Der Griff nach der Zeit: Perioden, Charakteristika, Motive und Interessen österreichischer Arbeitszeitpolitik (1945 – 2018) [1 ed.] 9783205203162, 9783205208594


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German Pages [625] Year 2019

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Der Griff nach der Zeit: Perioden, Charakteristika, Motive und Interessen österreichischer Arbeitszeitpolitik (1945 – 2018) [1 ed.]
 9783205203162, 9783205208594

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Schriftenreihe des Forschungsinstitutes für politisch-historische Studien der Dr.-Wilfried-Haslauer-Bibliothek, Salzburg Herausgegeben von Robert Kriechbaumer · Franz Schausberger · Hubert Weinberger Band 69

Michael Jürgen Schatzl

Der Griff nach der Zeit Perioden, Charakteristika, Motive und Interessen österreichischer Arbeitszeitpolitik (1945 – 2018)

Böhlau Verlag Wien · Köln · Weimar

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek  : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie  ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2019 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG, Wien, Kölblgasse 8–10, A-1030 Wien Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Korrektorat  : Volker Manz, Kenzingen Einbandgestaltung  : Michael Haderer, Wien Satz  : Michael Rauscher, Wien Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-205-20316-2

Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Forschungsstand und forschungsleitende Fragestellung . 1.1.1 Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.2 Thematische Annäherung.. . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.3 Forschungsleitende Fragestellung und Hypothese . . . . 1.1.3.1 Vom Nutzen der Periodisierung. . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.3.2 Periodisierungsmodell zur Arbeitszeitpolitik Österreichs . . . 1.2 Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Untersuchungsmethodik und Quellen . . . . . . . . . . . 1.3.1 Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.2 Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

15 20 20 25 28 29 31 37 39 39 41

Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auf der Spur der Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . »Zeit« ist ….. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ordnungskategorien der Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitbewusstsein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausdifferenzierung der Zeitstrukturierung in der Gegenwartsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Von differenzierten Zeiten zur Standardzeit.. . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Zeitinstitutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Zeitnormen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 »Arbeitszeit« – von der Differenzierung zur Entgrenzung von Arbeit und Leben.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Zum gesellschaftlichen Arrangement der Arbeitszeiten . . . . . . . . 2.3.1.1 Wann kann eine Auseinandersetzung mit der Arbeitszeit einsetzen  ?. . . . 2.3.1.2 Arbeitszeit von der vorindustriellen zur industriellen Gesellschaft . . . . . 2.3.1.3 Zur Diversifikation der Zeitinstitutionen »Arbeitszeit« und »Freizeit« . . 2.3.1.4 Arbeitszeitreduktion und Standardisierung der Arbeitszeit.. . . . . . . . 2.3.1.5 Legaldefinition von Arbeitszeit in Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Flexibilisierung der Arbeitszeiten.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2.1 Flexibilisierung ist … . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . .

. . . . .

43 44 44 45 48

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51 53 54 60

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

61 62 63 64 68 70 73 74 75

2. 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.2

. . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

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6

Inhaltsverzeichnis

2.3.2.2 Auswirkung der Arbeitszeitflexibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  80 2.3.3 Zwischen Flexibilität und Sicherheit – Flexicurity . . . . . . . . . . . . . .  81 3. 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.2 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4

4. 4.1 4.2 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.3.5 4.4 4.4.1 4.4.2

Politische und ökonomische Rahmenbedingungen . . . . . . . . Akteure und Strukturen der Wirtschafts- und Arbeitsbeziehungen . . . Die gesetzlichen und freiwilligen Interessenvertretungen . . . . . . . . Entscheidungsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitszeitpolitische Positionierung der Akteure. . . . . . . . . . . . . Ziele der Wirtschaftspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezifika der österreichischen Wirtschaftspolitik . . . . . . . . . . . . . Sozialpartnerschaft.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die verstaatlichte Industrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hartwährungspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Austro-Keynesianismus und kompensatorische Finanzpolitik. . . . . . Österreichische Wirtschaftsentwicklung seit dem Zweiten Weltkrieg im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirtschaftliche Entwicklung in der »Konsolidierungs- und Inhomogenitätsphase«.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirtschaftliche Entwicklung in der Periode der Politisierung der Arbeitszeitpolitik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirtschaftliche Entwicklung in der Periode der Auseinandersetzung »Arbeitszeitflexibilisierung vs. Arbeitszeitverkürzung« . . . . . . . . . Wirtschaftliche Entwicklung in der Periode erneuter Politikbeeinflussung seit den 1990er Jahren. . . . . . . . . . . . . . . .

  87 87  87  89  90 91 92  92  95  97  98

Die Konsolidierung der Arbeitszeit von 1945 bis 1959 . . . . . Arbeitszeitregelung von der Ersten Republik bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitspflichtgesetz vor Arbeitszeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hürdenlauf bis zur generellen Diskussion um die Einführung der 45-Stunden-Woche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitszeiten zwischen 1945 und Mitte der 1950er Jahre.. . . . . . . . Diskussionen über Arbeitszeitverkürzung bis Mitte der 1950er Jahre .. Geschlechtsspezifische Arbeitszeitverkürzungsdiskussion . . . . . . . . Diskussionen um die Arbeitszeit von Jugendlichen . . . . . . . . . . . . Versuche der Kodifikation der Arbeitszeit bis 1959 . . . . . . . . . . . . Die Einführung der 45-Stunden-Woche . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diskussionen zur Arbeitszeitpolitik von 1955 in den Wirtschaftspolitischen Blättern und in der Arbeit und Wirtschaft . . . . . . Der letzte Weg zur Einführung der 45-Stunden-Woche. . . . . . . . .

136

102 102 109 118 126

136 140 146 147 157 159 175 177 195 195 200

7

Inhaltsverzeichnis

4.4.3 Generalkollektivvertrag vom 1. Februar 1959. . . . . . . . . . . . . . . 203 Die Karawane zieht weiter. Ziel  : 40-Stunden-Woche  ! . . . . Auswirkungen der Arbeitszeitverkürzung auf 45 Wochenstunden . . . Arbeitszeitpolitische Auseinandersetzung von 1962 in den Wirtschaftspolitischen Blättern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Aspekte der Arbeitszeitdiskussion in den 1960er Jahren . . . . . . . . 5.3.1 Urlaubsverlängerung und ein Mehr an Freizeit . . . . . . . . . . . . . 5.3.2 Die Forderung nach der 40-Stunden-Woche . . . . . . . . . . . . . . 5.3.3 Europäischer Trend zur Verankerung der 40-Stunden-Woche . . . . 5.4 Zwischen Demagogie und Wahlschlager  : Die Einführung der 40-Stunden-Woche als wechselseitige Initiative von SPÖ und ÖGB.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.1 Initiativantrag 19/A XI. GP. vom 15. Juni 1966 . . . . . . . . . . . . . 5.4.2 Beschluss des ÖGB-Bundesvorstandes vom 24. September 1968 . . . 5.4.3 Ziele, Aufgaben und Zeitplan des Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.4 Das Volksbegehren für die Reduktion der Arbeitszeit und die Verwirklichung eines Arbeitszeit- und Arbeitsruhegesetzes . . . . . . 5.4.4.1 Das Volksbegehren als Instrument der direkten Demokratie . . . . . . . . 5.4.4.2 Das Rundfunk-Volksbegehren als Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.4.3 Erste Reaktionen und Inhalt des initiierten Volksbegehrens . . . . . . . . . 5.4.5 Beiratsbericht »Untersuchung über die Probleme der Arbeitszeitverkürzung« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.6 Arbeitszeitpolitische Auseinandersetzung von 1969 in den Wirtschaftspolitischen Blättern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.7 Informationskampagne zum SPÖ-Volksbegehren in der Arbeiter Zeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.8 Vom Generalkollektivvertrag zum Arbeitszeitgesetz. . . . . . . . . . 5. 5.1 5.2

6. 6.1 6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.2.4

. 208 . 210 . . . . .

216 223 223 232 244

. 258 . 261 . 268 . 270 . . . .

271 271 274 276

. 288 . 293 . 296 . 319

Arbeitszeitflexibilisierung vs. 35-Stunden-Woche im Spannungsverhältnis der Beschäftigungspolitik.. . . . . . . . Auswirkungen der Arbeitszeitverkürzung auf die 40 Wochenstunden .. Teilzeitarbeit als Arbeitszeitmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . »Teilzeit« ist …. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beiratsbericht über die Teilzeitbeschäftigung 1968. . . . . . . . . . . . Teilzeitarbeit bis zum Auftauchen erneuter Forderungen nach Arbeitszeitverkürzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teilzeitbeschäftigung zwischen Flexibilisierung und 35-StundenWoche.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

328 330 338 338 340 342 344

8

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6.3 Aspekte der Arbeitszeitdiskussion bis Ende der 1970er Jahre.. . . . . . 6.3.1 Allgemeine Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.2 Diskussion in den Wirtschaftspolitischen Blättern 1979 . . . . . . . . . . . 6.4 Im Galopp zur nächsten Verkürzung  ! Ziel  : 35-Stunden-Woche. . . . . 6.4.1 Prägende Elemente der Arbeitszeitdiskussion der 1980er Jahre . . . . . 6.4.2 Arbeitszeitverkürzung zur Sicherung der Vollbeschäftigung . . . . . . 6.4.2.1 Erste Phase  : Verlängerung des Mindesturlaubs . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.2.2 Zweite Phase  : Der Traum von der 35-Stunden-Woche . . . . . . . . . . . . 6.4.3 »Arbeitszeitentwicklung und Arbeitszeitpolitik« – ein Bericht des Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen. . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.4 Arbeitszeitflexibilisierung als Gegenpol zur linearen Einführung der 35-Stunden-Woche.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.5 Die Lage der wöchentlichen Normalarbeitszeit. . . . . . . . . . . . . . 6.4.6 35-Stunden-Woche  : Sie kommt – oder doch nicht  ?.. . . . . . . . . . . 7. 7.1 7.1.1 7.1.2 7.2 7.3 7.4 7.4.1 7.4.2 7.4.3 7.4.4 7.4.5 7.4.6 7.4.7 7.5 7.5.1

Arbeitszeit zwischen Verkürzen, Flexibilisieren und Verlängern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fortsetzung der Kontroverse »Flexibilisierung und Verkürzung der Arbeitszeit«. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitszeitflexibilisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35-Stunden-Woche.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitszeitpolitische Diskussion von 1989 in den »Wirtschaftspolitischen Blättern« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitszeitverlängerung und Überstundenproblematik vom Ende der 1980er Jahre bis Anfang der 1990er Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitszeitpolitik vom Ende der 1980er Jahre bis zur »großen« Arbeitszeitgesetznovelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karenzzeitregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pensionsreform 1993.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Affäre Poigenfürst – Arbeitszeit in Krankenanstalten . . . . . . . . Die »kleine« Arbeitszeitgesetznovelle 1994 – der erste Schritt zur Ausdehnung der Arbeitszeit per Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschlechtsneutrale Regelung des Nachtarbeitsverbotes . . . . . . . . Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . Die »große« Arbeitszeitgesetznovelle 1997 – der zweite Schritt zur Ausdehnung der Arbeitszeit per Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von der »großen« Arbeitszeitgesetznovelle bis zur Arbeitszeitgesetznovelle 2018 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitszeitpolitik in den 1990er Jahren nach der »großen« Arbeitszeitgesetznovelle 1997. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

347 347 353 356 357 367 370 376 392 394 403 407

420 424 424 434 440 449 456 458 461 464 466 468 477 481 489 489

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Inhaltsverzeichnis

7.5.2 Geänderte politische Rahmenbedingungen und deren Auswirkung auf die Arbeitszeitpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5.3 Arbeitszeitpolitische Aspekte bis zur Sommerdebatte 2004 . . . . . . 7.5.4 Arbeitszeitpolitik von der Sommerdebatte 2004 bis zur dritten Arbeitszeitgesetznovelle 2007. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5.5 Arbeitszeitpolitik nach der Arbeitszeitgesetznovelle 2007 . . . . . . . 7.5.6 Arbeitszeitdebatten bis zur Umsetzung der vierten Arbeitszeitgesetznovelle 2018. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. 499 . 500 . 508 . 517 . 521

8.

Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 550

9. 9.1 9.2 9.3 9.4 9.4.1 9.4.2 9.4.3 9.4.4 9.4.5 9.4.6 9.4.7

Anhang.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungsverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungsverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabellenverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Primärquellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stenographische Protokolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerichtsentscheidungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bundesgesetzblätter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berichte des Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen . . . . . . . . . Gewerkschaftsdokumente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dokumente von Regierung und Ministerien . . . . . . . . . . . . . . . Jahresberichte der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft und der VÖI sowie Jahrbuch der Kammer der Arbeiter und Angestellten .. Monatsberichte des WIFO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Periodika und Fachzeitschriften.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirtschaftspolitische Blätter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Recht der Arbeit (DRdA).. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirtschafts- und sozialpolitische Zeitschrift (WISO) . . . . . . . . . . Wirtschaft und Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sekundärliteratur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitungen, Zeitschriften und TV. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeit und Wirtschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tages-, Wochen- und Monatszeitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Onlinemedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Internet. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9.4.8 9.4.9 9.5 9.5.1 9.5.2 9.5.3 9.5.4 9.5.5 9.6 9.7 9.7.1 9.7.2 9.7.3 9.7.4 9.7.5 9.8

558 558 561 562 563 563 563 563 564 565 565 565 566 567 567 567 570 570 571 572 577 609 609 614 614 614 614 615

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Inhaltsverzeichnis

Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 616

Vorbemerkungen

Das vorliegende Werk ist eine überarbeitete und gekürzte Version der im Dezember 2016 an der Kultur- und Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg eingereichten Dissertation zur Arbeitszeitpolitik von 1945 bis 2009. Die Entwicklungen im Juni 2018 und die Realisierung der Arbeitszeitgesetznovelle 2018 führten dazu, dass die Dissertation um den entsprechenden Zeitraum von 2009 bis 2018 ergänzt wurde. Im Sommer 2014 wurde in Österreich vermehrt über die Verwendung des Binnen-Is diskutiert, nachdem Andreas Gabalier beim Grand Prix in Spielberg die österreichische Nationalhymne in ihrer ursprünglichen und nicht gegenderten Fassung vorgetragen hatte. Zur Sprachregelung der Geschlechterbeziehungen in dieser Arbeit möchte ich anmerken, dass ich prinzipiell die männliche Bezeichnung einer Personengruppe verwendet habe, d. h., dass z. B. bei der Verwendung des Begriffs »Bürger« selbstverständlich »Bürgerinnen« und »Bürger« gemeint sind. Die Angabe von Autoren, die zitiert werden bzw. auf die verwiesen wird, erfolgt durchgängig mit deren Nachnamen. Ausgenommen hiervon sind Autoren mit identischen Nachnamen  ; in diesen Fällen erfolgt der Zusatz des Ersten Buchstabens des Vornamens, wie z. B. M. und C. für die Unterscheidung bei Klein (z. B. M. Klein und C. Klein). Sollte der erste Buchstabe des Vornamens ebenfalls ident sein, so wird der Vorname ausgeschrieben. Zudem ausgenommen sind die Stenographischen Protokolle des Nationalrates, des Bundesrates, des ÖGB sowie jene des FKÖGB. Hier erfolgt zusätzlich zu der zur Auffindung notwendigen Bezeichnung der jeweiligen Stenographischen Protokolle die Angabe des Nachnamens und des Vornamens der jeweiligen Person, die die entsprechende Aussage getätigt hat, wie z. B. »Altenburger, Erwin  : Sten. Prot. NR, VIII. GP, 18.  Sitzung  : 694«. Aufgrund der Tatsache, dass beim I. KÖGB der Tätigkeitsbericht und die Stenographischen Protokolle in einem Sammelband herausgegeben wurden, werden die den Tätigkeitsbericht betreffenden Passagen ohne Autorenbezeichnung angegeben. Zahlreiche primäre wie sekundäre Quellen sind in alter Rechtschreibung verfasst worden. In Zitaten dieser Quellen wurde diese bewusst beibehalten. Angemerkt sei, dass im Stenographischen Protokoll des I. FKÖGB das »ß« nicht verwendet wurde und bestimmte Wörter, wie z. B. »muß« oder »daß«, in dieser Textquelle mit »ss« geschrieben wurden, so dass der Eindruck einer von mir nach aktuellen Rechtschreibregeln durchgeführten Korrektur entstehen könnte. Der Schweizer Wüthrich verfasste einen Vergleich der österreichischen und schweizerischen Arbeitszeitpolitik von 1945 bis 1975. Wurden diese Arbeit oder an-

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Vorbemerkungen

dere Arbeiten aus der Schweiz, zitiert, so sei an dieser Stelle zum besseren Verständnis darauf hingewiesen, dass das »ß« in der Schweiz stets als »ss« geschrieben wird, so dass z. B. an Stelle von »groß« »gross« geschrieben wird. Da es sich hierbei um keinen Rechtschreibfehler handelt, wurde dies von mir bewusst ohne weitere Anmerkung beibehalten. Ferner wurden in den Zitaten aus grammatikalischen Gründen vorgenommene Anpassungen sowie von mir stammende Erklärungen durch eckige Klammern gekennzeichnet. Darüber hinaus wurden offensichtliche Fehler durch das übliche (sic  !) markiert. Die Bezeichnung von Zeitungen, Zeitschriften etc. erfolgt unter Anführungszeichen sowie in Kursivdruck. Im Zusammenhang mit Internetquellen erfolgt die Angabe der Internetseite mit dem jeweiligen Datum der Recherche bzw. des letzten Zugriffs in eckiger Klammer.

Vorwort

Im Frühjahr 2015 beendete mein Vater sein Erwerbsarbeitsleben und wechselte in den verdienten Ruhestand. Seit meiner frühesten Kindheit war es für mich selbstverständlich, dass mein Vater nicht immer zur selben Zeit seine Arbeit als Lagerarbeiter aufsuchte oder beendete. Ohne dass ich damals den Terminus »flexible Arbeitszeit« gekannt habe, war fraglos erkennbar, dass sich Dauer, Lage und Verteilung der Arbeitszeit meines Vaters flexibel veränderten und gegebenenfalls an den Bedarf des Unternehmens aus der Logistik- und Speditionsbranche anpassten. Diese teilweise flexible Arbeitszeiteinteilung hatte zur Folge, dass die sozialen Zeiten meines Vaters nicht mit jenen meiner Mutter und/oder meinen Geschwistern und mir übereinstimmen mussten. So mussten im Laufe der Jahre zahlreiche mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zusammenhängende Koordinierungsprobleme gelöst werden. Das Erwerbsarbeitsleben meines Vaters war von Schichtarbeit, Gleitzeit, Überstundenarbeit, Arbeit an Wochenenden sowie an Sonn- und eventuell an Feiertagen sowie dem Zeitausgleich im Austausch geleisteter Überstunden geprägt. Dieses Repertoire der Verteilung der Arbeitszeit begleitete nicht nur das Erwerbsarbeitsleben meines Vaters, sondern prägte zudem unserer Familienleben. Aber nicht nur unser Familienleben wurde und wird von diesen und anderen Zeitstrukturen – Öffnungszeiten von Supermärkten und Ämtern, den Fahrplänen der öffentlichen Verkehrsmittel, den Schlaf- und Essenzeiten u. v. m. – beeinflusst  ; jede Person muss diverse Zeitstrukturen akkordieren, die den Alltag mehr oder weniger stark beeinflussen. Arbeitszeit ist ein Teil unseres Lebens und die Auseinandersetzung mit ihr unvermeidbar. Sie begleitet uns im täglichen wie im öffentlichen Leben. So gibt es nahezu alljährlich Arbeitszeitdebatten, die zum einen auf einer generellen Basis geführt werden, zum anderen eine bestimmte Berufsgruppe betreffen. Diese Debatten zeichnen sich durch Wiederholung von Argumentationslinien aus, weisen aber dennoch auch Einzigartigkeiten auf. In meiner beruflichen Tätigkeit als Lehrer ist Arbeitszeit gleichermaßen häufig ein Thema wie in der generellen Debatte. Während Schichtarbeit und Gleitzeit sowie einige weitere flexible Arbeitszeitmodelle weniger in dieser Berufsgruppe anzufinden sind, gibt es in Anbetracht der Verteilung der Unterrichts- und Vorbereitungszeit andere Zeitstrukturen, die das Leben dirigieren. Nichtsdestotrotz erfolgt im öffentlichen Diskurs eine Gleichsetzung von Unterrichts- und Arbeitszeit, so dass vielfach mit Freude berichtet wird, wenn Lehrer zwei Stunden mehr arbeiten sollen, da sie angeblich sowieso wenig arbeiten und wegen der neunwöchigen Sommerferien sowie anderer Ferientage viel Freizeit genießen können.

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Vorbemerkungen

Arbeitszeit begleitet mich, wie eigentlich den Großteil der österreichischen Bevölkerung, mein Leben lang  ; sei es aus passiver oder aus aktiver Erfahrung. Die Faszination dieses Sujets war grundsätzlich schon immer vorhanden, verstärkte sich allerdings mit der Sommerdebatte 2004 um die Verlängerung der Arbeitszeiten, die, ausgehend von Deutschland, nach Österreich überschwappte. Beinahe täglich gab es neue Wasserstandmeldungen, wie eine Arbeitszeitverlängerung in Kombination mit Arbeitszeitflexibilisierung erreicht werden könne und wie viele neue Arbeitsplätze durch die Erweiterung der täglichen Höchstarbeitszeitgrenze geschaffen werden könnten. Beinahe zeitgleich zu dieser Debatte absolvierte ich im Sommersemester 2004 bei Prof. Dr. Ehmer das Seminar »Mehr oder weniger arbeiten  ? Geschichte der Arbeitszeit«. Als Thema meiner Seminararbeit hatte ich mich für den Überblick »Arbeitszeitentwicklung in der Zweiten Republik« entschieden. Die Überschneidung des Seminars mit einer aktuellen wirtschaftspolitischen Debatte hatte mein Interesse am Thema Arbeitszeit endgültig geweckt. Hinzu kam, dass ich am Ende dieser Seminararbeit das Gefühl hatte, eigentlich kaum etwas über die Motive und Charakteristika der Arbeitszeitentwicklung in Österreich erfahren zu haben. Dies bestärkte mich in meinem Beschluss, zu diesem Gegenstand eine Forschungsarbeit zu schreiben. Mein Dank gilt all jenen, die mich während des langen Zeitraums der Erstellung dieser Arbeit unterstützt und begleitet haben  : Herrn Alfred Novotny für die Hilfe bei der Durchsicht des ÖGB-Archivs zu den Materialien zum 1. FKÖGB. Meiner Kollegin OStR. Mag. Isabella Auckenthaler für die Durchsicht meiner Übersetzungen aus dem Französischen sowie meiner Kollegin Mag. Claudia Deutsch, die ihre Spanisch- und Mathematikkenntnisse eingebracht hat, aber auch meiner Kollegin Mag. Christine Alt und dem Sprachassistenten Alfredo Giménez, die mir ebenfalls bei Übersetzungen aus dem Spanischen mit Rat und Tat zur Seite standen. Ferner meinem Kollegen Dr. Wolfgang Resch für juristische Hinweise. Besonderer Dank gilt meinem Kollegen OStR. Mag. Peter Geretschläger, der sich bereit erklärte, meine doch sehr umfangreich gewordene Arbeit Korrektur zu lesen – sollten sich dennoch Fehler in dieser Arbeit finden lassen, so habe ich diese zu verantworten. Bedanken möchte ich mich auch bei Frau Dr. Ingrid Bauer und bei Frau Dr. Helga Embacher für zahlreiche Anregungen im Dissertantenseminar, die einige Teile dieser Arbeit stark beeinflusst haben. Zum Abschluss möchte ich mich für die Geduld und die, wann immer ich sie benötigte, hervorragende Beratung bei meinen Betreuern Prof. Dr. Christian Dirninger und Prof. Dr. Walter Scherrer bedanken.

1. Einleitung Mit der Trennung der Lebenssphären in »Arbeitszeit« und »Freizeit« lässt sich wiederkehrend Arbeitszeitpolitik beobachten. Diese Forschungsarbeit untersucht jene Perioden, Charakteristika und Interessen, die die Arbeitszeitkonflikte in der Zweiten Republik prägten, sowie die Ergebnisse dieser Kontroversen und die damit direkt beeinflusste Entwicklung der geleisteten Normalarbeitszeit. Die Intention besteht jedoch nicht darin, eine historische Theorie aufzustellen in dem Sinne, dass in Arbeitszeitkonflikte dann, wenn Ereignis A eintritt, automatisch Ergebnis B folgt. Die den hier betrachteten Antagonismen innewohnenden Strukturen und Prozesse sind derart komplex, dass eine eindeutige Schlussfolgerung nicht zulässig ist.1 Erkennbar ist dies am Themenbereich Volksbegehren. Während in Österreich 1969 ein Arbeitszeit-Volksbegehren von Erfolg gekrönt war, gelang eine solche Umsetzung der direkten Demokratie in der Schweiz und in Spanien nicht. Gänzlich streichen lässt sich eine »Theorie zur Arbeitszeitentwicklung« nicht, wie bereits Hinrichs feststellte,2 auch wenn Hochrainer in seiner Analyse zur österreichischen Sommerdebatte 2004 festhielt, dass aufgrund der Interessenpluralität der Arbeitszeitdiskurs zu unspezifisch sei.3 Dieser Pluralität liegt aber nicht einfach »nur« eine Motivüberlagerung zugrunde. Vielmehr können in einem historischen Abgleich Muster ersichtlich gemacht werden, wann und warum bestimmte Aspekte für die weitere Entwicklung von besonderer Bedeutung sind. Arbeitszeitpolitik beeinflusst politische, ökonomische oder gesellschaftliche Faktoren genauso, wie diese umgekehrt arbeitszeitpolitische Maßnahmen beeinflussen. Die Annahme eines »historischen Stillstandes«, wie ihn Sorger besonders für die gewerkschaftliche Arbeitszeitpolitik seit der letzten größeren Arbeitszeitverkürzung konstatiert,4 lässt deren generell verändertes Terrain mit seinen Einflussfaktoren außer Acht. Wenn auch das jahrzehntelange Festhalten des ÖGB an der Forderung nach der 35-Stunden-Woche als Stillstand interpretiert werden kann und Argumente ebenso wie Interessen wiederholend auftreten,5 unterlagen einige Bereiche der Gesellschaft sehr wohl einem Wandel und beeinflussten damit die Arbeitszeitpolitik an sich. Allgemeingültige Vorhersagen auf historischer Basis, die jeder Aktion eine genaue Reaktion mit exaktem Ergebnis zuweisen, sind nicht möglich. Dennoch kann 1 2 3 4 5

Vgl. Michael Schneider 1984  : 17  ; Hinrichs 1988  : 22f. Vgl. Hinrichs 1988  : 23. Vgl. Hochrainer 2006  : 174. Vgl. Sorger 2014. Vgl. Hussl 1999  : 66  ; Hochrainer 2006  : 173f.

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das Nachzeichnen des historischen Prozesses die Ausprägung unterschiedlicher Motiv- und Interessenlagen verdeutlichen und periodische Unterscheidungen der Arbeitszeitpolitik mit bestimmten Argumentationsmustern ermöglichen. Diese sich wiederholenden Argumentationsmuster betreffen beschäftigungspolitische, konjunkturpolitische, arbeitshygienische, gesundheitspolitische, kulturpolitische, technologische und ökonomische Aspekte6 gleichermaßen und lassen sich immer wieder beobachten, ob nun Argumente pro oder kontra Arbeitszeitverkürzung, Arbeitszeitflexibilisierung oder Arbeitszeitverlängerung angeführt werden. Charakteristisch ist etwa das Argument der Gefährdung der österreichischen Wirtschaft, das zu den Standardargumenten gegen eine Arbeitszeitverkürzung gezählt werden kann,7 wenn es heißt, das »kleine« Österreich dürfe keinen arbeitszeitpolitischen Alleingang wagen. Hussl, Jabornegg oder Nyikos führen in ihren Ausführungen diese permanent gleichbleibenden Argumente, Motive und Interessen,8 die im Arbeitszeitkonflikt auftreten, an. Dem Streit um den »Griff nach der Zeit« liegen allerdings immanente, komplexe Strukturen und Prozesse zugrunde. Die Gewichtung der anhaltend gleichbleibenden Argumentation hängt daher zum einen von den spezifischen Bedingungen ab, zum anderen kommt es zu einer flexiblen Anpassung, die wiederum nur im Zusammenhang mit den herrschenden ökonomischen und sozialen Verhältnissen verstanden werden kann.9 Im Speziellen kann die veränderte Arbeitszeitpolitik ab den 1980er Jahren nicht ohne den tiefgreifenden sozialen Wandel, der sich im Entgrenzungsdiskurs manifestiert, oder ohne das Problemfeld der Geschlechterdiskriminierung bei der Pensions- sowie der Nachtarbeitsregelung verstanden werden. Trotz all der Komplexität zeigt sich, wie Hinrichs erörtert, dass »eine recht eindeutige historische Abfolge von Begründungen für Forderungen nach Arbeitszeitveränderungen«10 die Entwicklung ungeachtet aller Pluralität der Motive und angestrebter wie realisierter Arbeitszeitänderungen kennzeichnet. Letztlich entscheidet die Verschmelzung von Motiven, Interessen und diversen Einflussfaktoren in deren Zusammenspiel die Frage, ob eine Veränderung der Arbeitszeit erfolgen kann oder nicht. Jedwede Ergebnisse beeinflussen nachfolgende Diskussionen rund um die Arbeitszeit und haben insofern Konsequenzen, als bestimmte Handlungsweisen »fallen gelassen« werden können, um zu einem späteren Zeitpunkt wieder »aus der Versenkung« hervorzutreten.

 6 Vgl. Knapp 1955a  : 19  ; Nyikos 1985  : 127ff.; Jabornegg 2006  : 9f.  7 Vgl. Nyikos 1985  : 127  ; Jabornegg 2006  : 10.  8 Vgl. Nyikos 1985  ; Hussl 2005  ; Jabornegg 2006.  9 Vgl. W. Schröder 1980  : 278. 10 Hinrichs 1988  : 23.

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Die Dichotomie der Lebenssphären förderte mit der Industrialisierung den Weg von der aufgaben- zur zeitorientierten Gesellschaft. Markantes Element dieser Dichotomie ist der Arbeitszeitkonflikt mit der scheinbar »unvollendeten Erfolgsgeschichte« der Arbeitszeitverkürzung und dem »Erfolgsgaranten« Gewerkschaft. Die Dominanz der Gewerkschaft11 bei der Arbeitszeitverkürzung sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die SPÖ bei der Einführung der 40-Stunden-Woche die Führungsrolle übernommen hat. Mit der Spaltung der gewerkschaftlichen Haltung in arbeitszeitpolitischen Fragestellungen wurde die Position der Arbeitnehmervertretung merklich geschwächt, so dass die Arbeitgebervertretung zahlreiche gezielte Vorstöße im Auftrag ihrer Klientel betreiben konnte,12 die eine Trendwende hin zu längeren Durchrechnungszeiträumen und längeren Höchstarbeitszeitgrenzen ohne die Beseitigung der gesetzlich verankerten 40-Stunden-Woche oder der kollektivvertraglich vereinbarten kürzeren Wochenarbeitszeiten mit sich brachte. Für Sorger bedeutet dieser zunehmende Rückzug der Gewerkschaft aus der aktiven Arbeitszeitpolitik, dass auf der Ebene der Politikdurchsetzung – hier spricht Sorger indirekt das Fehlen weitergehender Arbeitszeitverkürzungen an – und der inhaltlichen Ebene seit langem keinerlei Auseinandersetzungen zur emanzipatorischen Arbeitszeitpolitik mehr erfolgen.13 Ferner erklärt sie, dass nicht nur dieser emanzipatorische Blickwinkel fehle, sondern auch, dass Arbeitszeitpolitik seit geraumer Zeit nicht in sozialwissenschaftlicher Forschung betrachtet werde, da es in den letzten Jahrzehnten keine arbeitnehmerorientierte Arbeitszeitgestaltung bzw. Arbeitszeitverkürzungen gegeben habe.14 Es ist richtig, dass Arbeitszeitpolitik in der sozialwissenschaftlichen Forschung keine bedeutende Rolle in Österreich spielt. Aber dieses Problem gewissermaßen einzig fehlender arbeitnehmerfreundlichen Umsetzung zuzuschreiben, engt das Sichtfeld ein, denn auch eine gezielte Betrachtung der arbeitgeberfreundlichen Gestaltung der Arbeitszeit oder der Wirkungsmechanismen der Arbeitszeitentwicklung in der sozialwissenschaftlichen Forschung Österreichs ist nur spärlich vorhanden.15 Für die Zweite Republik bedeutet dies, dass z. B. zum Zeitraum 1945 bis etwa 1954/55 kaum gezielte Angaben gemacht werden können, da diese Zeitspanne kom11 Vgl. T. Schmid 1993  : 192. 12 Vgl. Sorger 2014  : 17. 13 Vgl. Sorger 2014  : 17. 14 Vgl. Sorger 2014  : 17. 15 1984 beleuchtete Nyikos in seiner Diplomarbeit den Standpunkt und besonders die Argumentation der Unternehmer zur Einführung der 40-Stunden-Woche. 2014 arbeitete Günter in seiner Diplomarbeit heraus, inwieweit die Arbeitgebervertretung (WKO und VÖI) auf die arbeitszeitpolitischen Ankündigungen des ÖGB auf deren Kongressen reagierte. Ansonsten ist ein größerer Diskurs zur Arbeitszeitpolitik der Unternehmensvertretung nicht zu erkennen, wenngleich Arbeitszeitflexibilisierung durchaus betrachtet wird. Vgl. Nyikos 1985  ; Günter 2014.

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plett von der Arbeitszeitforschung ausgeklammert wird. Dem »Meilenstein« des der gesetzlichen Einführung der 40-Stunden-Woche vorausgehenden Volksbegehrens16 wird ebenfalls in der Arbeitszeitforschung nur wenig Beachtung geschenkt, denn abgesehen davon, dass dieses Volksbegehren von mehr als 800.000 Personen unterschrieben wurde, ist in der österreichischen Arbeitszeitforschung dazu wenig bekannt.17 Darüber hinaus würden sich noch weitere Beispiele wichtiger Stationen oder Entwicklungen anführen lassen, die bislang wenig von der österreichischen Arbeitszeitforschung aufgearbeitet wurden. Im Vergleich zu Deutschland lässt sich deshalb bilanzieren, dass eine Aufarbeitung der Arbeitszeitpolitik Österreichs bislang nur unzureichend erfolgte, u. a., was jene der Arbeitszeitentwicklung betrifft.18 Langfristig zeigt sich, dass Motive, Interessen, Debatten und Perioden der Zweiten Republik von der Normierung der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit geprägt waren. Die Frage nach der Lage und der Verteilung der Arbeitszeit, die für 16 Wie unbedeutend das Volksbegehren für die Entwicklung der Arbeitszeit eingeschätzt wird, verdeutlicht die Diplomarbeit von Mooslechner-Stranzinger zur Arbeitszeitpolitik der 1980er Jahre. In ihrer Beschreibung des Übergangs zur 40-Stunden-Woche wird dieses Volksbegehren nicht einmal erwähnt. Sie setzt den Übergang mit den Sozialpartnerverhandlungen und deren Abschluss am 29. September 1969 an, wobei sie anmerkt, dass dem Beschluss ein Beiratsbericht vorausging. Letztlich sei ein Arbeitszeitgesetz mit dem Übergang zur 40-Stunden-Woche bis 1975 festgelegt worden. In diesem Zusammenhang sei festgestellt, dass der Initiativantrag der SPÖ von 1966 ebenfalls in diesem Abschnitt nicht erwähnt wird. Zu einem späteren Zeitpunkt ihrer Arbeit spricht sie von »relativ konfliktfrei verlaufenen Verhandlungen über die Einführung der 40-Stunden-Woche«, wobei dies insofern konsequent ist, als das Konfliktfeld Arbeitszeitvolksbegehren nicht beleuchtet wurde. Kennzeichnend ist auch der im Juni 2016 veröffentlichte Aufsatz zur Einführung der 40-Stunden-Woche von Tálos, in dem nur rudimentär das Volksbegehren beleuchtet wird. Vgl. Mooslechner-Stranzinger 1991  : 53ff. und 84  ; Tálos 2016  : 13f. 17 Die einzigen nennenswerten Auseinandersetzungen mit dem Arbeitszeit-Volksbegehren der SPÖ zur schrittweisen Einführung der 40-Stunden-Woche erfolgen in der Schweiz in Wüthrichs Arbeit »Ökonomische, rechtliche und verbandspolitische Fragen in der Auseinandersetzung um die Arbeitszeit während der Hochkonjunktur (1946–1975) in der Schweiz und in Österreich« und in der Diplomarbeit von V. Frey zur Arbeitszeitentwicklung seit 1885. In seiner Forschungsarbeit beleuchtet Wüthrich vornehmlich den parlamentarischen Diskurs sowie die gewerkschaftliche Rolle im Vorfeld der Umsetzung der 40-Stunden-Woche. V. Frey beschreibt auf der Basis von Wüthrich und einigen Presseberichten das Volksbegehren. Mehr zu der Rolle der SPÖ, der Bedeutung des Initiativantrages und des Rundfunkvolksbegehrens in Bezug auf das Arbeitszeitvolksbegehren oder der Emporhebung der Arbeitszeitpolitik in die Politiksphäre durch gezielte »propagandistische« flankierende Maßnahmen lässt sich nicht erfahren, da V. Frey zu eng am von Wüthrich vorgegebenen Korsett des Arbeitszeitdiskurses bleibt. Vgl. Wüthrich 1987  ; V.  Frey 1999  : 67ff. 18 Für die Bundesrepublik Deutschland gab es besonders in den 1980er Jahren eine intensive Auseinandersetzung zu den Motiven, Interessen und zur Entwicklung der Arbeitszeit. Aber auch in den Jahrzehnten danach verebbte die Auseinandersetzung mit der Arbeitszeit in Deutschland nicht, wie eine Vielzahl an Publikation der Böckler-Stiftung verdeutlichen. Vgl. u. a. W. Schröder 1980  ; Michael Schneider 1984  ; Hinrichs 1988  ; Deutschmann 1982, 1985 oder 1990  ; http://www.boeckler.de.

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Wachstum und Beschäftigung gleichermaßen bedeutend sind wie für die Arbeitssituation der Arbeitnehmer,19 spielte bis in die 1980er Jahre keine maßgebliche Rolle. Änderungen betrafen meist die tägliche und wöchentliche Arbeitszeit, wenn auch die Etablierung der Fünf-Tage-Woche die Verteilungsfrage der Arbeitszeit berührte, aber mehrheitlich nicht in deren Sinne diskutiert wurde. Neuregelungen von Jahresarbeitszeit, Lebensarbeitszeit oder der Lage der Arbeitszeiten wurden erst ab den 1980er Jahren intensiviert, so dass die Ausweitung des Urlaubsanspruchs teilweise eine »lückenfüllende« Position zwischen den Etappen der Arbeitszeitverkürzungen der Wochenarbeitszeit einnahm. Initial für die vertiefte Erörterung der Verteilungsfrage der Arbeitszeit waren der bereits der Arbeitszeitflexibilisierung innewohnende »Wertewandel« oder die »subjektive« Einstellungsänderung zur Arbeitswelt.20 Der Wandel zeigt sich nicht nur in einer veränderten »subjektiven« Einstellung21 zur Arbeitswelt und bezogen auf die Arbeitszeit im Wunsch nach einem verlängerten Wochenende ab den 1980er Jahren. Gleichzeitig wandelten sich auch die Regelungsmechanismen mit der Fortdauer der Zweiten Republik. Die Branchenabschlüsse der 1950er Jahre hatten keine nennenswerte Auswirkung auf die Regelungsebene. In den 1980er Jahren kam es jedoch zu einer Verschiebung von der kollektivvertraglichen hin zur betrieblichen bzw. einzelvertraglichen Ebene, die nach Hielscher charakteristisch für den Arbeitszeitwandel mit seinen individualisierten Regelungen ist und mit einem Bedeutungsverlust des Normalarbeitsverhältnisses einhergeht.22 Die für die Arbeitnehmer vorherrschende Arbeitszeitsituation wurde beeinflusst von vorangegangenen Entwicklungen und dem Wandel in der Arbeitswelt. Sie ist deshalb nicht unabhängig von vergangenen Ereignissen, Motiven und Interessen der Arbeitszeitpolitik zu betrachten und beeinflusst ihrerseits die zukünftige Entwicklung der Arbeitszeitsituation entlang der Motiv- und Interessenlage. Zusätzlich bedeutet jede Veränderung des strukturellen Umfelds, in dem Arbeitszeitpolitik stattfindet, ebenfalls eine Einflussnahme auf die Arbeitszeitsituation. Diese veränderten Interessen, Charakteristika und Mechanismen, die die Regelung der Arbeitszeit bestimmen und periodisch unterteilen, sollen in dieser Forschungsarbeit herausgearbeitet werden.

19 Vgl. Hussl 1999  : 55. 20 Cyba 1987  : 54. 21 Zu den »subjektiven« Änderungen der Einstellung zur Arbeitswelt zählt nach Cyba, »daß traditionell geprägte Arbeitseinstellungen, Werte und Motivationen zunehmend an Bedeutung verlieren und durch neue Werte ersetzt werden.« So soll nun die »Unterordnung unter die Zwänge der Berufsarbeit durch eine Orientierung an Selbstentfaltung inner- und außerhalb der Berufsarbeit ersetzt werden.« Cyba 1987  : 54. 22 Vgl. Hielscher 2000  : 54.

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1.1 Forschungsstand und forschungsleitende Fragestellung 1.1.1 Forschungsstand Eine Periodisierung der Arbeitszeitpolitik respektive der Arbeitszeitkonflikte entlang von Interessen, Motiven und Mechanismen in der Zweiten Republik erfolgte bislang in der österreichischen Arbeitszeitforschung nicht, obgleich »Arbeit«, »Arbeitszeit« oder »Freizeit« wiederholt Untersuchungsgestände der Wissenschaft waren und weiterhin sind. Behandelt werden in Österreich u. a. spezifische Fragestellungen zu Arbeitszeitmodellen, zur Teilzeitarbeit, zu atypischer Beschäftigung oder Ähnlichem. Die Aufarbeitung solcher Themen darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass, wie Sorger feststellte,23 in Österreich im Gegensatz zu Deutschland keine umfangreiche sozialwissenschaftlichen Forschung zur Arbeitszeit betrieben wird. Gleichermaßen findet keine Betrachtung der Arbeitszeitentwicklung statt, wohingegen dieses Sujet in den 1980er Jahren in Deutschland aufgearbeitet worden ist. Dass diesem Sachverhalt wenig Raum gewidmet wird, macht sich in der Publikationshäufigkeit bemerkbar. Die Arbeitszeitentwicklung bzw. die Entwicklung des Arbeitszeitdiskurses – genauer der Arbeitszeitpolitik – wurde lediglich in einem Beiratsbericht, in Aufsätzen und in Diplomarbeiten, die 1981,24 1984,25 1993,26 199927 und 200828 verfasst wurden, in den Mittelpunkt gestellt. Der Beiratsbericht von 1984 beinhaltet keine Herausarbeitung der Interessenlagen, Perioden oder Mechanismen der österreichischen Arbeitszeitentwicklung, sondern geht auf die Entwicklung der täglichen Arbeitszeit seit 1969 ein und möchte mögliche weitere Tendenzen abschätzen. Die Aufsätze von Tálos und Hussl sowie die Diplomarbeiten von V. Frey und Plaschg fassen die Arbeitszeitregulierung über einen längeren Zeitraum ins Auge. Gemeinsames Merkmal ist, dass die Entwicklung beginnend mit dem 19. Jahrhundert nachgezeichnet wird. Die Darstellung von Tálos endet mit den aktuellen Entwicklungen Ende der 1970er Jahre, während der Diskurs bei V. Frey und Hussl bis Ende der 1990er Jahre und bei Plaschg bis 2007 skizziert wird. Trotz unterschiedlicher Schwerpunkte handelt es sich bei den genannten Untersuchungen um eine Kurzdarstellung der Arbeitszeitentwicklung in der Zweiten Republik. Plaschg konzentriert sich auf den Arbeitszeitdiskurs ab 1970. T. Schmid arbeitet zunächst die Veränderung der Jahres- und Lebensarbeitszeit heraus, um danach kurz die Entwicklung von 1959 bis zur aktuellen Situation in den 1980er Jahren zu beschreiben.

23 Vgl. Sorger 2014  : 17. 24 Tálos 1981. 25 Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1984. 26 T. Schmid 1993. 27 Hussl 1999  ; V.  Frey 1999. 28 Plaschg 2008.

Forschungsstand und forschungsleitende Fragestellung

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V. Frey beschreibt die Arbeitszeitentwicklung bzw. die Regulierung der Arbeitszeit seit 1885. Unter Ausklammern der Entwicklung vor der Zweiten Republik liegt hier das Gewicht merklich auf einschneidenden Arbeitszeitveränderungen wie dem Generalkollektivvertrag von 1959, dem Arbeitszeitgesetz von 1969 und eingeschränkt auf dem Volksbegehren, den kollektivvertraglichen Verkürzungen der 1980er Jahren sowie den Arbeitszeitgesetznovellen der 1990er Jahre. Einen Anspruch auf Vollständigkeit kann die Untersuchung von V. Frey ungeachtet der umfangreichen Quellenund Literaturlage nicht erheben. So hat er z. B. für die 1950er Jahre einige Aussparungen vorgenommen.29 Trotzdem handelt es sich bei der Diplomarbeit von V. Frey um den umfangreichsten Versuch einer Nachzeichnung der Arbeitszeitentwicklung Österreichs. Die detaillierteste diskurstheoretische Analyse stammt von Plaschg. Dieser kam für den Diskurs ab 1970 zu dem Schluss, dass die Felder »Humanismus«, »Gesundheit, Familie, Lebensqualität«, »Entfremdung«, »Schutzfunktion des Kollektivvertrages«, »Solidarität der Arbeitnehmer« und die »Diskursive Strategie der moralischen Überlegenheit« zu den Formationsregeln der Arbeitnehmerverbände gerechnet werden können.30 Dahingegen zählen die Felder »Arbeitsplatzsicherheit«, »Gleichtakt der Arbeitszeiten«, die »Anerkennung der Fakten« und die »Diskursive Strategie der pragmatischen Überlegenheit« zu den Formationsregeln der Arbeitgeberverbände.31 Diese Formationsregeln sind in unterschiedlicher Ausprägung auch im Zeitraum vor 1970 anzutreffen. Erschöpfend ist die Nachzeichnung des politischen Diskurses in den 1990er Jahren durch Hochrainer, der die politischen Mechanismen zur Ausformung der Arbeitszeitregelung im Umfeld der beiden Arbeitszeitgesetznovellen herausarbeitete und periodisierte.32 Eine Periodisierung mit Aufweis der wesentlichen gemeinsamen oder unterschiedlichen Charakteristika hinsichtlich der Richtung/Veränderung der Diskussion, der Interessenlagen, der Akteure und der Regelungsebenen der Arbeitszeitpolitik über den gesamten Zeitraum der Zweiten Republik erfolgt in keiner dieser Darstellungen. 29 Die fehlende Berücksichtigung des Zeitraums vor dem Einsetzen der allgemeinen Diskussionen zur Arbeitszeitverkürzung in der Zweiten Republik ist dem Umstand zuzuschreiben, dass dieser bislang nicht untersucht wurde und dies nicht Aufgabe der Diplomarbeit von V. Frey war. Über die Datierungsfrage hinaus gibt es beim Zeitraum der 1950er Jahre Aussparungen zum Problem der Frage der Definition von Arbeitszeit in den Ministerialentwürfen, zur Kontroverse über die Gültigkeit der 48- oder 60-Stunden-Woche mit divergierenden Höchstgerichtsurteilen sowie zur regulierenden Verordnung des Sozialministers, um vorläufig die Höchstarbeitszeit zu regeln. Da V. Frey die Überstundenproblematik in den 1950er Jahren anspricht, ist m. E. die Auslassung dieser Kontroverse problematisch, da sie und die Überstundenfrage direkt miteinander zusammenhängen. Vgl. V. Frey 1999  : 62f. 30 Plaschg 2008  : 106ff. 31 Plaschg 2008  : 120ff. 32 Vgl. Hochrainer 2003.

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Einleitung

Der Schweizer Wüthrich bietet mit seiner im Rahmen der Reihe Arbeits- und Sozialwissenschaften erschienenen Dissertation einen Einblick in die österreichische Entwicklung im Vergleich mit der Schweiz bis 1975. Ebenso wie Tálos beschreibt Wüthrich die Gründe für den Arbeitszeitverkürzungsdiskurs in Österreich, der gleichzeitig mit dem der Schweiz in den 1950er Jahren einsetzt, und den Disput um die Einführung der 40-Stunden-Woche anhand der parlamentarischen Auseinandersetzung.33 Auffallend ist, dass die Darstellung von Wüthrich wie jene von Hussl nur in geringem Ausmaß in der österreichischen Arbeitszeitforschung rezipiert wird. Neben diesen Arbeiten, die die Arbeitszeitentwicklung zum Thema haben, gibt es eine Reihe von weiteren Forschungsarbeiten zur »Arbeitszeit«, die, ohne dass sie diese Frage zu ihrem Kernthema machen, einen mehr oder weniger ausführlichen historischen Überblick über den Verlauf der Entwicklung bieten34 oder sich auf ein konkretes Ereignis, einen Abschnitt oder Aspekt der Arbeitszeitregulierung oder der Debatte über die Arbeitszeit konzentrieren.35 Eine einheitliche Periodisierung ist nicht erkennbar. Zusätzlich gibt es vertiefende Arbeiten zu internationalen Aspekten. Ferner seien die Materialsammlungen der Wirtschaft und Gesellschaft (herausgegeben von er AK) und die Diskussionsmaterialien der Wirtschafts- und Sozialpolitischen Zeitschrift (herausgegeben von der ISW) erwähnt, die anhand ausgewählter Materialien – Zeitungsartikel oder Aufsätze – einen Überblick über für bestimmte Perioden wesentliche Themenfelder geben. Die Dokumentation der Wirtschaft und Gesellschaft ist hier für die Entwicklung der Arbeitszeit besonders hilfreich. Bestehend aus mehreren Teilen, beginnend mit der Monarchie bis hin zur Entwicklung in den 1980er Jahren, wurden Materialien zu den unterschiedlichsten Standpunkten zur Arbeitszeitentwicklung, ohne freilich Anspruch auf Vollständigkeit zu gewährleisten,36 gesammelt, um »eine nützliche Unterlage für die wirtschaftspolitische Auseinandersetzung bereitzustellen«.37 Mit dieser sollte die Diskussion so genau wie möglich erfasst und die damit vertretenen Meinungen unverfälscht dargestellt werden.38 Im dritten Teil wird der Meinungsstreit um die 40-Stunden-Woche in der Nachkriegszeit dargestellt. Ausgangspunkt ist der einleitende Diskussionsbeitrag in Die Solidarität von 1954.39 33 Vgl. Wüthrich 1987  : 212. 34 Vgl. u. a. Bretschneider/Dollinger/Lamel/Ulram 1985  ; Mesch/Schwarz/Stemberger 1987  ; M.  Fischer 1987  ; Milalkovits 1989  ; Mooslechner-Stranzinger 1991  ; T.  Schmid 1991  ; Kittel 1996  ; Mitterbauer 2000  ; Sorger 2014. 35 Vgl. u. a. Weissel 1976  ; Tálos 1981  ; Nyikos 1985  ; Milalkovits 1989  ; U.  Moser 1990  ; Mooslechner-­ Stranzinger 1991  ; Reithofer 1995  ; Hochrainer 2003. 36 Vgl. E. Haas 1979a  : 3. 37 E. Haas 1979a  : 3. 38 Vgl. E. Haas 1979b  : 1f. 39 Vgl. E. Haas 1979b  : 3.

Forschungsstand und forschungsleitende Fragestellung

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Die in dieser Dokumentation vorgenommene Wahl des Zeitpunkts zur Auseinandersetzung mit dem Thema »Arbeitszeit in der Zweiten Republik« ist prototypisch. Erfolgt ein Vergleich all jener Werke, die sich direkt oder indirekt mit der Arbeitszeitentwicklung beschäftigen, so ergibt sich, wenn die 1950er Jahre beleuchtet werden, ein gemeinsamer Ausgangspunkt. Eine erstmalige Konfrontation mit Arbeitszeitfragen wird auf 1954/55 und damit teilweise auf den III. ÖGB-Kongress von 1955 sowie die gleichfalls Mitte der 1950er Jahre stattfindende Kontroverse über die Gültigkeit der 48- oder 60-Stunden-Woche datiert.40 Dadurch entsteht eine Forschungslücke für die Zeitspanne von 1945 bis 1955. Die damals allgegenwärtigen Probleme der Nahrungsmittelversorgung, der Besatzung, der mangelhaften Elektrifizierung, der drohenden Inflation sowie der noch nicht etablierten Sozialpartnerschaft oder andere drängende Fragen fördern die Sichtweise, dass arbeitszeitpolitische Auseinandersetzungen abseits der Diversifikation der Arbeitszeit am Beginn der Zweiten Republik und der Probleme mit der Kodifikation des Arbeitszeitrechts sowie der Auseinandersetzung »60- vs. 48-Stunden-Woche« nicht stattfinden konnten und damit auch nicht stattgefunden haben. Sandgruber führt die folgende Begründung für die zeitliche Fixierung an  : Die Arbeitszeitverkürzung war vorerst kein Diskussionsthema. Ganz im Gegenteil. Der Wiederaufbau und die Befriedigung des wirtschaftlichen Nachholbedarfs standen im Vordergrund. […] Erst als die Kriegsfolgen längst überwunden und das Wirtschaftswunder in vollem Gang war, wurde Mitte der fünfziger Jahre vom Gewerkschaftsbund die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung wieder aufgegriffen und 1959 die Wochenarbeitszeit von 48 auf 45 Stunden verkürzt.41

Ähnlich sieht Weissel den Sachverhalt, wenn er 1976 erklärt  : In jener Zeit, als nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges der Wiederaufbau der österreichischen Wirtschaft das Hauptziel war und dafür alle Kräfte angespannt werden mussten, konnte eine Verkürzung der Arbeitszeit erst gar nicht in Diskussion gestellt werden.42

V. Frey argumentiert ähnlich wirtschaftsbezogen und zieht den Schluss  : »So ist es nicht verwunderlich, daß Arbeitszeitfragen bis Mitte der 50er Jahre in der öffent­ 40 Vgl. u. a. Weissel 1976  : 9  ; E.  Haas 1979b  : 1  ; Tálos 1983  : 13  ; Tálos 1981  : 333f.; Wüthrich 1987  : 211f.; M. Fischer 1987  : 7  ; Mesch/Schwarz/Stemberger 1987  : 33  ; Mooslechner-Stranzinger 1991  : 53  ; Hussl 1999  : 65  ; V.  Frey 1996  : 55  ; Mitterbauer 2000  : 24  ; Plaschg 2008  : 59  ; Sorger 2014  : 69. 41 Sandgruber 1995  : 474f. 42 Weissel 1976  : 9.

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Einleitung

lichen Diskussion kaum Bedeutung geschenkt wurde.«43 Die Verknüpfung und Gleichsetzung von Arbeitszeitverkürzung mit Arbeitszeitentwicklung fördert zwar eine derartige nachvollziehbare Argumentation, greift aber m. E. zu kurz, da dies impliziert, dass es in dieser zehnjährigen Zeitspanne keine Arbeitszeitkonflikte gegeben hat, obwohl erfahrungsgemäß jährlich über Arbeitszeit in den Medien berichtet wurde. Prinzipiell werden überwiegend wirtschaftliche Gründe, wie z. B. der Aufbau des Wirtschaftsapparates, angeführt,44 um darauf zu verweisen, dass eine Arbeitszeitdiskussion bis Mitte der 1950er Jahre nicht aufkommen konnte. Überdies wird die Intensivierung der Debatte über die Verkürzung der Arbeitszeit als Beweis für die Datierung auf die Mitte der 1950er Jahre ins Treffen geführt.45 Aber auch das Ende des Wiederaufbaus und die Stabilisierungskrise 1952/53 werden als wesentliche Charakteristika angegeben.46 Im Zusammenhang mit der Datierungsfrage sei auf die 2014 publizierte Dissertation Sorgers verwiesen, die ebenfalls versucht, die Arbeitszeitentwicklung der Zweiten Republik zu rekonstruieren. Sie datiert die einsetzende Diskussion ebenfalls auf Mitte der 1950er Jahre, schränkt allerdings ein, dass bis Mitte der 1950er Jahre vor allem die rechtliche Implementierung des Achtstundentages zentral war.47 Davon abgesehen verweist sie jedoch darauf, dass die ÖGB Frauen eine 44-Stunden-Woche für Betriebe mit mehrheitlich weiblich Beschäftigten forderte, ehe sie sich der allgemeinen Forderung anschloss.48 Damit gibt Sorger, ohne näher darauf Bezug zu nehmen, zu erkennen, dass sehr wohl vor Mitte der 1950er Jahre ein Wunsch nach einer Veränderung der Wochenarbeitszeit gegeben war, und widerspricht damit der üblichen Datierung der Kontroversen. Neben der Aussparung des Zeitraums 1945 bis 1954/55 gibt es einen zweiten größeren Bereich, der ein erhebliches Forschungsdefizit bei der Frage nach den Regelungsmechanismen der Arbeitszeitentwicklung aufweist. Es ist das 1969 von der SPÖ initiierte Arbeitszeitvolksbegehren. Bislang beschränkt sich die Analyse meist darauf, dass mehr als 850.000 Personen – diese Zahl wird teilweise ausgespart – das genannte Volksbegehren unterschrieben haben, dem zufolge die Arbeitszeit in Etappen verkürzt werden sollte. Vereinzelt wird darauf verwiesen, das Volksbegehren sei verwendet worden, um die ÖVP politisch unter Druck zu setzen.49 Einzig Wüthrich und V. Frey machen – bezogen auf den parlamentarischen Diskurs – Argumenta43 V. Frey 1999  : 55. 44 Vgl. Wüthrich 1987  : 211. 45 Vgl. Hussl 1999  : 65  ; Wüthrich 1987  : 212. 46 Vgl. u. a. Weissel 1976  : 9  ; Mesch/Schwarz/Stemberger 1987  : 33  ; Hussl 1999  : 65  ; Mitterbauer 2000  : 24. 47 Vgl. Sorger 2014  : 69f. 48 Vgl. Sorger 2014  : 125f. 49 Vgl. u. a. Weissel 1976  : 10  ; Tálos 1981  : 335  ; Tálos 1983  : 15  ; Nyikos 1985  : 103  ; Mesch/Schwarz/

Forschungsstand und forschungsleitende Fragestellung

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tionsmuster sichtbar, bieten ansonsten aber nur wenig zu den Gründen, zur Wahl dieses Mittels und zur Durchführung selbst. Ergänzend lassen sich markante Unterschiede in der Publizität zwischen der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerseite konstatieren. Die Arbeitnehmerseite postulierte Fragen und Ergebnisse im Diskurs zur Arbeitszeit mehrheitlich in Arbeit und Wirtschaft (herausgegeben von AK und ÖGB) sowie in der Solidarität (herausgegeben vom ÖGB), wobei auf rechtliche und gesellschaftliche Aspekte Bezug genommen wurde.50 Dahingegen findet sich keine ähnlich ausführliche Publikation auf Seiten der Arbeitgeber.51 Dies wurde von der WKO dahingehend begründet,52 dass die Arbeitszeitfrage für die Arbeitgeber kein gesellschaftspolitisches Problem darstelle, sondern sie vielmehr den Betrieben helfen müssten, wie die Arbeitszeit von den Angestellten gestaltet werden könne, um ein Auslangen für die Produktion zu finden. Gleichzeitig befand sich die Arbeitnehmerseite punkto Kommunikationswirkungsgrad strukturell im Nachteil  ; wobei sich nach Plaschg für die Gewerkschaften zwei Nachteile ergaben  : einerseits finanzieller Natur, andererseits durch die Pflicht zur ausführlichen Argumentation, die für die Arbeitgeberverbände aufgrund des pragmatischen Zugangs so nicht gegeben war.53 1.1.2 Thematische Annäherung Die Beschäftigung mit der Arbeitszeitentwicklung Österreichs reduziert sich häufig auf Übersichten in Form von Tabellen oder Graphiken. Zentrales Merkmal dieses Rückgriffs ist, dass so die Entwicklung der Arbeitszeitregulierung kurz und prägnant wiedergeben werden kann, ohne dass auf die Mechanismen eingegangen werden muss. Dies ermöglicht den sofortigen Einstieg, sofern die wesentlichen gesetzlichen/ kollektivvertraglichen Arbeitszeitregelungen bereits Erwähnung gefunden haben, oder eine solche Darstellung fasst die bereits dargelegte Entwicklung noch einmal zusammen.

Stemberger 1987  : 40  ; U.  Moser 1990  : 47  ; T.  Schmid 1991  : 22  ; Kittel 1996  : 230f.; Hussl 1999  : 67  ; Mitterbauer 2000  : 26  ; Sorger 2014  : 70. 50 Vgl. Plaschg 2008  : 96. 51 Vgl. Plaschg 2008  : 96. 52 Eine ausführliche Antwort, warum auf Arbeitgeberseite keinerlei vergleichbare Publikationshäufigkeit zu finden ist, lässt sich aus zwei Interviews von Plaschg in seiner im Jahr 2008 veröffentlichen Diplomarbeit herauslesen. Hierbei gehen ein Vertreter der WKO sowie ein Gewerkschaftsvertreter auf diese Problematik näher ein. Der Interviewpartner des ÖGB meinte diesbezüglich, dass aufgrund der Reichweite der Arbeit und Wirtschaft im Gegensatz zur Kronen Zeitung eine größere Publizität auf der Arbeitnehmerseite notwendig sei. Vgl. Plaschg 2008  : 96f. 53 Vgl. Plaschg 2008  : 97f.

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Einleitung

Verwendung findet mehrfach eine Übersichtstabelle, die zum Teil mit der Überschrift »Entwicklung der gesetzlichen Arbeitszeit in Österreich« gekennzeichnet ist. Meist hat sie ungefähr nachstehende Form  : 1918

Einführung des Achtstundentages (6 Tage x 8 Stunden = 48-Stunden-Woche)

1946

Einführung eines Urlaubes im Ausmaß von zwei Wochen

1959

Reduktion der Arbeitszeit von 48 auf 45 Stunden per Generalkollektivvertrag

1965

Erhöhung des Mindesturlaubs von zwei auf drei Wochen

1969

Abschluss eines Generalkollektivvertrages, der eine Herabsetzung der Arbeitszeit in drei Etappen bis 1975 auf 40 Wochenstunden vorsah  : 1. Etappe  :

Reduktion der Wochenarbeitszeit von 45 auf 43 Stunden mit 1. Jänner 1970

2. Etappe  :

Reduktion der Wochenarbeitszeit von 43 auf 42 Stunden mit 1. Jänner 1972

3. Etappe  :

Reduktion der Wochenarbeitszeit von 42 auf 40 Stunden mit 1. Jänner 1975

1977

Erhöhung des Mindesturlaubes von drei auf vier Wochen

1979

Herabsetzung des Pensionsalters auf 59 und 54 Jahre, gemäß Sonderunterstützungsgesetz

ab 1985

branchenweise Verkürzung der Arbeitszeit in Kollektivverträgen

ab 1986

Erhöhung des Mindesturlaubs von vier auf fünf Wochen

1994

»kleine« Arbeitszeitnovelle

1997

»große« Arbeitszeitnovelle

2007

Ausdehnung flexibler Arbeitszeitbestimmungen und Durchrechnungsräume und vermehrte Einbeziehung der betrieblichen Ebene

Tab. 1  : Arbeitszeitentwicklung in der Zweiten Republik Quelle  : Dallinger 1981  : 19  ; H. Kepplinger/Preslmaier 1982  : 33f.; M. Eder/Schütt 1988  : 68 und 91f.; Mesch 1985  : 30  ; M. Eder 1989  : 36f.; Plaschg 2008  : 64ff.; Huemer/Bock-Schappelwein/Famira-Mühlberger/H. Lutz/ Mayrhuber (2017)  : 34 (eigene Darstellung).

Die ausführlichste Übersichtstabelle bringt Plaschg, der, beginnend in der Frühen Neuzeit, die Arbeitszeitregelung nachzeichnet, aber auch durchschnittlich geleistete Arbeitszeiten in der Industrie in den 1950er Jahren einfließen lässt.54 Neben einer derart gestalteten tabellarischen Übersicht lassen sich in diversen Diskussionsmaterialien der 1980er Jahre zur Arbeitszeitverkürzung zwei graphische Überblicksdarstellungen zur Arbeitszeitentwicklung finden. Sowohl die tabellarische als auch die graphische Veranschaulichung der Regulierung der wöchentlichen Arbeitszeit umfassen zusätzlich die Veränderung des Mindesturlaubs. Bei den graphischen Abbildungen zur Arbeitszeitentwicklung handelt es sich einerseits um die Darstellung des »Wegs zur 35-Stunden-Woche« und andererseits um die »Arbeitszeitentwicklung 1950–1986«. Beide Graphiken enden mit den branchenspezifischen Arbeitszeitverkürzungen Mitte der 1980er Jahre und tragen der 54 Vgl. Plaschg 2008  : 64ff.

Forschungsstand und forschungsleitende Fragestellung

Abb. 1  : Der Weg zur 35-Stunden-Woche Quelle  : Göhring 1992  : 243  ; M.  Eder/Schütt 1988  : 87. Abb. 2  : Arbeitszeitverkürzung 1950–1986 Quelle  : M.  Eder/Schütt 1988  : 85  ; M. Eder 1989  : 38  ; IV 2009  : 14.

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Einleitung

Kürzung der Arbeitszeit – wöchentlich, jährlich und der Lebensarbeitszeit – Rechnung. Dabei kommt dem Einsatz der verschiedenen Kürzungsvarianten in Österreich unterschiedliche Bedeutung zu, zumal jede dieser Maßnahmen spezielle Nebenwirkungen hat, die mehr oder weniger wünschenswert oder unerwünscht sind.55 Eine Neuaufbereitung der zweiten Graphik wurde von der IV zum Thema »Wohlstand, Armut & Umverteilung in Österreich – Fakten und Mythen« 2009 publiziert. Insgesamt ergänzen diese graphischen Darstellungen die tabellarische Darstellungsform. Ihnen allen liegt die Arbeitszeitverkürzung zugrunde. Denn diese prägte jahrzehntelang die Arbeitszeitentwicklung in Österreich. Verwendung fanden diese Darstellungsformen überwiegend in den 1980er Jahren und Anfang der 1990er Jahre. 1.1.3 Forschungsleitende Fragestellung und Hypothese Die Interessen an der Ausgestaltung von Arbeitszeitregelungen sind ebenso facettenreich wie die Antagonismen bei deren Umsetzung. Doch erst mit dem Übergang von der arbeitsorientierten zur zeitorientierten Gesellschaft mehrten sich Arbeitszeitkonflikte. Das Entstehen der dichotomen Zeitinstitutionen »Arbeitszeit« und »Freizeit« förderte den Versuch, Arbeitszeit zu reglementieren, und die Einflussnahme auf die »Zeit«. Soll eine Periodisierung der Arbeitszeitdiskurse, der Willensbildung und Entscheidungsprozesse erfolgen, sind die Fragen »Wer hat Interesse daran, die Arbeitszeitgestaltung zu verändern  ?«, »Wie bzw. in welche Richtung soll eine Veränderung erfolgen  ?«, »Wann soll eine arbeitszeitpolitische Maßnahme gesetzt werden  ?«, »Warum sollen arbeitszeitpolitische Schritte gesetzt werden  ?« und »Welche(s) Mittel zur Durchbringung des Anliegens soll(en) gewählt werden  ?« zentral. Alle diese Fragen liefern Hinweise auf ein mögliches Periodisierungsmodell, aber erst deren Kombination führt zu einer differenzierten Abgrenzung der Perioden mit ihren typischen Merkmalsausprägungen. Geschichte bezeichnet alles, was geschehen ist. Geschichtsschreibung ist eine selektive Auswahl, weil nicht alle schriftlichen oder anders gearteten Aufzeichnungen herangezogen und ausgewertet werden können. Bewusst oder unbewusst kommt es zu einer Vorauswahl, deren Folge es ist, dass zu späteren Zeitpunkten bestimmte Ereignisse nur noch bruchstückhaft rekonstruierbar sind.56 Wird der Vergangenheit ein Periodisierungsmodell zugrunde gelegt, so sind diese Vorauswahlen bereits ge55 Rothschild 1978  : 240. 56 Dementsprechend vage bleibt daher z. B. die Erfassung des Versuchs der ÖVP-Alleinregierung, ein Arbeitszeitgesetz zu gestalten, wenngleich es vereinzelt Hinweise darauf gibt, dass das Sozialministerium der ÖVP-Alleinregierung in Reaktion auf das Arbeitszeitvolksbegehren selbst an einem Arbeits-

Forschungsstand und forschungsleitende Fragestellung

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troffen worden. In diesem Sinne sind Periodisierungsmodelle »sozusagen das hinterste Ende der Informationskette«57, wobei Einzelereignisse als Teil einer gesamten Entwicklung betrachtet werden. Primäres Ziel solcher Periodisierungsmodelle ist es, Zeiträume entlang verschiedener Charakteristika und Gemeinsamkeiten zu ordnen und sie von anderen abzugrenzen. Dadurch soll es gelingen, »die bestimmenden Kräfte und Vorgänge einer Epoche zu erfassen und das Verständnis geschichtl. Entwicklungen sowie des eigenen histor. Standortes fördern zu können […].«58 Eine 100%ige Unveränderlichkeit solcher Periodisierungsmodelle kann hierbei nicht vorausgesetzt werden. Klassische Beispiele sind die Abgrenzung vom Mittelalter zur Neuzeit oder die Binnendifferenzierung der Neuzeit. Im erstgenannten Fall gibt es Gründe, die sowohl für einen früheren als auch eine späteren Beginn sprechen. Und auch die einzelnen Unterteilungen der Neuzeit in »Frühe Neuzeit«, »Revolutionäre Neuzeit« oder die »Moderne« sind umstritten. Zudem kann mit Hilfe einer Periodisierung keinerlei allgemeingültige Vorhersage über technische, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Entwicklungen59 abgeleitet werden. Trotzdem ist sie in den Geschichtswissenschaften nach U. Walter unentbehrlich  : Ungeachtet ihres theoretisch prekären Status und der extremen Abhängigkeit von den jeweils privilegierten Kriterien bleibt P[eriodisierung] als markanter Ausdruck von wiss. Konventionalismus wie auch von neuen Akzentsetzungen und Paradigmenwechseln, ferner in der Organisation der akad. histor. Disziplinen unentbehrlich.60

1.1.3.1 Vom Nutzen der Periodisierung U. Walter sieht in der Periodisierung von Entwicklungssträngen eine für historische Disziplinen unentbehrliche Akzentuierung. Dessen ungeachtet ist die Relevanz von Periodisierungsmodellen rückläufig. Osterhammel bestätigt dies, schränkt aber ein, dass in »unserer Zeit« dennoch ein gesteigertes Epochenbewusstsein vorliege.61 Die geringe Bedeutung von Periodisierungsfragen führt er auf vier Problemkreise zurück  : erstens die fehlende Problemwahrnehmung von Periodisierungen, zweitens die geringe Unterstützung des Periodisierungsproblems, drittens den fehlenden in-

zeitgesetzesentwurf arbeitete, um sich allenfalls den Fortschritt in diesem Bereich zuschreiben zu können. 57 Schindler 2009  : 48. 58 Brockhaus 2006  : 207. 59 Schindler 2009  : 49. 60 U. Walter 2000  : 576f. 61 Osterhammel bringt dieses Epochenbewusstsein mit den Anschlägen vom 11. September 2001 in Zusammenhang. Vgl. Osterhammel 2006  : 45.

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härenten Drang zur substantiellen Epochenbestimmung und viertens die geringe Einigung auf argumentativ begründbare Kriterien des Periodisierungsproblems.62 Der Alltag jedoch trotzt dieser fehlenden Wertschätzung der Periodisierung. In meiner beruflichen Praxis ist der Geschichtsunterricht stark an einer Periodisierung orientiert. Die Trias Altertum, Mittelalter und Neuzeit stellt nur einen Aspekt dar, mit dem »Struktur« in den Lehrplan und damit in den Geschichtsunterricht gebracht wird. Ur- und Frühgeschichte, das Zeitalter des Absolutismus oder die Zeitgeschichte sind nur einige solcher epochalen Unterteilungen, die mangels der Verbreitung von Längsschnittthemen für »Ordnung« sorgen sollen. Auf universitärer Ebene sind die Geschichtswissenschaften gleichermaßen »epochal durchorganisiert«.63 Ebenso sind Epochen und damit Periodisierungsmodelle in Belletristik, Film und Dokumentation erkennbar. Die Aufarbeitung historischer Themen führt zwangsläufig dazu – wenn auch vielleicht nur indirekt –, dass Periodisierung eine Rolle spielt. Um »Ordnung« und »Struktur« zu schaffen, erfolgt zwangsweise eine Auseinandersetzung mit der zeitlichen und räumlichen Strukturierung.64 An einer Grundperiodisierung kommt daher niemand vorbei, wenngleich für Periodisierungen gilt  : »Periodisierung ist immer ein Spiel mit mehreren möglichen Lösungen, kein Puzzle, das ›richtig‹ zusammengesetzt werden kann […].«65 Infolgedessen kann attestiert werden, dass eine Periodisierung keine eindeutigen Lösungen liefert, und dies auch nicht in Teil- und Spezialgebieten der Geschichtswissenschaften, die durch andere zeitliche Abläufe ohnehin eine eigene zeitliche Logik besitzen.66 In der Zweiten Republik erfolgt eine Periodisierung mehrheitlich entlang innenpolitischer Aspekte. Außenpolitik nimmt dabei nur eine marginale Rolle67 ein.68 Bischof verweist dazu auf die Kontinuitäten von Erster und Zweiter Republik  :69 Verfassungskontinuitäten, wirtschaftliche und sozioökonomische Kontinuitäten.70 Hanisch unterteilte die Zweite Republik in die Perioden »der langen 1950 Jahre« und den 62 Vgl. Osterhammel 2006  : 46f. 63 Osterhammel 2006  : 48. 64 Vgl. Osterhammel 2008  : 77. 65 Osterhammel 2006  : 56f. 66 Vgl. Osterhammel 2008  : 76. 67 Vgl. Bischof 2000  : 42. 68 In dieser Forschungsarbeit orientiere ich mich ebenfalls an innenpolitischen Entwicklungssträngen zur Arbeitszeitentwicklung, wobei ich allerdings voraussetze, dass gewisse Entwicklungsstränge, wie z. B. die Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit Ende der 1960er Jahre mit der Einführung der 40-Stunden-Woche in den 1970er Jahren, von Entwicklungen des europäischen Auslandes beeinflusst wurden. 69 Vgl. Bischof 2000  : 42. 70 Hinsichtlich sozioökonomischer Kontinuitäten unterteilt Hanisch in »Der lange Schatten des Staates« die Zweite Republik und führt die Perioden »Die langen fünfziger Jahre« sowie »Die Ära des sozialliberalen Konsens« bis Mitte der 1980er Jahre an. Vgl. Hanisch 1994.

Forschungsstand und forschungsleitende Fragestellung

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Zeitabschnitt danach bis etwa Mitte der 1980er Jahre. Gehler schließt in seiner Periodisierung an die »langen fünfziger Jahre« an und beschreibt anhand innenpolitischer Aspekte die Entwicklung der »kurzen sechziger Jahre« sowie die der »langen siebziger Jahre« der SPÖ-Alleinregierung unter Kreisky.71 Kriechbaumer orientiert sich bei seinem Periodisierungsmodell an den Modellen von Hanisch und Gehler. Da diese längere Perioden der Entwicklung angeben, erachtet er eine Binnendifferenzierung als notwendig. Für Kriechbaumer gliedert sich die Zweite Republik bis Ende der 1990er Jahre in sieben Zeitabschnitte. Das Jahr 1945 fasst er als Bruch und erste Periode auf, gefolgt von der Restituierung der Normalität (1945 bis 1949), den langen fünfziger Jahren (1949/50 bis 1963/64), den kurzen sechziger Jahren (1963/64 bis 1970), dem sozialliberalen Konsens (1970 bis 1984/85), der Periode vom Ende des Austro-Keynesianismus und dem Beginn des Siegeszugs der Postmoderne (1984/85 bis 1989) sowie dem abschließenden Abschnitt mit der Integrierung Österreichs in die EU und der Globalisierung.72 Abseits der Orientierung an innenpolitischen Einschnitten lassen sich ebensolche Epochengrenzen für Österreich entlang der Außenpolitik finden. Bischof führt dazu als Bruchlinien 1945, 1955 und 1989/91 an.73 Wenn auch viele dieser Perioden und deren Grenzen den Eindruck erwecken, dass es sich bei der Periodisierung um eine Zerlegung der »Zeit« in »handliche ,Salamischeiben‹«74 handle, so ist sie doch viel mehr, wie Osterhammel festhielt  : Bei genauerem Hinsehen erweist sie sich als eine von mehreren Möglichkeiten, historische Prozesse in ihrer zeitlichen Dimension zu beschreiben und verständlich zu machen. Periodisierung markiert Diskontinuitäten in der Kontinuität.75

1.1.3.2 Periodisierungsmodell zur Arbeitszeitpolitik Österreichs Derartige österreichische Periodisierungsmodelle können aufgrund einer anderen zeitlichen Logik der Arbeitszeitpolitik nur beschränkt auf diese angewandt werden. Als »epochale Grenzen« der Arbeitszeitentwicklung in Österreich können die Einführung der 45-Stunden-Woche 1959 per Kollektivvertrag, die gesetzliche Terminierung der 40-Stunden-Woche 1969 mit dem Etappenübergang in den 1970er Jahren, der fließende Übergang zur 38,5- bzw. 38-Stunden-Woche in einzelnen Branchen in den 1980er Jahren und die Arbeitszeitgesetznovellen 1994, 1997, 2007 und 2018 gesehen werden. Diese »Epochengrenzen« betreffen allerdings »nur« die 71 Vgl. Gehler 1995, 1996. 72 Vgl. Kriechbaumer 1998a  : 18. 73 Vgl. Bischof 2000  : 43. 74 Osterhammel 2008  : 79. 75 Osterhammel 2008  : 79.

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Regelungsebene der wöchentlichen Normalarbeitszeit und vernachlässigen andere Entwicklungsebenen wie jene der Anhebung des Mindesturlaubs oder eben die Arbeitszeitdiskurse selbst, die nicht unbedingt mit den Arbeitszeitregelungen zusammenfielen. Bereits 1954/55 findet sich eine Bruchlinie, die den Übergang von der geschlechtsspezifischen zur allgemeingültigen Forderung nach einer Verkürzung der Wochenarbeitszeit markiert. Weitere diskurstheoretische Bruchlinien zeigen sich rund um die Schaffung eines »modernen« Arbeitszeitgesetzes, die Arbeitszeitflexibilisierung ab Ende der 1970er Jahre bzw. die Arbeitszeitverlängerung ab Ende der 1980er Jahre. Eine weitere Bruchlinie dürfte mit der pragmatischen Abkehr von der Forderung der 35-Stunden-Woche (2009) des ÖGB vorliegen, wie Sorger festhält. Darüber hinaus können noch weitere Zeitpunkte als mögliche Periodengrenzen angeführt werden. Eine unabhängige Betrachtung einzelner Teilbereiche der Regulierung der Arbeitszeit, der Arbeitszeitpolitik sowie des Arbeitszeitdiskurses im Hinblick auf ein Periodisierungsmodell ist nicht möglich. Wird das Periodisierungsmodell z. B. auf den Arbeitszeitdiskurs beschränkt, so tritt deutlich 1954/55 als Bruchlinie hervor. Damals wurde erstmals in der Zweiten Republik eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung gefordert. Damit einher ging die Aufgabe einer geschlechtsspezifischen Arbeitszeitverkürzung. Diese Position der Frauen wurde seit ca. 1947/48 in der Tradition der Gesetzgebung der Ersten Republik erhoben und war überwiegend der Vereinbarkeit von Haushalt und Beruf geschuldet. Fragen nach dem »Wer«, »Wie«, »Warum« sind leicht zu beantworten. Hingegen ist die Strategie zur Durchsetzung abseits der Einflussnahme auf die männliche Führungsriege des ÖGB und die Berufung auf die Gesetzeslage aus der Ersten Republik genauso schwer erfassbar wie der Zeitpunkt einer möglichen Durchsetzung. Einerseits spielte die Zeitspanne von 1945 bis 1954/55 in der österreichischen Arbeitszeitforschung bislang kaum eine Rolle, andererseits stand parallel zu diesem Begehren das Anliegen der Neugestaltung der gesetzlichen Arbeitszeitregelung im Blickpunkt der Öffentlichkeit und drängte somit die geschlechtsspezifische Verkürzungsforderung in den Hintergrund. Während die frauenspezifische Forderung aufgegeben wurde, wurde der Versuch, ein neues, »modernes« Arbeitszeitgesetz zu schaffen, fortgesetzt. Für sich betrachtet ist dieser Diskussionsstrang mit dem Aufgehen in der allgemeinen Verkürzungsforderung beendet, aber in einem »kleinen« Detail zeigt sich die enge Verknüpfung beider Bereiche. Denn der Wirtschaftstag, ein nicht unwesentlicher Bestandteil der geschlechtsspezifischen Arbeitszeitverkürzungsforderung, wurde trotz der Aufgabe der Forderung nach verkürzter Arbeitszeit für Frauen bis Ende der 1950er Jahre weiterhin als Bestandteil der gesetzlichen Arbeitszeitregelungen aufgefasst und dementsprechend in die Arbeitszeitentwürfe eingebaut. Elementar ist es, zu hinterfragen, welche typischen die Arbeitszeit betreffenden Mechanismen in einer Periode auftreten und inwiefern es hinsichtlich der Arbeitszeitdiskussion, der Interessenlagen, der Führungsrolle der arbeitszeitpolitischen

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Akteure, der Durchführung von Arbeitszeitregelungen, der Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse sowie der Argumentation Alleinstellungsmerkmale gibt, die bestimmte Perioden von anderen abgrenzen. Entscheidend für die Charakterisierung einer Periode sind daher 1) die Interessenlagen der Akteure der Arbeitszeitpolitik, 2) die Richtung/Veränderung der Arbeitszeitdiskussion und der Argumentationsmuster, 3) der Zeitpunkt der Umsetzung von Arbeitszeitregelungen, 4) die Wahl der Mittel zur Durchsetzung der arbeitszeitpolitischen Anliegen, 5) die Veränderung der Dauer, Lage und Verteilung der Arbeitszeit und 6) die Ebene der Arbeitszeitregelung, die allesamt nicht unabhängig voneinander betrachtet werden können und bestimmte Perioden von anderen abheben. Fragenstellungen nach dem »Wer«, »Wie« oder »Wann« und »Warum« ergeben sich unmittelbar. Während die arbeitszeitspezifische Literatur zunimmt, gibt es keine Auseinandersetzung, was die Periodisierung des historischen Prozesses der Entwicklung der Arbeitszeit und der Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse in der Zweiten Republik betrifft. Viel mehr als ein Herausgreifen einzelner Aspekte, Merkmale oder Motive lässt sich in den wenigen historisch relevanten Aufsätzen nicht nachweisen. Insgesamt wurde die Periodisierung der Entwicklung der Arbeitszeit, der Arbeitszeitpolitik und des Arbeitszeitdiskurses bisher nicht in den Mittelpunkt der jeweiligen Diskurse gestellt. Gerade dieser fehlenden Frage der Periodisierung soll in dieser Arbeit nachgegangen werden. Ziel ist es daher, eine Periodisierung der Entwicklung täglicher und wöchentlicher Arbeitszeit in der Zweiten Republik darzulegen. Gängiger Ansatzpunkt in der Forschung ist das Aufkommen der allgemeinen Forderung 1954/55. Die vorliegende Arbeit hingegen lässt den zu untersuchenden Zeitraum mit der Proklamation der Selbstständigkeit Österreichs vom 27. April 1945 beginnen. Bislang wurde das Jahrzehnt bis 1954/55 ausgespart, weil die österreichische Arbeitszeitforschung davon ausgegangen ist, dass in diesem Zeitraum eine Veränderung der Arbeitszeit nicht erwünscht war und Forderungen zur Verkürzung der Arbeitszeit aufgrund des Wiederaufbaus ohnehin aussichtslos gewesen wären. Für eine Periodisierung der Zweiten Republik ist es jedoch zwingend notwendig, den Zeitraum von der Republikgründung bis 1954/55 zu betrachten und zu charakterisieren. Denn wenn einzelne Perioden von den jeweiligen Interessenlagen, Argumenten und Regelungsmechanismen geprägt sind, so wird jede nachfolgende Periode wiederum von der vorangegangenen Periode beeinflusst. Die grundlegende Hypothese dieser Arbeit ist es, dass sich für die Zweite Republik vier Hauptperioden der Arbeitszeitentwicklung voneinander unterscheiden lassen. Die erste Periode, die »Konsolidierungs- und Inhomogenitätsphase«, setzt mit der Proklamation der Zweiten Republik ein und endet 1959 mit dem Generalkollektivvertrag zur Einführung der 45-Stunden-Woche. Im Bereich des Arbeitszeitdiskurses wird diese Periode einerseits von dem geschlechtsspezifischen Verlangen

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zur Verkürzung der Wochenarbeitszeit der Frauen und ab Mitte der 1950er Jahre von der generellen Verkürzungsforderung unter Aufgabe der geschlechtsspezifischen Forderung geprägt. Am Beginn dieser Periode steht besonders die Konsolidierung. Die Arbeitszeiten zeigten von Bundesland zu Bundesland, aber auch innerhalb gleicher Branchen Inhomogenitäten, die in stark divergierenden Arbeitszeiten gipfelten. Eine Konsolidierung wurde bis Ende der 1940er Jahre erreicht, während die 1950er Jahre von einem starken Anstieg der täglichen Arbeitszeiten geprägt sind. Gekennzeichnet ist diese Periode sicherlich von einem gewissen Kontinuitätsdenken. Bezogen auf den Diskurs, bedeutet Kontinuität den Wunsch nach dem Wiederinkrafttreten einer verkürzten Arbeitszeit für Frauen, aber auch nach einer Einführung der 40-Stunden-Woche, die grundsätzlich keine neuartige Forderung der Zweiten Republik darstellt. Aber auch die Realisierung eines neuen, »modernen« Arbeitszeitgesetzes aufgrund der Arbeitszeitgesetzgebung der Ersten Republik ist als Zeichen der Kontinuität zu werten. Desgleichen prägend ist der Streit um die Gültigkeit der 48- oder 60-Stunden-Woche vor dem Hintergrund der Überstundenproblematik, der nach divergierenden Höchstgerichtsurteilen vorläufig mittels Erlass des Sozialministeriums zugunsten der 48-Stunden-Woche entschieden werden konnte. Hauptakteur der Arbeitszeitpolitik war sicherlich das Sozialministerium, das zahlreiche ministerielle Entwürfe herausgab, um Österreich ein Arbeitszeitgesetz zu geben. Allerdings vermochten die Arbeitgebervertretungen dessen Verwirklichung in dieser Periode zu verhindern. Die endgültige Einigung zur Wochenarbeitszeitreduktion erfolgt unter dem Eindruck von Branchenverkürzungen durch die Sozialpartner. Ohne »größere« Debatten wurde von der 40-Stunden-Forderung abgegangen und die 45-Stunden-Woche als Verhandlungsergebnis akzeptiert. Die zweite Periode kann durch die Emporhebung der Arbeitszeitpolitik in die Politiksphäre charakterisiert werden. Diese »Politisierungsphase« beginnt mit dem Inkrafttreten des Generalkollektivvertrages zur 45-Stunden-Woche und endet mit dem Generalkollektivvertrag und dem Arbeitszeitgesetz zur 40-Stunden-Woche. Die Einführung der 45-Stunden-Woche bedeutete ein Sinken der tatsächlichen Wochenarbeitszeit. Die Anpassung der wirtschaftlichen Gegebenheiten an die neue Wochenarbeitszeit der Beschäftigten führte zu einem merklichen Rückgang der Debatten. Anfänglich wurde daher diskutiert, wo denn die Grenzen einer Arbeitszeitund Arbeitszeitverkürzungspolitik liegen. Kernthema in den 1960er Jahren war die Frage der Freizeit. Abgesehen vom Rückgang der Bedeutung der 40-Stunden-Woche-Forderung wurde die Schaffung eines neuen, »modernen« Arbeitszeitgesetzes nicht mehr mit der gleichen Intensität verfolgt wie zuvor. Vielmehr, so scheint es, führte die Einführung der 45-Stunden-Woche zunächst zu einem vorläufigen Ende dieser Forderungen, denn abgesehen von dem politisch motivierten Initiativantrag 1966 von der SPÖ lässt sich über lange Zeit keine aktive Arbeitszeitpolitik erkennen, weder politisch noch sozialpartnerschaftlich motiviert. Dennoch markiert dieser An-

Forschungsstand und forschungsleitende Fragestellung

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trag eine Verschiebung von sozialministeriellen Entwürfen eines Arbeitszeitgesetzes hin zu einem politisch motivierten Arbeitszeitentwurf. Internationale Diskussionen und Entwicklungen deuteten ab Mitte der 1960er Jahre an, dass eine Verwirklichung der in den 1950er Jahren erneut erhobenen Forderung der 40-Stunden-Woche durchaus im Bereich des Vorstellbaren lag. Im Sog dieser europäischen Entwicklungen wurde das Arbeitszeitthema im Herbst 1968 und vor allem 1969 zum Politikum. Die Oppositionspartei SPÖ stellte sich an die Spitze und erkor die Arbeitszeitthematik zu einem Vorwahlkampfthema. Das Volksbegehren sollte zum Vollstreckungsgehilfen werden und die ÖVP zur Realisierung eines Arbeitszeitgesetzes und der 40-Stunden-Woche zwingen. Das Kalkül Kreiskys ging auf, die Vorwahlkampfzeit wurde von der SPÖ dominiert und die Umsetzung beider Anliegen erreicht. Die dritte Periode zeichnet sich durch fünf Entwicklungsstränge aus  : Erstens kamen die Forderungen nach einer Arbeitszeitflexibilisierung als Gegenstrategie zu den Forderungen nach einer Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf. Zweitens betrieben die Befürworter sowohl der Arbeitszeitverkürzung als auch der Arbeitszeitflexibilisierung die Arbeitszeitpolitik als Beschäftigungsstrategie zur Sicherung der Vollbeschäftigung bzw. zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit. Drittens trat offen die Bruchlinie unter den Befürwortern einer Arbeitszeitverkürzung bezüglich der Umsetzungsstrategie zu Tage, die seit der Anwendung des Volksbegehrens als Mittel der Arbeitszeitpolitik latent vorhanden war. Viertens nahm die Bedeutung der Arbeitszeiten zu, die in Dauer, Lage und Verteilung von der herkömmlichen 40-Stunden-Woche abwichen und in flexiblen Arbeitszeitmodellen ihre Anwendung fanden  ; dies gipfelte in dem Bedeutungszuwachs von Teilzeitarbeit – auch in fortsetzender Tradition der am Beginn der Zweiten Republik erhobenen Forderungen zur verkürzten Wochenarbeitszeit von Frauen –, von Gleitzeit und Schichtarbeit etc. Fünftens versuchte Sozialminister Dallinger, die 35-Stunden-Woche mittels eines zweiphasigen Modells in Kombination mit der Anhebung des Mindesturlaubs zu realisieren. Diese dritte Periode der »Arbeitszeitpolitik im Spannungsverhältnis der Beschäftigungspolitik« beginnt mit dem Inkrafttreten der 1969 kollektivvertraglich/ gesetzlich vereinbarten Übergangsetappen zur Verwirklichung der 40-Stunden-Woche und endet nicht wie die beiden vorangegangenen Etappen mit einem Generalkollektivvertrag, von dem sämtliche Arbeitnehmer profitierten, sondern mit dem Inkrafttreten branchenspezifischer Arbeitszeitverkürzungen Ende der 1980er Jahre, von denen die letzten am 1. Jänner 1989 in Kraft traten. Die Debatten zur Arbeitszeitpolitik werden in dieser Periode aus beschäftigungspolitischer Sicht geführt und mit zahlreichen Prognosen zu den dadurch möglichen zusätzlichen Arbeitsplätzen angereichert. Nachdem in der vorangegangenen Periode die SPÖ die Initiative in dieser Thematik übernommen hatte, war sie in der dritten Periode nicht mehr in der gleichen Art und Weise aktiv, sondern zog sich aus der »Führungsrolle« zurück. Der führende Akteur war nun Alfred Dallinger (Bundesminister für soziale Verwaltung

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und Vorsitzender der GPA, SPÖ). Mit einer kompromisslosen Haltung verfolgte er in einem zweiphasigen Modell zunächst die Anhebung des Mindesturlaubs und schließlich die Einführung der 35-Stunden-Woche. Eine Implementierung der »linearen« 35-Stunden-Woche bei der Steyr-Daimler-Puch AG scheiterte und konnte somit keine Vorbildwirkung für andere Bereiche entfalten. Das Wunschziel eines die Verkürzungsentwicklung abschließenden Generalkollektivvertrages wurde nicht erreicht, so dass die Regelungsebene der Wochenarbeitszeit auf branchenspezifische Kollektivverträge unter Aushandlung der Sozialpartner beschränkt blieb. Im Gegensatz zu den ersten beiden Perioden weist die dritte Periode der Arbeitszeitentwicklung ein offenes, fließendes Ende auf, da zum einen der den Prozess der Arbeitszeitverkürzung abschließende Generalkollektivvertrag nicht erreicht werden konnte und zum anderen bereits in der Phase, als die letzten branchenspezifischen Vereinbarungen getroffen wurden, ein für die vierte Periode wesentliches Charakteristikum eingeführt wurde. Ende der 1980er Jahre kam es erstmals zu Forderungen zur Arbeitszeitverlängerung als Gegenstrategie zur Arbeitszeitverkürzung. Damit konnten die Gegner einer Arbeitszeitverkürzung den Befürwortern zwei mögliche Auswege, nämlich die Arbeitszeitflexibilisierung und die Arbeitszeitverlängerung, präsentieren. Der arbeitszeitpolitische Diskurs der vierten Periode war weiterhin von der Streitfrage »Arbeitszeitflexibilisierung vs. Arbeitszeitverkürzung« – nunmehr mit Tendenzen einer Arbeitszeitverlängerung – geprägt. Stärker als in der Vergangenheit wurden nun in den Diskussionen auch die Dauer, Lage und Verteilung diskutiert, u. a. als Anpassungsprozess an die EU oder aus einer geschlechterdiskriminierenden Perspektive, wie z. B. das Nachtarbeitsverbot, das Pensionsantrittsalter oder die Elternkarenz. Dadurch geriet auch die Veränderung der Lebensarbeitszeit vermehrt in den arbeitszeitpolitischen Fokus. Ebenso rückten die Ladenöffnungszeiten in den Blick, und durch den Anpassungsdruck folgte deren Liberalisierung. Arbeitszeitpolitik blieb Verhandlungssache der Sozialpartner. Allerdings verschob sich in dieser vierten Periode, die davon geprägt war, dass »Arbeitszeit im Dilemma zwischen Flexibilisieren, Verkürzen und Verlängern« gefangen war, die aktive Akteursrolle wieder weg vom Sozialministerium, obgleich dessen Beitrag nicht unterschätzt werden sollte. Prägend war nun eine relativ stark regierungsseitige Interventionspolitik, die durch mehrere Regierungsabkommen gekennzeichnet war und nicht mehr, wie noch 1969, einer Partei zugeordnet werden konnte. Vielfach wurde die Sozialpartnerschaft unter Druck gesetzt, damit eine bestimmte, von der Regierung gewünschte Arbeitszeitpolitik umgesetzt werden konnte. Zwar waren die Verhandlungsergebnisse dieser Periode erneut das Resultat sozialpartnerschaftlicher Abkommen, jedoch wären viele der Ergebnisse ohne den regierungsseitigen Druck nicht möglich gewesen. Insgesamt kam es in dieser vierten Periode zu vier Arbeitszeitgesetznovellen (1994, 1997, 2007 und 2018), die nicht nur eine Flexibilisierung der Arbeitszeitgesetzgebung brachten, sondern zudem eine Verlängerung von Durchrechnungszeiträumen und

Aufbau der Arbeit

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Höchstarbeitszeitgrenzen. Weiters verschob sich dadurch die Regelungsebene hin zu betrieblichen und einzelvertraglichen Übereinkünften. Das Ende dieser vierten Periode ist gekennzeichnet durch die Hereinnahme von sozialer Sicherheit in die Argumentation der Arbeitszeitflexibilisierung sowie die Abkehr von der permanenten Forderung der 35-Stunden-Woche (2009) durch den ÖGB. Die letzten beiden Punkte zählen in dieser Arbeit noch zu der vierten Periode. Dennoch bin ich mir bewusst, dass aufgrund der fehlenden zeitlichen Distanz zu diesem Teilbereich der Arbeitszeitentwicklung eine Einschätzung erschwert wird – nicht zuletzt aufgrund der Arbeitszeitgesetznovelle von 2018. Diese Bereiche könnten daher durchaus bereits den Beginn einer neuen fünften Periode der Entwicklung kennzeichnen. Zurzeit ist jedoch schwer abschätzbar, ob es sich nur um eine kleine Zwischenperiode handelt oder ob diese Veränderungen als eindeutige Indikatoren für eine eigenständige fünfte Periode gewertet werden können. Die ersten beiden Perioden lasse ich jeweils mit dem Generalkollektivvertrag bzw. dem Arbeitszeitgesetz enden, während das Auslaufen der dritten Periode durch die Branchenverkürzungen Ende der 1980er Jahre markiert ist. Diesen Endpunkten könnte entgegengehalten werden, dass die in den Generalkollektivverträgen oder dem Gesetz vereinbarte Arbeitszeitverkürzung teils zu anderen, späteren Zeitpunkten in Kraft getreten ist. Dies ist durchaus richtig, aber die in den jeweiligen Perioden eingeleitete Entwicklung wird durch Generalkollektivverträge, Gesetze oder wie in den 1980er Jahren die Branchenverkürzungen beendet, und die jeweiligen Anpassungsprozesse beeinflussen m. E. eher neue Argumentationsmuster sowie die zukünftige Arbeitszeitpolitik, so dass ich sie als Übergangsphase zur nachfolgenden Periode ansehe.

1.2 Aufbau der Arbeit Um ein Gesamtbild für die Entwicklung der Arbeitszeit, der Arbeitszeitpolitik und des Arbeitszeitdiskurses rekonstruieren zu können, sind viele Teilaspekte zu beachten, mit denen sich das 2. und 3. Kapitel befassen. Im Kapitel »Theoretische Grundlagen« soll ein Überblick über die Konstruktion von »Zeit« und »Arbeitszeit« gegeben werden. Ferner stehen die Entwicklung von Zeitbewusstsein und Zeitinstitutionen bis hin zu den aktuellen Entwicklungen um »Entgrenzung« von Arbeit und Leben sowie Flexibilität und Flexicurity im Zentrum dieses Abschnitts. Das 3. Kapitel beschäftigt sich mit der wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Entwicklung der Zweiten Republik. Es werden daher sozial-ökonomische und politische Faktoren beleuchtet, die in mannigfaltiger Weise die Arbeitszeit, die Arbeitszeitpolitik und den Arbeitszeitdiskurs beeinflusst haben. Abseits grundsätzlicher Strukturen der ös-

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terreichischen Wirtschaftspolitik folgt die Nachzeichnung dieser Entwicklung den vier Perioden der österreichischen Arbeitszeitentwicklung. Diese beiden Kapitel bieten den notwendigen Grundstock für die Beschäftigung mit der Fragestellung in den nachfolgenden Abschnitten. Kapitel vier bis sieben folgen ebenfalls den vier Perioden der österreichischen Arbeitszeitentwicklung. Die erste Periode, die »Konsolidierungs- und Inhomogenitätsphase«, wird im 4. Kapitel beschrieben. Es knüpft kurz an die Entwicklungen der Ersten Republik und des Dritten Reiches an, um dann die Zeitspanne von 1945 bis 1954/55 ausführlich zu beleuchten. Thematisch behandelt es den geschlechtsspezifischen Ansatz zur Verkürzung der Arbeitszeit für Frauen, den Versuch des Sozialministeriums, ein Arbeitszeitgesetz zu schaffen, die Kontroverse über die Gültigkeit der 48- bzw. 60-Stunden-Woche im Kontext der Rechtsunsicherheit und die Überstundenfrage. Abschließend geht es um den Generalkollektivvertrag zur 45-Stunden-Woche 1959. Die »Politisierungsphase« wird im Kapitel 5 nachgezeichnet. Von 1959 bis ca. 1966 stand die Arbeitszeitpolitik kaum auf der Agenda der Politik. Die Diskurse in diesem Zeitraum drehten sich mehrheitlich um die Freizeit. Mit dem Initiativantrag der SPÖ 1966 wurde erstmals die Arbeitszeitpolitik auf die Politikebene befördert, ohne jedoch nennenswerte Auswirkungen zu haben. Erst der europäische Trend zur Arbeitszeitverkürzung und die gemeinsame Initiative von ÖGB und SPÖ ab Herbst 1968 mit dem SPÖ-Volksbegehren im Mai 1969 sollten für die Umsetzung des offenen Punktes »Arbeitszeitgesetz« aus der vorangegangenen Periode sorgen. Arbeitszeit wurde so durch die SPÖ zu einem Vorwahlkampfthema für die Nationalratswahlen 1970. Die SPÖ demonstrierte Stärke und Sozialkompetenz, und es gelang ihr mittels Emporhebung der Arbeitszeitpolitik in die Politiksphäre, dass ein neues Arbeitszeitgesetz geschaffen, die Arbeitszeit auf 40 Wochenstunden gekürzt und die Wahlen gewonnen wurden. Das 6. Kapitel beschäftigt sich mit der Auseinandersetzung »Arbeitszeitflexibilisierung vs. Arbeitszeitverkürzung«. Die vereinbarte Verkürzung der vorherigen Periode wurde bis Mitte der 1970er Jahre durchgeführt. Während international von Gegnern der Arbeitszeitverkürzung in den 1970er Jahren Arbeitszeitflexibilisierung als Strategie aufgebaut wurde, spielte diese in Österreich erst in den 1980er Jahren eine größere Rolle. Den wirtschaftlichen Hintergrund zu dieser Grundkontroverse bildeten die steigenden Arbeitslosenzahlen, und folglich wurden die Debatten aus beschäftigungspolitischem Blickwinkel geführt. Führender Akteur in dieser Periode war Sozialminister Dallinger, der den »Kampf« um die 35-Stunden-Woche in einem zweiphasigen Modell führte. Kurzfristig strebte er die Anhebung des Mindesturlaubs an und langfristig die lineare Verkürzung der Arbeitszeit. Ein Versuch der Implementierung der 35-Stunden-Woche bei der Steyr-Daimler-Puch AG scheiterte  ; die Periode endete mit den Branchenabschlüssen zur 38,5- bzw. 38-Stunden-Woche.

Untersuchungsmethodik und Quellen

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In der abschließenden vierten Periode, dem sich das 7. Kapitel widmet, ging die Grundkontroverse weiter, wurde jedoch um die Arbeitszeitverlängerung, das Alleinstellungsmerkmal dieser Periode, ergänzt. Die Kombination von Arbeitszeitflexibilisierung und -verlängerung führte zu den Arbeitszeitgesetznovellen 1994, 1997 und 2007. Arbeitszeitverlängerung tauchte erstmals im Umfeld der Branchenabschlüsse der 1980er Jahre als Argument auf und prägte schließlich diese Periode. Daneben kennzeichnete der gesellschaftliche Wandel rund um die Themen Nachtarbeitsverbot der Frauen, Pensionsantrittsalter und Elternteilzeit diese abschließende Periode. Darüber hinaus erfolgte nun eine Verschiebung der Regelungsebene hin zu einzelvertraglichen Abmachungen, was besonders während der Sommerdebatte 2004 und im Zusammenhang mit der »Flexicurity«-Debatte diskutiert wurde. Beendet wird diese Periode mit Aufgabe der gewerkschaftlichen Bindung der Arbeitszeitpolitik an die 35-Stunden-Woche 2009. Im 8. Kapitel folgt schließlich die Zusammenfassung der Ergebnisse dieser Arbeit.

1.3 Untersuchungsmethodik und Quellen 1.3.1 Methodik Trotz der geringeren Ausprägung der Arbeitszeitforschung in Österreich im Vergleich zu Deutschland hat jeder, der sich mit dieser Thematik beschäftigt, die »Qual der Wahl«, welche der Materialien zur Untersuchung herangezogen werden können. Es wird daher von Beginn an eine Vorauswahl getroffen, wobei vorauszusetzen ist, dass sich ein Historiker grundsätzlich »nur für eine kleine Zahl aus den unendlich vielen Tatsachen der Vergangenheit interessiert, nämlich für solche, die aus bestimmten Gründen und in bestimmten Zusammenhängen für ihn von Bedeutung sind.«76 Die Auswertung der Materialien erfolgt mit Hilfe der Texthermeneutik. Hierzu werden die einzelnen Aufsätze, Zeitungs- und Zeitschriftenartikel, Gesetze, Berichte sowie die Protokolle des Nationalrates und des ÖGB untersucht und bezüglich des Erkenntnisgehaltes zur Analyse von Perioden, Charakteristika und Interessen der Arbeitszeitentwicklung Österreichs ausgewertet. Zwangsläufig werden bestimmte Mitteilungsmerkmale ausgeblendet, da diese für diese Arbeit irrelevant waren. Insofern kommt es auch zu einem Informationsverlust durch die Klassifizierung der analysierten Mitteilungsmerkmale  ; dieser ist jedoch seinerseits die Basis eines Informationsgewinnes, der ansonsten nicht hätte erzielt werden können.77 Insgesamt erweist sich die hermeneutische Textinterpretation als geeignet zur Betrachtung der Perioden, Charakteristika und Interessen der Arbeitszeitentwicklung Österreichs, da 76 Sellin 2001  : 32. 77 Vgl. Früh 2015  : 44.

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Einleitung

es das Ziel der hermeneutischen Interpretation ist, »den historisch, autobiografisch, soziologisch oder in anderer Weise geprägten Text zu verstehen und dessen Sinngehalt […] zu deuten.«78 Für die hermeneutische Interpretation wichtig sind schriftliche Texte, aber auch Bilder und Symbole gewinnen an Bedeutung.79 Unter Hermeneutik wird eine allgemeine Methode des Verstehens80 als »Grundoperation der Historie«81 verstanden, wobei nach Jung unter das Verstehen ebenso das Erfassen von Zusammenhängen fällt.82 Im Grunde erfolgt daher der Einsatz der Hermeneutik in der Deutung und Interpretation von Texten sowie Äußerungen, wozu Meinberg festhielt  : »Texte interessieren nicht als Texte, sondern allein ihres Inhalts wegen.«83 Die hermeneutische Auslegung wird notwendig, sobald eine zeitliche und/oder sachliche Distanz zwischen der Lebenswirklichkeit des Textes und jener des Lesers besteht.84 Der Text stellt hierbei die Basis der Kommunikation zwischen Sender (Autor) und Empfänger (Leser) dar. Gerade die zeitliche/sachliche Entfernung zwischen Sender und Empfänger hat zur Folge, dass eine »einseitige Kommunikation« entsteht, so dass die Hermeneutik auch als eine »Methode der Interpretation für den Empfänger einer einseitigen Kommunikation«85 verstanden werden kann. Damit wird der Fokus auf den historischen und sozialen Hintergrund gelenkt, vor allem, da der Text nicht hinsichtlich der Kommunikation untersucht wird, sondern andere Aspekte an Aufmerksamkeit gewinnen. Infolgedessen rücken in den Mittelpunkt des Interesses der Sender, also die Frage, wer den Text verfasst hat, und jene Umstände, die zur Abfassung geführt haben.86 Voraussetzung für das »Verstehen« und damit die Interpretation ist, dass dieses »Verstehen« auf einem gewissen Vorverständnis beruht.87 Daher ist es nicht nur wichtig, was in einem Text in geschriebener Form vorliegt. Dahingehend merkt Kußmaul an  : »Verstehen ist ein Zusammenspiel zwischen dem, was als geschriebener Text […] auf uns zukommt, und dem, was wir über das Thema bereits wissen […].«88 Erst das Zusammenspiel des Vorwissens und der Textinformationen ermöglicht das

78 Früh 2015  : 69. 79 Vgl. Böhl/Reinhard/P. Walter 2013  : 13. 80 Vgl. Hans Wagner 1999  : 194. 81 Böhl/Reinhard/P. Walter 2013  : 22. 82 Vgl. Jung 2001  : 7. 83 Meinberg 1993  : 44. 84 Vgl. Böhl/Reinhard/P. Walter 2013  : 13. 85 Doublet 2003  : 61. 86 Vgl. Doublet 2003  : 61f. 87 Vgl. Röd 2002  : 120. 88 Kußmaul 2010  : 29.

Untersuchungsmethodik und Quellen

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Verstehen. Es ist deshalb unabdingbar, dass ein »Minimum an Überlappung«89 zwischen dem eigenen Vorwissen und dem zu interpretierenden »fremden« Material vorliegt. Eine grundlegende Basis für das Vorverständnis wird mit den ersten beiden Kapiteln dieser Arbeit gelegt. Meist werden Zeitungs- und Zeitschriftenartikel in dieser Arbeit analysiert. Diese sind einerseits für viele Rezipienten verfasst und werden andererseits von vielen Rezipienten gelesen.90 Die Schlagzeile lenkt dabei die Aufmerksamkeit auf den jeweiligen Artikel. Demgemäß hat sie einige wichtige Funktionen, wie die Aufmerksamkeit des Lesers zu generieren, diesen tatsächlich zum Lesen zu bringen und bereits zu instruieren, wie die nachfolgende Geschichte zu verstehen sei.91 Zusätzlich ermöglichen Schlagzeilen eine Vorauswahl zur Auswertung. Die Berichterstattung der Arbeiter Zeitung im Umfeld des Volkbegehrens zeigt, dass diese Ziele einer Schlagzeile nicht unbedingt auf einen Beitrag beschränkt bleiben müssen. Die Arbeiter Zeitung führte auf Seite 1 eine Hauptschlagzeile, die das generelle Thema der jeweiligen Ausgabe erkennen ließ. Diese Hauptschlagzeile war im Zeitraum des Volksbegehrens omnipräsent und sollte den Leser zum Lesen mehrerer Artikel bewegen. Einleitend wurde angeführt, dass eine »Qual der Wahl« zu einer Vorauswahl führt und diese sich auf das Ergebnis auswirkt. Auch die Betrachtung eines ausgewählten Quellenbestandes kann insofern für das Ergebnis beträchtliche Konsequenzen haben.92 So gelang es, durch die Auswertung der Stenographischen Protokolle des FKÖGB einen Quellenbestand zu erschließen, der deutlich macht, dass die Diskussionen bereits vor 1954/55 begannen. Ebenso zeigt die Auswertung der Arbeiter Zeitung von 1969, dass das Volksbegehren in ausgeprägter, propagandistischer Art und Weise beworben und so die Arbeitszeit zum Politikum wurde. 1.3.2 Quellen Die Basis bildet die Literatur zur Arbeitszeit, zur Arbeitszeitverkürzung sowie zur Arbeitszeitflexibilisierung. Die wichtigste Grundlage bildet die Literatur zur Arbeitszeitentwicklung Österreichs, die genauso wie die Überblicke über die Zweite Republik aus anderen Arbeiten einfloss. Vielfach wurde auf Literatur rund um das Thema »Arbeitszeit« aus Deutschland zurückgegriffen, da dieser Bereich dort wesentlich besser aufgearbeitet ist als in Österreich. In größerem Umfang wurden Quellen der arbeitszeitpolitischen Akteure ausgewertet. Herangezogen wurden überwiegend die Stenographischen Protokolle des 89 Walach 2013  : 370. 90 Vgl. Wolff 2011  : 266. 91 Vgl. Wolff 2011  : 260. 92 Sellin 2001  : 83.

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ÖGB und des FKÖGB, die Jahresberichte der WKO sowie der VÖI, aber auch die Stenographischen Protokolle des Nationalrates. Darüber hinaus wurden vereinzelt die Rednerberichte des ÖGB zur Entwicklung in den 1950er Jahren verwendet. Wichtig in diesem Zusammenhang sind die Berichte des Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen. Dieser hatte sich seit Ende der 1960er Jahre mehrmals mit der Arbeitszeit beschäftigt und die Teilzeitarbeit (1968), die Probleme einer Arbeitszeitverkürzung (1969), die Arbeitszeitentwicklung und die Arbeitszeitpolitik (1984) sowie die Beschäftigungspolitik (1997) untersucht. Literatur sowie Protokolle und Berichte der Sozialpartner sind nur ein Teil möglicher Quellen, um sich ein Bild über den Forschungsstand zu machen. Um diesen zu analysieren sowie die Einstellungen der Akteure in Bezug auf Entwicklung, Motive und Interessenlagen differenzierter herauszufiltern, wurde die Analyse der Literatur sowie der Protokolle und Berichte ergänzt um zahlreiche Zeitungs- und Zeitschriftenartikel sowie Aufsätze in wesentlichen Fachzeitschriften. Dabei wurden Arbeit und Wirtschaft, Das Recht der Arbeit (Herausgeber AK) und die Wirtschaftspolitischen Blätter (Herausgeber WKO) für die Auswertung und Bearbeitung wesentlicher Themenbereiche der österreichischen Arbeitszeitpolitik vollständig für die Zeitspanne von 1945 bis 2008 ausgewertet. Darüber hinaus wurden Artikel aus Die Presse, Wiener Zeitung, Solidarität, Die Zukunft, Arbeiter Zeitung, Kronen Zeitung, Die Zeit, Der Spiegel sowie der Vorarlberger Monatszeitung für Arbeit und Konsumentenschutz herangezogen. Außerdem wurden die Materialsammlungen von Wirtschaft und Gesellschaft und der Wirtschafts- und Sozialpolitischen Zeitschrift in die Analyse miteinbezogen.

2. Theoretische Grundlagen

Der im Alltag ubiquitär anzutreffende Begriff »Arbeitszeit« ist ein historisch gewachsenes Konstrukt, das sich aufgrund der gesellschaftlichen Umwälzungen seit der Industrialisierung entwickeln konnte und in engem Zusammenhang mit einem sich verändernden Zeitbewusstsein steht. Sowohl der Begriff »Arbeitszeit« als auch das Zeitbewusstsein lassen bei einem Blick in den geschichtlichen Rückspiegel eine Veränderlichkeit erkennen, so dass das gegenwärtige Verständnis von »Arbeitszeit« nicht gleichgesetzt werden kann mit jenem von »Arbeitszeit« zu anderen Zeitpunkten der Geschichte. Wie selbstverständlich wird heute der Begriff »Arbeitszeit« verwendet, weil er von der Gegenwartsgesellschaft bereits so weit verinnerlicht ist, dass er wie auch der Begriff »Zeit« als »natürliche Gegebenheit«1 aufgefasst wird, während seine Wandelbarkeit unberücksichtigt bleibt – auch und wenngleich diese Veränderungen durch den Terminus »Arbeitszeitflexibilisierung« doch stärker präsent sind, als sich viele bewusst sind. Diese Nonchalance gegenüber den Begriffen »Zeit« und »Arbeitszeit« zeigt sich in einer vermeintlich nahezu universellen Gültigkeit dieser Termini. Dass dem nicht so ist, wurde bislang mit dem Hinweis auf die Variabilität von »Arbeitszeit« und Zeitbewusstsein sowie die unterschiedlichen Ordnungskategorien von »Zeit« nur angedeutet. In der vorliegenden Arbeit geht es in erster Linie um eine Periodisierung der Arbeitszeitpolitik in der Zweiten Republik, aber es wird sich zeigen, dass unabhängig von der getroffenen Aufteilung der Perioden der Arbeitszeitpolitik diverse Indikatoren für eine Veränderung des Zeitbewusstseins in der Zweiten Republik sprechen. Zu einer schleichenden Veränderung kam es bei der Umsetzung der Fünf-Tage-Woche, während in Deutschland offen mit dem Slogan »Samstags gehört Vati mir« geworben wurde. Offen zu Tage traten diese Veränderungen in den 1980er Jahren mit der Arbeitszeitflexibilisierung. Eine Starrheit althergebrachter Normalarbeitszeit ist seitdem nicht mehr in dem Ausmaß wie zuvor erkennbar. Um die Entwicklungstendenzen besser beurteilen zu können, ist es mit Koselleck notwendig zu attestieren, dass Begriffe in vielen Fällen viel komplexer sind, als ihre Universalie erkennen lässt, und dass sie ohne die sozial-politische Historie, mit der sie unweigerlich verbunden sind, nicht verstanden werden können.2 Folgerichtig muss es zu einem begriffsgeschichtlich-historischen Abriss unter der Berücksichtigung der Kategorisierung von »Zeit« kommen, damit die Entwicklungen der Arbeitszeitpolitik

1 Gabbani-Hedman 2006  : 2. 2 Vgl. Koselleck 1979  : 108.

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Theoretische Grundlagen

in der Zweiten Republik reflektierter betrachten werden können, als es bei einer unhinterfragten Allgemeingültigkeit diese Begriffe möglich wäre.

2.1 Auf der Spur der Zeit Ein Blick auf die Uhr – schnell werden Sekunden-, Minuten- und Stundenzeiger erfasst. Wissend wird die Uhrzeit festgestellt, die den Takt des Lebens vorgibt. Subjektiv ist damit die »Zeit« greifbar und somit der Begriff »Zeit« fassbar. Im Grunde genommen bedeutet dies, dass »Zeit« alltäglich sowie für jeden selbstverständlich ist.3 Das Wissen um den Begriff der »Zeit« kann nicht mit einer allgemeingültigen Erklärung gleichgesetzt werden, zeigt sich doch schon in der Physik, dass Zeit auf ein schlichtes »t« reduziert werden kann. Die Zeit, die einem die Uhr anzeigt, natürliche Rhythmen und auch soziale Prozesse werden aufeinander ausgerichtet4 und beeinflussen so die Arbeitszeit. 2.1.1 »Zeit« ist … Was also ist »Zeit«  ? Im ersten Moment erscheint dies als eine einfache Frage. Aber bereits Augustinus Aurelius war sich der Schwierigkeit bewusst, als er festhielt  : »Was also ist die Zeit  ? Wenn niemand mich danach fragt, weiß ich es  ; wenn ich es jemandem auf seine Frage hin erklären will, weiß ich es nicht.«5 Dieses Zitat taucht in unzähligen Werken der Zeitforschung auf und bezeugt die Schwierigkeiten, die in einer Definition der »Zeit« liegen. Es gibt durchaus abstrakte Erklärungen.6 Ferner können Definitionen gefunden werden, die unter »Zeit« all das verstehen, was von einer Uhr abgelesen werden kann, und dabei eher das Konzept der Uhrzeit zugrunde legen als den Begriff der »Zeit« selbst.7 So ist die Messung selbst und nicht so sehr das Gemessene präsent.8 Demzufolge ist »Zeit« »nicht nur das, was die Uhren anzeigen, sondern die menschliche Existenz selbst ist zeitlich verfaßt, sie ist ausgespannt zwischen Geburt und Tod, Sein und Nicht-Sein.«9 »Zeit« ist eine grundlegende Kategorie der sozialen Welt.10 Vieles im Umfeld der Zeit, wie die Verfügungsgewalt über Zeit, Wertungen und Vorstellungen von Zeit,  3 Vgl. Schöneck 2008  : 20  ; Nassehi 2008  : 39.  4 Hemetsberger 1997  : 8.  5 Augustinus 2008  : 343.  6 Vgl. Schöneck 2008  : 19.  7 Vgl. Elias 1988  : VII  ; Filk/Giulini 2004  : 268  ; Gabbani-Hedman 2006  : 1  ; Schöneck 2008  : 19f.  8 Vgl. Nassehi 2008  : 39.  9 Kather 1999  : 20. 10 Nassehi 2008  : 39.

Auf der Spur der Zeit

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Zeitkategorien und Zeitstrukturen, ist sozial und kulturell konstruiert.11 Demzufolge besitzt Zeit einen sozialen Charakter12 und hat zahlreiche soziale Funktionen. Ausgehend von strukturierenden Merkmalen einer Gesellschaft13 lassen sich nach Garhammer folgende die Zeitvorstellung betreffende Faktoren anführen  : 1) die Strukturierung von individuellen und sozialen Prozessen, 2) die Synchronisierung unterschiedlicher Personen und Handlungen und 3) der Erwartungs- und Planungshorizont auf der gesellschaftlich-politischen Ebene und der Ebene der Akteure.14 2.1.2 Ordnungskategorien der Zeit Die Fülle an Definitionen von »Zeit« bedeutet, dass diese nicht eindeutig definierbar ist. Um zu befriedigenden Antworten zu gelangen, wird die Zeit kategorisiert. Dies unterliegt jedoch den Bedingungen sozialer Umdeutungsprozesse sowohl in ihrer sozialwissenschaftlichen als auch in ihrer alltagspraktischen Bestimmung.15 Allgemein basiert die Ordnungskategorie bzw. die Ordnungsfunktion der Zeit auf »der Trennung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft [und damit] auf einer idealisierten, linearen und irreversiblen Zeitachse.«16 Neben der sozialen Zeit können nach Schlote vier weitere allgemeine Zeitdimensionen – die psychologische, die biologische, die astronomische und die physikalische Zeit17 – angeführt werden.18 Die psychologische Zeit erfasst das Erleben, Erinnern und Erwarten von Zeit, wodurch diese abhängig von Inhalten ist und dadurch eine starke soziale Prägung erhält.19 Die biologische Zeit wiederum bezeichnet inhärente biologische Rhythmen der Körper von Menschen und anderen Lebewesen.20 Dazu zählen Schlaf-Wach-Zyklen oder der Bio-Rhythmus mit Stärke- und Schwächeperioden hinsichtlich der Leistungsfähigkeit.21 Die astronomische Zeit bezieht sich auf Himmelskörper mit ihren Bewegungen und Gleichgeschwindigkeiten.22 Die physikalische Zeit wiederum dient quantitativer Zeitbestimmung und Zeitmessung23 und 11 Muri 2004  : 26. 12 Vgl. Muri 2004  : 27  ; Schöneck 2008  : 21. 13 C. Kramer 2005  : 74. 14 Garhammer 1996  : 23. 15 Muri 2004  : 28. 16 Plaschg 2008  : 53. 17 Schlote 1996  : 19. 18 Astronomische, physikalische oder objektive Zeit könnten als mechanische Zeit zusammengefasst werden. Vgl. Hemetsberger 1997  : 7. 19 Vgl. Schlote 1996  : 19. 20 Schlote 1996  : 20. 21 Vgl. Schlote 1996  : 20. 22 Vgl. Schlote 1996  : 21. 23 Vgl. Schlote 1996  : 21.

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Theoretische Grundlagen

ist letztlich die Grundlage für die temporale Koordination und Synchronisation des sozialen Miteinanders.24 Wenngleich diese Zeitformen separiert aufgezählt wurden, ist ein Zusammenhang zwischen ihnen sehr wohl gegeben.25 Soziale Zeit stellt den »Oberbegriff für die Vielfalt von Anlässen und Strukturen, innerhalb derer wir unsere persönliche Zeit gestalten oder kollektiv vorgegebene Zeiteinteilungen unser Verhalten reglementieren«26, dar. Unter sozialer Zeit werden individuelle und soziale Aktivitäten sowie Ereignisse subsumiert,27 wodurch besonders auf die Ebene des Zeiterlebens Bezug genommen wird. Sie entsteht gewissermaßen durch die Einbindung diverser sozialer Ebenen.28 Als Hauptcharakteristika sozialer Zeit gelten die Bezugnahme auf soziokulturelle Referenzpunkte, eine interkulturelle Variabilität, ein ungleicher Zeitfluss, die Qualität und Wirkung (Eigenzeiten) sowie der Ausdruck in Symbolen und Institutionen.29 Diese Hauptcharakteristika stehen in wechselseitiger Beziehung zueinander. Soziale Zeit hat zugleich Synchronisationserfordernisse zur Folge. Diese bedeuten für die Individuen Einschränkungen, die aus den zeitlichen Ansprüchen verschiedener sozialer Umwelten entstehen.30 Derartige Einschränkungen der sozialen Zeit ergeben sich aus den Arbeitssituationen und dem Kontext des Lebensumfelds der Individuen.31 Neben der sozialen Zeit und den von Schlote genannten Formen der Zeit gibt es noch weitere Möglichkeiten, »Zeit« zu differenzieren. Eine vollständige Auflistung kann nicht erreicht werden, es soll jedoch ein grober Überblick über die Vielfalt an Zeitdimensionen gegeben werden. Eine erste mögliche Differenzierung wäre die kollektive Zeit. Diese fasst die soziale Zeit sowie kulturelle Zeitvorstellungen und Normen für Umgangsformen mit der Zeit zusammen.32 Unter anderem werden Reglementierungen des individuellen und gruppenspezifischen Erlebens und Handelns in der Zeit33 in den Zusammenhang mit kollektiver Zeit gesetzt. Dies spielte bei der Herausbildung kollektiver Arbeitszeitmuster und der Etablierung der Normalarbeitszeit eine wesentliche Rolle. Viele dieser Differenzierungsmöglichkeiten beinhalten ein Gegensatzpaar. Bei der kollek24 Schöneck 2008  : 23. 25 Vgl. Schöneck 2008  : 23. 26 Muri 2004  : 28f. 27 Vgl. Hemetsberger 1997  : 8 und 114. 28 Vgl. Hemetsberger 1997  : 115. 29 Schmidt-Lauff nimmt bei diesen Merkmalen als referentielle soziologische Kategorien Bezug auf W. Bergmanns 1983 erschienen Aufsatz »Das Problem der Zeit in der Soziologie  : ein Literaturüberblick zum Stand der ›zeitsoziologischen‹ Theorie und Forschung«. Schmidt-Lauff 2008  : 83. 30 Hemetsberger 1997  : 116. 31 Vgl. Hemetsberger 1997  : 117f. 32 Muri 2004  : 28. 33 Stanko/Ritsert 1994  : 15.

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tiven Zeit ist es die individuelle Zeit. In der Gegenwartsgesellschaft ist diese vielfach durch Institutionen und Strukturen vorstrukturiert.34 Individuelle Zeit hängt vom Zeiterleben, vom Zeithandeln und vom Zeitdenken ab.35 Einen informativen Kurzüberblick über solch gegensätzliche Differenzierungsformen bietet Schöneck in »Zeiterleben und Zeithandeln Erwerbstätiger«.36 Zunächst lässt sich zwischen abstrakter Zeit, darunter wird linearisierte, mathematisierte Zeit jenseits aller konkreten Erfahrungen37 verstanden, und konkreter Zeit, bei der es sich um wahrnehmbare, erlebte Zeit handelt, unterscheiden.38 Ein weiteres Paar ist die mögliche Trennung zwischen objektiver und subjektiver Zeit. Objektive Zeit wird mit soziokulturellen Zeitstrukturen39 umschrieben und ist jene durch Uhren messbare Zeit der physikalischen Welt.40 Eine objektiv gemessene Zeitdauer kann dabei dem subjektiven Zeitempfinden widersprechen. So kann eine Unterrichtsstunde, die im Regelfall 50 Minuten dauert, sowohl von den Schülern als auch von der Lehrkraft mal kürzer, mal länger empfunden werden, ohne dass sich an der Konstante, der Unterrichtseinheit à 50 Minuten, etwas ändert. Diese persönlich empfundene Zeit fällt in die Kategorie der erlebten, subjektiven Zeit.41 Subjektive Zeit stellt nichts anderes dar als das vom Einzelnen wahrgenommene Zeitgefühl und Zeitbewusstsein.42 Das nächste Zeitpaar ist die öffentliche und private Zeit. Die Grenzen zwischen diesen Zeitgegensätzen werden durch die ständige Erreichbarkeit seit dem vermehrten Einsatz von Mobiltelefonen, E-Mails u. v. m. immer weiter verwischt. Für Schöneck stellt die öffentliche Zeit eines Individuums »jenes Zeitfenster dar, in dem es sozial leicht zugänglich, also erreichbar für andere ist. Es ist folglich naheliegend, die öffentliche Zeit der Sphäre der Arbeitszeit als verkaufte Privatzeit zuzuordnen […].«43 Die Grenze zwischen öffentlicher und privater Zeit lässt sich nach Zerubavel zwischen dem Status »im Dienst« und dem Status »außerhalb des Diensts«44 ziehen. Die Flexibilisierung der Arbeitszeit hat hier spürbare Auswirkungen, indem sie zu Änderungen hinsichtlich der Starrheit und Flexibilität der zeitlichen Grenze zwischen der privaten und öffentlichen Lebenssphäre führt.45 Private Zeit ist eine zeit34 Garhammer 2001  : 101. 35 Vgl. Schöneck 2008  : 93ff. 36 Vgl. Schöneck 2008  : 24ff. 37 Schöneck 2008  : 24. 38 Vgl. Schöneck 2008  : 25. 39 Muri 2004  : 28. 40 Schöneck 2008  : 25. 41 Schöneck 2008  : 25. 42 Vgl. Stanko/Ritsert 1994  : 14f. 43 Schöneck 2008  : 26. 44 Zerubavel 1981  : 158f. 45 Zerubavel 1981  : 157.

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lich definierte Nische der Unzugänglichkeit46 und der Nichtrechenschaftspflicht gegenüber anderen.47 Das von Helga Nowotny ausgearbeitete Konzept der Eigen- und Fremdzeit kommt dieser Unterscheidung ziemlich nahe.48 2.1.3 Zeitbewusstsein Viele Faktoren beeinflussen das Zeitempfinden und infolgedessen die Arbeitszeit. Denn die Arbeitszeit legt die zeitliche Grundstruktur für das Leben des Individuums fest.49 Sie ist somit nicht nur auf die betrieblichen Erfordernisse abzustimmen, sondern auch auf ihre soziale Komponente. Dies bestimmt die Wahrnehmung, so dass soziale Zeit insbesondere im Verhältnis zu einem größeren situativen Kontext50 wahrgenommen wird. Die soziale Umwelt bildet das Grundgerüst für die Wahrnehmung aktueller Situationen.51 Und die soziale Zeit wirkt ebenso auf das Handeln der jeweiligen Akteure ein. Zudem hängt das jeweilige Zeitempfinden von den ausgeübten Tätigkeiten ab. Wird Arbeit als monotone und anspruchslose Tätigkeit empfunden, so vergeht die Arbeitszeit langsamer.52 Ist dies nicht der Fall, vergeht sie schneller.53 Dies trifft aber auch auf das Erleben des Äquivalents Freizeit zu. Denn wer diese Zeitspanne bevorzugt, der empfindet ein schnelleres Vergehen der Zeit.54 Grundsätzlich wird »Zeit« »ständig neu in konkreten Interaktionen nach der Maßgabe bestimmter, kulturell bedingter Zwecke und Mittel konstruiert.«55 Unser »modernes« Zeitempfinden entspricht daher keinesfalls allen Zeitepochen der menschlichen Geschichte.56 Anfänglich dürfte es vor allem vom zyklischen Verlauf der Zeit57 geprägt worden sein. Eine erste Änderung ist mit dem Aufkommen des linearen Verlaufs im Christentum erkennbar.58 Der nicht erfolgte Weltuntergang führte ab etwa 1000 n. Chr. zur Abnahme des Interesses an der Zeit.59 Abgesehen von der Orientierung an der Uhrzeit in Klöstern war die Zeit selbst dem Großteil der Bevölkerung 46 Zerubavel 1981  : 142. 47 Vgl. Nippert-Eng 1996  : 38. 48 Vgl. Schöneck 2008  : 27  ; Muri 2004  : 59ff. 49 Hemetsberger 1997  : 117. 50 Hemetsberger 1997  : 114. 51 Vgl. Hemetsberger 1997  : 126. 52 Vgl. Hinz 2000  : 78. 53 Vgl. Hinz 2000  : 78. 54 Vgl. Hinz 2000  : 78. 55 Hasenfratz 2003  : 277. 56 Ein Überblick über das Zeitempfinden bzw. Zeitbewusstsein kann nie eindeutig sein, da aus Quellen der Umgang mit der Zeit und das Verständnis von ihr nicht herauszulesen ist. Vgl. Hinz 2000  : 56. 57 Vgl. Hinz 2000  : 56ff.; Schöneck 2008  : 35. 58 Vgl. Hinz 2000  : 60. 59 Vgl. Hinz 2000  : 60.

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nahezu gleichgültig60 und wurde im Christentum als wenig wichtig angesehen.61 Verwendete Messinstrumente in Klöstern waren u. a. Wasser-, Kerzen-, Sand- und Sonnenuhren. Deren Genauigkeit und Praktikabilität war vielfach nicht gegeben.62 Außerhalb der Klostergemeinschaften genügte ein einfacher Vergleich von Brenndauer, u. a. bei Öllampen,63 zumal das Bedürfnis nach Zeitmessung und -bestimmung meist fehlte.64 Grundsätzlich wurde die Zeit von der Orientierung an der Natur und der Religion geprägt.65 Die stark an Natur und Religion gebundenen Rhythmen und Zyklen bedingten eine statische Gesellschaft mit geringem sozialem Wandel.66 Nicht von ungefähr beginnt der Tag beim Aufgang der Sonne und endet mit deren Untergang. Das kaum vorhandene Bedürfnis, einen Tag zeitlich exakt zu strukturieren, war damit verbunden, dass Zeit für Arbeiten aufgabenbezogen und nicht zeitbezogen verwendet wurde.67 Diese Aufgabenbezogenheit wird vor allem mit Gesellschaften ohne industrielle Produktionsweise68 in Verbindung gebracht. Im 13. und 14. Jahrhundert kommen schließlich mechanische Uhren auf. Anfänglich beeinflusste dies den Alltag kaum. So verblieben erste Räderuhren im sakralen Raum der Kirche, wo über Jahrhunderte hinweg bereits Zeitmessung stattgefunden hatte.69 Erst das Aufbrechen althergebrachter Strukturen und Normen transportierte die Uhr aus der Kirche hinaus, wo sie ins Licht der städtischen Öffentlichkeit trat.70 Zu finden waren mechanische Uhren nun mehrheitlich auf öffentlichen Plätzen. Besondere Verbreitung fanden diese bei Kirchenuhren und an Rathäusern.71 Dadurch wurde »exakte« Zeit ständig verfügbar.72 Diese hatte nach Hinz vier Auswirkungen  :73 60 Vgl. Andrea Maurer 1992  : 105  ; Rinderspacher 2000  : 49  ; Hinz 2000  : 61  ; Muri 2004  : 69f.; Schöneck 2008  : 34. 61 Hinz 2000  : 61. 62 Vgl. Hinz 2000  : 61. 63 Huth 2003  : 20. 64 Vgl. Hasenfratz 2003  : 287ff.; Schöneck 2008  : 34f. 65 Vgl. Andrea Maurer 1992  : 104f.; Altun 2005  : 60  ; Hielscher 2006  : 52  ; Böschen/Weis 2007  : 40  ; Schöneck 2008  : 35f. 66 Vgl. Schöneck 2008  : 36. 67 Vgl. Simsa 1996  : 51. 68 Simsa 1996  : 51. 69 Gronemeyer 1996  : 77. 70 Gronemeyer 1996  : 78. 71 Vgl. Böhle 1999  : 13  ; Hinz 2000  : 61  ; Böschen/Weis 2007  : 50. 72 Es erfolgt mehrheitlich eine Verortung in spätmittelalterlichen Klöstern, wenn es darum geht, die Anfänge von rationalem Zeitumgang und die Erfindung der mechanischen Uhr einzuordnen. Dabei wird die Vorstellung vom Entstehen eines neuen Zeitbewusstseins in Klöstern unter anderem anhand der Pünktlichkeit von Dohrn-van Rossum kritisiert. Ihm zufolge ist trotz des Aufkommens mechanischer Uhren der Rückschluss auf einen neuen Umgang mit der Zeit in den Klöstern unzulässig. Vgl. Dohrnvan Rossum 1995  : 42  ; Gabbani-Hedman 2006  : 36. 73 Vgl. Hinz 2000  : 61  ; Gabbani-Hedman 2006  : 38ff.

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1. Vollzug des Übergangs zu jahreszeitunabhängigen gleichwertigen Stunden 2. Änderung des bis dato als normal angesehenen Zeitempfindens mit längeren Tagesstunden im Sommer und kürzeren im Winter 3. Verlust des Bezugsrahmens von Sonnenaufgang und Sonnenuntergang, die sich nicht unmittelbar an der Uhrzeit erkennen lassen 4. Zunehmende Koordination bürgerlicher Tätigkeiten in den Städten

Die Uhr wurde zu einem fixen Orientierungspunkt, und das Geläut der Glocken markierte Anfang und Ende der Arbeitszeit.74 Hierbei ist jedoch eine örtliche Begrenzung auf Städte75 festzuhalten. Einsetzend mit der Verbreitung mechanischer Uhren wurde Zeit an sich ein wertevolles Gut.76 Das subjektive Zeitempfinden kannte bis ins 16. Jahrhundert Minuten und Sekunden nicht.77 Es dauerte bis ins 19. Jahrhundert, dass sich die Uhr als universell gültiger Maßstab für die zeitliche Organisation, insbesondere im Arbeitsbereich,78 durchsetzte. Eine stärker spürbare Veränderung des Zeitbewusstseins erfolgte mit dem Einsetzen des Industriekapitalismus. Vor der Industrialisierung konnte die Länge des Arbeitstages beliebig variieren.79 Jedoch waren zeitliche Präzisierungen bereits bei Manufakturen erforderlich.80 Diese schritten mit der Industrialisierung voran und machten zeitliche Koordinations- und Synchronisationsleistungen notwendig.81 Gleichsam bedeutete der Einsatz künstlicher Beleuchtung, dass natürliche Rhythmen, wie der Tag-Nacht-Zyklus oder die Jahreszeiten, weiter an Bedeutung verloren,82 und gleichzeitig gelang es, die Nacht zu kolonialisieren.83 Die Arbeitsleistung der Individuen wurde verstärkt zur Ware, und diese Ware wurde durch Zeit gemessen,84 so dass Zeit zu einer ökonomisch handhabbaren Größe85 wurde. Diese einschneidenden Ereignisse veränderten Zeitstrukturen und Zeitbewusstsein im Alltag86 der Gesellschaft und hatten einerseits eine Sozialdisziplinierung und andererseits den Verlust individueller Verwendung der Zeit zur Folge.87 Diese Ver74 Vgl. Hinz 2000  : 61. 75 Vgl. Hielscher 2006  : 52  ; Gabbani-Hedman 2006  : 37. 76 Hinz 2000  : 61. 77 Vgl. Muri 2004  : 75. 78 Böhle 1999  : 13. 79 Vgl. Hinz 2000  : 62. 80 Vgl. Hinz 2000  : 62. 81 Hielscher 2006  : 54  ; Hinz 2000  : 62. 82 Vgl. Hinz 2000  : 62f. 83 Schöneck 2008  : 48. 84 Vgl. Hinz 2000  : 63. 85 Schöneck 2008  : 45. 86 Hielscher 2006  : 54. 87 Vgl. Muri 2004  : 77.

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änderungen machten sich insbesondere im Arbeitsumfeld der Bevölkerung bemerkbar. Entscheidend war die Durchsetzung der industriellen Arbeitsdisziplin. Nicht die Aufgabe, sondern der aufs Geld reduzierte Wert der Zeit wurde nun zur entscheidenden Recheneinheit der kapitalistischen Produktion. Industrieaufseher wurden angewiesen, für jeden Arbeiter eine Kontrollkarte auszustellen, auf der auf die Minute genau der Arbeitsbeginn und das -ende eingetragen wurden. Nicht selten wurden die Industrieuhren zu Arbeitsbeginn vor und zum Arbeitsende nachgestellt, um ein größeres Pensum an Arbeitskraft herauszuschlagen.88

Die Durchsetzung der Arbeitsdisziplin als Gegenstück zu den nicht mehr selbst-, sondern fremdgesteuerten Arbeitszeiten vollzog sich durchaus konfliktvoll.89 Wenngleich die Länge der Arbeitszeiten in Fabriken durch das Verstellen der mechanischen Uhren verändert werden konnte und die Arbeitsdisziplin über kontroversielle Auseinandersetzungen erreicht wurde, musste die Entwicklung hin zu klar definierten Arbeitszeiten führen.90

2.2 Ausdifferenzierung der Zeitstrukturierung in der Gegenwartsgesellschaft Das Zeitbewusstsein ist keineswegs statisch, sondern einem Wandel unterlegen. Exogene Faktoren wie ein fixes Kalendersystem, die Verfügbarkeit von Uhren sowie die Einübung von Fabriks- und Arbeitsdisziplin veränderten das Zeitbewusstsein. Die Auswirkungen sind mannigfaltig. Im Hinblick auf diese Arbeit sind zwei Faktoren maßgeblich  : Einerseits gab es einen Wandel des Begriffes »Arbeitszeit«, da nicht davon auszugehen ist, dass sich die »moderne« Auffassung von »Arbeitszeit« mit jener vor der Industrialisierung oder zu anderen Epochen der Geschichte deckt.91 Andererseits bedingte dieser Wandel des Zeitbewusstseins eine Änderung der Zeitstrukturierung der Gegenwartsgesellschaft. Mechanische Uhren bedeuten zunächst nicht, dass allen Ortens die gleiche Zeit vorherrscht. Vielmehr lässt sich eine Gemengelage noch undifferenzierter und zugleich hochdifferenzierter Zeitstrukturen erkennen.92 Katalysator des Entwicklungsprozesses neuer Zeitstrukturen war die Stadt mit der Vorgabe einer öffentlichen Zeit. 88 Hinz 2000  : 63. 89 Vgl. Hielscher 2006  : 54f. 90 Vgl. Hielscher 2006  : 54. 91 Vgl. Abschnitt 2.3. 92 Böschen/Weis 2007  : 40  ; Dohrn-van Rossum 1995  : 145ff.; Gabbani-Hedman 2006  : 40.

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Von den städtisch organisierten Zeitregimen ging schließlich ein starker Zwang zur Verinnerlichung der öffentlichen Zeit und damit zur Selbstkontrolle über Zeit aus. Die Abstraktion der Zeit hatte hier eine soziale Organisationsform gefunden. Diese Doppelbewegung der Abstraktion sozialer Zeit und ihrer wachsenden Verinnerlichung war ein Prozess, der viele hundert Jahre in Anspruch nahm.93

Der Prozess vollzog sich kontinuierlich und mündete in einer uns heute selbstverständlichen dauerhaften Allgegenwart der Zeit, die sich in Präsenz von Uhren, Kalendern sowie gesellschaftlich normierten Periodizitäten widerspiegelt.94 Wesentlich für die Durchsetzung einer neuen Zeitordnung95 sind nach B. Adam die fünf »Cs« »creation«, »commodification«, »compression«, »control« und »colonization« der Zeit, die nicht unabhängig voneinander betrachtet werden können.96 Um die heute gültige Zeitordnung zu etablieren, musste die Zeit wirtschaftlich neu bewertet, die Arbeit umorganisiert und die Zeit letztlich kolonialisiert werden. Der Umbruch der Zeitordnung manifestierte sich nach Schöneck in einer Trias aus Standardisierung der Zeit, Ausformung von Zeitinstitutionen sowie Herausbildung von Zeitnormen,97 die in hohem Maße miteinander verflochten sind.98 Die gemeinsame Klammer wird von der standardisierten Zeit repräsentiert.99 Ermöglicht wurde diese Strukturierung der Zeit ferner durch ein lineares Zeitverständnis.100 Und erst der Aufbau einer allgemeingültigen Zeitordnung ermöglichte eine Begegnung mit all jenen Problemen, die aus einer Asynchronität der vorhandenen undifferenzierten sowie hochdifferenzierten Zeitstrukturen erwuchsen, so dass kollektives und individuelles Handeln und Interagieren101 innerhalb einer »genormten« Zeitordnung der Gesellschaft entstehen konnte.

 93 Böschen/Weis 2007  : 50.  94 Stanko/Ritsert 1994  : 162.  95 Die Strukturierung der Zeit bzw. die Zeitordnung ist gleichfalls wie das Zeitbewusstsein nicht statischer Natur. An dieser Stelle sei stellvertretend auf die strukturellen Veränderungen hinsichtlich der Arbeitszeitflexibilisierung und deren Auswirkungen auf die Arbeitszeit und das Zeiterleben der Erwerbsbevölkerung hingewiesen. Vgl. Schöneck 2008  : 52.  96 Vgl. B. Adam 2003  : 59.  97 Die inhaltliche Gliederung des Kapitels folgt dabei dieser Trias und dem Aufbau Schönecks zur Zeitordnung der Gegenwartsgesellschaft.  98 Schöneck 2008  : 52.  99 Vgl. B. Adam 2003  : 65  ; Schöneck 2008  : 52. 100 Neben dem linearen und zyklischen Zeitverständnis kann noch das okkasionelle Zeitverständnis angeführt werden, bei dem Ereignisse als unzusammenhängende Folge wahrgenommen werden. Vgl. M. Mueller 2009  : 170. 101 Schöneck 2008  : 53.

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2.2.1 Von differenzierten Zeiten zur Standardzeit Die Omnipräsenz der Uhr förderte das Entstehen eines Geflechts von nebeneinander existierenden individuellen und öffentlichen Zeiten.102 Daher lassen sich noch am Beginn des 19. Jahrhunderts Myriaden unterschiedlicher Zeiten, lokaler und milieugebundener Zeitkulturen beobachten.103 Die Mannigfaltigkeit der lokalen Zeiten, die intern die Synchronisation des sozialen Lebens bewerkstelligten,104 verursachte in verschiedensten Bereichen wie Eisenbahn, Post oder Militär koordinative Probleme. Technischer Fortschritt und verstärkte Mobilität begünstigten Synchronisierungsbestrebungen.105 Die weltweit gültige Standardzeit, wie sie sich im 19. Jahrhundert herausbildete, wird heute im Alltag kaum hinterfragt.106 Erst Ende des 19. Jahrhunderts wurden Verhandlungen zu einer weltweiten Standardzeit geführt. Für die Synchronisierung war dabei nicht das staatliche, sondern vornehmlich das betriebliche Interesse aus dem Bereich der Eisenbahnen wichtig.107 Kernproblem war die zeitliche Koordination und Synchronisierung der Fahrpläne. Trotz des Interesses, die Asynchronität der Fahrpläne zu bereinigen, zog sich die Realisierung dieses Vorhabens hin.108 Im deutschen Kaiserreich gab es noch 1874 unterschiedliche Ortszeiten, die die Asynchronität förderten und die Ankunftszeit zur Rechenaufgabe jedes Einzelnen werden ließen. 1884 trafen sich schließlich Delegierte aus 25 Ländern in Washington.109 Am Ende wurden Greenwich als Nullmeridian, die exakte Länge eines Tages sowie der präzise Beginn eines universellen Tages festgelegt. Darüber hinaus wurden 24 Zeitzonen von jeweils 15 Längengraden bestimmt. Endgültig wurde diese Greenwich Mean Time auf der Washingtoner Konferenz jedoch trotz der offensichtlichen praktischen Vorzüge noch nicht etabliert.110 So gab es im deutschen Kaiserreich noch 1891 fünf unterschiedliche Zeitzonen und Diskussionen zur Einführung einer standardisierten Zeit.111 In einigen Ländern Europas erfolgte 1893 – u. a. in der Habsburgermonarchie und im deutschen Kaiserreich – die Umstellung. Frankreich hatte zu diesem Zeitpunkt noch ein undifferenziertes

102 Vgl. Schmidt-Lauff 2008  : 72. 103 Osterhammel 2009  : 119. 104 Garhammer 2001  : 50. 105 Vgl. Böschen/Weis 2007  : 66  ; Osterhammel 2009  : 119. 106 Schöneck 2008  : 55. 107 Vgl. Kern 2003  : 12  ; Osterhammel 2009  : 119. 108 Osterhammel 2009  : 119. 109 Osterhammel 2009  : 119  ; Kern 2003  : 12. 110 Vgl. Kern 2003  : 12. 111 Vgl. Kern 2003  : 12.

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Zeitsystem mit diversen Uhrzeiten.112 Noch 1913 begründete ein französischer Journalist dies mit Nationalstolz, obwohl zwei Jahre zuvor per Gesetz die Weltzeit durch Verlangsamung der Pariser Zeit eingeführt worden war.113 Schließlich trieb Frankreich den Prozess der Standardisierung und die Einführung der Weltzeit mit einer Konferenz 1912 in Paris voran.114 Wichtig für diese Etablierung der Weltzeit – 28 Jahre nach ihrem Beschluss auf der Konferenz von Washington – war die Verfügbarkeit der drahtlosen Telegraphie.115 Am Vormittag des 1. Juli 1913 kam es zur endgültigen Verwirklichung durch die Vermittlung der Weltzeit über den Eifelturm. Praktikabilität wurde letztlich dem Lokalesprit der Diversifikation vorgezogen. Die Abkehr von lokalen Uhrzeiten zugunsten der Weltzeit, die als Normalzeit116 bezeichnet werden kann, diente somit der Glättung, Einebnung, Egalisierung117 der diversen, nebeneinander existierenden Zeitkulturen und förderte dadurch eine globalere Vorstellung von der Zeit. 2.2.2 Zeitinstitutionen Ohne die Standardisierung wären bestimmte Zeitinstitutionen nicht vorstellbar. Das Wochenende, die Fünf-Tage-Woche, der Dualismus von Arbeitszeit und Freizeit oder der Beginn der Hauptabendsendezeit, der durch die Ausstrahlung von Filmen und Serien um 20.15 Uhr118 markiert wird, sind nur einige dieser selbstverständlich gewordenen Zeitinstitutionen. Nach Eberling, Hielscher, Hildebrandt und Jürgens leiten sich diese vom Normalarbeitsverhältnis ab.119 Zu diesen »modernen« Zeitinstitutionen zählen die Arbeitsstunden, das arbeitsfreie Wochenende, der Feierabend sowie die erwerbsfreien Zeiträume in den Haupturlaubsmonaten.120 Kennzeichen sind die diachron gespaltenen Zeitstrukturen,121 worunter die Trennung zwischen individueller Lebenszeit und gesellschaftlichem Leben, zwischen Erwerbsarbeit und Nichterwerbsarbeit122 verstanden wird. Während politische, ökonomische und kulturelle Entwicklungen diese »modernen« Zeitinstitutionen begünstigten, mussten 112 Vgl. Kern 2003  : 13. 113 Vgl. Kern 2003  : 13. 114 Vgl. Kern 2003  : 13. 115 Vgl. Kern 2003  : 13. 116 Luhmann 2005  : 144. 117 Luhmann 2005  : 144. 118 Durch die Verbreitung von Video-on-Demand zeigen sich in diesem Bereich erste Erosionserscheinungen. 119 Vgl. Eberling/Hielscher/Hildebrandt/Jürgens 2004  : 22. 120 Vgl. Eberling/Hielscher/Hildebrandt/Jürgens 2004  : 22. 121 Eberling/Hielscher/Hildebrandt/Jürgens 2004  : 22. 122 Schmidt-Lauff 2008  : 115.

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andere, wie z. B. der »Blaue Montag«, weichen und sind vielfach nur noch in der Umgangssprache wie dem »Blaumachen« erhalten geblieben. Bedeutungsverschiebungen und/oder Auflösungen von Zeitinstitutionen sind nichts Unbekanntes. Für Rinderspacher sind Zeitinstitutionen daher permanent in Bewegung. Sie haben als solche eine je spezifische Entstehungsgeschichte, eine mehr oder weniger starke Performanz in der Gegenwart und schließlich streben sie »in the long run« mit großer Wahrscheinlichkeit ihrer Auf- oder Ablösung durch neue Institutionen zu.123

Eine gemeinsame Basis aller für die Gegenwartsgesellschaft relevanten Zeitinstitutionen ist die Regelmäßigkeit, die sich auf Tages-, Wochen-, Monats- und Jahresrhythmus bezieht, wobei die Entstehung der Zeitinstitutionen nicht notwendigerweise bewusst erfolgen muss.124 Vielmehr lässt sich bei Zeitinstitutionen ein stiller Zwangscharakter125 bzw. eine Regulierungsleistung126 erkennen. So legen Zeitinstitutionen »die Häufigkeit, Lage und Dauer von sozialen Ereignissen fest, sie normieren den Umgang mit Zeit und sie setzen die soziale Verbindlichkeit von Verhaltensnormen durch.«127 Dieser normierende Umgang mit Zeit lässt sich bei der Differenzierung von Arbeitstag und Feierabend, Arbeitswoche und Wochenende oder Arbeitszeit und Freizeit erkennen. Jeder Part dieser in dichotomer Form vorliegenden Differenzierungen bedingt unterschiedliche soziale Verbindlichkeiten und Verhaltensnormen. Grundsätzlich gelingt es durch die Etablierung solcher Zeitinstitutionen, das Verhalten der Individuen vorhersehbar und berechenbar zu machen.128 Als eine der wichtigsten zeitlichen Gliederungseinheiten innerhalb des Jahresverlaufs129 kann die Woche bzw. der Wochenrhythmus angesehen werden. Das Wochenende, die Fünf-Tage-Woche sowie die wöchentliche Arbeitszeit sind nur einige der an einen Wochenrhythmus gebundenen Zeitinstitutionen. Zeitinstitutionen abseits dieses Wochenrhythmus liegen gewissermaßen in dessen Schatten.130 Dafür, dass eine Woche sieben Tage umfasst, genügt ein Blick auf den nächstbesten Kalender. Das Leben verläuft mehr oder weniger im Sieben-Tage-Rhythmus. Unser Leben ist jedoch von einer Dualität innerhalb dieses Wochenrhythmus ge123 Rinderspacher 2004  : 14. 124 Vgl. Hasenfratz 2003  : 314  ; Rinderspacher 2004  : 13  ; Schöneck 2008  : 57. 125 Schöneck 2008  : 57. 126 Eberling/Hielscher/Hildebrandt/Jürgens 2004  : 21. 127 Hielscher 2005  : 287f. 128 Hasenfratz 2003  : 314. 129 Muri 2004  : 173. 130 Vgl. Schöneck 2008  : 57.

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prägt. Zunächst hatte die Religion großen Einfluss auf diese Entwicklung, wobei sich, ausgehend vom Judentum und später übernommen vom Christentum, eine pulsierende Woche entwickeln konnte.131 Es konnten sich sogenannte »peak-days« wie der Sonntag, der Sabbat oder der islamische Freitag entwickeln.132 Dieser Wochenzyklus teilt sich dabei nach Auffassung von Zerubavel in gewöhnliche Tage von Montag bis Samstag und einen außerordentlichen Tag, den Sonntag.133 Diese religiöse Dualität wird ebenfalls bei J. Lewis und Weigert deutlich. Sie sehen eine Unterteilung in sechs Tage Arbeit, gefolgt von einem Tag mit religiösen Aktivitäten und einem Rest an körperlicher Aktivität.134 Bis ins 19. Jahrhundert waren solche periodischen »peak-days« weltweit keineswegs135 in dem heute üblichen Maße verbreitet. Aus dieser ursprünglich religiösen Sechs-zu-eins-Aufteilung entwickelte sich im Laufe der Industrialisierung der für uns gewohntere Dualismus der Woche. Es kam zu einer Aufspaltung in die fünf Wochentage mit einer Aussparung der Wochenendtage Samstag und Sonntag, die nicht mehr zu den gewöhnlichen Tagen zählen.136 Schöneck verweist dabei auf die Teilung in Alltagszeit (Montag bis Freitag) und Wochenendzeit (Samstag und Sonntag).137 Langfristig ging es zunächst um die Eindämmung der überlangen Arbeitszeiten an sechs Arbeitstagen. Erst nachdem die Normierung einer 48-Stunden-Woche erreicht worden war, konnte in weiteren Verkürzungsetappen der erwerbsfreie Samstag als Zeitinstitution etabliert werden.138 Es folgte der Übergang von der Sechs-Tage-Woche zur Fünf-Tage-Woche. Die Einteilung Schönecks greift dabei insofern zu kurz, als die Wochenendzeit in Österreich zum Teil schon in den 1960er Jahren eine Ausdehnung auf den Freitagnachmittag,139 zumindest für bestimmte Bevölkerungsgruppen, erfuhr. Daher teilt sich bereits der Freitag in Alltags- und Wochenendzeit. Der arbeitsfreie Samstag und der Sonntag werden meist dem arbeitsfreien Wochenende untergeordnet. Erste Ansätze des heutigen Wochenendes gab es in England.140 Der Übergang von der Sechs-Tage-Woche zur Fünf-Tage-Woche mit der Reduzierung der Wochenarbeitszeit von 48 auf 40 Stunden trug zur Etablierung des arbeitsfreien Wochenendes bei und förderte so das Entstehen eines Freizeitblocks,141 131 Vgl. Zerubavel 1989  : 115. 132 Rinderspacher 1999  : 26. 133 Vgl. Zerubavel 1987  : 349. 134 J. Lewis/Weigert 1981  : 440. 135 Rinderspacher 1999  : 26. 136 Vgl. Zerubavel 1989  : 115f. 137 Vgl. Schöneck 2008  : 57f. 138 Vgl. Rinderspacher 1999  : 17. 139 Vgl. Tomandl 1962  : 238. 140 Vgl. Herrmann-Stojanov 1999  : 71. 141 Vgl. Herrmann-Stojanov 1999  : 120.

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wenngleich dem Samstag und dem Sonntag jeweils unterschiedliche Verhaltensmuster und Normen zuzuordnen sind.142 Am Ende bedurfte es eines langfristigen Prozesses, um das arbeitsfreie Wochenende zu etablieren. Der freie Sonntag entstand aus dem Schutzmotiv vor Übergriffen der Unternehmer und stellte somit eine erste kalendarische Tabuzone dar.143 Erst nach und nach wurde der Samstag arbeitsfrei. Erste Versuche, den Samstagnachmittag von der Erwerbsarbeit zu befreien, lassen sich in die Mitte des 19. Jahrhunderts datieren.144 Neben der Freistellung von Zeitquanten des Samstags sollte die Lebensqualität gesteigert werden.145 Erfolgt ein Blick nach England, so zeigt sich dort, dass die Freistellung des Zeitquantums Samstagnachmittag u. a. durch die puritanische Auffassung und Auslegung des Sonntags – dieser wurde in die Nähe des pharisäischen Sabbats gerückt – erreicht wurde.146 So kam Mitte des 19. Jahrhunderts in England das gesellschaftliche Leben am Sonntag beinahe zum Stillstand und gleichzeitig mussten erwerbstätige Frauen die Hausarbeit am eigentlichen Ruhetag, dem Sonntag, erledigen, was den puritanischen Regeln widersprach.147 Letztlich förderten diese Entwicklungen die Regelung eines früheren Arbeitsendes am Samstag.148 Im deutschen Kaiserreich kam es Ende des 19. Jahrhunderts ebenfalls zu einer Festlegung des frühen Arbeitsschlusses am Samstag.149 Treibendes Element zur Freisetzung des Samstagnachmittags in England sowie im deutschen Kaiserreich war dabei die Doppelrolle der erwerbstätigen Frau.150 Insofern spiegelt der Diskurs um die Freisetzung des Samstagnachmittags mehrheitlich die gesellschaftlichen Rollenzuschreibungen an Mann und Frau wider.151 Diese Entwicklung förderte letzten Endes konsequent die Freisetzung des gesamten Samstags. Von den Anfängen des freien Samstagnachmittags bis zu einem durchgängig arbeitsfreien Samstag sollte es bis Mitte der 1950er Jahren dauern. Erst jetzt wurde er zu einer Zeitinstitution und fiel damit im Sprachgebrauch unter das freie Wochenende.152 Der freie Samstag erfüllt nach Rinderspacher zwei Funktionen der Freiheit. Diese bezieht er auf die Freiheit von der Erwerbsarbeit einerseits und auf

142 M. Klein/Worthmann 1999  : 323. 143 Vgl. Rinderspacher 2000  : 68. 144 Vgl. Herrmann-Stojanov 1999  : 69f. 145 Vgl. Herrmann-Stojanov 1999  : 70. 146 Vgl. Herrmann-Stojanov 1999  : 71. 147 Vgl. Herrmann-Stojanov 1999  : 71f. 148 Vgl. Herrmann-Stojanov 1999  : 72. 149 Vgl. Herrmann-Stojanov 1999  : 73. 150 Vgl. Herrmann-Stojanov 1999  : 72f. 151 Schmidt-Lauber 2004  : 158. 152 Vgl. Rinderspacher 1999  : 17.

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Theoretische Grundlagen

die Freiheit zum Überschreiten des Alltäglichen andererseits.153 Die Gestaltung des freien Samstags wurde letztlich der Eigendynamik der Freizeitgesellschaft überlassen,154 woraus das arbeitsfreie Wochenende entstehen konnte, das – M. Klein und Worthmann folgend – von zwei voneinander abhängigen Dynamiken, der Aktivität und der Regeneration, lebt  : Dabei stellt der Samstag im Verhältnis zum Sonntag den aktiveren Teil des Wochenendes dar. Er ist durch ein breites Spektrum an privaten Freizeit- und Konsumaktivitäten geprägt. Der Sonntag, der als anschließender ›Ruhetag‹ genutzt wird, dient zur Regeneration im engeren Sinne. Somit ist der Samstag die erlebte Differenz zwischen beruflicher Arbeit (montags bis freitags) und Ruhezeit (am Sonntag).155

Dem arbeitsfreien Wochenende wohnen Schutzfunktion, Entlastungsfunktion, Animationsfunktion, Koordinationsfunktion und Integrationsfunktion inne.156 Aber nicht alle Berufsgruppen profitieren von einem solchen, da manche Branchen Samstagsarbeit kennen. »Doch selbst wo der Samstag mit (Erwerbs-)Arbeit gefüllt ist, bleibt er dem Ideal nach ein freier Tag, ein mehr oder minder selbstbestimmt zu füllendes Zeitfenster.«157 Ohne die Nähe zum Arbeitsrhythmus und die voraussetzende Erwerbstätigkeit, um ein solches arbeitsfreies Zeitsegment in Abgrenzung zur Arbeitstätigkeit erleben zu können,158 hätte das arbeitsfreie Wochenende für den Großteil der erwerbstätigen Bevölkerung keine derartige Bedeutung erlangen können, so dass es zum Kern moderner Freizeitkultur159 werden konnte. Zu den weiteren an die Woche gebundenen Zeitinstitutionen zählen der Feierabend und die Arbeitspause. Der Feierabend ist dabei mehr als das Gegenteil von Arbeit oder die im Begriff implizierten Stunden der Erwerbsarbeit.160 Im 19. Jahrhundert war er ein Gegenkonzept zur Moderne161 und implizierte das Gegenstück zur scheinbaren Rastlosigkeit des Erwerbslebens sowie zu den Anforderungen der modernen Gesellschaft.162 Ab den 1950er Jahren erfuhr der Feierabend einen Bedeutungsrückgang.163 Als Wirkungsursache für diese Abwärtstendenz als Zeitinstitution 153 Vgl. Rinderspacher 1999  : 17f. 154 Rinderspacher 1999  : 21. 155 M. Klein/Worthmann 1999  : 323f. 156 Rinderspacher/Herrmann-Stojanov 2006  : 366. 157 Schmidt-Lauber 2004  : 158. 158 Vgl. Schöneck 2008  : 58. 159 Muri 2004  : 178. 160 Vgl. Schmidt-Lauber 2003  : 104. 161 Korff 2001  : 169. 162 Vgl. Korff 2001  : 171  ; Schmidt-Lauber 2003  : 104f. 163 Vgl. Korff 2001  : 185f.; Rinderspacher/Herrmann-Stojanov 2006  : 107.

Ausdifferenzierung der Zeitstrukturierung in der Gegenwartsgesellschaft

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lässt sich ein Zusammenhang mit flexibel organisierter Erwerbsarbeit sowie der Ausübung von Arbeit in Nachtstunden anführen.164 Während der Feierabend prinzipiell nach dem Ende des Arbeitstages angesiedelt ist, ist die Arbeitspause eine Unterbrechung des Arbeitstages selbst. Für diese gilt  : »Ort, Zeitpunkt, Dauer und Verhaltensnormen für Arbeits- oder Schulpausen müssen nicht jedes Mal neu ausgehandelt werden, sondern beruhen auf kollektiv verankertem und konventionalisiertem Alltagswissen.«165 Die Normierung von Arbeitspausen unterlag genauso wie die Ausgestaltung der Länge der Arbeitszeit während der Industrialisierung Konflikten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.166 Eine gänzliche Beseitigung der Pausen war nicht vorgesehen, aber die Arbeitgeber suchten die vollständige Kontrolle über dieses Zeitareal zu gewinnen.167 Im Grunde tragen Arbeitspausen zu einer »Entdichtung« der täglichen Arbeitszeit bei.168 Die Zeitareale »Feierabend« und »Arbeitspause« spielen für die hier untersuchte Fragestellung eher eine untergeordnete Rolle, während dem Urlaub respektive der Ausdehnung des Urlaubsanspruchs gewissermaßen die Rolle eines »Lückenfüllers«169 zwischen den einzelnen Etappen zur Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit zufällt. Bei der Ausformung spielt das gesundheitspolitische Motiv eine wichtige Funktion. Während es für Beamte im öffentlichen Dienst bereits vor dem Ersten Weltkrieg Urlaubsregelungen gab, wurde der Arbeiterurlaub erstmals in der Ersten Republik im Zuge der Sozialgesetzgebung am 30. Juli 1919 fixiert. Mit diesem Gesetz wurde bei ununterbrochenem Dienstverhältnis von einem Jahr ein einwöchiger Urlaub gewährt und bei fünfjährigem Dienstverhältnis ein zweiwöchiger.170 Um in den Genuss dieser Zeitinstitutionen zu kommen, muss ein Arbeitsverhältnis vorliegen. Erst durch das Zusammenspiel von Arbeits- und Ruhephase können Zeitinstitutionen wie das freie Wochenende, der Feierabend oder der Urlaub vollends ausgekostet werden.171 Der Genuss solcher Zeitareale, die nur von erwerbstätigen Personen in Anspruch genommen werden können, stellt andere Gruppen, wie z. B. Hausfrauen, ehrenamtlich Tätige etc., ins Abseits.172 Denn Zeitinstitutionen 164 Vgl. Rinderspacher/Herrmann-Stojanov 2006  : 107. 165 Muri 2004  : 65. 166 Vgl. Muri 2004  : 99. 167 Vgl. Muri 2004  : 99. 168 Muri 2004  : 106. 169 Ausgenommen sei hiervon jene Zeitspanne der 1980er Jahre, als Sozialminister Dallinger versuchte, mit einer Doppelstrategie zuerst die Lebensarbeitszeit über eine Ausdehnung des Urlaubsanspruchs zu verkürzen, um dann in einer zweiten Phase die Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 35 Wochenstunden zu erreichen (vgl. Abschnitt 6.4). 170 Vgl. Tálos 1984  : 421. 171 Vgl. Rinderspacher/Herrmann-Stojanov 2006  : 108  ; Schöneck 2008  : 60. 172 Vgl. Schöneck 2008  : 60.

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wie Urlaub, arbeitsfreies Wochenende oder der Feierabend sind bei unentgeltlicher Arbeit nicht vorgesehen.173 2.2.3 Zeitnormen Das Miteinander ist geregelt durch vielfältige Vorschriften, die das Verhalten der Individuen normieren. Es gibt soziale, moralische und gesellschaftliche Normen. So legen Normen kultur- und situationsspezifische Verhaltensanforderungen und Rollenerwartungen fest,174 die sich zwischen Muss-, Kann- und Soll-Erwartungen bewegen.175 Die Interaktion der Gesellschaft wird von vielen derartigen Normen geregelt. Eine Abweichung von ihnen führt zu Sanktionen, die wiederum vom Verbindlichkeitsgrad der jeweiligen Norm abhängen.176 Dies gilt ebenfalls für Zeitnormen,177 die die Gemeinschaft gewissermaßen zu regieren, zu koordinieren und zu integrieren vermögen.178 So definiert Schöps den Begriff der Zeitnormen wie folgt  : »Zeitnormen sind gegeben, wenn das reaktive Handeln auf eine zeitlich definierte Situation mit Verbindlichkeit erwartet wird, bzw. konkret erfolgt.«179 Zu den wesentlichen Zeitnormen zählen Pünktlichkeit, Rationalität im Umgang mit der Zeit sowie die Leistungs- und Zukunftsorientierung des Gratifikationsaufschubs,180 der oft mit den Worten »Erst die Arbeit, dann das Vergnügen« begleitet wird. Gesellschaftlich relevant sind solche Zeitnormen vor allem dann, »wenn bei Nichtbefolgung verbindlicher und geltender Zeitnormen die Mechanismen der impliziten Zeitkontrolle und der interpersonellen Zeitkontrolle wirksam werden.«181 Damit wird zum einen die Geltungsintensität der Zeit innerhalb der Gesellschaft und zum anderen deren Ordnungscharakter deutlich.182 Wird den verbindlichen und geltenden Zeitnormen nicht nachgekommen, so kann dies zu einer Verknappung der Zeit auf Seiten wenigstens eines Akteurs führen.183 Natürlich unterliegen Zeitnormen ebenfalls gewissen Veränderungen, wie an der Zeitnorm Pünktlichkeit deutlich

173 Schöneck 2008  : 60. 174 Schöneck 2008  : 62. 175 Vgl. Dahrendorf 2006  : 39ff. 176 Schöneck 2008  : 62. 177 Vgl. Muri 2004  : 34. 178 Rosa 2008  : 149. 179 Schöps 1980  : 73. 180 Schöneck 2008  : 63. 181 Schöps 1980  : 103. 182 Schöps 1980  : 103. 183 Schöneck 2008  : 62.

»Arbeitszeit« – von der Differenzierung zur Entgrenzung von Arbeit und Leben

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wird. Die modernen Kommunikationsmöglichkeiten haben bewirkt, dass es verstärkt möglich ist, zeitliche Verabredungen kurzfristig zu ändern.184

2.3 »Arbeitszeit« – von der Differenzierung zur Entgrenzung von Arbeit und Leben Die Differenzierung der Lebensbereiche »Arbeit« und »Leben« ist ein Produkt der Industrialisierung. In den letzten Jahrzehnten hat sich gezeigt, dass diese Dichotomie der Aufteilung der Lebenssphären185 erneuten Veränderungen unterworfen ist. Seit den 1980er Jahren unterliegt die Arbeitswelt einem steten Wandel.186 Dieser ist bei den arbeitsgesellschaftlichen Rahmenbedingungen und den ökonomischen Rationalisierungsprozessen wie dem Wandel von Arbeit und Wirtschaft als Entgrenzungs- und Segmentierungsprozesse erkennbar.187 Kennzeichen des Wandels der Arbeitswelt und der Sphären »Arbeit und Leben« sind mit den Schlagwörtern »Entgrenzung«,188 »atypische Beschäftigung«, »Flexibilisierung«, »Flexicurity« oder »Work-Life-Balance« verbunden. Zentral sind stets die Veränderungen der sozialen Strukturierungen von (Erwerbs-)Arbeit.189 Die fordistisch-tayloristische Organisation bildet dabei vornehmlich die Basis190 solcher Untersuchungen rund um die »Normalarbeitszeitstandards« und die »Normalarbeit«, deren Ausformung nach Schweiger zu einer Standardisierung hinsichtlich eines fixen Arbeitsortes und fixer Arbeitszeiten mit wenig individuellem Spielraum, zu einer Hierarchisierung mit einhergehender Inflexibilität sowie zur Trennung von Arbeit und Leben sowie Arbeitswelt und Lebenswelt führte.191

184 Schöneck 2008  : 64. 185 Eine strikte Aufteilung der Lebenssphären – hier die »Arbeit« und dort das »Leben« – betraf und betrifft durchaus nicht alle Bevölkerungsgruppen. Hierbei sei z. B. an die Hausarbeit, die Heimarbeit oder die Unterrichtsvorbereitung(en) von Lehrern, die außerhalb des Arbeitsumfeldes Schule im Lebensumfeld »Wohnung« stattfinden, verwiesen. Daher ist von einer »Entgrenzung« naturgemäß nicht jeder Bereich betroffen. Vgl. Schweiger 2009  : 45  ; Egbringhoff 2007  : 34. 186 Vgl. dazu die Ausführungen von Hielscher 2000  : 7ff.; Kratzer 2003  ; Gottschall/Voß 2005  ; Voss/ Warsew 2007  : 131ff.; Schweiger 2009  : 39ff.; Jürgens 2009  : 58ff. 187 Kreher/Oehmer 2005  : 407. 188 Der Begriff selbst ist nicht präzise und basiert auf keinem ausgearbeiteten analytischen Konzept. »Entgrenzung« beschreibt eine Prozessdynamik von Auflösungstendenzen gesellschaftlicher Strukturelemente der Industriegesellschaft, die bislang noch nicht verfestigt ist. Vgl. Kreher/Oehme 2005  : 407  ; Schweiger 2009  : 43  ; Jürgens 2009  : 59. 189 Kreher/Oehme 2005  : 407. 190 Vgl. Schweiger 2009  : 45. 191 Vgl. Schweiger 2009  : 45.

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Theoretische Grundlagen

Die Trennung von Arbeits- und Lebenssphäre ging einher mit dem Übergang von einer aufgabenorientierten zu einer zeitorientierten Gesellschaft. So konnte sich eine standardisierte Arbeitszeit entwickeln. Diese Standardisierung wird mit dem Begriff »Normalarbeitszeit« verbunden und führte zur Entstehung des »Normalarbeitstages«. Dadurch entstanden zwei dichotome Institutionen, »Arbeitszeit« und »Freizeit«, als voneinander getrennte Zeitbezugssysteme.192 Dies impliziert, dass weder »Arbeitszeit« noch »Freizeit« in vorangegangenen Epochen in dieser Ausprägung Bestand hatten. Unter »Freizeit« wurde vornehmlich Müßiggang verstanden, und »Arbeitszeit« war auf die Aufgabe und nicht die Zeit ausgerichtet. Thompson spricht mit Blick auf aufgabenorientierte Gesellschaften davon, dass a community in which task-orientation is common appears to show least demarcation between »work« and »life«. Social intercourse and labour are intermingled – the working-­day lengthens or contracts according to the task – and there is no great sense of conflict between labour and »passing the time of day«.193

Die schmale Grenze zwischen »Arbeit« und Leben« bedeutet also nichts anderes, als dass eine Vermischung von »sozialem Leben« und »Arbeit« einhergeht mit ineinander verzahnten Arbeits- und Lebenssphären, so dass Konflikte um die optimale Nutzung von freier Zeit in Abtrennung von Arbeit als kaum existent betrachtet werden können. Arbeitszeitkonflikte spielen demnach in aufgabenorientierten Gesellschaften keine Rolle. In einer zeitorientierten Gesellschaft wie der Gegenwartsgesellschaft ist es dagegen notwendig, für möglichst breite Bevölkerungsgruppen Normen und Standards für die Arbeitszeit festzulegen und diese letzten Endes genau zu definieren. 2.3.1 Zum gesellschaftlichen Arrangement der Arbeitszeiten Zeitverständnis und -bewusstsein unterliegen einem ständigen Wandel. Von der Prägung der Zeit durch natürliche Rhythmen bis hin zum Aufkommen erster Räderuhren und der Durchsetzung der Gesellschaft mit der Zeit sowie der Ausformung einer Standardzeit hat sich die Auffassung von »Arbeitszeit« gewandelt. Mit den in der Gegenwartsgesellschaft gültigen Kriterien der »Arbeitszeit« an das zeitliche Ausmaß der Arbeit heranzugehen, ist aus diversen Gründen nicht möglich.194 Entlang 192 Andrea Maurer 1992  : 99. 193 Thompson 1967  : 60  ; Pfeisinger 2006  : 209. 194 Otto nennt als für einen Vergleich einschränkende Punkte die Ungenauigkeit und Unvollständigkeit des vorliegenden Datenmaterials sowie Unterschiede in Zeitstrukturen und im Zeitbegriff. Wie bereits der Abschnitt Zeitbewusstsein (2.1.3.) gezeigt hat, unterlag der Begriff »Zeit« selbst einem

»Arbeitszeit« – von der Differenzierung zur Entgrenzung von Arbeit und Leben

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der Änderung des Zeitbewusstseins lässt sich gleichfalls ein historischer Wandel der Auffassung vom Begriff »Arbeitszeit« erfassen. 2.3.1.1 Wann kann eine Auseinandersetzung mit der Arbeitszeit einsetzen  ? Die Beschäftigung mit Dauer, Lage und Verteilung von »Arbeitszeit« ist in aufgabenorientierten Gesellschaften schwierig, da der Zeit nur eine geringe Bedeutung zugemessen wird. Deshalb lässt sich für diese Kollektive kein Vorliegen von »Arbeitszeit« konstatieren, da »Arbeitszeit« weit mehr aus der Verweildauer am Arbeitsplatz rekonstruiert würde, als deren praktische Bedeutung für die Menschen dieser Epochen gewesen war.195 Dies und weil »ein in seiner zeitlichen Abgrenzung regulierter wie auch in seinen Handlungsvorgaben klar strukturierter Bereich des sozialen Lebens weithin unbekannt«196 war, lässt sich der Arbeitszeitbegriff für die Zeit vor der Industrialisierung nicht anwenden. Ferner sind die technischen Möglichkeiten zur Messung und Bestimmung der Zeit nicht allen Ortens gegeben.197 Das Fehlen einer Zeiteinteilung macht sich auch dahingehend bemerkbar, dass Arbeitszeit, wegen der Verzahnung der Arbeits- und Lebenswelt, kaum präzise bestimmt und abgegrenzt werden kann.198 Erst mit der Verbreitung der Uhr und der Einteilung des Tages in Stunden lassen sich Zeitareale leichter erfassen. Für Rinderspacher beginnt eine Auseinandersetzung mit Fragen der Arbeitszeit »dort, wo die Arbeit zeitlich gemessen wird und diese Messungen zugleich eine soziale bzw. ökonomische Bedeutung erlangen. Erst, wo die Akteure selbst ihre Aktivitäten auf Zeiteinheiten beziehen, kann Arbeitszeit als solche institutionalisiert gelten.«199 Die Industrialisierung begünstigte die Messung der Zeit. Synchronisationserfordernisse der Wirtschaft förderten die Bedeutung einer genauen Zeitmessung – erst national, später global.200 Neben diesen Synchronisationserfordernissen wurde die Zeit zunehmend in den Alltag und die Arbeit integriert. Die Ausbreitung definierter Arbeitszeiten korrespondiert mit der Industrialisierung. Dennoch waren definierte und regulierte Arbeitszeiten bis ins

Wandel, so dass dies aufgrund der Verzahnung der Arbeits- und Lebenswelt auch für den Begriff »Arbeitszeit« gelten muss. Andrea Maurer bestätigt dies insofern, als Arbeitszeiten nur in Verbindung mit dem Zeitverständnis und der gesellschaftlichen Zeitstruktur aussagekräftig sind. Vgl. Otto 1990  : 52f.; Andrea Maurer 1992  : 103. 195 Vgl. Rinderspacher 2000  : 49. 196 Hielscher 2006  : 51. 197 Vgl. Hielscher 2006  : 52. 198 Hielscher 2006  : 51. 199 Rinderspacher 2000  : 49. 200 Vgl. Garhammer 2001  : 50.

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18. Jahrhundert nur schwach verbreitet bzw. auf bestimmte Gewerbe konzentriert.201 Dies liegt durchaus daran, dass am Beginn der Industrialisierung der vorindustrielle Arbeitsrhythmus nicht unmittelbar aufgegeben wurde. »Subjektive« wie »objektive« Zeitstrukturen existierten gewissermaßen parallel.202 Deswegen lässt sich mit Hielscher konstatieren  : »Arbeitszeit« im modernen Sinne, als ein in seiner zeitlichen Abgrenzung regulierter wie auch in seinen Handlungsvorgaben klar strukturierter Bereich des sozialen Lebens ist im historischen Rückblick ein vergleichsweise neues gesellschaftliches Phänomen.203

Wie bei der Ausformung des Zeitbewusstseins lassen sich bei der Zeitstrukturierung von »Arbeitszeit« drei Abschnitte unterscheiden  : zunächst jener der vorindustriellen Gesellschaft mit zyklischem Zeitverständnis, dann jener der Frühindustrialisierung und schließlich die Phase des Industriekapitalismus.204 Im Grunde ist Arbeitszeit daher ein historisch veränderliches soziales, politisches und kulturelles Konstrukt.205 2.3.1.2 Arbeitszeit von der vorindustriellen zur industriellen Gesellschaft In der vorindustriellen Gesellschaft ist das Zeitbewusstsein an zyklische Vorgaben gebunden. Der Zeit an sich wird kaum eine Bedeutung beigemessen, wodurch der zeitlichen Dimension der Arbeit gleichermaßen ihre Wichtigkeit entzogen wird,206 da Arbeits- und Lebenssphäre noch nicht aufgebrochen sind und sie vor der Industrialisierung weithin eine räumliche und zeitliche Einheit bilden.207 De facto war Zeitmessung nur in ehemals hoch technologisierten Bereichen wie der Seefahrt bedeutend  ; außerhalb dieser machte Zeitkalkulation keinerlei Sinn,208 wie Rinderspacher betont, wenn von der Bedeutung der Zeit in Klöstern abgesehen wird. Für Otto heißt dies im Hinblick auf »Arbeitszeit«  : Der Lebensrhythmus der meisten Individuen und Gruppen war in die »Arbeitszeit« integriert, die auf dem Land grundsätzlich von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang dauerte. Auch in den gewerblichen Berufen der städtischen Bevölkerung entsprach die Arbeits201 Hielscher 2006  : 52. 202 Vgl. Deutschmann 1990  : 87. 203 Hielscher 2000  : 3. 204 Vgl. Deutschmann 1982  : 33ff.; Deutschmann 1990  : 79ff.; Andrea Maurer 1992  : 103  ; Hielscher 2006  : 51ff. 205 Mückenberger 2012  : 27. 206 Vgl. Rinderspacher 2000  : 49. 207 Otto 1990  : 53. 208 Vgl. Rinderspacher 2000  : 49.

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zeit mehr den Tageslichtphasen und dem Zyklus der Auftragslage als einer abstrakten Zeitbudget-Einteilung.209

Sekunden, Minuten oder Stunden spielten ohnehin keine Rolle.210 Der Zyklus des Sonnenauf- und Sonnenuntergangs bedeutet gleichwohl unterschiedliche Arbeitszeitlängen hinsichtlich der Sommer- und Wintermonate. Gleichzeitig sind Arbeitspausen sowie die soziale Interaktion des »Zusammen-die-Zeit-Verbringens«211 in der Arbeitszeit inkludiert,212 und die Institutionalisierung von Feiertagen reduziert die Arbeitsdauer über das Jahr gesehen.213 Dabei wurde die Arbeit überwiegend auf zwei Faktoren, die Bedürfnisse der häuslichen Gemeinschaft und die regionale Nachfrage, abgestimmt.214 Demzufolge ergab sich, dass »abstrakte Arbeitszeitregelungen mit sozial ausgehandelten Begrenzungen der Arbeitszeit ebenso wenig vorstellbar [waren] wie eine ökonomische Nutzung des ›Faktors Zeit‹«215, weshalb eine Differenzierung in »Arbeitszeit« und »Freizeit« für die vorindustrielle Gesellschaft gleichsam nicht deren Lebensrealität widerspiegelt.216 Gleichermaßen betont Andrea Maurer, dass aufgrund feudaler Ausbeutungsverhältnisse weder eine Bestimmung und Festlegung noch eine Entlohnung der Arbeitszeit anhand abstrakter Bezugsgrößen erforderlich war.217 Daher sei Arbeitszeit als gesellschaftlicher Tatbestand irrelevant gewesen, so dass sich auch eine gezielte zeitliche Arbeitsorganisation erübrigte.218 Dies alles erschwert eine Quantifizierung der Arbeitszeit. Sollen dennoch Aussagen über deren Dauer und Länge getroffen werden, ist die Institution des Tagwerks zentral. Beim Tagwerk richtet sich die Arbeitsdauer nicht nach zeitlichen Maßstäben, sondern vielmehr nach der vollbrachten Arbeit, die von externen wie körperlichen Faktoren beeinflusst wird.219 Als Synonym für den »Arbeitstag« gilt der »Lichttag« 209 Otto 1990  : 53. 210 Vgl. Rinderspacher 2000  : 49. 211 Andrea Maurer 1992  : 106. 212 Otto verweist darauf, dass bei einem Vergleich rechtlich normierter Arbeitszeiten diese aus heutiger Sicht überlang erscheinen und dadurch falsche Rückschlüsse auf die de facto tatsächlich geleistete Dauer und die Bedeutung gezogen werden könnten  ; Untersuchungen für Handwerk und Handel würden ähnliche Arbeitszeiten wie in der Industriegesellschaft nahelegen. Vgl. Otto 1990  : 53. 213 Otto und Rinderspacher merken dazu an, dass trotz zahlreicher über das Jahr verbreiteter Festtage diese nicht unbedingt mit arbeitsfreier Zeit verbunden waren, zumal sie oft nur einen Teil der Bevölkerung betrafen. Darüber hinaus sei der Sonntag gleichsam nicht grundsätzlich arbeitsfrei gewesen. Vgl. Otto 1990  : 64f.; Rinderspacher 2000  : 50. 214 Vgl. Hielscher 2006  : 53. 215 Hielscher 2006  : 53. 216 Vgl. Hielscher 2006  : 53. 217 Vgl. Andrea Maurer 1992  : 105. 218 Andrea Maurer 1992  : 105ff. 219 Vgl. Rinderspacher 2000  : 49.

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und für den »Zeitlohn« der »Tageslohn«.220 Arbeitsverhältnisse zeichnen sich in der vorindustriellen Gesellschaft mehrheitlich durch eine ungleichmäßige Verteilung der Arbeit über den Tag, die Woche, das Jahr und das Leben aus.221 Selbst die Arbeitswoche und das Arbeitsjahr waren nur als lockere, sinnhaft zu füllende Bezugsgröße anerkannt.222 Erst die Etablierung des Kalenders durch die Kirche führte dazu, dass bestimmte Zeitabschnitte definiert werden konnten.223 Die einsetzende Industrialisierung änderte bekannte Zeitstrukturen und förderte die Ausbreitung zeitlich homogener Zähleinheiten,224 da Zeit nun als gesellschaftlicher Gestaltungsfaktor wahrgenommen wurde.225 Der »Alltag« der Gesellschaft war von diesen Veränderungen jedoch erst mit der Durchsetzung des Industriekapitalismus im 19. Jahrhundert betroffen.226 Der einsetzende Industrialisierungsprozess fußte auf der Zeitdisziplinierung, die durch die Vorbereitung der Uhren gefördert wurde. Die Uhren fanden frühestens Ende des 18. Jahrhunderts in Haushalten in breiterem Maße Verwendung.227 Im Weiteren wird Lebenszeit zu einem knappen Gut.228 Dieses muss daher vor »Müßiggang« und »Zeitverschwendung« geschützt werden.229 Die Durchsetzung abstrakter Arbeitszeitmuster vollzog sich nicht von heute auf morgen. Vor allem die Etablierung von Arbeits- und Zeitdisziplin erfolgte in einem längeren, durchaus konfliktträchtigen Prozess.230 Der Argumentation Deutschmanns folgend, zeigt sich, dass gerade die Frühzeit des Industrialismus bis hinein in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts von zwei Aspekten geprägt ist, die sich in einer synchron gespaltenen Zeitkultur231 bemerkbar machen. Zu ersterem Aspekt zählt die überlange Ausdehnung der Arbeitszeiten mit bis zu 16 Arbeitsstunden pro Tag und Betriebszeiten.232 Zeitgleich dazu entwickelten

220 Vgl. Hielscher 2006  : 52f. 221 Rinderspacher 2000  : 50. 222 Andrea Maurer 1992  : 106. 223 Hielscher 2006  : 53. 224 Rinderspacher 2000  : 52. 225 Andrea Maurer 1992  : 109. 226 Hielscher 2006  : 54. 227 Hielscher 2006  : 54. 228 Hielscher 2006  : 54. 229 Hielscher 2006  : 54. 230 Hielscher 2006  : 54. Die Zeitdisziplinierung und das Entstehen einer neuen Zeitordnung werden an dieser Stelle nur schemenhaft angedeutet. Mit den dadurch in Zusammenhang stehenden Problemen und Auswirkungen hat sich bereits eine Reihe von Autoren beschäftigt. Vgl. dazu u. a. Deutschmann 1985  ; Scharf 1987  ; Andrea Maurer 1992  ; Pfeisinger 2003. 231 Deutschmann 1985  : 77. 232 Vgl. Deutschmann 1985  : 77f.; Hielscher 2006  : 55.

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sich abstrakte Arbeitszeiten, die von der eigentlichen Aufgabe losgelöst wurden.233 In dieser Phase vollzieht sich ein epochaler Umbruch, so Rinderspacher  : Die Arbeitszeit bestimmte nun – in Verbindung mit dem Lohnniveau – das Lebensniveau und nicht umgekehrt das Lebensniveau die Arbeitszeit. Darin liegt der eigentliche epochale Umbruch, der sich mit der Institutionalisierung von »Arbeitszeit« als gesellschaftlicher Normalität vollzieht. Sie wird erst damit zu einer emphatisch modernen Arbeitszeit, die ja als System bzw. Institution nicht nur die Gewohnheit einer Gesellschaft beschreibt, die Dauer der Zeit aufzuschreiben, in der die Menschen mit abhängiger Arbeit beschäftigt sind.234

Mit diesem epochalen Umbruch wird das Kalkulieren in Zeiteinheiten zur Grundlage der modernen Leistungsgesellschaft.235 Der zweite Aspekt wird darin bemerkbar, dass der vorindustrielle Lebens- und Arbeitsrhythmus in die Fabriken getragen wurde.236 Trotz der einsetzenden Differenzierung von Arbeit und Leben wird in den Fabriken zunächst der gewohnte Rhythmus der Gleichzeitigkeit von Arbeits- und Lebenszeit beibehalten.237 Die überlangen Arbeitszeiten in den Fabriken in der Anfangszeit der Industrialisierung waren daher keine »reine« Arbeitszeit. Vielmehr zeigte sich in der Praxis, dass Arbeitszeit mit diversen Tätigkeiten durchsetzt war.238 Zugleich wollten die Unternehmer eine Bewusstwerdung der Zeit durch die Arbeiter nicht  ; weshalb teilweise das Mitbringen von Taschenuhren in die Fabriken untersagt wurde.239 Auseinandersetzungen entwickelten sich entlang der Reibefläche dieser beiden Aspekte  ; dabei sperrten sich die natürlichen Rhythmen gegen die Abstraktifizierung von Arbeit und Zeit.240 Mit dieser Entwicklung geht das Einfließen der aufgewendeten Zeit in die betriebliche Kalkulation einher.241 Deshalb kam es zu Aufzeichnungen über die »verbrauchte« Zeit. Deren Quantifizierung erfolgte über Aufseher, Kon-

233 Vgl. Hielscher 2006  : 55. 234 Rinderspacher 2000  : 53. 235 Rinderspacher 2000  : 53. 236 Vgl. Deutschmann 1985  : 78f.; Hielscher 2006  : 55. 237 Vgl. Deutschmann 1985  : 78f.; Scharf 1987  : 43  ; Hinrichs 1988  : 25f.; Andrea Maurer 1992  : 132  ; Hielscher 2006  : 55. 238 Hielscher, Andrea Maurer und Hinrichs führen in diesem Zusammenhang der Durchsetzung der Arbeitszeit mit der vielfältigen Lebenswelt Essen, Trinken – durchaus auch alkoholischer Getränke –, Schlafen, »Verwandtschaftsbesuche«, Bummelei u. v. m. an. Vgl. Hinrichs 1988  : 26  ; Andrea Maurer 1992  : 132  ; Hielscher 2006  : 55. 239 Vgl. Rinderspacher 2000  : 53. 240 Scharf 1987  : 43. 241 Vgl. Plaschg 2008  : 54.

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trolleure sowie Stechuhren, um die gemessenen Zeitintervalle von den Zeitkonten der Arbeiter abbuchen zu können.242 Vorindustrielle wie industrielle Zeitpraxis führten à la longue zu Arbeitszeitkonflikten rund um die Aufzeichnung »verbrauchter« Zeit. Diese Konflikte drehten sich mehrheitlich um Pünktlichkeit bei Arbeitsbeginn und -ende, die Dauer und Kontrolle der formellen Pausen und vor allem um die informellen Arbeitsunterbrechungen, mit denen die überlangen frühindustriellen Arbeitszeiten durch eine Verkürzung der Arbeitszeit kompensiert243 wurden. Eine weitere grundlegende Änderung stellt die räumliche Trennung von Arbeitsund Wohnort dar. Als Konsequenz dieser Entwicklung kam das Gefühl auf, dass die für die Arbeit aufgebrachte Zeit als etwas vom Leben Getrenntes zu betrachten sei.244 Zusammenfassend zeichnet sich diese Phase dadurch aus, dass trotz der Arbeitszeitvorgaben in den Fabriken und der Loslösung der Lohnarbeit aus dem häuslichen Zusammenhang die Lohnarbeiter/innen an der Einheit des Lebenszusammenhangs festhielten. Ein »Leben« jenseits der »Arbeit« war ihnen nur schwer vorstellbar und angesichts der überlangen Arbeitszeiten auch gar nicht möglich.245

2.3.1.3 Zur Diversifikation der Zeitinstitutionen »Arbeitszeit« und »Freizeit« Nach einer längeren Periode der synchron gespaltenen Zeitstruktur konnten sich die Zeitinstitutionen »Arbeitszeit« und »Freizeit« entwickeln. Hierbei galten den Organisationen der Arbeiterbewegung eine Standardisierung, Begrenzung und Verkürzung der Arbeitszeiten246 als Kernanliegen. Geprägt waren diese explizit von arbeitsmarktpolitischen Zielsetzungen.247 1899 wurde erstmals ein Achtstundentag gefordert und schließlich der 1. Mai als Aktionstag zur Erreichung des Ziels festgelegt.248 Arbeitszeitverkürzung wurde dabei aus dreierlei Gründen betrieben  : zum Arbeiterschutz, zur Umverteilung von Arbeit, um die »Reservearmeen« der Industrie zu verkleinern, und zur Rückaneignung der Zeit.249 Etwa zu diesem Zeitpunkt sieht Andrea Maurer das Verschwinden vorindustrieller Arbeitszeitgestaltung und traditioneller Arbeitsgewohnheiten gegeben.250 242 Vgl. Plaschg 2008  : 54. 243 Andrea Maurer 1992  : 132  ; Vgl. Lüdtke 1980. 244 Vgl. Pfeisinger 2006  : 217. 245 Hielscher 2006  : 56. 246 Hielscher 2006  : 56. 247 Hinrichs 1988  : 93. 248 Hielscher 2006  : 56. 249 Vgl. Scharf 1987  : 49ff.; Hielscher 2006  : 56. 250 Vgl. Andrea Maurer 1992  : 133.

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Ausgehend von diesen Beweggründen wurden Arbeitszeiten zum Gegenstand der gesellschaftlichen Aushandlung und Regulierung,251 woraus schließlich die diachronen Zeitinstitutionen »Arbeitszeit« und »Freizeit« erwuchsen. Arbeitszeiten wurden dementsprechend reglementiert und in definierte Zeitabschnitte eingeteilt.252 Erst aus der Eingrenzung und Verkürzung der Arbeitszeit konnte »Freizeit« entstehen und damit ein wachsendes zeitliches Areal, das dem Zugriff der Unternehmer entzogen war und den Lohnarbeiter/innen zur Regeneration und zur persönlichen Freizeit zur Verfügung stand. Mit der Schaffung dieses Gegenpols zur Erwerbsarbeit wurde die »moderne« Auftrennung des Lebenszusammenhangs in die Sphären von Arbeit und »privatem« Leben eingeleitet.253

Mit dieser Trennung ging auch eine Loslösung von Haus- und Erwerbsarbeit einher.254 Komplementär konnte sich die Ökonomisierung der Zeit entwickeln,255 indem die entlohnte Arbeitszeit möglichst vollständig unter Verwertungsaspekten genutzt wurde.256 Diese beiden Punkte, einerseits die Schaffung des Zeitareals »Freizeit« und andererseits die Ökonomisierung der »Zeit«, etablierten ein gesellschaftliches Zeitarrangement, das auf einem sozialen Kompromiss zwischen den Sozialparteien beruht.257 Taylorismus und Fordismus trugen dazu bei, dass die Arbeit zeitökonomisch durchrationalisiert wurde.258 Die Etablierung vollzog sich bis in die 1920er Jahre und sorgte dafür, dass die Ordnung der Zeit weitestgehend von Dauer und Lage der Arbeitszeiten bestimmt wurde.259 Nach Hielscher bedeutet diese auf sozialen Kompromissen beruhende Entstehung der Zeitordnung daher, dass nach außen Arbeitszeitvereinbarungen zwischen Unternehmen und Gewerkschaften getroffen werden, es aber dem Unternehmer überlassen bleibt, wie er die Dimension der Arbeitskraftnutzung definiert.260 Darin liegt seines Erachtens die Wurzel einer quasi »natürlich« gegebenen Dichotomie von »Arbeit und Freizeit«.261

251 Hielscher 2006  : 57. 252 Vgl. Andrea Maurer 1992  : 134. 253 Hielscher 2006  : 57. 254 Sorger 2014  : 58. 255 Vgl. Andrea Maurer 1992  : 117. 256 Hielscher 2006  : 57. 257 Hielscher 2006  : 57. 258 Hielscher 2006  : 57. 259 Vgl. Hielscher 2006  : 57. 260 Vgl. Hielscher 2006  : 57f. 261 Hielscher 2006  : 58.

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Theoretische Grundlagen

2.3.1.4 Arbeitszeitreduktion und Standardisierung der Arbeitszeit Ohne Etablierung des Zeitbewusstseins und Verankerung des Werts der Zeit im Bewusstsein der Arbeiter262 wäre die Dichotomie von »Arbeit und Freizeit« und damit die Implementierung von Arbeitszeitstandards kaum möglich gewesen. Diese Bewusstwerdung des Wertes des Faktors »Zeit« hing Deutschmann zufolge eng mit der Zeitdisziplinierung und der Entkoppelung von Verfügbarkeit des Arbeiters und Betriebszeit zusammen. Dies wurzelt laut Deutschmann in zwei Prozessen. Es handle sich um  : Die Bewegung für den Achtstundentag wie die für den modernen industriellen Produktionsprozeß unentbehrliche Zeitdisziplin. Die Betriebe andererseits konnten, indem sie die Ansprüche an die Verfügbarkeit des Arbeiters von der Betriebszeit abkoppelten und auf den Normalarbeitstag reduzierten, auf eine gesteigerte Integration und Identifikation der Arbeiter mit dem zeitökonomisch strukturierten Produktionsrhythmus bauen. Dieses »industrielle Zeitarrangement« schuf die Voraussetzung dafür, daß Arbeitszeit gesellschaftsweit normiert und institutionalisiert werden konnte. Die enorme politische Kraft der Bewegung für den Achtstundentag war in ihrer Bedeutung als Wegbereiter eines neuen gesellschaftlichen Zeitarrangements begründet.263

Großen Einfluss auf die Änderung des zeitökonomisch strukturierten Produktionsrhythmus hatte sicherlich das Rationalisierungskonzept Frederic Winslow Taylors. In diesem formulierte er Prinzipien der Arbeitsgestaltung,264 die die Grundlage der modernen Arbeitsorganisation265 wurden.266 Trotz der Tatsache, dass diese Prinzipien selten betrieblich angewandt wurden, beeinflusste dieses Konzept als Taylorismus die industrialisierten Länder.267 Die am weitesten gehende Umsetzung erfolgte in der amerikanischen Automobilindustrie.268 Verbunden wird dies vor allem mit Henry Ford und dem strukturierenden Prinzip des Fließbandes, woraus sich das tayloristisch-fordistisch differenzierte Arbeitssystem entwickeln konnte.269 262 Vgl. Deutschmann 1990  : 90. 263 Vgl. Deutschmann 1990  : 91. 264 Hirsch-Kreinsen 2005  : 73. 265 Schweiger 2009  : 42. 266 Die Prinzipien der Arbeitsgestaltung Taylors umfassen die Trennung des Arbeitsprozesses von den Fertigkeiten der Mitarbeiter sowie jene zwischen Planung und Ausführung. Darüber hinaus ist Vorgabe und Kontrolle des Arbeitsprozesses bis hin zum kleinsten Schritt innerhalb dieses Prozesses wesentlicher Kern der Arbeitsgestaltung nach Taylor. Vgl. Schweiger 2009  : 42. 267 Vgl. Hirsch-Kreinsen 2005  : 74. 268 Vgl. Hirsch-Kreinsen 2005  : 74. 269 Vgl. Hirsch-Kreinsen 2005  : 74f.

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Ökonomisch ergab sich durch den Taylorismus und Fordismus eine Arbeitsintensivierung mit langen Arbeitszeiten. Diese überlangen und zwischen einzelnen Regionen und Industriezweigen unterschiedlichen Arbeitszeiten führten schließlich zur Idee eines »Normalarbeitstages«.270 Die Schaffung einheitlicher Standards hinsichtlich der Arbeitszeit ermöglichte die Ausprägung der Begriffe »Normalarbeitsverhältnis«,271 »Normalarbeitszeit« und »Normalarbeitstag«, deren Etablierung anhand des Anpassungsprozesses an die industrielle Zeitstruktur nachvollzogen werden kann.272 Generell bedeutete der Prozess des zeitökonomisch strukturierten Produktionsrhythmus einerseits und der Bewegung zur Verkürzung der Arbeitszeit andererseits, dass diese gesellschaftsweit normiert und institutionalisiert werden konnte.273 Erste Forderungen und gesetzliche Regelungen bezüglich eines Normalarbeitstages haben sich im Zuge der industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts durchgesetzt.274 Erst wurde der zehnstündige und später der achtstündige Arbeitstag gefordert. Im Grunde ist der Standard der Normalarbeitszeit nichts anderes als ein historisch gewachsenes Arrangement von arbeitspolitischen Regulierungen und Mechanismen sozialer Absicherung,275 also quasi ein künstlich geschaffenes Produkt. Insgesamt bilden diese Standards den institutionellen Rahmen für das Normalarbeitsverhältnis,276 unter dem Tálos eine »abhängige, vollzeitige und dauerhafte Beschäftigung mit geregelter Normalarbeitszeit, mit kontinuierlichem Entgelt und Bestandsschutzgarantien«277 versteht. Dabei beruht die Normalarbeitszeit auf einer gleichmäßigen, nicht variierenden Verteilung der Arbeitszeit tagsüber.278 Durch Normalarbeitsverhältnisse wurden zwei Rollenbilder etabliert  : Zum einen war dies das an das Normalarbeitsverhältnis gekoppelte männlich orientierte Ernährermodell. Gegenübergestellt wurde dem männlichen Ernährer hinsichtlich der ökonomischen »Inaktivität« letztlich die Hausfrau.279 Diese Gegenüberstellung der Rollenbilder förderte die Entstehung des »Alleinverdienermodells«.280 Diese Dichotomie 270 Vgl. Cross 1989  : 180. 271 Der Begriff »Normalarbeitsverhältnis« entstand im deutschsprachigen Raum etwa Anfang/Mitte der 1980er Jahre. Vgl. L. Kaiser 2006  : 169. 272 Vgl. Deutschmann 1990  : 80. 273 Deutschmann 1990  : 91. 274 Deutschmann 1982  : 33. 275 Hielscher 2000  : 11. 276 Hielscher 2000  : 11. 277 Tálos 1999a  : 7  ; Tálos 1999c  : 417. 278 Schulze Buschoff 2006  : 313. 279 Vgl. L. Kaiser 2006  : 168. 280 Sorger merkt dazu an, dass trotz eines Rückgangs dieses »Alleinverdienermodells« die Versorgungsarbeit weiterhin mehrheitlich Frauen zu leisten haben. Gleichfalls haben Arbeitszeitverkürzungen aufgrund von gegebenen familien- und sozialpolitischen Rahmenbedingungen nicht zu einer gerech-

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Theoretische Grundlagen

des männlichen Ernährers und der inaktiven Versorgungsarbeit der Frauen bildete ein Grundelement bestehender Ungleichstrukturen zwischen den Geschlechtern.281 Kaiser folgert daraus  : Entweder »man« war zumeist durch ein unbefristetes Vollzeiterwerbsverhältnis im Erwerbsleben verankert oder es lag so genannte ökonomische Inaktivität vor  ; dies unter Negierung positiver externer und gesamtgesellschaftlicher investiver Effekte der Hausund Familienarbeit […].282

Dabei hatte nach Auffassung Kaisers das Normalarbeitsverhältnis nur für die von wirtschaftlichen Krisen verschont gebliebene Periode der 1960er Jahre und frühen 1970er Jahre für beinahe alle westeuropäischen Staaten Gültigkeit.283 Insgesamt verwundert es nicht, dass sich die Normalarbeitszeit bzw. die Auffassung von einer als »normal« zu erachtenden Arbeitszeit gewandelt hat. Dieser Auffassungswandel wird vielfach als Erosionsprozess bezeichnet.284 Kurz-Scherf spricht hierbei davon, dass die Normalarbeitszeit sowohl faktisch als auch normativ einem fortschreitenden Erosionsprozess unterliege.285 Dieser ist vor allem durch das Aufkommen diverser Arbeitszeitformen und -muster gekennzeichnet, was zugleich zu einem Spektrum multipler Möglichkeiten von Arbeitszeitlagen führt.286 Desgleichen führen flexible Arbeitszeiten bzw. atypische Beschäftigungsverhältnissen zu einer Änderung der Normalarbeitszeitstandards, wobei die Normalarbeitsverhältnisse zwar nach wie vor Leitbild im Bereich des Sozialrechts sind, aber immer schwerer erreicht werden.287 Dementsprechend diametral zum Normalarbeitsverhältnis haben teren Aufteilung der Versorgungsarbeit zwischen Männern und Frauen geführt. Vgl. Sorger 2014  : 153. 281 Sorger 2014  : 41. 282 L. Kaiser 2006  : 168  ; Sorger 2014  : 136. 283 Vgl. L. Kaiser 2006  : 168. 284 Aus Sicht L. Kaisers wird der Erosionsprozess der Normalarbeitsverhältnisse zu eindimensional dargestellt, da erste Umbrüche und Änderungen des Normalarbeitsverhältnisses mit der Zunahme der Erwerbstätigkeit zu verorten seien und die Veränderungen nur der Erosion zugeordnet würden. Durch die beständige Zunahme der Erwerbstätigkeit der Frauen entstehe gewissermaßen ein gendersegmentiertes Normalarbeitsverhältnis. Ansätze eines vergleichbaren gendersegmentierten Normalarbeitsverhältnisses hätte es in Österreich bei vergleichbarer Durchsetzung einer verkürzten Arbeitszeit von Frauen bereits in den 1950er Jahren geben können, ehe die Zurücknahme dieser Forderung nach einer Einführung der 40-Stunden-Woche für Frauen schließlich zu einer allgemeinen Verkürzung und zur Etablierung des Normalarbeitsverhältnisses in Österreich (vgl. Abschnitt 4.3.3.) im etablierten Rollenmuster führte. Vgl. L. Kaiser 2006  : 169 und 186f. 285 Kurz-Scherf 1993  : 36. 286 Breu 1999  : 34. 287 Spreitzer 1999  : 16.

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sich im Laufe der letzten Jahrzehnte atypische Erwerbsverhältnisse288 herausgebildet, die das Bild der »Erosion des Normalarbeitsverhältnisses«289 prägten. Dass insgesamt ein Wandel zu beobachten ist, unterstreicht auch die Aussage des Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen von 1997  : Die Vielfalt des Geschehens und die zahlreichen denkbaren Facetten bei der Umgestaltung des Normalarbeitszeitbereiches machen eine generelle Normung der konkreten Arbeitszeitgestaltung als Vorgabe untauglich.290

Dennoch werden solche Arbeitszeit- bzw. Normalarbeitszeitstandards benötigt. Sie setzen ein Mindestmaß an Allgemeinverbindlichkeit voraus, auf dessen Basis das Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern erst ausgehandelt werden kann.291 Unter Arbeitszeit lässt sich jedoch vieles subsumieren. Arbeitszeitregelungen können Pausen ebenso wie Anwesenheitszeiten inkludieren. Nach Teriet lassen sich daher die arbeitsgebundene Zeit, die Anwesenheitszeit am Arbeitsort, die reine Tätigkeitszeit, die gesetzlich vorgeschriebene, die tariflich-vereinbarte, die nominale und die effektive Arbeitszeit unterscheiden.292 Generell wird unter der Arbeitszeit jener Zeitraum, in dem der Arbeitnehmer die auf dem Arbeitsvertrag basierende Arbeitsleistung vollzieht, verstanden, womit die Arbeitszeit an die individuelle Person des Arbeitnehmers gebunden und Teil seiner Arbeitsleistung ist.293 2.3.1.5 Legaldefinition von Arbeitszeit in Österreich Am 11. Dezember 1969 wurde ein Arbeitszeitgesetz beschlossen. In diesem Bundesgesetz kam es zu einer Legaldefinition294 der Arbeitszeit. Nach § 2 288 L. Kaiser verweist darauf, dass einer solchen Gegenüberstellung von Normalarbeitsverhältnissen vs. atypischen Erwerbsverhältnissen für den deutschsprachigen Raum eine gewisse enge Begriffsverwendung zugrunde liege, die besonders hinsichtlich einer geschlechtertrennenden oder international vergleichenden Begriffsbildung zu kurz greife. Ohnehin sei die Konnotation »atypische Erwerbsformen« europaweit unterschiedlich. So gebe es im angelsächsischen Raum durchaus »atypical employment«. Allerdings werde dort das Normalarbeitsverhältnis als »permanent full-time wage employment« bezeichnet, was auf ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis abziele. Dementsprechend gebe es abweichende »flexible labour«. Vgl. L. Kaiser 2006  : 165f. 289 Flecker 1999  : 6. 290 Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1997  : 124. 291 Breu 1999  : 33. 292 Vgl. Teriet 1976  : 10f. 293 Vgl. Stenglhofen 1993  : 69. 294 Hierbei handelt es sich um einen Rechtsbegriff, worunter eine »vom Gesetzgeber in ein Gesetz eingefügte inhaltliche Bestimmung eines gesetzessprachlichen Begriffes« verstanden wird. Grundsätzlich wird in einer Legaldefinition ein Begriff mit Hilfe anderer Begriffe erklärt. Eine Legaldefinition

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– Abs. 1 AZG ist Arbeitszeit die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne Ruhepausen  ; – Abs. 2 AZG ist Tagesarbeitszeit die Arbeitszeit innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraumes von vierundzwanzig Stunden  ; – Abs. 3 AZG ist Wochenarbeitszeit die Arbeitszeit innerhalb des Zeitraumes von Montag bis einschließlich Sonntag. Im Grunde kam es so 1969 zu einer Wiederholung der Arbeitszeitordnung-Begriffsbestimmung, wonach Arbeitszeit die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen ist.295 Jedwede Versuche, die Arbeitsbereitschaft, die Dienstreisen und/oder die Rufbereitschaft in die Begriffsbestimmung ausdrücklich einzubeziehen, führten zu keinem Ergebnis,296 obwohl viele, die an der Formulierung des Arbeitszeitgesetzes beteiligt waren, es als selbstverständlich erachteten, dass dies als Arbeitszeit zu bewerten sei.297 Prinzipiell führt diese dazu, dass die Auslegung des Gesetzes weiterhin der Lehre und Rechtsprechung überlassen wird.298 Auch wenn diese Tatsache vielfach nicht als zufriedenstellend empfunden wird, da die in der Praxis immer häufiger auftretenden Abgrenzungsschwierigkeiten, insbesondere der verstärkt auftretenden flexiblen und atypischen Arbeitsverhältnisse, nicht ausgeräumt299 werden, reicht es hier aus, »Arbeitszeit« im Sinne des Gesetzes von 1969 als definiert zu betrachten. 2.3.2 Flexibilisierung der Arbeitszeiten Der Alltag jedes Einzelnen ist von Strukturen geprägt. Wesentlichen Einfluss auf die Organisation des Alltags hat dabei die Arbeitszeitdauer. Die Individualisierung der Arbeitszeit beeinflusst verstärkt die sozialen Räume der Individuen, das Sozialleben sowie jene Strukturen und Rhythmen, die durch Öffnungszeiten von Kindergärten, staatlichen Stellen oder des Einzelhandels vorgegeben sind.300 Mitte der 1970er Jahre setzten in Europa Diskussionen um Flexibilisierung ein, in Österreich zeitversetzt Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre. Einen Kernbereich stellte hier lässt sich anhand dreier Charakteristika beschreiben  : Es handelt sich um eine Sprachregelung, mit der festgelegt wird, wie ein bestimmter Ausdruck im Rahmen eines Gesetzes verstanden werden soll. Ferner hat sie Rechtsverbindlichkeit und ist ein unvollständiger Rechtssatz. Vgl. Weber-Lejeune 1997  : 35  ; Bratschi 2009  : 192f. 295 Weißenberg 1970  : 9. 296 Cerny 1980  : 263. 297 Vgl. Leutner 1991b  : 21. 298 Cerny 1980  : 263. 299 Mitterbauer 2000  : 30. 300 Vgl. Altun 2005  : 50.

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die Arbeitszeitflexibilisierung dar. Die Implementierung diverser Arbeitszeitmodelle führte zu einer »gefühlten Erosion« des Normalarbeitsverhältnisses, da es zugleich zu einer Ausbreitung abweichender, atypischer Beschäftigungsverhältnisse kam. Damit einher geht ein Erosionsprozess von »Arbeit« und »Nicht-Arbeit«, so dass die während der Industrialisierung vollzogene Differenzierung und Grenzziehung nunmehr eine Re-Differenzierung erlebt, die als Erosion der Grenzen, und zwar sowohl in zeitlicher als auch in räumlicher Hinsicht,301 empfunden wird. 2.3.2.1 Flexibilisierung ist … Die Flexibilisierungsdiskussionen sind von vielfältigen Einwürfen gegenüber vorhandenen Arbeitszeitregimen geprägt. Als Gegenteil von Flexibilität werden daher oft Bezeichnungen wie »Starrheit«, »rigide«, »inflexibel«302 angeführt.303 Vielfach werden die Begriffe »flexibel« und »Flexibilität« synonym verwendet.304 Deren synonyme Vermengung erfolgt, weil die ständige Veränderung zu einer Konstante geworden ist.305 Insofern lässt sich unter Flexibilisierung das Aufbrechen starrer Strukturen, Systeme oder Modelle verstehen.306 Unternehmen legen dabei den Schwerpunkt u. a. auf die Anpassungsfähigkeit an Nachfrage- oder Produktionsschwankungen, während die Flexibilisierung für Arbeitnehmer Anpassungsfähigkeit an Weiterbildungsmaßnahmen oder die Abstimmung von Arbeitszeiten mit den sozialen Bedürfnissen bedeuten kann.307 Im Sinne der »Entgrenzung« wird »Flexibilisierung« nach Flecker den Aspekten der organisatorischen Flexibilität, der Flexibilität des Personaleinsatzes, der Flexibilisierung von Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen mit seinen Aufbrechungstendenzen sowie der Flexibilität hinsichtlich der Anforderungen an die Arbeitskraft zugeordnet.308 Das Interesse daran ist grundsätzlich beiden Parteien, den Unternehmen wie den Arbeitnehmern, zuzuordnen.309 Flexibilisierung zielt dabei auf die Be301 Schöneck 2008  : 133. 302 Diese Einwürfe tauchen nicht erst seit den Flexibilisierungsdebatten auf, sondern lassen sich für Österreich durchwegs bereits in der Konsolidierungsphase nachweisen, als vom Sozialministerium versucht wurde, ein Arbeitszeitgesetz zu schaffen. 303 Vgl. Bretag 2007  : 13  ; Breu 1999  : 21. 304 Breu 1999  : 21. 305 Breu 1999  : 21. 306 Bretag 2007  : 14. 307 Vgl. Bretag 2007  : 14. 308 Flecker 1999  : 1. 309 Bretag verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass in der Literatur vielfach »Flexibilisierung« und »Individualisierung« als voneinander getrennt betrachtet werden. Zudem werde kaum die Ansicht vertreten, dass dem Flexibilisierungsbegriff gleichermaßen Arbeitnehmer- wie Arbeitgeberinteressen zugrunde liegen. Vgl. Bretag 2007  : 15.

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wältigung von neuen Arbeitsformen und Organisationsstrukturen310 ab und fördert das Entstehen neuer Arbeitszeitmodelle und die Verbreitung von Teilzeitarbeit. Der Begriff »Arbeitszeitflexibilisierung« ist seit den 1970er Jahren gebräuchlich. Bis heute gibt es keine eindeutige Definition.311 »Arbeitszeitflexibilisierung« umfasst mehr als die traditionellen Arbeitszeitverkürzungen.312 Mit ihr sollen zwei Ansprüche befriedigt werden  : einerseits die Humanisierungspolitik und andererseits die Arbeitsmarktpolitik.313 Wird die Arbeitszeitflexibilisierung beim ersten Punkt auf die Bedürfnisse der Arbeitnehmer ausgerichtet, so erfolgt die Ausrichtung beim zweiten Punkt auf die Bedürfnisse der Unternehmer, Strukturierungs- und Segmentierungstendenzen entgegenzuwirken.314 Von großer Bedeutung für die Arbeitszeitflexibilisierung sind technisch-organisatorische, wettbewerbsbedingte, beschäftigungspolitische, soziokulturelle und rechtliche Rahmenbedingungen. Rechtliche Aspekte beeinflussen soziokulturelle und umgekehrt. Der Wettbewerbsfaktor und damit die internationale Konkurrenzfähigkeit, die in den österreichischen Diskussionen zur Arbeitszeitpolitik immer wieder betont werden, spielen genauso eine Rolle wie beschäftigungspolitische oder technisch-organisatorische Aspekte. Letztlich schwankt die Arbeitszeitflexibilisierung zwischen den Flexibilisierungswünschen bzw. -anforderungen der Unternehmen und jenen der Arbeitnehmer. Im Weiteren soll damit eine Flexibilisierung der Arbeitsmärkte erreicht werden. Dies soll zum Erhalt der Wettbewerbsposition, zur Verringerung von Arbeitslosigkeit und zur Erleichterung des Strukturwandels führen.315 In Österreich spielt bei der Umsetzung flexibler Arbeitszeiten neben ausgehandelten Kollektivverträgen vor allem der rechtliche Status eine bedeutende Rolle. Seit den 1990er Jahren wird in Österreich mittels Arbeitszeitgesetznovellen eine Arbeitszeitflexibilisierung erreicht. Sie sollten die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Arbeitszeitflexibilisierung verbessern und so einen erweiterten Spielraum für flexible Arbeitszeiten schaffen. Was aber sind »flexible Arbeitszeiten«  ? »Flexible Arbeitszeiten« lassen sich nicht allgemeingültig definieren.316 Dieses Fehlen einer exakten Definition führt zu einer Pluralität unterschiedlicher Auffassungen, was unter »flexiblen Arbeitszeiten« zu verstehen sei.

310 Bretag 2007  : 15. 311 Vgl. Altun 2005  : 33. 312 Vgl. Teriet 1979  : 54. 313 Vgl. Heinze/Hinrichs/Hohn/Offe/Olk 1979  : 277. 314 Heinze/Hinrichs/Hohn/Offe/Olk 1979  : 277. 315 Vgl. Biffl 1989  : 33. 316 Vgl. Janßen/Nachreiner 2004  : 22.

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Definitionen

Gründe

Betroffene und Verhandlungspartner

Ein Mittel zur Anpassung der Arbeitszeit an den Arbeitsanfall

– Betriebswirtschaftliche Notwendigkeit

Unternehmen Arbeitgeber

Die Abweichung der Arbeitszeiten von starren und uniformen Regeln

– – – – –

Individuum Arbeitnehmer

Bessere Einbettung der Arbeitswelt in die soziale Lebenswelt

– Rollenveränderung – Individualisierung – Wertwandel

Kulturveränderung Autonomie Freiheit Individuelle Zeitsouveränität Machtfrage neu stellen

Gesellschaft Soziale Rahmenbedingungen

Tab. 2  : Definitionen »flexibler Arbeitszeiten« Quelle  : Breu 1999  : 23.

Zur Pluralität der flexiblen Arbeitszeiten bilanziert Altun  : Während die einen unter flexibler Arbeitszeit alles verstehen, was von der normalen Regelarbeitszeit abweicht, also beispielsweise auch Schicht- oder Nachtarbeit, fassen andere den Begriff wesentlich enger und sprechen nur dann von Flexibilität, wenn die geleisteten Stundenzahlen monatlich, wöchentlich oder gar täglich differieren  ; und […] Dritte wiederum sehen Flexibilität nur dann als gegeben an, wenn auch der Arbeitnehmer Einfluss auf seinen Arbeitseinsatz nehmen kann.317

Meist wird der erste dieser Ansätze für »flexible Arbeitszeiten« herangezogen. Janßen und Nachreiner definieren »flexible Arbeitszeiten« als jene Arbeitszeiten, die nicht als »normal« oder »Standardarbeitszeit« bezeichnet werden können. Dadurch fällt Schichtarbeit ebenso unter flexible Arbeitszeitformen318 wie die Teilzeitbeschäftigung, die sich vornehmlich durch eine gekürzte »Normalarbeitszeit« auszeichnet. Diese Definition »flexibler Arbeitszeiten«, die in ihr jedwede Abweichung vom »Normalarbeitsverhältnis« und somit von der »Normalarbeitszeit« sieht, begründet schließlich die Nähe zu »atypischen Arbeitszeiten« bzw. »atypischen Beschäftigungsverhältnissen«. In der Literatur werden deswegen vielfach Arbeitszeiten, die von der »Normalarbeitszeit« abweichen, als flexibel oder atypisch bezeichnet. Atypische Beschäftigungsverhältnisse zeichnen sich hinsichtlich des Ausmaßes und der Lage der atypischen Arbeitszeit319 aus, wobei jede Abweichung von der Norm als »atypisch« aufgefasst wird und unterschiedliche Intensitäten entstehen können.320 317 Altun 2005  : 32. 318 Vgl. Janßen/Nachreiner 2004  : 23. 319 Eichmeyer 2004  : 9. 320 Vgl. Eichmeyer 2004  : 9.

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Theoretische Grundlagen

Durch die Standardisierung der Arbeitszeiten in Verbindung mit der Verbreitung von »Normalarbeit« wurden die angeführten abweichenden, flexiblen und atypischen Arbeitszeiten und Beschäftigungsverhältnisse nach Hielscher gewissermaßen diskriminiert und der ursprüngliche Zweck eines Normalarbeitsverhältnisses mit seiner Standardisierung und dem Schutz vor Willkür umgekehrt.321 Mit der Ausweitung der Arbeitszeitflexibilisierung seit Ende der 1970er Jahre gehen Auflösungstendenzen der Gleichheit von Betriebs- und Arbeitszeit einher.322 Dies bewirkt ein Erodieren von »Arbeit« und »Nicht-Arbeit« gleichermaßen wie eine Ausdifferenzierung von Arbeitszeit innerhalb von Belegschaften und der Erwerbsbevölkerung.323 Zeitgleich fördert diese Entwicklung eine beiderseits gewünschte Individualisierung der Arbeitszeiten. Ausdruck dieser Individualisierung ist, dass es nur noch begrenzt möglich ist, Arbeitszeitkonflikte als kollektive Konflikte darzustellen, die somit vermehrt individueller Regelungen bedürfen.324 Arbeitszeiten verändern sich hinsichtlich ihrer Chronometrie und ihrer Chronologie. Anpassungen der täglichen, wöchentlichen, monatlichen und saisonalen Arbeitszeit erfolgen einerseits an die betriebliche Auslastung,325 andererseits an die individuellen Wünsche der Erwerbsbevölkerung. Das Eingehen auf die beiderseitigen individuellen Wünsche begünstigte seit Ende der 1970er Jahre die Arbeitszeitflexibilisierung und das Entstehen diverser Arbeitszeitmodelle. Damit wurde vom »Normalarbeitsverhältnis« abgewichen und das Ende der »Einheitlichkeit« von Arbeitszeiten eingeleitet. Voss und Warsewa sehen zudem in den Arbeitszeitverkürzungen eine Mitursache für die Ausbreitung flexibler Arbeitszeitmodelle, da verkürzte individuelle Arbeitszeiten an verlängerte Betriebszeiten angepasst werden mussten.326 Wegen der neuen Debatten wurden abweichende Arbeitszeiten den flexiblen Arbeitszeitmodellen und nicht wie später den atypischen Beschäftigungsverhältnissen zugeordnet. In den 1980er Jahren wurden Arbeitszeitmodelle auf ihre Vor- und Nachteile hin untersucht. In ersten Analysen ging die Bandbreite flexibler Arbeitszeitmodelle von Staffelzeit mit Wahlmöglichkeit über die Mischform Staffelzeit/ Gleitzeit, Gleitzeit, variable Arbeitszeit, k apovaz bzw. frequovaz und Jobsharing bis hin zu Jahresarbeitsverträgen bzw. Bandbreitenmodellen als flexible Arbeitszeitregelungen.327 Ferner wurden Teilzeitarbeit, Dekadenarbeit, gleitendes Wochenende sowie Sabbaticals als flexible Arbeitszeitmodelle aufgefasst und untersucht. 321 Vgl. Hielscher 2000  : 9. 322 Vgl. Teriet 1979  : 51. 323 Jürgens 2007  : 170. 324 Vgl. Jürgens 2007  : 170. 325 Vgl. Flecker/Hermann/Mairhuber 2001  : 202. 326 Voss/Warsewa 2006  : 135. 327 Vgl. Stemberger 1983a  : 9f.; Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1984.

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Besondere Ablehnung erfuhren in dieser Phase k apovaz bzw. frequovaz ebenso wie Arbeit auf Abruf. Ab Mitte der 1990er Jahre erfolgte durchwegs328 eine Zuordnung zu atypischen Beschäftigungsverhältnissen,329 und es wurde eine Ausweitung auf größere Teile der Erwerbsbevölkerung, hier vor allem bei Frauen, festgestellt, wenngleich Flecker zufolge etwa 75 % der Erwerbsbevölkerung weiterhin im Rahmen eines Normalarbeitsverhältnisses tätig waren.330 Diese Verschiebung der Verortung ursprünglich »rein« flexibler Arbeitszeitmodelle in Richtung atypischer Beschäftigungsverhältnisse zeigt das Voranschreiten des gesellschaftlichen Wandlungsprozesses. Das wesentlichste flexible Arbeitszeitmodell atypischer Beschäftigung stellt dabei nach Tálos die Teilzeitarbeit dar.331 Wichtig für deren Verbreitung waren die Schaffung eines Zugangs zur Erwerbsarbeit und zugleich die Abwendung drohender Erwerbslosigkeit.332 Teilzeitarbeit als flexibles wie atypisches Arbeitszeitmodell zu betrachten ist insofern problematisch, als damit davon ausgegangen wird, das männlich tradierte »Normalarbeitsverhältnis« habe als normal zu gelten. Das weiblich dominierte Beschäftigungsverhältnis Teilzeitarbeit wird dagegen aufgrund seines vom »Normalarbeitsverhältnis« abweichenden Stundenausmaßes als anormal und atypisch gekennzeichnet, obwohl diese »Art des Normalarbeitsverhältnisses« für einen Teil der Erwerbsbevölkerung als durchaus normal zu erachten ist. Wie sich für die Zweite Republik zeigt, war der Wunsch nach einem zeitlich gekürzten Normalarbeitsverhältnis bereits vor der Herausbildung des männlich tradierten »Normalarbeitsverhältnisses« gegeben, so dass die weiblich dominierte Teilzeitarbeit durchaus als Fortsetzung dieses Begehrens gelten kann und insofern ein gendersegmentiertes »Normalarbeitsverhältnis« darstellt. Das Aufbrechen traditioneller Arbeitszeitmuster führte zu der Frage nach der Notwendigkeit neuer Regelungsmechanismen,333 die teilweise über die Arbeitszeit­ gesetznovellen implementiert wurden. Prinzipiell erkennt E. Holzinger in den Diskussionen darüber, warum es zu einer Zunahme dieser atypischen Beschäftigungsmodelle gekommen ist, zwei Argumentationslinien. Zum einen bedürfe der strukturelle Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft einer Flexibilität von Unternehmen und Beschäftigten, und das Interesse an Flexibilität liege durchaus auf bei328 Vgl. Tálos 1994  : 49  ; Tálos 1999b  ; Spreitzer 1999  : 16  ; Wörister 2003  : 571  ; Kirisits 2003  : 40ff.; Pöschl 2004  : 11  ; Eichmeyer 2004  : 10ff. 329 Für Spreitzer wird die Zuordnung flexibler Beschäftigung zu atypischen Beschäftigungsverhältnissen aufgrund besserer Anpassungsmöglichkeiten an Schwankungen des betrieblichen Bedarfs vollzogen. Vgl. Spreitzer 1999  : 16. 330 Vgl. Flecker 1999  : 6 und 19f. 331 Vgl. Tálos 1999b  : 267. 332 Vgl. Tálos 1999b  : 276. 333 Vgl. d’Aron 2000  : 350.

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den Seiten. Zum anderen sei eine Flexibilität erforderlich, wobei der Strukturwandel nicht als automatisch ablaufender Prozess zu sehen sei, sondern vielmehr die Flexibilisierungsstrategien auf ihre positiven und negativen Auswirkungen auf die Beteiligten zu überprüfen seien.334 Darüber hinaus hält E. Holzinger fest, dass durchaus Überschneidungen dieser Argumentationsstränge erkennbar seien.335 Vobruba merkte schließlich an, dass atypische Beschäftigungsverhältnisse die Basis von und für Flexibilitätsarrangements darstellen können336 und nicht automatisch Flexibilität bedeuten. 2.3.2.2 Auswirkung der Arbeitszeitflexibilität Die Arbeitszeitflexibilisierung hat zur Folge, dass Dauer, Lage, Verteilung und/oder Ort der mit Arbeit verbrachten Zeit sich verändern und so eine Anpassung an andere, teilweise fix vorgegebene Rhythmen immer schwieriger wird. Es lassen sich dabei drei wesentliche Stoßrichtungen erkennen  : 1) Variierung der Betriebszeit als Summe der individuellen Arbeitszeiten  ; 2) Entkoppelung der Betriebszeit von den individuellen Arbeitszeiten  ; 3) Intensivierung der Nutzung von Betriebs- und Individualarbeitszeiten.337 Neben dem betrieblichen Wunsch nach einer Arbeitszeitflexibilisierung nahmen in den Diskussionen die Arbeitnehmerwünsche einen breiten Raum ein. Die Arbeitszeitflexibilisierung bewegt sich somit zwischen »struktureller« und »zeitsouveräner« Flexibilität, wenngleich eine Begrenzung individueller Zeitautonomie durch betriebliche Zeitautonomie infolge der Bedürfnisse und Anforderungen des Betriebes gegeben ist.338 Strukturelle Flexibilität

Zeitsouveräne Flexibilität

Aufgrund verschiedener Push- und Pull-Kräfte betrieblich und/oder gesellschaftlich induzierte, formelle Flexibilität

Individuelle und informelle Zeitautonomie, welche dem Beschäftigten innerhalb der strukturellen Flexibilität und in Abhängigkeit der (sic  !) eigenen Zeitkompetenzen möglich ist.

Tab. 3  : Unterscheidung »strukturelle« und »zeitsouveräne« Flexibilität Quelle  : Breu 1999  : 29.

334 Vgl. E. Holzinger 2001  : 9. 335 Vgl. E. Holzinger 2001  : 9. 336 Vgl. Vobruba 2006  : 199. 337 Altun 2005  : 33. 338 Vgl. Breu 1999  : 26ff.

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Insofern bedeuteten die betrieblichen und individuellen Anpassungen an die jeweiligen Bedürfnisse nichts anderes als eine Verschiebung der Arbeitszeitgrenzen weg von den bislang als »normal« gedachten Arbeitszeitnormen. Damit ging ein Verlust der Prägekraft dieser Arbeitszeitgrenzen einher.339 Aufgrund voranschreitender Arbeitszeitflexibilisierung bedeutet dies für Jürgens  : »Dauer, Lage und Verteilung variieren nicht nur nach Berufsgruppen, sondern dieselbe Person arbeitet mitunter in allen drei Dimensionen hochgradig flexibel.«340 Dies führt zwangsläufig dazu, dass der Begriff »Arbeitszeit« augenblicklich einem Wandel unterworfen ist. So verschwindet die bisherige Deutung von »Arbeitszeit« immer mehr aus der Realität.341 Dadurch erodiert auch das Normalarbeitsverhältnis. Dies macht sich an einer Verschiebung der sozialen Umwelt, des Sozialraums bzw. des Erlebens der sozialen Zeit bemerkbar und hängt speziell mit der vielfach empfundenen und zum Teil praktizierten sozialen, räumlichen und zeitlichen Entgrenzung von Arbeit bei gleichzeitiger Aufweichung tariflicher und sozialer Absicherung zusammen 342 2.3.3 Zwischen Flexibilität und Sicherheit – Flexicurity Flexibilisierungsdebatten blendeten zunächst die soziale Sicherheit weitgehend aus.343 Erstmals Mitte der 1990er Jahre wurde ein Zusammenhang zwischen »flexibility« und »security« hergestellt. Erste Diskussionen lassen sich für Deutschland Ende der 1990er Jahre feststellen und für Österreich ab dem Zeitpunkt der EU-Präsidentschaft 2006 mit einer Hochphase in 2007.344 Besonders im Vorfeld der Novelle des Arbeitszeitgesetzes von 2008 wurde die Auseinandersetzung mit dem Begriff »Flexicurity« bedeutend. Ihm war während der EU-Präsidentschaft Österreichs 2006 eine Sonderstellung eingeräumt worden.345 Für den damaligen Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Martin Bartenstein (ÖVP) setzte die Kontroverse bei der Frage an, wie die europäische Wettbewerbspolitik mit der Sicherung des europäischen Lebensmodells verbunden werden könne.346 Wesentlich ist die Vorstellung, dass es nicht entweder um Flexibilität oder soziale Sicherheit347 geht, sondern ausdrücklich um das Zusammenspiel beider Kom339 Vgl. Jürgens 2007  : 167. 340 Jürgens 2007  : 167. 341 Altun 2005  : 35. 342 Böhnisch/Schröer 2005  : 134. 343 Keller/H. Seifert 2008  : 4. 344 Vgl. Vobruba 2006  : 198  ; Keller/H.  Seifert 2008  : 4  ; Hinterseer 2011  : 58. 345 Vgl. Keller/H. Seifert 2008  : 21  ; Hinterseer 2011  : 58. 346 Bartenstein 2006  : 74. 347 Arbeit und Wirtschaft 2006  : 22.

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ponenten. Jørgensen und Madsen sehen darin, dass Flexibilität und Sicherheit keinen Widerspruch darstellen, die fundamentale Idee dieses Konzepts.348 Mit ihm soll letztendlich ein Umgang mit den Paradoxien und inneren Widersprüchen von Flexibilisierung349 geregelt und darüber hinaus eine simple Lösung für komplexe Probleme offeriert werden.350 Keller und H. Seifert attestieren deshalb der Beschäftigung mit Flexicurity den Versuch, »Interessen nicht nur der Arbeitgeber, sondern auch der Arbeitnehmer an sozial gesicherten Beschäftigungsverhältnissen gleichgewichtig und gleichrangig zu berücksichtigen.«351 Fernerhin drücke Flexicurity, so Kronauer und Linne, die Zuversicht aus, eine zentrale Dimension gegenwärtiger gesellschaftlicher Umbruchsprozesse – die fortschreitende Ausdifferenzierung von Arbeitsorganisation, Beschäftigungs- und Lebensverhältnissen – als Permanenz von Dynamik und Wandel akzeptieren und, wichtiger noch, gestalten zu können.352

Als Paradebeispiele für die Implementierung gelten sicherlich die Niederlande und Dänemark. Beide Staaten interpretieren allerdings Flexicurity anders.353 Die Idee kam erstmals Mitte der 1990er Jahre in den Niederlanden auf.354 Die Grundlage lieferte dabei die Verknüpfung von Ideen zur Deregulierung des Arbeitsrechts und zum Um- und Ausbau der Sozialpolitik.355 In den Niederlanden wurde ein hoher Beschäftigungsschutz mit einer hohen Variabilität von Beschäftigungsverträgen kombiniert.356 Grundsätzlich wurde damit versucht, ein Ungleichgewicht, das aus der Inflexibilität des Arbeitsmarkts für Kernbelegschaften und der Unsicherheit des Arbeitsmarktes für Randbelegschaften entstanden war, auszugleichen.357 Damit wurde einerseits eine Modifikation der Beschäftigungssicherheit der Kernbelegschaften erreicht, und andererseits verbesserte sich die soziale Sicherheit von Erwerbspersonen in atypischen Beschäftigungsverhältnissen.358

348 H. Jørgensen/Madsen 2007  : 7. 349 Kronauer/Linne 2005  : 14. 350 Hinterseer 2011  : 58  ; Hinterseer 2014  : 83. 351 Keller/H. Seifert 2008  : 4. 352 Kronauer/Linne 2005  : 9. 353 Vgl. Leschke/Schmid/Griga 2006  : 1. 354 Vgl. Keller/H. Seifert 2002  : 90  ; Kronauer/Linne 2005  : 14  ; Cazes/Nesporova 2007  : 4  ; H.  Jørgensen/ Madsen 2007  : 9  ; Keller/H.  Seifert 2008  : 4  ; Fink 2006  : 62. 355 Vobruba 2006  : 198. 356 Vgl. Leschke/Schmid/Griga  : 1. 357 Vgl. H. Jørgensen/Madsen 2007  : 9  ; Keller/H.  Seifert 2008  : 4  ; Oorschot 2004  : 216ff. 358 Vgl. H. Jørgensen/Madsen 2007  : 9  ; Keller/H.  Seifert 2008  : 4.

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Stellten die Niederlande den Ausgangspunkt dar, so wurde Dänemark zum Vorzeigemodell der Umsetzung der Flexicurity. Wie in den Niederlanden erfolgte eine erste Anwendung Ende der 1990er Jahre. Das Flexicurity-Konzept des dänischen Arbeitsmarkts basiert auf einem »Goldenen Dreieck«. Eckpfeiler sind ein geringer gesetzlicher Kündigungsschutz, hohe Arbeitslosenunterstützungen sowie eine aktive Arbeitsmarktpolitik.359 Sowohl das niederländische als auch das dänische Modell waren erfolgreich, wodurch diese Art der Anwendung grundsätzlich als nachahmenswert galt360 – zumindest bis zur Wirtschaftskrise von 2008, als eine kritische Betrachtung des Konzepts einsetzte. Die Erfahrungen Dänemarks dienten als Ausgangspunkt für die Diskussion über »Flexicurity« in Europa.361 Aspekte lassen sich in zahlreichen nationalen und internationalen Systemen, wie z. B. der Lissabon-Strategie der EU, der globalen Beschäftigungsagenda der ILO sowie in Österreich, Belgien und den skandinavischen Staaten erkennen.362 Generell können unterschiedliche Mischformen von Flexibilität und sozialer Sicherheit konstatiert werden, die bereits vor der Flexicurity-Debatte installiert worden waren, so dass es wohl kein einheitliches Modell für die europäische Ebene gibt.363 Grundsätzlich wird darauf abgezielt, eine Neujustierung sozialstaatlicher Institutionen zu erreichen.364 Dabei soll dieses Modell als Basis für eine Anpassungs- und Wettbewerbsfähigkeit bei einem gleichzeitig hohen Niveau der sozialen Sicherheit dienen.365 Vor allem der Abbau von Modalitäten des Kündigungsschutzes spielte bei der Ausarbeitung des Flexicurity-Konzepts keine unwesentliche Rolle. Wichtig ist die Abstimmung zwischen Flexibilität und sozialer Sicherheit. Sie hat derart zu erfolgen, dass unterschiedliche Formen von Flexibilitäts-Stabilitäts-Arrangements366 realisierbar werden. Trotz all dieser Entwicklungen stellen Keller und H. Seifert 2008 fest, dass ein klar strukturiertes Konzept mit einem konsistenten Handlungsrahmen fehle.367 Eine einheitliche Definition von Flexicurity scheint es somit nicht zu geben. Sie kann jedoch als »soziale Sicherheit für flexibel Beschäftigte«368 aufgefasst werden,369 359 Vgl. H. Jørgensen/Madsen 2007  : 9 und 12f.; Keller/H. Seifert 2008  : 4  ; Leschke/Schmid/Griga  : 1  ; European Commission 2006  : 78  ; Braun 2003  : 96. 360 Vgl. Keller/H. Seifert 2008  : 4. 361 Kaufmann/Schwan 2007  : 2. 362 Vgl. Cazes/Nesporova 2007  : 4  ; H.  Jørgensen/Madsen 2007  : 10  ; Keller/H.  Seifert 2008  : 21ff. 363 Vgl. Bartenstein 2006  : 77. 364 Kronauer/Linne 2005  : 15. 365 Bartenstein 2006  : 74. 366 Vobruba 2006  : 199. 367 Keller/H. Seifert 2008  : 4. 368 Wilthagen/Tros 2004  : 170. 369 Vgl. Klammer/Tillmann 2001  : 16ff.

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wobei die Definition von Wilthagen und Rogowski als prototypisch gilt. Sie definieren Flexicurity als a policy strategy that attempts, synchronically and in a coordinated way, to enhance, on the one hand, the flexibility of labour markets and the organization of work and labour relations and, on the other, employment security and social protection, notably for vulnerable groups inside and outside the labour market.370

Wesentliche Merkmale dieser Definition371 sind das gleichzeitige Fördern von Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt einerseits und sozialer Sicherheit andererseits, die geforderte Abstimmung von Flexibilisierung und sozialer Sicherheit sowie die Konzentration des Maßnahmenpaketes auf schwächere Gruppen außerhalb des Arbeitsmarktes.372 Dadurch soll das Mehr an Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt mit sozialer Sicherheit verbunden werden.373 Diese Verbindung führte schließlich zu Untersuchungen über die Verbreitung von Flexicurity und zu Versuchen, die europäischen Staaten mit Blick auf Grad und Art der Flexicurity einzuordnen.374 Wesentlich ist hierfür die Unterscheidung von interner und externer Flexibilität.375 Interne Flexibilität376 zielt darauf ab, Beschäftigte an den Betrieb zu binden, wenngleich Arbeitnehmer Einkommenseinbußen im Rahmen von Flexibilisierungsmaßnahmen akzeptiert würden.377 Arbeitszeitflexibilisierung ist ein wesentlicher Bestandteil der internen Flexibilisierung.378 Interne Fle370 Wilthagen/Rogowski 2002  : 250. 371 Klammer und Tillmann kritisieren diese Definition als zu stark auf die Arbeitsmarktpolitik konzentriert, was zu einer nicht ausreichenden Erfassung der »Eigenständigkeit und Unterschiedlichkeit verschiedener Bereiche sozialer Sicherung« führe und zum anderen die »Rück- und Wechselwirkungen, bezogen auf die Arbeitsmarktstrukturen«, nicht berücksichtige. Darüber hinaus gehe die Definition davon aus, dass die Zunahme der Flexibilisierung durch die gleichzeitige Implementierung eines »Mehr« an Sicherheit unterstützt werden solle. Für Keller und H. Seifert wiederum ist die genannte Definition vage  ; sie biete daher Spielraum für unterschiedlichste Auslegungen. Dieser Kritik an der vagen Konzeption eines europäischen Flexicurity-Konzepts schließt sich Hinterseer an. Vgl. Klammer/Tillmann 2001  : 16  ; Keller/H.  Seifert 2008  : 6  ; Hinterseer 2011  : 70. 372 Vgl. Klammer/Tillmann 2001  : 16  ; Ebert 2012  : 47. 373 Arbeit und Wirtschaft 2006  : 22. 374 Vgl. Wilthagen/Tros 2004. 375 Keller und H. Seifert merken in diesem Zusammenhang an, dass der Flexibilitätsbegriff lange Zeit unreflektiert gebraucht und zwischen Formen und deren Funktionen nicht systematisch unterschieden worden sei. Vgl. Keller/H. Seifert 2008  : 6. 376 Als Maßnahmen interner Flexibilisierung gelten nach Keller und H. Seifert Anpassungen der Dauer der Arbeitszeit, des Einkommens, der Arbeitsorganisation und der Qualifikation. Keller/H. Seifert 2008  : 7. 377 Vgl. Hinterseer 2011  : 58f. 378 Vgl. Keller/H. Seifert 2008  : 11.

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xibilität bedeutet mit Blick auf die »Flexicurity«, dass die Sozialpolitik auf atypische Beschäftigungsverhältnisse abgestimmt wird. Externe Flexibilität zielt dagegen auf die traditionelle Strategie einer Anpassung der Beschäftigtenzahl ab.379 Dies kann über Entlassungen genauso wie über den vermehrten Einsatz von Leiharbeit erfolgen. Grundsätzlich meint externe Flexibilität, dass Sozialpolitik und aktive Arbeitsmarktpolitik tragende Rollen einnehmen und zugleich diskontinuierliche Arbeitsbiographien in kontinuierliche Erwerbsbiographien umgewandelt werden sollen.380 Neben dieser Unterscheidung ist bei Flexicurity naturgemäß die soziale Sicherheit wichtig. Hinsichtlich dieser Komponente besteht in Literatur und Forschung kaum eine gemeinsame Basis.381 In länderübergreifenden Studien wird vor allem eine Verortung von Flexicurity versucht. Für Tangian, der Flexicurity vornehmlich anhand der Abweichungen von Normalarbeitsverhältnissen misst, zeigte sich, dass Österreich in puncto Flexicurity einen Mittelfeldplatz einnimmt und zwischen 1995 und 2003 ein Rückgang sozialer Sicherheit382 zu beobachten ist.383 Cazes und Nesporova halten wiederum fest, dass eine Verlagerung des Schwerpunkts von der Arbeitsplatzsicherheit zur Beschäftigungssicherheit mit einer Verbesserung der Flexibilität durch Sicherheit erkennbar sei und die österreichische Tradition der Sozialpartnerschaft ein Adaptieren des Flexicurity-Konzepts fördere.384 Nach dem Flexicurity-Security-Nexus der Europäischen Kommission zählt Österreich zu einer Gruppe mit Deutschland, Belgien und Frankreich, so dass es dem kontinentalen System zugeordnet werden kann.385 Zugleich nimmt Österreich innerhalb dieser Verortung beinahe einen Platz im Zentrum ein, wodurch eine mittlere Verbreitung von Flexibilität und Sicherheit gegeben ist. Seit den 1980er Jahren lässt sich eine Zunahme der Flexibilisierung erkennen. Besonders die Gehälterflexibilität

379 Keller/H. Seifert 2008  : 7. 380 Vgl. Vobruba 2006  : 203 Vgl. Hinterseer 2011  : 59. 381 Aufgrund einer bislang fehlenden gemeinsamen Unterscheidung der Dimensionen sozialer Sicherheit schlagen Keller und H. Seifert als Kriterien ein subsistenzsicherndes Einkommen, die Integration sozialer Sicherheit in bestehende Systeme mit der Unterscheidung in Erwerbs- und Nacherwerbsphase, die Beschäftigungssicherheit und die Beschäftigungsstabilität vor. Zwischen den einzelnen Dimensionen der sozialen Sicherheit bestehen darüber hinaus wechselseitige Beziehungen. Leschke, Schmid und Griga wiederum unterscheiden bei der sozialen Sicherheit Arbeitsplatzsicherheit, Beschäftigungssicherheit, Einkommenssicherheit und Sicherheit der Option bei der Auswahl von Beschäftigung. Vgl. Keller/H. Seifert 2008  : 8f.; Leschke/Schmid/Griga 2006  : 3. 382 Vgl. Tangian 2006  : 19  ; Hinterseer 2011  : 60. 383 Hinterseer konstatiert zudem aus den Daten (Figure 2) von Tangian ein Mehr an Flexibilität, was m. E. nicht der Fall ist. Vgl. Hinterseer 2011  : 60  ; Tangian 2006  : 19. 384 Vgl. Cazes/Nesporova 2007  : 5. 385 Hinterseer 2011  : 63.

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stieg in diesem Zeitraum stark an.386 Im gleichen Zeitraum sind ein Rückgang von Arbeitsplatz- und Beschäftigungssicherheit sowie ein Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit festzustellen.387 Insgesamt weist Österreich einen durchschnittlichen Flexicurity-Grad auf.388 Auch das »Flexicurity-Paket« von 2007 dürfe, so Hinterseer, nicht darüber hinwegtäuschen, dass es keineswegs einer stringenten und konsequenten »Flexicurity-Politik«389 entspreche, obwohl die unterschiedliche Praxis etwa in den Niederlanden und Dänemark keinen einheitlichen Rückschluss auf eine stringente Flexicurity-Strategie erlaubt. Hinterseer zieht für Österreich folgenden Schluss  : Die Grundkonzeption des Flexicurity Modells ist also nichts anderes als eine in Österreich seit 1945 gängige Arbeitsmarktpolitik  : Die Interessenslagen zwischen Kapital (Flexibilität) und Arbeit (soziale Sicherheit) werden durch Interessensgruppen, vermittelt über verschiedene Verhandlungsmodi, versucht auszubalancieren. […] Das vom Nationalrat verabschiedete »Flexicurity Paket« als Ausdruck eines solchen korporatistischen, sprich sozialpartnerschaftlichen Verhandlungsmusters hätte vor und nach 2006 mit größter Wahrscheinlichkeit »Arbeitsmarkt-Paket xy« geheißen.390

Im Kern kann dieser Argumentation gefolgt werden, da der sozialpartnerschaftliche Weg Österreichs immer versuchte, den Interessenausgleich zu fördern. Wenn auch das System der Sozialpartnerschaft unter neuem Namen391 gebraucht wird, so bedeutet die Debatte – abseits der Sichtbarmachung der Entwicklungstrends der Dimensionen Flexibilität und Sicherheit auf dem Arbeitsmarkt392 – für die Entwicklung der Arbeitszeit, dass nicht mehr nur Arbeitszeitflexibilisierung isoliert auf der einen Seite und Arbeitszeitverkürzung mit dem Aspekt sozialer Sicherheit auf der anderen Seite stehen, sondern vielmehr durch die Aufnahme des Sicherheitsaspekts auf Seiten der Flexibilisierung leichter eine gemeinsame Basis für zukünftige Verhandlungen gefunden werden kann, als wenn stets nur das Trennende im Mittelpunkt steht.

386 Vgl. Fink 2006  : 92. 387 Vgl. Fink 2006  : 91f. 388 Vgl. Hinterseer 2011  : 64. 389 Hinterseer 2011  : 67  ; Hinterseer 2014  : 149. 390 Hinterseer 2011  : 70. 391 Hinterseer 2011  : 72. 392 Hinterseer 2011  : 70.

3. Politische und ökonomische Rahmenbedingungen

Das 2. Kapitel schuf ein theoretisches Fundament zu den Begriffen »Zeit« bzw. »Arbeitszeit«. In diesem Kapitel soll zur weiteren Fundierung die wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Entwicklung der Zweiten Republik in einem kurzen Abriss dargestellt werden.

3.1 Akteure und Strukturen der Wirtschafts- und Arbeitsbeziehungen Charakteristisch für den Start der Zweiten Republik war der Rückgriff auf das Institutionenset der Ersten Republik.1 Damit wurde die wirtschaftliche und politische Wiedererrichtung angestrebt. Stabilität sollte mit der Sozialpartnerschaft erreicht werden. Neben der Etablierung sozialpartnerschaftlicher Strukturen waren für die Ausgestaltung der Wirtschaftsordnung die Gestaltung der Eigentumsordnung und die Gestaltung der Märkte wichtig.2 Die Sozialpartnerschaft und das Institutionenset förderten einerseits das Entstehen von großen Wirtschaftsverbänden und andererseits eine direkte Einflussnahme auf die politischen Parteien sowohl durch die Arbeitgeber- als auch durch die Arbeitnehmerverbände. Hauptakteure der Wirtschafts- und Sozialpolitik sind durch Wahlen legitimierte Parteien, insbesondere jene ihrer Mitglieder, die in der Regierung mit den wirtschafts- und sozialpolitischen Ressorts betraut sind. Traditionell sind in Österreich nicht nur die Regierung und die Regierungsmitglieder, sondern auch die Sozialpartner eingebunden, wobei die Wirtschaftspolitik ebenfalls von wirtschaftlichen Interessengruppen geprägt wird.3 Diese Interessengruppen sind dabei entweder gesetzlich oder freiwillig organisiert. 3.1.1 Die gesetzlichen und freiwilligen Interessenvertretungen Die Kammern sind Einrichtungen der beruflichen Selbstverwaltung, haben den Status öffentlich-rechtlicher Körperschaften und sind mit bestimmten hoheitlichen Befugnissen ausgestattet.4 Sie zeichnen sich durch eine Pflichtmitgliedschaft aus. 1 Nautz 2007  : 74. 2 Nautz 2007  : 78. 3 Vgl. Nowotny 1997  : 24. 4 Neuhauser 1966  : 6.

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Wesentlich für die Kammern ist, dass sie mit einer Kollektivvertragsfähigkeit ausgestattet sind und dadurch sozialpolitische und arbeitsrechtliche Interessen wahrnehmen können.5 Kammern besitzen auch ein Begutachtungsrecht, so dass ihnen während des Begutachtungsverfahrens eine besondere Rolle zufällt.6 Aufgrund der Ausprägung von wissenschaftlichen Abteilungen sowie Weiterbildungsmaßnahmen haben die Kammern innerhalb der Sozialpartnerschaft nach Haller eher die Position von »Thinktanks« als die einer »echten« Interessenvertretung.7 Neben der Kammer der freien Berufe sind überwiegend die Kammer für Arbeiter und Angestellte als Vertretung der unselbstständigen Erwerbstätigen, die Wirtschafskammer als Vertretung der selbstständigen Erwerbstätigen und die LKO als Vertretung der in der Landwirtschaft selbstständig tätigen Bauern sowie der unselbstständig in der Landwirtschaft tätigen Landarbeiter8 prominente Akteure der Arbeitsbeziehungen. Darüber hinaus gibt es auch freie Verbände. Zu den Kernkompetenzen der AK zählen die Abgabe von Stellungnahmen und Vorschlägen zu Gesetzesentwürfen und -vorhaben, die Entsendung von Vertretungen in Körperschaften, die Mitwirkung an Maßnahmen sowie Einrichtungen, die das Arbeitsverhältnis betreffen oder zu einer Anhebung der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Arbeitnehmer führen, die Durchführung wissenschaftlicher Erhebungen oder die Information der Arbeitnehmer in wesentlichen Angelegenheiten.9 Die AK sollte zu einem Gegengewicht der Handelskammer werden  ; Pelinka und Rosenberger sehen dieses Gleichgewichtsdenken als Voraussetzung der Sozialpartnerschaft an.10 Die Wirtschaftskammer Österreich (WKO, bis 1994 BWK) ist neben der AK die bedeutendste gesetzliche Interessenvertretung. Kernbereiche ihrer Tätigkeiten sind die Unternehmensvertretung, die Förderung der Wirtschaft sowie die Wissensvermittlung.11 Die freien Wirtschaftsverbände zeichnen sich dadurch aus, dass sie keinen öffentlich-rechtlichen Status, keine Verankerung in der Verfassung und keine gesetzlich definierte Mitgliedschaft aufweisen.12 Bedeutend für die freiwilligen Interessenvertretungen sind deshalb der freiwillige Zusammenschluss, die Gegnerfreiheit und die Gegnerunabhängigkeit.13

 5 Vgl. Neuhauser 1966  : 6.  6 Vgl. Nowotny 1997  : 36  ; Grädel 2007  : 49.  7 Haller 2008  : 389.  8 Vgl. Pelinka/Rosenberger 2000  : 168f.  9 Vgl. BGBl. 626/1991  : 2593f. 10 Vgl. Pelinka/Rosenberger 2000  : 169. 11 Vgl. WKO 2013  : 4. 12 Pelinka/Rosenberger 2000  : 172. 13 Vgl. Eichinger/Kreil/Sacherer 2015  : 178.

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Der ÖGB, der 1945 wiedergegründet wurde, ist die wichtigste Arbeitnehmervertretung. Er grenzte sich explizit von seiner Vorgängerorganisation in der Ersten Republik ab. Kennzeichnend dafür war die Abkehr von der politischen Fragmentierung durch einen einheitlichen, parteiübergreifenden Gewerkschaftsbund,14 so dass eine Einheitsgewerkschaft15 entstehen konnte. Mit diesem De-facto-Monopol konnte die Anzahl an Einzelgewerkschaften, der Teilorganisationen des ÖGB, auf niedrigem Niveau gehalten werden.16 Trotz seiner Überparteilichkeit ist der ÖGB intern in politische Fraktionen unterteilt.17 Er ist in acht Landesorganisationen (ohne Wien) auf Landesebene gegliedert. Zusätzlich besteht eine sektorale Gliederung mit Einzelgewerkschaften. Ferner gibt es mit der Frauen- oder Jugendabteilung spezielle Abteilungen. Die zentralistischen Organe des ÖGB sind der Bundeskongress, die Vorständekonferenz, der Bundesvorstand, das Präsidium und die Kontrollkommission. Zu seinen Kernaufgaben zählen die Lohnpolitik und die Kollektivvertragsverhandlungen. Auf Arbeitgeberseite ist die VÖI eine bedeutende Interessenvertretung. Bis Ende der 1980er Jahre war sie weniger einflussreich als die WKO, da eine Vielzahl der Industriebetriebe verstaatlicht, der Privatsektor der Industrie nur gering entwickelt und die WKO in entscheidenden Gremien und Kommissionen eingebunden war.18 Seit dem EU-Beitritt konnte die VÖI an Bedeutung gewinnen, u. a. wegen ihres Beitritts zur UNICE, von der staatliche Interessenvertretungen ausgeschlossen sind.19 3.1.2 Entscheidungsstrukturen Das Handeln der Akteure erfolgt auf unterschiedlichen, aber vielfach miteinander verbundenen Ebenen. Auf der legislativen Ebene ist das Parlament wesentlich  ; wobei vieles auf der Basis von Regierungsvorlagen erfolgt, vor allem in Bezug auf Fragen der Finanz-, Geld- und Währungs-, der Außenhandels-, der Wettbewerbs- und der Sozialpolitik.20 Im Rahmen der Sozialpartnerschaft können wichtige Fragen schon zuvor entschieden werden, was relativ rasche Entscheidungsprozesse und eine stärkere Berücksichtigung gesamtwirtschaftlicher Interessenlangen ermöglicht.21 Daneben gibt es die Ebene der Exekutive, die von der Bundesregierung eingenom-

14 Plaschg 2008  : 36. 15 Butschek 1996  : 95. 16 Vgl. Plaschg 2008  : 36. 17 Blaschke 2008  : 80  ; Pelinka/Rosenberger 2000  : 174. 18 Vgl. Plaschg 2008  : 41. 19 Vgl. Plaschg 2008  : 42. 20 Nowotny 1997  : 29. 21 Vgl. Nowotny 1997  : 29.

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men wird, die Ebene der Rechtsprechung und die internationale Ebene, die seit der Mitgliedschaft in der EU weiter an Bedeutung gewonnen hat. Die Arbeitgebervertretungen, aber auch die Arbeitnehmervertretungen arbeiten eng zusammen und auch die führenden Persönlichkeiten der jeweiligen gesetzlichen und freiwilligen Interessenvertretungen sind oft in beiden anzutreffen. Ferner sind die Verbände in die Parteien eingebunden, so dass über die Ebene des Parlaments gleichfalls Einfluss genommen werden kann. Die Strukturen, die zu den Entscheidungen für die österreichische Wirtschaftspolitik führten, wurden zudem von wichtigen Grundlagen und Voraussetzungen beeinflusst. Dazu sind die Kleinheit des Wirtschaftsraumes, die historische und politische Entwicklung sowie die Eigentumsstrukturen der österreichischen Wirtschaft zu zählen.22 Mit dem Beitritt zur EU veränderten sich die Strukturen und die Akteure der Wirtschaftspolitik. Zu Letzteren zählen nun auch die Europäische Kommission und der Rat der Wirtschafts- und Finanzminister, die seither einen wesentlichen Teil der österreichischen Wirtschaftspolitik von Brüssel aus bestimmen.23 3.1.3 Arbeitszeitpolitische Positionierung der Akteure Die österreichische Arbeitszeitpolitik wird von den Interessenvertretungen und den Parteien geprägt. Stark vereinfacht lässt sich eine Grundpositionierung der Taktgeber der österreichischen Arbeitszeitpolitik herausfiltern. Die arbeitszeitpolitische Positionierung von Interessenvertretungen und Parteien kann jedoch nicht unabhängig voneinander betrachtet werden, da Überlappungen aufgrund der Integration der Führungspersönlichkeiten der jeweiligen Interessenvertretungen mit den Führungspositionen der Parteien ein zentrales Merkmal der österreichischen Politik sind. Die politische Entwicklung wurde maßgeblich von der SPÖ und der ÖVP gestaltet. Abgesehen von kurzen Phasen der Einbindung der KPÖ, der FPÖ bzw. des BZÖ in eine Bundesregierung waren und sind es diese Parteien, die Arbeitszeitpolitik betreiben. SPÖ und ÖVP stehen prinzipiell für eine einander diametral entgegengesetzte Arbeitszeitpolitik, trotz allem sind die ergriffenen Maßnahmen zur Gestaltung und Durchsetzung der jeweiligen Argumentationslinie jedoch aufeinander bezogen. SPÖ und ÖVP stellen, wenn man so möchte, gewissermaßen das »Yin und Yang« der österreichischen Arbeitszeitpolitik dar  : Auf der einen Seite findet sich die SPÖ mit der »Grundposition« der Verkürzung von Arbeitszeit, auf der anderen die ÖVP, die über einen langen Zeitraum der Zweiten Republik die Rolle des Bewahrers des Status quo – aus Sicht der anderen ist dies mit einer Position der Verhinderung von Arbeitszeitverkürzung gleichzusetzen – einnahm und seit dem Aufkommen der 22 Vgl. Nowotny 1997  : 24. 23 Lauber/Pesendorfer 2006  : 609.

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Thematik »Arbeitszeitflexibilisierung« für eine solche als Ausweg zur Arbeitszeitverkürzung eintritt. Neben der Schaffung flexibler Arbeitszeiten möchte die ÖVP eine Verschiebung der Arbeitszeitpolitik hin auf die betriebliche oder einzelvertragliche Ebene erreichen – eine Positionierung, die ebenfalls von der FPÖ vertreten wird. Das »Yin und Yang« der Arbeitszeitpolitik auf der Ebene der Interessenvertretung bilden die BWK und die IV auf der einen Seite und der ÖGB und die AK auf der anderen. Vertreter von BWK und IV finden sich mehrheitlich in der ÖVP wieder. Wenig überraschend treten BWK und IV nicht für eine Reduktion von Arbeitszeit ein, sondern wollen den Status quo aufrechterhalten und die Arbeitszeit wenn möglich nicht gesetzlich regeln. Infolgedessen gestalten sie die Strategie »Arbeitszeitflexibilisierung« aktiv mit und versuchen über diese zum einen eine Verlängerung der Arbeitszeit zu erreichen und zum anderen Arbeitszeitpolitik auf die betriebliche oder einzelvertragliche Ebene zu verlagern. ÖGB und AK wiederum treten für eine Verkürzung der Arbeitszeiten ein.

3.2 Ziele der Wirtschaftspolitik Als Ziele der Wirtschaftspolitik können das Wirtschaftswachstum, die Geldwertstabilität, die Vollbeschäftigung und eine ausgeglichene Zahlungsbilanz betrachtet werden. Grundsätzlich umfasst die Wirtschafts- und Sozialpolitik all jene politischen und verbandlichen Aktivitäten und staatlichen Maßnahmen,24 mit denen in den Wirtschaftskreislauf eingegriffen wird. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg bedeutete dies das Sichern des Wiederaufbaus und das Erreichen der Vollbeschäftigung. Bereits 1947 sah Nemschak in der Steigerung der Produktion das »oberste Ziel«25 und den »roten Faden«26 von Österreichs Wirtschaftspolitik. Als Grundvoraussetzung für das Verwirklichen galten die Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung und die Verbesserung der Energie-, Roh- und Hilfsstofflage.27 Mit dem Wiederaufbau setzten Produktionssteigerung und Wirtschaftswachstum ein. Parallel dazu sollte die Geldwertstabilität mittels mehrerer Lohn- und Preisabkommen erreicht werden. In den 1960er Jahren wurde die Sicherung der Geldwertstabilität, des Wirtschaftswachstums sowie der Vollbeschäftigung angestrebt. Damit sollte eine stärkere Liberalisierung und Weltmarktorientierung der österreichischen Wirtschaft erreicht werden.28 Um diese Ziele in den 1970er Jahren zu sichern, wurde eine Hart24 Lauber/Pesendorfer 2006  : 608. 25 Nemschak 1947  : 3. 26 Nemschak 1947  : 4. 27 Vgl. Nemschak 1947  : 4. 28 J. Eder 1998  : 77.

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währungspolitik betrieben, die in erster Linie auf die Abwehr der importierten Inflation unter Beibehaltung der Vollbeschäftigung ausgerichtet war.29 Ab Mitte der 1970er Jahre wurde die Rezession mit Hilfe des »Austro-Keynesianismus« bekämpft. Nach anfänglichen Erfolgen begann Anfang der 1980er Jahre die Arbeitslosigkeit zu steigen, womit das Vollbeschäftigungsziel zunehmend schwerer erreichbar wurde. Neben der Beschäftigungssicherung ging es um das Budgetdefizit. Zunächst wurde eher zögerlich darangegangen, das Defizit einzudämmen. Mit dem EU-Beitritt wurde verstärkt auf die Finanzlage der öffentlichen Hand und das Budgetdefizit geachtet, überwachte doch der Europäische Rat die Konvergenzkriterien. Diese dienten dem Schutz eines gemeinsamen Währungsraumes, und durch die Regelung übermäßiger Budgetdefizits sollten die Mitglieder der Währungsunion vor fiskalpolitischen Exzessen anderer Mitgliedsländer geschützt werden.30 Seit der Wirtschaftskrise 2008 wurden weitere Abkommen geschlossen. Der »Six Pack« umfasst ein sechsteiliges Maßnahmenpaket, das zur stärkeren Koordinierung von Fiskal- und Wirtschaftspolitik in der Euro-Zone dienen soll.31 Mit dem Fiskalpakt werden einige Maßnahmenregeln des »Six Pack« in einem völkerrechtlichen Vertrag festgehalten.32 Der Euro-Plus-Pakt soll die Wettbewerbsfähigkeit steigern, und im Rahmen des Vertrages sollen jährlich umsetzbare Ziele definiert sowie quantitative wirtschaftspolitische Ziele angegeben werden.33 Die Europa-2020-Strategie wiederum verpflichtet die EU-Mitgliedsstaaten zur Einhaltung quantitativer Ziele in den Bereichen Beschäftigung, Armutsbekämpfung, Bildung, Förderung von Forschung und Innovation und Klimaschutz.34

3.3 Spezifika der österreichischen Wirtschaftspolitik 3.3.1 Sozialpartnerschaft Die österreichische Wirtschaftspolitik ist geprägt von einem Zusammenspiel der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressenvertretungen. Langfristig konnte sich so die Sozialpartnerschaft entwickeln. Unter dieser versteht Tálos ein spezifisches Muster der Interessenvermittlung und Interessenpolitik, das von den großen Dachverbänden der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressenorganisationen

29 Schatzl 2006  : 72. 30 Vgl. T. Theurl 2007  : 269f. 31 Dullien/Treeck 2012  : 8. 32 Vgl. Dullien/Treeck 2012  : 8  ; Hilpold 2014  : 57f. 33 Vgl. Dullien/Treeck 2012  : 8  ; Hilpold 2014  : 56f. 34 Dullien/Treeck 2012  : 8.

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sowie der Regierung getragen wird. Dieses ist durch Kooperation, Konzentrierung (d. h. Einbindung der Dachverbände in politische Entscheidungen) und Interessenakkordierung zwischen den genannten Akteuren gekennzeichnet.35

Die Sozialpartnerschaft gibt es nicht nur in Österreich, sondern unter anderem auch in Großbritannien.36 Nach Definition der Europäischen Kommission sind Sozialpartner die Spitzenorganisationen auf Gewerkschafts- und Arbeitgeberseite in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten und auf EU-Ebene.37 Sozialpartnerschaft wird von Leiber daher definiert als »jene Formen der Beziehungen zwischen staatlichen Akteuren und den Sozialpartnerorganisation, die auf kooperativ-partnerschaftlichem Weg und in institutionalisierten Bahnen geregelt sind.«38 Im Sinne dieser Interaktionen lassen sich in zahlreichen Staaten, wie z. B. Norwegen, Schweden oder den Niederlanden, sozialpartnerschaftliche Handlungsweisen erkennen.39 Einsatzbereiche der Sozialpartnerschaft sind die Einkommens-, Wirtschafts-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik.40 Damit erfasst die Sozialpartnerschaft beinahe alle wichtigen Wirtschaftsbereiche und bezieht sich im Kern auf die kollektive Lohnfindung.41 Neben der Ausrichtung auf die Lohn- und Preispolitik zählen nach Pelinka und Rosenberger die Verwaltung der gesetzlich eingerichteten Sozialversicherungsinstitute, die Beratung der Regierung mittels Beiräten und Kommissionen in Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik sowie die Aufarbeitung wirtschaftlicher Entwicklungen über das Wirtschaftsforschungsinstitut zu den Funktionen der Sozialpartnerschaft.42 Die Anfänge gehen auf die Wiederaufbauphase und die Sozialpolitik im Rahmen der Lohn- und Preispolitik zurück.43 Bereits in den 1950er Jahren hatte das »Wirtschaftsdirektorium« versucht, die Sozialpartner in die Wirtschaftspolitik einzubeziehen. Nach einer Beschwerde der Vorarlberger Landesregierung vor dem VfGH musste dieses »Wirtschaftsdirektorium« wieder aufgelöst werden.44 Zu dieser Zeit zeichneten sich bereits die Muster der Sozialpartnerschaft ab. Die Komponenten dieses Musters sind ein mehrdimensionales Kooperationssystem zwischen Regierung und Interessenvertretung sowie die Berücksichtigung gesamtwirtschaftlicher 35 Tálos 2006  : 425. 36 Vgl. Leiber 2005  : 39f. 37 Leiber 2005  : 39. 38 Leiber 2005  : 40. 39 Vgl. Nautz 2004  ; Lauber 2005  ; Tálos 2006  : 425. 40 Tálos 2006  : 425  ; Tálos 2008  : 19ff. 41 Vgl. Nautz 2004  : 933. 42 Vgl. Pelinka/Rosenberger 2000  : 180f. 43 Vgl. Tálos 2006  : 426. 44 Vgl. Butschek 2004  : 45  ; Tálos 2006  : 427  ; Tálos 2008  : 24f.

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Ziele durch die beteiligten Akteure.45 Ende der 1950er Jahre erfolgten der Ausbau der Kooperation zwischen den Interessenverbänden und ihre Ausweitung auf die Sozial- und Wirtschaftspolitik.46 Von essentieller Bedeutung für die Wirtschafts- und Sozialpartnerschaft ist die Schaffung der Paritätischen Kommission für Preis- und Lohnfragen, die das Kernstück der sozialpartnerschaftlichen Institutionen in Österreich darstellt.47 Wichtige Unterausschüsse von ihr sind der Preis- und Lohnunterausschuss, der Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen sowie der Unterausschuss für internationale Fragen. Der Preisunterausschuss hatte als ursprüngliche Aufgabe die nichtstaatliche, flexible Preiskontrolle, die nunmehr der Betonung der Wettbewerbspolitik gewichen ist.48 Im Lohnunterausschuss ging es um die Gestaltung des lohnpolitischen Prozesses. Dabei hatte er stets dafür zu sorgen, dass die Tarifautonomie der Vertragspartner gewahrt und die gesamtwirtschaftlichen Überlegungen berücksichtigt wurden.49 Einen großen Stellenwert erlangte der Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen, der ein wichtiges institutionalisiertes Beratungs- und Analysegremium darstellt50 und den interessenpolitischen Kompromiss der Sozialpartner förderte.51 Er erhielt die Aufgabe, Gutachten über anstehende grundsätzliche wirtschafts-, sozial- und konjunkturpolitische Fragen auszuarbeiten.52 Zusätzlich war der Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen berechtigt, Empfehlungen, die zumeist einstimmig erfolgten, auszusprechen. Diese Einstimmigkeit wurde sicherlich vom Grundkonsens der gemeinsamen Orientierung am Wirtschaftswachstum getragen.53 Mit dem Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen versuchte die Arbeitnehmerseite eine qualifizierte Mitbestimmung in allen Bereichen der Wirtschaftspolitik zu erreichen.54 Neben der Paritätischen Kommission, die heute ihre Bedeutung weitgehend verloren hat,55 sind die Sozialpartner zudem in zahlreichen weiteren Gremien vertreten. Darüber hinaus ist für die Wirtschafts- und Sozialpartnerschaft die Einkommenspolitik maßgebend. Jedoch ist hier nicht nur die Beeinflussung der Lohnentwicklung, sondern auch die der Preisentwicklung und der Strukturpolitik von Bedeutung.56 45 Tálos 2006  : 426. 46 Vgl. Tálos 2006  : 427. 47 Butschek 1996  : 132  ; Nowotny 1997  : 34  ; Tálos 2006  : 427. 48 Nowotny 1997  : 34. 49 Vgl. Nowotny 1997  : 35. 50 Nowotny 1997  : 35. 51 Seidel 1996  : 7. 52 Wüthrich 1987  : 209  ; Nowotny 1997  : 35. 53 Wüthrich 1987  : 210. 54 Seidel 2006  : 122. 55 Tálos 2006  : 432. 56 Vgl. Nowotny 1997  : 36f.

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Der Ausbau und die Entwicklung der Sozialpartnerschaft bis in die 1980er Jahre sind gekennzeichnet durch eine beachtliche Ausdifferenzierung, Kontinuität und Stabilität.57 Danach lassen sich weniger klare Muster erkennen, wenngleich die Sozialpartner weiterhin eingebunden werden. Für Nautz zeigen sich seit den 1970er Jahren ein Legitimationsproblem und ein Kompetenzverlust der Sozialpartnerschaft.58 Trotz des Wandels der Sozialpartnerschaft urteilt Sorger, dass das sozialpartnerschaftliche Prinzip die Bewahrung der herrschenden kapitalistischen Verhältnisse unterstützt und daher nur einen hemmenden bzw. negativen Einfluss auf eine Entwicklung haben kann, die das Aufbrechen bestehender Geschlechterverhältnisse zum Ziel hat.59

Das Aufbrechen der Geschlechterverhältnisse, das sich u. a. in gendersegmentierten Normalarbeitsverhältnissen zeigt, wird also von der Sozialpartnerschaft eher gehemmt denn gefördert, was, Sorger folgend, die personelle Dominanz der Männer in dieser Einrichtung verdeutlicht.60 Im Allgemeinen lässt sich ein Rückgang des Interessenausgleichs zugunsten des Mehrheitsprinzips im politischen Entscheidungsprozess erkennen.61 3.3.2 Die verstaatlichte Industrie Die westlichen Alliierten verzichteten auf den größten Teil des deutschen Eigentums, während die Sowjetunion 1945 mit den ersten Beschlagnahmen begann. Ein erster Entwurf für ein Verstaatlichungsgesetz scheiterte noch am Veto der Sowjetunion. Schließlich kam es 1946 zum 1. Verstaatlichungsgesetz und 1947 zum 2. Verstaatlichungsgesetz. Diese Gesetze waren den Erfahrungen der Weltwirtschaftskrise geschuldet.62 Die Verstaatlichung erfolgte nach dem Zweiten Weltkrieg einstimmig. Einerseits sollte mit ihr eine solide wirtschaftliche Basis errichtet bzw. erhalten werden, andererseits sollte ein großer Teil der verstaatlichten Unternehmen vor dem Zugriff der Besatzungsmächte63 geschützt und so der Einfluss der Alliierten auf ehemals deutsches Eigentum unterbunden werden.

57 Tálos 2006  : 428. 58 Vgl. Nautz 2004  : 911. 59 Sorger 2014  : 120. 60 Vgl. Sorger 2014  : 119ff. 61 Vgl. Tálos 2006  : 440f. 62 Vgl. Weber 2011  : 126. 63 J. Eder 1998  : 78  ; Abele 1989  : 61  ; Turnheim 2009  : 31.

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Breiter Konsens herrschte bei der Verwirklichung, allerdings gab es unterschiedliche Interessenlagen und Konzepte.64 Die SPÖ sah in diesen Gesetzen zum Teil eine Umsetzung ihrer traditionellen Forderung und hoffte einen gewissen Teil der österreichischen Wirtschaft politisch neutralisieren zu können, indem ein Gleichgewicht zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern hergestellt werden sollte.65 Dagegen war die ÖVP im Grunde für ein eher gemäßigtes Vorgehen. Sie wollte keine Verstaatlichung von Unternehmen, die nicht dem Grundstoffsektor zuzurechnen waren.66 SPÖ und ÖVP waren bestrebt, ihre Interessen auf die staatlichen Unternehmen zu übertragen. Dies hatte zur Folge, dass der verstaatlichte Sektor stets umstritten war und so Nationalratswahlen zu Kompetenzverschiebungen und organisatorischen Neuregelungen führten.67 Diese politischen Kompetenzrangeleien bewirkten, dass die betroffenen Unternehmen kaum ein längerfristiges wirtschaftliches Konzept verfolgen konnten. Problemfelder waren zumeist die Verwaltungsstrukturen und die Personalpolitik.68 Vielfach wurden Personalentscheidungen in den verstaatlichten Unternehmen nach Proporzkriterien getroffen. Trotz aller Probleme waren diese jedoch zentral am Wiederaufbau beteiligt, womit sich die Entscheidung des Wiederaufbaus der Industrieanlagen als richtig erwiesen hatte.69 Die Kernaufgabe des verstaatlichten Sektors der Wirtschaft war dabei die Bereitstellung billiger Vorleistungen für die weiterverarbeitende Industrie in Österreich.70 In den 1960er Jahren zeigten sich beim auslaufenden Wiederaufbauschwung strukturelle Defizite in der verstaatlichten Industrie. Hatte sie zunächst den Wiederaufbau mit eingeleitet und sogar angeführt, so kam es mit dem Rückgang der Konjunktur zu einer Verschlechterung der Erträge. Zudem wirkten sich in diesem Zeitraum drei weitere Punkte auf den verstaatlichten Sektor aus. So gab es nun keinen Spielraum mehr für Realsubventionierungen anderer Wirtschaftsbereiche über unter dem internationalen Niveau liegende Preise, der Kohlebergbau musste mit Zuschüssen unterstützt werden und die Eingliederung der gegenüber der Sowjetunion abgelösten Betriebe wirkte finanziell nach.71 In den 1970er Jahren war Österreich trotz Rezession und Erdölkrisen bestrebt, die Vollbeschäftigung zu erhalten. Für die verstaatlichte Industrie bedeutete dies im Grunde eine Behinderung des Strukturwandels und ging darüber hinaus auch zu

64 Nautz 2007  : 87. 65 Vgl. J. Eder 1998  : 79. 66 Vgl. Turnheim 2009  : 31. 67 Abele 1989  : 61. 68 Vgl. Nautz 2007  : 109. 69 Vgl. Butschek 2004  : 113  ; Weber 2011  : 129. 70 J. Eder 1998  : 79. 71 Vgl. Dirninger 1995  : 42.

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Lasten des Produktionsfortschrittes.72 In den 1970er und 1980er Jahren hatte die Gewinnmaximierung kurzfristig Nachrang gegenüber der Beschäftigungssicherung. Nur teilweise wurde die verstaatlichte Industrie durch Mittel der Arbeitsmarkverwaltung für Schulungen entlastet.73 Das Horten von Arbeitskräften führte in den 1980er Jahren zu größeren Problemen, weil immer höhere Unterstützungszahlungen notwendig wurden, die sich als »Bumerang«74 für die verstaatlichte Industrie erwiesen. So gelang es nicht, erforderliche Strukturreformen einzuleiten, da die Personalkosten zu hoch waren. Zugleich verursachten die verstaatlichten Unternehmen stets höhere Defizite. Schließlich kam es 1986 zum faktischen Zusammenbruch der verstaatlichten Industrie,75 und es wurde nun – später als in den meisten europäischen Ländern – die Privatisierung eingeleitet. 3.3.3 Hartwährungspolitik Das Weltwährungssystem von Bretton Woods begann Ende der 1960er Jahre erste Risse aufzuweisen. Ein erstes Kennzeichen war die Aufwertung der D-Mark im Oktober 1969. Österreich beschloss, diese Aufwertung nicht mitzumachen, was zu einer De-facto-Abwertung des Schillings führte. Begleitet wurde diese Nichtaufwertung von »flankierenden« Maßnahmen, deren Hauptpunkte die Zoll- und Ausgleichssteuersenkung, die Kontingenterhöhungen sowie Nettopreisverordnungen waren.76 In der Folge kam es zu einem sukzessiven Zerfall des Systems von Bretton Woods, das auf dem Grundsatz fester, aber nach gewissen Prinzipien anpassungsfähiger Wechselkurse beruhte.77 Gründe dafür lagen in der Inflationssituation der USA, dem Spekulationsobjekt Gold und der Zunahme von Kapitalströmen. Die D-Mark übernahm mit ihren Aufwertungen gegenüber dem Dollar Ende der 1960er Jahre und in den 1970er Jahren nun die führende Stellung. Wirtschaftspolitisch war Österreich bestrebt, den Außenwert des Schillings mit geringen Inflationsraten zu erhalten und die Vollbeschäftigung sicherzustellen. Die Hartwährungspolitik sollte dies gewährleisten. Sie begann mit der erstmaligen Aufwertung des Schillings und endete mit dem Beitritt zur EU und zum Europäischen Währungssystem, umfasste also letztlich 25 Jahre.78 Realwirtschaftlich erstreckte sich die Hartwährungspolitik über die Zeitspanne von 1967 bis 1974.

72 Nautz 2007  : 89. 73 Vgl. Butschek 2004  : 118. 74 Kastil 2006  : 132. 75 Butschek 2004  : 113  ; Weber 2011  : 146. 76 Vgl. Androsch 1985  : 73  ; Butschek 1985  : 147  ; Handler 1989  : 30. 77 Aschinger 1978  : 11. 78 Vgl. T. Theurl 2007  : 236.

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Als Faktoren für ihre Einführung lassen sich die Erkenntnis der Importierbarkeit der Preisstabilität, die positiven Aspekte durch die tendenzielle Schmälerung der Gewinne im exponierten Sektor sowie der durch die importierte Preisstabilität und den Gewinndruck in exponierten Sektoren gedämpfte Preisdruck und durch niedrigere Lohnabschlüsse gerechtfertigt aufgewertete Wechselkurse angeben.79 Insgesamt wurde damit kurzfristig eine Verminderung der Preis- und Wechselkursunsicherheit angestrebt. Mittelfristig galten die Dämpfung der Inflationsrate und langfristig die Verbesserung der Wettbewerbssituation80 als wirtschaftspolitische Ziele. Gänzlich konnten Preis- und Wechselkursschwankungen nicht abgefangen werden. Trotzdem übte die Hartwährungspolitik in dieser Hinsicht eine dämpfende Wirkung auf die österreichische Wirtschaft aus.81 Mit der Hartwährungspolitik kam es zur »D-Markization« der österreichischen Währung82 als markantem Eckpfeiler der Wirtschaftspolitik. Die Anbindung an die D-Mark erfolgte aus Preisstabilitätsgründen  ; dabei sich vollzog stillschweigend ein Anschluss an die stabilitätspolitische Führung der Deutschen Bundesbank.83 Zwar war diese Anbindung umstritten – für viele wurde Österreich »an die Kittelfalte der Bundesrepublik Deutschland«84 genommen. Aufgrund der starken Position Deutschlands als Handelspartner Österreichs konnten die Befürworter sich jedoch durchsetzen. Im Zuge dieser Entwicklung etablierten sich einige wenige Währungen, darunter der österreichische Schilling, im Hartwährungsblock Europas. Gleichzeitig mit der Anbindung des Schillings an die D-Mark vollzog sich eine indirekte Einbindung in den Prozess der Formierung eines europäischen Währungsverbundes.85 Darüber hinaus bedeutete die Hartwährungspolitik Österreichs eine optimale Vorbereitung auf die Europäische Währungsunion,86 deren letzte Stufe die Einführung des Euro war. So wurde der Schilling 1999 als Buchgeld und 2002 endgültig vom Euro als gemeinsamer Währung abgelöst. 3.3.4 Austro-Keynesianismus und kompensatorische Finanzpolitik Die Wirtschaftsentwicklung in den 1970er Jahren wurde durch die Ölkrise von 1973/74 beeinflusst. Die wirtschaftlichen Auswirkungen bekam Österreich verzögert 79 Vgl. Fuchs/Horvath 2001  : 84. 80 Handler 1988  : 84. 81 Vgl. Chaloupek/Marterbauer 2008  : 50. 82 Androsch 2005  : 40. 83 Hofbauer 1998  : 204. 84 Hofbauer 1998  : 206. 85 Dirninger 2007  : 377. 86 T. Theurl 2007  : 236.

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1974/75 zu spüren. War die Periode zuvor noch von einem Ausbau der Vollbeschäftigung und einem europaweiten Wirtschaftswachstum, welches niemals vorher und auch danach nicht mehr erreicht wurde,87 geprägt, so war die nachfolgende Periode gekennzeichnet von einem wirtschaftlichen Abschwung sowie steigenden Inflationsraten. In Europa verbreitete sich das Phänomen der Stagflation.88 In Österreich setzte der wirtschaftliche Abschwung zwar erst im Herbst 1974 ein, dafür aber aufgrund des jahrelangen Wirtschaftswachstums umso heftiger, so dass die Prognoserevisionen den Realitäten kaum zu folgen vermochten.89 Den Entscheidungsträgern der österreichischen Wirtschaftspolitik wurde durch diese Krise bewusst, dass es gleichzeitig kaum möglich ist, absolute Vollbeschäftigung, maximales Wirtschaftswachstum, absolute Stabilität der Preise und als Draufgabe Steuersenkungen und Erhöhungen der Sozialleistungen zu verwirklichen.90 Deshalb kam es mit der Rezession 1974/75 zur Ausformung des Wirtschaftskonzepts des Austro-Keynesianismus. Dessen definitiver Beginn ist rückwirkend nicht mehr festzustellen.91 Das von Seidel geprägte wirtschaftliche Konzept wurde schrittweise aus der wirtschaftspolitischen Praxis der Jahre nach dem Wachstumseinbruch 1975 entwickelt92 und lehnte sich an das Rehn-Meidner-Modell an.93 Der Austro-Keynesianismus umfasste eine Vielzahl wirtschaftlicher Maßnahmen. Ein großer Teil der in dieses Wirtschaftskonzept einfließenden Schritte war schon zuvor angewandt worden. Gerade dieser Kombinationsvielfalt wird der Umstand zugeschrieben, dass Österreich gegenüber internationalen Schocks relativ wider-

87 Butschek 2001  : 288. 88 Der Begriff der Stagflation dürfte sich ausgehend von Großbritannien verbreitet haben. Er umschreibt dabei das Aufeinandertreffen von wirtschaftlicher Rezession und hohen Inflationsraten, wobei dieses Phänomen in Europa vor allem ab dem Einsetzen der Ölkrisen in den 1970er Jahren anzutreffen war. Vgl. Brauchli 1975  : 6  ; Barsky/Kilian 2000  : 1. 89 Butschek 1985  : 156. 90 Benya 1992  : 103. 91 Vgl. Unger 2006  : 67. 92 Chaloupek/Marterbauer 2008  : 46. 93 Dieses Modell wurde in den 1950er Jahren von den schwedischen Gewerkschaftsökonomen Gösta Rehn und Rudolf Meidner entwickelt. Es umfasste vier Eckpunkte  : die restriktive globale Fiskalpolitik, die solidarische Lohnpolitik, ein aktiver Arbeitsmarkt und eine selektive Wachstumspolitik. So sollte u. a. über die solidarische Lohnpolitik auf konkurrierende Arbeitsmarktgruppen mäßigend eingegriffen werden, um ein Ausufern der Lohn-Preis-Spirale zu verhindern. Damit sollte zudem eine ausgeglichene Lohnstruktur geschaffen werden. Die Lohnpolitik sollte darüber hinaus ein »faires« Instrument des Wirtschaftswachstums darstellen. Gleichzeitig führte die Umsetzung dieser Lohnpolitik zu einem raschen Strukturwandel, der unproduktivere Betriebe dazu zwang, aus dem Wirtschaftskreislauf auszuscheiden. Mit Hilfe dieses Modells gelang Schweden in den 1970er Jahren zweierlei  : erstens die Begrenzung der Arbeitslosigkeit, zweitens die Beibehaltung einer positiven Beschäftigungsdynamik. Vgl. G. Schmid 1989  ; Schulten 2001b  : 4ff.; Erixon 2008.

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standsfähig war.94 So lassen sich nach Unger folgende fünf nachfrage- und angebotsseitige Instrumente des Austro-Keynesianismus klassifizieren  : 1. Budgetdefizite, um die Nachfrage zu stimulieren, 2. eine akkommodierende Geldpolitik der niedrigen Zinssätze, um die privaten Investitionen anzukurbeln, 3. das Horten von Arbeit in der verstaatlichten Industrie, 4. eine Hartwährungspolitik und 5. eine gemäßigte Einkommenspolitik der Sozialpartner.95 Außerdem sind die an der Gesamtwirtschaft orientierte Lohn- und Preispolitik der Sozialpartner und die Förderung der Wirtschaft unter deren Mithilfe wichtige Elemente des Austro-Keynesianismus.96 Während der Zeit des Austro-Keynesianismus von 1975 bis 1979 galt es die Arbeitslosigkeit um jeden Preis zu vermeiden.97 Die Beschäftigungspolitik und das Vollbeschäftigungsziel hatten weiterhin absoluten Vorrang. Einerseits diente die Reduzierung des Anteils ausländischer Beschäftigter diesem Ziel. Andererseits sollte die Absorption von Arbeitskräften in der verstaatlichen Industrie gleichfalls dazu führen, dass die magische Drei-Prozent-Hürde, bis zu der von Vollbeschäftigung gesprochen werden kann, nicht überschritten wird. Infolge dieses Vorrangs der Beschäftigungspolitik kam es zu einer Ausweitung des Budgetdefizits. Zwar gab es Ansätze zur Senkung der Ausgaben, jedoch sollten hauptsächlich über Steuererhöhungen höhere Einnahmen erzielt werden.98 Dennoch kam es ab Mitte der 1970er Jahre zu einem immer weiter ausufernden Budgetdefizit, was einen Grund sicherlich ebenfalls in der budgetpolitisch umgesetzten Nachfragesteuerung, dem expansiven Element des Austro-Keynesianismus, hatte.99 Mit dem »policy-mix« des Austro-Keynesianismus sollte ein »Durchtauchen« der Krise ermöglicht werden, da angenommen wurde, dass sich die Weltwirtschaft wieder erholen würde und Österreich sich durch seine Exportorientierung an diesem Wiederaufschwung beteiligen und die durch das »Durchtauchen« entstandenen Ungleichgewichte ausgleichen könne.100 Vor allem das Budgetdefizit sollte im Rahmen des wirtschaftlichen Aufschwungs in Abstimmung mit dem Konjunkturzyklus wieder ausgeglichen werden. So wie der Beginn des Austro-Keynesianismus früher als mit der Rezession 1974/75 angesetzt werden kann und daher nicht deutlich umrissen ist, so ist das Ende dieses Wirtschaftskonzepts ebenfalls nur schwer zu erfassen. Manche Teile des Konzepts wurden weitergeführt, andere nicht. So kam es zu einer Fortführung der zurückhaltenden Lohnpolitik und einer im internationalen Vergleich weniger restriktiven Bud 94 Unger 2001  : 343.  95 Unger 2006  : 67  ; Unger 2001  : 343.  96 Vgl. Sandgruber 1995  : 49  ; Pelinka/Rosenberger 2000  : 40.  97 Scheuch 2000  : 160.  98 Vgl. Scharpf 1987  : 89  ; Hofbauer 1998  : 215  ; Matis 2001  : 282  ; Butschek 2004  : 93.  99 Vgl. T. Theurl 2007  : 243. 100 J. Eder 1998  : 85  ; Seidel 1986b  : 36  ; Unger 2006  : 75.

Spezifika der österreichischen Wirtschaftspolitik

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getpolitik über einen Zeitraum von zehn bis fünfzehn Jahren.101 Der Austro-Keynesianismus korrespondierte mit der Hartwährungspolitik102 und diese wurde bis zum Beitritt zur EU beibehalten, was mit eine Ursache für das eher offene Ende des Austro-Keynesianismus ist. Das offizielle Ende lässt sich auf 1985 datieren,103 wenngleich Seidel diesen bereits 1981 als beendet ansieht.104 Chaloupek und Marterbauer wiederum betonen, dass es kein offizielles Ende des Einsatzes austro-keynesianischer Politikelemente gibt, da sie in der Wirtschaftspolitik Österreichs bis 1994 die wesentlichen austro-keynesianischen Mechanismen zu erkennen glauben.105 In Fragen der Zweckmäßigkeit der Finanzpolitik wurden überwiegend eine antizyklische und eine kompensatorische Finanzpolitik diskutiert. Die antizyklische Finanzpolitik agiert gewissermaßen gegen den konjunkturellen Trend. Das bedeutet, dass z. B. in Phasen mit geringer Nachfrage von staatlicher Seite Nachfrageimpulse ausgehen sollen. Mit den Maßnahmen der kompensatorischen Finanzpolitik wird versucht, auf dauerhafte Nachfrageschwächen mittels eines staatlichen Budgetdefizits zu reagieren und diese Nachfrageschwächen so zu kompensieren. Das bedeutet, dass anhaltende Budgetdefizite in Kauf genommen werden, um eine Kompensation des Ausfalls von privatem Konsum, von Investitionen oder Exporten zu ermöglichen. Insofern ist die kompensatorische Finanzpolitik auf einen dauerhaften Konsum- und Investitionsausfall ausgerichtet, womit sich in ihrem Fall von einer längerfristigen Orientierung sprechen lässt.106 Die Vorstellung von einer kompensatorischen Finanzpolitik geht zurück auf die Arbeit von Abba B. Lerner. Die Entwicklung des Konzepts war maßgeblich von den wirtschaftlichen Problemlagen der 1930er und 1940er Jahre beeinflusst.107 Lerner hatte ein Konzept der funktionalen Finanzpolitik entwickelt, das davon ausgeht, dass »eine störungsfreie Wirtschaftsentwicklung ein permanentes deficit-spending«108 erfordere. Lerner betrachtete hierbei die Staatsverschuldung »nur« als Instrumentenvariable, deren Hauptaufgabe es sei, die Kaufkraft des Konsumenten abzuschöpfen und der Regierung die so gewonnenen Geldmittel zur Verfügung zu stellen.109 Im Grunde bedeutet dies, dass der öffentliche Sektor ausgebaut wird, was einen Strukturwandel der Volkswirtschaft impliziert.110 101 Unger 2006  : 75. 102 Vgl. T. Theurl 2007  : 236. 103 Vgl. Atzmüller 2009  : 153. 104 Wirtschaftswissenschaftlicher Beirat der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik 2007  : 42. 105 Vgl. Chaloupek/Marterbauer 2008  : 62ff. 106 F. Schulz 1987  : 13f. 107 Vgl. Ehrlicher 1991  : 31. 108 Ehrlicher 1991  : 30. 109 Vgl. Wagschal 1996  : 135. 110 Vgl. F. Schulz 1987  : 14.

102

Politische und ökonomische Rahmenbedingungen

Zugrunde gelegt wurde diesem Modell, dass ein Budget nicht innerhalb wie auch immer gewählter Zeiträume ausgeglichen werden kann. Insgesamt umfasst das Konzept Lerners drei grundlegende Bereiche. Einerseits sollen Arbeitslosigkeit wie Inflation durch die Anpassung der Gesamtausgaben verhindert werden, andererseits soll der Privatbesitz von Geld und Staatspapieren z. B. durch die Ausgabe von Anleihen derart gesteuert werden, dass ein Zinsniveau erreicht wird, das die von staatlicher Seite gewünschte Investitionsrate bringt.111 Zur Absicherung dieser Punkte dient die Steuerung der Geldmenge. Je nach Erfordernis soll sie durch Drucken, Horten oder Vernichten angepasst werden.112 Wagschal merkt dazu an, dass Lerner die Verteilungs- und Gerechtigkeitsaspekte ausgeblendet hat.113 In Österreich wurde der Austro-Keynesianismus der 1970er Jahre nach und nach von einer kompensatorischen Finanzpolitik abgelöst. Unabhängig von der jeweiligen Konjunkturlage akzeptierten die österreichischen Regierungen in den 1980er und 1990er Jahren ein Budgetdefizit. Dadurch sollten hohe Arbeitslosenzahlen – unter der Berücksichtigung, dass die Vermeidung von Arbeitslosigkeit und Inflation die Hauptaufgaben einer Regierung ist114 – weitestgehend vermieden werden.

3.4 Österreichische Wirtschaftsentwicklung seit dem Zweiten Weltkrieg im Überblick Die wirtschaftliche Entwicklung Österreichs soll in diesem Abschnitt innerhalb der vier Phasen der arbeitszeitpolitischen Entwicklung nachvollzogen werden. 3.4.1 Wirtschaftliche Entwicklung in der »Konsolidierungs- und Inhomogenitätsphase« Rasch nach dem Zweiten Weltkrieg wurde eine provisorische Staatsregierung geschaffen. Mittels einer Konzentrationsregierung wurden die SPÖ, die ÖVP und die KPÖ in die Regierungsverantwortung eingebunden. Die ersten freien Wahlen änderten trotz des geringen Wahlerfolgs der KPÖ nichts an deren Regierungseinbindung, die bis zu den Nationalratswahlen von 1949 Bestand hatte. Diese Wahlen wurden von der ÖVP gewonnen, die weiterhin den Bundeskanzler stellte. Da die KPÖ und der erstmals angetretene WdU nicht in die Regierung eingebunden wurden, kam es zur Bildung einer großen Koalition unter der Kanzlerschaft der ÖVP. 111 Vgl. Ehrlicher 1991  : 30. 112 Vgl. Ehrlicher 1991  : 30 113 Vgl. Wagschal 1996  : 136. 114 Vgl. Wagschal 1996  : 135.

Österreichische Wirtschaftsentwicklung seit dem Zweiten Weltkrieg im Überblick

103

Bis zum Ende der »Konsolidierungs- und Inhomogenitätsphase« stellte die ÖVP den Kanzler und die SPÖ den Vizekanzler. Stabilität, sowohl wirtschaftlich als auch politisch, sollte so rasch wie möglich erreicht werden. Dazu wurden der ÖGB, die AK und die Handelskammern wiedererrichtet. Zusätzlich drängten andere realpolitische Probleme. Ferner führten Kriegsschäden und Demontagen zu Beeinträchtigungen im produktiven Kapitalstock.115 Entsprechend versuchte die österreichische Regierung, relativ rasch die Wirtschaftsordnung wiederherzustellen. Elementar war das Erreichen einer materiellen und monetären Stabilisierung.116 Zunächst war jedoch der Wiederaufbau von vielfältigen Mangelerscheinungen betroffen. Als Gründe lassen sich u. a. Kriegsbeute, vorweggenommene Reparationen, die Beschädigung von Fabrikanlagen, die gegenseitige Abschottung der Besatzungszonen, die ungeklärten Eigentumsfragen117 u. v. m. anführen. Der Kapitalstock wies zwar Lücken auf, aber laut Seidel war er vermutlich nicht zu niedrig, wenngleich er, gemessen an Gütern, unmittelbar nach dem Krieg zu wenig abwarf.118 Neben den allgemeinen Aufräumarbeiten war es wichtig, die Energieversorgung wieder sicherzustellen. Dementsprechend setzten sich überwiegend öffentliche Betriebe an die Spitze des Wiederaufbaus. Binnen kurzer Zeit gelang es, die Strom- und Wasserversorgung wieder in Gang zu bringen.119 Der Energie- und Rohstoffmangel hatte nicht nur der Bevölkerung, sondern auch der Industrie Probleme bereitet. Zu den weiteren Folgen des Krieges zählte zudem der Fachkräftemangel. Darüber hinaus waren die Industriebetriebe der sowjetischen Besatzungszone von neuerlichen Beschlagnahmen und Demontagen120 von Betriebsanlagen bedroht, weswegen die Verstaatlichung forciert wurde. Die Wirtschaftspolitik des Wiederaufbaus drehte sich mehrheitlich um die Optionen Westorientierung, Informationsdefizit, Gradualismus als Übergangsstrategie, Verstaatlichung und Kapazitätsplanung, administrierte Inflation, Stabilität durch Schocktherapie, Schaffung marktwirtschaftlicher Institutionen und die Wirtschaftsordnung nach der Stabilisierung.121 Die österreichische Wirtschaft erreichte 1949 wieder das Vorkriegsniveau und schließlich 1953 den Spitzenwert der Kriegszeit.122

115 Dirninger 2007  : 306. 116 Dirninger 2007  : 296. 117 Vgl. Bruckmüller 2006  : 20ff. 118 Vgl. Lacina 1998  : 508f.; Seidel 2005  : 33. 119 Butschek 1985  : 79. 120 Butschek 1985  : 79. 121 Vgl. Seidel 2005  : 60ff. 122 Stiefel 2006  : 68.

104

Politische und ökonomische Rahmenbedingungen Veränderung in %

1913 = 100

1945



  50,2

1953

Veränderung in % +  4,4

1913 = 100 121,4

1946



  58,2

1954

+10,2

133,8

1947

+10,3

  64,2

1955

+11,5

149,1

1948

+26,9

  81,4

1956

+  6,2

158,3

1949

+18,9

  96,8

1957

+  5,8

167,6

1950

+12,4

108,8

1958

+  3,7

173,8

1951

+  6,8

116,2

1959

+  3,1

179,3

1952

+  0,0

116,3

Tab. 4  : Entwicklung des realen BIP (1945–1959) Quelle  : Butschek 2012  : 567 (eigene Darstellung).

Aufgrund der sich nach dem Zweiten Weltkrieg entfaltenden Probleme kam es zu einer Einschränkung des Güterangebots. Dieses war an eine größere Geldmenge gekoppelt. Strikte Preisregelungen für die überdies mengenmäßig zugeteilten Güter123 konnten ein Ansteigen der Inflation in der Nachkriegszeit verhindern. 1946 trat die bis dahin versteckte Inflation zunehmend offensichtlicher zu Tage und es vollzog sich ein Preis-Lohn-Auftrieb. Demgemäß stiegen 1947 die Verbraucherpreise um 103,2 % im Vergleich zum Vorjahr. Zwischen 1948 und 1951 lag die Inflationsrate immer noch zwischen 13 % und 53 %. Zwischen 1949 und 1951 kam es gleichzeitig zu einem Anstieg der Löhne zwischen 17 % und 38 %. Inflationsrate

Brutto-Verdienste je Beschäftigten in der Gesamtwirtschaft

Inflationsrate

Veränderungen gegenüber dem Vorjahr in % 1945

Brutto-Verdienste je Beschäftigten in der Gesamtwirtschaft

Veränderungen gegenüber dem Vorjahr in %





1953

–5,4

+  4,0

1946





1947

+103,2



1954

+3,7

+  8,4

1955

+0,8

1948

+  52,4



+  8,1

1956

+3,5

+10,0 +7,8

1949

+  28,1

+26,6

1957

+2,2

1950

+  13,1

+19,2

1958

+2,3

+3,4

1951

+  27,8

+37,9

1959

+1,1

+5,0

1952

+  17,0

+17,5

Tab. 5  : Entwicklung der Preise und Löhne (1945–1959) Quelle  : Butschek 1985  : 230 (eigene Darstellung).

123 Butschek 1996  : 108.

Österreichische Wirtschaftsentwicklung seit dem Zweiten Weltkrieg im Überblick

105

Um eine sich unendlich drehende Lohn-Preis-Spirale zu verhindern, wurden fünf Lohn-Preis-Abkommen initialisiert. Sie sollten es den Unternehmern erleichtern, eine Preisstruktur zu finden, ohne dass gleichzeitig überhöhte Lohnforderungen dies erschweren würden.124 Hauptziel dieser Abkommen war die Herstellung des binnenwirtschaftlichen Gleichgewichts.125 Außerdem sollte es zu einer Angleichung der offiziellen Preise an die Schwarzmarktpreise kommen. Auf diesen »schwarzen« oder »grauen« Märkten wurden wichtige Gebrauchsgüter und Nahrungsmittel in Ergänzung zu den offiziellen Rationen angeboten. Eine Annäherung wurde schließlich ab 1949/1950 erreicht.126 Diese Lohn- und Preisabkommen legten zugleich den Grundstein zur österreichischen Sozialpartnerschaft.127 Die Inflation sollte nicht nur mit Hilfe der Lohn- und Preisabkommen bekämpft werden, zugleich wurde eine Reduzierung der Geldmenge angestrebt. Ein wichtiger Schritt war der Erlass des Schillinggesetzes. So wurden 150 Schilling im Verhältnis von 1   :  1 und darüber hinausgehende Beträge im Verhältnis von 3   :  1 getauscht. Die Wirtschaftspolitik der Nachkriegszeit war grundsätzlich wachstumsorientiert. Neben Maßnahmen der Regierung waren die Auslandshilfen im Rahmen der Marshall-Administration und die ERP-Mittel128 hier von großer Relevanz. Mit dem Auslaufen der Auslandshilfen kam es zu einer Neuorientierung. Verbunden wird diese mit Julius Raab (Bundeskanzler, ÖVP) und Reinhard Kamitz (Bundesminister für Finanzen, ÖVP) und deren »Raab-Kamitz-Kurs«. Grundvoraussetzung war die gelungene Inflationseindämmung, auf deren Basis dann angebotsseitige als auch nachfrageseitige Maßnahmen gesetzt wurden. Mittels einer reduzierten Steuerlast sollten ein erhöhtes Wachstum, Vollbeschäftigung sowie ein Anstieg der Steuereinnahmen erreicht werden, und zusätzlich sollte ein Milliardeninvestitionsprogramm die Nachfrage ankurbeln.129 Die Stabilisierungskrise mit Null-Wachstum und hoher Arbeitslosigkeit130 am Beginn des »Raab-Kamitz-Kurses« konnte nach kurzer Zeit überwunden werden.

124 Vgl. Butschek 1996  : 110  ; Butschek 2012  : 279f. 125 Butschek 1996  : 117. 126 Vgl. Butschek 1996  : 113. 127 Butschek 2004  : 26. 128 Das ERP ist besser bekannt unter der Bezeichnung Marshall-Plan. Als Ziele des ERP wurden der Wiederaufbau Westeuropas, die wirtschaftliche Kooperation sowie die politische Eingliederung jener Länder, die ERP-Gelder erhielten, in den Bereich der westlichen parlamentarischen Demokratien angestrebt. Aber auch die Bedeutung des Ziels, Europa als Absatzmarkt für amerikanische Güter zu gewinnen, darf nicht übersehen werden. Butschek schätzt die Wiederaufbauhilfe durch das ERP für Österreich insgesamt als bedeutend ein. Vgl. Butschek 2012  : 272ff. 129 Vgl. Lauber/Pesendorfer 2006  : 611. 130 Dirninger 1995  : 38.

106

Politische und ökonomische Rahmenbedingungen

Das Wirtschaftswachstum betrug 1954 real 10,2 % sowie 1955 11,4 %.131 Im selben Zeitraum verbesserte sich die Handelsbilanz. Erstmals erfolgte eine nahezu ausgeglichene Bilanzierung 1953. Handelsbilanz Einfuhr (in Mio. ATS) 1945 1946



Ausfuhr (in Mio. ATS) 12,0

Saldo –

219,3

250,9

–31,6

1947

842,4

1.191,2

–348,8

1948

2.208,8

1.983,7

–225,1

1949

6.366,8

3.229,1

–3.137,7

1950

9.207,9

6.510,5

–2.697,4

1951

14.027,1

9.634,7

–4.392,4

1952

13.958,8

10.796,5

–3.162,3

1953

13.269,0

13.187,0

–82,0

1954

16.987,0

15.851,0

–1.136,0

1955

23.068,0

18.169,0

–4.899,0

1956

25.319,0

22.076,0

–3.243,0

1957

29.339,0

25.442,0

–3.897,0

1958

27.912,0

23.864,0

–4.048,0

1959

29.760,0

25.161,0

–4.599,0

Tab. 6  : Überblick Handelsbilanz (1945–1959) Quelle  : Butschek 2004  : 242 (eigene Darstellung).

Diese wirtschaftliche Entwicklung wurde durch die Lohnpolitik des ÖGB begünstigt. Essentiell ist die Schaffung der Paritätischen Kommission für Preis- und Lohnfragen. Ende der 1950er Jahre folgte eine erneute Inflationsbewegung. Diese sollte mit einem Budgetdefizit bekämpft werden. Doch gerade in einem solchen wurde die Gefährdung der Stabilität des Schillings gesehen. Die Nationalratswahlen 1959 führten zum Ende dieses Kurses. Geprägt wurde die Arbeitsmarktpolitik zunächst von der kriegsbedingten Situation und jenen Ereignissen, die unmittelbar auf den Krieg folgten.132 Butschek be131 Butschek 2004  : 26. 132 Die Arbeitsmarktpolitik lässt sich in eine aktive und eine passive Arbeitsmarktpolitik untergliedern. In ihrer passiven Form geht es vorrangig um existenzsichernde Systeme und Maßnahmen zur Absicherung im Falle einer Arbeitslosigkeit. Die aktive Form setzt Maßnahmen, die sich auf die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt konzentrieren, wozu neben Beschäftigungsprogrammen Weiterbildungsmaßnahmen sowie die von AMS getätigten Beratungs- und Vermittlungsdienste zählen. Vorrangig sind bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik deshalb Beschäftigung, Qualifizierung und Unter-

107

Österreichische Wirtschaftsentwicklung seit dem Zweiten Weltkrieg im Überblick

schreibt die Arbeitsmarktsituation nach dem Krieg als »asymmetrische« Knappheit, die sich durch ein Fehlen manueller Arbeiter und ein Überangebot der Angestelltenqualifikation auszeichnete.133 Anfänglich scheint nach Einschätzung von Butschek das Arbeitskräfteangebot nach dem Krieg atypisch niedrig gewesen zu sein.134 Vielfach hatten sich Arbeitskräfte den »freien« Berufen zugewandt, da der Verdienst auf dem schwarzen Markt sowie bei »Pfuscharbeit« höher war als bei normaler Erwerbstätigkeit.135 Um dieser Situation zu begegnen, ließ die Regierung Lebensmittelkarten nur in Verbindung mit einem Arbeitsnachweis ausgeben.136 Unselbstständig Beschäftigte Stand Personen

Veränderung Personen

in %

Arbeitslose Stand

Veränderung

Personen

Personen

in %

Arbeitslosenquote in %

1945

1.455.000

–479.000

–24,8









1946

1.742.200

+287.200

+19,7

74.000





4,1

1947

1.880.800

+138.600

+8,0

52.700

–21.300

–28,8

2,7

1948

1.907.200

+26.400

+1,4

54.500

+1.800

+3,4

2,8

1949

1.925.100

+17.900

+0,9

99.900

+45.400

+83,3

4,9

1950

1.927.200

+2.100

+0,1

128.700

+28.800

+28,8

6,3

1951

1.964.300

+37.100

+1,9

117.500

–11.200

–8,7

5,6

1952

1.919.500

–44.800

–2,3

156.800

+39.300

+33,4

7,6

1953

1.899.500

–20.000

–1,0

183.500

+26.700

+17,0

8,8

1954

1.955.300

+55.800

+2,9

163.100

–20.400

–11,1

7,7

1955

2.053.300

+98.000

+5,0

117.900

–45.200

–27,7

5,4

1956

2.115.500

+62.200

+3,0

115.100

–2.800

–2,4

5,2

1957

2.163.300

+47.800

+2,3

107.200

–7.900

–6,9

4,7

1958

2.180.600

+17.300

+0,8

116.300

+9.100

+8,5

5,1

1959

2.213.500

+32.900

+1,5

104.700

–11.600

–10,0

4,5

Tab. 7  : Die Arbeitsmarktlage von 1945 bis 1959 Quelle  : Butschek 2012  : 559.

stützung. Diese beiden Formen der Arbeitsmarktpolitik interagieren miteinander und können daher nicht als voneinander getrennte Systeme betrachtet werden, wenngleich die aktive Arbeitsmarktpolitik ab den 1960er Jahren in den Vordergrund rückte. Dabei verläuft die Grenze zwischen diesen Maßnahmen, wie die Flexicurity-Ansätze zeigen, fließend. Vgl. BMASK 2013  : 4  ; WIFO 2014  : 3f. 133 Vgl. Butschek 2004  : 27. 134 Butschek 2012  : 297. 135 Vgl. Butschek 2012  : 297. 136 Vgl. Butschek 2012  : 297.

108

Politische und ökonomische Rahmenbedingungen

Eine der ersten arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen war die Schaffung eines Arbeitspflichtgesetzes 1946, das einerseits Arbeitskräfte für den Wiederaufbau heranziehen und andererseits Jugendliche in den Arbeitsprozess eingliedern sollte. 1949 wurde mit dem Arbeitslosenversicherungsgesetz ein Maßnahmenpaket zur materiellen Versorgung von jenen Personen, die von Arbeitslosigkeit betroffen waren, geschaffen.137 Dieses Gesetz ermöglichte bei Erfüllung gewisser Anspruchsvoraussetzungen, dass unselbstständig Beschäftigte das Recht auf einkommensabhängiges Arbeitslosenentgelt hatten.138 Die dem Gesetz innewohnenden Schutzfunktionen stellten nicht die einzige Ausrichtung dar. Vielmehr war die »Arbeitswilligkeit«139 ein Kernaspekt der Arbeitsmarktverwaltung im Sinne der »Zumutbarkeit« der Beschäftigung. Die Realeinkommen hatten in den 1940er Jahren eine sinkende Tendenz, wobei dieser Trend sich bis 1955 umkehrte.140 Der Beschäftigtensaldo nahm 1945 zwar ab, erholte sich aber relativ rasch wieder. Die relativ hohe Arbeitslosenquote von 4,1 % 1946 kann durch Strukturanpassungen erklärt werden.141 Bis Anfang 1950 waren knapp 500.000 Personen mehr als noch 1945 unselbstständig beschäftigt. Die Arbeitslosenzahlen stiegen im selben Zeitraum und kletterten 1950 auf einen Stand von 128.700 Personen. Der Höchststand wurde 1953 mit über 180.000 Personen erreicht. Dieser Anstieg lässt sich mit einer stagnierenden Produktion erklären.142 Die absolute Zahl an Arbeitslosen konnte bis Ende der 1950er Jahre auf knapp über 100.000 Personen gesenkt werden. Diese Reduktion der Arbeitslosigkeit war eine Konsequenz der dynamischen Wachstumsentwicklung und in deren Rahmen der vorrangig als Wachstumspolitik gestalteten Wirtschaftspolitik.143 Die Stabilisierungskrise 1952/53 konnte überwunden werden. Dies gelang beinahe ohne ausländische Hilfe und fast ohne Budgetdefizit sowie mit einer ausgeglichenen Zahlungsbilanz bei gleichzeitiger Stabilisierung des Arbeitsmarktes.144 Die Arbeitszeiten passten sich in dieser Phase der allgemeinen wirtschaftlichen Lage an. Daher orientierten sie sich nicht an der 48-Stunden-Woche, sondern lagen zum Teil deutlich darunter. Je mehr die Probleme in den Griff bekommen wurden und sich die Rohstofflage verbesserte, desto länger wurden die täglichen und wöchentlichen Arbeitszeiten. Sie pendelten sich zunächst auf 48 Wochenstunden ein und betrugen Mitte der 1950er in vielen Branchen weit mehr als 50 Wochenstunden. In manchen Bereichen war es sogar üblich, die wöchentliche Arbeitszeit auf 60 Stun137 Vgl. Atzmüller 2009  : 148. 138 Vgl. G. Fischer/Tálos 1987  : 232. 139 Atzmüller 2009  : 149. 140 Butschek 2004  : 27. 141 Vgl. Butschek 1992  : 181. 142 Butschek 1992  : 181. 143 Dirninger 1995  : 38. 144 Vgl. Butschek 2004  : 26.

109

Österreichische Wirtschaftsentwicklung seit dem Zweiten Weltkrieg im Überblick

den auszudehnen. Dies mündete in die Auseinandersetzung um die Gültigkeit der 48- oder der 60-Stunden-Woche.

1945

Einnahmen

Ausgaben

in Mio. ATS

in Mio. ATS





Bruttosaldo in Mio. ATS

Nettosaldo

in % des BIP

in Mio. ATS

in % des BIP









1946

2.679

3.726

–1.047

–4,6





1947

5.411

5.483

–72

–0,3





1948

6.363

7.451

–1.088

–3,3





1949

9.166

9.525

–359

–0,8





1950

12.151

12.282

–131

–0,2





1951

17.270

17.367

–97

–0,1





1952

21.090

21.450

–360

–0,4





1953

22.731

22.624

+107

+0,1



– +1,1

1954

25.413

24.889

+524

+0,5

+1.068

1955

27.890

28.898

–1.008

–0,9

–154

–0,1

1956

30.316

31.094

–778

–0,6

–248

–0,2

1957

35.034

36.279

–1.245

–0,9

–688

–0,5

1958

35.897

41.364

–5.467

–3,8

–4.404

–3,0

1959

38.053

42.039

–3.966

–2,6

–2.897

–1,9

Tab. 8  : Entwicklung des Budgetdefizits (1946–1959) Quelle  : Butschek 2012  : 578.

Arbeitszeitpolitik drehte sich in dieser Periode vornehmlich um gesetzliche Aspekte, angefangen von der Schaffung eines neuen, »modernen« Arbeitszeitgesetzes bis hin zur Frage nach der Gültigkeit der 48- oder 60-Stunden-Woche. Hinsichtlich des Arbeitszeitdiskurses bestand zunächst eine geschlechtsspezifische Arbeitszeitverkürzungsforderung, die jedoch zugunsten der allgemeinen Arbeitszeitverkürzung ab Mitte der 1950er Jahre aufgegeben wurde. Mittels eines Branchenübergangs gelang die Einführung der 45-Stunden-Woche. Diese Entwicklung wurde letztlich mit dem Generalkollektivvertrag von 1959 abgeschlossen. 3.4.2 Wirtschaftliche Entwicklung in der Periode der Politisierung der Arbeitszeitpolitik Die politischen Verhältnisse blieben nach der vereinbarten Arbeitszeitreduktion unangetastet. Bis zu den Nationalratswahlen 1966 gab es weiterhin eine große Koalition. Prozentual und stimmenmäßig hinter den Großparteien blieben die FPÖ und die KPÖ, wobei die KPÖ seit 1959 nicht mehr in den Nationalrat einziehen konnte.

110

Politische und ökonomische Rahmenbedingungen

Erstmalig und letztmalig trat die DFP 1966 bei den Wahlen an, konnte aber wie die KPÖ nicht in den Nationalrat einziehen. Das Jahr 1966 zeichnete sich durch eine Abkehr von der großen Koalition aus. Die Absplitterung der DFP von der SPÖ führte dazu, dass die ÖVP die absolute Mandatsmehrheit erringen und so eine Alleinregierung installieren konnte. Diese sollte vier Jahre Bestand haben. Der wirtschaftliche Aufschwung war lange Zeit von der Industrie getragen worden. Er fand 1962 sein Ende durch die Strukturkrise, die ihre Gründe im Auslaufen des Wiederaufbauschwungs und der Vollbeschäftigung hatte, die das hervorragendste Merkmal der Wirtschaftspolitik145 darstellt. Die konjunkturelle Schwäche der österreichischen Wirtschaft 1962 hatte eine labilere Konjunkturlage146 im Vergleich zur vorangegangenen wirtschaftlichen Entwicklung zur Folge. Konjunkturelle Schwierigkeiten zeigten sich im Preis- und Lohndruck, in der sich anspannenden Arbeitsmarktlage und dem Verlust des Konkurrenzvorteils aufgrund niedriger Lohnkosten.147 Zudem machte sich die Konsumorientiertheit der Wirtschaft erstmals deutlich bemerkbar, auf die die österreichische Wirtschaft nicht ausgerichtet war. Dies förderte die Importe entsprechender Artikel und schwächte die Leistungsbilanz. Dieses strukturelle Problem wurde jedoch von der Fremdenverkehrswirtschaft überdeckt.148 Veränderung in %

1913 = 100

+8,6

194,7

1961

+5,3

205,0

1962

+2,4

210,0

1963

+4,1

218,5

1964

+6,0

231,7

1965

+3,0

238,7

1966

+5,1

251,0

1967

+2,8

258,1

1960

1968

+4,1

268,7

1969

+5,5

283,4

Tab. 9  : Entwicklung des realen BIP (1960–1969) Quelle  : Butschek 2012  : 567 (eigene Darstellung).

145 Seidel 1986a  : 13. 146 Dirninger 1995  : 41. 147 Vgl. Dirninger 1995  : 41f. 148 Vgl. Dirninger 1995  : 42.

Österreichische Wirtschaftsentwicklung seit dem Zweiten Weltkrieg im Überblick

111

Zusätzlich zeigten sich erste negative Phänomene einer zunehmenden Globalisierung in Abhängigkeit von einer sowohl national als auch international veränderten Konjunkturlage. Kennzeichen war der verstärkte Anpassungs- und Umstrukturierungsbedarf im Bereich der Industrie,149 insbesondere in der verstaatlichten Industrie. Während der großen Koalition folgten schließlich Diskussionen zur Umgestaltung der verstaatlichten Industrie. Die Problematik dieser Strukturkrise zeigte sich auch darin, dass die Wachstumsrate des realen Brutto-Inlandsproduktes gegenüber der Vorperiode zurückging.150 Sie sank unter den OECD-Durchschnitt.151 Gleichzeitig kam es zu einem Übergang von der schleichenden zur beschleunigten Inflation. Da die Österreicher eine Inflationsrate zwischen drei und fünf Prozent nicht mehr kritiklos tolerieren wollten,152 wurden einige Maßnahmen zur Bekämpfung der Inflation gesetzt. Nach einem sozialpartnerschaftlichen Vorschlag kam es zu einem Kaufkraftstabilisierungsabkommen und dem »Raab-Olah-Abkommen«. Ferner versuchte Alfons Gorbach (Bundeskanzler, ÖVP) mit einem »Sieben-Punkte-Programm« ebenfalls zur Bekämpfung des Preis- und Kostenauftriebs beizutragen.153 Handelsbilanz Einfuhr (in Mio. ATS)

Ausfuhr (in Mio. ATS)

Saldo

1960

36.813,0

29.129,0

–7.684,0

1961

38.604,0

31.262,0

–7.342,0

1962

40.348,0

32.851,0

–7.497,0

1963

43.557,0

34.475,0

–9.082,0

1964

48.433,0

37.601,0

–10.832,0

1965

54.614,0

41.600,0

–13.014,0

1966

60.519,0

43.733,0

–16.746,0

1967

60.046,0

47.029,0

–13.017,0

1968

64.896,0

51.707,0

–13.189,0

1969

73.460,0

62.723,0

–10.737,0

Tab. 10  : Überblick Handelsbilanz (1960–1969) Quelle  : Butschek 2004  : 243 (eigene Darstellung).

Problematisch erwies sich die schlechte Entwicklung der Exportzahlen. Von 1961 bis 1966 betrug das Defizit der Handelsbilanz zwischen 3,9 % und 6,4 % des BIP, was 149 Dirninger 1995  : 42. 150 Butschek 1996  : 139. 151 Vgl. Dirninger 2007  : 345. 152 Hofbauer 1998  : 188. 153 Vgl. Matis 2001  : 237f.

112

Politische und ökonomische Rahmenbedingungen

allerdings durch die Überschüsse der Dienstleistungsbilanz verdeckt wurde. Diese schlechte Entwicklung der Exporte hatte seine Ursache im wachsenden Kostendruck, dem harten Schilling und der Spaltung Europas in zwei Wirtschaftsblöcke.154 Strukturelle Fragen wurden in den 1960er Jahren besonders unter dem Aspekt einer möglichen Annäherung an die EWG diskutiert.155 Die große Koalition änderte wenig an der sozialpartnerschaftlichen Ausrichtung der Wirtschaftspolitik. Der Regierungsantritt der ÖVP-Alleinregierung fiel mit einer beginnenden Konjunkturschwäche zusammen. Dieser wurde mit einer veränderten wirtschaftspolitischen Strategie entgegenzutreten versucht. Ende 1966 kam es zu einer Übereinkunft zwischen den Sozialpartnern, dem Finanzminister und der Nationalbank. Mit dem »Big-Bargain« wurde vereinbart, auf weitere Preiserhöhungen zu verzichten, die Lohnforderungen auf Seiten des Gewerkschaftsbundes zu vermindern und seitens des Finanzministers eine lange geplante Lohn- und Einkommenssteuersenkung vorzuziehen.156 Einnahmen

Ausgaben

in Mio. ATS

in Mio. ATS

in Mio. ATS

Bruttosaldo

1960

42.294

45.168

1961

49.050

49.993

1962

52.454

54.113

1963

54.983

1964

58.097

1965

Nettosaldo

in % des BIP

in Mio. ATS

in % des BIP

–2.874

–1,7

–1.867

–1,1

–943

–0,5

+815

+0,4

–1.660

–0,8

+32

+0,0

59.075

–4.091

–1,9

–2.479

–1,1

62.709

–4.612

–1,9

–2.650

–1,1

62.758

66.646

–3.888

–1,5

–1.076

–0,4

1966

68.563

72.259

–3.696

–1,3

–991

–0,3

1967

72.325

80.150

–7.824

–2,6

–5.446

–1,8

1968

77.728

86.174

–8.447

–2,6

–5.539

–1,7

1969

86.025

93.194

–7.169

–2,0

–2.192

–0,6

Tab. 11  : Entwicklung des Budgetdefizits (1960–1969) Quelle  : Butschek 2012  : 578f.

Finanzpolitisch versuchte der Staat mit Hilfe einer antizyklischen Konjunkturpolitik gegen die nachteilige wirtschaftliche Entwicklung vorzugehen, zunächst unter Wolfgang Schmitz (Bundesminister für Finanzen, ÖVP) und später unter seinem Nachfolger Stephan Koren (Bundesminister für Finanzen, ÖVP). Der »Koren-Plan« umfasste ein Paket von Maßnahmen zur Senkung der Produktionskosten sowie zur 154 Vgl. Hofbauer 1998  : 196. 155 Vgl. Dirninger 1995  : 43. 156 Vgl. Hofbauer 1998  : 196.

Österreichische Wirtschaftsentwicklung seit dem Zweiten Weltkrieg im Überblick

113

Erleichterung von Strukturanpassungen.157 Generell erfolgte diese antizyklische Politik zuerst in Form ausgabenseitiger Expansion und dann, ab 1968, in Form vor allem einnahmenseitiger Restriktionen.158 Inkludiert in die Strategie war die Rückführung der defizitären Budgetausweitung ab 1968.159 Mit der Annäherung Österreichs an die EWG und die sich dadurch nicht weiter verschlechternde Außenhandelsposition gelang es der Wirtschaft, wieder zu wachsen. In die Phase des Endes der ÖVP-Alleinregierung und in die beginnende Zeit der SPÖ-Regierungen fiel eine erneute Beschleunigung der Inflation mit einer einsetzenden »Inflatiönchendiskussion«, wobei das »Inflatiönchen«160 von außen auf Österreich einwirkte. In den Inflationsdiskussionen zu diesem Zeitpunkt ging es um die Inflationsrate als Preis für die Vollbeschäftigung und darum, ob die Maßnahmensetzung der Regierung zur Bekämpfung ausreichend war  ; im Gebrauch von »Inflatiönchen« lässt sich eine Verharmlosung der Problematik erkennen.161 Jahr

Inflationsrate in %

Jahr

Inflationsrate in %

1960

1,9

1965

5,0

1961

3,6

1966

2,2

1962

4,4

1967

4,0

1963

2,7

1968

2,8

1964

3,8

1969

3,1

Tab. 12  : Übersicht Inflationsrate (1960–1969) Quelle  : Butschek 1999 (eigene Darstellung).

Generell deckten sich die Argumente der »Inflatiönchendiskussion« mit der zur selben Zeit im Nationalrat stattfindenden Inflationsdiskussion.162 Um das Vollbeschäftigungsziel nicht zu gefährden, den Inflationsimport möglichst gering zu halten und gleichzeitig die Stabilität der Währung zu garantierten, kam es daraufhin zur Etablierung der Hartwährungspolitik. Ab den 1960er Jahren wurde eine aktive Arbeitsmarktpolitik betrieben. Diese wurde vom ÖGB bzw. dem Sozialministerium angestoßen und sah eine Verbesserung der Beschäftigungssituation in strukturschwachen Gebieten zum Schutz vor Arbeitslosigkeit vor.163 Bis zum Ende der 1960er Jahre zeichnete sich der Arbeitsmarkt da157 Lauber/Pesendorfer 2006  : 612. 158 Vgl. Dirninger 2007  : 342. 159 Dirninger 1995  : 45. 160 Kienzl 1970  : 3. 161 Vgl. Schatzl 2006  : 60. 162 Vgl. Schatzl 2006  : 66. 163 Vgl. Atzmüller 2009  : 150.

114

Politische und ökonomische Rahmenbedingungen

durch aus, dass die Bevölkerung im Alter der Erwerbsfähigkeit stagnierte und dann rückläufig war. Diese Rückläufigkeit wurde durch Abwanderungen aus der Landwirtschaft, aber auch aus dem Gewerbe aufgefangen.164 Grundsätzlich stagnierte das Arbeitskräfteangebot vor dem Hintergrund der demographischen Struktur, des Absinkens der Erwerbsquoten durch eine Ausdehnung der Ausbildungszeiten und weiterer Maßnahmen der Arbeitszeitpolitik.165 Unselbstständig Beschäftigte Stand

Veränderung

Arbeitslose Stand

Veränderung in %

Arbeitslosenquote in %

Personen

Personen

in %

Personen

Personen

1960

2.258.900

+45.400

+2,1

79.300

–25.400

–24,3

3,4

1961

2.298.800

+39.900

+1,8

60.500

–18.800

–23,7

2,6

1962

2.316.800

+18.000

+0,8

61.700

+1.200

+2,0

2,6

1963

2.318.500

+1.700

+0,1

67.600

+5.900

+9,6

2,8

1964

2.339.900

+21.400

+0,9

62.800

–4.800

–7,1

2,6

1965

2.357.400

+17.500

+0,7

61.500

–1.300

–2,1

2,5

1966

2.362.500

+5.100

+0,2

56.200

–5.300

–8,6

2,3

1967

2.335.700

–26.800

–1,1

58.000

+1.800

+3,2

2,4

1968

2.315.700

–20.000

–0,9

61.500

+3.500

+6,0

2,6

1969

2.333.900

+18.200

+0,8

55.200

–6.300

–10,2

2,3

Tab. 13  : Die Arbeitsmarktlage von 1960 bis 1969 Quelle  : Butschek 2012  : 559.

Insgesamt wirkten drei arbeitszeitpolitische Maßnahmen auf den Arbeitsmarkt. Zum einen war dies die Reduktion der wöchentlichen Normalarbeitszeit mit der Einführung der 45-Stunden-Woche und zum anderen die Ausdehnung des Mindesturlaubs Mitte der 1960er Jahre. Weiters kam es 1966 zur Einführung der 9. Schulstufe. Zusätzlich förderten die sinkende Frauenerwerbstätigkeit im Zusammenhang mit steigenden Geburtenzahlen und der Ausbau der Altersversicherung eine zusätzliche Nachfrage an Arbeitskräfte.166 Seit 1960 nahmen die stillen Arbeitsmarktreserven zusehends ab.167 Gleichzeitig kam es zu einer Abwanderung höher qualifizierter Arbeitnehmer in die Schweiz oder die Bundesrepublik Deutschland.168 Zu einer Verknappung der Arbeitskräfte 164 Vgl. Butschek 2004  : 76. 165 Vgl. Butschek 1981  : 14  ; Tálos/Fink 2008  : 235f. 166 Vgl. H. Fassmann/Münz/W. Seifert 1997  : 734  ; Biffl 2011  : 34. 167 Sandgruber 1995  : 484. 168 Vgl. Butschek 1981  : 10  ; Wüthrich 1987  : 223  ; Biffl 2011  : 34.

Österreichische Wirtschaftsentwicklung seit dem Zweiten Weltkrieg im Überblick

115

kam es dennoch nicht. Dafür lassen sich zwei Gründe anführen  : erstens das Auffangen durch Arbeitskräfte aus dem Gewerbe und der Landwirtschaft und zweitens der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte169 über das ursprünglich als Rotationsprinzip170 gedachte Fremdarbeiterkontingent171 hinaus. Eine Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt wurde nicht gefördert. Vielmehr wurde über eine Erwerbsbeteiligung von Frauen nur »halbherzig« nachgedacht.172 Die Eingliederung von Gastarbeitern wurde durch eine Liberalisierung der gesetzlichen Aufnahmebestimmungen sowie eine sozialpartnerschaftliche Einigung auf ein jährliches Fremdarbeiterkontingent erleichtert.173 Diese sozialpartnerschaftliche Initiative zur Integration von Gastarbeitern in den Arbeitsmarkt wurde durch die

169 Vgl. Butschek 2004  : 77. 170 Wesentlich war das Rotationsprinzip, d. h., dass die Gastarbeiter einige Jahre in Österreich arbeiten und dann bei Bedarf durch neue ausländische Arbeitskräfte ersetzt werden sollten. Da sich zahlreiche Gastarbeiter dauerhaft in Österreich niederließen, funktionierte dieses Prinzip letztlich nicht. Bereits Anfang der 1960er Jahre zeigte sich, dass vereinzelt Unternehmen durchaus über dieses Rotationsprinzip hinaus dachten, um Arbeitnehmer längerfristig an das Unternehmen zu binden. Daher waren einige Firmen bestrebt, die Frau des Arbeitnehmers, vordergründig als Arbeitnehmerin, und somit die Familie in ihrer Gesamtheit gleichfalls nach Österreich zu holen, wenn auch durch die Mitnahme von Kindern der Einsatz der Frau als Arbeitskraft angezweifelt wurde. H. Fassmann, Münz und W. Seifert verweisen diesbezüglich darauf, dass die stringente Einhaltung des Rotationsprinzips nicht möglich gewesen sei, da die Industrie dies nicht gewünscht habe. Vgl. H. Fassmann/Münz/W. Seifert 1997  : 735  ; Böse/Haberfellner/Koldas 2001  : 2f.; IOM 2004  : 14  ; Bakondy 2010  : 70  ; Soytürk 2011  : 67. 171 Die Bezeichnung »Fremdarbeiter« unterlag seit dem Einsatz ausländischer Arbeitskräfte auf dem österreichischen Arbeitsmarkt einem Wandel. In den 1960er Jahren wurde die Bezeichnung »Fremdarbeiter« durch »Gastarbeiter« abgelöst, im Folgejahrzehnt vom Begriff »Ausländer« bzw. »ausländischer Arbeitnehmer« und seit dem EU-Beitritt wird in diesem Zusammenhang von »Drittstaatenangehörigen« gesprochen, wobei dies vornehmlich kategorische Benennungen und Pauschalierungen sind, die teilweise – wie Schmiderer betont – mit »negativen Bildern assoziiert werden«. Bakondy wiederum verweist nach Durchsicht der Anwerbematerialien der BWK darauf, dass es eine unreflektierte sprachliche Nähe zu nationalsozialistischen Begriffen, wie z. B. »Selektion« oder der Transport in »Sonderzügen«, gab, zumal vom nationalsozialistischen Regime versucht worden war, den Begriff »Gastarbeiter« in Abgrenzung zu den »Ostarbeitern« zu etablieren. Diese Nähe zur nationalsozialistischen Sprache lässt sich vermutlich auch dadurch erklären, dass die deutsche »Reichsverordnung für ausländische Arbeitnehmer« in der Zweiten Republik direkt übernommen wurde und erst 1975 ein Ausländerbeschäftigungsgesetz mit Gültigkeit 1976 erlassen wurde. Zur Anwendung »Reichsverordnung« in der Zweiten Republik kam es jedoch nicht, da bis zur Aufhebung durch den VfGH 1959 die Ausländerbeschäftigung durch Erlässe des Sozialministeriums geregelt wurde, wie Bergkirchner zur Genese des Ausländerbeschäftigungsgesetzes festhält. Vgl. Payer 2004  : 2  ; Rass 2005  : 362  ; Bakondy/ Winter 2008  : 63  ; Schmiderer 2008  : 9ff.; Gächter 2008  : 5  ; Bakondy 2010  : 78  ; Soytürk 2011  : 66f.; Bergkirchner 2013  : 24ff. 172 Biffl 2011  : 34. 173 Vgl. Butschek 2004  : 77.

116

Politische und ökonomische Rahmenbedingungen

Spürbarkeit der Verknappung ab 1962 ermöglicht.174 Den Ausgangspunkt der Arbeitsmigration stellte das »Raab-Olah-Abkommen« dar. Der Beirat für Wirtschaftsund Sozialfragen empfahl schließlich 1964 eine Ausweitung der Ausländerkontingente, wobei ausländische Arbeitskräfte mit Hilfe bilateraler Verträge175 mit Spanien 1962, der Türkei 1964 und Jugoslawien 1966 angeworben werden sollten. Zunächst hatten die Arbeitgeber allerdings Schwierigkeiten bei der Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte, da diese nicht von sich aus in Österreich arbeiten wollten.176 Die Arbeitsgemeinschaft der BWK hatte die Aufgabe der Koordination zwischen Entsendeund Empfängerländer. Dadurch wurde die Arbeitsgemeinschaft zu einer Schnittstelle zwischen den österreichischen Unternehmen und den Anwerbekommissionen in den Entsendeländern  ;177 wenngleich die Bedeutung dieser Organisation im Laufe der Zeit durch informelle Wege abnahm, konnten zahlreiche Gastarbeiter178 über sie angeworben werden. In den 1960er Jahren waren nie mehr als 100.000 Gastarbeiter in Österreich beschäftigt. Der Höhepunkt wurde 1973 mit 226.800 ausländischen Arbeitskräften erreicht. Aus gewerkschaftlicher Sicht sollte die Beschäftigung von Gastarbeitern vorübergehend sein. Daneben versuchte Österreich mit einer aktiven Arbeitsmarktpolitik den Arbeitskräftebedarf zu decken  ; dazu wurde einerseits das Arbeitskräfteangebot erhöht und andererseits das Humankapital des bestehenden Arbeitsangebotes gleichermaßen angehoben.179 Für die Umsetzung der aktiven Arbeitsmarktpolitik 174 Vgl. Butschek/Walteskirchen 1974  : 214  ; Biffl 2011  : 33. 175 Vgl. H. Fassmann/Münz/W. Seifert 1997  : 734  ; IOM 2004  : 13  ; Butschek 2004  : 66  ; Bakondy 2010  : 68  ; Soytürk 2011  : 71ff.; Biffl 2011  : 33. 176 H. Fassmann/Münz/W. Seifert verweisen darauf, dass das österreichische Lohnniveau niedriger war als jenes in anderen Staaten Westeuropas. Dementsprechend musste Österreich auf andere Herkunftsländer ausweichen. Im ehemaligen Jugoslawien wurde größtenteils im Süden (Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien) geworben, während sich Slowenen und Kroaten meist von der Schweiz, Schweden oder der Bundesrepublik Deutschland aufgrund des höheren Lohnniveaus anwerben ließen. Aber auch aus Italien und Spanien konnten kaum Arbeitnehmer angeworben werden. Dies bedeutet zudem, dass die Qualifikation dieser angeworbenen Arbeitnehmer meist geringer war. Vgl. H. Fassmann/Münz/W. Seifert 1997  : 735  ; Böse/Haberfellner/Koldas 2001  : 2  ; Gächter 2008  : 4  ; Biffl 2011  : 33f. 177 Bakondy 2010  : 68. 178 Aus den Anwerbematerialien geht die Tendenz zu einer Verobjektivierung der Migranten hervor, wie Bakondy betont. Die benötigte Arbeitskraft wird zur Ware, wie »Lieferscheine« und »Transportbescheinigungen« zur Anreise von Gastarbeitern in den Anwerbematerialien belegen. Ferner wird die Verdinglichung durch die Begrifflichkeit »Stück«, bezogen auf die Mengenangabe für Personen, deutlich. Dabei führt die Verdinglichung der Migranten in ihrer Reduzierung auf das Arbeitsobjekt dazu, dass diese nach Ha »als Rechtsobjekte nur rudimentär anerkannt wurden und werden.« Diese Verdinglichung wurde von den Migranten nicht widerspruchslos hingenommen. Vgl. Ha 2003  : 65  ; Bakondy 2010  : 77. 179 Vgl. Tálos/Fink 2008  : 236.

Österreichische Wirtschaftsentwicklung seit dem Zweiten Weltkrieg im Überblick

117

sollte ein Arbeitsmarktförderungsgesetz geschaffen werden. Dieses wurde 1963 als Gesetzesentwurf eingebracht, aber erst 1968 verabschiedet und fokussierte die Arbeitsmarktpolitik auf das Arbeitskräfteangebot.180 In den 1970er Jahren kam es zu einem Anwerbestopp aufgrund der Rückkehr von im Ausland arbeitenden Österreichern sowie infolge der Wirtschaftskrise. 1959 kam es wegen der vereinbarten Reduzierung der Wochenarbeitszeit zu einer Senkung der tatsächlichen wöchentlichen Arbeitszeit. Mitte der 1960er Jahre wurde der Mindesturlaub angehoben und die Schulpflicht ausgedehnt. Arbeitszeitpolitik als solche wurde in den 1960er Jahren mehrheitlich nicht praktiziert, abgesehen von der Anhebung des Mindesturlaubs und eines Initiativantrages der SPÖ 1966. Der Herbst 1968 läutete eine intensive arbeitszeitpolitische Debatte sowie eine stark politikzentrierte Periode der österreichischen Arbeitszeitpolitik ein. In die Amtszeit von Josef Klaus (Bundeskanzler, ÖVP) fällt auch der von Seiten der ÖVP nicht behandelte Initiativantrag. Während die ÖVP Wirtschaftskompetenz verkörperte, versuchte sich die SPÖ nach der Wahlniederlage ebenfalls als wirtschaftspolitisch kompetente Partei zu etablieren. Ein Aspekt dabei ist Arbeitszeitpolitik. Der ÖGB hatte einen Vorstoß zur Einführung der 40-Stunden-Woche unternommen, doch die SPÖ übernahm schließlich die führende Rolle bei der nachfolgenden Installierung der 40-Stunden-Woche und des Arbeitszeitgesetzes. Mittels eines politisch motivierten und öffentlichkeitswirksam eingesetzten Volksbegehrens gelang es der SPÖ im Vorwahlkampf zu den Nationalratswahlen 1970, die ÖVP unter Druck zu setzen  ; der eigentliche Nationalratswahlkampf 1970 drehte sich um die Themen Bundesheer, Steuern und Preise.181 Die Vorgehensweise war innerhalb der Gewerkschaft nicht unumstritten und dennoch wurde dieses Volksbegehren von allen Nationalratsabgeordneten der SPÖ und vom ÖGB unterstützt. In einem bis zu diesem Zeitpunkt unbekannten Ausmaß versuchte die SPÖ Überzeugungsarbeit für die 40-Stunden-Woche und das Arbeitszeitgesetz zu leisten. Mehr als 850.000 Personen unterschrieben das Volksbegehren und sorgten für einen Vorwahlkampfsieg der SPÖ. Nach langwierigen Auseinandersetzungen war es über die direkte Demokratie gelungen, die wöchentliche Arbeitszeit bis Mitte der 1970er Jahre auf 40 Wochenstunden zu reduzieren und ein Arbeitszeitgesetz zu schaffen, das eine Legaldefinition der Arbeitszeit sowie den Etappenplan zur Einführung der 40-Stunden-Woche enthielt.

180 Vgl. Atzmüller 2009  : 150f. 181 Vgl. Faber 1973  : 119.

118

Politische und ökonomische Rahmenbedingungen

3.4.3 Wirtschaftliche Entwicklung in der Periode der Auseinandersetzung »Arbeitszeitflexibilisierung vs. Arbeitszeitverkürzung« Mit dem Erfolg des Volksbegehrens konnte die SPÖ den Vorwahlkampf für sich entscheiden. Die Verhandlungen zogen sich bis in den Herbst 1969, so dass die SPÖ die Wählerbindung aufrechtzuerhalten vermochte. Dabei wurde die »Arbeitszeit« nicht zu einem Leitbegriff des Wahlkampfes. Die ÖVP verlor 1970 die absolute Mehrheit, und nachdem die Koalitionsverhandlungen kein Ergebnis brachten, gelang es der SPÖ, geduldet von der FPÖ eine Minderheitsregierung zu bilden. 1971 wurde die Arbeit der SPÖ-Minderheitsregierung durch eine neuerliche Nationalratswahl legitimiert. Die SPÖ errang die absolute Mandatsmehrheit und sollte diese bis 1983, als die aus der Umweltbewegung entstandene VGÖ erstmals antrat, aber noch nicht in den Nationalrat einzog, verteidigen. Bruno Kreisky (Bundeskanzler, SPÖ) machte seinem Nachfolger Fred Sinowatz (Bundeskanzler, SPÖ) Platz und ermöglichte die erstmalige Regierungseinbindung der FPÖ. Diese kleine Koalition sollte bis 1986 halten. Neuwahlen waren notwendig geworden, als Jörg Haider zum Vorsitzenden der FPÖ gewählt worden war und die SPÖ die Zusammenarbeit aufkündigte. Die Nationalratswahlen 1986 ergaben erneut einen Wahlsieg der SPÖ, der nunmehr in eine große Koalition mündete, die bis zum Ende dieser Periode hielt. Die Rezession 1971/72 konnte Österreich ohne wesentliche Auswirkungen überstehen, wodurch der »längste Aufschwung der Nachkriegszeit«182 unter Beibehaltung der wirtschaftlichen Ausrichtung auf Vollbeschäftigung aufrechterhalten werden konnte. Dieses Ziel wurde durch Senkung der Wochenarbeitszeit, die Aufnahmefähigkeit des Dienstleistungssektors und die Reduktion ausländischer Arbeitnehmer erleichtert.183 Die Inflationsspirale drehte sich trotz zurückhaltender Lohnpolitik des ÖGB und der Hartwährungspolitik weiter. Die erste Ölkrise 1972/73 führte zu einem internationalen Konjunktureinbruch, den Österreichs Wirtschaft verzögert zu spüren bekam. Dennoch wurde sie unvermittelt von der Rezession getroffen. Die Inflationsrate stieg ungeachtet mehrerer Stabilisierungsabkommen und die Arbeitskräfteknappheit wurde zu einem Überangebot, das 1974 in einen Anwerbestopp von Gastarbeitern mündete. Die veränderte Arbeitsmarktlage fußte u. a. auf dem Rückgang des Beschäftigungszuwachses und dem Anstieg der Arbeitslosigkeit.184 Die Vollbeschäftigung konnte trotz allem aufrechterhalten werden.

182 Butschek 1992  : 153. 183 Vgl. Lauber/Pesendorfer 2006  : 613. 184 Vgl. Butschek 1981  : 18.

119

Österreichische Wirtschaftsentwicklung seit dem Zweiten Weltkrieg im Überblick Jahr

Inflationsrate in %

Jahr

1970

4,4

1975

Inflationsrate in % 8,4

1971

4,7

1976

7,3

1972

6,3

1977

5,5

1973

7,6

1978

3,6

1974

9,5

1979

3,7

Tab. 14  : Übersicht Inflationsrate (1970–1979) Quelle  : Statistik Austria.

Die Wirtschaftskrisen der 1970er Jahre führten zu einem Anstieg der jährlichen Inflationsraten, einem Rückgang der Wachstumsraten sowie steigenden Arbeitslosenzahlen und unausgelasteten Kapazitäten.185 Die 1972 einsetzenden Stabilisierungsabkommen zur Inflationsbekämpfung wurden fortgesetzt. Für Unbehagen sorgten die Zunahme der Lohnzuwachsraten – diese stiegen 1971 in Bezug auf das Vorjahr um ca. 14 %186 – sowie die Erhöhung der Arbeitslosenraten. Generell wurde angezweifelt, ob die österreichische Einkommenspolitik mit der Stagflation fertig werden könne.187 Einnahmen

Ausgaben

in Mio. ATS

in Mio. ATS

in Mio. ATS

Bruttosaldo in % des BIP

Nettosaldo

1970

  94.366

101.584

– 7.218

–1,8

–  2.239

–0,6

1971

104.824

112.567

–  7.744

–1,7

–  1.690

–0,4

1972

120.209

127.889

–  7.680

–1,6

–  1.431

–0,3

in Mio. ATS

in % des BIP

1973

128.315

141.151

–12.835

–2,2

– 7.171

–1,2

1974

148.598

167.133

–18.536

–2,8

–11.656

–1,8

1975

159.533

196.697

–37.164

–5,4

–29.666

–4,3

1976

177.904

221.901

–43.996

–5,8

–33.260

–4,3

1977

194.782

236.658

–41.876

–5,0

–29.895

–3,5

1978

214.949

266.136

–51.187

–5,7

–35.424

–4,0

1979

237.621

288.134

–50.513

–5,1

–32.522

–3,3

Tab. 15  : Entwicklung des Budgetdefizits (1970–1979) Quelle  : Butschek 2012  : 579. Die Unterspalte in % des BIP zum Nettosaldo enthält ab 1975 eine Abweichung von 0,1 Prozentpunkten zu den von Butschek 2004 genannten Werten. Vgl. Butschek 2004  : 147.

185 Vgl. Aldcroft 2002  : 192. 186 Vgl. Hochreiter/Winckler 1994  : 32. 187 Pollan 1982  : 167.

120

Politische und ökonomische Rahmenbedingungen

Die wirtschaftlichen Probleme in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre lassen sich am Wachstumsrückgang, der Gefahr des Verlusts der Vollbeschäftigung, dem latenten Inflationsdruck sowie der drohenden Passivierung der Leistungsbilanz festmachen.188 Handelsbilanz Einfuhr (in Mio. ATS)

Ausfuhr (in Mio. ATS)

Saldo

1970

  92.266,0

  74.272,0

–17.994,0

1971

104.476,0

  78.991,0

–25.485,0

1972

120.577,0

  89.747,0

–30.830,0

1973

137.862,7

101.977,0

–35.885,7

1974

168.208,8

133.355,7

–34.925,1

1975

163.376,5

130.884,2

–32.492,3

1976

206.081,0

152.114,0

–53.967,0

1977

234.841,1

161.781,5

–73.059,6

1978

231.888,3

176.111,7

–55.776,6

1979

269.861,8

206.252,6

–63.609,2

Tab. 16  : Überblick Handelsbilanz (1970–1979) Quelle  : Butschek 2004  : 243 (eigene Darstellung).

Die Entwicklungen erschwerten es, das Vollbeschäftigungsziel zu erreichen, das trotzdem nicht aufgegeben wurde. Steigende Budgetdefizite wurden bewusst in Kauf genommen, um die Arbeitslosenzahlen niedrig zu halten, wenngleich ein breiter Konsens darüber herrschte, dass das Budget nicht unbegrenzt strapazierbar sei.189 Die jährliche Arbeitslosenquote stieg in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre an, überstieg dabei aber im Jahresvergleich nie 2,1 %. 1979 kam es schließlich zur zweiten Ölkrise, in deren Folge sich die westlichen Volkswirtschaften nur mäßig erholten.190 Österreich konnte trotz eines steigenden Budgetdefizits und der Sicherung der Beschäftigung in der verstaatlichten Industrie die Vollbeschäftigung nicht aufrechterhalten. Zugleich bedeutete dieses zwangsweise Halten von Arbeitskräften in der Verstaatlichten eine strukturkonservierende Wirkung der Arbeitsplatzerhaltung durch staatliche Subventionen.191 Diese strukturellen Defizite begannen sich in den 1980er Jahren verstärkt auszuwirken. Mit dem Ende der Ära Kreisky kam es nunmehr zur Aufgabe des Vollbeschäftigungszieles. Es folgte vielmehr eine Hinwendung zum Ziel der »Sicherung eines möglichst hohen 188 Vgl. Dirninger 2007  : 387. 189 J. Eder 1998  : 113. 190 Butschek 2004  : 105. 191 J. Eder 1998  : 89.

121

Österreichische Wirtschaftsentwicklung seit dem Zweiten Weltkrieg im Überblick

Beschäftigungsstandes«.192 Das Ende der Vollbeschäftigung in der ersten Hälfte der 1980er Jahre ging einher mit strukturellen Problemen der verstaatlichten Industrie, mit zunehmendem Inflationsdruck als Folge der zweiten Ölkrise und dem Anstieg der Inflationsraten, des Zinsniveaus sowie des Budgetdefizits.193 Jahr

Inflationsrate in %

Jahr

Inflationsrate in %

1980

6,4

1985

3,2

1981

6,8

1986

1,7

1982

5,4

1987

1,4

1983

3,3

1988

2,0

1984

5,6

1989

2,5

Tab. 17  : Übersicht Inflationsrate (1980–1989) Quelle  : Statistik Austria.

In den 1980er Jahren schwankte die österreichische Wirtschaft. Dabei gelang es nicht, die im Austro-Keynesianismus gesetzten Maßnahmen aufrechtzuerhalten. Von einigen Seiten wurde ein umfassendes Sanierungspaket forciert und empfohlen, es umgehend zu verwirklichen, da die Bereitschaft zu möglicherweise schmerzhaften Reformen sehr rasch nachlassen würde.194 Einnahmen

Ausgaben

in Mio. ATS

in Mio. ATS

in Mio. ATS

in % des BIP

in Mio. ATS

in % des BIP

259.028

306.492

–47.464

–4,5

–29.288

–2,8

1981

287.791

339.456

–51.665

–4,6

–27.501

–2,4

1982

300.955

372.775

–71.820

–6,0

–46.605

–3,9

1983

316.673

407.791

–91.118

–7,1

–65.570

–5,1

1984

344.901

435.135

–90.235

–6,7

–57.406

–4,3

1985

372.895

464.673

–91.778

–6,4

–60.119

–4,2

1986

391.675

498.390

–106.715

–7,1

–73.090

–4,9

1987

409.556

514.461

–104.905

–6,7

–69.800

–4,5

1980

Bruttosaldo

Nettosaldo

1988

451.343

557.085

–105.742

–6,5

–66.481

–4,1

1989

477.958

575.354

–97.396

–5,6

–62.706

–3,6

Tab. 18  : Entwicklung des Budgetdefizits (1980–1989) Quelle  : Butschek 2012  : 579. Die Unterspalte in % des BIP zum Nettosaldo enthält ab 1981 eine Abweichung von 0,1 Prozentpunkten zu den von Butschek 2004 genannten Datenwerten. Vgl. Butschek 2004  : 147.

192 Lauber/Pesendorfer 2006  : 614. 193 Vgl. Dirninger 2007  : 407f. 194 Butschek 2004  : 150.

122

Politische und ökonomische Rahmenbedingungen

Auf europäischer Ebene kam es in den 1980er Jahren zu Versuchen der wirtschaftlichen Liberalisierung. In Österreich wurde mittels Deregulierungskonzepten und Privatisierungsstrategien versucht, diesen Entwicklungen zu begegnen.195 Die Tendenzen zur Anpassung wurden durch eine mögliche Annäherung an die EG weiter befeuert. In diesem Zusammenhang kam der VÖI eine besondere Rolle zu. Vor den 1980er Jahren beschränkte sich deren Strategie auf den Schutz der Interessen vor Konkurrenz, während, wie Nautz beschreibt, nunmehr die Position der österreichischen Unternehmer innerhalb des globalen Wettbewerbsmarktes gestärkt werden sollte und eine Verbesserung der Standortqualität betont wurde.196 Diese Hinwendung zur EG wurde nicht nur von Handelskammer und VÖI betrieben, sondern auch die Arbeitnehmervertretung sowie die Sozialpartnerschaft sprachen sich schließlich für den Beitritt aus. Krisenerscheinungen prägten die 1980er Jahre, angefangen von der Erdölkrise über die Wirtschaftskrise bis hin zur Beschäftigungskrise, die die Verstaatlichtenkrise verstärkte. Trotzdem kam es ab Ende der 1980er Jahre zu einem wirtschaftlichen Aufschwung. Dieser begründete sich in der Nachfragewirksamkeit der Ersparnisse der Bevölkerung in den Industriestaaten infolge der Erdölverbilligung, der Ausweitung der Geldmenge als Folge des Börsenkrachs von 1987 und einer internationalen Investitionswelle nach Ankündigung eines EG-Binnenmarkts.197 Ungeachtet dessen ging die Arbeitslosigkeit trotz starken Beschäftigungswachstums kaum zurück.198 Immer deutlicher machten sich das hohe Budgetdefizit und die nicht erfolgte Sanierungspolitik bemerkbar. In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre wurden daher der Abbau der Staatsverschuldung und die Konsolidierung des Haushaltes199 zum wichtigsten Anliegen der österreichischen Wirtschaftspolitik. Nachdem erste aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen ergriffen worden waren, war diese Politik in den 1970er Jahren fortgesetzt worden. Die eingeleiteten Schritte dienten mehrheitlich der Einbindung der letzten vorhandenen Arbeitskraftreserven sowie der Eingliederung von Gastarbeitern in den heimischen Arbeitsmarkt, wenn keine Arbeitskraftreserven vorhanden waren. Zusätzlich wurde eine Maßnahmenpolitik betrieben, die die regionale und die berufliche Mobilität der Arbeitskräfte erhöhen sollte.200 Ab etwa Mitte der 1970er Jahre wurden die Schulungs- und Qualifizierungseinrichtungen ausgebaut und Strukturbeihilfen für wirtschaftliche Problemregionen unter Einbindung des Bundes und der lokalen Verwaltung gewährt, um

195 Vgl. Nautz 2007  : 102. 196 Vgl. Nautz 2007  : 103. 197 Vgl. Butschek 2001  : 310. 198 Butschek 2001  : 311. 199 Dirninger 2007  : 418. 200 Vgl. Atzmüller 2009  : 151.

123

Österreichische Wirtschaftsentwicklung seit dem Zweiten Weltkrieg im Überblick

die Beschäftigung zu sichern.201 Die Beschäftigungspolitik war grundsätzlich auf die Ermöglichung unternehmerischer Arbeitsplatzschaffung ausgerichtet.202 Unselbstständig Beschäftigte Stand

Veränderung

Arbeitslose Stand

Veränderung

Arbeitslosenquote in %

Personen

Personen

in %

Personen

Personen

in %

1970

2.365.100

+31.200

+1,3

45.100

–10.100

–18,3

1,9

1971

2.430.100

+65.000

+2,7

37.000

–8.100

–18,0

1,5

1972

2.487.400

+57.300

+2,4

33.200

–3.800

–10,3

1,3

1973

2.582.000

+94.600

+3,8

31.300

–1.900

–5,7

1,2

1974

2.630.100

+48.100

+1,9

35.900

+4.600

+14,7

1,3

1975

2.629.600

–500

–0,0

55.500

+19.600

+54,6

2,1

1976

2.658.700

+29.100

+1,1

55.300

–200

–0,4

2,0

1977

2.709.500

+50.800

+1,9

51.200

–4.100

–7,4

1,9

1978

2.729.900

+20.400

+0,8

58.600

+7.400

+14,5

2,1

1979

2.760.100

+30.200

+1,1

56.700

–1.900

–3,2

2,0

1980

2.779.200

+19.100

+0,7

53.200

–3.500

–6,2

1,9

1981

2.789.100

+9.900

+0,4

69.300

+16.100

+30,3

2,4

1982

2.756.900

–33.200

–1,2

105.300

+36.000

+51,9

3,7

1983

2.734.700

–22.200

–0,8

127.400

+22.100

+21,0

4,5

1984

2.744.500

+9.800

+0,4

130.500

+3.100

+2,4

4,5

1985

2.759.700

+15.200

+0,6

139.400

+8.900

+6,8

4,8

1986

2.780.200

+20.500

+0,7

152.000

+12.600

+9,0

5,2

1987

2.785.400

+5.200

+0,2

164.500

+12.500

+8,2

5,6

1988

2.810.500

+25.100

+0,9

158.600

–5.900

–3,6

5,3

1989

2.862.300

+51.800

+1,8

149.200

–9.400

–5,9

5,0

Tab. 19  : Die Arbeitsmarktlage von 1970 bis 1989 Quelle  : Butschek 2012  : 559f.

Mitte der 1970er Jahre zeichnete sich eine veränderte Lage auf dem Arbeitsmarkt ab. Ein erstes Anzeichen der veränderten Position der Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik war der Anwerbestopp von Gastarbeitern. Die Arbeitsmarktlage veränderte sich rascher, als die aktive Arbeitsmarktpolitik angepasst werden konnte, zumal sämtliche Maßnahmen zur Begrenzung und Steuerung des Arbeitskräfteangebots, wie z. B. die bereits 1969 initialisierte etappenweise Reduktion der Wochenarbeits-

201 Vgl. Atzmüller 2009  : 151. 202 Dirninger 2007  : 373.

124

Politische und ökonomische Rahmenbedingungen

zeit oder der Anwerbestopp in Kombination mit dem Ausbau der aktiven Arbeitsmarktpolitik, nicht mit den steigenden Arbeitsmarktproblemen mithalten konnten.203 Die 1980er Jahre standen ebenfalls unter dem Eindruck steigender Arbeitslosenzahlen. Die Arbeitslosenquote stieg 1981 auf 2,4 %, 1982 auf 3,7 % und 1983 auf 4,5 % und erreichte 1987 mit 5,6 % den Höhepunkt. Wie dramatisch die Situation auf dem Arbeitsmarkt tatsächlich war, zeigt sich exemplarisch am Jahr 1982. In diesem Jahr nahm die Zahl der Arbeitslosen204 um 51,9 % im Vergleich zum Vorjahr zu. Unter dem Eindruck des Verlusts der Vollbeschäftigung lag nun »der Fokus der Arbeitsmarktförderung auf der Sicherung von Arbeitsplätzen in Unternehmen, die in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten waren und als volkswirtschaftlich besonders bedeutsam galten.«205 Dies traf insbesondere auch auf die Industrieregion Steyr und die Steyr-Daimler-Puch AG zu, die sehr deutlich unter den Auswirkungen der Wirtschaftskrise, auch aufgrund von regierungsseitig verursachten Absatzschwierigkeiten der produzierten Güter, zu leiden hatte. Über die Implementierung der 35-Stunden-Woche wurde laut nachgedacht und Kurzarbeit praktiziert, und schließlich kam es Anfang 1984 zu einer Krisenintervention vor Ort durch den neuen Bundeskanzler Sinowatz, der mittels der als Kurzarbeit getarnten 35-Stunden-Woche und der Aufwendung von Strukturförderungsmitteln in Millionenhöhe Beschäftigung zu sichern und den Abbau von Arbeitnehmern zu verhindern suchte.206 Diese Beschäftigungsgarantien der Regierung waren dabei Ausdruck einer regionalpolitischen Instrumentalisierung der verstaatlichten Wirtschaft.207 Über Strukturprogramme und das »Horten« von Arbeitskräften hinaus wurden in den 1980er Jahren Maßnahmen zur aktiven Arbeitsmarktpolitik ergriffen. Schulungsund Weiterbildungsmaßnahmen für Arbeitslose wurden ausgebaut und Unterstützungsmaßnahmen für Jugendliche, Langzeitarbeitslose oder Niedrigqualifizierte 203 Vgl. Atzmüller 2009  : 152. 204 In den 1980er Jahren kam es zu einer Uminterpretierung von Arbeitslosigkeit. Die mangelnde Arbeitsbereitschaft von Arbeitslosen wurde von den Medien kritisiert, die Arbeitslosenunterstützung als zu großzügig interpretiert  ; da die Vermittlung der Arbeitslosen auf die Zumutbarkeit der Arbeitsstelle ausgerichtet war, würde es den Arbeitslosen ermöglicht, ein Leben als »Sozialschmarotzer« zu führen. Diesen Kampagnen der Medien schlossen sich die politischen Parteien ÖVP und FPÖ an. Diese Umdeutung erfolgte im Kontext »steigender Arbeitslosigkeit trotz relativ günstiger Wirtschaftskonjunktur«, wie Tálos betont. Tálos zufolge intensivierten sich die Diskussionen 1986, als die Arbeitslosenzahlen einen neuen Höchststand erreicht hatten. Diese Diskussionen über »Sozialschmarotzer« führten in den 1990er Jahren zum Ausbau von Sanktionsmöglichkeiten gegenüber Beziehern von Arbeitslosengeldern und Notstandsbeihilfebeziehern. Vgl. Tálos 1987  : 134ff.; Atzmüller 2009  : 154 und 163ff. 205 Atzmüller 2009  : 152 206 Vgl. Abschnitt 6.4.2.2. 207 Dirninger 2007  : 389.

Österreichische Wirtschaftsentwicklung seit dem Zweiten Weltkrieg im Überblick

125

entwickelt,208 während andere Arbeitsmarktprobleme, wie z. B. jene von Migranten oder Frauen, ausgeblendet wurden.209 Ein zweites Standbein der Arbeitsmarktförderung kann in einer »experimentellen Arbeitsmarktpolitik« gesehen werden. Diese wurde unter der »Aktion 8000« von Sozialminister Dallinger etabliert und ermöglichte die Einbindung von selbstverwalteten Einrichtungen bzw. gemeinnützigen Einrichtungen in die Arbeitsmarktförderung.210 Als der Austro-Keynesianismus endgültig aufgegeben worden war, verschob sich die Beschäftigungspolitik noch weiter in Richtung aktiver Arbeitsmarktpolitik, wobei ein möglichst hoher Beschäftigungsstand gesichert werden sollte  ; die beschäftigungspolitischen Effekte der Wirtschaftspolitik sollten nun eher aus der Sicherung eines adäquaten Funktionierens der Wirtschaft resultieren.211 Der 1969 vereinbarte Übergang zur 40-Stunden-Woche wurde in drei Etappen vollzogen, deren letzte 1975 erfolgte. Arbeitszeitpolitik im Sinne der traditionellen Verkürzungspolitik der Arbeitszeit wurde in den 1970er Jahren in Österreich nicht betrieben, da die erste Hälfte dieses Zeitraums von den Ende 1969 vereinbarten Verkürzungsetappen geprägt wurde. Der Fokus lag daher nicht auf der Reduktion täglicher und wöchentlicher Arbeitszeit, sondern in der Veränderung der Lebensarbeitszeit. Dazu gab es nur vereinzelt Diskussionen, die zu einer Ausdehnung des Mutterschutzes 1974, der Schaffung des Karenzurlaubs, der Pflegefreistellung von Vätern 1976 oder dem Anheben des Mindesturlaubsanspruchs 1976 führten. Ferner gab es Ende der 1970er Jahre Vorschläge zur Frühpensionierung. Die Arbeitszeitpolitik stand im Spannungsverhältnis der Beschäftigungspolitik. Die Gegner einer Arbeitszeitverkürzung argumentierten zumeist aus vielerlei Gründen damit, dass diese nicht durchführbar sei. Eine einheitliche, durchgehende Strategie war jedoch bis zum Ende der 1970er Jahre nicht erkennbar. Dies änderte sich mit dem Aufkommen des Ansatzes zur Flexibilisierung der Arbeitszeit, der eine erste Gegenstrategie zur Forderung der Arbeitszeitverkürzung zugrunde liegt. Sowohl die Arbeitszeitverkürzung als auch die Arbeitszeitflexibilisierung wurden insgesamt auf die Beschäftigungswirkung ausgerichtet. Im Kern spiegelt sich die Vorstellung, dass die Vollbeschäftigung erhalten bleiben muss, in den Debatten um die Arbeitszeit wider. Beide Seiten beharrten darauf, dass ihre Vorgangsweise die »Patentlösung« der Beschäftigungspolitik zur Sicherung der Vollbeschäftigung sei. Im Zuge der Diskussionen um die Arbeitszeitflexibilisierung kam es zur Etablierung zahlreicher – teilweise stark umstrittener – Arbeitszeitmodelle.

208 Vgl. Tálos 1987  : 122ff.; Atzmüller 2009  : 152. 209 Vgl. Tálos 1987  : 103 und 119. 210 Vgl. Tálos 1987  : 122  ; Atzmüller 2009  : 152f. 211 Atzmüller 2009  : 153.

126

Politische und ökonomische Rahmenbedingungen

Sozialminister Dallinger strebte ein zweiphasiges Modell mit dem ersten Schritt der Anhebung des Mindesturlaubs und dem zweiten Schritt der Einführung der 35-Stunden-Woche an. Seine Vorgangsweise war nicht unumstritten und zeigte offen die Bruchlinien im Lager der Arbeitszeitverkürzungsbefürworter auf, die latent seit dem Volksbegehren 1969 vorhanden waren. Ein erster konkreter Ansatzpunkt zur Verwirklichung der 35-Stunden-Woche war der Versuch, sie in der Steyr-Daimler-Puch AG infolge der Wirtschaftskrise zu etablieren und Arbeitskräfte zu »horten«. Die 35-Stunden-Woche sollte linear als Kurzarbeit eingeführt werden. Aufgrund einer anderen Praxisauslegung bei der Steyr-Daimler-Puch AG scheiterte dieser Ansatz frühzeitig und führte nicht, wie Gegner anführten, zu einem »Flächenbrand« der Einführung der 35-Stunden-Woche. Beharrten beide Seiten zunächst auf der Verwirklichung ihrer Vorschläge, kam es Ende der 1980er Jahren in diversen Branchen zur 38,5- bzw. 38-Stunden-Woche. 3.4.4 Wirtschaftliche Entwicklung in der Periode erneuter Politikbeeinflussung seit den 1990er Jahren Aus den Nationalratswahlen 1990 ging die SPÖ als Sieger hervor. Die Umweltbewegung der Grünen konnte als die Grüne Alternative in den Nationalrat einziehen und zehn Mandate erringen. Die VGÖ scheiterte mit knapp 2 % der Stimmen. Der Einzug der Grünen und der Stimmenzuwuchs der FPÖ unter deren Spitzenkandidat Norbert Gugerbauer (Obmann der FPÖ von 1989–1992) sorgten für massive Stimmen- und Mandatsverluste bei der ÖVP. Die große Koalition unter Franz Vranitzky (Bundeskanzler, SPÖ) wurde dennoch fortgesetzt. Der Wahlerfolg des »dritten Lagers« setzte sich bei den Nationalratswahlen 1994 fort. Die FPÖ eilte von Wahlerfolg zu Wahlerfolg, während die Großparteien SPÖ und ÖVP größere Verluste hinnehmen mussten. Der Erfolg der FPÖ war unbestritten mit Jörg Haider verbunden, der nach dem Rücktritt Norbert Gugerbauers die Parteispitze übernahm. Nicht nur die FPÖ, sondern auch die Grünen sorgten für Druck auf die Großparteien. Darüber hinaus gelang dem LIF, das sich unter Heide Schmidt 1993 von der FPÖ abspaltete, der Einzug in den Nationalrat mit elf Mandaten. Trotz Divergenzen zwischen SPÖ und ÖVP kam es bis Ende der 1990er Jahre weiterhin zur Bildung einer großen Koalition. 1999 brachte eine historische, politische Wende in der Zweiten Republik. Zwar hatte die ÖVP ihre Mandatszahl verteidigen können, aber erstmals war sie auf den 3. Platz hinter der FPÖ abgerutscht. Die FPÖ, die wie die ÖVP 52 Mandate erringen konnte, hatte besonders davon profitieren könnten, dass das LIF an der Vier-Prozent-Hürde scheiterte. Zudem gelang den Grünen eine Trendwende und die Steigerung auf 7,4 % der Wählerstimmen und 14 Mandate. Langwierige Sondierungsgespräche brachten überraschend nicht die erneute große Koalition, sondern eine

Österreichische Wirtschaftsentwicklung seit dem Zweiten Weltkrieg im Überblick

127

kleine Koalition zwischen ÖVP und FPÖ unter der Führung von Wolfgang Schüssel (Bundeskanzler, ÖVP). Turbulenzen innerhalb der FPÖ, die auf dem Knittelfelder Parteitag zu einem Rücktritt der FPÖ-Führungsriege um Susanne Riess-Passer (Vizekanzlerin und Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport, FPÖ) und Karl-Heinz Grasser (Bundesminister für Finanzen, FPÖ) führten, mündeten 2002 in Neuwahlen. Diese wurden überraschend deutlich von der ÖVP gewonnen, die damit die Krise des Koalitionspartners unbeschadet überstand. Die Koalition zwischen ÖVP und FPÖ wurde aufrechterhalten. Im Frühjahr 2005 spaltete sich das BZÖ unter Jörg Haider von der FPÖ ab  ; die Koalition wurde nunmehr zwischen ÖVP und BZÖ fortgesetzt. 2006 wurde das gute Wahlergebnis der ÖVP von 2002 relativiert. Die FPÖ, deren Spitzenkandidat erstmalig Heinz-Christian Strache war, konnte leichte Zugewinne verzeichnen, landete aber mit weniger als 600 Stimmen Unterschied auf dem vierten Platz hinter den Grünen. Das erstmals angetretene BZÖ schaffte mit sieben Mandaten den Einzug. Die Regierungsbeteiligung der FPÖ bzw. des BZÖ war beendet. Seitdem gab es mit wechselhaftem Erfolg erneut eine Koalition zwischen SPÖ und ÖVP. Diese wurde bei den Wahlen 2017 durch eine türkis-blaue Regierung unter Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ersetzt. Zwei Faktoren beeinflussten die Wirtschaftspolitik der 1990er Jahren  : einerseits der Fall des sogenannten Eisernen Vorhangs, andererseits der Beitritt Österreichs zur EU am 1. Jänner 1995. Österreich verpflichtete sich mit Letzterem nicht nur zur Anpassung der Nachtarbeitsregelung an geltende EU-Vorschriften, sondern musste nun auch die im Vertrag von Maastricht festgelegten Konvergenzkriterien in den Bereichen Preisniveaustabilität, Wechselkursstabilität, Zinsstabilität und Staatsverschuldung einhalten. Mit diesen Kriterien sollte ein Euroraum geschaffen werden, »der einen optimalen Währungsraum darstellt, der durch einen hohen Integrationsgrad, Flexibilität sowie eine Produktionsstruktur gekennzeichnet ist, bei der asymmetrische Schocks nicht von zentraler Bedeutung sind.«212 Mit dem Beitritt und der Zustimmung zu diesen Kriterien erhoffte sich Österreich dauerhaft einen zusätzlichen Wachstumsimpuls.213 Neben diesen Konvergenzkriterien ist für die wirtschaftspolitische Entwicklung der EU-Stabilitätspakt von Bedeutung. Zusammen stellen sie einen permanenten Austeritätszwang dar.214 Die Wirtschaft Österreichs konnte sich Ende der 1980er Jahre kurzfristig erholen. Bereits 1991 trat sie jedoch erneut in eine Phase der Abkühlung ein.215 1993 machten sich aufgrund der vergangenen Versäumnisse Nachfrageausfälle mit entsprechenden 212 Ribhegge 2007  : 117. 213 Lauber/Pesendorfer 2006  : 618. 214 Lauber/Pesendorfer 2006  : 618. 215 Butschek 2001  : 310.

128

Politische und ökonomische Rahmenbedingungen

Folgen für Steuern und Beiträge sowie Belastungen durch eine höhere Arbeitslosigkeit bemerkbar.216 In einem Zeitraum von vier Jahren nach dem wirtschaftlichen Abschwung von 1993 lag das reale Wirtschaftswachstum etwa bei 2,5 %.217 Ab Mitte/Ende der 1980er Jahre lässt sich ein Sinken der Inflationsraten beobachten. Zunächst stand diese abnehmende Inflationsdynamik in Verbindung mit der Verbilligung des Erdöls und dann ab Ende der 1980er Jahre vornehmlich mit der schwachen Konjunktur.218 Bis 1992 stieg die Inflationsrate auf 4,1 %, um danach kontinuierlich zu sinken. Ein merklicher Rückgang des Preisauftriebs wird mit dem EU-Beitritt konstatiert. Zunächst bewirkten Preisreduzierungen von Grundnahrungsmitteln um 10,6 % ein Sinken der Inflationsrate um 0,5 Prozentpunkte, ehe 1996/97 Gebrauchtwagen und Dienstleistungen verstärkt billiger wurden.219 Das Unterschreiten der 1 %-Marke 1998 führte zur merklichen Angst vor einer um sich greifenden Deflationsphase. Zu den Gründen für die niedrige Inflation zählen das Erreichen der Maastricht-Kriterien und der Stabilitätskriterien, die Liberalisierung der Energie- sowie der Technologiemärkte und eine niedrige Importinflation.220 Jahr

Inflationsrate in %

Jahr

Inflationsrate in %

Jahr

Inflationsrate in %

1990

3,3

1996

1991

3,3

1997

1,9

2002

1,8

1,3

2003

1992

4,1

1,3

1998

0,9

2004

1993

2,1

3,6

1999

0,6

2005

2,3

1994

3,0

2000

2,3

2006

1,5

1995

2,2

2001

2,7

2007

2,2

Tab. 20  : Übersicht Inflationsrate (1990–2007) Quelle  : Statistik Austria.

Bereits ein Jahr vor dem EU-Beitritt wurde ein weiteres Sparpaket beschlossen, allerdings ohne dass die Sozialpartner in die Verhandlungen einbezogen worden wären. Die Folge war eine Interventionspolitik der Gewerkschaften, so dass die geplanten Einsparungen nur etwa zur Hälfte realisiert werden konnten.221 Ein Sparpaket folgte auf das andere, immer mit der Zielrichtung, das Budget zu sanieren. 1996 und

216 Butschek 2004  : 150. 217 Chaloupek/Marterbauer 2008  : 61. 218 Vgl. Baumgartner 1999  : 635. 219 Vgl. Pollan 1996a  : 45ff.; Pollan 1996b  : 573ff.; Baumgartner 1999  : 636. 220 Lamel 1999  : 626. 221 Lauber/Pesendorfer 2006  : 615.

129

Österreichische Wirtschaftsentwicklung seit dem Zweiten Weltkrieg im Überblick

1997 wurde ein Paket von Steuererhöhungen, Ausgabenkürzungen und Ausgliederungen222 aus dem öffentlichen Sektor223 geschnürt. Einnahmen

Ausgaben

in Mio. ATS

in Mio. ATS

Bruttosaldo

1990

501.860

597.546

–95.686

1991

557.154

652.612

–95.458

1992

591.563

698.989

–107.427

–5,1

1993

601.445

752.716

–151.271

–6,9

–98.240

–4,5

1994

626.629

797.657

–171.028

–7,4

–104.818

–4,6

1995

648.689

879.940

–233.250

–9,7

–117.903

–4,9 –3,6

in Mio. ATS

Nettosaldo

in % des BIP

in Mio. ATS

in % des BIP

–5,1

–62.876

–3,4

–4,7

–62.703

–3,1

–66.397

–3,1

1996

665.422

859.865

–194.443

–7,8

–89.366

1997

682.420

845.700

–163.280

–6,5

–67.219

–2,7

1998

711.567

935.359

–223.792

–8,5

–66.027

–2,5

Tab. 21  : Entwicklung des Budgetdefizits (1990–1998) Quelle  : Butschek 2012  : 579. Die Unterspalte in % des BIP zum Nettosaldo enthält für 1991, 1992 und 1995 eine Abweichung von 0,1 Prozentpunkte zu den von Butschek 2004 genannten Werten. Vgl. Butschek 2004  : 147.

Mit den Steuerpaketen sollte erreicht werden, dass die Konvergenzkriterien zur Einführung des Euro erfüllt werden. Trotz der offenen Unterstützung der Sozialpartner kam es zu Unmutsäußerungen der Bevölkerung, die bis hin zu Demonstrationen gegen Sozialabbau und einen drohenden Anstieg der Arbeitslosigkeit reichten.224 Nach Einschätzung Butscheks scheiterten all diese Versuche zur Sanierung des Budgets

222 Unter Ausgliederungen versteht das BMF »die gesetzliche Übertragung von hoheitlichen Aufgaben und/oder Aufgaben der Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes oder eines unselbstständigen Bundesbetriebes einschließlich des bisherigen bundeseigenen Personals auf einen neu geschaffenen Rechtsträger«. Als Motive für Auslagerungen werden vom BMF die Forderung nach höherer Kostentransparenz und umfassenderen Informationen über die Vermögens- und Finanzlage in der öffentlichen Verwaltung angeführt. Dadurch soll ein Mehr an Flexibilität der Angebotsstruktur des öffentlichen Sektors hin zu einer bedarfsgerechten bürgernahen Leistungserbringung erreicht werden. Der Argumentation des BMF nach stellen derartige Ausgliederungen einen wesentlichen Bestandteil der Verwaltungsreform dar. Zudem wird zwischen einer formellen (Ausgliederung von privatrechtlichen Körperschaften) und einer materiellen Ausgliederung (z. B. Ausgliederung von Leistungserbringung) unterschieden. Zu den ausgegliederten Unternehmen zählen u. a. die SchieneninfrastrukturfinanzierungsgmbH oder die Österreichische Bundesforste AG. Vgl. Leitsmüller/Rossmann 2001  : 41ff.; BMF 2003  : 7f. und 18ff. 223 Chaloupek/Marterbauer 2008  : 61. 224 Dirninger 2007  : 424.

130

Politische und ökonomische Rahmenbedingungen

daran, dass langfristig wirksame Eingriffe vermieden wurden.225 Die Arbeitslosigkeit stieg in den 1990er Jahren weiter an. Dadurch gelang es nicht mehr, mittels der Lohnpolitik eine Produktivitätsorientierung durchzusetzen sowie die realen Lohnstückkosten konstant zu halten.226 Darüber hinaus kam es beginnend ab Mitte der 1990er Jahre zu einem Rückgang des Wachstumsvorsprungs gegenüber den anderen Ländern der EU. Das Schlagwort der schwarz-blauen Regierung (um das Jahr 2000) war das des »neuen Regierens«, was wirtschaftspolitisch den Anspruch darstellte, den vor eineinhalb Jahrzehnten vorsichtig eingeleiteten Paradigmenwechsel zu einer angebotsorientierten Wirtschaftspolitik endgültig zu vollziehen.227 Im Weiteren sollte ein stabiles Budget ermöglicht werden. Einnahmen

Ausgaben

Bruttosaldo

Nettosaldo

in Mio. Euro

in Mio. Euro

in Mio. Euro

in % des BIP

in Mio. Euro

1999

52.293

69.998

–17.705

–8,9

–4.956

in % des BIP –2,5

2000

55.393

70.575

–15.182

–7,3

–2.854

–1,4

2001

58.994

70.749

–11.755

–5,5

–1.415

–0,7

2002

59.428

74.904

–15.475

–7,1

–2.390

–1,1

2003

57.890

77.260

–19.370

–8,7

–3.498

–1,6

2004

60.347

80.787

–20.440

–8,8

–4.630

–2,0

2005

61.493

83.339

–21.846

–9,0

–4.548

–1,9

2006

66.145

87.124

–20.979

–8,2

–4.416

–1,7

2007

69.462

90.889

–21.427

–7,9

–2.870

–1,1

Tab. 22  : Entwicklung des Budgetdefizits (1999–2007) Quelle  : Butschek 2012  : 580. Die Unterspalte in % des BIP zum Nettosaldo enthält für 2003 eine Abweichung von 0,2 Prozentpunkten sowie 2004 von 0,5 Prozentpunkten zu den von Butschek 2004 genannten Werten. Vgl. Butschek 2004  : 147.

Eckpunkt der Budgetsanierung unter Finanzminister Karl-Heinz Grasser war das Nulldefizit. Wesentlich war auch eine konsequente Standortsicherungspolitik durch Liberalisierung, Privatisierung, Kostenentlastungen und Flexibilisierung.228 Insgesamt bedeutete die schwarz-blaue Regierung eine Fortsetzung der prozyklischen Ausrichtung der Budgetpolitik auch in der Periode der Stagnation 2001–2003,229 de225 Butschek 2004  : 150. 226 Vgl. Chaloupek/Marterbauer 2008  : 64. 227 Obinger/Tálos 2006  : 214f. 228 Obinger/Tálos 2006  : 215. 229 Chaloupek/Marterbauer 2008  : 62.

Österreichische Wirtschaftsentwicklung seit dem Zweiten Weltkrieg im Überblick

131

ren Gründe in einem mäßigen Konsumentenwachstum und dem überproportionalen Anstieg der Arbeitslosigkeit zu sehen sind.230 Die Ausrichtung an einer antizyklischen Konjunkturpolitik war generell seit Mitte der 1990er Jahren einer Ausrichtung am politischen Konjunkturzyklus und der Orientierung an Wahlterminen gewichen.231 Das Vermeiden von Schulden und das Sparen in der Finanzpolitik fand Zustimmung in der Bevölkerung  ; dabei wurde die Budgetsanierung nun mit dem Ziel verbunden, keine neuen Schulden zu machen.232 Diese prozyklische Budgetpolitik führte 2001 zu Steuererhöhungen, die ihren Anteil am schwachen Wirtschaftswachstum und am Anstieg der Arbeitslosigkeit hatten.233 Weiters wurden viele Gesetze, die von der ÖVP-FPÖ-Regierung zur Sanierung erlassen wurden, gegen den Widerstand von Opposition, Arbeiterkammern und Gewerkschaften beschlossen.234 Mit der Konjunkturabschwächung 2003 wurde die prozyklische Konjunkturpolitik gelockert, so dass die Schaffung von Spielräumen für eine beschränkte antizyklische Gegensteuerung möglich war.235 Die wirtschaftliche Entwicklung wurde stark getrübt von der Rezession 2008. Viele Unternehmen reagierten auf die Probleme mit Kurzarbeit, um bei der Überwindung der Rezession nicht mit Neueinstellungen belastet zu werden und sofort wieder auf eine volle Produktion umstellen zu können, wenn die wirtschaftliche Lage es zuließ. Wirtschaftspolitisch wurde mit einer vorgezogenen Steuerreform sowie mit Konjunktur- und Arbeitsmarktpaketen reagiert. Der Krise zum Trotz stieg 2009 der private Konsum genauso an wie die Sparquote. Ausschlaggebend dafür waren die Steuerreform, die niedrige Inflationsrate, die hohen Lohnabschlüsse 2008 und die Ausweitung der Transferabkommen.236 Im Umfeld der Krise kletterten die Arbeitslosenzahlen, aber auch die Inflationsrate stieg, fiel jedoch 2009 bereits wieder auf 0,5 %. Zudem brachen die Einnahmen von 2008 auf 2009 um 3,4 % ein und das BIP schrumpfte um 1,7 %.237 Großen Einfluss auf die Inflationsraten hatten die Rohöl- und Rohstoffpreise,238 die zwischen 2005 und 2008 stark anzogen. Grundsätzlich schwankte die Inflationsrate in den letzten Jahren teils sehr stark.

230 Vgl. Marterbauer 2005  : 59. 231 Vgl. Marterbauer 2005  : 65  ; Chaloupek/Marterbauer 2008  : 62. 232 Dirninger 2007  : 437. 233 Chaloupek/Marterbauer 2008  : 62. 234 Vgl. Butschek 2004  : 186. 235 Dirninger 2007  : 437. 236 Baumgartner/Kaniovski/Pitlik 2010  : 48. 237 Vgl. Baumgartner/Kaniovski/Pitlik 2010  : 54. 238 Vgl. Baumgartner/Kaniovski/Pitlik 2010  : 57  ; Schuh/Graf 2012  : 1.

132

Politische und ökonomische Rahmenbedingungen

Unselbstständig Beschäftigte Stand

Veränderung

Arbeitslose Stand

Veränderung

Arbeitslosenquote in %

Personen

Personen

in %

Personen

Personen

in %

1990

2.928.700

+66.400

+2,3

165.800

+16.600

+11,1

5,4

1991

2.997.400

+66.700

+2,3

185.000

+19.200

+11,6

5,8

1992

3.055.800

+58.400

+1,9

193.100

+8.100

+4,4

5,9

1993

3.054.900

–900

–0,0

222.300

+29.200

+15,1

6,8

1994

3.070.700

+15.800

+0,5

214.900

–7.400

–3,3

6,5

1995

3.068.200

–2.500

–0,1

215.700

+800

+0,4

6,6

1996

3.047.300

–20.900

–0,7

230.500

+14.800

+6,9

7,0

1997

3.055.600

+8.300

+0,3

233.300

+2.800

+1,2

7,1

1998

3.076.700

+21.100

+0,7

237.800

+4.500

+1,9

7,2

1999

3.107.900

+31.200

+1,0

221.700

–16.100

–6,8

6,7

2000

3.133.700

+25.800

+0,8

194.300

–27.400

–12,4

5,8

2001

3.148.200

+14.500

+0,5

203.900

+9.600

+4,9

6,1

2002

3.155.200

+7.000

+0,2

232.400

+28.500

+14,0

6,9

2003

3.184.800

+29.600

+0,9

240.100

+7.700

+3,3

7,0

2004

3.198.600

+13.800

+0,4

243.900

+3.800

+1,6

7,1

2005

3.230.300

+31.700

+1,0

252.700

+8.800

+3,6

7,3

2006

3.280.900

+50.600

+1,6

239.200

–13.500

–5,3

6,8

2007

3.344.000

+63.100

+1,9

222.200

–17.000

–7,1

6,2

Tab. 23  : Die Arbeitsmarktlage von 1990 bis 2007 Quelle  : Butschek 2012  : 560.

Die Arbeitszeitdiskussion in dieser Phase ist vor dem Hintergrund einer hohen Arbeitslosigkeit in Österreich zu sehen. So stieg die Arbeitslosenquote seit Anfang der 1980er Jahre von 1,9 % auf 7,2 % im Jahr 1998 an. Die Zunahme der Arbeitslosenzahlen wirkte sich besonders negativ auf ältere Arbeitnehmer mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit auf 8,3 % im Jahr 2004 und seit ca. 2003 auf Jugendliche mit einer Arbeitslosigkeit von 7,3 % im Jahr 2004 aus.239 Der Phase eines kurzen Rückgangs der Arbeitslosenquote folgte ein erneutes Ansteigen der Arbeitslosigkeit von 2001 bis 2005, welche seit diesem Zeitpunkt wieder eine rückläufige Tendenz aufweist. Am Beginn der 1990er Jahren kam es zur Kritik an der bestehenden Arbeitsmarktverwaltung. Kritisiert wurde, dass ein Großteil der Aufgaben, denen nachgegangen wurde, nichts mit der Arbeitsvermittlung zu tun

239 Vgl. Bock-Schappelwein 2005  : 502.

Österreichische Wirtschaftsentwicklung seit dem Zweiten Weltkrieg im Überblick

133

habe.240 Es folgten langwierige Auseinandersetzungen um die Neugestaltung der Arbeitsmarktverwaltung. 1994 wurde auf der Basis von Empfehlungen schließlich das Arbeitsmarktservicegesetz beschlossen. Mit ihm wurde die Arbeitsmarktverwaltung zu einer eigenständigen Körperschaft. Der AMS hat dem Primärziel der Vollbeschäftigungspolitik der Bundesregierung zu folgen. Sein Ziel ist es daher, der aktiven Arbeitsmarktpolitik folgend, auf ein sinnvolles und nachhaltiges Zusammenführen von Arbeitskräfteangebot und -nachfrage hinzuwirken, um einerseits die Wirtschaft mit Arbeitskräften zu versorgen und andererseits die Beschäftigung aller Personen zu gewährleisten.241 Die Änderungen, die sich im Bereich der Arbeitsmarktpolitik in Österreich vollzogen, müssen überwiegend in den Zusammenhang mit der steigenden Arbeitslosigkeit gesetzt werden. Die Arbeitsmarktpolitik der EU verlangte zudem die Umsetzung von NAP, die nicht nur auf Arbeitszeitflexibilisierung abzielten, sondern auch beschäftigungspolitische Zielsetzungen verfolgen, wie sie durch die EBS vorgegeben werden.242 Schwerpunktmäßig wurde im Sinne der EBS und der NAP die Arbeitsmarktpolitik weiter auf die Ausweitung der Ausgaben für aktive Maßnahmen ausgerichtet.243 2003 änderte sich die Vorgangsweise der EU. Es wurden nunmehr allgemeingültige Leitlinien ausgegeben und die EBS wurde auf eine »europäische Strategie für Vollbeschäftigung und bessere Arbeitsplätze für alle«244 ausgerichtet. Im Regierungsprogramm 2000 der ÖVP und FPÖ wurde bereits darauf verwiesen, dass die Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik zur Vermeidung und Bekämpfung von Arbeitslosigkeit beitragen245 solle, und 2003 wurde dementsprechend Vollbeschäftigung als wichtiges Ziel angegeben.246 Der Anwerbestopp Mitte der 1970er Jahre hatte kein Ende von ausländischen Arbeitnehmern am österreichischen Arbeitsmarkt bedeutet. Die Kriege in Jugoslawien führten zu einer Änderung der Arbeitsmigration. So wurde ein Quotensystem247 eingeführt, das Anfang der 1990er Jahre »notwendige« ausländische Arbeitskräfte 240 Vgl. Atzmüller 2009  : 154f. 241 Vgl. BGBl. 313/1994  : 3254. 242 Eine gemeinsame europäische Beschäftigungsstrategie gab es bis Anfang der 1990er Jahre nicht. 1993 wurde ein Weißbuch veröffentlicht, das die Basis für eine solche Beschäftigungsstrategie in Verbindung mit allgemeinen Zielvorstellungen legte. Die Veröffentlichung dieses Weißbuches wurde maßgeblich durch den Anstieg der Arbeitslosenraten in der EU geprägt. Nach breiten Auseinandersetzungen folgte 1994 der zusammenfassende »Essen-Prozess« und 1997 markiert den Beginn einer EBS, wobei auf die Entwicklung einer »koordinierten Beschäftigungsstrategie« hingearbeitet werden sollte. Vgl. Schweighofer 2003  : 3ff. 243 Schweighofer 2003  : 103. 244 Atzmüller 2009  : 166. 245 Bundesregierung Österreich 2000  : 18. 246 Vgl. Bundesregierung Österreich 2003  : 15. 247 Ursprünglich wurden im Inland geborene Kinder auf die Quote angerechnet, so dass bei Überschrei-

134

Politische und ökonomische Rahmenbedingungen

sowie Niederlassungsbewilligungen festlegte und folglich die Migration sowie den Familiennachzug begrenzte.248 Mit dem Fremdenrechtspaket kam es 2011 zum Übergang vom Quoten- zum Punktesystem. Im Rahmen dieser Umstellung erfolgte mit der Einführung der »Rot-Weiß-Rot«-Karte 2011 eine bedeutende Veränderung der Arbeitsmigration. Die »Rot-Weiß-Rot«-Karte soll die Arbeitsmigration von Migranten aus Drittstaaten erleichtern und ist auf Dauer ausgelegt.249 Angesprochen werden sollen überwiegend junge, hochqualifizierte Migranten mit Sprachkenntnissen in jenen Berufsfeldern, in denen der österreichische Arbeitsmarkt einen Mangel aufweist.250 Der Übergang zur 38,5- bzw. 38-Stunden-Woche erfolgte ab Mitte bis Ende der 1980er Jahre durch kollektivvertragliche Vereinbarungen in diversen Branchen. Vielfach wurden die Arbeitszeitverkürzungen mittels Arbeitszeitflexibilisierung erkauft. Das gewerkschaftliche Gesamtziel eines Generalkollektivvertrages konnte nicht erreicht werden. Die Spannungen gingen daher weiter. Ende der 1980er Jahre kam es auf Seiten der Gegner zur Etablierung einer weiteren Strategie, die gegen weiterreichende Verkürzungen angeführt wurde. Zunächst über »kleine Nadelstiche« wurde die Position einer Verlängerung der Arbeitszeiten eingeführt. Nach und nach kam es zu einer Verwebung mit der Arbeitszeitverlängerung. Die Arbeitszeitpolitik in den 1990er Jahren war vom Wandel der politischen Rahmenbedingungen geprägt. Im Vordergrund standen zwar weiterhin Arbeitszeitverkürzung und -flexibilisierung und deren Vermengung mit Arbeitszeitverlängerung, aber die Hauptakzente der österreichischen Arbeitszeitpolitik wurden jenseits der Veränderungen der wöchentlichen Normalarbeitszeit gesetzt und bedeuteten eine zunehmende Umgestaltung der Lage der Arbeitszeit, die sich bereits in der Periode zuvor angedeutet hatte. Exemplarische Auseinandersetzungen zur Lage der Arbeitszeit in den 1990er Jahren sind dabei die Regelung des Nachtarbeitsverbotes der Frauen und die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten, aber auch die Änderung des Pensionsrechts. Erstmals seit der zweiten Periode spielte die Politik wieder eine große Rolle in der Arbeitszeitpolitik. Vor und nach der zweiten Periode war die Einmischung der Politik in arbeitszeitpolitische Belange gering, da vornehmlich regierungsseitig Arbeitszeitpolitik vom Sozialministerium betrieben wurde. Für die 1990er Jahre charakteristisch ist nicht nur die Verlagerung der Arbeitszeitpolitik auf die Veränderung der Lage der Arbeitszeit, sondern gleichermaßen, dass die Regierungen versuchten, tung der Jahresquoten Neugeborene ausgewiesen hätten werden müssen. Diese Regelung wurde nach kurzer Zeit wieder zurückgenommen. Vgl. S. Strasser/Tošić 2014  : 130. 248 Vgl. S. Strasser/Tošić 2014  : 130. 249 Vgl. Krings 2013  : 2. 250 Vgl. S. Strasser/Tošić 2014  : 132f.

Österreichische Wirtschaftsentwicklung seit dem Zweiten Weltkrieg im Überblick

135

verstärkt auf die Arbeitszeitpolitik unter teilweiser Ausschaltung bzw. Unterdrucksetzung der Sozialpartnerschaft Einfluss zu nehmen. Die Arbeitszeitgesetznovellen in den 1990er Jahren, aber auch 2007 wurden von den Sozialpartnern ausverhandelt. Dennoch zeigt sich, dass von Regierungsseite enormer Druck ausgeübt wurde und sie vielfach mittels Regierungsinitiativen zur Aufnahme von Gesprächen »genötigt« wurden, um die Veränderung der gesetzlichen Bestimmungen zu erreichen. Den drei Arbeitszeitgesetznovellen (1994, 1997 und 2007) liegt die Betrachtungsweise der Wirtschaft zugrunde, dass die Arbeitszeitflexibilisierungen nicht weit genug gingen und daher weitere Verhandlungen notwendig seien, um die als erforderlich angesehenen Ausmaße »endlich« zu erreichen. Meines Erachtens kann das Endziel einer solchen Entwicklung der Arbeitszeitflexibilisierung nur in einer gänzlichen Abschaffung des Arbeitszeitgesetzes münden, da dieses sowieso zu »inflexibel« und »starr« ist und demgemäß die gewünschte Flexibilität mit keiner Veränderung erreicht werden kann, weshalb nach jeder entsprechenden Arbeitszeitgesetznovelle die Stimmen nach weiteren Arbeitszeitflexibilisierungen und einer Ausdehnung des Einflusses der betrieblichen und einzelvertraglichen Ebene nicht verstummen können. Das Ende dieser vierten Periode ist von zwei Entwicklungssträngen geprägt  : zum einen von der Hereinnahme der sozialen Sicherheit in die Argumentation zur Arbeitszeitflexibilisierung, zum anderen von der Rücknahme der gewerkschaftlichen Zielsetzung der 35-Stunden-Woche.

4. Die Konsolidierung der Arbeitszeit von 1945 bis 1959

Für die Betrachtung der Arbeitszeitpolitik der Zweiten Republik können gewisse Entwicklungen im Vorfeld nicht außer Acht gelassen werden. Deshalb ist es nicht möglich, die Betrachtung umstandslos mit 1945 zu beginnen. In den beiden Jahrzehnten zuvor war es zu einer Vielzahl an Änderungen gekommen. Sie reichten von der Schaffung eines Arbeitszeitgesetzes während der Blütezeit der Sozialgesetzgebung in der Ersten Republik über das Aufbrechen gesetzlicher Bestimmung und Tendenzen zur Verlängerung im Ständestaat bis hin zum Dritten Reich. Diese Veränderungen zogen nicht nur eine Änderung der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit nach sich, sondern es wurden gleichsam die gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Ausgestaltung der Arbeitszeit verändert.

4.1 Arbeitszeitregelung von der Ersten Republik bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs Schlechte Arbeitsbedingungen und überlange Arbeitszeiten führten schließlich zu einem ersten Verlangen nach einer verkürzten Arbeitszeit. 1842 kam es auf österreichischem Staatsgebiet zu ersten gesetzlichen Regelungen der Arbeitszeit. Zur erstmaligen Beschäftigung mit dem Achtstundentag kam es 1890, als Gesundheit, Beschäftigung, Bildung sowie ein Anstieg der Lebensqualität1 verstärkt im Zusammenhang mit einer Reduzierung der Arbeitszeit betont wurden. Gerade diese Argumente werden ein ständiger Wegbegleiter im arbeitszeitpolitischen Diskurs der Zweiten Republik bleiben. Nach und nach verkürzte sich die tägliche, maximale Arbeitszeit auf elf Stunden, die als Regelung bis 1918 in Fabriken erhalten blieb.2 Dennoch blieb die Forderung nach der dreifachen Acht – acht Stunden Arbeit, acht Stunden Freizeit und acht Stunden Schlaf – über Generationen hinweg der Slogan der Märsche am 1. Mai seit 1890.3 Mit der Gründung der Ersten Republik kam es fast zeitgleich zur Einführung des Achtstundentages. Dieser war 1918 noch ein Provisorium für die Fabriken.4 Endgültig wurde der Achtstundentag 1919 gesetzlich5 geregelt und der Geltungsbereich 1 Vgl. Sorger 2014  : 68. 2 Hussl 1999  : 60  ; Tálos 1983  : 10. 3 Vgl. Cross 1989  : 129  ; Hussl 1999  : 58  ; Tálos 1983  : 8. 4 Hussl 1999  : 62. 5 StGBl. 581/1919.

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auf das Gewerbe ausgedehnt – noch immer gegen den Widerstand vieler Gewerbetreibender.6 Die Verschiebung der Kräfteverhältnisse nach dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie zugunsten der Sozialdemokratie hatte diese Entwicklung erst möglich gemacht.7 Gleichzeitig trat für Frauen und Jugendliche eine Sonderregelung in Kraft. So wurde die wöchentliche Arbeitszeit für Frauen8 und Jugendliche unter 18 Jahren9 auf 44 Stunden begrenzt. Gesetzliche Umsetzung bedeutet jedoch nicht zwangsläufig praktische Umsetzung. Tálos verweist darauf, dass das Gesetz zum Achtstundentag eine Norm darstellte, aber Ausnahmemöglichkeiten und Ausnahmeverordnungen durchaus Abweichungen nach sich ziehen konnten.10 Grundsätzlich hatte das Achtstundentagsgesetz, abgesehen von einigen Durchlöcherungen,11 bis 1933 Bestand. Diese Durchlöcherungen wurden überwiegend durch eine Ausdehnung der Überstundenleistung unter wohlwollender Duldung der konservativen Regierung Mitte der 1920er Jahre12 verursacht. Auf überstaatlicher Ebene kam es 1919 zum »Washingtoner Arbeitszeitübereinkommen«. Dieser Vertrag wurde allerdings nicht von allen Staaten ratifiziert  ; England und die Schweiz lehnten nach längerem Zögern die Ratifizierung zuletzt ab.13 Die USA waren zudem nie von der Washingtoner Konvention erfasst, da sie nicht Mitglied der ILO waren.14 Weiters ratifizierten viele Staaten das Übereinkommen nur unter Bedingungen. Österreich macht es bei seiner Ratifikation vom 12. Juni 1924 vom Beitritt Deutschlands, Belgiens, Frankreichs, Großbritanniens, Ungarns, Polens, Jugoslawiens, der Schweiz und der CSR15 abhängig. Als Einwand gegen dieses Arbeitszeitübereinkommen wurde vielfach vorgebracht, dass eine gesetzliche Regelung zu starr sei, um allen Eigentümlichkeiten der Arbeitszeitgestaltung in nationalen Bereichen gerecht zu werden.16 Unter Bundeskanzler Engelbert Dollfuß wurde im Ständestaat das Arbeitszeitgesetz ausgehöhlt. Die Regierung arbeitete mit einer zweifachen Strategie (Doppelstrategie17). Zum einen kam es zu einer Ausdehnung der Feiertage. Andererseits

 6 Hussl 1999  : 62.  7 Vgl. Tálos 1983  : 10  ; Sorger 2014  : 69.  8 Mitterbauer 2000  : 22.  9 Hussl 1999  : 63. 10 Vgl. Tálos 1983  : 11. 11 Tálos 1983  : 11. 12 Milalkovits 1989  : 4. 13 Charak 1951  : 20. 14 Charak 1951  : 20. 15 Charak 1951  : 20. 16 Charak 1951  : 20. 17 Hussl 1999  : 63.

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wurden die Arbeitszeitregelungen durch zahlreiche Bestimmungen verschlechtert.18 Erste Veränderungen erfolgten über die kriegswirtschaftlichen Verordnungen im Mai 1933.19 Von den Verschlechterungen waren Frauen und Jugendliche gleichermaßen betroffen. So kam es in bestimmten Branchen,20 u. a. im Handelsgewerbe,21 zu einer Aufhebung der 1919 beschlossenen Sonderregelungen. Diese Maßnahmen fielen insbesondere in eine Periode katastrophaler Massenarbeitslosigkeit und sollten grundsätzlich eine Verlängerung der Arbeitszeit gestatten und motivieren.22 Die Machtergreifung der NSDAP 1933 legte den Grundstein zum Dritten Reich. Eine der ersten Maßnahmen war die Zerschlagung der Gewerkschaften am 2. Mai 1933. Dies hatte zur Folge, dass die organisatorischen und politischen Rahmenbedingungen für eine gewerkschaftliche Arbeitszeitpolitik total beseitigt wurden.23 Mittels der Durchführungsverordnung zum Gesetz zur Verminderung der Arbeitslosigkeit vom 1. Juni 193324 zur Einführung der 40-Stunden-Woche wurde eine erste Änderung der Arbeitszeitpolitik vorgenommen. Diese Senkung sollte als geeignete Sofortmaßnahme der Verminderung der Arbeitslosigkeit25 dienen und gleichzeitig den Mythos des die Arbeitslosigkeit beseitigenden Hitlers aufbauen.26 Obendrein sollte durch den zusätzlichen Überstundenverzicht die Arbeit auf mehr Beschäftigte verteilt werden.27 Zu diesem Zeitpunkt war der Höhepunkt der Krise bereits erreicht. Die Aufrüstung tat schließlich ihr Übriges, so dass das Vollbeschäftigungsziel umgesetzt und die Kurzarbeit28 beseitigt werden konnte.29 Tendenziell konnte nun die Arbeitszeit wieder Schritt für Schritt verlängert werden. Dies wird beim Abbau der Kurzarbeit

18 Hussl 1999  : 63. 19 Vgl. Mesch/Schwarz/Stemberger 1987  : 30. 20 Hussl 1999  : 63. 21 Mesch/Schwarz/Stemberger 1987  : 30. 22 Mesch/Schwarz/Stemberger 1987  : 30. 23 Altun 2005  : 81f. 24 Scharf 1987  : 586. 25 Hinrichs 1988  : 91. 26 Vgl. Scharf 1987  : 586  ; Altun 2005  : 82. 27 Vgl. Scharf 1987  : 586. 28 Suschitz hält fest, dass es keine gesetzliche Definition von »Kurzarbeit« gebe und sich daher in der Lehre eine eigene Definition entwickelt habe. Unter »Kurzarbeit« werde »im Allgemeinen die vorübergehende Herabsetzung der (Normal-)Arbeitszeit und des Arbeitsentgelts in einem Unternehmen aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten verstanden. Sie ist ein arbeitsmarktpolitisches Instrument[,] mit dem der Erhalt von Arbeitsplätzen auf der einen Seite und die Reduktion der Personalkosten auf der anderen Seite erreicht werden sollen.« Allerdings lassen sich nach Suschitz aus dieser Definition keine Aussagen über eine entsprechende Verringerung des Entgelts ableiten. Vgl. Suschitz 2010  : 21. 29 Vgl. Scharf 1987  : 588  ; Hinrichs 1988  : 91.

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besonders deutlich.30 Durch die Arbeitszeitverlängerung kam es 1937 sogar zur Einführung des Zehnstundentages.31 Am 30. April 1938 trat schließlich die Deutsche Arbeitszeitordnung in Kraft, die der reibungslosen Abwicklung einer Rüstungswirtschaft dienen sollte.32 Grundlage war der Achtstundentag bzw. die 48-Stunden-Woche.33 Ausgenommen von der Arbeitszeitordnung wurden Landwirtschaft, Fischerei, Seeschifffahrt und Luftfahrt.34 Mit der Annexion Österreichs wurde rechtlich die Arbeitszeitordnung vom 30. April 1938 übernommen, so dass die im deutschen Faschismus eingeführten Ausnahmeregelungen vom Achtstundentag auch für Österreich Geltung erlangten.35 Nicht einmal eineinhalb Jahre nachdem die Arbeitszeitordnung in Kraft getreten war, wurden wesentliche Teile wieder außer Kraft gesetzt.36 Männer mussten nunmehr unbeschränkt ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen  ; für Frauen und Jugendliche über 16 Jahren galt die 56-Stunden-Woche.37 Die Entwicklung hin zu längeren Arbeitszeiten war aufgrund des ausgebrochenen Krieges, der vom Arbeiter den letzten Einsatz seiner Kraft38 forderte, und des herrschenden Arbeitskräftemangels noch nicht abgeschlossen.39 Ende 1941 wurde die Arbeitszeit für Betriebe, deren Produktion als besonders kriegswichtig eingestuft wurde,40 freigegeben. Dabei sollte die Entwicklung zu einer Mindestarbeitszeit von 60 Stunden in der gesamten Wirtschaft führen.41 1943 wurden schließlich für Arbeiter ab 18 Jahren jegliche Beschränkungen der Arbeitszeit aufgehoben.42 Die letzte Maßnahme erfolgte am 31. August 1944. Mittels einer kriegswirtschaftlichen Verordnung wurde für die deutsche Kriegswirtschaft die 60-Stunden-Woche allgemein und unbedingt eingeführt.43 Für Frauen und Jugendliche über 16 Jahren galt die 56-Stunden-Woche.44

30 Michael Schneider 1984  : 150. 31 Vgl. Achten 1984  : 178. 32 Achten 1988  : 31. 33 Rednerdienst des ÖGB 1958  : 1. 34 Michael Schneider 1984  : 148. 35 Tálos 1983  : 12  ; Mitterbauer 2000  : 23  ; Hussl 1999  : 64  ; Mesch/Schwarz/Stemberger 1987  : 31. 36 Achten 1984  : 178. 37 Scharf 1987  : 596  ; DRdA 1956  : 33. 38 Achten 1984  : 181. 39 Vgl. Achten 1984  : 178. 40 Scharf 1987  : 601. 41 Scharf 1987  : 601  ; DRdA 1956  : 33. 42 Scharf 1987  : 601. 43 Mitterbauer 2000  : 24  ; Mesch/Schwarz/Stemberger 1987  : 32  ; Wüthrich 1987  : 211. 44 Scharf 1987  : 601.

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4.2 Arbeitspflichtgesetz vor Arbeitszeit In Deutschland kam es nach dem Krieg zu einer Anordnung des Alliierten Kontrollrates. In der Direktive Nr. 26 vom 26. Jänner 1946 wurde die Wiedereinführung des Achtstundentages bzw. der 48-Stunden-Woche45 im Sinne der Arbeitszeitordnung vom 30. April 1938 beschlossen. Mit dieser Direktive wurde der Achtstundentag als Taktgeber für den Zeitrhythmus in der ganzen Gesellschaft46 wieder installiert. Damit wurde zugleich ein ursprünglich nationalsozialistisches Gesetz wieder in Kraft gesetzt. Nach aktuellem Forschungsstand gibt es für die Zweite Republik von 1945 bis Mitte der 1950er Jahre kaum oder nur selten formulierte Wünsche, die Arbeitszeiten zu verkürzen bzw. überhaupt zu verändern.47 Daraus resultieren jedoch zwei Fragen  : a) Gibt es wirklich keine oder nur selten formulierte Wünsche zur Kürzung oder gar einer weiteren Verlängerung der Arbeitszeit  ? b) Und wenn es nur selten formulierte Veränderungswünsche gibt, gibt es diese tatsächlich nur in vernachlässigbarer Größe, wie der aktuelle Stand der Forschung vermuten lässt  ? In den ersten Wochen und Monaten nach dem Krieg hatte die österreichische Bevölkerung andere Sorgen, als sich mit der Arbeitszeitproblematik auseinanderzusetzen. Es fehlten grundlegendste Dinge, wie Nahrungsmittel, Heizung und Wohnung.48 Daher nannte die sozialistische Partei in ihrem Aufbauprogramm die Sicherung der Ernährung und die Versorgung des Volkes49 als ein wichtiges Ziel. Als es Anfang 1946 zu einer Herabsetzung der Rationen kam, sagte Karl Maisel (Bundesminister für Soziale Verwaltung, SPÖ), dass eine Verkürzung der Arbeitszeit nicht möglich sei, da die Arbeitsleistung im Interesse des Wiederaufbaus50 nicht weiter gemindert werden dürfe. Im Gesamten war eine Umstellung von der Kriegswirtschaft auf die Normalwirtschaft51 erforderlich. Um den wirtschaftlichen Wiederaufbau in Gang zu bringen, kam es zu einer schrittweisen Restaurierung des österreichischen Sozialrechtes.52 Gleichzeitig richtete die provisorische Staatsregierung ihre wirtschaftspolitischen Zielsetzungen darauf aus, die Regierungssouveränität im ganzen Bundesgebiet zu 45 Scharf 1987  : 604. 46 Lehndorff 1998b  : 257. 47 Vgl. die Ausführungen in der Einleitung. 48 Göhring 1992  : 207  ; Sandgruber 1995  : 449  ; Muhri 1998  : 163  ; Seidel 2005  : 60. 49 Arbeiter Zeitung, 8. Mai 1946  : 1. 50 Arbeiter Zeitung, 24. März 1946  : 1. 51 Göhring 1992  : 207. 52 Weißenberg 1961  : 5.

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sichern.53 Mit dem Ende des Krieges wurde überdies ein Mangel an Fachkräften der verschiedensten Berufsgruppen und an männlichen Hilfsarbeitern deutlich.54 Die Gesellschaft und der wirtschaftliche Aufschwung wurden im Weiteren von den Faktoren Zusammengehörigkeitsgefühl, Konfliktregelung durch die Sozialpartnerschaft und das Überleben des Krieges geprägt.55 Beeinflusst wurde die österreichische Politik von den Besatzungsmächten. Diese installierten ein alliiertes Kontrollsystem mit dem Alliierten Rat. Im Gegensatz dazu gab es in Berlin den Alliierten Kontrollrat, was besonders verdeutlicht, dass die alliierte Deutschlandpolitik strenger und restriktiver als die österreichische war.56 Der Alliierte Rat sollte zunächst nur bis zur Errichtung einer frei gewählten und von den Besatzungsmächten anerkannten Regierung57 tätig sein, wurde dann aber auch noch darüber hinaus weiter geführt, um Einfluss auf die Gestaltung Österreichs nehmen zu können. So wurde den Arbeitern und Angestellten erlaubt, Gewerkschaften zu organisieren, um kollektivvertragliche Vereinbarungen zu treffen.58 Gleichzeitig wurde folgende u. a. die Arbeitszeit betreffende arbeitsrechtliche Anordnung formuliert  : Kollektivverträge zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, betreffend Löhne, Zeit und Arbeitsbedingungen sind gestattet. Ein Übereinkommen betreffend Löhne, Zeit und Arbeitsbedingungen kann derzeit nicht genehmigt werden, wenn es in seinen Wirkungen der Wirtschaftspolitik der alliierten Instanzen widerspricht, die sie für die Wiederaufrichtung der österreichischen Wirtschaft für wesentlich halten.59

Nicht so sehr die Arbeitszeitfrage, sondern vielmehr die allgemeine Lethargie des Wiederaufbaus60 widersprach in seinen Wirkungen der Wirtschaftspolitik der alliierten Instanzen. Grundsätzlich war für die Alliierten die Schaffung eines Arbeitspflichtgesetzes wichtig. Der Appell zur Einrichtung eines solchen war oft verbunden mit dem Hinweis, auch in ihren eigenen Ländern gebe es Ähnliches.61 In Frankreich verringerte sich ausgehend von 1848 die gesetzliche Arbeitszeit vom Zwölfstundentag bzw. der 84-Stunden-Woche bis 1919 auf den Achtstundentag bzw. die 48-Stunden-Woche.62 Ausgenommen von diesem Achtstundentag waren dabei 53 Brusatti 1975  : 172. 54 ErläutRV 29 BlgNR, V. GP  : 5. 55 Vgl. Seidel 2005  : 74. 56 Gehler/I. Böhler 2007  : 12. 57 Vgl. Stourzh 2005  : 32. 58 Vgl. Arbeiter Zeitung, 9. Oktober 1945  : 1. 59 Arbeiter Zeitung, 9. Oktober 1945  : 1. 60 Sandgruber 1995  : 447. 61 Wiener Zeitung, 16. Februar 1946  : 1. 62 Hermann 2000  : 9.

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nur die Landarbeiter.63 Generell lässt sich die Arbeitszeitentwicklung bezüglich der Verkürzung in Frankreich bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges dadurch charakterisieren, dass diese eine Abfolge von Gesetzesinitiativen mit gelegentlichen und wenigen kollektivvertraglichen Verhandlungen war.64 Die Entwicklung hin zu kürzeren Arbeitszeiten war für Frankreich noch vor dem Zweiten Weltkrieg jedoch nicht abgeschlossen. Mit einem weiteren Schritt nahm es eine klassifizierende Sonderstellung in Europa ein.65 So wurde mit dem Gesetz vom 20. und 21. Juni 1936 die 40-Stunden-Woche gesetzlich verankert.66 Allerdings gab es zahlreiche Ausnahme- und Zusatzbestimmungen,67 die die praktische Wirksamkeit des Gesetzes untergruben. So durfte u. a. die Arbeitszeit in Form von Überstunden verlängert werden.68 Dennoch blieben die gesetzlichen Bestimmungen in Frankreich in der Folge 46 Jahre lang unverändert.69 Einen gänzlich anderen Weg beschritt Großbritannien. Die Entwicklung hin zum Achtstundentag erfolgte außerhalb des Parlaments und der nationalen Politik, die eine eher kleine Rolle spielte.70 Folglich gab es kein allgemeines Gesetz, das den Maximalarbeitstag oder die Maximalarbeitswoche betraf.71 Einzig die Gewerbeordnung von 1937 enthielt Regelungen der Arbeitszeit.72 Trotzdem kam es zur Verbreitung der Fünf-Tage-Woche, die später auf dem Kontinent zunehmend nachgeahmt wurde.73 Da es 1919 aufgrund des Kollektivvertrages74 bereits die 48-Stunden-Woche gab, wurde keine Notwendigkeit für die Ratifizierung des Washingtoner Abkommens gesehen. Für Frauen und Jugendliche galt im Allgemeinen kollektivvertraglich die 44-Stunden-Woche.75 Mit dem Dekret vom 24. November 1917 führte die Sowjetunion als erstes Land Europas76 den Achtstundentag gesetzlich ein. In der Verfassung der RSFSR wurde dagegen nicht das Recht auf Arbeit, sondern die allgemeine Arbeitspflicht postuliert.77 Die Bestimmung des Achtstundentages wurde sodann in das Arbeitsgesetzbuch der 63 Vgl. Cross 1989  : 131. 64 Vgl. Hermann 2000  : 9  ; P.  Artus/Cahuc/Zylberg 2007  : 21. 65 Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 14. 66 Hermann 2000  : 9  ; Bielenski 1979  : 302  ; P.  Artus/Cahuc/Zylberg 2007  : 21. 67 Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 14  ; Cross 1989  : 135. 68 Hermann 2000  : 9. 69 Hermann 2000  : 9. 70 Vgl. Cross 1989  : 139. 71 Kahn-Freud 1955  : 8  ; Bielenski 1979  : 302. 72 Kahn-Freud 1955  : 8. 73 Kahn-Freud 1955  : 8. 74 Kahn-Freud 1955  : 8. 75 Schregle 1959  : 8. 76 Ratza 1973  : 9. 77 Westen 1991  : 29.

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RSFSR von 1922 eingebaut.78 Allerdings haben die darin enthaltenen Bestimmungen nicht den Charakter von Arbeiterschutzbestimmungen, sondern von Arbeitsregelungen.79 Prinzipiell ist die Höchstarbeitszeit mit acht Stunden täglich geregelt, doch dürfte die tatsächlich geleistete Arbeitszeit zunächst häufig wesentlich darunter gelegen haben.80 Im Rahmen der »Neuen Ökonomischen Politik«81 kam es zur Proklamation des Siebenstundentages und der Sechs-Tage-Woche,82 auf die sich die industrielle Arbeitszeit der UdSSR83 grundsätzlich eingestellt hatte. 1937 wurde die nominale 40-Stunden-Woche eingeführt.84 Der beschleunigte Wiederaufbau tat sein Übriges, um die Entwicklung wieder von kürzeren Arbeitszeiten hin zu längeren Arbeitszeiten umzukehren, auch wenn die gesetzliche Anpassung85 von Seiten der Regierung noch nicht vollzogen wurde. Der Regierungserlass vom 26. Juni 194086 brachte letztlich wieder die 48-Stunden-Woche. In der Regierungszeit von Roosevelt kam es zu den Reformen des »New Deal«. Diese Maßnahmen inkludierten gesetzliche Änderungen der Arbeitszeit, die unmittelbar einen Eingriff in das Arbeitsverhältnis darstellten. Nach Auffassung des amerikanischen Obersten Gerichtshofes ist der gesetzliche Eingriff in das Arbeitsverhältnis mit der Verfassung unvereinbar.87 So kam es dazu, dass der 1933 beschlossene »National Industrial Recovery Act« vom Obersten Gerichtshof aufgehoben wurde, womit jedem Versuch, die Arbeitszeit durch die föderale Gesetzgebung zu regeln, eindeutig Einhalt geboten wurde.88 Unter Roosevelt kam es schließlich zur Etablierung des arbeitsfreien Samstags,89 der konkret im »Public Contracts Act« (1936) und dem »Fair Labor Standards Act« (1938) geregelt wurde. Im »Fair Labor Standards Act« kam es zudem zur gesetzlichen Regelung der 40-Stunden-Woche.90

78 Ratza 1973  : 9  ; Rabofsky 1953  : 23. 79 Charak 1951  : 20. 80 Rabofsky 1953  : 25. 81 Diese wurde 1921 beschlossen und sollte eine ökonomische Korrektur einleiten. Damit verbunden war mehrheitlich eine Liberalisierung der Landwirtschaft, die aber auch auf andere Wirtschaftszweige ausgedehnt werden konnte  ; somit konnte ein »Mehr« an wirtschaftlicher Freiheit erlangt werden, wenn dies nach Hildermeier auch nur kurzfristig gedacht war. 1928 endete die Phase der »Neuen Ökonomischen Politik«. Vgl. Hildermeier 2016  : 23ff. 82 Ratza 1973  : 10. 83 Charak 1951  : 20. 84 Ratza 1973  : 10. 85 Vgl. Ratza 1973  : 10. 86 Ratza 1973  : 10. 87 Vgl. Charak 1951  : 19. 88 Charak 1951  : 19. 89 M. Klein/Worthmann 1999  : 324. 90 Vgl. M. Klein/Worthmann 1999  : 324.

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Für Aufträge der öffentlichen Hand galt aufgrund des »Walsh-Healey-Gesetzes« von 1936 schon zuvor eine 40-Stunden-Woche.91 Während von der Arbeitnehmerseite die 30-Stunden-Woche gefordert wurde, ließen die Unternehmer den »Fair Labor Standards Act« zweimal auf seine Verfassungsmäßigkeit überprüfen.92 Doch das Oberste Bundesgericht bestätigte das Gesetz.93 Mit dem Zweiten Weltkrieg folgte, wie in weiten Teilen Europas, eine Verlängerung der Arbeitszeit. Roosevelt erließ mit der Executive Order No. 9301 die 48-Stunden-Woche als Minimum.94 Mehrheitlich wurde dann 50 oder 60 Stunden pro Woche gearbeitet. Mit dem Kriegsende kam es zur Wiedereinführung der 40-Stunden-Woche95 und zur erneuten Diskussion um die Einführung der 30-Stunden-Woche.96 Die Alliierten hatten große Auffassungsunterschiede hinsichtlich der Arbeitszeitregelung. Die unterschiedlichen gesellschaftlichen Systeme treten hier, trotz des gemeinsamen Niederringens des Nationalsozialismus,97 deutlich zu Tage. Der gemeinsame Faktor in puncto Arbeitspolitik bzw. Arbeitszeitpolitik war das Drängen auf die Einrichtung eines Arbeitspflichtgesetzes. In gleichem Maße schien das österreichische Volk den Wunsch nach einem Arbeitszwang für gewisse Bevölkerungsgruppen gehegt zu haben. Am 8. Dezember 1945 schrieb die Arbeiter Zeitung unter dem Titel »Was sich das Volk wünscht«  : Dennoch wäre es wohl möglich und sicherlich wirksamer, Schleichhändler nicht nur zu verhaften und ihnen einen kleinen Teil ihrer Beute abzunehmen, sondern sie sofort zur Arbeit zu zwingen. Das wäre gerecht und im Interesse jener Menschen, die unter den schwierigsten Bedingungen für den Wiederaufbau wirken. Die Arbeitsunwilligen müssen eben durch den Arbeitszwang dadurch angehalten werden, nicht auf Kosten der anderen eine Schmarotzerexistenz zu führen.98

Das Arbeitspflichtgesetz wurde am 15. Februar 1946 (BGBl. 63/1946) beschlossen, durch das nun die Arbeitskraft geplant und gelenkt werden konnte.99 Damit sollte erreicht werden, dass Arbeitskräfte für den Wiederaufbau zur Verfügung standen

91 Vgl. Mire 1952  : 11. 92 M. Klein/Worthmann 1999  : 338. 93 M. Klein/Worthmann 1999  : 338. 94 M. Klein/Worthmann 1999  : 325 und 339f. 95 Arbeiter Zeitung, 4. Jänner 1946  : 1. 96 Vgl. M. Klein/Worthmann 1999  : 340. 97 Göhring 1992  : 195. 98 Arbeiter Zeitung, 8. Dezember 1945  : 1. 99 Wiener Zeitung, 16. Februar 1946  : 1.

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und entsprechend herangezogen werden konnten.100 Mehr noch als Schleichhändler in den Arbeitsprozess einzugliedern, wurde auf die Einbindung der Jugendlichen abgezielt. So sollte das Arbeitspflichtgesetz »insbesondere die Jugend rastlos zur Arbeit führen […], und [es geht darum,] ihr zu zeigen, wie weit wertvoller es ist, zu arbeiten und Friedensprodukte [zu] erzeugen als Kriege zu führen.«101 In gleicher Weise wurde bei den erläuternden Bemerkungen zum Arbeitspflichtgesetz an die Jugendlichen erinnert, die es lieber vorziehen, eigennützigen Interessen nachzugehen.102 Im Weiteren wurde überhaupt die ablehnende Haltung gegenüber der »Zurverfügungstellung der Arbeitskraft« für den Wiederaufbau bemängelt. Besonders eine Gruppe Wiener Jugendlicher wurde zum Synonym für die Verweigerung des Engagements beim propagierten »Wiederaufbau«.103 Es waren die sogenannten »Schlurfs«, die sich ab Mitte der 1930er Jahre104 so zu bezeichnen begannen und die weitläufig »Müßiggänger« und »Langsamgeher«105 genannt wurden. So erinnerte Ferdinand Geißlinger (ÖVP) im Parlament an die Schlurfs, die sich nachts in den Nachtlokalen herumtreiben, bis in den Tag hinein schlafen und dann ihren dunklen Geschäften auf den Schwarzen Märkten nachgehen, um sich mit Leichtigkeit in einem Tag das zu verdienen, was sich der arbeitende Mensch in monatelanger Arbeit niemals verdienen kann.106

Für Geißlinger hatten die Schlurfs den Ernst der Lage noch nicht erkannt, und so wurde auch mittels einer Karikatur im Neues Österreich das Desinteresse und die Nichtbereitschaft von Schlurfs, am Wiederaufbau teilzunehmen,107 angeprangert. Arbeitspflicht hatte Vorrang vor Veränderungen der Arbeitszeit. Darüber darf auch nicht eine einzelne Forderung von Karl Mantler (Obmann des Verbundes und Präsident der Wiener Arbeiterkammer) vom Dezember 1945 hinwegtäuschen, in der es heißt, dass die österreichische Arbeiterschaft den Ruf nach der 40-stündigen Arbeitswoche nicht mehr verstummen lasse,108 und auf gleichlautende Appelle in Europa verwiesen wird  ; ebenso verlangte die AK 1946 die 40-stündige Arbeitswoche.109 100 Vgl. TB und Sten. Prot. I. KÖGB 1948  : 1/74  ; RV 29 BlgNR, V. GP  : 1  ; Wiener Zeitung, 16. Februar 1946  : 1. 101 Wiener Zeitung, 16. Februar 1946  : 1. 102 ErläutRV 29 BlgNR, V. GP  : 5. 103 Gerbel 1993  : 312. 104 Gerber 1993  : 312. 105 Tantner 2007  : 94. 106 Geißlinger, Ferdinand  : Sten. Prot. NR, V. GP, 8.  Sitzung  : 96. 107 Tantner 2007  : 69. 108 Vgl. Arbeiter Zeitung, 12. Dezember 1945  : 2. 109 Vgl. Kammer der Arbeiter und Angestellten 1946  : 22.

146

Die Konsolidierung der Arbeitszeit von 1945 bis 1959

4.3 Hürdenlauf bis zur generellen Diskussion um die Einführung der 45-Stunden-Woche Das Arbeitspflichtgesetz hatte nur eine spärliche Auswirkung auf die Arbeitszeit. Über Ministerialentwürfe wurde versucht, ein »modernes« Arbeitszeitgesetz vorzubereiten. Die Ansätze über Ministerialentwürfe und Regierungsvorlagen blieben zumeist in den Kinderschuhen stecken, da andere wirtschaftliche und politische Gegebenheiten für den österreichischen Staat wesentlicher waren. Abb. 3  : Hürdenlauf zur 45-Stunden-Woche Zudem bestand das Arbeitsrecht zu BeQuelle  : GPA 2006  : 3. ginn der Zweiten Republik aus einem Konglomerat von Vorschriften aus der Monarchie, der Ersten Republik, dem Ständestaat und dem nationalsozialistischen Reichsrecht.110 Bis zur Einführung der 45-Stunden-Woche lässt sich ein gewisser Hürdenlauf erkennen. Bei diesen Hürden handelte es sich um die wirtschaftliche Konsolidierung mit diversen nebeneinander existierenden, tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten, die Forderung nach der Wiedereinführung der 44-Stunden-Woche für Frauen bzw. der Einführung der 44-Stunden-Woche für Betriebe, die mehrheitlich Frauen111 und Jugendliche beschäftigen, die Kontroverse um die Gültigkeit der 60-Stunden-Woche bzw. der 48-Stunden-Woche und die Auseinandersetzung um die Schaffung eines »modernen« Arbeitszeitgesetzes, die auch nach dem Generalkollektivvertrag von 1959 andauern sollte. Diese Hindernisse können nicht unabhängig voneinander betrachtet werden, denn im Zusammenspiel der Interessen und Motive der Akteure gibt es eine gegenseitige Dependenz. Eine Klammer während der Konsolidierungs- und Inhomogenitätsphase bildete insbesondere die Dreiteilung der gesetzlichen Basis der Arbeitszeitregelung. Dies bedeutete den Versuch einer Annäherung an das Achtstundentagsgesetz von 1918/19 hinsichtlich der Arbeitszeitregelung bei Kollektivverträgen112 und der geschlechtsspezifischen Arbeitszeitforderung. Daneben galt dann vor allem in den 1950er Jahren je nach Standpunkt die reichsdeutsche Arbeitszeitordnung von 1938 (48-Stunden-Woche) oder die reichsdeutsche Kriegsverordnung (60-Stunden-Woche).

110 Weißenberg 1961  : 5. 111 Vgl. Ranftl 1997  : 112  ; ÖGB/Frauenabteilung 2005  : 7  ; Sorger 2014  : 125. 112 Vgl. Mesch/Schwarz/Stemberger 1987  : 33  ; Sandgruber 1994  : 25.

Hürdenlauf bis zur generellen Diskussion um die Einführung der 45-Stunden-Woche

147

4.3.1 Arbeitszeiten zwischen 1945 und Mitte der 1950er Jahre Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges kam es zu einem ähnlichen Wirtschaftsinfarkt113 wie schon nach dem Ersten Weltkrieg. Kriegsschäden und Demontagen hatten Lücken in den Kapitalstock der Wirtschaft und in die Infrastruktur gerissen.114 Die Alliierten übernahmen für den Anfang die Versorgung mit geringsten Mengen an Rohstoffen und Energie.115 Insgesamt betrug das BIP aufgrund all dieser Voraussetzungen 1946 nur etwa 60 %116 des Volumens der Vorkriegszeit. In der OECD nahm Österreich 1950 die Position des Schlusslichts ein.117 Mit der Wiedererlangung der Kollektivvertragsfähigkeit – das Kollektivvertragsgesetz wurde 1947 wieder in Kraft gesetzt118 – kam es auch zur Festlegung von Arbeitszeiten. Maximal wurden 48 Wochenstunden vereinbart, in vielen Fällen auch darunter.119 Rohstoffmangel konnte Arbeitszeiten merklich unter dieser Marke bedeuten. Einen gewissen Aufschluss über die Arbeitszeiten in der Nachkriegsentwicklung gibt lediglich die Arbeitszeitstatistik der Industrie.120 In der Schuhindustrie zeigte sich der Roh- und Brennstoffmangel 1946 besonders deutlich. So schwankte die Arbeitszeit in Wien und Niederösterreich in den Schuhfabriken zwischen 40 und 48 Wochenstunden, während in der Steiermark und Kärnten121 die 48-Stunden-Woche eingehalten werden konnte. Es gab zwar viele Sparten, wie den Bergbau, die Salinen-, Eisen-, Metall-, Holz-, Textil- sowie die Nahrungsmittel- und Genussmittelindustrie,122 die die 48-Stunden-Woche mehrheitlich erreichten, doch in der Mehrzahl der Fälle dürfte die tatsächlich in der Industrie geleistete Arbeitszeit deutlich darunter gelegen haben. Stark an Bedeutung haben 1946 in Wiener Betrieben vor allem wöchentliche Arbeitszeiten zwischen 31 und 48 Stunden gewonnen.123 In diesen Betrieben herrschte überwiegend die 48-Stunden-Woche vor. Weiters wurde Kurzarbeit praktiziert. Diese war 1946 in der Leder-, Textil- und Papierindustrie, aber genauso in Sparten mit mehrheitlich 48-stündiger Arbeitswoche, wie der Eisen- und Metallindustrie, verbreitet.124 113 Sandgruber 1995  : 440. 114 Seidel 2005  : 33. 115 Lacina 1998  : 508. 116 Sandgruber 1995  : 440. 117 Stiefel 2006  : 66. 118 Lingens 1975  : 208. 119 DRdA 1956  : 34. 120 Butschek 1992  : 186. 121 Vgl. Monatsberichte des WIFO 1946a  : 38. 122 Vgl. Monatsberichte des WIFO 1946a  : 38. 123 Vgl. Monatsberichte des WIFO 1946b, 129. 124 Vgl. Monatsberichte des WIFO 1946c  : 193.

148

Die Konsolidierung der Arbeitszeit von 1945 bis 1959 Wöchentliche Arbeitszeit in den Industriebetrieben1

März

1947

1948

1949

35,7

39,7

42,3

Juni

39,5

41,7

43,5

September

39,3

42,4

44,1

Dezember

38,0

42,0

44,1

Tab. 24  : Entwicklung der wöchentlichen Arbeitszeit in den Industriebetrieben Österreichs Quelle  : Monatsberichte des WIFO 1950  : 502 (eigene Darstellung). 1 Basierend auf der Statistik der Sektion ­Industrie der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft

Ein Blick auf die Tabelle125 zeigt, dass die wöchentliche Arbeitszeit in den Industriebetrieben Österreichs im März 1947 bei durchschnittlich 35,7 Stunden pro Woche gelegen hat. Markant geringere Arbeitszeiten können mehrheitlich für die Feinkeramik, die Metallverarbeitung, die Bekleidungsindustrie sowie die Gummiindustrie nachgewiesen werden.126 Im Laufe eines Jahres stieg die Wochenarbeitszeit um etwa vier Stunden. Bis Ende Dezember 1949 wurde tendenziell die 44-Stunden-Woche erreicht. Dies steht in engem Zusammenhang mit der Normalisierung der Rohstoffzufuhren und der Energieversorgung.127 Die durch Rohstoff- und Energiemangel offensichtlich verursachte Arbeitszeit unter 48 Wochenstunden veranlasste Karoline Glatter (Textilarbeiterin) zu argumentieren, dass von den Arbeitern die genannte Arbeitszeit in der Woche nicht verlangt werden könne, wenn bei 44 Wochenstunden um den Arbeitsplatz gezittert werden müsse. Im weiteren Verlauf ihrer Rede auf dem I. KÖGB führte sie an, dass nichts dagegen spräche, wenn jetzt die Arbeiter geschlossen die 44-Stunden-Woche fordern würden.128 Bereits 1948 war in der Kunstblumen- und Schmuckfedernindustrie die 44-Stunden-Woche restlos durchgeführt worden.129 Mit dem Anstieg der wöchentlichen Arbeitszeit war gleichfalls eine Produktionssteigerung verbunden.130 Gleichzeitig näherten sich die wöchentlichen Arbeitszeiten jenen vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges an, und in einigen Wirtschaftszweigen wurden Überstunden eine regelmäßige Erscheinung, worin sich die gestiegenen Möglichkeiten einer kontinuierlichen Beschäftigung widerspiegelten.131 125 Vergleicht man die Durchschnittswerte von Tabelle 24 mit jenen, die aus Tabelle 26 berechnet werden können, so ergeben sich zum Teil deutliche Abweichungen. 126 Vgl. Monatsberichte des WIFO 1946a  : 38. 127 Monatsberichte des WIFO 1946c  : 503  ; Glatter, Karoline  : TB und Sten. Prot. I. KÖGB 1948  : 4/154. 128 Vgl. Glatter, Karoline  : TB und Sten. Prot. I. KÖGB 1948  : 4/154. 129 TB und Sten. Prot. I. KÖGB 1948  : 1/172. 130 Vgl. Monatsberichte des WIFO 1950  : 503. 131 Monatsberichte des WIFO 1950  : 503.

Hürdenlauf bis zur generellen Diskussion um die Einführung der 45-Stunden-Woche

149

Im Grunde war mit dem Erreichen der 44-Stunden-Woche in der Industrie die Entwicklung in Richtung einer Anpassung der wöchentlichen Arbeitszeiten an die 48-Stunden-Woche und darüber hinaus nicht abgeschlossen. Wöchentliche Arbeitszeit in Wiener Betrieben Monat März 1949

Frauen 41,48

Facharbeiter

Hilfsarbeiter Männer

46,90

48,49

Insgesamt 45,65

Juni 1949

44,26

47,21

49,34

46,82

September 1949

43,24

48,58

50,58

47,45

Dezember 1949

44,41

48,11

49,96

47,43

Jänner 1950

41,80

47,19

49,59

46,13

Februar 1950

43,31

47,81

49,87

46,94

März 1950

43,74

47,45

50,10

46,95

April 1950

44,45

47,41

49,89

47,10

Mai 1950

43,38

48,06

50,31

47,18

Juni 1950

43,15

48,46

51,00

47,46

Tab. 25  : Wöchentliche Arbeitszeit in Wiener Betrieben Quelle  : Monatsberichte des WIFO 1950  : 503 (eigene Darstellung).

Die durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeiten der arbeitenden Wiener Bevölkerung, bezogen auf männliche Facharbeiter, betrugen für das erste Halbjahr 1950 ca. 47,73 Wochenstunden, für männliche Hilfsarbeiter 50,13 Wochenstunden, für Frauen 43,31 Wochenstunden und insgesamt 46,96 Wochenstunden. Allerdings lassen sich aus obiger Darstellung größere Divergenzen ablesen. Erstmals werden Arbeitszeiten getrennt nach dem Geschlecht angegeben. Es zeigt sich, dass die Arbeitszeiten der Männer über den durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeiten liegen. Bei Hilfsarbeitern liegt die wöchentliche Arbeitszeit noch um einiges mehr über dem Durchschnitt. Bei Frauen können wöchentliche Arbeitszeiten unter dem Durchschnitt konstatiert werden. Von März 1949 bis Juni 1950 lässt sich bei den Frauen durchschnittlich eine Abweichung vom gesamten Durchschnittswert von 3,59 Stunden feststellen. Insgesamt gibt es in diesem Zeitraum eine Schwankungsbreite zwischen –5,5 % und –9,4 % von den durchschnittlich insgesamt geleisteten Wochenarbeitszeiten. Bei den männlichen Facharbeitern beträgt die Abweichung vom Durchschnittswert in Summe etwa 0,81 Stunden und schwankt im selben Zeitraum zwischen +0,7 % und +2,7 %. Eine merkliche höhere Abweichung haben die männlichen Hilfsarbeiter, deren wöchentliche Arbeitszeit im Juni 1950 mit 3,54 Stunden die größte Abweichung vom gesamten Durchschnittswert aufweist. Die männlichen Hilfsarbeiter in Wien haben

150

Die Konsolidierung der Arbeitszeit von 1945 bis 1959

mehrheitlich eine zwischen 5,3 % und 7,5 % höher liegende wöchentliche Arbeitszeit als der Durchschnitt, was in diesem Zeitraum einer durchschnittlichen Abweichung von ca. 3,00 Stunden entspricht. Über eine gesamtösterreichische Entwicklung für Frauen und Männer kann mangels Daten nur spekuliert werden. So stehen Mikrozensusdaten erst ab Ende der 1960er Jahre zur Verfügung. Allerdings bietet das WIFO einen Überblick über die Arbeitszeitentwicklung von 1947 bis 1949 in den Industriebetrieben Österreichs. Die Sektion der gewerblichen Wirtschaft unterscheidet dabei nach Bundesländern. Wöchentliche Arbeitszeit in der Industrie1 W



Bgld.



Sbg.

Ktn.

Stmk.

T

Vbg.

März 1947

35,0

34,2

24,2

36,8

37,5

34,4

36,8

37,7

36,8

Juni 1947

39,4

38,8

38,1

40,8

41,1

38,7

39,1

39,0

39,1

September 1947

38,3

37,8

37,7

40,9

40,6

40,1

40,3

38,8

40,6

Dezember 1947

36,8

38,1

37,8

39,4

36,9

36,4

39,3

36,9

37,8

März 1948

37,6

40,7

36,8

41,2

40,3

39,5

40,2

40,1

39,7

Juni 1948

40,7

41,6

43,4

43,2

42,4

40,9

41,7

41,8

41,3

September 1948

41,1

43,0

43,0

42,8

42,9

43,7

42,6

43,0

42,6

Dezember 1948

41,4

43,3

44,7

42,7

41,1

41,9

40,9

42,4

41,2

März 1949

40,2

43,4

41,2

45,1

42,7

42,1

42,2

42,9

40,3

Juni 1949

42,1

44,2

45,2

44,5

43,9

44,0

43,8

44,1

41,9

September 1949

42,1

45,6

47,0

45,2

45,1

44,1

44,1

44,6

43,7

Dezember 1949

43,0

45,7

49,2

45,4

43,3

44,2

43,3

43,7

41,9

Tab. 26  : Entwicklung der wöchentlichen Arbeitszeit in den Industriebetrieben Österreichs nach Bundesländern Quelle  : Monatsberichte des WIFO 1950  : 504 (eigene Darstellung). 1 Basierend auf der Statistik der Sektion Industrie der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft

Auffallend ist hier die Sonderposition des Burgenlandes  : Für dieses Bundesland wird im März 1947 eine wöchentliche Arbeitszeit von 24,2 Stunden nachgewiesen. Bereits im Dezember 1949 wurde in den Industriebetrieben des Burgenlandes eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 49,2 Stunden erreicht, was einer Abweichung von 5,1 Stunden vom Durchschnittswert Österreichs für 1949 entspricht. Werden darüber hinaus die vorliegenden Daten für diverse Branchen in Wiener Betrieben herangezogen, zeigt sich ein bei allgemein steigender Tendenz uneinheitliches Bild, welches jedoch die allgemeine Produktions- und Beschäftigungsentwicklung wiedergibt. Das WIFO bringt zu den Arbeitszeiten in den jeweiligen Industriesparten zwei Übersichtstabellen. Zum einen handelt es sich um eine Übersicht über die wöchentliche Arbeitszeit der männlichen Facharbeiter in Wien.

Hürdenlauf bis zur generellen Diskussion um die Einführung der 45-Stunden-Woche

August 1938

Ø 1948

Ø 1949

März

Juni

September

Dezember

Jänner

Februar

März

April

Mai

Juni

1950

November 1935

1949

151

Metallwarenindustrie

47,7

45,6

46,4

47,8

48,2

48,6

48,9

49,1

47,4

47,7

46,9

46,5

49,0

49,7

Maschinenindustrie

48,4

50,1

46,5

48,9

48,0

48,5

51,2

48,9

49,2

50,6

46,1

50,3

51,7

51,9

Wirtschaftszweig

Elektroindustrie

46,6

50,5

45,9

47,4

47,6

48,2

49,1

46,1

45,5

49,7

51,5

46,7

44,4

45,2

Textilindustrie

49,2

49,3

48,3

52,8

50,3

53,5

54,8

51,8

48,8

49,5

50,6

51,2

49,8

47,9

Holzindustrie

47,5

51,9

45,8

46,3

47,2

44,6

48,6

48,3

46,1

42,9

46,6

44,7

46,7

48,7

Bekleidungsindustrie

49,1

48,1

42,2

42,9

43,7

43,2

43,4

46,0

43,2

44,2

44,6

44,8

44,6

44,1

Schuhindustrie

43,3

47,8

42,5

44,4

45,5

45,0

45,0

45,2

45,0

45,2

44,8

45,0

45,1

45,3

Lederverarbeitende Industrie

45,4

50,8

45,8

45,6

46,3

45,1

45,3

47,3

44,0

45,2

48,4

44,7

44,9

45,5

Papierindustrie

50,9

48,9

47,1

46,2

48,0

47,8

44,8

43,5

43,5

43,7

41,0

41,5

41,6

42,3

Graphische Industrie

48,0

47,9

47,3

47,4

46,6

47,0

482

47,7

46,6

46,3

48,2

47,0

48,5

47,0

Chemische ­Industrie

49,8

50,4

47,3

49,2

47,7

51,7

50,6

48,7

50,1

56,0

49,1

49,9

48,4

50,4

40,1

39,0

44,1

44,0

43,9

43,6

44,0

44,1

41,0

Nahrungs- und Genußmittelindustrie Bäcker

48,1

50,1

44,1

40,8

38,5

Süßwaren

43,7

49,0

46,9

46,9

45,6

43,3

43,9

49,0

46,0

45,4

53,0

49,8

47,2

45,2

Konserven

48,0

53,0

48,4

50,7

51,7

49,8

52,4

51,7

51,5

52,7

46,1

46,8

45,3

44,8

Kaffeemittel

42,3

56,0

46,0

48,5

46,5

44,9

51,4

50,6

49,7

51,8

50,0

51,6

50,2

51,3

Fleischwaren

48,0

57,0

49,2

52,7

51,5

55,1

57,0

56,2

57,5

55,4

58,2

55,9

56,2

62,9

Mühlen

48,0

48,0

47,1

48,1

47,1

50,3

48,6

50,5

49,4

47,0

48,9

42,0

43,0

48,9

Milch­ erzeugnisse

48,0

50,0

49,7

48,8

55,3

48,5

50,8

48,4

47,1

48,0

46,7

43,9

45,7

44,7

Brauereien

48,1

48,1

48,1

49,1

47,9

50,8

49,2

49,1

52,0

48,6

48,4

47,6

53,1

49,2

Tab. 27  : Wöchentliche Arbeitszeit männlicher Facharbeiter in Wiener Betrieben nach Wirtschaftszweigen Quelle  : Monatsberichte des WIFO 1950  : 504 (eigene Darstellung).

Zum anderen wird ein Überblick über die durchschnittliche Arbeitszeit in den Industriebetrieben Österreichs nach Wirtschaftszweigen gegeben.

152

Die Konsolidierung der Arbeitszeit von 1945 bis 1959

Industrie

Jahr

März

Juni

September

Bergwerke und eisenerzeugende Industrie

1947

38,4

39,5

40,8

40,5

1948

41,1

41,4

42,8

41,9

1949

42,7

43,8

44,4

43,8

1947

42,5

44,7

43,8

43,4

1948

45,3

46,5

44,6

43,3

Erdölindustrie

Stein- und keramische Industrie

Glasindustrie

Chemische Industrie

Papier-, Zellulose-, Holzstoff- und Pappenindustrie

Papierverarbeitende Industrie

Filmindustrie

Holzverarbeitende Industrie

Nahrungsmittel- und Genussmittelindustrie

Ledererzeugende Industrie

Lederverarbeitende Industrie

Dezember

1949

43,5

46,5

46,2

48,9

1947

32,8

40,9

41,3

38,0

1948

40,1

42,3

44,1

41,9

1949

41,7

46,0

46,9

46,0

1947

36,0

36,1

36,7

38,5

1948

38,1

39,2

41,6

39,2

1949

45,0

43,2

44,8

42,6 38,9

1947

38,0

39,9

40,9

1948

42,0

41,4

42,9

42,2

1949

43,8

43,3

42,3

43,5

1947

35,3

40,6

40,5

38,9

1948

42,4

44,0

45,7

43,4

1949

45.8

45,5

45,0

45,6

1947

33,0

38,7

39,1

35,8

1948

39,5

39,3

39,5

40,0

1949

40,7

51,8

42,4

42,2

1947

60,7

62,8

62,0

64,0

1948

62,7

63,3

53,7

55,3

1949

55,4

48,9

50,7

50,4

1947

33,9

40,4

41,3

37,4

1948

41,0

43,2

42,3

41,7

1949

41,8

43,7

45,2

45,3

1947

41,3

41,1

41,6

41,9

1948

41,0

43,3

42,2

44,2

1949

42,7

44,0

46,6

48,1

1947

38,1

40,2

40,4

38,5

1948

39,0

39,5

41,3

39,5

1949

42,2

43,6

44,0

43,4

1947

33,6

39,0

38,4

35,6

1948

10,4

39,3

40,8

40,7

1949

38,7

40,6

39,7

40,9

153

Hürdenlauf bis zur generellen Diskussion um die Einführung der 45-Stunden-Woche Industrie

Jahr

März

Juni

September

Gießereiindustrie

1947

33,2

38,8

37,5

39,2

1948

40,5

41,9

44,6

43,8

1949

44,7

44,6

44,8

44,0

1947

40,1

42,3

43,6

37,7

1948

43,8

46,4

47,4

44,1

Metallindustrie

Maschinen-, Stahl- und Eisenbauindustrie

Fahrzeugindustrie

Eisen- und Metallwarenindustrie

Elektroindustrie

Textilindustrie

Bekleidungsindustrie

Dezember

1949

47,1

48,1

45,9

41,5

1947

35,5

40,2

39,4

38,5

1948

41,2

42,9

42,6

42,8

1949

43,8

44,5

45,7

45,0

1947

35,2

39,2

38,0

37,1

1948

10,6

40,1

40,0

36,4

1949

43,8

44,6

41,9

42,1

1947

35,5

38,9

37,9

37,4

1948

40,2

41,3

41,9

41,8

1949

42,2

43,6

44,0

44,6

1947

32,6

37,0

36,2

35,2

1948

39,1

40,6

40,2

41,9

1949

40,9

41,4

42,5

44,6 35,9

1947

33,4

38,0

37,2

1948

39,0

40,4

41,9

41,6

1949

40,1

42,1

43,1

42,8 34,5

1947

32,3

38,7

35,5

1948

36,9

38,0

39,0

39,5

1949

36,6

37,7

38,1

38,8

Tab. 28  : Entwicklung der wöchentlichen Arbeitszeit in den Industriebetrieben Österreichs nach Wirtschaftszweigen Quelle  : Monatsberichte des WIFO 1950  : 505.

Eine Sonderposition nimmt die Filmindustrie ein. Hier lässt sich aus der Statistik bereits für März 1947 eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 60,7 Stunden ablesen. Die Arbeitszeit in diesem Wirtschaftszweig steigt bis Dezember 1947 auf ca. 64 Wochenstunden und hält dieses Niveau bis zur Mitte des Jahres 1948. Danach sinkt zwar die Wochenarbeitszeit, doch bleibt sie immer deutlich über der durchschnittlichen wöchentlichen Industriearbeitszeit für den jeweiligen Betrachtungszeitraum. Auffallend ist auch die wöchentliche Arbeitszeit von 10,6 Stunden in der Fahrzeugindustrie und 10,4 Stunden in der lederverarbeitenden Industrie im März 1948.

154

Die Konsolidierung der Arbeitszeit von 1945 bis 1959

Die Investitionsgüterindustrien verzeichnen überdurchschnittliche Arbeitszeiten, während diese in der Konsumgüterindustrie mit Ausnahme der Nahrungsmittelindustrie meist etwas kürzer sind. Einbezogen in diese Statistiken dürfte auch die Überstundentätigkeit sein, da Überstunden »in der Maschinenindustrie, in der Film- und Erdölindustrie, in der Nahrungs- und Genussmittelindustrie (insbesondere in der Konserven-, Fleischwaren- und Biererzeugung) sowie in der Wiener Textil- und Chemieindustrie seit 1949 regelmäßig und sehr verbreitet«132 waren. Zur wöchentlichen Arbeitszeit der Frauen können nur wenige Aussagen gemacht werden. Sie dürfte im Allgemeinen kürzer133 als bei Männern gewesen sein. Als Gründe führt das WIFO die Probleme bei der Berufstätigkeit und die Absatzschwierigkeiten von Leichtindustrien, die in größerem Ausmaß Frauen beschäftigen, an.134 Für den ersten Punkt, die Berufstätigkeit, wird allerdings als Gegenbeispiel die Arbeitstätigkeit von Frauen in der Wiener Nahrungs- und Genussmittelindustrie mit durchschnittlich hohen wöchentlichen Arbeitszeiten ins Treffen geführt.135 Weiters wird darauf verwiesen, dass die Diskrepanz in der wöchentlichen Arbeitszeit der Männer und Frauen vor dem Krieg geringer war als nach dem Krieg.136 Ein weiterer Grund ist die in der Textilbranche praktizierte starke Zunahme der Kurzarbeit137 ab 1952  : Im Jänner 1952 waren 1000 und im Mai 1952 bereits 13.400138 Arbeiter in Kurzarbeit beschäftigt. Über die Arbeitszeiten außerhalb der Industriebetriebe lassen sich hingegen keine solch detaillierte Angaben machen. So lässt sich für 1948 festhalten, dass für die Berufe Kutscher, Chauffeure und Beifahrer die Arbeitszeit auf bis zu 60 Stunden pro Woche ausgedehnt werden durfte.139 Aber auch Wächter und Portiere waren von dieser Regelung in den Kollektivverträgen vom 1. Oktober 1948 betroffen. Diese sahen außerdem vor, dass bis zu einer Wochenarbeitszeit von 60 Stunden eine Pauschalentlohnung vereinbart werden konnte.140 Eine größere Schwankungsbreite dürfte es beim Krankenpflegepersonal gegeben haben, vor allem zwischen den einzelnen Bundesländern. Zunächst führte der Mangel an Krankenpflegepersonal dazu, dass die Krankenpflegerinnen 1946 zum Großteil eine 60-stündige Arbeitszeit141 hatten und somit die 48-Stunden-Woche142 über132 Monatsberichte des WIFO 1950  : 505. 133 Monatsberichte des WIFO 1950  : 505. 134 Vgl. Monatsberichte des WIFO 1950  : 505. 135 Vgl. Monatsberichte des WIFO 1950  : 505. 136 Vgl. Monatsberichte des WIFO 1950  : 505. 137 Monatsberichte des WIFO 1952  : 9. 138 Vgl. Monatsberichte des WIFO 1952  : 9. 139 Arbeit und Wirtschaft 1949  : 29. 140 Arbeit und Wirtschaft 1949  : 29. 141 Arbeiter Zeitung, 25. April 1946  : 2. 142 Vgl. TB und Sten. Prot. I. KÖGB 1948  : 1/170.

Hürdenlauf bis zur generellen Diskussion um die Einführung der 45-Stunden-Woche

155

stiegen wurde. Die Divergenzen zwischen den Bundesländern dürften ihre Ursache in den verschiedenen Abmachungen haben, wie Maria Houdek (Gemeindebedienstete) auf dem II. KÖGB ausführte  : In einigen Bundesländern gibt es wohl schon eine Regelung, die durch die Gewerkschaften herbeigeführt worden ist und die dem Pflegepersonal die 48-Stunden-Woche und bei den Gebietskrankenkassen zum Teil auch die 42-Stunden-Woche zubilligt. Es gibt aber leider auch Bundesländer, in denen in den Dienstordnungen noch die 60-Stunden-Woche verankert ist.143

Zudem gab es in Wien selbst noch Regelungen, die die 48- oder 52-Stunden-Woche betrafen.144 Die Arbeitszeit von Krankenpflegerinnen war darüber hinaus auch noch am II. FKÖGB 1955 ein Diskussionsthema. Mit den einsetzenden allgemeinen Diskussionen zur Verkürzung der Arbeitszeit vertrat u. a. Leopoldine Kummer (Gemeindebedienstete) die Meinung, dass für die Krankenpflegerinnen nicht erst dann die 48-Stunden-Wochen gelten solle, wenn der Rest der Arbeiterschaft bereits die 40-Stunden-Woche habe.145 Sie war zudem der Überzeugung, dass für die Krankenpflegerinnen die 40-Stunden-Woche in absehbarer Zeit146 erreicht werden könne  ; dabei wurde als Argument dafür, dass »nur« die 48-Stunden-Woche für Krankenpflegerinnen gefordert werde, der fehlende Nachwuchs angeführt, an eine günstigere Regelung sei daher nicht zu denken.147 Zudem merkte Houdek an, dass die 48-Stunden-Woche insgesamt schon eine Arbeitszeitsenkung von 12 Stunden wöchentlich bedeute.148 Letztlich stellte der II. FKÖGB den Antrag zur Einführung der 48-Stunden-Woche, da zu jenen Berufsgruppen, denen die 48-stündige Arbeitswoche versagt sei, das Krankenpflegepersonal zähle.149 1948 wurde auch über die Arbeitszeit der Landarbeiter diskutiert. Der Zentralarbeitgeberverband nahm eine negative Position gegenüber einer Verkürzung ein. Er war nicht bereit, über die Durchführung der vor zwei Jahren geschlossenen Vereinbarung zur Einschränkung der zehnten Arbeitsstunde zu verhandeln.150 Es wurde die 48-Stunden-Woche verlangt, wobei für Anbau und Ernte 54 Stunden in der Woche vorgesehen waren und jedwede Reduktion der Arbeitszeit nur im Winter eintreten sollte, wo auch landwirtschaftliche Betriebe kein großes Interesse an einer 143 Houdek, Maria  : Sten. Prot. II. KÖGB 1951  : 225. 144 Vgl. Houdek, Maria  : Sten. Prot. I. FKÖGB 1951  : 165. 145 Vgl. Kummer, Leopoldine  : Sten. Prot. II. FKÖGB 1955  : 113. 146 Kummer, Leopoldine  : Sten. Prot. II. FKÖGB 1955  : 113. 147 Vgl. Houdek, Maria  : Sten. Prot. II. FKÖGB 1955  : 129. 148 Houdek, Maria  : Sten. Prot. II. FKÖGB 1955  : 129. 149 Vgl. Österreichischer Gewerkschaftsbund  : Sten. Prot. II. FKÖGB 1955  : 202. 150 Arbeiter Zeitung, 20. April 1948  : 2.

156

Die Konsolidierung der Arbeitszeit von 1945 bis 1959

langen Arbeitszeit hatten.151 Diese Regelung wurde in das Landarbeitsgesetz (BGBl. 140/1948) übernommen. In ihm wurde die Überstundenfrage behandelt, wobei mit Viehpflege, Melkung oder mit regelmäßigen Verrichtungen im Haushalt beschäftigte Dienstnehmer diese Tätigkeiten auch über die normale Arbeitszeit hinaus ohne Überstundenentlohnung zu verrichten hätten. Weiters galten übliche Früh- und Abendarbeiten nicht als Überstunden.152 Auf dem I. FKÖGB wurde im Weiteren über die Arbeitszeit von Haushaltsgehilfinnen diskutiert und festgehalten, dass vielfach eine Arbeitszeit von 12 bis 14 Stunden am Tag verlangt werde.153 Zudem sei im geplanten Arbeitszeitgesetz keine Festsetzung der Arbeitszeit für Haushaltsgehilfinnen vorgesehen, sondern nur eine gewisse Ruhezeit.154 Ferner merkte Anna Weber (Hotel- und Gastgewerbe) an, dass Frauen in gewerblichen Betrieben meist als Haushaltsgehilfinnen angestellt seien und daher mit unbeschränkter Arbeitszeit beschäftigt werden könnten.155 Mitte der 1950er Jahre dürfte die Arbeitszeit der österreichischen Erwerbsbevölkerung in etwa bei 52 Wochenstunden gelegen haben. Allerdings scheint in einem Gutteil der Betriebe die Arbeitszeit wesentlich höher gelegen zu haben. So führte Gerhard Weißenberg (Leiter des sozialpolitischen Referats des ÖGB und ab 1976 Bundesminister für Soziale Verwaltung) auf dem III. KÖGB aus, auf Seiten des ÖGB sei bekannt, dass die Arbeiter und Angestellten weit mehr als 60 Stunden in der Woche beschäftigt würden.156 Jedoch sind hier wieder einige Schwankungen zu beachten. So gab es 1955 in der Wiener Industrie eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 47,3 Stunden, in der Bekleidungsindustrie von 42,6 Stunden und in der Kraftfahrzeugindustrie von 51,8 Stunden.157 Jedoch finden sich auch Sektoren, in denen mittels Kollektivverträgen die wöchentliche Arbeitszeit unter 48 Stunden festgelegt wurde. Per 1. Jänner 1950 wurde für Angestellte der gewerblichen Wirtschaft und bei den Angestellten der Raiffeisenkassen eine 45-stündige wöchentliche Arbeitszeit, bei den Angestellten der Revisionsverbände und den Zentralkassen der landwirtschaftlichen Genossenschaften eine 44-stündige wöchentliche Arbeitszeit sowie bei den Bankangestellten eine 43-stündige wöchentliche Arbeitszeit und eine halbe Stunde Mittag vereinbart.

151 Arbeiter Zeitung, 3. Juni 1948  : 2. 152 Vgl. BGBl. 140/1948  : 526. 153 Vgl. Platzer, Antonie  : Sten. Prot. I. FKÖGB 1951  : 167. 154 Vgl. Platzer, Antonie  : Sten. Prot. I. FKÖGB 1951  : 167. 155 Vgl. Weber, Anna  : Sten. Prot. I. FKÖGB 1951  : 173. 156 Weißenberg, Gerhard  : Sten. Prot. III. KÖGB 1955  : 232. 157 Mesch/Schwarz/Stemberger 1987  : 33.

Hürdenlauf bis zur generellen Diskussion um die Einführung der 45-Stunden-Woche

157

4.3.2 Diskussionen über Arbeitszeitverkürzung bis Mitte der 1950er Jahre Von 1945 bis 1955 wurde immer wieder ein neues Arbeitszeitgesetz mit einheitlicher Regelung gefordert. Gerade diese Forderung scheint zusammen mit der Notwendigkeit eines Wiederaufbaus Österreichs jede allgemeine Arbeitszeitverkürzungsforderung verhindert zu haben. Entsprechend geht die Forschung davon aus, dass es in der unmittelbaren Periode nach 1945 keinerlei Wünsche gegeben hat, Arbeitszeitverkürzung zu einem Diskussionsthema zu machen.158 Die Beschäftigung mit dieser Zeitspanne kann zu drei möglichen Ergebnissen führen  : 1) Der Forschungsstand lässt sich bestätigen, da die Erwerbsbevölkerung keine Arbeitszeitverkürzung wünschte. 2) Wünsche zur Arbeitszeitreduktion liegen in marginaler Größe vor und sind somit vernachlässigbar. 3) Es gibt nicht vernachlässigbare Diskussionen bezogen auf die Erwerbsbevölkerung oder Teile derselben. Letzterer Fall würde den aktuellen Forschungsstand nicht bestätigen. In der medialen Berichterstattung der Arbeit und Wirtschaft, der Arbeiter Zeitung, der Wiener Zeitung sowie in DRdA von 1945 bis 1954/55 lassen sich nur spärlich Hinweise auf Wünsche und Forderungen nach einer allgemeinen Verkürzung der Arbeitszeit finden. Allenfalls finden sich in Arbeit und Wirtschaft kleinere Artikel zur 44-Stunden-Woche für Frauen159 oder zu Kollektivvertragsregelungen bezüglich der Arbeitszeit von Kutschern, Chauffeuren etc.160 Daneben wird in wenigen Artikeln auf die gesetzliche Regelung der Arbeitszeit Bezug genommen.161 Einzig die Arbeiter Zeitung berichtete öfter über das Thema Arbeitszeit. In der medialen Berichterstattung weist somit nichts auf größere Diskussionen hin. Wenig Aufschlussreiches gibt es auch in der Sekundärliteratur zu finden. 1959 kommt es in der Zweiten Republik erstmals zu einer Auseinandersetzung mit der Thematik Arbeitszeit. In Das Arbeitszeitproblem von heute werden zwar die unterschiedlichsten Standpunkte beleuchtet, allerdings ist dieses Werk den allgemeinen Diskussionen ab 1954/55 zuzurechnen. Die spärlichen Informationen für den Zeitraum 1945 bis 1954/55 können bestenfalls ergänzt werden. Ansatzpunkte für größere Diskussionen, die dem Forschungsstand widersprechen, lassen sich nicht finden. Einzig Ranftl weist 1997 in ihrem Aufsatz »Jenseits traditioneller Gewerkschaftspolitik  ? Interessensvertretung von Frauen zwischen Tradition und Innovation« auf die 1951 bestehende Forderung der 44-Stunden-Woche für Frauen zum Ausgleich der »Doppelbelastung« Beruf und Haushalt hin und verweist darauf, dass die Aufhebung traditioneller Rollenbilder nicht angedacht war und dieses Insistie158 Vgl. die Ausführungen in der Einleitung 159 Vgl. Arbeit und Wirtschaft 1948  : 30. 160 Vgl. Arbeit und Wirtschaft 1949  : 29. 161 Vgl. Arbeit und Wirtschaft 1951  : 1ff.

158

Die Konsolidierung der Arbeitszeit von 1945 bis 1959

ren zugunsten einer allgemeinen Verkürzung aufgeben wurde.162 2005 sollte in einer Gewerkschaftsbroschüre und 2014 in der publizierten Dissertation Sorgers dieser Punkt wieder aufgegriffen werden. Neben Sekundärliteratur und medialer Berichterstattung sind jedoch auch Primärquellen zur Verifizierung des Forschungsstandes heranzuziehen. Aufschluss können dabei die schriftlichen Aufzeichnungen der Akteure der Arbeitszeitpolitik bieten.163 Neben den Aufzeichnungen des ÖGB, der BWK und der VÖI können die Stenographischen Protokolle des österreichischen Nationalrats gleichfalls ein Bild möglicher Forderungen und Diskussionen zur Arbeitszeitpolitik zeichnen. Mehr als marginale Diskussionen waren nach Durchsicht anderer Quellen allerdings nicht zu erwarten. Die Stenographischen Protokolle des I. KÖGB bestätigen die spärlichen Hinweise auf eine Forderung zur 44-Stunden-Woche für den Zeitraum der Nachkriegszeit. Daneben wurde eine Diskussion rund um die Frage der 44-Stunden-Woche ersichtlich. Dies lässt sich anhand der Stenographischen Protokolle des I. FKÖGB sowie der weiteren schriftlichen Aufzeichnungen der Akteure der Arbeitszeitpolitik bestätigen. Diese Diskussionen hatten auch eine Auswirkung auf die Verwirklichung eines Arbeitszeitgesetzes in den 1950er Jahren. Die Quellen bestätigen zudem das Vorliegen einer Arbeitszeitverkürzungsdiskussion in nicht vernachlässigbarer Größe, womit der aktuelle Forschungstand, der konstatiert, dass es keine Wünschen zur Verkürzung der täglichen wie der wöchentlichen Arbeitszeit gegeben habe, widerlegt wird. Im Mittelpunkt der Arbeitszeitverkürzungsdiskussionen stand das Geschlecht und nicht eine Verkürzung für die gesamte Erwerbsbevölkerung. Nicht Männer, sondern Frauen sollten von einer Arbeitszeitverkürzung profitieren. Die Forderung von Frauen für Frauen basierte auf dem traditionellen Rollenbild des männlichen Ernährers und der weiblichen Versorgungsarbeit. Diese Nicht-Ausrichtung auf die gesamte Erwerbsbevölkerung ist für die Zweite Republik einmalig. Es dürfte dieser Einmaligkeit und des im Vordergrund stehenden Streits zur gesetzlichen Regelung der Arbeitszeit geschuldet sein, dass aus Sicht der sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Forschungen Arbeitszeitverkürzungswünsche und -forderungen erst auf Mitte der 1950er Jahre datiert werden. Zusammenfassend kann bilanziert werden, dass trotz spärlicher medialer Berichterstattung und kaum vorhandener Aufarbeitung in der sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Forschung die Quellenfunde innerhalb der schriftlichen Auf162 Vgl. Ranftl 1997  : 112. 163 Hierbei handelt es sich hauptsächlich um die Stenographischen Protokolle des Bundeskongresses des ÖGB, die Stenographischen Protokolle der FKÖGB, die Jahres- und Tätigkeitsberichte des ÖGB sowie die Jahresberichte der VÖI und der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft.

Hürdenlauf bis zur generellen Diskussion um die Einführung der 45-Stunden-Woche

159

zeichnungen der Akteure der Arbeitszeitpolitik eine eigenständige Forderung zur Arbeitszeitverkürzung nahelegen. Sämtliche Postulate164 zur Datierung erster Wünsche nach einer Arbeitszeitreduktion auf Mitte der 1950er Jahre können daher als widerlegt betrachtet werden. 4.3.3 Geschlechtsspezifische Arbeitszeitverkürzungsdiskussion Die Quellenlage bestätigt also eine Arbeitszeitverkürzungsforderung im Zeitraum von 1945 bis 1954/55. Aber was ist nun das Besondere daran  ? Erwartet wurden Diskussionen für die gesamte Gruppe der erwerbstätigen Bevölkerung, vor allem da aus gewerkschaftlicher Sicht von einer Verkürzung der Arbeitszeit möglichst sämtliche Berufsgruppen und -sparten profitieren sollen. Generalisierend wird dabei versucht, das Anliegen der Arbeitszeitverkürzung auf die gesamte Erwerbsbevölkerung zuzuschneiden, so dass unabhängig von Berufsgruppe, Alter und Geschlecht jeder in den Genuss einer verkürzten Arbeitswoche kommen kann. Ausnahmen hat es jedoch bereits in der Ersten Republik für Frauen und Jugendliche gegeben. Und auch die Primärquellen der Zweiten Republik zeugen von einer geschlechtsspezifischen165 Diskussion bis Mitte der 1950er Jahre. Eine Bedeutungserhöhung erfährt das geschlechtsspezifische Merkmal von 1945 bis 1954/55. Aufgrund einer Ausnahmeregelung des Gesetzes des Achtstundentages166 von 1918/19 wird nun in Weiterführung dieser Position eine Arbeitszeitverkürzungsforderung von Frauen für Frauen erhoben. Das Besondere an diesem Zeitraum ist also, dass keine »neutrale« Arbeitszeitforderung nachgewiesen werden kann, sondern dass es sich um eine geschlechtsspezifische Arbeitszeitverkürzungsdiskussion, in diesem Fall dezidiert auf weibliche und nicht auf männliche Arbeiternehmer bezogen, handelt und bei erfolgreicher Durchsetzung in ein gendersegmentiertes Normalarbeitsverhältnis hätte münden können. Nach Eckert wäre eine solche Vorreiterrolle der Frauen keineswegs ungewöhnlich.167 Dieses geschlechtsspezifische Charakteristikum bleibt dabei durch die Forderung des Wirtschaftstages bis zum Generalkollektivvertrag von 1959 präsent und verschwindet danach aus den Diskussionen um die Arbeitszeitverkürzung in der Zweiten Republik – und somit auch aus den Augen der sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Forschung. Die Geschlechtsspezifik und die Fragen der Arbeitszeitregelung sind mögliche Gründe dafür. Aber auch die Behandlung anderer Fraueninteressen, die in ihrem jeweiligen historischen Kontext die gesellschaftlichen (Macht-)Ver164 Vgl. die Ausführungen in der Einleitung 165 Sorger spricht hierbei von einer frauenspezifischen Arbeitszeitverkürzung. Vgl. Sorger 2014  : 125. 166 Vgl. Ausführung zum Thema Arbeitszeit in der Ersten Republik. 167 Vgl. Eckart 1995  : 87.

160

Die Konsolidierung der Arbeitszeit von 1945 bis 1959

hältnisse und die zugehörigen geschlechtsspezifischen Rollenmuster168 als Aufgabe des ÖGB widerspiegeln, könnte eine Rolle spielen. Sorger führt als derartige Interessen die Durchsetzung des Rechts der Frauen auf bezahlte Arbeit an.169 Als weitere Fraueninteressen nennt sie die dürftige Versorgungslage im Hinblick auf die Versorgung der Familie, Verbesserungen im Bereich der Sozialversicherung mit der Schaffung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1949, das verheirateten Frauen Arbeitslosengeld zugesteht, die Reduzierung des Pensionsantrittsalters für Frauen in der Pensionsversicherung von 65 auf 60 Jahre 1948 oder die Vertretung bestimmter Berufsgruppen, wie Haushaltsgehilfinnen und Heimarbeiterinnen mit schlechten Arbeitsbedingungen.170 Ferner sollte die Streichung von Frauenlohngruppen aus Kollektivverträgen verhindert werden.171 Einzig in der ÖGB-Broschüre »Ohne uns geht nichts – 60 Jahre ÖGB Frauen« (2005) finden sich neben dem Aufsatz von Ranftl Hinweise auf die geschlechtsspezifische Arbeitszeitverkürzungsforderung der Frauen der Nachkriegszeit.172 Sorger verortet die 44-Stunden-Woche in Betrieben mit mehrheitlich weiblicher Beschäftigung als Strategie zur Bekämpfung der »Doppelbelastung« vor dem Hintergrund langer und uneinheitlicher Arbeitszeiten der Nachkriegszeit und der 60-Stunden-­ Woche aufgrund der kriegswirtschaftlichen Verordnung.173 Die zusätzliche Forderung nach einem bezahlten oder unbezahlten Wirtschaftstag zur Sicherstellung der Versorgungsleistung durch die Frauen, die Koppelung der Jugendlichen an dieses Anliegen der Arbeitszeitverkürzung oder der ursprüngliche Wunsch der 40-stündigen Arbeitswoche finden bei Ranftl, der ÖGB-Broschüre und Sorger keine Erwähnung.174 Erst mit dem Aufkommen der Teilzeitarbeit lässt sich erneut dieses geschlechtsspezifische Charakteristikum einer Forderung nach verkürzter wöchentlicher Arbeitszeit für Frauen und somit gewissermaßen der Wunsch nach einem gendersegmentierten Normalarbeitsverhältnis erneut nachweisen. Zunächst stand die 40-Stunden-Woche im Mittelpunkt. Schon am Arbeiterkammertag im Februar 1946 wurde dahingehend ein Beschluss gefasst. So sollte die 40-Stunden-Woche für Frauen und Jugendliche angestrebt werden.175 Wilhelmine Moik (SPÖ) äußerte im Nationalrat am 25. Mai

168 Sorger 2014  : 123. 169 Vgl. Sorger 2014  : 124. 170 Vgl. Sorger 2014  : 124. 171 Vgl. Sorger 2014  : 128. 172 Vgl. ÖGB/Frauenabteilung 2005  : 7. Falls es mehr Aufsätze mit Hinweisen zu dem von Ranftl und der ÖGB-Broschüre angeschnittenen Thema geben sollte, sind diese mir bis dato nicht bekannt. 173 Vgl. Sorger 2014  : 125. 174 Vgl. dazu Ranftl 1997  ; ÖGB/Frauenabteilung 2005  ; Sorger 2014. 175 Vgl. Kummer, Leopoldine  : Sten. Prot. I. FKÖGB 1951  : 196.

Hürdenlauf bis zur generellen Diskussion um die Einführung der 45-Stunden-Woche

161

1946 den Wunsch, die 40-Stunden-Woche für die Arbeiterinnen und Jugendlichen176 einzuführen. Frauen sollten im Arbeitszeitgesetz in Form von kürzeren Arbeitszeiten berücksichtigt werden. Zugleich berief Moik sich auf einen Vorschlag der AK und der Gewerkschaft.177 Ihre Aussage fand Niederschlag in der Arbeiter Zeitung vom 26. Mai 1946, wo unter dem Titel »Wiederaufbau der Sozialpolitik« die Forderungen der Sozialisten – »ein verbessertes Betriebsrätegesetz, ein Kollektivvertragsgesetz, ein Arbeitszeitgesetz mit der Vierzigstundenwoche für Frauen und Jugendliche und die Wiedereinführung der abgeschafften Arbeiterschutzgesetze«178 – angeführt wurden und somit die Forderung erstmals medial aufgegriffen wurde. Damit wurde nach dem 12. Dezember 1945 zum zweiten Mal in der Arbeiter Zeitung der Anspruch auf eine 40-Stunden-Woche, dieses Mal gendersegmentiert, bekräftigt. Ab etwa 1948 war die 44-Stunden-Woche179 in den Blickpunkt der Diskussionen der Nachkriegszeit geraten. So wies die Frauensektion des ÖGB in zahlreichen Vorträgen zu aktuellen Problemen auf die 44-Stunden-Woche hin.180 Zudem wurde auf Gewerkschaftskonferenzen wiederholt die 44-Stunden-Woche gefordert.181 Aufgrund der rechtlich unklaren Situation um die Gültigkeit der 60-Stunden-Woche wegen der kriegswirtschaftlichen Verordnung vom 31. August 1944 bzw. der Gültigkeit der 48-Stunden-Woche nach der Arbeitszeitordnung von 1938182 muss erörtert werden, ob es sich um eine Arbeitszeitverkürzungsforderung handelt oder nicht. Ferner ist eine Kontinuität bezüglich des Gesetzes von 1919 gegeben, da bereits im September 1945 der Gewerkschaftsbund an die Gewerkschaften eine Weisung her-

176 Moik, Wilhelmine  : Sten. Prot. NR, V. GP, 19.  Sitzung  : 363. 177 Vgl. Moik, Wilhelmine  : Sten. Prot. NR, V. GP, 19.  Sitzung  : 363. 178 Arbeiter Zeitung, 26. Mai 1946  : 2. 179 Interessant wäre in diesem Zusammenhang die Frage zu betrachten, warum es zu einer Abkehr von der Forderung der 40-Stunden-Woche und zu einer Hinwendung zur 44-Stunden-Woche kam. Dies geht aus den zur Verfügung stehenden Quellen nur bedingt hervor und dürfte letztlich mit der Bevorzugung der Frauen gegenüber den Männern sowie der differenzierten Arbeitszeitproblematik im Zusammenhang stehen. Aber auch generelle Umsetzungsprobleme bei dieser Verkürzungsforderung der Frauen dürften in diesen Meinungsumschwung hineingespielt haben. Um genauere Auskünfte bezüglich dieses Umschwungs zu erhalten, müssten wahrscheinlich die Korrespondenzen und andere schriftliche Aufzeichnungen der an diesen Diskussionen beteiligten Frauen durchgesehen werden. Inwieweit Geschlechtergerechtigkeit eine Rolle bei diesem Übergang spielte, lässt sich gleichfalls nicht beantworten. Die Klärung dieser Fragen würde allerdings den Rahmen dieser Arbeit sprengen, so dass sie an dieser Stelle offenbleiben müssen. 180 TB und Sten. Prot. I. KÖGB 1948  : 1/168. 181 Moik, Wilhelmine  : TB und Sten. Prot. I. KÖGB 1948  : 4/94. 182 Eine ausführliche Darstellung der Kontroverse um die Gültigkeit der 60- oder der 48-Stunden-Woche erfolgt in einem späteren Kapitel dieser Arbeit (Abschnitt 4.3.5).

162

Die Konsolidierung der Arbeitszeit von 1945 bis 1959

ausgegeben hatte, zu beachten, dass die 44-Stunden-Woche nach dem alten Achtstundentagsgesetz wieder durchzusetzen sei.183 Aus heutiger Sicht lassen sich drei grundsätzliche Positionen unterscheiden. Ausgehend von der Gültigkeit des Gesetzes des Achtstundentages von 1918/19 stellt das Verlangen nach der 44-Stunden-Woche keine Verkürzungsforderung dar. Während des Austrofaschismus war dieses Gesetz jedoch aufgehoben worden, so dass in diesem Sinne die geforderte 44-Stunden-Woche – auch im Sinne des Gesetzes von 1918/19 – eine Arbeitszeitverkürzungsforderung darstellt. Um eine solche handelt es sich sowohl in Bezug auf die Arbeitszeitordnung von 1938 mit der Gültigkeit der 48-Stunden-Woche als auch im Hinblick auf die kriegswirtschaftliche Verordnung mit ihrer 60-stündigen Arbeitswoche. Die Sonderstellung der 44-Stunden-Woche war während des austrofaschistischen Ständestaates zu Ungunsten der Frauen durch Kollektivverträge aufgehoben worden.184 Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges versuchten die Frauen sich gewisse Rechte zu sichern. So meinte Leopoldine Fialka (Textilarbeiterin) auf dem I. KÖGB  : Wenn nun heute die Frauen auf die 44stündige Arbeitszeit und auf den bezahlten Wirtschaftstag pochen, dann ist dies im Hinblick auf den Anteil, den die Arbeiterschaft im Jahre 1945 an der Ingangsetzung der Betriebe genommen hat, und insbesondere im Hinblick auf den Anteil der Frauen, die während des Krieges und unter den heutigen Lebensbedingungen ganz besonders leiden, wohl eine berechtigte Forderung, die längst verwirklicht sein müßte.185

Das Recht auf die 44-Stunden-Woche und den Wirtschaftstag leiteten die Frauen von den Lebensumständen im Krieg und in der Nachkriegszeit ab. Aus diesen Forderungen ist das traditionelle Modell der männlichen Erwerbsarbeit und der weiblichen Versorgungsarbeit klar erkennbar, da Frauen die Versorgungsarbeit erleichtert werden sollte. Der bezahlte Wirtschaftstag wiederum ging auf Vorschriften der nationalsozialistischen Zeit zurück. Ein monatlicher Hausarbeitstag wurde im Oktober 1943 zur gesetzlichen Vorschrift und stellte somit eine arbeitszeitliche Vergünstigung für eine Teilgruppe der Beschäftigten (Rüstungswirtschaft) dar.186 Dass überhaupt ein Teil der Beschäftigten eine Sonderbegünstigung in Form eines monatlichen Hausarbeitstages erhalten konnte, ging mit der im Zeitalter des Industriekapitalismus verbun-

183 Moik, Wilhelmine  : TB und Sten. Prot. I. KÖGB 1948  : 4/94. 184 Arbeit und Wirtschaft 1948  : 30. 185 Fialka, Leopoldine  : TB und Sten. Prot. I. KÖGB 1948  : 4/72. 186 Sachse 2002  : 36.

Hürdenlauf bis zur generellen Diskussion um die Einführung der 45-Stunden-Woche

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denen Trennung von Haus- und Erwerbsarbeit187 bzw. mit der Herausbildung von Öffentlichkeit und Privatheit als getrennten gesellschaftlichen Räumen einher.188 Mit Hilfe biologischer Argumente waren die Einflusssphären von Frauen und Männern festgelegt worden. So wurden die Frauen qua Natur auf den häuslichen Bereich einschließlich der Kindererziehung verwiesen.189 Den Männern wurde wiederum die Rolle des außerhäuslichen erwerbstätigen Familienernährers zugeschrieben.190 Diese nunmehr offensichtliche Trennung von Haus- und Erwerbsarbeit führte im Zweiten Weltkrieg zum Vorschlag und letztlich zur Vorschrift des monatlichen Hausarbeitstages für abhängig beschäftigte Frauen.191 Im Gegensatz zur Situation in Deutschland und der DDR192 waren die Diskussionen um den Hausarbeitstag in Österreich stets mit der Forderung nach der 44-Stunden-Woche verbunden.193 Glatter argumentierte auf dem I. KÖGB dahingehend, »daß die Frau von der häuslichen Arbeit ganz ermüdet ist und wir […] müssen ihren Wunsch nach der 44-Stunden-Woche und dem bezahlten Wirtschaftstag aussprechen, und der Gewerkschaftsbund als unsere höchste Körperschaft muß diesen Wunsch durchführen.«194 Dieser Doppelbelastung durch Arbeit und Haushalt sollte eben durch die 44-Stunden-Woche und den bezahlten Wirtschaftstag als Gesamtlösung zur Erleichterung der Lasten der Frauen begegnet werden.195 Fialka sprach sogar von einer dreifachen Überlastung, nämlich als Arbeiterin, als Gattin und als Hausfrau und Mutter.196 Auch von politischer Seite wurde dies nicht geleugnet, wie der Sozialminister Maisel auf dem I. KÖGB ausführte  : Die Frauenarbeit in der Industrie zählt demnach wirklich zu den anstrengendsten, und [so] ist es nur recht und billig, wenn sie durch eine kürzere Arbeitszeit gewürdigt wird  ; wozu ja noch kommt, daß die Frauen in den allermeisten Fällen doppelt beschäftigt sind. Mit der Arbeit im Betrieb oder Büro fertig, muß sie im Haushalt gleich wieder weiterarbeiten und oftmals noch die Kinder betreuen und erziehen.197 187 Auth 2002  : 23. 188 Methfessel 1992  : 25. 189 Auth 2002  : 23. 190 Auth 2002  : 23. 191 Sachse 2002  : 35. 192 Vgl. die Ausführungen zu den ost- und westdeutschen Debatten um den Hausarbeitstag seit 1949 bei Sachse 2002  : 89ff. 193 Aussagen, die auf eine Trennung der Forderung nach einem Wirtschaftstag und jener nach der 44-Stunden-Woche hindeuten würden, lassen sich in den von mir betrachteten Quellen nicht nachweisen. 194 Glatter, Karoline  : TB und Sten. Prot. I. KÖGB 1948  : 4/155. 195 Fialka, Leopoldine  : TB und Sten. Prot. I. KÖGB  : 4/72  ; ÖGB/Frauenabteilung 2005  : 7. 196 Fialka, Leopoldine  : Sten. Prot. I. FKÖGB 1951  : 70. 197 Maisel, Karl  : TB und Sten. Prot. I. KÖGB 1948  : 4/125.

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Nach dem Zweiten Weltkrieg fehlten bzw. gab es kaum technische Geräte, die die Versorgungsarbeit der Frauen erleichtert hätten  ; das Säubern und Reinigen von Wäsche und Wohnung war weiterhin eine zeitintensive und körperlich anstrengende Arbeit.198 Der Wirtschaftstag blieb in der Bundesrepublik Deutschland und der DDR keine Utopie. Dass die materielle Hausarbeit eine selbstverständliche und anerkannte weibliche Tätigkeit199 bis in die Mitte der 1960er Jahre darstellte, dürfte bei der Beibehaltung des Haushaltstages in diesen Ländern keine unwesentliche Rolle gespielt haben. Zugleich galt der unbezahlte Haushaltstag im Sinne des Alliierten Kontrollrates nicht als »spezifisch« nationalsozialistisches Gesetz.200 In Österreich wurde im Gegensatz zur Bundesrepublik Deutschland nur begrenzt ein bezahlter Wirtschaftstag umgesetzt. Die Regelung der Arbeitszeit in Österreich erfolgte wie in der Ersten Republik mehrheitlich über Kollektivverträge. Am 20. Juni 1948 berichtete die Arbeiter Zeitung über den Kollektivvertrag für Textilarbeiter und den Wirtschaftstag  : In der Frage des so genannten Wirtschaftstages für Hausfrauen konnte nur erreicht werden, daß Frauen, die einen eigenen Haushalt zu führen haben, einen unbezahlten Tag monatlich als Wirtschaftstag in Anspruch nehmen können.201

Die 44-Stunden-Woche wurde nicht dezidiert in den Kollektivvertrag aufgenommen, wenngleich die bestehenden kürzeren Arbeitszeiten bis zur Verwirklichung eines neuen Arbeitszeitgesetzes weiterhin vollzogen werden konnten. Mit der Forderung der 44-Stunden-Woche sollte in den Betrieben, die bis dato die 48-Stunden-Woche hatten, zugleich der Lohn für 48 Stunden für die verkürzte Arbeitswoche erlangt werden.202 Der bezahlte Wirtschaftstag war auf dem I. KÖGB ebenfalls ein Thema. Er sollte vom ÖGB für Frauen, für die nicht die 44-Stunden-Woche galt, mittels Kollektivvertrag verwirklicht werden.203 Generell zeigten sich Bestrebungen, den Wirtschaftstag in ein neues Arbeitszeitgesetz einfließen zu lassen  ; dennoch meinte Moik, dass die Bezahlung eines solchen Wirtschaftstages über die Kollektivverträge durchgesetzt werden müsste.204 Eine andere Ansicht vertrat die kommunistische Fraktion. Sie forderte den bezahlten Wirtschaftstag für alle haushaltführenden Frauen in einem künftigen Arbeitszeitgesetz.205 198 Dierks 2005  : 40. 199 Dierks 2005  : 70. 200 Vgl. Sachse 2002  : 48. 201 Arbeiter Zeitung, 20. Juni 1948  : 2. 202 Vgl. Arbeit und Wirtschaft 1948  : 30. 203 Vgl. Moik, Wilhelmine  : TB und Sten. Prot. I. KÖGB 1948  : 4/95. 204 Vgl. Moik, Wilhelmine  : Sten. Prot. I. FKÖGB 1951  : 237. 205 Österreichischer Gewerkschaftsbund  : Sten. Prot. I. FKÖGB 1951  : 379.

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Schrieb die Arbeiter Zeitung von einem bezahlten Wirtschaftstag für Frauen mit einem eigenen Haushalt, so waren die Forderungen auf dem I. KÖGB gleichlautend. Der bezahlte Wirtschaftstag sollte nicht nur für Frauen gelten, die eine verlängerte Arbeitszeit hatten, sondern generell für diejenigen Frauen, die einen Haushalt führten.206 Demnach sollte es unerheblich sein, ob die Frauen in diesen Betrieben die Mehrheit bildeten oder nicht.207 Trotzdem konnte der bezahlte Wirtschaftstag nicht in breitem Maße durchgesetzt werden. Ein bezahlter Wirtschaftstag lässt sich für das graphische Gewerbe nachweisen.208 Der Globus-Verlag, der Parteienverlag der Kommunistischen Partei Österreichs, gewährte Frauen bereits ab Februar 1946 einen freien Tag pro Monat, den sogenannten Wirtschaftstag.209 Eine Präzisierung erfolgte Mitte 1948. So erhielten Frauen im Globus-Verlag den Wirtschaftstag zugesprochen, wenn sie eine der folgenden Kriterien erfüllten  : Sie musste verheiratet sein und einen eigenen Haushalt führen, Mutter von Kindern unter 14 Jahren sein, ein alleinstehendes Opfer der Nationalsozialisten oder KZ-Häftling sein oder als ledige oder verwitwete Frau über dreißig einen eigenen Haushalt führen.210 Aber auch besonders berücksichtigenswerte soziale Gründe211 konnten den unbezahlten Wirtschaftstag rechtfertigen. Letzten Endes wurde dieser zwar in Kollektivverträge aufgenommen, aber unumstößlich war er nicht. So verloren die Gemeindebediensteten bereits 1951 ihren Wirtschaftstag mit dem Hinweis, dass demnächst die Arbeitszeit verkürzt werde.212 Grundsätzlich sollten alle erwerbstätigen Frauen von einer 44-stündigen Arbeitswoche profitieren. Man war sich jedoch bewusst, dass die Umsetzung für alle wohl utopisch war. Auf dem I. FKÖGB kamen immer wieder Forderungen auf, dass diese oder jene Gruppe (z. B. Heimarbeiterinnen213) ebenfalls von der 44-Stunden-Woche profitieren solle. Dabei hatte die Verhandlungsposition Auswirkung auf deren Umsetzung. So lässt sich in den abgeschlossenen Kollektivverträgen erkennen, dass der Passus zur 44-Stunden-Woche zugunsten einer Beibehaltung der kürzeren Arbeitszeit bis zur Verwirklichung eines neuen Arbeitszeitgesetzes aufgegeben werden musste. Vor allem die Gewerkschaft für Textilarbeiter versuchte seit 1945, die gekürzte Arbeitszeit für Frauen vorab in die Kollektivverträge aufzunehmen. So galt es als »eine wesentliche Forderung bei der Erstellung des neuen Kollektivvertrages, 206 Turek, Grete  : Sten. Prot. II. KÖGB 1951  : 287. 207 Vgl. Turek, Grete  : Sten. Prot. II. KÖGB 1951  : 287. 208 Vgl. Nitz, Herta  : Sten. Prot. I. FKÖGB 1951  : 160. 209 Weinert 2000  : 39. 210 Vgl. Weinert 2000  : 39f. 211 Weinert 2000  : 40. 212 Vgl. Kummer, Leopoldine  : Sten. Prot. II. FKÖGB 1955  : 113. 213 Vgl. Haas, Emma  : Sten. Prot. I. FKÖGB 1951  : 211.

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diese kürzere Arbeitszeit mit Rücksicht auf die überwiegende Zahl weiblicher Beschäftigter vertraglich festzulegen«.214 Dem I. KÖGB lag ein spezifischer Antrag vor, der verlangte, dass die 44-Stunden-Woche in Betrieben mit überwiegender Beschäftigung von Frauen in die Arbeitszeitgesetzgebung eingebaut werde.215 Bereits auf dem Wirtschaftstag 1945216 erfolgte erstmals eine Auseinandersetzung mit der 44-Stunden-Woche, die in Betrieben, in denen mehr als die Hälfte an Frauen beschäftigt waren, verwirklicht werden sollte. Hier zeigt sich also, dass die 44-stündige Arbeitswoche für Frauen nicht, wie von Leopoldine Kummer beim I. FKÖGB geäußert, erst ab 1948, sondern vielmehr bereits 1945 gefordert wurde. Insofern war diese Forderung zumindest bereits vor 1948 vorhanden, wenngleich aus Sicht der gewerkschaftlich organisierten Frauen der Startschuss für eine breite Auseinandersetzung zu dieser geschlechtsspezifischen Arbeitszeitverkürzung erst 1948 und nicht schon 1945 erfolgte. Der Antrag der Gewerkschaft der Textil-, Bekleidungs- und Lederarbeiter präzisiert genauer, in welchen Betrieben es zu einer Verwirklichung der 44-Stunden-Woche kommen sollte. So heißt es in dem Antrag Nr. 1  : Der Österreichische Gewerkschaftsbund verlangt die rascheste Gesetzwerdung des Arbeitszeitgesetzes und fordert im besonderen die Bundesregierung und das Parlament auf, dafür Sorge zu tragen, daß in jenen Berufen, in welchen mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer Frauen und Jugendliche beschäftigt sind, die wöchentliche Arbeitszeit höchstens 44 Stunden beträgt.217

Einerseits sollte versucht werden, die 44-Stunden-Woche in Betrieben zu verwirklichen, in denen die Mehrheit der Beschäftigten Frauen waren. Das bedeutete gleichzeitig, dass die Männer von der kürzeren Arbeitszeit ebenfalls profitieren würden, falls sie nicht per Kollektivvertrag oder Gesetz davon ausgenommen würden. Andererseits sollten durch die Einbindung von Jugendlichen mehr Betriebe von der verkürzten Arbeitszeit erfasst werden. 1948 wurde zumindest für die Jugendlichen eine Wochenarbeitszeit von 44 Stunden erreicht. Des Weiteren sah man die Möglichkeit der Schaffung der Vollbeschäftigung, da so viele Frauen einen Arbeitsplatz finden könnten.218 Leopoldine Kummer sah es als Verpflichtung aller Funktionäre und Nationalräte an, im Arbeitszeitgesetz die

214 Arbeit und Wirtschaft 1948  : 30. 215 Horn, Otto  : TB und Sten. Prot. I. KÖGB 1948  : 4/84. 216 Moik, Wilhelmine  : TB und Sten. Prot. I. KÖGB 1948  : 4/94. 217 TB und Sten. Prot. I. KÖGB 1948  : 4/332  ; Altenburger, Erwin  : Sten. Prot. NR, VII. GP, 26.  Sitzung  : 1021. 218 Turek, Grete  : Sten. Prot. II. KÖGB 1951  : 287.

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44-Stunden-Woche für alle durchzubringen, wodurch die Möglichkeit bestehe, die Frauen, die draußen stünden, die abgebaut worden seien, die arbeitslos seien, wieder in den Arbeitsprozess einzuschalten.219 Am 3. März 1948 begann der Streik der Schuharbeiter, an dem 1986 Männer und 2774 Frauen teilnahmen, was einer Beteiligungsrate von 92,9 % entsprach.220 Angeführt wurde er von kommunistischen Gewerkschaftern, der Streikausbruch gründete sich aber auf die bewusste Anwendung gewerkschaftlicher Funktionen und nicht auf die kommunistische Weltanschauung seiner Träger.221 Dennoch bestanden durchaus Vorbehalte gegenüber kommunistischen Verhandlungsträgern.222 Auslöser waren das fehlende Arbeitszeitgesetz und die Regelung der Arbeitszeit nach Gewohnheitsrecht bzw. betrieblichen Vereinbarungen.223 Vor dem Streik war die 44-Stunden-Woche in der Schuhindustrie zur normalen Arbeitszeit geworden.224 Allerdings war es absehbar, dass bei einem Wirtschaftsaufschwung die Arbeitszeit in der Schuhindustrie wieder an das landesübliche Limit angepasst werden würde.225 In einer Verhandlungsrunde vor dem Streik lehnte die Unternehmerschaft folgende Punkte ab   : kollektivvertragliche Anerkennung der 44-Stunden-Woche, Einführung eines bezahlten Wirtschaftstages für Frauen, bezahlte Arbeitspausen im Umfang einer Wochenstunde und das Mitbestimmungsrecht der Betriebsräte bei Aufnahme und Kündigung von Arbeitskräften.226 Hauptziel des Streiks war es, die wöchentliche Normalarbeitszeit für alle auf 44 Stunden festzusetzen.227 Damit sollte die 44-Stunden-Woche allgemeingültig in dem Kollektivvertrag festgelegt werden. Insgesamt kam es damit erstmals und gleichzeitig letztmals zu einer Verbindung der geschlechtsspezifischen Arbeitszeitforderung mit einer generellen Arbeitszeitforderung, wobei in der Schuharbeiterindustrie so die einheitliche Wochenarbeitszeit von 44 Stunden für ganz Österreich angestrebt wurde.228 Die Unternehmer blockierten in den ersten Streikwochen die Verhandlungen, da sie prinzipiell nicht über Arbeitszeitverkürzungen mit sich reden lassen wollten.229 Aber auch die Sektion Industrie der Bundeshandelskammer war gegen eine kol219 Kummer, Leopoldine  : Sten. Prot. I. FKÖGB 1951  : 195. 220 Zakravsky 1981  : 356. 221 Zakravsky 1981  : 356. 222 Vgl. Zakravsky 1981  : 355. 223 Vgl. Zakravsky 1981  : 351. 224 Vgl. Zakravsky 1981  : 351  ; Roth 1996  : 164  ; Arbeiter Zeitung, 2. April 1948  : 2. 225 Zakravsky 1981  : 351. 226 Zakravsky 1981  : 355. 227 Vgl. Roth 1996  : 169 228 Arbeiter Zeitung, 2. April 1948  : 1. 229 Zakravsky 1981  : 365.

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lektive Herabsetzung der Arbeitszeit.230 Sie argumentierte dahingehend, dass der Wiederaufbau und die Steigerung des Lebensstandards wesentlich sei, es in keinem der Nachbarländer die 44-Stunden-Woche gebe, die Reduktion der Arbeitszeit ein ungerechtfertigtes Vorrecht der Schuharbeiter gegenüber den anderen österreichischen Industriezweigen wäre und die Industrie nicht unter die 48-Stunden-Woche gehen könne.231 Gleichzeitig war der ÖGB gegen einen Vorstoß. Im Schuharbeiterstreik wurde er vom ÖGB auch nicht als gegeben angesehen.232 Zugleich begann der ÖGB zu »intervenieren, und zwar mit der Zielrichtung, den lästigen und ärgerlichen Streik, der sich nun schon über mehrere Wochen hinzog, abzubiegen und beide Seiten zu einem ›vernünftigen Kompromiss‹ zu drängen.«233 Am Ende waren die ursprüngliche Position der Schuharbeiter und die Forderungen der Frauen nach der Verwirklichung der 44-Stunden-Woche und dem bezahlten Wirtschaftstag derart aufgeweicht, dass das eigentliche Ziel des Streiks verfehlt wurde,234 auch wenn das Ergebnis sowohl von Seiten des ÖGB als auch der kommunistischen Gewerkschaftsfraktion als »Bombenerfolg«235 gefeiert und der abgeschlossene Kollektivvertrag als einer der besten Österreichs bezeichnet wurde.236 Die 44-Stunden-Woche wurde nur befristet in den Kollektivvertrag aufgenommen.237 Den Unternehmern sollte so die Möglichkeit gegeben werden, freie Vereinbarungen über eine 44- bis 46-stündige Arbeitszeit zu treffen.238 Dies wurde einerseits ermöglicht durch Einrechnung der Frühstückspause in die Arbeitszeitregelung und andererseits durch Absprachemöglichkeiten mit den Betriebsräten.239 Im Weiteren wurde der bezahlte bzw. unbezahlte Wirtschaftstag für Frauen ersatzlos gestrichen.240 Für Fialka war die Frauensektion der Gewerkschaft beim Streik nicht in Erscheinung getreten. Moik widersprach diesen Ausführungen.241 Wie groß auch immer die Beteiligung gewesen sei, sicher sei doch, dass die Einführung der 44-Stunden-Woche nun erstmals breites öffentliches Gehör gefunden habe – allerdings um den Preis, dass sie nicht als geschlechtsspezifische Maßnahme zu Tage trat. Aufgrund 230 Roth 1996  : 169. 231 Vgl. Roth 1996  : 169f. 232 Vgl. Wiener Zeitung, 15. April 1948  : 2. 233 Roth 1996  : 170. 234 Vgl. Zakravsky 1981  : 359  ; Roth 1996  : 177. 235 Zakravsky 1981  : 358. 236 Vgl. http://news.glb.at/news/article.php/20060323112551251 [Datum des letzten Zugriffs   : 08.04.2015]. 237 http://news.glb.at/news/article.php/20060323112551251 [Datum des letzten Zugriffs  : 08.04.2015]. 238 Roth 1996  : 171. 239 Zakravsky 1981  : 360. 240 Vgl. Zakravsky 1981  : 360. 241 Vgl. Fialka, Leopoldine  : TB und Sten. Prot. I. KÖGB 1948  : 4/72  ;Vgl. Moik, Wilhelmine  : TB und Sten. Prot. I. KÖGB 1948  : 4/94.

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der ÖGB-Strategie konnte weder die 44-Stunden-Woche noch der bezahlte bzw. unbezahlte Wirtschaftstag erreicht werden. Die Nichtdurchsetzung der 44-Stunden-Woche und des Wirtschaftstages schwächte die Position der geschlechtsspezifischen Arbeitszeitforderung und erschwerte deren Durchsetzbarkeit weiter. Die 44-Stunden-Woche sollte zu einer Verminderung der Frauenarbeitslosigkeit bzw. zur Akquirierung von Frauen beitragen sowie die Doppelbelastung mindern. Der Schuharbeiterstreik und seine Folgen sowie die unerwünschte Differenzierung der Arbeitszeit von Frauen und Männern waren große Problemfelder. Diese gendersegmentierte Normalarbeitszeit wäre bei Verwirklichung einer allgemein verbindlichen Regelung im Arbeitszeitgesetz faktisch gegeben gewesen. Glatter zufolge verlangten die Arbeiter – weiblich und männlich, da von ihr keine Unterscheidung getroffen wurde – unbedingt die 44-Stunden-Woche.242 Sie war sich dabei sogar sicher, dass bei der Arbeiterschaft Einigkeit bestehe und somit die 44-Stunden-Woche, »da diese Arbeitszeit reichlich genug ist und in dieser Zeit auch genügend erzeugt werden kann«,243 von den gewerkschaftlichen Vertretern durchgesetzt werden könnte. Drei Jahre später merkte Poldi Cadek (Bau- und Holzarbeiter) an, dass eine verkürzte Arbeitszeit für alle Arbeiter und Angestellten derzeit nicht möglich sei.244 Für sie war eine differenzierte Arbeitszeit für Männer und Frauen zwar kein Idealzustand. Trotzdem sollten Frauen, die in Betrieben beschäftigt seien, in denen die Frauen die Mehrzahl bildeten,245 von der verkürzten Arbeitszeit profitieren. Ebenso forderte Kitty Rosenberger (Gemeindebedienstete) die 44-Stunden-Woche für alle, da die Gemeindebediensteten sich nicht darauf einlassen könnten, eine geschlechterdifferenzierte Arbeitszeit zuzulassen.246 Aber auch die wechselseitige Abstimmung der Männer- und Frauenarbeit247 dürfte bei der Realisierung der 44-Stunden-Woche eine Rolle gespielt haben. Darüber hinaus machte sich bei der Umsetzung der differenzierten Arbeitszeit auch der Umstand bemerkbar, dass es nirgendwo sonst eine zwischen Männern und Frauen differenzierte Arbeitszeit im gleichen Betrieb gab.248 Das mit Abstand größte Problem kann definitiv in der Verbindung der angestrebten Schaffung eines neuen Arbeitszeitgesetzes und der gewünschten Verankerung des Wirtschaftstages gesehen werden. Bereits 1947 berichtete die Arbeiter Zeitung über der­artige Wünsche.249 Mit dem Arbeitszeitgesetz sollte die 44-Stunden-Woche für

242 Vgl. Glatter, Karoline  : TB und Sten. Prot. I. KÖGB 1948  : 4/154. 243 Glatter, Karoline  : TB und Sten. Prot. I. KÖGB 1948  : 4/154. 244 Cadek, Poldi  : Sten. Prot. II. KÖGB 1951  : 226. 245 Cadek, Poldi  : Sten. Prot. II. KÖGB 1951  : 226. 246 Vgl. Rosenberger, Kitty  : Sten. Prot. I. FKÖGB 1951  : 201. 247 Vgl. Moik, Wilhelmine  : Sten. Prot. I. FKÖGB 1951  : 235. 248 Vgl. Moik, Wilhelmine  : Sten. Prot. I. FKÖGB 1951  : 236. 249 Vgl. Arbeiter Zeitung, 8. Juni 1947  : 1.

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Frauen, vor allem in Betrieben mit mehrheitlich weiblichen Beschäftigten, verwirklicht werden. Sozialminister Maisel führte dahingehend auf dem I. KÖGB aus, es bleibt nur noch das Arbeitszeitgesetz übrig. Da wird es wohl größere Schwierigkeiten zu überwinden geben. […] Von einem Abgehen vom Achtstundentag, respektive der 48-Stunden-Woche, kann wohl im Allgemeinen in unserer gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation nicht die Rede sein. Die Auswirkung aber der in diesem Gesetz festgelegten 44-Stunden-Woche der Frauen muß eine andere Auslegung erhalten. Diese Bestimmung darf in Zukunft nicht mehr nur eine papierene bleiben, wie dies durch das alte Gesetz der Fall war, sondern sie muß so abgefaßt sein, und eine solche Auslegung erhalten, daß sie auch praktische Bedeutung erlangt. […] In den Betrieben, respektive Industrien, wo Frauen und Jugendliche in der Mehrzahl beschäftigt sind, sollen die Frauen die Bestimmungen des Gesetzes auch wirklich anerkannt […].250

Die Verwirklichung dieser Forderung im Arbeitszeitgesetz hätte eine Sonderregelung für Frauen bedeutet, die vielfach nicht gewollt war. Die Nichteinigung in diesen Punkten verhinderte das Arbeitszeitgesetz. Im Jahresbericht der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft des Jahres 1950 wurde von der 44-Stunden-Woche als entscheidender Neuerung gesprochen, während im Ausschuss für soziale Verwaltung keine Einigung251 in dieser Frage erzielt werden konnte. Auch für die VÖI waren nunmehr nur die Sonderbestimmungen für Frauen unannehmbar.252 Die Forderung der 44-Stunden-Woche für Betriebe, in denen mehrheitlich Frauen beschäftigt waren, wurde im Rahmen des Arbeitszeitgesetzes abgelehnt. Dazu heißt es im Jahresbericht 1950  : Diese Bestimmung ist vom arbeitsmedizinischen Standpunkt als völlig unlogisch zu bezeichnen, da gerade in den Abteilungen mit überwiegend weiblichen Beschäftigten meist leichtere Arbeit geleistet wird, während die Frauen in Betrieben mit überwiegender Beschäftigung von Männern, also Schwerindustrie, 48 Stunden arbeiten müssen.253

Die Forderung der Frauen stieß also auf breite Ablehnung der Wirtschaft. Moik war sich sicher, dass ohne Sonderbestimmungen für Frauen das Gesetz längst fertig gewesen wäre.254 Erleichtert wurde die Position gegenüber der Wirtschaft mit der Forderung nach der 44-Stunden-Woche durch die eigenen Reihen zumindest nicht. 250 Maisel, Kurt  : TB und Sten. Prot. I. KÖGB 1948  : 4/125. 251 Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft 1951  : 83. 252 VÖI 1951  : 29. 253 VÖI 1951  : 29. 254 Vgl. Moik, Wilhelmine  : Sten. Prot. I. FKÖGB 1951  : 132.

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Immer wieder meldeten sich einzelne Gruppen (z. B. Heimarbeiterinnen255) zu Wort, die in derselben Weise für sich die 44-Stunden-Woche im Arbeitszeitgesetz verwirklicht sehen wollten. So waren Angestellte der Hoheitsverwaltung im geplanten Gesetz davon ausgeschlossen. Unter anderem gehörten zu dieser Frauengruppe die Fürsorgerinnen und die Kindergärtnerinnen.256 Deren Forderungen stützten sich darauf, dass sie vor 1938 wesentlich kürzere Arbeitszeiten gehabt hätten und sie daher nach wie vor darauf drängten, diese Arbeitszeit wieder zu bekommen.257 Durchwegs vertraten die Unternehmer die Einstellung, dass die Produktion nicht eingeschränkt, sondern erweitert werden müsse und daher eine verkürzte Arbeitszeit erst mit einer gesetzlich verbindlichen Regelung vollzogen werden könne.258 Gleichzeitig sollte im Gesetz die Möglichkeit einer Abänderung der 44-Stunden-Woche durch Kollektivverträge verankert sein, wie dies schon vor 1938 geltende Regelung war.259 Noch im Jahresbericht der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft 1955 hieß es  : Die Verhandlungen über ein Arbeitszeitgesetz sollten durch eine […] ausgearbeitete Kurzfassung wieder in Fluß gebracht werden. Die Bundeskammer mußte […] aus den gleichen Erwägungen, die für die ablehnende Haltung gegenüber den bisherigen Bemühungen ausschlaggebend waren, ebenfalls ablehnen.260

Zuvor hatte die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft in ihren Jahresberichten die 44-Stunden-Woche als Grund für die Nichteinigung über ein Arbeitszeitgesetz angegeben. Die Verzögerungen bei der Realisierung verbesserten die Position der Frauen nicht. Zwar hatte bislang die Gewerkschaft der Textil-, Bekleidungs- und Lederarbeiter teilweise in ihrer Branche für die Umsetzung der 44-Stunden-Woche gesorgt, doch mit der Fortdauer der Verhandlungen schien sich die Forderung zunehmend abzuschwächen. Dementsprechend argumentierte Michael Frühwirth (SPÖ) 1954 im Nationalrat, dass es, je länger die Novellierung des Arbeitszeitgesetzes auf sich warten lasse, immer schwieriger werde, die Position, die hinsichtlich der Arbeitszeit erkämpft werden konnte, aufrechtzuerhalten.261 Zu diesem Zeitpunkt war die

255 Vgl. Haas, Emma  : Sten. Prot. I. FKÖGB 1951  : 211. 256 Kummer, Leopoldine  : Sten. Prot. I. FKÖGB 1951  : 196. 257 Kummer, Leopoldine  : Sten. Prot. I. FKÖGB 1951  : 196. 258 Vgl. Arbeit und Wirtschaft 1948  : 30. 259 Vgl. VÖI 1953  : 65. 260 Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft 1956  : 113. 261 Vgl. Frühwirth, Michael  : Sten. Prot. NR, VII. GP, 56.  Sitzung  : 2596.

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44-Stunden-Woche bereits in der Schuhindustrie, der Hutindustrie und den Strickereibetrieben Wiens verwirklicht worden.262 Im Allgemeinen wurde die Verhandlungsposition zusätzlich dadurch erschwert, dass der Mann erst von den Forderungen der Frau und davon überzeugt werden musste, dass diese nicht nur berechtigt, sondern auch durchsetzbar waren.263 Dennoch wurde weiterhin an die Umsetzung der gendersegmentierten Wochenarbeitszeitverkürzung geglaubt. Als Mittel der Mobilisierung der Frauen wurde von Leopoldine Kummer das Einsetzen »all unserer Kraft« angegeben,264 wozu sie ohne explizite Erwähnung auch das Mittel des Streiks ins Auge gefasst haben dürfte. Diese fehlende Mobilisierung wurde von Fialka auf dem I. FKÖGB 1951 kritisiert.265 Bereits auf dem I. KÖGB hatte Fialka die Frauensektion dahingehend kritisiert, dass von den bisherigen Gepflogenheiten, die Funktionärinnenkonferenzen als einen Vortragszirkel abzuhalten, abgekommen266 werde müsse, um mehr den eigentlichen Anliegen zu dienen  : der Verwirklichung der 44-Stunden-Woche, des Wirtschaftstages und des gleichen Lohns für gleiche Arbeit.267 Überdies sollte der Wirtschaftstag im Arbeitszeitgesetz verankert werden. Im Zusammenspiel mit der 44-Stunden-Woche könnte dieser bezahlte Wirtschaftstag den Frauen zum Verhängnis werden, meinte Moik auf dem I. KÖGB. Noch 1958 war der Wirtschafts- bzw. Hausarbeitstag im Gesetzesentwurf enthalten, wobei alle weiblichen Dienstnehmer mit eigenem Haushalt, deren regelmäßige Wochenarbeitszeit 44 oder mehr Stunden betrug,268 einen solchen erhalten sollten. Der Wirtschaftstag durfte in jenen Monaten, in denen an mehr als an zwölf Werktagen ein Urlaub verbraucht wurde, nicht praktiziert werden.269 Letztlich musste er mit der Einführung der 45-Stunden-Woche durch den Generalkollektivvertrag 1959 zum größten Teil aufgegeben werden. Er durfte nun in zwei Fällen nicht mehr in Anspruch genommen werden  : erstens in Betrieben, in denen die Fünf-Tage-Woche praktiziert wurde, zweitens in Betrieben, in denen eine von der Fünf-Tage-Woche abweichende Arbeitszeiteinteilung erfolgte und eine Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit um zwei Stunden auf 45 Wochenstunden gegeben war.270 262 Vgl. Frühwirth, Michael  : Sten. Prot. NR, VII. GP, 56.  Sitzung  : 2596. 263 Vgl. Fialka, Leopoldine  : Sten. Prot. I. FKÖGB 1951  : 75. Sorger verweist in diesem Zusammenhang auf die allgemeinen Problematiken zur Umsetzung von Geschlechtergerechtigkeit in der Arbeitszeitpolitik und die anfängliche Unterrepräsentiertheit von Frauen in den Gremien des ÖGB, die sich erst nach und nach geändert habe. Vgl. Sorger 2014. 264 Vgl. Kummer, Leopoldine  : Sten. Prot. I. FKÖGB 1951  : 197. 265 Vgl. Fialka, Leopoldine  : Sten. Prot. I. FKÖGB 1951  : 72f. 266 Fialka, Leopoldine  : TB und Sten. Prot. I. KÖGB 1948  : 4/72. 267 Vgl. Fialka, Leopoldine  : TB und Sten. Prot. I. KÖGB 1948  : 4/72. 268 Rednerdienst des ÖGB 1958  : 6. 269 Vgl. Rednerdienst des ÖGB 1958  : 6. 270 Rednerdienst des ÖGB 1959  : 8.

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Gleichwohl zählte die teilweise Aufgabe des Wirtschaftstages zu den schwierigen Verhandlungspunkten.271 Durch betriebliche Vereinbarungen gelang es in der Folge jedoch, den Wirtschaftstag zu erhalten.272 Mitte der 1950er Jahre flammten die Diskussionen um die Verkürzung der Arbeitszeit im Generellen auf. Dies führte zu einer Neuordnung der Position der Frau. So gingen die Frauen von den Sonderbestimmungen 44-Stunden-Woche und Wirtschaftstag ab und traten für eine Arbeitszeitverkürzung für alle Arbeiterinnen und Arbeiter ein.273 Das nunmehrige Ziel war nicht mehr die 44-Stunden-Woche für Betriebe, in denen Frauen oder Frauen und Jugendliche in der Mehrzahl beschäftigt waren, sondern die Schaffung eines Arbeitszeitgesetzes mit dem Ziel der 40-Stunden-Woche.274 Damit wurde nun die 40-Stunden-Woche zum dringendsten Wunsch der Frauen, der innerhalb einer vernünftigen Frist275 umgesetzt werden sollte, zumal, so Elly Peisser (Privatangestellte), das Atom- und Elektronenzeitalter unmittelbar bevorstehe und dies die 40-Stunden-Woche notwendig mache.276 Nachdem die 44-Stunden-Woche nicht und der Wirtschaftstag nur bedingt verwirklicht worden waren, wurde die Hoffnung nun auf die 40-Stunden-Woche verlagert. Diese sollte in Verbindung mit der Fünf-Tage-Woche bei künftigen Kollektivverträgen angestrebt werden,277 so ein Antrag der GAP auf dem II. FKÖGB. Mit der 40-Stunden-Woche sollte – wie gehabt – eine Verkürzung der Arbeitszeit der Frauen eintreten. Zugleich sollte es mit der Fünf-Tage-Woche den Frauen erleichtert werden, ihren Haushalt zu führen, wie es im Antrag Nr. 23 des III. FKÖGB hieß.278 Die dahinterliegende Strategie ist offensichtlich. Der Wirtschaftstag, der einmal im Monat praktiziert werden sollte, konnte nicht in einem künftigen Arbeitszeitgesetz untergebracht werden. Über die verkürzte Arbeitswoche sollte so der zusätzliche freie Tag pro Woche geschaffen werden. Gleichwohl waren nicht alle mit dieser veränderten Strategie einverstanden. Houdek hatte zuvor die Probleme bei den Krankenpflegerinnen in Hinsicht auf die Arbeitszeit angeprangert, wobei es letztlich nach Verhandlungen zu dem Passus »2 Wochen = 96 Stunden«279 in einem künftigen 271 Rednerdienst des ÖGB 1959  : 3. 272 Vgl. Beran, Franziska  : Sten. Prot. III. FKÖGB 1959  : 55. 273 ÖGB/Frauenabteilung 2005  : 7. 274 ÖGB/Frauenabteilung 2005  : 12  ; Österreichischer Gewerkschaftsbund  : Sten. Prot. II. FKÖGB 1955  : 223. 275 Kummer, Leopoldine  : Sten. Prot. II. FKÖGB 1955  : 113. 276 Vgl. Peisser, Elly  : Sten. Prot. II. FKÖGB 1955  : 126. 277 Vgl. Österreichischer Gewerkschaftsbund  : Sten. Prot. II. FKÖGB 1955  : 204  ; Österreichischer Gewerkschaftsbund  : Sten. Prot. III. FKÖGB 1959  : 221. 278 Vgl. Österreichischer Gewerkschaftsbund  : Sten. Prot. III. FKÖGB 1959  : 209. 279 Houdek, Maria  : Sten. Prot. II. FKÖGB 1955  : 129.

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Arbeitszeitgesetz kam. Aufgrund dieses Passus meinte Houdek, dass hier von einer 48-Stunden-Woche nicht die Rede sein könne.280 Zudem brachte sie für diesen Bereich wieder das Argument des fehlenden Nachwuchses vor, um darauf hinzuweisen, dass sie nicht in der Lage seien, mehr zu fordern.281 Anton Proksch (Bundesminister für Soziale Verwaltung, SPÖ) ging im Generellen gleichfalls nicht mit den Ansprüchen nach mehr Zeit für die Hausarbeit konform. Hier sah er die Interessen der Frauen als gegensätzlich zu den Auffassungen des Ministeriums an.282 Die Arbeitspause betrachtete er als wichtige Angelegenheit für die Gesundheit der einzelnen Arbeiterin und gab zu bedenken, dass die Frauen rasch von dem Betrieb wegdrängten, um nicht die Freizeit zu genießen, sondern zu Hause wieder mit der neuen Arbeit anzufangen,283 was vor allem den Gesundheitsansprüchen entgegenwirken würde. Haus- und Familienarbeit war im Kern personenorientierte Arbeit.284 Die Hauptlast der Hausarbeit trug angesichts des vorherrschenden bürgerlichen Familienmodells die Frau. Im Durchschnitt belief sich die materielle Hausarbeit einer erwerbstätigen Frau in einem Vier-Personen-Haushalt noch Anfang der 1950er Jahre auf ca. acht Stunden,285 und der Siegeszug der elektrischen Geräte in Privathaushalten286 stand erst noch bevor, weshalb es nicht verwunderlich ist, dass Frauen anstelle der Arbeitspausen lieber die Arbeitszeit straffen und dafür den Betrieb früher verlassen wollten, um die anfallende Hausarbeit zu erledigen und ihre Rolle der Versorgungsarbeit auszuüben. Hier zeigt sich, wie Arbeitszeitmuster und die Anforderungen in der Erwerbsarbeit in die private Sphäre hineinwirken.287 Dieses Wegdrängen aus dem Betrieb, aber auch die Bestrebungen nach einer verkürzten Arbeitswoche scheinen nicht im Sinne von Proksch gewesen zu sein. Für ihn wäre es auch viel glücklicher, wenn wir bei der Arbeitszeitverkürzung die tägliche Arbeitszeit verkürzen könnten, statt einen freien Samstag zu erstreben. […] Die Verkürzung der täglichen Arbeitszeit wäre viel wichtiger als die der Wochenarbeitszeit, das heißt die Verlängerung des freien Wochenendes.288

280 Vgl. Houdek, Maria  : Sten. Prot. II. FKÖGB 1955  : 129. 281 Vgl. Houdek, Maria  : Sten. Prot. II. FKÖGB 1955  : 129. 282 Vgl. Proksch, Anton  : Sten. Prot. III. FKÖGB 1959  : 14. 283 Proksch, Anton  : Sten. Prot. III. FKÖGB 1959  : 14. 284 Arn 2000  : 6. 285 Vgl. Dierks 2005  : 41. 286 Dierks 2005  : 40. 287 Auth 2002  : 24. 288 Proksch, Anton  : Sten. Prot. III. FKÖGB 1959  : 14.

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Trotzdem entsprach dieser Wunsch den Arbeitnehmern, die ein arbeitsfreies Wochenende und möglichst kurze tägliche Gesamtarbeitszeiten wollten.289 Zugleich bedeutete diese Entwicklung die notwendige Kürzung der Arbeitspausen,290 die in letzter Konsequenz nicht nur, wie von Proksch kritisiert, von Frauen praktiziert wurde. Nach Proksch war es den Frauen egal, ob die tägliche Arbeitszeit verkürzt oder das Wochenende verlängert wurde, da diese ohnehin wie folgt argumentieren würden  : »Für mich ist es gleich, ich muß dann eben zu Hause arbeiten  !«291 Die Abweichung von der geschlechtsspezifischen Arbeitszeitverkürzungsforderung war augenscheinlich. Sie wurde aufgegeben zugunsten des allgemeinen Wunsches nach der 40-Stunden-Woche. Der kaum verwirklichte bezahlte oder unbezahlte Wirtschaftstag wurde zugunsten des Anspruchs auf die Fünf-Tage-Woche, die wieder allen Arbeitnehmern zugutekommen sollte, fallen gelassen. Die Rückkehr zum Postulat der 40-stündigen Arbeitswoche war so mit dem Übergang von der gendersegmentierten Frauenarbeitszeit hin zu den allgemeinverbindlichen Forderungen für die gesamte Erwerbsbevölkerung verbunden. Die mangelnde Umsetzung dieses frauenpolitischen Anliegens kann sicherlich in einer mangelnden Lobby, auch innerhalb der Gewerkschaften, gesehen werden, da in Debatten und Initiativen zur Arbeitszeitverkürzung frauenpolitische Argumente über einen langen Zeitraum kaum Bedeutung erlangten.292 So bilanzierte Margarete Rehor (Gewerkschaft für Textil-, Bekleidungs- und Lederarbeiter, ÖVP) auf dem III. FKÖGB bedauernd, dass es nicht gelungen sei, die 44-Stunden-Woche für Frauen verbindlich festzuschreiben, da sie eben »nicht verbindlich, nirgends verankert und in keinem Vertrag verbindlich festgelegt«293 worden sei. 4.3.4 Diskussionen um die Arbeitszeit von Jugendlichen Jugendliche können nicht als bloßes Anhängsel des geforderten gendersegmentierten Normalarbeitszeitverhältnisses betrachtet werden. Bereits ab 1946 lässt sich bis zur Regelung der Arbeitszeit im Gesetz für die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen (BGBl. 146/1948) für die Jugendlichen ein selbstständiger Forderungsstrang feststellen. Gleichzeitig mit dem Entstehen der GAP wurde die Jugendarbeit aufgenommen. Diese begann als Abteilung und Interessenvertretung sowohl für Alltagsfragen als

289 Klose 1962a  : 224. 290 Goldschmidt 1962  : 257. 291 Proksch, Anton  : Sten. Prot. III. FKÖGB 1959  : 14. 292 Vgl. Sorger 2014  : 63. 293 Rehor, Margarete  : Sten. Prot. III. FKÖGB 1959  : 89.

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auch im Bereich der Bildung und Kultur.294 In der GAP hatte die Jugendarbeit, wie die der gesamten Bevölkerung, mit äußeren Schwierigkeiten und Problemen zu kämpfen.295 Mitte 1946 wurden auf der Basis einer Untersuchung des Gesundheitszustandes die Einführung eines vierwöchigen Urlaubs296 und ferner die fünftägige Arbeitswoche gefordert.297 Am 22. Juni 1946 berichtet die Arbeiter Zeitung von Gesprächen zwischen jugendlichen Arbeitern aus Wiener Betrieben und dem ÖGB. Am Ende dieser Gespräche wurde zumindest vermittelt, dass die Möglichkeit bestehe, ein Gesetz über die 40-stündige Arbeitswoche, die Fünftagearbeit und den Vierwochenurlaub mit Urlaubsanspruch nach dreimonatigem Dienstverhältnis zu schaffen. Dies wurde zudem in einer Resolution festgehalten.298 Im Mai 1947 waren die Jugendlichen der 40-Stunden-Woche noch nicht näher gekommen. Daher wurden die Forderungen im Mitteilungsblatt der Jugendabteilung der GAP bekräftigt. Das Hauptanliegen war allerdings nicht die 40-stündige Arbeitswoche, sondern der vierwöchige Urlaub. Um die Forderungen durchzusetzen, sollten in Betrieben Aktionen gestartet werden. Im Juni 1947 wurde ein erster Entwurf des Jugendschutzgesetzes vorgelegt. Die Arbeiter Zeitung schrieb dazu, dass mit diesem Gesetz grundsätzlich der Vierwochenurlaub und die Vierzigstundenwoche für Jugendliche eingeführt seien.299 Bis zur Verwirklichung sollte indes noch ein Jahr vergehen. In der Zwischenzeit war es den Jugendlichen gelungen, 160 Betriebe dazu zu bringen, infolge von Gesprächen und Vereinbarungen vier Wochen Urlaub zu gewähren.300 Im Großen und Ganzen wurde die Forderung nach der 40-Stunden-Woche aufrechterhalten, wenngleich hierbei der katastrophale Gesundheitszustand der Arbeiterjugend301 als Hauptgrund angeführt wurde. In Der Jugendliche Angestellte, dem Nachfolger von Der Praktikant, wurde die Arbeitszeit Jugendlicher weiterhin thematisiert. Gefordert wurde die 40-stündige Arbeitszeit für Jugendliche unter 18 Jahren und eine wöchentliche einmalige ununterbrochene Freizeit von 60 Stunden.302 1948 kam es zur Verabschiedung des Gesetzes zur Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen mit der Regelung der Arbeitszeit und des Urlaubsanspruches. In ihm wurde die wöchentliche Arbeitszeit nicht wie erhofft mit 40, sondern mit 44 Stunden festgelegt.303 Die 40-Stunden-Woche konnte 294 Göhring 1992  : 213. 295 Vgl. Göhring 1992  : 213. 296 Vgl. Göhring 1992  : 213. 297 TB und Sten. Prot. I. KÖGB 1948  : 1/196. 298 Arbeiter Zeitung, 22. Juni 1946  : 3. 299 Arbeiter Zeitung, 8. Juni 1947  : 1. 300 Göhring 1992  : 214. 301 Arbeiter Zeitung, 7. Juli 1948  : 2. 302 Vgl. Göhring 1992  : 216. 303 Walther, Bruno  : Sten. Prot. V. KÖGB 1964  : 234  ; BGBl. 146/1948  : 560.

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aufgrund der Ablehnung durch die ÖVP nicht verwirklicht werden.304 Begründet wurde diese Ablehnung damit, dass die Jugend beim Wiederaufbau der Heimat mithelfen und zur Arbeit erzogen werden müsse.305 Die SPÖ war zwar für die 40-Stunden-Woche, stimmte allerdings für das Gesetz, da es in einer Reihe von Bestimmungen einen Fortschritt für den jugendlichen Arbeiter bedeute.306 In der Urlaubsfrage sprach das Gesetz den Jugendlichen einen Urlaub in Höhe von 24 Werktagen nach den jeweils geltenden Urlaubsvorschriften zu.307 4.3.5 Versuche der Kodifikation der Arbeitszeit bis 1959 Integraler Bestandteil der Debatten in den 1950er Jahren war die Regulierung der Arbeitszeit. Um diese zu gewährleisten, kristallisierten sich die Standardisierung, die Begrenzung und die Verkürzung der Arbeitszeiten308 als wichtige Eckpunkte der Arbeiterbewegung heraus. Im Zusammenspiel der Interessenvertretungen konnten sich institutionelle Richtlinien entwickeln. Diese spiegeln verschiedene Beziehungen, unterschiedliche kollektive Aushandlungssysteme und verschiedene Strategien und Ziele der sozialen Akteure309 hinsichtlich der Arbeitszeitfragen wider. Regulierungen der Arbeitszeit konnten auf der nationalen Ebene, der Branchen-, der Betriebs- oder Unternehmensebene und der individuellen Ebene erfolgen.310 Das Ziel der Kodifikation bis 1959 war, die gesundheitlichen Gefahren und Schäden für den einzelnen Arbeitnehmer – auch im Interesse der Allgemeinheit311 – zu minimieren bzw. prinzipiell zu verhindern. Im Arbeitsrecht zeigten sich nach 1945 Bestrebungen, dem wiedererstandenen Staatswesen eine demokratische Arbeitsrechtsordnung zu geben.312 Einzelne der im Rahmen der arbeitsrechtlichen Regelung beschlossenen Gesetze beschäftigten sich mit den Arbeitszeitfragen, wie z. B. das Gesetz zur Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen. Die österreichische Rechtsordnung sollte im Wesentlichen in drei Phasen vereinheitlicht und vereinfacht werden.313 Dabei sollte das österreichische Recht wieder in Geltung gebracht, die Rechtsunsicherheit beendet und schlussendlich eine Ko-

304 Vgl. Arbeiter Zeitung, 2. Juli 1948  : 2  ; Arbeiter Zeitung, 7. Juli 1948  : 2. 305 Arbeiter Zeitung, 7. Juli 1948  : 2. 306 Arbeiter Zeitung, 2. Juli 1948  : 2. 307 Vgl. BGBl. 146/1948  : 563. 308 Hielscher 2000  : 5. 309 Anxo/O’Reilly 2000a  : 44. 310 Vgl. Anxo/O’Reilly 2000a  : 44  ; Anxo/O’Reilly 2000b  : 62. 311 Cerny 1980  : 255. 312 R. Strasser 1974  : 102. 313 Vgl. Adamovich 1946  : 3.

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difikation des gesamten österreichischen Rechts314 veröffentlicht werden. Anknüpfungspunkt für das österreichische Rechtswesen hätte die von deutschem Recht verdrängte österreichische Rechtsordnung, wie sie am 13. März 1938 bestanden hatte, sein können.315 Tatsächlich wurde an den 5. März 1933 angeknüpft, so dass das Verfassungsrecht nach dem Stand vor der Ausschaltung des Parlaments 1933 wieder in Kraft gesetzt316 wurde. Einen wichtigen ersten Schritt bildete das R-ÜG (StGBl. 6/1945),317 mit dem ein Teil der nationalsozialistischen Gesetzgebung318 aufgehoben bzw. nach § 2 des R-ÜG bis zur Neugestaltung als österreichische Rechtsvorschriften in vorläufige Geltung gesetzt wurde.319 Hier wurde wiederum an den Rechtszustand vom 13. März 1938 angeknüpft.320 Aufgrund der Vielzahl an beschlossenen Gesetzen während der nationalsozialistischen Herrschaft war es nach Ansicht von Rechtsexperten der Nachkriegszeit nicht möglich, eine Aufhebung in Bausch und Bogen durchzuführen.321 Mit dem R-ÜG sollte zugleich die Deutsche Arbeitszeitordnung vom 30. April 1938 in Kraft bleiben. Bereits im Februar 1946 war die Regelung der Arbeitszeit Gegenstand eines sozialpolitischen Berichts von Dr. Pittermann,322 den dieser auf dem Arbeiterkammertag in Wien präsentierte. Die Wiederherstellung der Arbeitszeitvorschriften unter Berücksichtigung der in anderen europäischen Ländern bereits eingeführten 40-stündigen Arbeitswoche bei gleichbleibender Höhe des Gesamtlohnes323 wurde zeitgleich auf dem Arbeiterkammertag verlangt. Ab 1948 lassen sich generell Bestrebungen zur gesetzlichen Neuordnung des Arbeitszeitrechts erkennen.324 Vielfach wurde die Schaffung eines neuen, »modernen« und österreichischen Arbeitszeitgesetzes verlangt. Dieses sollte den Gewerkschaften helfen, die Rechtsunklarheit aufgrund der nicht aufgehobenen Arbeitszeitverordnung aus dem Jahr 1939 zu beseitigen,325 Schutzstandards für die Arbeitnehmer festlegen und eine gesetzliche Garantie für den Achtstundentag darstellen.326

314 Vgl. Adamovich 1946  : 3. 315 J. Stern 2000  : 197. 316 J. Stern 2000  : 197. 317 Vgl. Adamovich 1946  : 3  ; Cerny 1973  : 98  ; J.  Stern 2000  : 197. 318 Rauchensteiner 2005  : 54. 319 StGBl. 6/1945  : 12. 320 Adamovich 1946  : 3. 321 Fellner 1946  : 6. 322 Arbeiter Zeitung, 6. Februar 1946  : 2. 323 Arbeiter Zeitung, 6. Februar 1946  : 2. 324 AB 1463 BlgNR, XI. GP  : 2  ; Solidarität, Nr.  225, 1954  : 2  ; Hussl 1999  : 65  ; V.  Frey 1999  : 62. 325 Hussl 1999  : 66  ; Rednerdienst des ÖGB 1969a  : 10. 326 Vgl. Solidarität, Nr. 214, 1954  : 1.

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Der erste ministerielle Entwurf327 von 1948 wurde im März 1949 veröffentlicht.328 Er stieß umgehend auf Widerstand der Unternehmer, aber auch der Gewerkschaften.329 Der Widerspruch seitens der Arbeitnehmervertretung dürfte im Zusammenhang mit der Schichtarbeit gestanden haben, da ein Passus des Entwurfes eine Arbeitszeit von maximal 168 Stunden innerhalb von drei Wochen, d. h. eine Durchschnittsarbeitszeit von wöchentlich 56 Stunden ermöglichte.330 Im Arbeiterkammergutachten vom 29. April 1949 wurde ebenfalls eine Reihe von Bedenken geäußert.331 Unter anderem wollte die AK eine klare Abgrenzung von Tag- und Nacharbeitszeit erreicht wissen.332 Der veränderte Entwurf enthielt schließlich eine Reihe der von der VÖI verlangten Veränderungen333 und wurde im März 1950 den Interessenvertretungen neuerlich zur Stellungnahme übersandt.334 Er umfasste in einem Querschnitt die bestehende Rechtslage mit Regelungen der Ersten Republik, Vorschriften des Deutschen Reichs und Regelungen, die per Kollektivvertrag geschaffen wurden.335 In diesem zweiten Entwurf waren die Sonderbestimmungen für Frauen für die VÖI unannehmbar. Ein dritter Entwurf scheiterte am Einspruch des Unterrichtsministers,336 bevor er in den Ministerrat gebracht werden konnte. Der nächste Schritt war eine Regierungsvorlage vom 18. November 1950,337 in der eine tägliche Arbeitszeit von acht Stunden, eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden und eine 44-stündige wöchentliche Arbeitszeit für Frauen – mit zahlreichen Ausnahmebestimmungen – sowie ein Hausarbeitstag für weibliche Dienstnehmer mit eigenem Haushalt und mindestens 48-stündiger wöchentlicher Arbeitszeit festgelegt wurden. Die Arbeitszeit sollte dabei auch auf täglich zwölf Stunden verlängert werden können. Zudem gab die Regierungsvorlage »in ihrer letzten Fassung die Bindung der 5-Tage-Woche an den Abschluss eines Kollektivvertrages auf und gestattet ihre Einführung, wenn das Arbeitsinspektorat die Zustimmung hie[r]zu erteilt.«338 Wie schon bei den ersten Entwürfen waren die Unternehmer und die ÖVP gegen diese Regierungsvorlage  ; Raab bezeichnete sie im Unterausschuss des Sozialaus327 Dieser ministerielle Entwurf erschien schließlich im Jahrbuch der AK Wien. Vgl. Kammer der Arbeiter und Angestellten 1950  : 7ff. 328 Arbeit und Wirtschaft 1951  : 1. 329 Vgl. Arbeit und Wirtschaft 1951  : 1. 330 Vgl. Arbeit und Wirtschaft 1951  : 2. 331 Das ausführliche Gutachten wurde im Jahrbuch 1949 der AK veröffentlicht. Vgl. Kammer der Arbeiter und Angestellten 1950  : 11ff. 332 Kammer der Arbeiter und Angestellten 1950  : 12. 333 VÖI 1951  : 29. 334 Arbeit und Wirtschaft 1951  : 1. 335 Charak 1951  : 32. 336 Arbeit und Wirtschaft 1951  : 1. 337 RV 255 BlgNR, VI. GP. 338 Arbeit und Wirtschaft 1951  : 1.

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schusses als undiskutabel.339 Für die bürgerlichen Vertreter hatte die sozialistische Seite so weitgehende Änderungsanträge zu dem Gesetz eingebracht,340 dass keine Einigung möglich gewesen war. Die Wirtschaft war daher äußerst bemüht, darauf hinzuwirken, dass kollektivvertragliche Regelungen den Vorrang erhielten, damit die neuen Gesetzesbestimmungen weitestgehend den Erfordernissen der praktischen Betriebsführung341 angepasst werden konnten. Eine wichtige Änderung stellte das Weglassen der Arbeitszeitdefinition aufgrund des Drucks der Unternehmer dar.342 Diese hatte bis dahin den Wortlaut  : Als Arbeitszeit gilt die Zeit, während der sich der Dienstnehmer (Lehrling) zur Verfügung des Dienstgebers halten muß, auch wenn er während dieser Zeit keine Arbeit zu verrichten hat.343

Nach Ansicht von Arbeit und Wirtschaft blieb diese Regierungsvorlage weit hinter den Absichten der ursprünglichen Entwürfe des Sozialministeriums zurück.344 Die nächste Regierungsvorlage 1953 brachte keine entscheidende Veränderung, zumal gewisse bislang kollektivvertraglich erkämpfte Vorrechte, wie z. B. die 42-Stunden-Woche für einzelne Angestelltengruppen, nach Ansicht von Friedrich Hillegeist (SPÖ) nicht in ein Arbeitszeitgesetz eingebaut werden konnten.345 Weiterhin sollte die Wochenarbeitszeit für Frauen auf 44 Stunden beschränkt werden.346 Die VÖI beharrte auf ihrem Standpunkt, dass die rasche Verabschiedung eines solchen Gesetzes die Gefahr überstürzter, für die Praxis nicht tragbarer Regelungen mit sich gebracht hätte.347 Wieder verlangte die Industrie, dass eine Anpassung der gesetzlichen Grundsätze an die Erfordernisse der praktischen Wirtschaft durch Kollektivverträge oder betriebliche Vereinbarungen möglich sein müsste.348 Ohnehin war es in den 1950er Jahren durchaus möglich, in Kollektivverträgen festzuhalten, dass eine Regelung der Arbeitszeit erst dann erfolgen werde, wenn das Arbeitszeitgesetz herausgekommen sei, was es ermöglichte, die Arbeitszeit der Arbeitnehmer an die Erfordernisse des Betriebs anzupassen.349 339 Arbeit und Wirtschaft 1951  : 1. 340 VÖI 1952  : 70. 341 VÖI 1952  : 70  ; VÖI 1953  : 64f. 342 Vgl. Charak 1951  : 22  ; Arbeit und Wirtschaft 1951  : 2. 343 Arbeit und Wirtschaft 1951  : 2. 344 Vgl. Arbeit und Wirtschaft 1951  : 4. 345 Vgl. Hillegeist, Friedrich  : Sten. Prot. NR, VII. GP, 56.  Sitzung  : 2545f. 346 Solidarität, Nr. 214, 1954  : 1. 347 VÖI 1954  : 100. 348 VÖI 1954  : 100. 349 Vgl. Doppler, Karl  : Sten. Prot. II. KÖGB 1951  : 238.

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Zwei Jahre nach dieser Regierungsvorlage kam es 1955 zu einem weiteren Ministerialentwurf bezüglich der Arbeitszeitgesetzgebung. Damit sollten die Verhandlungen wieder vorangebracht werden. Wichtig war den Arbeitnehmervertretern, die kollektivvertraglich festgesetzten Arbeitszeitvereinbarungen gesetzlich festzuhalten.350 Doch wie zuvor wurde dieser Versuch aus denselben Überlegungen wie bisher abgelehnt.351 Vor allem kam es zu erneutem Widerstand der Unternehmerkammer352 u. a. aufgrund der weiterhin gewünschten Sonderbestimmungen für Frauen. Bedeutender war der Ministerialentwurf 1958. Inmitten der Diskussionen und der bereits seit kurzem vollzogenen tatsächlichen Arbeitszeitverkürzungen brachte er neuen Schwung in die Angelegenheit. Das Neue an ihm war, dass nicht mehr die 48 Stunden-Woche im Mittelpunkt stand, sondern konkrete Arbeitszeitverkürzungsetappen mit dem Ziel der 40-Stunden-Woche in den Gesetzesvorschlag aufgenommen werden sollten. Diese Neuausrichtung wurde vorgenommen, da sich das Gesetz mit der auf der ganzen Welt eingeleiteten Bewegung zur Arbeitszeitverkürzung auseinanderzusetzen hatte.353 Am 22. Mai 1958 nahm der ÖGB dazu Stellung und forderte erneut eine schrittweise Arbeitszeitverkürzung.354 Im Konkreten sah er drei Etappen vor, in denen zum 1. Jänner 1959 die 45-Stunden-Woche, zum 1. Jänner 1961 die 42-Stunden-Woche und per 1. Jänner 1963 die 40-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich erreicht werden sollte.355 Weiters sollte dieser Entwurf eine Definition für die Tages- und Wochenarbeitszeit enthalten und in weiterer Folge auch eine Begrenzung der durch den Kollektivvertrag möglichen Verlängerung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit auf höchstens zwölf Stunden.356 Die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft vertrat dabei die Ansicht, dass die Arbeitszeitverkürzung mit dem Etappenplan vor einer Umsetzung überprüft werden müsse und allfällige gesetzgeberische Maßnahmen auf das Ergebnis dieser Prüfung abzustimmen seien.357 Zu den bereits vorhandenen Problemen kam nunmehr der Versuch einer etappenweisen Arbeitszeitverkürzung. Die feste Marschroute,358 die Unzumutbarkeit solcher Etappen für die Unternehmervertretung und eine verantwortungsbewusste Gewerkschaft, der Aufbau einer solchen etappenweisen Verkürzung der Arbeitszeit 350 Solidarität, Nr. 235, 1955  : 1. 351 Vgl. Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft 1956  : 113. 352 Zach, Therese  : Sten. Prot. III. KÖGB 1955  : 169. 353 Rednerdienst des ÖGB 1958  : 3. 354 Rednerdienst des ÖGB 1958  : 3. 355 Vgl. Proksch 1958  : 357  ; Geissler 1959  : 17  ; Taus 1959  : 29  ; Solidarität, Nr.  311, 1958  : 3  ; Mayr 1962  : 264  ; Altenburger, Erwin  : Sten. Prot. NR, VIII. GP, 73.  Sitzung  : 3447  ; Rednerdienst des ÖGB 1958  : 4. 356 Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft 1959  : 74. 357 Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft 1959  : 74. 358 Taus 1959  : 29.

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auf ungewissen und nicht vorhersehbaren Fakten sowie die generell ungewisse wirtschaftliche Entwicklung359 in einem solchen Zeitraum waren nur einige der Einwände gegen den Etappenplan. Auch eine mögliche Vorreiterrolle wurde kritisch beäugt. Erwin Altenburger (ÖVP) sprach von Österreich als einem »sozialen Robinson«, der sich über das Arbeitszeitgesetz wirtschaftlich vom internationalen Wettbewerb360 ausschalte, zumal manchen eine Arbeitszeitverkürzung vor der bevorstehenden Wirtschaftsintegration als unzeitgemäßes und unrealistisches Experiment galt.361 Gleichzeitig stand für Altenburger die Frage der Erhöhung der Reallöhne im Vordergrund.362 Die Meinungsunterschiede führten dazu, dass am 17. Juli 1958 Vertreter des ÖGB zu Besprechungen der beiden Koalitionsparteien eingeladen wurden.363 Argumentativ wurde auf die entstehende europäische Freihandelszone verwiesen, um eine Arbeitszeitreduktion abzulehnen. Diese würde eine Lohn-Preis-Spirale in Bewegung setzen, Österreichs Außenhandel verschlechtern und darüber hinaus die Arbeitsplätze gefährden.364 In der Solidarität fasste Fellinger den Unternehmerstandpunkt dahingehend zusammen, dass die Unternehmer zwar das Prinzip des Anspruchs einer Arbeitszeitverkürzung365 anerkennen würden, dieses jedoch mit einem Aber in Verbindung brächten. Dieses Aber beschreibt Fellinger mit der Situation, dass Österreich und Europa »am Vorabend der Schaffung eines größeren europäischen Marktes stehen« würden und daher »eine derartige Maßnahme unzeitgemäß«366 sei. Die Entwicklung der Handelsbilanz zwischen 1948 und 1963 macht deutlich, dass sowohl die Import- als auch die Exportzahlen anzogen. Eine Hauptursache für das Anziehen der Importe und der Exporte war im Wirtschaftsaufschwung Österreichs zu sehen. Ein Auseinanderdriften von Einfuhr und Ausfuhr setzte ab Mitte der 1950er Jahre ein. Zu diesem Zeitpunkt war die 45-Stunden-Woche generell zum arbeitszeitpolitischen Thema geworden. Dennoch hatte sich der Außenhandel trotz einer negativen Handelsbilanz nicht verschlechtert. Ein unmittelbarer Grund für den massiven Anstieg der Importzahlen lag im gestiegenen privaten Konsum. Dieser unterlag unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg gewissen Einschränkungen, die nur dadurch erträglich waren, dass knappe lebenswichtige Güter bewirtschaftet und annähernd gleichmäßig verteilt wurden.367 Mit dem Einsetzen des Wirtschaftsauf359 Vgl. Geissler 1959  : 18  ; Mayr 1962  : 264. 360 Altenburger, Erwin  : Sten. Prot. NR, VIII. GP, 73.  Sitzung  : 3447. 361 Solidarität, Nr. 311, 1958  : 3. 362 Solidarität, Nr. 313, 1958  : 2. 363 Rednerdienst des ÖGB 1959  : 2. 364 Vgl. Rednerdienst des ÖGB 1958  : 8. 365 Vgl. Solidarität, Nr. 313, 1958  : 4  ; Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft 1959  : 74. 366 Solidarität, Nr. 313, 1958  : 4. 367 Monatsberichte des WIFO 1965  : 16.

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schwungs kam es dann zu einem Anwachsen des privaten Konsums. Dessen Ausweitung erfolgte mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung zur Produktionsausweitung und ließ daher genügend Spielraum für den Aufbau eines leistungsfähigen Produktionsapparates,368 der Österreichs Konkurrenzfähigkeit im internationalen Handel in der Phase des Wirtschaftsaufschwungs zugutekam. Mit dem gestiegenen privaten Konsum und der Nachfrage nach Waren aller Art setzte sich die Massenkonsumgesellschaft in den meisten europäischen Ländern durch.369 Begünstigt wurde diese Entwicklung sicherlich dadurch, dass es zu einem Wirtschaftswunder und Wachstumsraten kam, wie sie bisher noch nicht erreicht worden waren.370 Neben der Verschlechterung des Außenhandels wurde von Unternehmensseite eine Gefährdung der Arbeitsplätze sowie eine einsetzende Lohn-Preis-Spirale durch indirekte Lohnerhöhungen mittels der Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich befürchtet. Sowohl die globale Lohnquote als auch die bereinigte Lohnquote geben jedoch kaum Auskunft über die Steigerung der Löhne, da diese zwischen 1955 und 1970 keinerlei merkenswerte Unterschiede erkennen lassen.371 Zwischen 1952 und 1956 stieg pro Arbeitnehmer der Nettomonatsbezug jährlich zwischen 3,3 % und 16,8 %. Das WIFO sah für die Steigerung der durchschnittlichen Arbeitseinkommen in der Zeitperiode 1950 bis 1957 zwei Ursachen. Zum einen wurde in der Entwicklung der Arbeitseinkommen ein Anstieg der Verdienste in einzelnen Berufen und Wirtschaftszweigen gesehen. Zum anderen war ein größerer Teil in Berufen und Wirtschaftszweigen mit relativ hohen Durchschnittseinkommen als noch im Jahre 1950372 beschäftigt. Darüber hinaus kam es zu einer Umschichtung der Beschäftigungsstrukturen, die insgesamt mindestens 10 % der durchschnittlichen Einkommenssteigerung ausmachten.373 Auch wenn die Arbeitszeitverkürzung auf die Lohn-Preis-Spirale Auswirkungen haben mochte, so waren andere Gründe für deren Auftrieb bedeutungsvoller. Trotz zahlreicher Einwände gegen eine Arbeitszeitverkürzung wurde der prinzipielle Anspruch auf eine solche von der Unternehmensseite anerkannt. Zudem lässt sich in Europa für jene Zeit ein Trend zur Arbeitszeitreduktion erkennen, wenngleich hier bislang nur Frankreich die 40-Stunden-Woche gesetzlich verwirklicht hatte, wobei in der Praxis Abweichungen erlaubt waren. Außerhalb Europas hatten neben den USA u. a. Australien, Neuseeland und Kanada die 40-Stunden-Woche festgelegt.374 In Großbritannien wiederum lag die Arbeitszeit seit 1948 praktisch unterhalb der 368 Monatsberichte des WIFO 1965  : 21. 369 Haupt 2003  : 117. 370 Stiefel 2006  : 65. 371 Butschek 1996  : 164. 372 Monatsberichte des WIFO 1958  : 4. 373 Monatsberichte des WIFO 1958  : 4. 374 Vgl. Blyton 1985  : 26.

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45-Stunden-Woche.375 Daneben erfolgte in weiteren europäischen Ländern eine Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit auf 45 Stunden.376 Bei den Gründungsmitgliedern der EFTA kam es in dieser Zeit ebenfalls zu einer Verminderung der wöchentlichen Normalarbeitszeit.377 Die 45-Stunden-Woche sollte einen ersten Schritt in Richtung der Einführung der 40-Stunden-Woche bilden. Im Grunde nahm der Entwurf von 1958 damit die Strömungen innerhalb Europas auf und versuchte sie in einem konkreten Etappenplan umzusetzen. Dazu kamen einige osteuropäische Staaten,378 die eine 42- bzw. eine 41-Stunden-Woche schon Anfang der 1960er Jahre verwirklicht hatten. Eine Vorreiterrolle Österreichs kann daher bezweifelt werden. Neben den Verkürzungsetappen sah der genannte Entwurf eine Veränderung der Verteilung der Arbeitszeit vor. So war keine Achtstundentag vorgesehen, da der Entwurf die Möglichkeit vorsah, die Wochenarbeit anders als zu je acht Stunden auf die einzelnen Arbeitstage aufzuteilen.379 Dies sollte sich in einem verlängerten Wochenende bemerkbar machen. Gleichfalls sollte mit dem letzten Etappenschritt nicht nur die 40-Stunden-Woche, sondern die Fünf-Tage-Woche mit eben einem solchen verlängerten Wochenende erreicht werden.380 Die Fünf-Tage-Woche galt als eigenständiges Arbeitszeitverkürzungsmodell381 und sollte in Österreich zugleich mit der Verkürzung der Arbeitszeit auf unter 48 Wochenstunden und der Schaffung eines »modernen« Arbeitszeitgesetzes verwirklicht werden. Hierzu führte das Sozialministerium aus  : Die Verkürzung der Wochenarbeitszeit […] scheint notwendig, um für die im Zuge der technischen Entwicklung gesteigerte Anforderung an die Arbeitskraft einen Ausgleich durch erhöhte Freizeit zu schaffen, sie ist aber auch im Hinblick auf die bereits eingetretene und in Hinkunft insbesondere im Zuge der Automation noch zu erwartende Produktionssteigerung der österreichischen Wirtschaft gerechtfertigt und vertretbar. Aber auch arbeitsmedizinische, arbeitshygienische und volksgesundheitliche Erwägungen sprechen für die Verkürzung der Arbeitszeit.382 375 Blyton 1985  : 26. 376 Zum Beispiel 1956 in Deutschland, zwischen 1956 und 1959 in Belgien und zwischen 1957 und 1961 in den Niederlanden. Darüber hinaus kam es in Luxemburg zu einer Verwirklichung der 44-Stunden-Woche in einigen Wirtschaftsbranchen. Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 10ff.; Rednerdienst des ÖGB 1958  : 9f. 377 So in Norwegen (1958), Schweden (verwirklicht per Gesetz per 1.1.1960) und in Dänemark. In der Schweiz wurde dagegen in diesem Zeitraum die 46-Stunden-Woche verwirklicht. Vgl. Rednerdienst des ÖGB 1958  : 9f.; Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 10ff.; Blyton 1985  : 26. 378 Im Konkreten handelte es sich um Jugoslawien und die UdSSR (seit 1960). Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 12. 379 Rednerdienst des ÖGB 1958  : 4. 380 Vgl. Solidarität, Nr. 311, 1958  : 3. 381 Vgl. Rinderspacher 2000  : 65. 382 Zitiert nach  : Rednerdienst des ÖGB 1958  : 7.

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Abb. 4  : Vorschau auf den 25. Mai 1963 Quelle  : Solidarität, Nr. 311, 1958  : 3.

Die Vorstellung einer 40-Stunden-Woche und eines verlängerten Wochenendes regte die Fantasie an. So veröffentlichte die Solidarität am 28. April 1958 über dem Artikel »Arbeitszeitverkürzung wird aktuell« obige Abbildung. Am Samstag, dem 25. Mai 1963, würden also die Arbeitszeitverkürzung und ein freier Samstag verwirklicht sein. Zu einer Einigung kam es zwar nicht. Dennoch brachte dieser Entwurf eine gewisse Bewegung in die Auseinandersetzungen. Der ÖGB sah in ihm den Anstoß zu Kollektivvertragsverhandlungen mit der Bundeskammer über eine Arbeitszeitverkürzung auf 45 Stunden.383 Die Aufnahme von Gesprächen sollte aus Sicht des ÖGB jedoch keine Abkehr von der Forderung nach der Verwirklichung eines »modernen« Arbeitszeitgesetzes darstellen.384 Daneben kam es bereits 1958 zu Gesprächen im Rahmen der Paritätischen Kommission.385 383 ÖGB 1959  : I/16  ; Benya, Anton  : Sten. Prot. IV. KÖGB 1959  : 58. 384 Vgl. ÖGB 1959  : I/16. 385 Vgl. ÖGB 1959  : I/66.

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Abb. 5  : Gemeinsame Kraftanstrengung zur Verkürzung der Arbeitszeit Quelle  : Solidarität, Nr. 313, 1958  : 4.

Um dem erhöhten Freizeitanspruch gerecht zu werden und ein verlängertes Wochenende sowie die 40-Stunden-Woche zu erreichen, bedurfte es einer gemeinsamen Anstrengung, wie die obenstehende Karikatur in der Solidarität zeigt. Der Wiederaufbau Österreichs näherte sich Mitte der 1950er Jahre seinem Ende. Die Arbeitszeiten stiegen stetig an. Mit dem Abschluss des Wiederaufbaus durch den Staatsvertrag wurde Mitte der 1950er Jahre die in der Nachkriegszeit dominierende Zielrichtung, die Arbeitszeit durch österreichisches Recht zu regeln, um Forderungen nach einer Reduktion der Arbeitszeit ergänzt.386 Ohne Arbeitszeitgesetz entwickelte sich in Österreich eine gewisse Rechtsunsicherheit. Aufgrund dieser waren nach 1945 vor allem Kollektivverträge für die Gestaltung der Arbeitszeiten und -normen bestimmend.387 Mit der Aufrechterhaltung der reichsdeutschen Bestimmungen ging die Praxis einher, den Achtstundentag nicht einzuhalten.388 Das Überschreiten der Achtstundentagsnorm führte dazu, dass die Frage nach der Gültigkeit der 48- bzw. 60-Stunden-Woche in den Vordergrund rückte. Letztere Variante war jedoch in keine der nach dem Krieg erschienenen Gesetzesausgaben aufgenommen worden.389 Das Bundesministerium für soziale Verwaltung machte mit einem Erlass vom 9. Februar 1953 zudem klar, dass die Kriegsverordnung über die 60-Stunden-Woche nicht anwend-

386 Tálos 1981  : 334  ; Tálos 1983  : 13. 387 Tálos 1983  : 16. 388 Tálos 1981  : 333f. 389 Vgl. DRdA 1956  : 34.

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bar sei.390 In der ÖJZ betonte Matouschek,391 dass die Verordnung vom 31. August 1944, die sich selbst als eine Maßnahme des totalen Kriegs392 kennzeichnete, sich nur auf den Kriegsfall beziehe und daher in Friedenszeiten nicht herangezogen werden könne.393 Jedwede Änderung während des Dritten Reiches habe bedeutet, dass die Arbeitszeit weitestgehend in die Kompetenz des einzelnen Unternehmers gelegt wurde.394 Trotz der Klarstellung bezüglich der 60-Stunden-Woche dämmte dies die Rechtsunsicherheit nicht ein. Mitverantwortlich für dieses Dilemma war auch das R-ÜG, mit dem die nationalsozialistische Arbeitszeitordnung bestätigt worden war. Durch Ergänzungen während des Krieges war schließlich die 60-Stunden-Woche eingeführt worden. Je nach Standpunkt war diese daher nun nach dem Krieg gültig bzw. ungültig. Die österreichische Tagespresse verstärkte die Rechtsunsicherheit noch, indem sie als Argument gegen die 48-Stunden-Woche anführte, diese habe in Österreich nie gegolten. So sei die »Einführungsverordnung vom 7.2.1939, DRGBl. I S. 155, nicht von den hie[r]für zuständigen Reichsministern, sondern in ihrer Vertretung von hie[r] zu nicht ermächtigten Beamten unterfertigt worden sei.«395 Darüber hinaus wurde die Meinung vertreten, dass die Arbeitszeitordnung mit ihrer 48-Stunden-Woche selbst nationalsozialistisches Gedankengut und aufgrund des R-ÜG daher unwirksam sei.396 Gleichzeitig wurde die Behauptung aufgestellt, dass die Kriegsverordnung zur 60-Stunden-Woche noch in Geltung sei,397 die dem Kampf um die Erhaltung der nationalsozialistischen Ordnung habe dienen sollen.398 Dieser Argumentationslinie folgte eine Inhaberin eines Tischlereibetriebes. Sie hatte die Arbeitszeit ihrer Dienstnehmer ohne Zustimmung des Arbeitsinspektorates auf 66 Stunden pro Woche ausgedehnt.399 Das Gericht folgte zunächst der Argumentation und sprach die Inhaberin aus zwei Gründen frei. Erstens vertrat das Gericht den Standpunkt, die 60-Stunden-Woche sei noch gültig. Zweitens berief es sich auf die Kommentare von Prof. Adamovich, der den Grundsatz vertrat, dass ein Gesetz ohne die vorgeschrie-

390 Vgl. DRdA 1956  : 34. 391 Dr. August Matouschek war als Staatsanwalt dem Bundesministerium für Justiz zugeteilt. 392 DRdA 1956  : 35  ; Wüthrich 1987  : 211. 393 Matouschek 1955  : 194. 394 Vgl. Tálos 1981  : 290f. 395 DRdA 1956  : 34. 396 Vgl. DRdA 1956  : 34. 397 DRdA 1956  : 34f. 398 Weißenberg führte beim III. Kongress des österreichischen Gewerkschaftsbundes 1956 als diesbezügliches Beispiel Herrn Dr. Gürtler an, der bei einem Prozess diesem Argumentationsstrang gefolgt war. Vgl. Weißenberg, Gerhard  : Sten. Prot. III. KÖGB 1955  : 232. 399 Vgl. Kummer 1955  : 424.

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benen Unterschriften nicht »ordentlich kundgemacht« sei.400 Die zuständige Staatsanwaltschaft berief gegen diesen Freispruch.401 Aus gewerkschaftlicher Sicht galt die 48-Stunden-Woche nach der Arbeitszeitordnung von 1938. Besonders Weißenberg betonte diesen Aspekt auf dem III. KÖGB im September 1955.402 Sowohl für ihn als auch für den ÖGB war klar, dass mit dem R-ÜG das Prinzip der 48-Stunden-Woche seine Gültigkeit habe. Allerdings zeigte sich für Weißenberg in der Überstundenfrage eine Aufweichung dieses Prinzips. Die Arbeit und Wirtschaft sah in der Überstundenpraxis ein Absinken des sozialen Standards und einen Versuch österreichischer Unternehmen, diesen noch möglichst lange unter dem gesamteuropäischen Niveau zu halten.403 Für Horst Knapp (Wirtschaftsjournalist) konnte das Absinken der Lebensstandards auch durch eine allfällige Arbeitszeitverkürzung bedingt werden.404 Weißenberg hielt in der Arbeit und Wirtschaft weiters fest, dass in Österreich die durchschnittliche Arbeitszeit 52 Stunden in der Woche betrage und eine Unzahl von Betrieben ihre Arbeitnehmer mehr als 60 Stunden in der Woche beschäftigten,405 wobei es durchaus Berufsgruppen gebe, die länger als 48 Wochenstunden ohne einen Ausgleich durch Überstundenentgelt arbeiten würden.406 Ein Aufruf des Sozialministeriums zur Einschränkung des Überstundenunwesens im September 1954 stieß nach Meinung der Solidarität bei den Betrieben nur auf »taube Ohren«.407 In den Jahren vor dem III. KÖGB war die zunehmende Überstundenpraxis auch im Nationalrat debattiert worden. So sollte für die einen eine Rationierung der Arbeit über die Beseitigung des Überstundenunwesens erreicht werden.408 Andere wiederum sahen in deren radikaler Einschränkung und in der Herabsetzung auf eine achtstündige Normalarbeitszeit409 eine Unumgänglichkeit, da sie befürchten, dass geleistete Überstunden kein geringes Hindernis für die Verkürzung der Arbeitszeit darstellen würden.410 In einem Arbeitszeitgesetz sollte nur eine geringe Anzahl unbedingt erforderlicher Überstunden ohne Genehmigung bewilligt werden.411 Ferner 400 Kummer 1955  : 424. 401 Vgl. DRdA 1956  : 34. 402 Vgl. Weißenberg, Gerhard  : Sten. Prot. III. KÖGB 1955  : 232. 403 Arbeit und Wirtschaft 1955  : 105. 404 Zitiert nach  : Solidarität, Nr. 239, 1955  : 7. 405 Weißenberg, Gerhard  : Sten. Prot. III. KÖGB 1955  : 232  ; Weißenberg 1955  : 162  ; Honner, Franz  : Sten. Prot. NR, VIII. GP, 17.  Sitzung  : 678. 406 Solidarität, Nr. 251, 1955  : 3. 407 Solidarität, Nr. 234, 1955  : 3. 408 Vgl. Schneeberger, Pius  : Sten. Prot. NR, VII. GP, 26.  Sitzung  : 1040. 409 Elser, Viktor  : Sten. Prot. NR, VII. GP, 56.  Sitzung  : 2536  ; Hillegeist, Friedrich  : Sten. Prot. NR, VII. GP, 56.  Sitzung  : 2545  ; Moik, Wilhelmine  : Sten. Prot. NR, VII. GP, 56.  Sitzung  : 2583. 410 E. Haas 1979b  : 3  ; Solidarität, Nr.  225, 1954  : 2. 411 Solidarität, Nr. 235, 1955  : 1.

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wurde die »Überstundenschinderei« mit einer in Zukunft größeren Zahl an Arbeitslosen in Verbindung gebracht.412 Um diese Praxis der Ausdehnung der Arbeitszeiten einzudämmen, sollte der KÖGB eindeutig feststellen  : Solange kein österreichisches Arbeitszeitgesetz existiert, gilt für uns die 48stündige Arbeitswoche der deutschen Arbeitszeitordnung, und jeder Verstoß gegen diese Vorschrift wird von uns bei der Staatsanwaltschaft zur Anzeige gebracht. Wenn den Unternehmern diese Vorgangsweise nicht paßt, so wird der Österreichische Gewerkschaftsbund jederzeit bereit sein, über ein österreichisches Arbeitszeitgesetz zu verhandeln.413

Diese Androhung war nur möglich, da der Verfassungsdienst eine diesbezügliche Feststellung getätigt hatte. Er hatte festgestellt, dass die Nichteinhaltung der Arbeitszeitbestimmungen durch Strafgerichte zu verfolgen sei.414 Zum selben Schluss kam 1955 Matuschek, der die Arbeitszeitordnung zur Gänze gültig, daher auch die darin enthaltenen Strafbestimmungen als anwendbar ansah.415 Matuschek führte dabei an, dass die Verletzung der Arbeitszeitordnung mit einer Geldstrafe oder einer Haftstrafe geahndet werden könne.416 Grundsätzlich bedeutete diese Auffassung einen Wandel in der Ausübung des Gesetzes. Denn zuvor waren die Bezirksverwaltungsbehörden für eine Übertretung der Arbeitszeitordnung verantwortlich gewesen, was dazu geführt hatte, dass, so Weißenberg, die Übertretungen von Arbeiterschutzvorschriften im Großen und Ganzen zunächst nicht bestraft wurden.417 Er hob daher auf dem III. KÖGB hervor, dass den Unternehmern nicht mehr nur finanzielle Einbußen drohten, sondern sie durch Eintragung ins Strafregister als vorbestraft gelten würden.418 Diese Verschärfung der Gangart kam infolge des erhöhten Drucks des Gewerkschaftsbundes zum Tragen und führte zu einem rigoroseren Durchgreifen der Arbeitsinspektorate.419 Hatte es Anfang der 1950er Jahre gerichtliche Auseinandersetzungen darüber gegeben, ob ein Krankheitsfall den Urlaub unterbricht oder nicht, so hatten sich die Gerichte in der Mitte der 1950er Jahre mit der einsetzenden Verschärfung um den Konflikt der Gültigkeit der 48- bzw. 60-Stunden-Woche auseinanderzusetzen.420 Die 412 Vgl. Solidarität, Nr. 225, 1954  : 2. 413 Weißenberg, Gerhard  : Sten. Prot. III. KÖGB 1955  : 233. 414 Weißenberg, Gerhard  : Sten. Prot. III. KÖGB 1955  : 232  ; Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft 1956  : 113. 415 Matouschek 1955  : 194  ; Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft 1956  : 113. 416 Vgl. Matouschek 1955  : 194. 417 Weißenberg, Gerhard  : Sten. Prot. III. KÖGB 1955  : 233. 418 Vgl. Weißenberg, Gerhard  : Sten. Prot. III. KÖGB 1955  : 233. 419 Vgl. Weißenberg, Gerhard  : Sten. Prot. III. KÖGB 1955  : 233. 420 Mesch, Schwarz und Stemberger sahen in ihrem Werk Arbeitszeitgestaltung die 60-Stunden-Woche

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Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft kann als Hauptvertreter der entsprechenden Forderung421 festgemacht werden kann, besonders, da das Arbeitsinspektorat aufgrund der Arbeitszeitordnung bei gröblicher Überschreitung der Arbeitszeit zu Anzeigen schreiten musste.422 Für die VÖI war nun wichtig zu wissen, inwieweit nach den geltenden deutschen Vorschriften Überstunden ohne Bewilligung des Arbeitsinspektorates gemacht werden durften.423 Zwangsläufig hatten sich die Arbeitgeber daher mit den rechtlichen Möglichkeiten zu befassen, diesen Anzeigen zu begegnen. In DRdA wurde dazu der Schluss gezogen, »daß es weniger auf das Recht als solches ankam, als auf die Befreiung von jeglichen gesetzlichen Beschränkungen der Arbeitszeit.«424 Dies wurde dadurch begründet, dass einerseits die Kriegsverordnung zur 60-Stunden-Woche nicht aufgehoben worden sei und andererseits die Arbeitszeitordnung aufgrund des R-ÜG unwirksam sei.425 Diese arbeitszeitrechtlichen Konflikte betrafen schließlich den VwGH sowie den VfGH. Im Zentrum beider Gerichtsverfahren stand die Frage nach der Gültigkeit der Kriegsverordnung vom 12. Dezember 1939.426 Die Überstundenfrage beschäftigte den VfGH. Ein Unternehmen war sowohl beim Arbeitsinspektorat als auch beim Bundesministerium für soziale Verwaltung mit dem Antrag auf fortlaufende Bewilligung von Überstunden abgewiesen worden.427 Der VfGH veröffentlichte am 19. März 1956 sein Erkenntnis.428 Darin wurde festgestellt, dass sämtliche kriegsbedingten Veränderungen der Arbeitszeitordnung, die dem Rechtsempfinden des österreichischen Volkes widersprechen bzw. dem nationalsozialistischen Gedankengut entsprechen würden, in Österreich keine Geltung besäßen, da sie durch das R-ÜG von 1945 aufgehoben worden seien.429 Dieses knüpfe nur an das Vorhandensein von Normen reichsdeutscher Herkunft an.430 Eine Überprüfung der verfassungsrechtlichen Grundlagen sei insgesamt ausgeschlossen.431 In Bezug auf die kriegsrechtlichen Verordnungen vom 12. Dezember 1939 und vom im Sinne der kriegswirtschaftlichen Verordnung als geltendes Recht an. Vgl. Mesch/Schwarz/Stemberger 1987  : 32. 421 Vgl. Proksch 1958  : 356f. 422 DRdA 1956  : 34. 423 Vgl. VÖI 1957  : 132. 424 DRdA 1956  : 34. 425 DRdA 1956  : 34. 426 Vgl. Wüthrich 1987  : 215  ; Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft 1957  : 83  ; ÖGB 1957  : I/77f. 427 Vgl. DRdA 1956  : 34  ; Wüthrich 1987  : 214f. 428 Sowohl Tálos 1981 als auch Wüthrich datieren das Erkenntnis des VfGH auf den 19. Mai 1956. Es wurde jedoch bereits am 19. März 1956 veröffentlicht, also zwei Monate vor dem in diesen Werken genannten Datum. Vgl. VfSlg 2976/1956  ; Wüthrich 1987  : 215  ; Tálos 1981  : 334  ; Tálos 2016  : 12. 429 Tálos 1981  : 334  ; DRdA 1956  : 34  ; ÖGB 1957  : I/78. 430 DRdA 1956  : 34. 431 Vgl. DRdA 1956  : 34.

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31. August 1944 bedeutete dies, dass sie als Kriegsrecht ihre Gültigkeit verloren hatten.432 Nach Auffassung der VÖI galt folglich allein die Bestimmung der Arbeitszeitordnung mit der 48-Stunden-Woche.433 Nur wenige Wochen nachdem das Erkenntnis des VfGH veröffentlich wurde, kam es am 7. Juni 1956 zum Erkenntnis des VwGH.434 Ein anderer Unternehmer hatte sich nach Ablehnung der Bewilligung von Überstunden an den VwGH gewandt.435 In dem Streit ging es um eine tägliche Überstundenleistung von zwei Stunden und einer gesamten zwölfstündigen Überstundenzahl pro Woche und Person,436 wobei dies im konkreten Fall mit Platzmangel in der Tischlerei begründet worden war. Der VwGH hob den angefochtenen Bescheid aufgrund der Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf. Generell war der VwGH der Auffassung, dass die kriegswirtschaftliche Verordnung nicht durch das R-ÜG aufgehoben worden sei.437 Eine solche Aufhebung hätte aus Sicht des VwGH nur mittels einer entsprechenden Kundmachung der Bundesregierung erfolgen können.438 Sah der VfGH die kriegsrechtlichen Verordnungen vom 12. Dezember 1939 und vom 31. August 1944 als unwirksam an, entschied der VwGH anders und vertrat bezüglich der Verordnung vom 31. August 1944 die Auffassung, dass diese Vorschrift, mag sie nun formal noch in Geltung stehen oder nicht, heute und insbesondere auf den dem konkreten Beschwerdefall zugrundeliegenden Sachverhalt schon deshalb nicht Anwendung finden kann, weil sie ihrem Gegenstande nach sich als eine Maßnahme »für die gesamte Kriegswirtschaft« darstellt und diesem Begriff der Wirtschaftsbetrieb der Beschwerdeführerin gegenwärtig jedenfalls nicht mehr unterstellt werden kann.439

Was die Wirksamkeit der Verordnung betraf, war der VwGH somit dem VfGH gefolgt.440 Anders entschied er jedoch bei der Verordnung vom 12. Dezember 1939. Hier hieß es  : Diese Vorschrift […] stellt sich […], wie das bei jeder während eines Krieges erlassenen Regelung der Fall ist, die kriegsbedingte Umstände berücksichtigt, als eine Modifizie432 Wüthrich 1987  : 215. 433 VÖI 1957  : 133. 434 VwSlg 4086/1956. 435 DRdA 1956  : 36. 436 Vgl. VwSlg 4086/1956  ; DRdA 1956  : 36. 437 ÖGB 1957  : I/78. 438 ÖGB 1957  : I/78  ; Tálos 1981  : 334. 439 VwSlg 4086/1956. 440 Vgl. Wüthrich 1987  : 215.

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rung der Bestimmungen der Arbeitszeitordnung dar, die weder als auf die Dauer des Krieges beschränkt noch ihrem Gegenstand nach als durch die Beendigung des Kriegszustandes gegenstandslos geworden angesehen werden kann.441

Bestätigte der VwGH damit die Gültigkeit der Verordnung vom 12. Dezember 1939, bedeutete dies, dass Überstunden in einem gewissen Rahmen ohne Bewilligung des Arbeitsinspektorates vom Arbeitgeber angeordnet werden konnten, wenn diese auf Freiwilligkeit beruhten. Dementsprechend führte der VwGH in seinem Erkenntnis aus, daß es für die Durchführung von Mehrarbeit in dem […] vorgesehenen Ausmaß einer Genehmigung des Arbeitsinspektorates nicht bedarf, daß eine Verpflichtung zur Verrichtung von Überstunden auf Seite der Dienstnehmer aber nur im Rahmen der kollektivvertraglichen Vereinbarungen besteht, sodaß der Dienstgeber keinesfalls die Mehrarbeit erzwingen kann, wenn der dem Dienstverhältnis zugrundeliegende Arbeitsvertrag die Zulässigkeit der Anordnung von Überstunden nicht vorsieht oder die Dienstnehmer eine solche zusätzliche Arbeitsleistung nicht, wie im vorliegenden Fall, freiwillig auf sich nehmen.442

Die Erkenntnisse unterschieden sich im Kern, was die Verordnung vom 12. Dezember 1939 betraf, grundlegend. Zu einem Ende der Rechtsunsicherheit443 kam es aufgrund dieser gegensätzlichen Erkenntnisse nicht. Vielmehr führten sie zu einer Beunruhigung unter den Rechtsgelehrten sowie in der Bevölkerung.444 Zudem überdeckte diese Auseinandersetzung um die Gültigkeit einer bestimmten wöchentlichen Höchstarbeitszeit das eigentliche Kernproblem der Überstundenpraxis. Die VÖI hatte als Grund für die Überstundenpraxis ihrer Mitgliedsfirmen einen essentiellen Punkt angeführt, nämlich den Mangel an Arbeitskräften.445 Dieser wurde von der Bundeskammer für gewerbliche Wirtschaft ebenfalls als zentral angesehen.446 Damit war nach Meinung der VÖI die Ausübung von Überstunden gerechtfertigt, die wenigstens zum Teil über das ohne weiteres zulässige gesetzliche Höchstausmaß hinausgingen.447 Nach Wüthrich lassen sich aus wachstums- und arbeitsmarktpolitischen Gründen einige Argumente für die Überstundenpraxis anführen  : die versäumte Indust441 VwSlg 4086/1956. 442 VwSlg 4086/1956. 443 Vgl. Tálos 1983  : 13. 444 Vgl. Wüthrich 1987  : 215. 445 VÖI 1957  : 132. 446 Vgl. Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft 1957  : 151. 447 VÖI 1957  : 132.

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rialisierung, im Speziellen der Mangel an qualifizierten Fachkräften, die Abwerbung qualifizierter österreichischer Arbeitskräfte durch das Ausland sowie die fehlende Liberalisierung des Zuzugs von Fremdarbeitern.448 Dabei hängt der Großteil dieser Punkte mit dem grundsätzlichen Mangel an Arbeitskräften zusammen. Für die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft war in diesem Punkt das Baugewerbe besonders betroffen. Sie pochte daher auf Ausnahmebestimmungen,449 um die Bausaison besser ausnützen und den wirtschaftlichen und technischen Bedürfnissen eher Rechnung tragen zu können. Ferner kam es zu Kritik an dem Realeinkommen der Arbeiter bei einer 48-Stunden-Woche. Hier wurde argumentiert, dass es insgesamt nicht verwunderlich sei, wenn die Menschen damit nicht leben könnten und daher gezwungen seien, sich durch Überstunden ein höheres Einkommen zu verschaffen.450 Daher sollte die »Überstundenschinderei« mittels der Erhöhung des Realeinkommens bekämpft werden.451 Als weiterer Aspekt dieses Problems wurde der Wunsch der Arbeitnehmer nach Überstunden angesprochen.452 Überstundenvergütungen seien für einen Teil der Unselbstständigen zu einem zusätzlichen Einkommen geworden.453 Grundsätzlich war der ÖGB wegen der Gefahr gesundheitlicher Schädigung und unsozialer volkswirtschaftlicher Auswirkungen jedoch gegen das Überstundenunwesen.454 Maisel ging dabei so weit, dass er der österreichischen Arbeiterschaft ein »schlechtes Zeugnis« ausstellte, denn Überstundenarbeit solle nur in den allernotwendigsten Fällen geleistet werden.455 Er sehe sogar die 48-Stunden-Woche als gefährdet an, wenn 60, 70 oder mehr Stunden pro Woche456 als Arbeitszeit an der Tagesordnung seien. Die Praxis der Ausdehnung der Arbeitszeiten hatte erst zu den gerichtlichen Auseinandersetzungen um die Gültigkeit der 48- bzw. 60-Stunden-Woche geführt. Im Wesentlichen versuchten die österreichischen Unternehmen nicht, die 48-Stunden-Woche zu Fall zu bringen, sondern wollten die strengere Handhabung der Überstundenpraxis rückgängig machen.457 Die divergierenden Erkenntnisse der beiden Gerichtshöfe führten dazu, dass die VÖI ihren Mitgliedern empfahl, im Falle ei-

448 Wüthrich 1987  : 216f. 449 Vgl. Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft 1957  : 151. 450 Muster, Oskar  : Sten. Prot. III. KÖGB 1955  : 175. 451 Pölzl, Ditto  : Sten. Prot. III. KÖGB 1955  : 187. 452 Vgl. Pölzl, Ditto  : Sten. Prot. III. KÖGB 1955  : 187  ; Rehor, Grete  : Sten. Prot. III. KÖGB 1955  : 209. 453 Altenburger, Erwin  : Sten. Prot. NR, VIII. GP, 18.  Sitzung  : 694. 454 E. Haas 1979b  : 13. 455 Maisel, Karl  : Sten. Prot. III. KÖGB 1955  : 139. 456 Vgl. Maisel, Karl  : Sten. Prot. III. KÖGB 1955  : 139. 457 Wüthrich 1987  : 215.

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ner Ablehnung der Überstunden den Instanzenzug auszuschöpfen.458 Die Berufung auf den Instanzenzug des VwGH wurde vor allem deshalb gewählt, weil dieser der Ansicht war, dass unter bestimmten Voraussetzungen die wöchentliche Arbeitszeit ohne Bewilligung auf 60 Stunden459 ausgedehnt werden könne. Letztlich sah sich das Bundesministerium für Soziale Verwaltung dazu gezwungen, tätig zu werden. Am 25. September 1956 wurde eine Verordnung betreffend die Zulassung von Arbeitszeitverlängerungen beim Nachweis eines dringenden Bedürfnisses herausgegeben und am 11. Oktober 1956 im Bundesgesetzblatt verlautbart.460 Sie befasste sich mit der Überschreitung der 48-Stunden-Woche.461 Proksch sah in ihr die Wiederherstellung der 48-Stunden-Woche.462 Der Erlass vom 25. September 1956 markiert den Ausgangspunkt für alle weiteren Forderungen zur Arbeitszeitverkürzung. In der Durchführungsverordnung wurde festgelegt, dass eine Überschreitung der täglichen Arbeitszeit von acht Stunden nur mit Genehmigung des zuständigen Arbeitsinspektorates zulässig sei.463 Die Rechtslage sollte somit im Sinne des VfGH464 geklärt werden. Die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft war indes der Auffassung, dass diese Verordnung einer Überprüfung durch den VfGH nicht standhalten würde, weil nach Artikel 18 des Bundesverfassungsgesetzes keine ausreichende Grundlage gegeben sei.465 Dies wiederum entsprach der Empfehlung der VÖI. Die VÖI sprach von einer nicht durch die Verfassung gedeckten authentischen Interpretation, die dessen ungeachtet jedoch bis zur allfälligen Aufhebung durch den VfGH466 beachtet werden müsse. In den nachfolgenden Diskussionen wurde die Durchführungsverordnung übergangen, vor allem im Hinblick auf die Schaffung eines neuen, »modernen« Arbeitszeitgesetzes. So wurde 1958 beim ÖGB dahingehend argumentiert, dass für die Unternehmerschaft die 60-Stunden-Woche noch gelte, auch wenn Kollektivverträge vielfach andere Reglementierungen festlegen würden  ; dabei würden die zahlreichen Ausnahmemöglichkeiten von der 48-Stunden-Woche eine gesetzliche Regelung unabdingbar machen.467 Und 1962 meinte Weißenberg, dass sich Österreich lächerlich mache, weil reichsdeutsche Arbeitszeitnormen zur Anwendung kämen und 458 Vgl. VÖI 1957  : 133. 459 Vgl. VÖI 1957  : 133. 460 BGBl. 195/1956. 461 ÖGB 1957  : I/19. 462 Proksch 1958  : 357  ; Honner, Franz  : Sten. Prot. NR, VIII. GP, 17.  Sitzung  : 678. 463 Tálos 1981  : 334  ; Rednerdienst des ÖGB 1958  : 1f.; VÖI 1957  : 133  ; Hussl 1999  : 64. 464 Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft 1957  : 83. 465 Vgl. Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft 1957  : 83. 466 VÖI 1957  : 133. 467 Vgl. Rednerdienst des ÖGB 1958  : 2.

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Unternehmer behaupten würden, dass die 60-Stunden-Woche gelte.468 Selbst 1969 wurde von Benya in der Arbeit und Wirtschaft betont, sowohl der VfGH als auch der VwGH seien sich nicht einig ob der Gültigkeit der kriegswirtschaftlichen Verordnung bezüglich des Zehnstundentages bzw. der 60-Stunden-Woche.469 Die gleiche Auffassung vertrat Weißenberg in derselben Ausgabe der Arbeit und Wirtschaft.470 Zum Zeitpunkt dieser Aussagen war allerdings die 48-Stunden-Woche durch einen Ministerialentscheid bzw. den Generalkollektivvertrag von 1959 bereits durch eine 45-Stunden-Woche abgelöst worden.

4.4 Die Einführung der 45-Stunden-Woche Die Durchführungsverordnung von 1956 sollte die wöchentliche Arbeitszeit regeln. Sie bestätigte die 48-Stunden-Woche. Hatte die Unternehmervertretung gehofft, dass die verschärfte Handhabe gegen Überstunden zurückgenommen werde, so lagen die Hoffnungen der Arbeitnehmervertretung bei der Schaffung eines neuen, »modernen« Arbeitszeitgesetzes. Diese Erwartungen wurden jedoch nicht erfüllt. Das grundsätzliche Ziel einer Arbeitszeitverkürzung war die 40-Stunden-Woche. Verwirklicht werden sollte jedoch die 45-Stunden-Woche. 4.4.1 Diskussionen zur Arbeitszeitpolitik von 1955 in den Wirtschaftspolitischen Blättern und in der Arbeit und Wirtschaft Ab etwa 1954471 kam es in Österreich zu einer ersten allgemeinen Diskussion zur Arbeitszeitpolitik. In Verbindung damit stehen sicherlich die hohen Wachstumsraten der österreichischen Wirtschaft nach dem Wiederaufbau.472 Entsprechende Debatten gab es auch in der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland. Im Prinzip kam es in Österreich auf mehreren Gewerkschaftstagungen zur Forderung der 40-Stunden-Woche.473 Diese Diskussion griffen 1955 die Wirtschaftspolitischen Blättern auf. Aus diversen Blickwinkeln sollte die Arbeitszeitthematik beleuchtet werden. Der erste Artikel und der letzte Artikel dieser Artikelserie wurde von Knapp verfasst. Knapp gab mit seiner Diskussionsgrundlage »Die Vierzigstundenwoche im Streit der Meinungen« zunächst einen historischen Überblick über die Arbeitszeitentwick-

468 Weißenberg 1962  : 5. 469 Vgl. Arbeit und Wirtschaft 1969  : 4. 470 Vgl. Weißenberg 1969  : 6. 471 Vgl. Knapp 1955a. 472 Vgl. Mitterbauer 2000  : 24. 473 Vgl. Knapp 1955a  : 18.

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lung. Anschließend betrachtete er die aktuelle Lage Österreichs bzw. Europas und wies darauf hin, dass es in dieser Debatte ausschließlich um die Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich gehe.474 Jede Arbeitszeitverkürzung ohne vollen Lohnausgleich wurde in der gewerkschaftlichen Diskussion abgelehnt,475 auch wenn in der Wochenzeitschrift der IV dahinter eine verschleierte expansive Lohnpolitik vermutet wurde.476 Diese Sichtweise wurde von Gewerkschaftsvertretern offen ausgesprochen. Nach Klärung der Ausgangsituation führte Knapp Argumente für und gegen die Arbeitszeitverkürzung an. Die Begründungen gegen eine Arbeitszeitverkürzung bezogen sich auf Entgegnungen auf die zuvor angeführten Darlegungen, die für eine Verkürzung der Arbeitszeit sprachen. Westphalen beschäftigte sich mit der Frage, was hinter der Arbeitszeitverkürzungsforderung stecke und wie dem Anliegen durch Arbeitszeitverkürzung wirklich begegnet werden könne.477 Für ihn war die Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung vor allem aufgrund der sozialgeschichtlichen Tatsachen nachvollziehbar.478 Allerdings sah er das grundlegende Problem nicht in der Arbeitszeit, sondern in der Struktur der Arbeit, im sozialen Aufbau der Arbeitsgemeinschaft, in der »Fremdbestimmtheit« und daher der Passivität des Arbeitenden begründet.479 Für ihn war der Wunsch nach einer »Herabsetzung der Arbeitszeit […] mit der Flucht vom Funktion-Sein ins Person-Sein von der Passivität in die Aktivität, von der Fremdbestimmung in die Selbstbestimmung«480 verbunden. Mit der Problematik der 40-Stunden-Woche setzte sich Scheichelbauer auseinander. Wie Knapp stellte er eine Sammlung von Argumenten für und gegen die Herabsetzung der Arbeitszeit einander gegenüber. Mit seinem ersten Punkt bei den Proargumenten vollzog er einen Vergleich zwischen Deutschland und Österreich, da hier für ihn die Verhältnisse ähnlich seien. Dieser erste Punkt behandelte den Arbeitsprozess. Besonders die Intensivierung der Arbeit führe zudem zu einer höheren Arbeitsbelastung.481 All diese Gründe würden eine Verkürzung rechtfertigen. Ferner trug Scheichelbauer dem gesundheitspolitischen Aspekt Rechnung, da er die Reduktion der Arbeitszeit im Zusammenhang mit einem beachtlichen Rückgang der Unfallquote und damit einer Entlastung der Sozialversicherung sah.482 Als weitere Punkte pro Arbeitszeitverkürzung nannte er die Teilhabe an der steigenden Produktivität, die Entspannungsmöglichkeiten der Arbeitnehmer, die Aufnahme von mehr 474 Knapp 1955a  : 19  ; Weißenberg 1955  : 161. 475 Vgl. Kienzl 1955  : 275. 476 Solidarität, Nr. 239, 1955  : 7. 477 Vgl. Westphalen 1955  : 20. 478 Vgl. Westphalen 1955  : 21f. 479 Vgl. Westphalen 1955  : 22. 480 Westphalen 1955  : 22. 481 Vgl. Scheichelbauer 1955  : 23. 482 Vgl. Scheichelbauer 1955  : 23.

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Beschäftigten, die Vertiefung der Freizeit mit seinen Möglichkeiten der Beschäftigung mit der Familie oder der Bildung,483 die Unrentabilität der Maschinenbelastung in manchen Betrieben an Samstagen bzw. den Gegenentwurf zur kommunistischen Verelendungstheorie. Als Gegenargumente führte er einen befürchteten Produktionsrückgang, die psychischen und physischen Belastungen durch Mehrarbeit, die Erhöhung der Lohnnebenkosten mit einer Überwälzung auf die Preise, das fehlende Kapital in Österreich zur Verbesserung des Maschinenparks und die Unwirksamkeit der Arbeitszeitverkürzung bei der gegenwärtigen Überstundenpraxis an.484 Groß warf in seinem Aufsatz einen Blick auf die Situation in der Bundesrepublik Deutschland. Dort galt die 40-Stunden-Woche eher als Fernziel und die Verwirklichung der Fünf-Tage-Woche sollte kurzfristig erreicht werden. In der Bundesrepublik Deutschland sei von Unternehmensseite die Bereitschaft zum Übergang zur Fünf-Tage-Woche erkennbar.485 Dabei hatte der Begriff »Fünf-Tage-Woche« gewissermaßen Signalwirkung486 und diente als Vehikel zur Durchsetzung der 40-Stunden-Woche.487 Mit der Fünf-Tage-Woche, die zunächst den Charakter der Arbeitszeitverlagerung hatte, wurde in Deutschland die Chance zur Verbesserung des Familienlebens und zur sozialen und kulturellen Weiterentwicklung der arbeitenden Bevölkerung sowie das Ziel eines arbeitsfreien Samstags488 verbunden. Eng in Verbindung mit der Einführung der Fünf-Tage-Woche in Deutschland stand die Parole »Samstags gehört Vati mir«. Vergleichbares gab es in Österreich nicht, das hinter der Forderung der 40-Stunden-Woche zurückstand. Mit den Argumenten der Industrie zur Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 40 Stunden in der Woche beschäftigte sich Utner. Als ersten Punkt, der gegen eine Reduktion der Arbeitszeit sprach, gab Utner an, Österreich könne aufgrund seiner geographischen Lage und angesichts der Tatsache, dass in den Nachbarstaaten die 48-Stunden-Woche gelte, keine geringeren Arbeitszeiten einführen.489 Zugleich müsse aus Sicht der Industrie eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich abgelehnt werden, weil eine schwere Erschütterung des gesamten Lohngefüges zu erwarten sei.490 Weiters führte Utner gegen die Verminderung der Arbeitszeit an, dass die Produktivität dadurch nicht steigen würde und aufgrund des Mangels an Arbeitskräften keine zusätzlichen Arbeitskräfte eingestellt werden könnten.491 Wei483 Vgl. Knapp 1955a  : 19  ; Hofreither 1984  : 31. 484 Vgl. Scheichelbauer 1955  : 23f. 485 Vgl. Herbert Groß 1955  : 24. 486 Herrmann-Stojanov 1999  : 77. 487 Herrmann-Stojanov 1999  : 78. 488 Herrmann-Stojanov 1999  : 111. 489 Vgl. Utner 1955  : 27  ; Arbeit und Wirtschaft 1969  : 3. 490 Utner 1955  : 27. 491 Vgl. Utner 1955  : 27f.

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ters sprach er zahlreiche Nachteile für Arbeitnehmer an. Zu diesen zählten Preissteigerungen, die zu Schwarzarbeit führen würden, übertriebene Sportausübung in der gewonnen Freizeit, kein voller Lohnausgleich durch Mechanisierung und Rationalisierungen und die dadurch notwendige Kapitalaufwendung.492 Abschließend führte Utner an, dass die weit vorangetriebene soziale Besserstellung der Arbeitnehmer in Österreich der Wirtschaft ohnedies schon schwere Lasten auferlegt habe.493 In seinem Resümee sprach er davon, dass eine Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich sowie eine Vorreiterrolle Österreichs bei deren Einführung der österreichischen Wirtschaft einen derartigen Schlag versetzen würden, dass sie sich nicht so bald davon erholen würde.494 Die abschließenden Aufsätze von Widhalm und Papesch befassten sich mit dem Handel bzw. der Arbeitszeitverkürzung und den Ladenschlusszeiten. Widhalm sah eine Möglichkeit für eine Verkürzung der Arbeitszeit im Handel nur dann, wenn es zu einem Wandel der Kaufgewohnheiten durch ein verlängertes Wochenende und infolge der Motorisierung komme und somit der Wochenendeinkauf nicht mehr samstags, sondern bereits freitags durchgeführt werde. Ansonsten war für Widhalm eine Reduzierung nur in jenen Betrieben denkbar, die mehrere Angestellte hatten und deren Warensortiment und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit495 für Schichtarbeit geeignet waren. Papesch behandelte in seinem Aufsatz einen Initiativantrag von 1952, der als Lösungen des Problems der Arbeits- und Ladenschlusszeit vorschlug, der 40-stündigen Arbeitswoche mit einer 40-stündigen Ladenzeitwoche zu begegnen.496 Die Diskussion in den Wirtschaftspolitischen Blättern wird durch die Zusammenfassung »Was hat die Diskussion ergeben  ?« von Knapp abgeschlossen. Für ihn stellte die Einordnung des Arbeitszeitproblems in den Gesamtzusammenhang der Wirtschafts-, Sozial- und Gesellschaftsordnung497 das wichtigste Ergebnis dar. Wichtig war in seinen Augen der neue Konsumstil, der sich durch die Freizeit kennzeichne. Insgesamt benötige der Mensch als Verbraucher, nicht als Arbeiter, eine kürzere Arbeitszeit und somit eine längere Freizeit.498 Dieser Diskurs in den Wirtschaftspolitischen Blättern bietet einen guten Überblick über die Pro- und Kontraargumente, die in der damaligen Arbeitszeitverkürzungsdiskussion vorherrschten. Utner sah in seinem Aufsatz kaum positive Aspekte einer 492 Vgl. dazu die Ausführungen von Weißenberg in Arbeit und Wirtschaft. Vgl. Weißenberg 1955  : 159f.; Vgl. Utner 1955  : 28. 493 Utner 1955  : 28. 494 Vgl. Utner 1955  : 28. 495 Vgl. Widhalm 1955  : 29. 496 Vgl. Papesch 1955  : 30. 497 Knapp 1955b  : 33. 498 Vgl. Knapp 1955b  : 33.

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Arbeitszeitverminderung für die Arbeitnehmer und ergänzte die Diskussion um einen negativen Blickwinkel.499 Ebenfalls als Ergänzung ist der Beitrag zur deutschen Situation hinsichtlich der Einführung der Fünf-Tage-Woche zu sehen. Insgesamt lassen sich folgende Punkte aus der Diskussion in den Wirtschaftspolitischen Blättern herausgreifen  : 1. Im Mittelpunkt stand die Einführung der 40-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. 2. Im Kern stimmten bei allen Diskussionsbeiträgen die Pro- und Kontraargumente überein. 3. Zu den wesentlichen Proargumenten zählten  : – die Umverteilung der Produktivitätssteigerung in Richtung einer Arbeitszeitverkürzung, – die Arbeitszeitverkürzung als Mittel der Beschäftigungspolitik, – die Freizeit als Mittel zur Entspannung, Bildung und als Zeit für die Familie sowie – die Rationalisierung und Technologisierung der Arbeit, die durch höhere Arbeitsbelastungen eine Verkürzung notwendig bzw. lange Arbeitszeiten generell entbehrlich machten. 4. Zu den wesentlichen Kontraargumenten zählten  : – die befürchteten Preissteigerungen durch einen Anstieg der Lohnnebenkosten und den Inflationsauftrieb sowie durch Kosten, die durch Mehrpersonal auf die Konsumenten abgewälzt würden, – die Undurchführbarkeit einer Arbeitszeitverkürzung, da einzelne Gruppen mehr als 48 Stunden arbeiteten, der Mangel an Arbeitskräften, der durch die Überstundenpraxis gekennzeichnet war, sowie die durch eine Verkürzung entstehende Mehrbelastung aufgrund des Arbeitskräftemangels, – Österreichs Rolle im gesamteuropäischen Kontext, in dem Österreich keinen Alleingang wagen durfte, – der befürchtete Produktionsrückgang bei einer Verkürzung der Arbeitszeit sowie – die Zunahme der Schwarzarbeit, die in engem Zusammenhang mit den Preissteigerungen zu sehen war. Auch die Arbeit und Wirtschaft beschäftigte sich nun vermehrt mit diesem Thema. Aufgrund praktizierter Kurzarbeit mit 40 Wochenstunden und darunter sah sie trotz der Kritik der Industrie an einer Arbeitszeitverkürzung angesichts des befürchteten Produktionsrückgangs500 die Möglichkeit einer allgemeinen Reduktion. Weißenberg schrieb in einer späteren Ausgabe im selben Jahr, dass sich die Argumente der Unternehmer nicht gewandelt hätten und sie immer noch von einem Produktionsaus499 Vgl. Nyikos 1985  : 116. 500 Vgl. Arbeit und Wirtschaft 1955  : 104  ; Weißenberg 1955  :161.

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fall bei einer Arbeitszeitverkürzung und in Verbindung damit von einer indirekten Lohnerhöhung sprächen.501 In Arbeit und Wirtschaft zog Weißenberg folgende mögliche Schlüsse bezüglich einer Verkürzung der Arbeitszeit  : 1. Die Verkürzung der Arbeitszeit ist infolge der Änderung des Produktionsprozesses vor allem aus volksgesundheitlichen Gründen unerlässlich. 2. Die Verkürzung der Arbeitszeit kann nur unter vollem Lohnausgleich erfolgen. 3. Mit der Arbeitszeitverkürzung gewinnt nicht nur die Arbeiterschaft durch bessere Gesundheit und mehr Freizeit, sondern auch die Wirtschaft durch bessere Arbeitskräfte, gesteigerte Produktivität und geringere Arbeitsunfälle durch Unfälle und Krankheiten.502

Diese Schlüsse von Weißenberg decken sich durchaus mit den in der Diskussion der Wirtschaftspolitischen Blättern angeführten Proargumenten. Als weiteren Grund für die Verkürzungsforderung lässt sich die zunehmende Muskel- und Nervenbeanspruchung des Arbeitnehmers durch die moderne Technik und das damit verbundene Arbeitstempo503 anführen, wobei dieses Argument mit einem verlängerten Wochenende verbunden werden konnte, das den beanspruchten Nerven eine bessere Erholung ermöglichen würde.504 Zugleich kam es zu einer Verbindung mit der Schaffung eines Arbeitszeitgesetzes, das die Arbeitszeit auf 48 Stunden begrenzen sowie einer strengeren Überprüfung der Überstundenarbeit mit sich bringen sollte,505 so dass auch dem Gesundheitsaspekt506 Rechnung getragen werden konnte. In Fällen, in denen bereits eine kürzere Wochenarbeitszeit als 44 Stunden vorlag, sollten die kürzeren Arbeitszeiten beibehalten werden.507 Darüber hinaus sah Weißenberg es als wichtig an, dass überall, wo die Voraussetzungen gegeben waren, allein durch gewerkschaftliche Anstrengungen die Arbeitszeit verkürzt werden sollte.508 4.4.2 Der letzte Weg zur Einführung der 45-Stunden-Woche Noch bevor es zur Einführung der 45-Stunden-Woche mittels eines Generalkollektivvertrages kam, gab es zum einen die Diskussionen um die Einführung der 501 Vgl. Weißenberg 1955  : 159. 502 Weißenberg 1955  : 161f. 503 Monatsberichte des WIFO 1959  : 66  ; Rehor, Grete  : Sten. Prot. III. KÖGB 1955  : 209  ; Hindels, Josef  : Sten. Prot. III. KÖGB 1955  : 220. 504 Solidarität, Nr. 251, 1955  : 3. 505 Vgl. Weißenberg 1955  : 162  ; Zach, Therese  : Sten. Prot. III. KÖGB 1955  : 171. 506 Vgl. Proksch 1958  : 358  ; Olah, Franz  : Sten. Prot. IV. KÖGB 1959  : 274. 507 Vgl. Weißenberg 1955  : 162. 508 Vgl. Weißenberg 1955  : 162.

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40-Stunden-Woche und zum anderen die Auseinandersetzungen um die gesetzlich gültigen Arbeitszeitnormen. Der Ministerialentwurf von 1958 brachte mit seinem Etappenplan zur Einführung der 40-Stunden-Woche endgültig Bewegung in die Diskussion und setzte so neue Impulse.509 Mit diesem Entwurf sollte zunächst zum 1. Jänner 1959 die 45-Stunden-Woche verwirklicht werden. Nach einer im November 1958 durchgeführten Studie der AK in Niederösterreich hatten nicht weniger als 73 % der Arbeiter und Angestellten eine Normalarbeitswoche von 48 Stunden.510 Nur etwa ein Fünftel hatte wöchentliche Arbeitszeiten von unter 45 Stunden.511 Aus dieser Untersuchung geht im Weiteren hervor, dass die 48-Stunden-Woche am häufigsten in Kleinbetrieben verbreitet war.512 Erste Ansätze zum Versuch, die Arbeitszeiten zu senken, lassen sich bereits 1956 erkennen,513 als die Metall- und Bergarbeiter entsprechende Forderungen stellten, die 1957 und 1958514 wieder aufgegriffen wurden. Bereits 1958 standen die Zeichen auf Einführung der 45-Stunden-Woche.515 Erste Maßnahmen zur Umsetzung erfolgten in diversen Sparten sicherlich bereits 1957.516 1956 wurde mit Gültigkeit per 1. Jänner 1957 mit dem Verband der österreichischen Zeitungsherausgeber ein Kollektivvertrag abgeschlossen, der die 45-Stunden-Woche festlegte.517 Das Ganze manifestierte sich in Verkürzungen der Arbeitszeit in diversen Branchen. Die Vereinbarungen umfassten folgende Bereiche  : Branche

Arbeitszeit

Süßwarenindustrie

45½ Stunden

Brauereien

45½ Stunden

Zuckerindustrie

45 Stunden

Malzindustrie

45 Stunden

Erdölindustrie

45 Stunden

Tab. 29  : Arbeitszeitverkürzung in bestimmten Branchen 1958 Quelle  : Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft 1959  : 229f. (eigene Darstellung)

509 ÖGB 1959  : I/200. 510 Vgl. Monatsberichte des WIFO 1959  : 61. 511 Vgl. Monatsberichte des WIFO 1959  : 61  ; Reithofer 1961  : 51. 512 Vgl. Monatsberichte des WIFO 1959  : 61. 513 Ing. Häuser, Rudolf  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 118.  Sitzung  : 9696. 514 Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft 1959  : 230. 515 Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft 1959  : 228. 516 Vgl. Benya, Anton  : Sten. Prot. IV. KÖGB 1959  : 197. 517 Vgl. ÖGB 1957  : III/89.

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Die Konsolidierung der Arbeitszeit von 1945 bis 1959

Ferner konnte die papierverarbeitenden Industrie per 1. Jänner 1958 die 47 Stunden-Woche und per 1. Jänner 1959 die 46-Stunden-Woche unter vollem Lohnausgleich erreichen.518 In der Süßwarenindustrie war es sogar zu einer Streikandrohung519 gekommen, so dass letztlich eine Einigung auf eine Herabsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit erfolgte. Es gab auch vereinzelt Betriebe, die sich individuell mit Forderungen nach einer Arbeitszeitverkürzung konfrontiert sahen. So forderte u. a. die Gewerkschaft der Lebens- und Genussmittelarbeiter für die Austria Tabakwerke eine Verkürzung der Arbeitszeiten. Da hier bereits seit längerem die 45-Stunden-Woche erreicht worden war, bezog sich die Forderung auf die Einführung der 42-Stunden-Woche.520 Letztlich sollte diese ab Beginn des Jahres 1960 verwirklicht werden.521 Neben den Austria Tabakwerken gab es auch in der Fahrzeugindustrie Betriebe, die versuchten, eine verkürzte Arbeitszeit zu erreichen. Hierbei übernahmen die Steyr-Werke eine Vorreiterrolle, in denen die Arbeitszeit bereits 1956 herabgesetzt werden konnte.522 Die Folge war die Einstellung der Überstunden523 in anderen Betrieben der Fahrzeugindustrie, so dass sich manche Firmen dazu gezwungen sahen, die Forderungen auf betrieblicher Ebene zu erfüllen. Schlussendlich kam es zu Verhandlungen zwischen den Interessenvertretungen, und am 1. September 1958 konnte die Arbeitszeit in vier Betrieben524 auf 45 Stunden reduziert werden. Darüber hinaus gelang es, für das Personal der steirischen Landeskranken-, Heil- und Pfleganstalten die Wochenarbeitszeit von 55 auf 48 Stunden zu senken.525 Neben branchenspezifischen und betrieblichen Forderungen strebten die Jugendlichen eine Arbeitszeitreduktion an. Die gewünschte Verminderung um vier Stunden auf 40 Stunden pro Woche wurde von der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft jedoch abgelehnt, »weil es nicht angeht von in Ausbildung stehenden Jugendlichen (Lehrlingen) eine Intensivierung der Lerntätigkeit zu verlangen, die sogar eine […] Verlängerung der Lehrzeit mit sich bringen würde, und gleichzeitig die Verkürzung der Arbeitszeit zu fordern.«526 Wenn die Bestrebungen, die Reduktion der Arbeitszeit in einzelnen Betrieben und Branchen zu erreichen, genau in die Richtung führten, die der ÖGB im Gesamten anzustreben versuchte, so sah dieser doch in den angedrohten Kampfhandlungen 518 Vgl. ÖGB 1957  : III/88. 519 Vgl. Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft 1959  : 229. 520 Vgl. Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft 1959  : 234. 521 Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft 1960  : 220. 522 Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft 1959  : 231. 523 Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft 1959  : 231. 524 Vgl. Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft 1959  : 231. 525 Vgl. ÖGB 1959  : I/296. 526 Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft 1959  : 236.

Die Einführung der 45-Stunden-Woche

203

große Gefahren für die österreichische Wirtschaft und hielt es nicht für möglich, die 45-Stunden-Woche für kleinere und schwächere Berufsgruppen zu erreichen.527 Der Arbeitszeitentwurf von 1958 wurde abgelehnt, und unter dem Eindruck der einzelnen Verkürzungsaktionen kam es dazu, dass die Bundessektion Industrie der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft ihre Haltung zu einer Arbeitszeitverkürzung änderte. So hieß es im Jahresbericht 1958 der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft  : Gegen eine Verringerung der Arbeitszeit unter der Bedingung, daß sie nicht unter 45 Stunden herabsinke und damit ihr Bewenden habe, bezahlte Pausen zum Verschwinden bringe und schließlich ein Mehrarbeitszuschlag von 25 Prozent für die ermäßigten Arbeitsstunden eingeführt werde, wurde jedoch keine Einwendung erhoben. Maßgeblich für diese Einstellung der Industrie war die Tatsache, daß einer Herabsetzung der Arbeitszeit über kurz oder lang Rechnung getragen werden muß und in erster Linie die Industrie in dieser Richtung unter Druck gesetzt wird.528

Diese Situation führte zu einem Abkommen zwischen der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft und dem ÖGB, die 45-Stunden-Woche durch den Abschluss eines Generalkollektivvertrages zu erreichen. Dieser Beschluss kam aus Sicht der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft nicht freiwillig zustande, da ihn der Koalitionsausschuss über die Einführung der 45-Stunden-Woche fasste, so dass sich die gewerbliche Wirtschaft nun doch mit der Frage der Herabsetzung der Arbeitszeit zu befassen hatte.529 4.4.3 Generalkollektivvertrag vom 1. Februar 1959 Die Grundlage für den Generalkollektivvertrag vom 1. Februar 1959 bildete der Vorschlag des Bundeskanzlers Julius Raab. Dieser schlug der Koalitionsregierung vor, anstelle des Ministerialentwurfs von Proksch die Arbeitszeit in einem Kollektivvertrag zwischen den Dachorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer530 auf 45 Stunden pro Woche zu senken. Zusätzlich bedeutete dies, dass nicht ein politischer Kreis die letzten Entscheidungen zu fällen habe.531 Die Übertragung der Verhandlungen auf die Interessenvertretungen war im Sinne der Paritätischen

527 Rednerdienst des ÖGB 1959  : 14. 528 Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft 1959  : 229. 529 Vgl. Basalka 1989  : 68  ; Vgl. Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft 1959  : 231f. 530 Wüthrich 1987  : 218  ; Tálos 1983  : 15  ; V.  Frey 1999  : 63. 531 Geissler 1959  : 18.

204

Die Konsolidierung der Arbeitszeit von 1945 bis 1959

Kommission. So konnte die Regelung der Arbeitszeit mehr von einer gesamtwirtschaftlichen Sichtweise aus beurteilt und ohne Kampfmaßnahmen532 geregelt werden. Am 18. Juli 1958533 wandte sich der ÖGB brieflich an die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft und an die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern.534 Dahinter steckte der Wunsch, möglichst schnell mit den Verhandlungen zur allgemeinen Einführung der 45-Stunden-Woche beginnen zu können. Der Start sollte erst im Herbst erfolgen  ; wobei sich die Unterredungen monatelang hinzogen. Bis Dezember desselben Jahres kam es zu weitgehenden Annäherungen, ohne dass allerdings bis dahin schon alle Meinungsverschiedenheiten bereinigt worden wären,535 so dass der ursprünglich anvisierte Termin vom 1. Jänner 1959 nicht eingehalten werden konnte.536 Gänzlich unumstritten war die Herabsetzung der Arbeitszeit per Generalkollektivvertrag innerhalb des ÖGB nicht. Für Otto Horn (Vertreter der kommunistischen Fraktion) hätte der Gewerkschaftsbund durchaus die Kraft gehabt, die Vorlage des Arbeitszeitgesetzes durchzubringen.537 Die Verhandlungen können mit dem Generalkollektivvertrag vom 1. Februar 1959 als beendet betrachtet werden. In ihm vollzog sich nunmehr eine Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit um drei Stunden, so dass die 45-Stunden-Woche für ca. 1,6 der 2 Mio. Arbeitnehmer,538 also den überwiegenden Teil der Arbeitnehmerschaft,539 erreicht werden konnte. Der Generalkollektivvertrag stellte den ersten allgemein durchgeführten Verkürzungsschritt in der Zweiten Republik dar. Mit dieser Einigung wurde betont, dass »es im Zuge der internationalen Entwicklung auf dem Gebiet der Arbeitszeit liegt, für die durch die technische Entwicklung gesteigerten Anforderungen an die Arbeitskräfte einen Ausgleich durch erhöhte Freizeit zu schaffen.«540 Trotzdem wurde befürchtet, dass eine Verwendung der gewonnenen Freizeit für Pfuscherarbeiten entwertet werden würde.541 Wichtige Verhandlungspunkte für die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft waren  : 532 Wüthrich 1987  : 218. 533 Im Rednerdienst des ÖGB ist als Datum der 18. Juli 1959 genannt. Zu diesem Zeitpunkt war der Generalkollektivvertrag jedoch schon Realität, so dass es sich hier um einen Tippfehler handeln muss. Vgl. Rednerdienst des ÖGB 1959  : 2. 534 Rednerdienst des ÖGB 1959  : 2. 535 Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft 1959  : 75f. 536 Rednerdienst des ÖGB 1959  : 2. 537 Vgl. Wüthrich 1987  : 219  ; Horn, Otto  : Sten. Prot. IV. KÖGB 1959  : 103. 538 Vgl. Solidarität, Nr. 330, 1959  : 2  ; Solidarität, Nr.  331, 1959  : 2  ; Wüthrich 1987  : 219. 539 Klenner/Pellar 1999  : 449. 540 Basalka 1989  : 69. 541 Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft 1959  : 75.

Die Einführung der 45-Stunden-Woche

205

– die Ausklammerung von Wirtschaftszweigen aus der Arbeitszeitverkürzung bzw. ein verspätetes Inkrafttreten der Bestimmungen  ; – keine bezahlten Arbeitspausen  ; – begünstigter 25%iger Überstundenzuschlag für die 46. bis 48. Wochenstunde  ; – Wegfall des Hausarbeitstages für Frauen  ; – die Frage des Lohnausgleichs bei Akkordverdiensten  ; – die Aufrechterhaltung eines Lohnstopps für einen gewissen Zeitraum sowie – das Recht der Überwälzung der Mehrkosten auf die Preise ohne Zustimmung der Paritätischen Kommission.542 Darüber hinaus hatte sie die Unterstützung des ÖGB bei Rationalisierungsmaßnahmen gefordert.543 Wichtig war für die Arbeitnehmervertretung der volle Lohnausgleich, wodurch die Stundenlöhne derart angehoben wurden, dass das bisherige Einkommen gleich blieb.544 Die Punkte des Lohnstopps und der Überwälzung der Mehrkosten auf die Preise wurden ganz fallengelassen.545 Mit dem Generalkollektivvertrag verständigten sich beide Vertragsparteien in den wichtigsten Punkten, und es kam zu einer Festlegung von unerlässlichen Bedingungen, die in diesen aufgenommen wurden. Es handelte sich dabei um  : – Die Einrechnung von Pausen in die Normalarbeitszeit erfolgte nur noch mit der Hälfte des wöchentlichen Gesamtausmaßes. – Die wöchentliche Arbeitszeit von Jugendlichen lag weiterhin im Sinne des Jugendschutzgesetzes bei 44 Stunden. – Die aufgrund der Arbeitszeitverkürzung wegfallenden Normalarbeitsstunden (46. bis 48.  Wochenstunde) wurden mit einem 25%igen Überstundenzuschlag belegt, wobei die restlichen Überstunden mit dem normalen Zuschlag von 50 % unberührt blieben. – Wegfall des Hausarbeitstages546 542 Vgl. Rednerdienst des ÖGB 1959  : 3  ; Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft 1959  : 75  ; Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft 1959  : 232  ; Solidarität, Nr.  330, 1959  : 2  ; Basalka 1989  : 68. 543 Vgl. Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft 1959  : 75. 544 Basalka 1989  : 68  ; vgl. Rednerdienst des ÖGB 1959  : 9. 545 Rednerdienst des ÖGB 1959  : 3. 546 Nach Anmerkungen des ÖGB sollte dies in zwei Fällen geschehen  : a) bei der Einführung der Fünf-Tage-Woche in Betrieben, die einen Hauswirtschaftstag gewährt hatten, und b) wenn eine Arbeitszeiteinteilung unabhängig von der Fünf-Tage-Woche gegeben war und die Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens zwei Stunden erfolgte. Der Gewerkschaftsbund hatte dieser Regelung deshalb zugestimmt, da die Zahl der weiblichen Dienstnehmer, die von dieser Regelungen betroffen waren, verschwindend gering war und der Hausarbeitstag ohnehin eine kriegswirtschaftliche Einrichtung war, um Frauen leichter in den Rüstungsprozess einbeziehen zu können. De facto bedeutet dies sicherlich aufgrund der geringen Bedeutung des Hausarbeitstages in Österreich ein gänzliches Wegfallen desselben. Vgl. Rednerdienst des ÖGB 1959  : 8f.

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Die Konsolidierung der Arbeitszeit von 1945 bis 1959

– Durchführung der Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich ohne einen zukünftigen Zeitraum eines Lohnstopps547 – Für Akkordarbeiter wurde ein 80%iger Lohnausgleich angesetzt. Der Rest sollte durch die Arbeiter selbst ausgeglichen werden. – Zulagen und variable Prämien blieben von jeglichen Veränderungen unberührt. – Bei bestimmten Arbeitnehmergruppen, die teilweise eine Arbeitsbereitschaft hatten, sollte die Arbeitszeit um bis zu zehn Stunden verlängert werden können. – Bestimmte Wirtschaftszweige erhielten Ausnahmeregelungen bezüglich des Inkrafttretens des Zeitpunkts der Arbeitszeitverkürzung  ; wobei vereinzelt ein Aufschub auf unbestimmte Zeit gewährt wurde.548 Der Generalkollektivvertrag ersetzte aus der Perspektive des ÖGB jedoch keinesfalls ein »modernes« österreichisches Arbeitszeitgesetz, das zudem in Zukunft nicht mehr die 48-Stunden-Woche, sondern die 45 Stunden-Woche als Ausgangsbasis haben sollte.549 Diese sollte zudem nicht das Ende der Entwicklung darstellen, denn noch immer galten die 40-Stunden-Woche und die Schaffung eines Arbeitszeitgesetzes550 als jene Ziele, die anvisiert wurden. Zudem ging dies manchen nicht weit genug, da in ihren Augen die reichsdeutsche Arbeitszeitverordnung aus dem Jahr 1938 noch immer Gültigkeit hatte.551 Dennoch war laut Weißenberg dem Kollektivvertragspartner klar, dass ein Arbeitszeitgesetz geschaffen werden müsse, die gesamte gewerbliche Wirtschaft von den Bedingungen des Generalkollektivvertrages profitieren müsse und dessen Bestimmungen durch gesetzliche, von der Arbeitsinspektion kontrollierbare Bestimmungen zu ergänzen seien.552 Dieser Generalkollektivvertrag vom 1. Februar 1959 wurde auf dem IV. KÖGB debattiert. Dabei meinte Horn, dass der Schritt zur Einführung der 45-Stunden-Woche jegliche Verhandlungsbasis für die Durchsetzung eines modernen und sozialpolitisch fortschrittlichen Arbeitszeitgesetzes erschwert habe.553 Diesem Vorwurf konnte sich Benya nicht anschließen. Er entgegnete, eine Arbeitszeitverkürzung könne nun leichter erreicht werden, da die ehemals zu verringernde Gesamt-

547 Dieser Verzicht auf einen Lohnstopp in einem gewissen Zeitraum stand dabei im Gegensatz zu einem im selben Zeitraum geschlossenen Abkommen in der Schweiz. Vgl. Wüthrich 1987  : 219. 548 Vgl. Rednerdienst des ÖGB 1959  : 3ff.; Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft 1960  : 219  ; Solidarität, Nr. 330, 1959  : 2f.; Wüthrich 1987  : 219. 549 Vgl. Rednerdienst des ÖGB 1959  : 14. 550 Solidarität, Nr. 331, 1959  : 2  ; Rednerdienst des ÖGB 1959  : 15. 551 Immervoll, Hedy  : Sten. Prot. 6. KÖGB 1967  : 281. 552 Weißenberg 1970  : 8. 553 Horn, Otto  : Sten. Prot. IV. KÖGB 1959  : 103.

Die Einführung der 45-Stunden-Woche

207

summe jetzt kleiner sei.554 Er sah im Generalkollektivvertrag ein »1   :  0«555 für die Arbeitszeitverkürzungsbefürworter. Wirtschaftlich gesehen kam es in den folgenden Jahren trotz der Verkürzung der Arbeitszeit zu einer Produktivitätssteigerung. 1959 betrug sie 6,2 % und 1960 7,4 %.556 Trotzdem schien die Arbeitszeitverkürzung für die industrielle und gewerbliche Güterproduktion sowie die meisten Dienstleistungsbetriebe557 ein großer Schritt gewesen zu sein. Dies führte bei Benya 1968 zum Optimismus, dass dies gleichfalls bei weiteren Arbeitszeitverkürzungen der Fall sein werde.558 Im Vorfeld zu neuen Verkürzungen stellte Rudolf Häuser (SPÖ) dann die Frage, wer denn zu einem Kollektivvertrag gedrängt und so eine gesetzliche Regelung verhindert habe.559 1959 kam es zu einem Rückgang der Industrieinvestition, den Arthur Mussil (ÖVP) nicht überwiegend, aber vorwiegend560 auf die Arbeitszeitverkürzung des Generalkollektivvertrages zurückführte. Für Reithofer konnten die Mehrkosten, die durch die Arbeitszeitverkürzung entstanden, mit nicht mehr als 10 % auf den einzelnen Dienstnehmer innerhalb der Gesamtwirtschaft umgelegt werden.561 Zeitgleich mit der Verkürzung der Normalarbeitszeit vollzog sich die Verbreitung der Fünf-Tage-Woche562 in Österreich, da sich diese nur bei kürzerer Wochenarbeitszeit ohne eine zu große Ausdehnung der täglichen Arbeitszeit verwirklichen ließ.563 Jedoch herrschte in vielen Betrieben die Abkehr von der Maxime des Achtstundentages vor, so dass sich die tägliche Arbeitszeit auf neun Stunden verlängert hatte.564 Dies veranlasste die Befürworter einer 40-Stunden-Woche dahingehend zu argumentieren, dass eine 40-Stunden-Woche mit einem Achtstundentag zweifellos eine Erhöhung der Produktivität zur Folge habe.565

554 Vgl. Benya, Anton  : Sten. Prot. IV. KÖGB 1959  : 197. 555 Benya, Anton  : Sten. Prot. IV. KÖGB 1959  : 198. 556 Benya, Anton  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 114.  Sitzung  : 9078. 557 Monatsberichte des WIFO 1959  : 62. 558 Benya, Anton  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 114.  Sitzung  : 9078. 559 Vgl. Ing. Häuser, Rudolf  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 118.  Sitzung  : 9696. 560 Mussil, Arthur  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 128.  Sitzung  : 10950. 561 Reithofer 1961  : 51. 562 Monatsberichte des WIFO 1960  : 421  ; E.  Haas 1979b  : 1. 563 Monatsberichte des WIFO 1960  : 421. 564 Reithofer 1961  : 51. 565 Reithofer 1961  : 51.

5. Die Karawane zieht weiter. Ziel  : 40-Stunden-Woche  !

Den Endpunkt der ersten Phase stellt die 45-Stunden-Woche dar. Die von den wirtschaftlichen Gegebenheiten des Zweiten Weltkriegs verursachten diversen Arbeitszeiten gehörten somit der Vergangenheit an, und der Generalkollektivvertrag von 1959 brachte dem Großteil der Arbeiternehmer (ca. 80 %) unmittelbar eine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeiten. Großen Anteil daran hatte der ÖGB, der Ende 1954 erstmals in der Zweiten Republik eine Kampagne zur Durchsetzung der 40-Stunden-Woche gestartet hatte, in deren Mittelpunkt sozialpolitische Argumentationen um den Gesundheitsaspekt, den Freizeitaspekt und den Aspekt der aktiveren Beteiligung am familiären, gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Leben standen.1 Zeitlich fällt diese erste allgemeine Verkürzungsdiskussion einerseits mit dem Ende der Besatzungszeit und andererseits mit der Kontroverse um die Erkenntnisse des VfGH und des VwGH zusammen. Eingerahmt waren diese Streitigkeiten von der Überstundenproblematik. Daneben spielte der rechtliche Aspekt ebenfalls eine wesentliche Rolle. Denn erst das Fehlen eines eigenständigen österreichischen Arbeitszeitgesetzes, mit dem eine Regelung der Überstundenfrage machbar gewesen wäre, hatte diese Auseinandersetzung möglich gemacht. Erste Erfolge mittels Kollektivverträgen zeigten sich hauptsächlich in einigen Sparten der Industrie (Süßstoffindustrie, Erdölindustrie etc.) oder aber gesondert für bestimmte Betriebe. Vereinzelt konnten wöchentliche Arbeitszeiten unterhalb der 45-Stunden-Marke durchgesetzt werden. Fallweise wurde ein Hausarbeitstag2 vereinbart, der mit dem Abschluss des Generalkollektivvertrages grundsätzlich wieder abgeschafft wurde. Zeitgleich mit dieser eingeleiteten Entwicklung kam es de facto 1959 zur Fünf-Tage-Woche.3 Alles in allem gab es während der Konsolidierungsund Inhomogenitätsphase folgende Probleme hinsichtlich der Arbeitszeiten der österreichischen Erwerbsbevölkerung  : 1. unterschiedliche Arbeitszeiten aufgrund der wirtschaftlichen Gegebenheiten in den jeweiligen Berufsgruppen bzw. innerhalb derselben Berufsgruppen in verschiedenen Bundesländern nach dem Zweiten Weltkrieg  ; 2. die VfGH- und VwGH-Kontroverse um die Gültigkeit der 48- bzw. 60-Stunden-­ Woche  ; 3. das Fehlen eines neuen, »modernen« österreichischen Arbeitszeitgesetzes sowie 1 Vgl. Hussl 1999  : 65. 2 Vgl. Hussl 1999  : 66. 3 Vgl. Hussl 1999  : 66.

Die Karawane zieht weiter. Ziel  : 40-Stunden-Woche  !

209

4. die Frage nach der Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeiten, zunächst geschlechtsspezifisch und in späterer Folge generell für die gesamte österreichische Erwerbsbevölkerung. Die sich verbessernde Versorgung mit den notwendigen Rohstoffen sowie die sich bessernde wirtschaftliche Lage Österreichs im Allgemeinen sorgten relativ rasch für ein Ende der unterschiedlichen Arbeitszeiten in der Zweiten Republik. Anders sah dies im Fall der gerichtlichen Kontroverse um die Gültigkeit einer bestimmten Arbeitszeitnorm aus. Die zwei divergierenden Urteile durch den VfGH und den VwGH trugen nicht Abb. 6  : Das Verkehrshindernis zur Beruhigung bei, so dass erst ein ErQuelle  : GPA 2006  : 5. lass des Sozialministeriums für eine gewisse rechtliche Absicherung sorgte. Ein österreichisches Arbeitszeitgesetz konnte trotz der zu Tage tretenden rechtlichen Probleme und trotz mehrfacher Versuche nicht verwirklicht werden. Bedingt erfolgreich war die Umsetzung der Frage der Arbeitszeitverkürzung. Lag Fokus zunächst auf der Verkürzung der Arbeitszeit von Frauen oder von Frauen und Jugendlichen, wurde diese spezielle Forderung mit dem Einsetzen der Arbeitszeitverkürzungsdiskussionen und dem allgemeinen Verlangen nach der Einführung der 40-Stunden-Woche zurückgenommen. Trotz einer Konsolidierung der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeiten mit der Einführung und Verbreitung der 45-Stunden-Woche und dem schleichenden Übergang zur Fünf-Tage-Woche Ende der 1950er Jahre konnten einige in der ersten Periode angesprochene Punkte nicht geklärt werden. Dabei handelte es sich um die Schaffung eines neuen, »modernen« österreichischen Arbeitszeitgesetzes, die Einführung der 40-Stunden-Woche sowie die sich durch die gleichzeitige Praktizierung der Fünf-Tage-Woche bei der Einführung der 45-Stunden-Woche ergebende Abweichung von der Maxime des Achtstundentages. Die Marschroute war in der ersten Phase vorgegeben worden. In weiterer Konsequenz galt es ein neues, »modernes« österreichisches Arbeitszeitgesetz und die 40-Stunden-Woche bei einem Achtstundentag zu verwirklichen. Nach dem ersten Schritt hatte die Gewerkschaft ihre Hoffnung auf die in Europa bereits begonnene Entwicklung zur Einführung der 40-Stunden-Woche gesetzt, um diese gleichfalls verwirklichen zu können. In der vorstehenden Abbildung lässt sich ein Fuhrwerk erkennen, das zahlreiche Verkehrsteilnehmer aufgrund seiner Geschwindigkeit ausbremst. Der Weg, der vom Fuhrwerk und den nachfolgenden Fahrzeugen befahren

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Die Karawane zieht weiter. Ziel  : 40-Stunden-Woche  !

wird, soll direkt zur 40-Stunden-Woche führen. Auf dem Fuhrwerk befindet sich ein Mann, der mit den nachfolgenden Personen diskutiert. Darunter heißt es  : »Der Herr von gestern  : Warum so eilig  ? In unserer Mottenkiste haben wir noch viele Bedenken gegen eine Verkürzung der Arbeitszeit …« So lässt sich durchaus erahnen, dass der Weg zur Einführung der 40-Stunden-Woche und zur Schaffung eines neuen, »modernen« österreichischen Arbeitszeitgesetzes nicht ohne Weiteres beschritten werden konnte.

5.1 Auswirkungen der Arbeitszeitverkürzung auf 45 Wochenstunden Unmittelbar nach Inkrafttreten des Generalkollektivvertrages zur Einführung der 45-Stunden-Woche kam es zu einer ersten Einschätzung des WIFO zu den Auswirkungen dieser Arbeitszeitverkürzung. Die Erwartungen lauteten wie folgt  : Seine unmittelbaren wirtschaftlichen Auswirkungen werden sehr ungleich sein. Wahrscheinlich wird die Nachfrage nach Arbeitskräften zunächst nur wenig berührt werden. Die Erhöhung der Stundenlöhne, die sich in vielen Fällen aus dem neuen Kollektivvertrag ergibt, wird auf die Nachfrage nach Arbeitskräften eher dämpfend wirken. Betriebe, in denen die Verkürzung der Arbeitswoche zu einer unerwünschten Produktionssenkung führen würde, werden zunächst vor allem noch von der neu geschaffenen Möglichkeit, Überstunden gegen einen 25%igen Zuschlag arbeiten zu lassen, Gebrauch machen.4

Bereits ab 1954 war es zu einem raschen Abbau der Arbeitslosigkeit5 und zu einer Beschäftigung des wachsenden Arbeitskräfteangebots gekommen.6 Der wirtschaftliche Aufschwung fand seine Fortsetzung und führte zu einem viel ausgeprägteren Mangel an Arbeitskräften,7 als erwartet worden war. Die Zahl Arbeitsuchender sank vom III. Quartal 1958 von 73.000 auf vorläufige 45.800 im III. Quartal 1960. Als Ursachen für den Arbeitskräftemangel wurden die Kapitalanreicherung, sofern diese nicht arbeitssparend wirkte, der niedrige Zustrom neuer Arbeitskräfte aufgrund der weniger starken Schulentlassenen-Jahrgänge und die rasche Einführung der 45-Stunden-Woche 1959 angegeben.8 Diese Entwicklung hin zur Vollbeschäftigung wurde auf der Angebotsseite durch die Senkung der Nor4 Monatsberichte des WIFO 1959  : 66. 5 Butschek 1992  : 183. 6 Butschek 1981  : 12  ; Butschek 1992  : 190. 7 Monatsberichte des WIFO 1960  : 418. 8 Vgl. Monatsberichte des WIFO 1960  : 418.

211

Auswirkungen der Arbeitszeitverkürzung auf 45 Wochenstunden

malarbeitszeit von 48 auf 45 Wochenstunden unterstützt.9 Der Mangel an Arbeitskräften wurde zusätzlich durch Nettoabwanderungsverluste beeinflusst. Zielländer österreichischer Arbeitnehmer waren mehrheitlich die Bundesrepublik Deutschland sowie die Schweiz. Die entstehenden Engpässe auf dem Arbeitsmarkt konnten durch Gastarbeiter aus der Türkei und Jugoslawien nicht ausgeglichen werden.10 Arbeitsuchende und offene Stellen im III. Quartal Arbeitsuchende

Offene Stellen

Ø Stand

Differenz zum Vorjahr in 1000

Ø Stand

Differenz zum Vorjahr in 1000

1950

91,4

+17,4

26,8

–11,2

1951

71,1

–20,3

31,7

+5,0

1952

116,3

+45,3

16,1

–15,6

1953

130,9

+14,6

13,7

–2,5

1954

100,1

–30,8

19,8

+6,2

1955

69,1

–31,0

28,4

+8,6

1956

66,9

–2,2

25,4

–3,0

1957

64,0

–2,9

23,6

–1,8

1958

73,0

+8,9

24,3

+0,7

1959

60,3

–12,7

28,9

+4,7

1960*

45,8

–14,5

38,3

+9,4

Tab. 30  : Arbeitsuchende und offene Stellen im III. Quartal (1950–1960) Quelle  : Monatsberichte des WIFO 1960  : 418 (eigene Darstellung  ; *vorläufige Zahlen).

Die Veränderung der Normalarbeitszeit über den Generalkollektivvertrag führte zu einer Änderung der effektiven Arbeitszeit. Dazu bietet die niederösterreichische AK mit ihren Erhebungen 1958 und 1959 einen guten Überblick. Die Bedeutung der 48-Stunden-Woche nahm erwartungsgemäß ab  ; wobei nur noch ein verschwindend kleiner Teil der Arbeitnehmer 48 Stunden und mehr pro Woche arbeitete. Die Erhebung der niederösterreichischen AK kam zu der Feststellung, dass die Arbeitszeitverkürzung mehr den Arbeitern als den Angestellten zugutekam, da Letztere bereits zuvor geringere Normalarbeitszeiten hatten.11 Parallel dazu zeigte sich, dass der Übergang von der 48- zur 45-Stunden-Woche praktisch in einem Jahr vollzogen werden konnte. Die Erkenntnisse dieser Studie lassen sich

9 Butschek 1992  : 183. 10 Matis 2001  : 236. 11 Vgl. Monatsberichte des WIFO 1960  : 420.

212

Die Karawane zieht weiter. Ziel  : 40-Stunden-Woche  !

Abb. 7  : Die Normalarbeitszeit in niederösterreichischen Betrieben Quelle  : Monatsberichte des WIFO 1960  : 420. Abb. 8  : Die effektive Arbeitszeit in 1623 österreichischen Betrieben Quelle  : Monatsberichte des WIFO 1960  : 421.

allerdings nur bis zu einem gewissen Grad auf das restliche Österreich übertragen.12 In der Industrie verlief 1959 die Verkürzung der Arbeitszeit um drei Stunden langsamer, da sie aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwungs nur knapp zur Hälfte umgesetzt worden war.13 Aus einer Analyse der Wiener AK geht hervor, dass nicht nur die Normalarbeitszeit, sondern auch die effektive Arbeitszeit zurückging.14 Ein Vergleich der effektiven Arbeitszeiten zeigt, dass noch 1958 nur knapp 30 % der Arbeitnehmer in diesen ausgewählten Betrieben eine effektive Arbeitszeit unter 48 Wochenstunden aufwiesen. 1959 arbeiteten dann mehr als 80 % der Arbeitnehmer effektiv weniger als 48 Wochenstunden, und 1960 gingen nicht einmal mehr 10 % der Arbeitnehmer einer effektiven Arbeitszeit von mindestens 48 Wochenstunden nach. Die effektive Arbeitszeit der Industriearbeiter sank 1959 um 1¾ Stunden.15 Allerdings trug bei ihnen nicht nur die Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit, sondern später auch die Verlängerung des Mindesturlaubs von zwei auf drei Wochen16 ihren Teil zur Verkürzung der effektiven Arbeitszeit bei. Die durchschnittlich geleisteten täglichen Arbeitsstunden sanken bei den Industriearbeitern von 1958 auf 1959 um 0,34 Stunden und blieben danach bis 1961 konstant. Die Arbeitszeiten in der Wie-

12 Vgl. Monatsberichte des WIFO 1960  : 420f. 13 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 39  ; Heindl/U.  Moser 1983  : 50  ; Butschek 1992  : 187f. 14 Monatsberichte des WIFO 1960  : 421. 15 Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 38. 16 Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 38.

Auswirkungen der Arbeitszeitverkürzung auf 45 Wochenstunden

213

ner Bauwirtschaft entwickelten sich ähnlich wie jene in der Industrie, wobei es 1959 einen Rückgang um 1½ Stunden gab.17 Geleistete Arbeitsstunden je Arbeitstag und Arbeiter in der Industrie Arbeitsstunden

Veränderung gegen dem Vorjahr in %

Ø 1956

8,74



Ø 1957

8,61

–1,5

Ø 1958

8,66

+0,6

Ø 1959

8,32

–3,9

Ø 1960

8,33

+0,1

Ø 1961

8,33

– –2,8

Ø 1962

8,10

Ø 1963

8,09

–0,1

Ø 1964

8,12

+0,4

Ø 1965

7,95

–2,1

Ø 1966

8,02

+0,9

Ø 1967

8,04

+0,2

Tab. 31  : Geleistete Arbeitsstunden je Arbeitstag und Arbeiter in der Industrie Quelle  : Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 39 (eigene Darstellung).

In direkter Relation zu den effektiven Arbeitszeiten steht die Frage nach der Überstundenpraxis. Erwartet worden war zunächst eine Ausnutzung des Überstundenbereichs mit einem 25%igen Überstundenzuschlag, also jenem Stundenanteil zwischen der 45. und einschließlich der 48. Wochenstunde, der durch die Reduzierung der Wochenarbeitszeit mittels des Generalkollektivvertrages nunmehr keine reguläre Arbeitszeit darstellte. Diese Annahme war insofern berechtigt, als die Kollektivvertragspartner übereingestimmt hatten, dass in der Übergangszeit die Leistung von Überstunden in geringem Ausmaß unvermeidlich sein werde.18 Die Überstundenzahl hatte sich seit der Arbeitszeitverkürzung nur wenig erhöht, was für das WIFO insofern überraschend war, als mit einem verstärkten Ausweichen in Überstunden gerechnet worden war.19 Die verkürzte Arbeitszeit wurde im Herbst 1959 in Wien vermehrt durch Überstunden kompensiert. Hier stiegen die wöchentlichen Überstunden je Arbeiter über das Vorjahresniveau20 und den Umfang der Vorjahre hinaus. Im Gesamten hatte der wirtschaftliche Aufschwung dazu geführt, dass es zu einer 17 Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 52. 18 Vgl. Schmitz 1962  : 245. 19 Vgl. Monatsberichte des WIFO 1960  : 422. 20 Monatsberichte des WIFO 1960  : 423.

214

Die Karawane zieht weiter. Ziel  : 40-Stunden-Woche  !

vermehrten Überstundenleistung gekommen war.21 Gleichzeitig wurde in einer Untersuchung der Wiener AK festgestellt, dass es 1959 zu einer Zunahme der Überstunden von 6,9 Prozent und 1960 von 12,9 Prozent gekommen war.22 So lag der Überstundenanteil im Baugewerbe bei den Facharbeitern 1959 bei 10,9 %, bei den Hilfsarbeitern bei 13,1 %,23 wenngleich dieser Anteil bereits 1961 wieder zurückging. In den 1950er Jahren wurde immer wieder der Zusammenhang zwischen Arbeitszeitverkürzung und Produktivität angesprochen. Starken Einfluss in der Phase der Verminderung der Arbeitszeit auf diese Beziehung hatten einerseits die Konjunkturentwicklung und andererseits die strukturellen Einflüsse.24 Trotz der Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit um drei Stunden kam es zu einer Steigerung der Produktivität, also der Produktion pro geleistete Arbeitsstunde. Entwicklung der Produktion insgesamt und je geleisteter Arbeitsstunde in der Industrie 1957 bis 1967 Gesamtindex der Industrieproduktion 1956 = 100

Veränderung zum Vorjahr in %

Produktion je geleisteter Arbeitsstunde 1956 = 100

Veränderung zum Vorjahr in %

Ø 1957

105,7

+5,7

105,9

+5,9

Ø 1958

108,4

+2,6

109,1

+3,0

Ø 1959

114,6

+5,7

120,0

+10,0

Ø 1960

127,0

+10,9

129,5

+7,9

Ø 1961

132,9

+4,6

133,6

+3,2

Ø 1962

135,9

+2,3

139,0

+4,0

Ø 1963

141,6

+4,2

148,5

+6,8

Ø 1964

152,7

+7,8

160,2

+7,9

Ø 1965

158,4

+3,7

170,2

+6,2

Ø 1966

165,0

+4,2

180,0

+5,8

Ø 1967

165,0

190,4

+5,8



Tab. 32  : Industrieproduktion und Produktion je Arbeitsstunde 1957–1967 Quelle  : Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 46 (eigene Darstellung).

In einer späteren Untersuchung des Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen wurde der Schluss gezogen, dass die Arbeitszeitverkürzung positive Auswirkungen auf die Arbeitsproduktivität je geleisteter Stunde hatte.25 1957 wies die Industrie eine Pro21 Vgl. Schmitz 1962  : 245. 22 Vgl. Wüthrich 1987  : 221. 23 Vgl. Schmitz 1962  : 245. 24 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 44. 25 Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 45.

Auswirkungen der Arbeitszeitverkürzung auf 45 Wochenstunden

215

duktivitätssteigerung von 5,9 % und 1958 von 3 % auf. Im Jahr der Einführung der 45-Stunden-Woche kam es mit 10 % zu einer überdurchschnittlichen Steigerung der Produktivität. Ein Jahr später konnte mit 7,9 % ebenfalls ein beachtlicher Anstieg erreicht werden. Das befürchtete Absinken der Produktivität trat nicht ein.26 Dies kann teilweise mit der guten wirtschaftlichen Konjunkturlage begründet werden. Simultan dazu wurde erwartet, dass die Veränderungen der Arbeitszeiten jenen der Produktion vorausgingen, während die Anpassung der Arbeitsmarktlage verzögert folgen würde.27 Die Arbeitszeitverkürzung führte zu einer anderen Entwicklung. Während die Normalarbeitszeit sowie die effektive Arbeitszeit sanken, kam es zu einem Produktivitätsanstieg und zu einer relativ raschen Reaktion der Beschäftigung auf die Expansion.28 Mit dem »Raab-Olah-Abkommen« sollte das Ankurbeln der Lohn-Preis-Spirale verhindert werden. Der Erfolg war kurzfristiger Natur. Deshalb wurden weitere Maßnahmen, wie z. B. Sparbegünstigungen oder eine Novelle des Preistreibergesetzes, ergriffen. Bei bestimmten Warengruppen kam es dennoch zu Preissteigerungen. Die Preiserhöhungen wirkten sich indirekt auf den Generalkollektivvertrag mit seiner etappenweisen Herabsetzung der Wochenarbeitszeit und der damit verbundenen Einführung der 45-Stunden-Woche aus, so dass 1962 erneut die Ankurbelung der Lohn-Preis-Spirale zu beobachten war.29 Der Beirat für Wirtschaft- und Sozialfragen untersuchte ebenfalls den Zusammenhang zwischen Industrieproduktion und Produktivität. Dazu bedienten sich die Autoren der Regressionsanalyse.30 Für die Beurteilung des Zusammenhangs zwischen Industrieproduktion und Produktivität wurde ein Korrelationskoeffizient von r = 0,54 ermittelt. Dies deutet prinzipiell auf einen eher mäßigen bis starken Zusammenhang bei der berechneten Regressionsgeraden f(x) = 0.3984x + 4,173031 hin. Aufgrund dieser Berechnungen stellte der Beirat fest, dass eine Produktivitätssteigerung 26 Auf die gleiche Weise versuchte die Gewerkschaft das Argument des Produktionsausfalls, das die Unternehmen vorbrachten, zu entkräften und führte im Rednerdienst Daten für den Zeitraum von 1957 bis 1967 an, in denen trotz Arbeitszeitverkürzung die Produktion je Beschäftigten stieg. Vgl. Rednerdienst des ÖGB 1969a  : 11. 27 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 43. 28 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 43. 29 Vgl. Schatzl 2006  : 13. 30 Das Ziel einer Regressionsanalyse ist es, die Beziehungen zwischen zwei oder mehreren unabhängigen Variablen festzustellen. In diesem Fall wurde eine lineare Regressionsanalyse durchgeführt, um den Pearson’schen Korrelationskoeffizienten r zu ermitteln. Je näher dieser Wert bei 1 bzw. –1 liegt, desto besser lässt sich die Beziehung zwischen den beiden unabhängigen Variablen, hier die Beziehung zwischen Industrieproduktion und Produktivität, beschreiben. Liegt der Wert des Pearson’schen Korrelationskoeffizienten näher bei 0, so wird davon gesprochen, dass es keine positive Korrelation, d. h. keinen bzw. kaum einen Zusammenhang zwischen den zu untersuchenden Daten gibt. 31 Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 47.

216

Die Karawane zieht weiter. Ziel  : 40-Stunden-Woche  !

um mehr als 3,5 Prozentpunkte erreicht wurde.32 Die Arbeitszeitverkürzung wirkte sich somit zunächst nicht auf die Arbeitskosten je Produktionseinheit aus.33 Bezüglich der Auswirkungen der Reduktion der Arbeitszeit um drei Stunden auf die Investitionstätigkeiten folgerte der Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen  : Es besteht nach den bisherigen Erfahrungen über das Investitionsverhalten der Unternehmer kein Anhaltspunkt dafür, daß die Arbeitszeitverkürzung die Investitionsentwicklung – etwa durch verstärkte Rationalisierungsinvestitionen – beeinflußt hätte.34

Die Investitionstätigkeit in der Industrie nahm 1960 um 17,1 % zu. Dies entsprach ähnlichen Werten wie 1956 (23 %) und 1957 (16,7 %). Diese Steigerung wurde nicht der Arbeitszeitverkürzung, sondern dem entsprechenden Produktionszuwachs zugerechnet.35 Dieses Bündel an Auswirkungen der Arbeitszeitverkürzung von 1959 auf die Zahl der Beschäftigten, die Produktion und die Kosten sowie die Investitionstätigkeit beeinflusste in letzter Konsequenz die Entscheidung des Beirats im Hinblick auf weitere Arbeitszeitverkürzungen.

5.2 Arbeitszeitpolitische Auseinandersetzung von 1962 in den Wirtschaftspolitischen Blättern Mit der Einführung der 45-Stunden-Woche mittels des Generalkollektivvertrages vom 1. Februar 1959 war Österreich dem Ziel der 40-Stunden-Woche um drei Stunden näher gerückt. Insgesamt gab es in Europa den Trend, die wöchentliche Arbeitszeit auf 40 Stunden zu verkürzen.36 Dem könne sich Österreich, so Reithofer, nicht entziehen, um gleiche Wettbewerbsvoraussetzungen zu haben.37 Da der internationale Trend weiter in Richtung 40-stündiger Arbeitswoche deutete, konnten die Diskussionen um eine Arbeitszeitverkürzung in den 1960er Jahren nahtlos an jene der 1950er Jahre anschließen. Die Wirtschaftspolitischen Blätter hatten bereits 1955 der Arbeitszeitdiskussion erstmals größeren Raum gewidmet. Sieben Jahre später und drei Jahre nach Einführung der 45-Stunden-Woche widmeten sie sich erneut dem Thema. Mit Blick auf diese zweite Diskussion in den Wirtschaftspolitischen Blättern sollen vor allem nachstehende Fragen behandelt werden  :

32 Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 46. 33 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 48. 34 Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 49. 35 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 49. 36 Vgl. Alber 1962  : 229. 37 Vgl. Reithofer 1963  : 12.

Arbeitszeitpolitische Auseinandersetzung

217

– Welche Unterschiede und/oder Gemeinsamkeiten lassen sich in beiden Diskussionen erkennen  ? – Wird auf die gewonnenen Erfahrungen der Arbeitszeitverkürzung auf 45 Wochenstunden eingegangen  ? – Gibt es im Gegensatz zur ersten Diskussion ein »Kernthema«  ? Die Diskussionen von 1955 und 1962 unterscheiden sich grundlegend. Waren die Beiträge 1955 stark vom Gedanken der Arbeitszeitverkürzung beeinflusst, so ist dieser 1962 nicht mehr in gleichem Ausmaß gegeben. Dies dürfte sicherlich an der erst wenige Jahre zuvor vollzogenen Verkürzung der Wochenarbeitszeit gelegen haben. Hierbei fällt auf, dass 1955 viel mehr Wert auf die Herausarbeitung der Vor- und Nachteile einer Arbeitszeitverkürzung gelegt worden war. Diese Pro- und Kontralisten, die es teilweise in der Debatte von 1955 gegeben hatte, finden sich 1962 nicht mehr. Im Gegensatz dazu gibt es 1962 zwei Hauptthemen, die die Diskussion nach der erfolgten Verkürzung prägten. Zum einen tritt der Aspekt der »Freizeit« in den Vordergrund. Zum anderen spielen in den Beiträgen die Grenzen der Arbeitszeitpolitik eine wesentliche Rolle. Wie schon 1955 war ein Autor für den Anfangs- und Endpunkt der Beiträge verantwortlich. 1962 war dies Alfred Klose (österreichischer Politik- und Wirtschaftswissenschafter). Ein weiteres Merkmal der Diskussion 1962 ist die stärkere strukturelle Ausprägung. Sie wird besonders dadurch hervorgehoben, dass die Auseinandersetzung mit der Thematik in mehrere Teile untergliedert wurde. So fand eine Beschäftigung insbesondere mit vier Themenbereichen statt. Es handelte sich um »Arbeitszeit gestern und heute«, »Grundsätze der Arbeitszeitpolitik«, »Grenzen der Arbeitszeitverkürzung« sowie »Standpunkt der Interessentengruppen  : Rückblick und Ausblick«. Der Frage nachgehend, ob die Arbeitszeitverkürzung durch den Generalkollektivvertrag vom 1. Februar 1959 ein Thema in der Diskussion 1962 war, lässt sich festhalten, dass dieser Problematik kein eigener Abschnitt gewidmet wurde. Ohnehin ging keiner der in dieser Diskussionsreihe erschienenen Aufsätze explizit auf den Generalkollektivvertrag von 1959 ein. Sehr wohl aber behandelten einzelne Aufsätze in einem groben Überblick die Thematik der Arbeitszeitverkürzung 1959. Klose beleuchtete die Auswirkung der Arbeitszeitverkürzung auf die Produktivität. Für ihn bedeutete das Eingehen auf die Wünsche der Arbeitnehmer nach einem arbeitsfreien Wochenende und kurzen täglichen Gesamtarbeitszeiten, dass aufgrund der gekürzten Arbeitspausen es zu keiner Steigerung der Arbeitsproduktivität komme.38 Seiner Meinung nach war in Österreich genau diese Erfahrung mit der Einführung der 45-Stunden-Woche gemacht worden. Tatsächlich hat die Untersuchung 38 Vgl. Klose 1962a  : 224.

218

Die Karawane zieht weiter. Ziel  : 40-Stunden-Woche  !

des Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969 jedoch gezeigt, dass es in Österreich trotz oder gerade wegen der Arbeitszeitverkürzung 1959 zumindest in der Industrie zu einem Anstieg der Produktivität gekommen war. Tomandl ging mit Blick auf die Arbeitszeitverkürzung 1959 auf deren Auswirkung auf die täglichen Arbeitszeiten ein. In Österreich sei es in der Folge zu einer Ausdehnung der täglichen Arbeitszeiten aufgrund der zunehmenden Bedeutung der Fünf-Tage-Woche oder noch kürzerer Arbeitswochen oder zu einer möglichst zusammenhängenden täglichen Gesamtarbeitszeit gekommen.39 Für Tomandl war wesentlich, dass sich die Verkürzung in einer Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit sowie einer Verlängerung des arbeitsfreien Wochenendes niedergeschlagen hatte  ;40 der Generalkollektivvertrag habe dieser Entwicklung Rechnung getragen. Goldschmidt ging ebenfalls auf diesen Punkt ein und führte an, wegen des arbeitsfreien Samstags habe die tägliche Gesamtarbeitszeit in den meisten Betrieben erhöht werden müssen.41 Einen anderen Aspekt der Verteilung der Arbeitszeiten sprach Schmitz an. Er widmete sich der Frage der Ausnützung der Überstunden. Für Schmitz war indes klar, dass es während der Hochkonjunktur zu einer vermehrten Überstundenleistung gekommen war.42 In Der Produktivitätsfortschritt als Grenze führte Streissler an, dass von einigen die Meinung vertreten werde, der ÖGB habe mit der Einführung der 45-Stunden-Woche nicht die erwünschte Resonanz erhalten. Als Konsequenz aus dieser fehlenden Zustimmung könnten Arbeitszeitverkürzungen wie folgt vorgenommen werden  : Insgesamt erscheint es ratsamer, die Entwicklung von Arbeitszeitgestaltung und Produktivität in den einzelnen Zweigen der Volkswirtschaft abzuwarten und jeweils gerechtfertigte und erwünschte Arbeitszeitverkürzung auf betrieblicher Ebene bzw. in Branchenkollektivverträgen zu regeln, als globale Verkürzungen gesetzlich zu normieren. Dabei wird es in jedem Fall zweckmäßig sein, solche Arbeitszeitsenkungen in mehreren, jeweils nur kleinen Schritten vorzunehmen, um die […] möglichen Störungen des Wirtschaftsprozesses gering zu halten.43

Neben der Verlagerung der Verkürzung der Arbeitszeiten auf die betriebliche bzw. branchenspezifische Ebene als zukünftiges Merkmal hielt Streissler fest, dass »eine generelle sozialpolitische Notwendigkeit zu weiteren gesetzlichen Arbeitszeitver-

39 Vgl. Tomandl 1962  : 238  ; Goldschmidt 1962  : 257. 40 Vgl. Tomandl 1962  : 238. 41 Goldschmidt 1962  : 257. 42 Schmitz 1962  : 245. 43 Streissler 1962  : 256f.

Arbeitszeitpolitische Auseinandersetzung

219

kürzungen«44 1962 nicht mehr bestehe. Während Streissler keinen Bedarf an zukünftigen kürzeren Arbeitszeiten sah, war für Klenner weiterhin die Notwendigkeit eines »modernen« Arbeitszeitgesetzes gegeben, vor allem, um einen tatsächlich öffentlich-rechtlichen Schutz zu gewährleisten.45 Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung stand die Verteilungsfrage der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit. Die Schaffung eines arbeitsfreien Wochenendes und damit der Übergang von der Sechs- zur Fünf-Tage-Woche sowie die Einschränkung der Arbeitspausen, um eine möglichst kurze tägliche Arbeitszeit zu erreichen, wurden in den Aufsätzen als zentral eingeschätzt. In Einordnung zur Thematik »Freizeit« wurde das arbeitsfreie Wochenende durchwegs positiv gesehen, wenngleich Gegenstimmen mahnten, dies gefährde die Steigerung der Produktivität, oder aufgrund der Einschränkung der Arbeitspausen einen Gewinn kürzerer täglicher Arbeitszeiten generell als nicht oder kaum gegeben ansahen. Der Generalkollektivvertrag vom 1. Februar 1959 spielte eine untergeordnete Rolle. Vielmehr beschäftigten sich die Diskussionen mit zwei Problemkreisen. So standen die Auseinandersetzung um die Grenzen der Arbeitszeit- bzw. Arbeitszeitverkürzungspolitik sowie die Freizeit und die sich daraus ergebende Frage nach der Verteilung der Arbeitszeit auf Tage und Wochen im Zentrum der Aufsätze. Die Einführung der 45-Stunden-Woche ermöglichte die Beschäftigung mit einem weiteren Aspekt. Hatte in den Diskussionen Mitte der 1950er Jahre die 40-Stunden-Woche im Zentrum der allgemeinen Forderungen gestanden, so war es in dieser Periode letztlich »nur« gelungen, die 45-stündige Arbeitswoche zu verwirklichen. Der europäische Trend wies zwar in Richtung der 40-Stunden-Woche, allerdings sollte die wöchentliche Arbeitszeit, ausgehend von der 48-Stunden-Woche, vorerst »nur« um drei Stunden reduziert werden. Gewissermaßen war damit eine vorläufige Arbeitszeitgrenze gezogen worden. Exakt diesen Grenzen bzw. Problematiken um eine zukünftige Veränderung der Arbeitszeiten schenkten die Wirtschaftspolitischen Blättern 1962 ihre Aufmerksamkeit. Als Grenzen der Arbeitszeitpolitik lassen sich das Arbeitskräftepotential, die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Volkswirtschaften und ein möglichst kontinuierliches Wirtschaftswachstum angeben.46 Dabei ist zu beachten, dass Arbeitszeit- und Arbeitszeitverkürzungspolitik stets volkswirtschaftlichen Grundsätzen47 bei konkurrierenden wirtschaftspolitischen Zielen unterworfen sind. Für die Arbeitszeitverkürzungspolitik sind die Lage und das Wachstum der Wirtschaft maß-

44 Streissler 1962  : 257. 45 Klenner 1962  : 261. 46 Vgl. Klose 1962a  : 224. 47 Vgl. Mitic 1962  : 230.

220

Die Karawane zieht weiter. Ziel  : 40-Stunden-Woche  !

gebend, so dass Arbeitszeitverkürzungen, nach Streissler, nicht auf dem Höhepunkt der Konjunktur erfolgen sollten, um nicht bestehende Engpässe zu verstärken.48 Für Mitic war volkswirtschaftlich die unmittelbarste Konsequenz einer Arbeitszeitverkürzung ein weder kurz- noch langfristig messbarer Produktionsausfall mit all seinen Folgen.49 Mitic spielte damit auf ein Absinken der Produktivität an. Die Produktivität und ihre Rolle als Grenze der Arbeitszeit- und Arbeitszeitverkürzungspolitik wurden vielfach in der Diskussion angesprochen. Tomandl führte aus, dass Arbeitszeitverkürzungen den Produktionsausstoß senken würden, wenn nicht gleichzeitig der Arbeitsausfall wettgemacht werden könne.50 Synchron dazu war für ihn die österreichische Situation stark durch das Erreichen der Vollbeschäftigung beeinflusst. Eine Erhöhung der Produktivität sei nur durch weiteren Kapitaleinsatz, bezogen auf Rationalisierungen bzw. Leistungssteigerungen, möglich.51 Gleichfalls sah Streissler in der Arbeitsintensivierung eine Möglichkeit, dem Absinken der Produktivität entgegenzuwirken.52 Prinzipiell gab es in dieser Sicht drei Formen der Produktivitätssteigerung  : Intensivierung bzw. Erhöhung der Arbeitsleistung, organisatorische Verbesserungen des Produktionsprozesses und Kapitalintensivierung pro Beschäftigten.53 Auch wenn sich eine Produktivitätssteigerung erreichen lasse, könne sie, so andere Stimmen, aufgrund konkurrierender Wirtschaftsziele jedoch nur teilweise für Arbeitszeitverkürzungen in Anspruch genommen werden.54 Generell würden die Arbeitszeitpolitik und deren Grenzen mit ihren Verflechtungen ein vielschichtiges und kompliziertes Problem darstellen.55 Eine Lösung dieser »Grenzprobleme«, so Klose, könne »nur in einer gemeinwohlbestimmten und damit sinnvollen Arbeitszeitpolitik liegen«, die an den volkswirtschaftlichen Gegebenheiten orientiert sei.56 Das eigentliche Hauptthema war nicht die Frage nach den Grenzen von Arbeitszeit- und Arbeitszeitverkürzungspolitik, sondern die nach dem Zusammenhang mit der »Freizeit« und der Verteilung der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit. Der Begriff »Freizeit« ist vielschichtig, hinter ihm verbirgt sich eine Vielfalt individuell und gesellschaftlich wahrzunehmender Möglichkeiten.57 Dies geht einher mit einer Verschiebung der Freizeit im Bewusstsein und in der Bewertung der Menschen.58 48 Vgl. Streissler 1962  : 256. 49 Vgl. Mitic 1962  : 232. 50 Vgl. Tomandl 1962  : 239. 51 Vgl. Tomandl 1962  : 239. 52 Vgl. Streissler 1962  : 251. 53 Vgl. Streissler 1962  : 251f. 54 Klose 1962b  : 269. 55 Klose 1962b  : 267. 56 Klose 1962b  : 272. 57 Plöderl 2005  : 51. 58 Freytag 1962  : 233.

Arbeitszeitpolitische Auseinandersetzung

221

Dieser Vielschichtigkeit wurde im Zuge der Debatte auf den Grund zu gehen versucht  ; dies vertiefte einen Aspekt der Arbeitszeitdiskussion, der mit der erstmaligen Forderungen nach Einführung der 40-Stunden-Woche in der Zweiten Republik an Bedeutung gewonnen hatte. In der Einleitung zur Diskussionsreihe stellte Klose fest  : Der moderne Mensch ist vorwiegend konsumorientiert  ; das Freizeitverhalten spielt für die überwiegende Mehrheit der Menschen unserer Zeit eine immer größere Rolle als die Arbeitszeit, als die berufliche Tätigkeit. Das macht das immer stärkere Drängen nach vermehrter Freizeit verständlich.59

Gleichzeitig bedeute das Streben nach mehr Freizeit einen Nachfrageanstieg nach Gütern des Freizeitbedarfs.60 Zudem sei aber für die Freizeitgestaltung die zweckmäßig verteilte Arbeits- und Freizeit wesentlich.61 So zeigt nach Mitic die Länge der arbeitsfreien Zeit den Volkswohlstand an,62 gibt also Auskunft über den Lebensstandard der Bevölkerung. Als problematisch sah Klose jene Bestrebungen an, allen dasselbe Freizeitausmaß zu gewähren und zur gleichen Zeit Erholung von der Arbeit zu sichern.63 Von Bedeutung für das Freizeitausmaß seien drei Gruppen der Verwendungsmöglichkeiten  : die Erholung, die Persönlichkeitsentfaltung sowie die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben.64 Wichtig sei daneben die sinnvolle Gestaltung der Freizeit. Goldschmidt formulierte, was diese nicht sei  : Ein Hobby ist nur solange eine sinnvolle Freizeitgestaltung im wahren Sinne des Wortes, als es ohne Zwang in wirklichen Mußestunden ausgeübt wird. Eine durch den Mangel an fachkundigen Handwerks- und Dienstleistungen erzwungene regelmäßige Bastelarbeit im Haus und Hof hat damit nichts zu tun. Diese ist eine echte, und zwar unbezahlte Mehrarbeit, die die errungene Freizeit empfindlich schmälert, und oft mühevoller sein kann als die Routinearbeit im Betrieb […].65

Der sinnvollen Nutzung der Freizeit66 wurde große Bedeutung zugeschrieben, wie obiges Statement verdeutlicht. Als Grundprobleme machte Freytag das wachsende Ausmaß der Freizeit und die Verselbstständigung der Freizeitsphäre des Einzelnen 59 Klose 1962a  : 223. 60 Klose 1962a  : 223. 61 Klose 1962a  : 225. 62 Vgl. Mitic 1962  : 231. 63 Klose 1962a  : 225  ; Goldschmidt 1962  : 258. 64 Vgl. Freytag 1962  : 234f.; Klenner 1962  : 261  ; Mayr 1962  : 264. 65 Goldschmidt 1962  : 258f. 66 Vgl. Freytag 1962  : 235.

222

Die Karawane zieht weiter. Ziel  : 40-Stunden-Woche  !

innerhalb der Gesellschaft fest.67 Im Weiteren war für ihn der steigende Konsum negativ beladen, was sich durch Eintönigkeit bei übermäßigem Freizeitkonsum auswirke.68 Um dieser entgegenzuwirken, sollte seiner Ansicht nach die Politik das Streben nach Arbeitszeitverkürzung auf ein vernünftiges Maß zurückdrängen.69 Zugleich sah er eine Möglichkeit, zukünftigen Arbeitszeitverkürzungen vorzubeugen, wenn der Arbeitsplatz entsprechend gestaltet werde. Mehrfach wurde auf das »Pfuschertum« eingegangen. Ein Ansteigen der Pfuschertätigkeiten wurde mit der Einführung der 45-Stunden-Woche und der Fünf-Tage-Woche in Verbindung gebracht  ;70 laut Schmitz hatten die »Pfuschwilligen« seither mehr Zeit als früher.71 Mit der Aufnahme eines Nebenerwerbs ging Goldschmidt zufolge das Untergraben der Arbeitsfreude und des Leistungswillen im Hauptberuf einer.72 So wurde die Gefahr eines Zuviels an Freizeit in der Aufnahme eines zweiten oder dritten Arbeitsplatzes gesehen, um sich Nebenverdienste zu sichern und somit Überstunden zu schinden.73 Insofern schien der Pfusch die Verteilungsfrage der Arbeitszeit mitsamt dem verlängerten Wochenende zu konterkarieren, vor allem auch, weil bereits der Freitagnachmittag nur zu geringen Teilen der Erholung diene.74 Als Gründe für diese Entwicklung sah Tomandl nicht nur die Konsumorientiertheit, sondern auch die Kostenbelastung bei der Freizeitgestaltung.75 Weiters erkannte Goldschmidt im Pfuschertum einen zusätzlichen Motor für die Forderung nach fortlaufender Arbeitszeitverkürzung.76 Eine besondere Position bei der Freizeitfrage vertrat Hittmair.77 Dieser fordert und verlangt, daß die schon durchgeführte Arbeitszeitverkürzung auf das Arbeitsjahr umgelegt und zur Gewährung eines entsprechenden verlängerten Urlaubes verwendet werden soll. […], daß nur ein vierwöchiger zusammenhängender Urlaub die Voraussetzung für eine Dauererholung abgeben könnte.78 67 Freytag 1962  : 233. 68 Vgl. Freytag 1962  : 234. 69 Freytag 1962  : 234. 70 Vgl. Schmitz 1962  : 245  ; Mayr 1962  : 266. 71 Schmitz 1962  : 245. 72 Vgl. Goldschmidt 1962  : 258. 73 Vgl. Mitic 1962  : 231. 74 Vgl. Tomandl 1962  : 238. 75 Vgl. Tomandl 1962  : 239. 76 Goldschmidt 1962  : 257. 77 Wahrscheinlich aufgrund eines Tippfehlers wird der Autor des Aufsatzes »Arbeit und Freizeit« in den Wirtschaftspolitischen Blättern des 9. Jg., Heft 3 von 1962 als Prof. A. Hittmayr bezeichnet, wobei hier sicherlich Prof. A[nton] Hittmair gemeint ist. Deshalb habe ich mich entschieden, in den nachfolgenden Zitaten dieses Artikels stets Anton Hittmair als Autor anzuführen. 78 Tomandl 1962  : 239.

Aspekte der Arbeitszeitdiskussion in den 1960er Jahren

223

Das wäre gleichbedeutend mit einer Rückkehr zur 48-Stunden-Woche bei einer Sechs-Tage-Woche gewesen, ohne damit zugleich eine Abkehr von der Maxime des Achtstundentages darzustellen. Diese Forderung ist insofern wenig überraschend, als Hittmair im Erholungsurlaub von mindestens drei Wochen die beste Möglichkeit einer Arbeitszeitverkürzung79 sah, da er meinte, dass die Schwerarbeit im Achtstundentag keiner Arbeitszeitverkürzung bedürfe.80

5.3 Aspekte der Arbeitszeitdiskussion in den 1960er Jahren Abgesehen von der Diskussion in den Wirtschaftspolitischen Blättern 1962 fand bis zum Ende der 1960er Jahre in der Zweiten Republik keine weitere größere Debatte statt. Zwar kam es vereinzelt in Betrieben oder Branchen zur Herabsetzung der wöchentlichen Normalarbeitszeit,81 aber ein gesamtwirtschaftlicher Trend lässt sich daraus nicht ablesen. Grundsätzlich war der Zeitraum zwischen 1962 und 1969 von einer steigenden Beschäftigungsnachfrage geprägt. Dies wirkte sich in einigen Branchen dahingehend aus, dass aktiv ausländische Arbeitskräfte angeworben wurden. Einzig Mitte der 1960er Jahre kam es zu einer Umstrukturierung der Lebensarbeitszeit, indem der Mindesturlaub erhöht wurde. Wie schon in der ersten Periode der Arbeitszeitentwicklung spielten die abweichenden Modelle bezüglich der Lebensarbeitszeit in Österreich eine untergeordnete Rolle. Anfang der 1960er Jahre, genauer 1961, war es zur gesetzlichen Einführung eines Karenzjahres für Mütter gekommen.82 Erneut wurde die Jahresarbeitszeit nach einer Veränderung Mitte der 1940er Jahre angepasst. 1946 war es zur Verwirklichung eines Arbeiterurlaubsgesetzes gekommen  ; dabei war der Mindesturlaub für Arbeiter auf zwei Wochen, ab fünf Dienstjahren auf drei Wochen und nach 15 Dienstjahren auf vier Wochen festgelegt worden.83 5.3.1 Urlaubsverlängerung und ein Mehr an Freizeit Vor der Verlängerung des Mindesturlaubs Mitte der 1960er Jahre war Urlaub vor allem aufgrund des Unterbrechungsfalles bei Krankheiten ein Diskussionsthema.84 Ein neues Urlaubsrecht war 1961 thematisiert worden. Dieses sollte eine Ausdeh-

79 Vgl. Hittmair 1962  : 243. 80 Vgl. Hittmair 1962  : 241. 81 Vgl. Wüthrich 1987  : 222. 82 T. Schmid 1993  : 188. 83 Vgl. Weißenberg 1964  : 15  ; Wüthrich 1987  : 212. 84 Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft 1958  : 75.

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nung des Mindesturlaubs auf 18 Tage sowie den 4-wöchigen Urlaub bereits ab zehn Dienstjahren beinhalten.85 Anlässlich einer Ausstellung Österreich im sozialen Weltgeschehen beschäftigte sich der ÖGB mit dieser Thematik. Es wurde die Situation Österreichs mit anderen europäischen Ländern verglichen und dabei festgestellt, dass in den meisten Ländern ein gesetzlicher Mindestanspruch auf drei Wochen Urlaub bestand. Kollektivvertraglich war teilweise bereits ein vierwöchiger Mindesturlaub (Deutschland, Norwegen) möglich. Reithofer kam zu dem Schluss, dass der österreichische Mindesturlaub von zwölf Tagen für Arbeiter und Angestellte zu gering sei.86 Die Forderung nach einer Urlaubsverlängerung wurde gesundheitspolitisch und arbeitsmedizinisch begründet.87 Am 18. November 1964 kam es zur Festlegung eines neuen Mindesturlaubs per Generalkollektivvertrag. In diesem wurden ein dreiwöchiger Mindesturlaub (18 Werktage) sowie, nach Dienstjahren gestaffelt, zusätzliche Urlaubswochen festgesetzt.88 Größere Bedeutung hatte die Freizeit erstmals beim Übergang von der vorindustriellen zur industriellen Gesellschaft in Verbindung mit dem ökonomischen und sozialen Wandel gewonnen.89 Strikte Grenzen, die sich zwischen »Arbeitszeit« und »Freizeit« heute teilweise erkennen lassen, waren in der frühindustriellen Arbeit nicht bekannt.90 Die Einführung des Arbeitstages brachte eine Entmischung der buntgewürfelten Tätigkeiten des bislang gewohnten Tagesverlaufes mit sich, so dass es zeitgleich zu einer sichtbaren Polarisierung im Zeitbudget kam.91 Doch gerade der historisch-gesellschaftliche Wandlungsprozess führte über die Reduktion der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeiten zur Schaffung der »Freizeit« als Gegenpol zur Arbeitszeit.92 Der Wunsch nach einer verkürzten Arbeitszeit und einer Verlängerung der Freizeit sind untrennbar miteinander verbunden.93 Die Grenze zwischen »Arbeitszeit« und »Freizeit« zeigt sich noch heute deutlich im Sprachgebrauch, wobei es in Kombination von technischer Entwicklung und Arbeitszeitverkürzung zur Vermehrung der Feierabendstunden sowie des Freizeitwochenendes kam.94 Die Abgrenzungen zwischen »Leben und Arbeit« sowie zwischen »Freizeit und Erwerbsarbeit« konnten sich nur aufgrund des Wandlungsprozesses herausbilden und 85 Reithofer 1961  : 50. 86 Reithofer 1963  : 9f. 87 Weißenberg 1964  : 15. 88 Bartunek 1982  : 9  ; V.  Frey 1999  : 65. 89 Plöderl 2005  : 50. 90 Pöschl 2004  : 17. 91 Rinderspacher 1985  : 50. 92 Hielscher 2000  : 4. 93 Vgl. Schregle 1959  : 9. 94 Vgl. Fellinger 1963  : 12.

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prägen demgemäß individuelle Lebenszusammenhänge.95 Zudem determiniert die Aufteilung von Arbeits- und Freizeit das Zusammenleben der Geschlechter. Gaudart sieht als Folge der Komprimierung der Arbeitszeiten innerhalb der Arbeitswoche nur Vorteile für die männliche Erwerbsbevölkerung, da sich die Hausarbeitstätigkeiten berufstätiger Frauen ins Wochenende verschieben würden.96 Hinzu komme, dass von Frauen erwartet werde, ihre arbeitsfreie Zeit für die zeitaufwendigen Lebensbedürfnisse beider Geschlechter und aller Altersgruppen aufzubrauchen.97 Dies bedeute zugleich, dass sich durch ihre »zweite Schicht« die frei verfügbare Freizeit mindere.98 Dies gilt auch dann, wenn angenommen werden kann, dass in gewissen Bereichen der Umfang der Hausarbeit ständig abgenommen hat.99 Bereits die Debatte in den Wirtschaftspolitischen Blättern 1962 zeigte, dass die Frage nach »Freizeit« und deren Gestaltungsmöglichkeiten auch in Österreich an Bedeutung gewann. Da Arbeits- und Freizeit in engem Zusammenhang stehen, lässt sich nach Külp und R. Mueller eine Abstufung von »engen« zu »weiten« Freizeitbegriffen vornehmen. Sie unterscheiden dabei  : – Zur Freizeit werden nur jene Zeiten gerechnet, die nicht in irgendeiner Beziehung zur beruflichen Tätigkeit stehen. – Freizeit ist jene Zeit, die nach Abzug der arbeitsgebundenen Zeit verbleibt. – Eine weitere Abgrenzung zielt ausschließlich auf die Arbeitszeit und Ruhezeit ab  ; beide zusammen geben das Zeitvolumen an, das die Freizeit des Einzelnen bestimmt. – Zur Freizeit wird jene Zeit gerechnet, die nicht zur Erwerbstätigkeit genutzt wird.100 In der Wirtschaft stellt »Freizeit« das Pendant zur »Arbeitszeit« dar, worunter vornehmlich jene von Arbeitsverpflichtung freie Zeit101 verstanden wird und diese insgesamt eine subjektiv erlebte Qualität darstelle.102 Jürgens folgend legitimiert sich Freizeit über die notwendige biologische und soziale Reproduktion von Arbeitskraft  ;103 wobei die Regeneration körperlicher und geistiger Kräfte104 als eine ihrer Hauptfunktionen anzusehen sei. Das gesundheitspolitische Argument bezüglich ei 95 Vgl. Jürgens 1999  : 27f.; Herlyn/Scheller/Tessin 1994  : 131  ; dazu Abschnitt  2.1.3.  96 Vgl. Gaudart 1982  : 6.  97 Gaudart 1982  : 6.  98 Vgl. T. Schmid 1991  : 57.  99 Schildt 2010  : 149. 100 Külp/R. Mueller 1973  : 4. 101 Külp/R. Mueller 1973  : 4. 102 Opaschowski/Pries/Reinhardt 2006  : 39. 103 Jürgens 2007  : 168. 104 Freytag 1962  : 234.

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ner Freizeitverlängerung wurde in den 1960er Jahren wiederkehrend angeführt. Eng damit in Verbindung steht hierbei das Schlagwort »Entspannung«. Für die einen bietet der Besuch im Kino oder die Betätigung auf dem Sportplatz lediglich Entspannung und ist so nur eine Arbeitspause außerhalb des Arbeitsplatzes.105 Während für andere Entspannung mittels einer entsprechenden Raumplanung für Freizeiteinrichtungen für den beruflich angespannten Menschen erreichbar sei.106 Im Weiteren hat »Freizeit« bestimmte Grundfunktionen. Dazu zählen Erholung, Ausspannen, Abschalten und der Ausgleich zum Beruf.107 Sie zielen vor allem auf den Faktor der Entspannung ab. Neben der Grundfunktion der Entspannung können der Freizeit aber auch Tätigkeiten, die sich als Arbeit in der Freizeit sowie als Aktivitäten zur Erfüllung individueller Bedürfnisse und zur Stärkung sozialer Kontakte108 beschreiben lassen, zugeordnet werden. In der Freizeitdiskussion ging es nicht zuletzt darum, wann denn diese beginne und was dazugezählt werden könne und was nicht. Für Anton Wodica (SPÖ) wurden Pendler in der Freizeitdebatte sträflich vernachlässigt. Er bezeichnete sie als Stiefkinder109 der Freizeit, denen täglich mindestens 20 Minuten an Freizeit genommen würden.110 Hierbei wird deutlich, dass für den Nationalratsabgeordneten Hin- und Rückfahrt zur Arbeitsstätte bereits in die Freizeit fielen und keinesfalls der Arbeitszeit zugerechnet werden konnten. Die gesteigerte Mobilität der Bevölkerung führte insofern dazu, dass die Nettofreizeit weniger stark anwuchs als die nominale Freizeit.111 Neben der Fahrzeit konnten nach Ansicht mancher auch die Erledigung persönlicher Bedürfnisse, die Schlafenszeit, Hausarbeiten sowie die Kinderbetreuung112 nicht zur arbeitsfreien Zeit gerechnet werden. Die persönlich empfundene Freizeit wurde dadurch eingeschränkt. Dies bewirkte, dass der für alltägliche Regenerationsbedürfnisse zur Verfügung stehende Anteil zurückging.113 Darüber hinaus traten bei manchen Freizeitbeschäftigungen Stressfaktoren auf, wodurch ein gewisses Abschalten von der Freizeitaktivität vonnöten war, bei dem es zweifelhaft war, ob es noch zur echten Freizeit gehörte.114 In den Bereich, wann Freizeit beginnt, fällt der bereits in den Wirtschaftspolitischen Blättern angesprochene Aspekt, inwiefern sie in gleichem Ausmaß und zum gleichen 105 Vgl. Schayer 1956  : 241. 106 Vgl. Klenner 1962  : 262. 107 Hemetsberger 1997  : 185. 108 Hemetsberger 1997  : 185. 109 Wodica, Anton  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 77.  Sitzung  : 6278. 110 Vgl. Wodica, Anton  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 77.  Sitzung  : 6278. 111 Vgl. H. Kepplinger/Preslmaier 1982  : 62. 112 Vgl. Wirtschaftspolitische Blätter  : 1979b  : 74  ; Opaschowski/Pries/Reinhardt 2006  : 24. 113 Jürgens 2007  : 169. 114 Vgl. Wirtschaftspolitische Blätter 1979b  : 74.

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Zeitpunkt konsumiert werden könne.115 Die Anpassung von nicht mit Arbeit besetzter Zeit der Bevölkerung führte gleichzeitig zu einer Angleichung und Synchronisation116 der Arbeitszeiten größerer Bevölkerungsgruppen, wodurch die Freizeit als ein »kollektives« Gut bezeichnet werden konnte.117 Zugleich schien die Synchronisation der Arbeits- und Freizeiten aufgrund der Gleichzeitigkeit einer effizienten Freizeitgestaltung im Wege zu stehen.118 Von Bedeutung wird die Nutzung der Freizeit in der Gesellschaft anderer angesehen – wobei Geselligkeit nur dann entstehen kann, wenn andere ebenfalls frei haben.119 Als negativ gilt hingegen jene arbeitsfreie Zeit, die den kollektiven Freizeitrhythmen entgegenläuft, also von sozialen Bezügen abgekoppelte Freizeit.120 Individuelle Arbeitszeiten können allerdings zu einer gleichmäßigeren Auslastung beispielsweise von Sport-, Freizeit- oder Bildungseinrichtungen führen.121 Für jene Personen, die im Schichtbetrieb beschäftigt sind, sind kollektive Freizeiten jedoch prinzipiell in gewisser Weise problematisch. Wechselnde Schichten können trotz gewisser Regelmäßigkeiten zu Anpassungsschwierigkeiten und Einschränkungen des sozialen Lebens führen.122 Bei alledem spielen das Konsumverhalten und der Lebensstandard eine bedeutende Rolle. In gleichem Maße dienen Freizeit und Einkommen der Befriedigung persönlicher und individueller Bedürfnisse, also auch dem Konsum. Somit stellt die Arbeitszeit jenen Preis dar, den man dafür bezahlen muss.123 Der steigende Konsum und die aufkommende Massenkonsumgesellschaft führten auch gerade in der hier betrachteten Zeit der 1960er Jahre dazu, dass bessere Kleidung, größere und bessere Autos, der Fernsehapparat sowie ein Mehr an Urlaub und Freizeit an Bedeutung gewannen.124 Mit dem Anstieg des privaten Konsums war ein steigender, höherer Lebensstandard verbunden, der zudem mit der allgemeinen Auffassung von größerer Kaufkraft und weniger Arbeitszeit125 verbunden war. Fernerhin bedingte ein Mehr an Freizeit ein Mehr an Konsum,126 welcher benötigt wurde, um Vollbeschäftigung, adäquaten Verdienst und Arbeitsstellenangebote zu erhalten.127 In dieser letzten

115 Dollinger 1979  : 65. 116 Walther 1995  : 57. 117 Vgl. Walther 1995  : 57. 118 Vgl. Dollinger 1989  : 36. 119 Zilian/Fleck 1990  : 99. 120 Jürgens 1999  : 104. 121 Med 1999  : 36. 122 Vgl. Jürgens 1999  : 131. 123 Hemetsberger 1997  : 16. 124 Geissler 1959  : 17  ; Matis 2001  : 258. 125 Geissler 1959  : 17  ; Klose 1962a  : 223  ; Freytag 1962  : 233. 126 Vgl. Prisching/Steiner 1979  : 21. 127 Puscala 1971  : 11.

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Feststellung kommt ein verstärkter beschäftigungspolitischer Gesichtspunkt zum Vorschein, der in den 1960er Jahren nicht dermaßen offen formuliert wurde. Klose machte deutlich, dass hinter der Forderung der Arbeitszeitverkürzung verstärkt das Motiv des gehobenen Lebensstandards stecke.128 Insgesamt kamen dem Freizeitkonsum mehrere Bedeutungen zu. So vermittelte er soziale Erlebnisse, diente der sozialen Orientierung und förderte das soziale Prestige.129 Der steigende Konsum und die Sicherung des höheren Lebensstandards stellen nur einen Ausschnitt der wirtschaftlichen Perspektiven dar, die der Freizeit zugeschrieben werden können. Der wirtschaftliche Einfluss darf nicht unterschätzt werden, da die Freizeit in vielerlei Hinsicht die Nachfrage nach vielen Gütern des Freizeitbedarfes130 weckt und verstärkt und so ein ökonomisches Gut131 darstellt, welches den Gesetzen der Knappheit unterliegt.132 Die wirtschaftliche Bedeutung der »Freizeit« zeigt sich nicht nur in der Ökonomisierung des Begriffes, sondern vielfach in der Freizeitindustrie und im Tourismus, die von der Entwicklung des Verhältnisses zwischen Arbeitszeit und Freizeit sowie deren Trennung profitierten. Nicht die gesamte Bevölkerung kann jedoch vom vorhandenen Freizeitangebot profitieren, da Freizeitaktivitäten im Allgemeinen Geld und ebenfalls kostspielige Mobilität erfordern, während bei unentgeltlichen Vergnügungen ein Rückgang zu verzeichnen ist.133 Entsprechend sollte, wie auch damals schon gesehen wurde, eine Freizeitverlängerung stets mit einer Einkommenserhöhung in Einklang stehen, da ansonsten dem Haushalt die finanziellen Voraussetzungen für den Konsum134 nicht zur Verfügung stehen und ein Kaufkraftschwund zu befürchten ist. Bei geeigneten Umständen aber können Freizeiterhöhungen zu einer Konsumsteigerung und damit zu einer zusätzlichen Nachfrage führen.135 Die Verkürzung der Arbeitszeiten in den 1950er Jahren und die Urlaubsverlängerung Mitte der 1960er Jahre führten zu einem gestiegenen Anteil an Freizeit. Neben dem Wunsch nach einem höheren Lebensstandard, der sich darüber hinaus im steigenden Konsum feststellen lässt, betont Seidel noch weitere Gründe für den steigenden Freizeitbedarf im 20. Jahrhundert  : die ansteigende Erwerbstätigkeit der Frauen, die zunehmende Distanz zwischen Wohn- und Arbeitsort, das Präferieren von Freizeit, die Intensivierung von Arbeit sowie die Anforderung des lebenslangen

128 Klose 1962a  : 223. 129 Vgl. Opaschowski/Pries/Reinhardt 2006  : 35. 130 Klose 1962a  : 223. 131 Vgl. Szecsi 1969a  : 137  ; Szecsi 1969b  : 13. 132 Szecsi 1969a  : 137  ; Fellinger 1963  : 13. 133 Vgl. Zilian/Fleck 1990  : 91. 134 Prisching/Steiner 1979  : 21. 135 Vgl. Dallinger 1981  : 15.

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Abb. 9  : Angeln als Freizeit­ beschäftigung Quelle  : Arbeit und Wirtschaft 1969  : 5 (Original in »Solidarität«, September 1957).

Lernens.136 Mehr oder weniger lassen sich diese Motive für eine Verlängerung der Freizeit bereits in den 1960er Jahren feststellen, wobei das »Lernen« an sich zwar schon in der Diskussion von 1962 von Freytag137 angesprochen wurde, ansonsten aber kaum Bedeutung hatte. Ein weiteres Motiv für die Zunahme der Freizeit liegt in der persönlichen Entfaltung  ; in ihr, so hieß es schon damals, erfolge die eigentliche Entwicklung persönlichen Lebens,138 während Entfaltung und Erfüllung in der eigentlichen Arbeit aufgrund der zunehmenden Technisierung kaum mehr möglich seien.139 Die Beschäftigung mit sinnvollen Freizeitaktivitäten geht einher mit der Verminderung der Arbeitszeiten140 und der somit vollzogenen Verlängerung der arbeitsfreien Zeit. Als wesentlich sahen es schon damals manche an, dass Anregungen zu einer sinnvollen Freizeitbeschäftigungen gegeben wurden. Dies erschien besonders wichtig, da hinsichtlich der Verkürzung von Arbeitszeiten Bedenken angeführt wurden, dass die »Mehrzahl der Menschen mit ihrer Freizeit nichts Sinnvolles«141 anfangen könnten. Die Frage der Sinnhaftigkeit von Freizeit bzw. Freizeitaktivitäten hatte bereits die Einführung der 45-Stunden-Woche aufgeworfen, befürchtete doch etwa Taus, dass sich der Mensch »immer mehr dem zerstörenden, sinnlosen und stumpfsinnigen Vergnügungsrummel der modernen Welt«142 ausliefere. Auch obige Abbildung beschäftigt sich mit dieser Frage. In der Bildunterschrift heißt es  : »Ich bin überzeugt, daß meine Arbeiter keiner Ahnung haben, was sie mit 136 Vgl. Seidel 1989  : 61f. 137 Vgl. Freytag 1962  : 235. 138 Reithofer 1960  : 273. 139 Vgl. Jacob 1951  : 15. 140 Mayer-Gunthof 1969  : 9. 141 Taus 1959  : 26. 142 Taus 1959  : 27.

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ihrer Freizeit anfangen sollen  !« Die Karikatur wurde im September 1957 in der Solidarität veröffentlicht und 1969 in Arbeit und Wirtschaft als Illustration von »Fragen der Arbeitszeitverkürzung – Ein Gespräch mit Präsident Benya« erneut verwendet. Die Abbildung und der zugehörige Text implizieren, dass nur Arbeitgeber sich in der Freizeit sinnvoll beschäftigen könnten. Angeln sei demnach eine solche Beschäftigung. Bereits in der Antike galt Angeln als Freizeitbeschäftigung der guten Gesellschaft.143 Für Österreich lässt sich feststellen, dass das Fischen eine relativ weit verbreitete Freizeitbeschäftigung144 und in allen Schichten der Bevölkerung gleichmäßig verbreitet ist.145 Laut einer ÖKF-Umfrage von 2000 bejahten 50 % die Frage, ob Fischen eine sinnvolle und gesunde Freizeitbeschäftigung sei.146 Letztlich obliegt es den Individuen selbst, wie sie ihre Freizeit gestalten und ob diese Freizeitaktivität sinnvoll ist oder nicht. Dennoch glaubten Ende der 1950er Jahre, Anfang der 1960er Jahre einige, dass die Gewerkschaften den Menschen bei der sinnvollen Freizeitgestaltung helfen müssten, da Arbeitszeitverkürzungen grundsätzliche Überlegungen zur Freizeitgestaltung bedingen würden.147 In der Ausstellung »Freizeit – gestern – heute – morgen« wurde festgestellt, dass es eine zunehmende Bereitschaft gebe, sich mit den Kulturfragen der Arbeiterschaft zu beschäftigen.148 Für die Auseinandersetzung mit kulturellen Einrichtungen sei jedoch ein größeres Ausmaß an Freizeit erforderlich.149 Für Kritiker eines Mehrs an Freizeit, also an arbeitsfreier Zeit, bedeutete dies »nicht zugleich schon ein Mehr an Gestaltungsfreiheit für den Einzelnen, sondern eher noch größere Leere, noch tödlichere Langeweile, noch weniger Sinn und Ziel.«150 Diese Vorstellung von einer Bedrohung der Arbeit, einhergehend mit dem Absinken der Arbeitsmoral,151 schwingt in einigen Aufsätzen unterschwellig mit. Burg zitiert in der Arbeit und Wirtschaft in seinem Artikel »Die Freizeit ist unser Unglück« den oberösterreichischen Schriftsteller Herbert Eisenreich, der von einem Zerfall der Gesellschaft in einen Arbeitsadel und ein Faulenzerproletariat sprach.152 Dieses vermeintliche Faulenzerproletariat wird in der nachstehenden Abbildung thematisiert.

143 Hüster Plogmann 2007  : 107f. 144 ÖKF 2000  : 13. 145 ÖKF 2000  : 17. 146 Vgl. ÖKF 2000  : 52f. 147 Sozialistische Jugend Oberösterreich 1980  : 28  ; Vgl. Olah, Franz  : Sten. Prot. IV. KÖGB 1959  : 274. 148 Vgl. Wessely, Josef  : Sten. Prot. V. KÖGB 1959  : 324. 149 Mayr 1962  : 264. 150 Hofbauer/Schüssel 1984  : 101. 151 Vgl. Bayer, Johanna  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 16.  Sitzung  : 1169. 152 Vgl. Burg 1963  : 11.

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Abb. 10  : »Kann man vom Nichtstun leben  ? « Quelle  : Mayer-Gunthof 1969  : 8 (Original in »Der Oberösterreichische Kaufmann« 1968).

Hier werden zwei Motive dargestellt. Einerseits lässt sich eine große Maschine erkennen, die mit »Ratatah« und »Zisch« zwei Laute von sich gibt. Sie symbolisiert den technischen Fortschritt. Vor der Maschine steht ein Lehnsessel, auf dem eine Person sitzt. Sie symbolisiert den Arbeiter. Dieser scheint vor sich hinzuträumen und sich zu entspannen. In der linken Hand hält der Arbeiter eine Zeitung. Auf dieser ist als Schlagzeile zu lesen  : »Wann kommt die 40 Stunden Woche  ?« Bereits in diesem Moment scheint der Arbeiter keiner »wirklichen« Tätigkeit nachzugehen. Besonders zynisch wirkt, dass der vor sich hinträumende Arbeiter sich vermutlich nach einer 40-Stunden-Woche sehnt, er aber gleichzeitig jetzt schon keiner »auffallenden« Tätigkeit nachgeht. Die Frage »Kann man vom Nichtstun leben  ?« scheint zu implizieren, dass bereits zum damaligen Zeitpunkt die Arbeiter im Rahmen der Arbeit nur wenig leisten mussten, da die Maschinen bereits alles übernahmen. In der Debatte in den Wirtschaftspolitischen Blättern 1962 war auch der Schwarzarbeit ein gewisser Raum gegeben worden. Außerhalb dieser Diskussionsebene scheint dem »Pfuschertum« in diesem Zeitraum jedoch kaum Bedeutung beigemessen worden zu sein. Vielmehr beschäftigte man sich mit der Frage, was der Mensch mit der zusätzlichen freien Zeit anfangen sollte. Dabei wurde die Gefahr gesehen, dass die Passivität der Menschen durch Bevormundung in dieser Angelegenheit zunehme und so die wahren Werte der Arbeitszeitverkürzung verloren gingen.153 Zeitgleich kamen durch die Vermehrung der Freizeit Befürchtungen auf, dass sich Österreich eher zu einem Freizeitparadies als zu einem dynamischen Industriestaat entwickle.154 Bereits 153 Vgl. H. Schwarz 1969  : 169. 154 Vgl. Festa 1969b  : 169.

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in den 1950er Jahren hatten manche das Gefühl, dass im Gegensatz zu einem Mehr an Freizeit allein die 48-Stunden-Woche Ruhe und Ordnung garantieren könne.155 5.3.2 Die Forderung nach der 40-Stunden-Woche In größerem Ausmaß wurde die 40-Stunden-Woche erstmals Mitte der 1950er Jahre diskutiert. Mannigfaltige Einwände gegen eine gesetzliche Regelung und die Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit in einem Ausmaß von acht Wochenstunden führten dazu, dass vorläufig »nur« die 45-Stunden-Woche per Generalkollektivvertrag eingeführt wurde. Die Forderungen nach einer generellen Einführung der 40-Stunden-Woche und der fixen Rückkehr zum Achtstundentag sollten jedoch nicht verstummen. Trotzdem lässt sich erkennen, dass die Arbeitszeitverkürzung zunächst kein Gegenstand größerer Auseinandersetzungen156 mehr war, wenngleich die gesetzliche Arbeitszeitverkürzung eine der Hauptforderungen der Gewerkschaft157 blieb, aber nur marginal bei den Diskussionsthemen vorkam. Der Wunsch nach einer gesetzlichen Arbeitszeitregelung wurde flankiert vom vermehrten Bedürfnis nach Freizeit und überdies vom Schutzgedanken, der sich vor allem auf den Schutz vor dem Raubbau am Körper des Erwerbstätigen bezog. Wenig Raum wurde jenen Berufsgruppen gewidmet, bei denen kaum Möglichkeiten einer Reduktion der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeiten gesehen wurden. Diese Berufe wurden vereinzelt als Berufe »zweiter« Kategorie bezeichnet.158 Einzig in der Arbeiter Zeitung wurde diese untergeordnete Problematik ausführlicher behandelt, und zwar im Rahmen einer begleitenden Kampagne zum Arbeitszeitvolksbegehren. In diesem Zusammenhang wurde die Landwirtschaft als Beispiel angeführt. Es wurde befürchtet, dass die Landflucht als Konsequenz von Arbeitszeitverkürzungen noch weiter ansteigen könnte.159 Darüber hinaus könnten in der Landwirtschaft Menschen naturgemäß nicht durch Maschinen ersetzt werden.160 Ferner wurden im Fremdenverkehr und im Dienstleistungssektor Probleme befürchtet.161 Ebenso war das Gastgewerbe der Meinung, die Arbeitszeitverkürzung aufgrund steigernder Personalkosten und somit einer Einschränkung der Dienstleistungen162 nicht durchführen zu können, wenngleich Anton Benya (ÖGB-Präsident,

155 Taus 1959  : 25. 156 Wüthrich 1987  : 222. 157 Hussl 1999  : 67. 158 Streissler 1962  : 255. 159 Vgl. Streissler 1962  : 255  ; Goldschmidt 1962  : 260. 160 Vgl. Wirtschaftspolitische Blätter 1962  : 264. 161 Vgl. Mitterer, Otto  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 135.  Sitzung  : 11445. 162 Vgl. Arbeiter Zeitung, 21. Februar 1969  : 4.

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Abb. 11  : Arbeitszeitregelung – Freizeit – Schutz Quelle  : Szecsi 1970  : 2.

SPÖ) anführte, dass bei gutem Willen und steigendem Fremdenverkehr eine Verkürzung der Arbeitszeit in dieser Branche aufgefangen werden könne.163 Neben den Berufen »zweiter« Kategorie lässt sich vielfach herausfiltern, dass den Argumenten der Diskutanten in Österreich zufolge bereits die 45-Stunden-Woche unterschritten wurde. Argumentativ wurden Durchrechnungszeiträume und durchschnittliche Arbeitszeiten bemüht. Für Altenburger war eine 40-Stunden-Woche bereits erreicht worden.164 Die SPÖ war sich sicher, dass im Durchschnitt schon kürzer als 45 Stunden pro Woche gearbeitet wurde.165 Präzisiert wurde diese Aussage im Nationalrat von Seiten der ÖVP, die Anfang 1969 eine durchschnittliche Arbeitszeit von 42½ Wochenstunden realisiert sah, während in einigen Unternehmungen diverser Branchen bereits die 40-Stunden-Woche verwirklicht sei.166 Als Beispiele für Betriebe mit der 40-Stunden-Woche, die diese bereits 1969 eingeführt hatten, nannte Staribacher Semperit, Eumig, Austria Tabakwerke AG, HEA und Wiener Verlag.167 Für zeitgenössische Beobachter schien der Diskurs stärker als früher auf die ökonomische Problematik ausgerichtet zu sein.168 Bereits 1955 war sich die Arbeit und Wirtschaft sicher gewesen, dass sich die Argumente gegen eine Arbeitszeitreduktion hinsichtlich eines Elf-, Zehn-, Neun- oder auch Achtstundentages glichen und deren Einführung erreicht werden könne, ohne dass irgendeine der verhängnisvollen

163 Vgl. Arbeiter Zeitung, 21. November 1968  : 4. 164 Vgl. Altenburger, Erwin  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 118.  Sitzung  : 9592. 165 Vgl. Ing. Häuser, Rudolf  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 118.  Sitzung  : 9696. 166 Scherrer, Josef  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 130.  Sitzung  : 11194. 167 Staribacher, Josef  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 130.  Sitzung  : 11199. 168 Birnbaumer 1969  : 132.

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Folgen, die von der Arbeitgeberseite ständig wiederholt würden, eintrete.169 Auf eine ähnliche Rhetorik griff die Arbeiter Zeitung 1968 zurück, als Manfred Scheuch Rudolf Sallinger (Präsident der gewerblichen Wirtschaft, ÖVP) riet, in den Erinnerungen der jüngsten Vergangenheit zu kramen, als die Unternehmer die Arbeitszeitverkürzung in gleicher Weise in düstersten Farben170 dargestellt hätten. Aus Sicht der Arbeiter Zeitung kam gerade von der Bundeswirtschaftskammer schärfster Widerstand171 gegen eine Einführung der 40-Stunden-Woche. Wirtschaftlich war der Zeitpunkt einer möglichen Verkürzung umstritten. Vor allem das konjunkturpolitische Argument, das auf den Konjunkturzyklus mit seinen Auf-, Abschwungs- und Hochphasen verwies, war nach Ansicht der Arbeitnehmervertretung mit den Argumenten der Arbeitgebervertretungen verbunden, insofern weder Wirtschaftswachstum, Preisstabilität noch die Einkommen gefährdet werden sollten.172 Folgte man den Argumenten der Arbeitgebervertretungen, so betonte die Arbeitnehmervertretung, sei es aber aus zweierlei Gründen gänzlich unmöglich, die Arbeitszeiten zu verkürzen  : 1. In Phasen des Aufschwungs und der Hochkonjunktur könne die Arbeitszeitverkürzung aufgrund des Arbeitskräftemangels und der Gefährdung jeglicher Wirtschaftsbelebung nicht durchgeführt werden.173 2. In Phasen des Abschwungs und einer allgemein schwächeren Konjunkturphase könne die Arbeitszeit nicht verkürzt werden, da die Unternehmen nicht zusätzlich belastet werden dürften bzw. die bereits geschwächte Wirtschaft völlig zusammenbrechen würde oder aber eine schleichende Inflation unterstützt würde.174 Ende der 1970er Jahre wird diese Argumentation um die beschäftigungspolitische Konsequenz ergänzt.175 Die ÖVP verschloss sich diesen Argumentationsketten nicht, wie ein Zwischenruf Mussils im Parlament unterstreicht. Dieser hatte die Rede von Josef Staribacher (SPÖ) nach dessen Hinweis auf eine rasante Aufwärtsentwicklung der Wirtschaft unterbrochen und gerufen  : »Sie verhindern sie doch durch die Arbeitszeitverkür169 Arbeit und Wirtschaft 1955  : 105  ; Proksch 1958  : 356f.; Knapp 1969  : 163. 170 Vgl. Arbeiter Zeitung, 11. Oktober 1968  : 2. 171 Arbeiter Zeitung, 10. Oktober 1968  : 4. 172 Supper 1969  : 160. 173 Vgl. Knapp 1955a  : 19  ; Wiener Zeitung, 8. Oktober 1968  : 2  ; Arbeiter Zeitung, 11. Oktober 1968  : 2  ; Arbeit und Wirtschaft 1969  : 2  ; Wiener Zeitung, 8. Februar 1969  : 2  ; Ing. Häuser, Rudolf  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 16.  Sitzung  : 1234  ; Ing. Häuser, Rudolf  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 118.  Sitzung  : 9697f.; Benya 1969  : 10  ; Rednerdienst des ÖGB 1969a  : 13f. 174 Vgl. Streissler 1962  : 256  ; Arbeiter Zeitung, 11. Oktober 1968  : 2  ; Arbeit und Wirtschaft 1969  : 2  ; Benya 1969  : 10  ; Rednerdienst des ÖGB 1969a  : 13f. 175 Vgl. Supper 1979  : 76.

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zung  !«176, worauf Staribacher entgegnete, »daß die wirtschaftlichen Auswirkungen so sein werden wie bei der ersten Arbeitszeitverkürzung, die der Gewerkschaftsbund auch hat durchsetzen müssen.«177 Im Konjunkturkreislauf bieten sich, wenn keine Gefährdung der genannten Ziele bewirkt werden soll, nur zwei Möglichkeiten, Arbeitszeitverkürzungen durchzuführen  : Die Verminderung der Arbeitszeit kann nur knapp nach dem oder eventuell kurz vor dem unteren Konjunkturwendepunkt durchgeführt werden.178 Die Periodizität des Auf- und Abschwungs der Konjunktur führt zu einer stetigen Vertröstung der Arbeitnehmer mit ihrer Forderung nach Arbeitszeitverkürzungen auf einen späteren Zeitpunkt, wie die Arbeitnehmervertretung immer wieder anmerkte – im Grunde auf den Sankt-Nimmerleins-Tag, wie Scheuch anmerkte.179 Gänzlich neu waren diese Argumentationsschemata nicht. Denn bereits Mitte der 1950er Jahre hatte Proksch sie bemüht, um auf die Durchführbarkeit einer Arbeitszeitverkürzung zu verweisen.180 1962 kam es zu einem konjunkturellen Abschwung bei gleichzeitig einsetzender schleichender bzw. beschleunigter Inflation. 1966 folgte mit der Alleinregierung der ÖVP eine inhaltliche Neuorientierung der Wirtschaftspolitik. Zeitgleich trat 1966/67 eine erneute Konjunkturschwäche auf, die mit einer sinkenden Beschäftigtenzahl – die Arbeitslosenrate schwankte um 2,5 %181 – verbunden war. Auf sie reagierte der Staat mit einer antizyklischen Konjunkturpolitik. Allerdings wurde bereits Ende der 1960er Jahre erneut ein Arbeitskräftemangel als dringliches Problem angesehen, auch wenn er bereits wieder in eine Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs fiel, da die Konjunkturschwäche nur von kurzer Dauer gewesen war. Aus Sicht der Unternehmen und deren Interessenvertretung sprachen der Arbeitskräftemangel und das konjunkturpolitische Argument gegen eine weitere Herabsetzung der Arbeitszeit. Für die ÖVP wiederum war klar, dass die Vollbeschäftigung dank der konsequenten Wirtschaftspolitik ihrer Regierung gesichert und infolgedessen eine Arbeitszeitverkürzung unzeitgemäß sei.182 Eine solche würde in Kombination mit dem Arbeitskräftemangel zu einem Ausfall von 98 Mio. Arbeitsstunden führen, die nicht durch Neueinstellungen kompensiert werden könnten.183 Um diese Argumente zu entkräften, wurde entgegengehalten,184 dass alle Menschen in den Produktionsprozess eingegliedert werden könnten, wodurch Nachfrage und Kaufkraft 176 Mussil, Arthur  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 123.  Sitzung  : 10400. 177 Staribacher, Josef  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 123.  Sitzung  : 10401. 178 Supper 1969  : 160. 179 Arbeiter Zeitung, 11. Oktober 1968  : 2. 180 Vgl. Proksch 1957  : 148. 181 Butschek 1985  : 136. 182 Mussil, Arthur  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 128.  Sitzung  : 10950. 183 Vgl. Goldschmidt 1962  : 257. 184 Vgl. Ing. Häuser, Rudolf  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 118.  Sitzung  : 9698.

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steigen würden. Grundsätzlich versuchte der österreichische Staat mit Hilfe der Sozialpartnerschaft, hierin dem Beispiel anderer europäischer Länder folgend,185 neben der Eingliederung aller Menschen in den Produktionsprozess den Arbeitskräftemangel mittels der Zulassung von Gastarbeitern aufzufangen. Als weitere Schlagworte gegen eine Arbeitszeitverkürzung dienten die Gefährdung der Preisniveaustabilität, des Wirtschaftswachstums und der Höhe des Realeinkommens sowie die Erhöhung von Produktions- und Arbeitskosten, aber auch der höhere Produktionsausfall.186 Im Herbst 1968 folge der Startschuss zu einer größeren Diskussion. Zu diesem Zeitpunkt stieg die Inflation, und die Preisstabilität wurde zu einem internationalen Problem. Ausgangspunkt der europäischen Inflationsentwicklung waren die Inflationsspirale in den USA sowie der Zusammenbruch des »Bretton-Woods-Systems«. Dies führte zu währungspolitischen Entscheidungen in der Frage nach einer Auf- oder Abwertung des Schillings. Hauptkanäle der Inflationsübertragung waren die Auswirkung von Nachfrage und Einkommen in anderen Ländern, die Kostenund Preiseffekte, die monetäre Auswirkung der Zahlungsbilanzüberschüsse auf die Haushaltsliquidität und folglich indirekt auf die Haushaltsausgaben und Preise sowie schließlich psychologische Effekte.187 Ab Mitte der 1960er Jahre zeigte sich in Österreich zudem der Übergang von der Kosten- zur Nachfrageinflation. Trotz der für die 1960er Jahre typischen regelmäßigen Schwankungen der Inflationsrate am Ende jeder Hochkonjunktur188 mehrten sich die Zeichen, dass die Preisniveaustabilität nur noch mit Mühen auf dem gewünschten Niveau gehalten werden konnte. Die Arbeitgeber verwiesen daher auf steigende Produktionskosten. Um einem Absinken der Produktionsergebnisse vorzubeugen, gab es im Grunde vier Möglichkeiten  : Erhöhung der Arbeitsintensität, Verbesserung der Organisation, Rationalisierungsinvestitionen sowie Erhöhung des Arbeitsvolumens mittels neuer Arbeitskräfte und Überstunden.189 Ein gewisser Druck zur Verstärkung der Rationalisierungsanstrengungen war jedoch gewünscht.190 Je nach Betrieb waren die zu ergreifenden und die zu erwartenden Maßnahmen unterschiedlich, wobei die von vielen als besonders wichtig angesehene Rationalisierung nicht von allen als durchführbar angesehen wurde. Mussil etwa sah den Anpassungsprozess durch Rationalisierungsinvestitionen weder im sekundären noch im tertiären Sektor der Wirtschaft gegeben.191 Den 185 H. Fassmann/Münz/W. Seifert 1997  : 734. 186 Vgl. Supper 1969  : 155f.; Lamel 1969  : 143  ; Festa 1969b  : 170  ; Szecsi 1969b  : 14  ; Melter, Werner  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 162.  Sitzung  : 13864f.; Melter, Werner  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 167.  Sitzung  : 14262 und 14292. 187 Vgl. OECD 1971  : 31. 188 Hofbauer/Raidl 1973  : 15. 189 Vgl. Festa 1969b  : 170  ; Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 65. 190 Arbeiter Zeitung, 11. Oktober 1968  : 2. 191 Vgl. Mussil, Arthur  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 128.  Sitzung  : 10950.

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Bereich der Landwirtschaft klammerte er vollständig aus. Im Rückblick zeigt sich indes, dass jede Arbeitszeitverkürzung mit einer weitreichenden Intensivierung und Rationalisierung von Arbeit192 verbunden und kompensiert worden ist. Den Grundzusammenhang mit der Freizeit stellt das gesundheitspolitische Argument der Arbeitszeitverkürzung in Verbindung mit der Steigerung der Lebensqualität und dem Mehr an Zeit für die Familie dar. So wurde versucht, lindernd auf das Arbeitsleid der Arbeitnehmer, welches durch die Arbeitsverhältnisse begründet ist,193 einzuwirken. Die Arbeitszeitpolitik als solche war seit dem erstmaligen Aufkommen von Diskussionen zur Verkürzung der Arbeitszeit mit dem Arbeitsleid durch das Ziel verbunden, Not und Verelendung angesichts der totalen Vereinnahmung der Arbeitnehmer aufzuheben oder abzuwenden.194 Gleichzeitig sollte die gesamte Gesellschaft durch sie human und demokratisch gestaltet werden.195 Dieser humanistische Diskursaspekt wurde immer wieder betont, so u. a. im Nationalrat durch Herbert Kohlmaier (ÖVP).196 Das Leben spielt sich einerseits während der Arbeitszeit, andererseits außerhalb derselben ab. Deshalb gewann die Freizeit als Teil des sozialen Fortschritts an Bedeutung. Darüber hinaus sollte, wie Benya betonte, die Arbeitszeitverkürzung den weiblichen Arbeitnehmern eine leichtere Bewältigung ihrer familiären Aufgaben ermöglichen.197 Implizit wurde damit zugegeben, dass männliche Arbeiternehmer weniger häuslichen Aufgaben nachgingen. Erwähnt wurde in der Arbeiter Zeitung, dass besonders Hausfrauen, aber auch Berufspendler198 von einer Arbeitszeitverkürzung profitieren würden. Wichtiger wurde in Österreich auch jene Zeit, die mit der Familie verbracht wird.199 Diese war in Deutschland schon in den 1950er Jahren mit dem Slogan »Samstags gehört Vati mir« im Zusammenhang mit der Einführung der Fünf-Tage-­ Woche verstärkt in den Blickpunkt gerückt. Rund um das Arbeitszeitvolksbegehren wurde in der Arbeiter Zeitung zu diesem Thema Stellung bezogen. So erschien u. a.

192 Jürgens 2007  : 168. 193 Plaschg 2008  : 106. 194 Rinderspacher 2000  : 64. 195 Plaschg 2008  : 108. 196 Vgl. Kohlmaier, Herbert  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 167.  Sitzung  : 14282. 197 Arbeiter Zeitung, 28. September 1968  : 4. 198 Vgl. Arbeiter Zeitung, 3. Mai 1969  : 7. 199 Als »Familie« wird in der Soziologie zumeist die Kernfamilie verstanden, die sich durch die Herauslösung der Erwerbsarbeit entwickelte und die aus Mutter, Vater und den noch nicht erwachsenen Kindern bestand. Der Begriff »Familie« ist aufgrund der historischen Familienforschung variabel definierbar. Ihm liegen diverse Definitionen zugrunde, und ab den 1960er lässt sich eine bis dato unbekannte Vielfalt an Familienformen nachweisen. Vgl. Bölsker-Schlicht 2004  : 35ff.; Ritzenfeldt 1998  : 22  ; Nave-Herz 2004  : 29ff.; Jürgens 2009  : 126f.

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der Artikel »Mehr Zeit für die Familie«.200 Hier rückte die Bedeutung der »Zeit« als eine der Schlüsseldimensionen, nach denen Familien ihr Leben organisieren,201 ins Zentrum.202 Wesentlich sind die diversen Funktionen der Familie. Zu den bedeutendsten zählen die Reproduktions-, die Sozialisations-, die Platzierungs-, die Spannungsausgleichs- und die Freizeitfunktion.203 Die gemeinsame Freizeitgestaltung und somit die Wahrung des Zusammenhalts der Familie trägt im Sinne der Spannungsausgleichsfunktion zur Kräfteerneuerung der einzelnen Familienmitglieder bei.204 Die Bedeutung der Familienzeit und der Freizeit hebt der 48-jährige Rudolf Riha in dem oben angeführten Artikel hervor  : Es wird endlich Zeit, daß die Arbeitszeit gesetzlich verkürzt wird. Nicht nur auf 45 Stunden, sondern womöglich auf 40 Stunden. Ich bin Chauffeur und habe vier Kinder, und wer eine größere Familie hat, der weiß sehr genau, was es daheim alles zu tun gibt und wie wertvoll jede neue gewonnene Freizeitstunde ist. Außerdem will doch jeder, der heute hart arbeiten muß, auch irgendein Hobby haben […].205

Dieses Sich-der-Familie-Widmen wird in seiner Relevanz durch ein weiteres Statement in diesem Artikel deutlich. Eine Hausfrau, verheiratet mit einem Polier, betont  : »Er ist durch seinen Beruf bedingt ohnedies oft nicht zu Hause. Bei einer kürzeren Arbeitszeit wird mein Mann auch mehr Zeit für uns finden.«206 200 Obwohl die durchschnittliche Familiengröße in den letzten Jahrzehnten gesunken ist, ist gleichzeitig die Zeit, die für die Familienpflichten aufgewendet wird, nicht im selben Ausmaß weniger geworden. Daly führt dafür zwei Ursachen an  : erstens den erhöhten Standard des Hausputzes bzw. der Hausreinigung, zweitens das zunehmende Maß an Professionalisierung der Kinderbetreuung. Die Bedeutung des Bedarfs von »Mehr Zeit für Familie« hat daher nach den von Daly angeführten Gründen sowohl für die Vergangenheit als auch für die Gegenwart Gültigkeit. Vgl. Daly 2001  : 3. 201 Vgl. Tammelin 2009  : 16. 202 Arbeiter Zeitung, 10. Mai 1969  : 5. 203 Vgl. Nave-Herz 2004  : 79ff. Jürgens kritisiert an diesen Funktionen der Familie, dass der Strukturzusammenhang von Familie und Ökonomie ausgeblendet bleibe, wenn Freizeit als Funktion der Familie charakterisiert werde. Dies führe dazu, dass die Herstellung von Freizeit zur Reproduktionsfunktion gezählt werden müsse. Darüber hinaus folgert Jürgens, dass gemeinsame Sozialzeit und individuelle, nicht erwerbsgebundene Freizeit nur dann toleriert würden, wenn sie der Reproduktion der Arbeitskraft bzw. der Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung in jener Form dienten, die sich aus dem gewerkschaftlichen Arbeitskampf historisch herausgebildet habe. Fernerhin seien gemeinsame Freizeitgestaltung und der Spannungsausgleich nicht als eigenständige Funktionen der Familie verankert, sondern müssten eher als Elemente der Reproduktionsfunktion betrachtet werden. Vgl. Jürgens 2009  : 125. 204 Ritzenfeldt 1998  : 24. 205 Arbeiter Zeitung, 10. Mai 1969  : 5. 206 Arbeiter Zeitung, 10. Mai 1969  : 5.

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Ebenso sah Herta Firnberg207 (SPÖ) in der Arbeitszeitverkürzung eine Chance, dass Väter ihren Familien mehr Zeit widmeten.208 In diesem Zusammenhang ist auch die Argumentation zu sehen, dass die Berufspendler von kürzeren Arbeitszeiten besonders profitieren würden. Die Bedeutung der Verkürzung für die Familienzeit hatte insofern zugenommen, auch wenn die Betonung der Familie in der Frage der Arbeitszeitreduktion noch nicht denselben Stellenwert besaß wie in späteren Diskussionen. Ambivalent waren die Verkürzungsforderungen, wenn sie mit der Position der Frauen verknüpft wurden. Eine Arbeitszeitreduktion sollte den Frauen folgende Vorteile bringen  : 1. Weniger Arbeitszeit im Beruf bedeute ein Mehr an Zeit für Familie sowie für die Einnahme der Mutterrolle, aber auch ein Mehr an Zeit für den Haushalt. 2. Die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit werde durch ein Mehr an Freizeit gestärkt. 3. Mehr Freizeit bedeute eine größere Möglichkeit der Weiterbildung, im Speziellen bei jungen Frauen.209 Die Arbeitszeitverkürzung sollte damit zur Linderung der Doppelbelastung führen. Ambivalent war aber der erste Punkt. So wurde einerseits damit argumentiert, die erwerbstätigen Frauen bekämen durch eine Arbeitszeitverkürzung mehr Zeit für die Familie. Andererseits wurde dieses Mehr an Zeit mit einem Mehr an Hausarbeit gleichgesetzt. Eine vergleichbare Argumentation, dass Männer diese Arbeitszeitverkürzung durch eine aktivere Mitarbeit bei den häuslichen Tätigkeiten nützen sollten, findet sich nicht.210 Gleichzeitig kam für Frauen die Thematik der Teilzeitarbeit auf, die als dritter Weg zwischen den Alternativen Vollzeiterwerbstätigkeit, Familie oder Doppelbelastung Beruf und Familie angesehen werden kann.211 Dem lag der Arbeitskräftemangel Ende der 1960er Jahre zugrunde, zumal die Frauenerwerbstätigkeit aufgrund steigender Geburtenzahlen in den 1960er Jahren rückläufig war.212 Diesem rückläufigen Trend suchte man mit der Etablierung der Teilzeitarbeit und einer aktiven Arbeits207 Hertha Firnberg, SPÖ-Nationalratsabgeordnete und spätere Ministerin in der SPÖ-Alleinregierung. 208 Arbeiter Zeitung, 6. Mai 1969  : 2. 209 Vgl. Arbeiter Zeitung, 28. September 1968  : 4  ; Wiener Zeitung, 23. Jänner 1969  : 2  ; Arbeiter Zeitung, 23. Jänner 1969  : 2  ; Arbeiter Zeitung, 6. Mai 1969  : 2  ; Kreisky 1969  : 1  ; Wondrack 1969  : 12  ; Metzker, Maria  : Sten. Prot. 7. KÖGB 1971  : 70. 210 Zumindest in den von mir ausgewerteten Quellen lässt sich eine solche Argumentationslinie für den Zeitraum Ende der 1960er Jahre im Rahmen der Diskussionen um die Einführung der 40-Stunden-Woche nicht nachweisen. 211 Vgl. Auth 2002  : 27. 212 Vgl. H. Fassmann/Münz/W. Seifert 1997  : 734.

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marktpolitik durch die Gewinnung »inaktiver« Teile der Bevölkerung – insbesondere Frauen213 – entgegenzuwirken. Eine solche Arbeitsmarktpolitik der Einbindung lässt sich für das Wirtschaftsprogramm der SPÖ nachweisen, das die Erleichterung der Eingliederung der Frauen mit Familienpflichten in den Arbeitsmarkt forderte.214 Ferner wurde der Arbeitszeitreduktion, die im Interesse des Gemeinwohls in einem eher langfristigen Wirtschafts- und Sozialkonzept215 verwirklicht werden sollte, Aufmerksamkeit geschenkt, um die Lebensqualität der arbeitenden Bevölkerung anzuheben. Diese Lebensqualität sollte über Arbeitszeitverkürzung zu einer besseren Gesundheit, vermindertem Stress und mehr Freizeit führen.216 Vor allem die Anforderungen im Beruf mit einer gestiegenen nervlichen Belastung und einer damit verbundenen Intensivierung der Arbeit sowie einer Zunahme des Arbeitstempos217 gerieten dabei in den Blickpunkt. Hierbei wurde die Arbeitsmedizin218 bemüht, um die Arbeitszeitverkürzung zu rechtfertigen. Innerhalb dieses Argumentationsschemas wurde gleichfalls erwähnt, dass die Arbeitsleistungen am Ende des Arbeitstages schwächer seien als an dessen Höhepunkt.219 Darüber hinaus sollte es durch die Arbeitszeitdezimierung zu einer Rückkehr zur gewünschten Dreiteilung des Arbeitstages in je acht Stunden Arbeit, Freizeit und Schlaf kommen, wodurch der tägliche Erholungszeitraum wieder ein sinnvolles Ausmaß annehmen würde.220 Gleichzeitig würde sich bei der Verteilung der Arbeitszeit im Ausmaß von 40 Wochenstunden auf fünf Arbeitstage ein Erholungswochenende ergeben. Dieses Erholungswochenende würde zwei Tage Erholung bieten, was die Arbeiter Zeitung als »echte Erholung« ansah.221 Die richtige Erholung für die Arbeitnehmer war hingegen aus Sicht der FPÖ durch eine zweckmäßigere Urlaubsverlängerung und eine Zweiteilung des Urlaubs auf Sommer- und Winterzeit222 erreichbar. Die Sicherung bzw. Erhöhung des Lebensstandards mittels einer Arbeitszeitverkürzung zweifelte die Arbeitgeberseite indes an. Der Wunsch nach einem besseren Leben und einer Arbeitszeitverkürzung war aus deren Sicht nicht erfüllbar, beson-

213 Tálos/Fink 2008  : 236. 214 Arbeiter Zeitung, 25. April 1969  : 3. 215 Vgl. Klose 1962a  : 225. 216 Vgl. Hussl 1999  : 67  ; Rothschild 1978  : 243. 217 Vgl. Arbeiter Zeitung, 11. Oktober 1968  : 2  ; Arbeiter Zeitung, 7. Februar 1969  : 4  ; Arbeiter Zeitung, 1. März 1969  : 4  ; Arbeiter Zeitung, 3. Mai 1969  : 7  ; Arbeiter Zeitung, 4. Mai 1969  : 2  ; Kreisky 1969  : 1  ; Hussl 1999  : 67. 218 Arbeiter Zeitung, 3. Mai 1969  : 7. 219 Arbeiter Zeitung, 11. Oktober 1968  : 2. 220 Arbeiter Zeitung, 3. Mai 1969  : 7. 221 Vgl. Arbeiter Zeitung, 10. Mai 1969  : 5. 222 Melter, Werner  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 118.  Sitzung  : 9604  ; Melter, Werner  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 162.  Sitzung  : 13866.

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ders da sich ihnen zufolge die Sachlage aus dem gesamtwirtschaftlichen Konzept heraus auf die offene Frage »Weniger arbeiten oder höherer Lebensstandard  ?«223 zuspitzen ließ. Generell wurde jedoch Arbeitszeitverkürzung als Teil der Bestrebungen zur Humanisierung der Arbeitswelt verstanden.224 In der ersten Phase waren die Arbeitszeitgesetzgebung und die Umsetzung eines neuen, »modernen« österreichischen Arbeitszeitgesetzes Dauerthemen gewesen. In den 1960er Jahren trat die Forderung nach einer gesetzlichen Verankerung der Arbeitszeitregelung nicht im selben Ausmaß auf wie in der vorangegangenen Periode. Zwar gab es Mitte der 1960er Jahre durch einen Initiativantrag der SPÖ zur Regelung der Arbeitszeit und der Arbeitsruhe im Nationalrat einen weiteren Versuch, aber bis Ende der 1960er Jahre wurde dieser Thematik kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Trotzdem herrschte, auch in Teilen der ÖVP,225 die Meinung vor, dass eine baldige Verwirklichung bevorstand, da 1966 ein diesbezüglicher Initiativantrag im Nationalrat eingebracht worden war. Karl Kummer (ÖVP) führte zwei Hauptgründe gegen eine gesetzliche Regelung der Arbeitszeit an  : die Inflexibilität des Gesetzeskodex sowie die stufenweise Absenkung der wöchentlichen Normalarbeitszeit. Mit der erneuten Zunahme der Bedeutung einer gesetzlichen Arbeitszeitregelung im Umkreis der sich abzeichnenden Beiratsstudie zur Arbeitszeitverkürzung verhärteten sich Ende 1968 die Fronten der Auseinandersetzung wieder. Dies lässt sich gut an folgendem Statement von Altenburger festmachen  : Das Sozialministerium wird kein Gesetz schaffen, das Ihnen die Verantwortung abnimmt, sondern das Sozialministerium wird die legislativen Unterlagen zusammensuchen, es wird das Material zusammenstellen […], es wird die Frage prüfen und wird mithelfen. Aber Sie [SPÖ] werden es nicht so durchführen können, daß Sie die Forderungen stellen und daß die Auswirkungen das Sozialministerium tragen soll, damit Sie dann die Schönen sind, die es verlangt haben, und die anderen die Schlimmen, weil sie die Folgen zu tragen haben. Daher wird das Sozialministerium nicht mehr tun als das, wozu es gesetzmäßig zuständig ist. Die Sozialpartner werden die Aufgabe haben, die Voraussetzungen für eine Arbeitszeitverkürzung in Etappen oder in einer ähnlichen Form, die für die Wirtschaft durchsetzbar und möglich ist, zu schaffen.226

Die Überprüfung der Materialien übernahm dann aber der Beirat für Wirtschaftsund Sozialfragen und nicht das Sozialministerium unter Margarete Rehor. Für die 223 Vgl. Mayer-Gunthof 1969  : 8  ; Arbeiter Zeitung, 17. Oktober 1968  : 4  ; Benya 1969  : 11. 224 Hussl 1999  : 67. 225 Vgl. Kummer, Karl  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 34.  Sitzung  : 2583. 226 Altenburger, Erwin  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 118.  Sitzung  : 9593.

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SPÖ-Abgeordneten war allerdings klar, dass 1969 zumindest kollektivvertraglich eine Arbeitszeitverkürzung ausverhandelt werden würde.227 Der ÖGB befürwortete einen Generalkollektivvertrag, wobei eine spätere Legalisierung der so erreichten 40-stündigen Arbeitszeitnorm vorgesehen war.228 Am 23. Jänner 1969 führte Häuser im Parlament an, an diesem Tag, dem Tag der Lancierung des Arbeitszeitvolksbegehrens der SPÖ, sei in Erfahrung gebracht worden, dass bereits an einem Arbeitszeitgesetz gearbeitet werde.229 Dies stützt zwar die Hinweise auf einen Ministerialentwurf des Sozialministeriums unter Rehor, doch bei der Verwirklichung dürfte das damalige Sozialministerium im Abseits gestanden haben.230 Der Entwurf von 1958 hatte eine Reduktion von 48 auf 40 Wochenstunden bis Jänner 1963 vorgesehen. Im Zuge dieses Ministerialentwurfes sah Franz Honner (KPÖ) es als Pflicht der ÖGB-Funktionäre an, die schrittweise Einführung der gesetzlichen 40-Stunden-Woche gegen den Widerstand der Unternehmer durchzusetzen.231 Die Frage, wie und in welchem Ausmaß eine weitere Etappe der Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit vollzogen werden sollte, findet sich durchgehend in den Diskussionen der 1960er Jahre. Eine Beantwortung fiel den Akteuren der Arbeitszeitpolitik schwer. So wurde immer wieder die Rücksichtnahme auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten und die internationale Entwicklung eingefordert.232 Ein konkreter Vorschlag führte bereits beim Ministerialentwurf 1958 zu Gegenbemerkungen, dass Arbeitszeitdezimierungen nicht im Voraus planbar seien. Dennoch war für August Marscher (Gewerkschaft Metall- und Bergarbeiter) auf dem 6. KÖGB (1967) offensichtlich, dass eine solche Terminierung nötig sei, da ansonsten der Widerstand der Unternehmer nicht in dem gewünschten Ausmaß beseitigt werden könne.233 Weiters glaubte Marscher an die Durchsetzung eines Verkürzungsplans, der binnen zwei Jahren die 40-Stunden-Woche vorsah.234 1968 kam es zu einem Radiointerview mit Benya, in dem dieser eine schrittweise Herabsetzung der Arbeitszeitverkürzung als dringlichste sozialpolitische Forderung bezeichnete.235 Benya sprach davon, dass die Arbeitszeitverkürzung binnen drei Jah227 Ing. Häuser, Rudolf  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 122.  Sitzung  : 10276. 228 Vgl. Arbeiter Zeitung, 8. Jänner 1969  : 2  ; Mesch/Schwarz/Stemberger 1987  : 34. 229 Ing. Häuser, Rudolf  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 130.  Sitzung  : 11209. 230 Vgl. Kittel 1996  : 232. 231 Honner, Franz  : Sten. Prot. NR, VIII. GP, 72.  Sitzung  : 3412. 232 Vgl. Klenner 1962  : 262  ; Altenburger, Erwin  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 18.  Sitzung  : 1458  ; Benya, Anton  : Sten. Prot. 6. KÖGB 1967  : 387  ; Rednerdienst des ÖGB 1959  : 1. 233 Marscher, August  : Sten. Prot. 6. KÖGB 1967  : 279. 234 Marscher, August  : Sten. Prot. 6. KÖGB 1967  : 280. 235 Weissel 1976  : 10.

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ren zur 40-Stunden-Woche führen solle.236 Unterstützung fand dies generell bei der SPÖ wie auch beim Bundesfrauenausschuss,237 nicht aber bei der ÖVP.238 Der Bundesfrauenausschuss befürwortete den Etappenplan aufgrund der Entlastung der Frauen hinsichtlich Beruf und Haushalt sowie aus gesundheitspolitischen Gründen.239 Aber auch die Handelsangestellten unterstützten die Forderung und konkretisierten sie mit der Einführung der 43-Stunden-Woche im Herbst 1968.240 Fernerhin wurde in der Arbeiter Zeitung241 schließlich auf Unternehmer hingewiesen, die einer schrittweisen Reduktion positiv gegenüberstünden. Einen konkreten Etappenplan sahen in der Debatte nur der vorangegangene Initiativantrag und das spätere Arbeitszeitvolksbegehren vor. Die Frage nach dem »Wann« blieb daher in der Diskussion bis auf das Gefühl, dass zu einem ungefähren, unmittelbar in der Zukunft liegenden Zeitpunkt die 40-Stunden-Woche erreicht werden könne, zunächst ausgeklammert. Über die Frage nach dem »Wie« bestand dahingehend Einigkeit, dass die Arbeitszeitverkürzung, wenn überhaupt, etappenweise zu erfolgen habe. In kleinen Schritten würde sie auch nicht der Produktivität sowie dem Lohn- und Preisniveau schaden.242 Gänzlich gegen eine schrittweise Arbeitszeitverkürzung schien nur die FPÖ zu sein, die Kollektivverträge bzw. innerbetriebliche Vereinbarungen präferierte.243 Wie zuvor wurde im Herbst 1968 die Abhängigkeit vom Ausland betont. Karl Marberger (ÖVP) sah die österreichische Fremdenverkehrswirtschaft durch die Arbeitszeitverkürzung gefährdet, was er der SPÖ vor Augen zu führen suchte.244 Betonte er dabei den Exportcharakter der Fremdenverkehrsbetriebe, so sahen andere in einer Arbeitszeitverkürzung die Gefahr einer Benachteiligung der österreichischen Produkte gegenüber ausländischen Produkten durch Kostenverteuerungen,245 was zu einer Verdrängung der österreichischen Produkte vom Markt und damit zu einer Steigerung der Importe führen könnte. Grundsätzlich sah Festa allerdings die internationale Konkurrenzfähigkeit nicht unmittelbar durch eine Arbeitszeitverkürzung als gefährdet an, sofern die durch die Arbeitszeitverkürzung entstehenden Kostenbelastungen bei Lohnerhöhungen246 Berücksichtigung finden würden. 236 Weissel 1976  : 10. 237 Murowatz, Lola  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 118.  Sitzung  : 9595. 238 Vgl. Ing. Häuser, Rudolf  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 118.  Sitzung  : 9695. 239 Vgl. Murowatz, Lola  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 118.  Sitzung  : 9595. 240 Arbeiter Zeitung, 20. Oktober 1968  : 4. 241 Vgl. Arbeiter Zeitung, 19. Februar 1969  : 4. 242 Taus 1959  : 28. 243 Vgl. Melter, Werner  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 167.  Sitzung  : 14259. 244 Vgl. Marberger, Karl  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 123.  Sitzung  : 10387. 245 Vgl. Festa 1969a  : 139. 246 Festa 1969a  : 142.

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Die Karawane zieht weiter. Ziel  : 40-Stunden-Woche  !

Trotz der Befürchtungen, mit der Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit die österreichische Wirtschaft im internationalen Kontext zu schwächen, stärkte die internationale Entwicklung die Forderung nach einer Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit. Die Gewerkschaftsvertretung sprach die internationale sozialpolitische Entwicklung247 an, um die 40-Stunden-Woche sowie das Arbeitszeitgesetz zu erreichen. Aus Sicht der Arbeiter Zeitung hatte die Bundeswirtschaftskammer im Herbst 1968 die Arbeitszeitdezimierung im Prinzip deshalb nicht abgelehnt, weil sie sich schlecht gegen einen weltweiten Trend stellen könne.248 Generell verwies die Arbeiter Zeitung in mehreren Artikeln 1968/69249 darauf, dass die Forderung nach einer Einführung der 40-Stunden-Woche in Österreich im Grunde nur der internationalen Entwicklung folge. Dieser Frage wandte sich letztlich auch der Beiratsbericht von 1969 zu. 5.3.3 Europäischer Trend zur Verankerung der 40-Stunden-Woche Die Diskussion um die Arbeitszeitreduzierung kreiste immer wieder um den internationalen Zusammenhang. Gegner einer Arbeitszeitverkürzung sprachen von der Gefährdung der österreichischen Wirtschaft, was einen Alleingang Österreichs oder ein Vorpreschen in ihren Augen unmöglich machte. Befürworter verwiesen demgegenüber auf einen anhaltenden, vor allem europäischen Trend, der unweigerlich zur Einführung der 40-Stunden-Woche führe. Um die Auswirkungen besser abwägen zu können, ging der Bericht des Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen mit dem Titel »Untersuchung über die Probleme der Arbeitszeitverkürzung« von 1969 auch der internationalen Entwicklung der Arbeitszeit nach. Die Schwierigkeiten bei der Erfassung einer europäischen Arbeitszeitentwicklung250 liegen in den unterschiedlichen Dynamiken, die sich in den einzelnen europäischen Ländern entwickelten. Die Hindernisse liegen in den unterschiedlichen Staatsformen, Steuerungsmechanismen, spezifischen institutionellen Strukturen, wirtschaftlichen

247 Arbeiter Zeitung, 25. September 1968  : 4. 248 Arbeiter Zeitung, 11. Oktober 1968  : 2. 249 Vgl. Arbeiter Zeitung, 11. Oktober 1968  : 2  ; Arbeiter Zeitung, 8. Februar 1969  : 3  ; Arbeiter Zeitung, 27. Februar 1969  : 1  ; Arbeiter Zeitung, 23. April 1969  : 4  ; Arbeiter Zeitung, 3. Mai 1969  : 2  ; Arbeiter Zeitung, 3. Mai 1969  : 7  ; Arbeiter Zeitung, 4. Mai 1969  : 2. 250 Hier wird sozusagen davon ausgegangen, dass der Begriff »Zeit« universal ist. Mit Gabbani-Hedman bedeutet diese Universalität, dass »Zeit« damit international mess- und vergleichbar wird. Für Vergleiche der Arbeitszeitentwicklung in Europa oder generell im »Westen« sind derartige Vergleiche weniger problematisch als außerhalb, wenn Betrachtungen des »Westens« schablonenhaft auf außereuropäische Gesellschaften übertragen werden, wie dies Gabbani-Hedmans für Japan nachweist. Vgl. Gabbani-Hedman 2006  : 11f.

Aspekte der Arbeitszeitdiskussion in den 1960er Jahren

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Bedingungen sowie nationalen Traditionen.251 Diese führen sicherlich zu Reibungspunkten, wenn der europäischen Entwicklung eine gemeinsame Dynamik unterstellt wird. Eine weitere Problemquelle stellt die Vergleichbarkeit von Statistiken dar, da den in Europa erhobenen Arbeitszeiten unterschiedliche Quellenbasen zugrunde liegen.252 Im Weiteren ist problematisch, dass von den Ländern einzeln geregelt wird, was zur Arbeitszeit gerechnet wird und was nicht.253 Um diesen Problemen vorzubeugen, wäre am ehesten ein Vergleich von Jahresarbeitszeiten anstatt von Wochenarbeitszeiten angebracht, da Wochenarbeitszeiten mit der einsetzenden Flexibilisierung der Arbeitszeiten Schwankungen unterliegen und letztlich die Dauer der Arbeitszeit in erheblichem Maße von der Zahl der Urlaubs-, Feier- und Krankheitstage abhängt.254 Daher sollten nur jene Statistiken herangezogen werden, die die Dauer der Arbeitszeit nach den gleichen Methoden und für die gleichen Personengruppen berechnen.255 Weniger Schwierigkeiten gibt es, wenn die gesetzlich, tarifvertraglich oder kollektivvertraglich vereinbarten Arbeitszeiten miteinander verglichen werden. Diese fix vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeiten wurden in Österreich mehrheitlich bei der Rechtfertigung der Forderung nach einer Einführung der 40-Stunden-Woche herangezogen. In diesem Abschnitt wird daher auf die Entwicklung der gesetzlichen und kollektivvertraglichen Arbeitszeiten in Europa eingegangen. Ohnehin ist es nicht notwendig, eine einheitliche Dynamik der Veränderungsbestrebungen nachzuweisen, vielmehr soll der Frage nachgegangen werden, ob und wie sich in dem Zeitraum, der für die österreichischen Verkürzungsbestrebungen wesentlich ist, in Europa eine generelle Hinwendung zur 40-stündigen Arbeitswoche erkennen lässt. Grundsätzlich kann dies, so viel lässt sich hier bereits sagen, für die 1960er Jahre bzw. frühen 1970er Jahre bejaht werden.256 G. Bosch, Dawkins und Michon sprechen vor allem für die 1950er und 1960er Jahre von einer langen Periode der Harmonisierung der Arbeitszeitstandards zwischen den einzelnen Ländern.257 Wesentliche Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern lassen sich darin erkennen, ob Mechanismen zur Verallgemeinerung der Löhne, der Arbeitszeiten und der sozialen Absicherung258 gegeben sind oder fehlen. Entsprechende Charakteris251 Vgl. Proinger 2005  : 35. 252 Vgl. OECD 2004  : 313  ; G.  Bosch/Schief/Schietinger 2005  : 12. 253 Chaloupek 1985  : 29. 254 G. Bosch/Schief/Schietinger 2005  : 11. 255 G. Bosch/Schief/Schietinger 2005  : 7. 256 Vgl. G. Bosch/Dawkins/Michon 1994  : 2  ; Blyton 1985  : 26  ; Blyton 1989  : 110  ; Beirat für Wirtschaftsund Sozialfragen 1969  : 12ff.; Radzyner 1983  : 174  ; Regt 2004  : 2. 257 Diesen Trend zur Harmonisierung der Arbeitszeitstandards versuchen sie anhand möglicher Gemeinsamkeiten und Unterschiede hinsichtlich der Entwicklung der Wirtschaft sowie sozialer und institutioneller Kräfte in den jeweiligen Ländern zu untersuchen. Vgl. G. Bosch/Dawkins/Michon 1994  : 4. 258 Vgl. G. Bosch/Dawkins/Michon 1994  : 30.

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Die Karawane zieht weiter. Ziel  : 40-Stunden-Woche  !

tika finden sich in den nachfolgend angeführten Ländern in Bezug auf zentralisierte oder dezentralisierte Arbeitszeitregelungen wie Gesetze oder Kollektivverträge.259 Hierbei ist zu beachten, dass in dezentralisierten Systemen nur schwach ausgeprägte gesetzliche Rahmenbedingungen zur Arbeitszeitregelung vorhanden sind.260 In zentralisierteren Systemen sind Arbeitszeiten mehrheitlich durch Kollektivverträge geregelt und vielfach durch gesetzliche Maßnahmen261 abgesichert, wobei eine Generalisierung für die Arbeitszeitnormen wichtig ist. Es lassen sich mehrere Mechanismen einer solchen Generalisierung unterscheiden. Sie wird mittels Kollektivverträgen, sektoralen Abkommen zwischen Staat und offiziellen Stellen, mittels Gesetz, trilateralen Konsultationen oder über die Einbeziehung von Schiedsgerichten erreicht.262 Die Reduktion der Normalarbeitszeit auf 45 Wochenstunden in Österreich im Jahr 1959 kann als Teil eines internationalen Trends gesehen werden, verringerte sich doch Mitte der 1950er Jahre europaweit die Wochenarbeitszeit.263 In den meisten europäischen Ländern konnte Mitte der 1950er Jahre bereits eine effektive Arbeitszeit von 45 bis 46 Wochenstunden264 erreicht werden. Gleichfalls wurde Mitte/ Ende der 1950er Jahre die gesetzliche bzw. kollektivvertragliche Arbeitszeit auf die 45-Stunden-Woche begrenzt. Gesetzlich

kollektivvertraglich

Belgien

48

45

Dänemark



45 40 bis 47 (Schwerpunkt 44)

Bundesrepublik Deutschland

48

Großbritannien



42 bis 44

Frankreich

40



Niederlande

48

45

Italien

48

44 bis 48 (Schwerpunkt 46)

Norwegen

45

zum Teil 37 bis 42

Österreich

48

45

Schweden

45

zum Teil 40 bis 42

Schweiz

48

45

Tab. 33  : Wöchentliche Normalarbeitszeitstunden in Europa – gesetzlich und kollektivvertraglich (Übersicht 1963) Quelle  : Reithofer 1963  : 12 (eigene Darstellung).

259 Vgl. G. Bosch/Dawkins/Michon 1994  : 30. 260 G. Bosch, Dawkins und Michon führen als Beispiele hierfür die USA, Kanada und Japan an. Vgl. G. Bosch/Dawkins/Michon 1994  : 30. 261 Vgl. G. Bosch/Dawkins/Michon 1994  : 31. 262 Vgl. G. Bosch/Dawkins/Michon 1994  : 31ff. 263 Haustein 2007  : 26  ; Weißenberg 1969  : 8. 264 Reithofer 1963  : 12.

Aspekte der Arbeitszeitdiskussion in den 1960er Jahren

247

Unter Heranziehung dieser Statistik lässt sich festhalten, dass 1963 gesetzlich mehrheitlich die 48-Stunden-Woche vorgesehen war. Kollektivvertraglich lag die vereinbarte Wochenarbeitszeit zumeist darunter. In mehreren europäischen Ländern war die 45-Stunden-Woche per Kollektivvertrag verwirklicht worden. Die gesetzliche bzw. vertragliche Einführung der 45-Stunden-Woche erfolgte in Norwegen 1959 per 1. Jänner 1960,265 in der Bundesrepublik Deutschland 1956, in Schweden 1959 sowie etappenweise in Belgien von 1956 bis 1959 und in den Niederlanden von 1957 bis 1961.266 Dänemark beschloss im Frühjahr 1958 eine schrittweise Einführung der 45-Stunden-Woche.267 Darüber hinaus wurde sie in Österreich mit dem Generalkollektivvertrag von 1959 festgesetzt. Ab Mitte der 1950er Jahre kam es zu einer Verkürzung der Normalarbeitszeit, während in manchen europäischen Ländern die effektive Arbeitszeit anstieg. Einen solchen Anstieg verzeichneten Großbritannien, Frankreich und die Tschechoslowakei.268 So lag die effektive Arbeitszeit 1955 in Großbritannien bei 47 Wochenstunden und in Frankreich 1958 bei 46 Wochenstunden.269 Ein Trend zur vertraglich verankerten Verminderung der Wochenarbeitszeit lässt sich für die ausgehenden 1950er Jahre festmachen, nicht aber für die effektiv geleisteten Aarbeitszeiten. Eine generelle Einschätzung der europäischen Arbeitszeitentwicklung in den 1950er Jahren ist nach Auffassung Kaelbles nicht möglich, denn in der europäischen Industrie sanken die durchschnittlichen Arbeitszeiten von 1955 bis 1970 von ca. 46 auf ca. 42 Wochenstunden und eine eindeutige Entwicklung sei für die 1950er Jahren weniger deutlich erkennbar als für die 1960er Jahren.270 In Europa deutete sich eine weitere Senkung der effektiven Arbeitszeiten an. Am sichtbarsten wurde dies bei den gesetzlich und vertraglich vereinbarten Normalarbeitszeiten. Mit der Einführung der 45-Stunden-Woche auf gesetzlicher bzw. kollektivvertraglicher Basis ab Mitte der 1950er Jahre wurde ein erster europäischer Schritt in Richtung der 40-Stunden-Woche gesetzt. Fortgesetzt wurde dieser Weg vielfach in Europa über kollektivvertragliche Sondervereinbarungen für einzelne Gewerkschaften, Branchen und Betriebe.271 In den 1960er Jahren ließen sich besonders für die nordischen Länder (Schweden, Finnland, Dänemark und Norwegen) niedrige Arbeitszeiten nachweisen.272 Eine 265 Vgl. Leiserson 1959  : 75. 266 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 11f. 267 Vgl. Birke 2007  : 89. 268 Kaelble 2007  : 68. 269 Vgl. Haustein 2007  : 26. 270 Vgl. Kaelble 2007  : 68. 271 Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 12. 272 Der Bericht des Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen spricht hierbei von Arbeitszeiten zwischen 40 und 42½ Wochenstunden. Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 12.

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Die Karawane zieht weiter. Ziel  : 40-Stunden-Woche  !

erstmalige gesetzliche Arbeitszeitregelung erfolgte in Schweden 1920 mit der Einführung des Achtstundentages und der 48-Stunden-Woche.273 Hier beruhten die Arbeitszeitverkürzungen von 1963 bis 1982 vor allem auf legislativen, strukturellen und sozioökonomischen Faktoren.274 Aufgrund einer Vereinbarung zwischen der Landsorganisationen i Sverige275 und der Svenska Arbetsgivareföreningen276 kam es 1966 zu einer kollektivvertraglich geregelten, etappenweisen Herabsetzung der Normalarbeitszeit auf 42,5 Wochenstunden, die zum 1. Jänner 1969277 verwirklicht wurde. Im Dezember 1968 empfahl das schwedische Arbeitszeitkomitee eine Senkung auf 40 Wochenstunden,278 was über die Senkung um 1,25 Wochenstunden 1971 und um weitere 1,25 Wochenstunden 1973 umgesetzt wurde.279 In Finnland kam es in den 1960er Jahren mit dem Übergang zur Fünf-Tage-Woche280 zur Reduktion der Wochenarbeitszeit. Bis zur gesetzlichen Reform 1965 gab es einen Achtstundentag bei einer 47-Stunden-Woche.281 Diese Reform bedeutete den schrittweisen Übergang zur Fünf-Tage-Woche mit der 40-Stunden-Woche bis 1970.282 Die etappenweise Einführung der 40-Stunden-Woche erfolgte von 1966 bis 1970. Es wurde allerdings nicht jährlich um eine beliebige Anzahl von Stunden verkürzt, sondern die Gültigkeit der 40-Stunden-Woche wurde wochenweise ausgedehnt, so dass diese 1966 für 13 Wochen, 1967 für 21 Wochen, 1968 für 30 Wochen, 1969 für 39 Wochen und 1970 schließlich für alle 52 Kalenderwochen galt.283 Ein Teil der Reduktion kann auf den Wegfall bezahlter freier Tage und die Streichung genehmigter Pausen zurückgeführt werden.284 Zudem sollte die vorhandene Arbeitslosigkeit teilweise abgebaut werden.285 Eingebunden war diese Veränderung in eine vielfache Strukturveränderung des Arbeitslebens286 Finnlands in den 1960er und 1970er Jahren. Dänemark dagegen folgte zunächst der Entwicklung Schwedens. Im März 1966 wurde die 44-Stunden-Woche und im Juni 1968 die 42,5-Stunden-Woche eingeführt.287

273 Vgl. Petterson 1994  : 248  ; Anxo 2009  : 60. 274 Vgl. Anxo/Storrie 2003  : 56  ; Anxo 2009  : 62. 275 Die größte Dachorganisation von Einzelgewerkschaften und Arbeiternehmervertretungen in Schweden. 276 Schwedische Arbeitgebervertretung 277 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 16  ; Anxo/Storrie 2003  : 53ff.; Anxo 2009  : 62. 278 Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 17. 279 Vgl. Petterson 1994  : 248  ; Anxo/Storrie 2003  : 53  ; Anxo 2009  : 56. 280 Vgl. Anttila 2005  : 28. 281 Lagus 1968  : 27. 282 Vgl. Törnudd 1986  : 228. 283 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 16  ; Evans 1975  : 88. 284 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 16. 285 Festa 1969a  : 139. 286 Vgl. Tammelin 2009  : 31. 287 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 17.

Aspekte der Arbeitszeitdiskussion in den 1960er Jahren

249

Der Eindruck einer »schleichenden« Streikwelle288 und der befürchtete Massenstreik nach dem Abbruch der Tarifverhandlungen289 zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretung führten zu einer weiteren Verkürzungsetappe. Die Arbeitsmarktparteien akzeptierten einen Schlichtungsvorschlag, der 41¾ Wochenstunden ab September 1970 vorsah.290 Die Einführung der 40-Stunden-Woche erfolgte 1974 auf dem traditionellen dänischen Weg der kollektivvertraglichen Vereinbarung über das »Arbeitsmarkt-Grundabkommen«.291 In Norwegen gab es zunächst einen Übergang zur 42,5-Stunden-Woche am 1. Juli 1968,292 so dass binnen eines halben Jahres drei der nordischen Länder eine Wochenarbeitszeit von 42,5 Stunden eingeführt hatten. 1969 wurde über einen weiteren Verkürzungsschritt beraten. Ein Arbeitszeitkomitee sollte einen Bericht über die mögliche Verkürzung und Einführung der 40-Stunden-Woche vorbereiten.293 Im Gegensatz zu Schweden und Finnland erfolgte in Norwegen erst 1977 im Rahmen des »Arbeidsmiljøloven«,294 das die tägliche und wöchentliche Arbeitszeit regelte, die Einführung der Normalarbeitswoche mit 40 Wochenstunden.295 In Island wiederum wurde die 40-Stunden-Woche gesetzlich mit dem Act 88/1971296 festgelegt, der aber wie der »Social Security Act«297 erst 1972 wirksam wurde. In Belgien wurde die 45-Stunden-Woche in den 1950er Jahren zunächst per Kollektivvertrag eingeführt, bis 1960 fast vollständig verwirklicht und schließlich am 15. Juli 1964298 zur gesetzlichen Norm. Der Übergang zur 40-stündigen Arbeitswoche vollzog sich Ende der 1960er Jahre etappenweise. Am 7. Februar 1969 kam es per Kollektivvertrag zur schrittweisen Einführung der 43-Stunden-Woche, die über die 44-Stunden-Woche 1969 letztlich 1970/71299 erreicht werden sollte. Ein weiterer Verkürzungsschritt wurde am 15. Juni 1971 mit der Einführung der 42-Stunden-Woche und dem Übergang zur 40-Stunden-Woche 1975300 gesetzt.301 Dabei wird die 288 Siehe dazu Birke 2007  : 252f. 289 Vgl. Birke 2007  : 253. 290 Birke 2007  : 253. 291 Radzyner 1983  : 174  ; C.  Jørgensen 2006  : 73. 292 Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 17. 293 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 17. 294 Arbeitsschutzgesetz. 295 Vgl. Birkelund 1999  : 15  ; S.  Lewis/Brannen/Nielsen 2009  : 4. 296 The Government of Iceland 2005  : 5. 297 Vgl. Jonsson 2001  : 263. 298 Vgl. Corijn/Eeckhout 1996  : 157  ; Horion 1967  : 29. 299 Vgl. Tuchszirer 1986  : 46  ; Mampuys 1994  : 249. 300 Vgl. Tuchszirer 1986  : 46  ; Freese/Meulders/Plasman 1988  : 70  ; Mampuys 1994  : 249  ; Leroy/Meulders/Plasman 1996  : 97. 301 Blyton gibt in seiner Darstellung »Changes in working time« einen anderen schrittweisen Übergang zur 40-Stunden-Woche in Belgien an. So gibt er die Verkürzungsetappen wie folgt wieder  : 1972

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Die Karawane zieht weiter. Ziel  : 40-Stunden-Woche  !

Arbeitszeitreduktion 1975 im Zusammenhang mit der steigenden Arbeitslosigkeit gesehen.302 Wie schon die 45-Stunden-Woche wurde die 40-Stunden-Woche nachträglich per 20. Juli 1978303 gesetzlich verankert. In den Niederlanden erfolgte die gesetzliche Regelung bis 1996 mit dem Arbeitsgesetz von 1919, welches die 48-Stunden-Woche304 bei einer täglichen Höchstarbeitszeit von 8,5 Stunden vorsah.305 Eine wichtige Rolle spielte jedoch die kollektivvertragliche Praxis, wobei der Branchen- und Betriebsebene eine große Bedeutung zukam.306 Aufgrund kollektivvertraglicher Abkommen war es in den Niederlanden gelungen, die wöchentliche Arbeitszeit schrittweise seit den 1960er Jahren bis in die 1970er Jahre in Richtung der 40-Stunden-Woche abzusenken.307 Ausgangspunkt der Verkürzungen stellt die Einführung des freien Samstags 1961 dar. Dies bedeutete zugleich die Einführung der 45-Stunden-Woche.308 Ein weiterer Verkürzungsschritt in den 1960er Jahren führte zur 44-Stunden-Woche.309 Die 40-Stunden-Woche wurde schließlich 1975 erreicht.310 Während die anderen Benelux-Staaten die Arbeitszeit kollektivvertraglich regelten, wurde sie in Luxemburg gesetzlich gesenkt. Zunächst wurde 1970 per Gesetz die 44-Stunden-Woche festgelegt und gleichzeitig wurde die Einführung der 40-Stunden-Woche ab 1. Jänner 1975311 zeitlich fixiert. In der Bundesrepublik Deutschland gab es nach dem Zweiten Weltkrieg Versuche, die Arbeitszeit weiter auszudehnen.312 Dies sollte u. a. durch eine stärkere Einbeziehung des Sonntags in Schichtbetrieben verwirklicht werden.313 In unmittelbarer Auswirkung des Zweiten Weltkrieges ist eine wöchentliche Arbeitszeit teilweise unter 40 Wochenstunden erreicht worden.314 Den Ausgangspunkt der Arbeitszeit42 Stunden, 1974 41 Stunden und 1975 40 Stunden. Darüber hinaus datiert Blyton in seiner Darstellung die Einführung der 45-Stunden-Woche mit 1968, was für mich insgesamt den Schluss einer fehlerhaften Darstellung aufgrund der mir vorliegenden Sekundärliteratur zulässt. Vgl. Blyton 1985  : 26. 302 Vgl. Freese/Meulders/Plasman 1988  : 68. 303 Vgl. Freese/Meulders/Plasman 1988  : 70  ; Sénat de Belgique 1995  : 2. In der deutschsprachigen Literatur werden für die gesetzliche Einführung der 40-Stunden-Woche in Belgien zwei verschiedene Zeitpunkte genannt. Olga Radzyner führt dabei das Jahr 1975, also den Zeitpunkt des kollektivvertraglichen Übergangs, an. Flecker, Hermman und Mairhuber datieren die Einführung der 40-Stunden-Woche auf den 16. März 1971. Vgl. Radzyner 1983  : 174  ; Flecker/Hermann/Mairhuber 2001  : 60. 304 Vgl. Kleinfeld 1997  : 285  ; Blyton 1985  : 27. 305 Vgl. Doorne-Huiskes/Lange 1994  : 230. 306 Vgl. Flecker/Hermann/Mairhuber 2001  : 136  ; Trampusch 2004  : 21ff. 307 Vgl. Jacobs 2004  : 77  ; Regt 2004  : 3. 308 Vgl. Doorne-Huiskes/Lange 1994  : 234. 309 Vgl. Doorne-Huiskes/Lange 1994  : 234. 310 Regt 2004  : 3. 311 F. Adam/Da Costa/Langers/Schuller/Zahlen 2003  : 13  ; Zahlen 2008  : 274. 312 Vgl. Achten 1988  : 32. 313 Achten 1988  : 32. 314 Vgl. Altun 2005  : 83.

Aspekte der Arbeitszeitdiskussion in den 1960er Jahren

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verkürzung bildete die Arbeitszeitordnung von 1938.315 Sie war, mit dem Grundsatz der 48-Stunden-Woche, von den Alliierten nicht aufgehoben worden316 und legte somit nach dem Zweiten Weltkrieg weiterhin den Standard für die Arbeitszeit innerhalb der Arbeitswoche fest.317 Im Mittelpunkt einer Verkürzung der Arbeitszeit stand nicht so sehr die Einführung der 40-Stunden-Woche, sondern die Fünf-Tage-Woche als relativ eigenständiges Arbeitszeitverkürzungsmodell.318 Dabei herrschte breiter Konsens bezüglich des arbeitsfreien Samstags, so dass dies nicht ausdrücklich festgeschrieben worden war.319 Die Forderung nach Einführung der Fünf-Tage-Woche war in Deutschland Thematik der Kundgebungen des 1. Mai 1953, 1955 und 1956.320 Ihre Etablierung erfolgte in Deutschland bis in die 1960er Jahre.321 Was die Verwirklichung der 40-Stunden-Woche betraf, so wurde eine stufenweise Einführung angestrebt, um eine Verminderung der Produktion durch die Verkürzung der Arbeitszeiten zu verhindern.322 Die Arbeitgeberseite stand dem nicht ablehnend gegenüber.323 Laut Michael Schneider verband die Arbeitgeberargumentation drei Vorteile miteinander  : erstens die Wahrung des sozialen Friedens, zweitens konnte die Gewerkschaft, wenn sie die produktionsneutrale Form der Arbeitszeitverkürzung befürwortete, entsprechend beim Wort genommen werden, und drittens ließ sich über Verhandlungen die Realisierung der Arbeitszeitverkürzung hinauszögern.324 Trotzdem wurden die »typischen« Argumente, warum eine Verkürzung im Moment nicht in Frage käme, auch hier angeführt  : Es dürfe keine Verringerung der Güterproduktion eintreten oder die technische und kapitalmäßige Ausstattung liege noch hinter der europäischen Konkurrenz.325 1959 kam es in Deutschland zu ersten Vereinbarungen über die schrittweise Herabsetzung der Arbeitszeit326 von 48 auf 45 Wochenstunden. Die Einführung einer wöchentlichen Arbeitszeit unter 45 Wochenstunden bis hin zur 40-Stunde-Woche 315 Diese war mittels einer Kontrollrats-Direktive (Nr. 26, 26. Jänner 1946) für die westlichen Besatzungszonen wieder in Kraft getreten. Die endgültige Ablösung der Arbeitszeitordnung von 1938 erfolgte in Deutschland mit dem Arbeitszeitgesetz vom 1. Juli 1994. Die Arbeitszeitordnung von 1938 war jedoch de facto bereits davor durch die gewerkschaftliche Tarifpolitik ohne faktische Wirkung. Vgl. Radzyner 1983  : 172  ; Michael Schneider 1984  : 152  ; Altun 2005  : 53. 316 Bolle/U. Fischer/Jungnickel/Lodzwik 1977  : 274. 317 Vgl. G. Bosch 1994  : 131. 318 Rinderspacher 2000  : 65. 319 Vgl. Achten 1988  : 33. 320 Herrmann-Stojanov 1999  : 78. 321 Herrmann-Stojanov 1999  : 108. 322 Vgl. Michael Schneider 1984  : 156. 323 Vgl. Michael Schneider 1984  : 156. 324 Vgl. Michael Schneider 1984  : 158. 325 Vgl. Michael Schneider 1984  : 158. 326 Vgl. Michael Schneider 1984  : 160.

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konnte zunächst vor allem auf der Ebene der Einzelgewerkschaften erreicht werden.327 Für die Entwicklung in Westdeutschland war die IG Metall von großer Bedeutung. Mittels des »Bremer Abkommens« war es gelungen, in allen Tarifbezirken, also in der gesamten westdeutschen Metallindustrie,328 per 1. Oktober 1956 die Wochenarbeitszeit auf 45 Stunden herabzusetzen.329 Dieses Abkommen machte eine breite Absenkung der wöchentlichen Arbeitszeit in der Bundesrepublik möglich, so dass 1957 fast die Hälfte aller westdeutschen Berufstätigen mit weniger als 48 Wochenstunden beschäftigt waren.330 Das nächste wichtige Abkommen im Hinblick auf die Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit auf 40 Wochenstunden stellt das Abkommen von Bad Homburg dar. In diesem wurde am 8. Juli 1960 die stufenweise Einführung der 40-Stunden-Woche bis 1. Juli 1965 vereinbart.331 In dem Abkommen gab es zugleich eine Verschiebungsregelung für die Einführung der Arbeitszeitreduktion,332 um auf besondere wirtschaftliche Verhältnisse reagieren zu können. Von ihr wurde nach zahlreichen Schwerpunktstreiks Gebrauch gemacht, so dass die 40-Stunden-Woche in der Metallindustrie am 1. Januar 1967 eingeführt wurde.333 Trotz der Vorreiterrolle der Metallindustrie kamen 1973 zunächst 69 %, 1974 dann 87,1 % und 1978 schließlich 92,6 % der Arbeitnehmer in den Genuss der 40-Stunden-Woche. Für den öffentlichen Dienst galt diese erst mit 1. Oktober 1974.334 Die Schweiz zählte für den Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen zu den Ländern mit traditionell relativ hoher Normalarbeitszeit.335 Die gesetzliche Einführung der 48-Stunden-Woche von 1919 basierte auf dem niedergeschlagenen Generalstreik336 der Arbeiterschaft ein Jahr zuvor. Nach Erreichung der 48-Stunden-Woche kam es zu einer längeren Phase, in der die gesetzliche bzw. tariflich vereinbarte Arbeitszeit gleichblieb. Knapp 50 Jahre nach dem Erreichen der 48-stündigen Wochenarbeitszeit kam es zu einer Reduktion um drei Stunden.337 Die Initiative des Landesrings der Unabhängigen zur Einführung der 44-Stunden-Woche (1958)338 wurde abgelehnt.339 327 Vgl. Michael Schneider 1984  : 161. 328 Der Spiegel, Nr. 44, 1957  : 24. 329 Vgl. Michael Schneider 1984  : 161. 330 Der Spiegel, Nr. 44, 1957  : 24. 331 Vgl. Michael Schneider 1984  : 162. 332 Vgl. Michael Schneider 1984  : 162. 333 Michael Schneider 1984  : 166. 334 Vgl. Raane 1974  : 434  ; Michael Schneider 1984  : 166. 335 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 18. 336 Vgl. Holenweger/Conrad 1998  : 55. 337 Vgl. Holenweger/Conrad 1998  : 55f. 338 Vgl. Holenweger/Conrad 1998  : 56. 339 Von 902.098 stimmberechtigten Schweizern sprachen sich 586.188 gegen eine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit aus. Vgl. Der Spiegel, Nr. 1, 1958  : 62.

Aspekte der Arbeitszeitdiskussion in den 1960er Jahren

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Dies war nur eine von mehreren politischen Initiativen zur Verkürzung der Arbeitszeiten im 20. Jahrhundert.340 Mehr Erfolg hatte die Etablierung der Fünf-Tage-Woche. Diese war im Jahr 1962 bei ca. 90 % aller Firmen eingeführt.341 In Großbritannien stieg die wöchentliche Normalarbeitszeit zwischen 1950 und 1955 auf 47 Stunden an.342 Dies bedeutete, dass sie etwa drei bis vier Stunden über den tariflich vereinbarten Arbeitszeiten lag.343 Durchschnittlich betrug die Arbeitszeit 1950 etwa 44 Wochenstunden.344 Im Gesamten gab es von Branche zu Branche Unterschiede in den tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten. Neben den Besonderheiten der jeweiligen Branche führten Faktoren wie z. B. soziale Schicht, Qualifikation und das Lohngefälle zwischen den Angehörigen unterschiedlicher Berufsgruppen zu diesen Differenzen.345 Darüber hinaus können in Großbritannien vertraglich vereinbarte Arbeitszeiten innerhalb eines Sektors aufgrund dezentralisierter Tarifverhandlungen unterschiedlich sein.346 Dabei stellen die »industry-level agreements« die gebräuchlichsten Regelungen zur Arbeitszeit dar.347 Ausgehend von Verkürzungen der wöchentlichen Arbeitszeit im technischen Bereich kam es über die 44-Stunden-Woche 1947 und die 42-Stunden-Woche 1960 zur 40-Stunden-Woche 1965.348 Andere Industriezweige folgten diesen Abkommen.349 So betrug Ende der 1960er Jahre die durchschnittliche Arbeitszeit ca. 40 Wochenstunden  ; wobei von einer faktischen Verwirklichung der tariflichen 40-Stunden-Woche bereits um 1966 ausgegangen werden kann und ein Trend zur Arbeitszeitverkürzung hauptsächlich auf kollektivvertraglicher Ebene nachvollziehbar ist.350 Der gesetzliche Übergang zur 40-stündigen Normalarbeitswoche war in Frankreich bereits 1936 vollzogen worden. Aufgrund von Ausnahmeregelungen lag die Arbeitszeit allerdings über dieser gesetzlichen Vereinbarung. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die 40-Stunden-Woche mit dem Gesetz vom 25. Februar 1946 unter Ausklammerung der Überstundenreglementierung351 bestätigt. Generell wurden 20 Überstunden pro Woche als Höchstgrenze angenommen.352 Von Ende der 1950er 340 Vgl. Antonin Wagner 1985  : 61  ; Holenweger/Conrad 1998  : 56. 341 Vgl. Holenweger/Conrad 1998  : 56. 342 Vgl. Haustein 2007  : 26. 343 Haustein 2007  : 26. 344 Vgl. Gratton/Taylor 2004  : 87. 345 Haustein 2007  : 26. 346 Vgl. Radzyner 1983  : 174. 347 Vgl. Rubery/Deakin/Horrel 1994  : 275  ; Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 17. 348 Vgl. Rubery/Deakin/Horrel 1994  : 275. 349 Vgl. Rubery/Deakin/Horrel 1994  : 275. 350 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 17  ; Radzyner 1983  : 175  ; Gratton/Taylor 2004  : 87. 351 Vgl. Gauvin 1994  : 162  ; Commissariat Général du Plan 2001  : 68. 352 Vgl. Commissariat Général du Plan 2001  : 68.

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Die Karawane zieht weiter. Ziel  : 40-Stunden-Woche  !

Jahre bis 1968 standen Überstunden, vor allem in Bezug auf die sich veränderten Tätigkeiten in den Betrieben, im Zentrum der Diskussionen.353 Nach dem Mai 1968 gab es in Frankreich Bestrebungen, die tatsächliche Arbeitszeit auf 45 Wochenstunden zu begrenzen, wobei die meisten Vereinbarungen Arbeitszeiten zwischen 44 und 46 Wochenstunden umfassten, aber eine Vielzahl der Vereinbarungen zwischen 1968 und 1970 hatten kaum Auswirkungen auf die Arbeitszeiten.354 1976 kann in Frankreich vom Erreichen der effektiven 40-stündigen Arbeitswoche gesprochen werden.355 In Spanien kam es im Vergleichszeitraum nicht zur Einführung der 40-Stunden-Woche. Laut Marimon und Zilibotti erfolgte ein erster Verkürzungsschritt verspätet.356 So kam es zur gesetzlichen Einführung der 44-Stunden-Woche erst 1976  ; wobei im industriellen Sektor die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit bereits 1966 44,4 Wochenstunden betrug.357 Die Einführung der 40-stündigen Arbeitswoche erfolgte erst 1983 unter Ministerpräsident González – mit einer vorangegangen Verkürzungsetappe im Jahr 1980.358 Unter dem Eindruck der Weltwirtschaftskrise von 1929 und der anhaltend hohen Arbeitslosenzahlen verkürzte Italien die Wochenarbeitszeit.359 So führte die italienische Regierung bereits Ende 1934, genauer am 11. Oktober 1934, per Abkommen die Reduzierung von der 48-Stunden-Woche auf die 40-Stunden-Woche360 durch.361 In Abstimmung mit der Arbeitszeitreduktion kam es zu einer Reduzierung der Arbeitswoche sowie zur Reduktion der monatlichen bzw. wöchentlichen Löhne im Verhältnis zur Arbeitszeitverminderung, wodurch die Kaufkraft gleichblieb.362 Gesetzlich vollzogen wurde diese Arbeitszeitherabsetzung mit dem 26. Oktober 1937.363 Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die industriellen Beziehungen Italiens einigen Veränderungen unterworfen. In Abgrenzung zum faschistischen Regime Benito Mussolinis trat bezogen auf die Arbeitszeitregelung nach dem Zweiten Weltkrieg das Arbeitszeitgesetz von 1925 mit seiner 48-stündigen Arbeitswoche wieder in Kraft.364

353 Vgl. Commissariat Général du Plan 2001  : 68. 354 Vgl. Commissariat Général du Plan 2001  : 70f. 355 Vgl. Gauvin 1994  : 156. 356 Vgl. Marimon/Zilibotti 1999  : 28. 357 Vgl. Marimon/Zilibotti 1999  : 28. 358 Vgl. Radzyner 1983  : 173  ; Marimon/Zilibotti 1999  : 28. 359 Vgl. Mattesini/Quintieri  : 2004  : 3  ; Dunnage 2002  : 76. 360 Vgl. Mattesini/Quintieri 2004  : 4 und 8  ; Scott/Spadavecchia 2008  : 7. 361 Neben Italien kam es in diesem Zeitraum in Frankreich, der Tschechoslowakei, Neuseeland sowie den USA zum Übergang zur 40-Stunden-Woche. Vgl. Scott/Spadavecchia 2008  : 7. 362 Vgl. Dunnage 2002  : 76  ; Mattesini/Quintieri 2004  : 8. 363 Mattesini/Quintieri 2004  : 9. 364 Vgl. Garonna/Reboani 1994  : 198  ; Radzyner 1983  : 173.

Aspekte der Arbeitszeitdiskussion in den 1960er Jahren

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Trotz der gesetzlichen Rückkehr zur 48-Stunden-Woche waren die wöchentlichen Arbeitszeiten geringer. Die kollektivvertraglichen Vereinbarungen – in Italien gibt es eine besonders starke Differenzierung bezüglich der Arbeitszeiten – brachten eine von diesem Gesetz abweichende kürze Arbeitszeit. So ließen sich 1969 Vereinbarungen von 42½ Wochenstunden aufwärts sowie in der Industrie von 44 Wochenstunden nachweisen.365 In den Staaten des früheren Ostblocks lassen sich für die 1950er und 1960er Jahre ebenso Verkürzungen der Normalarbeitszeit feststellen. Arbeitszeitverkürzungen wurden eher betriebs- und branchenweise unter gewissen Voraussetzungen vollzogen.366 Gleichfalls war die Arbeitswoche einer Veränderung unterworfen. So lässt sich in den 1960er Jahren für Bulgarien, die Tschechoslowakei und die DDR die Fünf-Tage-Woche nachweisen, wobei die Arbeitszeiten in den osteuropäischen Staaten dazu tendierten, etwas länger als die in der UdSSR zu sein.367 In der Tschechoslowakei368 wurde ein erster größerer Verkürzungsschritt 1966 vollzogen, als gesetzlich die 44-Stunden-Woche eingeführt wurde.369 1969 war eine Arbeitszeitverkürzung auf 42½ Wochenstunden geplant.370 Ebenfalls größere Verkürzungen wurden in Jugoslawien durchgeführt. Hier kam es zwischen 1965 und 1971 zum Übergang von der 48- zur 42-Stunden-Woche.371 In Ungarn galt zwischen 1948 und 1968 die 48-Stunden-Woche mit dem Achtstundentag sowie einer Sechs-Tage-Woche.372 1968 gab es eine erste allgemeine Arbeitszeitverkürzung. Zugleich nahm Ungarn im Hinblick auf wirtschaftliche Reformen eine führende Stelle unter den Staaten des früheren Ostblocks ein.373 Die Arbeitszeitverkürzung geschah dabei branchenweise in einem Zweijahresrhythmus.374 Hierbei erfolgte der Übergang zur Fünf-Tage-Woche und zur 44-stündigen Arbeitswoche.375 Die Sowjetunion griff auf Erfahrungen der Vorkriegszeit zurück.376 Wie schon in der Phase der »Neuen Ökonomischen Politik« kam es zwischen 1957 und 1960 zum 365 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 18. 366 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 18. 367 Vgl. Blyton 1985  : 32. 368 Die Einführung der 40-Stunden-Woche sollte in der Tschechischen Republik erst 2001 erfolgen. Zuvor galt die 43-Stunden-Woche, die Pausen (»breaks for meals and 30 minutes’ rest time«) inkludierte. Vgl. M. Fassmann/Čornejová 2006  : 63. 369 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 18. 370 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 18. 371 Vgl. Blyton 1985  : 32. 372 Vgl. M. Frey/Timar 1994  : 177f. 373 Vgl. Urban 1988  : 83. 374 Vgl. M. Frey/Timar 1994  : 178. 375 Vgl. M. Frey/Timar 1994  : 178. 376 Vgl. Rimashevskaya/Vershinskaya 1994  : 314.

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allmählichen Übergang zum Siebenstundentag.377 Nach der Rückkehr zu Vorkriegsarbeitszeitstandards kam es in der Sowjetunion zwischen 1961 und 1967378 zu einem weiteren Schritt der Herabsetzung der Arbeitszeiten. So wurde in diesem Zeitraum die 40-stündige Arbeitswoche mit einer Fünf-Tage-Woche und einem Achtstundentag verwirklicht.379 Bereits 1966 tauchten Pläne zu einer weiteren Verkürzung und der möglichen Einführung der 35-Stunden-Woche auf, die jedoch nicht umgesetzt wurden.380 Die Kontrollratsdirektive Nr. 26 spielte für die sowjetische Besatzungszone in Ostdeutschland gleichfalls eine wichtige Rolle, wenngleich sie keine Gültigkeit besaß. Dennoch wurde die Arbeitszeitordnung von 1938 aufgrund der Kontrollratsdirektive Nr. 26 durch den SMAD-Befehl Nr. 56 vom 17. Februar 1946, welcher der Kontrollratsdirektive im Detail folgte,381 in Kraft gesetzt. Dieser SMAD-Befehl führte trotz Ausnahmeregelungen zu Arbeitszeitverkürzungen.382 Schließlich wurde er in ein Gesetz vom 19. April 1950 aufgenommen.383 Dieses Gesetz ergänzte ihn um Jugendschutzarbeitszeiten. So wurde die wöchentliche Arbeitszeit für Jugendliche zwischen 14 und 16 Jahren mit 42 Stunden und einem 7-stündigen Arbeitstag sowie für Heranwachsende zwischen 16 und 18 Jahren mit 45 Stunden und einem 7½-stündigen Arbeitstag begrenzt.384 Ein erster größerer Schritt zur Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit erfolgte in der DDR 1957, als per 18. Januar die 45-Stunden-Woche eingeführt wurde, wobei weiterhin die Sechs-Tage-Woche praktiziert wurde.385 Die 45-Stunden-Woche galt jedoch nur für etwa ein Drittel aller Arbeiter und Angestellten.386 Ihre generelle Einführung erfolgte erst 1966 auf Grundlage einer Verordnung von 1965.387 Mit dieser Verordnung kam es zugleich zur Einführung der Fünf-Tage-Woche für jede zweite Woche und der 44-stündigen Arbeitswoche für Beschäftigte im Dreischichtbetrieb.388 Aufgrund von Problemen bei der praktischen Durchführung der 14-tägigen Fünf-Tage-Woche fand zwei Jahre später eine Änderung statt. Mit der Verordnung vom 3. Mai 1967 wurde die Fünf-Tage-Woche allgemein389 eingeführt, wodurch es in Ein-

377 Vgl. Rimashevskaya/Vershinskaya 1994  : 314. 378 Vgl. Rimashevskaya/Vershinskaya 1994  : 315. 379 Vgl. Rimashevskaya/Vershinskaya 1994  : 315. 380 Vgl. Rimashevskaya/Vershinskaya 1994  : 315. 381 Vgl. Hübner 1995  : 90  ; Janssen 2010  : 66. 382 Vgl. Hübner 1995  : 90. 383 Vgl. Janssen 2010  : 66. 384 Vgl. Janssen 2010  : 66. 385 Vgl. Hübner 1995  : 90f. 386 Hübner 1995  : 91. 387 Vgl. Hübner 1995  : 91. 388 Vgl. Hübner 1995  : 91  ; Wolle 1998  : 28. 389 Vgl. Hübner 1995  : 91  ; Wolle 1998  : 28.

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und Zweischichtbetrieben zur Senkung der Arbeitszeit von 45 auf 43¾ Wochenstunden sowie in Dreischichtbetrieben von 44 auf 42 Wochenstunden bei vollem Lohnausgleich kam.390 Eine letzte Arbeitszeitverkürzung lässt sich für Frauen mit mehr als drei Kindern nachvollziehen, für die seit den 1970er Jahren die 40-Stunden-Woche galt.391 Ab 1976 wurde sie auf Frauen mit zwei Kindern ausgedehnt.392 Die Entwicklung hin zu einer kürzeren Wochenarbeitszeit kann somit in Europa für die 1960er Jahre eindeutig nachgewiesen werden. In den meisten europäischen Ländern erfolgte der Übergang zu einer verkürzten Arbeitswoche nicht in einem einzigen größeren Schritt. Vielmehr lässt sich ein gradueller Übergang zur 40-Stunden-Woche beobachten. Dieser etappenweise Übergang von der praktizierten 45-stündigen Arbeitswoche hin zur 40-Stunden-Woche begann Mitte der 1960er Jahre und endete in den meisten Ländern Mitte der 1970er Jahre. In Nordeuropa vollzog sich der letzte Schritt innerhalb von sieben Jahren zwischen Finnland (1970) und Norwegen (1977)  ; in diesem Zeitraum glichen Island (1972), Schweden (1973) und Dänemark (1974) ihre wöchentlichen Arbeitszeiten einander an. In den gleichen Zeitraum fallen die etappenmäßigen Übergänge in den Benelux-Staaten. Diese hatten schließlich allesamt die Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeiten auf 40 Wochenstunden 1975 erreicht. In der Bundesrepublik Deutschland kam es mit dem Übergang zur 40-Stunden-Woche gleichsam zum Wechsel zur Fünf-Tage-Woche  ; diese Änderungen wurden zwischen 1967 und 1978 vollzogen. Die 40-Stunden-Woche wurde aber nicht in allen westlichen europäischen Ländern eingeführt. So kam es in dem betrachteten Zeitraum in der Schweiz zur Einführung der 44-stündigen Arbeitswoche. Italien hatte höhere vereinbarte Arbeitszeiten, und Arbeitszeiten ab 42,5 Wochenstunden aufwärts waren üblich. In Spanien erfolgte der Übergang zur 44-Stunden-Woche erst 1976. Neben der Ausnahmestellung Spaniens nimmt Frankreich gleichfalls eine besondere Position ein. Gesetzlich war hier bereits vor dem Ersten Weltkrieg die 40-stündige Arbeitswoche eingeführt worden, praktiziert wurde sie zu diesem Zeitpunkt aufgrund zahlreicher gesetzlicher Sonderbestimmungen jedoch nicht. Der Übergang zur effektiven 40-stündigen Arbeitswoche erfolgte 1976, also in etwa zum gleichen Zeitpunkt wie im restlichen Europa. Die Staaten des früheren kommunistischen Ostblocks reduzierten ebenfalls die vereinbarten Arbeitszeiten merklich. In der DDR führten nachweislich die wirtschaftlichen und sozialen Spannungen im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland zu Veränderungen. Diese schrittweise, auf Branchen und Betrieben bezogene Umstrukturierung wurde allerdings nicht nur in der DDR vollzogen, sondern galt auch für Jugoslawien mit der Einführung der 42-Stunden-Woche 1971, für die 390 Vgl. Urban 1988  : 83  ; Hübner 1995  : 91  ; Trappe 1995  : 143  ; Janssen 2010  : 67. 391 Vgl. Hürtgen 2005  : 134  ; G.  Schulz 1998  : 128. 392 Vgl. G. Schulz 1998  : 128.

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Tschechoslowakei mit der 44-Stunden-Woche 1966 sowie für Ungarn mit einer ebenfalls 44-stündigen Arbeitswoche 1968. Einzig in der Sowjetunion selbst waren zum gleichen Zeitpunkt kürzere Arbeitszeiten erreicht worden, galt doch dort die 40-Stunden-Woche ab 1967. In Europa war mehrheitlich Mitte der 1970er Jahre die 40-Stunden-Woche gesetzlich, kollektivvertraglich, betrieblich oder branchenspezifisch vereinbart.393 Den langfristigen Trend zur verkürzten Wochenarbeitszeit sah der Beiratsbericht »Untersuchung über die Probleme der Arbeitszeitverkürzung« von 1969394 somit durchaus zu Recht gegeben. Vor diesem Hintergrund kam es in Österreich gleichfalls zu Diskussionen über eine weitere Senkung der wöchentlichen Normalarbeitszeit, dessen eine Seite der genannte Bericht des Beirats und dessen andere Seite die politische Forderung zur Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit im Hinblick auf die 40-stündige Arbeitswoche mittels Volksbegehren darstellte.

5.4 Zwischen Demagogie und Wahlschlager  : Die Einführung der 40-Stunden-Woche als wechselseitige Initiative von SPÖ und ÖGB Für die weitere Entwicklung nimmt das Jahr 1969 eine wichtige Position ein. In diesem Jahr wurden zwei für Österreich wichtige Schritte gesetzt, um das von der Gewerkschaft lange gehegte Ziel, die 40-Stunden-Woche, zu verwirklichen. Einerseits handelt es sich um die 1968 in Auftrag gegebene Untersuchung zu den Auswirkungen einer möglichen Verkürzung der Arbeitszeit durch den Beirat für Wirtschaftsund Sozialfragen, die 1969 veröffentlicht wurde, andererseits um das Volksbegehren »Zur schrittweisen Einführung der 40-Stunden-Woche sowie die Regelung der Arbeitszeit und der Arbeitsruhe«. Letzteres wurde auf Initiative der SPÖ durchgeführt. Der spätere Bundeskanzler Bruno Kreisky kündete das Volksbegehren am 22. Jänner 1969 im Klub der Sozialistischen Abgeordneten an.395 Mit dieser politischen Forderung im Jahr vor der anstehenden Nationalratswahl zog sich die SPÖ den Unmut der ÖVP zu. Schnell wurden in Richtung SPÖ Vorwürfe erhoben, das Thema als Wahlschlager zu benützen396 oder Demagogie397 zu betreiben. Morlock definiert den Begriff »Demagogie« wie folgt  : 393 Vgl. Blyton 1989  : 110. 394 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 18. 395 Vgl. Arbeiter Zeitung, 23. Jänner 1969  : 2. 396 Vgl. Scherrer, Josef  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 130.  Sitzung  : 11194  ; Wüthrich 1987  : 225  ; Wiener Zeitung, 6. Februar 1969  : 2  ; Arbeiter Zeitung, 8. Februar 1969  : 1  ; Wiener Zeitung, 27. März 1969  : 2  ; Wiener Zeitung, 3. April 1969  : 2  ; Arbeiter Zeitung, 4. Mai 1969  : 2. 397 Vgl. Arbeiter Zeitung, 24. Jänner 1969  : 1  ; Wiener Zeitung, 24. Jänner 1969  : 2  ; Wiener Zeitung,

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Demagogie betreibt, wer bei günstiger Gelegenheit öffentlich für ein politisches Ziel wirbt, indem er der Masse schmeichelt, an ihre Gefühle, Instinkte und Vorurteile appelliert, ferner sich der Hetze und Lüge schuldig macht, Wahres übertrieben oder grob vereinfacht darstellt, die Sache, die er durchsetzen will, für die Sache aller Gutgesinnten ausgibt, und die Art und Weise, wie er sie durchsetzt oder durchzusetzen vorschlägt, als die einzig mögliche hinstellt.398

Gemessen an dieser Definition warf die ÖVP der SPÖ gewissermaßen vor, Zeit, Motiv und Gelegenheit für das Anliegen der Einführung der 40-Stunden-Woche zu nützen, um auf heimtückische Art und Weise gegenüber der ÖVP und der Wirtschaft das Ziel der Arbeitszeitreduktion mit dem »einzig« legitimen Mittel des Volksbegehrens zu erreichen. Morlocks Definition verweist auf vier Grundannahmen, die sich hinter dem Vorwurf der Demagogie verstecken. Diese können wie folgt zusammengefasst werden  : 1. Die SPÖ nütze die Gelegenheit im Hinblick auf die anstehende Nationalratswahl sowie die Wiener Gemeinderatswahl, um ihr politisches Anliegen der Arbeitszeitverkürzung über ein Volksbegehren, also öffentlich, bei der österreichischen Bevölkerung durchzusetzen. 2. Die SPÖ übertreibe in der Wahl des Mittels und des Wunsches zur Durchsetzung der Reduktion der Arbeitszeit. 3. Die SPÖ versuche die Arbeitszeitverkürzung so darzustellen, dass alle von dieser profitieren würden. 4. Die SPÖ stelle das Volksbegehren als einzig gangbare Möglichkeit hin, um sie – die ÖVP sowie die Wirtschaft – dazu zu bringen, die Arbeitszeiten in dem gewünschten Ausmaß zu verkürzen. Neben der Wahl eines Instruments der direkten Demokratie, des Volksbegehrens, wurde von der ÖVP und der Wirtschaft auch gerade der Zeitpunkt, zu dem dieses Mittel von der SPÖ ergriffen wurde, kritisiert. Aus dieser Sicht war der Zeitpunkt insofern wesentlich, als sich die ÖVP-Alleinregierung im letzten Regierungsjahr befand und für 1970 Nationalratswahlen, bei denen die Alleinregierung verteidigt werden musste, anstanden. Das Gefühl der Ausnützung dieses Themas als Wahlschlager scheint nicht von ungefähr zu kommen, war die ÖVP doch bereits Anfang 1968 im Rahmen einer Regierungsumbildung vom Zentralorgan der SPÖ, der Arbeiter Zeitung, verdächtigt worden, sich nur noch zu den nächsten Wahlen schleppen zu wollen. Die Zeitung 28. Jänner 1969  : 2  ; Wiener Zeitung, 6. Februar 1969  : 2  ; Arbeiter Zeitung, 19. März 1969  : 3  ; Wiener Zeitung, 3. April 1969  : 2  ; Arbeiter Zeitung, 4. Mai 1969  : 2. 398 Morlock 1977  : 24.

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hatte dazu die links dargestellte Karikatur veröffentlicht, deren Unterschrift lautete  : »Na ja, ein bisserl ang’schlagen ist er schon, der Wagen. Aber jetzt, wo wir die Mechaniker ausg’wechselt haben, kommen wir sicher noch bis zu den nächsten Wahlen.« Mit dieser Regierungsumbildung verband die Arbeiter Abb. 12  : Die neue alte ÖVP-Regierung Zeitung einen Neuanfang der Regierung Quelle  : Arbeiter Zeitung, 20. Jänner 1968  : 2. unter altem Namen, um so die Nationalratswahlen von 1970 ohne größere Probleme zu überstehen. Neben den anstehenden Wahlen verwies Altenburger in seiner Kritik am Zeitpunkt des Volksbegehrens zudem auf die unmittelbar bevorstehenden Wiener Gemeinderatswahlen.399 Prinzipiell, so wurde behauptet, sei durch die Wahl dieses Zeitpunktes der Auftrag an den Beirat ad absurdum geführt bzw. desavouiert worden.400 Der Vorwurf des Wahlschlagers, den die SPÖ teilweise zurückzuweisen versuchte,401 nahm in den ersten Tagen nach der Ankündigung breiten Raum ein. Es ging nicht nur um die den Diskussionen neu zugeführten Begriffe »Demagogie«, »Wahlschlager« und »Volksbegehren«. Wie schon in der vorangegangenen Etappe der Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit oder der Diskussion Anfang der 1960er Jahre brachten die Kontrahenten auch nun annähernd dieselben Argumente vor. Diese zweite Periode unterscheidet sich hauptsächlich durch die definitive Einmischung einer politischen Fraktion in die schon früher erwogene Frage einer Arbeitszeitverkürzung unter vollem Lohnausgleich. Zuvor waren bei den entsprechenden Versuchen und Vorstößen das Sozialministerium bzw. der ÖGB unter der Mitwirkung der Sozialpartnerschaft federführend gewesen. Die nunmehr maßgebliche Stellung einer politischen Partei bei einer gewissen Ausgrenzung der Sozialpartner hatte sich Mitte der 1960er Jahre erstmals bei einem von der sozialistischen Fraktion gestellten Initiativantrag zur Verkürzung der Arbeitszeiten gezeigt. In der nun folgenden wechselseitigen Initiative zwischen SPÖ und ÖGB, wobei die SPÖ sicherlich Hauptträger dieses Begehrens in den 1960er Jahren war, wurde in letzter Konsequenz die gesetzliche Verankerung der 40-Stunden-Woche erreicht.

399 Vgl. Altenburger, Erwin  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 130.  Sitzung  : 11202. 400 Vgl. Wiener Zeitung, 24. Jänner 1969  : 2. 401 Vgl. Arbeiter Zeitung, 17. April 1969  : 2.

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5.4.1 Initiativantrag 19/A XI. GP. vom 15. Juni 1966 Im letzten größeren Vorschlag zu einer etappenweisen Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit von 1958 war geplant gewesen, die 40-Stunden-Woche per 1. Jänner 1963 einzuführen. Doch seit dem Ministerialentwurf 1958 und dem Generalkollektivvertrag 1959 schien die 40-Stunden-Woche zwar in den Diskussionen immer wieder auf, einen konkreten Plan zu ihrer Einführung gab es aber nicht mehr. Erst 1966 kam es nach einem Memorandum des Bundesvorstandes des ÖGB und des Vorstandes des Österreichischen Arbeiterkammertages aufgrund der parlamentarischen Verschiebung der Kräfteverhältnisse402 durch die nunmehrige Alleinregierung der ÖVP zu einer Zusammenfassung diverser Forderungen. Darunter war auch der Anspruch, ein Arbeitszeitgesetz mit einer schrittweisen Herabsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 40 Stunden zu verwirklichen.403 Einen ersten Schritt zum erneuten Anstoß der Debatte gaben somit der ÖGB sowie die AK. In der veränderten politischen Landschaft Österreichs nahm die sich erstmals in der Zweiten Republik in der Opposition befindliche SPÖ sich dieses Anliegens an. Am 15. Juni 1966 wurden auf dem Wege des Initiativantrags mehrere Anträge von der SPÖ eingebracht, darunter Anträge zur Verbesserung des Urlaubsrechtes, zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und zur Erhöhung des Karenzgeldes.404 Ein weiterer dieser Initiativanträge beruhte auf der Grundlage dieses einstimmig vereinbarten Memorandums und wurde von den Abgeordneten Ing. Häuser, Weisz, Pichler und Genossen eingebracht.405 Dieser Initiativantrag beinhaltete die Thematik eines Arbeitsruhe- und Arbeitszeitgesetzes mit einer etappenweisen Arbeitszeitverkürzung und schlussendlich den Übergang zur 40-Stunden-Woche.406 Artikel I befasste sich mit dem Geltungsbereich des Arbeitszeit- und Arbeitsruhegesetzes. Dieses sollte für alle Dienstnehmer mit vollendetem 18. Lebensjahr Geltung erlangen und Lehrlinge, die diese Bedingung erfüllten, einschließen. Zu diesem Geltungsbereich wurden zahlreiche Ausnahmebestimmungen genannt. Keine Anwendung sollte dieses Arbeitszeit- und Arbeitsruhegesetz finden bei Dienstnehmern, – die beim Bund, den Bundesländern, Gemeindeverbänden und Gemeinden beschäftigt sind  ; ausgenommen von diesem Ausschluss waren allerdings Dienstnehmer in Bereichen der Kranken-, Heil-, Pflege- und Wohlfahrtsanstalten sowie der Post- und Telegraphenanstalt und des Postsparkassenamtes  ;

402 Weißenberg 1969  : 7. 403 Vgl. Weißenberg 1969  : 7  ; Rednerdienst des ÖGB 1969a  : 3  ; Tálos 2016. 404 Vgl. Arbeiter Zeitung, 16. Juni 1966  : 1. 405 Vgl. Weißenberg 1969  : 7  ; Arbeiter Zeitung, 3. Mai 1969  : 7. 406 Vgl. Arbeiter Zeitung, 16. Juni 1966  : 1  ; Weißenberg 1969  : 7  ; U.  Moser 1990  : 46.

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– deren Dienstverhältnis durch das Landarbeitsgesetz, das Bäckereiarbeitsgesetz, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Privat-Kraftwagenführergesetz, das Heimarbeitsgesetz und die Hausbesorgerordnung geregelt wird. Ebenfalls ausgenommen werden sollten Lehr- und Erziehungskräfte an Unterrichts- und Erziehungsanstalten, sofern diese nicht zu Dienstnehmern, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, zählten. Leitende Angestellte sollten von Arbeitszeit- und Arbeitsruhebestimmungen gleichfalls ausgenommen werden.407 Nach diesem Initiativantrag sollte Arbeitszeit wie folgt definiert werden  : § 3 (1) Als Arbeitszeit gilt die Zeit[,] während der sich der Dienstnehmer zur Verfügung des Dienstgebers halten muß, auch wenn er während dieser Zeit keine Arbeit zu verrichten hat. (2) Als Tagesarbeitszeit gilt die Arbeitszeit innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraumes von 24 Stunden, als Wochenarbeitszeit gilt die Arbeitszeit innerhalb des Zeitraumes von Montag bis einschließlich Sonntag. (3) Arbeitszeit ist auch die Zeit, während der ein im übrigen im Betrieb Beschäftigter in seiner eigenen Wohnung oder Werkstätte oder sonst außerhalb des Betriebes beschäftigt wird. Werden Dienstnehmer von mehreren Stellen beschäftigt, so dürfen die einzelnen Beschäftigungen zusammen die gesetzliche Höchstgrenze der Arbeitszeit nicht überschreiten.408

Eine andere Verteilung der Arbeitszeit zur Schaffung eines längeren zusammenhängenden Wochenendes konnten sich die Autoren vorstellen. Währenddessen sollten Verringerungen einer zusammenhängenden Wochenendfreizeit von Bewilligungen abhängig gemacht werden.409 Als Wochenendruhe war generell eine Wochenendfreizeit von 36 Stunden vorgesehen worden.410 Falls die Wochenendruhe durch Arbeiten am Sonntag von einer Dauer von mehr als drei Stunden unterbrochen würde, sah der Antrag eine in der Folgewoche zu praktizierende Ersatzruhe von 36 Stunden vor.411 Sowohl die Wochenendruhe als auch die Ersatzruhe konnte in zwei Teile ge407 Vgl. IA 19/A BlgNR, XI. GP  : 1f. 408 IA 19/A BlgNR, XI. GP  : 2. 409 Vgl. IA 19/A BlgNR, XI. GP  : 3. 410 Darüber hinaus enthielt der Initiativantrag genaue Regelungen, wann für männliche Dienstnehmer die Wochenendruhe beginnen sollte. Diese hatte spätestens am Sonntag um 0 Uhr zu beginnen und für manche Bereiche, z. B. Erzeugungsbetriebe, Speditionsbetriebe oder Betriebe des Geld- und Kreditwesens hatte sie am Samstag um 13 Uhr zu beginnen. Diese Wochenendruhe sollte für weibliche Dienstnehmer ebenfalls am Samstag um 13 Uhr beginnen. Für Dienstnehmerinnen, die für Säuberungs- und Instandhaltungsarbeiten zuständig waren, verschob sich der Beginn um zwei Stunden auf 15 Uhr. Vgl. IA 19/A BlgNR, XI. GP  : 11f. 411 Vgl. IA 19/A BlgNR, XI. GP  : 13.

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teilt oder aber durch das Bundesministerium für soziale Verwaltung einvernehmlich mit den Ministerien verlängert werden.412 Darüber hinaus wurde eine Regelung der Feiertagsruhe vorgeschlagen, die für männliche Dienstnehmer den Beginn um 0 Uhr sowie eine Dauer von 24 Stunden vorsah, während für weibliche Dienstnehmer die Feiertagsruhe bereits am Vortag um 17 Uhr zu beginnen hatte. Für Bereiche, in denen weibliche Dienstnehmer beschäftigt waren, enthielt der Initiativantrag zahlreiche Ausnahmen, die einen Beginn der Feiertagsruhe ebenfalls mit 0 Uhr und einer Dauer von 24 Stunden vorsahen.413 Im Schichtbetrieb verschob sich bei männlichen Dienstnehmern der Beginn der verpflichtenden Feiertagsruhe auf 6 Uhr morgens mit einer Dauer von 24 Stunden.414 Weiters wurden für bestimmte Branchen Durchrechnungszeiträume zur Erreichung der Wochenarbeitszeit angegeben. Für Kollektivverträge wurde die Option einer Verlängerung der Arbeitszeit vorgesehen.415 Ferner wurde die Anpassung der Arbeitszeit an erhöhte Arbeitsbedürfnisse an eine nachträgliche Anzeige beim Arbeitsinspektorat für höchsten 30 Tage innerhalb eines Kalenderjahres mit einer maximalen Ausdehnung der täglichen Arbeitszeit um zwei Stunden gekoppelt. Diese nachträgliche Anzeige sollte binnen 48 Stunden nach Beginn der Arbeitszeitverlängerung erfolgen.416 Bei Ausschöpfung dieses Rahmens sah der Initiativantrag die Möglichkeit einer weiteren Ausdehnung durch Anhörung der gesetzlichen Interessenvertretung vor.417 Sollten zusätzliche Arbeitskräfte bei dringendem Arbeitsbedürfnis eingestellt werden können, so sollte keine Arbeitszeitverlängerung genehmigt werden.418 Abweichende Arbeitszeiten wurden für Reparaturarbeiten in heißen Öfen von Eisen- oder Stahlhüttenbetrieben oder Kokereien vorgesehen. Die wöchentliche Arbeitszeit von 40 Wochenstunden durfte in heißen Siemens-Martin-Öfen, heißen Schmelz-, Glüh-, Aufheiz- oder Brennöfen sowie in heißen Konvertern oder in Kokereien in heißen Kokereiöfen nicht überschritten werden.419 Sollten die Reparatur412 Vgl. IA 19/A BlgNR, XI. GP  : 14f. 413 Die Feiertagsruhe für weibliche Dienstnehmer mit Beginn 0 Uhr des Feiertages sollte für Beschäftigte im Verkehrswesen, Gast- und Schankgewerbe, Beherbergungswesen, in offenen Verkaufsstellen, in Verlagen täglich erscheinender Zeitungen, im Friseurgewebe, in Kosmetik- und Fußpflegebetrieben, in Badeanstalten, bei Musikaufführungen, Theatervorstellungen, öffentlichen Schaustellungen, Darbietungen, Lustbarkeiten, Filmaufnahmen, in Lichtspieltheatern [Kino], in Apotheken, Kranken-, Heil- und Pflegeanstalten, Wohlfahrtsanstalten in mehrschichtigen Betrieben, für Ärztinnen, Telefonistinnen und Fernschreiberinnen gelten. IA 19/A BlgNR, XI. GP  : 15f. 414 Vgl. IA 19/A BlgNR, XI. GP  : 15. 415 Vgl. IA 19/A BlgNR, XI. GP  : 4f. 416 Vgl. IA 19/A BlgNR, XI. GP  : 5. 417 Vgl. IA 19/A BlgNR, XI. GP  : 5. 418 Vgl. IA 19/A BlgNR, XI. GP  : 5. 419 IA 19/A BlgNR, XI. GP  : 6.

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tätigkeiten keine volle Arbeitswoche beanspruchen, sollte eine Arbeitsstunde nicht mit 60 Minuten, sondern mit 67,5 Minuten gezählt werden.420 Nach Einführung der im Etappenplan vorgesehen 42-Stunden-Woche sollte die Arbeitsstunde in solchen Fällen schließlich mit 63 Minuten gezählt werden.421 Zentrales Anliegen waren einerseits die gesetzliche Verankerung der 45-Stunden-Woche bei einem Achtstundentag422 und andererseits die Festlegung eines Etappenplans zur Einführung der 40-Stunden-Woche. Dieser Plan legte drei Phasen der Verkürzung bei vollem Lohnausgleich als sozialpolitische Selbstverständlichkeit423 fest, wobei zum 1. Jänner 1968 die 43-Stunden-Woche, zum 1. Jänner 1970 die 41-Stunden-Woche und zum 1. Jänner 1971 die 40-Stunden-Woche424 eingeführt werden sollte. Die Etappen sollten es der österreichischen Wirtschaft ermöglichen, sich stufenweise den neuen Bedingungen anzupassen.425 Begründet wurde dieser Plan mit dem Ausgleich der technischen Entwicklung durch Freizeit, dem gesundheitspolitischen Aspekt in all seinen Facetten sowie dem Nutzen der Erholungsmöglichkeit im Interesse der Volksgesundheit.426 Darüber hinaus wurde die europäische Entwicklung als Begründung für den Etappenplan angeführt. Der Vorschlag sah überdies Ruhepausen ab einer Tagesarbeitszeit von mehr als sechs Stunden vor. Die Ruhepause sollte mindestens eine halbe Stunde betragen und spätestens nach fünf ununterbrochenen Arbeitsstunden gewährt werden.427 Zusätzlich wurde dem Dienstgeber die Möglichkeit eingeräumt, beim Arbeitsinspektorat anzusuchen, die Arbeitspause auf zwei Mal eine Viertelstunde aufzuteilen, falls dies im Interesse der Dienstnehmer lag.428 Diese Ruhepausen wurden als Arbeitszeit aufgefasst.429 Darüber hinaus inkludierte der Vorschlag nach Beendigung der Tagesarbeitszeit eine mindestens elfstündige ununterbrochene Ruhezeit, die per Kollektivvertrag für männliche Dienstnehmer auf zehn Stunden reduziert werden konnte.430 Ausnahmen von diesen Ruhezeiten wurden für die Behebung von Betriebsstörungen, für Betriebe, die mit verderblichen Rohstoffen arbeiten, für die Sicherung des Bestandes und der Betriebsfähigkeit von Bergwerken sowie für Arbeiten, die wegen 420 Vgl. IA 19/A BlgNR, XI. GP  : 6. 421 Vgl. IA 19/A BlgNR, XI. GP  : 6. 422 Vgl. Arbeiter Zeitung, 16. Juni 1966  : 2  ; IA 19/A BlgNR, XI. GP  : 2. 423 Vgl. ErläutIA 19/A BlgNR, XI. GP  : 41. 424 Vgl. IA 19/A BlgNR, XI. GP  : 2f.; ErläutIA 19/A BlgNR, XI. GP 40.; Arbeiter Zeitung, 16. Juni 1966  : 2. 425 Vgl. ErläutIA 19/A BlgNR, XI. GP  : 41. 426 Vgl. ErläutIA 19/A BlgNR, XI. GP  : 40. 427 Vgl. IA 19/A BlgNR, XI. GP  : 7. 428 Vgl. IA 19/A BlgNR, XI. GP  : 7. 429 Vgl. IA 19/A BlgNR, XI. GP  : 7. 430 Vgl. IA 19/A BlgNR, XI. GP  : 8.

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dringender Gefahr zur Sicherung des Lebens und der Gesundheit der Dienstnehmer vorgenommen werden müssen, vorgesehen.431 Aber auch bei Notstand konnte die Arbeitsruhe ausgesetzt werden.432 Wiederum bestand eine Anzeigepflicht beim Arbeitsinspektorat innerhalb von 48 Stunden.433 Der Antrag beschäftigte sich auch mit Sonderbestimmungen weiblicher Dienstnehmer. Eine Beschäftigung von Dienstnehmerinnen während der Nacht – zwischen 20 Uhr und 6 Uhr – durfte nicht erfolgen.434 Diese Regelung war nicht unumstößlich. Nach Anhörung der gesetzlichen Interessenvertretung von Dienstnehmern und -gebern konnte aufgrund außerordentlicher Umstände dieses Nachtarbeitsverbot aufgehoben werden.435 Nachtarbeit weiblicher Dienstnehmer konnte demnach für zwei Wochen und maximal für 40 Tage innerhalb eines Kalenderjahres zwischen 22 Uhr und 6 Uhr genehmigt werden.436 Ausgenommen von dieser Nachtarbeitsruhe weiblicher Dienstnehmer waren Beschäftigte im Verkehrswesen. Dazu zählten das Rundfunk- und Fernmeldewesen, die Beherbergungsbetriebe, die Zeitungsverlage, die Aufführungen von Musik- und Theaterstücken sowie andere Aufführungen, Filmaufnahmen, die Vorführungen in Kinos, die Apotheken und ferner die Ärzte, Dienstnehmerinnen nach dem Krankenpflege- und dem Hebammengesetz, Dienstnehmerinnen in Kranken-, Heil- und Pflegeanstalten sowie Wohlfahrtsanstalten, um diese Betriebe aufrechtzuerhalten, sowie sonstiges Personal in diesem Bereich zur Sicherstellung des Betriebes.437 Lag ein Schichtbetrieb vor, sollte die Beschäftigung weiblicher Dienstnehmer bis 23 Uhr ohne Probleme möglich sein.438 Der regelmäßige Beginn der Frühschicht um 5 Uhr – bei entsprechendem früherem Ende der Spätschicht – war allerdings beim Arbeitsinspektorat anzeigepflichtig.439 Das Ende einer Spätschicht konnte ebenfalls nach Anhörung der Interessenvertretungen vom Arbeitsinspektorat für spätestens 24 Uhr genehmigt werden.440 Weitere Ausnahmen von der Nachtruhe wurden für eine Reihe von Notfällen vorgesehen.441 In dem Initiativantrag lebte schließlich eine der geschlechtsspezifischen Forderungen weiter. In § 18 (1) billigte er weiblichen Dienstnehmern mit eigenem Haus431 Vgl. IA 19/A BlgNR, XI. GP  : 8. 432 Vgl. IA 19/A BlgNR, XI. GP  : 8. 433 Vgl. IA 19/A BlgNR, XI. GP  : 8. 434 Vgl. IA 19/A BlgNR, XI. GP  : 9. 435 Vgl. IA 19/A BlgNR, XI. GP  : 9. 436 Vgl. IA 19/A BlgNR, XI. GP  : 9. 437 Vgl. IA 19/A BlgNR, XI. GP  : 9f. 438 Vgl. IA 19/A BlgNR, XI. GP  : 10. 439 Vgl. IA 19/A BlgNR, XI. GP  : 10. 440 Vgl. IA 19/A BlgNR, XI. GP  : 10. 441 Vgl. IA 19/A BlgNR, XI. GP  : 10f

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halt und einer wöchentlichen Arbeitszeit von 44 oder mehr Wochenstunden bei einer Aufteilung der Arbeitswoche auf mehr als fünf Tage einen Hausarbeitstag pro Kalendermonat zu. Dieser durfte nur dann konsumiert werden, wenn in dem betreffenden Kalendermonat kein Urlaub von mehr als zwölf Werktagen verbraucht wurde. Die Gewährung des Hausarbeitstages war nur auf Verlangen der weiblichen Dienstnehmer geplant.442 Sollten kollektivvertragliche Regelungen den Hausarbeitstag unabhängig von der Wochenarbeitszeit oder bei kürzeren Wochenarbeitszeiten gewähren, so sollte er von den Bestimmungen des Initiativantrages und des späteren Arbeitszeitgesetzes nicht berührt werden.443 Im Anhang wurden schließlich noch 28 Arbeiten angeführt, die für weibliche Dienstnehmer verboten sein sollten.444 Dem Beginn der erläuternden Bemerkungen wurde eine Begründung, warum dieses Gesetz notwendig sei, vorangestellt. Die Notwendigkeit ergab sich aus Sicht der Antragsteller daraus, dass die gegenwärtig in Geltung befindlichen gesetzlichen Regelungen unübersichtlich seien und im Arbeitsrecht Rechtsunsicherheit bestehe und es daher einer Neuregelung bedürfe.445 Dementsprechend seien zahlreiche gesetzliche Vorschriften an die sozialen Gegebenheiten anzupassen. Unter anderem widmeten sich die Autoren nochmals der Rechtsunsicherheit, die durch die divergierenden Urteile des VfGH und des VwGH verstärkt worden war. Es wurde darauf verwiesen, dass das Bundesministerium für Soziale Verwaltung mittels einer Verordnung für Rechtssicherheit hatte sorgen wollen. Am 3. März 1966 hatte der VfGH § 2 dieser Verordnung betreffend deren Zulassung beim Nachweis eines dringenden Bedürfnisses als verfassungswidrig aufgehoben.446 Die Aufhebung erfolgte mittels Kundgebung durch das Bundesministerium für soziale Verwaltung 442 Vgl. IA 19/A BlgNR, XI. GP  : 10. 443 Vgl. IA 19/A BlgNR, XI. GP  : 11. 444 Dazu zählten Arbeiten im Bergbau, Sprengarbeiten, Arbeiten in Steinbrüchen, Lehm-, Ton-, Sandund Kiesgruben, Arbeiten in Kalkbrennereien, Arbeiten bei der Ziegelerzeugung, Arbeiten bei der Erzeugung von keramischen Artikeln und von Schamottartikeln, Arbeiten bei der Erzeugung, Bearbeitung und Veredlung von Glas oder Glaswaren, Bauarbeiten, Druckluftarbeiten, Anstreicher-, Lackierer- und Malerarbeiten, Arbeiten in Metallhüten, Arbeiten in Blei- und Zinkhütten und Zinkweißfabriken, Arbeiten in Gießereien, Arbeiten bei der autogenen Metallbearbeitung, Arbeiten in Zyankalien-Härtereien, Arbeiten in Metall-Brennanlagen, Arbeiten in Betrieben zur Erzeugung von Bleiverbindungen, Bleilegierungen und Bleiwaren, Arbeiten beim Mischen von Benzin, Arbeiten an Holzbearbeitungsmaschinen, Arbeiten bei der Erzeugung und Verarbeitung von Papier und Pappe, Arbeiten in graphischen Betrieben und Schriftgießereien, Arbeiten in Kokereien, Arbeiten mit Thomasmehl, Arbeiten als Führer von Fahrzeugen, Kranen und Baggern, Arbeiten unter Verwendung von Benzol-, Toluol-, Xylolen- oder Schwefelkohlenstoff, Arbeiten mit Pressluftwerkzeugen, Transport- und Verladearbeiten sowie Arbeiten bei der Schädlingsbekämpfung. Diese Arbeiten wurden teilweise noch weiter präzisiert. IA 19/A BlgNR, XI. GP  : 31ff. 445 Vgl. ErläutIA 19/A BlgNR, XI. GP  : 36. 446 BGBl. 49/1966  : 283.

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per 31. März 1966.447 Die Autoren des Initiativantrags wollten so erneut das Maß an Rechtsunsicherheit in Bezug auf die Arbeitszeit verdeutlichen.448 Dem Hinweis auf die bestehende Rechtsunsicherheit folgte ein Kurzabriss der bisherigen Bemühungen zur Schaffung eines neuen österreichischen Arbeitszeitgesetzes. Unter anderem wurden die Gesetzesentwürfe 1950 und 1953 genannt.449 Darüber hinaus verwiesen die Autoren darauf, dass die schrittweise Arbeitszeitverkürzung auch für bestimmte Dienstnehmergruppen, die bislang Sondervorschriften besaßen, gelten solle.450 Deshalb seien diese Gesetze dem neuen Arbeitszeitgesetz anzupassen. Ferner seien die Bestimmungen zur Sonn- und Feiertagsruhe aufgrund der gegebenen zersplitterten Rechtslage anzupassen.451 Nach der allgemeinen Einführung folgte schließlich die Erläuterung der einzelnen Passagen des in dem Initiativantrag behandelten Arbeitszeit- und Arbeitsruhegesetzes. Der Verkürzungsplan mit konkreter Terminvorgabe und der Initiativantrag im Speziellen stießen bei der ÖVP auf wenig Gegenliebe. Altenburger wies am 6. Juli 1966 im Nationalrat auf grundsätzliche Bedenken hin. So sei der Plan nicht durch die Gewerkschaft gedeckt und beinhalte keine konkrete Jahreszahl (1971) für die Einführung der 40-Stunden-Woche.452 Unmittelbare Bedeutung hatte der Initiativantrag 19/A vom 15. Juni 1966 nicht. Im Parlament kam er bis Mai 1968 nicht wieder zur Sprache. Dabei ging es um den Antrag, dem Ausschuss für soziale Verwaltung Bericht über den Initiativantrag bis 31. Dezember 1968 zu erstatten.453 Dieser Antrag wurde nur von einer Minderheit befürwortet, so dass er abgelehnt und im Parlament nicht behandelt wurde.454 Erst ab dem in Auftrag gegebenen Bericht des Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen von 1968 erlangte der Initiativantrag in den Diskussionen eine gewisse Bedeutung. Dass ihm nur wenig Aufmerksamkeit zuteilwurde und seine Wirkung verpuffte, lag, wie Altenburger betonte, wahrscheinlich an dem fehlenden Beschluss des ÖGB zu seiner Rechtfertigung trotz des Memorandums zwischen ÖGB und dem Österreichischen Arbeiterkammertag.

447 BGBl. 49/1966  : 283. 448 Vgl. ErläutIA 19/A BlgNR, XI. GP  : 37. 449 Vgl. ErläutIA 19/A BlgNR, XI. GP  : 37. 450 Vgl. ErläutIA 19/A BlgNR, XI. GP  : 37. 451 Vgl. ErläutIA 19/A BlgNR, XI. GP  : 38. 452 Vgl. Altenburger, Erwin  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 18.  Sitzung  : 1458. 453 Vgl. Waldbrunner, Karl  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 101.  Sitzung  : 8068. 454 Vgl. Arbeiter Zeitung, 3. Mai 1969  : 7  ; Waldbrunner, Karl  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 101.  Sitzung  : 8068  ; Gamsjäger, Josef  : Sten. Prot. BR, XI. GP, 286.  Sitzung  : 7581  ; Wüthrich 1987  : 225  ; U.  Moser 1990  : 46.

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5.4.2 Beschluss des ÖGB-Bundesvorstandes vom 24. September 1968 Am 24. September 1968 trat der ÖGB-Bundesvorstand zusammen. Dort wurde, bezogen auf die vorangegangenen Beschlüsse der ÖGB-Bundeskongresse, der Beschluss gefasst, die Initiative zur Einführung der 40-Stunden-Woche zu ergreifen.455 Ausschlaggebend waren die Konjunkturerholung, die Wachstumsmöglichkeiten der österreichischen Wirtschaft456 sowie der internationale Trend zur verkürzten wöchentlichen Normalarbeitszeit. In seiner weiteren Vorgangsweise wandte sich der ÖGB an alle Parteien. Brieflich forderte er sie sowie die Regierung auf, seine Forderungen nach einem Arbeitszeitgesetz aufzunehmen und zu unterstützen.457 Als Ersatzlösung wurde die Schaffung eines Generalkollektivvertrages betrachtet.458 Die SPÖ unterstützte das Anliegen voll und ganz.459 Bundeskanzler Klaus behielt sich eine abschließende Mitteilung zu dieser Thematik vor, der Parlamentsklub der ÖVP wiederum antwortete, dass er das Schreiben zur Kenntnis genommen habe.460 Die FPÖ betonte, dass sie den Trend zur Arbeitszeitverkürzung bejahe und dass diese im Sinne der Gesundhaltung, sofern volkswirtschaftlich möglich, eingeleitet werden solle.461 Darüber hinaus ging das Schreiben an die Bundeswirtschaftskammer, um Verhandlungen über eine kollektivvertragliche Verkürzung der Arbeitszeit beginnen zu können.462 Dieses Anliegen wurde schließlich in der Paritätischen Kommission besprochen, die sich ihrerseits dahingehend verständigte, den Beirat für Sozial- und Wirtschaftsfragen mit der Ausarbeitung einer Untersuchung zu beauftragen.463 Generell erfolgte nunmehr auf der Ebene der Sozialpartner die Diskussion über die technischen Aspekte der Frage nach der Durchführbarkeit einer Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeiten.464 Nach Ansicht des ÖGB kam der Vorstoß bei den Arbeitnehmern gut an, werde doch in den Betrieben lebhaft darüber diskutiert.465 Eine Umfrage Ende 1968 schien dies zu bestätigen  : Drei Viertel der befragten österreichischen Arbeitnehmer spra-

455 Wüthrich 1987  : 223  ; Arbeit und Wirtschaft 1969  : 2. 456 Benya, Anton  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 114.  Sitzung  : 9079  ; Arbeiter Zeitung, 25. September 1968  : 4  ; Arbeit und Wirtschaft 1969  : 4. 457 Wüthrich 1987  : 223  ; Göhring 1992  : 243. 458 Vgl. Kittel 1996  : 230. 459 Vgl. Arbeiter Zeitung, 3. Dezember 1968  : 4  ; Häuser 1969  : 15. 460 Vgl. Häuser 1969  : 15. 461 Vgl. Melter, Werner  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 118.  Sitzung  : 9604. 462 Wüthrich 1987  : 223f. 463 Wüthrich 1987  : 224. 464 Vgl. Kittel 1996  : 231. 465 Arbeit und Wirtschaft 1969  : 4.

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chen sich für die Einführung der 40-Stunden-Woche aus.466 Doch nicht bei allen stieß das Vorgehen des ÖGB auf Wohlwollen. Altenburger meinte  : »Wir kennen die Schwierigkeiten, aber man kann diese Frage doch nicht so behandeln, daß man sagt  : Nein, es geschieht nichts  ! Da wird nichts gemacht  ! Das ist untragbar  ! – Das ist doch keine Diskussion darüber  !«467 Er betonte zwar, dass die ÖVP die Diskussionen nicht ablehne, aber es müsse alles überprüft werden, da speziell der VOEST und der verstaatlichten Industrie nichts Gutes getan werde, wenn man die Sache nur einseitig betrachte.468 Er warf den Gewerkschaftsfunktionären der SPÖ vor, reine Demagogie zu betreiben, durch die es zu einer Schockwirkung gekommen sei, und forderte eine sachliche Prüfung ein.469 Gleichzeitig stellte Altenburger die Frage in den Raum, ob das Thema nunmehr einseitig gelöst werden solle.470 Damit warf Altenburger der SPÖ bereits im November 1968 vor, in Widerspruch zu den verantwortlichen Funktionären des ÖGB zu stehen.471 Darüber hinaus wurde der Vorwurf laut, es bestehe die Absicht, eine sofortige Absenkung der Arbeitszeit von 45 auf 40 Wochenstunden bei vollem Lohnausgleich durchführen zu wollen, was wiederum die SPÖ als Affront gegenüber dem Gewerkschaftsbund sah.472 Vom Beiratsbericht wurde eine Untersuchung der ökonomischen Auswirkungen einer schrittweisen Arbeitszeitverkürzung sowie die Schaffung einer sachlichen Diskussionsgrundlage erwartet.473 Ferner wurde eine Einigung dahingehend erzielt, bis zur Veröffentlichung des Beiratsberichtes die Gespräche zu vertagen sowie Verhandlungen über Vorstöße einzelner Gewerkschaften, branchenweise Arbeitszeitverkürzungen herbeizuführen,474 aufzuschieben. Der Beschluss des ÖGB vom 24. September 1968 leitete eine intensive Phase der Diskussionen ein. In dieser Periode vom Herbst 1968 bis zur endgültigen Realisierung der 40-stündigen Normalarbeitswoche auf gesetzlicher Basis lassen sich zwei Stränge der Entwicklung verfolgen. Zum einen ist der auf die Initiative des ÖGB zurückgehende Beiratsbericht, der 1969 veröffentlicht werden sollte, wesentlich. Zum anderen überschneidet sich das von der SPÖ initiierte Volksbegehren zur Thematik des Arbeitszeitgesetzes und zur Reduktion der Arbeitszeit mit diesem Bericht.

466 Arbeiter Zeitung, 11. Dezember 1968  : 1. 467 Altenburger, Erwin  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 118.  Sitzung  : 9591. 468 Vgl. Altenburger, Erwin  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 118.  Sitzung  : 9592. 469 Vgl. Altenburger, Erwin  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 118.  Sitzung  : 9592. 470 Vgl. Altenburger, Erwin  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 118.  Sitzung  : 9592. 471 Vgl. Altenburger, Erwin  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 118.  Sitzung  : 9592. 472 Ing. Häuser, Rudolf  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 122.  Sitzung  : 10276. 473 Wüthrich 1987  : 224. 474 Vgl. Wüthrich 1987  : 224.

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5.4.3 Ziele, Aufgaben und Zeitplan des Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen Ein erster Hauptimpuls zur Arbeitszeitreduktion wurde in den 1960er Jahren vom Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen, der sich seit 11. Oktober 1968 mit diesem Thema befasste, mit seinem Bericht »Untersuchungen über die Probleme der Arbeitszeitverkürzung« gesetzt.475 Eine aus vier Arbeitskreisen476 bestehende »Arbeitsgruppe Arbeitszeitprogramm«477 wurde ins Leben gerufen.478 Deren konstituierende Sitzung fand am 22. Oktober 1968 statt.479 Die wirtschaftlichen Auswirkungen der etappenweisen Arbeitszeitverkürzung auf die Entwicklung des Arbeitskräftepotentials, des Wirtschaftswachstum und des Kosten- und Preisniveaus480 sollten untersucht werden. Nicht die Untersuchung der Auswirkungen einer einstündigen Verminderung, sondern die Analyse einer fünfstündigen Arbeitszeitverkürzung im Hinblick auf die Einführung der 40-Stunden-Woche war zentral.481 Teilweise wurde von sozialistischer Seite die Untersuchung im Generellen hinterfragt, da die Einführung der 40-Stunden-Woche nur auf Teilbereiche der Wirtschaft Auswirkungen hätte, arbeiteten doch manche Bereiche bereits zu diesem Zeitpunkt weniger als 45 Wochenstunden.482 Die Arbeit des Beirats wurde generell begrüßt.483 Anfang Oktober 1968 kam es zu einer Aussendung eines Textes des Pressedienstes der Industrie. Darin wurde klargestellt, dass eine Arbeitszeitverkürzung nur nach einer Investitionswelle und erst dann, wenn das Arbeitskräftepotential wieder passe, vollzogen werden könne.484 Neben der Unterstützung eines Beiratsberichtes und der Formulierung einer »allfälligen Verkürzung der Arbeitszeit« wurde erwartungsgemäß die Wahl des Zeitpunktes kritisiert.485 Diese Kritik wurde von der Arbeiter Zeitung aufgegriffen, die einen Artikel unter dem Titel »Industrie  : 40-Stunden-Woche bis zum Jahre 1973 aufschieben« veröffentlichte. Dies bezog sich auf die Passage, dass das Arbeitskräftepotential erst 1973 wieder den Stand von 1965 erreichen und eine frühere Arbeitszeitverkürzung 475 Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 7  ; Mesch/Schwarz/Stemberger 1987  : 38. 476 Vgl. Staribacher, Josef  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 130.  Sitzung  : 11199. 477 Wiener Zeitung, 25. Oktober 1968  : 2. 478 Die Arbeiter Zeitung spricht im Dezember von der »Arbeitsgruppe Arbeitszeitprobleme«. Vgl. Arbeiter Zeitung, 12. Dezember 1968  : 2. 479 Wiener Zeitung, 25. Oktober 1968  : 2  ; Arbeiter Zeitung, 25. Oktober 1968  : 4. 480 Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 7  ; Arbeiter Zeitung, 13. Oktober 1968  : 2  ; Arbeiter Zeitung, 25. Oktober 1968  : 4  ; Wiener Zeitung, 25. Oktober 1968  : 2  ; Arbeiter Zeitung, 12. Dezember 1968  : 2. 481 Vgl. Arbeiter Zeitung, 13. Oktober 1968  : 2  ; Wiener Zeitung, 25. Oktober 1968  : 2  ; Arbeiter Zeitung, 25. Oktober 1968  : 4  ; Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 7. 482 Vgl. Ing. Häuser, Rudolf  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 130.  Sitzung  : 11206. 483 Wiener Zeitung, 17. Oktober 1968  : 2. 484 Vgl. Wiener Zeitung, 8. Oktober 1968  : 2. 485 Vgl. Wiener Zeitung, 8. Oktober 1968  : 2.

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die Wirtschaft schwer belasten würde.486 Ein konkreter Zeitpunkt lässt sich allerdings aus der Aufgabenstellung des Beirats nicht herleiten.487 Der Fahrplan sah zunächst die Abfassung der Rohentwürfe bis Mitte Jänner 1969 vor.488 Bis Ende desselben Monats sollte eine »Erste Lesung« erfolgen.489 Bis Mitte Februar 1969 war eine Überarbeitung mit der Herausbringung einer Endfassung geplant.490 Diese Endfassung sollte einer Arbeitsgruppenklausur zur nochmaligen Beratung und Beschlussfassung vorgelegt werden.491 Ende Februar war die »Verabschiedung« des Berichts vorgesehen, dessen Veröffentlichung für März 1969 geplant war, um den Sozialpartnern als wichtige Unterlage für Verhandlungen zur Verfügung zu stehen.492 5.4.4 Das Volksbegehren für die Reduktion der Arbeitszeit und die Verwirklichung eines Arbeitszeit- und Arbeitsruhegesetzes Im nachfolgenden Abschnitt geht es um das von der SPÖ initiierte Volksbegehren, das sich derselben Problematik annahm, mit der sich der Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen auseinandersetzte, und das als Reaktion auf die Nichtbeachtung des Initiativantrages von 1966 gestartet wurde.493 Mit ihrer Absichtserklärung ergänzte die SPÖ das Vorhaben des ÖGB494 und erweiterte zugleich die Forderung um eine politische Komponente. Damit sollte nicht zuletzt das Versanden der Verhandlungen, wie bei den anderen Initiativen, verhindert werden.495 5.4.4.1 Das Volksbegehren als Instrument der direkten Demokratie Das Volksbegehren war zum damaligen Zeitpunkt ein wenig benütztes Instrument der direkten Demokratie. Bereits in der Ersten Republik waren zwei Instrumente der direkten Demokratie, das Volksbegehren und die Volksabstimmung, geschaffen worden, welche in der Zweiten Republik durch das Instrument der Volksbefragung ergänzt wurden.496 Der Zweck des Volksbegehrens liegt darin, »dem Volk unter Beibehaltung der vollen Souveränität des Parlaments die Möglichkeit einzuräumen, seinen politi486 Vgl. Arbeiter Zeitung, 8. Oktober 1968  : 4. 487 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 7. 488 Vgl. Wiener Zeitung, 12. Dezember 1968  : 2  ; Arbeiter Zeitung, 12. Dezember 1968  : 2. 489 Vgl. Wiener Zeitung, 12. Dezember 1968  : 2. 490 Vgl. Wiener Zeitung, 12. Dezember 1968  : 2  ; Arbeiter Zeitung, 12. Dezember 1968  : 2. 491 Wiener Zeitung, 12. Dezember 1968  : 2  ; Arbeiter Zeitung, 12. Dezember 1968  : 2. 492 Vgl. Wiener Zeitung, 12. Dezember 1968  : 2  ; Arbeiter Zeitung, 12. Dezember 1968  : 2. 493 Vgl. Arbeiter Zeitung, 3. Mai 1969  : 7. 494 Vgl. Kittel 1996  : 230. 495 Vgl. Kittel 1996  : 229ff. 496 Vgl. Schambeck 1980  : 235  ; Schäffer 2004  : 412  ; Rosenberger/Seeber 2007  : 235.

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schen Willen gegenüber den Repräsentanten zu artikulieren.«497 Es dient mehrheitlich als politisches Instrument, vornehmlich der Bürger, zur Einbringung eines Gesetzesvorschlages.498 Die Teilnahme ist als politisches Grundrecht garantiert. Die Entscheidungshoheit über die Beschlussfassung von Gesetzen liegt jedoch weiterhin beim Parlament.499 Grundsätzlich ist das Volksbegehren sowohl für die Zivilgesellschaft als auch für die politischen Parteien bzw. die parteinahen Organisationen wesentlich.500 Daher wird begrifflich zwischen zivilgesellschaftlich initiierten und »Parteienvolksbegehren« unterschieden.501 Neben dem Zweck der Willensartikulation erfüllt das Volksbegehren einen weiteren wesentlichen Zweck. So wird in »Parteienvolksbegehren« vielfach von Oppositionsparteien versucht, mit Hilfe der Wähler und einer plebiszitären Strategie der Mobilisierung zusätzlichen Druck auf die jeweilige Regierung auszuüben.502 Das Volksbegehren, ob zivilgesellschaftlich oder (partei-)politisch initiiert, hat erst im Laufe der Zweiten Republik an Bedeutung gewonnen.503 Ab den 1960er Jahren steigt sein Gebrauch an, jedoch haben sich Volksbegehren nicht als besonders wirkund durchsetzungskräftig erwiesen. In Österreich diente dieses Instrument vielfach nur dazu, bestimmte Anliegen in der Öffentlichkeit zu thematisieren.504 Die Einbringung und Verwirklichung eines Gesetzes, das eigentliche politische Ziel, konnten letztlich nur die ersten drei Volksbegehren505 der Zweiten Republik erreichen. Doch bereits in der Ersten Republik gab es ein Volksbegehren, das von 1.666.623506 Personen unterzeichnet wurde. Trotz der großen Zahl an Unterschriften dieses Volksbegehrens betreffend die »Sicherung der Arbeitslosenfürsorge und die Inkraftsetzung der Alters-, Invaliditäts-, Witwen- und Waisenversorgung« (1931) hatte es keine Bedeutung, da die damalige Regierung den Standpunkt vertrat, dass die notwendige Überprüfung der Unterschriften nicht möglich sei.507 In der Zweiten Republik unternahm der Verband der Naturärzte und Heilkundigen 1947 einen Versuch, ein Volksbegehren zu initiieren, das jedoch verschleppt wurde.508 Jedes Volksbegehren benötigt für die Behandlung im Parlament eine bestimme Anzahl an Unterstützungserklärungen. Unterstützungserklärungen von 200.000 497 Schäffer 2004  : 413. 498 Rosenberger/Seeber 2007  : 233. 499 Rosenberger/Seeber 2007  : 235. 500 Rosenberger/Seeber 2007  : 233. 501 Vgl. Rosenberger/Seeber 2007  : 233. 502 Rosenberger/Seeber 2007  : 233. 503 Vgl. Schäffer 2004  : 413. 504 Vgl. Schäffer 2004  : 413f. 505 Vgl. Schäffer 2004  : 414. 506 Schäffer 2004  : 414. 507 Vgl. Schäffer 2004  : 414. 508 Vgl. Schäffer 2004  : 414f.

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Stimmberechtigten bzw. mit jeweils der Hälfte der Stimmberechtigten dreier Länder509 sah das Bundesverfassungsgesetz bis 1981 vor. Danach kam es zur Absenkung auf 100.000 Stimmberechtigte bzw. auf ein Sechstel der Stimmberechtigten dreier Länder.510 Seit 1988 ist es nicht mehr notwendig, dass das Volksbegehren einen kompletten Gesetzestext enthält, sondern es wird auch eine bloße Anregung zugelassen.511 Nebstdem gibt es zur Behandlung im Parlament eine »Eingangshürde« mit der die Auseinandersetzung im Parlament starten kann. Diese ist so gewählt, dass belanglose oder von kleinsten Splittergruppen vertretene Anliegen vermieden werden  ; diese Hürde wirkt jedoch nicht prohibitiv.512 1963 kam es nach Unsicherheiten, ob das Gesetz über die Volksabstimmung nach dem Zweiten Weltkrieg überhaupt weiterhin in Kraft war, zu einer endgültigen Lösung.513 Dabei kam es zur Abänderung der »Eingangshürde«. Sie sah eine Erschwerung für die Bürger und eine Erleichterung für die Parteien vor.514 Die Zahl der erforderlichen Unterstützungserklärungen wurde erhöht, die der erforderlichen unterstützenden Abgeordneten hingegen gesenkt.515 So wurden nun 30.000 Unterstützungserklärungen oder alternativ Unterschriften von 15 Mitgliedern des Nationalrates oder von mindestens fünf Mitgliedern der Landtage dreier Länder benötigt.516 1973 wurde diese Bestimmung wieder erleichtert, so dass nunmehr 10.000 Unterstützungserklärungen oder alternativ die Unterschrift von acht Abgeordneten des Nationalrates oder von je vier Abgeordneten dreier Landtage notwendig waren.517 Seit einer Novelle von 1998 ist die alternative Einbringung durch Abgeordnete nicht mehr vorgesehen.518 Zudem wurde bei der aktuellen Fassung die Zahl der Unterstützungserklärung dahingehend abgeändert, dass ein Promille der bei der jeweils letzten Volkszählung festgestellten Wohnbevölkerungszahl ausreicht.519 Ein Volksbegehren läuft in drei Phasen ab. Die erste Etappe ist das Einleitungsverfahren. Zu diesem Zeitpunkt ist es erforderlich, dass die notwendigen Unterstützungserklärungen der »Eingangshürde« erreicht werden. Die zweite Etappe ist das Eintragungsverfahren. Über einen Zeitraum von acht Tagen liegt der Antrag des

509 Vgl. Schranz 1969  : 84  ; Schambeck 1980  : 235  ; Schäffer 2004  : 419. 510 Vgl. Schäffer 2004  : 419f.; Rosenberger/Seeber 2007  : 235. 511 Vgl. Schäffer 2004  : 420. 512 Vgl. Schäffer 2004  : 420. 513 Vgl. Schambeck 1980  : 236. 514 Vgl. Rosenberger/Seeber 2007  : 235. 515 Vgl. Rosenberger/Seeber 2007  : 235. 516 Vgl. Schäffer 2004  : 420  ; Schambeck 1980  : 238. 517 Vgl. Rosenberger/Seeber 2007  : 235  ; Schäffer 2004  : 420  ; Schambeck 1980  : 238. 518 Vgl. Schäffer 2004  : 421  ; Rosenberger/Seeber 2007  : 235. 519 Schäffer 2004  : 421  ; Rosenberger/Seeber 2007  : 235.

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Volksbegehrens zur Unterschrift am Eintragungsort auf.520 Die dritte Etappe ist das Ermittlungsverfahren mit der Auswertung durch die Gemeinden. Fehlt die Mindestunterstützung, so ist das Volksbegehren dem Nationalrat nicht vorzulegen.521 Aber auch wenn sie gegeben ist, muss dieser »weder einen dem Volksbegehren entsprechenden Gesetzesbeschluss fassen noch kann er an der Erlassung von Gesetzen gehindert werden, die dem Volksbegehren nicht entsprechen.«522 Fernerhin ist zu beachten, dass Volksbegehren nach dem Prinzip der Diskontinuität mit Ablauf der Legislaturperiode verfallen, was bei den Volksbegehren zu den Themen »Gegen Abfangjäger« und »Sozialstaat Österreich« der Fall war.523 Dies traf de facto ebenfalls auf das Rundfunk-Volksbegehren von 1964 zu, als sich der Nationalrat 1965 auflöste.524 Daher ist neben der Aufbringung der in der jeweiligen Phase notwendigen Unterstützungserklärungen der Zeitpunkt der Durchführung zu beachten. 5.4.4.2 Das Rundfunk-Volksbegehren als Modell 1963 brachte Klarheit in die Angelegenheit des Instruments des Volksbegehrens. Bereits ein Jahr später kam es, abgesehen vom 1947 verschleppten und nicht durchgeführten Volksbegehren des Verbandes der Naturärzte und Heilkundigen, zum ersten Volksbegehren der Zweiten Republik. Von 44 parteiunabhängigen Zeitungen wurde mit dem Ziel, den Parteienfluss auf den ORF zu beseitigen,525 eine Initiative unter dem Begriff »Rundfunk-Volksbegehren« gestartet. Bis dahin hatte der Parteieneinfluss dafür gesorgt, dass vielfach Themen der Innen- und Wirtschaftspolitik im ORF nicht berücksichtigt werden konnten.526 Die Thematik wurde von ÖVP und FPÖ bald als politische Kardinalfrage zur Kenntnis527 genommen, während die SPÖ eher untergriffig darauf reagierte, das Vorhaben der »präpotenten Journaille«528 zuschrieb und sich nicht zu »Stiefelputzern«529 degradieren lassen wollte. In letzter Konsequenz wurde das Volksbegehren von über 800.000 Personen unterfertigt. Nach Ansicht der SPÖ hatten sie nur unterschrieben, weil »sie die Mängel und die politischen Tücken der Vorlage nicht gleich zu erkennen mochten«.530 Der 520 Vgl. Schäffer 2004  : 428. 521 Vgl. Schäffer 2004  : 429. 522 Schäffer 2004  : 429. 523 Vgl. Schäffer 2004  : 431. 524 Vgl. Lachs 1966  : 24. 525 Rosenberger/Seeber 2007  : 235  ; Molden 2010  : 718. 526 Vgl. Molden 2010  : 718. 527 Kriechbaumer 1999  : 154. 528 Dr. Winter, Otto  : Sten. Prot. NR, X. GP, 86.  Sitzung  : 4713  ; Kriechbaumer 1999  : 154. 529 Vgl. Dr. Winter, Otto  : Sten. Prot. NR, X. GP, 86.  Sitzung  : 4713. 530 Dr. Winter, Otto  : Sten. Prot. NR, X. GP, 86.  Sitzung  : 4720.

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Grund dazu sei, dass auch die SPÖ nach dem Erscheinen des Volksbegehren sowie des Gesetzesentwurfes531 keine ausreichende Aufklärung betrieben habe. In der Nationalratsdebatte vom 15. Juli 1965 kam das Rundfunk-Volksbegehren hauptsächlich auf Seiten der SPÖ nicht gut weg. Die Bedenken ihm gegenüber und die Problematik zukünftiger Volksbegehren brachte Heinrich Scheibengraf (SPÖ) auf den Punkt, als er in seiner Rede im Nationalrat zu dieser Debatte ausführte  : Wir sprechen heute über ein Volksbegehren, das eine Materie zum Inhalt hat, die niemals in ein Volksbegehren hätte aufgenommen werden sollen […]. Finden Sie es richtig, wenn man von der Möglichkeit eines Volksbegehrens in folgender Situation Gebrauch macht  : Wenn man bei Verhandlungen nicht weiterkommt, weil man nicht weiter will, weil man seinem Partner gegenüber keine weiteren Zugeständnisse machen will, dann soll dieser Partner nach Möglichkeit durch ein solches Volksbegehren zum Nachgeben gezwungen werden. Dazu […] ist ein Volksbegehren nicht da. Hier entkleiden Sie das Volksbegehren seines inneren Wertes und seines Gehaltes […]. Was 4 Millionen Österreicher in ihrer Zusammenarbeit hier und in der Regierung nicht lösen konnten, das zu lösen verlangen Sie von einem Volksbegehren […] in kürzester Zeit  ! […]532

Dessen ungeachtet war klar, dass das Volksbegehren ein Mittel verkörpert, Druck auf das Parlament auszuüben, um das jeweilige Problem in einem bestimmten Sinne zu behandeln.533 Lachs schrieb 1966 in Die Zukunft dazu, dass zur Verwirklichung eines solchen Anliegens ein hoher Propagandaaufwand betrieben werden müsse. Er führte dazu aus  : Hunderttausende österreichische Wähler müssen für den Inhalt des Volksbegehrens so weit gewonnen werden, daß sie die Mühe auf sich nehmen, in die Gemeindeämter zu gehen und ihre Unterschrift unter das Volksbegehren zu setzen. Diese werden sich […] mit dem Inhalt und den Gedanken des Volksbegehrens weitgehend identifizieren. Sie werden großes Interesse daran haben, was aus dem Volksbegehren wird, sie werden es kaum zulassen, daß ein solches Volksbegehren im Ausschuß verschwindet, liegen bleibt und wirkungslos verpufft.534

Lachs machte sich weiters Gedanken, ob nicht die Arbeiterbewegung ein solches Volksbegehren initiieren solle. Er merkte dazu an, dass dies nicht mit jedem x-beliebigen Gesetzesentwurf gemacht werden solle, bei dem man es nötig zu haben 531 Vgl. Dr. Winter, Otto  : Sten. Prot. NR, X. GP, 86.  Sitzung  : 4716. 532 Ing. Scheibengraf, Heinrich  : Sten. Prot. NR, X. GP, 86.  Sitzung  : 4735. 533 Lachs 1966  : 25. 534 Lachs 1966  : 25.

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glaube.535 Jedoch verwies er darauf, dass die SPÖ trotz ihrer Oppositionsrolle jederzeit ein Volksbegehren organisieren und bewerben sowie die Mindestzahl an Unterschriften fast mit jedem Entwurf erreichen könne.536 Darüber hinaus empfahl er  : Nun, wo wir als Minderheit im Parlament einer Mehrheit der ÖVP gegenüberstehen, sollten wir die Einrichtung des Volksbegehrens ausnutzen, um die ÖVP gegebenenfalls, trotz ihrer Mehrheit, in eine ebensolch unangenehme Situation zu bringen. Das ist eine Chance, die wir uns nicht entgehen lassen dürfen. Dies sollten sich auch jene überlegen, die bisher die Einrichtung des Volksbegehrens – zumindest für die Arbeiterbewegung – abgelehnt haben. Wir brauchen das Volksbegehren bestimmt nicht, um einen Gesetzesantrag im Nationalrat einzubringen. Wir können aber diese Einrichtung gebrauchen, um einem Gesetzesantrag zu jener Popularität zu verhelfen, jenen Druck hinter diesen Antrag zu setzen, der notwendig ist, um auch unsere politischen Gegner zu veranlassen, sich unseren Forderungen anzuschließen.537

5.4.4.3 Erste Reaktionen und Inhalt des initiierten Volksbegehrens Nach Abwägung der Bedenken und des hohen Propagandaaufwands verkündete Bruno Kreisky am 22. Jänner 1969 das Volksbegehren. Nachdem der Initiativantrag 19/A nicht verwirklicht worden war, wurde letztlich der Empfehlung von Lachs Folge geleistet, mittels breitester öffentlicher Popularität den Gesetzesentwurf durchzusetzen. Gleichzeitig betonte die SPÖ damit öffentlichkeitswirksam ihre sozialpolitische Kompetenz.538 Zum Zeitpunkt der Ankündigung schien die SPÖ sich sicher gewesen zu sein, die Massen mobilisieren zu können, und wenn Hunderttausende unterschreiben würden,

535 Vgl. Lachs 1966  : 25. 536 Vgl. Lachs 1966  : 25. 537 Lachs 1966  : 25. 538 Dieser Einschätzung Kriechbaumers kann durchaus gefolgt werden, wenngleich der Zusammenhang an sich nicht korrekt dargestellt ist. So sieht Kriechbaumer die öffentlichkeitswirksame Betonung der Sozialkompetenz im Zusammenhang damit, dass die SPÖ das von der Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter im ÖGB initiierte Volksbegehren unterstützt habe. Kriechbaumer zufolge ging damit die Initiative vom ÖGB, genauer von den sozialistischen Gewerkschaftern aus. Medial und anhand der vorhandenen Sekundärliteratur liegt jedoch ein anderes Bild vor  : Es gab umgekehrt eine Unterstützung der sozialistischen Gewerkschafter für das Volksbegehren der SPÖ, als die SPÖ das Volksbegehren ankündigte. Dies wird auch durch die Aussage Benyas auf einer Pressekonferenz Anfang Februar 1968 belegt, in der er klarstellte, dass der ÖGB nicht bereit sei, ein Arbeitszeitgesetz durch außerparlamentarische Aktionen durchzusetzen. Auf die Position des ÖGB wird an späterer Stelle dieses Abschnitts eingegangen. Vgl. Arbeiter Zeitung, 8. Februar 1969  : 2  ; Kriechbaumer 2004  : 43.

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würde die ÖVP die Forderung der SPÖ nicht mehr ignorieren können.539 Schranz führte in diesem Zusammenhang eine nicht näher genannte Meinungsumfrage an, nach der ca. 50 % der österreichischen Bevölkerung für eine sofortige Umsetzung und 22 % für eine etappenweise Einführung der 40-Stunden-Woche seien.540 Bei all den angemerkten Bedenken darf nicht übersehen werden, dass vereinzelt bereits zum Zeitpunkt des Rundfunk-Volksbegehrens der Wunsch nach solchen Initiativen der SPÖ geäußert worden war.541 Mit dem Volksbegehren zur Arbeitszeit setzte sich die SPÖ, so Kreisky, nach gründlicher Prüfung der wirtschaftlichen und politischen Voraussetzung an die Spitze der Bewegung.542 Als Grund für die Wahl des Zeitpunktes gab Kreisky an, dass in Österreich noch immer die Arbeitszeitregelung aus der Hitlerzeit gelte543 und es trotz des Generalkollektivvertrages von 1959 problematisch sei, dass einer relevanten Frage die gesetzliche Verankerung bislang untersagt worden sei.544 Zusätzlich erklärte Kreisky, dass ein Arbeitszeitgesetz eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Verwirklichung des Wirtschaftsprogrammes der SPÖ545 sowie für die Modernisierung der österreichischen Wirtschaft sei.546 Sollte die schrittweise Arbeitszeitverkürzung die Vollbeschäftigung sichern und der positiven Wirtschaftsentwicklung dienen, so sollte mit dem Volksbegehren gleichzeitig die direkte Demokratie praktiziert werden.547 Als Grundlage des Volksbegehrens diente der Initiativantrag 19/A.548 Zugleich wurde betont, dass die SPÖ alles daran setzen werde, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Realisierung der 40-Stunden-Woche zu schaffen. Dazu sollte ein entsprechender Gesetzesentwurf im Parlament eingebracht werden, der von allen sozialistischen Abgeordneten unterzeichnet werde, so dass es zu einer Behandlung dieser Gesetzesmaterien aufgrund des Volksbegehrens kommen könne.549 Als weiteren Grund für die Initiative durch die SPÖ führte Kreisky an, dass sich die ÖVP bislang geweigert habe, den Gesetzesentwurf des Initiativantrags von 1966 zu verwirklichen und die 40-Stunden-Woche schrittweise einzuführen.550

539 Vgl. Arbeiter Zeitung, 3. Mai 1969  : 1. 540 Vgl. Schranz 1969  : 83. 541 Vgl. Lachs 1966  : 24. 542 Arbeiter Zeitung, 31. Jänner 1969  : 2. 543 Der Rednerdienst des ÖGB verwies ebenso Anfang 1969 noch auf die Gültigkeit von reichsdeutschen Verordnungen. Vgl. Rednerdienst des ÖGB 1969a  : 10. 544 Vgl. Kreisky 1969  : 1. 545 Wiener Zeitung, 23. Jänner 1969  : 2  ; Arbeiter Zeitung, 23. Jänner 1969  : 2. 546 Arbeiter Zeitung, 23. Jänner 1969  : 1. 547 Vgl. Arbeiter Zeitung, 23. Jänner 1969  : 1  ; Arbeiter Zeitung, 6. Mai 1969  : 2. 548 Vgl. Wiener Zeitung, 23. Jänner 1969  : 2. 549 Vgl. Wiener Zeitung, 23. Jänner 1969  : 2  ; Arbeiter Zeitung, 8. Februar 1969  : 1  ; Wüthrich 1987  : 225. 550 Vgl. Arbeiter Zeitung, 23. Jänner 1969  : 2.

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Die Reaktionen fielen negativ aus. Es wurde darauf verwiesen, dass dieses Volksbegehren eine Desavouierung des Beirats darstelle.551 Zur ablehnenden Haltung der ÖVP schrieb Scheuch demgegenüber in der Arbeiter Zeitung, dass diese aufgrund des Initiativantrags nicht überrascht sein könne und das Überraschungsmoment ein wichtiges Element im Kampf wider die Regierung sei, wenn deren Bestrebungen der Mehrheit der Bevölkerung zuwiderliefen.552 Für Scheuch bedeutete das Volksbegehren ein Ende der Reserviertheit in der Frage der Arbeitszeitverkürzung, die Millionen betreffe553 und deren Durchsetzung zugleich mit Argumenten, die weder neu noch stichhaltig554 seien, bekämpft werde. Gleichzeitig prangerte die Arbeiter Zeitung den Aufschrei der unabhängigen Presse und der ÖVP an.555 In einer unmittelbaren Stellungnahme der Industrie wurde wiederum angemerkt, »daß ein so komplexes Problem mit starken gefühlsmäßigen Komponenten […] sich kaum für ein Plebiszit eigne.«556 Die Industrie sah die Gefahr, dass der Wunsch nach mehr Freizeit wichtiger sei als die 40-Stunden-Woche selbst. Einige Tage später korrigierte die IV diese Stellungnahme insofern, als sie nun betont, durchaus bereit zu sein, aufgrund der Arbeit des Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen die etappenweise Arbeitszeitverkürzung anzugehen.557 Dr. Alfred Maleta (Präsident ÖAAB, ÖVP) führte wiederum in einem Radiointerview aus, das Volksbegehren sei das falsche Mittel zur Erreichung der 40-Stunden-Woche.558 Zudem war er für die Austrifizierung des Arbeitszeitgesetzes, dessen Basis ein mit den Sozialpartnern ausgehandelter Generalkollektivvertrag sein solle.559 Sein Vorwurf stimmte dabei mit jenem der Sozialisten gegenüber dem Rundfunk-Volksbegehren überein, indem behauptet wurde, das Thema sei nicht für ein Volksbegehren geeignet und solle zudem nicht von einer Partei, sondern vom Volk initiiert werden  ; davon abgesehen könne dem Volksbegehren an sich die Möglichkeit eines demagogischen Missbrauchs attestiert werden.560 Es gab jedoch auch eine gegenteilige Ansicht, wie sie etwa Szecsi vertrat.561 Vor allem aber wurde der versteckte Wunsch nach einem Mehr an Freizeit sowie die Etappenregelung kritisiert. Der Vertreter der Bundeswirtschaftskammer Mussil sprach von indis551 Wüthrich 1987  : 225  ; Wiener Zeitung, 24. Jänner 1969  : 2  ; Häuser 1969  : 14. 552 Arbeiter Zeitung, 23. Jänner 1969  : 2. 553 Vgl. Arbeiter Zeitung, 23. Jänner 1969  : 2. 554 Arbeiter Zeitung, 10. Oktober 1968  : 4. 555 Vgl. Arbeiter Zeitung, 24. Jänner 1969  : 1. 556 Wiener Zeitung, 24. Jänner 1969  : 2  ; Heiss 1969  : 12. 557 Vgl. Wiener Zeitung, 29. Jänner 1969  : 2. 558 Vgl. Wüthrich 1987  : 226. 559 Vgl. Wiener Zeitung, 14. März 1969  : 2  ; Wiener Zeitung, 27. März 1969  : 2  ; Kreisky 1969  : 1  ; Wüth­ rich 1987  : 246. 560 Vgl. Lachs 1966  : 25  ; Wiener Zeitung, 12. Februar 1969  : 2. 561 Szecsi 1969b  : 13.

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kutablen Großetappen mit schockartiger Wirtschaftsbelastung.562 Von anderer Seite wurde der SPÖ vorgeworfen, die überparteiliche Stellung des ÖGB zu missachten, wodurch die Glaubwürdigkeit der sozialistischen Gewerkschafter schwer erschüttert worden sei.563 Finanzminister Koren merkte an, dass es zweckmäßiger sei, das Wirtschaftswachstum auf die Einkommen zu verteilen und nicht die Arbeitszeit zu kürzen, räumte aber auch ein, dass eine Verknüpfung durchaus möglich sei.564 Josef Scherrer (ÖVP) sprach in der Nationalratsdebatte am 23. Jänner 1969 davon, »daß die heutigen großen […] Schlagzeilen […,] ein Volksbegehren wegen der 40-Stunden-Woche durchzuführen, sicherlich wieder einen beachtlichen Rückschlag in den Absichten so vieler Unternehmer bedeuten werden […].«565 Daneben stand rasch die konkrete Politisierung im Blickfeld. Es wurde betont, das Volksbegehren diene dazu, eine primär sachliche Frage auf die politische Ebene zu heben, obwohl ein Gutachten des Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen anstand.566 Dem wurde entgegengehalten, Fragen der Arbeitszeit seien stets politische Fragen.567 Ein wichtiges Anliegen war für Kreisky gerade diese Verlagerung auf die politische Ebene, wodurch eine »zweite Ebene«568 geschaffen werden konnte. Dadurch sollte es möglich sein, Gespräche zur Etappenregelung auch auf politisch-parlamentarischer Ebene zu führen.569 In einer ersten parlamentarischen Auseinandersetzung fand dann nur die Arbeitszeitverkürzung und nicht auch das Arbeitszeitgesetz Beachtung.570 Letztlich wurden die Verhandlungen unter der Prämisse der Doppelstrategie sowohl auf parlamentarischer als auch sozialpartnerschaftlicher Ebene geführt.571 Die Politisierung der Arbeitszeitfrage schien aus Sicht der SPÖ in mehrerlei Hinsicht notwendig  : Zum einen gelte weiterhin die Arbeitszeitordnung der Nationalsozialisten, zum anderen werde der Initiativantrag von der ÖVP ignoriert.572 Dies, so die SPÖ, werde »im gemeinsamen Aufschrei von ›Presse‹ und ÖVP schamhaft verschwiegen«.573 Die SPÖ sah im Volksbegehren die Möglichkeit, die 1000 Tage andauernde Sabotage der Sozialpolitik durch die ÖVP zu beenden, sollte die Grenze von 200.000574 562 Vgl. Wiener Zeitung, 12. Februar 1969  : 2. 563 Vgl. Wiener Zeitung, 24. Jänner 1969  : 2. 564 Vgl. Wiener Zeitung, 24. Jänner 1969  : 2. 565 Scherrer, Josef  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 130.  Sitzung  : 11194. 566 Wiener Zeitung, 24. Jänner 1969  : 2. 567 Arbeiter Zeitung, 11. April 1969  : 4. 568 Wüthrich 1987  : 226. 569 Vgl. Wüthrich 1987  : 226  ; Kreisky 1969  : 1. 570 Vgl. Ing. Häuser, Rudolf  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 130.  Sitzung  : 11208. 571 Vgl. Kittel 1996  : 231. 572 Vgl. Arbeiter Zeitung, 24. Jänner 1969  : 1. 573 Arbeiter Zeitung, 24. Jänner 1969  : 1. 574 Schranz ging im Vorfeld des Volksbegehrens davon aus, dass diese Hürde aufgrund zweier Tatsachen »locker« erreicht werden würden. Erstens hatte die SPÖ bei etwa 7 Mio. Einwohnern 700.000

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Unterschriften überschritten werden.575 Sollte diese Eingangshürde genommen werden, sah Schranz drei mögliche Reaktionen der ÖVP. Erstens könnte die ÖVP-Regierung sich dem Volksbegehren inhaltlich anschließen.576 Zweitens könnte die ÖVP-Regierung selbst einen Arbeitszeitgesetzesentwurf einbringen und damit das Volksbegehren überflüssig machen.577 Und drittens könnte die ÖVP-Regierung das Volksbegehren vollständig ablehnen.578 Insgesamt beurteilte Schranz erstens und drittens als unrealistisch. Hinsichtlich eines Entwurfes für ein Arbeitszeitgesetz sprach er von Gruppierungen innerhalb der ÖVP, die sich eines solchen annehmen würden, um dem SPÖ-Volksbegehren den Wind aus den Segeln zu nehmen.579 Kreisky war sich sicher, dass, sollte die Eingangshürde genommen werden, die Arbeitszeitverkürzung Frauen, älteren Arbeitern sowie körperlich beeinträchtigten Personen eine Erleichterung und ein Mehr an Freizeit und somit eine längere Lebenszeit bringen würde.580 Gleichzeitig, so Kreisky, liege es an der ÖVP, ob die betreffende Frage ein Wahlschlager werde oder nicht.581 Der dahinter stehende Vorwurf war beinahe unmittelbar erhoben worden. Verbunden wurde er damit, dass nur Sozialpartner entscheiden könnten, in welchen Betrieben eine sofortige Reduktion erfolgen bzw. in welchen Betrieben sie zu einem späteren Zeitpunkt verwirklicht werden könne.582 Neben der Betonung, dass die ÖVP es in der Hand habe, ob die Arbeitszeitproblematik ein Wahlschlager werde oder nicht, stellte sich für Kreisky die Frage, warum dieses Thema denn nicht zu einer der zentralen Fragen der kommenden Wahl werden sollte.583 Grundsätzlich aber wurde jeglicher Zusammenhang mit einer Wahltaktik abgelehnt.584 Tatsächlich konnten sich die Anhänger der Arbeitszeitverkürzung vorstellen, dass der Vorwurf des Missbrauchs durch eine rasche Beschlussfassung noch vor den Wahlen entkräftet würde.585 Mittels des Volksbegehrens gelinge es immerhin, die ÖVP Parteimitglieder. Zweitens waren 2/3 der österreichischen Dienstnehmer Mitglieder in der Gewerkschaft. Vgl. Schranz 1969  : 84. 575 Vgl. DDr. Pittermann, Bruno  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 130.  Sitzung  : 11210  ; Wiener Zeitung, 3. Mai 1969  : 2. 576 Schranz beurteilt diese Möglichkeit als unrealistisch. Vgl. Schranz 1969  : 85. 577 Aus Sicht von Schranz wäre dies jedoch damit verbunden gewesen, dass der Entwurf weniger weit ging wie der Vorschlag der SPÖ. Vgl. Schranz 1969  : 85. 578 Aus innenpolitischen Erwägungen zog Schranz diese Möglichkeit im Vorfeld der Durchführung des Volksbegehrens nicht in Betracht. Vgl. Schranz 1969  : 85. 579 Vgl. Schranz 1969  : 85. 580 Vgl. Kreisky 1969  : 1. 581 Vgl. Arbeiter Zeitung, 8. Februar 1969  : 1 und 3  ; Kreisky 1969  : 1. 582 Vgl. Scherrer, Josef  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 130.  Sitzung  : 11194. 583 Vgl. Kreisky 1969  : 1. 584 Vgl. Arbeiter Zeitung, 17. April 1969  : 2. 585 Vgl. Arbeiter Zeitung, 8. Februar 1969  : 1.

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zur Behandlung eines Arbeitszeitgesetzes zu zwingen.586 Das Volksbegehren sollte aus ihrer Sicht in ein modernes Arbeitszeitgesetz münden, aber gleichzeitig stelle dies keinen Prestigeerfolg dar, wenn nach gerichtlicher Auffassung die 60-Stunden-Woche gelte.587 Es sollte endlich der »Gruftdeckel«588 angehoben werden, mit dem die ÖVP die sozialistischen Initiativen der letzten Jahre bedeckt habe.589 Die Arbeiter Zeitung betonte, dass die Verwirklichung des Gesetzes bislang am Widerstand der ÖVP gescheitert und der diesbezügliche Initiativantrag sabotiert worden sei.590 So titelte sie am 23. Jänner 1969  : »Volksbegehren zur 40-Stunden-Woche. SP-Initiative gegen Sabotage der ÖVP«. Im Mai wurde nochmals auf die reaktionäre Gesinnung der ÖVP hingewiesen, die es bisher verhinderte habe, das nationalsozialistische Arbeitszeitgesetz zu ersetzen.591 Neben dem Vorwurf, die Thematik als Wahlschlager zu nützen, stand der Vorwurf der Demagogie im Raum. Dadurch wurde die auf die »zweite Ebene« gehobene Diskussion auch außerhalb des Parlaments alles andere als sachlich betrieben.592 Mehrheitlich wurde in der Presse Hermann Withalm (Generalsekretär und Vizekanzler, ÖVP) erwähnt, der die Initiative als »Gipfelpunkt der Demagogie«593 darstellte, wobei Withalm mit diesem Vorwurf nicht alleine dastand.594 In Reaktion auf diese Anschuldigungen lud Kreisky Bundeskanzler Klaus sowie Withalm zu einem TV-Duell ein.595 Withalm sagte seine Bereitschaft zu, sobald alle Unterlagen des Beirats vorlägen.596 Zur TV-Konfrontation kam es schließlich Ende März 1969. Nach Einschätzung der Wiener Zeitung ergab die Gesprächsrunde, daß über die Notwendigkeit eines modernen Arbeitszeitgesetzes und über die Möglichkeit einer Arbeitszeitverkürzung keine sachlichen Differenzen bestehen, daß aber die ÖVP die Entscheidung über die Arbeitszeitverkürzung den Sozialpartnern und die Ausarbeitung eines Arbeitszeitgesetzes dem Sozialministerium überlassen will, während die

586 Vgl. Arbeiter Zeitung, 8. Februar 1969  : 1  ; Arbeiter Zeitung, 8. Februar 1969  : 3. 587 Vgl. Wiener Zeitung, 7. Februar 1969  : 1  ; Wiener Zeitung, 8. Februar 1969  : 2. 588 Arbeiter Zeitung, 12. Februar 1969  : 2. 589 Vgl. Arbeiter Zeitung, 12. Februar 1969  : 2. 590 Vgl. Arbeiter Zeitung, 23. Jänner 1969  : 1  ; Arbeiter Zeitung, 8. Februar 1969  : 3. 591 Vgl. Arbeiter Zeitung, 3. Mai 1969  : 1  ; Arbeiter Zeitung, 4. Mai 1969  : 2. 592 Wüthrich 1987  : 226. 593 Vgl. Arbeiter Zeitung, 24. Jänner 1969  : 1  ; Kreisky 1969  : 1. 594 Vgl. Wiener Zeitung, 28. Jänner 1969  : 2. 595 Vgl. Wiener Zeitung, 24. Jänner 1969  : 2  ; Arbeiter Zeitung, 24. Jänner 1969  : 1  ; Arbeiter Zeitung, 16. März 1969  : 2. 596 Vgl. Arbeiter Zeitung, 31. Jänner 1969  : 2  ; Wiener Zeitung, 31. Jänner 1969  : 2.

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SPÖ durch das Volksbegehren das Parlament zwingen will, sich schon in nächster Zeit mit diesem Problem zu beschäftigen.597

Zum einen zeigten sich die Wirtschaft in Form ihrer Interessenvertretung sowie die ÖVP nicht erfreut über den Vorstoß der SPÖ. Zum anderen war der ÖGB durch dieses Vorpreschen ebenfalls beunruhigt.598 Allerdings betonte Benya, dass die Gewerkschaften seit langem ihren Wunsch nach einem »modernen« Arbeitszeitgesetz geäußert hätten.599 Daher hätten sich die sozialistischen Gewerkschafter dieser Initiative angeschlossen.600 Die Arbeitnehmervertretung war in der Frage der Unterstützung des Volksbegehrens durchaus gespalten  : Die christlichen Gewerkschafter lehnten das Vorgehen ab. Ihr Vorsitzender Altenburger wandte sich gegen die Politisierung und verwies im Nationalrat darauf, dass der Gewerkschaftsbund in keiner Weise die Sozialistische Partei beauftragt601 habe, ein Volksbegehren zu starten. Er warf den sozialistischen Gewerkschaftern Ungeduld vor, insofern sie den Beiratsbericht nicht abwarten und diesen sachlich erörtern wollten  ; damit sei ihnen die Parteilinie näher als die Beschlüsse des Gewerkschaftsbundes.602 Benya versuchte seinerseits die Wogen zu glätten,603 indem er es dem einzelnen gewerkschaftlichen Funktionär freistellte, das Volksbegehren zu unterstützen, wenngleich der Bundesvorstand des ÖGB jedem empfehle, für ein neues Arbeitszeitgesetz zu stimmen.604 An dieser Haltung wird deutlich, dass eine gewerkschaftliche Spaltung zu Fragen der Arbeitszeitverkürzung bzw. gegenüber dem Vorgehen zumindest entlang der Parteilinien und gewerkschaftlichen Fraktionen bereits vor den 1980er Jahren bestand hatte und damit kein gänzlich neues Phänomen der 1980er Jahre darstellt. Trotzdem betonte Benya, dass der ÖGB nicht bereit sei, aufgrund von außerparlamentarischen Aktionen ein Gesetz zu erzwingen.605 Auch Kreisky selbst meinte, dass Gesetze im Parlament beschlossen werden sollten und eben kein außerparlamentarischer Druck erforderlich sei.606 Dies war zwar im Sinne des ÖGB, stand aber in deutlichem Widerspruch zur Strategie des Volksbegehrens. Dessen ungeachtet war sich Benya sicher, dass diese Initiative der sozialistischen Partei zu einer Beschleunigung 597 Wiener Zeitung, 27. März 1969  : 2. 598 Vgl. Wüthrich 1987  : 226. 599 Wüthrich 1987  : 226. 600 Vgl. Wüthrich 1987  : 226. 601 Altenburger, Erwin  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 130.  Sitzung  : 11202  ; Wiener Zeitung, 24. Jänner 1969  : 2  ; Wüthrich 1987  : 227. 602 Vgl. Altenburger, Erwin  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 130.  Sitzung  : 11203. 603 Wüthrich 1987  : 227. 604 Vgl. Arbeiter Zeitung, 8. Februar 1969  : 3. 605 Vgl. Arbeiter Zeitung, 8. Februar 1969  : 3  ; Wüthrich 1987  : 227. 606 Vgl. Arbeiter Zeitung, 8. Februar 1969  : 3.

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Abb. 13  : Volksbegehren für ein Bundesgesetz über die schrittweise Einführung der 40-Stunden-Woche sowie die Regelung der Arbeitszeit und Arbeitsruhe Quelle  : ÖNB/Bildarchiv Austria (PLA16690224).

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der Arbeit des Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen sowie der Verhandlungsbereitschaft von Seiten der Unternehmer und ihrer Interessenvertretungen führen werde.607 Beim Rundfunk-Volksbegehren hatte sich die SPÖ u. a. die fehlende »Aufklärung« der Bevölkerung selbst vorgeworfen. Im Falle der Initiative rund um das Arbeitszeit-Volksbegehren wurde nunmehr versucht, diese »Aufklärung« zu betreiben. Die SPÖ war sich sicher, dass das Volksbegehren zeigen würde, wie intensiv der Wunsch nach einer Verkürzung der Arbeitszeit in der Bevölkerung verankert sei.608 Gleichzeitig bereiteten ihr mögliche Meinungsmanipulationen durch die Massenmedien Sorgen, durch die die arbeitenden Menschen vom Grundanliegen abgelenkt werden könnten.609 Daher sei es für die SPÖ wichtig, diese Frage in ihrer ganzen Vielseitigkeit den arbeitenden Menschen zu erläutern.610 Die SPÖ, so Kreisky, werde sich dieser Aufgabe in den nächsten Wochen mit großer Beharrlichkeit immer wieder widmen müssen.611 Unter anderem wurde am 12. Februar 1969612 der Text des Volksbegehrens im Kurier veröffentlicht. Dies überrascht insofern nicht, als in den 1960er Jahren der Kurier eine äußerst einflussreiche Rolle in der Herstellung öffentlicher Meinung spielte.613 Am 1. März 1969 wurde schließlich in der Arbeiter Zeitung, deren Sonderüberschrift auf Seite 1 »Heute  : Text des SP-Volksbegehrens zur Arbeitszeitverkürzung« lautete, gleichfalls das Volksbegehren verlautbart.614 Die Veröffentlichung erfolgte nicht nur über die Printmedien, sondern auch mittels eines Plakats, das der Bund der Sozialistischen Abgeordneten und Bundesräte herausgab. Ferner wurde in der Arbeiter Zeitung mittels einer Artikelflut propagandistisch das Volksbegehren unterstützt. Bevor es zur Veröffentlichung des Volksbegehrens kam, folgte noch ein Beschluss über die Zielsetzung im Parteivorstand der SPÖ. Dieser fußte auf einem Bericht Kreiskys zu den politischen und wirtschaftlichen Aspekten der Initiative der Sozialistischen Partei für das Volksbegehren und sollte die Forderung nach einer Einführung der 40-Stunden-Woche per 1. Jänner 1973 beinhalten.615 Die Eingangshürde wurde, da es sich um ein politisch initiiertes Volksbegehren handelte, ohne größere Prob607 Vgl. Kreisky 1969  : 1. 608 Arbeiter Zeitung, 26. Jänner 1969  : 2  ; Arbeiter Zeitung, 30. April 1969  : 3. 609 Vgl. Kreisky 1969  : 2. 610 Kreisky 1969  : 2. 611 Kreisky 1969  : 2. 612 Vgl. Wüthrich 1987  : 227. 613 Molden 2010  : 719. 614 Das komplette Volksbegehren kann in den Beilagen zu den Sten. Prot. NR, XI. GP nachgelesen werden. Siehe dazu  : RV 1327 BlgNR, XI. GP. 615 Arbeiter Zeitung, 7. Februar 1969  : 1  ; Wiener Zeitung, 7. Februar 1969  : 1  ; Arbeiter Zeitung, 12. Februar 1969  : 1.

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leme genommen. Es unterschrieben nicht wie erforderlich nur 15 Abgeordnete der SPÖ, sondern alle Nationalratsabgeordneten, also insgesamt 74.616 Damit konnte der Antrag auf Einleitung am 20. Februar 1969 erfolgen.617 Die anfallenden Kosten der zweiten Etappe betrugen 50.000 Schilling Kaution für die Einreichung sowie ca. 500.000 Schilling für anfallende Texte und Eintragungslisten für die Durchführung.618 Die Kosten wurden vom Parlamentsclub der SPÖ in voller Höhe übernommen.619 Das Volksbegehren befasste sich in seiner Einleitung mit den Bemühungen zur Einführung der 40-stündigen Normalarbeitszeit in der Ersten und Zweiten Republik sowie dem Rückschritt während der Ära des Nationalsozialismus. Festgehalten wurde, dass nach Auffassung österreichischer Gerichte die 60-Stunden-Woche noch in Kraft sei.620 Bei der Aufzählung der Bemühungen zur Verwirklichung der Arbeitszeitreduktion in der Zweiten Republik betonte die SPÖ zunächst, dass entsprechende Initiativen am Widerstand der ÖVP gescheitert seien.621 Im Weiteren verwies die SPÖ darauf, dass der Initiativantrag 19/A nicht behandelt worden sei, weshalb sie sich dieser Sache nun annehmen müsse, um dieses gerechte und wichtige Anliegen durchzuführen.622 Im Volksbegehren war eine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeiten, so wie in zahlreichen europäischen Ländern, in einem bestimmten, festgelegten Ausmaß über drei Etappen hinweg vorgesehen. Dabei konnten die Lehren aus der Arbeitszeitverkürzung von 1959 und die internationalen Studien berücksichtigt werden.623 Der Weg sollte über die 43-Stunden-Woche per 1. Jänner 1970 und die 41-Stunden-Woche per 1. Jänner 1972 zur 40-Stunden-Woche mit 1. Jänner 1973führen.624 Diese Verkürzungsschritte wurden mit den im Zuge der Technikentwicklung gestiegenen Arbeitskraftanforderungen, mit den zu erwartenden Produktionssteigerungen, mit arbeitsmedizinischen, arbeitshygienischen und volksgesundheitlichen Erwägungen sowie der internationalen Entwicklung begründet.625 Diese Gründe waren bereits im Initiativantrag genannt worden. Neben der an sich umstrittenen Materie der schrittweisen Verkürzung der Normalarbeitszeit wurde im Gesetzesvorschlag des Volksbegehrens der SPÖ eine Definition der Arbeitszeit vorgelegt. Der Wortlaut dieser Arbeitszeitdefinition un616 Vgl. Arbeiter Zeitung, 12. Februar 1969  : 1  ; Schranz 1969  : 84  ; Schäffer 2004  : 416. 617 Vgl. Arbeiter Zeitung, 21. Februar 1969  : 1. 618 Vgl. Arbeiter Zeitung, 12. Februar 1969  : 1. 619 Vgl. Arbeiter Zeitung, 12. Februar 1969  : 1 620 Vgl. RV 1327 BlgNR, XI. GP  : 1. 621 Vgl. RV 1327 BlgNR, XI. GP  : 1. 622 Vgl. RV 1327 BlgNR, XI. GP  : 1. 623 Vgl. Arbeiter Zeitung, 8. Februar 1969  : 3. 624 Vgl. RV 1327 BlgNR, XI. GP  : 2. 625 Vgl. RV 1327 BlgNR, XI. GP  : 2.

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terscheidet sich nicht von jener des Initiativantrages 19/A. Des Weiteren wurden abweichende Regelungen bezüglich der Verteilung der Arbeitszeit festgelegt. Aber auch die Verlängerung der Arbeitszeit bei erhöhten Arbeitsbedürfnissen, die Überstundenvergütung, Ruhezeiten und Ruhepausen sollten mit Hilfe des Arbeitszeitund Ruhegesetzes geregelt werden. Insgesamt wurde versucht, die Definition der Arbeitszeit an die aktuelle Rechtsprechung anzupassen.626 Im Grunde genommen recycelte das Volksbegehren den Initiativantrag 19/A, indem es große Passagen vollständig übernahm. Allerdings wurde vor allem der Bereich der Ruhepausen und -zeiten stark gekürzt. Abweichungen lassen sich in folgenden Bereichen erkennen  : – Die Etappenzahl und das Stundenmaß zur Verkürzung blieben zwar gleich, naturgemäß verschob sich jedoch der Zeitpunkt der jeweiligen Einführung. – Hinsichtlich des Geltungsbereiches des Arbeitszeit- und Arbeitsruhegesetzes wurden sämtliche Ausnahmenregelungen gestrichen. – Die Dauer der Arbeitszeit wurde vor dem Begriff der Arbeitszeit angeführt und um eine Regelung für Dienstnehmer unter dem 18. Lebensjahr dahingehend ergänzt, dass deren Arbeitszeit im gleichen Ausmaß zu verkürzen sei. – Die Ruhepausenregelung wurde neu gegliedert. Sie umfasste nicht mehr nur die Teilung in zwei viertelstündige Pausen, sondern auch die Möglichkeit von drei Ruhepausen à zehn Minuten. – Die Regelungen zur Ruhezeit wurden gleichfalls neu verfasst und mit Artikel IV des Initiativantrages zu den Festlegungen der wöchentlichen Ruhezeit und der Feiertagsruhe zusammengefasst. In diesem Zusammenhang wurde eine Abstimmung des Kinder- und Jugendlichenbeschäftigungsgesetzes mit einer Anpassung der Wochenendruhe vorgesehen. Sämtliche weitergehenden Bestimmungen, die im Initiativantrag genannt wurden, u. a. die Regelungen der Ersatz- und Feiertagsruhe, sollten nun in einem eigenen Bundesgesetz behandelt werden.627 – Bezüglich der Ausnahme von der Nachtruhe weiblicher Dienstnehmer wurden nun zusätzlich die Bereiche der Nachrichtenagenturen sowie jene Beschäftigungen in verantwortlicher Stellung leitender und technischer Art genannt.628 Darüber hinaus wurde der Bereich Heil- und Pflegeanstalten in Kuranstalten geändert. – Dienstnehmerinnen sollten weiterhin in mehrschichtigen Betrieben bis 23 Uhr beschäftigt werden dürfen, allerdings nur dann, wenn ein Schichtwechsel spätestens nach fünf Wochen vollzogen wurde. Darüber hinaus sollte ein regelmäßiges Ende des Schichtbetriebes um 24  Uhr nur noch bis zum Inkrafttreten der 40-Stunden-Woche möglich sein.629 Zudem wurde eine weitere Ausnahmerege626 Vgl. Weißenberg 1970  : 8. 627 Vgl. RV 1327 BlgNR, XI. GP  : 5. 628 RV 1327 BlgNR, XI. GP  : 6. 629 Vgl. RV 1327 BlgNR, XI. GP  : 6.

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lung für diesen Bereich angefügt. Arbeiten an verderblichen Stoffen und Rohstoffen sollten vom Arbeitsinspektorat für einen Zeitraum von zwei Wochen und darüber hinaus vom Bundesministerium für soziale Verwaltung genehmigt werden können, wobei eine Anhörung der Interessenvertretungen als notwendig erachtet wurde.630 – Der Hausarbeitstag, der im Initiativantrag zu den Ausnahmen in Notfällen gezählt wurde, wurde im Volksbegehren als eigenständiger Punkt behandelt, wobei Abs. 2 des Vorschlags des Initiativantrages zum Hausarbeitstag bezüglich der kollektivvertraglichen Sonderbestimmungen im Volksbegehren ersatzlos gestrichen wurde. – Gleichfalls ersatzlos gestrichen wurden im Volksbegehren §  19 Abs. 1 bis 3 des Initiativantrages, die sich mit jenen Tätigkeiten beschäftigten, denen weibliche Dienstnehmer nicht nachkommen dürfen. Dementsprechend wurden keine verbotenen Arbeiten für weibliche Dienstnehmer angeführt. Hatten sich die Interessenvertretungen im Herbst 1968 darauf geeinigt, beim Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen einen Bericht in Auftrag zu geben, so hatte die Ankündigung des Volksbegehrens auf die Arbeit und die Berichterstattung des Beirats Auswirkungen. Sie war zu einem Zeitpunkt erfolgt, als eigentlich die Abfassung der Rohentwürfe anstand. Erst einen Monat später hätte die Endfassung fertiggestellt und Anfang März veröffentlicht werden sollen. Mit der Verschiebung auf die parlamentarische Ebene und dem öffentlichen Diskurs änderte sich der geplante Ablauf für die Veröffentlichung des Beiratsberichts zwangsläufig, womit die Arbeit des Beirats unter Zeitdruck stand.631 Die Folge waren kleinere sachliche Fehler, sprachliche Flüchtigkeitsfehler sowie die beeinträchtigte Qualität der ökonomischen Beweisführung.632 Darüber hinaus wurde kritisiert, dass aufgrund des Fehlens von Modellen und Daten sowie infolge des Zeitdrucks der Abschnitt zur Modellanalyse des Berichts nur an der Oberfläche kratze.633 Teilauszüge aus der Studie wurden sowohl in der Arbeiter Zeitung als auch in der Wiener Zeitung bereits Ende Februar 1969 veröffentlicht. Einen konkreten Zeitplan zur Arbeitszeitverkürzung legte der Bericht nicht vor.634

630 Vgl. RV 1327 BlgNR, XI. GP  : 6. 631 Vgl. H. Kramer 1969  : 133. 632 H. Kramer 1969  : 133. 633 Vgl. H. Kramer 1969  : 135. 634 Vgl. Wiener Zeitung, 28. Februar 1969  : 3.

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5.4.5 Beiratsbericht »Untersuchung über die Probleme der Arbeitszeitverkürzung« Die mediale Vorabveröffentlichung erfolgte somit bereits Ende Februar 1969. Der eigentliche Bericht wurde wie geplant Anfang März 1969 veröffentlicht und beschäftigte sich mit den ausländischen Erfahrungen zur Entwicklung der Arbeitszeit, den Auswirkungen in Österreich, der Entwicklung des Arbeitsmarktes, einer Modellanalyse sowie dem Versuch einer Quantifizierung wirtschaftlicher Auswirkungen einer Arbeitszeitreduktion. Als Motive für die Arbeitszeitverkürzung wurden in der Einleitung das soziale Schutzmotiv sowie die Freizeit angeführt,635 wobei letzterer Punkt im Hinblick auf familiäre Verpflichtungen positiv bewertet wurde.636 Die Untersuchung der Arbeitszeitentwicklungen in anderen europäischen Ländern637 behandelte sowohl die Normalarbeitszeit als auch die tatsächlich geleistete Arbeitszeit. Fernerhin erfolgte eine Auseinandersetzung mit den Methoden zur Erfassung der Auswirkungen einer Arbeitszeitverkürzung. Dieser Überblick über die Entwicklung der Arbeitszeiten in anderen europäischen Ländern sowie die Auswirkungen bei der Einführung der Arbeitszeitreduktion bot einerseits einen guten Einstieg in die Thematik, da bereits früher Hinweise auf die europäische Integration und die damit verbundene Konkurrenzsituation erfolgt waren.638 Andererseits ließ sich mittels dieser Studie zeigen, ob Österreich eine Vorreiterrolle einnehmen oder Teil eines gewissen Trends sein würde. Ein wesentlicher Teil der Untersuchung befasste sich mit der Frage nach den Auswirkungen der Arbeitszeitverkürzung auf die Wirtschaft Österreichs. Dabei verwies der Beirat zunächst auf die schlechte statistische Lage, wodurch es nur zu beschränkt gültigen Aussagen kommen könne.639 Breiten Raum nahm aufgrund einer brauchbaren statistischen Lage die Entwicklung der Arbeitszeiten in der Industrie ein. Es wurden Auswirkungen auf das Arbeitsvolumen, auf Produktion und Kosten sowie auf die Investitionen untersucht, und zwar im Zusammenhang mit der 1959 durchgeführten Senkung auf 45 Wochenstunden. Weniger ausführlich war die Analyse für andere Wirtschaftssektoren. Die Auswirkungen der Arbeitszeitverkürzung von 1959 konnten nur indirekt erfasst werden.640 635 Basalka 1989  : 69. 636 Lamel 1989  : 96. 637 Anfang Februar 1969 hatte der ÖGB im Rednerdienst die Materialsammlung »Arbeitszeitverkürzung – 40-Stundenwoche« herausgegeben. In dieser findet sich neben einer Argumentationssammlung mit den üblichen Proargumenten für die 40-Stunden-Woche eine Übersicht mit einem Vergleich der Arbeitszeitentwicklung in anderen Ländern. Vgl. Rednerdienst des ÖGB 1969a. 638 Vgl. Taus 1959  : 30. 639 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 49ff. 640 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 49.

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Bei der Betrachtung der Entwicklung des Arbeitsmarktes ging es vor allem darum abzuschätzen, ob es Arbeitsmarktreserven gab. Es wurden einige Untersuchungen verglichen und es wurde angemerkt, dass mittelfristig mit einer angespannten Arbeitsmarktsituation zu rechnen sowie eine Entspannung wohl erst ab 1975 zu erwarten und das Angebot generell elastischer zu gestalten sei.641 Allerdings sei diese Einschätzung einzuschränken, da die Veränderungen der Arbeitszeit nicht berücksichtig worden seien und die Schätzungen sich auf die Zahl der Erwerbstätigen und der Unselbstständigen beziehe.642 Den Kern des Berichts bildete die Modellanalyse. Bei dieser ging der Beirat verstärkt auf die Kompensationsmöglichkeiten bei einer Verkürzung der Arbeitszeiten ein, da in einer wachsenden Wirtschaft die verschiedensten Wirkungen ausgelöst werden könnten.643 Von einer Arbeitszeitverkürzung würden Produktionsmenge sowie Lohnkosten beeinflusst, aber sie habe auch Auswirkungen auf Preise, Gewinne etc.644 Daher habe eine Analyse der Auswirkungen einer Arbeitszeitverkürzung dieses Bündel von Wirkungen aufzuspalten.645 Für die Modellanalyse schloss der Beirat die Möglichkeit einer Lohnreduktion bzw. einer nicht bei vollem Lohnausgleich durchgeführten Arbeitszeitverkürzung aus.646 Darüber hinaus ging er von einer gleichbleibenden Produktionsleistung je Arbeitsstunde, einer gleichbleibenden Zahl an Arbeitskräften sowie einer Nichtveränderung der Ausstattung mit Produktionsmitteln aus.647 Daraus leitete er Primärauswirkungen der Arbeitszeitverkürzung ab, die in einer Erhöhung der Lohnkosten je Produktionseinheit sowie einem Absinken der Produktionseinheit in Einklang mit der Steigung der Fixkostenbelastung je Produktionseinheit bestanden.648 Den Unternehmen stünden neben autonomen Kompensationsfaktoren fünf weitere Möglichkeiten zur Kompensation der Arbeitszeitverkürzung zur Verfügung. Es handelt sich hierbei um Intensitätssteigerung, Rationalisierung der Betriebsorganisation, Überstunden, zusätzliche Arbeitskräfte und Investitionen.649 Diese würden meist nicht vereinzelt, sondern gebündelt auftreten  ; entsprechend betrachtete der Beirat sie nicht gesondert.650 Da, so der Beirat, in zahlreichen Studien gezeigt worden sei, dass es zu einer Intensivierung menschlicher Arbeitsleistung bei einer Herabsetzung der Arbeitszeiten 641 Vgl. Arbeiter Zeitung, 8. Mai 1969  : 3  ; Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 64. 642 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 64. 643 Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 64. 644 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 64. 645 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 64. 646 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 64f. 647 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 65. 648 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 65. 649 Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 65. 650 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 65.

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komme, ging er davon aus, dass neben objektiven und subjektiven Faktoren, die eine Intensivierung bewirken würden, auch das Ausmaß einer Arbeitszeitverkürzung gewisse kompensatorische Effekte aufweisen würde. Der Kompensationseffekt sei bei der Senkung von 50 auf 45 Wochenstunden hinsichtlich der Intensitätssteigerung größer einzuschätzen als bei einer Verkürzung von 45 auf 40 Wochenstunden, da »der Kompensationseffekt um so geringer ist, je niedriger die Arbeitszeit vor der Verkürzung bereits liegt.«651 In Bezug auf die Leistung von Überstunden merkte der Beirat eine Konterkarierung der Kompensationseffekte durch die Arbeitsintensivierung an, weshalb es unwahrscheinlich sei, dass eine Arbeitszeitverkürzung durch teilweise Intensitätssteigerung und teilweise durch Überstunden gänzlich kompensiert werden könne.652 Im Gegensatz dazu würde die Einstellung zusätzlicher Arbeitskräfte nur dann kompensatorisch wirksam werden, wenn entsprechende Arbeitskraftreserven und deren Mobilität gegeben seien.653 Bei einer Neutralisierung der Effekte der Arbeitszeitverkürzung mittels Überstunden und/oder zusätzlichen Arbeitskräften sei langfristig eher mit der Einstellung weiteren Personals zu rechnen.654 Hier seien zusätzlich Einschränkungen bei einer erreichten Vollbeschäftigung zu beachten.655 Überdies sei mit einem gewissen »time-lag« zwischen Faktorpreisänderung und Wirkung auf das Investitionsvolumen656 zu rechnen, wenn eine Arbeitszeitverkürzung mit Hilfe von Investitionen kompensiert werden solle. Bei der Frage nach den Folgen für den Außenhandel erwartete die Modellanalyse für den Fall, dass die Herabsetzung der Arbeitszeit zu erhöhten Kosten führe, eine Verschlechterung der Konkurrenzfähigkeit auf der Exportseite und bei einer Veränderung der Preisrelation zwischen inländischen und ausländischen Produkten eine Importsteigerung.657 Gleichfalls beschäftigte sie sich mit dem Zeitpunkt der Einführung einer Arbeitszeitverkürzung. Eine Durchführung der Arbeitszeitreduktion sei in der Phase der Hochkonjunktur auszuschließen, eine Realisierung während der Aufschwungsphase wäre jedoch aufgrund einer gewissen Arbeitsmarktelastizität möglich.658 Für den Fall einer konjunkturellen Abschwächung wurden zwei Situationen unterschieden. Bei einer Abschwächung der Nachfrage und somit einer eingeschränkten Produktion würde die Arbeitszeitverkürzung keine Produktionsminderung bedeuten, und zudem könnte die Beschäftigungslage gestützt werden. Dabei 651 Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 66. 652 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 67. 653 Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 68. 654 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 71f. 655 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 72. 656 Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 74. 657 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 75. 658 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 77.

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dürfe aber eine Verschärfung der Kosten-Erlös-Situation mit einer möglichen Überwälzung der Kosten auf die Preise nicht übersehen werden.659 Eine Durchführung der Arbeitszeitverkürzung sei in dieser Phase jedoch ebenso möglich, wenn beim Abschwung mit wirksamen finanz- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen gegengesteuert werde.660 Eine exakte Berechnung der Auswirkungen einer Arbeitszeitverkürzung sei, wie der Bericht betonte, nicht möglich. Dazu bedürfe es modelltheoretischer und ökonometrischer Methoden, die jahrelange Vorarbeiten benötigen würden.661 Für Österreich sah der Beirat die Möglichkeiten einer Quantifizierung der wirtschaftlichen Auswirkungen durch die Begrenztheit des Datenmaterials sowie die begrenzte Arbeitsdauer für diesen Bericht als eingeschränkt an.662 Er schätzte allerdings, dass bei einer Verkürzung der Arbeitszeit um eine Wochenstunde das Wachstum des Bruttonationalproduktes mit einer gesamtwirtschaftlichen Wachstumsrate zwischen 1,4 % und 1,6% beeinträchtigt werde, wenngleich bei einer differenzierteren Annahme über sektorielle Produktionsausfälle mit 1 %663 zu rechnen sei. Bereits 1959 hatte Geissler ähnlich argumentiert und festgestellt, dass jede weitere Herabsetzung zu einem Rückgang oder einer Verlangsamung der Arbeitsleistung führen müsste.664 Ferner sei bei einer vollen Übertragung der gestiegenen Personalkosten mit einer Steigerung des Preisniveaus von 0,7 % bzw. 0,8 % je Stunde Arbeitszeitverkürzung zu rechnen. Das Arbeitsvolumen würde sich bis 1975 um etwa 3 % verringern, während danach bis 1980 eine Zunahme von etwa 4 % angenommen werden könne.665 Im Weiteren rechnete der Beirat damit, dass bei einer nicht erfolgten Kompensation durch Überstunden und/oder zusätzlicher Beschäftigung es zu einer gewissen Wachstumseinbuße in gesamtwirtschaftlicher Hinsicht kommen würde.666 Zusätzlich wies er auf seine Bedenken hinsichtlich einer möglichen Vermehrung des Pfuschertums hin.667 In der Zusammenfassung gab der Beirat an, dass sich Österreich Anfang 1969 in einer mittleren Position hinsichtlich der Normalarbeitszeit, der Feiertage und der Urlaube befinde. Aufgrund des vorhandenen Datenmaterials sei eine generelle Untersuchung zu den Auswirkungen der Arbeitszeitverkürzung nur für die Indus-

659 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 77. 660 Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 77. 661 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 78. 662 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 78f. 663 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 80. 664 Vgl. Geissler 1959  : 19. 665 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 80. 666 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 82. 667 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 83.

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trie möglich.668 Darüber hinaus folgerte der Beirat, dass in der Periode 1956 bis 1961 eine Arbeitszeitverkürzung wegen des vorherrschenden dynamischen Wirtschaftsklimas ohne Schwierigkeiten hatte kompensiert werden können. Dies sei in der Industrie mittels Intensitätssteigerung, kurzfristiger Überstundenpraxis, der Aufnahme neuer Mitarbeiter sowie Reorganisationsmaßnahmen möglich gewesen.669 Schwierigkeiten im Zuge einer Arbeitszeitverkürzung ergäben sich aus der Arbeitsmarktlage.670 Zusätzlich erwartete der Beirat aufgrund des größeren Ausmaßes der Verkürzung671 eine größere Auswirkung auf das Arbeitsvolumen,672 zumal 1959 eine beträchtlichere Zahl an Arbeitsreserven vorhanden gewesen sei.673 Daher nahm er an, dass eine Verminderung der wöchentlichen Arbeitszeit eher in einer Periode mit kräftigem als in einer mit langsamerem Wachstum bewältigt werden könne.674 Seine Schlussfolgerung lautete, dass ein konkreter Terminplan nicht genannt werden könne, die Verkürzung etappenweise erfolgen und zwischendurch eine Überprüfung der Auswirkungen stattfinden solle.675 Die Empfehlung des Beirats erfolgte wie üblich einstimmig.676 Mit ihr war die Tragbarkeit der Einführung der 40-Stunden-Woche bis Mitte der 1970er Jahre wissenschaftlich nachgewiesen.677 Allerdings handelte es sich nach Einschätzung von Paul Blau in der Arbeiter Zeitung um eine schwere Geburt, da eben eine Notwendigkeit zur Kompromissfindung bestanden habe.678 Mit der Bekanntgabe dieses Ergebnisses kam es unter der Führung von Benya und Sallinger zu ersten konkreten Verhandlungen679 über die Absenkung der wöchentlichen Arbeitszeit – nun konnten die Unternehmervertreter die prinzipielle Machbarkeit, die der Beirat damit bestätigt hatte, nicht mehr abstreiten.680 Trotz der Kontroverse um das Volksbegehren hatte der Beiratsbericht zur Versachlichung der Auseinandersetzung, nur in der Berichterstattung in der Arbeiter Zeitung lässt sich keine solche erkennen, beigetragen. 668 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 87ff. 669 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 88. 670 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 89. 671 1959 wurde die wöchentliche Arbeitszeit um 6,3 % verkürzt, das entsprach einer Kürzung um drei Wochenstunden. Die nächste Etappe sah eine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit um fünf Wochenstunden vor, das entsprach einer Kürzung um 11,1 %. 672 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 89. 673 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 94. 674 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 94. 675 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1969  : 94f. 676 Wüthrich 1987  : 210. 677 Vgl. Arbeiter Zeitung, 28. Februar 1969  : 4  ; Arbeiter Zeitung, 3. Mai 1969  : 7  ; Göhring 1992  : 243  ; Kittel 1996  : 230  ; 678 Vgl. Arbeiter Zeitung, 28. Februar 1969  : 2. 679 Vgl. Kittel 1996  : 230. 680 Vgl. Kittel 1996  : 231.

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5.4.6 Arbeitszeitpolitische Auseinandersetzung von 1969 in den Wirtschaftspolitischen Blättern Die Beiratsstudie wurde zum Anlass genommen, zum dritten Mal in den Wirtschaftspolitischen Blättern eine größere Diskussion zur Thematik der Arbeitszeitverkürzung zu starten. Die Diskutanten sollten sich nicht nur mit der Beiratsstudie kritisch auseinandersetzen, sondern gleichsam jene Gesichtspunkte herausarbeiten, die darin nicht oder kaum behandelt wurden, da der Beirat zur Schwerpunktsetzung gezwungen war und in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht alle relevanten Aspekte ausführlich beleuchten konnte.681 Den Anfang setzte Birnbaumer. Er beleuchtete die Frage, warum eine Arbeitszeitreduktion notwendig sei. Für ihn ging es nicht in erst Linie um mehr Freizeit, sondern um mehr Freiheit der Arbeitnehmer, um die Arbeitszeit individueller ausgestalten zu können.682 In seinen kritischen Bemerkungen zur Beiratsstudie gab H. Kramer an, dass der am besten gelungene Teil jener über die ausländischen Erfahrungen zur Arbeitszeitverkürzung sei.683 Für ihn war jener Teil, der sich mit den Auswirkungen in Österreich beschäftigte, erfolglos, wenngleich er betonte, dass die mageren Ergebnisse in engem Zusammenhang mit der kaum vorhandenen statistischen Quellenlage und der schweren Trennbarkeit von konjunkturellen und anderen Einflüssen stünden.684 Weiters kritisierte H. Kramer, in der Studie werde angemerkt, dass die Arbeitszeitverkürzung positive Effekte auf die Arbeitsproduktivität je Stunde zu haben scheine, was seiner Ansicht nach nicht stimme, da ein direkter Zusammenhang zwischen Arbeitszeitverkürzungen und Wachstum der Arbeitsproduktivität nicht feststellbar sei und daher am ehesten die These eines unterdurchschnittlichen Produktivitätswachstums gerechtfertigt sei.685 Darüber hinaus bleibe die Modellanalyse an der Oberfläche und es fehle eine tiefer gehende Analyse.686 Es werde auch kein Zeitpunkt genannt, wann am Tag oder in der Woche die Grenzarbeitszeit gekürzt werden solle, und des Weiteren werde die durch die Arbeitszeitverkürzung wahrscheinlich ausgelöste Schichtarbeit erwähnt.687 Aus dem gesellschaftlichen Blickwinkel betrachtete Szecsi die Entwicklung rund um die weitere Verkürzung der Arbeitszeiten und die mögliche Schaffung eines Arbeitszeitgesetzes. Hierbei stellte sie zwei Fragen in den Mittelpunkt  : a) ob es sich um eine freie Wahl der Entscheidungsfindung handle und b) ob die richtige Entschei681 Vgl. Birnbaumer 1969  : 131. 682 Vgl. Birnbaumer 1969  : 132. 683 Vgl. H. Kramer 1969  : 133. 684 Vgl. H. Kramer 1969  : 133f. 685 Vgl. H. Kramer 1969  : 134. 686 Vgl. H. Kramer 1969  : 135. 687 Vgl. H. Kramer 1969  : 135f.

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dung nicht besser über einen anderen Weg als über das Parlament zustande kommen könne.688 Darauf ließ sie zunächst einen theoretischen Abriss zur Behandlung dieser Fragen folgen. Sie sah für den gegebenen Zeitpunkt die Arbeitszeit nicht in differenzierten Mengen, sondern nur in der Menge der Normalarbeitszeit nachgefragt, wenngleich sie darauf verwies, dass in der Zukunft möglicherweise eine größere Flexibilität mit einem Mehr an individueller Wahlmöglichkeit gefragt sein könnte.689 Mit Blick auf den Zusammenhang von Arbeitszeitverkürzung und Konkurrenzfähigkeit mit dem Ausland griff Festa die Behandlung der ausländischen Erfahrungen mit der Arbeitszeitverkürzung im Beiratsbericht auf. Österreich befinde sich hinsichtlich der Normalarbeitszeit, der Feiertage und der Urlaube aktuell im Mittelfeld Europas und würde bei einer möglichen Einführung der 40-Stunden-Woche bis Mitte der 1970er Jahre an die vorderste Front der Entwicklung rücken.690 Festa befürchtete Störungen aufgrund der starken Verflechtung des österreichischen Außenhandels, weshalb der Kostenentwicklung und ihrem Einfluss auf die internationale Konkurrenzfähigkeit mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden müsse. Sollte die 40-Stunden-Woche tatsächlich Mitte der 1970er Jahre verwirklicht werden, seien zusätzliche Kostenbelastungen einzukalkulieren.691 Besondere Probleme sah er auf den Fremdenverkehr zukommen.692 Das Quantifizierungsproblem bei den makroökonomischen oder mikroökonomischen Ansatzpunkten betrachtete Lamel. Sowohl im mikroökonomischen als auch im makroökonomischen Bereich seien die Kompensationsmaßnahmen einer Arbeitszeitverkürzung nur schwer zu quantifizieren, da die Analyse der Auswirkungen früherer Arbeitszeitverkürzungen sich als schwierig erweise und Anpassungseffekte aufgrund gleichzeitiger wirtschaftlicher Veränderungen und deren Ursachen zu differenzieren seien.693 Bei der Beleuchtung der lohnpolitischen Bedeutung des Arbeitszeitverkürzungsproblems wurde der Schluss gezogen, dass selbst bei einer gesamtwirtschaftlichen Koordinierung der Lohnpolitik Leitlinien für Lohnsteigerungen nur grob angegeben werden sollten, da Auswirkungen in einzelnen Branchen unterschiedlich seien und vorab schwer geschätzt werden könnten.694 Der Frage der arbeitsmarktpolitischen Problematik ging Butschek nach. Er war der Meinung, dass, sollte es zu einer Schrumpfung des Arbeitsmarktes bei Einführung der 40-Stunden-Woche kommen, die Mobilität der Erwerbstätigen gefördert und die Aufnahmekriterien für auslän688 Vgl. Szecsi 1969a  : 137. 689 Vgl. Szecsi 1969a  : 138. 690 Vgl. Festa 1969a  : 139. 691 Vgl. Festa 1969a  : 142. 692 Vgl. Festa 1969a  : 142. 693 Lamel 1969  : 142f. 694 Vgl. H. B. 1969  : 149.

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dische Arbeitskräfte gelockert werden müssten.695 Für Supper sollten durch eine Herabsetzung der Arbeitszeit Wirtschaftswachstum, Preisniveaustabilität sowie die Höhe der Realeinkommen nicht gefährdet werden.696 Fernerhin befasste er sich mit der Auswirkung der Arbeitszeitverkürzung auf die Konjunkturentwicklung. Klose beleuchtete jene wirtschaftlichen Vorkehrungen, die im Falle einer Reduktion der Arbeitszeit getroffen werden müssten. Aufgabe der Wirtschaftspolitik sei nicht, nur eine störungsfreie und vorsichtige Arbeitszeitpolitik zu betreiben, sondern allfällige Anpassungen zu gewährleisten, um das Wirtschaftswachstum nicht zu gefährden. 697 Um dies umzusetzen, seien Investitionen zur Rationalisierung zu tätigen, eine moderate Lohnpolitik zu betreiben, eine verbesserte Anpassung der Arbeits- und Freizeitvereinbarungen zu erreichen, ohne dass dabei die Fehlentwicklung der Vergangenheit mit der Streichung von Pausen und der Verlängerung der Wochenendfreizeit mit höheren Gesamtarbeitszeiten wiederholt werde, die Vorsorge für saisonabhängige Betriebe zu leisten, die Bildungsplanung genauer abzustimmen, die Verkehrspolitik zu koordinieren sowie gewisse strukturelle Vorsorgen zu treffen. 698 Mit der Kompensationsfrage beschäftigte sich Knapp. Er verwies gleich in seiner Einleitung darauf, dass bislang jede Arbeitszeitverkürzung bewältigt worden sei.699 Dabei analysierte er an Kompensationsmöglichkeiten die Steigerung der Arbeitsintensität und die Verbesserung in der Organisation, wie z. B. die Substituierung von Arbeit durch Kapital.700 In der Einschätzung der betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkte der Arbeitszeitverkürzung sprach H. Schwarz die Möglichkeiten einer Ausschöpfung der Rationalisierungsreserven an, die es praktisch in jedem Betrieb gebe.701 Er war der Meinung, dass es mit einer Verkürzung der Arbeitszeiten nicht getan sei, sondern dass die Menschen erst lernen müssten, wie mit einer vermehrten Freizeit sinnvoll umzugehen sei.702 In der üblichen Zusammenfassung kam Festa zu dem Schluss, dass die Grundsatzentscheidung bezüglich einer Herabsetzung der wöchentlichen Arbeitszeiten bereits gefallen sei, wodurch sich die Auseinandersetzung nun mehrheitlich darum drehe, wann, wie und wo eine solche durchzuführen sei.703

695 Vgl. Butschek 1969  : 153f. 696 Vgl. Supper 1969  : 155. 697 Vgl. Klose 1969  : 160. 698 Vgl. Klose 1969  : 160ff. 699 Vgl. Knapp 1969  : 163. 700 Vgl. Knapp 1969  : 163ff. 701 H. Schwarz 1969  : 167. 702 Vgl. H. Schwarz 1969  : 168. 703 Vgl. Festa 1969b  : 169.

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5.4.7 Informationskampagne zum SPÖ-Volksbegehren in der Arbeiter Zeitung Die Beiratsstudie stellte den Ausgangspunkt für eine intensivere Auseinandersetzung mit dieser Thematik Ende der 1960er Jahren dar. Mit ihr und der Verkündung Kreiskys lässt sich neben der wissenschaftlichen und politischen Diskussion ein verbreitetes Aufgreifen in den Medien erkennen. Vor allem die Arbeiter Zeitung widmete der Verminderung der wöchentlichen Arbeitszeit und somit der geplanten Einführung der 40-Stunden-Woche großen Raum. Im Zentrum der Berichterstattung stand das Volksbegehren. Je näher der Start des Volksbegehrens rückte, desto ausführlicher wurde die Berichterstattung. Sie erreichte mit dem Auftakt des Sammelns der Unterstützungserklärungen ihren Höhepunkt in Gestalt einer das Volksbegehren begleitenden 13-teiligen Informationskampagne. Als Bruno Kreisky am 22. Jänner 1969 den Beschluss zum Start eines Volksbegehrens formulierte, markierte dies den Auftakt zu einer umfangreichen medialen Berichterstattung über die 40-Stunden-Woche und die Verwirklichung eines Arbeitszeitgesetzes, beginnend ab dem 23. Jänner 1969. Die Arbeiter Zeitung verglich in einer ersten Schlagzeile das Volksbegehren der SPÖ mit einer Initiative gegen die bislang von der ÖVP betriebene »Sabotage«. Der über zwei Seiten verteilte Artikel beschäftigte sich damit, warum die 40-Stunden-Woche verwirklicht werden sollte und wie die ersten Schritte auszusehen hätten.704 Es wurde betont, dass für die Einreichung nur die Unterschriften von 15 Abgeordneten notwendig seien, aber alle Abgeordneten der SPÖ unterschreiben würden.705 Nach Unterfertigung der Abgeordneten folge die Einreichung beim Innenministerium. Dies bedeute folgenden Zeitplan bis zur Behandlung im Parlament  : Das Innenministerium hat drei Wochen Zeit zu prüfen, ob der Antrag ordnungsgemäß eingebracht wurde. Dann wird der Gesetzantrag in der amtlichen »Wiener Zeitung« verlautbart. Acht Wochen später liegt der Text des Volksbegehrens eine Woche lang zur Unterzeichnung auf. Dies wird im Mai der Fall sein. Der Antrag auf Einführung der 40-Stunden-Woche wird also noch in der Frühjahrssession im Parlament verhandelt werden.706

Dieser Überblick über den Zeitplan des Volksbegehrens, das letztlich am Donnerstag, 20. Februar 1969, um 11.30 Uhr eingebracht wurde,707 bedeutete den Einstieg in die vermehrte Berichterstattung. Begleitet wurde der Artikel von einer Kolumne 704 Vgl. Arbeiter Zeitung, 23. Jänner 1969  : 1. 705 Vgl. Arbeiter Zeitung, 23. Jänner 1969  : 1. 706 Arbeiter Zeitung, 23. Jänner 1969  : 1. 707 Vgl. Arbeiter Zeitung, 21. Februar 1969  : 1.

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Scheuchs unter dem Titel »Mehr Zeit«. Darin wurde zunächst die Haltung der Regierungspartei ÖVP mit ihrer Aufschubhaltung einer sozialistischen Initiative sowie mit der Nichtbeachtung der Forderung des ÖGB kritisiert, ehe die Gründe für eine Herabsetzung der wöchentlichen Normalarbeitszeit beleuchtet wurden.708 In den darauf folgenden Tagen wurde über die negative Reaktion zum Volksbegehren auf Seiten der ÖVP und anderer Medien, ein mögliches TV-Duell zwischen Kreisky, Withalm und Klaus zur Volksbegehrensthematik, eine Pressekonferenz von Kreisky, in der dieser die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung der Arbeitszeit betonte, sowie über die Verkündung des Volksbegehrens der SPÖ und die daraus resultierende Nationalratsdebatte berichtet. Wichtig war die Betonung, dass dieser Aspekt der gesetzlichen Regelung im SPÖ-Wirtschaftsprogramm vorkam. Unter anderem wurde Generalsekretär Dr. Veselsky zitiert, der zwischen dem sozialistischen Wirtschaftsprogramm und der sozialistischen Forderung zur Einführung der 40-Stunden-Woche mittels Volksbegehren keinerlei Widerspruch sah.709 Dies diente dazu zu zeigen, dass die Volksbegehrensthematik in einer breiten öffentlichen Schicht verankert und wirtschaftlich eine Herabsetzung der Arbeitszeit verkraftbar sei.710 Nicht notwendigerweise mussten Schlagzeile und Hauptthema eines Artikels mit dem Thema »Arbeitszeit« übereinstimmen. Dennoch gelang es bei innenpolitischen Themen meist, den Brückenschlag zur Arbeitszeitverkürzung zu vollziehen. In einem Bericht über die Beschränkung des gesetzlichen Wahlaufwands wurde letztlich gleichwertig über einen weiteren Teil der Rede Kreiskys in Traisen und die Relevanz eines Volksbegehrens zur Arbeitszeitverkürzung berichtet. Kreisky wurde dahingehend zitiert, dass die Herabsetzung der Arbeitszeit keinen wirtschaftlichen Schaden anrichte. Dies sei von Dr. Withalm bestätigt worden, als dieser die öffentliche Diskussion in den März verschoben habe, um sich eine »klügere« Taktik überlegen zu können.711 Im Februar 1969 bestimmte der Konflikt zwischen SPÖ und ÖVP die Berichterstattung. Ein Artikel beschäftigte sich damit, dass das Arbeitszeitgesetz kein Wahlschlager sei, um aber gleichzeitig zu betonen, mit dem Volksbegehren solle die ÖVP zur Behandlung eines solchen Gesetzes gezwungen werden, da formell neben der 60-Stunden-Woche noch reichsdeutsche Vorschriften gelten würden.712 Neben dem Verweis auf das Hickhack zwischen SPÖ und ÖVP wurde auf der Basis eines Debattenbeitrags von DDr. Bruno Pittermann (SPÖ) der Schluss gezogen, das Volksbegehren habe nun auch den ÖAAB aus dem Schlaf gerissen.713

708 Vgl. Arbeiter Zeitung, 23. Jänner 1969  : 2. 709 Vgl. Arbeiter Zeitung, 29. Jänner 1969  : 2. 710 Vgl. Arbeiter Zeitung, 29. Jänner 1969  : 2. 711 Vgl. Arbeiter Zeitung, 5. Februar 1969  : 1. 712 Vgl. Arbeiter Zeitung, 8. Februar 1969  : 1  ; Arbeiter Zeitung, 1. Mai 1969  : 3. 713 Vgl. Arbeiter Zeitung, 13. Februar 1969  : 2.

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Am 26. Februar 1969 wurde bekannt gegeben, dass der Text zum Volksbegehren am nachfolgenden Samstag veröffentlicht werde.714 Begründet wurde die Publikation damit, die österreichische Bevölkerung solle Gelegenheit haben, sich vom sorgfältig ausgearbeiteten Gesetzesentwurf zu überzeugen.715 Ferner wurde die Verhinderungstaktik der ÖVP angeprangert  : »Das Volksbegehren wird die jahrelange Sabotage der ÖVP gegen ein neues Arbeitszeitgesetz beenden und dem Nationalrat Gelegenheit geben, sich in der von der Verfassung vorgeschriebenen Weise mit dieser wichtigen Frage zu beschäftigen.«716 Trotz dieser erneuten Spitze wurde das Thema in zwei Richtungen erweitert. Einerseits gab es nun Artikel über Unterstützungserklärungen des Volksbegehrens. Bereits in der Schlagzeile wurden die jeweiligen Unterstützer betont. Anscheinend hatten sich schon im Februar 1969 sämtliche Abgeordnete der SPÖ zum Volksbegehren bekannt.717 Neben der Erwähnung, dass die Abgeordneten des Nationalrates dieser Empfehlung folgten, wurde darauf hingewiesen, dass eine Reihe von Unternehmen der etappenweisen Herabsetzung der Wochenarbeitszeit positiv gegenüberstünden,718 aber auch, dass die sozialistische Fraktion der Eisenbahnergewerkschaft in dieser Frühphase ihre Unterstützung erklärt habe.719 Darüber hinaus zählten die SPÖ-Arbeitsgemeinschaft »Junge Generation«720 und die Gewerkschaft der Bediensteten im Handel, Transport und Verkehr721 zu den offiziellen Unterstützern des Arbeitszeitvolksbegehrens. Andererseits wurden Vorteile einer Arbeitszeitverkürzung verstärkt betont. So verwies ein Pressebericht auf einen Anstieg der Personalkosten in Verbindung mit dem Ausbleiben von Gästen als mögliche Folge im Gast- und Schankgewerbe, betont dann aber, dass gerade dieser Berufszweig von einem Mehr an Freizeit besonders profitieren würde.722 Dies zeugt von einem inhärenten Widerspruch. Noch im Herbst 1968 wurde von der Verantwortung der Arbeiterschaft bei der Nutzung der echten Freizeit gesprochen.723 Im Weiteren wurde behauptet, eventuell anfallende Kosten einer Herabsetzung der wöchentlichen Arbeitszeiten würden sich nicht auf künftige Lohnerhöhungen, die aus dem Anspruch von Preiserhöhungen und der Wirtschaftsentwicklung erwachsen, auswirken.724 In dieselbe Richtung zielte ein Ar714 Vgl. Arbeiter Zeitung, 26. Februar 1969  : 2. 715 Vgl. Arbeiter Zeitung, 26. Februar 1969  : 2. 716 Arbeiter Zeitung, 26. Februar 1969  : 2. 717 Vgl. Arbeiter Zeitung, 12. Februar 1969  : 1. 718 Vgl. Arbeiter Zeitung, 19. Februar 1969  : 4. 719 Vgl. Arbeiter Zeitung, 25. Februar 1969  : 2. 720 Vgl. Arbeiter Zeitung, 28. Februar 1969  : 2. 721 Vgl. Arbeiter Zeitung, 1. März 1969  : 4. 722 Vgl. Arbeiter Zeitung, 21. Februar 1969  : 4. 723 Vgl. Arbeiter Zeitung, 11. Oktober 1968  : 2. 724 Vgl. Arbeiter Zeitung, 27. Februar 1969  : 1  ; Arbeiter Zeitung, 17. April 1969  : 2.

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tikel von Helmut Rome, der festhielt, dass sich ein vermeintlich eingeengter lohnpolitischer Spielraum wirtschaftlich durch nichts rechtfertigen lasse.725 Ebenso wurde die Verkürzung der Arbeitszeit aus gesundheitlichen Gründen angesprochen.726 Anfang März 1969 wurde erstmals über den Verhandlungswunsch der Bundeswirtschaftskammer berichtet. Für Benya hing diese Verhandlungsbereitschaft der sich in der Defensive befindlichen ÖVP mit dem Volksbegehren727 zusammen.728 Kreisky begrüßte eine mögliche Verhandlung, betonte jedoch, dass ein neues, »modernes« Arbeitszeitgesetz nicht zurückgestellt werde.729 Die möglichen Gespräche spielten zwischen dem erstmaligen Auftauchen eines Signals zur Verhandlungsbereitschaft, das als ein erstes Zeichen der Kehrtwende der ÖVP in dieser Angelegenheit interpretiert wurde,730 und dem ersten tatsächlich durchgeführten Treffen kaum eine Rolle, da es, abgesehen von der grundsätzlichen Gesprächsbereitschaft und einem erstem Treffen des »Großen Komitees« Ende März 1969,731 aus Sicht der Arbeiter Zeitung wenig zu berichten gab. Am Tag des Treffens des »Großen Komitees«, des »Spitzenkomitees«732 bzw. »Großen Verhandlungskomitees«,733 dem Anton Benya vom ÖGB, Isidor Grießner von der LKO, Wilhelm Hrdlitschka von der AK und Rudolf Sallinger von der BWK734 angehörten, kam es zu einem Anschlussbericht. Es wurde darauf verwiesen, dass diese erste Verhandlung Hinweise geben könne, ob und inwieweit eine mögliche gesetzliche Regelung der Arbeitszeit mit einer Arbeitszeitverkürzung verknüpft werden könne.735 Indes wurde betont, dass das Lager der Unternehmer gespalten sei. Beide Lager würden im Grunde zwei unterschiedliche Ziele verfolgen. So seien bei einer Gruppierung harte und zähe Diskussionen zu erwarten, während die andere Gruppierung das Volksbegehren aus Gründen der Politik zu unterlaufen versuche, indem großzügige Zugeständnisse gegeben würden.736 War im Vorfeld von einer ersten Verhandlungsrunde gesprochen worden, so war es vielmehr zu einem »Gipfel725 Arbeiter Zeitung, 28. Februar 1969  : 4. 726 Vgl. Arbeiter Zeitung, 11. Oktober 1968  : 2. 727 Vgl. Arbeiter Zeitung, 6. März 1969  : 1. 728 Im Rednerdienst stellte der ÖGB klar, dass die Verhandlungen mit der Bundeswirtschaftskammer »unbeschadet des von der SPÖ zur Schaffung eines modernen Arbeitszeitgesetzes initiierten Volksbegehrens« aufgenommen worden seien und somit letztlich zum Generalkollektivvertrag geführt hätten. Vgl. Rednerdienst des ÖGB 1969b  : 1. 729 Vgl. Arbeiter Zeitung, 6. März 1969  : 2. 730 Vgl. Arbeiter Zeitung, 19. März 1969  : 3. 731 Vgl. Arbeiter Zeitung, 20. März 1969  : 2. 732 Arbeiter Zeitung, 26. März 1969  : 4. 733 Arbeiter Zeitung, 27. März 1969  : 1. 734 Klenner/Pellar 1999  : 456f. 735 Vgl. Arbeiter Zeitung, 26. März 1969  : 4. 736 Vgl. Arbeiter Zeitung, 26. März 1969  : 4.

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treffen«737 ohne konkrete Verhandlungen gekommen, da einer Generaldebatte eine grundsätzliche Vereinbarung folgte, ab dem 16. April 1969 konkrete Gespräche in einem Unterausschuss aufzunehmen.738 Wie V. Frey hervorhebt, verfolgte die BWK damit eine Doppelstrategie  : Sie beabsichtigte die Verzögerung der Verhandlungen und betonte wiederholt, dass der österreichischen Wirtschaft Wettbewerbsnachteile drohen würden.739 Am 26. März 1969 kam es zur TV-Diskussion zwischen Kreisky und Dr. Withalm. Letzterer bezeichnete das Volksbegehren als »Spektakel«,740 was die Arbeiter Zeitung umgehend als Selbstdisqualifikation charakterisierte.741 Die TV-Konfrontation dauerte 30 Minuten.742 Dr. Withalm betonte, dass für ihn ein Volksbegehren nicht notwendig sei, da die Sozialisten hätten wissen müssen, dass im Sozialministerium bereits an einem Arbeitszeitgesetz gearbeitet werde  ;743 es handle sich daher um eine Wahlkampftaktik.744 Kreiskys Entgegnung zeuge von Unwissenheit. Kreisky strich seinerseits heraus, dass das Volksbegehren zu einer Temposteigerung der Regierung geführt habe.745 Im Verlauf der Diskussion stellte Kreisky abermals klar, dass in Österreich die 60-Stunden-Woche gültig sei.746 Das Gespräch endete mit der Zusicherung Withalms, dass sich die ÖVP zu einer »vernünftigen Neuregelung«747 bekenne, was Kreisky wiederum zu folgender abschließenden Äußerung veranlasste  : »Sehen Sie, jetzt befinden auch Sie sich auf dem Gipfel der Demagogie, auf dem ich mich Ihrer Ansicht nach schon seit einiger Zeit befunden habe.«748 Die eigentliche Informationskampagne begann mit dem Artikel »,Ausgepreßt wie eine Zitrone‹. Harter Dienst in den Textilfabriken Österreichs – 40 Stunden sind genug (1)« von Berndt Ender. Insgesamt umfasste die Serie, die vom 15. April 1969 bis zum 8. Mai 1969 veröffentlicht wurde, 13 Teile. In der Einleitung der Reportagereihe hieß es dazu  :

737 Arbeiter Zeitung, 27. März 1969  : 1  ; V.  Frey 1999  : 67. 738 Vgl. Arbeiter Zeitung, 27. März 1969  : 1. 739 Vgl. V. Frey 1999  : 67. 740 Arbeiter Zeitung, 27. März 1969  : 1. 741 Vgl. Arbeiter Zeitung, 27. März 1969  : 1. 742 Vgl. Arbeiter Zeitung, 27. März 1969  : 1. 743 Einen konkreten Nachweis über die Ausarbeitung eines Arbeitszeitgesetzes im Sozialministerium unter Margarete Rehor bereits vor der Bekanntgabe der Durchführung eines Arbeitszeitvolksbegehrens gibt es nicht. 744 Vgl. Arbeiter Zeitung, 27. März 1969  : 1  ; Wiener Zeitung, 27. März 1969  : 2  ; Wiener Zeitung, 3. April 1969  : 2. 745 Vgl. Arbeiter Zeitung, 27. März 1969  : 1. 746 Vgl. Arbeiter Zeitung, 27. März 1969  : 1. 747 Arbeiter Zeitung, 27. März 1969  : 1. 748 Arbeiter Zeitung, 27. März 1969  : 1.

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Vom 4. bis 11. Mai werden in allen Gemeindeämtern die rosa Listen des Arbeitszeitvolksbegehrens aufliegen. Die Sozialisten, die dieses Volksbegehren verlangt haben, halten die schrittweise Einführung der 40-Stunden-Woche für eine wichtige Voraussetzung eines gesünderen und menschlicheren Lebens. Viele Unternehmer, die sich schon gegen frühere Arbeitszeitverkürzungen wandten, gebrauchen auch diesmal dieselben Argumente.749

Thematisch befasste sich die Reportageserie mit den Lebensverhältnissen bzw. Lebens­realitäten in der Textilverarbeitungsindustrie, in Branchen mit Fließbandarbeit, in der Dienstleistungsbranche des Fremdenverkehrs, aber auch im Handel, die, entgegen dem Demagogievorwurf, verbessert werde sollten.750 Beginnend mit dem fünften Beitrag erfolgte eine Erweiterung des Themenkreises. Dieser fokussierte sich auf die durch das SPÖ-Wirtschaftsprogramm aufgezeigten Möglichkeiten einer Arbeitszeitreduktion, das Auffangen eines Produktionsausfalles durch Investitionstätigkeit, die Rationalisierbarkeit von Kleinbetrieben, eine Modernisierung der landwirtschaftlichen Strukturen sowie die Forderung nach einem elastischeren Arbeitsmarkt. Im Zentrum stand die Begründung dafür, dass 40 Stunden genug seien. Gegen Ende der Serie wurde die Frage behandelt, ob denn eine 40-Stunden-Woche für den Wirtschaftsstandort Österreich leistbar und warum die Einführung einer 40-stündigen Arbeitswoche besonders für Frauen hinsichtlich ihrer Doppelbelastung wichtig sei. Generell sollte ein Mehr an Freizeit entstehen. Dessen visuelle Umsetzung erfolgte mittels eines Informationsplakates der Fraktion der sozialistischen Gewerkschaft (Abb. 14, S. 302). In den Mittelpunkt rückte in dieser Darstellung die Familie. Mutter und Vater könnten sich durch die Reduktion auf 40 Wochenstunden vermehrt mit ihrem Kind beschäftigen. Das Mehr an Freizeit wurde also zur Familienzeit. Generell sollte der Eindruck erweckt werden, dass ein qualitativer Mehrwert durch die Beschäftigung mit der eigenen Familie entstehe. Folglich sollte es den Menschen erleichtert werden, das Volksbegehren zu unterfertigen. Nach Einschätzung von Mooslechner-Stranzinger stellte die Familie eines der stärksten außerberuflichen Motive zur Einführung der 40-Stunden-Woche dar.751 Der Zielsetzung folgend, die Lebensrealitäten der österreichischen Erwerbsbevölkerung zu betrachten, wurde im ersten Beitrag der Zusammenhang mit arbeitsme749 Arbeiter Zeitung, 15. April 1969  : 3. 750 Vgl. Arbeiter Zeitung, 4. Mai 1969  : 2. 751 Das Heranziehen der Familie respektive die Herausstreichung der Rolle des Vaters beim Übergang zur 40-Stunden-Woche bedeutet Mooslechner-Stranzinger zufolge, dass sich ein verändertes Partnerschaftsbewusstsein zeigt, in dem der Vater »ein aktives, integratives und sich seiner Rolle bewußtes Mitglied der Familie« und die Frau nicht mehr nur »Mutter und »Hausfrau« sei  ; freilich sei dieser »emanzipierte Familienvater« nur ein Wunschbild gewesen. Vgl. Mooslechner-Stranzinger 1991  : 58.

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dizinischen Erkenntnissen hergestellt. Dr. Hittmair wurde dahingehend zitiert, dass nie genug gearbeitet werden könne, Faulenzen die seelische Gesundheit gefährde und es keinerlei obere Grenze für die Arbeit gebe.752 Dieser provokanten These wurde die Zahl der Frühinvaliden gegenübergestellt. Bei diesen sei die obere Grenze aufgrund der körperlichen Leiden sichtbar geworden, und aus volkswirtschaftlicher Sicht würden sie als Frührentner der Allgemeinheit Kosten verursachen.753 Lange Arbeitszeiten und eine falsche Arbeitsgestaltung wurden für die Frühinvalidität verantwortlich gemacht und dabei die Textilbranche mit ihrer zunehmenden Automatisierung und Akkordarbeit als Beispiel genannt. Eine falsche Arbeitsgestaltung wurde Abb. 14  : Mehr Freizeit für Sie – Volksbegehren – vor allem in der Monotonie der FließArbeitszeitgesetz – Für 40-Stunden-Woche – 4. bis bandarbeit im Rahmen der Akkordarbeit 11. Mai 1969 Quelle  : ÖNB/Bildarchiv Austria (PLA16690486). gesehen, die als gesundheitsgefährdend eingeschätzt wurde.754 Der 2. Teil der Reihe konzentrierte entsprechend auf die Schäden durch diese eintönige Arbeit, die sich in der Anfälligkeit für Erkrankungen sowie in der Nichtanpassung an die soziale Natur der Arbeitnehmer zeigen sollten und darüber hinaus als Unlustgefühle, Unruhe, Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit, aber auch als Herz- und Gefäßkrankheiten, Kreislaufstörungen, Magengeschwüre, Haltungsschäden und Nervenzusammenbrüche zusammengefasst wurden.755 Generell seien daher in der Textilbranche, speziell in Vorarlberg, kürzere Arbeitszeiten erwünscht.756 Neben der Textilbranche wurde eine hohe Arbeitsbelastung aber auch im Hotelund Gastgewerbe als gegeben betrachtet. Der 3. Teil der Serie stufte diese Branche als die unsozialste ein, da die Arbeitszeitordnung oder das Jugendschutzgesetz nicht 752 Vgl. Arbeiter Zeitung, 15. April 1969  : 3. 753 Vgl. Arbeiter Zeitung, 15. April 1969  : 3. 754 Arbeiter Zeitung, 17. April 1969  : 3. 755 Vgl. Arbeiter Zeitung, 17. April 1969  : 3. 756 Vgl. Arbeiter Zeitung, 17. April 1969  : 3.

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eingehalten würden.757 Es wurden einige Beispiele mit ausgeweiteten Arbeitszeiten sowie ein Bericht der Arbeitsinspektorate mit Verstößen gegen die Arbeitszeitbestimmungen angeführt. Unter dem Punkt »Lohndiebstahl« wurden die Entgeltdifferenzen zwischen Arbeitgeber und -nehmer ins Treffen geführt  ; dabei handelte es sich nach Ansicht von Rechtschutzsekretär Niemitz um einen jährlichen Betrag von 2,18 Mio. Schilling.758 Der Punkt des »Lohndiebstahls« wurde im 4. Teil ausführlicher behandelt. Er werde als Kavaliersdelikt angesehen, da dem Unternehmer in bestimmten Fällen nur ein harmloses Zivilgerichtsverfahren drohe.759 Neben dem Aspekt des Lohndiebstahls wurde in diesem Teil der Serie zugleich die fehlende Industrialisierung angesprochen und darauf verwiesen, dass im Gastgewerbe generell lange Arbeitszeiten und veraltete Arbeitsbedingungen vorherrschten.760 Der 5. Beitrag befasste sich mit dem rationellen Weg der SPÖ zur Einführung der 40-stündigen Arbeitswoche und suchte wichtige theoretische Zusammenhänge zu beschreiben.761 Einleitend schrieb Reithofer, dass das Volksbegehren die Grenzen wirtschaftlichen Denkens hervortreten lasse, da Wirtschaftspolitik kein Selbstzweck, sondern die Basis für die Verwirklichung anderer Ziele sei.762 Reithofer sah einen engen Zusammenhang zwischen Strukturreform, Arbeitszeitverkürzung und dem sozialistischen Wirtschaftsprogramm.763 Genau dieses Wirtschaftsprogramm könne einen Rückgang des Wirtschaftswachstums in Kombination mit der Arbeitszeitreduktion vermeiden.764 Ähnlich argumentierte Szecsi im 6. Teil. Sie ging von Rationalisierungen als Begleiterscheinung der Arbeitszeitverkürzung aus, wobei eine geringe Arbeitszeitänderung als Einzelfaktor innerhalb einer Bandbreite von in Wechselwirkung stehenden Wirtschaftsfaktoren schwer herauszufiltern sei.765 Szecsi betonte die Möglichkeit einer beschleunigten Strukturanpassung aufgrund der Arbeitszeitreduktion.766 Der 7. Teil verließ den in den vorangehenden Beiträgen eingeschlagenen Weg und wandte sich wieder dem Grundthema, der Lebensrealität, zu. Er befasste sich mit dem Arbeitstempo im Handel und der Bedeutung der 40-Stunden-Woche in diesen Betrieben. Insofern diente er als Vorarbeit zum 8. Teil, in dem Rehak die mögliche 757 Vgl. Arbeiter Zeitung, 20. April 1969  : 3. 758 Vgl. Arbeiter Zeitung, 20. April 1969  : 3. 759 Vgl. Arbeiter Zeitung, 24. April 1969  : 3. 760 Vgl. Arbeiter Zeitung, 24. April 1969  : 3. 761 Arbeiter Zeitung, 25. April 1969  : 3. 762 Vgl. Arbeiter Zeitung, 25. April 1969  : 3. 763 Vgl. Arbeiter Zeitung, 25. April 1969  : 3. 764 Vgl. Arbeiter Zeitung, 25. April 1969  : 3. 765 Vgl. Arbeiter Zeitung, 26. April 1969  : 3. 766 Vgl. Arbeiter Zeitung, 26. April 1969  : 3.

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Durchführung der Arbeitszeitverkürzung in Handels- und Dienstleitungsbetrieben in der Praxis beleuchtete.767 Rehak hob hervor, dass eine Verminderung der wöchentlichen Arbeitszeit in Kleinbetrieben durchaus möglich sei, da sich in solchen Betrieben gleichfalls Rationalisierungen durchführen ließen. Dabei führte er an, dass oftmals fehlende Vorausplanung oder falscher Materialeinsatz längere Arbeitszeiten notwendig machen würden.768 Unmittelbar vor der »heißen Phase«, die mit der Unterschriftenaktion des Abb. 15  : Wieviel sind Ihnen fünf Stunden wert  ? Volkbegehrens am 4. Mai 1969 begann, Quelle  : Arbeiter Zeitung, 29. April 1969  : 7. kam es zu einer ergänzenden Maßnahme. Ab dem 29. April 1969 wurden immer wieder kleine Informationskästen zum bevorstehenden Volksbegehren in der Arbeiter Zeitung veröffentlicht. Versehen waren sie mit dem Hinweis, dass Ort und Zeit des Volksbegehrens den jeweiligen Anschlägen entnommen werden könnten und es eine Ausweispflicht gebe. Der erste Informationskasten warf die Frage auf, welchen Wert fünf gewonnene Stunden hätten. Diese nicht eindeutige Fragestellung wurde damit beantwortet, fünf Stunden pro Woche entsprächen 250 gewonnenen Stunden pro Jahr, die für Familie, Weiterbildung und vieles mehr genützt werden könnten, weshalb das Volksbegehren unterschrieben werden sollte. Um diese Zeit begann auch die traditionelle Berichterstattung zu den Feierlichkeiten des 1. Mai, der 1969 im Zeichen des Volksbegehrens769 stand und im Maiaufruf der österreichischen Sozialdemokraten beherrschendes Thema war, während der ÖAAB und die ÖVP es weiterhin ablehnten.770 Aus deren Sicht bedeutete dies  : Jeder Unterzeichner würde einer politischen Methode vorschubleisten, die komplizierte wirtschaftspolitische Probleme in simple Suggestivfragen umzumünzen versuche, ohne dabei auf die Folgen und Auswirkungen gerade auf die Arbeitnehmer Rücksicht zu nehmen.771

767 Arbeiter Zeitung, 29. April 1969  : 4. 768 Vgl. Arbeiter Zeitung, 29. April 1969  : 4. 769 Arbeiter Zeitung, 30. April 1969  : 1  ; Wiener Zeitung, 30. April 1969  : 2. 770 Vgl. Wiener Zeitung, 30. April 1969  : 2  ; Oberösterreichische Nachrichten, 3. Mai 1969  : 2. 771 Wiener Zeitung, 30. April 1969  : 2.

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Abb. 16  : Countdown bis zum Start des Arbeitszeitvolksbegehrens der SPÖ Quelle  : Arbeiter Zeitung, 30. April 1969  : 3  ; Arbeiter Zeitung, 1. Mai 1969  : 5  ; Arbeiter Zeitung, 3. Mai 1969  : 5  ; Arbeiter Zeitung, 4. Mai 1969  : 3.

Auf der anderen Seite wurde der allgemeine Aufruf zur Unterschriftenleistung für die Arbeitszeitverkürzung und ein neues, »modernes« Arbeitszeitgesetz besonders hervorgehoben. Dazu hieß es  : Vor 80 Jahren hat die österreichische Sozialdemokratie die 48-Stunden-Woche verlangt, heute verlangen wir die 40-Stunden-Woche  ! Wir rufen alle Österreicher und Österreichinnen auf, das Volksbegehren der Sozialistischen Partei in der Zeit vom 4. bis 11. Mai

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zu unterzeichnen, um damit die Voraussetzungen zu schaffen, daß Österreich ein modernes Arbeitszeitgesetz erhält.772

Damit wurde gleichzeitig der Countdown zum Start des Volksbegehrens (Abb. 16, S. 305) eingeleitet. Besonders deutlich wurde dies durch den Einsatz der Informationskästen, mit deren Hilfe, beginnend mit dem 30. April 1969 bis zum Starttag des 4. Mai 1969, die Anzahl der verbleibenden Tage heruntergezählt wurde. Dieser Countdown wurde vier Tage vor dem Start des Volksbegehrens begonnen und endete mit dem Tag Null, der unter dem Schlagwort »Noch heute entscheiden Sie sich« lief. Dass es keinen eigenen Informationskasten für den Zeitraum »Noch 2 Tage« gibt, ist dem Umstand des 1.-Mai-Feiertags geschuldet, da am 2. Mai kein Exemplar der Arbeiter Zeitung erschien. Mit dem Start des Volksbegehrens wurde mit Hilfe der Informationskästen nochmals an die Bevölkerung appelliert, dieses zum Zwecke eines gesicherten Arbeitsplatzes und eines Mehrs an Freizeit zu unterfertigen. Dies war gleichlautend mit den Botschaften der SPÖ  ; auf einem Plakat wurde vor dem Hintergrund eines kleines Kindes, das die Hand eines Erwachsenen hält, für die 40-Stunden-Woche im Sinne eines Mehrs an Freizeit, der Erhaltung der Gesundheit sowie der Sicherung von Arbeitsplätzen plädiert. Darüber hinaus hatte die sozialistische Fraktion des Gewerkschaftsbundes im Vorfeld des Countdowns ebenfalls versucht, die Mehrheit der Bevölkerung an das Volksbegehren zu erinnern, und ein Plakat mit der Aufforderung, seine Unterschrift für dieses wichtige Vorhaben zu leisten, gestaltet. Auf einem Terminkalender (Abb. 17, S. 307) wurde deutlich der Eintragungszeitraum des Volksbegehrens vom 4. Mai bis zum 11. Mai gekennzeichnet. Die Arbeitszeitverkürzung sowie das Arbeitsruhegesetz wurden auf dem Terminkalender selbst ausgespart. Dass es neben dem Arbeitszeitgesetz auch um die Einführung der 40-stündigen Arbeitswoche ging, machte allerdings die Information »Für 40 Stunden« in einem roten Kreis unterhalb des abgebildeten Terminkalenders ersichtlich. Mit Kugelschreibern unter dem Schriftzug »Ihre Unterschrift« sollten letztlich alle dazu angehalten werden, das Volksbegehren zu unterschreiben. Der 9. Teil besagter Reihe in der Arbeiter Zeitung beschäftigte sich mit der Landwirtschaft und war wieder von Ender verfasst worden. Er zeichnete ein negatives Bild. Zum einen wurde der Rückgang der Anzahl der beschäftigten Jugendlichen in der Landwirtschaft dem Wunsch nach einer geregelten Arbeitszeit zugeschrieben.773 Zum anderen zeigte sich dieses Negativbild in der Lebenswirklichkeit. Exemplarisch dafür standen die Unfallhäufigkeit und der Einsatz von Schulkindern, die Traktoren

772 Arbeiter Zeitung, 30. April 1969  : 1. 773 Vgl. Arbeiter Zeitung, 30. April 1969  : 3.

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Abb. 17  : Ihre Unterschrift – für 40 Stunden – Volksbegehren Arbeitszeitgesetz Quelle  : ÖNB/Bildarchiv Austria (PLA16690499).

an Steilhängen lenken oder an gefährlichen Maschinen arbeiten müssten.774 Deutlich wurde der Bedarf einer Strukturreform herausgestellt, die allerdings von der ÖVP verhindert und zum damaligen Zeitpunkt nur im westlichen Ausland umgesetzt w ­ erde.775 Der 10. Artikel am 1. Mai 1969 befasste sich mit der Frage, ob sich Österreich die 40-Stunden-Woche leisten könne. Wichtige Vertreter der Wirtschaft und der Parteien kamen zu Wort. In ihren Stellungnahmen wurde wiederum darauf verwiesen, dass in Österreich nach einem Höchstgerichtsurteil die 60-Stunden-Woche der Nationalsozialisten gelte  ; der Erlass des Sozialministeriums zur Gültigkeit der 48-Stunden-Woche und der Generalkollektivvertrag zur Einführung der 45-Stunden-Woche fanden dabei keine Erwähnung.776 Von Seiten der SPÖ wurde festgehalten, dass die 40-stündige Arbeitswoche nur deshalb eingeführt werde, weil es dieses Volksbegehren gebe.777 774 Arbeiter Zeitung, 30. April 1969  : 3. 775 Vgl. Arbeiter Zeitung, 30. April 1969  : 3. 776 Vgl. Arbeiter Zeitung, 1. Mai 1969  : 3. 777 Vgl. Arbeiter Zeitung, 1. Mai 1969  : 3.

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Die Karawane zieht weiter. Ziel  : 40-Stunden-Woche  ! Abb. 18  : Anton Benya als Arbeitszeitteufel Quelle  : Arbeit und Wirtschaft 1969  : 2 (Original in »Das Gewerbe«).

Der 1. Mai 1969 stand im Zeichen des Volksbegehrens, was der Obmann der FPÖ, Friedrich Peter, kritisierte.778 Für die Arbeiter Zeitung war er ein Zeichen für einen machtvollen Auftakt für das Volksbegehren.779 Kreisky hob diese Bedeutung in seiner Rede zum 1. Mai hervor, als er auf dem Wiener Rathausplatz festhielt  : »Hunderttausende müssen das Volksbegehren der Sozialistischen Partei unterschreiben, denn nur dann wird man auf der ÖVP-Seite verstehen, daß diese Forderung der SPÖ nicht überhört werden darf.«780 Dabei kritisierte er erneut die ÖVP, indem er deutlich eine Verhinderungstaktik der reaktionären Gesinnung innerhalb der ÖVP beklagte, die sich gegen die Einführung eines »modernen« Arbeitszeitgesetzes in Abgrenzung zur nationalsozialistischen Regelung richte.781 Am selben Tag verwies Benya in einer Rundfunkansprache nochmals darauf, dass aufgrund der internationalen Entwicklung die Einführung der 40-Stunden-Woche in Österreich nicht aufgehalten werden könne und bis Mitte der 1970er Jahre verwirklicht sein werde.782 Für seine grundsätzliche Haltung zur Arbeitszeitreduktion auf 40 Wochenstunden wurde Benya wiederum in das Das Gewerbe als Teufel dargestellt. Unterstrichen wurden die Aussagen Kreiskys und Benyas von den Demonstranten der 1.-Mai-Feierlichkeiten, die vielfach Transparente mit Hinweisen auf die Forderung des Volksbegehrens angefertigt hatten. Aus Sicht der Arbeiter Zeitung stellten die Menschen, die dem Maiaufmarsch gefolgt waren, dadurch klar, dass 778 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 30. April/1. Mai 1969  : 2. 779 Arbeiter Zeitung, 3. Mai 1969  : 1. 780 Arbeiter Zeitung, 3. Mai 1969  : 1. 781 Vgl. Arbeiter Zeitung, 3. Mai 1969  : 1. 782 Vgl. Arbeiter Zeitung, 3. Mai 1969  : 2.

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die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung für die arbeitende Bevölkerung keine »Demagogie« darstellt, sondern als Initiative zur weiteren Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse betrachtet wird. »40-Stunden-Woche auch gegen den Widerstand der ÖVP« – diese Parole, in zahlreichen Varianten abgewandelt, beherrschte den Maiaufmarsch.783

Dementsprechend war die mehrseitige Berichterstattung am 3. Mai 1969 ausgerichtet. Nicht nur in Wien, sondern auch in den anderen Bundesländern beherrschte die mögliche Einführung der 40-Stunden-Woche die Maiaufmärsche, so u. a. in Niederösterreich, wo Landeshauptmann-Stellvertreter Hans Abb. 19  : 40 – Die sozialistische Parlamentsfraktion informiert über das Arbeitszeit-Volksbegehren Czettel an die Niederösterreicher ap784 Quelle  : Arbeiter Zeitung, 3. Mai 1969  : 7. pellierte, ihre Unterschrift zu leisten. Die Reduktion der Arbeitszeit sei für die Niederösterreicher aufgrund des hohen Pendelaufwands785 wesentlich. Nicht nur Niederösterreich wurde breiter Raum gewährt, sondern es wurde erneut von den »typischen« Themen, wie z. B. dem internationalen Trend, dem Wunsch nach mehr Freizeit, der Nichtverringerung von Löhnen bei der Durchführung der Arbeitszeitreduktion oder dem Wunsch nach dem Bruch des Widerstands der ÖVP berichtet.786 Während die Arbeiter Zeitung sichtlich euphorisch berichtete, ist davon in anderen Tageszeitungen, etwa in den Oberösterreichischen Nachrichten, in dieser Form wenig zu spüren. Neben grundsätzlichen Informationen wie z. B. dem Beginn und Ende des Volksbegehrens, der Unterschriftenhürde und der Bekanntgabe des voraussichtlichen Termins der amtlichen Hochrechnung fassten sie am 3. Mai in einem Bericht zu den Maifeierlichkeiten nochmals die Kritik am Volksbegehren zusammen, die von der FPÖ, Finanzminister Koren sowie der AAB gekommen war.787 Zum Abschluss

783 Arbeiter Zeitung, 3. Mai 1969  : 1. 784 Vgl. Arbeiter Zeitung, 3. Mai 1969  : 2. 785 Vgl. Arbeiter Zeitung, 3. Mai 1969  : 2. 786 Vgl. dazu die diversen Artikel der »Arbeiter Zeitung,« vom 3. Mai 1969 auf Seite 7. 787 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 3. Mai 1969  : 2.

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verwiesen die Oberösterreichischen Nachrichten darauf, dass das Volksbegehren in der von der SPÖ vorgesehenen Form gar nicht verwirklicht werden müsse.788 Nahmen die Oberösterreichischen Nachrichten eine diametrale Positionierung zur Arbeiter Zeitung ein, betrieb diese die Informationskampagne weiter mit vollem Elan. In der Ausgabe vom 3. Mai gab sie eine detailliierte Information über die Vorgangweise zur Unterfertigung dieses Volksbegehrens. Eingeleitet wurde die ausführliche Anweisung mit einem kleinen Einleitungskasten (Abb. 19, S. 309). Unter der eigentlichen Überschrift »Jede Unterschrift ist wichtig« hieß es schließlich  : So kann jeder Österreicher, der auch am 1. März 1969 wahlberechtigt war (also auch der Geburtsjahrgang 1949), das Volksbegehren unterzeichnen  : – Er vergewissert sich, wann und wo er während der Zeit vom 4. bis 11. Mai das Volksbegehren unterschreiben kann. Das steht in amtlichen Anschlägen, auf vielen SPÖ-Plakaten, und auch die sozialistischen Tageszeitungen werden diese Daten teilweise veröffentlichen. Außerdem geben alle SPÖ-Sekretariate gern Auskunft. – Er nimmt ein Ausweisdokument mit (alle amtlichen Legitimationen gelten, aber nicht der Meldezettel) und geht – in sein zuständiges Eintragungslokal. – Dort weist er mit dem Dokument seine Identität nach und kann nun – nach Überprüfung, ob er im Wählerverzeichnis aufscheint – – das Volksbegehren unterschreiben. – Dabei muß er aber neben der Unterschrift auch das Geburtsdatum und die Adresse in die dafür vorgesehenen Rubriken der Eintragungslisten einschreiben. Wenn das geschehen ist – dann ist auch ein wichtiger Beitrag zur Überwindung der ÖVP-Blockade gegen ein modernes Arbeitszeitgesetz geleistet.789

Mit dem Bruch der ÖVP-Blockade sollte gleichzeitig der Taktik der Schubladisierung Vorschub geleistet, der ÖVP eine klare Entscheidung entlockt sowie der Widerstand gebrochen werden.790 Teilweise wurden die Eintragungsorte genannt, so etwa für Wien.791 Diese Liste wurde vom 4. Mai bis 11. Mai viermal veröffentlicht, jeweils mit dem Zusatz des obenstehenden Informationstextes. Wie wichtig das Eintragungsverfahren war, zeigt sich daran, dass es eigens mit einem Plakat nochmals für die Öffentlichkeit aufgearbeitet wurde. 788 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 3. Mai 1969  : 2. 789 Arbeiter Zeitung, 3. Mai 1969  : 7. 790 Vgl. Arbeiter Zeitung, 3. Mai 1969  : 7. 791 Vgl. Arbeiter Zeitung, 4. Mai 1969  : 6  ; Arbeiter Zeitung, 8. Mai 1969  : 6  ; Arbeiter Zeitung, 10. Mai 1969  : 10  ; Arbeiter Zeitung, 11. Mai 1969  : 6.

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Abb. 20  : Volksbegehren für ein Bundesgesetz über die schrittweise Einführung der 40-Stunden-Woche – Eintragungsfrist – Eintragungszeiten – Eintragungsverfahren Quelle  : ÖNB/Bildarchiv Austria (PLA16690223).

Am 4. Mai 1969 um 8 Uhr792 startet das Volksbegehren. Nochmals wurde darauf hingewiesen, dass es bei diesem Volksbegehren um die Einführung der 40-Stunden-Woche und ein modernes Arbeitszeitgesetz gehe, wobei die Arbeitszeit in einem vernünftigen Tempo auf ein wirtschaftlich zu rechtfertigendes Ausmaß abgesenkt werden solle.793 Darüber hinaus betonte der Artikel nochmals die Ausweispflicht und dass mindestens 200.000 Unterschriften für die Behandlung im Nationalrat notwendig seien.794 Aber auch negative Stimmen der ÖVP, der FPÖ sowie des ÖAAB zum Volksbegehren, das ihnen zufolge die Wirtschaft und das Erreichen der Europalöhne gefährdete, kamen zu Wort.795 So argumentierte die FPÖ mit einem Plakat, das die Forderung nach Modernisierung deutlich machte.

792 Vgl. Arbeiter Zeitung, 4. Mai 1969  : 1. 793 Arbeiter Zeitung, 4. Mai 1969  : 1. 794 Vgl. Arbeiter Zeitung, 4. Mai 1969  : 1. 795 Vgl. Arbeiter Zeitung, 4. Mai 1969  : 1.

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Abb. 21  : Moderne Menschen – Moderne Betriebe – Moderne Arbeitszeit – FPÖ Quelle  : ÖNB/Bildarchiv Austria (PLA16690351).

Abb.  22  : Österreich ist reif für die 40-Stunden-Woche Quelle  : Arbeiter Zeitung 4. Mai 1969  : 2.

Das Plakat betont die Modernität. Signalisiert wurde damit, dass »moderne« Menschen und Betriebe eine »moderne« Arbeitszeit benötigten. Das Anliegen ist in relativ großen Lettern ersichtlich. Im Gegensatz dazu ist die Betonung, dass dies kein alleiniges rotes Partei-Begehren darstelle, in vergleichsweiser kleiner Schrift festgehalten worden. Der zur gleichen Zeit stattfindende Staatsbesuch von Queen Elizabeth II. wurde ebenfalls zu Hinweisen auf die Arbeitszeitproblematik genützt, wie obenstehende Karikatur verdeutlicht. Dabei verleitet das dicht gedrängte Programm das englische Königspaar zu der Aussage  : »Also ich hab’ geglaubt, die Österreicher sind für die 40-Stunden-Woche  !« Am 6. Mai kam es zur ersten Erfolgsmeldung. Die Arbeiter Zeitung sprach von zehntausenden Unterschriften in den ersten Stunden des Volksbegehrens, die ihrem Wunsch nach Arbeitszeitreduktion Ausdruck verleihen wollten und gleichzeitig ihr Interesse an der von der SPÖ initiierten direkten Demokratie zeigten.796 Nach vorläufigen Schätzungen sollten am ersten Tag bereits mehr als hunderttausend Menschen das Volksbegehren unterschrieben haben.797 Kreisky selbst unterschrieb bereits um 8 Uhr früh am 4. Mai798 und nützte dies zu einer weiteren Stellungnahme. Abermals griff er die ÖVP an und kritisierte zudem die Scheinheiligkeit der Presse in der Frage, warum die SPÖ nicht all ihre parlamentarischen Mittel ausgenützt habe.799 Ein Bericht der Oberösterreichischen Nachrichten vom 5. Mai bietet ein gänzlich anderes Bild. Von zehntausenden Unterschriften schien Oberösterreich am ersten Tag 796 Vgl. Arbeiter Zeitung, 6. Mai 1969  : 1. 797 Vgl. Arbeiter Zeitung, 6. Mai 1969  : 1. 798 Vgl. Arbeiter Zeitung, 6. Mai 1969  : 1  ; Oberösterreichische Nachrichten, 5. Mai 1969  : 2. 799 Vgl. Arbeiter Zeitung, 6. Mai 1969  : 2.

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des Volksbegehrens noch weit entfernt. Dieses sei in Linz mit 1669 Unterschriften im Zeitraum von 8 Uhr morgens bis 19 Uhr abends bei 14 Sammelstellen gestartet.800 Generell habe sich in Linz folgendes Bild geboten  : In den 14 Linzer Eintragsstellen waren gestern 64 Beamte im Dienst. Sie hatten vor allem vormittag[s] wenig zu tun. Die meisten Passanten schauten zwar die Plakate bei den gekennzeichneten Lokalen an, gingen dann aber weiter. Erst nachmittag[s] kamen mehr zum Unterschreiben. Die größte Frequenz hatte die Sammelstelle Karlhofschule in Urfahr vor der Rennerschule. Auffallend schwach besucht war die am Hauptplatz neben dem Rathaus eingerichtete Stelle, wo bis zum Nachmittag nur etwa 50 Personen ihre Unterschrift abgegeben hatten.801

Einerseits bietet sich dem Betrachter das euphorisierte Bild der Arbeiter Zeitung, die einen regelrechten Erfolg des Arbeitszeitvolksbegehrens voraussagte und herbeisehnte. Auf der anderen Seite findet sich das nüchterne Bild der Oberösterreichischen Nachrichten, das keinerlei Euphorie oder auch nur eine merkliche Unterstützung des Volksbegehrens erkennen lässt. Über die tatsächliche Zahl der Unterstützungserklärungen am ersten offiziellen Tag des Volksbegehrens kann mangels vorliegenden Datenmaterials nur spekuliert werden. Möglich ist daher alles  : Sowohl das Erreichen von mehr als 100.000 Unterschriften in Österreich als auch, dass dieses Ziel am ersten Tag weit verfehlt wurde. Die Wichtigkeit des Volksbegehrens wurde in der Arbeiter Zeitung weiterhin betont. Von »Unterschriften nur noch bis Sonntag«, »Nur noch drei Tage  : Unterschreiben auch Sie« bis hin zu »SPÖ-Volksbegehren in der Zielgeraden« wurde in der Hauptschlagzeile ein Countdown vorgegeben, der am 11. Mai um 13 Uhr endete. Gleichzeitig wurden immer wieder »konkrete« Auszählungsergebnisse genannt  : In Niederösterreich hätten 50.000 Personen, in der Steiermark 25.000 Personen und im Burgenland 15.000 Personen unterschrieben.802 Es wurden auch Zahlen von Gemeinden, in denen die SPÖ nicht so viele Mitglieder wie Unterschriften hatte, veröffentlicht. Konkret handelte es sich um Hallein, Bruck an der Mur, Leoben, Liezen, Mattersburg, Mürzzuschlag, Eisenstadt und Steinbrunn.803 Besondere Hervorhebung erfuhr die Tatsache, dass christliche Gewerkschafter und Gemeinderäte der ÖVP804 das Arbeitszeitvolksbegehren unterstützten und sich eintrugen. Trotz dieser

800 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 5. Mai 1969  : 2. 801 Oberösterreichische Nachrichten, 5. Mai 1969  : 2. 802 Vgl. Arbeiter Zeitung, 7. Mai 1969  : 1. 803 Vgl. Arbeiter Zeitung, 7. Mai 1969  : 1. 804 Vgl. Arbeiter Zeitung, 10. Mai 1969  : 2.

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Abb. 24  : Die Schlaumair – »Volksbegehren ist Volksbegehren  ! Unterschreibst da aa glei, daß d dann a Ruah hast  ! « Quelle  : Arbeiter Zeitung, 7. Mai 1969  : 2. Abb. 23  : Urteilen Sie selbst Quelle  : Arbeiter Zeitung, 6. Mai 1969  : 5.

Erfolgsmeldungen versuchte die Arbeiter Zeitung mit den Informationskästen weiterhin Überzeugungsarbeit zu leisten. Die Bevölkerung solle selbst, so hieß es, beurteilen, wie sehr die bislang erfolgte Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeiten mit der Steigerung der österreichischen Produktivität in Einklang stehe und ob diese Tatsachen nicht doch eine Unterschrift rechtfertigten. Trotz aller Erfolgsmeldungen war eine gewisse Grundangst spürbar, dass die notwendigen Unterstützungserklärungen nicht erreicht werden könnten. Zudem wurde befürchtet, dass die Unterstützer dazu genötigt werden könnten, das anschließende Volksbegehren »Abschaffung der 13. Schulstufe« zu unterzeichnen. Dies dürfte wahrscheinlich in einigen kleineren Orten versucht worden sein.805 Besonders anhand nachstehender Karikatur wird dies deutlich. Zwischendurch wurde der nächste Teil der Reportagereihe veröffentlicht. Dieser 11. Teil befasste sich mit der Doppelbelastung der Frauen in Beruf und Haushalt, womit für niemand anderen als diese Gesellschaftsgruppe das Volksbegehren wichtiger sei.806 Ender beleuchtete zunächst die Lebensrealität von Frauen innerhalb der Fließbandfertigung  ; wobei er von einer Entmündigung der Frauen schrieb, die bereits an der Umkleidekabine beginne, wo sie ihre Persönlichkeit abgeben würden.807 Allerdings erfolge diese Entmündigung nicht nur im Produktionsprozess, sondern

805 Vgl. Arbeiter Zeitung, 10. Mai 1969  : 2. 806 Vgl. Arbeiter Zeitung, 6. Mai 1969  : 2. 807 Vgl. Arbeiter Zeitung, 6. Mai 1969  : 5.

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Abb. 25  : Countdown bis zum Ende des Arbeitszeitvolksbegehrens der SPÖ Quelle  : Arbeiter Zeitung, 8. Mai 1969  : 5  ; Arbeiter Zeitung, 9. Mai 1969  : 3  ; Arbeiter Zeitung, 10. Mai 1969  : 8.

auch in den Arbeitsprozessen der Büros sowie der Verwaltung, wo sie als Objekte des Profits einkalkuliert würden.808 Mit den Teilen 12 und 13 am 7. und 8. Mai 1969 fand die Serie noch während des laufenden Volksbegehrens ihren Abschluss. Thematisch wandte sich Traxler im 12. Beitrag dem Gegensatz zwischen der Forderung nach der 40-Stunden-Woche und der Verwaltungsreform zu. Die bislang nicht vollzogene Reform sei nunmehr, aus Sicht der ÖVP, durch die mögliche Einführung der 40-stündigen Arbeitswoche gefährdet.809 Schließlich befasste sich Butschek im letzten Teil mit dem Beiratsbericht und kam zu dem Schluss, dass, wenn den Empfehlungen des Beirats gefolgt werde, keinerlei negative Auswirkungen bei einer Herabsetzung der Arbeitszeiten zu erwarten seien.810

808 Vgl. Arbeiter Zeitung, 6. Mai 1969  : 5. 809 Vgl. Arbeiter Zeitung, 7. Mai 1969  : 5. 810 Vgl. Arbeiter Zeitung, 8. Mai 1969  : 3.

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Die Karawane zieht weiter. Ziel  : 40-Stunden-Woche  !

Mit dem Eintritt in die Endphase des Arbeitszeitvolksbegehrens wurde, wie schon zum Start, von der Arbeiter Zeitung ein Countdown eingeleitet (Abb. 25, S. 315). Waren die ersten beiden Informationskästen noch mit der Aufforderung verbunden, noch heute das Volksbegehren zu unterschreiben, wurde der letzte Informationskasten des Countdowns dazu verwendet, es mit dem Muttertag zu verbinden  : Die mögliche Verkürzung der Arbeitszeit wurde als Geschenk für hunderttausende Mütter bezeichnet. Einmal mehr wurde von einem Mehrwert für die Familie gesprochen. Da es sich beim letzten Einschreibungstag um den Muttertag handelte, wurde neben dem Mehr an Zeit für die Familie auch der Mehrwert für den Haushalt angeführt. Manifestierter Höhepunkt dieses Abschlusscountdowns war der Countdown in den Hauptschlagzeilen der 1. Seite der Arbeiter Zeitung. Am Muttertag 1969 war sie sich sicher, dass die Zahl der benötigten Unterschriften für die parlamentarische Behandlung bereits erreicht war.811 Dennoch wurde darauf verwiesen, dass weiter jeder unterschreiben solle  : Denn je größer die Zahl der Unterschriften ist, desto schwerer wird die ÖVP gegen die von so vielen Menschen unterstützte Forderung argumentieren können. Es kommt also auf jede Stimme an.812

Bereits Anfang der kommenden Woche wurde mit der Veröffentlichung des inoffiziellen Ergebnisses des Volksbegehrens gerechnet.813 Am Dienstag, 13. Mai 1969, konnte der Erfolg von mehr als 850.000 Unterschriften814 verkündet werden. Betont wurde, dass ein Vielfaches der benötigten Unterschriften gesammelt und somit das letzten Endes von der ÖVP unterstützte Rundfunkvolksbegehren übertroffen worden sei.815 Im Weiteren sei nun ein Ignorieren des Anliegens nicht mehr möglich, und der Erfolg sei umso bedeutender, weil er trotz der Mauer des Schweigens, im Gegensatz zum Rundfunkvolksbegehren, erreicht worden sei, so Kreisky.816 Die Stunde des Erfolgs nützte Blau in der Arbeiter Zeitung, um mit den Gegnern des Volksbegehrens ins Gericht zu gehen. Zwar sah er keine Notwendigkeit mehr, dessen Berechtigung nachzuweisen, aber er rechnete mit der ÖVP sowie der »unabhängigen Presse« insofern ab, als er betonte, der Initiativantrag liege seit drei Jahren unbehandelt im Parlament  ; dabei griff er Vizekanzler Withalm direkt an, der seiner Meinung nach für diese Verschleppung verantwortlich war.817 Die gewählte 811 Arbeiter Zeitung, 11. Mai 1969  : 1. 812 Arbeiter Zeitung, 11. Mai 1969  : 1. 813 Vgl. Arbeiter Zeitung, 11. Mai 1969  : 1. 814 Vgl. Arbeiter Zeitung, 13. Mai 1969  : 1. 815 Vgl. Arbeiter Zeitung, 13. Mai 1969  : 1. 816 Vgl. Arbeiter Zeitung, 13. Mai 1969  : 1. 817 Vgl. Arbeiter Zeitung, 13. Mai 1969  : 2.

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Vorgangsweise, in diesem Fall gegenüber einer übermütigen Regierung mit schwacher parlamentarischer Mehrheit, die nicht auf die Interessen der Bevölkerung achte, sei durchaus zweckdienlich gewesen.818 Am 14. Mai 1969 kam es zur Veröffentlichung des Ergebnisses. Während die Wiener Zeitung am 13. Mai 1969 noch von rund 850.000 Unterschriften sprach, wurden am nächsten Tag die korrigierten Zahlen der vorläufigen Hochrechnung veröffentlicht.819 Das amtliche Endergebnis wurde zu einem späteren Zeitpunkt gleichfalls in der Wiener Zeitung bekannt gegeben. Trotz der großen Zahl an Unterschriften war Dr. Withalm sicher, dass es sich um kein Vertrauensvotum zugunsten von SPÖ und Kreisky handle.820 Immerhin sei trotz der demagogischen Aktion und der suggestiven Fragestellung nicht die Stimmenzahl der SPÖ bei den Nationalratswahlen 1966 erreicht worden.821 Tatsächlich zeigte sich aber in dieser großen Unterstützung, dass emotionale Verbundenheit und disziplinierte Folgebereitschaft die Stamm- und Kernschichtenwähler der SPÖ,822 die es bis in die frühen 1970er Jahre hinein gab, dahingehend motivieren konnte, sich an dem Volksbegehren zu beteiligen. Vorläufiges Endergebnis laut »Arbeiter Zeitung« Stimmberechtigte

Gebiet Burgenland

181.434

Gültige Eintragungen

Stimmbeteiligung in %

47.113

25,97

Amtliches Endergebnis gültige Eintragungen 47.091

Stimmbeteiligung in % 25,95

Kärnten

332.727

60.782

18,27

60.777

18,27

Niederösterreich

951.040

208.960

21,97

208.777

21,95

Oberösterreich

768.492

117.768

15,32

117.660

15,31

Salzburg

253.614

26.041

10,27

26.037

10,27

Steiermark

775.190

166.148

21,43

166.131

21,43

Tirol

323.096

17.055

  5,28

17.064

  5,28

Vorarlberg

154.351

3.801

  2,46

3.787

2,45

Wien

1.274.224

242.369

19,02

242.335

19,02

Österreich

5.014.978

890.037

17,75

889.659

17,74

Tab. 34  : Ergebnis des Volksbegehrens zur schrittweisen Einführung der 40-Stunden-Woche Quelle  : Arbeiter Zeitung, 14. Mai 1969  : 1  ; Wiener Zeitung, 21. Mai 1969.

818 Vgl. Arbeiter Zeitung, 13. Mai 1969  : 2. 819 Vgl. Arbeiter Zeitung, 14. Mai 1969  : 1. 820 Vgl. Wiener Zeitung, 14. Mai 1969  : 2. 821 Vgl. Wiener Zeitung, 14. Mai 1969  : 2. 822 Plasser/Ulram 2006  : 352.

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Abb. 26  : Volksstimme Bilderdienst Nr. 10 – 40-Stunden-Woche auch in Österreich Quelle  : ÖNB/Bildarchiv Austria (PLA16690406).

Generell lässt sich ein gewisses Ost-West-Gefälle bei der Beteiligung erkennen.823 Mit der Verkündung des vorläufigen Endergebnisses, das um 378 gültige Eintragungen vom offiziellen Ergebnis abwich, endete die propagandistische Berichterstattung zur Arbeitszeitthematik in der Arbeiter Zeitung. In den folgenden Wochen und Monaten gab es zwar weitere Artikel, aber in Häufigkeit und Ausführlichkeit reichte die Berichterstattung nicht mehr an jene in der Phase der Vorbereitung und Durchführung des Volksbegehrens heran. Letzteres wurde schließlich am 3. Juni 1969 dem Nationalrat zur geschäftsmäßigen Behandlung vorgelegt und am 12. Juni 1969 an den Ausschuss für soziale Verwaltung weitergeleitet.824 Damit ging es nun an die Umsetzung der Einführung der 40-Stunden-Woche, die nicht nur von jenen, die das Volksbegehren organisiert hatten, und jenen, die es 823 Gamsjäger, Josef  : Sten. Prot. BR, XI. GP, 286.  Sitzung  : 7579  ; Melter, Werner  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 167.  Sitzung  : 14263  ; Wüthrich 1987  : 231. 824 Pichler, Franz  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 167.  Sitzung  : 14253.

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mittels ihrer Unterschriften unterstützt hatten, sondern auch von der KPÖ erwartet wurde. Es war jedoch auch nach Durchführung nicht alles eitel Sonnenschein. So berichtete der ÖGB-Rednerdienst Ende Oktober 1969 von »Sticheleien« gegen das Ergebnis. Dementsprechend sah sich der ÖGB bemüßigt, im Rednerdienst Argumente dagegen vorzubringen.825 5.4.8 Vom Generalkollektivvertrag zum Arbeitszeitgesetz Das Ende des Volksbegehrens und die anschließende Verlautbarung des offiziellen Endergebnisses hatten eine Intensivierung der Verhandlungen zur Folge. Bevor das Gesetz verabschiedet wurde, kam es im Herbst 1969 zur Verwirklichung eines Generalkollektivvertrages, in dem die wesentlichen Punkte zur Arbeitszeitreduktion festgehalten wurden. Per 1. Jänner 1970 trat schließlich das über mehrere Jahrzehnte hinweg angestrebte Arbeitszeitgesetz in Kraft. Die Auseinandersetzung mit dem Volksbegehren im Rahmen des Ausschusses für soziale Verwaltung begann am 23. Juni 1969826 und sollte schlussendlich in einem Unterausschuss827 behandelt werden, der überwiegend mit Vertretern der sozialpartnerschaftlichen Interessenorganisationen in Verbindung stand.828 Daneben begannen die Gespräche zwischen der Bundeskammer für gewerbliche Wirtschaft und dem ÖGB über die Schaffung eines Generalkollektivvertrages nach dem Vorbild des alten von 1959. Am 28. Juni einigten sich die Sozialpartner in den wichtigsten Punkten.829 Ein Abschluss der Verhandlungen zum Generalkollektivvertrag wurde im Herbst 1969 erreicht, der dann mit dem 26. September 1969 Gültigkeit erlangte. Der wichtigste Punkt war sicherlich die Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit. Bereits in § 2 erfolgte die Festlegung der etappenweisen Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit. Damit enthielt auch dieser Vertrag, wie nahezu jeder Kollektivvertrag in Österreich, die gesetzliche Normalarbeitszeit.830 Die etappenweise Arbeitszeitverkürzung des Generalkollektivvertrages sah vor, dass ab Jänner 1970 die 43-Stunden-Woche, ab Jänner 1972 die 42-Stunden-Woche und ab Jänner 1975 die 40-Stunden-Woche bei

825 Vgl. Rednerdienst des ÖGB 1969b  : 2. 826 Pichler, Franz  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 167.  Sitzung  : 14253. 827 In diesem Unterausschuss waren vertreten  : Erwin Altenburger, Dr. Walter Hauser, Dr. Herbert Kohlmaier, Dr. Arthur Mussil sowie Anton Schlager, allesamt von der ÖVP. Die SPÖ entsandte Ing. Rudolf Häuser, Josef Kostelekcy, Herbert Pansi und Gertrude Wondrack. Die FPÖ schickte ihren Parteiobmann Friedrich Peter. Vgl. Pichler, Franz  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 167.  Sitzung  : 14253. 828 Vgl. Kittel 1996  : 230. 829 Vgl. Wüthrich 1987  : 231. 830 Vgl. Basalka 1989  : 68.

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vollem Lohnausgleich unter Ausgliederung der Pausen831 verwirklicht werden sollte. In den Fällen, in denen bereits kürzere Wochenarbeitszeiten als 43 Wochenstunden vorlagen, sollten weitere Verkürzungen erst gemäß dem Etappenplan eintreten.832 Die Verteilung der wöchentlichen Normalarbeitszeit wurde dahingehend geregelt, dass Beginn, Ende und Lage der Pausen an betriebliche Bedürfnisse sowie gesetzliche oder kollektivvertragliche Regelungen angepasst werden sollten.833 Generell betrachteten die Sozialpartner den Generalkollektivvertrag und das Arbeitszeitgesetz als Paket, damit alle von der verkürzten Arbeitszeit profitieren konnten.834 Allerdings gab es manche Branchen, die andere als die angegebenen Etappen aufwiesen. Dazu zählte der Fachverband der Privatbahnen mit der Einführung der 43-Stunden-Woche für Seilbahnen-, Sessel- und Schleppliftbetriebe per 4. Mai 1970.835 Aber auch für den Fachverband der Schifffahrtsunternehmungen sowie die im Fachverband der Privatbahnen eingegliederten Internationalen Schlafwagen- und Touristikgesellschaft galt ein späterer Zeitpunkt der Arbeitszeitverkürzung, wobei die gleichen Bestimmungen der Arbeitszeitreduktion wie bei den Österreichischen Bundesbahnen zur Anwendung kamen.836 Die Einführung der 43-Stunden Woche sollte für die Spediteure am 16. Februar 1970 und für den Fachverband der Gast- und Schankbetriebe sowie den Fachverband der Beherbergungsbetriebe am 5. Oktober 1970 erfolgen.837 Der Fachverband der Autobusunternehmungen hatte ebenfalls einen anderen Einführungszeitraum, der sich an den der Kraftwagenbediensteten der Österreichischen Bundesbahnen sowie den der Post- und Telegraphenverwaltung anlehnte.838 Daneben wurde der Durchrechenzeitraum für die wöchentliche Normalarbeitszeit angepasst. Gewisse Erleichterungen lassen sich für den Handel feststellen, wo in einem vierwöchigen Durchrechenzeitraum die Wochenarbeitszeit ab Jänner 1970 auf 46 Stunden und ab Jänner 1975 auf 44 Stunden839 ausgedehnt werden konnte, wobei die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 43 bzw. 42 Stunden ab Jänner 1972 und 40 Stunden ab Jänner 1975840 nicht überschritten werden durfte. Somit war die vom ÖGB als Zwischenziel betrachtete Einführung der 45-Stunden-Woche Geschichte.841 831 Vgl. Rednerdienst des ÖGB 1969b  : 5f  ; Dittrich/Tades 1970  : 69  ; Wüthrich 1987  : 232. 832 Vgl. Dittrich/Tades 1970  : 69. 833 Vgl. Dittrich/Tades 1970  : 71f. 834 Vgl. Rednerdienst des ÖGB 1969b  : 2ff.; Wüthrich 1987  : 233. 835 Vgl. Dittrich/Tades 1970  : 85. 836 Vgl. Dittrich/Tades 1970  : 85. 837 Vgl. Dittrich/Tades 1970  : 86. 838 Vgl. Dittrich/Tades 1970  : 86. 839 Vgl. Dittrich/Tades 1970  : 72. 840 Vgl. Dittrich/Tades 1970  : 72. 841 Vgl. Mesch/Schwarz/Stemberger 1987  : 37.

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Im Parlament kam es ebenfalls zu Auseinandersetzungen zwischen Befürwortern und Gegnern, quasi erzwungen durch das Arbeitszeitvolksbegehren.842 Die Argumente ähnelten jenen des öffentlichen Diskurses, und jedem Proargument wurde ein Kontraargument entgegengesetzt.843 Ausgangspunkt waren die Debatten im Herbst 1968 auf den Vorstoß des ÖGB, die sich mehrheitlich um die in den 1960er Jahren vorherrschenden Aspekte der Arbeitszeitdiskussion drehten. Die Diskussion widmete sich der Frage, ob eine Verkürzung der Arbeitszeiten Österreichspezifikum sei oder nicht.844 Jedwede Hinweise der SPÖ auf die Arbeitszeitreduktion von 1959 wurden von der ÖVP als sachlich unangemessen bezeichnet.845 Neben den gleichlautenden Argumenten im Herbst 1968 kanzelte die ÖVP die Unterstützung der SPÖ für eine allmähliche Arbeitszeitverkürzung als Parteipropaganda ab, die ihren Grund darin habe, dass das SPÖ-Wirtschaftsprogramm sich im Aufschwung, der der zielgerichteten Wirtschaftspolitik der ÖVP zu verdanken sei, schlechter verkaufen lasse.846 Die Fortsetzung der Debatte fand im Frühjahr 1969 statt. Sie stand unter dem Einfluss des von der SPÖ initiierten Volksbegehrens. Eine argumentative Weiterentwicklung lässt sich trotz der Politisierung der Arbeitszeitthematik in der Phase des Volksbegehrens nicht erkennen. Weitergeführt wurde die Frühjahrsauseinandersetzung 1969 schließlich nach Abschluss des Volksbegehrens, wobei von den Unternehmern zahlreiche Ausnahmewünsche vorgebracht wurden, die Benya nicht notwendig erschienen.847 Am 25. Juni 1969 kam es im Parlament zu einer neuerlichen Debatte. Dabei war für Herta Winkler (SPÖ) nicht nur das Arbeitszeitgesetz wichtig, sondern auch die damit verbundene Regelung der Nachtarbeit für weibliche Arbeitnehmer.848 Ferner verwies sie darauf, dass erst das Volksbegehren die Bundesregierung zum Handeln gezwungen habe, wenngleich sie das Sozialministerium, das nunmehr einzelne Teile aufgriff und Entwürfe aussandte, kritisierte  ; diese Teile würden besser in einem Arbeitszeitgesetz geregelt.849 Sozialministerin Rehor entgegnete dem, dass über ein Arbeitszeitgesetz gesprochen worden sei und deshalb ein permanenter Unterausschuss per 30. Juni 1969 eingesetzt werden würde.850 Das interpretierte die Arbeiter Zeitung als neuerliche Blockade der ÖVP.851 Allerdings, so Rehor, gehe einem Beschluss der 842 Vgl. Kittel 1996  : 230. 843 Vgl. Hussl 1999  : 66. 844 Vgl. Altenburger, Erwin  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 118.  Sitzung  : 9591. 845 Vgl. Mussil, Arthur  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 128.  Sitzung  : 10950. 846 Vgl. Mussil, Arthur  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 128.  Sitzung  : 10950. 847 Vgl. Arbeiter Zeitung, 17. Juni 1969  : 2  ; Arbeiter Zeitung, 21. Juni 1969  : 4. 848 Vgl. Winkler, Herta  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 143.  Sitzung  : 12356. 849 Vgl. Winkler, Herta  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 143.  Sitzung  : 12356. 850 Vgl. Rehor, Grete  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 143.  Sitzung  : 12361. 851 Vgl. Arbeiter Zeitung, 24. Juni 1969  : 1.

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Abschluss eines Generalkollektivvertrages in bestimmten Bereichen voran.852 Zwei Tage später fügte Josef Staribacher (späterer Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie, SPÖ) hinzu, dass er nicht daran glaube, dass unter der ÖVP-Regierung bis 1. Jänner 1973, wie im Volksbegehren gefordert, die 40-Stunden-Woche eingeführt werde,853 obwohl das Volksbegehren mit dem Beiratsbericht konform sei. Diese Konformität zwischen Volksbegehren und Beiratsbericht wurde von der ÖVP bezweifelt.854 Nach Abschluss des Generalkollektivvertrages verwies die FPÖ auf die Ausklammerung weiterer sozialpolitischer Anliegen, wie z. B. die Abgeltung der Teuerung durch Lohnerhöhungen, die Verlängerung des Urlaubs aus gesundheitspolitischen Gründen, die Senkung des Rentenalters oder die Abfederung anderer Teuerungen, und sprach von einer schweren Bürde für Österreichs Wirtschaft.855 Zudem sollte eine zweckentsprechende Verwertung der Freizeit erfolgen.856 Trotz der Anerkennung der Entwicklung zweifelte die FPÖ noch im Dezember 1969 an einem allgemeinen Bedürfnis der Arbeiterschaft nach einer Arbeitszeitverkürzung.857 Der permanent eingesetzte Unterausschuss erstattete am 26. November 1969 Bericht.858 Neben der gesetzlichen Ausfertigung enthielt der Entwurf Regelungen für weitere Gesetze betreffend die Landarbeiter, die Hausangestellten, die jugendlichen Arbeitnehmer und die Schauspieler.859 Der öffentliche Dienst sollte erst zu einem späteren Zeitpunkt behandelt werden.860 Insgesamt sah der Entwurf eine Verkürzung der Arbeitszeit ausgehend von 1970 von zwei Stunden über 1972 von einer Stunde bis 1975 von weiteren zwei Stunden vor – inklusive garantiertem Lohnausgleich.861 Die Beratung zum Arbeitszeitgesetz erfolgte im Parlament schließlich am 11. Dezember 1969. ÖVP und SPÖ hatten ihm bereits im Ausschuss für soziale Verwaltung zugestimmt, während die FPÖ dagegen opponierte.862 Sie blieb bei ihrer ablehnenden Haltung. Die Einschränkung der Unselbstständigen in der Frage, wie viel und wie lange sie arbeiten möchten, sowie die konkrete Festsetzung der Etappen wurden

852 Vgl. Rehor, Grete  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 143.  Sitzung  : 12361. 853 Vgl. Staribacher, Josef  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 145.  Sitzung  : 12558. 854 Vgl. Mussil, Arthur  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 145.  Sitzung  : 12558. 855 Vgl. Peter, Friedrich  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 153.  Sitzung  : 13270f.; Melter, Werner  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 162.  Sitzung  : 13865  ; Melter, Werner  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 167.  Sitzung  : 14259. 856 Melter, Werner  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 162.  Sitzung  : 13866. 857 Vgl. Melter, Werner  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 167.  Sitzung  : 14259. 858 Wüthrich 1987  : 233. 859 Vgl. Wüthrich 1987  : 233. 860 Vgl. Wüthrich 1987  : 233. 861 Vgl. Wüthrich 1987  : 233. 862 Vgl. Wüthrich 1987  : 239.

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kritisiert.863 Werner Melter (FPÖ) sprach als Vertreter des Bundeslandes Vorarlberg und folgte generell in seiner Argumentation der schweizerischen Arbeitgeberschaft, war also kritisch gegenüber einer Arbeitszeitverkürzung.864 Ferner unterstellte er der SPÖ eine bewusst vorgenommene politische Einflussnahme durch das Volksbegehren.865 Für die SPÖ stellte die Verwirklichung die Folge der internationalen Entwicklung dar. Sie habe eine positive Auswirkung auf die österreichische Wirtschaft, leiste einen Beitrag zur Erhaltung der Vollbeschäftigung und sei durch die Tatsache der künftig zu erwartenden Produktionssteigerung gerechtfertigt.866 Darüber hinaus reklamierte die SPÖ die Initiativrolle in der Herabsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit und die breite Zustimmung zum Volksbegehren für sich.867 Das Arbeitszeitgesetz beseitige nun den sozialpolitischen Schandfleck, der durch die ablehnende Haltung der ÖVP-nahen Unternehmer entstanden sei.868 Die ÖVP widersprach ihrerseits der FPÖ, die den Vorwurf eines zu schnellen Tempos bei der Verkürzung der Arbeitszeit vorgebracht hatte.869 Letztlich wurde die gemeinsame Absicht von SPÖ und ÖVP, nach dem Generalkollektivvertrag die Arbeitszeit durch Kodifikation dauerhaft zu lösen, anerkannt.870 Allerdings zeigte die Argumentation, dass die SPÖ sich in der Oppositionsrolle befand und darüber hinaus der Wahlkampf für 1970 eingeläutet wurde.871 Wesentlich für diese abschließende Debatte war, dass die ÖVP die Initiative nicht der SPÖ überlassen wollte und so einen gemeinsamen Beschluss als zentral ansah.872 Daher betonte Altenburger, dass es nicht wichtig sei, wann es dazu gekommen sei, sondern dass es eben noch in dieser Legislaturperiode – nämlich während der ÖVP-Alleinregierung – geschehen sei.873 Zugleich wurde klargestellt, dass einem möglichen Arbeitszeitgesetz stets ein Kollektivvertrag hätte vorangehen sollen.874 Im Weiteren wurde die grundsätzliche Kritik am Volksbegehren, wie z. B. die zu weit ge-

863 Vgl. Melter, Werner  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 167.  Sitzung  : 14258. 864 Vgl. Wüthrich 1987  : 240. 865 Vgl. Melter, Werner  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 167.  Sitzung  : 14259. 866 Vgl. Steinhuber, Sepp  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 167.  Sitzung  : 14291. 867 Tálos 1983  : 15  ; Vgl. Libal, Otto  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 162.  Sitzung  : 13871  ; Steinhuber, Sepp  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 167.  Sitzung  : 14288  ; Walsz, Robert  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 167.  Sitzung  : 14295. 868 Vgl. Ing. Häuser, Rudolf  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 167.  Sitzung  : 14271f. 869 Vgl. Dr. Hauser, Walter  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 167.  Sitzung  : 14269. 870 Vgl. Pichler, Franz  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 167.  Sitzung  : 14253. 871 Vgl. Wüthrich 1987  : 240. 872 Vgl. Kohlmaier, Herbert  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 162.  Sitzung  : 13952. 873 Vgl. Altenburger, Erwin  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 162.  Sitzung  : 13878. 874 Vgl. Dr. Hauser, Walter  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 167.  Sitzung  : 14266.

324

Die Karawane zieht weiter. Ziel  : 40-Stunden-Woche  !

hende Definition, was Arbeit sei, und die nicht sachliche Bewältigung der Thematik durch das Volksbegehren selbst, wiederholt.875 Im Bundesrat führte Eleonora Hiltl (ÖVP) eine mögliche Steigerung der produktiven Arbeitsleistung aufgrund der sich aus der Arbeitszeitverkürzung ergebenden Ruhe, Erholung und Freizeit als weiteres Pro-Argument an.876 Zudem betonte sie die Rolle von Sozialministerin Rehor, die durch ihren Einsatz und eisernen Willen die Sozialpartner zusammengebracht und das Arbeitszeitgesetz zum Abschluss gebracht habe.877 Die Funktion des Sozialministeriums war indes gering. Dies dürfte mit dem mangelnden Interesse der ÖVP an der Regelung der Arbeitszeit auf gesetzlicher Basis in Verbindung gestanden haben.878 Generell wurde im Bundesrat von Seiten der ÖVP die alleinige Initiative der SPÖ angezweifelt und die bereits davor bestehende positive Grundeinstellung zur Arbeitszeitverkürzung betont.879 Nachdem sich die FPÖ gegen eine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit ausgesprochen hatte, beteiligt sie nicht an der Einigung mit der Begründung, damit werde die Freizügigkeit der Unselbstständigen in der Verwertung ihrer Arbeitskraft erschwert.880 War die Verhandlungslinie der Arbeitgeberseite am Beginn des Jahres 1969881 noch unklar, so konnten nach dem Volksbegehren die Verhandlungen zu einem Generalkollektivvertrag und die Vorbereitung eines Arbeitszeitgesetzes parallel geführt werden.882 Letzteres wurde schließlich am 11. Dezember 1969 (BGBl. 461/1969) beschlossen. Damit fand der Wunsch nach Schaffung eines neuen, »modernen« Arbeitszeitgesetzes, das anpassungsfähig sei und sich internationalen Gegebenheiten anpasse, seinen Abschluss.883 Die Regierung musste angesichts der bevorstehenden Wahl 1970 in den Verhandlungen möglichst große Zugeständnisse seitens des ÖGB anstreben.884 Zentrales Bestimmungsstück des Arbeitszeitgesetzes war wie im Generalkollektivvertrag die Verkürzung der Normalarbeitszeit. Gleichzeitig stellte die Legaldefinition der Arbeitszeit einen der Kernpunkte dar. Sie legte neben der Regelung, was »Arbeitszeit«, »Tagesarbeitszeit« und »Wochenarbeitszeit« sei, fest, dass »Arbeitszeit« auch jene Zeit sei, »während der ein im übrigen Betrieb Beschäftigter in seiner eigenen Wohnung oder Werkstätte oder sonst außerhalb des Betriebes beschäftigt 875 Vgl. Kohlmaier, Herbert  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 167.  Sitzung  : 14284ff. 876 Vgl. Hiltl, Eleonora  : Sten. Prot. BR, XI. GP, 286.  Sitzung  : 7577. 877 Hiltl, Eleonora  : Sten. Prot. BR, XI. GP, 286.  Sitzung  : 7577. 878 Vgl. Kittel 1996  : 231. 879 Vgl. Brandl, Gottfried  : Sten. Prot. BR, XI. GP, 286.  Sitzung  : 7582. 880 Tálos 1981  : 336. 881 Vgl. Wüthrich 1987  : 224. 882 Wüthrich 1987  : 232. 883 Vgl. Altenburger, Erwin  : Sten. Prot. NR, VIII. GP, 73.  Sitzung  : 3449. 884 Kittel 1996  : 231.

Zwischen Demagogie und Wahlschlager

325

Abb. 27  : Die 40-Stunden-Woche ist erreicht – ÖGB-Aktuell Nr. 163 Quelle  : ÖNB/Bildarchiv Austria (PLA16740577).

wird.«885 Ferner dürfe bei mehreren Arbeitgebern die Höchstgrenze nicht überschritten werden.886 Hatte der Generalkollektivvertrag die Etappen zur Arbeitszeitreduktion noch ungefähr ab Jänner des jeweiligen Jahres mit dem Zusatz des jeweils ersten Montags in diesem Monat angeführt, so wurden die Etappen nun datumsmäßig konkretisiert. Die 42-Stunden-Woche sollte per 3. Jänner 1972 und die 40-Stunden-Woche per 6. Jänner 1975 eingeführt werden.887 In der Schweiz waren etwa zur gleichen Zeit Befürchtung gehegt worden, dass ein Gesetz die Kollektivverträge aushöhlen oder sie ihrer Substanz berauben werde.888 In Österreich war vor der gesetzlichen Regelung ein Generalkollektivvertrag abgeschlossen worden, der für bestimmte Fälle Ausnahmen vorsah. Einer drohenden Aushöhlung wurde wiederum mit Zulassungsnormen begegnet. Dies sollte dem Wunsch der Betriebsräte und der betrieblichen Eigenart jenen Spielraum lassen, den 885 BGBl. 461/1969  : 3370. 886 Vgl. BGBl. 461/1969  : 3370. 887 Vgl. BGBl. 461/1969  : 3370. 888 Wüthrich 1987  : 234.

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Die Karawane zieht weiter. Ziel  : 40-Stunden-Woche  !

diese zu verantworten hätten.889 Dabei sollte auch eine Flexibilität in der Anwendung des Arbeitnehmerschutzrechtes890 gewährleistet sein. Das Arbeitszeitgesetz enthielt in etwa 20 Zulassungsnormen, die dem Kollektivvertrag ein Vorrecht einräumten bzw. den Kollektivvertrag in das öffentlich-rechtliche Arbeitszeitrecht integrierten.891 Zum Beispiel betraf dies die etappenweise Reduktion der Arbeitszeit, wo eben kollektivvertraglich ein anderer Etappenplan vorgesehen werden konnte, der dann vor dem Gesetz Vorrang haben sollte (§ 3 Abs. 3). Diese Zulassungsnormen bedeuteten daher ein Ineinandergreifen des vertraglichen und gesetzlichen Bereichs.892 Dadurch sollte mittels der Sozialpartnerschaft Elastizität gewährleistet sein.893 Auch wenn mit dem Arbeitszeitgesetz eine gesetzliche Grundlage geschaffen wurde, die sowohl eine Definition als auch bestimmte Verkürzungsetappen enthielt, lässt sich dennoch festhalten, dass es in Österreich kein einheitliches, in einem einzelnen Gesetz normiertes Arbeitszeitrecht gibt.894 Dies zeigte sich bereits im 462. Bundesgesetz mit Abänderungen und Ergänzungen von Arbeitszeitvorschriften, die die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen, das Hausgehilfenund Hausangestelltengesetz, das Mutterschutzgesetz und das Schauspielergesetz betrafen. Während die Arbeitszeitreduktion bei den Jugendlichen dem Etappenplan des Arbeitszeitgesetzes, sofern im Kollektivvertrag nicht anders vorgesehen, folgte,895 gab es bei den Hausgehilfen und -angestellten eine größere Abweichung. Ein zweiwöchiger Durchrechenzeitraum sah vor, dass ein gewisser Zeitraum nicht überschritten werden durfte. Generell wurde hier zwischen »in die Hausgemeinschaft des Dienstgebers aufgenommenen Dienstnehmern« bzw. »nicht in die Hausgemeinschaft des Dienstgebers aufgenommenen Dienstnehmern« sowie »das 18. Lebensjahr vollendet« bzw. »noch nicht vollendet« unterschieden. Dabei ergab sich für den zweiwöchigen Durchrechenzeitraum hinsichtlich der Arbeitszeit folgendes Bild  :

889 Vgl. Altenburger, Erwin  : Sten. Prot. NR, VII. GP, 26.  Sitzung  : 1021  ; Hillegeist, Friedrich  : Sten. Prot. NR, VII. GP, 56.  Sitzung  : 2545f. 890 Vgl. Cerny 1980  : 258. 891 Vgl. Wüthrich 1987  : 234f. 892 Vgl. Wüthrich 1987  : 236. 893 Vgl. Wüthrich 1987  : 236. 894 T. Schmid 1993  : 188. 895 Vgl. BGBl. 462/1969  : 3378f.

327

Zwischen Demagogie und Wahlschlager Dienstnehmer, die in die Hausgemeinschaft aufgenommen waren

Dienstnehmer, die nicht in die Hausgemeinschaft aufgenommen waren

18. Lebensjahr nicht vollendet

18. Lebensjahr ­vollendet

18. Lebensjahr nicht vollendet

18. Lebensjahr ­vollendet

5. Jänner 1970

106 Stunden

116 Stunden

84 Stunden

92 Stunden

3. Jänner 1972

104 Stunden

114 Stunden

82 Stunden

90 Stunden

6. Jänner 1975

100 Stunden

110 Stunden

80 Stunden

86 Stunden

Tab. 35  : Arbeitszeit von Hausgehilfen und Hausangestellten Quelle  : BGBl. 462/1969  : 3379 (eigene Darstellung).

Die gesetzliche Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit bezog sich dabei nicht auf jene Dienstnehmer, die sich dem Dienstgeber gegenüber zur Verfügung halten mussten  ; ausgenommen hiervon waren jene Dienstnehmer, die nicht in die Hausgemeinschaft aufgenommen worden waren und das 18. Lebensjahr nicht vollendet hatten. Dennoch war es hier ebenfalls zu einer Verminderung der wöchentlichen Arbeitszeiten im Rahmen des zweiwöchigen Durchrechenzeitraums gekommen. So hatten die Arbeitszeiten aufgrund des 235. Bundesgesetzes betreffend Hausgehilfen und -angestellten für jene Dienstnehmer, die in die Haushaltsgemeinschaft aufgenommen waren und das 18. Lebensjahr überschritten hatten, 120 Stunden bzw. für jene, die das 18. Lebensjahr nicht überschritten hatten, 110 Stunden betragen.896 Für die nicht in die Hausgemeinschaft aufgenommenen Dienstnehmer betrug die Arbeitszeit für den zweiwöchigen Durchrechenzeitraum 96 Stunden bzw. 88 Stunden, wenn das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet war.897 Daneben gab es in einer Novelle des Landarbeitergesetzes eine Abänderung der Arbeitszeit. Für die Landarbeiter wurde einerseits bis 1975 die 40-Stunden-Woche beschlossen. Andererseits wurde für jene Dienstnehmer, die mit dem Dienstgeber in einer Hausgemeinschaft lebten, die wöchentliche Arbeitszeit in vier Etappen ab 5. Jänner 1970 bis 5. Jänner 1976 reduziert und die 43-Wochen-Stunde eingeführt.898

896 Vgl. BGBl. 235/1962  : 1147. 897 Vgl. BGBl. 235/1962  : 1147. 898 Vgl. BGBl. 463/1969  : 3380.

6. Arbeitszeitflexibilisierung vs. 35-Stunden-Woche im Spannungsverhältnis der Beschäftigungspolitik Die Politisierungsphase erklomm ihren Höhepunkt mit dem Arbeitszeitvolksbegehren der SPÖ, das von knapp 890.000 Personen unterschrieben worden war. Es zeigte sich, dass die vier Faktoren – der Trend zur 40-Stunden-Woche in Europa, die Mobilisierung der Bevölkerung, das Vorbringen der Forderung durch eine »starke« Partei und das Volksbegehren als »relativ« neues Instrument der direkten Demokratie mit strikten Regeln – letztlich in ihrer Kombination für die Umsetzung der Arbeitszeitverkürzung und die Schaffung eines Arbeitszeitgesetzes – eine Forderung, die von der Gewerkschaft seit Jahr und Tag erhoben1 worden war – wesentlich waren. Dass ein Volksbegehren kein Erfolgsgarant für die Realisierung von Arbeitszeitforderungen ist, zeigen allerdings die Erfahrungen der Schweiz und Spaniens. In der Schweiz scheiterten bis Ende der 1980er Jahre zwei Volksinitiativen und eine Volksabstimmung, die sich mit der Einführung der 40-Stunden-Woche auf gesetzlicher Grundlage beschäftigten. Die erste Volksinitiative 1976 wurde mit einem Verhältnis von 4   :  1 abgelehnt.2 Sie war zwar von der Basis der Sozialdemokraten offiziell unterstützt worden, aber die Initiative der linksradikalen Progressiven Organisation Schweiz (POCH) kam aus der falschen politischen Ecke.3 Ein Jahr später scheiterte eine neuerliche Inangriffnahme aufgrund der notwendigen Unterschriften.4 Mittels Volksabstimmung wurde dann 1988 die gesetzliche Einführung der 40-Stunden-Woche abgelehnt.5 In Spanien erreichte 1999 das Volksbegehren zur gesetzlichen Einführung der 35-Stunden-Woche über 750.000 Unterschriften, doch die Parlamentsmehrheit lehnte die Forderung ab.6 Abgewiesen wurde sie u. a. aber auch von der spanischen Gewerkschaft, die einerseits keine gesetzliche Festlegung wollte und andererseits für Verhandlungen plädierte.7 Die wechselseitige Initiative zwischen ÖGB und SPÖ ab Mitte der 1960er Jahre in Fragen der Arbeitszeit war auch aufgrund der engen Verflechtung der Sozialpartnerschaft möglich geworden. Die ungelösten Probleme der Konsolidierungs- und Inhomogenitätsphase konnten in der Politisierungsphase allesamt als gelöst betrachtet werden. Allerdings bedingten die Lösungen in einer Periode gewisse Probleme 1 Arbeit und Wirtschaft 1969  : 4. 2 Radzyner 1983  : 172  ; Holenweger/Conrad 1998  : 56. 3 Vgl. Udris 2011  : 103. 4 Radzyner 1983  : 172. 5 Mesch 1991  : 33. 6 Vgl. Schulten 2001a  : 416  ; Pisarello 2009  : 41. 7 Vgl. Schulten 2001a  : 416.

Arbeitszeitflexibilisierung vs. 35-Stunden-Woche

329

in einer anderen Periode. Diese brachen anhand der in den 1970er Jahren ihre Anfänge nehmenden Wirtschaftskrise auf und führten wieder zu den Grundproblemen zurück, die bereits in der Konsolidierungs- und Inhomogenitätsphase einige Entwicklungsschritte verhindert hatten. Unter anderem sei an die langwierige Auseinandersetzung zur Schaffung eines sich gegen die reichsdeutsche Arbeitszeitordnung abgrenzenden neuen, »modernen« österreichischen Arbeitszeitgesetzes erinnert. Bereits 1958 tauchte der von der BWK erhobene Vorwurf der »naturgemäßen« Inflexibilität eines möglichen Gesetzes im Vergleich zu der kollektivvertraglichen Regelung wieder auf.8 »Flexibilität« ist ein wesentliches Schlagwort für diese dritte Periode. Sie bezog sich nicht nur auf die (In-)Flexibilität des Gesetzes, sondern vielmehr auf die Flexibilität bei der Arbeitszeiteinteilung und letztlich auf die Flexibilität des Einzelnen bei der Gestaltung der Arbeitszeit. Die Ausgestaltung der Arbeitszeit führte zur Verwirklichung einer Vielzahl an Arbeitszeitmodellen. Die Teilzeitarbeit, deren beginnende Umsetzung in die Periode der etappenweisen Arbeitszeitverkürzung nach dem vorgesehenen Plan des Generalkollektivvertrages fällt, stellt ein erstes von der Normalarbeitszeit abweichendes Modell dar. Die seit den 1980er Jahren ebenfalls in Österreich einsetzende Arbeitslosigkeit führte dazu, dass diverse Arbeitszeitmodelle, die gleichfalls eine Abweichung von der Normalarbeitszeit bedeuteten, diskutiert, aber auch umgesetzt wurden. Der Arbeitszeitflexibilisierung wurde von der Gewerkschaft vor allem mit der Forderung nach der Einführung der 35-Stunden-Woche ab dem Beginn der 1980er Jahre begegnet. Auf europäischer Ebene waren erste Vorstöße bereits Mitte der 1970er Jahre, ausgehend von der Problematik der Arbeitslosigkeit, vom europäischen Gewerkschaftsbund unternommen worden.9 Mitte der 1980er Jahre wurde davon ausgegangen, dass mit Einführung der 35-Stunden-Woche zu rechnen sei, weil die 40-Stunden-Woche keine natürliche Konstante darstelle.10 Die Debatten beinhalteten weniger die Umgestaltung der Lebensarbeitszeit, wenngleich es auch hier zu Änderungen kam, sondern vielmehr die Auseinandersetzung zwischen der 35-Stunden-Woche und der Arbeitszeitflexibilisierung. Darüber hinaus lassen sich in dieser Debatte die drei Grundbedingungen für den staatlichen Eingriff in die Organisation der Arbeitszeit erkennen, nämlich der Schutz der Arbeitnehmer vor überlangen Arbeitszeiten durch Wettbewerbsforderungen der Arbeitgeber, die Koordination der Arbeitszeitmodelle, motiviert durch den Wunsch der Gestaltung der gemeinsamen Freizeit, und die Schaffung von Arbeitsplätzen.11 Sie deckten sich durchaus mit den Ansichten der Gewerkschaften. Der letzte Punkt gewann vor dem  8 Vgl. Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft 1959  : 74.  9 Arbeit und Wirtschaft 1979  : 39. 10 Vgl. Radzyner 1983  : 193. 11 Vgl. P. Artus/Cahuc/Zylberg 2007  : 29.

330

Arbeitszeitflexibilisierung vs. 35-Stunden-Woche

Hintergrund der Wirtschaftskrise nicht nur in Europa, sondern gleichfalls in Österreich an Bedeutung.

6.1 Auswirkungen der Arbeitszeitverkürzung auf die 40 Wochenstunden Der Generalkollektivvertrag und das Arbeitszeitgesetz sahen einen Etappenplan zur Einführung der 40-Stunden-Woche vor. In einem Dreischritt sollte es zu einer Verkürzung der wöchentlichen Normalarbeitszeit über 43 und 42 Wochenstunden bis zur Einführung der 40-Stunden-Woche ab Jänner 1975 kommen. Die Politisierungsphase fand ihren Abschluss in einem Gesetz, dessen Auswirkung auf den Beginn der nächsten Periode ausstrahlte. Das zeigte sich mit Blick auf den nahenden Wahlkampf von 1970, als der SPÖ nicht nur vorgeworfen wurde, das Thema »demagogisch« missbraucht, sondern auch als Wahlkampfschlager benützt zu haben. 1966 fand sich die SPÖ erstmals in der Zweiten Republik in der Oppositionsrolle wieder. Die ÖVP sah ihren Sieg in ihrer hausgemachten Stärke begründet,12 was sich im Wahlkampf 1970 in einem gewissen Werbestil zeigte.13 Die Gründe für die Wahlniederlage der SPÖ waren mannigfaltig. Als Erstes sind hier die innerparteilichen Querelen um Franz Olah (1953 bis 1963 ÖGB-Präsident, 1963/64 Innenminister  ; SPÖ  ; später DFP) zu nennen. Olah hatte eigenmächtig, aber nicht zum Eigennutz, Gelder des ÖGB ohne Information entsprechender Gremien verwendet.14 Von diesen profitierten die Wiedergründung der Kronen Zeitung und die FPÖ, die aus Geldern für die Sanierung des Express15 unterstützt worden war. Schließlich wurde Olah aufgrund seiner »Mitarbeit an nichtsozialistischen Presseerzeugnissen«, aber nicht wegen eigenmächtiger Finanztransaktionen,16 als Innenminister abgesetzt. Im November 1964 wurde er nach Antrag von Bruno Pittermann (Vizekanzler, SPÖ) aus der Partei ausgeschlossen.17 Die Öffentlichkeit sah ihn aufgrund langsamer und spärlicher Informationsbildung als Opfer einer Parteiintrige.18 Vor den Nationalratswahlen 1966 gründete Olah die DFP. Diese nahm schlussendlich der SPÖ einen nicht unwesentlichen Teil der Wählerstimmen weg.19

12 Berner 2002  : 230. 13 Vgl. Plasil 2006  : 18. 14 Vgl. Wirth 2011  : 267. 15 Vgl. Wirth 2011  : 267f. 16 Vgl. Kriechbaumer 1998b  : 46  ; Wirth 2011  : 271. 17 Vgl. Wirth 2011  : 273. 18 Wirth 2011  : 274. 19 Vgl. Wirth 2011  : 322.

Auswirkungen der Arbeitszeitverkürzung auf die 40 Wochenstunden

331

Neben den innerparteilichen Querelen sorgte die KPÖ für zusätzliche Probleme. Sie trat nur in einem Wahlkreis an und empfahl ihren Sympathisanten, für die SPÖ zu stimmen.20 Dies wurde von der SPÖ stillschweigend geduldet.21 Weitere Gründe für die Wahlniederlage lagen im Stimmenzuwachs der ÖVP einerseits bei Jungwählern und andererseits bei den Frauen, in dem erstmals auftretenden Phänomen der Wechselwähler aufgrund des Wandels hin zur Konsumgesellschaft mit dem Aufbruch traditioneller Lagermilieus, der Stilisierung der ÖVP als Reformpartei und der Versachlichungspolitik sowie der nur anfänglich ablehnenden Haltung zum Rundfunkvolksbegehren 1964.22 Die erste Hälfte der Alleinregierung der ÖVP war gekennzeichnet von einigen Erfolgen, wie z. B. dem Hochschulstudiengesetz, der Reform der ÖIG, der Verabschiedung diverser Wirtschaftsgesetze oder der Sanierung der Bundesbahnen.23 Die zweite Hälfte war von innerparteilichen Problemen gekennzeichnet, wodurch die Erwartungen nicht mehr erfüllt werden konnten, was schließlich zur Wahlniederlage führen sollte.24 Währenddessen erfolgte unter Kreisky eine Modernisierung der SPÖ.25 Auf den Verlust der Jungwählerstimmen wurde mit der »Demokratisierung sämtlicher Lebensbereiche«26 reagiert. Zudem wurde von der SPÖ nunmehr eine gezielte Propagierung ihrer Konzepte27 im Rahmen des Wahlkampfs betrieben, der unter dem Motto »Für ein modernes Österreich« stand. Deutlich wurde diese Modernität durch Hinzuziehung von 1400 Fachleuten bei der Ausarbeitung eines Regierungsprogrammes.28 Gleichzeitig sollte die Gefahr, erneut in die Nähe der KPÖ gerückt zu werden, vermieden werden. Die Eisenstädter-Erklärung signalisierte eine klare Distanzierung der SPÖ von der KPÖ.29 Zugleich war ein Schwerpunkt das Abwehren der Gruselpropaganda der ÖVP, die sich diesem Thema widmete.30 Darüber hinaus kam es nach jahrelangem Rechtsstreit mit der Kronen Zeitung zu einem Vergleich.31 Der eigentliche Wahlkampf beinhaltete die Themenkreise Bundesheer, Steuern und

20 Vgl. Wirth 2011  : 314. 21 Vgl. Wirth 2011  : 322  ; Berner 2002  : 229. 22 Vgl. Kriechbaumer 1998b  : 54  ; Berner 2002  : 229  ; Wirth 2011  : 319ff. 23 Vgl. Berner 2002  : 229f.; Wirth 2011  : 376. 24 Vgl. Wochesländer 2002  : 176  ; Wirth 2011  : 376. 25 Vgl. Gruber 1994  : 69f.; Wochesländer 2002  : 176  ; Plasil 2006  : 8  ; Wirth 2011  : 376. 26 Wirth 2011  : 377. 27 Wirth 2011  : 377. 28 Vgl. Hölzl 1974  : 155. 29 Vgl. Wirth 2011  : 377. 30 Vgl. Hölzl 1974  : 154  ; Wochesländer 2002  : 181  ; Plasil 2006  :15f. 31 Vgl. Wirth 2011  : 323.

332

Arbeitszeitflexibilisierung vs. 35-Stunden-Woche

Preise, Bildung für alle sowie die Sicherung des Lebensstandards.32 Der Beginn des Wahlkampfes 1970 lässt sich nicht genau datieren. Der Wahlsieg der SPÖ bei den Nationalratswahlen 1970 beruhte auf dem Stimmenzuwachs bei den Jungwählern sowie der Mittelschicht, der Rückgewinnung des Stimmenanteils der DFP, dem Klientelwandel innerhalb der ÖVP, dem Traditionsbewusstsein der ÖVP im Kontrast zur Modernität der SPÖ sowie dem Strukturproblem der ÖVP.33 Zusätzlich war der Persönlichkeitstypus von Bundeskanzler Klaus mit ein Grund für die Wahlniederlage der ÖVP.34 Obwohl die SPÖ ihrerseits die Persönlichkeit Kreiskys in den Fokus rückte, legte sie Wert darauf, auf die Versäumnisse der ÖVP-Regierung in Angelegenheiten hinzuweisen, die für die Modernität unerlässlich seien. Nicht unterschätzt werden darf aber auch der Einfluss des Mediums Fernsehens.35 Erste große Unterschiede hatten sich bereits rund um das Arbeitszeitvolksbegehren gezeigt. Die SPÖ konnte mit dem Sieg bei der Nationalratswahl 1970 eine längerfristige Etablierung einer ÖVP-Alleinregierung stoppen. Der Wechsel von der Opposition zur Regierungsrolle lässt sich vornehmlich auf innerparteiliche Gründe zurückführen. Zentral war sicher auch die Ablöse von Pittermann durch Kreisky. Seit 1966 führte die SPÖ einen Dauerwahlkampf. Dieser zeigte nach Halbzeit der ÖVP-Alleinregierung Wirkung, als verstärkt sozialpolitische Themen öffentlichkeitswirksam angesprochen wurden. Ein Faktor war dabei sicherlich die Arbeitszeitthematik. Am Ende spielte die Arbeitszeitdebatte im Wahlkampf keine Rolle, da bereits Ende 1969 eine Einigung erfolgt war. Allerdings kann der Einschätzung Tálos gefolgt werden, der dieser Auseinandersetzung Auswirkungen auf die bevorstehenden Wahlen 1970 attestierte.36 Es ist hierbei unerheblich, ob das Anliegen der Arbeitszeitverkürzung in purer Absicht zu einem Vorwahlkampfthema wurde oder es durch die mediale Aufbereitung zu einem eben solchen geworden ist. Mit dem Volksbegehren war es der SPÖ gelungen, eine große Zahl von Sympathisanten für die kommende Wahl zu gewinnen. Hinzu kommt, dass diese »Unterstützer der SPÖ« durch die laufenden Verhandlungen zur Arbeitszeitreduktion und zur Schaffung eines Arbeitszeitgesetzes bis Ende 1969 gewissermaßen fix an die Partei gebunden werden konnten. Zwar hatte sich der eigentliche Wahlkampf mit anderen Themen beschäftigt, aber die SPÖ hatte durch den Vorwahlkampf und die öffentlichkeitswirksame Ausnützung der direkten Demokratie einen Großteil der österrei-

32 Vgl. Faber 1973  : 119  ; Hölzl 1974  : 153  ; Gruber 1994  : 72f.; Plasil 2006  : 10. 33 Vgl. Hanisch 1994  : 462f.; Gruber 1994  : 76  ; Kriechbaumer 2004  : 43f. 34 Vgl. Hanisch 1994  : 463  ; Hölzl 1974  : 156. 35 Vgl. Wochesländer 2002  : 181  ; Plasil 2006  : 5 und 14f. 36 Vgl. Tálos 1981  : 336.

333

Auswirkungen der Arbeitszeitverkürzung auf die 40 Wochenstunden

chischen Bevölkerung von sich überzeugen und sich so deren Unterstützung bei der kommenden Wahl sichern können. Im Juli 1974 wurde in ca. 200 Industriebetrieben im Vorfeld der letzten Etappe der Arbeitszeitverkürzung und damit der endgültigen Einführung der 40-Stunden-Woche eine Umfrage durchgeführt.37 Diese erfolgte in zwei Etappen – März und Juli 1974. Die Fragen bezogen sich auf die aktuelle Arbeitszeitsituation sowie auf die künftige Arbeitszeitreduktion im Jänner 1975. Mit Stand März 1974 hatten nur 14 % der Arbeiter eine Normalarbeitszeit unter 42 Wochenstunden.38 Etwa 97 % der Befragten sollten per 1. Jänner 1975 in den Genuss der 40-Stunden-Woche kommen.39 Dadurch ergab sich für die Industrie nachstehende Verteilung der Normalarbeitszeit  : Arbeiter

Wochenstunden

Angestellte

Insgesamt1)

1974

1975

1974

1975

1974

39 bis unter 40

  0,0

  1,0

  0,0

   0,0

  0,0

1975   1,0

40 bis unter 41

  0,1

99,0

  0,0

100,0

  0,0

99,0

41 bis unter 42

15,5

  0,0

11,4

   0,0

15,1

  0,0

42

84,4

  0,0

88,6

   0,0

84,9

  0,0

Tab. 36  : Vergleich der Normalarbeitszeit in der Industrie (1974–1975) Quelle  : Lamel 1975  : 77 (eigene Darstellung). 1) Daten in Prozent.

Allgemein wurde ein nahtloser Übergang von der 42-Stunden-Woche zur 40-Stunden-Woche erwartet. Dabei hatte 1975 in den befragten Betrieben nur ca. 1 % der Arbeitnehmer eine Wochenarbeitszeit unter 40 Wochenstunden. Gleichzeitig sollte es zu einem Rückgang der bezahlten Pausen kommen  ; für 1975 wurde ein Minus von 17 % prognostiziert.40 Neben der Pausenreduktion wurde erhoben, dass die Reduktion der Wochenarbeitszeit eine veränderte Lage der Tagesarbeitszeit bewirkte. Etwa 71,2 % der Befragten gaben an, dass die Arbeitszeitverkürzung zu einem früheren Arbeitsende führen werde.41 Generell lassen sich – wie die Frage zur Art der Arbeitszeitverkürzung in der ersten Etappe zeigt – fünf mögliche Arbeitszeitverkürzungsvarianten anführen  : Einführung des freien Samstags, Reduktion der Arbeitszeit an einem Wochentag, gleichmäßige Kürzung der Arbeitszeit je Werktag,

37 Vgl. Lamel 1975  : 75. 38 Vgl. Lamel 1975  : 75f. 39 Vgl. Lamel 1975  : 76. 40 Vgl. Lamel 1975  : 77. 41 Vgl. Lamel 1975  : 78.

334

Arbeitszeitflexibilisierung vs. 35-Stunden-Woche

unregelmäßige Verkürzung der Arbeitszeit innerhalb der Arbeitswoche sowie Ausnützung eines Durchrechnungszeitraumes zur Verkürzung der Arbeitszeit.42 Bei der ersten Etappe der Arbeitszeitverkürzung zeigte sich eine Tendenz zu den Varianten drei und vier, während 1975 tendenziell eher eine unregelmäßige Verkürzung der Arbeitszeit zu erwarten war.43 Jedoch wurden für jeweils ein Viertel der Arbeitnehmer weiterhin regelmäßige Reduzierungen sowie die Ausnützung eines größeren Durchrechnungszeitraumes erwartet.44 Für die erste Etappe der Arbeitszeitverkürzung zeigte sich, dass mehrheitlich die Arbeitszeitverkürzung über die Steigerung der Produktivität ohne Steigerung des Kapitaleinsatzes sowie über Überstundenausnützung kompensiert wurde.45 Für 1975 wurde am ehesten die Einstellung neuer Vollzeit- oder Teilzeitarbeitskräfte zur Kompensation der Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit erwartet.46 Die Arbeitsproduktivität in Österreich war zwischen 1964 und 1974 von einem Wachstum gekennzeichnet. Mitter und Skolka unterteilen diesen Zeitraum in drei Perioden. Dieser Unterteilung zufolge kam es erst in der dritten Phase zu einem Rückgang der Arbeitsproduktion, der sich genauer nur 1975 feststellen lässt. Bereits 1976 konnte das Niveau von 1974 wieder erreicht werden. Der Rückgang in dieser dritten Phase lässt sich auf einen Rückgang in der Grundstoffproduktion des Bergbaus, der Erdölindustrie sowie dem Bereich der Grundmetalle zurückführen.47 Trotz der Zunahme der Arbeitsproduktivität im Vergleich zu 1964 kam es zu einer generellen Abschwächung des Wachstums der Arbeitsproduktivität48 in den 1970er Jahren. Werden diesen Daten49 von Mitter und Skolka die Etappen der Arbeitszeitverkürzung 1970, 1972 und 1975 zugrunde gelegt, kam es in den Folgejahren, abgesehen von 1976, zu einem leichten prozentuellen Rückgang des Wachstums der Arbeitsproduktivität. Mitter und Skolka benennen in ihrer Untersuchung drei Ursachen für die Abschwächung des Wachstums der Arbeitsproduktivität  : Strukturverschiebungen, die Arbeitszeitverkürzung sowie eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums. Was den Faktor Arbeitszeitverkürzung betrifft, sind weiters die Verlängerung des Mindesturlaubs, die Einführung der Pflegefreistellung, Streiks und Krankheitsdauer50 anzuführen. Neben der Veränderung der Wochenarbeitszeit spielt jene der 42 Vgl. Lamel 1975  : 78. 43 Vgl. Lamel 1975  : 78. 44 Vgl. Lamel 1975  : 78. 45 Vgl. Lamel 1975  : 79f. 46 Vgl. Lamel 1975  : 80. 47 Vgl. Mitter/Skolka 1981  : 21. 48 Mitter/Skolka 1981  : 21. 49 Vgl. Mitter/Skolka 1981  : 21. 50 Vgl. Mitter/Skolka 1981  : 24f.

Auswirkungen der Arbeitszeitverkürzung auf die 40 Wochenstunden

335

Lebensarbeitszeit gleichfalls eine Rolle. Alles in allem führte dies dazu, dass die gesamtwirtschaftliche Stundenproduktivität in diesem Zeitraum abnahm.51 Gesamtwirtschaftliche Stundenproduktivität in Österreich 1964–1977 jährliche Zuwachsraten in % 1965

5,8

1966

7,1

1967

6,2

1968

5,2

1969

6,9

1970

8,9

1971

6,1

1972

6,7

1973

4,5

1974

2,9

1975

2,2

1976

7,4

1977

3,1

Ø 1964 bis1977

5,75

Ø 1964 bis 1968

6,18

Ø 1968 bis 1973

6,75

Ø 1974 bis1977

4,06

Tab. 37  : Gesamtwirtschaftliche Stundenproduktivität in Österreich (1964–1977) Quelle  : Mitter/Skolka 1981  : 25.

Der Rückgang der Stundenproduktivität ist nicht allein auf die Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit zurückzuführen, sondern außerdem auf den Abbau von Überstunden und den Ausbau der Teilzeitarbeit in diesem Zeitraum.52 Mitte/Ende der 1960er Jahre zeigte sich ein gewisser Arbeitskräftemangel, was zu einer Untersuchung des Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen führte, die das Interesse an Teilzeitarbeit erkunden sollte. Zwischen 1967 und 1975 kam es zu einer Phase der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Die Ausweitung des Angebots erfolgte mehrheitlich über ausländische Arbeitskräfte.53 Dabei kam es zu einem Beschäftigungsplus von 1,3 %. Die Beschäftigtenpro-

51 Vgl. Mitter/Skolka 1981  : 25. 52 Vgl. Mitter/Skolka 1984  : 29. 53 Vgl. Butschek 1992  : 184.

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Arbeitszeitflexibilisierung vs. 35-Stunden-Woche

duktivität nahm jedoch langsamer als die Stundenproduktivität zu.54 Somit bewirkte einerseits die Arbeitszeitverkürzung eine Abschwächung der Stundenproduktivität, andererseits verursachte die Reduktion der Normalarbeitszeit eine zusätzliche Nachfrage.55 Grundsätzlich kommt Rothschild für den Zeitraum von 1958 bis 1975 auf eine Ausweitung der Arbeitskräftenachfrage von 0,27 % im Jahr der Arbeitszeitverkürzung und von 0,34 % im Jahr danach.56 Die dritte Etappe der Arbeitszeitverkürzung fällt mit dem Ende einer für Westeuropa außergewöhnlichen Phase des Wirtschaftswachstums zusammen.57 Im Durchschnitt lag das Wachstum bei 4 %.58 Eine Auswirkung war der bereits angesprochene Arbeitskräftemangel, der in Österreich durch die aktive Aufnahme von Gastarbeitern bekämpft wurde. Das Ende dieser Wachstumsperiode war vom Verlust der Vollbeschäftigung, dem damit verbundenen Anstieg der Arbeitslosigkeit sowie der Inflationsraten gekennzeichnet. Wirtschaftspolitisch setzte die SPÖ auf die Hartwährungspolitik und den Austro-Keynesianismus. Alle Maßnahmen führten dazu, dass trotz des Rückgangs der Produktion 1975 ein beachtliches Wachstum erzielt werden konnte und ferner die Arbeitslosigkeit gering blieb.59 Dadurch kam es in Österreich nicht wie andernorts zu dem typischen Aufbau eines Arbeitslosensockels, der dann zur Bestimmung des Niveaus und der Entwicklung der Arbeitslosigkeit herangezogen werden konnte.60 Der Erfolg des Maßnahmenpaktes war jedoch eher kurzfristiger Natur. So wirkten vereinbarte Lohnerhöhungen und die letzte Etappe der Arbeitszeitverkürzung ihm entgegen.61 Daraufhin folgte wirtschaftspolitisch zumindest teilweise ein Strategiewechsel.62 Die Aktionen führten zu einem Rückgang des BIP um 0,4 %. Im Durchschnitt betrug das Wachstum dennoch jährlich 2,7 % und lag über dem OECD-Schnitt.63 Überdies gelang es, die Arbeitslosigkeit nicht über 2,1 % steigen zu lassen, wobei die Gründe weniger in den wirtschaftspolitischen Maßnahmen als vielmehr im Ausscheiden von Arbeitskräften aus dem Arbeitsmarkt durch Frühpensionierung64 und durch eine Reduktion der Gastarbeiterzahl zu sehen sind. Den Grund für diese vom restlichen OECD-Europa abweichende Entwicklung sieht Butschek in der dritten 54 Vgl. Butschek 2004  : 76f. 55 Vgl. Butschek 2004  : 77. 56 Vgl. Rothschild 1978  : 242. 57 Vgl. Butschek 2004  : 83  ; Aldcroft 2002  : 211. 58 Vgl. Butschek 2004  : 83 59 Vgl. Butschek 2004  : 93. 60 Butschek 2004  : 96. 61 Vgl. Butschek 2004  : 93. 62 Vgl. Butschek 2004  : 93. 63 Vgl. Butschek 2004  : 95. 64 Vgl. Butschek 2004  : 97.

Auswirkungen der Arbeitszeitverkürzung auf die 40 Wochenstunden

337

Etappe der Arbeitszeitverkürzung 1975 und der Verlängerung des Mindesturlaubs 1977.65 Die Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf das vorgesehene Stundenausmaß wirkte sich 1975 in einer Steigerung der Stundenproduktivität um 3,2 % aus. Aber auch noch 1976 kam es zu einer Reduktion der Arbeitszeit, wobei hier die Einführung des Pflegeurlaubs bei einem gleichzeitigen Zuwachs der Stundenproduktivität berücksichtigt werden muss, der sich mit der Studie von 1981 deckt.66 Wie schon Mitter und Skolka wies Butschek den Einfluss der etappenweisen Arbeitszeitverkürzung in den 1970er Jahren auf die Arbeits-, Stunden- und Beschäftigungsproduktivität bzw. -entwicklung nach. Die größte Auswirkung hatte die dritte Etappe der Arbeitszeitreduktion aufgrund ihres Zusammentreffens mit der 1974/75 einsetzenden Wirtschaftskrise. Trotzdem kam es zu einer günstigeren Entwicklung als in anderen OECD-Staaten. Die gesetzliche Normalarbeitszeit wurde in der ersten Etappe auf 43 Wochenstunden herabgesetzt. Dies bewirkte im Durchschnitt eine Reduktion von 1¼ Wochenstunden.67 Eine vollständige Reduzierung um die gesetzlich fixierte Herabsetzung von zwei Wochenstunden wurde nicht erreicht, einerseits, weil in bestimmten Bereichen bereits eine Wochenarbeitszeit von 43 Stunden oder darunter vereinbart gewesen war, und andererseits, weil der Generalkollektivvertrag von 1969 auch spätere Eintrittszeiten für die Verwirklichung der 43-Stunden-Woche vorgesehen hatte. Die Arbeitszeitverkürzung führte dazu, dass der Hauptbereich zwischen 40 und 44 Wochenstunden lag.68 Insgesamt verringerten sich die Arbeitszeiten weniger, wenn der Einzelfall weiter über oder weniger unter der Normalarbeitszeit lag.69 Dies bedeutet, dass bei sehr geringer Arbeitszeit – dies wurde nicht näher definiert – keine Neigung zu einer weiteren Reduzierung vorliegt. Und auch Arbeitskräfte mit sehr hohen Arbeitszeiten reduzierten selbige nicht in einem erwarteten Ausmaß. Ferner profitierten Frauen mehr als Männer von dieser ersten Etappe.70 Dies zeigte sich darin, dass die überlangen Arbeitszeiten bei den Frauen im Gegensatz zu den Männern annähernd gleich blieben und zudem die durchschnittliche Stundenzahl merklich zurückging.71 Profiteure dieser ersten Etappe der Arbeitszeitverkürzung waren die Frauen vor allem, weil ihre überlangen Arbeitszeiten beinahe im gleichen Maße kürzer wurden, als die vereinbarten Etappen dies vorsahen.72 65 Vgl. Butschek 2004  : 99. 66 Vgl. Mitter/Skolka 1981  : 25  ; Biffl 2002  : 303. 67 Weissel 1976  : 17. 68 Vgl. Weissel 1976  : 22. 69 Vgl. Weissel 1976  : 23. 70 Vgl. Weissel 1976  : 24. 71 Vgl. Weissel 1976  : 24. 72 Vgl. Weissel 1976  : 28.

338

Arbeitszeitflexibilisierung vs. 35-Stunden-Woche

6.2 Teilzeitarbeit als Arbeitszeitmodell Während im Herbst 1968 der Übergang zur 40-Stunden-Woche mit starker politischer Dimension eingeleitet wurde, wurde im selben Jahr vom Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen ein Bericht über die Teilzeitbeschäftigung ausgearbeitet und veröffentlicht. Zweck der Studie war es, das Arbeitskräftepotential und seine Entwicklung einzuschätzen.73 Damit wurde erstmals seit dem Wunsch nach einer gendersegmentierten Arbeitszeit wieder eine verkürzte Normalarbeitszeit diskutiert. 6.2.1 »Teilzeit« ist … Da mit dem Gesetz die Normalarbeitszeit definiert worden war, hätte man davon ausgehen können, dass jede kürzere, abweichende Arbeitszeit als Teilzeitarbeit zu betrachten sei. Dass dies jedoch nicht so einfach war, zeigt die Tatsache, dass die Teilzeitarbeit mal einem flexiblen Arbeitszeitmodell, mal einem atypischen Arbeitszeitmodell zugeordnet wurde. So lassen sich bereits bei der Erhebung der Arbeitszeit mehrere Zeitreihenbrüche erkennen. Als Teilzeitarbeit wurde bei den Erhebungen bis 1983 jene wöchentliche Normalarbeitszeit unter 35 Wochenstunden verstanden. Bis 1993 wurden die Daten nach dem Lebenserhaltungskonzept und danach nach dem Labour-Force-Konzept erfasst.74 Seit 2004 erfolgt eine Direktbefragung nach dem Vorliegen von Teilzeitarbeit.75 Beim Aufkommen der Teilzeitarbeit Ende der 1960er Jahre in Österreich definierte der Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen die »Teilzeitbeschäftigung« wie folgt  : […] darunter wird ein reguläres, freiwillig vereinbartes Arbeitsverhältnis mit einer gegenüber der normalen branchenmäßigen oder betrieblichen erheblich herabgesetzten Arbeitszeit verstanden […].76

Abgesehen von dieser »schwammigen« Formulierung lässt sich keinerlei genaue Arbeitszeitgrenze erkennen. Dies erlaubt den Schluss, dass Teilzeitbeschäftigung Ende der 1960er Jahre keine so große Bedeutung hatte. Für die Erhebung der BWK dagegen lag eine Teilzeitarbeit dann vor, wenn die Beschäftigung vereinbarungsgemäß unter 35 Wochenstunden lag.77 Ein Indiz für diese geringe Relevanz der Teilzeitarbeit stellt die Nichtberücksichtigung im beschlossenen Arbeitszeitgesetz dar. Erst 73 Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1968  : 2. 74 I. Wolf/W. Wolf 1994  : 1.2.1c  ; Bartunek 1993  : 96  ; Grisold/Waltner/Zwickl 2010  : 219. 75 Vgl. Grisold/Waltner/Zwickl 2010  : 219. 76 Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1968  : 7. 77 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1968  : 13.

Teilzeitarbeit als Arbeitszeitmodell

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mit der Gesetzesnovelle im November 1992 kam es zu einer Legaldefinition. Nach § 19c Abs. 1 im BGBl. 883/1992 liegt Teilzeitarbeit vor wenn, die vereinbarte Wochenarbeitszeit die gesetzliche Normalarbeitszeit oder eine durch Normen der kollektiven Rechtsgestaltung festgelegte kürzere Normalarbeitszeit im Durchschnitt unterschreitet.78

Eine konkrete Abweichung bzw. eine genau Zeitangabe, bis zu der es sich um Teilzeitarbeit handelt, gibt diese Legaldefinition nicht. Die Eingliederung ins Arbeitszeitgesetz erfolgte, weil der Ausweitung der k apovaz ein Riegel vorgeschoben werden sollte.79 Mit der vorletzten Novelle des Arbeitszeitgesetzes (BGBl. I 61/2007) wurde diese Definition erweitert. So gilt nun zusätzlich nach § 19d Abs. 1  : Einer Norm der kollektiven Rechtsgestaltung ist gleichzuhalten, wenn eine durch Betriebsvereinbarung festgesetzte kürzere Normalarbeitszeit mit anderen Arbeitnehmern, für die kein Betriebsrat errichtet ist, einzelvertraglich vereinbart wird.80

Diese Erweiterung fand vor dem Hintergrund einer weiteren Flexibilisierungsdebatte mit einer Ausweitung der Bedeutung von betrieblichen Vereinbarungen, die fallweise auch einzeln abgeschlossen werden können, statt. Weiterhin wurde die Angabe eines konkreten Stundenausmaßes vermieden, ebenso wie in der Teilzeitrichtlinie der EU vom Dezember 1997  : Dort wurde nicht »Teilzeitarbeit« definiert, sondern vielmehr, wer ein »Teilzeitbeschäftigter« sei. Nach dieser Richtlinie (RL 97/81 EG), deren Ziel in einer Beseitigung der Diskriminierung der Teilzeitbeschäftigten81 lag, ist nach § 3 ein Teilzeitbeschäftigter ein Arbeitnehmer, dessen normale, auf Wochenbasis oder als Durchschnitt eines bis zu einem Jahr reichenden Beschäftigungszeitraumes berechnete Arbeitszeit unter der eines vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten liegt.82

Die Vermeidung eines konkreten Stundenausmaßes schlägt sich in der statistischen Auswertung nieder. »Statistik Austria« definiert dabei nach zwei Konzepten. Einerseits werden die geleisteten Arbeitsstunden als Basis herangezogen, wodurch jemand einer Teilzeitarbeit nachgeht, wenn die wöchentliche Normalarbeitszeit unter 78 BGBl. 833/1992  : 4622. 79 Vgl. Spreitzer 1999  : 108. 80 BGBl. I 61/2007  : 3. 81 Vgl. RL 97/81 EG  : L 14/13. 82 RL 97/81 EG  : L 14/13.

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Arbeitszeitflexibilisierung vs. 35-Stunden-Woche

36 Wochenstunden liegt.83 Andererseits gilt bei einer Direktbefragung nach Teilzeitbeschäftigung, dass bei einer Normalarbeitszeit von unter 30 Wochenstunden stets und bei einer solchen über 36 Stunden nie Teilzeitbeschäftigung vorliegt.84 Gerade die Direktbefragung lässt einen Graubereich zwischen über 30 und unter 36 Normalarbeitswochenstunden offen, in dem nicht eindeutig geklärt ist, ob es sich hier um Teilzeitarbeit handelt oder nicht. Dies kommt bei einer nachträglichen Analyse solcher statistischen Auswertungen erschwerend hinzu, da dadurch eine Eindeutigkeit nicht mehr gegeben ist. Prinzipiell kann daher eine Einordnung von Teilzeitbeschäftigten aufgrund der Selbstzuordnung, der Normalarbeitszeit und der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit in der Arbeitswoche erfolgen.85 6.2.2 Beiratsbericht über die Teilzeitbeschäftigung 1968 In den 1960er Jahren stieg der Arbeitskräftebedarf an, was seine Ursachen in der Verlängerung der Ausbildungszeiten sowie der Verkürzung der Arbeitszeiten hatte. Dieser Knappheit wurde mit einer Ausweitung des Ausländerkontingentes begegnet. Neben der Option »Gastarbeiter« sollte die Teilzeitbeschäftigung den Arbeitskräftemangel bekämpfen. Der Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen wurde beauftragt, diese Form der Beschäftigung näher zu beleuchten. Aufgrund fehlender statistischer Unterlagen wurden zwei Erhebungen zum Umfang bestehender Teilzeitbeschäftigung und zum Interesse an einer solchen durchgeführt. Zunächst beschäftigte sich der Beirat mit der rechtlichen Seite der Teilzeit. In der eingehenden rechtlichen Untersuchung kam er zu dem Schluss, dass sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung bislang kein Zweifel an der Zulässigkeit der Teilzeitarbeit gehegt worden sei.86 Überdies bestehe kein gesetzliches Verbot der Teilzeitarbeit bei Bund und Land.87 Schon bei der methodischen Erläuterung zu den Erhebungen lassen sich zwei deutliche Unterschiede zu den späteren Erhebungen des Mikrozensus bzw. zu allgemeinen Erhebungen erkennen. Mit der ersten Erhebung wurde die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft beauftragt. Sie hatte die Einstellung der Arbeitgeberseite zur Teilzeitbeschäftigung zu erkunden, auch wenn im Grunde jene Personen mit Teilzeitbeschäftigung Erhebungsgegenstand waren. Spezifischer war die Ifes-Erhebung. In ihr sollte die weibliche Bevölkerung bezüglich ihrer Einstellung zur Teil83 Vgl. http://www.statistik.at/web_de/dynamic/statistiken/arbeitsmarkt/arbeitslose_arbeitssuchende/ arbeitslose_internationale_definition/047356 [Datum des letzten Zugriffs  : 09.11.2016]. 84 Vgl. http://www.statistik.at/web_de/dynamic/statistiken/arbeitsmarkt/arbeitslose_arbeitssuchende/ arbeitslose_internationale_definition/047356 [Datum des letzten Zugriffs  : 09.11.2016]. 85 Vgl. I. Wolf/W. Wolf 1994  : 1.7.7a. 86 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1968  : 10. 87 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1968  : 12.

Teilzeitarbeit als Arbeitszeitmodell

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zeitbeschäftigung bzw. zur Praktizierung von Teilzeitarbeit88 befragt werden. Eine Befragung von Männern wurde nur zu Kontrollzwecken anhand einer kleineren Gruppe durchgeführt  ; nach Meinung des Beirats war die größere Stichprobe vollkommen aussagekräftig.89 Beide Untersuchungen sind nur bedingt vergleichbar, da im Gegensatz zur maximal 35-stündigen vereinbarten Arbeitswoche in der Ifes-Untersuchung jedwede verkürzte Arbeitszeit als Teilzeitarbeit eingeordnet wurde.90 Die Erhebung der Bundeskammer für gewerbliche Wirtschaft erfolgte zunächst mittels einer Totalerhebung, wenngleich in bestimmten Bereichen auch eine Hochrechnung für sinnvoll erachtet wurde.91 Diese Erhebung ergab ca. 5,5 %92 Teilzeitbeschäftigte in den untersuchten Bereichen. Davon waren wiederum 77,8 % Frauen und 22,2 % Männer.93 Ferner wurde hinsichtlich der weiblichen Teilzeitbeschäftigung eine Kategorisierung vorgenommen. 77,3 % der teilzeitbeschäftigten Angestellten waren Frauen, bei den teilzeitbeschäftigten Arbeitern waren es 67,4 % und beim betriebseigenen Reinigungspersonal 96,4 %.94 Gleichzeitig geht hervor, dass der Anteil der einer Teilzeitarbeit nachgehenden Personen mit wachsender Betriebsgröße rückläufig war.95 In der Mehrheit entsprach die Teilzeitarbeit einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 24 Stunden.96 Zudem zeigte sich, dass die meisten Betriebe in den 1960er Jahren kaum Erfahrungen mit Teilzeitbeschäftigten hatten.97 Dies schlug sich in einer geringen Bereitschaft nieder, weitere Teilzeitbeschäftigte aufzunehmen.98 12599 Frauen, die von Ifes befragt wurden, übten Teilzeitarbeit aus. Als Gründe für die Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung wurden finanzielle Gründe sowie psychische und soziale Vorteile der Berufstätigkeit vorgebracht.100 Gegen eine solche wurden Kinder und Haushaltsführung sowie die Erwartungshaltung der Frauen und des Ehegatten angeführt.101 Diese Einwände lassen sich dabei auf das damals gängige, traditionelle Geschlechtermodell und die Beschränkung der Frauen auf die häusliche Sphäre,102 die

 88 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1968  : 13.  89 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1968  : 17.  90 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1968  : 13.  91 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1968  : 14.  92 Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1968  : 18.  93 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1968  : 20.  94 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1968  : 20.  95 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1968  : 26.  96 Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1968  : 28.  97 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1968  : 29.  98 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1968  : 30.  99 Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1968  : 33. 100 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1968  : 33. 101 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1968  : 33. 102 Paletschek 2001  : 421.

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Arbeitszeitflexibilisierung vs. 35-Stunden-Woche

drei Ks Kinder, Küche und Kirche,103 zurückführen  ; moralische Gesichtspunkte hatten bei der Ablehnung von Teilzeitarbeit hingegen keine Bedeutung. Auch wurde die Frage gestellt, ob sie sich einen Übergang von einer Vollzeit- zu einer Teilzeitstelle vorstellen könnten. Hierbei kommt die Ifes-Umfrage zu dem Schluss, dass besonders höher qualifizierte Frauen dazu bereit seien.104 Was die Einstellung zur Teilzeitbeschäftigung betraf, ergab die Ifes-Umfrage eine ablehnende Haltung gegenüber der Berufstätigkeit von Frauen.105 Als Gründe wurde hierbei die Erwartungshaltung angeführt, dass die Frau nach der Heirat bzw. nach der Geburt eines Kindes keinerlei Berufstätigkeit mehr ausübe.106 58 % der Männer befürworteten eine Teilzeitbeschäftigung der Frauen nicht, während 64 %107 der Frauen der Meinung waren, dass ihre Ehemänner diese befürworten würden. Zusätzlich ergab die Befragung, dass eine Halbtagsarbeit nur bei Frauen mit Kindern über drei Jahren akzeptiert würde, wenngleich sich nur 22 %108 der befragten Männer dafür aussprachen. Der Zuspruch der Männer stieg dabei fast auf ein Drittel, wenn die Kinder die Schulpflicht erreichten.109 Im Ergebnis wurde festgehalten, dass die Teilzeitarbeit in Österreich keine Rolle spiele, die durchschnittliche Arbeitszeit in der Teilzeit bei 21 Wochenstunden liege, es sich hauptsächlich um eine Beschäftigungsform von Frauen handle, bei steigender Betriebsgröße der Anteil an Teilzeitkräften abnehme, nur wenige Betriebe überhaupt Erfahrung mit Teilzeitbeschäftigen hätten, aber ein großes Reservoir von Frauen, die an einer Teilzeitbeschäftigung interessiert seien, vorhanden sei.110 Eine generelle Empfehlung zur Ausweitung der Teilzeitbeschäftigung wurde nicht ausgesprochen. 6.2.3 Teilzeitarbeit bis zum Auftauchen erneuter Forderungen nach Arbeitszeitverkürzung Die Ergebnisse des Beiratsberichtes entsprachen der grundlegenden Haltung der 1960er Jahre zu dieser Thematik. 1964 hatte sich die Arbeit und Wirtschaft erstmalig 103 Dieser Begriff war in der Bundesrepublik Deutschland während der 1950er und 1960er Jahre nicht gängig. Das damalige Frauenleitbild beinhaltete die Hausfrau und Mutter, während unverheiratete Frauen und Frauen ohne Kinder berufstätig sein sollten. Ebenfalls keine Verbreitung hatte dieser Begriff in der DDR. Der Topos der Ks fand schließlich in den 1980er und 1990er Jahren in die Alltagssprache bzw. in die historische Fachliteratur Eingang. Vgl. Paletschek 2001  : 428f. 104 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1968  : 36. 105 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1968  : 37. 106 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1968  : 37. 107 Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1968  : 37f. 108 Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1968  : 38. 109 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1968  : 38. 110 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1968  : 39ff.

Teilzeitarbeit als Arbeitszeitmodell

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der Teilzeitbeschäftigung gewidmet. Ausgangsbasis war die Fragestellung, ob Teilzeitbeschäftigung eine Lösung für berufstätige Mütter sei. So würden Mütter von der Möglichkeit eines Halbtagspostens träumen, da deren Berufstätigkeit oft Probleme bereite.111 Im Weiteren gab es dann den Hinweis, dass auch Männer einer Teilzeitarbeit nachgehen könnten. Dies sei bei Kellnern oder Bediensteten der Post möglich.112 Trotz der eher geringen Bedeutung der Teilzeitarbeit für Männer wurde dieser Aspekt im Nationalrat 1968 angesprochen. Gertrude Wondrack (SPÖ) meinte dazu, dass zwar die überwiegende Mehrheit jener, die eine Teilzeitarbeit anstrebten, Frauen seien, es aber auch Männer gebe, die aus Krankheitsgründen oder anderen Überlegungen eine Teilzeitbeschäftigung vorziehen würden.113 Für Lola Solar (ÖVP) sollte bei der Ausübung der Teilzeitarbeit das Geschlecht keine Rolle spielen, da ansonsten eine Diskriminierung oder Bevorzugung entstehen könne.114 Für Solar umfasste die Teilzeitarbeit drei Problemkreise  : das familienpolitische und erzieherische Problem, das volkswirtschaftliche hinsichtlich des Arbeitskräftepotentials sowie das humane Problem.115 Ausgehend von diesen drei Problemkreisen argumentierte sie, dass Teilzeitarbeit für eine fortschrittliche Sozial- und Wirtschaftspolitik stehe.116 Ebenso wurde die Frage nach der Definition aufgeworfen. Im Vordergrund dieser ersten parlamentarischen Behandlung stand die Ausübung einer solchen Tätigkeit aufgrund von Erkrankungen bzw. die Zunahme von Erkrankungen wegen des Anstiegs der beruflichen Belastung bzw. bei Frauen wegen der Doppelbelastung von Haushalt und Beruf.117 Diese Überbelastung der Frauen wurde von der FPÖ mit Blick auf die Vermeidung des Ausfalls von benötigten Arbeitskräften angesprochen.118 Grundsätzliches Problem bei der Schaffung eines eigenständigen Gesetzes zur Regelung der Teilzeitarbeit war die Schwierigkeit, behindernde rechtliche Rahmenbedingungen bei der Ausbreitung der Teilzeitbeschäftigung nachzuweisen. Nach einem entsprechenden Initiativantrag wurde das Angestelltengesetz novelliert.119 Prinzipiell herrschte bei den Elementen, die die Teilzeitarbeit umfasste, weitgehende Einigkeit. In den 1970er Jahren wurde unter ihr ein regelmäßiges, unbefris111 Vgl. Arbeit und Wirtschaft 1964  : 38. 112 Vgl. Arbeit und Wirtschaft 1964  : 39. 113 Vgl. Wondrack, Gertrude  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 101.  Sitzung  : 8039. 114 Vgl. Solar, Lola  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 118.  Sitzung  : 9573. 115 Vgl. Solar, Lola  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 118.  Sitzung  : 9573. 116 Vgl. Solar, Lola  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 118.  Sitzung  : 9573. 117 Vgl. Melter, Werner  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 118.  Sitzung  : 9603  ; Wondrack, Gertrude  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 101.  Sitzung  : 8039. 118 Vgl. Melter, Werner  : Sten. Prot. NR, XI. GP, 118.  Sitzung  : 9603. 119 Vgl. G. Klein 1984  : 301.

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tetes, freiwilliges Arbeitsverhältnis mit einer wesentlich kürzeren Normalarbeitszeit verstanden.120 Generell wurde ab den 1970er Jahren immer wieder die Frage aufgeworfen, was unter Teilzeitarbeit zu verstehen sei  ; dabei wurde ohne konkrete Nennung einer Höchstgrenze der Wochenarbeitszeit von einer Verkürzung des Normalarbeitszeitstandards als wesentlicher Punkt der Teilzeitarbeit gesprochen.121 Der bedeutendste Punkt in den 1960er und 1970er Jahren war die Arbeitskräfteknappheit. Das eigentliche Ziel der Teilzeitarbeit war das Requirieren zusätzlicher Arbeitskräfte aus dem Reservoir der Hausfrauen und Mütter.122 Zugleich sollte dies den finanziellen und den familiären Aspekt einbeziehen.123 Bei steigender Arbeitslosigkeit in Europa nach dem ersten Erdölschock erfuhr die Teilzeitarbeit eine thematische Erweiterung. War sie davor als Mittel gegen die Arbeitskräfteknappheit interpretiert worden, kam es in den 1980er Jahren zu einem Auffassungswandel  : Teilzeitarbeit wurde nun auch als ein mögliches Beschäftigungsmittel im Zuge der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gesehen.124 Die Bedeutung der Teilzeitarbeit stieg Ende der 1970er Jahre sowie Anfang der 1980er Jahre, auch weil kürzere Arbeitszeiten generell zunahmen und sie damit in den Blickpunkt der Öffentlichkeit125 geriet. 6.2.4 Teilzeitbeschäftigung zwischen Flexibilisierung und 35-Stunden-Woche Nach und nach wurde Teilzeitarbeit zu der am weitesten verbreiteten und damit offensichtlichsten Arbeitszeitform mit geschlechtsspezifischer Prägung.126 Einerseits war sie eine verkürzte Form der täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit,127 andererseits wurde sie zunehmend in die Flexibilisierungsdebatte mit eingebunden. Gleichzeitig stellte sich die Frage nach ihren Auswirkungen. Teilzeitarbeit schien kein gewerkschaftliches Ziel sein zu können, weil nur wenige von dieser Form der Verkürzung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich profitieren würden, anstatt dass alle eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich erreichen könnten.128 Vor allem von Seiten der ÖGB-Frauen wurde Anfang der 1980er Jahre gegen Teilzeitbeschäftigung argumentiert.129 Johanna Dohnal (langjährige Frauenstaatssekretärin und spätere Bundesministerin für Frauenangelegenheiten, SPÖ) trug zu 120 Vgl. Migsch 1974  : 248. 121 Vgl. Migsch 1974  : 250. 122 Vgl. Rothschild 1978  : 245  ; Korosec 1985b  : 34. 123 Vgl. Rabl-Stadler 1985  : 31  ; Korosec 1985b  : 35  ; Bartunek 1993  : 96  ; G.  Klein 1984  : 301. 124 Vgl. Rothschild 1978  : 246. 125 Poitner 1985  : 73. 126 Sorger 2014  : 88. 127 Vgl. Franke 1990  : 129. 128 Vgl. Pointner 1985  : 73. 129 Vgl. Sorger 2014  : 191.

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diesem Negativbild bei. Für sie trat in der Teilzeitarbeit das Rollenklischee der Frau als »Dazuverdienerin«130 hervor. Die Anfang der 1980er Jahre geäußerten Bedenken Dohnals betonten u. a. die Halbierung des Einkommens, die geringen Aufstiegschancen von Frauen oder aber die Nichtentlastung der Frauen, da diese ohnehin »nur« halbtags arbeiten würden.131 Laut Mooslechner-Stranzinger vertrat Dohnal dabei in erster Linie die vollerwerbstätige Frau.132 Prinzipiell zeigte sich nach ihrer Einschätzung in den 1980er Jahren bei den sozialistischen Gewerkschafterinnen, dass diese grundsätzlich neue Erwerbsformen als Versuch sahen, »Frauen zu Berufstätigen zweiter Klasse zu degradieren«.133 Verwiesen wurde auch darauf, dass das steigende Interesse der Unternehmer auf eine Senkung der Personalkosten und die Steigerung der Arbeitsproduktivität ziele.134 Einen weiteren Negativaspekt sah man in der Einkommensverschlechterung für Teile der Bevölkerung.135 Aufgeweicht wurde diese negative Positionierung bereits in den 1980er Jahren durch die Entspannung am Arbeitsmarkt, die Akzeptanz des Wunsches nach anderen Arbeitszeiten als die dem Normalarbeitsverhältnis zugrunde liegende Normalarbeitszeit sowie durch Maßnahmen zur Vereinbarung von Arbeit und Familie, wobei dieses Aufweichen von Mooslechner-Stranzinger als »Ja, aber«-Linie charakterisiert wird.136 Die Ausweitung der Teilzeitarbeit wurde von den Sozialpartnern unterstützt. In Salzburg versuchte Helga Rabl-Stadler (ab 1985 Vizepräsidentin und ab 1988 Präsidentin der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft Salzburg, ÖVP) eine private Vermittlungsstelle für Teilzeitarbeitskräfte einzurichten.137 Musste dies durch das Sozialministerium genehmigt werden, so reagierte dieses nicht unmittelbar auf ein Schreiben von Rabl-Stadler, die sich auf einer Pressekonferenz verärgert zeigte und ankündigte, bei Nichtbeantwortung eine Säumnisbeschwerde gegen Sozialminister Dallinger einreichen zu wollen.138 Der Modellversuch wurde schließlich mit der Gründung eines Teilzeitservices per 1. März 1984 gestartet.139 Dieses von der ÖVP initiierte Modell einer »Salzburger Teilzeitarbeitsbörse« konnte nicht gänzlich verwirklicht werden, obwohl in den ersten vier Monaten 1687140 Personen die Teilzeitarbeitsbörse aufsuchten. Letztlich kam es 1985 unter Mitwirkung des AMS und 130 Mooslechner-Stranzinger 1991  : 100. 131 Vgl. Mooslechner-Stranzinger 1991  : 100. 132 Mooslechner-Stranzinger 1991  : 101. 133 Mooslechner-Stranzinger 1991  : 125. 134 Vgl. Pointner 1985  : 78ff. 135 Vgl. Pointner 1985  : 79. 136 Vgl. Mooslechner-Stranzinger 1991  : 102. 137 Oberösterreichische Nachrichten, 12. August 1983  : 2. 138 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 12. August 1983  : 2. 139 Vgl. Hardt 1987  : 99. 140 Hardt 1987  : 99  ; Stranzinger 2001  : 454.

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der WKO zu einer endgültigen Gründung eines Teilzeitservices.141 Es richtete sich in erster Linie an Frauen, die eine Teilzeitstelle suchten.142 Aber auch bei Männern sollte langfristig die Attraktivität der Teilzeitarbeit gesteigert werden.143 Eine Teilzeitbeschäftigung suchende Person in den ersten Monaten des Modellversuchs war dabei »eine Frau an die dreißig, die eine abgeschlossene Berufsausbildung besitzt, bereits gearbeitet hat und nun neben der Familie wieder in das Berufsleben einsteigen will.«144 Dieses Profil entspricht einer typischen teilzeitarbeitenden Person,145 die, abgesehen von den Niederlanden, hauptsächlich weiblich ist. Der Bedarf an Teilzeitstellen ergab sich aus der Auseinandersetzung mit der Frage, wie der Arbeitskräftebedarf gelöst werden könne. Gleichzeitig wurde versucht, eine verbesserte Vereinbarkeit von Beruf und Familie in einer auf Vollzeitarbeit ausgerichteten Gesellschaft146 zu verwirklichen, um so eine vermehrte Nachfrage vornehmlich von Frauen am Arbeitsmarkt zu erzielen. Die Einbindung von Frauen in die Arbeitswelt über die Teilzeitarbeit ist dabei grundsätzlich erst unter den Bedingungen geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung möglich.147 Abgesehen von einem kleineren Rückgang 1985 erfolgte in den 1980er Jahren ein kontinuierlicher Zuwachs der Beschäftigung unterhalb des Normalarbeitszeitstandards.148 Zwar war der Salzburger Modellversuch auch für Männer gedacht, aber Teilzeitarbeit wurde im Grunde nicht als mehr oder weniger lebenslanges Arbeitszeitmodell angesehen. Vielmehr wurde sie bei Männern als Möglichkeit eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand diskutiert, d. h., die Altersteilzeit sollte Vorrang vor einer möglichen Arbeitszeitverkürzung haben.149 Als Gründe für die generelle Ausbreitung von kürzeren Arbeitszeiten Anfang der 1980er Jahre galten damals eine allgemeine Verkürzung, einhergehend mit der Ausweitung von Teilzeitarbeit sowie der Überstundenabbau und innerbetriebliche Änderungen aufgrund des technischen Fortschritts.150 Die zunehmende Relevanz der Teilzeitarbeit ergab sich zunächst aus der Bedeutung kürzerer Arbeitszeiten bei Ausnützung des vorhandenen Arbeitskräftepotentials. Indirekt bedeutete dies die Fortsetzung der geschlechtsspezifischen Position der 1950er Jahre. Ende der 1970er sowie Anfang der 1980er Jahre kam es zur Einbindung der Teilzeitarbeitsdiskussion in die Auseinandersetzung zwischen der Arbeits141 Vgl. Stranzinger 2001  : 454. 142 Vgl. Stranzinger 2001  : 454. 143 Vgl. Mooslechner-Stanzinger 1991  : 107. 144 Hardt 1987  : 99. 145 Vgl. Glettler/Rebhandl/Salomon 1997  : 17. 146 Vgl. Rippatha 2003  : 62. 147 Vgl. N. Bergmann/Fink/Graf/Hermann/Mairhuber/Sorger/Willsberger 2003  : 29. 148 Finder 1995  : 31. 149 Vgl. Hardt 1987  : 100  ; Arbeit und Wirtschaft 1989  : 15. 150 Vgl. Bartunek 1982  : 22  ; Pointner 1985  : 78.

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zeitflexibilisierung und der Einführung der 35-Stunden-Woche. In deren Folge wurden flexible Arbeitszeiten und Teilzeitarbeit vermengt.151 Stemberger ging Mitte der 1980er Jahre davon aus, dass viele neue Arbeitszeitmodelle auf die Teilzeitarbeit zugeschnitten würden – darunter Arbeitszeitformen wie z. B. Jobsharing oder k apovaz bzw. frequovaz, deren Verwirklichung aufgrund der angezweifelten Zulässigkeit durch das Arbeitszeitgesetz eben erst im Rahmen der Teilzeitarbeit möglich seien.152 Unumstritten war diese Einordnung der Teilzeitarbeit unter flexible Arbeitszeiten nicht, wenngleich festgestellt wurde, dass flexible Arbeitszeiten durchaus bei Teilzeitbeschäftigung vorkommen konnten.153 Mit der weiter vorangetriebenen Diskussion der Flexibilisierung der Arbeitszeiten kann letztlich für die Literatur festgestellt werden, dass die Teilzeitarbeit bis Ende der 1980er Jahre endgültig als eine flexible Arbeitszeitform gesehen wurde. Durch die Ausbreitung der Teilzeitarbeit, ihre Abweichung vom Normalarbeitszeitstandard sowie die vermehrte Diskussion in der Öffentlichkeit über Teilzeit vollzog sich kontinuierlich die Einordnung der Teilzeitarbeit als flexibles Arbeitszeitmodell. In den 1990er Jahren kam es dann erneut zu einer veränderten Einordnung, insofern Teilzeitarbeit nun als Teil der atypischen Arbeitszeitmodelle gesehen wurde.

6.3 Aspekte der Arbeitszeitdiskussion bis Ende der 1970er Jahre Die Debatte zur Arbeitszeit gewann erst Ende der 1970er Jahre wieder an Intensität. Wie schon nach der letzten größeren Senkung der wöchentlichen Arbeitszeit öffnete die Verkürzung von 1970 bis 1975 den Raum für eine Neugestaltung der Arbeitszeiten jenseits der wöchentlichen Arbeitszeit. 6.3.1 Allgemeine Aspekte Mit der Nationalratswahl 1970 hatten sich die Machtverhältnisse in Österreich verschoben. War die Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung Ende der 1960er Jahre in das Fahrwasser des Vorwahlkampfs geraten, stand die ÖVP in diesem Zeitraum unter dem Banner des Verhinderers eines von Arbeitnehmern gewünschten Anliegens. Dies kam in zahlreichen Diskussionen zum Ausdruck. Doch auch nach der etappenweisen Arbeitszeitverkürzung bis 1975 hielt die SPÖ in den parlamentarischen Debatten der ÖVP mangelndes Interesse an einer Durchführung der Arbeitszeitreduktion vor. 151 Vgl. B. Schwarz 1984  : 32. 152 Vgl. G. Klein 1984  : 305  ; Stemberger 1984  : 250. 153 Vgl. Bretschneider/Dollinger/Lamel/Ulram 1985  : 47  ; Hardt 1987  : 32.

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Die ÖVP war 1971 im Gegensatz zur FPÖ überzeugt, dass nun der richtige Zeitpunkt für die Einführung der Arbeitszeitverkürzung sei. Allerdings erfolgte bereits 1971 eine Novellierung des Arbeitszeitgesetzes hinsichtlich der Überstundenregelung, so dass nunmehr der Überstundenzuschlag für die ersten vier bzw. fünf Stunden bei 25 % lag und nicht bei 50 %.154 Der FPÖ erschien auch nach der ersten Etappe der Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit das Arbeitszeitgesetz weiterhin als unnötig. Melter machte der ÖVP gegenüber entsprechende Vorhaltungen  : Warum hat dann die ÖVP ein Arbeitszeitgesetz beschlossen, wenn sowieso schon ein Generalkollektivvertrag besteht  ? […] Das heißt also  : Sie haben ein Gesetz mitbeschlossen, das nicht notwendig war und das in einen Bereich eingreift, der nach ihrer Auffassung genauso wie nach der Auffassung verschiedener sozialistischer Schriftsteller und Sprecher den Kollektivverträgen überlassen bleiben sollte.155

Im Jahr vor der letzten Etappe warf Herbert Pansi (SPÖ) der ÖVP vor, »taube Ohren«156 für das sozialistische Anliegen zu haben. Zugleich strich er heraus, dass die Wirtschaft durch die Arbeitszeitverkürzung keinerlei Schaden genommen habe.157 Im Konter der ÖVP wurde die Bedeutung des Generalkollektivvertrages von 1969 herausgestrichen, da eben keinerlei Änderung des Gesetzes festgestellt werden könne.158 Und um die Rolle der SPÖ zu schmälern, wurde darauf hingewiesen, dass der Generalkollektivvertrag nicht zwischen Häuser und Kreisky, sondern zwischen ÖGB und Bundeswirtschaftskammer abgeschlossen worden sei.159 Daher sei das Gesetz dem materiellen Inhalt nach nicht eine Erfindung der sozialistischen Partei an sich.160 Einer Legendenbildung wollte daraufhin Sepp Steinhuber (SPÖ) vorbeugen und sprach vom notwendigen Druck, der auf die ÖVP habe ausgeübt werden müssen, sowie von deren mangelndem Interesse an einer Arbeitszeitverkürzung.161 Die ÖVP wiederum brachte die damalige Sozialministerin Rehor ins Spiel, die eine solche gesetzliche Regelung festgelegt habe.162 Durch die Arbeitszeitreduktion bis 1975 und das Erreichen der Maxime »Acht Stunden Arbeit, acht Stunden Freizeit und acht Stunden Schlaf bei einer Fünf-Tage-­ Woche« kamen Diskussionen um eine weitere Reduktion bis Ende der 1970er Jahre 154 Vgl. Wedenig, Karl  : Sten. Prot. NR, XII. GP, 45.  Sitzung  : 3387. 155 Melter, Werner  : Sten. Prot. NR, XII. GP, 45.  Sitzung  : 3395. 156 Pansi, Herbert  : Sten. Prot. NR, XIII. GP, 126.  Sitzung  : 12274. 157 Vgl. Pansi, Herbert  : Sten. Prot. NR, XIII. GP, 126.  Sitzung  : 12274. 158 Vgl. Wedenig, Karl  : Sten. Prot. NR, XIII. GP, 126.  Sitzung  : 12278. 159 Vgl. Wedenig, Karl  : Sten. Prot. NR, XIII. GP, 126.  Sitzung  : 12278. 160 Wedenig, Karl  : Sten. Prot. NR, XIII. GP, 126.  Sitzung  : 12278. 161 Vgl. Steinhuber, Sepp  : Sten. Prot. NR, XIII. GP, 126.  Sitzung  : 12291. 162 Vgl. Wedenig, Karl  : Sten. Prot. NR, XIII. GP, 126.  Sitzung  : 12292.

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nicht mehr auf. Ab Ende der 1970er Jahre spielten dann allenfalls wirtschaftliche Faktoren sowie die Frage nach der Lage der Arbeitszeit eine wesentliche Rolle. Eine der Hauptänderungen betraf die Frauen im Bereich des Mutterschaftsrechtes. Dieses hatte sich in der Diskussion um die Reduktion der Arbeitszeiten schleichend verändert, und es war eine gesetzliche Anpassung in allen Phasen der Entwicklung der wöchentlichen Normalarbeitszeit feststellbar. Erste Ansätze zur Schaffung eines »österreichischen« Mutterschaftsgesetzes lassen sich bereits 1952 und 1953 nachweisen.163 Zu einer ersten gesetzlichen Regelung kam es 1957, die ein sechswöchiges Arbeitsverbot vor und nach dem Entbindungstermin festlegte164 und darüber hinaus einige Ausnahmebestimmungen165 enthielt. Im Rahmen der Etablierung des Politikfeldes »Familienpolitik« wurde ein sechsmonatiger unbezahlter Karenzurlaub beschlossen.166 War die erste Regelung noch vor dem Generalkollektivvertrag von 1959 erfolgt, so trat die nächste Änderung in der Politisierungsphase 1961 mit der Ausdehnung des bezahlten, aber einkommensabhängigen Karenzurlaubs auf ein Jahr in Kraft.167 1974 wurde schließlich die Ausweitung des Mutterschutzes auf acht Wochen vor und nach der Geburt beschlossen.168 Zugleich wurde das Karenzgeld nunmehr einkommensunabhängig gewährt.169 Erste gesetzliche Maßnahmen zur Betreuung von Kindern durch Väter wurden mittels Pflegefreistellung 1976 getroffen, die für nahe Angehörige im gemeinsamen Haushalt galt,170 also auch für die Ehegattin. Hatte sich die Lebensarbeitszeit der Frauen bereits in den 1960er Jahren durch die Schaffung der bezahlten Karenzzeit verringert, so erfolgte zumindest bei den Männern mit 1976 eine gewisse Veränderung der jährlichen Arbeitszeit, wenn dieser Pflegeurlaub in Anspruch genommen wurde. Am stärksten wurde im Zusammenhang mit der Lebensarbeitszeit in diesem Zeitraum die Urlaubsregelung verändert. Im Vordergrund bei der Neuregelung vom 7. Juli 1976 stand die Vereinheitlichung des Urlaubsrechtes. Einhergehend damit kam es zu einer Ausdehnung des Mindesturlaubs auf vier Wochen  ; ab dem 20. Dienstjahr 163 Vgl. Mesner 2010  : 176. 164 Dieses Gesetz orientierte sich an dem 1942 von den Nationalsozialisten beschlossenen Mutterschutzgesetz, das ebenfalls eine Sechswochenfrist vorsah. Vgl. Dib 2009  : 2  ; Mesner 2010  : 176. 165 Bei Frühgeburten bzw. Geburten, die verspätet erfolgten, konnte sich das Arbeitsverbot gegebenenfalls verlängern oder verkürzen. Wurde das Kind gestillt, verlängerte sich das Arbeitsverbot nach der Geburt auf acht Wochen bzw. auf zwölf Wochen, wenn es sich um eine Frühgeburt handelte. Vgl. BGBl. 76/1957  : 561f. 166 Vgl. BGBl. 76/1957  : 565  ; M.  Wolf 2008  : 663  ; Mesner 2010  : 175f. 167 Vgl. M. Wolf 2008  : 663  ; Dib 2009  : 3  ; Mesner 2010  : 176. 168 Vgl. BGBl. 178/1974  : 1088f. 169 Vgl. M. Wolf 2008  : 663. 170 Vgl. BGBl. 390/1976  : 1405.

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bestand zudem ein Anspruch auf eine fünfte Urlaubswoche.171 Die ÖVP präferierte diese Urlaubsverlängerung im Gegensatz zu einer Herabsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit und führte gesundheitspolitische Gründe ins Feld, aber auch die Qualität der Arbeitsleistung und die Verringerung der Gefahr von Arbeitsunfällen.172 Insgesamt kam es durch die Ausweitung des Mindesturlaubs zu einer Erhöhung der Stundenverdienste in der Industrie um 1 %.173 Die Schaffung eines Bildungsurlaubs stand ebenso zur Diskussion, wenngleich diesem nur eine relativ kleine Beschäftigungswirkung attestiert wurde.174 Ebenfalls wurde über eine Verlängerung der Schulzeit aufgrund der besonderen Gefährdung der Jugendlichen durch Arbeitslosigkeit nachgedacht.175 Neben einer den Beginn des Erwerbslebens hinauszögernden Lebensarbeitszeitverkürzung gab es Vorschläge zur Frühpensionierung.176 Die Teilzeitarbeit war nicht das einzige Arbeitszeitmodell, das an Bedeutung gewann. Stand bei dieser die verkürzte Normalarbeitszeit im Mittelpunkt, so war es bei der Gleitzeit die gleitende Arbeitszeit, die aus Sicht von Löschnak mehr Vorteile für die Arbeitnehmer als für den Arbeitgeber brachte.177 Mit diesem Arbeitszeitmodell kam es erstmals zu einer Abkehr von einem »fixen« bzw. »starren« Arbeitszeitregime. Gleitzeit wird daher als Startmodell für die Abkehr von einer starren zu einer flexiblen Arbeitszeit bezeichnet.178 Im Kern können drei Modelle unterschieden werden  : Gleitzeit ohne Zeitübertrag, mit Zeitübertrag innerhalb der Arbeitswoche und mit Zeitübertrag in einem mehrwöchigen Zeitraum. Dazu lassen sich einfache und qualifizierte Gleitzeit voneinander abgrenzen. Bei der einfachen Gleitzeit variieren lediglich Anfangs- und Endzeit, so dass die Kernzeit zwischen zwei Gleitphasen eingebettet ist und in der Anwesenheitspflicht besteht.179 Der Arbeitnehmer verfügt bei der qualifizierten Gleitzeit hingegen über eine permanente Option zur Variierung von Dauer und Lage der Arbeitszeit  ; hier kann mit Zeitguthaben und Zeitschulden gearbeitet werden.180 Im Laufe der Anwendung der gleitenden Arbeitszeit kam es zur Ablösung der einfachen Gleitzeit durch die qualifizierte Gleitzeit.181 Mit dem Aufkommen der Arbeitszeit171 Vgl. BGBl. 390/1976  : 1401  ; V.  Frey 1999  : 65  ; Hauth 1989  : 19  ; T.  Schmid 1993  : 188. 172 Vgl. Gföller, Rosa  : Sten. Prot. BR, XIV. GP, 354.  Sitzung  : 11647. 173 Vgl. Walterskirchen 1978  : 121. 174 Vgl. Rothschild 1978  : 244  ; Dollinger 1979  : 64. 175 Vgl. Rothschild 1978  : 244  ; Dollinger 1979  : 64. 176 Vgl. Rothschild 1978  : 244  ; Dollinger 1979  : 64. 177 Vgl. Löschnak 1970  : 40. 178 Vgl. Altun 2005  : 40. 179 Vgl. Stemberger 1983a  : 18f.; Hamm 1999  : 91  ; Schultheiß 2003  : 266  ; Stoller-Gerber 2011  : 18. 180 Hamm 1999  : 90  ; Kilz/Reh  : 1996  : 51  ; Schultheiß 2003  : 266. 181 Vgl. Kilz/Reh 1996  : 51.

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flexibilisierung wurde diese auch als »flexible«, »individuelle«, »dynamische« oder »variable« Arbeitszeit bezeichnet.182 Als klassische Einsatzgebiete erwiesen sich jene Tätigkeitsbereiche, die unabhängig voneinander ausgeübt werden können.183 Der ursprüngliche Gedanke hinter dem Modell der Gleitzeit war die Einbindung der Frauen in den Arbeitsmarkt, deren Eintritt in das Erwerbsleben man durch rigide Arbeitszeiten verhindert glaubte. Zudem wurde hier eine Möglichkeit gesehen, eine vernünftige Arbeitsleistung im Verhältnis zum Arbeitsvolumen zu erreichen.184 Die Schweiz und Deutschland nahmen eine gewisse Vorreiterrolle ein.185 In der Schweiz wurde Gleitzeit erstmals am Beginn der 1960er Jahre in einem Unternehmen eingeführt  ; eine größere Ausbreitung fand erst Ende der 1960er Jahre statt.186 In Deutschland erfolgte die Einführung Mitte der 1960er Jahre.187 Für Österreich lässt sie sich für Juli 1969 nachweisen  ; sie wurde in Ober- und Niederösterreich erprobt und hat sich seit diesem Zeitpunkt verbreitet.188 Die ersten Firmen mit Gleitzeit in Österreich waren die Eternitfabrik Hatschek und die Papierfabrik Hamburger AG.189 Das wesentlichste Merkmal der gleitenden Arbeitszeit ist die Nutzung der Zeitsouveränität bei der Einteilung der Arbeitszeit innerhalb der Rahmenzeit durch den Arbeitnehmer.190 Als Gründe für den Wunsch nach einer gleitenden Arbeitszeit wurden Anfang der 1970er Jahre das Erreichen einer größtmöglichen Freiheit, aber auch die Identifikation mit Arbeit und Beruf sowie die Wahl der Arbeitszeit selbst angeführt.191 In Zusammenhang gebracht wurde dies mit einer Verbesserung des Arbeitsalltages.192 Anfang der 1970er Jahre war die Gleitzeit jedoch noch nicht weit verbreitet, weshalb Raus in der Arbeit und Wirtschaft die wichtigsten Punkte benannte, die es bei einer diesbezüglichen Vereinbarung zu beachten galt. Es sollte auf die Zustimmung und Mitwirkung des Betriebsrates, die Rücksprache mit der Gewerkschaft, die Wahrung der gesetzlichen und kollektivvertraglichen Rechte, insbesondere der Freizeitansprüche und der Fortzahlung des Entgeltes, die klare Abgrenzung des Begriffes »Überstunde« von Gleitzeit, die Rücksichtnahme auf Personen ohne gleitende Arbeitszeitmöglichkeit, die Information und Aufklärung der betroffenen Angestellten und Führungskräfte sowie die Beteiligung der Angestellten 182 Stemberger 1983a  : 18. 183 Vgl. Hamm 1999  : 92. 184 Vgl. Gaudart 1982  : 6. 185 Vgl. Stemberger 1983a  : 45. 186 Stoller-Gerber 2011  : 1f.; Baudraz 1971  : 18. 187 Vgl. Hellert 2001  : 59  ; Bühner 2005  : 192. 188 Vgl. Stemberger 1983a  : 45ff.; Stemberger 1983b  : 304  ; Hardt 1987  : 40. 189 Vgl. Hardt 1987  : 40. 190 Stoller-Gerber 2011  : 2. 191 Vgl. Raus 1973  : 18. 192 Vgl. Raus 1973  : 19.

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am Produktivitätszuwachs geachtet werden.193 Darüber hinaus sollten langfristig keine Gleitzeitspannen mehr existieren, da innerhalb einer gewissen Bandbreite die Sollarbeitszeit von jedem Arbeitnehmer erbracht werden sollte.194 Weitere auf die Arbeitnehmer bezogene Vorteile wurden im Wegfall des Pünktlichkeitsgebotes, in geringeren Wegzeiten von und zur Arbeitsstätte, einer besseren Zeiteinteilung sowie dem Entfall von gewissen Privilegien einzelner Arbeitnehmergruppen gesehen.195 Verteilung und Nutzen von Freizeit wurde wieder diskutiert. Neben dem Freizeitgewinn durch Arbeitszeitverkürzung sollte für die Arbeitnehmervertretung die Frage nach der bestmöglichen Nutzung der errungenen Freizeit im Sinne der Arbeiter und Angestellten wesentlich werden.196 Denn nur wenn die vermehrte Freizeit entsprechend genutzt werde, könne das Korrelat zwischen weniger Arbeitszeit und mehr Freizeit besser ausgenützt werden.197 Freizeit sollte mehr nach gesellschaftspolitischen als nach wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten geplant werden, da die Bedürfnisbefriedigung der Arbeitnehmer nicht mehr allein aus der Arbeit gewonnen würde.198 Allerdings war diese gezielte Planung der Freizeit nicht unumstritten. Neben einer Erziehung zur Freizeitgesellschaft wurde die freie Verfügbarkeit der Freizeit angeregt.199 Ebenso spielte der gesundheitspolitische Aspekt eine Rolle. Eine Ausdehnung der Freizeit, so wurde versichert, stehe nicht nur in Zusammenhang mit den Vorteilen der Mechanisierung und Automatisierung, sondern diene gleichzeitig dazu, das wichtigste Gut des Arbeitnehmers, nämlich seine Gesundheit, zu erhalten.200 In dieser Phase kam es allerdings auch vermehrt zu einer wirtschaftlichen Argumentation, was sich bereits in der Krise 1974/75 zeigte, als in einem Artikel der Arbeit und Wirtschaft eine einschneidende Wirtschaftsverlangsamung durch eine geringere geleistete Arbeitszeit im Kontext mit einer durch den Arbeitnehmer frei gestaltbaren Arbeitszeit sowie einer Kampagne zur Positivierung des Freizeiterlebnisses festgestellt wurde.201 Angesichts des sich abzeichnenden Anstiegs der Arbeitslosigkeit in Europa wurde der Vorschlag unterbreitet, die Freizeit in Phasen hoher Arbeitslosenzahlen zu nützen, um die Arbeitszeitverkürzung flexibler handhaben zu können.202

193 Vgl. Raus 1973  : 19. 194 Vgl. Raus 1973  : 19. 195 Vgl. Stemberger 1985b  : 19. 196 Vgl. Mündel 1971  : 2. 197 Vgl. Dollinger 1979  : 65. 198 Vgl. Mündel 1971  : 7  ; Schenk 1979  : 44. 199 Vgl. Puscala 1971  : 12. 200 Vgl. Puscala 1971  : 12  ; Weissel 1976  : 8  ; Lachnit 1979  : 61. 201 Vgl. Havelka 1975  : 13. 202 Vgl. Rothschild 1978  : 244.

Aspekte der Arbeitszeitdiskussion bis Ende der 1970er Jahre

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6.3.2 Diskussion in den Wirtschaftspolitischen Blättern 1979 Seit der letzten Auseinandersetzung in den Wirtschaftspolitischen Blättern waren nunmehr zehn Jahre vergangen. Auffallend ist, dass nun nicht mehr derselbe Autor sowohl den Einleitungs- als auch den Abschlussbeitrag der betreffenden Diskussion verfasste. Der Einleitungstext hat den Umfang von einer Seite und ist ohne Autorenkennzeichnung. Der erste Diskussionsbeitrag stammte von Butschek und stellte die Arbeitszeitverkürzung in der theoretischen Diskussion dar. Für Butschek wies diese Diskussion als Mittel der Beschäftigungspolitik gewissermaßen einen eigenartigen Charakter auf.203 So berufe sich eine Vielzahl der Diskutanten darauf, dass Arbeitszeitverkürzung zur Beschäftigungssicherung bereits in den 1930er Jahren stattgefunden habe.204 Andererseits gebe es einige Einwände gegen Arbeitszeitverkürzung als Mittel der Beschäftigungspolitik, so u. a. der Hinweis, dass eine globale Nachfragesteigerung nach Arbeitskräften keineswegs das Arbeitslosenproblem behebe oder dass Arbeitszeitverkürzung zu einem Nachfrageausfall führe und somit zu weiterer, neuer Arbeitslosigkeit führe.205 Ebenfalls beleuchtete Walterskirchen die Arbeitszeitverkürzung als beschäftigungspolitische Maßnahme und wies zugleich darauf hin, dass eine solche in Österreich zurzeit nicht angedacht sei.206 Für ihn war wichtig, dass die Diskussion stärker anhand empirischer Daten als anhand von Spekulationen wie in den 1970er Jahren in Deutschland geführt werden solle.207 Er untersuchte die restriktiven Effekte einer Arbeitszeitverkürzung dahingehend, dass nicht nur die Beschäftigung erhöht, sondern auch die Produktivität nach unten angepasst werden könne. Wegen der von ihm genannten Gründe sei Arbeitszeitverkürzung nicht wachstumsneutral und mindere zumindest in kleinerem Umfang die Produktion.208 Für die ersten beiden Arbeitszeitverkürzungsetappen im Übergang zur 40-Stunden-Woche stellte er allerdings keine restriktiven Effekte fest.209 Schließlich beschäftigte er sich mit der Auswirkung von Arbeitszeitverkürzung auf die Beschäftigung und Produktivität und betonte, dass der hohe Produktivitätseffekt im Jahr der Arbeitszeitverkürzung sich aus einer Rationalisierung und Intensivierung der Arbeit ergeben habe.210 Zuletzt beleuchtete er noch die politische Durchführbarkeit einer Arbeitszeitverkürzung. Um sie durchzusetzen, müsse die Vehemenz des Widerstandes, die psychische Einstellung, der 203 Vgl. Butschek 1979  : 19. 204 Vgl. Butschek 1979  : 19. 205 Vgl. Butschek 1979  : 21ff. 206 Vgl. Walterskirchen 1979  : 25. 207 Vgl. Walterskirchen 1979  : 26f. 208 Vgl. Walterskirchen 1979  : 28f. 209 Vgl. Walterskirchen 1979  : 29. 210 Vgl. Walterskirchen 1979  : 29f.

354

Arbeitszeitflexibilisierung vs. 35-Stunden-Woche

zufolge in der Krise mehr und nicht weniger geleistet werden müsse, sowie die mögliche Einbuße des Nettorealeinkommens bedacht werden.211 In letzter Konsequenz sei daher Arbeitszeitverkürzung als Mittel der Beschäftigungspolitik unwahrscheinlich, wenn nicht unterstützende Maßnahmen vorgesehen würden, da auch bei der Durchführung der Arbeitszeitverkürzung mit einem Kostenauftrieb sowie einer Verschlechterung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit zu rechnen sei.212 Lamel setzte sich in seinem Diskussionsbeitrag mit der Wachstumspolitik und der Arbeitszeitverkürzung auseinander. Einleitend stellte er einen Paradigmenwechsel fest, da vor Ende der 1970er Jahre die Aussage, dass Wirtschaftswachstum erst jene Erträge schaffe, die dann verteilt werden könnten, nicht in Frage gestellt worden sei. Nunmehr habe dies nicht mehr die gleiche Geltung, wobei er anmerkte, dass Arbeitszeitverkürzung zum »Heilmittel« für die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit geworden sei.213 Um den Zusammenhang von Wachstumspolitik und Arbeitszeitverkürzung zu verorten, beleuchtete Lamel die Regierungserklärungen von 1966 und 1979 sowie die Parteiprogramme von ÖVP und SPÖ. Er erkannte darin das gemeinsame Bekenntnis zum Wirtschaftswachstum und damit zur Wachstumspolitik.214 Zudem würden beide Parteien den Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Erhaltung der Vollbeschäftigung betonen.215 Mit Blick auf die Wachstumstheorie hielt er fest, dass trotz deren Defizits das Wirtschaftswachstum durch die Wirtschaftspolitik nicht behindert worden sei.216 Grundsätzlich sei jedoch Arbeitszeitverkürzung eine resignative Strategie, deren erhoffte Beschäftigungseffekte er als eher gering einschätzte.217 Schenk wiederum arbeitete in seinem Diskussionsbeitrag den Zusammenhang zwischen technischem Fortschritt und Arbeitszeit heraus. Zunächst beschrieb er den Trend zur Arbeitszeitverkürzung, der seit der Industrialisierung eingesetzt habe. Gleichzeitig mit diesem Prozess schuf der technische Fortschritt die Voraussetzung zur Befriedigung weitergehender Bedürfnisse.218 Teriets Beitrag bezog sich auf die Arbeitszeitverkürzung als Herausforderung für die ökonomische Theorie und Praxis. Er lenkte dabei die Aufmerksamkeit auf individuelle, betriebswirtschaftliche, volkswirtschaftliche und gesamtwirtschaftliche Aspekte der Arbeitszeitökonomie. Danach ging er auf Zeitsouveränität und Arbeitszeitflexibilität ein. Als ersten Einstiegspunkt in die Arbeitszeitflexibilität sah Teriet, ausgehend von kleinen Zeitarealen, die glei-

211 Vgl. Walterskirchen 1979  : 30. 212 Vgl. Walterskirchen 1979  : 31. 213 Vgl. Lamel 1979  : 33. 214 Lamel 1979  : 35. 215 Vgl. Lamel 1979  : 36. 216 Vgl. Lamel 1979  : 38. 217 Vgl. Lamel 1979  : 42. 218 Vgl. Schenk  : 1979  : 43f.

Aspekte der Arbeitszeitdiskussion bis Ende der 1970er Jahre

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tenden Arbeitszeiten.219 Wesentlicher für die erste große Welle der Arbeitszeitflexibilisierung waren ihm zufolge jedoch die Einführung des Sechsstundentages für Eltern mit Kindern unter acht Jahren in Schweden per 1. Jänner 1979, die Option der Wahl des Zeitausgleichs oder des Bezugs von Geld für Mehrarbeitszuschläge und die Einführung bestimmter Ausgleichszeiten für geleistete Mehrarbeit in Frankreich.220 In weiterer Folge zählte er u. a. mit Jobsharing, dem Fleximonth, dem Bandbreitenmodell sowie k apovaz weitere flexible Arbeitszeitmodelle auf.221 Lachnit wiederum untersuchte die Arbeitszeitverkürzung als arbeitsmedizinische und arbeitspsychologische Frage. Als Problemfeld sah er die Freizeitgestaltung222 an. Ihm ging es um deren sinnvolle Gestaltung. Im Grunde schätzte er jede aktive Freizeitgestaltung, u. a. Gartenarbeit oder Basteln, als günstig ein.223 Für ihn stand dabei außer Zweifel, dass Arbeitszeitverkürzung als Verkürzung der Tagesarbeitszeit durchgeführt werden sollte.224 Der letzte Diskussionsbeitrag stammte von Dollinger. Sein Aufsatz beschäftigte sich mit den sozialpolitischen Rahmenbedingungen einer Arbeitszeitverkürzung in Österreich. Einleitend hielt er fest, dass sich Arbeitszeitverkürzung nicht mehr nur auf die tägliche und wöchentliche Arbeitszeitreduktion beziehe, sondern gleichfalls Veränderungen der Lebensarbeitszeit diskutiert würden.225 Im Hinblick auf arbeitsmarktpolitische Überlegungen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit durch Arbeitszeitverkürzung war er aus zweierlei Gründen skeptisch  : einerseits, weil das Arbeitsvolumen nicht ohne weiteres aufgeteilt werden könne, andererseits, weil auch globale Effekte beachtet werden müssten.226 Trotz dieser Skepsis stellte er Überlegungen zum sozialpolitischen Rahmen der Arbeitszeitreduktion an.227 Als solchen behandelte er die Arbeitszeitgesetzgebung, der es für ihn mit Blick auf eine flexible Arbeitszeitgestaltung an Fantasie mangelte.228 Als eine mögliche Alternative der flexiblen Verteilung der Arbeitszeitverkürzung sah er die Vier-Tage-Woche bei sinnvoller Freizeitgestaltung.229 Das starre Limit von 40 Stunden, welches das Arbeitszeitgesetz festlegte, behinderte in seinen Augen eine flexiblere Ausgestaltung der Arbeitszeit.230 219 Vgl. Teriet 1979  : 54. 220 Vgl. Teriet 1979  : 54f. 221 Vgl. Teriet 1979  : 56f. 222 Vgl. Lachnit 1979  : 61. 223 Vgl. Lachnit 1979  : 61. 224 Vgl. Lachnit 1979  : 63. 225 Vgl. Dollinger 1979  : 64. 226 Vgl. Dollinger 1979  : 64. 227 Vgl. Dollinger 1979  : 64. 228 Vgl. Dollinger 1979  : 65. 229 Vgl. Dollinger 1979  : 65. 230 Vgl. Dollinger 1979  : 66.

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Arbeitszeitflexibilisierung vs. 35-Stunden-Woche

Im seinem die Diskussion abschließenden Aufsatz betonte Supper die Abhängigkeit der Arbeitszeitverkürzungsforderung von der konjunkturellen Situation. Argumentativ bezog er sich auf den Bericht des Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen von 1969. Dieser erwähne nicht die positiven beschäftigungspolitischen Effekte in Zeiten wirtschaftlicher Prosperität.231 Grundsätzlich stehe hinter der beschäftigungspolitischen These die Annahme, dass Unternehmer das Arbeitsvolumen an die Veränderung der Produktion anpassten.232 Eine solche Anpassung könne durch eine Variation der Beschäftigung, eine Variation der Arbeitszeit oder eine Variation beider Faktoren erreicht werden.233 Supper betonte vornehmlich die beschäftigungspolitischen Aspekte der einzelnen Beiträge und brachte die Argumente der Diskussionsteilnehmer zueinander in Beziehung.

6.4 Im Galopp zur nächsten Verkürzung  ! Ziel  : 35-Stunden-Woche Im Zuge der Aufgabe des Systems von Bretton Woods setzte Hannes Androsch (Bundesminister für Finanzen, SPÖ) verstärkt auf einen stabilen und sicheren Schilling. Vorrangiges Ziel blieb die Erhaltung der Vollbeschäftigung im Rahmen der Beschäftigungspolitik. In Spannungsverhältnis zwischen dem Erhalt der Vollbeschäftigung und dem Verhindern einer Zunahme der Arbeitslosigkeit – »Vollbeschäftigung« und »hohes Beschäftigungsniveau« hatten in der Debatte weitgehend die gleiche Bedeutung234 – entwickelte sich auf der Basis der Beschäftigungspolitik die dritte Periode der Arbeitszeitpolitik. Bis Mitte der 1970er Jahre stand der Aspekt der Arbeitshumanisierung im Mittelpunkt. Ende der 1970er Jahre rückte die Arbeitszeitdiskussion immer mehr als beschäftigungspolitisches Instrument zur Vollbeschäftigungssicherung in den Fokus. Die Arbeitszeitflexibilisierung galt dabei als eine Möglichkeit, sich von der traditionellen Arbeitszeitgestaltung und dem Vollarbeitszeitstandard zu lösen.235 Treibende Kraft hinter dem Disput zwischen der 35-Stunden-Woche und der Arbeitszeitflexibilisierung war sicherlich Sozialminister Dallinger, der zu einem »Vorkämpfer«236 für die Arbeitszeitverkürzung gegen die Arbeitslosigkeit wurde. Dallinger hatte sich als Sozialminister eindeutig positioniert und verlangte immer wieder die Einführung der 35-Stunden-Woche. In diversen Diskussionen sprach er davon,

231 Vgl. Supper 1979  : 76. 232 Supper 1979  : 78. 233 Supper 1979  : 78. 234 Vgl. Tálos 1987  : 131ff. 235 Vgl. Tálos 1983  : 18. 236 B. Schwarz 1991  : 9.

Im Galopp zur nächsten Verkürzung  ! Ziel  : 35-Stunden-Woche

357

dass es allen Widerständen zum Trotz zu einer Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit in einem radikalen Ausmaß kommen müsse.237 Anfang der 1980er Jahre war sein Anliegen eindeutig die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Mittels einer Arbeitszeitverkürzung sollte Beschäftigungssicherung und somit Vollbeschäftigung wieder erreicht werden. Eine Bereitschaft zur Arbeitszeitverkürzung war auf Seiten der Verbände der Arbeitgeber jedoch nicht vorhanden.238 6.4.1 Prägende Elemente der Arbeitszeitdiskussion der 1980er Jahre Die etappenweise Einführung der 40-Stunden-Woche bedeutete, dass die Implementierung erst Mitte der 1970er Jahre erfolgte. Zu diesem Zeitpunkt war der europäische Weg der Forderung nach einer Einführung der 35-Stunden-Woche bereits vorgezeichnet. Der europäische Gewerkschaftskongress hatte sie bereits gefordert.239 Aus Sicht des EGB bedeutete zum damaligen Zeitpunkt eine Arbeitszeitverkürzung angesichts der hohen Arbeitslosen- und Inflationsraten keine weitere Inflationsgefahr, da Arbeitnehmer anstelle der Arbeitslosenunterstützung Löhne für produktive Arbeit erhalten würden.240 In Österreich war immer wieder darauf hingewiesen worden, dass ein Verkürzungsschritt nur im Gleichklang mit der europäischen Entwicklung möglich sei. Ausschlaggebend für den neuerlichen Diskurs war für Österreich jedoch nicht die allgemeine Forderung des EGB, sondern vielmehr die Debatten in der Bundesrepublik Deutschland. Aufgrund der früher einsetzenden Rezession beschäftigten sich der EGB und die Bundesrepublik Deutschland schon einige Jahre vor Österreich mit dem Thema Arbeitszeitverkürzung im Rahmen der Beschäftigungspolitik.241 Unter anderem hatte die britische Gewerkschaft bereits 1976 eine Einführung der 35-Stunden-Woche bis 1978 gefordert, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.242 Im selben Zeitraum titelte Die Presse, dass die 35-Stunden-Woche für Österreich nicht aktuell sei.243 Horwitz zeichnete in ihr ein Bild, wie es den Gegnern einer Arbeitszeitverkürzung vor Augen stand  : Seit der Teufel der Arbeitslosigkeit umgeht, meint man mancherorts den ­passenden Beelzebub gefunden zu haben, um ihn auszutreiben. Arbeitszeitverkürzung und Ur­ 237 Vgl. Dallinger, Alfred  : Sten. Prot. NR, XV. GP, 136.  Sitzung  : 13872  ; Dallinger, Alfred  : Sten. Prot. NR, XV. GP, 138.  Sitzung  : 14094. 238 Vgl. Hochrainer 2006  : 175. 239 Vgl. Tálos 1981  : 336  ; Sozialistische Jugend Oberösterreich 1980  : 9. 240 Vgl. Arbeit und Wirtschaft 1979  : 39. 241 Vgl. Bretschneider/Dollinger/Lamel/Ulram 1985  : 87f. 242 Vgl. Die Presse, 21. April 1976  : 2  ; Arbeiter Zeitung, 20. April 1976  : 1. 243 Vgl. Die Presse, 21. April 1976  : 2.

358

Arbeitszeitflexibilisierung vs. 35-Stunden-Woche

laubs­­verlängerung lautet das Geheimrezept gebraut nach der Formel  : Man verteile die rarer gewordene Arbeit auf weniger Wochenstunden oder weniger Arbeitswochen, dann haben mehr Leute etwas zu tun.244

Genau dies forderte 1977 u. a. die IG Metall in der Bundesrepublik Deutschland.245 Aber auch die Gewerkschaften in Frankreich erhoben solche Forderungen.246 In Belgien kam es 1978 in der Mineralölindustrie und Stahlindustrie zur Einführung der 38-Stunden-Woche.247 Darüber hinaus gab es gewerkschaftliche Pläne zur Einführung einer wöchentlichen Arbeitszeit unterhalb der 40 Wochenstunden in den Niederlanden, in den USA und in Italien.248 In Schweden kam es ab 1977 zur 36-Stunden-Woche für kontinuierliche Schichtarbeit bzw. zur 38-Stunden-Woche für nichtkontinuierliche Schichtarbeit.249 Erneut wurde über die sinnvolle Nutzung gewonnener Freizeit debattiert. So plädierte 1978 die Neue Zürcher Zeitung im Artikel »Mehr Ferien oder 40-Stunden-Woche  ? Eine Beurteilung aus ökologischer Sicht« für eine Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit anstelle einer Urlaubsverlängerung. Bei dieser wurde eine sinnvolle Freizeitnutzung in Frage gestellt, insofern die Menschen in Wohnverhältnissen lebten, die für das Verbringen längerer Freizeit ungeeignet seien, da Garten, Werkstätte oder dergleichen fehle.250 Dies alles würde bei einer Senkung der Wochenarbeitszeit keine Rolle spielen, da sie keine neuen Bedürfnisse zur Folge hätte.251 Demgegenüber hatte Sozialminister Weißenberg Ende der 1970er Jahre in einem Interview mit Die Furche davon gesprochen, dass eine Herabsetzung der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit aufgrund struktureller Probleme wie dem Facharbeitermangel zu diesem Zeitpunkt nicht möglich sei, sehr wohl aber eine Urlaubsverlängerung.252 Der generelle Plan einer Arbeitszeitverkürzung und Urlaubsverlängerung wurde später von Sozialminister Dallinger für Österreich adaptiert. In einem Zweiphasenmodell wollte er ihn in den 1980er Jahren verwirklichen. Erste Verhandlungen – beeinflusst vom Arbeitskampf im deutschen Druckereigewerbe – zur 35-Stunden-Woche wurden von der Gewerkschaft Druck und Papier bereits 1979 gefordert.253 244 Die Presse, 7./8. Dezember 1976  : 1. 245 Vgl. Geldner/E. Haas/Kreisky/Reitzner 1981b  : 14. 246 Vgl. Geldner/E. Haas/Kreisky/Reitzner 1981b  : 31. 247 Vgl. Die Presse, 29. Juni 1978  : 9  ; Geldner/E.  Haas/Kreisky/Reitzner 1981b  : 25. 248 Vgl. Geldner/E. Haas/Kreisky/Reitzner 1981b  : 21ff. 249 Vgl. Geldner/E. Haas/Kreisky/Reitzner 1981b  : 34. 250 Vgl. Geldner/E. Haas/Kreisky/Reitzner 1981b  : 47. 251 Vgl. Geldner/E. Haas/Kreisky/Reitzner 1981b  : 47. 252 Vgl. Geldner/E. Haas/Kreisky/Reitzner 1981b  : 13. 253 Vgl. Mooslechner-Stranzinger 1991  : 111f.

Im Galopp zur nächsten Verkürzung  ! Ziel  : 35-Stunden-Woche

359

Anfang 1980 bestand die leichte Hoffnung, dass es zu einem Konjunkturaufschwung kommen könne, zumal die saisonale Arbeitslosigkeit von 3 % schrittweise im ersten Halbjahr 1980 abgebaut werden konnte.254 Der Aufschwung ließ indes auf sich warten, was besonders an den wenigen vorhandenen Reserven zur aktiven Arbeitsmarktpolitik deutlich wurde.255 Neben der unsicheren Auswirkung des Einsatzes von Computern und Mikroprozessoren für den Arbeitsmarkt256 wurde vom Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen auf ein Strukturproblem hingewiesen  : Es zeige sich ein Zustrom junger Arbeitskräfte mit höherer Qualifikation, während die Zahl von Hilfsarbeitern und Angelernten zurückgehe.257 Bis Anfang der 1980er Jahre hatte Österreich im Vergleich zu anderen europäischen Staaten eine vergleichsweise niedrige Arbeitslosigkeit gehabt. Die Anzeichen, dass die Vollbeschäftigung nicht mehr aufrechterhalten werden könne, mehrten sich nun aber. Mit dem Beginn der wirtschaftlichen Krise folgte eine Privatisierungsdiskussion, in der die divergenten Parteistrategien deutlich wurden.258 Zu den großen Krisenherden der 1980er Jahre gehörten VOEST, Eumig, Steyr-Daimler-Puch, VEW, Semperit, um nur einige wenige zu nennen, die nicht alle der verstaatlichten Industrie zuzurechnen waren. In dieser waren Anfang der 1980er Jahre 115.000259 Personen beschäftigt. Die Verstaatlichte wurde trotz einer sich ändernden wirtschaftlichen Lage auf Vollbeschäftigung260 ausgerichtet, wodurch es zu einer Politik des »Haltens der Arbeitskräfte« kam. Diese Politik war nicht nur von staatlicher Seite gewünscht, sondern wurde durchaus auch von der Industrie unterstützt. Bereits 1977 hatte sie erklärt, durch Ausschöpfung sämtlicher Möglichkeiten die folgenden geburtenstarken Jahrgänge unterzubringen, sofern nur von der Wirtschaftspolitik die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen würden.261 Für die Sozialistische Jugend Oberösterreichs war wiederum das schlechte Management der Unternehmen dafür verantwortlich, dass nicht allen Menschen Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt werden konnten und dadurch Arbeitszeitverkürzung für die Beschäftigungspolitik an Bedeutung gewann.262 In dieser Situation wurde die verstaatlichte Industrie zunehmend zu einem »Sammelbecken« für Arbeitskräfte. Dies machte immer höhere Unterstützungszahlungen

254 Vgl. Venus 2008  : 54. 255 Vgl. Venus 2008  : 54f. 256 Vgl. Venus 2008  : 55. 257 Vgl. Venus 2008  : 56. 258 Vgl. Kastil 2006  : 122. 259 Venus 2008  : 58. 260 Vgl. Venus 2008  : 47. 261 Vgl. Geldner/E. Haas/Kreisky/Reitzner 1981a  : 12. 262 Sozialistische Jugend Oberösterreich 1980  : 7.

360

Arbeitszeitflexibilisierung vs. 35-Stunden-Woche

von Seiten des Staates notwendig.263 Die Interventionspolitik führte einerseits zu einer Verzögerung bei Rationalisierungsmaßnahmen sowie andererseits dazu, dass Reorganisationen bzw. Sanierungen verspätet durchgeführt wurden.264 Der tiefgreifende wirtschaftliche Wandel ab Mitte der 1980er Jahre zeigte sich nun auch in Österreich. Es veränderten sich die äußeren und inneren Rahmenbedingungen der Wirtschaft, das Beschäftigungssystem und die soziale Absicherung.265 Immer noch dominierte die verstaatlichte Industrie, deren Krise mit dem Aufkommen neoliberaler Überzeugungen in der österreichischen Politik zusammenfiel.266 Die Umgestaltungen in den Jahrzehnten davor hatten auf einer stabilen Wirtschaftsphase basiert, die sich von den 1950er Jahren bis zu den Ölpreisschocks der 1970er Jahre erstreckt hatte. In dieser Zeitspanne war es Österreich gelungen, sich von einem ökonomisch rückständigen Land zu einem der reichsten Nationalstaaten Europas zu entwickeln.267 Das lange stabile Wirtschaftswachstum und der Ausbau des Sozialstaates während der SPÖ-Alleinregierung beeinflussten schließlich bei Zunahme des Wohlstandes und einer vergleichsweise begrenzten sozialen Ungleichheit das Bild und die Erwartungen der österreichischen Bevölkerung.268 Jahr

Männer

Frauen

Gesamt

1975

1.136.630

450.870

1.587.500

1980

1.162.213

498.772

1.660.985

1981

1.171.172

506.093

1.677.265

1982

1.164.941

507.568

1983

1.153.221

507.232

1984

1.157.726

515.094

1985

1.156.433

1986

1.155.748

Jahr

Männer

Frauen

Gesamt

1987

1.141.783

511.056

1.652.839

1988

1.135.884

507.702

1.643.586

1989

1.133.488

510.920

1.644.408

1.672.509

1990

1.132.588

512.253

1.644.841

1.660.453

1995

1.081.721

501.635

1.583.356

1.672.820

2000

977.202

465.191

1.442.393

514.948

1.671.381

2005

894.286

441.135

1.335.421

515.469

1.671.217

2012

783.163

420.278

1.203.441

Tab. 38  : Mitgliederstatistik ÖGB (1975–2012) Quelle  : Offizielle Mitgliederstatistik des ÖGB.

Neben dem politischen Wandel kam es zu einem Rückgang der Bedeutung der Sozialpartnerschaft,269 der sich seit Beginn der 1980er Jahre, unterbrochen durch minimale Anstiege, an einem kontinuierlichen Rückgang der Mitgliederzahlen des ÖGB 263 Kastil 2006  : 132. 264 Vgl. Venus 2008  : 47. 265 Flecker/Kirschenhofer 2007  : 35. 266 Vgl. Papouschek/Flecker/Kirschenhofer/Krenn 2008  : 187. 267 Flecker/Kirschenhofer 2007  : 35. 268 Vgl. Flecker/Kirschenhofer 2007  : 35f. 269 Vgl. Papouschek/Flecker/Kirschenhofer/Krenn 2008  : 187.

Im Galopp zur nächsten Verkürzung  ! Ziel  : 35-Stunden-Woche

361

ablesen lässt. Parallel dazu erfolgte eine Verschiebung des Stärkeverhältnisses der Fachgewerkschaften. Sie hatte zur Folge, dass Anfang der 1990er Jahre die Gewerkschaft der Metall- und Bergarbeit an dritter Stelle hinter der Gewerkschaft der Privatangestellten und der öffentlichen Bediensteten stand.270 Überdies gab es zahlreiche innergewerkschaftliche Konfliktquellen. Mittels organisatorischer Maßnahmen versuchte die Interessenvertretung der Arbeitnehmer diesem Problem entgegenzusteuern, was nach Auffassung von Karlhofer bislang gescheitert ist.271 Der Rückgang der Bedeutung der Gewerkschaft im Generellen ist kein allein auf Österreich bezogenes Phänomen. Vielmehr bedeutete die Hinwendung zur Globalisierung eine Abkehr von der Macht nationaler Regierungen, nationaler Gewerkschaften und nationaler Lösungen.272 Die Verstaatlichte hatte einen großen Anteil am Aufschwung der österreichischen Wirtschaft in den 1980er Jahren. Allerdings wurde der Stabilitätsfaktor Beschäftigung durch das »Horten von Arbeitskräften«, um die Vollbeschäftigung nicht zu gefährden, zu einem Unsicherheitsfaktor. Angesichts der Krisen wurden der Rückzug des Staates und eine Privatisierung der Industriebetriebe gefordert.273 Beides begann 1987 mit dem Anteilsverkauf an der OMV.274 Die Umstrukturierungen führten nicht nur zu einem Ende der Politik des »Hortens von Arbeitskräften«, sondern es ergaben sich zusätzlich größere Änderungen, wie z. B. eine Reduktion der Erwerbseinkommen durch Kürzung von Zulagen, Sozialleistungen und Betriebspensionen.275 Im gleichen Zeitraum lassen sich Veränderungen im Bereich der Normalarbeit und der Normalarbeitszeit erkennen, die mit den aufkommenden Diskussionen zur Arbeitszeitflexibilisierung korrespondieren. Die die Normalarbeit umfassenden festen Regelungen zur Arbeitszeit, die Kontinuität der Arbeitsverhältnisse sowie ein existenzsicherndes Einkommen276 waren seit Mitte der 1980er Jahre einem tiefgreifenden Wandel unterlegen. Dies machte sich durch einen Ausbau der Gleitzeit, der Schichtarbeit und der Teilzeitbeschäftigung sowie weiterer Arbeitszeitmodelle bemerkbar. Zudem führte dies zu einer Abkehr vom dominanten, weitestgehend von Männern praktizierten Normalarbeitsverhältnis.277 Für diese Abkehr wurde zunehmend der Begriff der »Erosion des Normalarbeitsverhältnisses« verwendet, der die Erosion zeitlicher, räumlicher, inhaltlicher, motivationaler und anderer Grenzen

270 Vgl. Karlhofer 2012  : 531. 271 Vgl. Karlhofer 2012  : 531. 272 Lerner 2007  : 54. 273 Flecker/Kirschenhofer 2007  : 36. 274 Vgl. Flecker/Kirschenhofer 2007  : 36. 275 Flecker/Kirschenhofer 2007  : 37. 276 Vgl. Spreitzer 1999  : 14f. 277 Vgl. Flecker/Kirschenhofer 2007  : 37.

362

Arbeitszeitflexibilisierung vs. 35-Stunden-Woche

bisheriger Formen von Einsatz und Nutzung von Arbeitskraft umfasst.278 Die Flexibilisierungsdiskussionen und die letztlich praktizierte Flexibilisierung der Arbeitszeit entsprachen insofern einer Erosion institutioneller Grenzen von Beschäftigung und Arbeit.279 Zudem änderten sich die Arbeitsorganisation und -beziehung immer mehr durch das vermehrte Aufkommen von flexiblen bzw. atypischen Arbeitszeitformen oder geringfügiger Beschäftigung. Die Anfänge dieser sich verschlechternden Situation am Arbeitsmarkt zeichneten sich ab, als im Herbst 1980 Alfred Dallinger Sozialminister und somit Nachfolger des verstorbenen Gerhard Weißenberg wurde. Die Bestellung Dallingers zum Sozialminister markiert den eigentlichen Beginn280 der Diskussionen in dieser Phase. Unter ihm kam es zu einer Neuausrichtung der Beschäftigungspolitik, die ansatzweise eine Fortsetzung der Linie Weißenbergs war, der in den 1970er Jahren für Beschäftigungssicherung durch Arbeitszeitverkürzung eingetreten war.281 Noch 1979 war eine Arbeitszeitverkürzung von maßgeblichen Stellen als derzeit nicht aktuell beurteilt worden,282 mehrheitlich weil die strukturelle Arbeitslosigkeit Österreichs nicht die Ausmaße der Arbeitslosigkeit in Westeuropa erreichte. Ein Teil der Anhänger der Gewerkschaft sah sie jedoch als Notlösung zur Sicherung der Vollbeschäftigung.283 Dies änderte sich nun maßgeblich. Meinungen, wie z. B. von Veselsky, der bereits 1979 für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit durch die Einführung der 35-Stunden-Woche eingetreten war,284 bekamen Aufwind, obwohl die Arbeitslosenquote in Österreich ein niedrigeres Niveau als im restlichen Europa hatte. Dies lag daran, dass ihr Anstieg, ausgehend von diesem niedrigen Niveau, mit den Ländern vergleichbar war, die schon zuvor eine höhere Arbeitslosigkeit zu verzeichnen hatten.285 Die Agenda Dallingers umfasste in erster Linie den Erhalt der Vollbeschäftigung,286 dem alles unterzuordnen sei.287 Die Arbeitszeitverkürzung war dabei ein Aspekt innerhalb eines ganzen Maßnahmenbündels.288 Gleichzeitig stellte die Arbeitszeitverkürzung für Dallinger nicht nur einen Gegenpol zur drohenden Arbeitslosigkeit dar, sondern erhöhte die Chancengleichheit der Frau in der Arbeitswelt 278 Kratzer 2003  : 44. 279 Kratzer 2003  : 46. 280 Vgl. Bretschneider/Dollinger/Lamel/Ulram 1985  : 88  ; Mooslechner-Stranzinger 1991  : 88. 281 Vgl. Geldner/E. Haas/Kreisky/Reitzner 1981a  : 15. 282 Walterskirchen 1979  : 25  ; Wirtschaftspolitische Blätter 1979a  : 17. 283 Vgl. Butschek 1979  : 20  ; B.  Schwarz 1980  : 33. 284 Vgl. Geldner/E. Haas/Kreisky/Reitzner 1981b  : 5. 285 Tálos 1987  : 116. 286 Vgl. Arbeiter Zeitung, 10. Oktober 1980  : 1. 287 Arbeit und Wirtschaft 1982c  : 9. 288 Dallinger 1981  : 16.

Im Galopp zur nächsten Verkürzung  ! Ziel  : 35-Stunden-Woche

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und bot Schutz vor gesundheitsbeeinträchtigenden Folgen.289 Seine Ansichten bekräftigte er im weiteren Verlauf des Herbstes 1980.290 Damit war der Startschuss für die Diskussion über eine neuerliche Arbeitszeitverkürzung und den Einstieg in die 35-Stunden-Woche noch vor einem größeren Beschäftigungseinbruch in Österreich gegeben worden.291 Dass die Vollbeschäftigung trotz aller Bestrebungen nicht aufrechterhalten werden konnte, lag an einer Reihe von Faktoren. Ein verstärkter Zustrom junger Arbeitskräfte, die vom Arbeitsmarkt nicht gänzlich aufgenommen werden konnten,292 verschärfte die Arbeitssituation. Der zweite Ölpreisschock hatte ebenfalls massive Auswirkungen. Zudem zeichnete sich am Beginn der 1980er Jahre ein volkswirtschaftlicher Strukturwandel ab. Während der industrielle Sektor einen Rückgang, verbunden mit dem Abbau von Arbeitskräften, verzeichnete, folgte eine Expansion des Dienstleistungssektors.293 Allerdings war es diesem aufgrund erheblich unterschiedlicher Qualitätsanforderungen294 zum größten Teil nicht möglich, dem Arbeitskräfteabbau entgegenzuwirken. Darüber hinaus folgte die Wirtschaft Österreichs der globalen in eine Rezession. Den Krisenerscheinungen wurde mit dem Ziel des Erhalts der Vollbeschäftigung begegnet. Ausgehend von dieser Prämisse sollte es entweder zur Verkürzung der Lebensarbeitszeit oder der Wochenarbeitszeit kommen, ungeachtet der Tatsache, dass der nunmehrige Sozialminister in den Jahren zuvor die Beschäftigungswirkung der 35-Stunden-Woche als Milchmädchenrechnung bezeichnet hatte.295 Rothschild sah 1978 diesen Perspektivenwechsel mit den einhergehenden Vorschlägen zur Arbeitszeitverkürzung als typisch für jene Periode an,296 in der Vollbeschäftigung durch Arbeitszeitverkürzung erreicht werden sollte – also zu einem Zeitpunkt, zu dem in Österreich die Verwirklichung einer weiteren Arbeitszeitverkürzung noch nicht vorgemerkt war. Walterskirchen sah in der Reduzierung der Arbeitszeiten lediglich ein Instrument der Vollbeschäftigungspolitik und gleichsam den letzten Ausweg der Gewerkschaften, wenn die Regierung der Vollbeschäftigung zu wenig Beachtung schenkte.297

289 Vgl. Dallinger 1981  : 16. 290 Vgl. Arbeiter Zeitung, 13. Oktober 1980  : 2  ; Venus 2008  : 61. 291 Vgl. T. Schmid 1991  : 25. 292 Vgl. Venus 2008  : 101. 293 Vgl. Venus 2008  : 101. 294 Venus 2008  : 101. 295 Vgl. Arbeiter Zeitung, 13. Oktober 1980  : 2  ; Venus 2008  : 61  ; U.  Moser 1983  : 49.; Vgl. Bretschneider/ Dollinger/Lamel/Ulram 1985  : 71. 296 Vgl. Rothschild 1978  : 234. 297 Vgl. Walterskirchen 1979  : 31.

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Später fand die Arbeitszeitverkürzung in die Regierungserklärung Eingang.298 Eine Ausweitung der Diskussion ergab sich, als Sozialminister Dallinger weiter an dieser Option festhielt und eine öffentliche Debatte über die Möglichkeiten zur Erhaltung der Vollbeschäftigung als unabdingbar ansah.299 Die Arbeitszeitverkürzung wurde als Teil der Vollbeschäftigungspolitik gesehen, und ihre Befürworter standen für folgende Meinung  : »Man solle das vorhandene, schrumpfende Arbeitsvolumen auf mehr Menschen aufteilen, dadurch käme es sowohl zu einer wünschenswerten Arbeitszeitverkürzung als auch zu einer Verminderung der Arbeitslosigkeit.«300 Damit eine Arbeitszeitverkürzung nicht konterkariert werde, forderte die Sozialistische Jugend Oberösterreichs zugleich eine Reihe von Begleitmaßnahmen. Dazu zählten u. a. eine Erhöhung des Überstundenentgeltes mit 300–500 % des Normalstundensatzes sowie des Stücklohnsatzes  ; Akkordzeiten sollten eingefroren oder strukturschwache Gebiete und Branchen staatlich gestützt werden.301 Insgesamt ging sie von positiven Schätzungen einer Arbeitsplatzbeschaffung aus. In Zahlen ausgedrückt sprach sie von zusätzlichen 20.000 Arbeitsplätzen im Jahr der Senkung um eine Wochenstunde sowie weiteren 20.000 Arbeitsplätzen im darauf folgenden Jahr.302 In derselben Stellungnahme wurde allerdings auch auf die Schwierigkeiten einer Berechnung der Größenordnung der generierbaren Arbeitsplätze hingewiesen.303 Das WIFO ging sogar von einer Mehrbeschäftigung von 32.000 Arbeitskräften aus.304 Für den Öffentlichen Dienst errechnete die Gewerkschaft öffentlicher Dienst 9200 Neubedienstete – jedoch bei Mehrkosten von 1,5 Mrd. Schilling.305 Sozialminister 298 Vgl. Wirtschaftspolitische Blätter 1979a  : 17  ; T.  Schmid 1993  : 190. 299 Arbeit und Wirtschaft 1982c  : 9. 300 Institut für angewandte Sozial- und Wirtschaftsforschung 1982  : 5. 301 Vgl. Sozialistische Jugend Oberösterreich 1980  : 18. 302 Vgl. Sozialistische Jugend Oberösterreich 1980  : 16. 303 Vgl. Sozialistische Jugend Oberösterreich 1980  : 15. 304 Reithofer 1983  : 11. 305 Vgl. Buchacher 1982  : 24. Ähnliche Zahlen wurden unlängst im Herbst 2014 von der Allianz »Wege aus der Krise« veröffentlicht, die sich aus Attac Österreich, Die Armutskonferenz, GdG-KMSfB, GLOBAL 2000, GPA-djp, Greenpeace, Gewerkschaft Bau-Holz, Katholische ArbeitnehmerInnen Bewegung Österreich, ÖH – Österreichische HochschülerInnenschaft Bundesvertretung, PRO-GE, die Produktionsgewerkschaft, SOS Mitmensch Globale Verantwortung – Arbeitsgemeinschaft für Entwicklung und Humanitäre Hilfe, Plattform 20000 Frauen, Neuner Haus – Obdach und mehr sowie VIDA, die Lebensgewerkschaft, zusammensetzt. Ihre Studie »Zivilgesellschaftliches Zukunftsbudget – Vorschläge für Zukunftsinvestitionen und Steuerreformen für die Legislaturperiode 2013–2018« führt als einen Weg aus der Krise Arbeitsverkürzung zur Beschäftigungssicherung an. Mittelfristig solle daher die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich weiterhin angestrebt werden, um z. B. eine verbesserte Abstimmung von Beruf und Familie zu erreichen. Die Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit mit dem Ziel der 35-stündigen Arbeitswoche solle dabei, unterstützt von einigen Förderungsmaßnahmen, in zwei Etappen erreicht werden. Bei einer erfolgreichen Implementierung der 35-Stunden-Woche würden 50.000 Arbeitsplätze entstehen, und zusätzlich könnten

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Dallinger führte in diesem Zusammenhang den Wirtschaftswissenschafter Butschek an, dem zufolge Arbeitszeitverkürzung in der Vergangenheit durchaus zu Beschäftigungsausweitungen geführt hatten.306 Eingeführt als Instrument der Vollbeschäftigung, hielt Dallinger auch in den folgenden Jahren die Diskussion um die Arbeitszeitverkürzung am Leben. Im Wesentlichen umfasste sie nach Tálos drei Punkte  : Arbeitszeitverkürzung sei erstens als Beitrag zur Humanisierung und zweitens als beschäftigungspolitisches Instrument zu sehen  ; schließlich diene sie drittens als mögliche Abkehr von traditionellen Arbeitszeitmustern und -standards. Der zweite dieser Punkte stand in den Diskussionen Anfang der 1980er Jahre im Vordergrund.307 Die Debatte stieß nicht überall auf Gegenliebe. Kritiker fanden sich in der Industrie, der Handelskammer und in der Opposition  ;308 letztlich zeigte sich die Arbeitgeberseite nach außen hin einheitlich in ihrer Ablehnung der Arbeitszeitverkürzung.309 Aber nicht nur in diesen Gruppen fanden sich Gegner einer weiteren Herabsetzung der Arbeitszeiten. Sie wurde auch innerhalb der ÖGB-Führung, unter SPÖ-Wirtschaftstreibenden und unter Ökonomen kontrovers diskutiert.310 Mit dem Amtsantritt von Bundeskanzler Franz Vranitzky stellte die Arbeitszeitreduktion dann kein Hauptthema mehr dar.311 Und auch später wurde der Arbeitszeitverkürzung von SPÖ-Bundeskanzlern mit Skepsis begegnet.312 Die Positionierung innerhalb des ÖGB erfolgte nach U. Moser entlang dreier inhaltlicher Positionen  : – der traditionell wachstumsorientierten Position (Vertreter  : Heinz Kienzl313), – der Position, in der Arbeitszeitverkürzung als Sicherung von Beschäftigung gesehen wurde (Vertreter  : Sozialminister Alfred Dallinger) und – jener Positionierung, die von einer differenzierten Lösung ausging (Vertreter  : Sepp Wille und Adolf Czettel).314

weitere 60.000 Arbeitsplätze durch Reduktion der Überstunden geschaffen werden. Vgl. Wege aus der Krise 2014  : 37f. und 66f. 306 Dallinger 1981  : 13. 307 Tálos 1983  : 17f.; Bretschneider/Dollinger/Lamel/Ulram 1985  : 88  ; Leutner 1989  : 43  ; Dollinger 1989  : 35  ; Kittel 1996  : 227. 308 Vgl. Arbeiter Zeitung, 15. November 1980  : 3. 309 U. Moser 1990  : 51. 310 Vgl. Bretschneider/Dollinger/Lamel/Ulram 1985  : 88ff.; Venus 2008  : 61. 311 Vgl. T. Schmid 1993  : 201. 312 Vgl. Hochrainer 2006  : 176. 313 U. Moser 1990  : 49. 314 Vgl. U. Moser 1990  : 49f.; Mooslechner-Stranzinger 1991  : 89f.

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Die Spaltung innerhalb der Gewerkschaft spiegelt die veränderte Zusammenarbeit zwischen den politischen Akteuren und den Sozialpartnern wider. Hatte der Erhalt der Vollbeschäftigung zuvor für breiten Konsens gesorgt, so war das Verhältnis aufgrund der geschwundenen Vollbeschäftigung auf Dissens umgeschlagen.315 Obwohl die Gewerkschaft in ihren einzelnen Gruppierungen gespalten war, trat der ÖGB dennoch in seiner Gesamtheit für eine generelle Arbeitszeitverkürzung ein. Allerdings schlug sich die Aufgliederung der Arbeitszeitpolitik, die sich durch flexiblere Arbeitszeitmodelle bemerkbar machte, auch in unterschiedlichen Arbeitszeitpositionen der Teilgewerkschaften nieder.316 Neben der GPA sowie der Landesorganisation Oberösterreichs gab es ein 1983 entstandenes Personenkomitee für die Einführung der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich.317 Hochrainer sieht daher in den 1980er Jahren aufgrund der divergenten Optionen von Gewerkschafts- und Arbeitgeberseite ungleichgewichtige Angelpunkte, die die Diskussionen zur Arbeitszeitpolitik auf gesamtstaatlicher Ebene prägten.318 Von den Medien lässt sich das Magazin Profil eindeutig der Linie Arbeitszeitverkürzung und somit Sozialminister Dallinger zuordnen. Sowohl Chefredakteur Peter Michael Lingens als auch Redakteur G. F. Hanke berichteten über diese Möglichkeit positiv.319 Erwartungsgemäß war die Erwartungshaltung der Arbeit und Wirtschaft ebenfalls auf Durchführung einer Arbeitszeitverkürzung ausgerichtet. Bereits im Herbst 1980 zeigten sich erste Auffassungsunterschiede zwischen ÖGB-Präsident Benya und Sozialminister Dallinger. In der Folge drehten sich die Diskussionen um die Beschäftigungswirkung einer Arbeitszeitverkürzung sowie darum, ob eine solche leistbar sei.320 Nach der Nationalratswahl 1983 stand Dallinger schließlich in Opposition zu Bundeskanzler Fred Sinowatz, der eine 35-Stunden-Woche – vor allem aus Kostengründen bei den Beamten – als nicht realisierbar einschätzte.321 Im von Autischer betrachteten Zeitraum 1983 bis 1984 sind in der Tagespresse 1870 Artikel veröffentlicht worden, die sich mit der Arbeitszeitverkürzung beschäftigten. Besonders nach der Wahl 1983 wurde die Arbeitszeitdiskussion bis Ende Juni zum wesentlichen Thema.322 Für diesen Zeitraum ergab sich trotz der vorhandenen Meinungsdifferenzen für den Zeitungsleser folgendes Bild  : 315 Geber 2012  : 29. 316 Vgl. T. Schmid 1991  : 90  ; T.  Schmid 1993  : 202f. 317 Vgl. T. Schmid 1991  : 25f. 318 Hochrainer 2006  : 175. 319 Vgl. Bretschneider/Dollinger/Lamel/Ulram 1985  : 89. 320 Vgl. Bretschneider/Dollinger/Lamel/Ulram 1985  : 89. 321 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 15. Juni 1983  : 1  ; Oberösterreichische Nachrichten, 23. Juni 1983  : 2. 322 Vgl. Autischer 1985  : 7.

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Welche Zeitung er liest, spielt dabei keine Rolle, da es zwischen SP-, VP- und unabhän­ giger Presse keine signifikanten Unterschiede in der thematischen Struktur der AZV-Berichterstattung gibt.323

Flexible Arbeitszeitformen sind im von Autischer betrachteten Zeitraum unterrepräsentiert. Meist waren die Befürworter Vertreter der ÖVP und der Industriellenvereinigung.324 ÖVP-Teilzeitsprecherin Rabl-Stadler325 trat in diesem Zusammenhang des Öfteren in Erscheinung. Dass Arbeitszeitflexibilisierung in den Medien eine geringe Rolle spielte, dürfte an dem von Sozialminister Dallinger präferierten Zweiphasenmodell gelegen haben. Dieses hatte im untersuchten Zeitabschnitt zunächst die Urlaubsverlängerung zum Ziel. Zuvor war eine Flexibilisierung des Urlaubs in den Diskussionen ausgespart worden. Dementsprechend dominierte im ersten Halbjahr 1983 die Veränderung der Lebensarbeitszeit.326 Mehrheitlich kam es zu einer Berichterstattung anlässlich der Äußerungen von Politikern und/oder Parteien und Verbänden, während die Tageszeitungen aus eigenem Antrieb kaum über dieses Thema berichteten.327 Wichtig schien ihnen die Frage nach dem Zeitpunkt der Einführung einer Arbeitszeitreduktion.328 Im Großen und Ganzen umfasste die Berichterstattung zu zwei Dritteln Zahlen, Fakten und Studien als Argumentationshilfen für die Diskussion.329 6.4.2 Arbeitszeitverkürzung zur Sicherung der Vollbeschäftigung Zur Sicherstellung der Vollbeschäftigung wollte Sozialminister Dallinger Arbeitszeitverkürzung auf zwei Ebenen verwirklichen  : einerseits auf der Ebene der Lebensarbeitszeit, andererseits auf der Ebene der wöchentlichen Normalarbeitszeit. In einem ersten Schritt sollte es zu einer Verlängerung der Urlaubsansprüche kommen, im nachfolgenden Schritt schließlich zur Einführung der 35-Stunden-Woche mit einer »radikalen« Senkung der Wochenarbeitszeit von 40 auf 35 Wochenstunden – »radikal«, weil es sich um eine einmalige Arbeitszeitverkürzung im Ausmaß von fünf Wochenstunden handeln sollte. Eine etappenweise Reduktion der Wochenarbeitszeit war im Gegensatz zur vorangegangenen Periode nicht vorgesehen. Dementsprechend äußerte er sich in einer Debatte des Nationalrates vom 10. Dezember 1982 dahingehend, dass die Vermehrung des Urlaubs Teil und wesentlicher 323 Autischer 1985  : 16. 324 Autischer 1985  : 39. 325 Autischer 1985  : 39. 326 Vgl. Autischer 1985  : 16. 327 Vgl. Autischer 1985  : 20. 328 Vgl. Autischer 1985  : 46. 329 Vgl. Autischer 1985  : 52.

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Beitrag für die Gesamtstrategie zur Arbeitszeitverkürzung mit einem arbeitsvermehrenden Effekt sei und ferner in der zweiten Phase eine Herabsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit von 40 auf 36 Wochenstunden erfolgen solle, wobei die Senkung auf 35 Wochenstunden wünschenswerter sei.330 Die Senkung der wöchentlichen Normalarbeitszeit stand unter dem Motto »35-Stunden-Woche«, wenngleich Dallinger auch für die 1980er Jahre von Wochenzeiten sprach, die von diesem Ziel abwichen.331 Der Aspekt der Beschäftigungssicherung rückte in den 1980er Jahre vor dem Hintergrund steigender Arbeitslosenzahlen stärker in den Fokus der Debatten, die stets kontrovers geführt wurden.332 Für die Bundesrepublik Deutschland ist im Zusammenhang mit der Forderung nach kürzeren Wochenarbeitszeiten der Stahlarbeiterstreik 1978 zu nennen, wenngleich der ÖGB davon weitestgehend unbeeindruckt blieb.333 Grundvoraussetzungen, damit eine Arbeitszeitverkürzung mittelfristig und aktiv beschäftigungswirksam ist – Arbeits- und Kapitalkosten steigen nicht stärker als Produktivitätssteigerungen. – Qualifizierte Arbeitskräfte müssen für zusätzliche Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. – Arbeitszeitmodelle müssen sowohl von Arbeitnehmern als auch von Arbeitgebern akzeptiert werden.

kurzfristig und passiv beschäftigtenwirksam ist – Die Arbeitszeitverkürzung erfolgt rasch und in größeren Etappen. – Die Auslastung der Unternehmen entspricht beinahe einer Vollauslastung. – Überstunden kann durch regulierende Maßnahmen bzw. hohe Zuschläge begegnet werden. – Es gibt niedrige Personalkosten bzw. diese können gesenkt werden. – Es ist nur begrenzt möglich, Arbeit durch Kapital zu ersetzen. – Lohnmäßigung bzw. Verzicht auf Lohnausgleich können ein Ansteigen der (Stück-)Kosten begrenzen. – Produktionsgewinne sind gering. – Erhöhung der Warenpreise ist bei geringen Absatzrückgängen möglich.

Tab. 39  : Grundvoraussetzungen für mittel- und kurzfristige Wirkungen einer Arbeitszeitverkürzung Quelle  : Henneberger 2000  : 23 (eigene Darstellung).

Dabei ist davon auszugehen, dass sich über eine Reduktion der Arbeitszeit lediglich eine gleichmäßigere Verteilung der Arbeitslosigkeit bzw. Unterbeschäftigung erreichen lässt.334 Prinzipiell ist die Beschäftigungswirksamkeit einer Reduzierung der Arbeitszeit von einer Reihe von Faktoren abhängig. Zu den Einflussfaktoren zählen 330 Vgl. Dallinger, Alfred  : Sten. Prot. NR, XV. GP, 136.  Sitzung  : 13872ff. 331 Vgl. Arbeiter Zeitung, 9. Juni 1981  : 3. 332 Vgl. Henneberger 2000  : 2. 333 Vgl. U. Moser 1983  : 48. 334 Vgl. Henneberger 2000  : 6.

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der Lohnausgleich, der entweder voll, teilweise oder gar nicht bei einer Herabsetzung der Arbeitszeit erfolgen kann, das Ansteigen der Stundenlöhne, die Kombination von Arbeitszeitverkürzung und Arbeitszeitflexibilisierung als zwei Seiten einer Medaille, die Sicherstellung des Potentials qualifizierter Arbeitskräfte mittels Um-, Aus- und Weiterbildung, die Umgestaltung der Sozialversicherung, um Hürden bei der Akquise neuer bzw. zusätzlicher Mitarbeiter abzubauen, sowie der Faktor Einkommen, anhand dessen Arbeitszeitpräferenzen erkennbar sind.335 Darüber hinaus kann eine Arbeitszeitverkürzung kurz-, mittel- und langfristige Wirkung haben, wobei hinsichtlich der Wirkungsdauer einige Grundvoraussetzungen erfüllt sein müssen. Der Beschäftigungswirkung der Arbeitszeitverkürzung wird vielfach das Kostenargument entgegengehalten, da es keinerlei Arbeitszeitverkürzung gebe, die beschäftigungswirksam sei und keine Kosten verursache.336 Für die österreichische Gewerkschaftsjugend sollte bei einer allfälligen Arbeitszeitverkürzung nicht nur diese Beschäftigungswirkung im Mittelpunkt stehen. Vielmehr sollte Arbeitszeitverkürzung bedeuten, gleichzeitig einen Prozeß in Gang zu setzen, der durch eine tiefgreifende Veränderung der Lebensgewohnheiten, der Arbeitsbeziehungen, der Wohnverhältnisse und der gesellschaftlichen Aktivitäten eine weitgehende Wandlung der sozialen Bedürfnisse und der Mittel zu ihrer Befriedigung einleitet […].337

Ähnlich wie in der Bundesrepublik Deutschland kam es in Österreich zu einer Intensivierung der Arbeitszeitverkürzung als beschäftigungspolitisches Instrument Anfang der 1980er Jahre, während in den 1970er Jahren eine bewusste Beschäftigungspolitik via Arbeitszeitverkürzung nicht notwendig338 erschienen war und diese auch im Übergang zur 40-Stunden-Woche nur eine Nebenrolle gespielt hatte.339 Trotz der neuen politischen Lage wurde von allen Seiten, d. h. Regierung, SPÖ, aber auch ÖGB, die Arbeitszeitverkürzung als beschäftigungssichernde Maßnahme340 verkündet. Für die ÖVP stellte sie dagegen kein Instrument der Arbeitsplatzsicherung341 dar, wie Alois Mock (1969/70 Unterrichtsminister, 1971 bis 1979 Bundesobmann ÖAAB, 1979 bis 1989 Bundesparteiobmann ÖVP, 1987 bis 1995 Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten sowie 1990 kurzfristig Verteidigungsminister) auf dem 335 Vgl. Flecker/Hermann/Mairhuber 2001  : 8. 336 Vgl. Bretschneider/Dollinger/Lamel/Ulram 1985  : 73. 337 Arbeit und Wirtschaft 1982e  : 31. 338 U. Moser 1990  : 35. 339 Vgl. U. Moser 1990  : 45. 340 Vgl. Tálos 1987  : 128  ; Horak 1988  : 2  ; Arbeit und Wirtschaft 1989  : 14. 341 Bretschneider/Dollinger/Lamel/Ulram 1985  : 94.

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Bundesparteivorstand im Jänner 1982 verkündete. Vielmehr führe in dieser Phase eine Arbeitszeitverkürzung zu einer wesentlichen Leistungsminderung und zur Schwächung der heimischen Wirtschaft.342 In letzter Konsequenz sollte durch die Arbeitszeitverkürzung die Sicherung und Wiedergewinnung der Vollbeschäftigung erreicht werden.343 Ein Durchsetzen war aufgrund der sich geänderten Mehrheitsverhältnisse im Nationalrat kaum möglich, so dass die Urlaubsverlängerung, die Förderung des Übergangs in die Pension und letztlich der Ende der 1980er Jahre erfolgte Übergang zur 38,5-Stunden-Woche als wenige ergriffene Maßnahmen einer beschäftigungspolitischen Maßnahme durch Arbeitszeitverkürzung übrig blieben.344 Dies lag sicherlich an den »verhärteten« Diskussionsfronten und daran, dass niemand von seinen ursprünglich erhobenen Forderungen abweichen wollte.345 Durch das unerbittliche Festhalten an der eigenen Meinung ergaben sich erste Anzeichen einer Pattsituation, die die Arbeitszeitpolitik in den kommenden Jahrzehnten prägen sollte. 6.4.2.1 Erste Phase  : Verlängerung des Mindesturlaubs Dallingers Plan zur Sicherstellung der Vollbeschäftigung sollte in zwei Phasen umgesetzt werden. Dieses Zweiphasenmodell wurde ebenfalls im SPÖ-Wirtschaftsprogramm »Österreich muss vorne bleiben« deutlich, wobei die zweite Phase auf die wirtschaftliche und internationale Entwicklung abgestimmt werden sollte.346 Die erste Phase befasste sich mit der Ausdehnung des Mindesturlaubs. Bereits mit der Bekanntgabe der Ziele einer Arbeitszeitverkürzung und der Einführung eines fünfwöchigen Mindesturlaubs in der Legislaturperiode bis 1983 zog er einige Kritik auf sich, u. a. dadurch, dass man sich einen solchen nicht leisten könne.347 Gänzlich neu war dieser Vorschlag nicht. Bereits sein Amtsvorgänger Weißenberg hatte 1978 eine Anhebung des Mindesturlaubs auf fünf Wochen angedacht.348 Die Sozialistische Jugend Oberösterreichs sah in der Urlaubsverlängerung ein unzulängliches Instrument zur Schaffung neuer Arbeitsplätze.349 Auch wenn es gegen den Plan der Anhebung des Mindesturlaubs Kritik gab, sollte die Verkürzung der Lebensarbeitszeit nicht in einem Zug, sondern etappenweise durchgeführt werden. Im Herbst 1980 präzisierte Dallinger seine Pläne vor 342 Zitiert nach  : Bretschneider/Dollinger/Lamel/Ulram 1985  : 94  ; Mooslechner-Stranzinger 1991  : 91. 343 Schultheiß 2003  : 228  ; Hussl 1999  : 68. 344 Vgl. Tálos 1987  : 128  ; U.  Moser 1990  : 35. 345 Vgl. Plaschg 2008  : 100. 346 Zitiert nach  : Preslmaier 1981  : 25. 347 Vgl. Arbeiter Zeitung, 15. November 1980  : 3  ; H.  S.  1981  : 37. 348 Zitiert nach  : Bretschneider/Dollinger/Lamel/Ulram 1985  : 88. 349 Sozialistische Jugend Oberösterreich 1980  : 2.

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dem oberösterreichischen Arbeiterkammertag. Dazu führte er aus  : »[…] vielmehr sollte der fünfwöchige Mindesturlaub, verbunden mit sechs Wochen für die Arbeitnehmer ab dem 25. Dienstjahr realisiert werden.«350 Ebenfalls noch im Herbst 1980 bekräftigte Dallinger die beschäftigungspolitische Wirksamkeit des Mindesturlaubs. Seiner Ansicht nach würde die fünfte Urlaubswoche 20.000 zusätzliche Arbeitsplätze schaffen.351 Bundeskanzler Kreisky äußerte sich ebenfalls und sah Schwierigkeiten einer Umsetzung insbesondere bei Bahn, Post und Gemeinden, hauptsächlich wegen finanzieller Aspekte.352 In Bezug auf eine Veränderung der Lebensarbeitszeit präferierte Kreisky eine spezifische Frühpensionierung.353 Eine Verkürzung der Lebensarbeitszeit konnte sich Benya gleichfalls vorstellen. Er bevorzugte jedoch nicht eine Urlaubsverlängerung, sondern schlug für 1981 eine Herabsetzung der Lebensarbeitszeit für Schwerst- und Nachtarbeiter vor.354 Allerdings stimmte Benya mit Dallinger darin überein, dass eine Anhebung des Mindesturlaubs bis 1983 möglich sei.355 Weil sich Karl Sekanina (Bundesminister für Bauten und Technik, seit 1979 Vizepräsident ÖGB, SPÖ) der grundsätzlichen Haltung Benyas anschloss, entstand der Eindruck, der ÖGB würde sich vom Sozialminister distanzieren und die Gewerkschaftsführung der 35-Stunden-Woche eher ablehnend gegenüberstehen, während eine Veränderung der Lebensarbeitszeit positiver betrachtet würde.356 1981 begründete Dallinger in WISO, warum die Verkürzung der Lebensarbeit und der wöchentlichen Arbeitszeit seiner Ansicht nach nicht voneinander getrennt betrachtet und in den 1980er Jahren durchgeführt werden sollte. Die Wechselwirkungen der geplanten Arbeitszeitverkürzungsmaßnahmen umfassten einerseits die höhere Arbeitsintensität und das Überstundenausmaß und andererseits die sich aus diesem Schritt ergebenden geringeren Erholungs- und Freizeitwerte.357 Die geforderte Einführung der 35-Stunden-Woche stand zu diesem Zeitpunkt bereits unter Kritik. Dennoch bekräftigte Dallinger seine Linie und forderte im Juni und Juli 1981 weiterhin die Verlängerung des Mindesturlaubs zur Erhaltung der Vollbeschäftigung.358 Aufgrund der sich verschlechternden Konjunktur hatte die OECD bereits im Frühjahr eine schrumpfende Wirtschaft mit steigender Arbeitslo-

350 Vgl. Arbeiter Zeitung, 25. Oktober 1980  : 1. 351 Arbeiter Zeitung, 13. November 1980  : 2. 352 Vgl. Arbeiter Zeitung, 19. November 1980  : 2. 353 Vgl. Arbeiter Zeitung, 19. November 1980  : 2. 354 Arbeiter Zeitung, 5. Jänner 1981  : 2. 355 Vgl. Arbeiter Zeitung, 8. Jänner 1981  : 1 und 3. 356 Sozialistische Jugend Oberösterreich 1980  : 7  ; Venus 2008  : 62. 357 Vgl. Dallinger 1981  : 15. 358 Vgl. Arbeiter Zeitung, 9. Juni 1981  : 3  ; Venus 2008  : 62.

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sigkeit für 1981 prognostiziert,359 der u. a. mit einer Ausdehnung des Mindesturlaubs begegnet werden sollte. Zumindest für die erste Phase der von ihm geplanten Verkürzung der Arbeitszeit konnte sich Dallinger der Unterstützung von Kreisky und Benya sicher sein.360 Jörg Haider (Sozialsprecher, FPÖ) betrachtete eine Umsetzung hingegen erst für 1986/87 als praktikabel.361 Die VÖI sah in einer Verlängerung des Mindesturlaubs eher eine bittere Pille als ein Wahlzuckerl der SPÖ, obwohl Bundeskanzler Kreisky ein Jahr zuvor bekräftigt hatte, dass dies kein Wahlschlager werde.362 Prinzipiell schätzte die IV diese Maßnahme im Sinne der Beschäftigungssicherung als kontraproduktiv ein, da sie befürchtete, dass dadurch Arbeitsplätze vernichtet würden.363 Zur Absicherung schlug Benya die Verlegung der Donnerstagfeiertage Fronleichnam und Christi Himmelfahrt auf den darauffolgenden Montag vor.364 Dafür erntete er heftige Kritik vom Zentralsekretär der Fraktion Christlicher Gewerkschafter in der Privatangestelltengewerkschaft Klingler.365 Im Frühjahr 1981 kam es zu einem Vorschlag des Beratungsunternehmens Booz-­ Allen zum Personalabbau von 4000 Arbeitsplätzen in der VEW. Letztlich gab es einen »weniger dramatischen« genehmigten Stellenabbau von 1800 Arbeitsplätzen.366 Allgemein verlief die Entwicklung des Beschäftigungstandes Anfang der 1980er Jahren in zwei Phasen. Anfänglich wurde versuchte, die Verschlechterung der Wirtschaftslage durch ein »Horten« von Arbeitskräften zu überbrücken. Butschek bezeichnete dies als »Irrtum« der Unternehmer, die auf positive Zeichen im Frühjahr hin weitere Arbeitskräfte eingestellt hätten.367 In der zweiten Phase kam es zunächst von September 1981 bis Februar 1982 und dann vom Herbst 1982 bis zum Frühjahr 1983368 zu einem größeren Stellenabbau. Als Ursachen für die steigende Arbeitslosigkeit wurden Konjunkturabschwung, Strukturveralterung, wissenschaftlich-technischer Fortschritt und Bevölkerungswachstum angeführt.369 Hatte die Jugendarbeitslosigkeit bis in die 1980er Jahre, abgesehen von 1978,370 keine Rolle

359 Vgl. Venus 2008  : 68. 360 Vgl. Arbeiter Zeitung, 4. Juni 1981  : 2  ; Arbeiter Zeitung, 22. Juli 1981  : 1  ; Arbeiter Zeitung, 23. Juli 1981  : 1. 361 Vgl. Arbeiter Zeitung, 7. August 1981  : 2. 362 Vgl. Die Presse, 19. November 1980  : 4  ; Arbeiter Zeitung, 23. Juli 1981  : 2. 363 Vgl. Arbeiter Zeitung, 23. Juli 1981  : 2. 364 Vgl. Arbeiter Zeitung, 24. Juli 1981  : 2. 365 Vgl. Arbeiter Zeitung, 24. Juli 1981  : 2. 366 Vgl. Venus 2008  : 73. 367 Vgl. Butschek 2004  : 105. 368 Vgl. Venus 2008  : 75f. 369 Seicht 1982  : 12. 370 Vgl. Venus 2008  : 43.

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gespielt, stieg sie in den 1980er Jahren an. Ihr sollte 1982 mit einem Jugendbeschäftigungsprogramm entgegengewirkt werden. Angesichts steigender Arbeitslosenzahlen kam es zu einem 1. Beschäftigungs-Sonderprogramm, das von Seiten der Regierung folgende Punkte umfasste  : Die Errichtung von 5000 neuen Wohnungen, die Sanierung von Städten und Althäusern mit Mitteln von 1 Mrd. Schilling, die Vorziehung von Straßenbauprojekten im Umfang von 1,5 Mrd. Schilling sowie die Bereitstellung von ERP-Mitteln für Investitionen im Fremdenverkehr zur Ankurbelung der Bauwirtschaft.371 Darüber hinaus betonte Kreisky die Beschäftigungswirkung des Baus des internationalen Konferenzzentrums. Die Kritik372 an diesem Vorhaben mündete in einer Volksbefragung in Wien durch die ÖVP und einem nachfolgenden gesamtösterreichischen Volksbegehren, ebenfalls auf Initiative der ÖVP. Dieses wurde von mehr als 1,3 Mio. Österreichern unterschrieben.373 Im Gegensatz zu jenem von 1969, das von etwa 400.000 Österreichern weniger unterschrieben wurde, beharrte Bundeskanzler Kreisky auf dem Bau des Konferenzzentrums, da 75 % der Österreicher dieses Volksbegehren nicht unterschrieben hätten und somit für den Bau seien.374 Im Frühjahr 1982 wurde der Vorschlag der fünften Urlaubswoche bei einer Besprechung der Sozialpartner von der WKO abgelehnt.375 Gleichzeitig veröffentlichte die AK Oberösterreichs eine Umfrage zu dieser Thematik, in der sich ein großer Teil der Befürworter einer Arbeitszeitreduktion für die Anhebung des Mindesturlaubs aussprach.376 Ebenfalls im Frühjahr 1982 führte der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft für Privatangestellte Helmut Braun im Profil aus, dass eine schrittweise Anhebung des Mindesturlaubs geplant sei.377 Ende Juni 1982 legte Dallinger den Sozialpartnern einen konkreten Plan zur Urlaubsverlängerung vor. Dieser wurde vom ÖGB unterstützt. Er sah die Einführung des fünfwöchigen Urlaubs bis 1986 in drei Schritten vor. Benya betonte, dass dieser Etappenplan keinerlei Spielraum an Verhandlungen lasse und der ÖGB der Wirtschaft bereits eine Anpassungsperiode zugestanden habe.378 Für einige Beobachter stellte der Etappenplan eine bewusste Verzögerungstaktik der Unternehmer zur Verschleppung weitergehender Maßnahmen zur Reduktion der Arbeitszeiten dar.379

371 Vgl. Venus 2008  : 77f. 372 Vgl. Arbeiter Zeitung, 18. März 1982  : 1  ; Bayer 1982  : 23  ; Venus 2008  : 78. 373 Vgl. Bayer 1982  : 23  ; Rommelfanger 1988  : 234f.; J. Riegler 1998  : 73. 374 Vgl. Bayer 1982  : 23. 375 Vgl. Arbeiter Zeitung, 29. April 1982  : 1. 376 Vgl. Arbeiter Zeitung, 29. April 1982  : 1. 377 Vgl. Buchacher 1982  : 24. 378 Vgl. Arbeiter Zeitung, 29. Juni 1982  : 1. 379 Vgl. H. Kepplinger/Preslmaier 1982  : 67.

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Wie schon im Frühjahr stand die WKO dem Vorschlag äußerst kritisch gegenüber. Sie bezeichnete die Empfehlung als »sozialpolitischen Luxus«.380 Allerdings deutete Kreisky an, dass die Regierung eine Einigung der Sozialpartner anstrebe und er diese gerne auch herbeiführen werde.381 Dennoch bekräftigte Mock sein »Nein«.382 Besonders deutlich wurde dessen ablehnende Position in der Zurechtweisung des Vorsitzenden der Fraktion Christlicher Gewerkschafter Johann Gassner, der zugleich für die ÖVP im Nationalrat saß. Die Arbeiter Zeitung vermeldete in dieser Angelegenheit, dass, wenn Gassner bei seinem Voting bleibe, er sich zwischen seinem Platz im Nationalrat und jenem im ÖGB entscheiden müsse, so Mock.383 Aus der damaligen Sicht (1970er Jahre) der ÖVP sollte nicht die wöchentliche Normalarbeitszeit gekürzt, sondern der Urlaub um eine Woche verlängert werden.384 In den 1980er Jahren stand nun die ÖVP jedoch einer Urlaubsverlängerung kritisch gegenüber. Hatte Benya Ende Juni 1982 betont, dass kein Spielraum bestehe, hatte sich die Situation Mitte Juli 1982 geändert. Der »nichtvorhandene Spielraum« wurde ausgenützt, indem Kreisky vorschlug, die Einführung dieser Etappen von 1983 auf 1984 zu verschieben.385 Sowohl Benya als auch Dallinger signalisierten Kompromissbereitschaft für Kreiskys Plan.386 Erwartungsgemäß beantwortete die WKO den Vorschlag ablehnend  ; WKO-Präsident Sallinger ließ dazu ein »klares Nein«387 verlauten. Butschek beurteilte den generellen etappenweisen Vorschlag als wenig beschäftigungswirksam, da jedwede Wirkung durch eine betriebliche Umorganisation aufgefangen würde.388 Im Herbst 1982 rückte Dallinger von der geplanten etappenweisen Anhebung des Mindesturlaubs weiterhin nicht ab. In einer TV-Pressestunde teilte er mit, dass er einen entsprechenden Ministerialentwurf bereits erstellt habe.389 Aus seiner Sicht sei erst ab der zweiten Etappe mit einer Beschäftigungswirkung zu rechnen.390 Herbert Salcher (Bundesminister für Finanzen, SPÖ) betonte, dass er sich, unter Verweis auf die verstaatlichte Industrie, keine Urlaubsverlängerung vorstellen könne.391 Doch bereits einen Tag später, am 16. Oktober 1982, stellte Kreisky klar, dass die fünfte 380 Arbeiter Zeitung, 29 Juni 1982  : 1. 381 Vgl. Arbeiter Zeitung, 30. Juni 1982  : 2. 382 Vgl. Arbeiter Zeitung, 30. Juni 1982  : 2. 383 Vgl. Arbeiter Zeitung, 10. Juli 1982  : 2. 384 Vgl. Wirtschaftspolitische Blätter 1979b  : 71. 385 Vgl. Arbeiter Zeitung, 16. Juli 1982  : 1. 386 Vgl. Arbeiter Zeitung, 16. Juli 1982  : 1. 387 Arbeiter Zeitung, 16. Juli 1982  : 2. 388 Vgl. Arbeiter Zeitung, 17. Juli 1982  : 2. 389 Vgl. Arbeiter Zeitung, 27. September 1982  : 2. 390 Vgl. Arbeiter Zeitung, 27. September 1982  : 2. 391 Vgl. Arbeiter Zeitung, 15. Oktober 1982  : 2.

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Urlaubswoche noch in dieser Legislaturperiode, die Anfang 1983 endete, kommen werde.392 Benya gab ebenfalls eine Empfehlung für diesen Kompromissvorschlag ab, den er dem am 26. November 1982 tagenden Bundesverstand des Gewerkschaftsbundes zur Annahme empfehlen wollte.393 Anfang November 1982 passierte die Gesetzesvorlage den Ministerrat. Während der Bundesvorstand des ÖGB ohne die Stimmen der Fraktion Christlicher Gewerkschafter für die Annahme stimmte, wurde dieser nach Presseberichten von der ÖVP sowohl im zuständigen Sozialausschuss als auch im Nationalratsplenum boykottiert.394 Ebenso wie die ÖVP votierte die FPÖ, entgegen der Ansicht Haiders, gegen den Mehrurlaub.395 Die Verlängerung des Mindesturlaubs mittels dreier Etappen wurde schließlich im Dezember 1982 im Parlament mit den Stimmen der SPÖ beschlossen. Die ÖVP hatte dies noch durch einen Antrag auf eine Volksabstimmung zu verhindern versucht, doch dieser fand keine Mehrheit.396 Traditionell wurde eine Verlängerung des Mindesturlaubs in Europa und Österreich unabhängig von der Beschäftigungspolitik gefordert. In den 1980er Jahren änderte sich dies in Österreich, wo nun beide in Zusammenhang gebracht wurden.397 Von einer entsprechenden Durchführung versprach man sich neben einer besseren Motivation eine gesteigerte Konzentration.398 Generell wurde in der angestrebten Erhöhung des Mindesturlaubs eine Gefährdung der Konkurrenzfähigkeit der österreichischen Wirtschaft gesehen.399 Als Paradebeispiel galt Frankreich mit der Einführung der 39-Stunden-Woche bei gleichzeitiger Einführung der fünften Urlaubswoche. Während die eine Seite die Vorbildwirkung betonte, benützte die Gegenseite die Aussage des französischen Finanzministers Jaques Delors, dass Arbeitszeitverkürzung und Urlaubsverlängerung sich hinsichtlich der Beschäftigungswirkung als unwirksam erwiesen hätten.400 Im Nationalrat führte Rudolf Tirnthal (SPÖ) drei wirtschaftliche Argumente für eine Verlängerung des Mindesturlaubs an. Neben der Beschäftigungswirkung handle es sich um die Abgeltung der Rationalisierungsmaßnahmen durch ein Mehr an Freizeit und eine sozialpolitische Maßnahme zur Erhaltung der Gesundheit der Arbeits-

392 Vgl. Arbeiter Zeitung, 16. Oktober 1982  : 2. 393 Vgl. Arbeiter Zeitung, 18. Oktober 1982  : 1. 394 Vgl. Arbeiter Zeitung, 27. November 1982  : 2. 395 Vgl. Arbeiter Zeitung, 27. November 1982  : 2. 396 Vgl. Arbeiter Zeitung, 11. Dezember 1982  : 1. 397 Vgl. Egg, Herbert  : Sten. Prot. NR, XV. GP, 101.  Sitzung  : 10212. 398 Vgl. Rothschild 1978  : 242. 399 Vgl. H. Kepplinger/Preslmaier 1982  : 64. 400 Vgl. Egg, Herbert  : Sten. Prot. NR, XV. GP, 101.  Sitzung  : 10212  ; Tichy-Schreder, Ingrid  : Sten. Prot. NR, XV. GP, 136.  Sitzung  : 13888.

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kräfte.401 Für Herbert Egg (SPÖ) hatte neben der Wiedererlangung der Vollbeschäftigung die Sicherung der Einkommen absolute Priorität.402 Die erste Phase des von Dallinger initiierten und vom ÖGB unterstützten Anliegens drängte die Frage nach der Einführung der 35-Stunden-Woche zwischen dem Amtsantritt von Sozialminister Dallinger und der Beschlussfassung 1983 in den Hintergrund. Diese Forderung verschwand in diesem Zeitraum jedoch nie gänzlich aus den Diskussionen. 6.4.2.2 Zweite Phase  : Der Traum von der 35-Stunden-Woche Dem Mehrurlaub, dem kurzfristigen403 Teil des Modells, sollte die Einführung der 35-Stunden-Woche folgen. Mit ihr sollten ein wichtiger Beschäftigungseffekt und ein Mehr an Arbeitsplätzen erreicht werden. Die Verwirklichung der 35-Stunden-Woche wurde von Dallinger seit Beginn seiner Amtszeit vehement gefordert. Während der ersten Phase des Zweiphasenmodells wurde sie allerdings in den Hintergrund gedrängt. Für den Vorsitzenden der Metallergewerkschaft Sepp Wille musste es jedoch zu einer Arbeitszeitverkürzung kommen, wenn die Vollbeschäftigung nicht mehr gewährleistet sei.404 Die Darstellung des Gegensatzes »35 Stunden Arbeitszeitverkürzung und Arbeitszeitverlängerung« spiegelt den Grundtenor um die beschäftigungspolitische Wirkung einer möglichen Einführung der 35-Stunden-Woche in den 1980er Jahren wider. So sollte das Arbeitsvolumen auf ein Mehr an Beschäftigten verteilt werden. Auf der einen Seite sollte die arbeitende Bevölkerung fünf Wochenstunden weniger arbeiten. Dies entsprach nach der gängigen Argumentation gleichsam einer Verlängerung um 35 Wochenstunden für die Arbeitslosen. Die Anhebung der Arbeitszeit für Arbeitslose wurde vor allem deswegen propagiert, da einerseits Arbeitslosigkeit als inhumanste405 Form der Arbeitszeit dargestellt wurde und andererseits Arbeitslosigkeit, verstanden als negative Arbeitszeitverkürzung oder negative Form der Freizeit, seit Mitte der 1970er Jahre in Europa im Anstieg begriffen war.406 Arbeitslosenzahlen wurden als unsolidarisch und unsozial betrachtet.407 Auch Papst Johannes Paul II. bezeichnete Mitte der 1980er Jahre die Arbeitslosigkeit als »Verletzung der

401 Tirnthal, Rudolf  : Sten. Prot. NR, XV. GP, 145.  Sitzung  : 14957. 402 Vgl. Egg, Herbert  : Sten. Prot. NR, XV. GP, 145.  Sitzung  : 14970. 403 Dallinger 1981  : 15. 404 Buchacher 1982  : 23. 405 Atria-Teichman 1990  : 10. 406 Vgl. Chaloupek 1985  : 27. 407 M. Eder 1988  : 17.

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Würde der menschlichen Arbeit.«408 So wurde auch die Meinung vertreten, dass alle arbeiten könnten, wenn nur so viel wie nötig produziert werde.409 Die Karikatur rechts sollte sinnbildlich die Solidarität zwischen jenen Menschen, die »arbeiten«, und jenen die »nicht arbeiten«, vergegenwärtigen. Diesem Argumentationsstrang folgend diente die Arbeitszeitverkürzung der Wiederherstellung der Solidarität der Arbeitnehmer.410 Angesichts der drohenden »Entsolidarisierung«411 wurde von Gewerkschaftsseite durchwegs Arbeitszeitverkürzung angestrebt, um dieser Entwicklung zu begegnen. Entsprechend nahm das Solidaritätskonzept innerhalb der Arbeitszeitpolitik der Gewerkschaft eine zentrale Position ein412 Abb. 28  : Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden – und wurde wiederkehrend betont. Arbeitszeitverlängerung auf 35 Stunden Im Herbst 1980 akzentuierte DalQuelle  : Mesch 1991  : 33. linger, eine Arbeitszeitverkürzung sei im Hinblick dieser Arbeitsverteilung durchaus denkbar. Damit wurde die Arbeitsumverteilung zur Verringerung der Arbeitslosigkeit seit Anfang der 1980er Jahre in den Vordergrund gestellt.413 FPÖ-Sozialsprecher Haider sah in der Arbeitszeitpolitik ebenfalls eine Möglichkeit zur Umverteilung der Beschäftigungsmöglichkeiten.414 Diesem Argument wurde entgegengehalten, dass bei Bevölkerungswachstum das Einkommen der Bevölkerung 408 Zitiert nach  : Anzenbacher 1985  : 7. 409 Vgl. Zieger 1982  : 4. 410 Vgl. Rednerdienst des ÖGB 1969b  : 4  ; Plaschg 2008  : 113. 411 Entsolidarisierung drohte aus Gewerkschaftssicht durch Teilung der Gesellschaft in Personen, die einer Erwerbsarbeit nachgehen, und Personen, die keinen Zugang zu dieser haben. Darüber hinaus bedrohe die Wirtschaft die Solidarität, indem sie durch suggestive Appelle eine Spaltung herbeirede. Dementsprechend sollten kollektiv geregelte Arbeitszeiten der Sicherung von Solidarität zwischen den Arbeitnehmern dienen. Vgl. Plaschg 2008  : 113ff. 412 Vgl. Plaschg 2008  : 113. 413 Vgl. Arbeit und Wirtschaft 1982d  : 11  ; Dallinger, Alfred  : Sten. Prot. NR, XV. GP, 51.  Sitzung  : 4940  ; Reithofer 1995  : 120. 414 Vgl. Dr. Haider, Jörg  : Sten. Prot. NR, XV. GP, 136.  Sitzung  : 13854.

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nur durch ein größeres Beschäftigungspotential und nicht durch eine bloße Arbeitsplatzvermehrung, die durch eine Umverteilung der Arbeitszeit entstehe, gesichert werden könne und bei Klein- und Kleinstbetrieben die Einstellung zusätzlicher Arbeitskräfte nur schwer machbar sei.415 Beschäftigungspolitisch war die Verkürzung der Arbeitszeit für einen Teil und die Verlängerung für den anderen Teil der Bevölkerung kein Thema vor dem Amtsantritt Dallingers. Insofern war die Reduktion der Arbeitszeiten kein Hauptziel der österreichischen Wirtschaftspolitik.416 Dies änderte sich mit Dallingers Antritt als Sozialminister nicht grundlegend. Jedoch stellte die Verkürzung der Arbeitszeiten ein Kernelement seiner Sozialpolitik dar. Dennoch zeichnete sich mit der Forderung nach der 35-Stunden-Woche eine Abkehr vom Achtstundentag ab, der über einen langen Zeitraum eine Balance der gesellschaftlichen Arbeitszeitorganisation dargestellt hatte.417 Mit dem Aufkommen der Forderungen zur Einführung der 35-Stunden-Woche wurde die Beschäftigungssicherung für Arbeiter und Angestellte im Allgemeinen und der Arbeitsplätze im Speziellen in den Mittelpunkt gerückt.418 Die politische Gegenseite wiederum stellte diese Sorge um die Beschäftigungspolitik Dallingers in Frage. So warf Marga Hubinek (ÖVP) ihm vor, dass er ohne Rücksichtnahme auf die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung und die Belastung der österreichischen Betriebe diese lineare Arbeitszeitverkürzung fordere.419 Im Frühjahr 1982 konkretisierte Dallinger in Arbeit und Wirtschaft vor dem Hintergrund einer sich verschlechternden Arbeitsmarktsituation den Zeitraum für eine Verwirklichung der 35-Stunden-Woche.420 Hierbei vertrat er in der wirtschaftlichen Situation von 1982 die Meinung, dass die Umverteilung des Arbeitsvolumens durch die Arbeitszeitverkürzung in Angriff genommen werden solle.421 Demzufolge sollte entsprechend der europäischen Entwicklung eine Einführung im Zeitraum 1985 bis 1990 erfolgen.422 Diese Einschätzung zur Durchführbarkeit einer Herabsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit wurde vielfach angesprochen.423 Gleichzeitig erfolgte die Betonung der europäischen Entwicklung. Unterstützung fand das Anliegen im Frühjahr 1982 bei Teilen der SPÖ, bei Einzelgewerkschaften sowie der AK.424 Wie

415 Vgl. Seicht 1982  : 13. 416 Vgl. Supper 1979  : 77. 417 Lehndorff 1998b  : 256. 418 Vgl. Marscher, August  : Sten. Prot. 9. KÖGB 1979  : 158. 419 Vgl. Dr. Hubinek, Marga  : Sten. Prot. NR, XV. GP, 89.  Sitzung  : 8860. 420 Vgl. Mesch/Schwarz/Stemberger 1987  : 42. 421 Vgl. Arbeit und Wirtschaft 1982a  : 8. 422 Arbeit und Wirtschaft 1982a  : 9  ; Mesch/Schwarz/Stemberger 1987  : 44. 423 Vgl. Duval 1983  : 2. 424 Vgl. Mesch/Schwarz/Stemberger 1987  : 42.

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zu erwarten, stieß es nicht überall auf Gegenliebe. Klaus Eisterer schrieb in einem Kommentar an Arbeit und Wirtschaft  : Ja, glauben Sie [Dallinger] denn, daß die Arbeitgeber bei weiterer Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit bereit sind, weitere Arbeitsplätze zu schaffen  ? Weit gefehlt  ! Gerade weil Arbeitslosigkeit herrscht, erpreßt er [Dallinger] den Dienstnehmer mit dem Überangebot an Arbeitskräften. Das gleiche gilt für den fünfwöchigen Mindesturlaub. Wer soll denn fünf Wochen hindurch die Arbeit machen  ?425

Hinsichtlich der Überstunden führte Eisterer aus, dass es Betriebe gebe, in denen »Arbeitnehmer monatelange Urlaubsansprüche und hunderte Überstunden nachschleppen und wo 45 bis 50 Wochenstunden obligat«426 seien. Einerseits bezweifelte Eisterer die beschäftigungspolitische Wirkung einer weiteren Durchführung von Arbeitszeitverkürzungen, andererseits kann aus dieser Aussage herausgelesen werden, dass bei restriktiver Nutzung von Überstunden eine Kürzung der personenspezifischen Arbeitszeiten möglich wäre. In einer politischen Debatte im Dezember 1982 im Nationalrat verteidigte Dallinger seine Entscheidung zur zukünftigen Einführung der 35-Stunden-Woche ohne Rücksichtnahme auf eine stufenförmige Verwirklichung. Aber ich möchte schon ankündigen […], daß in der zweiten Phase der Arbeitszeitverkürzung, also der Herabsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit, wir allen Einwänden der Unternehmer zum Trotz jedenfalls diese Arbeitszeitverkürzung in einem radikalen Ausmaß, in einem einmaligen Schnitt machen müssen, der zumindest zum Inhalt hat die Herabsetzung von 40 auf 36 oder wünschenswerterweise sogar auf 35 Stunden p[r]o Woche, um eben durch diese Radikalität dieser Maßnahme zu bewirken, daß der arbeitsmarktpolitische Effekt in vollem Umfang eintritt und keine kompensatorischen Wirkungen zumindest in naher Zeitfolge auch tatsächlich eintreten können.427

Er blieb also bei dem »radikalen« Plan seines Anliegens. Wenige Tage später bestätigte Dallinger nochmals seine Überzeugung von einer »radikalen« Arbeitszeitreduktion unter dem Hinweis auf die Sorge vor einer möglicherweise durch die wirtschaftliche Entwicklung geschuldeten früheren als zu diesem Zeitpunkt vorstellbaren Einführung der 35-Stunden-Woche.428 Für Sallinger war die Radikalität dieser Forderung Dallingers nicht geeignet, das Klima in der Wirtschaft und auch in Ös425 Eisterer 1982  : 3. 426 Eisterer 1982  : 3. 427 Dallinger, Alfred  : Sten. Prot. NR, XV. GP, 136.  Sitzung  : 13872. 428 Vgl. Dallinger, Alfred  : Sten. Prot. NR, XV. GP, 138.  Sitzung  : 14094.

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terreich zu verbessern.429 Ferner schaffe diese Maßnahme nicht mehr Arbeitsplätze, sondern gefährde diese.430 Diese Linie der ÖVP wurde von Mock bekräftigt, der aus den Ankündigungen ein vielfaches »Wir müssen« heraushörte  ; dazu zählten z. B. die Arbeitszeitverkürzung auf 35 Wochenstunden, aber auch die Behandlung der Überstunden, die entweder verboten, besteuert oder schwieriger gemacht werden sollten. Aus seiner Sicht musste diese von der SPÖ angepeilte Entwicklung in einer Spirale geradewegs nach unten führen und noch mehr Arbeitslosigkeit produzieren.431 In etwa dieselbe Stoßrichtung hatte die Regierungskritik Haiders. Für ihn betrieb die Regierung eine Politik der »Arbeitszeitverkürzung auf Null«, da sie die Kurzarbeit in der verstaatlichten Industrie fördere und der Jugend nach der Ausbildung keinerlei Chance auf Erwerbstätigkeit gebe.432 Die SPÖ wiederum wies darauf hin, dass durch Arbeitszeitverkürzung und Anhebung des Mindesturlaubs in den 1970er Jahren ca. 200.000 Arbeitsplätze mehr entstanden seien.433 Etwa zeitgleich stand der Nationalratswahlkampf 1983 unter dem Eindruck des »Mallorca-Paketes«. Dieses war von Finanzminister Salcher und Bundespräsident Kreisky während des Jännerurlaubs Kreiskys auf Mallorca ausgearbeitet worden. Es wurde absichtlich vor der Nationalratswahl der Öffentlichkeit präsentiert, da Kreisky im Wahlkampf um Offenheit und Ehrlichkeit bemüht war.434 Das »Mallorca-Paket« sollte der Reduzierung des bedenklichen Budgetdefizits dienen.435 Die budgetären Probleme löste es jedoch nicht, da eine einnahmenseitige Orientierung bei gleichzeitigem Festhalten an der Beschäftigungs- und Sozialpolitik erfolgte.436 Grundsätzlich beinhaltete das Paket eine Erhöhung des Arbeitslosenentgeltes, die Besteuerung des 13. und 14. Monatsgehaltes und eine Einführung der Quellensteuer auf Sparzinsen. Für die SPÖ-Regierung wurde dieses Signal zur Handlungsbereitschaft und der »Mut zum Unpopulären« zum Bumerang, als es zum Wahlkampfthema Nr. 1 wurde.437 Generell war das Maßnahmenpaket mit ein Grund, warum die SPÖ ihre absolute Mehrheit im Nationalrat verlor. Die Nationalratswahl 1983 beendete die Phase SPÖ-Alleinregierung, es folgte die Bildung einer kleinen Koalition zwischen SPÖ und FPÖ. In Fragen der Arbeitszeitverkürzung standen die Diskussionen noch am Anfang, zumal der neue Bundeskanzler Fred Sinowatz in seiner Regierungserklärung vom 31. Mai 1983 verkündete, 429 Ing. Sallinger, Rudolf  : Sten. Prot. NR, XV. GP, 145.  Sitzung  : 14937. 430 Vgl. Ing. Sallinger, Rudolf  : Sten. Prot. NR, XV. GP, 145.  Sitzung  : 14937. 431 Vgl. Dr. Mock, Alois  : Sten. Prot. NR, XV. GP, 146.  Sitzung  : 15050. 432 Vgl. Dr. Haider, Jörg  : Sten. Prot. NR, XV. GP, 145.  Sitzung  : 14942. 433 Vgl. Resch, Walter  : Sten. Prot. NR, XV. GP, 145.  Sitzung  : 14977. 434 Vgl. Wirth 2011  : 512  ; Kriechbaumer 2004  : 101f.; Venus 2008  : 94  ; Kriechbaumer 2008  : 331. 435 Kriechbaumer 1998a  : 40  ; Venus 2008  : 93. 436 Kriechbaumer 2008  : 331. 437 Vgl. Kriechbaumer 2004  : 102.

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beim weiteren Vorgehen die Beschlussfassung des ÖGB abzuwarten sowie die Meinungen der Sozialpartner einholen zu wollen.438 Eine Konkretisierung, ein Maßnahmenpaket oder Hinweise auf die in den Diskussionen immer breiteren Raum einnehmende Arbeitszeitflexibilisierung lassen sich in der Regierungserklärung 1983 nicht finden. Diese Situation bot daher der Opposition breiten Raum für eine in den nächsten Tagen verstärkte Diskussion zur Arbeitszeit auf allen Ebenen. In Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung sowie die beschäftigungspolitische Wirkung kam es in dieser Auseinandersetzung von Seiten der ÖVP zu folgender Stellungnahme  : Mit der linearen Senkung der Arbeitszeit auf allen Ebenen als Heilsbeglückung werden wir dieses Problem ganz sicherlich nicht schaffen. Wir brauchen neue flexible Zeitmodelle unterschiedlichster Art, die wir in Pionierunternehmen mit Hilfe des Sozialministeriums durchaus ausprobieren sollten, im guten Glauben, daß die Sozialpartner – beide  ! – das Interesse haben, Arbeitsplätze in diesem Lande zu sichern.439

Grundsätzlich wurden die Arbeitszeitverkürzung und die Etablierung der 35-Stunden-Woche von diversen Seiten als Mittel zur Bekämpfung der Beschäftigungsprobleme in den 1980er Jahren angesehen.440 Diesem Ansatz wurde allerdings nicht von allen Seiten uneingeschränkt zugestimmt.441 Manche warfen ihm vor, als Wunderdroge für den Arbeitsmarkt herhalten zu sollen.442 Dallinger selbst rechnete Ende 1983 mit einer raschen Einführung der 35-Stunden-Woche, die 400.000 Arbeitsplätze sichern bzw. schaffen könne.443 Die wirtschaftliche Entwicklung in diesem Jahrzehnt führte Ofner zufolge dazu, dass in diesem Zusammenhang zu viele falsche Illusionen geweckt und die tatsächlichen Wünsche der Arbeitnehmer ignoriert wurden.444 Auf dem 11. ÖGB-Bundeskongress 1987 wurden als beschäftigungspolitische Argumente für einen Generalkollektivvertrag für die Einführung der 35-Stunden-Woche die Erhaltung existierender Arbeitsplätze angesichts hoher Produktivitätsraten, die Schaffung neuer Arbeitsmöglichkeiten für die aktuell Arbeitslosen, die Eindämmung der Jugendarbeitslosigkeit und die Verkürzung des Zeitraums der Arbeitslosigkeit bei Langzeitarbeitslosen angeführt.445 Als Möglichkeit zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und unter Betonung der beschäftigungspolitischen Auswirkungen der Arbeitszeitpolitik wurde auf diesem Bundeskongress der Antrag »Arbeitszeit438 Vgl. Dr. Sinowatz  : Sten. Prot. NR, XVI. GP, 2.  Sitzung  : 22. 439 Heinzinger, Walter  : Sten. Prot. NR, XVI. GP, 3.  Sitzung  : 99. 440 Vgl. Tálos 1987  : 128. 441 Vgl. Autischer 1985  : I. 442 Bretschneider/Dollinger/Lamel/Ulram 1985  : 71. 443 Vgl. Arbeiter Zeitung, 5. Dezember 1983  : 2. 444 Ofner 1989  : 16. 445 Leutner 1989  : 45.

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politik – Arbeitszeitverkürzung als Mittel der Beschäftigungspolitik« einstimmig beschlossen.446 Ende 1980er Jahre wurde Arbeitszeitverkürzung somit weiterhin als eine wesentliche und unverzichtbare Maßnahme zur Verringerung der Arbeitslosigkeit447 im Rahmen der Beschäftigungspolitik gesehen. Kreiskys Außenpolitik umfasste neben seiner humanistischen Überzeugung und internationalen Gesinnung auch wirtschaftliche Motive bei der Beschäftigung mit der »Dritten Welt«.448 Die wirtschaftlichen Grenzen des Austro-Keynesianismus wurden zum Ende der Regierungszeit Kreiskys immer deutlicher sichtbar. In Oberösterreich waren von der Wirtschaftskrise zwei Regionen besonders betroffen. Einerseits handelte es sich um den Standort der Landeshauptstadt Linz mit der VOEST-Alpine, die 1981 das bis dahin schlechteste Betriebsergebnis in ihrer Geschichte449 schrieb, andererseits um die Region Steyr mit der Steyr-Daimler-Puch AG. Um die wirtschaftliche Stabilität der Verstaatlichten zu erhalten und in gewissen Regionen zu sichern, war Österreich in den 1980er Jahren darum bemüht, sowohl die Beziehungen zu den üblichen Handelspartnern fortzusetzen als auch neue Absatzmärkte zu erschließen. Daher wurde verstärkt Außenhandel mit Irak, Iran, Libyen und Syrien betrieben.450 Diese Regionen standen bereits damals unter dem Verdacht, Terrorismus zu begünstigen, was für österreichische Unternehmen jedoch kein Hindernis darstellte.451 Besonders wichtig für den Außenhandel Österreichs war die Rüstungsproduktion, an der die VOEST-Alpine und die Steyr-Daimler-Puch AG ihren Anteil hatten. Beginnend ab 1978 erfolgte der Ausbau der Rüstungssparte, vornehmlich ab 1979 am steirischen Standort Liezen.452 Zu den wesentlichen Erzeugnissen zählten Panzer- und Artilleriemunition, Panzerwannen, Panzertürme, Granatwerfer, Patrouillenboote und Militärfahrzeuge.453 Erste Skandale führten nach 1977 zu einer Verschärfung von Ein-, Aus- und Durchfuhr bei Rüstungsaufträgen, und Waffenexporte bedurften gleichzeitig der ausdrücklichen Zustimmung des Bundeskanzlers.454 Das Verbot, in Gebiete mit bewaffneten Konflikten zu liefern, wurde durch vielerlei Tricks umgangen.455 So wurde zwar eine Panzerlieferung der Steyr-Daimler-Puch AG nach Chile untersagt, aber ein Auftrag Argentiniens genehmigt.456 446 Leutner 1989  : 44. 447 M. Eder 1989  : 24. 448 Vgl. T. Riegler 2011  : 61. 449 T. Riegler 2011  : 62. 450 T. Riegler 2011  : 62. 451 Vgl. T. Riegler 2011  : 62. 452 Vgl. T. Riegler 2011  : 62. 453 Der Spiegel, Nr. 39, 1987  : 149. 454 Der Spiegel, Nr. 39, 1987  : 149. 455 Vgl. Der Spiegel, Nr. 39, 1987  : 149f. 456 Vgl. Der Spiegel, Nr. 39, 1987  : 150  ; Bayer 1984  : 18.

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Die Waffenlieferungen standen im Inland immer wieder in der Kritik. Problematisch war sicherlich die sich daraus ergebende Kontroverse zwischen dem Neutralitätsanspruch einerseits und den wirtschaftlichen Interessen Österreichs andererseits, wobei gerade Letztere für Österreich wesentlich waren. So erläutert Georg Lennkh, ein Diplomat und Mitarbeiter Kreiskys, dass die Waffenproduktion auch zum Schutz heimischer Arbeitsplätze erfolge.457 Meinungsumschwünge aufgrund öffentlicher Diskurse oder neuer Kriegsherde waren vorprogrammiert. So auch im Fall der Militärlieferungen durch die Steyr-­ Daimler-Puch AG an Argentinien. Entscheidend hierbei war der Ausbruch des Falklandkrieges. Die Neutralität Österreichs verhinderte die Auslieferung bereits produzierter Panzer und Ersatzteile.458 Die Schwierigkeiten lagen nicht allein in der letztlich nicht erfolgten Ausfuhr dieser militärischen Güter. Vielmehr gab es grundlegende Absatzprobleme mit Lastwagen und Traktoren, mit Panzern, Mopeds und Fahrrädern sowie beim Verkauf des gemeinsam mit Mercedes produzierten Geländewagens.459 Entscheidend für die Schwierigkeiten 1983 waren jedoch die Absatzrückgänge bei Lastwagen und Traktoren.460 Daher war der Vorstand der Steyr-Daimler-Puch AG im Frühjahr 1983 gezwungen, die Budgetziele um 1400 Traktoren und 900 Lastwagen zu senken.461 Bereits im Oktober 1982 war erstmals vom Betriebsrat die Einführung der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich angedacht worden.462 Diese Situation führte dazu, dass von den 16.000 Beschäftigen der Steyr-Daimler-Puch AG 600 bis 800 Beschäftigte463 von einer Entlassung bedroht waren. Der Sozialminister genehmigte daraufhin Kurzarbeit, die zweimal drei Monate pro Jahr erlaubt werden konnte.464 Kurzarbeit war jedoch kein rein auf die Steyr-Daimler-Puch AG beschränktes Mittel zur Bekämpfung wirtschaftlicher Probleme, sondern diente vielmehr generell als Maßnahme bei drohender Arbeitslosigkeit, u. a. auch bei der VOEST.465 Metallarbeitergewerkschafter Sepp Wille hatte allerdings einen anderen Vorschlag für Steyr. Er bevorzugte die Einführung der 35-Stunden-Woche. Seinem Vorschlag »Zur Hälfte sollten die Beschäftigten auf den Lohn für die fehlenden fünf Stunden verzichten, die andere Hälfte sollte das Unternehmen zahlen«466 zufolge soll457 Vgl. Riegler 2011  : 64. 458 Vgl. Bayer 1983  : 24. 459 Bayer 1983  : 24. 460 Bayer 1983  : 24. 461 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 30. März 1983  : 1. 462 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 30. März 1983  : 1. 463 Vgl. Bayer 1983  : 24  ; Oberösterreichische Nachrichten, 30. März 1983  : 1. 464 Vgl. Bayer 1983  : 24. 465 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 9. April 1983  : 1  ; Wiener Zeitung, 13. Dezember 1983  : 7. 466 Bayer 1983  : 24  ; U.  Moser 1983  : 52  ; Oberösterreichische Nachrichten, 30. März 1983  : 1.

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ten sich Belegschaft und Unternehmen die Belastungen teilen. Dieses Modell sollte nach der Kurzarbeit zum Einsatz kommen. Im von Wille vorgeschlagenen Arbeitszeitmodell sollte die Einführung der 35-Stunden-Woche auf ein Jahr befristet erfolgen und zudem einen freiwilligen Verzicht auf betriebliche Sozialleistungen beinhalten.467 Zu einer Realisierung von Willes Vorschlag kam es indes nicht. Stattdessen wurde eine Übereinkunft getroffen, dass die 4500 betroffenen Arbeitnehmer ihren Urlaub schrittweise wöchentlich freitags konsumierten, was wiederum nicht dem Urlaubsrecht entsprach.468 Die geplanten 13 freien Tage sollten in den Monaten August, September und Oktober konsumiert werden.469 Im Juli 1983 wurde die Kurzarbeit für 4500 Beschäftigte verlängert.470 Da die Krise durch sie nicht beendet werden konnte, gab es 1984 einen weiteren Anlauf zur Umsetzung der 35-Stunden-Woche. Diese zweite Runde erfolgte Anfang 1984. Ausgangspunkt war eine Regierungstagung in Steyr, die eine Steuer- und Pensionsreform, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sowie den steigenden Preisindex zum Inhalt haben sollte.471 Steyr war als Tagungsort ausgewählt worden, um dieser Region Tribut zu zollen, die durch die Stahlkrise in einer Strukturkrise steckte.472 Bundeskanzler Sinowatz und Staatssekretär Ferdinand Lacina (SPÖ) sollten im Werk den Arbeitern Rede und Antwort stehen.473 Darüber hinaus sollten alle Regierungsmitglieder Betriebsbesuche durchführen und an Diskussionen teilnehmen, aber auch Hausbesuche standen auf der Agenda.474 Damit wollte, so Bundeskanzler Sinowatz, die Regierung zeigen, dass sie »zielbewußt und realitätsbezogen bestehende Probleme überwinden«475 werde. Neben der massiven Informationskampagne sollte es zur Rettung der Arbeitsplätze in der Steyr-Daimler-Puch AG kommen. Denn bereits zuvor war bekannt geworden, dass 895 Arbeitsplätze per 1. Februar 1984 gestrichen werden sollten, da sich das Unternehmen unterbeschäftigte Mitarbeiter nicht mehr leisten könne  ; erst ein LKW-Großauftrag aus Saudi-Arabien hatte eine Reduktion auf 895 Kündigungen möglich gemacht.476 Als Möglichkeiten zur Beschäftigungssicherung wur467 Vgl. U. Moser 1983  : 52. 468 Vgl. U. Moser 1983  : 52. 469 Vgl. Arbeiter Zeitung, 23. Juli 1983  : 1  ; Oberösterreichische Nachrichten, 25. Juli 1983  : 10. 470 Vgl. Arbeiter Zeitung, 23. Juli 1983  : 1  ; Oberösterreichische Nachrichten, 25. Juli 1983  : 10. 471 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 14. Dezember 1983  : 2  ; Wiener Zeitung, 14. Dezember 1983  : 2. 472 Vgl. Bayer 1984  : 18  ; Wiener Zeitung, 6. Jänner 1984  : 2  ; Oberösterreichische Nachrichten, 7. Jänner 1984  : 11. 473 Vgl. Arbeiter Zeitung, 7. JännerJänner 1984  : 1 und 2. 474 Vgl. Wiener Zeitung, 6. Jänner 1984  : 2  ; Arbeiter Zeitung, 7. Jänner 1984  : 1  ; Oberösterreichische Nachrichten, 7. Jänner 1984  : 2. 475 Arbeiter Zeitung, 7. Jänner 1984  : 2  ; Wiener Zeitung, 6. Jänner 1984  : 2. 476 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 5. Jänner 1984  : 1  ; Die Presse, 5./6. Jänner 1984  : 1  ; Arbeiter Zeitung, 7. Jänner 1984  : 2  ; Arbeiter Zeitung, 11. Jänner 1984  : 11  ; Bayer 1984  : 18.

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den erstens die Verwendung von Geldern des Bundes zur Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen durch den stellvertretenden oberösterreichischen Landeshauptmann Karl Grünner (SPÖ) sowie zweitens die Aufnahme von 100 Steyr-Mitarbeitern im BMW-Motorenwerk in Steyr477 in Aussicht gestellt. Darüber hinaus empfahl Dallinger die Einführung der 35-Stunden-Woche.478 Die Probleme ließen sich dadurch jedoch nicht lösen. Nach einem Bericht Bayers in der Zeit vom 20. Jänner 1984 befanden sich zu diesem Zeitpunkt ca. 3000 unverkaufte Lastwagen auf den Höfen der Steyr-Daimler-Puch AG, und für 160 Panzer gab es, zum Teil aus politischen Gründen, keine Abnehmer.479 Die gesetzliche Möglichkeit der Kurzarbeit war im Grunde am Beginn des Jahres 1984 ausgeschöpft. Immerhin hatte diese mit Billigung und Unterstützung schon 17 Monate480 angedauert. Das Krisenmittel »Arbeitszeitverkürzung durch Einführung der 35-Stunden-Woche« für die Steyr-Daimler-Puch AG wurde von Mock und der Bundeswirtschaftskammer sowie vom Juniorpartner der Koalition, Norbert Steger (Vizekanzler und Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie, FPÖ), abgelehnt, während der Betriebsrat es durchaus positiv als Mittel zur Beschäftigungspolitik betrachtete.481 Generell bevorzugte die FPÖ Frühpensionierungen anstelle der Arbeitszeitverkürzung.482 Josef Ratzenböck (Landeshauptmann von Oberösterreich, ÖVP) wiederum war für die Beibehaltung der Kurzarbeit anstelle einer Einführung der 35-Stunden-Woche.483 Kritik an diesem Modell kam nicht nur von Opposition, Wirtschaft und dem Regierungspartner. Auch das Unternehmen selbst stand ihm kritisch gegenüber, da mit einer geringeren Kosteneinsparung als bei den vorgesehenen Kündigungen gerechnet wurde.484 Daher blieb das Unternehmen trotz der Regierungstagung anfänglich dabei, dass 895 Kündigungen ausgesprochen werden sollten.485 Das Steyrer Modell, das nicht als generelles Arbeitszeitverkürzungsmodell gedacht war486 und von der Regierung nunmehr vorgeschlagen wurde, war eine Abwandlung des Plans von Wille aus dem Vorjahr. Hatte Wille eine Teilung der Belastung zwischen Unternehmen und Belegschaft vorgesehen, wurde nun eine Dreiteilung der Belastung vorgeschlagen. Die Kosten sollten zu je einem Drittel auf den Betrieb, die Arbeitsmarkt477 Vgl. Arbeiter Zeitung, 7. Jänner 1984  : 1. 478 Vgl. Bayer 1984  : 18. 479 Vgl. Bayer 1984  : 18. 480 Bayer 1984  : 18  ; Arbeiter Zeitung, 11. Jänner 1984  : 5. 481 Vgl. Arbeiter Zeitung, 11. Jänner 1984  : 5. 482 Vgl. Bayer 1984  : 18. 483 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 16. Jänner 1984  : 2  ; Wiener Zeitung, 17. Jänner 1984  : 2. 484 Vgl. Bayer 1984  : 18  ; Oberösterreichische Nachrichten, 7. Jänner 1984  : 11. 485 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 10. Jänner 1984  : 1 und 10. 486 Vgl. Arbeiter Zeitung, 11. Jänner 1984  : 2.

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verwaltung und die Dienstnehmer aufgeteilt werden.487 Diese »Drittellösung« sprach Wille als Möglichkeit bereits vor der Regierungstagung in Steyr erneut an.488 Im Zuge der Diskussion um die Einführung des Steyrer Modells kam es zu neuerlichen Debatten wegen der Panzerlieferungen nach Chile und der Waffenexporte im Generellen.489 Ratzenböck lastete denjenigen, die in seinen Augen die Ausfuhr nach Chile verhindert hatten, die Schuld an den möglichen Entlassungen in Steyr an.490 Neben dieser Kritik stellte Ratzenböck der Region Steyr weitere, auf ein Jahr befristete Fördermittel in Aussicht, um Betriebsansiedlungen und -neugründungen zu unterstützen.491 Das Steyrer Modell wurde von der Belegschaft der Steyr-Daimler-Puch AG durchwegs positiv aufgenommen, wenngleich Frauen aufgrund von Rationalisierungen um ihren Arbeitsplatz fürchteten.492 Insgesamt dachte Bundeskanzler Sinowatz an eine Befristung von einem Jahr.493 Am 11. Jänner 1984 sprach sich Finanzminister Salcher für das Steyrer Modell aus, da den Kosten für die Arbeitszeitverkürzung von 60 Mio. Schilling die Kosten für die Arbeitslosenvergütung von 82 Mio. Schilling gegenüberstünden.494 Für die Oberösterreichischen Nachrichten war daher die Steyr-Daimler Puch AG auf dem besten Weg, ein Testbetrieb für die Einführung der 35-Stunden-Woche zu werden.495 Allerdings sollte es sich beim Steyrer Modell aus Sicht Salchers nur um eine befristete Lösung handeln.496 Am Abend des 12. Jänner 1984497 wurde von Bundeskanzler Sinowatz ein Zwischenergebnis als Erfolg verkauft, das Bayer in Die Zeit wie folgt beschrieb  : Österreichs Bundesregierung löste das Problem auf ihre Weise – mit einer Zauberformel  : Die Kündigungen wurden suspendiert, das Problem auf spätere Verhandlungen vertagt.498

Grundsätzlich sollten die Verhandlungen zum Steyrer Modell eine Woche nach Abschluss der Regierungstagung in Steyr fortgeführt werden. Am 13. Jänner 1984 schrieb die Arbeiter Zeitung  : 487 Vgl. Arbeiter Zeitung, 10. Jänner 1984  : 2  ; Bayer 1984  : 18  ; Oberösterreichische Nachrichten, 7. Jänner 1984  : 11. 488 Die Presse, 5./6. Jänner 1984  : 1. 489 Vgl. Arbeiter Zeitung, 10. Jänner 1984  : 2  ; Arbeiter Zeitung, 11. Jänner 1984  : 2 und 5  ; Arbeiter Zeitung, 12. Jänner 1984  : 2  ; Oberösterreichische Nachrichten, 7. Jänner 1984  : 11. 490 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 7. Jänner 1984  : 11. 491 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 10. Jänner 1984  : 10. 492 Vgl. Arbeiter Zeitung, 11. Jänner 1984  : 5. 493 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 11. Jänner 1984  : 1. 494 Vgl. Arbeiter Zeitung, 12. Jänner 1984  : 2  ; Oberösterreichische Nachrichten, 12. Jänner 1984  : 2. 495 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 12. Jänner 1984  : 2. 496 Vgl. Arbeiter Zeitung, 12. Jänner 1984  : 2. 497 Vgl. Arbeiter Zeitung, 13. Jänner 1984  : 1. 498 Bayer 1984  : 18.

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Nachdem nun der Zeitdruck für Unternehmen und Belegschaftsvertreter weggefallen ist, wird es schon kommende Woche zu weiteren Verhandlungen zwischen Eigentümer, Vorstand, Sozialministerium, ÖGB und Betriebsrat kommen.499

Vom Wegfall des Zeitdrucks zu sprechen, schien insofern ironisch, als von den ersten Problemen in Steyr bis zu einem »unter Druck« ausgearbeiteten Steyrer Modell 17 Monate vergingen und erst im letzten Moment, als von Seiten der Betriebsleitung Kündigungen ausgesprochen werden sollten, der Vorschlag von Wille, der noch 1983 zugunsten der Kurzarbeit aufgegeben worden war, nun in wenigen Bereichen adaptiert wurde. Neben der Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit auf 35 Stunden sollte für Steyr selbst ein Förderungsprogramm ausgearbeitet werden.500 Am 16. Jänner 1984 konnte von Dallinger eine prinzipielle Einigung auf eine auf ein Jahr befristete Einführung der 35-Stunden-Woche verkündet werden.501 Zu den flankierenden Maßnahmen zählten die Förderung des LKW-Absatzes von Steyr mit Bundeszuschüssen sowie die Übernahme freigesetzter Arbeiter durch die BMW-Motorenwerke.502 Zudem sollte ein Vertrag zwischen Oberösterreich und dem Bund für Fördermittel in der Region Steyr in Millionenhöhe sorgen.503 Die Opposition sah durch das Steyrer Modell die Gefahr eines Flächenbrands gegeben,504 der sich auf andere finanziell angeschlagene Betriebe auszudehnen drohte. Erste mögliche Pläne gab es für die VEW. Neben der Ankündigung von Bundeszuschüssen für die Steyr-Daimler-Puch AG sprach Bundeskanzler Sinowatz davon, dass die 35-Stunden-Woche keine generelle Alternative für die VEW darstelle.505 Dies bedeutete aber auch, dass die Möglichkeit einer Beschäftigungssicherung durch Arbeitszeitverkürzung und die Einführung der 35-Stunden-Woche auf die verstaatlichte Industrie durchaus abstrahlte. Trotz des Dementis von Bundeskanzler Sinowatz bestätigte Lacina der Arbeiter Zeitung, dass es zu einem eigenständigen Arbeitszeitverkürzungsmodell für VEW komme könne.506 Hier schien sich eine Krise der rot-blauen Regierung abzuzeichnen, konnte sich doch die FPÖ nicht für die Einführung einer 35-Stunden-Woche erwärmen.507 Vor allem in der Frage der Kostenaufteilung waren Unterschiede in den Modellen angedacht. Laut Lacina sollte die VEW selbst nicht belastet werden.508 Für Benya 499 Arbeiter Zeitung, 13. Jänner 1984  : 1. 500 Vgl. Arbeiter Zeitung, 14. Jänner 1984  : 2. 501 Vgl. Arbeiter Zeitung, 17. Jänner 1984  : 2. 502 Vgl. Arbeiter Zeitung, 17. Jänner 1984  : 2. 503 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 18. Jänner 1984  : 1. 504 Vgl. Bayer 1984  : 18  ; Dr. Neisser, Heinrich  : Sten. Prot. NR, XVI. GP, 41.  Sitzung  : 3562. 505 Vgl. Arbeiter Zeitung, 18. Jänner 1984  : 2  ; Arbeiter Zeitung, 21. Jänner 1984  : 2. 506 Vgl. Arbeiter Zeitung, 20. Jänner 1984  : 1f.; Oberösterreichische Nachrichten, 20. Jänner 1984  : 1. 507 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 20. Jänner 1984  : 1. 508 Vgl. Arbeiter Zeitung, 20. Jänner 1984  : 2.

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blieben Arbeitszeitverkürzungsfragen weiterhin eine Angelegenheit der Gewerkschaften, wobei für die VEW von Gewerkschaftsseite ein solches Modell durchaus diskutiert werde.509 Grundsätzlich sei ein solches Modell aufgrund des Falles Steyr nicht mehr abstrakt, so Benya.510 Eine gesetzliche Umsetzung sei jedoch schwierig, da der Koalitionspartner FPÖ sich wohl nicht dafür begeistern würde und es zu einem Streitfall in der Regierung kommen könnte.511 Immer wieder wurde in Sachen Einführung der 35-Stunden-Woche die negative Grundhaltung der FPÖ ersichtlich. Letztlich sollte es für die VEW auch nicht zu einer solchen kommen. Dafür wurden andere Maßnahmen angedacht, um drohende Kündigungen abzuwenden.512 Die endgültige Präsentation des Steyrer Modells erfolgte am 24. Jänner 1984 durch Sozialminister Dallinger, den Generaldirektor der Steyr-Daimler-Puch AG Hans Michael Malzacher und Betriebsratsobmann Hermann Leithenmayr. Im Detail umfasste das Steyrer Modell  : – 250 Kündigungen anstelle der geplanten 895  ; – die Rettung von 100  Arbeitsplätzen durch das Vorziehen von Aufträgen des Bundes im Wert von 120 Millionen Schilling. Bei Bedarf konnten die Fördermittel ausgedehnt werden  ; – ein Arbeitskräftetransfer von der Steyr-Daimler-Puch AG zu den BMW-Motorenwerken in Höhe von 100 Beschäftigten  ; – die Einführung der 35-Stunden-Woche für 90 % der Belegschaft per 1. Februar 1984 bei einer Befristung auf ein Jahr und einer Aufteilung der Kosten durch die sogenannte »Drittellösung«.513 Der Transfer der Arbeitskräfte von der Steyr-Daimler-Puch AG zu den BMW-Motorwerken sollte bis zum 31. März 1984 erfolgen.514 Es handelte sich allerdings eher um eine mögliche Unterstützungserklärung denn um eine verbindliche ­ Zusage von Seiten der BMW-Motorwerke. Bereits am 25. Jänner berichteten die Ober­ öster­reichischen Nachrichten, dass die Übernahme von 100 Beschäftigten durch die BWM-Motorenwerke keinesfalls gesichert sei, da es bislang zu keinerlei Verhandlungen gekommen sei.515 BMW-Prokurist Wolfgang Kropf sagte gegenüber den Oberösterreichischen Nachrichten  :

509 Vgl. Arbeiter Zeitung, 21. Jänner 1984  : 2. 510 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 21. Jänner 1984  : 1. 511 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 21. Jänner 1984  : 1. 512 Vgl. Arbeiter Zeitung, 25. Jänner 1984  : 2. 513 Vgl. Arbeiter Zeitung, 24. Jänner 1984  : 2  ; Oberösterreichische Nachrichten, 24. Jänner 1984  : 1. 514 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 25. Jänner 1984  : 1. 515 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 25. Jänner 1984  : 1.

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Mit uns besteht keine Vereinbarung und auch gesprochen hat noch niemand mit uns, weder der Sozialminister noch Gewerkschaft. Bisher hat nur Landeshauptmann Ratzenböck gefragt, ob wir helfen können. […] Wir haben derzeit 1255 Mitarbeiter und nehmen bis Jahresende, entsprechend dem Aufbau unserer Produktion, 100 weitere auf – aber keinesfalls auf einmal.516

Die 100 gekündigten Steyr-Mitarbeiter sollten nur dann Berücksichtigung finden, wenn ihre Qualifikation jener der anderen Bewerber entsprach.517 Auch Ratzenböck erklärte, dass eine fixe Zusage für den Arbeitskräftetransfer fehle.518 Schließlich bestätigte Sozialminister Dallinger, dass Gespräche für einen solchen Arbeitskräftetransfer erst ab dem 27. Jänner 1984 oder in der darauffolgenden Woche vorgesehen seien.519 Die FPÖ zeigte sich dennoch zufrieden. Da es sich aus ihrer Sicht um keine »lupenreine« 35-Stunden-Woche handelte, schien sie dem Abkommen jetzt zustimmen zu können.520 Zuvor waren von der FPÖ immer wieder ablehnende Signale zu einer Einführung der 35-Stunden-Woche gekommen. Erst ein Modell, das nicht allein auf Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich setzte, wurde von ihr positiv beurteilt. Der »Präzedenzfall« Steyr war Gegenstand heftiger Parlamentsdebatten. Die ÖVP machte ihrem Unmut über das Steyrer Modell Luft. Für sie war es ein durch die Politik gewolltes Aufschieben des Arbeitsplatzproblems, ein Pfusch und somit ein Pyrrhussieg521 von Sozialminister Dallinger. Zudem warf sie der Regierung vor, keinen konkreten Plan für die Situation nach der Einjahresfrist der 35-Stunden-Woche zu haben.522 Kritik kam aber nicht nur von der Opposition, auch Adolf Czettel (Wiener AK-Präsident, SPÖ) bezeichnete das Steyrer Modell als negativen Modelfall523 zur Arbeitsplatzsicherung. Für ihn war nunmehr klar, was nicht getan werden sollte, nämlich die Verlängerung der Kurzarbeit ohne die Lösung der Strukturprobleme, die doch eher in einer Umstrukturierung und in Alternativen zur Rüstungsindustrie liegen könnte.524

516 Oberösterreichische Nachrichten, 25. Jänner 1984  : 1. 517 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 25. Jänner 1984  : 1  ; Oberösterreichische Nachrichten, 26. Jänner 1984  : 2. 518 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 26. Jänner 1984  : 2. 519 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 25. Jänner 1984  : 10. 520 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 25. Jänner 1984  : 10. 521 Vgl. Dr. Stummvoll, Günter  : Sten. Prot. NR, XVI. GP, 33.  Sitzung  : 2805. 522 Vgl. Dr. Neisser, Heinrich  : Sten. Prot. NR, XVI. GP, 41.  Sitzung  : 3562  ; Die Presse, 11./12. Februar 1984  : 9. 523 Die Presse, 11./12. Februar 1984  : 9. 524 Vgl. Die Presse, 11./12. Februar 1984  : 9.

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Im März 1984 vermeldeten die Oberösterreichischen Nachrichten, dass weiterhin Arbeitsplätze in Steyr bedroht seien. Besonders die Umsetzung der »Steyr-Lösung« zeigte erste Risse. So hatten die BMW-Motorenwerke bereits einen großen Teil der benötigten neuen Arbeitskräfte eingestellt. Allerdings befanden sich unter diesen Neueinstellungen nur etwa 20 vormalige Mitarbeiter der Steyr-Daimler-Puch AG.525 Im praktischen Betrieb wurde die 35-Stunden-Woche konterkariert. Ganz im Sinne der in den 1980er Jahren aufkommenden Flexibilisierung der Arbeitszeiten wurde die Umsetzung flexibel gehandhabt. Betriebsratsobmann Leithenmayr erklärte hinsichtlich der 6-Monats-Bilanz des Steyrer Modells gegenüber der Arbeiter Zeitung, dass durch zwei zusätzliche freie Tage pro Monat in einem dreimonatigen Durchrechenzeitraum die 35-Stunden-Woche erreicht werde.526 Generell wurde von einer positiven Bilanz des Steyrer Modells nach Ablauf eines halben Jahres gesprochen. Ferner führte ein leichter Aufschwung dazu, dass im Juli »nur« noch etwa 4500 Beschäftigte von der verkürzten Arbeitszeit erfasst waren.527 Die positive Entwicklung strich Leithenmayr im November im Parlament erneut heraus. Letztlich wurde die 35-Stunden-Woche des Steyrer Modells im August ausgesetzt, da neue Aufträge sonst nicht zu bewältigen gewesen wären.528 Bereits nach sieben Monaten war die 35-Stunden-Woche für die Steyr-Daimler-Puch AG wieder Geschichte. Ohnehin war sie nur auf dem Papier entwickelt worden. Da ein langfristig verwirklichbares Konzept fehlte, war sie nichts anderes als die bereits 17 Monate zuvor ausgeübte Kurzarbeit, bei der Urlaub immer freitags konsumiert werden sollte. Eine weitere Überschreitung des gesetzlichen Rahmens wäre durchaus möglich gewesen. Im Jänner 1984 wurde jedoch eine Entscheidung dagegen getroffen. Stattdessen wurde die Kurzarbeit neu verpackt, mit einer größeren finanziellen Unterstützung des Bundes und der Bundesregierung ausgestattet und mit einem neuen Mascherl, der 35-Stunden-Woche, versehen. Im Grunde änderte sich für die betroffenen Arbeitnehmer der Steyr-Daimler-Puch AG wenig in Fragen der Arbeitszeiten. Durch dieses Ad-absurdum-Führen der 35-stündigen Arbeitswoche und die flexible Handhabung derselben bestand keine Gefahr eines »Flächenbrandes« für andere angeschlagene Industriebetriebe. Als eine mögliche begleitende Maßnahme zur Einführung der 35-Stunden-Woche zur Sicherung ihrer beschäftigungspolitischen Effekte wurde ein Teil der Diskussion auf die Frage der Überstundenproblematik gelenkt, da angenommen wurde, dass nur so eine Arbeitszeitverkürzung wirkungsvoll sei.529 Anfang der 1980er Jahre hatte die 525 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 6. März 1984  : 2. 526 Vgl. Arbeiter Zeitung, 20. Juli 1984  : 2. 527 Vgl. Arbeiter Zeitung, 20. Juli 1984  : 2. 528 Leithenmayr, Hermann  : Sten. Prot. NR, XVI. GP, 67.  Sitzung  : 5802. 529 Vgl. Prisching/Steiner 1979  : 20.

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Sozialistische Jugend Oberösterreichs einen Zuschlag auf Überstunden von 300 bis 500 % gefordert. Für 1983 hatte eine Hochrechnung des Statistischen Zentralamtes ergeben, dass die Arbeitnehmer im Durchschnitt zwei Überstunden wöchentlich leisten würden.530 Dies entsprach ca. 5 Mio. Überstunden bei einem Mehraufwand von 33 Mio. Schilling.531 Viele dieser Überstunden wurden in Oberösterreich, Niederösterreich und Wien konsumiert.532 Für Sozialminister Dallinger stellte eine Einschränkung der Überstunden einen Akt der Solidarität dar, durch den tausende Arbeitsplätze geschaffen533 werden könnten.534 Generell sprach er sich im Herbst 1983 für ein grundsätzliches Verbot der Überstunden aus.535 Ein solches hatte er bereits zuvor angedacht.536 Da dieses Verbot nicht gesetzlich gedeckt sei, sollten die Arbeitnehmer selbst die Einhaltung überwachen.537 Für die ÖVP waren solche Gedankenspiele, ob es sich nun um ein Verbot oder eine Erschwernis handelte, wirtschaftsfremd.538 Die Gegenseite argumentierte dahingehend, dass Überstunden ein Instrument der Flexibilisierung der Arbeitszeiten darstellten. Sie seien die wesentlichste Anpassungsmöglichkeit an wirtschaftliche Erfordernisse.539 Der Beirat für Wirtschaftsund Sozialfragen sah in seinem 1984 veröffentlichten Bericht einen Zusammenhang zwischen flexiblen Arbeitszeiten und dem gewünschten Abbau der Überstundenbezahlung als eine gangbare Strategie der Unternehmen.540 Eine Möglichkeit zur Regelung der Überstundenfrage wurde in einer an betriebliche Bedürfnisse optimal angepassten Arbeitszeit gesehen.541 Da ein Überstundenverbot nicht durchsetzbar war, wurde in dieser Frage generell ein Ausgleich der Überstunden durch Freizeit angedacht.542 Spätestens 1984 zeigte sich, dass die Vereinbarung des Zeitausgleichs für 530 Vgl. Sozialministerium/Grundsatzabteilung 1983  : 32. 531 Vgl. Wiener Zeitung, 10. März 1983  : 2. 532 Vgl. Sozialministerium/Grundsatzabteilung 1983  : 36. 533 Vgl. Wiener Zeitung, 10. März 1983  : 2. 534 Hochrainer verweist allerdings darauf, dass rechnerisch ermittelte Arbeitsplatzäquivalente geleisteter Überstunden nicht 1   :  1 auf dem Arbeitsmarkt als tatsächlich nachgefragte Arbeitsplätze zur Verfügung stünden. Als Gründe dafür nennt Hochrainer, dass 1) viele Überstunden von Führungskräften geleistet würden, deren Arbeitsleistung nicht unmittelbar von anderen Arbeitskräften erbrachten würden, und 2) ein Teil der Überstunden durch Rationalisierungsmaßnahmen kompensiert werden könnten, wodurch es zu keiner Steigerung der Arbeitsproduktivität komme, da diese eingespart werde. Vgl. Hochrainer 2003  : 44. 535 Vgl. Arbeiter Zeitung, 2. September 1983  : 2. 536 Vgl. Dr. Schüssel, Wolfgang  : Sten. Prot. NR, XV. GP, 145.  Sitzung  : 14981. 537 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 2. September 1983  : 2. 538 Ing. Sallinger, Rudolf  : Sten. Prot. NR, XV. GP, 100.  Sitzung  : 10116. 539 Vgl. Mesch/Schwarz/Stemberger 1987  : 83. 540 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1984  : 121. 541 Hardt 1987  : 17. 542 Vgl. Görres 1984  : 81.

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Überstundenarbeit nicht mehr bestritten werden konnte.543 Deren Zulässigkeit hatte 1983 der OGH in einem Urteil bestätigt.544 Allerdings wurde punkto Überstunden als problematisch angesehen, dass diese auf Kosten der echten Freizeit gehen würden545 und dass von vielen mit dem zusätzlichen Einkommen aus den Überstunden längerfristig gerechnet werde.546 6.4.3 »Arbeitszeitentwicklung und Arbeitszeitpolitik« – ein Bericht des Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen 1984 wurde der Beiratsbericht zur Arbeitszeitentwicklung und Arbeitszeitpolitik veröffentlicht. Anlass dieser Untersuchung war die durch die Wachstumsverlangsamung ausgelöste Verschlechterung der Beschäftigungssituation.547 Der Bericht beschäftigte sich mit der Entwicklung der Arbeitszeit sowie der Nachfrage nach und dem Angebot von Arbeitskräften, mit neuen Arbeitszeitformen sowie mit den Auswirkungen einer weiteren Verkürzung der Arbeitszeit auf die Gesellschaft und das Individuum. Jahr

Geleistete Arbeitszeit pro Jahr1

Geleistete Arbeitszeit pro Woche1

1969

2.184,7

41,9

1970

2.127,3

40,8

1971

2.090,8

40,1

1972

2.064,7

39,6 39,6

1973

2.064,7

1974

2.070,0

39,7

1975

1,997,0

38,3

1976

1.970,9

37,8

1977

1.965,7

37,7

1978

1.960,5

37,6 37,6

1979

1.960,5

1980

1.939,6

37,2

1981

1.918,8

36,8

1982

1.934,4

37,1

Tab. 40  : Geleistete Arbeitszeit je Beschäftigten Quelle  : Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1984  : 10 (gekürzte Darstellung). 1 Urlaube, Feiertage und Grippewellen sind in den Mikrozensusdaten unterrepräsentiert.

543 Vgl. G. Klein 1984  : 303. 544 Vgl. G. Klein 1984  : 304. 545 Lachnit 1979  : 60. 546 Vgl. Sozialministerium/Grundsatzabteilung 1983  : 40. 547 Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1984  : 5.

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393

Unter Berücksichtigung von Ausfalltagen, wie z. B. Urlaub oder Feiertagen, berech­ nete der Beirat eine durchschnittliche Nettoarbeitszeit von 34,5 Wochenstunden für alle Vollbeschäftigten und 34 Wochenstunden für Vollbeschäftigte in der Indus­ trie.548 Der Rückgang der Jahresarbeitszeit hing mit der Urlaubsverlängerung in den 1970er Jahren sowie der bis 1975 durchgeführten schrittweisen Arbeitszeitverkürzung zusammen. Ferner bewirkte das Nachtschicht-Schwerarbeitergesetz mit einem zusätzlichen zwei- bis sechstägigen Urlaub ebenfalls einen Rückgang der Jahresarbeitszeiten.549 Daneben verglich die Studie den Zeitpunkt des Endes der Schulpflicht und das Rentenalter und arbeitete die Entwicklung der tariflich und gesetzlich geregelten Wochenarbeitszeit sowie der Lebensarbeitszeit und der Jahresarbeitszeit in einigen ausgewählten Ländern wie z. B. Frankreich, Belgien und der Bundesrepublik Deutschland heraus. Hinsichtlich der Gestaltung des Arbeitskräfteangebots kam die Studie zu dem Schluss, dass bis Ende des Jahrzehnts eine Arbeitslosenquote von 8 % erreicht werden könnte.550 Der Abschnitt zu den neuen Arbeitszeitformen befasste sich mit einer Vielzahl an Formen, die eine Abweichung von Norm- und Standardarbeitszeiten aufwiesen. Vorab legte die Studie darauf Wert, bei den flexiblen Arbeitszeitformen zu berücksichtigen, dass Schutzvorschriften nicht umgangen und die Beschäftigten nicht ausgenützt wurden.551 Insgesamt erfolgte eine Analyse der Modelle dahingehend, ob Vorteile der Arbeitgeber und -nehmer vereinbar und Nachteile minimierbar seien.552 In diesem Sinne wurden die gleitende Arbeitszeit, persönliche Freizeittage, Staffelarbeitszeit, Teilzeitarbeit, k apovaz, Jobsharing, Bandbreitenmodelle, Jahresarbeitszeitverträge, neue Schichtmodelle, Dekadenarbeit, gleitendes Wochenende, Sabbaticals und der gleitende Ruhestand untersucht. Die Studie stellte fest, dass das österreichische Arbeitsrecht durchaus Flexibilität ermöglichte und Perspektiven für weitergehende Überlegungen bot.553 Generell wurde festgehalten, dass es sinnvoll wäre, die festen Arbeitszeitgrenzen in einem Maße zu lockern, dass sie mit den persönlichen Anforderungen besser in Einklang gebracht werden könnten.554 Grundsätzlich erwartete der Beirat einen positiven Beschäftigungseffekt einer Arbeitszeitverkürzung, der nicht isoliert von anderen gesamtwirtschaftlichen Zielen gesehen werden sollte.555 Von einer gesetzlichen Vorgangsweise zur Einführung 548 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1984  : 9. 549 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1984  : 10. 550 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1984  : 48f. 551 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1984  : 107. 552 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1984  : 107. 553 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1984  : 115. 554 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1984  : 119. 555 Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1984  : 141.

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Arbeitszeitflexibilisierung vs. 35-Stunden-Woche

der Arbeitszeitverkürzung sollte jedoch Abstand genommen werden. Der Beirat bevorzugte eine Durchführung durch die Kollektivvertragspartner, ebenso bei flexiblen Arbeitszeitmodellen. Dies implizierte klar eine Verlagerung von der staatlichen Ebene hin auf die Ebene der Branchen und Betriebe.556 Zusätzlich wurde in flexiblen Arbeitszeitmodellen eine Möglichkeit gesehen, betriebliche Anpassungsprobleme zu überwinden, wenngleich nur jene Modelle in Betracht gezogen werden sollten, die den österreichischen Gegebenheiten am besten entsprächen.557 So standen die Modelle k apovaz und Jobsharing in Österreich nicht zur Debatte.558 6.4.4 Arbeitszeitflexibilisierung als Gegenpol zur linearen Einführung der 35-Stunden-Woche Im selben Zeitraum, in dem Dallinger die »radikale« Verkürzung der Wochenarbeitszeit forderte, tauchte ein neuer Aspekt in der Debatte auf  : die Flexibilisierung der Arbeitszeit. In der Zweiten Republik hatte sie bislang keine Rolle in den Überlegungen der Diskutanten gespielt, wenngleich der Flexibilisierung selbst ein Platz als Vorläufer des Normalarbeitszeitstandards zugewiesen werden kann.559 Dem Zeitraum der Standardisierung der Arbeitszeitnormen ging eine kaum regulierte, weitestgehende Flexibilität von Arbeitszeiten und Lohnarbeitsverhältnissen voraus.560 Stand die Verwirklichung der Arbeitszeitnormen über eine längere Zeitspanne für sozialen Fortschritt und ermöglichte erst »Freizeit«,561 so änderte sich diese Sichtweise sukzessive mit dem Voranschreiten der Flexibilisierungsdebatten. Auf internationaler Ebene lassen sich drei Politiktypen hinsichtlich der Flexibilisierung der Arbeitszeit(en) unterscheiden. Hierbei sind die etatistische Flexibilisierung (z. B. Frankreich), die ausgehandelte Flexibilisierung (z. B. Schweden) und der externe eingeschränkte Voluntarismus bei einem Fehlen gesetzlicher Arbeitszeitregulierung (z. B. Großbritannien) zu nennen.562 In Österreich war die Forderung nach einer Flexibilisierung der Arbeitszeit anfänglich ein Gegenpol zu der von Dallinger geforderten linearen Einführung der 35-Stunden-Woche. Sie beinhaltete neben einer Abkehr von einer zentralen, tariflichen Arbeitszeitpolitik auch individuellere Arbeitszeiten bei gleichzeitiger Indifferenz der Arbeitsverhältnisse gegenüber dem

556 Hussl 1999  : 68  ; Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1984  : 144f. 557 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1984  : 145. 558 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1984  : 145. 559 Schultheiß 2003  : 259. 560 Hielscher 2000  : 14. 561 Vgl. Hielscher 2000  : 14. 562 Vgl. Anxo/O’Reilly 2000a  : 51ff.

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Lebenslauf.563 Generell kann Flexibilität in einer ständigen Variation der Dauer, der Lage oder beider Faktoren gemeinsam liegen.564 Politisch stand die ÖVP eindeutig für eine Arbeitszeitflexibilisierung, mehrheitlich vertreten durch Helga Rabl-Stadler.565 Die SPÖ dagegen präferierte die Arbeitszeitverkürzung.566 An dieser Positionierung hat sich seit dieser Zeit kaum eine grundlegende Veränderung vollzogen. So stand die ÖVP/FPÖ-Regierung Anfang des 21. Jahrhunderts für flexible Arbeitszeiten.567 Die grundsätzliche Positionierung wurde auch im Wahlkampf 2013 deutlich, als Reinhold Mitterlehner (Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend, ÖVP) im Sinne der Arbeitszeitflexibilisierung den 12-stündigen Arbeitstag forderte.568 Daran änderte die Vermengung von Arbeitszeitverkürzung und Arbeitszeitflexibilisierung nichts. Sie erfolgte, ohne dass die Institution der Normalarbeitszeit ausführlich beleuchtet wurde.569 Ursprünglich lautete die Forderung »Arbeitszeitflexibilisierung statt Arbeitszeitverkürzung« und stieß bei der Gewerkschaft auf Kritik.570 Später wurde Arbeitszeitflexibilisierung eine Voraussetzung für Arbeitszeitverkürzung, so dass der Arbeitszeitflexibilisierung ein eigener Stellenwert beigemessen werden kann.571 Letztlich führte sie zu einer Diversifizierung der Arbeitsrhythmen.572 Der österreichische Soziologe Vobruba untergliedert die Arbeitszeitflexibilisierungsdebatte von Ende der 1970er Jahre bis Ende der 1980er Jahre in vier Phasen. Führend in der gesamten Debatte sei dabei die Unterscheidung von Gewinnern und Verlierern einer Arbeitszeitflexibilisierung gewesen.573 Im Mittelpunkt der ersten Phase standen die Interessen, allerdings nicht die Interessenskonflikte.574 Zugleich wurde die Ansicht vertreten, dass Arbeitszeitflexibilisierung eine Situation ausschließlich von Gewinnern erzeuge.575 Davon, dass es nicht nur Gewinner der Arbeitszeitflexibilisierung geben kann, zeugt die zweite Phase. In ihr wurde energisch auf die Interessengebundenheit von Arbeitszeitflexibilisierung aufmerksam gemacht.576 563 Heinze/Hinrichs/Hohn/Offe/Olk 1979  : 277  ; Vgl. Teriet 1979  : 58. 564 Med 1999  : 21. 565 Hardt 1987  : 100. 566 Vgl. Hardt 1987  : 101. 567 Höll 2000  : 29. 568 Vgl. Kronen Zeitung, 16. August 2013  : 4  ; Kronen Zeitung, 17. August 2013  : 4. 569 Wörgötter 1984  : 495. 570 Vgl. Arbeit und Wirtschaft 1989  : 15. 571 Lamel 1989  : 103  ; Stemberger 1984  : 249. 572 Alaluf/Boulin/Plasman 1995  : 15. 573 Vobruba 2006  : 193. 574 Vgl. Vobruba 2006  : 194. 575 Vgl. Vobruba 2006  : 194  ; Seicht 1988  : 34. 576 Vgl. Vobruba 2006  : 194.

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Arbeitszeitflexibilisierung vs. 35-Stunden-Woche

1984 beruhte die Arbeitgeberstrategie darauf, Arbeitszeitflexibilisierung als »Alternativangebot« zur kollektiven Arbeitszeitverkürzung ins Gespräch zu bringen.577 Das kam einer Offensivstrategie für eine flexiblere Arbeitszeitgestaltung578 gleich und wurde zu diesem Zeitpunkt kompromisslos verfolgt.579 Dies wiederum ermutigte die Gewerkschaften in ihrer Skepsis gegenüber der »Flexibilität der Arbeitszeitvereinbarungen«580 sowie in ihrer Kritik an der Arbeitszeitflexibilisierung.581 Sie positionierten sich nunmehr eindeutig gegen die Interpretation, dass Arbeitszeitflexibilisierung Vorteile für »alle« bringe, und sahen in den Arbeitnehmern jene, die die Kosten zu tragen hätten.582 Auf der anderen Seite wurde angesichts der steigenden Arbeitslosigkeit die Beschäftigungswirkung der Arbeitszeitflexibilisierung betont.583 In der dritten Phase der Debatte zeigte sich, dass sowohl die Position, Arbeitszeitflexibilisierung schaffe eine gewinnbringende Situation für »alle«, als auch die Gegnerschaft der Gewerkschaft gegen Arbeitszeitflexibilisierung nicht aufrechtzuerhalten war.584 Dies hatte zwei Gründe  : Zum einen konnten die Arbeitnehmerwünsche hinsichtlich flexibler Arbeitszeiten nicht mehr ignoriert werden.585 Zum anderen wurde der Gewerkschaft vorgeworfen, ihre Weigerung bei der Umsetzung einer Flexibilisierung verursache erst die Nachteile, wegen der die Gewerkschaft diese ablehne, und dies würde einen Rückgang des Einfluss der Funktionäre bedeuten.586 In dieser Phase wurde zugleich den Arbeitgebervertretern die Empirie der tatsächlich existierenden Flexibilität entgegengehalten.587 Abschließend kam es in einer vierten Phase zu einer Ausweitung des Arbeitszeitflexibilisierungsdiskurses.588 Thematisch wurde Arbeitszeitflexibilisierung nunmehr in den Dimensionen Zeit, Raum und Qualifikation behandelt.589 Dies geschah vor dem Hintergrund zunehmender ökonomischer Instabilitäten sowie der Entwicklung flexibler bzw. atypischer Arbeitszeitmodelle.590 Grundsätzlich stieg im Laufe der Diskussionen die Bedeutung der Arbeitszeitflexibilisierung in Österreich, so dass diese

577 Vobruba 2006  : 194. 578 Bretschneider/Dollinger/Lamel/Ulram 1985  : 75. 579 Vgl. T. Schmid 1993  : 201. 580 B. Schwarz 1980  : 35. 581 Vgl. Bleses/Vetterlein 2002  : 135. 582 Vgl. Vobruba 2006  : 195. 583 Vgl. Vobruba 2006  : 195. 584 Vgl. Vobruba 2006  : 196. 585 Vgl. Vobruba 2006  : 196. 586 Vgl. Seicht 1988  : 34  ; Vobruba 2006  : 196. 587 Vgl. Vobruba 2006  : 196. 588 Vgl. Vobruba 2006  : 196. 589 Vgl. Vobruba 2006  : 196. 590 Vgl. Vobruba 2006  : 196.

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nicht mehr so sehr den Gegenpol zur Einführung der 35-Stunden-Woche darstellte, sondern gewissermaßen als Aspekt der Verlängerung von Arbeitszeiten diente. Die Interessenslagen einer Arbeitszeitflexibilisierung gleiche den zwei Seiten einer Medaille. So kann die freie Arbeitszeiteinteilung Vor- und Nachteile für Arbeitnehmer wie für Arbeitgeber haben. Für die Arbeitnehmer bedeutete sie, dass neue Zeitoptionen möglich werden, aber auch, dass diese von betrieblichen Gegebenheiten abhängig sind.591 Dabei ist die betriebliche Dominanz der Einschränkung der Arbeitszeitindividualität des Arbeitnehmers im Alltag tonangebend.592 In der ersten Phase der Flexibilisierungsdebatte in Österreich lagen grundsätzlich die Interessen im Mittelpunkt der Diskussion. Für Stemberger bedeutete dies vor allem mehr Flexibilität für die Arbeitnehmer. Spätestens 1983 wurde dies dann aber zu einem Mehr an Flexibilität für die Arbeitgeber umgedeutet.593 Gleichermaßen bedeute es eine Ausweitung der Souveränität der Wirtschaft über die Zeit der Arbeitnehmer.594 Dabei sollte keineswegs eine Einbindung von berufstätigen Frauen über neue Arbeitszeitmodelle erfolgen.595 Wesentliche Devisen waren einerseits »Freiheit für den einzelnen«, andererseits »Jedem die Arbeitszeit seiner Wahl«.596 Diese Individualität der freien Arbeitszeitgestaltung wurde in der Debatte nicht immer als freie Zeiteinteilung durch die Arbeitnehmer interpretiert, würde doch die erforderliche Koordination mit Familie, Freunden etc. durchaus eine tatsächlich freie Arbeitszeitwahl beeinträchtigen.597 Darüber hinaus müsse nicht zwangsläufig der Arbeitnehmer in die Arbeitszeiteinteilung des Unternehmens eingebunden werden.598 Allerdings wurde erkannt, dass dies eine Möglichkeit darstellte, den individuellen Bedürfnissen des Menschen Rechnung zu tragen.599 Mitte der 1980er Jahre rückte das Unternehmen als Profiteur der Arbeitszeitflexibilisierung ins Zentrum des Diskurses. Eine Anpassung des zeitlich differenzierten Arbeitsanfalls in den Betrieben sollte demnach erreicht werden, insofern die Unternehmen bestimmten, wer wann wo und wie arbeitet.600 Von Anbeginn an standen in den 1980er Jahren die Diskussionsstränge 35-Stunden-Woche und Arbeitszeitflexibilisierung im Spannungsverhältnis der Beschäftigungspolitik. Während die österreichische Sozialpolitik, vertreten durch Sozialmi591 Vgl. Hildebrandt/Hielscher 1999  : 46. 592 Vgl. Hildebrandt/Hielscher 1999  : 46. 593 Vgl. Stemberger 1983a  : 35  ; Stemberger 1983b  : 303. 594 Stemberger 1983b  : 303  ; Stemberger 1983a  : 10. 595 Stemberger 1983b  : 305. 596 B. Schwarz 1983  : 34. 597 Vgl. Stemberger 1985a  : 30  ; Leutner 2002  : 39. 598 Stemberger 1985c  : 19. 599 Korosec 1985a  : 21. 600 Glatz 1986  : 31  ; Issen 1995  : 13  ; Mooslechner-Stranzinger 1991  : 92.

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nister Dallinger, die lineare Einführung der 35-stündigen Arbeitswoche protegierte, wurde für die Unternehmensseite die Strukturierung der Arbeitszeit nach den betrieblichen Bedürfnissen, die »Arbeit nach Maß«, wesentlich. Neben dem Ausgleich von Beschäftigungsschwankungen sollte durch flexiblere Arbeitszeiten eine weniger schlechte Position der am Arbeitsmarkt benachteiligten Gruppen erreicht werden.601 Als Alternative zu flexiblen Arbeitszeiten wurden andernfalls notwendige Kündigungen in den Raum gestellt.602 Dementsprechend wurden flexible Arbeitszeiten »als adäquates Gestaltungsinstrument im Prozess einer fortschreitenden Individualisierung der Gesellschaft beworben.«603 Insofern umfasste die Diskussion um Arbeitszeitflexibilisierung ein breites Maß an Vorschlägen mit beschäftigungspolitischer Wirkung.604 Dadurch konnten die Themenkreise Beschäftigungspolitik und Zeitsouveränität gleichermaßen abgedeckt sowie eine Arbeitszeitverkürzung unterlaufen werden.605 Von der Gegenseite wurde nicht nur der Arbeitszeitverkürzung, sondern auch der Arbeitszeitflexibilisierung eine mangelhafte Beschäftigungswirkung vorgeworfen.606 Neben Gleit- und Teilzeit kam es zur Verbreitung von Modellen mit individueller Zeitwahl sowie variablen Arbeitszeiten.607 Arbeitszeitmodelle spielten eine prominente Rolle im Diskurs, während die Normalarbeitszeit mit einer 40-stündigen Arbeitswoche weiterhin ein Bollwerk der traditionellen Arbeitszeitordnung608 darstellte und in vielerlei Hinsicht damit eine lineare Arbeitszeitverkürzung als tradierte Arbeitszeitstruktur bewahrt werden sollte.609 Für Stemberger machten diese Arbeitszeitmodelle, insbesondere die Bandbreitenmodelle,610 den Trend von der erweiterten »Zeitsouveränität« des Arbeitnehmers zur erweiterten »Zeithegemonie« des Arbeitgebers deutlich.611 In diesen Modellen wurden Maßnahmen zur Förderung der Rationalisierung und Kosteneinsparung für die Unternehmer gesehen, wobei 601 Vgl. Heinze/Hinrichs/Hohn/Offe/Olk 1979  : 277. 602 Vgl. B. Schwarz 1983  : 34. 603 Plaschg 2008  : 99 (Hervorhebung durch Verfasser). 604 Vgl. Christl/Pichelmann 1983  : 213. 605 Vgl. Ziegler 1985  : 3  ; Anzbacher 1985  : 5. 606 Vgl. Bretschneider/Dollinger/Lamel/Ulram 1985  : 76  ; Köpke 1987  : 37. 607 Stemberger 1985a  : 31. 608 Wirtschaftspolitische Blätter 1979b  : 73. 609 Teriet 1979  : 49. 610 Diskutiert wurde in den 1980er Jahren vornehmlich das Modell »35/45«, das schwankende Wochenarbeitszeiten zwischen 35 und 45 Stunden vorsah  ; die 40-Stunden-Woche sollte »nur noch« ein Basismodell sein, das im saisonalen oder jährlichen Durchschnitt zu erreichen war. Praktische Anwendung fand dieses Modell in der Ski-Industrie insbesondere bei der Firma Blizzard. Das AZG sollte gleichfalls dahingehend angepasst werden, dass ein solches Schwanken der wöchentlichen Arbeitszeiten zwischen 35 und 45 Stunden möglich war. Vgl. Mooslechner-Stranzinger 1991  : 76f. 611 Stemberger 1983b  : 304.

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Arbeitszeitflexibilisierung aus deren Sicht generell als kostenschonend beurteilt wurde.612 Durchwegs waren in den Diskussionen Modelle à la Jobsharing, k apovaz oder frequovaz, Teilzeitarbeit, Gleitzeit oder der gleitende Ruhestand omnipräsent, die sich in den 1980er Jahre in der Arbeitswelt etablierten.613 In den Diskussionen wurde besonders die Schichtarbeit als irreguläre Arbeitszeit kontrovers diskutiert  ;614 wobei von einer weiteren Zunahme bei erfolgter Arbeitszeitverkürzung ausgegangen wurde.615 Als negativ galten Arbeitszeitverdichtung sowie Entgeltverluste,616 als positiv die Entlastung der Infrastruktur und eine Verbesserung der Situation der Konsumenten.617 Aus betriebswirtschaftlicher Sicht war die Verlagerung der Bemessung der Arbeitszeiten hin zu einem monatlichen bzw. jährlichen Durchrechnungszeitraum positiv zu bewerten.618 Durchgängig betrafen die wirtschaftlichen Interessen der Unternehmer innerhalb der Arbeitszeitflexibilisierungsdiskussion die Anpassung des Arbeitskräftebedarfs an Auftragslage, das Ausschöpfen möglicher Arbeitskräftereserven sowie die Minimierung des Arbeitskräfteeinsatzes, eine verbesserte Auslastung von Maschinen und Investitionen und die Kostensenkung durch Überstundenzahlungsabbau.619 Bartunek untersuchte 1982 die Verbreitung der neuen Arbeitszeitformen. Es zeigte sich, dass besonders Arbeitnehmer mit niedrigen Qualifikationen solchen Arbeitszeitmodellen nachgingen, allerdings bestimmte Sonderformen auch von höher qualifizierten Beschäftigungsgruppen akzeptiert wurden.620 Für Stemberger war aus der betrieblichen Praxis ersichtlich, dass Jobsharing in der Regel die Überwälzung des Unternehmerrisikos auf die Beschäftigen bedeutete.621 Im Weiteren zeigte sich nach seiner Untersuchung, dass die flexiblen Arbeitszeitmodelle unter Angestellten, technischen Berufen, im Dienstleistungssektor, in Betrieben mit mehr als 50 Beschäftigen bzw. mehrheitlich mit über 500 Beschäftigten, in einigen ausgewählten Wirtschafsklassen (z. B. Geld- und Kreditwesen) sowie in Wien und Vorarlberg besonders weit verbreitet622 waren. 612 H. Kepplinger/Preslmaier 1985  : 59  ; Stemberger 1985c  : 22  ; Hardt 1987  : 16  ; R. Moser/H. Resch 1994  : 14  ; Spreitzer 1999  : 91f. 613 Vgl. Ofner 1982  : 15  ; Stemberger 1983a  : 8f.; Hauth 1989  : 28  ; Mooslechner-Stranzinger 1991  : 69ff. 614 Vgl. Gaudart 1982  : 6. 615 Vgl. B. Schwarz 1984  : 31. 616 Stemberger 1984  : 253  ; Ziegler 1985  : 3. 617 Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1984  : 120  ; Hardt 1987  : 10. 618 Vgl. Hauth 1989  : 29. 619 Cerny 2001  : 30  ; B.  Schwarz 1983  : 34. 620 Vgl. Bartunek 1982  : 42. 621 Stemberger 1983a  : 23. 622 Vgl. Stemberger 1983b  : 305  ; Stemberger 1984  : 251.

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Generell spielte die rechtliche Betrachtung solcher Modelle eine wesentliche Rolle in der Debatte, da Anfang der 1980er Jahre erwartet wurde, dass der Wert allgemein verbindlicher rechtlicher Richtlinien in Form eines Gesetzes oder eines Kollektivvertrags zunehmen würde.623 Eine Untersuchung der rechtlichen Aspekte war u. a. notwendig, da dem 1969 beschlossenen Arbeitszeitgesetz vorgeworfen wurde, die Arbeitszeitforderungen zu behindern sowie den Anforderungen grundsätzlich nicht mehr zu entsprechen.624 Vielfach gelang es, den Diskussionsstrang auf familiäre und soziale Motive625 zurückzuführen, da der Wunsch nach individueller Zeitsouveränität und nach einer Reduktion der Belastungen aus der Erwerbsarbeit,626 wie der steigende Bedarf an einem verlängerten Wochenende in den 1980er Jahren zeigte, größer wurde. Gleichzeitig drängte diese Individualität der Arbeitszeit(en) die generelle Durchsetzung einer Arbeitszeitreduktion zurück.627 Eine besondere Rolle übernahm die Sonderform k apovaz bzw. frequovaz, bei denen die insgesamt geschuldete Arbeitszeit im Voraus festgelegt628 wird. Wesentliche Merkmale sind die potentielle Einsatzzeit sowie die Ankündigungsfrist zwischen Abruf und Arbeitsleistung.629 Zusätzlich wurde in den Diskussionen unter k apovaz oft »Arbeit auf Abruf«630 verstanden. Diese Variation schien – wie Jobsharing – besonders auf die Teilzeitarbeit zugeschnitten zu sein.631 Das mehrheitliche Einsatzgebiet lag Anfang der 1980er Jahre im Handel, was sich bis Ende der 1990er Jahre nicht änderte.632 1985 waren gemäß einer Erhebung ca. 11 % der teilzeitbeschäftigten Einzelhandelsangestellten633 in diesem Arbeitszeitmodell zu finden. Ablehnung von Arbeitnehmerseite erfuhr das Modell durch seine mehrmonatigen Durchrechnungszeiträume, ein verringertes und unregelmäßiges Entgelt sowie Beschränkungen in der Planbarkeit der Freizeit.634 Die Bundeswirtschaftskammer stand ihm gleich623 B. Schwarz 1984  : 30. 624 Vgl. B. Schwarz 1984  : 30. 625 Mooslechner-Stranzinger verweist darauf, dass die ÖVP-Frauen und deren Teilorganisationen auf die realen Gegebenheiten der Geschlechterdifferenz eingingen. Auf die Vereinbarkeit von Beruf und Haushalt wurde ohne Aufgabe der prinzipiellen Rollenteilung von Mann und Frau abgezielt. Vgl. Mooslechner-Stranzinger 1991  : 124f. 626 Altun 2005  : 192. 627 Vgl. Teriet 1979  : 58. 628 Schultheiß 2003  : 270. 629 Vgl. Kandera 1999  : 55. 630 Vgl. G. Klein 1984  : 305  ; Pointner 1985  : 78  ; Hardt 1987  : 100  ; Mitterlehner, Reinhold  : Sten. Prot. NR, XXII. GP, 27.  Sitzung  : 43  ; Mooslechner-Stranzinger 1991  : 78. 631 Vgl. Stemberger 1983a  : 21  ; Stemberger 1983b  : 304  ; Hardt 1987  : 26  ; Mooslechner-Stranzinger 1991  : 79f. 632 Vgl. Stemberger 1983b  : 304  ; Leutner 1989  : 49  ; Tálos 1999b  : 264. 633 Stemberger 1985e  : 40. 634 Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1984  : 111  ; Stemberger 1983b  : 305  ; Stemberger 1985d  : 38.

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falls ablehnend gegenüber, allerdings aus dem Grund, dass es nur einem kleinen Teil der Unternehmer nützte.635 Als Vorteile wurden jedoch aus Unternehmersicht stark sinkende Personalkosten, erhöhte Mitarbeiterproduktivität und eine Verlängerung der Betriebszeiten genannt.636 Bis etwa 1985 wurde dieses Arbeitszeitmodell ausführlich diskutiert, u. a. mit einem Argumentationspapier des ÖGB,637 und eingehend beleuchtet, wenngleich solche Modelle wie k apovaz in der Praxis selbst eine geringere Bedeutung hatten.638 1987 fand diese Arbeitszeitform Eingang in das Koalitionsabkommen zwischen SPÖ und ÖVP. Darin wurde vereinbart, sie nicht zuzulassen.639 Allerdings rückten später andere Sonderformen in den Fokus. Erst Mitte/Ende der 1990er Jahre tauchte ­k apovaz wieder häufiger in den Debatten auf. Weiterhin wurde auf die Einseitigkeit des Nutzens für die Arbeitgeber hingewiesen und als Alternative die Rufbereitschaft angeführt sowie die Kritik daran sowie an Arbeit auf Abruf erneuert.640 Andererseits wurde in k apovaz ein hohes Flexibilisierungspotential gesehen, insofern es dem Arbeitgeber ermöglicht, die von dem Arbeitnehmer zu erbringende Arbeitsleistung nahtlos mit dem jeweiligen Bedarf und den betrieblichen Bedürfnissen zu koordinieren.641 Dies machte sich in einem Fehlen einer mittelfristig planbaren Einteilung der Arbeitszeiten642 für die Arbeitnehmer bemerkbar. Obgleich die Vor- und Nachteile der diversen Modelle für die Arbeitgeber und -nehmer unter die Lupe genommen wurden, spielte die Frage nach den Wünschen der Arbeitnehmer nur eine Nebenrolle. Zwei Faktoren sollten dies ändern  : Zum einen war dies der Wunsch nach einem verlängerten Wochenende, der immer öfter diskutiert wurde. Zum anderen drang immer stärker ins Bewusstsein, dass die Lage der Arbeitszeit veränderbar ist. In der Folge kam es vermehrt zur Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Arbeitnehmern, da grundsätzlich, so hieß es, davon auszugehen sei, dass diese Modelle nur so längerfristig erfolgreich seien.643 Bis Ende der 1980er Jahre zeigte sich, dass die Arbeitgeberseite in der Debatte um neue Arbeitszeitmodelle vermehrt die Vorreiterrolle übernommen hatte.644 Ausschlaggebend für die Passivität der Arbeitnehmerseite waren einerseits die Uneinigkeit des Gewerkschaftsbundes nach innen und andererseits die Omnipräsenz der 635 Hardt 1987  : 103a. 636 Hardt 1987  : 27. 637 Bretschneider/Dollinger/Lamel/Ulram 1985  : 105. 638 B. Schwarz 1991  : 11. 639 Spreitzer 1999  : 89. 640 Vgl. Reithofer 1995  : 126  ; Mitterhuber 1995  : 27  ; Höll 2000  : 30. 641 Kilz/Reh 1996  : 44  ; Kandera 1999  : 56  ; Mitterbauer 2000  : 45. 642 Kandera 1999  : 54  ; Altun 2005  : 40. 643 Mall 1999  : 67. 644 Vgl. Hardt 1987  : 102.

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Forderung nach der 35-Stunden-Woche nach außen. Insgesamt breiteten sich Arbeitszeitmodelle weiter aus. Eine nennenswerte Verkürzung der Arbeitszeit erfolgte indes erst Ende der 1980er Jahre. Zusätzlich zeigte die Ausbreitung verschiedenster Arbeitszeitmodelle in den folgenden Jahrzehnten massive Koordinationsprobleme innerhalb und außerhalb des Betriebs.645 Arbeitszeitordnungen hatten ursprünglich zwei Aufgaben   : Einerseits ging es darum, die Möglichkeit einer straffen Zeiteinteilung für die Massenproduktion sicherzustellen. Dies schloss individuelle Präferenzen der Arbeitnehmer aus. Andererseits benötigten die Arbeitnehmer aufgrund ihrer sozialen Stellung eine geregelte Höchstarbeitszeit.646 Der letzte Punkt wurde mit dem Arbeitszeitgesetz 1969 erreicht. Bereits vor dessen Entstehen war davor gewarnt worden, dass es sich als zu starr erweisen könnte. Die nunmehrige Behauptung der »Inflexibilität« des Arbeitszeitgesetzes bezog sich darauf, dass es eine unzureichende flexible Arbeitszeitgestaltung erlaube. Anfänglich beriefen sich die Kritiker auf sozialethische Motive, so etwa auf die individuellere Gestaltung von Arbeitszeiten.647 Als Gegenargument wurde auf ein Erreichen der möglichen Flexibilisierung über Kollektivvertragsabschlüsse bzw. betriebliche Regelungen unter Arbeitnehmermitbestimmung hingewiesen.648 Weiters wurde betont, dass eine Flexibilisierung des Arbeitszeitrechts eine unverzichtbare Vorbedingung für die Bewältigung jeglicher Arbeitszeitverkürzung sei.649 Es wurde auch auf die Erweiterung des Durchrechnungszeitraumes der höchstzulässigen täglichen Normalarbeitszeit650 und des Einarbeitungszeitraumes durch Gesetz und Kollektivvertrag sowie die Ermächtigung, Überstunden durch Zeitausgleich abzugelten,651 verwiesen, wenn es darum ging aufzuzeigen, wie unflexibel das Gesetz in seiner jetzigen Ausformung doch sei. Zudem stand der Vorwurf im Raum, flexible Arbeitszeiten könnten nur mittels illegalen Vorgehens der Unternehmer eingeführt werden.652 Die ausführliche rechtliche Beleuchtung ergab allerdings, dass einige der 645 Altun 2005  : 178  ; Schilling 2003  : 182. 646 Vgl. Supper 1979  : 85. 647 Vgl. Cerny 1980  : 257  ; Hofbauer/Schüssel 1984  : 113  ; Stemberger 1984  : 252  ; Mayr 1987  : 202. 648 Vgl. Cerny 1980  : 257. 649 Bretschneider/Dollinger/Lamel/Ulram 1985  : 76. 650 BWK-Generalsekretär Karl Kehrer hatte sich 1985 dazu geäußert. Er war für eine Verlängerung des Durchrechnungszeitraumes auf 52 Wochen, die Ausdehnung der Normalarbeitszeit auf 45 Wochenstunden innerhalb von 13 Wochen bei einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 40 Stunden, die Schaffung von noch größeren Durchrechnungszeiträumen per Kollektivverträgen, die Verankerung von Gleitzeit im AZG, die Ausdehnung der täglichen Höchstarbeitszeit auf zehn Stunden, die Veränderung der gesetzlichen Überstundenentlohnung, eine Ausdehnung der Jugendarbeitszeit bis 23 Uhr sowie die Anpassung der Jugendarbeitszeit an die übrigen Mitarbeiter. Vgl. Mooslechner-Stranzinger 1991  : 69. 651 Kittel 1996  : 232f. 652 Vgl. Stemberger 1983a  : 40.

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neuen Arbeitszeitmodelle durchaus ohne kollektivvertragliche Regelungen praktiziert werden konnten.653 Ende der 1980er Jahre intensivierte sich dann die Auseinandersetzung. Die Sozialpartner wurden mit dem Regierungsabkommen 1987 gewissermaßen aufgefordert, sich mit flexiblen Arbeitszeiten auseinanderzusetzen.654 Zugleich zeigte sich, dass Anfang der 1990er Jahre die Flexibilisierungsspielräume von den österreichischen Unternehmen nur in geringerem Ausmaß genützt wurden655 – trotz der erhobenen Vorwürfe. Bereits Anfang der 1980er Jahre glaubte man durch Ankündigung einer neuerlichen Arbeitszeitverkürzung eine Verunsicherung der Bevölkerung zu erkennen, der man am besten mit Flexibilität in diversen Bereichen zu begegnen habe.656 Grundsätzlich sah man eine steigende Bedeutung der Arbeitszeitflexibilisierung bei weiteren Verkürzungen der Arbeitszeit.657 Generell wurde eine wechselseitige Beeinflussung von Arbeitszeitverkürzung und flexibler Arbeitszeitregelung erkannt.658 Erst ab dem Frühjahr 1984 schienen die Bemühungen der Flexibilisierungsanhänger erstmals in die Medien durchzudringen.659 Trotzdem herrschte die Meinung vor, dass es eine Gesprächsbereitschaft geben müsse, um so eine Arbeitszeitverkürzung zu erreichen, obwohl in den Jahren zuvor ein Erkaufen von Arbeitszeitverkürzung durch Arbeitszeitflexibilisierung als negativ beurteilt worden war.660 Dennoch waren die Rollen fest verteilt. Der ÖGB verlangte weiterhin die gesetzliche Arbeitszeitverkürzung, während die BWK kaum von einer Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes abrückte.661 Dies erhöhte in der Folge die Bedeutung der jeweiligen Fachverbände, die somit die Initiative für die Neuregelung der Arbeitszeit übernahmen.662 6.4.5 Die Lage der wöchentlichen Normalarbeitszeit Ein Bereich, in dem die individuelle Verteilung besonders deutlich zu Tage trat, war der Diskurs um die Ladenöffnungszeiten. Die Öffnungszeiten wurden erstmals 1885 durch eine Novelle der Gewerbeordnung – zumindest indirekt – eingeschränkt. Die 653 Vgl. Stemberger 1983a  : 40. 654 Kittel 1996  : 235  ; Mooslechner-Stranzinger 1991  : 68. 655 T. Schmid 1993  : 202. 656 Vgl. Schwimmer, Walter  : Sten. Prot. NR, XV. GP, 96.  Sitzung  : 9601. 657 Vgl. Mayr 1987  : 207. 658 Vgl. Stemberger 1984  : 260. 659 Autischer 1985  : 16ff. 660 Vgl. Ziegler 1985  : 3  ; H.  Kepplinger/Preslmaier 1985  : 68  ; Bleses/Vetterlein 2002  : 135  ; Vobruba 2006  : 193ff. 661 Vgl. Kittel 1996  : 235. 662 Kittel 1996  : 235.

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Regelungen betrafen die Ruhepausen von Hilfsarbeitern sowie die Sonn- und Feiertagsruhe. So hatte die gewerbliche Arbeit sonntags zu ruhen und Hilfsarbeitern musste der Besuch der Vormittagsgottesdienste an Feiertagen gestattet werden.663 Gesetzlich wurde die Sonntagsruhe 1895 als Bestandteil der Gewerbeordnung verankert. Artikel II dieses Gesetzes sah vor, dass sie spätestens um 6 Uhr morgens für die gesamte Arbeitnehmerschaft eines Betriebes beginnen musste und mindestens 24 Stunden zu dauern hatte  ; Artikel III sah Ausnahmeregelungen vor. Artikel IX erlaubte dem Handelsgewerbe die Öffnung von sechs Stunden an Sonntagen, wobei die polizeiliche Landesbehörde die genauen Öffnungszeiten festlegte. Darüber hinaus mussten während der Zeit, in der die Sonntagsarbeit nicht gestattet war, die Eingangstüren, die zu den Geschäftsräumen führten, verschlossen sein.664 Direkt wurden Ladenschlusszeiten für das Handelsgewerbe und verwandte Geschäftsbetriebe erstmalig 1910 geregelt. Dabei waren jene für den Kundenverkehr offen zugänglichen Geschäftsräumlichkeiten (Laden) samt Kontoren und Magazinen von 8 Uhr abends bis 5 Uhr morgens geschlossen zu halten  ; die Ladenschlusszeiten im Lebensmittelhandel begannen um 9 Uhr abends. Im selben Gesetz wurde eine ununterbrochene Ruhezeit der Hilfsarbeit von elf Stunden – für Kutscher betrug sie zehn Stunden – festgelegt.665 Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zu einer weiteren Änderung der Ladenschlusszeiten im Rahmen der Sozialgesetzgebung von 1919. Die Ladenschlusszeiten wurden auf 7 Uhr abends bis 5 Uhr morgens ausgedehnt. Ebenso musste der Lebensmittelhandel um eine Stunde früher die Läden schließen, und die Ruhezeit wurde um eine Stunde ausgedehnt. Im Großhandel war der Ladenschluss mit 6 Uhr abends vorgesehen.666 Im Dezember 1939 wurde festgelegt, dass die Zeit, in der offene Verkaufsstellen für den Kundenverkehr geöffnet sein mussten, durch eine behördliche Anordnung festgelegt wurden  ; im Falle des Fehlens einer solchen Anordnung besaßen die bisherigen Vorschriften Geltung.667 Das R-ÜG schuf eine wenig überschaubare Rechtslage, was die Ladenschlusszeiten betraf.668 Zu einer Bereinigung kam es erst 1958, als ein neues Ladenschlussgesetz herausgegeben wurde. In ihm wurden die Ladenöffnungszeiten für den Einzelhandel geregelt. § 2 Abs. 1 sah einen Ladenschluss im Zeitraum von 18 Uhr abends bis 7.30 Uhr morgens vor  ; im Kleinverkauf von Lebensmitteln sollte er von 18.30 Uhr bis 6.30 Uhr morgens dauern. Für Verkaufsstellen von Milch, Milchprodukten und Backwaren galt ein Öffnungsbeginn von 6 Uhr

663 Vgl. RGBl. 22/1885  : 36f.; Grabenwarter 1992  : 6f.; Einspieler 2009  : 51. 664 Vgl. RGBl. 21/1895  : 55ff.; Grabenwarter 1992  : 9ff.; Schnarrer 1998  : 233ff.; Einspieler 2009  : 51f. 665 Vgl. RGBl. 19/1910  : 39  ; Grabenwarter 1992  : 14ff.; Promper 2007  : 14  ; Einspieler 2009  : 52. 666 Vgl. StGBl. 282/1919  : 648f. 667 Vgl. DRGBl. 1939 I  : 2471f. 668 Vgl. Grabenwarter 1992  : 19f.

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morgens sowie für Bäckereien von 5.30 Uhr morgens. Zusätzlich war donnerstags ein Ladenschluss um 13 Uhr vorgesehen. Allerdings konnte auf Verordnung des Landeshauptmanns der Ladenschluss von Donnerstag auf Mittwoch verlegt werden, wenn donnerstags mit stärkeren Einkaufsbedürfnissen der Bevölkerung zu rechnen war. Alternativ konnte der Landeshauptmann den Ladenschluss auch auf den Samstag verlegen.669 1964 kam es zu einer Novellierung des Ladenschlussgesetzes. Der 24. und 31. Dezember wurden nunmehr gesondert geregelt. Die Neuregelung sah vor, dass an diesen Tagen der Ladenschluss um höchstens zwei Stunden vorverlegt werden konnte.670 Indirekt wirkte sich auch das 1983 erlassene Arbeitsruhegesetz mit der Regelung der Sonn- und Feiertagsruhe auf die Ladenöffnungszeiten aus.671 Ein Jahr später wurde das BZG erlassen. Es regelte in § 2 Abs. 2 die Zulässigkeit gewerblicher Tätigkeiten an Sonn- und Feiertagen.672 Ende der 1980er Jahre wurden einige Regelungen unter dem Stichwort »Erwerbsfreiheit« aufgehoben, u. a. der donnerstägliche »Sperrhalbtag«.673 Mit Entscheidung des VfGH wurde per Gesetz 1988 das Ladenschlussgesetz dahingehend geändert, dass der »Sperrhalbtag« verpflichtend auf den Samstag ab 13 Uhr fiel. Ferner wurden drei lange Einkaufssamstage an den drei letzten Samstagen vor dem 24. Dezember mit Öffnungszeiten bis 18 Uhr beschlossen. Dies galt nicht für den Verkauf von Lebensmitteln – ausgenommen Süßwaren –, und sollte einer dieser Samstage ein Feiertag sein, so zählte er nicht zu den drei langen Einkaufssamstagen. Abweichend davon konnten die Landeshauptleute per Verordnung festlegen, dass an einem vierten Samstag vor dem 24. Dezember die Verkaufsstellen bis 18 Uhr geöffnet sein können. Für den Zeitraum vom 1. September 1988 bis 30. November 1989 galten zudem veränderte Ladenschlusszeiten. So konnte der Ladenschluss einmal im Monat, ausgenommen Samstag, auf 20 Uhr oder alternativ einmal im Monat samstags auf 17 Uhr verlegt werden, wobei dies nicht für den 24. und 31. Dezember galt.674 Ende 1988 sah es der VfGH als gegeben an, dass das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit durch die Verordnung des Landeshauptmannes beeinträchtigt war, wenn auf dessen Anordnung die Geschäftsstellen während der Geschäftszeiten maximal zwei Stunden geschlossen zu halten waren. Zwei Änderungen folgten indes mit der Ladenschlussgesetznovelle 1989. 1) Aus dem Ladenschlussgesetz wurde nunmehr ein Öffnungszeitengesetz,675 in dem geregelt wurde, wann Verkaufsstellen geöffnet ha669 Vgl. BGBl. 156/1958  : 1359f. 670 Vgl. BGBl. 203/1964  : 1204. 671 Vgl. BGBl. 144/1983  ; Grabenwarter 1992  : 21. 672 Vgl. BGBl. 129/1984  : 1085. 673 Vgl. Grabenwarter 1992  : 21  ; Einspieler 2009  : 53. 674 Vgl. BGBl. 421/1988  : 2997. 675 Vgl. Promper 2007  : 15.

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ben dürfen. 2) Die allgemeinen Ladenöffnungszeiten wurden um eine halbe Stunde bis 18.30 Uhr ausgedehnt.676 Das Erkenntnis des VfGH vom 9. Oktober 1990 hob diese Ladenschlussregelung als verfassungswidrig auf, so dass es Anfang der 1990er Jahre zu einer Neuregelung der Öffnungszeiten kommen musste. Erste Ansätze in Richtung einer größeren Diskussion zu den Ladenschlusszeiten hatte es bereits in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre, vornehmlich bei der Shopping City Süd, gegeben.677 Unter anderem wurde die Öffnung der Geschäfte am 8. Dezember diskutiert, die erstmals der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer 1984 für Salzburg zuließ. Die mediale Berichterstattung dazu diente nicht so sehr den Ladenöffnungszeiten, sondern vielmehr der Arbeitszeitflexibilisierung.678 Kritisiert wurden dabei das Auseinanderdriften der Beschäftigungszeiten einerseits und der Öffnungszeiten der Geschäfte andererseits. Daneben wurde die Verschiebung der Feiertage angedacht. Ab dem Beginn der 1980er Jahre kam es zu einer vermehrten Praxis eines verlängerten Wochenendes über den Samstag und freien Sonntag hinaus. Ein weiteres Freizeitareal entwickelte sich mit der Reduzierung der täglichen Arbeitszeit und der Herausbildung des Feierabends.679 Komplementär zur Arbeitszeitverkürzung entstand mit der Nacht ein geschützter Bereich für Kinder und später für Frauen.680 Die weiteren Verkürzungen brachten schließlich die 40-Stunden-Woche bei Einführung der Fünf-Tage-Woche mit einem zusätzlichen freien Tag, dem Samstag. Um das verlängerte Wochenende zu erreichen, wurde im Sinne der Flexibilisierung eine Verlängerung der täglichen Arbeitszeit akzeptiert.681 Aber nicht nur in der Steyr-Daimler-Puch AG, sondern generell wurde der tageweise Urlaubsverbrauch zur Ausdehnung des Wochenendes zu einem Trend.682 Daneben wurden die Einarbeitung von Fenstertagen, der Ausgleich der Überstunden durch Freizeit sowie Gleitzeit und flexible Arbeitszeitmodelle zur Nutzung von Zeitguthaben verwendet.683 In den 1960er Jahren war die Verteilungsfrage noch wenig beachtetet worden, wenngleich das Erstreben eines möglichst langen Wochenende durch die Arbeitnehmer teilweise in Betracht gezogen worden war.684 In den ersten Diskussionen Ende der 1970er Jahre in den Wirtschaftspolitischen Blättern können zwei grundsätzliche

676 Vgl. BGBl. 633a/1989  : 4176a. 677 Vgl. Plaschg 2008  : 98. 678 Vgl. Spreitzer 1999  : 99. 679 Vgl. Rinderspacher 2000  : 68. 680 Vgl. Rinderspacher 2000  : 68. 681 Vgl. Rinderspacher 2000  : 66. 682 Vgl. Stemberger 1986  : 40. 683 Vgl. Stemberger 1986  : 40. 684 Vgl. Goldschmidt 1962  : 257  ; Klose 1962a  : 224f.

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Positionen zu dieser Verteilungsfrage erkannt werden.685 Auf der einen Seite wurde eher für eine lineare Arbeitszeitverkürzung als für eine Verteilung der Arbeitszeit auf viereinhalb Tage plädiert.686 Auf der anderen Seite gab es auch Befürworter einer Einführung der Vier-Tage-Woche, wobei als Voraussetzung galt, dass erstens der Ansturm auf die Freizeiteinrichtungen besser verteilt werde und zweitens die Möglichkeiten der Teilzeitbeschäftigung weiter ausgebaut sowie die Nutzung von weiteren Ressourcen (öffentliche Einrichtungen etc.) nicht zurückgehen würden.687 Generell wurde das verlängerte Wochenende anfänglich eher negativ eingeschätzt. Die Tendenz, samstags sowie freitagnachmittags nicht mehr arbeiten zu wollen, wurde als kontraproduktiv durch das Entstehen der Freizeitgesellschaft, die eine ständige Anwesenheit von Arbeitnehmern erfordert, gesehen.688 Und auch wenn eine Mehrheit für ein verlängertes Wochenende unter Nutzung des Freitags eintrat, zeigte sich, dass der freie Samstag eher einer selektiven Arbeitsruhe entsprach.689 6.4.6 35-Stunden-Woche  : Sie kommt – oder doch nicht  ? Sicherlich waren am Beginn der 1980er Jahre Slogans wie »Kürzere Arbeitszeit für alle bedeutet eine gerechtere Verteilung der Arbeit« oder »Arbeit für alle – mehr Zeit für uns« verbreitet und konnten sich durch die anhaltende Arbeitslosigkeit längerfristig halten. Die Diskussion wurde aber nicht nur anhand des beschäftigungspolitischen Aspekts geführt. Unter den weiteren Gesichtspunkten fanden sich auch die üblichen Argumente des Gesundheitsschutzes oder des internationalen Vergleichs mit der Entwicklung der Arbeitszeiten.690 Die Gegner präsentierten neueste Erkenntnisse der Arbeitsmedizin, die in der verkürzten Wochenarbeitszeit und dem Trend zur Vier-Tage-Woche eine Verschlechterung der Konzentration sahen.691 So gesehen hätte jede weitere Arbeitszeitverkürzung inhumane, unsoziale Folgen.692 Ähnlich wie Ende der 1960er Jahre argumentierten die Befürworter der 35-Stunden-Woche mit einem anhaltenden Trend, der unweigerlich zur Einführung dieser wöchentlichen Arbeitszeit führen werde. Vor allem in der Bundesrepublik Deutsch685 Arbeitszeitpräferenzen sind von diversen Faktoren abhängig. Zu diesen zählen u. a. Rollenmuster, das Verhältnis von Alternativeinkommen und eigenem Erwerbseinkommen, die Höhe des Einkommensniveaus, die Höhe des Haushaltseinkommens, Lebensphasen, das Alter und/oder das Geschlecht. Vgl. Hochrainer 2003  : 79. 686 Vgl. Lachnit 1979  : 63. 687 Vgl. Dollinger 1979  : 65. 688 Vgl. Dollinger 1989  : 36f. 689 Rinderspacher 1999  : 17. 690 Vgl. Seicht 1982  : 5. 691 B. Schwarz 1980  : 34. 692 Hauser 1983  : 4.

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land stand die Möglichkeit der Einführung der 35-Stunden-Woche zur Diskussion, worauf Sozialminister Dallinger im Herbst 1980 im Parlament verwies. Generell wurde hier oft der Blick auf Deutschland693 oder Frankreich gerichtet. Wie bereits zuvor zeigte sich erneut das Dilemma, das in der Frage zum Ausdruck kam, ob sich Österreich eine Vorreiter- oder eine Nachzüglerrolle erlauben könne, hatte doch die 35-Stunden-Woche Anfang der 1980er Jahre an Aktualität und politischer Brisanz gewonnen.694 Dementsprechend wurde darauf hingewiesen, dass ein Arbeitszeitverkürzungsprozess für jedes einzelne Land von großer Bedeutung sei.695 Diesem Argument wurde die fehlende Gleichzeitigkeit oder eine sich verschlechternde wirtschaftliche Situation entgegengehalten.696 Ein Blick ins europäische Ausland ließ den prinzipiellen Wunsch nach einer 35-stündigen Arbeitswoche zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit erkennen.697 Es schien, als wäre der Kampf zur Wochenarbeitszeitverkürzung in Westeuropa bereits Ende der 1970er Jahre beschlossen.698 Dementsprechend traten die Gewerkschaften in Belgien Ende der 1970er Jahre für eine kürzere Arbeitswoche ein.699 Mitte der 1980er Jahre kam es dort wie auch in den Niederlanden zur kollektivvertraglichen Einführung der 38-Stunden-Woche.700 In Frankreich wurde die bereits eingeleitete Entwicklung hin zur 35-Stunden-Woche fortgesetzt, wobei die französische Metallindustrie 1983 die 38,5-Stunden-Woche einführte.701 Die im »Plan Intermédiaire« vorgesehene schrittweise Einführung der 35-Stunden-Woche bis 1985702 fand dann allerdings in Frankreich in dieser Form keine Verwirklichung. In der Bundesrepublik Deutschland galt die 40-Stunden-Woche seit Mitte der 1970er als tarifvertraglich abgesichert.703 Wie im Rest Europas kam es dort Mitte der 1970er Jahre zu gleichlautenden Forderungen. Von der Arbeitnehmervertretung wurde zur Einführung der 35-Stunden-Woche u. a. das Mittel des Streiks gewählt. Trotz dieser Maßnahme konnte sie Ende der 1970er Jahre nicht durchgesetzt werden.704 Allgemein änderte sich die Situation in der Bundesrepublik nur wenig, wenn-

693 Vgl. Dallinger, Alfred  : Sten. Prot. NR, XV. GP, 51.  Sitzung  : 4938  ; Vgl. Basalka 1989  : 78. 694 Radzyner 1983  : 167. 695 H. Kepplinger/Preslmaier 1985  : 61. 696 Vgl. Seicht 1982  : 5  ; Radzyner 1983  : 167  ; Preslmaier 1984  : 3  ; H.  Kepplinger/Preslmaier 1985  : 61  ; M. Eder/Schütt 1988  : 109. 697 Arbeit und Wirtschaft 1984  : 5. 698 P. Schröder 1979  : 27. 699 P. Schröder 1979  : 27. 700 Vgl. Chaloupek 1985  : 28  ; Kleinfeld 1997  : 285  ; Flecker/Hermann/Mairhuber 2001  : 60. 701 Vgl. Chaloupek 1985  : 28  ; M.  Eder/Schütt 1988  : 83  ; Hermann 2000  : 24. 702 Vgl. Hermann 2000  : 10. 703 Bolle/Fischer/Jungnickel/Lodzwik 1977  : 277. 704 Walterskirchen 1979  : 30.

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gleich 1983 die Arbeitgeberverbände ihre strikte Position, jegliche Form der Arbeitszeitverkürzung abzulehnen, aufgaben.705 Ähnlich wie in Österreich hatten für die deutschen Gewerkschaften eine Differenzierung und Variabilisierung kaum eine Bedeutung, während die Arbeitgebervertretung die Arbeitszeitflexibilisierung propagierte.706 Führende Rollen auf Gewerkschaftsseite nahmen 1984 die IG Metall und die IG Druck und Papier707 ein, wodurch im selben Jahr die 38,5-Stunden-Woche erreicht werden konnte.708 In Italien betrug seit den 1970er Jahren die Wochenarbeitszeit für den öffentlichen Dienst 36 Stunden.709 Ab Ende der 1980er Jahre zeichnete sich eine Dezentralisierung der Verhandlungen ab.710 In Norwegen kam es 1987 zur Einführung der 37,5-Stunden-Woche, und in Schweden wurde die 38-Stunden-Woche schrittweise bis Mitte 1988 eingeführt.711 1988 folgte Dänemark und verwirklichte ebenfalls die 38-Stunden-Woche, um zwei Jahre später eine weitere Verkürzung von einer Wochenstunde durchzuführen.712 In Finnland wiederum wurde von 1987 bis 1989 die Arbeitszeit um jeweils zwei Arbeitstage und 1990 schließlich um 20 Stunden pro Jahr reduziert.713 Ebenso reduzierten Griechenland, Großbritannien sowie Spanien die Arbeitszeit.714 Die Forderung nach Einführung der 35-Stunden-Woche durch Dallinger beruhte auf dem europäischen Konnex. Erste Abschlüsse in Europa zeigten, dass eine lineare, »radikale« Einführung der 35-stündigen Arbeitswoche nicht erreichbar war. Daher kam es ab Mitte der 1980er zur Etablierung der 38,5- bzw. 38-Stunden-Woche, in manchen europäischen Ländern auch leicht darunter. Die Arbeitszeitentwicklung in Europa nach den 1980er Jahren bewirkte dann aber, dass sich ein Land nach dem anderen vom europäischen Geleitzug kollektiver Arbeitszeitverkürzungen715 entfernte. Seitdem operieren nationale Einzelverbände vielfach so, dass untereinander kaum Kontakt zustande kommt.716

705 H. Seifert 1985  : 314. 706 Vgl. Kurz-Scherf 1993  : 29. 707 Lehndorff 2001  : 19. 708 Vgl. Altun 2005  : 95. 709 Vgl. Flecker/Hermann/Mairhuber 2001  : 83. 710 Vgl. Flecker/Hermann/Mairhuber 2001  : 93. 711 Vgl. Mesch 1986  : 44f. 712 Vgl. Flecker/Hermann/Mairhuber 2001  : 162. 713 Vgl. Mesch 1986  : 45. 714 Vgl. Schoenaich-Carolath 1989  : 55  ; Mesch 1991  : 35. 715 Lehndorff 1998a  : 569. 716 Vgl. G. Bosch 2000  : 178.

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Im Grunde stellt die Verteilungswirkung der Arbeitszeitverkürzung hinsichtlich des Lohnausgleichs717 keinen neuen Aspekt der Diskussionen um die Herabsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit dar. Auffallend ist jedoch, dass dieser Gesichtspunkt in den 1980er Jahren stark an Bedeutung gewann. Bislang waren sämtliche Arbeitszeitverkürzungen der Zweiten Republik bei vollem Lohnausgleich erfolgt, was zu gewissen Kostensteigerungen bei den Unternehmen geführt hatte, weshalb durch die Rücksichtnahme bei nachfolgenden Lohnverhandlungen Arbeitszeitverkürzungen nicht gänzlich bei vollem Lohnausgleich stattfanden.718 Nun spielte also der Kostenaspekt, den ein möglicher voller Lohnausgleich bzw. kein Lohnausgleich haben würde, eine wesentliche Rolle. So wurden einer möglichen Arbeitszeitverkürzung beträchtliche Kosten entgegengehalten, die sich aus Wettbewerbsnachteilen, einer gehemmten Antiinflationspolitik, gestiegenem Lohn pro Zeit und Ähnlichem zusammensetzen würden.719 Darüber hinaus sei mit größeren Preiserhöhungen bei einem vollen Lohnausgleich zu rechnen.720 Ein Verzicht auf jedweden Lohnausgleich bei einer Arbeitszeitverkürzung wurde jedoch mit einem Kaufkraftausfall in Verbindung gebracht.721 Demgemäß empfahl Walterskirchen einen teilweisen Lohnausgleich, um einerseits den Kaufkraftausfall zu vermeiden und andererseits ein zu starkes Steigen der Kosten zu verhindern.722 Trotz der verteilungspolitischen Brisanz wies Dollinger bereits 1979 darauf hin, dass eine Arbeitszeitverkürzung ohne oder mit nur teilweisem Lohnausgleich nunmehr für Österreich möglich sei, da inzwischen eine Arbeitszeitverkürzung zum Erhalt der Vollbeschäftigung nur so glaubwürdig sei.723 1980 hielt B. Schwarz fest, dass eine Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich in Österreich durchaus bereits praktiziert worden sei, und zwar unter der Bezeichnung der Kurzarbeit.724 Nun aber drehte sich die Diskussion um die Lohnpolitik. Während die Arbeitszeitverkürzungen vorangegangener Phasen durchaus mit etwas zurückhaltenderen Lohnforderungen in Verbindung gestanden hatten, wurde dies von Gegnern einer Arbeitszeitverkürzung abgestritten und auf starke Lohnsteigerungen, z. B. für 1975, hingewiesen.725 Tatsächlich war deren Ursache sicherlich auch in der stark gestiegenen Inflation zu sehen. Ende der 1980er Jahre wiederum brachten die 717 Vgl. Hutter/Riese 1984  : 377  ; Seidel 1989  : 63. 718 Vgl. Reithofer 1983  : 70. 719 Vgl. Wirtschaftspolitische Blätter 1979b  : 71  ; Walterskirchen 1979  : 29  ; Prisching/Steiner 1979  : 22  ; M. Eder 1989  : 22. 720 Vgl. Eisterer 1982  : 3. 721 Vgl. Walterskirchen 1979  : 30. 722 Vgl. Walterskirchen 1979  : 30. 723 Vgl. Dollinger 1979  : 69. 724 Vgl. B. Schwarz 1980  : 34. 725 Vgl. Supper 1979  : 82.

Im Galopp zur nächsten Verkürzung  ! Ziel  : 35-Stunden-Woche

411

Befürworter der Arbeitszeitreduktion erhebliche Vorleistungen für eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich726 durch die Arbeitnehmervertretung ins Spiel. Die gewerkschaftliche Sicht auf die Frage des Lohnausgleichs war während des gesamten Zeitraums einheitlich geblieben. Sie bevorzugte die Variante des vollen Lohnausgleichs, genauso wie die AK.727 Sozialminister Dallinger versuchte über die gesamten 1980er Jahre hinweg die 35-stündige Arbeitswoche zu erreichen. Im gleichen Zeitraum widmete sich Arbeit und Wirtschaft ebenfalls verstärkt der 35-Stunden-Woche. Im Rückblick zeichnete Arbeit und Wirtschaft dabei ein Bild, das von einer unmittelbaren Einführung derselben ausging und ihre Ablehnung als von kurzfristiger Natur ansah. Duval stellte in einem 1983 mit Benya geführten Interview fest, dass die Widerstände gegen eine Einführung geringer wären, wenn diese international bereits durchgesetzt worden wäre.728 In der Tagespresse wiederum wurde in dem von Autischer untersuchten Zeitraum der Öffentlichkeit ein Bild vermittelt, dem zufolge auf Seiten der ÖVP, der FPÖ und der Interessensverbände kaum Befürworter einer Verkürzung der Wochenarbeitszeit zu finden seien.729 Bis 1984 kamen Gegner einer möglichen Arbeitszeitverkürzung in der Presse der ÖVP sowie in der unabhängigen Presse zu Wort  ; ca. 40 %730 der Artikel in der unabhängigen Presse drückten die Gegnerschaft zur Arbeitszeitverkürzung aus. Dadurch gelang es, eine öffentliche Stimmung gegen die Reduktion der Arbeitszeit zu erzeugen.731 Andererseits wurden von Seiten der SPÖ die Gegner kaum erwähnt.732 Die Arbeitgeber lehnten vornehmlich aus Kostengründen eine Verkürzung der Arbeitszeit ab, aber nicht weil die 40-Stunden-Woche eine natürliche Barriere darstellte oder die Unternehmer Freude am Anstieg der Arbeitslosigkeit hätten,733 wie Bretschneider, Dollinger, Lamel und Ulram zu den Mitte der 1980er Jahre stattfindenden Diskussionen festhielten. Grundsätzlich zeichnete sich von 1978 bis 1983 in Repräsentativumfragen ein eher gleichbleibendes Bild bei der Frage, für wie sinnvoll oder sinnlos Arbeitszeitverkürzung derzeit gehalten werde, ab.734 Die Debatten hatten hierauf keinen repräsentativen Einfluss.735 Die Zustimmung zu einer möglichen Arbeitszeitverkürzung betrug in diesem Zeitraum zwi726 M. Eder 1988  : 22. 727 Vgl. B. Schwarz 1980  : 34  ; Dallinger 1981  : 15  ; Arbeit und Wirtschaft 1982b  : 37  ; M.  Eder 1989  : 22. 728 Arbeit und Wirtschaft 1983b  : 9. 729 Autischer 1985  : 33. 730 Autischer 1985  : 35. 731 Vgl. Autischer 1985  : 36. 732 Vgl. Autischer 1985  : 33. 733 Vgl. Bretschneider/Dollinger/Lamel/Ulram 1985  : 73. 734 Vgl. Bretschneider/Dollinger/Lamel/Ulram 1985  : 15. 735 Vgl. Bretschneider/Dollinger/Lamel/Ulram 1985  : 15.

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Arbeitszeitflexibilisierung vs. 35-Stunden-Woche

schen 16 und 23 %. Dies entsprach dem Wert der unselbstständig Erwerbstätigen, die weniger arbeiten wollten. Bretschneider, Dollinger, Lamel und Ulram interpretierten eine Umfrage dahingehend, dass im Kontext der Arbeitsplatzsicherung keine sonderliche Gegenliebe für Arbeitszeitverkürzung bestand.736 Ein Vergleich des Ergebnisses dieser Umfrage mit jenem des Volksbegehrens 1969 zeigt, dass sich die Zustimmung zu einer Arbeitszeitverkürzung auf einem gleichbleibenden Level bewegte  ; eine Grundablehnung lässt sich trotz des negativen Tenors dieses Umfrageergebnisses nicht ableiten. Im Hinblick auf eine fiktive Arbeitszeitreduktion737 zeigte sich, dass ein verlängertes Wochenende im Vergleich zu einer gleichmäßigen Verkürzung der Tagesarbeitszeit bevorzugt wurde. Dies entsprach der Tendenz der 1980er Jahre. Im Grunde genommen war aber eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber der Art und Weise zu erkennen, wie die Reduktion um fünf Wochenstunden vollzogen werden sollte. Während die Befürworter für die schnellstmögliche Einführung der 35-Stunden-Woche bei Überwindung kurzfristiger Hindernisse , wurde von der Gegenseite versucht, ein Bild zu zeichnen, demzufolge eine Verwirklichung nicht erwünscht und daher nicht umzusetzen sei. Dementsprechend war die Mehrheit der Artikel der unabhängigen Tagespresse negativ.738 So schrieb Gerhard Ziegler, seines Zeichens gewerkschaftliche Vertrauensperson der VOEST-Alpine Linz, 1985 in einem Leserbrief, der in der Arbeit und Wirtschaft veröffentlich wurde  : »Die Basis steht nicht hinter uns. Die Mehrheit ist an einer Arbeitszeitverkürzung gar nicht interessiert«, lautet die gleichsam lakonische wie resignierte Feststellung, die auch vom Linzer GPA-Sekretär Kaliauer zu vernehmen ist.739

Mit der Fortdauer der Diskussionen wurde die Position, dass die Österreicher mehrheitlich nicht hinter der Arbeitszeitverkürzung stünden,740 besonders vermehrt betont. Darin sah der damalige Chefredakteur der Arbeit und Wirtschaft Duval ein »Körnchen Wahrheit«, vor allem da dieses Anliegen nicht von allen Gewerkschaftern unterstützt werde.741 Darüber hinaus wurde in Umfragen Ende der 1980er Jahre herausgearbeitet, dass ein verringertes Einkommen, vermehrter Arbeitsplatzdruck und drastischer Rationalisierungsschub bei einer möglichen Einführung erwartet wurden,742 was eine negative Einstellung gegenüber der Verwirklichung der 35-Stun736 Vgl. Bretschneider/Dollinger/Lamel/Ulram 1985  : 15 und 17. 737 Vgl. Bretschneider/Dollinger/Lamel/Ulram 1985  : 16. 738 Vgl. Autischer 1985  : 53. 739 Ziegler 1985  : 3. 740 Vgl. Duval 1988  : 2  ; Lamel 1989  : 101  ; Ofner 1989  : 16. 741 Vgl. Duval 1988  : 2. 742 Vgl. Ofner 1989  : 16.

Im Galopp zur nächsten Verkürzung  ! Ziel  : 35-Stunden-Woche

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Abb.  29  : Dallinger reitet wieder  ! Quelle  : Göhring 1992  : 302.

den-Woche bewirkte. Darüber hinaus wurde bezweifelt, dass eine Zwangsbeglückung aller mit einer generellen 35-Stunden-Woche743 der Wunsch der Arbeitnehmer sein könne. Die Gewerkschaftsposition war in der Frage der 35-Stunden-Woche uneinheitlich. Dallinger positionierte sich für diesen Weg der Arbeitszeitverkürzung. Die gewerkschaftliche Spaltung in Fragen der Arbeitszeit und Arbeitszeitflexibilisierung führte in letzter Konsequenz dazu, dass eine einheitliche Positionierung nicht mehr möglich war. Schon in den ersten Jahren der Diskussion in den 1980er Jahren kam ein Alternativplan zur linearen Einführung der 35-Stunden-Woche auf, der – vertreten durch die FPÖ – eine branchenspezifische Verkürzung vorsah.744 So erklärte Benya anlässlich des 1. ordentlichen Gewerkschaftstages der Gewerkschaft Hotel, Gastgewerbe und Persönlicher Dienst bereits im April 1983, dass er sich eine branchenspezifische Arbeitszeitverkürzung über Kollektivverträge vorstellen könne.745 Diese Haltung bekräftigte er auch in einer TV-Pressestunde im Juni 1983.746 Dieser Vorschlag Benyas bedeutete, dass somit die Möglichkeit in den Raum gestellt wurde, bei einer kollektivvertraglichen Arbeitszeitverkürzung auf die jeweiligen Entwicklungsstände der Branchen Rücksicht nehmen zu können.747 Auf dem Gewerkschaftskongress 1983 folgte der ÖGB den Argumenten Benyas und beschloss, eine branchenweise Verkürzung der Arbeitszeit über Kollektivver743 Lamel 1989  : 97. 744 Vgl. Dr. Stix, Gerulf  : Sten. Prot. NR, XV. GP, 78.  Sitzung  : 7818. 745 Vgl. Arbeit und Wirtschaft 1983a  : 45. 746 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 6. Juni 1983  : 2. 747 U. Moser 1983  : 50.

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Arbeitszeitflexibilisierung vs. 35-Stunden-Woche

träge anzustreben.748 In seiner Untersuchung zur Arbeitszeitentwicklung kam der Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen ebenfalls zu dem Schluss, dass zukünftige Verhandlungen zur Arbeitszeitverkürzung den Kollektivvertragspartnern zu überantworten749 seien. Generell wurde dieser Weg schließlich gewählt, da die vom ÖGB angestrebte gesamtösterreichische Verkürzung der Normalarbeitszeit750 mit der bislang verfolgten Strategie einer linearen Reduktion nicht möglich war und abseits der europäischen Tendenz zu einer schrittweisen Reduzierung stand. Dallinger blieb weiterhin die treibende Kraft hinter diesem Anliegen. Eine Realisierung der 35-Stunden-Woche war ab Mitte der 1980er Jahre jedoch nicht mehr möglich, weshalb auf eine branchenspezifische Verkürzung umgeschwenkt wurde. Branche

Beschäftigte

Gewerkschaft

Termin

Ausmaß

Zuckerindustrie

1.600 Arb. 700 Ang.

LUGA GPA

28.1.–31.8.1985 1.1.–30.9.1986 1.10.–31.12.1986

38 38 } 38,5 40

Druckgewerbe

18.000 Arb. 2.000 Ang.

DuP DuP

1.4.1985 1.4.1985

38 38

Mühlenindustrie und -gewerbe Mühlengewerbe

{1.300 Arb. 500 Ang. 500 Ang.

LUGA GPA GPA

1.1.1986 1.1.1986 1.1.1988

38 38 38

Erdölindustrie

3.900 Arb. 3.00 Ang. 1.600 Arb.

MBE GPA Chemie

1.2.1986 1.2.1986 1.2.1986

38 38 38

Mineralölgroßhandel

700 Arb.

Chemie

1.2.1986

38

Fettindustrie

1.000 Arb. 900 Ang.

LUGA GPA

1.3.1986 1.3.1986

38,5 38,5

Zeitungsangestellte

4.000 Ang.

GPA

1.4.1986 1.10.1986 1.4.1987

39 38,5 38

Privatversicherung (Innendienst)

15.000 Ang.

GPA

1.10.1986

38,5

Tabakindustrie

900 Arb. 600 Ang.

LUGA GPA

1.10.1986 1.10.1986

38 38

Metallindustrie und Bergbau

220.000 Arb. 95.000 Ang.

MBE GPA

1.11.1986 1.11.1986

38,5 38,5

Elektroversorgungsunternehmen (EVU)

9.000 Arb. 10.500 Ang.

MBE GPA

1.11.1986 1.11.1986

38,5 38,5

Süßwarenindustrie

3.400 Arb. 1.600 Ang.

LUGA GPA

1.1.1987 1.1.1987

38,5 38,5

748 H. Kepplinger/Preslmaier 1985  : 66  ; Tálos 1987  : 128  ; Bretschneider/Dollinger/Lamel/Ulram 1985  : 78. 749 Vgl. Chaloupek 1985  : 30  ; Tálos 1987  : 146. 750 Tomandl/Vogt/Winkler 1992  : 49  ; B.  Schwarz 1991  : 9.

415

Im Galopp zur nächsten Verkürzung  ! Ziel  : 35-Stunden-Woche Branche

Beschäftigte

Gewerkschaft

Termin

Ausmaß

Obst-, Gemüseverwertungs- und Tiefkühlindustrie

2.100 Arb. 900 Ang.

LUGA GPA

1.1.1987 1.1.1987

38,5 38,5

Papier und Pappe verarbeitende Industrie

8.000 Arb. 2.500 Ang.

DuP GPA

1.3.1987 1.3.1987

38 38

Chemische Industrie

36.000 Arb. 21.000 Ang.

Chemie GPA

1.5.1987 1.5.1987

38 38

Papiererzeugende Industrie

12.000 Arb. 3.000 Ang.

Chemie GPA

1.5.1987 1.5.1987

38 38

Molkereien

7.500 Arb. 3.500 Ang.

LUGA GPA

1.5.1987 1.5.1987

38,5 38,5

Pappeerzeugende Industrie

– –

Chemie GPA

1.1.1988 1.1.1988

38 38

Medien

3.000 Ang.

KMFB

1.7.1988

38

Banken und Sparkassen

60.000 Ang.

GPA

1.9.1988

38,5

Kaffeemittelindustrie

350 Arb. 600 Ang.

LUGA GPA

1.10.1988 1.10.1988

38,5 38,5

Baustoffindustrie

16.000 Arb.

BH

1.11.1988

38,5

Handel

280.000 Ang. 60.000 Arb.

GPA HTV

1.1.1989 1.1.1989

38,5 38,5

Metallgewerbe

95.000 Arb. 32.100 Ang.

MBE GPA

1.1.1989 1.1.1989

38,5 38,5

Glashüttenindustrie

8.000 Arb.

Chemie

1.1.1989

38

Reisebüros

5.000 Ang.

GPA

1.1.1989

38,5

Zusammen rund 1,052.250 Beschäftigte

Tab. 41: Arbeitszeitverkürzungen bis Ende der 1980er Jahre Quelle  : Arbeit und Wirtschaft 1988  : 6.

Um die Arbeitszeitreduktion einem möglichst großen Teil der Arbeiterschaft zukommen zu lassen, sollte die jeweilige branchenspezifische Entwicklung mit einem Generalkollektivvertrag abgeschlossen werden. Zugleich wurde auf eine notwendige ergänzende gesetzliche Regelung hingewiesen.751 In der Tagespresse wurde damals jedoch kaum darüber berichtet, ob ein Erreichen der Arbeitszeitverkürzung über Kollektivverträge oder über eine gesetzliche Regelung erfolgen solle.752 Der neuen Direktive folgend, begann ab 1985753 der Übergang zur 38- bzw. 38,5-Stunden-Woche. Der Ausgangspunkt des fließenden Übergangs zur Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeiten unter die 40-Stunden-Marke lässt sich im graphischen Gewerbe 751 Vgl. H. Kepplinger/Preslmaier 1985  : 68. 752 Vgl. Autischer 1985  : 46. 753 Vgl. B. Schwarz 1991  : 9  ; Leutner 1991a  : 12.

416

Arbeitszeitflexibilisierung vs. 35-Stunden-Woche

feststellen.754 Diese Entwicklung wurde gleichzeitig dahingehend gedeutet, dass nun in Österreich endlich der Einstieg in die 35-Stunden-Woche gelungen sei.755 Dem Beispiel des graphischen Gewerbes waren bereits in der Anfangsphase die Zuckerindustrie, die Mühlenindustrie und das Mühlengewerbe sowie die Erdölindustrie gefolgt. Insbesondere die Lohnverhandlungen im Herbst 1986 standen im Zeichen der Arbeitszeitverkürzung. Aufgrund der schwierigen Lage der VOEST versuchte der dortige Betriebsrat, anstelle einer Lohnerhöhung eine weitergehende Arbeitszeitverkürzung über die bereits vereinbarte 38,5-Stunden-Woche hinaus zu erreichen. Gefordert wurde die 37-Stunden-Woche.756 Die Arbeitszeitverkürzung selbst war jedoch nicht das Kernanliegen des Betriebsrates der VOEST, sondern vielmehr die Schaffung von Arbeitsplätzen, um drohenden Kündigungen vorzubeugen.757 Insgesamt sollten so 1200 Kündigungen weniger ausgesprochen werden.758 Die Kritik an diesem Vorschlag ging in zwei Richtungen  : Die erste war, dass er das Sanierungskonzept der Verstaatlichten konterkariert würde, die zweite, dass Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich nicht Schule machen dürfe.759 Eine Umsetzung der 37-Stunden-Woche für die VOEST erfolgte nicht. Auch in anderen Branchen zeigte sich eine Verknüpfung von Lohnverhandlungen und Arbeitszeitverkürzung. Die Lohnerhöhung sollte dabei vorweg fixiert werden.760 Entsprechend waren Spannungen vorprogrammiert, wie das Beispiel des Eisen-Metall-Sektors zeigt.761 Dort stiegen die Stundenlöhne durch Ist-Lohnerhöhung und Arbeitszeitverkürzung um 6,4 % und auf dem Kollektivvertragslohnsektor um 7,4 %762 an. Dies fand in einer Phase statt, als die Eisen-Metall-Industrie selbst in gewisse Schwierigkeiten geriet, die den Problemen der Verstaatlichten im Allgemeinen sowie Wechselkursproblemen entsprachen.763 Der Abschluss der Verhandlungen bedeutete, dass die Ist-Lohnerhöhungen über dem Verbraucherpreisindex lagen.764 Die Stimmung in der Industrie bilanzierte Basalka wie folgt  :

754 Vgl. Duval 1985  : 2  ; Mooslechner-Stranzinger 1991  : 111. 755 Vgl. Duval 1985  : 2. 756 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 3. Oktober 1986  : 10. 757 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 18. September 1986  : 10  ; Oberösterreichische Nachrichten, 27. September 1986  : 1. 758 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 27. September 1986  : 1  ; Oberösterreichische Nachrichten, 3. Oktober 1986  : 10. 759 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 3. Oktober 1986  : 10. 760 Vgl. Basalka 1989  : 72. 761 Vorgespräche hatte es wie im Druckereigewerbe bereits 1983 gegeben. Vgl. Mooslechner-­Stranzinger 1991  : 114. 762 Basalka 1989  : 72. 763 Vgl. Basalka 1989  : 72. 764 Vgl. Basalka 1989  : 73.

Im Galopp zur nächsten Verkürzung  ! Ziel  : 35-Stunden-Woche

417

Vereinfacht läßt sich die Stimmung der Industrie auf einen Nenner bringen, die Flexibilisierung ist nicht ausreichend, der volle Lohnausgleich mußte hingenommen werden, die Anrechnung auf die Lohnrunde ist ungenügend und in der Frage des internationalen Gleichschrittes wird in erster Linie die Situation im benachbarten Deutschland betrachtet.765

Ein ähnliches Bild bot sich in anderen Bereichen, so z. B. im Handel. Im Herbst 1986 kam es hier zum Streit über die Verwirklichung einer Arbeitszeitverkürzung und einer Lohnerhöhung.766 Ausschlaggebend für die Unstimmigkeiten war die Reihenfolge der Verhandlungen. Die Arbeitgeber wollten zuerst über prozentuelle Lohnerhöhungen und erst danach über eine Arbeitszeitverkürzung reden, während die Arbeitnehmer zuerst die Frage der Arbeitszeitverkürzung klären wollten, um danach die Lohnverhandlungen aufzunehmen.767 Ein Platzen der Gespräche wurde befürchtet, wenn die Arbeitnehmer weiterhin auf der Einführung einer Arbeitszeitverkürzung in Form der 35-Stunden-Woche bestünden.768 Beide Seiten schienen auf ihren Forderungen zu beharren, und Ernst Steidl, Obmann der Sektion Handel in der Bundeswirtschaftskammer, war sich sicher, dass die 35-Stunden-Woche im Handel unter seiner Führung nicht verwirklicht werden würde.769 Nach Intervention von Bundeskammerpräsident Sallinger und Gewerkschaftspräsident Benya konnten die Verhandlungen ohne Streik fortgesetzt werden.770 Am 3. Dezember 1986 erfolgte eine Einigung auf 3,5 % Erhöhung der Kollektivvertragslöhne ab 1987 und weitere 2 % ab 1988 sowie über eine Arbeitszeitverkürzung über Etappen.771 Darüber hinaus gelang es, längere Durchrechnungszeiträume festzulegen, was die Ausdehnung der wöchentlichen Normalarbeitszeit ermöglichte.772 Für Tálos zeigte sich in den Auseinandersetzungen die fehlende bzw. nicht koordinierte Strategie der Gewerkschaft.773 Der fließende Übergang zur 38- bzw. 38,5-Stunden-Woche vollzog sich von 1985 bis Anfang 1989 in mehreren kleinen Etappen – langsamer als in vorgegangenen Perioden774 –, an deren Ende etwas über eine Million Beschäftigte von insgesamt 2,8 Mio. unselbstständig Beschäftigten775 in den Genuss dieser Arbeitszeitverkürzung 765 Basalka 1989  : 73. 766 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 20. November 1986  : 2. 767 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 27. November 1986  : 2. 768 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 22. November 1986  : 2. 769 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 22. November 1986  : 2. 770 771 Vgl. Basalka 1989  : 73  ; Oberösterreichische Nachrichten, 4. Dezember 1986  : 2. 772 Vgl. Kittel 2000  : 451. 773 Vgl. Tálos 1987  : 146. 774 Vgl. B. Schwarz 1991  : 11. 775 Arbeit und Wirtschaft 1988  : 6  ; Tomandl/Vogt/Winkler 1992  : 53.

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Arbeitszeitflexibilisierung vs. 35-Stunden-Woche

kamen. Das Grundprinzip der Verhandlungen war ein Abtausch der Reduktion der Wochenarbeitszeit ohne vollen Lohnausgleich gegen beschränkte Flexibilisierungsmöglichkeiten.776 Ende der 1980er Jahre arbeitete mehr als ein Drittel aller unselbstständig Erwerbstätigen und mehr als die Hälfte der in der Privatwirtschaft Beschäftigten777 in Bereichen mit wöchentlichen Arbeitszeiten unter 40 Wochenstunden. Während die branchenspezifischen Verkürzungen der 1980er Jahre 1989 gewissermaßen ihren Abschluss fanden, konnte die Gewerkschaft Druck und Papier sogar per 1. April 1990 die Arbeitszeit auf 37 Stunden und im graphischen Gewerbe bei Tageszeitungen auf 36 Stunden pro Woche drücken.778 Abgeschlossen wurde diese Entwicklung mit der Verwirklichung im Handel und im Metallgewerbe sowie in einigen kleineren Branchen. Grundsätzlich wurde in der branchenweisen Arbeitszeitverkürzung eine Notwendigkeit im Übergang zu weiteren Arbeitszeitverkürzungen gesehen.779 Zentral in den Vorstellungen war ein Generalkollektivvertrag nach dem Muster von 1959. Aus Sicht der Befürworter der Arbeitszeitverkürzung wurde er vor allem zwecks Sicherung bzw. Wiedererreichung der Vollbeschäftigung angestrebt.780 Mitte 1989 war für den Chefredakteur der Arbeit und Wirtschaft Horak klar, dass nunmehr die Zeit für ernsthafte Verhandlungen über einen Generalkollektivvertrag herangerückt sei und dieser unmittelbar mit der Einführung der 35-Stunden-Woche verknüpft werden sollte.781 Wie zu erwarten, hatte die Gegenseite schon Anfang 1989 dieses Argument mit dem Hinweis auf eine mögliche Vorreiterrolle Österreichs entschieden abgelehnt.782 Dabei ging es nicht so sehr um den Generalkollektivvertag als vielmehr um die Einführung der 35-Stunden-Woche. Dollinger diagnostizierte entsprechend eine Pattsituation zwischen Arbeitszeitflexibilisierung und Generalkollektivvertrag.783 In Arbeit und Wirtschaft wurde zwar offensiv für einen solchen geworben, aber es wurde bereits 1989 davon ausgegangen, dass er frühestens 1993 und im Zusammenhang mit der 35-Stunden-Woche wahrscheinlich erst noch später zu erreichen sei.784 Mitte der 1980er Jahre war die GPA noch von einer Einführung im Jahr 1987 ausgegangen.785 Der angestrebte oder mögliche Zeitpunkt einer Einführung der 35-Stunden-Woche mittels Generalkollektivvertrag wurde so im Laufe der 1980er Jahre immer wie776 Mooslechner-Stranzinger 1991  : 113. 777 Reithofer 1995  : 120. 778 Vgl. Horak 1990b  : 2. 779 Vgl. Leutner 1990  : 50. 780 Vgl. Horak 1989  : 2. 781 Vgl. Horak 1989  : 2. 782 Vgl. Lamel 1989  : 98. 783 Vgl. Dollinger 1989  : 40. 784 Vgl. M. Eder 1989  : 20. 785 Vgl. Bretschneider/Dollinger/Lamel/Ulram 1985  : 96.

Im Galopp zur nächsten Verkürzung  ! Ziel  : 35-Stunden-Woche

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der verschoben. Zu einer Verwirklichung in dieser dritten Periode der Arbeitszeitentwicklung sollte es nicht kommen. Die grundsätzliche Pattsituation beinhaltete dabei das »Dilemma«, in dem sich die Gewerkschaften seit den 1980er Jahren befanden und das sich, so Negt, darin zeigte, dass über die Arbeitszeitfragmentierung bestimmte Rechte aufrechterhalten bzw. Verbesserungen vornehmlich auf betrieblicher und tarifvertraglicher Ebene erreicht werden konnten, im Gegenzug dadurch aber die ursprüngliche Strategie einer kollektiven Reduktion wöchentlicher Arbeitszeit konterkariert wurde.786

786 Vgl. Negt 2005  : 29.

7. Arbeitszeit zwischen Verkürzen, Flexibilisieren und Verlängern Die ersten beiden Perioden der österreichischen Arbeitszeitpolitik endeten jeweils mit einer konkreten Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit per Generalkollektivvertrag bzw. Gesetz. Ein solch markanter Abschluss lässt sich für die dritte Periode nicht mehr erkennen. Branchenspezifische Abschlüsse, aber kein Generalkollektivvertrag markierten ihr Ende. Die Entwicklung der 1980er Jahre fand in den 1990er Jahren keine vergleichbare Fortsetzung, weshalb ein Stillstand in der Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf kollektivvertraglicher Basis feststellbar1 bzw. eine generelle Verlangsamung dieses Prozesses erkennbar ist.2 Letztere zeigt sich in der zunehmenden Flexibilisierung und der steigenden Teilzeitbeschäftigung, gegen die in den 1980er Jahren die ÖGB-Frauen noch negativ eingestellt gewesen waren.3 Der gewünschte Generalkollektivvertrag kam weder 1989 noch 1991 oder später zustande. Das Fehlen eines solchen Endpunkts ist bislang einzigartig. Warum lässt sich dennoch dieser Abschnitt mit den branchenspezifischen Arbeitszeitverkürzungen als beendet ansehen, wenn anzunehmen ist, dass die Auseinandersetzungen im Konnex »Arbeitszeitflexibilisierung vs. Verwirklichung der 35-Stunden-Woche« weitergingen  ? Es ist unbestritten, dass die Kontroverse nahtlos an die vorangegangene Periode anknüpfte. Aber neben all den Kontinuitäten lassen sich auch einige entscheidende Veränderungen erkennen. In den 1980er Jahren sollte die Flexibilisierung Arbeitslosigkeit bekämpfen, für wirtschaftlichen Aufschwung sorgen und die Geschlechterdiskriminierung beenden.4 Generell lässt sich in dieser Zeit ein gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Wandel z. B. in der Entgrenzung von »Arbeit und Leben« erkennen. Im Bereich der Arbeitszeit bedeutet dies, dass vermehrt von einer Erosion des Normalarbeitsverhältnisses gesprochen wurde, wenngleich trotz »des Kontrollverlusts von Gewerkschaften und Staat über die Arbeitszeiten die tatsächlichen Arbeitszeiten nach wie vor deutlich von der gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Normarbeitszeit abhängig sind.«5 Die Normalarbeitszeit wurde und wird durch diese Erosion, also durch die Entstandardisierung und die Flexibilisierung der Arbeitszeiten,6 immer mehr aufge-

1 T. Schmid 1993  : 191. 2 Vgl. Flecker/Hermann/Mairhuber 2001  : 7. 3 Vgl. Proinger 2005  : 33  ; Sorger 2014  : 191. 4 Vgl. Rinderspacher 2000  : 92. 5 Flecker/Hermann/Mairhuber 2001  : 180. 6 Hielscher 2000  : 56.

421

Arbeitszeit zwischen Verkürzen, Flexibilisieren und Verlängern

löst. Die Auflösungstendenzen finden in einem neuen Begriffskatalog Niederschlag. Flexible Arbeitszeitmodelle werden fortan als »atypisch« bezeichnet, was besonders die Abgrenzung zur geltenden Normalarbeitszeit betonen soll  ; daneben sei darauf verwiesen, dass in den 1980er Jahren gewisse Arbeitszeitmodelle, wie z. B. Schichtarbeit, als unnormale Arbeitszeit aufgefasst werden konnten.7 An der Zuordnung der Modelle ändert dies freilich wenig. So ist die Teilzeitarbeit nunmehr kein flexibles, sondern ein atypisches Arbeitszeitmodell. Dies gilt selbstverständlich auch für alle anderen Modelle. Darüber hinaus haben die Soziologen Voß und Pongratz den Typus des Arbeitskraftunternehmers entwickelt.8 Regelarbeitsstunden2 je ­Beschäftigten

Geleistete Stunden je Beschäftigten Jahr

lt. Mikrozensus pro Woche

pro Jahr

bereinigt1 pro Jahr

Veränderung in %

1969

41,9

2185

2134



2211



1970

40,8

2127

2081

–2,5

2113

–4,4

pro Jahr

Veränderung in %

1971

40,1

2091

2046

–1,7

2113

0,0

1972

39,6

2065

2026

–1,0

2064

–2,3

1973

39,6

2065

2027

0,0

2064

0,0

1974

39,7

2070

2038

+0,5

2064

0,0

1975

38,3

1997

1969

–3,4

1966

–4,8

1976

37,8

1971

1942

–1,4

1966

0,0

1977

37,7

1966

1904

–2,0

1926

–2,0

1978

37,6

1961

1901

–0,2

1926

0,0

1979

37,6

1961

1903

+0,1

1926

0,0

1980

37,2

1940

1879

–1,3

1926

0,0

1981

36,8

1919

1861

–1,0

1926

0,0

1982

37,1

1934

1876

+0,8

1926

0,0

1983

37,0

1929

1871

–0,3

1926

0,0

1984

37,4

1950

1884

+0,5

1912

–0,7

1985

37,3

1945

1866

–1,0

1899

–0,7

1986

37,2

1940

1850

–0,9

1881

–1,0

1987

36,7

1914

1830

–1,1

1871

–0,6

Tab. 42  : Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Arbeitszeit Quelle  : Hauth 1989  : 19. 1 Unter voller Berücksichtigung der (Mindest-)Urlaubsansprüche und nach näherungsweiser Ausschaltung des Teilzeiteffekts. 2 Kollektivvertragliche Normalarbeitszeit auf Jahresbasis nach Abzug der (Mindest-)Urlaubsansprüche.

7 Dallinger 1981  : 15. 8 Vgl. Voß/Pongratz 1998  : 131ff.

422

Arbeitszeit zwischen Verkürzen, Flexibilisieren und Verlängern

Bis in die 1980er Jahre ist ein Verkürzungstrend erkennbar. Von den gesetzlichen 48 bzw. 60 Wochenstunden ging die Entwicklung zu einer 38,5- bzw. 38-Stunden-Woche. Auch die tatsächlich geleistete Arbeitszeit verkürzte sich im selben Zeitraum von 41,9 Wochenstunden im Jahr 1969 auf 36,7 Wochenstunden im Jahr 1987. Bezahlte Stunden

Geleistete Stunden

Jahr pro Jahr

pro Jahr

pro Woche

Index

Veränderung in % (bez. auf pro Woche)

Anteil geleisteter Stunden pro Jahr an den bezahlten Stunden in %

1969

2270

2005

38,6

100,0



88,3

1970

2201

1946

37,4

97,1

–2,9

88,4

1971

2171

1927

37,1

96,1

–1,0

88,8 88,2

1972

2140

1888

36,3

94,2

–2,0

1973

2125

1872

36,0

93,4

–0,8

88,1

1974

2129

1869

35,9

93,2

–0,2

87,8

1975

2042

1763

33,9

87,9

–5,7

86,3

1976

2057

1787

34,4

89,1

+1,4

86,9

1977

2048

1762

33,9

87,9

–1,4

86,0

1978

2046

1740

33,5

86,8

–1,2

85,0 85,0

1979

2059

1750

33,7

87,3

+0,6

1980

2067

1751

33,7

87,3

+0,1

84,7

1981

2058

1738

33,4

86,7

–0,7

84,5

1982

2052

1737

33,4

86,6

–0,1

84,6

1983

2043

1733

33,3

86,4

–0,2

84,8

1984

2068

1744

33,5

87,0

+0,6

84,3 83,7

1985

2077

1739

33,4

86,7

–0,3

1986

2079

1706

32,8

85,1

–1,9

82,1

1987

2041

1679

32,3

83,7

–1,6

82,3

Tab. 43  : Arbeitszeit je Industriearbeiter Quelle  : Hauth 1989  : 24 (Datenänderung).

In der von Hauth verwendeten Tabelle lassen sich einige Fehler erkennen, die jedoch auf den Gesamtüberblick und die von Hauth durchgeführte Analyse keinerlei Auswirkungen haben. Erstens lassen sich in der Spalte »Geleistete Stunden pro Woche« Abweichung aufgrund fehlerhaften Rundens erkennen. Zweitens ist die Spalte »Veränderung in %« bezogen auf die geleisteten Stunden ebenfalls fehlerhaft in Bezug auf das Runden  ; zudem gibt es für 1978 und 1980 Abweichungen zu meinen eigenen Berechnungen um 0,3 Prozentpunkte. Diese Fehler können entweder auf Rechen-

Im Galopp zur nächsten Verkürzung  ! Ziel  : 35-Stunden-Woche

423

oder Tippfehler hinweisen. Drittens gab es Rundungsdivergenzen in der Spalte »Anteil an den bezahlten Stunden in %«. Bezogen auf die Arbeitszeit je Industriearbeiter lässt sich gleichfalls ein solcher Rückgang erkennen. Der Rückgang vollzog sich hier von 38,6 Wochenstunden 1969 auf 32,3 Wochenstunden 1987. Infolgedessen zeigt sich, dass die langfristige Entwicklung der Verkürzungswelle an einem Endpunkt auf gesetzlicher und kollektivvertraglicher Basis angelangt war. Langsam und beharrlich konnte ab den 1990er Jahren eine Trendwende unter dem Stichwort der »Flexibilisierung der Arbeitszeit(en)« erreicht werden. Dies machte sich dadurch bemerkbar, dass sich die Gegner einer Arbeitszeitverkürzung für eine Arbeitszeitverlängerung aussprachen. Damit wurde das immer wieder von Befürwortern einer Arbeitszeitverkürzung angeführte Arguments, es gebe einen unverkennbaren Trend zur Arbeitszeitverkürzung, durchbrochen.9 Mittels Arbeitszeitflexibilisierung war es gelungen, eine Differenzierung der Befürworter von Arbeitszeitverkürzung zu erreichen. Für die vierte Periode ist zentral, dass nach den Vereinbarungen zu einer branchenspezifischen Verkürzung der Arbeitszeiten – bereits Ende der 1980er Jahren – nach und nach eine neue Gegenposition zur Arbeitszeitverkürzung eingeführt wurde. Die Thematik der Arbeitszeitverlängerung ergänzte nunmehr in kleinerem Umfang in den 1990er Jahren, später in einem größeren, die Dialoge zur Arbeitszeitverkürzung und Arbeitszeitflexibilisierung. Durch Vermengung von Arbeitszeitflexibilisierung und Arbeitszeitverlängerung konnte eine flexible Ausdehnung der Arbeitszeit per Gesetz mit den drei Arbeitszeitgesetzesnovellen seit Mitte der 1990er Jahre erreicht werden. Die vierte Periode wurde durch das Argument Arbeitszeitverlängerung und den daraus resultierenden Meinungsaustausch geprägt. Seitdem lassen sich zwei Indikatoren feststellen, die auf Veränderungen der Kontroverse zur Arbeitszeitpolitik hindeuten  : die Flexibilisierung und die Verkürzungsforderung nach der 35-Stunden-Woche. Den ersten Indikator betreffend sei auf die Arbeitszeitgesetznovelle 2007 im Vorfeld des »Flexicurity-Paketes« verwiesen. Mit dem Kunstwort »Flexicurity« gelang es, Flexibilisierung und soziale Sicherheit zu kombinieren. Somit ist soziale Sicherheit nicht mehr nur für die Befürworter von Arbeitszeitverkürzung wichtig. Der zweite Indikator hängt mit einer veränderten Ausrichtung der gewerkschaftlichen Arbeitszeitpolitik zusammen.10 Seit Anfang der 1980er Jahre war die Forderung der 35-Stunden-Woche auf den Gewerkschaftsprozessen allgegenwärtig. Der mögliche Einführungstermin der 35-stündigen Arbeitswoche verschob sich von Mitte der 1980er Jahre in Richtung Ende der 1980er Jahre und schließlich in die 1990er  9 Knapp 1955a  : 19. 10 Vgl. Sorger 2014  : 209ff. und 242ff.

424

Arbeitszeit zwischen Verkürzen, Flexibilisieren und Verlängern

Jahre. Nachdem zunächst Arbeitszeitflexibilisierung und später Arbeitszeitverlängerung zu einer Diversifikation der Position der Gewerkschaft nach außen wie nach innen geführt hatten, erfolgte nach 2008 eine Neuausrichtung der gewerkschaftlichen arbeitszeitpolitischen Position. Von immenser Wichtigkeit ist hierbei der ÖGB-Kongress von 2009, der zu diesem Wandel beitrug. Das verbindende Element dieser Periode ist die Arbeitszeitverlängerung. Damit ging auch eine Änderung der Arbeitszeitpolitik einher. Seit dieser Zeit zeichnet sich ein wiederholtes und stetiges Drängen der Regierung ab, die Arbeitszeitpolitik in ihrem Sinne – Arbeitszeitflexibilisierung und Arbeitszeitverlängerung – zu betreiben.11 Die Indikatoren »Flexicurity« und Aufgabe der strikten Forderung nach Einführung der 35-Stunden-Woche seitens der Gewerkschaft, die von deren Mitgliedern als Anpassung an die arbeitszeitpolitische Realität12 gedeutet werden kann, deuten m. E. auf das Ende dieser vierten Periode der Arbeitszeitpolitik und -entwicklung hin. Obwohl beide Indikatoren als Tendenzen einer neuen Entwicklungsphase interpretiert werden können, ändert dies an den Grundthemen des Meinungsstreits – Arbeitszeitverkürzung, Arbeitszeitflexibilisierung und Arbeitszeitverlängerung – wenig. Diese bleiben weiterhin in der arbeitszeitpolitischen Debatte verankert. Dessen ungeachtet erfolgten eine thematische Erweiterung mit »Flexicurity« einerseits und eine Aufgabe der »starren« Position der Forderung nach der 35-Stunden-Woche durch den ÖGB andererseits.

7.1 Fortsetzung der Kontroverse »Flexibilisierung und Verkürzung der Arbeitszeit« Mitnichten waren die Debatten im Spannungsverhältnis zwischen einer Flexibilisierung der Arbeitszeit(en) und der Einführung der 35-Stunden-Woche mit den branchenspezifischen Arbeitszeitverkürzungen zu Ende gegangen. Das offene Ende bedeutete übergangslos die Fortsetzung der in den 1980er Jahren geführten Wortwechsel. 7.1.1 Arbeitszeitflexibilisierung Als erster Aspekt der weiteren Entwicklung soll die Arbeitszeitflexibilisierung behandelt werden. So war für viele bereits durch die branchenspezifischen Arbeitszeitverkürzungen klar, dass weitere Arbeitszeitverkürzungen nur noch mittels Arbeitszeitflexibilisierung erreichbar seien. Derlei Gedanken wurden wie folgt formuliert  : 11 Vgl. Hochrainer 2003. 12 Vgl. Sorger 2014  : 243.

Fortsetzung der Kontroverse »Flexibilisierung und Verkürzung der Arbeitszeit«

425

Mehr Arbeitszeitverkürzung bedeutet, daß die Arbeitszeit über die erreichten 38 beziehungsweise 38,5 Stunden weiter zu verkürzen ist, daß in die Arbeitszeitverkürzung alle Beschäftigten einzubeziehen sind[,] daß mehr und verschiedene Formen der Arbeitszeitverkürzung zu entwickeln und durchzusetzen sind und daß über das Ausmaß der Arbeitszeit hinaus mehr über die Arbeitsbedingungen, die Arbeitsinhalte und die Arbeitsbelastungen zu diskutieren ist.13

Die Fortsetzung der Arbeitszeitverkürzungsforderung bedeutete gleichzeitig einen verstärkten Druck im Sinne der Arbeitszeitflexibilisierung.14 Dies zeigte sich auch in der Praxis. Marin zufolge führte bis Mitte der 1990er Jahre die Flexibilisierung in unternehmerischen Maßnahmen zur besseren Auslastung der Maschinenkapazitäten, zu einer Anpassung an Nachfrageschwankungen, die bei saisonalen Fluktuationen oder Stoßzeiten notwendig waren, oder aber zu längeren bzw. kundengerechten Dienstleistungszeiten.15 Im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit befürwortet die Industrie sämtliche Beiträge zur Flexibilität.16 Mitte der 1990er Jahre konstatierte Heide Schmidt im Parlament, dass die Diskussionen um eine Arbeitszeitflexibilisierung im Kreis gingen und trotz des zu suchenden »Dialogs« mit den Sozialpartnern ein Voranschreiten nicht erkennbar sei.17 Die SPÖ zeigte sich gleichfalls besorgt, dass die Arbeitszeitflexibilisierung zu einer Sackgasse für die Arbeitnehmer werden könnte.18 Gleichzeitig wurde versucht, sie mit anderen Themenbereichen – nicht mehr nur mit der Arbeitszeitverkürzung als Gegenstück – zu verknüpfen. Im Juli 1991 kam es zu einer ÖGB-Konferenz unter dem Titel »Arbeitszeitpolitik der neunziger Jahre«. Auf ihr wurde zwar weiterhin die Forderung nach Einführung der 35-Stunden-Woche zum Abbau der Arbeitslosigkeit bekräftigt.19 Wesentliches Ergebnis der Konferenz war aber auch, dass sich der ÖGB nicht nur mit der Arbeitszeitverkürzung befassen dürfe, sondern »die offensive Beschäftigung mit neuen Arbeitszeitformen und Flexibilisierungsfragen Bestandteil der gewerkschaftlichen Arbeitszeitpolitik der neunziger Jahre sein«20 sollte. Den Deregulierungsversuchen der Arbeitgeberseite sollte eine offensive Arbeitszeitpolitik auch in Flexibilisierungsfragen im Sinne der Arbeitnehmerinteressen ge-

13 Atria-Teichman 1990  : 16. 14 Vgl. Dollinger 1989  : 36. 15 Vgl. Marin 1995  : 17. 16 Vgl. Arbeitskreis Wissenschaft und Sozialpartnerschaft 1996  : 3. 17 Vgl. Schmidt, Heide  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 11.  Sitzung  : 28. 18 Vgl. Silhavy, Heidrun  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 31.  Sitzung  : 212. 19 Vgl. Leutner 1991b  : 16. 20 Leutner 1991b  : 16 (Der Autor hat den Teil »offensive Beschäftigung mit neuen Arbeitszeitformen« ursprünglich fett hervorgehoben.).

426

Arbeitszeit zwischen Verkürzen, Flexibilisieren und Verlängern

genübergestellt werden.21 B. Schwarz hatte in der Arbeit und Wirtschaft im Vorfeld zu diesem Kongress mehrere Thesen zur künftigen Arbeitszeitpolitik aufgestellt. So sei eine Arbeitszeitflexibilisierung abzulehnen, wenn sie dem Arbeitnehmer keine im Vorhinein einplanbare Freizeit und kein sicheres Einkommen22 ermögliche. Der ÖGB versuchte, Flexibilisierung und Gesundheitspolitik in einen Kausalzusammenhang zu bringen, was später im Schlagwort »Flexicurity« seinen Ausdruck finden sollte. In diesem Kontext wurde vornehmlich auf die Einhaltung der Höchstgrenzen der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit23 hingewiesen. Grundsätzlich erwog der ÖGB, die Arbeitszeitpolitik unter dem Motto »Humanisierung des Arbeitslebens« zu betreiben und so Arbeitszeitverkürzungen für belastende Arbeitszeiten sowie für jene Arbeitnehmer mit neuen Arbeitszeitmodellen zu erreichen.24 Mitte der 1990er Jahre wurde schließlich die Arbeitszeitflexibilisierung bzw. -politik mit der Gestaltung von Weiterbildung verbunden.25 Die durch die flexiblere Gestaltung der Arbeitszeit gewonnene Zeit sowie die Produktivitätssteigerung sollten zugunsten der Weiterbildung im Interesse der Wirtschaft genützt werden,26 wie Franz Hums (Bundesminister für Arbeit und Soziales, SPÖ) klarstellte. Wie in allen Bereichen gingen auch im Nationalrat die Arbeitszeitflexibilisierungsdebatten weiter. Sigisbert Dolinschek (FPÖ) betonte eine Dreistufigkeit, die das Arbeitszeitgesetz, den Kollektivvertrag und die Betriebsvereinbarungen umfassen sollte.27 Auf diesen drei Ebenen sollte eine Flexibilisierung der Arbeitszeit(en) erreicht werden, um so nicht nur den Gesundheitsaspekt, sondern auch den Lohnaspekt zu berücksichtigen.28 Für das 1993 entstandene LIF stand eine Flexibilisierung der Arbeitszeitorganisation im Mittelpunkt, wobei auch hier der Lohnaspekt betont wurde. Für Hans Peter Haselsteiner (LIF) sollten Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich flexibilisiert werden.29 Volker Kier (LIF) betonte, daß wir einen anderen Zugang zur Arbeitszeitorganisation finden müssen, und zwar in mehrfacher Hinsicht  : Das Element der Flexibilisierung ist etwas, das heute jeder im Munde führt […]. Es ist unbedingt notwendig, sich aus starren Organisationsformen zu lösen, also auch da im übertragenen Sinn Bürokratie zurückzunehmen, aber es ist auch notwendig, Rahmenbedingungen zu schaffen, daß die Flexibilisierung so gelebt werden kann, daß einzelne 21 Leutner 1991b  : 17. 22 B. Schwarz 1991  : 12. 23 Vgl. Leutner 1991b  : 18. 24 Vgl. Leutner 1991b  : 19. 25 Vgl. Arbeit und Wirtschaft 1995  : 28. 26 Hums, Franz  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 4.  Sitzung  : 15. 27 Vgl. Dolinschek, Sigisbert  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 35.  Sitzung  : 97. 28 Vgl. Dolinschek, Sigisbert  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 35.  Sitzung  : 100. 29 Haselsteiner, Hans Peter  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 35.  Sitzung  : 191.

Fortsetzung der Kontroverse »Flexibilisierung und Verkürzung der Arbeitszeit«

427

Mitglieder der Gesellschaft in absoluten Stunden ausgedrückt weniger arbeiten, aber trotzdem nicht zugrunde gehen. Das heißt, wir müssen Flexibilisierung mit der Komponente ausstatten, daß soziale Sicherheit von der Erwerbsarbeit entkoppelt ist. Wenn wir das nicht machen, dann sitzen wir in einer Arbeitszeitfalle, dann zwingen wir immer weniger Leute, letztlich immer mehr zu arbeiten. Gleichzeitig sind wir aber gezwungen, von diesen immer weniger werdenden Personen immer mehr abzuschöpfen, um alle jene, die wir künstlich aus der Arbeitswelt verdrängt haben – durch starre Regelungen –, zu alimentieren – ich sage bewußt »alimentieren«, da ich bewußt einen negativen Unterton hineinlege.30

Von der Belastung der Einkommen der Arbeitnehmer durch eine Arbeitszeitflexibilisierung über die Notwendigkeit der Arbeitszeitverkürzung, die darin bestehe, dass Arbeit dann geleistet werden müsse, wenn sie notwendig sei, um nicht »unnütz« in einem Büro zu sitzen, sowie über den Wunsch nach einer flexibleren Arbeitszeitgestaltung der Arbeitnehmer und die mögliche Aufhebung von Arbeiterschutznormen durch die Flexibilisierung der Arbeitszeit bis hin zu den möglichen Kosten der Flexibilisierung der Arbeitszeit, die mit einer Höhe von 10 Mrd. Schilling31 beziffert wurden, wurden sämtliche Aspekte des Diskurses im Nationalrat beleuchtet. Gleichwohl wurde nicht an gegenseitigen Vorwürfen gespart. So verwies Fritz Verzetnitsch (ÖGB-Präsident, SPÖ) 1997 in Zusammenhang mit der AZG-Novelle darauf, dass die Arbeitszeitflexibilisierung wohl zu einer Einbahnstraße geworden wäre, wenn sich die Wirtschaft und Teile der ÖVP in ihren Ansichten hätten behaupten können.32 Das LIF wiederum sprach von fehlender Flexibilität sowie der Notwendigkeit anderer Formen der Flexibilisierung wie Zeitsparkonten, Bildungsfreistellungen oder Pflegefreistellungen.33 Madeleine Petrovic (Die Grünen) sah in der Arbeitszeitflexibilisierung sowohl Positives als auch Negatives, Letzteres dann, wenn Flexibilisierung die Perfektionierung eines Ausbeutungssystems bedeute.34 Mit dem erfolgten Übergang zu einer branchenspezifischen Arbeitszeitverkürzung wurde in den 1990er Jahren im Rahmen der Beschäftigungspolitik gleichsam eine flexible Herangehensweise an das Arbeitszeitgesetz gefordert, da es nicht mehr ausreiche, ein solches Gesetz für alle Branchen zu haben, sondern dieses differenzierter zu betrachten sei.35 Hinzu kam der Wunsch, durch Arbeitszeitflexibilisierung 30 Kier, Volker  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 43.  Sitzung  : 24f. 31 Vgl. Mertl, Ilse  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 49.  Sitzung  : 78f.; Dolinschek, Sigisbert  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 49.  Sitzung  : 87  ; Feurstein, Gottfried  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 62.  Sitzung  : 68  ; Gaugg, Reinhart  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 71.  Sitzung  : 98  ; Hostasch, Eleonara  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 136.  Sitzung  : 29. 32 Vgl. Verzetnitsch, Friedrich  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 66.  Sitzung  : 49. 33 Vgl. Schmidt, Heide  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 136.  Sitzung  : 28. 34 Petrovic, Madeleine  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 136.  Sitzung  : 42. 35 Vgl. Trinkl, Josef  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 16.  Sitzung  : 422.

428

Arbeitszeit zwischen Verkürzen, Flexibilisieren und Verlängern

eine Kostensenkung erreichen, Arbeitsplätze sichern sowie die Arbeitslosenrate am Bau senken zu können, wie Johannes Ditz (Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten, ÖVP) anführte, oder aber die Konkurrenzfähigkeit der österreichischen Wirtschaft zu erhalten,36 wie Eleonora Hostasch (Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales, SPÖ) anmerkte. Manche SPÖ-Abgeordnete, wie z. B. Marianne Hagenhofer, standen der Arbeitsplatzsicherung durch Arbeitszeitflexibilisierung zwiespältig gegenüber. Im Nationalrat sprach sie daher von einer oberflächlichen Symptombehandlung.37 Sie stellte die Schaffung neuer Arbeitsplätze, wie von der ÖVP behauptet, in Frage, wenngleich von Seiten der SPÖ Arbeitszeitpolitik als beschäftigungssichernd und beschäftigungswirkend beurteilt wurde, vor allem durch den Einsatz der Gewerkschaften auf der Branchenebene.38 Darüber hinaus wurde die Verteilungswirkung der Flexibilisierung der Arbeitszeit betont.39 Neben der Beschäftigungssicherung war für die Arbeitgebervertretung die Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich ein zentrales Anliegen.40 Christian Hofer (Direktor WKOÖ) erklärte diesbezüglich im April 2004  : Entweder wir flexibilisieren die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen und hier insbesondere die Arbeitszeit weitgehend, oder die Betriebe sind gezwungen, sich anderweitig zu helfen und ihre Produktion in arbeitszeitflexiblere Nachbarländer auszulagern oder noch mehr auf Leasing-Personal, befristete Dienstverträge oder Kooperationen auf Werksvertragsbasis zu setzen.41

Um dies zu verhindern, nannte er einige konkrete Beispiele zur Veränderung des Arbeitszeitgesetzes. Durchwegs sei, wie im 1997 erschienenen Bericht des Wirtschaftsund Sozialbeirates zur »Beschäftigungspolitik« herausgearbeitet wurde, der Wunsch der Arbeitgeberseite nach flexiblen Arbeitszeiten das Ergebnis »der Notwendigkeit, die Produktion den Auftragsschwankungen infolge präziser Kundenforderungen an den jeweiligen Liefertermin [anzupassen,] und des Bemühens, die Kosten von Logistik und Lagerhaltung zu senken […].«42 36 Vgl. Ditz, Johannes  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 4.  Sitzung  : 21  ; Vgl. Hostasch, Eleonara  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 136.  Sitzung  : 28. 37 Hagenhofer, Marianne  : Sten. Prot.. NR, XX. GP, 44.  Sitzung  : 77. 38 Vgl. Hagenhofer, Marianne  : Sten. Prot. NR. XX. GP, 44.  Sitzung  : 77f.; Vgl. Hostasch, Eleonara  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 51.  Sitzung  : 102. 39 Vgl. Arbeitskreis Wissenschaft und Sozialpartnerschaft 1996  : 3  ; Hostasch, Eleonara  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 51.  Sitzung  : 102. 40 D. Lutz 2005  : 33. 41 Oberösterreichische Wirtschaft 2004b  : 3. 42 Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1997  : 123.

Fortsetzung der Kontroverse »Flexibilisierung und Verkürzung der Arbeitszeit«

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Anfang März 2005 äußerte sich Christoph Leitl (von 1990 bis 2000 Wirtschaftslandesrat in Oberösterreich und bis 2018 Präsident der WKO, ÖVP) in einer Presseaussendung zur Umsetzung einer größeren Flexibilität gemeinsam mit den Sozialpartnern. Zu erreichen sei die Flexibilitätsvermehrung sowohl auf kollektivvertraglicher als auch auf einzelbetrieblichere Ebene,43 womit der Wirtschaftsstandort gesichert werden sollte. Wie er anmerkte, wurde die Gestaltung flexibler Arbeitszeit nicht nur in Österreich als Beitrag zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes gesehen. Generell sollte die Arbeitszeitflexibilisierung zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit auf den internationalen Märkten führen.44 Um die österreichische Wirtschaft gegenüber globalen Anforderungen zu stärken und abzusichern, war es aus Sicht der IV unabdingbar, Arbeitszeitmodelle so zu gestalten, dass Aufträge möglichst flexibel abgearbeitet werden konnten.45 Der ÖGB verschloss sich der Argumentation nicht, zumal aus Sicht von Rudolf Nürnberger (SPÖ) bei dem sinnvollen Einsetzen der Flexibilisierung neben dem Erhalt von Arbeitsplätzen auch welche geschaffen werden könnten.46 Im Sinne der Standortsicherung insistierte der Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen gleichfalls auf flexiblen Arbeitszeit(en), da diese »nunmehr zu einem Faktor der Stabilisierung für die Betriebserhaltung in Österreich und auch zu einem Wettbewerbsfaktor innerhalb der EU«47 geworden seien. In letzter Konsequenz trug dieser Diskussionsstrang Anfang des 21. Jahrhunderts einen großen Teil zu einer weiteren »Flexibilisierungs-Novelle« bei. Die Forderung nach einer weitestgehenden Flexibilisierung der Arbeitszeit(en) brachte zudem kein Ende des Meinungsstreits über die Inflexibilität des Arbeitszeitgesetzes mit sich. Während die Unternehmensseite weiter größere Flexibilität des Gesetzes forderte, rückte die Arbeitnehmerseite weiterhin die bereits vorhandene Flexibilität des Gesetzes in den Vordergrund. Als Grundlage einer möglichen Arbeitszeitflexibilisierung wurde generell die Veränderung starrer und einheitlicher Formen der Arbeitsorganisation durch kürzere und flexibler gelagerte Arbeitszeiten erachtet.48 Damit sollte ein elastisches Reagieren auf branchen-, betriebs- und mitarbeiterspezifische Umstände erreicht werden.49 43 Vgl. D. Lutz 2005  : 33. 44 Altun 2005  : 47. 45 Industriellenvereinigung  : Industrie zur Arbeitszeitrichtlinie  : Chancen der Arbeitszeitflexibilisierung für Standort Europa nutzen. URL  : http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20050602_OTS0099/ industrie-zu-arbeitszeitrichtlinie-chancen-der-arbeitszeitflexibilisierung-fuer-standort-europa-nutzen [Datum des letzten Zugriffs  : 09.11.2016]. 46 Vgl. Nürnberger, Rudolf  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 60.  Sitzung  : 51  ; Nürnberger, Rudolf  : Sten. Prot. NR, XXII. GP, 58.  Sitzung  : 100. 47 Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1997  : 124. 48 Baron/Perings/Breisig 1993  : 74. 49 Baron/Perings/Breisig 1993  : 74  ; Mooslechner-Stranzinger 1991  : 68.

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Immer wieder wurde innerhalb der Debatten betont, dass vielfach Möglichkeiten zu einer Flexibilisierung der Arbeitszeiten in Österreich nicht genützt würden. Darauf verwies50 u. a. Franz Hums am 7. Mai 1996 im Nationalrat. In seinen Ausführungen bezog er sich mehrheitlich auf die Schichtarbeit und den Mitte der 1990er Jahre diskutierten Einsatz von Frauen in der Nachtarbeit. Der ÖGB drängte auf eine Beibehaltung des Arbeitszeitgesetzes. Dadurch kam es vermehrt auf Branchen- und Betriebsebene zu Verhandlungen sowie zur Umsetzung einer Flexibilisierung der Arbeitszeit.51 Kollektivverträge, deren Zulassungsnormen sowie Betriebsvereinbarungen stellten die wesentlichen Möglichkeiten zur Arbeitszeitflexibilisierung dar.52 Der Wirtschaftssoziologe Kittel kam hier Mitte der 1990er Jahre zu dem Schluss, dass die Realisierungen aber vor dem Hintergrund stattfinden, dass eine Nicht-Einigung die Geltung des Gesetzes impliziert, das inzwischen für die meisten Branchen eine für die Arbeitgeber, aber auch – etwa in der Frage der wöchentlichen Normalarbeitszeit – für die Arbeitnehmer, ungünstigere Regelung beinhaltet.53

Aus seiner Sicht stellte 1996 das Arbeitszeitgesetz von 1969 im Grunde sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer eine Verschlechterung der abseits des Gesetzes vereinbarten Regelungen dar. Eine Anpassung unter dem Stichwort der Flexibilisierung sollte schließlich in den 1990er Jahren erfolgen. Doch auch nach den »Flexibilisierungs-Novellen« verstummte die Kritik am österreichischen Arbeitszeitgesetz nicht.54 Medial dominierte so am Beginn des 21. Jahrhunderts die Debatte um starre Arbeitszeiten, die zu Standortnachteilen führen würden.55 Rudolf Trauner jun. (Präsident WKOÖ) sprach 2004 davon, dass ein zu starres Arbeitszeitkorsett Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmer entmündige.56 In einer Untersuchung zur »Starrheit« des Gesetzes kam Cerny 2001 schließlich zu dem Ergebnis, dass ca. 2/3 der österreichischen Arbeitnehmer mit flexiblen Arbeitszeiteinteilungen arbeiteten, das Normalarbeitsverhältnis mit seinen 40 Wochenstunden, aufgeteilt auf eine Fünf-Tage-Woche, eher die Ausnahme denn die Regel sei, eine Zunahme von Wochenend-, Nacht- und Teilzeitarbeit sowie geringfügige Beschäftigung zu beobachten sei sowie eine Steigerung der Arbeitsbelastung durch flexible Arbeitszeitgestaltung anzutreffen sei.57 50 Vgl. Hums, Franz  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 20.  Sitzung  : 26. 51 Kittel 1996  : 238. 52 Vgl. Cerny 2001  : 33. 53 Kittel 1996  : 238. 54 Vgl. Cerny 2001  : 39  ; Leutner 2002  : 38  ; Kopf, Karlheinz  : Sten. Prot. NR, XXII. GP, 58.  Sitzung  : 122. 55 Vgl. Gahleitner 2006  : 335. 56 Oberösterreichische Wirtschaft 2004a  : 2. 57 Vgl. Cerny 2001  : 29f.

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Dadurch sei, so Cerny, die Starrheit des Arbeitszeitrechts widerlegt, und dies wiederum bedeute, dass vornehmlich ökonomische Interessen für entsprechende Forderungen ausschlaggebend seien.58 Drei Jahre zuvor waren Pichelmann, Hofer und Rosner ebenfalls zu dem Ergebnis gekommen, dass Österreich kein Land mit einer besonders rigiden Arbeitszeitstruktur sei.59 2006 betonte Verzetnitsch ähnliche Punkte, um klarzustellen, dass in Österreich bereits flexibel gearbeitet werde.60 Zu dem gleichen Schluss wie Cerny kam Leutner 2002 in dem Artikel »Es geht um die Löhne. Position zur beginnenden Debatte um die Flexibilisierung der Arbeitszeit« in Arbeit und Wirtschaft. Von starren Arbeitszeiten könne in Österreich keine Rede sein.61 Anders als Cerny rückte bei Leutner jedoch die Lohnfrage in den Mittelpunkt der Diskussionen um eine Arbeitszeitflexibilisierung. Gerade deren Vernetzung mit der Lohnfrage wurde ab dem 21. Jahrhundert immer wieder angesprochen.62 Trotz der ständig angeführten vorhandenen Flexibilität wurde weiterhin von einigen Diskutanten oder den Medien eine gewisse Starrheit des Gesetzes oder der Anwendung der Arbeitszeitflexibilisierung geltend gemacht. Im Laufe der 1990er Jahre und am Anfang des 21. Jahrhunderts gab es schließlich zahlreiche Flexibilisierungsansätze, die verwirklicht wurden. Grundsätzlich bedurfte es eines komplexen Zusammenspiels von Gesetz, Kollektivvertrag und auch Betriebsvereinbarung,63 um die teilweise erwünschte Verlagerung auf die betriebliche Ebene zu erreichen, wie bereits im Regierungsprogramm 2000 formuliert worden war.64 Eine gesetzliche Verlagerung dieser Regelungskompetenz wurde aufgrund des Bemühens um einen Interessenausgleich bislang nicht durchgeführt.65 Die Rede von der Arbeitszeitflexibilisierung bedeutete jedoch nicht nur Kritik an einem starren System. Vielmehr wurde versucht, eine Vielzahl an flexiblen Modellen zu implementieren. Wurden die Arbeitszeitflexibilisierung und somit auch die flexiblen Arbeitszeitmodelle ursprünglich von der Arbeitgeberseite in den Dialog eingebracht, entwickelte sich über diesen Zeitraum auch von Arbeitnehmerseite her der Wunsch, die Arbeitszeiten flexibler zu gestalten. Dadurch stießen die Arbeitszeitmodelle auf immer breitere positive Resonanz. Dies bedeutete, dass eine Rückkehr

58 Vgl. Cerny 2001  : 30. 59 Vgl. Pichelmann/Hofer/Rosner 1998  : 69. 60 Vgl. Verzetnitsch, Friedrich  : Sten. Prot. NR, XXII. GP, 138.  Sitzung  : 21. 61 Leutner 2002  : 38. 62 Vgl. Verzetnitsch, Friedrich  : Sten. Prot. NR, XXII. GP, 102.  Sitzung  : 59f.; Kauer 2006  : 26  ; Leutner 2002  : 36ff. 63 Gahleitner 2006  : 340. 64 Vgl. Obinger/Tálos 2006  : 146. 65 Vgl. Obinger/Tálos 2006  : 155.

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zu einem Normalarbeitsverhältnis nicht als Allheilmittel gegenüber den Flexibilisierungsbestrebungen erachtet werden konnte.66 In diesem Sinne wurde nach den 1980er Jahren weiterhin über diverse Modelle, wie z. B. Sabbaticals, Bildungsurlaub und Teilzeitarbeit, Gleitzeit, Ladenöffnungszeiten und ähnliche, diskutiert.67 Die vorgeschlagenen und diskutierten flexiblen Arbeitszeitmodelle blieben nahtlos dieselben wie in der vorangegangenen Periode. Die Ausbreitung der Teilzeitarbeit, vornehmlich bei Frauen, bedeutete, dass auf diese geschlechtsspezifische Gruppe ebenfalls im Rahmen der flexibleren Arbeitszeitmodelle Rücksicht genommen werden sollte, so etwa bei der Suche nach passenden Lösungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, bei längeren Wegstrecken oder aber mit Blick auf bedarfsgerechte Kinderbetreuungseinrichtungen.68 Für die Grünen sollten eine Flexibilisierung und der Einsatz von flexiblen Arbeitszeitmodellen nicht einseitig erfolgen, um das Phänomen der »working poor«, von dem mehrheitlich Frauen betroffen seien, zu verhindern.69 Hinsichtlich des Profits von Arbeitszeitflexibilisierung wurde je nach Sichtweise die Arbeitgeber- oder die Arbeitnehmerseite im Vorteil gesehen. Wieder einmal wurde auch die Freizeitthematik beleuchtet. So kommen Grabler und D. Kepplinger 1999 zu dem Schluss, dass die Ausdehnung der Tagesfreizeit ein geändertes Freizeitverhalten nach sich ziehe. Diese Veränderung zeige sich u. a. dadurch, dass Besuche von Museen und Ausstellungen, Wanderungen etc. vermehrt wochentags stattfänden, wohingegen »starre« Arbeitszeiten zu einem eher passiven Genuss von freien Stunden führen würden.70 Neben der größeren Bedeutung der Freizeit und des Freizeitverhaltens an sich für die Arbeitnehmer wurde betont, dass Frauen generell von flexibleren Arbeitszeiten profitieren würden. Um die Harmonisierung von Beruf und Familie voranzutreiben, seien u. a. die Evaluierung der Wiedereinstiegshilfen, weitere Maßnahmen zur Flexibilisierung der Arbeitszeiten und des Arbeitsortes, aber nicht die Arbeit auf Abruf, sowie die Erweiterung der Kompetenzen der Betriebsvereinbarungen notwendig.71 Allerdings zeigte sich, dass Frauen mehrheitlich dann zu Verbündeten bei der Durch66 Vgl. T. Schmid 1993  : 197. 67 Vgl. Leutner 2002  : 38  ; Van der Bellen, Alexander  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 16.  Sitzung  : 52  ; Haller, Edith  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 37.  Sitzung  : 204  ; Haupt, Herbert  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 49. Sitzung  : 95  ; Nürnberger, Rudolf  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 60.  Sitzung  : 51  ; Mitterlehner, Reinhold  : Sten. Prot. NR, XXII. GP, 27.  Sitzung  : 43. 68 Vgl. Buder, Hannelore  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 58.  Sitzung  : 137  ; Mikesch, Herta  : Sten. Prot. NR, XXII. GP, 76.  Sitzung  : 180. 69 Vgl. Petrovic, Madeleine  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 136.  Sitzung  : 42f. 70 Vgl. Grabler/D. Kepplinger 1999  : 81. 71 Vgl. Steibl, Ridi  : Sten. Prot. NR. XXI. GP, 64.  Sitzung  : 115  ; Bauer, Rosemarie  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 93.  Sitzung  : 32  ; Pastner/Papouschek 1997  : 190  ; Karl 2006  : 27.

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setzung betrieblicher Flexibilisierungsinteressen wurden, wenn die Flexibilisierung mit der eingeschränkten Verfügbarkeit der Frauen72 in Zusammenhang gebracht wurde. Immer wieder wurde zugleich auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie73 hingewiesen, wenngleich durch die Arbeitszeitflexibilisierung der Synchronisationsund Koordinationsdruck sich deutlich erhöht hatte74 und nicht lediglich ein Teil der familialen Lebensführung, sondern diese als Ganzes75 von der Flexibilisierung der Arbeitszeit betroffen war. Eine Negativbewertung der Arbeitszeitflexibilisierung erfolgte überwiegend dann, wenn die Familiensituation oder das soziale Umfeld durch flexible Arbeitszeiten stark eingeschränkt wurden.76 Aus Sicht der Gewerkschaften sollten nicht Frauen alleine, sondern möglichst alle Interessengruppen von einer Flexibilisierung profitieren. Zugleich galt es, »starre Konzepte« aufzubrechen, damit Arbeitnehmer profitieren könnten.77 So positionierte sich die Gewerkschaft Ende des 20. Jahrhunderts unter dem Motto »Flexibel und kürzer«.78 Dieses nicht konfliktfreie Ziel einer Flexibilisierung und gleichzeitigen Verkürzung der Arbeitszeit sollte allerdings unter kontrollierenden Bedingungen erreicht werden.79 Denn nur eine »regulierte Deregulierung« kann allen Interessengruppen entsprechen und die von Gewerkschaftsseite gefürchteten Einseitigkeiten zugunsten der Unternehmer unterbinden. Die von den österreichischen Gewerkschaften thematisierten Möglichkeiten flexibler Kürzungen reichen von der Einführung von Sabbaticalmodellen, Bildungskarenz, solidarischer Verteilung von Arbeitszeit und Einkommen oder dem Modell des ersparten Zeitguthabens für ein Freizeitjahr im Öffentlichen Dienst bis hin zur Gleitpension.80

Dieser Interessenausgleich wurde als »unbedingt erforderlich«81 unter Gestaltung oben angeführter Möglichkeiten sowie weiterer Arbeitszeitmodelle erachtet. Dass der Wunsch nach Arbeitszeitflexibilisierung nicht mehr nur den Interessen der Ar72 Flecker 1999  : 17. 73 Vgl. Karl 2006  : 27  ; Pastner/Papouschek 1997  : 190  ; Jürgens 1999  : 46  ; Steibl, Ridi  : Sten. Prot. NR, XXI. GP, 64.  Sitzung  : 115  ; Bauer, Rosemarie  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 93.  Sitzung  : 32. 74 Jürgens 1999  : 87. 75 Jürgens 1999  : 277. 76 Altun 2005  : 212. 77 Vgl. Hostasch, Eleonara  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 11.  Sitzung  : 112. 78 Hussl 1999  : 76. 79 Hussl 1999  : 76. 80 Hussl 1999  : 76. 81 Leutner 2002  : 39 (der Autor hat den Teil »unbedingt erforderlich« ursprünglich fett hervorgehoben)  ; vgl. Nürnberger, Rudolf  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 60.  Sitzung  : 52.

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beitgeber und deren Interessenvertretung entsprang, zeigen diverse Umfragen, auf die sich Arbeitsminister Bartenstein bezog, als er flexible Arbeitszeitregelungen als großes Anliegen für Arbeitnehmer bezeichnet. Um seine Argumente für eine vermehrte Arbeitszeitflexibilisierung zu stützen, führte er an, dass sich ca. 2/3 der österreichischen Beschäftigten regelmäßige Arbeitstage bis zu zehn Stunden im Austausch gegen eine verkürzte Arbeitswoche, einen verkürzten Arbeitsmonat oder aber ein Mehr an Urlaubstagen vorstellen könnten.82 Trotz all dieser Debatten und ihrer Unterpunkte hatte sich am Kern selbst seit Ende der 1970er Jahre kaum etwas verändert. So stellte die Arbeitszeitflexibilisierung aus Sicht der Unternehmen und ihrer Vertretungen eine gewissermaßen unabwendbare Entwicklung dar  ; im Grunde müsse nur noch die Frage nach der praktischen Umsetzung geklärt werden.83 Im Endeffekt wurde argumentativ mit der Quadratur des Kreises versucht, letztlich alle von einer Flexibilisierung profitieren zu lassen. Dies brachte Ridi Steibl (ÖVP) im Nationalrat zum Ausdruck, als sie meinte, als Schlagzeile lieber »Flexible Arbeitszeit zugunsten aller  ! als über Rückschläge in den Gesprächen über flexible Arbeitszeiten«84 zu lesen. 7.1.2 35-Stunden-Woche Als treibende Kraft hinter der versuchten Umsetzung der 35-Stunden-Woche hatte sich Sozialminister Alfred Dallinger erwiesen. Während der Urlaubsanspruch ausgedehnt werden konnte, gelang es ihm nicht, sein Prestigeprojekt, die Einführung der 35-Stunden-Woche, zu verwirklichen. Vielmehr wurde die Entwicklung der Arbeitszeitverkürzung mit der mehrheitlichen Einführung der 38,5-Stunden-Woche gestoppt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass damit das Ende der Bestrebungen nach einer weiteren Arbeitszeitverkürzung und der Realisierung der 35-Stunden-Woche einherging. Anfang der 1980er Jahre wurde von einer in absehbarer Zeit fälligen Einführung der 35-Stunden-Woche gesprochen. Eine konkrete Terminierung dieses Ziels erfolgte nie. So wurde am 10. Bundeskongress »nur« die Absicht der Einführung der 35-Stunden-Woche bekannt gegeben.85 Das durch die Arbeitszeitflexibilisierung angestoßene Auseinanderdriften von Vereinbarungen zur Arbeitszeit und somit die einsetzende schleichende Erosion des Normalarbeitsverhältnisses musste naturgemäß eine Realisierung dieses Ziels erschweren.86 82 Vgl. Bartenstein 2003  : 40. 83 Vgl. Kronauer/Linne 2005  : 15. 84 Steibl, Ridi  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 35.  Sitzung  : 88. 85 Vgl. Bretschneider/Dollinger/Lamel/Ulram 1985  : 99. 86 Vgl. Buttler/Oettle/Winterstein 1986  : 105.

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Charakteristische Elemente waren erneut die Beschäftigungspolitik und die Sicherung des österreichischen Wirtschaftsstandortes mit der gerechteren Verteilung der vorhandenen Arbeit auf alle Arbeitnehmer, wie der ÖGB forderte, während die BWK eine bessere Verteilung der Arbeitszeit zur Verbesserung der Auslastung der Betriebsmittel wünschte.87 Wie schon Anfang 1980er Jahre stieg die Arbeitslosigkeit auch in den 1990er Jahren und danach weiter an, so dass die Frage der Beschäftigungssicherung weiterhin mit der Forderung nach einer gerechteren Verteilung der Arbeitszeit, also der Umverteilung von Beschäftigten auf Arbeitslose, verbunden wurde. Dementsprechend vertrat Hans Sallmutter (Vorsitzender der GPA, SPÖ) auf der Vorständekonferenz 1999 die Meinung, die Arbeitszeitverkürzung sei ein unverzichtbares Mittel zur Schaffung von Arbeitsplätzen.88 In dem erhofften Ausmaß trat die Beschäftigungswirkung einer weiteren Arbeitszeitverkürzung jedoch nicht ein  ; im Endeffekt war sie geringer als erwartet.89 Chaloupek sah u. a. in der Stagnation der Einkommen in Verbindung mit Lohneinbußen sowie im Ausbau der Teilzeitarbeit der Frauen Gründe für die geringe Beschäftigungswirkung im Gegensatz zu der in den 1970er Jahren vollzogenen etappenweisen und auf einen längeren Zeitraum ausgerichteten Verkürzung von 48 auf 40 Wochenstunden.90 Das Nichteintreten der großzügigen Erwartungen machte sich gleichfalls in der Einstellung der vom ÖGB vertretenen Klientel bemerkbar. Vermehrt musste daher auf die Wünsche der Arbeitnehmer geachtet werden. Hemetsberger führte im Rahmen ihrer 1997 verfassten Dissertation »Arbeitszeit im Lebenskontext« zahlreiche Interviews durch, die sie in Teilauszügen in diese einfließen ließ. Auch wenn die Fragestellungen sich nicht direkt auf die Beschäftigungssicherung durch Arbeitszeitverkürzung bzw. die Einführung einer 35-Stunden-Wochen bezogen, lassen sich in den Statements Einstellungen gegenüber einer möglichen Beschäftigungswirkung von Arbeitszeitverkürzung und deren Auswirkung erkennen. Demnach war der Wunsch nach einer Einführung der 35-Stunden-Woche, wie sie von Teilen der Gewerkschaften seit den 1980er Jahren vehement gefordert wurde, nicht uneingeschränkt bei den Arbeitnehmern vorhanden. Dies konnte sich u. a. in einer Negativbewertung der Rolle der Gewerkschaften oder der 35-Stunden-Woche widerspiegeln, wie die Aussage eines männlichen Angestellten zeigt  : Wenn das einmal wird zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, dann brauche ich nicht mehr die Gewerkschaft, die sagt  : ›Du arbeitest nur mehr 35 Stunden‹. Es gibt vielleicht sogar Leute, die arbeiten lieber 38,5 oder 40 Stunden, die arbeiten, weil wir froh sind, 87 Kittel 1996  : 233. 88 Arbeit und Wirtschaft 1999  : 11. 89 Reithofer 1995  : 120. 90 Chaloupek 2004  : 9ff.

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daß wir so viele Aufträge haben, die arbeiten sehr viel an den Wochenenden, die sind froh, weil sie etwas verdienen. Und jetzt soll einer kommen, der sagt  : ›Du darfst nur mehr 35 Stunden arbeiten‹  : das ist ein Blödsinn.91

In diesem Statement lässt sich ein Zusammenstoßen von Privat- und Betriebsinte­ resse erkennen. Neben den Veränderungen der Familiensituationen, die zu ­einer Neubewertung der Arbeitszeitsituation führten, spielte ein zweiter Faktor bei der Bewertung der Arbeitszeit eine wichtige Rolle  : die Berücksichtigung von ge­ meinschaft­lichen und betrieblichen Interessen, die nicht unbedingt in Einklang mit den persönlichen Interessen stehen müssen.92 Hemetsberger hält fest, dass die Befragten in ihren Aussagen die Mitte zwischen betrieblichen und eigenen Interessen suchten.93 Verstärkt rückte bei den Arbeitnehmern der Kosten-Nutzen-Faktor einer möglichen Arbeitszeitreduktion in den Fokus, wie die Aussage einer weiblichen Arbeiterin deutlich macht  : Kürzere Arbeitszeit  ? Ja, für den Arbeitnehmer wäre es fein, aber für den Arbeitgeber, glaube ich, ist es sicher kein Vorteil, das kostet einen Haufen Geld, das ist ein großer Verlust.94

Oder wie ein männlicher Angestellter es ausdrückt  : […] jeder ist sich bewußt, daß bei einer generellen Arbeitszeitverkürzung mit der Zeit der Brötchengeber ganz einfach nichts mehr geben kann, weil von der Leistung her einfach auch weniger erbracht wird. Und der Betrieb, der negativ ist, wird seine Mitarbeiter nicht mehr halten können  ; das heißt, es wird zwar ein jeder sagen ›ja, es wäre mir schon recht, wenn ich weniger Zeit für die Arbeit aufwenden müßte‹, aber ich sehe ein, irgendwo ist die Grenze, wo es nicht mehr geht, daß man weniger arbeitet. Also im Betrieb, wie soll ich das sagen, ich brauche keine Arbeitszeitverkürzung, wenn sie (sic  !) das meinen.95

Damit betonten die Befragten eine Abhängigkeit von den Unternehmen, so dass ein Zuviel an Freizeit ebenfalls schlecht sei. Nicht nur das wurde negativ beurteilt, es findet sich bei den von Hemetsberger interviewten Personen auch das Argument der Arbeitsintensivierung durch Arbeitszeitverkürzung, das bei den Debatten immer 91 Zitiert nach Hemetsberger 1997  : 189. 92 Vgl. Hemetsberger 1997  : 189. 93 Vgl. Hemetsberger 1997  : 187ff. 94 Zitiert nach Hemetsberger 1997  : 188. 95 Zitiert nach Hemetsberger 1997  : 189.

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wieder angeführt wurde, um die negative Seite einer Arbeitszeitreduktion zu betonen. Stress und hoher Druck96 wurden in diesen Fällen als Folgen einer möglichen Arbeitszeitverkürzung angeführt. Weitere Argumenten gegen eine Arbeitszeitverkürzung waren der fehlende Glaube an die Beschäftigungswirkung und somit an ein Mehr an Arbeitsplätzen, die Verteuerung von Endprodukten, die Verschlechterung der Konkurrenzfähigkeit des Unternehmens, die Auslagerung der Produktion ins Ausland, Rationalisierungsmaßnahmen, die fehlende Notwendigkeit einer Arbeitszeitverkürzung, die Finanzierbarkeit und der fehlende Nutzen der Freizeit sowie die Bevorzugung einer weiteren Ausdehnung des Urlaubsanspruchs.97 Werden diese Argumente mit jenen verglichen, die in der Arbeitszeitdiskussion vorherrschten, so lässt sich eine Übereinstimmung ausmachen. Die Begründungen zur Ablehnung einer Arbeitszeitverkürzung oder der Einführung der 35-Stunden-Woche sind nahezu deckungsgleich mit jenen, welche die Unternehmen und deren Interessenvertretung oder – allgemein ausgedrückt – die Gegner einer Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit seit jeher genannt haben. Interessant an dieser Erhebung ist somit, dass diese »negative« Argumentationskette verstärkt in der Basis der Gewerkschaft auszumachen war. Neben der Zersplitterung der Gewerkschaftsposition in den 1980er Jahren in Fragen der Arbeitszeitverkürzung, dem Aufkommen des Diskussionsstrangs Arbeitszeitflexibilisierung, der geschwächten Position der Gewerkschaften durch einen Mitgliederrückgang, dem Fehlen eines globalen Übergangs zur 35-Stunden-Woche sowie der Anfang des 21. Jahrhunderts stark in den Vordergrund tretenden Arbeitszeitverlängerung ist dies sicherlich mit ein Grund, warum aus Gewerkschaftssicht die Verwirklichung der 35-Stunden-Woche in Österreich bis dato nicht stattgefunden hat und schwer erreichbar ist. Hinsichtlich des Wunsches einer Veränderung der Arbeitszeitdauer kommt Hemetsberger schließlich zu nachstehendem Ergebnis  : Als zentrale Zusammenhänge zwischen Arbeitssituation und Zeitwahrnehmung haben sich empfundene Freude und Spaß an der Arbeit bzw. das Ausmaß an zeitlicher Autonomie herausgestellt. Je mehr an Freude und Spaß in der Arbeitssituation vorherrscht, umso geringer wird die Bedeutung des damit verbrachten Zeitaufwandes – die Arbeitszeitdauer wird sekundär. Zeitliche Autonomie führt zur subjektiven Wahrnehmung, mehr Zeit für Privatleben zu haben, starre Arbeitszeiten und das damit einhergehende Gefühl des Zwangs löst bei Arbeitnehmern soziale zeitliche Konflikte aus, die im Wunsch nach Verkürzung von Arbeitszeit resultieren.98

96 Vgl. Hemetsberger 1997  : 189f. 97 Vgl. Hemetsberger 1997  : 190f. 98 Vgl. Hemetsberger 1997  : 194.

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Die Situation am Arbeitsplatz sowie die persönliche Zeitwahrnehmung beeinflussen letztlich genauso das Verlangen oder den Wunsch nach einer Veränderung der Arbeitszeitdauer wie die Kohärenz von Privat- und Betriebsinteresse. Umgekehrt gilt, dass starre Arbeitszeiten und größere Belastungen, die mit sozialen oder zeitlichen Konflikten einhergehen,99 das Verlangen nach einer Arbeitszeitreduktion verstärken. Wird dieses Untersuchungsergebnis auf vorangegangene Perioden der Arbeitszeitentwicklung umgelegt, so lassen sich immer wieder solche Konfliktsituationen festmachen, wie z. B. die Auseinandersetzung um die Überstundenfrage anhand der Gültigkeit der 48- oder der 60-Stunden-Woche in der ersten Periode oder die Durchsetzung des Arbeitszeitgesetzes mit der Verwirklichung der 40-Stunden Woche in der zweiten Periode. Währenddessen lässt sich seit der dritten Periode der Arbeitszeitentwicklung ein sozialer, zeitlicher Konflikt schwerer festmachen, da die Aktoren einer Arbeitszeitverkürzung nicht mehr als eine geschlossene Einheit nach außen hin auftraten und sich in dieser Frage die Spaltung der Gewerkschaft manifestierte. Zugleich beeinflusste neben dem gesellschaftlichen Wandel die Omnipräsenz der Arbeitszeitflexibilisierung die Haltung der Arbeitnehmerschaft zu einer zukünftigen Arbeitszeitreduktion. Das Aufbrechen der Diskussion hin zu flexiblen Arbeitszeiten hat damit nachhaltig die Einstellung, das Verlangen und/oder den Wunsch der Arbeitnehmer zu künftigen Reduzierungen der wöchentlichen Arbeitszeit beeinflusst, und erst ein größerer sozialer, zeitlicher Konflikt könnte wahrscheinlich den nächsten Schritt in eine Arbeitszeitverkürzung einleiten. Obwohl die Untersuchung Hemetsbergers ein eher negatives Bild der Einstellung zur Arbeitszeitreduktion zeichnet, wird diese von Teilen der Gewerkschaft wie auch der Arbeiterschaft weiterhin gewünscht. Zugleich wird nicht mehr nur an eine lineare Verkürzung auf die 35 Wochenstunden gedacht. Buchinger sprach hierzu ein Vorgehen über Kollektivverträge wie Betriebsvereinbarungen an und zeigte dabei eine alternative Nutzung der entstehenden Freizeit durch Arbeitszeitverkürzung auf. 99 Nach Glasl wird unter dem Terminus »sozialer Konflikt« eine Interaktion zwischen Aktoren (Individuen, Gruppen, Organisation usw.) verstanden, wobei wenigstens ein Aktor Unvereinbarkeit im Denken/Vorstellen/Wahrnehmen und/oder Fühlen und/oder Wollen mit dem anderen Aktor (anderen Aktoren) in der Art erlebt, dass im Realisieren eine Beeinträchtigung durch einen anderen Aktor (die anderen Aktoren) erwartet wird. Dadurch ergeben sich in der Konfliktsituation ein Dissens zwischen den Konfliktparteien, der in einer Unvereinbarkeit mündet, Beeinträchtigungen, die mindestens eine der beiden Konfliktparteien erlebt, sowie die soziale Interaktion zwischen den Konfliktparteien. Dementsprechend reicht es aus, wenn nur eine Konfliktpartei einen Konflikt als solchen wahrnimmt und sein Handeln darauf abstimmt, während die andere Konfliktpartei sich eines solchen Konflikts (noch) nicht bewusst ist. Bezieht sich der Widerspruch »nur« auf Denk- und Vorstellungsinhalte, so liegt noch kein Konflikt vor, von Bedeutung ist vielmehr das Erleben eines (Interessen-)Gegensatzes. Glasl 1992  : 14f.; F. Herrmann 2006  : 26  ; Schibli Leu 2009  : 36ff.

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Eine mögliche Reduktion könnte hiernach bedeuten  : tägliche Verkürzung um eine Stunde bei einer Fünf-Tage-Woche  ; fünf Stunden weniger pro Woche, geblockt auf einen oder mehrere Tage  ; jede zweite Woche ein Tag zusätzlich frei plus eine Woche Zusatzurlaub etc.100 Die Vorstellungen Buchingers kommen dem Steyrer Modell, abgesehen von den weiteren Förderungsvereinbarungen, durchaus nahe. Um jedoch die Umsetzung der 35-Stunden-Woche anzukurbeln, schlug auch Buchinger Förderungsmodelle vor, um so gleichfalls Rationalisierungen sozial verträglicher zu gestalten.101 Derlei Überlegungen zur Arbeitszeitverkürzung blieben in der Minderheit. Dass dennoch die 35-Stunden-Woche weiterhin thematisch behandelt und verlangt wurde, lag letztlich sicher an ihrer Verwirklichung in Frankreich.102 Bestrebungen zur Einführung der 35-Stunden-Woche betonte daher der ÖGB neuerlich auf der Arbeitszeitkonferenz im Juli 1991 und auf dem 12. ÖGB-Kongress im Oktober desselben Jahres.103 Trotz des Bekundens des Wunsches nach Arbeitszeitverkürzung wurde der Prozess jedoch nicht aufrechterhalten.104 Die Gründe dafür können eindeutig in der Diversifikation der Gewerkschaftsposition in Opposition zur einheitlichen Linie der Arbeitgeberverbände gesehen werden.105 Diese Positionsspaltung blieb in den 1990er Jahren bestehen. Während Sallmutter und Verzetnitsch weiter die Forderung nach der 35-Stunden-Woche bekräftigten, wurde sie von Neugebauer und Nürnberger unterminiert.106 Damit stellt gerade diese uneinheitliche Positionierung ein Kontinuitätsmerkmal der Gewerkschaftspolitik seit den 1980er Jahren dar.107 Mitte der 1980er Jahre war der Weg über eine branchenspezifische Arbeitszeitverkürzung als Alternative zur linearen Einführung der 35-Stunden-Woche gewählt worden. Ein Abschluss sollte mit einem Generalkollektivvertrag gesetzt werden. Diese Vorgangsweise wurde, nachdem sich die Verwirklichung einer linearen Einführung der 35-Stunden-Woche als nicht praktikabel erwiesen hatte, weiterhin angedacht. 2002 wurde in Arbeit und Wirtschaft auf diesen Weg der Arbeitszeitverkürzung hingewiesen. So sollten nach Meinung der Autorin über Kollektivvertragsrunden in einigen Branchen Arbeitszeitverkürzungen durchgesetzt werden, um später die 37-Stunden-Woche bis hin zur 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich zu erreichen.108 100 Buchinger 1998a  : 26. 101 Vgl. Buchinger 1998b  : 27f. 102 Vgl. Koberwein 2002  : 7. 103 Vgl. Sorger 2014  : 72. 104 Vgl. Sorger 2014  : 73f. 105 Vgl. Sorger 2014  : 73. 106 Vgl. Sorger 2014  : 75. 107 Vgl. Hochrainer 2003  : 138. 108 Vgl. Koberwein 2002  : 6f.

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Dieser Prozess der branchenspezifischen Arbeitszeitverkürzung hatte allerdings andere Auswirkungen als noch in den 1950er Jahren. Damals setzte der Generalkollektivvertrag der branchenweisen Arbeitszeitreduktion ein Ende und etablierte grundsätzlich die 45-Stunden-Woche. Mit der parteipolitisch motivierten Initiative zu einem Arbeitszeitgesetz und der Einführung der 40-Stunden-Woche wurde weiterhin der lineare Verkürzungsweg, dieses Mal etappenweise, beschritten. So aber blieben in dieser Periode, abgesehen von der starken Beteiligung der SPÖ, die Akteure der Sozialpartnerschaft maßgebend. Die Einleitung in neue, branchenspezifische Verkürzungen der wöchentlichen Normalarbeitszeit bedeutete seit Mitte der 1980er Jahre die Einleitung eines Dezentralisierungsprozesses.109 Veränderungen der Arbeitszeitdauer wurden auf die Branchenebene wie auch auf die Betriebsebene, also jenseits der gesetzlich-kollektivvertraglichen Ebene, verlagert.110 Infolgedessen ging die Einflussnahme der Gewerkschaft auf die Arbeitszeitregelung zurück. Die Zielformulierung der 35-Stunden-Woche blieb genauso bestehen wie der Ansatz, den Weg über die branchenspezifische Arbeitszeitverkürzung zu gehen. Arbeitszeitreduktionen über die 38-Stunden-Woche hinaus gab es jedoch kaum.111 Dieses Nichtzustandekommen der Einführung der 35-stündigen Arbeitswoche veranlasste Rabl-Stadler 1992 dazu, die Arbeitszeitverkürzung für »mausetot« zu erklären.112

7.2 Arbeitszeitpolitische Diskussion von 1989 in den »Wirtschaftspolitischen Blättern« Die Wirtschaftspolitischen Blätter nahmen die abschließende Verkürzungsetappe der 1980er Jahre zum Anlass, eine weitere wissenschaftliche Runde des Austauschs zum Thema »Arbeitszeit« zu starten. Die Debatte lässt sich in zwei Kernbereiche aufteilen  : Einerseits sollte eine »Ist-Analyse« der Arbeitszeitsituation in Österreich gegeben werden. Andererseits wurde das Augenmerk auch auf die zukünftige Entwicklung der Arbeitszeitsituation gelenkt. Neben der Betrachtung der Situation Österreichs galt es zudem, die Arbeitspolitik in den Mitgliedstaaten der EG zu beleuchten. Hauth analysierte detailliert die österreichische Entwicklung der Arbeitszeitsituation zwischen 1978 und 1987 anhand des Mikrozensus und der Industriestatistik des Österreichischen Statistischen Zentralamtes.113 Dementsprechend stellte er der ge109 Vgl. Kittel 1996  : 240. 110 Vgl. Kittel 1996  : 240. 111 Vgl. L. Holzinger 2007  : 5. 112 Vgl. Plaschg 2008  : 101. 113 In seiner Analyse verweist Hauth darauf, dass die Stichprobenerhebungen im Mikrozensus und in der Industriestatistik des Österreichischen Statistischen Zentralamtes sich in ihrer Erhebungsform voneinander unterscheiden und daher gewisse Unschärfen erkennbar sind. So basieren die Daten des

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samtwirtschaftlichen Arbeitszeitentwicklung jene in der Industrie gegenüber. Er beschränkte sich nicht auf diese Gegenüberstellung, sondern bezog die Sonderformen der Arbeitszeit in die Analyse mit ein.114 In dem von ihm betrachteten Zeitraum von 1969 bis 1987 kam es zu einem Rückgang der geleisteten Stunden je Beschäftigten um 271 Stunden und zu einer Verkürzung der Wochenarbeitszeit um 5,2 Stunden, so dass 1987 die geleistete Wochenarbeitszeit bei 36,7 Wochenstunden lag. Dies erklärte Hauth mit der in den 1970er und 1980er Jahren vollzogenen Arbeitszeitverkürzung und der Ausdehnung des Mindesturlaubs, wenngleich im Mikrozensus die Ausfallzeiten des Urlaubs unterrepräsentiert115 seien.116 Darüber hinaus bewirke die Teilzeitarbeit gleichfalls einen Rückgang der geleisteten Arbeitsstunden.117 Dementsprechend sei es zu einem Rückgang der bereinigten geleisteten Jahresarbeitszeit je Arbeitnehmer um 14 % sowie zu einer Verringerung der Regelarbeitszeit um 15 % gekommen.118 Aus dieser Analyse ergibt sich, dass die gesetzliche oder kollektivvertragliche Reduktion der Arbeitszeit sich nicht unmittelbar in einer Verkürzung der geleisteten wöchentlichen Normalarbeitszeit niedergeschlagen hatte. Hauth verwies auf einjährige Verzögerungen 1971 und 1976.119 Aus seiner Sicht wurden diese durch zusätzliche Überstundenleistungen verursacht.120 Die seit 1985 einsetzenden Verkürzungen wiederum bewirkten einen eher gleichmäßigen Rückgang der geleisteten Jahresarbeitszeit je Arbeitnehmer. Eine genderdifferenzierte Analyse ergab für 1987 eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 34,6 Stunden bei Frauen und 38,2 Stunden bei Männern.121 AusMikrozensus auf Stichprobenbefragungen von Haushalten, während die Industriestatistik auf Vollerhebungen in den Betrieben zurückgreift. Darüber hinaus unterscheide die Industriestatistik zwischen bezahlten Arbeiterstunden, Ausfallstunden sowie geleisteten Arbeitsstunden. Vgl. Hauth 1989  : 23. 114 Hauth versteht unter Sonderformen der Arbeitszeit jene Arbeitszeitregelungen, die vom »starren« Fünf-Tage-Schema bei kollektivvertraglicher Normalarbeitszeit (morgens bis abends) abweichen. Diesbezüglich verweist er auf den Mikrozensus, der diese abweichenden Arbeitszeitregelungen derart bezeichnet. Vgl. Hauth 1989  : 25. 115 Vgl. Hauth 1989  : 19f. 116 Diese Unterrepräsentierung der Ausfallzeiten des Urlaubs ergibt sich aufgrund der Erhebungstermine des Mikrozensus, die außerhalb der Haupturlaubszeit liegen. Daher nimmt Hauth an, dass der jeweilige Urlaubsanspruch nur zu ¼ erfasst wird. Vgl. Hauth 1989  : 20. 117 Die Regelarbeitszeit basiert auf der »Normalarbeitszeit«. Deswegen sei es, so Hauth, notwendig, »den die geleistete Arbeitszeit senkenden Effekt der Teilzeitarbeit« auszuschalten. Die Korrektur dieses Effekts erfolge hinsichtlich seiner Analyse näherungsweise, wobei das Ausmaß der Teilzeitbeschäftigung mit 50 % der jeweiligen Regelarbeitszeit angenommen werde. Nach den Erhebungen des Mikrozensus liege Teilzeitarbeit zwischen 14 und 35 Stunden vor, während es keine laufenden Aufzeichnungen zu Arbeitszeiten unter 14 Wochenstunden gebe. Vgl. Hauth 1989  : 20 und 25. 118 Vgl. Hauth 1989  : 20. 119 Vgl. Hauth 1989  : 20. 120 Vgl. Hauth 1989  : 20. 121 Vgl. Hauth 1989  : 21.

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schlaggebend für diese Differenz ist das deutlicher zu Tage tretende gendersegmentierte Normalarbeitsverhältnis von Frauen durch die vermehrte Nutzung von Teilzeitarbeitsverhältnissen.122 Nach Eliminierung des Teilzeiteffekts ließ sich eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 37,1 Stunden bei Frauen und 38,6 Stunden bei Männern feststellen.123 Bei den »Dienstleistungen« ergab sich eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 36,6 Stunden und im Bereich »Verarbeitendes Gewerbe und Industrie« von 36,9 Stunden  ; unter Berücksichtigung des Teilzeiteffekts lag diese bei 38,3 Stunden im Dienstleistungssektor und bei 37,5 Stunden im produzierenden Sektor.124 Der durchschnittliche jährliche Rückgang der Arbeitszeit je Industriearbeiter betrug zwischen 1969 und 1987 ca. 2,1 %.125 Einer Teilzeitbeschäftigung gingen 1987 ca. 7,4 % der unselbstständig Beschäftigten nach, wobei der Teilzeitanteil bei Frauen 16,6 % und bei Männern 1,2 % betrug.126 Hauth konstatierte daher, dass die familiäre Situation für die Wahl eines solchen Beschäftigungsverhältnisses ausschlaggebend sei,127 gehe doch gemäß den Daten des Mikrozensus jede vierte Frau mit Kind(ern) unter 15 dieser Art der Beschäftigung nach.128 Wochenendarbeit wiederum würden 1987 362.000 Arbeitnehmer leisten, was nur einer geringfügigen Zunahme gegenüber 1978 entspreche.129 Nachtarbeit zwischen 22 und 6 Uhr nahmen im selben Jahr 7 % der unselbstständig Beschäftigten auf sich, wobei der Anteil der Männer jenen der Frauen überwog.130 Bei der Abendarbeit, zwischen 20 und 22 Uhr, überwogen ebenfalls die Männer.131 Der Schichtarbeit gingen 1987 347.000 Beschäftigte nach, davon 254.000 Männer und 93.000 Frauen.132 Insgesamt stieg der Anteil der Beschäftigten mit Schichtarbeit zwischen 1978 und 1987 um ca. 40 %.133 Ebenso stieg die Bedeutung der Gleitzeit in

122 Vgl. Hauth 1989  : 21. 123 Hauth nimmt ein durchschnittliches Ausmaß der Teilzeitarbeit von 20 Wochenstunden an. Vgl. Hauth 1989  : 21. 124 Vgl. Hauth 1989  : 22. 125 Vgl. Hauth 1989  : 24. 126 Vgl. Hauth 1989  : 25f. 127 Sorger hielt dazu 2014 fest, dass Teilzeitbeschäftigung weiterhin »die vorrangige Vereinbarkeitsstrategie von Frauen mit Kinderbetreuungspflichten« darstelle. Dies sei, so Sorger, weiters ursächlich für die hohe Teilzeitbeschäftigungsquote bei Frauen, die mit negativen Begleiterscheinungen, wie z. B. schlechteren Aufstiegschancen, Dequalifizierung oder geringerer Einbindung in den betrieblichen Informationsfluss, verbunden sei. Vgl. Sorger 2014  : 189. 128 Vgl. Hauth 1989  : 26. 129 Vgl. Hauth 1989  : 26f. 130 Vgl. Hauth 1989  : 27. 131 Vgl. Hauth 1989  : 27. 132 Vgl. Hauth 1989  : 27. 133 Vgl. Hauth 1989  : 27.

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diesem Zeitraum an. Diese hatte um ca. 66,6 % zugenommen.134 Wenige Informationen lagen zum damaligen Zeitpunkt zu sonstigen flexiblen Arbeitszeitformen vor.135 Dollinger befasste sich mit der Entwicklung der flexiblen Arbeitszeit. Für ihn war in der Auseinandersetzung zwischen Arbeitszeitflexibilisierung und -verkürzung wesentlich, dass die Arbeitgeberseite nicht mehr nur auf Forderungen der Gewerkschaft reagiert habe. Vielmehr habe sich aus einer Abwehrstrategie ein Gegenforderungsprogramm zur Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes entwickeln können.136 Neben der Aufstellung eines »Forderungsprogrammes« sei eine Entkoppelung von individueller Arbeits- und Betriebszeit zu beobachten, wodurch die Arbeitgeber mehr Wert auf den rationellen Einsatz von Arbeit legen müssten.137 Neben dem ökonomischen Wandel sei gleichfalls in Österreich von einem Wertewandel die Rede.138 Dieser zeige sich u. a. in den Anforderungen an den Arbeitsplatz. Neben gutem Betriebsklima, einem Mehr an Gestaltungsmöglichkeiten und der Selbstentfaltung spielten flexible Arbeitszeiten eine bedeutete Rolle, da es durch diese gelingen könne, aus dem starren Arbeitszeitkorsett auszubrechen.139 Symptomatisch für diese Entwicklung sei die Begeisterung für Gleitzeitsysteme, die wachsende Bereitschaft zur Teilzeitbeschäftigung, der Wunsch, Überstunden mehr als bisher in Freizeit statt Geld abzugelten und überhaupt die Aufgeschlossenheit, im Arbeitszeitbereich zu experimentieren und diesen Bereich zu individualisieren.140

Grundsätzlich ergebe sich durch verkürzte Arbeitszeiten die verstärkte Möglichkeit aktiver Freizeitgestaltung bei steigendem Wohlstand.141 Die Umsetzungsmöglichkeiten aktiver Freizeitgestaltung würden jedoch, so Dollinger, aufgrund der Gleichzeitigkeit(en) scheitern. Diese Gleichzeitigkeit(en) verortete er u. a. im Arbeitsweg, belegt durch die täglichen Staumeldungen im Radio, oder in den Einkaufszeiten.142 Im Zentrum des Aufsatzes von Leutner stand die Forderung des ÖGB nach einem Generalkollektivvertrag. Gefordert werde dieser aufgrund der historischen Tradition von 1959 und 1969, als eine Arbeitszeitverkürzungsphase mittels eines

134 Vgl. Hauth 1989  : 28. 135 Vgl. Hauth 1989  : 28. 136 Vgl. Dollinger 1989  : 35. 137 Vgl. Dollinger 1989  : 35f. 138 Vgl. Dollinger 1989  : 37. 139 Vgl. Dollinger 1989  : 37. 140 Dollinger 1989  : 37. 141 Vgl. Dollinger 1989  : 37. 142 Vgl. Dollinger 1989  : 37.

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Generalkollektivvertrages abgeschlossen worden sei.143 Der Hintergrund, vor dem die Diskussionen geführt würden, sei die Beschäftigungslage, die durch steigende Arbeitslosigkeit und insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit nicht nur in Österreich, sondern generell in Europa gekennzeichnet sei.144 Deshalb habe der ÖGB als beschäftigungspolitisches Instrument die Arbeitszeitverkürzung unterstützt. Als sozialpolitische Argumente dieser Diskussion sah Leutner eine Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen, deren Verbesserung sowie die Verbesserung bzw. Verwirklichung der Chancengleichheit der Geschlechter.145 Darüber hinaus habe ein Generalkollektivvertrag beschäftigungspolitischen Argumenten gerecht zu werden, bei denen es sich um die Existenzsicherung der Arbeitsplätze vor dem Hintergrund steigender Produktivität, die Umverteilung des Arbeitsvolumens auf ein Mehr an Beschäftigten zur Senkung der Arbeitslosigkeit, die Reduzierung der Jugendarbeitslosigkeit sowie die Senkung der Dauer der Langzeitarbeitslosigkeit handle.146 Insgesamt sei der Generalkollektivvertrag ein Mittel zur gerechten Verteilung der vorhandenen Arbeitsmenge.147 Die Gründe, warum er dennoch nicht zustande kam, fasste Basalka lakonisch zusammen  : Bei der Arbeitgeberseite, vor allem bei jenen, die die etappenweise Verkürzung der Arbeitszeit miterlebt haben, sitzt der Schock über das Jahr 1975 noch so tief, daß jede etappenweise Vorgangsweise, aber auch der Generalkollektivvertrag als solcher abgelehnt wird.148

Lamel wiederum sah in der Zusammenfassung der Diskussion keine Notwendigkeit für die Einführung der 35-Stunden-Woche mittels eines Generalkollektivvertrages, da Österreich hierbei eine Vorreiterrolle einnehmen würde, was von der österreichischen Bevölkerung nicht gewünscht sei.149 In den Mitgliedsstaaten der EG war die Relevanz der Arbeitszeitverkürzung unterschiedlich stark ausgeprägt. Für den EGB handelte es sich um ein Werkzeug zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, während die Arbeitgeber in der EG dies so nicht erkennen konnten.150 Die Arbeitgeberorganisationen in der EG betonten den Bedarf an Arbeitszeitflexibilisierung.151 Damit war die Positionierung durchaus mit jener Öster143 Vgl. Leutner 1989  : 42. 144 Vgl. Leutner 1989  : 43. 145 Vgl. Leutner 1989  : 44. 146 Vgl. Leutner 1989  : 45. 147 Leutner 1989  : 46. 148 Basalka 1989  : 72. 149 Vgl. Lamel 1989  : 98. 150 Vgl. Schoenaich-Carolath 1989  : 54. 151 Vgl. Schoenaich-Carolath 1989  : 54.

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reichs in den 1980er Jahren vergleichbar. Der Übergang zu verkürzten Arbeitszeiten war seit Beginn der 1980er Jahre von zwölf Ländern der EG vollzogen worden.152 In der Mehrzahl der Fälle war es zu einer Reduktion auf Branchenebene gekommen, ausgenommen z. B. Frankreich. Die Arbeitszeitverkürzung war zumeist an eine Flexibilisierung der Arbeitszeit gekoppelt.153 Daraus ergaben sich für Schoenaich-Carolath zwei Grundmodelle der Flexibilisierung der Wochen- und Jahresarbeitszeit in der EG. Das erste Grundmodell154 ergänzte die herkömmlichen Standards der Wochenarbeitszeit mit Extrafreizeiten.155 Das zweite Grundmodell156 ermöglichte eine Flexibilisierung der Wochenarbeitszeit innerhalb eines Ausgleichszeitraumes.157 Mit den Lohnverhandlungen und der Arbeitszeitverkürzung beschäftigte sich Basalka. Er befasste sich eingehend mit der Entwicklung seit 1975. Während der ÖGB eine Arbeitszeitverkürzung als beschäftigungspolitische Maßnahme anstrebte, sollte gleichzeitig weiterhin eine solidarische Lohnpolitik betrieben werden.158 Jedoch wurde auf Seiten der Gewerkschaft kein direkter Konnex zwischen Lohnpolitik und Arbeitszeitverkürzung hergestellt.159 In den 1980er Jahren zeigte sich allerdings, dass der Abschluss der Kollektivverträge letztendlich mit Lohnverhandlungen in direkte Verbindung gebracht wurde und darüber hinaus Arbeitszeitverkürzung und Arbeitszeitflexibilisierung miteinander verknüpft wurden.160 Rabl-Stadler untersuchte die Situation der branchenspezifischen Arbeitszeitverkürzungen aus Sicht eines Handelsbetriebes. Diese Analyse ist vor dem Hintergrund der branchenspezifischen Arbeitszeitverkürzung Ende der 1980er im Handel sowie der mit der Arbeitszeitverkürzung verknüpften Lohnverhandlungen im Herbst 1986, die von einem starken Konfrontationskurs zwischen Arbeitgebern und -nehmern geprägt waren, zu sehen. Bereits einleitend kritisierte sie die Arbeitszeitverkürzungsthematik im Allgemeinen und die diesbezüglichen Anstrengungen der Gewerkschaft im Besonderen. So sei es einem »sozialpartnerschaftlich trainierten Unternehmerhirn« nicht möglich, den Gedanken der Gewerkschaft zur Arbeitszeitverkürzung zu folgen und daraus notwendige Handlungsstränge zur Arbeitszeitreduktion abzuleiten.161 152 Vgl. Schoenaich-Carolath 1989  : 55. 153 Vgl. Schoenaich-Carolath 1989  : 55ff. 154 Dieses findet Verbreitung in der Bundesrepublik Deutschland, Italien, den Niederlanden oder Spanien. Schoenaich-Carolath 1989  : 58. 155 Vgl. Schoenaich-Carolath 1989  : 58. 156 Dieses findet Verbreitung in Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, Dänemark, Frankreich und Luxemburg. Schoenaich-Carolath 1989  : 58. 157 Vgl. Schoenaich-Carolath 1989  : 58. 158 Vgl. Basalka 1989  : 71. 159 Basalka 1989  : 71. 160 Vgl. Basalka 1989  : 72. 161 Vgl. Rabl-Stadler 1989  : 30.

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Mangelnde Rationalisierungsmöglichkeiten im Handel, die Einführung der 38,5-Stunden-Woche per 1. Jänner 1989, die gestiegenen Anforderungen an das Personal durch die Kunden, der seit den 1970er Jahren eingeschlagene Weg der Verkürzung der Öffnungszeiten und die gestiegene Flexibilität der Kunden, die notfalls auf geschlossene Geschäfte mit einer Fahrt ins Ausland reagieren würden, zögen für den Unternehmer Probleme nach sich, aus denen er sich nur mit Hilfe zweier Strategien lösen könne. Rabl-Stadler formulierte dieses Dilemma wie folgt  : Von den klassischen Reaktionsmustern, die sich in der Literatur über die Arbeitszeitverkürzung finden, verbleiben einem offensiv eingestellten Unternehmer eigentlich nur zwei  : nämlich entweder in Überstunden auszuweichen oder tatsächlich neues, zusätzliches Personal einzustellen. Gerade diese Maßnahmen sind aber mit erheblichen Kosten und Schwierigkeiten verbunden.162

Das Ausweichen in Überstunden als Kompensation einer Arbeitszeitverkürzung habe auch in der Vergangenheit stattgefunden, und die Einstellung neuen Personals sei angesichts des in den 1980er Jahren propagierten beschäftigungspolitischen Arguments für eine Arbeitszeitverkürzung wünschenswert gewesen, zumindest für einen Teil der Gewerkschaft. Dadurch seien jedoch der »geschundenen Händlerseele« zu hohe Kosten erwachsen, da eben bei der Ausnützung von Überstunden das gleiche Personal zu höheren Kosten arbeiten müsse.163 Den Effekt der Beschäftigungswirksamkeit von Arbeitszeitverkürzung zweifelte Rabl-Stadler mit Verweis auf die Arbeitslosenstatistik vom November 1988 an. So seien 14.615 Personen arbeitslos gemeldet, bei 4774 offenen Stellen für Handelsberufe, aber in Salzburg seien diese arbeitslosen Personen nicht zu finden, und wenn sich doch Bewerber für die offenen Stellen melden würden, so gebe es immer wieder Gründe, warum ein Arbeitsplatz in dieser Branche abgelehnt werde, und auch nach Arbeitsantritt sei noch nichts über die Verweildauer gesagt.164 Wenn also das beschäftigungspolitische Argument fern jeglicher Praxis sei, warum dann die Arbeitszeit verkürzen  ? Ich [Helga Rabl-Stadler] glaube, daß dies der Punkt ist, der bei jedem Unternehmer je nach Temperament ohnmächtige Wut oder resignierendes Gejammer auslöst  : Nur, weil es auf einem Gewerkschaftskongreß beschlossen wurde, dem man vier Jahre später eine Erfolgsmeldung abstatten muß, muß die Arbeitszeit partout verkürzt werden – als Solidaritätsopfer natürlich (also gewissermaßen als Gnadenakt  !), aber dafür mit vollem

162 Rabl-Stadler 1989  : 30. 163 Vgl. Rabl-Stadler 1989  : 31. 164 Vgl. Rabl-Stadler 1989  : 31.

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Lohnausgleich, zur Senkung einer Arbeitslosenrate, die (nach Abzug der Saisonarbeitslosenkomponente) schon fast mit einer Vollbeschäftigung gleichzusetzen ist.165

Gleichermaßen nehme die Arbeitszeitverkürzung einen Stellenwert ein, der ihr nicht zustehe.166 Sie könne den Unmut der Unternehmer nachvollziehen, da Arbeitszeitverkürzung weder aus medizinischen noch aus arbeitsmarktpolitischen Gründen aktuell sei.167 Die Sozialpartnerschaft sei sinnvoll, da ihr Erfolg auf gegenseitiger Rücksichtnahme beruhe. Und dennoch sei eine weitere Arbeitszeitverkürzung den Unternehmern nicht mehr zuzumuten, wenn die Arbeitszeit der Unternehmer selbst länger werde  ; entsprechend müssten sie sich diese gegen einen Generalkollektivvertrag zur Wehr setzen.168 Drohungen, die Sozialpartnerschaft zu beenden, falls dieser nicht abgeschlossen würde, konterte Rabl-Stadler, dass diese dann eben beendet sei, weil den Arbeitgeberverbänden de facto die Vertretungsbefugnis von deren Mitgliedern entzogen würde.169 Im Weiteren betonte sie, dass sie als Unternehmerin bestätigen könne, dass Arbeitszeitverkürzung von ihren Mitarbeitern nicht gewünscht sei, da die meisten wüssten, dass unter Einbeziehung des Hausverstandes eine solche nicht leistbar sei.170 Neben der Arbeitszeitverkürzung im Allgemeinen kritisierte sie die mangelnde Umsetzung von Teilzeitbeschäftigung. Der SPÖ warf sie kreuzzugartiges Verhalten sowie den Politikern grundsätzlich Halsstarrigkeit in Bezug auf die Etablierung dieser Arbeitszeitform vor.171 Sie sah in der Teilzeitbeschäftigung enormes Potential in Bezug auf die positive Wirkung einer besseren Abstimmung von Beruf und Familie.172 Seidel stellte prinzipielle Überlegungen zur Arbeitszeitverkürzung an, wobei er feststellte, dass steigender Wohlstand zum Teil in Form von Freizeit konsumiert werde.173 Der Freizeitbedarf steige, so Seidel, die Berufstätigkeit der Frauen steige, die Entfernung zwischen Wohn- und Arbeitsort werde größer oder aber postindustrielle Werte wie Umweltschutz würden eine Präferenzverschiebung verursachen.174 Hinsichtlich der Beschäftigungseffekte hielt er fest, dass die Auseinandersetzung um beschäftigungspolitische Argumente einer Arbeitszeitverkürzung grundsätzlich ein 165 Rabl-Stadler 1989  : 31. 166 Vgl. Rabl-Stadler 1989  : 33f. 167 Rabl-Stadler 1989  : 33. 168 Vgl. Rabl-Stadler 1989  : 33. 169 Vgl. Rabl-Stadler 1989  : 33. 170 Vgl. Rabl-Stadler 1989  : 33. 171 Vgl. Rabl-Stadler 1989  : 34. 172 Vgl. Rabl-Stadler 1989  : 34. 173 Vgl. Seidel 1989  : 61. 174 Vgl. Seidel 1989  : 61f.

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Verteilungsproblem sei.175 Ebenfalls mit der Freizeit beschäftigte sich Bretschneider. Dieser lenkte die Aufmerksamkeit auf das »knappe« Gut der freien Zeit. Diese Knappheit lasse sich an der Omnipräsenz von Stress festmachen,176 aber auch aus jener »von Wissenschaftern und Politikern genährten Glaubenshaltung  : Freizeitzuwachs = Größe der Arbeitszeitverkürzung.«177 Darüber hinaus verknappe sich das Gut »Freizeit« durch Essen, Schlafen, Körperpflege, Hausarbeit – meist die Tätigkeit einer Frau – oder die Wegzeiten zur Arbeit und für die Erledigung des Einkaufs.178 In Bezug auf Lösungsansätze aus dem Dilemma Arbeitszeitverkürzung vs. Arbeitszeitflexibilisierung bezog sich Dollinger auf den Beiratsbericht von 1984 und Vorschläge der BWK 1985, aber auch auf kollektivvertragliche Regelungen, die flexible Arbeitszeiten fördern würden. So hatte die BWK bezüglich der Verbreitung flexibler Arbeitszeiten bereits im März 1985 Folgendes gefordert  : den Einarbeitungszeitraum von sieben auf 52 Wochen auszudehnen, den Durchrechnungszeitraums des Handels auf andere Branchen zu übertragen und dabei von vier auf 13 Wochen bei einer Bandbreite von 45 Wochenstunden zu verlängern, den Weg von der Wochenarbeitszeit hin zur Jahresarbeitszeit zu suchen, die gleitende Arbeitszeit im Gesetz zu verankern, die Abgeltung von Überstunden in Form von Freizeit zu begünstigen sowie die Gleichstellung von Jugendlichen mit allen Arbeitnehmern hinsichtlich des Arbeitszeitgesetzes voranzubringen.179 Dieser Vorschlag werde von den Gewerkschaften wie der AK als »provokant und absurd«180 abgelehnt. Allerdings sei sich, so Dollinger, die Gewerkschaft sicher, dass flexible Arbeitszeiten zukünftig verwirklicht werden würden.181 Dennoch zeige der Vorschlag der BWK bereits erste Ansätze, die später in den Novellen des Arbeitszeitgesetzes sichtbar werden sollten. Generell bedeute die Entwicklung für die Zukunft, dass kein Weg an flexiblen Arbeitszeiten vorbeiführe. Die Gewerkschaften sähen allerdings, dass es mittelfristig zu einer einheitlichen Regelung der Normalarbeitszeit kommen werde, da ansonsten eine Entsolidarisierung und eine Benachteiligung diverser Arbeitnehmergruppen zu erwarten sei.182 Neben der Erwartung eines Generalkollektivvertrages sei beim ÖGB in der Folge vorausgesetzt worden, dass künftige Arbeitszeitverkürzungen nur in Verbindung mit vollem Lohnausgleich vonstattengingen, zumal eine Verkürzung ohne Lohnausgleich sozialpolitische und ökonomische Nachteile 175 Vgl. Seidel 1989  : 64. 176 Vgl. Bretschneider 1989  : 81. 177 Bretschneider 1989  : 82. 178 Vgl. Bretschneider 1989  : 82. 179 Vgl. Dollinger 1989  : 39. 180 Dollinger 1989  : 39. 181 Vgl. Leutner 1989  : 48. 182 Vgl. Leutner 1989  : 46.

Arbeitszeitverlängerung und Überstundenproblematik vom Ende der 1980er Jahre

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wie einen Kaufkraftverlust, einen Einkommensrückgang oder eine Verringerung arbeitsmarktpolitischer Investitionen nach sich ziehen würde.183 Fernerhin dürfe das Arbeitszeitrecht zukünftig seine Schutz- und Ordnungsfunktion nicht verlieren  ; es müsse weiterhin das Gesetz, ergänzt durch Kollektivverträge, ausschlaggebend bleiben.184

7.3 Arbeitszeitverlängerung und Überstundenproblematik vom Ende der 1980er Jahre bis Anfang der 1990er Jahre Der Diskurs nach den letzten Branchenabschlüssen 1989 drehte sich vornehmlich um den Generalkollektivvertrag. Schrittweise kam es neben der Erörterung der Einführung der 35-Stunden-Woche mittels Generalkollektivvertrag und der Arbeitszeitflexibilisierung zum Aufbau eines dritten Diskussionsstranges. Der Dualismus Arbeitszeitverkürzung und Arbeitszeitflexibilisierung wurde nun zu einer Trias, bestehend aus den beiden Diskussionsfeldern der 1980er Jahre und der Verlängerung der Arbeitszeit, sowohl der wöchentlichen als auch der Lebensarbeitszeit. Der branchenspezifische Abschluss bedeutete nicht das Ende der Auseinandersetzungen um die Arbeitszeitflexibilisierung und den Generalkollektivvertrag zur Einführung der 35-Stunden-Woche. Vielmehr sollte die Verwirklichung des Vertrages in den Jahren nach den Verkürzungen zur zentralen Forderung Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre werden. Immer wieder tauchte das Verlangen nach einem Generalkollektivvertrag mit 35-Stunden-Woche auf. Die Realisierung unmittelbar nach der branchenweisen Arbeitszeitverkürzung gelang nicht, und so wurde Ende der 1980er Jahre zunächst mit einer solchen für 1991 gerechnet.185 Die erwartete Umsetzung wurde zeitlich ständig weiter nach hinten verschoben. 1991 bezeichnete ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch den Generalkollektivvertrag mit der geforderten 35-Stunden-Woche als Langzeitstrategie zur Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen.186 Auf parlamentarischer Ebene sollte es zwischen SPÖ und ÖVP in Fragen einer gesetzlichen Verkürzung der Arbeitszeit zu Beginn der 1990er Jahre zu keiner Einigung kommen.187 Dies hing u. a. mit einer geänderten staatlichen Prioritätensetzung

183 Vgl. Leutner 1989  : 47. 184 Vgl. Leutner 1989  : 50. 185 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 10. Oktober 1987  : 1  ; Oberösterreichische Nachrichten, 9. April 1988  : 2  ; Oberösterreichische Nachrichten, 28. Mai 1988  : 13  ; Oberösterreichische Nachrichten, 4. November 1988  : 2. 186 Oberösterreichische Nachrichten, 3. Juli 1991  : 13. 187 Vgl. T. Schmid 1993  : 191.

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Arbeitszeit zwischen Verkürzen, Flexibilisieren und Verlängern

und der schwindenden Bedeutung der Arbeitszeitpolitik zusammen.188 T. Schmid bilanzierte für den Anfang der 1990er Jahre  : Arbeitszeitpolitik wird zu einem Thema unter vielen, zu einer Angelegenheit ohne globale politische und ökonomische Bedeutung, die sich die Kollektivvertragspartner unter sich auszumachen haben. Damit wird die Einführung der 35-Stundenwoche durch den Gesetzgeber, sofern sie in den letzten zehn Jahren je als realistische Option bestanden hatte, immer unwahrscheinlicher.189

Mit der Unwahrscheinlichkeit einer Einführung der 35-stündigen Arbeitswoche per Gesetz schwand zunehmend auch die Chance auf die Verwirklichung des Generalkollektivvertrages, der die 35-Stunden-Woche inkludieren sollte. Für den Chefredakteur der Arbeit und Wirtschaft Horak wiederum war es das Festhalten am vollen Lohnausgleich bei einer solchen Arbeitszeitverkürzung, das schließlich zu den »starren Fronten« führte.190 Grundsätzlich bedeutete die Pattsituation, dass weder eine gesetzliche noch eine generalkollektivvertragliche Neuregelung stattfinden ­konnte.191 Hochrainer hält dazu fest, dass eine generelle Arbeitszeitverkürzung durch Generalkollektivvertrag bzw. gesetzliche Regelung seither vom ÖGB weder mit konkreter Realisierungsabsicht gefordert noch zum Gegenstand zentraler Sozialpartnerverhandlungen erhoben wurde.192

Dieses Nichtvorhandensein eines konkreten Versuchs der Realisierung eines Generalkollektivvertrages zur Einführung der 35-Stunden-Woche wird von Hochrainer als Kennzeichen einer Veränderung der Arbeitszeitpolitik nach den 1980er Jahren aufgefasst  : Nun sei es zwischen den Verbänden der Sozialpartner zu keinerlei Lösungsversuch mehr gekommen und generell sei deren Domäne Arbeitszeit durch Regierungsinterventionen unterminiert worden.193 Anfang des 21. Jahrhunderts konstatierte G. Bosch, dass mittels Arbeitszeitverlängerung langfristig nicht die Arbeitszeit als Leistungsbemessungsgrundlage herangezogen werden solle, sondern das Arbeitsergebnis.194 Mit dem Argumentationsaufbau Arbeitszeitverlängerung und deren praktischer Umsetzung sollte nicht nur der Trend zur Arbeitszeitverkürzung gestoppt, sondern, so seine Argumentation, eine 188 T. Schmid 1993  : 200. 189 T. Schmid 1993  : 200. 190 Vgl. Horak 1993  : 2. 191 Kittel 1996  : 233. 192 Hochrainer 2003  : 123. 193 Vgl. Hochrainer 2003  : 123f. 194 Vgl. G. Bosch 2000  : 180.

Arbeitszeitverlängerung und Überstundenproblematik vom Ende der 1980er Jahre

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Annäherung an die Leistungsbemessungsgrundlage am Beginn der industriellen Revolution erreicht werden, als eben noch nicht die Arbeitszeit, sondern das jeweilige Arbeitsergebnis wesentlich gewesen sei. Im gestiegenen Wert der Leistungsbemessungsgrundlage Arbeitsergebnis und in dem Bedeutungsverlust tariflicher und gesetzlicher Arbeitszeitnormen infolge von Arbeitsmarktderegulierungen sah er den Grund für die Zunahme verlängerter Arbeitszeiten seit den 1990er Jahren.195 Ungeachtet der Tatsache, dass die 1990er Jahren durch die Novellen des Arbeitszeitgesetzes geprägt waren, die sich durch Flexibilisierung und Ausdehnung der Arbeitszeiten auszeichneten, begann der Aufbau des Themenfeldes »Verlängerung der Arbeitszeit« bereits Ende der 1980er Jahre. Die Argumentation war zu diesem Zeitpunkt erstmalig aufgekommen. Argumentativ eingeführt wurde die Arbeitszeitverlängerung Ende der 1980er Jahre nach dem Abschluss der kollektivvertraglich auf Branchenebene vereinbarten Verkürzung der wöchentlichen Normalarbeitszeit. Während Arbeitszeitflexibilisierung und -verkürzung die beherrschenden Themen blieben, lassen sich ab Ende der 1980er Jahre erste Ansätze von Bestrebungen für eine Verlängerung der Arbeitszeit erkennen. Die Oberösterreichischen Nachrichten titelten in einer Kurzmeldung vom 28. Jänner 1988 »Vorarlberger wollen 42-Stunden-Woche«. Hintergrund waren die Annäherung Österreichs an die EG und ein Facharbeitermangel in Vorarlberg.196 Die Vorarlberger Industrie meldete Bedenken an, dass eine Anpassung an süddeutsche und schweizerische Verhältnisse notwendig sei.197 Aufgrund des bestehenden Facharbeitermangels wurde zu Kompensationszwecken an die Verwirklichung der 42-Stunden-Woche gedacht.198 Im März desselben Jahres wurde über einen Vorschlag des Steyrer Zentralbetriebsratsobmanns Herrmann Leithenmayr zur Erhöhung der Arbeitszeit auf 42,5 Wochenstunden als indirektem Beitrag zur Unternehmenssanierung berichtet.199 Im Zuge dieses Artikels schrieben die Oberösterreichischen Nachrichten, dass bereits 1986 vom Leobener VOEST-Alpine Betriebsratsobmann Paul Burgstaller ein ähnlicher Vorschlag zur geheimen Abstimmung unterbreitet worden sei. So hätten 76 % für eine freiwillige 40-Stunden-Woche votiert, wenngleich Burgstaller letztlich für sein Ansinnen von der Gewerkschaft gerügt worden sei.200 In Vorarlberg kam es so aufgrund des Facharbeitermangels und möglicher Anpassungen an die EG zu ersten Forderungen nach einer Verlängerung der Wochenarbeitszeit. In Oberösterreich sollte eine Arbeitszeitverlängerung zur Unternehmenssanierung der VOEST-Alpine Leoben beitragen. Damit stellte die dort angedachte

195 Vgl. G. Bosch 2000  : 180. 196 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 28. Jänner 1988  : 10. 197 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 28. Jänner 1988  : 10. 198 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 28. Jänner 1988  : 10. 199 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 29. März 1988  : 2. 200 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 29. März 1988  : 2.

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Arbeitszeit zwischen Verkürzen, Flexibilisieren und Verlängern

Ausdehnung der Arbeitszeit einen Gegenpol zur Arbeitszeitverkürzung in der Nettingsdorfer Papierfabrik AG dar. Diese hatte per 1. Jänner 1988 im Schichtbetrieb die 36-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich zur Absicherung von 40 Arbeitsplätzen eingeführt.201 Ferner sollte im Sinne flexibler Arbeitszeit bei Semperit rund um die Uhr gearbeitet werden, um den Produktionsstandort abzusichern.202 Neben dem Beschäftigungsaspekt und der Absicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich wurde von der ÖVP 1988 die Angleichung des Pensionsalters angeregt, was einer Anhebung der Lebensarbeitszeit der Frauen um fünf Jahre entsprochen hätte.203 Einschränkend betonte Mock jedoch, dass diese Angleichung nur dann durchgeführt werde, wenn die gleitende Pension eingeführt werde.204 Für eine Anhebung des Pensionsalters der Frauen war ebenfalls die Oberösterreichische Handelskammer.205 Erste Ansätze zur Erörterung der Verlängerung der Arbeitszeit lassen sich bereits Ende der 1980er Jahre festmachen. Auch wenn Rudolf Trauner sen. (Präsident Handelskammer Oberösterreich) Ende 1988 formulierte  : »Unser Heil kann nicht in weniger Arbeit liegen«, wenn »schon eine Million Beschäftigte pro Woche weniger als 40 Stunden«206 arbeite, darf das Vorhandensein dieser Argumentationslinie einer Arbeitszeitverlängerung nicht darüber hinwegtäuschen, dass innerhalb des Disputs zur Arbeitszeitpolitik diese Position keine große Relevanz innehatte. Zentrale Forderung der Gewerkschaft blieb weiterhin die 35-Stunden-Woche und die der Arbeitgeber jene der Arbeitszeitflexibilisierung. Allerdings lässt das grundsätzliche Vorhandensein der Option »Arbeitszeitverlängerung« darauf schließen, dass sich langfristig neben der Flexibilisierung der Arbeitszeit eine weitere Strategie gegen die Forderung der Arbeitszeitverkürzung anbahnte. Die Position der Arbeitszeitverlängerung wurde langsam ausgebaut. Anfang 1991 gab es erste Vorstöße zur Veränderung des Arbeitszeitgesetzes von Seiten der IV, die mit der Überstundenfrage in Relation zu setzen sind. Von Vertretern der Industrie wurde gegenüber Josef Hesoun (Bundesminister für Arbeit und Soziales, SPÖ) angemerkt, dass »die Kriminalisierung von Arbeitszeit-Überschreitungen nicht mehr zeitgemäß«207 sei. Konkretisiert wurden die Vorstellungen zur Entkriminalisierung der Arbeitszeit-Überschreitungen dahingehend, dass eine Verlängerung der täglichen Arbeitszeit von neun auf zehn Arbeitsstunden erreicht sowie die höchstzulässige tägliche Gesamtarbeitszeit von zehn auf zwölf Stunden ausgedehnt werden solle.208 201 Vgl. M. Eder/Schütt 1988  : 97f. 202 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 11. April 1989  : 12. 203 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 31. Mai 1988  : 1. 204 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 31. Mai 1988  : 1. 205 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 17. Dezember 1988  : 12. 206 Oberösterreichische Nachrichten, 17. Dezember 1988  : 12. 207 Oberösterreichische Nachrichten, 30. Jänner 1991  : 2. 208 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 30. Jänner 1991  : 2.

Arbeitszeitverlängerung und Überstundenproblematik vom Ende der 1980er Jahre

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Neben der Entkriminalisierung der Überstunden ging es darum, die Konkurrenz­ fähigkeit der österreichischen Industrie zu gewährleisten und Arbeitsplätze zu ­sichern.209 In den 1980er Jahren war Arbeitszeitverkürzung gewissermaßen als »Heilmittel« der Beschäftigungssicherung angesehen worden. Mit der Arbeitszeitverlängerung wurde nun versucht, eine beschäftigungspolitische Alternative aufzubauen. Nicht mehr Arbeitszeitverkürzung, sondern vielmehr deren Verlängerung sollte, so die Argumentation, einen wesentlichen Beitrag zur Beschäftigungssicherung leisten. Diese argumentative Gedankenkette wurde durchaus kritisch gesehen. Im Nationalrat brachte Annemarie Reitsamer (SPÖ) ihren Zweifel zum Ausdruck, insofern sie darin eher ein Kostensenkungsprogramm als eine Maßnahme zur Schaffung von Arbeitsplätzen sah.210 In diesem Zusammenhang sei nochmals auf die Nettingsdorfer Papierfabrik AG verwiesen. Noch 1988 war der Schichtbetrieb bei einer 36-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich eingeführt worden, um 40 Arbeitsplätze zu retten. Fünf Jahre später sah die Situation anders aus. Wirtschaftliche Probleme aufgrund drohender Verluste in dreistelliger Millionenhöhe machten einen Sozialpakt notwendig. Dieser beinhaltete eine befristete Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit um zwei Stunden auf 38 bzw. 40 Wochenstunden.211 War die wöchentliche Arbeitszeit Ende der 1980er Jahre ohne Lohnausgleich reduziert worden, so erfolgte nun die Anhebung ebenfalls ohne Lohnausgleich.212 Thomas Prinzhorn griff dies auf, als er für die Hamburger AG in Pitten gleichfalls die 40-Stunden-Woche ohne Bezahlung der Mehrarbeitszeit forderte.213 Grundsätzlich passte die Forderung nach einer Rückkehr zur 40-Stunden-Woche zur Stimmung Anfang der 1990er Jahre, hatte doch Walter Nettig (Präsident der Handelskammer Wien, ÖVP) 1992214 bereits die Rückkehr zu dieser gefordert.215 In Oberösterreich trat mit dieser Forderung nach einer Verlängerung der Arbeitszeiten Wirtschaftslandesrat Leitl in den Vordergrund. Im Juli 1993, zu einem Zeitpunkt, als die Gewerkschaft weiterhin offensiv die 35-Stunden-Woche verlangte, forderte er die Rückkehr zur 40-Stunden-Woche. In dieser Rückkehr bei gleichzeitigem Verzicht auf Lohnausgleich sah er Einsparungspotential in Milliardenhöhe. 209 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 30. Jänner 1991  : 2. 210 Vgl. Reitsamer, Annemarie  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 20.  Sitzung  : 82. 211 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 4. Mai 1993  : 8. 212 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 4. Mai 1993  : 8. 213 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 6. September 1993  : 7. 214 V. Frey sieht 1992 eine einschneidende Wende in der Arbeitszeitdebatte, da in diesem Jahr Forderungen zur Rückkehr zur 40-Stunden-Woche propagiert wurden, so u. a. von Leopold Madertahner (Präsident WKO, ÖVP) oder Helga Rabl-Stadler. Wie gezeigt lässt sich diese Wende jedoch bereits auf Ende der 1980er Jahre datieren. Vgl. V. Frey 1999  : 85. 215 Vgl. Plaschg 2008  : 101.

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Arbeitszeit zwischen Verkürzen, Flexibilisieren und Verlängern

Grundsätzlich ging es ihm darum, dass die Diskussion in Gang kam.216 Die Oberösterreichischen Nachrichten sahen darin allerdings eine Taktik, da dann, wenn über Arbeitszeitverlängerung diskutiert werde, es keine Diskussionen zur Arbeitszeitverkürzung geben könne.217 Eine Reaktion ließ naturgemäß nicht lange auf sich warten, und so nannte Hubert Wipplinger (SPÖ, 1989 bis 2003 ÖGB-Landesvorsitzender Oberösterreich sowie 1999 bis 2003 Präsident der AK Oberösterreich) dies eine »ausgesprochene Unverfrorenheit«.218 Zustimmung erntete Leitl von der Industrie, für die flexible Arbeitszeiten allerdings Priorität hatten.219 Insgesamt lässt sich eine Vermengung flexibler Arbeitszeiten mit verlängerten Arbeitszeiten feststellen. So gab es bei BMW Steyr Mitte 1994 flexible Arbeitszeiten, die im Durchschnitt Wochenarbeitszeiten von 41,5 Stunden bedeuteten.220 Neben der Ausdehnung der wöchentlichen Arbeitszeit konnten die zusätzlich geleisteten Stunden flexibel abgebaut werden. Die 19 zusätzlichen freien Tage pro Jahr konnten an Fenstertagen oder bei Freischichten zum Ausgleich von Produktionsschwankungen aufgebraucht werden.221 1995 berichtete schließlich Arbeit und Wirtschaft davon, dass die WKO daran dachte, im Zuge einer Arbeitsgruppe des Wirtschafts- und Sozialministeriums die Normalarbeitszeit auf zuschlagsfreie 50 Wochenstunden auszudehnen. Reithofer hielt den Überlegungen zu einer Verlängerung der Arbeitszeit entgegen, dass sich damit die Arbeitslosigkeit vermehren würde und dies größtenteils den Bedürfnissen der Unternehmen entspreche.222 In den 1950er Jahren hatte die Überstundenfrage zur kontroversiell geführten Debatte um die Gültigkeit der 48- bzw. der 60-Stunden-Woche geführt. In den folgenden Jahrzehnten spielte sie eine untergeordnete Rolle. Erste Ansätze zu einer Änderung gab es in den 1980er Jahren, und schließlich wurde in den 1990er Jahren, vor allem ab Ende der 1990er Jahre, wieder vermehrt die Frage der Überstunden erörtert. Vielmals war das Argument zu hören, dass durch das Wegfallen der Überstunden tausende Arbeitsplätze geschaffen werden könnten. Betriebswirtschaftlich wurde dagegengehalten, durch Überstunden könne zeitnah auf externen wie internen Arbeitsbedarf und das vorliegende Arbeitsvolumen reagiert werden.223 Die branchenspezifische Arbeitszeitreduktion Ende der 1980er Jahre führte zu der Situation hervor, dass die geleistete 39. und 40. Wochenstunde, da sie die gesetzliche Normalarbeitszeit nicht überschritten, nicht als Überstunden, sondern als 216 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 31. Juli 1993  : 9. 217 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 31. Juli 1993  : 1. 218 Oberösterreichische Nachrichten, 3. August 1993  : 7. 219 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 5. August 1993  : 9. 220 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 31. Mai 1994  : 9. 221 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 31. Mai 1994  : 9. 222 Vgl. Reithofer 1995  : 124f. 223 Vgl. H. Seifert 2000  : 242.

Arbeitszeitverlängerung und Überstundenproblematik vom Ende der 1980er Jahre

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Abb. 30  : Ich bin 2 Arbeitsplätze Quelle  : Braunsperger 2004  : 29.

Mehrarbeit behandelt wurden, wodurch der gesetzliche Überstundenzuschlag nicht anzuwenden war.224 Jedoch stellten Tomandl, Vogt und Winkler 1992 fest, dass der Trend dahin gehe, Mehrarbeit wie eine gesetzliche Überstunde zu entlohnen.225 Der Referent für Arbeitszeitpolitik der WKO war 1995 der Meinung, dass nicht jede Mehrarbeit mit einer Überstunde gleichzusetzen sei, da die wirtschaftlichen Herausforderungen dazu geführt hätten, dass nicht mehr gleichmäßig produziert werde und daher nicht auf Lager produziert werden könne.226 Als Vorschlag zur Eindämmung der Überstunden wurde von Verzetnitsch eine Erhöhung des Überstundenzuschlages von 50 auf 75 % angedacht.227 Dieser Forderung schloss sich die AK 1991 an, um »die kontinuierliche Überstundenleistung für Arbeitgeber unattraktiv zu machen«.228 Die Eindämmung sollte der Schaffung von Arbeitsplätzen dienen. Der oberösterreichische Landessekretär des ÖGB schätzte 1994, dass durch Überstundenabbau 30.000 Arbeitsplätze frei werden könnten.229 Zusätzlich sollte der Zeitausgleich gefördert werden, damit Überstunden für Unternehmer an Attraktivität verlieren würden.230 Für bestimmte Branchen wie den Tourismus und die Bauwirtschaft konnte sich Leitl einen Zeitausgleich durch224 Vgl. Tomandl/Vogt/Winkler 1992  : 55. 225 Vgl. Tomandl/Vogt/Winkler 1992  : 56. 226 Vgl. Mitterhuber 1995  : 29. 227 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 3. Juli 1991  : 13. 228 Oberösterreichische Nachrichten, 21. September 1991  : 13. 229 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 7. Juni 1994  : 7. 230 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 7. Juni 1994  : 7.

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aus vorstellen, da dadurch saisonale Arbeitslosigkeit verringert werden würde.231 Die Oberösterreichischen Nachrichten sahen beim Zeitausgleich allerdings Konfliktpotential zwischen der Wirtschaft einerseits und der Gewerkschaft sowie der AK andererseits, da die Wirtschaft eine 1   :  1-Lösung anstreben würde.232 Im Generellen wurde der Arbeitgebervertretung vorgeworfen, dass die Flexibilisierung der Arbeitszeit nur ein Vorwand sei, um faktisch Überstundenzuschläge streichen zu können.233

7.4 Arbeitszeitpolitik vom Ende der 1980er Jahre bis zur »großen« Arbeitszeitgesetznovelle In den Debatten wurde die Inflexibilität des Arbeitszeitgesetzes stets angeprangert. Daraus entspann sich eine Grundkonstellation, die über weite Strecken nachgewiesen werden kann. Da kaum Bewegung in die Verhandlungsposition kam, förderte dies eine Pattsituation. Die Unternehmensvertretung strebte per Gesetz die Erhöhung der Bandbreite der wöchentlichen Arbeitszeit sowie die Ausdehnung des Durchrechnungszeitraumes an.234 Der Einstieg in die Verlängerung der Durchrechnungszeiträume sollte schließlich mit dem branchenspezifischen Abschluss der Arbeitszeitverkürzung im Handel gelingen. Die Arbeitnehmervertreter bevorzugten eine Art »Ermächtigungsklausel«235 im Gesetz, nach der Flexibilisierung im Kollektivvertrag vereinbart werden könne.236 Von der BWK wiederum wurde der Tausch Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes gegen eine gesetzliche Verankerung einer verkürzten Wochenarbeitszeit ausgeschlossen, während der ÖGB auf Arbeitszeitverkürzung und dem Generalkollektivvertrag zur Absicherung beharrte.237 Innerhalb der SPÖ erfolgte ein Abwenden von der Arbeitszeitverkürzung, das ungefähr auf den Zeitpunkt der letzten Vereinbarungen zur branchenspezifischen Arbeitszeitverkürzung fällt.238 Seit der Bildung der großen Koalition unter Vranitzky wurde es für den ÖGB zunehmend schwieriger, sein arbeitszeitpolitisches Anliegen der Arbeits231 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 31. August 1994  : 11. 232 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 12. Mai 1995  : 11. 233 Vgl. Hums, Franz  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 20.  Sitzung  : 26  ; Hums, Franz  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 35.  Sitzung  : 89. 234 Vgl. Kittel 1996  : 233. 235 Kittel verwendet diesen Begriff, »um eine Verwechslung der Ermächtigung, vom Gesetz abweichende Regelungen durch Kollektivverträge zu vereinbaren, mit den im Arbeitsverfassungsgesetz verankerten ›Öffnungsklauseln‹ in Kollektivverträgen, die eine anderslautende Regelung als im Kollektivvertrag durch Betriebsvereinbarung erlauben, zu verhindern.« Kittel 1996  : 234. 236 Kittel 1996  : 233. 237 Vgl. Kittel 1996  : 234. 238 Vgl. Kittel 1996  : 234  ; T.  Schmid 1993  : 203.

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zeitverkürzung durchzusetzen.239 Die Neuausrichtung der SPÖ führte dazu, dass der ÖGB in dieser Frage nur noch eine Stimme unter vielen war.240 Aber auch bei der BWK kam es zu einem Wandel, der mit dem Aufstieg der ÖVP zur Regierungspartei zusammenhing. Hatte der ÖGB über einen langen Zeitraum aus einer Position der Stärke heraus Einfluss nehmen können, so vermochte die BWK nun über die ÖVP auf die Regierungspolitik einzuwirken.241 Grundsätzlich hatte nicht nur der ÖGB mit Problemen zu kämpfen. Ende der 1980er gerieten WKO und BAK in eine Legitimationskrise.242 Bereits 1987 war eine politische Einigung in puncto flexibler Arbeitszeitgestaltung zwischen und SPÖ und ÖVP getroffen worden.243 Die Sozialpartnerverhandlungen waren im April 1987 aufgenommen worden. Über »Öffnungsklauseln«244 sollte eine Flexibilisierung über Kollektivverträge ermöglicht werden. Der Arbeitgebervertretung gingen diese »Öffnungsklauseln« nicht weit genug. Sie argumentierten mit der Entfaltung des Individuums und der Notwendigkeit erhöhter betrieblicher Bewegungsfreiheiten,245 um größtmögliche Flexibilität zu erlangen. Im Sommer 1989 vereinbarten ÖGB und BWK, eine sozialpartnerschaftliche Arbeitsgruppe zur Neugestaltung des Arbeitszeitgesetzes einzusetzen.246 1990 wurde diese Aufforderung nach dem Abschluss der Koalitionsverhandlungen wiederholt.247 In Detailfragen gab es durchaus eine Verständigung. Allerdings scheiterte die grundsätzliche Einigung daran, dass der Begriff »Flexibilisierung« von den Arbeitgebern im Sinne einer weitestgehenden Anpassung der Arbeitszeit an die Erfordernisse betrieblicher Abläufe und einer Maximierung der Auslastung der Produktionskapazitäten interpretiert wurde […].248

Im Handel hatte sich besonders die Arbeitgeberseite mit den ausgehandelten Ergebnissen unzufrieden gezeigt.249 Dementsprechend wurden Verhandlungen zur Arbeitszeitflexibilisierung weiter geführt, nach einem Abbruch 1992 im Herbst 1993 wieder aufgenommen und schlussendlich 1994 abgeschlossen.250 Diese Einigungen

239 Vgl. Kittel 1996  : 234. 240 Vgl. Kittel 1996  : 234. 241 Vgl. Kittel 1996  : 234f. 242 Vgl. Kittel 1996  : 237. 243 Vgl. Kittel 1996  : 235. 244 Mooslechner-Stranzinger 1991  : 68. 245 Mooslechner-Stranzinger 1991  : 68. 246 Vgl. Mooslechner-Stranzinger 1991  : 94. 247 Vgl. Kittel 1996  : 235. 248 Kittel 1996  : 235. 249 Vgl. dazu Abschnitt 6.4.5. und 7.2. 250 Vgl. Kittel 1996  : 236  ; C.  Klein 1994  : 14f.

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spiegelten sich schließlich in geringem Umfang in der Arbeitszeitgesetznovelle 1994 und in größerem Umfang in der Arbeitszeitgesetznovelle 1997 wider. Zwei Themenfelder der Arbeitszeitpolitik zeigen jedoch exemplarisch den Wandel der politischen Rahmenbedingungen. Vornehmlich ging es bei ihnen nicht um Arbeitszeitverkürzung oder -flexibilisierung, sondern um die Lage der Arbeitszeit. In den Debatten zu dieser Frage waren die Regelung des Nachtarbeitsverbotes für Frauen und die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten zentral. Darüber hinaus kam es zur Einführung bzw. Novellierung von Bildungskarenz-, Freistellungs- und Altersteilzeitmodellen im Zuge von Begleitgesetzen zur Pensionsreform 1998 und 2000.251 Insgesamt arbeitete Hochrainer heraus, dass sich für die Zeit ab Mitte der 1990er Jahre drei Phasen der Arbeitszeitpolitik angegeben lassen und sich mit der Bildung der ÖVP-FPÖ-Koalition eine weitere Phase beobachten lässt. Diese können nach Hochrainer wie folgt charakterisiert werden  : – Phase 1 ist gekennzeichnet von einem zunehmenden Druck der Regierung auf die Sozialpartner, die Positionierung in Hinsicht auf das Nachtarbeitsverbot der Frauen sowie die Arbeitszeitflexibilisierung im Generellen. – Phase 2 zeichnet sich durch einige sozialpartnerschaftliche Teilerfolge sowie das verstärkte Eingreifen der Regierungsparteien mittels Regierungsinitiativen in die Arbeitszeitpolitik aus. – Phase 3 ist die Fortsetzung der Diskussionsstränge, begleitet durch die Forderung der Arbeitgebervertretung sowie von Mitgliedern des Regierungskabinetts der ÖVP nach einer Arbeitszeitverlängerung und die Verwirklichung von Bildungsfreistellung (1998) sowie einer Altersteilzeitregelung (1999).252 7.4.1 Karenzzeitregelung Das traditionelle Rollenbild wurde in Fragen des Pensionsantrittsalters und des Frauennachtarbeitsverbotes neben der Geschlechterdiskriminierung vom VfGH zunehmend kritisch betrachtet.253 In vielen dieser Bereiche waren neue gesetzliche Bestimmungen notwendig, die von flankierenden Maßnahmen gestützt wurden. Dazu zählten u. a. Regelungen, die die Dauer, Lage und Verteilung der Arbeitszeit von Männern und Frauen beständig verändern sollten bzw. dies ermöglichten. Viele dieser Schritte zielten nicht mehr darauf ab, dass es zu einer wöchentlichen Reduktion der Normalarbeitszeit kam. Ein erster Teilbereich war das Konfliktfeld »Väterkarenz«. Mit ihr sollte eine Einbindung der Väter in die Kindererziehung erreicht werden.254 Bereits Ende der 1980er 251 Vgl. Hochrainer 2003  : 127. 252 Vgl. Hochrainer 2003  : 128ff. 253 Vgl. Abschnitt 7.3. 254 Angelehnt war die Einführung der »Väterkarenz« bzw. des Elternurlaubs an das schwedische Eltern-

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Jahre hatte zwischen ÖVP und SPÖ grundsätzlich Übereinstimmung geherrscht, dass eine solche Karenzzeit zu verwirklichen sei. Über Art und Weise gingen die Meinungen allerdings weit auseinander.255 Gleiches galt für die Neuregelung des Karenzurlaubs. In diesem Punkt schlug die ÖVP noch Anfang 1989 eine Verlängerung auf drei Jahre mit einer Arbeitsplatzgarantie vor, ehe die SPÖ im Februar 1989 mit dem Recht auf eine vorübergehende Arbeitszeitverkürzung nach einjährigem Karenzurlaub256 sowie einem längeren Kündigungsschutz im Mai 1989 konterte.257 Das Recht auf Teilzeitarbeit für Eltern mit Kleinkindern wurde von der ÖVP jedoch abgelehnt.258 Im August 1989 verzichtete Dohnal bei einer entsprechenden Forderung erstmals auf den Querverweis zur 35-Stunden-Woche.259 Auch wenn die Haltung der ÖVP eher negativ zu betrachten ist, hatte Ingrid Korosec (ÖVP) bereits 1987 den »Elternurlaub« bei einer Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit um bis zu 50 % gefordert.260 Das SPÖ-seitig gehegte Begehren einer Arbeitszeitreduktion nach einjährigem Karenzurlaub sollte nur dann bis zum Eintritt des Kindes in die Volkschule möglich sein, wenn dies von beiden Elternteilen in Anspruch genommen wurde.261 Dadurch wollte Frauenstaatssekretärin Dohnal eine Frauendiskriminierung vermeiden.262 Sollte das zweite Karenzjahr nicht in Anspruch genommen werden, so wollte Gabrielle Traxler (SPÖ-Familiensprecherin) eine Ersatzmöglichkeit verwirklicht wissen. Sie konnte sich als Ausgleich vorstellen, den Eltern ersatzweise tageweise Freizeit bis zum zwölften Lebensjahr des Kindes zu gewähren.263 Nach dem ÖVP-Obmannwechsel wurde die ursprüngliche Forderung aufrechterhalten, aber auf zwei Jahre ohne Arbeitsplatzgarantie eingeschränkt.264 Die Anregung der ÖVP lehnte Traxler ab, da sie befürchtete, dass durch eine Anhebung des Karenzurlaubs Frauen aus dem Berufsleben gedrängt würden.265 Die Arbeitgebervertretung sperrte sich vornehmlich gegen das Ansinnen der SPÖ, eine Arurlaubsmodell, das erhebliche Verkürzungen der Arbeitszeit für Männer und Frauen bis zum sechsten Lebensjahr des Kindes vorsah. Vgl. Mooslechner-Stranzinger 1991  : 102. 255 Vgl. Schmidt 2010  : 69ff. 256 Der Begriff »Karenzurlaub« war bis Anfang des 21. Jahrhunderts gebräuchlich und wurde seither durch den Begriff »Elternkarenz« ersetzt. Kreimer zufolge lässt dies den »vorsichtigen« Schluss, zu »dass es hinsichtlich der Tätigkeiten während dieses Urlaubs von Seiten der Gesetzgebung und der Interessensvertretung wenig ›realen Bezug‹ gab«. Kreimer 2009  : 231. 257 Vgl. Mooslechner-Stranzinger 1991  : 103  ; Schmidt 2010  : 71. 258 Vgl. Schmidt 2010  : 74. 259 Vgl. Mooslechner-Stranzinger 1991  : 103. 260 Vgl. Mooslechner-Stranzinger 1991  : 108. 261 Vgl. Schmidt 2010  : 72. 262 Vgl. Schmidt 2010  : 72. 263 Vgl. Schmidt 2010  : 74. 264 Vgl. Schmidt 2010  : 71. 265 Vgl. Schmidt 2010  : 72.

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beitsplatzgarantie festzuschreiben.266 Ende 1989 zeichnete sich ein Kompromiss in Sachen »neuer« Familienpolitik ab, während die Karenzzeitregelung weiterhin Sujet der parteipolitischen Wunschvorstellungen blieb. Im November 1989 wurde ein Kompromiss zwischen Bundeskanzler Vranitzky und Vizekanzler Josef Riegler (ÖVP) geschlossen. Die Sozialpartner waren in diesen nicht eingebunden worden.267 Zu den flankierenden Maßnahmen des Familienpaketes zählten die Ermöglichung der Väterkarenz, die Ausdehnung des Karenzurlaubs auf zwei Jahre bei zusätzlicher Ausverhandlung der sozialen Sicherheitsdimension durch die Sozialpartner und eine wahlweise Reduktion der Normalarbeitszeit.268 Diese Wahlmöglichkeit beinhaltete entweder eine Normalarbeitszeitverkürzung eines Elternteils oder alternativ für beide Elternteile. Entschied sich ein Elternteil anstelle eines zweiten Karenzurlaubsjahres für die Reduzierung der Normalarbeitszeit, konnte diese bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes um bis zu 50 % reduziert werden. Sollten sich beide Elternteile für die Reduktion der Normalarbeitszeit um bis zu 50 % entscheiden, ersetzte diese Teilzeitbeschäftigung den Karenzurlaub nur bis zum vollendeten zweiten Lebensjahr des Kindes. In beiden Fällen sah die Regierungseinigung eine zusätzliche Unterstützung durch den Bezug des halben Karenzgeldes für den jeweils die Normalarbeitszeit reduzierenden Elternteil vor.269 Dieser Kompromiss war bei der medialen Verkündung noch nicht in allen Details ausgehandelt. Strittig waren die Verlängerung des Karenzurlaubs sowie die Väterkarenz.270 In Sachen Väterkarenz wurde trotz der Androhung und Durchführung des Stimmenenthalts der Nationalratsabgeordneten des Wirtschaftsbundes ein Übereinkommen erzielt, dem zufolge Väter verpflichtet werden sollten, binnen vier Wochen die Inanspruchnahme des Karenzurlaubs zu melden  ; ebenso wurde eine Möglichkeit zur Abwechslung der Elternteile geschaffen und eine Arbeitsplatzgarantie eingebaut.271 Die Wortgefechte verstummten allerdings auch nach der Absegnung des Familienpaketes im Parlament nicht. Erst im Mai 1990 konnte ein sozialpartnerschaftlicher Mittelweg gefunden werden. Dieser Kompromiss sah vor, dass – sowohl Vater und Mutter das zweite Karenzurlaubsjahr in Anspruch nehmen konnten, wenn dies der Vater binnen vier Wochen oder die Mutter binnen acht Wochen nach Geburt des Kindes anmeldete (es wurde die Möglichkeit eines einmaligen Wechsel geschaffen  ; wobei drei unmittelbar aufeinander folgende Monate als Karenzurlaub genommen werden mussten),

266 Vgl. Schmidt 2010  : 74. 267 Vgl. Mooslechner-Stranzinger 1991  : 103. 268 Vgl. Schmidt 2010  : 75. 269 Vgl. Schmidt 2010  : 75. 270 Vgl. Schmidt 2010  : 76. 271 Vgl. Schmidt 2010  : 76f.

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– eine Teilzeitbeschäftigung als Ersatz des zweiten Karenzurlaubsjahres bis zum dritten Lebensjahr des Kindes von einem Elternteil in Anspruch genommen wurde, – eine Teilzeitbeschäftigung als Ersatz des zweiten Karenzurlaubsjahres bis zum zweiten Lebensjahr des Kindes von beiden Elternteilen in Anspruch genommen wurde (in beiden Fällen der Beanspruchung der Teilzeitbeschäftigung war die Zustimmung des Arbeitgebers einzuholen), – eine Zuverdienstgrenze geschaffen und – die Lockerung des Kündigungsschutzes nach dem zweiten Karenzurlaubsjahr gegenüber dem ersten Karenzurlaubsjahr ermöglicht werden sollte.272 Mitte der 1990er Jahre geriet die Karenzzeitregelung erneut in den Fokus. Die Koalitionsverhandlungen ergaben eine andere Aufteilung des Karenzurlaubs. Als maximaler Karenzurlaub wurden eineinhalb Jahre, ebenfalls für Alleinverdiener, vorgesehen, wobei dem Partner ein weiteres halbes Jahr zugebilligt wurde.273 Im Juni 1998 wurde erstmals die Flexibilisierung der Karenzzeit diskutiert. Die Einigung Anfang 1999 sah die Konsumation in Blöcken bis zum siebten Lebensjahr bei maximal zwei Wechseln und eine Verlängerung der Anmeldefrist auf acht Wochen sowie eine Aufwertung der Väterkarenz vor.274 7.4.2 Pensionsreform 1993 Im Dezember 1990 war es zu einem Erkenntnis des VfGH gekommen, in dem dieser das ungleiche Pensionsalter von Frauen und Männern aufhob.275 Im Zuge der 272 Vgl. Schmidt 2010  : 78. 273 Vgl. Schmidt 2010  : 91f. 274 Vgl. Kreimer 2009  : 233f.; Schmidt 2010  : 106. 275 Das Erkenntnis VfSlg 12568/1990 bezüglich des unterschiedlichen Pensionsalters legt damit die Frauendiskriminierung zugrunde. In diesem Erkenntnis war der VfGH davon ausgegangen, dass »das traditionelle Rollenbild der Frau in der Haushaltsführung und Kindererziehung nur allmählich einem partnerschaftlichen Verhalten« weiche. Eine Auffassungsänderung lasse sich deshalb schon aufgrund der geänderten Rechtslage nachweisen. In § 91 ABGB sei daher »die einvernehmliche Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft, besonders der Haushaltsführung und der Erwerbstätigkeit«, festgelegt und somit von dem in früheren Gesetzen vorherrschenden Rollenbild, dass »der Mann das Haupt der Familie« sei, abgerückt worden. Der VfGH urteilte im Erkenntnis VfSlg 12568/1990, dass es immer noch unbestritten sei, dass »Frauen bisher die Hauptlast der Haushaltsführung und Kindererziehung trugen und noch immer tragen, sodaß verheiratete Frauen ebenso wie Frauen, die in einer Lebensgemeinschaft mit einem Mann leben, vor allem aber Frauen, denen die Obsorge für Kinder oder sonstige Angehörige obliegt und die überdies berufstätig sind, in der Regel einer doppelten Belastung ausgesetzt waren und noch sind«, wenngleich galt  : »Die Mithilfe der Männer im Haushalt und bei der Kinderbetreuung ist im Zunehmen begriffen. Von einer wirklichen Arbeitsteilung kann aber nicht die Rede sein.« Allerdings ging es dem VfGH nicht so sehr um einen adäquaten Ausgleich

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Debatte zeigte sich Dohnal davon überzeugt, dass mittel- bis langfristig das unterschiedliche Pensionsalter beibehalten werde.276 Schließlich forderte sie die Anrechnung der Kindererziehungszeiten als Kompensation für die Angleichung und damit die De-facto-Erhöhung des Pensionsantrittsalters der Frauen.277 Zur inhaltlichen Klärung trug diese Debatte nicht viel bei, da der Umsetzungszeitpunkt innerhalb der bis 30. November 1991 vorgegebenen Frist des VfGH zentraler war.278 Anhand dieser Frist wird die unterschiedliche Haltung der Koalitionspartner SPÖ und ÖVP deutlich. Die SPÖ wollte das Provisorium in der Verfassung verankert wissen und erst mit der Pensionsreform genau lösen, während ein Großteil der ÖVP für die Neuregelung innerhalb der gesetzten Frist eintrat.279 Die Frauenorganisation der ÖVP stellte sich in dieser Frage jedoch auf die Seite der SPÖ.280 Einigungsgespräche brachten zunächst keinen nennenswerten Erfolg. Die ÖVP forderte zuerst eine Gleichstellung von Männern und Frauen, und erst hernach sollte eine adäquate Lösung des Problems des gleichen Pensionsantrittsalters erreicht werden.281 Riegler forderte daher Anfang 1991 die Anrechnung der Kinderziehung mit vier Jahren pro Kind und den Pensionsanspruch von Müttern nach fünfjähriger Berufstätigkeit.282 Aufgrund der Blockadehaltung der SPÖ musste die ÖVP Anfang September 1991 nachgeben, und mittels Verfassungsgesetz wurde die Regelung für weitere 13 Monate verlängert.283 Sozialminister Hesoun »konkretisierte« daraufhin, dass die Angleichung innerhalb der nächsten 30 Jahre erfolgen solle.284 Der erreichte Aufschub bedeutete kein Ende der Auseinandersetzungen. Die Pensionsreform wurde schließlich an die Realisierung eines Gleichbehandlungspaketes gekoppelt. Hierbei zeigte Dohnal, dass sie unter Aufbringung aller ihr zur Verfügung stehenden Mittel gewillt war, diverse Frauenanliegen durchzubringen. Zu den für sie wichtigen Bestimmungen zählten u. a. die Beweislastumkehr bei Verstößen gegen das Gleichbehandlungsgesetz und der Rechtsanspruch auf Teilzeit bis zum dritten Lebensjahr des Kindes. Dieses Gleichbehandlungspaket sollte als flankierende Maßnahme zur Pensionsreform dienen und beinhaltete in den ursprünglichen Forderungen arbeitszeitpolitische Maßnahmen, wie z. B. den Rechtsanspruch auf Teilzeit. dieser Doppelbelastung, »sondern um die Hintanhaltung der konkreten Gefahr einer Mehrbelastung durch die Nachtarbeit.« Vgl. VfSlg 12568/1990. 276 Vgl. Schmidt 2010  : 130f. 277 Vgl. Schmidt 2010  : 131. 278 Vgl. Schmidt 2010  : 131. 279 Vgl. Schmidt 2010  : 131. 280 Vgl. Schmidt 2010  : 131. 281 Vgl. Schmidt 2010  : 131. 282 Vgl. Schmidt 2010  : 131f. 283 Vgl. Schmidt 2010  : 132. 284 Vgl. Schmidt 2010  : 132.

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Ende Jänner 1992 vollzog sich über die Parteigrenzen hinweg eine erste Annäherung285 zwischen den weiblichen Abgeordneten. Einzig die weiblichen Abgeordneten der FPÖ nahmen an den Gesprächen nicht teil.286 Die parteiübergreifende Einigung wurde von Seiten der ÖVP schließlich torpediert. Verantwortlich für den Rückzug der ÖVP aus diesem Arrangement war der Wirtschaftsflügel der Partei.287 Dies veranlasste Dohnal zu einer Stellungnahme, in der sie einen 55 Punkte umfassenden Maßnahmenkatalog vorstellte.288 Erneut regte sich Widerstand seitens der ÖVP. Dieser richtete sich u. a. gegen den geplanten Teilzeitanspruch bis zum dritten Lebensjahr des Kindes.289 Dohnal machte unmissverständlich klar, dass nur bei Erfüllung der Kernpunkte, z. B. des Teilzeitanspruchs, eine Zustimmung zur Pensionsreform möglich sei. Aus arbeitszeitpolitischer Sicht sei zusätzlich auf die Ausdehnung des Kündigungsschutzes nach dem Karenzurlaub, den Dohnal gleichfalls als zentral ansah, hingewiesen.290 Im August 1992 folgten sozialpartnerschaftliche Gespräche. Auf diese Weise sollte der bislang blockierte Weg freigeschaufelt werden. Die Vermittlung zwischen den Streitparteien schien beinahe unmittelbar zu fruchten. Positive Signale gab es im Bereich des zweiwöchigen Pflegeurlaubs, beim Kündigungsschutz nach der Karenzzeit sowie beim Anspruch auf Teilzeitarbeit mit Beginn der Karenz.291 Schließlich wurde das Recht auf Letztere von Korosec gänzlich aufgeben.292 Im September konnte Sozialminister Hesoun eine Einigung verkünden, wobei er nochmals auf die Widerstände – auch innerhalb der SPÖ aufgrund der »harten« Verhandlungshaltung von Frauenministerin Dohnal – hinwies.293 Dieses Übereinkommen stand weiterhin auf wackeligen Füßen. Die ÖVP wollte die Ausdehnung auf eine zweiwöchige Kinderbetreuung nur bis zum zwölften Lebensjahr verwirklicht wissen, während Dohnal u. a. wegen der Teilzeitregelung ihre Zustimmung verweigern wollte und neuerlich ein Maßnahmenpaket vorschlug.294 285 Diese Annäherung beinhaltete als flankierende Maßnahmen zur schrittweisen Anhebung des Frauen-­ Pensionsantrittsalters die Gründung eines parlamentarischen Ausschusses für Fragen der Gleichbehandlung, flächendeckende Kinderbetreuungseinrichtungen, ein dichteres Netz für soziale Dienste zur Pflege, Maßnahmen zur Frauenförderung, Mindestlöhne und die Verbesserung der gesundheitlichen Bedingungen am Arbeitsplatz. Schmidt 2010  : 133. 286 Vgl. Mairhuber 2003  : 4  ; Schmidt 2010  : 133. 287 Vgl. Schmidt 2010  : 133. 288 Vgl. Schmidt 2010  : 133. 289 Vgl. Schmidt 2010  : 133. 290 Vgl. Schmidt 2010  : 134. 291 Vgl. Schmidt 2010  : 135. 292 Vgl. Schmidt 2010  : 135. 293 Vgl. Schmidt 2010  : 136f. 294 Frauenministerin Dohnal wollte erreichen, dass die Erziehungszeiten (maximal vier Jahre pro Kind) angerechnet wurden, die Pflegefreistellung auf zwei Wochen von Kindern bis zwölf Jahre ausgedehnt

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Zusätzlich an Brisanz gewann die Diskussion, als Dohnal die Gespräche am 8. September 1992 ohne Ergebnis für beendet erklärte, u. a. erneut wegen der Teilzeitregelung.295 Die SPÖ-ÖVP-Koalition einigte sich darauf, trotz alledem weiter zu verhandeln. Dohnal beharrte auf ihrer »harten« Linie.296 Eine Annäherung schien kaum möglich. Deshalb kam es am 12. Oktober 1992 zum Abbruch der Gespräche auf Sozialpartnerebene.297 Die Parteichefs fanden sich damit jedoch nicht ab. Sie führten die Gespräche unter Beteiligung der Spitzen der Sozialpartner fort, so dass am 14. Oktober überraschend ein Durchbruch erzielt werden konnte.298 Das Übereinkommen mündete in einer Festschreibung des ungleichen Pensionsalters in der Verfassung, in der schrittweisen Anhebung des Frauen-Pensionsantrittsalters bis 2028 sowie u. a. im Verzicht von Dohnal auf das Recht auf Teilzeitarbeit im Rahmen des Gleichbehandlungspaketes.299 7.4.3 Die Affäre Poigenfürst – Arbeitszeit in Krankenanstalten Ein Spezifikum stellt eine im Herbst 1994 geführte Debatte zur Arbeitszeitregelung in Krankenanstalten dar. In der medialen Diskussion wurden Divergenzen der Regelungen zwischen Spitalsärzten und dem Pflegepersonal ersichtlich. Einerseits war das Arbeitszeitgesetz in Spitälern, die von der Gebietskrankenkasse geführt wurden, nicht anwendbar, andererseits konnte es sehr wohl für Spitäler gelten, die von Sozialversicherungsträgern, geistlichen Orden oder anderen Trägergesellschaften geführt wurden.300 In den Fokus der medialen Berichterstattung geriet Dr. Poigenfürst, der zum damaligen Zeitpunkt Primar des Lorenz-Böhler-Krankenhauses in Wien war, das der AUVA unterstand. Die AUVA wiederum ist eine juristische Person des öffentlichen Rechtes. Dadurch unterlagen damals alle Krankenanstalten, die von der AUVA betrieben werden, dem Arbeitszeitgesetz sowie der Aufsicht durch Arbeitsinspektoren.301 Mayer und Tomandl weisen in ihrer rechtlichen Untersuchung »Der mißhandelte Rechtsstaat« zur Affäre Poigenfürst darauf hin, dass es bereits vor der Affäre zu Verurteilungen wegen der Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes (1990, 1991 und 1993) gekommen sei.302 wurde, ein Teilzeitarbeitsplatzanspruch bereits im ersten Lebensjahr des Kindes verwirklicht wurde, die Schutzfrist bei Frühgeburten auf 16 Wochen ausgedehnt wurde u. v. m. Vgl. Schmidt 2010  : 136f. 295 Vgl. Schmidt 2010  : 137. 296 Vgl. Schmidt 2010  : 137f. 297 Vgl. Schmidt 2010  : 139. 298 Vgl. Schmidt 2010  : 139. 299 Vgl. Schmidt 2010  : 139. 300 Vgl. V. Frey 1999  : 85. 301 Vgl. Mayer/Tomandl 1995  : 3. 302 Vgl. Mayer/Tomandl 1995  : 5ff.

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Bereits im Vorfeld der eigentlichen Affäre hatte Poigenfürst immer wieder zugunsten einer Änderung der rechtlichen Arbeitszeitsituation interveniert. Walter Geppert (Bundesminister für Arbeit und Soziales, SPÖ) hielt jedoch fest, dass er eine gesetzliche Beschränkung der Arbeitszeit auch in Krankenhäusern für unerlässlich halte.303 In den 1980er Jahren hatte das Arbeitsinspektorat keinerlei Verfehlungen des Lorenz-Böhler-Krankenhauses festgestellt  ; sehr wohl aber im Herbst 1993, als Übertretungen in der Unfallchirurgie festgestellt wurden.304 Dem folgte eine schriftliche Weisung, dass die Arbeitszeit ab sofort einzuhalten sei. Gleichzeitig wurde auf dienstrechtliche Folgen im Falle einer Nichteinhaltung hingewiesen, aber beschlossen, mit Konsequenzen bis zur Novellierung des Arbeitszeitgesetzes zu warten.305 Die »kleine«306 Arbeitszeitgesetznovelle brachte keine entscheidenden Neuerungen. Daher wurde das Lorenz-Böhler-Krankenhaus aufgefordert, die Arbeitszeiten an die gesetzlichen Bestimmungen anzupassen. Poigenfürst weigerte sich jedoch, den Anweisungen des Arbeitsinspektorates zu folgen und das Arbeitszeitgesetz auf die ihm unterstellten Ärzte anzuwenden.307 Seine Weigerung führte ab 10. Oktober 1994308 zu einer intensiven medialen Diskussion über die arbeitszeitrechtlichen Probleme in Krankenanstalten.309 Am 27. Oktober wurde die Ruhestandsversetzung von Poigenfürst einstimmig beschlossen.310 Als der Konflikt daraufhin eskalierte, mussten Bundespräsident Thomas Klestil und Sozialminister Hesoun vermittelnd eingreifen. Anfänglich weigerte sich Hesoun trotz medialen Drucks, gegen die Ruhestandsversetzung Poigenfürsts zu intervenieren. Dieser Druck wurde schließlich so groß, dass Hesoun dann doch verlangte, die Pensionierung aufzuheben.311 Seiner Aufforderung wurde allerdings nicht nachgekommen. Schließlich kam es am 14. November zu einem aufsichtsbehördlichen Bescheid, der die Pensionierung aufhob.312 Letzten Endes führte die Weigerung Poigenfürsts dazu, dass es zu einer Anpassung der gesetzlichen Lage kam. Im Krankenanstaltengesetz-Arbeitszeitgesetz wurde

303 Vgl. Mayer/Tomandl 1995  : 12. 304 Vgl. Mayer/Tomandl 1995  : 13. 305 Vgl. Mayer/Tomandl 1995  : 13f. 306 Hochrainer 2003  : 131. 307 Vgl. Mayer/Tomandl 1995  : 1  ; V.  Frey 1999  : 86. 308 Mayer/Tomandl 1995  : 23. 309 Der genaue Verlauf dieser medialen Debatten und des politischen Drucks hinsichtlich der Aufhebung der Pensionierung Poigenfürsts kann in »Der mißhandelte Rechtsstaat« von Mayer und Tomandl nachgelesen werden. Vgl. Mayer/Tomandl 1995. 310 Vgl. Mayer/Tomandl 1995  : 16. 311 Vgl. Mayer/Tomandl 1995  : 19. 312 Vgl. Mayer/Tomandl 1995  : 29.

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schließlich festgelegt, dass die gesetzliche Arbeitszeit ohne Unterschied auf alle Kran­kenanstalten anzuwenden sei.313 7.4.4 Die »kleine« Arbeitszeitgesetznovelle 1994 – der erste Schritt zur Ausdehnung der Arbeitszeit per Gesetz Abweichungen von der Normalarbeitszeit zur Schaffung von Freizeitarealen waren bis 1997 nur unter restriktiven Bedingungen erlaubt.314 Ein erhöhter Arbeitskräftebedarf erlaubte Überstundenanordnungen, die jedoch einer Beschränkung unterlagen und einen 50%igen Zuschlag beinhalteten.315 Die Flexibilisierungsbestrebungen und die Ansätze einer Diskussion zur Verlängerung der Arbeitszeit kumulierten in den 1990er Jahren in zwei Novellen des Arbeitszeitgesetzes. In den Jahren davor hatte der ÖGB Verhandlungsbereitschaft zur Lockerung des Gesetzes gezeigt. Doch das Festhalten an der 35-Stunden-Woche als Preis einer Lockerung des Gesetzes verhinderte eine Einigung zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden.316 Vorbild der Strategie der 1990er Jahre zur Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes wurde der Abschluss zur Arbeitszeitverkürzung im Handel Ende der 1980er Jahre. Das Prinzip der Flexibilisierung durch eine Verlängerung der Durchrechnungszeiträume auf der Basis des Gesetzes und der Ermächtigungen durch die Kollektivverträge sollte die 1990er Jahre prägen. Dadurch, so Kittel, wurden die Fachgewerkschaften zu zentralen Entscheidungsträgern weitergehender Flexibilisierungen.317 1994 und 1997 erfolgte die Anpassung des Arbeitszeitgesetzes in Bezug auf die Arbeitszeitflexibilisierung auf Druck der Arbeitgeberseite.318 Der erste Schritt war die Umsetzung mit der »kleinen« Arbeitszeitgesetznovelle. Drei Jahre später sollte er mit der »großen« Arbeitszeitgesetznovelle 1997 seine Fortsetzung finden. Mit diesen Novellen wurde dem Kampf um die Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes Rechnung getragen  ; sie führten zu einer Lockerung bestehender Regelungen,319 die allerdings weiterhin durch die Arbeitnehmerverbände kontrolliert blieben.320 Beide 313 Vgl. V. Frey 1999  : 86. 314 Vgl. Kittel 2000  : 450f. 315 Vgl. Kittel 2000  : 451. 316 Vgl. Kittel 2000  : 451. 317 Vgl. Kittel 2000  : 451. 318 Vgl. Sorger 2014  : 74. 319 Für Spitznagel und Wanger bedeuten Lockerungen eines einstmals stabilen Arbeitszeitregimes, dass die periodengerechte Erfassung von Wochenarbeitszeiten, besonders auf Branchen-, Betriebs- und Beschäftigtenebene, erschwert wird, woraus sich zunehmend Abweichungen von den tariflich vereinbarten Normalarbeitszeiten sowohl nach oben als auch nach unten ergeben. Vgl. Spitznagel/Wanger 2004  : 27. 320 Vgl. Kittel 2000  : 450.

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Novellen hatten eine Neudefinierung kollektivvertraglicher Arbeitszeitflexibilisierung zur Folge.321 Mangelnde Fantasie322 wurde dem Arbeitszeitgesetz schon lange vorgeworfen. Der Vorwurf der Inflexibilität des Arbeitszeitgesetzes und der Ruf nach einer Anpassung an die Bedürfnisse der Beteiligten standen stets im Raum. Infolgedessen wurden eine Liberalisierung, Vereinfachung, Entrümpelung oder Individualisierung des Arbeitsrechtes gefordert.323 Die Richtung der Änderungen hatte bereits der Beiratsbericht 1984 vorgegeben, und so war es vor 1994 zu ersten Novellierungen des Arbeitszeitgesetzes gekommen. Die Veränderungen betrafen jedoch nicht die tägliche und wöchentliche Arbeitszeit, sondern die Überstundenabgeltung, die Wochenendruhe, die Regelung der Urlaubsdauer oder spezielle Regelungen für Nacht-, Schicht- und Schwerarbeit.324 Die SPÖ-ÖVP Regierung hatte als Ziel der arbeitszeitgesetzlichen Novelle die autonomere Rechtsgestaltung mit größerer Flexibilität, so z. B. die Ausdehnung der Spielräume der Gestaltung der Arbeitszeit, ausgegeben.325 Die Novelle 1994 beinhaltete im Kern betriebliche Möglichkeiten für Gleitzeitarbeit sowie die Einarbeitung von Fenstertagen.326 Zudem waren Anpassungen, z. B. im Bereich der Berufskraftfahrer, an das EU-Recht durchgeführt worden.327 Diese Änderungen wurden als Anpassungen an geänderte wirtschaftliche Verhältnisse interpretiert.328 Da die Gesamtdauer der Normalarbeitszeit nicht erhöht wurde, wurden die Neuerungen der Arbeitszeitflexibilisierung zugerechnet.329 Wirtschaftliche Überlegungen spielten für die Verwirklichung der Arbeitszeitgesetznovelle 1994 eine Rolle. Dezidiert sollte durch die Arbeitszeitflexibilisierung eine Einsparung von Überstundenzuschlägen und die flexible Anpassung an Schwankungen des Bedarfs an Arbeitskräften erreicht werden.330 Damit lässt sich ein Bogen zur ersten Periode der Arbeitszeitentwicklung schlagen, als die Überstundenproblematik im Mittelpunkt des arbeitszeitpolitischen Streits gestanden hatte. In den 1950er Jahren wie in den 1990er Jahren wurde versucht, Überstundenzuschläge einzusparen. In den 1950er Jahren war mit einer »gültigen« 60-Stunden-Woche argumentiert 321 Vgl. Kittel 2000  : 450. 322 Vgl. Dollinger 1979  : 65. 323 Vgl. Seicht 1988  : 35. 324 Vgl. Kittel 1996  : 227. 325 Vgl. C. Klein 1994  : 14  ; Hochrainer 2003  : 131f. 326 Vgl. C. Klein 1994  : 15  ; Kittel 1996  : 237  ; Cerny 2001  : 31  ; Hochrainer 2003  : 131f.; Hochrainer 2006  : 177. 327 Vgl. C. Klein 1994  : 15  ; Kittel 1996  : 236. 328 Vgl. Mitterbauer 2000  : 28. 329 Vgl. C. Klein 1994  : 17. 330 Vgl. Hums, Franz  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 20.  Sitzung  : 26  ; Hochrainer 2006  : 178  ; Sorger 2014  : 205.

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worden, um zu zeigen, warum keine Überstundenzahlungen notwendig seien. Seit den 1980er Jahren wurde die »Inflexibilität« des Gesetzes angeprangert und über eine Verlängerung der Normalarbeitszeit die Einsparung der Überstundenzahlungen angestrebt. Offensiv wurden jedoch die Möglichkeiten der Kostensenkung von der Arbeitgebervertretung im Diskurs nicht angesprochen.331 Ausgehandelt wurde die Arbeitszeitgesetznovelle 1994 von den Akteuren der Sozialpartner, aber Kittel betont, dass die Rolle der Regierung und des Sozialministeriums bei der Ausarbeitung nicht unterschätzt werden dürfe. Da Erstere die Sozialpartner beauftragt hatte, wurde die Aufgabe zu deren »Bringschuld«, und bei einer möglichen Einigung auf Parteiebene hätte zudem ein Gesichtsverlust gedroht.332 Zusätzlich hatten der Mitgliederrückgang beim ÖGB und der Legitimationsdruck bei WKO und BAK zu einer Einigung beigetragen. Die Forderungen nach weiteren Flexibilisierungen verstummten aber nicht. Generell erfolgte diese und die nachfolgende Flexibilisierung nach Einschätzung Kittels besonders auf Initiative der Unternehmervertreter unter Billigung der Regierung.333 Letztlich beinhaltete die Arbeitszeitgesetznovelle von 1994 keine einschneidenden Veränderungen auf gesetzlicher Ebene.334 Es wurden ähnliche Wünsche wie zuvor formuliert. Zu den begehrten Punkten der Arbeitgeberseite gehörten eine Bandbreitenregelung der wöchentlichen Arbeitszeit zwischen 32 und 50 Stunden, die Verlängerung der täglichen Arbeitszeit auf zehn Stunden und des Durchrechnungszeitraums auf 52 Wochen sowie die Dezentralisierung bei der Aushandlung flexibler Arbeitszeitmodelle.335 7.4.5 Geschlechtsneutrale Regelung des Nachtarbeitsverbotes Die Erste Republik kannte ein Gesetz zur Regelung der Nachtarbeit.336 Prinzipiell wurden Gesetze zur Regelung der Nachtarbeit aus sozial- und gesundheitspoliti331 Vgl. Hochrainer 2006  : 178. 332 Vgl. Kittel 1996  : 237. 333 Vgl. Kittel 1996  : 238. 334 Sorger 2014  : 75. 335 Vgl. Hochrainer 2003  : 132  ; Hochrainer 2006  : 177. 336 Die Sozialgesetzgebung der Ersten Republik knüpfte beim Frauen- und Mutterschutz sowohl an Regelungen als auch an Argumentationsstränge der Monarchie an. Dementsprechend kam es nach Kriegsende zur Wiedereinführung des Nachtarbeitsverbotes, und im Mai 1919 erfolgte die Ausdehnung des Nachtarbeitsverbotes auf alle gewerblichen Bereiche. Dadurch war es Frauen ebenso wie Betrieben mit weniger als zehn Beschäftigten verboten, zwischen acht Uhr abends und fünf Uhr morgens zu arbeiten. Ausnahmen zu dieser Regelung bestanden in verschiedensten Bereichen und bedurften der Genehmigung des Staatsamts für soziale Verwaltung. Der Bergbau war vom Geltungsbereich des Gesetzes ausgenommen. Erst im Bergarbeitergesetz vom 28. Juli 1919 erfolgte eine Regelung, wobei mit einem Nachtarbeitsverbot für männliche Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren »sozialpolitisches Neuland« betreten worden war. Allerdings konnte im Bergbau die Nachtarbeit für

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schen Überlegungen heraus initialisiert. Die Verschiebung der Arbeitszeit und die daraus resultierende Verschiebung des Schlafes in andere als die üblichen Zeitbereiche wurden als heikel beurteilt. In der Zweiten Republik wurde 1969 eine gesetzliche Regelung der Nachtarbeit bzw. des Nachtarbeitsverbotes der Frauen erlassen,337 das ebenfalls zahlreiche Ausnahmen beinhaltete. Solche Ausnahmeregelungen des Frauennachtarbeitsverbots gab es in sämtlichen Ländern, die ein ebensolches Verbot kannten.338 Die Auslegung des Nachtarbeitsverbotes – bezogen auf die Geschlechterdiskriminierung – war in Europa seit Ende der 1980er Jahre immer mehr in den Blickpunkt der Auseinandersetzungen geraten. 1992 zählten Belgien, Deutschland, Frankreich sowie Österreich zur letzten »Bastion« des Frauennachtarbeitsverbotes in Europa.339 Darüber hinaus gab es in Italien, Portugal und Griechenland ebenfalls solche frauenspezifischen Verbote, wobei in Schweden und der Schweiz sowie in den Niederlanden, aber auch in Belgien gleichfalls Nachtarbeitsverbote für Männer vorgesehen waren.340 1991/92 kam es in Frankreich, Deutschland und Österreich zu höchstrichterlichen Entscheidungen, deren Urteilsbegründungen stark divergierten.341 Nach der Rechtsprechung Frankreichs galt nun ein Teil des Arbeitsgesetzes als geschlechterdiskriminierend, da er als »Hemmschuh« des freien Wettbewerbs für die Bürger aufgefasst werden konnte, und folgerichtig kam das deutsche Bundesverfassungsgericht zu einem ähnlichen Ergebnis. Dabei nahm es eine »differenzierte gleichstellungspolitische Position« ein.342 Dieser Entwicklung folgend, wurden in der EG mit der RL 93/104/EG erstmals Richtlinien über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung erlassen. Damit sollte auf gesamteuropäischer Ebene durch eine Normierung von Mindestvorschriften eine Untergrenze für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung geschaffen werden.343 Frauen erst um 22 Uhr beginnen. Mesner spricht hinsichtlich der Nachtruhe in der Ersten Republik von einer »höchst fragmentarischen Umsetzung«. Vgl. Mesner 2010  : 133ff. 337 In der Zweiten Republik erfolgte 1950 die Ratifizierung des Übereinkommens Nr. 89 (BGBl. 229/1950) der 31. Internationalen Arbeitskonferenz in San Franzisco über die Nachtarbeit von Frauen im Gewerbe. Gültigkeit erlangte diese Ratifizierung per 5. Oktober 1951. Zu einer gesetzlichen Umsetzung kam es im Juli 1969 (BGBl. 237/1969), womit das Nachtarbeitsverbot der Frauen, wie in der Ersten Republik, nun auch in der Zweiten Republik gesetzlich geregelt war. Letztlich war das Nachtarbeitsverbot mit ein Grund für die Etablierung des Konzepts der »Hausarbeit« und des »Familienlohns«. Vgl. Raasch 1992  : 431  ; BGBl. 229/1950  ; BGBl. 237/1969. 338 Vgl. Raasch 1992  : 427. 339 Vgl. Raasch 1992  : 427. 340 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaft 1992  : 43f.; W. Ayaß 2000  : 209. 341 Vgl. Raasch 1992  : 427  ; W.  Ayaß 2000  : 210ff. 342 Vgl. Raasch 1992  : 427. 343 Mitterbauer 2000  : 57  ; D.  Lutz 2004  : 227  ; D.  Lutz 2005  : 30  ; Röpke 2007  : 183.

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Der VfGH bezog eine den Entscheidungen der EG diametral entgegengesetzte Position – und das, obwohl in der österreichischen Politik eine faktische Annäherung an die EG erkennbar war.344 Eine erste Beschäftigung des VfGH mit dem Nachtarbeitsverbot erfolgte bereits 1988, als das Erkenntnis VfSlg 11774/1988 am 30. Juni 1988 veröffentlicht wurde. Ihm lag zugrunde, dass ein Bäckerbetrieb in Tirol Berufung gegen eine Geldstrafe eingelegt hatte, die erfolgt war, weil er eine Arbeitnehmerin in der Nacht zur Arbeitsleistung herangezogen hatte.345 Begründet wurde die Anfechtung mit der Diskriminierung des weiblichen Geschlechts durch das Frauennachtarbeitsverbot. Der Beschwerdeführer sah zudem das Nachtarbeitsverbot in Bäckereien als nicht begründet an.346 Das Erkenntnis sollte mit einer Stellungnahme des für das Bäckereiarbeitergesetz zuständigen Ministers abgesichert werden. Dieser legte daraufhin dar, warum das Frauennachtarbeitsverbot für Bäckereien anzuwenden sei. Als Gründe wurden seit jeher bestehende Regelungen zur Nachtarbeit von Frauen, insbesondere in Bäckereien, sowie sozial- und familienpolitische Überlegungen angeführt, die dem Nachtarbeitsverbot zugrunde gelegt waren.347 Aus Sicht des Ministers waren zum einen die Probleme, die aus der Doppelbelastung mit Beruf und Haushalt348 erwuchsen, zum anderen das 89. Übereinkommen der Internationalen Arbeitskonferenz349 für die Aufrechterhaltung des Nachtarbeitsverbotes in Bäckereien ausschlaggebend. 344 Vgl. Raasch 1992  : 427. 345 Das Erkenntnis betraf einen angefochtenen Berufungsbescheid des Landeshauptmannes von Tirol über eine Geldstrafe von 15.000 Schilling (Ersatzarreststrafe 15 Tage). Die Geldstrafe war eingefordert worden, da der Inhaber eines Bäckereibetriebes am 18. Jänner 1986 eine weibliche Arbeitnehmerin um 2.30 Uhr zur Arbeitsleistung herangezogen hatte. Vgl. VfSlg 11774/1988. 346 Begründet wurde diese Argumentation dadurch, dass das Nachtarbeitsverbot in anderen Branchen nicht gelte. Dadurch sei es Frauen in Bäckereibetrieben nicht möglich, steuerfreie Nachtzuschläge oder Erschwerniszulagen zu verdienen, was für den Beschwerdeführer unweigerlich zum Ausschluss einer Gruppe von Arbeitswilligen führen würde. Darüber hinaus sichere die Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen jedem Menschen das Recht auf Arbeit zu, und die Europäische Sozialcharta verlange, dass Frauen sich ihre Arbeitszeit selbst einteilen können, was eine Ungleichbehandlung von Frauen ausschließe. Vgl. VfSlg 11774/1988. 347 Vgl. VfSlg 11774/1988. 348 Dieses Motiv zählt zu den sozial- und familienpolitischen Überlegungen, wozu auch die Gefährdung der Gesundheit durch Nachtarbeit und die daraus resultierenden familiären Probleme gerechnet werden. Hinsichtlich der Doppelbelastung zweifelte der Minister nicht an der »primären Zuständigkeit der Frauen für Haushaltsführung und Kinderbetreuung«. Hinzu kam aus der Sicht des Ministers, dass durch die Anpassung an familiäre Bedürfnisse und Tagesrhythmen ein größeres Schlafdefizit entstehen würde. Vgl. VfSlg 11774/1988. 349 Das Bundesgesetz über die Nachtarbeit der Frauen, dem das 89. Übereinkommen der Internationalen Arbeitskonferenz zugrunde liegt, erfasst nicht nur gewerbliche Betriebe, sondern definiert einen längeren Zeitraum als Nacht und nimmt bestimmte Branchen und Tätigkeiten vom Verbot aus, um in bestimmten Bereichen einem möglichen Berufsverbot entgegenzuwirken, aber auch, um wirtschaft-

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Zusammen mit der Stellungnahme des Ministers kam der VfGH zum Erkenntnis, dass die Beschwerde als unbegründet abzulehnen sei. Insgesamt werden vier Gründe angeführt, warum die Beschwerde abzuweisen sei. Auf europäischer Ebene erfolgte in den 1990er Jahren die Aufhebung aus Gründen der Geschlechterdiskriminierung. Der VfGH urteilte allerdings bereits 1988, dass das österreichische Frauennachtarbeitsverbot respektive das Bäckereiarbeitsgesetz nicht als geschlechterdiskriminierend anzusehen sei. Trotz des Nachtarbeitsverbots für Frauen in Bäckereien zwischen 20 Uhr abends und 5 Uhr morgens wurde das Argument der Gleichheitswidrigkeit des Verbotes als unsachlich beurteilt und andere verfassungsgesetzliche Rechte wurden als irrelevant betrachtet.350 Als weitere Gründe, die gegen eine Aufhebung sprachen, wurden der unmittelbare Zusammenhang zwischen dem Bäckereiarbeitsgesetz und dem Bundesgesetz über die Nachtarbeit der Frauen,351 die nicht gegebene Diskriminierung durch das Nachtarbeitsverbot aufgrund der technischen Entwicklung – von Seiten des Beschwerdeführers wurde diese durch z. B. das Wegfallen des Tragens schwerer Mehlsäcke durch vermehrten Einsatz von Maschinen und »Backstraßen« begründet352 – sowie die grundsätzliche Möglichkeit, über Ausnahmen in bestimmten gewerblichen Betrieben die Nachtarbeit von Frauen zu verbieten,353 angeführt. liche und öffentliche Interessen zu berücksichtigen. Insgesamt sei daher ein Backwarenerzeugungsbetrieb ein gewerblicher Betrieb im Sinne dieses Übereinkommens. Vgl. VfSlg 11774/1988. 350 Vgl. VfSlg 11774/1988. 351 Der VfGH begründete wie folgt  : Zwar gelte das Gesetz zur Nachtarbeit der Frauen für Dienstnehmerinnen, für die das Bäckereiarbeitsgesetz nicht gelte, aber das Bäckereiarbeitsgesetz regle ebenfalls das Nachtarbeitsverbot weiblicher Arbeitnehmerinnen, wobei das Frauennachtarbeitsverbot in Bäckereibetrieben historisch begründet sei und eben nicht »auf die Eigenart der in Bäckereien anfallenden Arbeiten, sondern auf den allgemeinen Schutz der Frauen vor Nachtarbeit zurückzuführen und insofern nur Teil eines allgemeinen Verbotes der Frauennachtarbeit« sei. Durch Abweichung vom Bundesgesetz über die Nachtarbeit der Frauen sei ohnehin den betrieblichen Anforderungen eines Bäckereibetriebes Rechnung getragen worden, und es sei daher verfehlt, zu fragen, ob in dieser Branche ein Nachtarbeitsverbot erforderlich sei. Vgl. VfSlg 11774/1988. 352 Nach Erkenntnis des VfGH verfehlt dies den Inhalt und den Zweck von § 9 des Bäckereiarbeitsgesetzes, da das Nachtarbeitsverbot nicht nur Bäckereien, sondern alle Gewerbebetriebe betreffe und die Gesetze nicht auf Besonderheiten der zu leistenden Arbeiten abzielten. Zweifel, ob ein Nachtarbeitsverbot gerade für Frauen ohne Rücksichtnahme auf die Schwere der Arbeit gerechtfertigt sei, könnten nachvollzogen werden, aber dennoch müssten die Vorteile gegenüber den Nachteilen vom Gesetzgeber abgewogen werden. § 9 des Bäckereiarbeitsgesetzes verletze den Gleichheitsgrundsatz nicht, da dem Nachtarbeitsverbot ein international anerkanntes Schutzbedürfnis der Frauen zugrunde gelegt werde und jene vom Beschwerdeführer angeführten Nachteile eben im Interesse des Schutzes seien, wenngleich in Einzelfällen Nachteile entstehen könnten. Vgl. VfSlg 11774/1988. 353 Der Beschwerdeführer verwies darauf, dass in bestimmten Wirtschaftszweigen Ausnahmen vom Nachtarbeitsverbot bestehen würden und die Nachtarbeit in Bäckereibetrieben gleichfalls bestimmte Eigenheiten aufweise, die eine Ausnahmeregelung rechtfertigen würden. Das internationale Über-

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Vier Jahre danach beschäftige sich der VfGH erneut mit dieser Gesetzeslage. Wiederum war es die Geschlechterdiskriminierung des Frauennachtarbeitsverbotes. Anders als noch in den 1980er Jahren war die Rechtsprechung auf europäischer Ebene bekannt und eine Anpassung Österreichs an die EG durch den angestrebten Beitritt in Gange. Trotz alledem bestätigte der VfGH seine 1988 getroffene Entscheidung und bekräftigte354 am 12. März 1992, dass das Frauennachtarbeitsgesetz nicht frauendiskriminierend sei. Dieses Mal ging es vornehmlich um die gewünschte Aufhebung von § 3 Abs. 1 und/oder § 4 Abs. 10 dieses Bundesgesetzes. Die Antragstellerinnen, die für einen großen Lebensmittelhändler in Wien tätig waren, wiesen in ihrer Beschwerde darauf hin, dass die leicht verderblichen Waren bereits zwischen 4 Uhr und 5 Uhr morgens vorbereitet werden müssten, aber wegen der geltenden Gesetzeslage die Aufnahme der Arbeit erst ab 6 Uhr morgens bzw. im Marktverkehr erst ab 5 Uhr morgens gestattet sei.355 Die Antragstellerinnen fürchteten bei Aufrechterhaltung des Nachtarbeitsverbotes den Verlust der langjährig innegehabten Arbeitsplätze, da das Arbeitsinspektorat nach dem Wegfall von »Toleranzgrenzen« keinen früheren Arbeitsbeginn mehr erlauben würde.356 Aus Sicht der Beschwerdeführerinnen war dieses Gesetz daher gleichheits- und somit verfassungswidrig.357 Der VfGH ließ zwar die Anträge zu, aber in letzter Konsequenz wurden sie als nicht begründet abgewiesen,358 so dass der Schluss gezogen werden konnte, dass das Nachtarbeitseinkommen berücksichtige solche Ausnahmen nicht und verbiete grundsätzlich Nachtarbeit in gewerblichen Betrieben, wozu Betriebe zählen würden, »in denen Gegenstände hergestellt, umgeändert, fertiggestellt und verkaufsbereit gemacht werden oder in denen Stoffe umgearbeitet werden«. Da dies auf Backwarenerzeugungsbetriebe zutreffe und der Gesetzgeber berechtigt sei, diese »grobe Abgrenzung« zu übernehmen, könne der Beschwerdeführer den dauerhaften »Bedarf an Arbeitskräften in Bäckereien für die frühen Morgenstunden« aufgrund des Fehlens von Ausnahmeregelungen im Übereinkommen nicht rechtfertigen, und auch dem Gesetzgeber könne daher keine Unsachlichkeit für das Definieren von Ausnahmen zum Nachtarbeitsverbot vorgeworfen werden. Vgl. VfSlg 11774/1988. 354 Vgl. Raasch 1992  : 427. 355 Vgl. VfSlg 13038/1992. 356 Vgl. VfSlg 13038/1992. 357 Begründet wurde dies dadurch, dass Frauen schlechter als Männer gestellt würden und zudem »der Katalog der Ausnahmen § 2 sachwidrig die im Lebensmittelgroßhandel beschäftigten Frauen nicht erfasse«. Vgl. VfSlg 13038/1992. 358 Die Anträge wurden vom VfGH als zulässig erachtet, da durch die Gesetzeslage nicht nur die wirtschaftliche, sondern auch die Rechtssphäre der Arbeitnehmerinnen unmittelbar gestaltet werde. In der Sache selbst sah der VfGH die Anträge als nicht begründet an und bestätigte somit, dass das Frauennachtarbeitsgesetz nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße und damit nicht frauendiskriminierend sei. Ebenfalls negativ beschieden wurde in der Frage der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes. In diesem Fall berief sich der VfGH auf das Erkenntnis VfSlg 11774/1988 und die Ablehnung einschlägiger Beschwerden (B222/89, B625/89, B634/89 sowie B612/90), wobei die Beschwerde

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verbot für Frauen nicht frauendiskriminierend war. Die Regierung wurde erneut zu einer Stellungnahme aufgefordert. Die ÖVP verweigerte dieser die Zustimmung aus sozialpolitischen und wirtschaftlichen Überlegungen.359 Bereits zu Beginn der Auseinandersetzungen zeigte sich, dass die ÖVP für eine generelle Aufhebung des Nachtarbeitsverbotes war, während die SPÖ es umgekehrt teilweise auch für Männer andachte.360 Die höchstrichterlichen Entscheidungen Frankreichs und Deutschlands sowie des EuGH sollten für den Umgang mit dem Nachtarbeitsverbot in der EG wegweisend werden. Im Kern ging es bei ihnen darum, ob die damals geltenden Gesetze frauendiskriminierend seien oder weiterhin den Schutz der Frau gegen die Doppelbelastung von Hausarbeit und Nachtarbeit garantieren könnten.361 Die Frage der Doppelbelastung wurde vom EuGH praktisch ausgeklammert, da Gesetze nicht die Aufgabe hätten, interne Verhältnisse von Familien neu zu regeln bzw. Eltern die Aufgabenteilung vorzuschreiben. Währenddessen sah der österreichische VfGH das traditionelle Rollenbild zwar allmählichen Veränderungen362 unterworfen,363 aber weiterhin wurde die Hauptlast der Hausarbeit bei Frauen und nicht bei den Männern gesehen, so dass die Begründung 1992 jener von 1988 beim Nachtarbeitsverbot in Bäckereien und der von 1990 in Bezug auf das gleiche Pensionsantrittsalters entsprach. Das deutsche Bundesverfassungsgericht fällte in dieser Angelegenheit ein B612/90 vom Großgrünmarkt, bei dem die Beschwerdeführerinnen beschäftigt waren, stammte. Vgl. VfSlg 13038/1992. 359 Schmidt 2010  : 132. 360 Vgl. Schmidt 2010  : 132. 361 Vgl. Raasch 1992  : 427. 362 Diese allmähliche Veränderung des traditionellen Rollenbildes wurde im Erkenntnis VfSlg 13038/1992 mehrfach angesprochen. Immer wieder wurde darauf verwiesen, dass die Schutzbedürftigkeit der Frau aufgrund der noch – dieses einschränkende »noch« wurde vom VfGH in Klammern geschrieben – gegebenen gesellschaftlichen Verhältnisse weiterhin bestehe. Zwar wurde in der Frage der Frauendiskriminierung auf das Erkenntnis VfSlg 11774/1988 verwiesen, aber wichtiger war das Erkenntnis VfSlg 12568/1990 bezüglich des unterschiedlichen Pensionsalters. Generell sei daher dieses Ziel gerechtfertigt, wenngleich die Ermittlung vielgestaltiger konkreter Verhältnisse, die zur Übernahme von Nachtarbeit von Frauen führen könnten, schwierig sei. Vgl. VfSlg 11774/1988  ; VfSlg 12568/1990  ; VfSlg 13038/1992  ; Raasch 1992  : 428. 363 Diesen Wandel des Rollenbildes beschreibt Schmidt in seiner Dissertation »Die Konflikte innerhalb der Großen Koalition von 1986 bis 2000« anhand des Versuchs, Männer, »zwangsweise« zu einem Mehr an Hausarbeit zu bewegen. 1995 wurde die Frage diskutiert, wie Männer zu einem Mehr an Hausarbeit angehalten werden könnten. Helga Konrad (Bundesministerin für Frauenangelegenheiten, SPÖ) wollte die Pflicht zur Hausarbeit der Männer per Gesetz fixieren, während ÖVP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat einen verpflichtenden Ehevertrag einführen wollte, in dem u. a. die Beteiligung des Mannes an der Hausarbeit, Kinderwusch, Treue, Vermögensaufteilung festgehalten werden sollten. Beide Ansätze zur Einbindung der Männer in den Haushalt wurden nicht verwirklicht. Vgl. Schmidt 2010  : 141.

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differenzierteres Urteil und zielte darauf ab, dass die Doppelbelastung nur mehr dann verstärkt anfalle, wenn die Frau alleinerziehend sei, sie betreuungbedürftige Kinder habe und der Mann die Hausarbeit vollständig auf die Frau »abwälze«, so dass letztlich für alleinerziehende Väter und für partnerschaftlich lebende Paare durchaus ein gewisses Schutzbedürfnis in puncto Nachtarbeit nicht mehr zu leugnen sei364 und sich dadurch ein Diskriminierungsfaktor ergeben würde. Der EuGH lehnte das Frauennachtarbeitsverbot ab, da er es als diskriminierende Benachteiligung von Frauen gegenüber Männern auf dem Arbeitsmarkt erachtete, weshalb der Schutzgedanke nicht mehr greife.365 Die Ablehnung des Frauennachtarbeitsverbotes durch den EuGH betraf zunächst nur die EG. Österreich strebte jedoch den Beitritt zur EG an, was in der österreichischen Politik eine faktische Annäherung zur Folge hatte. Mit dem vollzogenen Betritt war klar, dass das Nachtarbeitsverbot der Frauen nicht mehr haltbar und somit zu einem »Auslaufmodell«366 geworden war. Der EU-Beitrittsvertrag sah eine formelle Übergangsfrist zur Herstellung der Gleichbehandlung im Bereich der Nachtarbeit bis 2001 vor. Aus diesem Grund vertrat der ÖGB die Meinung, dass das Schutzgesetz nicht mehr aufrechtzuerhalten sei.367 Spätestens bis 1997 musste eine passende Formulierung gefunden werden, da in diesem Jahr eine Überprüfung durch den EU-Rat vorgesehen war.368 Die geschlechtsneutrale Regelung der Nachtarbeit wurde alsbald Gegenstand der Debatten. Die Arbeiternehmervertretung369 sträubte sich, u. a. wegen des drohenden Verlusts der Kontrolle über die Betriebe, gegen eine Änderung, obwohl sie eine Beitrittsbedingung zur EU war.370 Aus ihrer Sicht ging es erstens um die vorzeitige Aufhebung und zweitens um die ersatzlose Streichung des Frauennachtarbeitsverbotes.371 Zunehmender Druck kam aus Vorarlberg von Landeshauptmann Martin Purtscher (ÖVP) und Wirtschaftslandesrat Manfred Rein (ÖVP). Da die Vorarlberger Wirtschaft seit dem Beitritt zur EU unter Anpassungsdruck stand und deren Stoßrichtung besonders auf eine liberalere Auslegung der Praxis der Nachtarbeit der

364 Vgl. Raasch 1992  : 428  ; Eichinger 1995  : 22  ; Hochrainer 2003  : 129. 365 Vgl. Raasch 1992  : 432. 366 Hochrainer 2003  : 129. 367 Vgl. Hochrainer 2003  : 129. 368 Vgl. Eichinger 1995  : 22  ; Hochrainer 2003  : 129. 369 Hinterseer spricht in diesem Zusammenhang von einem starken Strukturkonservatismus innerhalb der Gewerkschaftsbewegung  ; wobei diese Haltung der Ansicht Hinterseers nach mit Skepsis gegenüber der EU und zugleich mit dem unroutinierten Zugang zur neuen politischen Ebene der EU erklärt werden könne. Vgl. Hinterseer 2014  : 112. 370 Vgl. Hinterseer 2014  : 112. 371 Hochrainer 2003  : 129.

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Frauen abzielte,372 war dieses Bundesland in der Angelegenheit federführend. Ein entsprechendes Anliegen wurde bei der Regierung Vranitzky vorgebracht. Gleichzeitig kam es zur Äußerung der WKO, weitere Schritte in Richtung Arbeitszeitflexibilisierung einzuleiten.373 In der Folge wurde der Ersatz des Frauennachtarbeitsverbotes im Koalitionsabkommen festgeschrieben. Sozialpartnerschaftliche Gespräche wurden im Gegensatz zur Arbeitszeitflexibilisierung hier nicht aufgenommen.374 Hochrainer sieht mehrere Gründe, dass es nicht zu solchen Verhandlungen kam. Erstens wäre der Verhandlungspreis der Gewerkschaft sehr hoch gewesen. Zweitens wären durch eine vorgezogene Regelung die Kosten auf Unternehmensseite höher als der Gewinn gewesen.375 Der Wunsch nach einer vorgezogenen Neuregelung hielt sich in Grenzen. Bis Sommer 1995 hätte eine Arbeitsgruppe unter Leitung der Bundesminister für Arbeit und Soziales sowie für wirtschaftliche Angelegenheiten ein sozialpartnerschaftliches Verhandlungsergebnis präsentieren sollen. Als dies nicht geschah, sorgte Sozialminister Hums mit Unterstützung der AK für eine Regierungsinitiative zur Novellierung des Gesetzes.376 Während in dieser Angelegenheit Stillstand bei den Verhandlungen zu erkennen war, gingen jene für eine weitere Arbeitszeitflexibilisierung nach der Arbeitszeitgesetznovelle nahtlos weiter.377 Der Vorstoß des Sozialministers hatte schließlich eine gewisse Bewegung bei ÖGB und AK gebracht. Nach deren Meinung sollte die vorzeitige Aufhebung des Frauennachtarbeitsverbots nur im Austausch gegen bessere Bedingungen für Nachtarbeit erfolgen. Die Position von ÖGB und AK umfasste nachfolgende Punkte  : Die Nachtarbeit sollte auf acht Stunden begrenzt werden. Für Arbeiten zwischen 18 und 22 Uhr waren 10%ige Zuschläge sowie für Arbeiten zwischen 22 Uhr abends und 6 Uhr morgens 33%ige Zuschläge vorgesehen. Es wurde ein 13-wöchiger Durchrechnungszeitraum vorgesehen. Nachtarbeit sollte nur noch aus gesellschaftlichen, kulturellen, organisatorischen und/oder ökonomischen Gründen erlaubt werden. Es sollte ein Anspruch auf zusätzlichen Urlaub, gestaffelt ab zwei Tagen, bestehen. Für 50-Jährige bzw. Arbeitskräfte, die 20 Jahre Nachtarbeit geleistet hatten, sollte das Recht auf eine adäquate Tagesarbeit bestehen.378 Sozialminister Hums legte eine Woche nach der Präsentation eines neuen Arbeitszeitgesetzes den Entwurf eines geschlechtsneutralen Nachtarbeitszeitgesetzes 372 Vgl. Hochrainer 2003  : 129. 373 Vgl. Hochrainer 2003  : 129. 374 Vgl. Hochrainer 2003  : 129f. 375 Vgl. Hochrainer 2003  : 130. 376 Vgl. Hochrainer 2003  : 131. 377 Vgl. Hochrainer 2003  : 131. 378 Vgl. Hochrainer 2003  : 141.

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vor. In diesem wurde die Position des ÖGB abgemildert und das Gesetz sollte erst ab 2002 gelten.379 Der Entwurf wurde heftig kritisiert. Schließlich kündigte Gottfried Feurstein (ÖVP) eine parlamentarische Initiative zur Aufhebung des Frauennachtarbeitsverbotes an, die allerdings nicht eingebracht wurde.380 Im Oktober 1996 kam es zwischen den Sozialpartnern zu einer Einigung. Dieses Übereinkommen legte fest, dass Nachtarbeit zwischen 22 Uhr abends und 6 Uhr morgens bei einer mindestens zweistündigen und maximal achtstündigen bzw. neunstündigen Arbeitstätigkeit bei einer Abgeltung mittels einer 10%igen Zeitgutschrift vorliege.381 Die Zugeständnisse an die Gewerkschaft waren an die Arbeitszeitflexibilisierung gekoppelt worden. Dadurch sollte erreicht werden, dass bei den nachfolgenden Verhandlungen zur Arbeitszeitflexibilisierung Druck auf die Gewerkschaft aufgebaut werden konnte.382 Trotz der grundsätzlichen Einigung der Sozialpartner mit Sozialminister Hums waren weitere Gespräche blockiert. Daher brachten beide Koalitionsparteien jeweils einen eigenen Initiativantrag383 ein.384 Erst nach der Umsetzung der »großen« Arbeitszeitgesetznovelle im Februar 1997 gewann die Neuregelung der Nachtarbeit wieder an Bedeutung, da sie von Sozialministerin Hostasch an die erfolgreiche Verwirklichung der Arbeitszeitflexibilisierung gekoppelt worden war. Alle Vorstöße wurden jedoch bis November 1997 von der Dominanz anderer politischer Themen, wie z. B. der Pensionsreform, überlagert. Dass es Ende 1997 dennoch rasch zu einer Umsetzung kam, lag daran, dass der ÖGB seine ursprüngliche Position aufgab. Er verlangte nun nicht mehr einen Sechs-Minuten-Zuschlag für jede Nachtarbeitsstunde. Vielmehr sollte Frauennachtarbeit ermöglicht werden, wenn für die damit verbundenen Nachteile per Gesetz Begleitmaßnahmen vorgesehen würden.385 ÖVP und WKO zeigten allerdings gegen Begleitmaßnahmen im Generellen Widerstand. Eine Umsetzung konnte daher erst erfolgen, als der ÖGB darauf verzichtete, diese in einem Gesetz festzuschreiben.386 Am 11. Dezember 1997 wurde die Neuregelung im Nationalrat angenommen.

379 Vgl. Hochrainer 2003  : 142. 380 Vgl. Hochrainer 2003  : 142. 381 Vgl. Hochrainer 2003  : 143. 382 Vgl. Hochrainer 2003  : 143f. 383 Dabei handelt sich um den IA 363/A BlgNR, XX. GP von der SPÖ durch Verzetnitsch und Genossen Ende 1996 und um den IA 406/A BlgNR, XX. GP von der ÖVP durch Feurstein und Genossen Anfang 1997. Vgl. Hochrainer 2003  : 144. 384 Zeitlich gesehen erfolgte die Einreichung dieser Initiativanträge zum Nachtarbeitsverbot nach der Einbringung der Initiativanträge zur Novellierung des Arbeitszeitgesetzes, die ebenfalls von SPÖ und ÖVP getrennt eingebracht worden waren. 385 Vgl. Hochrainer 2003  : 150. 386 Vgl. Hochrainer 2003  : 150.

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7.4.6 Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten In den österreichischen Debatten ging es im Bereich der Ladenöffnungszeiten vordergründig um die Ausdehnung der werktägigen Abendöffnungszeiten und die Öffnung an Sonn- und Feiertagen.387 Diese Fragen wurden seit der zweiten Hälfte der 1970er Jahren erörtert. Dabei zeigte sich in der Auseinandersetzung um die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten »eine Reaktion auf veränderte soziale Entwicklungen wie verstärkte Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen, sich ändernde Familienstrukturen, zunehmend flexible Arbeitszeiten und die ›24-Stunden-Wirtschaft‹.«388 Diese Faktoren ließen sich in zahlreichen europäischen Ländern erkennen. Deswegen waren die Liberalisierungsbestrebungen nicht auf ein europäisches Land begrenzt. Die Erwartungen, die bei der Veränderung der Ladenöffnungszeiten gehegt wurden, betrafen einerseits eine Erhöhung der Wohlfahrt der Konsumenten, andererseits sollte damit ein positives Signal zu verstärktem Umsatz und einem Mehr an Beschäftigung gesetzt werden.389 Immer wieder wurde daher die Liberalisierung mit einer positiven Beschäftigungswirkung kombiniert. Wie bei der geschlechtsneutralen Fassung des Nachtarbeitsverbotes wurden im Bereich der Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten veränderte gesellschaftliche Auffassungen und Strömungen ersichtlich. Dieser Auffassungswandel wurde besonders unter dem Stichwort »Erwerbsfreiheit« deutlich. Erkenntnisse des VfGH, die diesem Stichwort zuzuordnen sind, führten ab Ende der 1980er Jahre zu Abänderungen der Rechtslage, und nach dem 1990 erfolgten Erkenntnis des VfGH wurde das Ladenschlussgesetz schließlich als verfassungswidrig eingestuft. Angesichts dieser Situation musste 1991 eine Änderung des Ladenschlussgesetzes erfolgen. Daraus ergab sich eine Umbenennung in Öffnungszeitengesetz. Dieses legte nunmehr eine werktätige Öffnungszeit unter Ausnahme des Samstags zwischen 6 Uhr morgens und 19.30 Uhr abends fest. Für Bäckereien galt weiterhin 5.30 Uhr als frühestmöglicher Öffnungstermin, und Verkaufsstellen für Süßwaren durften höchstens eine Stunde über der gesetzlich vereinbarten Öffnungszeit offen halten. Zusätzlich war es mit der Gesetzesänderung Verkaufsstellen gestattet, einmal werktags pro Kalenderwoche – ausgenommen samstags, den 24. und 31. Dezember – bis 21 Uhr offen zu halten. Ferner wurde eine Gesamtöffnungszeit von 60 Wochenstunden bzw. 66 Wochenstunden im Kleinverkauf im Lebensmittelhandel festgelegt. Bezüglich der Samstagsöffnung wurde bestimmt, dass Verkaufsstellen – ausgenommen am 24. und 31. Dezember – einmal monatlich bis 17 Uhr geöffnet haben durften.390 387 Vgl. Promper 2007  : 1. 388 Baur/Ott 2005  : 1. 389 Vgl. Baur/Ott 2005  : 1. 390 Vgl. BGBl. 397/1991  : 1862.

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Schließlich wurde am 24. Jänner 1992 das Ladenschlussgesetz als Öffnungszeitengesetz (BGBl. 50/1992) mit all seinen Novellierungen wiederverlautbart.391 Im Juni 1995 gab Wirtschaftsminister Ditz bekannt, dass er beabsichtige, einen Initiativantrag zur Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten einzureichen.392 Er bezweckte mit seinem Vorstoß, Ladenöffnungszeiten zwischen 5.30 Uhr und 22 Uhr von Montag bis Freitag sowie Samstag bis 18 Uhr und in Fremdenverkehrsgebieten generell bis 23 Uhr zu ermöglichen. Keinerlei Einschränkungen beabsichtigte er für Kleinunternehmen ohne Angestellte, so dass für diese eine Sonntagsöffnung ebenfalls erlaubt wäre. Begründet wurde dieser Vorstoß mit dem Kaufkraftabfluss in Grenzgebieten.393 Im Juli 1995 war diese Anregung obsolet, da die SPÖ ohne Sozialpartnereinigung die Zustimmung verweigerte.394 Im Laufe des Nationalratswahlkampfs 1995 wurde dann die Ladenöffnung an Feiertagen thematisiert, im Speziellen die Ladenöffnung am 8. Dezember (Maria Empfängnis).395 Bestehende politische Bindungen wurden in der Nationalratsabstimmung nicht beachtet.396 Es wurden Mehrheiten abseits der großen Koalition gesucht und mittels Stimmen der ÖVP, der FPÖ und des LIF konnte die Aufhebung des Arbeitsruhegesetzes am 8. Dezember erreicht werden.397 Ende 1996 versuchte Johann Farnleitner (Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten, ÖVP), der Nachfolger von Ditz, über einen Ministerratsbeschluss eine Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten zu erreichen. Er wollte diese generell auf 66 Wochenstunden ausdehnen. Sein Vorschlag war bei einzelnen Fach- und Bundessektionen der WKO sowie den Sozialpartnern umstritten. Neben einer generellen Uneinigkeit ging es um die Abgeltung der Zuschläge für die zusätzliche Samstagsarbeit durch die Verlängerung der Ladenöffnungszeiten sowie um den Rhythmus freier und werktätiger Samstage.398 Der Ministerrat billigte den Vorschlag Farnleitners, Blockfreizeiten und zwei freie Samstage im Monat festzulegen. Gleichzeitig aber kam es zu keinem Ministerratsbeschluss über die Arbeitszeitflexibilisierung von Sozialminister Hums.399 Die Änderung des Arbeitsruhegesetzes erfolgte im Dezember mit der Annahme der Regierungsvorlage durch den Nationalrat. Letztlich setzte sich Farnleitner mit seiner Idee durch. Die Ausdehnung der Öffnungszeiten am Samstag hatte damit eine Verlängerung der täglichen Arbeitszeit 391 Vgl. Grabenwarter 1992  : 23. 392 Vgl. Schmidt 2010  : 255. 393 Vgl. Schmidt 2010  : 255. 394 Vgl. Schmidt 2010  : 255. 395 Vgl. Schmidt 2010  : 256. 396 Schmidt 2010  : 256. 397 Vgl. Schmidt 2010  : 256. 398 Vgl. Hochrainer 2003  : 144. 399 Vgl. Hochrainer 2003  : 145f.

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der im Handel beschäftigten Arbeitnehmer zur Folge.400 Die Novellierung des Öffnungszeitengesetzes beinhaltete zudem, dass Verkaufsstellen samstags nunmehr bis 17 Uhr geöffnet haben konnten. Darüber hinaus wurde die Ladenöffnungszeit an den vier Samstagen vor Weihnachten auf 18 Uhr ausgedehnt. An der grundsätzlichen werktäglichen Zeitspanne von 6 Uhr bis 19.30 Uhr gab es keine Änderung, ausgenommen samstags.401 Die Umstände, wie z. B. ein neues Sparpaket sowie die Unsicherheit, ob die Arbeitsplätze weiter Bestand haben werden, führten dazu, dass die neuen Ladenöffnungszeiten bei den Konsumenten anfänglich nicht auf breite Akzeptanz stießen.402 Sie wurden am ehesten von jungen Österreichern, besserverdienenden Arbeitnehmern sowie in Wien und Südösterreich angenommen. Besser schnitten die Samstagsöffnungszeiten ab.403 Hauptprofiteure dieser Liberalisierung waren der Lebensmittelhandel und Einkaufszentren.404 Die erhoffte Schaffung tausender Arbeitsplätze blieb aus. Allerdings stieg vornehmlich im Handel die Zahl der Teilzeitarbeitsplätze an.405 Hatte die mediale Berichterstattung zur Gesetzesänderung der Ladenöffnungszeiten bereits zwischen Erfolg und Misserfolg geschwankt, so änderte sich an der divergierenden Darstellung bei der Umsetzung nichts. Die Kontroversität lässt sich exemplarisch an der Frage der Sonntagsöffnungszeiten darstellen. Große mediale Berichterstattung erfuhr die Auseinandersetzung im April 1997 um die Sonntagsöffnungszeiten im Multiplex-Center am Areal der Shopping City Süd.406 Die Lage des Geländes der Shopping City Süd ist insofern wichtig, als das Muliplex-Center nur in 20 Meter Entfernung von der Gemeindegrenze Vösendorf in Wiener Neudorf errichtet wurde. Vösendorf besaß wegen seines Status als Tourismus-Gemeinde eine gültige Ausnahmeregelung zur Sonntagsöffnungszeit.407 Dadurch war es den Geschäften der Shopping City Süd offiziell erlaubt, an Sonntagen zu öffnen. Den Geschäften des Mulitplex-Centers war dies rechtlich nicht erlaubt.408 Schließlich nützte der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) den gesetzlichen Rahmen dahingehend, die Ladenöffnung an einem Sonntag aufgrund von »regionalem Bedarf« zu erlauben.409 Die niederösterreichische Ver400 Vgl. Einspieler 2009  : 54. 401 Vgl. BGBl. I 4/1997  : 9. 402 Vgl. Schättle 2000  : 44f. 403 Vgl. Schättle 2000  : 45. 404 Vgl. Schättle 2000  : 45. 405 Vgl. Schättle 2000  : 45f. 406 Vgl. Sorger 1999  : 66ff.; Schättle 2000  : 52. 407 Vgl. Sorger 1999  : 69. 408 Vgl. Sorger 1999  : 69. 409 Vgl. Schättle 2000  : 52.

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ordnung vom 4. November 1997 zur Sonntagsöffnung im Multiplex-Center legte fest, dass nicht die Mitarbeiter, sondern nur die Geschäftsführer und deren Familienmitglieder bis zu einem gewissen Verwandtschaftsgrade am Sonntag beschäftigt werden durften.410 Doch bereits bevor diese Verordnung erlassen worden war, war es am 20. April 1997 zur Praktizierung der Sonntagsöffnung im Mulitplex-Center außerhalb der Kinos und der Gastronomiestätten gekommen.411 Insofern legalisierte Pröll im Nachhinein die Vorgangsweise der Unternehmen. Ungeachtet der Verordnung zeigte sich im November 1997, dass im Möbelhause Kare des Mulitplex-Centers Studenten für Arbeiten herangezogen wurden, wodurch es erneut zu Protesten gegen die Sonntagsöffnung im Multiplex-Center kam.412 Zusätzlich wurden teilweise die Öffnungszeiten weit über die Genehmigung hinaus überzogen, was mit dem großen Besucheranstrom begründet wurde.413 Am 20. November 1997 kam es schließlich zu einer Demonstration der Gewerkschaft in St. Pölten gegen die Sonntagsöffnung des Multiplex-Centers.414 Letztlich bot sich nach der Darstellung Sorgers in der Presse415 ab etwa Februar 1998 jenes Bild, das von einer durchgesetzten Sonntagsöffnung ausging, bei der nur noch gewisse rechtliche Belange geklärt werden müssten.416 Neben der niederösterreichischen Auseinandersetzung rückte diese Thematik in Vorarlberg unter Herbert Sausgruber (Landeshauptmann Vorarlberg, ÖVP) ebenfalls in den Mittelpunkt. Wie Pröll begründete er die Sonntagsöffnung mit »regio-

410 Vgl. Sorger 1999  : 79  ; Schättle 2000  : 52. 411 Zu einer ersten Ankündigung der Sonntagsöffnung am 20. April 1997 zwischen 11 und 19 Uhr im »Multiplex-Center« war es am 15. April gekommen. Von Vertretern der Unternehmensgruppe, die an diesem Sonntag ihre Unternehmen öffnen wollten, wurde angeführt, dass sich die Konsumenten der Gastronomiebetriebe sowie des Kinos für eine Sonntagsöffnung ausgesprochen hätten und diese Sonntagsöffnung zugleich eine »Nische« für Kleinunternehmer sei, um sich von Großhandelsketten abzugrenzen. Diese Ankündigung führte zu Protesten der Gewerkschaften, der Kirche sowie zur Verunsicherung der Angestellten, obwohl betont wurde, dass nur die Unternehmer und deren Familienmitglieder während der sonntäglichen Öffnungszeiten eingesetzt werden würden. Die niederösterreichische AK beurteilte die Aktion im Vorfeld als illegal. Am 20. April 1997 öffneten schließlich 14 von 29 Geschäften unter den Argusaugen der Medien, der Gewerkschaften, die zu einer Protestaktion aufgerufen hatten, und der Kunden. Unterstützung fand die gewerkschaftliche Protestdemonstration in der AK Niederösterreichs, der Katholischen Jugend sowie der Katholischen Arbeiterjugend Wien. Im Oktober 1997 zeichnete sich ab, dass die Geschäfte des Multiplex-Centers ab Mitte November sonntags dauerhaft geöffnet haben würden. Vgl. Sorger 1999  : 66ff. und 81ff. 412 Vgl. Sorger 1999  : 71f. 413 Vgl. Sorger 1999  : 74f. 414 Vgl. Sorger 1999  : 74. 415 Der Standard trat dabei demonstrativ für die Sonntagsöffnung im Multiplex-Center ein. Vgl. Sorger 1999  : 77. 416 Vgl. Sorger 1999  : 75f.

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nalem Bedarf«.417 Dieser ergab sich aus Sicht Vorarlbergs wegen der Lage im Grenzgebiet.418 Im Gegensatz zur Verordnung Niederösterreichs war jene Vorarlbergs zeitlich befristet  ; sie galt für kleine Nahversorger bezüglich des Verkaufs von Waren des täglichen Bedarfs für einen Zeitraum von maximal zwei Stunden zwischen 8 Uhr und 12 Uhr.419 Ebenso wie in Niederösterreich kam es zur Kritik von AK, Gewerkschaft und Kirche.420 7.4.7 Die »große« Arbeitszeitgesetznovelle 1997 – der zweite Schritt zur Ausdehnung der Arbeitszeit per Gesetz Da die »kleine« Arbeitszeitgesetznovelle aus Sicht der Arbeitgeber keine weitreichende Flexibilisierung und Verlängerung der Arbeitszeit gebracht hatte, wurden bereits 1995 erneut Verhandlungen aufgenommen.421 Schon unmittelbar nach der »kleinen« Novelle waren von der WKO weitere Wünsche zur Arbeitszeitflexibilisierung vorgetragen worden, die jedoch mit der Begründung bevorstehender Nationalratswahlen im Herbst 1994 abgelehnt wurden.422 Unmittelbar nach diesen bestätigte WKO-Präsident Maderthaner neuerlich gegenüber der Regierung Wünsche nach einer weitreichenden Arbeitszeitflexibilisierung.423 Im November 1994 wurde daraufhin im Regierungsübereinkommen das Thema Arbeitszeitflexibilisierung konkretisiert. Das Arbeitszeitgesetz sollte modernisiert werden, um einen Spielraum in Richtung kollektivvertraglicher Rechtsnormen auf der Ebene einzelner Branchen bzw. Betrieb zu eröffnen.424 Trotz aller politischen Schwierigkeiten 1994/95 wurden die Verhandlungen zwischen Sozialpartnern und Regierung über eine weitere Arbeitszeitflexibilisierung nie abgebrochen.425 Sozialminister Hums drängte im Frühjahr 1995 auf weitere Gespräche. Diese waren im Sommer 1995 von stark divergierenden Umsetzungswünschen geprägt, so dass Maderthaner sie bereits als gescheitert ansah. Zu den »Knackpunkten« der Verhandlungsgespräche zählten die Überstundenabgeltung bei einer Ausdehnung der Bandbreiten der Normalarbeitszeit, die Regelungsebene zur Festlegung der Durch-

417 Vgl. Schättle 2000  : 52. 418 Schättle 2000  : 52. 419 Vgl. Schättle 2000  : 52. 420 Vgl. Schättle 2000  : 52f. 421 Vgl. Kittel 1996  : 237f. 422 Vgl. Hochrainer 2003  : 132. 423 Vgl. Hochrainer 2003  : 132. 424 Vgl. Hochrainer 2003  : 133. 425 Vgl. Hochrainer 2003  : 133.

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rechnungszeiträume sowie das Ausmaß der Dezentralisierung der Flexibilisierungsmöglichkeiten zur Arbeitszeitgestaltung auf Betriebsebene.426 Im Jänner 1996 kündigte Hums an, dass flexiblere Gestaltungsmöglichkeiten über die Änderung des Arbeitszeitgesetzes erreicht werden sollten.427 Konkret sollte dadurch der Abbau struktureller Überstunden zugunsten zusätzlicher Arbeitsplätze genutzt bzw. aus Sicht der WKO der Überstundenzuschlag eingespart werden.428 Im Grunde wurden im Vorfeld dieser Arbeitszeitgesetznovelle die Sicherung der Konkurrenzfähigkeit und die Schaffung von Arbeitsplätzen betont.429 Für Ilse Mertl (SPÖ) war die Diskussion unter dem Stichwort »Flexibilisierung« letztlich nichts anderes, als der Wunsch, samstags, sonntags, feiertags und in der Nacht arbeiten zu lassen. Das bedeutet nichts anderes als Arbeit rund um die Uhr und die Anpassung des Menschen an die Maschine. – Das ist familienfeindlich, das ist kinderfeindlich, dessen müssen wir uns bewußt sein  !430

1996 waren die Verhandlungen von festgefahrenen Verhandlungspositionen und »neuen, zusätzlichen«431 Forderungen des ÖGB geprägt. Erneut wurde die Arbeitszeitflexibilisierung an die 35-Stunden-Woche gekoppelt und dieser damit im Frühjahr 1996 wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Erneut kam es zur Kontroverse »Arbeitszeitflexibilisierung vs. Arbeitszeitverkürzung«. Abermals betonte die Wirtschaftsvertretung, ein Abtausch von Flexibilisierung gegen Verkürzung der Arbeitszeit komme nicht in Frage.432 Hochrainer zufolge sollte dadurch die künftige Regierung dahingehend beeinflusst werden, die 35-Stunden-Woche in das künftige Koalitionsabkommen zu schreiben, und es zu sozialpartnerschaftlichen Verhandlungen kommen. Dieser Intention des ÖGB wurde nicht nachgegeben. Dazu führt Hochrainer zwei gegenteilige Maßnahmen an  : 426 Vgl. Hochrainer 2003  : 134. 427 Vgl. Hums, Franz  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 4.  Sitzung  : 15. 428 Vgl. Hums, Franz  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 4.  Sitzung  : 15  ; Dolinschek, Sigisbert  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 27.  Sitzung  : 111  ; Hochrainer 2003  : 132. 429 Vgl. Hums, Franz  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 20.  Sitzung  : 27  ; Hochrainer 2003  : 132. 430 Mertl, Ilse  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 49.  Sitzung  : 79. 431 Für Hochrainer war das Aufkommen der Forderung nach Einführung der 35-Stunden-Woche in dieser Phase vor allem deshalb aus verhandlungsstrategischen Gesichtspunkten überraschend, da eine Annäherung der Standpunkte der Sozialpartner unmöglich schien. Von daher beurteilt Hochrainer diesen Vorstoß als nicht ernsthaften Versuch, die Arbeitgebervertretung aufzufordern, konkrete Verhandlungen zur Arbeitszeitverkürzung aufzunehmen. Er sieht darin den Versuch, die Koalitionsverhandlungen nach den Wahlen im Dezember 1995 zu beeinflussen und den Wunsch nach der 35-Stunden-Woche bei der künftigen Regierung bereits im Vorfeld zu deponieren. Vgl. Hochrainer 2003  : 136. 432 Hochrainer 2003  : 135.

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1. Das Koalitionsübereinkommen 1996 präzisierte die Arbeitszeitpolitik des Übereinkommens von 1994, so dass unter Beteiligung der Regierung mit den Sozialpartnern neue Arbeitszeitmodelle ausgearbeitet werden sollten, um die »Standortqualität Österreichs« zu sichern. Präzisierend wurde ausgeführt, dass u. a. sozialpartnerschaftlich die Flexibilisierung der Arbeitszeit erreicht, Arbeitsplätze für Überstunden eingetauscht oder der Tausch von Einkommen und Freizeit angestrebt werden sollte. 2. Eine kollektivvertragliche Arbeitszeitverkürzung wurde – abgesehen vom Überstundenabbau – vom Koalitionsübereinkommen ausgeklammert.433 Da die Verhandlungen zu scheitern drohten, kündigte Hums nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen an, dass in diesem Falle für den Sommer 1996 ein Gesetzesentwurf erarbeitet werden würde. Dieser wurde im Juli 1996 präsentiert.434 Die Arbeitgebervertretung lehnte ihn als zu wenig weitrechend ab, die Arbeitnehmervertretung konnte sich eine Zustimmung vorstellen.435 In den weiteren Verhandlungen forderte Verzetnitsch erneut die 35-Stunden-Woche. Da sie innerhalb der Gewerkschaft umstritten war und von der AK in der Verhandlungssache selbst ein Kompromiss angesprochen wurde, verpuffte die Wirkung dieser Forderung.436 Im ersten Halbjahr 1996 war es daher zu keiner Einigung gekommen. Allerdings konnte in der Bauwirtschaft ein kollektivvertragliches Arbeitszeitmodell durchgesetzt werden. Dieses beruhte auf längeren Normalarbeitszeiten (45 Wochenstunden) und einem 14-tägigen Rhythmus. Im Gegenzug wurden längere Urlaubsansprüche in einem Jahresarbeitsmodell sowie eine Verlängerung der Saison bis zu sechs Wochen garantiert.437 Dieses Jahresarbeitszeitmodell wurde schließlich vorab im Arbeitszeitgesetz eingebaut, und gleichzeitig wurde über eine Regierungsvorlage das Bäckereiarbeitsgesetz dahingehend geändert, dass das Nachtarbeitsverbot der Frauen aufgehoben sowie für Überstundenarbeit ein geänderter Durchrechnungsrahmen gültig wurde.438 Während der Ministerrat die Zustimmung zu einer Verlängerung der Ladenöffnungszeiten gab, wurde sie der Arbeitszeitflexibilisierung verweigert. Erst eine Vereinbarung im Metallgewerbe im November 1996 führte zu einem Durchbruch. Möglich war er insbesondere deshalb, weil die ausgehandelte Arbeitszeitflexibilisierung erst nach Inkrafttreten eines neuen Arbeitszeitgesetzes Gültigkeit erlangen sollte.439 433 Vgl. Hochrainer 2003  : 136f. 434 Vgl. Hochrainer 2003  : 137f. 435 Vgl. Hochrainer 2003  : 139. 436 Vgl. Hochrainer 2003  : 137f. 437 Vgl. Hochrainer 2003  : 139. 438 Vgl. Hochrainer 2003  : 140. 439 Vgl. Hochrainer 2003  : 145.

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Die Einigung im Metallgewerbe und in der Verlängerung der Ladenöffnungszeiten nutzte Hums dazu, ein weiteres Mal seinen Entwurf zur Arbeitszeitflexibilisierung dem Ministerrat vorzulegen. Erneut war ihm kein Erfolg beschieden.440 Ende 1996 entschlossen sich die beiden Fraktionen der großen Koalition, jeweils getrennt einen Initiativantrag zum Arbeitszeitgesetz441 und einen zum Nachtarbeitsverbot einzubringen. Der Antrag zum Arbeitszeitgesetz beruhte auf dem Ministerialentwurf von Hums.442 Größtenteils waren keine Unterschiede zu erkennen. Die Anträge unterschieden sich vor allem im Punkt der kollektivvertraglichen Bindung von Betriebsvereinbarungen für Flexibilisierungsmaßnahmen voneinander.443 Erst im Februar 1997 erfolgte die Einigung zwischen BWK und ÖGB. Dadurch wurden die beiden Initiativanträge obsolet  ; am 27. Februar wurden sie entsprechend zurückgezogen. Wiederum war die Verständigung auf großen politischen Druck erfolgt.444 Drei Faktoren waren für diese Einigung im Frühjahr 1997 ausschlaggebend  : 1. Das Sozialministerium wurde von Eleonora Hostasch übernommen. Sie betonte, dass die Flexibilisierung der Arbeitszeit nur über Kollektivverträge möglich sei, stellte aber gleichzeitig klar, dass ergänzend zum Kollektivvertrag auch Betriebsvereinbarungen denkbar seien. In einem Atemzug meinte sie, dass die Neuregelung der Nachtarbeit nicht umgesetzt werde, solange es über die Arbeitszeitflexibilisierung keine Einigung gebe.445 2. Sozialministerin Hostasch sicherte sich die Zustimmung von Bundeskanzler Klima, wodurch einerseits klargestellt werden konnte, dass die Regierung hinter einer Übereinkunft stand, und andererseits, dass die Einführung der 35-Stunden-Woche nicht aktuell und somit nicht gewünscht sei.446 3. Ein Vorschlag des Bundeskanzlers zur Einrichtung eines »Einigungsamtes« zur Schlichtung von Streitfragen – als deutliches Zeichen für den Versuch, aus den tradierten und bekannten Mustern auszubrechen447 – stieß unisono auf Ablehnung, da die Sozialpartner darin einen Eingriff in die Tarifautonomie sahen. Indirekt gelang es so der Regierung, eine Einigkeit der Sozialpartner herzustellen.448 440 Vgl. Hochrainer 2003  : 145f. 441 Dabei handelt sich um IA 361/A BlgNR, XX. GP von der ÖVP durch Feurstein und Genossen und um IA 362/A BlgNR, XX. GP von der SPÖ durch Verzetnitsch und Genossen. Zusätzlich betraf der Initiativantrag der ÖVP noch das Arbeitsruhegesetz, das Nachtarbeitsverbotsgesetz für Frauen, das Arbeitsverfassungsgesetz sowie das Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetz. 442 Vgl. Hinterseer 2014  : 111. 443 Hinterseer 2014  : 111. 444 Vgl. Kittel 2000  : 451. 445 Vgl. Hochrainer 2003  : 146. 446 Vgl. Hochrainer 2003  : 146. 447 Hinterseer 2014  : 116. 448 Vgl. Hochrainer 2003  : 146  ; Hinterseer 2014  : 111.

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Neben dem vorhandenen politischen Druck fand die Novellierung auch deshalb statt, weil die österreichische Arbeitszeitgesetzgebung an die Arbeitszeitrichtlinie der EU (93/104/EG) angepasst werden musste.449 Mediale Berichterstattungen zur Einigung hatten zur Folge, dass von einer generellen Einführung des Zehnstundentages und der 50-Stunden-Woche berichtet wurde.450 Zu den Grundsätzen der Vereinbarung zählten die Verlängerung des Durchrechnungszeitraumes auf 52 Wochen, die Verlängerung der täglichen Arbeitszeit auf bis zu zehn Stunden unter einer möglichen Einführung der Vier-Tage-Woche oder der Nutzung verlängerter Freizeitareale – die Ausdehnung der wöchentlichen Normalarbeitszeit auf bis zu 50 Wochenstunden sollte nur noch bei einem Durchrechnungszeitraum von maximal acht Wochen möglich sein, während bei Durchrechnungszeiträumen über acht Wochen die wöchentliche Normalarbeitszeit auf maximal 48 Wochenstunden ausgedehnt werden durfte – sowie die Einleitung von Vermittlungsverfahren im Falle einer Nichteinigung zwischen den Sozialpartnern über die Einführung flexibler Arbeitszeiten.451 Mit der »großen« Novelle des Arbeitszeitgesetzes war es gelungen, eine Ausdehnung der täglichen, aber auch der wöchentlichen Arbeitszeit, auch im Abtausch mit Freizeit, zu erreichen. Dadurch ergab sich eine Verlängerung der täglichen Normalarbeitszeit von acht auf neun Stunden  ; ein Ausgleich des Ausfalls der Arbeitszeit an Feiertagen, die auf einen Werktag fallen, indem in einem siebenwöchigen Durchrechnungszeitraum die tägliche Normalarbeitszeit auf zehn Stunden ausgedehnt werden durfte, wobei dieser Durchrechnungszeitraum mittels Betriebsvereinbarungen auf 13 Wochen und per Kollektivvertrag darüber hinaus ausgedehnt werden durfte, aber die tägliche Normalarbeitszeit mit höchstens neun Stunden begrenzt wurde  ; eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 50 Stunden bei einem Durchrechnungszeitraum von acht Wochen sowie von 48 Stunden bei einem längeren Durchrechnungszeitraum  ; sowie bei kollektivvertraglicher Zulassung eine maximale tägliche zehnstündige Normalarbeitszeit, wenn erstens die Vier-Tage-Woche praktiziert wurde, wenn zweitens, sofern der Durchrechnungszeitraum bis zu 52 Wochen betrug, ein Zeitausgleich in mehrtägigen zusammenhängenden Zeiträumen verbraucht wurde oder wenn drittens, sofern der Durchrechnungszeitraum mehr als 52 Wochen betrug, der Zeitausgleich in mehrwöchigen zusammenhängenden Zeiträumen verbraucht wurde.452 Neben dem Arbeitszeitgesetz erfuhr das Arbeitsruhegesetz gleichfalls eine Änderung. Hier wurde ebenfalls das Argument vorgebracht, es sei zur Arbeitsplatzsiche449 Hochrainer 2003  : 123. 450 Vgl. Arbeit und Wirtschaft 1997a  : 6  ; Leutner 1997  : 9. 451 Vgl. Arbeit und Wirtschaft 1997a  : 6  ; Leutner 1997  : 9f.; C. Klein 1997  : 241  ; Spreitzer 1999  : 103f.; Kittel 2000  : 452  ; Cerny 2001  : 31  ; Hochrainer 2003  : 147  ; Sorger 2014  : 75f. 452 Vgl. BGBl. I 46/1997.

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rung erforderlich, Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen zu erlauben.453 Neben der Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes wurde dadurch die Frage des beschäftigungspolitischen Aspekts zusätzlich auf die Lage der Arbeitszeit gelenkt. Die Gewerkschaft sprach von einem erfolgreichen Abschluss und betonte, dass dies nur durch ihre Stärke und die Zusammenarbeit mit den Betriebsräten möglich gewesen sei.454 Aufgrund von Kritik gegenüber dem Gesetz sah sie sich genötigt, dieses zu verteidigen. Dies geschah, weil dadurch in Zukunft für jede Art der Flexibilisierung die Zustimmung der Gewerkschaft benötigt werden würde.455 Die AK wiederum betonte, die generelle Ausdehnung der Tages- und Wochenarbeitszeit sei verhindert worden.456 Diese Feststellung bezog sich darauf, dass die Arbeitgebervertretung flexible Arbeitszeitvereinbarungen separat für jede Firma per Betriebsvereinbarung oder mit jedem Beschäftigten einzeln per Vertrag gefordert hatte.457 Der gerade ins Amt gekommene Bundeskanzler Klima schließlich bezeichnete diese Arbeitszeitflexibilisierung als Maßnahme zur Sicherung der Beschäftigung und der Wettbewerbsfähigkeit Österreichs.458 Flexicurity kam erst zu einem späteren Zeitpunkt in Österreich auf, dennoch zeigt sich nach Hinterseer bereits hier, dass die Flexibilisierungsentwicklungen die Dimension der sozialen Sicherheit bedrängten.459 Trotz der positiven Hervorstellung des Verhandlungsergebnisses und der Bindung an den Kollektivvertrag von SPÖ und ÖGB zieht Hinterseer das Fazit, dass die SPÖ und die Arbeitnehmervertretung strategielos gewesen seien, kein eigenes Modell gehabt hätten und quasi mit Zähnen und Klauen den Abtausch der Flexibilisierung und die Bindung an betriebliche/kollektivvertragliche Regelungen verteidigt hätten.460 In der Folge sollte sich zeigen, dass gerade diese Bindung in den Kontroversen zentral blieb. Ablehnend war die Haltung der Opposition zu dieser Arbeitszeitgesetznovelle. Die FPÖ warf der SPÖ mit Blick auf den Wahlkampf 1995, als sie Schüssel und Haider der Deregulierung und Verlängerung der Arbeitszeit bezichtigt hatte, Wortbruch vor, monierte aber auch die Sanierung der Wirtschaft bei möglichen Einnahmen von 5 bis 10 Mrd. Schilling auf dem Rücken der »kleinen Leute«.461 Die Grünen wiederum erhoben den Vorwurf des mangelnden Mutes zur Koppelung der 453 Vgl. Arbeit und Wirtschaft 1997b  : 11. 454 Vgl. Arbeit und Wirtschaft 1997a  : 6. 455 Sorger 2014  : 76. 456 Vgl. Arbeit und Wirtschaft 1997c  : 6. 457 Vgl. Leutner 1997  : 8. 458 Vgl. Klima, Viktor  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 62.  Sitzung  : 28. 459 Vgl. Hinterseer 2014  : 112. 460 Vgl. Hinterseer 2014  : 112. 461 Vgl. Haider, Jörg  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 7.  Sitzung  : 30  ; Haider, Jörg  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 62.  Sitzung  : 32  ; Prinzhorn, Thomas  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 62.  Sitzung  : 64.

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Arbeitszeitverkürzung an die Arbeitszeitflexibilisierung.462 Die Arbeitgebervertretung beurteilte den Abschluss insgesamt als eher moderat, wodurch die Diskussionen weiterhin nicht verstummen sollten.463 Weiterhin galt es, durch die Arbeitszeitgesetznovelle Flexibilität zu erreichen. Zugleich sollten die Kollektivverträge mehr Spielraum für die Arbeitszeitgestaltung schaffen.464 Die Nutzung dieses Spielraums war weiterhin an die Gewerkschaft als Kollektivvertragspartner gebunden.465 Für K. Klein bedeutete dies eine Unterstützung des Trends, sich in »günstigere« Kollektivverträge zu »flüchten«.466 Darüber hinaus entfiel nun durch die Verlängerung der Durchrechnungszeiträume und die damit verbundene De-facto-Erhöhung der Tages- und Wochenarbeitszeit die Überstundenabgeltung innerhalb eines vorab definierten Zeitraumes.467 Verzetnitsch beharrte auch unmittelbar nach Abschluss der Verhandlungen darauf, dass es zu keinem Wegfall der Überstundenzuschläge kommen dürfe.468 Allgemein wurde die Flexibilisierung der Arbeitszeit mit dieser Novelle über »Zulassungsnormen«469 erreicht. Damit hatte die Arbeitnehmerseite die Verlagerung der Arbeitszeitflexibilisierung auf die kollektivvertragliche Ebene akzeptiert, um weiteren Verzögerungen einer Flexibilisierung der Arbeitszeit vorzubeugen.470 Vor dem Abschluss dieser Novelle hatte es durchaus Stimmen gegeben, die darauf verwiesen, dass die Möglichkeiten der Arbeitszeitflexibilisierung durch das Gesetz bei weitem nicht ausgenützt würden.471 Trotz immer wieder vorkommender Betonung der Inflexibilität des Arbeitszeitgesetzes hatte die Praxis gezeigt, dass durchaus Arbeitszeitflexibilisierung bei bestehendem Recht umgesetzt werden konnte. Dementsprechend hatte es eine Erlaubnis für individuelle Arbeitszeitgestaltung für Siemens, General Motors, BMW, Philips oder SCA472 gegeben – vielfach in Verbindung mit dem Wegfall von Überstundenzuschlägen.473 Die meisten dieser Ausnahmeregelungen wurden unter der Androhung der Arbeitsplatzabwanderung genehmigt.474 462 Vgl. Öllinger, Karl  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 62.  Sitzung  : 55. 463 Vgl. Kittel 2000  : 451  ; Hochrainer 2003  : 172ff.; Hochrainer 2006  : 178. 464 Leutner 1997  : 8  ; C.  Klein 1997  : 241  ; Anxo/O’Reilly 2000b  : 56. 465 Vgl. Leutner 1997  : 12  ; Cerny 2001  : 31. 466 Vgl. K. Klein 1997  : 20f. 467 Vgl. Leutner 1997  : 9  ; C.  Klein 1997  : 241. 468 Vgl. Verzetnitsch, Friedrich  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 62.  Sitzung  : 38. 469 Darunter werden jene Normen verstanden, »die die öffentlich-rechtlichen, durch das AZG gezogenen Grenzen lockern, indem sie die im AZG geregelten Fragen auf abweichende Weise regeln.« G. Klein 1998  : 176. 470 Vgl. Kittel 2000  : 452. 471 Vgl. Hums, Franz  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 20.  Sitzung  : 26. 472 Sorger 2014  : 76. 473 Vgl. Haider, Jörg  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 37.  Sitzung  : 81. 474 Vgl. Sorger 2014  : 76.

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Zu einer ersten Umsetzung kam es im Metallgewerbe per 1. März 1997. Weitere branchenspezifische Verwirklichungen folgten. Es wurden durchaus Ausgleichsmaßnahmen zugunsten der Arbeitnehmer vorgesehen.475 Die Anpassung des Arbeitszeitgesetzes an die Arbeitszeitflexibilisierung und -verlängerung und die daraus resultierende Realisierung stellt einen Wendepunkt dar, der auf einem Kompromiss der Sozialpartnerschaft beruhte.476 Das Schlagwort war zwar »Arbeitszeitflexibilisierung«, aber es sollte nicht übersehen werden, dass die Erweiterung des Spielraums zur Arbeitszeitgestaltung als Kennzeichen der Verlängerung der Arbeitszeit im Sinne des Ende der 1980er Jahre aufkommenden Diskussionsstranges über die Arbeitszeitverlängerung zu sehen ist. Diese wurde als Mittel der flexiblen Ausgestaltung der Arbeitszeit interpretiert. Drehte sich Anfang der 1990er Jahre der Diskurs zur Arbeitszeitverlängerung um eine Verlängerung der Tagesarbeitszeiten und die Entkriminalisierung der Überstundenproblematik, so erreichte die Arbeitszeitgesetznovelle 1997 genau in diesen Punkten die gewünschte Änderung. An der empfundenen Pattsituation änderte auch die zweite Arbeitszeitgesetznovelle im Grunde genommen wenig, da die Arbeitgebervertretung nur moderate Änderungen in der Novelle sahen, waren doch zentrale Forderungen, wie z. B. die Erweiterung der betrieblichen Regelungskompetenzen bei der Festlegung der Bandbreite der Durchrechnungszeiträume, mit dieser »großen« Novelle nicht erfüllt worden.477 Demgegenüber argumentierten die Arbeitnehmerverbände weiterhin aus einer Defensivposition heraus.478 Sorger attestiert der Gewerkschaft diese defensive Haltung in Bezug auf die Arbeitszeitverkürzung für den Zeitraum vom Ende der 1990er Jahre bis etwa 2010.479 Die Arbeitgebervertretung konnte so aus einer Position der Offensive heraus die Debatte weiterführen. Dadurch gelang es ihr, sich als diejenige Kraft zu etablieren, die lösungsorientiert auftritt, sich an der Zukunft orientiert und konstruktiv Arbeitszeit gestaltet. Während sie damit als pragmatisch galt, wurde die Haltung der Gewerkschaft in zunehmendem Maße als ideologisch und/oder realitätsfremd interpretiert.480

475 Leutner 2002  : 38. 476 Hussl 1999  : 71. 477 Vgl. Hochrainer 2003  : 148. 478 Plaschg 2008  : 129. 479 Vgl. Sorger 2014  : 74. 480 Vgl. Plaschg 2008  : 129f.

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7.5 Von der »großen« Arbeitszeitgesetznovelle bis zur Arbeitszeitgesetznovelle 2018 Die Arbeitergebervertretung beurteilte auch die große Novelle als moderaten Kompromiss, der nicht samt und sonders zu den Erwartungen an verlängerte Tages- und Wochenarbeitszeiten sowie einer Reduzierung der Überstundenzuschläge beitrug. Dementsprechend wurde weiterhin der arbeitszeitpolitische Diskurs, geprägt vom Konflikt »Arbeitszeitflexibilisierung vs. Arbeitszeitverkürzung«, fortgesetzt. Substantiell blieb daher weitestgehend alles beim Alten. Die arbeitszeitpolitischen Auseinandersetzungen nach der »großen« Arbeitszeitgesetznovelle 1997 sind insofern prinzipiell ein Spiegelbild der Debatten in den Jahren und Jahrzehnten zuvor. Aussagen und Themenkreise blieben dieselben, ohne dass zum Kern des arbeitszeitpolitischen Diskurses Klärendes oder Weiterführendes beigetragen wurde. 7.5.1 Arbeitszeitpolitik in den 1990er Jahren nach der »großen« Arbeitszeitgesetznovelle 1997 Nahtlos schloss sich die nächste Phase der Arbeitszeitpolitik an die vorangegangene Entwicklung an. Wiederum von Bedeutung war die Lage der Arbeitszeit. Bildeten Anfang/Mitte der 1990er Jahre die Frage des Frauennachtarbeitsverbotes und die Ladenöffnungszeiten den Kern der arbeitszeitpolitischen Auseinandersetzungen, so waren es Ende der 1990er Jahre die Pensionsreform und seine arbeitszeitpolitischen Begleitgesetze. Unmittelbar auf die Arbeitszeitgesetznovelle war der Vorwurf erhoben worden, damit entfalle das Überstundenentgelt. Dieser Vorwurf verstummte in den folgenden Jahren nicht. Karl Öllinger (Die Grünen) führte dazu aus, dass die Ausweitung der Verlängerungsmöglichkeiten der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit zu Lasten der Überstunden gehe, ohne dass es zu einer Überstundenauszahlung komme. Flexibilisierung bedeute für ihn daher die Umbenennung von Überstunden in Mehrarbeitsstunden ohne Überstundenzuschlag, was zu keiner Eindämmung der Überstunden führen könne.481 Gerade diese Haltung wurde als Defensivtaktik interpretiert, die vornehmlich von der Arbeitnehmervertretung angewandt wurde, um Überstundenzuschläge nicht durch weitere Flexibilisierungswünsche aufgeben zu müssen.482 Der Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen wiederum urteilte, der Abbau regelmäßig geleisteter Überstunden sei ein möglicher Ansatzpunkt künftiger Arbeitszeitverkürzungen. Aus beschäftigungspolitischer Sicht seien daher die Überstunden zu 481 Vgl. Öllinger, Karl  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 66.  Sitzung  : 56. 482 Vgl. Gahleitner 2006  : 335.

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reduzieren und durch Neueinstellungen zu ersetzen. Einschränkend wies der Beirat darauf hin, dass eine solche Beschränkung permanent geleisteter Überstunden aber nur dann erreicht werden könne, wenn dies betriebswirtschaftlich möglich sei.483 Unmittelbar als Reaktion auf die Arbeitszeitgesetznovelle 1997 wurde wieder die Frage des Lohnausgleichs debattiert. Innerhalb der SPÖ schien sich ein Zugang zur Arbeitszeitverkürzung ohne vollständigen Lohnausgleich anzubahnen.484 Dies korrelierte mit einer Äußerung von Bundeskanzler Klima.485 Angedacht wurde dies als offensive Maßnahme zur Schaffung von Arbeitsplätzen.486 Währenddessen veränderten Gewerkschaftsmitglieder der SPÖ unter dem Hinweis, »dass es immer schon so gewesen sei«, ihre Grundhaltung bezüglich einer Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich nicht.487 Der ÖGB blieb ebenfalls bei der Verknüpfung der Reduktion der Arbeitszeit mit einem vollen Lohnausgleich. Der Übergang zu den neuen Debatten rund um die Arbeitszeitflexibilisierung erfolgte wie bereits nach der »kleinen« Arbeitszeitgesetznovelle fließend. Erste kollektivvertragliche Verhandlungen wurden vom Präsidenten der VÖI genützt, um Anregungen für künftige, neue bzw. weiter reichende Regelungen zur Arbeitszeitflexibilisierung zu geben und diese zu fordern. Peter Mitterbauer (Präsident IV) stützte seine im Juli 1997 erhobenen Forderungen auf die möglichen Auswirkungen, wenn es zu der geplanten vorgezogenen Anhebung der Höchstbemessungsgrundlage – bis zu dieser sind Einkommen in Österreich bei der Sozialversicherung beitragsfrei – und damit zur Anhebung der Lohnnebenkosten komme.488 Nicht nur der Aspekt der Lohnnebenkosten hatte den Zweck, auf das Erfordernis einer weiteren Arbeitszeitflexibilisierung aufmerksam zu machen, sondern auch die Eingliederung Österreichs in die EU  ; somit diente der Anpassungsprozess immer wieder als Argumentationshilfe. Ende der 1990er Jahre bildete der NAP489 die Grundlage für Forderungen der Arbeitszeitflexibilisierung. Zu den zentralen Aspekten zählten jene Bereiche, in denen nach den Befürwortern der Arbeitszeitflexibi-

483 Vgl. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1997  : 51. 484 Vgl. Dolinschek, Sigisbert  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 62.  Sitzung  : 113. 485 Vgl. Gaugg, Reinhart  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 89.  Sitzung  : 95. 486 Dolinschek, Sigisbert  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 71.  Sitzung  : 121. 487 Vgl. Nürnberger, Rudolf  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 71.  Sitzung  : 108f. 488 Vgl. Hochrainer 2003  : 152. 489 Der NAP stellt ein breites Konzept zur Beschäftigungssicherung aus diversen Politikbereichen dar und wird als umfassende wirtschaftspolitische Strategie der österreichischen Bundesregierung gesehen. Die Grundausrichtung dieses Konzepts folgt den Vorgaben der EU, die auf vier Eckpfeilern beruht  : Verbesserung der Vermittelbarkeit, Entwicklung des Unternehmergeistes, Förderung der Arbeitsfähigkeit der Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer und Chancengleichheit von Frauen und Männern. Die Schwerpunktsetzung Österreichs erfolgte in der Vermittelbarkeit von Arbeitslosen. Vgl. BMAGS/BMWA 1999  ; Biffl 2000  : 287.

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lisierung keine Erfolge in der Vergangenheit erzielt worden waren. Dazu zählten z. B. die Stärkung der betrieblichen gegenüber der kollektivvertraglichen Verhandlungsebene oder die weitere Festlegung von Bandbreiten, um Überstundenzuschläge einzusparen. Darüber hinaus wurden neue Arbeitsorganisationen und somit neue Arbeitszeitmodelle zur Arbeitszeitflexibilisierung propagiert.490 Im Zentrum des NAP stand nicht die kurzfristige Schaffung von Arbeitsplätzen, sondern das Erreichen der Vollbeschäftigung mit mittelfristigen, nachhaltigen und institutionellen Reformen.491 Die Arbeitszeitgesetznovelle 1997 bedeutete, dass sich der NAP an dieser orientierte. Um zu erreichen, dass in der Praxis vermehrt auf verschiedene Arbeitszeitmodelle gesetzt wurde, wurde im NAP die Notwendigkeit einer Informationskampagne angesprochen, die bereits von der WKO in die Wege geleitet worden sei.492 Neben dieser kam es zur Schaffung von Beratungsmodellen, die auf der Zusammenarbeit von Sozialpartnern und Landesregierung beruhten und deren Kosten gänzlich oder teilweise von den Ländern übernommen werden.493 Der ÖGB wiederum bewarb mittels Broschüren die »Bildungskarenz« und das »Solidaritätspremienmodell«.494 In der Steiermark kam es in Abstimmung mit Landeshauptfrau Waltraud Klasnic (ÖVP) unter Führung des AMS zur Kampagne »Arbeit teilen«.495 Der Wunsch nach einer Aufwertung der betrieblichen Verhandlungsebene gegenüber der kollektivvertraglichen wurde im NAP nicht berücksichtigt.496 Obwohl die 35-Stunden-Woche immer wieder ins Spiel gebracht wurde, wurde sie nicht mehr so ernsthaft gefordert, wie dies noch in den 1980er Jahren unter Sozialminister Dallinger der Fall war. Veränderte politische Rahmenbedingungen, eine geschwächte Position der Gewerkschaft in Kombination mit einem Aufschwung der Einflussnahme der Wirtschaftskammer und das praktisch inexistente Voranschreiten der Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf europäischer bzw. globaler gesetzlicher, kollektivvertraglicher oder betrieblicher Ebene trugen dazu bei, dass die Arbeitszeitverkürzung in der österreichischen Arbeitszeitpolitik eine geringere Rolle einnahm, als dies Ende der 1960er Jahre oder vergleichsweise in den 1980er Jahren der Fall gewesen war. Das Fehlen einer solchen europäischen Verkürzungstendenz führte dementsprechend zu einer geringeren Bedeutung der Arbeitszeitverkürzung in Österreich. Mit den Bestrebungen Frankreichs, in einer europäischen Vorreiterrolle die 35-Stunden-Woche umzusetzen,497 gelang es den Befürwortern einer sol490 Vgl. Hochrainer 2003  : 152. 491 Vgl. Biffl 2000  : 289. 492 Vgl. BMAGS/BMWA 1999  : 33. 493 Vgl. BMAGS/BMWA 1999  : 33. 494 Vgl. BMAGS/BMWA 1999  : 33. 495 Vgl. BMAGS/BMWA 1999  : 33. 496 Vgl. Hochrainer 2003  : 152f. 497 Aufgrund hoher Arbeitslosenzahlen war die 35-Stunden-Woche zu einem Wahlkampfthema gewor-

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chen Arbeitszeitverkürzungsforderung dann jedoch, diese wieder stärker in die österreichische Arbeitszeitpolitik einzubinden. Die Umsetzung der 35-Stunden-Woche in Frankreich, aber auch in Italien,498 wurde dazu verwendet, sie kurzfristig Ende der 1990er Jahre wieder ins Gespräch zu bringen.499 Während in Österreich die Situation in Frankreich zu einer neuerlichen Erörterung genützt wurde, sahen deutsche Medien hier nur eine nicht ganz ernstzunehmende Extravaganz.500 Allgemein nahm Frankreich so eine Sonderstellung ein. Die GPA orientierte sich stark an den französischen Bestrebungen. Hans Salmutter (Präsident GPA) konkretisierte Ende 1997 ein auf Österreich bezogenes Modell zur Einführung der 35-Stunden-Woche  ; wobei nach seinem Vorschlag die 35-Stunden-Woche in Betrieben mit mehr als zehn Mitarbeitern verwirklicht werden und die öffentliche Hand zum Lohnausgleich beitragen sollte  ; im Gegenzug sei bei künftigen Lohnrunden eine Lohnzurückhaltung angedacht.501 Von der VÖI wurde der Vorschlag zurückgewiesen und ein Vergleich von Frankreich und Österreich als sinnlos erachtet.502

den. Die geplante Umsetzung sollte, wie in Frankreich üblich, mittels eines Gesetzes erfolgen und zielte auf »Arbeitsplatzteilung« ab. Nach einem Jahr sollten schließlich die Ergebnisse der Arbeitszeitverkürzung überprüft und mit den Sozialpartnern diskutiert werden. Für die französische Regierung war bei der Umsetzung die Kostenneutralität wichtig. Insgesamt sahen die Gesetze eine Verwirklichung der 35-Stunden-Woche für Firmen mit mehr als 20 Angestellten ab Februar 2000 und in kleinen Firmen ab Jänner 2002 vor. Für Teilzeitkräfte bewirkte die Einführung der 35-Stunden-Woche eine Ausdehnung der wöchentlichen Arbeitszeit. Im 2. Aubrey-Gesetz wurden schließlich drei Kategorien von leitenden Angestellten unterschieden, wobei nur leitende Angestellte, deren Abteilungen eine spezifische Arbeitszeitregelung aufwiesen, der 35-Stunden-Woche unterlagen, während diese für Spitzenkräfte nicht galt. Die eingeführte 35-Stunden-Woche war in Frankreich jedoch nur von kurzer Dauer. Mit der Wahlniederlage der sozialistischen Regierung wurde eine konservative Regierung eingesetzt, die bereits 2002 daran ging, die Bestimmungen zur 35-Stunden-Woche zu lockern. In diesem Zuge war ein Wandel des Slogans »Arbeit teilen, damit alle Arbeit haben« zu »Mehr arbeiten, um mehr zu verdienen« zu beobachten. An der gesetzlichen Verwirklichung der 35-Stunden-Woche haben die diversen Lockerungen nichts geändert. Vgl. Lehndorff 2000  : 54  ; Hermann 2000  : 21ff.; Schulten 2001a  : 413  ; G.  Bosch/Schief/Schietinger 2005  : 19  ; Estevão/Sá 2006  : 3f.; Estevão/Sá 2008  : 422f.; Flecker/Schönauer/Hermann/Allinger 2010  : 28ff. 498 In Italien wurde 1997 eine gesetzliche Reduzierung erwirkt, die die 35-Stunden-Woche vorsah. Der Gesetzesentwurf von 1998 anerkannte dabei die Rolle der Kollektivvertragsparteien in der Arbeitszeitpolitik, aber die Einführung der 35-Stunden-Woche für Betriebe mit mehr als 15 Arbeitern sollte erst im Jahr 2001 erfolgen. Eine Verabschiedung dieses Gesetzes erfolgte bis 2001 jedoch nicht. Vgl. Flecker/Hermann/Mairhuber 2001  : 95f. 499 Vgl. Hochrainer 2003  : 153. 500 Lehndorff 2000  : 53. 501 Vgl. Hochrainer 2003  : 154. 502 Vgl. Hochrainer 2003  : 154.

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Anfang 1998 zeichnete sich überraschend die Möglichkeit einer Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit ab. Der ÖGB hatte unter Präsident Verzetnitsch die 35-Stunden-Woche und den Überstundenabbau per Kollektivvertrag als arbeitszeitpolitische Ziele, die nicht bei vollem Lohnausgleich erfolgen müssten, formuliert.503 Dieses Signal zur Kompromissbereitschaft wurde von Sozialministerin Hostasch begrüßt. Weiterreichende Initiativen sollte es danach weder vom Sozialministerium noch vom ÖGB geben.504 Das Fehlen eines eindeutigen Gedankenanstoßes zur Arbeitszeitverkürzung förderte es, dass es erneut zu der altbekannten Pattsituation kam. Kompromisslose Forderungen und Vorstellungen505 trugen dazu bei, dass die seit den 1980er Jahren bestehenden »unüberbrückbaren Frontlinien« wieder deutlich sichtbar wurden. Forderungen der GPA wurden unisono von der VÖI und der WKO zurückgewiesen. Die WKO war nicht grundsätzlich gegen eine Arbeitszeitreduktion, präferierte aber maßgeschneiderte betriebliche Lösungen gegenüber einer kollektivvertraglichen Lösung, während der ÖGB den betrieblichen Lösungen kritisch gegenüberstand.506 Initiativen zur Verwirklichung der 35-Stunden-Woche gab es weder auf der Ebene der Sozialpartner noch seitens der Regierung, der Gewerkschaft oder des Parlaments.507 Nicht hilfreich war einmal mehr das Nichtvorhandensein einer einheitlichen Position der Gewerkschaft. Bis Anfang 1999 wurden von Gewerkschaftsfunktionären diverse Forderungen, wie z. B. die Einführung der 30-Stunden-Woche oder der volle Lohnausgleich, vorgebracht.508 Klarstellungen durch ÖGB-Präsident Verzetnitsch halfen ebenso wenig, da sich seine Aussagen zum Teil widersprachen oder es, wie Hochrainer formuliert, skurril anmutete, wenn der damals 52-jährige Verzetnitsch von einer Umsetzung der 35-Stunden-Woche bis zu seiner Pensionierung sprach.509 Zusätzlich wurde der Generalkollektivvertrag zur Realisierung der 35-Stunden-Woche wieder aus der »Mottenkiste« geholt und mit einer schnellstmöglichen Umsetzung gerechnet.510 Zu einer Regierungsinitiative kam es nicht, besonders deshalb, weil Hostasch die 35-Stunden-Woche als alleiniges Thema der Gewerkschaft sah und mögliche gesetzliche Regelungen nur für »schwächere« Gruppen bevorzugte.511 Diese Haltung 503 Vgl. Hochrainer 2003  : 154. 504 Vgl. Hochrainer 2003  : 154. 505 Hochrainer 2003  : 154. 506 Vgl. Hochrainer 2003  : 154. 507 Vgl. Hochrainer 2003  : 154f. 508 Vgl. Hochrainer 2003  : 155. 509 Vgl. Hochrainer 2003  : 155. 510 Vgl. Hochrainer 2003  : 155. 511 Vgl. Hochrainer 2003  : 156.

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machte sich im NAP gleichfalls bemerkbar. In ihm war klargestellt worden, dass eine Arbeitszeitverkürzung nur über Verhandlungen der Sozialpartner auf Branchenebene erreicht werden könne.512 Weiters enthielt er eine Stellungnahme zur Überstundenproblematik. Die Gewerkschaft kritisierte nachträglich am NAP, dass der Beseitigung regelmäßig geleisteter Überstunden zu wenig Beachtung geschenkt worden sei, während die Sozialministerin den Bericht verteidigte, in dem angegeben wurde, dass der Arbeitsmarkt zum Überstundenabbau entsprechende Spielräume benötigen würde und daher nur beschränkte Möglichkeiten zu einem derartigen Abbau bestünden.513 Insgesamt bewirkten diese »unüberbrückbaren Frontlinien« das rasche Ende möglicher Bestrebungen, eine Arbeitszeitverkürzung zu verwirklichen, bevor noch irgendwelche Vereinbarungen getroffen wurden.514 Für Hochrainer wäre der Zeitpunkt einer weiteren Arbeitszeitverkürzungsetappe jedoch günstig gewesen.515 Dass es dazu nicht kam, lag daran, dass die Arbeitszeitflexibilisierung mehr und mehr als Wunsch nach verlängerten Arbeitszeiten umgedeutet wurde. Tendenziell wurde sie so mit einer Ausweitung und Verlängerung der Arbeitszeit gleichgesetzt.516 Weiterhin ging es in diesen Debatten um die uneingeschränkte Anpassung individueller Arbeitszeit an den Markt.517 Die Gleichsetzung von Arbeitszeitflexibilisierung mit Arbeitszeitverlängerung wurde jedoch nicht prinzipiell gutgeheißen.518 Dennoch wurden flexible Arbeitszeitsysteme immer mehr in Richtung Arbeitszeitverlängerung konzipiert. Dadurch sollten zum einen Zuschläge für die Überstundenarbeit entfallen, zum anderen sollte, wenn diesbezügliche Betriebsvereinbarungen abgeschlossen wurden, die Mitbestimmungspflicht aufgegeben werden.519 An der Spitze der Maßnahmen zur Arbeitszeitverlängerung stand die Abschaffung bzw. das Verlegen der Feiertage auf arbeitsfreie Sonntage. Ende 1997 verlangte Maderthaner die Abschaffung zweier Feiertage.520 Dieser Vorschlag wurde später noch mehrmals vorgebracht. Erwartungsgemäß lehnten die österreichische Bischofskonferenz, aber auch Teile der Gewerkschaften dies ab. Wieder einmal zeigte sich jedoch in einer arbeitszeitpolitischen Frage die Spaltung der Gewerkschaft.521 Neben 512 Vgl. Hochrainer 2003  : 156. 513 Vgl. Hochrainer 2003  : 156. 514 Vgl. Hochrainer 2003  : 157. 515 Vgl. Hochrainer 2003  : 157. 516 Vgl. Alexandra Wagner 2000a  : 142  ; Öllinger, Karl  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 66.  Sitzung  : 56  ; Verzetnitsch, Friedrich  : Sten. Prot. NR, XXI. GP, 87.  Sitzung  : 64  ; Fekter, Maria Theresia  : Sten. Prot. NR, XXII. GP, 69.  Sitzung  : 37. 517 Vgl. Lehndorff 2002  : 131. 518 Vgl. Fekter, Maria Theresia  : Sten. Prot. NR, XXII. GP, 69.  Sitzung  : 37. 519 Vgl. Promberger 2005  : 30. 520 Vgl. Hochrainer 2003  : 158. 521 Vgl. Hochrainer 2003  : 158f.

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der Abschaffung von Feiertagen wollte Maderthaner zudem erreichen, dass der Jobsuchtag für selbstkündigende Arbeitnehmer aufgegeben wurde.522 Nicht nur der Jobsuchtag oder die Abschaffung bzw. Verlegung von Feiertagen wurde im Sinne der Arbeitszeitverlängerung thematisiert. Im Frühjahr 1999 forderten Sozialministerin Hostasch und Wirtschaftsminister Farnleitner ein neues Modell zur Ausdehnung der Saisonbeschäftigung in der Tourismusbranche.523 Und im Herbst 1999 berichtete die Presse von dem Vorschlag, die saisonanale Beschäftigung von neun auf zehn Monate unter teilweiser Anrechnung der Überstunden auszudehnen.524 Die Grundforderung der Arbeitgeberseite nach einer Verlängerung der Arbeitszeit oder nach einer Abschaffung von Feiertagen wurde durch internen Widerstand der ÖVP jedoch frühzeitig abgeblockt.525 Die Diskurse zur Arbeitszeitverkürzung lassen sich auch im Umfeld der Pensionsreform 1998 finden. Thematisch wurden Altersteilzeitregelungen, die Bildungskarenz oder Sabbatical-Modelle zur Diskussion gestellt. Hostasch forderte derartige Begleitmaßnahmen zur Pensionsreform, um einerseits dadurch den Arbeitsmarkt zu entlasten und andererseits die Auswirkungen der Pensionsreform am Arbeitsmarkt abzumildern.526 Das Bildungskarenzmodell war ein wesentliches Anliegen der Sozialministerin, das sie bereits in ihrer Funktion als GPA-Vorsitzende und AK-Präsidentin forciert hatte.527 Unterstützt wurde die Bildungsfreistellung von der Gewerkschaft und einigen SPÖ-Parlamentariern. Die ÖVP bevorzugte in diesem Zusammenhang den »Bildungsscheck«. Im September 1997 brachte Hostasch einen Gesetzesentwurf auf den Weg, der nicht nur ein Bildungs-, ein Sabbat- und ein Solidaritätsprämienmodell inkludierte, sondern auch die Möglichkeit einer Altersteilzeit.528 Zum Streitpunkt dieses Gesetzesentwurfes wurden die bedingten Rechtsansprüche. Diese und den Motivkündigungsschutz kritisierten die WKO und die VÖI.529 Besonders heftigen Widerstand leistete die WKO. Sie wollte die arbeitsrechtlichen Begleitmaßnahmen der Pensionsreform 1998 zu Fall bringen – zum einen sei sie von der beabsichtigten Durchsetzung der Bildungskarenz nicht informiert worden, zum anderen seien die im Entwurf enthaltenen Arbeitszeitmodelle praxisfremde Straf- und Zwangsbestimmungen.530 Auf die Kritik wurde reagiert, indem ein abgeänderter Entwurf als Re522 Vgl. Hochrainer 2003  : 159. 523 Vgl. Hochrainer 2003  : 153. 524 Vgl. Hochrainer 2003  : 153. 525 Vgl. Hochrainer 2003  : 158. 526 Vgl. Hochrainer 2003  : 159. 527 Vgl. Hochrainer 2003  : 160. 528 Vgl. Hochrainer 2003  : 161. 529 Vgl. Hochrainer 2003  : 161. 530 Vgl. Hochrainer 2003  : 161.

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gierungsvorlage eingebracht wurde. Während der Motivkündigungsschutz weiter Bestand hatte, wurden die Rechtsansprüche weitestgehend entfernt.531 Die wichtigste begleitende Maßnahme der Pensionsreform 1998 stellt sicherlich die Altersteilzeit dar. Das Recht auf Teilzeit sollte vornehmlich für ältere Arbeitnehmer – Frauen ab 50 Jahren und Männer ab 55 Jahren – gelten.532 Nach anfänglicher Kritik durch die WKO machte Vizekanzler Schüssel eine Einigung zu den arbeitsrechtlichen Begleitmaßnahmen der Pensionsreform 1998 möglich, indem er die Option eines Rechtsanspruchs einräumte.533 Verwirklicht wurden diese Begleitmaßnahmen im ASRÄG 1997 (BGBl. I 139/1997). Neben der Bildungskarenz, der Freistellung gegen Entfall des Arbeitsentgelts und dem Solidaritätsmodell wurde darin die Herabsetzung der Normalarbeitszeit geregelt. Demnach konnte Arbeitnehmern in Betrieben mit mehr als zehn Beschäftigten bei Berücksichtigung der eigenen sowie der betrieblichen Interessen eine Reduktion der Normalarbeitszeit gewährt werden, wenn die Gleitpension in Anspruch genommen wurde. Zudem bestand Rechtsanspruch auf Altersteilzeit für Arbeitnehmer nach vollendetem 50. Lebensjahr, wenn nicht nur vorübergehend Betreuungspflichten gegenüber nahen Angehörigen – auch wenn es keinen gemeinsamen Haushalt gab – bestanden.534 Darüber hinaus wurde die beabsichtigte oder die tatsächliche Inanspruchnahme der Altersteilzeit unter einen Motivkündigungsschutz gestellt.535 Die Beschäftigung mit der Altersteilzeit im Umfeld der Pensionsreform 1998 stellt nur einen Aspekt des Teilzeitdiskurses in den 1990er Jahren dar. 1992 war es zu einer Legaldefinition von »Teilzeitarbeit« gekommen, doch bereits 1993 erfolgte eine Anpassung des entsprechenden Paragraphen. Dies war wegen der Einführung der Gleitpensionsmöglichkeit notwendig geworden.536 Die Positionen in den Diskussionen blieben in den 1990er Jahren nahezu unverändert. Die SPÖ forderte im Zusammenhang mit der Teilzeitarbeit den Ausbau der Schutzrechte sowie rechtliche Verbesserungen – eine Position, der sich die Gewerkschaft anschloss –, wobei sie in der Teilzeitarbeit keine Möglichkeit zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit bzw. zur Hebung der Frauenerwerbsquote sah.537 Demgegenüber wurde gerade dieser Aspekt von den Gewerkschaften immer wieder herausgestrichen. Sie erörterten diesen Gesichtspunkt meist im Zusammenhang mit den Unternehmensinteressen der Arbeitszeitflexibilisierung. Die Gewerkschaft war sich trotz alledem bewusst, dass sich Teilzeitarbeit nicht als probates Mittel gegen Arbeitslosigkeit eignete, sondern vielmehr 531 Vgl. Hochrainer 2003  : 162. 532 Vgl. Hochrainer 2003  : 162. 533 Vgl. Hochrainer 2003  : 162. 534 Vgl. BGBl. I 139/1997  : 1638. 535 Hochrainer 2003  : 163. 536 Vgl. Hochrainer 2003  : 163. 537 Vgl. Hochrainer 2003  : 164f.

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den Unternehmen zur flexibleren Gestaltung der Arbeitszeit diente.538 Die Negativität gegenüber der Teilzeitarbeit539 wurde in aller Regel mit nicht existenzsichernden Einkommen begründet.540 Die Arbeitgebervertretung nahm eine positive Grundhaltung zur Teilzeitarbeit ein. Entsprechend wurde sie von ihr vermehrt thematisiert. Immer wieder wurde sie in den Zusammenhang mit weiteren Flexibilisierungsforderungen gesetzt, sei es als Teil einer flexiblen Verteilung der Lebensarbeitszeit oder zur Anhebung der Beschäftigungsquoten. Die ÖVP lehnte indes ein Recht auf Teilzeitarbeit ab.541 Vielfach wurde das Argument einer Vereinbarkeit von Beruf und Familie unter Hinweis auf die Geschlechterdiskriminierung zurückgewiesen.542 Mit den Begleitmaßnahmen zur Pensionsreform war im Bereich der Teilzeitarbeit ein erster Erfolg erzielt worden. Trotzdem verstummten die politischen Auseinandersetzungen in dieser Angelegenheit nicht, wurde doch weiterhin für das Altersteilzeitgeld geworben.543 Die SPÖ und die Gewerkschaft betrachteten diese Möglichkeit als gangbare Alternative zur Frühpensionierung, während die WKO sich gegen Modellversuche aussprach.544 Als 1998 die Arbeitslosigkeit besonders bei älteren Arbeitnehmern anstieg, wurde vermehrt über Altersteilzeitmodelle diskutiert.545 Im Februar 1999 erstellten die Sozialpartner schließlich ein Maßnahmenpaket zur Bekämpfung der Altersarbeitslosigkeit. Der strittigste Punkt war die Frage der Ersatzkraftstellung. Hostasch erarbeitete einen Kompromissvorschlag mit zwei Altersteilzeitvarianten, die in abgewandelter Form gesetzlich vereinbart wurden.546 Seit Jahrzehnten wurde immer wieder der Vorwurf erhoben, es gefährde die Wett­­­bewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft,547 wenn eine Reduktion der 538 Vgl. Hochrainer 2003  : 164f. 539 Für gewöhnlich konzentrieren sich viele der Teilzeitarbeitsplätze auf Sektoren und Bereiche, die eine niedrigere Bezahlung der Arbeitskräfte vorsehen, was die diesbezügliche Argumentation der Gewerkschaften unterstützt. Dahin zielt auch die Argumentation Kauers, Teilzeitarbeit sei »weiblich, instabil und niedrig qualifiziert« und daher in Niedriglohnsektoren angesiedelt. Vgl. Fagan 1999  : 59  ; Kauer 2006  : 27. 540 Hochrainer 2003  : 165. 541 Vgl. Hochrainer 2003  : 166. 542 Vgl. Hochrainer 2003  : 166. 543 Vgl. Hochrainer 2003  : 167. 544 Vgl. Hochrainer 2003  : 167. 545 Die angedachten Maßnahmen gingen von einem verbesserten Kündigungsschutz für Ältere bis hin zu gemeinnütziger »Bürgerarbeit«, ohne dass es sich dabei um »legistische Zwangsmaßnahmen« handelte. Vgl. Hochrainer 2003  : 168. 546 Die erste Variante sah vor, dass Betriebe ältere Beschäftigte auf Teilzeitbasis weiterbeschäftigten. Die zweite Variante räumte »den Arbeitgebern einen Rechtsanspruch auf Altersteilzeit für ältere Teilzeitbeschäftigte in Höhe des zu gewährenden Lohnausgleichs einschließlich der Höherversicherungsbeiträge zur Sozialversicherung« ein, wenn eine arbeitslose Person eingestellt würde. Hochrainer 2003  : 168f. 547 Zum gleichen Schluss kam eine 2015 durchgeführte Studie der WKO, die die Arbeitszeitverkürzung

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Arbeitszeit umgesetzt werde. Eine Arbeitszeitverkürzung führe zu steigenden Gesamtkosten und steigenden Nebenkosten und sei grundsätzlich zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit untauglich.548 Die Rede von der Gefährdung der österreichischen Wirtschaft durch eine vorauseilende Senkung der wöchentlichen Normalarbeitszeit blieb so auch nach der »großen« Arbeitszeitgesetznovelle bestehen. Andererseits war die Arbeitslosigkeit weiterhin ein drängendes Problem. Deutlich machte dies noch einmal ihr Anstieg im Bereich älterer Arbeitnehmer. Insbesondere angesichts der Zunahme der Langzeitarbeitslosigkeit sollte, so Verzetnitsch, die Arbeitszeitverkürzung nicht außer Acht gelassen werden, wenn es darum ging, beschäftigungssichernde Maßnahmen zu setzen.549 Heidrun Silhavy (SPÖ) verwies im Nationalrat darauf, dass das Erreichen der Vollbeschäftigung mit existenzsichernder Vollzeitarbeit einhergehen solle.550 Im Grunde wurde die Beschäftigungswirksamkeit weiterhin in Kombination von Arbeitszeitverkürzung und anderen Formen der Arbeitszeit gesehen.551 Darüber hinaus lassen sich der Solidaritätseffekt, der seit den 1980er Jahren in Bezug auf die Arbeitslosigkeit propagiert wurde, sowie der Aspekt der Teilung von Arbeitsplätzen in den Argumenten einiger Diskussionsteilnehmer wiederfinden.552 Als Möglichkeit zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit wurde nach wie vor Arbeitszeitverkürzung in Betracht gezogen. Lehndorff verwies allerdings darauf, dass Beschäftigungseffekte einer solchen Maßnahme nicht konkretisiert werden könnten, da viele Faktoren hier eine Rolle spielten.553 Insofern seien die seit den 1980er Jahren genannten konkreten Zahlen an Arbeitsplätzen, die entstehen könnten, wenig aussagekräftig, da sich Beschäftigungseffekte nur schwer aus Arbeitsmarktkennzahlen wie Einstellungen, Entlassungen oder flexiblen Arbeitszeiten herauslesen ließen.554 als zu »teuer« für den Wirtschaftsstandort Österreich interpretierte. Leitl konnte in den Antworten der 500 interviewten Arbeitnehmer »einen realistischen Eindruck von den Erfordernissen und ein gutes Gespür dafür, was machbar ist«, erkennen. Insgesamt forderte Leitl im Sinne dieser Untersuchung die Umsetzung der Formel »12–60–24«  ; wobei die maximale tägliche Arbeitszeit 12 Stunden und die wöchentliche Höchstarbeitszeit 60 Stunden bei einem 24-monatigen Durchrechnungszeitraum betragen sollen. Diese Verlängerung der Arbeitszeiten sollte mit der Senkung von Lohnnebenkosten sowie mit Innovations- und Investitionsförderungen, aber auch mit bildungspolitischen Reformen verbunden werden. Vgl. Oberösterreichische Wirtschaft, 26. Juni 2015  : 13. 548 Vgl. Maderthaner, Leopold  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 109.  Sitzung  : 35. 549 Vgl. Verzetnitsch, Friedrich  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 135.  Sitzung  : 34. 550 Vgl. Silhavy, Heidrun  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 136.  Sitzung  : 38. 551 Vgl. Verzetnitsch, Friedrich  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 136.  Sitzung  : 33. 552 Vgl. Buchinger 1998b  : 26  ; Buchinger 1999  : 22  ; Schulheiß 2003  : 228  ; Siedler 2006  : 39  ; Silhavy, Heidrun  : Sten. Prot. NR, XXII. GP, 152.  Sitzung  : 23. 553 Dabei handelt es sich vor allem um politische, wirtschaftliche und institutionelle Rahmenbedingungen. Vgl. Lehndorff 1998b  : 255f. 554 Vgl. Lehndorff 1998b  : 253.

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7.5.2 Geänderte politische Rahmenbedingungen und deren Auswirkung auf die Arbeitszeitpolitik Monatelange Sondierungsgespräche nach den Nationalratswahlen 1999 bewirkten, dass erst Anfang Februar 2000 die neue Regierung angelobt werden konnte. Entgegen den eigentlichen Erwartungen wurde am 4. Februar 2000 von Bundespräsident Thomas Klestil eine schwarz-blaue Regierung unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel berufen. International löste die FPÖ als Regierungspartner einen Sturm der Entrüstung aus. Dieser mündete in bilateralen Sanktionen.555 Die österreichische Bevölkerung schien bezüglich der Regierungsbeteiligung gespalten. Einerseits verwehrte sie sich gegen eine Einmischung von außen, andererseits war die Regierung im Inland mit zahlreichen Donnerstagsdemonstrationen konfrontiert.556 Die Koalition zwischen ÖVP und FPÖ bewirkte, dass die Arbeitszeitpolitik in einigen Punkten von jener der SPÖ/ÖVP-Regierungen abwich. Es gab drei markante Unterschiede. Erstens zeigte sich ein veränderter Umgang mit den Sozialpartnern, der besonders deutlich beim Politikdurchsetzungsprozess arbeitszeitpolitischer Regelungen ersichtlich wurde.557 Zweitens setzte die ÖVP/FPÖ-Regierung Regierungsinitiativen mit größerer Bereitschaft ohne Zustimmung der Sozialpartner, insbesondere des ÖGB, durch. Drittens wurde die gesamtstaatliche Arbeitszeitpolitik inhaltlich und funktional neu auf Flexibilisierung, Liberalisierung (z. B. Aufhebung des Frauennachtarbeitsverbotes, Reform der Altersteilzeitregelung) und Arbeitszeitverlängerung ausgerichtet, um die Standortsicherheit der österreichischen 555 Die Mitgliedsstaaten der EU stimmten darin überein, keine bilateralen diplomatischen Kontakte mehr mit Österreich auf politischer Ebene aufzunehmen. Österreichische Kandidaten für Positionen in internationalen Organisationen sollten nicht unterstützt werden und österreichische Botschafter sollten in der EU lediglich auf technischer, aber nicht auf politischer Ebene empfangen werden. Ein Ausschluss aus den Entscheidungsprozessen der EU wurde nicht formell vorgenommen. Zwar richteten sich die Sanktionen formell nur gegen die Regierung Österreichs, sie hatten aber auch praktische Auswirkungen. Der belgische Außenminister Louis Michel bezeichnete Skifahren in Österreich als »unmoralisch« und übersah dabei den historischen Zusammenhang mit der »Tausend-Mark-Sperre« des Dritten Reichs gegenüber Österreich. Trotz seines Zurückruderns kam es zu einem Rückgang belgischer, aber auch französischer Touristenzahlen in Österreich. In Belgien beschloss schließlich die »Union des Taxis de Bruxelles« die Nichtbeförderung von Österreichern mit der Begründung, dass »Faschismus« eine »mentale Krankheit« sei. Es wurden auch Schüleraustauschprogramme eingestellt. Im September 2000 wurde das Ende der Sanktionen verkündet. Vgl. Luif 2007  : 213ff. und 221  ; Grädel 2007  : 41. 556 Vgl. Foltin 2004  : 251ff.; Luif 2007  : 216. 557 Im Regierungsprogramm 2000 wurde deutlich, dass die Sozialpartnerschaft dahingehend reformiert werden sollte, dass es zu einer Verlagerung von der überbetrieblichen in die betriebliche Mitbestimmung, besonders bei der Arbeitszeit, den Betriebszeiten und dem Kollektivvertragsrecht, kam. Vgl. Bundesregierung Österreich 2000  : 13.

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Wirtschaft zu gewährleisten und betriebliche Kostensenkungen zu erreichen.558 Die Arbeitszeitflexibilisierung wurde nun mit einer verbetrieblichten Arbeitszeitpolitik und dem Zurückdrängen der Gewerkschaften gleichgesetzt.559 Trotz der darin erkennbaren kritischen Auffassung gegenüber den Sozialpartnern wurde die Kooperationsbereitschaft in Sachen Arbeitszeitpolitik nicht aufgekündigt, da die Regierungskoalition in der Frage der konkreten Umsetzung arbeitszeitpolitischer Vorhaben gespalten war.560 7.5.3 Arbeitszeitpolitische Aspekte bis zur Sommerdebatte 2004 Im Bereich des Frauennachtarbeitsverbots und der Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten gab es erneut einen Wandel. Bei Letzterer bedeutete dies, dass eine Ausdehnung der wöchentlichen Rahmenöffnungszeiten von 66 auf 72 Stunden – bestehende Sonderregelungen sollten nicht betroffen sein – genehmigt und die Samstagsbeschäftigung durch eine neue Arbeitszeitregelung flexibilisiert werden sollte. Zusätzlich sollte es ermöglicht werden, flexible Arbeitszeiten über Betriebs- und Einzelvereinbarungen zu realisieren.561 All diese Maßnahmen waren dazu gedacht, zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich beizutragen.562 Um dieses Ziel zu erreichen, wurde im April 2001 ein entsprechender Entwurf zur Begutachtung ausgesandt. Er enthielt eine Gesamtöffnungszeit von 72 Stunden pro Woche, die Festlegung der Öffnungszeiten auf montags 0 Uhr bis samstags 17 Uhr, eine Lockerung der 1997 beschlossenen Bestimmung, dass auf jeden beschäftigten Samstag ein freier Samstag zu folgen habe, und die Ausdehnung des Durchrechnungszeitraumes auf 52 Wochen, so dass es möglich wäre, an 26 aufeinanderfolgenden Samstagen zu arbeiten.563 Da die FPÖ zunächst gegen diese Vorschläge war, kam es erst im Regierungsübereinkommen 2003 zu einer Übereinkunft.564 Die FPÖ strebte die gänzliche Aufhebung der Tagesrahmenarbeitszeiten sowie die Flexibilisierung der Öffnungszeiten von Montag 5 Uhr morgens bis Samstag 18 Uhr an. Angedacht war auch die Aufhebung der Schutzregelung des Samstagnachmittags und der Öffnungszeitenbeschränkungen am 24. und 31. Dezember.565 Die Argumentation in der Erläuterung der vorgelegten Regierungsvorlage zur Änderung des Öffnungszeitengesetzes gleicht in wesentlichen Teilen der Argumen558 Vgl. Hochrainer 2003  : 172. 559 Vgl. Hochrainer 2003  : 172. 560 Vgl. Hochrainer 2003  : 172f. 561 Vgl. Bundesregierung Österreich 2000  : 80. 562 Vgl. Bundesregierung Österreich 2000  : 68ff. 563 Vgl. Schneller 2003  : 595. 564 Vgl. Schneller 2003  : 595. 565 Vgl. Schneller 2003  : 595.

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tation zur Verlängerung der Arbeitszeiten sowie jener im Regierungsprogramm 2000. Als Problemkreise wurden die nicht den wirtschaftlichen Erfordernissen entsprechenden geltenden Ladenöffnungszeiten im Vergleich zum europäischen Ausland, das unzureichende Warenangebot von Geschäften in Bahnhöfen und auf Flughäfen, die starre Regelung, dass Arbeitnehmer jeden zweiten Samstagnachmittag arbeitsfrei hatten, sowie das Unverständnis von Konsumenten, dass bestimmte Dienstleistungsbetriebe an Samstagnachmittagen nach 13 Uhr nicht geöffnet hatten, identifiziert. Konsequent wurden eine Stärkung des österreichischen Wirtschaftsstandortes, das Bereitstellen von Arbeitsplätzen, das Verhindern von Kaufkraftabflüssen ins Ausland, eine Verbesserung der Attraktivität des Tourismuslandes Österreich, eine konsumentenfreundlichere Orientierung, eine bessere Handhabung flexibler Einsatzmöglichkeiten der Arbeitnehmer im Handel am Samstagnachmittag sowie die Schaffung einer verbraucherfreundlichen Regelung in Bezug auf bestimmte Dienstleistungsbetriebe am Samstagnachmittag als Ziele einer Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten ausgegeben.566 Die Änderungen des Öffnungszeitengesetzes 2003 bedingten zudem Änderungen im Arbeitsruhegesetz, dem BZG sowie der Gewerbeordnung.567 Dieses Gesetz sah in § 4 Abs. 1 vor, dass Verkaufsstellen zwischen Montag 5 Uhr und Samstag 18 Uhr offengehalten werden durften. Dem Landeshauptmann war es nach § 4 Abs. 2 gestattet, per Verordnung andere Öffnungszeiten vorzugeben. Falls er auf eine Verordnung verzichtete, sollten an Verkaufsstellen nach § 4 Abs. 3 Öffnungszeiten von 5 Uhr morgens bis 21 Uhr von Montag bis Freitag sowie von 5 Uhr bis 18 Uhr an Samstagen gelten.568 Der Rahmenzeitplan sah theoretisch 133 Stunden Öffnungszeit vor, aber im Rahmen dieser vorgegebenen Öffnungszeiten war es Verkaufsstellen nach § 4 Abs. 4 nur gestattet, an 66 bzw. 72 Stunden per Verordnung durch den Landeshauptmann geöffnet zu haben.569 Das Gesetz wurde daraufhin in Österreich unterschiedlich gehandhabt.570 Neben diesen Regelungen sah es Sonderregeln für das Wochenende, Feiertage sowie den 24. und 31. Dezember vor. Sollten Verkaufsstellen über den vereinbarten gesetzlichen Rahmen geöffnet werden, so waren diese 566 Vgl. RV 80 BlgNR, XII. GP  : 1. 567 Vgl. BGBl. I 48/2003  ; RV 80 BlgNR, XII. GP. 568 Vgl. BGBl. I 48/2003  : 913f. 569 Vgl. Einspieler 2009  : 57  ; Vgl. BGBl. I 48/2003  : 913f. 570 Zadrazil hält dazu fest, dass Unterscheidungen in der Umsetzung des Öffnungszeitengesetzes 2003 zwischen West-, Ost- und Südösterreich erkennbar waren. Während in West- und Südösterreich am Öffnungszeitengesetz 1991 festgehalten wurde, war Ostösterreich bestrebt, eine einheitliche Lösung mit zwei Öffnungstagen bis 21 Uhr zu erreichen. Dies scheiterte am niederösterreichischen Landeshauptmann, der keine Verordnung erließ und so generell Öffnungszeiten bis 21 Uhr ermöglichte, wohingegen Wien diesen verlängerten Einkauf nur an zwei Wochentagen zuließ, was zu einem Kaufkraftabfluss und in gewissem Maße zu einer Wettbewerbsverzerrung führte. Vgl. Zadrazil 2004  : 28f.

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an eine Verordnung des Landeshauptmanns gebunden. Am 24. Dezember war eine Öffnungszeit bis 14 Uhr vorgesehen, die beim Verkauf von Süßwaren und Naturblumen auf 18 Uhr und bei Christbäumen auf 20 Uhr ausgedehnt werden konnte. Zu Silvester erlaubte das Gesetz Öffnungszeiten bis 17 Uhr, bei Lebensmitteln bis 18 Uhr sowie bei Süßwaren, Naturblumen und Silvesterartikel bis 20 Uhr.571 Zusätzlich regelt § 7 weitere Ausnahmen.572 Insgesamt bedeutete diese Novellierung des Öffnungszeitengesetzes, dass die Arbeitszeiten von Angestellten im Bereich des Handels massiven Änderungen unterworfen wurden. 1997 war es zu einer einheitlichen Lösung bezüglich der Liberalisierung des Frauennachtarbeitsverbotes gekommen. Die Bestimmungen dieser Liberalisierung gingen der neuen Regierung nicht weit genug. Es sollte nun zu einer Beseitigung der frauendiskriminierenden Arbeitszeitregelung im Interesse aller Frauen kommen.573 Im Frühjahr 2000 erfolgte eine Lockerung, als über Verhandlungen der Wohnrechtsnovelle 2000 eine Einigung darüber erzielt wurde, dass im Sinne vermehrter Flexibilität Verträge zwischen Liegenschaftseigentümern und Arbeitnehmern zur Reinhaltung, Wartung und Beaufsichtigung von Häusern weder dem Arbeitszeitgesetz noch dem Frauennachtarbeitsverbot unterliegen sollten, wobei die Beschlussfassung ohne Einbeziehung der Sozialpartner erfolgte.574 2001 trat Bartenstein für die Abschaffung des Nachtarbeitsverbotes ein. Auf seine Ankündigung hin wurde die Frage nach der Behandlung von Schwangeren und Kollektivverträgen, die auf der Basis des Nachtarbeitsverbotes abgeschlossen worden waren, aufgeworfen.575 Schließlich wurden im Nationalrat zwei Entschließungsanträge zum Nachtarbeitsverbot eingebracht, der erste von der SPÖ und der zweite vom Sozialsprecher der Grünen, Öllinger. Der Antrag der SPÖ zielte darauf ab, dass die mit Nachtarbeit in Verbindung stehenden zusätzlichen Belastungen abgegolten wurden, während sich der Entschließungsantrag der Grünen auf eine geschlechtsneutrale Neufassung konzentrierte.576 Eine Einigung der Sozialpartner erfolgte nicht. Daher sah sich Bartenstein gezwungen, einen Ministerialentwurf in Begutachtung zu schicken, um die Angelegen571 Vgl. BGBl. I 48/2003  : 914. 572 Das Gesetz erlaubte abweichende Regelungen für Verkaufsstellen in Bahnhöfen, Autobusbahnhöfen, auf Flughäfen sowie Schiffslandeplätzen. Vorgesehene Artikel für den Verkauf waren Lebensmittel, Reiseandenken sowie Artikel des Reisebedarfs des Trafiksortiments. Die Öffnungszeiten haben sich nach Maßgabe der Verkehrszeiten zu richten und die Verkaufsflächen dürfen nicht größer als 80 m2 sein, sofern es keine andere Verordnung durch den Landeshauptmann gibt. Vgl. BGBl. I 48/2003  : 914. 573 Vgl. Bundesregierung Österreich 2000  : 39. 574 Vgl. Hochrainer 2003  : 177f. 575 Vgl. Hochrainer 2003  : 178. 576 Vgl. Hochrainer 2003  : 179.

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heit noch innerhalb der Übergangsfrist bis Ende 2001 zu klären.577 Im Juni 2002 kam es zur Verhandlung über diesen Ministerialentwurf und der beiden Entschließungsanträge. Trotz der Kritik an der Nichteinbindung der Sozialpartner578 wurde der Ministerialentwurf angenommen  ; die beiden Entschließungsanträge wurden damit als erledigt erachtet. Das nunmehr an EU-Recht angepasste Gesetz definierte »Nacht« als Zeitraum von 22 Uhr bis 5 Uhr. Nachtarbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes waren jene Arbeitnehmer, die regelmäßig oder in mindestens 48 Nächten eines Kalenderjahres während des definierten Zeitraumes mindestens drei Stunden arbeiteten. Das Gesetz ließ zudem verlängerte Arbeitszeiten für Nachtarbeiter zu. Für diese längeren Arbeitszeiten wurde ein Durchrechnungszeitraum von 26 Wochen angesetzt, in dem die durchschnittliche Arbeitszeit von acht Stunden nur dann überschritten werden durfte, wenn kollektivvertragliche Normen dies zulassen würden. Bei vorliegender Überschreitung wurden als Kompensation zusätzliche Ruhezeiten veranschlagt.579 Zusätzlich normierte das Gesetz Untersuchungs- und Versetzungsansprüche. In Hinsicht auf die Untersuchungsansprüche wurden die Nacht und die Nachtarbeitnehmer abweichend definiert. Als Nacht galt der Zeitraum von 22 Uhr bis 6 Uhr und als Nachtarbeitnehmer, wer regelmäßig oder in mindestens 30 Nächten eines Kalenderjahres während des definierten Zeitraumes mindestens drei Stunden arbeitete.580 Nachtarbeitnehmer konnten zudem Versetzungen auf einen Tagesarbeitsplatz geltend machen, wenn ein geeigneter Tagesarbeitsplatz zur Verfügung stand, die Gesundheit durch die weitere Verrichtung der Nachtarbeit gefährdet war bzw. Betreuungspflichten gegenüber Kindern bis zu deren zwölftem Lebensjahr bestanden, wobei die Versetzung auf einen Tagesarbeitsplatz in letzterem Fall auf die Dauer der Betreuungspflicht begrenzt wurde.581 Anfang der 1990er Jahre wurde erstmals die Möglichkeit geschaffen, dass Eltern einer Teilzeitbeschäftigung nachgingen. Diese war allerdings gekoppelt an die Inanspruchnahme der Karenz, längstens jedoch bis zum Ende des vierten Lebensjahres des Kindes. Zum 1. Juli 2004 trat ein Rechtsanspruch auf Teilzeitbeschäftigung für Eltern in Kraft. Die Elternteilzeit brachte in zwei Bereichen Änderungen gegenüber der bestehenden Regelung  : einerseits beim Teilzeitanspruch und andererseits beim Anspruch auf Veränderung der Lage der Arbeitszeit der Eltern. Letztere konnte nun bis zum Ende des siebten Lebensjahres bzw. zu einem späteren Schuleintritt des Kin-

577 Vgl. Hochrainer 2003  : 179. 578 ÖGB und AK hatten keine Stellungnahme zu diesem Ministerialentwurf abgegeben. Vgl. Hochrainer 2003  : 179. 579 Vgl. BGBl. I 122/2002  : 1337. 580 Vgl. BGBl. I 122/2002  : 1338. 581 Vgl. BGBl. I 122/2002  : 1338.

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des in Anspruch genommen werden. Dieses Recht wurde mit der Rückkehr zu jener Arbeitszeit verbunden, die vor Inanspruchnahme der Teilzeitbeschäftigung von den Eltern praktiziert wurde.582 Die Elternteilzeit wurde in mehreren Gesetzen (Mutterschutzgesetz, Väterkarenzgesetz, Landarbeitsgesetz) geregelt. Dabei war zwischen dem Rechtsanspruch auf Teilzeitbeschäftigung und einer vereinbarten Teilzeitbeschäftigung zu unterscheiden. Der Rechtsanspruch auf Teilzeitbeschäftigung und Änderung der Lage der Arbeitszeit bis zum Ende des siebten Lebensjahres des Kindes bestand in Betrieben mit mehr als 20 Arbeitnehmern bei einer Mindestbeschäftigungsdauer von drei Jahren.583 War beides nicht erfüllt, konnte es zu einer vereinbarten Teilzeitbeschäftigung kommen. Über eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber bestand so die Möglichkeit zur Teilzeitbeschäftigung und zur Änderung der Lage der Arbeitszeit der Eltern bis zum Ende des vierten Lebensjahres des Kindes.584 Zentrales Element war, dass dadurch eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie erreicht werden sollte. Um das Ziel des Anspruchs auf Elternteilzeit zu erreichen, sollte eine Vereinheitlichung der Gesetzeslage erfolgen. Sinne des Regierungsprogrammes sollten die bisher gültigen Regelungen im Mutterschutzgesetz, im Väterkarenzgesetz585 und im Landarbeitsgesetz abgelöst werden.586 Einhergehend mit dieser Neuregelung war beabsichtigt, neben der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie »positive Impulse« zu setzen. Diese sollten zum einen das Erwerbsleben der Frauen und zum anderen die partnerschaftliche Beteiligung des Vaters an der Betreuung des Kindes aufwerten.587 Die gesetzten Maßnahmen zur Teilzeitbeschäftigung von Eltern sollten dahingehend evaluiert werden, ob die Ansprüche die Bedürfnisse der Arbeitnehmer abdeckten und ob sie mit den betrieblichen Anforderungen vereinbar waren. Die Evaluierung erfolgte 2009 in Form einer Studie des ÖIF, die zeigte, dass ca. 14 % der befragten Männer die Elternteilzeit in Anspruch nahmen, was über der Nutzung anderer familienpolitischer Maßnahmen lag. Bei Männern war die Inanspruchnahme der Elternteilzeit kürzer und gleichzeitig die Wochenarbeitszeit höher als bei Frauen. Es lagen vier Hauptmotive für die Inanspruchnahme der Elternteilzeit vor  : ein Mehr an Familienzeit, die Möglichkeit der Nutzung der Elternteilzeit für den 582 Vgl. ÖIF 2009  : 6. 583 Vgl. ÖIF 2009  : 6  ; Sorger 2014  : 197. 584 Vgl. ÖIF 2009  : 6. 585 Die Väterkarenz erfuhr 2011 eine bedingte Aufwertung durch die Einführung des »Papamonats«. Dieser wurde beschränkt auf den öffentlichen Dienst eingeführt und ermöglicht einen vierwöchigen, unbezahlten Karenzurlaub der Väter während des Beschäftigungsverbots der Mütter. Vgl. Kreimer 2011  : 89. 586 Vgl. ErläutRV 399 BlgNR, XXII GP  : 1. 587 Vgl. ErläutRV 399 BlgNR, XXII GP  : 2.

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baldigen beruflichen Wiedereinstieg, die finanzielle Absicherung bei gegebener Betreuung des Kindes und das Angebot seitens der Arbeitgeber, den Mitarbeiter früher ins Unternehmen zurückzuholen. Aus Sicht der Unternehmen gab es drei Motive für die Inanspruchnahme der Elternteilzeit  : der Mangel an Kinderbetreuungseinrichtungen, die Abwechslung zu Haushalt und Kinderbetreuung sowie die Möglichkeit eines früheren Berufs(wieder)einstiegs, um keine Qualifikation zu verlieren.588 2013 kam eine weitere Studie zur Elternteilzeit zu dem Schluss, dass sich bei annähernd gleicher Aufteilung von Erwerbsarbeitsstunden nicht notwendigerweise eine gleichberechtigte Aufteilung von Hausarbeit und Kinderbetreuung ergeben musste. Als Gründe, warum dieser ideelle Anspruch »halbe-halbe« nicht umgesetzt wurde, wurde angeführt, dass Männer weniger Bedürfnis nach Ordnung und Sauberkeit hätten, Frauen Aufgabengebiete nicht delegieren wollten, da die Aufgaben ansonsten nicht wunschgemäß erledigt würden, eingespielte Rollenmuster nicht mehr aufgelöst oder rückgängig gemacht werden könnten und die Kinder sich bei der Befriedigung ihrer psychosozialen Bedürfnissen an der Mutter und nicht am Vater orientierten, so dass die Mutter zur Hauptansprechperson werde.589 Ferner zeigten sich Wahrnehmungsunterschiede in Bezug auf die Ausübung und Aufteilung der Aufgaben des Haushalts. Während Männer generell von einer gleichberechtigten Aufgabenteilung sprachen, argumentierten Frauen, dass bei ihnen die Hauptlast liege.590 Neuer Standpfeiler der ÖVP/FPÖ-Regierung war die Arbeitszeitverlängerung. Prägendes Motiv waren die Fragen der Standortsicherheit und der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit.591 Teilaspekte während dieser Regierungszeit waren zum einen die Verlängerung der Saisonbeschäftigung im Tourismus und zum anderen die Einschränkung des Jobsuchtages. Zu einer Einigung der Sozialpartner zur Verlängerung der Saisonbeschäftigung kam es im Oktober 2000. Sie sah mit Gültigkeit 1. Jänner 2001 vor, dass zur Beschäftigungsverlängerung ein Teil der bestehenden Überstunden und ein Teil der erworbenen Urlaubsansprüche herangezogen werden sollten. Es sollten höchstens 40 Überstunden im Verhältnis von 1   :  1 und höchstens sieben Urlaubstage, die am Ende des Saisonarbeitsverhältnisses verbraucht werden sollten, zur Beschäftigungsverlängerung herangezogen werden.592 Kritik an dieser Einigung gab es von Bartenstein, der ihre Unverbindlichkeit bemängelte. Daher fehlte für ihn jede Möglichkeit, von seinem Plan der Sperre des Arbeitslosengeldes für saisonal Beschäftigte im Tourismussektor mit einvernehmlich aufgelöstem Dienstverhältnis abzurücken. Die Sozialpartner hatten allerdings gerade dies im 588 Vgl. ÖIF 2009  : 183ff. 589 Hackl 2013  : 7. 590 Vgl. Hackl 2013  : 7. 591 Vgl. Hochrainer 2003  : 173. 592 Vgl. Hochrainer 2003  : 174.

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Sinn.593 Im Herbst 2000 folgte der Parlamentsbeschluss im Budget- und nicht im Sozialausschuss über den Kollektivvertragszuschuss im Urlaubsgesetz.594 Diese Vorgehensweise und das Festhalten Bartensteins an der Verordnungsermächtigung wurden auf das Heftigste kritisiert.595 Bartenstein begründete das Nichtabrücken damit, dass aus seiner Sicht die Verbindlichkeit weiterhin nicht gegeben sei und bezüglich der angestrebten Einsparungseffekte in Höhe von 600 Mio. Schilling pro Jahr keine Vereinbarung getroffen worden sei. Allerdings schränkte er ein, dass er von der Verordnungsermächtigung keinerlei Gebrauch machen werde, wenn es zur Saisonverlängerung komme.596 Mitte 2000 war es zu einer Neuregelung der Aliquotierung des gesetzlichen Urlaubs bei Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie zu einer Abänderung der Praxis des Jobsuchtages gekommen. Der Gesetzesentwurf war im Mai 2000 eingereicht worden, die Beschlussfassung erfolgte im Juni 2000. Das ARÄG 2000 (BGBl. I 44/2000) enthielt letztlich diese Bestimmungen mit Inkrafttreten per 1. Jänner 2001. Das Gesetz sah vor, dass Arbeitnehmer mit gesetzlichem Pensionsanspruch während der Kündigungsfrist von der geregelten Freizeit im wöchentlichen Ausmaß eines Tages sowohl nach ABGB als auch nach dem Angestelltengesetz, sofern keine Gleitpension in Anspruch genommen wurde, auszunehmen waren.597 Im Gegensatz zur Freistellung in der Zeit der Kündigungsfrist kam es bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses zur Aliquotierung des Urlaubs auf das Bezugsjahr  ; erfolgte der Austritt aus dem Arbeitsverhältnis jedoch durch unberechtigten vorzeitigen Austritt bzw. durch verschuldete Entlassung, hatte eine aliquote Rückerstattung zu erfolgen.598 Begleitet wurden diese Debatten von Arbeitszeitflexibilisierungsbestrebungen. Immer wieder erfolgte der Hinweis, dass es zu einer Verlagerung von der kollektivvertraglichen hin zur betrieblichen Ebene kommen müsse.599 Dieser Ansatz wurde mit der Forderung nach einer Arbeitszeitverlängerung verflochten. In diesem Punkt tat sich die WKO und hier besonders der Fachverband für Maschinen- und Stahlbauindustrie hervor, der auf konjunkturelle Probleme hinwies. Diese könnten durch eine weitere, rasche Novellierung des Arbeitszeitgesetzes bei gleichzeitiger Ausdehnung der täglichen Arbeitszeit auf bis zu zwölf Wochenstunden sowie bei einer Abkehr von der Regelung der Arbeitszeitflexibilisierung auf kollektivvertraglicher Ebene mit der Verschiebung hin zur betrieblichen Ebene, aber auch auf die Ebene 593 Vgl. Hochrainer 2003  : 174. 594 Vgl. Hochrainer 2003  : 174. 595 Vgl. Hochrainer 2003  : 174f. 596 Vgl. Bartenstein, Martin  : Sten. Prot. NR, XXI. GP, 52.  Sitzung  : 164. 597 Vgl. BGBl. I 44/2000  : 656 und 660. 598 Vgl. BGBl. I 44/2000  : 659  ; Hochrainer 2003  : 181. 599 Vgl. Feurstein, Gottfried  : Sten. Prot. NR, XX. GP, 171.  Sitzung  : 60  ; Hochrainer 2003  : 175  ; Hochrainer 2006  : 180f.

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von Einzelvereinbarungen, behoben werden.600 Die ÖGB-Spitze erachtete derartige Initiativen für nicht notwendig. Bartenstein sah sich jedoch bestätigt und forderte einmal mehr eine Arbeitszeitverlängerung und das Auslagern der Verhandlungen auf die Betriebsebene.601 Sowohl die WKO als auch der ÖGB betonten immer wieder die geringe Bedeutung des Nutzens einer Arbeitszeitflexibilisierung mittels des Kollektivvertrages. Allerdings standen dahinter zwei divergente Gesichtspunkte. Der ÖGB argumentierte, dass sich die Arbeitnehmer nur wenig an weiteren Flexibilisierungen durch Kollektivverträge interessiert zeigen würden, während die WKO kritisierte, dass durch die Kollektivvertragsvereinbarungen die Verhandlungsspieleräume für eine weitergehende Arbeitszeitflexibilisierung eingeschränkt würden.602 Die Unterschiede beider Seiten zeigten sich zudem in der Argumentation. Der ÖGB wollte neue Arbeitszeitmodelle möglichst konkret definieren und festlegen, während die Anstrengungen der Wirtschaft mehrheitlich auf eine Verlagerung der Arbeitszeitfragen von der kollektivvertraglichen auf die betriebliche Ebene abzielten.603 1999 war es zur Schaffung einer Altersteilzeitregelung gekommen. Eine erste Reformierung wurde über das SRÄG 2000 angestrebt. Die Altersteilzeitregelung stellte erneut eine begleitende Maßnahme zu pensionsrechtlichen Bestimmungen dar. Als Änderungen waren eine Verlängerung der Anspruchsdauer der Altersteilzeit auf 6,5 Jahre und damit eine Ausdehnung des Durchrechnungszeitraumes des Bezug des Altersteilzeitgeldes auf ebenfalls 6,5 Jahre, eine Erweiterung des Personenkreises, der diese Altersteilzeit in Anspruch nehmen konnte, durch Einbeziehung von Teilzeitarbeitskräften, die die Normalarbeitszeit um höchstens 20 % unterschritten, sowie die Regelung, dass Ersatzarbeitskräfte nicht mehr verpflichtend eingestellt werden mussten, vorgesehen.604 Gleichzeitig wurde über das SRÄG 2000 die Regelung der Bildungskarenz für über 45-Jährige, die ein Weiterbildungsgeld bezogen, attraktiver, indem ihnen ein Weiterbildungsgeld in Höhe des Arbeitslosengeldes, mindestens jedoch in Höhe des Karenzgeldes,605 gewährt wurde. 2001 kam es im Bereich der Bildungskarenz erneut zu einer Änderung, die trotz Kritik von ÖGB und AK mit

600 Vgl. Hochrainer 2003  : 175. 601 Vgl. Hochrainer 2003  : 175f. 602 Hochrainer verweist ebenso wie Kittel in diesem Zusammenhang nochmals auf die »große« Arbeitszeitgesetznovelle von 1997, die einen größeren Handlungsspielraum ermöglicht hatte, gemessen an den ursprünglichen Forderungen der Arbeitgebervertretung jedoch zu wenig weit gegangen war, so dass ein »Verstummen« der Wünsche nach weiterreichender Arbeitszeitverlängerung und -flexibilisierung nicht zu erwarten gewesen sei. Vgl. Kittel 2000  ; Hochrainer 2003  : 176. 603 Vgl. Hochrainer 2003  : 176. 604 Vgl. BGBl. I 101/2000  : 1109f.; Hochrainer 2003  : 182. 605 BGBl. I 101/2000  : 1108  ; Hochrainer 2003  : 182f.

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einer parlamentarischen Mehrheit der Regierung beschlossen wurde.606 2008 und 2012 folgten weitere Änderungen. 7.5.4 Arbeitszeitpolitik von der Sommerdebatte 2004 bis zur dritten Arbeitszeitgesetznovelle 2007 Die Arbeitszeitgesetznovellen der 1990er Jahren brachten für die Arbeitgebervertretungen in beiden Fällen nicht den gewünschten Output. Die vorhandene Unzufriedenheit und die Debatten um die Ausdehnung der wöchentlichen Arbeitszeiten in Deutschland führten Anfang des ersten Jahrzehnts im neuen Millennium zu einer weiteren arbeitszeitpolitischen Auseinandersetzung. In Österreich dominierte die Arbeitgebervertretung diese Sommerdebatte mit ihren Vorstellungen. Dabei zeigte sich der Präsident der IV sicher, dass für eine Einführung der 35-Stunden-Woche kein Spielraum vorhanden sei und tabulos diskutiert werden müsse, auch wenn in Zukunft die eine oder andere Stunde mehr gearbeitet werden müsse.607 Bartenstein schloss sich dieser Aussage608 grundsätzlich an, indem er anführte, dass den Arbeitnehmern nicht vorgeschrieben werden müsse, wie viele Stunden sie pro Woche arbeiten sollten.609 Der Präsident der steiermärkischen AK warf der Wirtschaft und der Industrie zu Beginn der Debatte an den Kopf, deren einzige Fantasie sei es, den Beschäftigten weniger zu zahlen und sie länger arbeiten zu lassen.610 Vielfach wurde diese Vermutung einer versteckt geforderten Lohnsenkung geäußert, die einerseits in reduzierte Stundenlöhne münde und andererseits zuschlagspflichte Überstunden weiter nach hinten schiebe.611 Zu dieser Sachlage meinte Kopf, dass eine neuerliche Flexibilisierung nicht Lohnraub oder Feiertagsstreichung bedeuten solle, sondern die Flexibilisierungsmöglichkeiten in der Praxis ohne generelle Arbeitszeitverlängerung ausgeschöpft werden sollten.612 Gerade die Anfangszeit der Debatte war von starker Polarisierung geprägt.613 Im Zentrum stand 2004 einmal mehr die Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes. Als 606 Vgl. Hochrainer 2003  : 183. 607 Vgl. Koberwein 2002  : 7  ; Sorz 2004  : 4. 608 Ähnliche Aussagen lassen sich in Deutschland ebenfalls finden. Als prominente Beispiele für die Befürworter einer längeren Arbeitszeit werden von A. Bosch/Promberger Edmund Stoiber, der den deutschen Wirtschaftsminister Clement, den SPD-Ministerpräsident Wiefelspütz und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel an. Vgl. A. Bosch/Promberger 2004  : 214f. 609 Vgl. Sorz 2004  : 4. 610 Vgl. Sorz 2004  : 4. 611 Vgl. Chaloupek 2004  : 8ff.; Arbeit und Wirtschaft 2004a  : 10  ; Arbeit und Wirtschaft 2004b  : 11  ; Leisch 2004  : 41  ; Sinn 2004  : 129  ; H.  Seifert 2007  : 21. 612 Vgl. Kopf 2004  : 21. 613 Vgl. Hochrainer 2006  : 182f.

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Abb. 31  : Lohnverzicht schafft Arbeitsplätze Quelle  : Chaloupek 2005  : 8.

Richtung wurde hier die Individualisierung des Arbeitszeitrechts vorgegeben.614 Es zeigte sich wie in der Vergangenheit, dass das Arbeitszeitrecht als unflexibel, starr und nicht an die gegebene wirtschaftliche Realität angepasst angesehen wurde. Kritisiert wurde zugleich die 1997 ausformulierte Bedingung einer Zustimmung der Gewerkschaft zu flexiblen Arbeitszeiten über die Kollektivverträge. So müsse die erforderliche Flexibilisierung teuer über Zuschläge bzw. Arbeitszeitverkürzungen »abgekauft« werden.615 Wie immer in arbeitszeitpolitischen Debatten wurde die Sicherung der österreichischen Wirtschaft ins Spiel gebracht, die bei fehlender Flexibilisierung weiterhin in Gefahr sei.616 Als Maßnahme, um dieser Gefahr vorzubeugen, wurde eine Verlängerung der täglichen Arbeitszeit auf bis zu zwölf Stunden angedacht.617 Solche Ansprüche wurden wiederum als Forderungen nach einer Verbilligung der Arbeitskraft interpretiert.618 Zugleich sprach die Arbeitgebervertretung im Gegensatz zu den vorangegangenen Diskursen offen von Kostensenkungen durch einen nächsten Flexibilisierungsschritt.619 In der Praxis, so befürchtete die Gegenseite, würden atypische Arbeitsverhältnisse620 zur Steigerung der Flexibilität und zur 614 Vgl. Verzetnitsch, Friedrich  : Sten. Prot. NR, XXII. GP, 7.  Sitzung  : 122. 615 Kopf 2004  : 22. 616 Vgl. Kopf 2004  : 21f.; Wöginger, August  : Sten. Prot. NR, XXII. GP, 55.  Sitzung  : 96. 617 Vgl. Kopf 2004  : 21. 618 Vgl. Gahleitner 2006  : 339. 619 Vgl. Hochrainer 2006  : 178. 620 2004 ergab eine Studie der AK und des ÖGB mehrheitlich atypisch Beschäftigte in den Bereichen wirtschaftlich-kaufmännischer Bürobereich, Erwachsenenbildung, Journalismus, Sport, Kunst und Design, Werbung, Marketing oder EDV-Branche. Nebstdem fanden sich viele Berufseinsteiger in atypischer Beschäftigung wieder in der Hoffnung, dass aus der atypischen Beschäftigung langfristig ein reguläres Arbeitsverhältnis würde. Als problematisch sieht Krisits angesichts der Zunahme

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Erreichung einer Kostenersparnis für die Unternehmen eingesetzt621 werden und eine zunehmende Prekarisierung der Arbeit durch die Ausweitung atypischer Arbeitsverhältnisse erfolgen.622 Ausgangspunkt dieser Entwicklung waren die Debatten und die konkrete Verlängerung der Arbeitszeit in Deutschland ab 2003. Zu diesen war es aufgrund des verlorenen Machtkampfes der Gewerkschaft um die 35-Stunden-Woche sowie des Auslaufens des Flächentarifvertrages in der ostdeutschen Metallindustrie623 gekommen. Ferner bot die Vereinbarung zwischen IG Metall und Siemens im Juni 2004 ebenfalls die Möglichkeit, Arbeitszeitverlängerungen durchzusetzen.624 Hirschel bezeichnete die für Deutschland daraus resultierenden Wortgefechte provokativ als »Jahrmarkt der Vulgärökonomie«.625 Während in Deutschland Maßnahmen zur Ausdehnung gesetzt wurden, kam es von Seiten der Europäischen Kommission zur Überprüfung der europäischen Arbeitszeitrichtlinien.626 In Deutschland und in Österreich wurde mit dem Thema »Arbeitszeitverlängerung« das Sommerloch 2004 gestopft. Flassbeck merkte zu dieser Debatte an  : In vielen verschiedenen Varianten wird das hohe Lied des Verzichts gesungen. Die einen jubeln über die »elegante« Art, die Löhne zu senken, die anderen beklatschen die »Flexibilität« der Arbeitnehmer, die sich in betrieblichen Lösungen zeige. Der Dritte ist begeistert, dass in Deutschland die alten Doktrinen endlich fallen und der frische Wind des Weltmarktes die letzten Ecken des alten Wohlfahrtsstaates auspustet.627

Im Kern trifft diese Aussage auch auf Österreich zu. Insbesondere die möglichen Lohnsenkungen über eine Arbeitszeitverlängerung wurden wiederkehrend thematisiert. Demgemäß vermutete Chaloupek angesichts all der Bemühungen zur Arbeitszeitverlängerung, dass diese letztlich ohne Lohnausgleich auch in Österreich angestrebt werde.628 Insgesamt standen für ihn die Zeichen auf Sturm.

atypischer Beschäftigung das Verschwimmen der Grenzen zur Unselbstständigkeit, was sich im Widerspruch zwischen gesetzlich verankerten Ansprüchen und Schutzbestimmungen und der gelebten Praxis zeige. Vgl. Kirisits 2003  : 48  ; Braunsperger 2004  : 28. 621 Eichmeyer 2004  : 8f. 622 Vgl. S. Stern 2006  : 8. 623 Hochrainer 2006  : 181. 624 Vgl. Chaloupek 2004  : 8  ; Sorz 2004  : 4  ; Spitznagel/Wanger 2004  : 25  ; Altun 2005  : 230  ; Hochrainer 2006  : 181. 625 Hirschel 2004  : 60 626 Vgl. Hochrainer 2006  : 181f. 627 Flassbeck 2004  : 1. 628 Vgl. Chaloupek 2004  : 9.

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Die Sommerdebatte folgte dabei drei Argumentationsphasen. Diese Etappen waren gekennzeichnet von einer starken Polarisierung der Politikoptionen,629 von politischen Vermittlungsversuchen sowie dem Versuch, die Themen inhaltlich zu konkretisieren und klarzustellen,630 und schließlich im Herbst 2004 von der inhaltlichen Positionierung der WKO mit gleichzeitiger Bekanntgabe von Verhandlungsabsichten von WKO und ÖGB und dem Einlenken der IV.631 Die Verhandlungsposition der WKO beinhaltete die Verlängerung der täglichen Normalarbeitszeit auf zehn Stunden, die Ausdehnung der täglichen Höchstarbeitszeit auf zwölf Stunden sowie den Wegfall von arbeitsfreien Feiertagen.632 Bereits die letzten Novellierungen des Arbeitszeitgesetzes hatten eine Flexibilisierung der Arbeitszeit gebracht, und dies wirkte sich auf die Überstundenfrage aus. Krisenbedingt war ein Rückgang der Überstundenleistung sowohl bei Männern als auch Frauen ab 2008 zu beobachten.633 Die hohe Zahl an Über- und Mehrstunden wurde von Gewerkschaftsvertretern als problematisch eingestuft. Entsprechend zählte die Bekämpfung der Über- und Mehrstunden zu den grundlegenden arbeitszeitpolitischen Anliegen der Gewerkschaft.634 Die 2004 erhobenen Forderungen der WKO zielten auf die zuschlagspflichtigen Überstunden, wobei diese Zuschläge erst bei Überschreiten der wöchentlichen 40-Stunden-Grenze und nach Jahresabrechnung anfallen sollten.635 Die WKO berechnete ein mögliches Einsparungspotential von Lohnzuschlägen in Höhe von 50 Mio. Überstunden.636 Die Gewerkschaften wiederum wollten eine vermehrte Einbindung des Betriebsrates. Dieser sollte vor allem bei Verhandlungen über die

629 Hochrainer führt dazu aus, dass Finanzminister Karl-Heinz Grasser, Wirtschaftsbundgeneralsekretär Kopf oder SPÖ-Mitglied Hannes Androsch zu den prominenten Befürwortern einer Verlängerung der Wochen- und Jahresarbeitszeiten gehörten. Wie zu erwarten, bezogen die Präsidenten von AK und ÖGB eine oppositionelle Haltung gegenüber einer Verlängerung der Arbeitszeiten. Bundeskanzler Schüssel und Wirtschafts- und Arbeitsminister Bartenstein wiederum waren gegen eine Gesetzesänderung, aber für sozialpartnerschaftliche Verhandlungen. Vgl. Hochrainer 2006  : 182f. 630 Die Konkretisierung beinhaltete, dass WKO-Präsident Leitl die Beibehaltung der 40-Stunden-Woche betonte, aber zugleich die gesetzliche und generelle Verlängerung der Normal- und Höchstarbeitszeiten forderte. Es sollte damit gesetzlich – im Gegensatz zur bestehenden kollektivvertraglichen Regelung – die Möglichkeit einer Verlängerung des Durchrechnungszeitraumes geschaffen werden. Damit richtete sich der Forderungskatalog der WKO erneut auf eine Flexibilisierung der Arbeitszeit aus. Vgl. Hochrainer 2006  : 183. 631 Vgl. Hochrainer 2006  : 183. 632 Vgl. Hochrainer 2006  : 184. 633 Vgl. Sorger 2014  : 96. 634 Vgl. Sorger 2014  : 203. 635 Vgl. Hochrainer 2006 184. 636 Vgl. Hochrainer 2006  : 184.

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Verlängerung des Durchrechnungszeitraumes bei der Überstundenarbeit eingebunden werden.637 Am 15. Februar 2005 kam es auf Anordnung des zuständigen Ministers zu einem Gipfeltreffen der großen Dachverbände.638 Bei diesem Treffen ging es um die Erreichbarkeit eines Mehrs an Flexibilität im Arbeitszeitrecht. Zunächst gab es keine Ergebnisse, ungeachtet dessen, dass die WKO einen diesbezüglichen Gesetzesvorschlag ins Parlament einzubringen gedachte.639 Dieser wurde auf Drängen der Politik zurückgezogen. Auf europäischer Ebene gab es im Vorfeld der Neufassung der Richtlinie über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung Diskussionen. Meinungsdifferenzen bezogen sich u. a. auf die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeithöchstgrenze, die Flexibilisierung der Arbeitszeit, die jedoch der sozialen Agenda entsprach, und die Opt-out-Vereinbarungen.640 Letztere wurden besonders häufig diskutiert. In ihnen wurde die Möglichkeit gesehen, dass Unternehmen von ihren Beschäftigen verlangen können, »freiwillig« auf die Einhaltung der Höchstarbeitszeiten zu verzichten.641 Argumentativ wurde aufgrund bestehender flexibler Beschäftigungsformen und des flexiblen Beschäftigungsausmaßes die Koppelung an soziale Sicherheit gefordert.642 Fehlende soziale Sicherheit zeigte sich zum einen in der möglichen Verbreitung von Opt-out-Vereinbarungen, zum anderen im Phänomen der »Generation Praktikum«, aber auch in der Aufweichung des Kündigungsschutzes, der sich durch diverse Flexibilisierungsmaßnahmen ergab. Desgleichen verstärkte die Zunahme erosionsartiger Erscheinungen der Normalarbeitsverhältnisse das Gefühl fehlender sozialer Sicherheit. Für Kratzer und Sauer zielten all diese Entwicklungen darauf ab, den Zugriff auf bislang nur begrenzt zugängliche Ressourcen und Potentiale von Arbeitskraft643 zu erweitern. Weiters bedeute dies, so Kratzer und Sauer, dass die gesellschaftliche Arbeitsorganisation von zwei Veränderungstendenzen gekennzeichnet sei  : »Entsicherung und Flexibilisierung auf der einen, Selbstorganisation und Subjektivierung von Arbeit auf der anderen Seite.«644 Diese Entsicherungstendenzen hatten eine »Entstandardisierung« von Erwerbsarbeit zur Folge. Vollzeitarbeitsplätze wurden immer weiter in Teilzeitarbeitszeitplätze und Arbeitsplätze mit geringfügiger Beschäftigung aufgespalten. Daraus resultierte vornehmlich bei weiblichen Arbeitskräften ein Absinken der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeits637 Vgl. Hochrainer 2006  : 184. 638 Vgl. Obinger/Tálos 2006  : 152. 639 Vgl. Obinger/Tálos 2006  : 152. 640 Vgl. D. Lutz 2004  : 229  ; D.  Lutz 2005  : 33  ; Röpke 2005  : 461. 641 Röpke 2007  : 192. 642 Vgl. Mairhuber 2001  : 5. 643 Kratzer/Sauer 2007  : 238. 644 Kratzer/Sauer 2007  : 238.

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zeit.645 Diesen Entsicherungstendenzen sollte vermehrt mit Flexicurity entgegengewirkt werden. Sämtliche innerstaatliche Verhandlungen rund um die österreichische Ratspräsidentschaft 2006 zu arbeitsmarkt- und arbeitszeitpolitischen Maßnahmen wurden deswegen auf Flexicurity ausgerichtet. Insbesondere bei der AIVG-Novelle war dies offensichtlich. Bei ihr wurde gänzlich auf die Umsetzung der österreichischen Konzeption der »Flexicurity« gesetzt.646 Im Vorfeld der Einigung zur AIVG-Novelle hatten WKO und ÖVP auf die negative Entwicklung der Lohnnebenkosten bei der Ausweitung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld verwiesen. Ihrerseits führten SPÖ, AK und ÖGB die Forderungen der ÖVP zur Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen bei der Vermittlung eines neuen Arbeitsplatzes an.647 Der ÖGB wies besonders auf eine mögliche entstehende soziale Schieflage hin, falls es zur Umsetzung des Ministerialentwurfs in dieser Form käme.648 Zentraler Streitpunkt war u. a., ab welchem Zeitpunkt Krankengeld von den freien Dienstnehmern in Anspruch genommen werden dürfe.649 Während des gesamten Verhandlungszeitraumes kam es wiederkehrend zu Blockadedrohungen der SPÖ, um die sozialen Interessen der Arbeitnehmer in den Vordergrund zu rücken.650 2007 kam es zur Verabschiedung eines sogenannten »Flexicurity Pakets«. Dieses ging von den Sozialpartnern aus und wurde mit wenig Einbindung der Regierung umgesetzt.651 Es ermöglichte eine Verbesserung der Situation von freien Dienstnehmern und von Selbstständigen.652 Elementares Merkmal war, dass sowohl von freien Dienstnehmern als auch von Selbstständigen per 1. Jänner 2008 Arbeitslosengeld in Anspruch genommen werden konnte. Zu den weiteren Bestandteilen zählten die Option der Inanspruchnahme der »Abfertigung neu« durch die Selbstständigen sowie die Möglichkeit auf Krankenversicherungsanspruch, die Lockerung von Regelungen zur Bildungskarenz und die mögliche Inanspruchnahme von Ausfallsgeldern bei Insolvenz durch freie Dienstnehmer.653 Einige Punkte sozialer Sicherheit wie der Anspruch auf Weihnachts- und Urlaubsgeld oder aber das Recht auf einen Kollektivvertrag für freie Dienstnehmer konnten nicht verwirklicht werden.654 Dass diese sozialen Sicherheitsdimensionen durchgesetzt werden konnten, lag einerseits an den hartnäckigen Verhandlungen der Sozialpartner und andererseits an dem da645 Vgl. Alexandra Wagner 2000b  : 258f. 646 RV 298 BlgNR, XXIII. GP. 647 Vgl. Hinterseer 2011  : 66  ; Hinterseer 2014  : 148  ; 20/SN-132/ME, XXIII.  GP  : 1f. 648 Vgl. 20/SN-132/ME, XXIII.  GP  : 1. 649 Vgl. Hinterseer 2014  : 148. 650 Vgl. Hinterseer 2014  : 151. 651 Vgl. Hinterseer 2014  : 151. 652 Hinterseer 2011  : 66  ; Hinterseer 2014  : 148. 653 Vgl. Hinterseer 2011  : 66  ; Hinterseer 2014  : 148. 654 Vgl. Hinterseer 2014  : 149.

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mals populären Leitbild »Flexicurity«.655 Insgesamt war jedoch dieses »Flexicurity-Paket« weder die Fortführung noch die Ausgangsbasis einer (österreichischen) Flexicurity-­Konzeption,656 wie Hinterseer anmerkt. Im Dezember 2006 veröffentlichten die Sozialpartner unter dem Titel »Wachstum und Vollbeschäftigung« ein Positionspapier. Es beinhaltete u. a. Vorschläge zum Arbeitszeitrecht und zur Arbeitszeitflexibilisierung.657 Als Ziele wurden die Flexibi­ lisierung des Arbeitszeitrechts unter Berücksichtigung der Vorgaben der EU, die Umsetzung durch die Kollektivvertragspartner, eine verbesserte Durchsetzung des Arbeitsschutzes, ein Mehr an Kostengerechtigkeit zwischen Teilzeit- und Vollzeitarbeit sowie eine Vereinfachung flexibler Arbeitszeitmodelle genannt.658 Im Sinne der Arbeitszeitflexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes wurden dabei mehrere Punkte angedacht  : die Anhebung der Höchstarbeitszeitgrenzen auf täglich zwölf Stunden und wöchentlich 60 Stunden sowie die Ausdehnung des Durchrechnungszeitraumes von zwölf auf 24 Wochen  ; die Schaffung der Möglichkeit von Zwölf-Stunden-Schichten durch den Kollektivvertrag, wenn keine arbeitsmedizinischen Bedenken vorliegen  ; die Möglichkeit, per Kollektivvertrag die tägliche Normalarbeitszeit auf bis zu zehn Stunden anzuheben  ; die Einbeziehung der betrieblichen Ebene in die Verhandlungen, wenn die Arbeitgeberseite keine kollektivvertragliche Interessenvertretung aufweist  ; die Flexibilisierung der Gleitzeit durch Anhebung der Normalarbeitszeitgrenze auf zehn Stunden pro Tag  ; die Schaffung der Möglichkeit der Vier-Tage-Woche unter Einbeziehung auch von nicht zusammenhängenden Tagen auf der Basis von Betriebs- oder Einzelvereinbarungen, wenn kein Betriebsrat installiert ist  ; die Ausdehnung des Einarbeitungszeitraumes von regelmäßiger Mehrarbeit von sieben auf 13 Wochen bei einer täglichen Normalarbeitszeit von bis zu zehn Stunden  ; eine Flexibilisierung der Lage der Wochenendruhe im Schichtbetrieb  ; Jahresarbeitszeitmodelle auf Kollektivvertragsbasis  ; die Schaffung von Mehrarbeitszeitzuschlägen für Teilzeitbeschäftigte  ; striktere Maßnahmen bei Verletzungen des Arbeitsrechtes  ; schließlich eine Vereinfachung der geltenden Regelung zum Abbau der Zeitguthaben.659 Die Einigung der Sozialpartner beruhte auf dem WIFO-Weißbuch »Mehr Beschäftigung durch Wachstum auf Basis von Innovation und Qualifikation«. Im Mai 2007 wurde schließlich der Abschluss der mehrjährigen Verhandlungen erreicht. Der Sozialpartnerkompromiss wurde Bartenstein vorgelegt, der ihn umsetzen sollte.660

655 Vgl. Hinterseer 2014  : 151. 656 Hinterseer 2011  : 67  ; Hinterseer 2014  : 149. 657 Vgl. WKO/AK/ÖGB/LKO 2006  : 10  ; Tálos 2008  : 116. 658 Vgl. WKO/AK/ÖGB/LKO 2006  : 10. 659 Vgl. WKO/AK/ÖGB/LKO 2006  : 10f. 660 Vgl. Tálos 2008  : 116.

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Zum Ministerialentwurf der Arbeitszeitgesetznovelle gab es zwei Stellungnahmen. Eine Stellungnahme wurde erstmals gemeinsam661 von der WKO, der BAK, dem ÖGB und der LKO, wie bereits das Sozialpartnerpapier Ende 2006, herausgegeben. Dies zeugt von einer »Re-Vitalisierung«662 des sozialpartnerschaftlichen Einflusses. In der Stellungnahme wurde betont, dass Arbeitszeitflexibilisierung Arbeitsplätze sichere, sie schaffe und es ermögliche, auf höhere Arbeitslagen rascher zu regieren.663 Darin zeigt sich für Tálos ein besonderes Ausmaß der Akkordierung zwischen den Dachverbänden.664 Die vier Fachverbände beurteilten die Arbeitszeitgesetznovelle positiv, während die IV sie eher negativ einschätzte.665 Mit dieser Novelle zum Arbeitszeitgesetz wurde der Spielraum der Arbeitszeitflexibilisierung bei den täglichen und wöchentlichen Normal- und Höchstarbeitszeitgrenzen weiter ausgebaut. Erneut zeigte sich die enge Verbindung von Flexibilisierung und Betriebsvereinbarung bzw. Kollektivvertrag. Hinterseer spricht daher mit Blick auf diese Novelle von einer »abgebremsten« Flexibilisierung.666 Dies korreliert mit der damaligen Auffassung der Arbeitgebervertretung, dass erneut nicht weitreichend genug flexibilisiert worden sei. Die Arbeitszeitgesetznovelle 2007 (BGBl. I 61/2007) sah nachfolgende Änderungen des bestehenden Arbeitszeitrechts vor  : Betriebsvereinbarungen wurden zugelassen, wenn der Kollektivvertrag dies erlaubte bzw. wenn auf Arbeitgeberseite eine kollektivvertragsfähige Körperschaft fehlte. Die tägliche Normalarbeitszeit konnte per Kollektivvertrag auf bis zu zehn Stunden ausgedehnt werden. Betriebsvereinbarungen konnten eine Vier-Tage-Woche bei einer täglichen Normalarbeitszeit von zehn Stunden, Kollektivverträge im Schichtbetrieb tägliche Höchstarbeitszeiten von bis zu zwölf Stunden zulassen. Die tägliche Höchstarbeitszeit konnte auf bis zu zwölf Stunden ausgedehnt werden. Geschaffen wurde auch die Möglichkeit, »in besonderen Fällen« die wöchentliche Höchstarbeitszeit auf 60 Stunden für insgesamt ein halbes Jahr auszudehnen.667 Nunmehr wurde auch die dritte Arbeitszeitgesetznovelle kritisiert. Tálos führt dazu an, dass die Arbeitnehmervertretung dieser Kritik mit dem Argument entgegentrat, so hätte eine weitergehende Aushöhlung der Kollektivverträge vermieden werden können und es sei eine strengere Strafandrohung für die Arbeitgeber erreicht worden.668 Ferner werteten die Gewerkschaften die Schaffung von Mehrarbeitszeit661 Vgl. Hinterseer 2014  : 139. 662 Hinterseer 2014  : 139. 663 Vgl. Sorger 2014  : 79. 664 Vgl. Tálos 2008  : 116. 665 Vgl. Tálos 2008  : 116  ; Sorger 2014  : 78. 666 Hinterseer 2014  : 143. 667 Vgl. BGBl. I 61/2007  ; Hinterseer 2011  : 69  ; Sorger 2014  : 78. 668 Vgl. Tálos 2008  : 116.

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zuschlägen für Teilzeitarbeitskräfte positiv, wobei hier allerdings auch Einschränkungen definiert worden waren.669 Insgesamt wurde so der »Turnaround« zu gesetzlich, kollektivvertraglich oder betrieblich vereinbarten längeren Arbeitszeiten über neue Höchstarbeits- und Durchrechnungszeiträume fortgesetzt. Die Positionierung der Arbeitnehmervertretung war im Gegensatz zur gewerkschaftlichen Betonung erneut nicht einheitlich. Hierbei taten sich mit Abstrichen die AK Oberösterreich und besonders die AK Tirol, aber auch die AK Vorarlberg hervor. Als Kritikpunkte galten die Anhebung der Höchstarbeitszeitgrenzen und die Mehrzuschlagsregelung.670 Ungeachtet dieser Kritik wurde die Novelle von einer geschlossenen Mehrheit wohlwollend aufgenommen und der Öffentlichkeit als Erfolg verkauft.671 Nach 1996 und 2003 kam es 2007 zu einer weiteren Novelle des Öffnungszeitengesetzes. Initiiert wurde sie von Bartenstein. Er hatte Anfang 2007 einen Entwurf zur Begutachtung ausgesandt. Dies sollte zu einer einheitlichen Öffnungszeitenregelung der Bundesländer führen.672 2003 hatten die Landeshauptleute mittels einer Verordnungsermächtigung die Berechtigung erhalten, die Öffnungszeiten bei Bedarf auf 72 Stunden auszudehnen. Diese Möglichkeit wurde den Landeshauptleuten mit der Novelle 2007 wieder genommen. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage hieß es, dass die Ermächtigungen durch die Landeshauptleute nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechend ausgeschöpft worden seien. Dadurch seien der unternehmerische Handlungsspielraum, die Konsumenten in den Einkaufsmöglichkeiten sowie die Arbeitnehmer in den Beschäftigungsmöglichkeiten eingeschränkt worden.673 Generell wurde erneut ein drohender Kaufkraftabfluss ins Ausland befürchtet, wenn nicht eine weitere Änderung der Öffnungszeiten hin zur Verlängerung erreicht würde. Die Regierungsvorlage beinhaltete eine vollständige Ausnutzung des zuvor möglichen Spielraums der Öffnungszeiten. Von Montag bis Freitag sollten Öffnungs-

669 Es gab zwei Einschränkungen des Genusses der Mehrarbeitszeitzuschläge für Teilzeitarbeitskräfte. 1) Mehrarbeitszeitzuschläge wurden nicht fällig, wenn die Mehrarbeitsstunden im Verhältnis 1   :  1 innerhalb eines Kalendervierteljahres (oder eines anders festgelegten dreimonatigen Zeitraumes) in Freizeit abgegolten wurden, 2) ebenso bei Gleitzeit, wenn im Durchschnitt der Gleitzeitperiode die vereinbarte Arbeitszeit nicht überschritten wurde. Zusätzlich zuschlagsfrei waren jene Mehrarbeitsstunden, die sich als Differenz zwischen kollektivvertraglicher und gesetzlicher Normalarbeitszeit ergaben. Ebenso konnte ein anderer Durchrechnungszeitraum oder eine andere Zuschlagshöhe vorgesehen werden. Vgl. BGBl. I 61/2007  : 3f.; Risak 2009  : 310  ; Sorger 2014  : 78f. 670 Vgl. Aktion – Die Vorarlberger Monatszeitung für Arbeit und Konsumentenschutz 5/2007  : 3  ; Sorger 2014  : 80. 671 Vgl. Sorger 2014  : 80. 672 Vgl. Schneller 2008  : 99. 673 ErläutRV 140 BlgNR, XXIII. GP  : 1.

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zeiten von 5 Uhr bis 21 Uhr sowie an Samstagen von 6 Uhr bis 18 Uhr erlaubt sein. Im Weiteren sah die Regierungsvorlage eine Gesamtöffnungszeit von 72 Stunden innerhalb einer Kalenderwoche vor, die nicht überschritten werden durfte.674 Diese Vorgaben wurden mit der Novelle des Öffnungszeitengesetzes per 1. Jänner 2008 umgesetzt. Die Regelungen zur Sonn- und Feiertagsruhe blieben unangetastet. Zusätzlich hatten Landeshauptleute nun nur noch das Recht, die Öffnungszeiten auszudehnen, und nicht mehr, sie zu beschränken.675 7.5.5 Arbeitszeitpolitik nach der Arbeitszeitgesetznovelle 2007 Als 2008 eine globale Wirtschaftskrise ausbrach, hatte diese u. a. Auswirkungen auf die Arbeitszeiten. Arbeitszeitverkürzung wurde wieder als Mittel der Beschäftigungssicherung gesehen676 und erlebte demgemäß eine »unerwartete Renaissance«.677 Angedacht wurden der Überstundenabbau, das Aufbrauchen von angesparten Zeitguthaben sowie die Kurzarbeit.678 In einzelnen Branchen bzw. Betrieben kam es 2010 zu einer Kürzung der wöchentlichen Normalarbeitszeit. Mittels Kollektivvertrag wurde die Arbeitszeit in der Erdöl- und Papierindustrie auf 36 Stunden und im graphischen Gewerbe auf 37 Stunden gesenkt.679 In der Voestalpine war bereits 2005 für einige Arbeiter die 34-Stunden-Woche eingeführt worden. Die Gewerkschaftsseite stellte die Voestalpine als positives Modell dar.680 In den Fokus der Berichterstattung geriet vermehrt die Kurzarbeit. Sie galt als Maßnahme der internen Flexibilisierung und war von Sozialpartnern wie Regierung in Zeiten der Wirtschaftskrise gewünscht.681 Ähnliches hatte es in Österreich bereits Anfang der 1980er Jahre gegeben, als versucht worden war, in Steyr die 35-Stunden-Woche mittels Kurzarbeit zu etablieren.682 Kurzarbeit im Zeichen der Wirtschaftskrise von 2008 war jedoch kein Phänomen, das auf Österreich beschränkt war. Diese Form der Arbeitszeitverkürzung683 wurde u. a. auch in Belgien, Deutschland, 674 RV 140 BlgNR, XXIII. GP  : 1. 675 Vgl. BGBl. I 62/2007  : 1f. 676 Vgl. Flecker/Schönauer/Hermann/Allinger 2010  : 1  ; Sorger 2014  : 65. 677 Hermann Groß/H. Seifert 2010  : 9. 678 Vgl. Hermann Groß/H. Seifert 2010  : 9. 679 Vgl. Sorger 2014  : 207. 680 Vgl. Sorger 2014  : 212f. 681 Vgl. Hinterseer 2014  : 30. 682 Trotz der Praktizierung der Kurzarbeit in Steyr Anfang der 1980er Jahre war Kurzarbeit in Österreich kaum ein Thema. Suschitz führt dies darauf zurück, dass viele gesetzliche Bestimmungen auf Großunternehmen zugeschnitten wurden und teilweise Unternehmen ihre prekäre Lage nicht öffentlich bekannt geben wollten. Vgl. Suschitz 2010  : 25. 683 Die Bezeichnung von Kurzarbeit variiert von Land zu Land. In Österreich und den Niederlanden wird von Kurzarbeit gesprochen, während Belgien und Frankreich sie als temporäre bzw. partielle Ar-

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Dänemark sowie den Niederlanden als Reaktion auf die Krise praktiziert.684 Dabei wurde sie unterschiedlich gehandhabt.685 Die Kurzarbeit686 sollte dazu dienen, Beschäftigung in jenen Branchen zu sichern, die von Einbrüchen in der Auftragslage betroffen waren.687 Zentrale Aufgabengebiete für Kurzarbeit sind die kurzfristige Stabilisierung des Arbeitsmarktes, das flexible Reagieren auf Konjunkturschwankungen und das Vermeiden von Kündigung während des vorübergehenden Arbeitsausfalles.688 Als Vorteile dieser Maßnahme für die Unternehmen wurde gesehen, dass so die Personalkosten reduziert werden konnten, während bei einem Aufschwung die Arbeitnehmer wieder im vollen Umfang zur Verfügung standen, ohne dass es zu Neueinstellungen kommen musste und ein Anlernen neuer Arbeiter notwendig war.689 Zugleich konnten die betrieblichen Strukturen aufrechterhalten werden. Arbeitnehmervorteile lagen im vorübergehenden Erhalt von Beschäftigung und Einkommen, auch wenn die Reduktion der Arbeitsstunden zu realen Einkommenseinbußen führte.690 Zusätzlich bot Kurzarbeit Schutz vor sozialer Ausgrenzung, die im Falle von länger andauernder Arbeitslosigkeit drohen würde.691 Mit dem Anwenden der Kurzarbeit und wegen der wirtschaftlichen Anbindung an Deutschland ging eine rechtliche Änderung der Gesetzeslage einher. Das Beschäftigungsförderungsgesetz 2009 regelte rückwirkend die seit Beginn der Wirtschaftskrise praktizierte Kurzarbeit. Dieses Gesetz sollte gleichermaßen Unternehmen wie auch Arbeitnehmer, deren Arbeitsplätze durch Produktionseinschränkungen sonst bedroht wären, unterstützen.692 In einem zweiten Reformschritt wurden mit dem Arbeitsmarktpaket 2009 die Dauer des Beihilfenbezugs sowie die Kostenübernahme beitslosigkeit und Dänemark als Arbeitsplatzteilung bezeichnen. Vgl. Flecker/Schönauer/Hermann/ Allinger 2010  : 3. 684 Vgl. Flecker/Schönauer/Hermann/Allinger 2010  : 2ff. 685 Zu den Unterschieden zählen nach Flecker, Schönauer, Hermann und Allinger die Einschränkung der Berechtigtengruppe, die Voraussetzung auf betrieblicher Ebene, die Art und das Ausmaß der finanziellen Unterstützung durch die öffentliche Hand sowie Dauer und Zeitrahmen der Inanspruchnahmen. Flecker/Schönauer/Hermann/Allinger 2010  : 3. 686 Herzog-Stein, Lindner, S. Sturn und Treeck haben gezeigt, dass im historischen Vergleich das »Horten von Arbeitskräften in Form der Hinnahme einer geringeren Stundenproduktivität eine wichtige Rolle gespielt und erheblich zur Sicherung von Beschäftigung beigetragen hat.« Als eine solche Maßnahme ist die Kurzarbeit zu verstehen. Herzog-Stein/Lindner/S. Sturn/Treeck 2010  : 5. 687 Sorger 2014  : 65. 688 Vgl. Bock-Schappelwein/Mahringer/Rückert 2011  : 4. 689 Vgl. Herzog-Stein/Lindner/S. Sturn/Treeck 2010  : 3f.; Flecker/Schönauer/Hermann/Allinger 2010  : 2  ; Suschitz 2010  : 31  ; Bock-Schappelwein/Mahringer/Rückert 2011  : 4ff. 690 Flecker/Schönauer/Hermann/Allinger 2010  : 2. 691 Vgl. Flecker/Schönauer/Hermann/Allinger 2010  : 2  ; Suschitz 2010  : 31. 692 Suschitz 2010  : 17.

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ab dem siebten Monat, in dem diese Kurzarbeitsbeihilfe bezogen wurde, modifiziert.693 In der Praxis wurde die Kurzarbeit überwiegend von Produktionsunternehmen, wie z. B. VOEST angewandt.694 Erst mit der Adaptierung der gesetzlichen Rahmenbedingungen kam es zur Praktizierung von Kurzarbeit auch in Kleinunternehmen.695 Ein Anstieg von Förderfällen kann einmal von 2004 auf 2005, als der Bestand an Förderfällen um mehr als 1600 % anwuchs, sowie von 2007 auf 2008, als der Bestand an Förderfällen um 1900 % anstieg,696 beobachtet werden. Im Zeichen der anhaltenden Wirtschaftskrise standen die Herbstlohnrunden 2010. Im Zuge der Verhandlungen kam es erstmals seit längerem zu einem Verzicht auf weitere Flexibilisierungsmaßnahmen durch die Arbeitgebervertretung. Für Sorger ist dieser Verzicht der Arbeitgebervertretung dadurch begründet, dass die flexiblen Einsatzmöglichkeiten der Arbeitnehmer ausreichend seien und infolgedessen eine darüber hinaus gehende Anpassung in größere Flexibilisierung nicht notwendig sei.697 So wurde erstmals seit Ende der 1990er Jahre Arbeitszeitverkürzung politisch diskutiert. Einzelne Gewerkschaften postulierten daraufhin in regelmäßigen Abständen Arbeitszeitverkürzungsforderungen, wenngleich nur minimale Auswirkungen erkennbar sind.698 Seit Beginn der 1980er Jahre war die Gewerkschaft gefangen im Dilemma zwischen Anspruchsdenken und Wirklichkeit. Das Mantra »Die Einführung der 35-­Stunden-Woche steht unmittelbar bevor  !« wurde gebetsmühlenhaft wiederholt, auch wenn es seit Mitte der 1990er Jahre nicht mehr derart offen und dauerhaft kommuniziert wurde. Diese Erwartung war vermutlich am Beginn der öffentlichen 693 Vgl. Suschitz 2010  : 17f. 694 Im Jänner 2009 wurden von der VOEST ca. 10 % der Arbeiter, das entsprach ca. 4200 Mitarbeitern, zur Kurzarbeit angemeldet  ; dabei betraf die Kurzarbeit vornehmlich Beschäftigte der Division Automotive bzw. der Division Stahl. Zahlreiche Unternehmen sollten daraufhin ebenfalls Kurzarbeit einführen. Aber auch in den Jahren vor der Krise war immer wieder Kurzarbeit praktiziert worden, so z. B. in der Klaviermanufaktur Bösendorf oder bei Liebherr. Die Anzahl der Arbeitnehmer in Kurzarbeit stieg von 22.411 in 113 Betrieben im Februar 2009 auf 53.911 in 300 Betrieben im August 2009. Danach trat ein Rückgang der in Kurzarbeit beschäftigten Arbeitnehmer ein, so dass im November 2009 »nur noch« 35.904 Arbeitnehmer in 294 Betrieben von dieser betroffen waren. Vgl. Suschitz 2010  : 25ff. 695 Vgl. Suschitz 2010  : 26. 696 Suschitz hält überdies fest, dass es 1975 zu einem größeren Beschäftigungseinbruch gekommen war und mehr als 21.000 Personen in Kurzarbeit beschäftigt waren. Die nächste größere Inanspruchnahme von Kurzarbeitsbeihilfe war 1998 erfolgt, als Überflutungen in Ober- und Niederösterreich dies notwendig machten. Schließlich kam es nach den Terroranschlägen 2001 im Bereich des Tourismus zur vermehrten Inanspruchnahme der Kurzarbeitsbeihilfe. Vgl. Suschitz 2010  : 26f. 697 Vgl. Sorger 2014  : 82f. 698 Vgl. Sorger 2014  : 83f.

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Bekundung in den 1980er Jahren noch zulässig, als ansatzweise in Europa probiert wurde, die Wochenarbeitszeiten deutlich zu reduzieren. Mit dem Voranschreiten der Zeit, dem Aufbrechen der einheitlichen europäischen Arbeitszeitverkürzungstendenzen und dem Aufkommen der Arbeitszeitflexibilisierung in all seinen Spielarten verlor die Forderung nach Einführung der 35-Stunden-Woche jedoch zunehmend an Zugkraft. Die innere Spaltung der Gewerkschaft zu dieser Frage trug ihr Übriges dazu bei, dass die Lücke zwischen Wunsch und Realität immer stärker auseinanderklaffte. Dies bewirkte, dass innerhalb der Gewerkschaft ein Anpassungsprozess stattfinden musste.699 Festmachen lässt er sich an der allmählichen Hinnahme der arbeitszeitpolitischen Realität, der Nichterfüllung der 35-Stunden-Woche sowie der Vielfalt an Arbeitszeitmodellen.700 Offen zu Tage trat dies beim ÖGB-Kongress 2009. Dadurch schaffte es die Gewerkschaft, ihr Programm an die tatsächliche gewerkschaftliche Arbeitszeitpolitik anzupassen.701 Dies kann als bewusster Schritt interpretiert werden. Damit war es gelungen, die Diskussion breiter zu streuen.702 Sorger zufolge deutet zudem nichts daraufhin, dass es im Vorfeld dieses Aufbrechens der Arbeitszeitverkürzungsforderung zu größeren gewerkschaftsinternen Gesprächen gekommen wäre.703 Vielmehr lässt sich anführen, dass das langfristige Nichterfüllen der 35-Stunden-Woche als Argument diente, die Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung nun allgemeiner zu halten.704 In der Tradition der Beschäftigungspolitik wurde Arbeitszeitverkürzung von der Gewerkschaft weiterhin als »wichtiger Faktor«705 bezeichnet. Auch standen weiter­ hin sozialpolitische und gesundheitspolitische Motive im Vordergrund, wenn es darum ging, Arbeitszeitverkürzung zu begründen.706 Mit dem Wegfall der programmatischen Forderung nach der 35-Stunden-Woche rückten die Regelung der Über- und Mehrstunden sowie die Ausweitung der sechsten Urlaubswoche stärker in den Fokus der gewerkschaftlichen Arbeitszeitpolitik.707 Indem diese konkrete Zielformulierung aufgegeben wurde, begann sich der ÖGB von den selbstauferlegten Fesseln eines »größeren« Verkürzungsschrittes zu lösen. Mit einer eher allgemeinen Formulierung der Zielvorstellung in der Zukunft konnten nun kleinere Etappen zu einer verkürzten Arbeitszeit als Erfolg gedeutet werden. Dies war in der Vergan699 Vgl. Sorger 2014  : 184. 700 Sorger 2014  : 243. 701 Vgl. Sorger 2014  : 253. 702 Vgl. Sorger 2014  : 214. 703 Vgl. Sorger 2014  : 214. 704 Vgl. Sorger 2014  : 214. 705 ÖGB 2009  : 24. 706 Vgl. Sorger 2014  : 81  ; ÖGB 2009  : 25  ; ÖGB 2013  : 17ff. 707 Vgl. ÖGB 2009  : 24ff.; ÖGB 2013  : 17 und 21.

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genheit nicht der Fall, da die Verkürzung in den 1980er Jahren das fixierte Ziel der 35-Stunden-Woche nicht erreicht hatte und so klar hinter den geweckten Erwartungen zurückgeblieben war. 7.5.6 Arbeitszeitdebatten bis zur Umsetzung der vierten Arbeitszeitgesetznovelle 2018 Aus gewerkschaftlicher Sicht stellte der ÖGB-Kongress 2009 einen Wendpunkt dar, insofern nun die Forderung nach der 35-Stunden-Woche aufgegeben wurde. Zwar blieb die Arbeitszeitreduktion weiterhin wichtig, sie spielte im »Konzert« der arbeitszeitpolitischen Gestaltungsmöglichkeiten allerdings eine geringere Rolle als in der Vergangenheit. Während sich also die gewerkschaftliche Position veränderte, lässt sich dies für die Seite der Befürworter einer Flexibilisierung der Arbeitszeiten nicht erkennen. So zeigte sich bereits in den Diskussionen um die Arbeitszeitflexibilisierung von 2007, dass der Wirtschaft und ihren Vertretern manche der ergriffenen Maßnahmen nicht weit genug gingen. Dies führte dazu, dass sich – wie nach den Novellen der 1990er Jahre – auf Seiten der Arbeitszeitflexibilisierungsbefürworter Enttäuschung über das aus ihrer Sicht »schlechte« Verhandlungsergebnis breitmachte. Sukzessive versuchten sie in den darauf folgenden Jahren, ihrer Position Gehör zu verschaffen, wenn auch vordergründig Berufsgruppen und deren Arbeitszeit(en) in den Fokus rücken sollten, die mehrheitlich anderen Arbeitszeitregimen angehörten. Heftig wurde über die Arbeitszeit von Ärzten sowie jene der Lehrer debattiert. Bei Ersteren ging es vornehmlich um überlange Arbeitszeiten, bei Letzteren darum, dass Lehrer zu kurze Arbeitszeiten und überdies durch Ferien sowieso zu viel frei hätten  ; dabei wurden jedoch gerne die Vor- und Nacharbeitszeiten ausgeklammert, so dass die Lehrerarbeitszeit auf die Anwesenheitszeit im Unterricht reduziert wurde. Neben diesen beiden Diskussionssträngen gab es durchaus immer wieder vereinzelte Vorstöße, die die 30- bzw. 35-Stunden-Woche zum Thema hatten. Die 30-Stunden-Woche wurde u. a. im Frauen*Volksbegehren gefordert, das von 1. bis 8. Oktober 2018 stattfand. Grundsätzlich ist die Durchsetzung der arbeitszeitpolitischen Ansichten – verkürzen, verlängern oder flexibilisieren – Ausdruck der Machtsymmetrie,708 deren Symmetrieachse sich durch die türkis-blaue Regierung wieder mehr in Richtung Arbeitszeitflexibilisierung und -verlängerung verschoben hat, wodurch Verkürzungsbestrebungen wie jene des Frauen*Volksbegehrens zurückgedrängt werden. Zu den Aspekten, die die Arbeitszeitdiskussion seit 2009 verstärkt geprägt haben, zählt sicherlich auch das Gesundheitsargument. Ihm zufolge sei aus Sicht der Gesundheit die effektive Arbeitszeit zu verringern, um Arbeitsunfälle sowie beruf708 Huemer/Bock-Schappelwein/Famira-Mühlberger/H. Lutz/Mayrhuber (2017)  : 21.

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liche Erkrankungen zu verringern. Dazu müssten die Normalarbeitszeiten sowie die Mehr- und Überstunden reduziert werden.709 Argumentativ unterscheidet sich das nicht so sehr von den Debatten, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in der Zweiten Republik geführt wurden. Dennoch sollte dieses Argument rund um die Arbeitszeitgesetznovelle 2018 zentral werden. Das zweite prägende Element in den Diskussionen von 2018, die Hin- und Rückfahrtzeiten von Pendler, spielte allerdings in den Beiträgen davor kaum eine Rolle. Die Pendlerthematik beruhte dabei auf der Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die wiederum in den Argumenten zur Arbeitszeitpolitik nicht wegzudenken ist. Als problematisch am Pendeln wurde die Möglichkeit zur »Selbstausbeutung« in Zeiten der Digitalisierung gesehen.710 Auffallend in den Debatten seit 2009 ist jener Punkt, der die »mangelnde Flexibilität« der Unternehmer anspricht. Gemeint ist deren Unbeweglichkeit, wenn es darum gehe, Flexibilität im Interesse der Arbeitnehmer und nicht im Sinne der Betriebe zu erreichen.711 Im Sinne dieser Flexibilität würde die Arbeitgeberseite im Jahrestakt »Arbeiten, wenn Arbeit da ist« fordern.712 Für Buxbaum und Dunst erfährt dabei der Begriff »Flexibilität« eine negative Konnotierung, so dass er zum ausschließlichen Synonym für einseitige Veränderungen und Verlängerungen der Arbeitszeiten wird.713 In weiterer Folge führe diese Argumentationskette dazu, dass Schutzbestimmungen grundsätzlich hinterfragt würden und die Solidarität mit den Unternehmern bei den Arbeitnehmern immer mehr zunehme.714 Derartige Aspekte waren in der Vergangenheit nicht angesprochen worden. Im Regierungsprogramm von 2008 war die Thematik Arbeitszeitpolitik – auch aufgrund der Nähe zur Arbeitszeitgesetznovelle 2007 – ausgespart worden. Doch bereits im nächsten Regierungsprogramm von 2013 fand sich die Arbeitszeitpolitik wieder. Sie sollte dabei in einer Weise gehandhabt werden, die es erlaubt, Beruf und Familie besser zu vereinen und eine moderne, faire und ausgleichende Arbeitswelt zu errichten.715 Neben anderen Forderungen wurde als Ziel die Anhebung der Höchstarbeitszeitgrenzen formuliert. Im Bereich der Gleitzeit wurde die tägliche Höchstarbeitszeit von zwölf Stunden unter Einhaltung der Wochenhöchstarbeitszeit als Ziel festgehalten, und gleichzeitig sollte die Anhebung der täglichen Höchstarbeitszeitgrenze einen Ausgleich mittels größerer Freizeitblöcke ermöglichen.716 Am 11. November 2015 wiederum brachte die Partei NEOS einen Entschließungsantrag 709 Vgl. Schleinbach (2011)  : 14. 710 Vgl. Der Standard, 18. September 2018  : 16. 711 Vgl. Schleinbach (2011)  : 15. 712 Vgl. Buxbaum/Dunst (2013)  : 14. 713 Buxbaum/Dunst (2013)  : 14. 714 Vgl. Buxbaum/Dunst (2013)  : 14. 715 Vgl. Bundesregierung Österreich (2013)  : 12. 716 Vgl. Bundesregierung Österreich (2013)  : 12.

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im Parlament ein, der den Zwölfstundentag sowie die Ausdehnung des Durchrechnungszeitraums für Überstunden auf ein Jahr vorsah.717 Der Antrag wurde letztlich abgelehnt. Anfang Mai 2016 erklärte Werner Faymann (Bundeskanzler, SPÖ) seinen Rücktritt. Wenig später wurde sein Nachfolger Christian Kern (Bundeskanzler, SPÖ) angelobt. Im Herbst 2016 gab es von Seiten der Wirtschaftskammer einen erneuten Vorstoß in Richtung der Umsetzung flexibler Arbeitszeiten. So heißt es in dem diese Kampagne begleitenden 25-sekündigen Radiospot  : Warum  ? Warum darf ich meine Arbeit nicht dann erledigen, wenn sie anfällt  ? Warum darf ich nicht länger arbeiten, wenn mehr zu tun ist, und dafür früher heimgehen, wenn weniger zu tun ist  ? Und warum muss ich all das im Jahr 2016 überhaupt noch fragen  ? Es ist höchste Zeit für flexible Arbeitszeiten. Flexible Arbeit ist auch flexible Freizeit. Die Wirtschaftskammer.718

Insgesamt war die Phase der großen Koalition von zahlreichen Krisen geprägt, so dass sie 2017 aufgekündigt und vorzeitige Neuwahlen angekündigt wurden. Der amtierende Bundeskanzler Kern zog dabei mit seinem mehr als 200-seitigen Plan A in den Wahlkampf. Unter der Überschrift »Flexibilität ist keine Einbahnstraße« wurden die Pläne der Arbeitszeitpolitik beschrieben. Der generelle Zwölfstundentag wurde in diesem Plan als Rückschritt ins 18. Jahrhundert bezeichnet.719 Grundsätzlich zeigte sich Kern – und damit die SPÖ – einer Arbeitszeitflexibilisierung gegenüber nicht abgeneigt. Allerdings sollte eine solche für mehr Gestaltungsspielraum der Arbeitnehmer sorgen und es diesen ermöglichen, ihre Arbeitszeit nach ihren ganz persönlichen Bedürfnissen und Wünschen zu gestalten.720 Kerns Vorschlag mit Blick auf den Zwölfstundentag im Bereich der Gleitzeit sah als Ausgleich längere, zusammenhängende Freizeitblöcke unter Beibehaltung der Überstundenzuschläge vor.721 Eine allgemeine Einführung eines zwölfstündigen Arbeitstages konnte er sich hingegen nicht vorstellen.722 Darüber hinaus sollten die Arbeitnehmer zusätzliche Rechte erhalten. Darunter wurde das Recht auf die Änderung des Arbeitszeitausmaßes verstanden, um Beruf und Familie besser vereinbaren zu können.723 Zusätzlich sollte in einer allfälligen Novelle des Arbeitszeitgesetzes ein grundsätzlicher An-

717 Vgl. Schellhorn, Josef  : Sten. Prot. NR, XXV. GP, 100.  Sitzung  : 170. 718 Transkription eines im Herbst 2016 von der Wirtschaftskammer geschalteten Radiospots, der von einer Frau verlesen wird. 719 Vgl. Kern (2017)  : 34. 720 Kern (2017)  : 34. 721 Vgl. Kern (2017)  : 34. 722 Vgl. Kern (2017)  : 34. 723 Vgl. Kern (2017)  : 34.

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spruch auf Nichterreichbarkeit festgeschrieben werden, um den Arbeitnehmern eine ungestörte Freizeit zu ermöglichen.724 Das Maßnahmenpaket von Kern für seinen Wahlkampf 2017 stand unter dem Eindruck der Sozialpartnerverhandlungen zu einer weitergehenden Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes. 2017 stand insgesamt unter dem Zeichen dieser Verhandlungen, die ganz im Sinne des Regierungsübereinkommens zwischen ÖVP und SPÖ geführt wurden und im Frühjahr 2017 begannen. Josef Schellhorn (NEOS) äußerte sich im April 2017 im Nationalrat zu diesen Verhandlungen. Seiner Ansicht nach brachten die Sozialpartner höchsten einen Kaffeetermin zustande, aber sicher kein Programm zur Arbeitszeitflexibilisierung.725 Erneut stellten die NEOS einen Entschließungsantrag zur Gleichberechtigung von Männern und Frauen, in dem sie die 40-Stunden-Woche als »frauenfeindlich« kritisierten.726 Auch dieser Antrag wurde abgelehnt. Im Juli 2017 schrieb Bernhard Achitz (Leitender Sekretär des ÖGB) den A ­ rtikel »Flexibilisierung gescheitert, Sozialpartnerschaft lebt« in Arbeit und Wirtschaft. Darin umriss er zunächst die Gestaltungsmöglichkeiten seit der Novelle von 1997 hinsichtlich der Durchrechnungszeiträume. Aus gewerkschaftlicher Sicht sei es richtig, dass die Ausgestaltung flexibler Spielregeln weiterhin auf Kollektivvertragsebene liege.727 Achitz argumentierte, dass die gewünschte Flexibilität der Arbeitgeber jedoch zu einer Einbahnstraße für die Arbeitnehmer zu drohen werde. So werde von Unternehmerseite die Ausweitung der Durchrechnungszeiträume auf mehrere Jahre gefordert, womit die Überstundenauszahlung erst nach Ablauf dieser Zeiträume, also nach mehreren Jahren, fällig wäre.728 Zudem sollte diese Regelung, die unter dem Stichwort »10/12/60/2«729 formuliert wurde, unter Ausschaltung von Kollektiv­ verträgen erfolgen730 – laut Achitz war diese Forderung von Wirtschaftsseite ­»unverschämt«.731 Die Verhandlungen der Sozialpartner sollten angesichts dessen innerhalb einer von der Regierung gesetzten Frist erfolgen und zu einer Umsetzung führen. Erschwert würden sie jedoch von der Verknüpfung der Thematik Arbeitszeit mit jener des Mindestlohns. Achitz betonte, dass die Wirtschaftsseite beide Anliegen miteinander verknüpfen, die Gewerkschaft sie hingegen getrennt behan-

724 Vgl. Kern (2017)  : 34. 725 Schellhorn, Josef  : Sten. Prot. NR, XXV. GP, 175.  Sitzung  : 203. 726 Entschließungsantrag  : Sten. Prot. NR, XXV. GP, 188.  Sitzung  : 377. 727 Vgl. Achitz (2017)  : 9. 728 Vgl. Achitz (2017)  : 10. 729 Die Forderung »10/12/60/2« bezieht sich auf die täglichen Höchstarbeitszeitgrenzen von zehn und zwölf Stunden bei einer Wochenarbeitszeit von 60 Stunden über einen Durchrechnungszeitraum von zwei Jahren. 730 Vgl. Achitz (2017)  : 10. 731 Achitz (2017)  : 10.

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deln ­wolle.732 Wie bereits seit dem Aufkommen der Arbeitszeitflexibilisierung wurde ein Abtausch angestrebt. Um die Arbeitszeitflexibilisierung hinsichtlich eines Zwölfstundentages bei Gleitzeit zu ermöglichen, strebte die Gewerkschaft als Gegengeschäft die sechste Urlaubswoche für jeden ab dem 43. Lebensjahr an.733 Ein derartiges Gegengeschäft zur Arbeitszeitflexibilisierung wurde von den Arbeitgebern abgelehnt. Dies führte dazu, dass die Frist durch die Sozialpartner nicht eingehalten werden konnte.734 Im Juni 2018 war der Aufschrei groß, Abb.  32  : #SOZIFACT als die türkis-blaue Regierung ihren Quelle  : SPÖ. Initiativantrag zum Zwölfstundentag einbrachte und verkündete, dass sie von der Umsetzung der Initiative ausgehe und deren Verwirklichung bis 1. Jänner 2019 anstrebe. Bereits Anfang März hatte die SPÖ auf Twitter Stimmung gegen die 60-Stunden-Woche respektive den Zwölfstundentag gemacht. Auf ihrem offiziellen Twitterkanal erinnerte sie mittels einer Graphik nochmals an das Volksbegehren von 1969 sowie die Reduktionen in den 1980er Jahren. Der auf die Ankündigung erfolgte Aufschrei von Presse, Arbeiterkammer, ÖGB und SPÖ, angeführt vom ehemaligen Bundeskanzler Christian Kern, konnte – wie bereits die Sommerdebatte von 2004 – den Eindruck erwecken, dass von jetzt auf gleich etwas absolut Neues und Unvorhergesehenes eintreten würde, hier die Ausdehnung der täglichen Höchstarbeitszeitgrenze auf zwölf Stunden und der damit verbundene Wegfall von Überstundenzahlungen. Tritt man allerdings einen Schritt zur Seite und betrachtet die Arbeitszeitdebatte seit den ersten beiden Novellen in den 1990er Jahren, so kann diese Sichtweise nicht aufrechterhalten werden – zumal die vorangegangenen drei Novellen davon gekennzeichnet waren, dass die täglichen bzw. wöchentlichen Arbeitszeitgrenzen über die Verlängerung von Durchrechnungszeiträumen zugunsten einer viertägigen Arbeitswoche bei Beibehaltung der 40-Stunden-Woche ausgedehnt wurden. Unter anderem war der Zwölfstundentag bereits in den Verhandlungen zur dritten Arbeitszeitgesetznovelle sowie in der Sommerdebatte 2004 ein Verhandlungsziel 732 Vgl. Achitz (2017)  : 10. 733 Vgl. Achitz (2017)  : 11. 734 Vgl. Achitz (2017)  : 11.

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der Wirtschaftskammer gewesen. Letztlich war im Zuge der Novelle von 2007 eine Einigung bezüglich des Zehnstundentages erzielt worden, aber auch der in den Debatten von 2018 omnipräsente Zwölfstundentag war ansatzweise bereits vereinbart worden. Beschränkt war er allerdings auf den Schichtbetrieb, und eine Regelung sollte mittels Kollektivverträgen erfolgen. Dementsprechend »neu« war also die im Juni 2018 erhobene Forderung der Umsetzung des Zwölfstundentages. Allerdings gilt auch in der Arbeitszeitdebatte  : »Aus den Augen, aus dem Sinn«, so dass diese Forderung nach der Umsetzung der Arbeitszeitgesetznovelle 2007 verdrängt werden konnte. Im gleichen Maße wie die Forderung »neu« zu sein schien, war sie für außenstehende Betrachter unvorhergesehen zu dem bestimmenden tagespolitischen Thema geworden. Die Unvorhersehbarkeit dieses Anliegens hätte die Öffentlichkeit im Grunde aber nicht derart überraschen dürfen, da sowohl der Plan A von Christian Kern während seiner Bundeskanzlerschaft als auch das Regierungsprogramm von ÖVP und FPÖ735 sowie die seit 2017 laufenden Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern bezüglich weiterführender Arbeitszeitflexibilisierung diesen Zwölfstundentag vorsahen. Da aber auch gilt »Was interessiert mich das Geschwätz von gestern  ?« und die Verhandlungen bis Juni 2018 ergebnislos blieben und medial nicht derart breit getreten wurden, gelang der türkis-blauen Regierung der »Überraschungscoup« mit der Ankündigung der Umsetzung des Zwölfstundentages ohne Einbindung der Sozialpartner. Der prominente Soziologe Jörg Flecker sah in diesem »Überraschungscoup« und der Novelle des Arbeitszeitgesetzes keinerlei Notwendigkeit, wie er in einer Pressekonferenz verkündete.736 Im Leitartikel der Salzburger Nachrichten vom 15. Juni 2018 bezeichnete Andreas Koller den Zwölfstundentag als geeignete »Propagandawaffe« gegen die angebliche neoliberale Kälte der neuen Regierung.737 Dies begründete er damit, dass nicht geplant sei, dass jedermann regelmäßig seine tägliche Arbeitszeit um vier Stunden erhöht.738 Ferner erinnerte Koller indirekt an den Plan A von Christian Kern und die gewerkschaftlichen Verhandlungen zu einem Zwölfstundentag.739 Grundsätzlich also zeigten sich die Salzburger Nachrichten nicht ganz so überrascht von dieser Einigung wie andere österreichische Printmedien. Am 14. Juni 2018 konnte die türkis-blaue Regierung ihren »Überraschungscoup« verkünden und die Neuregelung der Arbeitszeit bekannt geben. Dreißig Minuten vor der Einreichung des Antrags im Nationalrat wurde dieser der Opposition übermittelt.740 Für Matthias Strolz

735 ÖVP/FPÖ 2017  : 139. 736 Vgl. Wiener Zeitung, 28. Juni 2018  : 13. 737 Salzburger Nachrichten, 15. Juni 2018  : 1. 738 Vgl. Salzburger Nachrichten, 15. Juni 2018  : 1. 739 Vgl. Salzburger Nachrichten, 15. Juni 2018  : 1. 740 Vgl. Falter 28/18  : 12.

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(NEOS) war dieser Initiativantrag der Regierung nicht mehr oder weniger als ein »Husch-Pfusch-Gesetz«741. Aus Sicht von Der Standard, Kurier und Die Presse war die Bekanntgabe nicht zufällig am 14. Juni erfolgt, da dies nur wenige Stunden nach der Wahl des neuen ÖGB-Präsidenten Wolfgang Katzian geschah.742 Der Einschätzung des Kuriers entsprach diese Initiative einer »schaumgebremsten«743 Version des Zwölfstundentages. Als »Bremsklotz« sollte die FPÖ gewirkt haben. Dies habe den »weitergehenden Wünschen der ÖVP«744 entgegengewirkt. Für Katzian kam diese Bekanntgabe nicht unerwartet, wie er in einem Interview mit dem Kurier anmerkte. So erklärte er  : Die Regierung war natürlich ein bisserl feig, weil sie gewartet hat, bis der ÖGB-Kongress vorbei ist, um die Einigung dann fünf Minuten später bekannt zu geben. Wahrscheinlich haben sie schon die Hosen voll gehabt, dass wir gleich beim ÖGB-Kongress was unternehmen könnten. Überrascht hat uns das nicht wirklich. Es wurden ja auch vor der ÖGB-Zentrale Plakate aufgehängt, dass der Zwölfstundentag ein Märchen sei.745

Die Ankündigung erfolgte mittels des Initiativantrages.746 In Kraft treten sollte die Arbeitszeitgesetznovelle am 1. Jänner 2019. Im Wesentlichen umfasste dieser Initiativantrag folgende Veränderung  :747 Die Zulässigkeit des Zwölfstundentages an fünf Tagen die Woche, die durchschnittliche 48-Stunden-Woche in einem Durchrechnungszeitraum von 17 Wochen, der Zwölfstundentag bei Gleitzeit, die Ablehnung von Überstunden aus überwiegend persönlichen Interessen, wenn die Tagesarbeitszeit über zehn Stunden und die Wochenarbeitszeit über 50 Stunden liegt, die Vergütung der Überstunden (elfte und zwölfte Stunde) mit den gesetzlichen Überstundenzuschlägen, sofern der Kollektivvertrag keine besseren Regelungen vorsieht, die Verkürzung der Ruhezeit im Tourismus von elf auf maximal acht Stunden für alle Betriebe mit geteilten Diensten, die Übertragungsmöglichkeit von Zeitguthaben und Zeitschulden in den jeweils nächsten Durchrechnungszeitraum durch den Kollektivvertrag sowie die Möglichkeit zur Ausnahme von der Wochenend- und Feiertagsruhe durch Betriebs- oder Einzelvereinbarungen an maximal vier Tagen pro Jahr. Zudem erfolgte eine Ausweitung des Ausnahmenkatalogs. Die Ausnahmen 741 Wiener Zeitung, 21. Juni 2018  : 11. 742 Vgl. Der Standard, 15. Juni 2018  : 7  ; Die Presse, 15. Juni 2018  : 1  ; Kurier, 15. Juni 2018  : 2. 743 Kurier, 15. Juni 2018  : 2. 744 Kurier, 15. Juni 2018  : 2. 745 Kurier, 17. Juni 2018  : 2. 746 Dabei handelt sich um IA 303/A BlgNR, XXVI. GP von Peter Haubner (ÖVP) und Ing. Wolfgang Klinger (FPÖ). Neben dem Arbeitszeitgesetz umfasste dieser Initiativantrag das Arbeitsruhegesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz. 747 Vgl. IA 303/A BlgNR, XXVI. GP  : 1f.

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würden nach diesem Antrag nun nicht mehr nur für leitende Angestellte gelten, sondern auch für »sonstige Personen mit selbstständiger Entscheidungsbefugnis«, aber auch für »Arbeitskräfte, die Familienangehörige« sind.748 Als Familienangehörige definiert dieser Antrag Eltern, Kinder, Ehegatten und eingetragene Partner, die im gemeinsamen Haushalten leben und Lebensgefährten, die seit mindestens drei Jahren im gemeinsamen Haushalt leben.749 Begründet wurde diese Novelle im Initiativantrag mit der Anpassung an die betriebliche Auftragslage, mit der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie der Schaffung von Arbeitszeitmodellen, die die Vier-Tage-Woche begünstigen.750 Gleichzeitig betonten die Klubobleute der Regierungsparteien, dass diese geplanten Maßnahmen einem Sozialpartnerpapier von 2017 entsprechen würden, welches aber nicht umgesetzt worden sei.751 Nach Kenntnis der Wiener Zeitung waren in diesem Papier deutliche Erleichterungen für den Zwölfstundentag enthalten.752 Der Kurier wiederum ortete im Ablehnungsrecht der Arbeitnehmer einen gewissen Placeboeffekt,753 wohingegen in den Salzburger Nachrichten dies als stumpfes Instrument für die Arbeitnehmer bezeichnet wurde, das als »Spaltpilz in der Belegschaft«754 taugen würde. Für August Wöginger (ÖVP) ermöglichte dieser Antrag die Schaffung einer »Win-win-Situation«.755 Sein Konterpart Walter Rosenkranz (FPÖ) hob zudem die Pendlerfreundlichkeit dieser Novelle hervor, indem er betonte, dass Pendler nun an vier Tagen einen Zwölfstundentag praktizieren könnten und dafür einen zusätzlich Tag frei hätten, wenngleich er sich bewusst sei, dass es zu Protesten der Gewerkschaft aus praktischen Gründen kommen werde.756 Aus Sicht des neu gewählten Gewerkschaftspräsidenten Katzian stellte insbesondere die Möglichkeit der Ablehnung der elften und zwölften Arbeitsstunde einen Fake dar, wie er in einem ZiB-2-Interview betonte.757 Dies bekräftigte er in einem Interview mit Die Presse am 29. Juni 2018 erneut.758 Am 15. Juni 2018 beschloss der ÖGB bereits in einer Krisensitzung eine »Aufklärungskampagne« zu starten.759

748 Vgl. IA 303/A BlgNR, XXVI. GP  : 4. 749 IA 303/A BlgNR, XXVI. GP  : 5. 750 Vgl. IA 303/A BlgNR, XXVI. GP  : 4f. 751 Vgl. Der Standard, 15. Juni 2018  : 7  ; Die Presse, 15. Juni 2018  ; Wiener Zeitung, 15. Juni 2018  : 10  ; Wiener Zeitung, 16./17. Juni 2018  : 9. 752 Vgl. Wiener Zeitung, 16./17. Juni 2018  : 9. 753 Kurier, 15. Juni 2018  : 2. 754 Salzburger Nachrichten, 16. Juni 2018  : 1. 755 Vgl. Der Standard, 15. Juni 2018  : 7. 756 Vgl. Der Standard, 15. Juni 2018  : 7. 757 Vgl. Der Standard, 15. Juni 2018  : 7. 758 Vgl. Die Presse, 29. Juni 2018  : 6. 759 Vgl. Kurier, 16. Juni 2018  : 2.

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Besonders dieses Ablehnungsrecht sorgte für Irritation. Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) führte aus, dass ein einfaches »Ich will nicht« als Begründung für die Ablehnung760 nicht ausreichen werde. Dieser Ansicht widersprach Vizekanzler Strache in einem Interview mit der ZiB 2.761 Rosenkranz und Strache pochten schließlich darauf, dass es sich um Freiwilligkeit handle. Dem Druck des Regierungspartners musste sich zuletzt die ÖVP beugen.762 Innerhalb der ÖVP wurde diese »Freiwilligkeit« der Leistung der elften und zwölften Arbeitsstunde kritisch betrachtet. Und so mehrten sich auch die kritischen Stimmen, die bereits ein Katzbuckeln vor den eigentlichen Protesten zu diesem Gesetz befürchteten.763 Für die ehemalige Ministerin Andrea Kdolsky (ÖVP) bedeutete dieses Gesetz einen »Kniefall vor der Industrie«.764 Sie schloss sich auch der Kritik an der Art der Einbringung des Gesetzes an. Damit kritisierte sie das demokratiepolitische Verständnis der türkis-blauen Regierung.765 Die Bischofskonferenz wiederum sah in diesem Gesetz »eine Geringschätzung des Familienlebens.«766 In der Folge sollte sich nach Ulrike Famira-Mühlberger zeigen, dass die Auseinandersetzungen »in der Hitze des Gefechts die Sphäre der Vernunft verlassen«767 hätten. Generell würden, so hieß es im Kurier, für die Regierung und die Wirtschaftsvertreter mit dieser Arbeitszeitgesetznovelle »neue, glorreiche Zeiten«768 anbrechen. Wird ein Gesetzesvorschlag im Nationalrat eingebracht, so erfolgt üblicherweise davor ein Begutachtungsverfahren. Es besteht allerdings auch die Möglichkeit, dass das Gesetz eingebracht wird und ein Ausschuss die Einholung von Stellungnahmen beschließen kann.769 Versuche in der Vergangenheit, das Arbeitszeitgesetz zu novellieren, wurden durchaus von Begutachtungsverfahren begleitet. Mit dieser Vorgangsweise brach die Regierung Kurz im Juni 2018, als sie die Novellierung ohne ein solches Verfahren plante.770 Kritik daran übten sowohl die Opposition als auch die Verfassungsgerichtshofpräsidentin Brigitte Bierlein.771 Der Abgeordnete Josef Muchitsch (SPÖ) versuchte noch, die Parlamentarier von FPÖ und ÖVP per Mail

760 Vgl. Die Presse, 22. Juni 2018  : 6  ; Kurier, 22. Juni 2018  : 4. 761 Vgl. Die Presse, 22. Juni 2018  : 6. 762 Vgl. Kurier, 22. Juni 2018  : 4. 763 Vgl. Kurier, 22. Juni 2018  : 4. 764 Kurier, 26. Juni 2018  : 2. 765 Vgl. Kurier, 26. Juni 2018  : 2. 766 Vgl. Der Standard, 19. Juni 2018  : 1  ; Die Presse, 29. Juni 2018  : 6  ; Wiener Zeitung, 29. Juni 2018  : 10. 767 Falter 26/18  : 6. 768 Kurier, 16. Juni 2018  : 2. 769 Vgl. https://www.parlament.gv.at/PERK/BET/MESN/ [Datum des letzten Zugriffs  : 06.09.2018]. 770 Vgl. Der Standard, 15. Juni 2018  : 7  ; Salzburger Nachrichten, 15. Juni 2018  : 1. 771 Vgl. Der Standard, 16./17. Juni 2018  : 1  ; Salzburger Nachrichten, 16. Juni 2018  : 3.

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von der Begutachtung zu überzeugen, scheiterte jedoch.772 Damit wurden Begutachtungen sowohl durch die Arbeitgeber- als auch durch die Arbeitnehmervertretungen ausgeschlossen. Letztlich informierte Vizekanzler Strache die Öffentlichkeit in einem Interview in der ZiB 2, dass Sozialministerin Hartinger-Klein den Gesetzesvorschlag nicht gelesen habe.773 In Summe kann diese Entwicklung durchaus als Fortsetzung der Zusammenarbeit zwischen der ÖVP und der FPÖ gesehen werden, denn bereits Anfang des 21. Jahrhunderts zeigte die schwarz-blaue Regierung Schüssel große Bereitschaft, Regierungsinitiativen ohne Beteiligung der Sozialpartnerschaft, insbesondere des ÖGB, umzusetzen. Insofern war die Handlungsweise der türkis-blauen Regierung Kurz durchaus konsequent. Und auch die Ausrichtung der Arbeitszeitpolitik scheint wie bereits unter Schüssel ganz auf die Trias Arbeitszeitflexibilisierung, Arbeitszeitverlängerung und Verlängerung der Ladenöffnungszeiten ausgerichtet zu sein, wurden doch bereits im Umfeld der Novellierung des Arbeitszeitgesetzes Stimmen, in erster Linie vom REWE-Konzern, laut, die eine Verlängerung der Ladenöffnungszeiten verlangten. Eine Verlängerung wurde auch jenseits des REWE-Konzerns aus zweierlei Gründen gefordert  : Dem Wunsch der Konsumenten nach längeren Öffnungszeiten sollte nachgekommen werden, und weiters sollte damit dem Onlinehandel getrotzt werden.774 Gänzlich ohne »Begutachtung« sollte das Gesetz dann aber nicht bleiben, auch wenn die einzelnen Stellungnahmen meist ohne Wirkung blieben. Im Laufe der Diskussionen wurde bekannt, dass die ÖVP und FPÖ durchaus Stellungnahmen zum Gesetz gesammelt hatten.775 Die Opposition blieb nicht untätig und sammelte ihrerseits. Diese externen, kritischen Stellungnahmen wurden online auf der Seite der SPÖ veröffentlicht. Unter ihnen waren auch Stimmen der türkisen, ehemals schwarzen Parteiseite. Zu den prominenten schwarzen Kritikern, die »Zulauf« bei der SPÖ suchten, gehörten Erwin Zangerl (AK-Präsident von Tirol) und Rainer Keckeis (AK-Präsident von Vorarlberg).776 Die von der Regierung gewählte Vorgangsweise steuerte, wie die Aussage von Rosenkranz nahelegt, bewusst auf eine Konfrontation mit den Gegnern des Zwölfstundenstages zu. Innerhalb des ÖGB war auch die christliche Fraktion nicht von der Umsetzung überzeugt. So sah Fritz Pöltl (Wiener ÖAAB) gravierende Nachteile für die Arbeitnehmer als gegeben an, und auch die mögliche Ablehnung von Überstunden bezeichnete er als »reine Theorie«.777 Für ihn stellte diese Änderung »eine Falle

772 Falter 28/18  : 10. 773 Vgl. Der Standard, 26. Juni 2018  : 3. 774 Vgl. Salzburger Nachrichten, 31. August 2018  : 1. 775 Vgl. Kurier, 28. Juni 2018  : 3. 776 Vgl. Kurier, 28. Juni 2018  : 3. 777 Vgl. Der Standard, 16./17. Juni 2018  : 1.

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für junge Familien und Arbeitnehmer mit Gleitzeit-Vereinbarungen«778 dar. Ebenso befürchtete die Gewerkschaft, dass mit dieser Novelle die Tür zur 60-Stunden-Woche aufgestoßen werde.779 Neben der christlichen Gewerkschaftsfraktion übte mit Erwin Zangerl auch jemand aus den Reihen der Organisationen der Regierungsparteien heftige Kritik an der gewählten Vorgangsweise. Er »schämte« sich für die neoliberale Politik der türkis-blauen Regierung.780 ÖGB und SPÖ zeigten sich – trotz der im Plan A enthaltenen Forderung – veranlasst, an Plänen gegen die Umsetzung zu arbeiten. Konkrete Maßnahmen wollten sie aber unmittelbar nach der Ankündigung der Arbeitszeitgesetznovelle noch nicht bekannt geben.781 Insgesamt erhielt nach Aussagen von Kern die SPÖ ungefähr 200 solcher Stellungnahmen.782 Später sollte Johann Gudenus (Klubobmann FPÖ) festhalten, dass das eigentliche Ziel der Initiative die Entmachtung der Betriebsräte gewesen sei, da diese von den Machtstrukturen der Sozialdemokratie geprägt seien, die nun minimiert werden müssten.783 Am 17. Juni 2018 kam es im ORF in der Sendung Im Zentrum, moderiert von Claudia Reiterer, zu einer größeren Diskussionsrunde zum Thema »Arbeitszeit und Arbeitsleid – Kampf um Stunden und Löhne«. Teilnehmer dieser Diskussionsrunde waren Renate Anderl (AK), Georg Kapsch (IV), Josef Muchitsch (GBH), Karlheinz Kopf (Wirtschaftskammer, ÖVP) und Manuela Vollmann (abz*austria). Für Muchitsch stellten weniger Einkommen für die Arbeitnehmer, eine Verlängerung der Arbeitszeit und die Gefährdung von Freizeit, Familie und Gesundheit die gravierenden Nachteile der Reform dar.784 Kapsch wiederum betonte, dass niemand mehr arbeiten müsse, da die Jahresarbeitszeit nicht erhöht werde. In diesem Zusammenhang verwies er auf Schweden, wo keine Höchstarbeitszeit definiert werde, sondern Ruhezeiten, so dass auch Tagesarbeitszeiten von 13 Stunden möglich seien. Insofern war Schweden nach Kapsch kein »asoziales« Land, zumal auch die Gesundheitserwartung in Schweden höher als in Österreich sei.785 Kopf wiederum betonte, dass die Sozialpartner 2017 die Möglichkeit gehabt hätten einen Vorschlag zur Novellierung des Arbeitszeitgesetzes vorzulegen, dies sei aber am Widerstand der Gewerkschaft gescheitert  ; er vermutete als Grund wahltaktische Überlegungen.786 Zu einem späteren Zeitpunkt sollte dieser Vorwurf von Wirtschaftskammerpräsident Harald

778 Die Presse, 20. Juni 2018  : 11. 779 Vgl. Widek 2018  : 28. 780 Kurier, 16. Juni 2018  : 2. 781 Vgl. Der Standard, 16./17. Juni 2018  : 1  ; Kurier, 17. Juni 2018  : 2. 782 Vgl. Kurier, 6. Juli 2018  : 4. 783 Vgl. Kurier, 3. Juli 2018  : 4. 784 Vgl. ORF 2018. 785 Vgl. ORF 2018. 786 Vgl. ORF 2018.

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Mahrer gestützt werden.787 In der TV-Runde wies Muchitsch ihn zurück und ließ wiederum der Wirtschaftskammer den Schwarzen Peter zukommen, habe sie sich doch geweigert, auf die Forderungen der Arbeitnehmervertretung einzugehen.788 In letzter Konsequenz dürfte das Scheitern im geforderten Nutenzausgleich begründet gewesen sein.789 Auch hatte die Regierung Kern angekündigt, wenn die Sozialpartner an der Umsetzung scheitern würden, würde eine regierungsseitige Umsetzung erfolgen.790 Die finanziellen Nachteile einer elften und zwölften Arbeitsstunde bei Gleitzeit bestätigten die Vertreter der Arbeitgeber, Kapsch und Kopf, in der Diskussionsrunde.791 Für Die Presse und den Kurier zeigte besonders Kapsch seine Unwissenheit über die »Freiwilligkeit« der Überstunden bzw. das Recht auf Ablehnung der elften und zwölften Arbeitsstunde.792 Bereits in dieser Diskussion war das Thema der Freiwilligkeit der Überstundenleistungen wesentlich.793 Die Aussagen der Arbeitgebervertreter in der TV-Runde nahm Max Lechner (SPÖ) zum Anlass zu behaupten, dass diese sich selbst als Lügner entlarvt hätten.794 Grundlegend begründete Kapsch die Notwendigkeit des Zwölfstundentages mit Hilfe des Gesundheitsarguments  : Warum der Zwölfstundentag  ? Einfach um aufzumachen. Nicht um mehr zu arbeiten in Summe, aber um aufzumachen, um die Möglichkeit zu bieten. Und jetzt frage ich mich wirklich allen Ernstes  : Geht es den Menschen in der Schweiz, in anderen Ländern – und nehmen wir jetzt nur unseren Kontinent – unseres Kontinents, so viel schlechter  ? Haben sie eine niedrigere Lebenserwartung  ? Haben sie eine niedrigere Gesundheitserwartung als hier  ? Nein  ! Es ist so nicht  ! Wir haben eine niedrigere Lebenserwartung und eine niedrigere Gesundheitserwartung als viele dieser Länder, die höhere Arbeitszeiten haben. Also die Kausalitäten stimmen so nicht.795

Einen Tag später relativierte Kapsch seine Aussagen bezüglich der Vergütung der Mehrarbeit. So werde man mit der Regierung reden, sollte die Ausweitung der täglichen Höchstarbeitszeit zu Nachteilen für die Mitarbeiter führen.796 Im Grunde wurde damit bei einer Forderung zurückgerudert, die seit Jahren im Raum stand. So 787 Vgl. Die Presse, 23. Juni 2018  : 7. 788 Vgl. ORF 2018. 789 Vgl. Falter 26/18  : 6. 790 Vgl. ORF 2018. 791 Vgl. Der Standard, 16./17. Juni 2018  : 1. 792 Vgl. Kurier, 17. Juni 2018  : 2  ; Die Presse, 22. Juni 2018  : 6. 793 Vgl. ORF 2018. 794 Vgl. Der Standard, 16./17. Juni 2018  : 1. 795 Vgl. ORF 2018. 796 Vgl. Der Standard, 16./17. Juni 2018  : 1  ; Kurier, 17. Juni 2018  : 2  ; Wiener Zeitung, 19. Juni 2018  : 1  ; Salzburger Nachrichten, 19. Juni 2018  : 1  ; Salzburger Nachrichten, 19. Juni 2018  : 3.

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hatte Josef Schellhorn 2015 im Parlament diesen Punkt angesprochen und Zustände wie in Deutschland gefordert, so dass Flexibilität nicht durch Mehrkosten abgestraft und verteuert797 werde. Eigentlich forderte er nichts anderes als die Erhöhung der Tages- und Wochenarbeitszeit und den Wegfall von Überstundenzuschlägen. Nach der Fernsehdiskussion im Juni 2018 ruderten nun nicht nur die Wirtschaftsvertreter, sondern auch die Regierung zurück, um den Schaden möglichst zu minimieren. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) und die Klubobleute gaben eine Erklärung ab, in der sie verkündeten, dass es zu keiner Reduktion der Überstundenzuschläge kommen werde.798 Die Diskussionen auf dem kleineren Nachrichtenkanal oe24.tv vom Dezember 2017 und Juli 2018 blieben ohne größeren Nachhall. Am selben Tag, dem 18. Juni 2018, veröffentlichte die WKO auf ihrem YouTube-Kanal das Video »Willkommen in der neuen Welt der Arbeit«. Es stand unter dem Motto »Geht’s dem einen gut, geht’s uns allen gut« und »Geht’s uns allen gut, geht’s Österreich gut«.799 In einem knapp mehr als dreiminütigen musikalischen Spott versuchte die WKO Österreich die neue Arbeitswelt und mit ihr den Zwölfstundentag auf positive Art und Weise näherzubringen. Die musikalische Untermalung erinnerte dabei an den Hit »Columbo« der österreichischen Band Wanda. Die Reaktionen auf das Video waren von Beginn an negativ. Davina Brunnbauer fasste auf der Onlineausgabe von Die Presse die »netten« Kommentare zum WKO-Video mit »weltfremd«, »bodenlose Frechheit« oder »die Tagespresse hätte es nicht besser gekonnt« zusammen und kam zu der Einschätzung, dass es sich um ein skurriles Video handle.800 Dem folgte der Kurier, der es als »groteskes Erklär-Video«801 bezeichnete. Die Beurteilung war durchwegs negativ. In dem Zeichentrickspot wird die Arbeitswelt der Österreicher auf einem kleinen Comic-Fantasieplanet in einer babyblauen Wolkenlandschaft dargestellt  ; die Arbeitswelt ist grundsätzlich pastellfarben.802 Darauf aufbauend werden diverse Varianten, wie die Arbeitszeitflexibilisierung den Österreichern zugutekomme, durchgespielt.803 Bereits zu Beginn des Spots heißt es  : Einmal länger hackeln gehen, wenn’s das Geschäft verlangt, was der Chef dir mit mehr freier Zeit dankt. Und zwar dann, wenn du sie brauchst, eben für deine Sachen, einfach Zeit haben, zum kurz mal Urlaub machen.804 797 Schellhorn, Josef  : Sten. Prot. NR, XXV. GP, 100.  Sitzung  : 170. 798 Salzburger Nachrichten, 19. Juni 2018  : 1  ; Salzburger Nachrichten, 19. Juni 2018  : 3. 799 https://www.wko.at/site/wirschauenaufoesterreich/start.html [Datum des letzten Zugriffs   : 07.09. 2018]. 800 Vgl. Brunnbauer 2018. 801 Kurier, 19. Juni 2018  : 2. 802 Vgl. Vihaus 2018. 803 Vgl. Brunnbauer 2018. 804 WKO 2018.

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Mögliche Koordinierungsprobleme werden gänzlich ausgespart. Wie üblich erfolgt der Tausch Flexibilisierung gegen Freizeit. Ausgeblendet wird auch, dass die Betriebszeiten nicht immer dann freie Zeit hergeben, wenn der Arbeitnehmer freie Zeit benötigt, so dass es in der Praxis vielfach zu einer Anhäufung von Überstunden kommt. Weiter heißt es zum Zwölfstundentag  : Zehn Stunden waren schon immer möglich, jetzt sind dann zwölf erlaubt. Worauf dir vor täglich überlanger Arbeit graut. Doch die zwölf sind nur für Spitzen, meist bleibt’s bei 40 Stunden. Und bezahlt wird’s – Hand drauf – eh als Überstunden.805

Die Bezahlung der Überstunden bei Spitzenauslastung wird zwar angesprochen, aber die in den Diskussionen aufkommende Frage zu den Überstunden der neunten und zehnten Arbeitsstunde wird im Sinne der möglichst positiven Darstellung der flexiblen Arbeitszeiten ausgeklammert. Grundsätzlich wurde seit Jahren die Flexibilisierung der Arbeitszeit gefordert, um Spitzen abdecken zu können.806 Generell wird in diesem Video betont, dass es für die Leistung der elften und zwölften Arbeitsstunde eine Bezahlung gibt, wenngleich in der TV-Runde vom Vortag von Wirtschaftsseite und deren Vertretern Kapsch und Kopf in dieser Hinsicht durchaus Nachteile der Arbeitnehmer zugegeben wurden. So heißt es in dem Spot dazu  : Überstunde elf und zwölf, die wer’n mit Zuschlag ’zahlt. Bitte sag mir, ob’st wen kennst, dem das nicht g’fallt. Zählst du ’s zamm, unter ’m Strich kriegst du auch mehr heraus. Oder gehst dann, wenn ’s mal passt, auch viel früher z’haus.807

Da der Zwölfstundentag und damit die Arbeitszeitflexibilisierung aus dieser Sicht auf die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie abzielen, wendet sich die letzte Teilstrophe diesem Aspekt zu  : Hast Familie und Beruf, fragst dich, wie das gehen soll  ? Ist dein Tag schon ohne Kids mit allerhand Aufgaben voll  ? Mit flexiblen Arbeitszeiten kannst du ’s besser einteilen. Und brauchst dich wie bisher üblich nicht mehr täglich zweiteilen.808

Hier wird suggeriert, dass die Einteilung der flexiblen Arbeitszeit ganz in der Hand der Arbeitnehmer liege. Gleichzeitig habe der Unternehmer, so die implizite Aussage dieser Teilbotschaft, keinerlei Möglichkeit, diese bessere Einteilung zu verhindern. 805 WKO 2018. 806 Vgl. Schellhorn, Josef  : Sten. Prot. NR, XXV. GP, 100.  Sitzung  : 169. 807 WKO 2018. 808 WKO 2018.

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Das Video der WKO war nur ein Mittel unter mehreren, um den Zwölfstundentag zu propagieren. In Summe wurde die gesamte Werbemaschinerie angeworfen, um die Arbeitnehmer für den Zwölfstundentag einzunehmen. Im Zeitraum zwischen 17. Juni 2018 und 17. Juli 2018 wurden nach Kalkulationen der SPÖ-Parlamentsfraktion von der Regierung Inserate im Wert von einer halben Million Euro geschaltet.809 Nicht eingerechnet sind die Werbeaktivitäten von WKO und IV. So dürfte das YouTube-Video die WKO etwa 60.000 Euro gekostet haben.810 Die IV wiederum bewarb den Zwölfstundentag äußerst prominent  : Ein überdimensionales Werbeplakat direkt gegenüber der ÖGB-Zentrale, das 14 Tage lang zu sehen war, ließ sich die IV 20.000 Euro pro Woche kosten.811 Die Ausgaben zur Propagierung des Zwölfstundentages von WKO, IV und Regierung beliefen sich auf mehr als 600.000 Euro. Rund 365.000 Euro davon wurden in zwei Boulevardmedien investiert.812 Das YouTube-Video und die Aussagen der Wirtschaftsvertreter in der ORF-Debatte hatten schließlich Auswirkungen auf die Regierungsparteien. Diese sahen sich dazu genötigt zu verkünden, dass es keine Abschläge bei der Gleitzeit gebe, wohingegen ÖGB und SPÖ weiterhin argumentierten, dass sehr wohl mit Abschlägen zu rechnen sei.813 In der Öffentlichkeit war auch knapp 14 Tage nach Einbringung des Initiativantrages dieses Thema weiterhin präsent. Beherrschend war dabei die Frage nach der Freiwilligkeit der Leistung der elften und zwölften Arbeitsstunde. Von Regierungsseite wurde nun an Korrekturen des Initiativantrages gearbeitet, um in bestimmten Bereichen nachzubessern. Nach Sichtweise von Wöginger erfolgten die Änderungen nun aber nicht wegen der Proteste gegen den Initiativantrag  ; vielmehr habe es »bewusste Fehlinterpretationen« gegeben, und die Regierung müsse nun gegensteuern, um zu klären und präzisieren.814 An einer Klärung der Angelegenheit war nicht nur den Regierungsparteien gelegen. So richtete der ÖGB eine Hotline ein, die zu Fragen der Arbeitszeit Auskunft geben sollte.815 Neben der Freiwilligkeit sollten die Arbeitnehmer nun auch eine Wahlmöglichkeit erhalten. Diese sah die Wahl zwischen Zeitguthaben und Ausbezahlung der Überstundenzuschläge vor, auch wenn der Kollektivvertrag diese Wahlmöglichkeit nicht enthalte.816 Damit wurde nun eine »Freiwilligkeitsga-

809 Kurier, 27. Juli 2018  : 2. 810 Vgl. Kurier, 27. Juli 2018  : 2. 811 Vgl. Kurier, 27. Juli 2018  : 2. 812 Vgl. Kurier, 27. Juli 2018  : 2. 813 Vgl. Der Standard, 19. Juni 2018  : 1. 814 Vgl. Der Standard, 29. Juni 2018  : 1  ; Wiener Zeitung, 29. Juni 2018  : 10. 815 Kurier, 26. Juni 2018  : 2  ; Salzburger Nachrichten, 25. Juni 2018  : 2. 816 Vgl. Der Standard, 29. Juni 2018  : 1.

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rantie«817 in das Gesetz eingebaut, die seit dem 21. Juni 2018818 im Gespräch war, wenngleich Strache davor angedeutet hatte, dass diese Freiwilligkeit nur in die Erläuterungen zum Gesetz als Klarstellung geschrieben werde.819 Damit sollte ein Diskriminierungsverbot geschaffen werden, um es den Arbeitnehmern zu erleichtern, Kündigungen vor Gericht anzufechten.820 Rosenkranz ging nunmehr davon aus, dass eine Verweigerung von Überstunden nicht zur Kündigung der Arbeitnehmer führen werde,821 zumal nun das Primat der 40-Stunden-Woche unangetastet bleibe,822 wie auch Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) betonte.823 Die AK zeigte sich wenig begeistert, befürchtete sie doch, dass diese Freiwilligkeit sich in der Praxis als »leeres Versprechen« entpuppen könnte.824 Grundsätzlich stand jedoch die FPÖ vor einem Dilemma, aus dem die »Freiwilligkeitsgarantie« zumindest eine Exitstrategie bot. Das Kernklientel der letzten Wahl waren die Arbeitnehmer, von denen sechs von zehn bei der letzten Wahl für die FPÖ votiert hatten.825 Der Unbill der Wählerschaft zeigte sich auch in den teils harschen Kommentaren der sozialen Medien.826 Bernhard Rösch (GPA-DJP, FPÖ) verweigerte schließlich jeglichen Kommentar, um nicht weiter Öl ins Feuer zu gießen.827 Trotz des Verständnisses für die Kritik der eigenen Wähler war für Rosenkranz klar, dass kaum jemand den Gesetzesentwurf gelesen, geschweige denn ihn verstanden habe.828 Insgesamt sei das Arbeitszeitgesetz »das Beste, was ihnen passieren konnte«.829 Nach Einschätzung der Wiener Zeitung war es – neben der Besänftigung der Wähler – das wesentliche Ziel der »Freiwilligkeitsgarantie«, der gewerkschaftlichen Großdemonstration »den Wind aus den Segeln zu nehmen«.830 Für Barbara Teiber (GPA-DJP, SPÖ) zeugte die Handlung der Regierung davon, dass die Gegner der Arbeitszeitgesetznovelle recht hätten und das Gesetz in den »Reißwolf« gehöre.831 Für Roman Hebenstreit (vida) und Renate Anderl bedeutete die »Freiwilligkeitsgarantie« keinen Erfolg für die Arbeitnehmer. Vielmehr ändere 817 Der Standard, 29. Juni 2018  : 20  ; Bauer 2018  : 18  ; Wiener Zeitung, 29. Juni 2018  : 10. 818 Vgl. Wiener Zeitung, 22. Juni 2018  : 9. 819 Vgl. Der Standard, 29. Juni 2018  : 20. 820 Vgl. Die Presse, 29. Juni 2018  : 6. 821 Vgl. Der Standard, 29. Juni 2018  : 19. 822 Vgl. Der Standard, 29. Juni 2018  : 19. 823 Vgl. Der Standard, 30./31. Juni 2018  : 24. 824 Vgl. Die Presse, 29. Juni 2018  : 6. 825 Vgl. Linsinger 2018  : 14. 826 Vgl. Kurier, 16. Juni 2018  : 2  ; Linsinger 2018  : 16. 827 Vgl. Linsinger 2018  : 16. 828 Vgl. Kurier, 16. Juni 2018  : 2. 829 Kurier, 16. Juni 2018  : 2. 830 Wiener Zeitung, 29. Juni 2018  : 10. 831 Vgl. Kurier, 28. Juni 2018  : 3  ; Der Standard, 29. Juni 2018  : 20.

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die Korrektur nichts daran, dass die Arbeiterschutzbestimmungen immer weiter aufgeweicht würden.832 Grundsätzlich wollte die Regierung mit den Nachbesserungen den Protesten die Grundlage entziehen.833 Dennoch wurden die Pläne für eine am darauffolgenden Samstag, 30. Juni 2018, geplante Großkundgebung durch ÖGB und SPÖ nicht verworfen. Die Presse analysierte die Sachlage zur Großkundgebung aus zweierlei Sichtweisen und kam letztlich zum Schluss, dass eine solche Demons­ tration für den ÖGB »aufgelegt« sei. So könne die Aufkündigung des sozialpartner­ schaftlichen Konsenses nur zu gewerkschaftlichen Kampfmaßnahmen nach dem Foulspiel der Regierung führen, und zudem habe die Regierung der Gewerkschaft mit dem Aufreger »Zwölfstundentag« ein Geschenk gemacht, das nur in Protestaktionen münden könne.834 Im Vorfeld der Kundgebung dachte Christian Kern laut über die Durchführung eines Volksbegehrens in der Arbeitszeitfrage nach.835 Der ÖGB übernahm die Organisation der Anreise von Demonstranten aus den Bundesländern. So reichte nach Auskunft von Katzian der Sonderzug aus Vorarlberg nicht aus, es mussten weitere Busse organisiert werden und etwa 40 Gewerkschaftsmitglieder aus organisatorischen Gründen in Wien übernachten.836 Der 30. Juni stand schließlich ganz im Zeichen der Großdemonstration in Wien, die ab 14 Uhr vom Wiener Westbahnhof zum Heldenplatz führen sollte.837 Der Zeitpunkt der Demonstration fiel zum einen auf den Schulschluss in Wien, zum anderen fand er an einem Tag statt, an dem die Regierung selbst nicht in Wien verweilte, sondern sich auf einer Almpartie auf der Planai befand, wodurch die Demonstration zu einer »Antithese zum Almgipfel«838 werden sollte. Einen ersten Probelauf zu dieser Großdemo von Wien gab es am 26. Juni 2018 in Linz. Zu dem Sternmarsch gegen die Zusammenlegung der Sozialversicherungsanstalten und die Kürzungen bei der AUVA waren nach Auskunft der Polizei etwa 4000 Personen gekommen.839 Noch am 27. Juni 2018 kam es zu einem Treffen zum Thema Arbeitszeitflexibilisierung, an dem jedoch nur Oppositionspolitiker teilnahmen, so dass sich Gerald Loacker (NEOS) von der »Gesprächsverweigerung« der Regierung enttäuscht zeigte.840 All dies war weiteres »Futter« für die große Demonstration am 30. Juni 2018. Noch ein Tag vor

832 Vgl. Der Standard, 29. Juni 2018  : 20. 833 Vgl. Der Standard, 29. Juni 2018  : 19. 834 Vgl. Die Presse, 30. Juni 2018  : 7. 835 Vgl. Wiener Zeitung, 26. Juni 2018  : 10. 836 Vgl. Die Presse, 29. Juni 2018  : 6  ; Kurier, 29. Juni 2018  : 5. 837 Wiener Zeitung, 28. Juni 2018  : 13  ; Kurier, 29. Juni 2018  : 5  ; Salzburger Nachrichten, 30. Juni 2018  : 8. 838 Kurier, 27. Juni 2018  : 5. 839 Vgl. Kurier, 27. Juni 2018  : 5. 840 Vgl. Wiener Zeitung, 28. Juni 2018  : 13.

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dem Marsch gab Wöginger kund  : »Der Inhalt ist es nicht wert, auf die Straße zu gehen – nach unseren Präzisierungen schon gar nicht.«841 Für die Gewerkschaft war eine Demonstration notwendig geworden, da von Regierungsseite, aber auch von Seiten der Industrie die »rote Linie« übertreten worden sei und sozialpartnerschaftliche Traditionen über Bord geworfen zu werden drohten.842 Für den ÖGB diente diese Großkundgebung laut Standard auch als Probelauf, wolle doch der ÖGB »herausfinden, wie sehr das Thema Arbeitszeit wirklich aufregt und wer tatsächlich bereit ist, aus Protest auf die Straße zu gehen.«843 Für die Zeit der Beschlussfassung der Arbeitszeitgesetznovelle war dies die größte Protestmaßnahme. Dies hing auch damit zusammen, dass erstens der Nationalrat in die Sommerpause ging und zweitens die Haupturlaubszeit bevorstand, so dass eine Mobilisierung der Massen schwerlich möglich war.844 Je nach Sichtweise nahmen an der Demonstration zwischen 80.000 Personen (Polizei) und 100.000 Personen (ÖGB) teil.845 Die Regierung zeigte sich von den Menschenmaßen überrascht.846 Weiterführende Maßnahmen wurden für den Herbst bei der Lohnrunde 2018 erwartet. Einen gesamtösterreichischen Streik hielt der ÖGB für nicht machbar, so dass vor allen Dingen versucht werden sollte, über Kollektivverträge die Novelle des Arbeitszeitgesetzes wieder auszuhebeln.847 Damit schien die Metallergewerkschaft, die traditionell den Anfang bei den Lohnverhandlungen machte, in den Blick zu geraten. Neben den Metallern bot sich, so Der Standard, auch die Gewerkschaft der Eisenbahn als Zugpferd möglicher Aktionen an.848 Gleichzeitig betrachtete der ÖGB die Herbstlohnrunde nach dem Mitgliederschwund der letzten Jahrzehnte auch als Möglichkeit, Werbung für sich und seine Arbeit zu machen.849 Jedoch fanden noch vor den Herbstverhandlungen bei der ÖBB Betriebsversammlungen wegen der geplanten Einführung des Zwölfstundentages statt.850 Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) war davon nicht angetan, zumal es dadurch zu Zugverspätungen kam. Er argumentierte vor allen Dingen damit, dass es bei der ÖBB bereits Zwölf-Stunden-Schichten gebe, und zwar mit dem Einverständnis des ÖGB.851 Daneben stimm841 Vgl. Kurier, 29. Juni 2018  : 4. 842 Vgl. Salzburger Nachrichten, 16. Juni 2018  : 3  ; Der Standard, 30/31. Juni 2018  : 23. 843 Der Standard, 30/31. Juni 2018  : 23. 844 Vgl. Der Standard, 30/31. Juni 2018  : 23. 845 Vgl. Der Standard, 2. Juli 2018  : 13  ; Falter 28/18  : 12  ; Kurier, 1. Juli 2018  : 4. 846 Vgl. Kurier, 2. Juli 2018  : 2. 847 Vgl. Der Standard, 30/31. Juni 2018  : 23. 848 Vgl. Der Standard, 30/31. Juni 2018  : 23. 849 Vgl. Der Standard, 30/31. Juni 2018  : 23. 850 Vgl. Der Standard, 2. Juli 2018  : 13  ; Salzburger Nachrichten, 2. Juli 2018  : 1  ; Die Presse, 3. Juli 2018  : 7  ; Wiener Zeitung, 3. Juli 2018  : 10. 851 Vgl. Die Presse, 3. Juli 2018  : 7  ; Wiener Zeitung, 3. Juli 2018  : 10.

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Abb. 33  : Großdemonstration in Wien gegen den Zwölfstundentag Quelle  : Apaweb/Hans Punz.

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ten bei einer Betriebsversammlung in der VOEST die ca. 2500 Anwesenden für eine Resolution gegen die Arbeitszeitgesetznovelle.852 Trotz dieser Protestaktionen und der für den Herbst 2018 geplanten weiteren Aktionen kam es wie geplant zur Abstimmung über die Novelle zum Arbeitszeitgesetz, deren Inkrafttreten schließlich auf den 1. September 2018 vordatiert werden sollte. In Summe führten die Proteste zu zwei Abänderungsanträgen. Der erste kam von der Regierung und enthielt die »Freiwilligkeitsgarantie« für die elfte und zwölfte Arbeitsstunde, eine Präzisierung bei der Gleitzeit und die Zusicherung, dass bei Ablehnung der Mehrarbeit die Arbeitnehmer keinerlei Benachteiligung erfahren würden.853 Neben dieser »Freiwilligkeitsgarantie« wurde außerdem festgelegt, dass für die Arbeitnehmer die Möglichkeit besteht Kündigungen anzufechten, die mit der Ablehnung dieser Mehrarbeitsstunden begründet werden.854 Der zweite Abänderungsantrag wurde von der Oppositionspartei NEOS eingebracht. Diese forderte eine Präzisierung der sogenannten Vollausnahmen für leitende Angestellte und Gleitzeitregelungen.855 Der Hauptkritiker von Seiten der Opposition, die SPÖ, reichte keinen Abänderungsantrag ein. Andreas Schieder (Klubobmann SPÖ) begründet dies damit, dass die SPÖ nicht an einem an sich schlechten Gesetz »herumdoktoren« würde und zusätzlich die Aufarbeitung aller Mängel schlichtweg in dieser kurzen Zeit unmöglich sei.856 Letztlich wurde nur ein Antrag über eine Volksabstimmung über das Gesetz bzw. ein Volksbegehren in den Raum gestellt.857 Kern forderte Hofer auf Mut zu beweisen und eine Volksabstimmung zuzulassen, wenn er so von der 60-Stunden-Woche und deren vom Volk gewünschter Verankerung überzeugt sei.858 Im Parlament859 gingen die Wogen im Vorfeld der Abstimmung über die Novellierung wieder hoch. Im »Tafelkrieg« präsentierte die Regierungsseite im türkis-blauen Rahmen Schilder mit den Inhalten »Freiwilligkeit garantiert«, »Es bleibt dabei  !«, »40 Stunden in der Woche« und »8 Stunden am Tag«. Die Oppositionspolitiker wiederum hielten diesen ihre Schilder mit den durchgestrichen »12er« (für den Zwölfstundentag) und »60er« (für die 60-Stunden-Woche) entgegen. Die Fronten waren eindeutig bezogen. Die Regierungsparteien waren für und die Opposition gegen diese Novelle. Einzig die NEOS zeigten sich unentschlossen, was sicherlich auch daran gelegen 852 Vgl. Wiener Zeitung, 3. Juli 2018  : 10. 853 Vgl. Der Standard, 4. Juli 2018  : 10  ; Wiener Zeitung, 4. Juli 2018  : 10. 854 Der Standard, 24. Juli 2018  : 15. 855 Der Standard, 4. Juli 2018  : 10. 856 Vgl. Der Standard, 4. Juli 2018  : 10. 857 Vgl. Kurier, 3. Juli 2018  : 5  ; Der Standard, 4. Juli 2018  : 10  ; Wiener Zeitung, 4. Juli 2018  : 10. 858 Kurier, 6. Juli 2018  : 4. 859 Eine ausführliche Beleuchtung der parlamentarischen Diskussion wird an dieser Stelle ausgespart, da zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nur die vorläufigen Stenographischen Protokolle verfügbar waren und es noch nicht absehbar war, wann die Endversion veröffentlicht wird.

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Abb. 34  : »Taferlkrieg« um den Zwölfstundentag im Nationalrat Quelle  : Apaweb/Roland Schlager.

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haben dürfte, dass eine Arbeitszeitflexibilisierung in ihrem Wahlprogramm enthalten war und sie seit ihrer Gründung für ebendiese eintraten. Letztlich stimmten die NEOS für dieses Gesetz. Für Loacker sei dieses »Ja« mit heftigen Bauchschmerzen verbunden gewesen.860 Er begründete diese Bauchschmerzen damit, dass die Art und Weise der Einbringung durch die Regierung eine »Frechheit« gewesen sei und dass viele Regelungen den NEOS missfallen hätten.861 Letzten Endes hätte jedoch die Ansicht überwogen, dass diese Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes ein »kleiner Schritt in die richtige Richtung«862 sei. Die Debatte im Nationalrat war sehr emotional geführt worden. Angeheizt wurde diese noch von der Tatsache, dass in der Nacht vor der Abstimmung aus Regierungskreisen durchsickerte, dass die Novelle nicht wie beabsichtigt am 1. Jänner 2019, sondern bereits am 1. September 2018 in Kraft treten sollte.863 Diese erneute Brüskierung führte zu heftigen Protesten der SPÖ, der NEOS und der Liste Pilz. Diese kritisierten nicht nur den früheren Zeitpunkt an dem nun die Novelle in Kraft treten sollte, sondern auch, dass sie erst über die Medien davon erfahren hätten.864 Kern bezeichnete die Vorgangsweise der Regierung als »Taschenspielertrick«.865 Während die Regierung die Opposition erneut mit einer nicht unwesentlichen Änderung überraschte, erlebten die Politiker von ÖVP und FPÖ ihrerseits eine unliebsame Überraschung. Diese Provokation wurde als »nie dagewesene Eskalation« bzw. als »beispiellose Grenzüberschreitung« interpretiert,866 während der Kurier dies als »Bumerang-Aktionismus«867 bezeichnete. Gegenüber der FPÖ-nahen Plattform unzensuriert.at sprachen einige Betroffene dieses Aktionismus von einer Morddrohung gegen ihre Person.868 Die SPÖ bestritt jegliche Beteiligung. Parteiobmann Christian Kern bezeichnete diese Aktion als »idiotisch«.869 Der Verdacht einer Beteiligung von SPÖ-nahen Aktivisten ist allerdings nicht von der Hand zu weisen.870 Zugleich wurde die Vermutung in den Raum gestellt, dass hinter dieser Aktion ÖGB-Jungfunktionäre stecken könnten.

860 Vgl. Der Standard, 6. Juli 2018  : 19. 861 Vgl. Der Standard, 6. Juli 2018  : 19. 862 Der Standard, 6. Juli 2018  : 19. 863 Vgl. Der Standard, 6. Juli 2018  : 19  ; Die Presse, 6. Juli 2018  : 6. 864 Vgl. Der Standard, 6. Juli 2018  : 19. 865 Kurier, 6. Juli 2018  : 4. 866 Vgl. Die Presse, 6. Juli 2018  : 6  ; Kurier, 6. Juli 2018  : 5. 867 Kurier, 6. Juli 2018  : 5. 868 https://www.unzensuriert.at/content/0027167-Pflasterstein-und-Grablichtaktion-sorgt-fuer-Fassungslosigkeit [Datum des letzten Zugriffs  : 17.09.2018]. 869 Die Presse, 6. Juli 2018  : 6. 870 Vgl. Kurier, 6. Juli 2018  : 5.

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In der Nacht vor der Abstimmung wurden zahlreichen Politikern von ÖVP und FPÖ Pflastersteine, Grabkerzen sowie eine »Grußbotschaft« vor die Büros oder die Privatwohnungen gelegt. Allgemein wurde die FPÖ als »Arbeitnehmerverräter« bezeichnet. Der Abgeordneten Tanja Graf (ÖVP) wurde die Zerstörung des »sozialen Friedens« vorgeworfen. Dem Abgeordneten Ing. Christian Pewny (FPÖ) wurde mittels »Grußbotschaft« erklärt, dass 60 Stunden arbeiten wie Autofahren ohne Sicherheitsgurt sei. Eine weitere Botschaft erhielt der Abgeordnete Ing. Mag. Volker Reifenberger (FPÖ). Diesem wurde vorgeschlagen, dass er als Burschenschafter lieber zur Mensur gehen solle als, dass seine Anwesenheit im Nationalrat erwünscht sei. SPÖ-Vertreter wiederum versuchten, vornehmlich in den sozialen Medien, die Symbolik zu erklären. Begründet wurde die Wahl der Pflastersteine mit einer auf dem ÖGB-Kongress gehaltenen Rede von Willie Nernyi, der die Auswirkungen eines Zwölfstundentages für einen Pflasterer beschrieben hatte.871 Gleichzeitig wollten die SPÖ-Vertreter die Pflastersteine und die »Grußbotschaften« nicht als Drohung verstanden wissen. Vielmehr sollten diese als Hinweis auf erhöhte Arbeitsbelastung dienen.872 Abgesehen von diesen »Nacht- und Nebelaktionen« stand erneut der fehlende Begutachtungsprozess im Zentrum der Kritik.873 Als Reaktion darauf schaltete sich Johann Gudenus ein, der das fehlende demokratiepolitische Verständnis der Opposition anprangerte. So würden jene, die den Initiativantrag kritisieren würden das Wesen der Demokratie nicht verstehen.874 Im September 2018 äußerte sich der ehemalige Bundespräsident Heinz Fischer (SPÖ) gleichfalls zur Vorgangsweise der türkis-blauen Regierung. So erklärte er in einem Interview mit der Zeitschrift News  : Wenn man auf ein Begutachtungsverfahren verzichtet, einen Fristsetzungsantrag einbringt, zusätzlich im letzten Augenblick noch einen Abänderungsantrag einbringt und dann auch noch das Inkrafttreten des Gesetzes vorverlegt, dann zeigt das in Summe, dass man eigentlich unsicher ist und Angst vor kritischen Beiträgen oder Veränderungsvorschlägen hat.875

Trotz aller Ressentiments wurde auch »diskutiert«. Die Debattenbeiträge reichten dabei vom Vorwurf der Lüge bis hin zum Vorwurf des »Klassenkampfes auf tiefsten Niveau«, aber auch der »Hooligansektor« wurde bemüht.876 Zwischendurch konnte fast vergessen

871 Vgl. Kurier, 6. Juli 2018  : 5. 872 Kurier, 6. Juli 2018  : 5. 873 Vgl. Der Standard, 6. Juli 2018  : 19. 874 Vgl. Der Standard, 6. Juli 2018  : 19. 875 Kromp/Prager 2018  : 29. 876 Vgl. Der Standard, 6. Juli 2018  : 19  ; Kurier, 6. Juli 2018  : 5.

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werden, dass zwei Abänderungsanträge zur Abstimmung standen. Jener der Regierung wurde angenommen, während jener von den NEOS abgelehnt wurde.877 Damit konnte die Novellierung des Arbeitszeitgesetzes mit 1. September in Kraft treten. Ungeachtet dieser Veränderungen, die Ebene der täglichen und wöchentlichen Höchstarbeitszeit betreffend, wurde durch die Novelle auch ein Vorstoß in Richtung weiterer Öffnung der Sonntagsarbeit ermöglicht. So ermöglicht die Arbeitszeitgesetznovelle von 2018 grundsätzlich die vermehrte Sonntagsarbeit. Dies hat zur Folge, dass nunmehr an vier Wochenenden oder Feiertagen gearbeitet werden dürfe, das aber nicht pro Betrieb, sondern pro Mitarbeiter.878 Dazu führte Heimo Typplt (Leiter Rechtsabteilung AK Salzburg) aus, dass einem Unternehmen 13 Mitarbeiter genügen würden, um es dem Betrieb künftig ganzjährig zu ermöglichen an sieben Tagen die Woche durcharbeiten zu können.879 Dieser Einschätzung folgte auch Walter Pfeil (Arbeitsrechtsexperte Universität Salzburg).880 Mitte Juli wurde der neue ÖGB-Präsident Katzian von Der Standard interviewt. In diesem merkte er an, dass das Gesetz alleine schon aufgrund der Tatsache, dass es beschlossen worden sei, nicht mehr zu verhindern sei. Vielmehr müssen jetzt die Unternehmer in das Scheinwerferlicht gerückt werden, da nun deren »Zahltag« sei.881 Aus seiner Sicht könne der Zwölfstundentag ohne Mitsprache der Belegschaft verwirklicht werden und auch seien Betriebsvereinbarungen nicht mehr notwendig und es seien bereits erste Probleme bei der kommenden Umsetzung an den ÖGB herangetragen worden.882 Im August 2018 sollte sich dann zeigen, dass als eine der ersten Gruppen die Postbusfahrer mögliche Konsequenzen des neuen Arbeitszeitgesetzes zu spüren bekamen. So sollten diese nach dem neuen Kollektivvertrag einen Zehnstundentag haben und Überstundenzuschläge erst ab der elften Arbeitsstunde erhalten  ; wobei im Gegenzug die Post an eine Verwirklichung der Vier-Tage-Woche dachte.883 Ferner äußerte sich Katzian in diesem Interview auf die »Nichtbeteiligung« der Sozialpartner als Gerald John von Der Standard darauf verwies, dass die Sozialpartner im Vorjahr keine Einigung bezüglich einer Regelung der Arbeitszeitflexibilisierung geschafft hätten.884 Katzian entgegnete letztlich  : Ja, im Vorjahr wurde unter der alten rot-schwarzen Regierung verhandelt, und wie immer hat es Wünsche beider Seiten gegeben. Wir haben uns jene der Arbeitgeber an877 Vgl. Der Standard, 6. Juli 2018  : 19. 878 Salzburger Nachrichten, 6. Juli 2018  : 1. 879 Vgl. Salzburger Nachrichten, 6. Juli 2018  : 1. 880 Vgl. Salzburger Nachrichten, 6. Juli 2018  : 1. 881 Vgl. Der Standard, 23. Juli 2018  : 5. 882 Vgl. Der Standard, 23. Juli 2018  : 1  ; Der Standard, 23. Juli 2018  : 5. 883 Vgl. Der Standard, 8. August 2018  : 9. 884 Vgl. Der Standard, 23. Juli 2018  : 5.

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gehört, da gab es Ansätze für Kompromisse, wenn es auch Verbesserungen für Arbeitnehmer gibt – doch unsere Wünsche wurden einfach vom Tisch gewischt. Daher sind die Verhandlungen gescheitert, keine Gewerkschaft der Welt hätte einem Verschlechterungsprogramm zustimmen können.885

Gleichwohl wurde von Gewerkschaftsseite urgiert, dass das Scheitern von 2017 mit der Möglichkeit der 60-Stunden-Woche im Zusammenhang stand.886 Zahlreiche Probleme waren durch die Novellierung des Arbeitszeitgesetzes aufgepoppt. Dennoch lehnte, nach Aussage von Katzian, die Gewerkschaft die Arbeitszeitflexibilisierung nicht rundheraus ab.887 Als Ziele in den Kollektivvertragsverhandlungen im Herbst 2018 werden daher planbare Freizeitblöcke für die Arbeitnehmer angestrebt.888 Um dies umzusetzen, wurde eine erstmals stattfindende Konferenz aller Kollektivvertragsverhandler angedacht. Diese sollte dazu dienen, dass weiterführende Protestaktionen beraten und akkodiert werden können und am 17. September 2018 stattfinden.889 Tatsächlich fand sie dann am 18. September statt und wurde von 900 Betriebsräten besucht.890 Insgesamt sollen die Herbstlohnrunden auch als »Revancheakt« dienen.891 Dennoch sollen die Ziele, eine Verbesserung der Verschlechterung durch diese Novellierung, nicht aus den Augen verloren werden. Neben den planbaren Freizeitblöcken, gelte es nunmehr an einer tatsächlichen Realisierung der Vier-Tage-Woche zu arbeiten.892 Ganz im Sinne der Flexibilisierung dürfte schließlich die mögliche Umsetzung der Vier-Tage-Woche sein. So sollte der zusätzliche frei Tag nicht für jeden Arbeitnehmer am selben Tag sein. Vielmehr hätte ein Mitarbeiter am Montag, einer am Dienstag usw. frei, so dass nicht automatisch die Betriebszeiten verkürzt werden müssten.893 Bereits bisher bestand die Möglichkeit einer Umsetzung der Vier-Tage-Woche. Aus vielerlei Gründen scheiterte jedoch die Verwirklichung. Daher sollen nun diese Kann-Bestimmungen mehr Praxisnähe und somit eine Realisierung erfahren.894 Neben dem ÖGB wollte jedoch auch die SPÖ den beschlossenen Zwölfstundentag weiterhin bekämpfen. Muchitsch kündigte Ende Juli einen »heißen Herbst« mit Maßnahmen gegen diese Arbeitszeitflexibili885 Der Standard, 23. Juli 2018  : 5. 886 Vgl. Widek 2018  : 25. 887 Vgl. Der Standard, 23. Juli 2018  : 1. 888 Vgl. Der Standard, 23. Juli 2018  : 1  ; Die Presse, 26. Juli 2018  : 4. 889 Vgl. Der Standard, 23. Juli 2018  : 1  ; Kurier, 26. Juli 2018  : 2. 890 Vgl. Salzburger Nachrichten, 19. September 2018  : 11  ; Die Presse, 19. September 2018  : 17  ; Wiener Zeitung, 19. September 2018  : 10. 891 Vgl. Der Standard, 24. Juli 2018  : 15. 892 Vgl. Der Standard, 24. Juli 2018  : 15. 893 Vgl. Der Standard, 24. Juli 2018  : 15. 894 Vgl. Der Standard, 24. Juli 2018  : 15.

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Arbeitszeit zwischen Verkürzen, Flexibilisieren und Verlängern Abb. 36  : Flyer zur Arbeitszeit-Hotline Quelle  : ÖGB.

sierung sowie eine eigene Hotline für von diesem Gesetz betroffene Arbeitnehmer an.895 Die Aufgabe dieser Hotline sollte darin bestehen Rechtsauskunft zu geben und jene zu unterstützen, die durch dieses neue Gesetz »unter die Räder« kommen würden.896 Darüber hinaus werde weiterhin an Einbringung eines Volksbegehrens gedacht.897 Beworben wurde diese Hotline ab dem 1. September mit einem Flugblatt sowie einem zweiseitigen Flyer. Am 1. September 2018 trat schließlich die Novelle zum Arbeitszeitgesetz in Kraft. Begleitet wurde dies von Protestaktionen der Gewerkschaft am 31. August, die unter 895 Vgl. Die Presse, 26. Juli 2018  : 4  ; Salzburger Nachrichten, 26. Juli 2018  : 2. 896 Vgl. Die Presse, 26. Juli 2018  : 4. 897 Vgl. Die Presse, 26. Juli 2018  : 4  ; Salzburger Nachrichten, 26. Juli 2018  : 2.

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Abb.  37  : »Drübergefahren« Quelle  : Apaweb/Herbert Pfarrhofer.

dem Motto »Die Regierung walzt Arbeitnehmerinteressen platt« standen. Symbolisch wurden die von der Regierung gesetzten Maßnahmen der vergangenen Monate mit einer Straßenwalze platt gewalzt. Eine dieser durchgeführten Protestaktionen wurde vor dem Sozialministerium abgehalten. Etwa 200 Personen dürften an dieser Aktion teilgenommen haben.898 Außerhalb der Anpassung des Arbeitszeitgesetzes stehen etwa 100.000 Beschäftigte aus dem Bereich der Land- und Forstwirtschaft. Deren Arbeitszeitgesetz wird mittels des Landarbeitsgesetzes geregelt. Eine etwaige Anpassung war seit Jahren im Gespräch, dürfte jedoch durch die Arbeitszeitgesetznovelle neue Nahrung erhalten haben. Die ÖVP-nahe Landarbeiterkammer wagte nun diesbezüglich einen Vorstoß. Dieser ging es nicht um den Zwölfstundentag oder die 60-Stunden-Woche, sondern sie möchte vielmehr die Zulassung erlaubter Überstunden bei Arbeitsspitzen auf die Forstwirtschaft ausdehnen.899 Im Weiteren soll der Passus, dass Überstunden nur an 13 Wochen im Jahr möglich seien, gestrichen werden, da die von der EU vor898 Vgl. Der Standard, 31. August 2018  : 8. 899 Vgl. Der Standard, 31. August 2018  : 8.

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Arbeitszeit zwischen Verkürzen, Flexibilisieren und Verlängern

gesehene Höchstarbeitszeit von 60 Wochenstunden die Arbeitszeit ohne limitieren würde.900 Die Herbstlohnrunde 2018 stand dann unter dem Eindruck der Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes. Den Anfang machten, wie üblich, die Metaller, deren Chefverhandler unumwunden die Verhandlungen um einen neuen Abschluss in den Zusammenhang mit der Arbeitszeitgesetznovelle setzte. Die Verhandler der Arbeitnehmer aus dieser Branche sahen sich in der Position eines »Schneepfluges«, der den Weg für die anderen Branchen frei räumen werde.901 In einer Wagenfabrik in Wien-Stadlau wurde ein etwas mehr als zweiseitiger Forderungskatalog verfasst. In einigen der Kategorien wurde die Arbeitszeitthematik angesprochen. So wurde die Verkürzung der Wochenarbeitszeit genauso thematisiert wie die sechste Urlaubswoche für alle, verpflichtende Überstundenzahlungen sowie ein freier Werktag als zusätzlicher Ersatz, sollte ein Feiertag auf einen Sonntag fallen. Darüber hinaus wurden Zuschläge für besonders kurzfristig angekündigte Überstunden verlangt und auch die Freizeitblöcke sollten garantiert werden. Insbesondere wurde die Gleitzeitregelung angesprochen. Die Metaller verlangten in diesem Bereich eine maximale tägliche Höchstarbeitszeit von zehn Stunden. Zusätzlich sollte eine notwendige Wochenendarbeit bereits vier Wochen im Voraus angekündigt werden und die Viertagewoche bei Schichtarbeit sollte im Kollektivvertrag festgeschrieben werden. Ebenso sollte der Betriebsrat der Anordnung von mehr als zehn Überstunden pro Woche hinzugezogen werden. Im Weiteren forderten die Arbeitnehmervertreter der Metaller die Möglichkeit des einseitigen Antritts von Zeitausgleich, einen sechsmonatigen absoluten Kündigungsschutz für jene Arbeitnehmer, deren Abteilungen von der Möglichkeit des Elf- und Zwölfstundentages Gebrauch machen. Sollte Wochenendarbeit kurzfristig angeordnet werden, forderten sie für die Arbeitnehmer ein Entschlagungsrecht.902 Ein wichtiger Teil der Forderung war überdies die Bezahlung von Pausen.903 Die Lohnforderung der Metaller betrug 5 %.904 Spartenobmann Christian Knill zeigte sich nicht erfreut von diesem Forderungskatalog. Er betonte, dass, wenn die Arbeitnehmer mit der Regierung unzufrieden seien, sie sich an diese zu wenden hätten und ihre Unzufriedenheit nicht in die Herbstlohnrunde mitnehmen sollten.905 Die Herbstlohnrunde 2018 stand insgesamt dafür, dass sich die Arbeitnehmer all das zurückholen wollten, was ihnen ihrer Meinung nach durch den Zwölfstundentag 900 Vgl. Der Standard, 31. August 2018  : 8. 901 Vgl. Der Standard, 19. September 2018  : 19  ; Wiener Zeitung, 19. September 2018  : 10. 902 Vgl. Der Standard, 19. September 2018  : 19  ; Kurier, 19. September 2018  : 9. 903 Vgl. Kurier, 27. September 2018  : 4. 904 Vgl. Der Standard, 21. September 2018  : 19  ; Salzburger Nachrichten, 21. September 2018  : 13  ; Kurier, 21. September 2018  : 10  ; Wiener Zeitung, 21. September 2018  : 1  ; Wiener Zeitung, 21. September 2018  : 10. 905 Vgl. Der Standard, 21. September 2018  : 19  ; Wiener Zeitung, 21. September 2018  : 10.

Von der »großen« Arbeitszeitgesetznovelle bis zur Arbeitszeitgesetznovelle 2018

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weggenommen worden war. Aufgrund der verschiedenen Bedürfnisse der einzelnen Branchen war laut Katzian auf einen gemeinsamen Forderungskatalog verzichtet worden.906 Abgesehen von den Metallern, forderten die Gewerkschaften außertourliche Kollektivvertragsverhandlungen. Deren Aufnahme wurde von den Verhandlungspartnern per Brief gefordert.907 Die Möglichkeit von Streiks, sollten die Forderungen der Gewerkschaften nicht erfüllt werden, wurde abermals bekräftigt. Dass die Zeichen auf »Sturm« standen, wurde damit auch nach außen hin deutlich gemacht. Am Eingang zur erstmals stattfindenden Konferenz aller Kollektivvertragsverhandler standen Schilder908 mit der Aufschrift »Streiken würd ich liken« Abb. 38  : »Streiken würd ich liken« oder »12-Stunden-Tag wegstreiken«. Quelle  : Salzburger Nachrichten/Helmut Kretzl. In diesem Sinne kam es zu einem Vorsorgebeschluss für Kampfmaßnahmen, deren Einsatz von den Fachgewerkschaften abhängen sollte.909 Unerwartet mischte sich die Regierung in die Herbstlohnrunde ein. Sie forderte von den Verhandlungspartnern »gute Abschlüsse«, von denen die Arbeitnehmer profitieren910 sollten. Dies sorgte für Irritation. ÖGB-Chef Katzian kritisierte die »Schützenhilfe« der Regierung und präzisierte in einem Interview mit dem Kurier, dass diese bei einem guten Verhandlungsergebnis der Gewerkschaft wohl gerne »mitnaschen« wolle.911 Den Verhandlern steht damit ein umtriebiger Herbst bevor. Es wird interessant zu beobachten sein, inwieweit es der Gewerkschaft gelingt, ihren Forderungskatalog durchzusetzen, um die Verschlechterungen durch die Arbeitszeitgesetznovelle abzumildern.

906 Vgl. Der Standard, 19. September 2018  : 19. 907 Vgl. Der Standard, 19. September 2018  : 19  ; Die Presse, 19. September 2018  : 17. 908 Vgl. Salzburger Nachrichten, 19. September 2018  : 11. 909 Vgl. Der Standard, 19. September 2018  : 19  ; Salzburger Nachrichten, 19. September 2018  : 11  ; Die Presse, 19. September 2018  : 17  ; Wiener Zeitung, 19. September 2018  : 10. 910 Vgl. Der Standard, 25. September 2018  : 15. 911 Vgl. Kurier, 27. September 2018  : 4.

8. Resümee

Jedwede Arbeitszeitpolitik, ob von Arbeitgebervertretung, von Arbeitnehmervertretung oder Regierung betrieben, beinhaltet eine machtpolitische Komponente. Einerseits soll größtmögliche Stärke nach innen, gegenüber den Mitgliedern, und andererseits nach außen, gegenüber dem jeweiligen Gegner oder gegenüber der Gesellschaft generell, demonstriert werden. Diese Machtpolitik, die der arbeitszeitpolitischen Frage innewohnt, ist das wiederkehrende Motiv der Arbeitszeitpolitik schlechthin. Trotz alledem ist es immer wieder gelungen, mit Hilfe des sozialpartnerschaftlichen Grundkonsenses Mittelwege zu finden und Kompromisse bei der Arbeitszeitpolitik – soweit dies möglich ist – umzusetzen. Dieses machtpolitische Motiv ist nur eines der in dieser Forschungsarbeit hervortretenden Merkmale. Ihr Sujet war es, die arbeitszeitpolitische Motivlage, die Veränderung der Arbeitszeitpolitik und die langfristige Entwicklung der Arbeitszeit während der Zweiten Republik aufzuzeigen und zu periodisieren. Kernbestandteil war dabei, gleichbleibende, wiederkehrende, einmalig auftretende und/oder trennende Merkmale, Motive und Argumente, die die Handlungen der arbeitszeitpolitischen Akteure im Laufe der mehr als 60-jährigen Geschichte der Zweiten Republik beeinflussten, herauszufiltern und festzustellen, ob sich diese möglicherweise hervortretenden Muster derart voneinander unterscheiden, dass sie zu einem Periodisierungsmodell subsumiert werden können. Ausgangspunkt dieser Forschungsarbeit war die Frage, wann zum ersten Mal in der Zweiten Republik arbeitszeitpolitische Auseinandersetzungen auftraten. Laut gängiger Forschungsmeinung war dies erst nach Abschluss der Wiederaufbauphase der Fall. Zuvor sei es, so die einschlägige Literatur, nicht denkbar gewesen, arbeitszeitpolitische Fragestellungen, wie z. B. eine weitere Verkürzung der wöchentlichen Normalarbeitszeit, zur Diskussion zu stellen, da dem Wiederaufbau uneingeschränkte Priorität gegolten habe und sich sämtliche weitere Belange diesem hätten unterordnen müssen. Damit wird allerdings der Faktor »Wiederaufbau« überhöht. Eine Folge davon ist, dass für einen Zeitraum von zehn Jahren das Vorliegen von Arbeitszeitanliegen praktisch ausgeschlossen wurde. Ohne genauere Beleuchtung dieser Phase wurde die These aufgestellt, dass Wünsche zur Veränderung der Arbeitszeit nicht vorhanden gewesen seien. Dies ist insofern wenig realistisch, da seit der Industrialisierung nahezu durchgehend Jahr für Jahr arbeitszeitpolitische Diskussionen konstatierbar sind und es somit überraschen würde, wenn nicht zumindest in sehr geringem Umfang die Arbeitszeitpolitik schon zwischen dem Kriegsende 1945 und Mitte der 1950er Jahre thematisiert worden wäre.

Resümee

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Die Auswertung diverser Primärquellen förderte zu Tage, dass die bislang vertretene Sichtweise nicht haltbar ist. Bereits im Dezember 1945, zu diesem Zeitpunkt waren die Nachwirkungen des Krieges noch sehr deutlich zu spüren, wurde erstmals eine arbeitszeitpolitische Forderung publiziert. Ferner zeigten diese Quellen, dass es eine geschlechtsspezifische Arbeitszeitverkürzungsforderung gab. Anfänglich wurde von Frauen für Frauen die 40-Stunden-Woche gefordert. Ab etwa 1948 zeigte sich hier ein Übergang zur Forderung der 44-Stunden-Woche. Gekoppelt war diese Forderung an den Wirtschaftstag bzw. an die Umsetzung in Betrieben, in denen mehrheitlich Frauen und Jugendliche beschäftigt waren. Dieses geschlechtsspezifische Charakteristikum hätte in ein gendersegmentiertes Normalarbeitsverhältnis münden können, doch aufgrund zahlreicher Widerstände gegen eine frauenspezifische Arbeitszeitverkürzung, u. a. bei der Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes, musste dieser Wunsch zurückgenommen werden. Für die erste Periode der Entwicklung der Arbeitszeit und der Arbeitszeitpolitik ist diese geschlechtsspezifische Arbeitszeitverkürzung ein Alleinstellungsmerkmal. Geprägt war diese Phase auch vom Versuch der Konsolidierung. Um einer solchen Rechnung zu tragen, sollte wie in der Ersten Republik ein Arbeitszeitgesetz geschaffen werden. Neben der geschlechtsspezifischen Forderung hatte sicher auch der Streit um die Gültigkeit der 48- bzw. 60-Stunden-Woche, der in divergierende Urteile des VfGH und VwGH mündete, Auswirkungen auf die Umsetzung eines möglichen Gesetzes. Neben dem Versuch der Konsolidierung gab es hinsichtlich der Arbeitszeiten auch Inhomogenitäten. Schwankungen der Arbeitszeit gab es innerhalb eines Industriezweiges, aber auch von Bundesland zu Bundesland. Mitte der 1950er Jahre tauchten erste generelle Forderungen nach einer Arbeitszeitreduktion auf. Es folgte ein branchenweiser Übergang, der Ende der 1950er Jahre mit einem Generalkollektivvertrag endete, aber die Frage des Arbeitszeitgesetzes nicht löste. Die 1960er Jahre waren, abgesehen von der Phase ab dem Herbst 1968, nicht von einer intensiven arbeitszeitpolitischen Diskussion geprägt. Dennoch gab es mit der Freizeit einen Aspekt, der gerade in dieser Periode besonders ausgeprägt debattiert wurde. In den 1950er Jahren noch ein Randaspekt, erstreckte sich der Diskurs nun über die Frage, wie denn Freizeit richtig zu verbringen sei, bis hin zur Verteilung der Arbeitszeit auf die Arbeitswoche. Neben diesem Aspekt wurden wirtschaftliche wie gesundheitspolitische Faktoren angesprochen. Dass das Augenmerk nicht auf einen breit angelegten arbeitszeitpolitischen Diskurs ausgerichtet war, bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Angelegenheit der Schaffung eines neuen, »modernen« Arbeitszeitgesetzes völlig aus den Augen verloren wurde. Das Alleinstellungsmerkmal der zweiten Periode ist die Emporhebung der Arbeitszeitpolitik auf die Ebene der Politik. Als Vehikel diente hierbei das Arbeitszeitgesetz, das bis dahin noch nicht umgesetzt worden war. Waren in den 1950er Jahren sämtliche Versuche des Sozialministeriums gescheitert, so war dem Initiativantrag

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19/A XI. GP (1966) der SPÖ ebenso kein Erfolg beschieden. Das Mittel des Initiativantrages wurde gewählt, da Mitte der 1960er Jahre die große Koalition von einer Alleinregierung der ÖVP abgelöst worden war und die SPÖ nunmehr eine Oppositionspartei war. Damit erfolgte der erste Vorstoß einer politischen Partei, in der Zweiten Republik Arbeitszeitpolitik aktiv zu betreiben. Es sollte allerdings bis zum Herbst 1968 dauern, dass dieses Thema an Brisanz gewann. In wechselseitiger Initiative mit dem ÖGB erreichte die SPÖ, dass die Arbeitszeitpolitik und somit die Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes zu einem Gegenstand mit »politischer Sprengkraft« werden konnte. Die SPÖ wählte schließlich im Jänner 1969 das Volksbegehren als geeignetes Mittel, um den politischen Gegner (ÖVP) unter Druck zu setzen. Unmittelbar auf die Ankündigung der Durchführung des Volksbegehrens dominierten Schlagwörter wie »Demagogie« und »Wahlschlager«. Tatsächlich zeigte eine Untersuchung, dass die Arbeitszeit kein Wahlkampfthema bei der anstehenden Nationalratswahl 1970 war. Trotzdem leitete dieses von Bruno Kreisky verkündete Volksbegehren, ungeachtet aller Dementis, den Nationalratswahlkampf ein. In einer bis dato nicht dagewesenen Art und Weise bewarb die SPÖ die Einführung der 40-Stunden-Woche sowie die Durchführung mittels Volksbegehren. Insbesondere die Arbeiter Zeitung wurde zur Propagierung dieses politischen Begehrens eingesetzt. Maßgeblichen Einfluss auf die Kampagne hatten das vorangehende Rundfunkvolksbegehren und ein Artikel von Lachs in Die Zukunft, in dem dieser das Volksbegehren zusammen mit geeigneten Maßnahmen als gangbares Mittel zur Umsetzung eines parteipolitischen Anliegens anführte. Die entsprechenden Maßnahmen sahen letztlich die Veröffentlichung des Gesetzestextes genauso vor wie Plakate, aber auch die eingehenden und detaillierten Informationen in der Arbeiter Zeitung, wie die Unterstützung des Anliegens mittels Unterschrift geleistet werden konnte. Die propagandistisch gestaltete Informationskampagne verfehlte ihre Wirkung nicht. Es folgte die Umsetzung eines Generalkollektivvertrages und später die Festschreibung der 40-Stunden-Woche in einem »modernen« Arbeitszeitgesetz. Damit war es der SPÖ gelungen, aus der Position der Schwäche einer Oppositionspartei heraus als Gewinner in dem arbeitszeitpolitischen Anliegen hervorzutreten. Dieses machtpolitische Kalkül ging also auf und führte langfristig mit diversen anderen Gründen zu einer Phase der Alleinregierung der SPÖ. Mit diesem Ergebnis im Rücken gab es auf der arbeitszeitpolitischen Diskursebene in den 1970er Jahren nur noch wenige Veränderungen, wie z. B. eine Verlängerung des Mindesturlaubs, die eine Kürzung der Lebensarbeitszeit nach sich zog. Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre lässt sich eine neue Entwicklung festmachen, die den Beginn der dritten Periode der Arbeitszeitentwicklung markiert. Gegner einer solchen konnten mit der Arbeitszeitflexibilisierung nun ein neues Argumentationsmuster entwickeln, das bis heute den Meinungsaustausch prägt. Es

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sollten dabei Dauer, Lage und Verteilung der Arbeitszeit flexibilisiert und neue flexible Arbeitszeitmodelle geschaffen werden. Damit gelang es den Gegnern einer Arbeitszeitverkürzung nicht nur, die Beschränkung auf »Kontralisten« zu durchbrechen, sie konnten nun auch konkrete Alternativen aufzeigen. Das erste dieser flexiblen Arbeitszeitmodelle, das sich langfristig durchsetzen konnte, war die Teilzeitarbeit. Sämtliche Untersuchungen dazu zeigen, dass mehrheitlich Frauen Teilzeitarbeitskräfte waren (und weiterhin sind). In gewisser Weise ist die Teilzeitarbeit die Fortsetzung des Diskursstranges zum gendersegmentierten Normalarbeitsverhältnisse Ende der 1940er Jahre, als Frauen für ihr Geschlecht eine verkürzte Normalarbeitszeit forderten – wenngleich nun die Ausgangslage sicherlich eine andere ist. Neben der Teilzeitarbeit wurden in den 1980er Jahren weitere Arbeitszeitmodelle entwickelt und erprobt, so z. B. frequovaz. Gegenpol zur Arbeitszeitflexibilisierung in dieser dritten Periode war die Propagierung der 35-Stunden-Woche durch die »One-Man-Show« von Sozialminister Dallinger. In einem zweiphasigen Modell forderte er die Verlängerung des Mindesturlaubs und die Reduktion der Normalarbeitszeit auf 35 Stunden pro Woche. Die fehlende Abstimmung in der Gewerkschaft, das Unvermögen, angemessen auf die Flexibilisierungsbestrebungen zu reagieren und dementsprechend zu argumentieren, sowie unterschiedliche Auffassungen über die Vorgangsweise zur Arbeitszeitreduktion innerhalb der Gewerkschaft erlaubten es Dallinger letztlich nicht, sein Anliegen umzusetzen. Als essentiell für das Scheitern bei der Durchsetzung der 35-Stunden-Woche wird die gewerkschaftliche Spaltung angesehen, die nach aktueller Forschung erstmals in den 1980er Jahren deutlich ersichtlich wurde. Allerdings zeigt diese Arbeit, dass bereits Ende der 1960er Jahre eine solche Spaltung in arbeitszeitpolitischen Fragen erkennbar ist. Strittig war 1969, ob ein Volksbegehren das geeignete Mittel sei, um eine Herabsetzung der Wochenarbeitszeit zu erwirken. Entlang der Parteilinien und der gewerkschaftlichen Fraktionen zeigten sich schon hier erste Risse. Dass sie noch nicht so offen zu Tage traten wie in den 1980er Jahren, liegt m. E. daran, dass von der Einführung der 40-Stunden-Woche bis zum Beginn der Flexibilisierungsdiskussion die Arbeitszeitpolitik nicht als zentrales wirtschaftspolitisches Anliegen betrachtet wurde und dementsprechend nur wenige Auseinandersetzungen in diesem Zeitraum erfolgten. In die dritte Periode fällt auch der Versuch, die 35-Stunden-Woche bei der Steyr-­ Daimler-Puch AG umzusetzen, da die Verstaatlichte generell und der oberösterreichische Wirtschaftsraum im Speziellen mit massiven Problemen zu kämpfen hatte. Mitverursacht wurden diese Probleme von der Politik des »Hortens von Arbeitsplätzen«. Lösungsansatz war die Kurzarbeit.1 Mittels des Steyrer Modells sollte der 1 Die Studie von Herzog-Stein, Lindner, S. Sturn und Treeck legt nahe, dass Kurzarbeit ein probates

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Resümee

Einstieg in die 35-Stunden-Woche gelingen. Angedacht war eine lineare Verkürzung auf 35 Stunden pro Woche. Gehandhabt wurde dies im Steyrer Modell jedoch nicht linear, sondern als flexible Kurzarbeit, wodurch das angestrebte Ziel nicht erreicht werden konnte. Einen langfristigen Einstieg in die 35-Stunden-Woche bot dies nicht. Die Erfahrungen des Steyrer Modells mit dem Umgang der Kurzarbeit widersprechen so den aktuellen Vorstellungen von Gewerkschaftsvertretern, die darin einen Anstoß für weitere Arbeitszeitverkürzungen sehen.2 Ohnehin erfolgte nach Überwindung der Krise, wie schließlich auch 2008, die Rückkehr zur Normalarbeitszeit. Ein Einstieg in die Arbeitszeitverkürzung durch die Gewerkschaft wäre m. E. nur dann möglich gewesen, wenn es zur Umsetzung einer gemeinsamen Strategie sowie zu einer Machtdemonstration nach außen in der Arbeitszeitpolitik der Gewerkschaften während dieser Krise gekommen wäre. Beides, sowohl eine erkennbare Strategie als auch ein geschlossenes Auftreten in Bezug auf die Arbeitszeitreduktion, fehlte in den 1980er Jahren wie auch in der Wirtschaftskrise 2008, so dass die Kurzarbeit nicht zu der von Gewerkschaftsvertretern erhofften Reduktion führte, zumal elf Jahre nach dem Akutwerden der Krise die generelle Herabsetzung nicht erfolgte. Dass in wirtschaftlichen Krisenzeiten ebenso an Arbeitszeitverlängerung gedacht werden kann, zeigt aktuell das Beispiel der Schweiz, wo im Frühjahr 2015 zahlreiche Unternehmen im Zuge des Franken-Schocks zur 44-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich zurückkehrten. Abgeschlossen wurde die dritte Periode mit dem branchenspezifischen Übergang zur 38,5- bzw. 38-Stunden-Woche. In der bislang letzten, der vierten Periode sind drei Faktoren zu beachten  : Erstens ging der Streit Arbeitszeitflexibilisierung vs. Arbeitszeitverkürzung vor allem am Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre unvermindert weiter, jedoch vor dem Hintergrund, dass die Forderung der 35-Stunden-Woche immer weiter in den Hintergrund gedrängt wurde. Mit der Einführung in Frankreich Ende der 1990er Jahre und schließlich während der Wirtschaftskrise 2008 wurde abermals gefordert, sie in Österreich zu verwirklichen  ; dies blieb letzten Endes aber ohne praktische Auswirkung. Zweitens konnte mit der Position der Arbeitszeitverlängerung, dem Allstellungsmerkmal des Diskurses der vierten Periode, ein weiteres Standbein entwickelt werden, um Arbeitszeitverkürzungsforderungen zu begegnen. Erstmals wurde diese Position Ende der 1980er Jahre ins Spiel gebracht. Nach und nach zeigte sich eine enge Verflechtung zwischen Arbeitszeitflexibilisierung und Arbeitszeitverlängerung. Die Verzahnung dieser Sujets wird vor allem deutlich bei den drei Novellen des Arbeitszeitgesetzes (1994, 1997 und 2007). Mittel ist, einer wirtschaftlichen Krise durch »Horten von Arbeitskräften« zu begegnen. Im Österreich der 1980er Jahre zeigte sich jedoch, dass das »Horten von Arbeitskräften« nur bis zu einem gewissen Maße von Betrieben »verkraftet« werden kann. 2 Vgl. Sorger 2014  : 244.

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Drittens muss der wieder verstärkt zunehmende politische Einfluss auf die Arbeitszeitpolitik genannt werden. In den 1980er Jahren war sie besonders intensiv von Sozialminister Dallinger betrieben worden. In den 1990er Jahren wurden viele Änderungen auf Drängen der Regierung bzw. nur durch die Regierung unter Ausschaltung der Sozialpartner durchgeführt. Prägende Elemente der Arbeitszeitpolitik in der vierten Periode ergaben sich im Zusammenhang mit der Frage nach der Lage der Arbeitszeit. Dazu gehörte das Nachtarbeitsverbot von Frauen, das aus geschlechterdiskriminierenden Gründen ebenso wie das unterschiedliche Pensionsalter von Frauen und Männern aufgehoben wurde. In beiden Bereichen beschleunigte der Anpassungsprozess an die EU die Entwicklung. Zudem wurde eine Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten forciert. Diese Veränderungen hatten allesamt gemeinsam, dass nicht mehr generalisierend alle Arbeitnehmer von dem Wandel betroffen waren, sondern immer mehr einzelne Arbeitnehmergruppen, wie im Fall der Ladenöffnungszeiten die Handelsangestellten. Der gesellschaftliche Wandel zeigte sich aber nicht nur in diesen Bereichen. Auch wurde versucht, Männer verstärkt in die Hausarbeit und die Erziehung einzubinden, wobei das Aufbrechen des männlich orientierten Ernährermodells nur in wenigen Teilbereichen als gelungen betrachtet werden kann. Als Ausdruck dieser Entwicklung können sicherlich die »Väterkarenz« und die Elternteilzeit gelten. In den letzten Jahren wiederum wurde vermehrt dem Ansatz der Flexicurity nachgegangen. Insbesondere die EU förderte die Umsetzung von Maßnahmenpaketen, die einerseits auf Flexibilität und andererseits auf soziale Sicherheit ausgerichtet waren. Hinterseer stellt nicht zu Unrecht fest, dass die Akkordierung der Arbeitszeitpolitik durch die Sozialpartnerschaft seit jeher auch auf soziale Sicherheit ausgerichtet3 war und folglich alle Maßnahmen vor der Propagierung von Flexicurity einen derartigen Maßnahmenmix enthalten haben. Der Neuartigkeit dieses Modells kann deshalb die gelebte Praxis der österreichischen Sozialpartnerschaft entgegengehalten werden. Während versucht wurde, Flexibilisierung und soziale Sicherheit unter »einen Hut« zu bringen, kam es 2009 zur Neuausrichtung der gewerkschaftlichen Strategie. Diese beinhaltet die Aufgabe der konkreten Zielvorgabe »Einführung der 35-Stunden-Woche«. Damit wurde einerseits die Flexibilisierungsposition durch Hinzunahme der sozialen Sicherheit, der Grunddomäne der gewerkschaftlichen Arbeitszeitpolitik, sowie andererseits die gewerkschaftliche Position durch das Abrücken vom »starren« Festhalten an der 35-Stunden-Woche aufgeweicht. An den Grundkonstanten »Arbeitszeitflexibilisierung vs. Arbeitszeitverkürzung« und der Tatsache, dass das Normalarbeitsverhältnis weiterhin an das männlich orientierte Ernährermodell gekoppelt ist, änderte die Aufweichung der Positionierung der Arbeitszeitpolitik wenig. 3 Vgl. Hinterseer 2014.

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Resümee

Das Ausreizen gesetzlicher Rahmenbedingungen, die Ausdehnung der Höchstarbeitsgrenzen sowie eine Diversifikation der Arbeitszeiten stellen die Koordination von Beruf einerseits und Familie sowie Sozialleben andererseits zunehmend vor Probleme. Genau an diesen Problemfeldern wird Arbeitszeitpolitik letztlich gemessen. Sowohl die Anhänger der Arbeitszeitflexibilisierung als auch jene der Arbeitszeitverkürzung greifen gewissermaßen nach der Zeit und versuchen diese maßgeblich mitzugestalten. Hinzu kommt, dass vermehrt Einzelinteressen der Arbeitnehmer zu beachten sind. Diese versuchen im Gegensatz zu der ersten Periode der Arbeitszeitentwicklung in der Zweiten Republik ebenfalls die Zeit derart zu gestalten, dass diese mit dem Sozialleben vereinbar ist, wobei die selbstbestimmte Zeit nicht unbedingt mit der Zeit der Gesellschaft im Einklang stehen muss. Im Gleichschritt zu einer Verkürzung der Arbeitszeit für alle Branchen und Arbeitnehmer zu gelangen, wird deswegen immer schwerer, je mehr die Verlagerung auf die betriebliche und einzelvertragliche Ebene erfolgt und je mehr eine Selbstbestimmtheit über die Zeit von den Arbeitnehmern eingefordert wird und dadurch Einzelvereinbarungen bevorzugt werden. Mit der schrittweisen Verkürzung der wöchentlichen Normalarbeitszeit bis Ende der 1980er Jahre vollzog sich grundsätzlich ein Verkürzungstrend der tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten. Es gibt zwar einige Branchen, die Abschlüsse über kürzere Arbeitszeiten nach der letzten großen Vereinbarung zur Reduktion der Normalarbeitszeit erreicht haben, aber die Tendenzen zeigen doch eher größere Spielräume für eine Verlängerung bzw. Diversifikation der Arbeitszeiten. Wie es in Zukunft mit der Arbeitszeitpolitik weitergehen wird, ist schwer abschätzbar, da sich in den vergangenen Jahren die Verhandlungspositionen durch die Aufnahme von sozialer Sicherheit bei den Flexibilisierungsbefürwortern und die Abkehr von der fixen Forderung nach der 35-Stunden-Woche bei der Gewerkschaft geändert haben. Beide Seiten haben in kleinerem Umfang eine Annäherung vollzogen. Eine praktische Auswirkung lässt sich indes, abgesehen vom »Flexicurity-Paket«, aus der verminderten Diskussion seit der letzten Arbeitszeitgesetznovelle nicht herauslesen. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass irgendwann erneut ein größerer arbeitszeitpolitischer Diskurs ansteht, denn auch wenn die jüngste Arbeitszeitgesetznovelle eine größere Flexibilisierung des gesetzlichen Spielraums gebracht hat, ist die Kritik an der mangelnden Flexibilität des Gesetzes nicht gänzlich verstummt. Wie die Vergangenheit gezeigt hat, wird dies erst dann der Fall sein, wenn es kein Arbeitszeitgesetz mehr gibt, das als inflexibel bezeichnet werden kann. Die Arbeitszeitpolitik des Jahres 2018 war schließlich von der Auseinandersetzung rund um den Zwölfstundentag geprägt. Mit der entsprechenden Arbeitszeitgesetznovelle kam es zur vierten mehr oder weniger großen Änderung des Arbeitszeitgesetzes, um eine größtmögliche Arbeitszeitflexibilisierung und eine Verlängerung der Arbeitszeiten zu erreichen. Gesetzlich wurden die Spielregeln verändert. Mit der

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Herbstlohnrunde 2018 werden die Karten jedoch neu gemischt, und die Gewerkschaft erhofft sich, im Rahmen dieser Verhandlungen die Maßnahmen der Regierung abmildern zu können. Erneut soll es, wie seit den 1980er Jahren praktiziert, zu einem Abtausch kommen. Es steht allerdings nicht mehr so sehr eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit als Gegenleistung zur Flexibilisierung im Zentrum, sondern vielmehr sollen gewisse Maßnahmen der Regierung abgeschwächt, Freizeitblöcke garantiert und die Viertagewoche fixiert werden. Zu welchem Ergebnis die Verhandlungen rund um die Metallergewerkschaft führen werden, ist noch nicht absehbar, aber es darf, allein schon aufgrund der Streikdrohungen der Gewerkschaften, ein »heißer« und »langer« Herbst erwartet werden. Auch für die nahe Zukunft ist es jedoch im Augenblick nur schwer vorstellbar, dass angesichts des fehlenden internationalen Trends eine Reduktion der Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden oder darunter anvisiert und umgesetzt werden wird. Zu erwarten sind vielmehr weitere Flexibilisierungs- und Verlängerungsrunden.

9. Anhang

9.1 Abkürzungsverzeichnis AAB Arbeitnehmerinnen- und Arbeiternehmerbund AB Ausschussbericht ABGB Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch AG Aktiengesellschaft AIVG Arbeitslosenversicherungsgesetz AK Arbeiterkammer AMS Arbeitsmarktservice Anm. Anmerkung APuZ Aus Politik und Zeitgeschichte ARÄG Arbeitsrechtsänderungsgesetz ASRÄG Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz ATS Schilling Attac Association pour une taxation des transactions financières pour l’aide aux citoyens AUVA Allgemeine Unfallversicherungsanstalt AZG Arbeitszeitgesetz AZV Arbeitszeitverkürzung BAK Bundesarbeiterkammer BBAW Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften BGBl. Bundesgesetzblatt Benelux-Staaten Belgien Niederlande und Luxemburg BIP Bruttoinlandsprodukt BlgNR Beilagen des Nationalrates BMAGS Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales BMASK Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz BMF Bundesministerium für Finanzen BMW Bayrische Motorenwerke BMWA Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten BR Bundesrat BWK Bundeswirtschaftskammer BZG Sonn- und Feiertags-Betriebszeitengesetz BZÖ Bündnis Zukunft Österreich DDR Deutsche Demokratische Republik DFP Demokratische Fortschrittliche Partei DP Discussionpaper bzw. Discussion Paper DRdA Das Recht der Arbeit DRGBl. Deutsches Reichsgesetzblatt EBS Europäische Beschäftigungsstrategie

Abkürzungsverzeichnis

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EFTA Europäische Freihandelsassoziation EG Europäische Gemeinschaft EGB Europäischer Gewerkschaftsbund EGI Europäisches Gewerkschaftsinstitut ErläutIA Erläuterung zum Initiativantrag ErläutRV Erläuterung zur Regierungsvorlage ERP European Recovery Program EU Europäische Union EuGH Europäischer Gerichtshof Eumig Elektrizitäts- und Metallwaren-Industrie-Gesellschaft mit beschränkter Haftung EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWR Europäischer Wirtschaftsraum FKÖGB Frauenkongress des österreichischen Gewerkschaftsbundes FPÖ Freiheitliche Partei Österreichs frequova z Frequenzorientierte variable Arbeitszeit GAP Gewerkschaft der Angestellten in der Privatwirtschaft GBH Gewerkschaft Bau-Holz GdG – KMSfB Gewerkschaft der Gemeindebediensteten – Kunst, Medien, Sport, freie Berufe GP Gesetzgebungsperiode GPA Gewerkschaft der Privatangestellten GPA-DJP Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier HEA Houben-Elektro-Akustik IA Initiativantrag Ifes Institut für empirische Sozialforschung IG Industriegewerkschaft ILO Internationale Arbeitsorganisation IMK Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung IOM International Organization for Migration ISW Institut für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften IV Industriellenvereinigung Jg. Jahrgang JILPT The Japan Institute for Labour Policy and Training k a pova z Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit KÖGB Kongress des österreichischen Gewerkschaftsbundes KPÖ Kommunistische Partei Österreichs LeGes Mitteilungsblatt der Schweizerischen Gesellschaft für Gesetzgebung LIF Liberales Forum LKO Landwirtschaftskammer Österreich LKW Lastkraftwagen LLEE LUISS Lab on European Economics LpB Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg MittAB Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung MPIfG Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung

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Anhang

NAP Nationaler Plan für Beschäftigung NBER National Bureau of Economic Research NR Nationalrat NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei ÖAAB Österreichischer Arbeiternehmerinnen- und Arbeitnehmerbund ÖBB Österreichische Bundesbahnen OECD Organisation for Economic Co-operation and Development ÖGB Österreichischer Gewerkschaftsbund OGH Oberster Gerichtshof ÖGJ Österreichische Gewerkschaftsjugend ÖIF Österreichisches Institut für Familienforschung ÖIG Österreichische Industrieverwaltungs-Gesellschaft mit beschränkter Haftung ÖJZ Österreichische Juristen-Zeitung ÖKF Österreichisches Kuratorium für Fischerei und Gewässerschutz OMV Österreichische Mineralölverwaltung ORF Österreichischer Rundfunk ÖVP Österreichische Volkspartei ÖZP Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaften ÖZS Österreichische Zeitschrift für Soziologie POCH Progressive Organisation Schweiz PRO-GE Produktionsgewerkschaft R-ÜG Rechts-Überleitungsgesetz RGBl. Reichsgesetzblatt RL Richtlinie RSFSR Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik RV Regierungsvorlage SCA Svenska Cellulosa Aktiebolaget SMAD Sowjetische Militäradministration in Deutschland SN Stellungnahme SOFI Soziologisches Forschungsinstitut SPÖ Sozialdemokratische Partei Österreichs SPSR Swiss Political Science Review SRÄG Sozialrechts-Änderungsgesetz Sten. Prot. Stenographisches Protokoll StGBl. Staatsgesetzblatt TB Tätigkeitsbericht UdSSR Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken UNICE Union of Industrial and Employers’ Confederation of Europe URL Uniform Resource Locator VEW Vereinigte Edelstahlwerke AG VfGH Verfassungsgerichtshof VfSlg Sammlung der Erkenntnisse und wichtigen Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofes VGÖ Vereinigte Grüne Österreichs vida Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft

Abbildungsverzeichnis

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VOEST Vereinigte Österreichische Eisen- und Stahlwerke VÖI Vereinigung der österreichischen Industrie, Industriellenvereinigung VwGH Verwaltungsgerichtshof VwSlg Sammlung der Erkenntnisse und wichtigen Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes WdU Wahlpartei der Unabhängigen WIFO Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung WISO Wirtschafts- und Sozialpolitische Zeitschrift WKO Bundeswirtschaftskammer Österreich WKOÖ Bundeswirtschaftskammer Oberösterreich WSI Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut WZB Wissenschaftszentrum Berlin ZAS Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht ZiB Zeit im Bild ZögU Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen

9.2 Abbildungsverzeichnis Abb. 1  : Der Weg zur 35-Stunden-Woche Abb. 2  : Arbeitszeitverkürzung 1950–1986 Abb. 3  : Hürdenlauf zur 45-Stunden-Woche Abb. 4  : Vorschau auf den 25. Mai 1963 Abb. 5  : Gemeinsame Kraftanstrengung zur Verkürzung der Arbeitszeit Abb. 6  : Das Verkehrshindernis Abb. 7  : Die Normalarbeitszeit in niederösterreichischen Betrieben Abb. 8  : Die effektive Arbeitszeit in 1.623 österreichischen Betrieben Abb. 9  : Angeln als Freizeitbeschäftigung Abb. 10  : »Kann man vom Nichtstun leben  ?« Abb. 11  : Arbeitszeitregelung – Freizeit – Schutz Abb. 12  : Die neue alte ÖVP-Regierung Abb. 13  : Volksbegehren für ein Bundesgesetz über die schrittweise Einführung der 40-Stunden-Woche sowie die Regelung der Arbeitszeit und Arbeitsruhe Abb. 14  : Mehr Freizeit für Sie – Volksbegehren – Arbeitszeitgesetz – Für 40-Stunden-Woche – 4. bis 11. Mai 1969 Abb. 15  : Wieviel sind Ihnen fünf Stunden wert  ? Abb. 16  : Countdown bis zum Start des Arbeitszeitvolksbegehrens der SPÖ Abb. 17  : Ihre Unterschrift – für 40 Stunden – Volksbegehren Arbeitszeitgesetz Abb. 18  : Anton Benya als Arbeitszeitteufel Abb. 19  : 40 – Die sozialistische Parlamentsfraktion informiert über das Arbeitszeit-Volksbegehren Abb. 20  : Volksbegehren für ein Bundesgesetz über die schrittweise Einführung der 40-Stunden-Woche – Eintragungsfrist – Eintragungszeiten – Eintragungsverfahren Abb. 21  : Moderne Menschen – Moderne Betriebe – Moderne Arbeitszeit – FPÖ Abb. 22  : Österreich ist reif für die 40-Stunden-Woche

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Anhang

Abb. 23  : Urteilen Sie selbst Abb. 24  : Die Schlaumair – »Volksbegehren ist Volksbegehren  ! Unterschreibst da aa glei, daß d dann a Ruah hast  !« Abb. 25  : Countdown bis zum Ende des Arbeitszeitvolksbegehrens der SPÖ Abb. 26  : Volksstimme Bilderdienst Nr.  10 – 40-Stunden-Woche auch in Österreich Abb. 27  : Die 40-Stunden-Woche ist erreicht – ÖGB-Aktuell Nr. 163 Abb. 28  : Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden – Arbeitszeitverlängerung auf 35 Stunden Abb. 29  : Dallinger reitet wieder  ! Abb. 30  : Ich bin 2 Arbeitsplätze Abb. 31  : Lohnverzicht schafft Arbeitsplätze Abb. 32  : #SOZIFACT Abb. 33  : Großdemonstration in Wien gegen den Zwölfstundentag Abb. 34  : »Taferlkrieg« um den Zwölfstundentag im Nationalrat Abb. 35  : Flyer zur Arbeitszeit-Hotline Abb. 36  : »Drübergefahren« Abb. 37  : »Streiken würd ich liken«

9.3 Tabellenverzeichnis Tabelle 1  : Arbeitszeitentwicklung in der Zweiten Republik Tabelle 2  : Definitionen »flexibler Arbeitszeiten« Tabelle 3  : Unterscheidung »strukturelle« und »zeitsouveräne« Flexibilität Tabelle 4  : Entwicklung des realen BIP (1945–1959) Tabelle 5  : Entwicklung der Preise und Löhne (1945–1959) Tabelle 6  : Überblick Handelsbilanz (1945–1959) Tabelle 7  : Die Arbeitsmarktlage von 1945 bis 1959 Tabelle 8  : Entwicklung des Budgetdefizits (1946–1959) Tabelle 9  : Entwicklung des realen BIP (1960–1969) Tabelle 10  : Überblick Handelsbilanz (1960–1969) Tabelle 11  : Entwicklung des Budgetdefizits (1960–1969) Tabelle 12  : Übersicht Inflationsrate (1960–1969) Tabelle 13  : Die Arbeitsmarktlage von 1960 bis 1969 Tabelle 14  : Übersicht Inflationsrate (1970–1979) Tabelle 15  : Entwicklung des Budgetdefizits (1970–1979) Tabelle 16  : Überblick Handelsbilanz (1970–1979) Tabelle 17  : Übersicht Inflationsrate (1980–1989) Tabelle 18  : Entwicklung des Budgetdefizits (1980–1989) Tabelle 19  : Die Arbeitsmarktlage von 1970 bis 1989 Tabelle 20  : Übersicht Inflationsrate (1990–2007) Tabelle 21  : Entwicklung des Budgetdefizits (1990–1998) Tabelle 22  : Entwicklung des Budgetdefizits (1999–2007) Tabelle 23  : Die Arbeitsmarktlage von 1990 bis 2007 Tabelle 24  : Entwicklung der wöchentlichen Arbeitszeit in den Industriebetrieben Österreichs

Primärquellen

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Tabelle 25  : Wöchentliche Arbeitszeit in Wiener Betrieben Tabelle 26  : Entwicklung der wöchentlichen Arbeitszeit in den Industriebetrieben Österreichs nach Bundesländern Tabelle 27  : Wöchentliche Arbeitszeit männlicher Facharbeiter in Wiener Betrieben nach Wirtschaftszweigen Tabelle 28  : Entwicklung der wöchentlichen Arbeitszeit in den Industriebetrieben Österreichs nach Wirtschaftszweigen Tabelle 29  : Arbeitszeitverkürzung in bestimmten Branchen 1958 Tabelle 30  : Arbeitsuchende und offene Stellen im III. Quartal (1950–1960) Tabelle 31  : Geleistete Arbeitsstunden je Arbeitstag und Arbeiter in der Industrie Tabelle 32  : »Industrieproduktion und Produktion je Arbeitsstunde 1957–1967« Tabelle 33  : Wöchentliche Normalarbeitszeitstunden in Europa – gesetzlich und kollektivvertraglich (Übersicht 1963) Tabelle 34  : Ergebnis des Volksbegehrens zur schrittweisen Einführung der 40-Stunden-Woche Tabelle 35  : Arbeitszeit von Hausgehilfen und Hausangestellten Tabelle 36  : Vergleich der Normalarbeitszeit in der Industrie (1974–1975) Tabelle 37  : Gesamtwirtschaftliche Stundenproduktivität in Österreich (1964–1977) Tabelle 38  : Mitgliederstatistik ÖGB (1975–2012) Tabelle 39  : Grundvoraussetzung für mittel- und kurzfristige Wirkung einer Arbeitszeitverkürzung Tabelle 40  : Geleistete Arbeitszeit je Beschäftigte Tabelle 41: Arbeitszeitverkürzungen bis Ende der 1980er Jahre Tabelle 42  : Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Arbeitszeit Tabelle 43  : Arbeitszeit je Industriearbeiter

9.4 Primärquellen 9.4.1 Stenographische Protokolle Beilagen der Stenographischen Protokolle des Nationalrates Stenographische Protokolle des Bundesrates Stenographische Protokolle des Nationalrates Stenographische Protokolle des Österreichischen Gewerkschaftsbundes Stenographische Protokolle des Frauenkongresses des Österreichischen Gewerkschaftsbundes 9.4.2 Gerichtsentscheidungen VfGH  : VfSlg 2976/1956  ; VfSlg 12568/1990  ; VfSLg 11774/1988  ; VfSlg. 13038/1992 VwGH  : VwSlg 4086/1956 9.4.3 Bundesgesetzblätter BGBl. 63/1946  : Arbeitspflichtgesetz BGBl. 140/1948  : Landarbeitsgesetz BGBl. 146/1948  : Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen

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BGBl. 229/1950  : Übereinkommen (Nr.  89) über die Nachtarbeit der Frauen im Gewerbe (abgeänderter Wortlaut vom Jahre 1948) BGBl. 195/1956  : Verordnung  : Zulassung von Arbeitszeitverlängerung beim Nachweis eines dringenden Bedürfnisses BGBl. 76/1957  : Mutterschutzgesetz BGBl. 156/1958  : Ladenschlußgesetz BGBl. 235/1962  : Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz BGBl. 203/1964  : Ladenschlußgesetz-Novelle BGBl. 49/1966  : Kundmachung  : Aufhebung einer Bestimmung der Verordnung betreffend die Zulassung von Arbeitszeitverlängerungen beim Nachweis eines dringenden Bedürfnisses durch den Verfassungsgerichtshof BGBl. 237/1969  : Nachtarbeit der Frauen BGBl. 461/1969  : Arbeitszeitgesetz BGBl. 462/1969  : Abänderung und Ergänzung von Arbeitszeitvorschriften BGBl. 463/1969  : Landarbeitsgesetz-Novelle BGBl. 178/1974  : Änderung des Mutterschutzgesetzes BGBl. 390/1976  : Vereinheitlichung des Urlaubsrechtes und Einführung einer Pflegefreistellung BGBl. 144/1983  : Arbeitsruhegesetz – ARG BGBl. 129/1984  : Sonn- und Feiertags-Betriebszeitengesetz BGBl. 421/1988  : Änderung des Ladenschlußgesetzes BGBl. 633a/1989  : Änderung des Ladenschlußgesetzes BGBl. 397/1991  : Änderung des Öffnungszeitengesetzes BGBl. 626/1991  : Arbeiterkammergesetz 1992 – AKG BGBl. 50/1992  : Kundmachung  : Wiederverlautbarung des Öffnungszeitengesetzes BGBl. 883/1992  : Arbeitsrechtliches Begleitgesetz – ArbBG BGBl. 313/1994  : Arbeitsmarktservicegesetz – AMSG BGBl. 139/1997  : Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz 1997 – ASRÄG 1997 BGBl. I 4/1997  : Änderung des Öffnungszeitengesetzes 1991 BGBl. I 46/1997  : Änderung des Arbeitszeitgesetzes und des Arbeitsruhegesetzes BGBl. I 139/1997  : Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz 1997 – ASRÄG 1997 BGBl. I 44/2000  : Arbeitsrechtsänderungsgesetz 2000 – ARÄG 2000 BGBl. I 101/2000  : Sozialrechts-Änderungsgesetz 2000 – SRÄG 2000 BGBl. I 122/2002  : EU-Nachtarbeits-Anpassungsgesetz BGBl. I 48/2003  : Erlassung des Öffnungszeitengesetzes 2003 und Änderung der Gewerbeordnung 1994, des Arbeitsruhegesetzes und des Sonn- und Feiertags-Betriebszeitengesetzes BGBl. I 61/2007  : Änderung des Arbeitszeitgesetzes, des Arbeitsruhegesetzes und des Landarbeitsgesetzes 1984 BGBl. I 62/2007  : Änderung des Öffnungszeitengesetzes 2003 9.4.4 Berichte des Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen (1997)  : Beschäftigungspolitik. Wien. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen (1984)  : Arbeitszeitentwicklung und Arbeitszeitpolitik. Wien.

Primärquellen

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Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen (1969)  : Untersuchung über die Probleme der Arbeitszeitverkürzung. Wien. Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen (1968)  : Bericht über Teilzeitbeschäftigung. Wien. 9.4.5 Gewerkschaftsdokumente GPA (2006)  : Viel erreicht und noch viel vor – 60 Jahre GPA. Wien. ÖGB (1957)  : Tätigkeitsbericht 1956. Wien. ÖGB (1959)  : Tätigkeitsbericht 1958. Wien. ÖGB (2009)  : Grundsatzprogramm. 17. ÖGB-Bundeskongress 30. Juni bis 2. Juli 2009. Wien. ÖGB (2013)  : Grundsatzprogramm des ÖGB. 2013 bis 2018. 18. ÖGB-Bundeskongress am 20. Juni 2013. Wien. ÖGB/Frauenabteilung (2005)  : Ohne uns geht nichts – 60 Jahre ÖGB Frauen. Wien. Rednerdienst des ÖGB (1958)  : Arbeitszeitgesetz und Arbeitszeitverkürzung. Nr. 6, Wien Anfang Juni 1958. Rednerdienst des ÖGB (1959)  : Die 45-Stundenwoche. Nr. 1, Wien Ende Jänner 1959. Rednerdienst des ÖGB (1969a)  : Arbeitszeitverkürzung  – 40-Stundenwoche, Wien Anfang Februar 1969. Rednerdienst des ÖGB (1969b)  : Arbeitszeitverkürzung  – 40-Stundenwoche, Wien Ende Oktober 1969. 9.4.6 Dokumente von Regierung und Ministerien BMAGS/BMWA (1999)  : Umsetzungsbericht 1999 zum Nationalen Aktionsplan für Beschäftigung. Wien. Im Internet unter  : http://ec.europa.eu/social/BlobServlet  ?docId=5797&langId=de [Datum des letzten Zugriffs  : 07.10.2016]. BMASK (2013)  : Aktive Arbeitsmarktpolitik in Österreich 1994–2013. Wien. BMF (2003)  : Ausgliederungshandbuch. Wien. Bundesregierung Österreich (2000)  : Zukunft im Herzen Europas. Österreich neu regieren  : das Regierungsprogramm. Wien. Bundesregierung Österreich (2003)  : Regierungsprogramm 2003–2006. Zukunft, gerecht, nachhaltig. Wien. Bundesregierung Österreich (2013)  : Erfolgreich. Österreich. Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung für die Jahre 2013 bis 2018. Wien. ÖVP/FPÖ (2017)   : Zusammen. Für unser Österreich. Regierungsprogramm 2017–2022. Wien. 9.4.7 Jahresberichte der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft und der VÖI sowie Jahrbuch der Kammer der Arbeiter und Angestellten Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft (1951)  : Jahresbericht 1950. Wien. Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft (1956)  : Jahresbericht 1955. Wien. Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft (1957)  : Jahresbericht 1956. Wien. Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft (1958)  : Jahresbericht 1957. Wien. Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft (1959)  : Jahresbericht 1958. Wien. Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft (1960)  : Jahresbericht 1959. Wien. Kammer der Arbeiter und Angestellten (1946)  : Jahrbuch 1946. Wien.

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Kammer der Arbeiter und Angestellten (1950)  : Jahrbuch der Arbeiterkammer in Wien 1949. Wien. VÖI (1951)  : Jahresbericht 1950. Wien. VÖI (1952)  : Jahresbericht 1951. Wien. VÖI (1953)  : Jahresbericht 1952. Wien. VÖI (1954)  : Jahresbericht 1953. Wien. VÖI (1957)  : Jahresbericht 1956. Wien. 9.4.8 Monatsberichte des WIFO Baumgartner, Josef (1999)  : Inflationsentwicklung in Österreich seit Ende der achtziger Jahre. In  : Monatsberichte des WIFO, 72. Jg., Nr. 9, Wien, S. 635–636. Baumgartner, Josef/Kaniovski, Serguei/Pitlik, Hans (2010)   : Allmähliche Erholung nach schwerer Rezession. Mittelfristige Prognose der österreichischen Wirtschaft bis 2014. In  : Monatsberichte des WIFO, 72. Jg., Nr. 9, Wien, S. 47–59. Bock-Schappelwein, Julia (2005)  : Entwicklung und Formen der Arbeitslosigkeit in Österreich seit 1990. In  : Monatsberichte des WIFO, 78. Jg., Nr. 7, Wien, S. 499–510. Butschek, Felix/Walterskirchen, Ewald (1974)  : Aspekte der Ausländerbeschäftigung. In  : Monatsberichte des WIFO, 47. Jg., Nr. 4, Wien, S. 214–224. Lamel, Joachim (1999)  : Das Deflationsproblem aus Sicht der Arbeitgeber. In  : Monatsberichte des WIFO, 72. Jg., Nr. 9, Wien, S. 626–627. Mitter, Peter/Skolka, Jiri (1984)  : Entwicklung der Arbeitsproduktivität in Österreich 1964– 1977. In  : Monatsberichte des WIFO, 57. Jg., Wien, S. 19–31. Monatsberichte des WIFO (1946a)  : Die wirtschaftliche Lage Österreichs am Ende des ersten Nachkriegsjahres. In  : Monatsberichte des WIFO, 19. Jg., Nr. 1–6, Wien. Monatsberichte des WIFO (1946b)  : Österreichs wirtschaftliche Lage achtzehn Monate nach Kriegsende. In  : Monatsberichte des WIFO, 19. Jg., Nr. 7–9, Wien. Monatsberichte des WIFO (1946c)  : Die wirtschaftliche Lage im vierten Quartal 1946. In  : Monatsberichte des WIFO, 19. Jg., Nr. 10–12, Wien. Monatsberichte des WIFO (1950)  : Entwicklung der wöchentlichen Arbeitszeit in der Industrie. In  : Monatsberichte des WIFO, 23. Jg., Nr. 10, Wien, S. 502–506. Monatsberichte des WIFO (1952)  : Die Krise in der Textilindustrie. In  : Monatsberichte des WIFO, 25. Jg., Beilage Nr. 18, Wien. Monatsberichte des WIFO (1958)  : Löhne, Gehälter und Masseneinkommen in Österreich 1950–1957. In  : Monatsberichte des WIFO, 31. Jg., Beilage Nr. 54, Wien. Monatsberichte des WIFO (1959)  : Die Einführung der 45-Stunden-Woche in Österreich. In  : Monatsberichte des WIFO, 32. Jg., Nr. 2, Wien, S. 61–66. Monatsberichte des WIFO (1960)  : Die Arbeitszeit seit Einführung der 45-Stunden-Woche. In  : Monatsberichte des WIFO, 33. Jg., Nr. 10, Wien, S. 418–424. Monatsberichte des WIFO (1965)  : Österreichs Volkseinkommen von 1913 bis 1963. In  : Monatsberichte des WIFO, 38. Jg., 14. Sonderheft, Wien. Pollan, Wolfgang (1996a)  : Die Auswirkung des EU-Beitritts auf die Verbraucherpreise. In  : Monatsberichte des WIFO, 69. Jg., Nr. 1, Wien, S. 45–60. Pollan, Wolfgang (1996b)  : Der Verlauf der Verbraucherpreise nach dem EU-Beitritt. In  : Monatsberichte des WIFO, 69. Jg., Nr. 9, Wien, S. 573–581.

Periodika und Fachzeitschriften

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Walterskirchen, Ewald (1978)  : Preis und Löhne. In  : Monatsberichte des WIFO, 51. Jg., Nr. 3, Wien, S. 117–122. 9.4.9 Sonstige Sénat de Belgique (1995)  : Proposition de loi modifiant la loi du 16 mars 1971 sur le ­travail. Im Internet unter  : http://www.senate.be/www/webdriver?MItabObj=pdf&MIcolObj=pdf& MInamObj=pdfid&MItypeObj=application/pdf&MIvalObj=16779738 [Datum des letzten Zugriffs  : 07.10.2016]. WKO (2013)  : Die Wirtschaftskammern Österreichs. Wofür wir stehen. Wer wir sind. Wie wir arbeiten. Wien. WKO/AK/ÖGB/LKO (2006)  : Wachstum und Vollbeschäftigung. Vorschläge der Sozialpartner. Wien.

9.5 Periodika und Fachzeitschriften 9.5.1 Wirtschaftspolitische Blätter Alber, Karl (1962)  : Die Entwicklung in den wichtigsten Ländern. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 9. Jg., Heft 3, Wien, S. 227–229. Basalka, Heinrich (1989)  : Arbeitszeitverkürzungen und Lohnverhandlungen. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 36. Jg., Heft 1, Wien, S. 68–80. Birnbaumer, Werner (1969)  : Zur Problematik der Arbeitszeitverkürzung. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 16. Jg., Heft 2, Wien, S. 131–132. Bretschneider, Rudolf (1989)  : Freizeit – ein knapper Faktor im Alltag. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 36. Jg., Heft 1, Wien, S. 81–86. Butschek, Felix (1969)  : Die arbeitsmarktpolitische Problematik. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 16. Jg., Heft 2, Wien, S. 149–154. Butschek, Felix (1979)  : Arbeitszeitverkürzung in der theoretischen Diskussion. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 26. Jg., Heft 2, Wien, S. 19–24. d’Aron, Erhard (2000)  : Einfluss des Strukturwandels auf das Arbeitsrecht. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 47. Jg., Heft 3, Wien, S. 350–352. Dollinger, Rupert (1979)  : Sozialpolitische Rahmenbedingungen einer Arbeitszeitverkürzung in Österreich. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 26. Jg., Heft 2, Wien, S. 64–69. Dollinger, Rupert (1989)  : Flexible Arbeitszeit. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 36. Jg., Heft 1, Wien, S. 35–41. Festa, Christian (1969a)  : Arbeitszeitverkürzung und Konkurrenzfähigkeit gegenüber dem Ausland. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 16. Jg., Heft 2, Wien, S. 139–142. Festa, Christian (1969b)  : Was hat die Diskussion ergeben  ? In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 16. Jg., Heft 2, Wien, S. 169–173. Freytag, Norbert (1962)  : Arbeitszeit und Freizeit als soziologisches Problem. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 9. Jg., Heft 3, Wien, S. 233–235. Goldschmidt, Oskar (1962)  : Maßgebend sind Lage und Wachstum der Wirtschaft. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 9. Jg., Heft 3, Wien, S. 257–260. Groß, Herbert (1955)  : Die Fünftagewoche in der deutschen Diskussion – Zu den aktuel-

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len Gedanken und Maßnahmen. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 2. Jg., Heft 4, Wien, S. 24–26. H. B. (1969)  : Zur lohnpolitischen Problematik. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 16. Jg., Heft 2, Wien, S. 147–149. Handler, Heinz (1988)  : Geldwertstabilisierung als Ziel der Hartwährungspolitik. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 35. Jg., Heft 1, Wien, S. 84–91. Hauth, Anton (1989)  : Die Arbeitszeit in der österreichischen Wirtschaft. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 36. Jg., Heft 1, Wien, S. 18–29. Hittmair, Anton (1962)  : Arbeit und Freizeit. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 9. Jg., Heft 3, Wien, S. 241–243. Klenner, Fritz (1962)  : Schrittweise Verkürzung der Arbeitszeit unter Bedachtnahme auf wirtschaftliche Möglichkeiten – Die Stellung des österreichischen Gewerkschaftsbundes. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 9. Jg., Heft 3, Wien, S. 261–262. Klose, Alfred (1962a)  : Grenzen der Arbeitszeitverkürzungspolitik. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 9. Jg., Heft 3, Wien, S. 223–225. Klose, Alfred (1962b)  : Das Ergebnis der Diskussion. In Wirtschaftspolitische Blätter, 9. Jg., Heft 3, Wien, S. 267–272. Klose, Alfred (1969)  : Wirtschaftspolitische Vorkehrungen. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 16. Jg., Heft 2, Wien, S. 160–163. Knapp, Horst (1955a)  : Die Vierzigstundenwoche im Streit der Meinungen. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 2. Jg., Heft 4, Wien, S. 19–20. Knapp, Horst (1955b)  : Was hat die Diskussion ergeben  ? In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 2. Jg., Heft 4, Wien 1955, S. 32–33. Knapp, Horst (1969)  : Keine Katastrophe, aber … – Wie lässt sich Arbeitszeitverkürzung kompensieren  ? In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 16. Jg., Heft 2, Wien, S. 163–166. Kramer, Helmut (1969)  : Kritische Bemerkungen zur Beiratsstudie. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 16. Jg., Heft 2, Wien, S. 133–137. Lachnit, Vinzenz (1979)  : Arbeitszeitverkürzung als arbeitsmedizinisches und arbeitspsychologisches Problem. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 26. Jg., Heft 2, Wien, S. 59–63. Lamel, Joachim (1969)  : Arbeitszeitverkürzung als Quantifizierungsproblem. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 16. Jg., Heft 2, Wien, S. 142–146. Lamel, Joachim (1975)  : Die Auswirkungen der Arbeitszeitverkürzung 1975 in der Industrie. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 22. Jg., Heft 1, Wien, S. 76–80. Lamel, Joachim (1979)  : Wachstumspolitik und Arbeitszeitverkürzung. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 26. Jg., Heft 1, Wien, S. 33–41. Lamel, Joachim (1989)  : Zur Diskussion »Arbeitszeitverkürzung«. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 36. Jg., Heft 1, Wien, S. 95–106. Leutner, Richard (1989)   : Die Arbeitszeitpolitik des ÖGB   : Den Generalkollektivvertrag zur Einführung der 35-Stunden-Woche verwirklichen. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 36. Jg., Heft 1, Wien, S. 42–52. Mayr, Martin (1962)  : Die gewerbliche Wirtschaft und die Arbeitszeitverkürzung. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 9. Jg., Heft 3, Wien, S. 264–266. Mitic, Max (1962)  : Arbeitszeitpolitik ist Teil der Volkswirtschaftspolitik. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 9. Jg., Heft 3, Wien, S. 230–233.

Periodika und Fachzeitschriften

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Papesch, Anton (1955)  : Arbeitszeitverkürzung und Ladenschluss. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 2. Jg., Heft 4, Wien, S. 30–32. Rabl-Stadler, Helga (1989)  : Arbeitszeitverkürzung aus der Sicht eines Handelsbetriebes. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 36. Jg., Heft 1, Wien, S. 31–34. Scheichelbauer, Peter (1955)  : Zur Problematik der Vierzigstundenwoche. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 2. Jg., Heft 4, Wien, S. 22–24. Schenk, Winfried (1979)  : Technischer Fortschritt und Arbeitszeit. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 26. Jg., Heft 2, Wien, S. 43–47. Schmitz, Wolfgang (1962)  : Arbeitszeitverkürzung und Elastizität des Arbeitsmarktes. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 9. Jg., Heft 3, Wien, S. 245–248. Schoenaich-Carolath, Alexandra-Friederike Prinzessin zu (1989)  : Arbeitszeitpolitik in den Mitgliedsstaaten der EG. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 36. Jg., Heft 1, Wien, S. 53–60. Schwarz, Heinz (1969)  : Betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte der Arbeitszeitverkürzung. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 16. Jg., Heft 2, Wien, S. 167–169. Seidel, Hans (1989)  : Einige Überlegungen zur Arbeitszeitpolitik. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 36. Jg., Heft 1, Wien, S. 61–67. Streissler, Monika (1962)  : Der Produktivitätsfortschritt als Grenze. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 9. Jg., Heft 3, Wien, S. 250–257. Supper, Meinhard (1969)   : Arbeitszeitverkürzung und Konjunkturentwicklung. In   : Wirtschaftspolitische Blätter, 16. Jg., Heft 2, Wien, S. 155–160. Supper, Meinhard (1979)  : Zur Diskussion  : »Arbeitszeitverkürzung in Österreich«. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 26. Jg., Heft 2, Wien, S. 76–86. Szecsi, Maria (1969a)  : Arbeitszeit als gesellschaftliche Entscheidung. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 16. Jg., Heft 2, Wien, S. 137–138. Teriet, Bernhard (1979)  : Arbeitszeitverkürzung als Herausforderung für ökonomische Theorie und Praxis. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 26. Jg., Heft 2, Wien, S. 48–58. Tomandl, Theodor (1962)  : Qualitative Probleme der Arbeitszeitverkürzung. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 9. Jg., Heft 3, Wien, S. 238–240. Utner, Franz (1955)  : Argumente der Industrie. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 2. Jg., Heft 4, Wien, S. 27–28. Walterskirchen, Ewald (1979)  : Arbeitszeitverkürzung als Mittel der Beschäftigungspolitik  ? In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 26. Jg., Heft 2, Wien, S. 25–32. Westphalen, Ferdinand A. (1955)  : Worum es geht. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 2. Jg., Heft 4, Wien, S. 20–22. Widhalm, Karl (1955)  : Arbeitszeitverkürzung im Handel. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 2. Jg., Heft 4, Wien, S. 28–30. Wirtschaftspolitische Blätter (1962)  : Meinung der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 9. Jg., Heft 3, Wien, S. 263–264. Wirtschaftspolitische Blätter (1979a)   : Arbeitszeitverkürzung als beschäftigungspolitisches Instrument. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 26. Jg., Heft 2, Wien, S. 17. Wirtschaftspolitische Blätter (1979b)  : Zusammenfassung. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 26. Jg., Heft 4, Wien, S. 70–75. Wörgötter, Andreas (1984)  : Die Institution der Normalarbeitszeit. In  : Wirtschaftspolitische Blätter, 31. Jg., Heft 4, Wien, S. 494–503.

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9.5.2 Das Recht der Arbeit (DRdA) Cerny, Josef (1973)  : Der Schutzgedanke im Arbeitsrecht. In  : DRdA, 23. Jg., Nr. 121, S. 97– 106. Charak, H. L. (1951)  : Das Arbeitszeitproblem im Lichte internationaler Regelungen. In  : DRdA, 1. Jg., Nr. 1, S. 18–32. DRdA (1956)  : Die gesetzliche Begrenzung der Arbeitszeit. In  : DRdA, 6. Jg., Nr. 22, S. 33–38. Gahleitner, Sieglinde (2006)  : Möglichkeiten der Arbeitszeitregelung – Teil 1. In  : DRdA, 56. Jg., Nr. 303, S. 335–343. Kahn-Freud, O. (1955)  : Zur Entwicklung des Arbeitsrechts in Großbritannien. In  : DRdA, 5. Jg., Nr. 15, S. 5–9. Klein, Christoph (1997)  : Novellierung des Arbeitsrechtes. In  : DRdA 1997, 34. Jg., Nr. 247, S. 241–243. Klein, Gerhard (1984)  : Arbeitsrechtliche Probleme neuer Arbeitszeitformen. In  : DRdA, 34. Jg., Nr. 176, S. 301–308. Klein, Gerhard (1998)  : Neue Aspekte im Arbeitszeitrecht. In  : DRdA, 48. Jg., Nr. 253, S. 175– 183. Lutz, Doris (2004)  : Lösungsansätze für das Konsultationsverfahren der Europäischen Kommission zur Arbeitszeit-RL 93/104/EG. In  : DRdA, 54. Jg., Nr. 289, S. 227–231. Migsch, Erwin (1974)  : Ist die Teilzeitarbeit gesetzlich zu regeln  ? In  : DRdA, 24. Jg., Nr. 128, S. 248–256. Mire, Josef (1952)  : Das Amerikanische Arbeitsrecht. In  : DRdA, 2. Jg., Heft 4, S. 10–13. Rabofsky, Eduard (1953)  : Arbeitsrecht in der Sowjetunion. In  : DRdA, 3. Jg., Nr. 8, S. 22–28. Röpke, Oliver (2005)  : Zur Revision der EU-Arbeitszeitrichtlinie. In  : DRdA, 55. Jg., Nr. 297, S. 460–466. Schneller, Hannes (2003)  : Öffnungszeitengesetz 2003 – Auf dem Weg zum Konkurrenz-Föderalismus  ? In  : DRdA, 53. Jg., Heft 6, S. 594–596. Stemberger, Gerhard (1983b)  : Neue Arbeitszeitformen – flexible Arbeitszeiten in Österreich. In  : DRdA, 33. Jg., Nr. 171, S. 303–306. Strasser, Rudolf (1974)  : Der Beitrag des Obersten Gerichtshofes zur Arbeitsrechtsentwicklung in der Zweiten Republik. In  : DRdA, 24. Jg., Nr. 126, S. 101–109. Weißenberg, Gerhard (1961)  : Die Bedeutung der Kodifikation des Arbeitsrechtes. In  : DRdA, 11. Jg., Nr. 48, S. 4–10. 9.5.3 Wirtschafts- und sozialpolitische Zeitschrift (WISO) Buchinger, Elisabeth (1998a)  : … weil weniger mehr ist – Arbeitszeitverkürzung als Chance. WISO-Dokumente 44. Linz. Dallinger, Alfred (1981)  : Arbeitszeitverkürzung. In  : WISO, Heft  2, Wien. Eder, Manfred (1988)  : Fakten und Argumente zum Thema Arbeitslosigkeit und Arbeitszeitverkürzung. In  : Eder, Manfred/Schütt, Karin  : Materialien zur Arbeitslosigkeit. WISO-Dokumente, Heft 19, Linz, S. 11–24. Eder, Manfred (1989)  : 35 Stunden – mehr Arbeitsplätze, mehr freie Zeit. In  : WISO-Dokumente, Heft 23, Linz. Eder, Manfred/Schütt, Karin (1988)  : Materialien zur Arbeitslosigkeit. WISO-Dokumente, Heft 19, Linz 1988.

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Periodika und Fachzeitschriften

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Zeitungen, Zeitschriften und TV

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Schröder, Peter (1979)  : Belgien  : Kürzere Arbeitswoche kommt. In  : Arbeit und Wirtschaft, Nr. 6, S. 27. Schwarz, Bernhard (1980)  : Zeit für neue Arbeitszeiten  ? In  : Arbeit und Wirtschaft, Nr. 5, S. 32–36. Schwarz, Bernhard (1983)  : Flexible Arbeitszeiten in der Praxis. In  : Arbeit und Wirtschaft, Nr. 3, S. 34. Schwarz, Bernhard (1984)  : Kein Stillstand in der Frage der Arbeitszeit. Einige Bemerkungen zu aktuellen Fragen der Arbeitszeitregelung. In  : Arbeit und Wirtschaft, Nr. 10, S. 28–32. Schwarz, Bernhard (1991)  : Die Zeit läuft … Arbeitszeitpolitik auf dem Prüfstand. In  : Arbeit und Wirtschaft, Nr. 6, S. 8–13. Sorz, Siegfried (2004)  : Ja zur Arbeitszeitverlängerung – für die Arbeitslosen. In  : Arbeit und Wirtschaft, Nr. 7–8, S. 4. Stemberger, Gerhard (1985a)   : Flexible Arbeitszeiten – Wunschtraum und Wirklichkeit (Teil 1). In  : Arbeit und Wirtschaft, Nr. 5, S. 29–33. Stemberger, Gerhard (1985b)  : Flexible Arbeitszeiten – Kleine Freiheit, hoher Preis (Teil 2). In  : Arbeit und Wirtschaft, Nr. 6, S. 18–24. Stemberger, Gerhard (1985c)  : Flexible Arbeitszeiten – Individuelle Freiheit nur unter kollektivem Schutz (Teil 3). In  : Arbeit und Wirtschaft, Nr. 7–8, S. 18–23. Stemberger, Gerhard (1985d)  : Flexible Arbeitszeiten – Dehnbare Zeiten – dehnbare Rechte. In  : Arbeit und Wirtschaft, Nr. 9, S. 36–42. Stemberger, Gerhard (1985e)  : Einkaufszeiten – harte Arbeitszeiten. Die Arbeitszeitsituation im Einzelhandel. In  : Arbeit und Wirtschaft, Nr. 12, S. 36–41. Stemberger, Gerhard (1986)  : Urlaubszeiteinteilung und Arbeitszeitgestaltung – neue Aspekte. In  : Arbeit und Wirtschaft, Nr. 7–8, S. 38–43. Stern, Sandra (2006)  : »Atypische« Beschäftigung und ihre vielen Gesichter. In  : Arbeit und Wirtschaft, Nr. 4, S. 8–11. Szecsi, Maria (1969b)  : Arbeitszeit und Wirtschaftswachstum. In  : Arbeit und Wirtschaft, Nr. 3, S. 13–16. Szecsi, Maria (1970)  : Jenseits der Vierzigstundenwoche. In  : Arbeit und Wirtschaft, Nr. 9, S. 2–5. Weißenberg, Gerhard (1955)  : Warum Verkürzung der Arbeitszeit  ? In  : Arbeit und Wirtschaft, Nr. 5, S. 159–162. Weißenberg, Gerhard (1962)  : Sozialpolitik 1962. In  : Arbeit und Wirtschaft, Nr. 1, S. 5–7. Weißenberg, Gerhard (1964)  : Drei Wochen Urlaub. In  : Arbeit und Wirtschaft, Nr. 6, S. 14– 18. Weißenberg, Gerhard (1969)  : Sozialpolitische Betrachtungen zur Vierzigstundenwoche. In  : Arbeit und Wirtschaft, Nr. 1, S. 6–13. Weißenberg, Gerhard (1970)  : Auf dem Weg zur Vierzigstundenwoche. In  : Arbeit und Wirtschaft, Nr. 1, S. 8–15. Zieger, Otto P. (1982)  : Arbeitszeitverkürzung. In  : Arbeit und Wirtschaft, Nr. 10, S. 4–5. Ziegler, Gerhard (1985)  : Ist die Flexibilisierung der Arbeitszeit unumgänglich  ? In  : Arbeit und Wirtschaft, Nr. 9, S. 3–4.

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Anhang

9.7.2 Die Zukunft Benya, Anton (1969)  : Technischer Fortschritt ermöglicht kürzere Arbeitszeit. In  : Die Zukunft, Nr. 7, S. 10–11. Häuser, Rudolf (1969)  : Arbeitszeitregelung – gesetzlich oder kollektivvertraglich. In  : Die Zukunft, Nr. 7, S. 14–15. Heiss, Fritz (1969)  : Auf die Dauer nicht aufzuhalten. In  : Die Zukunft, Nr. 7, S. 12–13. Kreisky, Bruno (1969)  : Für ein modernes Arbeitszeitgesetz. In  : Die Zukunft, Nr. 7, S. 1–2. Lachs, Thomas (1966)  : Volksbegehren – ein wichtiges Instrument. In  : Die Zukunft, Nr. 10, S. 24–25. Wondrack, Gertrude (1969)  : Brauchen wir ein modernes Arbeitszeitgesetz  ? In  : Die Zukunft, Nr. 7, S. 11–12. 9.7.3 Tages-, Wochen- und Monatszeitungen Aktion – Die Vorarlberger Monatszeitung für Arbeit und Konsumentenschutz Arbeiter Zeitung Der Standard Die Presse Kronen Zeitung Kurier Neues Österreich Oberösterreichische Wirtschaft Salzburger Nachtrichten Solidarität Wiener Zeitung 9.7.4 Onlinemedien Brunnbauer, Davina (2018)  : »Weltfremd« und »peinlich«  : Shitstorm für Zwölf-Stunden-TagVideo der Wirtschaftskammer. In  : Die Presse, 19. Juni 2018. Im Internet unter  : https:// diepresse.com/home/wirtschaft/eco1848/5449555/Weltfremd-peinlich_Shitstorm-fuer-ZwoelfStundenTagVideo-der-WKO [Datum des letzten Zugriffs  : 07.09.2018]. Vihaus, Yasmin (2018)  : Wirtschaftskammer will Wanda-like die »neue Welt der Arbeit« erklären. In  : The Gap, 18. Juni 2018. Im Internet unter  : https://thegap.at/wirtschaftskammer-will-wanda-like-die-neue-welt-der-arbeit-erklaeren/ [Datum des letzten Zugriffs   : 07.09.2018]. 9.7.5 Sonstige Bauer, Gernot (2018)  : Bundbehandlung. In  : Profil, 2. Juli 2018, Wien, S. 18–19. Bayer, Irmgard (1982)  : Denkmal für Kreisky  ? In  : Die Zeit, Nr. 22, 28. Mai 1982, Hamburg, S. 23. Bayer, Irmgard (1983)  : Österreich auf dem Weg zur 35-Stunden-Woche. In  : Die Zeit, Nr. 18, 29. April 1983, Hamburg, S. 24. Bayer, Irmgard (1984)  : Durch die Hintertür. Statt Kurzarbeit eine Arbeitszeitverkürzung bei Steyr-Daimler-Puch  ? In  : Die Zeit, Nr.  04, 20. Jänner 1984, Hamburg, S. 18.

Internet

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Buchacher, Robert (1982)  : 35 Stunden  ? Die Standpunkte sind different wie die Köpfe der ÖGB-Bosse. In  : Profil, 1. März 1982, Wien, S. 23–24. Holzinger, Lutz (2007)  : Kampfthema Arbeitszeit. In  : Die Arbeit 2/2007, S. 4–5. Kromp, Renate/Prager, Tessa (2018)  : Das Gewissen Österreichs. In  : News 38/2018, S. 24–30. Linsinger, Eva (2018)  : Mit EU und 12-Stunden-Tag gegen die eigenen Wähler. In  : Profil, 2. Juli 2018, Wien, S. 14–17. Oberösterreichische Wirtschaft (2004a)  : Arbeitszeitgesetz abspecken und Sozialpartnerschaft im Betrieb stärken. 23. April 2004/Folge 17, Linz, S. 2–3. Oberösterreichische Wirtschaft (2004b)   : WK-Forderungen für flexiblere Arbeitszeiten. 23. April 2004/Folge 17, Linz, S. 3. ORF (2018)  : Arbeitszeit und Arbeitsleid – Kampf um Stunden und Löhne. Im Zentrum, ORF 2, 17. Juni 2018, 22  :00–23  :02. Widek, Isabell (2018)  : Job – nonstop. In  : News 23/2018, S. 24–26.

9.8 Internet http://news.glb.at/news/article.php/20060323112551251 [Datum des letzten Zugriffs  : 07.10.2016]. http://www.boeckler.de http://www.dasrotewien.at/bilder/d27/TF_Arbeiterbewegung_Plakat_1969_SPOE_Broschuere.jpg [Datum des letzten Zugriffs  : 07.10.2016]. http://www.statistik.at/web_de/dynamic/statistiken/arbeitsmarkt/arbeitslose_arbeitssuchende/arbeitslose_internationale_definition/047356 [Datum des letzten Zugriffs  : 09.11.2016]. http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20050602_OTS0099/industrie-zu-arbeitszeitrichtlinie-chancen-der-arbeitszeitflexibilisierung-fuer-standort-europa-nutzen [Datum des letzten Zugriffs  : 09.11.2016]. https://www.unzensuriert.at/content/0027167-Pflasterstein-und-Grablichtaktion-sorgt-fuer-Fassungslosigkeit [Datum des letzten Zugriffs  : 17.09.2018]. https://www.wko.at/site/wirschauenaufoesterreich/start.html [Datum des letzten Zugriffs  : 07.09.2018]. https://www.parlament.gv.at/PERK/BET/MESN/ [Datum des letzten Zugriffs  : 06.09.2018]. Industriellenvereinigung  : Industrie zur Arbeitszeitrichtlinie  : Chancen der Arbeitszeitflexibilisierung für Standort Europa nutzen. Im Internet unter http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20050602_OTS0099/industrie-zu-arbeitszeitrichtlinie-chancen-der-arbeitszeitflexibilisierung-fuer-standort-europa-nutzen [Datum des letzten Zugriffs  : 07.10.2016]. WKO (2018)  : Willkommen in der neuen Welt der Arbeit [YouTube-Video], veröffentlicht am 18. Juni 2018. Im Internet unter  : https://www.youtube.com/watch  ?v=hAdMSQA9_ XQ [Datum des letzten Zugriffs  : 07.09.2018].

Register Achitz, Bernhard 524 Adam, Barbara 52 Adamovich, Ludwig 187 Altenburger, Erwin 11, 182, 233, 241, 260, 267, 269, 282, 323 Altun, Ufuk 77 Anderl, Renate 531, 536 Androsch, Hannes 356 Augustinus, Aurelius 44 Autischer, Karl 366f., 411 Bartenstein, Martin 81, 434, 502, 505ff., 514, 516 Bartunek, Ewald 399 Basalka, Heinrich 416, 444f. Bayer, Irmgard 385f. Benya, Anton 195, 206f., 230, 232, 237, 242, 282, 292, 299, 308, 321, 366, 371ff., 387f., 411, 413, 417 Bierlein, Brigitte 529 Birnbaumer, Werner 293 Bischof, Günter 30f. Blau, Paul 292, 316 Bosch, Gerhard 245, 450 Braun, Helmut 373 Bretschneider, Rudolf 411f., 448 Buchinger, Elisabeth 438f. Burgstaller, Paul 451 Butschek, Felix 106f., 129, 294, 315, 336f., 353, 365, 372, 374 Buxbaum, Adi 522 Cadek, Poldi 169 Cazes, Sandrine 85 Cerny, Josef 430f. Chaloupek, Günther 101, 435, 510 Czettel, Hans 309, 365, 389 Dallinger, Alfred 35f., 38, 125f., 345, 356, 358, 362, 364ff., 370ff., 376ff., 381, 385, 387ff., 391, 394, 398, 408f., 411, 413f., 434, 491, 553, 555 Dawkins, Peter 245 Delors, Jaques 375 Deutschmann, Christoph 66, 70

Ditz, Johannes 428, 478 Dohnal, Johanna 344f., 459, 462ff. Dolinschek, Sigisbert 426 Dollfuß, Engelbert 137 Dollinger, Rupert 355, 410ff., 443, 448 Dunst, Christian 522 Duval, Gottfried 411f. Eberling, Matthias 54 Egg, Herbert 376 Eisenreich, Herbert 230 Eisterer, Klaus 379 Ender, Berndt 300, 306, 314 Famira-Mühlberger, Ulrike 529 Farnleitner, Johann 478, 495 Faymann, Werner 523 Fellinger, Hans L. 182 Festa, Christian 219, 266, 268 Feurstein, Gottfried 476 Fialka, Leopoldine 162f., 168, 172 Firnberg, Herta 239 Fischer, Heinz 543 Flassbeck, Heiner 510 Flecker, Jörg 75, 79, 526 Ford, Henry 70 Frey, Volker 20f., 23f., 300 Freytag, Norbert 221, 229 Frühwirth, Michael 171 Gabalier, Andreas 11 Gassner, Johann 374 Gaudart, Dorothea 225 Gehler, Michael 31 Geißlinger, Ferdinand 145 Geppert, Walter 465 Glatter, Karoline 148, 163, 169 Goldschmidt, Oskar 218, 221f. González, Felipe 254 Gorbach, Alfons 111 Grabler, Klaus 432 Graf, Tanja 543 Grasser, Karl-Heinz 127, 130

Register Grießner, Isidor 299 Groß, Herbert 174 Grünner, Karl 385 Gudenus, Johann 531, 543 Gugerbauer, Norbert 126 Hagenhofer, Marianne 428 Haider, Jörg 118, 126f., 372, 375, 377, 380, 486 Hanisch, Ernst 30f. Hartinger-Klein, Beate 529f. Haselsteiner, Peter 426 Haslauer, Wilfried 406 Häuser, Rudolf 207, 242, 261, 348 Hauth, Anton 422, 440ff. Hebenstreit, Roman 536 Hemetsberger, Andrea 435ff. Hesoun, Josef 452, 462ff. Hielscher, Volker 19, 54, 64, 69, 78 Hildebrandt, Eckart 54 Hillegeist, Friedrich 180 Hiltl, Eleonora 324 Hinterseer, Tobias 86, 486, 514f., 555 Hinz, Arnold 49 Hirschel, Dierk 510 Hittmair, Anton 222f., 302 Hochrainer, Klaus 15, 21, 366, 450, 458, 475, 482, 493f. Hofer, Christian 428 Hofer, Gerhard 431 Hofer, Norbert 538, 540 Holzinger, Elisabeth 79f. Honner, Franz 242 Horak, Kurt 418, 450 Horn, Otto 204, 206 Horwitz, Michael 357 Hostasch, Eleonora 428, 476, 484, 493, 495, 497 Houdek, Maria 155, 173f. Hrdlitschka, Wilhelm 299 Hubinek, Marga 378 Hums, Franz 426, 430, 475f., 478, 481ff. Hussl, Richard 16, 20, 22 Jabornegg, Peter 16 Janßen, Daniela 77 John, Gerald 544 Jørgensen, Henning 82 Jürgens, Kerstin 54, 81, 225

617

Kaelble, Hartmut 247 Kaiser, Lutz 72 Kamitz, Reinhard 105 Kapsch, Georg 531f., 534 Karlhofer, Ferdinand 361 Katzian, Wolfgang 527f., 537, 544f., 549 Kdolsky, Andrea 529 Keckeis, Rainer 530 Keller, Berndt 82f. Kepplinger, Dietmar 432 Kern, Christian 523ff., 531f., 537, 540, 542 Kienzl, Heinz 365 Kier, Volker 426 Kittel, Bernhard 430, 466, 468 Klasnic, Waltraud 491 Klaus, Josef 117, 268, 281, 297, 332 Klein, Christoph 11 Klein, Karl 487 Klein, Martina 11, 58 Klenner, Fritz 219 Klestil, Thomas 465, 499 Klima, Viktor 484, 486, 490 Klingler, Hans 372 Klose, Alfred 217, 220f., 228, 295 Knapp, Horst 188, 195f., 198, 295 Knill, Christian 548 Kohlmaier, Herbert 237 Koller, Andreas 526 Kopf, Karlheinz 508, 531f., 534 Koren, Stephan 112, 279, 309 Korosec, Ingrid 459, 463 Koselleck, Reinhart 43 Kramer, Helmut 293 Kratzer, Nick 512 Kreisky, Bruno 31, 35, 118, 120, 258, 276f., 279ff., 284, 296f., 299f., 308, 312, 316f., 331f., 348, 371ff., 380, 382f., 552 Kriechbaumer, Robert 31 Kronauer, Martin 82 Kropf, Wolfgang 388 Külp, Bernhard 225 Kummer, Karl 241 Kummer, Leopoldine 155, 166, 172 Kurz, Sebastian 127, 529f. Kurz-Scherf, Ingrid 72 Kußmaul, Paul 40

618 Lachnit, Vinzenz 355 Lachs, Thomas 275f., 552 Lacina, Ferdinand 384, 387 Lamel, Joachim 294, 354, 411f., 444 Lechner, Max 532 Lehndorff, Steffen 498 Leiber, Simone 93 Leithenmayr, Hermann 388, 390, 451 Leitl, Christoph 429, 453ff. Lennkh, Georg 383 Lerner, Abba B. 101f. Leutner, Richard 431, 443f. Lewis, J. David 56 Lingens, Peter Michael 366 Linne, Gudrun 82 Loacker, Gerald 537, 542 Löschnak, Franz 350 Maderthaner, Wolfgang 481, 494f. Madsen, Per Kongshøj 82 Mahrer, Harald 532 Maisel, Karl 140, 163, 170, 193 Maleta, Alfred 278 Mantler, Karl 145 Marberger, Karl 243 Marimon, Ramon 254 Marin, Bernd 425 Marscher, August 242 Marterbauer, Markus 101 Matouschek, August 187 Maurer, Andrea 65, 68 Mayer, Heinz 464 Melter, Werner 323, 348 Mertl, Ilse 482 Michon, François 245 Mitic, Max 220f. Mitter, Peter 334, 337 Mitterbauer, Peter 490 Mitterlehner, Reinhold 395 Mock, Alois 369, 374, 380, 385, 452 Moik, Wilhelmine 160f., 164, 168, 170, 172 Mooslechner-Stranzinger, Dagmar 301, 345 Morlock, Martin 258f. Moser, Ulrike 365 Muchitsch, Josef 529, 531f., 545 Mueller, Robert 225 Mussil, Arthur 207, 234, 236, 278

Register Mussolini, Benito 254 Nachreiner, Friedhelm 77 Nautz, Jürgen 95, 122 Nemschak, Franz 91 Nernyi, Willie 543 Nesporova, Alena 85 Nettig, Walter 453 Neugebauer, Fritz 439 Niemitz, Franz Erwin 303 Nowotny, Helga 48 Nürnberger, Rudolf 429, 439 Nyikos, Emmerich 16 Ofner, Günther 381 Olah, Franz 111, 116, 215, 330 Öllinger, Karl 489, 502 Osterhammel, Jürgen 29, 31 Otto, Karl A. 64 Pansi, Herbert 348 Papesch, Anton 198 Papst Johannes Paul II 376 Peisser, Elly 173 Pelinka, Anton 88, 93 Petrovic, Madeleine 427 Pewny, Christian 543 Pichelmann, Karl 431 Pichler, Franz 261 Pittermann, Bruno 178, 297, 330, 332 Plaschg, Wolfgang 20f., 25f. Poigenfürst, Johannes 464f. Pöltl, Fritz 530 Prinzhorn, Thomas 453 Proksch, Anton 174f., 194, 203, 235 Pröll, Erwin 479f. Queen Elizabeth II. 312 Raab, Julius 105, 111, 116, 179, 203, 215 Rabl-Stadler, Helga 345, 367, 395, 440, 445ff. Ranftl, Edeltraud 157, 160 Ratzenböck, Josef 385f., 389 Raus, Otmar 351 Rehor, Margarete 175, 241f., 321, 324, 348 Reifenberger, Volker 543 Rein, Manfred 474

Register Reiterer, Claudia 531 Reithofer, Hans 207, 216, 224, 303, 454 Reitsamer, Annemarie 453 Riegler, Josef 460, 462 Riess-Passer, Susanne 127 Riha, Rudolf 238 Rinderspacher, Jürgen P. 55, 57, 63f., 67 Rogowski, Ralf 84 Rome, Helmut 299 Roosevelt, Theodore 143f. Rösch, Bernhard 536 Rosenberger, Kitty 169 Rosenberger, Sieglinde 88, 93 Rosenkranz, Walter 528ff., 536 Rosner, Peter 431 Salcher, Herbert 374, 380, 386 Sallinger, Rudolf 234, 292, 299, 374, 379, 417 Sallmutter, Hans 435, 439 Sandgruber, Roman 23 Sauer, Dieter 512 Sausgruber, Herbert 480 Scheibengraf, Heinrich 275 Scheichelbauer, Peter 196 Schellhorn, Josef 524, 533 Schenk, Winfried 354 Scherrer, Josef 279 Scheuch, Manfred 234f., 278, 297 Schieder, Andreas 540 Schlote, Axel 45f. Schmid, Tom 20, 450 Schmidt, Heide 126, 425 Schmitz, Wolfgang 112, 218, 222 Schneider, Michael 251 Schoenaich-Carolath, Alexandra-Friederike ­Prinzessin zu 445 Schöneck, Nadine M. 47, 52, 56 Schöps, Martina 60 Schramböck, Margarete 533 Schranz, Edgar 277, 280 Schüssel, Wolfgang 127, 486, 496, 499, 530 Schwarz, Bernhard 410, 425 Schwarz, Heinz 295 Seidel, Hans 99, 101, 103, 228, 447 Seifert, Hartmut 82f. Sekanina, Karl 371 Silhavy, Heidrun 498

619

Sinowatz, Fred 118, 124, 366, 380, 384, 386f. Skolka, Jiri 334, 337 Solar, Lola 343 Sorger, Claudia 15, 17, 20, 24, 32, 95, 158, 160, 480, 488, 519f. Staribacher, Josef 233ff., 322 Steger, Norbert 385 Steibl, Ribi 434 Steidl, Ernst 417 Steinhuber, Sepp 348 Stemberger, Gerhard 347, 397ff. Strache, Heinz-Christian 127, 529f., 536 Streissler, Monika 218ff. Strolz, Mathias 526 Supper, Meinhard 295, 356 Szecsi, Maria 278, 293, 303 Tálos, Emmerich 20, 22, 71, 79, 92, 137, 332, 365, 417, 515 Tangian, Andranik S. 85 Taus, Josef 229 Taylor, Frederic Winslow 70 Teiber, Barbara 536 Teriet, Bernhard 73, 354 Thompson, Edward Palmer 62 Tirnthal, Rudolf 375 Tomandl, Theodor 218, 220, 222, 455, 464 Trauner jun., Rudolf 430 Trauner sen., Rudolf 452 Traxler, Gabrielle 459 Traxler, Günter 315 Typplt, Heimo 544 Ulram, Peter 411f. Unger, Brigitte 100 Utner, Franz 197f. Verzetnitsch, Fritz 427, 431, 439, 449, 455, 483, 487, 493, 498 Veselsky, Ernst Eugen 297, 362 Vobruba, Georg 80, 395 Vogt, Carl-Georg 455 Vollmann, Manuela 531 Voss, Jenna 78 Vranitzky, Franz 126, 365, 456, 460, 475 Walter, Uwe 29

620

Register

Walterskirchen, Ewald 353, 363, 410 Warsewa, Günter 78 Weber, Anna 156 Weigert, Andrew J. 56 Weissel, Erwin 23 Weißenberg, Gerhard 156, 188f., 194f., 199f., 206, 358, 362, 370 Weisz, Robert 261 Westphalen, Ferdinand A. 196 Widhalm, Karl 198 Wille, Sepp 365, 376, 383ff. Wilthagen, Ton 84 Winkler, Herta 321

Winkler, Jürgen 455 Wipplinger, Hubert 454 Withalm, Hermann 281, 297, 300, 316f. Wodica, Anton 226 Wöginger, August 528, 535, 538 Wondrack, Gertrude 343 Worthmann, Georg 58 Wüthrich, Werner 11, 22, 24, 192 Zangerl, Erwin 530 Zerubavel, Eviatar 47, 56 Ziegler, Gerhard 412 Zilibotti, Fabrizio 254

SCHRIFTENREIHE DES FORSCHUNGSINSTITUTS FÜR POLITISCH-HISTORISCHE STUDIEN DER DR. WILFRIED-HASLAUER-BIBLIOTHEK herausgegeben von Franz Schausberger, Robert Kriechbaumer und Hubert Weinberger

Band 62: Franz Schausberger Rudolf Ramek 1881–1941 Konsenskanzler im Österreich der Gegensätze 2017. 916 Seiten, 126 s/w-Abb., gebunden € 58,00 D | € 60,00 A ISBN 978-3-205-20644-6 Im Gegensatz zur Konfrontationspolitik seiner Zeit setzte Ramek auf Konsens und konnte beachtliche Erfolge erzielen. Es war höchst an der Zeit, diesen Konsens-Kanzler historisch vor den Vorhang zu holen.

Band 61: Robert Kriechbaumer | Michael Mair Der lange Umweg zur Macht Die Geschichte der Grünen in Salzburg bis 2013 2017. 728 Seiten, 25 s/w- und 21 farb. Abb., gebunden € 50,00 D | € 52,00 A ISBN 978-3-205-20650-7 1977 schlossen sich in Salzburg mehrere Bürgeriniativen zur Wahlplattform „Bürgerliste“ zusammen und zogen in den Gemeinderat – die Geburt der Grünen. Das Buch zeichnet den Weg bis zur Regierungsbeteiligung 2013 nach.

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Band 64: Lothar Höbelt Die Erste Republik Österreich (1918–1938) Das Provisorium 2018. 456 Seiten, gebunden € 38,00 D | € 40,00 A ISBN 978-3-205-20539-5 Lothar Höbelt bezeichnet die Erste Republik als ein Provisorium, das sich vom Charakter des Unfertig-Behelfsmäßigen nie ganz zu lösen verstand. Er schildert die Ereignisse der Jahre 1918-1938 nicht als Geschichte der versäumten Gelegenheiten, sondern „wie es eigentlich gewesen ist“.

Band 63: Eva Maria Hoppe-Kaiser Hitlers Jünger und Gottes Hirten Der Einsatz der katholischen Bischöfe Österreichs für ehemalige Nationalsozialisten nach 1945 2017. 422 Seiten, 68 s/w-Abb., gebunden € 31,00 D | € 31,00 A ISBN 978-3-205-20628-6 Auch wenn die katholische Kirche Österreichs heftig unter der Verfolgung durch das NS-Regime zu leiden hatte: Bereits in der unmittelbaren Nachkriegszeit machten sich die Bischöfe für ehemalige Nationalsozialisten stark.

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Band 66: Robert Kriechbaumer Nur ein Zwischenspiel (?) Die Grünen in Österreich von den Anfängen bis 2017 2018. 650 Seiten, 51 s/w- und farb.-Abb., gebunden € 45,00 D | € 47,00 A ISBN 978-3-205-20805-1 Auch als eBook erhältlich Die österreichischen Grünen gehörten seit ihrem Einzug in den Nationalrat 1986 zu den erfolgreichsten Grün-Parteien Europas Innerhalb eines Jahres erfolgte jedoch der Absturz aus lichten Höhen in die drohende politische Bedeutungslosigkeit.

Band 65: Robert Kriechbaumer | Richard Voithofer (Hg.) Politik im Wandel Der Salzburger Landtag im Chiemseehof 1868-2018 2018. 1.032 Seiten, mit 332 s/w- und farb. Abb., gebunden € 80,00 D | € 82,00 A ISBN 978-3-205-20776-4 Auch als eBook erhältlich Seit 1868 tritt der Salzburger Landtag zu seinen Sitzungen im Chiemseehof zusammen. Als Sitz des Landesparlaments ist der Chiemseehof der zentrale Ort der demokratischen Mitbestimmung in Salzburg.

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Band 68: Oskar Dohle | Thomas Mitterecker (Hg.) Salzburg 1918-1919 Vom Kronland zum Bundesland

Band 67: Ernst Hanisch Landschaft und Identität Versuch einer österreichischen Erfahrungsgeschichte

2018. 476 Seiten, mit 170 s/w- und farb. Abb., gebunden € 39,00 D | € 40,00 A ISBN 978-3-205-20074-1 Auch als eBook erhältlich

2019. 401 Seiten, mit 65 s/w- u. farb. Abb., gebunden € 35,00 D | € 36,00 A ISBN 978-3-205-20860-0 Auch als eBook erhältlich

Dieser reich illustrierte Sammelband mit Aufsätzen namhafter Expertinnen und Experten beleuchtet aus verschiedensten Blickwinkeln den Zeitraum vom Sommer 1918 bis zu den ersten Wahlen im April 1919 im Land Salzburg.

Ernst Hanisch untersucht die Erfahrungen der Menschen in und mit der Landschaft: welche Gefühle Landschaft auslöst, wie sie Mentalitäten prägt. Der Zeithorizont reicht von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart.