durch Privatrecht als grundrechtsgeboten auszuweisen. (14) Die Judikatur zur Inhaltskontrolle privater Verträge am Maßstab der Grundrechte zielt auf die Lösung und nicht auf die Herbeiführung vertraglicher Bindung. (15) Die Versagung der Mitwirkung an der privatgeschäftlichen Rechtskreiserweiterung lässt sich nicht in einen rechtskreisverkürzenden Übergriff umdeuten. (16) Auch das Gleichberechtigungsgebot aus Art. 3 Abs. 2 GG bietet mangels Verallgemeinerungsfähigkeit keine tragfähige verfassungsrechtliche Grundlage für ein umfassendes Diskriminierungsschutzkonzept. 3.
Grundrechtsfakultativer Diskriminierungsschutz
(17) Ob und Wie eines Diskriminierungsschutzes im Privatrecht unterliegen dem – namentlich durch die grundrechtlich geschützte Privatautonomie gebundenen – Ermessen des Gesetzgebers. (18) Regelungen zum privatvertraglichen Diskriminierungsschutz haben vor den Grundrechten umso eher Bestand, als – die allgemeine Marktteilhabe für das potentielle Diskriminierungsopfer sichergestellt werden soll, – das potentielle Diskriminierungsopfer auf die betreffende vertragliche Leistung zur Deckung existentieller Bedürfnisse angewiesen ist und keine zumutbare Ausweichoption besitzt, – es sich um Massengeschäfte handelt, bei denen es nicht auf besondere Eigenschaften der Vertragspartner ankommt, – der Anbieter selbst sein Angebot an eine unbestimmte Marktöffentlichkeit richtet und eine Zurückweisung des potentiellen Diskriminierungsopfers als öffentliche Ausgrenzung oder Stigmatisierung zu betrachten ist und – eine entsprechende Differenzierung zu den Regeln des gedeihlichen Zusammenlebens in Widerspruch steht oder nach Treu und Glauben einen Missbrauch der Privatautonomie zu vertragsfremden Zwecken darstellt. (19) Umgekehrt lassen sich vertragsrechtsinvasive Diskriminierungsschutzvorschriften umso weniger rechtfertigen, als – die vertraglich geschuldete Leistung die Differenzierung nach einschlägigen Merkmalen erfordert, – die rechtsgeschäftlichen Beziehungen ein besonderes Nähe- oder Vertrauensverhältnis der Parteien voraussetzen oder begründen, – das rechtsgeschäftliche Verhalten Ausdruck einer grundrechtlich geschützten Haltung oder Lebensweise darstellt,
354
Matthias Jestaedt
– die Instrumente der Rechtsverfolgung (wie Beweislastregeln oder Verbandsklage) die unbefangene Wahrnehmung der Vertragsfreiheit erschweren, zu Missbrauch verleiten oder diesen sogar provozieren und – sich Regelungen infolge effektiver Ausweichstrategien nicht gleichheitsgerecht handhaben lassen.
V.
Die Grenzen des Rechts
(20) Das Europäische Antidiskriminierungsrecht verrechtlicht („öffentliche“) Moral. Zu fürchten steht, dass dies nur um den Preis einer zunehmenden Moralisierung des Rechts zu haben ist.
Diskriminierungsschutz und Privatautonomie
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Vierter Beratungsgegenstand:
Diskriminierungsschutz und Privatautonomie *2. Bericht von Prof. Dr. Gabriele Britz, Gießen* Inhalt Seite
Drei Erklärungsversuche zu einer außergewöhnlichen Debatte: . I. Indifferenz des höherrangigen Rechts gegenüber privatrechtlichen Diskriminierungsverboten . . . . . . . . . 1. Gebieten höherrangige Normen privatrechtliche Diskriminierungsverbote? . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steht die Vertragsfreiheit privatrechtlichen Diskriminierungsverboten entgegen? . . . . . . . . . . . 3. Steht der rechtliche Schutz von „Privatheit“ privatrechtlichen Diskriminierungsverboten entgegen? . a) Das „Private“ als Schlüsselbegriff und geistesgeschichtliche Anspielung . . . . . . . . . . . . b) Rechtlicher Schutz des „Privaten“ . . . . . . . . . . . 4. Steht der rechtliche Schutz vor ökonomischer Inpflichtnahme privatrechtlichen Diskriminierungsverboten entgegen? . . . . . . . . . . . a) Verhinderung ökonomisch rationalen Verhaltens durch Diskriminierungsverbote . . . . . . . . . . . . b) „Soziale Inpflichtnahme“ als Folge der Verhinderung ökonomisch rationalen Verhaltens . . . . . . . . . . . c) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Inpflichtnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Neuartigkeit privatrechtlicher Diskriminierungsverbote . . . 1. Deutung der Diskriminierungsverbote als Fortentwicklung des sozialstaatlichen „Rechts der Ungleichgewichtslagen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. 357 . 360 . 360 . 365 . 368 . 368 . 368
. 376 . 376 . 379 . 381 . 384
. 384
* Für kritische Lektüre früherer Fassungen danke ich Michael Bäuerle, Alexander Hanebeck, Hans Christian Röhl und Marlene Schmidt. Besonderer Dank gilt meinen Mitarbeitern Felix Müller und Tobias Richter für ständige Diskussionsbereitschaft.
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Gabriele Britz
2. Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einwände gegen sozialstaatliche Deutung . . . . . . . b) Unterschiede zum „Recht der Ungleichgewichtslagen“ 3. Innovativer Gehalt der gegenüber sozialstaatlichen Zielen verselbständigten Diskriminierungsverbote . . . . III. Normierung moralisch kontroverser Verhaltensanforderungen durch privatrechtliche Diskriminierungsverbote . . 1. Kontroverse um grundlegende Verhaltensanforderungen als Kern der Auseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . 2. Rationalität der Auseinandersetzung um die (real folgenarme) Kodifizierung kontroverser Verhaltensanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grenzen juristischer Argumentation angesichts des „moralischen Kerns“ der Auseinandersetzung . . . . . . .
386 386 387 389 393 393
395 396
Diskriminierungsschutz und Privatautonomie
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Drei Erklärungsversuche zu einer außergewöhnlichen Debatte: In der jüngsten Auseinandersetzung um die Aufnahme von Diskriminierungsverboten ins private Schuldvertragsrecht tritt unübersehbar hervor, wie spannungsreich das Verhältnis zwischen Diskriminierungsschutz und Privatautonomie ist. Es sind hier Rechtsnormen entstanden und noch im Entstehen begriffen,1 die um des Diskriminierungsschutzes willen die Abschluss- und Inhaltsfreiheit beim privaten Vertragsschluss, insbesondere die Wahl des Vertragspartners, einschränken.2 Selten haben 1 Richtlinie 2000/43/ EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (Rassendiskriminierungsrichtlinie); Richtlinie 2000/78/ EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Rahmenrichtlinie); Richtlinie 76/207/ EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen, die durch Richtlinie 2002/73/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 modifiziert wurde. Zu den beiden ersten Richtlinien umfassend M. Schmidt Das Arbeitsrecht der Europäischen Gemeinschaft, 2001, 184 ff. – Die Diskriminierungsschutzrichtlinien verbieten Diskriminierung wegen der Merkmale Rasse und ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexuelle Ausrichtung, wobei sich der privatrechtliche Diskriminierungsschutz, außer bei den Merkmalen Rasse und ethnische Herkunft, im Wesentlichen auf das Arbeitsverhältnis beschränkt. – Ein Referentenentwurf zur Umsetzung ins deutsche Recht aus dem Jahre 2001 hatte darüber hinaus Diskriminierungsverbote wegen der übrigen Merkmale für zahlreiche verschiedene Vertragsverhältnisse vorgesehen, zu diesem ersten deutschen Umsetzungsversuch H. Wiedemann/G. Thüsing Fragen zum Entwurf eines zivilrechtlichen Anti-Diskriminierungsgesetzes, DB 2002, 463ff. 2 Die Rassendiskriminierungsrichtlinie nimmt ihren Geltungsanspruch bezüglich „privaten Verhaltens“ partiell zurück: Im 4. Erwägungsgrund wird festgestellt, es sei wichtig, „dass im Zusammenhang mit dem Zugang zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen der Schutz der Privatsphäre und des Familienlebens sowie der in diesem Kontext getätigten Geschäfte gewahrt bleibt“. Demgemäß beschränkt Art. 3 lit. h das Diskriminierungsverbot beim Zugang zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen auf solche, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Die Einschränkung ist zurückzuführen auf Bedenken von Deutschland, Österreich, den Niederlanden und Irland, s. M. Bell Meeting the Challenge?, in: Chopin/Niessen (Hrsg.) The Starting Line and the Incorporation of the Racial Equality Directive into the National Laws of the EU Member States and Accession States, 2001, 22 (35). Die Auslegung dieser tatbestandlichen Einschränkung bereitet erhebliche Schwierigkeiten. Dazu D. Schiek Schutz vor Diskriminierung bei „öffentlich angebotenen Gütern und Dienstleistungen einschließlich des Wohnraums“ – beschränkt auf rassistische Diskriminierung?, in: Rust/Däubler/Falke/Lange/Plett/Scheiwe/Sieveking (Hrsg.) Die Gleichbehandlungsrichtlinien der EU und ihre Umsetzung in Deutschland, 2003, 129 (133); W. Hennig/S. Baer Europarecht als Chance, Streit 2002, 169 (173); K. Hailbronner Die Antidiskriminierungsrichtlinien der EU, ZAR 2001, 254 (257f.);
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Gesetzesvorhaben in Deutschland3 so vehemente Kritik der juristischen Fachöffentlichkeit erfahren wie die europäischen Diskriminierungsschutz-Richtlinien des Jahres 2000 und deren erster Umsetzungsversuch. Die Rede ist hier von „semantischer Erziehungsdiktatur“4, „ jakobinischem Tugendwächtertum“5, „Totalitarismus“6, „Gesinnungsterrorismus“7 und vielem mehr.8 Die privatrechtlichen Diskriminierungsverbote werden als elementare, seit 1945 bzw. seit 1989 so nicht mehr gekannte Beschneidung von Freiheit angesehen. Die Auseinandersetzung ist in mehrfacher Hinsicht eigenartig: Juristische Argumente sind rar gesät, stattdessen ist die Kritik mit philosophischen Anspielungen gespickt. Unüblich sind auch die Intensität der Kritik und die rhetorische Schärfe, mit der diese Auseinandersetzung geführt wird. Besonders verwunderlich ist aber, dass die privatrechtlichen Diskriminierungsverbote gerade in Bereichen alltäglicher „Kleinverträge“ (etwa bei der Auswahl eines neuen Mieters, eines Nachhilfelehrers oder beim Verkauf gebrauchter Möbel9) besonders hart bekämpft werden, bei denen sie vermutlich kaum Effektivität entfalten können, weil sich ein Diskriminierungsvorwurf hier schon mit geringem Geschick entkräften lässt. Was ist also das Ungewöhnliche an den – hier allein thematisierten10 – schuldvertragsrechtlichen Diskriminierungsverboten, dass sie eine s. insbesondere die sehr materialreiche, rechtsvergleichende Darstellung bei B. Schöbener/ F. Stork Anti-Diskriminierungsregelungen der Europäischen Union im Zivilrecht, ZEuS 2004, 43 (65ff.). 3 Dass „heftige Bedenken“ gegen das neue Antidiskriminierungsrecht in erster Linie ein Phänomen des deutschsprachigen Schrifttums sind, konstatieren B. Schöbener/ F. Stork (Fn. 2), 46 f. Bei genauerem Hinsehen lassen sich Spuren dieser Diskussion allerdings auch in anderen Rechtsordnungen nachweisen. S. etwa R. A. Epstein Forbidden Grounds: The Case Against Employment Discrimination Laws, 1992; T. D. Rakoff Too many Theories, 94 Mich. L. Rev. (1996), 1799 ff.; K. L. McCaw Freedom of Contract versus the Antidiscrimination Principle: A Critical Look at the Tension between Contractual Freedom and Antidiscrimination Provisions, 7 Seton Hall Const. L.J. (1996), 195 ff. mwN; A. Reichman Professional Status and the Freedom to Contract: Toward a Common Law Duty of Non-Discrimination, 14 Can. J.L. & Juris (2001), 79 ff. 4 F.-J. Säcker „Vernunft statt Freiheit!“ – Die Tugendrepublik der neuen Jakobiner, ZRP 2002, 286 (287). 5 F.-J. Säcker (Fn. 4), 286ff. 6 J. Braun Forum: Übrigens – Deutschland wird wieder totalitär, JuS 2002, 424 (424). 7 T. Fahr Deutschland wird wieder totalitär – Echo, JuS 2002, 727. 8 S. die Zusammenstellung von Zitaten bei B. Schöbener/F. Stork (Fn. 2), 46, Fn. 12. 9 S. diese und weitere Beispiele bei F.-J. Säcker (Fn. 4), 288f. 10 Das Spannungsverhältnis von Diskriminierungsschutz und Privatautonomie geht über die schuldvertragsrechtlichen Diskriminierungsverbote hinaus. Es geht einerseits über den rechtsgeschäftlichen Bereich hinaus. Andererseits umfasst es über das Diskriminierungsverbot ieS hinaus auch andere Diskriminierungsschutzziele und -maßnahmen: Beim Schutz
Diskriminierungsschutz und Privatautonomie
359
so merkwürdige, bisweilen geradezu phantomhaft erscheinende Debatte provozieren können? Es sind vor allem drei Merkmale der privatrechtlichen Diskriminierungsverbote, die Hervorhebung verdienen. Bemerkenswert ist erstens die Indifferenz des höherrangigen Rechts gegenüber privatrechtlichen Diskriminierungsverboten (I.). Die genauere Analyse wird zeigen, dass die Entscheidung über die Einführung11 privatrechtlicher Diskriminierungsverbote im Wesentlichen eine politische Frage ist. Wenn das Spannungsverhältnis von Diskriminierungsschutz und Privatautonomie kaum rechtlicher Art ist, fällt naturgemäß auch die rationalisierende Wirkung des juristischen Handwerkszeugs – höherrangiges Recht und Rechtsdogmatik – schwach aus.
vor geschlechtsbezogener Diskriminierung besteht insbesondere ein Spannungsverhältnis zwischen Privatautonomie und dem weiteren Diskriminierungsschutzziel, die Perpetuierung traditioneller Rollenwahrnehmung zu verhindern. S. zu diesem Ziel Art. 5 des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau von 1979 (CEDAW): „Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Maßnahmen, um einen Wandel in den sozialen und kulturellen Verhaltensmustern von Mann und Frau zu bewirken, um so zur Beseitigung von Vorurteilen sowie von herkömmlichen und allen sonstigen auf der Vorstellung von der Unterlegenheit oder Überlegenheit des einen oder anderen Geschlechts oder der stereotypen Rollenverteilung von Mann und Frau beruhenden Praktiken zu gelangen“. Zum verfassungsrechtlichen Verbot der Manifestierung traditioneller Rollen im Geschlechterverhältnis BVerfGE 85, 191 (207); U. Sacksofsky Das Grundrecht auf Gleichberechtigung, 2. Aufl. 1996, 352ff.; vorher bereits in der Tendenz verwandt V. Slupik Die Entscheidung des Grundgesetzes für Parität im Geschlechterverhältnis, 1988, 84ff.; modifizierend S. Baer Würde oder Gleichheit, 1995, 224ff. mwN. – Hier besteht ein Konflikt zwischen Diskriminierungsschutz und Privatautonomie bezüglich der Frage, inwiefern der Staat in die innerfamiliäre (üblicherweise nicht durch Rechtsgeschäft vereinbarte) Rollenund Aufgabengestaltung von Mann und Frau „hineinregieren“ soll oder darf, s. Überblick bei S. Raasch Familienschutz und Gleichberechtigung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Streit 2002, 51ff. So treffen beispielsweise bei der Auseinandersetzung um das steuerrechtliche „Ehegattensplitting“ einerseits ein diskriminierungsschutzrechtliches Interesse an der Überwindung traditioneller Rollenverteilung und andererseits die von Privatautonomie, spezifiziert als „Familienautonomie“, geleitete Vorstellung, der Staat möge sich hier nicht einmischen, aufeinander. Zu „Familienautonomie“ demnächst M. Schuler-Harms Familienleistungsausgleich als Herausforderung an das Verfassungsrecht – Unter Berücksichtigung von Familienautonomie und staatlicher Nachwuchssicherungspolitik, Habil. Hamburg 2003, Kapitel 6. Zum „Ehegattensplitting“: F. Vollmer Das Ehegattensplitting, 1998; U. Sacksofsky Steuerung der Familie durch Steuern, NJW 2000, 1896ff. mwN; F. Ekardt Familienförderung durch Steuerrecht?, KJ 2004, 117 (129f.). 11 Hat man sich für die Einführung privatrechtlicher Diskriminierungsverbote entschieden, wirft das „Wie“, d. h. die Ausgestaltung im Einzelnen, zahlreiche Fragen auf, die mit juristischem, insbesondere mit zivilrechtlichem Sachverstand beantwortet werden können. Beispielhaft seien die Ausgestaltung der Ausnahmetatbestände, Rechtsfolgen und Beweislastregeln genannt. Dazu D. Schiek Gleichbehandlungsrichtlinien der EU – Umsetzung im deutschen Arbeitsrecht, NZA 2004, 873ff.
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Eine zweite Eigenschaft (II.) der privatrechtlichen Diskriminierungsverbote ist die Neuartigkeit ihres Regelungsgehalts. Die Diskriminierungsverbote finden im allgemeinen deutschen Zivilrecht keine Vorläufer. Auch die dritte Eigenart (III.) hat mit dem Inhalt der Diskriminierungsverbote zu tun. Privatrechtliche Diskriminierungsverbote sind insofern etwas Besonderes, als sie neue Verhaltensnormen kodifizieren, über deren „nur moralischen“ Stellenwert schon keine Einigkeit besteht. Die Auseinandersetzung um privatrechtliche Diskriminierungsverbote ist darum zugleich Streit um kontroverse Gerechtigkeitsanforderungen an privates Verhalten. Auch das wird am Ende manche Merkwürdigkeit dieser Debatte erklären.
I.
Indifferenz des höherrangigen Rechts gegenüber privatrechtlichen Diskriminierungsverboten
Die Entscheidung über die Einführung privatrechtlicher Diskriminierungsverbote wird dem europäischen und dem deutschen Gesetzgeber weder in die eine noch in die andere Richtung durch höherrangiges Recht deutlich vorgegeben.12 1.
Gebieten höherrangige Normen privatrechtliche Diskriminierungsverbote?
Im europäischen Primärrecht finden sich, vom unmittelbar13 wirkenden Verbot der Geschlechterdiskriminierung im Arbeitsverhältnis (Art. 141 EG) abgesehen, keine ausdrücklichen Vorgaben zum privatrechtlichen Diskriminierungsschutz.14 Völkerrechtlich ist die Bundesre-
12 Selbstverständlich machen die Richtlinien dem nationalen Recht Vorgaben. Sie sind jedoch selbst Gegenstand, nicht Maßstab der Auseinandersetzung. 13 Dazu statt vieler C. Langenfeld Die Gleichbehandlung von Mann und Frau im Gemeinschaftsrecht, 1990, 86ff. mwN. 14 In Art. I-2 des EU -Verfassungsentwurfs wird „Nichtdiskriminierung“ nun allerdings als Kennzeichen der Gesellschaft ausgewiesen. Art. 39 EG gilt als den Arbeitgeber unmittelbar bindendes Diskriminierungsverbot, betrifft jedoch nur Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit. Bezüglich der übrigen Grundfreiheiten und Art. 12 EG ist bereits die Drittwirkung streitig. Art. 13 EG ist ohnehin nur Kompetenznorm. In der rechtlich noch nicht verbindlichen Charta der Grundrechte der EU findet sich in Art. 23 ein Gebot zur Sicherstellung der Gleichheit von Männern und Frauen im Arbeitsverhältnis. Soweit europäische grundrechtliche Diskriminierungsverbote darüber hinaus auf die Privatrechtsverhältnisse einwirken, ist dies vom europäischen „Zivilrechtsgesetzgeber“ zu beachten. Diese „Ausstrahlungswirkung“ ist jedoch wie im deutschen Grundrechtsschutz allen-
Diskriminierungsschutz und Privatautonomie
361
publik verpflichtet, Maßnahmen zu treffen, die Frauen- und Rassendiskriminierung auch in Privatrechtsverhältnissen unterbinden.15 Allerdings besteht über den Umfang dieser Pflichten angesichts umstrittener Ausnahmebestimmungen keine Einigkeit.16 Die Grundrechte des Grundgesetzes gehen hierüber kaum hinaus.17 Als einschlägige Norm käme Art. 3 Abs. 3 GG18 in Betracht. Mangels unfalls schwach ausgeprägt, s. zu Art. 14 EMRK D. König/A. Peters in: Grote/Marauhn (Hrsg.) Konkordanz-Kommentar EMRK- GG (im Erscheinen), Art. 14 Rn. 88. 15 Hervorzuheben sind das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung von 1966 (ICERD) und das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau von 1979 (CEDAW). S. insbesondere Art. 2 lit. d CEDAW und Art. 2 lit. d sowie Art. 5 lit. f ICERD. Beide verpflichten die Vertragsstaaten, Diskriminierung in privaten Beziehungen zu unterbinden; zur Drittwirkung von Art. 5 lit. f ICERD umfassend M. Fries Die Bedeutung von Artikel 5 (f) der Rassendiskriminierungskonvention im deutschen Recht, 2003; s. auch B.-O. Bryde Die Tätigkeit des Ausschusses gegen jede Form der Rassendiskriminierung, in: Klein (Hrsg.) Rassische Diskriminierung – Erscheinungsformen und Bekämpfungsmöglichkeiten, 2002, 61 (65f.); R. Wolfrum Das Verbot der Rassendiskriminierung im Spannungsfeld zwischen dem Schutz individueller Freiheitsrechte und der Verpflichtung des einzelnen im Allgemeininteresse, FS Schneider, 1990, 515ff. Die „horizontale“ Bedeutung des Diskriminierungsverbots des Art. 26 des Übereinkommens zum Schutz Bürgerlicher Rechte und Politischer Rechte ist hingegen streitig, s. C. Tomuschat Equality and Non-Discrimination under the International Covenant on Civil and Political Rights, FS Schlochauer, 1981, 691 (710f.). – Nachweise zu völkerrechtlichen Übereinkommen zur Herstellung von Chancengleichheit für Behinderte bei S. M. Straßmair Der besondere Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG, 2002, 132f. 16 Im Rassendiskriminierungsübereinkommen gelten – hier einschlägige – Vorbehalte für das nicht „öffentliche Leben“ (Art. 1 Abs. 1 ICERD) bzw. für Dienstleistungen, die nicht für die „Öffentlichkeit“ vorgesehen sind (Art. 5 lit. f ICERD). Was dies im Einzelnen bedeutet, ist sehr streitig, dazu T. Meron The Meaning and Reach of the International Convention on the Elimination of all forms of racial Discrimination, 79 AJIL (1985), 283 (291 ff.); M. Fries (Fn. 15), 33ff. 17 Dass privatrechtlicher Diskriminierungsschutz nicht umfassend verfassungsrechtlich geboten ist, bedeutet allerdings nicht, dass er unzulässig wäre. Der Gesetzgeber darf Eingriffe in Freiheitsgrundrechte nicht nur aufgrund verfassungsrechtlicher Gebote, sondern auch zu sonstigen legitimen Zwecken vornehmen. Die Verhinderung von Diskriminierung kann ein legitimer politischer Zweck sein. 18 Im Einzelfall kann eine Diskriminierung auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG berühren. Diesem kommt eine objektive Bedeutung zu, die sich im Privatrechtsverkehr etwa über die Sittenwidrigkeitsklauseln der §§ 138 und 826 BGB realisieren lässt. Es verstößt jedoch nicht jede Diskriminierung ohne weiteres gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Dazu treffend R. Nickel Gleichheit und Differenz in der vielfältigen Republik, 1999, 145 mwN. Zwar besteht ein enger rechtsphilosophischer Zusammenhang zwischen Gleichheit und Schutz der Menschenwürde, dessen Ausprägung die Gleichheitsgarantie ist, s. nur S. Gosepath Gleiche Gerechtigkeit, 2004, 164ff. Nicht jede Diskriminierung hat jedoch sogleich die Qualität einer justitiablen Würdeverletzung, H. Dreier in: ders. (Hrsg.) GG I, 2. Aufl. 2004, Art. 1 I Rn. 139; M. Herdegen in: Maunz/
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mittelbarer Drittwirkung19 müsste sich – damit die Diskriminierungsverbote horizontale Wirkung entfalten können – eine Verpflichtung des Staates konstruieren lassen, vor privater Diskriminierung durch Dritte zu schützen.20 Dies wird hier jedoch im Gegensatz zu anderen Grundrechten21 weitgehend abgelehnt22 bzw. auf bestimmte Konstellationen be-
Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 113 (Stand: Februar 2003); P. Rädler Verfahrensmodelle zum Schutz vor Rassendiskriminierung, 1999, 24 mwN. Zu den Schwächen einer auf die Menschenwürde bauenden Diskriminierungsschutzkonzeption S. Baer (Fn. 10), 214ff. – Es wird auch mit der Vertragsfreiheit der Diskriminierten argumentiert: Erst der Schutz vor Diskriminierung entfalte die Privatautonomie des Diskriminierungsopfers; vgl. B. Schöbener/F. Stork (Fn. 2), 61f.; J. Neuner Privatrecht und Sozialstaat, 1998, 155; M. Mahlmann Gerechtigkeitsfragen im Gemeinschaftsrecht, in: Rust/Däubler/Falke/Lange/Plett/Scheiwe/Sieveking (Hrsg.) Die Gleichbehandlungsrichtlinien der EU und ihre Umsetzung in Deutschland, 2003, 47 (59); ders. Gleichheitsschutz und Privatautonomie, ZEuS 2002, 407 (421); D. Schiek (Fn. 2), 138; H. Wiedemann/G. Thüsing (Fn. 1), 463. Die Vertragsfreiheit „gewährleistet“ jedoch nicht die tatsächliche Möglichkeit des Vertragsschlusses im Sinne der Verfügbarkeit eines kontrahierungswilligen Geschäftspartners. Die Handelsvertreterund die Bürgschaftsentscheidung des BVerfG, die hier häufig angeführt werden, unterstellen zwar eine staatliche Schutzfunktion bezüglich der Privatautonomie, betreffen dabei jedoch andere Fallkonstellationen, s. unten II. 2. b). 19 So die ganz überwiegende Meinung. Für unmittelbare Drittwirkung aber W. Leisner Grundrechte und Privatrecht, 1960, 359, der jedoch zahlreiche Einschränkungen macht. Weitergehend auch C.-W. Canaris Grundrechte und Privatrecht, AcP 184 (1984), 201 (235ff.), sowie wohl auch W. Rüfner Drittwirkung der Grundrechte, FS Martens, 1987, 215 (227). Selbst J. Schwabe Die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte, 1971, 151f., der ansonsten eine Einwirkung der Grundrechte auf Privatrechtsverhältnisse konstruiert, verneint diese bei Art. 3 GG, macht allerdings bei Art. 3 Abs. 3 GG einige Rückausnahmen. 20 Die sogenannte mittelbare Drittwirkung wird hier grundrechtsdogmatisch als Folge einer staatlichen Schutzpflicht verstanden. R. Poscher Grundrechte als Abwehrrechte, 2003, 315 ff., konstruiert die Grundrechtswirkung in mehrpoligen Rechtsverhältnissen nun über ein „reflexives“ abwehrrechtliches Verständnis. 21 Wie bei Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG wird eine Schutzpflicht allerdings ganz überwiegend erst recht bei Art. 3 Abs. 1 GG verneint: J. Dietlein Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 1992, 84; M. Ruffert Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, 2001, 175; M. Fries (Fn. 15), 250 mwN; W. Cremer Freiheitsgrundrechte, 2003, 420 mwN. 22 Das ist streitig. Grundsätzlich befürwortend R. Nickel (Fn. 18), 134 ff. mwN; so angedeutet auch bei L. Osterloh in: Sachs (Hrsg.) GG, 3. Aufl. 2003, Art. 3 Rn. 237; iE ähnlich M. Eckertz-Höfer in: Denniger/Hoffmann-Riem/Schneider/Stein (Hrsg.) AK-GG, Art. 3 Abs. 2, 3 Rn. 93 (Stand: 2001). Grundsätzlich ablehnend J. Isensee Das Grundrecht als Abwehrrecht und als staatliche Schutzpflicht, HStR V, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 96; M. Ruffert (Fn. 21), 493f.; W. Heun in: Dreier (Hrsg.) GG I, 2. Aufl. 2004, Art. 3 Rn. 138; K. Stern Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III /1, 1988, 1580 f. (zur Drittwirkung); trotz anderer dogmatischer Konstruktion im Ergebnis ebenso R. Poscher (Fn. 20), 337 ff.; skeptisch zur Herleitung von Schutzpflichten aus Gleichheitsgrundrechten auch U. Sacksofsky Gleichberechtigung (Fn. 10), 201.
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schränkt.23 Angesichts der nach wie vor herrschenden Prämissen ist das konsequent: Eine drittgerichtete Schutzpflicht setzt denklogisch24 wenigstens eine programmatische25 „Drittgerichtetheit“ des Grundrechts voraus.26 Wenn Private Grundrechte beliebig beeinträchtigen dürften, wäre da nichts, wovor der Gesetzgeber schützen müsste. Die allgemeine Erkenntnis, dass der Gesetzgeber auch vor Grundrechtsbeeinträchtigungen durch Dritte schützen muss, hilft nicht weiter, solange man eben nicht
23 S. W. Heun (Fn. 22), Rn. 138; C. Starck in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.) GG I, 4. Aufl. 1999, Art. 3 Rn. 341, 347; H.-J. Papier Zur Frage der Einführung eines Prämienzuschlags für ausländische Versicherungsnehmer in der Kraftfahrzeug-Haftpflicht-Versicherung, ZVersWiss 1982, 461 (474 f., 482ff.). Oft wird dem Diskriminierungsmerkmal „Rasse“ ein weitergehender objektiver Gehalt beigemessen, der Grundlage einer Schutzpflicht sein kann, M. Fries (Fn. 15), 250 mwN; P. Rädler (Fn. 18), 25 mwN. Es werden Konstellationen in den Vordergrund gerückt, in denen die Diskriminierung zur Verletzung des verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsrechts führt. Vgl. M. Sachs Besondere Gleichheitsgarantien, HStR V, 2. Aufl. 2000, § 126 Rn. 121; M. Ruffert (Fn. 21), 177, 494; J. Neuner (Fn. 18), 153; J. A. Frowein Die Überwindung von Diskriminierung als Staatsauftrag in Art. 3 Abs. 3 GG, FS Zacher 1998, 157 ff.; P. Rädler (Fn. 18), 28f. Ebenso bezüglich der Drittwirkung von Art. 3 Abs. 3 GG J. Salzwedel Gleichheitsgrundsatz und Drittwirkung, FS Jahrreiss, 1964, 339 (349f.); ähnlich H. Huber Die Bedeutung der Grundrechte für die sozialen Beziehungen unter den Rechtsgenossen, in: Forsthoff (Hrsg.) Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, 1968, 259 (289); R. Zippelius Der Gleichheitssatz, VVDStRL 47 (1988), 7 (12 f.). 24 Treffend K. Doehring Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl. 1984, 206: „Das Gericht hat Grundrechte zu beachten, soweit sie gelten; nicht etwa gelten sie, weil ein Gericht entscheidet“; ähnlich J. Isensee (Fn. 22), Rn. 134; W. Höfling Vertragsfreiheit, 1991, 51 mwN; R. Alexy Theorie der Grundrechte, 1994, 490f.; M. Bäuerle Vertragsfreiheit und Grundgesetz, 2001, 328; H.-G. Suelmann Die Horizontalwirkung des Art. 3 II GG, 1994, 104 ff. 25 Zur ungebrochenen Aktualität der programmatischen Dimension der Grundrechte B.-O. Bryde Programmatik und Normativität der Grundrechte, in: Merten/Papier (Hrsg.) Handbuch der Grundrechte, Bd. I, 2004, 679 ff. 26 Zur Begründung dieser Drittgerichtetheit „klassisch“ G. Dürig in: Maunz/ders. GG , 6. Aufl., Art. 1 Abs. I Rn. 48: „Es wäre ein Widerspruch in sich, wenn der Einzelmensch vom Staat (also letztlich von den im Staat organisierten Mitmenschen) die Erfüllung der positiven Schutzpflicht zur Abwehr von Angriffen auf die Menschenwürde gegenüber allen möglichen Angreifern verlangen könnte, ohne seinerseits bereit zu sein, die Erfüllung dieser absoluten staatlichen Schutzpflicht überhaupt erst zu ermöglichen. … Bereits in Art. 1 I wird also der Mensch auch als Pflichtsubjekt vorausgesetzt …“. S. auch J. Isensee (Fn. 22), Rn. 103: Der staatsgerichtete, abwehrrechtliche Grundrechtsschutz liefe leer, wenn die Integrität der Schutzgüter nicht auch gegen private Übergriffe gewährleistet würde. Ähnlich J. Neuner (Fn. 18), 153; J. Dietlein (Fn. 21), 54f.; U. Volkmann Solidarität – Programm und Prinzip der Verfassung, 1998, 251 ff. H. Hofmann Grundpflichten und Grundrechte, HStR V, 2. Aufl. 2000, § 114 Rn. 7, zieht eine (vorsichtige) Konstruktion von Grundpflichten heran.
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weiß, ob private Diskriminierung eine Grundrechtsbeeinträchtigung ist.27 Genau darüber konnte jedoch für Art. 3 Abs. 3 GG a.F. – anders als bei anderen Grundrechten – weder bei der Entstehung des Grundgesetzes noch danach eine Verständigung erzielt werden. Das Recht, beim privaten Vertragsschluss beliebig differenzieren zu dürfen, galt vielen schon immer als Essential einer ihren Namen verdienenden Privatrechtsordnung.28 Davon abgesehen sind die in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG aufgeführten Merkmale zu divers, die Effekte von Diskriminierungen in verschiedenen Situationen zu unterschiedlich, als dass sich die Drittgerichtetheit der Diskriminierungsverbote einheitlich bejahen ließe.29 Eine objektive Dimension, die mittelbar in die Privatrechtsverhältnisse hineinwirkt, hat freilich das Gleichberechtigungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG .30 Im Geschlechterverhältnis31 geht das Verfassungsrecht also – wie 27 Ähnlich für die parallele Frage nach der Drittwirkung von Grundfreiheiten T. Körber Innerstaatliche Anwendung und Drittwirkung der Grundfreiheiten?, EuR 2000, 932 (948). 28 S. nur F. Bydlinsky Zu den Grundfragen des Kontrahierungszwanges, AcP 180 (1980), 1 (33): „Privatautonomie ist die rechtliche Möglichkeit willkürlicher Selbstgestaltung durch die Beteiligten“; C.-W. Canaris Drittwirkung der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten, in: Bauer/Czybulka/Kahl/Voßkuhle (Hrsg.) Umwelt, Wirtschaft und Recht, 2002, 15 (36): „Grundstruktur“; L. Raiser Vertragsfreiheit heute, JZ 1958, 1 (1): „für den Aufbau des Zivilrechts charakteristisches Prinzip“; C. Heinrich Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, 47: „ungeschriebenes Grundprinzip“, „grundlegendes Ordnungsprinzip“; ähnlich W. Zöllner Regelungsspielräume im Schuldvertragsrecht, AcP 196 (1996), 1 (3). 29 Zur Schwierigkeit, privatgerichtete Normgehalte des Art. 3 Abs. 3 GG zu erkennen, treffend U. Mager Möglichkeiten und Grenzen rechtlicher Maßnahmen gegen die Diskriminierung von Ausländern, ZAR 1992, 170 (171); zur fehlenden Stringenz der Zuordnung bei der Bejahung und Verneinung privatrechtswirksamer Gehalte von Art. 3 Abs. 3 GG auch R. Poscher (Fn. 20), 342f. 30 Wegen Art. 3 Abs. 2 GG sprechen verfassungssystematische Gründe gegen eine Drittgerichtetheit von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG. Der Verfassungsgeber hat mit Art. 3 Abs. 2 GG für das Geschlechterverhältnis einen Gleichberechtigungsauftrag normiert; dogmatisch grundlegend U. Sacksofsky Gleichberechtigung (Fn. 10). Dieser Verfassungsauftrag ist Grundlage gesetzlicher Diskriminierungsschutzmaßnahmen zugunsten von Frauen in privatrechtlichen Beziehungen; besonders deutlich BVerfGE 89, 276 (285f.); s. auch L. Osterloh (Fn. 22), Rn. 262. Dogmatisch sorgfältig herausgearbeitet wird der Zusammenhang von objektivrechtlicher Entscheidung und „Horizontalwirkung“ von Art. 3 Abs. 2 GG von H.-G. Suelmann (Fn. 24), 114ff. Privatrechtliche Diskriminierungsverbote wegen des Geschlechts haben ihren verfassungsrechtlichen Anker darum in Art. 3 Abs. 2 GG, nicht etwa im staatsgerichteten Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG. Für die anderen Merkmale des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG besteht ein solcher Auftrag jedoch nicht; dieser Unterschied wird herausgestellt in BVerfGE 85, 191 (206f.); s. auch BVerfGE 92, 91 (109). Mithin fehlt es insoweit am verfassungsrechtlichen Anker einer „Drittgerichtetheit“. Gegen dieses systematische Argument J. A. Frowein (Fn. 23), 161. 31 Weitergehende objektive Wirkung hat eventuell auch der Schutz Behinderter vor Diskriminierung nach Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG. Die Bedeutung des neueren, heraus-
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das Völkerrecht – weiter, lässt dem Gesetzgeber allerdings reichlich Spielraum für die Ausgestaltung. In der Summe sind Pflichten zum Erlass zivilrechtlicher Diskriminierungsverbote also nur schwach ausgeprägt. 2.
Steht die Vertragsfreiheit privatrechtlichen Diskriminierungsverboten entgegen?
Fragt man nun nach höherrangigen Normen, die privatrechtlichen Diskriminierungsverboten entgegenstehen, ist zunächst an die Vertragsfreiheit zu denken. Die Vertragsfreiheit ist durch privatrechtliche Diskriminierungsverbote zweifellos berührt. Diskriminierungsverbote schränken die Möglichkeiten ein, bei der Auswahl des Vertragspartners und der Gestaltung der Vertragsbedingungen beliebig nach eigenen Präferenzen zu differenzieren, und treffen damit die herrschende Idee von Privatautonomie im Kern.32 Der Vertrag gilt als Instrument zur Sicherung der Herrschaft des freien Willens. Mit dem Vertrag soll dem Individuum das juristische Mittel „zur Durchsetzung des persönlichen Willens“ an die Hand gegeben werden, „das Mittel, … sich das Milieu zu schaffen, das man zur Entfaltung der Persönlichkeit benötigt“.33 Die Offenheit des Vertragsrechts für die Realisierung individueller Präferenzen ist für den Privatautonomiegedanken von grundlegender Bedeu-
gehobenen Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG für Privatrechtsverhältnisse ist noch nicht abschließend geklärt. Dazu BVerfG, NJW 2000, 2658 (2659); J. A. Frowein (Fn. 23), 161 f.; J. Caspar Das Diskriminierungsverbot behinderter Personen nach Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG und seine Bedeutung in der aktuellen Rechtsprechung, EuGRZ 2000, 135 (140 ff.); J. Neuner Die Stellung Körperbehinderter im Privatrecht, NJW 2000, 1822 (1823 f.); U. Davy Das Verbot der Diskriminierung wegen einer Behinderung im deutschen Verfassungsrecht und im Gemeinschaftsrecht, in: Eichenhofer (Red.) Die Behinderten in der sozialen Sicherung, 2002, 7 (35); S. M. Straßmair (Fn. 15), 188 ff., 252 ff.; zurückhaltend hingegen L. Osterloh (Fn. 22), Rn. 307 mwN; M. Sachs Das Grundrecht der Behinderten aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG , RdJB 1996, 154 (163); BAGE 81, 120 (129). Das Bundesverfassungsgericht hat nun einen Zusammenhang zwischen Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG und einfachgesetzlichen Diskriminierungsverboten und Kündigungsvorschriften zugunsten Behinderter hergestellt: BVerfGE 109, 64 (95). 32 Treffend D. Schiek Differenzierte Gerechtigkeit, 2000, 296f. S. auch C.-W. Canaris (Fn. 28), 44, der im Kontext der Drittwirkung der Grundfreiheiten feststellt, es mache „gerade ein Essentiale der Privatautonomie aus, dass die Parteien ihren privaten Interessen nachgehen dürfen, ohne öffentliche Interessen in irgendeiner Weise mitwahrnehmen zu müssen, ja dass sie grundsätzlich überhaupt keiner Legitimationspflicht oder -last hinsichtlich der von ihnen verfolgten Interessen unterliegen“. 33 F. Laufke Vertragsfreiheit und Grundgesetz, FS Lehmann, Bd. I, 1956, 145 (162).
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tung.34 Dass Privatautonomie tatsächlich niemals im Sinne „unbegrenzter Freiheit“ realisiert35 und auch von der Privatrechtswissenschaft des hierfür gern zitierten 19. Jahrhunderts kaum so vorgestellt war,36 widerspricht dem nicht. Selbst wenn man nun mit der Vertragsfreiheit des Grundgesetzes37 gleich den strengsten Grundrechtsmaßstab gegen die Diskriminierungsverbote heranzieht, bestehen jedoch keine grundlegenden verfassungsrechtlichen 34 Dass die bürgerliche Forderung nach dem vertragsrechtlichen Primat formaler Willensfreiheit historisch nicht nur als Freiheitssicherung gegenüber dem monarchischen Staat, sondern zugleich als Maßnahme der Besitzstandswahrung gegenüber dem sich formierenden „vierten Stand“ gedeutet werden kann, hat der Karriere der Idee bis heute im Ergebnis keinen Abbruch getan. Dazu M. Bäuerle (Fn. 24), 51 ff. mwN. „Klassisch“ und viel zitiert die Beschreibung der Wirkung formaler Vertragsfreiheit von M. Weber Wirtschaft und Gesellschaft, 5. Aufl. 1980, Kapitel VII : Rechtssoziologie, 439 f.: „Das Resultat der Vertragsfreiheit ist also in erster Linie: die Eröffnung der Chance, durch kluge Verwendung von Güterbesitz auf dem Markt diesen unbehindert durch Rechtsschranken als Mittel der Erlangung von Macht über andere zu nutzen. Die Marktmachtinteressenten sind die Interessenten einer solchen Rechtsordnung. In ihrem Interesse vornehmlich liegt insb. die Schaffung von ‚Ermächtigungsrechtssätzen‘, welche Schemata von gültigen Vereinbarungen schaffen, die bei formaler Freiheit der Benutzung durch alle doch tatsächlich nur den Besitzenden zugänglich sind und also im Erfolge deren und nur deren Autonomie und Machtstellung stützen.“ S. auch U. Volkmann (Fn. 26), 162 ff. mwN. 35 Die wohl meistzitierte Feststellung eines Staatsrechtslehrers zu diesem Thema ist heute so richtig wie vor über vierzig Jahren: „Die Geschichte der Vertragsfreiheit ist die ihrer Beschränkung!“, W. Leisner (Fn. 19), 323 f. Dazu auch L. Raiser (Fn. 28), 2 ff.; F. Laufke (Fn. 33), 163; K. Hesse Verfassungsrecht und Privatrecht, 1988, 31 ff.; D. Medicus Abschied von der Privatautonomie im Schuldrecht?, 1994, 9; E. Eichenhofer Die sozialpolitische Inpflichtnahme von Privatrecht, JuS 1996, 857 ff. Eine systematische Darstellung der Einschränkungen von Privatautonomie findet sich bei C. G. Paulus/ W. Zenker Grenzen der Privatautonomie, JuS 2001, 1 ff. Die Diskussion um die Relativierung der Vertragsfreiheit als Folge zunehmender Sozialstaatlichkeit ist nicht allein ein deutsches Phänomen; s. G. Gilmore The Death of Contract, 1974; P. S. Atiyah The Rise and Fall of Freedom of Contract, 1979; Scheiber (Hrsg.) The State and Freedom of Contract, 1998; s. auch die Nachweise bei S. Riesenfeld Einführungsvortrag, in: Armbrüster/Franzen/Georgi/Haertlein/Heermann/Sieker/Wolframm (Hrsg.) Privatautonomie und Ungleichgewichtslagen, 1996, 9 (11 f.). 36 S. Hofer Freiheit ohne Grenzen?, 2001, hat gezeigt, dass Privatautonomie im Sinne grundsätzlich unbeschränkter Freiheit in der Privatrechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts allenfalls von einer sehr kleinen Minderheit als Prinzip des Privatrechts angesehen wurde, und gelangt zur Einschätzung, das traditionelle Bild des Privatrechtsmodells des 19. Jahrhunderts sei ein Mythos. 37 Sofern die Richtlinien zugrunde liegen, kann die Vertragsfreiheit des Grundgesetzes bekanntlich ohnehin kaum einen Prüfungsmaßstab bilden. Die europarechtliche Vertragsfreiheit geht nicht über die Gewährleistung des Grundgesetzes hinaus; dazu B. Schöbener/F. Stork (Fn. 2), 55ff.
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Einwände. Wenn Diskriminierungsschutzvorschriften Vorgaben für den Vertragsabschluss oder für die Ausgestaltung eines Rechtsgeschäfts machen, greifen sie zwar nach herrschender Grundrechtsdogmatik in die – wiewohl normativ konstituierte38 – Vertragsfreiheit39 ein40 oder beeinträchtigen die bereichsspezifischen Grundrechte41, wie etwa die Eigentumsgarantie des Vermieters oder die Berufsfreiheit des Arbeitgebers. Dieser Grundrechtseingriff ist rechtfertigungsbedürftig. Grundsätzlich ist er jedoch auch rechtfertigungsfähig.42 Letzteres ist eine Frage des Einzelfalls.43 38 Zur normativen Konstituierung der Vertragsfreiheit etwa W. Höfling (Fn. 24), 20ff. Allgemein zu „konstituierten Rechtspositionen“ G. Lübbe-Wolff Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, 1988, 75ff.; ähnlich R. Alexy (Fn. 24), 215 ff.; inhaltlich verwandt lässt sich Vertragsfreiheit auch mit D. Suhr Freiheit durch Geselligkeit, EuGRZ 1984, 529 (545) als „positive Freiheit von Menschen durch Menschen“ beschreiben; ausführlich ders. Entfaltung des Menschen durch den Menschen, 1976. 39 Vertragsfreiheit wird als Teil der grundrechtlich gewährleisteten Privatautonomie angesehen, die das Grundgesetz als „Selbstbestimmung des Einzelnen im Rechtsleben“ gewährleiste, BVerfGE 89, 214 (231) mwN. 40 Dass Einschränkungen der Abschluss- und Ausgestaltungsfreiheit trotz der besonderen leistungsrechtlichen Dimension der normativ konstituierten Vertragsfreiheit grundrechtsdogmatisch als Eingriffe, nicht bloß als gesetzgeberische Ausgestaltung der Vertragsfreiheit anzusehen sind, zeigen mit unterschiedlichen Begründungen etwa W. Höfling (Fn. 24), 38; G. Manssen Privatrechtsgestaltung durch Hoheitsakt, 1994, 153; M. Ruffert (Fn. 21), 307ff.; W. Cremer (Fn. 21), 188 ff., 469ff. Vom Eingriffscharakter geht auch BVerfGE 81, 242 (255), bezüglich der wohl als lex specialis herangezogenen Berufsfreiheit aus. Weniger deutlich hingegen in BVerfGE 89, 214 (231); 97, 169 (176 f.). Die Interpretation W. Cremers ebenda, 476, 478 f., dass das BVerfG der Vertragsfreiheit auf beiden Seiten nur noch objektiven Gehalt beimesse, ist möglich, mE jedoch nicht zwingend. Zum „Ausgestaltungscharakter“ vertragsrechtlicher Regelungen hingegen etwa C. Bumke Der Grundrechtsvorbehalt, 1998, 96f.; M. Gellermann Grundrechte in einfachgesetzlichem Gewande, 2000, 131 ff. mwN, der der Vertragsfreiheit beiläufig (ebenda, 143 Fn. 306) allerdings doch „staatsabwehrenden Charakter“ beimisst, wenn der Gesetzgeber im Zuge der Neuordnung eines Rechtsgebiets bislang bestehende Möglichkeiten privatautonomer Gestaltung verschließt. Dies ist ein praktisch sehr bedeutsamer Vorbehalt, der auch die hier diskutierten Diskriminierungsverbote erfasst. 41 Zu den bereichsspezifischen Grundrechten etwa W. Höfling (Fn. 24), 14 ff.; M. Bäuerle (Fn. 24), 373 ff.; M. Ruffert (Fn. 21), 294ff. 42 Ausführlich zur Rechtfertigung B. Schöbener/F. Stork (Fn. 2), 61 ff. mwN. 43 Demgegenüber gelten die privatrechtlichen Diskriminierungsverbote einigen als Übergriff auf das „Strukturelement“ des Privatrechts. S. nur E. Picker Antidiskriminierungsgesetz – Der Anfang vom Ende der Privatautonomie?, JZ 2002, 880ff. Ähnlich lautet der gängige Einwand gegen die unmittelbare Drittwirkung von Grundrechten, s. nur C.-W. Canaris (Fn. 19), 209f., sowie bereits früh G. Dürig Grundrechte und Zivilrechtsprechung, FS Nawiasky, 1956, 157 (158f.). Dagegen die Kritik von W. Leisner (Fn. 19), 323, der diesbezüglich von „merkwürdigen, kryptoliberalen, meist unausgesprochenen, Reminiszenzen von irgend etwas ‚originär-Unantastbarem‘, das ‚grundsätzlich‘ hier der Einwirkung des Staats entzogen werden müsse“, spricht. Der Versuch, ein den Gesetzgeber bindendes,
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3.
Steht der rechtliche Schutz von „Privatheit“ privatrechtlichen Diskriminierungsverboten entgegen?
a)
Das „Private“ als Schlüsselbegriff und geistesgeschichtliche Anspielung
Bei genauerem Hinsehen ist es denn auch gar nicht so sehr der Vertrag als Instrument der Willensdurchsetzung, um den die Gegner privatrechtlicher Diskriminierungsverbote bangen. Deren zentrales Anliegen ist vielmehr die Wahrung von „Privatheit“44. „Das Private“ ist Schlüsselbegriff der Auseinandersetzung mit den Diskriminierungsverboten. Verhindert werden soll vor allem, dass in die eher alltäglichen, „kleinen“, eben für „privat“ befundenen Geschäfte oder gar in Fragen der „privaten Moral“ hineinregiert wird.45 Demgegenüber scheinen die ökonomischen Effekte, die bestimmte Diskriminierungsverbote im „größeren“ unternehmerischen Geschäftsverkehr entfalten können, die allgemeine juristische Öffentlichkeit weniger zu interessieren. Selbst der Protest gegen einen neuen Richtlinienvorschlag von 2003,46 der ökonomisch offensichtlich relevant ist, weil er u. a. auf Unisex-Tarife in der privaten Versicherungswirtschaft abzielt, ist bislang verhalten.47 Jedenfalls hat er keinen vergleichbaren Widerhall in der allgemeinen juristischen Literatur gefunden.48 autonomes Prinzip des einfachen Rechts zur Geltung zu bringen, ist jedoch verfassungsrechtlich ebenso abzulehnen wie Versuche der Erhebung solcher autonomer Prinzipien in Verfassungsrang, das gesetzgeberische Handeln ist allein an den konkreten grundrechtlichen Gewährleistungen zu messen, s. H. Dreier Dimensionen der Grundrechte, 1993, 58; G. Manssen (Fn. 40), 158f. mwN; G. Hermes Verfassungsrecht und einfaches Recht – Verfassungsgerichtsbarkeit und Fachgerichtsbarkeit, VVDStRL 61 (2001), 119 (126). Für das Verhältnis des bürgerlichen Rechts zum Verfassungsrecht statt vieler M. Jestaedt Grundrechtsentfaltung im Gesetz, 1999, 22ff., mit umfassenden Nachweisen. 44 Früh findet sich diese mittlerweile gängige Formulierung bereits bei G. Rüpke Der verfassungsrechtliche Schutz der Privatheit, 1976. 45 Dass das Diskriminierungsverbot über die Rassendiskriminierung hinaus bezüglich aller Merkmale auch auf diese „kleinen“ Verträge von Privatpersonen erstreckt werden sollte, stand im Zentrum der Vorwürfe gegen den deutschen Gesetzentwurf von 2001. 46 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Frauen und Männern beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, KOM (2003) 657 endgültig. Laut Meldung der Financial Times Deutschland vom 30. September 2004 ist die Kommission mit ihrem Vorstoß, die Mitgliedstaaten zur Einführung einheitlicher Versicherungstarife für Männer und Frauen zu verpflichten, allerdings gescheitert. 47 Kritisch K. Riesenhuber/J.-U. Franck Verbot der Geschlechtsdiskriminierung im Europäischen Vertragsrecht, JZ 2004, 529ff. 48 Wenn demgegenüber konstatiert wird, es sei „Lobbyerfolg der Versicherungswirtschaft“, dass der Schutz gegen Geschlechterdiskriminierung im Vergleich zum Schutz durch die Rassendiskriminierungsrichtlinie (2000/43/EG) geringer ausfällt (s. nur D. Schiek Das europäische Antidiskriminierungsrecht, in: Deutscher Juristinnenbund
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Wenn nun die Schutzwürdigkeit des Privaten gegenüber „moralverordnender Intervention“49 der Öffentlichkeit hervorgehoben und gerade die Diskriminierungsverbote „im Kleinen“ zur Frucht jakobinischen Tugendwächtertums erklärt werden, suchen die Kritiker ersichtlich die Nähe und assoziative Autorität liberaler Denktradition. Es klingt in diesen Vorwürfen die Unterscheidung zwischen heteronom strukturiertem öffentlichen Bereich gegenüber autonom gestaltetem Privatleben50 ebenso an wie die Unterscheidungen zwischen den Sphären des Rechts und der Tugend und zwischen Legalität und Moralität51. Im Rahmen der verfassungsrechtlichen Analyse der Diskriminierungsverbote kommt diesen Unterscheidungen allerdings keine eigenständige Bedeutung zu. Die liberale Tradition liegt unserer Verfassung zugrunde und findet in der herrschenden Grundrechtsdogmatik ihre besondere Ausprägung. Damit ist ihre Schubkraft aber bereits im Wesentlichen aufgebraucht. Der Rest ist – wenngleich entwicklungsoffenes – Verfassungsrecht. Das Privatheits-Argument kann darum rechtliche Überzeugungskraft unmittelbar nur aus einer verfassungsrechtlichen Verankerung52 beziehen, nicht aus einer geistesgeschichtlichen Tradition.
[Hrsg.] Aktuelle Informationen 3/2004, 8 [10]), steht dies nicht im Widerspruch zum Befund, dass sich die Kritik an der Antidiskriminierungsrechtsetzung in der allgemeinen juristischen Literatur ganz überwiegend auf andere Felder konzentriert. 49 E. Picker Antidiskriminierung als Zivilrechtsprogramm?, JZ 2003, 540 (540f.). 50 Vgl. C.-W. Canaris (Fn. 28), 44f. Grundlegend J. S. Mill Über die Freiheit, 1988 (Reclamausgabe), insbesondere 19: „Aber es gibt einen Tätigkeitsbereich, an welchem die Gesellschaft im Unterschied zum Individuum – wenn überhaupt – nur indirekt Interesse hat. Dieser schließt alle Einzelheiten des persönlichen Lebens und Treibens ein, die nur ihn selbst angehen …“; s. auch ebenda, 20, 77 ff., 94 ff., 115 ff. Ähnlich mahnen zeitgenössische „Liberale“ staatliche Neutralität gegenüber den verschiedenen Konzeptionen des „guten Lebens“ an, insbesondere dürfen keine puren Fragen des Geschmacks reglementiert werden, vgl. J. Rawls A Theory of Justice, 1971, 94; R. Dworkin Liberalism, in: Hampshire (Hrsg.) Public and Private Morality, 1978, insbesondere 127–136. Für das Verfassungsrecht etwa A. Podlech Das Recht auf Privatheit, in: Perels (Hrsg.) Grundrechte als Fundament der Demokratie, 1979, 50 (53); S. Huster Die ethische Neutralität des Staates, 2002, insbesondere 47 ff. Zur Schwierigkeit der Unterscheidung zwischen Fragen des Rechts und Fragen des Geschmacks bzw. des „guten Lebens“ G. Britz Kulturelle Rechte und Verfassung, 2000, 233 mwN. 51 Zu den beiden Unterscheidungen erstens zwischen Rechtspflicht und Tugendpflicht und zweitens zwischen Legalität und Moralität H. Dreier Kants Republik, JZ 2004, 745 (746 f.) mwN. 52 Zur Schwierigkeit, ein verfassungsrechtliches Schutzgut von Privatheit zu formulieren, bereits G. Rüpke (Fn. 44), 27ff., der schließlich mit der privaten Kommunikation ein Schutzgut ermittelt, das nur Ausschnitte der heutigen Privatheitsforderungen erfasst. Eine philosophische Begründung gibt B. Rössler Der Wert des Privaten, 2001.
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Gabriele Britz
Rechtlicher Schutz des „Privaten“
aa) Ein Zusammenhang besteht zum thematisch engen, dort aber starken Grundrecht auf Schutz der Privatsphäre.53 Der Privatsphärenschutz hat u. a. eine räumliche und eine Beziehungskomponente. Diese können einem Diskriminierungsverbot bei solchen Verträgen entgegengehalten werden, infolge derer der Vertragspartner in die eigene räumliche Privatsphäre aufgenommen54 oder durch die eine enge persönliche Vertrauensbeziehung hergestellt wird.55 Mit dem engen Schutz der räumlichen 53 Zum Schutz der Privatsphäre H. Dreier in: ders. (Hrsg.) GG I, 2. Aufl. 2004, Art. 2 I Rn. 70 ff. mwN. Aus feministischer Sicht wurde die Tabuisierung der vor allem räumlichen häuslichen Privatsphäre gegen gesetzliche Gleichberechtigungsmaßnahmen im Geschlechterverhältnis kritisiert: F. Olsen Das Geschlecht des Rechts, KJ 1990, 303 (312); U. Sacksofsky Gleichberechtigung (Fn. 10), 402f.; dies. in: Umbach/Clemens (Hrsg.) GG I, 2002, Art. 3 II, III 1 Rn. 356; S. Berghahn Die Verrechtlichung des Privaten – allgemeines Verhängnis oder Chance für bessere Geschlechterverhältnisse?, in: Kerchner/ Wilde (Hrsg.) Staat und Privatheit, 1997, 189 ff. Differenzierend B. Rössler (Fn. 52), 49ff.; dies. Der ungleiche Wert der Freiheit, Analyse & Kritik 14 (1992), 86 (99ff.). 54 Hierdurch wird die Rückzugs- und Abschottungsfunktion der eigenen Räume preisgegeben, was nur durch die Auswahl des Vertragspartners kompensiert werden kann. Die informationelle Abschottung steht im Zentrum des Schutzes der Privatsphäre; s. nur W. Schmitt Glaeser Schutz der Privatsphäre, HStR VI, 2. Aufl. 2001, § 129 Rn. 4, 30. Der Schutz von gegen die Wahrnehmung durch Dritte abgeschirmten „autarken Privatbereichen“ räumlicher und thematischer Art wird als Voraussetzung autonomer Selbstentfaltung verstanden, s. BVerfGE 101, 361 (383). Grundlegend aus philosophischer Sicht B. Rössler (Fn. 52), 201 ff. 55 Zum Schutz der Wahlfreiheit bezüglich bestimmter Beziehungen zu anderen Menschen durch das Grundrecht auf Privatsphäre H.-D. Jarass in: ders./Pieroth (Hrsg.) GG, 7. Aufl. 2004, Art. 2 Rn. 35; zustimmend P. Kunig in: v. Münch/ders. (Hrsg.) GG I, 5. Aufl. 2000, Art. 2 Rn. 32. „Klassisch“ hierfür J. S. Mill (Fn. 50), 107: „… wir können unsere Gesellschaft so wählen, wie sie am angenehmsten für uns ist“. – Hierunter ist einerseits die Wahlfreiheit bezüglich der Partner privater Beziehungen im engsten Vertrautenkreis zu fassen, die auf familiären oder freundschaftlichen Bindungen beruhen sollen. Mit wem man hier Beziehungen eingeht, bleibt dem Einzelnen ganz und gar selbst überlassen. Darum tritt der Diskriminierungsschutz etwa selbstverständlich bei der Auswahl des Ehe- oder Lebenspartners sowie bei der Annahme von Adoptiv- oder Pflegekindern zurück; J. Neuner Diskriminierungsschutz durch Privatrecht, JZ 2003, 57 (63). Andererseits ist die freie Wahl des Vertragspartners auch in ursprünglich weniger persönlichen Verhältnissen schutzwürdig, sofern es aufgrund des Vertragsverhältnisses auf längere Dauer zu einer besonderen räumlichen Nähe kommt, die es unmöglich macht, einander auszuweichen. Ähnlich J. Delbrück Drittwirkung der Grundrechte durch völkerrechtliche Verpflichtung?, FS Weber, 1974, 223 (235); M. Fries (Fn. 15), 285; T. Bezzenberger Ethnische Diskriminierung, Gleichheit und Sittenordnung im Bürgerlichen Recht, AcP 196 (1996), 395 (409); P. Rädler (Fn. 18), 34. AA W. Hennig/S. Baer (Fn. 2), 173. Dass der Vertragspartner per Annonce gesucht wird, verringert die Schutzwürdigkeit des Wunschs nach freier Auswahl nicht, aA R. Nickel Handlungsaufträge zur Bekämpfung von ethni-
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Privatsphäre und bestimmter besonders naher Beziehungen begnügt sich das Privatheits-Argument jedoch nicht. bb) Mit der Marke des Privaten scheint man viel genereller ganze Handlungsfelder dem Diskriminierungsschutz entziehen zu wollen. Es kommt die Vorstellung zum Ausdruck, es gebe zwei Sphären des Handelns: einerseits das Handeln im politisch-staatlichen Bereich, andererseits aber das persönlich-privatautonome Tun, für das der Vorrang des subjektiven Willens vor einer objektiven, gar staatlich dekretierten Vernunft gelte.56 Privatheit fungiert dann als Maßstab für die Bewertung der rechtlichen Bedeutung einer Handlung. Mit der rechtlichen Zuordnung einer vertraglichen Handlung zum Privaten soll ein besonderer Freiheitsschutz einhergehen, der stärker ist als der gewöhnliche Grundrechtsschutz etwa durch Vertrags-, Berufs- und Eigentumsfreiheit. Verfassungsrechtlich führt die Privatheitsperspektive auf das Handeln jedoch nicht weiter. In anderen Rechtsordnungen werden zwar vom Recht auf Privacy oder auf Privatleben in geringem Umfang auch Handlungen erfasst.57 Innerhalb des deutschen Systems des Grundrechtsschutschen Diskriminierungen in der neuen Gleichbehandlungsrichtlinie 2000/43/EG, NJW 2001, 2668 (2669). Auch vom Schutz des Privatlebens nach Art. 8 EMRK und Art. 7 GRCharta wird das Recht, Beziehungen zu anderen Menschen zu wählen, über den engsten Kreis hinaus erfasst, ohne dass bislang präzise Kriterien für die Beschreibung der relevanten Beziehungen gefunden wurden. Vgl. J. A. Frowein in: ders./Peukert (Hrsg.) Europäische Menschenrechtskonvention, 2. Aufl. 1996, Art. 8 Rn. 3; C. Ovey/R. C. A. White Jacobs & White, European Convention on Human Rights, 3. Aufl. 2002, 221 mwN. 56 Aus der aktuellen Diskussion um die Diskriminierungsverbote etwa E. Picker (Fn. 49), 543 Fn. 26. Kritisch zu den historischen Wurzeln dieses Denkens in Deutschland H. Dreier (Fn. 43), 34 in Fn. 114 mwN. M. Bullinger Öffentliches Recht und Privatrecht, 1968, 37 ff., hat gezeigt, in welcher Weise ein solches „Zweiteilungsdenken“ der deutschen Unterscheidung von Öffentlichem Recht und Privatrecht historisch zugrunde liegt. Der heute unter Staatsrechtlern allgemein kritische Unterton zum historisch bedingten deutschen „Zweiteilungsdenken“ gilt dabei allerdings mehr der „biedermeierlichen“, „bourgeoisen“ Politikferne des Freiheitsbegriffs als der Abschirmung privater Freiheit gegen öffentliche Intervention: er gilt, formelhaft gesprochen, nicht der fehlenden öffentlichen Einmischung ins Private, sondern der konzeptionell fehlenden Einmischung von Privatpersonen ins Öffentliche. 57 Zum „Right to Privacy“ in der amerikanischen Rechtsprechung J. E. Nowak/ R. D. Rotunda Constitutional Law, 4. Aufl. 1991, 757 ff. Zum europäischen Recht auf Privatleben (Art. 8 EMRK ) A. Bleckmann Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht in der Europäischen Menschenrechtskonvention, in: Erichsen/Kollhosser/Welp (Hrsg.) Recht der Persönlichkeit, 1996, 9 (10) mwN. Allerdings bleiben sowohl das amerikanische Recht auf Privacy als auch das europäische Grundrecht auf Privatleben in ihrem Schutzumfang weit hinter der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG zurück. Das Privacy-Recht erfasst nur ausgewählte Handlungen und Entscheidungen, die fundamental die individuelle Persönlichkeit betreffen, insbesondere in den Berei-
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zes kommt dem Privatheitsgedanken für den Schutz des Handelns aber keine normative Bedeutung zu; dieser Schutz wird vielmehr durch die speziellen Freiheitsgrundrechte und die allgemeine Handlungsfreiheit geleistet.58 Die verfassungsrechtliche Grenze zwischen öffentlicher Angelegenheit und Privatsache verläuft nicht entlang eines inhaltlich ein für alle Mal feststehenden politisch-staatlichen Bereichs einerseits und eines persönlich-privatautonomen Bereichs andererseits.59 Die Abgrenzung der „Sphären“ ist vielmehr Gegenstand des politischen Aushandlungsprozesses,60 wie er sich vor allem in Gestalt der Gesetzgebung vollzieht. Materielle Leitplanken, die den Zugriff auf vormals private Bereiche verfassungsrechtlich rationalisieren,61 bilden die Freiheitsgewährleistungen der flächendeckenden 62 Grundrechtsschutzbereiche.63
chen Familienplanung, Schwangerschaftsabbruch und Heirat, s. J. E. Nowak/R. D. Rotunda ebenda, 757 ff. Ähnlich zum Verhältnis zwischen Recht auf Privatleben (Art. 8 EMRK ) und allgemeiner Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG ) A. Bleckmann ebenda, 9 (12). 58 A. Podlech (Fn. 50), 50ff. spricht zwar vom Recht auf Privatheit, nimmt dabei jedoch vor allem den informationellen Aspekt des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit in den Blick. Ebenso A. Rinken Geschichte und heutige Valenz des Öffentlichen, in: Winter (Hrsg.) Das Öffentliche heute, 2002, 7 (57); ähnlich P. Häberle Öffentliches Interesse revisited, in: Winter (Hrsg.) Das Öffentliche heute, 2002, 157 (176), der dabei von „privaten Reservaten“ spricht. G. Rüpke (Fn. 44), der die „kommunikative Privatheit“ betont, weist darauf hin, dass Privatheit auch durch gesetzliche Normen für das Verhalten des Individuums „in seiner Privatsphäre“ beeinträchtigt werden kann (ebenda, 31 [Hervorhebung durch Verfasserin]), entfaltet dies jedoch nicht weiter. 59 Insofern hat die Kritik am in der heutigen Grundrechtsdogmatik ganz herrschenden „räumlichen“ Schutzbereichsdenken Berechtigung, s. E. Stein/G. Frank Staatsrecht, 18. Aufl. 2002, § 30 I (232f.). Als Denkfigur bleibt die Schutzbereichsdogmatik – insbesondere aus didaktischen Gründen – gleichwohl hilfreich. 60 Treffend B. Rössler (Fn. 52), 25; J. Habermas Faktizität und Geltung, 1994, 381 f. 61 Zur Rationalisierungsfunktion treffend H. Dreier (Fn. 43), 35. 62 Zur Diskussion um weite und enge Schutzbereiche jüngst W. Hoffmann-Riem Enge oder weite Gewährleistungsgehalte der Grundrechte, in: Bäuerle/Hanebeck/Hausotter/ Mayer/Mohr/Mors/Preedy/Wallrabenstein (Hrsg.) Haben wir wirklich Recht?, 2004, 53 ff.; W. Kahl Vom weiten Schutzbereich zum engen Gewährleistungsgehalt, Der Staat 2004, 167 (insbesondere 187) mwN; ders. Die Schutzergänzungsfunktion von Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz, 2000, 31 ff.; W. Hoffmann-Riem Grundrechtsanwendung unter Rationalitätsanspruch, Der Staat 2004, 203 (226ff.). 63 Privates Handeln gegen übermäßige öffentliche Zumutungen jeglicher Art zu schützen, ist gerade Ratio des weiten Verständnisses der Grundrechte, nicht zuletzt der allgemeinen Handlungsfreiheit. Zum Zusammenhang zwischen der Sicherung des privaten Freiraums und der weit gefassten allgemeinen Handlungsfreiheit R. Uerpmann Das öffentliche Interesse, 1999, 195 f. Zur Begründung eines weiten Verständnisses der allgemeinen Handlungsfreiheit näher G. Britz (Fn. 50), 214 mwN.
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Die Grenzziehung folgt aus der aktuellen gesetzgeberischen Zuordnung kollidierender Grundrechtsschutzbereiche wie auch sonstiger kollidierender öffentlicher Interessen, die einen tragfähigen Grund für eine Freiheitsverkürzung bieten können.64 Diese Grenze ist variabel. Wenn vertragliches Verhalten durch privatrechtliche Diskriminierungsverbote individuellem Belieben entzogen wird, ist dies ein Grenzziehungsvorgang, durch den sich die Grenze zwischen Privatem und Öffentlichem zulasten des Privaten verschiebt.65 Ob die Verschiebung zulässig ist, ist keine Frage „privater Tabuzonen“,66 sondern eine Frage der Verhältnismäßigkeit der Beschränkung grundrechtlich geschützter Freiheit.67 Privatheit ist damit allein deskriptiv zu verstehen:68 Handlungsfreiheit besteht nicht, weil Tätigkeiten privat sind, sondern umgekehrt können Tätigkeiten dann als privat gelten, wenn der Gesetzgeber sie privatautonomer Gestaltung überlassen hat.69
64 Ähnlich R. Uerpmann (Fn. 63), 195 ff.; s. auch H. Dreier (Fn. 43), 35 f. Grundrechtsdogmatisch gesprochen, ist dies kein Vorgang der Schutzbereichsdefinition, sondern der Schutzbereichsbeschränkung aufgrund grundrechtlicher Gesetzesvorbehalte. Dass die Grenze zwischen der Herrschaft des Individuums und der Autorität der Gesellschaft auf gesetzlicher Verfügung oder Übereinkommen beruhe, hat bereits J. S. Mill (Fn. 50), 103, dargelegt, dessen Geist die Kritiken der Diskriminierungsverbote merklich atmen. 65 Instruktiv K. L. McCaw (Fn. 3). Das Aufbegehren gegen diese Grenzverschiebung ist möglicherweise auch deshalb so groß, weil sie aus dem Gemeinschaftsrecht kommt, also gerade aus jener Rechtsordnung, die den Bürger über Jahrzehnte vorwiegend als („bourgeoisen“) Marktteilnehmer wahrzunehmen schien; s. U. K. Preuß Der EU-Staatsbürger – Bourgeois oder Citoyen?, in: Winter (Hrsg.) Das Öffentliche heute, 2002, 179 ff., der den EU -Bürger alter und neuer Fasson auf seine Ähnlichkeit mit Smends „Bourgeois“ analysiert. S. allerdings zu den berechtigten Zweifeln an der historischen Richtigkeit der Qualifizierung als ursprünglich „bloßen Marktteilnehmer“ S. Kadelbach Unionsbürgerschaft, in: v. Bogdandy (Hrsg.) Europäisches Verfassungsrecht, 2003, 539 (541 ff. mwN). Hat der Marktbürger bereits früher begonnen, für sich die Sphäre des Öffentlichen zu „erobern“, so dringt mit den Diskriminierungsverboten nun allerdings umgekehrt das Öffentliche in die Sphäre des Bürgers ein. Dies ist neu. 66 Als Tabuzonen könnten allenfalls die Wesensgehaltsgarantien des Art. 19 Abs. 2 GG wirken. 67 S. auch R. Alexy (Fn. 24), 491. 68 Ebenso R. Uerpmann (Fn. 63), 73. Mit ähnlicher Tendenz auch die Feststellung bei M. Ruffert (Fn. 21), 55: Das Konzept der Privatrechtsgesellschaft beschreibe die grundsätzliche Orientierung des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft an der gesellschaftlichen Selbstregulierung durch privatrechtliche Regelungen zwar treffend typologisch, könne jedoch nicht zur Beantwortung verfassungs- oder privatrechtlicher Einzelfragen herangezogen werden. 69 R. Uerpmann (Fn. 63), 73.
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cc) Die Verteidigung der privaten Sphäre gegen öffentliche Intervention klingt nun noch in einer verwandten, weiteren Facette des PrivatheitsArguments an, wenn geltend gemacht wird, die Diskriminierungsverbote griffen in die Sphäre des Moralischen über, die nicht verrechtlicht werden dürfe.70 Auch insoweit ist jedoch verfassungsrechtlich entgegenzuhalten, dass die Grenze zwischen Moral und Recht nicht ein für alle Mal feststeht, dass der Gesetzgeber sie vielmehr zugunsten des Rechts verschieben kann.71 Was ehemals eine bloße Frage der Moral war, kann eine Frage des Rechts werden und umgekehrt. Auch jenseits verfassungsrechtlicher Überlegungen ist der „Verrechtlichungs-Einwand“ übrigens problematisch. Die „urliberale“72 Idee, private Beziehungen seien vor Verrechtlichung der Verhaltensnormen zu schützen, erweist sich zunehmend als ambivalent.73 Die Vorstellung, die Öffentlichkeit könne sich durch Nichtintervention neutral gegenüber privaten Gerechtigkeitsvorstellungen verhalten, ist Illusion.74 Der Verzicht auf die Kodifizierung eines Handlungsverbots ist in seiner Wirkung nicht neutral, sondern privilegiert die Auffassung, die Handlung sei zulässig:75 Die Auffassung, private Diskriminierung sei nicht zu beanstanden, ist ebenso eine moralische Position wie die Behauptung des Gegenteils. Zwar trifft die Nichtkodifizierung des Diskriminierungsverbots keine direkte Aussage über die Richtigkeit der beiden moralischen Auffassungen. Angesichts der faktischen Gegebenheiten wird sich ohne rechtliche Kodifizierung eines Diskriminierungsverbots im Konfliktfall jedoch stets derjenige durchsetzen, der diskriminieren möchte. Darum begünstigt die öffentliche „Nichtintervention“ seinen Standpunkt. Das bedeutet nicht, dass die bestehende rechtliche Privilegierung automatisch revidiert werden müsste. Es zeigt aber, dass der Verzicht auf Verrechtlichung von 70 S. etwa K.-H. Ladeur The German Proposal of an „Anti-Discrimination“-Law, 3 German Law Journal No. 5 (2002), abrufbar unter: http://www.germanlawjournal.com/ article.php?id=152 (Stand: 1. Dezember 2004); E. Picker (Fn. 49), 543. Ausführlich dazu A. Koppelman Antidiscrimination Law & Social Equality, 1996, insbesondere 177 ff. 71 J. Lüdemann Edukatorisches Staatshandeln, 2002, 17, stellt fest, dass „die Geschichte des modernen Staates auch die Geschichte der zunehmenden Verrechtlichung ehemals ungeschriebener Verhaltensregeln ist“. 72 Aktuell und umfassend zur philosophischen Diskussion um die fortbestehende Notwendigkeit der Trennung zwischen privat und öffentlich B. Rössler (Fn. 52). 73 Zu dieser Ambivalenz B. Rössler (Fn. 53), insbesondere 110 mwN. 74 Grundlegend und folgenreich für die Diskussion um „neutrales Recht“ die Kritik an vermeintlich „neutralen“ Perspektiven von I. M. Young Justice and the Politics of Difference, 1990, 58ff. Dazu näher G. Britz (Fn. 50), 233, 252ff. mwN. S. auch U. Sacksofsky Steuerung der Familie (Fn. 10), 1899, am konkreten Beispiel der Besteuerung des Einkommens von Ehepartnern. 75 U. Sacksofsky (Fn. 53), Rn. 356.
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Gerechtigkeitsfragen nicht wirkungsneutral ist und der abstrakte „Verrechtlichungs-Einwand“ damit hinsichtlich seiner eigenen Prämissen auf schwachen Füßen steht. dd) Ein letzter Einwand gegen Diskriminierungsverbote aus dem Themenkreis der Privat-Öffentlich-Dichotomie lautet, die Diskriminierungsverbote forderten eine bestimmte Gesinnung im Sinne einer inneren Gewissensüberzeugung ein.76 Verlangten die Diskriminierungsverbote „Gesinnung“, zeigte sich darin tatsächlich der die Unterscheidung zwischen Legalität und Moralität ignorierende Gesinnungsstaat, was nicht zuletzt wegen Art. 4 GG verfassungsrechtlich bedenklich wäre. Dass dies geschieht, ist jedoch nicht zu sehen. Es wird durch privatrechtliche Diskriminierungsverbote weder Zuneigung zu den Geschützten noch Wertschätzung für bestimmte Lebensstile, noch die innere Gewissensüberzeugung von der Richtigkeit des Diskriminierungsverbots verlangt.77 Es wird auch nicht verlangt, so zu tun, als sei man von der Richtigkeit überzeugt. So wäre auch nach Festschreibung eines Diskriminierungsverbots eine öffentliche Stellungnahme gegen das Diskriminierungsverbot zulässig. Begründet wird vielmehr eine äußere Verhaltenspflicht78 gegenüber Dritten, 76 Vgl. E. Picker (Fn. 43), 880: „übertriebenes Gutmenschentum“; ders. (Fn. 49), 540f.: „Moralverordnende Intervention“; C. Schmelz „Vernunft statt Freiheit!“ – Die Tugendrepublik der neuen Jakobiner – Kommentar, ZRP 2003, 67: gegen „gute Policey“; T. Fahr (Fn. 7), 727: „Umerziehungsversuche“; J. Braun (Fn. 6), 424: „Diktatur der Werte“, „neuer Totalitarismus“; F.-J. Säcker (Fn. 4), 287: „Richtnormen für das moralische Verhalten“. 77 W. Hennig/S. Baer (Fn. 2), 171, 173. Wenn im Rahmen der konkreten Anwendung der Diskriminierungsverbote dennoch nach Differenzierungsmotiven gefragt werden muss (dazu sehr kritisch F.-J. Säcker [Fn. 4], 287), sind dem Vorwurf der Freiheitsfeindlichkeit zwei Argumente entgegenzuhalten: Erstens ergibt sich die Notwendigkeit der Motiverforschung daraus, dass um des Freiheitsschutzes willen nicht jede Handlung, die für eine geschützte Person nachteilig ist, allein deshalb untersagt werden soll. Insbesondere bei der Auswahl eines Vertragspartners soll das Diskriminierungsverbot nicht dazu führen, dass automatisch derjenige ausgewählt werden muss, der eines der verpönten Merkmale aufweist. Ausgeschlossen werden soll bloß, dass gerade das Diskriminierungsmerkmal den Ausschlag gegen seine Auswahl gegeben hat. Diese freiheitssichernde Unterscheidung kann jedoch nur getroffen werden, wenn die Gründe für die Auswahlentscheidung in Zweifelsfällen bekannt werden. Deren Offenbarung ist darum Obliegenheit im eigenen Interesse. Dies betrifft vor allem singuläre Vertragsabschlüsse. Bei standardisierten Entscheidungen lässt sich eine Diskriminierung auch ohne „Motiverforschung“ ermitteln; vgl. D. Schiek (Fn. 32), 345. Zweitens wird nicht nach der Gesinnung, sondern allein nach dem für die Entscheidung ausschlaggebenden Kriterium gefragt. Welche Gesinnung die Auswahl des Kriteriums geleitet hat, bleibt unerheblich. 78 Zur hiermit angesprochenen Unterscheidung zwischen Legalität und Moralität I. Kant Die Metaphysik der Sitten, Einleitung in die Metaphysik der Sitten III, 1990 (Reclamausgabe), 53: „Man nennt die bloße Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung einer Handlung mit dem Gesetze, ohne Rücksicht auf die Triebfeder derselben, die Le-
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Diskriminierung – notfalls auch gegen innere Neigung und Überzeugung – zu unterlassen.79 Man kann das politisch für überzogen, gar für ganz falsch halten – „Gesinnungsterrorismus“ ist es nicht. Im Ergebnis macht die Kennzeichnung von Bereichen als „privates Handeln“ und „private Moral“ weder Handeln noch Moral gegen Diskriminierungsschutzvorschriften rechtlich immun. 4.
Steht der rechtliche Schutz vor ökonomischer Inpflichtnahme privatrechtlichen Diskriminierungsverboten entgegen?
Ein letzter rechtlicher Einwand, der gegen privatrechtliche Diskriminierungsverbote erhoben werden könnte, knüpft an die ökonomische Belastungswirkung an, die einige spezielle Diskriminierungsverbote möglicherweise entfalten. a)
Verhinderung ökonomisch rationalen Verhaltens durch Diskriminierungsverbote
Die ökonomische Belastungswirkung privatrechtlicher Diskriminierungsverbote ist in der stark auf „private Freiheit“ zugeschnittenen Verteidigung privater Autonomie im Hintergrund geblieben.80 Tatsächlich tritt sie auch bloß bei einer speziellen Auswahl von Diskriminierungsverboten auf. Sie resultiert aus der Verhinderung ökonomisch rationalen Verhaltens. Die negative Konnotation81 von „Diskriminierung“ mag suggerieren, Diskriminierungsschutz betreffe nur Verhaltensweisen, die auf Abneigung oder Vor-
galität (Gesetzmäßigkeit); diejenige aber, in welcher die Idee der Pflicht aus dem Gesetze zugleich die Triebfeder der Handlung ist, die Moralität (Sittlichkeit) derselben. Die Pflichten nach der rechtlichen Gesetzgebung können nur äußere Pflichten sein, weil diese Gesetzgebung nicht verlangt, dass die Idee dieser Pflicht, welche innerlich ist, für sich selbst Bestimmungsgrund der Willkür des Handelnden sei und, da sie doch einer für Gesetze schicklichen Triebfeder bedarf, nur äußere mit dem Gesetze verbinden kann“. 79 W. Hennig/S. Baer (Fn. 2), 173; s. bereits U. Sacksofsky Gleichberechtigung (Fn. 10), 287 mwN. Dass es zur Effektuierung der Diskriminierungsverbote förderlich wäre, wenn die Menschen von deren Richtigkeit auch im Inneren überzeugt wären, steht auf einem anderen Blatt. Zu edukatorischen Zwecken der Richtlinien E. Eichenhofer Diskriminierungsschutz und Privatautonomie, DVBl 2004, 1078 (1084). Zur selben Diskussion in Großbritannien M. MacEwen Housing, Race and Law: The British Experience, 1991, 61. Interessant, wenn auch zu Recht ohne „harten“ Befund, die Überlegungen zu verfassungsrechtlichen Grenzen edukatorischen Staatshandelns bei J. Lüdemann (Fn. 71), 102ff. 80 G. Rüpke (Fn. 44), 28f., hat im Hinblick auf das Privateigentum dargelegt, dass ökonomische Konflikte anderer Natur sind als Streitigkeiten um Privatheitsverletzungen. 81 Dazu D. König/A. Peters (Fn. 14), Rn. 45.
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urteil gegen Träger bestimmter Merkmale beruhen.82 Bereits heute geht der privatrechtliche Diskriminierungsschutz jedoch weiter und erfasst auch einige Differenzierungen, die Ausdruck ökonomisch rationalen, nicht aber von Abneigung und Vorurteil getragenen Verhaltens sind.83 Differenzierendes Verhalten kann ökonomisch rational sein, wenn sich aus Sicht des Vertragspartners das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung aufgrund besonderer Umstände ungünstiger darstellt als in anderen Vertragsverhältnissen. Die Erzwingung gleichmäßigen Verhaltens, das ökonomisch unvernünftig ist, führt dann u.U. zu einer finanziellen Belastung. Zu denken ist etwa an das Verhältnis von Lohn zur potenziell verringerten Produktivität bei der Beschäftigung behinderter Arbeitnehmer oder auch jüngerer Arbeitnehmerinnen mit Aussicht auf Mutterschaft. Für beide Gruppen gilt mittlerweile von der Einstellung über die Entlohnung bis zur Kündigung ein Diskriminierungsverbot, das die Berücksichtigung potenzieller oder tatsächlicher Produktivitätsminderung grundsätzlich verbietet.84 Auch eine Verpflichtung privater Versicherungen zur Verwendung einheitlicher Bedingungen für Frauen und Männer würde
82 Im anglo-amerikanischen Sprachgebrauch wird dies als „taste-based“ discrimination bezeichnet. 83 Zur idealtypischen Gegenüberstellung beider Diskriminierungsarten für das Arbeitsrecht E. Kocher Vom Diskriminierungsverbot zum „Mainstreaming“ – Anforderungen an eine Gleichstellungspolitik für die Privatwirtschaft, RdA 2002, 167 (169); G. Thüsing Gedanken zur Effizienz arbeitsrechtlicher Diskriminierungsverbote, RdA 2003, 257 ff., mit umfassenden Nachweisen. 84 §§ 611a, 612 Abs. 3 BGB verbieten Geschlechterdiskriminierung im Arbeitsverhältnis. Zu den Kosten, die aus Schwangerschaft und Mutterschaft einer Arbeitnehmerin resultieren können, M. Adams Das Bürgerlich-rechtliche Benachteiligungsverbot gemäß § 612 III BGB, JZ 1991, 534ff.; M. Schlachter Wege zur Gleichberechtigung, 1993, 31 f.; G. Thüsing (Fn. 83), 259. – Zu denken ist an Lohnfortzahlungspflichten bei Beschäftigungsverboten während der Schwangerschaft (§ 11 MuSchG); Freistellungspflichten bei Inanspruchnahme von Elternzeit (§ 15 BErzGG) oder Teilzeitarbeit (§ 8 Abs. 1 TzBfG, § 15 Abs. 4–7 BErzGG), die möglicherweise Kosten durch Organisationsaufwand verursachen, der daraus resultiert, dass die Mutter dem Betrieb nicht zur Verfügung steht. Dazu H. Kube Anmerkung zu BVerfG, Beschl. v. 18. 11. 2003, 1 BvR 302/96, JZ 2004, 358 (361); T. Aubel Diskriminierung von Frauen durch finanzielle Belastung des Arbeitgebers, RdA 2004, 141 (147). Die eigenständige Belastung durch Freistellungspflichten erkennt auch BVerfGE 109, 64 (90), an. – Ähnliches gilt für die Beschäftigung Behinderter mit bestimmten Krankheiten wegen eines erhöhten Krankheitsrisikos. Dazu BVerfGE 109, 64 (94 f.). Hier gestand die Rechtsprechung dem Arbeitgeber bislang zu, „rechtliche und wirtschaftliche Tragweite und betriebliche Auswirkungen der Einstellung schwerbehinderter Arbeitnehmer“ bei der Einstellung zu berücksichtigen, s. nur BAGE 81, 120 (124, 128). Mit § 81 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 SGB IX wurde im Jahr 2001 jedoch eine § 611a BGB vergleichbare Regelung geschaffen.
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diese aus – freilich bestrittener85 – Sicht der Versicherungswirtschaft angesichts unterschiedlicher Risiken zu ökonomisch unvernünftigem Verhalten zwingen.86 Allgemein ist „rationale Differenzierung“ vor allem bezüglich der Merkmale Geschlecht, Alter87 und Behinderung88 denkbar.89
85 Die Berechtigung der differenzierenden Ausgestaltung der Versicherungsbedingungen wird sowohl mit normativen Argumenten als auch aufgrund tatsächlicher Annahmen bestritten. Dazu C. Schmidt Die Frauenprämie in der privaten Krankenversicherung im Lichte des Gleichberechtigungsgrundsatzes, 1989; M. Wrase/S. Baer Unterschiedliche Tarife für Männer und Frauen in der privaten Krankenversicherung – ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes?, NJW 2004, 1623 ff.; M. Körner Unisex-Tarife und Entgeltgleichheitsgrundsatz bei der Riester-Eichel-Rente, NZA 2004, 760 ff.; dies. Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Riester-Eichel-Rente, AuR 2004, 287ff. Gegen die normative Annahme, die Differenzierung benachteilige Frauen, BVerfG, NJW 1994, 785 (785 f.); K. Riesenhuber/J.-U. Franck (Fn. 47), 535. Umfassend zur Problematik D. Schiek (Fn. 32), 214 ff. 86 Nach Auffassung der privaten Versicherungswirtschaft führen Unisex-Tarife dazu, dass Männer im Vergleich zu Frauen im Durchschnitt angesichts statistisch geringerer Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen und kürzerer Lebenserwartung ein schlechteres Preis-Leistungs-Verhältnis eingehen, als es ihrem Risiko entspräche, PKV Publik 2003, 100. Streitig war auch die Wirkung von Differenzierungsverboten bei der Kfz-Haftpflichtversicherung. Der Gesetzgeber hat es den Versicherungsunternehmen trotz statistisch signifikant höherer Schadenshäufigkeit verboten, von Kfz-Haltern aus bestimmten Ländern höhere Prämien („Balkantarif“) zu verlangen (§ 81e VAG). S. dazu Rundschreiben des Bundesaufsichtsamts für Versicherungswesen zum Verbot der Diskriminierung von Ausländern gemäß § 81 Abs. 2 iVm § 81e VAG, VerBAV 1995, 372 ff. Auch in diesem Differenzierungsverbot wird eine falsche Risikoverteilung gesehen, die zudem zu Wettbewerbsverzerrungen unter den Versicherern führe, vgl. H.-J. Papier (Fn. 23), 483 f. Gegen Zulässigkeit des „Balkantarifs“ hingegen D. Schiek (Fn. 32), 210 ff. 87 Zum für das deutsche Recht neuen Diskriminierungsmerkmal „Alter“ M. Schmidt/ D. Senne Das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung und seine Bedeutung für das deutsche Arbeitsrecht, RdA 2002, 80ff. 88 Ökonomisch rationales Verhalten liegt in aller Regel vor, wenn der Arbeitgeber nicht auf eigene Kosten behindertengerechte Arbeitsplätze schafft. Auch dies kann aber nach Art. 5 RL 2000/78/ EG Diskriminierung sein. 89 Zutreffend stellt G. Thüsing (Fn. 83), 261, fest, dass in den Bereichen Rasse, ethnische Zugehörigkeit und sexuelle Identität eine Differenzierung idR nicht auf ökonomischen Erwägungen, sondern auf feindseliger Haltung o. ä. beruht. Eine Ausnahme bilden Diskriminierungen infolge diskriminierender Kundenwünsche – im Arbeitsrecht auch der Belegschaftswünsche; zu Letzterem M. Adams (Fn. 84), 536; G. Thüsing (Fn. 83), 258. Diese sind wegen ihres von Abneigung geprägten Hintergrunds intuitiv leichter als „klassische“ Diskriminierung zu fassen. Auch hier ist die Beachtung des Diskriminierungsverbots jedoch unter Umständen ökonomisch nicht rational. Zur Rechtfertigungsfähigkeit darauf beruhender Diskriminierung differenzierend mit Beispielen aus der Rechtsprechungspraxis G. Thüsing Zulässige Ungleichbehandlung weiblicher und männlicher Arbeitnehmer – Zur Unverzichtbarkeit i.S.d. § 611a Abs. 1 Satz 2 BGB, RdA 2001, 319 (323f.); ders. (Fn. 83), 263; s. auch W. Hennig/S. Baer (Fn. 2), 171. Dieser Problem-
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Sachbereiche, in denen eine solche Differenzierung in Betracht kommt, sind u. a. das private Versicherungsrecht und das Arbeitsrecht. b)
„Soziale Inpflichtnahme“ als Folge der Verhinderung ökonomisch rationalen Verhaltens
Problematisch am Verbot ökonomisch rationaler Differenzierung ist nicht deren Ziel; die Legitimität des Antidiskriminierungsziels steht auch hier außer Frage.90 Problematisch ist vielmehr, dass Einzelne, nämlich die
kreis wird auch berührt bei der Frage, ob einer Verkäuferin, die sich entschließt, ein Kopftuch zu tragen, gekündigt werden kann, weil dies Kunden abschrecke, BVerfG vom 30. Juli 2003, 1 BvR 792/03, Tz. 11, 24. 90 Es lassen sich zahlreiche Gründe anführen: Es kann ökonomisch rationale Differenzierung unter Umständen die gleichen Ausgrenzungseffekte haben wie sonstige Diskriminierungshandlungen; s. allgemein zur Ausgrenzungswirkung von Diskriminierung unten II. 3. Man kann die aus ökonomisch rationaler Differenzierung resultierende Ungleichheit schlicht für „ungerecht“ halten, insbesondere wenn ökonomisch quantifizierbare Unterschiede zwischen Frauen und Männern mit der potenziellen Mutterschaft einer Frau zusammenhängen. Ökonomisch rationale Differenzierungen werfen zudem Probleme auf, weil sie häufig auf statistischen Annahmen beruhen: Eine verallgemeinernde Differenzierung benachteiligt jene, bei denen die Prognose nicht zutrifft. Dazu M. Schlachter (Fn. 84), 32; D. Neumark Wage Differentials by Race and Sex: The Roles of Taste Discrimination and Labor Market Information, Industrial Relations 38 (1999), 414 (416); F. Schauer Profiles, Probabilities and Stereotypes, 2003, 145; M. Wrase/S. Baer (Fn. 85), 1625. – Ökonomisch rationale Differenzierungen lassen sich zudem nicht exakt von sonstigen Diskriminierungsformen trennen. Insbesondere im Bereich der Arbeitsverhältnisse bestehen hier komplexe Wechselwirkungen, die aus ökonomischer Sicht vor allem für die Geschlechterdiskriminierung beleuchtet wurden. So dürfte es einen kausalen Kreislauf geben zwischen 1. der Dominanz traditioneller familiärer Aufgabenteilung, 2. der darum vom Arbeitgeber jüngeren Frauen entgegengebrachten Vermutung, sie werden künftig Familienaufgaben übernehmen, 3. der entsprechenden Benachteiligung von Frauen durch Arbeitgeber, 4. dem mehr oder weniger „freiwilligen“ Rückzug von Frauen aus dem Erwerbsleben und damit 5. wiederum der Aufrechterhaltung des traditionellen Musters der Verteilung von Familienaufgaben. So scheint etwa in die berufliche Weiterbildung von Frauen oft in der Annahme weniger investiert zu werden, eine Frau werde ohnehin nicht dauerhaft zur Verfügung stehen, was sich in tatsächlich geringerer Produktivität und damit in der – ökonomisch rationalen – Verringerung beruflicher Aufstiegschancen von Frauen niederschlägt und so den Anreiz für den Rückzug aus dem Berufsleben erhöht. Zu diesen Zusammenhängen aus ökonomischer Sicht etwa M. Gunderson Male-Female Wage Differentials and Policy Responses, Journal of Economic Literature 1989, 46 (48 mwN); H. Prey Die Entwicklung der geschlechtsspezifischen Lohndifferenz in Westdeutschland 1984–96, Nr. 57 der Diskussionspapiere des Forschungsinstituts für Arbeit und Arbeitsrecht an der Universität St. Gallen, 1999, 3 mwN; M. JungbauerGans Der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern in selbständiger und abhängiger Beschäftigung, KZfSS 51 (1999), 364 (366 mwN); E. P. Lazear/S. Rosen Male-Female Wage Differentials in Job Ladders, Journal of Labor Economics 8 (1990), 106ff.; W. Franz
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vom Diskriminierungsverbot betroffenen Vertragspartner, mehr oder weniger zufällig91 ökonomisch für die Realisierung des öffentlichen Diskriminierungsschutzziels aufkommen müssen, ohne die Belastung automatisch am Markt weitergeben zu können.92 Dies bildet nicht nur einen starken Umgehungsanreiz, sondern wirft auch die Frage auf, wie weit die Inpflichtnahme Einzelner zur Realisierung öffentlicher Zwecke gehen darf. Sucht der Sozialstaat in der Mitwirkung einzelner Privater eigene Entlastung, so ist dies nicht unproblematisch.93 Im Diskriminierungsschutzrecht ist die soziale Inpflichtnahme allerdings eher ein – wenn auch interessantes – Spezialphänomen, das nur beim Verbot ökonomisch rationaler Differenzierung auftritt und keinesfalls für das gesamte Rechtsgebiet charakteristisch ist. Man könnte diese sozialen Inpflichtnahmen als „sozialstaatlichen Sonderbereich“ des Diskriminierungsschutzrechts bezeichnen. Die auch im Diskriminierungsschutzrecht noch zu erwartende rechtspolitische Diskussion um die Inpflichtnahme Einzelner zu sozialstaatlichen Zwecken wird auf die Fragen hinauslaufen, inwieweit die individuelle ökonomische Inpflichtnahme mit solidarischen Umlage- und Ausgleichssystemen zu verbinden ist oder darüber hinaus partiell sogar durch öffentliche Arbeitsmarktökonomik, 5. Aufl. 2003, 336f. mwN. Aus der juristischen Literatur D. Schiek (Fn. 32), 299f. mwN; E. Kocher (Fn. 83), 169; F. Schauer ebenda, 151ff. mwN; M. Schlachter (Fn. 84), 30, 32 mwN; G. Thüsing (Fn. 83), 259. Ähnlich für rassistische Diskriminierung D. A. Strauss The Law and Economics of Racial Discrimination in Employment, 79 Georgetown Law Journal 1991, 1619 (1629), sowie R. Nickel (Fn. 18), 91. 91 Dass etwa den Arbeitgeber die Mutterschaft einer Arbeitnehmerin im Vergleich zu anderen Unternehmern „zufällig“ und ungleichmäßig trifft, bedeutet für den einzelnen Arbeitgeber eine besondere Last, weil diese Kosten zum Wettbewerbsnachteil führen können. § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 3 LFZG sieht darum für Kleinunternehmen mit nicht mehr als 20 Mitarbeitern ein Ausgleichs- und Umlageverfahren für die Aufwendungen des einzelnen Arbeitgebers für Zahlungen nach §§ 11 und 14 Abs. 1 MuSchG vor. Zum „Zufalls“- und zum Wettbewerbsproblem C.-W. Canaris Die Bedeutung der iustitia distributiva im deutschen Vertragsrecht, 1997, 86; J. Neuner (Fn. 31), 1823; H.-J. Papier (Fn. 23) (zum Wettbewerbsnachteil von Versicherungsunternehmen, denen eine risikoadäquate Prämienkalkulation untersagt ist); s. auch BAGE 81, 120 (128), bezüglich der Beschäftigung (zunächst unerkannt) Schwerbehinderter. Zu einer gleichmäßigen Lastentragung der Arbeitgeber kommt es bei Beschäftigungsquoten für Schwerbehinderte, die jedes Unternehmen formal gleichmäßig belasten; dazu G. Thüsing (Fn. 83), 262; dafür wohl auch F. Bydlinski Bemerkungen über Grundrechte und Privatrecht, ÖZöR 12 (1962–63), 423 (450). Die Quote verhindert allerdings im Einzelfall keine Diskriminierung und wirft zudem bekanntlich neue Gleichbehandlungsprobleme auf. 92 Zur Bedeutung der Kostenabwälzungsmöglichkeiten für die rechtliche Bewertung C.-W. Canaris (Fn. 91), 98. 93 Allgemein kritisch zu einer solchen Aufgabenverlagerung J. Neuner (Fn. 18), 234f.; K. Riesenhuber/J.-U. Franck (Fn. 47), 535; kritisch aus ökonomischer Perspektive G. Brinkmann Einführung in die Arbeitsökonomik, 1999, 215.
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Transfersysteme ersetzt werden sollte. Sowohl im Arbeitsrecht94 als auch im Versicherungsrecht95 ist diese Diskussion bereits angestoßen. c)
Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Inpflichtnahme
Einen verfassungsrechtlichen Kern dieser Problematik bildet die grundrechtliche96 Rechtfertigung der ökonomisch belastenden Inpflichtnahme des Vertragspartners.97 Die Verfassungsmäßigkeit der Inpflichtnahme muss sich im Einzelnen an den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erweisen.98 Dies bedeutet insbesondere, dass es einen legitimieren94 Das BVerfG räumt dem Gesetzgeber in der Mutterschaftsgeldentscheidung einen weiten Spielraum für die Auswahl ein, wer die Lasten der dort für notwendig erachteten Kompensation tragen soll, BVerfGE 109, 64 (84ff.). Denkbare Ausgleichsmodelle sind abstrakt dargestellt bei C.-W. Canaris (Fn. 91), 92. In der Literatur wird teilweise eine Steuerlösung gefordert: so für das (das Diskriminierungsverbot für den Arbeitgeber unter Umständen kostspielig machende) Mutterschaftsgeld E. Eichenhofer Zuschuss zum Mutterschaftsgeld durch den Arbeitgeber, BB 2004, 382 (384); H. Kube (Fn. 84), 360; T. Aubel (Fn. 84), 146; ebenso für die weiteren „Kosten“ des § 612 Abs. 3 S. 2 BGB M. Adams (Fn. 84), 538, und dem folgend M. Schlachter (Fn. 84), 208; ähnlich C. Scharpf Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld, AuA 2004, 48. Daneben kommt die Schaffung von Solidareinrichtungen in Betracht, durch die die Kosten auf alle Arbeitgeber anteilig umgelegt werden, so dass der Sonderopfercharakter für den einzelnen Arbeitgeber entfällt; vgl. BVerfGE 77, 308 (337); 85, 226 (236); C.-W. Canaris (Fn. 91), 110. 95 So wird die mit Unisex-Tarifen verbundene Einführung von „Umverteilungselementen“ in ein Finanzierungsverfahren, das auf versicherungsmathematischen Grundlagen beruht und dem Grundsatz der Risikoäquivalenz verpflichtet ist, kritisiert (s. PKV Publik 2003, 100) und ein Ausgleich durch unmittelbare Transferleistungen für vorzugswürdig gehalten, K. Riesenhuber/J.-U. Franck (Fn. 47), 535. 96 Zentraler Prüfungsmaßstab ist dafür Art. 12 Abs. 1 GG , sofern man in der ökonomischen Belastungswirkung einen eigenständigen Grundrechtseingriff sieht. Man könnte wegen des Sonderopfers des zufällig betroffenen Arbeitgebers auch an den allgemeinen Gleichheitssatz denken, J. Neuner (Fn. 18), 234; ders. (Fn. 31), 1823; C.-W. Canaris (Fn. 91), 108 ff. Der damit eng verbundende Gesichtspunkt des Wettbewerbsnachteils wird jedoch bereits von Art. 12 Abs. 1 GG erfasst, sofern dieser für anwendbar gehalten wird. Das kann hier offen bleiben. 97 Zur Rechtfertigungsbedürftigkeit von Inpflichtnahmen allgemein instruktiv M. Elicker Der Grundsatz der Lastengleichheit als Schranke der Sonderabgaben, Inpflichtnahmen und Dienstleistungspflichten, NVwZ 2003, 304ff. mwN. 98 Ohne rechtlichen Ertrag bleibt dabei die neuerdings wieder verwendete Formel von der „Sozialpflichtigkeit der Unternehmen“, BVerfGE 109, 64 (88). Wie „Privatheit“, als deren Umkehrung „Sozialpflichtigkeit“ verstanden werden kann, ist auch diese deskriptive, nicht präskriptive Begrifflichkeit und kann einen Grundrechtseingriff für sich genommen nicht rechtfertigen. Es gibt weder eine Regel, dass das Individuum für soziale Zwecke ohne weiteres in die Pflicht genommen werden darf, noch dass es nicht für soziale Zwecke in die Pflicht genommen werden dürfte. Beides ist – wie „Privatheit“ – eine Frage verhältnismäßiger Grundrechtseingriffe im Einzelfall. Ähnlich das deskriptive Verständnis „sozialgebundener Freiheit“ bei G. Dürig Verfassung und Verwaltung im Wohlfahrts-
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den Grund dafür geben muss, warum gerade der Vertragspartner ökonomisch für das gesetzliche Diskriminierungsschutzziel aufkommen soll. Die sachlich verwandte Dogmatik der nichtsteuerlichen Abgaben zur Finanzierung besonderer Finanzbedarfe stellt hier die Verantwortungsbeziehung der Belasteten zu der zu finanzierenden Aufgabe in den Vordergrund.99 In den Diskriminierungsfällen wird eine solche Verantwortungsbeziehung der Inpflichtgenommenen zur spezifischen Situation der Diskriminierungsgeschützten jedoch in der Regel zu verneinen sein.100 Der Verantwortungszusammenhang bildet aber nicht den einzig denkbaren Grund für die Rechtfertigung der Inpflichtnahme Einzelner.101 Ein anderer Grund besteht darin, dass nur die Inpflichtgenommenen die erforderliche Leistung erbringen können.102 Solche „Unvertretbarkeit“ besteht in den hier relevanten Konstellationen häufig: Der Arbeitsvertrag kann nur vom Arbeitgeber, der Versicherungsvertrag nur vom Versicherungsunternehmen geschlossen werden. Damit scheint das Problem der Inpflichtnahme gelöst zu sein.103 Allerdings ließe sich mit ersten Stimmen in der Literatur die aus der Inpflichtnahme für eine unvertretbare Leistung resultierende finanzielle Belastung – die eben gerade die Besonderheit des Verbots ökonomisch rastaat, JZ 1953, 193 (196 f.); ähnlich O. Bachof Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates, VVDStRL 12 (1954), 37 (42). 99 Zum Erfordernis einer „Finanzierungsverantwortung“ bei Abgaben, die zur Deckung eines besonderen Finanzbedarfs erhoben werden, zuletzt BVerfG vom 18. Mai 2004, 2 BvR 2374/99, Tz. 76, 100, 104, ständige Rechtsprechung; s. nur J.-P. Schneider in: Denninger/Hoffmann-Riem/Schneider/Stein (Hrsg.) AK- GG, Art. 105 Rn. 20 (Stand: 2001). Das Kriterium wird auch außerhalb der Abgabenrechtsdogmatik zur Beurteilung von Geldleistungspflichten verwendet, zuletzt zum Arbeitgeberbeitrag zum Mutterschaftsgeld BVerfGE 109, 64 (88). Bereits früher hat das BVerfG Lohnfortzahlungspflichten am Verantwortungszusammenhang gemessen, BVerfGE 77, 308 (334, 337) (Bildungsurlaub); 85, 226 (235) (Sonderurlaub). 100 So aber BVerfGE 109, 64 (88f.), zum Mutterschaftsgeld. Dagegen E. Eichenhofer (Fn. 94), 384; W. Leisner Arbeitgeber als Geburtshelfer; der Mutterschutzbeschluss des BVerfG, BB 2004, Heft 7, Die Erste Seite; H. Kube (Fn. 84), 360; T. Aubel (Fn. 84), 146; s. auch G. Thüsing (Fn. 83), 260. 101 Vgl. die Zusammenstellung bei U. Volkmann (Fn. 26), 398f. 102 Dies gilt als „Preis für die privatrechtlich verfasste Wirtschaftsordnung“, in der sich der Staat in großem Umfang der Möglichkeit begeben habe, „die ihm obliegenden distributiven Aufgaben selbst mit Hilfe seiner eigenen Wirtschaftsunternehmen wahrzunehmen“, C.-W. Canaris (Fn. 91), 98f., 119 f.; J. Neuner (Fn. 18), 236f.; ders. (Fn. 31), 1823; J. Mohr Schutz vor Diskriminierungen im europäischen Arbeitsrecht, 2004, 267f. Dem Gedanken folgend auch M. Fries (Fn. 15), 258. 103 Dies rechtfertigt auch die nicht ökonomische Sonderbelastung duch freiheitsbeschränkende Diskriminierungsverbote, so dass in soweit der Sonderlastaspekt hinter den sonstigen Fragen der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des Eingriffs zurücktritt.
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tionaler Differenzierung ist – durchaus in Geld ausdrücken, so dass die ökonomische Inpflichtnahme als vertretbare Leistung reformuliert werden könnte.104 Für diese „sekundäre“ Kostenlast könnte nach einem eigenständigen Rechtfertigungsgrund gefragt werden, der dann eben nicht mehr „Unvertretbarkeit der Leistung“ lauten könnte. Man wäre damit auf das Kriterium der Verantwortungsbeziehung als rechtfertigenden Grund zurückgeworfen. Weil dieses regelmäßig unerfüllbar ist, wäre die Inpflichtnahme durch ökonomisch belastende Diskriminierungsverbote zumeist verfassungswidrig bzw. müsste kompensiert werden. Die ökonomisierende Abkoppelung der verfassungsrechtlichen Beurteilung finanzieller Lasten von der Beurteilung der primären Verhaltenspflichten ist jedoch bislang aus guten Gründen unterblieben: Wollte man dies konsequent hinsichtlich aller kostenträchtigen, fremdnützigen Verhaltenspflichten betreiben, wäre zwecks Kompensation der kaum selbständig rechtfertigbaren Kostenlasten eine riesige „Kostenbewertungsund -ausgleichsmaschinerie“ in Gang zu setzen – sofern der Staat auf Versuche solcher Verhaltenssteuerung nicht gänzlich verzichten wollte. Damit ist der Ökonomisierungsgedanke allerdings nicht vollständig erledigt. Fest steht bloß, dass für die sekundäre Kostenlast eines Diskriminierungsverbots kein eigenständiger Rechtfertigungsgrund verlangt werden kann. Vielmehr wird die Kostenlast insoweit vom rechtfertigenden Zweck der unvertretbaren Primärlast gedeckt. Damit wird jedoch die „sekundäre“ Kostenlast des Diskriminierungsverbots verfassungsrechtlich nicht belanglos. Die Primärlast ist regelmäßig ein Grundrechtseingriff, der mindestens die allgemeine Handlungsfreiheit berührt und darum insbesondere hinsichtlich der Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes rechtfertigungsbedürftig ist (s. I. 3. b) bb)). Die Kostenbelastung ist dabei als Kriterium für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Primärpflicht, hier also des Diskriminierungsverbots, in Rechnung zu stellen. Dies gestattet differenzierende Lösungen. Bei unzumutbarer Kostenlast ist ein Ausgleich der Belastung geboten.105 Generelle verfassungsrechtliche Unzulässigkeit kann der kompensationslosen Inpflichtnahme Einzelner durch Diskriminierungsverbote damit jedoch nicht bescheinigt werden.
Vgl. H. Kube (Fn. 84), 361. Zu diesem Gedanken allgemein M. Elicker (Fn. 97), 307. Die Verpflichtung des Arbeitgebers, Arbeitsplätze gegebenenfalls behindertengerecht zu gestalten (Art. 5 RL 2000/78/ EG), wäre unverhältnismäßig, wenn sie kompensationslos bliebe. Art. 5 RL 2000/78/ EG stellt die Verpflichtung jedoch unter den Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit, deren Wahrung dann fingiert wird, wenn eine staatliche Kompensation erfolgt. Für Ausgleichspflichtigkeit solcher Lasten auch J. Neuner (Fn. 31), 1823. 104 105
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Zieht man nun verfassungsrechtliche Gesamtbilanz, ist der rechtliche Befund dünn. Die Entscheidung über die Einführung privatrechtlicher Diskriminierungsverbote ist im Wesentlichen politischer Natur. Dies erklärt den ungewohnten Stil der Auseinandersetzung um die Einführung privatrechtlicher Diskriminierungsverbote: Wenn sich die Entscheidung juristischer Bewertung weitgehend entzieht, können profunde rechtliche Argumente nicht erwartet werden.
II.
Neuartigkeit privatrechtlicher Diskriminierungsverbote
Eine zweite bemerkenswerte Eigenschaft privatrechtlicher Diskriminierungsverbote ist deren neuartiger Regelungsgehalt. Die Kritiker scheinen das wahrhaft „Revolutionäre“ allerdings eher intuitiv zu erahnen, als dass sie es präzise benennen würden. Irreführende Zuordnungen zu anderen Rechtsentwicklungen erschweren es, das Ungewöhnliche an den Diskriminierungsverboten sofort zu erfassen. Erst die Enthüllung des tatsächlich neuen, wenn auch nicht rechtlichen Spannungsverhältnisses privatrechtlicher Diskriminierungsverbote zur Privatautonomie macht aber erklärlich, warum sie auf solch starken Widerstand stoßen. 1.
Deutung der Diskriminierungsverbote als Fortentwicklung des sozialstaatlichen „Rechts der Ungleichgewichtslagen“
Privatrechtliche Diskriminierungsverbote werden überwiegend als sozialstaatliche Regelungen gedeutet.106 Gegner und Befürworter stellen die Diskriminierungsverbote in eine Linie mit den umstrittenen Privatautonomie-Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, namentlich der Handelsvertreter-107, der Bürgschafts-108 und der Ehevertragsentschei-
106 H. Reichhold Gesellschaftsentwicklung durch ein neues Sozialprivatrecht?, Öffentliche Antrittsvorlesung vom 3. Februar 2003, Tübingen (unveröffentlicht); F.-J. Säcker (Fn. 4), 288: Überformung des allgemeinen bürgerlichen Rechts mit „sozialethischen Moralvorstellungen“; J. Neuner (Fn. 55), 60: „sozialstaatliche Konzeption des Grundgesetzes“; S. Baer „Ende der Privatautonomie“ oder grundrechtlich fundierte Rechtsetzung?, ZRP 2002, 290 (292): „sozialstaatlich abgefederter Liberalismus“; ausführlicher J. Mohr (Fn. 102), 189ff.; D. Schiek (Fn. 2), 138 f., will einerseits den Diskriminierungsschutz aus dem „sozialstaatlichen Ghetto“ herausholen, stellt ihre Überlegungen aber andererseits in die Linie der „Materialisierungsdebatte“ (s. unten Fn. 111), die im Wesentlichen unter sozialstaatlichen Vorzeichen geführt wird. 107 BVerfGE 81, 242 (254ff.). 108 BVerfGE 89, 214 (231 ff.).
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dung109.110 Diese Entscheidungen, die als Entwicklung111 hin zu einem Schuldvertragsrecht der Schwachen112, einem Recht der Ungleichgewichtslagen113 beschrieben werden, sollen nun in den privatrechtlichen Diskriminierungsverboten eine Fortsetzung finden.114 Durch die sozialstaatliche Interpretation und die Verknüpfung mit dem Recht der Ungleichgewichtslagen wird aber der eigene Charakter der Diskriminierungsverbote verdeckt. Die Kritiker glauben, sie hätten es lediglich mit einer neuen Ausprägung des Rechts der Ungleichgewichtslagen zu tun, von dem sie bereits wissen, dass sie es nicht schätzen.115 Tatsächlich hat der – nur am Rande sozialstaatliche – Diskriminierungsschutz jedoch mit dieser älteren Rechtsentwicklung wenig zu tun. Löst man sich von der sozialstaatlichen Deutung und wendet sich dem innovativen, eigenständigen Charakter zu, brauchen die Diskriminierungsverbote einerseits die Kritik an der Privatautonomie-Rechtsprechung nicht mehr gegen sich gelten zu lassen.116 Andererseits enthüllt dies aber erst deren
BVerfG, NJW 2001, 957. Vgl. H. Dreier (Fn. 53), Rn. 63; B. Schöbener/F. Stork (Fn. 2), 61 f.; S. Baer (Fn. 106), 292; M. Mahlmann Gerechtigkeitsfragen (Fn. 18), 59f. 111 Die Zivilrechtswissenschaft diskutiert dies seit einigen Jahrzehnten als „Materialisierung der Vertragsfreiheit“. S. nur die Nachweise bei M. Bäuerle (Fn. 24), 138ff.; C.-W. Canaris Wandlungen des Schuldvertragsrechts – Tendenzen zu seiner „Materialisierung“, AcP 200 (2000), 273ff.; D. Schiek (Fn. 32), 305ff. mwN; C. Heinrich (Fn. 28); U. Knobel Wandlungen im Verständnis der Vertragsfreiheit, 2000, 98ff. mwN. Zur historischen Dimension S. Hofer (Fn. 36). Das Bundesverfassungsgericht hat in der Bürgschaftsentscheidung unter Berufung auf Wieacker dem Modell formaler Vertragsfreiheit die aus seiner Sicht vorzugswürdige „materiale Ethik sozialer Verantwortung“ gegenübergestellt, BVerfGE 89, 214 (233). Kritisch gegen diese „Einmischung“ in den zivilrechtlichen Theorienstreit etwa J. Schapp Privatautonomie und Verfassungsrecht, ZBB 1999, 30 (35). 112 Sehr kritisch etwa W. Zöllner (Fn. 28), 2; differenzierend E. Eichenhofer (Fn. 35), 860 ff. 113 D. Medicus (Fn. 35), 18: „Sonderprivatrecht für Ungleichgewichtslagen“; früher bereits M. Lieb Sonderprivatrecht für Ungleichgewichtslagen?, AcP 178 (1978), 196 ff. 114 H. Reichhold (Fn. 106): „Frucht jenes soziologischen Rollenrechts“; s. auch F.-J. Säcker (Fn. 4), 288; ähnlich C. Schmelz (Fn. 76), 67. Z.T. wird der „Schwachenschutz“ auch als Argument zur Verteidigung von Diskriminierungsschutzvorschriften angeführt: T. Wölfl „Vernunft statt Freiheit!“ – Die Tugendrepublik der neuen Jakobiner – Kommentar, ZRP 2003, 297. 115 S. nur die berühmte zivilrechtliche Kritik von W. Zöllner (Fn. 28). „Entschärfend“ aus zivilrechtlicher Perspektive dagegen etwa C.-W. Canaris (Fn. 111), 296ff. 116 Insgesamt wird gerade die Hinwendung Europas zum „Sozialen“ nicht uneingeschränkt positiv gesehen. Dazu J. Schwarze Das wirtschaftsverfassungsrechtliche Konzept des Verfassungsentwurfs des Europäischen Konvents, EuZW 2004, 135 (140); M. Nettesheim Die Kompetenzordnung im Vertrag über eine Verfassung für Europa, EuR 2004, 511 (518, 545). 109 110
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eigentliche Brisanz; es entfällt die an und für sich durchaus akzeptierte117 sozialstaatliche Begründung für Einschränkungen der Vertragsfreiheit: Dass die Geschichte der Privatautonomie die ihrer legitimen, sozialstaatlich motivierten Begrenzungen ist, ist heute Gemeinplatz.118 Das Bundesverfassungsgericht hatte es mit dem Recht der Ungleichgewichtslagen in den Augen vieler eben bloß etwas übertrieben. Das besondere Spannungsverhältnis der Diskriminierungsverbote zur Privatautonomie rührt nun also ironischerweise daher, dass sie gerade nicht diesen „vertrauten“ sozialstaatlichen Charakter sonstiger Beschränkungen der Vertragsfreiheit teilen.119 2.
Abgrenzungen
a)
Einwände gegen sozialstaatliche Deutung
Das „sozialstaatliche“ Etikett passt jedenfalls dann nicht, wenn man an einem traditionellen Sozialstaatsverständnis festhält. „Klassischer“ sozialstaatlicher Schutz zielt auf das Ökonomische,120 auf – zumindest mittelbar121 ökonomische – Umverteilung122 von den Habenden zu den Bedürftigen. Dies trifft auf die Verbote ökonomisch rationaler Differenzierung zu (s. oben I. 4.). Diese sind jedoch der sozialstaatliche „Sonderbereich“ des Diskriminierungsschutzrechts. Im Übrigen begründen Diskriminierungsverbote keine ökonomischen Transferleistungspflichten. Sozial117 Vgl. R. Zippelius (Fn. 23), 13: „Der Sozial- und Wohlfahrtsstaat lässt es sich angelegen sein, auch noch … dem sozial Schwächeren den Grundrechtsschutz des Gleichheitssatzes zu Lasten der Privatautonomie zu gewähren“. 118 S. oben Fn. 35. 119 Ebenso D. Schiek (Fn. 32), 307f.; U. Davy Der Gleichheitssatz des österreichischen Rechts und Menschen mit Behinderung, FS Funk, 2003, 63 (90). 120 Allgemein zur ökonomischen Zielrichtung des Sozialstaatsprinzips H. F. Zacher Das soziale Staatsziel, HStR II, 3. Aufl. 2004, § 28 Rn. 35, 72. R. Nickel (Fn. 18), 52ff., weist darauf hin, dass es auch in der Diskussion um „Gleichheit“ traditionell um ökonomische Ungleichheiten geht. Weitergehend jetzt D. Schiek in: Denninger/Hoffmann-Riem/ Schneider/Stein (Hrsg.) AK- GG, Art. 20 Abs. 1–3 Rn. 56 (Stand: 2001): „… sozialstaatliche Verantwortung für weitere, neue, vorgeblich als privat verstandene Probleme: … Alltagsrassismus und Ausgrenzung sozialer Randgruppen …“. 121 Zahlreiche sozialstaatliche Vorschriften des Privatrechts begründen Verhaltenspflichten, die zwar nicht unmittelbar Geldleistungspflichten sind, jedoch bei ökonomisierender Betrachtung der Pflichten mittelbar distributive Effekte haben, C.-W. Canaris (Fn. 91). 122 H. F. Zacher Zur Rechtsdogmatik sozialer Umverteilung, DÖV 1970, 3 (5), bezeichnet als „soziale“ Umverteilung jene Umverteilung, „die menschenwürdige Existenz sichern und Wohlstandsdifferenzen sowie ökonomisch bedingte Abhängigkeiten mildern und abbauen soll“.
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staatliche Handlungserfordernisse im klassischen Sinne werden durch die Diskriminierungsverbote geradezu vermieden: Wenn Diskriminierungsverbote etwa dafür sorgen, dass ältere, behinderte, weibliche, homosexuelle oder fremdländisch wirkende Arbeitnehmer, die im Vollbesitz ihrer Schaffenskraft sind, nicht vorurteilsbedingt am Zugang zu Beschäftigung gehindert werden, werden staatliche Transferleistungen gerade nicht benötigt.123 Nur wo, wie ausgeführt, ein Vertragspartner wegen eines vergleichsweise ungünstigeren Leistungs-Gegenleistungsverhältnisses einen Vertrag unter ökonomischen Gesichtspunkten nicht zu gleichen Bedingungen schließen würde, geht mit dem Verbot der Diskriminierung in der Tat ein Stück sozialstaatlicher Funktion vom Staat auf einen Privaten über, der hier im weiteren Sinne eine ökonomische Transferleistung124 zu erbringen hat.125 Für diese begrenzte und überschaubare Fallgruppe passt das sozialstaatliche Etikett, ansonsten jedoch nicht. b)
Unterschiede zum „Recht der Ungleichgewichtslagen“
Dass die Diskriminierungsverbote im Übrigen auch keine Fortsetzung der Rechtsprechung zu den Ungleichgewichtslagen sind, lässt sich in formaler und materieller Hinsicht zeigen. Formal betrachtet ging es in diesen Entscheidungen um den Schutz vor Vertragsbindung, wohingegen die Diskriminierungsverbote Schutz vor Vertragsverweigerung126 bezwecken. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts haben die Bindungswirkung des Vertrags relativiert, indem sie in Ungleichgewichtslagen vom Vertrag befreien127 und damit den schwächeren Vertragspartner vor der
123 Die Vermeidung staatlicher Transferleistungserfordernisse dürfte ein Motiv für die Richtlinie 2000/78/ EG gewesen sein, s. J. Mohr (Fn. 102), 190 mwN. 124 Zu den distributiven Effekten privatrechtlicher Diskriminierungsverbote J. Mohr (Fn. 102), 267. 125 Angedeutet bei E. Picker (Fn. 43), 881. 126 Hier erweist sich das von D. Suhr (Fn. 38), 534, formulierte Freiheitsparadigma der „Freiheit der Menschen durch Menschen“ als passend, ohne dass sich daraus verfassungsrechtliche Konsequenzen ableiten ließen; treffend weist W. Cremer (Fn. 21), 189, den Ausführungen Suhrs „defensiv-explikativen Charakter“ zu. 127 BVerfGE 89, 214 (232); 81, 242 (255). Dabei überzeugt die Anknüpfung an das Grundrecht der Privatautonomie des Schwachen (BVerfGE 89, 214 [232]) nicht ohne weiteres. Tatsächlich wird durch diese Rechtsprechung kaum die Privatautonomie des Schwächeren geschützt, sondern der schwächere Vertragspartner vor ihren Folgen – nämlich vor der Bindung an den Vertrag; so treffend G. Manssen (Fn. 40), 145. Dass Privatautonomie nicht ohne weiteres die passenden Schutzgüter bietet, zeigt auch M. Ruffert (Fn. 21), 338 mwN; s. auch W. Cremer (Fn. 21), 494ff.
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Bindung an seine Vertragspflicht bewahren;128 vor allem hier setzt die Kritik an den Entscheidungen an.129 Demgegenüber stellt das Diskriminierungsverbot die Nichteingehung einer Vertragspflicht durch den anderen – in den Ungleichgewichtslagen wäre dies der stärkere – Vertragspartner in Frage. Diskriminierungsverbote lassen damit die auf der Fiktion eigenverantwortlichen Handelns beruhende Bindung an die einmal willentlich130 übernommene eigene Pflicht unangetastet. Auch in der Sache bestehen Unterschiede zum Recht der Ungleichgewichtslagen.131 So ist die Zielsetzung der privatrechtlichen Diskriminierungsverbote als Schutz der „Schwachen“132 nur unzureichend charakterisiert. In den Ungleichgewichtslagen zeichnet sich die „Schwäche“ der unterlegenen Partei durch informationelle, intellektuelle oder materielle Defizite oder auch dadurch aus, dass der unterlegene Vertragspartner auf die nachgefragte Leistung angesichts ihrer spezifischen Eigenschaften oder aufgrund der Angebot-Nachfrage-Relation stärker angewiesen ist als der andere auf die Gegenleistung.133 Angewiesenheit oder Defizite müssen bei Diskriminierungsopfern nicht unbedingt bestehen.134 Zwar gehen Ungleichgewichtslagen und Diskriminierungsanfälligkeit tatsächlich häufig Hand in Hand und können sich wechselseitig bedingen. Gleichwohl besteht ein konzeptioneller Unterschied.
128 S. dazu den treffend gewählten Titel von S. Lorenz Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997. S. auch W. Cremer (Fn. 21), 477. 129 D. Medicus (Fn. 35), 19 ff.; W. Kahl Die allgemeine Handlungsfreiheit als Auffangtatbestand, in: Merten/Papier (Hrsg.) Handbuch der Grundrechte, Bd. II (im Erscheinen), § 122 Rn. 45 mwN; W. Zöllner (Fn. 28), 3; C. Hillgruber Grundrechtsschutz im Vertragsrecht, AcP 1991, 69 (85); F. Hufen Schutz der Persönlichkeit und Recht auf informationelle Selbstbestimmung, FS 50 Jahre BVerfG, Bd. II, 2001, 105 (122). Kritisch zum methodischen Vorgehen der Feststellung einer Ungleichgewichtslage in der Handelsvertreterentscheidung G. Hermes Grundrechtsschutz durch Privatrecht auf neuer Grundlage?, NJW 1990, 1764 (1767). 130 Zur konzeptionellen Bedeutung der Willensbindung für die Vertragsfreiheit S. Lorenz (Fn. 128), 15 ff.; C. Heinrich (Fn. 28), 50f. 131 Zutreffend D. Schiek (Fn. 32), 307f. 132 S. dazu die monografische Darstellung von E. v. Hippel Der Schutz des Schwächeren, 1982, der hierzu Arbeitnehmer, Mieter, Verbraucher, Kinder, Frauen, Alte, Behinderte, Arme, Entwicklungsländer und künftige Generationen zählt. 133 Der letzte Aspekt wird zutreffend von D. Medicus (Fn. 35), 19, hervorgehoben. 134 K. v. Koppenfels Das Ende der Vertragsfreiheit?, WM 2002, 1489 (1492); J. Neuner (Fn. 55), 61 f. Richtig wird zwischen dem Ziel des „vertraglichen Interessenausgleichs“ und den anders gelagerten Zielen „diskriminierungsspezifischer Gesetzgebung“ auch bei M. Bäuerle (Fn. 24), 403f., differenziert. Dass sich Diskriminierungsschutz nicht auf die Fälle des Machtungleichgewichts beschränkt, wird auch von R. Nickel (Fn. 18), 130, und T. Bezzenberger (Fn. 55), 406f., zutreffend hervorgehoben.
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Diskriminierungsverbote schützen – sofern man sich außerhalb des „sozialstaatlichen Sonderbereichs“ des Diskriminierungsschutzrechts bewegt – nicht diejenigen, die bereits „schwach“ an einen Markt herantreten. Sie schützen vielmehr jene, die wegen einer bestimmten Gruppenzugehörigkeit oder auch der bloßen Zuschreibung135 einer solchen Zugehörigkeit im Geschäftsverkehr nachteilig behandelt werden.136 Die Betroffenen bringen hier zunächst keine Schwäche mit. Sie sind oder gelten vielmehr als Träger eines tatsächlichen oder zugeschriebenen Merkmals. Das Merkmal bildet nicht für sich genommen eine Schwäche, sondern ruft erst in Form des – sei es vorsätzlichen, sei es arglosen137 – Verhaltens des Vertragspartners einen Nachteil hervor. Diskriminierungsverbote gleichen damit, kurz gesagt, nicht Schwäche aus, sondern schützen vor Benachteiligung. 3.
Innovativer Gehalt der gegenüber sozialstaatlichen Zielen verselbständigten Diskriminierungsverbote
Es kann nun der eigene Charakter der Diskriminierungsverbote genauer beschrieben werden. Es handelt sich dabei trotz erkennbarer Nähe zu grundlegenden Verfassungspostulaten nicht um eine verfassungsrechtliche Diskriminierungsschutzkonzeption. Vielmehr wird eine rechtspolitische Diskriminierungsschutzkonzeption beschrieben, wie sie wohl auch jenen Gesetzesvorhaben zugrunde liegt, die den Anlass der Auseinandersetzung bilden. Ob man die Konzeption für überzeugend hält, ist also eine politische Frage. Nimmt man die eigenen Ziele der gegenüber sozialstaatlichen Zielen „verselbständigten“ Diskriminierungsverbote in den Blick, bezwecken diese in erster Linie nicht die Beseitigung materieller Mangellagen,138 sondern dienen dem Schutz diskriminierungsgefährdeter Gruppen vor nachteiliger Behandlung, ganz unabhängig davon, worin der Nachteil besteht. 135 Zur Kritik am Konstruktionscharakter „ethnischer Zugehörigkeit“ näher G. Britz (Fn. 50), 104 ff. mwN; zusätzlich zu den Merkmalen Geschlecht und Behinderung D. Schiek (Fn. 32), 29ff. 136 Vgl. U. Sacksofsky Gleichberechtigung (Fn. 10), 312 f.; S. Baer (Fn. 106), 293; so bereits J. Salzwedel (Fn. 23), 345. 137 Diskriminierung setzt eine Diskriminierungsabsicht nicht voraus, s. statt vieler D. König/A. Peters (Fn. 14), Rn. 57 ff. 138 Die „existenzielle Angewiesenheit“ einer Person auf eine Vertragsleistung dürfte demgegenüber als Charakteristikum „sozialen Privatrechts“ angesehen werden, s. nur E. Eichenhofer (Fn. 35), 862. Freilich können in Diskriminierungsverboten beide Zielsetzungen zusammentreffen, sofern Diskriminierungshandlungen sowohl materielle Mangelsituationen als auch Ausgrenzungswirkungen hervorrufen.
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Im Kern geht es beim Diskriminierungsschutz nicht um die Versorgung mit materiellen Gütern, die Diskriminierten vorenthalten würden: nicht um die Wohnung an sich, nicht um die Ware an sich, nicht um die Versicherung an sich. Ziel der Diskriminierungsverbote ist vielmehr der Schutz bestimmter Personen vor Benachteiligung als solcher.139 Es kann nach dieser Konzeption die Verweigerung eines Wohnungsmietvertrags wegen der fremden Erscheinung des Interessenten eine Diskriminierung sein, auch wenn andere dem Abgewiesenen in nächster Nähe zwanzig vergleichbare Wohnungen vermieten würden.140 Das Diskriminierungsverbot konstituiert ein im Gleichheits-141, nicht im Versorgungsgedanken wurzelndes, eigenständiges142 Recht143, von Diskriminierung durch Mitmenschen verschont zu bleiben.144 Geschützt werden jene Personen, von denen man annimmt, dass sie aufgrund der (vermeintlichen) Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe regelmäßig Benachteiligungen erfahren.145 Die Benachteiligung solcher Personen soll unterbunden werden, weil sie unabhängig von ökonomischen Mangellagen „Ausgrenzung“ bedeutet.146 Die gegen Ausgrenzung gerichtete Dis-
139 Zutreffend K. v. Koppenfels (Fn. 134), 1492: „… Zwang zum Vertragsschluss nicht deswegen … , weil Güter oder Dienstleistungen vorenthalten werden, bei denen das Interesse der Gesamtheit es verlangt, dass der Einzelne an den betreffenden Gütern teilhat, sondern weil in der Ablehnung des abzuschließenden Vertrages eine unzulässige Benachteiligung … liegt“. 140 Ähnlich zum österreichischen Recht U. Davy (Fn. 119), 90: „Diskriminierung soll unterbleiben, auch wenn es ein anderes Bad, ein anderes Restaurant oder ein anderes Kino gibt“. 141 Gleichheit ist hier im allgemeinen Sinne, also gerade nicht im spezifischen Sinne „sozialer Gleichheit“ gemeint. S. hingegen zum Zusammenhang von Gleichheit und sozialer Gerechtigkeit S. Huster Rechte und Ziele, 1993, 408ff. 142 Hingegen exemplarisch für die bisherige Akzessorietätserwartung an Diskriminierungsschutz in Vertagsverhältnissen J. Pietzcker Drittwirkung – Schutzpflicht – Eingriff, FS Dürig, 1990, 345 (349f.). 143 Den Rechtscharakter hebt U. Davy (Fn. 119), 107, hervor. 144 Es besteht teilweise, jedoch längst nicht vollständige Deckungsgleichheit zum Schutzgut des allgemeinen Persönlichkeitsrechts; ausführlicher R. Nickel (Fn. 18), 145 mwN; s. bereits oben Fn. 18. Was spezifisches Schutzgut des Diskriminierungsverbotes ist, ist streitig, D. König/A. Peters (Fn. 14), Rn. 51 mwN. 145 Die besondere Diskriminierungsgefährdung bestimmter Gruppen hat der Verfassungsgeber durch Art. 3 Abs. 2 und 3 GG grundsätzlich anerkannt; vgl. L. Osterloh (Fn. 22), Rn. 244. 146 S. Begründung der Kommission zum Vorschlag der Rassismusrichtlinie, KOM (1999) 566 endgültig, 6: „Wenn Menschen der Zugang zu Waren und Dienstleistungen ihrer Wahl verwehrt wird, kann dies im günstigeren Fall nur der Selbstachtung der Betroffenen schaden, im ungünstigsten Fall kann dies jedoch eine noch stärkere soziale Aus-
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kriminierungsschutzkonzeption beruht auf der Idee, jede Person habe einen moralischen Anspruch, mit gleicher Achtung behandelt zu werden wie jede andere, und dieser Anspruch werde durch Diskriminierung, die an bestimmte Gruppenmerkmale anknüpft, beeinträchtigt.147 Aus dieser Perspektive gilt Diskriminierung als Verletzung:148 Wer einen Vertragsschluss zu gleichen Bedingungen wegen eines verpönten Merkmals verweigert, unterlässt nicht bloß eine Leistung, sondern greift durch Ausgrenzung aktiv in die Interessen eines anderen ein. Das Diskriminierungsverbot erhält damit abwehrenden Charakter, so dass es – wollte man es einer der Staatszielbestimmungen zuordnen – beim Rechtsstaat besser aufgehoben wäre als beim Sozialstaat. Diese abstrakte Einforderung diskriminierungsfreien Vertragsverhaltens ist für das deutsche Recht149 ungewohnt.150 Zwar gibt es im Zivilrecht stete Bemühungen, insbesondere in Zusammenhang mit der Lehre vom Kontrahierungszwang,151 spezielle Fallgruppen herauszuarbeiten, in denen Diskriminierung im Vertragskontext sittenwidrig ist. Im Vordergrund steht jedoch wiederum die sozialstaatliche Ermöglichung des Ge-
grenzung zur Folge haben“; W. Hennig/S. Baer (Fn. 2), 170: „Erfahrungen der sozialen Ausgrenzung“. Ebenso S. Baer (Fn. 10), 218; dies. (Fn. 106), 293; D. Schiek (Fn. 32), 37; J. Neuner (Fn. 55), 61 f.; E. Eichenhofer (Fn. 79), 1083 f. 147 So aus philosophischer Sicht jüngst S. Gosepath (Fn. 18), insbesondere 128, 168 ff., der das Diskriminierungsverbot auch in privaten Beziehungen gelten lässt, ebenda, 171 ff. Ähnlich S. Huster Buchbesprechung, Der Staat 2003, 145 (147), der damit allerdings keine Aussage zur Geltung in privaten Beziehungen trifft: „… grundlose Ungleichbehandlung [verletzt] den jedermann zustehenden Achtungsanspruch … Diskriminierungsverbote beruhen … darauf, dass eine diskriminierende Differenzierung als solche mit dem gleichen Wert aller Bürger regelmäßig nicht vereinbar ist“. 148 In diesem Sinne U. Davy (Fn. 119), 107: „Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz schafft … Verletzte“. Dass grundsätzlich das Unterlassen eines Vertragsschlusses als „Schädigung“ aufgefasst werden kann, hat bereits H. C. Nipperdey Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, 1920, 57ff., gezeigt. 149 S. nur BGHZ 70, 313 (325): Zivilrechtlich relevant sind danach „… allenfalls bestimmte Verstöße gegen Art. 3 GG, die aus besonderen Gründen als anstößig empfunden werden …“. S. aber T. Bezzenberger (Fn. 55), der begründet, dass ethnische Diskriminierung „nicht nur unter besonderen Umständen des Einzelfalls, sondern grundsätzlich und als solche … gegen die guten Sitten“ verstößt und rechtfertigungsbedürftig ist (Hervorhebung durch Verfasserin). 150 Die Zivilrechtswissenschaft hat selbständige Diskriminierungsverbote auch im Rahmen der Debatte um die „Materialisierung der Vertragsfreiheit“ nicht thematisiert; so auch D. Schiek (Fn. 32), 295, 308, die nun allerdings eben diese Thematisierung vornimmt. 151 Grundlegend H. C. Nipperdey (Fn. 148), aus neuerer Zeit J. Busche Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 1999, insbesondere 151 ff.
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nusses von Gütern und Leistungen.152 Ein verselbständigtes Diskriminierungsverbot wird im allgemeinen153 Zivilrecht kaum anerkannt.154 Im Grundsatz gilt vielmehr nach wie vor, dass die Vertragsschließenden von Nichtdiskriminierungspflichten frei sind.155 Diskriminierungsverbote schaffen darum ein neues und eigenes Spannungsverhältnis zur Vertragsfreiheit.156 Dass leidenschaftlich gestritten wird, ist vor diesem Hintergrund nicht mehr ganz so verwunderlich. Es vollzieht sich hier eine Grenzverschie-
152 L. Raiser Der Gleichheitsgrundsatz im Privatrecht, ZHR 111 (1946), 75 (97); J. Busche (Fn. 151), 151ff.; C. Heinrich (Fn. 28), 232 mwN; E. Picker (Fn. 49), 544. M. Wolf Gleichbehandlungsgrundsatz und Privatrechtliches Teilhaberecht, FS Raiser, 1974, 596 (609ff.), bezieht dies über den engen Bereich der lebensnotwendigen Güter der Daseinsvorsorge hinaus auch auf sonstige zum allgemeinen Lebensstandard gehörende Güter und Leistungen. Regelmäßig wird dabei eine besondere Machtposition einer Vertragsseite vorausgesetzt; L. Raiser (Fn. 28), 8; H. C. Nipperdey Grundrechte und Privatrecht, FS Molitor, 1962, 17 (28ff.); F. Bydlinsky (Fn. 28), 33; C. Heinrich (Fn. 28), 232; T. Bezzenberger (Fn. 55), 404. Diese resultiert insbesondere aus fehlendem Wettbewerb, s. L. Raiser Gleichheitsgrundsatz, ebenda, 93f.; H. Otto Personale Freiheit und soziale Bindung, 1978, 150; BVerfG, FamRZ 1989, 1047. Den Meinungsstand im Schrifttum zusammenfassend J. Busche (Fn. 151), 291. 153 Das Arbeitsrecht kennt vergleichsweise weitgehende Gleichbehandlungsgebote, die allerdings – mit Ausnahme des Verbots der Geschlechterdiskriminierung (§ 611a BGB) und neuerdings auch des Verbots der Diskriminierung Schwerbehinderter (§ 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB IX) – erst nach Begründung eines Arbeitsverhältnisses gelten. Diese sind jedoch eher dem sozialstaatlichen, nicht dem verselbständigten Diskriminierungsschutz zuzuordnen. 154 Zurückhaltende Beurteilung der Reichweite von §§ 138, 826 BGB als „Antidiskriminierungsrecht“ auch bei R. Nickel (Fn. 18), 129 ff. 155 Unzulässig sind nach verbreiteter Auffassung allerdings auch Diskriminierungen aus rassistischen Gründen, sofern sie im Einzelfall das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzen, wenn etwa Güter öffentlich angeboten und dann bestimmten Personengruppen willkürlich vorenthalten werden; s. nur H. Otto (Fn. 152), 150; T. Göksu Rassendiskriminierung beim Vertragsabschluss als Persönlichkeitsverletzung, 2003. Dies kommt dem Ausgrenzungsgedanken in der Sache sehr nahe. Gleichwohl geht nach bisherigem Verständnis das zivilrechtliche und erst recht das verfassungsrechtliche Persönlichkeitsrecht nicht so weit, dass jede nachteilige Behandlung von Personen mit einem verpönten Diskriminierungsmerkmal gleich als Persönlichkeitsrechtsverletzung angesehen würde. Im allgemeinen Zivilrecht wird dieser Gedanke denn auch im Wesentlichen auf rassistische Diskriminierung beschränkt und selbst hier noch an besondere Voraussetzungen geknüpft. 156 Damit bricht auch die zweite Verteidigungslinie gegen die Kodifizierung privatrechtlicher Diskriminierungsverbote zusammen, die nicht deren usurpatorischen Charakter, sondern vielmehr umgekehrt geltend macht, Diskriminierungsverbote seien überflüsxsig, weil sie im Zivilrecht längst Geltung besäßen. So in der Tendenz K. v. Koppenfels (Fn. 134), 1492 ff. mwN. Allgemein zum Phänomen und zur Erklärung der gleichzeitigen Behauptung von Reform- und Traditionscharakter ein und derselben Norm K. F. Röhl Rechtssoziologie, 1987, 249 mwN.
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bung zwischen als privat und als öffentlich wahrgenommenen Sphären an einem neuralgischen Punkt.
III. Normierung moralisch kontroverser Verhaltensanforderungen durch privatrechtliche Diskriminierungsverbote Eine dritte Besonderheit der privatrechtlichen Diskriminierungsverbote besteht darin, dass sie nicht irgendeine innovative Neuregelung treffen, sondern dass eine Regel für zwischenmenschliches Verhalten statuiert wird, deren Bedeutung schon als bloß „moralische“ Norm höchst streitig ist. Dass damit im Kern um eine Gerechtigkeitsfrage gestritten wird, erklärt einerseits, warum voraussichtlich folgenarmes Recht solchen Widerstand auslösen kann, lässt jedoch andererseits die Grenzen spezifisch „juristischer“ Kritik an privatrechtlichen Diskriminierungsverboten noch einmal deutlich hervortreten. 1.
Kontroverse um grundlegende Verhaltensanforderungen als Kern der Auseinandersetzung
Die Auseinandersetzung scheint zunächst alle Merkmale einer irrationalen Diskussion um bloß symbolisches Recht aufzuweisen: Nach verbreiteter Einschätzung werden die vertraglichen Diskriminierungsverbote keine allzu große Effektivität entfalten.157 Vor allem in den Vertrags157 S. nur G. Thüsing (Fn. 83), 260: Diskriminierung wegen des Geschlechts, 262: Diskriminierung wegen einer Behinderung; E. Eichenhofer (Fn. 79), 1084 mwN. Das bestätigen auch ausländische Erfahrungen mit Diskriminierungsverboten, s. zu Großbritannien M. MacEwen (Fn. 79), 377ff.; S. Fredman Discrimination Law, 2002, 6, 161ff., 194. Geringe Effektivität mangels Beweisbarkeit hielt W. Leisner (Fn. 19), 359, bereits der Kritik an der unmittelbaren Drittwirkung von Art. 3 Abs. 3 GG entgegen. – Nicht abschließend gelöst ist die Frage, wie sich (privatrechtliche) Diskriminierungsverbote durch verfahrens- und organisationsmäßige Ausgestaltung effektuieren lassen. Zu den z.T. in den Diskriminierungsschutzrichtlinien bereits angelegten verfahrens- und organisationsrechtlichen Vorschriften zählen Beweislastregelungen, Bestimmungen über die Einrichtung spezieller Überwachungsbehörden, Verpflichtungen zum Dialog mit Nichtregierungsorganisationen und die Einführung von Verbandsklagemöglichkeiten. Allerdings dürften sich Diskriminierungswillige auch auf die meisten Verfahrensanforderungen ohne große Anstrengung einstellen können. Zu Verfahrensregelungen P. Rädler (Fn. 18); S. Scholz Lohngleichheit durch Verfahren, 2000; E. Kocher Antidiskriminierungsrecht vor den Arbeitsgerichten, Streit 2003, 139ff. (alle zur institutionellen Ausgestaltung des Diskriminierungsschutzes und zur Erweiterung von Klagemöglichkeiten). S. außerdem D. König Die drei EG-Antidiskriminierungsrichtlinien: Dialog mit den Nichtregierungsorganisationen – ein Mittel zur effektiven Bekämpfung von Diskriminierungen?, EuR 2004, 132ff. mwN; A. Röthel Beweislast
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beziehungen kleinen Stils sind Diskriminierungen nur schwer nachzuweisen. Wer nicht gerade „töricht“158 handelt, wird den Diskriminierungsverdacht regelmäßig entkräften können.159 Die Chance der Beweisbarkeit privater Diskriminierung steigt bei serienmäßigen Vertragsschlüssen größerer Unternehmen, weil sich hier eher diskriminierende Tendenzen aufzeigen lassen.160 Die härteste Auseinandersetzung erfolgt nun aber gerade um die „kleinen“, als besonders „privat“ empfundenen Vertragsgeschäfte. Es mögen die Befürworter privatrechtlicher Diskriminierungsverbote auf eine verhaltenssteuernde Wirkung der Verbotsnormen hoffen, die unabhängig von der gerichtlichen Durchsetzungsfähigkeit eintreten kann.161 Dieser Effekt allein erklärt aber noch kaum die starke Ablehnung seitens der Gegner. Auch die ökonomische Relevanz scheint im Kern der Auseinandersetzung um privatrechtliche Diskriminierungsverbote wenig zu interessieren. Man könnte darum meinen, die Diskussion habe sich von der Politik auf einen wohlfeilen162 Nebenkriegsschauplatz locken lasund Geschlechterdiskriminierung, NJW 1999, 611ff. Bedeutend ist auch die Frage nach der Sanktion unzulässiger Diskriminierungshandlungen, dazu B. Steinbrück Geldentschädigung bei ethnischen Diskriminierungen – Punitive damages als zivilrechtliche Sanktion?, Jura 2004, 439ff.; T. Hoppe Europäischer Schutz vor sexueller Diskriminierung beim Zugang zur Arbeit, ZEuP 2002, 78 (83ff.), mit rechtsvergleichendem Überblick. 158 C. W. Canaris (Fn. 91), 99 a.E. 159 Vgl. U. Sacksofsky (Fn. 53), Rn. 369, insbesondere Fn. 317; C.-W. Canaris (Fn. 19), 236; J. Neuner (Fn. 31), 1823: „allfällige Beweisschwierigkeiten“; s. auch E. Picker (Fn. 49), 543. Das Beweisproblem rührt daher, dass, wie gesehen (s. oben Fn. 77), nicht jede Handlung, die für eine geschützte Person nachteilig ist, allein deshalb untersagt werden darf. Darum muss zur Feststellung des Diskriminierungscharakters einer mehrdeutigen Handlung unter Umständen nach den schwer zugänglichen Differenzierungsmotiven gefragt werden. 160 Am ehesten gelingt dies bei standardisierten Verträgen wie etwa im Versicherungsrecht, vgl. K.-H. Ladeur (Fn. 70). 161 Zum Potential rechtlicher Normen zu „sittenbildender Kraft“ aus rechtssoziologischer Sicht K. F. Röhl (Fn. 156), 276 f. mwN. 162 Effektive Maßnahmen des Diskriminierungsschutzes kämen den Staat teuer zu stehen. Erforderlich wären zum einen Ausgleichsmechanismen, die möglichst im Rahmen öffentlicher Transfersysteme ökonomische Lasten, wie etwa Mutterschaftskosten, von den Schultern beider Vertragspartner nehmen. Zum anderen bedürfte es einer verstärkten Anstrengung um eine „Kontextsteuerung“ zur Beseitigung jener Bedingungen, aus welchen sich die ökonomische Diskriminierungsanfälligkeit, etwa von Frauen am Arbeitsmarkt, maßgeblich speist. Als Kontext in diesem Sinne gelten bezüglich der Benachteiligung von Frauen im Berufsleben all jene „Bedingungen, die [Frauen] daran hindern, eine vergleichbare Produktivität wie Männer am Arbeitsmarkt überhaupt erst anbieten zu können. Dies können Ausbildungshindernisse, überkommene Rollenvorstellungen, fehlende Transferleistungen des Staates und vieles andere mehr sein“, s. M. Adams (Fn. 84), 539. Ähnlich zur Situation Behinderter V. Neumann Sozialstaatsprinzip und Grundrechtsdogmatik, DVBl 1997, 92 (99).
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sen.163 Scheinbar paradoxerweise sind es aber häufig ein und dieselben Personen, die den Übergriff der Diskriminierungsverbote ins Privatleben bemängeln und zugleich die – also durchaus erkannte – reale Folgenlosigkeit solcher Gesetze rügen. Um die Wirkung der Diskriminierungsverbote dürfte es am Ende jedoch weniger gehen als um etwas ganz anderes: Privatrechtliche Diskriminierungsverbote haben eine Doppelfunktion. Einerseits sind sie Instrument zur Überwindung privater Diskriminierung. Dass sie als solche nur begrenzt effektiv sind, wissen sowohl die Befürworter als auch die Gegner. Andererseits sind die Diskriminierungsverbote aber auch Normen, die besagen, „was gesollt ist“164 bzw. „was nicht gesollt ist“. Es ist wohl dieser normierende, nicht der instrumentelle Charakter der Diskriminierungsverbote, um den gestritten wird. Es geht um die Kodifizierung bzw. Verhinderung einer neuen165 Verhaltensnorm, die aus Sicht ihrer Gegner bislang nicht einmal als „nur moralische“ Norm Gültigkeit besaß.166 Die Frage, ob es geboten ist oder nicht, bei Vertragsgeschäften über eigene Abneigungen gegen bestimmte Personengruppen hinwegzusehen, bildet den eigentlichen Kern der Auseinandersetzung. Dass man bezüglich einer solchen Verhaltenspflicht (und sei sie auch bloß moralischer Art) geteilter Meinung sein kann, liegt auf der Hand. Es treffen hier sehr unterschiedliche Gerechtigkeitsvorstellungen aufeinander. 2.
Rationalität der Auseinandersetzung um die (real folgenarme) Kodifizierung kontroverser Verhaltensanforderungen
Damit verliert die Debatte einerseits ihren Phantomcharakter. Zu beobachten ist hier nicht die irrationale Befassung eines über die realen ge-
163 Pointiert K.-H. Ladeur (Fn. 70). Allgemein zur „Kostengünstigkeit“ als Erklärung für symbolische Gesetzgebung R. Steinberg Symbolische Umweltpolitik unter besonderer Berücksichtigung der Beschleunigungsgesetzgebung, in: Hansjürgens/Lübbe-Wolff (Hrsg.) Symbolische Umweltpolitik, 2000, 63 (83ff. mwN). 164 Zu diesem Verständnis von „Norm“ R. Alexy (Fn. 24), 43ff., 72. 165 In aller Klarheit ist dies als historischer Vorgang herausgearbeitet von K. L. McCaw (Fn. 3). 166 Deutlich etwa C. Tomuschat (Fn. 15), 710 f.: „It may well be feasible that a State abstain from any discrimination on any ground. That private citizens, however, should behave in the same way is simply unsound even as an objective to be aimed at. … everyone may state his private or political preferences and aversions. … In sum, private life is essentially based on distinctions which intimately relate to the lists of forbidden criteria“ (Hervorhebung durch Verfasserin). AA aus philosophischer Sicht S. Gosepath (Fn. 18), 171 ff.
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setzlichen Steuerungswirkungen getäuschten Publikums mit bloß symbolischen Akten der Politik.167 Vielmehr ist es die dem Grunde nach plausible, unmittelbar politische Auseinandersetzung um kontroverse Verhaltensnormen an sich. Die Auseinandersetzung hat sich zwar an den Richtlinien und dem Gesetzentwurf entzündet. Der Vorgang der Gesetzesentstehung und sein mediales Umfeld bieten jedoch nunmehr bloß noch den „Austragungsort“ einer unabhängig von den realen Gesetzesfolgen sinnvoll führbaren Auseinandersetzung um grundlegende Verhaltensanforderungen. Diese Auseinandersetzung ist ein politischer Vorgang, dessen Berechtigung nicht durch die reale Folgenarmut eines dabei entstehenden Gesetzes verloren geht. 3.
Grenzen juristischer Argumentation angesichts des „moralischen Kerns“ der Auseinandersetzung
So berechtigt der Streit damit dem Grunde nach ist, so unzureichend bleiben andererseits notgedrungen die „ juristischen“ Beiträge zu dieser Auseinandersetzung. Wenn die Auseinandersetzung im Kern dadurch bedingt ist, dass unterschiedliche Gerechtigkeitsvorstellungen aufeinander treffen, ist mit rechtlichen Argumenten naturgemäß nichts auszurichten. Das Recht beantwortet die Frage nach der richtigen Moral eben nicht. Die Kritik verschleiert, wie wenig Juristen qua Profession zur Beantwortung dieser Kernfrage beitragen können, indem sie vom „moralischen Charakter“ ihres eigenen Standpunkts ablenkt. Die vermeintliche Autorität der ambivalenten Recht-und-Moral-Dichotomie bemühend, wird so getan, als gehe es gar nicht um den Inhalt der Diskriminierungsverbotsnormen, sondern als gründe die Kritik allein auf dem formalen Bedenken gegen die Verrechtlichung moralischer Normen im Allgemei-
167 Üblicherweise hat die Rede von „symbolischem Recht“ die Konnotation eines getäuschten Publikums, dem der Gesetzgeber erfolgreich eigene Steuerungsleistungen vorspielt. S. nur R. Steinberg (Fn. 163), 64; B. Hansjürgens/G. Lübbe-Wolff Symbolische Umweltpolitik, in: dies. (Hrsg.) Symbolische Umweltpolitik, 2000, 11 (11 f.): „… politische Inszenierung mit Bluff-Effekt …“, die „nur unter der Voraussetzung funktioniert, dass sie nicht von einer breiteren Öffentlichkeit als solche durchschaut wird …“; ebenda, 12: „… ungedeckte Steuerungsprätention, der erzeugte falsche Schein, die nur vorgespiegelte politische Leistung, die Täuschung der Adressaten über das, was die jeweilige politische Aktivität wirklich bewirke …“. G. Lübbe-Wolff Erscheinungsformen symbolischen Umweltrechts, in: Hansjürgens/dies. (Hrsg.) Symbolische Umweltpolitik, 2000, 25 (25): „Umweltrecht wird … als symbolisch bezeichnet, sofern es nicht als Instrument der Steuerung fungiert, sondern als Medium zur Vermittlung der Botschaft, dass gesteuert werde“.
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nen.168 Das formale, rhetorisch vom konkreten Norminhalt gelöste Argument, mit den privatrechtlichen Diskriminierungsverboten greife das Recht unzulässig in die Sphäre des Moralischen über, mag aus Juristenfeder zunächst überzeugender klingen als die unverblümt politische Äußerung eines moralischen Standpunkts. Es bleibt die Position der Kritik indes eine Haltung zum Inhalt des Diskriminierungsverbots: Für die Allermeisten dürfte das formale Argument, die private Sphäre sei von Verrechtlichung freizuhalten, ohnehin bloß Hilfsargument oder gar vorgeschoben sein, um ihren inhaltlich ablehnenden Standpunkt gegenüber den Diskriminierungsverboten stärker erscheinen zu lassen. Stießen die Diskriminierungsverbote in der Sache auf Zustimmung, führte der bloße Schritt ihrer Verrechtlichung kaum zu dem hier erlebten Aufbegehren. Auch jene, die es mit dem formalen Einwand ernst meinen, die also nicht bloß ihren ablehnenden inhaltlichen Standpunkt kaschieren, bringen jedoch in Wirklichkeit mehr als eine bloß formale Position zum Ausdruck. Die Forderung, eine bestimmte Verhaltensnorm möge nicht verrechtlicht werden, sagt etwas über den (eher geringen) Stellenwert aus, der ihr als moralischer Norm beigemessen wird; zumal der „Verrechtlichungsverzicht“, wie gesehen (I. 3. b) (cc)), faktisch die Durchsetzung eines moralischen Standpunkts erschweren kann. Der Stellenwert, den man einer Verhaltensnorm einräumt, dürfte mit der Verrechtlichungsneigung sehr eng zusammenhängen. So werden die meisten etwa die Verrechtlichung des für wichtig gehaltenen Körperverletzungsverbots, viele auch die des Beleidigungsverbots gutheißen; die wenigsten würden es hingegen befürworten, das Gebot, gebrechliche Personen über die Straße zu geleiten, in Gesetzesform zu gießen. Das Gebot, Diskriminierung beim Vertragsschluss zu unterlassen, scheint auf der Bedeutungsskala der Kritiker allenfalls in diese letzte Gruppe schwacher moralischer Pflichten zu fallen. Über die Frage, welcher Stellenwert Diskriminierungsverboten als moralische Anforderung an menschliches Verhalten zukommen soll, wird 168 S. beispielhaft für die beschriebene Position K.-H. Ladeur (Fn. 70): „… certainly nobody can be in favour of discrimination. However, in a liberal society there is a legal rationality which is different from morality and which cannot be ignored without provoking serious doctrinal and practical problems …“; E. Picker (Fn. 49), 540: „In eindrucksvoller Zerrissenheit von moralischen Skrupeln und lebenskluger Folgenbedenkung schwankt [die Mehrheit der Nachdenklichen und Zweifelnden] zwischen Befürwortung und Ablehnung des neuen Gesetzes. Denn sie verabscheut zwar jede Diskriminierung. Sie ist deshalb bereit, deren Erscheinungen zu bekämpfen. Sie beargwöhnt jedoch ein striktes und strikt überwachtes Diskriminierungsverbot auch im Bereich des Privatrechts“; ähnlich K. Hailbronner (Fn. 2), 254.
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man weiterhin streiten. Wer hierauf allerdings gerade von Juristen eine Antwort erwartet, überfordert die Erkenntnismöglichkeiten der Rechtswissenschaft.169
169 Auf wissenschaftlichem Niveau kann die Frage nach der moralischen „Richtigkeit“ privater Diskriminierungsverbote eher von der Moralphilosophie beantwortet werden. Philosophisch grundlegend neuerdings S. Gosepath (Fn. 18), insbesondere 171 ff. Auch die Ökonomie hat unter ihren eigenen normativen Prämissen etwas zur „Richtigkeit“ privatrechtlicher Diskriminierungsverbote zu sagen. Aus der breiten rechtsökonomischen Literatur zu Diskriminierungsverboten L. P. Ambinder Dispelling the Myth of Rationality: Racial Discrimination in Taxicab Service and the Efficiacy of Litigation under 42 U.S.C. § 1981, 64 Geo. Wash. L. Rev. 1996, 342ff.; J. J. Donohue Is Title VII efficient?, 134 U. Pa. L. Rev. 1986, 1411 ff.; ders. Prohibiting Sex Discrimination in the Workplace: An Economic Perspective, 56 U. Chi. L. Rev. 1989, 1337 ff.; R. A. Posner The efficiency and the efficacy of Title VII, 136 U. Pa. L. Rev. 1987, 513 ff.; D. A. Strauss (Fn. 90); G. Thüsing (Fn. 83), mwN. Die ökonomische Literatur zu Diskriminierungsverboten ist kaum zu überschauen. Beispielhaft sei auf drei Titel verwiesen: K. J. Arrow What has economics to say about racial discrimination?, Journal of Economic Perspectives, Spring 1998, Vol. 12, Issue 2, 91 ff.; J. A. List The Nature and Extent of Discrimination in the Marketplace: Evidence from the field, Quarterly Journal of Economics, Feb. 2004, Vol. 119, Issue 1, 49ff.; S. J. Lundberg/R. Startz Private Discrimination and Social Intervention in Competitive Labor Markets, 73 Am. Econ. Rev. 1983, 340ff.
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Leitsätze der 2. Berichterstatterin über:
Diskriminierungsschutz und Privatautonomie (1) Dass ein starkes Spannungsverhältnis zwischen Diskriminierungsschutz und Privatautonomie besteht, lässt sich an der Auseinandersetzung um die Aufnahme von Diskriminierungsverboten ins private Schuldvertragsrecht ablesen. Der in mehrfacher Hinsicht ungewöhnliche Charakter der Debatte ist auf drei Aspekte der Kodifizierung privatrechtlicher Diskriminierungsverbote zurückzuführen (I.–III.):
I.
Indifferenz des höherrangigen Rechts gegenüber privatrechtlichen Diskriminierungsverboten
(2) Die Einführung privatrechtlicher Diskriminierungsverbote ist durch höherrangiges Recht weder umfassend aufgegeben, noch ist sie verboten. 1.
Gebieten höherrangige Normen privatrechtliche Diskriminierungsverbote?
(3) Weder das europäische Primärrecht noch das Völkerrecht verpflichten zu umfassendem privatrechtlichen Diskriminierungsschutz. (4) Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG verpflichtet mangels Schutzpflichtfunktion nicht zum Erlass privatrechtlicher Diskriminierungsverbote. Hingegen hat Art. 3 Abs. 2 GG eine objektive Dimension, die mittelbar in die Privatrechtsverhältnisse hineinwirkt, dem Gesetzgeber jedoch viel Ausgestaltungsspielraum lässt. 2.
Steht die Vertragsfreiheit privatrechtlichen Diskriminierungsverboten entgegen?
(5) Diskriminierungsverbote greifen in die Vertragsfreiheit bzw. in bereichsspezifische Grundrechte ein. Der Grundrechtseingriff ist jedoch grundsätzlich rechtfertigungsfähig. 3.
Steht der rechtliche Schutz von „Privatheit“ privatrechtlichen Diskriminierungsverboten entgegen?
(6) Schlüsselbegriff der Kritik an den Diskriminierungsverboten ist das „Private“, das gegen „öffentliche Intervention“ verteidigt wird.
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(7) Der verfassungsrechtliche Schutz des Privaten geht jedoch im Ergebnis nicht über die Gewährleistungen des Privatsphärenschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG) hinaus. (8) Durch Zuordnung einer vertraglichen Handlung zum „Privaten“ lässt sich kein spezifischer Freiheitsschutz erzielen. Die verfassungsrechtliche Grenze zwischen autonom bestimmtem Privathandeln und öffentlich reglementiertem Handeln steht weitgehend zur Disposition des Gesetzgebers: Ob eine Grenzverschiebung zulässig ist, ist nicht eine Frage „privater Tabuzonen“, sondern der Verhältnismäßigkeit von Freiheitsbeschränkungen. (9) a) Auch aus der Unterscheidung zwischen Moral und Recht ergibt sich keine verfassungsrechtlich gegen „Verrechtlichung“ geschützte Sphäre des Privaten. (9) b) Die Vorstellung, die Öffentlichkeit könne sich durch Nichtintervention gegenüber privaten Gerechtigkeitsvorstellungen völlig neutral verhalten, ist Illusion. (10) Diskriminierungsverbote sind nicht deshalb problematisch, weil sie eine innere Gesinnung verlangten. Sie begnügen sich mit „äußerer Gesetzesbefolgung“. 4.
Steht der rechtliche Schutz vor ökonomischer Inpflichtnahme privatrechtlichen Diskriminierungsverboten entgegen?
(11) Einige Diskriminierungsverbote untersagen ökonomisch rationale Verhaltensweisen. Eine Differenzierung kann ökonomisch rational sein, wenn sich das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung aus Sicht des Vertragspartners aufgrund besonderer Umstände schlechter darstellt als in anderen Vertragsverhältnissen. (12) Durch die Verhinderung ökonomisch rationaler Differenzierung wird der Vertragspartner mehr oder weniger zufällig ökonomisch für die Realisierung des (insoweit sozialstaatlichen) Diskriminierungsschutzziels in die Pflicht genommen. (13) Die Inpflichtnahme ist Grundrechtseingriff und bedarf der Rechtfertigung. Forderte man eine Verantwortungsbeziehung des Inpflichtgenommenen zur spezifischen Situation des Diskriminierungsgeschützten, wäre eine kompensationslose Inpflichtnahme idR unzulässig. Die „Unvertretbarkeit“ einer diskriminierungsfrei zu erbringenden Leistung ist jedoch eigenständiger Rechtfertigungsgrund, der auch die mit der unvertretbaren Leistung verbundene „sekundäre“ ökonomische Belastung deckt. Diese sekundäre Last bleibt für die Beurteilung der Zumutbarkeit eines Diskriminierungsverbots relevant.
Diskriminierungsschutz und Privatautonomie
II.
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Neuartigkeit privatrechtlicher Diskriminierungsverbote
(14) Die Diskriminierungsverbote weisen einen neuartigen Regelungsgehalt auf und finden im allgemeinen deutschen Zivilrecht keine Vorläufer. 1.
Deutung der Diskriminierungsverbote als Fortentwicklung des sozialstaatlichen „Rechts der Ungleichgewichtslagen“
(15) Privatrechtliche Diskriminierungsverbote werden unpräzise als sozialstaatliche Regelungen gedeutet und in eine Linie mit den umstrittenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Recht der Ungleichgewichtslagen gestellt. Dabei bleibt der eigene Charakter der Diskriminierungsverbote unerkannt. Das besondere Spannungsverhältnis der Diskriminierungsverbote zur Privatautonomie rührt daher, dass sie gerade nicht den dem Grunde nach akzeptierten sozialstaatlichen Charakter sonstiger Beschränkungen der Vertragsfreiheit teilen. 2.
Abgrenzungen
a)
Einwände gegen sozialstaatliche Deutung
(16) Das sozialstaatliche Etikett passt nur zu ausgewählten Diskriminierungsverboten: „Klassischer“ sozialstaatlicher Schutz zielt auf das Ökonomische, auf Umverteilung von den „Habenden“ zu den „Bedürftigen“. Dies trifft nur auf den sozialstaatlichen „Sonderbereich“ des Diskriminierungsschutzrechts zu (s. These 12). b)
Unterschiede zum Recht der Ungleichgewichtslagen
(17) Das Recht der Ungleichgewichtslagen schützt den Unterlegenen vor der Bindung an seine Vertragspflicht. Diskriminierungsverbote bezwecken Schutz vor Vertragsverweigerung durch das Gegenüber. (18) Die „Schwäche“-Merkmale der Ungleichgewichtslagen (informationelle, intellektuelle, materielle Defizite oder Angewiesenheit auf die Vertragsleistung) müssen bei Diskriminierungsopfern nicht bestehen. Privatrechtliche Diskriminierungsverbote gleichen nicht „Schwäche“ aus, sondern schützen vor Benachteiligung. 3.
Innovativer Gehalt der gegenüber sozialstaatlichen Zielen verselbständigten Diskriminierungsverbote
(19) Die den Diskriminierungsverboten zugrunde liegende politische Diskriminierungsschutzkonzeption wurzelt im Gleichheits-, nicht im Versorgungsgedanken. Das Diskriminierungsverbot konstituiert ein eigenständiges
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Recht, von Diskriminierung verschont zu bleiben. Ziel des Diskriminierungsverbots ist nicht der Schutz gegen Vorenthaltung bestimmter Güter, sondern der Schutz bestimmter Personen vor Benachteiligung als solcher. Das „verselbständigte“ Diskriminierungsverbot ist eher dem Rechtsstaat als dem Sozialstaat zuzuordnen.
III. Normierung moralisch kontroverser Verhaltensanforderungen durch privatrechtliche Diskriminierungsverbote (20) Diskriminierungsverbote kodifizieren Verhaltensregeln und stoßen dabei auf kontroverse Gerechtigkeitsvorstellungen bezüglich der Anforderungen an privates Verhalten. Dass im Kern um eine Gerechtigkeitsfrage gestritten wird, erklärt einerseits, warum voraussichtlich folgenarmes Recht solchen Widerstand auslösen kann, lässt jedoch zugleich die Grenzen spezifisch „juristischer“ Kritik an privatrechtlichen Diskriminierungsverboten deutlich hervortreten: (21) Die Auseinandersetzung trägt scheinbar irrationale Züge, weil sie sich gerade auf jene „nur symbolischen“ Diskriminierungsverbote konzentriert, deren Verletzung sich kaum nachweisen lässt. Gestritten wird jedoch nicht um den erkanntermaßen schwachen instrumentellen, sondern um den normierenden Charakter der Diskriminierungsverbote. Diese kodifizieren eine Verhaltensnorm, die aus Sicht ihrer Gegner bislang nicht einmal als „nur moralische“ Norm Gültigkeit besaß. (22) Einerseits ist eine Auseinandersetzung um die normierende Kodifizierung privater Diskriminierungsverbote trotz deren realer Folgenlosigkeit dem Grunde nach rational, weil in dieser Auseinandersetzung implizit der inhaltliche Streit um eine kontroverse Verhaltensnorm politisch ausgetragen wird. (23) Andererseits ist jedoch in einer Auseinandersetzung um Gerechtigkeitsvorstellungen mit rechtlichen Argumenten nichts auszurichten. Die juristische Kritik verschleiert, wie wenig juristische Argumente zur Beantwortung der Kernfrage des Konflikts beitragen können: Sie lenkt vom „moralischen Charakter“ des eigenen Standpunkts ab, indem sie das (scheinbar) nur formale Bedenken gegen die Verrechtlichung moralischer Normen im Allgemeinen in den Vordergrund stellt (s. These 9 b).
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3. Aussprache und Schlussworte
Diskriminierungsschutz und Privatautonomie Vorsitzender (Hufen): Liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir stehen am Anfang der Diskussion zu zwei sehr spannenden Referaten, denen doch gemeinsam war, dass sie sich bei aller Spannung in bemerkenswerter Weise von der schrillen Aufgeregtheit einiger zivilrechtlicher Kollegen beim Thema „Diskriminierungsschutz und Privatautonomie“ abhoben. Gestern und heute war schon viel von der Steuerungsfähigkeit des Rechts vor dem Hintergrund knapper Ressourcen die Rede. Ich bin exakt in dieser Situation, ich habe mehr Wortmeldungen als wir Zeit haben. Ich hoffe aber wie der gute Gesetzgeber auf die Einsichtsfähigkeit der Adressaten, dass sie ihr Kontingent ohne jede Diskriminierung – auch freiwillige Diskriminierung – nicht ganz ausschöpfen und dass wir insofern nicht formale Restriktionen der Zeit einführen müssen. Was die Gliederung der Diskussion angeht, meine ich, dass sich wieder die drei Gruppen Grundsatzfragen, verfassungsrechtliche Probleme und einzelne Fallgruppen der Diskriminierung anbieten. Ich habe zu den drei Gruppen eine ganze Reihe von Wortmeldungen. Herr Morlok ist der Erste, denn er hat sich zum Vergleich der beiden Referenten gemeldet und das hat man am Anfang immer gerne. Morlok: Herr Vorsitzender, ich nehme an, der Vorstand hat dieses Thema ganz bewusst an den Schluss gesetzt, weil es so ein spannendes Thema ist, und er hat sich ganz bewusst diese beiden Referenten ausgesucht, in der offensichtlich richtigen Meinung, sie seien in der Sache verschiedener Auffassung. Das für mich Bemerkenswerte war, dass in dieser politisch so heiß umstrittenen Frage beide Referenten in den juristischen Themen zu identischen Ergebnissen kamen. Manche Thesen kann man direkt nebeneinander stellen, und weiß nicht, von wem sie sind. Das bringt mich dazu, ein doppeltes Lob auszusprechen: Zum Einen ein Lob für unsere Dogmatik. Offensichtlich ist es möglich, in politisch heiklen Fragen – wenn man unser Handwerkszeug solide beherrscht – als Jurist doch zu gleichen Ergebnissen zu kommen, auch wenn man in der Sache verschiedener Auffassung ist. Und zum Zweiten zeigt dieses Ergebnis natürlich auch, dass beide Referenten unser Instrumentarium perfekt beherrschen, dass sie ihre politischen Neigungen und Emotionen nicht ha-
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Aussprache
ben durchschlagen lassen auf die juristischen Ergebnisse. Im Ergebnis beider, dass es sich um eine rechtspolitische Frage handele – um die Frage, in welchem Ausmaß man die öffentliche Moral regulieren soll – besteht auch kein Unterschied. Ein Unterschied ist freilich, was mit diesem Befund gemacht wird. In dieser Hinsicht fand ich sehr schön, dass Frau Britz einen Schritt weiter gegangen ist, indem sie gefragt hat: Welche Gründe mag es geben für oder gegen eine solche Stellungnahme des Rechts in moralischen Fragen? Das heißt auch, dass da, wo wir als Juristen am Ende sind, die vernünftige Diskussion nicht aufhören muss. Um auch noch etwas Kritisches zu fragen, Frau Britz: Sie haben ja die Trennung von Recht und Moral, wenn ich das richtig verstanden habe, als Argument verworfen mit dem wesentlichen Grund, die rechtliche Enthaltsamkeit sei moralisch nicht neutral. Das ist völlig richtig, dass sie nicht neutral ist. Aber ist nicht die Pointe der Trennung von Recht und Moral, dass eine moralisch einseitig bestehende, faktische Lage vom Recht eben hingenommen wird? Dankeschön. Vorsitzender: Dankeschön, Herr Morlok. Die politischen Neigungen und Emotionen der Referenten sind – und waren – dem Vorstand unbekannt. Jetzt kommen wir zu weiteren Grundsatzfragen, dazu haben sich folgende Kollegen gemeldet: Herr Ladeur, Herr Starck, Herr Kotzur und Herr Steiger, in der Reihenfolge. Ladeur: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte eine Anmerkung zu dem Referat von Frau Britz machen. Gestern haben wir – so habe ich jedenfalls das Referat von Herrn Enders verstanden – gehört, dass der Staat kraft seiner Sozialstaatlichkeit eigentlich verpflichtet ist, zu umfassender Herstellung von Chancengleichheit beizutragen. Da habe ich das Gegengewicht der liberalen Freiheitsrechte ein wenig vermisst, das wird dann letzten Endes nur noch zu einer Frage der Verhältnismäßigkeit und damit der Maßstabslosigkeit. Frau Britz ist noch etwas weiter gegangen, indem sie gesagt hat, dass das Private nur kraft Delegation frei ist; dann haben wir also Freiheit kraft öffentlicher Delegation. Das bedürfte vielleicht doch noch einer gewissen kritischen Einschränkung und dann bleibt schließlich nur noch das Verhältnismäßigkeitsprinzip, und die Grundrechte werden völlig entleert. Frau Britz, sie haben leider noch einen sehr wichtigen verfahrensrechtlichen Aspekt nicht erwähnt – ich weiß allerdings nicht, ob der auch in dem neuen Entwurf des Antidiskriminierungsgesetzes noch enthalten ist; in dem alten war er jedenfalls enthalten. Ein solches Gesetz kann natürlich nur funktionieren, wenn man dem ersten fatalen Schritt – auf der materiell-rechtlichen Ebene – noch einen zweiten im Verfahrensrecht folgen lässt, und der bestand in dem ur-
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sprünglichen Entwurf – ich nehme an, dass er jetzt auch noch darin ist – in einer Vermutungsregel für die Diskriminierung. Das heißt also, jemand, der einen Vertrag abgeschlossen hat, mit einer Person, die nicht dem Diskriminierungsschutz unterliegt, und einen anderen dabei übergangen hat, muss beweisen, dass das nicht in böser, also diskriminierender Absicht erfolgte. Das ist eigentlich der fatale Aspekt, der in der Diskussion zu sehr zurückgetreten ist, und das hängt auch mit den grundsätzlichen Fragen nach der Art der Freiheit zusammen, die die Grundrechte gewährleisten. Da geht es eben nicht nur um den Schutz des Einzelnen gegenüber dem Staat, sondern es geht auch darum, dass Prozesse zwischen Bürgern nicht der Kontrolle des Staates unterliegen – aus den Gründen, die sich eben hier zeigen. Es ist eine Grenze der staatlichen, hier: gerichtlichen Fähigkeit zur Verarbeitung von Wissen zu berücksichtigen. Zwischen Individuen wird auch eine Vielzahl von impliziten Botschaften kommuniziert. Wenn dies im gerichtlichen Verfahren rekonstruiert wird, ist die Gefahr von Verfälschungen groß. Das führt zu einer Unberechenbarkeit jedenfalls für den durch die Vermutungsregel belasteten Vertragspartner. Man kann sich das ohne weiteres ausmalen, was das bedeutet, das wird auch von den Protagonisten teilweise eingeräumt. Letzten Endes ist es, und das führt auch zur Frage der Effektivität zurück, aber ein sehr problematisches Argument, zunächst eine neue Grundsatzregelung einzuführen, aber Einwände damit zu beantworten, dass das Gesetz eigentlich gar keine Wirkung haben werde, weil es von den Klugen leicht unterlaufen werden könne. Ich glaube in der Tat, dass das Gesetz gar keine besondere Wirkung haben wird. Das sollte uns aber nicht der Sorge entheben, die damit zusammenhängt, denn es wird letzten Endes dazu führen, dass die Vorsichtigen vermeiden werden, überhaupt in Kontakt zu einer der begünstigten Personen zu kommen, und nur die Dummen, die daran nicht denken, die einfach einen Aushang machen, wenn sie eine Wohnung anbieten, die werden unter dieses Gesetz fallen; die Schlauen werden von vornherein dafür sorgen, dass sie z. B. ihre Wohnungen im Bekanntenkreis anbieten, um sich gar nicht erst diesem Risiko auszusetzen. Die Sorge ist aber auch verständlich: Das muss man sich einmal vorstellen: Da hat ein Vermieter einen Vertrag abgeschlossen, und nun kommt jemand, der begünstigt ist, und sagt: „Ich verlange, dass meine Rechte aus dem Antidiskriminierungsgesetz beachtet werden.“ Das führt zu einer ganz erheblichen Verunsicherung der Vertragsbindung. Wie soll er die Vermutung der Diskriminierung widerlegen? Was kann er beweisen? Was muss er beweisen? Es gibt eben schon gute Gründe dafür, dass der Staat im Bereich des Privatrechts keine Motivforschung betreiben darf.
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Aussprache
Vorsitzender: Vielen Dank, das war schon sehr speziell. Herr Starck stellt jetzt die Frage der Gesetzgebungslehre. Starck: Vielen Dank, Herr Vorsitzender. Ich werde versuchen, nur das grüne Licht auszunutzen. Ich bedanke mich für zwei sehr anregende Referate und möchte der Kürze halber nur auf das Referat von Frau Britz eingehen. Zunächst einmal möchte ich als sehr positiv hervorheben, dass Frau Britz so deutlich unterschieden hat zwischen der sozialstaatlichen und der Antidiskriminierungslinie. Das sind zwei vollständig verschiedene Dinge – dies ist weitgehend anerkannt. Das andere, was im Prinzip auch richtig war, ist, dass Sie zwischen Moral und Recht unterschieden und hervorgehoben haben, dass das Recht moralische Kategorien aufnehmen kann. Unser ganzes Strafrecht, das Zivilrecht, die Interessenabwägungen im Umweltrecht usf. haben ihre Grundlage in der Moral; das ist schon immer so gewesen. Ich aber habe Bedenken gegen das, was Sie dann gesagt haben, zu den verschiedenen Antidiskriminierungsregelungen. Sie haben gesagt, das sei für die Privaten gar nicht so schlimm, weil die Antidiskriminierungsregelungen weitgehend real folgenlos seien oder weil sie begrenzt effektiv seien. Denn der Nachweis der Diskriminierung werde regelmäßig scheitern. Sie müssen aber berücksichtigen, dass die Regelungen normierend wirken. Hinter der Kritik an diesen Regelungen vor allem durch die Zivilrechtler steckt die Befürchtung, dass im zweiten Schritt doch versucht wird, schärfer nachzuprüfen, und die Zivilrechtler mit ihrer scharfen Kritik Recht behalten. Wenn man aber den „zweiten Schritt“ nicht in Betracht zieht, dann kommt doch die Gesetzgebungslehre in den Blick. Die Gesetzgebungslehre fordert, dass Gesetze so gemacht werden, dass sie effektiv sind. Wenn Sie jetzt die Qualität der Regelungen geradezu darin sehen, dass sie nicht effektiv sind, kann der ganze Ansatz nicht stimmen. Ich glaube, das können Sie uns nicht anbieten. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Starck. Herr Kotzur spricht zur kategorialen Scheidung der Grundrechtsbindung von Privatrecht und Vertragsrecht. Kotzur: Vielen Dank. Beide Referate haben mich so außerordentlich beeindruckt, dass jedes Lob meinerseits vermessen wäre und ich nur eine kleine kritische Nachfrage an Herrn Jestaedt wage – und zwar zu den Thesen 10 bis 12, insbesondere zu These 11. Sie haben dort, im Ergebnis sehr überzeugend, eine Asymmetrie der Rechtfertigungslasten im Bereich der Grundrechtsbindung – Staat-Bürger-Verhältnis, Bürger-Bürger-Verhältnis – konstatiert. Ich frage mich, ob diese Asymmetrie nicht vielleicht doch grundrechtsgeprägt sein könnte. Sie haben als Prämisse eine kate-
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goriale Scheidung der Grundrechtsbindung bei staatlich gesetztem Privatrecht und von Privaten gesetztem Vertragsrecht gewählt. Doch ist diese Scheidung tatsächlich so kategorial? Ist es nicht die Verfassung als solche – jede Verfassung, nicht etwa nur die europäische –, die einen „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ eröffnet und den Bürgern damit genau jenen Gestaltungsfreiraum gibt, in dem sie selbst Recht zu setzen und Verträge zu schließen imstande sind? Dafür gewährt die Verfassung ihren Bürgern ja auch, wie das deutsche Grundgesetz in Art. 19 Abs. 4 GG und andere Verfassungen in vergleichbaren Klauseln, den effektiven Rechtsschutz. Erlauben Sie mir, meine Frage an einem etwas zugespitzten rechts- bzw. tatsachenvergleichenden Beispiel zu verdeutlichen: In den Vereinigten Staaten ist vieles „größer“ und „besser“ als bei uns, nicht nur die Supermärkte und Einkaufsmeilen. Es gibt auch großräumige private Siedlungen, die nicht auf öffentlichem Baurecht, sondern dem privatem Zusammenschluss der dort Wohnenden beruhen. Da sind immer diese „hübschen“ Kontrollhäuschen aufgestellt, die für Sicherheit zu sorgen wollen. Sie sollen missliebige Eindringlinge jedweder Art abhalten. Den US-Supreme Court hat immer wieder einmal der Fall beschäftigt, ob durch solche „private housing areas“ bzw. „private housing agreements“ nicht allzu viel vom öffentlichen Raum privatisiert wird, denn die Siedlungen sind oft so groß wie bei uns ganze Dörfer oder Kleinstädte. Wenn dort nun keine Farbigen oder ethnischen Minderheiten wohnen, wenn dort nun keine politischen Stellungnahmen verbreitet werden dürfen, Demonstrationen nicht möglich sind, besteht dann nicht die Gefahr, dass die Grundrechte aus einem maßgeblichen Teil des öffentlichen Raums verdrängt werden? Ich frage mich: Wenn man bei der von Herrn Jestaedt vorgeschlagenen kategorialen Scheidung bleibt, wird dann nicht letztlich durch private Verträge ein Raum eröffnet, in dem für das Verfassungsrecht kein Raum mehr bleibt? Vielen Dank. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Kotzur. Das war schon eine gute Überleitung zu der nächsten Gruppe. Herr Steiger und Herr Lange haben sich zur Grundsatzfrage von Recht und Moral gemeldet. Steiger: Vielen herzlichen Dank. Ich bedanke mich für beide Referate ganz herzlich. Die zunehmende Moralisierung des Rechts, die Sie vielleicht etwas beklagen, Herr Jestaedt, wenn ich diesen Leitsatz 20 und ihre Äußerung dazu richtig verstanden habe, ist etwas, was – Herr Starck hat das schon erwähnt – überall vorhanden ist, aber deswegen auch um sich greift bei uns, weil wir eben eine Pluralisierung der Moralvorstellungen haben und damit ein Aktionsfeld, in dem die Gesellschaft zusammenhält, nicht mehr ganz sicher ist. Dann weichen wir ins Recht aus. Das Verhält-
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Aussprache
nis von Recht und Moral, das sieht man daran, ist, denke ich, zwar philosophisch-kategorial relativ klar – auch da würde ich sagen, nur relativ – aber es ist historisch immer neu zu bestimmen. Wir sollten gerade in unsere Diskussion auch die philosophischen und auch die historischen Dimensionen doch stärker einschließen. M.E. ist die Privatautonomie so, wie wir sie heute kennen – und da würde ich Ihnen auch ein wenig widersprechen, Herr Jestaedt – ein Ergebnis des 19. Jahrhunderts und natürlich in der Verwirklichung des Liberalismus und seiner Grundrechtsvorstellung, auch des Naturrechts vielleicht. Aber wenn wir etwas weiter zurückschauen und in andere Bereiche, dann ist gerade das Naturrecht ein Ansatz, in dem wir sehen, dass es sich so mit der Privatautonomie wie sie sich bei uns im BGB niedergeschlagen hat, aber dann mehr und mehr reduziert worden ist, vielleicht doch nicht immer – historisch jedenfalls – so eindeutig verhält. Aber das zweite ist, dass meines Erachtens es nun doch eine Frage des Rechts und nicht der Moral ist, mit der wir es hier zu tun haben. Und das versuche ich ganz kurz nur philosophisch mit dem Rückgriff auf Kants Definition des Rechts: Das ist nämlich die Vereinbarkeit der Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Prinzip der Freiheit. Und diese Freiheit ist die Freiheit der Menschen, nicht der Menschen mit irgendwelchen Kriterien. Hermann Jahrreiss hat in den frühen Jahren von den „gleich Freien“ gesprochen. Das ist die Vorstellung: Der Mensch ist gleich frei. Wenn es sich nun ergibt, dass durch unser Recht oder das Verhalten von Menschen es plötzlich Anknüpfungspunkte im Verhalten gegeneinander und dann auch im rechtlichen Verhalten gegeneinander gibt, die nicht in der Vernunftgleichheit der Menschen – das ist ja der eigentliche Grund der Gleichheit, bei Kant jedenfalls und auch in der Naturrechtstradition – und der allgemeinen Freiheit ihren Grund haben, sondern in anderen Kriterien, dann ist es, glaube ich, eine Frage des Rechts, und insofern stimme ich Ihnen, Frau Britz, voll zu, dort eingreifen zu müssen – oder eingreifen zu dürfen – um den sozialen Zusammenhang eines Staates und einer Gesellschaft aufrecht zu erhalten. Ich glaube insofern, und das ist nun der einzige Kritikpunkt, den ich eigentlich an sie zu richten habe, Frau Britz, ist es doch eine Frage der Rechtswissenschaften, zu denen die Rechtsphilosophie und die Rechtsgeschichte mit hinzugehören. Lange: Ich kann mich ganz kurz fassen. Ich frage mich, ob dem Graben zwischen Moral und Recht hier nicht einfach zu viel Bedeutung beigemessen wird. Es besteht ja offenbar Einverständnis darüber, dass der Umstand, dass eine Frage eine Frage der Moral ist, sie nicht ohne weiteres der rechtlichen Regelung entzieht. Es kommt wohl auch darauf an, welche Freiheit, unterschiedliche moralische Vorstellungen zu vertreten,
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man beanspruchen kann, und ich tue mich wirklich schwer, mir vorzustellen, dass jemand sich auf Moral beruft, wenn er eine Benachteiligung einer anderen Person wegen Alters, wegen Geschlechts, wegen der Rassenzugehörigkeit vornehmen will. Das scheint mir keine Frage der Moral zu sein, denn ich glaube, es besteht im Grunde genommen Einverständnis zwischen allen, dass man sich in diesem Punkt nicht darauf berufen kann. Es mag sein, dass hier andere Gesichtspunkte eine Rolle spielen, wie eine überzogene Vorstellung von einer Privatheit, derzufolge man auch für Positionen, die moralisch kaum vertretbar sind, Entscheidungsfreiheit haben möchte und sich insofern nichts vom Staat vorschreiben lassen will, aber das ist meines Erachtens ein anderer Aspekt. Also ich meine, dass der Graben, wie er diskutiert worden ist, zwischen Moral und Recht, nicht etwa dadurch respektiert werden müsste, dass rechtliche Regelungen hier verhältnismäßig ineffektiv bleiben, sondern ich denke, dass dieser Graben so gar nicht besteht. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Lange. Herr Groß hat sich zum rechtsstaatlichen und demokratischen Grundverständnis gemeldet und leitet damit über zu den konkreten verfassungsrechtlichen Themen. Groß: Ich denke, wir sind uns einig, dass beide Referate von einem liberalen Grundrechtsverständnis ausgegangen sind, und wahrscheinlich würden auch beide – Referentin und Referent – bei konkreten Fallkonstellationen überwiegend zu vergleichbaren Ergebnissen kommen. Dennoch, denke ich, liegen unterschiedliche Konzeptionen der Grundrechte, aber letztlich auch der Staatsstrukturentscheidungen zugrunde, und ich will jetzt doch vom Bezug zum Generalthema des Sozialstaates ausgehen. Das traditionelle Thema des Sozialstaates ist ja die Schaffung der faktischen Voraussetzungen von Gleichheit. Wir sind es aber sehr stark gewohnt, das zu beziehen auf die ökonomische Heterogenität, auf die Unterschiede zwischen Arm und Reich, zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, ökonomisch benachteiligten und ökonomisch leistungsfähigen Gruppen. Hier geht es aber um andere Ungleichheiten. Hier geht es um soziale Heterogenität von Gruppen, die quer zu diesen Unterscheidungen liegen. Dort wird nicht unmittelbar auf staatliche Leistungen als Ausgleichsmechanismus zurückgegriffen, was unser traditionelles sozialstaatliches Verständnis ist, sondern den Beteiligten werden selber Rechte verliehen, um sich gegen Diskriminierung zu wehren. Auch das scheint mir aber letztlich ein sozialstaatliches Anliegen zu sein, um Gleichheit durchzusetzen. Es ist nur ein anderer Mechanismus, aber im Grunde genommen ein sehr moderner Mechanismus, nämlich nicht den Staat als Fürsprecher und als mit Leistungen Versorgenden einzusetzen, sondern den Staat als Rege-
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Aussprache
lungsinstanz, der den Betroffenen selbst Rechte verleiht, um sich gegen Ungleichbehandlung zu wehren. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Groß. Als Überleitung vom rechtsphilosophischen zum konkreten staatsrechtlichen Teil hat sich Herr Nettesheim zum Thema Integration gemeldet. Nettesheim: Herr Vorsitzender, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich glaube Sie stimmen mir darin zu, dass wir zwei wahrhaft brilliante Referate gehört haben. Zunächst hat Herr Jestaedt in der ja von ihm doch bekannten Art messerscharf mit grundrechtsdogmatischem Ansatz die verfassungsrechtlichen Grenzen herausgearbeitet, die der Gesetzgeber auf europäischer und nationaler Ebene bei dem Erlass von Antidiskriminierungsgesetzen zu beachten hat. Anschließend und wunderbar ergänzend hat Frau Britz dann herausgearbeitet, welche verfassungstheoretischen Erwägungen hinter dem Diskriminierungsschutz stehen. Und ich gebe Ihnen ganz Recht und wollte gerne daran anknüpfen. Sie haben den Begriff „Ausgrenzung“ erwähnt – ich würde es positiv formulieren, dass hinter dieser Gesetzgebung die Idee der Integration steht, einer Integration von Gruppen, die aus mannigfaltigen Gründen benachteiligt sind. Der verfassungstheoretische Zusammenhang von Integration und Diskriminierungsschutz tritt deutlich hervor, wenn man einen Blick in die amerikanische Verfassungsrechts- und Verfassungstheoriediskussion wirft und zur Kenntnis nehmen muss, dass die Antidiskriminierungsgesetzgebung dort der Überwindung gesellschaftlicher Spaltungen, der Einbeziehung von bislang gesellschaftlich nicht integrierten Gruppen, ja auch der Durchsetzung gleicher gegenseitiger Anerkennung als Mitglieder einer politischen Gemeinschaft diente. Antidiskriminierungsgesetzgebung sollte der Fragmentierung der politischen Gemeinschaft entgegenwirken und hatte deshalb eine zutiefst demokratische Funktion. In ihr spiegelte sich das Wissen, dass ohne Chancengleichheit im Wirtschaftlichen alle Gleichberechtigung bei den politischen Partizipationsrechten verpuffen müsste. Antidiskriminierungsgesetzgebung bildete den Kern einer – in den letzten Jahren immer weiter ausgebauten – Rechte-basierten Politik moralischer Anerkennung. Dies geschah allerdings vor einem Staats- und Gesellschaftsverständnis, das sich tiefgreifend von unserem Verständnis unterscheidet. Zwar liegt der Versuch einer Übertragung dieser Gesetzgebung nach Europa nahe; man muss sich allerdings der andersgearteten rechtlichen und gesellschaftlichen Ausgangslage ebenso wie der Unterschiedlichkeit der Probleme bewusst sein. Nicht immer scheint dieses Bewusstsein in hinreichendem Maße entwickelt. Zwar setzt die Europäische Union heutzutage in Art. 13 des EG-Vertrags, darüber hinaus aber auch
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in ihrer Rechtsetzung stark auf dieses Instrument. Dies allerdings in einer Situation, in der die im Amerika der fünfziger Jahre vorliegenden Spaltungen nicht zu verzeichnen sind. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welchen Zweck die Union damit verfolgt? Es scheint mehr um die Verstärkung der europäischen Identität der Bürger Europas als der Überwindung tatsächlicher Gräben innerhalb einer politischen Gemeinschaft zu gehen. In anderen Worten: Der Diskriminierungsschutz hat vertikale, nicht aber horizontale Funktion. Insofern muss man ihn in den Kontext der Diskussion über demokratische und sonstige Legitimation in Europa stellen. Inwieweit steigert die EU durch derartige Aktivitäten wirklich ihre demokratische Legitimation? Mir ist zweifelhaft, ob sich die Grundursache der Distanz zwischen der Union und ihren Bürgern durch eine derartige Politik der Sicherung horizontaler Anerkennung wirklich beseitigen lässt. – Auch mit Blick auf die deutsche staatsrechtliche Diskussion stellt sich, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Frage, inwieweit das von uns diskutierte Instrument in der Verfassungskultur der Bundesrepublik einen Platz haben kann. Auf der einen Seite spricht manches für die Annahme, dass man in Zeiten, in denen die Bindungswirkung der Idee der Nation zurückgeht und sich gesellschaftliche Heterogenität sowie eine Pluralisierung der Lebensstile ausbreiten – erinnern wir uns an die Diskussion in St. Gallen –, über die Zweckmäßigkeit Rechte-basierter Integrationsmittel zur Absicherung der Rolle als gleichberechtigtes Mitglied der Gemeinschaft und zur Beseitigung von Benachteiligungen nachdenken muss. Auf der anderen Seite ist zu bedenken, dass die Antidiskriminierungsgesetzgebung jedenfalls in Bereichen, in denen die gesellschaftliche Diskussion über das, was moralisch geboten ist, so offen ist, möglicherweise einen höheren Preis hat (nämlich einen Verlust an selbstbestimmter Freiheit), als sie Gewinn erzielt. Es geht nicht abstrakt um das Verhältnis von Recht und Moral; es geht auch nicht um Verschiebungen zwischen diesen Kategorien; es geht vielmehr um die Frage: Kann ein solches Integrationsmittel angesichts der Umstrittenheit der in der Antidiskriminierungsgesetzgebung thematisierten Fragen in unserer Gesellschaft wirklich integrierend wirken? Ein letzter Punkt: Wenn man das so begreift, dann scheint es mir hier letztlich nicht um rechtsstaatliche Fragen, sondern um demokratietheoretische Fragen zu gehen – wohl wissend nicht im Sinne eines engen, dogmatischen Demokratiekonzepts, wie Herr Jestaedt es in seiner Dissertation entfaltet hat, wohl aber im Sinne der Entfaltung und Sicherung der gleichen Anerkennung aller Bürger in einer politischen Gemeinschaft. Vielen Dank.
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Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Nettesheim, für das hier besonders wichtige Stichwort „Integration“. Herr Schoch jetzt zur Grundrechtsdogmatik unseres Themas. Schoch: Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte zur grundrechtlichen Fundierung des Referats von Frau Britz einige Fragen stellen. Vorweg gestehe ich, dass ich vieles nicht verstanden habe, füge aber gleich hinzu, dass das wohl an mir liegt. Zunächst eine Vorbemerkung: Frau Britz, Sie haben vielfach mit Unterstellungen und Spekulationen über die Motive der an der Diskussion Beteiligten hantiert. Ich möchte ausdrücklich zu Protokoll geben, dass ich nicht zu denjenigen gehöre, die formale Argumente vorschieben, obwohl sie in Wahrheit inhaltliche Einwände zum Thema „Diskriminierungsschutz“ haben. Erster Punkt: Ich habe Zweifel an der Richtigkeit Ihrer These 7. Sie haben den Schutz des Privaten in einer Art „Entdifferenzierung“ allein Art. 2 Abs. 1 GG zugeordnet. Wir kennen jedoch viele Bereiche des Privaten, die nicht nur durch Art. 2 Abs. 1 GG und – was hier vielleicht keine große Rolle spielt – Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG geschützt sind, sondern es gibt gerade im Zusammenhang mit unserem Thema eine ganze Reihe von Verhaltensweisen, die zumindest durch Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG geschützt sind. Deshalb bitte ich um Aufklärung, warum Sie den Schutz des Privaten auf Art. 2 Abs. 1 GG reduzieren und die anderen grundrechtlichen Schutzbereiche ausblenden. Zweiter Punkt: Mein zentraler Einwand bezieht sich auf Ihre These 8. Man könnte sagen, es handelt sich dabei um eine Argumentation auf der Linie der Glykol-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Der Freiheitsschutz (Schutzbereich, Schutzgehalt) wird vom Gesetzgeber definiert; also: Grundrechtsschutz schon auf der Schutzbereichsebene nach Maßgabe des Gesetzes! Sie haben dazu davon gesprochen, dass der Gesetzgeber die Grenzen festsetzt. Wenn das richtig ist, haben wir konsequenterweise keinen Grundrechtseingriff. Die weitere Konsequenz im Sinne des liberalen Grundrechtsverständnisses wäre, dass wir keine Rechtfertigung brauchen. Jetzt sprechen Sie aber in These 8 nicht nur von der Bestimmung des Freiheitsschutzes durch den Gesetzgeber, sondern – am Ende der These – auch von Freiheitsbeschränkungen und von dem Verhältnismäßigkeitsprinzip. Ich bitte um Aufklärung, welche Rolle dem Gesetzgeber nun in Ihrem Konzept zukommt. Dritter Punkt: Eng zusammen damit hängen Ihre Thesen 11 und – vor allem – 13. Bei der ökonomisch motivierten Inpflichtnahme Privater sprechen Sie, ganz traditionell, vom Grundrechtseingriff und von der Rechtfertigungsbedürftigkeit. Nun sind wir also, wenn ich das richtig verstehe, im traditionellen grundrechtlichen Schutzkonzept. Meine Frage
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lautet: Wieso erfolgt die klassische Grundrechtsprüfung nur unter dem ökonomischen Aspekt? Wo ist das Ökonomische verfassungsrechtlich privilegiert? Mir erschließt sich nicht, wieso andere Verhaltensweisen anders behandelt werden sollen. Sie sprechen in Ihren Thesen ausdrücklich nur ökonomisch motivierte Verhaltensweisen an; wieso sollen diese privilegiert sein? Vierter Punkt: Ganz kurz nur; ich habe Zweifel an der Richtigkeit Ihrer These 19, dass also der Diskriminierungsschutz um seiner selbst Willen besteht. Wir wissen, dass das Europarecht sehr stark funktional ausgerichtet ist. Es geht der Richtlinie 2000/43/EG um den Zugang zu Gütern und Dienstleistungen. Ich bitte um Erläuterung, warum Sie das Ziel der Richtlinie auf den Schutz vor Benachteiligungen als solchen reduzieren. Letzter Punkt: Mit Verlaub, Frau Britz, zu Ihrer Aussage, wer sich schlau verhalte, entziehe sich dem ganzen Regelungsgeflecht; Konsequenz: die Dummen trifft es. Sie haben das, Frau Britz, zweimal erwähnt. Ich meine nicht, dass das eine Kategorie ist, mit der wir verfassungsrechtlich arbeiten sollten, dass es beim Diskriminierungsschutz letztlich auf die Klugheit oder Schläue der Menschen ankommt und andere eben anders behandelt werden. Vielen Dank. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Schoch, für diese kritischen Bemerkungen zu Frau Britz. Da trifft es sich sehr gut, dass Herr Geis jetzt kritische Bemerkungen zu Herrn Jestaedt angekündigt hat. Geis: Nein, Herr Vorsitzender, verehrte Kolleginnen und Kollegen, das wird ganz maßvoll. Ich fand beide Referate sehr gut und anregend; aus Zeitgründen beschränke ich mich auf Herrn Jestaedt, und zwar These 18 und 19. Ich fand es sehr verdienstvoll, dass hier gewissermaßen der abstrakte Konflikt Diskriminierung contra Privatautonomie herunter gebrochen wird auf Maßstäbe, mit denen man auch dann im Einzelfall den Konflikt lösen kann. Sicherlich muss man da vielleicht noch das eine oder andere austarieren, aber das gibt doch gewisse Handlungsdirektiven bei der Abwägung zwischen beiden Rechtsgütern. Nur deswegen allerdings eine kleine kritische Anmerkung zu These 19, Spiegelstriche 3 und 4. Wenn das Hauptproblem der Konflikt zwischen Diskriminierung und Diskriminierungsverbot und Privatautonomie ist, und ein Maßstab dann dafür die grundrechtlich geschützte Haltung sein soll, wozu ja die Privatautonomie nach Art. 2 Abs. 1 GG – mindestens Art. 2 Abs. 1 GG – auch zählt, dann haftet dem etwas Zirkelschlussartiges an: Hier wird der Konflikt und der Maßstab im Sinne einer petitio principii verbunden. Man müsste dann vermutlich das grundrechtlich geschützte Element konkretisieren, also z. B. auf Religionsfreiheit, kommt dann natürlich wieder in
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die andere Schwierigkeit, etwa Sätze wie „Scientologen kaufen nur bei Scientologen“ usw., wieder abgrenzen zu müssen. Hier müsste man vielleicht etwas präzisieren, welcher Art diese grundrechtlich geschützten Haltungen oder Lebensweisen sind – qualifiziert vermutlich. Der nächste Spiegelstrich – da habe ich auch gestutzt – und zwar die „unbefangene Wahrnehmung der Vertragsfreiheit“. Das bringt eine ganz andere Flanke in die Diskussion, fast rechtsanthropologisch: Welcher Vertragspartnertyp wird vorausgesetzt? Ich habe mir gedacht, das ist so etwa der Vertragspartner Typ „Hans im Glück“, der hier zur Abgrenzung herangezogen wird – die Märchenfigur wohlgemerkt, nicht der Finanzminister. Was ist hier mit der Unbefangenheit? Das ist ja hier ein abgrenzender Rechtsbegriff und den müsste man sicherlich konkretisieren, ansonsten ist das ganze irgendwie eine vertragsparadiesische Utopie. Vielen Dank. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Geis. Herrn Dederer als Nächstem geht es um den Kernbereich privater Lebensgestaltung, bevor dann eine Gruppe sich um die Dogmatik der Diskriminierungsverbote kümmern will; das sind Herr Classen, Herr Streinz und Frau Mager. Dederer: Wir haben zwei sehr spannende, spannungsreiche Vorträge gehört, ich wollte mich aber nur an Frau Britz wenden und Ihren Argumentationsgang etwas stören. Ich setze an Ihre These 8 an: Sie schreiben, die verfassungsrechtliche Grenze zwischen autonom bestimmtem Privathandeln und öffentlich reglementiertem Handeln stehe zur Disposition des Gesetzgebers; ob eine Grenzverschiebung zulässig sei, sei nicht eine Frage privater Tabuzonen, sondern der Verhältnismäßigkeit von Freiheitsbeschränkungen. Ich habe an dieser Stelle eine Figur vermisst, die jetzt Herr Hufen gerade schon vorweggenommen hat, eine Rechtsfigur, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung beibehalten hat, nämlich den Kernbereich privater Lebensgestaltung, der ja dem Gesetzgeber entzogen ist, und zwar in der Weise entzogen ist, dass auch verhältnismäßige Grenzverschiebungen nicht mehr in Betracht kommen. Ich frage mich: Gibt es nicht doch vertragliches Handeln, das in diesen Kernbereich privater Lebensgestaltung fällt, vertragliches Handeln, bei dem die Parteien dann vollkommen willkürlich handeln dürften, gerade weil es eben in diesen unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung fällt? Als Beispiel dachte ich nur an die Vermietung eines Zimmers in meiner eigenen Wohnung, beispielsweise an jemanden, der im Haushalt hilft, ist das nicht ein Fall privater Lebensgestaltung, der in den unantastbaren Kernbereich fällt? Ich wollte nur abschließend sagen, dass ich etwas unglücklich wäre, wenn Sie sich aus der dogmatischen Verant-
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wortung mit dem Hinweis zögen, das sei einer der „harmlosen“ Fälle, der vernachlässigenswert wäre, schon weil die Nachweisbarkeit der Diskriminierung nicht möglich sei. Danke. Classen: Ich habe eine Frage nach der grundrechtlichen Fundierung von Diskriminierungsverboten; sie richtet sich vor allem an Herrn Jestaedt. Beide Referenten haben ausgeführt, dass die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Ungleichheitslagen bei Vertragsschluss, etwa im Bürgschaftsfall, nicht passe. Das ist sicher richtig. Nur sind die Argumente, Herr Jestaedt, die Sie angeführt haben, mit einem Fragezeichen zu versehen. Sie haben angeführt, dass es bei den Diskriminierungsfällen nicht darum ginge, jemand von einer vertraglichen Bindung zu befreien, sondern im Gegenteil darum, jemanden zu einer solchen Bindung zu veranlassen. Nun sieht jedenfalls das Europarecht einen Kontrahierungszwang als Rechtsfolge in keinem Fall vor, und auch nationale Umsetzungsmaßnahmen haben bisher davon abgesehen. Das heißt: Wenn man einen Vertragsabschluss mit einem bestimmten Partner vermeiden will, kann man dies immer dadurch erreichen, dass man von dem Geschäft ganz Abstand nimmt. Das ist vielleicht in manchen Bereichen nicht unproblematisch. Trotzdem bleibt festzuhalten, dass niemand durch die Antidiskriminierungsvorschriften gezwungen wird, einen bestimmten Vertrag abzuschließen, der es nicht will. Auch die These 15 – „Die Versagung der Mitwirkung an der privatrechtlichen Rechtskreiserweiterung lässt sich nicht in einen rechtskreisverkürzenden Übergriff umdeuten“ – passt nicht ganz: Es geht hier gar nicht darum, ob eine Rechtskreiserweiterung oder eine Rechtskreisverkürzung vorliegt, weil ja gar nicht das Ergebnis den Ausschlag gibt, sondern die Begründung für eine bestimmte Entscheidung. Maßgeblich ist nicht, ob man jemanden eingestellt hat oder nicht, ob man einen Versicherungsvertrag abgeschlossen hat oder nicht, sondern warum man etwas getan oder auch nicht getan hat. Dahinter steht letztlich der Umstand, dass Freiheitsrechte und Gleichheitsrechte etwas Unterschiedliches sind. Dementsprechend muss auch der Schutz vor Gefährdung der Freiheit einerseits, der Schutz vor Missachtung der Gleichheit andererseits unterschiedlich funktionieren. Von daher gibt es natürlich keine Parallele, aber die Argumente, Herr Jestaedt, die Sie angebracht haben, passen nicht so ganz. Eine letzte Bemerkung zu These 18 von Frau Britz mit der „Schwäche“: Sicher stellt die Schwäche im Einzelfall nicht den entscheidenden Punkt dar. Aber ich denke doch, dass die Frage, welche Kriterien als Differenzierungsmerkmal verboten werden, auch damit zusammenhängt, welche Stellung eine bestimmte Gruppe in der Gesellschaft hat. Von daher geht es eben doch auch darum, wie schwach oder wie stark man ist. Verbotene
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Kriterien in Bereichen, in denen gesellschaftlich starke Gruppen vorhanden sind, sind, jedenfalls auf der politischen Ebene, noch nie diskutiert worden. Das hat, glaube ich, auch seinen Grund. Streinz: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren, ich habe eine Frage an Frau Britz, und zwar im Anschluss auch an die Bemerkungen, die Herr Ladeur und Herr Starck schon gemacht haben. Sie sagten, dass in der, in der Tat heftigen, Diskussion – die Nachweise kann man in dem Aufsatz von Herrn Eichenhofer in den DVBl nachlesen – vor allem die Diskriminierungsverbote im Kleinen aufgegriffen wurden. Sie haben die Beispiele des Mietrechts genannt, obwohl diese wenig praktische Relevanz haben dürften, weil sie leicht umgangen werden könnten und der Nachweis einer Diskriminierung schwer fallen dürfte. Mietrecht ist glaube ich ein ganz gutes Beispiel, wobei die hauptsächlich Diskriminierten hier wohl Familien mit Kindern wären, wo manchmal in den Annoncen direkt steht, dass es zwecklos ist, in solchen Fällen überhaupt nachzufragen. Die Erklärung für den Ansatzpunkt im Mietrecht ist meines Erachtens – und das haben Sie auch deutlich gemacht –, dass es offensichtlich weite Kreise betrifft, eigentlich jeden betreffen kann, während sich die Folgen bei Unisex-Tarifen usw. zunächst beim Unternehmen und erst mittelbar beim Einzelnen zeigen. Ich meine, ein zweiter Punkt ist ein allgemeines Unbehagen gegenüber immer mehr zunehmender Regulierung, gegenüber dem Regulierungsstaat, vor allem via EU-Recht. Dies gibt es in vielen Bereichen, wenn man an Auswüchse im Verbraucherschutz denkt, verordnete Lebensmittel, Werbeverbote, etc. Und jetzt wird auch dieser Bereich aufgegriffen. Sie sagten: „Ausgestaltung des Privatrechts durch den Gesetzgeber“. Sicherlich ist die Rechtsordnung durch den Gesetzgeber auszugestalten, aber die Frage ist, wo hier die Grenzen zu ziehen sind. Herr Schoch und Herr Dederer haben dies auch angesprochen. Wo ist die Grenze, warum regt man sich auf, dass die Türkei den Ehebruch bestrafen möchte, wenn dies Ausgestaltungsfreiheit des Gesetzgebers ist? Nun können Sie sagen, das ist die Privatsphäre, dort ist die Grenze erreicht. Jetzt zur Frage: Ist das bedeutungslos oder wird es praktische Bedeutung haben? Alleine der umfassende Rechtfertigungszwang, wenn man Art. 8 der Richtlinie 2000/43 liest, führt doch schon zu einem gewissen Unbehagen. Und ich bin auch sicher, dass dies das Entstehen von speziellen Wächtergruppen, Organisationen, die dann auch noch einen Anspruch auf staatliche Förderung erheben werden, provozieren wird. Und dies führt dann entsprechend den „Abmahn-Vereinen“ zum Überwachungssystem, zum Überwachungsstaat, zu einer Überwachungs-Gesellschaft unter Aktivierung des Bürgers; übrigens auch im Einklang mit Tendenzen im EG-Recht zur Unterstützung desselben. Zur
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praktischen Bedeutung, im Anschluss an Herrn Ladeur: Ich meine, dass diese Vermutungsregel, die wir in Art. 8 haben, durchaus ein Problem sein könnte. Dass jemand so blöd ist und in sein Vermietungsangebot hineinschreibt „Ausländer zwecklos“ oder so etwas, das wird sich mit der Zeit geben. Aber wie ist es beispielsweise, wenn jemand fünf Vermietungen vorgenommen hat, und es war noch kein Ausländer, Bayer, Farbiger oder Preuße dabei? Oder wie ist es, wenn er fünf Bewerber hat, davon sind drei Ausländer, aber er hat einen Inländer genommen? Wie soll er dies jetzt rechtfertigen? Oder muss er dies dann rechtfertigen? Wo setzt dies aus? Trifft dies den Privaten ebenso? Dies ist also wohl doch nicht so bedeutungslos, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Dankeschön. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Streinz. Frau Mager nun zu Art. 3 Abs. 3 GG, dann Herr Schachtschneider gleichfalls zu Art. 3 Abs. 3 GG und Herr Wolff zum Diskriminierungsverbot. Mager: Frau Britz, ich möchte Kritik üben an Ihrer These 4, und zwar insoweit Sie darin dem Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG jede Schutzfunktion und damit letztendlich die Wirkung zwischen Privaten absprechen. Ich will nun nicht so weit gehen, Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG unmittelbare Wirkung zuzusprechen, wie dies manche tun. Ich kann aber auch Ihrer Argumentation nicht folgen. Sie haben gesagt, die Diskriminierungsmerkmale seien so heterogen, und es gebe so viele verschiedene Situationen, auf die Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG Anwendung finde, deshalb lasse sich eine Schutzfunktion nicht begründen. Welches sind nun die Merkmale des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG: Geschlecht, Rasse, Heimat, Herkunft, Sprache, um nur diese zu erwähnen. Diese Merkmale mögen auf den ersten Blick heterogen sein, auf den zweiten Blick haben sie durchaus eine Gemeinsamkeit: Es handelt sich um Merkmale, die der Person anhaften, und derer sie sich nicht entledigen kann. Sie bilden die Person, ohne dass sie etwas über ihre Möglichkeiten und Fähigkeiten in den verschiedensten Rollen aussagen, aber es sind unabänderliche Merkmale. Und das bedeutet: sie konstituieren die personale Identität mit. Auf diesem Wege komme ich zu Art. 2 Abs. 2 GG iVm Art. 1 Abs. 1 GG – und ohne dass ich jetzt die Menschenwürde, gegen die man dann gar nicht mehr argumentieren kann, zu sehr betonen wollte – bin ich doch mit Art. 1 Abs. 1 GG in der Nähe sogar einer ausdrücklichen Schutzpflicht in unserem Grundgesetz. Und ich bin der Meinung, dass es nicht nur Schutzpflichten zugunsten des Körpers gibt, die Sie ausdrücklich anerkannt haben, sondern dass es sicherlich auch Schutzpflichten zugunsten der persönlichen Identität gibt. In diesem Sinne kann man dann auch Schutzpflichten im Rahmen des Art. 3 Abs. 3 GG bilden. Danke.
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Schachtschneider: Herr Vorsitzender, zunächst bitte ich um Diskriminierungsschutz, wenn ich mich zum dritten Mal bei dieser Tagung melde, aber es erscheint mir nötig: Die Vertragsfreiheit ist wesentlich, wenn auch nicht ausschließlich, durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt. Die so genannte Schrankentrias dieser Vorschrift ist in Wirklichkeit Teil der Freiheitsdefinition. Eine andere Freiheit als die, nach dem eigenen Gesetz, das aber auch das Gesetz aller anderen ist, zu leben, als die Freiheit zur praktischen Vernunft also, welche die Rechte anderer, die verfassungsmäßige Ordnung und insbesondere das Sittengesetz achten muss, wird nicht geschützt. Die Rechte und die verfassungsmäßige Ordnung dürften doch wohl in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg ganz wesentlich in Art. 3 Abs. 3 GG formuliert worden sein. Niemand darf wegen des Geschlechts, seiner Rasse usw. benachteiligt oder bevorzugt werden. Das ist Teil unseres ordre public. Ich vermag nicht einzusehen, dass irgend jemand ein Gemeinwesen wollte oder will, in dem Menschen wegen der verbotenen Kriterien diskriminiert werden. Insofern ist Art. 3 Abs. 3 GG die wirkliche Grundlage und Rechtfertigung der Antidiskriminierungspolitik, für welche wir die Richtlinie der Europäischen Union nicht brauchen. In Art. 1 Abs. 3 GG steht nicht, dass nur der Staat an die Grundrechte gebunden sei; denn der Staat, das sind wir. Auch der Wortlaut des Art. 3 Abs. 3 GG ergibt nicht, dass die Diskriminierungsverbote nur den Staat binden. Die Auffassung, Staat und Gesellschaft seien getrennt, ist seit 1919 nicht mehr richtig. Wir leben in einer Republik, nicht mehr im vom monarchischen Prinzip bestimmten Konstitutionalismus. Das Sittengesetz ist nun einmal der kategorische Imperativ, auch wenn das kaum jemand einzusehen vermag. Wie soll denn wohl der kategorische Imperativ anders materialisiert werden als durch die Diskriminierungsverbote? Eine kleine Nebenbemerkung zum Begriff der Moral. Wenn man schon das Wort Moral benutzt, dann sollte man zwischen einer materiellen Morallehre, also einem Moralismus, und einer formalen Morallehre kantianischer Prägung differenzieren. In Kants Ethik hat die Moral einen ganz bestimmten Standort, nämlich Triebfeder für die Sittlichkeit und damit die Einhaltung des Sittengesetzes zu sein. Sittlichkeit heißt zunächst Legalität. Die Referenten haben die Sprache des Moralismus benutzt. Schwierig an der Antidiskriminierungsrichtlinie ist die Beweislastumkehr. Die Diskriminierungsvermutung halte ich für rechtsstaatlich problematisch. Eine letzte Bemerkung: Es geht nicht um die verdeckten Diskriminierungen, sondern darum, dass in unserem Lande und in der ganzen Europäischen Union nicht offen diskriminiert wird. Deswegen wird Diskriminierung verboten. Dankeschön.
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Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Schachtschneider. Nun Herr Wolff, und dann kommen noch mehrere Meldungen mit grundrechtsdogmatischem Gehalt: Herr Sachs, Frau Iliopoulos, Herr Ruffert. Wolff: Herr Hufen, mit Ihrer Vermutung hatten Sie, was meine Person angeht, vollkommen Recht. Wäre ich heute Nachmittag nach Hause gefahren, hätte ich es heute Abend sehr bereut. Ich habe eine Frage primär an Herrn Jestaedt, mehr eine Verständnisfrage. Herr Jestaedt, Sie unterscheiden sehr deutlich zwischen dem verfassungsrechtlichen Diskriminierungsschutz und dem einfachrechtlichen Diskriminierungsschutz. Dies wirft die Frage auf: Wann liegt eine Diskriminierungsschutznorm vor? Wann kann ich eine offene Verbotsnorm zu einem Diskriminierungsverbot uminterpretieren? Daran schließt sich meine zweite Frage an: Ihre Kriterien der Thesen 18 und 19 sind Kriterien, um die Verfassungsmäßigkeit von Diskriminierungsnormen zu überprüfen. Kann ich sie auch heranziehen – die Frage liegt nahe – als Auslegungsnormen für die Frage, ob eine offene Verbotsnorm eine Diskriminierungsnorm ist? Ich hoffe, Sie werden die Frage verneinen. Eine offene Verbotsnorm ist z. B. § 138 BGB: Verträge, die gegen die guten Sitten verstoßen, sind nichtig; dies ist eine offene Verbotsnorm, da sie nicht diskriminierungsspezifisch ist. Kann ich solch eine Norm in eine Diskriminierungsnorm uminterpretieren und kann ich dafür die Kriterien der Thesen 18 und 19 heranziehen? Sollten sie die Frage bejahen, was ich nicht hoffe, wären dann die Kriterien nicht auch Folgewirkungen der Schutzpflichten von Art. 3 Abs. 1 GG? Vielen Dank. Sachs: Ich bin jetzt in der unglücklichen Lage, Dinge sagen zu wollen, die schon gesagt worden sind, jedenfalls teilweise. Ich könnte schweigen. Ich habe das schon wiederholt getan und will jetzt doch vor allen Dingen die Referate loben – das habe ich noch nie getan. Aber sie waren dermaßen anregend, in tausend Punkten, man könnte hier, glaube ich, längere Zeit reden, ohne einen Punkt der Kritik zu erwähnen. Das will ich jetzt trotzdem tun. Es ist schon erwähnt worden: Schutzpflichten, ich meine Schutzpflichten aus Art. 3 Abs. 3 GG, sollten sich leicht ableiten lassen. Die These 19 von Frau Britz ist ja fast schon so formuliert, sie bezieht das zwar auf das einfachgesetzliche Diskriminierungsverbot, aber es kann auch hochgezont werden auf Art. 3 Abs. 3 GG. Art. 3 Abs. 3 GG hat die Gleichheit als Schutzgut; warum sollen von Grundgesetzes wegen Leben, Körper, Eigentum geschützt werden oder die Ehre, das Persönlichkeitsrecht, aber nicht das Recht an der Gleichheit, an der gleichen Achtung aller? Man muss endlich einmal die Eigenständigkeit des Gleichheitsrechts erkennen; dann ergibt sich meines Erachtens zwangsläufig auch eine
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Schutzpflicht, genauso wie bei allen anderen Grundrechten auch. Beide Referate haben dies anders sehen wollen. Im Ergebnis kommen wir natürlich trotzdem zum selben Ergebnis, weil Schutzpflichten ja praktisch nicht sehr viel hergeben. Das dazu. An Private gerichtete Diskriminierungsverbote sind natürlich, auch wenn sie auf Schutzpflichten beruhen, trotzdem Teil des einfachen Rechts, sie greifen in die Freiheit ein, müssen als Freiheitseingriffe gerechtfertigt werden. Ich denke, Herr Jestaedt, im Gegensatz zu Ihrer These 12 gilt das auch dann, wenn wir aus Generalklauseln diskriminierungsfeindliche Inhalte ableiten. Das ist dann Ausstrahlungswirkung, die ist im Grunde ja nur ein Reflex von Schutzpflicht – einer vom Gesetzgeber bereits erfüllten Schutzpflicht. Da kommen wir zum selben Ergebnis auch in diesem Bereich. Dann fand ich sehr interessant die Unterscheidung von Frau Britz – dies ist auch schon angesprochen worden – zwischen den ökonomischen und den eher persönlich-privaten Bereichen. Diese halte ich auch für sehr wichtig und instruktiv. Ich meine nur gegenüber Ihrer These 8 sollte man doch einwenden – das ist auch schon gesagt worden –, dass der Freiheitsschutz ja dann doch davon abhängt, um welche Art von Freiheitsbetätigung, auf welchem Gebiet, es geht. Wenn wir an die Wohnungsvermietung denken, die alte Vermieterin, die sich vielleicht vor einem ganz großen jungen Mann fürchtet oder vielleicht umgekehrt dessen Schutz erhofft, dann nimmt sie halt Männer oder Frauen, je nachdem, wie ihr persönlicher Geschmack ist. Oder in einer WG: Wen nehme ich als neuen Wohnpartner auf? Da muss ich doch nach meinen Vorurteilen entscheiden dürfen, da kann man mir doch nicht wirklich Vorschriften machen. Man kann es, der Gesetzgeber kann es tun, aber er muss sich rechtfertigen, Sie haben das gesagt: am Maßstab der Verhältnismäßigkeit. Nur: In diesen sensiblen Bereichen, meine ich, ist es schwierig mit der Verhältnismäßigkeit, und wir landen vielleicht sogar schon bei der Wesensgehaltgarantie. So wichtig der Schutz der Gleichheit ist, wichtig ist auch der Schutz der Privatautonomie im privaten Bereich. Gegenüber Ihrer These 10, Frau Britz, meine ich, dass Diskriminierungsverbote schon auch etwas mit dem Inneren zu tun haben, sich nicht in dem äußeren Verhalten erschöpfen. Warum? Wir müssen ja prüfen, ist ein Vertragsschluss jetzt nicht erfolgt wegen des Geschlechtes dieser Person oder vielleicht deswegen, weil sie schmutzige Schuhe hatte, als sie sich an der Zimmertür vorgestellt hat? Das ist also zwangsläufig mit Motivforschung, mit Gewissenserforschung verbunden, daran kommen wir in diesen Bereichen nicht vorbei, die Sie mit Recht aber als praktisch und ökonomisch wenig wichtig bezeichnet haben, das sehe ich schon genauso. Und damit habe ich doch alles, glaube ich, noch einmal wiederholt, was schon gesagt worden war. Vielen Dank.
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Iliopoulos-Strangas: Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir als „Außenstehende“, einige Bemerkungen zu dem sehr anregenden Referat von Frau Britz zu machen. Zunächst möchte ich auf die Drittwirkungslehre hinweisen. Diese deutsche Theorie wurde nicht nur in die Rechtsordnungen anderer EU-Mitgliedstaaten übernommen, sondern hat in bestimmtem Umfang – als Frage nach der „horizontalen Wirkung“ – auch die Rechtsprechung des EuGH und des EGMR beeinflusst. Die Drittwirkungslehre und die schon frühe Deutung der Grundrechte als einer objektiven Wertordnung durch das Bundesverfassungsgericht spielen eine besondere Rolle für die hier diskutierten Fragen einer möglicherweise bestehenden Schutzpflicht des Gesetzgebers gegen Diskriminierungen im Privatrecht. Wichtig sind ferner das Völkerrecht und das Gemeinschaftsbzw. Unionsrecht als Rechtsquellen, die heutzutage immer stärker in das innerstaatliche Recht hineinwirken und mit ihm verflochten sind. Hier gilt es zu beachten, dass ein Staat, der einen inter- oder supranationalen Vertrag unterschreibt und ratifiziert, diesen dann tatsächlich einhalten und die danach garantierten Rechte verwirklichen will und – völkerrechtlich bzw. gemeinschafts- oder unionsrechtlich gesehen – auch muss. Schließlich hängt das Bestehen einer staatlichen Schutzpflicht meines Erachtens nicht davon ab, ob die einschlägige verfassungsrechtliche Bestimmung nur eine Staatszielbestimmung darstellt oder ein subjektives öffentliches Recht garantiert. Unter diesem Gesichtspunkt kann ich die These von Frau Britz zu Art. 3 Abs. 3 GG nicht teilen. Ich sehe das anders: Grundsätzlich besteht eine Schutzpflicht. Wie diese Schutzpflicht jeweils zu erfüllen ist, ist demgegenüber eine nachrangige politische Frage. In jedem Fall wäre es meines Erachtens verfassungsrechtlich zulässig, dass der Gesetzgeber die erörterten Diskriminierungsverbote auch im Privatrecht einführt. Ich sehe kein grundsätzliches verfassungsrechtliches Problem in einer solchen Gesetzgebung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Gerichte seit langem – auch ohne ein ausdrücklich normiertes Diskriminierungsverbot im Privatrecht – Diskriminierungen im privatrechtlichen Handeln sanktionieren, und zwar über die guten Sitten, über Treu und Glauben oder über andere privatrechtliche Generalklauseln. Die Gerichte kommen damit schon jetzt zu Ergebnissen, zu denen auch die fraglichen gesetzlichen Diskriminierungsverbote führen müssten. Aus meiner Sicht ist es deshalb mehr eine Geschmacksfrage, auf welchem Wege Diskriminierungen zu verhindern sind. Auf jeden Fall aber wird ein Diskriminierungsverbot in praktischer Konkordanz mit anderen Grundprinzipien der Verfassung zu interpretieren sein. Dazu zählen insbesondere die Grundrechte, die zwar auch die Privatautonomie schützen, sie aber nicht schrankenlos gewährleisten. Unter diesem Blickwinkel muss es praktisch dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber überlassen bleiben, zu ent-
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scheiden, wie Diskriminierungen zwischen Privaten am besten zu bekämpfen sind. Aber dass eine diesbezügliche Schutzpflicht besteht, steht für mich außer Frage. Vorsitzender: Vielen Dank, Frau Iliopoulos; mit der Betonung der Verantwortung des Gesetzgebers sind Sie nicht weit von den Referenten entfernt. Ich habe jetzt Herrn Ruffert, der schon angekündigt hat, dass er zum Bereich des Europarechts überleiten will, und in dem Bereich „Europa“ und „Internationales Recht“ werden Herr Jochum, Herr Hillgruber und Herr Bryde die nächste Gruppe bilden. Ruffert: Vielen Dank. Ich habe zunächst noch eine Frage zu Art. 3 Abs. 3 GG an beide Referenten und möchte an die These 9b von Frau Britz anknüpfen: Die Vorstellung, die Verfassung könne sich durch Nichtintervention gegenüber privaten Gerechtigkeitsvorstellungen völlig neutral verhalten, ist Illusion. Wenn man die Seite der Diskriminierungsverbote in den Blick nimmt, dann kommt man zu dem gleichen Ergebnis wie Frau Mager, Herr Sachs und Herr Schachtschneider, dass eben vielleicht doch in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG „Kerne“ enthalten sind, die über Schutzpflichten zu bewahren sind. Betrachtet man die Seite der Vertragsfreiheit und Privatautonomie, muss man die These von Frau Britz weiterdenken, dass Eingriffe in die Privatautonomie rechtfertigungsfähig sind, denn dann ist zu klären, wie die Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelnen ausfällt, sodass möglicherweise doch eine verfassungsrechtliche Steuerung stattfindet. Zum Europarecht habe ich eine Frage an Herrn Jestaedt: Es ist gesagt worden, dass Primärrecht und Sekundärrecht sich nicht so zueinander verhalten wie Verfassungsrecht und einfachgesetzliches Recht. Was das Anwendungsvorrangverhältnis des Sekundärrechts vor dem Primärrecht betrifft, könnte ich mir das vorstellen. Es ist eben, etwa bei den Grundfreiheiten, zunächst auf Sekundärrecht zurückzugreifen, bevor man auf das Primärrecht kommt; das erschließt sich in der Annäherung an das Europarecht nicht sogleich. Ansonsten reicht mir aber das Argument, dass der Gerichtshof bisher noch keine Verordnung oder Richtlinie nach Grundrechtsprüfung aufgehoben hätte, nicht aus, um die Rangverhältnisse unterschiedlich zu fassen, zumal auch das Bundesverfassungsgericht ja nur wenige Gesetze wegen Grundrechtsverstoßes aufgehoben hat. Dankeschön. Jochum: Ich möchte aus Gründen der Kürze der Zeit eine besondere Hervorhebung dieser hervorragenden Referate nicht vornehmen, sondern ich möchte direkt zur Sache kommen, und zwar habe ich etwas zur These 8 von Herrn Jestaedt zu sagen, der sagt, er hätte keine Bedenken an
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der formellen Primärrechtskonformität der Richtlinien. Ich habe solche. Die Richtlinie wiederholt im Anwendungsbereich nämlich exakt die Formulierung des Art. 13 EG, indem sie sagt: „Im Rahmen der der Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten gilt diese Richtlinie“. Das ist für eine Richtlinie eine sehr billige Lösung, und ich meine auch: zu billig. Denn eine Richtlinie hat ja die Aufgabe, mitgliedsstaatliches Recht zu harmonisieren. Und für diese Harmonisierung hat die Gemeinschaft spezielle, begrenzte Einzelzuständigkeiten. Das heißt, wenn die Gemeinschaft mit Art. 13 EG agieren will, dann muss sie dies in Zusammenhang mit den ihr sonst übertragenen Kompetenzen tun. Sie muss genau darlegen, für welchen Bereich des Rechts die Richtlinie gelten soll und kann die nähere Bestimmung des Anwendungsbereichs nicht den Mitgliedstaaten überlassen Genau das hat sie hier nicht gemacht. Und deswegen bin ich der Meinung, dass eine so pauschale Aussage, wie dass man da „keine Bedenken“ habe, so nicht zutreffend ist, und ich weiß auch nicht, angesichts der Rechtsprechung des EuGH zur Tabakwerberichtlinie, ob ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem EuGH für die Kommission nicht möglicherweise nach hinten losgeht. Die Konsequenz daraus – und das will ich noch ganz kurz sagen: Man kann sich also nicht hinter der formalen Umsetzungspflicht einer Richtlinie verstecken, wenn man grundlegende Änderungen im Privatrecht vornehmen will. Die Europäische Gemeinschaft hat die allgemeine Zuständigkeit zur Privatrechtsharmonisierung nicht. Das Verfassungsrecht kommt aber erst dort ins Spiel, wo die Gemeinschaft keine Kompetenzen hat; dazu will ich mich nicht äußern, da haben schon genug Leute etwas gesagt. Nur eins: Das Beschäftigungsprogramm für Rechtsanwälte, das hier geplant ist, wird nun leider nicht in allen Bereichen auf EG-Recht zu stützen sein. Vielen Dank. Hillgruber: Erlauben Sie mir, ehe ich zu meiner europarechtlichen/verfassungsrechtlichen Frage an Herrn Jestaedt komme, doch zunächst noch einige Bemerkungen zum Referat von Frau Britz. Das von Ihnen, Frau Britz, in den Vordergrund gestellte Argument der Unwirksamkeit des hier betriebenen Diskriminierungsschutzes wendet sich meines Erachtens gleich in mehrfacher Hinsicht gegen Ihre eigene Argumentation. Erstens – darauf ist bereits hingewiesen worden – entbehrt es nicht der Pikanterie, dass ausgerechnet Sie, die Sie, rechtspolitisch jedenfalls, den Kampf gegen Diskriminierungen auf Ihre Fahnen geschrieben haben, sich an den römisch-rechtlichen Satz „ius vigilantibus est“ halten, den selbst jene von Ihnen so heftig attackierten Privatrechtler, die die Privatautonomie verteidigen wollen, schon längst nicht mehr vertreten. Viel wichtiger aber scheint mir folgender Punkt zu sein: Wenn – worin ich Ihnen ja zustim-
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men würde – dieser Diskriminierungsschutz ineffektiv ist, begründet gerade dies den Grundrechtsverstoß. Es handelt sich schlicht und einfach um einen ungeeigneten und damit im weiteren Sinne unverhältnismäßigen Eingriff, den der Gesetzgeber vornimmt. Schließlich ist das Argument auch insofern entlarvend, als es nämlich deutlich macht, dass es eben, entgegen Ihren Behauptungen, doch genau um nichts anderes als darum geht, Gesinnung abzupressen, denn wirksamer Diskriminierungsschutz ist damit ja gar nicht verbunden, also zu erzwingen, dass hier der Gesslerhut gezogen wird. Schließlich meine ich auch, dass man Ihren Versuch zurückweisen sollte, die von Ihnen zunächst selbst in den Bereich der Rechtspolitik oder Moral verwiesene Frage nach der Zulässigkeit oder Gebotenheit des Diskriminierungsschutzes sozusagen durch die Hintertür doch wieder in das Verfassungsrecht – oder war es vielleicht nur Verfassungspolitik? – hereinzuholen, indem Sie die Rechtsstaatsidee für die von Ihnen befürwortete Antidiskriminierungsgesetzgebung bemühen wollen. Nein, der Rechtsstaat beruht auf der Idee gleicher Freiheit, und die wird durch diese angeblichen Diskriminierungen gar nicht tangiert. Jetzt aber zu Herrn Jestaedt, dessen Analyse des Verfassungs- wie Gemeinschaftsrechts ich zustimme; vielleicht mit der einen Ausnahme, dass Sie meines Erachtens die Reichweite und damit auch die Tragweite des gemeinschaftsrechtlichen Antidiskriminierungsrechts letztlich doch etwas unterschätzen. Ich bin davon überzeugt, dass im Zuge des von Ihnen ja zu Recht betonten „harten“ Diskriminierungskonzepts, das hier verfolgt wird, die Ausnahmetatbestände sehr restriktiv interpretiert werden, so dass ich wenig Vertrauen in deren begrenzende Wirkung setze. Wichtiger aber noch scheint mir folgende Frage zu sein: Wenn man Ihre Analyse einmal zugrunde legt, dass europarechtlich hier „nichts zu holen“ ist, also das Primärrecht diese gemeinschaftsrechtliche Antidiskriminierungsgesetzgebung nicht verbietet, man aber andererseits Ihre verfassungsrechtliche Interpretation der Rechtslage ebenfalls für richtig hält, dann scheint mir doch ein gravierender Widerspruch zwischen der europarechtlichen und der verfassungsrechtlichen Lage aufzuscheinen. Ich will das nur ganz kurz deutlich machen an dem Stichwort der Rechtfertigungslast, das bereits fiel: Das Europarecht missachtet hier das rechtsstaatliche Verteilungsprinzip, verschiebt die Rechtfertigungslast: Nicht die freiheitsbeschränkende Auferlegung von Diskriminierungsverboten erscheint rechtfertigungsbedürftig, sondern umgekehrt die als angebliche Diskriminierung gebrandmarkte Freiheitsausübung. Führt dies aber nicht dazu, dass von einem im Wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz im Sinne des Art. 23 Abs. 1 GG keine Rede mehr sein kann? Dann könnte sich in aller Schärfe die Frage stellen, ob hier nicht die Grenzen der verfassungsrechtlichen Integrationsfähigkeit auf Seiten
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der Bundesrepublik Deutschland erreicht sind. Ganz kurz dazu nur noch das Stichwort „Bananenmarktentscheidung“: Man kann mit guten Gründen aus der Bananenmarktentscheidung des Bundesverfassungsgerichts ableiten, dass es möglich sein muss, geltend zu machen, dass nach der Einführung des neuen Art. 23 GG, „nach Maastricht“ sozusagen, der Grundrechtsschutz unter das Niveau abgesunken ist, das ursprünglich von dieser Bestimmung als gegeben vorausgesetzt wurde, und Art. 13 EG und die darauf gestützte Antidiskriminierungsgesetzgebung haben meines Erachtens diesen Zustand herbeigeführt. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Hillgruber. Ich freue mich, dass Herr Bryde das Stichwort „Völkerrecht“ auf seine Wortmeldung geschrieben hat. Bryde: Ich bin insofern in einer schwierigen Situation, als ich sehr gerne mit Nachdruck Frau Britz These 23 zustimmen würde, dass unser Thema in erster Linie eine Frage der Politik und nicht des Rechts ist, und sie dann auch gegen einen Teil der Kritik verteidigen würde. Aber ich muss doch milde auch diese These kritisieren, und das nun nicht in meiner Eigenschaft – wie vielleicht der eine oder andere fürchtet – als Verfassungsrichter und verfassungsgerichtliches Eingreifen andeuten, sondern in meiner vergangenen Existenz als Völkerrechtler. Sie haben in einem Nebensatz die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik aus der Rassendiskriminierungskonvention und der Frauenkonvention erwähnt. Beide enthalten vollständig eindeutige Verpflichtungen. An den Grenzen sind sie sicher offen, aber dass beide die Drittwirkung ihrer Diskriminierungsverbote vorsehen, ist deutlich und zwar schon sehr früh, Mitte der 60er Jahre im Fall der Rassendiskriminierungskonvention; und dass beide die Mitgliedsstaaten, zu denen die Bundesrepublik gehört, verpflichten, ein Antidiskriminierungsrecht zu schaffen, scheint mir auch eindeutig zu sein. Die zuständigen Ausschüsse rügen auch die Abwesenheit einer entsprechenden Gesetzgebung jedes Mal, wenn die Bundesrepublik dort zu berichten hat. Und weil sie das nicht nur der Bundesrepublik gegenüber tun, ist auch Antidiskriminierungsgesetzgebung kein Amerikanismus oder Anglizismus, sondern inzwischen weitgehend internationaler Standard. Alle skandinavischen Länder haben entsprechende Gesetze, die westeuropäischen ebenfalls überwiegend. Ich finde es faszinierend, und nur deswegen habe ich mich gemeldet, dass die aufgeregte Diskussion: „Wird die Bundesrepublik wieder totalitär?“ – und Sie haben das beide ja alles zitiert und teilweise auch gerügt – vor dem Hintergrund stattfindet, dass die Bundesrepublik seit dreißig Jahren völkerrechtlich verpflichtet ist, derartiges Recht zu schaffen, und vor dem Hintergrund,
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dass international – wenn wir es verfassungsvergleichend betrachten – die Drittwirkung von Diskriminierungsverboten Standard ist, allerdings zugegebenermaßen nur für die Merkmale Rasse und Geschlecht, nicht sämtliche Diskriminierungstatbestände, die jetzt europarechtlich eingeführt worden sind. Ich glaube, das sagt etwas sowohl über die Effektivität von Völkerrecht in der Bundesrepublik wie über den Stand der öffentlichen Rechtsvergleichung. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Bryde. Da die meisten Wortmeldungen zu Einzelthemen sich wieder mit sehr großem Erfolg in die Grundlagenteile eingeschmuggelt haben, haben wir nur zwei Meldungen von Kollegen zu Einzelthemen, die auch tapfer bekundet haben, dass sie zu einem Einzelthema reden wollten; das sind Herr Häberle zum Diskriminierungsrecht im Versicherungsrecht, und Herr Biehler zum Strafrecht. Häberle: Verehrte Kolleginnen und Kollegen. Ich erlaube mir eine einzige, winzige konkrete „heiße“ Frage an die beiden vortrefflichen Referenten, die übrigens in manchen Grundsatzfragen zum Glück auch antithetisch gearbeitet haben. Beide haben ein „Unwort des Jahres“ gebraucht, dieses furchtbare, unsägliche Wort „Unisextarifrichtlinie“ der EU. Dieses Wort gehört in eine neue Kategorie von Unworten, und ich bin glücklich, dass Sie gewiss viele Anführungszeichen gesetzt haben. Ich werde dieses Wort auch nur zitieren und nicht selbst gebrauchen. „Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage, weh Dir, das Du ein Enkel (Europäer) bist“, könnte man abwandeln. Ich bitte im Blick auf die um sich greifende ideologische Verblendung um freundliche Aufklärung. Wir stehen vor dem versicherungsmathematischen Problem, inwieweit Mann und Frau im privaten Versicherungsrecht etwa bei Kraftfahrzeugen und bei Lebensversicherungen in den Tarifen, z. B. bei der Riesterrente, gleich bzw. differenziert behandelt werden sollen. Zwar bin ich ein bekennender Fußgänger, weiß aber gleichwohl, dass die Frauen viel besser, weil vorsichtiger Auto fahren als die Männer. Darum hat die herkömmliche Tarifgestaltung, die Tarife für die Frauen im Kraftfahrzeugverkehr bei uns bislang geringer angesetzt. Da ich ein Mann bin – nun im höheren Alter –, weiß ich sehr wohl, dass es bei der Lebensversicherung genau umgekehrt ist. Hier müssen die Frauen mehr bezahlen, weil sie durchschnittlich über 80 Jahre werden, wir Männer in Deutschland durchschnittlich nur 75,6 Jahre. Darf ich anfragen, Frau Britz, wie Sie mich ohne Benutzung des Unwortes „Unisex“ in dieser Sache belehren können? Diese Frage gilt noch in stärkerem Maße Ihnen, Herr Jestaedt, auch wegen der Vertragsfreiheit.
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Vorsitzender: Herzlichen Dank, Herr Häberle. Nur wenn Sie das Wort „Unisextarife“ nicht mögen, dann dürfen Sie es auch nicht zitieren, sonst ist es europaweit bis nach Granada herum! Jetzt noch Herr Biehler. Biehler: Sie haben sehr klar und pointiert die politische Natur dieses Diskriminierungsthemas herausgearbeitet, und ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, denn ich glaube, das mit verfassungsrechtlichen Dingen zu sehr zu vermischen, ist eine große Gefahr in der Diskussion, die Sie sehr vermieden haben. Wenn man diesen Gedanken weiter geht, geht es eben uns Rechtswissenschaftlern darum, die richtigen Wege – oder auch Abwege – zu erkennen, mit denen dieses Thema Diskriminierung, Diskriminierungsgesetz behandelt werden kann, und ob wir sozusagen die richtigen Handwerkszeuge hier zur Verfügung stellen. Wir wollen bei der grundrechtlichen Rechtfertigung der Antidiskriminierungsmaßnahmen natürlich jetzt nicht so sehr – als eine Inhaltsbestimmung des Eigentums – sagen, dass es darauf ankommt, hier der diskriminierten Gruppe eventuell ein bestimmtes Eigentumsrecht zu verschaffen an dem Eigentum anderer. Sondern es geht darum, ein Diskriminierungsmotiv hier zu erfassen und politisch zu stigmatisieren, das ist klar, und rechtlich eben mit einem Verfahren zu versehen. Und ich denke, da ist das Strafrecht wohl hier einmal in die Diskussion zu werfen, denn das Strafrecht ist als Gebiet geeignet, hier eben einen objektiven und subjektiven Tatbestand zur Verfügung zu stellen und den Kern der Sache anders zu kristallisieren, als die verschiedenen Einzelgebiete, die eben mit diesen vielfältigen Problemen, die wir heute angesprochen haben, behaftet sind und an einem gewissen Praxismangel natürlich schon ab initio leiden. Deswegen die kurze Anregung, vielleicht können Sie darauf dann spontan eingehen, ob das Strafrecht vielleicht hier nicht nur zusätzlich, sondern als Kernbereich geeignet sein könnte. Danke. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Biehler, für die schöne Abrundung. Jetzt haben die Referenten das Wort, Frau Britz und dann Herr Jestaedt. Britz: Vielen Dank, Herr Vorsitzender. Meine Damen und Herren, Ihnen danke ich zunächst ganz herzlichen dafür, dass Sie sich an der Diskussion zu dem Thema, das Herrn Jestaedt und mich lange beschäftigt hat, so intensiv beteiligt haben. Es wurde sehr oft meine Differenzierung zwischen Moral und Recht angesprochen. Hier muss ich zunächst einem Kollegen widersprechen, dem ich ganz besonders ungern widerspreche. Es wurde gemutmaßt, wir seien uns doch eigentlich alle einig, dass man, moralisch gesehen, nicht diskriminieren darf. Ich meine aber, dass diese Debatte belegt, dass wir uns über-
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haupt nicht einig sind. Ich habe den Eindruck, dass der Dissens hier so groß ist, wie er überhaupt nur sein kann. Um zu zeigen, dass Diskriminierung von vielen in vielen Konstellationen für legitim gehalten wird, greife ich einen Beitrag aus der Diskussion heraus, der ganz typisch ist. Es wurde in der Diskussion gesagt, man müsse doch selbst entscheiden dürfen, ob man in seine Wohnung einen starken Mann nehme – oder auch vielleicht gerade keinen Mann. Das ist eine – nachvollziehbare – Haltung, die tatsächlich ganz verbreitet ist, die aber Diskriminierung zulässt. Dann ist es aber gerade nicht so, dass wir uns alle einig sind, ich meine, das ist tatsächlich der Kern des Streits: dass wir uns moralisch nicht einig sind. Es wurde sehr oft unterstellt, dass ich mich angesichts meiner Vermutung, dass diese Regelungen keine große Effektivität entfalten werden, mit diesen Regeln relativ schnell abfinden könne; dass also in der fehlenden Wirkung der Regelungen bereits deren Rechtfertigung liege. Das habe ich so nicht gemeint und so habe ich es auch nicht gesagt. Ganz im Gegenteil, im letzten Teil meines Referats habe ich versucht zu erklären, warum ich es für verständlich und rational halte, dass man sich über Regelungen streitet, von denen man keine große Wirkung erwartet: Es geht um Regelungen, die als moralische Regeln im Kern umstritten sind. Dann ist es aber vernünftig, sich darüber zu streiten, ganz unabhängig vom Effekt. Es lag mir also völlig fern, zu behaupten, dass die fehlende Effektivität einer Regelung bereits ihre Rechtfertigung sei. Ich möchte bei dem Thema „Effektivität“ weitermachen. Es ist mehrfach die Frage der Beweislast angesprochen worden. In der Tat, die Frage der Beweislast ist im privaten Diskriminierungsschutzrecht eine zentrale Frage. Der deutsche Gesetzgeber wird hierzu möglicherweise eine Regelung treffen, die nicht ganz dem entspricht, wie es vorhin dargestellt wurde. Ich lese kurz aus dem Gesetzentwurf vor: „Wenn im Streitfall der Gläubiger Tatsachen glaubhaft macht, die eine Benachteiligung vermuten lassen, trägt der Schuldner die Beweislast dafür, dass eine Benachteiligung nicht vorliegt oder die unterschiedliche Behandlung zulässig ist.“ Es genügt hiernach nicht, dass eine differenzierende Behandlung erfolgte; so wurde es vorhin dargestellt. Es müssen vielmehr darüber hinaus Tatsachen glaubhaft gemacht werden, die darauf schließen lassen, dass diese differenzierende Behandlung eine Diskriminierung war. Das ist wesentlich mehr. Es genügt also etwa nicht, dass der fremdländisch aussehende Wohnungsinteressent abgewiesen wurde; es genügt nicht, dass die Frau abgewiesen wurde, sondern da muss mehr her. Gedacht ist wohl etwa an folgende Konstellation: Ruft eine Person mit einem arabisch klingenden Namen an und fragt, „Ist die Wohnung noch zu haben?“, und rufen anschließend noch fünf Personen mit Namen Müller, Meier usw. an und fragen, „Ist die Wohnung noch zu haben?“, und stellt sich dabei heraus, dass
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dann, wenn mit deutschem Namen angerufen wird, die Wohnung noch zu haben ist, nicht aber, wenn mit arabischem Namen angerufen wird, dann könnte man anhand dieses Vorgangs glaubhaft machen, dass hier eine Diskriminierung vorliegt. Aber das ist wesentlich mehr als die pure Differenzierung. Das ist aber noch nicht alles, was man zur Beweislast sagen muss. Ich glaube, hier liegt die wahre Crux. Es gibt keine Beweislastregel, die einerseits rechtsstaatlich hinnehmbar wäre und andererseits auch effektiv wäre. Wenn wir die Beweislastregeln so stricken wollten, dass die Diskriminierungsgeschützten davon profitieren, dann müssten sie nämlich genau das regeln, wovon ich eben gesagt habe, dass es so nicht werden wird: Bereits die pure Differenzierung müsste zur Beweislastumkehr führen. Das hielte ich nicht mehr für verhältnismäßig. Es besteht also ein echtes Dilemma: Die Regel, die für den Diskriminierungsschutz effektiv wäre, ist unzulässig; das was zulässig ist, ist nicht effektiv. Ich glaube nicht, dass es einen Zwischenweg gibt. Ich bin mehrfach auf die Dogmatik angesprochen worden, die meinen Überlegungen zugrunde liegt; einerseits der Bereich Freiheitsrechte, andererseits der Bereich des Art. 3 Abs. 3 GG. Zu den Freiheitsrechten: Zunächst wurde ich gefragt, ob das, was ich hier vertrete, verwandt sei mit den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts – Glykol, Osho. Ich sehe keinen Zusammenhang. Ich folge einer Konzeption – und so habe ich es auch vorgetragen – flächendeckender Schutzbereiche, die nicht vom Gesetzgeber definiert werden. Was ich gesagt habe ist, dass wir mit dem Adjektiv „privat“ nicht zu einem stärkeren Grundrechtsschutz kommen. Wir haben den ganz normalen Grundrechtsschutz des Art. 2 Abs. 1 GG, des Art. 12 GG, des Art. 14 GG; das sind hier die wichtigsten Grundrechte. Diese sind auf herkömmliche Weise anzuwenden. Bloß, Sie wissen alle: sie sind einschränkbar. Der Versuch, der darum unternommen wurde und auf den ich mich eingelassen habe, um ihn zu testen, ist, ob man, indem man bestimmte Freiheitsausübungen als besonders privat bezeichnet, den normalen Grundrechtsschutz stärken kann. Das habe ich verneint. Ich habe also nicht behauptet, dass die grundrechtlichen Schutzbereiche zur Disposition des Gesetzgebers stünden. Es ist vielmehr eine Frage der verfassungsrechtlichen Eingriffsrechtfertigung, inwiefern der Gesetzgeber Eingriffe vornehmen darf. Da bin ich auf einer ganz klassischen Linie, das ist wenig revolutionär. Ich habe lediglich zu zeigen versucht, dass wir mit dem Topos „privat“ kein Stück weiter kommen als mit unserer, wie ich finde, starken Grundrechtsdogmatik. Dass der Grundrechtsschutz in meiner Konzeption im Wesentlichen auf den Schutz durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hinausläuft,
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auch das wurde kritisiert, ist richtig beobachtet worden. Das ist tatsächlich ganz bewusst so gewählt. Ich halte den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in der Tat – das ist eine Stelle, an der Herr Jestaedt und ich wohl in der juristischen Einschätzung voneinander abweichen – für ein starkes Prinzip. Ich nehme zum einen an, dass er Entscheidungsergebnisse überprüfbar macht; zugegebenermaßen ist er dabei kein sehr starkes Kriterium. Er entfaltet aber zum anderen bereits im Vorfeld rationalisierende Wirkung. Das beobachten wir etwa bei der Richtlinie 2000/78. In dieser Richtlinie ist eine sehr belastende Regelung getroffen: Der Arbeitgeber muss, wenn er behinderte Arbeitnehmer beschäftigt, Arbeitsplätze behindertengerecht ausstatten. Das wäre für meine Begriffe unverhältnismäßig. Genau an dieser Stelle verpflichtet aber bereits die Richtlinie dazu, ganz grob gesagt, Verhältnismäßigkeitserwägungen anzustellen. Hier hat der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz also bereits im Vorfeld, bei der Gesetzgebung, rationalisierende Wirkung entfaltet. Ich halte ihn deswegen für stark. Zu Art. 3 Abs. 3 GG: Ich glaube, dass wir gar nicht so weit voneinander entfernt liegen, sofern hier gesagt wurde, in Art. 3 Abs. 3 GG sei doch wegen der Schutzpflichten mehr drin. Die Bereiche, die Sie geltend gemacht haben, können wir über das allgemeine Persönlichkeitsrecht einfangen, das auch nach meiner Auffassung Schutzwirkung hat. Die krassen Diskriminierungsfälle sind also fassbar, insoweit können wir eine Schutzpflicht konstruieren. Ich habe hier allerdings eine sehr viel weitere Diskriminierungsschutzkonzeption vorgestellt. Und für diese, meine ich, trägt Art. 3 Abs. 3 GG rechtsdogmatisch nicht. Das müsste man gründlicher diskutieren. Es ist das Völkerrecht angesprochen worden, und dafür bin ich besonders dankbar, denn es ist in meinem Referat der Zeitbegrenzung zum Opfer gefallen. Das Völkerrecht hat – und das habe ich kurz gesagt – zwei zentrale Übereinkommen zum Diskriminierungsschutz: Da ist zum einen der Schutz gegen Rassendiskriminierungen, der mir besonders am Herzen liegt, und zum anderen der Schutz gegen Frauendiskriminierung. Beide weisen, darüber kann man überhaupt nicht streiten, Drittwirkungsaspekte auf. Beim Schutz gegen Rassendiskriminierung ist die Reichweite sehr streitig, weil es auch dort kontroverse Öffentlichkeitsklauseln gibt, über deren Reichweite man sich überhaupt nicht einig ist. Das führt auch in der Praxis immer wieder zu Streit. Aber die Übereinkommen erfassen mit Rassen- und Frauendiskriminierung eben nur zwei Merkmale. Die Kritik der Zivilrechtler an den EG-Richtlinien und dem deutschen Umsetzungsentwurf hat sich vor allem daran entfacht, dass über diese Merkmale hinausgegangen wird.
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Zum Schluss möchte ich noch auf die Überlegung eingehen, ob das Ganze nicht auch etwas mit Integration zu tun hat. Das halte ich für einen sehr interessanten Gedanken. Hier sind zu Recht zwei Ebenen von Integration unterschieden worden: einmal die europäische Ebene, einmal die nationale. Ich stimme der Vermutung zu, dass die Richtlinien als Versuch gedacht waren, ein Stück europäischer Identifikationsmöglichkeit zu schaffen; in der Annahme, das sei etwas, wo der EU-Bürger sich endlich nicht mehr nur als Marktbürger wahrgenommen sieht, sondern wo es in den Bereich des Politischen hineingeht. Nun ist dieser Versuch aber gerade bei uns nach hinten losgegangen. Bei uns war bislang die Empörung über diese Richtlinien sehr viel größer als der identifikationsermöglichende, integrierende Effekt. Diesbezüglich nimmt Deutschland allerdings eine Sonderrolle ein, und das sollte man bei der ganzen Diskussion im Auge behalten; es ist in der Anmerkung zum Völkerrecht bereits angeklungen: Wir führen hier einen Sonderstreit: So groß, wie die Aufregung um diese neuen Gesetze bei uns ist, ist sie in keinem anderen Mitgliedstaat Europas, und das sollte dann vielleicht doch zu denken geben. Vielen Dank. Jestaedt: Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen meinen Dank dadurch abstatten, dass ich jetzt nicht in wohlgesetzten Worten noch einmal zu einem allgemeinen Statement aushole, sondern dadurch, dass ich mich bemühe, auf alle kritischen Anmerkungen und Nachfragen einzugehen. Zunächst einmal: Ich werde meine Antwort in elf Punkte untergliedern. In den ersten drei Punkten geht es weniger um Dogmatik als vielmehr um Normen – und seien sie auch solche in statu nascendi. Das wird sich, glaube ich, relativ schnell abhandeln lassen. Lieber Herr Häberle, ich denke, ich kann Ihre Befürchtung bezüglich der „Unwort-Richtlinie“ zerstreuen. Denn die Einigung, die am 4. Oktober im Ministerrat stattgefunden hat, ist auf der Grundlage eines niederländischen Kompromissvorschlages erfolgt, der den Richtlinieninhalt in dem kritischen Punkt dramatisch entschärft hat. Das heißt, Sie dürfen das Geschlecht als versicherungsmathematischen Faktor einsetzen – ich verkürze etwas –, soweit es sich dabei um einen statistisch belegbaren Risikofaktor handelt. Ausgenommen sind insoweit Schwangerschaft und Mutterschaft: die dürfen Sie keinesfalls als versicherungsmathematisch relevantes Risiko einstufen; da wir dieses Ergebnis aber ohnedies mit Art. 6 Abs. 4 GG begründen können, brauchen wir uns insofern nicht an das Europarecht zu wenden. Das Zweite: Herr Jochum, ich möchte es kurz und verletzend machen. Zur formellen Primärrechtskonformität der Richtlinie nur zwei Gesichtspunkte. Erstens: Die Richtlinie lautet – Sie sehen mich in der Rolle eines
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Europarechtsverteidigers, das tue ich gerne – in Art. 3 Abs. 1: „Im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten gilt diese Richtlinie …“. Die Richtlinie wiederholt hier schlicht den Text des Primärrechts. Sie wollen nicht im Ernst behaupten, dass Sie angesichts dessen eine Primärrechtswidrigkeit begründen können? Der zweite Gesichtspunkt: Das Stichwort „Tabakwerberichtlinie“. Da muss man, glaube ich, der Ehrlichkeit halber sagen, wenn man nicht die Entscheidung zur Tabakproduktrichtlinie hinzunähme, könnte man jenes Urteil in den vollkommen falschen Hals bekommen, könnte man glauben, der EuGH würde ernst machen mit der Kompetenzkontrolle zu Lasten der Gemeinschaft. Ich fürchte, wenn Sie die zweite Entscheidung zur Tabakproduktrichtlinie lesen, dann ist klargestellt, dass über den Art. 95 EG, sogar ungeachtet des Umstands, dass es im Vertrag Spezialbestimmungen gibt, der Gemeinschaft eine kaum gezügelte Kompetenz attestiert wird. Die diesbezüglichen Ausführungen habe ich aber in der Tat sehr kurz gehalten, weil ich anderes zu behandeln hatte als die formelle Primärrechtskonformität, die von niemandem in Zweifel gestellt wird – von fast niemandem. Dritter Punkt: Art. 23 GG. Herr Hillgruber, da sehe ich mich nun in der Situation, auf der einen Seite Ihre Bedenken zu wesentlichen Stücken zu teilen, zum anderen aber muss ich dann doch denjenigen hervorkehren, der dem positiven Recht Rechnung tragen möchte. Art. 23 GG ist doch wohl zu verstehen als die Kodifikation der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, als Kodifikation der Solange-Judikatur. Diese Solange-Judikatur aber weist, meine ich – und da treffen wir uns vielleicht –, insoweit einen strukturellen Mangel auf, als die generelle Gleichartigkeit des Schutzes, die dort eingefordert wird, einfach gemessen wird an der Frage: Gibt es auf Gemeinschaftsebene gleichartige Grundrechte, und sehen die so ähnlich aus und „schmecken“ die so ähnlich wie die grundgesetzlichen? Im Hintergrund bleibt demgegenüber die Frage, ob die Gemeinschaftsrechtsakte selbst daran gemessen werden. Die Akte der Mitgliedstaaten werden ja in deutlich stärkerem Umfange und mit anderen Konsequenzen, auch forensischen Konsequenzen, daran gemessen. Deswegen denke ich, das Problem liegt eher in der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts, die freilich in den Rang positiven Verfassungsrechts erhoben worden ist. Deswegen sehe ich mich im Moment außerstande, Ihren inhaltlich mehr als verständlichen Kritikpunkten positivrechtlich Rechnung zu tragen. Vierter Gesichtspunkt: Frage zu These 19. Lieber Herr Geis: Präzisierung, natürlich. Ich habe das einmal in den Raum geworfen, die Schriftfassung enthält auch ein paar weitergehende Hinweise. Präzisierung, ja, vielleicht in zwei Richtungen; einmal gedacht ist an so etwas Ähnliches – Frau Britz hat es bereits angesprochen – wie die Sphärentheorie: Je enger wir an
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den Persönlichkeitskern, die identitätsprägenden Merkmale, die man vor niemandem mehr zu rechtfertigen hat – nebenbei: die kleinste Minderheit ist das Individuum, das Unteilbare –, je näher man also an diesen Kern kommt, desto weniger brauchen Sie eine Legitimation für eine Differenzierung, desto weniger können Sie, umgekehrt, einen Diskriminierungsschutz, also ein Gleichbehandlungsgebot, rechtfertigen. Die angesprochene Richtlinie 2000/78/ EG, die Rahmenrichtlinie, bringt das ja auch zum Ausdruck mit ihrer Bestimmung zur Tendenzschutzklausel, die zugunsten von Kirchen und sonstiger Tendenzbetriebe in diesem allgemeineren Sinne wirkt. Zweitens: „Unbefangene Wahrnehmung“ – nur ganz kurz das Stichwort. Ich dachte, da so viele Richter des Ersten Senats anwesend sind, dürfte ich hier verklausuliert, nicht boshaft, auf den chilling effect anspielen, wenn man ihn denn bei Art. 5 Abs. 1 GG aktiviert. Für die Meinungsfreiheit wird man ihn, denke ich, auch im Kontext der Antidiskriminierung aktivieren dürfen: Diskriminierungsverbote dürfen nicht einschüchternd wirken auf die Wahrnehmung von Grundrechtsfreiheiten. Punkt fünf: Kontrahierungszwang. Herr Classen, diese Stelle in meinem Vortrag ist das Opfer einer Kürzung; der von Ihnen angesprochene Gedanke geht weiter: „substituiert oder in anderer Weise sanktioniert“. Wenn Sie Schadensersatzpflichten daran knüpfen, wie Sie Ihre Vertragsfreiheit ausüben, ist das auch ein Grundrechtseingriff. Es geht also, erstens, nicht nur um den Kontrahierungszwang im engeren Sinne. Zweitens: § 319f Abs. 2 S. 1 des aus dem Bundesfamilienministerium stammenden Entwurfes eines zivilrechtlichen Antidiskriminierungsgesetzes sagt eben: „Im Fall einer Vertragsverletzung kann der Gläubiger den Abschluss einen Vertrages nur verlangen, wenn dieser ohne Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot erfolgt wäre.“ Also, vorgesehen ist ein Kontrahierungszwang, wenn auch nur eingeschränkt. Dann sechstens: Art. 3 Abs. 3 GG, da waren mehrere Fragen, Frau Mager, auch Herr Ruffert. Dazu würde ich gerne die von Herrn Ruffert selbst und von Frau Osterloh vertretene These vom flankierenden Diskriminierungsschutz in den Raum stellen, also eines Freiheitsschutzes, der flankiert wird von den Diskriminierungsverboten des Art. 3 Abs. 3 GG. Das finde ich eine sehr sympathische Idee. Es ist ja mehrfach angesprochen worden, dass man, je stärker man auf Art. 1 GG, auf die Menschenwürde, zusteuert, desto eher auch Schutzpflichten, also die Rundumwirkung der Verfassungsgebote, wird annehmen können. Nur ist die Frage, was über den Schutz, den das Persönlichkeitsrecht auf der einen Seite und namentlich die Religionsfreiheit auf der anderen Seite bereits vermitteln, hinaus mit dem flankierenden Schutz gewonnen ist. Ihre eigene Habilitationsschrift, Herr Ruffert, bleibt die Antwort da schuldig; ich selbst habe auch noch keine gefunden, ehrlich gesagt.
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Siebter Bemerkungspunkt: Generalklausel, die offene Verbotsnorm. Kann man die uminterpretieren? Mit Verlaub, natürlich kann man das: Wenn man das Instrument der verfassungskonformen Auslegung, also der geläufigen Verwechslung der Rechtsinhalts- mit der Rechtsgeltungsfrage zur Anwendung bringt, ist das keine Schwierigkeit. Nur das halte ich für methodologisch unhaltbar. Aber noch einmal zur Klarstellung: Wenn Sie das begründen wollen, dann können Sie das mit der verfassungskonformen Auslegung natürlich tun – freilich mit der Folge, dass sie genau dort die Normebenen überspringen. Achter Punkt: Die These des Naturrechts. Meine These 20 zu Recht und Moral ist zugegebenermaßen sehr kurz, ja verkürzend ausgefallen. Ich wollte sagen: Das ist eine rechtspolitische Problematik, und da muss man viel weiter denken. Das Naturrecht, lieber Herr Steiger, fürchte ich, hilft uns hier aber auch nicht weiter. Der kantische Rechtsbegriff ist ein Begriff der Rechtsphilosophie und der Rechtsethik, er ist nicht Maßstab des positiv geltenden Verfassungsrechts. Eine Norm ist nicht deswegen verfassungswidrig, kann nicht deswegen in ihrem Gesetzesinhalt derogiert werden vom Verfassungsrecht, weil sie dem kantischen Rechtsbegriff widerspricht. Nebenbei, das gilt dann auch für die weitere Bemerkung mit Art. 2 Abs. 1, der Trias und dem Sittengesetz, sowie Art. 3 Abs. 3 als dem ordre public. Hier wird, glaube ich, grundlegend verkannt, dass eben der Verfassungsstaat auf der Asymmetrie beruht, dem sogenannten rechtsstaatlichen Verteilungsprinzip: dass eben der Einzelne sich zunächst einmal nicht zu rechtfertigen hat, sondern ganz im Gegenteil der Staat unter den demokratischen und grundrechtlichen Rechtfertigungsanforderungen steht und handelt. Es geht also – das scheint mir wichtig zu sein – nicht um ein Ergebnis; es kann am Ende in vielerlei Punkten Ergebnisgleichheit bestehen, was die Diskriminierungsverbote angeht. Die Begründungen sind – entsprechend den unterschiedlichen Begründungslasten – jedoch ganz unterschiedlich. Und die sind eben manchmal nicht zu erbringen, beziehungsweise im einen Fall gelten sie unmittelbar qua Verfassung, im anderen Falle ist es auf der Grundlage einer politischen Entscheidung, die ihrerseits sich vor der Verfassung zu rechtfertigen hat. Damit bin ich beim neunten Punkt: Beim „kategorialen Unterschied“. Werden die Grundrechte nicht aus dem öffentlichen Raum verdrängt? Ich denke: nein. Noch einmal, es geht um Begründungen. Es geht nicht darum, dass grundrechtliche Wertungen nicht hineintransportiert werden könnten in Gesetze, die auch Private binden. Private sind sowieso nicht an Grundrechte gebunden, sie können ohnehin nur über die Transformation durch das Gesetz gebunden werden. Von daher sehe ich nicht das Problem einer Verdrängung grundrechtlicher Wertungen aus dem öffentlichen Raum.
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Das leitet über zum vorletzten Punkt, zur These, den Sozialstaat einzusetzen, um Gleichheit durchzusetzen. Ich denke, Herr Groß, ich kann mich dieser These nicht anschließen. Ich würde mich vielmehr jenen anschließen, die sagen: Aktivierung des Sozialstaatsprinzips, um die Störung des sozialen Miteinanders abzuwehren, um den sozialen Frieden, die Integration zu fördern. Von diesem Standpunkt aus lässt sich leicht erkennen, dass der Diskriminierungsschutz ein typisches Medium ist zur Integration heterogener Gesellschaften wie z. B. den Vereinigten Staaten von Amerika, zur Integration heterogener Ordnungen wie der Europäischen Gemeinschaft – denn die Marktzugangsfreiheiten sind ja zunächst einmal allesamt Diskriminierungsverbote. Warum denn? Wegen der Heterogenität der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen. Und damit bin ich bei meinem letzten Stichwort. Herr Nettesheim hatte eine wunderbare Steilvorlage gegeben: In der Tat, man muss verfassungstheoretisch die Anschlussfähigkeit von Begriffen und Theoremen berücksichtigen. „Anglizismus“, „Amerikanismus“ – sehen Sie mir bitte die Pointierung nach, ich wollte es auf den Punkt bringen. Die Unterscheidung privat-öffentlich, private-public, ist keine Unterscheidung – ich denke, Frau Britz hat das sehr deutlich gemacht –, mit der wir verfassungstheoretisch so ohne weiteres etwas anfangen können. Unsere Unterscheidung ist die von Staat und Gesellschaft, von demokratisch rechtfertigungsfähiger, grundrechtsgebundener Staatsgewalt einerseits und zunächst einmal freier „Gewalt“ des Privaten andererseits. Das sind unsere Probleme der Anknüpfung, und bei uns besteht eben das ganz große Problem: Können wir auf der Grundlage der importierten Unterscheidung von private-public eine vernünftige Grenze ziehen? Wir verfügen eben nicht über die Selbstsicherheit, die man im angloamerikanischen Umfeld besitzt. Ich darf insoweit zitieren aus der Presseerklärung des Rates vom 4. Oktober: Darin steht, dass es nur um Dienstleistungen und Güter gehe „offered outside the area of private and family life“. Haben wir im Deutschen die Selbstsicherheit zu sagen, das sind begrenzungsfeste, aus sich heraus klar abgegrenzte Kategorien? Ich fürchte nein, und deswegen haben wir Anschlussschwierigkeiten. Dankeschön. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Jestaedt. Was dem Diskussionsleiter nur bleibt, ist ein herzliches Wort des Dankes. Ich denke, in der langen Geschichte der Freitag Nachmittag-Diskussionen der Vereinigung war das ein ganz besonders lebendiger und durch hohe Präsenz ausgezeichneter Nachmittag und dazu haben vor allen Dingen die Referentin und der Referent sehr beigetragen, aber auch die ganze Diskussion. Die Veranstaltung ist geschlossen.
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Verzeichnis der Redner Badura 274 Bauer 280 Baumeister 188 Biehler 427 Breuer 178 Britz 427 Bryde 425 Classen 415 Dederer 414 Dreier 274, 297 Ebsen 180, 282 Enders 106 Fromont 99 Geis 413 Gröschner 175, 291 Groß 409 Häberle 86, 186, 426 Hase 97, 187 Hillgruber 423 Höfling 179 Huber 175 Hufen 85, 403 Iliopoulus-Strangas 94, 183, 421 Isensee 96 Jeststaedt 431 Jochum 422 Kingreen 287 Kotzur 90, 406 Ladeur 404 Lange 408 Lorz 184 Mager 417
Mantl 87 Martinez 283 Meyer 93, 191, 291 Michael 290 Morlok 403 Nettesheim 410 Neumann 101, 279 Pielow 288 Pitschas 195 Püttner 276 Ruffert 422 Ruland 99, 176, 277 Sachs 419 Schachtschneider 100, 182, 418 Schiedermair 95 Schmidt-Aßmann 284 Schnapp 275 Schneider, Jens-Peter 291 Schoch 412 Sondan 191 Starck 406 Steiger 85, 407 Steiner 93, 94, 190 Streinz 416 Sydow 289 Tettinger 294 Volkmann 91 Voßkuhle 279 Wiederin 102 Wieland 189 Wolff 419 Zacher 89, 185, 285
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
Verzeichnis der Mitglieder der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Stand: 15. Februar 2005 Vorstand 1. Dreier, Dr. Horst, o. Professor, Bismarckstr. 13, 21465 Reinbek, (0 40) 7 22 58 34; Lehrstuhl für Rechtsphilosophie, Staats- und Verwaltungsrecht, Universität Würzburg, Domerschulstraße 16, 97070 Würzburg, (09 31) 31 23 21, Fax (09 31) 31 29 11, E-mail: [email protected] 2. Hufen, Dr. Friedhelm, o. Professor, Backhaushohl 62, 55128 Mainz, (0 61 31) 3 44 44, Fax (0 61 31) 36 14 49; Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, FB Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, 55099 Mainz, (0 61 31) 39-2 23 54 oder 39-2 30 45, Fax (0 61 31) 39-2 42 47, E-mail: [email protected] 3. Huber, Dr. Peter M., o. Professor, Gistlstraße 141, 82049 Pullach i. I., (0 89) 74 42 46 62, Fax (0 89) 74 42 48 52; Universität München, Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Staatsphilosophie, Professor-Huber-Platz 2, 80539 München, (0 89) 21 80-35 76, Fax (0 89) 21 80-50 63, E-mail: [email protected]
Mitglieder 1. Abelein, Dr. Manfred, o. Professor, Schafhofstraße 21, 73479 Ellwangen a.d. Jagst
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
2. Adamovich, DDr. Dr. h. c. Ludwig, Professor, Roosevelt-Platz 4, A-1090 Wien, (00 43-1) 4 08 55 70; Präsident des österreichischen Verfassungsgerichtshofs, Judenplatz 11, A-1010 Wien, (00 43-1) 5 31 22-4 15 3. Albers, Dr. iur., Dipl. soz. Marion, Privatdozentin, Malzweg 26, 20535 Hamburg, (0 40) 25 31 57 74; Helmut-Schmidt-Universität, Institut für Öffentliches Recht, Holstenhofweg 85, 22043 Hamburg, (0 40) 65 41-25 28, E-mail: [email protected] 4. Alexy, Dr. Robert, o. Professor, Klausbrooker Weg 122, 24106 Kiel, (04 31) 54 97 42; Universität Kiel, 24098 Kiel, (04 31) 8 80 35 43, Fax (04 31) 8 80 37 45, E-mail: [email protected] 5. Antoniolli, Dr. Dr. h. c. Walter, Universitätsprofessor, Hasnerstr. 3/I, A-3100 St. Pölten, (00 43) 27 42-7 59 17; Universität Wien 6. Appel, Dr. Ivo, Professor, Cheruskerstraße 14, 10829 Berlin; Universität Augsburg, Juristische Fakultät, 86135 Augsburg, (08 21) 5 98 45 35, Fax (08 21) 5 98 45 37, E-mail: [email protected] 7. Arndt, Dr. Hans-Wolfgang, o. Professor, Waldstr. 34, 67434 Neustadt/Weinstr., (0 63 21) 3 33 85; Universität Mannheim, 68131 Mannheim, (06 21) 2 92-51 95, E-mail: [email protected] 8. Arnim, Dr. Hans Herbert v., o. Professor, Im Oberkämmerer 26, 67346 Speyer, (0 62 32) 9 81 23; Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, 67324 Speyer, (0 62 32) 6 54 3 43, E-mail: [email protected] 9. Arnold, Dr. Rainer, o. Professor, Plattenweg 7, 93055 Regensburg, (09 41) 7 44 65; Universität Regensburg, 93053 Regensburg, (09 41) 9 43-26 54/5, E-mail: [email protected]
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10. Autexier, Dr. Christian, Professor, Egon-Reinert-Str. 19, 66111 Saarbrücken, (06 81) 37 14 87; Universität Saarbrücken, Postfach 15 11 50, 66041 Saarbrücken, (06 81) 3 02-21 85, E-mail: [email protected] 11. Axer, Dr. Peter, Professor, Marienholzstraße 47b, 54286 Trier, (06 51) 1 70 18 64; Universität Trier, Fachbereich V, 54286 Trier, (06 51) 2 01-25 89, Fax (0651) 2 01-33 94 E-mail: [email protected] 12. Baade, Dr. Hans W., Professor, 6002 Mountain Climb Drive, Austin/Texas, USA, 78 731, (0 01-5 12) 4 52 50 71; dienstl., (0 01-5 12) 4 71 51 51, E-mail: [email protected] 13. Bachof, Dr. Dr. h. c. mult. Otto, o. Professor, Auf dem Kreuz 3, 72076 Tübingen, (0 70 71) 6 11 44; Universität Tübingen, Juristische Fakultät, Wilhelmstr. 7, 72074 Tübingen, (0 70 71) 2 97 25 49 14. Badura, Dr. Peter, o. Professor, Am Rothenberg Süd 4, 82431 Kochel am See, (0 88 51) 52 89; Universität München, Professor-Huber-Platz 2, 80539 München, (0 89) 21 80-35 76, E-mail: [email protected] 15. Baer, Dr. Susanne, Professorin, Pestalozzistr. 7, 10625 Berlin, (0 30) 31 50 39 13; Humboldt-Universität zu Berlin, Juristische Fakultät, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, (0 30) 20 93 33 24, Fax (0 30) 20 93 33 45, E-mail: [email protected] 16. Baldus, Dr. Manfred, Universitätsprofessor, Heidberg 27, 22301 Hamburg, (0 40) 2 70 12 88; Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Rechtsgeschichte, Staatswissenschaftliche Fakultät, Universität Erfurt, 99089 Erfurt, (03 61) 7 37 47 11 (oder -40 40), E-mail: [email protected]
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17. Barfuß, Dr. iur. Dr. rer. pol. Walter, o. Universitätsprofessor, Präsident des Österreichischen Normungsinstituts, Generaldirektor der Bundeswettbewerbsbehörde der Republik Österreich, Heinestraße 38, A-1020 Wien, (00 43-1) 2 13 00/6 12, Fax (00 43-1) 2 13 00/6 09 18. Bartlsperger, Dr. Richard, o. Professor, Schleifweg 55, 91080 Uttenreuth, (0 91 31) 5 99 16, Fax (0 91 31) 53 33 04; Friedrich-Alexander-Universität Erlangen, Institut für Staatsund Verwaltungsrecht, Schillerstr. 1, 91054 Erlangen, (0 91 31) 8 52 28 18, Fax (0 91 31) 8 52 63 82, E-mail: [email protected] 19. Battis, Dr. Dr. h. c. Ulrich, Professor, Beiersdorfer Weg 42, 12589 Berlin-Rahnsdorf, (0 30) 6 48 19 47; Humboldt-Universität zu Berlin, Lehrstuhl für Staatsund Verwaltungsrecht sowie Verwaltungswissenschaften, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, (0 30) 20 93-35 33, Fax (0 30) 20 93-36 89, E-mail: [email protected] 20. Bauer, Dr. Hartmut, Professor, Am Hegereiter 13, 01462 Cossebaude, (03 51) 4 52 16 03; TU Dresden, Juristische Fakultät, 01062 Dresden, (0 35 1) 46 33 73 13 oder 46 33 73 14, Fax (0 35 1) 46 33 72 07, E-mail: [email protected] 21. Baumeister, Dr. Peter, Privatdozent, Langebrücker Str. 24, 68809 Neulußheim, (0 62 05) 39 78 17; Universität Mannheim, Schloß W 124, 68131 Mannheim, (06 21) 1 81 14 09, Fax (06 21) 1 81 14 11, E-mail: [email protected] 22. Bausback, Dr. Winfried, Privatdozent, Im Neurod 8, 63741 Aschaffenburg, (0 60 21) 45 66 06, Fax (0 60 21) 45 66 07; Lehrstuhl für Völkerrecht, allgemeine Staatslehre, deutsches und bayrisches Staatsrecht und politische Wissenschaften, Julius-Maximilians Universität Würzburg, Domerschulstraße 16, 97070 Würzburg, (09 31) 31 23 08, Fax (09 31) 31 27 93, E-mail: [email protected]
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23. Bayer, Dr. Hermann-Wilfried, Professor, Henkenbergstr. 45a, 44797 Bochum, (02 34) 79 17 44; Universität Bochum, 44780 Bochum, (02 34) 3 22 57 24 24. Beaucamp, Dr. Guy, Professor, Nordstr. 21, 18107 Elmenhorst, (03 81) 7 68 69 50; Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, Schwenkestraße 100, 20255 Hamburg, E-mail: [email protected] 25. Becker, Dr. Florian, Professor, 61 Blenheim P1, AB25 2DZ Aberdeen, (00 44) 12 24 64 51 40; Aberdeen University, School of Law, Taylor Building, AB24 3UB Aberdeen, Scotland, (00 44) 12 24 27 44 37, Fax: (00 44) 12 24 27 24 42, E-mail: [email protected] 26. Becker, Dr. Joachim, Privatdozent, Kreuznacher Str. 6, 14197 Berlin, (0 30) 8 22 40 12; Humboldt-Universität zu Berlin, Juristische Fakultät, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, (0 30) 20 93 33 83, E-mail: [email protected] 27. Becker, Dr. Jürgen, o. Professor, Kellerstr. 7, 81667 München; GEMA, Rosenheimer Straße 11, 81667 München, (0 89) 4 80 03-6 23, Fax (0 89) 4 80 03-6 20 28. Becker, Dr. Ulrich, LLM. (EHI), Professor, Pfarrsiedlungsstr. 9, 93161 Sinzing, (0 94 04) 34 78; Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht, Amalienstr. 33, 80799 München, (0 89) 3 86 02-5 11, Fax (0 89) 3 86 02-4 90, E-mail: [email protected] 29. Berchthold, Dr. Klaus, Universitätsprofessor, Bräunerstr. 4–6/22, A-1010 Wien, (00 43-1) 53 14 34 30. Berg, Dr. Wilfried, o. Professor, Waldsteinring 25, 95448 Bayreuth, (09 21) 9 90 08 14; Universität Bayreuth, 95440 Bayreuth, (09 21) 55 28 76, E-mail: [email protected]
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
31. Berka, Dr. Walter, o. Universitätsprofessor, Birkenweg 2, A-5400 Hallein, (00 43-6 62 45) 7 67 58; Institut für Verfassungs- und Verwaltungsrecht der Universität Salzburg, Kapitelgasse 5–7, A-5020 Salzburg, (00 43) 6 62-80 44 36 20, Fax (00 43) 6 62-8 04 43 03, E-mail: [email protected] 32. Bernhardt, Dr. Dr. h. c. Rudolf, o. Professor, Gustav-Kirchhoff-Str. 2a, 69120 Heidelberg, (0 62 21) 41 36 99; MPI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Im Neuenheimer Feld 535, 69120 Heidelberg, (0 62 21) 48 22 53, E-mail: [email protected] 33. Bethge, Dr. Herbert, o. Professor, Am Seidenhof 8, 94034 Passau, (08 51) 4 16 97; Universität Passau, Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht sowie Wirtschaftsverwaltungsrecht und Medienrecht, 94030 Passau, (08 51) 5 09-22 20, Fax (08 51) 5 09-22 22, E-mail: [email protected] 34. Bettermann, Dr. Dr. h. c. Karl-August, o. Professor, Alte Landstr. 173, 22339 Hamburg, (0 40) 5 38 40 64; Universität Hamburg, (0 40) 41 23-45 57 35. Beyerlin, Dr. Ulrich, apl. Professor, Luisenstr. 7, 69151 Neckargmünd; MPI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Im Neuenheimer Feld 535, 69120 Heidelberg, (0 62 21) 48 22 30, E-mail: [email protected] 36. Biaggini, Dr. Giovanni, o. Professor, Kantstraße 12, CH-8044 Zürich, (00 41-1) 2 51 11 58; Lehrstuhl für Staats-, Verwaltungs- und Europarecht, Rechtswissenschaftliches Institut, Freiestrasse 15, CH-8032 Zürich, (00 41-1) 6 34 30 10, Fax (00 41-1) 6 34 43 89, E-mail: [email protected] 37. Bieber, Dr. Uwe Roland, o. Professor, 5, chemin du Chateau Sec, CH-1009 Pully/Lausanne; Universität Lausanne, CH-1015 Lausanne-Dorigny, (00 41) 21-6 92 27 91, Fax (00 41) 21-6 92 27 85, E-mail: [email protected]
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38. Biehler, Dr. Gernot, Privatdozent, M.A., LL.M. (Cantab.), Lecturer in Law, Trinity College 39, Dublin 2, Irland, (00 35 31) 6 08 12 01, E-mail: [email protected] 39. Binder, Dr. Bruno, Universitätsprofessor, Wischerstr. 30, A-4040 Linz, (00 43) 7 32-71 77 72-0, Fax (00 43) 7 32-71 77 72-4; Universität Linz, Altenbergerstr. 69, A-4020 Linz, (00 43) 7 32-24 68-0, Fax (00 43) 7 32-24 68 10, E-mail: [email protected] 40. Birk, Dr. Dieter, o. Professor, Borkumweg 43, 48159 Münster, (02 51) 21 84 78, Fax (02 51) 21 84 76; Universität Münster, 48143 Münster, (02 51) 8 32 27 95, Fax (02 51) 8 32 83 86, E-mail: [email protected] 41. Blanke, Dr. Hermann-Josef, Universitätsprofessor, Universität Erfurt, Staatswissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl für Staatsrecht und Europäische Integration, Nordhäuser Straße 63, 99089 Erfurt, (03 61) 7 37-47 51, (03 61) 7 37-47 50 (Sekr.), Fax (03 61) 7 37-47 59, E-mail: [email protected] 42. Blankenagel, Dr. Alexander, Professor, Türksteinstraße 10, 14167 Berlin, (0 30) 8 54 95 82; Humboldt-Universität zu Berlin, Juristische Fakultät, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, (0 30) 20 93-33 81, Fax (0 30) 20 93-33 45, E-mail: [email protected] 43. Blümel, Dr. Willi, Universitätsprofessor, Angelhofweg 65, 69259 Wilhelmsfeld, (0 62 20) 18 80; Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, 67324 Speyer, (0 62 32) 6 54-3 62/3 60, Fax (0 62 32) 9 10-2 08 oder 9 10-2 90 44. Blumenwitz, Dr. Dieter, o. Professor, Tannenstr. 2, 85598 Baldham, (0 81 06) 3 32 52; Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Lehrstuhl für Völkerrecht, allgemeine Staatslehre, deutsches und bayrisches Staatsrecht und politische Wissenschaften, (09 31) 31 23 08, Fax (09 31) 31 27 93, E-mail: [email protected]
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45. Bock, Dr. Wolfgang, Privatdozent, Am Ebelfeld 10, 60488 Frankfurt a.M., (0 69) 76 57 17; FEST, Schmeilweg 5, 69118 Heidelberg, (0 62 21) 91 22 39, Fax (0 62 21) 16 72 57, E-mail: [email protected] 46. Böckenförde, Dr. iur. Dr. phil. Dr. h. c. Ernst-Wolfgang, o. Professor, Türkheimstr. 1, 79280 Au bei Freiburg, (07 61) 40 56 23; Universität Freiburg, 79098 Freiburg, (07 61) 2 03 22 63 oder -22 62 47. Böckstiegel, Dr. Karl-Heinz, Professor, Parkstr. 38, 51427 Bergisch-Gladbach, (0 22 04) 6 62 68; Universität Köln, Albertus-Magnus-Platz, 50923 Köln, (02 21) 4 70 23 37 48. Bogdandy, Dr. Armin v., M.A., Professor, Mühltalstr. 117, 69121 Heidelberg, (0 62 21) 58 94 33; Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Im Neuenheimer Feld 535, 69120 Heidelberg, (0 62 21) 48 26 02, Fax (0 62 21) 48 26 03, E-mail: [email protected] 49. Bogs, Dr. Harald, o. Professor, Dresdenerstr. 7, 37120 Bovenden, (05 51) 8 15 95, Fax (05 51) 8 35 98; Universität Göttingen, (05 51) 39 73 92, Fax (05 51) 39 48 72, E-mail: [email protected] 50. Böhm, Dr. Monika, Professorin, Lessingstr. 24, 65719 Hofheim/Ts., (0 61 92) 2 48 29, Fax (0 61 92) 2 48 14; Philipps-Universität Marburg, Institut für Öffentliches Rechts, FB 01, Universitätsstraße 6, 35032 Marburg/Lahn, (0 64 21) 2 82-38 08, Fax (0 64 21) 2 82-89 82, E-mail: [email protected] 51. Borowski, Dr. Martin, Privatdozent Kleiststraße 27, 24105 Kiel, (04 31) 8 50 27; Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Juristisches Seminar, Leibnizstraße 6, 24118 Kiel, (04 31) 8 80-35 50, E-mail: [email protected]
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
52. Bothe, Dr. Michael, Universitätsprofessor, Theodor-Heuss-Str. 6, 64625 Bensheim, (0 62 51) 43 45; Universität Frankfurt a.M., Senckenberganlage 31, 60054 Frankfurt a.M., (0 69) 7 9 82 22 64, E-mail: [email protected] 53. Brandner, Dr. Thilo, Privatdozent, Fritz-Reuter-Str. 13, 10827 Berlin, (0 30) 78 70 42 44; Humboldt-Universität zu Berlin, Juristische Fakultät, Unter den Linden 9–11, 10099 Berlin, (0 30) 20 93-33 41, E-mail: [email protected] 54. Brandt, Dr. Edmund, Professor, Präsident der Technischen Universität Clausthal-Zellerfeld, Adolph-Roemer-Straße 2 A, 38678 Clausthal-Zellerfeld, (0 53 23) 72-30 18, E-mail: [email protected] 55. Breitenmoser, Dr. Stephan, Professor, Ordinarius für Europarecht, Juristische Fakultät der Universität Basel, Maiengasse 51, 4056 Basel, (00 41) 6 12 67 25 16, Fax (00 41) 6 12 67 07 94, E-mail: [email protected] 56. Breining-Kaufmann, Dr. Christine, Professorin, Ordinaria für Staats-, Verwaltungs- und Völkerrecht, Rechtswissenschaftliches Institut der Universität Zürich, Rämistrasse 74, CH-8001 Zürich, (00 41) 16 34 48 60, Fax (00 41) 16 34 43 78, E-mail: [email protected] 57. Brenner, Dr. Michael, Professor, Gedonstr. 6, 80802 München, (0 89) 2 71 85 24; Lehrstuhl für Deutsches und Europäisches Verfassungsund Verwaltungsrecht, Universität Jena, Carl-Zeiss-Str. 3, 07743 Jena, (0 36 41) 94 22 40 oder -41, Fax (0 36 41) 94 22 42, E-mail: [email protected] 58. Breuer, Dr. Rüdiger, Professor, Buschstr. 56, 53113 Bonn, (02 28) 21 79 72, Fax (02 28) 22 48 32; Universität Bonn, Adenauerallee 44, 53113 Bonn, (02 28) 73 91 51, Fax (02 28) 73 55 82, E-mail: [email protected]
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
59. Britz, Dr. Gabriele, Professorin, Lenaustr. 77, 60318 Frankfurt a.M.; Professur für Öffentliches Recht und Europarecht, Fachbereich Rechtswissenschaften der Justus-Liebig-Universität Gießen, Hein-Heckroth-Straße 5, 35390 Gießen, (06 41) 9 92 10 70 Fax (06 41) 9 92 10 79, E-mail: [email protected] 60. Brohm, Dr. Winfried, o. Professor, Wydenmööslistr. 11, CH-8280 Kreuzlingen, (00 41) 71-6 88 15 25; Universität Konstanz, Postfach 5560 D 100, 78434 Konstanz, (0 75 31) 88 21 69 oder -21 76 61. Bröhmer, Dr. Jürgen, Privatdozent, Lüderitzstrasse 2, 66123 Saarbrücken, (06 81) 3 90 56 94; Europa-Institut, Geb. 16.4, Universität des Saarlandes, 66041 Saarbrücken, (06 81) 3 02 66 63/25 03, Fax (06 81) 3 02 66 62, E-mail: [email protected] 62. Brugger, Dr. Winfried, LL.M., Universitätsprofessor, Blumenstr. 16, 69115 Heidelberg, (0 62 21) 16 13 19; Universität Heidelberg, Friedrich-Ebert-Anlage 6–10, 69117 Heidelberg, (0 62 21) 54 74 62, Fax (0 62 21) 54 74 63, E-mail: [email protected] 63. Brüning, Dr. Christoph, Privatdozent, Bornstraße 10, 44575 Castrop-Rauxel, (0 23 05) 4 21 46; Ruhr-Universität Bochum, Juristische Fakultät, Universitätsstraße 150, 44780 Bochum, Gebäude GC 8/145, (02 34) 32-2 27 69 oder -2 28 09, Fax (02 34) 32 14-2 36, E-mail: [email protected] 64. Brünneck, Dr. Alexander v., Professor, Blumenhagenstr. 5, 30167 Hannover, (05 11) 71 69 11; Europa-Universität Viadrina, Frankfurt/Oder, Postfach 17 86, 15207 Frankfurt/Oder, (03 35) 55 34-22 64 oder -22 95, Fax (03 35) 55 34-24 18, E-mail: [email protected]
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65. Bryde, Dr. Brun-Otto, o. Professor, Richter des Bundesverfassungsgerichts, Schlossbezirk 3, 76131 Karlsruhe; Universität Gießen, Hein-Heckroth-Str. 5, 35390 Gießen, (0 64 1) 99-2 10 60/61, Fax (06 41) 99-2 10 69, E-mail: [email protected] 66. Bull, Dr. Hans Peter, o. Professor, Falckweg 16, 22605 Hamburg, Tel./Fax (0 40) 8 80 56 52; Universität Hamburg, Seminar für Verwaltungslehre, Schlüterstraße 28, 20146 Hamburg, (0 40) 4 28 38-35 03, Fax (0 40) 4 28 38-50 62, E-mail: [email protected] 67. Bullinger, Dr. Dr. h. c. (Université de Dijon), Martin, o. Professor, Altschlößleweg 4, 79280 Au bei Freiburg, (07 61) 40 23 89; Universität Freiburg, 79085 Freiburg, (07 61) 2 03 22 48 oder -47, E-mail: [email protected] 68. Bultmann, Dr. Peter Friedrich, Privatdozent, Zionskirchplatz 26, 10119 Berlin, (0 30) 44 05 64 43; Juristische Fakultät, Humboldt-Universität zu Berlin, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, E-mail: [email protected] 69. Bumke, Dr. Christian, Privatdozent, Gotenstraße 78, 10829 Berlin, (0 30) 7 82 67 87, E-mail: [email protected] 70. Burgi, Dr. Martin, Professor, Juristische Fakultät, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht, Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum, (02 34) 3 22 52 75, Fax (02 34) 3 21 42 82, E-mail: [email protected] 71. Burkert, Dr. Herbert, Professor, Uferstr. 31, 50996 Köln-Rodenkirchen, (02 21) 39 77 00, Fax (02 21) 39 77 11; MCM-HSG, Universität St. Gallen, Müller-Friedberg-Str. 8, CH-9000 St. Gallen, (00 41) 71-2 22 48 75, (00 49 2 21) 39 77 00, Fax (00 41) 71-2 22 48 75, (00 49 2 21) 39 77 11, E-mail: [email protected]
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72. Bußjäger, Dr. Peter, Privatdozent, Institut für Föderalismus, Maria-Theresien-Straße 38b, A-6020 Innsbruck, (00 43) 5 12-57 45 94, Fax (00 43) 5 12-57 45 94-4, E-mail: [email protected] 73. Butzer, Dr. Hermann, Professor, Orffstr. 3 C, 30989 Gehrden, (0 51 08) 91 22 85, Fax: (0 51 08) 91 22 86, Universität Hannover, Fachbereich Rechtswissenschaft, Lehrstuhl für öffentliches Recht mit Schwerpunkten im Verwaltungsrecht und im Recht der staatlichen Transfersysteme, Königsworther Platz 1, 30167 Hannover, (05 11) 7 62-81 69, Fax (05 11) 7 62-82 03, E-mail: [email protected] 74. Calliess, Dr. Christian, o. Univ.-Prof., LL.M. Eur., M.A.E.S. (Brügge), Georg-August-Universität Göttingen, Institut für Völkerrecht, Abteilung Europarecht, Platz der Göttinger Sieben 5, 37073 Göttingen, (05 51) 39-47 61, Fax (05 51) 39-21 96, E-mail: [email protected] 75. Campenhausen, Dr. Axel Frhr. v., Professor, Oppenbornstr. 5, 30559 Hannover, (05 11) 52 81 74; Kirchenrechtliches Institut der EKD, Goßlerstr. 11, 37073 Göttingen, Tel. (05 51) 5 77 11, Fax (05 51) 53 10 51 76. Caspar, Dr. Johannes, Privatdozent, Tronjeweg 16, 22559 Hamburg, (0 40) 81 96 11 95, Fax (0 40) 81 96 11 21; Universität Hamburg, Fachbereich Rechtswissenschaft, Edmund-Siemers-Allee 1, Flügel West, 20146 Hamburg, (0 40) 4 28 38-57 60, Fax (0 40) 4 28 38-62 80, E-mail: [email protected] 77. Classen, Dr. Claus Dieter, Professor, Jasmunder Weg 4, 17493 Greifswald, (0 38 34) 84 49 63; Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, 17487 Greifswald, (0 38 34) 86 21 21 oder 21 24, Fax (0 38 34) 86 20 02, E-mail: [email protected]
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
78. Coelln, Dr. Christian von, Privatdozent, Schillerstraße 5, 94032 Passau, (08 51) 3 74 26, Fax (08 51) 4 90 37 19; Universität Passau, Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht sowie Wirtschaftsverwaltungsrecht und Medienrecht, Innstraße 40, 94032 Passau, (08 51) 5 09-22 23, Fax (08 51) 5 09-22 22, E-mail: [email protected] 79. Cornils, Dr. Matthias, Privatdozent, Buschstraße 53, 53113 Bonn, (02 28) 69 84 85; Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Institut für Öffentliches Recht – Abt. Staatsrecht, Adenauerallee 42–44, 53113 Bonn, (02 28) 73 55 74, Fax (02 28) 73 61 69, E-mail: [email protected] 80. Cremer, Dr. Hans-Joachim, Universitätsprofessor, Steinritzstr. 21, 60437 Frankfurt a.M.; Universität Mannheim, Fakultät für Rechtswissenschaft, Schloß, Westflügel, 68131 Mannheim, (06 21) 1 81-14 28, -14 29 (Sekr.), Fax (06 21) 1 81-14 30, E-mail: [email protected] 81. Cremer, Dr. Wolfram, Privatdozent, Lokstedter Damm 29, 22453 Hamburg; Helmut-Schmidt-Universität, Universität der Bundeswehr Hamburg, Institut für Öffentliches Recht, Holstenhofweg 35, 22043 Hamburg, (0 40) 65 41-32 96, E-mail: [email protected] 82. Czybulka, Dr. Detlef, Universitätsprofessor, Bergstraße 24–25, 18107 Elmenhorst, (03 81) 7 95 39 44, Fax (03 81) 7 95 39 45; Universität Rostock, Juristische Fakultät, Lehrstuhl für Allgemeines und Besonderes Verwaltungsrecht, Verwaltungslehre, Staats- und Finanzrecht, Richard-Wagner-Str. 31 (Haus 1), 18119 Rostock-Warnemünde, (03 81) 4 98-38 46, Fax (03 81) 4 98-38 54, E-mail: [email protected], [email protected]
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
83. Dagtoglou, Dr. Prodromos, Professor, Hippokratous 33, GR-Athen 144, (00 30-1) 3 22 11 90; (00 30-1) 3 62 90 65 84. Danwitz, Dr. Thomas v., Professor, Klinkenbergsweg 1, 53332 Bornheim, (0 22 27) 90 91 04, Fax (0 22 27) 90 91 05; Institut für Medienrecht, Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Europarecht, insb. Medien- und Kommunikationsrecht, Universität zu Köln, Albertus-Magnus-Platz, 50923 Köln, (02 21) 28 55 61 11, Fax (02 21) 28 55 61 22, E-mail: [email protected] 85. Davy, Dr. Benjamin, Universitätsprofessor, Korte Geitke 5, 44227 Dortmund, (02 31) 77 99 94; Fachgebiet Bodenpolitik, Bodenmanagement und kommunales Vermessungswesen, Fakultät Raumplanung, Universität Dortmund, 44221 Dortmund, (02 31) 7 55 22 28, Fax (02 31) 7 55 48 86, E-mail: [email protected] 86. Davy, Dr. Ulrike, Universitätsprofessorin, Korte Geitke 5, 44227 Dortmund, (02 31) 77 99 94 oder 7 94 99 79; Lehrstuhl für öffentliches Recht, deutsches und internationales Sozialrecht und Rechtsvergleichung, Universität Bielefeld, Postfach 10 01 31, 33501 Bielefeld, (05 21) 1 06 44 00 oder 68 93 (Sekr.), Fax (05 21) 1 06 80 83, E-mail: [email protected] 87. Dederer, Dr. Hans-Georg, Privatdozent, Karthäuserstraße 5, 53129 Bonn, (02 28) 4 79 75 95; Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Institut für Öffentliches Recht, Abt. Verwaltungsrecht, Adenauerallee 24–42, 53113 Bonn, (02 28) 73-94 49, Fax (02 28) 73-79 01, E-mail: [email protected] 88. De Wall, Dr. Heinrich, Professor, Schronfeld 108, 91054 Erlangen, (0 91 31) 97 15 45; Hans-Liermann-Institut für Kirchenrecht der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Hindenburgstraße 34, 91054 Erlangen, (0 91 31) 85-2 22 42, Fax (0 91 31) 85-2 40 64, E-mail: [email protected]
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
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89. Degenhart, Dr. Christoph, Universitätsprofessor, Stormstr. 3, 90491 Nürnberg, (09 11) 59 24 62, Fax (09 11) 59 24 62; Juristenfakultät, Universität Leipzig, Otto-Schill-Str. 2, 04109 Leipzig, (03 41) 97-3 51 91, Fax (03 41) 97-3 51 99, E-mail: [email protected] 90. Delbanco, Dr. Heike, Privatdozentin, Großbeerenstr. 83b, 28211 Bremen; Ärztekammer Bremen, Schwachhauser Heerstr. 30, 28209 Bremen, E-mail: [email protected] 91. Delbrück, Jost, Dr. Dr. rer. pol. h. c., LL.D. h. c., Professor em., Schoolredder 20, 24161 Altenholz, (04 31) 32 29 95; Universität Kiel, 24098 Kiel, (04 31) 8 80 21 88, Fax (04 31) 8 80 16 19, E-mail: [email protected] 92. Denninger, Dr. Dr. h. c. Erhard, Professor em., Am Wiesenhof 1, 61462 Königstein, (0 61 73) 7 89 88; Universität Frankfurt, Institut für Öffentliches Recht, Senckenberganlage 31, 60325 Frankfurt a.M., E-mail: [email protected] 93. Depenheuer, Dr. Otto, Professor, Joachimstr. 4, 53113 Bonn, (02 28) 92 89 43 63, Fax (02 28) 92 89 43 64; Universität zu Köln, Seminar für Staatsphilosophie und Rechtspolitik, Albertus-Magnus-Platz, 50923 Köln, (02 21) 4 70 22 30, Fax (02 21) 4 70 50 10, E-mail: [email protected] 94. Determann, Dr. Lothar, Privatdozent, 1275 California Street, USA-San Francisco, CA 94109, E-mail: [email protected]; Freie Universität Berlin, Ehrenbergstr. 17, 14195 Berlin 95. Detterbeck, Dr. Steffen, o. Professor, Stettiner Str. 60, 35274 Kirchhain, (0 64 22) 45 31; Institut für Öffentliches Recht, Universität Marburg, Universitätsstr. 6, 35032 Marburg, (0 64 21) 2 82 31 23, Fax (0 64 21) 2 82 32 09, E-mail: [email protected]
454
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
96. Di Fabio, Dr. Dr. Udo, Professor, Richter des Bundesverfassungsgerichts, Schloßbezirk 3, 76131 Karlsruhe, (07 21) 91 01-0, Fax (07 21) 91 01-3 82; Institut für Öffentliches Recht, Abt. Staatsrecht, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Adenauerallee 44, 53113 Bonn, (02 28) 73 55-73, Fax (02 28) 73 79 35, E-mail: [email protected] 97. Dietlein, Dr. Johannes, Professor, Heinrich-Heine-Universität, Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre, Zentrum für Informationsrecht, Universitätsstr. 1, 40225 Düsseldorf, (02 11) 81-1 14 20, Fax (02 11) 81-1 14 55, E-mail: [email protected] 98. Dittmann, Dr. Armin, o. Professor, Karl-Brennenstuhl-Str. 11, 72074 Tübingen, (0 70 71) 8 24 56; Universität Hohenheim – Schloß, Postfach 70 05 62, 70593 Stuttgart, (07 11) 4 59-27 91, Fax (07 11) 4 59-34 82, E-mail: [email protected] 99. Doehring, Dr. Dr. h. c. Karl, o. Professor, Mühltalstr. 117/3, 69121 Heidelberg, (0 62 21) 40 98 80, Universität (0 62 21) 54 74 46; MPI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Im Neuenheimer Feld 535, 69120 Heidelberg, (0 62 21) 4 82-2 64 100. Dolderer, Dr. Michael, Privatdozent, Erwinstr. 48, 79102 Freiburg, (07 61) 7 81 06; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Hauffstraße 5, 70190 Stuttgart, (07 11) 9 21-20 72 oder 9 21-20 66 101. Dolzer, Dr. Dr. Rudolf, Professor, Am Pferchelhang 4/1, 69118 Heidelberg, (0 62 21) 80 33 44; Rechts- und staatswissenschaftliche Fakultät, Universität Bonn, Adenauerallee 24–42, 53113 Bonn, (02 28) 73 91 72, Fax (02 28) 73 91 71, E-mail: [email protected]
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102. Dörr, Dr. Dieter, Professor, Am Stadtwald 6, 66123 Saarbrücken; Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht, Medienrecht, Universität Mainz, 55099 Mainz, (0 61 31) 3 92 26 81 oder 3 92 30 44, Fax (0 61 31) 3 92 56 97, E-mail: [email protected]; Direktor des Mainzer Medieninstituts (MMI), Mainzer Medieninstitut e.V., Kaiserstr. 32, 55116 Mainz, (0 61 31) 1 44 92 50, Fax (0 61 31) 1 44 92 60, E-mail: [email protected] 103. Dörr, Dr. Oliver, LL.M. (London), Professor, Bergstr. 14, 14532 Stahnsdorf; Universität Osnabrück, Fachbereich Rechtswissenschaft, European Legal Studies Institute, 49069 Osnabrück, (05 41) 9 69 60 50 oder -60 51, Fax (05 41) 9 69 60 49, E-mail: [email protected] 104. Dreier, Dr. Horst, o. Professor, Bismarckstr. 13, 21465 Reinbek, (0 40) 7 22 58 34; Lehrstuhl für Rechtsphilosophie, Staats- und Verwaltungsrecht, Universität Würzburg, Domerschulstraße 16, 97070 Würzburg, (09 31) 31 23 21, Fax (09 31) 31 29 11, E-mail: [email protected] 105. Dreier, Dr. Ralf, o. Professor, Wilhelm-Weber-Str. 4, 37073 Göttingen, (05 51) 5 91 14; Universität Göttingen, 37073 Göttingen, (05 51) 39 73 84 106. Durner, Dr. jur., Dr. phil. Wolfgang, LL.M. (London), Privatdozent, Türkenstraße 43, 80799 München, (0 89) 27 29 99 95; Universität München, Institut für Politik und Öffentliches Recht, Professor-Huber-Platz 2, 80539 München, (0 89) 21 80 35 84, Fax (0 89) 21 80 31 99, E-mail: [email protected] 107. Eberle, Dr. Carl-Eugen, Professor, Kapellenstr. 68a, 65193 Wiesbaden, (06 11) 52 04 68; ZDF, 55100 Mainz, (0 61 31) 70-41 00, Fax (0 61 31) 70 54 52, E-mail: [email protected]
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
108. Ebsen, Dr. Ingwer, Professor, Alfred-Mumbächer-Str. 19, 55128 Mainz, (0 61 31) 33 10 20; FB Rechtswissenschaft, Universität Frankfurt, Postfach 11 19 32, 60054 Frankfurt am Main, (0 69) 7 98 2 27 03, E-mail: [email protected] 109. Eckhoff, Dr. Rolf, Professor, Bornwiesweg 37, 65388 Schlangenbad-Georgenborn, (0 61 29) 48 93 70, Fax (0 61 29) 48 93 72; Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere Finanz- und Steuerrecht, Universitätsstr. 31, 93040 Regensburg, (09 41) 9 43-26 56/57, Fax (09 41) 9 43-19 74, E-mail: [email protected] 110. Ehlers, Dr. Dirk, Professor, Am Mühlenbach 14, 48308 Senden, (0 25 97) 84 15, E-mail: [email protected]; Institut für öffentliches Wirtschaftsrecht, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Universitätsstr. 14–16, 48143 Münster, (02 51) 83-2 27 01, Fax (02 51) 83-2 83 15, E-mail: [email protected] 111. Ehmke, Dr. Horst, o. Professor, Am Römerlager 4, 53117 Bonn 112. Ehrenzeller, Dr. Bernhard, o. Professor, Tannenstraße 21, CH-9000 St. Gallen, (00 41) 71-2 44 26 08; Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechtsund Sozialwissenschaften, Bodanstraße 4, CH-9000 St. Gallen, (00 41) 71-2 24 24 40 oder -46, Fax (00 41) 71-2 24 24 41, E-mail: [email protected] 113. Ekardt, Dr. Felix, Professor, LL.M., M.A., Könneritzstraße 41, 04229 Leipzig; Forschungsstelle für Europäisches Umweltrecht & Bremer Institut für transnationales Verfassungsrecht, Universität Bremen, Universitätsallee GW I, 28359 Bremen, (04 21) 2 18-21 36 oder -31 70 oder -21 33, Fax (04 21) 2 18-93 16, E-mail: [email protected]
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
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114. Elicker, Dr. Michael, Privatdozent, Dunzweiler Straße 6, 66564 Ottweiler, Tel. + Fax (0 68 58) 69 98 53, Universität des Saarlandes, Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Wirtschafts-, Finanz- u. Steuerrecht, Im Stadtwald, 66123 Saarbrücken, (06 81) 3 02-21 04, Fax (06 81) 3 02-47 79, E-mail: [email protected] 115. Enders, Dr. Christoph, Universitätsprofessor, Prellerstraße 1A, 04155 Leipzig, (03 41) 5 64 33 71, Fax (03 41) 5 64 33 72; Universität Leipzig, Juristenfakultät, Otto-Schill-Str. 2, 04109 Leipzig, (03 41) 97 35-3 51, Fax (03 41) 97 35-3 59, E-mail: [email protected] 116. Engel, Dr. Christoph, Professor, Königsplatz 25, 53173 Bonn, (02 28) 9 56 34 49, Fax (02 28) 9 56 39 44; Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern, Kurt-Schumacher-Straße 10, 53113 Bonn, (02 28) 9 14 16-10, Fax (02 28) 9 14 16-11, E-mail: [email protected] 117. Ennuschat, Dr. Jörg, Professor, Elberfelder Str. 23, 58452 Witten, (0 23 02) 39 00 28; Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Europarecht und Bildungsrecht, Universität Bielefeld, 33501 Bielefeld, (05 21) 1 06-69 57 o. -44 01, Fax (02 51) 1 06-60 48, E-mail: [email protected] 118. Epiney, Dr. Astrid, Professorin, Avenue du Moléson 18, CH-1700 Fribourg, (00 41) 26-3 23 42 24; Universität Fribourg, Lehrstuhl für Europa-, Völker- und Öffentliches Recht, Av. de Beauregard 11, CH-1700 Fribourg, (00 41) 26-3 00 80 90, Fax (00 41) 26-3 00 97 76, E-mail: [email protected]
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
119. Epping, Dr. Volker, Professor, Neddernwanne 38, 30989 Gehrden, (0 51 08) 91 26 97, Fax (0 51 08) 91 26 98; Universität Hannover, Fachbereich Rechtswissenschaft, Königsworther Platz 1, 30167 Hannover, (05 11) 7 62 82 48/49, Fax (05 11) 7 62 82 52, E-mail: [email protected] 120. Erbel, Dr. Günter, Professor, Burbacher Str. 10, 53129 Bonn; Universität Bonn, Adenauerallee 24–42, 53113 Bonn, (02 28) 73 55 83 121. Erbguth, Dr. Wilfried, Professor, Friedrich-Franz-Str. 38, 18119 Rostock-Warnemünde, (03 81) 5 48 67 09, Fax (03 81) 5 48 67 15; Universität Rostock, Juristische Fakultät, Richard-Wagner-Str. 31, 18119 Rostock-Warnemünde, (03 81) 4 98 38 44, Fax (03 81) 4 98 38 62, E-mail: [email protected] 122. Erichsen, Dr. Hans-Uwe, o. Professor, Falkenhorst 17, 48155 Münster, (02 51) 3 13 12; Kommunalwissenschaftliches Institut, Universität Münster, Universitätsstr. 14–16, 48143 Münster, (02 51) 83 27 41 123. Faber, Dr. Heiko, Professor, Wunstorfer Str. 1, 30989 Gehrden, (0 51 08) 22 34; Universität Hannover, Königsworther Platz 1, 30167 Hannover, (05 11) 7 62-82 06 124. Faber, Dr. Angela, Privatdozentin, Am Dörnchesweg 42, 50259 Pulheim, (0 22 34) 6 43 70, Fax (0 22 34) 80 29 93, E-mail: [email protected] 125. Faßbender, Dr. Bardo, LL.M., Privatdozent, Institut für Völker- und Europarecht, Humboldt-Universiät zu Berlin, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, (0 30) 20 93-33 22 126. Fastenrath, Dr. Ulrich, Professor, Liliensteinstraße 4, 01277 Dresden, (03 51) 2 54 05 36; Juristische Fakultät der TU Dresden, Bergstr. 53, 01069 Dresden, (03 51) 46 33-73 33, Fax (03 51) 46 33-72 13
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
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127. Fechner, Dr. Frank, Professor, Fischersand 57, 99084 Erfurt, (03 61) 6 44 56 96; TU Ilmenau, Institut für Rechtswissenschaft, Postfach 100 565, 98684 Ilmenau, (0 36 77) 69-40 22, E-mail: [email protected] 128. Fehling, Dr. Michael, Professor, LL.M. (Berkeley), Hirtenkamp 9, 22359 Hamburg, (0 40) 60 95 14 65; Bucerius Law School, Hochschule für Rechtswissenschaft, Jungiusstraße 6, 20355 Hamburg, Postfach 30 10 30, (0 40) 3 07 06-2 31, Fax (0 40) 3 07 06-2 35, E-mail: [email protected] 129. Felix, Dr. Dagmar, Professorin, An den Fischteichen 47, 21227 Bendestorf, (0 41 83) 50 06 67, Fax (0 41 83) 50 07 29; Universität Hamburg, Öffentliches Recht und Sozialrecht, Fachbereich Rechtswissenschaft, Edmund-Siemers-Allee 1, 20146 Hamburg, (0 40) 4 28 38-26 65, Fax (0 40) 4 28 38-29 30, E-mail: [email protected] 130. Fiedler, Dr. Wilfried, o. Professor, Am Löbel 2, 66125 Saarbrücken-Dudweiler, (0 68 97) 76 64 01; Forschungsstelle Internationaler Kulturgüterschutz, Universität des Saarlandes, Gebäude 16, Postfach 15 11 50, 66041 Saarbrücken, (06 81) 3 02-32 00, Fax (06 81) 3 02-43 30, E-mail: [email protected] 131. Fink, Dr. Udo, Univ.-Professor, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, 55099 Mainz (0 61 31) 3 92 23 84, E-mail: [email protected] 132. Fisahn, Dr. Andreas, Professor, Grüner Weg 83, 32130 Enger, E-mail: [email protected]; Universität Bielefeld, Fakultät für Rechtswissenschaft, Postfach 10 01 31, 33501 Bielefeld, (05 21) 1 06-43 84, E-mail: [email protected]
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133. Fischer, Dr. Kristian, Privatdozent, Deidesheimer Str. 52, 68309 Mannheim, (06 21) 73 82 45; Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Steuerrecht, Universität Mannheim, Schloß, Westflügel, 68131 Mannheim, (06 21) 1 81-14 35, Fax (06 21) 1 81-14 37, E-mail: [email protected] 134. Fleiner, Dr. Dr. h. c. Thomas, o. Professor, rte. Beaumont 9, CH-1700 Fribourg, (00 41) 26-4 24 66 94; Institut für Föderalismus, Universität Fribourg, rte. Englisberg 7, CH-1763 Granges-Paccot, (00 41) 26-3 00 81 25 oder -28, Fax (00 41) 26-3 00 97 24, E-mail: [email protected] 135. Folz, Dr. Hans-Ernst, Professor, Bispinger Weg 11, 30625 Hannover, (05 11) 57 57 19 oder 56 28 92; Universität Hannover, Königsworther Platz 1, 30167 Hannover, (05 11) 7 62-82 48 oder -82 49 136. Folz, Dr. Hans-Peter, Privatdozent, Christoph von Schmid-Straße 11, 86159 Augsburg, (08 21) 5 89 41 83; Juristische Fakultät, Universität Augsburg, Universitätsstraße 24, 86159 Augsburg, (08 21) 5 98 4 54 73, Fax (08 21) 5 98 45 72, E-mail: [email protected] 137. Frank, Dr. Dr. h. c. Götz, Professor, Cäcilienplatz 4, 26122 Oldenburg, (04 41) 7 56 89; Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Juristisches Seminar, Öffentliches Wirtschaftsrecht, 26111 Oldenburg, Paketanschrift: Ammerländer Heerstraße 114–118, 26129 Oldenburg; (04 41) 7 98-41 43, Fax (04 41) 7 98-41 51, E-mail: [email protected] 138. Frankenberg, Dr. Dr. Günter, Professor, Buchrainweg 17, 63069 Offenbach; Institut für Öffentliches Recht, Universität Frankfurt, Senckenberganlage 31, 60054 Frankfurt a.M., (0 69) 7 98 2 29 91, Fax (0 69) 7 98 2 83 83, E-mail: [email protected]
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461
139. Franz, Dr. Thorsten, Privatdozent, Emil-Eichhorn-Str. 6a, 06114 Halle (Saale), (03 45) 5 22 06 87; Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Universitätsplatz 5/Juridicum 1.1.4, 06108 Halle/Saale, (03 45) 5 52 32 24, Fax (03 45) 5 52 72 93, E-mail: [email protected] 140. Friauf, Dr. Karl Heinrich, o. Professor, Eichenhainallee 17, 51427 Bergisch-Gladbach, (0 22 04) 6 19 84; Universität Köln, 50923 Köln 141. Fromont, Dr. Dr. mult. h. c. Michel, Professor, 12, Boulevard de Port Royal, F-75005 Paris, (00 33 1) 45 35 73 71, E-mail: [email protected]; Universität Paris I Panthéon-Sorbonne, Études Internationales et Européennes, 12, place du Panthéon, F-75231 Paris Cédex 05, (00 33 1) 44 07 77 33, Fax (00 33) 01 44 07 75 12 142. Frotscher, Dr. Werner, Professor, Habichtstalgasse 32, 35037 Marburg/Lahn, (0 64 21) 3 29 61; Universität Marburg, Universitätsstr. 6, 35032 Marburg/Lahn, (0 64 21) 28-2 31 22/1 26 (Sekr.), Fax (0 64 21) 2 82-38 40, E-mail: [email protected] 143. Frowein, Dr. Dr. h. c. Jochen Abr., o. Professor, Blumenthalstr. 53, 69120 Heidelberg, (0 62 21) 47 46 82; MPI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Im Neuenheimer Feld 535, 69120 Heidelberg, (0 62 21) 4 82-2 58, Fax (0 62 21) 4 82-6 77, E-mail: [email protected] 144. Führ, Dr. Martin, Professor, Fachhochschule Darmstadt, Haardtring 100, 64295 Darmstadt 145. Funk, Dr. Bernd-Christian, o. Professor, Franz Grassler Gasse 23, A-1230 Wien, Tel./Fax (00 43-1) 8 89 29 35; Institut für Staats- und Verwaltungsrecht, Universität Wien, Juridicum, Schottenbastei 10–16, A-1010 Wien; Institut für Universitätsrecht und Universitätsmanagement, Johannes Kepler Universität Linz, Altenbergerstr. 69, A-4040 Linz, (00 43) 7 32-24 68-93 36, Fax (00 43) 7 32-24 68 93 99, E-mail: [email protected]
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
146. Gächter, Dr. Thomas, Professor, Zeppelinstrasse 69, CH-8057 Zürich, (00 41-1) 3 63 37 24; Universität Zürich, Cäcilienstraße 5, CH-8032 Zürich, (00 41-44) 6 34 30 62, E-mail: [email protected] 147. Gaitanides, Dr. Charlotte, LL.M. (E), Privatdozentin, 22041 Hamburg, (0 40) 68 28 48 77; Helmut Schmidt-Universität, Universität der Bundeswehr Hamburg, Institut für Öffentliches Recht, Holstenhofweg 85, 22043 Hamburg, (0 40) 65 41-29 40, E-mail: [email protected] 148. Gallent, DDr. Kurt, Universitätsprofessor, Obersenatsrat i.R., Pestalozzistr. 1/III, A-8010 Graz, (00 43) 3 16-84 76 22 149. Gallwas, Dr. Hans-Ulrich, Professor, Hans-Leipelt-Str. 16, 80805 München, (0 89) 32 83 66; Universität München, Professor-Huber-Platz 2, 80539 München, (0 89) 21 80-32 62 150. Gamper, Dr. Anna, Univ.-Doz., Universität Innsbruck, Institut für Öffentliches Recht, Finanzrecht und Politikwissenschaft, Innrain 80, A-6020 Innsbruck, (00 43-0) 5 12-5 07-82 24, Fax (00 43-0) 5 12-5 07-28 28, E-mail: [email protected] 151. Gassner, Dr. Ulrich M., Mag.rer.publ., M.Jur. (Oxon), Professor, Scharnitzer Weg 9, 86163 Augsburg, (08 21) 6 32 50; Universität Augsburg, Universitätsstr. 2, 86135 Augsburg, (08 21) 5 98-45 46, Fax (08 21) 5 98-45 47, E-mail: [email protected] 152. Geis, Dr. Max-Emanuel, o. Professor, Valentin-Rathgeber-Str. 1, 96049 Bamberg, (09 51) 51 93-3 05 oder -3 06, Fax (09 51) 51 93-3 08; Friedrich-Alexander-Universität Erlangen, Institut für Staats- und Verwaltungsrecht, Schillerstr. 1, 91054 Erlangen, (0 91 31) 8 52 28 18, Fax (0 91 31) 8 52 63 82, E-mail: [email protected]
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
463
153. Gellermann, Dr. Martin, apl. Professor, Schlesierstraße 14, 49492 Westerkappeln, (0 54 04) 20 47 (pr.), (0 54 04) 91 96 95 (Büro), Fax (0 54 04) 91 94 75; Universität Osnabrück, FB Rechtswissenschaften, 49069 Osnabrück, E-mail: [email protected] 154. Germann, Dr. Michael, Professor, Rathenauplatz 13, 06114 Halle, (03 45) 5 23 89 32; Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Staatskirchenrecht und Kirchenrecht, Juristische Fakultät, Universitätsplatz 5, 06108 Halle, (03 45) 55-2 32 20, Fax (03 45) 55-2 76 74, E-mail: [email protected] 155. Gersdorf, Dr. Hubertus, Professor, Jägerstraße 65, 10117 Berlin, (0 30) 20 61 96 61, Fax (0 30) 20 61 96 62; Universität Rostock, Lehrstuhl für Kommunikationsrecht, Gerd Bucerius-Stiftungsprofessur, Richard-Wagner-Straße 7, 18055 Rostock, (03 81) 2 03 60 76, Fax (03 81) 2 03 60 75, E-mail: [email protected] 156. Giegerich, Dr. Thomas, Professor, Hugenottenstraße 6, 68229 Mannheim; Lehrstuhl für Öffentliches Recht mit dem Schwerpunkt Europarecht/Völkerrecht, Universität Bremen, Universitätsallee GW 1, 28359 Bremen, (04 21) 2 18 33 51, E-mail: [email protected] 157. Goerlich, Dr. Helmut, Professor, Universität Leipzig, Juristenfakultät, Otto-Schill-Str. 2, 04109 Leipzig, (03 41) 97-3 51 71, Fax (03 41) 97-3 51 79 158. Göldner, Dr. Detlef, Privatdozent, Wilhelmshavener Str. 20, 24105 Kiel, (04 31) 8 16 44 159. Gornig, Dr. Dr. h c. Gilbert, Professor, Pfarracker 4, 35043 Marburg-Bauerbach, (0 64 21) 16 35 66, Fax (0 64 21) 16 37 66; Institut für Öffentliches Recht, Universität Marburg, Universitätsstr. 6, 35032 Marburg, (0 64 21) 28-31 31 oder 28-31 27, Fax (0 64 21) 28-38 53, E-mail: [email protected]
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
160. Götz, Dr. Volkmar, o. Professor, Geismarlandstr. 17a, 37083 Göttingen, (05 51) 4 31 19; Universität Göttingen, Abt. Europarecht des Instituts für Völkerrecht, Platz der Göttinger Sieben 5, 37073 Göttingen, (05 51) 39-47 61, Fax (05 51) 39-21 96, E-mail: [email protected] 161. Grabenwarter, Dr. Dr. Christoph, Universitätsprofessor, Institut für österreichisches, europäisches und vergleichendes Öffentliches Recht, Karl-Franzens-Universität Graz, Universitätsstraße 15/D3, A-8010 Graz, (0 43) 31 63 80 36 02, Fax: (0 43) 31 63 80 94 53, E-mail: [email protected] 162. Gramlich, Dr. Ludwig, Professor, Justus-Liebig-Str. 38 A, 64839 Münster; Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, TU Chemnitz-Zwickau, Postfach 9 64, 09009 Chemnitz, (03 71) 5 31 41 64, -65, Fax (03 71) 5 31 39 61, E-mail: [email protected], Internet: http://www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/jural/ 163. Gramm, Dr. Christof, Privatdozent, MinRat, Wilhelmstraße 10, 53604 Bad Honnef, (0 22 24) 48 34; Bundesministerium der Verteidigung, Postfach 1328, 53003 Bonn, (02 28) 12-77 20, E-mail: [email protected] 164. Grawert, Dr. Dr. h. c. Rolf, o. Professor, Aloysiusstrasse 28, 44795 Bochum, (02 34) 47 36 92, Fax (02 34) 5 16 91 36; Ruhr-Universität Bochum, Juristische Fakultät, Universitätsstrasse 150, GC 8/59, 44721 Bochum, (02 34) 3 22 2 52 65, Fax (02 34) 3 21 42 36, E-mail: [email protected] 165. Grewlich, Dr. jur. habil. Dr. sc.econ. (HEC Lausanne), LL.M. (Berkeley), Klaus W., Professor, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland, Colmantstr. 43, 53113 Bonn, E-mail: [email protected]
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
166. Grigoleit, Dr. Klaus Joachim, Privatdozent, Charlottenbrunner Straße 5a, 14193 Berlin, (0 30) 50 40 04; Humboldt-Universität zu Berlin, Juristische Fakultät, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, (0 30) 20 93-35 27, E-mail: [email protected] 167. Griller, Dr. Stefan, Universitätsprofessor, Hungerbergstr. 11–13, A-1190 Wien, (00 43-1) 32 24 05; Forschungsinstitut für Europafragen, Wirtschaftsuniversität Wien, Althanstr. 39–45, A-1090 Wien, (00 43-1) 3 13 36-41 35 oder 41 36, Fax (00 43-1) 3 13 36 -7 58 168. Grimm, Dr. Dieter, o. Professor, Bayerische Straße 5, 10707 Berlin, (0 30) 88 72 57 99, Fax (0 30) 88 72 58 99; Humboldt-Universität zu Berlin, Juristische Fakultät, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, (0 30) 20 93-35 66 (Büro), -35 67 (Sekretariat), –35 36 (Mitarbeiter), Fax (0 30) 20 93-34 78, E-mail: [email protected], Wissenschaftskolleg zu Berlin, Institute for Advanced Study, Wallotstr. 19, 14193 Berlin, (0 30) 8 90 01-0 (Zentrale), (0 30) 8 90 01-1 19, Fax (0 30) 8 90 01-1 00, E-mail: [email protected] 169. Gröpl, Dr. Christoph, Professor, Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Universität des Saarlandes, Postfach 15 11 50, 66041 Saarbrücken, (06 81) 3 02-32 00, Fax (06 81) 3 02-43 30, E-mail: [email protected] 170. Gröschner, Dr. Rolf, o. Professor, Stormstr. 39, 90491 Nürnberg, (09 11) 59 14 08; Rechtswissenschaftliche Fakultät, Universität Jena, Carl-Zeiss-Straße 3, 07743 Jena, (0 36 41) 94 22 20 oder -21, Fax (0 36 41) 94 22 22, E-mail: [email protected]
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
171. Groß, Dr. Thomas, Professor, Gottfried-Keller-Str. 56, 60431 Frankfurt/M., (0 69) 95 15 39 39; Justus-Liebig-Universität, Fachbereich Rechtswissenschaft, Licher Straße 64, 35394 Gießen, (06 41) 99-2 11 20 /-21, Fax (06 41) 99-2 11 29, E-mail: [email protected] 172. Grote, Dr. Rainer, LL.M. (Edinburgh) Privatdozent, Im Sand 3A, 69115 Heidelberg, (0 62 21) 16 43 46, Fax (0 62 21) 91 47 35; Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Im Neuenheimer Feld 535, 69120 Heidelberg, (0 62 21) 48 22 44, Fax (0 62 21) 48 22 88, E-mail: [email protected] 173. Grupp, Dr. Klaus, Universitätsprofessor, Universität des Saarlandes, Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Postfach 15 11 50, 66041 Saarbrücken, (06 81) 3 02-35 08 oder -35 48, Fax (06 81) 3 02-43 37, E-mail: [email protected] 174. Grzeszick, Dr. Bernd, Professor, Henkestraße 74–76, 91052 Erlangen, (0 91 31) 1 23 28 14, E-mail: [email protected], Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Institut für Rechtsphilosophie und Allgemeine Staatslehre, Schillerstraße 1, 91054 Erlangen, (0 91 31) 8 52 22 60/-59, Fax (0 91 31) 8 52 69 50, E-mail: [email protected] 175. Guckelberger, Dr. Anette, Privatdozentin, Albert-Schweitzer-Straße 16, 67346 Speyer, (0 62 32) 62 28 11; Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Freiherr-vom-Stein-Straße 2, 67346 Speyer, (0 62 32) 65 43 19, E-mail: [email protected] 176. Gundel, Dr. Jörg, Professor, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht, Universität Bayreuth, 95440 Bayreuth, (09 21) 55-29 43, E-mail: [email protected]
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
177. Gurlit, Dr. Elke, Universitätsprofessorin, Rüdesheimer Strasse 18, 65197 Wiesbaden, E-mail: [email protected]; Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaft, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 55099 Mainz, (0 61 31) 3 92 31 14, Fax (0 61 31) 3 92 40 59, E-mail: [email protected] 178. Gusy, Dr. Christoph, Professor, Niederwall 32, 33602 Bielefeld, (05 21) 9 67 79 67; Universität Bielefeld, Fakultät für Rechtswissenschaft, Universitätsstr. 25, 33615 Bielefeld, (05 21) 1 06 43 97, E-mail: [email protected] 179. Häberle, Dr. Dr. h. c. mult. Peter, o. Professor, Forschungsstelle für Europäisches Verfassungsrecht, Universität Bayreuth, Universitätsstraße 30, Postfach, 95440 Bayreuth, (09 21) 55 70 88, Fax (09 21) 55 70 99, E-mail: [email protected] 180. Häde, Dr. Ulrich, Universitätsprofessor, Lennéstraße 15, 15234 Frankfurt/Oder, (03 35) 6 85 74 38; Europa-Universität Viadrina, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insb. Verwaltungsrecht, Finanzrecht und Währungsrecht, Postfach 17 86, 15207 Frankfurt/Oder, Hausanschrift: Große Scharrnstr. 59, 15230 Frankfurt/Oder, (03 35) 55 34-26 70, Fax (03 35) 55 34-25 25, E-mail: [email protected] 181. Haedrich, Dr. Martina, Professorin, Im Ritzetal 20, 07749 Jena, (0 36 41) 44 85 25, Fax (0 36 41) 44 44 14; Rechtswissenschaftliche Fakultät, Friedrich-Schiller-Universität, Carl-Zeiss-Straße 3, 07743 Jena, (0 36 41) 94 22 15, Fax (0 36 41) 94 20 02, E-mail: [email protected] 182. Häfelin, Dr. Ulrich, o. Professor, Müseliweg 1, CH-8049 Zürich, (00 41-1) 56 84 60
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
183. Hafner, Dr. Felix, Professor, Hirzbrunnenschanze 67, CH-4058 Basel, (00 41) 61-6 91 40 64; Titularprofessor für öffentliches Recht, insb. Kirchenrecht der Universität Basel, Justizdepartement des Kantons Basel-Stadt, CH-4001 Basel, (00 41) 61-2 67 81 19, Fax (00 41) 61-2 67 81 37, E-mail: [email protected] 184. Hahn, Dr. Dr. h. c. Hugo J., LL.M. (Harvard), o. Professor, Frankenstr. 63, 97078 Würzburg, (09 31) 28 42 86; Universität Würzburg, (09 31) 31 23 10, Fax (09 31) 31 23 17 185. Hailbronner, Dr. Kay, o. Professor, Toggenbühl, CH-8269 Fruthwilen, (00 41) 71-6 64 19 46; Universität Konstanz, (0 75 31) 88 22 47, E-mail: [email protected] 186. Hain, Dr. Karl-E., Professor, Kurze-Geismar-Strasse 24, 37073 Göttingen, (05 51) 5 82 23; Johannes Gutenberg-Universität, Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, Jakob-Welder-Weg 9, 55099 Mainz, (0 61 31) 39-2 33 75, Fax (0 61 31) 39-2 30 09, E-mail: [email protected] 187. Haller, Dr. Herbert, Universitätsprofessor, Felix-Mottl-Str. 48, Haus 2, A-1190 Wien, (00 43-1) 3 42 93 82; Wirtschafts-Universität Wien, (00 43-1) 3 13 36-46 68, E-mail: [email protected] 188. Haller, Dr. Walter, o. Professor, Burgstr. 264, CH-8706 Meilen, (00 41-1) 9 23 10 14; Universität Zürich, Institut für Völkerrecht und ausländisches Verfassungsrecht, Hirschengraben 40, CH-8001 Zürich, (00 41-1) 6 34-20 52, Fax (00 41-1) 6 34-49 93, E-mail: [email protected]
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
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189. Haltern, Dr. Ulrich, LL.M. (Yale), Universitätsprofessor, Lister Platz 3, 30163 Hannover, (05 11) 3 57 62 59; Universität Hannover, Lehrstuhl für deutsches und europäisches Staats- und Verwaltungsrecht, Königsworther Platz 1, 30167 Hannover, (05 11) 7 62 81 86, Fax (05 11) 7 62 81 73, E-mail: [email protected] 190. Hammer, Dr. Felix, Privatdozent, Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Kirchenrecht, Wilhelmstr. 7, 72074 Tübingen 191. Hammer, Dr. Stefan, Univ.-Doz., Anton-Frank-Gasse 17, A-1180 Wien, (00 43-1)4 70 59 76; Universität Wien, Institut für Staats- und Verwaltungsrecht, Schottenbastei 10–16, A-1010 Wien, (00 43-1) 42 77-3 54 65, Fax (00 43-1) 42 77-3 54 69, E-mail: [email protected] 192. Hangartner, Dr. Yvo, o. Professor, Am Gozenberg 2, CH-9202 Gossau, (00 41) 71-85 15 11; Hochschule St. Gallen 193. Hänni, Dr. Peter, o. Professor, Stadtgraben 6, CH-3280 Murten, (00 41) 26-6 70 58 15; Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Universität Fribourg, Les Portes de Fribourg, Route d’Englisberg 7, CH-1763 GrangesPaccot, (00 41) 26-3 00 81 29, Fax (00 41) 26-3 00 97 24, E-mail: [email protected] 194. Haratsch, Dr. Andreas, Privatdozent, Am Alten Weg 11, 55127 Mainz, (06 13 11) 36 21 33; Zentrum für Europäische Integrationsforschung an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Walter-Flex-Straße 3, 53113 Bonn, (02 28) 73-18 98, E-mail: [email protected] 195. Hase, Dr. Friedhelm, Professor, Ewald-Rübsamen-Weg 7, 57076 Siegen, (02 71) 2 50 65 47; Universität Siegen, Fachbereich 5, Wirtschaftswissenschaften, Hölderlinstr. 3, 57068 Siegen, (02 71) 7 40-32 19 oder 7 40-32 08, Fax (02 71) 7 40-24 77, E-mail: [email protected]
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196. Hatje, Dr. Armin, Professor, Sauerbruchstr. 36, 32049 Herford, Tel./Fax (0 52 21) 27 03 10; Universität Bielefeld, Fakultät für Rechtswissenschaft, Postfach 10 01 31, 33501 Bielefeld, (05 21) 1 06 44 12, Fax (05 21) 1 06 60 37, E-mail: [email protected] 197. Haverkate, Dr. Görg, Universitätsprofessor, Klingenweg 26, 69118 Heidelberg, (0 62 21) 80 05 81; Universität Heidelberg, Friedrich-Ebert-Anlage 3, 69117 Heidelberg, (0 62 21) 54 77 23 198. Heckel, Dr. iur. Dr. theol. h. c. Martin, o. Universitätsprofessor, Lieschingstr. 3, 72076 Tübingen, (0 70 71) 6 14 27 199. Heckmann, Dr. Dirk, Universitätsprofessor, stv. Mitglied des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, Schärdinger Straße 11e, 94032 Passau, (08 51) 75 38 83, Fax (08 51) 4 90 58 20; Universität Passau, Ordinarius für Internetund Sicherheitsrecht, Innstraße 40, 94032 Passau, (08 51) 5 09-22 90, Fax (08 51) 5 09-22 92, E-mail: [email protected] 200. Heintschel von Heinegg, Dr. Wolff, Professor, Europa-Universität Viadrina, Frankfurt/Oder, Lehrstuhl für Öffentl. Recht, August-Bebel-Str. 12, 15234 Frankfurt/Oder, (03 35) 55 34-29 16, Fax (03 35) 55 34-29 15, E-mail: [email protected] 201. Heintzen, Dr. Markus, Professor, Freie Universität Berlin, FB Rechtswissenschaft, Van’t-Hoff-Str. 8, 14195 Berlin, (0 30) 8 38-5 24 79, Fax (0 30) 8 38-5 21 05, E-mail: [email protected] 202. Heitsch, Dr. Christian, Privatdozent, Zurmaiener Straße 18, 54292 Trier, (06 51) 9 91 62 08; FB Rechtswissenschaft, Universität Trier, Universitätsring 15, 54268 Trier, (06 51) 2 01-25 57, Fax (06 51) 2 01-39 03, E-mail: [email protected]
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203. Hellermann, Dr. Johannes, Universitätsprofessor, Am Pappelkrug 3, 33619 Bielefeld, (05 21) 16 00 38; Universität Bielefeld, Fakultät für Rechtswissenschaft, Universitätsstr. 25, 33615 Bielefeld, (05 21) 1 06-44 22, Fax (05 21) 1 06-60 48, E-mail: [email protected] 204. Hendler, Dr. Reinhard, Universitätsprofessor, Laurentius-Zeller-Str. 12, 54294 Trier, (06 51) 9 37 29 44; Universität Trier, FB Rechtswissenschaft, Universitätsring 15, 54286 Trier, (06 51) 2 01-25 56 oder 25 58, Fax (06 51) 2 01-39 03, E-mail: [email protected] 205. Hengstschläger, Dr. Johann, o. Universitätsprofessor, Steinfeldgasse 7, A-1190 Wien, (00 43) 1 32-8 17 27; Johannes-Kepler-Universität, Altenbergerstr. 69, A-4040 Linz, (00 43) 7 32-24 68-4 01, Fax (00 43) 7 32-2 46 4 3, E-mail: [email protected] 206. Hense, Dr. Ansgar, Privatdozent, Auststr. 5, 53179 Bonn (02 28) 4 29 53 72; Istitut für Staatskirchenrecht der Diözesen Deutschlands, Adenauerallee 19, 53111 Bonn, (02 28) 26 74-361 207. Herdegen, Dr. Matthias, Professor, Friedrich-Wilhelm-Str. 35, 53113 Bonn; Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät, Universität Bonn, Adenauerallee 44, 53113 Bonn, (02 28) 73 55 70/-80, Fax (02 28) 73 79 01, E-mail: [email protected] 208. Hermes, Dr. Georg, Professor, Alt Höchst 1–3, 65929 Frankfurt a.M., (0 69) 43 05 77 50, Fax (0 69) 49 08 40 58; Universität Frankfurt, FB Rechtswissenschaft, Postfach 11 19 31, 60054 Frankfurt a.M., (0 69) 7 98-2 38 63, Fax (0 69) 7 98-2 87 50, E-mail: [email protected] 209. Herrmann, Dr. Günter, Professor, Wankweg 13, 87642 Buching/Allgäu, (0 83 68) 16 96; Universität München, Professor-Huber-Platz 2, 80539 München
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472
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210. Herzog, Dr. Roman, Professor, Bundespräsident a. D., Postfach 86 04 45, 81631 München 211. Hesse, Dr. Dr. h. c. mult. Konrad, o. Professor, Schloßweg 29, 79249 Merzhausen, (07 61) 40 38 11; Universität Freiburg, 79085 Freiburg, (07 61) 2 03 35 14 212. Heun, Dr. Werner, Professor, Bürgerstraße 5, 37073 Göttingen, (05 51) 70 62 48; Universität Göttingen, Institut für Allgemeine Staatslehre und Politische Wissenschaften, Goßlerstraße 11, 37073 Göttingen, (05 51) 39-46 93, Fax (05 51) 39-22 39, E-mail: [email protected] 213. Hey, Dr. Johanna, Professorin, Wiethasestraße 73, 50933 Köln, (02 21) 4 91 17 38, Fax (02 21) 4 91 17 34; Universität Düsseldorf, Lehrstuhl für Unternehmenssteuerrecht, Universitätsstraße 1, 40225 Düsseldorf, (02 11) 81-15 86 76, Fax (02 11) 81-1 58 70, E-mail: [email protected] 214. Heyen, Dr. iur. lic. phil. Erk Volkmar, Universitätsprofessor, Arndtstraße 22, 17489 Greifswald, (0 38 34) 50 27 16; Ernst Moritz Arndt-Universität, Domstr. 20, 17489 Greifswald, (0 38 34) 86-21 08, Fax (0 38 34) 86-20 02, E-mail: [email protected] 215. Hidien, Dr. Jürgen W., Professor, Königsstr. 37, 48143 Münster, (02 51) 4 78 77 216. Hilf, Dr. Meinhard, Universitätsprofessor, Schelpsheide 12, 33613 Bielefeld, (05 21) 88 92 82, Fax (05 21) 88 92 10; Universität Hamburg, Seminar für Öffentliches Recht und Staatslehre, Rothenbaumchaussee 41, 20148 Hamburg, (0 40) 4 28 38-45 64, Fax (0 40) 4 28 38-68 58, E-mail: [email protected]
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
217. Hill, Dr. Hermann, Professor, Habichtstr. 15, 67373 Dudenhofen; Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Postfach 14 09, 67324 Speyer, (0 62 32) 6 54-3 28, E-mail: [email protected] 218. Hillgruber, Dr. Christian, Professor, Ortwinstr. 1, 53179 Bonn, (02 28) 4 10 06 38; Institut für Öffentliches Recht, Adenauerallee 24–42, 53113 Bonn, (02 28) 73 79 25, Fax (02 28) 73 48 69, E-mail: [email protected] 219. Hobe, Dr. Stephan, LL.M., Universitätsprofessor, In der Asbach 32, 53347 Alfter-Impekoven; Universität zu Köln, Institut für Luft- und Weltraumrecht und Lehrstuhl für Völker- und Europarecht, europäisches und internationales Wirtschaftsrecht, Albertus-Magnus-Platz, 50923 Köln, (02 21) 4 70 23 37, E-mail: [email protected] 220. Hoffmann, Dr. Dr. h. c. Gerhard, o. Professor, Ernst-Lemmer-Str. 10, 35041 Marburg, 0 64 21-8 16 45; Universität Marburg, 35037 Marburg 221. Hoffmann-Riem, Dr. Wolfgang, Professor, Bundesverfassungsrichter, Bundesverfassungsgericht, Postfach 17 71, 76131 Karlsruhe 222. Höfling, Dr. Wolfram, Professor, M.A., Bruchweg 2, 52441 Linnich, (0 24 62) 36 16; Universität zu Köln, Institut für Staatsrecht, Albertus-Magnus-Platz, 50923 Köln, (02 21) 4 70-33 95, Fax (02 21) 4 70-50 75, E-mail: [email protected] 223. Hofmann, Dr. Dr. h. c. Hasso, o. Professor, Christoph-Mayer-Weg 5, 97082 Würzburg, (09 31) 8 73 88, oder Torstr. 176, 10115 Berlin, (0 30) 2 81 30 75; Humboldt-Universität zu Berlin, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, (0 30) 20 93-35 53, E-mail: [email protected]
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
224. Hofmann, Dr. Dr. Rainer, Universitätsprofessor, Bergstr. 83, 69121 Heidelberg, (0 62 21) 40 10 04; Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt/M., Lehrstuhl für öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht, Senckenberganlage 31, 60325 Frankfurt/M., (0 69) 7 98-2 53 17, Fax (0 69) 7 98-2 53 18, E-mail: [email protected] 225. Hohmann, Dr. Harald, Privatdozent, Furthwiese 10, 63654 Büdingen, (0 60 49) 95 29 12, Fax (0 60 49) 95 29 13; Hohmann & Partner Rechtsanwälte, Schloßgasse 2, 63654 Büdingen, (0 60 42) 95 67-0, Fax (0 60 42) 95 67-67, E-mail: [email protected] 226. Hollerbach, Dr. Dr. h. c. Alexander, o. Professor, Runzstraße 86, 79102 Freiburg i.Br., (07 61) 2 17 14 13; Universität Freiburg, Europaplatz, 79085 Freiburg, (07 61) 2 03 22 58, Fax (07 61) 2 03 22 97 227. Holoubek, Dr. Michael, Universitätsprofessor, Zehenthofgasse 36/8, A-1190 Wien, (00 43-1) 3 17 73 72; Institut für Österreichisches und Europäisches Öffentliches Recht, Wirtschaftsuniversität Wien, Althanstraße 39–45, A-1090 Wien, (00 43-1) 3 13 36-46 60, Fax (00 43-1) 3 13 36-7 13, E-mail: [email protected] 228. Hölscheidt, Dr. Sven, Ministerialrat, Privatdozent, Westfälische Straße 45, 10711 Berlin, (0 30) 89 06 09 78; Deutscher Bundestag, Fachbereich Verfassung und Verwaltung, Platz der Republik 1, 11011 Berlin, (0 30) 2 27-3 24 25/3 23 25, Fax (0 30) 2 27-3 64 71/3 62 07, E-mail: [email protected] 229. Holzinger, Dr. Gerhart, Sektionschef, Universitätsdozent, Mitglied des Verfassungsgerichtshofs, Judenplatz 11, A-1010 Wien, (00 43-1) 02 22-5 31-22/4 12, Fax (00 43-1) 02 22-5 31-22-5 18
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230. Holznagel, Dr. Bernd, LL.M., Professor, Kronprinzenstraße 105, 44135 Dortmund, (02 31) 5 89 87 06, Fax (02 31) 5 89 87 09; Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht (ITM), FB Rechtswissenschaften, Universität Münster, Universitätsstr. 14–16, 48143 Münster, (02 51) 83-28 4 11, Fax (02 51) 83-21 8 30, E-mail: [email protected] 231. Hoppe, Dr. Werner, o. Professor, Erphostr. 36, 48145 Münster, (02 51) 39 18 99, Fax (02 51) 39 24 71; c/o RAe Gleiss, Lutz, Hootz, Hirsch & Partner, Stuttgart, (07 11) 8 99 73 29, Fax (07 11) 85 50 96 232. Horn, Dr. Hans-Detlef, Professor, In der Görtzbach 43, 35041 Marburg; Philipps-Universität Marburg, FB Rechtswissenschaften, Institut für Öffentliches Recht, Universitätsstr. 6, 35032 Marburg, (0 64 21) 2 82 38 10 oder 2 82 31 26, Fax: (0 64 21) 2 82 38 39, E-mail: [email protected] 233. Hösch, Dr. Ulrich, Privatdozent, Silberburgstraße 187, 70178 Stuttgart, (07 11) 60 17 08 32; Kanzlei Gronefeld, Thoma & Kollegen, Prinzregentenplatz 22, 81675 München, (0 89) 41 10 90, E-mail: [email protected] 234. Hotz, Dr. Reinhold, Professor, Rötelistr. 12, CH-9000 St. Gallen, (00 41 71) 24 67 77; dienstlich (00 41 71) 22 03 03 235. Huber, Dr. Peter M., o. Professor, Gistlstraße 141, 82049 Pullach i. I., (0 89) 74 42 46 62, Fax (0 89) 74 42 48 52; Universität München, Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Staatsphilosophie, Professor-Huber-Platz 2, 80539 München, (0 89) 21 80-35 76, Fax (0 89) 21 80-50 63, E-mail: [email protected]
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
236. Hufeld, Dr. Ulrich, Universitätsprofessor, Karlsruher Str. 64, 69126 Heidelberg; Andrássy Gyula Deutschsprachige Universität Budapest, H-1464 Budapest, Pf. 1422, E-mail: [email protected], Friedrich-Ebert-Anlage 6–10, 69117 Heidelberg, (0 62 21) 54 75 01, Fax (0 62 21) 54 77 91, E-mail: [email protected] 237. Hufen, Dr. Friedhelm, o. Professor, Backhaushohl 62, 55128 Mainz, (0 61 31) 3 44 44, Fax (0 61 31) 36 14 49; Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, FB Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, 55099 Mainz, (0 61 31) 39-2 23 54 oder 39-2 30 45, Fax (0 61 31) 39-2 42 47, E-mail: [email protected] 238. Huster, Dr. Stefan, Professor, Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhl für Öffentliches Recht II: Staats- und Verwaltungsrecht mit bes. Berücksichtigung des Sozialrechts, Universitätsstraße 150, 44780 Bochum, Gebäude GC 7/135, (02 34) 32-2 22 39, Fax (02 34) 32-1 42 71, E-mail: [email protected] 239. Ibler, Dr. Martin, Professor, Lindauer Straße 3, 78464 Konstanz; Universität Konstanz, FB Rechtswissenschaften, Postfach D 106, Universitätsstraße 10, 78457 Konstanz, (0 75 31) 88-24 80/-23 28, E-mail: [email protected] 240. Ipsen, Dr. Jörn, o. Professor, Luisenstr. 41, 49565 Bramsche, (0 54 61) 44 96, Fax (0 54 61) 6 34 62; Institut für Kommunalrecht, Universität Osnabrück, 49069 Osnabrück, (05 41) 9 69-61 69 oder -61 58, Fax (05 41) 9 69-61 70, E-mail: [email protected] 241. Ipsen, Dr. Dr. h. c. mult. Knut, o. Professor, Nevelstr. 59, 44795 Bochum, (02 34) 43 12 66; Deutsches Rotes Kreuz (DRK), Königswinterer Str. 29, 53227 Bonn
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242. Isensee, Dr. Dr. h. c. Josef, o. Professor, Meckenheimer Allee 150, 53115 Bonn, (02 28) 69 34 69; Universität Bonn, Adenauerallee 24–42, 53113 Bonn, (02 28) 73 58 50, Fax (02 28) 73 48 69, E-mail: [email protected] 243. Jaag, Dr. Tobias, o. Professor, Bahnhofstr. 22, CH-8022 Zürich, (00 41-1) 2 11 25 50; Universität, (00 41-1) 2 57 31 70, E-mail: [email protected] 244. Jachmann, Dr. Monika, Universitätsprofessorin, Richterin am Bundesfinanzhof, Meichelbeckstr. 5, 85356 Freising, (0 81 61) 6 92 71, Fax (0 81 61) 6 92 73, Mobil: (01 72) 7 40 44 48, E-mail: [email protected]; Bundesfinanzhof München, Ismaninger Straße 109, 81675 München, (0 89) 92 31-0, Fax: (0 89) 92 31-2 01 245. Jaenicke, Dr. Günther, Professor, Waldstr. 13, 69181 Leimen, (0 62 24) 7 25 71; Universität Frankfurt, 60054 Frankfurt a.M. 246. Jahndorf, Dr. Christian, Privatdozent, c/o Institut für Steuerrecht, Universitätsstr. 14–16, 48143 Münster, (02 51) 8 32 27 95, Fax (02 51) 8 32 83 86, E-mail: [email protected] 247. Jakob, Dr. Wolfgang, o. Professor, Wilhelmstr. 25, 80801 München, (0 89) 39 05 06; Universität Augsburg, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Finanzrecht und Steuerrecht, Juristische Fakultät, Universitätsstr. 2, 86159 Augsburg, (08 21) 5 98 45 40 oder -45 41, Fax: (08 21) 5 98 45 42, E-mail: [email protected] 248. Janssen, Dr. Albert, apl. Professor, Landtagsdirektor, Langelinienwall 16, 31134 Hildesheim, (0 51 21) 13 11 12; Niedersächsischer Landtag, Hinrich Wilhelm Kopf-Platz 1, 30159 Hannover, (05 11) 30 30-20 61
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
249. Jarass, Dr. Hans D., LL.M. (Harvard), o. Professor, Baumhofstr. 37 d, 44799 Bochum, (02 34) 77 20 25; Institut für Umwelt- und Planungsrecht, Universität Münster, Universitätsstr. 14–16, 48143 Münster, (02 51) 8 32 97 93, Fax (02 51) 8 32 92 97, E-mail: [email protected] 250. Jestaedt, Dr. Matthias, Professor, Röntgenstraße 12a, 91080 Uttenreuth, (0 91 31) 40 19 72; Institut für Staats- und Verwaltungsrecht, Friedrich-Alexander-Universität, Schillerstraße 1, 91054 Erlangen, (0 91 31) 8 52 28 20, Fax (0 91 31) 8 52 63 81, E-mail: [email protected] 251. Jochum, Dr. Georg, Privatdozent, Zum Klausenhorn 2b, 78465 Konstanz, (01 70) 2 38 67 58, Universität Konstanz, Fach D116, 78457 Konstanz, (0 75 31) 88-27 30, Fax (0 75 31) 88-31 46, E-mail: [email protected] 252. Jochum, Dr. jur. Heike, Mag. rer. publ., Privatdozentin, Buchsweilerstraße 77, 66953 Pirmasens, Universität des Saarlandes, Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Wirtschafts-, Finanz- und Steuerrecht, Im Stadtwald, 66123 Saarbrücken, (06 81) 3 02-42 59, Fax (06 81) 3 02-47 79, E-mail: [email protected] 253. Kadelbach, Dr. Stefan, LL.M., Professor, Johann-Wolfgang-Goethe-Universität, Institut für Öffentliches Recht, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Europarecht und Völkerrecht, Senckenberganlage 31, 60325 Frankfurt/M., (0 69) 79 82-85 83, Fax (0 69) 79 82-86 84, E-mail: [email protected] 254. Kägi-Diener, Dr. Regula, Titularprofessorin, Berghaldenplatz 7, Postfach 73, CH-9010 St. Gallen, (00 41) 71-2 44 45 50, Fax (00 41) 71-2 44 45 51, E-mail: mailto:[email protected]
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255. Kahl, Dr. Arno, Privatdozent, Lärchenstraße 4a, A-6063 Rum, (00 43-0) 5 12-26 55 00; Universität Innsbruck, Institut für Öffentliches Recht, Finanzrecht und Politikwissenschaft, Innrain 82, A-6020 Innsbruck, (00 43-0) 5 12-5 07-82 04, Fax (00 43-0) 5 12-5 07-27 48, E-mail: [email protected] 256. Kahl, Dr. Wolfgang, M.A., o. Professor, Albert-Schweitzer-Straße 2, 95447 Bayreuth; Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Europarecht, Universität Bayreuth, 95440 Bayreuth, (09 21) 55 43 30, Fax (09 21) 55 43 35, E-mail: [email protected] 257. Kaltenborn, Dr. Markus, Privatdozent, An der Löchte 8, 58454 Witten, (0 23 02) 8 99 66; Ruhr-Universität Bochum, Juristische Fakultät, Universitätsstraße 150, 44780 Bochum, (02 34) 32-2 52 55 oder -2 22 39, Fax (02 34) 32-1 42 71, E-mail: [email protected] 258. Kämmerer, Dr. Jörn Axel, Professor, Hudtwalckertwiete 10, 22299 Hamburg, (0 40) 48 09 22 23; Bucerius Law School, Hochschule für Rechtswissenschaft, Jungiusstraße 6, 20335 Hamburg, (0 40) 3 07 06-1 90, Fax (0 40) 30 70 6-1 95, E-mail: [email protected] 259. Karpen, Dr. Ulrich, Professor, Ringstr. 181, 22145 Hamburg, (0 40) 6 77 83 98; Universität Hamburg, Schlüterstr. 28, 20146 Hamburg, (0 40) 4 28 38-30 23 oder -45 14 od. -45 55, E-mail: [email protected] 260. Kästner, Dr. Karl-Hermann, o. Professor, Alt-Rathausstr. 5, 72511 Bingen, (0 75 71) 32 23, Fax (0 75 71) 32 12; Universität Tübingen, Juristische Fakultät, Wilhelmstraße 7, 72074 Tübingen, (0 70 71) 2 97 29 71, Fax (0 70 71) 29 50 96, E-mail: [email protected] 261. Kaufmann, Dr. Marcel, Privatdozent, Kleine Hamburger Straße 25A, 10115 Berlin, (0 30) 28 09 37 37, E-mail: [email protected]
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
262. Kempen, Dr. Bernhard, Universitätsprofessor, Am Kreuter 1, 53117 Bonn (Bad Godesberg), (02 28) 3 50 38 97, Fax (02 28) 3 50 38 98, E-mail: [email protected]; Institut für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht, Universität Köln, Gottfried-Keller-Straße 2, 50931 Köln, (02 21) 4 70 23 64, Fax (02 21) 4 70 51 46, E-mail: [email protected] 263. Kersten, Dr. Jens, Privatdozent, Essenerstraße 2, 10555 Berlin, (0 30) 39 88 56 99; Humboldt-Universität zu Berlin, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, (0 30) 20 93-35 34, Fax (0 30) 20 93-36 89, E-mail: [email protected] 264. Khan, Dr. Daniel-Erasmus, Privatdozent, Institut für Internationales Recht, Völker- und Europarecht, Ludwig-Maximilians-Universität München, Prof.-Huber-Platz 2, 80539 München, E-mail: [email protected] 265. Kilian, Dr. Michael, Professor, Am Burgwall 15, 06198 Brachwitz; Juristische Fakultät, Universität Halle-Wittenberg, Universitätsplatz 3–5, Juridicum, 06099 Halle (Saale), (03 45) 55-2 31 70, Fax (03 45) 55-2 72 69, E-mail: [email protected] 266. Kingreen, Dr. Thorsten, Professor, Agnes-Miegel-Weg 10, 93055 Regensburg, (09 41) 7 04 02 41; Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Sozialrecht und Gesundheitsrecht, Universität Regensburg, Universitätsstr. 31, 93053 Regensburg, (09 41) 9 43 26 07 od. 26 08, Fax (09 41) 9 43 36 34, E-mail: [email protected] 267. Kirchhof, Dr. Ferdinand, o. Professor, Walther-Rathenau-Str. 28, 72766 Reutlingen, (0 71 21) 49 02 81, Fax (0 71 21) 47 94 47; Universität Tübingen, Juristische Fakultät, Wilhelmstr. 7, 72074 Tübingen, (0 70 71) 2 97-25 61 oder -81 18, Fax (0 70 71) 29 43 58, E-mail: [email protected]
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
268. Kirchhof, Dr. Paul, o. Professor, Am Pferchelhang 33/1, 69118 Heidelberg, (0 62 21) 80 14 47; Universität Heidelberg, 69117 Heidelberg, (0 62 21) 54 74 57, E-mail: [email protected] 269. Kirn, Dr. Michael, o. Professor, Rummelsburgerstr. 3, 22147 Hamburg, (0 40) 6 47 38 43; Universität der Bundeswehr, Institut für Öffentliches Recht, Postfach 70 08 22, 22043 Hamburg, (0 40) 65 41-27 82 oder (0 40) 65 41-25 90 270. Kirste, Dr. Stephan, Privatdozent, Am Gutleuthofhang 18, 69118 Heidelberg, Tel. + Fax (0 62 21) 80 45 03; Universität Heidelberg, Juristisches Seminar, Friedrich-Ebert-Anlage 6–10, 69117 Heidelberg, (0 62 21) 54 74 64, Fax (0 62 21) 54 74 63, E-mail: [email protected] 271. Kischel, Dr. Uwe, LL.M. (Yale), attorney-at-law (New York), o. Professor, Arndtstraße 35, 17489 Greifswald, (0 38 34) 56 60 60; Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Rechtsvergleichung (Nordosteuropa), Mercator Stiftungslehrstuhl, Domstr. 20, 17489 Greifswald, (0 38 34) 86-21 80, Fax (0 38 34) 86-21 82 272. Kisker, Dr. Gunter, Universitätsprofessor, Waldstr. 74, 35440 Linden, (0 64 03) 6 10 30; Universität Gießen, 35394 Gießen, (06 41) 7 02 50 25 273. Klein, Dr. Eckart, Universitätsprofessor, Heideweg 45, 14482 Potsdam, (03 31) 70 58 47; Lehrstuhl für Staatsrecht, Völkerrecht und Europarecht, Universität Potsdam, Postfach 90 03 27, 14439 Potsdam, (03 31) 9 77-35 16, oder-35 11, Fax (03 31) 9 77-32 24, E-mail: [email protected] 274. Klein, Dr. Hans Hugo, o. Professor, Heilbrunnstr. 4, 76327 Pfinztal-Söllingen, (0 72 40) 73 00; Universität Göttingen, (05 51) 39 46 35, E-mail: [email protected]
481
482
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
275. Kley, Dr. Andreas, Professor, Institut für Öffentliches Recht, Hochschulstr. 4, CH-3012 Bern, (00 41) 31-6 31 88 96, Fax (00 41) 31-6 31 38 83 276. Kloepfer, Dr. Michael, o. Professor, Taubertstraße 19, 14193 Berlin, (0 30) 8 25 24 90, Fax (0 30) 8 25 26 90; Institut für Öffentliches Recht und Völkerrecht, Humboldt-Universität zu Berlin, Unter den Linden 9–11 (Palais), 10099 Berlin, (0 30) 20 93-33 40 oder -33 31, Fax (0 30) 20 93-34 38, E-mail: [email protected] 277. Kluth, Dr. Winfried, Professor, Blumenstr. 17, 06108 Halle (Saale), (03 45) 2 90 85 10; Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Juristische Fakultät, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Universitätsplatz 10 a, 06099 Halle (Saale), (03 45) 5 52 32 22, Fax (03 45) 5 52 72 65, E-mail: [email protected] 278. Kneihs, Dr. Benjamin, ao. Univ. Professor, Raffaelgasse 5/1, A-1200 Wien; Wirtschaftsuniversität Wien, Institut für Österreichisches und Europäisches Öffentliches Recht, Althanstraße 39–45, A-1090 Wien, (00 43) 1-31 33 60, Fax (00 43) 1-3 13 36-7 13 279. Knemeyer, Dr. Franz-Ludwig, o. Professor, Unterdürrbacher Str. 353, 97080 Würzburg, (09 31) 9 61 18; Universität Würzburg, 97070 Würzburg, (09 31) 31 28 99, Fax (09 31) 31 23 17, E-mail: [email protected] 280. Knies, Dr. Wolfgang, o. Professor, Am Botanischen Garten 5, 66123 Saarbrücken, (06 81) 39 98 88; Universität Saarbrücken, Postfach 11 50, 66041 Saarbrücken, (06 81) 3 02 31 58, Fax (06 81) 3 02-31 98, E-mail: [email protected] 281. Knöpfle, Dr. Franz, em. Professor, Höhenweg 22, 86391 Stadtbergen; Universität Augsburg, Universitätsstr. 2, 86135 Augsburg, (08 21) 5 98-46 59, Fax (08 21) 5 98-45 47
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
282. Koch, Dr. Hans-Joachim, Professor, Wendlohstr. 80, 22459 Hamburg, Tel./Fax (0 40) 5 51 88 04; Universität Hamburg, FB Rechtswissenschaft II, Edmund-Siemers-Allee 1, 20146 Hamburg, (0 40) 4 28 38-39 77 oder -54 43, Fax (0 40) 4 28 38-62 80, E-mail: [email protected] 283. Koch, Dr. Thorsten, Privatdozent, Emanuel-Geibel-Straße 4, 49143 Bissendorf, (0 54 02) 77 74, E-mail: [email protected] 284. Köck, Dr. Wolfgang, Professor, UFZ-Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle GmbH, Permoserstraße 15, 04318 Leipzig; Universität Leipzig, Juristenfakultät, Burgstraße 27, 04109 Leipzig, (03 41) 2 35-31 40, Fax (03 41) 2 35-28 25, E-mail: [email protected] 285. Koenig, Dr. Christian, LL.M. (London), Universitätsprofessor, Zentrum für Europäische Integrationsforschung, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Walter-Flex-Str. 3, 53113 Bonn, (02 28) 73-18-91/-92/-95, Fax (02 28) 73-18 93, E-mail: [email protected], Internet: http://www.zei.de 286. Kokott, Dr. Dr. Juliane, LL.M. (Am. Un.), S.J.D. (Harvard), Universitätsprofessorin, Generalanwältin, Mönchhofstr. 42, 69120 Heidelberg, (0 62 21) 45 16-16; Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Th. More 2214, Bd. Konrad Adenauer, L-2925, Luxemburg, (0 03 52) 43 03 22 21, (0 62 21) 45 16 17, E-mail: [email protected] 287. Kolonovits, Dr. Dieter, Mag., M.C.J., ao. Univ.-Professor, Universität Wien, Institut für Staats- und Verwaltungsrecht, Schottenbastei 10–16, A-1010 Wien (Juridicum), (00 43) 1-42 77-3 54-16, Fax: (00 43) 1-42 77-3 54-19, E-mail: [email protected]
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
288. König, Dr. Doris, Professorin, Bucerius Law School, Hochschule für Rechtswissenschaft, Jungiusstr. 6, 20355 Hamburg, (0 40) 3 07 06-2 01 Fax (0 40) 3 07 06-1 90, E-mail: [email protected] 289. König, Dr. Dr. Klaus, Universitätsprofessor, Albrecht-Dürer-Str. 20, 67346 Speyer, (0 62 32) 29 02 16; Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Postfach 14 09, 67324 Speyer, (0 62 32) 6 54-3 69 oder -3 50 oder -3 55, E-mail: [email protected] 290. Kopetzki, DDr. Christian, Universitätsprofessor, Institut für Staats- und Verwaltungsrecht, Medizienrecht, Universität Wien, Schottenbastei 10–16, A-1010 Wien, (00 43) 1 42 77 3 54 11, Fax (00 43) 1 42 77 3 54 19, E-mail: [email protected], Internet: http://www.univie.ac.at/medizinrecht 291. Korinek, Dr. Dr. h. c. Karl, o. Professor, Präsident des Österreichischen Verfassungsgerichtshofs, Auhofstr. 225–227, A-1130 Wien, (00 43-1) 8 76 48 76; Institut für Staats- und Verwaltungsrecht, Universität Wien, Schottenbastei 10–16, A-1010 Wien, (00 43-1) 42 77-3 54 42, Fax (00 43-1) 42 77-3 54 49 292. Korioth, Dr. Stefan, Professor, Institut für Politik und Öffentliches Recht der Universität München, Professor-Huber-Platz 2/III, 80539 München, (0 89) 21 80-27 37, Fax (0 89) 21 80-39 90, E-mail: [email protected] 293. Kotulla, Dr. Michael, Professor, M.A., Universität Bielefeld, Fakultät für Rechtswissenschaft, Postfach 10 01 31, 33501 Bielefeld, (05 21) 1 06-25 00, Fax (05 21) 1 06-80 91, E-mail: [email protected] 294. Kotzur, Dr. Markus, LL.M., Privatdozent, Richard-Wagner-Str. 34b, 95444 Bayreuth, (09 21) 7 57 78 14; Lehrstuhl für öffentliches Recht I, Universität Bayreuth, Postfach, 94440 Bayreuth, (09 21) 55 29 44, E-mail: [email protected]
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
485
295. Krause, Dr. Peter, o. Professor, Weinbergstr. 12, 54317 Korlingen, (0 65 88) 73 33; Universität Trier, 54286 Trier, (06 51) 2 01-25 87, Fax (06 51) 2 01-38 03, E-mail: [email protected] 296. Krawietz, Dr. Werner, o. Professor, Nienbergweg 29, 48161 Münster, (02 51) 86 14 51; Lehrstuhl für Rechtssoziologie, Universität Münster, Bispinghof 24–25, 48143 Münster, (02 51) 83 25 91, E-mail: [email protected] 297. Krebs, Dr. Walter, Professor, Kaulbachstraße 33–35, 12247 Berlin, Tel/Fax (0 30) 83 85 59 21; Freie Universität Berlin, Boltzmannstr. 4, 14195 Berlin, (0 30) 8 38-59 21, Fax (0 30) 8 38-59 22, E-mail: [email protected] 298. Kreßel, Dr. Eckhard, Professor, Körschtalstr. 21, 73760 Ostfildern, (09 31) 3 13 05; Juristische Fakultät der Universität Würzburg, Domerschulstr. 16, 97070 Würzburg, E-mail: [email protected] 299. Kriele, Dr. Martin, o. Professor, Dorf 11, A-6900 Möggers, (00 43) 55 73-8 24 96, Fax (00 43) 55 73-8 24 97; Universität Köln, Albertus-Magnus-Platz 1, 50923 Köln, (02 21) 4 70-22 30, Fax (02 21) 4 70-50 10 300. Kröger, Dr. Klaus, Universitätsprofessor, Hölderlinweg 14, 35396 Gießen, (06 41) 5 22 40; Universität Gießen, 35394 Gießen, (06 41) 99 23-1 30, Fax (06 41) 99 23-0 59 301. Krugmann, Dr. Michael, Privatdozent, Buchwaldstr. 46, 22143 Hamburg, Tel./Fax (0 40) 6 77 88 60; E-mail: [email protected] 302. Kube, Dr. Hanno, LL.M. (Cornell), Universitätsprofessor, Friedrichstraße 10, 69117 Heidelberg; Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Europäisches Steuerrecht, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, Auf der Schanz 49, 85049 Ingolstadt, (08 41) 9 37 18 53, E-mail: [email protected]
486
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
303. Küchenhoff, Dr. Erich, Universitätsprofessor, Dachsleite 65, 48157 Münster, (02 51) 24 72 71; Universität Münster, 44780 Münster, (02 51) 83-27 06 oder -27 05 304. Kugelmann, Dr. Dieter, Privatdozent, Eschenweg 13, 55128 Mainz, (0 61 31) 36 91 89; Universität Leipzig, E-mail: [email protected] 305. Kühling, Dr. Jürgen, LL.M. (Brüssel), Privatdozent, Sürther Hauptstr. 178B, 50999 Köln, (0 22 36) 38 96 16; Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI) an der Universität Bonn, Walter-Flex-Straße 3, 53113 Bonn, (02 28) 73-19 78 oder 73-18 91, Fax (02 28) 73-18 93, E-mail: [email protected] 306. Kühne, Dr. Jörg-Detlef, Professor, Münchhausenstr. 2, 30625 Hannover, (05 11) 55 65 63; Universität Hannover, Königsworther Platz 1, 30167 Hannover, (05 11) 7 62-82 25 oder -82 26, Fax (05 11) 7 62-82 28, E-mail: [email protected] 307. Kunig, Dr. Philip, Professor, FU Berlin, Institut für Staatslehre, Boltzmannstraße 3, 14195 Berlin, (0 30) 8 38 53 0-10, Fax (0 30) 8 38 53 0-11, E-mail: [email protected] 308. Küpper, Dr. Herbert, Privatdozent, Theodor-Heuss-Ring 1, 50668 Köln, E-mail: [email protected] 309. Ladeur, Dr. Karl-Heinz, Professor, Universität Hamburg, FB Rechtswissenschaft, Schlüterstraße 28, 20146 Hamburg, (0 40) 4 28 38-57 52, Fax (0 40) 4 28 38-26 35, E-mail: [email protected] 310. Lang, Dr. Heinrich, Privatdozent, Dipl.-Sozialpädagoge, Universität zu Köln, Rechtswissenschaftliche Fakultät, Albertus-Magnus-Platz, 50923 Köln, (02 21) 4 70-61 41, Fax (02 21) 4 70-50 75, E-mail: Heinrich.Lang@uni-köln.de
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
311. Lange, Dr. Klaus, Universitätsprofessor, Lilienweg 22, 35423 Lich, (0 64 04) 56 81; Universität Gießen, FB Rechtswissenschaften, Hein-Heckroth-Straße 5, 35390 Gießen, (06 41) 9 92 11-80 oder -81, Fax (06 41) 9 92 11-89, E-mail: [email protected] 312. Langenfeld, Dr. Christine, Professor, Rückertstraße 1, 66121 Saarbrücken, (0 61 72) 73 75 78, Fax (0 61 72) 73 75 80, E-mail: [email protected]; Juristisches Seminar der Georg-August-Universität, Platz der Göttinger Sieben 6, 37073 Göttingen, (05 51) 39-47 23, Fax (05 51) 39-79 78, E-mail: [email protected] 313. Laubinger, Dr. Hans-Werner, M.C.L., Professor, Philipp-Wasserburg-Str. 45, 55122 Mainz, (0 61 31) 4 31 91; Universität Mainz, 55099 Mainz, (0 61 31) 39 59 42, E-mail: [email protected] 314. Laurer, DDr. Hans René, a.o. Universitätsprofessor, Scheffergasse 27a, A-2340 Mödling, (00 43-26 36) 2 04 02; Wirtschafts-Universität, Augasse 2–6, A-1190 Wien, (00 43-1) 3 13 36 oder 46 69 oder 41 58 315. Lecheler, Dr. Helmut, o. Professor, Freie Universität Berlin, FB Rechtswissenschaft, Institut für Völkerrecht, Europarecht und ausl. öff. Recht, Vant’-Hoff-Str. 8, 14195 Berlin, (0 30) 83 85 49 49, Fax (0 30) 83 85 20 71, E-mail: [email protected] 316. Lege, Dr. Joachim, Professor, Fischstr. 19, 17489 Greifswald, (0 38 34) 77 39 41; Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät, Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Domstr. 20, 17489 Greifswald, (0 38 34) 86-21 50, Fax (0 38 34) 86-21 56, E-mail: [email protected]
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
317. Lehner, Dr. Moris, Universitätsprofessor, Kaiserplatz 7, 80803 München, (0 89) 34 02 06 46; Ludwig-Maximilians-Universität, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere öffentliches Wirtschaftsrecht und Steuerrecht, Ludwigstr. 28 (Rgb.), 80539 München, (0 89) 21 80 27 18, Fax (0 89) 33 35 66, E-mail: [email protected] 318. Leisner, Dr. mult. Dr. h. c. Walter, o. Professor, Pienzenauerstr. 99, 81925 München, (0 89) 98 94 05, Fax (0 89) 98 29 09 97; Universität Erlangen, Schillerstr. 1, 91054 Erlangen, (0 91 31) 85 22 60 319. Leisner-Egensperger, Dr. Anna, Universitätsprofessorin, An der Leutra 2, 07743 Jena, (01 73) 3 92 41 45; Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Steuerrecht, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Carl-Zeiss-Straße 3, 07743 Jena, (0 36 41) 94 22 51, Fax (0 36 41) 94 22 52, E-mail: [email protected] 320. Lenze, Dr. Anne, Privatdozentin, Sandstr. 19, 64625 Bensheim, (0 62 51) 58 08 52; Fachhochschule Darmstadt, Adelungstr. 51, 64283 Darmstadt, (0 61 51) 16 89 65, Fax (0 61 51) 16 89 90, E-mail: [email protected] 321. Lepsius, Dr. Oliver, LL.M. (Chicago), Professor, Eckenheimer Landstraße 11, 60318 Frankfurt a.M., (0 69) 95 15 69 35; Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Allgemeine und Vergleichende Staatslehre, Universität Bayreuth, 95440 Bayreuth, (09 21) 55 29 47 322. Lerche, Dr. Dr. h. c. Peter, o. Professor, Junkersstr. 13, 82131 Gauting, (0 89) 8 50 20 88, Fax (0 89) 8 50 20 88 323. Lienbacher, Dr. Georg, Sektionsleiter, Universitätsprofessor, Leiter des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt, Ballhausplatz 2, A-1014 Wien, (00 43-1) 5 31 15-23 75, E-mail: [email protected]; Institut für Österreichisches und Europäisches Öffentliches Recht, Wirtschaftsuniversität Wien, Althanstraße 39–45 (UZA 3), A-1090 Wien, (00 43) 1 3 13 36-44 24, Fax (00 43) 1 3 13 36-7 13, E-mail: [email protected]
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324. Lindner, Dr. Josef Franz, Privatdozent, Großhaderner Straße 14 b, 81375 München, (0 89) 70 32 45, Fax (0 89) 74 00 93 85, E-mail: [email protected] 325. Link, Dr. jur. Dres. theol. h. c. Heinz-Christoph, em. Professor, Rühlstraße 35, 91054 Erlangen, (0 91 31) 20 93 35, Fax (0 91 31) 53 45 66; Hans-Liermann-Institut für Kirchenrecht, Hindenburgstr. 34, 91054 Erlangen, (0 91 31) 8 52 28 25, Fax (0 91 31) 8 52 40 64 326. Lipphardt, Dr. Hanns-Rudolf, apl. Professor, Auf der Weide 7, 69126 Heidelberg, (0 62 21) 38 23 12; Universität Heidelberg, 69120 Heidelberg, (0 62 21) 41 11 98, Fax (0 62 21) 40 06 75 327. Listl, Dr. Joseph, o. Professor, Jesuitengemeinschaft Pedro Arrupe, Bibergerstr. 8, 82008 Unterhaching; dienstlich (stets für die Post benutzen!): Institut für Staatskirchenrecht der Diözesen Deutschlands, Lennéstr. 15, 53113 Bonn 328. Lorenz, Dr. Dieter, o. Professor, Bohlstr. 21, 78465 Konstanz, (0 75 33) 68 22; Universität Konstanz, Postfach 55 60 D 100, 78434 Konstanz, (0 75 31) 88 25 30, E-mail: [email protected] 329. Lorz, Dr. Ralph Alexander, LL.M. (Harvard), Attorney-at-Law (New York), Universitätsprofessor, Paderborner Straße 7, 40468 Düsseldorf; Universität Düsseldorf, Lehrstuhl für deutsches und ausländisches öffentliches Recht, Völker- und Europarecht, Juristische Fakultät, Universitätsstraße 1, 40225 Düsseldorf, (02 11) 8 11-14 35, Fax (02 11) 8 11-14 56, E-mail: [email protected] 330. Losch, Dr. Dr. Bernhard, Professor, Dürerstr. 9, 42119 Wuppertal, (02 02) 42 35 25; Bergische Universität Wuppertal, FB 6, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Gaußstr. 20, 42097 Wuppertal, (02 02) 4 39-22 85/-81, Fax (02 02) 4 39-38 37, E-mail: [email protected]
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331. Loschelder, Dr. Wolfgang, Professor, Sonnenlandstr. 5, 14471 Potsdam, (03 31) 97 36 80; Fax (03 31) 9 51 19 95; Universität Potsdam, Postfach 90037, August-Bebel-Str. 89, 14439 Potsdam, (03 31) 9 77-34 12 332. Löwer, Dr. Wolfgang, Professor, Hobsweg 15, 53125 Bonn, (02 28) 25 06 92, Fax (02 28) 25 04 14; Universität Bonn, Adenauerallee 24–42, 53113 Bonn, (02 28) 73 92 78/73 92 80, Fax (02 28) 73 39 57, E-mail: [email protected] 333. Lübbe-Wolff, Dr. Gertrude, Professorin, Universität Bielefeld, Fakultät Rechtswissenschaft, Universitätsstr. 25, Postfach 10 01 31, 33615 Bielefeld, (05 21) 1 06-43 86, Fax (05 21) 1 06-80 85, E-mail: [email protected] 334. Luchterhandt, Dr. Otto, Professor, Im Wendischen Dorfe 28, 21335 Lüneburg, Tel./Fax (0 41 31) 23 29 65; Seminarabteilung für Ostrechtsforschung, Universität Hamburg, Moorweidenstr. 7, 20148 Hamburg, (0 40) 4 28 38-26 30/-39 86 335. Lühmann, Dr. Hans, Privatdozent, Pannebäcker Str. 7a, 40593 Düsseldorf, (02 11) 2 39 95 34 336. Mächler, Dr. iur. August, Privatdozent, Schindellegistrasse 15, CH-8808 Pfäffikon, (00 41) 5 54 10 43 20; Justizdepartment des Kt. Schwyz, Postfach 1200, 6431 Schwyz, (00 41) 4 18 19 20 02, Fax (00 41) 4 18 19 20 19, E-mail: [email protected] 337. Mager, Dr. Ute, Universitätsprofessorin, Universität Heidelberg, Juristische Fakultät, Friedrich-Ebert-Anlage 6–10, 69117 Heidelberg, (0 62 21) 54 77 37 oder: 0 17 15 54 00 78, E-mail: [email protected]
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338. Magiera, Dr. Siegfried, o. Professor, Feuerbachstr. 1, 67354 Römerberg, (0 62 32) 8 48 98; Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Freiherr-vom-Stein-Str. 2–6, 67324 Speyer, (0 62 32) 65 43 48, Fax (0 62 32) 65 44 15, E-mail: [email protected] 339. Majer, Dr. Diemut, Professorin, Welfenstr. 35, 76137 Karlsruhe, (07 21) 81 65 50 oder -41 12; Fachhochschule für Öff. Verwaltung, Bundeswehrverwaltung, Seckenheimer Landstr. 8–10, 68163 Mannheim, (06 21) 41 80 91 340. Mangoldt, Dr. Hans v., Professor, Goetheweg 1, 72147 Nehren, (0 74 73) 79 08; Universität Tübingen, Juristische Fakultät, Wilhelmstr. 7, 72074 Tübingen, (0 70 71) 2 97 33 02 341. Mann, Dr. Thomas, Professor, Im Torfveen 19, 46147 Oberhausen, (02 28) 67 54 98; Juristisches Seminar der Georg-August-Universität Göttingen, Platz der Göttinger Sieben 6, 37073 Göttingen, (05 51) 39-47 23, Fax (05 51) 39-79 78, E-mail: [email protected] 342. Manssen, Dr. Gerrit, Universitätsprofessor, Konrad-Adenauer-Allee 15, 93051 Regensburg, (09 41) 9 28 45; Juristische Fakultät, Universität Regensburg, 93040 Regensburg, (09 41) 9 43-32 55, Fax (09 41) 9 43-32 57, E-mail: [email protected] 343. Mantl, Dr. Wolfgang, o. Universitätsprofessor, Wiener Str. 256/XI/33, A-8051 Graz XIII, (00 43) 3 16-68 13 06; Institut für österreichisches, europäisches und vergleichendes Recht, Karl-Franzens-Universität, Universitätsstr. 15/ C3, A-8010 Graz, (00 43) 3 16-3 80-33 70 E-mail: [email protected]
492
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344. Marauhn, Dr. Thilo, Professor, M.Phil., An der Fels 20, 35435 Wettenberg, (06 41) 8 77 32 75, Fax (06 41) 8 77 32 75; Professur für Öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht, Justus-Liebig-Universität Gießen, Licher Straße 76, 35394 Gießen, (06 41) 9 92 11 50/51, Fax (06 41) 9 92 11 59, E-mail: [email protected] 345. Marko, Dr. Joseph, Universitätsdozent, Kasernstr. 35, A-8010 Graz, (00 43) 3 16-46 22 38 346. Marti, Dr. Arnold, Privatdozent, Fernsichtstraße 5, CH-8200 Schaffhausen, (00 41) 52-6 24 18 10, E-mail: [email protected],; Obergericht des Kantons Schaffhausen, Frauengasse 17, CH-8200 Schaffhausen, (00 41) 52-6 32 74 24, Fax (00 41) 52-6 32 78 36, E-mail: [email protected] 347. Martínez Soria, Dr. José, Privatdozent Sandersbeek 23, 37085 Göttingen, (05 51) 2 55 67; Institut für Völkerrecht der Universität Göttingen, Platz der Göttinger Sieben 5, 37073 Göttingen, (05 51) 39 21 97, Fax (05 51) 39 21 96, E-mail: [email protected] 348. März, Dr. Wolfgang, Professor, Bismarckstr. 54, 70197 Stuttgart, (07 11) 6 36 25 32 oder -33; Juristische Fakultät der Universität Rostock, Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Verfassungsgeschichte, Möllner Str. 10, 18109 Rostock, (03 81) 4 98 37 90, Fax (03 81) 4 98 37 70, E-mail: mailto:[email protected] 349. Masing, Dr. Johannes, Professor, Puccinistraße 15c, 86199 Augsburg, (08 21) 9 98 43 09, Fax (08 21) 9 98 43 08; Juristische Fakultät der Universität Augsburg, 86135 Augsburg, (08 21) 5 98-45 45, Fax (08 21) 5 98-45 47, E-mail: [email protected]
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493
350. Mastronardi, Dr. Philippe Andrea, Professor, Universität St. Gallen, Rechtswissenschaftliche Abteilung Bodanstr. 3, CH-9000 St. Gallen, (+ 41 71) 2 24 23 35, Fax (+ 41 71) 2 24 39 08, E-mail: [email protected] 351. Maurer, Dr. Hartmut, o. Professor, Säntisblick 10, 78465 Konstanz, (0 75 33) 13 12; Universität Konstanz, (0 75 31) 88 36 57, Fax (0 75 31) 88 31 96 352. Mayer-Tasch, Dr. Peter Cornelius, Professor, Am Seeberg 11, 86938 Schondorf, (0 81 92) 86 68; Universität München, Professor-Huber-Platz 2, 80539 München, (0 89) 21 80-30 20 oder -30 21, Fax (0 89) 21 80-30 22 353. Meessen, Dr. Karl Matthias, Professor, Am Horn 55, 99425 Weimar, (0 36 43) 40 28 60, Fax (0 36 43) 40 28 61; Jean-Monnet-Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Europarecht, Völkerrecht und Internationales Wirtschaftsrecht, Carl-Zeiss-Str. 3, 07740 Jena, (0 36 41) 94 22 60 oder -61, Fax (0 36 41) 94 22 62 354. Meng, Dr. Werner, Universitätsprofessor, Preussenstr. 42, 66111 Saarbrücken, (06 81) 6 85 26 74; Direktor des Europa-Instituts, Universität des Saarlandes, Postfach 15 11 50, 66041 Saarbrücken, (06 81) 3 02 66 60, Fax (06 81) 3 02 66 62, E-mail: [email protected] 355. Menger, Dr. Christian-Friedrich, o. Professor, St.-Josef-Strasse 4, 48324 Albersloh, (02 51) 4 82 84 36; Universität Münster, (02 51) 83 27 41 356. Merli, Dr. Franz, Universitätsprofessor, Helmholtzstr. 1, 01069 Dresden, (03 51) 4 77 60 91; Jean-Monnet-Lehrstuhl für das Recht der Europäischen Integration und Rechtsvergleichung, Juristische Fakultät, TU Dresden, Mommsenstr. 13, 01062 Dresden, (03 51) 4 63-73 74, Fax (03 51) 4 63-77 98, E-mail: [email protected]
494
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357. Merten, Dr. Dr. Detlef, o. Professor, Von-Dalberg-Str. 8, 67487 St. Martin, (0 63 23) 18 75; Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Freiherr-vom-Stein-Str. 2–6, 67346 Speyer, (0 62 32) 6 54-3 49, oder -3 30, E-mail: [email protected] 358. Meßerschmidt, Dr. Klaus, Privatdozent, Hynspergstr. 29, 60322 Frankfurt a.M., (0 69) 55 45 87; University of Latvia, EuroFaculty, Raina bulv. 19, LV-1586 Riga/Lettland, (0 03 71) 7 82 02 78, Fax (0 03 71) 7 82 02 60, E-mail: [email protected] 359. Meyer, Dr. Dr. h. c. Hans, Professor, Georg-Speyer-Str. 28, 60487 Frankfurt a.M., (0 69) 77 01 29 26, Fax (0 69) 77 01 29 27; Humboldt-Universität zu Berlin, Juristische Fakultät, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, (0 30) 20 93 35 28 (Sekr.) oder -33 47, Fax (0 30) 20 93 27 29, E-mail: [email protected] 360. Meyn, Dr. Karl-Ulrich, Professor, Leyer Str. 36, 49076 Osnabrück, (05 41) 12 64 82; Universität Jena, Carl-Zeiss-Str. 3, 07740 Jena, (0 36 41) 94 22 10 oder -11, Fax (0 36 41) 94 22 12, E-mail: [email protected] 361. Michael, Dr. Lothar, Professor, Niederkasseler Kirchweg 124, 40547 Düsseldorf; Professur für öffentliches Recht, Universitätsstraße 1, Geb. 24.91, 40225 Düsseldorf, (02 11) 8 11 14 12, E-mail: [email protected] 362. Morgenthaler, Dr. Gerd, Professor, Hauptstraße 19, 74858 Aglasterhausen; Universität Siegen, Fachbereich 5, Hölderlinstr. 3, 57068 Siegen, (02 71) 7 40 24 02, E-mail: [email protected] 363. Morlok, Dr. Martin, Professor, Poßbergweg 51, 40629 Düsseldorf, (02 11) 28 68 68; Heinrich-Heine-Universität, Juristische Fakultät, Universitätsstr. 1, Gebäude 24.91, 40225 Düsseldorf, (02 11) 8 11 53 51, Fax (02 11) 81 14 60, E-mail: [email protected]
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364. Morscher, Dr. Siegbert, o. Universitätsprofessor, Tschiggyfreystr. 11a, A-6020 Innsbruck, (00 43) 5 12-28 62 10; Leopold-Franzens-Universität, Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft, Innrain 80, A-6020 Innsbruck, (00 43) 5 12-5 07-82 10 oder -11, Fax (00 43) 5 12-5 07-28 28 365. Möllers, Dr. Christoph, LL.M., Privatdozent, Roonstraße 2, 69120 Heidelberg, (01 79) 2 96 65 33; Westfälische Wilhelms-Universität, Universitätsstraße 14–16, 48143 Münster, (02 51) 5 10-5 03-14/19, E-mail: [email protected] 366. Mössner, Dr. Jörg Manfred, Professor, Uhlandstr. 53, 49134 Wallenhorst, (0 54 07) 45 09, Fax (0 54 07) 82 26 71; Universität Osnabrück, FB 10, Rechtswissenschaften, Martinistr. 10, 49069 Osnabrück, (05 41) 9 69-61 61/-68, Fax (05 41) 9 69-61 67, E-mail: [email protected] 367. Möstl, Dr. Markus, Professor, Birkenstraße 77, 95447 Bayreuth, (09 21) 5 07 17 68; Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, 95440 Bayreuth (09 21) 55-28 66, E-mail: [email protected] 368. Muckel, Dr. Stefan, Universitätsprofessor, Ringstraße 122, 42929 Wermelskirchen, (0 21 93) 53 10 74; Universität zu Köln, Institut für Kirchenrecht, 50923 Köln, (02 21) 4 70-37 77 oder 4 70-26 79, E-mail: [email protected] 369. Müller, Dr. Georg, o. Professor, Sugenreben 10, CH-5018 Erlinsbach, (00 41-62) 8 44 38 73, Fax (00 41-62) 8 44 42 04; Universität Zürich, Wilfriedstr. 6, CH-8032 Zürich, (00 41-1) 6 34 44 41, Fax (00 41-1) 6 34 49 38, E-mail: [email protected] 370. Müller, Dr. Jörg Paul, o. Professor, Kappelenring 42a, CH-3032 Hinterkappelen, (00 41 31) 9 01 05 70; Seminar für Öffentliches Recht, Hochschulstraße 4, CH-3012 Bern, (00 41 31) 6 31 88 94 oder -99, Fax (00 41 31) 6 31 38 83
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
371. Müller-Franken, Dr. Sebastian, Privatdozent, Auenstraße 36, 80469 München, (0 89) 20 23 98 28; Universität Passau, Innstraße 41, 94032 Passau, (08 51) 5 09 23 54, E-mail: [email protected] 372. Müller-Volbehr, Dr. Jörg, Universitätsprofessor, Waxensteinstr. 16, 82194 Gröbenzell b. München, (0 81 42) 79 73; Universität Marburg, Universitätsstr. 6, 35037 Marburg 373. Münch, Dr. Dr. h. c. Ingo v., Professor, Hochrad 9, 22605 Hamburg, (0 40) 82 96 24 Fax (0 40) 82 34 49 374. Murswiek, Dr. Dietrich, o. Professor, Institut für Öffentliches Recht, Universität Freiburg, 79085 Freiburg, (07 61) 2 03-22 37 oder -41, Fax (07 61) 2 03-22 40, E-mail: [email protected] 375. Mußgnug, Dr. Reinhard, o. Professor, Keplerstr. 40, 69120 Heidelberg, (0 62 21) 43 62 22, Fax (0 62 21) 40 83 09; Universität Heidelberg, Institut für Finanz- und Steuerrecht, Friedrich-Ebert-Anlage 6–10, 69117 Heidelberg, (0 62 21) 54 74 66, Fax (0 62 21) 54 76 54, E-mail: [email protected] 376. Mutius, Dr. Albert v., o. Professor, Westring 377, 24118 Kiel; Geschäftsführender Vorstand des Lorenz-von-SteinInstitutes für Verwaltungswissenschaften an der Universität Kiel, 24098 Kiel, (04 31) 8 80 -45 40 oder -15 05, E-mail: [email protected] 377. Nettesheim, Dr. Martin, o. Professor, Haußerstr. 48, 72074 Tübingen, (0 70 71) 25 46 04; Universität Tübingen, Juristische Fakultät, Wilhelmstr. 7, 72074 Tübingen, (0 70 71) 29-7 25 60, Fax (0 70 71) 29-58 47, E-mail: [email protected]
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
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378. Neumann, Dr. Volker, Professor, Neckarstaden 10, 69117 Heidelberg, (0 62 21) 16 12 66; Humboldt-Universität zu Berlin, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Sozialrecht und Staatstheorie, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, (0 30) 20 93 34 60, Fax (0 30) 20 93 34 52, E-mail: [email protected] 379. Nicolaysen, Dr. Gert, Professor, Bockhorst 68a, 22589 Hamburg, (0 40) 8 70 17 47; Universität Hamburg, Seminar für Öffentliches Recht und Staatslehre, Abteilung Europarecht, Schlüterstraße 28, 20146 Hamburg, (0 40) 4 28 38-45 68, Fax (0 40) 4 28 38-62 52, E-mail: [email protected] 380. Niedobitek, Dr. Matthias, Universitätsprofessor, Lauergasse 23, 67346 Speyer, (0 62 32) 7 28 51; Professur für Europäische Integration mit dem Schwerpunkt Europäische Verwaltung, Technische Universität Chemnitz, Reichenhainer Str. 39, 09126 Chemnitz, (03 71) 5 31-49 12, E-mail: [email protected] 381. Nierhaus, Dr. Michael, Professor, Am Moosberg 1c, 50997 Köln, (0 22 36) 6 36 29; Universität Potsdam, Juristische Fakultät, Postfach 90 03 27, 14439 Potsdam, (03 31) 9 77-32 84, oder -35 19, Fax (03 31) 9 77-35 35, Geschäftsführender Direktor des Kommunalwissenschaftlichen Instituts der Universität Potsdam, (03 31) 9 77-32 52 oder -32 15, Fax (03 31) 9 77-45 31, E-mail: [email protected] 382. Nolte, Dr. Georg, Professor, Lotzestr. 38, 37083 Göttingen, Tel./Fax: (05 51) 7 70 66 92; Institut für Internationales Recht, Abteilung Völkerrecht, Universität München, Professor-Huber-Platz 2, 80539 München, (0 89) 21 80-27 41, Fax (0 89) 21 80-38 41, E-mail: [email protected]
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
383. Nolte, Dr. Martin, Privatdozent, Moltkestraße 10, 24105 Kiel, (04 31) 56 58 22 (auch Fax), Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre, Olshausenstraße 75, 24098 Kiel, (04 31) 8 80-45 46, Fax: (04 31) 8 80-45 82, E-mail: [email protected] 384. Novak, Dr. Richard, o. Professor, Thadd. Stammel-Str. 8, A-8020 Graz, (00 43) 3 16-5 35 16; Universität (00 43) 3 16-3 80-33 71 385. Nußberger, Dr. Angelika, Professorin, Direktorin des Instituts für Ostrecht an der Universität zu Köln, Klosterstr. 79 d, 50931 Köln, Tel.: (02 21) 4 70 55 83, Fax: (02 21) 4 70 55 82, E-mail: [email protected] 386. Oebbecke, Dr. Janbernd, Universitätsprofessor, Kronacher Weg 36, 40627 Düsseldorf, (02 11) 9 26 25 57; Geschäftsführender Direktor des Kommunalwissenschaftlichen Instituts, Universität Münster, Universitätsstr. 14–16, 48143 Münster, (02 51) 83-2 18 06, Fax (02 51) 83-2 18 33, E-mail: [email protected] 387. Oeter, Dr. Stefan, Professor, Wulfsdorfer Weg 122, 22359 Hamburg, (0 40) 60 95 19 57; Universität Hamburg, Institut für Internationale Angelegenheiten, Rothenbaumchaussee 19, 20148 Hamburg, (0 40) 4 28 38 45 65, Fax (0 40) 4 28 38 62 62, E-mail: [email protected] 388. Öhlinger, Dr. Theo, o. Universitätsprofessor, Tolstojgasse 5/6, A-1130 Wien, (00 43-1) 8 77 12 60; Universität Wien, Schottenbastei 10–16, A-1010 Wien, (00 43-1) 42 77-3 54 62, Fax (00 43-1) 42 77-3 54 69, E-mail: [email protected] 389. Odendahl, Dr. Kerstin, Professorin, Magnihalden 6, CH-9000 St. Gallen; Universität St. Gallen, Lehrstuhl für Völker- und Europarecht, Tigerbergstraße 21, CH-9000 St. Gallen; (0 04 17 12 24 28 37, Fax (0 04 17 12 24 21 62, E-mail: [email protected]
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390. Oldiges, Dr. Martin, Universitätsprofessor, August-Bebel-Straße 31, 04275 Leipzig, (03 41) 2 11 92 33, Fax: (03 41) 1 49 68 16, E-mail: [email protected], Universität Leipzig, Juristenfakultät, Otto-Schill-Str. 2, 04109 Leipzig, (03 41) 9 73 51 31, Fax (03 41) 9 73 51 39, E-mail: [email protected] 391. Oppermann, Dr. Dres. h. c. Thomas, o. Professor, Burgholzweg 122, 72070 Tübingen, (0 70 71) 4 95 33, Fax (0 70 71) 4 47 02, E-mail: [email protected]; Universität Tübingen, Juristische Fakultät, Wilhelmstr. 7, 72074 Tübingen, (0 70 71) 2 97 25 58, Fax (0 70 71) 29 58 47, E-mail: [email protected] 392. Ossenbühl, Dr. Fritz, Professor, Im Wingert 12, 53340 Meckenheim, (0 22 25) 1 74 82; Universität Bonn, 53113 Bonn, (02 28) 73 55-72 oder -73 393. Osterloh, Dr. Lerke, Professorin, Richterin des Bundesverfassungsgerichts, Schloßbezirk 3, 76131 Karlsruhe, (07 21) 91 01-0, Fax (07 21) 91 01-3 82; Institut für Öffentliches Recht, Universität Frankfurt, Postfach 11 19 32, 60054 Frankfurt a.M., (0 69) 79 82 27 11 oder 2 86 11, Fax (0 69) 79 82 25 62, E-mail: [email protected] 394. Pache, Dr. Eckhard, Professor, Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Domerschulstraße 16, 97070 Würzburg, (09 31) 31 23 09, Fax (09 31) 31 23 19, E-mail: [email protected] 395. Papier, Dr. Dr. h. c. Hans-Jürgen, o. Professor, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Institut für Politik und Öffentliches Recht, Universität München, Professor-Huber-Platz 2, 80539 München, (0 89) 21 80-62 94 oder -62 95, Fax (0 89) 21 80 31 99, E-mail: [email protected]
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396. Pauger, Dr. Dietmar, Universitätsprofessor, Engelgasse 51, A-8010 Graz, (00 43) 3 16-3 17 97; Universität Graz, Universitätsstr. 15/3, A-8010 Graz, (00 43) 3 16-3 80-33 75 oder -33 64, Fax (00 43) 3 16-38 40 94 50, E-mail: [email protected] 397. Pauly, Dr. Walter, o. Professor, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Rechts- und Verfassungsgeschichte, Rechtsphilosophie, Universität Jena, Carl-Zeiss-Str. 3, 07740 Jena, (0 36 41) 94 22 30 oder -31, Fax (0 36 41) 94 22 32, E-mail: [email protected] 398. Pechstein, Dr. Matthias, Universitätsprofessor, Lindenallee 40, 14050 Berlin, (0 30) 3 01 94 17, Fax (0 30) 3 01 94 17; Jean-Monnet-Institut für Öffentliches Recht und Europarecht, Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder, Große Scharrnstr. 59, 15230 Frankfurt/Oder, (03 35) 5 53 47 60, E-mail: [email protected] 399. Peine, Dr. jur. Dr. h. c. Franz-Joseph, Professor, Kurpromenade 56, 14089 Berlin-Kladow, Tel. + Fax (0 30) 3 65 61 93; Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder), Große Scharrnstr. 59, 15230 Frankfurt (Oder), (03 35) 55 34-25 28, Fax (03 35) 55 34-25 69, E-mail: [email protected] 400. Pernice, Dr. Ingolf, Universitätsprofessor, Laehrstraße 17a, 14165 Berlin, (0 30) 84 72 36 15, Fax (0 30) 84 50 91 62; Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht, Humboldt-Universität zu Berlin, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, (0 30) 20 93-34 40, Fax (0 30) 20 93-34 49, E-mail: [email protected] 401. Pernthaler, Dr. Peter, o. Universitätsprofessor, Philippine-Welser-Str. 27, A-6020 Innsbruck, (00 43) 5 12-41 82 84; Universität Innsbruck, Innrain 80, A-6020 Innsbruck, (00 43) 5 12-5 07 26 70
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
402. Pesendorfer, Dr. Wolfgang, Universitätsprofessor, Vizepräsident des Verwaltungsgerichtshofes Wien, Judenplatz 11, A-1014 Wien, (00 43-1) 5 31 11 / 2 45, Fax (00 43-1) 5 31 11 / 1 40, E-mail: [email protected] 403. Pestalozza, Dr. Christian Graf v., o. Professor, FU Berlin, Dienstanschrift: Boltzmannstr. 3, 14195 Berlin, Postanschrift: Van’t-Hoff-Str. 8, 14195 Berlin, (0 30) 83 85 30 14, Fax (0 30) 83 85 30 12, E-mail: [email protected] 404. Peters, Dr. Anne, Professorin, LL.M. Bollwerkstr. 134, CH-4102 Binningen; Lehrstuhl für Völker- und Staatsrecht, Universität Basel, Maiengasse 51, CH-4056 Basel, (00 41) 61-2 67-25-55, Fax (00 41) 61-2 67-25-71, E-mail:[email protected] 405. Petersmann, Dr. Ernst-Ulrich, o. Professor, 35, Chemin des Voisons, CH-1246 Coppet, (00 41) 22-7 76 57 30 406. Pielow, Dr. Johann-Christian, Professor, Stiepeler Str. 96, 44801 Bochum (02 34) 7 46 33; Ruhr-Universität Bochum, Fakultät für Wirtschaftswissenschaft – Recht der Wirtschaft –, Universitätsstr. 150, 44780 Bochum, (02 34) 32-2 57 23/4, Fax (02 34) 32-1 40 74, E-mail: [email protected] 407. Pieper, Dr. Stefan Ulrich, Privatdozent, Bundespräsidialamt, Spreeweg 1, 10557 Berlin, 0 18 88-5 00 21 20, Fax (0 30) 20 00-19 99, E-mail: [email protected] 408. Pieroth, Dr. Bodo, Professor, Gluckweg 19, 48147 Münster, (02 51) 23 32 91, Fax (02 51) 23 32 94; Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Universität Münster, Wilmergasse 28, 48143 Münster, (02 51) 51 04 90, Fax (02 51) 51 04 9 19, E-mail: [email protected]
501
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
409. Pietzcker, Dr. Jost, Professor, Hausdorffstr. 95, 53129 Bonn, (02 28) 23 39 54; Universität Bonn, 53113 Bonn, (02 28) 73 91 77, E-mail: [email protected] 410. Pirson, Dr. Dr. Dietrich, o. Professor, Brunnenanger 15, 82418 Seehausen, (0 88 41) 4 78 68; Universität München, Professor-Huber-Platz 2, 80539 München, (0 89) 21 80-27 15 411. Pitschas, Dr. Rainer, o. Universitätsprofessor, Hermann-Jürgens-Str. 8, 76829 Landau-Godramstein, (0 63 41) 96 93 81, Fax (0 63 41) 96 93 82; Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Postfach 14 09, 67324 Speyer, (0 62 32) 6 54-3 45, Fax (0 62 32) 6 54-3 05, E-mail: [email protected] 412. Poscher, Dr. Ralf, Universitätsprofessor, Crellestr. 45, 10827 Berlin, (0 30) 6 92 53 98; Ruhr-Universität Bochum, Juristische Fakultät, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Rechtssoziologie und Rechtsphilosophie, Universitätsstraße 150/Gebäude GC 8/135, 44801 Bochum, (02 34) 3 22 28 09, Fax (02 34) 3 21 43 27, E-mail: [email protected] 413. Pöschl, Dr., Magdalena, a. Univ.-Prof., Sternbachplatz 2/2, A-6020 Innsbruck; Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, Institut für Öffentliches Recht, Finanzrecht und Politikwissenschaft, Innrain 82, A-6020 Innsbruck, (00 43) 5 12-5 07-82 42, Fax (00 43) 5 12-5 07-27 48, E-mail: [email protected] 414. Potacs, Dr. Michael, Professor, Hartäckerstraße 25–27/3, A-1190 Wien, (00 43-1) 3 24 66 23; Universität Klagenfurt, Universitätsstr. 65–67, A-9020 Klagenfurt, (00 43) 4 63-27 00-87 9; Fax (00 43) 4 63-27 00-8 68, E-mail: [email protected]
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
415. Preuß, Dr. Ulrich K., Professor, Friedbergstraße 47, 14057 Berlin (0 30) 30 81 94 33; Freie Universität Berlin, FB Politische Wissenschaft, Ihnestraße 22, 14195 Berlin, (0 30) 8 38-47 22 oder -49 48, Fax (0 30) 8 38-50 96, E-mail: [email protected] 416. Puhl, Dr. Thomas, o. Professor, In der Aue 26a, 69118 Heidelberg, (0 62 21) 80 36 64, Fax (0 62 21) 80 36 69; Universität Mannheim, Schloß W 226, 68131 Mannheim, (06 21) 1 81 13-54/-55/-57/-58, Fax (06 21) 1 81 13 61, E-mail: [email protected] 417. Pünder, Dr. Hermann, LL.M (Iowa), Universitätsprofessor, Hochallee 106, 20149 Hamburg, (0 40) 41 46 69 34; Bucerius Law School, Lehrstuhl für Öffentliches Recht (einschließlich Europarecht), Verwaltungswissenschaft und Rechtsvergleichung, Postfach 30 10 30, 20304 Hamburg, (0 40) 3 07 06-2 60, Fax (0 40) 3 07 06-2 35, E-mail: [email protected] 418. Puttler, Dr. Adelheid, LL.M. (University of Chicago), diplomée de l’E.N.A., Universitätsprofessorin, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere Europarecht, Völkerrecht und Internationales Wirtschaftsrecht, Ruhr-Universität Bochum, Juristische Fakultät, 44780 Bochum, (02 34) 3 22 28 20, Fax (02 34) 3 21 41 39, E-mail: [email protected] 419. Püttner, Dr. Dr. h. c. Günter. o. Professor, Schwerdstraße 3, 67346 Speyer, (0 62 32) 7 19 97; Universität Tübingen, Juristische Fakultät, Wilhelmstraße 7, 72074 Tübingen 420. Quaritsch, Dr. Helmut, o. Professor, Otterstadter Weg 139, 67346 Speyer, (0 62 32) 6 31 81; Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Freiherr-vom-Stein-Str. 2–6, 67346 Speyer, (0 62 32) 6 54-2 89, Fax (0 62 32) 6 54-3 05 421. Rack, Dr. Reinhard, a.o. Universitätsprofessor, Obere Teichstr. 19, A-8010 Graz, (00 43) 3 16-43 88 42; Universität Graz, (00 43) 3 16-3 80-33 73, E-mail: [email protected]
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504
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
422. Ramsauer, Dr. Ulrich, Professor, Wiesenstraße 5, 20255 Hamburg, (0 40) 43 18 12 53/52; Universität Hamburg, FB Rechtswissenschaft, Öffentliches Recht, Edmund-Siemers-Allee 1, 20146 Hamburg, E-mail: [email protected] 423. Randelzhofer, Dr. Albrecht, o. Professor, Wulffstr. 12, 12165 Berlin, (0 30) 7 92 60 85; FU Berlin, Ehrenbergstr. 17, 14195 Berlin 424. Raschauer, Dr. Bernhard, o. Universitätsprofessor, Pfeilgasse 7/2/6, A-1080 Wien, (00 43-1) 4 08 33 53; Universität Wien, Schottenbastei 10–16, A-1010 Wien, (00 43-1) 42 77-3 53 52, Fax (00 43-1) 42 77-3 54 59 425. Rasenack, Dr. Christian A.L., LL.M., Professor, Taunusstr. 8, 12309 Berlin, (0 30) 7 45 25 43; TU Berlin, Institut für Rechtswissenschaft, H 81, Straße des 17. Juni 135, 10623 Berlin, (0 30) 31 42-58 74 oder -58 75, Fax (0 30) 7 45 25 43 426. Rauschning, Dr. Dr. h. c. Dietrich, o. Professor, Rodetal 1, 37120 Bovenden, (0 55 94) 9 31 74, Fax (0 55 94) 9 31 75; Institut für Völkerrecht, Universität Göttingen, Platz der Göttinger Sieben 5, 37073 Göttingen, E-mail: [email protected] 427. Reinhardt, Dr. Michael, LL.M. (Cantab.), Professor, Auf dem Stumpelrott 9, 50999 Köln, (02 21) 35 17 30; Universität Trier, FB V, 54286 Trier, (06 51) 2 01-25 78, Fax (06 51) 2 01 25 80, E-mail: [email protected] 428. Remmert, Dr. Barbara, Universitätsprofessorin, Bei der Fruchtschranne 4, 72070 Tübingen; Eberhard Karls Universität Tübingen, Juristische Fakultät, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Wilhelmstraße 7(Neue Aula), E-mail: [email protected]
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
505
429. Rengeling, Dr. Hans-Werner, Universitätsprofessor, Langeworth 143, 48159 Münster, (02 51) 21 20 38, Fax (02 51) 21 20 44; Institut für Europarecht der Universität Osnabrück, Martinistr. 8, 49069 Osnabrück, (05 41) 9 69-45 05 oder -45 04, Fax (05 41) 9 69-45 09, E-mail: [email protected] 430. Ress, Dr. iur. Dr. rer. pol. Dr. iur. h. c. mult., Georg, Universitätsprofessor, 6, rue Mozart, F-67000 Strasbourg, (00 33) 3 88 61 04 32; Lehrstuhl für öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht, Universität des Saarlandes, Europa-Institut, Postfach 15 11 50, 66041 Saarbrücken, (06 81) 3 02-25 03, Fax (06 81) 3 02-46 36; Cour Européenne des Droits de l’Homme, Conseil de l’Europe, F-67075 Strasbourg Cedex, Tel. (0 03 33 90) 21 44 91, E-mail: [email protected] 431. Rhinow, Dr. René, o. Professor, Jurastr. 48, CH-4411 Seltisberg, (00 41) 61-9 11 99 35, Fax (00 41) 61-9 11 82 88; stets für Post benutzen: Juristische Fakultät Universität Basel, Maiengasse 51, CH-4056 Basel, (00 41) 61-2 67-25 67, Fax (00 41) 61-2 67-25 68, E-mail: [email protected] 432. Richter, Dr. Dagmar, Privatdozentin, Hugenottenstr. 6, 68229 Mannheim; MPI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Im Neuenheimer Feld 535, 69120 Heidelberg, (0 62 21) 48 25 08, E-mail: [email protected] 433. Riedel, Dr. Eibe H., Universitätsprofessor, Haagwiesenweg 19, 67434 Neustadt, (0 63 21) 8 48 19; Lehrstuhl für Deutsches und Ausländisches Öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht, Universität Mannheim, Schloß/Westflügel, 68131 Mannheim, (06 21) 1 81-14 17 oder 14 18 oder 14 20–22, Fax (06 21) 1 81-14 19, E-mail: [email protected] 434. Rill, Dr. Heinz Peter, Universitätsprofessor, Peter-Jordan-Str. 145, A-1180 Wien, (00 43-1) 4 79-86 74; Forschungsinstitut für Europafragen, Wirtschaftsuniversität Wien, Althanstraße 39–45, A-1090 Wien, (00 43-1) 3 13 36 46-65 oder -66
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
435. Rinken, Dr. Alfred, Professor, Treseburger Str. 37, 28205 Bremen, (04 21) 44 07 62; Universität Bremen, Universitätsallee, GW 1, Postfach 33 04 40 Bremen, 28334 Bremen, E-mail: [email protected] 436. Rixen, Dr. Stephan, Privatdozent, Torstraße 97, 10119 Berlin, (0 30) 29 36 76 63; Universität zu Köln, Institut für Staatsrecht, Albertus-Magnus-Platz, 50923 Köln, (02 21) 4 70-33 95, Fax (02 21) 4 70-50 75, E-mail: [email protected] 437. Robbers, Dr. Gerhard, Universitätsprofessor, Dagobertstr. 17, 54292 Trier, (06 51) 5 37 10; Universität Trier, Postfach 38 25, 54286 Trier, (06 51) 2 01-25 42, Fax (06 51) 2 01-39 05, E-mail: [email protected] 438. Rodi, Dr. Michael, M.A., Universitätsprofessor, Marienstr. 42, 17489 Greifswald, (0 38 34) 89 75 65; Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht, 17487 Greifswald, (0 38 34) 86 21 00, E-mail: [email protected] 439. Roellecke, Dr. Gerd, o. Professor, Kreuzackerstr. 8, 76228 Karlsruhe, (07 21) 49 17 39, Fax (07 21) 4 76 87 80; Universität Mannheim, 68131 Mannheim, (06 21) 1 81-14 29, E-mail: [email protected] 440. Röger, Dr. Ralf, Professor, Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, Fachbereich Bundesgrenzschutz, Ratzeburger Landstraße 4, 23562 Lübeck, (04 51) 2 03-17 36, Fax (04 51) 2 03-17 09, E-mail: [email protected]
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
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441. Röhl, Dr. Hans Christian, Professor, Gaisbergstr. 6/1, 69115 Heidelberg, (0 62 21) 2 67 92; Universität Konstanz, Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Europarecht und Rechtsvergleichung, Universitätsstraße 10, Fach D 115, 78464 Konstanz, (0 75 31) 88-23 13, Fax (0 75 31) 88-25 63, E-mail: [email protected] 442. Ronellenfitsch, Dr. Michael, o. Professor, Augusta-Anlage 15, 68165 Mannheim, (06 21) 41 23 34; Universität Tübingen, Juristische Fakultät, Wilhelmstr. 7, 72074 Tübingen, (0 70 71) 2 97 21 09, Fax (0 70 71) 2 97 49 05, E-mail: [email protected] 443. Rossen-Stadtfeld, Dr. Helge, Professor, Kirschenstr. 86, 82024 Taufkirchen, (0 89) 74 42 79 29; Fakultät für Wirtschafts- und Organisationswissenschaften, Universität der Bundeswehr München, 85577 Neubiberg, (0 89) 60 04-46 04, Fax (0 89) 6 01-46 93, E-mail: [email protected] 444. Rossi, Dr., Matthias, Privatdozent, Wilhelmshöher Straße 25, 12161 Berlin, (0 30) 8 51 79 67, Humboldt-Universität zu Berlin, Juristische Fakultät, Unter den Linden 9–11, 10117 Berlin, (0 30) 20 93-33 33, Fax (0 30) 20 93-33 83, E-mail: [email protected] 445. Roth, Dr. Wolfgang, Privatdozent, LL.M. (Michigan), An der Elisabethkirche 48, 53113 Bonn, (02 28) 9 12 52 73; RAe Redeker Sellner Dahs & Widmaier, Mozartstraße 4–10, 53115 Bonn, (02 28) 7 26 25-5 42, E-mail: [email protected] 446. Rozek, Dr. Jochen, Universitätsprofessor, Friedrich-Hegel-Str. 16, 01187 Dresden; Lehrstuhl für Öffentliches Recht unter besonderer Berücksichtigung von Verwaltungsrecht, Juristische Fakultät, TU Dresden, 01062 Dresden, (03 51) 4 63-73 39 oder -73 40, Fax (03 51) 4 63-72 14, E-mail: [email protected]
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
447. Ruch, Dr. Alexander, o. Professor, Gartenstr. 85, CH-4052 Basel, (00 41) 61-2 72 36 22; ETH Zentrum, D-REOK, Rämistr. 101, CH-8092 Zürich, (00 41-1) 6 32 60 01 448. Rudolf, Dr. Walter, o. Professor, Rubensallee 55a, 55127 Mainz, (0 61 31) 7 19 42; FB Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, Universität Mainz, 55099 Mainz, (0 61 31) 39-24 12, Fax (0 61 31) 39-54 39 449. Ruffert, Dr. Matthias, Professor, Reichardtstieg 3, 07743 Jena, (0 36 41) 20 72 63; Rechtswissenschaftliche Fakultät, Universität Jena, Carl-Zeiss-Straße 3, 07743 Jena, (0 36 41) 94 22 01, Fax (0 36 41) 94 22 02, E-mail: [email protected] 450. Rüfner, Dr. Wolfgang, Professor, Hagebuttenstr. 26, 53340 Meckenheim, (0 22 25) 71 07, E-mail: [email protected]; Institut für Staatskirchenrecht der Diözesen Deutschlands, Adenauerallee 19, 53111 Bonn, (02 28) 26 74-3 62, Fax (02 28) 26 74-3 69 451. Rühl, Dr. Ulli F.H., Professor, Hermann-Allmers-Str. 34, 28209 Bremen, (04 21) 3 46 74 84; Universität Bremen, FB 6 Rechtswissenschaft, Universitätsallee, GW 1, Postfach 33 04 40, 28334 Bremen, (04 21) 2 18-46 06, Sekretariat: (04 21) 2 18-21 27, E-mail: [email protected] 452. Ruland, Dr. Franz, Professor, Im Langenfeld 17a, 61350 Bad Homburg, (0 61 72) 3 11 09; Verband der Deutschen Rentenversicherungsträger, Eysseneckstr. 55, 60322 Frankfurt am Main, (0 69) 1 52 22 00 453. Rupp, Dr. Hans Heinrich, o. Professor, Am Marienpfad 29, 55128 Mainz, (0 61 31) 3 45 88 454. Ruthig, Dr. Josef, Universitätsprofessor, C8 1, 68159 Mannheim; Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, 55099 Mainz, (0 61 31) 39-2 09 64, (06 21) 1 81-14 08, Fax (06 21) 1 81-14 11, E-mail: [email protected]
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
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455. Sachs, Dr. Michael, Universitätsprofessor, Dattenfelder Str. 7, 51109 Köln, (02 21) 84 46 57, Fax (02 21) 84 06 70; Universität zu Köln, Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Albertus-Magnus-Platz, 50923 Köln, (02 21) 4 70-44 54, Fax (02 21) 4 70-51 35, E-mail: [email protected] 456. Sacksofsky, Dr. Ute, Professorin, Bundenweg 16, 60320 Frankfurt a.M., (0 69) 95 62 20 51, Fax (0 69) 95 62 20 52; Goethe-Universität, FB Rechtswissenschaft, Senckenberganlage 31, 60054 Frankfurt a.M. Postfach 11 19 32, 60325 Frankfurt a.M., (0 69) 79 82 86 54 oder 2 26 54, E-mail: [email protected] 457. Sarcevic, Dr. Edin, apl. Professor, Thomasiusstr. 5, 04109 Leipzig, (03 41) 6 01 73 93; Juristenfakultät Leipzig, Postfach 100 920, (03 41) 9 73 52 10, Fax (03 41) 9 73 52 18, E-mail: [email protected] 458. Salzwedel, Dr. Jürgen, o. Professor, Siebengebirgsstr. 86, 53229 Bonn, (02 28) 48 17 10; c/o RAe Norton, Rose, Vieregge, Köln, (02 21) 77 16-2 16, Fax (02 21) 77 16-1 10 459. Sattler, Dr. Andreas, Professor, Ludwig-Beck-Str. 17, 37075 Göttingen, (05 51) 2 23 40 460. Saxer, Dr. Urs, Privatdozent, LL.M., Kantstr. 15, CH-8044 Zürich, (00 41-1) 4 22 40 42; Büro: Steinbrüchel Hüssy Rechtsanwälte, Grossmünsterplatz 8, Postfach, CH-8024 Zürich, (00 41-1) 2 69 40 00, Fax (00 41-1) 2 69 40 01, E-mail: [email protected] 461. Schachtschneider, Dr. Karl Albrecht, o. Professor, Hubertusstraße 6, 94091 Nürnberg, (09 11) 59 94 36; Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Universität Erlangen-Nürnberg, Lange Gasse 20, 90403 Nürnberg, (09 11) 53 02-3 29 oder -3 11, Fax (09 11) 53 02-2 97, E-mail: [email protected]
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
462. Schäffer, Dr. Heinz, o. Universitätsprofessor, Große Neugasse 6/14, A-1040 Wien, (00 43-1) 5 81 17 21; Universität Salzburg, Kapitelgasse 5–7, A-5020 Salzburg, (00 43) 6 62-80 44-36 31, Fax (00 43) 6 62-80 44-3 03, E-mail: [email protected] 463. Schambeck, Dr. Dr. h. c. mult. Herbert, o. Universitätsprofessor, Hofzeile 21, A-1190 Wien, (00 43-1) 36 34 94; Universität Linz, (00 43) 7 32-24 68/-4 24 464. Schefer, Dr. Markus, Professor, Gartenstadt 18, 4142 Münchenstein/BL, Schweiz, (00 41) 6 14 11 36 28; Universität Basel Juristische Fakultät, Lehrstuhl für Staatsund Verwaltungsrecht, Maiengasse 51, 4056 Basel, (00 41) 61 2 67 25 13, E-mail: [email protected] 465. Schefold, Dr. Dian, Universitätsprofessor, Mathildenstraße 93, 28203 Bremen, (04 21) 7 25 76; FB Rechtswissenschaft der Universität Bremen, Universitätsallee, GW 1, Postfach 33 04 40, 28334 Bremen, (04 21) 2 18-21 66, Fax (04 21) 2 18-34 94, E-mail: [email protected] 466. Schenke, Dr. Ralf P., Privatdozent, Alte Straße 8 B, 79249 Merzhausen, (07 61) 7 07 15 70; Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Institut für Öffentliches Recht, Abt. II, (07 61) 2 03-22 42, Fax (07 61) 2 03-92 50, E-mail: [email protected] 467. Schenke, Dr. Wolf-Rüdiger, o. Professor, Beim Hochwald 30, 68305 Mannheim, (06 21) 74 42 00; Universität Mannheim, 68131 Mannheim, (06 21) 1 81 14 10, E-mail: [email protected] 468. Scherer, Dr. Joachim, LL.M., apl. Prof., Privatweg 9, 64342 Seeheim-Jugenheim, (0 62 57) 90 37 39; RAe Baker & McKenzie, Bethmannstr. 50–54, 60311 Frankfurt a.M., (0 69) 29 90 81 89, Fax (0 69) 29 90 81 08, E-mail: [email protected]
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469. Scherzberg, Dr. Arno, Professor, Wartburgstr. 34, 99094 Erfurt; Universität Erfurt, Staatswissenschaftliche Fakultät, Postfach 900 221, 99105 Erfurt; (03 61) 7 37-47 61, (03 61) 7 37-47 60 (Sekr.), Fax (03 61) 7 37-47 09, E-mail: [email protected] 470. Scheuing, Dr. Dieter H., o. Professor, Finkenstr. 17, 97204 Höchberg, (09 31) 4 83 31, Fax (09 31) 40 81 98; Universität Würzburg, 97070 Würzburg, (09 31) 31 23 24, Fax (09 31) 31 27 92, E-mail: [email protected] 471. Schiedermair, Dr. Hartmut, o. Professor, Wittelsbacher Str. 7, 53173 Bonn-Bad Godesberg; Institut für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht, Universität Köln, Gottfried-Keller-Str. 2, 50931 Köln, (02 21) 4 70 23 64 472. Schilling, Dr. Theodor, apl. Professor, Humboldt-Universität zu Berlin, 10117 Berlin, 13, rue de Moutfort, L-5355 Oetrange, (0 03 52) 35 85 76; Gerichtshof der EG, L-2925 Luxemburg, (0 03 52) 43 03-34 13, E-mail: [email protected] 473. Schindler, Dr. Dr. h. c. Dietrich, Professor, Lenzenwiesstr. 8, CH-8702 Zollikon; Universität Zürich, (00 41-1) 3 91-71 18 oder 41 40, Fax (00 41-1) 3 91-71 18 474. Schlaich, Dr. Klaus, o. Professor, Wolkenburgstr. 2, 53757 St. Augustin, (0 22 41) 33 75 09; Universität Bonn, (02 28) 73 91 25 475. Schlette, Dr. Volker, Privatdozent, Hirberg 4, 37170 Uslar, (0 55 73) 99 98 68; Universität Göttingen, Juristisches Seminar, Platz der Göttinger Sieben 6, 37073 Göttingen, (05 51) 39 44 13, Fax (05 51) 39 74 14 476. Schlieffen, Dr. Katharina Gräfin v., Universitätsprofessorin, FernUniversität Hagen, FB Rechtswissenschaft, Universitätsstr. 21, 58084 Hagen, (0 23 31) 9 87-28 78, Fax (0 23 31) 9 87-3 95, E-mail: [email protected]
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
477. Schliesky, Dr. Utz, Privatdozent, Täubchenstraße 4s, 14163 Berlin; Erster Beigeordneter des Deutschen Landkreistages, Lennéstraße 11, 10785 Berlin, (0 30) 59 00 97-3 00, E-mail: [email protected] oder [email protected] 478. Schlink, Dr. Bernhard, Professor, Endenicher Allee 16, 53115 Bonn, (02 28) 65 23 58; Institut für Öffentliches Recht und Völkerrecht, Humboldt-Universität zu Berlin, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, (0 30) 20 93-34 54 oder -34 72, Fax (0 30) 20 93-34 52, E-mail: [email protected] 479. Schmahl, Dr. Stefanie, LL.M., Privatdozentin, Wittelsbacherstraße 10 A, 10707 Berlin, (0 30) 88 67 61 42; Universität Potsdam, Juristische Fakultät, August-Bebel-Straße 89, 14482 Potsdam, (03 31) 9 77 32 47, Fax (03 31) 9 77 32 24, E-mail: [email protected] 480. Schmalenbach, Dr. Kirsten, Professorin, Richard Wagner Gasse 13; Karl-Franzens-Universität Graz, Universitätsplatz 3, 8010 Graz, (00 43) 31 63 80 34 16 481. Schmehl, Dr. Arndt, Privatdozent, Altenfeldsweg 17, 35394 Gießen, (06 41) 4 80 93 10 oder 9 92 11 82, Universität Augsburg, Juristische Fakultät, 86159 Augsburg, (08 21) 5 98-46 00, Fax (08 21) 5 98-45 91, E-mail: [email protected] 482. Schmid, Dr. Gerhard, Professor, Hochwaldstr. 24, CH-4059 Basel, (00 41) 61-3 31 84 25; c/o Wenger Plattner, Aeschenvorstadt 55, CH-4010 Basel, (00 41) 61-2 79-70 00, Fax (00 41) 61-2 79-70 01, E-mail: [email protected] 483. Schmid, Dr. Viola, LL.M., Universitätsprofessorin, Institut für Öffentliches Recht, Technische Universität Darmstadt, Hochschulstr. 1, 64289 Darmstadt, (0 61 51) 16 64 64; Fax (0 61 51) 16 39 84, E-mail: [email protected]
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
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484. Schmidt, Dr. Reiner, o. Professor, Bachwiesenstr. 5, 86459 Gessertshausen, (0 82 38) 41 11, Fax (0 82 38) 49 37; Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Wirtschaftsverwaltungsrecht und Umweltrecht, Universität Augsburg, Universitätsstr. 2, 86135 Augsburg, (08 21) 5 98-45 50, Fax (08 21) 5 98-45 52, E-mail: [email protected] 485. Schmidt, Dr. Walter, Universitätsprofessor, Brüder-Knauß-Str. 86, 64285 Darmstadt, (0 61 51) 6 47 10; Universität Frankfurt, 60054 Frankfurt a.M., (0 69) 7 98 2 21 89 486. Schmidt-Aßmann, Dr. Dr. h. c. Eberhard, o. Professor, Höhenstr. 30, 69118 Heidelberg, (0 62 21) 80 08 03; Universität Heidelberg, 69117 Heidelberg, (0 62 21) 54 74 28, E-mail: [email protected] 487. Schmidt-De Caluwe, Reimund, Universitätsprofessor, Unterer Hardthof 17 B, 35398 Gießen, (06 41) 3 45 66, Fax (06 41) 9 60 99 66; Juristische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Universitätsplatz 3–5, 06099 Halle (Saale), (03 45) 55-2 31 38 oder -39, E-mail: [email protected] 488. Schmidt-Jortzig, Dr. Edzard, o. Professor, Graf-Spee-Straße 18 a, 24105 Kiel, (04 31) 8 95 01 95; Rechtswissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Universität Kiel, 24118 Kiel, (04 31) 8 80-35 45, Fax (04 31) 8 80-34 90, E-mail: [email protected] 489. Schmidt-Preuß, Dr. Matthias, o. Professor, Am Römerlager 23, 53117 Bonn, (02 28) 67 80 91; Universität Bonn, Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät, Adenauerallee 24–42, 53113 Bonn, (02 28) 73 65 02, Fax (02 28) 73 65 07, E-mail: [email protected] 490. Schmidt-Radefeldt, Dr. Roman, Privatdozent, Funkenburgstraße 23, 04105 Leipzig, (03 41) 5 90 41 09; Universität Leipzig, Juristenfakultät, Burgstraße 27, 04109 Leipzig, E-mail: [email protected]
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
491. Schmitt Glaeser, Dr. Alexander, LL.M. (Yale), Privatdozent, Kaulbachstraße 64, 80539 München, (0 89) 38 54 79 31, E-mail: [email protected] 492. Schmitt Glaeser, Dr. Dr. h. c. Walter, o. Professor, Rübezahlweg 9 A, 95447 Bayreuth, (09 21) 3 20 70, Fax (09 21) 7 56 38 66, E-mail: [email protected] 493. Schmitt-Kammler, Dr. Arnulf, Universitätsprofessor, Renthof 33, 35037 Marburg/Lahn, (0 64 21) 6 49 02; Universität zu Köln, Rechtswissenschaftliche Fakultät, Albertus-Magnus-Platz, 50923 Köln, (02 21) 4 70-40 66 oder -40 67 494. Schmitz, Dr. Thomas, Privatdozent, Juristisches Seminar der Georg-August-Universität Göttingen, Platz der Göttinger Sieben 6, 37073 Göttingen, (05 51) 39 46 37, Fax (05 51) 39 74 14, E-mail: [email protected] 495. Schnapp, Dr. Friedrich E., o. Professor, Efeuweg 22, 44869 Bochum, (0 23 27) 7 42 13; Universität Bochum, 44780 Bochum, (02 34) 3 22 22 39 Fax (02 34) 3 21 42 71, E-mail: [email protected] 496. Schneider, Dr. Hans, o. Professor, Ludolf-Krehl-Str. 44, 69120 Heidelberg, (0 62 21) 48 03 81; Universität Heidelberg, 69117 Heidelberg, (0 62 21) 54 74 46 497. Schneider, Dr. Dr. h. c. Hans-Peter, o. Professor, Rominteweg 1, 30559 Hannover, (05 11) 51 10 50, Fax (05 11) 51 10 50; FB Rechtswissenschaften, Universität Hannover, Königsworther Platz 1, 30167 Hannover, (05 11) 7 62-81 85 oder 81 86 498. Schneider, Dr. Jens-Peter, Professor, Uhlenfluchtweg 7, 49078 Osnabrück, (05 41) 6 68 82 08, Fax (05 41) 6 68 82 07; European Legal Studies Institute, Universität Osnabrück, 49069 Osnabrück, (05 41) 9 69-45 00, Fax (05 41) 9 69-45 09, E-mail: [email protected]
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
499. Schöbener, Dr. Burkhard, Professor, Am Glösberg 27, 97342 Obernbreit, (0 93 32) 50 00 04; Universität zu Köln, Fachbereich Rechtswissenschaft, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht, Gottfried-Keller-Straße 2, 50931 Köln, (02 21) 4 70-38 34 oder 38 75 500. Schoch, Dr. Friedrich, o. Professor, Kastelbergstr. 19, 79189 Bad Krozingen, (0 76 33) 94 81 04, Fax (0 76 33) 94 81 05; Institut für Öffentliches Recht, Universität Freiburg, Postfach, 79085 Freiburg, (07 61) 2 03-22 57 oder 22 58, Fax (07 61) 2 03-22 97, E-mail: [email protected] 501. Scholler, Dr. Heinrich, Professor, Zwengauerweg 5, 81479 München, (0 89) 79 64 24; Universität München, Institut für Politik und Öffentliches Recht, Ludwigstr. 28/RG, 80539 München, (0 89) 21 80-27 24 502. Scholz, Dr. Rupert, o. Professor, Königsallee 71 a, 14193 Berlin; Universität München, Institut für Politik und Öffentliches Recht, Ludwigstr. 28/RG, 80539 München, (0 89) 21 80-21 13 E-mail: [email protected] 503. Schröder, Dr. Meinhard, o. Professor, Zum Wingert 2, 54318 Mertesdorf, (06 51) 5 78 87; Universität Trier, 54286 Trier, (06 51) 2 01 25 86, E-mail: [email protected] 504. Schroeder, Dr. Werner, Professor, LL.M., Universität Innsbruck, Institut für Völkerrecht, Europarecht und Internationale Beziehungen, Innrain 52, A-6020 Innsbruck, (00 43) 5 12-5 07-83 20, Fax (00 43) 5 12-5 07-26 51, E-mail: [email protected] 505. Schuler-Harms, Dr. Margarete, Privatdozentin, Heidkoppel 19, 22145 Hamburg, Tel. + Fax (0 40) 6 78 63 73; Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Fachbereich Rechtswissenschaft, Senckenberganlage 31, 60054 Frankfurt am Main, (0 69) 7 98-2 36 16, E-mail: [email protected]
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
506. Schulev-Steindl, Dr. MMag. Eva, LL.M. (London), a.o. Univ. Prof., Auhofstraße 158/20, A-1130 Wien; Institut für Staats- und Verwaltungsrecht, Universität Wien, Schottenbastei 10–16, A-1010 Wien, (00 43-1) 42 77-3 54 53 oder -51, Fax (00 43-1) 42 77-3 54 59, E-mail: [email protected] 507. Schulte, Dr. Martin, Professor, Neuostra 15, 01219 Dresden, (03 51) 4 72 25 50; Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Umwelt- und Technikrecht, Juristische Fakultät, TU Dresden, von-Gerber-Bau, Bergstr. 53, 01069 Dresden, (03 51) 46 33-73 62, Fax (03 51) 46 33-72 20, E-mail: [email protected] 508. Schulze-Fielitz, Dr. Helmuth, Professor, Klara-Löwe-Str. 5, 97082 Würzburg, (09 31) 7 84 10 25, Fax (09 31) 7 84 10 34; Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Umweltrecht und Verwaltungswissenschaften, Universität Würzburg, Domerschulstr. 16, 97070 Würzburg, (09 31) 31 23 31/2, Fax (09 31) 31 26 17, E-mail: [email protected] 509. Schuppert, Dr. Gunnar Folke, Professor, Kaiserdamm 28, 14057 Berlin, (0 30) 30 61 21 68; Humboldt-Universität zu Berlin, Juristische Fakultät, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, (0 30) 20 93-35 02, Fax (0 30) 20 93-33 44, E-mail: [email protected] 510. Schwabe, Dr. Jürgen, Professor, Erlenweg 1, 21614 Buxtehude, (0 41 61) 8 71 41, Fax (0 41 61) 72 26 00, E-mail: [email protected] 511. Schwartmann, Dr. Rolf, Privatdozent Brucknerstraße 18, 50931 Köln, (02 21) 4 00 90 94; Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Fachbereich 03, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Europarecht, Völkerrecht und Internationales Wirtschaftsrecht, Jakob-Welder-Weg 4, 55099 Mainz, (0 61 31) 3 92 23 84, E-mail: [email protected]
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
512. Schwarz, Dr. Kyrill-A., Privatdozent, Moltkestraße 1, 76133 Karlsruhe; Bundesverfassungsgericht, Schloßbezirk 3, 76131 Karlsruhe E-mail: [email protected] 513. Schwarze, Dr. Jürgen, Professor, Universität Freiburg, Institut für Öffentliches Recht Abt. I, Platz der Alten Synagoge 1, 79098 Freiburg, (07 61) 2 03-22 38, oder -51, Fax (07 61) 2 03-22 34, E-mail: [email protected] 514. Schwarzer, Mag., Dr. Stephan, Universitätsdozent, Rodlergasse 7/10, A-1190 Wien, (00 43-1) 3 69 17 46; Bundeswirtschaftskammer, Wiedner Hauptstr. 63, A-1045 Wien, (00 43-1) 5 01 05-41 95 515. Schweitzer, Dr. Michael, Professor, Göttweiger Str. 135, 94032 Passau, (08 51) 3 45 33; Universität Passau, 94032 Passau, (08 51) 5 09-23 30, Fax (08 51) 5 09-23 32, E-mail: [email protected] 516. Schweizer, Dr. Rainer J., o. Professor, Kirchgasse 9, CH-9220 Bischofszell; Forschungsgemeinschaft für Rechtswissenschaften, Universität St. Gallen, Tigerbergstr. 21, CH-9000 St. Gallen, (00 41) 7 12 24 21 61, Fax (00 41) 7 12 24 21 62, E-mail: [email protected] 517. Schwerdtfeger, Dr. Gunther, Universitätsprofessor, Hülsebrinkstr. 23, 30974 Wennigsen/Deister, (0 51 03) 13 11; FB Rechtswissenschaften, Universität Hannover, Königsworther Platz 1, 30167 Hannover, (05 11) 7 62-82 80 518. Seer, Dr. Roman, Universitätsprofessor, Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhl für Steuerrecht, Gebäude GC 8/137, Universitätstr. 150, (02 34) 3 22 82 69, Fax (02 34) 3 21 46 14, E-mail: [email protected] 519. Seewald, Dr. Otfried, o. Professor, Schärdingerstraße 21 A, 94032 Passau, Tel/Fax (08 51) 3 51 45; Universität Passau, Innstr. 40, Postfach 25 40, 94030 Passau, (08 51) 50 9-23 40 oder -41, Fax (08 51) 5 09-23 42, E-mail: [email protected]
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
520. Seidel, Dr. Gerd, Professor, Donizettistraße 102, 12623 Berlin, (0 30) 56 59 75 56; Humboldt Universität zu Berlin, Juristische Fakultät, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, (0 30) 20 93-35 17/-12, Fax (0 30) 20 93-33 84, E-mail: [email protected] 521. Seiler, Dr. Christian, Privadozent, Erwin-Rohde-Str. 6, 69120 Heidelberg, (0 62 21) 47 59 79; Institut für Finanz- und Steuerrecht, Universität Heidelberg, Friedrich-Ebert-Anlage 6–10, 69117 Heidelberg, (0 62 21) 54 74 59, E-mail: [email protected] 522. Selmer, Dr. Peter, Professor, Akazienweg 9, 22587 Hamburg, (0 40) 86 47 43; Universität Hamburg, 20146 Hamburg, (0 40) 4 28 38-45 76, Fax (0 40) 4 28 38-30 28 523. Senn, Dr. Marcel, Professor Rechtswissenschaftliches Institut der Universität Zürich, Lehrstuhl für Rechtsgeschichte, Juristische Zeitgeschichte und Rechtsphilosophie, Rämistraße 74/23, CH-8001 Zürich, (00 41-44) 6 34 30 05, Fax (00 41-44) 6 34 43 90, E-mail: [email protected] 524. Sieckmann, Dr. Jan-Reinhard, Professor, Sozial- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Feldkirchenstr. 21, 96051 Bamberg, (09 51) 8 63-27 40, Fax (09 51) 8 63-57 40, E-mail: [email protected] 525. Siedentopf, Dr. Dr. h. c. Heinrich, o. Professor, Hauptstr. 170, 76829 Landau, (0 63 41) 6 07 57; Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Freiherr-vom-Stein-Str. 2–6, 67324 Speyer, (0 62 32) 6 54-3 65 oder -3 58, E-mail: [email protected] 526. Siekmann, Dr. Helmut, Professor, Hustadtring 143, 44801 Bochum; Ruhr-Universität Bochum, Juristische Fakultät, 44780 Bochum, (02 34) 3 22 52 52, E-mail: [email protected]
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
527. Silagi, Dr. Dr. Michael, Privatdozent, Institut für Völkerrecht, Universität Göttingen, Platz der Göttinger Sieben 5, 37073 Göttingen, (05 51) 39-47 34 528. Skouris, Dr. Wassilios, Professor, Nikolaou Manou 18, GR-54643 Thessaloniki, (00 30-31) 83 14 44; Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Palais de la Cour de Justice, L-2925 Luxembourg, (0 03 52) 43 03 22 09, Fax (0 03 52) 43 03 27 36 529. Sodan, Dr. Helge, Universitätsprofessor, Fachbereich Rechtswissenschaft, Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Sozialrecht, Freie Universität Berlin, Van’t-Hoff-Str. 8, 14195 Berlin, (0 30) 8 38-5 39 72 oder -7 39 73, Fax (0 30) 8 38-5 44 44, Präsident des Verfassungsgerichtshofes des Landes Berlin, Elßholzstr. 30–33, 10781 Berlin, (0 30) 90 15-26 50, Fax (0 30) 90 15-26 66, E-mail: [email protected] 530. Söhn, Dr. Hartmut, o. Professor, Eppanerstr. 9, 94036 Passau, (08 51) 5 85 20; Universität Passau, Lehrstuhl für Staats- u. Verwaltungsrecht insbesondere Finanz- und Steuerrecht, 94032 Passau, (08 51) 5 09-23 50, Fax (08 51) 5 09-23 52, E-mail: [email protected] 531. Somek, Dr. Alexander, Professor, University of Iowa, College of Law, Melrose and Byington Iowa City, Iowa USA 52242, (3 19) 3 35 90 34, Fax: (31 91) 3 35 9 01 98, E-mail: [email protected] 532. Sommermann, Dr. Karl-Peter, Universitätsprofessor, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Staatslehre und Rechtsvergleichung, Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Postfach 14 09, 67346 Speyer, (0 62 32) 6 54-3 44, Fax (0 62 32) 6 54-3 05, E-mail: [email protected]
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
533. Spannowsky, Dr. Willy, Universitätsprofessor, Auf dem Kleehügel 17, 67706 Krickenbach, (0 63 07) 99 39 63, Fax (0 63 07) 99 39 49; Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Postfach 30 49, 67653 Kaiserslautern, (06 31) 2 05-39 75, Fax (06 31) 2 05-39 77 534. Staff, Dr. Ilse, Universitätsprofessorin, Am Forum 4, 65779 Kelkheim, (0 61 95) 33 08; Universität Frankfurt, 60054 Frankfurt a.M. 535. Starck, Dr. Christian, o. Professor, Schlegelweg 10, 37075 Göttingen, (05 51) 5 54 54; Universität Göttingen, Juristisches Seminar, Platz der Göttinger Sieben 6, 37073 Göttingen, (05 51) 39-74 12 oder -13, Fax (05 51) 39-74 14, E-mail: [email protected] 536. Steiger, Dr. Heinhard, Universitätsprofessor, Oberhof 16, 35440 Linden, (06 41) 2 32 52; Universität Gießen, 35394 Gießen, (06 41) 9 92 11-50 oder -51, Fax (06 41) 9 92 11-59 537. Stein, Dr. Ekkehart, o. Professor, Magdebergstr. 16 b, 78224 Singen, (0 77 31) 94 85 71; Universität Konstanz, Postfach 55 60 D 104, 78434 Konstanz, (0 75 31) 88 23-29 oder-28 538. Stein, Dr. Torsten, Universitätsprofessor, Ludolf-Krehl-Str. 1 b, 69120 Heidelberg, Tel/Fax (0 62 21) 48 04 38; Universität des Saarlandes, Europa-Institut, Am Stadtwald, 66041 Saarbrücken, (06 81) 3 02-45 67 oder -36 95, Fax (06 81) 3 02-48 79, E-mail: [email protected] 539. Steinberg, Dr. Rudolf, Universitätsprofessor, Wingertstr. 2a, 65719 Hofheim; Präsident der Goethe-Universität Frankfurt, Senckenberganlage 31, 60054 Frankfurt a.M., (0 69) 7 98 2 22 31, Fax (0 69) 7 98-2 87 93, E-mail: [email protected]
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540. Steinberger, Dr. Helmut, o. Professor, Saphirweg 13, 69181 Leimen; MPI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Im Neuenheimer Feld 535, 69120 Heidelberg, (0 62 21) 4 82-2 61, Fax (0 62 21) 4 82-2 88; Juristisches Seminar, Universität Heidelberg, Friedrich-Ebert-Anlage 6–10, 69117 Heidelberg, (0 62 21) 54-74 54 oder -55, Fax (0 62 21) 54-77 44, E-mail: [email protected] 541. Steiner, Dr. Udo, o. Professor, Richter des Bundesverfassungsgerichts, Am Katzenbühl 5, 93055 Regensburg, (09 41) 70 09 13; Universität Regensburg, 93040 Regensburg, (09 41) 9 43-26 66 oder -26 67, Fax (09 41) 9 43-49 93, oder Karlsruhe (07 21) 91 01-2 17, Fax (07 21) 91 01-3 82, E-mail: [email protected] 542. Stelkens, Dr. Ulrich, Privatdozent, Bruchwiesenstraße 27, 66111 Saarbrücken, (06 81) 37 64 20; Universität des Saarlandes, Im Stadtwald, 66123 Saarbrücken, (06 81) 3 02-43 59, Fax (06 81) 3 02-43 37, E-mail: [email protected] 543. Stelzer, Dr. Manfred, Universitätsprofessor, Anton-Wildgansgasse 12/4, A-2380 Perchtoldsdorf, (00 43-6 64) 2 12 56 18; Universität Wien, Schottenbastei 10–16, A-1010 Wien, (00 43-1) 42 77-3 54 31 oder -32, E-mail: [email protected] 544. Stender-Vorwachs, Dr. Jutta LL. M. (UVA, USA), Privatdozentin, Universität Hannover, Fachbereich Rechtswissenschaften, Königsworter Platz 1, 30167 Hannover, (05 11) 7 62-82 50 oder -82 49; Am Ortfelde 99A, 30916 Isernhagen N.B., (05 11) 7 24 08 07, Fax (05 11) 7 24 08 54, E-mail: [email protected] 545. Stern, Dr. Dr. h. c. mult. Klaus, o. Professor, Am Stockberger Busch 10, 51515 Kürten, (0 22 68) 61 67; Universität Köln, Albertus-Magnus-Platz, 50923 Köln, (02 21) 4 70 22 89
522
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546. Stettner, Dr. Rupert, Professor, Alpenstr. 11 a, 85221 Dachau, (0 81 31) 27 89 96, Tel./Fax (0 81 31) 27 89 98; Institut für Staatswissenschaften, Universität der Bundeswehr München, Werner-Heisenberg-Weg 39, 85579 Neubiberg, (0 89) 60 04-38 64 oder -37 02 oder -20 43, Fax (0 89) 60 04-28 41, E-mail: [email protected] 547. Stober, Dr. Dr. h. c. mult. Rolf, Professor, Am Blütenhain 33, 48163 Münster, (0 25 36) 17 34, Fax (0 25 36) 68 38; Institut für Recht der Wirtschaft, Universität Hamburg, Max-Brauer-Allee 60, 22765 Hamburg, (0 40) 4 28 38-46 37, Fax (0 40) 4 28 38-64 58, E-mail: [email protected] 548. Stock, Dr. Martin, Professor, Lina-Oetker-Str. 22, 33615 Bielefeld, (05 21) 12 19 95; Fakultät für Rechtswissenschaft, Universität Bielefeld, Postfach 10 01 31, 33501 Bielefeld, (05 21) 1 06 43 90, Fax (05 21) 1 06 80 55, E-mail: [email protected] 549. Stoll, Dr. Peter-Tobias, Professor, Institut für Völkerrecht, Abteilung für Internationales Wirtschaftsrecht, Universität Göttingen, Platz der Göttinger Sieben 5, 37073 Göttingen, (05 51) 39 46 61, E-mail: [email protected] 550. Stolleis, Dr. Dr. h. c. mult. Michael, Universitätsprofessor, Waldstr. 15, 61476 Kronberg, (0 61 73) 6 56 51; Universität Frankfurt, MPI für europäische Rechtsgeschichte, Hausener Weg 120, 60489 Frankfurt a.M., (0 69) 7 89 78-2 22, Fax (0 69) 7 89 78-1 69, E-mail: [email protected] 551. Stolzlechner, Dr. Harald, o. Universitätsprofessor, Gneiser Straße 57, A-5020 Salzburg, (00 43) 6 62-82 39 35; Universität Salzburg, (00 43) 6 62-80 44 36 01, E-mail: [email protected] 552. Storr, Dr. Stefan, Privatdozent, Lassallestraße 12, 07743 Jena, (0 36 41) 82 80 62; Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Politik und Öffentliches Recht, 81539 München, (0 89) 21 80-3 33 92
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
553. Streinz, Dr. Rudolf, o. Professor, Waldsteinring 26, 95448 Bayreuth, (09 21) 9 47 30, E-mail: [email protected]; Ludwig-Maximilians-Universität München, Juristische Fakultät, Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Europarecht, Professor-Huber-Platz 2, 80539 München, (0 89) 21 80-33 35, Fax (0 89) 21 80-24 40, E-mail: [email protected] 554. Stumpf, Dr. Christoph, Privatdozent, Hagener Allee 4, 22926 Ahrensburg, (0 41 02) 45 51 30, Fax (0 41 02) 45 51 31; Wilhelm-Ziegler-Weg 14, 91541 Rotenburg o.d.T., (0 98 61) 74 11, E-mail: [email protected] 555. Suerbaum, Dr. Joachim, o. Professor, Hattinger Str. 574, 44879 Bochum, (02 34) 47 26 26; Universität Würzburg, Domerschulstraße 16, 97070 Würzburg, (09 31) 31-28 97 oder 31-28 99, E-mail: [email protected] 556. Sydow, Dr. Gernot, M.A., Privatdozent, Dietenbachstraße 14, 79114 Freiburg, (07 61) 8 97 22 23; Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Institut für Öffentliches Recht II, Platz der Alten Synagoge 1, 79085 Freiburg, (07 61) 2 03-22 44, Fax (07 61) 2 03-22 91, E-mail: [email protected] 557. Talmon, D. Phil. (Oxon.) Stefan, LL.M. (Cantab.), Privatdozent, 14 Derwent Avenue, Headington, Oxford OX3 0AP, (00 44) (0) 18 65 42 75 44, Fax (00 44) (0) 18 65 42 75 44; St Anne’s College, Woodstock Road, Oxford OX2 6HS, (00 44) (0) 18 65 28 45 30, Fax (00 44) (0) 18 65 27 48 99, E-mail: [email protected] 558. Tettinger, Dr. Peter J., o. Professor, Bergstr. 30, 50999 Köln, (0 22 36) 6 68 56; Institut für öffentliches Recht und Verwaltungslehre der Universität zu Köln, Albertus-Magnus-Platz, 50931 Köln, (02 21) 4 70 22 89, Fax (02 21) 4 70 51 26, E-mail: [email protected]
523
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
559. Thieme, Dr. Werner, Professor, Berggartenstraße 14, 29223 Celle, (0 51 41) 3 73 69, Fax (0 51 41) 93 13 73; Universität Hamburg, 20146 Hamburg, (0 40) 4 28 38-45 69 560. Thienel, Dr. Rudolf, Universitätsprofessor, Pfeilgasse 31/10, A-1080 Wien; Institut für Staats- und Verwaltungsrecht, Universität Wien, Schottenbastei 10–16, A-1010 Wien, (00 43-1) 4 01 03-32 60, Fax (00 43-1) 5 33 40 99 561. Thürer, Dr. Dr. h. c. Daniel, LL.M., o. Professor, Abeggweg 20, CH-8057 Zürich, (00 41-1) 3 62 65 47; Universität Zürich, Institut für Völkerrecht und Ausländisches Verfassungsrecht, Hirschgraben 40, CH-8001 Zürich, (00 41-1) 6 34-20 31, Fax (00 41-1) 6 34-49 92, E-mail: [email protected] 562. Tietje, Dr. Christian, Professor, Hegelstraße 14, 06144 Halle (Saale), (03 45) 5 48 39 13; Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Juristische Fakultät, Juridicum, Universitätsplatz 5, 06108 Halle (Saale), (03 45) 5 52-31 80, Fax (03 45) 5 52-72 01, E-mail: [email protected] 563. Tomuschat, Dr. Christian, Professor, Odilostraße 25a, 13467 Berlin, (0 30) 40 54 14 86, Fax (0 30) 40 54 14 88; Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Völker- und Europarecht, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, (0 30) 20 93-33 35 oder -05 oder -22, Fax (0 30) 20 93 33 65, E-mail: [email protected] 564. Trute, Dr. Hans-Heinrich, Universitätsprofessor, Wettinplatz 3, 01896 Pulsnitz, (03 59 55) 4 53 01; Universität Hamburg, Fachbereich Rechtswissenschaft, Edmund-Siemers-Allee 1, 20146 Hamburg, (0 40) 4 28 38-57 21 oder -56 25, Fax (0 40) 4 28 38-27 00, E-mail: [email protected] und [email protected]
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
525
565. Tsatsos, Dr. Dimitris Th., o. Professor, Kockenhof 12, 58093 Hagen, (0 23 34) 95 47 47; FernUniversität Hagen, 58097 Hagen, (0 23 31) 9 87-28 76 Fax (0 23 31) 9 87-3 24 566. Tschentscher, Dr. jur. Axel, LL.M., M.A., Assistenzprofessor, Universität Bern, Institut für öffentliches Recht, Hochschulstraße 4, CH-3012 Bern, (00 41) 31-6 31 88 99, Fax (00 41) 31-6 31 38 83 567. Uber, Dr. Giesbert, o. Professor, Roseneck 5, 48165 Münster, (02 51) 31 59; Universität Münster, (02 51) 83 27 01, E-mail: [email protected] 568. Uerpmann-Wittzack, Dr. Robert, Professor, Pfarrergasse 9, 93047 Regensburg, (09 41) 5 67 64 91; Universität Regensburg, Juristische Fakultät, 93040 Regensburg, (09 41) 9 43-26 60 oder 26 59, Fax (09 41) 9 43-19 73, E-mail: [email protected] 569. Uhle, Dr. Arnd, Privatdozent, Denglerstraße 54, 53173 Bonn-Bad Godesberg, (02 28) 9 02 58 09; Ludwig-Maximilians-Universität München, Juristische Fakultät (Lehrstuhl Prof. Dr. Rupert Scholz), Prof.-Huber-Platz 2, 80539 München, (0 89) 21 80 21 13, E-mail: [email protected] 570. Umbach, Dr. Dieter C., Professor, Lehrstuhl für Verwaltungsrecht mit Sozialrecht sowie europäisches Verfassungsrecht, Universität Potsdam, PF 90 03 27, 14439 Potsdam, (03 31) 9 77-32 64 571. Unruh, Dr. Peter, Privatdozent, Juristisches Seminar der Georg-August-Universität Göttingen, Platz der Göttinger Sieben 6, 37073 Göttingen, E-mail: [email protected] 572. Unruh, Dr. Georg-Christoph v., o. Professor, Steenkamp 2, 24226 Heikendorf, (04 31) 23 14 59; Universität Kiel, Lorenz vom Stein-Institut, 24106 Kiel, (04 31) 8 80 35-22 oder -29
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
573. Vallender, Dr. Klaus A., Professor, Unterbach 4, CH-9043 Trogen, (00 41 71) 94 27 69; Universität St. Gallen, Bodanstr. 4, CH-9000 St. Gallen, (00 41 71) 2 24 25 19 574. Vedder, Dr. Christoph, Professor, Sollner Str. 33, 81479 München, (0 89) 79 10 03 83, Fax (0 89) 79 10 03 84; Juristische Fakultät, Universität Augsburg, Postfach, 86135 Augsburg, (08 21) 5 98-45 70, Fax (08 21) 5 98-45 72, E-mail: [email protected] 575. Vesting, Dr. Thomas, Universitätsprofessor, Habsburgerstr. 3, 80801 München, (0 89) 39 21 44; Fachbereich Rechtswissenschaft, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Senckenberganlage 31–33, 60054 Frankfurt am Main, (0 69) 7 98 2 85 09, Fax (0 69) 7 98 2 80 73, E-mail: [email protected] 576. Vitzthum, Dr. Dr. h. c. Wolfgang Graf, o. Professor, Im Rotbad 19, 72076 Tübingen, (0 70 71) 6 38 44, Fax (0 70 71) 6 38 88; Universität Tübingen, Juristische Fakultät, Wilhelmstr. 7, 72074 Tübingen, (0 70 71) 2 97 52 66, Fax (0 70 71) 2 97 49 05, E-mail: [email protected] 577. Vogel, Dr. Dr. h. c. Klaus, o. Professor, Konradstraße 9 Rgb., 80801 München, (0 89) 38 86 92 03, Fax (0 89) 38 86 92 04; Institut für Politik und Öffentliches Recht, Professor-Huber-Platz 2, 80539 München, (0 89) 21 80-27 18, Fax (0 89) 34 14 40, E-mail: [email protected] 578. Volkmann, Dr. Uwe, Professor, Am Bonifatiusbrunnen 231, 60439 Frankfurt a.M., (0 69) 51 86 73; Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, FB Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, Lehrstuhl für Rechtsphilosophie und Öffentliches Recht, 55099 Mainz, (0 61 31) 39-2 34 53, Fax (0 61 31) 39-2 30 90, E-mail: [email protected]
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
579. Voßkuhle, Dr. Andreas, Professor, Sternwaldstr. 7, 79102 Freiburg, Tel./Fax: (07 61) 7 07 52 11; Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Institut für Staatswissenschaft und Rechtsphilosophie, Postfach, 79085 Freiburg i. Br., (07 61) 2 03-22 09, Fax (07 61) 2 03-91 93, E-mail: [email protected] 580. Waechter, Dr. Kay, Professor, Ceciliengärten 12, 12159 Berlin; FB Rechtswissenschaft, Universität Hannover, Königsworther Platz 1, 30167 Hannover, (05 11) 7 62-82 27, E-mail: [email protected] 581. Wahl, Dr. Rainer, o. Professor, Hagenmattenstr. 6, 79117 Freiburg, (07 61) 6 59 60; Universität Freiburg, Institut für Öffentliches Recht VI, Wilhelmstr. 26, 79085 Freiburg, (07 61) 2 03-22 52 oder -53, Fax (07 61) 2 03 22 93, E-mail: [email protected] 582. Waldhoff, Dr. Christian, Privatdozent, Lorettostraße 10, 79100 Freiburg, (07 61) 2 08 59 33, E-mail: [email protected] 583. Wallerath, Dr. Maximilian, Universitätsprofessor, Gudenauer Weg 86, 53127 Bonn, (02 28) 28 32 02; Universität Greifswald, Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, 17487 Greifswald, (0 38 34) 86 21 44 Fax (0 38 34) 8 68 00 77, E-mail: [email protected] 584. Walter, Dr. Christian, Professor, Zähringerstraße 50, 69115 Heidelberg, (0 62 21) 60 28 06; Friedrich-Schiller-Universität Jena, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Europarecht, Völkerrecht und Internationales Wirtschaftsrecht, Carl-Zeiss-Str. 3, 07743 Jena, (0 36 41) 94 22 60, Fax: (0 36 41) 94 22 62, E-mail: [email protected] 585. Weber, Dr. Albrecht, Professor, Weidenweg 20, 49143 Bissendorf, (0 54 02) 39 07; Universität Osnabrück, 49069 Osnabrück, (05 41) 9 69-61 88, E-mail: [email protected]
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
586. Weber, Dr. Karl, o. Universitätsprofessor, Noldinstr. 14, A-6020 Innsbruck, (00 43) 06 64-1 62 57 39; Universität Innsbruck, Institut für Öffentliches Recht, Finanzrecht und Politikwissenschaft, Innrain 80, A-6020 Innsbruck, (00 43) 5 12-5 07-82 30, E-mail: [email protected] 587. Weber-Dürler, Dr. Beatrice, o. Professorin, Ackermannstr. 24, CH-8044 Zürich, (00 41-44) 2 62 04 20; Universität Zürich, Rechtswissenschaftliches Institut, Rämistrasse 74/20, CH-8001 Zürich, (00 41-44) 6 34 44 40, Fax (00 41-44) 6 34 47 96, E-mail: [email protected] 588. Wegener, Dr. Bernhard W., Professor, Vierzigmannstraße 23, 91054 Erlangen, (01 79) 4 66 18 32; Friedrich-Alexander-Universität, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Schillerstraße 1, 91054 Erlangen, Sek. (0 91 31) 8 52 92 85, Fax (0 91 31) 8 52 64 39, E-mail: [email protected] 589. Wehr, Dr. Matthias, Privatdozent, Am Schwarzenberg 37, 97078 Würzburg, (09 31) 2 16 30; Universität Würzburg, Institut für Staats- und Verwaltungsrecht, Rechtsphilosophie, Domerschulstraße 16, 97070 Würzburg, E-mail: [email protected] 590. Weiß, Dr. Wolfgang, Privatdozent, Universität Bayreuth, Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, 95440 Bayreuth, (09 21) 55-35 32, E-mail: [email protected] 591. Wendt, Dr. Rudolf, o. Professor, Schulstr. 45, 66386 St. Ingbert-Hassel, (0 68 94) 5 32 87; Universität des Saarlandes, Institut für Finanzund Steuerrecht, Postfach 11 50, 66041 Saarbrücken, (06 81) 3 02-31 04 oder -21 04 592. Wernsmann, Dr. Rainer, Privatdozent, Gasselstiege 48, 48159 Münster, (02 51) 52 50 27; Universität Münster, Institut für Steuerrecht, Universitätsstr. 14–16, 48143 Münster, (02 51) 83-2 26 04 oder -2 27 95, E-mail: [email protected]
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593. Wiederin, Dr. Ewald, Universitätsprofessor, Universität Salzburg, Institut für Verfassungs- und Verwaltungsrecht, Kapitelgasse 5–7, A-5020 Salzburg, (00 43) 6 62-80 44- 36 11, Fax (00 43) 6 62-80 44-1 69, E-mail: [email protected] 594. Wieland, Dr. Joachim, LL.M., Universitätsprofessor, Georg-Mendel-Straße 13, 53115 Bonn, (02 28) 6 19 59 98, Fax (02 28) 3 49 48 98; FB Rechtwissenschaften, Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht, Johann-Wolfgang-von-Goethe Universität, 60325 Frankfurt a.M., (0 69) 7 98-2 27 11, Fax (0 69) 7 98-2 25 62, E-mail: [email protected] 595. Wielinger, Dr. Gerhard, Universitätsdozent, Bergmanngasse 22, A-8010 Graz, (00 43) 3 16-31 87 14; dienstl. (00 43) 3 16-70 31 24 28 596. Wieser, DDr. Bernd, a.o. Universitätsprofessor, Wittenbauerstr. 76, A-8010 Graz; Institut für Öffentliches Recht, Politikwissenschaft und Verwaltungslehre, Karl-Franzens-Universität Graz, Universitätsstr. 15/C3, A-8010 Graz, (00 43) 3 16-3 80-33 81 oder -83, Fax (00 43) 3 16-3 80-94 50, E-mail: [email protected] 597. Wildhaber, Dr. Luzius, o. Professor, Auf der Wacht 21, CH-4104 Oberwil, (00 41 61) 4 01 25 21; Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Europarat, F-67075 Strasbourg Cedex, (00 33-3 88) 41 23 91 598. Will, Dr. Rosemarie, Professorin, Humboldt-Universität zu Berlin, Juristische Fakultät, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, (0 30) 20 93 33 00/36 82, Fax (0 30) 20 93 34 53, E-mail: [email protected] 599. Wilke, Dr. Dieter, Präsident des OVG Berlin a. D., Universitätsprofessor a. D., apl. Professor an der Freien Universität Berlin, Schweinfurthstr. 10, 14195 Berlin
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
600. Wilms, Dr. Heinrich, o. Professor Friedenstrasse 3, 78166 Donaueschingen, (07 00) 88 40 04 00, Fax (07 00) 88 40 04 01; Fachbereich Rechtswissenschaf, Universität Konstanz, Fach D-110, 78457 Konstanz, (0 75 31) 88-30 04, Fax (0 75 31) 88-40 08, Fax (0 75 31) 88-40 08, E-mail: [email protected], Internet: http://www.staatslehre.de 601. Wimmer, Dr. Norbert, o. Universitätsprofessor, Heiliggeiststr. 16, A-6020 Innsbruck, (00 43) 5 12-58 61 44; Universität Innsbruck, Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaften, Innrain 80/82, A-6020 Innsbruck, (00 43) 5 12-82 00 oder 82 01, E-mail: [email protected], Internet: http://www.uibk.ac.at/c/c3/c309 602. Winkler, Dr. DDr. h. c. Günther, o. Universitätsprofessor, Reisnerstr. 22/5/11, A-1030 Wien, (00 43-1) 7 13 44 15; Universität Wien, Schottenbastei 10–16, A-1010 Wien, (00 43-1) 4 01 03-31 31 603. Winter, Dr. Gerd, Professor, FB 6: Rechtswissenschaft, Universität Bremen, Postfach 33 04 40, 28334 Bremen, (04 21) 2 18-28 40, Fax (04 21) 2 18-34 94, E-mail: [email protected] 604. Winzeler, Dr. Christoph, LL. M. (Harv.) Privatdozent, St.-Jakobs-Strasse 96, CH-4052 Basel, (00 41) 6 12 95 93 93 (Büro), Fax (00 41) 6 12 72 53 82 (Büro); Universität Fribourg, Institut für Kirchenrecht und Staatskirchenrecht, Miséricorde, Büro 4119, CH-1700 Fribourg, (00 41) 2 63 00 80 23, Fax (00 41) 2 63 00 96 66, E-mail: [email protected] 605. Wittmann, Dr. Heinz, a.o. Universitätsprofessor, Steinböckengasse 4/14, A-1140 Wien, (00 43-1) 9 14 31 75; Verlag Medien und Recht GmbH, Danhausergasse 6, A-1040 Wien, (00 43-1) 5 05 27 66, Fax (00 43-1) 5 05 27 66-15 606. Wolf, Dr. Joachim, Professor, Am Schrebergarten 8, 44625 Herne, (0 23 23) 45 96 25; Juristische Fakultät, Ruhr-Universität Bochum, Umweltrecht, Verwaltungsrecht und Verwaltungslehre, Gebäude GC, Universitätsstr. 150, 44789 Bochum, (02 34) 3 22-52 52, Fax (02 34) 3 21 44 21, E-mail: [email protected]
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
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607. Wolff, Dr. Heinrich Amadeus, Professor, Rudolf-Ditzen-Weg 12, 13156 Berlin; LMU München, Institut für Politik und Öffentliches Recht der Universität München, Professor-Huber-Platz 2, 80539 München, (0 89) 21 80 32 62 und (0 30) 48 09 79 48, E-mail: [email protected] 608. Wolfrum, Dr. Dr. h. c. Rüdiger, o. Professor, Mühltalstr. 129 b, 69121 Heidelberg, (0 62 21) 47 52 36; MPI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Im Neuenheimer Feld 535, 69120 Heidelberg, (0 62 21) 48 22-55 oder -56, Fax (0 62 21) 48 22 88, E-mail: [email protected] 609. Wollenschläger, Dr. Michael, Professor, An den Forstäckern 15, 97204 Höchberg, (09 31) 4 91 96; Universität Würzburg, Domerschulstr. 16, 97070 Würzburg, (09 31) 31 23 05, Fax (09 31) 31 23 17, E-mail: [email protected] 610. Wolter, Dr. Henner, Privatdozent, Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, (0 30) 20 93-34 72, Fax (0 30) 20 93-34 52, E-mail: [email protected] 611. Würtenberger, Dr. Thomas, o. Professor, Beethovenstr. 9, 79100 Freiburg, (07 61) 7 86 23; Universität Freiburg, Postfach, 79085 Freiburg, (07 61) 2 03-22 46 oder -22 49, E-mail: [email protected] 612. Wyduckel, Dr. Dieter, Professor, Juristische Fakultät, TU Dresden, 01062 Dresden, (03 51) 4 63-73 21, Fax (03 51) 4 63-72 09, E-mail: [email protected] 613. Wyss, Dr. iur. Martin, Privatdozent, Stellvertretender Leiter der Abteilung 2 für Rechtsetzung, Bundesamt für Justiz, Bundeshaus West, CH-3003 Bern, (0 31) 3 22 75 75, E-mail: [email protected]
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
614. Zacher, Dr. Dr. h. c. mult. Hans F., o. Professor, Starnberger Weg 7, 82343 Pöcking, (0 81 57) 13 84; MPI für ausländisches und internationales Sozialrecht Amalienstr. 33, 80799 München, Postfach 34 01 21, 80098 München, (0 89) 3 86 02-5 02, Fax (0 89) 3 86 02-5 90 615. Zeh, Dr. Wolfgang, Professor, Ministerialdirektor, Brunhildstr. 9, 10829 Berlin, (0 30) 78 70 75 63; Deutscher Bundestag, Platz der Republik, 11011 Berlin, (0 30) 2 27-3 21 01 und 2 27-3 22 01, Fax (0 30) 2 27-3 60 38 616. Zezschwitz, Dr. Friedrich v., Universitätsprofessor, Petersweiher 47, 35394 Gießen, (06 41) 4 51 52; Universität Gießen, 35390 Gießen, (06 41) 7 02 50 20, E-mail: [email protected] 617. Ziekow, Dr. Jan, Universitätsprofessor, Gartenstraße 3, 67361 Freisbach, (0 63 44) 59 02, Fax (0 63 44) 59 02; Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Postfach 14 09, 67324 Speyer, (0 62 32) 6 54-0, E-mail: [email protected] 618. Zimmer, Dr. Gerhard, Professor, Waldschützpfad 9, 12589 Berlin, (0 30) 6 48 95 90; Universität der Bundeswehr, 22043 Hamburg, (0 40) 65 41 27 71 619. Zimmermann, Dr. Andreas, Professor, Walther-Schücking-Institut für internationales Recht, Universität Kiel, Olshausener Straße 40, 24098 Kiel, (04 31) 8 80-21 49 oder 8 80 21 52, Fax (04 31) 8 80 16 19, E-mail: [email protected] 620. Zippelius, Dr. Dr. h. c. Reinhold, o. Professor, Niendorfstr. 5, 91054 Erlangen, (0 91 31) 5 57 26; Universität Erlangen-Nürnberg, 91054 Erlangen, (0 91 31) 85 28 20 621. Zuleeg, Dr. Dr. h. c. Manfred, Professor, Kaiser-Sigmund-Str. 32, 60320 Frankfurt a.M., (0 69) 56 43 93; FB Rechtswissenschaft, Institut für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht, Universität Frankfurt, Senckenberganlage 31, 60325 Frankfurt a.M., (0 69) 7 98 2 23 82, Fax (0 69) 7 98 2 87 50, E-mail: [email protected]
Satzung
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Satzung (Nach den Beschlüssen vom 21. Oktober 1949, 19. Oktober 1951, 14. Oktober 1954, 10. Oktober 1956, 13. Oktober 1960, 5. Oktober 1962, 1. Oktober 1971, 6. Oktober 1976, 3. Oktober 1979 und 6. Oktober 1999) §1 Die Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer stellt sich die Aufgabe: 1. wissenschaftliche und Gesetzgebungsfragen aus dem Gebiet des öffentlichen Rechts durch Aussprache in Versammlungen der Mitglieder zu klären; 2. auf die ausreichende Berücksichtigung des öffentlichen Rechts im Hochschulunterricht und bei staatlichen und akademischen Prüfungen hinzuwirken; 3. in wichtigen Fällen zu Fragen des öffentlichen Rechts durch Eingaben an Regierungen oder Volksvertretungen oder durch schriftliche Kundgebungen Stellung zu nehmen. §2 Mitglied der Vereinigung kann werden, wer auf dem Gebiet des Staatsrechts und mindestens eines weiteren öffentlich-rechtlichen Fachs a) seine Befähigung zu Forschung und Lehre durch hervorragende wissenschaftliche Leistung nachgewiesen hat1 und b) an einer deutschen oder deutschsprachigen Universität2 oder der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer als Forscher und Lehrer tätig ist oder gewesen ist. 1 Mit der oben abgedruckten, am 1. 10. 1971 in Regensburg beschlossenen Fassung des § 2 hat die Mitgliederversammlung den folgenden erläuternden Zusatz angenommen. „Eine hervorragende wissenschaftliche Leistung im Sinne dieser Vorschrift ist eine den bisher üblichen Anforderungen an die Habilitation entsprechende Leistung.“ 2 In Berlin hat die Mitgliederversammlung am 3. 10. 1979 die folgende zusätzliche Erläuterung aufgenommen: „Universität im Sinne dieser Vorschrift ist eine wissenschaftliche Hochschule, die das Habilitationsrecht in den Fächern des öffentlichen Rechts und die Promotionsbefugnis zum Doctor iuris besitzt und an der Juristen durch einen Lehrkörper herkömmlicher Besetzung ausgebildet werden.“
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Satzung
Das Aufnahmeverfahren wird durch schriftlichen Vorschlag von drei Mitgliedern der Vereinigung eingeleitet. Ist der Vorstand einstimmig der Auffassung, daß die Voraussetzungen für den Erwerb der Mitgliedschaft erfüllt sind, so verständigt er in einem Rundschreiben die Mitglieder von seiner Absicht, dem Vorgeschlagenen die Mitgliedschaft anzutragen. Erheben mindestens fünf Mitglieder binnen Monatsfrist gegen die Absicht des Vorstandes Einspruch oder beantragen sie mündliche Erörterung, so beschließt die Mitgliederversammlung über die Aufnahme. Die Mitgliederversammlung beschließt ferner, wenn sich im Vorstand Zweifel erheben, ob die Voraussetzungen der Mitgliedschaft erfüllt sind. Von jeder Neuaufnahme außerhalb einer Mitgliederversammlung sind die Mitglieder zu unterrichten. §3 Eine Mitgliederversammlung soll regelmäßig einmal in jedem Jahr an einem vom Vorstand zu bestimmenden Ort stattfinden. In dringenden Fällen können außerordentliche Versammlungen einberufen werden. Die Tagesordnung wird durch den Vorstand bestimmt. Auf jeder ordentlichen Mitgliederversammlung muß mindestens ein wissenschaftlicher Vortrag mit anschließender Aussprache gehalten werden. § 43 Der Vorstand der Vereinigung besteht aus einem Vorsitzenden und zwei Stellvertretern. Die Vorstandsmitglieder teilen die Geschäfte untereinander nach eigenem Ermessen. Der Vorstand wird von der Mitgliederversammlung auf zwei Jahre gewählt. Zur Vorbereitung der Jahrestagung ergänzt sich der Vorstand um ein Mitglied, das kein Stimmrecht hat. Auch ist Selbstergänzung zulässig, wenn ein Mitglied des Vorstandes in der Zeit zwischen zwei Mitgliederversammlungen ausscheidet. Auf der nächsten Mitgliederversammlung findet eine Nachwahl für den Rest der Amtszeit des Ausgeschiedenen statt. §5 Zur Vorbereitung ihrer Beratungen kann die Mitgliederversammlung, in eiligen Fällen auch der Vorstand, besondere Ausschüsse bestellen.
3 § 4 in der Fassung des Beschlusses der Mitgliederversammlung in Heidelberg vom 6. 10. 1999; in Kraft getreten am 1. 10. 2001.
Satzung
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§6 Über Eingaben in den Fällen des § 1 Ziffer 2 und 3 und über öffentliche Kundgebungen kann nach Vorbereitung durch den Vorstand oder einen Ausschuß im Wege schriftlicher Abstimmung der Mitglieder beschlossen werden. Ein solcher Beschluß bedarf der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitgliederzahl; die Namen der Zustimmenden müssen unter das Schriftstück gesetzt werden. §7 Der Mitgliedsbeitrag wird von der Mitgliederversammlung festgesetzt. Der Vorstand kann den Beitrag aus Billigkeitsgründen erlassen.