Der Sachwalter [2 ed.] 9783814558479

Im Schutzschirmverfahren kann die Geschäftsführung die operativen Geschäfte selbst weiterführen. Überwacht wird dies dur

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German Pages 250 [204] Year 2021

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Der Sachwalter [2 ed.]
 9783814558479

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Martini/Stark Der Sachwalter

ZRI Praxisbuch 9

Der Sachwalter 2. Auflage

von RA Professor Dr. Torsten Martini, Berlin/Köln RA Jesko Stark, Berlin

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG ˜ Köln

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2020 RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG Postfach 27 01 25, 50508 Köln E-Mail: [email protected], Internet: http://www.rws-verlag.de Das vorliegende Werk ist in all seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht der Übersetzung, des Vortrags, der Reproduktion, der Vervielfältigung auf fotomechanischem oder anderen Wegen und der Speicherung in elektronischen Medien. Satz und Datenverarbeitung: SEUME Publishing Services GmbH, Erfurt Druck und Verarbeitung: Hundt Druck GmbH, Köln

Vorwort Der Bundesgerichtshof war, auch was das Rechtsinstitut der Eigenverwaltung angeht, seit der ersten vor über 5 Jahren erschienen Auflage nicht untätig. Aber auch die Literatur hat dieses Rechtsinstitut und mit ihm die Person des Sachwalters zunehmend beleuchtet und schärfer konturiert. Die praktische Bedeutung ist offensichtlich: Ein Großteil aller Großverfahren von einiger Tragweite findet in Eigenverwaltung statt. Zentrale Fragen der Eigenverwaltung wie die Befugnis zur Begründung von Masseverbindlichkeiten oder Vergütungsfragen hat der Bundesgerichtshof in den letzten Jahren geklärt. Im Detail liegt nach wie vor viel im Argen und harrt der wissenschaftlichen Beleuchtung. Daher ist der Praktiker gut beraten, sich mit den einschlägigen Anforderungen an die Sachwaltung vertraut zu machen. Getreu dem von Kurt Lewin geprägten Wort, das eine gute Theorie die beste Praxis sei, will dieses Buch die auftretenden praktischen Fragen auf ein einheitliches dogmatisches Konzept der Sachwaltung, Kontrolle und Aufsicht zurückführen. Damit will es nicht nur für die bislang aufgetretenen, sondern auch für derzeit noch unbekannt gebliebene Fragen Lösungsleitlinien an die Hand geben. Frau Rechtsanwältin Jennifer Brenke, LL. B. (London) danken wir für die wertvolle und unermüdliche Mitarbeit, Herrn Rechtsreferendar Daniel Schweda für die kritische abschließende Durchsicht. Der bisherige Mitautor Prof. Rolf Rattunde ist im Juni 2019 viel zu früh und für uns nach wie vor unfassbar an den Folgen eines tragischen Verkehrsunfalls verstorben. In seinem Sinne wollen wir das Werk fortführen und es ihm in Dankbarkeit und Hochachtung widmen.

Berlin, im April 2020

Torsten Martini Jesko Stark

V

Im Gedenken an Prof. Rolf Rattunde 7.2.1957 – 26.6.2019

Inhaltsverzeichnis Rn.

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Vorwort ............................................................................................................ V Literaturverzeichnis ......................................................................................... 1 A. Einleitung ..................................................................................... 1 ........ 1 I.

Regelungskern und Historie ........................................................ 2 ........ 1

II. Praktische Bedeutung ................................................................... 4 ........ 1 III. Vorteile der Eigenverwaltung ...................................................... 6 ........ 2 IV. Anwendungsbereich der Eigenverwaltung .................................. 8 ........ 3 1. Rechtliche Eingrenzung ........................................................ 8 ........ 3 2. Praktische Eingrenzung ...................................................... 12 ........ 4 V. Varianten der Eigenverwaltung .................................................. 1. Eröffnetes Verfahren .......................................................... a) Anfängliche Eigenverwaltung ..................................... b) Nachträgliche Eigenverwaltung .................................. 2. Vorläufige Eigenverwaltung ............................................... a) Regelfall gem. § 270a InsO ......................................... b) Schutzschirm gem. § 270b InsO .................................

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B. Die Person des Sachwalters ...................................................... 37 ...... 11 I.

Anforderungen an die Person .................................................... 1. Grundlagen .......................................................................... 2. Allgemeine Eignung ............................................................ a) Geschäftskunde ........................................................... b) Büro-Infrastruktur ...................................................... c) Auslandsbezug ............................................................. d) Ortsnähe zum Schuldner ............................................ e) Zeitaufwand ................................................................. f) Persönlichkeitsstruktur ............................................... g) Erfahrung ..................................................................... 3. Unabhängigkeit ................................................................... a) Vorschlag und Beratung in allgemeiner Form ........... b) Sonstige Umstände ......................................................

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II. Auswahl und Bestellung ............................................................. 1. Auswahlermessen des Gerichtes ........................................ a) Ermessensmaßstäbe ..................................................... b) Einschränkung durch Vorschlag .................................

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VII

Inhaltsverzeichnis Rn.

2.

3.

c) Weiteres Verfahren ...................................................... 75 Einflussnahme durch die Gläubiger ................................... 77 a) Vorläufiger Gläubigerausschuss .................................. 78 aa) Arten des Gläubigerausschusses ........................ 80 bb) Beschlüsse des Gläubigerausschusses ................ 82 cc) Praktische Handhabung ..................................... 86 b) Gläubigerversammlung ................................................ 91 Einflussnahme durch den Schuldner .................................. 94 a) Schutzschirmverfahren ................................................ 95 b) Koordination mit den Gläubigern .............................. 99 aa) „Mitgebrachter Gläubigerausschuss“ ............... 100 bb) Praktische Umsetzung ..................................... 103

III. Überwachung des Sachwalters ................................................. 1. Aufsicht des Insolvenzgerichtes ...................................... a) Informationsrechte .................................................... b) Sanktionsmöglichkeiten ............................................ 2. „Aufsicht“ der Gläubiger .................................................. a) Informationsrechte .................................................... aa) Rechte der Gläubigerversammlung .................. bb) Rechte des (vorläufigen) Gläubigerausschusses ........................................................ b) Sanktionsmöglichkeiten ............................................ aa) Anregung gerichtlicher Sanktionen ................. bb) Aufhebung eines Schutzschirmes .................... cc) Beschränkung nach § 277 InsO ....................... dd) Aufhebung der Eigenverwaltung .....................

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C. Aufgaben und Kompetenzen ................................................. 134 ...... 37 I.

Grundsatz .................................................................................. 134 ...... 37

II. Der Schuldner ........................................................................... 1. Allgemeines ....................................................................... 2. Verwaltung und Verteilung der Masse ............................. a) Grundsatz ................................................................... b) Verwertung der Masse ............................................... c) Entnahme aus der Masse ........................................... d) Keine Freigabe von Massegegenständen .................. 3. Betriebsfortführung .......................................................... a) Begründung von Masseverbindlichkeiten ................ aa) Problemaufriss .................................................. cc) Erteilung der Einzelermächtigung ................... b) Lieferungen und sonstige Leistungen ....................... c) Insolvenzgeldvorfinanzierung .................................. d) Steuerzahlungen ......................................................... e) Sozialversicherungsbeiträge ...................................... VIII

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Inhaltsverzeichnis Rn.

4. 5.

6.

7.

8.

Buchführungspflichten ..................................................... Gegenseitige Verträge und Dauerschuldverhältnisse ...... a) Grundsatz ................................................................... b) Einzelne Maßnahmen ................................................ aa) Wahlrecht gem. §§ 103 InsO ........................... bb) Sonderkündigungsrecht bei Mietverträgen gem. § 109 InsO ................................................ cc) Sonderkündigungsrecht bei Dienstverträgen gem. § 113 InsO ................................................ dd) Erlöschen von Rechtsverhältnissen gem. §§ 115 ff. InsO ......................................... Prozessführungsbefugnisse .............................................. a) Grundsatz ................................................................... b) Unterbrechung und Aufnahme ................................ Handlungen von besonderer Bedeutung für das Verfahren ........................................................................... a) Einholung der Zustimmung ...................................... b) Die besondere Bedeutung ......................................... c) Anwendbarkeit im Eröffnungsverfahren ................. Informations-, Berichts- und Anzeigepflichten .............. a) Gegenüber dem Sachwalter ....................................... b) Gegenüber den Gläubigern ....................................... c) Gegenüber dem Gericht ............................................

III. Der Sachwalter .......................................................................... 1. Originäre Aufgaben .......................................................... a) Führen der Tabelle, § 270c ........................................ aa) Eröffnungsbeschluss ......................................... bb) Anmeldung, Vorprüfung und Niederlegung .... cc) Prüfungs- und Feststellungsverfahren ............. dd) Verteilung, Prüfung und Erklärung ................. b) Anzeige von Masseunzulänglichkeit und Massearmut ................................................................ aa) Masseunzulänglichkeit ...................................... (1) Anzeige durch den Sachwalter .................. (2) Anzeige durch den Schuldner ................... bb) Massearmut ....................................................... c) Insolvenzplan: Ausarbeitung, Beratung, Überwachung ............................................................. aa) Allgemeines ....................................................... bb) Regelungsgehalt des § 284 InsO ...................... cc) Berechtigung zur Planvorlage .......................... dd) Auftrag, Beratung und Stellungnahme ............ ee) Überwachung ....................................................

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IX

Inhaltsverzeichnis Rn.

2.

X

d) Die Regelung des § 280 InsO ................................... aa) Insolvenzanfechtung ........................................ (1) Allgemeines ............................................... (2) Geltendmachung ....................................... bb) Ansprüche nach §§ 92, 93 InsO ....................... (1) Allgemeines ............................................... (2) Gesamtschadensersatz gem. § 92 InsO .... (3) Gesellschafterhaftung gem. § 93 InsO ..... (4) Haftungsansprüche des Schuldners .......... Schuldnerbezogene Aufgaben .......................................... a) Aufsichtsaufgaben ..................................................... aa) Grundlagen ........................................................ bb) Gegenstand der Kontrolle ................................ (1) Verhältnis der Kontrollgegenstände zueinander .................................................. (2) Masseverwaltung ....................................... (3) Geschäftsführung ...................................... (4) Ausgaben für die Lebensführung ............. (5) Wirtschaftliche Lage .................................. cc) Maßnahmen der Kontrolle und Aufsicht ........ (1) Informationsrechte ................................... (a) Schuldnerische Pflichten ................. (b) Rechte des Sachwalters ................... (2) Kein allgemeines Weisungsrecht .............. (3) Prüfung von Verzeichnissen und Schlussrechnung .................................................... (a) Allgemeines ..................................... (b) Maßstab der Prüfung ...................... (c) Schriftliche Erklärung ..................... (d) Eidesstattliche Versicherung durch Schuldner ............................... (4) Anzeige von Nachteilen für die Gläubiger .................................................... (a) Der Begriff des Nachteils ................ (b) Fallgruppen für Umstände .............. (c) Beziehung zwischen Umstand und Nachteil .................................... (d) Erfüllung der Anzeigepflicht .......... (5) Anzeige bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit ................................................. (6) Stellungnahme und (Zwischen-)Berichterstattung ................................................... (a) Stellungnahme zum Schuldnerbericht .............................................. (b) Sonstige Berichterstattung ..............

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Inhaltsverzeichnis Rn.

3.

4. 5.

(7) Übernahme der Kassenführung ................ (a) Entscheidung zur Übernahme ........ (b) Wirkung der Übernahme (Sachwalter) ..................................... (c) Wirkung der Übernahme (Schuldner) ...................................... (d) Ausgestaltung der Kassenführung .... b) Mitwirkungsaufgaben ................................................ aa) Zustimmungs- und Widerspruchsrechte ......... (1) Gewöhnlicher Geschäftsbetrieb ............... (a) Eingehen einer Verbindlichkeit ...... (b) Gewöhnlichkeit für den Geschäftsbetrieb .............................................. (c) Widerspruch und Wirkung ............. (d) Zustimmung und Wirkung ............. (2) Gerichtliche Anordnung ........................... (a) Inhalt der Anordnung ..................... (b) Zustimmung und Wirkung ............. (3) Zahlungszusagen ....................................... (a) Auslegung der Erklärung ................ (b) Garantie und Auskunft ................... (c) Handhabung in der Eigenverwaltung ........................................ (4) Problem der Anfechtbarkeit ..................... (a) Entwicklung in der Rechtsprechung ......................................... (b) Übertragung auf die Eigenverwaltung ........................................ (c) Ausnahmen vom Grundsatz ........... (5) Änderung der Geschäftsleitung ................ (a) Begriff der Geschäftsleitung ........... (b) Zustimmung und Wirkung ............. bb) Einvernehmen durch den Schuldner ................ cc) Beratung ............................................................ (1) Rechtliche Rahmenbedingungen .............. (2) Entscheidung über den Beratungsumfang ....................................................... (3) Handhabung der Beratung ........................ Änderung der Aufgabenverteilung .................................. a) Gerichtliche Änderung .............................................. b) Änderung durch die Gläubiger ................................. Nicht geregelte Fälle ......................................................... Tabellarische Übersicht ....................................................

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XI

Inhaltsverzeichnis Rn.

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D. Haftung der Verfahrensbeteiligten ....................................... 502 .... 145 I.

Grundlagen ............................................................................... 502 .... 145

II. Haftung (der Organwalter) des Schuldners ............................ 1. Schuldner als Haftungssubjekt ......................................... 2. Organwalter des Schuldners als Haftungssubjekt ........... a) Insolvenzrechtliche Haftung .................................... b) Gesellschaftsrechtliche Haftung ............................... aa) Binnenhaftung für sorgfaltswidriges Verhalten ........................................................... bb) Binnenhaftung für Masseschmälerung ............ c) Steuerliche Haftung ................................................... d) Vertragliche Haftung ................................................. e) Deliktische Haftung .................................................. III. Haftung des Sachwalters .......................................................... 1. Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten gem. § 60 InsO .................................................................. a) Haftung nur gegenüber Beteiligten .......................... b) Pflichtenkonzeption und Verschulden ..................... c) Katalog insolvenzspezifischer Pflichten ................... aa) Originäre Pflichten ........................................... bb) Schuldnerbezogene Pflichten ........................... d) Geltendmachen des Schadensersatzes ...................... 2. Nicht erfüllbare Masseverbindlichkeiten gem. § 61 InsO ........................................................................... a) Zustimmungsvorbehalt gem. § 277 InsO ................. b) Analoge Anwendung nach Eröffnung ...................... c) Analoge Anwendung vor Eröffnung ........................ 3. Steuerliche Haftung ..........................................................

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E.

Vergütung des Sachwalters .................................................... 562 .... 165

I.

Allgemeines ............................................................................... 563 .... 165

II. Der Sachwalter im eröffneten Verfahren ................................ 1. Regelsatz und seine Berechnungsgrundlage .................... 2. Regelsatzabweichungen (Zu- und Abschläge) ................ 3. Auslagen ............................................................................

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III. Der Sachwalter im Eröffnungsverfahren ................................. 1. Der Regelsatz .................................................................... 2. Die Berechnungsgrundlage ............................................... 3. Regelsatzabweichungen (Zu- und Abschläge) ................ 4. Auslagen ............................................................................

583 583 587 590 593

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Stichwortverzeichnis ................................................................................... 175

XII

Literaturverzeichnis Kommentare, Handbücher, Monographien Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier (Hrsg.) Fachanwaltskommentar Insolvenzrecht, 3. Aufl., 2017 (zit.: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Bearbeiter, FAK-InsO) Andres/Leithaus (Hrsg.) Insolvenzordnung Kommentar, 4. Aufl., 2018 (zit.: Andres/Leithaus/Bearbeiter, InsO) Arbeitskreis für Insolvenz- und Schiedsgerichtswesen e. V. (Hrsg.) Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 3. Aufl., 2009 (zit.: Bearbeiter, Kölner Schrift) Baumbach/Hueck (Hrsg.) GmbHG Kommentar, 22. Aufl., 2019 (zit.: Baumbach/Hueck/Bearbeiter, GmbHG) Blersch/Goetsch/Haas (Hrsg.) Berliner Kommentar Insolvenzrecht, Loseblatt, Stand: November 2019 (zit.: Blersch/Goetsch/Haas/Bearbeiter, BerlKo-InsR) Bley/Mohrbutter Vergleichsordnung Kommentar, 3. Aufl., 1968 Borchard/Frind (Hrsg.) Betriebsfortführung im Insolvenzverfahren, 3. Aufl., 2017 (zit.: Bearbeiter, in: Borchard/Frind, Betriebsfortführung) Bork Einführung in das neue Insolvenzrecht, 1995/2019 Böhle-Stamschräder/Kilger Vergleichsordnung, 10. Aufl., 1982 Braun (Hrsg.) Insolvenzordnung, 8. Aufl., 2020 (zit.: Braun/Bearbeiter, InsO) Buth/Hermanns (Hrsg.) Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, 4. Aufl., 2014 (zit.: Bearbeiter, in: Buth/Hermanns, Restrukturierung) Erichsen/Pünder (Hrsg.) Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl., 2015 (zit.: Bearbeiter, in: Erichsen/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht) Fleischer/Goette (Hrsg.) Münchener Kommentar zum GmbHG, 3. Aufl., 2018 (zit.: Bearbeiter, in: MüKo-GmbHG)

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XVI

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XVII

Literaturverzeichnis

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XVIII

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XXI

A. Einleitung Der in diesem Buch thematisierte Sachwalter ist ein zentrales Verfahrenssub- 1 jekt im Eigenverwaltungsverfahren. Das Eigenverwaltungsverfahren ist rechtlich ein Spezialfall des Insolvenzverfahrens.1) Seine normative Grundlagen finden sich in den §§ 270 bis 285 InsO. Vorbehaltlich dieser Regelungen verweist § 270 Abs. 1 S. 2 InsO im Übrigen auf die allgemeinen Vorschriften. I. Regelungskern und Historie Zentral für das Eigenverwaltungsverfahren ist die Abweichung von der 2 Grundregel des § 80 Abs. 1 InsO: Während im Regelinsolvenzverfahren die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse auf einen gerichtlich bestellten Insolvenzverwalter übergeht, verbleibt diese Befugnis in der Eigenverwaltung gem. § 270 Abs. 1 S. 1 InsO beim Schuldner. Er unterliegt mit seinen Handlungen jedoch der Aufsicht durch den Sachwalter. Diese Konstruktion lehnt sich an die frühere deutsche Vergleichsordnung an2) 3 und übernimmt ebenfalls Elemente des US-amerikanischen debtor in possession nach Chapter 11 des United States Bankruptcy Code.3) Die Eigenverwaltung war anfänglich durch enge und unklare Voraussetzungen eingeschränkt4) und litt darunter, dass sie erst mit Verfahrenseröffnung eingriff.5) Mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG)6) wurden die Anordnungsvoraussetzungen gelockert und auch für die Verfahrensstufe zwischen Antragstellung und Eröffnung (Eröffnungsverfahren) Varianten vorläufiger Eigenverwaltung7) gem. §§ 270a, 270b InsO eingeführt. II. Praktische Bedeutung Angesichts dessen verwundert es nicht, dass die praktische Bedeutung dieser 4 Verfahrensart anfänglich gering war. Ohnehin war sie schon bei Schaffung des Institutes vielfältiger Kritik ausgesetzt:8) Hauptsächlich befürchtete man, mit der Verwaltung durch den Schuldner selbst den „Bock zum Gärtner“ zu ma___________ 1) 2) 3)

4) 5) 6) 7) 8)

Kern, MüKo-InsO, Vor §§ 270 ff. Rn. 26. BT-Drucks. 12/2443, S. 222. Dazu ausführlich Kübler, in: Kübler, HRI, § 1 Rn. 2 ff.; Wehdeking, Masseverwaltung, Kap. 1 Rn. 5 ff.; vgl. auch Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270 Rn. 3; Kern, MüKoInsO, Vor §§ 270 ff. Rn. 10 f. Zur früheren Normfassung eingehend Wehdeking, Masseverwaltung, Kap. 4 Rn. 20 ff. Vgl. dazu und zu den Änderungen Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270 Rn. 7 f. Vom 7.12.2011, BGBl I, 2582. Zu früheren Versuchen, einen vorläufigen Sachwalter zu konstruieren, vgl. etwa Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 499 ff. Ausführliche Nachzeichnung und Nachweise bei Grub, Kölner Schrift, Kap. 16 Rn. 38 ff.; Auseinandersetzung mit den Pro- und Contra-Überlegungen bei Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 1239 ff.

1

A. Einleitung

chen.9) Darüber hinaus waren und sind die genauen Aufgaben der Verfahrensbeteiligten gleichwie auch ihre Haftungsgefahren Gegenstand anhaltender Diskussionen. Schließlich bot die durch einen Regelsatz von 60 % geringere Vergütung als die eines Verwalters ebenfalls wenig Anreiz gegenüber der klassischen Insolvenzverwaltung. 5 Die Eigenverwaltung führte daher bis zu ihrer Änderung durch das ESUG ein „Schattendasein“:10), stieg jedoch in der Folge erheblich an. Faktisch alle maßgeblichen größeren Insolvenzverfahren beginnen jedenfalls heute als vorläufige Eigenverwaltungsverfahren. III. Vorteile der Eigenverwaltung 6 Inzwischen gewinnen Verfahren in Eigenverwaltung trotz des ursprünglichen „Fehlstarts“11) also an Bedeutung. Insbesondere durch eine professionelle Umsetzung in Großverfahren haben sich die anfänglichen Befürchtungen relativiert. Zwar können nach wie vor Gläubigerinteressen durch unerfahrene oder eigennützig handelnde Schuldner gefährdet werden; allerdings gebietet andererseits das grundrechtliche Übermaßverbot12) aus den Artt. 12, 14 GG des Schuldners eben auch, seine Verwaltungs- und Verfügungsmacht nur insoweit einzuschränken, als dies zur Wahrung der Gläubigerinteressen erforderlich ist.13) 7 Darüber hinaus hat eine Verfahrensabwicklung unter Leitung des Schuldners folgende Vorteile:14) x

das Know-how des Schuldners bleibt verfügbar und seine Beziehungen zu Geschäftspartnern werden unter Umständen in geringerem Maße eingeschränkt,

x

die Einarbeitungszeit für einen Fremdverwalter wird verringert, denn sie beschränkt sich auf das für die jeweilige Aufsicht notwendige Maß,

x

geringere Verfahrenskosten und geringerer Aufwand können anfallen, was jedoch nicht der Regelfall ist (unten Rn. 15),

___________ 9) In diesen Worten schon früh Förster, ZInsO 1999, 153 und bis zuletzt z. B. Hölzle, ZIP 2012, 158, 159. 10) Pape, ZInsO 2013, 2077, 2077. 11) Specovious, in: Kübler, HRI, § 12 Rn. 4. 12) Zu Herleitung, Funktion und Regelungsgehalt eingehend Krebs, JURA 2001, 228. 13) So schon im Zusammenhang mit Maßnahmen gem. § 22 Abs. 3 InsO ausdrücklich BGH ZInsO 2004, 550, 552; spezifisch zur Eigenverwaltung Wehdeking, Masseverwaltung, Kap. 4 Rn. 2 ff.; Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 13 Rn. 1679; vgl. auch Kayser/Thole/Haas, HK-InsO, § 270 Rn. 2. 14) So auch schon BT-Drucks. 12/2443, S. 222 f., BT-Drucks. 17/5712, S. 19; vgl. im Übrigen Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270 Rn. 5 f.

2

IV. Anwendungsbereich der Eigenverwaltung

x

es fallen keine Feststellungskosten, sondern nur die tatsächlichen Kosten und keine Pauschalen bei der Verwertung sicherungsübereigneter Gegenstände an, § 282 Abs. 1 InsO,

x

es gibt Anreize für eine frühzeitige Antragstellung, weil der Schuldner erstens nicht aus seiner Rolle verdrängt wird und zweitens im Rahmen etwa des sog. Schutzschirmverfahrens gem. § 270b InsO (unten Rn. 30 ff.) weitgehend ungestört eine Insolvenzplansanierung vorbereiten kann,15)

x

damit werden insgesamt Sanierungsaussichten verbessert,

x

durch bessere Einflussnahme der Gläubiger bzw. des Schuldners auf die Auswahl des Sachwalters wird die Planbarkeit der Sanierung erhöht und

x

durch gute Vorbereitung kann das Verfahren schnell beendet werden.

IV. Anwendungsbereich der Eigenverwaltung 1. Rechtliche Eingrenzung Angesichts möglicher Gefahren für Gläubigerinteressen durch die Gestaltungs- 8 befugnisse des Schuldners (dazu noch unten Rn. 139 ff.) entwickelte sich in der Zeit nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung zunächst die nahezu einhellige Auffassung, es handle sich bei der Eigenverwaltung um ein nur ausnahmsweise zulässiges und selten einschlägiges Verfahren.16) Diese bis heute vertretene Überlegung17) ist jedoch spätestens mit der nunmehr geltenden Rechtslage nicht mehr in Einklang zu bringen. Auf die Anordnung der Eigenverwaltung besteht vielmehr ein Rechtsan- 9 spruch.18) Die Regelung des § 270 Abs. 2 InsO gewährt dem Schuldner ein darauf gerichtetes subjektiv-öffentliches Recht. Ein solches besteht nämlich immer dann, wenn eine Norm einem Hoheitssubjekt, hier also dem Gericht, eine Verhaltenspflicht auferlegt, die zumindest auch den Individualinteressen des möglichen Rechtsinhabers zu dienen bestimmt ist.19) § 270 Abs. 2 InsO verpflichtet, wie der systematische Zusammenhang von 10 Abs. 1 S. 1 und Abs. 4 zu Abs. 2 zeigt, das Gericht zur Anordnung der Ei___________ 15) Eingehend Rattunde, ZIP 2003, 2103, 2106. 16) Exemplarisch AG Darmstadt ZIP 1999, 1495; Kreft/Landfermann, HK-InsO, 6. Aufl., 2011, Vor §§ 270 ff. Rn. 7 f. (offener aber die 9. Aufl., 2018, Vor §§ 270 ff. Rn. 14 f.) Nachweise auch bei Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 270 Rn. 1. 17) Vgl. etwa AG Hamburg ZInsO 2014, 363 und den Katalog unzähliger Kriterien, die im Einzelfall gegen eine Anordnung sprechen sollen, bei Haarmeyer, ZInsO 2013, 2345. 18) Vgl. nur Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 270 Rn. 6; Haarmeyer/Wutzke/Förster/ Buchalik, PK-InsO, § 270 Rn. 9; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 270 Rn. 6; Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 13 Rn. 1663; Kern, MüKo-InsO, § 270 Rn. 19 f.; a. A. AG Hamburg ZInsO 2014, 363; Leib/Rendels, EWiR 2013, 625, 626. 19) Zur Definition und den Voraussetzungen eines subjektiv-öffentlichen Rechtes vgl. Erichsen, in: Erichsen/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 31.

3

A. Einleitung

genverwaltung, wenn der Schuldner einen entsprechenden Antrag stellt und keine Gläubigernachteile zu erwarten sind. Zweifel am Bestehen von Gläubigernachteilen gehen, da die Norm deren positives Vorliegen fordert, nicht zu Lasten des Schuldners.20) Diese Anordnungspflicht dient gerade auch den Individualinteressen des jeweiligen Schuldners, weil er in der Folge seine grundrechtlich geschützte Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis im Verfahren (oben Rn. 6 und unten Rn. 139) nicht verliert. 11 Steht also nicht fest, dass Nachteile zu erwarten sind, kann der Schuldner die Anordnung der Eigenverwaltung verlangen. Einzig in Verbraucherinsolvenzverfahren ist eine Eigenverwaltung ausgeschlossen, was sich aus § 270 Abs. 1 S. 3 InsO ergibt. 2. Praktische Eingrenzung 12 Hingegen eignen sich längst nicht alle Verfahren praktisch für eine Eigenverwaltung. Für die Verfahrensziele der übertragenden Sanierung und der Liquidation hält das Regelinsolvenzverfahren zumeist die besseren und bewährteren Institute bereit. Denn hierfür ist der Erhalt des schuldnerischen Einflusses auf das Verfahren eher hinderlich.21) 13 Die Eigenverwaltung kommt daher vornehmlich dann in Betracht, wenn eine Sanierung des Unternehmensträgers im Wege des Insolvenzverfahrens stattfinden soll.22) Dies tritt besonders deutlich in den §§ 270b, 284 InsO zutage, welche die Eigenverwaltung mit dem Insolvenzplanverfahren verzahnen. So überrascht es nicht, dass das Planverfahren als klassisches Sanierungsinstrument für den Unternehmensträger23) den Hauptfall der Eigenverwaltung darstellt.24) Gerade bei Freiberuflern ist eine solche Sanierung oft die einzige Möglichkeit, berufsrechtliche Zulassungen zu erhalten.25) 14 Allerdings sind nicht alle Planverfahren sinnvoll in Eigenverwaltung durchzuführen. Den Schuldner gemäß der gesetzlichen Idealvorstellung mit der Verfahrensabwicklung zu betrauen, kann nur dort funktionieren, wo dieser insolvenzerfahren ist. Denn nur so ist sichergestellt, dass er die ihn treffenden Aufgaben und Pflichten korrekt wahrnehmen kann. Fehlt es an diesen Kenntnissen, steht auch in der gerichtlichen Praxis regelmäßig die Frage der Nachteiligkeit dieser Verfahrensart für die Gläubiger gem. § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO im Raum. ___________ 20) BR-Drucks. 127/11 S. 56; Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 270 Rn. 6; Blersch/Goetsch/ Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 270 Rn. 13; K. Schmidt/Undritz, InsO, § 270 Rn. 8; Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 270 Rn. 19a. 21) In diese Richtung auch K. Schmidt/Undritz, InsO, Vor §§ 270 ff. Rn. 8 m. w. N. 22) Undritz, in: Kübler, HRI, § 2 Rn. 9. 23) Vgl. nur Smid/Rattunde/Martini, Insolvenzplan, Rn. 0.27 m. w. N. 24) Vgl. nur Undritz, in: Kübler, HRI, § 2 Rn. 17; Wehdeking, in: Rattunde, Fachberater, Kap. 7 Rn. 1412. 25) Ausführlich Smid/Rattunde/Martini, Insolvenzplan, Kap. 28.

4

IV. Anwendungsbereich der Eigenverwaltung

Der Unerfahrenheit des Schuldners durch gesteigertes Engagement des Sach- 15 walters bei seiner Kontrolle und Aufsicht zu begegnen, ist zwar denkbar, schlägt sich aber vergütungsrechtlich nicht hinreichend nieder. Regelmäßig wird der Schuldner daher Berater oder Sanierungsgeschäftsführer (sog. Chief Restructuring Officer, CRO26)) beschäftigen, welche das nötige Fachwissen mitbringen.27) Damit kann ein Verfahren in Eigenverwaltung allerdings teurer werden als eine Regelinsolvenz.28) Denn zwar wird der Sachwalter um 40 % geringer vergütet als ein Insolvenzverwalter, diese Ersparnis kann jedoch durch das Berater- oder CRO-Honorar mehr als vollständig aufgezehrt werden. So sind es denn auch weniger wirtschaftliche Kenndaten, welche die Eignung 16 eines Verfahrens für die Eigenverwaltung deutlich machen. Zwar dominieren statistisch gesehen kleine bis mittlere Unternehmen mit durchschnittlich elf Millionen Euro Umsatz und 80 Mitarbeitern die Eigenverwaltung.29) In der Erfahrung der Verfasser gab es aber auch erfolgreiche Eigenverwaltungen durch Schuldner mit weniger als zehn Mitarbeitern und 21.000 Euro Masse und beispielsweise Großunternehmen mit über 550 Angestellten und mehr als 41 Millionen Euro Masse. Im Gros der Fälle ist eine Abwicklung in Eigenverwaltung jedoch bei nur geringer Masse kaum erfolgversprechend. Zentral für die Eignung ist zudem, ob es gerade auf Branchenkenntnisse des 17 Schuldners oder seine besondere Sachkunde ankommt30) und er engagiert im Verfahren mitwirkt.31) Sorgt er für hinreichende insolvenzrechtliche Kenntnisse und bringt ein langfristig umsetzbares Sanierungskonzept mit, kann eine Eigenverwaltung gut funktionieren. Sie belohnt den ordentlich vorbereiteten Schuldner, der frühzeitig den Eröffnungsantrag stellt, mit der Möglichkeit der Verfahrenssteuerung und ermöglicht ihm etwa die schnelle Durchsetzung eines „prepackaged“ Insolvenzplans.32) Auch können psychologische Aspekte bei der Entscheidung für die Eigenver- 18 waltung eine Rolle spielen. Denn insbesondere vorläufige Eigenverwaltungsverfahren bei lediglich drohender Zahlungsunfähigkeit werden von der Öffentlichkeit und Geschäftspartnern fälschlicherweise oft als außerinsolvenzliche Sanierung wahrgenommen. Das kann für eine positive Außenwirkung sorgen. Indes kann auch das Gegenteil der Fall sein: So haben sich insolvenzerfahrene Lieferanten in der Vergangenheit bisweilen lieber auf einen Verwalter im Regelinsolvenzverfahren verlassen, mit dessen Befugnissen und Handlungsweisen sie besser vertraut sind. ___________ 26) 27) 28) 29) 30) 31) 32)

Eingehend zum CRO Klein/Thiele, ZInsO 2013, 2233, 2235 ff. Vgl. nur Lau, DB 2014, 1417, 1419. Wehdeking, Masseverwaltung, Kap. 6 Rn. 47. Moldenhauer/Herrmann/Wolf/Drescher, Boston Consulting Group, Studie, S. 4. Rattunde, ZIP 2003, 2103, 2106 f. Pape, Kölner Schrift, Kap. 24 Rn. 68 a. E. Vgl. etwa Fröhlich/Bächstädt, ZInsO 2011, 985.

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A. Einleitung

V. Varianten der Eigenverwaltung 19 Die Eigenverwaltung durch den Schuldner ist sowohl im eröffneten Verfahren, als auch im Eröffnungsverfahren möglich. Je nachdem, welcher Verfahrensabschnitt einschlägig ist, tritt der Sachwalter als vorläufiger Sachwalter (Eröffnungsverfahren) oder endgültiger Sachwalter (eröffnetes Verfahren) in Erscheinung. Zu den damit einhergehenden Divergenzen in den Aufgaben und Befugnissen desselben vgl. noch unten (Rn. 222 ff.). Auch auf die Frage, inwieweit die Beteiligten in diesen Verfahrensabschnitten Einfluss auf die Wahl der Person des Sachwalters nehmen können, wird noch unten (Rn. 77 ff.) eingegangen. 1. Eröffnetes Verfahren a) Anfängliche Eigenverwaltung 20 Die Eigenverwaltung im eröffneten Verfahren ist regelmäßig eine anfängliche, denn sie wird zumeist im Eröffnungsbeschluss angeordnet. Der Schuldner hat das alleinige Antragsrecht und soweit keine Umstände ersichtlich sind, welche Gläubigernachteile befürchten lassen,33) ist die Eigenverwaltung gem. § 270 Abs. 2 InsO mit Verfahrenseröffnung anzuordnen (subjektiv-öffentliches Recht, oben Rn. 9 f.). Eine Zustimmung der Gläubiger ist nicht erforderlich.34) 21 Der Antrag des Schuldners nach § 270 Abs. 2 Nr. 1 InsO ist rechtlich vom Eröffnungsantrag gem. § 13 InsO zu unterscheiden.35) Während letzterer auf die Eröffnung des Verfahrens gerichtet ist, wird mit ersterem eine konkrete Verfahrensart beantragt. Deswegen kann der Schuldner auch bei einem Eröffnungsantrag der Gläubiger bis zum Erlass des Eröffnungsbeschlusses36) zusätzlich einen eigenen Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung stellen.37) Praktisch bietet es sich bei Eigenanträgen des Schuldners an, beide Anträge zusammen zu stellen.38) Beispiel für Anträge: 1) Über das Vermögen der … wird wegen … das Insolvenzverfahren eröffnet. 2) Die Eigenverwaltung wird angeordnet. 22 Unterstützt ein vorläufiger Gläubigerausschuss (unten Rn. 80) den Antrag des Schuldners auf Anordnung der Eigenverwaltung einstimmig, so gilt die ___________ 33) Vgl. dazu eingehend etwa Kern, MüKo-InsO, § 270 Rn. 43 ff.; Schmidt/Fiebig, HmbKoInsO, § 270 Rn. 13 ff. 34) Die war vor Inkrafttreten des ESUG anders, vgl. Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 270 Rn. 17. 35) Statt aller Graf-Schlicker/dies., InsO, § 270 Rn. 6. 36) Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 270 Rn. 18; Kern, MüKo-InsO, § 270 Rn. 37 f. 37) Statt aller Kübler/Prütting/Bork/Pape, § 270 Rn. 76. 38) Kübler/Prütting/Bork/Pape, § 270 Rn. 75; Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 270 Rn. 13.

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V. Varianten der Eigenverwaltung

Eigenverwaltung gem. § 270 Abs. 3 S. 2 InsO als nicht nachteilig. Diese Fiktion ist unwiderleglich.39) Ein Rechtsmittel gegen eine Nicht-Anordnung der Eigenverwaltung ist nicht 23 gegeben.40) b) Nachträgliche Eigenverwaltung Wurde das Insolvenzverfahren zunächst ohne Anordnung der Eigenverwal- 24 tung eröffnet, kann sie auch nachträglich getroffen werden. Die Voraussetzungen einer solchen nachträglichen Eigenverwaltung regelt § 271 InsO. Danach kann jede Gläubigerversammlung die Anordnung der Eigenverwal- 25 tung beantragen, ohne dies begründen zu müssen. Erforderlich ist die doppelte Mehrheit der Gläubiger nach Summen und Köpfen, §§ 271 S. 1, 76 Abs. 2 InsO. Anordnungsvoraussetzung für das Gericht ist lediglich die in § 271 S. 1 InsO geforderte Zustimmung des Schuldners.41) Liegt diese vor, ist die Wahl der Verfahrensart Ausdruck der Gläubigerautonomie,42) so dass die Gläubigerversammlung einen Anspruch auf Anordnung hat.43) Zum Sachwalter kann gem. § 271 S. 2 InsO der bisherige Insolvenzverwalter 26 bestellt werden. Zur Auswahlkompetenz der Gläubigerversammlung und der Ermessensbegrenzung des Gerichts gem. § 57 InsO vgl. unten (Rn. 91 ff.). 2. Vorläufige Eigenverwaltung a) Regelfall gem. § 270a InsO Im Eröffnungsverfahren richtet sich die vorläufige Eigenverwaltung grundsätz- 27 lich nach § 270a InsO. Danach soll das Gericht, soweit ein Antrag nach § 270 Abs. 2 Nr. 1 InsO gestellt (oben Rn. 21) und im Rahmen einer summarischen Prüfung44) nicht offensichtlich aussichtslos ist, einen vorläufigen Sachwalter bestellen und dem Schuldner keine Verfügungsbeschränkungen auferlegen. Aus der „soll“-Formulierung folgt nicht, dass das Gericht insofern frei wäre.45) 28 Vielmehr hat es Ermessen46) und ist damit verpflichtet, ermessensfehlerfrei zu ___________ 39) Kern, MüKo-InsO, § 270 Rn. 97. 40) BGH ZInsO 2007, 207; ZIP 2007, 394; hieran hat sich auch durch das ESUG nichts geändert, vgl. nur BT-Drucks. 17/5712, S. 39; Kern, MüKo-InsO, § 270 Rn. 125 ff; LG Frankfurt/M. ZIP 2014, 742 ff. 41) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 271 Rn. 3; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 271 Rn. 8. 42) Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 271 Rn. 1; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 271 Rn. 2. 43) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 271 Rn. 1; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 271 Rn. 13; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 271 Rn. 5. 44) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 320; Lau, DB 2014, 1417, 1418: Die Nachteile müssen „auf der Hand liegen“. 45) So wohl aber Andres/Leithaus/Leithaus, InsO, § 270a Rn. 6. 46) Zu den verschiedenen Regelungstechniken, mit denen eine Norm Ermessen des Entscheidungssubjektes begründet, vgl. Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, VwVfG, § 40 Rn. 21 ff.

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A. Einleitung

entscheiden: Dazu muss es – dies bringt der Gesetzgeber mit einer solchen Formulierung zum Ausdruck47) – im Regelfall nach § 270a InsO verfahren und darf nur in atypischen Fällen andere Anordnungen treffen.48) Das Gericht unterliegt also einer echten Rechtspflicht,49) die angesichts des dadurch umgesetzten Übermaßverbotes der Art. 12, 14 GG (oben Rn. 6) auch den Individualinteressen des Schuldners zu dienen bestimmt ist.50) Der Schuldner hat also auf die ermessenfehlerfreie Entscheidung über die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung, soweit sein Antrag gem. § 270 Abs. 2 Nr. 1 InsO nicht offensichtlich aussichtslos ist, ein subjektiv-öffentliches Recht (oben Rn. 9) in Form eines Rechtsanspruchs.51) 29 Angesichts des eindeutigen Wortlautes der Norm hat das Gericht die Entscheidung über diesen Anspruch und seine Umsetzung von Amts wegen zu treffen. Eines eigenen Antrages, nach § 270a InsO zu verfahren, bedarf es nicht. Gleichwohl werden derartige Anträge praktisch häufig gestellt und auch ausdrücklich beschieden.52) Im Falle einer Negativentscheidung kann der Schuldner gegen entsprechende gerichtliche Einschränkungen gem. § 21 Abs. 1 S. 2 InsO sofortige Beschwerde erheben,53) zuvor ist ihm jedoch bei lediglich drohender Zahlungsunfähigkeit gem. § 270a Abs. 2 InsO die Möglichkeit zur Antragsrücknahme zu gewähren. Beispiel für einen Antrag: Der Schuldner ist bis zur Eröffnungsentscheidung des Gerichtes berechtigt, unter der Aufsicht eines vorläufigen Sachwalters sein Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, § 270a InsO. b) Schutzschirm gem. § 270b InsO 30 Einen Sonderfall54) vorläufiger Eigenverwaltung stellt das sog. Schutzschirmverfahren55) gem. § 270b InsO dar. Es unterscheidet sich vom Regelfall hauptsächlich dadurch, dass auf Antrag eine bis zu drei Monate währende Frist zur Vorlage eines Insolvenzplanes bestimmt wird, § 270b Abs. 1 S. 1, 2 InsO. Erst mit Ablauf derselben ist das Schutzschirmverfahren gem. § 270b Abs. 4 ___________ 47) Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, VwVfG, § 40 Rn. 29 m. w. N. 48) So richtig Kern, MüKo-InsO, § 270a Rn. 31, der das freilich fälschlicherweise nicht als Ermessensfrage auffasst – dabei besteht Ermessen („soll“) und ist lediglich im Umfang eingeschränkt auf Abweichungsbefugnis nur in atypischen Fällen; K. Schmidt/Undritz, InsO, § 270a Rn. 2. 49) Pflicht zur ermessensfehlerfreien Entscheidung, vgl. Erichsen, in: Erichsen/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 31. 50) Vgl. nur Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270a Rn. 8. 51) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 270a Rn. 2; Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 270a Rn. 3. 52) Vgl. etwa AG Hamburg ZInsO 2014, 363. 53) Kern, MüKo-InsO, § 270a Rn. 10. 54) Plastisch Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 270b Rn. 2: § 270b InsO sei gegenüber § 270a InsO die „speziellere Vorschrift“. 55) Begriff verwendet von BT-Drucks. 17/5712, S. 19.

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V. Varianten der Eigenverwaltung

S. 3 InsO aufzuheben und über die Verfahrenseröffnung zu entscheiden.56) Darüber hinaus gewinnt der Schuldner stärkeren Einfluss auf die Auswahl des Sachwalters (unten Rn. 95 ff.) und das Gericht wird auf Antrag verpflichtet, Vollstreckungsschutz gem. §§ 270b Abs. 2 S. 3, 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO zu gewähren. Schließlich muss es auf Antrag auch einen Beschluss erlassen, der die Befugnis des Schuldners zur Begründung von Masseverbindlichkeiten umfasst (unten Rn. 158 ff.). Diese Vorteile werden jedoch erst nach dem Überwinden strengerer Eingangs- 31 voraussetzungen gewährt. So kann ein Schutzschirmverfahren nur stattfinden, wenn die Insolvenzgründe der (nur) drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO)57) oder Überschuldung (§ 19 InsO)58) vorliegen. Eine bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) zum Zeitpunkt der Antragstellung schließt das Schutzschirmverfahren aus.59) Dass ein Eintritt der Zahlungsunfähigkeit mit Anordnung des Schutzschirms zu erwarten ist, weil dann regelmäßig Kredite durch Geschäftspartner fällig gestellt werden, hindert indes nicht.60) Denn sonst wären Schutzschirmverfahren praktisch in den meisten Fällen unzulässig. Ebenso hat der Schuldner gem. § 270b Abs. 1 S. 3 InsO eine begründete Be- 32 scheinigung einer qualifizierten Person beizubringen, aus der sich sowohl der Insolvenzgrund ergibt als auch der Umstand, dass die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist. Hierfür genügt die Vorlage eines schlüssigen, von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehenden Sanierungskonzeptes, das ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg hat.61) Diese Bescheinigung kann von Beratern des Schuldners stammen, soweit sie hinreichende Erfahrung in Insolvenzsachen haben, und muss den Zustand des Schuldners zeitlich möglichst im Moment der Antragstellung abbilden.62) Sie dient dazu, dem Gericht die notwendige Tatsachengrundlage für die Ent- 33 scheidung zu verschaffen. Denn auch für § 270b InsO darf die Sanierung gem. Abs. 1 S. 1 der Norm nicht offensichtlich aussichtslos sein.63) Die Bescheinigung hat dies zu belegen und dem Gericht damit die Prüfung dieser Voraussetzung zu ermöglichen.64) ___________ 56) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 270b Rn. 17; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 425. 57) Zu deren Feststellung eingehend Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 13 Rn. 1687 ff. m. w. N. 58) Auch hierzu eingehend Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 13 Rn. 1697 ff. m. w. N. 59) Statt aller Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 270b Rn. 6. 60) AG Erfurt ZInsO 2012, 944; Ganter, NZI 2012, 985; Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 13 Rn. 1695. 61) So BGHZ 2012, 137, 138 m. w. N. zu § 133 InsO; ebenso für § 270b InsO z. B. K. Schmidt/Undritz, InsO, § 270b Rn. 5; Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 270b Rn. 11; Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 13 Rn. 1704; ähnlich Wimmer/ Foltis, FK-InsO, § 270b Rn. 18. 62) Zum Ganzen eingehend Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 414 ff.; Kern, in: MüKo-InsO, § 270b Rn. 46 ff.; Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 13 Rn. 1705 ff. 63) K. Schmidt/Undritz, InsO, § 270b Rn. 7; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270b Rn. 34. 64) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 404 m. w. N.

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A. Einleitung

34 Wie schon in der vorläufigen Eigenverwaltung gem. § 270a InsO hat der Schuldner auch auf die Anordnung eines Schutzschirms einen Rechtsanspruch. Die Norm legt dem Gericht bei Vorliegen der Voraussetzungen die gebundene Entscheidung zur Anordnung auf65) und dient auch den Individualinteressen des Schuldners (oben Rn. 10). Lediglich hinsichtlich der Länge der Frist hat das Gericht Auswahlermessen,66) muss dieses aber natürlich unter Berücksichtigung der konkreten zeitlichen Umsetzbarkeit der Planaufstellung ermessensfehlerfrei ausüben. 35 Anders als im Falle des § 270a InsO muss der Schuldner für das Schutzschirmverfahren aber eine Frist zur Vorlage eines Insolvenzplanes beantragen. Er hat damit gem. § 270b Abs. 1 S. 1 InsO dreierlei zu beantragen: Erstens die Verfahrenseröffnung (§ 13 InsO), zweitens die Eigenverwaltung (§ 270 Abs. 2 Nr. 1 InsO) und drittens den Schutzschirm (§ 270b InsO).67) Beispiel für einen Antrag: (Zu Eröffnungsantrag und Eigenverwaltungsantrag vgl. oben Rn. 21 a. E.) Zur Vorbereitung der Sanierung wird gem. § 270b InsO eine Frist zur Vorlage eines Insolvenzplans von … bestimmt (und anstelle des vorläufigen Insolvenzverwalters) … zum vorläufigen Sachwalter bestellt [dazu unten Rn. 95 ff.]). 36 Wie im Verfahren gem. § 270a InsO ist die Nicht-Anordnung auch des Schutzschirms lediglich inzidenter durch einen Angriff gegen Beschränkungsanordnungen gem. § 21 Abs. 1 S. 2 InsO rechtsmittelfähig.68)

___________ 65) 66) 67) 68)

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Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270b Rn. 58. Braun/Riggert, InsO, § 270b Rn. 13; Kern, MüKo-InsO, § 270b Rn. 80. Graf-Schlicker/dies., InsO, § 270b Rn. 3; K. Schmidt/Undritz, InsO, § 270b Rn. 2. Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 270b Rn. 38.

B. Die Person des Sachwalters Mit dem Amt des Sachwalters in der Eigenverwaltung ist eine Vielzahl von 37 komplexen Aufgaben und Anforderungen verbunden. Soweit er gem. § 270 Abs. 1 S. 1 InsO die Aufsicht über den Schuldner wahrnimmt, trägt er die Verantwortung dafür, dass der Schuldner die ihn treffenden insolvenzrechtlichen Pflichten einhält und damit das Verfahren den Zielen des § 1 Abs. 1 InsO gerecht wird. Da die Forderungen der Gläubiger Art. 14 Abs. 1 GG unterfallen69) und der 38 Schuldner in seinen Grundrechten aus Artt. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG beeinträchtigt wird, dient die Auswahl der geeigneten Person für das SachwalterAmt letztlich auch dem Grundrechtsschutz der Verfahrensbeteiligten.70) Hieraus legitimiert sich einerseits, dass hohe Anforderungen an die Person des Sachwalters gestellt werden und andererseits, dass den Verfahrensbeteiligten Möglichkeiten zur Verfügung stehen, auf die Wahl dieser Person Einfluss zu nehmen. I. Anforderungen an die Person 1. Grundlagen Die gesetzlichen Anforderungen an die Person des Sachwalters ergeben sich 39 aus den §§ 274 Abs. 1, 56 InsO. Sie bestehen gem. §§ 270a Abs. 1 S. 2, 270b Abs. 2 S. 1, 274 Abs. 1 InsO in gleicher Form auch für den vorläufigen Sachwalter.71) Das ist zwingend, weil zahlreiche Aufgaben des Sachwalters sowohl im Eröffnungsverfahren, als auch in der eröffneten Eigenverwaltung in vergleichbarer Form bestehen (dazu im Einzelnen unten Rn. 222 ff.). Entscheidend ist daher, dass der Sachwalter als natürliche Person72) für den 40 Einzelfall geeignet und insbesondere geschäftskundig sowie von den sonstigen Verfahrensbeteiligten unabhängig ist. Es gelten also für ihn keine anderen Anforderungen als für einen Insolvenzverwalter.73) Insbesondere darf der Sachwalter nicht geringer qualifiziert sein als ein Ver- 41 walter,74) was sich aus zweierlei ergibt: Einerseits wird er aus Gründen der Ver___________ 69) 70) 71) 72) 73)

BVerfG ZInsO 2006, 765, 768 f. Vgl. dazu auch Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Lind, FAK-InsO, § 56 Rn. 9. Vgl. nur Frind, ZInsO 2014, 119, 119. Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 14; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 274 Rn. 3. Allg. Meinung, vgl. nur Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 274 Rn. 5 f.; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 42; Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 16 f.; Uhlenbruck/ Zipprer, InsO, § 274 Rn. 7; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 6. 74) Herrschende Auffassung, vgl. nur Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ringstmeier, FAK-InsO, § 274 Rn. 4; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 25; Nerlich/Römermann/ Riggert, InsO, § 274 Rn. 13; Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 16 f.; Kayser/Thole/ Brünkmans, HK-InsO, § 274 Rn. 5.

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B. Die Person des Sachwalters

fahrensökonomie regelmäßig im Falle einer Aufhebung der Eigenverwaltung gem. § 271 S. 3 InsO zum Verwalter bestellt und sollte daher auch diese Aufgabe erfüllen können.75) Andererseits erfordern seine Aufgaben gleiche insolvenzrechtliche und praktische Kenntnisse wie die eines Verwalters: Soweit er nämlich den Schuldners kontrollieren soll (unten Rn. 293), setzt dies notwendig voraus, dass er die Kontrollmaßstäbe kennt, also mit den einschlägigen Fragen umfassend vertraut ist. Denn sonst kann er als Kontrolleur seine Aufgabe nicht erfüllen. 2. Allgemeine Eignung 42 Nach Maßgabe des § 56 Abs. 1 InsO muss der Sachwalter für den Einzelfall geeignet sein. Dafür sind die Anforderungen der konkreten Insolvenzsituation76) genauso entscheidend wie persönliche Anforderungen, die der Sachwalter erfüllen muss. Es kommt also auf ein passendes „Gesamtbild“ an. a) Geschäftskunde 43 Für dieses Gesamtbild legt das Gesetz besonderen Wert auf die Geschäftskunde. Sie umfasst die juristischen und betriebswirtschaftlichen Kenntnisse, die ein Sachwalter für das jeweilige Verfahren mitbringen muss.77) Er muss also allgemein in der Lage sein, die sich in der Eigenverwaltung stellenden Fragen beispielsweise der Anfechtung und Gesamtschäden ebenso wie Aspekte der Betriebsfortführung beurteilen zu können. Sonderfragen, die sich im jeweiligen Verfahren stellen können, muss er ebenfalls lösen können; hierbei können etwa Konstellationen besonderer Aus- oder Absonderungsrechte, des Immaterialgüterrechtes, des Gesellschaftsrechtes, der Immobilienverwertung oder arbeitsrechtliche Elemente relevant sein.78) oder neuerdings zunehmend des Datenschutzrechts. 44 Im Sinne einer Branchenkenntnis79) ist die Geschäftskunde aber nicht zu verstehen, zumal schon der Wortlaut der Norm gerade nicht darauf abstellt. Es genügt daher qualifiziertes betriebswirtschaftliches Allgemeinverständnis. Die Prüfung konkreter Produkte oder eine Markteinschätzung gehört nicht zu den Aufgaben des Sachwalters, sondern bleibt dem Sanierungsberater vorbehalten.80) Solcherlei strategische Entscheidungen kann der Sachwalter nur auf ihre Plausibilität vor dem Hintergrund des Schutzes von Gläubigerinteressen prüfen. ___________ 75) Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ringstmeier, FAK-InsO, § 274 Rn. 4. 76) K. Schmidt/Ries, InsO, § 56 Rn. 12 f.; Wimmer/Jahntz, FK-InsO, § 56 Rn. 12. 77) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 56 Rn. 7; Kübler/Prütting/Bork/Lüke, InsO, § 56 Rn. 38; Nerlich/Römermann/Delhaes/Römermann, InsO, § 56 Rn. 16; Wimmer/Jahntz, FK-InsO, § 56 Rn. 12. 78) Schmidt/Frind, HmbKo-InsO, § 56 Rn. 41. 79) Vgl. aber als zulässiges Kriterium eines Anforderungskataloges des vorläufigen Gläubigerausschusses gem. § 56a Abs. 1 InsO K. Schmidt/Ries, InsO, § 56 Rn. 17. 80) In diesem Sinne wohl auch die Andeutung von Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 45.

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I. Anforderungen an die Person

Daher können vorhandene Branchenkenntnisse allenfalls für eine besondere Einzelfalleignung sprechen, fehlende aber nicht dagegen.81) b) Büro-Infrastruktur Besondere Bedeutung besitzt aber, ob die Größe des Verfahrens mit einer 45 hinreichenden Büro-Infrastruktur des Sachwalters korrespondiert. Der Sachwalter muss nämlich – mithilfe seines qualifizierten Mitarbeiterstabes82) – in der Lage sein, den notwendigen Aufwand der jeweiligen Verfahrensabwicklung erbringen zu können.83) Dazu zählt, dass beispielsweise in Großverfahren entsprechendes Personal vorhanden ist, um die Bearbeitung sicherzustellen. Auch spricht es angesichts kurzer Kommunikationswege für eine besondere 46 Einzelfalleignung, wenn das im Einzelfall notwendige Fachpersonal bereits im Büro-Stab vorhanden oder mittels ständiger Geschäftsbeziehungen in externen Kooperationsverhältnissen verfügbar ist. Denn dies belegt eine gleichbleibende Qualität und macht gegebenenfalls die zeitaufwendige und teure Auswahl und Vergabe externer Aufträge unnötig. c) Auslandsbezug Im Rahmen grenzüberschreitender Sachverhalte darf die Kenntnis europa- 47 rechtlicher Rahmenbedingungen wie jener der EuInsVO vorausgesetzt werden. Sprachkenntnisse können hilfreich sein,84) jedoch auch mithilfe von Übersetzern substituiert werden. Für die englische Sprache dürfte dies nicht gelten, hier dürften eigene Kenntnisse vorausgesetzt werden dürfen. Kenntnisse nationalen ausländischen Rechtes sind nicht notwendig. Diesbe- 48 züglich genügt eine Zusammenarbeit mit ausländischen Partnersozietäten, deren Erprobtheit für eine besondere Einzelfalleignung sprechen kann. Auch im Übrigen kann der Sachwalter aber notwendigenfalls jeweils ausländische Berufsträger mandatieren. d) Ortsnähe zum Schuldner Eine räumliche Nähe des Sachwalters zum Sitz des Schuldners kann keine Eig- 49 nungsvoraussetzung sein.85) Zwar wird bisweilen86) davon ausgegangen, dass ___________ 81) Schmidt/Frind, HmbKo-InsO, § 56 Rn. 26. 82) Graf-Schlicker/dies., InsO, §§ 56, 56a Rn. 29. 83) Allgemeine Meinung, vgl. nur Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 56 Rn. 5; Graeber, MüKo-InsO, § 56 Rn. 62 f.; Schmidt/Frind, HmbKo-InsO, § 56 Rn. 49. 84) Als echte Voraussetzung hingegen bei Graf-Schlicker/dies., InsO, §§ 56, 56a Rn. 61; Kübler/Prütting/Bork/Lüke, InsO, § 56 Rn. 42; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 56 Rn. 45. 85) Wie hier z. B. Kammergericht ZIP 2010, 2461; OLG Brandenburg NZI 2009, 723; OLG Nürnberg ZInsO 2008, 979; OLG Stuttgart ZInsO 2006, 331; Graf-Schlicker/dies., InsO, §§ 56, 56a Rn. 31; Kübler/Prütting/Bork/Lüke, InsO, § 56 Rn. 54 f.; Wimmer/Jahntz, FK-InsO, § 56 Rn. 13. 86) Zum Streitstand insgesamt vgl. die umfangreichen Nachweise bei Graf-Schlicker/dies., InsO, §§ 56, 56a Rn. 30 Fn. 86, 87.

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B. Die Person des Sachwalters

dies aufgrund einer angenommenen Effizienzsteigerung so sei,87) allerdings lässt sich diese Überlegung schon praktisch wegen digitaler und sonstiger Fernkommunikationsmittel und bei Reisebereitschaft des Sachwalters nicht mehr halten.88) Im Übrigen erfordert seine Kontrolle des Schuldners auch weniger physische Anwesenheit als eine klassische Insolvenzverwaltung. 50 Eine Ortsnähe zu fordern, ist auch verfassungsrechtlich unzulässig:89) Es fehlt nämlich dafür, soweit der Sachwalter seine Aufgaben auch mit Fernkommunikationsmitteln und Reisen erledigen kann, an einem sachlichen Grund für eine Einschränkung seiner Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG. Darüber hinaus dürfte diesem Kriterium auch die Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG entgegenstehen, soweit sie örtliche Diskriminierungen nur bei Vorliegen eines zwingenden Grundes des Allgemeininteresses zulässt.90) e) Zeitaufwand 51 Schließlich ist auch erforderlich, dass der Sachwalter den entstehenden zeitlichen Aufwand der Verfahrensabwicklung erbringen kann.91) Hierbei darf allerdings unterstellt werden, dass ein Sachwalter auch eine hohe Arbeitsbelastung bewältigen kann.92) Daher kann erst eine bestehende Überlastung gegen seine Eignung sprechen. f) Persönlichkeitsstruktur 52 Mehr noch als ein Verwalter muss der Sachwalter im Verfahren eine moderierende und vermittelnde Funktion übernehmen. Denn auch, wenn rechtlich dem Schuldner die Abwicklung der Kommunikation mit Banken und sonstigen Gläubigern obliegt, ist der Sachwalter praktisch regelmäßig gefordert: Er wird häufig die wirtschaftliche Lage des Schuldners erläutern und die rechtlichen Spezifika der Eigenverwaltung erklären müssen, um den das Regelinsolvenzverfahren gewohnten Gläubigern gefühlte Sicherheit für eine Fortsetzung ihrer Vertragsbeziehungen zu geben (unten Rn. 443).93)

___________ 87) Vgl. nur z. B. Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 56 Rn. 5; Schmidt/Frind, HmbKo-InsO, § 56 Rn. 14; OLG Hamm ZInsO 2008, 671 unter Verweis auf BVerfG ZInsO 2006, 1101, welches allerdings nur annahm, ein solches Kriterium stehe „einer ermessensfehlerfreien Entscheidung nicht grundsätzlich entgegen“; einschränkend Graeber, MüKo-InsO, § 56 Rn. 71: „ein Gesichtspunkt von mehreren“. 88) Vgl. nur BVerfG ZInsO 2009, 1641; Graf-Schlicker/dies., InsO, §§ 56, 56a Rn. 31; Wimmer/ Jahntz, FK-InsO, § 56 Rn. 13. 89) In diese Richtung tendierend nunmehr auch BVerfG ZInsO 2009, 1641. 90) Graf-Schlicker/dies., InsO, §§ 56, 56a Rn. 32 m. w. N. 91) Dazu eingehend Schmidt/Frind, HmbKo-InsO, § 56 Rn. 57 f.; OLG Brandenburg ZInsO 2009, 2202. 92) Vgl. insofern zur Aufnahme in die Vorauswahlliste OLG Brandenburg ZInsO 2009, 2202. 93) So auch Lau, DB 2014, 1417, 1420.

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I. Anforderungen an die Person

Diesbezüglich wie auch im Kontext der Kontrolle des Schuldners fordert die 53 Eigenverwaltung daher vom Sachwalter hohe Kommunikations-, Kooperations- und auch Konfliktlösungsbereitschaft.94) g) Erfahrung Soweit vom Sachwalter praktische Erfahrung verlangt wird,95) leuchtet dies 54 ohne weiteres ein: Die von der Norm geforderte Geschäftskunde setzt schon dem allgemeinen Begriffsverständnis nach eine erlangte Kundigkeit, also Erfahrung, voraus.96) Auch verfassungsrechtlich ist dies nicht zu beanstanden:97) Zwar handelt es sich um eine subjektive Berufswahlbeschränkung gem. Art. 12 Abs. 1 GG, die aber durch die zuverlässige Verfahrensabwicklung als wichtigem Allgemeinwohlbelang, der im Übrigen auch dem Schutz der Grundrechte des Schuldners und der Gläubiger dient (oben Rn. 38), gerechtfertigt ist. Die maßgebliche Erfahrung kann auch durch Mitarbeit in einem Insolvenz- 55 verwalter-Büro oder selbständige Tätigkeit in Kooperation mit Verwaltern gewonnen werden, so dass neuen Kandidaten ein Zugang zum Berufsfeld nicht grundlegend versperrt ist. So ist die erfolgreiche Abwicklung mehrerer, ähnlicher Verfahren zwar ein kaum widerlegliches Indiz für Erfahrung, muss aber auch durch Nachweise anderer Art der Erfahrungssammlung ersetzt werden können. Denn sonst würde sich der Kreis der einmal bestellten Verwalter verfestigen, ohne neuen Kandidaten eine Chance zu gewähren. Daher muss gem. Art. 3 Abs. 1 GG auch eine Mitarbeit beispielsweise in Insolvenzverwalterbüros – je nach dortiger Arbeit und Art des konkreten Verfahrens – eine hinreichende Anfangserfahrung begründen können.98) 3. Unabhängigkeit Dem Sachwalter fehlt gem. § 56 Abs. 1 S. 1 InsO die Eignung für sein Amt, 56 wenn er nicht unabhängig ist. Soll er als Aufsichtsorgan den Schuldner überwachen, ergibt sich schon daraus zwingend, dass er von diesem unabhängig sein muss. Da er aber auch die (Grund-)Rechte des Schuldners wahren muss, darf er gleichfalls nicht Interessenvertreter der Gläubiger sein. Seine Unabhängigkeit muss also gegenüber allen Verfahrensbeteiligten bestehen.99) ___________ 94) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 45. 95) Vgl. nur Hanseatisches OLG ZInsO 2009, 2013; Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 56 Rn. 5; Graeber, MüKo-InsO, § 56 Rn. 55; Kübler/Prütting/Bork/Lüke, InsO, § 56 Rn. 41; Nerlich/Römermann/Delhaes/Römermann, InsO, § 56 Rn. 16; Wimmer/Jahntz, FK-InsO, § 56 Rn. 13. 96) So schon BT-Drucks. 12/2443, S. 127. 97) BVerfG ZInsO 2009, 1053; ZInsO 2006, 869. 98) Zum Ganzen Graf-Schlicker/dies., InsO, §§ 56, 56a Rn. 17 m. w. N. 99) Im Ergebnis allgemeine Auffassung, vgl. nur Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Lind, FAKInsO, § 56 Rn. 8; Schmidt/Frind, HmbKo-InsO, § 56 Rn. 66 ff.; Wimmer/Jahntz, FKInsO, § 56 Rn. 10.

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B. Die Person des Sachwalters

57 Unabhängig ist der Sachwalter dann nicht mehr, wenn aufgrund objektiver Umstände aus der Warte eines verständigen Schuldners oder Gläubigers die Befürchtung besteht, er werde seine Aufgabe nicht gemäß der Verfahrensziele des § 1 Abs. 1 InsO wahrnehmen.100) a) Vorschlag und Beratung in allgemeiner Form 58 Wann eine solche Befürchtung vorliegt, klärt § 56 Abs. 1 S. 3 InsO jedenfalls dahingehend, dass weder ein Vorschlag durch einen Verfahrensbeteiligten (dazu im Einzelnen unten Rn. 71 ff.), noch eine allgemeine Beratung des Schuldners die Unabhängigkeit eines Kandidaten ausschließen. Letzteres legitimiert damit eine Praxis, die in der Vergangenheit stattgefunden hat. 59 So kam es schon vor Änderung der Norm durch das ESUG vor, dass im Vorfeld einer Antragstellung zwischen Schuldnern und dem potentiellen Verwalter sog. „Nichtgespräche“ geführt wurden.101) Sie müssen sich freilich, wie nunmehr die Regelung auch ausdrücklich festlegt, auf eine allgemeine Beratung beschränken. Gemeint ist damit, dass der potentielle Sachwalter dem Schuldner insgesamt über Auswirkungen und Befugnisse in einem Insolvenzverfahren, sowie über die Möglichkeiten der Sanierung Auskünfte erteilt – jeweils ohne den Einzelfall zu begutachten.102) Auch mag hier geklärt werden, ob der Kandidat für das Verfahren als künftiger Sachwalter zur Verfügung stünde. 60 Entscheidend für die Qualifikation einer Beratung als lediglich „in allgemeiner Form“ erfolgt muss sein, inwieweit der potentielle Sachwalter ausschließlich seine Verfügbarkeit, den Verfahrensablauf, sowie die Voraussetzungen beispielsweise von Anträgen, Bestellungen oder gesetzlichen Haftungsvorschriften erläutert. Beginnt er hingegen, im jeweiligen Fall zu subsumieren, Ratschläge zu erteilen oder wirft beispielsweise einen Blick in die Bilanzen des Schuldners, wird die Beratung speziell.103) 61 Die gesetzliche Beschreibung eines solchen Treffens als „Beratung“ ist daher von vornherein missverständlich,104) die Bezeichnung als bloße „Vorabinformation“ wäre treffender.105) Die Faustregel, voriger Kontakt sei möglich, vorige Vertretung bzw. Würdigung der Interessen des Schuldners und/oder

___________ 100) Graf-Schlicker/dies., InsO, §§ 56, 56a Rn. 67; Kübler/Prütting/Bork/Lüke, InsO, § 56 Rn. 48 auch m. w. N. zur im Einzelnen nicht gänzlich geklärten Begriffsbildung. 101) Vgl. etwa K. Schmidt/Ries, InsO, § 56 Rn. 23; Schmidt/Frind, HmbKo-InsO, § 56 Rn. 7; zu Unrecht tut daher Kübler/Prütting/Bork/Lüke, InsO, § 56 Rn. 49b dies als „in der Praxis wohl kaum auftretende Situation“ ab. 102) BR-Drucks. 127/1/11, S. 35; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Lind, FAK-InsO, § 56 Rn. 10. 103) Frind, ZInsO 2014, 119, 126; Graeber, MüKo-InsO, § 56 Rn. 31b; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 46. 104) Braun/Blümle, InsO, § 56 Rn. 75. 105) Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Lind, FAK-InsO, § 56 Rn. 16c.

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I. Anforderungen an die Person

des Einzelfalles aber nicht (vgl. auch unten Rn. 480 ff.),106) beschreibt die Grenzziehung plastisch. Praxistipp: Ein solches Vorgespräch kann leicht die Grenzen einer allgemeinen Beratung überschreiten, soweit der Schuldner konkrete, auf sein Unternehmen bezogene Fragen stellt und der potentielle Sachwalter darauf eingeht. Dies sollte daher unbedingt vermieden werden. Ein Hinweis an den Schuldner, das Gespräch müsse in diesem Aspekt nunmehr abgebrochen werden, hilft dabei. Dies lässt sich auch für den Schuldner verständlich damit erklären, dass sonst eine Bestellung als Sachwalter nicht mehr in Frage käme. Im Übrigen beugt der potentielle Sachwalter so der Gefahr vor, dass der Schuldner im Falle eines späteren Streites gegenüber dem Gericht oder anderen Verfahrensbeteiligten äußert, er habe doch diesen oder jenen Punkt schon im Voraus mit dem nunmehrigen Sachwalter mit bestimmtem Ergebnis „abgesprochen“.

b) Sonstige Umstände Die oben aufgezeigten Abgrenzungskriterien der Vertretung des Schuldners 62 oder der Einzelfallwürdigung geben zeigen, welche Umstände die Unabhängigkeit ausschließen können. Es sind dieselben Fallgruppen, welche auch für den Verwalter einschlägig sind. Insbesondere bestehen daher Bedenken, wenn der Sachwalter als Berater des Schuldners oder seiner Gläubiger tätig war oder ist, bzw. sonst für die institutionellen Gläubiger laufend tätig war oder ist.107) Nicht ganz einfach zu beurteilen ist eine Beziehung zwischen dem Sachwalter 63 und den für den Schuldner tätigen Beratern bzw. Sanierungsgeschäftsführern. Regelmäßige Zusammenarbeit in früheren Verfahren wird bisweilen als kritisch für das aktuelle Verfahren gesehen.108) An dieser Sichtweise ist jedenfalls so viel richtig, als dass der Sachwalter auch von diesen unabhängig zu sein hat.109) Das mag man vielleicht berechtigt bezweifeln, soweit Sanierungsgeschäftsführer und Sachwalter in der Vergangenheit wiederholt gemeinsam als Sanierungsgeschäftsführer tätig waren.110) Entsprechen aber die früheren Konstellationen der aktuellen – war also auch 64 dort der Sachwalter als solcher tätig und Berater bzw. Sanierungsgeschäfts-

___________ 106) Sehr ähnlich K. Schmidt/Ries, InsO, § 56 Rn. 23. 107) Graf-Schlicker/dies., InsO, §§ 56, 56a Rn. 70; Frind, ZInsO 2014, 119, 123; Graeber, MüKo-InsO, § 56 Rn. 35 ff.; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 45 f.; Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 21 f. – jew. m. w. N. 108) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 47; vgl. auch AG Stendal ZIP 2012, 1875. 109) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 26. 110) So der Fall bei AG Stendal ZIP 2012, 1875.

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B. Die Person des Sachwalters

führer haben in früheren Verfahren als solche gearbeitet – kann dies eine Unabhängigkeit nicht per se ausschließen.111) Im Gegenteil sind dann vielmehr auch positive Effekte für das Verfahren zu erwarten: Kennt der Sachwalter nämlich beispielsweise den Sanierungsgeschäftsführer schon aus früheren Verfahren, kann er seine Kontrolle an diesen Kenntnisstand anpassen und so die Wahrung der Gläubigerinteressen besonders effektiv kontrollieren. 65 Schließlich darf der Sachwalter in Schutzschirmverfahren gem. § 270b Abs. 2 S. 1 Halbs. 2 InsO nicht identisch mit dem Ersteller der Sanierungsbescheinigung (oben Rn. 32) sein. Ebenso wird wohl der Ersteller eines (prepackaged) Insolvenzplanes regelmäßig (aber nicht zwingend112)) bei den Gläubigern die Befürchtung wecken, keine hinreichende Unabhängigkeit gegenüber dem Schuldner zu besitzen.113) II. Auswahl und Bestellung 66 Die Bestellung des vorläufigen und endgültigen Sachwalters obliegt dem Gericht, wie sich aus §§ 270a Abs. 1 S. 2, 270b Abs. 2 S. 1, 274 Abs. 1, 56 Abs. 1 S. 1 InsO ergibt. Damit ist aber nicht zugleich gesagt, inwieweit das Gericht jenseits des formalen Bestellungsaktes durch Aushändigung einer gem. § 56 Abs. 2 InsO erforderlichen Urkunde Einfluss auf die Wahl der Person des Sachwalters nehmen kann. 1. Auswahlermessen des Gerichtes a) Ermessensmaßstäbe 67 Dem in § 56 Abs. 1 S. 1 InsO statuierten Grundsatz nach hat das Gericht den (vorläufigen) Sachwalter auszuwählen. Hierbei hat es ein weites Auswahlermessen,114) dessen Ausübung bei Fehlern über § 839 BGB, Art. 34 GG haftungsbewehrt ist.115) Funktional zuständig ist gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG der Insolvenzrichter. Dies ist in Fällen der Anordnung der Eigenverwaltung nach Verfahrenseröffnung gem. § 271 InsO anders: Hier greift der Richtervorbehalt des § 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG nicht, so dass der Rechtspfleger zuständig ist.116) ___________ 111) Es muss immer eine Einzelfallprüfung stattfinden, Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 274 Rn. 7. 112) Frind, ZInsO 2014, 119, 127 f. 113) BT-Drucks. 17/7511, S. 47 und dazu Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 274 Rn. 13. 114) BVerfG ZInsO 2009, 1641; ZInsO 2006, 765, 768 (jeweils zum Verwalter); dazu im Einzelnen Frind, ZInsO 2009, 1638; zum Sachwalter ausdrücklich Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 37; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 27. 115) Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 270 Rn. 7; freilich hat diese Haftung nur geringe praktische Bedeutung, weil schon die Bezifferung eines konkreten Schadens kaum möglich ist. 116) Umstritten, vgl. wie hier Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270c Rn. 4; vgl. zur a. A. Busch, MüKo-InsO, § 29 Rn. 137 m. w. N.

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II. Auswahl und Bestellung

Die Betätigung von Ermessen orientiert sich praktisch an sog. (offenen) Vo- 68 rauswahllisten, welche von den jeweiligen Insolvenzrichtern geführt werden.117) Zwar muss ein Sachwalter rechtlich nicht zwingend in dieser Liste enthalten sein, um bestellt werden zu können,118) doch ist dies in der Praxis zumindest förderlich (zu Vorschlägen durch den Schuldner und vorläufigen Gläubigerausschuss vgl. aber noch unten Rn. 71 ff., 82 ff.). Aus den – auch in Hinblick auf Büroorganisation, Erreichbarkeit und Arbeits- 69 belastung – für das konkrete Verfahren geeigneten119) Listenkandidaten muss das Gericht sodann ohne Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG, also ermessensfehlerfrei, auswählen. Dabei hat es die Interessen des Schuldners und der Gläubiger zu berücksichtigen und daraus sachgerechte Kriterien für die Entscheidung im jeweiligen Einzelfall zu entwickeln.120) Hierbei spielt auch eine Rolle, dass ein Sachwalter bei Aufhebung der Eigenverwaltung aus Gründen der Verfahrensökonomie regelmäßig gem. § 271 S. 3 InsO als Verwalter eingesetzt wird und daher von vornherein über die dafür notwendige personelle und sachliche Ausstattung verfügen können muss.121) Wegen der Notwendigkeit einer zeitnahen Entscheidung muss das Gericht bei 70 der Auswahl keine aufwendige Bestenauslese treffen.122) Es findet also regelmäßig keine Ermessensreduktion auf einen konkreten Kandidaten im Bewerberfeld statt. b) Einschränkung durch Vorschlag Wie sich durch Gläubiger oder Schuldner vorgebrachte einfache Personenvor- 71 schläge (zu den anderen Äußerungs- und Vorschlagsmöglichkeiten vgl. noch unten Rn. 82 ff., 95 ff.) auf die Ermessensbetätigung auswirken, ist unklar. Jedenfalls schließen sie gem. § 56 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 InsO die Unabhängigkeit und damit die Eignung des Kandidaten nicht aus. Das vor Schaffung dieser Norm gelegentlich von einzelnen Gerichten praktizierte Vorgehen, vorgeschlagene Personen wegen Zweifeln an ihrer Unabhängigkeit ohne weiteres aus dem Kreis der Kandidaten auszuschließen,123) ist damit jedenfalls heute rechtlich unzulässig.124) Soweit bisweilen erklärt wird, ein Vorschlag sei für das Gericht gänzlich un- 72 verbindlich,125) ist das in dieser Allgemeinheit nicht haltbar. Sind nämlich ___________ 117) Dazu im Einzelnen Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Lind, FAK-InsO, § 56 Rn. 17 f.; BVerfG ZInsO 2009, 1641; Kayser/Thole/Riedel, HK-InsO, § 56 Rn. 21; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 27. 118) Wimmer/Jahntz, FK-InsO, § 56 Rn. 25. 119) Kreft/Riedel, HK-InsO, § 56 Rn. 22. 120) BVerfG ZInsO 2006, 765, 768 f. 121) Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ringstmeier, FAK-InsO, § 274 Rn. 4. 122) BVerfG ZInsO 2006, 765, 768 f. 123) Busch, ZInsO 2012, 1389, 1390: „Unsitte“; Wimmer/Jahntz, FK-InsO, § 56 Rn. 16a. 124) Wimmer/Jahntz, FK-InsO, § 56 Rn. 16a. 125) Vgl. etwa Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 49; Nerlich/Römermann/Delhaes/Römermann, InsO, § 56 Rn. 6.

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B. Die Person des Sachwalters

nach der Rechtsprechung des BVerfG sachgerechte Auswahlkriterien aus den Interessen der Beteiligten zu entwickeln,126) muss ein von ihnen geäußerter Vorschlag Bedeutung haben. 73 Freilich kann ein Vorschlag das Ermessen nicht auf null reduzieren. Das liegt daran, dass das Gericht nicht nur die Interessen des Vorschlagenden, sondern diejenigen aller Beteiligten zu berücksichtigen hat. Wohl aber zeigt ein Vorschlag, dass der Vorschlagende seine Interessen durch den jeweiligen Kandidaten als am besten gewahrt betrachtet. Das Gericht, das gem. Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte der Gläubiger und Schuldner schützen muss127) und keinen Rechtsschutz gegen den Rechtsinhaber gewähren darf, muss diesen Umstand also bei der Ermessensbetätigung zugrunde legen. 74 Es ist also verpflichtet, den Vorschlag ernsthaft zu berücksichtigen.128) Ist der Kandidat grundsätzlich als Sachwalter geeignet, muss das Gericht davon ausgehen, dass eine Bestellung des Kandidaten gegenüber dem jeweils Vorschlagenden interessengerecht wäre. Insofern wird sein Ermessen also, je nachdem, wie viele Verfahrensbeteiligte den Vortrag unterstützen, beträchtlich reduziert. Praxistipp: Ein Vorschlag kann das Gericht nicht zwingen, den konkreten Kandidaten zu bestellen. Trägt der Vorschlagende gleichwohl schlüssig vor, warum der Kandidat am besten geeignet ist und die notwendige Unabhängigkeit besitzt, erleichtert er dem Gericht die Auswahl. Kennt das Gericht den Kandidaten zudem und hat es ihn in der Vergangenheit bereits bestellt, spricht Einiges dafür, dass es einem Vorschlag praktisch folgen wird. Es bietet sich daher, auch in diesem Punkt, eine vorige Kommunikation mit dem Gericht an, um dessen Bereitschaft, einem Vorschlag zu folgen, zu ermitteln. Dabei können im informellen Gespräch Entscheidungsmaßstäbe eruiert und etwaige Bedenken besprochen werden.

c) Weiteres Verfahren 75 Hat das Gericht einen vorläufigen Sachwalter ausgewählt, determiniert dies regelmäßig auch die Wahl des endgültigen Sachwalters. Dieser wird mit dem Eröffnungsbeschluss bestellt.129) Hierbei ist es regelmäßig ermessensfehlerfrei, die konkrete Person auch im eröffneten Verfahren als Sachwalter beizubehalten, weil so eine erneute Einarbeitung verhindert und eine flüssige Verfahrensabwicklung ermöglicht wird. 76 Deswegen sollte der Bestellungsvorgang des vorläufigen Sachwalters, zumal er wie derjenige des endgültigen Sachwalters keinem Rechtsmittel unterliegt,130) ___________ 126) 127) 128) 129) 130)

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BVerfG ZInsO 2006, 765, 768 f. BVerfG ZInsO 2006, 765, 769. Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Lind, FAK-InsO, § 56 Rn. 9. Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270c Rn. 3. Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 56 Rn. 9; Graeber, MüKo-InsO, § 56 Rn. 167 ff.

II. Auswahl und Bestellung

in seiner Bedeutung nicht unterschätzt werden. Zu Einflussmöglichkeiten der Gläubiger auf einen Personenwechsel mit und ab Verfahrenseröffnung siehe aber noch unten (Rn. 89 f., 91 ff.). 2. Einflussnahme durch die Gläubiger Der Grundsatz der gerichtlichen Entscheidungsprärogative über die Person des 77 Sachwalters ist in mehrfacher Hinsicht durchbrochen. Insbesondere die Gläubiger haben mithilfe eines vorläufigen Gläubigerausschusses sowie – im eröffneten Verfahren – mithilfe der Gläubigerversammlung auch jenseits eines bloßen Vorschlages (oben Rn. 71 ff.) Einfluss auf die Personenwahl. Das ist trotz der notwendigen Unabhängigkeit des Sachwalters als Ausdruck der Gläubigerautonomie auch richtig.131) a) Vorläufiger Gläubigerausschuss Eine zentrale Rolle spielt für den Gläubigerausschuss die Regelung des § 56a 78 InsO. Sie gibt einem bestehenden Ausschuss zweierlei Handlungsmöglichkeiten: Einerseits kann der Ausschuss dem Gericht gem. § 56a Abs. 1 InsO mitteilen, welche Anforderungen an die Person des Sachwalters aus Gläubigersicht zu stellen sind und welche Person die Gläubiger favorisieren. Andererseits kann er gem. § 56a Abs. 2 InsO bei einstimmiger Entscheidung dem Gericht sogar die Bestellung einer konkreten Person aufgeben. Diese Möglichkeiten bestehen sowohl hinsichtlich des vorläufigen Sachwalters 79 gem. §§ 270a Abs. 1 S. 2, 270b Abs. 2 S. 1, 274 Abs. 1, 56a InsO als auch hinsichtlich des endgültigen Sachwalters gem. §§ 274 Abs. 1, 56a InsO.132) Auf beide Personalentscheidungen haben die Gläubiger vermöge der Norm also Einfluss. aa) Arten des Gläubigerausschusses Die Regelung des § 56a InsO setzt in beiden Fällen voraus, dass ein vorläufi- 80 ger Gläubigerausschuss besteht, also zuvor eingesetzt wurde.133) Dies kann aufgrund von drei Varianten der Fall sein:134) x

Ein Pflichtausschuss ist zwingend gem. § 22a Abs. 1 InsO zu bestellen, wenn zwei der drei in der Norm genannten Größenklassen überschritten

___________ 131) Vgl. hingegen kritisch dazu Pape, ZInsO 2011, 1033, 1034; zum Ganzen Ampferl, in: Kübler, HRI, § 8 Rn. 158 ff. 132) So schon der Gesetzgeber des ESUG in BT-Drucks. 17/5712, S. 24; vgl. auch Andres/ Leithaus/Andres, InsO, § 56a Rn. 3; Graeber, MüKo-InsO, § 56a Rn. 8; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 54. 133) Ampferl, in: Kübler, HRI, § 9 Rn. 161; Schmidt/Frind, HmbKo-InsO, § 56a Rn. 12. 134) Vgl. die hier aus Gründen ihrer sprachlichen Präzision übernommene Terminologie bei z. B. Kühne, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 5 Rn. 713 und Schmidt/Frind, HmbKo-InsO, § 67 Rn. 1 f.; rein sprachlich anders z. B. Ampferl, in: Kübler, HRI, § 9 Rn. 98; Schienstock/Mentzer, KSI 2013, 274 („Muss-Ausschuss“, „Soll-Ausschuss“, „KannAusschuss“) oder K. Schmidt/Hölzle, InsO, § 22a („Originärer Pflichtausschuss“, „Derivativer Pflichtausschuss“, „Fakultativer vorläufiger Gläubigerausschuss“).

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B. Die Person des Sachwalters

werden. Sie stellen auf eine Bilanzsumme von mindestens 6 Mio. Euro135) ab, Umsatzerlöse von mindestens 12 Mio. Euro136) und mindestens 50 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt. Dies entspricht der Regelung in § 267 Abs. 1 HGB.137) x

Der Antragsausschuss gem. § 22a Abs. 2 InsO soll unabhängig von den Größenklassen des Abs. 1 bestellt werden, wenn der Schuldner, ein Gläubiger oder der vorläufige Sachwalter dies beantragen und zusammen mit dem Antrag Einverständniserklärungen138) der in Frage kommenden Ausschussmitglieder vorgelegt werden. Aus der „soll“-Formulierung folgt, dass das Gericht den Ausschuss auf einen Antrag hin im Regelfall zu bestellen hat und nur in atypischen Fällen davon absehen darf (zu dieser Regelungstechnik des Gesetzes vgl. schon oben Rn. 28).139)

x

Einen amtswegigen Ausschuss gem. § 21a Abs. 2 Nr. 1a InsO kann das Gericht jederzeit einsetzen. Insofern ist es an die Voraussetzungen des § 22a InsO nicht gebunden, sondern entscheidet nach Ermessen über die Einsetzung.140) Eine Einsetzung kommt beispielsweise in den Fällen in Frage, in denen wichtige Entscheidungen bereits im Eröffnungsverfahren der Beteiligung der Gläubiger gem. §§ 276, 160 InsO (unten Rn. 209 ff., bes. 214 f.) bedürfen.141)

81 Im Falle der Ausschüsse gem. § 22a Abs. 1 und 2 InsO regelt Abs. 3 der Norm Ausnahmen. Demnach ist ein Ausschuss (aufgrund des eindeutigen Wortlautes zwingend142)) nicht einzusetzen, wenn ohnehin keine Betriebsfortführung stattfindet, die Einsetzung außer Verhältnis zur Insolvenzmasse stünde oder eine Verzögerung bedeuten würde, welche die Vermögenslage des Schuldners nachteilig verändern würde.143) Aus der systematischen Stellung der Norm ergibt sich, dass sie nur die Ausschüsse nach Abs. 1 und 2 erfasst. Die Einsetzung eines amtswegigen Ausschusses nach § 21a Abs. 2 Nr. 1a InsO hindert die Norm hingegen nicht.144) ___________ 135) Nach Abzug eines auf der Aktivseite ausgewiesenen Fehlbetrages i. S. d. § 268 Abs. 3 HGB. 136) Bezogen auf die zwölf Monate vor dem Abschlussstichtag. 137) Schmidt/Frind, HmbKo-InsO, § 22a Rn. 3; § 267 Abs. 4 HGB ist aber nicht anzuwenden, Kayser/Thole/Rüntz/Laroche, HK-InsO, § 22a Rn. 3. 138) Dazu Ampferl, in: Kübler, HRI, § 9 Rn. 92 m. w. N. 139) Ampferl, in: Kübler, HRI, § 9 Rn. 99; Haarmeyer/Schildt, MüKo-InsO, § 22a Rn. 102; a. A. hingegen Kübler/Prütting/Bork/Blankenburg, InsO, § 22a Rn. 255 (Ermessen ohne Einschränkung). 140) K. Schmidt/Hölzle, InsO, § 22a Rn. 14. 141) Kühne, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 5 Rn. 722 ff. 142) Vgl. nur AG Hamburg ZIP ZInsO 2013, 1804; Kayser/Thole/Rüntz/Laroche, HK-InsO, § 22a Rn. 4. 143) Dazu im Einzelnen z. B. Kübler/Prütting/Bork/Blankenburg, InsO, § 22a Rn. 35 ff. 144) So auch Ampferl, in: Kübler, HRI, 9 8 Rn. 92 ff.; anwendbar sogar nur auf den Pflichtausschuss nach Haarmeyer/Schildt, MüKo-InsO, § 22a Rn. 141 ff.; vgl. zum Ganzen Kühne, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 5 Rn. 721 m. w. N.

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II. Auswahl und Bestellung Praxistipp: Die Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses sollten gegenüber dem Gericht im Eröffnungsverfahren ihre Bereitschaft erklären, nach Eröffnung dem vorläufigen Ausschuss bis zur ersten Gläubigerversammlung anzugehören sowie nach der Versammlung dem endgültigen Gläubigerausschuss. Dies ermöglicht Kontinuität in der Verfahrensabwicklung, weil eine erneute Einarbeitung anderer Personen überflüssig wird und auch der Sachwalter eine begonnene Kooperation und Koordination fortsetzen kann.

bb) Beschlüsse des Gläubigerausschusses Ist ein vorläufiger Gläubigerausschuss bestellt, so ist diesem vor der Bestel- 82 lung eines vorläufigen Sachwalters wie auch vor der Bestellung des endgültigen Sachwalters Gelegenheit zu geben, sich zu den Anforderungen an die Person, sowie zur Person selbst zu äußern, § 56a Abs. 1 InsO. Zu einer Äußerung ist der Ausschuss nicht verpflichtet.145) Will er aber von der 83 Gelegenheit Gebrauch machen, kann er wählen, ob er sich zu einem Anforderungsprofil oder einer Person äußert oder gar zu beidem.146) Die Äußerungsberechtigung steht dem Ausschuss als Gremium zu, sie erfordert also eine Beschlussfassung mit der gem. § 72 InsO maßgeblichen Mehrheit.147) Inwieweit das Gericht an einen Beschluss des vorläufigen Gläubigerausschus- 84 ses gebunden ist, muss differenzierend beantwortet werden: x

Ein Anforderungsprofil „hat“ das Gericht bei der Auswahl des (vorläufigen) Sachwalters „zugrunde zu legen“, § 56a Abs. 2 S. 2 InsO. Es ist damit angesichts des eindeutigen Wortlautes verpflichtende Basis für die Auswahlentscheidung des Gerichtes gem. § 56 Abs. 1 S. 1 InsO148) und insofern Ermessensgrenze. Je detaillierter das Profil also Fähigkeiten und Kenntnisse wie beispielsweise besondere Personalkompetenz oder Erfahrung beschreibt,149) desto geringer ist das dem Gericht verbleibende Ermessen. Als Ermessensgrenze ist das Anforderungsprofil aber nur dann rechtmäßig und damit beachtlich, wenn es sich selbst in den Grenzen der Kriterien hält, die überhaupt gem. § 56 InsO maßgeblich sein dürfen.150)

___________ 145) Nerlich/Römermann/ders., InsO, § 56a Rn. 2 m. w. N. 146) So auch K. Schmidt/Ries, InsO, § 56a Rn. 12; a. A. Schmidt/Frind, HmbKo-InsO, § 56a Rn. 13, der aus dem „und“ schließt, dass der Ausschuss im Falle einer Äußerung zur Person zwingend auch ein Anforderungsprofil aufstellen müsse. Das überzeugt nicht. Auf irgendeine Weise muss der Gesetzgeber bei § 56a Abs. 1 InsO die Möglichkeiten aufzählen. Hätte er „oder“ gewählt, hätte man das dahingehend verstehen können, dass das Gericht keine Gelegenheit zur Äußerung in beiden Aspekten gewähren müsse. Das „und“ hat also nur die Funktion, dem Ausschuss eine Gelegenheit für beides zu geben. 147) BT-Drucks. 17/5712, S. 26; Schmidt/Frind, HmbKo-InsO, § 56a Rn. 14. 148) Ampferl, in: Kübler, HRI, § 9 Rn. 192; Kayser/Thole/Riedel, HK-InsO, § 56a Rn. 18; Kübler/Prütting/Bork/Lüke, InsO, § 56a Rn. 10. 149) Vgl. die Beispiele bei K. Schmidt/Ries, InsO, § 56a Rn. 13. 150) Kübler/Prütting/Bork/Lüke, InsO, § 56a Rn. 10; BT-Drucks. 17/5712, S. 26.

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B. Die Person des Sachwalters

x

Eine Äußerung zur Person, die lediglich mit einer Mehrheit gem. § 72 InsO beschlossen wurde, ist für das Gericht nicht unmittelbar verbindlich.151) Dies ergibt sich aus dem systematischen Kontext mit § 56a Abs. 2 InsO. Es handelt sich insofern rechtstechnisch um einen Vorschlag, der nach dem oben Ausgeführten (Rn. 71 ff.) das bestehende Ermessen des Gerichtes bei der Auswahlentscheidung gem. § 56 Abs. 1 S. 1 InsO reduzieren kann.

x

Eine einstimmig erfolgte Äußerung zur Person des Sachwalters ist gem. § 56a Abs. 2 S. 1 InsO grundsätzlich verbindlich. Sie ersetzt eine eigene Ermessensbetätigung des Gerichtes gem. § 56 Abs. 1 S. 1 InsO. Das Gericht darf ausschließlich dann von einem solchen Votum abweichen, wenn der Kandidat „ungeeignet“ ist. Damit ist weder entscheidend, ob die Person in der Vorauswahlliste vorhanden ist, noch, ob eine andere Person nach Auffassung des Gerichtes „besser geeignet“ wäre.152) Vielmehr müssen Gründe vorliegen, die eine Eignung gem. § 56 Abs. 1 S. 1 InsO ausschließen. Nur insofern ist das Gericht zur Abweichung befugt. Aufgrund des Wortlautes dieser Norm mit dem darin enthaltenen „insbesondere“Verweis fällt darunter auch eine etwaig fehlende Unabhängigkeit,153) deren Vorliegen das Gericht also auch bei einstimmigem Votum zum Schutze der Grundrechte des Schuldners (oben Rn. 39, 56) zu prüfen hat.

85 Ein Rechtsmittel gegen die Auswahlentscheidung des Gerichtes besteht für die Gläubiger nicht (oben Rn. 76). Dies ist auch dann nicht anders, wenn das Gericht entgegen der – sogar: einstimmigen – Beschlüsse des vorläufigen Gläubigerausschusses gehandelt hat.154) Denn anders als § 57 S. 4 InsO sieht § 56a InsO keine Möglichkeit einer sofortigen Beschwerde vor. cc) Praktische Handhabung 86 Die Anwendung des § 56a InsO setzt voraus, dass ein vorläufiger Gläubigerausschuss besteht (oben Rn. 80), bevor das Gericht über die Person des (vorläufigen) Sachwalters entscheidet.155) Das ist praktisch indes wegen akuter oder vermeintlicher Eilbedürftigkeit nicht immer der Fall. Häufig bestellen Gerichte vielmehr zuerst den vorläufigen Sachwalter und erst anschließend einen vorläufigen Gläubigerausschuss.

___________ 151) Ampferl, in: Kübler, HRI, § 9 Rn. 191; K. Schmidt/Ries, InsO, § 56a Rn. 11 ff. 152) Zum Ganzen K. Schmidt/Ries, InsO, § 56a Rn. 17 ff. 153) AG Stendahl ZIP 2012, 1875; Ampferl, in: Kübler, HRI, § 9 Rn. 185; Andres/Leithaus/ Andres, InsO, § 56a Rn. 7; Braun/Blümle, InsO, § 56a Rn. 25; Kayser/Thole/Riedel, HK-InsO, § 56a Rn. 23; Kübler/Prütting/Bork/Lüke, InsO, § 56a Rn. 13; Nerlich/ Römermann/ders., InsO, § 56a Rn. 15; Wimmer/Jahntz, FK-InsO, § 56 Rn. 38. 154) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 61. 155) Vgl. nur Graeber, MüKo-InsO, § 56a Rn. 11.

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II. Auswahl und Bestellung

Danach ist dem vorläufigen Ausschuss dann erst wieder vor der Bestellung 87 des endgültigen Sachwalters Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Darüber hilft auch nicht die Neuwahlkompetenz des § 56a Abs. 3 InsO hinweg: Gemäß dieser Vorschrift kann der Ausschuss zwar einstimmig einen neuen (vorläufigen) Sachwalter wählen, wenn er aufgrund besonderer Eilbedürftigkeit mit Blick auf Gefahren für das schuldnerische Vermögen vor der Bestellung gem. § 56a Abs. 1 letzter Halbs. InsO nicht angehört wurde. Allerdings setzt dies eben voraus, dass er wegen der Eilbedürftigkeit nicht angehört wurde und nicht, weil er noch nicht eingesetzt war.156) Auch eine analoge Anwendung dieser Norm scheidet aus. Selbst wenn man 88 eine planwidrige Regelungslücke annähme, fehlte es an einer vergleichbaren Interessenlage. Diese ließe sich eben nicht mit einem „erst recht“-Schluss begründen:157) Abs. 3 der Vorschrift will einen Ausgleich für die im Eilfall übergangene Kompetenz des Ausschusses schaffen. Im Falle fehlender Bestellung des Ausschusses war aber noch keine Kompetenz vorhanden, die übergangen wurde. Ist der vorläufige Gläubigerausschuss also erst später bestellt worden und mit 89 der Person eines vorab bestellten vorläufigen Sachwalters unzufrieden, verbleibt ihm lediglich, mittels seiner Beschlussfassung auf die Person des endgültigen Sachwalters Einfluss zu nehmen. Hierfür stehen ihm die bereits benannten Mittel zur Verfügung (Rn. 78 f.). Praxistipp: Der vorläufige Sachwalter, der auch nach Verfahrenseröffnung im Amt bleiben möchte, ist deswegen gut beraten, sich mit dem vorläufigen Gläubigerausschuss abzustimmen. Es hat sich als praktikabel erwiesen, diesen in der letzten Sitzung vor dem Eröffnungsbeschluss zu befragen, ob er eine weitere Tätigkeit des Sachwalters einstimmig befürworte. Wird dies bejaht, kann der Sachwalter dem Gericht mitteilen, dass die Voraussetzungen für seine Bestellung auch im eröffneten Verfahren gem. § 56a Abs. 2 S. 1 InsO vorliegen.

Um die durch § 56a InsO gebotenen Möglichkeiten nutzen zu können, kann es 90 sich praktisch bei Eröffnungsanträgen von Gläubigern anbieten, zugleich die Konstruktion eines sog. „mitgebrachten Gläubigerausschusses“ zu nutzen.158) Zur dann gebotenen Vorgehensweise, um den favorisierten Sachwalter ins Amt zu helfen, sowie zur rechtlichen Bedeutung siehe Rn. 100 ff.

___________ 156) Graeber, MüKo-InsO, § 56a Rn. 59; Nerlich/Römermann/ders., InsO, § 56a Rn. 18; Schmidt/Frind, HmbKo-InsO, § 56a Rn. 32; zur a. A. vgl. die nachfolgende Fußnote. 157) So aber Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Lind, FAK-InsO, § 56a Rn. 6; Ampferl, in: Kübler, HRI, § 9 Rn. 194 f.; Blersch/Goetsch/Haas/Blersch, BerlKo-InsR, § 56a Rn. 11; K. Schmidt/Ries, InsO, § 56a Rn. 25; Wimmer/Jahntz, FK-InsO, § 56a Rn. 51. 158) So bereits Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 13 Rn. 1751.

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B. Die Person des Sachwalters

b) Gläubigerversammlung 91 Auch die Regelung des § 57 InsO ist gem. § 274 Abs. 1 InsO in der Eigenverwaltung anwendbar. Daher kann die erste Gläubigerversammlung – die erst nach Verfahrenseröffnung zusammentritt – nach der Bestellung einer Person zum endgültigen Sachwalter statt seiner eine andere Person wählen.159) 92 Erforderlich ist für eine gültige Wahl die doppelte Mehrheit der Gläubiger nach Summen und Köpfen, §§ 57 S. 2, 76 Abs. 2 InsO. Das Gericht ist an diese Entscheidung gebunden, es sei denn, der Kandidat ist für eine SachwalterStellung ungeeignet. Insofern gilt dasselbe wie bei einer einstimmigen Wahl durch den vorläufigen Gläubigerausschuss gem. § 56a Abs. 2 InsO (oben Rn. 84). 93 Versagt das Gericht die Bestellung des gewählten Kandidaten, steht Insolvenzgläubigern hiergegen gem. § 57 S. 4 InsO die sofortige Beschwerde offen. Andere Rechtsmittel bestehen wohl nicht: Wie schon bei der Abwahl des Insolvenzverwalters wird auch beim Abwahlbeschluss im Falle der Eigenverwaltung kein Rechtsschutz gem. § 78 InsO zu gewähren sein.160) Auch dem Sachwalter selbst dürfte analog der Rechtsprechung zum abgewählten Verwalter kein Rechtsschutz offen stehen, soweit man davon ausgeht, dass § 57 S. 4 InsO eine abschließende Spezialregelung darstellt.161) 3. Einflussnahme durch den Schuldner 94 Nicht nur die Gläubiger können auf die Person des Sachwalters Einfluss nehmen: Auch dem Schuldner stehen hierfür neben dem Vorschlag (oben Rn. 71 ff.) Möglichkeiten zur Verfügung. Diese sind indes nur beim Schutzschirmverfahren rechtlich zwingend ausgebildet, während der Schuldner ansonsten auf die Kooperation seiner Gläubiger angewiesen ist. a) Schutzschirmverfahren 95 Liegen die Voraussetzungen für ein Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO vor (oben Rn. 30 ff.), so hat der Schuldner gem. § 270b Abs. 2 S. 2 InsO ein Vorschlagsrecht hinsichtlich der Person des vorläufigen Sachwalters. Soweit der Schuldner hiervon Gebrauch macht, ist diese Möglichkeit gegenüber der Regelungen der §§ 56, 56a InsO spezieller und verdrängt diese.162) ___________ 159) Allgemeine Meinung, vgl. nur Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 274 Rn. 7; Kübler/ Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 30; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 274 Rn. 17; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 13. 160) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 31; a. A. Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 39. 161) Vgl. BGH ZInsO 2003, 750; BVerfG ZInsO 2005, 368; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 32; a. A., jedoch ohne eine Begründung, Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/ Fridgen, BerlKo-InsR, § 274 Rn. 10. 162) Braun/Riggert, InsO, § 270b Rn. 9; Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 270b Rn. 38; K. Schmidt/Undritz, InsO, § 270b Rn. 10; Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 13 Rn. 1750.

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II. Auswahl und Bestellung

Nutzt der Schuldner sein Vorschlagsrecht, ist das Gericht daran gebunden. 96 Es darf den Kandidaten gem. § 270b Abs. 2 S. 2 InsO ausschließlich dann ablehnen, wenn er offensichtlich ungeeignet ist. Einen Unterfall hierfür nennt § 270b Abs. 2 S. 1 InsO, wonach der vorläufige Sachwalter mit dem Aussteller der Sanierungsbescheinigung nicht identisch sein darf. Im Übrigen gelten wie im Falle des einstimmigen Vorschlages durch den vor- 97 läufigen Gläubigerausschuss die Maßstäbe des § 56 Abs. 1 S. 1 InsO (oben Rn. 67 ff.).163) Soweit die Norm eine „offensichtlich“ fehlende Eignung anspricht, muss diese für das Gericht auf der Hand liegen.164) Zweifelsfälle gehen also nicht zu Lasten des Schuldners.165) Folgt das Gericht dem Vorschlag nicht, hat es dies in einem ablehnenden Be- 98 schluss zu begründen, § 270b Abs. 2 S. 2 letzter Halbs. InsO. Einem Rechtsmittel unterliegt dieser Beschluss freilich nicht.166) Hinsichtlich der Bestellung einer vom Schuldner nicht vorgeschlagenen Person leben dann wieder die allgemeinen Vorschriften der §§ 274 Abs. 1, 56, 56a InsO auf.167) Praxistipp: Wegen fehlender Rechtsmittel ist es besonders wichtig, schon im Vorfeld der Antragstellung mit dem Gericht zu kommunizieren. So können Bedenken hinsichtlich der Eignung eines Kandidaten angesprochen und der Verfahrensablauf besser geplant werden. Praktisch hilfreich kann es sein, einen Kandidaten vorzuschlagen, der bereits in der Vorauswahlliste des Gerichtes enthalten ist, weil damit die grundsätzliche Eignung kaum in Frage stehen wird. Rechtlich zwingend ist das freilich nicht.168) Im Übrigen muss der Schuldner bei der Antragstellung nach § 270b InsO den Umgang mit der Information der Gläubiger planen. Bezieht er diese frühzeitig mit ein, riskiert er, dass sie ihre Forderungen fällig stellen und damit eine Zahlungsunfähigkeit herbeiführen – dies schließt in Folge einen Schutzschirm gem. § 270b InsO aus (oben Rn. 31). Informiert er sie vorab nicht, kann er zwar einen zulässigen Schutzschirm-Antrag stellen. Jedoch riskiert er dann im weiteren Verfahren eine Einschränkung der Kooperationsbereitschaft der Gläubiger, weil diese sich übergangen fühlen.

b) Koordination mit den Gläubigern Liegen die Voraussetzungen für ein Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO 99 nicht vor, hat der Schuldner neben einem allgemeinen Vorschlagsrecht (oben Rn. 71 ff.) keine originären Kompetenzen, auf die Person des Sachwalters ___________ 163) Andres/Leithaus/Leithaus, InsO, § 270b Rn. 11; Braun/Riggert, InsO, § 270b Rn. 10; Schmidt/Undritz, InsO, § 270b Rn. 10. 164) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 270b Rn. 19. 165) Braun/Riggert, InsO, § 270b Rn. 11. 166) Statt aller Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 270b Rn. 39. 167) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 270b Rn. 20. 168) Dazu Kreft/Landfermann, HK-InsO, § 270b Rn. 40.

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B. Die Person des Sachwalters

Einfluss zu nehmen. Wohl aber kann er sich praktisch die Kompetenzen der Gläubiger zunutze machen. aa) „Mitgebrachter Gläubigerausschuss“ 100 Dafür steht ihm die Figur des sog. mitgebrachten vorläufigen Gläubigerausschusses zur Verfügung.169) Die dahinter stehende Idee ist, dass der Schuldner mit Antragstellung alle notwendigen Unterlagen einreicht, damit das Gericht einen vorläufigen Gläubigerausschuss einsetzen kann, der dann wiederum eine konkrete Person als Sachwalter einstimmig favorisiert. 101 Kann das Gericht damit dazu gebracht werden, zuerst den Ausschuss einzusetzen und liegt ihm dessen einstimmige Stellungnahme dann bereits vor, spricht viel dafür, dass das im Voraus gefasste, einstimmige Votum für das Gericht gem. § 56a Abs. 2 InsO bindend ist (oben Rn. 84). Denn ein neuerliches Votum zu fordern, wäre dann bloße Förmelei. Auch spricht angesichts des Wortlautes des § 56a Abs. 1 InsO nichts dagegen, dass der Ausschuss seine „Gelegenheit“, sich zu „äußern“ durch eine vorverfasste Stellungnahme wahrnimmt.170) 102 Bestellt das Gericht hingegen zuerst den Sachwalter, bevor es den Ausschuss einsetzt, wird ein solcher mehrseitiger Vorschlag mindestens eine Ermessensreduktion (oben Rn. 73 f.) bedingen. Darüber hinaus kann er auch eine gewisse faktische Bindungswirkung hervorrufen. Diese geht freilich dort fehl, wo Gerichte dem Konzept eines mitgebrachten Ausschusses grundsätzlich kritisch oder sogar ablehnend gegenüberstehen.171) Praxistipp: Auch in diesem Kontext empfiehlt sich daher unbedingt eine vorherige Kommunikation mit dem zuständigen Insolvenzgericht. Diese sollte bestenfalls bereits im Vorfeld der Antragstellung erfolgen, um einen reibungslosen Einstieg ins Verfahren zu begünstigen (dazu und zum sonst gebotenen Inhalt der Kommunikation vgl. noch unten Rn. 108 a. E.).

bb) Praktische Umsetzung 103 Will der Schuldner eine solche Konstruktion nutzen, sollte er, soweit die Voraussetzungen des § 22a Abs. 1 InsO vorliegen, die Einsetzung eines Pflichtausschusses anregen. Alternativ sollte er die Einsetzung eines Antragsausschusses gem. § 22a Abs. 2 InsO beantragen. In beiden Fällen ist es wegen der Steuerungsmöglichkeit durch den Schuldner, sowie zur Zeitersparnis dringend geboten – und im zweiten Fall sogar für eine zulässige Antragstellung ___________ 169) Vgl. dazu allgemein Kern, MüKo-InsO, Vor §§ 270 ff. Rn. 22; kritisch Schmidt/Frind, HmbKo-InsO, § 56a Rn. 24 f. 170) Anders, aber ohne hinreichende Begründung, Schmidt/Frind, HmbKo-InsO, § 56a Rn. 13. 171) Vgl. etwa LG Dessau-Roßlau, B. v. 2.5.2012 – 1 T 116/12 – juris m. Anm. N. Schmidt, ZInsO 2012, 1107.

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II. Auswahl und Bestellung

rechtlich erforderlich (oben Rn. 80) – Einverständniserklärungen der potentiellen Mitglieder beizufügen nach folgendem Beispiel: Hiermit erkläre ich mich bereit, einem vorläufigen Gläubigerausschuss im Insolvenzverfahren über das Vermögen des … anzugehören. Bei der Auswahl der potentiellen Mitglieder sollte sich der Schuldner an den 104 Vorgaben des § 67 Abs. 2 InsO orientieren, weil die dort bezeichnete Zusammensetzung auch für das Gericht bei eigener Auswahl der Mitglieder entscheidend wäre. Danach ist es also sinnvoll, wenn der Schuldner – abhängig von der Verteilung der Forderungshöhen und Absonderungsrechte im konkreten Fall – Einverständniserklärungen von insgesamt vier Mitgliedern aus den jeweils folgenden Gläubigergruppen beibringt: x

Absonderungsberechtigte Gläubiger (beispielsweise Hauptlieferant mit erweitertem Eigentumsvorbehalt),

x

Insolvenzgläubiger mit den höchsten Forderungen (etwa Geschäftsbank),

x

Vertreter der Arbeitnehmer, ggf. Betriebsrat, sowie

x

Kleingläubiger.

Um diese zu erlangen, ist es erforderlich, die entsprechenden Personen zu in- 105 formieren, sowie sie von der Verfahrensabwicklung in Eigenverwaltung und der Unterstützung der vom Schuldner favorisierten Person des Sachwalters zu überzeugen. Im Sinne eines geordneten Verfahrensablaufes sollte der Schuldner bei der Personenauswahl darauf achten, dass die Interessen der Gläubiger berücksichtigt werden und nicht ausschließlich schuldnerfreundliche Kandidaten vorgeschlagen werden.172) Dabei besteht jedoch gleichwohl das praktische Risiko der Obstruktion durch einen Gläubiger, das durch alternative Auswahl eines anderen Mitglieds der jeweiligen Gläubigergruppe nur vordergründig umgangen werden kann. Denn ein bereits informierter Gläubiger, der das Vorgehen nicht gutheißt, 106 kann die für ihn maßgeblichen Gründe dem jeweiligen Gericht durch Einreichung einer Schutzschrift bekannt machen.173) Liegt dem Gericht eine solche vor, sieht es sich regelmäßig gehalten, im Rahmen der Amtsermittlung die entsprechenden Umstände aufzuklären,174) was mindestens Zeitverlust bedeutet. Darüber hinaus kann ein obstruierender Gläubiger auch später im Rahmen ___________ 172) Insbesondere sollten dabei die Interessen großer insolvenzerfahrener Gläubiger wie etwa der Geschäftsbanken nicht außen vorgelassen werden. Dies könnte sich etwa bei einer geplanten Sanierung mittels Insolvenzplans als sehr hinderlich herausstellen. 173) Kern, MüKo-InsO, § 270 Rn. 41. 174) Insofern von einer echten Rechtspflicht ausgehend Kern, MüKo-InsO, § 270 Rn. 140; vgl. auch Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 270 Rn. 39.

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B. Die Person des Sachwalters

von § 57 InsO eine Abwahl des Sachwalters (oben Rn. 91 ff.) oder gem. § 272 Abs. 1 Nr. 2 InsO eine Aufhebung der Eigenverwaltung zu erreichen suchen. 107 Einer sorgfältigen Vorauswahl und der Überzeugung der informierten Person ist daher unbedingt der Vorzug zu geben. Soweit dies gelingt, kann die Einverständniserklärung um die notwendige Unterstützungserklärung hinsichtlich der Person des Sachwalters erweitert werden nach folgendem Beispiel: Hiermit schlage ich die Bestellung von … als vorläufigen Sachwalter für das Verfahren vor. 108 Im Folgenden kann der Schuldner dann bei Gericht mit Vorlage dieser Unterlagen erstens die Verfahrenseröffnung, zweitens die Anordnung einer Eigenverwaltung und drittens die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses beantragen. Auf diese Weise kann dabei auch seine Einflussnahme auf die Person des Sachwalters nach dem oben Gesagten funktionieren. Praxistipp: Ob ein solches Vorgehen beim jeweiligen Gericht erfolgversprechend ist, sollte bereits im Vorfeld mit dem Richter besprochen werden. Opportun ist es, wenn der Geschäftsführer des Schuldners mit seinem Berater beim zuständigen Richter – soweit möglich – im Vorfeld der Antragstellung vorstellig wird. Dann kann geschildert werden, was als Vorgehen angedacht ist und inwiefern das bereits die Unterstützung der Gläubiger genießt. Man kann dabei erfragen, was der Richter von den Überlegungen hält. Ohnehin ist es nicht ratsam, das Gericht vor vollendete Tatsachen zu stellen. Es ist erheblich zielführender, schon im Voraus auf Wünsche und Nachfragen des Gerichtes einzugehen. Auch kann es sinnvoller sein, die Idee einer Eigenverwaltung fallen zu lassen, soweit das Gericht mangelnde Erfolgsaussicht eines solchen Antrages in Aussicht stellt und sich vom Gegenteil nicht überzeugen lässt. Ratsamer wäre es dann womöglich, stattdessen wenigstens auf die Person des vorläufigen Verwalters Einfluss zu nehmen. In der Praxis zeigt sich dabei, welche Bedeutung die gute Vorbereitung des Antrages hat. Gelingt in diesem Kontext die Organisation des Gläubigerausschusses und verläuft auch die notwendige Kommunikation mit dem Gericht positiv, determiniert dies einen positiven Start des Verfahrens.

III. Überwachung des Sachwalters 109 In der Eigenverwaltung besteht ein mehrfaches Aufsichtsverhältnis. Der Schuldner steht unter der Aufsicht des Sachwalters, der Sachwalter hingegen unter der Aufsicht des Insolvenzgerichtes. Darüber hinaus ist er auch gegenüber Gläubigerorganen zu Informationshandlungen verpflichtet. 1. Aufsicht des Insolvenzgerichtes 110 Wie die Verweisungsnorm des § 274 Abs. 1 InsO anordnet, unterliegt der Sachwalter gem. § 58 Abs. 1 InsO der insolvenzgerichtlichen Aufsicht. Dies zeigt, 30

III. Überwachung des Sachwalters

dass Aufsichtsverhältnisse in der Eigenverwaltung gestuft sind: Das Gericht beaufsichtigt den Sachwalter, dieser den Schuldner. Eine direkte Aufsicht des Gerichtes über den Schuldner besteht angesichts der speziellen Regelung in § 274 Abs. 1 InsO nicht.175) Dies würde andernfalls zu einer Funktionsdopplung im Verfahren führen und damit das Organ des Sachwalters letztlich überflüssig machen. a) Informationsrechte An Informationsrechten gegenüber dem Sachwalter steht dem Gericht das aus 111 dem Regelinsolvenzverfahren bekannte Repertoire aus § 58 Abs. 1 S. 2 InsO176) zur Verfügung. Es kann einzelne Auskünfte ebenso verlangen wie die Erstattung von Berichten über den Sachstand und die Geschäftsführung.177) Allerdings gilt dies gegenüber dem Sachwalter gem. § 274 Abs. 1 InsO „entsprechend“, bedarf also der Anpassung. Denn das Informationsrecht des § 58 Abs. 1 S. 2 InsO steht im Kontext der 112 möglichen Sanktionsmaßnahmen nach §§ 58 Abs. 2, 59 InsO.178) Es dient der Überwachung der Aufgabenerfüllung des Sachwalters durch das Gericht. Daraus ergibt sich, dass der Sachwalter nur über seine Aufgaben zur Information verpflichtet ist. Das Gericht kann also Auskünfte und Berichte nur hinsichtlich dieser verlangen.179) Ist beispielsweise der Schuldner gem. § 281 Abs. 3 InsO zur Rechnungslegung verpflichtet, kann eine solche vom Sachwalter nicht verlangt werden. Insgesamt darf das Gericht damit dem Sachwalter – abgesehen von dessen originären Aufgaben (unten Rn. 136, 225 ff.)180) – regelmäßig nur aufgeben, darzulegen, „wie er [seiner] Überwachungspflicht nachkommt“.181) Zum Aufgabenumfang des Sachwalters, auf den sich seine Informationspflichten beziehen, vgl. im Einzelnen noch unten (Rn. 222 ff.). Eine intensivere Kontrolle als im Regelinsolvenzverfahren ist bei der Eigen- 113 verwaltung nicht notwendig.182) Dies ergibt sich aus dem dargestellten funktionalen Zusammenhang zwischen der Aufgabenerfüllung des Sachwalters und ___________ 175) Herrschende Auffassung, vgl. K. Schmidt/Undritz, InsO, § 274 Rn. 4; Kayser/Thole/ Brünkmans, HK-InsO, § 274 Rn. 7; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 34; Schmidberger, NZI 2011, 928, 931; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 13. 176) Dazu im Einzelnen Schmidberger, NZI 2011, 928, 929 f. 177) Statt aller Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 274 Rn. 6. 178) Außerhalb eines eigenen Entscheidungsprozesses des Gerichtes zum Einschreiten wäre die Kontrolle des Sachwalters funktionslos, vgl. dazu Krebs, Kontrolle, S. 36 ff. 179) Statt aller vgl. nur Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 34 ff.; Uhlenbruck/ Zipperer, InsO, § 274 Rn. 6; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 20. 180) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 37. 181) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 36. 182) Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ringstmeier, FAK-InsO, § 274 Rn. 7; Graf-Schlicker/ dies., InsO, § 274 Rn. 3; Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 274 Rn. 7; Kübler/ Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 38; a. A., soweit ersichtlich, nur Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 679.

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B. Die Person des Sachwalters

der diesbezüglichen Kontrolle durch das Gericht. Aus einer angenommenen Steigerung der abstrakten Gefährlichkeit schuldnerischer Handlungen im Verfahren183) lässt sich nämlich nicht auf eine gleichlaufende mangelnde Aufgabenerfüllung durch den Sachwalter schließen, die eine stärkere Aufsicht über diesen notwendig machen würde. b) Sanktionsmöglichkeiten 114 Verletzt der Sachwalter seine insolvenzspezifischen Pflichten,184) kann das Insolvenzgericht gem. §§ 58 Abs. 2, 59 InsO Sanktionen verhängen. In Frage kommen Pflichtverletzungen der Pflichten des § 58 Abs. 1 InsO sowie sonstiger Pflichten, die dem Sachwalter im Rahmen seiner Aufgaben im Verfahren obliegen (vgl. dazu im Einzelnen unten Rn. 222 ff. und zur Insolvenzspezifik im Rahmen der Haftung noch Rn. 536 ff.).185) 115 Das gerichtliche Sanktionsarsenal entspricht demjenigen im Regelinsolvenzverfahren.186) Es beginnt mit klärenden Gesprächen zwischen Gericht und Sachwalter187) und führt über eine schriftliche Aufforderung zur Verhaltensänderung samt Fristsetzung mit festzusetzendem Zwangsgeld bei Nichterfüllung gem. § 58 Abs. 2 InsO188), über die Einsetzung eines Sondersachwalters (unten Rn. 542 f.) bis hin zur Entlassung nach § 59 InsO. 116 Eine Entlassung gem. § 59 InsO kommt jedoch wegen des Übermaßverbotes aus Art. 12 Abs. 1 GG des Sachwalters nur als ultima ratio in Betracht189) und bedarf eines wichtigen Grundes, § 59 Abs. 1 S. 1 InsO. Dieser kann etwa in einer Unfähigkeit zur Amtsausübung wegen Krankheit oder nachträglich bekannt gewordenen Eignungsmängeln liegen, oder in schweren oder wiederholten Pflichtverletzungen, kollusivem Verhalten mit dem Schuldner oder sonstigen sachwidrigen oder sogar strafbaren Handlungen mit Bezug zum Verfahren.190) 2. „Aufsicht“ der Gläubiger 117 Eine „Aufsicht“ der Gläubiger über den Sachwalter ist in dieser Bezeichnung den Normen der Insolvenzordnung fremd. Versteht man Aufsicht aber dergestalt, dass ein Rechtssubjekt ein anderes kontrolliert und zur Korrektur eines für falsch befundenen Kontrollergebnisses Maßnahmen ergreifen kann (im Einzelnen unten Rn. 293 f.), besteht jedoch eine Art faktischer Aufsicht der Gläubiger. ___________ 183) 184) 185) 186) 187) 188) 189) 190)

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So die Besorgnis bei Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 679. Vgl. nur Graf-Schlicker/Castrup, InsO, § 58 Rn. 9; Graeber, MüKo-InsO, § 58 Rn. 30. Beispiele für den Verwalter bei Graeber, MüKo-InsO, § 58 Rn. 31 ff. Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 44; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 21. Graf-Schlicker/Castrup, InsO, § 58 Rn. 12. Dazu im Einzelnen Schmidberger, NZI 2011, 928, 929 f. Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 274 Rn. 6; Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 45. Ebd.

III. Überwachung des Sachwalters

a) Informationsrechte Der Sachwalter unterliegt den Gläubigern gegenüber einer Vielzahl spezieller 118 Informations-, Anzeige- und Berichtspflichten. Auf diese wird im Kontext der jeweiligen Aufgaben an passender Stelle im Einzelnen eingegangen (vgl. unten Rn. 222 ff.). Maßgeblich sind daher hier zunächst lediglich die allgemeinen Informations- und Sanktionsrechte der Gläubiger. aa) Rechte der Gläubigerversammlung Die Gläubigerversammlung ist gem. § 79 InsO befugt, vom Sachwalter ein- 119 zelne Auskünfte und Berichte über den Sachstand und die Geschäftsführung zu verlangen.191) Die Norm ist über den allgemeinen Verweis in § 270 Abs. 1 S. 2 InsO auch in der Eigenverwaltung auf den Sachwalter anwendbar.192) Dies ist nicht durch § 274 Abs. 1 InsO ausgeschlossen, weil sich diese Regelung mit ihrer einschränkenden Normierung nur auf die Bestellung, gerichtliche Aufsicht, Haftung und Vergütung des Sachwalters bezieht. § 79 InsO ist wie § 58 Abs. 1 S. 2 InsO als durch den oben beschriebenen funk- 120 tionalen Zusammenhang (Rn. 112) eingeschränkt zu verstehen. Die Anwendung muss ebenfalls dem Umstand Rechnung tragen, dass die Berichtspflichten in der Eigenverwaltung primär den Schuldner treffen (unten Rn. 216 ff.).193) Die Gläubigerversammlung kann daher ausschließlich insofern Auskünfte und Berichte verlangen, als den Sachwalter seinerseits entweder originäre Aufgaben treffen oder er seine Aufsichtsaufgaben wahrzunehmen hat (vgl. ebenfalls oben Rn. 112).194) Daneben kann die Gläubigerversammlung auf Grundlage von §§ 270 Abs. 1 121 S. 2, 79 InsO vom Schuldner Auskünfte und Berichte über die Geschäftsführung verlangen.195) Denn wollte man die Norm ausschließlich auf den Sachwalter beziehen, hätte die Gläubigerversammlung keine Möglichkeit, ihr – unter anderem mit Blick auf einen Aufhebungsantrag (unten Rn. 131) bestehendes – Informationsbedürfnis hinsichtlich der Geschäftsführung zu befriedigen. Dazu genügt nämlich die Regelung des § 281 Abs. 2 InsO nicht, weil sie nur im Berichtstermin greift.

___________ 191) 192) 193) 194) 195)

Ehricke/Ahrens, MüKo-InsO, § 79 Rn. 9; Kayser/Thole/Riedel, HK-InsO, § 79 Rn. 6. Für eine lediglich analoge Anwendung Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 1021 ff. Ehricke/Ahrens, MüKo-InsO, § 79 Rn. 11; Uhlenbruck/Knof, InsO, § 79 Rn. 16. Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 274 Rn. 8; Uhlenbruck/Knof, InsO, § 79 Rn. 16. Bierbach, in: Kübler, HRI, § 11 Rn. 110; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 218; Uhlenbruck/ Knof, InsO, § 79 Rn. 16; für „möglich“ gehalten von Ehricke/Ahrens, MüKo-InsO, § 79 Rn. 11.

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B. Die Person des Sachwalters

bb) Rechte des (vorläufigen) Gläubigerausschusses 122 Für den Gläubigerausschuss ist gem. § 270 Abs. 1 S. 2 InsO auch § 69 InsO anwendbar.196) Zwar regelt die Norm lediglich die Aufgabe des Ausschusses, den Sachwalter zu unterstützen und zu überwachen; allerdings muss damit eine ungeschriebene Informationsverpflichtung des Sachwalters korrespondieren, weil die Aufgabe sonst – insbesondere vor dem Hintergrund der Prüfungs-, Einsichts- und Unterrichtungspflicht ihres S. 2 – nicht erfüllbar wäre.197) 123 Gegenüber dem (vorläufigen) Gläubigerausschuss ist der Sachwalter also gem. § 69 InsO zur umfassenden Information hinsichtlich der „Geschäftsführung“ verpflichtet. Diese obliegt in der Eigenverwaltung allerdings nicht dem Sachwalter, sondern dem Schuldner (unten Rn. 155), so dass es auch hier einer angepassten Auslegung nach Maßgabe des oben Gesagten bedarf (Rn. 112). 124 Die Unterstützungs- und Überwachungspflicht der Geschäftsführung besteht also in der Eigenverwaltung nur im Verhältnis zwischen Schuldner und Gläubigerausschuss.198) Den Sachwalter trifft eine Informationspflicht gegenüber dem Gläubigerausschuss – wie schon im Falle gerichtlicher Prüfung und Prüfung durch die Gläubigerversammlung – nur insofern, als er originäre Aufgaben wahrzunehmen hat oder seine Überwachungs- und Prüfungspflichten in Rede stehen. Diesbezüglich kann der Ausschuss von ihm Berichte anfordern oder Unterlagen einsehen.199) b) Sanktionsmöglichkeiten aa) Anregung gerichtlicher Sanktionen 125 Stellen beliebige Gläubiger oder Gläubigerorgane Pflichtverletzungen des Sachwalters fest, so steht es ihnen frei, Aufsichtsmaßnahmen des Gerichtes gem. § 58 Abs. 2 InsO anzuregen. Derartige Anregungen können das Gericht im Rahmen der Amtsermittlungspflicht gem. § 5 Abs. 1 InsO zur Aufklärung und zum Tätigwerden bewegen,200) sind aber keine zu bescheidenden förmlichen Anträge und bei Ablehnung auch nicht rechtsmittelfähig.201) bb) Aufhebung eines Schutzschirmes 126 Handelt es sich um ein Schutzschirmverfahren, steht dem vorläufigen Gläubigerausschuss gem. § 270b Abs. 4 S. 1 Nr. 2 InsO ein Antrag auf Aufhebung ___________ 196) Ampferl, in: Kübler, HRI, § 9 Rn. 207; Kern, MüKo-InsO, § 276 Rn. 21 f.; Schmidt/Frind, HmbKo-InsO, § 69 Rn. 1; nur analoge Anwendung nach Auffassung von Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 1021 ff. 197) Graf-Schlicker/Pöhlmann/Kubusch, InsO, § 69 Rn. 13. 198) Kern, MüKo-InsO, § 276 Rn. 20; Pape, Kölner Schrift, Kap. 24 Rn. 71. 199) Kern, MüKo-InsO, § 276 Rn. 21 f.; Pape, Kölner Schrift, Kap. 24 Rn. 71. 200) Schmidt/Frind, HmbKo-InsO, 4. Aufl., § 58 Rn. 2. 201) Kübler/Prütting/Bork/Lüke, InsO, § 58 Rn. 12; Nerlich/Römermann/ders., InsO, § 58 Rn. 13, 22; Schmidt/Frind, HmbKo-InsO, § 58 Rn. 26.

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III. Überwachung des Sachwalters

des Schutzschirmes zur Verfügung. Dazu genügt ein mit der Mehrheit des § 72 InsO gefasster Beschluss des Ausschusses. Das Gericht hat die Aufhebung dann ohne Prüfung weiterer Voraussetzungen zu beschließen.202) Dieselbe Befugnis steht im Schutzschirmverfahren gem. § 270b Abs. 4 S. 1 Nr. 3 127 InsO auch absonderungsberechtigten Gläubigern und Insolvenzgläubigern zu. Allerdings nur dann, wenn kein vorläufiger Gläubigerausschuss besteht und zu erwartende Nachteile für die Gläubiger durch das Schutzschirmverfahren durch den Antragsteller gem. § 294 ZPO glaubhaft gemacht werden.203) Durch die Aufhebung des Schutzschirmes wird das Verfahren in eine Regel- 128 insolvenz übergeleitet. Der Sachwalter wird damit abberufen und kann anschließend als (vorläufiger) Insolvenzverwalter bestellt werden.204) Hiergegen stehen den Gläubigern dann mit einer Schutzschrift (oben Rn. 106), Vorschlägen (oben Rn. 71 ff.) bzw. den Rechten aus § 56a InsO (oben Rn. 82 ff.) Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Person des neu zu bestellenden (vorläufigen) Insolvenzverwalters zur Verfügung. cc) Beschränkung nach § 277 InsO Die Gläubigerversammlung kann gem. § 277 InsO die gerichtliche Anordnung 129 beantragen, dass bestimmte Handlungen des Schuldners nur mit Zustimmung des Sachwalters wirksam sind (dazu im Einzelnen unten Rn. 427 ff.). Dieses Sanktionsmittel bezieht sich zwar vordergründig auf den Schuldner, 130 kann aber auch Sanktionscharakter gegenüber dem Sachwalter haben. Denn erstens erweitert es seinen Pflichtenkreis und zweitens läuft er so Gefahr, bei Fehlern gem. §§ 277 Abs. 1 S. 3, 61 InsO einer Haftung für Masseverbindlichkeiten zu unterliegen. dd) Aufhebung der Eigenverwaltung Wurde die Eigenverwaltung im eröffneten Verfahren angeordnet, kann sie auf 131 einen Antrag gem. § 272 Abs. 1 InsO wieder aufgehoben werden. Das Antragsrecht steht zu: x

dem Schuldner selbst,

x

der Gläubigerversammlung mit der Mehrheit der Gläubiger nach Summen und Köpfen, § 76 Abs. 2 InsO, oder

einem absonderungsberechtigten Gläubiger oder einem Insolvenzgläubiger, der Umstände glaubhaft macht (§ 294 ZPO), die Gläubigernachteile erwarten lassen und dem durch die Fortsetzung der Eigenverwaltung erhebliche Nachteile drohen. ___________ x

202) Statt aller Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 270b Rn. 52; Kübler/Prütting/Bork/ Pape, InsO, § 270b Rn. 87. 203) Dazu im Einzelnen Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270b Rn. 89 ff. 204) Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 270b Rn. 55.

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B. Die Person des Sachwalters

132 Wird die Eigenverwaltung daraufhin nach Anhörung des Schuldners (§ 272 Abs. 2 S. 2 InsO) und gegebenenfalls notwendiger Entscheidung über eine Beschwerde desselben oder anderer Gläubiger (§ 272 Abs. 2 S. 3 InsO) aufgehoben, wird das Verfahren als Regelinsolvenzverfahren fortgeführt.205) 133 Mit der Aufhebung der Eigenverwaltung wird auch der Sachwalter abberufen und ein Insolvenzverwalter bestellt.206) Dies „kann“ zwar gem. § 272 Abs. 3 InsO der bisherige Sachwalter sein, doch ist dies nicht zwingend:207) Vielmehr steht dem Gericht das Ermessen des § 56 Abs. 1 S. 1 InsO zur Verfügung und den Gläubigern die oben beschriebenen Möglichkeiten der Einflussnahme gem. § 56a InsO zu (Rn. 78 ff.).208) Zudem verfügt in der Folge die erste auf die Neubestellungsentscheidung des Gerichtes folgende Gläubigerversammlung über das Abwahlrecht gem. § 57 InsO.209)

___________ 205) Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 272 Rn. 16; Kern, MüKo-InsO, § 272 Rn. 53. 206) Braun/Riggert, InsO, § 272 Rn. 6; Kern, MüKo-InsO, § 272 Rn. 54. 207) Allgemeine Meinung, vgl. nur Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 272 Rn. 11; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 272 Rn. 5; Kern, MüKo-InsO, § 272 Rn. 54; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 272 Rn. 8. 208) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 272 Rn. 9; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 272 Rn. 35. 209) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 272 Rn. 10; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 272 Rn. 37; Kern, MüKo-InsO, § 272 Rn. 56.

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C. Aufgaben und Kompetenzen I. Grundsatz Die Verfahren, in denen (vorläufige) Sachwalter tätig werden, sind durch das 134 Fehlen eines Insolvenzverwalters gekennzeichnet: Vielmehr wird gem. § 270 Abs. 1 S. 1 InsO der Schuldner „unter der Aufsicht eines Sachwalters“ selbst tätig. Dieses Tätigwerden umschließt, wie S. 2 der Vorschrift zeigt, eine Verfahrensabwicklung grundsätzlich nach den allgemeinen Vorschriften. Insofern liegt der Schluss nahe, dass die Kompetenzen zwischen Schuldner und Sachwalter aufgeteilt werden210) und beide zusammen die Funktion übernehmen, die im Regelinsolvenzverfahren dem Insolvenzverwalter obliegt. Ein Bild von zwei Hälften eines Gesamtgefüges von Kompetenzen wird indes 135 weder praktisch noch theoretisch der Realität gerecht.211) Praktisch erklärt es nicht die diversen Konfliktlagen, die zwischen Schuldner und Sachwalter auftreten und auf die noch einzugehen sein wird. Theoretisch bringt es die von § 270 Abs. 1 S. 1 InsO angeordnete „Aufsicht“ nicht hinreichend zum Ausdruck. Wollte man daher Schuldner und Sachwalter zueinander in Beziehung setzen, müsste man von einander überschneidenden Mengen ausgehen, die gemeinsam ein funktionales Äquivalent des Insolvenzverwalters ergeben.

Schuldner ner Sachwalter

Insolvenzverwalter

Sowohl Schuldner als auch Sachwalter haben also originäre eigene Aufgaben 136 und Kompetenzen, die sie eigenverantwortlich wahrnehmen. In diesen sind sie voneinander unabhängig und gehen mit ihnen inhaltlich bisweilen über das Gesamtbild des gedachten Insolvenzverwalters hinaus: Dies ist etwa da der Fall, wo ein Schuldner gem. § 278 InsO zur eigenen, nur auf ihre Angemessenheit kontrollierbaren Lebensführung Mittel aus der Insolvenzmasse entnehmen darf. Auch der Sachwalter, dem etwa das Führen der Tabelle zugewiesen ist, ist insofern vom Schuldner rechtlich unabhängig. ___________ 210) Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 274 Rn. 2; Kern MüKo-InsO, § 274 Rn. 46. 211) Dies gilt im Übrigen auch für Ansätze, eher den Schuldner mit dem Insolvenzverwalter zu identifizieren (Kern, MüKo-InsO, § 270 Rn. 141 f.) oder den Sachwalter (Pape, Kölner Schrift, Kap. 24 Rn. 27 f.; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 5).

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C. Aufgaben und Kompetenzen

137 Über diese originären Aufgaben und Kompetenzen hinaus besteht eine große Schnittmenge von Aufgaben, die zwar der Schuldner wahrnimmt, die aber der „Aufsicht“ durch den Sachwalter unterliegen. Dieser Bereich ist der wohl eigentliche Kern der Sachwaltung und wird insofern zu Recht als prägend für die Rechtsstellung des Sachwalters212) angesehen. 138 Dieser Aufteilung entspricht daher auch die nachfolgende Darstellung, die zunächst den Schuldner in den Vordergrund stellt, um anschließend nach den originären und schuldnerbezogenen Aufgaben und Kompetenzen des Sachwalters zu fragen. II. Der Schuldner 1. Allgemeines 139 Der wohl bedeutendste Unterschied zwischen der Eigenverwaltung und dem Regelinsolvenzverfahren ist die durch § 270 Abs. 1 S. 1 InsO determinierte Nichtanwendung des § 80 Abs. 1 InsO: Anders als im Regelinsolvenzverfahren behält der Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen. Die insofern diskutierte Frage, woher der Schuldner diese Befugnis erhält,213) ist für das Ergebnis selbst akademisch. Richtigerweise214) ist er aus seinen Grundrechten u. a. der Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG weiterhin befugt, soweit diese eben nicht durch gesetzliche (§ 80 Abs. 1 InsO)215) bzw. gerichtliche Anordnung (beispielsweise § 270a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO) eingeschränkt werden.216) 140 Bedeutung besitzt diese Überlegung aber für die Frage nach den Entscheidungen, welche der Schuldner im (vorläufigen) Eigenverwaltungsverfahren zu treffen hat. Eine Entscheidung ist ein Produkt eines Entscheidungsvorganges, der durch den Vergleich verschiedener denkbarer Entscheidungsvarianten (potentielle Ergebnisse) an Entscheidungsmaßstäben getroffen wird.217) Außerhalb des Insolvenzverfahrens sind diese Entscheidungsmaßstäbe Ausdruck der grundrechtlich gewährten Autonomie des Schuldners und damit mitunter irrational.

___________ 212) Uhlenbruck/Zipperer, InsO § 274 Rn. 1. 213) Vgl. dazu nur Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 270 Rn. 34 m. w. N. und die grundlegende Entwicklung bei Häsemeyer, InsR, Rn. 8.13 ff. 214) Vgl. die ausführliche und weitgehend überzeugende Herleitung bei Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 579 ff., bes. 603. 215) Zur Rechtmäßigkeit dieser Grundrechtsbeeinträchtigung vgl. Uhlenbruck/Mock, InsO, § 80 Rn. 2 m. w. N. 216) In diesem Sinne schon Bork, Einführung, Rn. 405; ihm folgend Andres/Leithaus/Andres, Vor §§ 270 bis 285 Rn. 1; Nerlich/Römermann/Riggert, Vor §§ 270 bis 284 Rn. 4; Wehdeking, in: Rattunde, Fachberater, Kap. 7 Rn. 1495: Befugnis bleibt „unangetastet“. 217) Krebs, Kontrolle, S. 31 ff.

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II. Der Schuldner

Innerhalb des (Eröffnungs-)Verfahrens ändert sich dies. Zwar ist der Schuldner 141 weiter Inhaber grundrechtlicher Freiheiten und kann seine Entscheidungen insofern auch irrational treffen.218) Er darf dies aber nicht mehr vollständig tun.219) Denn zu den bisherigen Entscheidungsmaßstäben treten neue hinzu. Der Schuldner wird Adressat insolvenzrechtlicher Pflichten und muss bei seinen Entscheidungen daher auch diese als Entscheidungsmaßstäbe beachten. Ist nämlich die These richtig, dass Schuldner und Sachwalter zusammen das 142 funktionale Äquivalent des Insolvenzverwalters darstellen und ordnet § 270 Abs. 1 S. 2 für das Verfahren die grundsätzliche Geltung der allgemeinen Vorschriften an, müssen die dort zu findenden Rechtssätze über bspw. Gläubigergleichbehandlung auch den Schuldner binden. Er muss daher (auch) im Interesse der Gläubiger handeln220) und seine Entscheidungen entsprechend treffen. Insofern verwaltet sich der Schuldner selbst und unterliegt damit einem Pflichten- und Aufgabenregime, das im Regelinsolvenzverfahren den Insolvenzverwalter trifft. Hiervon ausgenommen sind lediglich diejenigen Aspekte, welche das Gesetz 143 dem Sachwalter vorbehält.221) Es wird dabei zu zeigen sein, dass insbesondere die von § 270 Abs. 1 S. 1 InsO vorgesehene „Aufsicht“ des Sachwalters über den Schuldner (unten Rn. 292 ff.) exakt an die Kontrolle jener durch den Schuldner einzuhaltenden insolvenzrechtlichen Entscheidungsmaßstäbe anknüpft. 2. Verwaltung und Verteilung der Masse a) Grundsatz Die zentrale Norm des Eigenverwaltungsverfahrens, § 270 Abs. 1 S. 1 InsO, 144 gestattet dem Schuldner die Verwaltung der und Verfügung über die Masse. Rückt im Regelinsolvenzverfahren gem. § 80 Abs. 1 InsO der Insolvenzverwalter in die Stellung des Schuldners ein und unterliegt insofern insolvenzspezifischen Verwaltungs- und Verwertungspflichten,222) so treffen diese Pflichten den Schuldner im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren aufgrund von § 270 Abs. 1 S. 2 InsO direkt (vgl. schon oben Rn. 141 f.). Er hat die Masse also so zu verwalten, wie es ein Insolvenzverwalter im Regelinsolvenzverfahren täte. Dieselbe theoretische Überlegung greift auch in der vorläufigen Eigenverwaltung 145 gem. § 270a InsO, sowie im Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO. Die ver___________ 218) Frege/Keller/Riedel, InsR, Rn. 2040. 219) Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 270 Rn. 29; Nerlich/Römermann/Riggert, § 270 Rn. 2. 220) BGH ZInsO 2007, 100, 101; mit anderer dogmatischer Anknüpfung Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 270 Rn. 34; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 142; Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 609; Klein/Thiele, ZInsO 2013, 2233, 2235; Specovious, in: Kübler, HRI, § 13 Rn. 2; Thole/Brünkmans, ZIP 2013, 1097, 1098; Wehdeking, in: Rattunde, Fachberater, Kap. 7 Rn. 1496. 221) Wehdeking, in: Rattunde, Fachberater, Kap. 7 Rn. 1496. 222) Vgl. statt vieler nur Andres/Leithaus/Leithaus, InsO, § 80 Rn. 6.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

waltungs- und verwertungsbezogenen Pflichten des vorläufigen Insolvenzverwalters gem. § 22 InsO treffen insofern den Schuldner. Er hat also insbesondere analog § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 InsO sein Vermögen zu erhalten und zu sichern.223) Darüber hinaus bestehen gerichtliche Möglichkeiten, Pflichten und Beschränkungen anzuordnen, vgl. für das Schutzschirmverfahren ausdrücklich die Regelung in § 270b Abs. 2 S. 3 InsO. b) Verwertung der Masse 146 Bereits § 270 Abs. 1 S. 1 InsO statuiert damit ein Grundkonzept, das von den Regelungen der §§ 282, 283 Abs. 2 S. 1 InsO flankiert wird: Die Verwertung und Verteilung der Masse obliegt dem Schuldner. Freilich hat der Gesetzgeber die Führung der Insolvenztabelle originär dem Sachwalter zugewiesen (unten Rn. 225 ff.). Der Schuldner ist insofern lediglich zum Bestreiten von Forderungen berechtigt, § 283 Abs. 1 S. 1 InsO. 147 Auf Grundlage der Tabelle hat der Schuldner jedoch ein Verteilungsverzeichnis zu erstellen, wie der Umkehrschluss aus § 283 Abs. 2 S. 2 InsO zeigt. Dieses ist gem. § 188 S. 2, 3 InsO auf der Geschäftsstelle niederzulegen und öffentlich bekannt zu machen. Entsprechend dieses Verzeichnisses hat der Schuldner anschließend gem. §§ 283 Abs. 2 S. 1, 177 InsO die Masse an die Gläubiger zu verteilen. Praktisch ist ein reines Liquidationsszenario indes selten,224) denn ohne Betriebsfortführung liegt ein Eigenverwaltungsverfahren fern,225) wenngleich es auch nicht gesetzlich ausgeschlossen ist. Im Rahmen einer Betriebsfortführung mittels Insolvenzplans unter Ausschüttung einer Quote an die Gläubiger hat die Norm jedoch ihre praktische Bedeutung.226) 148 Auch die Verwertung von Gegenständen, an denen Absonderungsrechte bestehen, weist § 282 Abs. 1 InsO dem Schuldner zu.227) Entspricht seine massebezogene insolvenzspezifische Rechte- und Pflichtenbindung – wie dargestellt – jener des Insolvenzverwalters im Regelverfahren, so folgt daraus, dass dem Schuldner die Verwertungsbefugnis auch nur insoweit zusteht, wie sie sonst gem. § 165 ff. InsO der Insolvenzverwalter innehätte.228) Insbesondere ist er im Rahmen dessen auch zur freihändigen Verwertung befugt. Ebenso trifft ihn die Unterrichtungspflicht gem. §§ 167 f. InsO.229)

___________ A. A. Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 329 ff. Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 283 Rn. 3 f. BT-Drucks. 12/2443, S. 226. Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 309. Zum Ganzen ausführlich Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 172 ff. Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 282 Rn. 2; Graf-Schlicker/dies., InsO, § 282 Rn. 1; Kern, MüKo-InsO, § 282 Rn. 8. 229) Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ringstmeier, FAK-InsO, § 282 Rn. 3; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 282 Rn. 3. 223) 224) 225) 226) 227) 228)

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II. Der Schuldner

Soweit im Regelinsolvenzverfahren der Verwalter nicht zur Verwertung be- 149 fugt ist – und in der Folge auch der Schuldner nicht berechtigt ist – verbleibt die Verwertungsbefugnis hinsichtlich der entsprechenden Kreditsicherheiten bei den jeweiligen Gläubigern.230) Der Schuldner kann jedoch gegen den Entzug betriebsnotwendiger Gegenstände einstweilige Maßnahmen nach §§ 30d, 153b ZVG beantragen.231) c) Entnahme aus der Masse Der Schuldner als natürliche Person darf aus der Masse Mittel für seine private 150 Lebensführung entnehmen. Diese Befugnis folgt außerhalb des Insolvenzverfahrens aus der grundrechtlich geschützten autonomen Bestimmung des Schuldners über sein Vermögen, Art. 14 Abs. 1 GG.232) Insofern schränkt § 278 InsO diese Befugnis in der Eigenverwaltung ein. Die Norm beschränkt sie auf dasjenige, was der Schuldner und die in § 100 Abs. 2 InsO genannten Personen für eine „bescheidene Lebensführung“ benötigen. Die Norm führt damit das oben beschriebene Bild der insolvenzrechtlichen Überlagerung privatautonomer Entscheidungsmaßstäbe (Rn. 141 f.) plastisch vor Augen. Die Höhe der Mittel für die bescheidene Lebensführung ist im Einzelfall zu 151 bestimmen233) und regelmäßig höher als diejenige des notwendigen Unterhalts gem. § 100 InsO. Sie ist einerseits nicht auf die Sätze der Sozialhilfegewährung beschränkt,234) muss aber andererseits dem Schuldner auch nicht erlauben, ein etwaig luxuriöses Lebensführungs-Niveau zu halten.235) Vielmehr trägt sie vornehmlich dem Umstand Rechnung, dass sich der eigenverwaltende Schuldner mit seiner Arbeitskraft „in den Dienst der Insolvenzmasse“236) stellt. Dies muss bereits in der vorläufigen Eigenverwaltung gem. § 270a InsO bzw. 152 dem Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO gelten. Wertungsmäßig muss nämlich schon dann, positiv gewendet, eine angemessene Gegenleistung für den Arbeitseinsatz sichergestellt sein. Negativ gewendet bedarf es schon dann der Begrenzung, weil der Schuldner bereits im Eröffnungsverfahren nach dem Gesagten sein Vermögen zu erhalten und zu sichern hat (oben Rn. 145). Die ___________ 230) Kern, MüKo-InsO, § 282 Rn. 8. 231) Ebenso Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 282 Rn. 2; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 282 Rn. 4; Kern, MüKo-InsO, § 282 Rn. 8. 232) Ähnlich Rattunde/Smid/Zeuner/Wehdeking, InsO, § 278 Rn. 1: Art. 12 Abs. 1 GG. Allerdings schützt diese Norm nach gängigem Verständnis den Erwerbsvorgang, während Art. 14 Abs. 1 GG das Erworbene schützt (vgl. Maunz/Dürig/Scholz, GG, Art. 12 Rn. 7 m. w. N. aus dieser st. Rspr. des BVerfG) – mithin ist der hier gemeinte Zugriff auf das Vermögen kein Fall des Art. 12 Abs. 1 GG, sondern des Art. 14 Abs. 1 GG. 233) Vgl. nur Wehdeking, in: Rattunde, Fachberater, Kap. 7 Rn. 1502 m. w. N. 234) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 278 Rn. 6. 235) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 278 Rn. 3. 236) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 278 Rn. 6; Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 278 Rn. 2.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

Regelung des § 278 InsO greift daher schon im Eröffnungsverfahren und nicht erst ab Verfahrenseröffnung.237) d) Keine Freigabe von Massegegenständen 153 Die Möglichkeit einer Freigabe von Gegenständen aus der Masse in das vom Insolvenzbeschlag freie Vermögen besteht für den Schuldner in der Eigenverwaltung nicht.238) Im Regelinsolvenzverfahren ist die Freigabe durch den Insolvenzverwalter möglich mit dem Effekt, dass die gem. § 80 Abs. 1 InsO auf ihn übergegangenen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis wieder an den Schuldner zurückfällt und der Gegenstand aus der Masse ausscheidet.239) Hat der Schuldner in der Eigenverwaltung aber seine Befugnis von vornherein nicht verloren, kann er sie auch nicht an sich selbst zurückgeben; insofern wäre lediglich eine (Teil-)Aufhebung seiner insolvenzrechtlichen Bindungen vorstellbar, was aber rechtskonstruktiv etwas anderes wäre als eine klassische Freigabe.240) 154 Im Übrigen wird die Freigabe durch einseitige, empfangsbedürftige Freigabeerklärung des Verwalters an den Schuldner realisiert.241) Auch insofern ist eine Erklärung des Schuldners an sich selbst im Eigenverwaltungsverfahren schwer vorstellbar und würde zudem wegen der fehlenden Publizität der – zumal grds. auch konkludent möglichen – Erklärung die Massezugehörigkeit von Gegenständen praktisch nahezu unbestimmbar machen.242) 3. Betriebsfortführung 155 Als besonderer Fall der Masseverwaltung ist auch die Entscheidung des Schuldners zu verstehen, die Masse zur Fortführung des Betriebes einzusetzen. Dies ist beim Eigenverwaltungsverfahren der Regelfall,243) und als solcher insbesondere im Falle der Sanierung mithilfe eines Insolvenzplanes im Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO offensichtlich. Damit zeigt sich auch, warum die spiegelbildlich vom Sachwalter gem. § 274 Abs. 2 InsO zu überwachende Geschäftsführung des Schuldners eine zentrale Rolle in der Eigenverwaltung spielt. ___________ 237) So aber Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 278 Rn. 9; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 270a Rn. 24, 29; lediglich auf „Anordnung“ abstellend und damit auch eine vorläufige solche erfassend Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, 4. Aufl., § 278 Rn. 6; wie hier, wenn auch ohne Begründung, Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270a Rn. 29; vgl. auch Keller, NZI 2007, 316, 317 f. 238) A. A. noch Wittig/Tetzlaff, MüKo-InsO, 2. Aufl., § 270 Rn. 67a. 239) Vgl. nur Keller, Insolvenzrecht, Rn. 241. 240) Vgl. auch Kübler/Prütting/Bork/Pape, § 283 Rn. 10: „nicht denkbar“. 241) Keller, Insolvenzrecht, Rn. 241. 242) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 125 f. m. w. N. und zutreffenden Überlegungen zu der Konsequenz, dass eine fehlende Freigabemöglichkeit bspw. von Grundstücken in Altlastenfällen eine Nachteiligkeit des Eigenverwaltungsverfahrens für die Gläubiger i. S. d. § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO begründen kann. 243) Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 282 Rn. 1; Wehdeking, in: Rattunde, Fachberater, Kap. 7 Rn. 1412.

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II. Der Schuldner

Die Entscheidung des Schuldners für eine Betriebsfortführung ist jedoch ein- 156 geschränkt: Einerseits dadurch, dass die Anordnung der Eigenverwaltung gem. § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO nicht zu Nachteilen für die Gläubiger führen darf, also eine Fortführung für diese mindestens neutral sein muss. Soweit dies nicht der Fall ist, kann der Schuldner also zur Stilllegung verpflichtet sein.244) Andererseits ist eine Fortführung auch dann rechtswidrig, soweit sie gegen eine Stilllegungsentscheidung der Gläubigerversammlung im Berichtstermin verstößt, § 157 InsO. Soweit sich der Schuldner zur Fortführung des Betriebes entscheidet, wirft 157 dies eine Reihe von Problemen auf. Auf diese ist im Folgenden einzugehen. a) Begründung von Masseverbindlichkeiten aa) Problemaufriss Eine Kernfrage der Betriebsfortführung stellt insbesondere die Begründung 158 von Masseverbindlichkeiten dar. Denn ohne die Befugnis, Verbindlichkeiten zu schaffen, die gem. § 53 InsO „vorweg“ vor der Verteilung der Masse befriedigt werden können, ist eine Teilnahme am Wirtschaftsverkehr vielfältigen Beschränkungen unterworfen. Insbesondere bestehen Vertragspartner bisweilen auf Zahlungszusagen des Sachwalters. Diese wird er – unabhängig davon, wie derlei Zusagen im Vergleich zu solchen des vorläufigen Verwalters im Regelinsolvenzverfahren rechtlich zu qualifizieren sind (zu diesem Problem eingehend unten Rn. 443 ff.) – nicht abzugeben geneigt sein. Denn ein Ausfallrisiko zu tragen, kann ihm angesichts des Umstandes, dass er die Betriebsfortführung lediglich beaufsichtigt (unten Rn. 311 ff.), während die Planung und Umsetzung dem Schuldner obliegt, nicht zugemutet werden. Dessen ungeachtet überschreitet es auch schlicht seinen Aufgabenkreis, mag dies auch Vertragspartnern bisweilen verborgen bleiben. Vielfach bestehen Vertragspartner des Schuldners auch auf Vorkasse oder Bar- 159 geschäfte, um damit soweit wie möglich sicherzustellen, dass ihre Leistungen bezahlt werden bzw. eine Anfechtung der Zahlungen im eröffneten Verfahren ausscheidet. Dies belastet nicht nur die Liquidität, sondern ist auch bei Lieferanten organisatorisch schwierig und bei Dauerschuldverhältnissen wie beispielsweise Strom- und Lieferverträgen wegen der noch nicht absehbaren Höhe der Forderungen rechtlich nicht zu realisieren.245) Im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren ist die Begründung von Masseverbind- 160 lichkeiten nicht problematisch. Denn nach der Regelung des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind Masseverbindlichkeiten (auch) solche, die nicht durch einen Insolvenzverwalter, sondern „in anderer Weise“ durch die Verwaltung der Insolvenzmasse begründet wurden. Eben dies obliegt gem. § 270 Abs. 1 S. 1 InsO ___________ 244) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 129. 245) Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Rn. 1727.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

dem eigenverwaltenden Schuldner, der daher mit seinen Handlungen derartige Verbindlichkeiten begründet.246) Auch, soweit das Eröffnungsverfahren im Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO geführt wird, stellt sich praktisch kein Problem: Denn das Gericht hat dort gem. Abs. 3 S. 1 die Befugnis des Schuldners, Masseverbindlichkeiten zu begründen, auf dessen Antrag hin ohne die Prüfung sonstiger Voraussetzungen247) anzuordnen. 161 Problematisch war die Rechtslage indes in der vorläufigen Eigenverwaltung gem. § 270a InsO bis zur Klärung durch den BGH Ende 2018. In § 270a InsO fehlt eine § 270b Abs. 3 S. 1 InsO vergleichbare Regelung, was dazu führte, dass die Befugnis des Schuldners, Masseverbindlichkeiten in diesem vorläufigen Verfahren zu begründen, umstritten war. Für die Beantwortung dieser Frage wurden eine Reihe verschiedener Auffassungen vertreten248). 162 Inzwischen ist höchstrichterlich entschieden, dass das Gericht dem Schuldner mittels Einzelermächtigungen erlauben kann, Masseverbindlichkeiten zu begünden.249) 163 Im regulären Insolvenzverfahren kann ein Gericht nach § 22 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 21 Abs. 1 Satz 1 InsO einen vorläufigen Insolvenzverwalter auch für den Fall, dass dem Schuldner kein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wurde und daher die Verfügungsbefugnis nicht auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangen ist und er folglich nicht von § 55 Abs. 2 InsO erfasst wird, ermächtigen, Masseverbindlichkeiten zu begründen. Diese eingeräumten Befugnisse können bis zur Grenze der Rechtsmacht eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters gehen250)). Hieraus leitet der BGH ab, dass in entsprechender Weise auch der Schuldner ermächtigt werden kann, Masseverbindlichkeiten zu begründen. 164 Wenn das Gericht eine solche Befugnis einräumt, darf das Gericht gem. § 270 Abs. 1 S. 2, 21 Abs. 1 S. 1 InsO die Begründung von Masseverbindlichkeiten nicht in das Ermessen des Schuldners stellen, sondern muss eine Ermächtigung für im Voraus einzeln oder der Art nach genau festgelegte Verpflichtungen erteilen.251)

___________ 246) Vgl. nur Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 270 Rn. 42; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 133; Lau, DB 2014, 1417, 1422; Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 76 f. 247) Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 270b Rn. 20; zur weitgehend unergiebigen Historie dieser Vorschrift vgl. Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 13 Rn. 1730. 248) Vgl. Vorauflage Rn. 162 – 170. 249) BGH NJW 2019, 224, 226, Rn. 15 f. 250) BGH NJW 2002, 3326. 251) BGH NJW 2019, 224.

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II. Der Schuldner Praxistipp: Auch hier zeigt sich, wie wichtig eine Kommunikation mit dem zuständigen Insolvenzrichter ist. Zwar schafft die Entscheidung Rechtsklarheit und Rechtssicherheit, wie die zahlreichen Insolvenzgerichte sich einzeln hierzu verhalten werden bleibt hingegen noch abzuwarten. Jedenfalls, welche Anforderungen es an die Erteilung von Einzelermächtigungen stellt, sollte mit dem Insolvenzrichter vorbesprochen werden.

cc) Erteilung der Einzelermächtigung Einzelermächtigungen können in der vorläufigen Eigenverwaltung auf Grund- 165 lage von § 21 Abs. 1 S. 1 InsO ergehen. Dies setzt die Gefahr einer nachteiligen Veränderung der Vermögenslage des Schuldners voraus. Wenn eine solche vorliegt, hat das Gericht für die Auswahl der Maßnahme, wie sich aus dem Zusammenspiel von Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 InsO zeigt, Ermessen.252) In der vorläufigen Eigenverwaltung gem. § 270a InsO, in der regelmäßig eine 166 Betriebsfortführung stattfindet (oben Rn. 155), liegt die Gefahr einer nachteiligen Veränderung ebenso regelmäßig vor: Denn kann der Schuldner keine Masseverbindlichkeiten begründen, bleiben ihm viele Rechtsgeschäfte verschlossen (oben Rn. 158 ff.). Scheiterte daran die Betriebsfortführung, stünden die daraus erwarteten Massezuwächse den Gläubigern nicht mehr als Verteilungsmasse zur Verfügung. Soweit also der Schuldner auf bestimmte Geschäfte zur Fortführung angewiesen ist253) und hierfür Masseverbindlichkeiten benötigt, muss ein Gericht, das in der Eigenverwaltung schon keine offensichtlichen Gläubigernachteile gem. §§ 270 Abs. 2 Nr. 3, 270a Abs. 1 S. 1 InsO gesehen hat, praktisch zwingend eine Gefahr annehmen. In diesem Fall ist das Gericht also zur ermessensfehlerfreien Entscheidung über den Erlass einer Sicherungsmaßnahme in Form einer Einzelermächtigung verpflichtet. Diese muss so bestimmt sein,254) dass für den Rechtsverkehr unmittelbar er- 167 sichtlich ist, ob ein Geschäft ihr unterfällt oder nicht. Sie muss daher, ohne notwendig bereits jedes Detail zu regeln, im Voraus festlegen, welche Geschäfte mit welchen Gläubigern bis zu welcher Höhe der Ermächtigung unterfallen.255) Dies hat die wichtige Funktion, den Geschäftspartnern die nötige Sicherheit zu verschaffen, dass ihre jeweiligen Geschäfte von der Ermächtigung gedeckt sind.256) Da die Entscheidung über Maßnahmen nach § 21 InsO von Amts wegen er- 168 folgt,257) ist ein förmlicher Antrag nicht erforderlich – aber auch nicht schäd___________ 252) BGH ZInsO 2006, 267; Schmidt/Schröder, HmbKo-InsO, § 21 Rn. 25, Wimmer/ Schmerbach, FK-InsO, § 21 Rn. 9 f., 30. 253) BGH ZInsO 2002, 819. 254) AG Ludwigshafen, ZInsO 2014, 853. 255) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 392. 256) Lau, DB 2014, 1417, 1421. 257) Haarmeyer/Schildt, MüKo-InsO, § 21 Rn. 23; Uhlenbruck/Vallender, InsO, § 21 Rn. 9.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

lich.258) Ebenso kann der Schuldner im Rahmen einer Anregung den Tatbestand des § 21 Abs. 1 S. 1 InsO (oben Rn. 165 f.) vortragen259) und den Erlass von Ermächtigungen erbitten. Freilich unterliegt die Ablehnung, weil § 21 Abs. 1 S. 2 InsO nur Rechtsschutz gegen die Anordnung einer Maßnahme gewährt, keinem Rechtsmittel.260) b) Lieferungen und sonstige Leistungen 169 Im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren darf der Schuldner nicht mehr auf Altverbindlichkeiten leisten, soweit diese nicht in voller Höhe an der Masse besichert sind oder ihre Bezahlung zur Aufrechterhaltung des Betriebes unerlässlich ist.261) Er würde damit den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung (par conditio creditorum)262) verletzen,263) der es gebietet, einzelnen Gläubigern keine Sondervorteile gegenüber gleichrangigen sonstigen Gläubigern zu gewähren. Soweit der Schuldner durch sonstige Rechtshandlungen Masseverbindlichkeiten begründet (oben Rn. 158 ff.), darf auf diese – soweit keine Massearmut vorliegt264) – im Rahmen von Bestellungen und sonstigen Rechtsbeziehungen auch nach Verfahrenseröffnung „vorweg“ i. S. d. §§ 53, 55 InsO geleistet werden. 170 In der vorläufigen Eigenverwaltung ist die Rechtslage hinsichtlich von Altverbindlichkeiten identisch. Auch insofern steht der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung einer Leistung des Schuldners entgegen; darüber hinaus würde dieser durch eine Erfüllung auch seine Pflicht zur Sicherung und Erhaltung seines Vermögens (oben Rn. 145) verletzen. 171 Besondere Bedeutung haben indes in der vorläufigen Eigenverwaltung auf neue Verbindlichkeiten geleistete Zahlungen oder Sicherheiten, weil ohne diese eine erfolgreiche Betriebsfortführung undenkbar ist.265) Praktisch werden diesbezüglich bisweilen vom Sachwalter Zahlungszusagen verlangt, mit denen dieser bestätigt, dass die Zahlungen erbracht werden. Zu deren Rechtswirkung und Gefahren vgl. noch unten Rn. 443 ff. 172 Soweit die entsprechenden Leistungen vom Schuldner bereits vor Verfahrenseröffnung erbracht werden, sind sie grundsätzlich dem Anfechtungsregime der §§ 129 ff. InsO unterworfen. Dieses Ergebnis abzuwenden entspricht dem praktischen Bedürfnis der Gläubiger, die andernfalls von der Fortsetzung der Rechtsbeziehungen Abstand zu nehmen und damit eine Betriebsfortsetzung zu verhindern drohen. ___________ 258) Eingehend Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 389 ff. 259) Für diesen ist eine Liquiditätsprognose nicht erforderlich, Horstkotte/Martini, ZInsO 2010, 750; zum Ganzen eingehend vgl. auch Laroche, NZI 2010, 965 m. w. N. 260) BGH ZInsO 2013, 460. 261) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rn. 32, 145, auch zur Anfechtbarkeit in letzterer Variante. 262) Vgl. dazu nur Rattunde/Smid/Zeuner/Smid, InsO, § 1 Rn. 10; BGH NJW 2002, 2783, 2785. 263) BGH NJW 2003, 1865, 1867. 264) Nerlich/Römermann/Andres, InsO, § 53 Rn. 14 ff. 265) Kern, MüKo-InsO, § 270b Rn. 106 f.

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II. Der Schuldner

x

Soweit der Schuldner schon im Eröffnungsverfahren Masseverbindlichkeiten begründet (oben Rn. 158 ff.), unterliegen entsprechende Leistungen – vorbehaltlich einer etwaigen Unwirksamkeit wegen Insolvenzzweckwidrigkeit266) – nicht der Anfechtung. Denn soweit der Schuldner ermächtigt ist, wäre eine solche Ermächtigung sinnlos und würde das durch sie intendierte Vertrauen des Rechtsverkehrs nicht einlösen können, könnte sie im Wege der Anfechtung beseitigt werden.267) Soweit der Schuldner also Masseverbindlichkeiten begründet, ist eine Anfechtung ausgeschlossen.268)

x

Darüber hinaus ist eine Anfechtung auch dort ausgeschlossen, wo Rechtshandlungen des Schuldners den Charakter eines Bargeschäfts gem. § 142 InsO haben. Dies ist der Fall, soweit der Masse für die Leistung oder Bestellung einer Sicherheit durch den Schuldner der Masse unmittelbar eine mindestens gleichwertige Gegenleistung zufließt.269) Schon wegen der damit verbundenen Einschränkung der Liquidität ist eine Abwicklung der Gesamtheit der Geschäftsbeziehungen im Eröffnungsverfahren über Bargeschäfte indes regelmäßig praktisch unmöglich.270)

x

Soweit es sich bei Rechtshandlungen des Schuldners weder um Bargeschäfte noch um Masseverbindlichkeiten handelt, kann eine Anfechtung ebenfalls ausscheiden. Dies hängt von der Mitwirkung des vorläufigen Sachwalters im Rahmen seiner Zustimmung oder dem Widerspruch ab (unten Rn. 456 ff.).

x

Schließlich können auch Treuhandmodelle den Gläubigern eine gewisse Sicherheit gewähren: Hierbei eröffnet ein uneigennütziger Dritter (beispielsweise der Sachwalter) ein (Verwaltungs-)Treuhandkonto, auf das der Schuldner Mittel einzahlt. Diese sollen nach Verfahrenseröffnung verwendet werden, um im Eröffnungsverfahren eingegangene, neue Verbindlichkeiten zu erfüllen. Fehlt die Liquidität, kann der Schuldner an den Dritten Forderungen abtreten, die dieser dann auf das Treuhandkonto einzieht.271) Die Zulässigkeit solcher Modelle ist freilich genauso umstritten272) wie die Frage, ob sie der gerichtlichen Zustimmung bedürfen.273)

___________ 266) Vgl. nur Schmittmann/Dannemann, ZIP 2013, 760, 763; OLG Dresden, ZInsO 2005, 1221, 1222. 267) Allgemeine Meinung, vgl. nur Graf-Schlicker/Huber, InsO, § 129 Rn. 15; Kayser/ Thole/Thole, HK-InsO, § 129 Rn. 38; Uhlenbruck/Vallender, InsO, § 22 Rn. 235 ff. offengelassen jedoch von BGH ZInsO 2005, 209. 268) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 350. 269) Kirchhof, MüKo-InsO, § 142 Rn. 13 f. 270) Zu Recht auch Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 482. 271) Vgl. zum Ganzen die instruktiven Darstellungen bei Henkel, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 6 Rn. 815 ff.; Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rn. 152.; Frind, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 3 Rn. 377 ff. 272) Dagegen z. B. AG Hamburg, ZInsO 2006, 218; ZInsO 2004, 1270; ZinsO 2003, 816; dafür z. B. Frind, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 3 Rn. 377; Graf-Schlicker/ Voß, InsO, § 22 Rn. 17; Haarmeyer/Schildt, MüKo-InsO, § 22 Rn. 71; Henkel, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 6 Rn. 815; Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rn. 153; Uhlenbruck/Vallender, InsO, § 22 Rn. 242f. 273) Henkel, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 6 Rn. 817 m. w. N.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

c) Insolvenzgeldvorfinanzierung 173 Zur Bezahlung von Arbeitnehmern während der Betriebsfortführung ist der Schuldner – soweit die Masse hierfür nicht ausreicht – regelmäßig auf von der Bundesagentur für Arbeit gewährtes Insolvenzgeld nach den §§ 165 ff. SGB III angewiesen.274) Da die Voraussetzungen für ein Insolvenzgeld aber vor der Verfahrenseröffnung noch nicht vorliegen, muss der Schuldner für eine Vorfinanzierung Sorge tragen. Dies geschieht praktisch mithilfe einer Bank, welche die Gehalts- und Insolvenzgeldansprüche der Arbeitnehmer ankauft und dafür dem Schuldner in dieser Höhe Kredit zur Auszahlung der Löhne und Sozialabgaben gewährt.275) 174 Die reibungslose Abwicklung setzt allerdings grundsätzlich voraus, dass das Verfahren eröffnet wird und der Insolvenzgeldanspruch dadurch entsteht.276) Erst dies ermöglicht es der Bank, gegenüber der Bundesagentur für Arbeit das vorfinanzierte Insolvenzgeld zu beantragen und ausgezahlt zu erhalten. Hat der Schuldner jedoch einen Eigenantrag gestellt, kann er diesen gem. § 13 Abs. 2 InsO bis zur Eröffnung oder rechtskräftigen Zurückweisung zurücknehmen.277) Dies zeigt in der vorläufigen Eigenverwaltung insbesondere auch die Regelung des § 270a Abs. 2 InsO. Bei einer Rücknahme entsteht kein Insolvenzgeldanspruch und die Bank muss die angekauften Gehaltsansprüche der Arbeitnehmer individuell gegen den Schuldner als Arbeitgeber durchsetzen.278) 175 Um das damit verbundene Risiko zu verringern, verlangen die Banken praktisch, dass neben dem Schuldner auch der vorläufige Sachwalter, sowie die Geschäftsleitung als natürliche Person(en) neben dem Schuldner Vertragspartei der Vorfinanzierungsvereinbarung werden. Mittels dieser werden regelmäßig zahlreiche Pflichten auf den Sachwalter übertragen, die sonst den Schuldner treffen würden: Unter anderem wird er zur Information der Arbeitnehmer und der Beibringung der von diesen zu unterzeichnenden Ankaufsvereinbarungen für den Nettolohn ebenso verpflichtet wie zur technischen Abwicklung der Lohnzahlungen aus der Vorfinanzierung. Damit und mit Informationspflichten gegenüber der Bank soll die bestimmungsgemäße Mittelverwendung und Verfahrensabwicklung sichergestellt werden. 176 Darüber hinaus bürden die Banken der Geschäftsleitung und dem Sachwalter regelmäßig die Haftung für den Bestand und die rechnerische Richtigkeit der angekauften Lohnansprüche auf. Im Rahmen einer Garantieerklärung, die je nach Bank divergiert, wird bisweilen dem Sachwalter neben der Geschäftsleitung auch mittels selbständigen Schuldversprechens gem. §§ 311, 241 BGB eine persönliche Haftung für den Fall aufgebürdet, dass der Schuldner die Lohn___________ 274) 275) 276) 277) 278)

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Göttsch, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 8 Rn. 1119 ff. Zum Ablauf im Einzelnen Lauck, InsbürO 2008, 289 und Geißler, ZInsO 2013, 531. Göttsch, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 8 Rn. 1138 ff. BGH ZVI 2006, 564; Andres/Leithaus/Leithaus, InsO, § 13 Rn. 13. Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 13 Rn. 1735.

II. Der Schuldner

ansprüche nach einer Antragsrücknahme an die Bank nicht (vollständig) erfüllen kann. Diese besteht nur dann nicht, wenn er an der Rücknahme des Antrages nicht mitgewirkt hat. d) Steuerzahlungen Im Rahmen des eröffneten Eigenverwaltungsverfahrens ist der verwaltungs- und 177 verfügungsbefugte Schuldner weiter Adressat der Steuerpflichten und wird insofern auch nicht durch den Sachwalter vertreten.279) Soweit Steuern also nach Eröffnung des Verfahrens entstehen, sind sie gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO Masseverbindlichkeiten und vom Schuldner damit bei Fälligkeit zu zahlen. Andernfalls sind sie grundsätzlich bloße Insolvenzforderungen und damit nur bei der Verteilung am Ende des Verfahrens quotal zu befriedigen.280) Für Lohnsteuer ist insofern der Zeitpunkt der Auszahlung des Gehaltes maß- 178 geblich,281) die Einkommensteuer ist, soweit sie als Jahressteuer prozentual den Zeitraum nach Eröffnung des Verfahrens umfasst, Masseforderung und jedenfalls, soweit sie den Zeitraum vor Antragstellung umfasst, Insolvenzforderung.282) Bei der Umsatzsteuer soll für die Qualifikation als Masseverbindlichkeit nach 179 der neueren Rechtsprechung des V. Senats des BFH die Entgeltvereinnahmung entscheiden und hingegen der Zeitpunkt der Leistungserbringung unmaßgeblich sein.283) Demnach sei die Umsatzsteuer bei Vereinnahmung nach Eröffnung sowohl bei Ist-, als auch Sollbesteuerung Masseverbindlichkeit.284) Diese ohnehin kritisierte285) Rechtsprechung stellt zur Begründung unter anderem auch auf den Wechsel der Empfangszuständigkeit für die Steuervereinnahmung vom Schuldner auf den Insolvenzverwalter ab.286) Ein solcher Wechsel findet im Eigenverwaltungsverfahren jedoch gerade nicht statt, so dass man sich fragen kann, ob sie hierfür Bestand hat.287) Praktisch indes soll die BFH-Betrachtung für die Finanzbehörden nach dem Anwendungserlass des Bundesministeriums ___________ 279) Koenig/Fritsch, AO, § 251 Rn. 119; Ziegenhagen, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 27 Rn. 2725. 280) Vgl. nur Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rn. 5, 8: plastisch: „verschiedene Unternehmensteile, nämlich der vorinsolvenzliche Unternehmensteil, die Insolvenzmasse und das freigegebene Vermögen“. 281) Braun/Bäuerle/Miglietti, InsO, § 55 Rn. 58; Graf-Schlicker/Paul, InsO, § 55 Rn. 27; Nerlich/Römermann/Andres, InsO, § 55 Rn. 42. 282) BFH ZIP 1994, 1286; Hefermehl, MüKo-InsO, § 55 Rn. 71; Nerlich/Römermann/ Andres, InsO, § 55 Rn. 45; zur Einkommenssteuernachzahlung vgl. aber Hefermehl a. a. O. Rn. 72 und Graf-Schlicker/BPaul, InsO, § 55 Rn. 27. 283) BFH ZInsO 2012, 96; ZInsO 2011, 822; ZInsO 2009, 447; zur Rechtsprechungshistorie instruktiv Uhlenbruck/Sinz, InsO, § 38 Rn. 78. 284) Hefermehl, MüKo-InsO, § 55 Rn. 74. 285) Vgl. etwa Graf-Schlicker/Paul, InsO, § 55 Rn. 31 ff.; Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rn. 35 ff.; Schmittmann, ZIP 2012, 249 – jew. m. w. N. 286) BFH ZInsO 2009, 920, 921 a. E. 287) Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 13 Rn. 1736.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

der Finanzen vom 9.12.2011 nunmehr für Verfahren ab dem 1.1.2012 maßgeblich sein.288) 180 Für die vorläufige Eigenverwaltung nach § 270a InsO und das Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO sind die in dieser Phase des Verfahrens begründeten Steuerschulden289) nicht gem. § 55 Abs. 4 InsO Masseverbindlichkeiten.290) Denn diese Norm umfasst vom Wortlaut her nur die vorläufige Insolvenzverwaltung, nicht aber die vorläufige Eigenverwaltung. Sie ist auch nicht analog anwendbar, weil sich der Gesetzgeber im Verfahren ausdrücklich gegen eine Erstreckung auf die Eigenverwaltung entschieden hatte und es damit an einer planwidrigen Lücke fehlt.291) 181 Wohl aber sind im Schutzschirmverfahren entstandene Steuerschulden, wenn ein Beschluss gem. § 270b Abs. 3 InsO vorliegt, gem. §§ 270b Abs. 3 S. 2, 55 Abs. 2 InsO Masseschulden.292) Soweit also in diesem Verfahrensabschnitt Umsatzsteuer vereinnahmt wird, ist sie unter Zugrundelegung der BFH-Rechtsprechung Masseverbindlichkeit und vom Schuldner bei Fälligkeit auch zu zahlen.293) Konsequenterweise muss dasselbe auch für Lohnsteuer für Gehälter gelten, die zu dieser Zeit gezahlt werden und für Einkommenssteuer, welche die Phase zwischen Antragstellung und Eröffnung des Verfahrens umfasst. 182 In der vorläufigen Eigenverwaltung gem. § 270a InsO ist § 55 Abs. 2 InsO nicht anwendbar (oben Rn. 167). Entsprechende Steuerverbindlichkeiten, die in diesem Verfahrensabschnitt entstehen, sind damit im Grundsatz bloße Insolvenzforderungen.294) ___________ 288) Anwendungserlass abgedruckt in ZInsO 2012, 25. 289) Allgemein dazu vgl. Ziegenhagen, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 15 Rn. 1816 ff. 290) BGH NJW 2019, 224, 226 Rn. 18 ff. 291) Vgl. BR-Drucks. 127/11, S. 5 f. und BT-Drucks. 17/5712, S. 68, wo eine Erstreckung ausdrücklich diskutiert und abgelehnt wurde; zum Ganzen Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rn. 39; wie hier auch Hobelsberger, DStR 2013, 2545, 2548 f.; Lau, DB 2014, 1417, 1421; Ziegenhagen, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 15 Rn. 1817. Siehe im Übrigen FG Münster NZI 2019, 547 und FG Köln ZIP 2020, 40, das die Sache dem BFH vorgelegt hat (V R 19/19). 292) Hobelsberger, DStR 2013, 2545, 2547; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 566; Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rn. 45; Ziegenhagen, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 15 Rn. 1816; der Wortlaut des § 55 Abs. 2 InsO umfasst nämlich auch die Begründung durch Real- und Rechtshandlungen der Betriebsfortführung, welche qua Gesetz entstehende Verbindlichkeiten wie Steuern bedingen, vgl. nur Braun/Bäuerle/ Miglietti, InsO, § 55 Rn. 105 ff.; Hefermehl, MüKo-InsO, § 55 Rn. 233a; Schmidt/ Jarchow, HmbKo-InsO, § 55 Rn. 64 ff. 293) So auch Frind, ZInsO 2012, 1099. 294) BGH NJW 2019, 224; FG Münster NZI 2019, 547; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 566; für die Umsatzsteuer auch Hobelsberger, DStR 2013, 2545, 2549 f.; vgl. auch Kahlert, ZIP 2012, 2089; deswegen entstand auch die Diskussion im Gesetzgebungsverfahren über die letztlich abgelehnte Erstreckung des § 55 Abs. 4 InsO auf die Eigenverwaltung, vgl. dazu im Einzelnen Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rn. 45 f. unter Verweis auf BR-Drucks. 127/11, S. 5 f. und BT-Drucks. 17/5712, S. 68.

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II. Der Schuldner

Gänzlich ungeklärt ist jedoch, wie Steuerforderungen zu beurteilen sind, welche 183 im Rahmen von Geschäften entstehen, in denen der Schuldner durch gerichtliche Einzelermächtigungen in der vorläufigen Eigenverwaltung gem. § 270a InsO Masseverbindlichkeiten begründet. Man könnte daran denken, § 55 Abs. 2 InsO entsprechend anzuwenden und so einen Masseschuld-Charakter der jeweiligen Steuerschuld zu begründen.295) Dagegen spricht aber, dass die Befugnis zur Begründung von Masseschulden hier gerade nicht aus einer entsprechenden Anwendung von § 55 Abs. 2 InsO folgt, wie im Falle des § 270b Abs. 3 S. 2 InsO, sondern originär aus einer gerichtlichen Anordnung als Sicherungsmaßnahme (oben Rn. 170). Geltungsgrund für die Rangklasse ist also diese Anordnung, die weder ihrem Wortlaut noch ihrer Intention nach gesetzlich entstehende Verbindlichkeiten erfasst. Praxistipp: Da die Rechtslage für das Eröffnungsverfahren umstritten ist und für die Organwalter des Schuldners auch eine Haftungsgefahr gem. §§ 34, 69 AO besteht (dazu eingehend unten Rn. 515 ff.), sollte der eigenverwaltende Schuldner Steuerzahlungen anfechtbar leisten.296) Denn abseits des Beschlusses nach § 270b Abs. 3 InsO dürfte es sich bei den Steuerforderungen um bloße Insolvenzforderungen handeln, die gerade nicht vorweg zu leisten, sondern lediglich am Ende quotal zu befriedigen sind. Der Schuldner sollte daher die Finanzbehörde über die angeordnete (vorläufige) Eigenverwaltung in Kenntnis setzen.

e) Sozialversicherungsbeiträge Lohnansprüche der Arbeitnehmer sind im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren 184 gem. § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO Masseverbindlichkeiten.297) Dies gilt ebenso für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag gem. § 28e Abs. 1 S. 1 SGB IV. Soweit dieser den Arbeitnehmeranteil umfasst, ist dies Teil des Brutto- 185 lohnanspruchs des Arbeitnehmers298) und folglich wie dieser gem. § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO Masseschuld. Hinsichtlich des Arbeitgeberanteils entsteht durch die Beschäftigung eine gesetzliche Verpflichtung zur Abführung gem. § 22 Abs. 1 SGB IV, so dass dieser Anteil gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO Masseverbindlichkeit ist (insofern gleicht die Rechtslage derjenigen bei Steuern, dazu oben Rn. 177).299) ___________ 295) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 566; in diese Richtung wohl auch BT-Drucks. 17/5712, S. 68, dort freilich nur für den schwachen vorläufigen Verwalter i. R. e. Einzelermächtigung. 296) So auch Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 484 ff. 297) Schmidt/Jarchow, HmbKo-InsO, § 55 Rn. 44; Uhlenbruck/Sinz, InsO, § 55 Rn. 62. 298) BAG (Großer Senat) NJW 2001, 3570, 3571: „[Es] schuldet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auch den Betrag des Arbeitnehmeranteils“. 299) Vgl. aber die Subsumtion von Sozialabgaben in ihrer Gesamtheit unter § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO bei z. B. Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Homann, FAK-InsO, § 55 Rn. 5; Kübler/Prütting/Bork/Pape/Schaltke, InsO, § 55 Rn. 194; Wimmer/Bornemann, FK-InsO, § 55 Rn. 23.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

186 Im Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO, in dem ein Beschluss gem. § 270b Abs. 3 InsO erlassen wurde, ist die Situation im Ergebnis vergleichbar. Soweit nämlich § 55 Abs. 2 InsO anwendbar ist, sind Löhne und Sozialabgaben – wenn der Schuldner die Arbeitnehmer nicht freistellt – gemäß dieser Norm Masseverbindlichkeiten.300) Bruttolöhne inklusive des Arbeitnehmeranteils unterfallen dann § 55 Abs. 2 S. 2 InsO, der Arbeitgeberanteil hingegen § 55 Abs. 2 S. 1 InsO. 187 Soweit zur Bezahlung der Arbeitnehmer im Schutzschirmverfahren das vorzufinanzierende Insolvenzgeld genutzt wird (oben Rn. 173 ff.), wird man – weil Masseforderungen nach §§ 270b Abs. 3 S. 2, 55 Abs. 2 InsO entstehen – gem. § 270 Abs. 1 S. 2 InsO auch die Regelung des § 55 Abs. 3 InsO anzuwenden haben. Dies führt zu dem Ergebnis, dass sowohl die Nettolohnansprüche der Arbeitnehmer, als auch die Ansprüche auf Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages, soweit sie auf die Arbeitsagentur übergegangen sind, von dieser nur als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden können.301) 188 Anders stellt sich die Rechtslage hingegen in der vorläufigen Eigenverwaltung gem. § 270a InsO dar. Da hier eine § 55 Abs. 2 InsO vergleichbare Norm fehlt, begründet die Beschäftigung von Arbeitnehmern grundsätzlich302) lediglich Insolvenzforderungen.303) Das gilt ebenso für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag. Gleichwohl ist wegen Haftungsgefahren wie folgt zu differenzieren: x

Die Zahlung der Arbeitgeberanteile ist nicht geboten304) und würde, soweit sie erfolgt, die Pflicht zur Sicherung und Erhaltung der Masse bzw. zur Gläubigergleichbehandlung verletzen.

x

Die Nichtzahlung der Arbeitnehmeranteile würde hingegen den Tatbestand des § 266a StGB erfüllen. Auch könnte sie für den Schuldner – bzw.,

___________ 300) BGH NZG 2016, 1274; Geißler, ZInsO 2013, 531, 536; für diesen Befund bei Anwendung des § 55 Abs. 2 InsO auf den starken vorläufigen Verwalter im Regelinsolvenzverfahren vgl. nur Andres/Leithaus/Leithaus, InsO, § 55 Rn. 15; Hefermehl, MüKo-InsO, § 55 Rn. 238 ff.; Schmidt/Jarchow, HmbKo-InsO, § 55 Rn. 44; Uhlenbruck/Sinz, InsO, § 55 Rn. 61, 96 ff. 301) Geißler, ZInsO 2013, 531, 536; Graf-Schlicker/dies., InsO, § 270b Rn. 26; Kayser/ Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 270b Rn. 45 – jeweils unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung, nach der der Schuldner im Falle eines Beschlusses nach § 270b Abs. 3 InsO insgesamt „quasi in die Rechtsstellung eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters einzurücken“ sollte (BT-Drucks. 17/7511, S. 37), was für eine Anwendbarkeit auch des § 55 Abs. 3 InsO spricht. So auch Haarmeyer/Wutzke/Förster/Buchalik, PK-InsO, § 270b Rn. 24 mit Hinweis darauf, dass die Bundesagentur für Arbeit dies nach einer dort vorliegenden Stellungnahme genauso beurteile. Im Ergebnis auch K. Schmidt/ Undritz, InsO, § 270b Rn. 14. 302) Anderes ist denkbar, soweit ausdrücklich Einzelermächtigungen für die Beschäftigung von Arbeitnehmern erteilt wurden – das kommt aber praktisch nicht vor, weil ihre Forderungen in der Regel mithilfe des Insolvenzgeldes beglichen werden. 303) Geißler, ZInsO 2013, 531, 536. 304) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 486; vgl. auch BGH ZInsO 2009, 1456 Rn. 6; im Einzelnen Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 82.

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II. Der Schuldner

soweit dieser nicht natürliche Person ist, seine Organwalter (zu diesen insgesamt unten Rn. 507 ff.) – eine Haftung gem. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266a StGB auslösen.305) Daher sollte die Zahlung dieser Anteile erfolgen306) – und zwar zur Vermeidung einer jeweils anteiligen Verrechnung auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil durch den Sozialversicherungsträger unter ausdrücklicher Tilgungsbestimmung auf den Arbeitnehmeranteil.307) Die frühere Rechtsprechung des BGH, nach der auch die Zahlung von Arbeitnehmeranteilen dem Zahlungsverbot des § 64 S. 1 GmbHG unterliegen konnte,308) ist mittlerweile nämlich überholt:309) Nunmehr geht das Gericht in Straf-,310) wie auch Zivilsachen311) davon aus, dass derartige Zahlungen vorrangig zu erfüllen seien und der Schuldner hierfür unter dem Gesichtspunkt der Masseschmälerung keiner Haftung unterliege. Die entsprechenden Zahlungen seien aufgrund des Gedankens der Einheit der Rechtsordnung als mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar zu beurteilen.312) Führt der Schuldner zur Haftungsvermeidung die Arbeitnehmeranteile ab, 189 fragt sich, inwieweit diese nach Verfahrenseröffnung anfechtbar sind. Der Schuldner sollte vor Zahlung die entsprechenden Sozialversicherungsträger von der Eigenverwaltung in Kenntnis setzen. Zwar regelt § 28e Abs. 1 S. 2 SGB IV als Fiktion, dass die Zahlung der Arbeitnehmeranteile als aus dem Vermögen des Arbeitnehmer erbracht gilt. Dies sollte eine Anfechtung und anschließende Rückforderung wohl ausschließen, da die Leistung wegen dieser Fiktion nicht gem. § 143 Abs. 1 InsO aus dem Vermögen des Schuldners stammt, der BGH hingegen bejaht die Anfechtbarkeit.313) 4. Buchführungspflichten Soweit der Schuldner die Masse selbst verwaltet, ist es folgerichtig, ihm gem. 190 § 281 Abs. 3 InsO die Fortführung der Rechnungslegung zu überantworten.314) Insofern ist er gem. § 155 Abs. 1 S. 1 InsO weiter Adressat der fortgeltenden handels- und steuerrechtlichen Rechnungslegungspflicht und darüber hinaus gem. § 66 InsO zur insolvenzrechtlichen Rechnungslegung verpflichtet. Letztere umfasst auch die (durch Insolvenzplan gem. § 66 Abs. 1 ___________ BGH ZInsO 2013, 553; Hunsalzer, ZInsO 2014, 1748 m. w. N. So auch Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 486. Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 77. Vgl. etwa BGH ZInsO 2005, 650 m. w. N. Zur Rspr.-Historie eingehend Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 78. Vgl. etwa BGH ZInsO 2005, 986 m. w. N. BGH ZInsO 2009, 1456 Rn. 6; ZInsO 2007, 660 Rn. 12. So auch schon Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 13 Rn. 1784. So die gesetzgeberische Intention, BT-Drucks. 16/6540, S. 24; ebenso Bruhn, NZI 2009, 628; offengelassen noch von BGH ZInsO 2008, 449; bejaht von BGH ZInsO 2009, 2293. 314) Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 281 Rn. 1.

305) 306) 307) 308) 309) 310) 311) 312) 313)

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C. Aufgaben und Kompetenzen

S. 2 InsO abdingbare) Pflicht zur Vorlage der Schlussrechnung vor Aufhebung des Verfahrens.315) Auf Weisung der Gläubigerversammlung oder des Insolvenzgerichts hat er darüber hinaus Zwischenrechnungen zu bestimmten Zeitpunkten abzulegen.316) Die praktische Umsetzung sollte sich an dem Standard der IDW RH HFA 1.011 zur insolvenzspezifischen Rechnungslegung orientieren, welcher gem. Nr. 7.2 auch in der Eigenverwaltung anwendbar ist.317) 191 Neben der Rechnungslegung verpflichtet § 281 Abs. 1 S. 1 InsO den Schuldner zur Aufstellung der gem. §§ 151 ff. InsO erforderlichen Verzeichnisse. Er hat also dreierlei zu erstellen: x

Das Vermögensverzeichnis gem. § 151 InsO, welches gem. § 151 Abs. 2 S. 2 InsO sowohl Fortführungs-, als auch Zerschlagungswerte zu enthalten hat; die Angabe der Zerschlagungswerte ist nicht entbehrlich,318) auch wenn Verfahren der Eigenverwaltung praktisch regelmäßig auf Betriebsfortführung gerichtet sind.319) Denn das Verzeichnis dient der Vorbereitung der Entscheidung der Gläubiger gem. § 157 InsO über Liquidation oder Betriebsfortführung.320) Notwendigenfalls darf sich der Schuldner gem. § 151 Abs. 2 S. 3 InsO der Hilfe eines Sachverständigen bedienen.

x

Das Gläubigerverzeichnis gem. § 152 InsO, wobei eine Differenzierung nach Rangklassen und den Angaben zu den Forderungen und Gläubigern gem. § 152 Abs. 2 InsO ebenso vorgeschrieben ist, wie eine Schätzung der Höhe der Masseverbindlichkeiten, § 152 Abs. 3 S. 2 InsO.

x

Die Vermögensübersicht gem. § 153 InsO, welche die Aktiva der Masse den Verbindlichkeiten des Schuldners gegenüberstellt.321) Es gelten insofern die auch im Regelinsolvenzverfahren maßgeblichen Bewertungs- und Gliederungsvorschriften des § 153 Abs. 2 InsO.

5. Gegenseitige Verträge und Dauerschuldverhältnisse a) Grundsatz 192 Im eröffneten Regelinsolvenzverfahren stehen dem Insolvenzverwalter eine Reihe von Instrumenten zur Verfügung, um die Bindung der Masse an gegenseitige Verträge zu modifizieren. Dieses „materielle“ Insolvenzrecht wollte der Gesetzgeber zum Zwecke der Massemehrung und Sanierung322) auch im ___________ 315) 316) 317) 318) 319) 320) 321) 322)

54

Graf-Schlicker/dies., InsO, § 281 Rn. 9. Ebd.; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 212. Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 281 Rn. 2. Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 281 Rn. 8; Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 808. Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 282 Rn. 1. Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 808. Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 204. Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 140.

II. Der Schuldner

Eigenverwaltungsverfahren Anwendung finden lassen.323) Da insofern der Schuldner die sonst dem Verwalter obliegenden Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis wahrnimmt, überträgt § 279 InsO ihm das Instrumentarium der §§ 103 ff. InsO im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren; für die vorgelagerte Phase des Eröffnungsverfahrens gibt es, wie im Regelinsolvenzverfahren, keine Entsprechung. Soweit der Schuldner gem. § 279 S. 2 InsO zum Handeln im Einvernehmen 193 mit dem Sachwalter (dazu unten Rn. 477 ff.) verpflichtet ist, hat ein Verstoß gegen diese „Soll“-Vorschrift im Außenverhältnis keine Rechtswirkung.324) Vorbehaltlich einer möglichen Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit nach § 277 InsO (dazu unten Rn. 427 ff.) sind also auch ohne das notwendige Einvernehmen vorgenommene Rechtshandlungen des Schuldners wirksam, sofern sie nicht erkennbar insolvenzzweckwidrig sind.325) Anders ist dies gem. § 279 S. 3 InsO, soweit der Schuldner zur wirksamen Aus- 194 übung der Zustimmung des Sachwalters bedarf. Dies betrifft folgende Konstellationen: x

Die Kündigung von Betriebsvereinbarungen gem. § 120 InsO ist ohne vorher eingeholte Zustimmung als einseitiges, bedingungsfeindliches Gestaltungsrecht nichtig.326) Eine Heilung durch (nachträgliche) Genehmigung kommt nicht in Betracht.

x

Die gerichtliche Zustimmung zur Durchführung einer Betriebsänderung gem. § 122 InsO kann ohne Zustimmung des Sachwalters nicht zulässig beantragt werden. Es fehlt insofern am Vorliegen einer Sachentscheidungsvoraussetzung, die jedoch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nachgeholt werden kann.327)

x

Gleiches gilt auch für das Beschlussverfahren zum Kündigungsschutz gem. § 126 InsO. Dem Schuldner fehlt insofern ohne Zustimmung des Sachwalters die notwendige Antragsbefugnis, die er freilich noch vor der Entscheidung des Arbeitsgerichtes nachreichen kann.328)

b) Einzelne Maßnahmen aa) Wahlrecht gem. §§ 103 InsO Verträge verändern sich mit Eröffnung des Verfahrens, so dass aus ihnen er- 195 wachsende Ansprüche undurchsetzbar werden.329) Soweit sie gegenseitige Leis___________ 323) BT-Drucks. 12/2443, S. 225. 324) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 279 Rn. 4; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 279 Rn. 4; Kern, MüKo-InsO, § 279 Rn. 2; BT-Drucks., 12/2443, S. 225. 325) Hierzu OLG Karlsruhe ZIP 2016, 1649. 326) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 279 Rn. 6; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 279 Rn. 12. 327) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 279 Rn. 13. 328) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 279 Rn. 14. 329) Vgl. nur BGH ZInsO 2006, 35; ZInsO 2002, 577.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

tungspflichten erhalten330) und – jedenfalls mit einem abtrennbaren Teil, § 105 InsO – noch nicht vollständig erfüllt sind, hat der Schuldner vorbehaltlich der Ausnahmen nach §§ 104 ff. InsO331) gem. § 103 InsO ein Wahlrecht: Einerseits kann der Schuldner den Vertrag erfüllen und dann seinerseits vom Vertragspartner Erfüllung an die Masse verlangen, § 103 Abs. 1 InsO. Andererseits kann er durch einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung332) die Erfüllung ablehnen, wodurch der Vertragspartner mit einem Anspruch wegen Nichterfüllung333) aus § 103 Abs. 2 S. 1 InsO334) Insolvenzgläubiger wird. 196 Bei der Ausübung des Wahlrechtes ist der Schuldner durch insolvenzrechtliche Entscheidungsmaßstäbe gebunden. Er tritt zwar mit einer Erfüllungsverweigerung in Widerspruch zu seinem bisherigen Verhalten, was praktisch ein psychologisches Hemmnis bedeutet und zudem die Vertrauensbeziehung zu Vertragspartnern, die für eine Betriebsfortführung notwendig ist, beeinträchtigen kann. Dies ist aber das Spezifikum der Eigenverwaltung; es ändert nichts daran, dass der Schuldner sein Verhalten wie der Insolvenzverwalter im Regelverfahren335) allein danach auszurichten hat, was für die Masse am günstigsten ist.336) bb) Sonderkündigungsrecht bei Mietverträgen gem. § 109 InsO 197 Ist der Schuldner Mieter oder Pächter von Immobilien, so kann dies für die Masse ungünstige, erhebliche Fixkosten bedingen. Diese angesichts oft langer mietrechtlicher Kündigungsfristen zu beseitigen, ist Regelungsziel des § 109 InsO. Gem. Abs. 1 S. 1 der Norm besteht daher eine besondere Kündigungsmöglichkeit mit drei-Monats-Frist. Die Kündigung spricht im Rahmen der Eigenverwaltung der Schuldner aus. 198 Auch insofern ist er hinsichtlich der Entscheidung über die Kündigung daran gebunden, die für die Masse günstigste Variante zu wählen. Die von Eröffnung bis zum Wirksamwerden der Kündigung entstehenden Mietforderungen sind Masseverbindlichkeiten,337) Schadensersatzansprüche wegen vorzeitiger Beendigung sind Insolvenzforderungen, § 109 Abs. 1 S. 3 InsO.

___________ 330) Unerheblich ist, ob der Schuldner zur Zahlung oder zu einer sonstigen Leistung, z. B. Lieferung, verpflichtet ist. 331) Katalog z. B. bei Schmidt/Ahrendt, HmbKo-InsO, § 103 Rn. 7 f. 332) Graf-Schlicker/Breitenbücher, InsO, § 103 Rn. 36. 333) Vgl. dazu Braun/Kroth, InsO, § 103 Rn. 39 ff. 334) BGH ZInsO 2013, 494, 495 Rn. 12 m. w. N. 335) Nerlich/Römermann/Bathasar, InsO, § 103 Rn. 37; Schmidt/Ahrendt, HmbKo-InsO, § 103 Rn. 17. 336) So auch Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 147. 337) Schmidt/Pohlmann-Weide, HmbKo-InsO, § 109 Rn. 14; BGH ZInsO 2011, 968 für Mietnebenkosten.

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II. Der Schuldner

cc) Sonderkündigungsrecht bei Dienstverträgen gem. § 113 InsO Soweit der Schuldner Arbeitnehmer beschäftigt, ist es zur Sanierung oftmals 199 erforderlich, Kündigungen vorzunehmen. Dies ist in Fällen einer noch nicht abgelaufenen Mindestvertragsdauer oder eines vereinbarten Kündigungsausschlusses aber mit den außerhalb des Insolvenzverfahrens bestehenden Regelungen nicht möglich. Für diese Fälle gewährt § 113 InsO ein Sonderkündigungsrecht mit einer drei-Monats-Frist. Indes bleibt ein gesetzlicher Kündigungsausschluss hiervon unberührt. Des- 200 wegen bleiben materiell-rechtliche Vorgaben wie das Verbot der Kündigung von Betriebsratsmitgliedern (§ 15 Abs. 1 KSchG), von Schwangeren (§ 9 MuSchG) oder das Gebot einer Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) erhalten.338) dd) Erlöschen von Rechtsverhältnissen gem. §§ 115 ff. InsO Mit Eröffnung des Verfahrens erlöschen alle (nicht bereits vollständig erfüll- 201 ten339)) Aufträge (§ 115 InsO) und Geschäftsbesorgungsverträge (§ 116 InsO), sowie sämtliche Vollmachten (§ 117 InsO). Einer Handlung des Schuldners bedarf es insofern nicht, da diese Rechtsfolge unmittelbar qua Gesetz eintritt. Die §§ 115 ff. InsO stellen mithin leges speciales gegenüber dem ein Wahlrecht gewährenden § 103 InsO dar. Dies hat vornehmlich hinsichtlich Geschäftsbesorgungsverträgen,340) zu denen 202 auch Kontokorrentverträge zählen,341) erhebliche praktische Bedeutung: Diese erlöschen, so dass zu saldieren ist. Zur Fortsetzung der Kontennutzung bedarf es daher eines neuen – auch konkludent möglichen – Vertragsschlusses zwischen Schuldner und Bank.342) Auch das Erlöschen von Vollmachten ist praktisch relevant, denn es bedingt 203 die im Geschäftsverkehr oftmals notwendige Neuerteilung von beispielsweise Prokura.343) Da das Erlöschen der bisherigen Prokura im Zweifel gem. § 384 Abs. 2 FamFG von Amts wegen kenntlich zu machen ist,344) muss die neue Prokura wiederum ins Handelsregister eingetragen werden, § 53 Abs. 1 S. 1 HGB. 6. Prozessführungsbefugnisse a) Grundsatz Da dem Schuldner sowohl im Eröffnungsverfahren, als auch im eröffneten Ei- 204 genverwaltungsverfahren gem. § 270 Abs. 1 S. 1 InsO die Verwaltungs- und Ver___________ 338) Kayser/Thole/Linck, HK-InsO, § 113 Rn. 18 ff.; Schmidt/Ahrendt, HmbKo-InsO, § 113 Rn. 44. 339) Graf-Schlicker/Pöhlmann/Kubusch, InsO, § 115 Rn. 5. 340) Beispiele bei Kayser/Thole/Marotzke, HK-InsO, § 116 Rn. 4. 341) Vuia, MüKo-InsO, § 116 Rn. 39. 342) Braun/Kroth, InsO, § 116 Rn. 11. 343) Vuia, MüKo-InsO, § 117 Rn. 7, 14. 344) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 157.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

fügungsbefugnis über die Masse verbleibt, ist er auch insofern zur Prozessführung befugt.345) Diese Befugnis nimmt er im eigenen Namen für und gegen die Masse wahr.346) Vom Grundsatz der fortbestehenden Prozessführungsbefugnis gelten auch keine Abweichungen, soweit die Kassenführung gem. § 275 Abs. 2 InsO auf den Sachwalter übertragen wurde (dazu noch unten Rn. 381 ff., bes. 389). Allerdings gibt es gem. § 280 InsO für das eröffnete Verfahren die folgenden zwei Sonderregelungen (dazu im Einzelnen unten Rn. 271 ff.): x

Nur der Sachwalter ist zur Geltendmachung der Anfechtungsansprüche der §§ 129 ff. InsO befugt.

x

Ebenso kann nur der Sachwalter die Haftungsansprüche nach den §§ 92 f. InsO für die Masse geltend machen.

b) Unterbrechung und Aufnahme 205 Mit Eröffnung des Eigenverwaltungsverfahrens werden gem. § 240 S. 1 ZPO laufende Gerichtsverfahren unterbrochen.347) Denn soweit die Norm lediglich auf die Eröffnung eines „Insolvenzverfahrens“ als solchem abstellt, differenziert sie nicht nach Art des Verfahrens, erfasst also auch die Eigenverwaltung. Der Regelungsgehalt der Vorschrift ist aufgrund ihres Wortlautes daher eindeutig. 206 Indes lassen die vorläufige Eigenverwaltung gem. § 270a InsO und das Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO Gerichtsverfahren, an denen der Schuldner beteiligt ist, unberührt. Sie laufen weiter, es sei denn, das Gericht hat in Abweichung von § 270a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO dem Schuldner ein den Verfahrensgegenstand betreffendes Verfügungsverbot auferlegt. In diesem Falle wird das Verfahren gem. § 240 S. 2 ZPO unterbrochen.348) Andernfalls bedarf es nämlich keiner Anwendung des § 240 S. 2 ZPO. Weder der Schutz der gegnerischen Partei noch eine in der Eigenverwaltung gerade fehlende Notwendigkeit der Einarbeitung durch einen Verwalter in den Prozessstoff erfordern es, unter dem „vorläufigen Insolvenzverwalter“ im Sinne der Norm den Schuldner zu verstehen. 207 Verbleibt nach dem Gesagten die Prozessführungsbefugnis in jeder Verfahrenslage grundsätzlich beim Schuldner, ist dieser auch berechtigt, ein unterbrochenes Verfahren aufzunehmen.349) Dies geschieht in Aktivprozessen gem. § 85 Abs. 1 InsO durch schriftsätzliche Erklärung gegenüber dem Gericht,350) ___________ 345) BGH ZInsO 2007, 100 Rn. 5; Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 270 Rn. 12. 346) Kern, MüKo-InsO, § 270 Rn. 178 f. 347) BGH ZInsO 2012, 878, 882 Rn. 42; ZInsO 2009, 2145, 2146 Rn. 13; ZInsO 2007, 100 Rn. 6; Saenger/Wöstmann, ZPO, § 240 Rn. 5. 348) Für die Parallelkonstellation im vorläufigen Regelinsolvenzverfahren vgl. BGH ZInsO 2013, 1516, 1517 Rn. 13 ff. 349) BT-Drucks. 12/2443, S. 223; Kern, MüKo-InsO, § 270 Rn. 187 f. 350) Graf-Schlicker/Webel, InsO, § 85 Rn. 3.

58

II. Der Schuldner

wobei die Ablehnung der Aufnahme gem. § 85 Abs. 2 InsO dem Beklagten ermöglicht, den Prozess gegen die Masse seinerseits wiederaufzunehmen. Mangels Freigabemöglichkeit (oben Rn. 153 f.) kann sich der Schuldner dem in der Eigenverwaltung nicht entziehen.351) Verweigert der Schuldner die Aufnahme und nimmt auch der Beklagte den Prozess nicht wieder auf, so ist die Verweigerung des Schuldners nach ihrem Zweck grundsätzlich als Klagerücknahme zu werten;352) je nach Erklärungsinhalt kommt aber auch ein Verzicht in Frage. Danach anfallende Prozesskosten haben den Rang einer Insolvenzforderung.353) In Passivprozessen, die Insolvenzforderungen betreffen, kommt eine Aufnahme 208 nur in den Grenzen der §§ 180 Abs. 2, 184 S. 2 InsO in Betracht, also soweit die Forderung bestritten wurde.354) Andernfalls ist der Kläger auf das übliche Procedere zur Forderungsanmeldung verwiesen, § 87 InsO. Für die in § 86 Abs. 1 Nr. 1 – 3 InsO genannten Passivprozesse sind indes sowohl der Kläger als auch der Schuldner zur Aufnahme befugt. Dem Schuldner steht insofern gem. § 86 Abs. 2 InsO die Möglichkeit zur Verfügung, den Prozess durch ein sofortiges Anerkenntnis zu beenden. Dies ist auch dann möglich, wenn er sich bis zur Unterbrechung verteidigt hatte. Denn insofern hat er nunmehr im Interesse der Gläubiger die Entscheidung zur Vermeidung von unnötigen Prozesskosten erneut zu treffen.355) 7. Handlungen von besonderer Bedeutung für das Verfahren Nicht alle der vorgenannten Handlungen der Betriebsfortführung und der 209 Masseverwaltung darf der Schuldner ohne Mitwirkung weiterer Organe vornehmen. Klassisches Beispiel in der Eigenverwaltung ist die Widerspruchsbefugnis bzw. der Zustimmungsvorbehalt des Sachwalters gem. § 275 InsO (dazu im Einzelnen unten Rn. 400 ff.). a) Einholung der Zustimmung Daneben356) steht die durch § 276 InsO aufgestellte Verpflichtung, vor Hand- 210 lungen von besonderer Bedeutung für das Insolvenzverfahren die Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen. Ist ein solcher nicht bestellt, muss die Gläubigerversammlung entscheiden, §§ 276 S. 2, 160 Abs. 1 S. 2 InsO. Hat lediglich der Ausschuss entschieden, kann das Insolvenzgericht aufgrund ei___________ 351) Kern, MüKo-InsO, § 270 Rn. 180; zur grds. Wertung einer Ablehnung als Freigabe vgl. BGH ZInsO 2007, 94. 352) Schmidt/Kuleisa, HmbKo-InsO, § 85 Rn. 24. 353) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 199. 354) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 283 Rn. 11. 355) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 283 Rn. 10; Kern, MüKo-InsO, § 270 Rn. 182. 356) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 15; Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 276 Rn. 3; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 275 Rn. 5; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 276 Rn. 2.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

nes mehrheitlichen Antrages der Gläubiger gem. §§ 276 S. 2, 161 S. 2 InsO die Handlung vorläufig untersagen. 211 Die Zustimmung muss eine vorherige sein.357) Zwar lässt die Legaldefinition der §§ 183 f. BGB auch eine nachträgliche Zustimmung als sog. Genehmigung zu, dies ist bei § 276 InsO aber anders. Denn hier könnte die Norm ihren Zweck des Schutzes von Gläubigerinteressen im Entscheidungsprozess nicht erfüllen, wären die Gläubiger auf eine nachträgliche Perspektive beschränkt.358) Deswegen vermengt die Auffassung, eine nachträgliche Genehmigung genüge,359) fälschlicherweise die Frage nach der Einhaltung des § 276 InsO durch den Schuldner mit der Frage, ob ein Verstoß für ihn im Nachhinein Konsequenzen hat.360) 212 Die Norm verpflichtet den Schuldner also, vor der Vornahme einer Rechtshandlung von besonderer Bedeutung das jeweilige Gläubigerorgan zu informieren und seine Zustimmung einzuholen.361) Kommt er dem nicht nach, so ist eine gleichwohl vorgenommene Handlung im Außenverhältnis wirksam, §§ 276 S. 2, 164 InsO. Die Gläubiger sind dann auf das Sanktionspotential der §§ 272, 277 InsO beschränkt, also die Aufhebung der Eigenverwaltung362) oder die Anordnung gerichtlicher Zustimmungsvorbehalte.363) b) Die besondere Bedeutung 213 Rechtshandlungen haben besondere Bedeutung für das Verfahren, wenn sie eine „Weiche für das Insolvenzverfahren“364) stellen und nicht lediglich einzelne Wirtschaftlichkeitsaspekte betreffen. Betrifft die Handlung einen Wert von 5 – 10 Prozent der Gesamtmasse, wird dies nahe liegen.365) Beispielhaft zählen §§ 276 S. 2, 160 Abs. 2 InsO Fälle auf, an denen sich die Auslegung zu orientieren hat: x

Veräußerung des Unternehmens, eines Betriebes, des ganzen Warenlagers,

x

Veräußerung einer Immobilie aus freier Hand,

x

Veräußerung einer Unternehmensbeteiligung, die der Herstellung einer dauernden Verbindung zu diesem Unternehmen dienen soll,

___________ 357) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 276 Rn. 4; Graf-Schlicker/dies., InsO, § 276 Rn. 5; Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 276 Rn. 3; Kern, MüKo-InsO, § 276 Rn. 8. 358) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 276 Rn. 5. 359) Braun/Riggert, InsO, § 276 Rn. 4; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 276 Rn. 9; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 276 Rn. 9. 360) Dies klingt an bei Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 276 Rn. 3. 361) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 276 Rn. 2. 362) Zu Voraussetzungen und Verfahren eingehend Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 85 ff. 363) Braun/Riggert, InsO, § 276 Rn. 5; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 276 Rn. 22. 364) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 276 Rn. 4. 365) Nerlich/Römermann/Balthasar, InsO, § 160 Rn. 8.

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II. Der Schuldner

x

Veräußerung des Rechtes auf den Bezug wiederkehrender Einkünfte,

x

Aufnahme eines Darlehens, das die Insolvenzmasse erheblich belastet,

x

Aufnahme eines Rechtsstreits mit erheblichem Streitwert oder Vermeidung eines solchen durch Vergleich oder ein Schiedsvertrag. Praxistipp: Um für den Schuldner und die Gläubiger Rechtssicherheit zu geben, können besonders bedeutende Rechtsgeschäfte im Voraus definiert werden (vgl. aber unten Rn. 495 ff.). Praktisch ist es regelmäßig hilfreich, Vorratszustimmungen zu genau definierten Rechtsgeschäften zu erteilen, um eine zeitaufwändige Abstimmung im Handlungsfall zu vermeiden.366)

c) Anwendbarkeit im Eröffnungsverfahren Ob die Regelung des § 276 InsO in der vorläufigen Eigenverwaltung gem. 214 § 270a InsO und dem Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO anwendbar ist, scheint fraglich. Man wird dies jedoch nicht mit dem Argument ausschließen können, § 270a InsO verweise nicht auf § 276 InsO.367) Denn dies muss die Norm auch nicht, weil sie die Rechtsstellung des vorläufigen Sachwalters bestimmt – § 276 InsO hingegen adressiert, davon unabhängig, ausschließlich den Schuldner. Allerdings zeigt sich durch den Rekurs auf den Gläubigerausschuss und die 215 Gläubigerversammlung, dass die Norm grundsätzlich ein eröffnetes Verfahren voraussetzt. Soweit aber ein vorläufiger Gläubigerausschuss bestellt ist, fragt sich, ob der Schutzzweck im Eröffnungsverfahren dann nicht gleichwohl die Befassung desselben mit den Handlungen des Schuldners erfordert. Bezweckt die Norm nämlich den Schutz der Gläubigerinteressen im Entscheidungsprozess, kann sie dies auch mithilfe des vorläufigen Ausschusses erreichen. Es spricht daher viel dafür, sie extensiv dahingehend auszulegen, dass im Falle der Einsetzung eines solchen Ausschusses – und nur dann – § 276 InsO auch im Eröffnungsverfahren anwendbar ist.368) 8. Informations-, Berichts- und Anzeigepflichten a) Gegenüber dem Sachwalter Sowohl im Eröffnungsverfahren, als auch im eröffneten Eigenverwaltungsver- 216 fahren unterliegt der Schuldner einer Vielzahl von Informationspflichten gegenüber dem Sachwalter. Diese werden, weil sie der Mehrung der Tatsachen___________ 366) So auch Ampferl, in: Kübler, HRI, § 14 Rn. 43. 367) So aber ausdrücklich Haarmeyer/Wutzke/Förster/Buchalik, PK-InsO, § 270a Rn. 7a; Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 270a Rn. 20; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 270a Rn. 15. 368) So auch Obermüller, ZInsO 2011, 1809, 1815; Frind, ZIP 2012, 1380, 1384.

61

C. Aufgaben und Kompetenzen

kenntnis des Sachwalters und damit dessen wirksamer Aufsicht dienen, unten bei Rn. 328 ff. im Einzelnen besprochen. b) Gegenüber den Gläubigern 217 Gegenüber den Gläubigern trifft den Schuldner im eröffneten Verfahren vor allem die Verpflichtung, im Berichtstermin gem. § 281 Abs. 2 S. 1 InsO Bericht zu erstatten.369) Er hat damit die Tatsachengrundlage für die Entscheidung der Gläubiger gem. § 157 InsO zu schaffen. Dazu muss er einerseits die aktuelle wirtschaftliche Lage und deren Ursachen darlegen, § 156 Abs. 1 S. 1 InsO. Andererseits hat er zu prognostizieren, inwiefern sein Unternehmen erhalten werden kann, ob ein Insolvenzplan in Frage kommt und welche Quote die Gläubiger erwarten können, § 156 Abs. 1 S. 2 InsO. Im Kontext der Thematisierung einer Insolvenzplanlösung steht die spiegelbildliche370) Befugnis der Gläubiger, den Schuldner gem. § 284 Abs. 1 InsO zur Ausarbeitung eines solchen zu beauftragen. 218 Darüber hinaus kann die Gläubigerversammlung dem Schuldner auch weitere Pflichten auferlegen. Soweit er ohnehin gem. § 281 Abs. 3 InsO zur Rechnungslegung verpflichtet ist, kann die Versammlung ihm die Aufstellung von Zwischenrechnungen gem. § 66 Abs. 3 InsO aufgeben. Ebenso kann sie ihn zur Erstellung von Zwischenberichten und sonstigen Auskünften gem. § 79 S. 1 InsO anweisen.371) Zwar regelt die zuletzt genannte Norm nur Berichtsund Auskunftspflichten des Verwalters, sie ist jedoch gem. § 270 Abs. 1 S. 2 InsO auf den Schuldner anwendbar, weil ihm im Verfahren nach den §§ 270 ff. InsO die Masseverwaltung obliegt (oben Rn. 144 ff.).372) In allen Fällen der Berichterstattung bietet sich praktisch typischerweise die Aufforderung zu regelmäßigen Berichten in festen Zeitabständen an, um die Entwicklung des Verfahrens verfolgen zu können.373) 219 Schließlich ist auch der Gläubigerausschuss gem. § 69 InsO befugt, vom Schuldner Informationen zu verlangen (oben Rn. 124). Insofern hat er ihn auch zu unterstützen.374) c) Gegenüber dem Gericht 220 Das Aufsichtsinstrumentarium des § 58 InsO steht dem Gericht aufgrund der eindeutigen Verweisung in § 274 Abs. 1 InsO nur gegenüber dem Sachwalter ___________ 369) Dazu eingehend und mit Inhaltsvorgabe Bierbach, in: Kübler, HRI, § 11 Rn. 91 ff., bes. 104. 370) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 281 Rn. 14. 371) Bierbach, in: Kübler, HRI, § 11 Rn. 120. 372) So i. E. auch Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 209. 373) Kayser/Thole/Riedel, HK-InsO, § 79 Rn. 5. 374) Zum Ganzen Ampferl, in: Kübler, HRI, § 14 Rn. 22 ff.; Frind, ZIP 2012, 1380, 1381 ff.; Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 836 f.

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III. Der Sachwalter

zu (oben Rn. 111). Indes ist der Schuldner gem. § 97 InsO gegenüber dem Gericht in jeder Verfahrensphase zur Auskunft über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse verpflichtet. Da dies alle rechtlichen und wirtschaftlichen Umstände betrifft, die für das Verfahren relevant sein können, ist die Auskunftspflicht umfassend.375) Darüber hinaus trifft den Schuldner im Schutzschirmverfahren gem. § 270b 221 Abs. 4 S. 2 InsO die Verpflichtung, dem Gericht eine etwaig entstehende Zahlungsunfähigkeit unverzüglich anzuzeigen. Dies ist ein Überbleibsel aus dem Gesetzentwurf, nach dessen ursprünglicher Konzeption der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zur Aufhebung des Schutzschirmverfahrens führen sollte.376) Obgleich dieser Aufhebungsgrund heute nicht mehr besteht, wurde die Regelung zur Ermöglichung besserer Kontrolle aufrechterhalten.377) Der Schuldner bleibt also neben dem Sachwalter (dazu und zum Verhältnis beider Pflichten zueinander unten Rn. 373 f.) zur unverzüglichen – also ohne schuldhaftes Zögern378) – Vornahme der Anzeige gegenüber dem Gericht verpflichtet. III. Der Sachwalter Das Eigenverwaltungsverfahren ist ohne Sachwalter nicht vorstellbar. Das hat 222 rechtliche und praktische Gründe. Rechtlich fehlen dem Schuldner im Eröffnungsverfahren wie auch im eröffneten Verfahren wichtige Kompetenzen, um das Verfahren voranzubringen. Beispielhaft seien das dem Sachwalter überantwortete Führen der Tabelle, § 270c InsO und die Anfechtung, § 280 InsO i. V. m. §§ 129 ff. InsO, genannt. Die praktische Bedeutung des Sachwalters speist sich indes vor allem aus seiner 223 Aufsichtsfunktion (unten Rn. 292 ff.). Nimmt er als neutrale Kontroll-Instanz die Beaufsichtigung des Schuldners wahr, sorgt er damit im Innenverhältnis für eine rechtlich richtige Führung des Verfahrens. Hierfür genügt bisweilen bereits, dass der Schuldner mit der Kontrolle durch den Sachwalter rechnen muss und sich dadurch zu rechtmäßigem Verhalten angehalten fühlt.379) Mittels der Aufsicht durch den Sachwalter soll sichergestellt werden, dass der eigenverwaltende Schuldner, der typischerweise in Insolvenzsituationen wenig erfahren ist, die notwendigen Entscheidungen zutreffend fällen kann. Darüber hinaus trägt der Sachwalter im Außenverhältnis für die Wahrung der Gläubigerinteressen (auch: haftungsrechtliche, dazu Rn. 526 ff.) Verantwortung. Diese Außenwirkung kann in ihrer Bedeutung kaum überschätzt werden. 224 Denn ohne den Sachwalter wäre es schwer vorstellbar, dass die Gläubiger dem ___________ 375) Kayser/Thole/Schmidt, HK-InsO, § 97 Rn. 15; Schmidt/Herchen/Morgen, HmbKo-InsO, § 97 Rn. 1. 376) Zur Gesetzgebungshistorie instruktiv Kern, MüKo-InsO, § 270b Rn. 140; Wimmer/ Foltis, FK-InsO, § 270b Rn. 45. 377) Flöther, ZInsO 2014, 465, 468 m. w. N. 378) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270b Rn. 92. 379) Zu diesem „Edukationseffekt“ von Kontrolle vgl. Krebs, Kontrolle, S. 58 f.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

Schuldner das für eine Selbstverwaltung nötige Vertrauen380) entgegen bringen würden.381) Damit zeigt sich auch das Leitbild des Sachwalters: Er ist die neutrale Instanz zur Wahrung der gem. § 1 InsO maßgeblichen Gläubigerinteressen im Verfahren und hat seine originären, also vom Schuldner unabhängigen, sowie auch seine schuldnerbezogenen Kontroll- und Aufsichtskompetenzen in diesem Sinne einzusetzen. 1. Originäre Aufgaben a) Führen der Tabelle, § 270c 225 Dass der Sachwalter die Insolvenztabelle zu führen hat, ergibt sich nicht direkt aus dem Gesetz. Indes normiert § 270c S. 2 InsO, dass die Insolvenzgläubiger die Forderungen bei ihm anzumelden haben. Schon die Textähnlichkeit mit § 174 Abs. 1 S. 1 InsO zeigt, dass der Sachwalter im eröffneten Verfahren insofern an die Stelle des Insolvenzverwalters tritt. Es ist dann folgerichtig, dass ihn gem. § 270 Abs. 1 S. 2 InsO die allgemeinen Vorschriften der §§ 174 ff. InsO treffen, so dass er gem. § 175 InsO auch zum Führen der Tabelle selbst verpflichtet ist.382) 226 Für das vorläufige Eigenverwaltungsverfahren gem. § 270a InsO und das Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO gilt die Norm indes nicht.383) Dies ergibt sich daraus, dass schon nach allgemeinen Regelungen eine Tabelle erst ab der Verfahrenseröffnung zu führen ist. aa) Eröffnungsbeschluss 227 Damit die Gläubiger von der Möglichkeit, aber auch Notwendigkeit zur Forderungsanmeldung Kenntnis erlangen können, ist ihnen gem. § 30 Abs. 2 InsO der Eröffnungsbeschluss zuzustellen. Dies geschieht grundsätzlich von Amts wegen durch das Gericht, § 8 Abs. 1 InsO. Im Regelinsolvenzverfahren kann das Gericht die Zustellung aber auch gem. § 8 Abs. 3 S. 1 InsO dem Insolvenzverwalter aufgeben. Das ist der praktische Regelfall. 228 Für den Fall der Eigenverwaltung erlaubt die Norm dem Gericht, den Sachwalter zur Vornahme der Zustellungen zu verpflichten. Richtig ist zwar, dass § 274 InsO nicht ausdrücklich auf die §§ 30 Abs. 2, 8 Abs. 3 S. 1 InsO ver___________ 380) In der Praxis bestehen insofern Schwierigkeiten, da die Gläubiger vielfach mit der Bestellung eines (vorläufigen) Insolvenzverwalters vertrauter sind. Dies erscheint ihnen sicherer als die Abwicklung über einen (vorläufig) eigenverwaltenden Schuldner. Freilich wird sich dieses Problem mit zunehmender Zahl von Verfahren der Eigenverwaltung relativieren. 381) Plastisch Specovious, in: Kübler, HRI, § 13 Rn. 21: Der Sachwalter sei der „Kreditversicherer“ des Schuldners; vgl. auch schon BT-Drucks. 12/2443 S. 222. 382) Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 270c Rn. 4; Kern, MüKo-InsO, § 270c Rn. 6; Nerlich/ Römermann/Riggert, InsO, § 270c Rn. 3. 383) Braun/Riggert, InsO, § 270c Rn. 1.

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III. Der Sachwalter

weist.384) Allerdings berührt dies nicht die Anknüpfung an allgemeine Vorschriften über § 270 Abs. 1 S. 2 InsO. Liegt insofern schon das Führen der Tabelle in der Verantwortung des Sachwalters, ist es sachlich nahe liegend, ihm auch die vorgelagerte Zustellung des Eröffnungsbeschlusses übertragen zu können.385) bb) Anmeldung, Vorprüfung und Niederlegung Hat der Sachwalter nach dem eingangs Gesagten die Pflicht zur Führung der 229 Tabelle (Rn. 225), so ist das gesamte Regelungswerk der §§ 174 ff. InsO auf ihn anwendbar. Er übernimmt für diesen Verfahrensbestandteil die Funktion, die im Regelinsolvenzverfahren der Verwalter innehat.386) Der Sachwalter nimmt also zunächst die Forderungsanmeldungen entgegen. Anschließend führt er eine Vorprüfung durch, in welcher er die Einhaltung 230 der formalen Vorgaben des § 174 Abs. 2 InsO zu prüfen berechtigt ist. Insofern hat er dieselbe Befugnis wie ein Verwalter, darf also als Reaktion auf ein negatives Prüfergebnis die jeweilige Anmeldung zurückweisen. Zwar ist diese Befugnis für den Verwalter nicht unumstritten,387) richtigerweise geht jedoch mit der Übertragung der Tabellenführung zur Entlastung des Gerichtes auch die historisch gesehen in der alten KO und GesO neben der Tabellenführungspflicht enthaltene Vorprüfungsbefugnis des Gerichtes auf den Verwalter über.388) Folgerichtig steht dieses Recht bzw. diese Pflicht also auch dem Sachwalter zu.389) Verläuft die Vorprüfung erfolgreich, trägt der Sachwalter die Forderung in die Tabelle ein, § 175 Abs. 1 InsO. Schließlich hat er die Tabelle in der gem. § 175 Abs. 1 S. 2 InsO maßgeblichen 231 Frist an das Gericht zu übergeben, wo sie durch das Gericht in der Geschäftsstelle niedergelegt wird.390) Dies dient dazu, den Beteiligten Einsicht zu ermöglichen. cc) Prüfungs- und Feststellungsverfahren Sind die Forderungen in die Tabelle eingetragen, unterliegen sie nach Maßgabe 232 der §§ 176 ff. InsO der Prüfung. Wird einer Forderung nicht im Prüfungstermin oder im auch in der Eigenverwaltung möglichen schriftlichen Verfah___________ 384) Deswegen a. A. als die hier vertretene bei Graeber, ZInsO 2005, 752, 755. 385) Ganter/Bruns, MüKo-InsO, § 8 Rn. 35; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 299; Kayser/ Thole/Sternal, HK-InsO, § 8 Rn. 12; Kübler/Prütting/Bork/Prütting, InsO, § 8 Rn. 11a; Schmidt/Rüther, HmbKo-InsO, § 8 Rn. 19. 386) Vgl. nur Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 270c Rn. 7, 34 f. m. w. N. 387) Dagegen etwa Nerlich/Römermann/Becker, InsO, § 175 Rn. 3; vgl. zum Meinungsstand insgesamt Uhlenbruck/Sinz, InsO, § 175 Rn. 9 m. w. N. 388) Vgl. nur Frege/Keller/Riedel, InsR, Teil 3, Rn. 1564 f.; Schmidt/Preß/Henningsmeier, HmbKo-InsO, § 174 Rn. 21; Uhlenbruck/Sinz, InsO, § 175 Rn. 9. 389) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 300. 390) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270c Rn. 7; Kern, MüKo-InsO, § 283 Rn. 6.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

ren widersprochen, so gilt sie gem. §§ 178 Abs. 1 S. 1, 283 Abs. 1 S. 2 InsO als festgestellt. Soweit das der Fall ist, muss sie bei der Verteilung berücksichtigt werden. 233 Um dies zu verhindern, sind in der Eigenverwaltung zur Erhebung eines Widerspruchs gegen eine Forderung die folgenden Personen befugt: x

Der Sachwalter kann nach Maßgabe der §§ 178 Abs. 1 S. 1, 283 Abs. 1 S. 1 InsO Widerspruch erheben. Dies entspricht der für den Verwalter geltenden Rechtslage im Regelinsolvenzverfahren.

x

Der Schuldner ist gem. § 283 Abs. 1 S. 1 InsO in Abweichung von § 178 Abs. 1 S. 2 InsO auch zur Erhebung des Widerspruchs befugt. Dies ist angesichts der Aufgabe des Schuldners, die Geschäfte zu führen und mittels u. a. Gestaltungsrechten die Masse zu mehren (oben Rn. 196), konsequent.391)

x

Die Insolvenzgläubiger haben, wie auch im Regelinsolvenzverfahren, gem. §§ 178 Abs. 1 S. 1, 283 Abs. 1 S. 1 InsO das Recht zum Widerspruch.

234 Wird der Widerspruch erhoben, bedarf es gem. §§ 179, 180 InsO der gerichtlichen Feststellung des Bestehens der Forderung, um ihre Berücksichtigung bei der Verteilung zu erreichen. Hierfür ist die Feststellungsklage die maßgebliche Rechtsschutzform. Von diesem Grundsatz gilt nur gem. § 179 Abs. 2 InsO eine Ausnahme, soweit die bestrittene Forderung bereits tituliert ist. In diesem Falle ist sie zu berücksichtigen, es sei denn, der Widersprechende verfolgt seinen Widerspruch gerichtlich. Hierzu stehen ihm die vom jeweiligen Prozessrecht vorgesehenen Wege wie Rechtsmittel, Wiederaufnahme und Vollstreckungsgegenklage zur Verfügung.392) Praxistipp: Die Vermeidung von Feststellungs-Streitigkeiten ist ein Aspekt, der das Verhandlungsgeschick des Sachwalters erfordert. Denn da ein einmal erhobener Widerspruch auch zurückgenommen werden kann,393) was im Feststellungsverfahren zur Erledigung der Hauptsache führt, gibt es Verhandlungsspielraum. Insofern liegt ein Abschluss von vertretbaren Vergleichen über die Forderungssumme – soweit sie streitig ist – nahe, um eine schnelle Verfahrenserledigung erreichen zu können.

235 Soweit Forderungen bestritten wurden, beeinflusst dies das Stimmrecht in der Gläubigerversammlung gem. § 77 InsO. Dies ergibt sich für vom Sachwalter und von stimmberechtigten Gläubigern bestrittene Forderungen bereits nach dem Gesagten zwanglos aus § 77 Abs. 1 InsO. Für vom Schuldner bestrittene Forderungen ist der Wortlaut unergiebig. Insofern gilt allerdings der Grundsatz der Norm, nachdem ein Stimmrecht eine unbestrittene Forderung ___________ 391) Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 283 Rn. 1. 392) Andres/Leithaus/Leithaus, § 179 Rn. 5; Nerlich/Römermann/Becker, InsO, § 179 Rn. 20 ff. 393) Vgl. nur Uhlenbruck/Sinz, InsO, § 178 Rn. 23 m. w. N.

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voraussetzt.394) Auch, soweit dieser den Widerspruch erhoben hat, setzt ein Stimmrecht also gem. § 77 Abs. 2 InsO eine Einigung voraus.395) dd) Verteilung, Prüfung und Erklärung Die Aufstellung des Verteilungsverzeichnisses obliegt ebenso wie die Vornahme 236 der Verteilung selbst dem Schuldner (oben Rn. 147). Praktisch hat diese Regelung vor allem in Fällen einer Abschlagsverteilung396) durch Insolvenzplan eine Bedeutung.397) Soweit eine Betriebsfortführung nicht möglich und daher eine Liquidation avisiert ist, liegt es indes für die Gläubigerversammlung näher, die Eigenverwaltung aufheben und die Verteilung vom Insolvenzverwalter vornehmen zu lassen.398) Im Rahmen der Verteilung trifft den Sachwalter eine Prüf- und Erklärungs- 237 pflicht gem. § 283 Abs. 2 S. 2 InsO. Soweit die Norm statuiert, der Sachwalter habe die Verteilungsverzeichnisse des Schuldners zu „prüfen“, ist sie wenig eindeutig. Eine solche Prüfung ist hinsichtlich des Aufwandes von einer reinen Evidenzkontrolle bis hin zu einer vollständigen Inhaltskontrolle denkbar. Sollte eine vollständige Kontrolle gemeint sein, fragt sich, warum den Sachwalter dann insofern nur eine Prüfpflicht trifft und er nicht gleich die gesamte Aufstellung übernehmen soll.399) Denn die Praxis zeigt, dass eine vollständige Prüfung regelmäßig ebenso viel Arbeit bedeutet wie eine eigenständige Anfertigung des jeweiligen Verzeichnisses. Freilich nennt die Norm auch das Wort „Einwendungen“, welches im syste- 238 matischen Kontext zu § 194 InsO steht und daher darauf hindeutet, dass – wie auch bei § 194 InsO400) – jede Art von Fehler bei der Aufstellung des Verzeichnisses oder dessen Inhalt eine Einwendung begründet. Soll der Sachwalter erklären, ob Einwendungen zu erheben sind, hat er mithin zu prüfen, ob irgendein Fehler vorliegt. Er hat also die „Verteilungsverzeichnisse ebenso sorgfältig zu überprüfen, als habe er sie selbst erstellt.“401) Das Ergebnis dieser Prüfung hat er gem. § 283 Abs. 2 S. 2 InsO schriftlich 239 zu erklären. Angesichts der Regelungen der §§ 188 S. 2, 194 InsO, welche den Gläubigern eine vollständige Information zur Entscheidung über die Erhebung von Einwendungen ermöglichen wollen, ist die Erklärung des Sachwalters auf der Geschäftsstelle zur Einsichtnahme durch die Beteiligten niederzulegen.402) ___________ 394) Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 283 Rn. 6; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 283 Rn. 3. 395) Ebd. 396) Dazu Uhlenbruck/Wegener, InsO, § 187 Rn. 5. 397) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 309. 398) So schon BT-Drucks. 12/2443 S. 226. 399) Eine „Verdoppelung von Aufgaben“ konstatiert denn auch Kübler/Prütting/Bork/ Pape, InsO, § 281 Rn. 18. 400) Vgl. nur Uhlenbruck/Wegener, InsO, § 194 Rn. 5 m. w. N. 401) Kern, MüKo-InsO, § 283 Rn. 22. 402) Braun/Riggert, InsO, § 283 Rn. 6; Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 283 Rn. 7.

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240 Eine über diese Informationsfunktion hinausgehende Wirkung hat die Erklärung des Sachwalters jedoch nicht. Insbesondere ist sie keine Erhebung einer Einwendung i. S. d. § 194 InsO. Dies zeigt schon der Wortlaut des § 283 Abs. 2 S. 2 InsO, der davon spricht, welche Einwendungen „zu erheben sind“ und nicht, welche Einwendungen der Sachwalter selbst „erhebt“. Deswegen verbleibt es bei der Regelung des § 194 InsO, nach der nur Gläubiger Einwendungen erheben können. 241 Auch eine analoge Anwendung des § 194 InsO auf den Sachwalter scheidet aus:403) Die für eine Analogie notwendige Vergleichbarkeit der Interessenlage fehlt, weil der Sachwalter als neutrale Instanz die gemeinsamen Interessen aller Gläubiger zu wahren hat (oben Rn. 223), während § 194 InsO dem Partikularinteresse einzelner Gläubiger zu dienen bestimmt ist.404) Eine Einwendung, über die das Gericht gem. § 197 Abs. 3 InsO zu entscheiden hat, liegt also nur vor, wenn sich ein Gläubiger die erklärte Kritik des Sachwalters zu eigen macht und selbst eine entsprechende Einwendung erhebt.405) b) Anzeige von Masseunzulänglichkeit und Massearmut 242 Die Begriffe der Masseunzulänglichkeit und Massearmut beschreiben das Verhältnis der Insolvenzmasse zu den Verfahrenskosten und den Masseverbindlichkeiten: Genügt die Masse nicht, um die Verfahrenskosten zu decken, so liegt Massearmut (auch sog. Masselosigkeit) vor. Das Verfahren ist dann gem. § 207 InsO einzustellen und der eigenverwaltende Schuldner nicht mehr zur weiteren Verwaltung der Masse verpflichtet. 243 Reicht die Masse zwar zur Befriedigung der Verfahrenskosten, aber nicht zur Erfüllung der sonstigen Masseverbindlichkeiten aus, liegt Masseunzulänglichkeit (auch sog. Masseinsuffizienz) vor, § 208 Abs. 1 S. 1 InsO. In diesem Falle ist das Verfahren fortzusetzen, § 208 Abs. 3 InsO, wobei es nicht automatisch zu einer Aufhebung der Eigenverwaltung kommt.406) Für die weiter dem eigenverwaltenden Schuldner obliegende Verteilung der Masse gelten insofern jedoch die Sondervorschriften der §§ 209 ff. InsO: Insbesondere wird innerhalb der Masseverbindlichkeiten eine zeitliche Rangfolge für vor und nach Anzeige begründete Verbindlichkeiten gebildet, § 209 Abs. 1 Nr. 2, 3 InsO. aa) Masseunzulänglichkeit (1) Anzeige durch den Sachwalter 244 Für den Fall der Masseunzulänglichkeit statuiert § 285 InsO eine Anzeigepflicht des Sachwalters gegenüber dem Insolvenzgericht. Sie erfasst gem. § 208 ___________ 403) A. A. Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 283 Rn. 6; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 283 Rn. 8. 404) Kern, MüKo-InsO, § 283 Rn. 23. 405) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 283 Rn. 4; Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 283 Rn. 7; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 283 Rn. 4; Kern, MüKo-InsO, § 283 Rn. 23. 406) Kern, MüKo-InsO, § 285 Rn. 14.

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III. Der Sachwalter

Abs. 1 S. 2 InsO nicht nur die bereits eingetretene, sondern auch die drohende Masseunzulänglichkeit.407) Die Norm greift im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren. Für die vorläufige Ei- 245 genverwaltung gem. § 270a InsO und das Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO findet sie keine Anwendung. Dies ergibt sich zum einen aus §§ 270a Abs. 1 S. 2, 270b Abs. 2 S. 1 InsO, die gerade nicht auf § 285 InsO verweisen. Zum anderen zeigt dies die Parallele zum Regel-Eröffnungsverfahren: Auch hier ist der vorläufige Insolvenzverwalter nicht anzeigebefugt, vielmehr wird eine in diesem Verfahrensstadium erfolgte Anzeige erst mit Eröffnung wirksam.408) Dasselbe gilt daher auch im Verfahren der Eigenverwaltung. Nach Eingang der Anzeige bei Gericht veranlasst dieses gem. § 208 Abs. 2 246 S. 1 InsO die öffentliche Bekanntmachung. Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit soll die Verfahrensabwicklung von Verfahren mit unzureichender Masse ermöglichen und damit verhindern, dass verwertbare Vermögensgegenstände nach einer sonst notwendigen Verfahrenseinstellung dem Schuldner wieder zur Verfügung zu stellen sind.409) (2) Anzeige durch den Schuldner Ob neben der Anzeigepflicht des Sachwalters auch ein Anzeigerecht des 247 Schuldners mit der Folge des § 209 InsO besteht, ist umstritten. Der Wortlaut des § 285 InsO gibt insofern nichts her, denn die Norm regelt nur die Pflicht eines Subjektes, nicht aber den Ausschluss anderer Anzeigen.410) Geht man davon aus, dass der Schuldner im Eigenverwaltungsverfahren grundsätzlich anstelle des Verwalters die masseverwaltenden Aufgaben wahrnimmt, spricht viel für ein eigenes Anzeigerecht. Insofern greift auch die Überlegung, aus der Rechtsfolge der Anzeige gem. § 209 InsO ergebe sich ein schwerwiegender Eingriff in die Rechte der Gläubiger, der nicht vom Willen des Schuldners abhängen dürfe,411) nicht durch. Richtig ist zwar, dass es nach derzeitigem Rechtsstand keine eigene Prüfungs- 248 pflicht des Gerichtes gibt,412) ob die Voraussetzungen der Masseunzulänglichkeit vorliegen. Praktisch wird das Gericht aber bei einer Anzeige des Schuldners den Sachwalter zu einem Bericht gem. §§ 274 Abs. 1, 58 Abs. 1 InsO zu ___________ 407) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 285 Rn. 1; Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 285 Rn. 2; Kern, MüKo-InsO, § 285 Rn. 8; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 285 Rn. 1. 408) BAG NZI 2005, 408, 408 f.; Hefermehl, MüKo-InsO, § 208 Rn. 37; Kübler/Prütting/ Bork/Pape, § 208 Rn. 2g, 2i. 409) Schmidt/Weitzmann, HmbKo-InsO, § 209 Rn. 1. 410) Anders Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 285 Rn. 1 f. 411) Vgl. nur Kern, MüKo-InsO, § 285 Rn. 10; Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 876; Kayser/ Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 285 Rn. 1. 412) Nerlich/Römermann/Westphal, InsO, § 208 Rn. 16; Uhlenbruck/Ries, InsO, § 208 Rn. 3 m. w. N. aus der Gesetzgebungshistorie.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

den tatsächlichen Umständen auffordern und diesen zur Kenntnis nehmen.413) Ist die Anzeige nach § 208 Abs. 1 InsO eine Verfahrenshandlung, gelten für sie auch die allgemeinen Voraussetzungen: Insbesondere kann sie rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam sein, wenn es an einer Massearmut fehlt und die Anzeige nur dazu dient, einzelne Gläubiger durch die Rechtsfolge des § 209 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu benachteiligen. Letztlich käme nach der Verlagerung ins Verfahren gem. den §§ 208 ff. InsO auch stets eine Rückkehr ins reguläre Verfahren in Frage.414) 249 Versteht man daher die §§ 285, 208 Abs. 1 InsO in dem hier vertretenen Sinne, dass sie eine – gem. § 60 InsO haftungsbewehrte (unten Rn. 538) – Pflicht statuieren, aber andere Anzeigen nicht ausschließen, so ist insofern auch der Schuldner befugt. Auch er kann die Masseunzulänglichkeit anzeigen.415) Ohnehin fragt sich, worin die Rechtfertigung liegen solle, dies nicht zuzulassen, soweit eine Unzulänglichkeit bereits offen zu Tage tritt. Alternativ kann er aber auch den Sachwalter informieren, der dann seinerseits zur Anzeige verpflichtet ist.416) 250 Führt nach dem Gesagten die Anzeige einer Masseunzulänglichkeit zunächst nicht zur Aufhebung der Eigenverwaltung (oben Rn. 243), so kann sie jedoch einen Nachteil i. S. d. § 274 Abs. 3 S. 1 InsO begründen.417) Jedenfalls ermöglicht die Anzeige dem eigenverwaltenden Schuldner, fortan unter der Geltung des Vollstreckungsschutzes gem. § 210 InsO die Masse weiter zu verwalten und gem. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO neue Masseverbindlichkeiten zu begründen, die ranghöher sind als die bisherigen.418) Soweit zu erwarten ist, dass diese Umstände Gläubiger im Vergleich zur Regelabwicklung durch einen dann zu bestellenden Insolvenzverwalter schlechter stellen, wird dies einen Nachteil darstellen. Einen Automatismus zur Annahme desselben gibt es aber nicht; es verbleibt bei einer Einzelfallprüfung. bb) Massearmut 251 Während im Falle der Masseunzulänglichkeit § 285 InsO eine Anzeigepflicht des Sachwalters regelt, schweigt die Norm zur Massearmut. Bisweilen wird daraus gleichwohl gefolgert, der Sachwalter sei bei Massearmut erst recht zur Anzeige verpflichtet: Habe er nämlich schon potentielle Nachteile gem. § 274 ___________ 413) Kern, MüKo-InsO, § 285 Rn. 11. 414) Hefermehl, MüKo-InsO, § 208 Rn. 54 ff. 415) Ähnlich wie hier Rattunde/Smid/Zeuner/Wehdeking, § 285 Rn. 2; anders aber die herrschende Meinung, vgl. nur Andres/Leithaus/Leithaus, InsO, § 285 Rn. 1; Braun/Riggert, InsO, § 285 Rn. 1; Hefermehl, MüKo-InsO, § 208 Rn. 34; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 282; Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 285 Rn. 3; Kübler/Prütting/Bork/ Pape, § 285 Rn. 12. 416) Vgl. nur Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 285 Rn. 2. 417) Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 285 Rn. 4; Kern, MüKo-InsO, § 285 Rn. 15; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 285 Rn. 2. 418) Kern, MüKo-InsO, § 285 Rn. 16 ff.

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III. Der Sachwalter

Abs. 3 S. 1 InsO anzuzeigen, müsse er umso mehr über eine Massearmut berichten.419) Diese Überlegung berücksichtigt aber nicht hinreichend, dass bei Massearmut 252 wegen der damit verbundenen Einstellung ein Verfahren nach den §§ 208 ff. InsO und damit die Einbindung des Sachwalters überflüssig erscheint.420) Darüber hinaus gibt es, anders als bei der Masseunzulänglichkeit, im Falle der Massearmut schon keine förmliche Anzeige in § 207 InsO. Ist eine solche nach dem Verfahrensrecht der §§ 207 ff. InsO nicht vorgesehen, kann § 285 InsO für sie auch nicht „erst recht“ eine Verpflichtung aufstellen: Für den Fall der Massearmut enthält § 285 InsO also keine Anzeigepflicht des Sachwalters.421) Eine andere Frage ist indes, inwieweit der Sachwalter gem. § 274 Abs. 3 S. 1 253 InsO verpflichtet ist, das Gericht zu informieren. Soweit Massearmut im Eigenverwaltungsverfahren Nachteile gegenüber dem Regelinsolvenzverfahren begründet, was Einzelfallfrage sein dürfte, kann er auch ohne § 285 InsO einer inhaltlich gleichartigen Pflicht unterworfen sein.422) Diese Pflicht greift sowohl im eröffneten, als auch im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren gem. § 270a InsO gleichwie auch im Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO. Für jeden dieser Verfahrensabschnitte ist bei Vorliegen von Massearmut der 254 Schuldner zur Mitteilung an das Insolvenzgericht berechtigt und auch verpflichtet.423) Das Gericht hat gem. § 207 Abs. 2 InsO zur Mitteilung des Schuldners auch die Gläubigerversammlung, den Sachwalter und die Massegläubiger zu hören. Soweit der Schuldner die Mitteilung nicht selbst abgegeben hat, erstreckt sich die Anhörungspflicht analog § 207 Abs. 2 InsO auch auf ihn.424) Denn auch er übernimmt in der Eigenverwaltung auf die Masseverwaltung bezogene Aufgaben, die im Regelinsolvenzverfahren der in den Anwendungsbereich der Norm eingezogene Verwalter innehat. c) Insolvenzplan: Ausarbeitung, Beratung, Überwachung aa) Allgemeines Das Eigenverwaltungsverfahren ist auf eine Sanierung zugeschnitten, denn 255 andernfalls bedürfte es der Verwaltung durch den Schuldner nicht: Für die ___________ 419) Kern, MüKo-InsO, § 285 Rn. 22; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 285 Rn. 1 f.; unter Anknüpfung nicht an § 274 Abs. 3 S. 1 InsO, sondern im direkten Vergleich mit § 285 InsO Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 878. 420) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 285 Rn. 19. 421) Ebd.; dem folgend etwa Braun/Riggert, InsO, § 285 Rn. 1; Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 285 Rn. 5; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 285 Rn. 4. 422) Darauf hinweisend etwa Kern, MüKo-InsO, § 285 Rn. 23; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 285 Rn. 1. 423) Vgl. nur Andres/Leithaus/Leithaus, InsO, § 285 Rn. 2; Braun/Riggert, § 285 Rn. 1; Kern, MüKo-InsO, § 285 Rn. 22; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 285 Rn. 2. 424) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 284.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

Verfahrensziele der übertragenden Sanierung und der Liquidation hält das Regelinsolvenzverfahren zumeist die besseren und bewährteren Institute bereit. Denn hierfür ist der Erhalt des schuldnerischen Einflusses auf das Verfahren eher hinderlich.425) Ist weiter die Überlegung richtig, dass der Insolvenzplan gem. §§ 217 ff. InsO das klassische Instrument zur Sanierung des Rechtsträgers darstellt,426) so zeigt sich: Das Eigenverwaltungsverfahren dient praktisch regelmäßig der Vorbereitung der Plansanierung.427) Besonders deutlich wird dies beim Schutzschirmverfahren gem. § 270b Abs. 1 InsO, das ausdrücklich den Schutz des Schuldners während der Ausarbeitung eines Insolvenzplanes bezweckt.428) 256 Insbesondere dann, wenn der Schuldner wegen immaterieller Güter, seiner Größe oder einer Vielzahl von Vertragsverhältnissen faktisch kaum übertragbar ist, ist ein Insolvenzplan das geeignete Sanierungsmittel.429) Ebenso kann der Plan einer Konzernsanierung dienen430) und schließlich ist er bei Freiberuflern ein wichtiges Mittel, um den Entzug der berufsrechtlichen Zulassung durch schnelle Ordnung der Vermögensverhältnisse zu verhindern.431) bb) Regelungsgehalt des § 284 InsO 257 Die Aufgabe des § 284 InsO ist es, die allgemeinen Vorschriften über den Insolvenzplan zu modifizieren. Denn diese stellen vielfach auf den Insolvenzverwalter als Adressat von Rechten und Pflichten ab, so dass für die Eigenverwaltung die Aufteilung zwischen Schuldner und Sachwalter klärungsbedürftig ist. Anwendbar ist die Norm damit im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren. 258 Eine Anwendung im Eröffnungsverfahren scheidet hingegen aus. Soweit die Norm in § 284 Abs. 1 InsO einen Auftrag der Gläubigerversammlung zur Planaufstellung regelt, ist ein solcher vor Eröffnung ohnehin nicht denkbar: Die Versammlung tritt erst im Berichtstermin gem. § 156 InsO nach Verfahrenseröffnung zusammen und kann folglich auch erst dann Aufträge erteilen.432) Soweit nach § 284 Abs. 2 InsO der Sachwalter die Planüberwachung übernehmen soll, setzt auch dies voraus, dass ein Planverfahren zwar nicht ___________ 425) In diese Richtung auch K. Schmidt/Undritz, InsO, Vor §§ 270 ff. Rn. 8 m. w. N. 426) Vgl. nur Smid/Rattunde/Martini, Insolvenzplan, Rn. 0.27. 427) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 284 Rn. 1; Kübler/Prütting/Bork/Pape, § 284 Rn. 1; vgl. auch Smid/Rattunde/Martini, Insolvenzplan, Rn. 1.10; Kern, MüKo-InsO, § 284 Rn. 1. 428) BT-Drucks. 17/5712, S. 19, 40. 429) Smid/Rattunde/Martini, Insolvenzplan, Rn. 0.27. 430) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 284 Rn. 4; dazu eingehend Smid/Rattunde/Martini, Insolvenzplan, Rn. 11.1 ff. 431) Smid/Rattunde/Martini, Insolvenzplan, Rn. 28.1 ff.; Graf-Schlicker/dies., InsO, § 284 Rn. 3. 432) Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 284 Rn. 7.

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III. Der Sachwalter

notwendig schon wieder aufgehoben, § 258 Abs. 1 InsO, so aber doch bereits eröffnet wurde. Damit ist die Möglichkeit zur Erteilung eines Planauftrages gem. § 284 InsO 259 eine angesichts der realen Bedürfnisse des Verfahrens erst sehr spät eingreifende Option.433) Praktisch ist deswegen der Fall häufiger, dass der Schuldner bereits im Eröffnungsverfahren von seinem nach § 218 Abs. 1 InsO originär bestehenden Initiativrecht (dazu sogleich), etwa im Rahmen eines „prepackaged plan“ oder des Schutzschirmverfahrens gem. § 270b InsO, Gebrauch macht.434) cc) Berechtigung zur Planvorlage Zentralnorm für das Initiativrecht des Planerstellers ist § 218 InsO. Danach 260 sind im Regelinsolvenzverfahren originär der Schuldner und der Insolvenzverwalter planvorlageberechtigt. Der Verwalter kann von der Gläubigerversammlung auch gem. §§ 157 S. 2, 218 Abs. 2 InsO mit der Ausarbeitung und Vorlage eines (auch hinsichtlich des Planzieles bestimmten) Planes beauftragt werden.435) Dies stellt sich in der Eigenverwaltung anders dar: Ein eigenes Recht zur Plan- 261 vorlage hat hier nur der Schuldner. Da ein Insolvenzverwalter in diesem Verfahren fehlt, läuft die Alternative in § 218 Abs. 1 S. 1 InsO leer.436) Auch eine analoge Anwendung kommt nicht in Betracht, weil eine vergleichbare Interessenlage fehlt: Während der Insolvenzverwalter im Regelverfahren schon durch die ihm zustehende Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis eine eigene, gestaltende Funktion hat und diese konsequent auch mit dem Plan verwirklichen kann, ist dem Sachwalter eine solche gerade nicht zu eigen. Der Sachwalter ist damit nicht aus eigenem Recht zur Vorlage befugt.437) Praktisch ist dies indes wenig bedeutsam. Das liegt daran, dass § 284 Abs. 1 262 S. 1 InsO der Gläubigerversammlung eine Befugnis zur Beauftragung sowohl des Schuldners als auch des Sachwalters mit der Ausarbeitung eines Planes gewährt. Zwar sagt der Auftrag zur Ausarbeitung zunächst nichts über die Planvorlageberechtigung aus, richtigerweise muss aber die Ausarbeitungspflicht des Sachwalters mit seiner (insofern vom Auftrag abgeleiteten) Vorlageberechtigung korrespondieren.438) Denn diese würde sinnlos, wenn jene nicht bestünde und sich beispielsweise der Schuldner weigert, den vom Sachwalter ausgear___________ Kern, MüKo-InsO, § 284 Rn. 3. Kern, MüKo-InsO, § 284 Rn. 7; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 284 Rn. 7. Dazu Smid/Rattunde/Martini, Insolvenzplan, Rn. 3.6 ff. Vgl. die a. A., also eine Anwendung dieser Norm auf den Sachwalter, bei Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 1058 ff. 437) So die nahezu einhellige Auffassung, vgl. nur Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 284 Rn. 3; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 284 Rn. 17; Nerlich/Römermann/Riggert, § 284 Rn. 2; Smid/Rattunde/Martini, Insolvenzplan, Rn. 3.18; Kern, MüKo-InsO, § 284 Rn. 16. 438) Vgl. nur Graf-Schlicker/dies., InsO, § 284 Rn. 6; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 284 Rn. 17; Kern, MüKo-InsO, § 284 Rn. 23 f.

433) 434) 435) 436)

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C. Aufgaben und Kompetenzen

beiteten Plan selbst vorzulegen. Selbst wenn der Sachwalter ohne vorigen Auftrag der Gläubigerversammlung einen überzeugenden Plan zu bieten hat, wird er praktisch den Auftrag und damit eine abgeleitete Planvorlageberechtigung erhalten.439) dd) Auftrag, Beratung und Stellungnahme 263 Den Auftrag zur Ausarbeitung kann die Gläubigerversammlung dem eindeutigen Wortlaut des § 218 Abs. 1 S. 1 InsO zufolge nur an den Schuldner oder den Sachwalter richten.440) Konkurrierende Aufträge an beide sind ihr damit untersagt.441) Der Auftrag verpflichtet den Beauftragten, den Plan innerhalb der Frist des § 218 Abs. 2 InsO zu erstellen.442) Erfüllt der Schuldner den Auftrag nicht, kann die Gläubigerversammlung gem. § 157 S. 3 InsO ihre Entscheidung ändern und stattdessen den Sachwalter beauftragen.443) Stellt dieser fest, dass der Auftrag durch den Schuldner nicht beachtet wird, kann dies auch einen Nachteil i. S. d. § 274 Abs. 3 S. 1 InsO begründen.444) 264 Will der Schuldner einen eigenen Plan aufstellen, so ist er dazu aufgrund von § 218 Abs. 1 S. 1 InsO neben dem Auftrag an ihn oder den Sachwalter berechtigt.445) Gleiches gilt für den Sachwalter, der freilich beachten muss, dass er ein Vorlagerecht nur bei Erhalt eines Auftrages für den konkreten, konkurrierenden Plan erlangt. Praktisch sollten solche Konkurrenzsituationen jedoch vermieden werden.446) Nicht nur bringen sie steigende Kosten und einen erheblichen Mehraufwand in den Erörterungs- und Abstimmungstermin nach § 235 InsO, sondern sie können vor allem gegenüber den Gläubigern das Bild einer funktionierenden Sachwaltung trüben und einen Nachteil i. S. d. § 274 Abs. 3 S. 1 InsO befürchten lassen. 265 Ist der Schuldner mit der Planaufstellung beauftragt worden, so hat der Sachwalter gem. § 284 Abs. 1 S. 2 InsO beratend mitzuwirken. Die Norm schließt insofern nicht den Rückgriff auf § 218 Abs. 3 InsO aus, so dass ebenfalls eine beratende Mitwirkung unter anderem des Gläubigerausschusses und des Betriebsrates stattfindet.447)

___________ 439) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 284 Rn. 17. 440) Braun/Riggert, InsO, § 284 Rn. 1; Kern, MüKo-InsO, § 284 Rn. 20. 441) A. A. Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 284 Rn. 4: „noch der Gesetzesbegründung“. 442) Kern, MüKo-InsO, § 284 Rn. 19 m. w. N. 443) Kern, MüKo-InsO, § 284 Rn. 21. 444) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 284 Rn. 16 a. E.; Kern, MüKo-InsO, § 284 Rn. 20. 445) Kern, MüKo-InsO, § 284 Rn. 15. 446) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 284 Rn. 12; Kern, MüKo-InsO, § 284 Rn. 15. 447) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 284 Rn. 2; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 284 Rn. 15; Kern, MüKo-InsO, § 284 Rn. 19; Wimmer/Foltis, § 284 Rn. 13.

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III. Der Sachwalter

Der Inhalt der Beratung ist rechtlich durch zweierlei zu erfassen: Einerseits soll 266 die Beratung den Schuldner nach der Konzeption der Norm in die Lage versetzen, den Plan selbst zu erstellen. Dies bedingt es mindestens, dem Schuldner die dem Sachwalter vorliegenden, planrelevanten Informationen wie die Tabelle (oben Rn. 225 ff.) und den Stand der Anfechtungsprozesse (dazu noch unten Rn. 273 ff.) mitzuteilen. Andererseits ist der Sachwalter später zur Stellungnahme zum Plan befugt (dazu sogleich), so dass die Beratung auch dasjenige umfassen muss, was in der Stellungnahme als Negativfaktor aufgeführt würde. Praktisch gesehen ist eine Beratung immer dann weniger aufwendig, wenn der Schuldner mit der Planerstellung einen fachkundigen Dritten beauftragt. Dies ist auch unbedingt anzuraten, denn eine erfolgreiche Planerstellung ohne eigene Erfahrung und Rechtskunde kann angesichts der Komplexität der Regelungen der §§ 217 ff. InsO nicht gelingen. Im Anschluss an die Planerstellung kann im Fall einer Ausarbeitung durch den 267 Schuldner der Sachwalter analog § 232 Abs. 1 Nr. 3 InsO seine Stellungnahme abgeben. Dies ist unabhängig von seiner früheren beratenden Mitwirkung, denn inwieweit der Schuldner diese umgesetzt hat, lässt sich insbesondere für die Gläubiger erst aus der Stellungnahme ersehen.448) Eine Rechtspflicht zur Abgabe besteht jedoch aufgrund des eindeutigen Wortlautes der Norm nicht.449) Hat der Sachwalter den Plan erstellt, ist der Schuldner analog § 232 Abs. 1 Nr. 2 InsO zur Stellungnahme berechtigt.450) Die Stellungnahme selbst dient der Information der Beteiligten und soll somit 268 insbesondere den Erörterungs- und Abstimmungstermin vorbereiten.451) Soweit der Sachwalter sie abgibt, hat sie also zunächst auf mögliche rechtliche Hindernisse für die Planannahme einzugehen. Darüber hinaus soll sie darstellen, ob der Plan der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung dient und in diesem Kontext die Kontrolle der vom Schuldner vorgenommenen Vergleichsrechnungen enthalten.452) ee) Überwachung Schließlich obliegt dem Sachwalter gem. § 284 Abs. 2 InsO die Planüberwa- 269 chung. Insofern tritt er an die Stelle des Insolvenzverwalters im Regelverfahren gem. §§ 260 ff. InsO. Soweit also im gestaltenden Teil des Planes eine Überwachung vorgesehen ist,453) hat der Sachwalter für sie Sorge zu tragen. Dies ist gem. § 267 Abs. 1 InsO öffentlich bekanntzumachen. ___________ 448) Nerlich/Römermann/Riggert, § 284 Rn. 5; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 284 Rn. 16. 449) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 232 Rn. 6; Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger, InsO, § 232 Rn. 4. 450) Ebd. 451) Smid/Rattunde/Martini, Insolvenzplan, Rn. 15.2. 452) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 542. 453) Andernfalls findet sie nicht statt, vgl. nur Kern, MüKo-InsO, § 284 Rn. 32.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

270 Für die Phase der Planüberwachung besteht das Amt des Sachwalters fort, § 261 Abs. 1 S. 2 InsO. Soweit das Verfahren mit Planbestätigung aufgehoben wurde, treffen indes den Schuldner aus der Eigenverwaltung keine Pflichten mehr.454) Er kann fortan seine Entscheidungen wieder nach privatautonomen Maßstäben treffen, ohne dass – vorbehaltlich fortgeltender Pflichten des Schuldners aus dem Plan selbst – diese noch durch insolvenzrechtliche Maßstäbe überlagert wären. d) Die Regelung des § 280 InsO 271 Während dem Schuldner grundsätzlich das Eintreiben von Forderungen für die Masse obliegt, trifft § 280 InsO von dieser Systementscheidung eine Ausnahme:455) Demnach ist allein der Sachwalter für die Geltendmachung der Insolvenzanfechtung und der Ansprüche nach den §§ 92, 93 InsO zuständig. Der Schuldner ist hierzu nicht berechtigt. 272 Diese Entscheidung des Gesetzgebers soll dem Umstand Rechnung tragen, dass der Schuldner sonst einer Interessenkollision ausgesetzt wäre:456) Hinsichtlich der Anfechtung würde er sich in Widerspruch zu seinem eigenen früheren Verhalten setzen. Ist er aber derjenige, der in der Eigenverwaltung die Geschäfte für die Masse fortführt, würde dies den Beziehungen zu Vertragspartnern schaden.457) Soweit es um Schadensersatzansprüche geht, wäre der Schuldner ohne § 280 InsO gezwungen, Ansprüche der Masse gegen sich selbst oder Gesellschafter zu verfolgen. Dies kann ihm kaum zugemutet werden und es wäre auch nicht geeignet, Vertrauen in eine erfolgreiche Eigenverwaltung zu begründen.458) aa) Insolvenzanfechtung (1) Allgemeines 273 Nach der Regelung des § 280 InsO ist ausschließlich der Sachwalter zur Insolvenzanfechtung befugt. Anwendbar ist die Norm im eröffneten Verfahren. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Anfechtung nach den §§ 129 ff. InsO ebenfalls erst ab Verfahrenseröffnung greift. 274 Inhaltlich unterliegen die §§ 129 ff. InsO keinen Änderungen. Das Anfechtungsrecht besteht im Eigenverwaltungsverfahren genauso, wie im Regelin___________ 454) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 284 Rn. 8. 455) Braun/Riggert, InsO, § 280 Rn. 1; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Buchalik, PK-InsO, § 280 Rn. 1; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 280 Rn. 1. 456) Vgl. nur Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 280 Rn. 2; Braun/Riggert, InsO, § 280 Rn. 1. 457) Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 280 Rn. 1. 458) Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 280 Rn. 2; Uhlenbruck/Zipperer, § 280 Rn. 1; Wimmer/ Foltis, FK-InsO, § 280 Rn. 2 f.

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III. Der Sachwalter

solvenzverfahren.459) Aus der Verweisung in § 280 InsO folgt, dass der Sachwalter auch den Rückgewähranspruch gem. § 143 InsO anstelle des eigenverwaltenden Schuldners geltend macht.460) Im Umkehrschluss schließt dies jede Verfügung des Schuldners über diesen Anspruch aus.461) (2) Geltendmachung Macht der Sachwalter Anfechtungsrechte geltend, ist er Partei kraft Amtes.462) 275 Sein Handeln berechtigt und verpflichtet also den Schuldner unmittelbar.463) Insofern kann er auch, was praktisch eine große Rolle spielt, Vergleiche schließen und auf diese Weise gerichtliche Anfechtungsstreitigkeiten vermeiden.464) Wird der Sachwalter prozessual tätig, so führt er Prozesse im eigenen Namen. 276 Die die daraus erwachsenden Erlöse fallen zur Masse und die entstehenden Verbindlichkeiten etwa wegen Kostentragung treffen diese.465) Sie sind Masseverbindlichkeiten,466) ebenso wie sonstige Kosten der Rechtsverfolgung, welche der Sachwalter durch Beauftragung etwa eines Anwaltes begründet.467) Zur Frage einer diesbezüglichen Haftung des Sachwalters vgl. noch unten Rn. 549. Praxistipp: Die Frage der Kostentragung im Falle des Unterliegens sollte der Sachwalter zuvor mit dem Schuldner besprechen. Denn weil durch Prozesshandlungen Masseverbindlichkeiten begründet werden, sollte der Schuldner für diese Rückstellungen bilden. Sonst läuft der Sachwalter Gefahr, für nicht einbringliche Masseverbindlichkeiten, die durch seine Prozessführung erwachsen, analog § 61 InsO zu haften (unten Rn. 549).

Tritt während des Prozesses ein Wechsel in der Person des Sachwalters ein, 277 so wird der Prozess nicht unterbrochen. Insofern ändert sich die Partei nicht, sondern lediglich der Träger der Verwaltungs- und Verfügungsmacht.468) Ist schließlich die gerichtliche Geltendmachung erfolgreich, so braucht ein dabei erstrittenes Urteil nicht auf den Schuldner umgeschrieben zu werden. Die Bestellungsurkunde des Sachwalters genügt, um den Massebezug darzulegen.469)

___________ 459) Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 280 Rn. 1; Kübler/Prütting/Bork/Pape, § 280 Rn. 4; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 280 Rn. 3. 460) Kübler/Prütting/Bork/Pape, § 280 Rn. 8; Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 975 ff. 461) Ebd. 462) Statt aller Kirchhof/Kern, MüKo-InsO, § 280 Rn. 8; Graf-Schlicker/dies., InsO, § 280 Rn. 2. 463) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 280 Rn. 5. 464) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 276. 465) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 280 Rn. 5. 466) Ebd. 467) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 277. 468) Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 280 Rn. 8. 469) Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 280 Rn. 7; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 280 Rn. 5.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

278 Die Geltendmachung von Anfechtungsrechten ist in besonderem Maße von der Mitwirkung des Schuldners abhängig.470) Denn grundsätzlich werden die für hierfür erforderlichen Informationen beim eigenverwaltenden Schuldner vorhanden sein. Auf Informationsrechte des Sachwalters, die in diesem Kontext eine Rolle spielen, wird noch weiter unten einzugehen sein (Rn. 326 ff.). 279 Soweit ein Insolvenzplan bestätigt wird und keine Fortführung des Verfahrens anordnet, muss der Sachwalter § 259 Abs. 3 InsO beachten: Anfechtungsrechtsstreite können nach Verfahrensaufhebung nur fortgeführt werden, soweit der Plan dies vorsieht und sie bereits vor Aufhebung anhängig, d. h. rechtshängig, gemacht wurden. bb) Ansprüche nach §§ 92, 93 InsO (1) Allgemeines 280 Neben der Insolvenzanfechtung ordnet § 280 InsO dem Sachwalter auch die ausschließliche Aufgabe der Geltendmachung der Ansprüche nach den §§ 92, 93 InsO zu. Hinsichtlich seiner Stellung ergeben sich insofern keine Änderungen gegenüber der Situation in Anfechtungsstreitigkeiten: Auch bezüglich der Schadensersatzansprüche ist der Sachwalter Partei kraft Amtes471) mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Verpflichtung und Berechtigung der Masse (oben Rn. 276 mit Praxistipp). 281 Besonderheiten ergeben sich aber, soweit der Sachwalter selbst zum Schadensersatz verpflichtet ist. Dies kann etwa der Fall sein, weil er gem. §§ 274, 60 InsO haftet (zur Haftung noch unten Rn. 528 ff.). In diesem Fall ist er nicht verpflichtet, aber auch nicht befugt, die Ansprüche für die Masse gegen sich selbst zu verfolgen. § 92 S. 2 InsO ist daher so zu verstehen, dass dann im Streitfalle ein Sondersachwalter nur für das Verfahren hinsichtlich dieser Ansprüche (unten Rn. 542 f.) oder ein gänzlich neuer Sachwalter zu bestellen ist, der das Verfahren insgesamt übernimmt.472) 282 Auch hinsichtlich der Ansprüche nach den §§ 92, 93 InsO setzt § 280 InsO ein eröffnetes Verfahren voraus. Ausweislich §§ 270a Abs. 1 S. 2, 270b Abs. 2 S. 1 InsO ist die Norm im Eröffnungsverfahren nicht anwendbar. Der Sachwalter kann daher in dieser Phase allenfalls etwaige Ansprüche „ausloten“.473) (2) Gesamtschadensersatz gem. § 92 InsO 283 Inhalt der Regelung des § 92 InsO, der selbst keine haftungs- und anspruchsbegründende Norm darstellt,474) sind Gesamtschäden. Damit erfasst die Norm ___________ 470) 471) 472) 473) 474)

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Vgl. nur Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 280 Rn. 10. Kirchhof/Kern, MüKo-InsO, § 280 Rn. 7; Wimmer/Foltis, § 280 Rn. 7. Schmidt/Pohlmann, HmbKo-InsO, § 92 Rn. 38; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 280 Rn. 2. AG Hamburg, ZInsO 2014, 569, 571; Flöther, ZInsO 2014, 465, 466. Gehrlein, MüKo-InsO, § 92 Rn. 4.

III. Der Sachwalter

solche Schadensersatzansprüche, die auf einen Ausgleich für die Verkürzung der Insolvenzmasse zielen. Sie bezwecken, den Quotenschaden dadurch zu beseitigen, dass aus der Haftung des Schädigers erlangter Ersatz gleichmäßig unter den Gläubigern verteilt wird.475) Nicht unter § 92 InsO fallen damit reine Individualschäden, die bei einzelnen 284 Gläubigern eingetreten sind. Diese können etwa aus Delikt oder sonstiger Verletzung der Rechte einzelner Gläubiger beispielsweise auf Absonderung folgen.476) Diese müssen die jeweiligen Gläubiger selbst geltend machen.477) Voraussetzung für die Anwendung des § 92 InsO ist damit, dass der Schaden bei den Insolvenzgläubigern gemeinschaftlich wenigstens bezüglich einer Sondermasse eingetreten ist.478) Klassischerweise unterfallen damit der Norm unter anderem479) folgende Ansprüche: x

Haftung für Insolvenzverschleppung gem. § 823 Abs. 2 i. V. m. § 15a InsO

x

Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch Vermögensverschiebungen oder gezielte Vermögensvernichtung gem. § 826 BGB

x

Haftung des Sachwalters gem. §§ 60 f. InsO (dazu noch unten Rn. 528 ff.)

x

Haftung bei Betrug gem. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB

x

Amtshaftung des Insolvenzgerichtes gem. § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG

Die Geltendmachung dieser Ansprüche durch den Sachwalter hat Sperrwir- 285 kung. Während des Verfahrens sind Klagen einzelner Gläubiger auf Ersatz ihres Quotenschadens als Teil des Gesamtschadens unzulässig.480) Soweit sie bei Verfahrenseröffnung rechtshängig sind, werden sie analog § 240 ZPO481) unterbrochen und können vom Sachwalter aufgenommen und auf den Gesamtschaden erweitert werden, um dessen Ersatz an die Masse zu verlangen.482) Eine Verpflichtung hierzu besteht indes nicht. Stattdessen kann der Sachwalter auch in einem neuen Prozess auf Ersatz des Gesamtschadens klagen.483)

___________ 475) BGH ZInsO 2011, 1453; ZInsO 2003, 562; Braun/Kroth, InsO, § 92 Rn. 2; Kübler/ Prütting/Bork/Lüke, InsO, § 92 Rn. 19. 476) Wimmer/ders./Amend, InsO, § 92 Rn. 19. 477) Andres/Leithaus/Leithaus, InsO, § 92 Rn. 3; Nerlich/Römermann/Kruth, InsO, § 92 Rn. 6. 478) Braun/Kroth, InsO, § 92 Rn. 5; Wimmer/ders./Amend, InsO, § 92 Rn. 14. 479) Beispiele bei Braun/Kroth, InsO, § 92 Rn. 6 f., Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 269 und Wimmer/ders./Amend, InsO, § 92 Rn. 14. 480) Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 92 Rn. 27. 481) Gehrlein, MüKo-InsO, § 92 Rn. 25; Braun/Kroth, InsO, § 92 Rn. 8; Kübler/Prütting/ Bork/Lüke, InsO, § 92 Rn. 67; a. A. Nerlich/Römermann/Kruth, InsO, § 92 Rn. 15: analog § 17 Abs. 1 S. 1 AnfG. 482) Gehrlein, MüKo-InsO, § 92 Rn. 25; Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 92 Rn. 27. 483) Gehrlein, MüKo-InsO, § 92 Rn. 25.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

(3) Gesellschafterhaftung gem. § 93 InsO 286 Für Ansprüche gegen persönlich haftende Gesellschafter bestimmt § 93 InsO, dass sie nur vom Sachwalter geltend gemacht werden können. Die Norm erfasst neben der Kommanditgesellschaft auf Aktien unter anderem die OHG, KG, GbR und PartG.484) Gegenstand der Zuweisung an den Sachwalter sind Ansprüche aus dem Bereich der gesetzlichen akzessorischen Haftung des Gesellschafters u. a. gem. § 128 HGB für Ansprüche, welche gegen die Gesellschaft gerichtet sind.485) 287 Hinsichtlich der prozessualen Geltendmachung gilt das oben Ausgeführte (Rn. 280). (4) Haftungsansprüche des Schuldners 288 Geht man vom skizzierten Inhalt der §§ 92, 93 InsO aus, stellt sich im Eigenverwaltungsverfahren ein Problem für Ansprüche des Schuldners gegen seine Organwalter und Gesellschafter. Denn sie unterfallen nicht dem Wortlaut des § 92 InsO, weil es sich nicht um „Ansprüche der Insolvenzgläubiger“ handelt. Auch trifft § 93 InsO keine Regelung über sie, weil keine akzessorische Gesellschafterhaftung vorliegt. Denkbar486) sind in diesem Kontext vor allem Ansprüche aus: x

Masseschmälerungshaftung gem. § 64 S. 1 GmbHG, §§ 93 Abs. 3 Nr. 6, 92 Abs. 2 AktG (unten Rn. 511 ff.),

x

Organwalterhaftung gem. § 43 Abs. 2 GmbHG, § 93 Abs. 2 AktG (unten Rn. 509 ff.) unten

x

Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungshaftung.

289 Im Regelinsolvenzverfahren unterfallen diese Ansprüche ohne weiteres der allgemeinen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Verwalters gem. § 80 InsO, so dass dieser auch zur Durchsetzung befugt ist.487) Im Eigenverwaltungsverfahren obliegt aber die (prozessuale) Geltendmachung von Forderungen dem Schuldner (Rn. 204), soweit hiervon keine Abweichung vorgesehen ist. Handelt es sich bei diesen Ansprüchen aber nicht um solche nach §§ 92, 93 InsO, ist demzufolge in der Eigenverwaltung der Schuldner für die Durchsetzung verantwortlich. 290 Es liegt auf der Hand, dass dies nicht interessengerecht wäre. Der Geschäftsführer müsste beispielsweise als Vertretungsorgan des Schuldners Ansprüche

___________ 484) 485) 486) 487)

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Braun/Kroth, InsO, § 93 Rn. 2 f. BGH ZInsO 2002, 764, 765; Nerlich/Römermann/Kruth, InsO, § 93 Rn. 4a. Beispiele bei Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 275. Vgl. nur Braun/Kroth, InsO, § 92 Rn. 2.

III. Der Sachwalter

gegen sich selbst als natürliche Person verfolgen.488) Dieses Problem ließe sich durch eine analoge Anwendung von § 92 S. 2 InsO lösen, da auch insofern die Masse zu Lasten aller Gläubiger geschädigt wurde.489) Diese Lösung hätte indes das Manko, dass sie für das Regelinsolvenzverfahren überflüssig wäre. Rechtstechnisch überzeugender ist daher eine Analogie der sachnäheren 291 Norm des § 280 InsO, um derartige Ansprüche zu erfassen.490) Diese ist am besten zur Problemlösung geeignet. Die für die Analogie notwendige vergleichbare Interessenlage liegt in der Vermeidung des beschriebenen Konfliktes. Die Gesetzeslücke ist auch planwidrig, weil der Gesetzgeber die Frage eigener Haftungsansprüche des Schuldners in der Eigenverwaltung nicht thematisiert hat, aber Prozessführungsbefugnisse des Sachwalters gerade für Fälle vorsah, in denen dieser „besser geeignet“ sei.491) Eben dies ist aber hier evident der Fall. 2. Schuldnerbezogene Aufgaben a) Aufsichtsaufgaben aa) Grundlagen Nach § 270 Abs. 1 S. 1 InsO steht der Schuldner in der Eigenverwaltung un- 292 ter der „Aufsicht“ des Sachwalters. Diesen Begriff hat der Gesetzgeber in der Begründung nicht erläutert, ging aber davon aus, dass der Sachwalter den Schuldner „kontrolliert und unterstützt“.492) Systematisch steht die Aufsicht dabei im Kontext einer Fülle von Einzelmaßnahmen des Sachwalters, die begrifflich von „Kontrolle“ und „Überwachung“ (§ 274 Abs. 2 InsO) bis hin zu „Prüfung“ (§ 283 Abs. 2 InsO) reichen. Was damit im Regelungszusammenhang gemeint ist, erschließt sich, wenn man 293 den Inhalt von Entscheidung und Kontrolle493) betrachtet: Ist eine Entscheidung die determinierte Wahl zwischen Varianten (oben Rn. 140), dient Kontrolle dem Nachvollziehen dieses Entscheidungsvorganges. Im Rahmen einer nachgelagerten Kontrolle wird die getroffene Entscheidung daher ihrerseits an Kontrollmaßstäben gemessen.494) Entsprechen die Kontrollmaßstäbe vollständig den ursprünglichen Entscheidungsmaßstäben, spricht man von vollständiger Kon___________ 488) Dieses Problem über einen Austausch der Geschäftsführung lösend, ohne den in solchen Fällen Gläubigernachteile gem. § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO zu erwarten seien, Bierbach, in: Kübler, HRI, § 11 Rn. 147. 489) Haas in: Gottwald, InsR-Handbuch, § 90 Rn. 80 (Andeutung zur Analogie von § 92 S. 2 InsO), 38 f. (allgemein zum Problem). 490) So angedeutet bei Haas in: Gottwald, InsR-Handbuch, § 90 Rn. 80; entwickelt bei Hofmann, ZIP 2007, 260, 262; ders., Eigenverwaltung, Rn. 274 f.; ihm folgend Andres/ Leithaus/Leithaus, InsO, § 280 Rn. 2; vgl. auch „erweiternde Auslegung“ bei H. F. Müller, MüKo-GmbHG, § 64 Rn. 132. 491) BT-Drucks. 12/2443, S. 225. 492) BT-Drucks. 12/2443, S. 223. 493) Krebs, Kontrolle, passim. 494) Krebs, Kontrolle, S. 36.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

trolle: Der Kontrolleur vollzieht dann den gesamten Entscheidungsprozess nach. Wird nur ein Teil der Entscheidungsmaßstäbe in den Kontrollmaßstäben abgebildet, handelt es sich indes um eine eingeschränkte Kontrolle.495) 294 Passt die zu kontrollierende Entscheidung zu den jeweils maßgeblichen Kontrollmaßstäben, so ist sie im Sinne der Kontrolle richtig; sonst ist sie falsch. Die Aufsicht knüpft an dieses gefundene Ergebnis an. Sie geht begrifflich über die bloße Kontrolle hinaus und beschreibt Maßnahmen, die der Kontrolleur ergreifen kann, um ein für falsch befundenes Ergebnis für die Vergangenheit oder Zukunft zu korrigieren.496) 295 Eben dieses Modell beschreibt die Beziehung zwischen Schuldner und Sachwalter. Der Schuldner trifft nach dem oben Dargestellten (Rn. 140 ff., bes. 141) seine Entscheidungen anhand sowohl privatautonomer als auch insolvenzrechtlicher Entscheidungsmaßstäbe. Unterliegt er mit einer Vielzahl seiner Entscheidungen der Kontrolle des Sachwalters (dazu sogleich Rn. 298 ff.), fragt sich insofern lediglich, welche seiner Entscheidungsmaßstäbe als Kontrollmaßstäbe für den Sachwalter zur Verfügung stehen; ob es sich also um eine vollständige oder eingeschränkte Kontrolle handelt. 296 Dass für die Kontrolle nicht die privatautonomen Maßstäbe des Schuldners relevant sein können, ergibt sich schon aus der Natur der Sache: Sie sind zum großen Teil irrational und daher einem Nachvollziehen im rationalen Kontrollprozess nicht zugänglich.497) Im Übrigen ergäbe sich auch aus Sicht der Grundrechte der Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG keine Legitimation dafür, privatautonome Entscheidungen des Schuldners zu korrigieren, solange dieser seine insolvenzspezifischen Pflichten einhält.498) Dies spricht dafür, dass der Sachwalter Kontrolle und Aufsicht nur insoweit auszuüben hat, als den Schuldner insolvenzrechtliche Pflichten treffen. 297 Es handelt sich damit der Sache nach um eine eingeschränkte Kontrolle. Rechtslogisch ist es also ausgeschlossen, dass der Sachwalter korrigierend eingreift, wo schuldnerische Entscheidungen privatautonom determiniert sind, insolvenzrechtlich aber in keiner der Entscheidungsvarianten einen Vorzug genießen. Oder, mit anderen Worten: Der Sachwalter hat im Rahmen der Aufsicht ausschließlich sicherzustellen, dass der Schuldner seine insolvenzrechtlichen Pflichten einhält. bb) Gegenstand der Kontrolle (1) Verhältnis der Kontrollgegenstände zueinander 298 Der Umfang der Kontrolle des Sachwalters über den Schuldner bemisst sich zunächst nach § 270 Abs. 1 S. 1 InsO. Diese Norm hat aufgrund ihres ein___________ 495) 496) 497) 498)

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Zum Ganzen Krebs, Kontrolle, S. 36 f. Vgl. etwa Kluth, GewArch 2006, 446. Dazu Krebs, Kontrolle, S. 36. Ähnlich BT-Drucks. 17/5712, S. 68 (zu Nr. 4).

III. Der Sachwalter

deutigen Wortlautes auch als Aufgabenzuweisung an den Sachwalter (dazu sogleich Rn. 304) den Charakter einer Generalklausel.499) Sie gilt in jeder Phase des Eigenverwaltungsverfahrens und unterstellt die gesamte Masseverwaltung des Schuldners der Kontrolle und Aufsicht durch den Sachwalter. Wann immer sich schuldnerisches Verhalten also auf die Verwaltung der oder Verfügung über die Masse bezieht, unterliegt es der Kontrolle. Insofern steht die Regelung in Beziehung zu § 274 Abs. 2 InsO. Nach dieser 299 Norm hat der Sachwalter die wirtschaftliche Lage zu „prüfen“ und die Geschäftsführung des Schuldners ebenso zu „überwachen“ wie dessen Ausgaben für die Lebensführung. Dabei zeigt schon der Wortlaut der Vorschrift mit der Differenzierung nach Prüfung einerseits und Überwachung andererseits, dass zwischen der wirtschaftlichen Lage des Schuldners einerseits und seiner Geschäfts-, bzw. Lebensführung andererseits ein Unterschied besteht.500) Dieser Unterschied wird klar, vergegenwärtigt man sich, dass Kontrolle nach 300 dem hiesigen Verständnis vorgangsbezogen ist:501) Kontrolle vollzieht das schuldnerische Entscheidungsverhalten nach und begutachtet seine Richtigkeit. Die wirtschaftliche Lage des Schuldners hingegen ist selbst kein Vorgang, sondern ein Zustand, der durch Tatsachen charakterisiert ist. Insofern kann er nicht der Kontrolle unterliegen, sondern allenfalls als Tatsachengrundlage für die Bewertung schuldnerischen Verhaltens im Rahmen der Kontrolle dienen.502) Diesen Unterschied bringt die Norm durch die Verwendung des Wortes prüfen anstelle von überwachen zum Ausdruck. Die rechtliche wie auch praktische Bedeutung dieser Unterscheidung liegt in 301 unterschiedlichen Pflichten des Sachwalters: Ist die Kenntnis der wirtschaftlichen Lage als Tatsachengrundlage für eine jede Entscheidung und Kontrolle erforderlich, erklärt sich daraus, warum der Sachwalter diese samt aller Details permanent während des gesamten Verfahrens kennen muss (unten Rn. 320 ff.). Die Kontrollpflicht hingegen kann anlassbezogen sein. Insofern kann der Sach- 302 walter also gegebenenfalls zur Ausübung von Kontrolle nur dann verpflichtet sein, wenn bestimmte Umstände eintreten bzw. er Anhaltspunkte für Fehlverhalten des Schuldners hat. Hierauf wird noch im Einzelnen einzugehen sein (sogleich Rn. 306 ff.). Soweit die Pflichten des Sachwalters haftungsbewehrt sind (dazu unten Rn. 541), hat dies erhebliche praktische Relevanz.

___________ 499) Anders Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 1, demzufolge § 274 Abs. 2 InsO die Generalklausel für die Aufgaben des Sachwalters darstelle; ebenso wohl Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 902. 500) Vgl. zur Wortlautdivergenz auch Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 274 Rn. 14. 501) Krebs, Kontrolle, S. 17. 502) Zu diesem Zusammenhang vgl. nur Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 51; Nerlich/ Römermann/Riggert, InsO, § 274 Rn. 4.

83

C. Aufgaben und Kompetenzen

303 Im Überblick stellt sich das grundsätzliche Verhältnis der Kontroll- und Prüfpflichten des Sachwalters im Rahmen der §§ 270 Abs. 1 S. 1, 274 Abs. 2 InsO rechtsdogmatisch also wie folgt dar: Masseverwaltung

Wirtschaftliche Lage

des Schuldners

des Schuldners

Geschäftsführung

Lebensführung

unterliegt der Kontrolle des Sachwalters (ggf. anlassbezogen)

ist vom Sachwalter permanent zu prüfen

(2) Masseverwaltung 304 Nach dem Gesagten erstreckt sich die Kontrolle und Aufsicht des Sachwalters auf die gesamte Masseverwaltung durch den Schuldner. Dies stellt § 270 Abs. 1 S. 1 InsO klar. Die Norm hat insofern zweierlei Funktion: Einerseits regelt sie eine Abweichung von § 80 Abs. 1 InsO, so dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis beim Schuldner bleibt. Andererseits weist sie die Aufgabe der Aufsicht dem Sachwalter zu und bestimmt dabei zugleich den Bezugspunkt, also Gegenstand derselben. 305 Die Beziehung zwischen § 270 Abs. 1 S. 1 InsO einerseits und § 274 Abs. 2 InsO andererseits stellt sich insofern als Verhältnis von Generalklausel zu speziellen Regelungen dar. Mit der in letzterer Norm festgelegten Aufsicht über die Geschäftsführung und die Ausgaben für die Lebensführung sind daher spezielle Gegenstände der Kontrolle angesprochen. Diese Inhalte haben zunächst klarstellende Funktion, weil sie einen Ausschnitt dessen beschreiben, was ohnehin Inhalt der Generalklausel ist. 306 Darin erschöpft sich die Bedeutung des § 274 Abs. 2 InsO jedoch nicht. Dies wird offenbar, knüpft man in systematischer Hinsicht an § 58 InsO und die dort geregelte Aufsicht des Gerichtes über den Verwalter im Regelinsolvenzverfahren an: Nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung503) muss eine Kontrolle umso intensiver stattfinden, je mehr die Verwaltung dazu Anlass gibt. Das Gericht hat also nicht jede Entscheidung des Verwalters zu kontrollieren, sondern nur solche, bei denen Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten vorliegen.504) ___________ 503) Grundlegend seinerzeit RGZ 154, 291, 296: es dürfe „die Verwaltung nicht und die Berufs- und Entschlußfreudigkeit des Verwalters nicht beeinträchtigt werden […]. Eine Prüfung […] wird daher im allgemeinen nur vorzunehmen sein, wenn hierzu ein besonderer Anlaß geboten ist.“ Daran bis heute festhaltend BGH BB 1966, 182; ZInsO 2010, 185, 186 m. w. N. 504) Graeber, MüKo-InsO, § 58 Rn. 15 ff.; Wimmer/Jahntz, FK-InsO, § 58 Rn. 5 f.

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III. Der Sachwalter

Überträgt man diesen Gedanken auf die Verwaltung durch den Schuldner 307 selbst, lässt er sich ohne weiteres für § 270 Abs. 1 S. 1 InsO fruchtbar machen: Auch im Rahmen der Generalklausel muss der Sachwalter immer dann umso intensiver kontrollieren, je mehr er Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Handhabung durch den Schuldner hat. Das muss auch richtig sein, denn ein vollständiges Nachvollziehen einer jeden schuldnerischen Entscheidung würde letztlich die Eigenverwaltung überflüssig machen, weil der Sachwalter dann inhaltlich die Funktion eines Insolvenzverwalters übernehmen würde. Geht man von diesem Verständnis der Normen aus, regelt § 274 Abs. 2 InsO 308 ein Mehr an Intensität gegenüber der Anordnung in der Generalklausel: Soweit er „Überwachung“ verlangt, verdichtet er das Pflichtenprogramm des Sachwalters zur Ausübung von Kontrolle. Auf die Frage, in welchem Maße das der Fall ist, wird noch im Rahmen der folgenden Einzeldarstellung einzugehen sein. Beispiel: Verteilt der Schuldner gem. § 283 Abs. 2 S. 1 InsO die Masse an die Gläubiger – nachdem das Verteilungsverzeichnis vom Sachwalter gem. § 283 Abs. 2 S. 2 InsO geprüft wurde –, so handelt es sich dabei nicht um eine Maßnahme der Geschäftsführung i. S. d. § 274 Abs. 2 InsO. Der Sachwalter muss die Verteilung daher nicht „überwachen“. Gleichwohl bezieht sich das schuldnerische Verhalten auf die Verwertung und damit Verwaltung der Masse. Es ist mithin die Generalklausel des § 270 Abs. 1 S. 1 InsO einschlägig. Danach muss der Sachwalter die Verteilung also nur dann kontrollieren – und verletzt nur dann durch fehlende Kontrolle eine haftungsbewehrte Pflicht –, wenn er zur Kontrolle einen Anlass hat. Für das Verhältnis zwischen (vorläufigem) Sachwalter und Schuldner bedeutet 309 dies im Geltungsbereich der Generalklausel praktisch gesehen Folgendes: x

Zu Beginn einer jeden Eigenverwaltung ist eine hohe Kontrollintensität unerlässlich. Dabei hat der Sachwalter zu ermitteln, inwieweit der Schuldner mit den ihn treffenden Aufgaben in der Insolvenz vertraut ist.

x

Zeigt sich dabei eine hohe Richtigkeitsquote bei der Handhabung durch den Schuldner, darf sich der Sachwalter im Folgenden zunehmend auf Stichproben beschränken. Dies kann je nach zuständigem Ansprechpartner beim Schuldner divergieren.

x

Zeigt der Schuldner von sich aus eine hohe Bereitschaft, Zweifelsfragen an den Sachwalter heranzutragen, kann auch dies Indiz für eine geringere Kontrolldichte im Übrigen sein.

x

Greift der Schuldner auf anerkannt fachkundige, externe Berater zurück oder ersetzt Organwalter durch Insolvenzexperten, so darf der Sachwalter seine Kontrollintensität hinsichtlich des jeweiligen Bereiches verringern und gegebenenfalls sogar von Anfang an auf Stichproben beschränken.505)

___________ 505) Kritisch dazu Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ringstmeier, FAK-InsO, § 274 Rn. 15.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

x

Je größer die Bedeutung der konkreten Maßnahme für das Verfahren, desto höher muss die korrespondierende Kontrolldichte sein.506) Praxistipp: Zeigen sich im Laufe des Verfahrens Anhaltspunkte dafür, dass es einer Aufhebung der (vorläufigen) Eigenverwaltung bedürfen wird, ist eine hohe Kontrollintensität nötig. Denn einerseits ist dann aus rechtlicher Sicht gewiss, dass der Sachwalter über die notwendigen Informationen verfügt, um seiner – haftungsbewehrten – Pflicht zur Nachteilsanzeige gem. § 274 Abs. 3 S. 1 InsO nachkommen zu können. Soweit andererseits beabsichtigt ist, im Fortgang die Verwalterstellung im Regelverfahren gem. § 272 Abs. 3 InsO zu übernehmen, kann der Amtsinhaber dann praktisch auf bereits vorhandene Daten zurückgreifen.

310 Insgesamt dient die Kontrolle der Masseverwaltung durch den Sachwalter der rechtmäßigen Verfahrensabwicklung und damit die Wahrung der Gläubigerinteressen. Er hat also insbesondere darauf zu achten, dass kein rechtswidriger Vermögensabfluss oder eine Vermögensvernichtung beim Schuldner stattfindet.507) Er hat ferner durch Vergleich (dazu noch unten Rn. 323, 350 ff.) sicherzustellen, dass die Gläubiger nicht durch die Eigenverwaltung benachteiligt werden.508) Mithin dient seine Kontrolle der Wahrung des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung.509) Umgekehrt unterliegt die Masseverwaltung indes keiner Zweckmäßigkeitskontrolle des Sachwalters, soweit nicht die Einhaltung insolvenzspezifischer Rechtspflichten in Rede steht. (3) Geschäftsführung 311 Den eben skizzierten Zweck der Sicherung der Gläubigerinteressen hat auch die Kontrolle der Geschäftsführung des Schuldners durch den Sachwalter.510) Im Vergleich zur allgemeinen Masseverwaltung geht jedoch von der fortgesetzten Geschäftsführung durch den Schuldner eine besondere Gefahr aus: Schließlich war es die bisherige schuldnerische Führung des Unternehmens, welche die Insolvenz herbeigeführt hat. 312 Daraus erklärt sich, warum die Überwachung der Geschäftsführung in § 274 Abs. 2 InsO speziell geregelt ist und damit intensiver zu sein hat, als die allgemeine Kontrolle im Rahmen der Generalklausel. Die Überwachung ist mithin – soweit eine Betriebsfortführung stattfindet – permanente Pflicht des Sachwalters.511) Zur Ausübung dieser Kontrolle ist eine genaue Kenntnis der wirt___________ 506) Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 947. 507) Braun/Riggert, InsO, § 274 Rn. 11; Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 274 Rn. 14 f. 508) Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 274 Rn. 14 f. 509) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 71. 510) Ebd. und Flöther, ZInsO 2014, 465, 467; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 219. 511) Haarmeyer/Wutzke/Förster/Buchalik, PK-InsO, § 274 Rn. 9; Kübler/Prütting/Bork/ Pape, InsO, § 274 Rn. 71; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 221.

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III. Der Sachwalter

schaftlichen Lage des Schuldners unerlässlich (unten Rn. 358).512) Auch korrespondieren mit der Überwachungspflicht des Sachwalters Informationsverpflichtungen des Schuldners, ohne die eine wirksame Überwachung nicht stattfinden kann (unten Rn. 328 ff.). Die Kontrolle bezieht sich auf alle Handlungen des Schuldners, die Geschäfts- 313 führung darstellen. Insbesondere die schuldnerische Handhabung der Kassenführung und damit der Liquidität besitzt in diesem Kontext eine große Bedeutung.513) Dabei hat der Sachwalter aber beispielweise auch zu kontrollieren, ob der Schuldner die folgenden Handlungen unter hinreichender Berücksichtigung der Gläubigerinteressen wahrnimmt: x

die Leistungsabgrenzung zwischen Insolvenz- und Masseforderungen bei der Zahlung,

x

einen Ausschluss der Verrechnung auf Altforderungen bei Vorkasse-Zahlungen für neue Leistungen,

x

den Widerruf von Lastschriften und die Kündigung von Daueraufträgen,

x

die Handhabung von Zessionen und allgemein der Umgang mit zedierten Forderungen,

x

die Dokumentation und Berücksichtigung von Eigentumsvorbehalten, sowie allgemein die Berücksichtigung von Fremdrechten.

Die Geschäftsführung unterliegt zwar einer stärkeren Kontrolle als die all- 314 gemeine Masseverwaltung; Gleichwohl kann die Aussage, sie müsse stets nicht nur einer nachgelagerten Kontrolle, sondern auch einer ex-ante-Sicht des Sachwalters unterworfen sein,514) in dieser Allgemeinheit nicht zutreffen. Denn dient die Überwachung dem Schutz von Gläubigerinteressen, muss insofern maßgeblich sein, wie stark diese durch die jeweilige Maßnahme beeinträchtigt werden können: Je stärker dies der Fall ist, desto eher muss die Maßnahme schon ex ante überprüft und ex post vollumfänglich kontrolliert werden.515) Dies zeigt sich beispielhaft wie folgt: x

Die Liquiditätsplanung des Schuldners für die Betriebsfortführung ist von so hoher Bedeutung, dass sie in jeder Lage des Verfahrens bereits ex ante vollständig zu überprüfen und ex post ihre Realisierung zu kontrollieren ist.

___________ 512) Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 274 Rn. 11; Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 53. 513) Darauf maßgeblich abstellend z. B. Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 51 f.; Nerlich/ Römermann/Riggert, InsO, § 274 Rn. 6. 514) Angedeutet wohl bei Flöther, ZInsO, 2014, 465, 467; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 220; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 71. 515) Zum Zusammenhang zwischen Gefahr und Kontrollintensität vgl. Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier/Ringstmeier, FAK-InsO, § 274 Rn. 15.

87

C. Aufgaben und Kompetenzen

x

Allgemein hat die Kassenführung durch den Schuldner eine so große Bedeutung, dass auch sie eines mindestens wöchentlichen Abgleichs mit der Planung bedarf.

x

Einzelne Anschaffungen können für die Kontrollintensität unterschiedlich zu beurteilen sein: Bedeutsame Einkäufe können eine ex-ante-Betrachtung erforderlich machen, für weniger bedeutsame reicht eine ex-post-Kontrolle und unter Umständen können lediglich Stichproben notwendig sein.

Beispiel: Ist der Schuldner ein großes Presseunternehmen, so unterliegt die Anschaffung einer neuen Druckerpresse schon wegen § 275 Abs. 1 S. 1 InsO einer ex-ante-Kontrolle. Für den laufenden Einkauf von Papier im Rahmen der mit dem Sachwalter besprochenen Geschäftsplanung zwecks Fertigung von Erzeugnissen wird eine ex-postKontrolle genügen. Den Einkauf von Büromaterial im normalen Geschäftsgang schließlich wird der Sachwalter lediglich noch stichprobenartig ex post zu kontrollieren haben, soweit er aus der Überwachung der Kassenführung keinen Anhaltspunkt für Fehlverhalten des Schuldners hat. 315 Dieses Modell hat im Übrigen auch der Gesetzgeber in einer Reihe von Einzelvorschriften zum Ausdruck gebracht, welche die in § 274 Abs. 2 InsO statuierte Überwachungspflicht „konkretisier[en] und flankier[en]“516). So sieht beispielsweise § 275 Abs. 1 S. 1 InsO für besonders gläubigergefährliche Maßnahmen des Schuldners einen Zustimmungsvorbehalt des Sachwalters vor, während andere Maßnahmen jedenfalls ein Einvernehmen mit diesem (unten Rn. 474 ff.) voraussetzen, §§ 282 S. 2, 279 S. 2 InsO. Beides erfordert wegen der besonderen Gefahr eine unterschiedlich intensive ex-ante-Kontrolle und erlaubt damit den Umkehrschluss auf die allgemein nicht notwendig eine solche umfassende Überwachung. (4) Ausgaben für die Lebensführung 316 Schließlich obliegt dem Sachwalter nach § 274 Abs. 2 InsO die Kontrolle der Ausgaben des Schuldners für seine Lebensführung. Dieser Wortlaut ist enger zu verstehen, als es den Anschein haben mag. Denn wie oben dargestellt, hat der Sachwalter ausschließlich die Einhaltung der insolvenzspezifischen Pflichten des Schuldners zu kontrollieren. Soweit der Schuldner also aufgrund von Art. 2 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG in der Entscheidung über seine Lebensführung frei ist, unterliegt er keiner Kontrolle. 317 Daher muss dieser Kontrollgegenstand als systematisches Gegenstück zu § 278 InsO verstanden werden.517) Nach dieser Norm darf der Schuldner aus der Masse dasjenige entnehmen, was er zu einer „bescheidenen Lebensführung“ ___________ 516) Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 56. 517) Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 58; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 274 Rn. 7; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 74.

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III. Der Sachwalter

benötigt (dazu im Einzelnen oben Rn. 151). Die Kontrolle nach § 274 Abs. 2 InsO bezieht sich also dem Wortlaut nach auf die Ausgaben, die der Schuldner infolge der Entnahme für seine Lebensführung tätigt und aufgrund des engen Sachzusammenhanges über den Wortlaut hinaus auch auf die Entnahme selbst. Der Sachwalter hat also zu überprüfen, ob insofern die rechtlichen Grenzen der bescheidenen Lebensführung, welche § 278 InsO dem Schuldner setzt, überschritten werden.518) Eine Zweckmäßigkeitsprüfung über den Bescheidenheitsmaßstab hinaus ob- 318 liegt dem Sachwalter nicht. Insofern dient die Norm vielmehr ausschließlich dazu, sicherzustellen, dass die Insolvenzmasse nicht durch Entnahmen für einen unangemessenen Lebensstil ausgehöhlt wird.519) Aus der speziellen Regelung in § 274 Abs. 2 InsO und dem Bezug zum das gesamte Verfahren übergreifenden Gebot der Massemehrung520) ergibt sich, dass auch die Kontrolle der Lebensführung des Schuldners grundsätzlich eine permanente sein muss. Je genauer aber die diesbezügliche Absprache zwischen Schuldner und Sach- 319 walter ist, desto geringer wird der faktische Kontrollaufwand sein; praktisch kann er letztlich auf die Einrichtung eines Dauerauftrages reduziert werden. Ohnehin ist diese Kontrolle insofern anlassbezogen, als dass ohne Entnahme nach § 278 InsO auch der Kontrollbedarf nicht ausgelöst wird. (5) Wirtschaftliche Lage Prüfgegenstand des § 274 Abs. 2 InsO ist schließlich die wirtschaftliche Lage 320 des Schuldners. Damit erfasst die Norm die Ermittlung eines wichtigen Teils der Tatsachengrundlage, die für eine jede Entscheidung und Kontrolle des Sachwalters notwendig ist (oben Rn. 301). Daraus erklärt sich auch, warum die gesetzliche Formulierung einen denkbar weiten Wortlaut hat: Denn weil das Insolvenzverfahren insgesamt der Abwicklung oder Sanierung des Schuldners in einer wirtschaftlich prekären Lage dient, kann hierunter grundsätzlich jedes Element des wirtschaftlichen Zustandes des Schuldners fallen. Das muss auch richtig sein. Denn soweit die Tatsachenermittlung als Grund- 321 lage der Aufsicht dient521) und die Aufsicht die gesamte schuldnerische Verwaltung erfasst, ist sie umfassend zu verstehen. Das zeigt sich neben der Generalklausel und dem in § 274 Abs. 2 InsO zutage tretenden Bezug zur Ge___________ 518) Ebd. und zudem die ihr Ergebnis nicht begründende allgemeine Meinung, vgl. nur Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 274 Rn. 11; Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 274 Rn. 15; Graf-Schlicker/dies., InsO, § 274 Rn. 6; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 274 Rn. 14. 519) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 274 Rn. 11; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 74; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 274 Rn. 7; Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 58. 520) Vgl. nur Nerlich/Römermann/Wittkowski/Kruth, InsO, § 80 Rn. 68. 521) Vgl. Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 54; sowie Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 274 Rn. 10; Braun/Riggert, InsO, § 274 Rn. 12; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 274 Rn. 4.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

schäftsführung auch in einer ganzen Reihe weiterer Einzelnormen.522) So regelt etwa § 281 Abs. 1 S. 2 InsO, dass der Sachwalter die vom Schuldner erstellten Verzeichnisse zu seiner wirtschaftlichen Lage (oben Rn. 191) zu prüfen und sich über sie zu erklären hat (unten Rn. 338 ff.). Die Verzeichnisse nach §§ 151 – 153 InsO sind also von der Ermittlung umfasst. Gleiches gilt insgesamt für die schuldnerische Rechnungslegung. Auch sind für Aufgaben des Sachwalters nach § 280 InsO all jene wirtschaftlichen Informationen relevant, die Anfechtungsrechte (Rn. 273 ff.) oder bestimmte Schadensersatzansprüche (Rn. 280 ff.) begründen.523) Praxistipp: Typischerweise treten Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen, Kontrolle und Aufsichtsmaßnahmen aus der wirtschaftlichen Lage zutage. Ohne eine umfassende Kenntnis derselben ist der Sachwalter also gegenüber der Realität blind. Sie im Detail zu kennen und daraus Folgerungen abzuleiten, hat daher für ihn Priorität.

322 Daher setzt sich der Ermittlungsgegenstand typischerweise, nicht aber notwendig abschließend, aus folgenden Teilen zusammen: x

Unterlagen wie beispielsweise Kontoauszüge, die über die aktuelle Liquidität und in Fortführungsfällen die Liquiditätsplanung Auskunft geben,

x

die Verzeichnisse gem. §§ 151 – 153 InsO,

x

(ggf. vorläufige) Jahresabschlüsse, auch aus den vergangenen Jahren,

x

jährliche Summen- und Saldenlisten aus den vergangenen Jahren,

x

monatliche betriebswirtschaftliche Auswertungen und Summen- und Saldenlisten aus der Zeit unmittelbar vor und seit Eintritt der Insolvenz,

x

Bewertung des Anlage- und Umlagevermögens,

x

Inventur des Vorratsvermögens und

x

eine Auftragsentwicklung der letzten Monate.

323 Besondere Bedeutung hat die Kenntnis der wirtschaftlichen Lage auch für die Regelung des § 274 Abs. 3 S. 1 InsO. Danach hat der Sachwalter anzuzeigen, wenn er Umstände feststellt, die für Schuldner einen Nachteil der Eigenverwaltung gegenüber der Regelinsolvenz begründen (dazu noch unten Rn. 350 ff.). Diese Erkenntnis kann der Sachwalter nur gewinnen, wenn er die aktuelle wirtschaftliche Lage (Ist-Zustand) zu zwei hypothetischen, künftigen wirtschaftlichen Lagen fortentwickelt und diese gegenüberstellt: Einerseits diejenige, die bei weiterer Eigenverwaltung eintreten wird, andererseits diejenige, die sich bei Wechsel ins Regelinsolvenzverfahren realisieren würde. ___________ 522) Darauf hinweisend auch K. Schmidt/Undritz, InsO, § 274 Rn. 9. 523) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 70; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 58.

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III. Der Sachwalter

Eine solche Prognoseentscheidung kann ohne detaillierte Kenntnisse des Ist-Zustandes nicht getroffen werden. Praktisch ist ein Unterschied zwischen dem Kenntnisstand eines Sachwalters 324 zu dem eines Insolvenzverwalters im Regelinsolvenzverfahren daher nicht auszumachen. Dies erklärt sich schon daraus, dass der Sachwalter „das einzige vor Ort tätige Kontrollorgan der Gläubiger“524) ist. Er ist im Vergleich lediglich insofern weniger belastet, als er von der eigenen Fertigung der fraglichen Verzeichnisse und Berichte, sowie der Rechnungslegung befreit ist.525) Aus dem Bedarf für eine durchgehende Wahrung der Gläubigergleichbehand- 325 lung und dem konsequenten – wenn auch nicht notwendig permanenten – Kontrollbedarf erklärt sich auch, warum die Prüfpflicht des Sachwalters hinsichtlich der wirtschaftlichen Lage fortlaufend besteht.526) Zwar sinkt regelmäßig ihr faktischer Aufwand, nachdem die Anfangsdaten einmal ermittelt sind. Rechtlich muss aber in jeder Lage des Verfahrens sichergestellt werden, dass Gläubigerinteressen gewahrt bleiben. Insbesondere ist es daher auch erforderlich, Liquiditätsplanungen jeweils wöchentlich oder mindestens monatlich mit den real erwirtschafteten Daten abzugleichen.527) cc) Maßnahmen der Kontrolle und Aufsicht (1) Informationsrechte Soweit das Gesetz dem Sachwalter die Verpflichtung zu Kontrolle und Auf- 326 sicht zuweist, geht es zunächst von einem Idealfall aus: Nur der Sachwalter, der alle benötigten Informationen zur Hand hat, kann die notwendige Kontrolle ausüben und gegebenenfalls Aufsichtsmaßnahmen treffen.528) Kern einer jeden Kontrolle ist daher die Informationsbeschaffung, welche für die Sachwaltung in der Grundnorm des § 274 Abs. 2 S. 2 InsO geregelt ist. Diese ist im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren wie auch im Eröffnungsverfahren anwendbar. Die Regelung enthält einen Verweis auf die allgemeine Vorschrift des § 22 327 Abs. 3 InsO. Sie erlegt einerseits dem Schuldner Pflichten auf, die diesen auch im Regelinsolvenzverfahren treffen. Damit korrespondierend gewährt sie andererseits dem Sachwalter eine Reihe von Befugnissen, welche sonst dem vorläufigen Insolvenzverwalter im Regelverfahren zustehen. ___________ 524) Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 54; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ringstmeier, FAK-InsO, 2. Aufl., § 274 Rn. 15; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 73. 525) Ebd. 526) Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 274 Rn. 24 f.; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 219; Pape, in: Pape/Graeber, Verwalterhaftung, Teil 5 Rn. 16; Kern, MüKoInsO, § 274 Rn. 53. 527) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 219. 528) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 73.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

(a) Schuldnerische Pflichten 328 Über den Verweis auf § 97 InsO in § 22 Abs. 3 S. 3 Halbs. 2 InsO wird der Schuldner – bzw. seine Organe529) – zur Auskunft und Mitwirkung gegenüber dem Sachwalter verpflichtet: Er hat über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben,530) §§ 22 Abs. 3 S. 3 Halbs. 1 Var. 1, 97 Abs. 1 InsO. Hierzu zählt auch die Pflicht, externe (beispielsweise bei einem Steuerberater befindliche) Unterlagen zu beschaffen.531) Die Auskunft ist nicht abhängig von einer Nachfrage des Sachwalters, so dass der Schuldner von sich aus alle entsprechenden Umstände offenlegen muss.532) 329 Neben der Auskunftsverpflichtung steht die Mitwirkungsverpflichtung gem. §§ 22 Abs. 3 S. 3 Halbs. 1 Var. 2, 97 Abs. 2 InsO. Danach hat der Schuldner den Sachwalter zu unterstützen, was allgemein beispielsweise durch die Ermöglichung von Zugang zu Geschäftsräumen und Unterlagen geschieht.533) Zur Erfüllung dieser Verpflichtungen hat er sich stets bereit zu halten, vgl. § 97 Abs. 3 InsO. 330 Diese Pflichten haben in der Eigenverwaltung besondere Bedeutung. Denn hier ist der Sachwalter auf Unterrichtung und Mitwirkung durch den Schuldner angewiesen. Man hat daher die in §§ 22 Abs. 3 S. 2, 3, 97 InsO geregelten Pflichten im systematischen Kontext der Aufsicht und Kontrolle durch den Sachwalter zu verstehen. So ist der Schuldner beispielsweise verpflichtet, den Sachwalter unverzüglich zu unterrichten, soweit er von einer gemeinsam durchgesprochenen Planung der Betriebsfortführung abweicht oder Sonderausgaben tätigt. Ebenso hat er dem Sachwalter aktuelle Unterlagen absprachegemäß vorzulegen.534) Denn nur so kann dieser seiner Verpflichtung zur Überwachung der Geschäftsführung gem. § 274 Abs. 2 InsO nachkommen. 331 Dies ergibt sich auch daraus, dass einzelne Normen den Schuldner verpflichten, im Regelfall („soll“) im Einvernehmen (§§ 279 S. 2, 282 S. 2 InsO, unten Rn. 474 ff.) mit dem Sachwalter handeln oder eine Zustimmung (§ 275 Abs. 1 S. 1 InsO, unten Rn. 419 ff.) des Sachwalters einzuholen. In diesem Kontext ist er dann mindestens gem. § 97 InsO auch zur Information und Mitwirkung verpflichtet. Gleiches gilt aber auch allgemein für das Zurverfügungstellen von Unterlagen, welche der Sachwalter für die Prüfung der wirtschaftlichen Lage (oben Rn. 320 ff.) oder bestimmter Verzeichnisse benötigt (§§ 281 Abs. 1 S. 2, 283 Abs. 2 S. 2 InsO).

___________ 529) 530) 531) 532) 533) 534)

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Vgl. §§ 22 Abs. 3 S. 3 Halbs. 2, 101 InsO. Im Einzelnen Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 97 Rn. 7 m. w. N. Kayser/Thole/Schmidt, HK-InsO, § 97 Rn. 30 m. w. N. BGH ZInsO 2010, 477 Leitsatz 1; Andres/Leithaus/Leithaus, InsO, § 97 Rn. 7. Kayser/Thole/Schmidt, HK-InsO, § 97 Rn. 35. Specovious, in: Kübler, HRI, § 13 Rn. 59 ff.

III. Der Sachwalter

(b) Rechte des Sachwalters Über den Verweis des § 274 Abs. 2 S. 2 InsO tritt der Sachwalter an die Stelle 332 des vorläufigen Verwalters. Er ist also anspruchsberechtigt, um die Einhaltung der genannten Pflichten des Schuldners zu verlangen.535) Ihm gegenüber ist der Schuldner daher zur Auskunft und Mitwirkung verpflichtet. Doch auch darüber hinaus stehen ihm eine Reihe von Möglichkeiten zur Verfügung, die zur Kontrolle des Schuldners notwendigen Informationen zu verschaffen: x

Der Sachwalter ist zum Betreten der Geschäftsräume des Schuldners (nicht aber der Privaträume, soweit der Schuldner dort seinen Betrieb nicht zumindest teilweise ausübt536)) befugt, § 22 Abs. 3 S. 1 InsO.

x

In besagten Räumen darf er Nachforschungen anstellen, also aufgrund des weiten Wortlautes Räume und Gegenstände durchsuchen,537) sowie auch das Ergebnis dokumentieren, § 22 Abs. 3 S. 1 InsO.

x

Der Sachwalter kann Einsicht in alle Bücher und Geschäftspapiere nehmen, welche den Betrieb des Schuldners betreffen, § 22 Abs. 3 S. 2 InsO.

Kommt der Schuldner seinen insofern bestehenden Handlungs- und Duldungs- 333 pflichten nicht nach, so kommen grundsätzlich die über § 22 Abs. 3 Halbs. 2 InsO eröffneten Zwangsmittel des § 98 InsO in Frage. Im Rahmen dessen kann der Schuldner zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung hinsichtlich der Richtigkeit seiner Angaben verpflichtet werden, ebenso kommt eine Zwangsvorführung in Frage.538) Diese Möglichkeiten spielen indes praktisch keine Rolle. Denn soweit der 334 Schuldner seine Verpflichtungen in der Eigenverwaltung nicht einhält und dem Sachwalter somit die notwendige Kontrolle nicht ermöglicht, bedingt schon dieser Kontrollverlust einen Nachteil für die Gläubiger gegenüber dem Regelinsolvenzverfahren (unten Rn. 353 f.). Es liegt damit ein Fall vor, in welchem der Sachwalter den Nachteil gem. § 274 Abs. 3 S. 1 InsO anzuzeigen hat, so dass letztlich die Selbstverwaltung aufgehoben werden wird,539) bevor es der Zwangsmittelanwendung bedarf. Gleiches gilt auch in Fällen, in denen der Schuldner entgegen §§ 275 Abs. 1 335 S. 1, 279 S. 2, 282 S. 2 InsO eine Zustimmung nicht einholt oder nicht im Einvernehmen (zum Inhalt dieser Verpflichtung vgl. unten Rn. 474 ff.) handelt. Denn diese Normen statuieren keine rein „fakultative Mitwirkung“,540) ___________ 535) Statt aller Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 97 Rn. 4. 536) Graf-Schlicker/Voß, InsO, § 22 Rn. 24; Kayser/Thole/Rüntz/Laroche, HK-InsO, § 22 Rn. 65. 537) Kayser/Thole/Rüntz/Laroche, HK-InsO, § 22 Rn. 67 m. w. N. 538) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 76. 539) Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 274 Rn. 9; Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 274 Rn. 16; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 76; Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rn. 35; Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 63. 540) So aber Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 77.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

sondern stellen für den Schuldner echte Rechtspflichten auf: Mit einer „soll“Vorschrift bringt der Gesetzgeber zwar keine gebundene Pflicht zur Mitwirkung zum Ausdruck, wohl aber, dass der Schuldner den Sachwalter im Regelfall einbeziehen muss, es nur im Ausnahmefall nicht muss (zu dieser Regelungstechnik vgl. oben Rn. 28).541) Ausnahmefälle können sein, wenn etwa besondere Eilbedürftigkeit vorliegt oder Erkrankungen eine Einbeziehung im konkreten Moment des Handelns ausschließen. Wirkt der Schuldner außerhalb solcher Fälle nicht mit dem Sachwalter zusammen, verstößt er gegen die §§ 275 Abs. 1 S. 1, 279 S. 2, 282 S. 2 InsO und bedingt durch den damit verbundenen Kontrollverlust einen Nachteil für die Gläubiger.542) 336 Die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten zur Sanktion durch den Sachwalter und das Gericht sind abschließend geregelt. Denn da Pflichten des Schuldners und Zwangsmittel gegen den Schuldner jeweils mit einer Beeinträchtigung der Grundrechte desselben einhergehen, bedürfte jede weitere Maßnahme aufgrund der Gesetzesvorbehalte in den Grundrechten einer gesetzlichen Grundlage. Aus diesem Grund ist zum Beispiel die Regelung über die Postsperre gem. § 99 InsO nicht anwendbar, weil sie vom Verweis in §§ 274 Abs. 2 S. 2, 22 Abs. 3 S. 3 InsO nicht erfasst ist.543) (2) Kein allgemeines Weisungsrecht 337 Mag auch der Sachwalter über den Schuldner Aufsicht ausüben, so hat er gegenüber diesem kein allgemeines Weisungsrecht.544) Dass diese Überlegung richtig sein muss, zeigt folgender Gedanke: Die Befugnis des Schuldners zur Masseverwaltung folgt aus Art. 14 Abs. 1 GG, seine Berechtigung zur Geschäftsführung aus Art. 12 Abs. 1 GG. Beide Grundrechte können nur durch gesetzliche Regelungen eingeschränkt werden. Einschränkungsmöglichkeiten zugunsten des Sachwalters bestehen aber in den §§ 270 ff. InsO nur punktuell. Eine aus Sicht der Grundrechte notwendige allgemeine Weisungsbefugnis ist nicht geregelt, also besteht sie nicht. (3) Prüfung von Verzeichnissen und Schlussrechnung (a) Allgemeines 338 Die Erstellung der Verzeichnisse nach den §§ 151 ff. InsO (oben Rn. 191) obliegt dem Schuldner ebenso wie die Aufstellung des Verteilungsverzeichnisses (oben Rn. 147). Gleiches gilt für die Schlussrechnung gem. § 66 Abs. 1 InsO. Das passt zum gesetzlichen Leitbild, nach dem die Verwaltung der Masse dem Schuldner obliegt. Gleichwohl sind die Verzeichnisse und die Schlussrech___________ 541) Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 275 Rn. 5; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 14 m. w. N. 542) So präzise Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 961. 543) Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 274 Rn. 15; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 63. 544) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 72; Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 70.

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III. Der Sachwalter

nung für die Gläubiger von großer Bedeutung: Denn auf Grundlage der durch die Verzeichnisse nach §§ 151 ff. InsO dokumentierten wirtschaftlichen Lage treffen sie im Berichtstermin Entscheidungen und gemäß des Verteilungsverzeichnisses wird schließlich die Masse an sie verteilt. Es liegt daher nahe, zum Gläubigerschutz dem Sachwalter die Prüfung und Erklärung über diese aufzuerlegen, wie es die §§ 281 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 2 InsO tun.545) Sind danach die beiden Vorschriften in ihrem Zweck identisch und entspre- 339 chen sie im Wortlaut nahezu vollständig einander, ist davon auszugehen, dass sie für den Sachwalter identische Pflichten statuieren. Danach hat er die Verzeichnisse und die Schlussrechnung zu „prüfen“. (Zur „Prüfung“ des Verteilungsverzeichnisses gem. § 283 Abs. 2 S. 2 InsO vgl. schon oben Rn. 237 ff.) (b) Maßstab der Prüfung Der Inhalt der Prüfverpflichtungen muss aus dem systematischen Kontext 340 ermittelt werden.546) Die Kontrolle der Verzeichnisse und Rechnungen des Schuldners durch den Sachwalter steht im Kontext von Gläubigerentscheidungen. Die Prüfung durch den Sachwalter dient also dazu, die inhaltliche und rechnerische Richtigkeit zu bescheinigen, so dass sich die Gläubiger auf selbige verlassen können. Sie soll also das Schutzniveau herstellen, das die Gläubiger im Regelverfahren dadurch erlangen, dass der neutrale Verwalter die Aufstellung der Verzeichnisse und Berechnungen selbst vornimmt. Der Sachwalter hat also zu prüfen, ob die in den Verzeichnissen nach §§ 151 ff. 341 InsO enthaltenen Gegenstände, Forderungen und Gläubiger zutreffend und vollständig erfasst sind.547) Zweifelsfälle darf er mithilfe eines Gutachters auf Kosten der Masse klären.548) Damit ist allerdings noch nicht gesagt, wann Zweifelsfälle vorliegen. Dies ist von immenser Bedeutung, weil praktisch für den Wertansatz ein großer Beurteilungsspielraum besteht. Es ist also rechtlich sowohl vorstellbar, dass der Sachwalter die schuldnerischen Berechnungen auf Vollständigkeit, Plausibilität und Schlüssigkeit prüft549) wie auch, dass er darüber hinaus jede einzelne von ihnen bis ins Detail der Wertermittlung selbst nachvollzieht.550) ___________ 545) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 281 Rn. 1; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 281 Rn. 1 und § 283 Rn. 2; Kern, MüKo-InsO, § 281 Rn. 1 und § 283 Rn. 2. 546) Darauf hinweisend, wenn auch mit anderem Verständnis als hier, Kübler/Prütting/ Bork/Pape, InsO, § 281 Rn. 15. 547) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 281 Rn. 11; Kern, MüKo-InsO, § 281 Rn. 16; Uhlenbruck/ Zipperer, InsO, § 281 Rn. 3. 548) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 281 Rn. 11; a. A. Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 281 Rn. 3; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 281 Rn. 18. 549) Ähnlich wohl Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 281 Rn. 3, der lediglich Stichproben für geboten hält. 550) In letzterem Sinne wohl z. B. Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 281 Rn. 1; Kern, MüKo-InsO, § 281 Rn. 31.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

342 Dabei spricht viel dafür, dass Letzteres nicht gefordert sein kann. Denn praktisch würde ein neues Ermitteln aller Wertansätze durch Gutachter erhebliche Kosten für die Masse bedeuten, was zu vermeiden ist. Rechtlich würde dann der Sachwalter durch das vollständige Nachvollziehen aller Schritte die Handlungen des Schuldners gänzlich ersetzen. Das würde eine vollständige Verdoppelung von Ermittlungs- und Berechnungsaufgaben im Verfahren bedeuten und nicht mehr dem gesetzlichen Leitbild entsprechen, nach dem der Schuldner zu berechnen und der Sachwalter zu „prüfen“ hat. Es würde sich dann auch die Frage stellen, warum nicht gleich der Sachwalter die Rechnungen zu erstellen habe. 343 Angesichts dessen kann der Sachwalter nur zu prüfen haben, ob die schuldnerischen Berechnungen vollständig, schlüssig und nachvollziehbar begründet sind. Dies ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass bei einer jeden Verwertung mehr oder weniger erzielt werden kann, als angesetzt: Die „eine richtige Bilanz“ gibt es angesichts einer bloßen Verwertungsprognose weder, noch kann es sie geben. Erst dann also, wenn angesichts dieses hier aufgezeigten Maßstabes (Vollständigkeit, Schlüssigkeit, Nachvollziehbarkeit) Mängel vorliegen, hat der Sachwalter entsprechende Streitfälle detailliert nachzuvollziehen. 344 Rechtlich gesehen wird der Sachwalter also in diesen Fällen dadurch entlastet, dass er die Verzeichnisse und Rechnung nicht selbst erstellen muss und nur in Zweifelsfragen bis in Details des Wertansatzes nachzuvollziehen hat. Angesichts der aber auch mit ihrer Plausibilitäts- und Schlüssigkeitsprüfung verbundenen Anforderungen an die Kenntnisse des Sachwalters ist damit jedoch kaum eine praktische Entlastung verbunden.551) (c) Schriftliche Erklärung 345 In der Folge hat der Sachwalter einen schriftlichen Prüfbericht zu erstellen und den Gläubigern vorzulegen. Im Prüfbericht ist darauf einzugehen, ob Einwendungen zu erheben sind. Damit ist die Darstellung gemeint, inwieweit die vom Schuldner erstellten Verzeichnisse richtig sind oder welche Fehler dieser bei der Erstellung gemacht hat (zu diesem Verständnis des Begriffs vgl. schon oben Rn. 238). Eine weitergehende Bedeutung, etwa als Einwendung gem. § 194 InsO, hat der Bericht nicht (ebenfalls oben Rn. 240). Praxistipp: Es zeichnet vor allem in den Augen der Gläubiger eine funktionierende Eigenverwaltung aus, wenn derartige Prüfberichte keine Fehler ausweisen. Der Sachwalter sollte daher durch vorige Kommunikation mit dem Schuldner darauf hinwirken, dass dieser etwaige Beanstandungen bereits im Vorfeld korrigiert, so dass die schließlich niedergelegten Verzeichnisse und die Schlussrechnung fehlerfrei sind.552)

___________ 551) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 281 Rn. 15, der jedoch von einer höheren als der hier vertretenen Kontrollintensität ausgeht. 552) So auch Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 996; Specovious, in: Kübler, HRI, § 13 Rn. 60.

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III. Der Sachwalter

Die Prüfberichte des Sachwalters sind an das Gericht zu übergeben und wer- 346 den dann durch Niederlegung auf der Geschäftsstelle veröffentlicht.553) Auf diese Weise können alle Verfahrensbeteiligten in sie Einsicht nehmen und ihre Entscheidungen auf sie abstimmen. (d) Eidesstattliche Versicherung durch Schuldner Bestehen hinsichtlich der Vermögensübersicht gem. § 153 InsO Zweifel, so 347 ist der Sachwalter befugt, das Recht gem. § 153 Abs. 2 InsO geltend zu machen. Danach kann (neben einem Schuldner) auch der Verwalter beantragen, dass das Gericht dem Schuldner aufgibt, die Richtigkeit der Übersicht durch eidesstattliche Versicherung zu bekräftigen.554) Dieser Möglichkeit ist vereinzelt entgegengehalten worden, es fehle insofern 348 an einer gesetzlichen Grundlage für den Sachwalter.555) Das überzeugt aber nicht. Aufgrund des allgemeinen Verweises in § 270 Abs. 1 S. 2 InsO sind die allgemeinen Vorschriften anwendbar, also auch § 153 Abs. 2 InsO. Soll die Norm gerade den Schuldner zu wahrheitsgemäßer Auskunft anhalten, wird man aufgrund der Verweisung unter den Verwalter i. S. d. Norm auch den Sachwalter zu subsumieren haben.556) Denn andernfalls könnte ausgerechnet das sachnächste Kontrollorgan, anders als im Regelinsolvenzverfahren mit geringerem Kontrollbedarf, keinen Antrag stellen.557) (4) Anzeige von Nachteilen für die Gläubiger Rechtlich gesehen stellt die in jeder Verfahrenslage greifende Regelung in § 274 349 Abs. 3 InsO nur eine weitere Unterrichtungspflicht des Sachwalters gegenüber dem Gericht und den Gläubigern (dazu noch unten Rn. 365 ff.) dar. Praktisch indes ist sie das schärfste Schwert,558) das dem Sachwalter an Aufsichtsmaßnahmen zur Verfügung steht. Denn danach hat er unverzüglich anzuzeigen, wenn er Umstände feststellt, die erwarten lassen, dass die Fortführung der Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird. Dies bereitet praktisch mindestens eine Anordnung von Beschränkungen gem. § 277 InsO, wenn nicht sogar die Aufhebung der Eigenverwaltung gem. § 272 InsO vor. (a) Der Begriff des Nachteils Die Anzeigepflicht des Sachwalters ist an Umstände geknüpft, die einen Nach- 350 teil für die Gläubiger erwarten lassen. Damit fragt sich, was einen solchen ___________ 553) Kern, MüKo-InsO, § 281 Rn. 20; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 281 Rn. 20. 554) Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 281 Rn. 2; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 281 Rn. 11; Kern, MüKo-InsO, § 281 Rn. 15; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 281 Rn. 2; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 281 Rn. 15. 555) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 281 Rn. 7. 556) Kern, MüKo-InsO, § 281 Rn. 15; Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 1044. 557) Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 281 Rn. 15. 558) Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rn. 82.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

Nachteil darstellt: Insofern liegt es zunächst nahe, an § 1 InsO anzuknüpfen. Dient danach das Verfahren insgesamt der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung, mag man einen Nachteil annehmen, wenn die Quote der Gläubiger gegenüber dem Regelinsolvenzverfahren abzufallen droht.559) 351 Dies ist zwar grundsätzlich nicht verkehrt, aber sowohl praktisch als auch rechtlich zu kurz gegriffen: Praktisch stellt sich die Schwierigkeit, dass eine Quotenminderung insbesondere bei der in der Eigenverwaltung regelmäßig stattfindenden Betriebsfortführung nicht in jeder Verfahrenslage klar bestimmbar ist. Rechtlich berücksichtigt die Überlegung nicht hinreichend, dass gerade das Eigenverwaltungsverfahren gem. § 270b InsO selten auf Liquidierung gerichtet ist, sondern über den Insolvenzplan vielmehr eine Sanierung des Schuldners vorsieht. 352 Deswegen liegt es angesichts des Wortlautes näher, an die grundsätzliche Unterscheidung zwischen Regel- und Eigenverwaltungsverfahren anzuknüpfen: Wie gezeigt, behält der Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, während der Sachwalter vornehmlich Aufsichtsfunktion hat. Beide zusammen ergeben daher das Bild des Insolvenzverwalters, der im Regelinsolvenzverfahren tätig wird und die Gläubigerinteressen verwirklicht (oben Rn. 135 f.). Dieses Schutzniveau für die Gläubiger darf durch die Eigenverwaltung nicht unterschritten werden. 353 Vor diesem Hintergrund liegt ein Nachteil dann vor, wenn durch Handlungen des Schuldners oder das konkrete Zusammenspiel zwischen ihm und dem Sachwalter die Gesamtabwicklung des Verfahrens ein geringeres Schutzniveau für die Gläubiger bietet, als dies im Regelverfahren der Fall wäre. Mit anderen Worten begründet jeder Umstand, der aus Gläubigersicht der Beibehaltung des aktuellen Standes der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners entgegensteht, einen Nachteil.560) 354 Ein so verstandener Nachteilsbegriff ist nicht rein quotenbasiert – wird aber bei feststellbarer Quotenminderung auch erfüllt (unten Rn. 357) –, sondern auch für das Kompetenzgefüge zwischen Sachwalter und Schuldner geöffnet: Verletzt der Schuldner beispielsweise seine Auskunfts- und Mitwirkungspflichten und hindert dadurch den Sachwalter an wirksamer Kontrolle, ist ein dem Regelinsolvenzverfahren vergleichbares Schutzniveau nicht mehr gewährleistet und es liegt ein Nachteil vor.561) 355 Damit und aus dem Plural-Wortlaut erklärt sich zugleich auch, dass der Nachteilsbegriff nicht an individuelle Gläubiger, sondern das Schutzniveau für die Gläubigergesamtheit anknüpft. Das muss auch richtig sein, weil sonst in ___________ 559) Rattunde/Smid/Zeuner/Wehdeking, InsO, § 274 Rn. 8. 560) So auch Braun/Riggert, InsO, § 274 Rn. 13; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 69. 561) Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 274 Rn. 16; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 274 Rn. 20; Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 274 Rn. 12; Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 63.

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III. Der Sachwalter

Fällen der Betriebsfortführung eine Nachteilsanzeige praktisch immer erforderlich wäre. Denn regelmäßig werden in der Fortführung die Rechte von beispielsweise Vorbehaltseigentümern oder Vermieter beeinträchtigt. Beispiel: Im Liquidationsszenario könnte der Vorbehaltseigentümer seine Sache in der Insolvenz des Kunden gem. § 47 InsO ausgesondert erhalten. In der Eigenverwaltung wird sie indes im Rahmen der Betriebsfortführung veräußert, um neue Forderungen zu generieren. Dies bedingt keinen Nachteil für „die Gläubiger“, soweit insgesamt das Schutzniveau der Regelinsolvenz gewahrt bleibt. (b) Fallgruppen für Umstände Aus der Klärung des Nachteilsbegriffs ergibt sich zwanglos, wann Umstände 356 im Sinne der Norm vorliegen. Solche, die das Gläubigerschutzniveau senken, stellen einen Nachteil dar (vgl. aber noch unten Rn. 360 ff.). Hierfür haben sich in der Literatur einschlägige Fallgruppen herausgebildet:562) x

fehlende oder unsachgemäße Buchführung durch den Schuldner (oben Rn. 190 f.),

x

zu hohe Mittelentnahme des Schuldners für die Lebensführung gem. § 278 InsO (oben Rn. 150 ff.),

x

Masseverwaltung oder Geschäftsführung, die nicht hinreichend auf die Gläubigerinteressen Rücksicht nimmt (oben Rn. 142, 156),

x

Nichterfüllung der Mitwirkungs- und Informationspflichten des Schuldners (oben Rn. 328 ff.),

x

Nichtherstellung von Einvernehmen oder Nichteinholung einer Zustimmung gem. §§ 275 Abs. 1 S. 1, 279 S. 2, 282 S. 2 InsO (unten Rn. 474 ff., 419 ff.)

x

allgemein unkooperative Abwicklung des Verfahrens,

x

Veränderung der externen wirtschaftlichen Gegebenheiten, welche ein Fortführung als nicht mehr geboten erscheinen lassen,

x

Verzögerungen durch Handlungen des Schuldners, welche die Befriedigung oder Sanierung beeinträchtigen.

Als Unterfall der Masseverwaltung und Geschäftsführung, die Gläubigerin- 357 teressen nicht hinreichend wahrt, hat die Quotenminderung Bedeutung. Denkbar ist nämlich, dass die Eigenverwaltung insgesamt – und sei es auch lediglich durch eine Veränderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen563) – ___________ 562) Beispiele bei Flöther, ZInsO 2014, 465, 467; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 83; K. Schmidt/Undritz, InsO, § 274 Rn. 13; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 274 Rn. 20; Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 274 Rn. 20; Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 63. 563) Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 274 Rn. 16.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

die Gläubiger wirtschaftlich schlechter stellt, als sie in der Regelabwicklung stünden. Insofern kann eine solche Betriebsfortführung dann rechtswidrig sein (dazu schon oben Rn. 156). 358 Ob dies der Fall ist, kann der Sachwalter nur durch genau Kenntnis der wirtschaftlichen Lage (oben Rn. 323) ermitteln. Er muss also die aktuelle Lage (Ist-Zustand) in einer Prognoseentscheidung zu zwei hypothetischen, künftigen wirtschaftlichen Lagen fortentwickeln und diese gegenüberstellen: Einerseits diejenige, die bei weiterer Eigenverwaltung eintreten wird, andererseits diejenige, die sich bei Wechsel ins Regelinsolvenzverfahren realisieren würde. 359 Es versteht sich von selbst, dass die Pflicht des Sachwalters insofern lediglich zu einer Beurteilung aus ex-ante-Sicht bestehen kann. Erweist sich die Prognose ex post als falsch, begründet dies nicht notwendig eine Pflichtverletzung: Dies ist nur dann der Fall, wenn der Sachwalter bei der Prognose außer Acht gelassen hat, was ein besonnener Sachwalter in der konkreten Situation berücksichtigt hätte. Vom Schuldner verheimlichte Umstände hat der Sachwalter nicht zu ermitteln, wenn sich ihm dafür keine Anhaltspunkte ergeben. Ist die Beurteilungsgrundlage wegen schlechter Buchführung durch den Schuldner bis Antragstellung dürftig, muss der Sachwalter gleichwohl auf Grundlage dieser entscheiden. Beispiel: Führt der Schuldner den Betrieb fort und ist dies angesichts der dem Sachwalter vorliegenden Daten sinnvoll, handelt dieser nicht pflichtwidrig, wenn er eine Nachteilsanzeige unterlässt. Denn die Ermöglichung einer Sanierung, welche trotz ggf. kurzfristiger Verkürzung der Masse bei Betriebsfortführung die Gläubigergesamtheit im Verhältnis zur Abwicklung im Regelverfahren besser stellt, ist gerade Sinn der Eigenverwaltung. Die Pflichtgemäßheit entfällt auch nicht, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass der Schuldner umfangreiche Verbindlichkeiten verschwiegen hatte, die eine Sanierung ausschließen und der Sachwalter für diese in den Unterlagen des Schuldners auch keine Anhaltspunkte finden konnte. (c) Beziehung zwischen Umstand und Nachteil 360 Liegt ein Umstand im vorgenannten Sinne bevor, besteht aktuell ein Nachteil. Gleichwohl ergibt sich daraus nicht zwingend, dass der Sachwalter zur Anzeige verpflichtet ist.564) Denn schon dem Wortlaut nach stellt die Norm nicht auf einen aktuell bestehenden Nachteil ab. Sie fragt vielmehr ausdrücklich danach, ob ein Nachteil künftig zu „erwarten“ sei, die „Fortsetzung“ der Eigenverwaltung also zu einem solchen „führen wird“565). Maßgeblich ist danach nicht ein bereits eingetretener, sondern ein zu erwartender Nachteil.566) ___________ 564) Vgl. Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 274 Rn. 17 und Uhlenbruck/ Zipperer, InsO, § 274 Rn. 16. 565) Hervorhebung von Verf. 566) Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 274 Rn. 17.

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III. Der Sachwalter

Das muss auch richtig sein. Denn die Norm steht im Kontext von sich anschlie- 361 ßenden Maßnahmen, mit welchen die schuldnerische Einwirkung auf die Masse durch Anordnung geschmälert (§ 277 InsO) oder durch Aufhebung der Eigenverwaltung verhindert (§ 272 InsO) wird. Diese haben präventive Funktion. Dient die Anzeigepflicht dazu, diese Entscheidung der Gläubiger über solche Maßnahmen zu ermöglichen (oben Rn. 349), so hat auch sie präventive Funktion.567) Diese erfüllt sie aber nur, wenn sie bereits im Vorfeld eines Nachteils ausgelöst wird. Aufgrund des Wortlautes und ihres Zweckes verlangt die Norm also vom Sach- 362 walter, zu prognostizieren, ob angesichts der aktuellen Sachlage in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Nachteil eintreten wird.568) Dies bemisst ex ante aus der Sicht eines besonnenen Sachwalters. Nur dies stellt den Haftungsmaßstab dar und auch nur, wenn danach ein Nachteil zu erwarten ist, verpflichtet die Norm den Sachwalter zur Anzeige. Dieser Umstand hat erhebliche praktische Bedeutung: Denn gerade im vor- 363 läufigen Eigenverwaltungsverfahren ist der Schuldner mit seinen insolvenzrechtlichen Pflichten oft noch nicht hinreichend vertraut und macht Fehler. Jeden dieser Fehler zum Anlass für eine Anzeige zu nehmen, hieße, das Verfahren mit hohen Kosten und ebensolchem Aufwand zu überfordern. Praktisch wird außerdem die Eigenverwaltung nach einer Nachteilsanzeige kaum mehr fortzusetzen sein. Stattdessen muss der Sachwalter prüfen, ob der ggf. bereits eingetretene Fehler 364 auch weitere, zukünftige erwarten lässt. Besondere Bedeutung besitzt hierbei die hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen künftigen Nachteilseintritt. Je bedeutsamer der mögliche Nachteil, desto geringere Anforderungen werden an den Grad der Wahrscheinlichkeit zu stellen sein. Bei der Beurteilung kann auch berücksichtigt werden, dass Gefahren auf andere Weise abgewendet werden können.569) So steht dem Sachwalter selbst etwa im Bereich der Liquidität mit der Übernahme der Kassenführung nach § 275 Abs. 2 InsO (unten Rn. 381 ff.) ein Mittel zur Verfügung, künftig diesbezügliche Fehler auszuschließen. Insbesondere eine auf Verhaltensänderung hinwirkende Beratung des Schuldners (unten Rn. 480 ff.) ist praktisch oft geeignet, die Prognose zugunsten der Gläubiger ausschlagen zu lassen und damit eine Anzeigepflicht abzuwenden.

___________ 567) Überwiegend wird die Norm indes als Berichtspflicht über „Unregelmäßigkeiten bei der Eigenverwaltung“ verstanden, vgl. nur Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 80 m. w. N.; ders., in: Pape/Graeber, Verwalterhaftung, Teil 5 Rn. 7. Dies wird aber dem dargestellten Wortlaut und Zweck nicht gerecht. 568) Ähnlich Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 274 Rn. 17; Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 912; zutreffend redet auch Flöther, ZInsO 2014, 465, 467 von „Gefahr der Gläubigerbenachteiligung“ (Hervorhebung von Verf.). 569) A. A. Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 924.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

Beispiel: Hat der Schuldner seine Informationspflichten geringfügig verletzt und ist nach Ansprache gewillt, sie fortan ordnungsgemäß zu erfüllen, wird kein künftiger Nachteil zu erwarten sein. Ebenso, wenn Buchführungsmängel aus der Zeit bis zur Eigenverwaltung oder auch Mängel in der Folgezeit vorliegen, welche der Schuldner zu korrigieren in der Lage und nach Ansprache auch bereit ist. Liegt indes eine schwerwiegende Verletzung von Mitwirkungspflichten vor, welche auf grundlegend fehlende Bereitschaft zur pflichtgemäßen Handlung schließen lässt, ist ein künftiger Nachteil zu erwarten. Ebenso werden sonstige schwer wiegende Verletzungen von schuldnerischen Pflichten in der Regel einen künftigen Nachteil indizieren und damit die Anzeigepflicht auslösen. Praxistipp: Praktisch liegt eine besondere Bedeutung der Nachteilsanzeige darin, dass sie dem Sachwalter ein Druckmittel gegen den Schuldner an die Hand gibt.570) Gibt der Sachwalter diesem gegenüber an, dass nach seiner Auffassung ein bestimmtes Verhalten zu einem Nachteil führen würde und er dies anzeigen müsse, wird der Schuldner häufig gewillt sein, das Verhalten zu ändern. Insofern ersetzt die Nachteilsanzeige in Maßen die fehlende Weisungsbefugnis (oben Rn. 337).

(d) Erfüllung der Anzeigepflicht 365 Ist der Sachwalter nach dem Gesagten zur Anzeige verpflichtet, hat er dieser Pflicht unverzüglich – also gem. § 121 Abs. 1 S. 1 BGB ohne schuldhaftes Zögern571) – nachzukommen. Eine besondere Form sieht die Norm nicht vor. Es empfiehlt sich aber aus praktischen Gründen und wegen der Beweisbarkeit eine schriftliche Anzeige; in besonderen Eilfällen kann sich aber auch eine vorherige fernmündliche Anzeige anbieten.572) 366 Ein Ermessen, ob der (vorläufige) Sachwalter anzeigt oder stattdessen auf den Schuldner einwirkt, besteht für den Sachwalter angesichts des klaren Wortlautes nicht; es obliegt den Gläubigern, autonom über den Umgang mit der Anzeige und damit über weitere Maßnahmen zu entscheiden.573) Nach dem hiesigen Verständnis kann aber bei einer Einwirkung auf den Schuldner oder der Übernahme der Kassenführung bereits das Erwarten-Lassen eines Nachteils (oben Rn. 364) – und damit schon die Anzeigepflicht – entfallen. 367 Ob dies so ist, kann nur im Einzelfall geklärt werden. Der Sachwalter hat also schon im Rahmen seiner Prognose zu ermitteln, ob eine Ansprache, Beratung (unten Rn. 480 ff.) oder sonstige Maßnahme, die er schnell und wirksam treffen kann, ausreicht, um künftige Fehler zu verhindern. Ist die Sachlage insofern ___________ 570) 571) 572) 573)

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Flöther, ZInsO 2014, 465, 467; Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 70. Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 82; Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 62. Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 72. Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 274 Rn. 13; Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 911; Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 63 f.

III. Der Sachwalter

unklar oder der Schuldner nicht kooperativ, empfiehlt es sich angesichts der Bedeutung der Gläubigerinteressen für das Verfahren, sowie schon aus Haftungsvermeidungsgründen, die Anzeige im Zweifel vorzunehmen. Insofern können dann die Gläubiger entscheiden, ob sie die dort benannten Umstände zur Grundlage von Maßnahmen machen wollen. Praxistipp: Leichtfertig sollte der (vorläufige) Sachwalter die Anzeige gleichwohl nicht einsetzen. Im Detail kann es nämlich schwierig sein, zu beurteilen, ob eine Nachteilsanzeige geboten ist. In diesen Fällen sind die Auswirkungen drastisch: Erfolgt eine Nachteilsanzeige, wird dadurch die Eigenverwaltung praktisch regelmäßig beendet. Der Schuldner wird ihn dann, einer Dolchstoßlegende gleich, für das Scheitern der Sanierung verantwortlich machen. Zeigt der (vorläufige) Sachwalter die Nachteilsgefahr hingegen in solchen Fällen nicht oder zu spät an, wird ihm ein hierdurch etwaig entstehender Schaden durch die Gläubiger zu Last gelegt werden (unten Rn. 541). Ein Mittelweg kann deswegen in schwierigen, nicht eindeutigen Fällen eine detaillierte (Zwischen-)Berichterstattung an das Gericht und die Gläubiger sein (unten Rn. 379 f.). So kann der Sachwalter darlegen, welche Vermögensabflüsse oder sonstige Veränderungen stattfinden und auf etwaige Prognoseschwierigkeiten hinweisen. Welche Auswirkungen dies auf seine Haftung hat, ist zwar bisher nicht gerichtlich entschieden. Es spricht aber Einiges dafür, dass so jedenfalls ein erhebliches Mitverschulden der Gläubiger begründet werden kann, wenn sie auf diese Mitteilungen hin nicht selbst handeln.

Die Anzeige sollte inhaltlich574) die Entscheidung der Gläubiger vorbereiten. 368 Zu diesem Zweck empfiehlt es sich, den Sachverhalt klar und in sich verständlich – gegebenenfalls unter Beifügung verständnisnotwendiger Dokumente – darzustellen. Der Sachwalter sollte weiterhin seine Prognose darlegen und begründen. Der Adressat der Anzeige ist in jedem Falle das Insolvenzgericht gem. § 274 369 Abs. 3 S. 1 InsO. Darüber hinaus sind zusätzlich zu informieren: x

Im Eröffnungsverfahren der vorläufige Gläubigerausschuss oder, soweit ein solcher nicht bestellt ist, analog § 274 Abs. 3 S. 2 InsO alle bekannten Gläubiger.575)

x

Im eröffneten Verfahren der Gläubigerausschuss oder, soweit ein solcher nicht bestellt ist, gem. § 274 Abs. 3 S. 2 InsO die Insolvenzgläubiger, die ihre Forderungen angemeldet haben, sowie die absonderungsberechtigten Gläubiger.

___________ 574) Dazu insgesamt: Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rn. 84. 575) Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ringstmeier, FAK-InsO, § 270a Rn. 9; Flöther, ZInsO 2014, 465, 467; Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rn. 83; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270a Rn. 30; Kern, MüKo-InsO, § 270a Rn. 39 und § 274 Rn. 67 f.; Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 274 Rn. 19.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

370 Ist kein Gläubigerausschuss bestellt, kann die praktische Umsetzung der Anzeigepflicht den Sachwalter vor große Schwierigkeiten stellen: Einerseits melden gut gesicherte Gläubiger ihre Forderungen häufig erst spät an, so dass sie praktisch meist aus der zu informierenden Gruppe herausfallen.576) Andererseits kann die Gruppe insbesondere in Großverfahren so unüberschaubar sein, dass eine vollständige und nachweisbare Information durch Einschreiben mit Rückschein577) immensen zeitlichen Aufwand und hohe Kosten produzieren würde. Sie kann im Einzelfall dazu führen, dass bis zur vollständigen Information die Gefahr des Schadens sich bereits realisiert hat und so der Zweck der Anzeigepflicht unterlaufen würde.578) 371 Der Sachwalter hat daher im Einzelfall zu prüfen, ob eine Einzelinformation angesichts des aktuellen Verfahrensstandes im eröffneten Verfahren wie auch im Eröffnungsverfahren nach seiner Einschätzung sinnvoll ist.579) Ist dies nicht der Fall, darf er anstelle derselben eine öffentliche Bekanntmachung analog § 277 Abs. 3 InsO vornehmen bzw. eine solche über das Gericht veranlassen.580) 372 Sie tritt dann an die Stelle der Einzelinformation und ist nicht zusätzlich erforderlich:581) Denn soweit § 274 Abs. 3 InsO den Sachwalter lediglich zur Anzeige verpflichtet, aber nicht die Art und Weise derselben regelt, ist der Sachwalter nicht zu einer bestimmten Art der Informationsübermittlung verpflichtet. Er erfüllt die Pflicht daher auch durch öffentliche Bekanntmachung. Folglich unterliegt er auch keiner Haftung, wenn tatsächlich die Einzelinformation statt einer öffentlichen Bekanntmachung sinnvoller gewesen wäre. (5) Anzeige bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit 373 Wie auch der Schuldner, so ist ebenfalls der Sachwalter im Schutzschirmverfahren gem. § 270b Abs. 4 S. 2 InsO zur Anzeige einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit gegenüber dem Gericht verpflichtet. Die Norm statuiert für beide Subjekte identische Pflichten, so dass auf die obigen Ausführungen (Rn. 221) verwiesen wird.

___________ 576) Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 274 Rn. 19. 577) Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 73. 578) Braun/Riggert, InsO, § 274 Rn. 14; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 274 Rn. 17; Wimmer/ Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 66. 579) Zu Recht darauf hinweisend, dass eine öffentliche Bekanntmachung nicht stets an die Stelle der Einzelinformation treten kann, Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKoInsR, § 274 Rn. 18. 580) Vgl. nur Braun/Riggert, InsO, § 274 Rn. 14; Graf-Schlicker/dies., InsO, § 274 Rn. 7; Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 274 Rn. 15; Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 67; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 274 Rn. 17; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 73; a. A. Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 928 ff. 581) So aber Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rn. 83 f.; wie hier die herrschende Meinung vgl. aber vorige Fußnote.

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III. Der Sachwalter

Eine über das Schutzschirmverfahren hinausgehende Verpflichtung enthält 374 die Regelung nicht. Dies ergibt sich aus ihrer systematischen Stellung und dem ursprünglichen konzeptionellen Zusammenhang mit den Aufhebungsgründen (oben Rn. 221). Dient die Norm nach ihrem Schutzzweck dazu, das Gericht zu informieren, ist dieser erfüllt, sobald entweder der Schuldner oder der Sachwalter die Anzeige vorgenommen haben. Sie sind insofern Gesamtschuldner, so dass die Anzeigepflicht bei Erfüllung durch einen von beiden in der Person des anderen erlischt. Praxistipp: In der Praxis ist die Anzeige sehr häufig bereits unmittelbar nach Bestellung des vorläufigen Sachwalters erforderlich. Dies begründet sich daraus, dass die Banken und sonstigen Geschäftspartner mit Kenntniserlangung von der Bestellung Kredite kündigen und fällig stellen,582) was regelmäßig den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bedeutet.

(6) Stellungnahme und (Zwischen-)Berichterstattung (a) Stellungnahme zum Schuldnerbericht Neben den Regelungen über die Prüfberichte hinaus ist der Sachwalter gem. 375 § 281 Abs. 2 S. 2 InsO verpflichtet, zum Bericht des Schuldners im Berichtstermin Stellung zu nehmen. Zu diesem Zweck hat er am Termin teilzunehmen,583) was sich auch im Übrigen praktisch empfiehlt. Hierzu ist der Sachwalter gem. §§ 270 Abs. 1 S. 2, 74 Abs. 1 S. 2 InsO bei jedem Termin vor dem Insolvenzgericht berechtigt.584) Hat der Schuldner insofern seine wirtschaftliche Lage darzustellen und Sanie- 376 rungschancen nebst Quotenerwartung zu erörtern (oben Rn. 217), spricht dies dafür, dass der Sachwalter zu einer umfassenden Kontrolle dieser Angaben verpflichtet ist. Denn nach der gesetzlichen Konzeption muss er diese Informationen ohnehin kennen (oben Rn. 320 ff.). Da darüber hinaus der Bericht dazu dient, die Entscheidung der Gläubiger gem. § 157 InsO vorzubereiten, müssen sich diese auf eine zutreffende Darstellung der Tatsachengrundlage verlassen können. Eben hierzu dient die Stellungnahme. Praktisch muss der Sachwalter also auch hier mit derjenigen Kenntnis auftreten, die der eines Insolvenzverwalters im Regelverfahren entspricht. (b) Sonstige Berichterstattung Mag auch die Kenntnis des Sachwalters dem des Insolvenzverwalters entspre- 377 chen, so stehen seine Berichtspflichten hinter denen im Regelinsolvenzverfahren zurück. Dies zeigt sich praktisch etwa an den Zwischenrechnungen, ___________ 582) Specovious, in: Kübler, HRI, § 13 Rn. 27. 583) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 281 Rn. 5; Kern, MüKo-InsO, § 281 Rn. 25. 584) Ausführlich Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 838 f.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

die vom Verwalter gem. § 66 Abs. 3 InsO im Regelverfahren verlangt werden können. Der ausdrückliche Verweis in den §§ 274 Abs. 1, 281 Abs. 3 S. 1 InsO regelt, dass diese Pflicht in der Eigenverwaltung nur den Schuldner trifft. 378 Der Sachwalter ist auch nicht verpflichtet, zu einer Zwischenrechnung Stellung zu nehmen. Dies zeigt der klare Wortlaut des § 281 Abs. 3 S. 2 InsO, der die Stellungnahme ausdrücklich nur für die Schlussrechnung vorsieht. Über die Wortlautgrenze hilft auch nicht eine Bezeichnung als Redaktionsversehen hinweg,585) da es sich im Übrigen auch aus den Materialien nicht ergibt. Daher stellt die Norm eine abschließende Spezialregelung dar, welche den gem. § 270 Abs. 1 S. 2 InsO sonst möglichen Rückgriff auf die allgemeinen Vorschriften ausschließt.586) 379 Aufgrund der Verweisung in § 274 Abs. 1 InsO unterliegt der Sachwalter jedoch der Aufsicht durch das Insolvenzgericht. Dieses kann von ihm gem. § 58 Abs. 1 S. 2 InsO jederzeit Auskünfte und Berichte verlangen (oben Rn. 111 ff.). 380 Darüber hinaus ist der Sachwalter gem. § 79 InsO verpflichtet, der Gläubigerversammlung auf Anforderung Auskünfte und Berichte zu übermitteln (oben Rn. 119 ff.). Eine vergleichbare Pflicht besteht gem. § 69 InsO auch gegenüber dem (vorläufigen) Gläubigerausschuss (oben Rn. 122 ff.). (7) Übernahme der Kassenführung (a) Entscheidung zur Übernahme 381 Die Kassenführung folgt nach der Grundkonzeption des Gesetzes der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis und liegt damit beim Schuldner. Der Sachwalter ist gem. § 275 Abs. 2 InsO jedoch befugt, diese Aufteilung durch einseitige Anordnung als empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber dem Schuldner zu ändern; einer gerichtlichen Beteiligung oder einer solchen der Gläubiger bedarf es dafür nicht.587) Wegen des Verweises in §§ 270a Abs. 1 S. 2, 270b Abs. 2 S. 1 InsO auf § 275 InsO besteht diese Möglichkeit für den Sachwalter sowohl im eröffneten Verfahren als auch in der vorläufigen Eigenverwaltung bzw. im Schutzschirmverfahren. 382 Die Entscheidung über die Übernahme der Kassenführung hat der Sachwalter nach Ermessen zu treffen. Weil der Sachwalter diese Entscheidung mangels gesetzlicher Anordnung nicht zu begründen hat,588) ist jedoch eine Kontrolle der rechtmäßigen Ermessensausübung allenfalls inzidenter im Haftungsprozess (unten Rn. 541) denkbar. ___________ 585) Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 281 Rn. 31. 586) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 281 Rn. 6; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 281 Rn. 4; Kern, MüKo-InsO, § 281 Rn. 33; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 281 Rn. 13. 587) Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 275 Rn. 5; Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 17, 21; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 20. 588) Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ringstmeier, FAK-InsO, § 275 Rn. 7; Kübler/Prütting/ Bork/Pape, § 275 Rn. 24; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 275 Rn. 7.

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III. Der Sachwalter

Für die Ermessensausübung gibt Abs. 2 der Norm selbst Entscheidungsmaß- 383 stäbe vor. Er steht im systematischen Kontext zu Abs. 1 und deutet damit darauf hin, dass die Kassenführung dazu dient, die Masse gegen missbräuchliche Mittelverwendung durch den Schuldner zu sichern. Darin erschöpft sich ihr Sinn aber nicht. Weil sie allgemein Instrument der Masseverwaltung ist und damit im Kontext der Aufgaben des Sachwalters steht, wird man in ihr ein Instrument sehen können, die Fortführung der Eigenverwaltung zu ermöglichen und das Verfahren zwecks Wahrung der Gläubigerinteressen589) zu lenken. Hierfür muss freilich, um vom gesetzlichen Leitbild abzuweichen, ein Anlass bestehen.590) Für die Annahme eines solchen Anlasses haben sich in der Literatur folgende 384 – keineswegs abschließenden – Fallgruppen591) gebildet: x

Um allgemein Vertrauen der Gläubiger in eine ordnungsgemäße Liquiditätsverwaltung aufzubauen,592) wenn sie einer Kassenführung durch den Schuldner und damit auch einer Fortführung der Eigenverwaltung kritisch gegenüberstehen,

x

wenn Masseunzulänglichkeit droht,

x

wenn der Schuldner übermäßige Mittel zur Lebensführung gem. § 278 InsO zu entnehmen droht,

x

wenn der Schuldner bei Zahlungen seine insolvenzrechtlichen Pflichten zu missachten droht, also beispielsweise auf Altforderungen leistet; insbesondere als Maßnahme, um einen künftigen Nachteil für die Gläubiger auszuschließen (oben Rn. 364), sowie

x

wenn der Schuldner ohne Zustimmung des Sachwalters neue Kredite aufzunehmen droht, die insolvenzrechtlich pflichtwidrig wären.

Diskutiert wird auch, ob eine Ermessensreduktion eintreten kann, welche den 385 Sachwalter zur Übernahme der Kassenführung verpflichtet. In dem Kontext werden jedoch kaum Kriterien genannt, wann dies der Fall sein soll.593) Rechts___________ 589) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 24. 590) So schon die grundlegende Herleitung bei Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 967 ff.; A. A. Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rn. 65, der vom „Regelfall“ ausgeht. Das ist angesichts der Gesetzessystematik ersichtlich nicht zutreffend. 591) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 275 Rn. 5; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 25; Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 275 Rn. 7; Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 22; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 21. 592) Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ringstmeier, FAK-InsO, § 275 Rn. 7; Braun/Riggert, InsO, § 275 Rn. 14. Darauf hinweisend, dass aber im Einzelfall die Übernahme der Kassenführung auch Misstrauen gegenüber dem Schuldner zum Ausdruck bringen und damit die Außenwirkung schädigen kann, Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 275 Rn. 7. 593) So nehmen Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 22, Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 275 Rn. 7 und Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 21 das Vorliegen einer Ermessensreduktion schon bei bloßem Bestehen eines Anlasses an und greifen damit ersichtlich zu weit. Enger K. Schmidt/Undritz, InsO, § 275 Rn. 7: „erhebliche Anhaltspunkte für drohende Nachteile“ – gleichwohl bezieht auch dies keine alternativen Handlungsmöglichkeiten ein.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

konstruktiv ist eine Reduktion zwar denkbar. Entsprechende Überlegungen haben jedoch zu berücksichtigen, dass der Sachwalter Gefahren für die Gläubigerinteressen auch durch andere Maßnahmen wie etwa eine beratende Einwirkung (unten Rn. 480 ff.) und nicht zuletzt die Nachteilsanzeige gem. § 274 Abs. 3 InsO beseitigen kann. Auch ist nicht garantiert, dass die Kassenführung durch den Sachwalter eine Gefahr wirksam abwehrt (dazu noch unten Rn. 390 a. E.). Dass der Sachwalter vor diesem Hintergrund zur Übernahme der Kassenführung durch Ermessensreduktion verpflichtet sein kann, scheint deswegen eher zweifelhaft. (b) Wirkung der Übernahme (Sachwalter) 386 Übernimmt der Sachwalter die Kassenführung, so handelt er als weisungsunabhängiger594) gesetzlicher Vertreter des Schuldners.595) Den Umfang seiner Vertretungsmacht bestimmt § 275 Abs. 2 InsO: Damit ist der Sachwalter zur Entgegennahme und zur Leistung von Zahlungen befugt, soweit sie die Masse und nicht bloß die Lebensführung des Schuldners (§ 278 InsO)596) betreffen. 387 Insofern obliegt ihm auch die zugehörige Kontoführung. Die notwendige Befugnis kann gegenüber der Bank durch die Bestellungsurkunde nachgewiesen werden,597) allerdings kann der Sachwalter Zahlungen auch über ein Sonderkonto führen.598) Nach dem Zweck der Regelung muss die Vertretungsmacht auch die insofern notwendigen Hilfsmaßnahmen umfassen, wie das Aussprechen von Zahlungserinnerungen und Mahnungen.599) Ebenso fallen darunter das Ausstellen und Entgegennehmen von Quittungen und Schuldscheinen.600) Schließlich umfasst die Vertretungsmacht auch die Begründung der notwendig mit der Kassenführung verbundenen Verbindlichkeiten, also etwa das Handdarlehen, das durch Abhebung vom Konto im Rahmen der geduldeten Überziehung abgeschlossen wird.601) 388 Hingegen ist der Sachwalter nicht befugt, über die der Kassenführung unterfallenden Forderungen zu verfügen. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut und daraus, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis weiter beim Schuldner liegt. Der Sachwalter kann also Forderungen nicht erlassen oder mit ihnen aufrechnen.602) ___________ 594) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 26; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 275 Rn. 8; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 26. 595) Statt aller vgl. nur Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 275 Rn. 7 m. w. N. 596) Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 28 f. 597) Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 23, 25. 598) Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 275 Rn. 8. 599) Allgemeine Meinung, vgl. nur Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 25; Wimmer/Foltis, FKInsO, § 275 Rn. 32. 600) Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 275 Rn. 8; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 32. 601) Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 31. 602) Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 275 Rn. 7; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 27.

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III. Der Sachwalter

Ebenso ist ihm die gerichtliche Geltendmachung verwehrt.603) Bereits der 389 Wortlaut der Vorschrift enthält – anders als § 280 InsO – keine Übertragung der Prozessführungsbefugnis. Das ist historisch gesehen stimmig: Schon die Vorläuferregelung des § 57 Abs. 2 VerglO, an die der Gesetzgeber mit § 275 Abs. 2 InsO ausdrücklich angeknüpft hat,604) gab dem kassenführenden Vergleichsverwalter keine Prozessführungsbefugnis.605) Schließlich ist der Sachwalter verpflichtet, die bei der Kassenführung anfal- 390 lenden Unterlagen dem Schuldner zur Verfügung zu stellen. Denn auch wenn der Sachwalter die Führung übernommen hat, liegt die Pflicht zur Rechnungslegung gem. § 281 Abs. 3 InsO weiter beim Schuldner.606) Praxistipp: Hat der Sachwalter die Kassenführung übernommen, ist er insofern auch verpflichtet, vom Schuldner begründete neue Masseverbindlichkeiten bei Fälligkeit aus der Masse zu erfüllen.607) Die Kassenführung alleine genügt also häufig nicht, um Fehlverhalten des Schuldners wirksam auszuschließen. In diesem Fall ist dann eine Kombination mit Zustimmungsvorbehalten gem. § 277 InsO erforderlich (unten Rn. 427 ff.).

(c) Wirkung der Übernahme (Schuldner) Für den Schuldner ändert sich an seiner Rechtsmacht mit der Übernahme 391 der Kassenführung durch den Sachwalter nichts. Er bleibt verwaltungs- und verfügungsbefugt und kann im Außenverhältnis damit weiterhin Verbindlichkeiten begründen und Zahlungen leisten sowie mit Tilgungswirkung entgegennehmen.608) Anders stellt sich die Rechtslage im Innenverhältnis dar: Hier ergibt sich schon 392 aus dem Wortlaut der Norm, dass der Schuldner zur Entgegennahme von Zahlungen und zur Leistung nicht mehr berechtigt ist.609) Er ist vielmehr gem. § 97 Abs. 2, Abs. 3 S. 2 InsO verpflichtet, etwaig vorhandene oder entgegengenommene Zahlungen an den Sachwalter auszuhändigen und Drittschuldner über die Änderung der Kassenführung zu informieren.610) ___________ 603) Allgemeine Meinung, vgl. nur Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 275 Rn. 5; Kern, MüKoInsO, § 275 Rn. 25; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 275 Rn. 8. 604) BT-Drucks. 12/2443, S. 224. 605) Vgl. nur BGH KTS 1979, 180, 181; Bley/Mohrbutter, VglO, § 57 Anm. 37; BöhleStamschräder/Kilger, VglO, § 57 Anm. 3 c). 606) Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ringstmeier, FAK-InsO, § 275 Rn. 8. 607) Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 275 Rn. 8; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 29; die Leistungspflicht betrifft auch Verbindlichkeiten, die der Schuldner entgegen § 275 Abs. 1 InsO begründet hat, Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 737 ff. 608) Allgemeine Meinung, vgl. nur Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 275 Rn. 7; Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 26. 609) Vgl. nur Braun/Riggert, InsO, § 275 Rn. 11; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 23, 28. 610) Vgl., aber ohne Anknüpfung an § 97 InsO, Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 23.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

(d) Ausgestaltung der Kassenführung 393 Versteht man die Norm des § 275 Abs. 2 InsO wörtlich („alle … Zahlungen“), versagt eine solche Konstruktion bereits bei mittelgroßen Unternehmen: Die Koordination von Leistungen durch den Schuldner einerseits mit der Verwaltung der Geldmittel durch den Sachwalter andererseits birgt – insbesondere bei Unternehmen mit zahlreichen Bargeschäften611) wie im Einzelhandel – einen hohen administrativen Aufwand.612) 394 Selbst eine Konstruktion mit Zahlungslisten, die der Sachwalter prüft und zur Ausführung durch den Schuldner freigibt, kann sanierungshindernden Zeitverzug bedeuten.613) Besonders deutlich tritt diese Überlegung zutage, stellt man sich diese Art der Kassenführung durch den Sachwalter im Falle eines Großunternehmens vor. 395 Deswegen wurde in der Literatur das Modell der sog. „modifizierten Kassenführung“ entwickelt.614) Es geht von folgenden Regelungsbestandteilen aus:615) x

Zahlungseingänge nimmt bei Barzahlung der Schuldner entgegen, bei sonstiger Zahlung der Sachwalter mithilfe eines Sonderkontos.

x

Zahlungen leistet bis zu einem bestimmten täglichen oder wöchentlichen Volumen der Schuldner. Erst wenn dieses überschritten wird, ist der Sachwalter hierfür zuständig.

x

Der Sachwalter stattet den Schuldner mit hinreichender Liquidität aus, um die entsprechenden Zahlungen im Tagesgeschäft vornehmen zu können. Er bespricht die dabei zu beachtenden insolvenzrechtlichen Wertungen mit diesem und kontrolliert das Zahlungsverhalten des Schuldners.

396 Dieses Modell verdient Zustimmung. Nicht nur erweist es sich als praktikable Lösung, sondern ist auch mit der Regelung des § 275 Abs. 2 InsO in Einklang zu bringen. Versteht man nämlich das Ermessen in der Norm nicht nur dergestalt, dass es dem Sachwalter die Entscheidung über das „Ob“ der Übernahme eröffnet, sondern auch das „Wie“ freistellt, sind derartige Konstruktionen ohne weiteres denkbar. Das entspricht dem Normzweck, weil die Kassenführung grundsätzlich dem Schuldner obliegt; diese muss nur beschränkt werden, soweit dies zur Wahrung von Gläubigerinteressen erforderlich ist und sie muss erhalten bleiben, soweit dies zur sinnvollen Betriebsfortführung notwendig ist. Bei diesem Verständnis hat der Verweis auf „alle Gelder [und] Zahlungen“ ___________ Hofmann, Eigenverwaltung, 1. Aufl., Rn. 257. Flöther, ZInsO 2014, 465, 468; Hofmann, in: Kübler, HRI, 1. Aufl., § 6 Rn. 62. Hofmann, in: Kübler, HRI, 1. Aufl., § 6 Rn. 62. Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rn. 72 ff.; ders., Eigenverwaltung, Rn. 262 ff.; dem folgend Flöther, ZInsO 2014, 465, 468. 615) Zusammenfassung des Vorschlages von Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rn. 73 ff.; ders., Eigenverwaltung, Rn. 263 ff.

611) 612) 613) 614)

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III. Der Sachwalter

nur die Funktion einer Ermessensgrenze, um die maximal mögliche Übernahme zu verdeutlichen. Daher ist die sog. „modifizierte Kassenführung“ rechtsdogmatisch nichts wei- 397 ter als eine Nutzung des von der Norm gewährten Ermessens. Sie stellt keine Modifikation dar, sondern liegt in der Spannbreite dessen, was die Norm erlaubt. Konsequenterweise sind daher auch über das genannte Modell hinausgehende weitere Einschränkungen der Kassenführung anstelle einer gänzlichen Übernahme möglich. Beispielhaft sei genannt die Übernahme der Kassenführung lediglich: x

hinsichtlich bestimmter Betriebsteile bzw. Geschäftszweige,

x

hinsichtlich bestimmter Rechtsverhältnisse, die beispielsweise wegen besonderer persönlicher Nähe zum Schuldner eine besondere Gefahr der Gläubigerungleichbehandlung bergen.

b) Mitwirkungsaufgaben Neben Aufsichtsaufgaben, welche der Kontrolle und gegebenenfalls Korrek- 398 tur schuldnerischen Verhaltens dienen, hat der Sachwalter eine Reihe von Mitwirkungsaufgaben. Diese betreffen Bereiche, in denen der Sachwalter für das Verfahren Steuerungsfunktion, also mehr als bloße Aufsicht hat. Sie unterscheiden sich von den Aufsichtsaufgaben dadurch, dass der Sachwalter 399 den Fortgang des Verfahrens auf Ebene der Einzelentscheidung direkt beeinflussen kann. Steht ihm hierfür im Rahmen der Aufsicht regelmäßig nur die Mitteilung an andere wie das Gericht oder Gläubigerorgane zur Verfügung, so hat er an Mitwirkungsaufgaben konkrete Zustimmungs- und Widerspruchsrechte, mithilfe derer er in unterschiedlicher Intensität steuernd eingreifen kann. aa) Zustimmungs- und Widerspruchsrechte (1) Gewöhnlicher Geschäftsbetrieb Mithilfe von § 275 Abs. 1 InsO kann der Sachwalter an der Geschäftsführung 400 des Schuldners inhaltlich mitwirken.616) Diese Möglichkeit steht ihm in jeder Phase des Eigenverwaltungsverfahrens offen, also auch im Eröffnungsverfahren. Die diesbezüglichen Rechte des Sachwalters bemessen sich danach, ob der Schuldner Verbindlichkeiten eingehen möchte, die zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören oder nicht. Im ersteren Falle kann der Sachwalter widersprechen (S. 2), im letzteren Falle sollen sie nur mit seiner Zustimmung (S. 1) begründet werden. Zentral für die Befugnisse des Sachwalters ist damit die ___________ 616) Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 275 Rn. 1; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 1; Specovious, in: Kübler, HRI, § 13 Rn. 20, 60.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

Frage, wann das Eingehen von Verbindlichkeiten nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehört. (a) Eingehen einer Verbindlichkeit 401 Schon der Begriff des Eingehens der Verbindlichkeit ist klärungsbedürftig. Der Wortlaut kann einerseits so verstanden werden, dass ihm jede Verbindlichkeit unterfällt617) und andererseits so, dass solche herausfallen, die im Moment ihres Eingehens durch Erfüllung bereits wieder erloschen sind (sog. Bar- oder Handgeschäfte).618) Auf Letzteres deutet die Historie des § 275 InsO hin, denn dies entsprach bereits der Auffassung zur Vorläuferregelung des § 57 VglO,619) an welche der Gesetzgeber ausdrücklich anknüpfen wollte.620) 402 Das ist auch richtig. Denn bei Bargeschäften nach dem Vorliegen einer juristischen Sekunde zu differenzieren, in welcher die Verbindlichkeit besteht,621) überzeugt nicht: Angebote auf Übereignung und schuldrechtlichen Vertragsschluss werden bei Bargeschäften regelmäßig gleichzeitig angenommen, so dass eine solche Sekunde nicht existiert.622) Auch macht es vom Schutzzweck der Norm her keinen Unterschied, ob ein Bargeschäft direkt oder über mehrere Sekunden hinweg abgewickelt wird,623) weil beispielsweise noch zusätzliches Geld für die Kasse geholt werden muss: In jedem Fall ist die Gefahr für die Masse vernachlässigbar, soweit die Leistung durch unmittelbare, gleichwertige Gegenleistung im Handgeschäft aufgewogen wird. Das zeigt sich auch darin, dass solche Geschäfte gem. § 142 InsO nicht der Anfechtung unterliegen. Ein Bar- bzw. Handgeschäft in diesem Sinne unterfällt also nicht § 275 Abs. 1 InsO. 403 Damit erfasst die Norm auch keine Fälle, in denen der Schuldner lediglich Ansprüche erwirbt, aber keinen Verbindlichkeiten ausgesetzt ist. Dies ist etwa beim Handdarlehen der Fall, in dem der Schuldner als Darlehensgeber seine Pflicht bereits im Moment des Vertragsschlusses erfüllt.624) 404 Die Art der Verbindlichkeit spielt indes für die Norm schon angesichts des offenen Wortlautes keine Rolle. Sie erfasst damit nicht nur Geldleistungspflich___________ 617) So wohl Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 275 Rn. 2; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 275 Rn. 2; Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 7 f. 618) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 7; Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 275 Rn. 3; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 275 Rn. 2; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 9. 619) Vgl. nur Bley/Mohrbutter, VglO, § 57 Anm. 11; Böhle-Stamschräder/Kilger, VglO, § 57 Anm. 2). 620) BT-Drucks. 12/2443, S. 224. 621) Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 275 Rn. 2; Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 7. 622) So auch Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 7. 623) Anders aber Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 7, die den Schutzzweck weiter als Verhinderung eines unwirtschaftlichen Mittelabflusses verstehen. 624) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 8; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 275 Rn. 2; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 6.

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III. Der Sachwalter

ten, sondern auch eine Verpflichtung zur Sachleistung.625) Dies zeigt schon der Schutzzweck der Norm, weil Sachleistungspflichten ebenfalls Masseverbindlichkeiten sind und im Falle der Leistungsstörung jederzeit in Geldleistungspflichten umschlagen können.626) Aus dem Begriff des Eingehens ist schließlich zu folgern, dass gesetzlich be- 405 gründete Verbindlichkeiten der Norm nicht unterfallen.627) Die Norm setzt daher das bewusste, rechtsgeschäftliche Handeln des Schuldners voraus. Weder sind mithin Ansprüche gegen ihn aus deliktischem Handeln durch § 275 InsO erfasst, noch solche, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften qua Gesetz entstehen. Beispielsweise sind also Verbindlichkeiten aus Gewerbe- oder Steuerrechtsverhältnissen nicht widerspruchsfähig oder zustimmungspflichtig. (b) Gewöhnlichkeit für den Geschäftsbetrieb Soweit die Norm nach der Gewöhnlichkeit für den Geschäftsbetrieb differen- 406 ziert, zeigt sie zugleich, dass Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit der persönlichen Lebensführung des Schuldners nicht der Regelung unterfallen: Diesbezüglich sind die §§ 274 Abs. 2, 3, 278 InsO Spezialvorschrift.628) Ebenso unterliegen der Norm wegen des einschränkenden Wortlautes nicht 407 diejenigen Geschäfte, die allgemein der Masseverwaltung bzw. Liquidation dienen.629) Soweit § 275 Abs. 1 InsO nämlich an den Geschäftsbetrieb anknüpft, setzt die Regelung voraus, dass ein solcher noch besteht. Mithin ist sie nur insofern einschlägig, als es um Rechtshandlungen des Schuldners im Rahmen seiner Betriebsfortführung geht.630) Innerhalb der Betriebsfortführung, insofern herrscht weitgehend631) Einigkeit, 408 gilt ein Geschäft dann als gewöhnlich, wenn es sich im Rahmen der Art und des Umfanges der bisherigen Geschäfte des Schuldners hält.632) So ist jeden___________ 625) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 275 Rn. 2; Flöther, ZInsO 2014, 465, 469; Schmidt/ Fiebig, HmbKo-InsO, § 275 Rn. 3; Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 7; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 275 Rn. 2; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 9. 626) Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 7. 627) Vgl. nur Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 275 Rn. 3 und Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 8. 628) Vgl. nur Graf-Schlicker/dies., InsO, § 275 Rn. 4; Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 275 Rn. 2; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 6; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 10. 629) A. A. ohne Begründung Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 275 Rn. 4. 630) A. A. Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 734: Anpassung der Auslegung im Falle der Liquidation auf übliche Liquidationsgeschäfte. 631) Mit abweichender Begründung, jedoch im Ergebnis zumindest sehr ähnlich, Blersch/ Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 275 Rn. 7, die auf die Vorhersehbarkeit für Gläubiger abstellen. 632) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 275 Rn. 2; Graf-Schlicker/dies., InsO, § 275 Rn. 2; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 9; K. Schmidt/Undritz, InsO, § 275 Rn. 3; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 275 Rn. 3; Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 10; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 275 Rn. 3; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 11.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

falls das gewöhnlich, was im Tagesgeschäft der Erhaltung der Substanz des Unternehmens und der Erzielung von Gewinnen dient und regelmäßig vorkommt.633) Entscheidend sind also der Unternehmenszweck und seine bisherige Realisierung.634) Es ist auf den Schuldner als Äußeres abzustellen, was schon der Wortlaut mit dem Verweis auf den vom Schuldner geführten Geschäftsbetrieb nahe legt. Besondere gesellschaftsvertragliche Konstellationen sind daher außer Betracht zu lassen. Beispiel: Der Schuldner ist ein mittelgroßes Maschinenbau-Unternehmen und im Gesellschaftsvertrag ist bestimmt, dass über die Annahme von Aufträgen grundsätzlich die Geschäftsführung allein entscheide. Ab einem bestimmten Auftragsvolumen (Schwellenwert) ist jedoch eine Gesellschafterversammlung einzuberufen, welche diese Entscheidung anstelle der Geschäftsführung treffe. 409 Stellt man auf die bisherigen Vertragsschlüsse ab, die bisweilen den Schwellenwert überschritten, ist der Abschluss eines neuen Vertrages innerhalb der bisherigen Spannbreite gewöhnlich – unabhängig davon, ob er einen in der Satzung definierten Schwellenwert überschreitet. Das ist auch richtig. Man hat dies nicht etwa wegen der im Falle der Überschreitung fehlenden Autonomie des Geschäftsführungsorgans anders zu sehen: Andernfalls wäre zu klären wie weit eine solche Konzeption reicht, in welcher von der fehlenden Autonomie des Geschäftsführungsorgans auf die Ungewöhnlichkeit für den Betrieb zu schließen ist: Die Spannbreite kann immerhin von einer gänzlichen Ersetzung der Entscheidung durch die Gesellschafterversammlung wie im Beispielsfall hin zu einer bloßen Mitwirkungs- oder Veto-Regelung für Gruppen von Gesellschaftern oder sogar einen einzigen reichen. Die Grenze wäre kaum verlässlich zu ziehen. 410 Dass danach nur der gesamte, äußerlich erkennbare Betrieb entscheidet, ist sinnvoll. Denn die Gläubiger sind durch die Eigenverwaltung nicht schlechter zu stellen als im Regelinsolvenzverfahren. Sie können insofern aber nur das erwarten, was aus ihrer – externen, also äußerlichen – Sicht üblich ist. Wann immer von dieser so begründeten Erwartung abgewichen wird, bedarf es zur Wahrung ihrer Interessen einer stärkeren Kontrolle durch den Sachwalter (Zustimmungsvorbehalt statt bloßer Widerspruchsmöglichkeit).635) 411 Aus der Anknüpfung an den bisherigen Betriebsumfang und den Interessenschutz der Gläubiger erschließt sich auch, warum die Beurteilung der Gewöhnlichkeit Einzelfallfrage sein muss. Gleichwohl haben sich in der Literatur

___________ 633) Braun/Riggert, InsO, § 275 Rn. 4; Graf-Schlicker/dies., InsO, § 275 Rn. 2; Kübler/ Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 9. 634) Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 10. 635) Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 275 Rn. 7.

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III. Der Sachwalter

Fallgruppen entwickelt, die wegen der pauschalisierenden Betrachtung nicht unproblematisch sind. Ungewöhnlich sei demnach in der Regel:636) x

die Veräußerung oder Belastung von Grundstücken, was freilich im Falle eines Immobilienfonds als Schuldner anders ist,

x

die Aufnahme von Darlehen,

x

der Verzicht auf Forderungen,

x

die Anschaffung neuer Maschinen für eine Produktion und

x

die Neueinstellung von Arbeitnehmern, jedenfalls soweit dies eine größere Zahl neuer Arbeitnehmer betrifft. Praxistipp: Die praktischen Abgrenzungsschwierigkeiten können bereits im Vorfeld ausgeschaltet werden, wenn Sachwalter und Schuldner sich auf eine Positivliste von Handlungen einigen, die nach Auffassung beider dem gewöhnlichen Geschäftsbetrieb entsprechen. Ist sie – besonders anfangs – zu knapp gefasst, wird der Schuldner in sonstigen Fällen nachfragen und der Sachwalter die Liste dann im Einzelfalle ggf. erweitern. Dies ist der sicherste Weg. Es kann sich auch anbieten, eine solche Liste mit Wertgrenzen zu versehen,637) oberhalb derer eine Gewöhnlichkeit verneint wird.

(c) Widerspruch und Wirkung Gehört die Eingehung der neuen Verbindlichkeit zum gewöhnlichen Geschäfts- 412 betrieb des Schuldners, so kann der Sachwalter ihr widersprechen, § 275 Abs. 1 S. 2 InsO. Eine besondere Form ist für den Widerspruch nicht vorgesehen, er muss dem Schuldner aber nach dem Wortlaut der Norm vor dem jeweiligen Geschäft zur Kenntnis gelangen.638) Ein dem Schuldner erst danach bekannt gewordener Widerspruch führt nicht dazu, dass die Vornahme selbst pflichtwidrig war. Die Entscheidung über den Widerspruch hat der Sachwalter nach seinem Er- 413 messen zu treffen.639) Ihm obliegt insofern keine Zweckmäßigkeitskontrolle (oben Rn. 296 f.), sondern eine reine Rechtskontrolle: Er muss als Kontrollorgan den Schutz der Gläubigerinteressen sicherstellen. Ohne eine Gefährdung ihrer Interessen ist ein Widerspruch rechtswidrig.640) Umgekehrt ist er not___________ 636) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 228; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 11; K. Schmidt/Undritz, InsO, § 275 Rn. 3; Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 10: Wimmer/ Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 11; vgl. auch die beispielhafte Auflistung des AG Bonn, BeckRS 2018, 21355. 637) So der Vorschlag von Minuth, in: Kübler, HRI, § 12 Rn. 45; dem folgend auch Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 229. 638) Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 17. 639) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 12. 640) Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 16.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

wendig, wenn diese Interessen durch die Eingehung der Verpflichtung beeinträchtigt zu werden drohen.641) Dies kann beispielsweise642) der Fall sein, weil x

die vorhandene Insolvenzmasse zur Begleichung der neuen Verbindlichkeit nicht ausreicht,

x

eine Gläubigerbenachteiligung eintreten würde oder

x

der Leistung keine angemessene Gegenleistung gegenübersteht.

414 Der Widerspruch des Sachwalters wird nach der gesetzlichen Konzeption im Voraus erklärt. Daraus folgt die Möglichkeit, einen Widerspruch auch gegen mehrere Geschäfte oder Arten von Geschäften zu erheben.643) Da der Sachwalter die Entscheidung nach Ermessen zu treffen hat (oben Rn. 382), ist ihm ein pauschaler Widerspruch gegen alle Verpflichtungen verwehrt: Dies würde gegen § 270 Abs. 1 S. 1 InsO als Ermessensgrenze verstoßen, wonach der Schuldner seine grundsätzliche Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis gerade behält.644) 415 Praktisch stellt sich die Frage, wie der Sachwalter von widerspruchsfähigen Geschäften des Schuldners Kenntnis erlangt. Die Auffassung, er habe im Rahmen seiner Überwachung der Geschäftsführung sämtliche für den Widerspruch relevanten Informationen von sich aus zu ermitteln,645) kann nicht zutreffen. Sie wird dem Umstand nicht gerecht, dass der Schuldner gem. § 97 Abs. 2 InsO zur Unterstützung des Sachwalters (oben Rn. 329) bei der Entscheidung über den Widerspruch verpflichtet ist. 416 Vom Schuldner jedoch eine Vorab-Information über alle Einzelgeschäfte zu verlangen, hieße, ihn zu überfordern. Eine reibungslose Abwicklung der Geschäftsführung würde ihm damit erheblich erschwert.646) Der Sachwalter hat den Schuldner daher bei Beginn der Zusammenarbeit darüber zu informieren, welche Geschäfte der Schuldner ohne Vorab-Information durchführen darf und über welche Geschäfte er den Sachwalter zuvor informieren muss.647) Auf die Einhaltung dieser Aufteilung darf sich der Sachwalter in der Folge vor dem Hintergrund seiner Haftung verlassen, soweit er nicht bei seiner Überwachung der Geschäftsführung Unregelmäßigkeiten feststellt. ___________ 641) Vgl. nur Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 12; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 16 m. w. N. 642) Beispiele von Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 16. 643) Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 16. 644) Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 16. 645) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 275 Rn. 4; Braun/Riggert, InsO, § 275 Rn. 8; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 275 Rn. 5; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 15. 646) Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 13. 647) Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 275 Rn. 12; Kübler/Prütting/ Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 17 ff.; Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 275 Rn. 4 ff.; Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 13.

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III. Der Sachwalter

Macht der Sachwalter von der Widerspruchsmöglichkeit Gebrauch, ist der 417 Schuldner im Innenverhältnis verpflichtet, das Geschäft zu unterlassen. Im Außenverhältnis entfaltet ein Widerspruch selbst bei Kenntnis des Vertragspartners648) – vorbehaltlich einer Nichtigkeit wegen Kollusion oder insolvenzzweckwidriger Handlung gem. § 138 BGB649) – keine Wirkung.650) Dies zeigt sich an der „soll“-Formulierung der Norm. Der Schuldner kann die Verbindlichkeit daher wirksam auch gegen den erklärten Widerspruch eingehen. Er unterliegt keiner Beschränkung der Verpflichtungsfähigkeit, sondern nur der Verpflichtungsbefugnis.651) Als Sanktion für schuldnerisches Handeln gegen einen Widerspruch oder 418 ohne eine im Voraus vereinbarte (und damit gem. § 97 Abs. 2 InsO notwendige) Vorab-Information steht dem Sachwalter daher nur die Nachteils-Anzeige gem. § 274 Abs. 3 InsO (oben Rn. 349 ff.) zur Verfügung.652) Die Regelung des § 275 Abs. 1 S. 2 InsO stellt nämlich für den Schuldner trotz der „soll“-Formulierung die Pflicht auf, im Regelfall ein Handeln gegen den Widerspruch zu unterlassen (zu dieser Regelungstechnik oben Rn. 28). Soweit kein Ausnahmefall vorliegt, bedingt der durch den Verstoß indizierte Kontrollverlust regelmäßig einen Nachteil für die Gläubiger653) und kann – soweit dem nicht durch andere Maßnahmen entgegengewirkt werden kann (oben Rn. 364) – einen solchen auch künftig erwarten lassen. In dem sich an eine Anzeige anschließenden Verfahren um die Anordnung eines Zustimmungsvorbehaltes gem. § 277 InsO oder die Aufhebung der Eigenverwaltung gem. § 272 InsO kann sich der Schuldner dann gegenüber den Gläubigern für seine Entscheidung rechtfertigen.654) (d) Zustimmung und Wirkung Will der Schuldner eine Verbindlichkeit eingehen, die nicht zum gewöhnlichen 419 Geschäftsbetrieb gehört, soll er dies gem. § 275 Abs. 1 S. 1 InsO nur mit Zustimmung des Sachwalters tun. Dieser Zustimmungsvorbehalt stellt damit eine Verschärfung gegenüber der bloßen Widerspruchsbefugnis nach S. 2 der Norm dar. Denn von Handlungen außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes kann eine erhöhte Gefahr für die Gläubiger ausgehen, was eine intensivere Kontrolle notwendig macht. ___________ 648) Braun/Riggert, InsO, § 275 Rn. 6. 649) Dazu Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 23; K. Schmidt/Undritz, InsO, § 275 Rn. 6. 650) Allgemeine Meinung, vgl. nur Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 275 Rn. 5; Kübler/ Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 22 f.; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 18 – jew. m. w. N. 651) So plastisch schon Bley/Mohrbutter, VglO, § 57 Anm. 2. 652) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 275 Rn. 3; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 275 Rn. 8. 653) Vgl. nur K. Schmidt/Undritz, InsO, § 275 Rn. 6 m. w. N. 654) Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 275 Rn. 13.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

420 Wie auch der Widerspruch (oben Rn. 412), so ist die Zustimmung formfrei. Sie kann auch konkludent655) erteilt werden und ist bis zur Vornahme des Geschäftes frei widerruflich.656) Entgegen der Legaldefinition der §§ 183 f. BGB muss die Zustimmung gem. § 275 Abs. 1 S. 1 InsO aber eine vorherige sein (Einwilligung, § 183 BGB). Denn nach der Konzeption der Norm könnte – wie auch beim Widerspruch (oben Rn. 414) – eine nachträgliche Zustimmung (Genehmigung) den notwendigen Schutz der Gläubigerinteressen im Entscheidungsprozess nicht mehr gewährleisten.657) 421 Über ihre Erteilung der Zustimmung entscheidet der Sachwalter nach seinem Ermessen.658) Maßgeblich sind dieselben Ermessenserwägungen wie beim Widerspruch (oben Rn. 413). Auch insofern findet keine Zweckmäßigkeits-, sondern eine reine Rechtskontrolle der Wahrung der Gläubigerinteressen statt. 422 Sind diese Interessen bei Geschäften außerhalb des gewöhnlichen Betriebes besonders schutzwürdig, so erklärt sich daraus auch, warum eine pauschale Zustimmung zu allen Geschäften unzulässig ist.659) Gleichwohl muss der Sachwalter nicht jeden Einzelfall separat entscheiden.660) Denn soweit dies mit den Schutzinteressen der Gläubiger vereinbar ist, spricht nichts dagegen, dem Schuldner im Voraus eine Zustimmung zu einer präzise festgelegten Art von Geschäften mit einem bestimmten Volumen zu erteilen.661) 423 Schon aus dem Wortlaut des § 275 Abs. 1 S. 1 InsO folgt, dass der Schuldner, um eine Zustimmung des Sachwalters einzuholen, diesen über das geplante Geschäft zu unterrichten hat. Anders als beim Widerspruch (oben Rn. 415 f.) ist daher nicht umstritten, dass der Schuldner den Sachwalter vorab zu informieren hat.662) 424 Indes hat eine fehlende Zustimmung im Außenverhältnis dieselbe Wirkung wie ein erklärter Widerspruch (oben Rn. 417): Sie berührt die Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes des Schuldners nicht.663) Hiervon ausgenommen ist freilich die Sondervorschrift des § 279 S. 3 InsO, die für die Ausübung der Rech___________ 655) So wohl auch Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 275 Rn. 4. 656) Braun/Riggert, InsO, § 275 Rn. 5; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 14. 657) Vgl. nur Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 275 Rn. 3; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 275 Rn. 3; Kern, MüKo-InsO, § 275 Rn. 15. 658) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 13; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 275 Rn. 5; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 12. 659) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 16; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 275 Rn. 4; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 14. 660) So aber Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 275 Rn. 4; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 14. 661) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 16. 662) Vgl. nur Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 17 ff. und Wimmer/Foltis, FKInsO, § 275 Rn. 14. 663) Vgl. nur Kayser/Thole/Brünkmans, InsO, § 275 Rn. 5 f.; Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 275 Rn. 11.

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III. Der Sachwalter

te nach den §§ 120, 122 und 126 InsO die Zustimmung des Sachwalters ausdrücklich als Wirksamkeitsvoraussetzung aufstellt (oben Rn. 194). Im Innenverhältnis handelt der Schuldner pflichtwidrig, wenn er – ohne dass 425 ein Ausnahmefall (oben Rn. 418) vorliegt – entgegen oder ohne die Zustimmung des Sachwalters Geschäfte abschließt. Die Sanktionierung erfolgt wie bei Handlungen gegen den Widerspruch über eine Nachteilsanzeige (oben Rn. 349 ff.). Der Sachwalter kann sich folglich dazu entscheiden, bei nicht vorher eingeholter Zustimmung – aber nicht gläubigerschädlichem Geschäft – einen Nachteil nicht anzuzeigen, soweit künftig kein Absinken des Kontrollniveaus (oben Rn. 364) mehr zu befürchten ist. Rechtshandlungen außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes können, 426 müssen aber nicht von besonderer Bedeutung für das Insolvenzverfahren sein. Soweit sie es sind, ist die gem. § 276 InsO vorgesehene Beteiligung des (vorläufigen) Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung (oben Rn. 210 ff.) von der Zustimmungsentscheidung des Sachwalters unabhängig. Beide Kontrollorgane sind rechtlich selbständig und der Sachwalter ist an eine Entscheidung der Gläubigerversammlung nicht gebunden.664) Praxistipp: Auch wenn Sachwalter und Gläubiger rechtlich unabhängig agieren können, bietet sich dies praktisch nicht an. Der Sachwalter wird von den Gläubigern zu Recht (oben Rn. 223) als ihr Schutzorgan verstanden. Soweit er gegen sie handelt, stößt er auf Unverständnis. Bei Bestehen eines vorläufigen Gläubigerausschusses bietet es sich daher an, im Falle des § 276 InsO von sich aus eine inhaltliche Abstimmung vorzunehmen. Andernfalls darf der Sachwalter darauf vertrauen, dass sich die Gläubiger melden, soweit von ihrer Seite aus Abstimmungsbedarf besteht.

(2) Gerichtliche Anordnung Im Rahmen der Regelung des § 275 InsO wirken Widerspruchsrecht und Zu- 427 stimmungsvorbehalte lediglich im Innenverhältnis (oben Rn. 417, 424 f.). Dies entspricht dem Grundsatz, dass der Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis behält. Gleichwohl kann es im Einzelfall die Abwägung zwischen Schuldnerverwaltung und Wahrung der Gläubigerinteressen erforderlich machen, die Verfügungsbefugnis des Schuldners mit Wirkung auch gegenüber Dritten einzuschränken.665) Eben dies tut § 277 InsO, soweit er dem Sachwalter – was indes praktisch selten 428 vorkommt – einen gerichtlich angeordneten Zustimmungsvorbehalt gewährt. Diese Konstruktion hat eine Parallele im vorläufigen Regelinsolvenzverfahren: Auch dort kann gem. § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Var. 2 InsO dem Schuldner eine ___________ 664) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 15; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 275 Rn. 5. 665) Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 277 Rn. 1; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 277 Rn. 1.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

Verfügungsbeschränkung auferlegt werden bei gleichzeitiger Bestellung eines vorläufigen, schwachen Insolvenzverwalters.666) 429 Greift im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren daher § 277 InsO, fragt sich, ob dies auch im Eröffnungsverfahren der Fall ist. Direkt anwendbar ist die Norm nicht, weil § 277 Abs. 1 InsO die Gläubigerversammlung voraussetzt, die es in der vorläufigen Eigenverwaltung noch nicht gibt.667) Die §§ 270a Abs. 1 S. 2, 270b Abs. 2 S. 1 InsO verweisen auch nicht auf § 277 InsO. 430 Ob eine (ggf. analoge) Anwendung in Frage kommt, muss differenziert beantwortet werden: x

In der vorläufigen Eigenverwaltung gem. § 270a InsO fehlt es bereits an einer Regelungslücke:668) § 270a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO ordnet nämlich an, dass ein Zustimmungsvorbehalt lediglich nicht für alle Verfügungen des Schuldners angeordnet werden soll („soll“-Vorschrift669)). Daher bleibt es gem. § 270 Abs. 1 S. 2 InsO im Übrigen bei der Anwendung der allgemeinen Vorschriften.670) Eine Anordnung gem. § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO für bestimmte Geschäfte bleibt somit möglich.671) Eine Zustimmung ist dann auch Wirksamkeitsvoraussetzung im Außenverhältnis672) und erfüllt somit im Eröffnungsverfahren – grundsätzlich auf Verfügungen beschränkt,673) aber wegen der bloßen Regelbeispielsfunktion des § 21 Abs. 2 InsO auch im Sinne eines Verpflichtungsvorbehalts möglich674) – dieselbe Funktion wie die Kontrolle nach § 277 InsO im eröffneten Verfahren. Insofern gelten die nachfolgenden Ausführungen entsprechend.

x

Im Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO ist die Rechtslage wegen § 270b Abs. 2 S. 3 InsO anders: Die Norm zählt ausdrücklich die gem. § 21 Abs. 2 InsO möglichen Anordnungen auf und verweist in diesem Zusammenhang nicht auf § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO. Daher besteht auch keine Regelungslücke für eine Analogie, sondern eine abschließende Negativ-Regelung.675)

___________ 666) Darauf hinweisend Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 277 Rn. 2; Kern, MüKo-InsO, § 277 Rn. 1. 667) Obermüller, ZInsO 2011, 1809, 1815; Hofmann, NZI 2010, 798, 801 Fn. 25; Wimmer/ Foltis, FK-InsO, § 270a Rn. 19. 668) Anders Kern, MüKo-InsO, § 270a Rn. 47. 669) Dazu Kern, MüKo-InsO, § 270a Rn. 31. 670) So aber Schur, ZIP 2014, 757, 763. 671) AG Düsseldorf ZinsO 2014, 2389; AG Hamburg NZI 2018, 93; Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier/Ringstmeier, FAK-InsO, § 270a Rn. 7; Hofmann, NZI 2010, 798, 800; Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 270a Rn. 5; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270a Rn. 18; Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 270a Rn. 6; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 270a Rn. 19. 672) Vgl. schon den Wortlaut des § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO: „nur … wirksam“ und Schmidt/Schröder, HmbKo-InsO, § 21 Rn. 48 ff. 673) Braun/Böhm, InsO, § 21 Rn. 43; Graf-Schlicker/Voß, § 21 Abs. Rn. 12; ausführlich auch Kayser/Thole/Rüntz/Laroche, HK-InsO, § 21 Rn. 16 f. 674) Kayser/Thole/Rüntz/Laroche, HK-InsO, § 21 Rn. 19. 675) Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ringstmeier, FAK-InsO, § 270b Rn. 28; Kern, MüKoInsO, § 270b Rn. 99.

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III. Der Sachwalter

(a) Inhalt der Anordnung Voraussetzung für den Zustimmungsvorbehalt ist gem. § 277 Abs. 1 InsO 431 eine Anordnung des Insolvenzgerichtes. Diese bezieht sich auf bestimmte Rechtsgeschäfte. Dies können Verfügungen, Verpflichtungen und auch einseitige Rechtsgeschäfte wie Kündigungen sein.676) Sie müssen nach Art und Umfang konkret bezeichnet werden.677) Das ist nicht nur aus praktischen Gründen erforderlich, um dem Schuldner und Dritten Kenntnis der Befugnis und dem Sachwalter Kenntnis seiner Mitwirkungspflicht zu verschaffen. Auch aus Sicht der eingeschränkten schuldnerischen Grundrechte der Art. 12, 14 GG muss die Anordnung dem Bestimmtheitsgebot entsprechen. Die Gerichtspraxis hält sich nicht immer an dieses Erfordernis. So sind Be- 432 schränkungen hinsichtlich der Geschäfte, „die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören“,678) nicht unüblich, aber zu unbestimmt,679) während Anordnungen mit Angabe einer bestimmten Art und/oder Betragshöhe680) für alle Beteiligten klar verständlich sind. Auch ein Zustimmungsvorbehalt für alle Rechtshandlungen des Schuldners wurde schon angeordnet,681) was jedoch gegen den Wortlaut des § 277 Abs. 1 InsO („bestimmte Rechtsgeschäfte“) verstößt.682) Anordnungen werden gem. § 277 Abs. 1 InsO auf Antrag der Gläubigerver- 433 sammlung oder in Eilfällen683) gem. § 277 Abs. 2 InsO auf Antrag einzelner Gläubiger, nicht aber des Sachwalters,684) getroffen. Soweit dem eine Nachteilsanzeige des Sachwalters (oben Rn. 349 ff.) oder sonstige Kommunikation mit den Gläubigern vorausgegangen ist, sollte der Sachwalter im Rahmen seiner Möglichkeiten auf die Stellung eines hinreichend bestimmten Antrages hinwirken. Anzuhören ist er freilich im gerichtlichen Anordnungsverfahren nicht notwendig. Von vornherein versagt dieser Weg jedoch dort, wo das Gericht eine entspre- 434 chende Anordnung von Amts wegen trifft, was bisweilen im Eröffnungsbe___________ 676) Vgl. nur Braun/Riggert, InsO, § 277 Rn. 3. 677) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 277 Rn. 4; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 277 Rn. 2; Kern, MüKo-InsO, § 277 Rn. 27; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 277 Rn. 2; vgl. ausführlich zum Bestimmtheitsgebot Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 743 ff. 678) AG Duisburg ZInsO 2002, 1046, 1049. 679) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 277 Rn. 4 m. w. N.; Köchling, ZInsO 2003, 53, 54. 680) AG München, Beschl. v. 14.6.2002 – 1502 IN 879/02: „Verfügungen, die einen Betrag von 2 Mio. Euro übersteigen“, nicht veröffentlicht, zitiert nach Schmidt/Fiebig, HmbKoInsO, § 277 Rn. 5. 681) AG Hamburg, Beschl. v. 5.8.2009 – 67c IN 42/03, nicht veröffentlicht, zitiert nach Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 277 Rn. 6. 682) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 277 Rn. 4; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 277 Rn. 9; anders aber Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 277 Rn. 6: größtmögliche Klarheit gewahrt. 683) Dazu im Einzelnen Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 239 ff.; Kübler/Prütting/Bork/ Pape, InsO, § 277 Rn. 28 ff. 684) Vgl. nur Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 277 Rn. 12.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

schluss passiert.685) Ob dies nicht nur in der vorläufigen Eigenverwaltung, sondern auch im eröffneten Verfahren rechtmäßig möglich ist, ist umstritten,686) im hiesigen Kontext jedoch ohne Belang. Soweit eine solche Anordnung getroffen wurde, muss der Sachwalter sie entsprechend befolgen. 435 Der anordnende Beschluss unterliegt nämlich gem. § 6 InsO keinem Rechtsmittel.687) Soweit er nach Eröffnung vom Rechtspfleger erlassen wurde, kann er aber gem. § 11 Abs. 2 S. 1 RPflG mit der Erinnerung angegriffen werden.688) Mithilfe dieses Instrumentes können sowohl der durch Grundrechtseingriff beschwerte Schuldner, als auch der durch die Mehrung seines Pflichtenprogramms beschwerte Sachwalter auf eine hinreichend bestimmte Anordnung hinwirken. Praxistipp: Anregungen des Sachwalters treffen, weil er Kontrollorgan der Gläubiger ist, bei diesen häufig auf ein offenes Wort. Deswegen bleibt ihm auch die Möglichkeit, die Gläubigerversammlung analog § 277 Abs. 1 InsO als Actus Contrarius zur Aufhebung der bestehenden689) und Beantragung einer neuen, hinreichend klar gefassten Anordnung zu bewegen.

436 Der Beschluss, in dem die Anordnung getroffen wird, ist regelmäßig mit Datum und Uhrzeit versehen; dies dient dazu, präzise zu bestimmen, ob ein Geschäft zustimmungsbedürftig ist oder nicht.690) Der Beschluss ist ferner gem. § 277 Abs. 3 InsO öffentlich bekanntzumachen und in die einschlägigen Register einzutragen. Darüber hinaus sollte er dem Schuldner und Sachwalter zugestellt werden.691) (b) Zustimmung und Wirkung 437 Hat das Gericht die Anordnung gem. § 277 InsO getroffen, verpflichtet dies den Schuldner im Innenverhältnis, den Sachwalter vor der Vornahme eines entsprechenden Geschäftes zu informieren und das Geschäft im Falle der fehlenden Zustimmung zu unterlassen.692) Der Sachwalter entscheidet über die Erteilung der Zustimmung nach Ermessen; hinsichtlich der dabei anzulegenden Maßstäbe gilt dasselbe wie bei § 275 InsO (oben Rn. 413). ___________ 685) Beispiele bei Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, 4. Aufl., § 277 Rn. 2. 686) Vgl. nur die Nachweise zum Streitstand bei Gundlach/Müller, ZInsO 2010, 2181 und Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 277 Rn. 12 ff. 687) Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 277 Rn. 16. 688) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 277 Rn. 35. 689) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 235, 241; Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 277 Rn. 11; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 277 Rn. 39 ff. 690) Allgemeine Auffassung, vgl. nur Graf-Schlicker/dies., InsO, § 277 Rn. 9; Kübler/ Prütting/Bork/Pape, InsO, § 277 Rn. 18. 691) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 277 Rn. 14; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 277 Rn. 37. 692) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 277 Rn. 11; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 277 Rn. 8; Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 277 Rn. 10 f.

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III. Der Sachwalter

Die Pflicht zur vorigen Abstimmung mit dem Sachwalter resultiert daraus, 438 dass durch diese der Schutz von Gläubigerinteressen im Entscheidungsprozess sichergestellt werden soll.693) Verletzt der Schuldner die Pflicht – ohne durch einen besonderen Eilfall gerechtfertigt zu sein – so kann dies bei Störung der Vertrauensbeziehung zum Sachwalter eine Nachteilsanzeige gem. § 274 Abs. 3 InsO notwendig machen.694) Im Außenverhältnis ist das Geschäft des Schuldners ohne die Zustimmung 439 des Sachwalters gegenüber jedermann unwirksam.695) Soweit der Schuldner die vorige Konsultation mit dem Sachwalter unterlassen und das Geschäft gleichwohl abgeschlossen hat, ist die Unwirksamkeit schwebend; verweigert der Sachwalter die nachträgliche Zustimmung (Genehmigung), wird das Geschäft endgültig unwirksam.696) Für gutgläubige Geschäftspartner des Schuldners gelten die Schutzvorschrif- 440 ten der §§ 277 Abs. 1 S. 2, 81 Abs. 1 S. 2, 3 und 82 InsO. Sie gewähren bei fehlender Eintragung der Zustimmungsbedürftigkeit697) für den Erwerb von Immobilien ebenso Gutglaubensschutz hinsichtlich der Verfügungsbefugnis des Schuldners wie für den Erwerb von eingetragenen Schiffen, Schiffsbauwerken und Luftfahrzeugen.698) Für sonstige bewegliche Sachen und Forderungen gibt es hingegen keinen Gutglaubensschutz.699) Für Leistungen an den Schuldner genießt der Leistende gem. § 82 InsO 441 Schutz. Hat er im Moment der Leistung keine positive Kenntnis von der Zustimmungsbedürftigkeit, bleibt die Erfüllungswirkung erhalten. Bis zur Bekanntmachung der Anordnung wird seine Unkenntnis vermutet, danach muss er seine Unkenntnis beweisen, Umkehrschluss aus § 82 Satz 2 InsO. Hat der Sachwalter einer zustimmungsbedürftigen Handlung des Schuldners 442 zugestimmt und begründet dieser dadurch eine Masseverbindlichkeit, haftet der Sachwalter für die Erfüllung derselben gem. § 277 Abs. 1 S. 3 InsO nach § 61 InsO analog. Diese Gefahr besteht auch bei einer Anordnung im Eröffnungsverfahren gem. § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO. Hierauf wird noch unten (Rn. 554 f.) einzugehen sein. (3) Zahlungszusagen Keine gesetzlich vorgesehene, wohl aber eine praktische immer wieder erforderli- 443 che Mitwirkung des Sachwalters besteht in der Kommunikation mit den Ver___________ 693) Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 277 Rn. 8. 694) Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 277 Rn. 11. 695) Vgl. nur Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 277 Rn. 11; Kayser/Thole/Brünkmans, HKInsO, § 277 Rn. 9; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 277 Rn. 8; Kern, MüKo-InsO, § 277 Rn. 43. 696) Ebd. 697) Graf-Schlicker/dies., InsO, § 277 Rn. 10; Kern, MüKo-InsO, § 277 Rn. 45. 698) Näher Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 277 Rn. 19. 699) Anders Kern, MüKo-InsO, § 277 Rn. 46.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

tragspartnern des Schuldners. Vor allem im Eröffnungsverfahren haben diese ein besonderes Interesse daran, die Bezahlung der in dieser Zeit an den Schuldner erbrachten Leistungen sicherzustellen (oben Rn. 158). Deswegen verlangen viele Lieferanten sog. Zahlungszusagen700) vom Sachwalter,701) weil sie dies aus dem Regelinsolvenzverfahren vom vorläufigen Insolvenzverwalter gewohnt sind. (a) Auslegung der Erklärung 444 Dieses aus dem Regelinsolvenzverfahren bekannte Instrument wird auch in der Eigenverwaltung immer wieder nachgefragt. Denn wegen der Verwaltung durch den Schuldner sehen manche Gläubiger ein besonderes Bedürfnis, Erklärungen des ihnen aus dem Vergleich mit dem Regelinsolvenzverfahren eher vertrauten Sachwalters zu erhalten. Indes ist der Inhalt derartiger Erklärungen (besonders) in der Eigenverwaltung schwierig zu bestimmen. Es kann sich handeln um: x

einen Nicht-Widerspruch i. S. d. § 275 Abs. 1 S. 2 InsO,

x

eine Zustimmung i. S. d. §§ 275 Abs. 1 S. 1, 277 InsO,

x

eine persönliche Einschätzung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners,

x

eine verbindliche Auskunft über die Zahlungsfähigkeit des Schuldners oder

x

eine persönliche Garantie des Sachwalters.

445 Während Nicht-Widerspruch und Zustimmung Rechtswirkungen nur nach den jeweiligen Normen entfalten, können die anderen Varianten für den Sachwalter Gefahren begründen. Denn erstens riskiert er seinen guten Namen, wenn der Schuldner die Forderungen entgegen der Erklärung nicht erfüllt: In künftigen Verfahren werden Gläubiger dem Sachwalter weniger vertrauen. Zweitens kann eine konkrete Zusage eine spätere Anfechtung hindern (unten Rn. 464 a. E.). Drittens kann der Sachwalter in die Gefahr einer persönlichen Haftung geraten. 446 Um zu ermitteln, welchen Inhalt eine vom Sachwalter abgegebene Erklärung hat, ist sie gem. §§ 133, 157 BGB auszulegen. Als Hilfe für die Auslegung kann die Überlegung dienen, dass ein Sachwalter nur in Ausnahmefällen eine eigene Haftung wird begründen wollen.702) (b) Garantie und Auskunft 447 Übernimmt der Sachwalter eine persönliche Garantie, so kann er je nach Konstellation aus Garantievertrag (§§ 311, 241 BGB), Schuldversprechen bzw. Schuldanerkenntnis (§§ 780 f. BGB), Bürgschaft (§ 765 BGB) oder Schuldbeitritt ___________ 700) Dazu allgemein Henkel, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 6 Rn. 810 ff. 701) Lau, DB 2014, 1417, 1420. 702) Hinkel/Flitsch, ZInsO 2007, 1018, 1019; Schmidt/Schröder, HmbKo-InsO, § 22 Rn. 242.

124

III. Der Sachwalter

auf das positive Interesse des Gläubigers haften. Er hat dann die Leistung selbst so zu erbringen, wie sie sonst der Schuldner erbracht hätte. In diesem Sinne wurden beispielsweise703) folgende Erklärungen ausgelegt: x

Die Zahlung sei „durch das Insolvenzsonderkonto sichergestellt“.704)

x

Der Verwalter erklärt, dass er „für die Bezahlung garantiere.“705)

x

„Für die Bezahlung … komme ich … persönlich auf.“706)

x

Eine in der „Eigenschaft als vorl. Verwalter“ erteilte „Deckungszusage“.707)

Erteilt der Sachwalter hingegen eine verbindliche Auskunft, so kann er, 448 wenn diese falsch ist, auf Ersatz des negativen Interesses haften. Er unterliegt dann gem. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB der Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss. Dadurch hat er die Gläubiger so zu stellen, wie sie stünden, wenn er die Erklärung nicht abgegeben hätte (negatives Interesse). Als Rechtsprechungsbeispiele708) dienen die folgenden Erklärungen: x

Kosten könnten „aus der Insolvenzmasse übernommen werden“.709)

x

Bestätigung, dass Kosten „aus der Masse … beglichen werden“.710)

Der Unterschied zur Übernahme einer Garantie besteht darin, dass die Er- 449 klärung sich ausdrücklich auf die Masse bezieht.711) Dies steht im Rahmen der Auslegung einem Verständnis eigener Schuldbegründung durch den Verwalter entgegen. (c) Handhabung in der Eigenverwaltung Der Sachwalter ist also gut beraten, die soeben beschriebenen Aussagen zu 450 unterlassen. Zur Haftungsvermeidung schlägt Henkel für die vorläufige Verwaltung im Regelinsolvenzverfahren eine persönliche Auskunft vor. Danach solle der vorläufige Verwalter darauf hinweisen, dass er nach seiner derzeitigen Einschätzung von einer Bezahlung der Bestellung aus der Masse ausgehe.712) ___________ 703) Vgl. auch Henkel, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 6 Rn. 812 mit diesen und weiteren Beispielen. 704) OLG Celle NZI 2004, 89 (für den vorläufigen „schwachen“ Verwalter). 705) OLG Rostock ZIP 2005, 220 (für den vorläufigen, starken Verwalter). 706) OLG Celle ZInsO 2004, 865 (für den Insolvenzverwalter). 707) OLG Brandenburg ZIP 1999, 1979 (für den Sequester). 708) Vgl. wiederum Henkel, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 6 Rn. 812 mit diesen und weiteren Beispielen. 709) OLG Schleswig NZI 2004, 92 (für den vorläufigen „schwachen“ Verwalter bei anschließend eintretender Masseunzulänglichkeit). 710) OLG Frankfurt/Main ZInsO 2007, 548 (für den vorläufigen „schwachen“ Verwalter). 711) Vgl. nur Rattunde, jurisPR-InsR 21/2007 Anm. 3. 712) Henkel, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 6 Rn. 813.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

451 Praktisch gesehen mag eine solche Aussage haftungsneutral sein. In der Sache ist sie aber in der Eigenverwaltung nicht unbedingt geboten.713) Denn soweit den Gläubigern die Besonderheiten dieses Verfahrens erklärt werden, sind sie in aller Regel gewillt, einen Nicht-Widerspruch gem. § 275 Abs. 1 S. 2 InsO anstelle einer Ihnen aus dem Regelinsolvenzverfahren bekannten Zahlungszusage zu akzeptieren. 452 Eine darüber hinausgehende Erklärung wäre angesichts unklarer Auslegungsergebnisse und bisher lediglich für das Regelinsolvenzverfahren bestehender Rechtsprechung in der Eigenverwaltung riskant. Denn hier führt der Sachwalter die Geschäfte nicht selbst, sondern überwacht lediglich den Schuldner, so dass er eine erheblich geringere Kontrolle über die spätere Bezahlung von Forderungen – zumal auch dies durch den Schuldner stattfindet – ausübt. 453 Um Vertrauen bei den Gläubigern zu schaffen, kann sich daher lediglich eine allgemein gehaltene Erklärung anbieten nach folgendem Beispiel: „Der Geschäftsbetrieb des Schuldners kann uneingeschränkt fortgesetzt werden. Die Geschäftsführung bleibt voll handlungsfähig. Gerne bestätige ich Ihnen, dass ich der vertragsgemäßen Leistung durch den Schuldner auf Verbindlichkeiten Ihnen gegenüber, die nach Antragstellung begründet werden, gem. § 275 Abs. 1 InsO nicht widersprochen habe und dies auch nicht tun werde.“ [Damit kann der Schuldner die laufenden und von ihm seit Antragstellung begründeten Verbindlichkeiten im Fortgang des Verfahrens nach meiner derzeitigen Einschätzung aus der Masse ordnungsgemäß erfüllen.] 454 Soweit es sich um ein Schutzschirmverfahren mit einem Beschluss gem. § 270b Abs. 3 InsO handelt oder in der vorläufigen Eigenverwaltung gem. § 270a InsO gerichtliche Einzelermächtigungen erteilt wurden, kann der in Klammern genannte Nachsatz angefügt werden – insbesondere dann, wenn durch Übernahme der Kassenführung (oben Rn. 381 ff.) eine gesteigerte Kontrolle der Ausgaben besteht. 455 Soweit kein Ermächtigungsbeschluss besteht, hat der Nachsatz zu unterbleiben. Entsprechende Forderungen stellen dann nämlich bloße Insolvenzforderungen dar714) und wären gerade nicht voll aus der Masse zu erfüllen. Der Sachwalter könnte daher wegen falscher Auskunft einer Haftung aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB ausgesetzt sein. (4) Problem der Anfechtbarkeit 456 Mit Zustimmung und Nicht-Widerspruch stehen dem Sachwalter Möglichkeiten zur Verfügung, auf das Zahlungsverhalten des Schuldners Einfluss zu nehmen. ___________ 713) Ebenso Lau, DB 2014, 1417, 1420. 714) Vgl. zu diesem Problem ausführlich Bork, ZIP 2003, 1421, 1423.

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III. Der Sachwalter

Soweit diese Möglichkeiten Außenwirkung haben, also entsprechende Erklärungen den Gläubigern bekannt werden, fragt sich, welche Auswirkung dies auf die Anfechtbarkeit der geleisteten Zahlungen hat. Es ist nämlich denkbar, dass mit dem Verhalten des Sachwalters im Eröffnungsverfahren715) Vertrauenstatbestände geschaffen werden, welche eine spätere Anfechtung nach Verfahrenseröffnung ausschließen. Dieses Problem ist bislang kaum diskutiert worden716) und noch nicht gerichtlich entschieden. (a) Entwicklung in der Rechtsprechung Die Grundlage für die Beantwortung dieser Frage stellt eine ständige Recht- 457 sprechung des BGH dar, welche bereits zur Konkursordnung entwickelt wurde:717) Danach konnte der frühere Konkursverwalter auch solche Rechtshandlungen anfechten, die er selbst in seiner Eigenschaft als Sequester vorgenommen hatte.718) Man ging davon aus, dass Handlungen vor der Konkurseröffnung dem Gemeinschuldner zuzurechnen und grundsätzlich anfechtbar seien.719) Eine Ausnahme wurde gewährt, wenn der Gläubiger mit einem Entzug nach Treu und Glauben nicht rechnen musste.720) Nach Schaffung der Insolvenzordnung wurde diese Überlegung auf den schwa- 458 chen vorläufigen Verwalter übertragen: Stimme er Rechtshandlungen des Schuldners zu, so seien diese nach Eröffnung gleichwohl – vorbehaltlich eines Vertrauenstatbestandes – anfechtbar.721) Denn § 55 Abs. 2 InsO sei auf den schwachen vorläufigen Verwalter unanwendbar, so dass gerade keine voll aus der Masse zu leistenden, sondern nur anfechtbare Verbindlichkeiten entstünden.722) (b) Übertragung auf die Eigenverwaltung Wurde der Schuldner zur Begründung von Masseverbindlichkeiten durch Be- 459 schluss ermächtigt (oben Rn. 165 ff.), ist eine Anfechtung der so begründeten Verbindlichkeiten von vornherein ausgeschlossen: Dies begründet sich aus dem Vertrauensschutz für den Rechtsverkehr (dazu schon oben Rn. 172). ___________ 715) Für das eröffnete Verfahren stellt sich die Frage nicht, denn anfechtbar sind gem. §§ 129 ff. InsO nur Rechtshandlungen, die vor Eröffnung des Verfahrens stattgefunden haben. Im Übrigen begründen Rechtshandlungen des Schuldners hier auch bereits gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO Masseverbindlichkeiten, die voll zu begleichen sind. 716) Vgl. aber Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rn. 161 ff.; Erwähnung auch bei Flöther, ZInsO 2014, 465, 568. 717) Vgl. auch die Darstellung bei Stiller, ZInsO 2005, 529, 530 f. 718) Vgl. nur BGH ZIP 1992, 1005, 1007 m. w. N. zur Rspr.-Historie. 719) BGH ZIP 1992, 1008. 720) BGH ZIP 1992, 1005, 108. 721) BGH ZInsO 2014, 598; ZInsO 2013, 551; ZInsO 2005, 209; offengelassen noch von BGH ZIP 2003, 810. 722) BGH ZInsO 2013, 551.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

460 Außerhalb derartiger Einzelermächtigungen wird die Frage indes akut. Denn der Grundgedanke der skizzierten Rechtsprechung ist folgender: Der Verwalter kann im Interesse einer gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung nicht an Handlungen vor Eröffnung gebunden sein, zumal sich die Aufgabe des schwachen, vorläufigen Verwalters auf die Sicherung und Erhaltung der künftigen Masse beschränkt und die Massemehrung durch Anfechtung erst mit Eröffnung als Pflicht hinzutritt.723) 461 Von dieser Überlegung ausgehend ist die Lage in der vorläufigen Eigenverwaltung vergleichbar: Auch hier bleibt der Schuldner verfügungsbefugt und der Sachwalter ist in seinem Zustimmungsvorbehalt Funktionsäquivalent des im Regelinsolvenzverfahren auftretenden schwachen vorläufigen Verwalters.724) Im Interesse des Erfordernisses der Massemehrung ab Verfahrenseröffnung muss daher auch insofern die Anfechtung von früheren Handlungen weiter möglich sein.725) 462 Erteilt also der Sachwalter Rechtshandlungen des Schuldners gem. § 275 Abs. 1 S. 1 InsO seine Zustimmung, so sind diese dennoch grundsätzlich anfechtbar726). Dies ist auch der Fall, wenn der Sachwalter gem. § 275 Abs. 1 S. 2 InsO nicht widerspricht. Schließt nämlich schon die Zustimmung eine Anfechtung grundsätzlich nicht aus, muss dies erst recht für den schwächeren Nicht-Widerspruch gelten. 463 Übernimmt der Sachwalter gem. § 275 Abs. 2 InsO die Kassenführung und leistet selbst Zahlungen, sind diese ebenfalls grundsätzlich anfechtbar:727) Die §§ 129 ff. InsO differenzieren bei der Anfechtbarkeit grundsätzlich nicht nach dem die Rechtshandlung vornehmenden Subjekt, erfassen also auch den vorläufigen Sachwalter. Zudem handelt er bei der Kassenführung als gesetzlicher Vertreter des Schuldners (oben Rn. 386), so dass es sich rechtlich weiter um schuldnerisches Verhalten vor Eröffnung handelt, was grundsätzlich kein Vertrauen der Gläubiger begründet. Praxistipp: Die Frage der Anfechtbarkeit von Handlungen, die der Sachwalter im Rahmen der Kassenführung vornimmt, ist höchstrichterlich bislang ungeklärt. Geht man davon aus, dass eine vorbehaltlose Zustimmung (unten Rn. 464) schon einen Vertrauenstatbestand für die Gläubiger schafft, welcher die Anfechtung ausschließt, ist es denkbar, eine direkte Zahlung durch den Sachwalter ähnlich zu beurteilen. Will man sichergehen, dass eine spätere Anfechtung möglich ist,

___________ 723) BGH ZInsO 2005, 209; ZIP 1992, 1005, 1008. 724) Vgl. etwa Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rn. 166. 725) Für die Übertragung der Rspr.-Grundsätze des Regel-Eröffnungsverfahrens auf die Eigenverwaltung auch Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rn. 166 ff. 726) OLG Köln ZinsO 2018, 792; anders bei ausdrücklichen Zusagen gegenüber Dritten OLG Düsseldorf NZI 2019, 284. 727) Flöther, ZInsO 2014, 465, 567; Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rn. 166; OLG Köln ZinsO 2018, 792.

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III. Der Sachwalter bietet sich im Einzelfall eine Integration in die Information des konkreten Gläubigers über die veränderte Kassenführung in der folgenden Art an: „Die angezeigte Übernahme der Kassenführung durch mich ändert nichts daran, dass ich Zahlungen rechtlich für den Schuldner leiste. Auf sie sind die allgemeinen Regelungen des Insolvenzverfahrens anwendbar, was im Einzelfalle auch eine spätere Anfechtung nicht ausschließt.“ Allerdings muss diese Information unbedingt dem jeweiligen Vertragsverhältnis angepasst werden. Als pauschaler Hinweis an alle Gläubiger würde die Nachricht wahrscheinlich dazu führen, dass die Vertragspartner von einer Fortsetzung der Geschäftsbeziehung absehen. Dies würde eine Betriebsfortführung erheblich erschweren, wenn nicht sogar unmöglich machen.

(c) Ausnahmen vom Grundsatz Die Anfechtung von Handlungen vor Verfahrenseröffnung ist ausgeschlossen, 464 wenn die Gläubiger auf den Bestand der Leistung schutzwürdiges Vertrauen entwickelt haben. Hierfür haben sich in der Rechtsprechung folgende Leitlinien entwickelt, die auch in der Eigenverwaltung relevant sein dürften: x

Leistet der vorläufige Verwalter seine Zustimmung im Zusammenhang mit einem neuen Vertragsschluss vorbehaltlos, so soll dies einen nicht mehr zerstörbaren Vertrauenstatbestand begründen.728) Der vorläufige Sachwalter könnte also seine Zustimmung unter dem Vorbehalt einer späteren Rückforderung aussprechen.729) Einen Nicht-Widerspruch muss er hingegen – was freilich gerichtlich noch nicht entschieden ist – nicht unter Vorbehalt erklären, denn ein solcher kann von vornherein nicht dasselbe Maß an Vertrauen begründen wie eine Zustimmung.

x

Muss der vorläufige Verwalter jedoch seinen Vorbehalt wegen der Marktmacht oder des Widerstandes des Gläubigers zurücknehmen oder erklärt er ihn aus diesen Gründen gar nicht erst, so schließt das eine Anfechtung nicht aus:730) Denn dem Gläubiger fehlt dann auch ohne einen gesonderten Hinweis schutzwürdiges Vertrauen, soweit er erkennen kann, dass eine vorbehaltlose Zustimmung nur wegen seines Einflusses auf das Verfahren zustande gekommen ist. Diese Konstellationen sind in der Eigenverwaltung genauso bedeutsam, wobei vorläufiger Verwalter ebenso wie Sachwalter hierfür die Darlegungs- und Beweislast tragen.

x

Ein Vorbehalt ist ebenfalls nicht erforderlich, wenn die Zahlung nicht zur Fortführung eines erhaltungswürdigen Unternehmens erfolgt und die übrigen Gläubiger unmittelbar benachteiligt. Denn dann kann der Gläubiger, der keine Leistungen mehr an den Schuldner erbringt, die unmittelbare

___________ 728) BGH ZInsO 2005, 209, 210; ZInsO 2005, 88; offengelassen noch von BGH ZInsO 2003, 417, 418. 729) So auch Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rn. 166. 730) BGH ZInsO 2013, 551; ZInsO 2006, 208; ZInsO 2003, 417.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

Gläubigerbenachteiligung sofort erkennen und kein Vertrauen entwickeln.731) x

Erklärt der vorläufige Verwalter seine Zusage, nicht anzufechten, ist er daran nach Eröffnung gebunden – auch dann, wenn ein Wechsel in der Person des Verwalters stattfindet.732) Dies gilt genauso für den Sachwalter, weil das materiell-rechtliche Verbot des venire contra factum proprium für eine spätere Anfechtung desselben ebenso greift733). In diesem Kontext sind auch Zahlungszusagen gefährlich und daher in ihrer Formulierung vor der Abgabe genau zu prüfen (dazu schon oben Rn. 444 ff.).

(5) Änderung der Geschäftsleitung 465 Ist der Schuldner keine natürliche Person, so haben seine Organe in der Insolvenz keinen Einfluss auf die Geschäftsleitung, § 276a S. 1 InsO. Von diesem Grundsatz macht S. 2 der Norm für die Abberufung und Neubestellung von Mitgliedern der Geschäftsleitung eine Ausnahme,734) soweit der Sachwalter zustimmt. 466 Diese Regelung ist im eröffneten Verfahren anwendbar, aufgrund der fehlenden Verweisung in den §§ 270a Abs. 1 S. 2, 270b Abs. 2 S. 1 InsO aber nicht im Eröffnungsverfahren.735) Darüber hilft auch nicht die Befürchtung hinweg, die Norm würde sonst „leer laufen“.736) Denn vor der Entscheidung über die Verfahrenseröffnung fehlt die Legitimation, die gesellschaftsrechtliche Kompetenzordnung zu verändern.737) (a) Begriff der Geschäftsleitung 467 Soweit die Norm auf die Geschäftsleitung abstellt, ist sie für Kapitalgesellschaften eindeutig formuliert: So betrifft ihr Regelungsgehalt bei der AG den Vorstand und bei der GmbH den Geschäftsführer. Die von der Norm benannte Abberufung oder Neubestellung der Mitglieder entspricht der Beendigung oder Zuweisung der organschaftlichen Stellung an die jeweiligen Personen; der regelmäßig mit abgeschlossene Dienstvertrag ist nicht erfasst.738) ___________ 731) BAG ZInsO 2005, 388, 389; angedeutet auch bei BGH ZInsO 2003, 417. 732) BGH ZInsO 2013, 551, 552; keinen Vorbehalt für notwendig haltend hingegen mit guten Gründen Gundlach/Frenzel/Schmidt, DZWIR 2005, 324. 733) OLG Düsseldorf NZI 2019, 284; LG Hagen NZI 2016, 138. 734) Klöhn, MüKo-InsO, § 276a Rn. 54. 735) Vgl. nur Braun/Riggert, InsO, § 276a Rn. 3; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 276a Rn. 6; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 366 m. w. N. 736) So aber Ströhmann/Längsfeld, NZI 2013, 271, 274. 737) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 276a Rn. 6; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 276a Rn. 6. 738) Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 276a Rn. 7; Klöhn, MüKo-InsO, § 276a Rn. 47.

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III. Der Sachwalter

Handelt es sich um eine „& Co.“-Gesellschaftsform, so ist „Mitglied“ i. S. d. 468 § 276a InsO die geschäftsführende Gesellschaft. Hingegen erfasst die Norm schon nach ihrem Wortlaut nicht die Mitglieder des Mitgliedes, also die Organwalter der geschäftsführenden Gesellschaft.739) Die insgesamt im Wortlaut zutage tretende organschaftliche Formulierung hat 469 dazu geführt, dass bei Personengesellschaften bisweilen differenziert wird: Sei die Gefahr des missbräuchlichen Austauschs der Geschäftsführung wie etwa bei persönlich haftenden Gesellschaftern als Geschäftsführern gering, sei § 276a InsO nicht anwendbar.740) Die damit angesprochenen Überlegungen zum Schutzzweck der Norm erfordern aber keine teleologische Reduktion. Sie lassen sich vielmehr bei der Frage der Zustimmung verorten (unten Rn. 470 ff.). Daher ist § 276a InsO auf jeden Fall der Aufnahme neuer oder des Austritts alter Geschäftsführer bei Personengesellschaften anwendbar. (b) Zustimmung und Wirkung Auch in der Insolvenz bleiben die fachrechtlichen Regelungen der Abberu- 470 fung oder Bestellung von Mitgliedern der Geschäftsleitung weiter anwendbar. Mithin sind diese Akte nach Gesellschaftsrecht vorzunehmen,741) stehen aber unter einem „insolvenzrechtlichen Wirksamkeitsvorbehalt“.742) Erst mit Zustimmung des Sachwalters werden sie wirksam, wobei die Zustim- 471 mung sowohl im Voraus als auch nachträglich gegenüber dem zuständigen Organ743) erteilt werden kann.744) Aus der Regelung des § 276a S. 3 InsO folgt, dass der Sachwalter die Entscheidung als Prognose zu treffen hat:745) Führt die Änderung in der Zusammensetzung der Geschäftsleitung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit746) nicht zu Gläubigernachteilen, ist er zur Zustimmung verpflichtet. Umgekehrt zeigt die Norm, dass andere Gesichtspunkte als Gläubigernach- 472 teile – wie etwa Arbeitsplatzerhalt – keine Rolle spielen,747) was sich nach hie___________ 739) Klöhn, MüKo-InsO, § 276a Rn. 57. 740) Vgl. im Einzelnen Klöhn, MüKo-InsO, § 276a Rn. 49 ff. 741) Braun/Riggert, InsO, § 276a Rn. 3; Klöhn, MüKo-InsO, § 276a Rn. 54; Nerlich/ Römermann/Riggert, InsO, § 276a Rn. 5. 742) So plastisch Braun/Riggert, InsO, § 276a Rn. 3; vgl. auch Schmidt/Fiegbig, HmbKo-InsO, § 276a Rn. 2: „insolvenzrechtliche Überlagerung“. 743) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 256. 744) Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 276a Rn. 8; Wimmer/Foltis, FKInsO, § 276a Rn. 10. 745) Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 276a Rn. 5; dem folgend Klöhn, MüKo-InsO, § 276a Rn. 56; anders Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 255: „Ermessen“. 746) Ähnlich Klöhn, MüKo-InsO, § 276a Rn. 58: Nachteile „vernünftigerweise zu erwarten“ (Hervorhebung im Original). 747) Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 276a Rn. 5; dem folgend Klöhn, MüKo-InsO, § 276a Rn. 56; anders Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 276a Rn. 33: „Gesamtinteressen aller Verfahrensbeteiligten“.

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C. Aufgaben und Kompetenzen

sigem Verständnis bereits aus der Rechtskonstruktion der Schuldner-Sachwalter-Beziehung ergibt (oben Rn. 134 ff.). Im Falle eines non-liquet ist der Sachwalter wegen der Negativformulierung der Norm („wenn … nicht“) verpflichtet, zuzustimmen.748) 473 Um dem Sachwalter die Entscheidung zu ermöglichen, sind die zuständigen Organe gem. § 97 Abs. 2 InsO verpflichtet, ihn über die geplante Änderung und ihre Beweggründe für diese zu informieren.749) Dies umfasst auch Informationen über die jeweils von der Bestellung betroffene Person, weil nur mithilfe von Informationen über ihre Erfahrung und Kenntnisse eine Prognose über Gläubigernachteile getroffen werden kann.750) bb) Einvernehmen durch den Schuldner 474 Die Normen der §§ 279 S. 2 i. V. m. 103 bis 128, 282 Abs. 2 InsO erfordern, dass der Schuldner in diesen Bereichen im Regelfall (dazu allgemein oben Rn. 28) im Einvernehmen mit dem Sachwalter handelt. Dies hielt der Gesetzgeber wegen der – im Einzelnen nicht näher erläuterten – „Bedeutung dieser Rechte“ für angezeigt.751) Was das für den Sachwalter bedeutet, ist unklar, denn der Begriff des Einvernehmens ist bislang keiner Klärung zugeführt worden. 475 Gesichert ist nur die Erkenntnis, dass ein Einvernehmen mit dem Sachwalter mindestens die Information desselben durch den Schuldner voraussetzt.752) Darüber hinaus wird der Begriff lediglich mit „sich abstimmen“753) umschrieben oder erklärt, er schließe ein Handeln gegen den Willen des Sachwalters aus.754) 476 Sprachlich kann Einvernehmen zwar als „Einigkeit“ verstanden werden, aber auch als bloßes „das Vernehmen einholen“, also den Sachwalter befragen. Für Letzteres spricht die Systematik: Setzt beispielsweise § 279 S. 2 InsO ein Einvernehmen voraus, S. 3 der Norm aber die Zustimmung, meint Einvernehmen offenbar weniger als die Zustimmung.755) Kann Einvernehmen daher auch ohne Zustimmung vorliegen, zeigt sich: 477 Die §§ 279 S. 2, 282 Abs. 2 InsO verpflichten den Schuldner, im Regelfall (oben Rn. 474) den Sachwalter zu informieren und zuzuhören, was dieser zur geplanten Handlung zu sagen hat.756) Sie verpflichten ihn aber nicht, die (im ___________ 748) 749) 750) 751) 752) 753) 754) 755) 756)

132

Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 276a Rn. 5. Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 276a Rn. 31 f. Ebd. BT-Drucks. 12/2443, S. 225; vgl. auch Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 279 Rn. 1: „[Es] konstituieren die Sätze 2 u. 3 ein gestuftes Gläubigerschutzssystem […]“. Frege/Nicht, in: Kübler, HRI, § 5 Rn. 154; Graf-Schlicker/dies., InsO, § 279 Rn. 4; Braun/Riggert, InsO, § 282 Rn. 6; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 279 Rn. 7. Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 282 Rn. 4. Braun/Riggert, InsO, § 282 Rn. 6; Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 280 Rn. 2. Anders Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 279 Überschriften Rn. 9 und 13. Ähnlich Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 279 Rn. 7: „Beteiligung des Sachwalters“.

III. Der Sachwalter

Außenverhältnis ohnehin wirksame, vgl. oben Rn. 193) Handlung zu unterlassen, wenn der Sachwalter sie für nicht sinnvoll hält; hierzu ist der Schuldner, soweit der Sachwalter Recht hat, vielmehr schon aufgrund der ihn treffenden originären insolvenzrechtlichen Bindungen verpflichtet (oben Rn. 142). Der Sachwalter ist als Reflex daher lediglich dazu berechtigt, seine (wegen 478 insolvenzrechtlicher Kenntnisse) qualifizierte Rechtsmeinung zu der Handlung abzugeben.757) Er kann dem Schuldner insofern erklären, was aus Gründen des Gläubigerschutzes richtig ist. Dies gilt freilich nur, soweit der Schuldner seiner vorgelagerten Informationsverpflichtung nachkommt. Für den Sachwalter sind die §§ 279 S. 2, 282 Abs. 2 InsO also vornehmlich 479 eine Erkenntnisquelle, aus der er Informationen über das geplante schuldnerische Verhalten erlangt.758) Soweit sich daraus Anhaltspunkte ergeben, die Nachteile für die Gläubiger erwarten lassen, kann er den Schuldner zwar darauf hinweisen. Als praktisch wirksame Maßnahme steht ihm aber nur die Nachteilsanzeige gem. § 274 Abs. 3 InsO zur Verfügung.759) cc) Beratung (1) Rechtliche Rahmenbedingungen Aus den §§ 270 ff. InsO verpflichtet den Sachwalter lediglich § 284 Abs. 1 S. 2 480 InsO zur Beratung des Schuldners, für den Fall, dass dieser einen Insolvenzplan erstellt (dazu oben Rn. 265 f.). Daneben gibt es lediglich mit den §§ 279 S. 2, 282 Abs. 2 InsO Normen, die den Sachwalter zur Darlegung seiner Rechtsauffassung berechtigen. Diese punktuelle Regelung legt den Umkehrschluss nahe, dass er außerhalb dieser Fälle nicht zu einer generellen Beratung verpflichtet ist.760) Negativ eingegrenzt hat der Sachwalter gem. §§ 274 Abs. 1, 56 Abs. 1 S. 1, 3 481 Nr. 2 InsO unabhängig zu sein. Nach der Vorstellung dieser Normen schließt allein eine „allgemeine“ Beratung im Vorfeld diese Unabhängigkeit nicht aus. Daraus wird bisweilen der Schluss gezogen, eine „spezielle“ Beratung sei dem Sachwalter verwehrt und er dürfe daher nicht als verfahrensbegleitender Berater des Schuldners tätig sein.761) Daran ist jedenfalls so viel richtig, als dass der Sachwalter seine Funktion im 482 Verfahren wahren muss. Er ist Organ zum Schutz von Gläubigerinteressen. ___________ 757) Ähnlich Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 705. 758) So wohl auch Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 705: Einvernehmen als „Mittel zur Überwachung“. 759) Vgl. nur Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 282 Rn. 4; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 279 Rn. 7; Kern, MüKo-InsO, § 282 Rn. 19. 760) A. A. Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 1073 ff., bes. 1090, der jedoch aus dem Umstand, dass eine Beratung sinnvoll ist, unzulässigerweise schließt, dass der Sachwalter zu ihr auch verpflichtet sei. 761) Dazu Braun/Riggert, InsO, § 274 Rn. 4; Flöther, ZInsO 2014, 465, 470.

133

C. Aufgaben und Kompetenzen

Damit wäre es rechtlich nicht vereinbar, als Berater dem Schuldner bei der Durchsetzung seiner Interessen zu helfen, Spielräume auszunutzen. Allerdings ist damit nicht gesagt, dass der Sachwalter den Schuldner nicht beraten darf, wie dieser Gläubigerinteressen im Verfahren wahren soll.762) Eine solche Beratung ist auch gerade nicht durch die §§ 274 Abs. 1, 56 Abs. 1 S. 1, 3 Nr. 2 InsO ausgeschlossen: Ihrem Zweck nach schließen sie die Unabhängigkeit nämlich nur für eine vor Antragstellung erfolgte und vom Schuldner in seinem Interesse in Auftrag gegebene spezielle Beratung aus.763) Sie erlauben deswegen keinen Rückschluss auf die Unzulässigkeit einer gläubigerschützenden Beratung. 483 Rechtlich steht dem Sachwalter also eine Spannbreite zur Verfügung. Diese reicht von einer Beratung lediglich in dem gesetzlich vorgesehenen Fall bis hin zu einer konkreten Beratung, wie in der Eigenverwaltung und in zahlreichen Einzelentscheidungen Gläubigerinteressen zu berücksichtigen sind. (2) Entscheidung über den Beratungsumfang 484 Die Handhabung innerhalb dieser Spannbreite ist einfach, soweit der Schuldner idealtypisch handelt: Nach der Vorstellung der §§ 270 ff. InsO soll er die Verwaltung übernehmen und der Sachwalter soll lediglich kontrollieren und in wenigen Einzelfällen eingreifen. Außerhalb dessen soll für den Sachwalter keine Veranlassung bestehen, zu handeln. Dies funktioniert praktisch immer dann, wenn der Schuldner mithilfe von externen Beratern764) oder Sanierungsgeschäftsführern die Betriebsfortführung und die allgemeine Masseverwaltung in der Insolvenzsituation im Griff hat. Praxistipp: Um die Finanzierung externer Kräfte zu sichern, bietet es sich praktisch an, die Beauftragung und Bezahlung über die Gesellschafter des Schuldners abzuwickeln. Diese sind erfahrungsgemäß häufig bereit, dadurch an der Sanierung mitzuwirken und das Problem der Begründung von Masseverbindlichkeiten bzw. der Anfechtbarkeit765) entfällt dadurch.766)

485 Das ist ein wünschenswertes Bild, aber nicht die Regel. Handelt der Schuldner ohne qualifiziertes Personal, wird er regelmäßig Fehler machen.767) Der Sachwalter muss dann entscheiden, wie er weiter vorgeht: x

Zeigt er die Gefahr von Gläubigernachteilen gem. § 274 Abs. 3 InsO an, ist er haftungsrechtlich abgesichert. Er wird allerdings damit im prakti-

___________ 762) 763) 764) 765) 766) 767)

134

So schon Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 1085 f. Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 660. Vgl. dazu etwa Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 13 Rn. 1763 ff. Dazu ausführlich Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 13 Rn. 1772 ff. Specovious, in: Kübler, HRI, § 13 Rn. 52. Bierbach, in: Kübler, HRI, § 11 Rn. 13 ff.; Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 1079; Specovious, in: Kübler, HRI, § 13 Rn. 46.

III. Der Sachwalter

schen Ergebnis die Eigenverwaltung beenden und die angestrebte Sanierung zum Scheitern bringen. x

Gibt er keine Nachteilsanzeige gem. § 274 Abs. 3 InsO ab, sorgt aber auch nicht auf andere Weise für eine Korrektur des falschen schuldnerischen Verhaltens, gerät er gegenüber den Gläubigern in eine Haftungsgefahr (unten Rn. 541). Auch kann, je nach Art des schuldnerischen Fehlverhaltens, das Sanierungsziel vereitelt werden.

x

Gibt er keine Nachteilsanzeige gem. § 274 Abs. 3 InsO ab, berät aber den Schuldner mit dem Ziel einer Verhaltenskorrektur, kann er für eine falsche Beratung haften. Denn zwar ist er zur Durchführung einer Beratung nicht verpflichtet, muss sie aber, wenn er sie vornimmt, korrekt ausführen. Auch ist ein Vergütungszuschlag für Beratung durch den Sachwalter jedenfalls nicht in der InsVV vorgesehen (vgl. aber unten Rn. 576). Allerdings wird er mit diesem Vorgehen vielfach die angestrebte Sanierung voranbringen können.

Die Wahl zwischen der ersten und letzten Variante ist rechtlich nicht deter- 486 miniert. Über sie kann der Sachwalter daher autonom entscheiden. Steht für ihn lediglich die Vermeidung von Haftungsgefahren im Vordergrund, liegt eine Nachteilsanzeige nahe. Sie entspricht auch der Zielvorstellung des Gläubigerbezuges gem. § 1 InsO. Allerdings ist eine solche Anzeige von vornherein ungeeignet, Ziele zu erreichen, die außerhalb der Insolvenzordnung bestehen und nur zum Teil rechtlich erfassbar sind: x

Der Unternehmenserhalt als eigener Wert außerhalb des Gläubigerbezuges in § 1 S. 1 Var. 2 InsO wird verfehlt. Dieser ist jedenfalls durch die Art. 12, 14 GG des Schuldners rechtlich anerkennenswert. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Aufhebung der Eigenverwaltung, was häufig ist, eine Liquidation des Rechtsträgers zur Folge hat.

x

Es werden regelmäßig Arbeitsplätze beseitigt, was rechtlich dem in § 1 SGB III enthaltenen Gedanken einer Vermeidung von Arbeitslosigkeit widerspricht und volkswirtschaftlich nicht erstrebenswert ist.

x

Darüber hinaus wird dem Markt ein Akteur entzogen, was volkswirtschaftlich nachteilig sein kann: Einerseits fallen die vom Unternehmen angebotenen Güter oder Dienstleistungen für den Konsum weg und andererseits sinkt je nach der konkreten Marktsituation der Konkurrenzdruck auf die übrigen Marktteilnehmer.

x

Schließlich wird der Sachwalter das konkrete Verfahren nicht erfolgreich zum Abschluss bringen. Dies kann auf seine Bestellung in künftigen Verfahren Einfluss haben. Denn es ist nicht auszuschließen, dass das konkrete Verhaltens des Sachwalters in den Augen des Schuldners und potentieller weiterer Schuldner eine Art Dolchstoßlegende entstehen lässt. Inwieweit hingegen Gläubiger in ihm umgekehrt fortan einen besonders harten und rigiden Kontrolleur erblicken werden, ist ebenso wenig abzusehen. 135

C. Aufgaben und Kompetenzen

487 Diese Ziele darf der Sachwalter zwar nicht über die Gläubigerinteressen stellen, weil dies seiner Funktion im Verfahren widerspräche. Soweit er aber Gläubigerinteressen wahren und zugleich diese Ziele verwirklichen kann, steht dem rechtlich nichts im Wege. 488 Handhabt er daher die Eigenverwaltung ohnehin schon nicht nach dem gesetzlich vorgesehenen Minimum, sondern verhält sich durch gesteigertes Engagement im Verfahren eher wie ein vorläufiger Insolvenzverwalter, spricht viel dafür, dass er zur Wahrung und Förderung der Gläubigerinteressen auch beratend auf den Schuldner einwirken sollte. Denn praktisch kann eine Eigenverwaltung nur so erfolgreich sein. Das damit verbundene Haftungsrisiko für eine Falschberatung muss er zum Zwecke der Zielerreichung in Kauf nehmen. (3) Handhabung der Beratung 489 Entscheidet sich der Sachwalter für eine Beratung im Verfahren, sollte damit früh begonnen werden. Hierfür bietet es sich an, so schnell wie möglich nach der Bestellung einen Besprechungstermin zu vereinbaren. Dieser sollte mindestens mit den Geschäftsführern stattfinden, jedoch kann auch die Einbindung sonstigen sachkundigen Personals des Schuldners – wie etwa der kaufmännischen Leitung – erforderlich sein. Der Termin kann Folgendes umfassen: x

Ein erstes Kennenlernen.

x

Einen Bericht des Schuldners über seinen Geschäftsbetrieb und seine Vorstellung über die Fortführung in der Insolvenzsituation.

x

Ein Besprechen der akuten Probleme zur kurzfristigen Fortführung des Betriebes, wobei zunächst vor einer Sanierung die Stabilisierung im Vordergrund steht.

x

Die Erklärung der betriebswirtschaftlichen und insolvenzrechtlichen Rahmenbedingungen für die Fortführung, dabei insbesondere die Leistungsabgrenzung, die unzulässige Verrechnung mit Altforderungen, den Widerruf von Lastschriften und die Kündigung von Daueraufträgen, die Handhabung von Zessionen und der Umgang mit Eigentumsvorbehalten.

x

Die Abstimmung eines Prüf- und Kontrollkonzeptes, mit welchem der Sachwalter dem Schuldner Art, Umfang und Zeitintervalle der vorzulegenden Unterlagen vorgibt. Insofern kann auch die Klärung vorbereitet werden, inwieweit sich der Schuldner angesichts der Qualität der bisherigen Unterlagen externer Buchhalter oder Berater bedienen sollte.

x

Klärung, welche Geschäfte des Schuldners gem. § 275 Abs. 1 InsO dem Widerspruchs- bzw. Zustimmungsrecht des Sachwalters unterfallen768) und wer die Kasse bzw. Konten führt.769)

___________ 768) Ebenso Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 469. 769) Specovious, in: Kübler, HRI, § 13 Rn. 20.

136

III. Der Sachwalter

x

Die Aufteilung, welche Vertragspartner des Schuldners auf welche Weise von wem informiert werden. Dabei wird eine Information grundsätzlich dem Schuldner obliegen. Er muss Lieferanten, Dienstleister, Versorger und sonstige wesentliche Gläubiger über die Aufgabenverteilung in der Eigenverwaltung ebenso in Kenntnis setzen, wie über die Verfahrensweise bei Neubestellungen und ihre Bezahlung bzw. Sicherheiten im Eröffnungsverfahren und den Umgang mit Altforderungen.770) In dem Kontext kann auch eine konkret zu besprechende Öffentlichkeitsarbeit erforderlich sein.771)

x

Die Klärung, wie mit Arbeitnehmern zu verfahren ist, inwieweit also Insolvenzgeld vorzufinanzieren ist, welche Aufgaben in diesem Kontext der Sachwalter übernimmt (oben Rn. 175 f.) und wie eine Information der Arbeitnehmer zum Beispiel in einer Betriebsversammlung772) unter Anwesenheit des Sachwalters stattfinden sollte – letzteres wäre unbedingt verfahrensförderlich. Praxistipp: Im Rahmen der ersten Beratung kann auch geklärt werden, inwieweit Projektgruppen aus Personal des Schuldners bzw. externen Beratern den Verfahrensfortgang koordinieren sollen. Insbesondere in großen Verfahren kann es sich dabei anbieten, die Liquiditätssteuerung, arbeitsrechtliche Maßnahmen, Insolvenzplanerstellung, Öffentlichkeitsarbeit und Lieferantenbeziehungen auf derartige Gruppen aufzuteilen, um eine Spezialisierung beim Schuldner zu fördern und damit die Geschäftsführung zu entlasten.773) Denn die Geschäftsführung wird durch Vertragspartner und Sachwalter im Verfahren ohnehin weit über die normalen Maße hinaus in Anspruch genommen.

Auch jenseits des ersten Besprechungstermins wird im Verfahren regelmäßig 490 Beratungsbedarf auftreten. Dabei muss der Sachwalter berücksichtigen, dass der Schuldner die Entscheidungen trifft und zu verantworten hat. Beratungen sollten sich daher regelmäßig auf das Darstellen der Rechtsauffassung des Sachwalters hinsichtlich der Gläubigerinteressen beschränken und keine konkreten Handlungsanweisungen umfassen. Insbesondere wird der Schuldner strategische und unternehmerische Ange- 491 legenheiten,774) sowie Zweifelsfragen, die rechtlich nicht oder nur unzureichend geklärt sind, selbst entscheiden müssen. Diese Verantwortung obliegt ihm nach dem Konzept der §§ 270 ff. InsO und der Sachwalter kann ihm diesbezüglich lediglich die rechtlichen Probleme aufzeigen. Insofern hat er sich also gegenüber einer Stellung als Verwalter im Regelinsolvenzverfahren zurückzuhalten. ___________ 770) 771) 772) 773) 774)

Ebenso Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 553. Ebenso Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 559. Ebenso Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 552. Zum Ganzen ausführlich Specovious, in: Kübler, HRI, § 13 Rn. 36 ff. Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 1087.

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C. Aufgaben und Kompetenzen Praxistipp: Der Sachwalter kann in Beratungsgesprächen inhaltlichen Druck aufbauen. Denn soweit schuldnerische Entscheidungen mit Gläubigerinteressen unvereinbar sind, kann er auf eine bei fehlender Verhaltensänderung notwendige Nachteilsanzeige hinweisen. Von dieser Möglichkeit sollte indes sparsam Gebrauch gemacht werden. Die Eigenverwaltung lebt von einer funktionierenden Zusammenarbeit zwischen Sachwalter und Schuldner und wird gestört, wenn der Schuldner den Eindruck hat, dass der Sachwalter stets gegen ihn agiert.

3. Änderung der Aufgabenverteilung 492 Die vorstehend dargestellte Aufteilung der Aufgaben zwischen Schuldner und Sachwalter entspricht dem gesetzlichen Leitbild. Sie kann durch Anordnungen gem. § 277 InsO im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren abgewandelt werden (oben Rn. 427 ff.). Aber auch in der vorläufigen Eigenverwaltung gem. § 270a InsO und dem Unterfall des Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO können die Rechte der Beteiligten anders gestaltet sein. a) Gerichtliche Änderung 493 Dies begründet sich daraus, dass dem Gericht insofern mit § 21 InsO Möglichkeiten zur Verfügung stehen, mit weiteren Sicherungsmaßnahmen die Kompetenzen von Schuldner und vorläufigem Sachwalter umzuverteilen.775) Die Norm ist, allerdings nicht in allen Varianten, auch in der vorläufigen Eigenverwaltung anwendbar. Im Einzelnen ergibt sich folgende Übersicht: x

Die offene Norm des § 21 Abs. 1 InsO erlaubt dem Gericht sowohl in der vorläufigen Eigenverwaltung776) gem. § 270a InsO als auch im Schutzschirmverfahren777) gem. § 270b InsO das Treffen von Anordnungen. Damit ist ein Eingriff in die Aufteilung der Befugnisse zwischen Sachwalter und Schuldner möglich.778) Soweit im Regel-Eröffnungsverfahren hierauf auch die Einräumung von Befugnissen zur Begründung von Masseverbindlichkeiten gestützt wird,779) ist dies auch im Eröffnungsverfahren der Eigenverwaltung möglich (oben Rn. 165 ff.).

x

Die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters (§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 InsO) scheidet aus. § 270a Abs. 1 S. 2 InsO stellt eine den Rückgriff hierauf ausschließende Spezialvorschrift zugunsten der Bestellung eines

___________ 775) Bei Eigenantrag in der Eigenverwaltung ist derlei jedoch nur „ausnahmsweise erforderlich“ nach LG Bonn ZInsO 2003, 806 – das gilt auch heute, wenngleich die Entscheidung vor Inkrafttreten der §§ 270a f. InsO erging. 776) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270a Rn. 5; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 270a Rn. 19. 777) Andres/Leithaus/Leithaus, InsO, § 270b Rn. 12 f.; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/ Ringstmeier, FAK-InsO, § 270b Rn. 25. 778) Ausdrücklich Wimmer/Foltis, FK-InSO, § 270b Rn. 22. 779) Braun/Riggert, InsO, § 270b Rn. 14.

138

III. Der Sachwalter

vorläufigen Sachwalters dar.780) Ausdrücklich geregelt ist dies für das Schutzschirmverfahren auch in § 270b Abs. 2 S. 3 InsO.781) x

Die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses (§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a InsO) ist in der vorläufigen Eigenverwaltung möglich und im Falle des Pflichtausschusses gem. § 22a Abs. 1 InsO zwingend (zum Ganzen eingehend oben Rn. 80). Dies zeigt im Schutzschirmverfahren schon § 270b Abs. 2 S. 3 InsO. Die Einsetzung ist auch im Falle des Antragsausschusses gem. § 22a Abs. 2 InsO ratsam, um bei Abstimmung mit den Gläubigern außerhalb des Schutzschirmverfahrens gem. §§ 270a Abs. 1 S. 2, 274 Abs. 1, 56a Abs. 2 InsO Einfluss auf die Person des (vorläufigen) Sachwalters zu nehmen (dazu oben Rn. 82 ff.) und gem. § 270 Abs. 3 S. 2 InsO eine Nicht-Nachteiligkeit der Eigenverwaltung bei Zustimmung des vorigen Gläubigerausschusses zu fingieren.782)

x

Ein allgemeines Verfügungsverbot (§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Var. 1 InsO) ist in der vorläufigen Eigenverwaltung gem. § 270a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO im Regelfall („soll“) unzulässig.783) Das schließt zwar seinen Erlass in atypischen Fällen nicht aus, was aber praktisch bedeutungslos ist:784) Dann böte sich bereits keine vorläufige Eigenverwaltung, sondern das Regelinsolvenzverfahren an. Im Schutzschirmverfahren ist ein allgemeines Verfügungsverbot bereits gem. § 270b Abs. 2 S. 3 InsO unzulässig.785)

x

Ein Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Var. 2 InsO) für bestimmte Geschäfte kommt in der vorläufigen Eigenverwaltung gem. § 270a InsO in Frage, wäre aber im Schutzschirmverfahren gem. § 270b InsO rechtswidrig (oben Rn. 430).

x

Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner (§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 InsO) kann das Gericht im Eröffnungsverfahren in jedem Falle untersagen,786) soweit nicht Immobilienvermögen betroffen ist.

Eine Postsperre (§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 InsO) ist rechtlich in der vorläufigen Eigenverwaltung gem. § 270a InsO zwar denkbar; praktisch wäre, soweit sie tatsächlich nötig ist, aber eine Eigenverwaltung nicht opportun.787) ___________ x

780) Vgl. nur Specovious, in: Kübler, HRI, § 13 Rn. 11; anders, soweit ersichtlich, nur Nöll, ZInsO 2013, 745. 781) Andres/Leithaus/Leithaus, InsO, § 270b Rn. 13; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 270b Rn. 28. 782) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270a Rn. 11. 783) Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 270a Rn. 6 und wohl auch Kern, MüKo-InsO, § 270a Rn. 2 ff. 784) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270a Rn. 8: „nicht tunlich“. 785) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 270b Rn. 12 f.; Kern, MüKo-InsO, § 270b Rn. 100. 786) Vgl. nur Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270a Rn. 12; Nerlich/Römermann/ Riggert, InsO, § 270b Rn. 31 f. 787) Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 270a Rn. 6; Kübler/Prütting/ Bork/Pape, InsO, § 270a Rn. 13.

139

C. Aufgaben und Kompetenzen

Für das Schutzschirmverfahren erlaubt § 270b Abs. 2 S. 3 InsO eine solche Maßnahme ebenso ausdrücklich; allerdings gilt auch hier, dass ihre Notwendigkeit eher für eine Nachteiligkeit der Eigenverwaltung für die Gläubiger spräche. Sie wird allenfalls dort in Betracht kommen, wo sich ein Scheitern der Eigenverwaltung bereits abzeichnet und eine Aufhebung bevorsteht.788) x

Ein Verwertungsverbot (§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 InsO) ist in der vorläufigen Eigenverwaltung789) gem. § 270a InsO ebenso möglich wie im Schutzschirmverfahren790) gem. § 270b InsO.

x

Eine zwangsweise Vorführung und Haft des Schuldners (§ 21 Abs. 3 InsO) ist zwar möglich, wird aber wegen des dadurch belegten Fehlens der Mitwirkungsbereitschaft eine Nachteiligkeit der Eigenverwaltung für die Gläubiger indizieren.791) Daher wäre die Nachteilsanzeige des Sachwalters das zweckmäßigere Mittel.

b) Änderung durch die Gläubiger 494 Die rechtlichen Möglichkeiten der Gläubiger, die Rechte und Pflichten des Schuldners oder Sachwalters zu regeln, sind begrenzt. Denn weder Gläubigerversammlung, noch (vorläufiger) Gläubigerausschuss besitzen ein allgemeines Weisungsrecht.792) Dieser schon im Regelinsolvenzverfahren bestehende Befund gilt auch in der Eigenverwaltung.793) Insbesondere ist es den Gläubigern damit verwehrt, über Weisungen Einfluss auf die Geschäftsführung durch den Schuldner zu nehmen.794) Weisungsbefugnisse bestehen vielmehr nur punktuell.795) Insbesondere können die Gläubiger: x

die Grundentscheidung über das Verfahrensziel gem. § 157 InsO treffen, also festlegen, ob Liquidation, Fortführung oder die Erstellung eines Insolvenzplans stattfinden sollen,

x

die Hinterlegung oder Anlage von Wertgegenständen gem. § 149 InsO regeln,

___________ 788) Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 270b Rn. 32. 789) Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 270a Rn. 6; Kübler/Prütting/ Bork/Pape, InsO, § 270a Rn. 10. 790) Andres/Leithaus/Leithaus, InsO, § 270b Rn. 12; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 270b Rn. 34. 791) Blersch/Goetsch/Haas/Spliedt/Fridgen, BerlKo-InsR, § 270a Rn. 6. 792) Vgl. nur Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 69 Rn. 12; Schmidt/Frind, HmbKo-InsO, § 68 Rn. 5; Uhlenbruck/Knof, InsO, § 69 Rn. 10; Wimmer/Schmitt, FK-InsO, § 69 Rn. 24. 793) BT-Drucks. 12/2443, S. 224 a. E. 794) Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 1143 f. 795) Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 1147.

140

III. Der Sachwalter

x

einen Zustimmungsvorbehalt gem. § 277 InsO beantragen oder

x

dem Schuldner oder Sachwalter Berichtspflichten (oben Rn. 218) auferlegen.

Darüber hinaus ist ihre Mitwirkung gem. §§ 276, 160 InsO vorgesehen, wenn 495 der Schuldner besonders bedeutsame Rechtshandlungen vornimmt. In diesen Fällen hat er zuvor die Zustimmung der Gläubiger einzuholen (oben Rn. 211 f.). Praktisch kann es sich anbieten, dass Gläubigerausschüsse bereits im Voraus festlegen, was unter diese Norm fällt. Betrifft die Festlegung die Fälle, die ohnehin unter § 160 InsO zu subsumieren sind, ist dagegen nichts zu erinnern. Dann besteht für die Beteiligten vielmehr eine gesteigerte Klarheit der Aufgabenverteilung. Definieren die Gläubiger aber Fälle als besonders bedeutsam, die nicht unter 496 § 160 InsO fallen, nehmen sie für sich ein nicht bestehendes Weisungsrecht in Anspruch. Denn dann ist der Schuldner gem. §§ 276, 160 InsO gerade nicht verpflichtet, die Zustimmung der Gläubiger einzuholen und kann mangels Weisungsbefugnis derselben hierzu auch nicht durch eine Entscheidung der Gläubiger verpflichtet werden. Dies wäre vielmehr eine rechtswidrige Einflussnahme auf die Geschäftsfüh- 497 rung und Masseverwaltung des Schuldners. Ein Verstoß des Schuldners dagegen würde damit auch keine Pflicht des Sachwalters zur Nachteilsanzeige auslösen. Denn wären den Gläubigern solche Einflussnahmen schon im Regelinsolvenzverfahren verwehrt,796) kann eine Zuwiderhandlung des Schuldners für sie auch in der Eigenverwaltung kein geringeres Schutzniveau (dazu oben Rn. 353 f.), also einen Nachteil gem. § 274 Abs. 3 InsO, bedingen. Dieser rechtliche Befund sagt freilich nichts über die faktische Bindungswir- 498 kung derartige Festlegungen der Gläubiger aus. Diese sind nämlich gem. § 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO jederzeit mit der dort bezeichneten Mehrheit befugt, die Aufhebung der Eigenverwaltung zu beantragen. Sie verfügen damit über ein enormes Sanktionspotential, das faktisch die Befolgung ihrer Festlegungen durch den Schuldner sicherstellt. 4. Nicht geregelte Fälle Die Aufgabenverteilung der §§ 270 ff. InsO ist nicht als abschließende Spe- 499 zialnormierung zu verstehen. Das zeigt schon der § 270 Abs. 1 S. 2 InsO. Doch auch der Gesetzgeber ging bei Schaffung der Insolvenzordnung ausdrücklich davon aus, dass ungeregelte Fälle am Leitbild der Eigenverwaltung auszurichten seien.797)

___________ 796) Vgl. nur Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Lind, FAK-InsO, § 69 Rn. 3 m. w. N. 797) BT-Drucks. 12/2443, S. 223; so auch Kern, MüKo-InsO, Vor §§ 270 – 285 Rn. 78.

141

C. Aufgaben und Kompetenzen

500 Dieses Bild werde bestimmt durch den Umstand, dass der Schuldner die laufenden Geschäfte führe und der Sachwalter einerseits diese Geschäftsführung kontrolliere und unterstütze, andererseits aber auch diejenigen Aufgaben wahrnehme, die dem Insolvenzverwalter in erster Linie im Gläubigerinteresse übertragen seien.798) Konkret zeigen die Kompetenzzuweisungen innerhalb der §§ 270 ff. InsO, wie mit ungeregelten Fällen zu verfahren ist. Diese lassen sich nämlich regelmäßig bestimmten Kompetenztiteln zuordnen. Dies zeigen folgende Beispiele: x

Nicht geregelt ist die Frage der Aufnahme unterbrochener Rechtsstreitigkeiten. Die §§ 270 Abs. 1 S. 1, 280 InsO zeigen aber, dass die Prozessführungsbefugnis grundsätzlich beim Schuldner verbleibt und nur im Ausnahmefall des § 280 InsO beim Sachwalter liegt. Dies erlaubt den Rückschluss, dass die Aufnahmebefugnis dem Schuldner selbst zusteht (so auch schon oben Rn. 207 f.).799)

x

Nicht geregelt ist auch die Geltendmachung der Rückschlagsperre gem. § 88 InsO. Hierbei handelt es sich nicht um eine Anfechtung, vielmehr tritt die Unwirksamkeit entsprechender Vollstreckungshandlungen ipso iure ein. Lediglich die Unwirksamkeit der öffentlich-rechtlichen Verstrickung muss vor Gericht geltend gemacht werden.800) Dies zeigt, dass auch dieser Fall im Rahmen der allgemeinen Regelungen der §§ 270 Abs. 1 S. 1, 280 InsO dem Schuldner obliegt.801)

x

Auch die Frage, ob der Sachwalter gem. § 270 Abs. 1 S. 2, 75 Abs. 1 Nr. 1 InsO die Einberufung der Gläubigerversammlung beantragen kann, ist ungeregelt. Es spricht angesichts des systematischen Kontextes mit § 276 InsO viel dafür, dass diese Kompetenz in der Eigenverwaltung beim Schuldner liegt:802) Denn er muss gem. §§ 276 S. 2, 160 Abs. 1 S. 2 InsO deren gegebenenfalls erforderliche Zustimmung (oben Rn. 210 ff.) auch praktisch einholen können. Dem Sachwalter bleibt daher insofern nur die Möglichkeit, gem. § 74 InsO die Einberufung beim Gericht anzuregen.

___________ 798) Ebd. Vgl. auch Bierbach, in: Kübler, HRI, § 11 Rn. 12: Der Schuldner als Aufgabenträger sei „Auffangtatbestand“. 799) So schon das Beispiel bei BT-Drucks. 12/2443, S. 223; Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 862. 800) Vgl. nur Graf-Schlicker/Breitenbücher, InsO, § 88 Rn. 9. 801) So auch Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 280 Rn. 5; Kübler/Prütting/Bork/ Pape, InsO, § 280 Rn. 8. 802) Haarmeyer/Wutzke/Förster/Buchalik, PK-InsO, § 274 Rn. 13; Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 840 ff.; Specovious, in: Kübler, HRI, § 13 Rn. 76.

142

III. Der Sachwalter

5. Tabellarische Übersicht Im Überblick stellen sich damit die Aufgaben des vorläufigen Sachwalters 501 und des endgültigen Sachwalters wie folgt dar: Vorl. Sachwalter

Endg. Sachwalter

Originäre Aufgaben Führen der Tabelle



ja

Masseunzulänglichkeit anzeigen



ja

Insolvenzplan ausarbeiten

ja (eingeschränkt)

ja

Insolvenzanfechtung



ja

Gesamtschäden geltend machen



ja

Kontrolle Masseverwaltung

ja

ja

Kontrolle Geschäftsführung

ja

ja

Kontrolle Masseentnahme

ja

ja

Prüfung wirtschaftliche Lage

ja

ja

Prüfung von Verzeichnissen



ja

Prüfung der Schlussrechnung



ja

Vorl. Sachwalter

Endg. Sachwalter

Anzeige Gläubigernachteile

ja

ja

Anzeige Zahlungsunfähigkeit

ja (§ 270b803))



(Zwischen-)Berichterstattung

ja

ja

Übernahme der Kassenführung

ja

ja

Zustimmung/Widerspruch, § 275

ja

ja

Zustimmung (auf Anordnung)

ja (§ 21)

ja (§ 277)

Änderung der Geschäftsleitung



ja

Beratung

ja

ja

Schuldnerbezogene Aufgaben

___________ 803) Normen ohne Quellenangabe sind solche der Insolvenzordnung.

143

D. Haftung der Verfahrensbeteiligten I. Grundlagen Die Haftung der am Eigenverwaltungsverfahren Beteiligten hat in den §§ 270 ff. 502 InsO nur eine punktuelle Regelung erfahren. Lediglich für den Sachwalter finden sich in den §§ 274 Abs. 1, 60 Abs. 1 InsO einerseits und §§ 277 Abs. 1 S. 3, 61 InsO andererseits Anordnungen. Daraus den Schluss zu ziehen, dass nur in diesen Fällen gehaftet würde, wäre indes verfehlt. Über den Verweis in § 270 Abs. 1 S. 2 InsO sind vielmehr auch in anderen Fäl- 503 len Haftungsgefahren denkbar. Dabei bestehen auch für den Schuldner und – soweit er keine natürliche Person ist – für seine Organwalter innerhalb und außerhalb der Insolvenzordnung Anknüpfungspunkte für Schadensersatznormen. II. Haftung (der Organwalter) des Schuldners 1. Schuldner als Haftungssubjekt Den Schuldner treffen in der vorläufigen wie auch eröffneten Eigenverwaltung 504 eine Reihe von spezifischen Pflichten: Seine privatautonome Handlungsfreiheit wird durch insolvenzrechtliche Entscheidungsmaßstäbe überlagert (oben Rn. 141 f.). Er ist daher verpflichtet, im Interesse der Gläubiger zu handeln.804) Der Schuldner verwaltet sich selbst und nimmt zahlreiche Funktionen wahr, die im Regelinsolvenzverfahren den Insolvenzverwalter treffen. Für die Erfüllung dieser Verpflichtung haftet den Gläubigern im Regelinsol- 505 venzverfahren der Verwalter nach den §§ 60 f. InsO. In der Eigenverwaltung erklärt § 274 Abs. 1 InsO § 60 InsO für den Sachwalter für anwendbar. Eine vergleichbare Regelung für den Schuldner treffen die Normen aber nicht, was dafür sprechen könnte, dass eine Anwendung auch über den allgemeinen Verweis in § 270 Abs. 1 S. 2 InsO wohl nicht intendiert ist.805) Der BGH hat allerdings entschieden, dass die Vorschriften der §§ 60, 61 InsO 506 in der Eigenverwaltung einer juristischen Person analog auf die vertretungsberichtigten Geschäftsleiter angewendet werden.806) 2. Organwalter des Schuldners als Haftungssubjekt Soweit der Schuldner keine natürliche Person ist, also nur durch seine Organe 507 handlungsfähig ist, können die Organwalter selbst Adressaten von Haftungs___________ 804) BGH ZInsO 2007, 100, 101; mit anderer dogmatischer Anknüpfung Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 270 Rn. 36; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 122; Thole/Brünkmans, ZIP 2013, 1097, 1098; Wehdeking, in: Rattunde, Fachberater, Kap. 7 Rn. 1496. 805) Zum Ganzen Flöther, in: Kübler, HRI, § 18 Rn. 3 ff., bes. 6. 806) BGH NZI 2018, 519; zum Meinungsstand zuvor, siehe Vorauflage.

145

D. Haftung der Verfahrensbeteiligten

normen sein.807) Das insofern zu prüfende Haftungsregime lässt sich dabei in fünf Gruppen einteilen: a) Insolvenzrechtliche Haftung 508 Für die Organwalter des Schuldners ergibt sich die Haftungsanordnung aus einer analogen Anwendung der §§ 60, 61 InsO.808) b) Gesellschaftsrechtliche Haftung aa) Binnenhaftung für sorgfaltswidriges Verhalten 509 Die Organwalter des Geschäftsführungsorgans des Schuldners sind diesem gegenüber in jeder Phase des Eigenverwaltungsverfahrens beispielsweise gem. § 43 Abs. 1 GmbHG, § 93 Abs. 1 AktG zur Wahrung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes verpflichtet. Diese Sorgfalt umfasst eine allgemeine Legalitätspflicht, welche die Einhaltung der die Gesellschaft treffenden Rechtspflichten fordert.809) Darüber transformieren diese Normen also die Einhaltung der den Schuldner treffenden insolvenzrechtlichen Bindungen (oben Rn. 141 f.) auf Ebene der konkret für den Schuldner handelnden Organwalter.810) 510 Soweit Organwalter also durch schuldhafte811) Verletzung dieser Bindungen des Schuldners das Vermögen desselben schädigen und im Reflex den Gläubigern dadurch Masse entziehen, sind sie gegenüber dem Schuldner zum Ersatz verpflichtet. Die Geltendmachung dieser Ansprüche obliegt ab Verfahrenseröffnung dem Sachwalter (oben Rn. 288 ff.). Die Ausgleichsleistungen werden also zur Masse gezogen und schließlich an die Gläubiger verteilt. Beispiel: Der Schuldner führt den Betrieb fort, obgleich seine Liquiditätsplanung dies nicht rechtfertige. Dadurch kommt Masse abhanden. Der Schuldner verletzt also seine Pflicht zur Wahrung von Gläubigerinteressen (oben Rn. 141 f.), was – vermittelt durch die allgemeine Legalitätspflicht – auch eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers des Schuldners beispielsweise gem. § 43 GmbHG darstellt. Dieser kann also insofern haften. Darüber hinaus kann der Sachwalter wegen Verletzung seiner Überwachungspflicht bzw. Pflicht zur Anzeige von Gläubigernachteilen haften, wenn er die Umstände schuldhaft verkannt hat (unten Rn. 541). ___________ 807) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 484. 808) BGH NZI 2018, 519; zum Meinungsstand zuvor, siehe Vorauflage. 809) Baumbach/Hueck/Beurskens/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 10 f.; Fleischer, MüKo-GmbHG, § 43 Rn. 2130 f. – jew. m. w. N. 810) Thole/Brünkmans, ZIP 2013, 1097, 1099. 811) Baumbach/Hueck/Beurskens/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 78; Fleischer, MüKo-GmbHG, § 43 Rn. 255.

146

II. Haftung (der Organwalter) des Schuldners

bb) Binnenhaftung für Masseschmälerung Die Organwalter sind gem. § 64 GmbHG, §§ 93 Abs. 3 Nr. 6, 92 Abs. 2 AktG 511 gehalten, nach Eintritt der Insolvenzreife jegliche Zahlungen zu vermeiden, die nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes812) vereinbar sind. Andernfalls haben sie der Gesellschaft persönlich Ersatz zu leisten. Sorgfaltsgemäß sind Zahlungen, die der Insolvenzsituation in der Eigenver- 512 waltung Rechnung tragen: Hat der Schuldner bei seinen Handlungen in der Eigenverwaltung u. a. die Gläubigerinteressen zu wahren (oben Rn. 141 f.), transformieren die Haftungsnormen diesen Sorgfaltsmaßstab auf die Organwalter. Ist daher beispielweise eine Betriebsfortführung rechtmäßig (oben Rn. 156), sind auch die in diesem Rahmen geleisteten Zahlungen nicht sorgfaltswidrig.813) Nicht haftungsbegründend sind damit auch Zahlungen, die auf Massever- 513 bindlichkeiten geleistet werden. Denn diese hätte auch ein vorläufiger Verwalter beglichen.814) Sind für den Schuldner Gläubigerinteressen maßgeblich, so darf er auf die Interaktion mit deren Kontrollorgan, dem Sachwalter, vertrauen: Erteilt dieser Zahlungen gem. §§ 275 Abs. 1 S. 1, 277 InsO seine Zustimmung, so sind sie sorgfaltsgemäß. Erklärt er ausdrücklich, nicht gem. § 275 Abs. 1 S. 2 InsO zu widersprechen, gilt dasselbe.815) Beispiel: Begründet der Schuldner unnötige Masseverbindlichkeiten und schmälert dadurch die Masse, so haftet sein Geschäftsführer zwar nicht gem. § 64 GmbHG. Denn Zahlungen, die auf Masseverbindlichkeiten geleistet werden, unterliegen nicht der Masseschmälerungs-Haftung. Wohl aber verletzt der Schuldner auf der vorgelagerten Ebene der Begründung dieser Verbindlichkeit seine Pflicht zur Wahrung der Gläubigerinteressen (oben Rn. 141 f.). Dies stellt, vermittelt über die allgemeine Legalitätspflicht (oben Rn. 509), auch eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers des Schuldners dar, der daher beispielsweise gem. § 43 GmbHG haften kann. Die zeitliche Reichweite der Masseschmälerungshaftung umfasst jedenfalls das 514 Eröffnungsverfahren.816) Ob die Normen auch nach Verfahrenseröffnung greifen, ist zweifelhaft. Aus dem Schutzzweck des Masseerhaltes lässt sich zwar folgern, dass sie mit Eröffnung weiter Sinn haben.817) Gleichwohl mutet es merkwürdig an, dem Schuldner im eröffneten Verfahren für Verteilungszahlungen gem. ___________ 812) Dazu Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 13 Rn. 1782 m. w. N.; vgl. auch zum Ganzen Schmittmann/Dannemann, ZIP 2014, 1405, 1409 ff. 813) H. F. Müller, MüKo-GmbHG, § 64 Rn. 154 m. w. N. 814) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 520. 815) Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 13 Rn. 1779. 816) Baumbach/Hueck/Haas, GmbHG, § 64 Rn. 85; H. F. Müller, MüKo-GmbHG, § 64 Rn. 151; Thole/Brünkmans, ZIP 2013, 1097, 1101. 817) Baumbach/Hueck/Haas, GmbHG, § 64 Rn. 85; vgl. auch OLG Hamm ZIP 1980, 280.

147

D. Haftung der Verfahrensbeteiligten

§ 283 Abs. 2 S. 1 InsO unter Rechtfertigungszwang beispielsweise gem. § 64 S. 2 InsO zu stellen.818) Praktisch stellt sich die Frage kaum. Soweit nämlich der Schuldner mit seinen Rechtshandlungen im eröffneten Verfahren Masseverbindlichkeiten begründet hat, sind auf diese geleistete Zahlungen stets sorgfaltsgemäß (oben Rn. 513). c) Steuerliche Haftung 515 Neben der gesellschaftsrechtlichen Haftung trifft die Organwalter gem. §§ 34, 69 AO auch die steuerliche Haftung. Denn sie haben gem. § 34 AO für die Einhaltung der steuerlichen Pflichten ihrer Gesellschaft Sorge zu tragen, wozu sie gegenüber der Steuerverwaltung selbständig verpflichtet sind.819) 516 Zwar haften die Organwalter gem. § 34 Abs. 1 S. 2 AO für ausbleibende Steuerzahlungen nicht mit ihrem eigenen Vermögen.820) Allerdings haben sie gem. § 69 AO für eine schuldhafte Verletzung steuerlicher Pflichten einzustehen und unterliegen damit in Konsequenz doch einer persönlichen Haftung. Die Pflichten umfassen beispielsweise821) x

Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten gem. §§ 140 f. AO,

x

Auskunfts- und Vorlagepflichten gem. §§ 93, 97 ff. AO,

x

Melde- und Anzeigepflichten gem. §§ 134 ff. AO,

x

Bilanz- und Erklärungspflichten gem. §§ 149 ff. AO und

x

die Steuerentrichtungspflicht gem. § 34 Abs. 1 S. 2 AO.

517 Insbesondere, wie sich die Pflicht zur Steuerentrichtung zum Insolvenzverfahren vor und nach der Eröffnung verhält, ist problematisch. Für einzelne Steuerarten wurde dies bereits oben dargestellt (Rn. 177 ff.). Soweit es sich nicht um Masseforderungen handelt, sind Steuerforderungen nach den allgemeinen Regeln des Insolvenzverfahrens geltend zu machen.822) 518 Soweit in der Literatur Überlegungen zu einem allgemeinen Vorrang des Insolvenzrechts vor dem Steuerrecht angestellt wurden,823) sind diese in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung nicht hinreichend etabliert.824) Insbesondere soll nach der Rechtsprechung sogar unbeachtlich sein, ob die Steuern ___________ Thole/Brünkmans, ZIP 2013, 1097, 1100. Klein/Rüsken, AO, § 34 Rn. 2; Koenig/ders., AO, § 34 Rn. 1. Klein/Rüsken, AO, § 34 Rn. 1. Beispiele nach Ziegenhagen, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 27 Rn. 2727. Koenig/Fritsch, AO, § 251 Rn. 17 m. w. N. Vgl. etwa Hobelsberger, DStR 2013, 2545, 2549; Kahlert, ZIP 2012, 2089; Lau, DB 2014, 1417, 1421 f. dazu krit. Klusmeier, ZInsO 2014, 488, 490. 824) Vgl. aber BFH ZInsO 2010, 1652: Nicht pflichtwidrig handle der Geschäftsführer, wenn er nichts gegen einen den Widerruf einer Steuerzahlungs-Lastschrift durch den vorläufigen Verwalter unternehme.

818) 819) 820) 821) 822) 823)

148

II. Haftung (der Organwalter) des Schuldners

ohnehin durch eine spätere Anfechtung zurückgefordert würden.825) Ebenso erfasse das Zahlungsverbot des § 64 S. 1 GmbHG keine Steuerforderungen.826) In der Praxis wird zur Haftungsvermeidung deswegen nur übrig bleiben, Steuer- 519 zahlungen im Eröffnungsverfahren anfechtbar zu leisten.827) Eine Zahlung sollte nur dann unterbleiben, wenn das Finanzamt nach § 89 AO eine verbindliche Auskunft erteilt, dass Steuerforderungen als Insolvenzforderungen nicht vorab zu leisten sind.828) Nach Verfahrenseröffnung sind Steuerforderungen grundsätzlich als Masseverbindlichkeiten ohnehin bei Fälligkeit zu entrichten (oben Rn. 177). Die Annahme einer fortbestehenden Steuerzahlungspflicht auch im Eröffnungs- 520 verfahren schließt wegen der damit verbundenen Pflichtenkollision eine gesellschaftsrechtliche Haftung beispielsweise gem. § 64 GmbHG aus.829) d) Vertragliche Haftung Einer vertraglichen Haftung können die Organwalter im Innenverhältnis ge- 521 genüber der Gesellschaft unterliegen, soweit sie ihre Verpflichtungen aus dem Dienstvertrag verletzen.830) Das ist etwa in Fällen denkbar, in denen sie auch gem. § 43 GmbHG, § 92 AktG nach außen pflichtwidrig handeln. Ob der Vertrag solches Verhalten ebenfalls haftungsmäßig sanktioniert, ist eine Frage des Einzelfalles. Darüber hinaus wird eine vertragliche Haftung im Außenverhältnis kaum 522 vorkommen. Diese ist zwar gem. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3, 241 Abs. 2 BGB grundsätzlich möglich. Allerdings sind die Anforderungen, nach denen Vertreter, die selbst nicht am Schuldverhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger beteiligt sind, gem. § 311 Abs. 3 BGB gleichwohl in ein eigenes, haftungsbegründendes Schuldverhältnis zum Gläubiger treten, hoch. Denkbar ist dies etwa bei erheblichem wirtschaftlichen Eigeninteresse oder der Inanspruchnahme besonderen Vertrauens.831) e) Deliktische Haftung Während Schäden zu Lasten aller Gläubiger regelmäßig über die gesellschafts- 523 rechtliche Binnenhaftung geltend gemacht werden können (oben Rn. 509 ff.), ___________ 825) BFH ZIP 2009, 122; zum Ganzen Ziegenhagen, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 15 Rn. 1819. 826) BFH ZInsO 2009, 151; Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 40 ff. 827) So auch Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 564; dies schließt eine steuerrechtliche Haftung aus, vgl. Schmittmann/Dannemann, ZIP 2014, 1405, 1412 f. 828) Lau, DB 2014, 1417, 1421 f. m. w. N. 829) BGH ZInsO 2011, 440 m. w. N.; Ziegenhagen, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 15 Rn. 1818. 830) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 518. 831) Jauernig/Stadler, BGB, § 311 Rn. 49, 64 m. w. N.

149

D. Haftung der Verfahrensbeteiligten

erfasst die Haftung nach den §§ 823 ff. BGB zum einen das Handeln zur Schädigung einzelner Gläubiger.832) 524 So sind etwa bei der Verletzung von Eigentumsrechten, Aus- oder Absonderungsrechten833) oder von Schutzgesetzen Haftungsansprüche denkbar. Solcherlei kann bei deliktischem Verhalten nämlich nach Maßgabe der „Baustoff“Rechtsprechung des BGH eine Außenhaftung der Organwalter gegenüber dem konkret geschädigten Gläubiger begründen:834) Danach soll bei Handlungen einer juristischen Person nicht nur diese für Rechtsverletzungen haften, sondern auch den Geschäftsführer könne wegen seiner Stellung eine „Garantenstellung zum Schutz fremder Schutzgüter“ treffen, „die ihre Träger der Einflußsphäre der Gesellschaft anvertraut haben“.835) Diesbezüglich komme dann eine Haftung gem. § 823 Abs. 1 BGB in Frage. Allerdings scheint das Gericht zuletzt eher zu einer Begrenzung derartiger Ansprüche auf Fälle zu tendieren, in denen der Organwalter gerade gegenüber dem Geschädigten eine besondere Pflicht zur Wahrung von dessen Vermögensinteressen innehatte.836) 525 Zum anderen erfasst § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 15a InsO die Insolvenzverschleppungshaftung.837) Den diesbezüglich relevanten Quotenschaden macht als Gesamtschaden der Sachwalter für die Masse geltend (oben Rn. 288 ff.). III. Haftung des Sachwalters 526 Das System der Haftung in der Eigenverwaltung trägt der Stellung des Sachwalters nur teilweise Rechnung. Zwar ist eine steuerrechtliche Haftung grundsätzlich nicht gegeben und für nicht (vollständig) erfüllbare Masseverbindlichkeiten muss der Sachwalter ebenfalls nur ausnahmsweise einstehen. 527 Allerdings birgt die Haftungsnorm der §§ 274 Abs. 1, 60 InsO vielfältige Haftungsgefahren: Insbesondere im Rahmen seiner Kontroll- und Aufsichtspflichten werden, wie noch zu zeigen sein wird, viele Risiken auf den Sachwalter überwälzt. Dies ist umso problematischer, als eine Beaufsichtigung vielfach mehr Aufwand begründet als eigener Vollzug von Handlungen durch den Sachwalter. 1. Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten gem. § 60 InsO 528 Den Sachwalter trifft gem. §§ 274 Abs. 1, 60 InsO eine Haftung für die Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten. Diese Regelung ist sowohl im er___________ Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 518. Ausführlich Flöther, in: Kübler, HRI, § 18 Rn. 12 f. BGH ZIP 1987, 509, 510; ZIP 1990, 35, 36; Thole/Brünkmans, ZIP 2013, 1097, 1099. BGH ZIP 1990, 35, 37. BGH ZInsO 2012, 1953; dazu Schirmer, NJW 2012, 3398; Thole/Brünkmans, ZIP 2013, 1097, 1099. 837) Dazu ausführlich Klöhn, MüKo-InsO, § 15a Rn. 140 ff.

832) 833) 834) 835) 836)

150

III. Haftung des Sachwalters

öffneten Verfahren anwendbar, als auch über den Verweis in §§ 270a Abs. 1 S. 2, 270b Abs. 2 S. 1 InsO in jeder Variante der vorläufigen Eigenverwaltung. Soweit sich die Pflichten des Sachwalters in den unterschiedlichen Verfahrensstadien unterscheiden, spiegelt sich dies lediglich bei der Anwendung des Tatbestandes der Norm wieder, worauf im Folgenden einzugehen sein wird. a) Haftung nur gegenüber Beteiligten Die durch § 60 InsO angeordnete Haftung besteht gegenüber den Beteilig- 529 ten. Dieser Begriff ist schon im Regelinsolvenzverfahren bisweilen schwierig zu bestimmen.838) Jedenfalls kommt es hierfür nicht auf eine formale Verfahrensstellung an, sondern darauf, ob der Sachwalter den konkreten Personen gegenüber insolvenzrechtliche Pflichten zu erfüllen hat.839) Daher umfasst er:840) x

den Schuldner,

x

die Mitglieder des Geschäftsführungsorgans des Schuldners,

x

die in ihrer Haftung betroffenen Genossen in der Genossenschaftsinsolvenz,

x

die Insolvenzgläubiger, auch, soweit sie nicht bevorrechtigt sind,

x

die Aus- und Absonderungsberechtigten,

x

die Massegläubiger,

x

die als Hinterlegungsstelle bestimmte Bank,

x

den Nacherben gem. § 83 Abs. 2 InsO,

x

den Fiskus in Justizangelegenheiten,

x

die Bundesagentur für Arbeit,

x

die Mitglieder des Gläubigerausschusses und

x

die Dritten, gegenüber denen den Sachwalter vertragliche Pflichten treffen oder mit denen er in Vertragsverhandlungen steht.

Mit Blick auf die dargestellte Definition sind beispielsweise die folgenden 530 Rechtssubjekte nicht Beteiligte im haftungsrechtlichen Sinne: x

die Kommanditisten des Schuldners,

x

die Bürgen und

___________ 838) Vgl. etwa Uhlenbruck/Sinz, InsO, § 60 Rn. 9. 839) BGH NJW 1977, 147, 148 f.; Pape, in: Pape/Graeber, Verwalterhaftung, Teil 5 Rn. 12; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 274 Rn. 8; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 26 f. 840) Beispiele von Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 50; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 274 Rn. 11; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 27 f.

151

D. Haftung der Verfahrensbeteiligten

x

die Dritten bzw. Neugläubiger, die erst während des Verfahrens hinzutreten. Diesen gegenüber trifft den Sachwalter keine Pflicht, sie etwa vor der Insolvenzsituation und den sich daraus für ihr Vermögen ergebenden Gefahren zu warnen.841)

b) Pflichtenkonzeption und Verschulden 531 Den Sachwalter muss zur Begründung einer Haftung Verschulden treffen, § 60 Abs. 1 S. 1 InsO. Hierfür gilt zunächst die allgemeine Vorschrift des § 276 BGB, wonach für Vorsatz und Fahrlässigkeit einzustehen ist.842) Um aber der besonderen Situation der erst notwendigen Einarbeitung in die häufig schlecht dokumentierten Geschäfte eines Schuldners gerecht zu werden, präzisiert § 60 Abs. 1 S. 2 InsO den Haftungsmaßstab auf die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Sachwalters und damit eines DurchschnittsSachwalters.843) 532 Der Inhalt dieses Maßstabes ist besonders in der Eigenverwaltung erläuterungsbedürftig. Denn anders als im Regelinsolvenzverfahren hat der Sachwalter gerade nicht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis inne.844) Ihn treffen zwar mehrere originäre Pflichten (oben Rn. 136, 225 ff.), für die er nach dem klassischen Maßstab einzustehen hat.845) Die schuldnerbezogenen Pflichten (oben Rn. 136, 292 ff.) sind aber durch wesentlich geringere „Einblicks- und Reaktionsmöglichkeiten“846) als im Regelverfahren gekennzeichnet. Sie setzten regelmäßig ein funktionierendes Zusammenspiel zwischen Schuldner und Sachwalter voraus, damit letzterer seine Aufsichts- und Mitwirkungspflichten wahrnehmen kann. 533 Aus dieser Verquickung schuldnerischer Pflichten mit denen des Sachwalters folgt zweierlei: x

Den Sachwalter trifft keine Haftung für eigene Pflichtverletzungen des Schuldners. Vielmehr ist er allein insoweit haftungsrechtlich verantwortlich, wie ihn im Kontext der fraglichen Handlung des Schuldners eigene Kontrollpflichten treffen.847)

___________ 841) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 51; Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 274 Rn. 9; Pape, in: Pape/Graeber, Verwalterhaftung, Teil 5 Rn. 12. 842) Graf-Schlicker/Webel, InsO, § 60 Rn. 17. 843) Kübler/Prütting/Bork/Lüke, InsO, § 60 Rn. 36 f. 844) Dewegen auch auf die Notwendigkeit einer Modifikation des Maßstabes hinweisend Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 52 f.; Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 74. 845) Pape, in: Pape/Graeber, Verwalterhaftung, Teil 5 Rn. 14. 846) Schmidt/Fiebig, HmbKo-InsO, § 274 Rn. 23. 847) Grundlegend Pape, in: Pape/Graeber, Verwalterhaftung, Teil 5 Rn. 13, 15; Kübler/ Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 53; vgl. auch plastisch Flöther, ZInsO 2014, 465, 471: „mittelbare Verantwortlichkeit“ des Sachwalters.

152

III. Haftung des Sachwalters

x

Verweigert der Schuldner dem Sachwalter die gebotene Information, so dass dieser pflichtwidriges Verhalten des Schuldners nicht erkennen kann, trifft den Sachwalter kein eigener Verschuldensvorwurf. Soweit der Schuldner also hinter dem Rücken des Sachwalters Handlungen vornimmt, die er eigentlich vorher abzustimmen oder jedenfalls mitzuteilen verpflichtet wäre, verletzt der Sachwalter seine Kontrollpflichten nicht schuldhaft.848)

Beispiel 1:849) Der Schuldner nimmt Verteilungshandlungen gem. § 283 Abs. 2 S. 1 InsO vor. Dabei handelt er fehlerhaft, was aber weder bei der Prüfung des Verteilungsverzeichnisses durch den Sachwalter gem. § 283 Abs. 2 S. 2 InsO, noch durch Stichproben erkennbar gewesen ist. Dadurch fehlt es für den Fehler wohl schon an einer eigenen Pflichtverletzung des Sachwalters, jedenfalls aber am Verschulden. Beispiel 2:850) Der Schuldner begründet, ohne dies dem Sachwalter mitzuteilen, Masseverbindlichkeiten in einer Höhe, die zur Masseunzulänglichkeit führt. Der Sachwalter ist zwar verpflichtet, die Unzulänglichkeit anzuzeigen (oben Rn. 244 ff.). Eine Verletzung dieser Pflicht ist aber nicht schuldhaft, wenn er nichts vom Eintritt der Masseunzulänglichkeit wissen kann. Bedient sich der Sachwalter zur Erfüllung seiner Pflichten Dritter, so ist zu 534 differenzieren: Für eigenes Personal des Sachwalters findet eine Verschuldenszurechnung gem. § 278 BGB statt. Er haftet für deren Verschulden also wie für eigenes.851) Für Personal des Schuldners wie beispielsweise den Buchhalter852), das im 535 Rahmen seiner bisherigen Tätigkeit vom Sachwalter eingesetzt wird, haftet der Sachwalter nicht gem. § 278 BGB. Vielmehr regelt § 60 Abs. 2 InsO, dass er nur für deren Überwachung und für Entscheidungen von besonderer Bedeutung verantwortlich ist. Freilich kann sich der Sachwalter durch den Einsatz von Schuldnerpersonal nicht von seinen Hauptpflichten gem. § 274 Abs. 2 InsO befreien und fortan nur noch das Personal überwachen. Denn nach Sinn und Zweck der Regelung kann sie nicht dazu dienen, die Hauptpflicht der Überwachung des Schuldners auf dessen eigenes Personal zu delegieren und fortan nur noch selbiges gem. § 60 Abs. 2 InsO überwachen zu müssen.853) ___________ 848) Pape, in: Pape/Graeber, Verwalterhaftung, Teil 5 Rn. 15, 17; Schmidt/Fiebig, HmbKoInsO, § 274 Rn. 22. 849) Beispiel von Pape, in: Pape/Graeber, Verwalterhaftung, Teil 5 Rn. 13. 850) Beispiel von Pape, in: Pape/Graeber, Verwalterhaftung, Teil 5 Rn. 15. 851) Braun/Riggert, § 274 Rn. 6; Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 74; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 32. 852) Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 33. 853) Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 34.

153

D. Haftung der Verfahrensbeteiligten

c) Katalog insolvenzspezifischer Pflichten 536 Die Aufgaben und Pflichten des Sachwalters wurden bereits in Kapitel C.III (oben Rn. 222 ff.) ausführlich dargestellt. Im Rahmen des nachfolgenden Kataloges werden sie daher, der Reihenfolge obiger Gliederung folgend, ausschließlich auf ihren haftungsrechtlichen Gehalt hin beleuchtet. aa) Originäre Pflichten 537 Die den Sachwalter treffenden originären Pflichten (oben Rn. 136, 225 ff.) sind die zumeist haftungsrechtlich eindeutigsten. Soweit sie einen Ausschnitt der den Verwalter im Regelinsolvenzverfahren treffenden Pflichten darstellen und nicht von Mitwirkungen des Schuldners abhängen, sind Pflichteninhalt und Sorgfaltsmaßstab exakt bestimmbar. Insofern kann nämlich auf die auch außerhalb der Eigenverwaltung etablierte Rechtsprechung und Literatur zurückgegriffen werden. 538 Die originären Pflichten sind wie folgt insolvenzspezifisch: x

Das Führen der Tabelle (oben Rn. 225 ff.) ist im eröffneten Verfahren insolvenzspezifische Pflicht. Diese umfasst die dem Sachwalter aufgegebene Zustellung des Eröffnungsbeschlusses,854) das Forderungsanmeldungs-,855) Prüfungs- und Feststellungsverfahren,856) sowie die korrekte Erfüllung der Prüfungs- und Erklärungspflichten hinsichtlich des vom Schuldner erstellten Verteilungsverzeichnisses.857)

x

Zur Anzeige der Masseunzulänglichkeit (oben Rn. 244 ff.) ist der Sachwalter im eröffneten Verfahren ebenfalls insolvenzspezifisch verpflichtet.858) Da er zur Anzeige der Massearmut jedoch nicht verpflichtet ist (oben Rn. 251 ff.), kann er insofern auch keine haftungsbewehrte Pflicht verletzen.859)

Im Rahmen des Insolvenzplans (oben Rn. 255 ff.), ist der Sachwalter im eröffneten Verfahren auf Auftrag der Gläubigerversammlung zur Erstellung eines Insolvenzplans in angemessener Frist gem. §§ 284 Abs. 1 S. 1, 218 Abs. 2 InsO insolvenzspezifisch verpflichtet.860) Eine Haftung kommt insbesondere in Frage, wenn durch Nichterfüllung oder Verzögerung des ___________

x

854) Kübler/Prütting/Bork/Prütting, InsO, § 8 Rn. 11a. 855) Braun/Specovious, InsO, § 175 Rn. 9; Riedel, MüKo-InsO, § 175 Rn. 13. 856) LG Osnabrück ZIP 1984, 91; Nerlich/Römermann/Becker, InsO, § 176 Rn. 12 f.; Schumacher, MüKo-InsO, § 178 Rn. 18. 857) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 283 Rn. 27; ausdrücklich auch Kern, MüKo-InsO, § 283 Rn. 22. 858) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 285 Rn. 1 m. w. N.; Braun/Riggert, InsO, § 285 Rn. 1; Kern, MüKo-InsO, § 285 Rn. 8. 859) A. A. Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 285 Rn. 1, der eine Pflicht auch zur Anzeige der Massearmut annimmt. 860) Vgl. nur Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 218 Rn. 4.

154

III. Haftung des Sachwalters

Auftrages eine Sanierungschance vergeben wird.861) Die Frage, inwieweit die Beratungspflicht des § 284 Abs. 1 S. 2 InsO (oben Rn. 265 f.) insolvenzspezifisch ist, wird bislang nicht diskutiert. Angesichts des eindeutigen Wortlautes wird man sie aber wohl so zu verstehen haben, so dass der Sachwalter für fehlende oder falsche Beratung haftet. Die praktisch schwierige Frage wird sich damit in der Kausalität stellen, wobei freilich die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens eingreifen kann.862) Soweit der Sachwalter gem. § 284 Abs. 2 InsO die Planerfüllung zu überwachen hat, ist auch dies eine insolvenzspezifische Pflicht.863) x

Hinsichtlich der Insolvenzanfechtung (oben Rn. 273 ff.) ist der Sachwalter im eröffneten Verfahren insolvenzspezifisch sowohl zur Ermittlung der für die Anfechtung notwendigen Informationen als auch zur Durchsetzung erfolgversprechender Anfechtungsansprüche verpflichtet.864) Zum Regelinsolvenzverfahren ergeben sich nur insofern Besonderheiten, als eine fehlende Mitwirkung des Schuldners bei der Ermittlung von anfechtbaren Handlungen wohl bereits die Pflichtwidrigkeit, jedenfalls aber das Verschulden entfallen lässt (oben Rn. 532 ff.).

x

Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen (analog) §§ 92 f. InsO (oben Rn. 280 ff.) ist im eröffneten Verfahren für den Sachwalter ebenfalls insolvenzspezifische Pflicht. Insofern gilt dasselbe wie für die Insolvenzanfechtung.865)

bb) Schuldnerbezogene Pflichten Die schuldnerbezogenen Pflichten sind bislang durch die veröffentlichte und 539 sonst vorliegende Rechtsprechung noch nicht auf ihren haftungsrechtlichen Gehalt hin überprüft worden.866) Dies birgt für den Sachwalter Risiken, die unter anderem für die bisherige Zurückhaltung im Umgang mit Eigenverwaltungsverfahren verantwortlich sind. Für die schuldnerbezogenen Pflichten gilt das oben bereits benannte Prinzip: 540 Verletzt der Schuldner selbst seine Informations- und Mitwirkungspflichten und macht damit eine wirksame Kontrolle und Aufsicht unmöglich, lässt dies mindestens ein Verschulden des Sachwalters für eine etwaige eigene Pflichtverletzung entfallen (oben Rn. 532 ff.). ___________ 861) Eidenmüller, MüKo-InsO, § 218 Rn. 23; Kayser/Thole/Haas, HK-InsO, § 218 Rn. 13. 862) Vgl. zu der Vermutung die sehr instruktive Darstellung bei Schwab, NJW 2012, 3274. 863) Braun/ders./Frank, InsO, § 261 Rn. 9; Nerlich/Römermann/Braun, InsO, § 261 Rn. 6; Stephan, MüKo-InsO, § 261 Rn. 4. 864) Vgl. nur Grundlach, in: Pape/Graeber, Verwalterhaftung, Teil 3 Rn. 450 ff. m. w. N.; Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 73. 865) Spliedt, in: Pape/Graeber, Verwalterhaftung, Teil 3 Rn. 387 ff. m. w. N.; Tetzlaff/Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 73. 866) So auch der Befund zur Frage der Kausalität bei Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 527.

155

D. Haftung der Verfahrensbeteiligten

541 Die schuldnerbezogenen Pflichten sind wie folgt insolvenzspezifisch: x

Die beständige Prüfung der wirtschaftlichen Lage des Schuldners (oben Rn. 320 ff.) ebenso wie die Kontrolle der Masseverwaltung (oben Rn. 304 ff.), der Geschäftsführung (oben Rn. 311 ff.) und der Ausgaben für die Lebensführung (oben Rn. 316 ff.) ist Hauptpflicht867) des Sachwalters und damit in jeder Phase des Eigenverwaltungsverfahrens insolvenzspezifisch.868) Der konkrete Umfang der jeweiligen Pflichten, die teils nur anlassbezogen bestehen und bisweilen durch Stichproben erfüllbar sind, wurde bereits oben dargelegt. Der Sachwalter ist insbesondere in diesem für die Gläubiger nicht immer sichtbaren Bereich zur Haftungsvermeidung gut beraten, die Erfüllung seiner Pflichten genau zu dokumentieren.869) Die Kausalität für einen Schaden wird indes regelmäßig weniger bezüglich dieser Pflichten gegeben sein als eher hinsichtlich einer in der Folge unterbliebenen Nachteilsanzeige.

x

Die Prüfung von Verzeichnissen und Abgabe von Erklärungen (oben Rn. 338 ff.) ist insolvenzspezifische Verpflichtung des Sachwalters.870) Für die Frage nach der Kausalität einer falschen Auskunft des Sachwalters für einen Schaden wird man wohl die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens beachten müssen:871) Hätten die Gläubiger nach dieser Vermutung bei korrekter Erfüllung der Pflicht durch den Sachwalter eine schadensabwendende oder wenigstens schadensmindernde Entscheidung getroffen, liegt in Höhe der Schadensminderung Kausalität vor.

x

Die Prüfung der Notwendigkeit und gegebenenfalls die Vornahme einer Nachteilsanzeige (oben Rn. 349 ff.), ist ebenfalls in jeder Verfahrenslage insolvenzspezifische Pflicht des Sachwalters.872) Sie hat auf den ersten Blick große Bedeutung: Denn da der Sachwalter Nachteilsgefahren für die Gläubiger anzeigen soll, muss er das Verhalten des Schuldners auf die Einhaltung der insolvenzspezifischen Pflichten desselben gegenüber den Gläubigern überprüfen.873) Allerdings bezieht sich die Anzeigepflicht auf das Schutzniveau der Gläubigergesamtheit (oben Rn. 353 ff.), so dass der Sachwalter vielfach unter anderem durch eine beratende Einwirkung auf den

___________ 867) Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 20; vgl. auch Braun/Riggert, InsO, § 274 Rn. 5: „Kernbereich“. 868) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 274 Rn. 8; Braun/Riggert, InsO, § 274 Rn. 6; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 493; Pape, in: Pape/Graeber, Verwalterhaftung, Teil 5 Rn. 17; Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 71. 869) Pape, in: Pape/Graeber, Verwalterhaftung, Teil 5 Rn. 18. 870) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 281 Rn. 16 und 283 Rn. 27; Kern, MüKo-InsO, § 283 Rn. 22; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 281 Rn. 25. 871) Vgl. zu der Vermutung die sehr instruktive Darstellung bei Schwab, NJW 2012, 3274. 872) Andres/Leithaus/Andres, InsO, § 274 Rn. 8; Braun/Riggert, InsO, § 274 Rn. 5; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 526; Pape, in: Pape/Graeber, Verwalterhaftung, Teil 5 Rn. 17; Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 71. 873) Übersicht über dieselben etwa bei Schmidt/Weitzmann, HmbKo-InsO, § 60 Rn. 10 – 39.

156

III. Haftung des Sachwalters

Schuldner die Nachteilsgefahr wird ausschalten können (oben Rn. 364). Nach den praktischen Erfahrungen haben daher Haftungsfragen wegen unterbliebener Nachteilsanzeige kaum Relevanz. Soweit sie allerdings auftreten, werden sie im Zusammenhang mit der Verletzung der Prüf- und Überwachungspflichten stehen, weil der Sachwalter die Notwendigkeit einer Anzeige mangels hinreichender Überwachung verkannt hat.874) x

Die Stellungnahme im Berichtstermin875) (oben Rn. 375 f.) ist ebenso wie die – je nach Gläubigerauftrag – Berichterstattung876) (oben Rn. 377 ff.) insolvenzspezifisch. Letztere wird jedoch bei Ausbleiben des Berichtes kaum zum Schadensersatz führen, da die Gläubiger ein erhebliches Mitverschulden treffen dürfte, wenn sie ihre aufsichtsrechtlichen Möglichkeiten877) zur Erzwingung der Berichterstattung nicht nutzen. Zur Frage fehlerhafter Stellungnahmen und Berichte vgl. schon oben die Prüfung von Verzeichnissen und Abgabe von Erklärungen.

x

Hinsichtlich der Kassenführung (oben Rn. 381 ff.) scheidet in jeder Verfahrensphase eine insolvenzspezifische Pflicht zur Übernahme regelmäßig schon deswegen aus, weil der Sachwalter die Entscheidung zur Übernahme nach seinem Ermessen zu treffen hat. Soweit nicht – was praktisch kaum vorkommen wird (oben Rn. 385) – eine Ermessensreduktion vorliegt, besteht damit keine Haftungsgefahr. Übernimmt der Sachwalter aber die Kassenführung, so hat er sie mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen. Diese Pflicht ist sowohl gegenüber Dritten als auch gegenüber dem Schuldner878) insolvenzspezifisch und kann damit seine Haftung auslösen.879)

x

Macht der Sachwalter in einer beliebigen Verfahrensphase von seinen Zustimmungs- und Widerspruchsrechten gem. §§ 275 Abs. 1, 279 S. 3 (oben Rn. 400 ff. und Rn. 194) nicht im Interesse der Gläubiger Gebrauch, verletzt er diesen gegenüber eine insolvenzspezifische Pflicht.880) Ob Kausalität vorliegt, ist Einzelfallfrage. Man kann sie jedenfalls nicht deswegen pauschal verneinen, weil der Schuldner sich über einen Widerspruch hinwegsetzen kann.881) Allerdings sprechen auch keine gegenteilige Vermutung oder ein erster Anschein dafür, dass sich der Schuldner immer im Sinne des Sachwalters verhält. Die Gläubiger müssen also die Kausalität darlegen und beweisen.

___________ Pape, in: Pape/Graeber, Verwalterhaftung, Teil 3 Rn. 19. Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 281 Rn. 16; Kern, MüKo-InsO, § 281 Rn. 19. Nerlich/Römermann/Rein, InsO, § 60 Rn. 62. Vgl. nur Schmidt/Preß, HmbKo-InsO, 4. Aufl., § 79 Rn. 10. K. Schmidt/Undritz, InsO, § 275 Rn. 9. Pape, in: Pape/Graeber, Verwalterhaftung, Teil 3 Rn. 21; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 275 Rn. 9; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 21. 880) Braun/Riggert, InsO, § 275 Rn. 9; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 17; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 274 Rn. 16; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 277 Rn. 13. 881) So aber Pape, in: Pape/Graeber, Verwalterhaftung, Teil 3 Rn. 21. 874) 875) 876) 877) 878) 879)

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D. Haftung der Verfahrensbeteiligten

x

Im Rahmen einer gerichtlichen Zustimmungsanordnung gem. § 277 InsO (oben Rn. 427 ff.) nach Verfahrenseröffnung ist zu differenzieren: Gegenüber den Gläubigern verletzt der Sachwalter die insolvenzspezifische Pflicht zum Masseerhalt, soweit er der Begründung einer Masseverbindlichkeit, die mit Blick auf Gläubigerinteressen nicht geboten ist, zustimmt. Hier besteht Kausalität, weil seine Zustimmung Wirksamkeitsvoraussetzung ist. Gegenüber dem konkreten Neugläubiger haftet er gem. §§ 277 Abs. 1 S. 3, 61 InsO (unten Rn. 554). Eine Haftung nach § 60 InsO scheidet insofern aus, weil der Sachwalter ihm gegenüber keine insolvenzspezifische Pflicht verletzt: Das Zustimmungserfordernis dient nämlich dem Masseerhalt und nicht den subjektiven Interessen des Neugläubigers.

x

Die Entscheidung über die Zustimmung des Sachwalters zur Änderung der Geschäftsführung (oben Rn. 465 ff.) wird man angesichts des die Gläubigerinteressen referenzierenden klaren Wortlautes als insolvenzspezifisch anzusehen haben. Insbesondere die Kausalität kann aber problematisch sein: Unterlässt der Sachwalter die Zustimmung, obwohl Gläubigerinteressen nicht dagegen sprachen, wird eine Kausalität für einen Schaden schwerlich belegbar sein. War hingegen in der Prognose ein konkreter Nachteil für die Gläubiger erkennbar und hat sich dieser durch die gleichwohl erfolgte Zustimmung realisiert, wird sich die Kausalität darlegen und beweisen lassen.

x

Dass das Einvernehmen gem. §§ 279 S. 2, 282 Abs. 2 InsO (oben Rn. 474 ff.) eine insolvenzspezifische Pflicht begründen soll,882) ist nur verständlich, wenn man es – anders als hier vertreten – als eine echte Pflicht zum Zusammenwirken zwischen Schuldner und Sachwalter versteht. Sieht man die Normen hingegen wie hier als Erkenntnisquelle des Sachwalters, kann insofern auch keine Pflicht verletzt werden. Lediglich, soweit der Sachwalter in diesem Kontext dem Schuldner falsche Auskünfte gibt, ist eine Haftung denkbar. Freilich würde man dann davon ausgehen müssen, dass die Auskunft gegenüber dem Schuldner gerade auch den Interessen der Gläubiger zu dienen bestimmt sein soll, was nicht zwingend ist.

x

Sind im Eröffnungsverfahren Zustimmungsvorbehalte gem. § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Var. 2 InsO (oben Rn. 430) angeordnet, gilt Folgendes: Gegenüber den Gläubigern verletzt der Sachwalter die insolvenzspezifische Pflicht zum Masseerhalt, soweit er der Begründung einer Verbindlichkeit, die mit Blick auf Gläubigerinteressen nicht geboten ist, zustimmt. Da sein Handeln insofern Wirksamkeitsvoraussetzung ist, besteht Kausalität. Gegenüber dem konkreten Neugläubiger haftet er nicht gem. § 60 InsO, weil der Sachwalter ihm gegenüber keine insolvenzspezifische Pflicht verletzt: Das Zustimmungserfordernis dient nämlich dem Masseerhalt und nicht den subjek-

___________ 882) Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 274 Rn. 9.

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III. Haftung des Sachwalters

tiven Interessen des Neugläubigers. Ob stattdessen eine Haftung (analog) § 61 InsO in Frage kommt, wird noch zu klären sein (unten Rn. 554 f.). d) Geltendmachen des Schadensersatzes Steht eine Schadensersatzforderung gegen den Sachwalter in Rede, sind drei 542 Varianten denkbar: Leistet dieser Ersatz an die Masse, ist die Sache erledigt. Ist dies nicht der Fall, kann das Gericht ihn im Rahmen seiner Aufsicht entlassen und einen neuen Sachwalter bestellen (oben Rn. 115 f.). Schließlich kann es aber stattdessen auch einen Sondersachwalter bestellen, dessen Aufgabe lediglich darin besteht, den Ersatzanspruch gegen den Sachwalter zu prüfen und gegebenenfalls für die Masse durchzusetzen.883) Grundlage für die Bestellung eines Sondersachwalters ist die Rechtsprechung des 543 BGH zum Sonderverwalter.884) Sie ist auf die Eigenverwaltung übertragbar.885) Wollte man nämlich die Klärung eines etwaigen Ersatzanspruches und weitere Eignung für die Verfahrensleitung durch Entlassung des gegenwärtigen und Bestellung eines neuen Sachwalters vornehmen, würde man das Ergebnis praktisch vorwegnehmen.886) Als weniger rechtsbeeinträchtigendes Mittel ist das Gericht daher gehalten, stattdessen einen Sondersachwalter zu bestellen.887) 2. Nicht erfüllbare Masseverbindlichkeiten gem. § 61 InsO Sind durch eine Rechtshandlung des Verwalters begründete Masseverbindlich- 544 keiten nicht voll erfüllbar, hat dieser dem Massegläubiger gem. § 61 InsO Ersatz zu leisten. Diese Vorschrift ist von dem für den Sachwalter geltenden Verweis des § 274 Abs. 1 InsO nicht erfasst. Dies ist auch nachgerade zwingend, denn während im Regelinsolvenzverfahren der Verwalter Masseverbindlichkeiten begründet, fällt in der Eigenverwaltung dem Schuldner diese Aufgabe zu (oben Rn. 158 ff.). Hierfür kann dem Sachwalter daher grundsätzlich keine Haftung aufgebürdet 545 werden.888) Gleichwohl sind auch in der Eigenverwaltung mehrere Fälle denkbar, in denen der Sachwalter einer Haftung nach § 61 InsO unterliegt.

___________ 883) Zu den Befugnissen desselben vgl. ausführlich Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 22. 884) Vgl. nur BGH ZIP 2007, 547 und Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 22 – jew. m. w. N. 885) Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 274 Rn. 7; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 47 f.; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 22. 886) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 48. 887) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 48; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 280 Rn. 5; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 22. 888) Darauf hinweisend etwa Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 76; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 274 Rn. 9.

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D. Haftung der Verfahrensbeteiligten

a) Zustimmungsvorbehalt gem. § 277 InsO 546 Der einzige in den §§ 270 ff. InsO geregelte Fall der Anwendung des § 61 InsO auf den Sachwalter ist die Norm des § 277 Abs. 1 S. 3 InsO. Hat das Gericht also die Begründung von Masseverbindlichkeiten durch den Schuldner in der eröffneten Eigenverwaltung von der Zustimmung des Sachwalters abhängig gemacht (oben Rn. 437 ff.) und stimmt dieser zu, haftet er im Falle der (teilweisen) Unerfüllbarkeit der Verbindlichkeit gem. § 61 InsO. 547 Während die Anwendung der Norm insgesamt derjenigen im Regelinsolvenzverfahren folgt, birgt die Exkulpation gem. § 61 S. 2 InsO in der Eigenverwaltung Schwierigkeiten. Danach trägt nämlich der Sachwalter die Darlegungsund Beweislast dafür, dass er nicht erkennen konnte, dass die Masse zur Erfüllung der Verbindlichkeit nicht ausreichen würde. Nur in diesem Fall ist seine Haftung ausgeschlossen. Diese Darlegung setzt im Regelverfahren voraus, dass der Verwalter eine plausible Liquiditätsrechnung erstellt, stets überprüft und aktualisiert hat.889) 548 Eben dies ist aber in der Eigenverwaltung nicht seine Aufgabe, sondern die des Schuldners. Deswegen kann es nicht richtig sein, § 61 InsO wie im Regelinsolvenzverfahren anzuwenden.890) Die von § 277 Abs. 1 S. 3 InsO vorgesehene „entsprechende“ Anwendung muss vielmehr diesem Unterschied Rechnung tragen. Der Sachwalter kann sich daher exkulpieren, wenn er die schuldnerische Liquiditätsplanung im Rahmen seiner Prüfung der wirtschaftlichen Lage gem. § 274 Abs. 2 InsO auf Schlüssigkeit kontrolliert hat und diese eine hinreichende Masse vermuten ließ.891) b) Analoge Anwendung nach Eröffnung 549 Unter den Wortlaut des § 61 InsO fallen noch weitere Fälle der Eigenverwaltung: So werden etwa im Rahmen der Prozessführung durch den Sachwalter gem. § 280 InsO ebenfalls Masseverbindlichkeiten begründet. In diesen Fällen haftet der Sachwalter analog § 61 InsO.892) 550 Denn mangels Verweises in § 274 Abs. 1 InsO ist die Norm auf ihn – außer im Falle des § 277 InsO – nicht direkt anwendbar.893) Der Gesetzgeber hat die ___________ 889) Vgl. nur BGH ZInsO 2012, 137 und Laws, in: Pape/Graeber, Verwalterhaftung, Teil 4 Rn. 361 ff. – jew. m. w. N. 890) So ausdrücklich noch Pape, in: Pape/Graeber, Verwalterhaftung, Teil 5 Rn. 22; und wohl auch Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 277 Rn. 7; undifferenziert etwa Andres/Leithaus/ Andres, InsO, § 274 Rn. 8. 891) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 56 ff.; ihm folgend Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 529; angedeutet auch bei Kern, MüKo-InsO, § 277 Rn. 41 f. 892) Vgl. nur Flöther, in: Kübler, HRI, § 18 Rn. 39; Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 274 Rn. 9; a. A. Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 76; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 274 Rn. 9; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 37. 893) Eine direkte Anwendbarkeit ergibt sich auch nicht aus § 280 InsO, weil dieser dem Sachwalter nur Aufgaben zuweist, ihn aber insofern nicht insgesamt in die Stellung eines Verwalters einrücken lässt; so aber Braun/Riggert, InsO, § 280 Rn. 5.

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III. Haftung des Sachwalters

Frage einer Haftung im Falle etwa des § 280 InsO auch nicht diskutiert, so dass eine planwidrige Lücke besteht. Auch ist die Interessenlage vergleichbar, denn soweit der Sachwalter durch seine Handlung bei der Prozessführung beispielsweise Gerichtskosten als Masseverbindlichkeiten entstehen lässt, unterscheidet sich der Fall nicht vom Spezialfall seiner Zustimmung als Handlung im Rahmen des § 277 InsO. Eine solche Analogie setzt freilich immer voraus, dass die Rechtshandlung des 551 Sachwalters – sei es durch eigene Prozessführung oder durch Zustimmung – die Masseverbindlichkeit begründet hat. Nicht von ihr erfasst sind folglich die Fälle, in denen der Sachwalter lediglich im Kontext der vom Schuldner begründeten Masseverbindlichkeiten handelt. Deswegen haftet er beispielsweise für seine bloß im Innenverhältnis wirkende Zustimmung oder nicht NichtWiderspruch gem. § 275 Abs. 1 InsO genauso wenig wie für seine Kassenführung.894) c) Analoge Anwendung vor Eröffnung Auch im Eröffnungsverfahren kann § 61 InsO den Sachwalter nur dort treffen, 552 wo seine Rechtshandlungen Masseverbindlichkeiten begründen. Aus der richtigen Überlegung, er könne insofern nicht selbst ermächtigt werden, zu schließen, er hafte niemals nach § 61 InsO,895) greift aber zu kurz. Denn auch im Eröffnungsverfahren ist seine Beteiligung an entsprechenden Handlungen des Schuldners denkbar. Hat das Gericht den Schuldner nämlich ermächtigt, Masseverbindlichkeiten 553 zu begründen (oben Rn. 165 ff.), so kann der Sachwalter darin eingebunden sein. Wie schon im eröffneten Verfahren kann für eine Haftung analog § 61 InsO jedoch keine Einbindung genügen, die, wie im Falle des § 275 Abs. 1 InsO, allein im Innenverhältnis wirkt.896) Hat aber das Gericht im Rahmen der Einzelermächtigung zugleich auch einen 554 Zustimmungsvorbehalt gem. § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Var. 2 InsO angeordnet (oben Rn. 430897)), so ist die Zustimmung Wirksamkeitsvoraussetzung. Die Rechtshandlung des Sachwalters ist damit, wie auch im Falle des § 277 InsO, mitbegründend für das Entstehen der Masseschuld. Wenn das so ist, spricht aber viel dafür, die Regelung des § 61 InsO analog anzuwenden. Denn auch insofern besteht eine planwidrige Lücke. Soweit man nämlich im 555 Regel-Eröffnungsverfahren von einer Unanwendbarkeit des § 61 InsO aus___________ 894) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 275 Rn. 28; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 275 Rn. 9; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 275 Rn. 31. 895) So Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270a Rn. 25; Rattunde/Smid/Zeuner/Wehdeking, InsO, § 274 Rn. 15 vgl. ebenfalls ablehnend Hill, ZInsO 2010, 1825, 1828; Wimmer/ Schmerbach, FK-InsO, § 21 Rn. 128. 896) A. A. Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 687 ff. 897) Dies gilt auch, soweit man hierfür eine Anordnung analog § 277 InsO als maßgeblich ansieht, Nachweise dazu oben unter derselben Randnummer.

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D. Haftung der Verfahrensbeteiligten

geht,898) wird dort bei schwachen vorläufigen Verwaltern auch keine Masseschuld begründet. Die Frage stellt sich dort also ganz anders. Die Interessenlage im Eröffnungsverfahren der Eigenverwaltung ist hingegen dieselbe wie bei § 277 InsO: Wenn der Sachwalter wie dort schon konstitutiv an der Begründung einer Masseverbindlichkeit mitwirkt, kann ihn auch eine Haftung treffen.899) 3. Steuerliche Haftung 556 Während Schäden der Finanzverwaltung nach Maßgabe der §§ 60 f. InsO geltend gemacht werden können, unterliegt der Sachwalter auch einer eingeschränkten steuerlichen Haftung. Er unterfällt nämlich gem. § 69 AO nicht der Regelung des § 34 AO, kann aber gem. §§ 69, 35 AO haften. 557 Zwar ist er kein Vermögensverwalter gem. § 34 Abs. 3 AO. Denn schon dem Wortlaut nach müsste ihm dafür die Vermögensverwaltung obliegen, welche gem. § 270 Abs. 1 S. 1 InsO in der Eigenverwaltung gerade beim Schuldner verbleibt. Ist bereits ein schwacher vorläufiger Verwalter im Regelinsolvenzverfahren kein Vermögensverwalter im steuerrechtlichen Sinne,900) gilt dies erst recht für den (vorläufigen) Sachwalter.901) 558 Wohl aber kann er im Falle einer Übernahme der Kassenführung gem. § 35 AO Adressat steuerlicher Pflichten sein und in diesem Zusammenhang gem. § 69 AO haften.902) Die Norm setzt nämlich lediglich eine Verfügungsberechtigung auch in fremdem Namen voraus. Eben jene hat der Sachwalter bei Übernahme der Kassenführung, weil er dabei als gesetzlicher Vertreter des Schuldners (oben Rn. 386) handelt. 559 Der hiergegen gerichtete Einwand, die Entgegennahme oder Ausführung von Zahlungen sei keine Verfügung, sondern lediglich Realakt,903) verfängt nicht. Er verkennt, dass der Sachwalter im Rahmen der Kassenführung für den Schuldner Buch- oder Sachrechte überträgt und insofern dessen Eigentum verän___________ 898) Vgl. etwa BGH ZInsO 2007, 1228; BGH ZInsO 2002, 819, 821 f. 899) So auch, wenngleich unter analoger Anwendung der §§ 277 Abs. 1 S. 3, 61 InsO, Flöther, ZInsO 2014, 465, 471; Hofmann, in: Kübler, HRI, § 7 Rn. 89; Kern, MüKo-InsO, § 270a Rn. 56. 900) BFH ZIP 2009, 2255; FG Schleswig-Holstein EFG 2004, 1023; Klein/Rüsken, AO, § 34 Rn. 23; Koenig/ders., AO, § 34 Rn. 26. 901) Hobelsberger, DStR 2013, 2545, 2548; Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 565; Klusmeier, ZInsO 2014, 488, 490; Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rn. 232; K. Schmidt/Schmittmann, InsO, Anhang Steuerrecht Rn. 16; König, in: Buth/Hermanns, Restrukturierung, § 36 Rn. 44; Krüger, ZInsO 2013, 578, 579. 902) So auch Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 565; Kahlert, in: Kübler, HRI, § 57 Rn. 233; König, in: Buth/Hermanns, Restrukturierung, § 36 Rn. 44; Krüger, ZInsO 2013, 578, 579; Lau, DB 2014, 1417, 1420 f.; Schmittmann/Dannemann, ZIP 2014, 1405, 1407 mit weiteren Überlegungen auch zur Kausalität und zum Verschulden. 903) Hobelsberger, DStR 2013, 2545, 2548 (und ihm folgend Klusmeier, ZInsO 2014, 488, 490) unter Verweis auf HessFG ZIP 1992, 687: Die Entscheidung behandelte indes nur die faktische Einziehungsberechtigung, nicht aber eine – wie gem. § 275 Abs. 2 InsO gegebene – rechtliche Vertretungs- und damit auch Verfügungsbefugnis.

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III. Haftung des Sachwalters

dert. So genügt es auch in der Rechtsprechung des BFH bereits für die Anwendbarkeit des § 35 AO, wenn beispielsweise „Überweisungen … unterschrieben“ werden.904) Soweit er die Kassenführung übernimmt, haftet der Sachwalter also gegen- 560 über der Finanzverwaltung gem. §§ 69, 35 AO. Die Haftung geht allerdings spiegelbildlich nur so weit, wie seine Verfügungsbefugnis reicht.905) Da sich diese von vornherein nur auf das Leisten und Entgegennehmen von Zahlungen beschränkt, kann der Sachwalter also gem. § 35 AO nicht zur Abgabe von (Steuer-)Erklärungen verpflichtet sein. Wohl aber muss er, soweit er die Kassenführung innehat, Steuerzahlungen bei 561 Fälligkeit leisten, die Masseverbindlichkeiten sind. Hierunter fällt auch Umsatzsteuer auf nach Eröffnung angezogene Beträge nach Maßgabe der Rechtsprechung des BFH (oben Rn. 179). Insofern trifft ihn diejenige Zahlungsverpflichtung und damit Haftungsgefahr, die außerhalb der Kassenführung beim Schuldner liegt (oben Rn. 515 ff.). Praxistipp: Im Eröffnungsverfahren sollte der kassenführende Sachwalter zur Vermeidung einer Haftung seiner Organwalter Steuerzahlungen anfechtbar leisten. Insbesondere sollte er die Finanzbehörde daher über die angeordnete vorläufige Eigenverwaltung in Kenntnis setzen.

___________ 904) BFH BStBl II 1991, 284; dazu und zu weiteren Beispielen Klein/Rüsken, AO, § 35 Rn. 12. 905) Koenig/ders., AO, § 35 Rn. 12.

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E. Vergütung des Sachwalters Die Vergütung der Tätigkeit des Sachwalters hat im Gesetz nur eine unzu- 562 reichende Regelung erfahren. Während für den Sachwalter im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren gem. § 65 InsO, § 12 InsVV eine eigene Normierung besteht, ist bei der Vergütung des vorläufigen Sachwalters bereits die Höhe des Regelsatzes nicht abschließend geklärt. Auch die Ermittlung der zutreffenden Berechnungsgrundlage und Inhalte möglicher Zuschläge sind nach wie vor Gegenstand von Diskussionen. I. Allgemeines Die zentrale Vorschrift für die Vergütung des Sachwalters findet sich in den 563 §§ 274 Abs. 1, 63 Abs. 1 InsO. Danach hat er Anspruch auf eine Vergütung für Tätigkeit und die Erstattung von Auslagen, welche jeweils im Einzelnen gem. § 64 Abs. 1 InsO durch das Insolvenzgericht festzusetzen sind. Gegen Festsetzungsbeschlüsse findet gem. § 64 Abs. 3 InsO die sofortige Beschwerde statt.906) Die Höhe der Festsetzung richtet sich aufgrund der Verordnungsermächtigung 564 des § 65 InsO nach der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung (InsVV907)). Diese enthält in ihren §§ 10, 12 für den Sachwalter eine, worauf noch einzugehen sein wird, unvollständige Normierung. Die Vergütung und Auslagen des Sachwalters zählen gem. §§ 274 Abs. 1, 54 565 Nr. 2 InsO zu den Kosten des Verfahrens. Sie sind Masseverbindlichkeiten908) und im Falle der Masseunzulänglichkeit gem. § 209 Abs. 1 vor allen sonstigen Massekosten zu berichtigen.909) Die Verfahrenskosten müssen von der Masse gedeckt, vorgeschossen oder gem. § 4a InsO gestundet sein, um keine Abweisung des Eröffnungsantrages gem. § 26 Abs. 1 InsO zu bewirken. Sind sie gestundet, kann der Sachwalter gem. §§ 274 Abs. 1, 63 Abs. 2 InsO seine Vergütung und Auslagen von der Staatskasse ersetzt verlangen, soweit die Masse nicht ausreicht. Mithilfe der Regelung der §§ 10, 9 InsVV kann der Sachwalter mit Zustim- 566 mung des Gerichtes einen Vorschuss aus der Masse erhalten. Diesen kann er selbst entnehmen, wenn er die Kassenführung gem. § 275 Abs. 2 InsO übernommen hat. In allen anderen Fällen ist der Schuldner verpflichtet, den Vorschuss an den Sachwalter auszukehren.910)

___________ 906) 907) 908) 909) 910)

Vgl. dazu im Einzelnen etwa Schmidt/Büttner, HmbKo-InsO, § 64 Rn. 39 ff. Vom 19.8.1998 – BGBl I, 2205. Wimmer/Bornemann, FK-InsO, § 54 Rn. 23. Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 60 m. w. N. Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 65; Stephan, MüKo-InsO, InsVV § 12 Rn. 20 m. w. N.

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E. Vergütung des Sachwalters

II. Der Sachwalter im eröffneten Verfahren 1. Regelsatz und seine Berechnungsgrundlage 567 Die Vergütung des Sachwalters orientiert sich gem. § 12 Abs. 1 InsVV an derjenigen des Insolvenzverwalters: Er erhält als Regelsatz 60 Prozent dessen, was ein Verwalter erhalten würde. Mit dieser Reduktion wollte der Verordnungsgeber dem Umstand Rechnung tragen, dass der Sachwalter vornehmlich nicht selbst handle, sondern Überwachungsfunktionen innehabe.911) Es ist also gem. § 2 InsVV der Regelsatz für den Insolvenzverwalter zu ermitteln und hiervon der benannte Bruchteil für den Sachwalter zu errechnen. 568 Die Berechnungsgrundlage für den Regelsatz ergibt sich aus §§ 10, 1 InsVV. Sie umfasst damit die Masse, für deren Wertbestimmung auf den Zeitpunkt der Verfahrensbeendigung abzustellen ist. Grundlage hierfür stellt die Schlussrechnung dar, welche der Schuldner gem. § 281 Abs. 3 S. 1 InsO zu erstellen und der Sachwalter zu prüfen hat (oben Rn. 338 ff.).912) Bei einer vorzeitigen Beendigung etwa durch Aufhebung der Eigenverwaltung gem. § 272 InsO ist der Schätzwert der Masse zugrunde zu legen, § 1 Abs. 1 S. 2 InsVV.913) 569 Verwertetes Absonderungsgut gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV bleibt für die Berechnung außer Betracht, weil die Verwertung gem. § 282 Abs. 1 InsO dem Schuldner obliegt und keine Feststellungskosten anfallen.914) Jedoch werden die Verwertungskosten gem. § 282 Abs. 1 S. 3 InsO und die Umsatzsteuer berücksichtigt.915) Soweit der Sachwalter darüber hinaus erheblichen Aufwand betreiben muss, um schuldnerisches Verhalten im Rahmen des § 282 InsO zu kontrollieren, kann dem durch Zuschläge Rechnung getragen werden. 570 Gem. § 1 Abs. 2 Nr. 4a InsVV i. V. m. § 5 InsVV kann von der Masse eine Vergütung abzuziehen sein, soweit der Sachwalter selbst916) als Rechtsanwalt hierfür – etwa bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gem. §§ 92 f. InsO – der Masse bereits gesondert Kosten in Rechnung gestellt hat.917) ___________ 911) Verordnungsbegründung zu § 12 InsVV, abgedruckt bei Haarmeyer/Mock, InsVV, 5. Aufl.; zur Entstehung der Norm vgl. Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 60. 912) Haarmeyer/Mock, InsVV, § 12 Rn. 5; Schmidt/Büttner, HmbKo-InsO, InsVV § 12 Rn. 6; Stephan/Riedel/Stephan, InsVV, § 12 Rn. 4; Stephan, MüKo-InsO, InsVV § 12 Rn. 7. 913) Haarmeyer/Mock, InsVV, § 12 Rn. 5; Stephan/Riedel/Stephan, InsVV, § 12 Rn. 5; Stephan, MüKo-InsO, InsVV § 12 Rn. 7. 914) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 597; Kayser/Thole/Keller, HK-InsO, InsVV § 12 Rn. 4; Kübler/Prütting/Bork/Pape/Prasser, InsO, InsVV § 12 Rn. 4; Schmidt/Büttner, HmbKoInsO, InsVV § 12 Rn. 6; Stephan/Riedel/Stephan, InsVV, § 12 Rn. 6; Stephan, MüKo-InsO, InsVV § 12 Rn. 7. 915) Kübler/Prütting/Bork/Pape/Prasser, InsO, InsVV § 12 Rn. 4. 916) Abzustellen ist auf die eigene Qualifikation: Der Sachwalter übernimmt also Aufgaben, die ein nicht als Rechtsanwalt zugelassener Sachwalter an einen externen Rechtsanwalt übergeben hätte, vgl. Kayser/Thole/Keller, HK-InsO, InsVV § 5 Rn. 1. 917) Für die Anwendbarkeit der Norm auch Kayser/Thole/Keller, HK-InsO, InsVV § 12 Rn. 4; außer im Falle des § 275 Abs. 2 InsO ohne Begründung dagegen Schmidt/ Büttner, HmbKo-InsO, InsVV § 12 Rn. 20.

166

II. Der Sachwalter im eröffneten Verfahren

Bei der in der Eigenverwaltung regelmäßig stattfindenden Betriebsfortführung 571 ist gem. § 1 Abs. 2 Nr. 4b InsVV der Einnahmeüberschuss für eine Erhöhung der Masse zugrunde zu legen.918) Damit hängt die Vergütung maßgeblich auch vom Erfolg der schuldnerischen Betriebsfortführung ab, welche der Sachwalter vornehmlich zu überwachen und nicht selbst zu steuern hat.919) Allerdings bleibt auch ein etwaig während dieser Zeit erlittener Verlust unberücksichtigt.920) 2. Regelsatzabweichungen (Zu- und Abschläge) Überschreitet die Tätigkeit des Sachwalters wegen gerichtlicher Anordnungen 572 oder der konkreten rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten des Falles diejenige einer gedachten durchschnittlichen921) Sachwaltung, sind gem. §§ 10, 3 InsVV Vergütungszuschläge anzusetzen.922) Diese Möglichkeit wird auch nicht gem. § 12 Abs. 2 InsVV ausgeschlossen, weil der dort geregelte Zuschlag nur beispielhaft („insbesondere“) und nicht abschließend normiert ist.923) Zuschläge sind durch Erhöhung der Regelvergütung um Prozentpunkte ein- 573 zurechnen. Hierfür bieten die in der Kommentarliteratur für Insolvenzverwalter enthaltenen Tabellen924) einen Anhaltspunkt. Die dort enthaltenen Sätze sind für den Sachwalter nicht pauschal auf 60 %zu kürzen.925) Vielmehr ist entscheidend, ob im vom Zuschlag erfassten Bereich Arbeitsaufwand, Haftungsgefahren und die Bereitstellung der sachlichen und persönlichen Mittel für den Sachwalter vergleichbar sind mit der Tätigkeit eines Insolvenzverwalters. Soweit dies der Fall ist, rechtfertigt sich nämlich nach der Rechtsprechung des 574 BGH auch keine prozentuale Kürzung bei Zuschlägen des vorläufigen Verwalters gegenüber dem endgültigen Insolvenzverwalter.926) Sind Aufwand und Gefahren also mit denen des Verwalters vergleichbar, sind die Zuschläge für den Sachwalter mit denselben Prozentpunkten anzusetzen; andernfalls sind sie zu kürzen.927) ___________ 918) A. A. ohne jede Begründung Kayser/Thole/Keller, HK-InsO, InsVV § 12 Rn. 7; wie hier wohl Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 43. 919) Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 43. 920) BGH ZInsO 2005, 760, 761. 921) Dazu Wimmer/Lorenz, FK-InsO, InsVV § 12 Rn. 13. 922) Allgemeine Meinung, vgl. nur Kayser/Thole/Keller, HK-InsO, InsVV § 12 Rn. 6; Kübler/ Prütting/Bork/Pape/Prasser, InsO, InsVV § 12 Rn. 6; Nerlich/Römermann/Stephan, InsO, InsVV § 12 Rn. 6 ff.; Stephan/Riedel/Stephan, InsVV, § 12 Rn. 8. 923) Graf-Schlicker/Kalkmann, InsO, InsVV § 12 Rn. 4; Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 80; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 44. 924) Vgl. nur Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, § 3 Rn. 77. 925) So aber Kübler/Prütting/Bork/Pape/Prasser, InsO, InsVV § 12 Rn. 8; Nerlich/ Römermann/Stephan, InsO, InsVV § 12 Rn. 6. 926) Vgl. nur BGH ZInsO 2013, 840, 841 Rn. 13; BGH ZInsO 2010, 1855, 1856 Rn. 12; BGH ZInsO 2004, 1350, 1351. 927) Graeber/Graeber, InsVV, § 12 Rn. 5; Stephan, MüKo-InsO, InsVV § 12 Rn. 9; differenzierend Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 44 f.

167

E. Vergütung des Sachwalters

575 Im Rahmen der Eigenverwaltung kommen damit die allgemeinen Zuschläge in Betracht, die auch im Regelinsolvenzverfahren anwendbar sind.928) Insofern ist auch ein Zuschlag von etwa 20 % zum Ausgleich der Inflation von rund 24 % seit Inkrafttreten der InsVV angemessen.929) 576 Daneben sind spezielle Zuschläge denkbar, welche an Abweichungen vom gesetzlichen Leitbild der Aufgabenverteilung in den §§ 270 ff. InsO anknüpfen. Diese können beispielsweise gewährt werden für:930) x

die Übernahme der Kassenführung gem. § 275 Abs. 2 InsO,

x

Tätigkeiten im Zusammenhang mit Zustimmungsvorbehalten gem. § 277 InsO (§ 12 Abs. 2 InsVV), soweit diese einen tatsächlichen Mehraufwand verursacht haben,931)

x

die Ausarbeitung eines Insolvenzplans gem. § 284 Abs. 1 S. 1 InsO (vgl. § 3 Abs. 2 lit. e InsVV) oder Beratung des Schuldners932) bei der Ausarbeitung gem. § 284 Abs. 1 S. 2 InsO,

x

die Planüberwachung gem. § 284 Abs. 2 InsO, die aber wohl wegen der Spezialregelung der §§ 10, 6 Abs. 2 InsO gesondert vergütet wird, so dass kein Zuschlag anfällt,933) sowie

x

das quantitative oder qualitative Übersteigen des Aufwandes bei der Wahrnehmung der dem Sachwalter nach den §§ 270 ff. InsO zugewiesenen gesetzlichen Aufgaben. Dies kann beispielsweise bei der besonders intensiven Überwachung der Betriebsfortführung (vgl. § 3 Abs. 2 lit. b InsVV), der überdurchschnittlich aufwendigen Geltendmachung von Haftungs- und Anfechtungsansprüchen (§ 280 InsO) oder einer besonders komplexen Prüfung von Schuldnerberichten oder der Schlussrechnung der Fall sein.

x

Angesichts der hier vertretenen Auffassung zur Beratung des Schuldners (oben Rn. 480 ff.) kann sich auch daraus ein überdurchschnittlicher Mehraufwand gegenüber dem gesetzlichen Leitbild ergeben.934)

___________ 928) Vgl. nur statt vieler Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 590; Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 274 Rn. 61; instruktive tabellarische Übersicht bei Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, § 3 Rn. 77. 929) Kübler/Prütting/Bork/Stoffler, InsO, InsVV § 2 Rn. 40, 43. 930) Vgl. die Beispiele bei Haarmeyer/Mock, InsVV, § 12 Rn. 8 ff.; Kübler/Prütting/Bork/ Pape, InsO, § 274 Rn. 63; Stephan, MüKo-InsO, InsVV § 12 Rn. 10; Stephan/Riedel/ Stephan, InsVV, § 12 Rn. 9. 931) Stephan, MüKo-InsO, InsVV § 12 Rn. 10. 932) Schmidt/Büttner, HmbKo-InsO, 4. Aufl., InsVV § 12 Rn. 5. 933) Stephan/Riedel/Stephan, InsVV, § 12 Rn. 11; a. A., aber ohne Begründung, Kübler/ Prütting/Bork/Pape/Prasser, InsO, InsVV § 12 Rn. 9. 934) So wohl auch angedeutet bei Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 591.

168

II. Der Sachwalter im eröffneten Verfahren

Bei unterdurchschnittlich einfacher Bearbeitung bzw. geringer Arbeitsbelas- 577 tung kommt eine Kürzung der Vergütung über Abschläge in Betracht.935) Dies kann beispielsweise in den folgenden Konstellationen der Fall sein:936) x

vorzeitige Aufhebung der Eigenverwaltung gem. § 272 InsO (vgl. § 3 Abs. 2 lit. c InsVV),937)

x

der Eigenverwaltung vorausgehende vorläufige (Eigen-)Verwaltung, im Rahmen derer der vorläufige Verwalter bzw. Sachwalter bereits arbeitsentlastende tatsächliche Feststellungen zu Haftungstatbeständen, Anfechtungsrechten oder weiteren Umständen getroffen hat,

x

besonders geringe Überwachungsnotwendigkeit, weil beispielsweise beim Schuldner kein nennenswerter Geschäftsanfall vorlag,

x

das sehr seltene Vorliegen von Mitwirkungs- und Zustimmungsfällen oder

x

eine besonders kurze Verfahrensdauer, soweit dadurch Aufwand für Zwischenberichte und Überwachungstätigkeiten eingespart wurde.

3. Auslagen Aufgrund der Regelung der §§ 10, 4 InsVV kann der Sachwalter die Erstattung 578 von Auslagen verlangen. Diese unterteilen sich gem. § 4 InsVV in drei Gruppen: Die zunächst erstattungsfähigen besonderen Kosten gem. § 4 Abs. 2 InsVV 579 unterscheiden sich von den mit der Vergütung gem. § 4 Abs. 1 S. 1 InsVV abgegoltenen allgemeinen Kosten dadurch, dass sie lediglich für das konkrete Verfahren anfallen.938) Sie umfassen beispielsweise angemessene939) Reisekosten, Kosten für Veröffentlichungen nach § 188 InsO, Datensicherung, die Einrichtung eines Gläubigerinformationssystems und vieles mehr. Ebenso sind Kosten für Zustellungen (oben Rn. 227 f.) sowohl hinsichtlich der Sach-, als auch der gegebenenfalls zu schätzenden Personalkosten erstattungsfähig.940) Darüber hinaus kann der Sachwalter gem. §§ 4 Abs. 1 S. 3, 8 Abs. 2 InsVV 580 Zahlungen für den Einsatz von Hilfskräften verlangen, die er mittels Werkoder Dienstvertrages im eigenen Namen beauftragt hat. Dies betrifft etwa die Inanspruchnahme externer Steuerberater, Buchhalter oder Gutachter.941) Dies ___________ 935) Vgl. nur Kayser/Thole/Keller, HK-InsO, InsVV § 12 Rn. 8; Schmidt/Büttner, HmbKoInsO, InsVV § 12 Rn. 21. 936) Vgl. die Beispiele bei Graeber/Graeber, InsVV, § 12 Rn. 7; Haarmeyer/Mock, InsVV, § 12 Rn. 11; Kübler/Prütting/Bork/Pape/Prasser, InsO, InsVV § 12 Rn. 10; Stephan, MüKo-InsO, InsVV § 12 Rn. 13; Kern, MüKo-InsO, § 274 Rn. 82. 937) Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 274 Rn. 45 f. 938) Vgl. dazu etwa Nerlich/Römermann/Stephan, InsO, InsVV § 4 Rn. 1. 939) Dazu etwa Stephan/Riedel/Riedel, InsVV, § 4 Rn. 7 m. w. N. 940) BGH ZInsO 2013, 894 (mit Anm. Keller, EWiR 2013, 383 und Stoffler, NZI 2013, 488) unter Aufgabe der früheren Rspr. in BGH ZInsO 2007, 202. 941) Beispiele zulässiger Delegation bei Schmidt/Büttner, HmbKo-InsO, InsVV § 4 Rn. 4 ff.; allgemein dazu Haarmeyer/Mock, InsVV, § 4 Rn. 23 ff., 38.

169

E. Vergütung des Sachwalters

hat in der Eigenverwaltung besondere Bedeutung, weil ihm der von § 4 Abs. 1 S. 3 InsVV alternativ vorgesehene Weg, derartige Verträge zu Lasten der Masse abzuschließen, wegen der dem Schuldner vorbehaltenen Masseverwaltung verwehrt ist.942) 581 Schließlich kann der Sachwalter die Kosten einer zusätzlichen Haftpflichtversicherung gem. § 4 Abs. 3 S. 2 InsVV geltend machen. Das setzt ein besonderes Haftungsrisiko voraus, dass angesichts der Darstellungen zur Haftung (oben Rn. 526 ff.) nicht pauschal auf Fälle des Zustimmungsvorbehaltes gem. § 277 InsO eingeschränkt werden kann.943) Vielmehr wird es auch bei einer Betriebsfortführung in größeren Verfahren regelmäßig gegeben sein.944) Die Inanspruchnahme entsprechender Policen sollte mit dem Gericht und dem Gläubigerausschuss abgesprochen werden, um eine spätere Bewertung als unangemessen gem. § 4 Abs. 3 S. 2 InsVV zu vermeiden.945) 582 Statt einer Einzelabrechnung kann der Sachwalter gem. §§ 12 Abs. 3, 10, 8 Abs. 3 InsVV eine Auslagenpauschale geltend machen. Sie ist, anders als die Einzelabrechnung, gegenüber dem Satz für den Verwalter reduziert und beträgt höchstens 125 Euro pro angefangenen Monat der Tätigkeit. III. Der Sachwalter im Eröffnungsverfahren 1. Der Regelsatz 583 Während der Regelsatz des endgültigen Sachwalters in § 12 Abs. 1 InsVV geregelt ist, gibt es in den §§ 270a Abs. 1 S. 2, 270b Abs. 2 S. 1, 274 Abs. 1, 63 ff. InsO gleichwie auch in der InsVV keine ausdrückliche Regelung für den vorläufigen Sachwalter.946) Infolgedessen hatten sich für die Vergütung desselben drei Auffassungen entwickelt: x

Eine Überlegung in Rechtsprechung und Literatur ging dahin, dem vorläufigen Sachwalter analog § 12 Abs. 1 InsVV eine Regelvergütung von 60 % derjenigen des Insolvenzverwalters zuzubilligen.947) Dies sei wegen des Aufgabenumfangs angemessen, der beim vorläufigen Sachwalter im Wesent-

___________ 942) Vgl. auch Riedel, MüKo-InsO, InsVV § 4 Rn. 3 ff. 943) So aber Stephan, MüKo-InsO, InsVV § 12 Rn. 9; Stephan/Riedel/Stephan, InsVV, § 12 Rn. 14. 944) Vgl. zum Verwalter etwa BGH ZIP 1982, 326; Kübler/Prütting/Bork/Stoffler, InsO, InsVV § 4 Rn. 20; Riedel, MüKo-InsO, InsVV § 4 Rn. 27. 945) Kübler/Prütting/Bork/Stoffler, InsO, InsVV § 4 Rn. 20; Stephan/Riedel/Riedel, InsVV, § 4 Rn. 30. 946) Vgl. diesen Befund etwa bei AG Göttingen ZInsO 2012, 2413, 2415; Budnik, NZI 2014, 247, 248; Rattunde, in: Borchardt/Frind, Betriebsfortführung, Kap. 13 Rn. 1760. 947) AG Hamburg ZInsO 2014, 569; AG Bitburg, Beschl. v. 28.1.2014 – 9 IN 52/13, nicht veröffentlicht; AG Neu-Ulm, Beschl. v. 12.7.2013 – IN 28/13, nicht veröffentlicht; AG Göttingen ZInsO 2012, 2413; Braun/Riggert, InsO, § 270a Rn. 3; Budnik, NZI 2014, 247; Schmücker, jurisPR-InsR 5/2013 Anm. 5.

170

III. Der Sachwalter im Eröffnungsverfahren

lichen dem des endgültigen Sachwalters entspreche. Abweichungen seien über Zu- oder Abschläge zu würdigen. x

Eine andere Überlegung, die ebenfalls in Rechtsprechung und Literatur vertreten wurde,948) stellt den vorläufigen Sachwalter zum endgültigen Sachwalter in dasselbe Verhältnis wie den vorläufigen zum endgültigen Verwalter. Werde in letzterer Konstellation im Eröffnungsverfahren eine Vergütung von 25 % derjenigen des eröffneten Verfahrens gewährt, müsse dies in der Eigenverwaltung ebenso gelten: Der vorläufige Sachwalter erhalte also 25 % dessen, was der endgültige erhalte, mithin 25 % von 60 %: Seine Tätigkeit werde also mit einem Regelsatz von 15 % vergütet.

x

Schließlich wurde in der Literatur949) der vorläufige Sachwalter bisweilen vergütungsrechtlich wie der vorläufige Verwalter behandelt. Ihm stehe daher analog § 63 Abs. 3 S. 2 InsO eine Regelvergütung von 25 % derjenigen eines endgültigen Verwalters zu.

Einer analogen Anwendung des § 63 Abs. 3 InsO hat der BGH inzwischen 584 eine Absage erteilt. Für eine Analogie fehle es an der planwidrigen Regelungslücke.950) Vielmehr erhält der vorläufige Sachwalter keinen selbständig zu berechnenden Vergütungsanspruch, sondern der Sachwalter erhält, wenn er als vorläufiger Sachwalter tätig war, einen Zuschlag von 25 % auf seine Vergütung, insgesamt also eine Regelvergütung von 85 % der Vergütung nach § 2 Abs. 1 InsVV. Da die Vergütung des vorläufigen Sachwalters nicht besonders geregelt wurde, 585 ist nach Ansicht der Rechtsprechung für ihre Bestimmung maßgeblich, welche Aufgaben der vorläufige Sachwalter wahrzunehmen hat und welcher anderen vom Gesetzgeber geregelten Tätigkeit dies entspricht.951) Erst nach Eröffnung hat der Sachwalter – bei dann auch regelmäßig längerer 586 Verfahrensdauer als im Eröffnungsverfahren952) – die Tabelle zu führen (oben Rn. 225 ff.), Masseunzulänglichkeit anzuzeigen (oben Rn. 244 ff.), die Schlussrechnung zu prüfen (oben Rn. 338 ff.), kann erst dann einen Auftrag zur Ausarbeitung eines Insolvenzplanes erhalten (oben Rn. 263), Insolvenzanfechtung (oben Rn. 273 ff.) und besondere Schadensersatzansprüche (oben Rn. 280 ff.) geltend machen und ist an der Änderung der Geschäftsleitung (oben Rn. 465 ff.) ___________ 948) AG Essen ZInsO 2014, 464; LG Bonn ZInsO 2013, 2341; AG Köln ZInsO 2013, 741; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ringstmeier, FAK-InsO, § 270a Rn. 9; Graf-Schlicker/ dies., InsO, § 270a Rn. 12; Kayser/Thole/Brünkmans, HK-InsO, § 270a Rn. 16; Kübler/ Prütting/Bork/Pape, InsO, § 270a Rn. 26; Mock, ZInsO 2014, 67; Plathner, NZI 2014, 124; Stephan, MüKo-InsO, InsVV § 12 Rn. 29; Wimmer/Foltis, FK-InsO, § 270a Rn. 22. 949) Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 585 ff.; ders., in: Kübler, HRI, § 7 Rn. 94; K. Schmidt/ Undritz, InsO, § 270a Rn. 4 a. E.; Lau, DB 2014, 1417, 1422; Schur, ZIP 2014, 757; Zimmer, ZInsO 2012, 1658. 950) BGH NZI 2016, 796 Rn. 31, 40. 951) BGH NZI 2016, 796 Rn. 36 ff. 952) Mock, ZInsO 2014, 67, 68.

171

E. Vergütung des Sachwalters

beteiligt. Jedoch hat der vorläufigen Sachwalter im Eröffnungsverfahren im Übrigen dieselben Aufgaben wie der endgültige Sachwalter: Er hat wie der endgültige Sachwalter die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu prüfen und die Geschäftsführung sowie die Ausgaben für die Lebensführung zu überwachen. Für den Fall, dass er Umstände feststellt, die erwarten lassen, dass die Feststetzung der Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubiger führen, hat er dies gem. § 274 Abs. 3 InsO entsprechend anzuzeigen. Daher ist es nach Ansicht der Rechtsprechung angemessen, die Vergütung des vorläufigen Sachwalters mit 25 % der Vergütung des Insolvenzverwalters nach § 2 Abs. 1 InsVV zu bemessen. 2. Die Berechnungsgrundlage 587 Im Eröffnungsverfahren ist die Berechnungsgrundlage mit der des endgültigen Sachwalters identisch,953) sie ergibt sich aus §§ 10, 1 InsVV. Sie umfasst damit die Masse, für deren Wertbestimmung auf den Zeitpunkt der Verfahrensbeendigung abzustellen ist. Grundlage hierfür stellt die Schlussrechnung dar (vgl. Rn. 568), 588 Zur Bestimmung des Vermögenswertes sind die Regelungen des § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 InsVV entsprechend heranzuziehen. Insofern gelten die Überlegungen zum endgültigen Sachwalter (oben Rn. 569) hier genauso. Daher sind beispielsweise Gegenstände, die nach Verfahrenseröffnung der Absonderung unterlägen, analog § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV grundsätzlich nicht werterhöhend. 589 Zwar regelt § 11 Abs. 1 S. 2 InsVV als Spezialvorschrift eine Werterhöhung, wenn eine erhebliche Befassung mit Gegenständen stattfindet, die bei Verfahrenseröffnung wertausschöpfend mit Aus- oder Absonderungsrechten belastet wären. Da jedoch die Prüfung von Aus- und Absonderungsrechten nicht Aufgabe des vorläufigen Sachwalters sind, kann er sich damit regelmäßig auch nicht im Rahmen seiner Aufgaben erheblich befassen.954) 3. Regelsatzabweichungen (Zu- und Abschläge) 590 Auch die Vergütung des vorläufigen Sachwalters ist durch Regelsatzabweichungen gem. §§ 10, 3 InsVV veränderbar.955) Es zeigt sich, dass der vorläufige Sachwalter eine Vielzahl von gleichen Pflichten hat, die insbesondere im Eröffnungsverfahren wegen der dort erstmalig gegebenen Notwendigkeit zur Ordnung des Verfahrensablaufs besonders aufwendig umzusetzen sein können.

___________ 953) BGH NZI 2016, 796, Rn. 50. 954) BGH NZI 2016, 796 Rn. 83. 955) Vgl. nur BGH NZI 2016, 796 Rn. 55 ff.; AG Göttingen ZInsO 2012, 2431; AG Hamburg ZIP 2014, 237; Budnik, NZI 2014, 247, 250.

172

III. Der Sachwalter im Eröffnungsverfahren

Aus diesem Grund kommen wie beim endgültigen Sachwalter (vgl. oben 591 Rn. 575 f.) auch in der vorläufigen Eigenverwaltung beispielsweise folgende Zuschläge in Frage:956) x

eine den Regelfall übersteigende, aufwendige Überwachung der Unternehmensfortführung,957)

x

aufwendige Begleitung von Sanierungsbemühungen, beispielsweise auch durch die Vorbereitung einer übertragenden Sanierung,958)

x

Übernahme der Kassenführung gem. § 275 Abs. 2 InsO,959)

x

Arbeitszuwachs begründende Zustimmungsvorbehalte gem. § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 InsO oder analog § 277 InsO (dazu oben Rn. 430),960)

x

Übernahme von Tätigkeiten im Rahmen der Insolvenzgeldvorfinanzierung961) oder

x

intensive Beratungstätigkeit (oben Rn. 480 ff.).

Wie auch bei der endgültigen Eigenverwaltung (oben Rn. 577) kommen Ab- 592 schläge in Betracht, wenn unterdurchschnittlich einfache Fälle bzw. geringe Arbeitsbelastung vorliegen. Das kann etwa bei besonders geringem Geschäftsanfall oder der zuverlässigen Mitwirkung durch gut qualifizierte externe Beratern oder Sanierungsgeschäftsführer der Fall sein.962) 4. Auslagen Auch der vorläufige Sachwalter kann schließlich seine Auslagen nach §§ 10, 4 593 InsVV ersetzt verlangen.963) Insofern ergeben sich keine Besonderheiten gegenüber dem endgültigen Sachwalter (vgl. daher oben Rn. 578 ff.), insbesondere steht ihm analog § 12 Abs. 3 InsVV auch die Wahl der Auslagenpauschale offen.964)

___________ 956) Vgl. die Beispiele bei Hofmann, Eigenverwaltung, Rn. 552; Schur, ZIP 2014, 757, 763 ff. 957) Dies ist nicht der Fall, wenn der Schuldner in einem durchschnittlichen Verfahren die Überwachung und Kontrolle jederzeit ermöglicht, die Unterlagen und Daten aufbereitet und vollständig zur Verfügung stellt und jederzeit Auskunft gibt. BGH NZI 2016, 796, Rn. 67 ff. 958) BGH NZI 2016, 796, Rn. 71 ff. 959) BGH NZI 2016, 796, Rn. 79. 960) BGH NZI 2016, 796, Rn. 70. 961) BGH NZI 2016, 796, Rn. 80. 962) Budnik, NZI 2014, 247, 251. 963) AG Köln ZInsO 2013, 741, 742; Budnik, NZI 2014, 247, 252; Stephan, MüKo-InsO, InsVV § 12 Rn. 20. 964) BGH NZI 2016 796 Rn. 84; AG Hamburg ZInsO 2014, 569, 571.

173

Stichwortverzeichnis

Absonderung

43, 104, 127, 131, 148, 284, 369, 524, 529, 569, 588 f. Abschläge 577, 592 Altverbindlichkeiten 169 f., 313 Amtsermittlung 106, 125 Anfechtung – bei Kassenführung 463 – bei Zustimmung/ Nicht-Widerspruch 456 ff. – Haftung 538 – Insolvenzplanregelung 279 – prozessuale Geltendmachung 266, 271, 273 ff. – Sozialversicherungsbeiträge 189 – Steuern 183 Anlagevermögen 322 Anordnung der Eigenverwaltung – anfängliche ~ 20 ff. – Anspruch 9 ff., 20, 25, 28, 34 – Antrag 21, 28 – Antragsrücknahme 29 – Gläubigerausschuss 22 – Gläubigerversammlung 25 – nachträgliche ~ 24 ff. – Rechtsmittel 23, 36 Antrag – Eigenverwaltung s. Anordnung der Eigenverwaltung – Eröffnung Insolvenzverfahren s. Insolvenzantrag Anzeigepflichten – Massearmut s. Massearmut – Masseunzulänglichkeit s. Masseunzulänglichkeit – Nachteile s. Nachteilsanzeige – Schuldner gegenüber Gericht 220 f. – Schuldner gegenüber Gläubigern 217 ff. – Schuldner gegenüber Sachwalter 216, 328 ff. – Zahlungsunfähigkeit 221, 373 f.

Arbeitnehmer 104, 173 ff., 184 ff., 199 f., 411, 489 Aufsicht – Begriff 143, 292 ff. – der Gläubiger 117 ff., 380 – des Insolvenzgerichts 110 ff., 125, 220 f., 379, 542 – des Sachwalters 134 ff., 223, 292 ff. – Intensität 112, 295 – s. a. Kontrolle – mehrfache ~ 109 – Verhältnis zu Kontrolle 293 ff. – Verhältnis zur Entscheidung 143, 293 f. – Zwangsmittel 115, 333, 336, 493 Auftrag und Geschäftsbesorgungsvertrag 201 Ausgaben für die Lebensführung – Ausgaben 136, 150, 317 – Bescheidenheitsmaßstab 151 – Haftung 541 – Mittelentnahme 150 ff., 317 – Überwachung 316 ff. Auslagen 563, 578 ff., 593 Aussonderung 43, 355, 529, 589

Bargeschäft

159, 172, 393, 401 f. Berater 15, 63, 484 Beratung 58 ff., 265 ff., 364, 367, 480 ff., 538, 576, 591 Berichtstermin 121, 156, 217, 258, 338, 375, 541 Bescheinigung s. Schutzschirmverfahren Beschwerde 29, 85, 93, 132, 563 Besondere Bedeutung 209, 213, 495 f. Besprechungstermin 489 ff. Betriebsänderung 194

175

Stichwortverzeichnis

Betriebsfortführung – Einschränkung 156 – Regelfall 155, 166 Betriebsstilllegung 156 Betriebsvereinbarung 194 Buchführung 190 ff., 356, 359, 516

Chapter 11 U.S. Bankruptcy Code 3 Chief Restructuring Officer (CRO) 15, 484

Dauerschuldverhältnisse

s. Gegenseitige Verträge Debtor in possession 3 Delikt 284, 405, 523 ff. Drohende Zahlungsunfähigkeit 18, 29, 31

Eidesstattliche Versicherung

333, 347 f. Eigentumsvorbehalt 104, 313, 489 Eigenverwaltung – anfängliche ~ 20 ff. – Aufhebung 41, 69, 106, 126 ff., 131 f., 212, 221, 236, 243, 250, 278, 349, 361, 374, 418, 493, 498, 568, 586 – Aussichtslosigkeit 27 f., 32 f. – Bedeutung 4 ff. – Eignung von Verfahren 16 ff. – nachträgliche ~ 24 ff. – Quote 5 – Schutzschirm s. Schutzschirmverfahren – Varianten 19 – Vorteile 6 ff. – vorläufige ~ s. Vorläufige Eigenverwaltung Einsichtnahme 332 Einvernehmen 193, 331, 474 ff. – Begriff 474 ff. – Funktion 479 – Haftung 541 Einwendungen 238 ff., 345

176

Einzelermächtigung – Anspruch 166 – Antrag 166 – Erteilung 165 f. – Haftung 554 – Notwendigkeit 455 – Steuern 183 Entscheidung – Begriff 140 Ermessen 28, 34, 67, 73 f., 413, 421 Eröffnungsantrag s. Insolvenzantrag Eröffnungsbeschluss 20 f., 75, 227 f., 434, 538

Forderungsanmeldung 229 ff. Forderungsprüfung 232 ff. Freiberufler 13, 256 Freigabe 153 f. Garantieerklärung 176, 447 Gegenseitige Verträge 192 – Auftrag 201 – Dienstverträge 199 f. – Geschäftsbesorgungsvertrag 201 – Kontokorrentvertrag 202 – Mietverträge 195 f. – Wahlrecht 195 f. Gesamtschaden 283 ff., 525 Geschäftsbetrieb, gewöhnlicher 400, 406 ff. Geschäftsführung – durch Schuldner 111, 119, 155, 400, 494, 497, 500 – Haftung 541 – Kontrollintensität 314 – spezielle Regelung 299, 305, 311 ff. – Überwachung 311 ff., 415 f. Geschäftsleitung – Begriff 467 ff. – Haftung 541 – Zustimmung zur Änderung 470 ff. Geschäftsräume 332

Stichwortverzeichnis

Gesellschafterhaftung 286 f. Gläubigerausschuss – Arten des ~ 80, 103 – Aufgabe 122, 124 – Aufhebungsantrag 126 – Berichte 124, 220, 369 – Beschlüsse 82 ff. – besondere Bedeutung 214 f. – mitgebrachter ~ 90, 100 ff. – vorläufiger ~ 22, 78 ff., 493 f. Gläubigerautonomie 25, 77 Gläubigerbefriedigung 268, 350, 356, 460 Gläubigergleichbehandlung 142, 169 f., 188, 310, 325, 397 Gläubigerversammlung 25, 91 ff. – Abwahl des Sachwalters 91, 133 – Aufhebungsantrag 131 – Auskünfte und Berichte 119 ff., 217 f., 369 – Betriebsfortführung 156 – Einberufung 500 – Mehrheiten 25, 92 – Stimmrecht bei Streit 235 – Zustimmungsanordnung s. Zustimmung, gerichtliche Anordnung Gläubigerverzeichnis 191 Grundrechte – Autonomie des Schuldners 140 f., 150, 296, 316, 337 – Schutz durch Sachwalter 38 – Übermaßverbot 6, 28

Haftpflichtversicherung 581 Haftung der Gesellschafter – Kapitalaufbringung 288 – Kapitalerhaltung 289 Haftung der Organwalter 288, 507 ff. – deliktische ~ 523 ff. – gesellschaftsrechtliche ~ 509 ff. – insolvenzrechtliche ~ 508 ff. – Masseschmälerung 288, 511 ff. – steuerliche ~ 515 ff. – vertragliche ~ 521 ff.

Haftung des Sachwalters – Beteiligten gegenüber 529 f. – Exkulpation 547 – fremdes Personal 534 f. – insolvenzspezifische Pflichten 536 ff. – Masseverbindlichkeiten 544 ff., 549 ff., 552 ff. – Sorgfaltsmaßstab 531 ff. – steuerliche ~ 556 ff. Haftung des Schuldners 504 ff. Handdarlehen 387, 403

Individualschäden 284 Insolvenzanfechtung s. Anfechtung Insolvenzantrag 7, 17, 21, 35 Insolvenzgeld 173 ff. Insolvenzgericht – Amtsermittlung 106, 125 – Amtshaftung 284 – Aufsicht 110 ff., 125, 220 f., 379, 542 – Auswahl des Sachwalters 30, 66 ff., 70 – Eröffnungsbeschluss 20 f., 75, 227 f., 434, 538 – Sicherungsmaßnahmen 166, 493 – Zustimmungsanordnung 270, 427 ff., 493 Insolvenzplan – Anfechtungsstreitigkeiten 279 – Auftrag 262 f. – Beispiele 256 – Beratung 265 ff. – Haftung 538 – Im Schutzschirmverfahren 30, 255 – Planvorlage durch Sachwalter 261 f. – Planvorlage durch Schuldner 261 – Überwachung 269 f. 177

Stichwortverzeichnis

Insolvenzverwalter 26, 55, 93, 128, 133 f., 142 ff., 153, 161 ff., 236, 307, 324, 352, 376 f., 428, 443, 488, 493

Kassenführung

313 f., 381 ff. – Anordnung 381 – Ausgestaltung und Ermessen 382 f., 384, 393 ff. – Haftung 541, 558 – Hilfsmaßnahmen 387, 454 – Verfügungsrecht 388 – Wirkung 386 ff., 391 f. Kontrolle – Anlassbezogenheit 302 – s. a. Aufsicht – Begriff 293 – eingeschränkte ~ 295, 297 – Gegenstände s. Kontrollgegenstände – vollständige ~ 295 – Vorgangsbezogenheit 300 Kontrollgegenstände – Ausgaben für die Lebensführung s. Ausgaben für die Lebensführung – Generalklausel 298, 304 – Geschäftsführung s. Geschäftsführung – wirtschaftliche Lage s. Wirtschaftliche Lage Kosten – des Verfahrens 7, 15, 242 f., 565 – Feststellungs~ 569 Kreditsicherheiten 149

Leistungsabgrenzung

313 Lieferanten 18, 159, 443, 489 Liquidation 12 Liquiditätsplanung 313 f., 322, 325, 510, 547 f.

Massearmut – Anzeige 252 – Begriff 242 – Haftung 538

178

Masseschmälerungshaftung 288, 511 ff. Masseunzulänglichkeit – Anzeige durch Sachwalter 244 ff. – Anzeige durch Schuldner 247 ff. – Begriff 243 – Haftung 538 – Nachteilsanzeige 250 – Öffentliche Bekanntmachung 246 Masseverbindlichkeiten – Anfechtung 172, 459 – Einzelermächtigung s. Einzelermächtigung – Haftung 513 – in der vorläufigen Eigenverwaltung 161 ff., 493 – im eröffneten Verfahren 160 – im Schutzschirmverfahren 30, 160 – Sozialversicherungsbeiträge 184 ff. – Steuern s. Steuern – Verfahrenskosten 565 Masseverwaltung – Generalklausel 298, 304 – Haftung 541 – Kontrolle 298 ff. Missbrauch 248, 383, 469 Mitwirkungspflicht 329

Nachteilsanzeige – – – – – – – –

Adressaten 369 als ultima ratio 349 Begriff des Nachteils 352 ff. bei Handeln gegen Widerspruch 418 bei Handeln ohne Einvernehmen 335, 479 bei Handeln ohne Zustimmung 335, 425, 438 bei Masseunzulänglichkeit 250 bei Notwendigkeit von Zwangsmitteln 334, 493

Stichwortverzeichnis

– bei Quotenverringerung 323, 350 f., 354, 357 f. – Beurteilungsperspektive 359 – Ermessen 366 – Fallgruppen 356 – Gläubigergesamtheit 355 – Haftung 541 – Inhalt der Anzeige 368 – Öffentliche Bekanntmachung 371 – Präventionsfunktion 360 f. – Prognose 362 ff., 367 – Verheimlichung durch Schuldner 359 Nichtgespräch 59

Obstruktion

105

Postsperre

336, 493 Prokura s. Vollmachten Prozess – Aufnahme Aktivprozess 207, 500 – Aufnahme Passivprozess 208, 500 – Prozesskosten 276 – Unterbrechung 205 f. – Sperrwirkung 285 Prozessführung – Grundsatz 204 – Partei kraft Amtes 275, 280 Prüfung von Forderungen – Einwendungen s. Einwendungen – gerichtliche Feststellung 234 – Widerspruch 233

Rechnungslegung

112, 190 f., 218, 321, 324, 390 Rechtspfleger 67, 435 Rückschlagsperre 500

Sachverständiger

191 Sachwalter – Abwahl 91, 106, 133

– Änderung der Geschäftsleitung 470 ff. – Anfechtung 273 ff. – Anforderungsprofil 84 – Aufsicht des Insolvenzgerichts 110 ff., 125, 220 f., 379, 542 – Aufsicht über Schuldner 134 ff., 223, 292 ff. – Auslandsbezug 47 f. – Auswahl 30, 66 ff., 70 – Büro 45 f. – Einwendungen 238 ff., 345 – Entlassung 116, 133, 542 – Erfahrung 54 f. – Forderungsanmeldung 229 ff. – Forderungsprüfung 232 ff. – Freigabe 153 f. – Funktion 134 ff. – Gesamtschäden 283 ff., 525 – Geschäftsführung, Überwachung der 311 ff., 415 f. – Geschäftskunde 40, 43 f. – Grundrechtsschutz 38 – Haftung s. Haftung des Sachwalters – Insolvenzgeldvorfinanzierung 173 ff. – Kassenführung s. Kassenführung – Lebensführung, Überwachung der 316 ff. – Masseunzulänglichkeit 244 ff. – Masseverteilung, Kontrolle der 237 ff. – Masseverwaltung, Kontrolle der 298 ff. – Nachteilsanzeige 349 ff. – Neuwahl 87 – Nichtgespräch 59 – offensichtliche Nichteignung 96 f. – Ortsnähe 49 f., – Persönlichkeit 52 f. – Planerstellung, Beratung zur 265 ff. – Planinitiativrecht 261 f.

179

Stichwortverzeichnis

– Planüberwachung 269 f. – Prozessführung 275, 280 – Prüfung der Schlussrechnung 338 ff. – Prüfung von Verzeichnissen 338 ff. – Rechtsmittel 76, 85, 93 – Sanktionen gegen den ~ 116, 125, 130 – Stellungnahme 267, 375 f., 378, 541 – Steuerungsfunktion 398 f. – Unabhängigkeit 56 f., 65, 481 – Vorauswahllisten 68 – Vorschlag 71 ff. – Zustellungen 208 Sanierung – Aussichtslosigkeit 32 f. – Berater 15, 484 – Bescheinigung 32 – Übertragende ~ 12 f. Schlussrechnung 190, 338, 378, 573, 576, 586 Schuldner – Betriebsfortführung 155 ff. – Beziehungen zu Geschäftspartnern 7 – Bindung an Gläubigerinteressen 141 f., 144 – Buchführungspflichten 190 ff. – Geschäftsführung s. Geschäftsführung – Grundrechte 6, 28, 38, 140, 296, 316 – Handlungen von besonderer Bedeutung 209 ff. – Insolvenzgeldvorfinanzierung 173 ff. – Know-how 7 – Lebensführung s. Ausgaben für Lebensführung – Masseverwertung 146 ff. – Mittelentnahme s. Ausgaben für Lebensführung

180

– Pflichten gegenüber Gläubigern 217 ff. – Pflichten gegenüber Insolvenzgericht 220 f. – Pflichten gegenüber Sachwalter 328 ff. – Prozessführung 204 – Rechtsstellung 139 ff. Schutzschirmverfahren 30 ff. – Anspruch 34 – Antrag 35 – Aufhebung 126 ff. – Auswahl des Sachwalters 30 – Bescheinigung 32, 65 – Eingangsvoraussetzungen 31 f. – Insolvenzplan s. Insolvenzplan – Sonderfall 310 – Vorschlagsrecht 95 Schutzschrift 106, 128 Sonderkündigungsrecht – bei Dienstverträgen 199 ff. – bei Mietverträgen 197 ff. Sondersachwalter 281 Sozialversicherungsbeiträge – Anfechtung s. Anfechtung – Arbeitgeberanteil 184 – Arbeitnehmeranteil 184 – Gesamtsozialversicherungsbeitrag 188 – Insolvenzgeld s. Insolvenzgeld – Masseverbindlichkeit 186 Steuern – Anfechtung s. Anfechtung – Einkommenssteuer 178, 181 – Einzelermächtigung 183 – Insolvenz- oder Masseforderung 177 ff. – Lohnsteuer 178, 181 – Umsatzsteuer 179 f., 181

Tabelle – – – –

Forderungsanmeldung 229 ff. Forderungsprüfung 232 ff. Haftung 538 Niederlegung 231

Stichwortverzeichnis

– Vorprüfung 230 – Widerspruch s. Prüfung Treuhandmodell 172

Überschuldung 31 Umlagevermögen 322 Untersuchungsgrundsatz s. Amtsermittlung Verbraucherinsolvenz

11 Verfügungsverbot 206, 493 Vergleichsordnung 3 Vergütung des Sachwalters – Abschläge 577, 592 – Absonderungsgut 569, 589 – Auslagen 563, 578 ff., 593 – Berechnungsgrundlage 567 – Betriebsfortführung 571 – erhebliche Befassung 589 – Haftpflichtversicherung 581 – Hilfskräfte 580 – Inflationsausgleich 575 – Regelsatz 567 ff., 583 ff. – Vorschuss 566 – Zuschläge 572 ff., 576, 591 Vermögenssicherung 145 Vermögensübersicht 191 Vermögensverzeichnis 191, 338 Verteilung der Masse – Abschlagsverteilung 236 – Prüfung durch Sachwalter 237 ff. – Verteilungsverzeichnis 147, 236 Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis 2, 139 Vollmachten 201, 203

Vollstreckungsschutz 30, 250 Vorkasse 159, 313 Vorläufige Eigenverwaltung 27 ff. – Rechtsanspruch 28 – Regelfall 27 – Antrag 29

Weisungsrecht 337, 494, 496 Wertansatz 341, 344 Widerspruch 412 ff., 541 Wirtschaftliche Lage – Einzelaspekte 300, 322 – Haftung 541 – Prognoseentscheidung 323 – Prüfung 299, 325 – Tatsachengrundlage 320 Zahlungsunfähigkeit

18, 31, 221, 373 f., 586 Zahlungszusagen 171, 443 ff. Zustimmung – Änderung der Geschäftsleitung s. Geschäftsleitung – besondere Bedeutung 210 ff., 426 – Betriebsänderung 194 – Betriebsvereinbarung 194 – gerichtliche Anordnung 270, 427 ff., 493 – gewöhnlicher Geschäftsbetrieb 400, 406 ff., 419 ff. – Gutglaubensschutz 440 f. – Haftung 541, 546 ff. – Kündigungsschutz 194 Zwangsvollstreckung 30, 493 Zwischenbericht 218, 586 Zwischenrechnung 190, 218, 377 f.

181